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+The Project Gutenberg EBook of Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Rudolph von Habsburg.
+ Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen.
+
+Author: Ladislav Pyrker
+
+Release Date: July 20, 2009 [EBook #29465]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. ***
+
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+
+Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online
+Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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+[Dieser Text benutzt die UTF-8-Kodierung (Unicode). Wenn die Apostrophe,
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+
+
+
+
+ [Abbildung:
+ Pyrker.
+ J. Bucher gez. / Stahlstich v. V. Froer.
+ Rudolph von Habsburg.]
+
+
+
+
+ Johann Ladislav Pyrker’s
+
+ SÄMMTLICHE WERKE.
+
+ Neue durchaus verbesserte Ausgabe.
+
+ Zweiter Band.
+
+
+ Stuttgart und Tübingen.
+ _J. G. Cotta’scher Verlag._
+ 1855.
+
+
+
+
+ Buchdruckerei der J. G. _Cotta_’schen Buchhandlung in Stuttgart
+ und Augsburg.
+
+
+
+
+ Rudolph von Habsburg.
+
+ Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen.
+
+
+
+
+=Inhalt der zwölf Gesänge.=
+
+
+=Erster Gesang.=
+
+Eingang. Drahomira entfährt der Hölle, sich an Ottgar zu rächen. Er
+lagert vor Dürnkrut. Aufzählung der böhmischen Völker. Ottgar im
+Kriegsrath mit seinen Feldherrn. Kunegunde, von Drahomira empört,
+erfüllt ihn mit unversöhnlicher Rachgier. Meinhard von Görz, und
+Lichtenstein, die Gesandten Rudolphs, kommen, ihm Frieden zu biethen,
+und zugleich, als sie ihn zum Turniere laden, um die Hand seiner Tochter
+für Rudolphs Sohn zu frei’n. Wallstein, Ottgars Liebling, trägt
+heimliche Liebe zu ihr. Ottgar entläßt die Gesandten mit zweifelhaften
+Worten. Beschließt den Kampf. Gesichte der Zukunft.
+
+
+=Zweiter Gesang.=
+
+Rudolph zieht seinem Sohn Albrecht bis Lilienfeld entgegen. Besteigt die
+Alpenhöhen, wo ein frommer Klausner ihm seines Hauses künftige Größe
+verkündet. Schlägt Müller, den Zürcher, zum Ritter. Sonnenaufgang, und
+herrliche Aussicht. Albrecht nah’t von Zell heran, und stellt dem
+Kehrenden die Schweizer- und die schwäbischen Scharen vor. Er zieht mit
+ihnen g’en Wien. Hedwig.
+
+
+=Dritter Gesang.=
+
+Marbod, einst König der Markmannen, und ein jetzt dem Kaiser gewogener
+Geist, eröffnet dem Feldherrn Hugo von Tauffers, in einem Traum, den
+Verrath, den Waldram, Bürgermeister zu Wien, an dem Kaiser sinnt.
+Rudolph kommt mit seinen Scharen heran, und nimmt an der Wien von seiner
+Gemahlinn Abschied. Sendet Hugo von Tauffers an den König der Ungern,
+Ladislav. Ernennt an dessen Stelle seinen Sohn, Hartman, zum
+Festungsgebiether, und eilt in das Lager am Tabor. Aufzählung seiner
+Völker. Hugo von Tauffers im Lager der Kumanier und Ungern. Diese setzen
+die March herüber.
+
+
+=Vierter Gesang.=
+
+Morgen. Turnier am Tabor. Von Drahomira erregt, höhnt Wallstein Hartman,
+Rudolphs Sohn; kommt unerkannt in schwarzer Rüstung Ottgar heran;
+widersteht ihrer Einflüsterung, den Kaiser zu morden; ersticht Hartmans
+Roß; wirft den Fehdehandschuh Rudolph, zum Kampf auf Tod und Leben, hin,
+und entflieht im schrecklichen Donnergewitter.
+
+
+=Fünfter Gesang.=
+
+Ottgar gebiethet in der Nacht dem Heere den Aufbruch, dem er mit
+schwachem Geleit folgt. Aus dem Hinterhalt fallen ihn die Kumanier an.
+Er schlägt sich mit Wallstein durch. Milota führt ihn auf Irrwegen von
+dem Heer ab, und quält ihn mit Rückerinnerungen verübter Frevelthaten.
+Von Drahomira bethört, hält Wallstein um die Hand seiner Tochter an. Er
+mißhandelt ihn.
+
+
+=Sechster Gesang.=
+
+Czernin dringt, mit Waldram verstanden, in der Mitternachtsstunde, an
+der Spitze einer Schar Böhmen in die Veste Wien ein, als Hartman eben
+wegen der schwerkranken Mutter sich nach dem Kahlenberg begab. Ihm, und
+den Aufrührern, setzen sich die Schweizer standhaft entgegen. Der Kaiser
+zieht, auf Marbods Wink, mit Hugo von Tauffers vor die Thore. Hartman
+sprengt herbei, und tödtet Waldram; worauf die Böhmen sich eilig wieder
+über die Donau zurückzieh’n. Hugo abermals zum Festungsgebiether
+ernannt. Tod der Kaiserinn. Todtenfeier und Begräbniß. Der Kaiser sendet
+Albrecht nach Heunburg, eine Brücke über die Donau zu erbauen. Hartman
+eilt nach dem Rhein fort.
+
+
+=Siebenter Gesang.=
+
+Der Kaiser setzt mit dem Heere bei Heunburg über die Donau, und rückt
+g’en Marcheck vor. Wallstein, dem Wahnsinn nahe, tödtet einen seiner
+Krieger. Der Kaiser entläßt ihn schonend. Kaduscha, ein Führer der
+Kurmanier meldet ihm die Nähe des Königs, und die Sendung des Geschenks
+mit den Köpfen der, im nächtlichen Ueberfall, getödteten Böhmen. Der
+Kaiser sendet Schwarzenberg dem König entgegen, und heißt ihn, jene
+begraben zu lassen. Die Geister: Marbod und Inguiomar auf Rudolphs, und
+Katwald auf Ottgars Seite. Zusammenkunft Rudolphs mit dem König
+Ladislav. Ottgar rückt mit dem Heer’ an. Der Kaiser stellt seine Völker
+in Schlachtordnung. Marbod treibt Schörlins Roß gegen die Böhmen. Der
+Kampf beginnt. Ottgar tödtet in der Vorhuth zwei Trautmansdorfe.
+Pfannberg wird verwundet. Die Steyrer weichen. Der Kaiser hält die
+Flüchtenden vor Marcheck auf.
+
+
+=Achter Gesang.=
+
+Nacht. Von Drahomira verleitet, setzt Wallstein, mit kumanischen
+Kriegern vereint, ein Städtchen in Mähren in Brand, und tödtet einige
+böhmische Reiter. Kommt zu sich. Eilt in das Lager Rudolphs, und
+erbiethet sich, Ottgarn heimlich zu tödten. Der Kaiser heißt ihn reuig
+zu Jenem zurückkehren. Drahomira drängt ihn umsonst, den schlummernden
+König zu morden. Er fällt in sein eigenes Schwert. Drahomira fährt zur
+Hölle. Wallsteins Grab. Der Kaiser stellt in der Morgendämmerung sein
+Heer in Schlachtordnung. Ottgar, in Gram versunken, säumt. Ernennt
+Milota zum Anführer des Haupttreffens. Worauf die Meißner und Thüringer
+von seinem Heer heimlich abziehen; so auch Kunring. Doch Ottgar
+gebiethet den Angriff.
+
+
+=Neunter Gesang.=
+
+Morgen. Der Kaiser verschiebt die Hauptschlacht auf den folgenden Tag.
+Sendet Trautmansdorf mit seinen Söhnen, es Ottgarn kund zu thun, und ihm
+nochmals Frieden zu biethen. Dieser wird von ihm schnöde abgefertigt.
+Von den feindlichen Reitern gehöhnt, kehren fünf seiner Söhne, kämpfen,
+und fallen. Der Kaiser stellt sein Heer dem anstürmenden Feind, vor des
+Lagers Wall, entgegen. Angriff, und hartnäckiger Kampf. Milota tödtet
+die beiden Führer Berchtold und Col von Seldenhofen. Capellen entflammt
+die Oestreicher. Die Mährer weichen. Katwald ermuntert den Herbot von
+Füllenstein, daß er vor Allen auf den Kaiser eindringe. Meinhard, Graf
+von Görz und Tyrol, ringt gegen die Bayern und Sachsen, und erlegt den
+Feldherrn Czernin; Heunburg den Markgrafen Pfeil, Feldherrn der Sachsen.
+Da dringt Herbot von Füllenstein auf den Kaiser los, und ersticht ihm
+das Pferd unter dem Leib. Sechs Trautmansdorfe kämpfen um ihn herum, und
+fallen. Der Kaiser reißt Herbot mit dem Speere von dem Pferd herunter,
+und macht ihn gefangen. Heißt dort Albrecht mit den Schweizern
+vordringen, hier Matthias von Trentschin mit den Ungern dem Feind’ in
+die Seite stürmen. Lobkowitz ruft Ottgar auf, daß er mit ganzer Macht
+sich auf den Feind werfe. Er gibt ihm kein Gehör. Auf den Ruf „die
+Feinde fliehen!“ weichen seine Völker, und er führt sie bis Dürnkrut
+zurück. Der Kaiser lagert vor Ebenthal. Nacht.
+
+
+=Zehnter Gesang.=
+
+Hartman ertrinkt in dem Rhein. Der Kaiser hält mit seinen Feldherrn erst
+Kriegsrath; dann die Abendmahlzeit. Horneck der Sänger tritt ein, und
+singt die fromme Handlung des Kaisers, als er dem Priester sein Roß
+both. Entläßt die Feldherrn. Dem Entschlummerten erscheint sein Sohn
+Hartman. Ottgars Abschied von Kunegunden.
+
+
+=Eilfter Gesang.=
+
+Morgen. Schlachtordnung der Böhmen. Der Kaiserlichen. Gottesdienst.
+Vorbereitung zur Schlacht. Die Ritter buhlen um die Ehre, die Sturmfahne
+zu tragen. Ottgar, von Katwald erregt, nah’t mit seinem Heer. Hundert
+Zürcher erhalten vom Kaiser den Ritterschlag. Trautmansdorfs letzter
+Sohn fällt. Die Kumanier stürmen sonder Ordnung. Lobkowitz bringt sie
+und die Steyrer, zum Weichen. Verstärkter Angriff. Die Kaiserlichen
+allenthalben zurückgedrängt. Der Kaiser steigt vom Pferd, bethet zum
+Himmel, und macht ein Gelübde. Ein Unsterblicher stärkt ihn, und heißt
+die Geister entflieh’n. Erneuerter Kampf. Albrecht, sein Sohn, trägt ihm
+die Kreuzesfahne vor. Nach schrecklichem Gewürg’, wo, mit den Rittern,
+die Schweizer und Schwaben entscheidend vordringen, weicht Ottgar auf
+den Spannberg zurück. Heißt Milota mit dem Nachhalt vorgeh’n. Allein
+dieser flieht, ihn höhnend, mit seinen Scharen vom Schlachtfeld. Letzter
+mörderischer Kampf. Ottgar von den Merenbergern vom Pferde gestochen.
+Sein zerstreutes Heer bis g’en Laa verfolgt.
+
+
+=Zwölfter Gesang.=
+
+Ottgars Leiche wird in der Nacht auf einen Trauerwagen gehoben. Hornecks
+Klaggesang. Des Kaisers Einzug in Wien. Dankgebeth. Der Wagen mit
+Ottgars Leiche nah’t. Lobkowitz führt dessen Sohn Wenzel herbei, daß er
+um selbe flehe. Der Kaiser entläßt sie. Endet seinen Siegeseinzug in die
+Burg. Nimmt den König Ladislav, und Wenzel an Sohnes statt an, und
+verheißt diesem seine jüngste Tochter Gutha. Belehnt seinen Sohn
+Albrecht mit Oestreich, und zieht sich dann in das Trauergemach, wo die
+Kaiserinn starb, zurück.
+
+
+
+
+ Erster Gesang.
+
+
+ Tön’, o Heldengesang, von den schmetternden Kriegesdrometen
+ Wieder geweckt, von Rudolph nun, dem Kaiser der Deutschen,
+ Der obsiegend der Macht des Böhmenköniges, Ottgar,
+ Wahrte die Rechte des Reich’s, und, kehrend vom blutigen Schlachtfeld,
+ Gründete Habsburgs Thron an den Ufern der mächtigen Donau,
+ Seinem Geschlechte zum Ruhm, und unzähligen Völkern zum Segen!
+
+ Wer empörte sofort, nach dem jüngsterrungenen Frieden,
+ Wieder die Fehd’ und das Grau’n der menschenvertilgenden Feldschlacht?
+ Ein unseliger Geist, _Drahomira_.[1] Die Herrscherinn Böhmens
+ War sie, und noch ist ihr Nahme mit Schauder genannt in dem Land dort:
+ Denn Wratislav, dem christlichen Fürsten, vermählet als Heidinn,
+ Trug sie den Christen Haß in der schrecklichen Brust, und verfolgte
+ Sie mit Feuer und Schwert. Sie waffnete selbst den Erzeugten,
+ Boleslav, daß er Wenzel ermorde, den eigenen Bruder,
+ Weil er dem Heiland getreu, festhielt an dem heiligen Glauben,
+ Und verübt’ auch sonst an dem Volk’ entsetzliche Frevel:
+ Zaubergewaltig, ergeben dem Trug der Hölle -- der Schwarzkunst;
+ Bis urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie,
+ Lebend, verschlang. Noch jüngst ausspie der klaffende Felsen
+ Dort bald finsteren Rauch, bald bläuliche Flammen: denn oft kam
+ Noch in der Neumondsnacht (so heischt’ es die Sag’) ihr zu opfern,
+ Mancher, vom Wege des Heils Verirrter, dahin, und Verdammniß
+ Ward ihm zu Theil. D’rum hieß, als früher geweihetes Wasser
+ Sprengte der Priester umher, und stehende Worte zu Gott rief,
+ Ottgar füllen den Zauberschlund mit dem lastenden Felsblock
+ So, daß auf immer verhüllt die Spur des unseligen Raum’s sey.
+
+ Unten im Höllenpfuhl, der außer des kreisenden Weltalls
+ Gränzen sich noch unendlich erstreckt, erhob Drahomira
+ Jetzt, verwundert, ihr Haupt, und sprach wuthfunkelnden Blickes:
+ „Ha! wie kommt es, daß heut der betäubende Rauch, und die Flamme,
+ Die ich genährt in dem Schlund’,
+ in welchem ich schrecklichen Tod fand,
+ Qualmend herab sich wälzt, und keiner der Sterblichen seither,
+ Opfernd vor ihm, die Schar der Unseligen mehrt in dem Pfuhl hier?
+ Meister, ist dir’s genehm, daß ich eile hinauf nach des Erdballs
+ Fluren, und forsche, wie solches gescheh’n? Bald öffnet Verführten
+ Wieder der Schlund sich weit; ich sende sie, dir zu Gefallen!“
+ Sagt’ es, und blickte nach Satan hin, der, riesengestaltet
+ Saß auf dem glühenden Thron’, und die furchtbarn Augen zum Boden
+ Heftete, so die unendliche Qual des zerrissenen Herzens
+ Durch empörenden Trotz und erheuchelte Ruhe zu bergen;
+ Aber umsonst: denn nimmer birgt er das innere Weh’ mehr,
+ Das von der finsteren Stirn’ und den zuckenden Wangen sich kund thut.
+ Nicht erhob er auch jetzt den Blick von dem Boden: er winkte
+ Nur mit dem Haupt, daß die Höll’ erzitterte, jener den Beifall:
+ Alsbald fuhr sie in brausender Hast von dem schrecklichen Wohnsitz
+ All der Unseligen auf, und nahte dem Lande der Böhmen.
+
+ Kaltverachtenden Blicks gewahrte sie dort auf den Fluren
+ Reiches Gedeih’n, und rings die freundlichen Städt’ und die Dörfer;
+ Aber vor allen, am Moldaustrom’ erglänzend die Hauptstadt,
+ Praga, im lieblichen Reiz erst jüngstentfalteter Blüthen.
+ Sieh’, und ein Pilger kam vom Gelobten-Lande gezogen,
+ Der vor Jahren die Heimath verließ! Er blickte mit Staunen
+ Lang’ um sich her: da naht’ ihm, lächelnd, ein Greis, und im Beiseyn
+ Jener Verworf’nen zugleich, die ihm leis’ aufhorchte, begann er:
+ „Fremdling, suchst du den Mann, der hier ein Eden erschaffend,
+ Wie durch Wundergewalt das Leben der Menschen verschönt hat?
+ Nun ist er fern: denn wiss’ es, der Held und erhabene König,
+ Ottgar, streute mit Liebe die Saat, und ihm reifte zum Segen
+ Wohlstand unter dem Volk’ in des Landes erfreuender Schönheit.
+ Auch erlagen die Gegner ihm stets, und es kündiget allwärts
+ Seines Nahmens Unsterblichkeit der herrlichste Siegsruhm.
+ Dennoch hielt er so gern in der dunkelen Scheide das Eisen,
+ Frieden ersehnend, zurück, und entblößt’ es auch jetzt, nur gezwungen,
+ Gegen des streitbarn Rudolphs Macht. Er wird sie für immer
+ Bändigen: denn er zog, gar furchtbargerüstet, zum Kampf’ aus.
+ Ach, ihn drängte zum Friedensbruch Kunegunde, die Gattinn!
+ Grimmvoll ist ihr Gemüth, und ihr Herz verwildert durch Herrschsucht,
+ Die ihm das Böse vergilt, das er Margarethen, der frommen,[2]
+ Einst als Gatt’ erwies! Dieß Eine verdunkelt den Hochglanz
+ Seines Ruhms: ihn lenket ein Weib, das, Böhmen zum Jammer,
+ Selbst Drahomiren gleich, der Unheilstifterinn, wüthet,
+ Die für den schnöden Gewinn: zu gebiethen des Himmels Gewittern;
+ Auf den Flügeln des Sturms einher zu fahren im Luftraum,
+ Oder unsichtbar Menschen zu nah’n -- zu schau’n, und zu horchen
+ Dort in dem traulichen Kreis’ der Versammelten, und zu verderben
+ Alle, die auch mit lispelndem Laut, mit umschauendem Blick nur
+ Ihrer gedacht, und tadelnde Worte gesprochen: für solches
+ Hatt’ einst diese verkauft die unsterbliche Seele der Hölle;
+ D’rauf noch Schuld gehäufet auf Schuld, bis schrecklicher Tod ihr
+ Macht und Leben entriß, und die Böse dem Bösen gesellte,
+ Als urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie,
+ Brausend, verschlang: zur Strafe der wildumtobenden Blutgier,
+ Frevelnden Götzendienst’s, und schrecklicher Christenverfolgung.
+ Aus dem furchtbarn Schlund aufquoll noch in unseren Tagen
+ Finsterer Rauch; doch Ottgar barg ihn, den Menschen zur Rettung,
+ Die, vom Satan bethört, leichtgläubigen Sinnes, ihr nächtlich
+ Opferten, dort ihr Geschick in kommender Zeit, zu erfragen,
+ Oder sich trüglichen Glücks zu erfreu’n zu unendlichem Jammer.“
+ Sagt’ es, und ging. Da flog, von der Schmähung empört, Drahomira
+ Ihm auf dem Heerweg nach, und haucht’ ihm Gift in das Antlitz:
+ Alsbald stand er, erbleicht, und sank, vergehend, zusammen --
+ Lag, und stöhnte vor Schmerz, bis endlich der Zauber entfloh’n war.
+
+ Aber sie starrete jetzt, tiefsinnend, und sonder Bewegung
+ Wie der Aar, der erst die mächtigen Flügel geschlagen,
+ Regungslos hinschwebt in der bläulichen Luft, in des Schlundes
+ Grauen hinab. Das Aug’ ihr rollete wild in den Kreisen;
+ Knisternd sträubt’ ihr Rabenhaar sich empor von der Scheitel,
+ Und voll Grimms erzitterten ihr die Lippen; sie sagte:
+ „Ottgar, Fluch sey dir! Du vernichtest des felsigen Schlundes
+ Zaubergewalt, die Viele nach mir in’s Verderben hinabriß?
+ Gläubig nahten ihm oft die Verblendeten, welche, des Schicksals
+ Dunkeln Pfad zu erkunden, auf ihm, des dräuenden Himmels
+ Warnung zum Trotz, der drückenden Last des Lebens entledigt,
+ Gerne für trügliches Erdenglück das ewige böthen.
+ Aber von diesem verbannt durch eisernrichtenden Machtspruch,
+ Sollt’ ich den glühenden Durst nach Rache, durch Trug und Verblendung,
+ Ich nicht löschen am Volk, das, gläubig, der Täuschung sich hingab?
+ Trost ist’s, wenn in der Brust der Unseligen solchem noch Raum blieb,
+ Mit in dem ähnlichen Jammergeschick die Gefährten zu sehen.
+ Wie, du entziehst, ein Thor, durch höhnenden Frevel auch die mir?
+ Ha, dir sey jetzt Rache geschworen! Nicht will ich mehr rasten,
+ Bis dein Heldenweib -- ihr werde der Thron und die Herrschaft,
+ Ja, sie herrsche nach dir, mir ähnlich an Kraft und Gesinnung,
+ Gegen den Feind dich reizt, und du in dem Kampfe, besiegt, fällst;
+ Also büße den Ruhm, der dir Drahomiren empörte.“
+ Und sie flog nun hin, wo im weitverbreiteten Marchfeld
+ Ottgars furchtbares Heer von Dürnkruts[3] Hügeln hinunter,
+ Lagerte, dort mit höllischer Lust ihm, verderbend, zu nahen.
+
+ Leise schwebte die Nacht auf den ringsverstummenden Erdkreis
+ Nieder. Aus Süden erbraus’te der Sturm, und jagte die Wolken
+ Auf an des Himmels Zelt. Sie rissen im eilenden Zug’ oft
+ Weit entzwei: da blickte der volle Mond aus des Himmels
+ Bläue so düster herab, und die Stern’, in Nebel sich hüllend,
+ Trauerten: denn ein Unhold naht’ auf den Flügeln der Windsbraut.
+ Jetzt, wie die ragenden Wäll’ und die Häuser der mächtigen Hauptstadt,
+ Meilenlang bedecken den Plan, und oben zum Bergrand
+ Aus der Tiefe herauf dem Wanderer, düsteren Schimmers
+ Glänzet der Lampen Schein in der Nacht, unzählig und endlos:
+ Also erschien ihr das Heer des Königes, das er erst gestern,
+ Nach der Eroberung Drosendorfs, des trotzenden Städtchens,
+ Am Gestade der March, auf Dürnkruts Fluren vereinte.
+
+ Bald erspähte sie dort in des Lagers Mitte, vor allen,
+ Ottgars hochgewölbetes Zelt, das schimmernde Leinwand
+ Außen umhüllte; von innen hing, zur Erde herunter,
+ Scharlachgeröthetes Tuch, verbramt mit goldenen Fransen.
+ Sieh’, in dem grasumwucherten Raum’, ihm zur Linken und Rechten,
+ Ragten die Zelt’, erhöht, der Kunring’, tapferer Ritter,
+ Die in dem Kreis’ östreichischer Herrn, wie der Mond in der Sternflur,
+ Glänzten an ad’liger Macht und weitverbreitetem Eigen:
+ Denn Hadmar, und Leutold, die Zwillinge, haus’ten zu Dürnstein
+ Bald, und bald zu Weitra und Horn; in des rollenden Jahres
+ Monden wechselnd die Burg; doch immer in trauter Gemeinschaft:
+ Sonder Gattinn und Kind, des Waffengemenges sich freuend.
+ Aber mit feindlichem Sinn, von dem Kaiser gewendet, vereinten
+ Sie mit des Königs Panier jetzt zwanzig flatternde Fähnlein.
+ Jeglichem folgte die Zahl von fünfzig bepanzerten Reitern,
+ Die mit dem Schild’ und dem Helme bewehrt, und der Lanze bewaffnet,
+ Feurige Rosse zum Kampf vortummelten, siegenden Muths voll.
+
+ D’rauf g’en Idungsbeug, auf dem sandumhülleten Blachfeld,
+ Welchen die schwellende Fluth der March seit Jahren gehäuft hat,
+ War des Fußvolks Macht, zehntausend tapferer Männer --
+ Waren die Reiter gestellt, an der Zahl zweitausend und fünfzig,
+ Die sich der König in Böhmen erlas, und mit trefflichen Waffen
+ So, wie jene, versah. Die muthigen, löwenbeherzten,
+ Lenkten die Rosse mit Kraft und Geschick, die, feurigen Blutes,
+ Wild umtobten im Kampf’, und die Reihen der Feinde zerstampften.
+ Lobkowitz führte sie an, der ruhmgekrönete Feldherr.
+
+ Aber vor Ebenthal, der freundlichen Burg, an des Hügels
+ Abhang, lagerten sich des vielbevölkerten Mährens
+ Tapfere Söhn’: an der Zahl achttausend erlesenes Fußvolk,
+ Die, mit dem Panzerhemd’ und der eisernen Haube bewehret,
+ Führten im Kampfe den Speer und den breitgehämmerten Säbel.
+ Milota rief sie in’s Feld, ein Ritter, der Ersten des Landes.
+ Sonst zur Freude gestimmt, als liebender Vater und Gatte,
+ Sah er des Lebens Blüthenjahr’ und die reifere Mannszeit
+ Schwinden im Glück. Nur als ihm die zarteste Tochter, Ludwinen,
+ Sie mit täuschender Huld in den Schimmer des Hofes verlockend,
+ Ottgar schnöde verführt’, und der Schmach die gefallene Preis gab:
+ Da verscheuchte der Menschenhaß und die brütende Rachgier
+ Jegliche Freude vor ihm. Nur Weniges sprach er, und das noch
+ Sprach er mit bitterem Hohn’ und wildauflachendem Ingrimm;
+ Aber nicht mied er des Herrschers Näh’, und harrte des Tages,
+ Der ihm den Durst nach Rach’ einst kühlete schrecklich und furchtbar.
+
+ Dort dem König zur Linken, hinab sich dehnend bis Stillfried,
+ Stand Klein-Reussens Volk, das jüngst an den Ufern des Peltew,
+ Lembergs Mauern nicht fern, zu Fuß und zu Pferd sich vereinte:
+ Jenes, geübt, von der Armbrust, schnellvorschreitend im Schlachtfeld,
+ Mitten in Feindes Brust den schwirrenden Pfeil zu entsenden;
+ Dieses, im Waffengemeng’ schnellfußige, hurtige Rosse
+ Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels:
+ Dann mit des Fußes Druck und dem Stoße der nervigen Rechten
+ Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen.
+ Beide, gleich an der Zahl, dreitausend tapfere Mannen,
+ Folgeten Herbot von Füllenstein, der riesengestaltet,
+ Ragte vor allen hervor in dem Heer’, und rühmlich bekannt war
+ Ob des unbändigen Muths, und der ritterlichsiegenden Thatkraft.
+
+ Doch auch der Meißner kam und der Thüringer jüngst aus der Heimath,
+ Ottgars Recht zu verfechten im Kampf’, als Bundesgenoß her!
+ Muth in der Brust, und Kraft in der Rechten, die Lanze zu schwingen
+ Brachten sie mit, und beiden geboth der tapfere Markgraf
+ Dietrich, Heinrichs Sohn, des Erleuchteten, mächtigen Ansehn’s.
+ Jenen vereint, stand auch des korngesegneten Bayerns,
+ Also auch Sachsens Volk in dem Vorderzuge geordnet:
+ Gierig des Kampfs, und geübt, die tödlichen Lanzen zu schwingen.
+ Heinrichs schaltendem Wink, des Herzogs, folgten die Bayern;
+ Markgraf Pfeils die Sachsen mit Lust in die furchtbare Feldschlacht.
+ Gegen den Weidenbach, in des weitgedehneten Thalbrunns
+ Niederung hin, erhöht auf vierzig ragenden Schaften,
+ Flatterten hoch in der Luft, verschieden an Farb’ und an Zeichen,
+ All des erlesenen Vorderzugs kampfdrohende Fähnlein.
+ Jeglichem waren gesellt fünfhundert tapfere Krieger,
+ Welche das Panzerhemd, und der Helm im Felde beschirmte.
+ Aber im Rücken des Heers, nicht ferne dem schimmernden Marchfluß,
+ War noch die Wagenburg, Feldzeug, und Geräthe des Lagers
+ Aufgehäuft, wie auch Mundvorrath für die dauernde Kriegszeit.
+ Also lagerten dort des Königs versammelte Scharen.
+
+ All’ umhüllete jetzt der Schlaf mit bleiernem Fittig
+ Schon. Sie errangen zuvor, nach schrecklichem Kampfe, die Mauern
+ Drosendorfs, von dem Hohenberger, dem tapferen Feldherrn
+ Rudolphs, der sie mit Macht und entflammendem Muthe beschirmte.
+ Aber noch wacht’ im Gezelt der König der Böhmen. Zum Kriegsrath
+ Rief er um Mitternacht die Feldherrn: denn von dem Kaiser
+ Waren die Friedensbothen zu ihm, in das Lager gesendet:
+ Meinhard, Graf von Tyrol, und Lichtenstein: in den Waffen
+ Beide berühmt. Nicht dacht’ er zwar, den friedlichen Oehlzweig,
+ Den sein Gegner ihm both, mit versöhnlicher Rechten zu fassen:
+ Denn er sann nur blutigen Kampf, nur Tod, und Verderben
+ Ueber Rudolphs Haupt zu wälzen im Felde der Waffen;
+ Aber es sollte der Helden Verein, was er in dem Busen
+ Heimlich beschloß, nun künden mit lautentscheidendem Ausspruch.
+ Siehe, vor allen kam der Führer des reisigen Volkes,
+ Lobkowitz, ein gewaltiger Greis, deß’ leuchtender Aarblick
+ Unter den buschigen Brau’n den Muth im Herzen verkündet,
+ Der auf die Waffenbahn ihn schon als blühenden Jüngling
+ Trieb, und das Herz ihm gewann des schlachtruhmdürstenden Königs!
+ Doch umwölkt war jetzt ihm die Stirne von inniger Trauer,
+ Und zur Erde geheftet sein Aug’, da er dort vor dem Herrscher,
+ Schweigend, stand. Alsbald, obgleich von heimlichem Unmuth
+ Selber gebeugt, begann, mit erzwungenem Lächeln der König:
+ „Wahrlich, nicht wirst du den Feldherrn heut,
+ mit dem Gram in den Augen,
+ Muth einflößen im Rath! Hat dir das treffliche Streitroß,
+ Das zum Siege dich schon in zwanzig Schlachten getragen,
+ Und aus Feindes Gedräng’ oft rettete, heute das Futter,
+ Aechzend, verschmäht, und du sorgest vielleicht
+ um den Liebling im Herzen?
+ Wie, verfehlte der Spürer im Wald des flüchtigen Rehbocks,
+ Oder des Hirsches Spur, mit dem sechzehnendigen Hauptschmuck?
+ Fasse dich, tapferer Greis! Bald wird der Braune genesen;
+ Bald erfreut uns der Fried’, und du streckst in fröhlichen Stunden,
+ Draußen am Rasengrund der waldumränderten Hügel,
+ Wieder im Hörnerklang’ und Gebell verfolgender Spürer
+ Raschanstürmendes Wild mit sausenden Lanzen zu Boden.
+ Denke des Worts: bald sind wir heimisch im Lande von Oestreich.“
+ „Herr,“ sprach jener bewegt, „gewartet mit emsiger Sorgfalt
+ Wiehert das Roß, das mich in zwanzig Schlachten getragen,
+ Und aus dräuender Todesgefahr oft rettete, muthig
+ Drüben im Zelt! Nicht denk’ ich des Weidwerks jetzt in den Tagen
+ Ernsten Kriegs, deß’ Bild uns jenes, im sanfteren Frieden
+ Oft ergetzt, und die Kraft uns stählt in erhöhter Gesundheit.
+ Ja, du sprachst es im Scherz nur, o Herr! Doch dünkt es mich selber:
+ Nicht wohnt Heiterkeit dir in den tieferglühenden Augen.
+ Möge die dunkle Nacht verborgenen Strebens enthüllen
+ Jetzo der Wahrheit leuchtender Strahl! Zum wichtigen Kriegsrath
+ Riefst du die Feldherrn: denn die Friedensbothen des Kaisers
+ Harren der Antwort im fernen Gezelt. Des Friedens erwähnst du?
+ Heischest Rath, und ach, beschlossen im heimlichen Busen
+ Hast du den Krieg auf Leben und Tod! O, möchte des Friedens
+ Freundlicher Ruf den Haß aus deinem empöreten Herzen
+ Nun verscheuchen, und dir und dem Volk die Fülle des Segens
+ Schaffen hinfort! Erfüllt hast du mit unendlichem Kriegsruhm
+ Weithin die Erd’ umher; allüberall preisen die Völker
+ Deine Weisheit und Kraft. Zieh’ heim nach dem herrlichen Erbreich,
+ Das dir gehorcht -- nach Böhmen und Mähren: die trefflichsten Völker
+ Nährt es im blühenden Schooß. Dort lebe dem Glücke der Deinen,
+ Und unsterblicher Ruhm harrt dein, in der spätesten Zeit noch.
+ Hast du nicht jüngst mit Siegel und Schrift
+ und mit heiligem Eidschwur,
+ Oestreich, Kärnthen, und Krain, als Lehen, entsagt vor dem Kaiser
+ Selber, auf Glauben und Treu’, und im Treubruch hoffst du zu siegen?
+ Bebe der That: schwer rächte den Bruch geschworenen Eides
+ Stets an den Sterblichen noch die ewigwaltende Vorsicht.“
+
+ Ottgar stand, erschüttert im Geist vor dem Schreckensgedanken;
+ Sprechen wollt’ er schnell, und es bebten die Lippen ihm leis’ nur.
+ Doch nun drang ihm das Wort aus den festgeklammerten Zähnen:
+ „Ha, sey nun, und auf immerhin, der Leib und die Seel’ auch
+ Mit in dem Spiele gewagt! Nicht kann ich mehr weichen: die Gattinn --
+ Ja, das schreckliche Weib, hat mich zu dem Schritte gezwungen.
+ Da ist kein Rückgang mehr: ich folg’, ein Opfer des Schicksals!“
+ „Wie,“ so sprach, ihm freundlicher nahend, der Greis,
+ „um die Herrschaft
+ Stritten des Reiches Hort und der König von Böhmen; im Frieden
+ Schieden sie erst, und die rach’empörende Zunge der Gattinn
+ Drängte sie wieder zum Würgen zurück? Nicht mühen die Frau’n sich
+ Ab in dem Feld. Wenn wir erlagen, erkiesen sie wieder
+ Sich den neuen Gemahl, und erfreu’n sich im Kreise des Lebens;
+ Doch uns lass’ das Wohl und das Wehe des Landes bedenken.
+ Ottgar, stolz und tapfergesinnt, gehorchte dem Weib’ nun?“[4]
+
+ Also der Greis; doch, da er es sprach, entflammte des Königs
+ Niedergeheftetes Auge sich stets zu größerer Wuth noch.
+ Wie der Drache mit glühendem Blick von dem finsteren Felsschlund
+ Aufschaut, wenn ein Ruf ihn empört; dann zischend dem Eingang
+ Nah’t, und, das Haupt zum Boden krümmend, den furchtbaren Rachen
+ Weit vorstreckt, den Feind zu verschlingen, begierig: so sah er
+ Jetzo dem Greis’ in das Aug’, und stöhnte vor heimlichem Ingrimm.
+ Endlich rief er, bewegt: „Halt ein! O tadle den Gatten
+ Nicht, der solchem Weibe gehorcht: Margarethen, der Frauen
+ Sanfteste, stieß ich von mir: da sandte der Rächer im Himmel
+ Mir Kunegunde. Sie hat, ja, bebe dem schrecklichen Wort nur,
+ Ueber mich Macht und Gewalt. Wie ein Geist des ewigen Abgrunds
+ Steht sie vor mir ... mich schrecken entsetzliche Träume. Verschließe
+ Das in der redlichen Brust. Sieh’, hätt’ ich auch tausend und tausend
+ Eide geschworen: umsonst! Nicht kann ich zurück in dem Kampf mehr
+ Weichen: ich muß ihn mit Habsburgs Leu’n nun enden für immer.“
+ Jetzo winkt’ er dem Greis’: denn, eilenden Schrittes, genahet
+ Waren die Feldherrn all’, und einten sich ihm in dem Kriegsrath.
+ Neben ihm saß zur Rechten der Hort und Gebiether der Bayern,
+ Heinrich; zur Linken ihm Pfeil, der Markgraf; d’rauf um den Tisch her,
+ Der, nach Lagers Gebrauch, von niederen Bänken umstellt war,
+ Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Dietrich,
+ Herbot von Füllenstein, und die Kunring’, tapfere Helden.
+ Doch von der Mitte herab des hochgespannten Gezeltes
+ Hing die flammende Lamp’, endlos vom Oehle genähret,
+ Und erhellte den Tisch in des Zeltraums düsterem Schimmer.
+
+ Eben hatt’ er die Helden begrüßt, und wollte beginnen:
+ Sieh’, da scholl’s von Hufen der Roß’ in der nächtlichen Stille
+ Näher und näher, und jetzt absaßen die Reiter am Zeltthor.
+ Ottgar winkte sogleich dem blühenden Jünglinge, Wallstein,
+ Der ein Liebling ihm war, schon seit der zartesten Kindheit.
+ Alsbald eilt’ er hinaus, und faßte vom niederen Gluthherd
+ Einen leuchtenden Span, den dort ein Krieger entflammte:
+ Schürend die Gluth, und häufend zugleich das harzige Kienholz.
+ Mächtiger flammte der Span, da ihn über dem Haupt in die Graunnacht
+ Wallstein hob, und schauete: wer die Versammelten störe?
+ Staunend, sah er die Königinn selbst, Kunegunde, sich schwingen
+ Aus dem Sattel, im Kreis’ erlesenen Reitergefolges;
+ D’rauf durcheilte sie rasch den Zelteingang, und, den Vorhang
+ Schleudernd entzwei, schritt sie, mit stolzer Geberde, zum Sitz hin,
+ Den der Jüngling verließ, an der Seite des Königes selber.
+
+ Ueber ihr schwebte mit grimmerfülletem Blick Drahomira
+ Leise herein. Sie trieb die Königinn eilig von Drösing
+ Her in der dunkelen Nacht, daß sie erst durch schmähende Reden
+ Reize den Gatten, und dann entflamme zur Gier nach des Krieges
+ Schrecknissen, mehr denn je, in des Raths entscheidendem Zeitraum.
+ Wehe, sie forscht’, auf Arges bedacht, im Kreise der Helden
+ Gierig herum, wie die Schlange verhüllt in dem laubigen Zweig lauscht:
+ Ob ein Vögelchen ihr zur Beute sich bieth’? -- und sie fand noch
+ Dort den Ersehneten nicht; doch, als der blühende Jüngling
+ Eintrat, dachte sie schnell dieß Herz zu berücken durch Ehrsucht,
+ Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher!
+
+ Als der König die Gattinn ersah, da erblaßten die Wangen
+ Ihm vor Zorn; doch schwieg er, und ließ die Stolze gewähren,
+ Auf daß keiner im Rath’ ihn verachtete -- jeglicher dachte:
+ Jetzt erschiene sie hier, ersehnet von ihm, und gerufen.
+ Rasch war ihr Drahomira genaht: in dem Hauche des Unholds
+ Ward ihr Busen empört, und alsbald rief sie verhöhnend:
+ „Ha! welch’ Wunder geschah? Schon heut erfreuen die Böhmen
+ Sich der Eroberung Drosendorfs, der mächtigen Festung,
+ Nach den Tagen unendlichen Müh’ns? O, schändliche Thorheit
+ War es: vor ihr die goldene Zeit zu vergeuden -- zu harren,
+ Bis der klügere Feind, noch arm an Kriegern und Waffen,
+ Sich verstärket’, und euch des Eisens Spitze wohl biethet!
+ Schnell, mit würgender Hand euch bahnend den Weg in die Hauptstadt,
+ Mußtet ihr folgen der Stimme des Ruhms, und dem dringenden Aufruf
+ Rüdiger Waldrams[5] dort, des muthigen Meisters der Bürger,
+ Der nun bald, ein schmähliches Opfer, dem Feinde verrathen,
+ Fällt durch euere Schuld, durch eure Verblendung, und Feigheit.“
+ Siehe, da grins’te vor Lust Drahomira den Helden in’s Antlitz;
+ Doch jetzt fuhren empor von dem Sitz die Versammelten alle;
+ Ballten die Faust vor Zorn, und wollten enteilen: nur einer,
+ Milota, regte sich nicht, und lächelt’ unheimlich für sich hin.
+ „Faßt euch,“ rief der König, bewegt, „die Königinn duldet
+ Schon seit jenem unseligen Tag, der uns, und die Völker
+ Böhmens beschimpft -- dem Tage der Huldigung,[6] nagenden Kummer
+ Und zerrüttendes Weh’ in den Tiefen des Herzens. Ihr Helden,
+ Dessen gedenkt, und achtet den Schmerz des unglücklichen Weibes:
+ Denn nicht wägt er genau das raschverwundende Wort oft,
+ Das der Zung’ entflieh’t im Sturm der empörten Empfindung.
+ Aber vernehmt es, was ihr in der Stille der nächtlichen Stunden
+ Jetzo mit uns erwägen soll’t nach euerer Weisheit:
+ Rudolph sandte zuvor zwei tapfere Ritter in’s Lager
+ Her, uns dringender noch als jüngst, die Hand zur Versöhnung
+ Biethend. Erneuend sodann den Wunsch: durch unserer Kinder
+ Wechselheirath das Band der Freundschaft für immer zu gründen,
+ Ladet er uns g’en Wien, zu turnei’n; die Speere zum Scherz nur,
+ Nicht zum Ernst zu versuchen, und dann die ersehnte Verlobung
+ Durch ein gastlich Mahl zu feiern im schimmernden Prunksaal.
+ Solches verkündete heut’ in geheim uns Rüdiger Waldram;
+ Aber zugleich: g’en Lilienfeld[7] hin ziehe der Kaiser
+ Albrecht, seinem Erzeugten, mit hundert Reitern entgegen,
+ Der in den schwäbischen Gau’n die Krieger ihm warb, und vom Aargau
+ Her die tapfersten führt, die ihm oft errangen den Lorber,
+ Altgedient, und versucht im Grau’n der eisernen Feldschlacht.
+ Soll mein Volk vorstürmen bis Wien, daß unser Vertrauter,
+ Waldram, ihm eröffne das Thor in der nächtlichen Stille,
+ Wie er es eben verhieß, mit den treuen Bürgern verstanden?
+ Ist’s wohl räthlicher noch, mit Kunrings Reitergeschwadern
+ Ueberzusetzen in Fähren den Strom der mächtigen Donau,
+ Und aus dem Hinterhalt den Kaiser zu fah’n in der Waldschlucht,
+ Welche sich links und rechts an dem Kaumberg, trüglich herumschlingt?
+ Nie versagt’ ich das Ohr dem Rathe der Männer: was dünkt euch?“
+ Herbot schrie zugleich mit dem Kunring, lärmend, und laut auf:
+ „Fort nach Wien! Bald sinkt mit der kühnerrungenen Hauptstadt
+ Rudolphs Macht in den Staub: wir bürgen für herrlichen Sieg dir!“
+
+ Lobkowitz fuhr von dem Sitz’, des Friedens Ruf zu erneuern;
+ Aber ihm kam Kunegunde zuvor, und sagte dem König:
+ „Wie, du spähest noch jetzt nach schlauverhülleten Pfaden,
+ Thöricht verlassend die kühnere Bahn, die schnell zu dem Ziel führt?
+ Ist denn völlig gewichen von dir der Muth und die Kühnheit,
+ Die von Siegen zum Sieg dich leitete, Schlachtenberühmten?
+ Zahllos warben die Freier um mich. Masowiens[8] Herzog
+ Ließ auf dem glänzenden Thron mir Macht und Reichthum zur Erbschaft;
+ Aber ich achtete keinen Mann, im stolzen Bewußtseyn
+ Herrschender Geisteskraft, und lautgepriesener Schönheit.
+ Auch du bothst mir die Hand. Der Ruf erscholl in den Ländern:
+ Ottgar trug des Sieges Panier zu dem Belt hin; erbaute
+ Dort noch Königsberg,[9] und schlug, heimkehrend, die Scharen
+ Ungerns im Feld auf das Haupt. Er einte die Steyer- und Ostmark
+ Dann, als Sieger, mit Kärnthen und Krain dem böhmischen Erbreich,
+ Und errang die Bewunderung so der entlegensten Völker.
+ Ha, da sank mein Stolz, beschämt, vor dem Helden! Ich gab mich
+ Eiteler Täuschung dahin: mit der königlichsieghaften Rechten
+ Würd’ er auch mich erheben im Glanz’ unsterblichen Ruhmes.
+ Weh’, nun steh’ ich gebeugt, entehrt, und fruchtlos geopfert!
+ Aber, denkst du der Ehre nicht mehr, so gedenke der Schmach doch!
+ Soll ich den Mann, den König, und ach, den Gatten noch mahnen
+ Dort an den graunerregenden Tag, wo gegen den Eidschwur,
+ Der dich bewog, dem Kaiser zu huldigen heimlich im Zeltraum,
+ Er, o schreckliche Schau! auf des Eilands ragendem Hügel,
+ Das die Donau umschlingt mit weitgedehneten Armen,
+ Plötzlich am listiggestalteten Zelt den rauschenden Vorhang
+ Fallen hieß, und dich vor den Augen unzähliger Krieger,
+ Die an dem Strom sich dieß- und jenseits, feindlichgesondert,
+ Lagerten, wies zum Hohn’ -- auf die Kniee gesunken, o schändlich,
+ Ottgar, dich, dem er an dem Hof’ einst dienet’, als Marschalk,[10]
+ Huldigend dort, in dem Staub’! O, könntest du solches vergessen?“
+ Ottgar preßte die Stirn’ in die Fläche der Linken, und glühend
+ Rann ihm die Thrän’ an der Wange herab. Er sucht’, es zu bergen;
+ Blickte grimmiger auf, und rief: „Nicht werd’ ich’s vergessen!“
+ Doch nun drang Drahomira noch mehr in die Fürstinn. Sie hob sich
+ Eilig vom Stuhl’ empor, und sagte mit leuchtenden Augen:
+ „Ha, die Dromet’ erklinge dem Volk’, und gebiethe den Aufbruch
+ Nach den Mauern von Wien; in die Luft hoch flatt’re die Sturmfahn’
+ Vor den Scharen einher, und leite sie glücklich zum Sieg’ hin!“
+ Rief’s; doch Ottgar sprach nun so zu dem tapferen Helden,
+ Lobkowitz: „Wie, du schweigst mein sieggekröneter Feldherr?
+ Nie ermangelt’ ich deines Raths, und deiner Erfahrung,
+ Weisheit, Treue und Kraft verdank’ ich, was rühmlich gescheh’n ist.“
+ Lobkowitz wiegte das Haupt, und sprach eintönig und trocken:
+ „Haben doch and’re vor mir, dem wankenden Greise, gesprochen,
+ Die das heißere Blut, wie im Sturm, fortreißt auf des Ruhmes
+ Glänzender Bahn -- weit blieb ich zurück’, und bin es zufrieden.
+ Sieh’, ich wähnte, wir lieh’n ein Ohr des Kaisers Gesandten?
+ Doch vor dem zürnenden Blick der Königinn? Sey es denn morgen!“
+ Also der Held. Da sprach Kunegunde voll Wuth zu dem König:
+ „Wohl, ich weiche zurück bis Drösing. Sinnst du auf Frieden
+ Noch mit dem Kaiser, so sey’s; doch nimmer siehst du mich lebend
+ Wieder: nur mord’ ich zuvor mit Freuden die blühende Tochter,
+ Eh’ ein schmählicher Bund dem verhaßtesten Feind sie vereine.“
+ Rief’s hinschreitend; erhob sich auf’s Roß, und eilte nach Drösing,
+ Das sie den Abend zuvor mit ihren Erzeugten bezogen.
+
+ Jetzt ließ Ottgar schnell die Gesandten des Kaisers entbiethen,
+ Die schon lange voll Gier in dem fernen Gezelte des Rufes
+ Harrten. Meinhard, Graf von Tyrol, erschien, und zur Seit’ ihm
+ Nahete Lichtenstein: des Heer’s erlesene Zierden.
+ Stattlich traten sie ein, und setzten sich würdig zum Tisch hin,
+ Grüßend den König zuvor, und d’rauf, die versammelten Feldherrn.
+ Meinhard neigte das Haupt, und begann mit edelem Anstand:
+ „Rudolph, mein erlauchtester Herr, und Kaiser der Deutschen,
+ Sendet uns, Meinhard und Lichtenstein, nicht unwürdige Bothen,
+ Freundlich zu dir, erhabener Herr, und König der Böhmen!
+ Wollest darum uns hören mit Huld, und unsere Reden
+ Nicht verachten, da wir, nur arm an zierlichen Worten,
+ Stets mit dem rauheren so, wie mit unserem blinkenden Eisen,
+ Das wir zu führen gelernt, zum Ziel vorstreben, und treffen.
+ Frieden beut er dir mit leichtversöhnlichem Herzen;
+ Doch er beut ihn im Augenblick, wo er völlig gerüstet,
+ Nicht, wie jüngst in dem Land’, entblößt von Kriegern und Waffen,
+ Sollte schon fast ihn erflehen von dir -- nein, wo er im Kriegsbund,
+ Mächtige Völker vereint, und der Treue der Völker gewiß ist.
+ Daß du, als Kaiser ihn anerkenn’st; ihm Böhmen und Mähren
+ Tragest zu Leh’n; auf die ost- und die steyrische Mark,
+ so auf Kärnthen,
+ Krain, entsag’st: das ist des Friedens enthüllte Bedingniß.
+ Drei gewaltige Vesten im Land: hier Drösing im Marchfeld,
+ Dort Pöchlarn, und Enns sollst du mit starker Besatzung
+ Halten zum Unterpfand durch drei der Jahre, von heut’ an.
+ Ha! du erstaunest? So ist’s; ihr sollt euch finden in Freundschaft.
+ Heilig ist Rudolphs Wort, du kannst ihm sicher vertrauen.“
+
+ Als er die Rede voll Kraft jetzt endete, herrscht’ in dem Zeltraum
+ Stille umher: doch Lichtenstein, gewahrend den Vortheil,
+ Grüßte den König zuvor, und begann mit heiterem Blick so:
+ „Ernstes sagte der Graf. Mit Gott und eurem Gewissen
+ Werdet ihr solches erwägen zum Glück und zum Segen der Völker,
+ Die ihr beherrscht; doch leiht auch mir ein günstiges Ohr noch.
+ Nicht vom blutigen Kampf: von der Minne ersehneten Freuden,
+ Von Turnei’n, und dem festlichen Mahl gedenk’ ich, zu sprechen.
+ Allwärts ist es bekannt, daß Herr Rudolphus, der Kaiser,
+ Ein Turnei, bei’m Tabor,[11] am kommenden Donnererstag schon,
+ Der Sanct Rochus geheiliget wird, zu halten, gesinnt ist:
+ Denn nach Frieden verlangt sein Herz, und er hat dich geladen.
+ Solcher Ehre Gewinn verschmäht kein tapferer Mann je.
+ Sieh’, d’rum harret er dein und deines so edeln Gefolges,
+ Das den Herrscher umglänzt, wie die Stern’ umglänzen den Vollmond!
+ Aber noch höhere Freuden gedenkt, nach vollendetem Festmahl,
+ Oben im prunkenden Saal der Kaiser mit dir zu bestellen:
+ Lieblich erblüheten dir die schönsten der Töchter -- in Söhnen
+ Ihm sein Glück: zum Bund der Einigung beut er die Hand dar:
+ Hartmann führ’ als Braut sich Hedwig, voll siegender Schönheit,
+ Thekla, voll zartester Huld, sein Rudolph heim. So ersehnt er’s.“
+
+ Als er gesprochen das Wort, und noch weiter gedachte zu reden:
+ Sieh’, da warf sich in brausender Hast der muthige Jüngling,
+ Wallstein vor! Er stand, und hielt sich die Brust mit der Rechten;
+ Athmete tiefer, begann zu sprechen, vermocht’s nicht; er stürzte
+ Dann zum Gezelte hinaus, und verschwand im nächtlichen Dunkel.
+ Ottgar blickt’ ihm, erstaunt, jetzt nach. Er wähnte: sein Liebling
+ Sey urplötzlich erkrankt, und von wüthenden Schmerzen befallen;
+ Doch Drahomira durchschaute sein Herz; sie lächelte grimmig;
+ Jubelte dann laut auf, und folgte dem fliehenden Jüngling:
+ Ihm für Hedwig die liebende Brust noch mehr zu entflammen,
+ Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher.
+
+ Im erleuchteten Zelt verstummten von neuem die Helden;
+ Gar nicht wollten von Ottgars Mund’ die Worte sich lösen.
+ Endlich hob er sich auf, und sagte den Beiden zum Abschied:
+ „Wahrlich, nicht ahnete mir’s, so glühend verlange der Kaiser
+ Uns bei festlichem Turnkampf, Tanz, und Gelagen zu sehen!
+ Aber wohlan -- das kündet ihm nur, so er etwa daheim ist:
+ Ottgar werdet ihr schau’n im Gefolge der Edeln, und hören,
+ Was er vom Frieden gedacht, und der Kinder ersehnter Verlobung!
+ Aber, ihr Herrn, gehabt euch wohl; der Himmel geleit’ euch!“
+ Beid’ erstaunten der Red’, und eilten unmuthig von dannen.
+ Draußen sagte zu Lichtenstein der tapfere Meinhard:
+ „Ritter, sprecht, was dünkt euch? Nicht einmal die Krume zum Imbis,
+ Nicht des Weines so viel, das unsere Lippen benetzte,
+ Reicht’ er zum Trunk’ uns dar. Ich meine: von Heirathsgedanken
+ Ist er so fern, wie dort von mir Veiths glänzender Wagen,
+ Der an des Himmels Rand zum eisigen Norden hinabsinkt.
+ Ha! und merktet ihr nicht, wie schnell der arge Verräther
+ Rudolphs nächtlichen Ritt g’en Lilienfeld ihm enthüllte?
+ Ach, er zog nur mit schwachem Geleit! Kommt: gut ist die Vorsicht!“
+ Rasch aufschwangen sie sich in den Sattel, und flogen nach Wien hin.
+
+ Aber der König entließ die Versammelten. Jetzo noch einmal
+ Blickt’ er Jedem in’s Aug’, und sagte mit rauherer Stimme:
+ „Mir zerwühlet die Wuth das Herz. Wie kecklich die Ritter
+ Sprachen, als sey ich im Feld nicht fürder zu scheu’n,
+ und, dem Ball gleich,
+ Nun rechts hin, dann links im schwebenden Fluge zu wenden;
+ Aber es zehr’ ihr Hort sich zu Tod’ an seinen Gelüsten.
+ Mein Entschluß ist gefaßt: am Morgen gebiethet den Aufbruch
+ Euerem Volk. Wir ziehen entlang den schlängelnden Marchfluß
+ Bis an den Weidenbach, wo, erhöht, des räumigen Lagers
+ Wall uns schirmt g’en List und Gewalt. Verstanden mit Waldram,
+ Sey in dem Ueberfall nur „Rache“ der Würgenden Schlachtruf!
+ Ruhet ein Weniges noch: bald rufen euch laut die Drometen.“
+ Jene gehorchten dem Wort’, und eilten nach ihren Gezelten.
+ Aber der König ging noch lang’ im Schimmer des Nachtlichts,
+ Sinnend umher. Oft seufzt’ er laut; er ballte die Faust oft
+ Vor Erbitterung; stand, ging wieder, und hatte nicht Frieden.
+ Endlich warf er sich hin auf das Lager, und schlummerte leis’ ein.
+
+ Ueber dem Haupt des Schlummernden hing sein schützender Engel,
+ Trauernd. Verglommen war sein Glanz. Wie auf thürmender Alpen
+ Ewigbeschneiten Höh’n der rosigglühende Schimmer
+ In ätherischer Bläue verglimmt in der sinkenden Dämm’rung:
+ Also auch er, den Schwermuthsblick auf den armen gerichtet,
+ Den ein furchtbarer Traum umfing. Margarethe, die Gattinn,
+ Welch’ er schnöde verstieß, naht’ ihm, und sah ihn so trauernd
+ An, aus dem hüllenden Leichentuch: er wandte sich, schaudernd,
+ Weg, und hieß sie entflieh’n. Nicht lang’, und in hoher Verklärung
+ Schwebt’ auf schimmernden Au’n, und bekränzt mit himmlischen Rosen,
+ Sie vor ihm hin. Er folgte -- sie floh; doch jetzt, an dem Ufer
+ Eines unendlichen Stroms hielt sie den eilenden Flug an;
+ Sah, huldflehenden Blicks, zu dem Himmel empor, und entschwand ihm,
+ Schatten gleich, wenn Nebelgewölk umhüllet die Sonne.
+ Wieder umfing ihn des Todes Nacht. Um sich her auf dem Schlachtfeld
+ Sah er unzählige Leichen gehäuft: bis endlich ihm selber
+ Dort zwei Würger genah’t, mit rach’ausblitzenden Augen,
+ Tief in die Brust einstürmten den Speer, und höhnten im Tod noch.
+ Stöhnend wand er sich dann im Schlaf, und in mächtigen Tropfen
+ Stand ihm der Schweiß auf der Stirn’ und den hochgerötheten Wangen.
+
+ Doch nicht völlig verhüllt den Augen des Himmelsbewohners
+ War des schlummernden Königs Geschick. Er sah Drahomira
+ Walten um ihn, und Gefahr ihm bereiten auf schlüpfrigem Pfad hier,
+ Der zum Verderben führt, und zu nieversiegendem Jammer.
+ Flehend faltet’ er jetzo die Händ’, und blickte mit Ehrfurcht
+ Auf zu dem Thron des Ewigen, der in des kreisenden Weltalls
+ Hehrstem Raum’, auf lichtausströmenden Sonnen erhöht steht.
+ Dorthin drang sein Blick, wo Cherub- und Seraphim selber
+ Sich in der Nähe des Throns mit den Fittigen hüllen die Augen,
+ Dreimal Heilig singend dem Herrn, der herrscht von dem Thron dort,
+ Hehr, allmächtig, weis’, und gerecht, barmherzig und gnädig!
+ Ueber die Himmel hinauf erhebt er das Haupt; auf dem Abgrund
+ Ruht sein Fuß, und sein Arm umfaßt das kreisende Weltall.
+ Als er gewürdigt ward, die Blicke zum Thron zu erheben,
+ Sah er, schauernd vor Ehrfurcht, dort enthüllet die Zukunft:
+ „Ottgar, der nun bald mit reuigem Sinn um Erbarmen
+ Fleh’n wird, büßet die Schuld vergangener Jahre: den Feinden
+ Fällt er besiegt in dem Kampf’, und verlieret das Reich und das Leben;
+ Aber sein Gegner wird ein Vater des Herrschergeschlechtes,
+ Das in die fernste Zukunft hinab unzähliger Völker
+ Glück zu fördern, erwählt, im Segen der Erde genannt sey.“
+ D’rauf gewahrt’ er den Wink des Herrn: „daß es also gescheh’n wird!“
+ Sieh’, da flammten, und floh’n, und kehrten in Eile die Sonnen
+ Wieder zur Bahn! Der Donner rollte hinunter am Weltrand,
+ Kreisende Monden und Sterne vorbei; die Vesten des Erdballs
+ Zitterten; hoch aufrauschte das Meer, und die Ström’ und die Flüsse
+ Braus’ten wirbelnd zurück, und schäumten empor in den Luftraum.
+
+ Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht
+ Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.
+
+
+
+
+ Zweiter Gesang.
+
+
+ Siehe, wer reitet den Wald entlang? Vom felsigen Boden
+ Tönet der eiserne Huf. Wer zieht im Schatten der Thäler
+ Fort im eilenden Trab? Doch dort, wo am lichteren Waldsaum
+ Weitgesondert, die Tannen steh’n, und der sonnige Bergpfad
+ Schlängelnd sich hebt, erblitzt es von hellgeglätteten Waffen
+ Quer in die Eb’ne herab. Jetzt näher und näher erschallet
+ Munterer Reiter Gespräch, und das Schnauben und Wiehern der Rosse.
+ Doch wer ist’s, der allen voran den feurigen Rappen
+ Reitet, so freundlich und mild, so bar all’ prunkenden Schmuckes?
+ Zwar erhellt die, in Rosengluth versinkende Sonne
+ Kein’ unedele Stirn’, und Ehrfurcht heischen die Augen
+ Dieses Gewaltigen, der ein Fürst, ein Kaiser von Anseh’n
+ Scheinet? Er ist’s -- ha, Rudolph ist’s, der Kaiser der Deutschen!
+
+ Gestern zog er im Abendlicht mit hundert Erwählten
+ Eilig zum Kärnthnerthore hinaus nach dem herrschenden Hügel,
+ Wo (so kündet die Sag’) in grau’numhülleter Vorzeit
+ Eine Spinnerinn saß, und bettelte, reichliche Spenden
+ Sammelnd: ein Kreuz zu erbau’n von zartdurchlichtetem Stein dort,
+ Wo das hölzerne, morsch, zerfiel, an welchem sie lebte.
+ Aber es wurde zugleich ihr Grab, von dem Fremdling bewundert:
+ Denn erblickt er die Stadt, die weit auf Erden gerühmt wird,
+ Vor sich in schimmernder Pracht der Thürm’ und unzähliger Häuser,
+ Zollt er vor allem der sinnigen Wahl der Spinnerinn Beifall,
+ Und erquickt sein Aug’ an dem wunderherrlichen Anblick.
+ D’rauf einlenkt’ er zum Fuß’ der traubengesegneten Hügel:
+ Petersdorf, und Brunn am Gebirg, wo der emsige Winzer
+ Keltert den kräftigen Most für die spätnachfolgende Zeit noch,
+ Und durchtrabte die Stadt von Mödeling.[1] Mächtigen Anseh’ns,
+ Schaut in das düstere Felsenthal, durch welches der Waldbach,
+ Eingezwängt, sich windet, und rauscht, die ragende Felsburg,
+ Mödling herab (ein Eigen des babenbergischen Herzogs,
+ Heinrich) und lieh auch zugleich dem Städtchen den Nahmen.
+ Die Nacht hing
+ Dunkel herab; nicht erspähte der Wart von dem ragenden Wartthurm
+ Rudolphs hohe Gestalt: d’rum scholl die Dromete zum Gruß nicht.
+ Doch jetzt zog er am Tannberg fort,[2] wo im ruhigen Thalgrund
+ Schimmert das Gotteshaus zum Heiligen-Kreuz mit dem Kloster.
+ Herzog Leopold baut’ es, der Heilige. Mönche von Cisterz
+ Rief er dahin, daß dies’ in Saatengefilde die Wildniß
+ Wandelten, und im Gesange des Chors lobpriesen den Schöpfer.
+ Manches Helden Gebein’, auch Friedrichs, des streitbaren Herzogs,
+ Letzten seines Geschlechts, deckt dort der ehrende Denkstein.
+ Aber es sandte darauf vom Heiligen-Kreuze der Stiftsabt
+ Auch nach Lilienfeld die Brüder: so wollt’ es der Herzog
+ Leupold, der Glorreiche, selbst, als er an dem Fuße der Alpen
+ Im bezaubernden Thal das Gotteshaus und das Kloster
+ Stiftete, dem jetzt Rudolph naht’. Schon ließ er auch Kaumbergs
+ Marken zurück, und als die Sonne im rosigen Schimmer
+ Sich in Osten erhob, da zog er durch’s liebliche Hainthal,
+ Und erkor’s in des Mittags Stunde zur Rast. An dem Göls’bach
+ Weideten frei die Rosse hinab. Die tapferen Krieger
+ Saßen im Kreise herum: sie sättigten sich an des Weizens
+ Goldener Frucht, zum nährenden Brote gebacken, und löschten
+ Dann an der Quelle den Durst. Inmitten der fröhlichen Männer
+ Saß der Kaiser im Gras’; er rief den Einen und Andern
+ Auf zu ergetzlichem Schwank’, und zuletzt den redlichen Knappen
+ Müller, den Zürcher, der ihm das Leben gerettet, und seither
+ Stets zu getreulichem Dienst’ ihm stand, im Krieg’ und im Frieden.
+ „Künde“, so sprach er zu ihm, „den Kriegern das lustige Mährchen:
+ Wie du mich, den Zürnenden, einst auf der Straße begegnend,
+ Sühntest, listengeübt: denn manchen von meinen Getreuen
+ Hast du niedergeworfen zuvor, ein frevelnder Raufbold.“
+ „Mit Vergunst, Herr Kaiser,“ begann der fröhliche Kriegsmann,
+ Schlaugewendeten Blicks, „so ich ruhmbegierig, und eitel,
+ Meinen Gefährten des Zugs verkünde zuvor, daß ich Habsburgs
+ Grafen im Kampf mit dem Regensberg das Leben gerettet!
+ Edle von Toggenburg, und Homburg; jene von Nidov,
+ Palm, und Warth mit Eschenbach vereinten dem Ritter
+ Regensberg, den er gewaltig bedrängte, die Scharen;
+ Doch er dachte der List, kriegskundig, dem Feinde zu schaden.
+ Oft ritt Regensberg mit zwölf weißschimmernden Rossen,
+ Welchen voran mit lautem Gebell zwölf ähnliche Doggen
+ Sprangen, zur Jagd, von dem Uttliberg, stolzirend, herunter.
+ Rudolph lag in dem Hinterhalt: die Ross’ und die Doggen
+ Hatt’ er, wie jener gewählt. Mein Volk, die muthigen Zürcher
+ Brachen hervor, mit ihm in dem Handel verstanden, und als er
+ Nahte der Burg in verstellter Flucht, da meinte der Wächter,
+ Oeffnend das Thor voll Hast, sein feindbedroheter Herr sey’s
+ Alsbald ward erobert die Burg, und zerstöret von Grund aus.
+ Ist’s nicht also gescheh’n, mein hocherlauchter Gebiether?
+ Aber da stellten sie euch, auf offnen und heimlichen Wegen
+ Nach. So geschah’s, daß einst, auf einsamer Fährt’ in dem Wald ihr,
+ Nur mit schwachem Geleit dem Feind’ in die Hände gefallen,
+ Rang’t auf Leben und Tod, als bügellos in den Staub euch
+ Warf das getödtete Roß. Ihr waret erlegen der Mehrzahl;
+ Doch der Seinen gedenket der Herr: er sandte den Müller
+ Euch zu Hülf’. Er kam auf dem Pfade geritten, und sah euch
+ Kämpfen, ähnlich dem Leu’n, den wüthende Tiger umringen;
+ Naht’ im Flug, und ihr, in den Sattel gehoben, entrannet
+ So der Gefahr. Doch Müller ist euer getreuester Jünger
+ Seitdem -- rühmt sich denn auch des edelsten Meisters auf Erden.
+ Ihr erlaßt mir vielleicht für heute das lustige Mährchen:[3]
+ Denn, mich dünkt, es entfielen, wie Perlen gestaltete Tropfen
+ Eueren Wangen. Mich drängte früher die Noth, und euch später:
+ Alles auf Erden eint der Liebe geschäftige Sorgfalt.“
+ Innig gerührt ergriff ihm der Kaiser die Hand, und begann so:
+ „Edel hast gehandelt an mir, mein trefflicher Jünger!
+ Doch die Capelle winkt auf den Alphöh’n: heute noch sollst du
+ Ernten herrlichen Lohn, der Heldenthaten gebühret.
+ Jetzt rasch auf, ihr Reisigen: rasch zu dem winkenden Ziel hin!“
+ All’ erhoben sich nun voll Muths; sie zäumten die Rosse,
+ Jauchzend, auf, und es ging dann weiter der fröhliche Zug fort.
+
+ Siehe, nicht lang’, und sie sah’n jetzt schon
+ die bläulichen Alphöh’n
+ Oben, und tiefer den _Kulm_ und den kegelgestalteten _Spitzbrand_,
+ Freudigen Blicks, als unter dem Huf der gewaltigen Rosse,
+ Drönend, die Brück’ erscholl, die, stets von den Fluthen der Traisen
+ Unten durchrauscht, im Grund die rasche Forelle beschattet.
+ Weit gerühmt ist die Traisen im Land (daß beide den Ursprung
+ Sich bestreiten, die Hohenberg-, und die Lilienfelder)
+ Sprudelnd hervor aus dem Schooß des Traisenberges im Waldthal,
+ Und enteilend voll Hast, sich dem Donaustrome zu einen.[4]
+ Freundlich blickten die Sterne bereits vom Gewölbe des Himmels,
+ Wieder zur Erde herab; schon hauchten die würzigen Matten
+ Kühlung umher; es verglommen die ragenden Höh’n, und die Fluthen
+ Dampften im Thal, als jetzt mit seinem Gefolge der Kaiser
+ Nahe vorüber an Lilienfeld, dem herrlichen Kloster,[5]
+ Eilete: denn zum Abendgebeth’ ertönte das Glöckchen
+ Schon von dem Thurm’; es lud zu des Chors Vollendung die Brüder,
+ Und erweckte zugleich, mildklagend, die Wonne der Wehmuth
+ Tief in der fühlenden Brust, die leise nach Ruhe sich sehnet
+ Nach den verschollenen Stürmen des Tags, auf irdischer Wand’rung.
+
+ Nahend dem Ziele, durch’s _Thal_, geboth der Herrscher den Reitern,
+ Längs dem Bach zu erringen den Kulm, auf dem breiteren Saumpfad;
+ Aber er selber klomm, des Weg’s wohlkundig, mit Müllern
+ Dort, wo ein lieblicher Wasserfall, von schroffer Gebirgswand
+ Plätschernd herab, zerstäubt die silbernblinkenden Fluthen,
+ Schweigend, die Höhen empor. Er sah nach den lichten Gefilden
+ Ferner Ebenen, jetzt aus der nächtlichdämmernden Waldung,
+ Jetzt vom schwindligen Fels mit thauendem Blick’, und errang so
+ Früher den Kulm; doch dort, vereint mit seinen Erwählten
+ Wieder, rastet’ er nicht, und stieg, stets höher und höher,
+ Bis er, den dunkelen Wald entlang, auf blühenden Matten
+ Wandelnd, schimmern sah im Schooße der luftigen Alphöh’n,
+ Aus dem Gezweig umhüllender Tannen der kleinen Capelle
+ Heiligthum, wo das Licht, in der Lampe genährt von dem Klausner,
+ Sandte die fächelnde Flamm’ empor aus goldenem Oehlduft.
+ Dorthin wies ein Gesicht, im mitternächtlichen Grauen
+ Ihm aufsträubend das Haar vor Furcht und Erstaunen, ihn heut’ erst.
+ Wichtiges sollt’ ihm, dort enthüllt nach des Ewigen Rathschluß,
+ Mächtig erheben das Herz in der Stunde des nahenden Kampfes.
+
+ Jetzt verließen auf seinen Wink die Reiter den Sattel,
+ Daß, freiweidend im Feld, die Pferde sich letzten. Des Zaumes
+ Ledig, sprangen sie wiehernd davon, und wälzten im Gras’ sich
+ Links und rechts, die Gluth des gepreßten Rückens zu kühlen.
+ Auch die Reiter gesammt ausruheten dort von der Wand’rung.
+ Aber der Klausner, ein Greis, von neunzig entflohenen Jahren,
+ Trat aus der Hütt’, im barnen Gewand’, und führte den Kaiser,
+ Schweigender Ehrfurcht voll, zur Capelle. Der silberne Bart floß
+ Ihm zu dem hanfenen Gürtel herab. Von den lastenden Jahren
+ Wenig gebeugt, sah noch aus seinen erglühenden Augen
+ Jugendkraft, die manchmal in sinnender Trauer am Boden
+ Hafteten. Doch jetzt traten sie ein, und beugten die Knie’ dort,
+ Wo gesegnetes Brot, der Seelen Speise, verwahrt war;
+ Wo das Bild des Gekreuzigten stand, und die Mutter das Kindlein
+ Wies in dem hehren Gemähld’, voll Lieb’ an den Busen es drückend,
+ Und, den wonn’ausstrahlenden Blick auf die Menschen gerichtet,
+ Allen zu rufen schien: „O liebt den Liebenden mir gleich!“
+ Aber der Greis, als wär’ es zum legten Male hienieden,
+ Sah zu ihr lang’ empor, und wandte sich dann zu dem Pilger:
+ „Herr“, sprach er, „blick’ auf zu der Himmlischen! Früh in des Lebens
+ Blüthenzeit hast du die Verehrung der seligsten Jungfrau
+ Dir erkoren zum wahrenden Schild’, und dem Schiffer nicht ungleich,
+ Der in der Sturmnacht fest aufschaut zu dem rettenden Leuchtthurm,
+ Dadurch bewahrt im reinen Gemüth Vertrauen und Demuth:
+ Jenes zu Gott und auf Menschenwerth, und dies’ auch im Glück’ noch.
+ Also wandeltest du, ein Seliger, fort auf des Lebens
+ Dornenpfad mit heiterem Muth: der göttliche Sohn hört
+ Gerne der Mutter Fleh’n, in ihrem Schutze geborgen.
+ Jetzt auch wirst du gewiß, in dem furchtbarn Kampf der Entscheidung,
+ Huldbeglückt, erringen den Sieg, wenn dir auf dem Schlachtfeld,
+ In umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt:
+ „Fromme Jungfrau’n einst zu versammeln zum Zeichen des Kreuzes.“[6]
+ Höre, demnach was mir mein Meister und Herr in Gesichten
+ Dunkeler Zukunft wies: Ein Vater unzähliger Fürsten
+ Wirst du seyn, und so oft auch hier auf irdischer Laufbahn
+ Wechselt des Menschen Geschick vom Guten zum Schlimmen: so wird doch
+ Treu’, und Redlichkeit stets in deinem Geschlechte noch dauern.“[7]
+
+ „Ernsten Gemüths, herrscht einst dein ältester über die Völker,
+ Die dein heitres gewann, und fesselte. Ob er auch mannhaft
+ Steht in der Männerschlacht, und vor ihm die Feinde, besiegt, flieh’n;
+ Ob er auch ehret das Recht, und Gerechtigkeit übet als Richter,
+ So auch die Wissenschaften, die Kunst’, und den frohen Gewerbsfleiß
+ Blühen heißt mit dem Ackerbau, ein sorgsamer Herrscher:
+ Dennoch mißt er die Liebe. Die Hand der ewigen Vorsicht
+ Waltet über des Menschen Geschick’. In Dunkel gehüllet
+ Möge sein Ende dir seyn. Ihn rächen entsetzlich die Seinen.“
+
+ „Schön an Gemüth und Körper, die Lust des Menschengeschlechtes,
+ Faßt mit unstraflicher Hand die Kaiserkrone dein Enkel.
+ Aber, ihm gleich, ein Held, vom feindlichen Schicksal zum Feind’ ihm
+ Auserkoren, entwindet sie ihr auf dem rauchenden Blutfeld
+ Mühldorfs; doch entreißt er, erst nur der Rache gedenkend,
+ Auch in der Kerkerluft der Trausnitz dem edelsten Manne
+ Nicht den unsterblichen Kranz, der, lohnend, dem Guten zu Theil wird.
+ Sieh’, er steht, erschütternd, vor ihm, da er Ehre viel höher,
+ Denn des Lebens erlesenstes Glück, die goldene Freiheit,
+ Achtet, und wiedergekehrt, die Hände noch selber den Fesseln
+ Beut: ein Muster der deutschen Treu’ auf Wort und auf Handschlag!
+ Innig ehrt er ihn d’rauf, und theilt das nächtliche Lager,
+ Ja, auch den Purpurthron mit dem Freund, der Erde zum Staunen.“
+
+ „Ha, schon winket des Theuerdanks unsterblicher Held mir
+ Aus dem strahlenden Licht des thatenverherrlichten Lebens!
+ Sein erbarmt sich der Herr, und rettet ihn, wunderbar oft so,
+ Wie auf der Martinswand, aus unsäglicher Noth und Gefahren,
+ Welch’ ihm fortan drau’n auf des Herrschers dornigen Pfaden.
+ Hoch erhebt er den Ruhm von Oestreich: kühn auf dem Schlachtfeld,
+ Weis’ im Rath; ein Liedergewaltiger, Held, und Beherrscher.“
+
+ „Aber ihm folgt, o Habsburgs Stolz, sein größerer Enkel!
+ Sein Zeitalter leuchtet in wunderherrlichem Glanz’ auf.
+ Jugendlich regt sich die Erd’, und treibt den erfreuenden Keim schon
+ Jedes Großen und Schönen hervor. Erhabene Geister
+ Wandeln auf ihr zum Ziel -- der Höchst’ er unter den Hohen!
+ Ha, wie würdig er herrscht, wie kraftvoll! Fern in die Zukunft
+ Schaut sein Blick: er sinnt auf Deutschlands Größe durch Einung,
+ Auf Hispania’s Macht, und Italia’s, daß er die Rettung
+ Schaffe dem Christenvolk g’en wildempörter Osmanen
+ Allverheerende Wuth, die er tapfer bekämpft, und besieget.
+ Auch jenseits dem unendlichen Meer’ erbeben die Völker
+ Seiner Gewalt: nie geht die freundlichleuchtende Sonne
+ Unter in seines umuferten Reichs endlosen Bezirken.
+ Also die alt’ und die jüngere Welt im Segen zu einen,
+ Strebt sein hohes Gemüth. Wie dunkel die Wege der Vorsicht!
+ Deutschlands Gau’n durchtobt die Neuerung. Feindlichgeschieden,
+ Schaut urplötzlich der Mensch dem Menschen in’s Aug: ihn verwildert
+ Schrecklicher Sectenhaß: denn Mord, und Brand, und Empörung
+ Würgt Jahrhunderte fort, und verscheucht bald jegliche Hoffnung,
+ Die so herrliche Früchte verhieß. Vergeblich versucht er,
+ Heimzuführen den scheuentflohenen Frieden: auf immer
+ Scheint er entfloh’n. Ihn ergreift unendlicher Schmerz, und er endet,
+ Freientsagend dem Thron, in einsamer Zelle sein Leben.“
+
+ „Ha, nach neun, durch Weisheit, Mild’, und Gerechtigkeit ruhmvoll
+ Herrschenden Männern deines Stamms, erseh’ ich im Thronsaal
+ Eine gewaltige Frau, die im Sturm umdrauender Nöthen,
+ Gottvertrauenden Muths, die Lieb’ und Bewunderung aller,
+ Eintritt dort, mit dem Sohn’ auf dem Arm, in die hohe Versammlung
+ Eines edelen Volks, und tausend Stimmen erschallen,
+ Als der ehernen Scheid’ entrissen der blitzende Stahl fleugt:
+ „Laßt uns sterben für Sie, die, als Königinn, uns ist ein König!“
+ Glücklich als Gattinn und Mutter zugleich, und als Herrscherinn würdig
+ Ewigen Ruhms, entschlummert sie sanft in den Armen des Todes.“
+
+ „Lange zum Manne gereift, nachfolgt ihr spät ihr Erzeugter:
+ Herrschend des Volks Abgott, dem er nur Gutes gewillt ist.
+ Aber ihm stürmts in der Brust: was kommenden Zeiten noch dau’re,
+ Müsse sorgsam gepflegt, und festgegründet der Bau seyn,
+ Das bedenket er nicht, und sieht noch sterbend, verwelket
+ Was er gepflanzt, und im Sand, sturzdrohend, was er gebaut hat;
+ Dennoch beut ihm die Liebe den Kranz niewelkenden Nachruhms.“
+
+ „Siehe den Weisen, in dessen Hand dann erglänzet der Zepter,
+ Reißt des Todes Geschick aus der Zahl der Lebenden schnell fort!
+ Wohl ihm: denn früher erringt er das Ziel der herrlichsten Laufbahn
+ Auf hesperischer Flur, wo er Glück ausspendet, und Segen!“
+
+ „Jetzt entschwinden die hehren Gesichte vor mir wie in Nebeln.
+ Furchtbar steigt Geschrei in die Luft. Des alternden Erdballs
+ Vesten wanken; es scheint, als sollt’ ein neues Geschlecht sich
+ Heben empor aus dem gährenden Grund, doch früher die alten
+ Ganz hinschwinden in Nichts: so entsetzlich schwelgt die Empörung
+ Fort an den Strömen vergossenen Bluts. Der tauschenden Gleichheit
+ Mordruf schallt: hinschwindelt das Volk, und reißt mit des Thrones
+ Stürzendem Heiligthum’ auch sich selber hinunter zum Abgrund,
+ Wo in dem nächtlichen Grau’n sein Wuthgestöhne verhallet.
+ Aber ich sehe den Schiffer im Sturm, der, blickend zum Himmel,
+ Unerschütterten Muths, durchfleugt die empörten Gewässer;
+ Sehe den Sohn vor mir des Verblichenen, wie er im Nachtgrau’n
+ Fortgewogt auf der Fluth, nun sinkt, nun steigt, bis er endlich,
+ Lautumjauchzt, einfährt in den volkerfülleten Hafen,
+ Und noch höher als erst, nach zwei Jahrzehenden aufragt:
+ Denn ihn lenkt in den Tagen der Noth stets sicher der Tugend
+ Heiliger Wink, und sein ist die Lieb’ und die Treue der Völker,
+ Die er, ein Vater, beherrscht mit mildvorsorgender Weisheit.
+ Heißt auch mancher Gewaltige „Groß“ in Geschichten der Menschen,
+ Ihn wird einst die Nachwelt laut den _Edelsten_ nennen.“
+
+ „Dunkler ward’s ... mir schwand in verworrenen Bildern die Zukunft.
+ Doch nun hast du vernommen, was mir, unwürdigem Diener
+ Heute der Herr enthüllt’. Leb’ wohl! Vollbracht ist des Lebens
+ Weitumirrender Lauf -- er endete, deiner gewärtig.
+ Denk’ auch mein im Gebeth. Stets sey der Himmel dir gnädig!“
+ Sagt’ es, und wankte hinaus, der Klaus’ entgegen. Er warf sich
+ Dort auf die Knie’, und bethete leis’ mit erblassenden Wangen.
+
+ Aber auch Rudolph lag mit tiefgesunkenem Antlitz
+ So, daß die stürzende Thrän’ auf die Marmorstufe hinunter
+ Ihm aus den Wimpern sank, mit hörbarem Laut in der Stille,
+ Vor dem Altar auf den Knie’n. Sein Dank auf den Fittigen tiefer,
+ Inniger Andacht flog empor zu dem Vater im Himmel.
+ Als er den Blick zu dem Bild’ erhob, und das Aug’ auf die Augen
+ Heftete, die so mild den frommhinwandernden Pilger
+ Wecken zur Liebe des Sohn’s, da erblaßt’ er betroffen. Ihn dauchte:
+ Daß sie in himmlischem Glanz’ erglühten, und schaudernder Angst voll,
+ Wich er zurück vom Altar -- bis jetzt in der Lampe der Lichtdocht
+ Hell aufflammt’, und sanft, wie zuvor, die Mutter ihn ansah.
+
+ Jetzo rief er Müllern herbei, der draußen im Vorhof
+ Harrte; legte die Hand ihm fest auf die Schulter, und sagt’ ihm:
+ „Hole die Waffen schnell: den Degen, den Helm, und den Harnisch;
+ Auch die Spor’n, die wir mitführeten: leg’ sie in Demuth
+ Auf den Altar; dann fasse den Speer, die Wache zu halten,
+ Bis zum Morgen. Ich geh’, ein Weniges draußen zu schlummern.“
+ Also geschah’s. Der Knappe ging, und holte, verwundert,
+ Alles und Jedes herbei; dann faßt’ er den Speer, und erging sich
+ Dort, gemessenen Schritts, die Wach’ an dem Heiligthum haltend.
+ Doch als jetzt an des Himmels Rand der erwachende Morgen
+ Wie der purpurne Kelch der frischentfalteten Rosen
+ Glühete, hieß der Kaiser sein Volk der kleinen Capelle
+ Nahen, und dort im Kreis’ umgeben den heiligen Altar.
+ Anbethend stand er selber vor ihm; dann wandt’ er sich freundlich
+ Gegen den Kreis; rief laut dem Knappen Müller, und winkt’ ihm,
+ Niederzuknieen vor Gott auf die Marmorstufe. Den Wammsrock
+ Nahm er ihm erst von dem Leib’, und umgab mit dem glänzenden Harnisch
+ Ihm die Brust: er reicht’ ihm die Sporn’ und den trefflichen Degen
+ Dar mit dem Wehrgehang; bedeckte sein Haupt mit dem Festhelm,
+ Riß dann schnell das Eisen hervor aus der Scheid’, und begann so:
+ „Weil du, tapfergesinnt, obgleich als Bürger geboren,
+ Habsburgs Herrn, der jetzt des heiligen, römischen Reiches
+ Kaiser sich rühmt, das Leben gerettet, und stets auf dem Schlachtfeld
+ Ritterlich’ Ehre gewannst durch heldenmütige Thaten:
+ Will ich dich hier, vor Gottes Altare, den Edeln gesellen.
+ Aber bedenke denn auch, daß dir hinfort auf des Ritters
+ Ehrenbahn gezieme, zu schirmen das Recht und die Unschuld;
+ Schützer zu seyn des zarten Geschlechts in Zucht und in Ehren;
+ Nie zu meiden den Kampf, in die Schranken durch Edle gefordert;
+ Nie zu dulden die Schmach, und zu rächen erlittenes Unrecht,
+ Kräftig und ohne Verzug, so dir’s nicht wehrt das Bewußtseyn:
+ Hierauf schlag’ ich dich Gott, und Maria, der heiligen Jungfrau,
+ Auch Sanct Görgen, des Ritters Patron, zu Ehren, zum Ritter.“[8]
+ Sagt’ es, und führte den Streich
+ kreuzweis mit dem tönenden Schwertstahl
+ Ihm die Schulter hinab, erhob den Edeln, und küßt’ ihn.
+ Laut aufschrie die Schar der Versammelten. Jeglicher staunte,
+ Forschte zuvor, wohin sich wende das ernste Beginnen?
+ Doch, nun schüttelt’ ihm jeder die Hand, und lächelt’ ihm Beifall.
+
+ Schon erglühte das zarte Gewölk im lichteren Osten,
+ Das dem erwachenden Tag das Nahen der herrlichen Sonne
+ Kündete: sieh’, da führte sein treues Gefolge der Kaiser
+ Schnell zum ersehneten Alpenrand, wo jetzo die Aussicht
+ Unermeßlich groß, vor den Augen der Männer sich aufthat!
+ Aber sie bebten zurück vor freudigem Schreck und Erstaunen:
+ Erst zur Tiefe hinab, wo auf duftigen Schwingen die Nebel,
+ Zögernden Flugs, bald hier, bald dort nach entfernteren Thälern
+ Flatterten, sank ihr Blick. Wie staunt’ er: gewaltige Berghöh’n
+ Nun zu Hügeln versunken, zu schau’n, und auf jeglichem ringsher
+ Wiesen, und Ackergründ’, und waldumsäumtes Gehöftland;
+ Unten am hellen Teich das Gotteshaus, und des Klosters
+ Riesengebäude; das Thal entlang, an der schimmernden Traisen
+ Hin, aufwirbelnden Rauch von den Eisenhämmern und Hütten -- Dann
+ unendlich hinaus vom Gebirg verbreitet die Fluren;
+ Doch als jetzt aus dem Nebelmeer ihr breiteres Antlitz,
+ Dunkelgeröthet, die Sonn’ erhob, und ringsum der Erdkreis
+ Jubelte: reich mit Perlen geschmückt, und begrüßt von den Scharen
+ Zahlloser Vögel im Wald’, in den Thälern, und hoch in den Lüften,
+ Wo sich empor unsichtbar schwangen die wirbelnden Lerchen:
+ Ha, da erglühte die Brust der Männer vor tiefem Entzücken!
+ Mancher faltete, bethend, die Händ’, und blickte hinunter,
+ Rings umher, dann himmelwärts, mit Thränen der Wonne.
+ Keiner hatte zuvor erstiegen die Höh’n, und gesehen
+ Dorther tausendfaltig besä’t mit schimmernden Städten,
+ Dörfern, und Klöstern das Land, und hochaufragenden Burgen;
+ Nur der erhabene Kaiser allein erlabte schon oft sich
+ Dort an der seligen Schau, und begann jetzt freudigen Blickes:
+ „Seht, wo nördlich hinaus sich die Straße, wie schimmernde Leinwand,
+ Dehnt, Sanct-Pölten, die Stadt voll trefflicher Bürger und d’rüben
+ Herzogburg mit dem Gotteshaus’ im lieblichen Aufeld.
+ Seht dort links, erbaut auf dem weitgesehenen Berggrath,
+ Göttweih herrschen im Donauthal, das herrliche Kloster;
+ Doch, nicht ferne der Burg des Hoheneckers am Wald dort,
+ Herrlicher Mölk: bewohnt von Benedicts Söhnen die beiden;
+ D’rauf die Stadt’ auch: Krems, Und, Stein, von Traubengebirgen
+ Rings umgrünt, an dem Ufer der hellerglänzenden Donau.
+ Doch, o! wer erspäht’, auch schärferen Blickes, noch jenseits,
+ Bis zu dem bläulichen Kranz der Karpathen hin, und den Marken
+ Mährens der Menschen Wohnungen all’ in unendlicher Landschaft?
+ Seh’t, g’en Westen, den Traunstein dort: er senket den Felsfuß
+ Tief in den Gmundner See: die Zierde des Oberen-Oestreichs.
+ Näher erglänzet die Tillisburg, die im ruhigen Thalgrund
+ Birgt Sanct Florians Stift, das Haus ruhmwürdiger Chorherrn.
+ Dann erhebt der mächtige Briel, und drüben der Oetscher
+ Noch das Haupt zum Gewölk, und rings bis zum östlichen Schneeberg,
+ Der nach der Wiener-Neustadt schaut, der _Immer-Getreuen_,[9]
+ Sehet ihr Berg’ auf Berge gethürmt, erschütternden Anblicks.
+ Nur verhüllt uns der Kahlenberg mit seiner Karthause
+ Wien, die Kaiserstadt, und das weitverbreitete Marchfeld,
+ Wo jetzt Ottgar lagert, und dort auf blutigen Kampf sinnt;
+ Doch wir biethen ihm lieber die Hand mit dem friedlichen Oehlzweig,
+ Als daß er fühle den Schlag der eisernen, niedergeschmettert.
+ Ha, dieß Bild entschwind’ euch nie, das heute so wonnig
+ Uns enthüllten die Höh’n des Lilienfelder-Gebirges!“
+
+ Eiliger wandt’ er jetzt die Schritte zurück, in der Hütte
+ Noch dem frommen Klausner zu nah’n -- zu vernehmen des Segens
+ Laute von ihm, und ach, wie ergriff ihn Angst und Entsetzen,
+ Als er geöffnet die Thür’, und ihn, vor dem Bild des Erlösers
+ Auf den Knie’n, im Gebeth, mit gesunkenem Haupt und zum Boden
+ Starrendem Aug’, ersah -- doch stumm, und erblasset im Tod schon!
+ Lange staunt’ er, bewegt, den Verblichenen an, und enteilte
+ Dann der Hütt’. In des Augenblicks entschwindendem Zeitraum
+ Schwangen die Reiter sich all’ in den Sattel,
+ und trabten ihm, schweigend,
+ Nach, zum Kloster hinab, wo er, tieferschüttert im Geist noch,
+ Anbethend, weilt in dem Gotteshaus’, und dann in dem Kreuzgang
+ Wandelnd, hinauf in das Schlafhaus stieg in der Stunde des Mittags.
+ Hundert Schritt’ entlang, auf mächtige Säulen gegründet,
+ Wölbete dreifach die Halle sich auf: nur dämmerndes Zwielicht
+ Brach durch farbiges Glas der zierlichgestalteten Fenster.
+ Ernst ergriff ihn das Bild der Vergänglichkeit, als er mit Ehrfurcht
+ Staunte dem Bau. „Du sollst“, so lispelt’ er leise für sich hin,
+ „Eiserngefügt, mit Stolz auf die wechselnden Zeiten herabschau’n;
+ Aber vielleicht, daß nach sechs Jahrhunderten, oder nach sieben
+ Du in dem Schutte versinkst, wenn dort die prasselnde Flamme
+ Ueber dir braust, und vergeblich des Wanderers Auge dich suchet!“[10]
+
+ Sieh’, da nahte des Klosters Abt mit den Brüdern, und sagte:
+ „Herr, du zürnest uns wohl? Wir säumten den Herrscher zu grüßen!“
+ Doch der Kaiser begann: „Nicht euere Schuld ist es, wahrlich:
+ Denn ich schlich gar leise herein, als käm’ ich, ein Späher.
+ Jetzo gedenkt, Herr Abt, mit sorglicher Liebe zu einen
+ Staub dem Staub’, aus welchem er kam: die Leiche des Klausners,
+ Der in dem Herrn entschlief, in der einsamen Hütte der Alphöh’n.“
+ „Weh’,“ entgegnete jener bestürzt, „so schwand auch der Segen
+ Von den Alpen mit ihm: denn seinen erhörten Gebethen
+ Dankten sie ihr Gedeih’n, und des Segens Fülle die Hirten!
+ Aber nicht zeitlichen nur, auch ewigen wußt’ er zu spenden.
+ Liebend brach er das Brot den Großen und Kleinen -- versteht mich
+ Wohl, erlauchtester Herr: das Brot des göttlichen Wortes,
+ Das die Seel’ ernährt, und stärket für immer und ewig!
+ Aber woher er kam; weß’ Landes und Stamm’s er gewesen,
+ Hat noch keiner enthüllt. Versenkt in düstere Schwermuth,
+ Kam er in frühester Jugendzeit auf die Alp’, und erbaute
+ Dort die Capelle, geweiht dem Dienste der seligsten Jungfrau.
+ Weniges sprach er nur, mit den Worten geizend -- mit Werken
+ Himmlischen Wohlthuns nicht: ein Heiliger allen verehret.
+ Morgen wollen wir ihn mit der Seelenmeß’ und dem Bußpsalm
+ Würdig zur Erde bestatten, und ihm erhöhen den Denkstein.“
+
+ Jetzo erscholl mit freudigem Ruf Drometengeschmetter
+ Von dem Wege heran, der Zell’ entgegen -- der Jungfrau
+ Gnaden-Zelle, führt, wohin, wie der Hirsch nach dem Bronnen
+ Schmachtet, unzählige Pilger zieh’n mit sehnendem Herzen
+ Nach dem Segens-Born der göttlichen Huld und Erbarmung.
+ Hell erglänzte das Aug’ und die Wange des Kaisers. Er eilte
+ Rasch die Stufen herab: denn Albrecht, sein ältester, kam jetzt
+ Her aus den rheinischen Gau’n mit tapferen Scharen gezogen.
+ Laut begrüßt’ er den nahenden Sohn, und both ihm die Hand dar,
+ Freundlich und mild; doch warm erwiedert’ es dieser, und innig,
+ Obschon er düstern Gemüths nie lächelte. Siehe, zur Heerschau
+ Hatt’ er die Krieger in Reihen gestellt! Mit stolzem Vertrauen
+ Wies er ihm erst fünfhundert aus Zürch, die im Kampfe der Markgraf
+ Hochberg lenkt; dann jene von Kyburg, Salm und Luzern her:
+ Dreimal so viel’ an der Zahl, die Nürnbergs tapferer Burggraf,
+ Friedrich, erkiesend, im Felde beherrscht, und wies ihm dann endlich
+ Jene, den ersteren gleich an der Zahl, die er selber in Schwabens
+ Heiteren Gau’n jüngst warb, und jetzo zum Kampf und zum Sieg führt:
+ Lanzengewaltiges Volk, mit Helmen bewehrt und mit Schilden.
+ Aber hinab und herauf vor den Reih’n erging sich der Kaiser
+ Dort mit zögerndem Schritt’. Er sah mit freundlichen Blicken
+ Jedem Krieger in’s Aug’; erzwang ihm ein Lächeln, und fragt’ ihn:
+ Wie’s ihm erging seither? -- bei’m Nahmen die Tapferen rufend.
+ Manchem strich er das rauhe Gesicht mit der Rechten; dem andern
+ Faßt’ er die Hand, und verhieß ihm des Kampfs Arbeiten die Fülle:
+ Da er schon alle zuvor im furchtbarn Felde der Waffen
+ Sah, und erprobte den Muth und die Kraft des einen und andern.
+
+ Jetzo begann der Sohn dem herrschenden Vater zu künden:
+ Wie er das Kriegsvolk warb in der Heimath -- d’rauf an den Marken
+ Schwabens vereinte zum Heer’; wie er schnell g’en Ulm an der Donau
+ Zog, wo zuerst der Strom den breiteren Rücken zur Fahrt beut;
+ Dann’ in Schiffen herab, durch Bayerns gesegnete Fluren,
+ Also durch Oestreichs obere Gau’n nach Enns, und gelandet,
+ Nach Stadt-Steyer geeilt, die am hellerglänzenden Waldstrom
+ Vielfach den Wand’rer ergetzt durch eisengestaltender Meister
+ Sinnigen Fleiß, und jetzt unwegsame Schluchten durchirrend,
+ Kam nach Zell, wo sich an der Gnadenquelle die Krieger
+ Alle reinten von Schuld, und des himmlischen Brotes genossen.
+ „Doch,“ so erzählt’ er fort, „wie erhob mich,
+ nicht ferne dem Ziel mehr,
+ Heut’ in dem dunkeln Oetscherthal’ ein Wunder der Allmacht!
+ Vor mir sprang ein flüchtiger Gemsbock fort in des Weges
+ Krümmungen. Ich, von Jagdlust heiß, verfolgte den Kühnen
+ Seitab, bis er vom Rand der steilabgleitenden Felswand
+ Stürzte zur Tiefe hinab, und zerschmetterte dort die Gebein’ all’.
+ Aber der Rückgang schien auch mir versagt, und ich wand mich
+ Mühesam nur, die Schluchten entlang, zu lichteren Stellen.
+ Plötzlich ergriff mein Ohr ein Donnergetümmel: die Felsen
+ Drönten umher; stets furchtbarer scholl aus der Schlucht,
+ wie ich nahte,
+ Stürzender Fluthen Gerausch’, und erfüllte die Thäler mit Schauder.
+ Doch nun war errungen der Stand. Von des schwindligen Felsens
+ Schmalvorragendem Riff’ ersah ich, vor freudigem Schrecken
+ Selber zum Stein erstarrt, des Waldstroms Fall in den Abgrund:
+ Denn vor mir aufthürmte sich hoch der gespaltene Felsberg
+ Oben am Rand nur sanft zur Rechten gebogen, und dorther
+ Stürzt, ein raschvorstürmendes Ungethüm, nieder die Lasing.[11]
+ Ha, wie Fluth auf Fluth und Wog’ auf Woge sich dränget,
+ Rastlos; dann, erbebend dem Sturz’, aufheult, und die Stimme
+ Aller, vereint, zum furchtbarn, schrecklichen Donnergetös’ wird!
+ Wie sie sich fassen im Flug, mit eh’rnem Geprassel die Klippen
+ Schlagen, und schäumen vor Wuth; wie sie von dem Felsen herunter
+ Fort und fort, den jähabrollenden Schnee-Lawinen
+ Gleich, im kreisenden Schwung sich wälzen, und stürzen, und ewig
+ Rauschen, und brausen, daß rings die waldigen Höhen erzittern.
+ Ueber die Berg’ empor, in die hehren Gefilde der Wolken
+ Fleugt der glänzende Staub zerschellter Gewässer, und dreht sich,
+ Wirbelnd, im eisigen Hauch des stromgeborenen Windes.
+ Doch als dort in die Felsenschlucht, am glänzenden Mittag,
+ Freundlich die Sonne schaut, da haucht sie in vielfacher Wölbung
+ Hin auf das wirbelnde Naß den siebenfarbigen Bogen,
+ Der die stürmende Brust mild sänftiget: so wie er Noah
+ Einst erquickte das Herz, ein Zeichen der hohen Verheißung.
+ Wahrlich, entzückend schön, und erhebend dem fühlenden Menschen,
+ Pranget der Lasingfall in Oestreichs hehrem Gebirgsthal!“
+ Aber er horchte den Worten des Sohn’s mit Lust, und geboth dann,
+ Laut, dem Volke zu Fuß und den Reitern den eiligen Aufbruch.
+
+ Staunend ersah’n die Krieger zuvor, an der Seite des Kaisers
+ Müllern im Ritterschmuck -- den ebenbürtigen Bürger
+ Zürcher Stadt; sie sah’n es, und lispelten, wiegend das Haupt noch,
+ Einer dem andern die Frag’ in’s Ohr: „was solches bedeute?“
+ Jener gewahrt’ es, und, sich im kreisenden Schwung in den Sattel
+ Hebend, lenkte den Rappen herbei; dann heischt’ er von Diesem,
+ Jenem die Rechte zum Gruß, und preßte sie, heiß in der seinen.
+ Aber da kam, erglühenden Blicks, der Kaiser, und sagte:
+ „Staunt nicht fürder, daß ihr im Ritterschmucke den Bürger
+ Euerer Stadt erblickt. Allmänniglich ist es bekannt ja,
+ Wie er in großer Gefahr mit tapferem Muth mir das Leben
+ Rettete: d’rum auch werth und würdig des Standes der Edeln;
+ Aber nicht Müllern nur, auch jeglichem steh’ ich als Schuldner,
+ Der so, wie er dem Kaiser und Reich sich verdingte: Rudolphus,
+ Kaiser des Reichs, wird ihm die Schuld mit Wucher bezahlen.“
+ Sagt’ es, und schwang sich auf’s wiehernde Roß. Zum freudigen Aufbruch
+ Scholl die Dromet’, und schnell g’en Wien bewegte der Zug sich.
+
+ Sieh’, in des Abends Grau’n, gewiegt von gaukelnden Lüftchen,
+ Rauschte das Laub in dem Weidenhain, der nahe den Mauern
+ Drösings, am Hügel empor sich hob, und im schlängelnden Waldbach,
+ Längs dem duftenden Thal sich spiegelte! Völlig verhallt war
+ Nun des Kampfes Getös’ -- erstürmt die Veste. Die Gegner
+ Wichen, bezwungen, zurück, und Ottgars furchtbare Gattinn
+ Sah schon stolz auf das Land, das bald (so wähnte sie thöricht)
+ Oestreichs Aar’ entrissen, dem Leu’n von Böhmen zu Theil wird.
+ Doch wer ist die holde Gestalt, die, zögernden Schrittes,
+ Drüben, den Bach entlang, hinwandelt in sinniger Schwermuth?
+ Hedwig, ihr’ Erzeugte, die Wonne des herrschenden Vaters,
+ Und der Liebling des Volks, geliebt, und bewundert von allen.
+ Aber warum erbebt ihr hochgesinnetes Herz nun
+ Unter der sanftvorwölbenden Brust? Entlockte der Thränen
+ Hellerglänzendes Paar, das über die rosige Wang’ ihr
+ Träufelte, tiefverborgener Gram, und die Einsame geht nun
+ Solches dem spähenden Blick der furchtbarn Mutter zu bergen?
+ Ach, nicht der Mutter allein -- auch allen den Sterblichen ringsum,
+ Ja, sich selbst, und sogar dem Allerforscher im Himmel,
+ Bärge sie gerne den Gram, dem heute die Thränen geflossen!
+ Doch nun hemmt sie den Schritt. An den Stamm des schattenden Baumes
+ Stützend den Arm, und pressend die Wang’ in die Höhle der Linken,
+ Hebt sie das Aug’, voll Himmelsbläu’, empor zu den Sternen.
+ Seitwärts sank von der hellen Stirn’ ihr des bräunlichen Haupthaars
+ Ringelnde Meng’, und hing von den Schultern zugleich, und des Nackens
+ Schöner Säul’ an dem schneeigen Faltengewande hinunter,
+ Das dicht unter der schwebenden Brust der goldene Gürtel
+ Lieblich umfing. Nicht kam von den funkelnden Sternen ein Lichtstrahl
+ Ihr in die grau’numnachtete Brust. Sie starrte, verstummend,
+ Lange vergeblich empor; doch jetzt mit lispelndem Laut nur,
+ Und umschauend mit Angst, begann das jammernde Fräulein:
+ „Ha, vernichtendes Bild -- entsetzlich, und furchtbar, und dennoch
+ Himmlisch zugleich aufschwebst du vor mir, umgaukelst mich rastlos,
+ Und bethörst mir den Geist mit tiefverwirrendem Schwindel!
+ Wallstein -- Gott! Wen nannt’ ich? Sein Nahm’ entriß sich den Lippen
+ Mir, der Unglücklichen jetzt, und ach, der holdeste Laut wär’s;
+ Süßer als Harfengetön’ in des Mondlichts freundlichem Schimmer,
+ Klang’ er mir in dem Ohr’, dürft’ ich ihn nennen -- ich darf nicht!
+ Glückliche Menschen ihr, die ihr dort in der niedrigen Hütte
+ Wohnt, wo des Throns augblendender Glanz nicht das Herz von dem Herzen
+ Trennt, dem ihr’s auf immer geweiht: wie zög ich so freudig
+ Hin den dunkeln Pfad, der euch beglückend zum Ziel führt!
+ Weh’, wie sprach ich? Wohin entschwand mir jede Besinnung!
+ Grünende Matten, du murmelnder Bach, und ihr Sterne da oben
+ Sagt es nicht, was ihr gehört. Du Mutter des Heiligsten, Besten,
+ Huldvolle Maid, nah’ mir, der armen Verirrten, zur Rettung!
+ Billig haßt’ ich ihn. Ha, wie verwegen er jüngst zu den Knie’n mir
+ Sank -- ich bebte vor Angst, in des Gartens umschattendem Laubgang;
+ Wie er mir faßte die Hand, an die glühenden Lippen sie pressend,
+ Bleich aufstarrte zu mir! Nicht soll er fürder mir nahen.
+ Doch wer eilt im Dunkel daher? Ich stürbe vor ihm jetzt.“
+
+ Sagt’ es, und wollt’ entflieh’n: da trat ein edeler Ritter,
+ Schimmernd im tönenden Waffenschmuck’, in der Stille des Abends
+ Ihr in den Weg, und sprach: „Gönnt mir, holdseliges Fräulein,
+ Freundlich Gehör! Von Eginhards Geschlechte geboren,
+ Folg’ ich, ein Rittersmann, der Fahne des Königs von Böhmen,
+ Eures Erzeugers, und doch, erschrecket nicht, steh’ ich, ein Anwald
+ Seines Gegners, vor euch. Ich komme, gesendet von Hartmann,
+ Rudolphs Sohn’, der euch schon lange zum Gatten erwählt ist:
+ Denn in dem rosigdämmernden Licht unschuldiger Kindheit
+ Wollten zu eh’lichem Bund’ euch die liebenden Aeltern vereinen,
+ Ehe des schrecklichen Jammers Grund, die Krone der Kaiser,
+ Feindlich die Fürsten schied, und her auf das eiserne Schlachtfeld
+ Zog. Doch hört: mich hob er zuvor mit dem Speer’ aus dem Sattel,
+ Als ich die flüchtende Schar aus den kühneroberten Mauern
+ Drosendorfs verfolgt’, und ihn selber bestand auf dem Heerweg.
+ Aber er schenkte das Leben mir, und die Freiheit -- auf Ritters
+ Redliches Wort d’rob heischend die Pflicht:
+ daß ich brächte die Bothschaft
+ Her, und zurück, wie es euch Bescheid zu geben, genehm ist.
+ Ach, er hat euch jüngst, so sprach er mit leuchtenden Augen,
+ Wiedergeseh’n nach Jahren voll Grams, und nimmer entschwindet
+ Mehr ihm das Bild der holderblüheten Jugendgefährtinn!
+ Nicht entfloh ihm die Hoffnung noch des ersehneten Friedens.
+ Mild schlägt Rudolphs Herz: er biethet dem tapferen Ottgar
+ Freundlich die Hand. Vielleicht, daß bald die gesonderten Krieger,
+ Die jetzt noch, blutdürstenden Blicks, nach den Lagern hinüber
+ Schau’n, und, geballt, erheben die Faust: voll dräuenden Ingrimms
+ Gegen einander zu wüthen bereit, vernehmend des Friedens
+ Fröhlichdrometenden Ruf, in die Scheid’ ihr blitzendes Eisen
+ Bergen, und mitten im Feld mit lautem Gejauchz’ sich die Rechten
+ Schütteln, und ganz vergessen des Grimms in froher Umarmung.
+ D’rauf zerstreuen sich all’. Auf den stäubenden Straßen erschallet
+ Sang und Klang. Bekränzt mit grünenden Reisern, enteilen
+ Sie zur heimischen Flur, um dort in den Blicken der Lieben
+ Jetzo des Wiedersehn’s erschütternde Wonne zu lesen.
+ Dann aufdämmert auch ihm, dem euch die liebenden Aeltern
+ Einst verlobten, der Tag ersehnter, unendlicher Wonne.
+ Doch so ihn tröge der Hoffnungs-Strahl, und die waltenden Herrscher
+ Sich bekämpften mit eisernem Trotz’ -- o, hört ihn! Er frägt euch:
+ Wollt ihr auch dann noch treu dem geschlossenen Bund euch erweisen?
+ Fromm, und gut ist des Kaisers Erzeugter gesinnt: auf dem Schlachtfeld
+ Hob sich sein Ruhm, und Deutschlands throngeborene Jungfrau’n
+ Schau’n mit sehnlichem Blick nach dem herrlichgestalteten Mann hin.
+ Nur kargt er mit den Worten: es wohnt stets düstere Schwermuth
+ Ihm auf der Stirn’ -- und im Herzen nach euch unendliche Sehnsucht.“
+ Also sprach er, und harrte, bewegt, der entscheidenden Antwort.
+
+ Hedwig sann für sich hin; nach dauerndem Schweigen begann sie:
+ „Wohl ist Rudolphs trefflicher Sohn, der tapfere Hartmann,
+ Mir bekannt -- ich ehre den edelgesinnten Jüngling;
+ Aber getrennt hat uns des Schicksals eherner Rathschluß,
+ Wandelnd in Haß, und nieversöhnliche Feindschaft der Aeltern
+ Herzen um uns: ich steh’, entledigt der frühen Verlobung.
+ Ach, und sollt’ in dem Kampf auch mein Erzeuger dem seinen
+ Unterliegen, und ich, die Tochter des mächtigen Ottgar,
+ Dem Europa’s Völker umher sich beugen, voll Ehrfurcht,
+ Stürzen hinab in den Staub der schmachbelasteten Armuth:
+ Dennoch würd’ ich nicht Rudolphs Sohn zum Gatten mir kiesen!
+ Und, da nur ein einziges Wort entscheidet für immer,
+ Künd’ ihm: ich hätte gewählt -- für den Einen gelobt’ ich zu leben.“
+ Also floh ihr das Wort von den zitternden Lippen. Sie wandte
+ Heim nach der Stadt die furchtbeflügelten Schritt’, und der Ritter
+ Eilte davon, beschwert mit der trauererregenden Bothschaft.
+
+
+
+
+ Dritter Gesang.
+
+
+ Ha, schon lockte der Kampf des Geisterreiches Bewohner
+ Aus dem übersinnlichen Raum’, und den Tiefen des Erdballs,
+ Mächtigen Zaubers herbei! Auch _Marbod_,[1] der edele Markmann,
+ Kam. Nicht im übersinnlichen Raum ergetzte das Licht ihn
+ Seither: denn er saß, versunken in düstere Schwermuth,
+ Dort in des Erdballs Schooß wohl zwölf Jahrhunderte lang schon,
+ Seit er getrennt sich sah von der liebenden Gattinn, Erwine,
+ Die, in dem Todeskampf’, ihm die Hände mit weinenden Blicken
+ Reichte zum letzten Mal’, und dann, viel reineren Herzens
+ Denn ihr Gemahl, empor zu glänzenden Räumen sich aufschwang.
+
+ Marbod herrschte, von Kraft und glühendem Muthe beseelet,
+ Ueber ein tapferes Volk: Markmannen genannt in den Reihen
+ Mächtiger Stämme des deutschen Vereins. Von Schwabens Gefilden
+ Her, die norischen Alpen entlang, Pannonien nahend,
+ Wo in der Ostmark sich am Ufer der mächtigen Donau
+ Vindobona erhebt, bis hin zu den Höhen der Heünburg[2]
+ Schirmten gegen den Feind, im Rücken der Berge, die Marken,
+ Sie des gemeinsamen Vaterlands, als mannhafte Streiter.
+ Aber dem schrecklichsten dort, der allzermalmenden Roma,
+ Ferne zu stehen, und ihm einst kühn zu begegnen im Schlachtfeld,
+ Zog er nach Bojenheim; verjagte den Gothen-Beherrscher
+ Katwald; gründete sich ein Reich und die Stadt an der Moldau,
+ Marobud,[3] und ward gefürchtet umher in den Ländern.
+ Inguiomar, der Ohm des tapfern, cheruskischen Hermann,
+ Floh, von diesem gehaßt, zu Marbod. Sie kämpften im Marchfeld
+ Lange die blutige Schlacht, und es rühmten sich beide des Sieges.
+ Aber an Hermanns Macht, des glücklichen, schlossen die Scharen
+ Marbods sich an. Da entriß, mit den Römern verbündet, ihm Katwald,
+ Stürmend, die Burg Mar’bud, und entthront’ ihn. Ach, er vertraute
+ Roma’s täuschender Huld, und starb in den Mauern Ravenna’s
+ Arm -- ein Zeuge des wechselnden Glücks auf irdischer Laufbahn!
+ Doch nun kam er herauf, und wandte sich rasch nach den Fluren
+ Oestreichs, das er mit Bojenheim sein nannt’ in der Vorzeit.
+ Bald gewahrte sein Aug’ auf des Lilienfelder Gebirgs Höh’n
+ Drüben die Ritterschar blondhaariger Deutschen. Er schwebte
+ Jetzt in sausender Eile dahin, und so, wie der Geier
+ Schnell von dem Felsenhorst nach dem dunkeln Thale herabfährt,
+ Weil er im Laub hellschwirrende Vögel erspähte: so blitzschnell
+ Fuhr er herab. Er staunte: wie hier die ermüdeten Krieger
+ Schlummerten; dort, zu dem Bild des Gekreuzigten, einer der Helden
+ Flehend rang, und ein Greis ihm naht’ in erschütternder Hoheit;
+ Hörte: wie jenem der Greis der tiefverborgenen Zukunft
+ Dunkel enthüllt’, und Habsburgs Ruhm mit unzähliger Völker
+ Glück in seinem Geschlecht verkündete: schauend im Geist dort
+ Oestreichs Größ’, und in Wonn’ erbebend den hehren Gesichten.
+ Aber vor allem ergriff des stattlichragenden Herrschers
+ Näh’ ihn, der, entsprossen aus seinem Stamm’, in des Aargau’s
+ Thälern die Burge der Ahnen bewohnt’, und von allen gepriesen
+ Als der Schirmer des Rechts, zum erhabenen Kaiser der Deutschen
+ Jauchzenden Rufes erwählet ward. „Doch biethet ihm jetzo,“
+ Also sagte zuvor der Greis auf den luftigen Alphöh’n,
+ „Ottgar furchtbarn Kampf, und er soll in dem Waffengefild nur
+ Dann erringen den Sieg, wenn ihm“ -- welch’ dunkele Reden! -- „In
+ umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt?“
+ Dacht’ es, und eilte, die Heeresmacht des gewaltigen Königs
+ Drüben am Ufer der March, durchdringenden Blick’s, zu erforschen;
+ Rudolph helfend zur Seite zu steh’n; in dem Seelenverein ihm
+ Stets zu erregen das Herz zu ruhmverherrlichten Thaten,
+ Und zu enthüllen die List auflauernder Feind’ in dem Feldzug.
+
+ Dort, wo im schimmernden Zelt’, umfangen von nächtlichen Schatten,
+ Ottgar eben, vereint mit den tapferen Helden, zu Rath saß,
+ Hielt er, schwebend, und sank, wie der Aar, der hoch aus dem Luftraum
+ Auf die kreischenden Jungen sich senkt, vor dem Zelte herunter;
+ Doch wie erwachte sein Zorn, als jetzt Drahomira die Recht’ ihm
+ Lächelnd both, im Wahn: er nah’ als Verbündeter Freund ihr.
+ Grimmig sah er sie an; sie lächelte wieder, und sagte:
+ „Ha, nicht hast du die Knie’ vor des Menschen-Sohne gebeugt einst,
+ Du, in dem Lande der Frei’n Geborener: hast in des Eichwalds
+ Schauriger Nacht, noch triefend von Blut, geopfert den Göttern --
+ Zwar erschuf sie der Wahn, doch hatten wir Schuld an dem Irrwahn
+ Dort? Jetzt nähr’ ich ihn kühn -- will nie dem stolzen Gewaltspruch
+ Huldigen. Komm, und stehe mit mir im Bund des Verderbens.
+ Stark ist mein unbändig Gemüth: dir will ich auf immer
+ Thatengenossinn seyn auf der Bahn, die Empörung genannt wird
+ Von dem Beherrscher des All’s. Wir wandeln sie muthig und kühn fort,
+ Wie er es will, uns fern von des Lichtreichs Gränze verbannend.
+ Uns vereine das gleiche Geschick und die gleiche Gesinnung:
+ Ottgar falle besiegt; Kunegund’ sey Herrscherinn! Mir gleich
+ Trägt sie im Busen ein Herz, voll Kraft, und unbändiger Kühnheit.“
+ Aber sie lockt’ ihn umsonst: aus der Bläue der trotzigen Augen,
+ Die, vom röthlichen Haar umwallt, einst, Gegnern zum Schrecken,
+ Glüheten, sah er, verachtenden Blicks, auf die Zauberinn nieder;
+ Wandt’ ihr den Rücken, und fuhr in den Raum des Zeltes herunter:
+ Denn ihm schwebt’ Erwinens Bild vor den Augen, und Thränen
+ Trübten sie schnell, da er jetzo, bewegt, der Sanften gedachte.
+ Doch als sie in dem Kreis’ der Versammelten hier Kunegundens
+ Herz mit verblendendem Zorn und Haß zu erfüllen bedacht war;
+ Ottgar selbst, von dem Weib’ empört, dem Herrscher der Deutschen
+ Grause Vernichtung sann; Verrath in den Mauern der Hauptstadt
+ Gegen ihn dräuend sich hob, und, „Rache,“ die Losung des Heers war:
+ Ha, da flog der entrüstete Geist in Eile von dannen!
+ Eben erglühte das Morgenroth, erneut, wie der Hoffnung
+ Herzerheiternder Strahl, an dem östlichen Himmel. Er fühlte
+ Ruh’ in der stürmischen Brust, und schwebte hinan zu den Zinnen
+ Wiens, wo er bald mit ringsumspähendem Blick im Gebein-Haus,
+ Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen,
+ Rüdiger Waldram fand, der dort mit den Bürgern zu Rath saß:
+ Rudolphs Feinden die Veste noch heut zu verrathen, entschlossen.
+ „Seht,“ so sprach er, „uns frommt’s des ruhmverherrlichten Ottgars
+ Herrscherthron zu erhöhen in Oestreichs blühender Hauptstadt.
+ Wir sind Bürger der Stadt, und erfuhren es all’ in der Wahrheit,
+ Daß uns Rudolphs Macht, des stolzaufstrebenden Fremdlings,
+ Schon in dem früheren Völkerkampf nicht zu schirmen vermochte.
+ Seine Heimath ist fern -- ein Aargau’r bleibt er noch immer.
+ Flieht den Leu’n im güldenen Feld: _roth_ glüht er vor Ingrimm;[4]
+ Aber euch sey in dem Purpurfeld der _weiße_[5] willkommen,
+ Selbst vor dem Doppelaar, den Kaiser Friedrich, der And’re,[6]
+ Hier zum Wapen uns gab. Nun hört’, ihr Getreuen! Erschallen
+ Wird vor dem Stubenthor im mitternächtlichen Grauen
+ Dreimal ein Glöckchen. Es ruft uns zur That: denn kühne Gesellen,
+ Von dem König der Böhmen gesandt, durcheilen den Wehr-Gang
+ Außer der Veste, wo ich in Menge die tödlichen Waffen
+ Heute gehäuft. Wir öffnen das Thor, und, wißt es: verrathen,
+ Oder errungen im Blut -- uns gleich! wir biethen die Stadt ihm
+ Morgen zum Unterpfand des jüngstbeschworenen Bundes.
+ Eilt nun heim, und gedenket des Muths,
+ und des herrlichsten Lohn’s nur!“
+ Schweigend reichten ihm jene die Hand, und eilten von dannen.
+
+ Aber mit Schrecken vernahm den schnöden Verrath an dem Kaiser
+ Marbod im schwebenden Flug’, und sann, wie er solchen vereitle.
+ Jetzt entschloß er sich rasch, zu nah’n im warnenden Traumbild
+ Hugo von Tauffers, dem Greis’ unbändigen Muthes im Schlachtfeld,
+ Dessen gewaltiger Feldherrnkraft die Veste vertraut war.
+ Wie sich ein Nebelgewölk hersenkt auf die dämmernden Berghöh’n:
+ Also nahet’ er ihm, und wies in der Tiefe des Grabens,
+ Außer dem Stubenthor’, ein Heer von Wölfen: sie folgten
+ Eilig dem Weidmann nach, der wildanlockenden Köder
+ Trug in der Hand, und Waldram glich, voll triegender Arglist.
+ D’rauf durchstürmten sie das eröffnete Thor, und erwürgten
+ Ringsum Kinder und Greis’, und lautaufheulende Mütter
+ So, daß das Blut durchwogte die Stadt, wie ein brausender Gießbach,
+ Der im regnigen Herbst mit schäumenden Fluthen daherfleugt.
+ Stöhnend entwand sich der Held dem Traum’, und sagte, verwundert:
+ „Wahrlich, mir führte die Nacht noch nie so klar und lebendig
+ Gaukelgebilde des Schlafs an der Seele vorüber. Mich dünket,
+ So ich es recht erwäg’ im Gemüth: ein warnender Traum seys!“
+ Und er erhob sich behend’, um die Veste besorgt in dem Herzen.
+
+ Jetzt erscholl ringsher von den hochaufragenden Wällen,
+ Mächtiger stets Drometengetön’, und unzählige Glocken
+ Weckten mit ehernem Schall des Volks unendlichen Jubel:
+ Denn von des Berges Höh’n, wo die Spinnerinn saß an dem Kreuzbild,
+ Kam Kriegsvolk, und vor ihm der erhabene Kaiser. Die Sonne,
+ Die sich im rosigen Osten erhob, sog blitzende Strahlen
+ Aus dem stählernen Kleid der Gewaffneten, herrlich zu schauen!
+ Rührend zugleich, und herrlicher noch: wie, inmitten des Volkes,
+ Das entgegen ihm zog, im Geleit zwo lieblicher Töchter,
+ Agnes und Adelheid, und Hartmann, ihres Erzeugten,
+ Man die Kaiserinn trug in der Sänfte. Die Mutter der Armen
+ Hieß sie dem Volk’, und hieß die trefflichste Mutter und Gattinn:
+ Mild sich bewährend an allen zugleich, ein Engel an Sanftmuth;
+ Doch sie naht’, abzehrend, des Lebens Ziel’, und auf einmal
+ Welket sie hin wie die Blume, versengt vom giftigen Mehlthau.
+
+ Draußen in Matzleinsdorf, wo fromme Verehrer ein Standbild
+ Weihten dem Sankt Florian, dort hob Jahrhunderte lang schon
+ Eine Linde sich auf, die mächtigen Zweige verbreitend
+ Rings, und biethend in Sommers Zeit umschattende Kühlung
+ So dem Pilger zugleich, wie dem schwerarbeitenden Löhner.
+ Dort geboth er die Rast, und grüßte die nahende Volksschar
+ Freundlichen Blicks. Doch jetzt, die treffliche Gattinn gewahrend,
+ Trat er zu ihr, und führte sie sanft zum beschatteten Sitz hin.
+ Wie ihm die liebende Brust auch blutete, sie an des Lebens
+ Kraft so erschöpft, und ach, dem Tode verfallen zu schauen;
+ Dennoch bezwang er den Schmerz, und sah ihr noch heiter in’s Antlitz!
+ Aber das liebliche Paar der Töchterchen legt’ ihr das Kissen,
+ Unter den Füßen zurecht, und wand das Tuch ihr mit Sorgfalt,
+ Um die erschütterte Brust: der dräuenden Kühle gedenkend.
+ Doch sie sprach zu dem trauten Gemahl, verweisend mit Sanftmuth:
+ „Gar nicht erwägest du, ach, wie des Vaters die Kinder bedürfen --
+ Meiner, der Mutter, nicht mehr: denn schon gewahr’ ich sie mündig
+ Alle vor mir, und bewahrt, mit Gott, in jeglichem Guten!
+ Rastlos sucht dein Geist nur Müh’ und Arbeit: die Tag all’
+ Schwinden dir hin, und die Nächte, gesammt, in ewigem Streben
+ Nach dem erkorenen Ziel’, und die Ruh’ erquicket dich nimmer.
+ Auch bestehst du zu oft und zu kühn die Gefahren, als Herrscher;
+ Zogst auch jetzo hinauf g’en Lilienfeld in dem Waldthal
+ Nur mit schwachem Geleit, und leicht wohl hätte die Heimkehr
+ Dir der Böhme verwehrt, so ein arger Verräther es kund that.
+ Weh’, und neu entflammt sich der Krieg! Von neuem beginnst du
+ Wieder den blutigen Lauf, und, ob auch die liebende Gattinn,
+ Ob die Mutter vergehe vor Angst, und die Kinder, verwaiset,
+ Schreien nach dir -- umsonst: du kennst, Tollkühner, die Furcht nicht!
+ Ach, erhob dich die Huld der ewigwaltenden Vorsicht
+ Nicht auf den Thron, daß du beglückest unzählige Völker;
+ Führest den Frieden zurück’ in die sturmerschütterten Gauen
+ Deutschlands, unseres Vaterlands, und erhebest die Ostmark,
+ Deinem Geschlechte zum Ruhm -- zum Sitz’ unendlichen Segens?“
+ Jener entgegnet’ ihr sanft: „Nicht also gedacht, und gesprochen
+ Hast du, Theure, zuvor in den blühendentfalteten Jahren,
+ Als in den Kampf dein Held auszog. Du reichtest die Waffen
+ Selber ihm dort, vom Staub sie reinigend, oder vom Blutrost
+ Oft mit dem Hauche des Mund’s und den zartgestalteten Fingern,
+ Und umgürtetest ihn mit dem Schwert, nach ad’liger Sitte.
+ Zwar dir pochte die Brust, und die rosigerglühenden Lippen
+ Zitterten ob den Gefahren des Kampfs; doch immer bezwangst du,
+ Schweigend, die Angst, und theiltest die Freude des kehrenden Siegers:
+ Denn nicht eitelen Ruhm, nicht schnöden Besitz zu erjagen,
+ Lag ich draußen im Feld; nie schaffte mein Eisen das Eigen
+ Armer und Waisen mir heim: nur diese zu schirmen -- zu rächen
+ Unterdrückung und Schmach der Unschuldigen, zog ich mit Macht aus,
+ Wie es die Ritterehre geboth. Auch jetzo, gezwungen
+ Nur, entreiß’ ich das Schwert der rostenden Scheide. Des Friedens
+ Bothen, erhaben an Rang und Verdienst, entsandt’ ich in’s Lager
+ Ottgars erst: wohl mir, so er beiden ein günstiges Ohr leiht!
+ Doch so er taub verschmäht den ein- und den anderen: dann sey
+ Gott befohlen mein Haupt. Ich muß ja leben, und sterben,
+ Wie es der Völker Wohl und des Herrschers heilige Pflicht heischt.
+ Mög’ er Tröster dir seyn, und das Leben noch lange dir fristen
+ Mir zur Freud’, und den Kindern zum Glück’, auf immer und ewig!“
+ Jetzo erhob er sich rasch von der steinernen Bank mit der Gattinn;
+ Winkt’, und reicht’ ihr, zum Scheiden, die Hand.
+ Durch quellende Zähren
+ Sah’n sie lang’ einander in’s Aug’: die Zitternde sank ihm
+ Dann, voll Hast, an die Brust, und küßte das pochende Herz ihm.
+ Angst ergriff das Volk, und ihr’ Erzeugten verhüllten,
+ Weinend, das Aug’: sie kehrete heim nach der einsamen Hofburg.
+ Ach, nicht sieht er sie mehr, die holde Geliebte der Jugend,
+ Nicht die erlesenste Gattinn mehr, nicht die beste der Mütter:
+ Denn ihr Lebenslicht soll nun, wie die Lampe verlöschen,
+ Die, des Oehles beraubt, nur matt aufflimmert noch einmal!
+
+ D’rauf an der Wien, die träg in den buschigen Ufern sich fortwälzt,
+ Führt’ er die Heerschar schnell den Mauern der Veste vorüber:
+ Denn nicht wollt’ er die Burg in den Tagen des Kampfes beschreiten,
+ Wählend das Zelt zur Wohnung im Kreise der tapferen Krieger.
+ Außer dem Stubenthor naht’ ihm mit eilenden Schritten
+ Hugo von Tauffers, er, des treuen, tyrolischen Berglands
+ Heldensohn, der, jüngst erkoren zum Schirmer der Festung
+ Tausend trefflichen Schützen geboth, die er warb in der Heimath.
+ „Herr,“ so sprach er ihm leis’ in das Ohr, „nicht wollest du Hugo’s,
+ Deines Getreu’n, der lange, fürwahr, den Schuhen des Jünglings
+ Schon entwuchs, jetzt höhnen, als aberwitzigen Träumers!
+ Wohl ist des Menschen Geschick, zu spielen als Kind an dem Morgen;
+ D’rauf an dem Mittag ernst zu wandeln als Mann, -- wie ein Kind fast
+ Sich zu geberden als Greis, an dem Abend des wechselnden Lebens;
+ Doch, getrost: noch sitzet das Haupt mir fest auf den Schultern;
+ Schaue noch scharf in die Fern’, und mir entgehet der Laut nicht,
+ Der zu Thaten mich ruft im rühmlichen Felde der Waffen!
+ So verkünd’ ich dir jetzt, wie heute am dämmernden Morgen
+ Mir ein Wundertraum das Geheimniß enthüllte, daß Gegner
+ Drinnen im Schooße der Stadt gehägt, gleich giftigen Nattern,
+ Sinnen auf Mord und Verrath. Ich sah an dem heimlichen Wehr-Gang,
+ Der, verborgen im dichten Gesträuch, vom Ufer der Donau,
+ Vielverschlungenen Zugs, zu dem inneren Graben heraufführt,
+ Listigeröffnet die Thür’, und gehäuft unzählig die Waffen:
+ Sie zu vertrau’n der würgenden Faust verruchter Gesellen.
+ Auch entnahm ich zuvor aus dunkelen Zeilen, daß Waldram,
+ Gestern um Mitternacht Rath hielt im grausen Gebeinhaus
+ Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen.
+ Solches erwäg’, o Herr, und begegne dem schnöden Verrath jetzt!“
+ „Horch,“ so gab ihm der Kaiser zurück, „der Huth in der Festung
+ Eine sich hier die Schar zweitausend gewaltiger Schweizer
+ Heute noch, die, so heiß’ es, erschlaffte die dauernde Heersfahrt!
+ Hartmanns Muthe vertraut sey dann die Vest’ und die Hofburg;
+ Doch du schwinge dich hurtig auf’s Roß, und reite g’en Theben,
+ Wo schon Ladislav, mit der Krone des heiligen Königs
+ Jüngst geschmückt, als Freund und verbündeter Kriegesgenosse,
+ Unser mit Sehnsucht harrt im Kreise der tapfer’n Magyaren.
+ Ihm entbiethe denn unsern Gruß: er solle bereit steh’n,
+ Bis von dem Kahlenberg’, in dem mitternächtlichen Grauen
+ Hoch die Lohe sich hebt: des Kampfs bedeutender Wink; dann
+ Eil’ er herüber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge
+ Sie in dem trocknen Geröhr’, an dem Weidenbache vor Marchek.
+ Auch ich werde nicht fern mehr seyn, und ihm einen die Scharen
+ Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“
+ Hugo vernahm das Wort -- nicht zweimal braucht’ er’s zu hören:
+ Denn er hob sich, behend’, im kreisenden Schwung in den Sattel,
+ Jagte davon -- ihm nach der rüstige Knapp’, und in Säulen
+ Hob sich der Staub empor in die Luft vom schimmernden Heerweg.
+
+ Doch nun theilten die Schützen Tyrols mit den tapferen Schweizern
+ Wiens ruhmwürdige Huth, wie solches der Kaiser gebothen,
+ Der das Schwert von der Hüfte sich nahm, und dem tapferen Hartmann,
+ Seinem Erzeugten, es gab mit sanftermahnenden Worten:
+ „Deinem Muthe vertraut sey jetzo die Burg und die Festung
+ Wiens, der herrlichen Stadt. Ein rettender Schild der Bedrängten
+ Mögest du seyn, und den Ruhm von deinem Geschlechte bewahren,
+ Das von der Habsburg kam, und Oestreich, liebend, zur Heimath
+ Sich erkor: ihr Glück auf immer zu gründen, entschlossen!“
+ Sagt’ es, und Hartmann trat mit schweigendem Ernst in die Vest’ ein,
+ Dort zu gebiethen der Schar wallschirmender, muthiger Völker.
+ Trauer umwölkte sein stilles Gemüth. Von den Sterblichen einer,
+ Die, durch Prüfung bewährt, des Herrn verborgener Rathschluß
+ Wandeln heißt auf der Dornenbahn in die ewige Heimath,
+ Wuchs er in Schwermuth auf. Den Gegnern gefürchtet im Schlachtfeld,
+ Und von Jeglichem ob des Wissens Reichthum bewundert,
+ War er der Aeltern Stolz, und die Freude der edelsten Menschen;
+ Doch mißlang ihm oft sein Müh’n und Streben, und ach, erst
+ Kündet’ ihm Eginhard des stolzgesinneten Fräuleins
+ Liebeverschmähendes Wort. Er hielt sich die Brust mit der Rechten,
+ Wo das Herz empörter ihm schlug, und sah zu dem Himmel
+ Düsteren Blicks, empor; doch bald bezwang er sich wieder:
+ Mit Ergebung vor Gott, und den Menschen zu wandeln, entschlossen.
+ Jetzt, so hoch ihn der Ruf des Heldenvaters auch ehrte,
+ Inner den ragenden Mauern Wiens dem Feinde zu trotzen,
+ Und zu entreißen den Sieg, nicht weckt’ er ihm Freud’ in dem Herzen:
+ Denn ihn hieß auf den Kahlenberg zur stillen Karthause
+ Pilgern ein frommes Gelübd’, und, wie es nun lösen?
+ -- nicht wußt’ er’s.
+
+ Aber es zog auf der Brücke dort, die, einigend Leupold’s
+ Außen- und Inselstadt[7] mit dem Land’ und der Vest’,
+ in dem Grund fußt,
+ Eilig der stattliche Kaiser einher vor den muthigen Scharen.
+ Schmal, und getrennt von dem Riesenarm der herrschenden Donau,
+ Wogt in der Tiefe der Strom, und umfaßt ein mächtiges Eiland,
+ Das im Schooße die Außenstadt und umschattende Auen
+ Lieblich vereint, zur Lust des wandelnden Städtebewohners.
+ D’rauf im Eilschritt ritt er hinaus auf den schwankenden Bohlen,
+ Wo auf dem Riesenstrom sich die Fähren an Fähren, im Halbkreis
+ Reihten, dem wachsenden Mond’ an dem Sternenhimmel nicht ungleich,
+ Wenn er auf dunkeles Nebelgewölk im Westen hinabsinkt.
+ Angelangt an der Spitze, vom Tabor hinaus, wo im Aufeld
+ Links an der Straß’, und rechts sein Heer das Lager bezogen,
+ Sah er zum Ehrenempfang die Scharen geordnet, und winkte
+ Beifall den Amtnern[8] zugleich, und den muthbegeisterten Kriegern:
+ Denn schon hob sich ihr Freuden-Geschrei die Reihen hinunter,
+ Endlosdauernd im Ruf: „Hoch lebe der Kaiser Rudolphus!“
+
+ Allen voran stand dort der Hauf’ östreichischer Krieger,
+ Ober’n und unteren Lands; die letzteren führte Capellen,
+ Jene Dietrichstein in das Feld: zehntausend der Männer,
+ Die mit dem Panzerhemd, mit dem Helm’, und dem Schilde bewehret,
+ Kämpfend zu Fuß, aufschwangen im Feld die tödlichen Lanzen.
+ Aber das muthige Volk der Steyrer, der Krainer, und Kärnthner
+ Stand an jene gereiht, und, wahrt’ auch der Helm nicht das Haupt ihm,
+ Nicht der eiserne Harnisch die Brust; doch würd’ es, den Degen
+ Schwingend, durchbrechen im Sturm,
+ und erringen den blutigen Kampfpreis.
+ Pfannberg, Meinhard, und Ortenburg die untad’ligen Feldherrn,
+ Riefen die Völker in’s Feld: dreitausend erlesene Reiter.
+ Auch der Schweizer gewaltiges Volk, und der heiteren Schwaben
+ Heldenschar stand dort, gesellet der lagernden Heersmacht;
+ Dies’ empörte zur Schlacht der Burggraf, Friedrich von Nürnberg,
+ Rudolphs Schwestersohn, und ein tapferer Degen im Schlachtfeld,
+ Albrecht jene, der edele Sohn des edelsten Kaisers;
+ Doch den beiden vereinten sich noch tyrolische Schützen,
+ Die, gerufen erst jüngst aus den Thälern der Heimath, die Armbrust
+ Auf der Schulter -- die Pfeil’, im Bündel geschnürt, auf dem Rücken
+ Trugen; umspähenden Blicks, wie dem Wild’ auf der Fährte die Jäger,
+ Fernhin sah’n, und, kühn, nicht in Stahl und Eisen sich hüllten.
+ Tauffers war ihr Hort im Gewühle der Schlachten. Er flog jetzt
+ Unaufhaltsam dahin, des Kaisers erlesener Herold.
+
+ Sieh’, und schon gewahrt’ er das Ziel! Die sinkende Sonne
+ Stand an dem Abendthor’, umhüllt von rosigem Schimmer.
+ Heller glüht’ ihr scheidender Blick; ihr goldenes Haupthaar
+ Flammt’ empor, da in hehrem Glanz sie noch einmal herüber
+ Winkt’ ihr Lebewohl! dem sanft entschlummerten Erdkreis.
+ Aber die Kühlung sank auf den Fittigen schmeichelnder Lüftchen
+ Leise herab, und erquickte die schweraufathmende Schöpfung.
+ Jetzt vollbrachte den Ritt sein feuriger Renner; es flogen
+ Dampfend und triefend von Schweiß ihm die Seiten;
+ der Hals und der Rücken
+ Schäumt’, und ihm wankten die Füß’,
+ da er stand vor dem Zelte des Königs.
+
+ Dort den Hügel empor, wo jetzt nur Trümmer des Schlosses
+ Weitumkreisenden Hof bezeichneten, das in der Vorzeit
+ Herrschend hinuntersah auf das Land, aus dem in die Donau
+ Drüben die March sich ergießt, und, von ihren gewaltigen Fluthen
+ Stolz zurückgedrängt, seegleich bedecket die Fluren:
+ Dort, auf Pfähle gespannt, erhoben sich tausend und tausend
+ Schimmernde Zelte des Volks der Kumanier und der Magyaren.[9]
+ Jene rühmten sich gleichen Geschlechts und Ursprungs mit diesen;
+ Doch der edlere Stamm der ahnenstolzen Magyaren
+ Hielt Jahrhunderte schon, aus Scythiens grasiger Steppe
+ Kommend (Tanfu, Zuard, Lehel, und der tapfere Almus,
+ Waren die Führer des Volks) Pannoniens herrliche Fluren
+ Im Besitz’, errungen im Sieg ruhmdürstender Ahnen.
+ Jüngst erst kam der Kune heran, dem wilden Tartaren
+ Folgend im Schreckenszug, und, als er, verwilderter heimzog,[10]
+ Nach entsetzlichem Mord’ und Gewürg’ unzähliger Christen,
+ Blieb er im Lande zurück: inmitten der Theyß und der Donau,
+ Sich erwählend ein Sandgefild zum dauernden Wohnsitz,
+ Welches der Steppe gleich, unendlicher Fläche sich ausdehnt,
+ Und Kumanien heißt. Ihn nennt der Unger den Kun nur.
+ Eisern hielt er noch fest an der Sitte der Heimath; auch Götzen
+ Dienet’ er, so vermengend das Wort der ewigen Wahrheit
+ Mit entehrendem Wahn: denn kaum erkannte des Heilands
+ Rettenden Weg sein Geist, und roh bewahrt’ er das Herz noch.
+ Aber entsetzlich wüthet der grimmige Kun’ in der Feldschlacht.
+ Ordnungslos, bald links, bald rechts sich wendend, im Eilflug,
+ Braus’t er heran wie der Sturm. Er schnellt von dem tönenden Bogen
+ Durch die heulende Luft den befiederten Pfeil, und verfehlt nie,
+ So er den Gegner in’s Auge gefaßt, in die Brust ihn zu treffen.
+ Aber von diesem bedrängt, entflieht, und kehret er wieder,
+ Listengeübt; läßt oft dem fliehenden Rosse den Zügel;
+ Wendet sich hurtig im Sattel herum, und schleudert des Tschakans
+ Eisengewichtige Last dem Nahenden mächtig entgegen.
+ Sieh’, und hatt’ er ihn etwa verfehlt, da setzt er sich wieder
+ Rasch, im Schwunge, zurecht in dem Sattel; ergreifet die Zügel;
+ Lenkt im kreisenden Lauf mit eisernem Drucke der Schenkel
+ Eilig den Renner heran, und so der entflogenen Waffe
+ Nahend, schwebt er mit einem Fuß noch im Riemen des Bügels;
+ Beugt sich nieder im Flug’, und hebt sie empor von dem Boden,
+ Ehe der Feind sich gestellt, und des Fliehenden Jauchzen vernommen.
+
+ Dort schwang Hugo sich jetzt mit forschendem Blick’ aus dem Sattel,
+ Und vertraute das Roß dem redlichen Knappen zur Pfleg’ an.
+ Fernher scholl an sein Ohr des Lagers Getöse: dem Meersturm
+ Gleich, der himmelan braus’t, erfüllt’ ein dumpfes Gemurmel
+ Drüben die Nacht. Stets glühender schien der wolkige Himmel
+ Ueber dem Lager, erhellt von unzählbarlodernden Feuern.
+ Dorther kam auftobender Männer Geschrei, und der Weiber
+ Lautes Kreischen, vermengt dem Gebrüll’
+ und dem Wiehern des Lastthiers:
+ Denn von den Zelten hinaus umgrasete rings in dem Blachfeld
+ Breitgehörnetes Rind und der Ross’ unendliche Mehrzahl,
+ Die nur klein von Gestalt, und unscheinbar dünken dem Fremdling,
+ Aber, von feurigem Muth’ erfüllt, und dauernder Kraft voll,
+ Tragen den Reiter so schnell wie der Blitz an den Feind, und erretten
+ Oft ihn im Schlachtengemeng, schnellfüßig zum Sprung und zum Laufen.
+ Also lagerten hier die Kumanier. Doch in des Heeres
+ Rücken ruhte das Reitervolk der edelen Ungern,
+ Kummererfüllt: denn Ladislav, der König, erkor sich
+ Jene zu Lieblingen, so der Ahnenehre vergessend.
+
+ Als nun Hugo dem Zelt des Königes nahte, vermeint’ er,
+ Zithergetöne zu hören; ihm schien: kumanische Mädchen
+ Sangen dazu, nach Heidenbrauch, unziemliche Weisen.
+ Ach, und so war’s! Doch bald verstummte der Sang und die Zither,
+ Als der Fremdling, in Eisen gehüllt, ihm näher getreten.
+ All’ erhoben sich schnell von dem Boden -- die bärtigen Männer
+ Und die rosigen Mädchen, und jetzt der fürstliche Jüngling,
+ Anmuthstrahlenden Blicks, an dem Haupte von bräunlichen Haaren
+ Lieblich umlockt, voll Jugendkraft und blühender Schönheit.
+ Aber er stand verwirrt, und wußte nicht, wie er beginne,
+ Bis er sich wieder ermannt’, und d’rauf mit kräftigem Laut rief:
+ „Sprich: weß’ Landes du bist, o Fremdling? Triegt uns die Ahnung
+ Nicht, so kommst du gesandt von dem Kaiser der Deutschen, Rudolphus,
+ Der uns vielleicht des Saumsals zeiht, und unrühmlicher Trägheit,
+ Weil wir ruhen dahier, bei Saitenspiel und Gesängen
+ Uns ergetzend, und sein’, des feindbedrängten nicht achten?
+ Doch wir harreten nur des Winks, den er uns verheißen,
+ Und gedenken, ihm treu und redlich zu Hülfe zu stehen!“
+ Hugo beugte das Haupt, und sagte mit edelem Anstand:
+ „Herr, du ahnetest recht! Hier steht des Kaisers Gesandter,
+ Hugo von Tauffers genannt, vor dir, und, wahrlich, ein Krieger,
+ Seit er der Schul’ entlief: ein Taug’nichts ist er am Schreibtisch!
+ Aber nicht rostete noch in der Scheide sein trefflicher Degen;
+ Gerne stellt er sich ein, wo es gilt ihm Ruhm zu gewinnen,
+ Und hoch ehrt ihn die Sendung auch jetzt: denn Wichtiges soll er
+ Dir kund thun; doch, Herr, verzeih’ -- in dieser Gesellschaft?“
+ Sagt’ es, und lächelte fast; der König entgegnete leiser:
+ „Ritter, mir scheint dein lächelndstrafendes Auge zu sagen,
+ Was dem Könige ziemt, was nicht! Erfahrenes Alter
+ Richtet streng; doch sieh’, noch blüht mir der fröhlichen Jugend
+ Rosenhain, und ich wandle in ihm mit heiterem Sinn fort;
+ Weile so gerne dahier im Kreis’ des unschuldigen Volkes,
+ Das, von der Urzeit her die ererbeten Sitten bewahrend,
+ Frei, die Fessel nicht kennt, die uns engt im verfeinerten Leben!
+ Aber tritt in mein Zelt, und vergnüge dein Herz an dem Spätmahl,
+ Das ich dir biethe nach Lagers Brauch; dann will ich dich hören.“
+
+ Eilig traten sie ein. Die finsteren Scharengebiether
+ Folgten dem Könige nach, und setzten sich rings um den Tisch her,
+ Sonder Ordnung, noch Wahl. In zottige Pelze gehüllet,
+ Sah’n sie stolz aus den tiefvergrabenen Augen dem Fremdling
+ Jetzt in das heitre Gesicht, und strichen den Bart an der Lippe.
+ Bald erschienen im Zelt’ auch die rosigblühenden Mädchen,
+ Tragend in Körben Pferdfleisch auf, das unter dem Sattel
+ Barg der Reiter, und dann hinflog, bis solches im Ritte
+ Heiß geworden, und mürb’, des Volks ersehntes Gericht war;
+ Auch gebratenes Fleisch vließtragender Lämmer, mit Knoblauch
+ Vielgewürzt; dann Brot aus dem feinsten Mehle gebacken,
+ Hochgewölbet und weiß, nach Art magyarischer Backkunst,
+ Und die mächtigen Krüge, gefüllt mit den edelsten Weinen.
+ Alle schmaus’ten nach Lust; doch Hugo verschmähte des Kunen
+ Lieblingsgericht -- nicht des Weins,
+ des trefflichen, schonend: unendlich
+ Gab er bei Humpen Bescheid, und blieb stets seiner noch Meister.
+
+ Siehe, von neuem erscholl der Zither Getön’, und der Herrscher
+ Mahnte die Männer und Mädchen zum Tanz’, dem Gaste zu Ehren!
+ Jene stellten sich ernsten Blicks, dem König gehorchend,
+ Draußen in Doppelreih’n, und hoben den werbenden Tanz an,
+ Der in das Feld den Jüngling ruft, und Gefühle der Wehmuth,
+ Ihm in der Brust aufregt, an die Zeiten der Väter ihn mahnend,
+ Mit wehklagenden, tief das Herz bestürmenden Weisen.
+ Aber sie schlugen die Hand an die Hand, und die Sporn’ an die Spornen;
+ Stampften zugleich, rasch hin und daher sich wendend, den Boden;
+ Stöhnend vor Lust, und ihr Aug’ erfüllten oft schimmernde Thränen,
+ Plötzlich geweckt von dem Sturm der empörten Herzensempfindung.
+ Doch als d’rauf zu dem Wechseltanz der erfahrene Künstler
+ Rasch in die Saiten griff, mit dem Fuße der schnelleren Weisen
+ Zeitmaß schlug: da faßte die Tänzerinn jeglicher Tänzer
+ Um den blühenden Leib, und schwang sie umher an der Stelle,
+ Bald mit dem linken, und bald mit dem rechten Arme sie drehend
+ Fort im verengenden Kreis’. Dann riß er sich wieder von ihr los;
+ Hüpfte schnell vor ihr hin, und schlug die klingenden Spornen,
+ Jauchzend, zusammen, und schlug die Wade mit wechselnden Händen.
+ Aber sie folgt’ ihm entfernt. Die Recht’ an die Seite sich stemmend,
+ Hielt sie die Schürze am Saum’ sich stolz vom Leib’ mit der Linken,
+ Wandte sich links und rechts, mit niedlichen Sprüngen, und mied ihn
+ Scheinbar, bis sie, ersehnt, urschnell in die Arme des Tänzers
+ Flog, und von neuem das Paar in schwindelnden Kreisen sich drehte.
+ Doch nun winkte der König zum Schluß: die Saiten verstummten;
+ Hoch erhob der Tänzer die Tänzerinn noch, und entließ sie;
+ Kam dann, triefend von Schweiß, und setzte sich wieder zum Tisch hin.
+ Jene entfloh’n, und der König sprach, mildlächelnd, zu Hugo:
+ „Ritter, du hast magyarische Tänze geseh’n, und ergetzet
+ Dich bei’m fröhlichen Mahl’, obgleich du ein nüchterner Gast bist!
+ Nun ersehnte mein Geist zu vernehmen, wie Kaiser Rudolphus,
+ Unser Bundesgenoß’ und Freund, zum Throne gelangt ist --
+ Er, einst Habsburgs Graf? Doch künde zuvor uns die Abkunft
+ Und die muthigen Thaten des huldbeseligten Herrschers,
+ Die mit unsterblichem Ruhm’ ihm zieren die Stirne. Der Morgen
+ Graut: bald steht ihm Ungerns Macht zu Geboth’ in der Feldschlacht.“
+ „Zwar verweigerst du noch,“ so entgegnete jener, „des Kaisers
+ Herold’ ein willig Gehör, und lullst ihn bei Tänzen und Mahlen,
+ Zaubernd, ein, daß er ganz vergesse der wichtigen Sendung.
+ Aber, weil dich verlangt, von meines erlauchten Gebiethers
+ Abkunft, Muth und Heldenkraft, die Carol des Großen
+ Glänzenden Thron ihm errang, zu hören, so will ich mich fügen
+ In Geduld, und harren: es gilt ja die Ehre des Kaisers!“
+
+ „Wisse demnach! Stolz hebt sich vom Fels die mächtige Habsburg
+ Aus umdämmerndem Wald, an der Aar in die bläuliche Luft auf.
+ Dort, so kündet die Sag’, erschien in grauender Vorzeit
+ Rudolphs edles Geschlecht, aus fränkischem Stamm, und erbaute
+ Jene, wie auch Aarburg, und Brugg, die gewaltigen Vesten.
+ Aber vor allen hieß die „Herrliche“ jene von Habsburg:
+ Denn mildherzige That an den Dürftigen, eisernes Schirmrecht
+ Gegen die freche Gewalt des Unterdrückers der Schwachen,
+ Uebten aus ihr, gebührend, die weitgerühmten Gebiether.
+ Dort erwuchs, entflammt von dem Ruhm gefeierter Ahnen,
+ Rudolph, Albrechts Sohn, des Weisen, und Hedwig, der Frommen,
+ Lernend durch Gottesfurcht und Weisheit frühe des Lebens
+ Höchstes Glück in der eigenen Brust zu gründen für immer.
+ Doch wo wäre Beginn und Ende? so Alles und Jedes
+ Ich dir kündete: wie an den Hof ihn Friedrich, der Kaiser,
+ Der zu der heiligen Tauf’, als Path’ ihn führte, gerufen,
+ Daß er ihn lehrte mit Rittersmuth nach rühmlichen Thaten
+ Streben; wie er im sicilischen Krieg’, und in jenem von Oestreich,
+ Gegen den Streitbar’n focht, und miterstürmte die Stadt Wien,
+ Die, vor allen beglückt, ihn einst als Herrscher begrüßet;
+ D’rauf in der Ahnen-Burg[11] zugleich mit dem Vater das Kreuz nahm;
+ Nach dem Gelobten-Land, die Feinde des Kreuzes bekämpfend,
+ Wallete; dort den Vater begrub, und, als er zur Habsburg
+ Heimzog, freudig zu eh’lichem Bund sich Annen erkies’te,
+ Hochbergs Kind, voll Huld, und die tugendreichste der Frauen --
+ Auch, allmänniglich werth, ein trefflicher Ritter und Herr war.
+ Wohl gebräch’ es mir auch an der Zeit und an Odem, geziemend
+ Nun zu schildern die sieg- und ruhmverherrlichten Krieg’ all’,
+ Die er geführt in den zweimal eilf unseligen Jahren,
+ Wo das verwaisete Reich nach Friedrichs Tode, des Kaisers,
+ Voll von Mord und Plünderung war, da in grauser Verwild’rung
+ Aus der thürmenden Burg ein jeglicher Ritter, nach Willkühr
+ Schaltend, Sitten, Gesetz’, und allem Heiligen Hohn sprach;
+ Wie er beschirmte das Recht und die Unschuld stets, und das Banner
+ Habsburgs ward dem Schwachen zum Trost’,
+ und den Räubern zum Schrecken.
+ Aber vernimm dieß einzige nur, wie kühn, wie entschlossen,
+ Und wie edel er ist! Ihm stand der Abt zu Sanct-Gallen,
+ Der, ein Falkensteiner, das Schwert und den hirtlichen Krummstab
+ Kundig zu führen gelernt, gar feindlich entgegen; sie quälten
+ Tapfer sich ab. Da brach sein Zorn auf die Baseler Bürger
+ Los, die ihm, wildempört, erschlugen die Freund’ und Verwandten:
+ Denn mit wenigen Reisigen hielt er still vor den Thoren
+ Wyls, des Städtchens, und heischte noch Einlaß dort zu dem Stiftsabt,
+ Der bei dem nächtlichen Imbiß saß, und, erstaunet, ihn ansah.
+ Aber er both ihm die Hand, und sprach: „Daß ich also zu dir kam,
+ Diene zum Zeichen dir: ich achte dich, redlichgesinnet,
+ Wie ich es bin, und vertraue dir kühn so Leben und Freiheit.
+ Höre, viel besser wär’s, daß wir uns in Rechten vertrügen,
+ Heute noch; dann die Waffen vereint, nach den Baselern kehrten,
+ Die mir erschlugen die Freund’, und erwürgten die theuern Verwandten!“
+ Also geschah’s: sie schmaus’ten versöhnt. Am kommenden Abend
+ Zogen sie rasch auf die Baseler los, und fürchterlich brannt’ es
+ Bald von der Stadt auf; bald versöhnete Blut die Erschlag’nen,
+ Und die Gegner umfing der Friede mit traulichen Armen.
+ D’rauf durchschwamm er die Furt, die noch „habsburger“ im Land dort
+ Heißet, des mächtigen Rheins mit reisigem Volk’, und erstürmte
+ Breisach kühn, mit dem Stahl in der Faust, ein trefflicher Stürmer!“
+
+ Laut aufjubelten jetzt die Kumanier, preisend des Ritters
+ Heldenmuth, und, ergreifend, voll Hast, den irdenen Weinkrug,
+ Der vor jeglichem stand, mit edelem Moste gefüllet,
+ Leerten sie ihn bis zum Boden hinab auf seine Gesundheit
+ Aus, auf einen Zug: daß ihr Haupt mit dem steigenden Weinkrug
+ Weit zurücke sich bog, und stellten ihn dann auf den Tisch dort
+ Nieder mit ohrerschütterndem Schlag. Doch wieder begann er:
+ „Also erscholl sein Ruhm zu den fernentlegensten Ländern
+ So, daß der Böhmen-König sogar, der jetzt in dem Feld uns
+ Biethet die Fehd’ auf Leben und Tod, mit schimmernder Goldschrift
+ Ihn an den Hof zu sich lud, und zum Marschalk, ehrend, ernannte.
+ Ha, nicht reut’ ihn die Wahl! Er focht ihm zur Seite mit Siegsruhm,
+ Gegen die Heiden im Preußenland’, und errang ihm den Lorber
+ Auch im Vernichtungskampf g’en Bela’s schreckliche Heersmacht.
+ D’rum kein Wunder, daß er, nach dem Wink der erbarmenden Vorsicht,
+ Die des gemeinsamen Vaterlands unendlichem Jammer
+ Setzen wollt’ ein Ziel, von den _sieben_ glänzenden Sternen
+ Unser’s heiligen Reichs zur herrschenden Sonne gewählt ward:
+ Daß er im goldenen Schmuck der Kaiserkrone des Segens
+ Strahlen über die Gau’n des deutschen Landes versende.
+ Sieh’ er lag vor Basel mit Macht; da brachte die Bothschaft
+ Ihm der Pappenheimer! Er stand, und wankt’, und besann sich;
+ Aber, auf Gott vertrauend, geboth ihm das Herz in dem Busen
+ Freudigen Muth. Er ging, und bald vereinte der Krönung
+ Allerfreuendes Fest die Völker der Deutschen zu Aachen.
+ Dort heischt’ er, im Dome gekrönt, den Eid von den Fürsten:
+ Daß sie verschafften nach _Recht_
+ dem heiligen, römischen Reich’ jetzt,
+ Was ihm die Faust entriß.[12] Sie ersannen, zaudernd, die Ausflucht:
+ „Noch vermiss’ er zum Königseid’ den Zepter der Ahnen.“
+ Doch er wandte sich schnell; hob selbst das Kreuz von dem Altar;
+ Hielt es empor, und rief: „Wer kennt ein schöneres Zeichen,
+ Kraft zu verleihen dem Eid’, denn dieses, woran der Erlöser
+ Sterbend hing, und uns errettete, heilig und wahrhaft?“
+ Und sie schwuren darauf: erbebend dem herrschenden Manne,
+ Der so kräftig gesprochen -- so fest- und so muthiggesinnt war.
+ Dir, und manniglich ist es bekannt, wie der Kaiser, Rudolphus,
+ Redlich gehalten sein Wort, und treu gelöset den Schwur hat:
+ Bannend den Uebermuth, und des Faustrechts wildes Gewaltreich
+ Muthig aus Deutschlands Gau’n --
+ an Leib und an Seel’, er, ein Deutscher,
+ Der bald unserer geist- und herzerhebenden Sprach’ auch
+ Sinnig zu Ehren half: in den Kanzeleien den Vorzug
+ Ihr vor dem todten Latein, dem schwerverständlichen, gönnend.[13]
+ Also geschah es, daß, dankerfüllt, ein jegliches Herz ihm
+ Huldigte: denn ihm zürnet allein der König der Böhmen,
+ Weil er, thörichten Sinns, die Kaiserkrone verschmähend,
+ Sie auf dem Haupte des Mannes sah, der einst ihm als Marschalk
+ Dienete. Doch umsonst bestürmt er die Erd’ und den Himmel,
+ Sie zu entreißen dem Haupt, dem Gott sie gegeben, zum Segen
+ Gegenwärtiger Zeit und endlos dauernder Zukunft.
+ Ha, schon winket das Morgenroth! So höre mit Huld nun,
+ Was mein Kaiser und Herr zum freundlichen Gruß dir entbiethet:
+ Wenn von dem Kahlenberg in dem mitternächtlichen Grauen
+ Hoch die Loh’ auffleugt: dann eil’ aus dem schirmenden Lager
+ Schnell hinüber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge
+ Sie in dem trocknen Geröhr’ an dem Weidenbache bei Marcheck:
+ Denn auch er wird also dir nah’n, und die Hände dir reichen
+ Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“
+ Und er erhob sich nun, schnell heimzukehren, entschlossen.
+
+ Glühenden Blickes sah aus dem schimmernden Thore des Morgens
+ Nach dem Zelteingang die Sonne herüber, und hauchte
+ Hüpfende Funken in’s bleiche Gesicht der schläfrigen Krieger,
+ Die um den König herum sich lagerten. Aber er hob jetzt,
+ Stillhinbrütend, vom Stuhle sich auf. Zur glänzenden Heerschau
+ Dacht’ er zu wecken sein Volk, dem scheidenden Fremdling zum Staunen.
+ „Gern,“ so entgegnet’ er, „will ich mich ganz dem Winke des Kaisers
+ Fügen, und eilen in’s Feld, sein redlicher Bundesgenosse;
+ Aber nicht wollest du scheiden zuvor, eh’ dir nicht zur Heerschau
+ Draußen mein Volk sich wies: nicht soll sich’s lange verziehen.“
+ Sagt’ es; riß sich das Schwert von der Hüft’, und schlug in die Tafel
+ Dann mit der Klinge so stark, daß die ird’nen Gefäße zum Boden
+ Taumelten: ein’s das and’re im Flug zu Scherben zerschmetternd.
+ Wunder zu schau’n! Da fuhr in brausender Eile der Feldherrn
+ Leise zum Schlaf hinnickende Schar von den Sitzen, und leer war’s
+ Bald in dem weiten Gezelt. Dem Könige folgte der Ritter
+ Staunend nach. Doch jetzt erschollen von grausem Gebrülle
+ Tausend Hörner, die einst die mächtige Stirne des Pflugstiers
+ Ziereten, breitgestellt, daß kaum der größte der Männer
+ Sie mit den Armen ermaß von einer Spitze zur andern.
+ Schon erhob sich Geschrei und Getös’, und das Wiehern der Rosse
+ Rings in dem Lager, und füllte mit Angst und Entsetzen die Umwelt.
+ Hoch auf fuhr der finstere Staub, und dicht, wie der Krähen
+ Wimmelnde Schar durchstürmt den nebligen Himmel, so flogen,
+ Schnell gewahrend den Wink des Königs, unzählige Haufen,
+ Sich in den Sattel schwingend, voll Hast, nach dem Ufer der March hin.
+
+ Dort, auf dem sandigen Feld’, in fernhinschwindenden langen,
+ Drei Mann tief, geordneten-Reih’n aufritten die Kunen:
+ Lenkend hurtige Rosse vor und zurück mit des Schenkels
+ Mächtigem Druck, den, weitumflatternd, das leinene Beinkleid
+ Hüllete bis zu der Ferse hinab, und den ledernen Bundschuh’n.
+ Sonst ihr Kleid: ein Pelz von dem zottigen Vließe des Widders,
+ Ueber dem kürzeren Hemd’, das halb des Niedergebeugten
+ Rücken entblößt -- doch weit die Arme umwallt, und, der Scheitel
+ Zur Bedeckung, die Mütze von Filz, mit der wallenden Feder.
+ Zehnmal tausend’ erhoben zur Luft den blitzenden Säbel,
+ Der der Sichel des Neumonds glich in der Krümm’, und es führten,
+ Eben so viele den Bogen und Pfeil mit dem hämmernden Tschakan.
+ Diese lenkte Suhol, der Eber genannt von den Seinen,
+ Ob des unbändigen Muths, und der Blitzstrahl, Kaduscha, jene:
+ Denn er flog so schnell wie der Blitz im Sturme der Schlacht hin.
+ Aber der Ungern edeles Volk beherrschte Matthias
+ Von Trentschin, der schlachterfahrene, tapfere Feldherr,
+ Dessen gewaltige Burg an den schimmernden Fluthen des Waagstroms,
+ Dräuend, in’s Waag-Thal schaut, und Schrecken gebiethet den Feinden.
+ Auch er führte heran zehntausend muthige Reiter,
+ Welchen der Kalpag zierte das Haupt mit des Reihers Gefieder;
+ Aber der Pelz, am Rücken hinab an goldenen Schnüren
+ Hängend, von hellblau’m Tuch, verbrämt mit schwärzlichem Lammsfell,
+ Und gelbschimmernden Knöpfen besetzt; dann, ähnlich, der Dolman,
+ Schimmernd von Gold an der Brust, vom seidenen Gürtel umfangen,
+ Ziert’ ihm den Leib, und der Bein’ anschmiegende, gleiche Bekleidung
+ Zierte die Füße zugleich mit den spornenbewaffneten Tschismen.
+ Jeglicher hielt in der Faust, an die Schulter gelehnet, des Säbels
+ Krummgehämmerten Stahl, der, sausend, die Feinde zerschmettert.
+
+ Als nun Hugo die Völker geseh’n, da sprach zu Matthias
+ Von Trentschin der König, ihm selbst und den Seinen zur Trauer:
+ „Tapferer, weile dahier mit deinen Geschwadern, des Lagers
+ Mächtiger Hort: denn bald, erbaut auf schwankende Fähren,
+ Einet die Brücke des Flusses Gestad’, und all das Geräth hier
+ Schaffest du dann noch heute hinüber, dem Heere zum Vortheil!
+ Aber, o freundlicher Greis, du, Hugo von Tauffers, der Ritter
+ Edelster, folg’ mir nach, und künde dem mächtigen Herrscher,
+ Heimgekehrt in die Kaiserburg, was du an der March hier,
+ Staunend, gewahren wirst; künd’ ihm: wir stehen den Feinden
+ Jenseits nahe genug; zum würgenden Kampfe gerüstet!“
+ Sagt’ es, und sprengte voraus: ihm nach die Kumanier alle,
+ Mitten hinein in den Fluß, hinüber zu schwimmen, entschlossen.
+ Hochaufspritzte die Fluth dem gewaltigen Drange; die Wässer
+ Brauseten laut von unzähligen Hufen der Rosse geschlagen;
+ Brandend flogen die Wellen zum Land’, und schäumten, und zischten
+ Endlos. Wie in dem eisigen Belt keckmuthige Fischer,
+ Eilend zum Wallfischfang’ in schaukelnden Booten, auf einmal
+ Nahe des Unthiers Riesengestalt, das Heere der Fischchen
+ Vor sich jagt, erseh’n: da werfen sie schnell die Harpun’ aus,
+ Die zweizackig gespitzt, einstürmt in die Weiche des Bauches,
+ Oder in’s breite Genick des riesigen Fisches, und Blut färbt
+ Alsbald ringsum das Meer: denn eilig hinunter zum Abgrund
+ Fährt er, und eilig herauf,
+ und peitscht mit dem Schweife die Meerfluth,
+ Daß sie himmelan fleugt, und röchelt mit dumpfem Gebrülle
+ Durch den schrecklichen Sturm der empörten Gewässer: so wogte,
+ Schäumt’, und braus’te die March, als jetzo die Kunen hinüber
+ Mit gewaltigem Lärm und Geschrei, die wiehernden Rosse
+ Spornten, und all’ das Heer errang, durchschwimmend, das Ufer.
+ Hugo saß in dem Sattel, und schwieg; doch jetzo besann er
+ Sich nicht lang’, und schwamm (ihm folgte der redliche Knappe)
+ Eisenbewehrt, wie er war, auf dem mächtigen Gaule hinüber;
+ Schwang das Schwert in die Luft, und flog entgegen der Hauptstadt.
+
+
+
+
+ Vierter Gesang.
+
+
+ Leis’ entschwebte die Nacht; aus dem hehren Gewölbe des Himmels
+ Schwanden die Sternenheere dahin, und auf gaukelnden Lüftchen
+ Schien ein freundlicher Tag sich herab auf die Fluren zu senken:
+ Doch, es erhob vor dem Morgenroth am östlichen Erdrand
+ Sich ein Nebelgewölk, das, eiligen Flugs, sich verbreitend,
+ Mehr und mehr den hochaufwölbenden Himmel befleckte.
+ Sieh’, als jetzo dem Saum der lichtergewordenen Höhen
+ Näher die Sonne kam: da erglühten im bläulichen Luftraum
+ Rings die zerrissenen Wolken umher, blutröthlichen Schimmers.
+ Jetzt erhob sie das Haupt; nur sparsam scholl aus den Lüften
+ Und aus dem Wald, der Morgengruß der befiederten Sänger
+ Ihr entgegen: sie sah mit trauerndem Blicke herüber.
+ Schwül umwogte die Luft; erboßter quälten die Fliegen
+ Menschen und Thiere zugleich; dumpf klang der wechselnde Windstoß
+ Ueber die Heid’: er kräuselte weit den Rücken des Stroms hin,
+ Und erhob in Wirbeln den Staub. Kein kühlender Nachtthau
+ Hatte die Fluren erquickt, und die Schöpfung trauerte ringsum:
+ Zeichen all’ annähernden Sturms und gewaltigen Regens.
+ Aber im Zelteingang, verlassend das nächtliche Lager,
+ Saß der Kaiser, und sah mit düsterem Blick’ in des Morgens
+ Dräuende Gluth. Er dacht’ im Geiste das dunkele Schicksal
+ Tausender, bis zu dem Abendlicht’ entschieden zum Leben,
+ Oder zum Tode, mit Angst! Bald sollten die Lose, so grau’nvoll,
+ Fallen des blutigen Kriegs -- des holdumlächelnden Friedens,
+ Wie es dem mächtigen Feinde gefiel, dem er ihn gebothen.
+ Ach, der Jammer des Volks durchdrang ihm die Seele! Zum Himmel
+ Hob er den Blick, und lispelte so mit gefalteten Händen:
+ „Laß den Frieden, o Herr, ihm mild erscheinen im Frühroth,
+ Und erwärmen sein Herz mit den huldausspendenden Strahlen,
+ Daß er erkenne die eigene Schuld, entsage der Rachgier,
+ Und, als Herrscher versöhnt, heimkehre den Seinen zum Segen!“
+ Aber mit Staunen vernahm’s der, einst kampfdürstende Marbod,
+ Als er umschwebte das Haupt des Bethenden, wie er dem Gegner
+ Frieden gelobte, versöhnlich und mild, und konnt’ es nicht fassen --
+ Er, der stets nur Schlachten ersehnt’, und glühenden Muths voll,
+ Selber aufreizte den Feind auf den Pfaden des irdischen Lebens.
+ Zweifelnd stand er lange vor ihm. Er wähnte, bekümmert:
+ Ihm gebrech’ es an Kraft und an raschvordringender Kühnheit
+ (Nicht begreifend sein Herz, ein Irrender, Lichtesberaubter)
+ Wiegte das Haupt, und fuhr, verstört, zu dem Morgengewölk auf.
+
+ Siehe, der Kaiser trat alsbald erheiterten Blickes
+ Aus dem Gezelt, und hörte mit Lust, unferne dem Lager,
+ Walten geschäftig das Volk der Zimmerer, Schmied’, und der Schreiner.
+ All’ die Nacht forthämmerten sie bei dem Scheine der Kesseln,
+ Die mit schwärzlichem Pech und duftendem Harze genähret,
+ Weit erhellten die Au an des Heerwegs schlängelndem Zug hin.
+ Draußen bei Floridsdorf am Donaustrande, wo dreifach,
+ Strahlen gleich, fortzieh’n die länderverbindenden Straßen:
+ Diese nach Ungerland -- nach Böhmen und Mähren die andern,
+ Eileten sie, zu erbau’n die Gerüst’ und die Schranken der Turnbahn.
+ Hundert Schritte, die Straß’ entlang, und der Breite nach fünfzig,
+ Ebneten sie den Grund schnurgleich, und bestreuten ihn zolltief
+ Dann mit dem schimmernden Sand, der drüben am Ufer gehäuft lag;
+ Fügten auf Säulen die Balken umher, und trennten mit Absicht
+ So von dem Wiesengrund das langgedehnete Viereck.
+ Aber es wich an dem unteren Rand des umschrankten Gebiethes
+ Quer ein Balken zurück, so er Einlaß both den Erwählten,
+ Und an dem oberen stand, gar herrlich gestaltet, die Prachtlug[1]
+ Oben verziert mit dem Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter,
+ Und von Innen geschmückt mit Sammtvorhängen von Purpur,
+ Die an dem Saum’ umher von goldnen Blumen erglänzten.
+ Dort dem Herrscher und seinem Gefolg’, erles’nen Geschlechtes,
+ Standen die Sitz’ erhöht, und emporgereihet im Halbkreis’;
+ Doch ein breites Gerüst, entlang die Schranken der Turnbahn,
+ Bauten sie auch; versahn’s mit emporgereiheten Sitzen
+ Für schaulustiges Volk aus den nahen und fernen Gefilden,
+ Und erhöhten die luftigen Zelt’, entgegen der Prachtlug:
+ Tapferen Rittern zur Rast, die her zu turneien gekommen.
+ Als der Krieger dem Zelt’ enteilete, stand er, vor Staunen,
+ Plötzlich verstummt; er rieb sich die Augen im dämmernden Frühroth;
+ Sann: ob Träume der Nacht ihn äfften, oder von fern her
+ Irgend ein Zauberer kam, und die Luftgebilde zur Schau gab?
+ Doch bald lacht’ er des eitelen Wahns: hochrühmend die Meister
+ Des, mit Geschick und regsamer Kraft geförderten Werkes;
+ Eilte hinaus, sein Roß an dem Standpfahl, wo es die Nacht durch
+ Ruhete, jetzt mit sorglicher Treue zu warten, und klopft’ erst
+ Selbes am mähnigen Hals’ mit der Hand, im freundlichen Zuruf;
+ Aber es scharrt’ in dem Grund’, und wieherte, gierig des Futters.
+ Rings erwachte Getös’ und unendlicher Lärm in dem Lager.
+
+ Jetzo erscholl Getrab anstürmender Rosse, den Ohren
+ Hörbarer stets; dann sah das Aug’, umspähend, von fern her
+ Blitzen die Harnisch und Helm’, und endlich erkannte der Kaiser
+ Meinhard, und Lichtenstein, die er, Frieden zu biethen, gesendet.
+ Angelangt im Gewölk’ umwirbelnden Staubs vor dem Herrscher
+ Rissen die beiden das Roß am Zügel zurücke. Sie sprangen
+ Aus dem Sattel behend’, und nahten ihm, grüßend mit Ehrfurcht.
+ Aber er rief erstaunt: „Wie, Meinhard kehrt uns, empört heim?
+ Lichtenstein, was bringt ihr zurück aus dem böhmischen Lager?
+ Sanft ist des Friedens Hand: sie streut in des Lebens Gefilden
+ Blumen umher -- die in Eisen gehüllete Rechte des Krieges
+ Trieft vom Blut der Erschlagenen; doch, wenn eben dem Unhold
+ Heiliges Recht das Schwert vertraut, da bringt er vom Schlachtfeld
+ Muth, selbstständige Kraft, und Sicherheit unter die Völker:
+ D’rum auch der Krieg erwünscht, wenn nur das Recht ihn gebiethet.
+ Jetzt, fürwahr ersehnte mein Herz den Frieden, und wohl mir,
+ Wenn der König, versöhnt, zum gebothenen selber die Hand reicht!“
+ Meinhard sagte darauf: „Nicht hat uns der König von Böhmen
+ Ritterlich’ Ehre gewährt -- gastfreundlich das Herz uns erheitert:
+ Grimm bewölkte sein Aug’, da er sprach, und finster uns ansah.
+ Wie der furchtbare Leu’ mit glühenden Blicken des Gegners
+ Harrt auf dem Plan, daß er ihm zermalme die Knochen: so dünkt mich
+ Sah der König uns an, und schwerlich sinnt er auf Frieden.
+ Aber vielleicht, daß Lichtenstein, der glückliche Freier,
+ Frohere Kunde gebracht: deß’ will ich mich gerne bescheiden.“
+ „Zwar,“ so begann jetzt Lichtenstein, „versprach uns des Königs
+ Zornumwölketer Blick des Guten nicht viel, und ich bürgte
+ Für den Frieden nicht mehr mit dem Kopf: er möchte nicht fest steh’n;
+ Aber noch stehet das Spiel, und es fällt der entscheidende Würfel
+ Heute noch nicht. Ich sehe dahier mit unsäglicher Hochlust
+ Schon die Schranken gefügt zum Turnei, und bald, in dem Prunksaal,
+ Den von der Decke herab unzählige Kerzen erleuchten,
+ Minniglich schöne Frau’n und Fräulein, an gastlichen Tafeln
+ Würdiggepaart umher mit den sieggekröneten Rittern.
+ Welche Beseligung, mich in dem lärmenden Kreise zu treffen:
+ Denn auch trägere Zungen bewegt die fröhliche Mahlzeit!
+ Höre mich Jung und Alt; nicht spricht ein faselnder Seher!
+ Daß des Königs verdüsterter Geist noch heute sich aufhellt,
+ Künd’ ich zuvor: denn wißt es, er kommt, und nah’ ist die Zeit schon,
+ Zum dankbiethenden Turnkampf her, mit erlesenen Rittern.
+ „Dort,“ so sprach er vor uns, „soll’s bald allmänniglich kund seyn,
+ Was er vom Krieg und Frieden gedacht, und der Kinder Verlobung.“
+ „Gott befohlen das Ein’ und das Andere!“ sagte, gen Himmel
+ Schauend, der Kaiser, und wandte sich; dann begann er von neuem
+ Wieder, mit sorglichem Blick: „Wo weilt mein tapferer Hugo?
+ Das sey ferne, daß ihm was Leides geschehen: mir bräche
+ Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden.“
+
+ Kaum entfloh ihm das Wort, da tönte von ferne der Hufschlag
+ Brausender Rosse die Straße heran, die entgegen den Marken
+ Ungerns führt am linken Gestad der mächtigen Donau.
+ Hugo war’s, der kam (weit hinter ihm folgte der Knappe,
+ Schlechter beritten, denn er) die stäubende Straße herüber;
+ Doch nun hemmt’ er das Roß, und die Wange, wie Flammen geröthet,
+ Lächelt’ ihm, als er gegrüßt. Er schwang sich vom Sattel, und sagte:
+ „Herr, nicht hast du umsonst die Gäste geladen: erhellt sind
+ Weit die Straßen hinaus von schimmernden Kleidern und Waffen.
+ Trog nicht der Schein, so trabt von dem Bisamberg an der Donau,
+ Deß’ unendlicher Ruhm an köstlichem Moste bewährt ist,
+ Ein gar stattlicher Haufe heran: die flatternden Fähnlein,
+ Weiß, wie des Schneebergs Haupt, verkünden uns böhmische Kämpen.
+ Aber, als sie dahier zum Scherz nur brechen die Lanzen,
+ Harren ihrer im Hinterhalt gar ernste Gesellen,
+ Und ersehnen den Kampf. Der Ungern blühender König --
+ Blühend, und jung fürwahr! verhieß dir Hülf’, und gewährt sie:
+ Denn vor mir durchschwamm sein furchtbares Reitergeschwader,
+ Jauchzend, die March, und steht auf Oestreichs Erde, vor Marcheck
+ In dem Geröhr’, längs hin dem Weidenbache, verborgen.
+ Zürne nicht, daß ich zu kommen verzog. Viel hatt’ ich zu reden, --
+ Von dem Kaiser zumal, und dem Greif’, wenn alles ihm abstirbt,
+ Wird die Zung’ allein stets rühriger noch mit den Jahren.
+ Auch gebrach’s nicht an köstlichem Trank’, an magyarischer Tänzer
+ Fröhlichem Lärm, und du weißt, dein Haug ist freudig gestimmet,
+ Sieht er die Humpen gefüllt, und um ihn lebendig die Jugend:
+ Dennoch stellt er sich ein, wo es gilt, und die Klingen entscheiden.“
+ „Ruhe,“ so sprach mit lächelndem Blick der erhabene Kaiser,
+ „Raschvorstürmender Greis, in dem Zelt’ auf das Lager gesunken!
+ Aber euch beid’, obgleich ermüdet vom dauernden Ritte,
+ Lockt, deß’ bin ich gewiß, Drometengeschmetter zur Turnbahn,
+ Rüstet euch denn. Mir ziemt, hausväterlich sorgend, im Lugsaal
+ Fertig zu stehen, und dort die Gäste mit Huld zu begrüßen.
+ Meinhard, zieh’ im festlichen Schmuck, mit flatternden Fähnlein,
+ Zinken, und Paukengetön’, und hundert erlesenen Reitern
+ Bis zu des Lagers Rand’ entgegen dem Herrscher von Böhmen:
+ Ihn zu begrüßen nach Würd’, und des Turnspiels Sitte geziemend!“
+
+ Also entließ er mit heiterem Muth die gewaltigen Helden.
+ Aber er stieg die Stufen empor in die herrliche Prachtlug,
+ Eilete vor, und sieh’, ihm nahten die theuren Erzeugten
+ Albrecht, Hartmann, und Adelheid: nur blieb in der Hofburg
+ Agnes, die holde, daheim, die leidende Mutter zu pflegen.
+ Alsbald scholl aufjubelnder Pauken Getön’, und Drometen
+ Schmetterten laut in des wimmelnden Volks unendliches Jauchzen:
+ Denn, wie der Bienen unzähliger Schwarm in des kehrenden Frühlings
+ Milderem Hauch, fortzieht in die lieblichduftenden Fluren,
+ Gierig des Honigseims, und rings umsummet die Blüthen:
+ Also zog aus der Stadt, von dem nahen und fernen Gebieth her,
+ Zahllos, Jung und Alt, im Schmucke der festlichen Kleider,
+ Und erfüllte die hohen Gerüst’, augblendenden Schimmers.
+ Mitten im dichten Gedräng’ erglänzten, vor allen, die Edeln,
+ Die im glühenden Muth vortummelten feurige Rosse:
+ Herrlich geschmückt der Reiter zugleich,
+ und das wiehernde Schlachtroß.
+ Doch wer könnte die Zahl, und den Ruhm der Tapferen künden?
+
+ Otto von Meißau kam: Feldoberster war er des Kaisers,
+ Reich in dem Land umher an Gütern und Mannen, und reicher
+ Noch an errungenem Ruhm’ im dräuenden Felde der Waffen.
+ Blau, wie des Himmels Zelt, mit Gold umrändert, und seiden,
+ Floß ihm der Mantel am Rücken hinab von dem Harnisch, und blau war
+ Auch sein Wehrgehäng mit der seidenen Schärp’ und dem Helmbusch;
+ Also des Rosses Hauptzier, Zaum, und die schuppigen Decken
+ Vorn an der Brust und den Seiten herum, von Eisen gefüget.
+ Aber das Einhorn wies sein Schild im goldenen Feldraum,
+ Wie es zum muthigen Kampf von dem schroffen Felsen sich aufbäumt.
+ Solchen trug ein Knapp ihm nach, und der andere folgt’ ihm,
+ Haltend die zween hochragenden Speer’ in der nervigen Rechten.
+ Pauk’ und Dromet’ erklang, da er jetzt vor den rühmlichen Schranken
+ Hemmte sein feuriges Roß, absaß, und in’s dunkele Zelt ging.
+
+ Bald nachfolgte dem Helden zuerst der kühne Capellen:
+ Oberster Führer auch er im Heere des Kaisers, und werth ihm
+ Ob der beständigen Treu’, und des nie zu erschütternden Muthes.
+ Meergrün hatt’ er zur Farbe gewählt, und verzieret mit Silber
+ Seine Rüstung zugleich, und des Rosses herrliches Reitzeug.
+ Aber den Schild, wo ein Wehrgehäng den silbernen Feldraum
+ Dreimal durchschlingt, und vom Helm sich des Adlers Fittig erhebet,
+ Trug ihm der Knappe nach, und ein anderer brachte die Waffen.
+ Freudig ersah ihn das Volk, und als er mit edelem Anstand
+ Sich vor dem Schrankenthor von dem schnaubenden Rosse herabschwang,
+ Rief erneueten Gruß der Klang der Drometen und Pauken.
+
+ Nun kam Trautmansdorf, von acht selbst-eigenen Söhnen --
+ Angeeigneten sechs, umringt, vor die Schranken. Des Bruders
+ Ehrenreich, den einst ein wüthender Eber zerrissen,
+ Als er im Walde des Weidwerks pflog, verlassene Waisen
+ Waren die sechs, und er, ein liebender Vater den einen,
+ Wie den andern; doch sie lohnten ihm herrlich die Sorgfalt:
+ Wohlgesittet, fromm, und im blühendentfalteten Leben
+ Alle, voll Heldenmuths, nachfolgend dem edelsten Vater.
+ Nicht entbehrt’ er im Krieg, nicht daheim, nicht an heiliger Stätte
+ Selber ihres Gefolg’s, und lächelte, stolz in dem Herzen
+ Seines Glücks, das höher denn all’ sein Reichthum ihn dünkte,
+ Wenn ihm das Volk, erstaunt, nachsah, und den Segen ihm zurief.
+ Aber nicht lang’, da sinkt, wie, vom sausenden Hagel zerschmettert,
+ Halmfrucht draußen im Feld, die herrliche Schar in das Grab hin --
+ All’, erschlagen vom Feind, und einsam kehret der Vater
+ Heim in die Ahnen-Burg: ihn tröstet ihr rühmlicher Tod nur.
+ Doch jetzt naht’ er vor seinen, ihm gleich gerüsteten Söhnen:
+ Denn von Silber blank war Harnisch, und Helm, und der Helmbusch;
+ Also das Wehrgehäng, die Schärpe, der seidene Mantel,
+ Und der glänzende Schild, (den, goldengehörnet, ein Widder
+ Zierete) weiß wie der Schnee, mit der Wehre des stattlichen Rosses.
+ Jubelnd im Paukenklang’, erschollen die eh’rnen Drometen.
+
+ Doch jetzt naht’ ein Paar der Edelgestein’ in dem Adel
+ Oestreichs: Lichten- und Dietrichstein.
+ Aus der steyrischen Mark stammt
+ Jener (Ulrichs Sohn, des trefflichen Ritters und Sängers,
+ Der sein Leben der _Frauen-Ehr’_ und dem Degen verschrieben)[2]
+ Dieser aus Oesterreich, ein Sohn ruhmwürdiger Aeltern:
+ Er, stets düstern Gemüths, da jener des heiteren Vaters
+ Frohsinn geerbt; doch einte schon frühe der trautesten Freundschaft
+ Unauflösliches Band die Herzen der tapferen Ritter.
+ Hochroth zierte des Lichtenstein, und seines Gefährten
+ Waffengeschmeid Kornblumenblau. Im grünlichen Feldraum
+ Wies des Winzers Messer sein Schild, und im goldenen zeigte
+ Jener des Lichtenstein zwei schrägablaufende Balken.
+ Schmetternd klang die Dromet’, und die Pauken donnerten laut auf.
+
+ Sieh’ auch die beiden Demantberg’, auf welche sich Oestreich
+ Ruhig stützt: der Schwarzen- und Stahrenberg (in des Ruhmes
+ Ehernen Tafeln genannt, und hochgepriesen für immer)
+ Sprengten eilig heran! In des Schildes goldenem Feldraum
+ Führete jener den Aar und das Hüfthorn; dieser im lichtblau’n
+ Einen geschnabelten Wolf, und kor sich zur Farbe der Ehren
+ Blaßgelb, silbergeschmückt, da jener mit goldenem Zierrath
+ Wählte das dunkele Kirschenroth, erfreulich zu schauen.
+ Mächtiger hob sich zur Luft der Pauk’ und Dromete Getön’ auf.
+
+ Kurd von Haselau, der achtzigjährige Ritter,
+ Naht’ im Fluge heran. Noch rüstig und Kampfes begierig,
+ Stieg er vom Roß, und ging, den ehrenden Sitz an der Prachtlug
+ Einzunehmen: erwählt zum Turnvogt heut von dem Kaiser.
+ Ihm nachfolgten zugleich der Seldenhofer, der Pfannberg,
+ Hardeg, Hohenberg, und der Wildon: treffliche Kämpen!
+
+ Jetzt anlangten im Ehrengeleit die böhmischen Ritter:
+ Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Wallstein,
+ Dann auch Herbot von Füllenstein, der reußische Kampfheld,
+ Riesengestaltet, im Trotz allbeugender Stärke sich rühmend,
+ Den sich Ottgar jüngst zum Feldherrn kor, und als Herrscher
+ Einst in der steyrischen Mark dem Volk aufstellte zum Zwingherrn.
+ Sieh’, gar herrlich geschmückt erschienen die Ritter, als sollte
+ Oestreichs ad’ligen Glanz heut jener von Böhmen verdunkeln!
+ Tausende wandten den Blick nach den Fremdlingen, alle voll Sehnsucht:
+ Ottgarn dort zu schau’n, als Freund: er säumte zu kommen.
+ Dreimal, und lauter stets erhob sich der donnernden Pauken
+ Und Drometen Getön, den nahenden Fremden zu Ehren.
+ Doch, vernehmend den jubelnden Schall, enteilten die Helden
+ Oestreichs hurtig dem Zelt’, und schwangen sich auf in den Sattel.
+
+ Meinhard, führend die Böhmen heran, verlangte vom Thorwart,
+ Da er den Degen erhob, Einlaß in die rühmlichen Schranken.
+ Alsbald wich der Riegel zurück, und in Reihen geordnet
+ (Jene zuerst, und drauf die Heldensöhne des Landes)
+ Ritten entlang die Turnbahn all’, in der nervigen Rechten
+ Hebend den Speer in die Luft,
+ mit zögerndem Schritt nach der Prachtlug,
+ Wo der erhabene Kaiser saß, und der Kommenden harrte.
+ Als sie gegrüßt -- er gedankt, da sprach der tapfere Meinhard:
+ „Mein durchlauchtigster Kaiser, und Herr! Des böhmischen Reiches
+ König entbiethet dir Gruß und Freundschaft zuvor, und erkläret:
+ Ihm selbst wehrt es ein böses Geschick des fröhlichen Turnspiels
+ Zeuge zu seyn; doch sendet er dir die tapfersten Ritter,
+ Hier den Ruhm des Vaterlands zu erhöhen als Sieger!“
+ „Wahrlich,“ so rief der Kaiser ihm zu, „nicht dacht’ ich: entrissen
+ Werde mir heut’ ein Glück, das ich ersehnt’ in dem Herzen
+ Aber wohlan: werth seyen uns auch die tapferen Ritter,
+ Die uns der König gesandt! Der Kampf beginne. Turneivogt,
+ Handle dein Amt! Der Herold rufe, der Sitte geziemend.
+ Grieswart sey für heut der edle Wildonier, Berchtold,
+ Breuner, und Pottendorf, die Kämpfer zu schirmen vor Unbill,
+ Ordnungbedacht: ihr Wink sey heilig geachtet von allen.“
+ Sagt’ es, und setzte sich dann auf den schwellenden Pfühl.
+ Da erhob sich
+ Haselau, der Greis, und ging nach der räumigen Halle,
+ Die sich unter der Lug aufwölbte, mit Purpur behangen,
+ Dort zu beginnen die Waffenschau. Die erlesenen Ritter
+ Legten sogleich den Speer und das Schwert, kampfgierigen Muths, hin.
+ Sorgsam prüfte der Greis die gebothenen: stumpf und gefahrlos
+ Sollten sie seyn -- zum Scherz, nicht zum Ernst
+ gebraucht in dem Turnkampf.
+ Zween der Grieswärt’ hoben den Helm von dem Haupt’, und empfiengen,
+ Schreitend umher links, rechts, ein bezeichnendes Los von den Rittern:
+ Jeglicher gab’s, mit dem Nahmen verseh’n. D’rauf schüttelten mehrmal
+ Jene die Zeichen umher in dem Helm’, und bothen (die Ordnung
+ Wechselnd) sie dar: der rechts, wo links der and’re gefordert,
+ Also wählte sich dort ein jeglicher Kämpe den Gegner.
+
+ Jetzt erhob der Herold den Stab, und Tausende schwiegen;
+ Zog ein Blatt aus dem Busen heraus, das, rauschendentfaltet,
+ Glänzte von goldener Schrift, und las mit gewaltiger Stimme,
+ Allen verständlich, vor: „Wie der mächtigste Kaiser, Rudolphus,
+ Jüngst auf den heiligen Rochus Tag, des Jahrs der Erlösung:
+ Tausend zweihundert und siebenzig-acht, der heute gezählt wird,
+ Alle die Edeln, von Nah’ und von Fern, zu turneien am Tabor
+ Aufboth, die nach dem Recht’ und nach Rittersitte gemeint sind.
+ Weiche darum von hier, der bar ist der ad’ligen Ahnen-
+ Reih’ erhärtender Zahl, und der unehlich geboren;
+ Der in den Kirchenbann, in die Acht des Kaisers und Reiches
+ Fiel ob schändlicher That, ob Mord und Gottesverläugnung;
+ Der die Wittwen und Waisen bedrückt’, und das zarte Geschlecht nicht
+ Schirmt’ in Gefahr, nicht rächt’, als Mann, g’en schnöde Verläumdung;
+ Der Meineides und Trugs, und unedlen Gewerbs sich bewußt ist,
+ So er dem Schild und dem Schwerte zur Schmach, einst Handel getrieben:
+ Ferne mögen sie stehen, sie all’, und ermangeln des Vorzugs,
+ Der nur Edeln gebührt, in des Turnkampfs rühmlichem Feld hier!“
+ Rief’s; dann faltet’ er wieder das Blatt, und barg’s in dem Busen.
+ Jetzt aufpflanzten, voll Hast, die hurtigen Knappen die Fähnlein
+ Ihrer Ritter so hier, als drüben, die Schranken hinunter,
+ Und die Grieswärt’ theilten sich links und rechts an der Bahn hin,
+ Tragend den Stab in der Hand, zum Zeichen des heiligen Gastrechts.
+ Doch nun kehrten zugleich, im zögernden Schritte, die Kämpen
+ Wieder zurück, vor dem Schrankenthor sich fertig zu stellen.
+
+ Als der Kaiser die Kehrenden sah -- dann vor sich das Volk dort,
+ Dann im Rücken die Bänke gedrängt voll grauender Ritter,
+ Edeler Herrn, und Frau’n, und zartaufblühender Fräulein:
+ Ach, da füllten sich fast ihm die Augen mit Thränen! Er wandte
+ Halb nach den Kindern sich um, und sprach mit inniger Rührung:
+ „Welch unzähliges Volk: nur die Ein’ ersehen wir hier nicht --
+ Euere Mutter ist fern, und Agnes, als Pflegerinn wechselnd
+ Heute mit euch! Auch wir entbehreten freudig des Schauspiels --
+ Weilten so gerne daheim bei der Leidenden; aber die Pflicht ruft
+ Ehernen Lauts, und heißt all’ and’re im Herzen verstummen.
+ Weh’, daß ich auch die Kunringe hier vermiß’, und der Helden
+ Einige, die verlockt auf trugverhülleten Pfaden
+ Sich zu den Feinden gesellt, und im Schooße der eigenen Mutter,
+ Jenen gleich mit der grimmigen Faust zu wühlen bereit steh’n;
+ Aber vielleicht gelingt es mir noch die Verirrten zu sammeln!“
+ Jene schwiegen, und hielten die Hand vor die thränenden Augen:
+ Ob der Mutter betrübt; doch Hartmann vor allen: ein Liebling
+ War der Trauernde stets der holden Mutter gewesen.
+
+ Sieh’, nun schwebt’ auf dem Wettergewölk des umnachteten Himmels
+ Marbod daher! Er sah Drahomira vorüber im Eilflug
+ Ziehen, und folgen der Spur des schwarzgerüsteten Ritters,
+ Der mit geschlossenem Helm’ aus dem böhmischen Lager herüber
+ Spornte den Rappen im Donnergalopp’, an die Schranken der Turnbahn.
+ Nicht wie den Sterblichen war dem Geiste der Ritter verhüllet:
+ D’rum erbangt’ ihm die Brust vor Angst ob seinem Erwählten,
+ Rudolph, dem er sich liebend geweiht: denn siegenden Hohn sah
+ Er in dem Blick Dahomira’s, und kam, ihm rettend zu nahen,
+ Wenn sie, höllischen Trugs, Gefahr ihm sann, und Verderben.
+ Immer schneller verschlang des Tages Heit’re der Wolken
+ Finstere Nacht. An dem Himmel herauf, und hinunter zum Erdrand
+ Zuckte der röthliche Blitz, und von fern her murrte der Donner:
+ Kommend auf Flügeln des Sturms, vom dräuenden Süden herüber.
+
+ Jetzt erscholl drometender Ruf, dreimaligen Stillstands,
+ Tief, eintönig, gedehnt: des Kampfs ersehnetes Zeichen.
+ Alsbald braus’te der Riegel zurück: in die rühmlichen Schranken
+ Ritt, gemessenen Schritts, hellstrahlend von Purpur und Goldschmuck,
+ Lobkowitz ein; den Schild ihm ziert’ ein fliegender Adler.
+ Ganz durchmaß er die Bahn bis vor in die Nähe der Prachtlug;
+ Wandte das Roß, und harrete dort des würdigen Gegners,
+ Den das Los ihm beschied, und sieh’, ihm nahte Capellen,
+ Muthigen Blicks! Da rief ihm Lobkowitz freundlich entgegen:
+ „Nun geschlossen den Helm, und fest in dem Sattel gesessen!
+ Schon viel Rühmens hört’ ich von euch, Capellen! So laßt uns
+ Heut’ erseh’n: ob mir, ob euch die Krone bestimmt sey,
+ Welche zum Dank uns beut die Erzeugte des edelsten Kaisers,
+ Adelheid, voll Engelshuld und himmlischer Schönheit.“
+ „Wohl,“ entgegnete jener mit Trotz, „das laßt uns erproben,
+ Lobkowitz! Rasch seyd ihr, böheimische Kämpen, und dennoch
+ Sollt ihr Oestreichs Söhnen den Kranz nicht rauben im Turnkampf.“
+ Aber sie schlossen den Helm, und setzten sich fest in dem Sattel.
+ D’rauf, mit gewaltiger Faust vorsenkend den Speer aus des Bügels
+ Röhr’, und den ehernen Schild vorhaltend dem Feinde zur Abwehr,
+ Spornten beide das Roß, das, weitvorgreifenden Sprunges,
+ Schnell, wie der Blitz, auf dem Plan mit tönendem Hufe dahinflog,
+ Bis inmitten der Bahn, urplötzlich, ein jeder der Gegner
+ Traf des anderen Schild mit des Speers abprallendem Eisen
+ So, daß der mächtige Schaft, in tausende Splitter zertrümmert,
+ Hoch empor in die Luft und umher auf dem zischenden Sand flog,
+ Und die Rosse, zurück’ auf die Hinterfüße gesunken,
+ Noch dem gewaltigen Stoß’ erzitterten, schreckenerfüllet.
+ Lautaufjauchzte den Kämpen das Volk; unzählige Stimmen
+ Zollten im tausendfältigen Ruf den Trefflichen Beifall.
+ Jetzt gedachten sie schon, aus dem Sattel sich schwingend, zu zeigen
+ Auch in dem zweiten Gang mit dem blinkenden Schwert die Gewandtheit,
+ Schnelle, und Kraft; doch laut rief dort der herrschende Turnvogt:
+ „Helden, es ist euch Siegesruhm die Fülle geworden!
+ Ruht von dem Scheinkampf jetzt! Vielleicht, so Gott es nicht wendet,
+ Werdet ihr bald zum Ernst, nicht zum Scherz,
+ in schrecklicher Feldschlacht
+ Richten das blitzende Schwert auf die Brust anstürmender Gegner!
+ Ihr brach’t zierlich den Speer: aus der Hand der holden Erzeugten
+ Rudolphs, wird euch herrlicher Lohn noch heut’ in dem Turn-Dank!“
+ Jene kehrten zurück, in dem hohen Gezelte zu ruhen.
+
+ Stille wurd’ es umher, und es faßt’ ein heimlicher Schauder
+ Manchem die Brust bei’m ernsteren Wort des prophetischen Greises.
+ Doch nun braust’ im Sturm der schwarzgerüstete Ritter
+ Näher, und riß den Rappen zurück’ an dem leitenden Zügel,
+ Sonst durchbrach er im Sprung die hemmenden Schranken. Er nagte,
+ Wüthenden Grimms, am Gebiß’, und schnob, und streute den Schneeschaum
+ Hin auf den Sand, den er mit den scharrenden Hufen umherwarf.
+ Edelem Stamm’ entsprossen schien der gewaltige Reiter;
+ Aber noch barg der geschlossene Helm ihn den Augen des Volkes.
+ Stolz erhob er die Hand, und hieß mit stummen Geberden
+ Milota nah’n. D’rauf zog er ein Blatt aus den Fugen des Panzers,
+ Reicht’ es ihm dar, und wies nach des Turnvogts herrschendem Sitz hin.
+ Milota lächelte Hohn, da er, spornend sein Roß, an den Schranken
+ Hinflog, und darreichte das Blatt dem staunenden Alten.
+ Dieser entfaltet’ es schnell, und las mit vernehmlicher Stimme:
+ „Euch entbiethet zuvor, ihr edelen Herren und Ritter,
+ Ihren freundlichen Gruß Kunegunde, des böhmischen Reiches
+ Königinn! Dann verlangt sie, daß ihr den Ritter in Trauer
+ Nicht verschmäht, der glänzenden Stamms sich rühmt, und im Turnkampf
+ Heute, vor euch, ihr herrlichen Ruhm zu ersiegen, bereit ist.
+ Aber ihm werde nach Wunsch der letzte der Kämpfe gewähret!“
+ Stumm verneigte der Greis sein Haupt, und Milota kehrte
+ Wieder zurück. Da lispelte leis’ in die Ohren des Nachbars
+ Ein Barfüßermönch, der jüngst aus Böhmen gekommen,
+ Und auf dem volkerfüllten Gerüst schaulustig sich einfand:
+ „Seh’ ich den Ritter dort, gehüllt in die finstere Rüstung,
+ Will es mich fast bedünken: er sey der Königinn Liebling,
+ Zawiß von Rosenberg,[3] der weitgepriesener Anmuth,
+ Blühender Jugendkraft, und tapferen Muthes, ihr Herz schon
+ Völlig gewann, das leis’ in heimlichen Flammen sich abzehrt.
+ Also rächt sich die Schuld! Ein Gleiches mit Gleichem vergolten
+ Wird dem Könige, der Margarethen verstieß, und den Unhold
+ Sich beilegte zum Weib: Kunegund’ ersehnt sich den Buhlen.“
+ Also das Mönchlein sprach. Doch feuriger stets, und entflammter,
+ Zuckten die Blitz’ umher im Gewölk’, und auf ehernen Rädern
+ Sank stets tiefer herab des Donners rollender Wagen
+ So, daß die Menge mit Angst aufsah, und, des strömenden Regens
+ Denkend, nur an dem Leinendach des Gerüstes noch Trost fand.
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+ Wieder erscholl gar feierlich ernst die Dromete. Zum Turnkampf
+ Rief sie ein Heldenpaar: da flog der muthige Wallstein,
+ Herrlich glänzend von Gold auf dem perlen-farbigen Sammttuch,
+ Ueber die Pläne hinab, und wandte sich, harrend des Gegners.
+ Sieh’, ihm fiel das Los, mit dem Stahrenberg in den Schranken
+ Heute zum erstenmal, sich zu messen: zum Ritter geschlagen
+ Jüngst durch Ottgar selbst, der ihn vor jeglichem liebte!
+ Jugendlich hüpfte das Blut in den Adern des feurigen Helden
+ Noch. Er lechzte nach Ruhm; doch wüthete jetzt in der Brust ihm
+ Furchtbare Liebesgluth, seit er vernommen, daß Hedwig --
+ Sie, die Zierde der Welt, für welch’ er thöricht entbrannt war,
+ Reichen sollte die Hand zum eh’lichen Bund dem Erzeugten
+ Rudolphs, Hartmann, und ach, Verzweiflung faßt’ ihn erneut an!
+ Ungeheueres sann er empört im Gemüth, und nicht wußt’ er
+ Wie er’s vollbringe dereinst. Da sprach ihm jetzt Drahomira,
+ Die, nur auf Arges bedacht, auflauerte, leis’ an das Ohr so:
+ „Denke des Muths: vielleicht gelingt es dir heut, den Verhaßten
+ Dort mit höhnendem Blick zu reizen, und Rache zu üben!“
+ Alsbald wandt’ er das Haupt, und sah mit höhnenden Blicken,
+ Lang’ nach dem tapferen Hartmann hin, als hätt’ er gefrevelt.
+ Zorngluth schoß in das bleiche Gesicht des Edeln: er hob sich
+ Hastig vom Sitz, ihn laut zur Rede zu stellen, entschlossen.
+
+ Doch schon nahete Stahrenberg, im feurigen Vorschritt
+ Zügelnd das Roß, und rief dem Gegner, lächelnd, entgegen:
+ „Erst so beweglich, und nun säumst du den Kampf zu beginnen?“
+ „Nein, ich säume nicht!“ sprach alsbald der Zürnende, wähnend:
+ Jener zeihe der Feigheit ihn. Er ahnte nicht, wer ihm
+ Also empörte die Brust durch dunkle Gebilde der Rachgier.
+ Trotzig schloß er den Helm; ließ sinken den Speer in der Rechten;
+ Gab dem Rosse den Sporn, und flog dem Ritter entgegen,
+ Der nicht müßig geharrt: denn sieh’, jetzt trafen die beiden
+ Sich inmitten des Plans, an dem Schilde die Speere zu brechen,
+ Wie es der Turnbahn Sitte geboth, und trefflich erzielte
+ Stahrenberg den Gewinn: sein Speer zerbrach an dem Turnschild
+ Wallsteins, den ein glänzender Stern erhellete, krachend;
+ Schlug auch den Stern entzwei, und zerstob in unzählige Trümmer!
+ Aber nicht so sein Gegenpart. Von stachelnder Rachgier
+ Glühend, nahm er das Abseh’n hoch nach dem Helm’, und er stieß ihm
+ Solchen vom Haupt mit festnachstürmender Rechten, daß alsbald
+ Ihm an dem Kinn der Riemen zerriß, und im Sande der Helm hin
+ Kollerte. Zornerfüllt gewahrten die älteren Ritter
+ Wallsteins Frevelthat, und murreten. Aber dem Turnvogt
+ Schien gleichmäßig des Kampfes Gewinn: weil jener den Schild ihm,
+ Schmetternd, zerbrach, und dieser den Helm von dem Haupt ihm gehoben.
+ Stille herrscht’ umher; kein Beifall krönte die Kämpen.
+ Stahrenberg ritt eilig zurück; doch zögerte Wallstein
+ Noch auf dem Plan, und sah von neuem mit höhnendem Ingrimm
+ Nach der Lug empor, wo Hartmann im glänzenden Harnisch,
+ Lieben Geschwistern vereint, sich fand an der Seite des Kaisers.
+ Ihn verhöhnet’ er frech, und begann mit stachelnden Worten:
+ „Kühlere Lüftchen umweh’n dich dort; hier fühlt es sich heißer:
+ Komm, und versuch’s! Der Jugend Kraft zu erproben, ist rühmlich.“
+ Stöhnend vor edelem Zorn erhob sich der Jüngling, und forschte
+ Einen Augenblick in dem Antlitz des herrschenden Vaters.
+ Aber er saß in erschütternder Hoheit dort in der Mitte
+ Seiner Erwählten, und sah, verstummend, hinab auf den Ritter.
+ Jenem genug: er sprang die Stufen herunter, und warf sich
+ Schnell auf das wiehernde Roß, das draußen der Knappe gehalten;
+ Faßte, zitternd vor Hast, den Speer, und flog auf die Turnbahn.
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+ Doch schon hatte zuvor von dem trugverblendeten Wallstein
+ Sich Drahomira gewendet, und hing mit flammenden Blicken
+ Ueber Ottgars Haupt. Er war’s, der heute des Nachtgrau’ns
+ Farbe zur Rüstung sich wählt’, als jene, voll höllischer Arglist,
+ Ihn zu dem Kampf hertrieb: nur Jammer zu schaffen, entschlossen.
+ Wie auf dem trüglichen Netz die giftige Spinne dahinfährt,
+ Wo die Beute sich fing, und diese mit klebrigen Fäden
+ Dicht umstrickt, daß kein’ Errettung mehr von dem Tod ist:
+ Also ließ sie nicht ab von dem unglückseligen Herrscher,
+ Deß’, sonst edele, Heldenbrust in wilder Empörung
+ Schrecklicher Ehrsucht gohr, und allein nach Rache sich sehnte.
+ Siehe, wie zween geschweifte Kometen am nächtlichen Himmel
+ Glüh’n, und in blutiger Kriegeszeit den zagenden Völkern
+ Dräu’n Pest, Hungersnoth, und Theurung: also erglühten
+ Jetzt Drahomira’s zur Wuth empörete Blicke; sie hauchte
+ Ottgars horchendem Ohr den seelenverderbenden Rath ein:
+ „Pfeilschnell naht, und entfliehet das Glück:
+ d’rum hasch’ es im Flug jetzt,
+ Eh’ es auf immer entweicht, und nicht wiederkehret dem Trägen:
+ Tritt mit Hartmann du in den Kampf; dir weiche dein Liebling
+ Wallstein. Thöricht vergaß der waffenbeschauende Turnvogt
+ Deine zu prüfen: du führst verderbliche. Schleudre den Jüngling
+ Erst in den Staub; dann wende dich, nah’ ist der Kaiser,
+ durchbohr’ ihm
+ Kühn die verräth’rische Brust, und entflieh’.
+ Dein schreckliches Reitroß
+ Trägt dich schnell aus umdrängender Noth: denn höllische Macht tobt
+ Ihm in den Adern. Auf, und räche dich jetzt an dem Gegner.“
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+ Wild aufbäumte sich Ottgars Rapp’, als jene gesprochen;
+ Scharrt’ in dem Sand, und schnob, und drehte sich,
+ wüthend, im Halbkreis’:
+ Denn sie erregte das Thier durch Gaukelgebilde der Hölle.
+ Heimlicher Schauder ergriff das Volk und die edelen Ritter.
+ Ottgars Aug’ umdüsterte Nacht: gleich Meeresorkanen,
+ Wühlten in seiner Brust die Empfindungen streitender Rachgier,
+ Ehre, und Pflicht. Doch jetzt besann er sich; sprengte den Rappen
+ Ueber die Schranken, und rief dem kampfbeginnenden Helden
+ Laut, im Brausen des nahenden Sturms und Donnergewitters:
+ „Wallstein, halt! Zieh’ hin zu dem Schrankenthor’, und vergönne
+ Mir in des Kampfs Entscheidung den Sieg. Kunegunde geboth mir
+ Sie zu rächen, und dich an dem schmähungliebenden Buben
+ Deß’, der Kaiser sich nennt des heiligen, römischen Reiches.“
+ Wallstein eilte zurück; doch Hartmann rief ihm entgegen:
+ „Ha, du lügst! Nie hat mein Mund Kunegunden, noch jenen,
+ Der so frech sich erweis’t, so unritterlich handelt, geschmähet,
+ Weder heimlich, noch offenbar: das sollst du mir büßen.“
+ Rief’s, und senkte den Speer, nicht erwägend, daß solchen der Knappe,
+ Nicht zum Kampf auf Leben und Tod -- nur zum rühmlichen Scheinkampf
+ Ihm darreichte zuvor, in drängender Hast und Verwirrung.
+ Zwar erhob den Stab und die herrschende Stimme der Turnvogt;
+ Zwar abmahnten vom Streit die Grieswart’ dieß und auch jenseits;
+ Aber sie achteten’s nicht. Von dem lautaufheulenden Sturmwind
+ Ward verschlungen ihr Ruf, und die rachebefeuerten Gegner
+ Bringt zur Ruhe kein Stab jetzt mehr, noch zu klarer Besinnung.
+ Aber schon war, voll sorglicher Hast, dem erhabenen Kaiser
+ Marbod genaht. Nicht entging dem liebenden Geist Drahomira’s
+ Unheilschwangerer Blick, die, beiden: dem Kaiser und Böhmens
+ Könige, Tod und Verderben sann, und in wilder Verwirrung
+ Leichen auf Leichen gehäuft, der Hölle zur frevelnden Lust, sah.
+ Jetzt umfaßt’ er ihn heiß, und rief im Geistergelispel:
+ „Auf, und ziehe dein blinkendes Schwert, zur Wehre dich stellend!
+ Dir droht Mord und Verrath, und deinem Sohne Verderben
+ Von dem Fremdlinge. Horch, und verschmähe des Warnenden Rath nicht!“
+ Alsbald hob, von dem Geist erregt, der gewaltige Herrscher
+ Von dem Stuhle sich auf; entblößte das Eisen, und eilte
+ Schnell die Treppe herab auf die Plane, den theuern Erzeugten
+ Gegen die Wuth des rascheindringenden Gegners zu schirmen,
+ Der so frech verhöhnte den Ruf des heiligen Gastrechts.
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+ Jetzo sporneten, laut mit Geschrei, die erbitterten Helden
+ Gegen einander die Ross’ auf dem Plan; doch, brausenden Fluges,
+ Trieb in dem Augenblick das entsetzliche Donnergewitter
+ Näher, und stäubte den Sand in wirbelnden Säulen vom Grund auf.
+ Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag urplötzlichen Donners
+ Flammt’, und krachte herab aus dem finsteren Schooße der Wolken,
+ Die, gewitterschwer, tiefhangend, zum Boden gesunken,
+ Jetzo des Mittags Hell’ in Nacht verwandelten ringsum.
+ Angst ergriff das versammelte Volk. Dem Schreckensgedanken
+ Bebte das Herz, als sey der Tag’ allletzter gekommen.
+ Wie, und dennoch ruhten die zween erbitterten Gegner
+ Von dem Kampfe noch nicht? Sie sprengten die Läufer im Flug fort.
+ Jetzo, wo Ottgars Speer mit tödlicher Spitze dem Turnschild,
+ Harnisch, und Herzen zugleich des harmloskämpfenden Hartmann
+ Nahete, fuhr ein Blitz, an der Breite dem stürzenden Waldstrom
+ Aehnlich, zwischen die beiden herab, und entsetzlicher Donner
+ Rollte, betäubenden Schlags, erschütternd ringsum die Gegend,
+ Plötzlich ihm nach; doch Marbod sprang urschnell in den Blitz hin.
+ Sein entrüsteter Blick entflammte sich hell, und er schreckte
+ Hartmanns wildanstürmendes Roß vor dem Rosse des Gegners.
+ Bäumend hob es sich auf: da drang ihm der Speer so gewaltig
+ Ein in die Brust, daß der Schaft, erkrachend,
+ sich bog, und entzwei brach.
+ Stöhnend sank das Roß auf den Rücken. Der Reiter entzog ihm
+ Schnell das Bein, und stand, ergriffen von inniger Wehmuth:
+ Schauend sein treues Thier, das jetzt mit den vorderen Hufen,
+ Jetzt mit den hinteren scharrt’ in dem Sand --
+ dann todt, und erstarrt lag.
+
+ Ottgar saß, geblendet vom Blitz’, und schnaubend vor Ingrimm
+ Ob des gebrochenen Speers. Er hörte den schrecklichen Donner,
+ Hörte die lärmenden Ritter nicht mehr, die, empört von dem Frevel,
+ Naheten; doch er sann im schnellhinschwindenden Zeitraum
+ Eines Augenblicks. Drahomira empörte zur Wuth ihn,
+ Als der Kaiser zur Rettung des Sohns in Eile dahersprang;
+ Aber umsonst: denn stolz- und tapfergesinnet war Ottgar;
+ Feig ihm dünkte der Mord. Er riß von der Rechten den Handschuh,
+ Warf ihn entgegen dem Feind’, entblößte das Eisen, und rief ihm:
+ „Rudolph, heb’ ihn nur auf: denn es biethet auf Tod und auf Leben
+ Ottgar, zitt’re vor ihm, dir Fehde für jetzt, und für immer!
+ Nichts von Frieden darum, und nichts von der Kinder Verlobung:
+ Rach’ allein ist die Losung hinfort: das soll ich dir kund thun!“
+ Rief’s, und gab dem Rosse den Sporn. Die Schranken hinüber
+ Trug es ihn fort im Sprung; dann, sausend, im Donnergaloppe
+ Weiter und weiter hinaus auf der staubenden Straße nach Stillfried,
+ Und ihm sprengte sein Ehrengefolg’ im eiligen Flug nach.
+ Aber in wilder Verwirrung schrie’n, und entstürzten die ander’n
+ Rings den Sitzen, und floh’n durch Sturm und Gewitter voll Angst heim.
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+ Fünfter Gesang.
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+ Schüttelnd die triefenden Schwingen, erhob nach unendlichem Regen
+ Sich der Abendwind, und warf von dem rauschenden Hochwald
+ Und dem ersäuselnden Hain’ gewichtige Tropfen zum Boden.
+ Trauernd senkten den lastenden Kelch in dem Felde die Blumen
+ Noch, und das blinkende Gras bewegte sich langsam und schwer nur.
+ Kein Gesang der Vögel erscholl; nur fern in dem Sumpfrohr
+ Quackte der Frosch, und die finstere Luft durchkrächzten die Raben:
+ Denn noch deckte Gewölk des Himmels Bogen; der Donner
+ Rollte noch fort, und der leuchtende Blitzstrahl fuhr noch im Süden
+ Flatternd umher: als droht’ er entsetzlicher wiederzukehren.
+ Da gelangte, von Wuth und gährender Rache getrieben,
+ Ottgar heim vor das Lagerzelt, und schwang sich vom Sattel
+ Hastig herab. Ihm kam der Kunring, Leutold, entgegen,
+ Der mit Schmerzen daheim sein harrete. Jetzo begann er:
+ „Wahrlich, du kommst ersehnt, und glühender noch, als am Abend
+ Unsers mit Blut gefertigten Bund’s: an dem Kaiser -- an Rudolph,
+ Rache zu üben -- an ihm, der nach den geheiligten Rechten
+ Altehrwürdiger Ritterzeit im empörenden Hochmuth
+ Greift mit gewaffneter Hand; der Deutschlands Edeln der Knechtschaft
+ Fesseln beut, da er schon gar viele der Vesten zu Boden
+ Schmettert’, und allen ein Gleiches droht: daß nimmer die Freien
+ Uebten ihr Recht an dem Volk, dem niedriggebornen, nach Willkühr.
+ Nicht so wurden wir einst lehnpflichtig dem König. Der Leh’nsherr
+ Rang um sein Eigen im Feld; sein ist’s, was dort ihm zu Theil ward --
+ König auch er: ihm huldigt zur Frohne der Hold und der Sasse.
+ Wie, mir würd’ es verwehrt zu erbauen die Burg auf dem Felsen,
+ Der aus dunkelem Wald’ aufragt, und zum schwindelnden Abgrund,
+ Senkrecht bis zu dem Wildbach hin die Wände hinabsenkt,
+ Unnahbar dem Feind? Nicht sollt’ ich dort von den Zinnen,
+ Oder des Wartthurms Höh’n mit herrschendem Blick in des Abends
+ Goldenem Schein’ erforschen die Gau’n: ob, lauernd, der Gegner
+ Nahe den Thalweg her? Nicht sein, des ohnmächtigen, spotten,
+ Der, mit blutigen Köpfen zurück von der Veste gewiesen,
+ Schamroth flieht? Nicht von ihr zum Kampf mit den Reisigen auszieh’n,
+ Kennend der Mauern Gefüg’, und in selben geschirmt nach dem Heimzug?
+ Rechte nur immerhin der Unfreie mit mir, daß ich, Freier,
+ Niederwerfe nach Lust auf der Straße den wandernden Kaufmann,
+ Der, ein Bürger der Stadt, dem Juden zugleich und dem Wechsler
+ Treuverbündet, mein Volk betriegt, deß’ Habe doch mein ist?
+ Nur in der Ritterburg, der Wieg’ erhebender Thatkraft,
+ Heldensinnes, und Muths wohnt auch das häusliche Glück noch.
+ Wenn ich schaue die Hausfrau dort, wie sie schaltet mit Sanftmuth
+ Ueber das rohe Gesind’, und die züchtigen Töchter, den Rosen
+ Gleich aufblühend, erwerben die Huld und die Würde der Mutter;
+ Wenn ich vom Fenster hinab an des Hofraums rasigem Abhang
+ Ringen sehe den Sohn mit den Knappen: wie diesem den Bart er,
+ Lachend, zerrauft, und den anderen schlägt mit den winzigen Fäustchen,
+ So vorübend die Kraft auf die herrlichsten Jahre des Lebens:
+ Nicht für die goldene Kron’ eintauscht’ ich die goldene Freiheit.
+ Sieh’, auch der Sänger spricht dort ein, und läßt in dem Hofraum,
+ Nachtumhüllt, gar mild ertönen die lieblichen Saiten,
+ Eh’ er beginnet sein Lied; doch sitzen wir bald in des Saales
+ Schimmerndem Licht um ihn her, und horchen den zaub’rischen Tönen
+ Von der Minne Leiden und Glück; von den Wundergeschichten
+ Grauender Heldenzeit, und den Thaten gewaltiger Ahnen
+ So, daß in wonniger Lust, wie im Flug’, uns die Stunden entschwinden!
+ Ha, und dessen gedenkt der Habsburg uns zu berauben?
+ Künftig sollen wir feig, erschlafft, und völlig verweichlicht,
+ Wohnen in dumpfiger Stadt, und der Ritterehre vergessend,
+ Höflingen gleich, uns bücken vor ihm? Doch, König, verzeihe,
+ Wenn vor dir nicht Gefälliges spricht ein wackerer Deutscher!
+ Wie habt ihr turneit? Ward Habsburgs Löwe gebändigt?
+ Hast du Rache geübt? -- denn Schreckliches kündet dein Aug’ an.“
+ Sagt’ es, erstaunt; doch Ottgar sah mit den flammenden Augen
+ Ihn noch schrecklicher an, und rief: „Ja, Rache geübet
+ Offen vor allem Volk! Wohl sagt’ ein höllischer Geist mir
+ Heimlich in’s Ohr: „Durchbohr’ ihn!“ doch mich dünkt’ es zu niedrig:
+ Morden! Ein Leichtes war’s, auf dem Plan das blinkende Schwert ihm
+ In die verräth’rische Brust -- er zitterte! heute zu tauchen;
+ Doch nur in offener Schlacht, das Aug’ auf das Auge geheftet,
+ Soll er mir steh’n, und, fallend, im Staub’ aushauchen das Leben.“
+ Vor, aus seinem Gefolg trat Milota jetzt, und begann so:
+ „König, verzeih’: er zitterte nicht! Dich täuschte der Rachgier
+ Seelenverwirrende Gluth. Wohl staunt’ ich, als er so muthvoll
+ Dir entgegen trat auf dem Plan: du sporntest den Rappen
+ Weise davon. Gut war’s: nicht wehrlos falle der Gegner,
+ Tapferen Herzens, dem tapferen Mann; das hast du erwogen:
+ Selber beut sich ja oft nur klügeren Seelen das Glück an.“
+ Sprach so, kaum bekämpfend die Wuth, die ihm heimlich des Herzens
+ Tiefen zerriß, und er lächelte nur. Doch jener zernagte,
+ Schweigend, die Lippen vor Zorn: denn Spott verriethen die Augen
+ Milota’s. Jetzt entblößt’ er das Schwert, und flehte zum Himmel:
+ „Ewiger, der du schirmst das Recht, und bestrafest das Unrecht;
+ Auch in der Vorzeit oft in die Hände der Führer des Volkes
+ Gabst dein Rächerschwert, zu vertilgen Israels Gegner,
+ Höre mein Fleh’n, und laß’ mich jetzt vergelten im Vollmaß
+ Dem, der, frevelnd an mir, verletzte die Treu’ und die Wahrheit,
+ Mich beschimpfend vor allem Volk, da er laut es gebilligt:
+ Heimlich im Zelt sollt’ ich ihm huldigen -- schändlicher Trug war’s!
+ Mich verachtet das Volk seitdem, und die jammernde Mutter
+ Meiner Erzeugten weis’t die unschuldigen Opfer des Truges
+ Mir, im verzweifelnden Schmerz.
+ O, gib mir den Sieg in dem Kampf jetzt!“
+ „Ihr,“ so rief er den Feldherrn laut, „erhebet die Banner
+ Eurer geordneten Schar! Wir ziehen noch heute nach Thalsbrunn:
+ Dort von dem Weidenbach g’en Wien zu dringen, entschlossen.“
+
+ Jene gehorchten sogleich, und gebothen dem Heere den Aufbruch.
+ All’ die geordneten Reihen hinab ertönte das Rufen
+ Tausender: „Auf! In den Kampf! Wir geh’n den Feinden entgegen.“
+ Trommeln rasselten dumpf, und das Schmettern eh’rner Drometen
+ Scholl aus dem Waffen-Geklirr mit dem Wiehern unbändiger Rosse.
+ Bald schwand rings die wandernde Stadt der Gezelt’ aus den Fluren,
+ Und die unendliche Wagenburg nachfolgte der Heer’smacht
+ Langsamen Schritts, von dem Lastvieh fort auf der Straße gezogen.
+ Siehe, in drei Heersäulen ging des gewaltigen Königs
+ Furchtbare Macht jetzt vor! Er hemmte sein Roß an dem Heerweg;
+ Sah die Tausende zieh’n, und heischte von Diesem und Jenem,
+ Schnelleren Gang mit erhobener, oft schrittweisender Rechten.
+ Lobkowitz führt’ in dem Vorderzug die böhmischen Reiter;
+ Mährens Volk, das muthig zu Fuß anstürmt in der Feldschlacht,
+ Milota, der in der Mitt’ einher vor den Reussen, den Meißnern,
+ Und den Thüringern zog. Doch Czernin lenkt’ in dem Nachzug
+ Sachsens reisiges Volk, dem rasch die Mannen der Kunring’,
+ Und die Bayern zugleich voreileten, fröhlichen Muthes.
+ Als das geordnete Heer aufbrach, da schloß mit Gefolg auch
+ Ottgar sich, hinbrütend, ihm an. Der tapfere Wallstein
+ Ritt ihm zur Seit’ -- auch er versunken in düstere Schwermuth:
+ Denn nicht brachte der Tag ihm Gewinn; nicht die schönere Hoffnung
+ Blüht’ ihm darum, weil er sie dem Gegner entriß auf der Turnbahn.
+ Ach, sie stand ihm zu hoch, des Königs Erzeugte! Nicht wagt’ er,
+ Ihm zu eröffnen das Herz, obgleich er liebend an ihm hing.
+
+ Jetzo schwand das hüg’lige Matz zur Rechten, und Angerns
+ Weidenreiches Gefild zur Linken dem Heere vorüber.
+ Ottgars Blick hing starr an der March, die rauschend hinunter,
+ G’en Marcheck und Kressenbrunn die dunkelen Fluthen
+ Wälzte. Der herrlichen Zeit errungenen Ruhmes gedacht’ er
+ Jetzo mit pochender Brust, und sprach zu dem sinnenden Jüngling:
+ „Eilt nicht der Strom, wie die Zeit, in ewigwechselndem Lauf fort?
+ Bald erglänzt er im sonnigen Licht, bald wogt er im Sturmhauch,
+ Trübaufschäumend, umher: sein voriger Reiz ist entschwunden.
+ Siehe, wie düster die March jetzt fließt,
+ und wie herrlich erschien sie
+ Dort an dem Tage von Kressenbrunn,[1] wo im Siegesgefild mir
+ Ungerns Macht erlag, die Bela, der tapfere König,
+ Zahllos, wie der Heuschrecken Heer’, uns entgegengeführt hat!
+ Jenem Siegestag zur Erinnerung gründet’ ich dankbar
+ Dann Marcheck, die blühende Stadt, am Gestade des Flusses.
+ Ha, dort scholl mir die Stimme des Glücks in dem Sieges-Gefild noch,
+ Und ich folgt’ ihr beherzt! Vielleicht erschallt sie mir nimmer.
+ So ist des Menschen Geschick, des sterblichen, hier auf des Lebens
+ Pilgerpfad’ empor zu schießen, voll üppigen Wuchses;
+ Doch gestellt ist das Maß, und er schrumpft dann wieder zusammen,
+ Wie die thürmend’ Eich’, die ihr Haupt in die Lüfte gehoben,
+ Nun zu Moder zerfällt: die, ach, Jahrhunderten trotzte,
+ Liegt in dem Staub! So schreiten auch Reich’ und gewaltige Völker
+ Plötzlich wieder zurück von den kaum errungenen Höhen,
+ Und mir ahnet es fast, ich hab’ sie errungen: zum Abend
+ Neigt sich mein Strahlengestirn, und bald versinkt es in Nachtgrau’n.“
+ „Das sey ferne,“ so rief den schwärmerischtrüben Gedanken
+ Sich entreißend mit Macht, der feurige Jüngling, „das Dunkel
+ Kennt dein Glücksgestirn nicht mehr: erst jetzo beginne
+ Solches den schöneren Lauf zu des Ruhms hellleuchtender Sonne!
+ Fällt der Kaiser besiegt, und das soll er! dann ist die Welt dir
+ Unterthan. Wie dort nach dem herrlichen Sieg’ im Triumphzug
+ Du hinführtest dein Volk an Italiens Gränze:[2] so winkt jetzt,
+ Ueber sie hin dein Siegespfad. Weltherrschend, eröffnet
+ Roma dir die Thor’, und erblickt die Krone der Kaiser
+ Schimmernd auf deinem Haupt, die Carol der Große getragen.
+ Stark bist du, und noch stärker, so dir ein tapferer Eidam --
+ Doch nicht aus Rudolphs Stamm, den du geziemend verschmähtest,
+ Sich in dem Schlachtfeld eint, als Gatte der himmlischen Hedwig!“
+
+ Ottgar schwieg, und das Heer zog weiter in täuschender Stille,
+ Wie er gebothen zuvor. Doch sieh’, aus den nächtlichen Wolken
+ Senkte sich Arpad[3] jetzt in Eile herunter! Ein Vater
+ Ward er genannt dem Magyaren-Volk’, und aus seinem Geschlecht her
+ Sproßte der Segenszweig: der erste, der heilige König
+ Ungerns, der, sein Volk auf des Heilands Pfade geleitend,
+ Ihm der Menschlichkeit beglückende Recht’, und der Sitten
+ Mildere Form kund gab, auch Gesetz’ ihm schenkte zur Wohlfahrt.
+ Arpad, schauend den Kun, im Rohrgefilde verborgen,
+ Sann alsbald nur Thaten des Muths, und er nahete pfeilschnell
+ Ladislav, dem Könige, der, entschlummert im Zeltraum
+ Lag auf dem Bärenfell’ im grasumwucherten Aufeld;
+ Beugte sich über ihn hin, und preßte den Mund auf den Mund ihm
+ So, daß er ängstlich sich wand, und stöhnete, bis er die Augen
+ Aufschlug, schrie, und im finsteren Zelt’, entrüstet, umher sah.
+ Arpad haucht’ ihm Muth in die Brust mit dem Seelengelispel:
+ „Also bezwungen vom Schlaf, dehnst du die blühenden Glieder,
+ Eingelullt vom Gesang kumanischer Frau’n und der Zither
+ Sanftem Getön? Wach’ auf, du Weichlicher! Denke der Ahnen
+ Weitgefeierten Heldenruhms, und des feurigen Muthes,
+ Der sie beseelte beim Klang des furchtbarbrüllenden Rindhorns,
+ Wenn die Feinde sich trafen im Feld’, und der Würgenden Ruf scholl.
+ Wachen muß dort stets für alle der Herrscher, und rastlos
+ Walten bei Tag und bei Nacht, in gefahrumdräuender Kriegszeit.
+ Horch dem Gewirr! Schon zieht der Böhm’ in täuschender Stille
+ Eilig die Straße hinab g’en Thalsbrunn, dort in des Lagers
+ Weitumkreisendem Raum, von dem Rasenwall’ und dem Graben
+ Mächtig geschirmt, dem Feinde sich rasch entgegen zu werfen.
+ Zahllos regten sich dort viel’ Tag’ und Nächte die Gräber,
+ Die er entboth in dem Land’ umher voll schrecklicher Drohung;
+ Doch im Rücken des eilenden Heers, nichts Arges vermuthend,
+ Kommt mit schwachem Gefolg’ auch der König vorüber, und langsam
+ Folgt ihm die Wagenburg: d’rum schnell an das muthige Werk jetzt!
+ Sende hinaus in den Hinterhalt der bewährtesten Reiter
+ Tausend, die, verborgen im trocknen Geröhr’, an dem Heerweg
+ Harren, bis Ottgar naht: gleich weit entfernt von den Scharen
+ Und von der Wagenburg; dann all’, im sausenden Eilflug,
+ All’ auf ihn los, und erhascht ihr ihn,
+ schnell in Geschrei und Getümmel
+ Wieder zurück in das Lager gejagt mit dem werthen Gefang’nen.
+ So beginne den Kampf, ein Sieger, zur Freude dem Kaiser --
+ Dir, und dem Vaterlande zum Ruhm, dem Lande der Helden!“
+ Sagt’ es mit lispelndem Laut. Da trat ein Kun in das Zelt ein,
+ Athemberaubt vor Hast, und verkündete: daß auf dem Heerweg
+ Zahllos, Schar auf Schar, der Böhme vorübergezogen.
+ Feuriger hauchte der Geist, da er sprach, dem horchenden König
+ Noch in die Seele den kühnen Entschluß. Sieh’, eilig erhob er
+ D’rauf sich vom Lager, und rief nach dem tapferen Führer der Kunen,
+ Kaduscha, der, von Gestalt nur klein, und häßlich von Anseh’n,
+ Doch unbändiger Kraft, und flammenschnaubenden Muths war.
+ „Eile,“ so sprach er zu ihm, „mit tausend erlesenen Reitern
+ Bis an den Rand des Geröhres hinaus, und harre mit Vorsicht
+ Dort in dem Hinterhalt, bis Ottgar selber dir nah’ ist:
+ Weit getrennt von der Wagenburg, und den eilenden Scharen;
+ Dann im Fluge hinaus, zu erhaschen den Herrscher der Böhmen!
+ Fünfzig Rosse sind dein, und zehn goldschimmernde Sättel,
+ Auch der Waffenschmuck des Königes, kehrst du als Sieger.“
+ „Ich vernahm es,“ entgegnete stolz der muthige Feldherr,
+ Als er das Roß bestieg. Er jagte mit tausend Erwählten
+ Bis an den Saum des Geröhres hinaus, und warf sich, des Königs
+ Harrend, in’s Gras. Wie in dunkeler Nacht der schreckliche Rohrwolf
+ Lauscht an der Trift, und dort auf die Hinterfüße gesunken,
+ Winselnd vor Gier nach Blut, mit glühenden Augen umherschaut:
+ Ob nicht der Rinder Schar vorüber wandere, grasend?
+ So der Kune dahier. Doch sieh’, bald wogten des Feindes
+ Reihen vorbei, und im Zwischenraum, nichts Arges vermuthend,
+ Naht’ auch Ottgar jetzt, als Kaduscha, sich in den Sattel
+ Hebend, den Kunen zu stürmen geboth. Vor dem wilden Getümmel
+ Klirrender Waffen, und brausender Ross’, und der stürmenden Krieger
+ Lautem Gejauchz’ erbebte die Nacht, und des Königs Geleitschar
+ Starrte vor Angst: denn schnell, weit vorgebeugt aus dem Sattel,
+ Schwingend mit wildem Gebrüll den krummgehämmerten Säbel,
+ Jagten die Kunen heran, und drohten ihm Tod und Verderben.
+ Wallstein rief alsbald dem Gefolg’: „O, schließt um den Herrscher
+ Einen ehernen Kreis mit der Brust, und fielen im Kampf wir
+ Alle zugleich, nur sey des Herrn Gesalbter errettet!“
+ Aber nicht säumten die Tapferen: denn dreihundert aus Böhmen,
+ Bayern, und Sachsen, erwählt zum Geleit’, umringten den König
+ Schirmend, und kehrten die Brust nach dem Feind,
+ der, ähnlich dem Sturmwind,
+ Naher und naher im Flug, herbraust’ auf dem staubenden Heerweg.
+
+ Kaduscha hieb der erst’ in den Kreis des kühnen Gefolgs ein.
+ Er zerschmetterte schnell zwei muthigen Bayern, von Törings
+ Mannen, die Stirn’, und erhob sein Eisen, noch fürder zu wüthen.
+ Töring, der edele Ritter, der, ausziehend aus Seefelds
+ Ragender Burg, dort sieben unmündige Kinder zurückließ:
+ Denn ihm raubte der Tod erst jüngst die treffliche Hausfrau,
+ Senkte den Speer auf den Wüthenden; ritt rasch an, und durchstieß ihm
+ Also die Rechte, daß ihr alsbald entschlüpfte der Säbel.
+ Jetzo hatt’ er gerächt die Ermordeten; aber es barg sich
+ Jener sogleich im Gedräng’, und rief nach dem Führer des Volkes,
+ Zobor, ihm vertrauend des Kampfs entscheidende Leitung --
+ Ihm, dem Riesen an Kraft: er lockte den grimmigen Bären
+ Aus der Höhle heraus, und erwürgte ihn, ringend, am Boden.
+ Seitwärts drang er auf Töring ein, der, schnaubend vor Rachgier
+ Reiter auf Reiter herab aus dem Sattel warf mit dem Speerschaft.
+ Vier’ erwürgt’ er schon: da stieß ihm die Spitze des Eisens
+ Zobor tief in’s Genick’, als er nach dem Gegner sich beugte.
+ Töring sank in den Staub, und hauchte den muthigen Geist aus.
+ Ach, und die Amme führt, wie die liebvollsorgende Mutter,
+ Jeglichen Morgen die Kinder heraus auf die Zinnen der Felsburg;
+ Zeigt dort allen den Weg, den jüngst der Vater gezogen,
+ „Und euch allen,“ so sprach sie,
+ „ein schönes Geschenk aus der Hauptstadt
+ Heimbringt, so ihr euch fromm und gut, wie er’s heischte, benehmet.“
+ Doch nicht kehret er heim; sein harren die Kinder vergeblich:
+ Denn er liegt getödtet im Staub! So fielen noch hundert,
+ Unter der würgenden Faust der Kunen, gebändigte Krieger,
+ Und Verderben umgab stets näher und näher den König.
+ Wie wenn nächtlich im Wald’ ein wandernder Fleischer, von Räubern
+ Angefallen, mit tapferem Muth’ sich wehrt, und der Gegner
+ Manchen erlegt; doch wäre noch all sein Mühen vergeblich,
+ So das menschengetreueste Thier ihm nicht fest an den Seiten
+ Kämpfte: sein mächtiger Hund, der rasch im Kreise sich wendend,
+ Diesem die Kehle durchhaut mit den tödlichen Zähnen; den andern
+ Niederreißt am Genick’, und, würgend, nicht ruhet, nicht rastet,
+ Bis er errettet schaut den Gebiether: so stritt für das Leben
+ Ottgars, häufend die Leichen umher, der tapfere Wallstein.
+ Doch, als jetzt die Gefahr ihm noch gewaltiger drohte,
+ Schrie er ihm zu: „Mir nach, mein König und Herr!“ und er bahnte
+ Sich mit dem sausenden Stahl durch Feindeshaufen den Blutpfad.
+ Ottgar folgt’ ihm beherzt, und hieb die Umstürmenden nieder.
+ Ha, nach entsetzlichem Mord und Gewürg, durchhau’n, und gesprengt war
+ Endlich der Todesring, und ihm entrannen die beiden,
+ Brausenden Flugs, auf dem Heerweg fort! Im nächtlichen Dunkel
+ Schwanden sie bald aus den Augen der weitnachfolgenden Gegner;
+ Doch die kehrten zurück’, und des Königs treue Geleitschar
+ Fiel nach tapferer Gegenwehr (denn Keiner ergab sich)
+ Hier erschlagen im Kampf mit den herzblutdürstenden Kunen.
+ Ach, wie grausam wütheten jetzt die Schrecklichen: hauend
+ Allen das Haupt von dem Rumpf’, und es dann auf die Spitze des Säbels
+ Pflanzend, zogen sie heim, siegtrunken und rachegesättigt:
+ Denn sie sahen zuvor wohl doppelt die Zahl der Gefährten
+ Hingestreckt im Staub’, und erwürgt von den tapferen Feinden.
+
+ Fort, und fort im Galopp war Ottgar schon in des Heeres
+ Nähe gelangt; nur die Höh’n von Prottes, dem ruhigen Dörfchen,
+ Lagen noch, trennend, vor ihm, und hinter den eilenden Scharen.
+ Milota trabte die Höhen herab. Mit ängstlicher Sorgfalt
+ Forschte sein Auge zuvor nach dem König: er hatt’ ihn dem Tod schon
+ Lange geweiht, und harrete nur des ersehneten Tages,
+ Wo er nach Rache die Gier an ihm sättigte, schrecklich und furchtbar!
+ D’rum verlor er ihn nie aus den Augen, und so, wie der Kater,
+ Grausamer Lust, freigibt das erst gefangene Mäuschen:
+ Da folgt ihm sein glühender Blick, und will es entrinnen,
+ Streckt er sogleich ihm nach die klau’nbewaffneten Pfoten --
+ Reißt es zurück in den Todes-Kreis, und weidet die Augen
+ So an dem armen, voll Grimms: nicht anders verfolgten die Augen
+ Milota’s Ottgarn stets, der Rach’ ihn zu opfern, entschlossen.
+ Jetzo gewahrend: er sey’s, begann er von weitem zu rufen:
+ „Wahrlich, du wagtest viel, mein König, so fern dich zu halten
+ Von dem schnellvoreilenden Heer! Wer so die Gefahr sucht,
+ Wandelt auf glattem Geröll’, an des Abgrunds schwindligem Rand hin:
+ Denn in den Auen der March droht uns der schrecklichen Kunen
+ Leis’umspähendes Volk: du warst die erwünschteste Beut’ ihm,
+ So es dich traf. Doch sprich, wo weilt dein Reitergefolg noch?“
+ „Mein Gefolg ist todt,“ entgegnete jener, „gefallen
+ Unter des Feindes würgender Faust. Dem tapferen Jüngling
+ Hier verdank’ ich das Leben allein; stets hielt er im Leben
+ Treulich an mir; er sey, wie ein Sohn, mir geliebt in der Zukunft.“
+ D’rauf hinbeugt’ er nach Wallstein sich von dem Sattel; er küßt’ ihn
+ Auf die glühende Stirn, und drückt’ ihm die Rechte noch freundlich.
+ Jener, mit Freudenthränen im Blick’, erwiederte, hebend
+ Ottgars Hand an den Mund, der Liebe beglückendes Zeichen.
+ Plötzlich sah er im Geist der wahnsinngenähreten Hoffnung
+ Truggestalt in der Wirklichkeit, hellschimmernden Glanzes,
+ Ihm genaht, und gestillt des Herzens unendliche Sehnsucht.
+ Wehe, daß Drahomira so nah’ ihm war in des Nachtgrau’ns
+ Schrecklicher Stund’, und stets auflauerte, daß sie, verderbend
+ Ihn, sich räche zugleich an Ottgarn, höllischer Lust voll!
+ Hufesgerassel erscholl: denn Milota’s Reitergeschwader
+ Jagte heran. Sie schrie ihm ins Ohr: „Der Feind ist im Anzug!“
+ „Ha, der Feind!“ rief Milota laut, und in wilder Verwirrung
+ Jagt’ er nach Ebenthal, woher sie gekommen, das Roß hin.
+ Ottgar folgt’ ihm schnell; nur Wallstein hemmte den Läufer
+ Oft: um den König besorgt, und für ihn zu sterben, entschlossen.
+ Aber ihm däuchte das nahe Gebirg, und drüben das Blachfeld
+ Jenes von Ebenthal an der freundlichen Burg, wo er seicher
+ Oft sich erging, des Weidwerks Lust ergeben im Feld’ auch.
+ Ottgar hörete jetzt den Ruf des warnenden Jünglings;
+ Tobte vor Zorn, und sprach zu Milota grimmigen Blickes:
+ „Hat dich mein böses Geschick mir entgegengeführt an dem Kreuzweg,
+ Wo in dem nächtlichen Grau’n nur menschenfeindliche Geister
+ Hausen, daß du dem Heer mich entrückst, und verleitest zum Irrgang?
+ Wahrlich, der Himmel straft heut Nacht die Vergehungen alle,
+ Die mich erniedrigten einst auf des Lebens verlockenden Bahnen!
+ Fort, g’en Stillfried jetzt, wo die Wagenburg und der Nachhuth
+ Tapfere Schar mich schirmt, bis wir dem Heere vereint sind!“
+
+ Finster umhüllete noch das Gewölk den nächtlichen Himmel;
+ Noch aufriß der entfliehende Blitz zuweilen die Lieder,
+ Zürnend, und sah mit feurigem Blick aus Osten herüber.
+ Bergan hob sich der Weg, und Milota sagte, verhöhnend,
+ Als die Ross’, oft zögernden Gang’s, aufschritten den Bergpfad:
+ „Hoffst du, Herr! vor des Ewigen Richterstuhle so leicht dich
+ Abzufinden dereinst mit dem schreckengerüsteten Engel,
+ Der dein Blatt dir weis’t in dem Buche des Lebens und Todes?
+ Wähnst noch gar, du habest gebüßt für Alles und Jedes,
+ Was du verübt seither, schon heut’ im nächtlichen Irr-Ritt?
+ Grauses vernahm mein Ohr. Ist’s Wahrheit, oder nur Täuschung,
+ Was die Sag’ uns gab von dem blutbesudelten Handel
+ Dort? Daß die Ost- und die steyrische-Mark dir bleibe zu Eigen,
+ Hast du Schätze gesandt nach Wälschland -- heimlich verbündet
+ Rom und Neapel dir, und Konradin, Friedrich von Oestreich[4]
+ Hingeopfert des Henkers Schwert, die blühenden Fürsten?
+ Hast nicht Erbarmen geübt, als d’rauf die Mutter des letztern,
+ Gertrud,[5] sanften Gemüths, aus dem Erbe der Väter vertrieben,
+ Fliehen hieß dein Wüthrich fort in stürmischer Nachtzeit?
+ Bist du rein von Schuld an dem Tod der verstoßenen Gattinn,
+ Margareth?[6] Ward der edele Herr und Ritter von Meißau
+ Nicht in unwürdiger Haft von dir verbrannt in dem Schloßthurm?[7]
+ Nicht die Heldenschar, von dem Pettau’r,[8] niedrigen Herzens,
+ Angeschwärzt, jahrlang’ in schmählichen Banden gehalten --
+ Ihrer gewaltigen Vesten beraubt? Sieh’ dort auf dem Hügel
+ Drüben den Rabenstein: wie im Wind sich die dürren Gerippe
+ Dreh’n nun hin, nun her, und im Schwung lautächzen die Ketten!
+ Hu, aufsträubt sich mein Haar -- und dennoch lieber gehenkt dort,
+ Als daß ich übte, wie du, an dem Merenberger[9] den Frevel!
+ Aber horch! Da er nun, das Haupt an die Füße gebunden,
+ Zweimal den Morgen und Abend sah, in schrecklichen Qualen
+ Hängend am Rabenstein, war nur der geschändeten Schwester
+ Bild -- geschändet von dir, vor seinem Gemüthe! Dir flucht’ er,
+ Eh’ er starb, durchbohrt von einem der wilden Szupanen.
+ Wie, du erschrickst? Nein, fürchte nichts, Herr!
+ Daß ich jetzo der Tochter,[10]
+ Meines geliebtesten Kindes, gedacht, nicht verdenk’ es dem Vater,
+ Der nicht weinen mehr kann um sie, die schändlich verführt ward.
+ Ihre die Schuld, der Metze: sie gab sich wohl selber der Schmach hin!“
+
+ Ottgar schlug sich die Brust, und wimmerte: „Vater, Verzeihung;
+ Mein ist die Schuld allein: den Himmlischen glich sie an Reinheit!“
+ „So?“ -- sprach dann mit gedehnetem Laut der entsetzliche Vater.
+ Ottgar stöhnte vor Angst, daß es jener vernahm; mit den Zähnen
+ Knirscht’ er; sah empor, und rief mit ersterbender Stimme:
+ „Milota, sieh’, wie es über den armen Sündern erblitzet!“
+ Sagt’ es, und stützte das Haupt, vergehend, auf Milota’s Schulter.
+ Jetzt in der geistverzückenden Zeit todähnlicher Ohnmacht
+ Sah, wie entkörpert, er dort an dem Rabenstein, Drahomira
+ Schweben umher, und oft hellstrahlen von röthlichen Flammen.
+ Ihr nachfolgten zum Dienst drei Mißgestalten der Hölle
+ So, daß der Halbentseelte noch zuckt’, und bebte vor Schrecken,
+ Als er die Furchtbar’n sah. Aus schwarzumhüllendem Schleier
+ Starrten mit weitgeöffnetem Aug’ todblasse Gesichter,
+ Und ihr Leib, durchblinkt von der Flammengestalt Drahomira’s,
+ Floß, wie ein Trauerflor, hinaus in das finstere Nachtgrau’n.
+ Doch, nach dem Wink der Gebietherinn, auf,
+ und hinunter sich schwingend
+ Dicht an dem Rabenstein, wie der Mauerspecht am Gemäuer,
+ Der mit kläglichem Ruf nach Gewürm’ und Käferchen spähet,
+ Nagten sie dort ein Giftgewächs und das Moos mit den Zähnen
+ Ab von dem Stein und Gehölz, und schwebten hinab auf den Heerweg.
+ (Zwischen Ottgar hier, und Milota -- aber vor Wallstein
+ Dort, der zögernd folgt’: in täuschende Träume versunken
+ Künftigen Glücks) und hauchten zugleich auf die Erde den Unrath.
+ Doch Drahomira kam, vorhaltend in glühender Rechten
+ Einen Becher, in dem verderbliche Säfte von Kräutern
+ Gähreten: erst entpreßt dem Eisenhütchen und Schierling,
+ Dann Tollkirschensäfte vermengt, der plötzlich des Menschen
+ Sinne verwirrt. Sie goß mit zaubergewaltigen Worten,
+ Vor den Drei’n, die sie nachmurmelten, wie aus der Felskluft
+ Grimmvoll murrt ein Drach’, das Gift auf den furchtbaren Unrath
+ Aus; zertrümmerte schnell den Becher auf ihm, und erhob sich
+ Dann im Weh’ausruf des Höllengefolg’s in den Luftraum.
+ Alsbald schwamm ein bläulicher Duft, des giftigen Pfuhles
+ Nebel gleich, umher: dem nahenden Jüngling zum Falle
+ Hingebannt von der Macht Drahomira’s, des schrecklichen Weibes.
+
+ Ha, schon naht’ er heran! Noch brannte der glühende Kuß ihm
+ Auf der Stirn’; noch scholl in das Ohr ihm der schmeichelnde Zuruf
+ Ottgars: „Daß er ein Sohn ihm sey -- dem liebenden Vater.“
+ „Wie, ein Sohn? Dann ... ja, wenn Hedwig die Rechte mir reichet!
+ Himmlische Hoffnung!“ Rief’s; da bäumte schnaubend sein Reitroß
+ Dort an der furchtbarn Stelle sich auf. Ihn däuchte der Wehruf,
+ Den er jetzo vernahm, aufhorchend mit pochendem Herzen,
+ Hedwigs Stimm’: alsbald vorspornend den hurtigen Läufer,
+ Stand er gebannt in dem Zauberkreis’, und urplötzlich, so wähnt’ er,
+ Ward ihm zur Gegenwart die nimmergeahnete Zukunft.
+ Hochbeglückt hielt er die Ersehnete jetzt in den Armen:
+ Ihm schwand Himmel und Erde dahin! Doch flatterte blitzschnell
+ Weiter der täuschende Spuk, da, schnaubend vor Angst und Entsetzen,
+ Nun das Roß fortsprang aus dem Zauberkreise der Hölle.
+ Stöhnend sah er zurück, und die Blässe des Todes bedeckte
+ Seine Wangen: ein Traum, so schien es ihm, flüchtig entronnen,
+ Wies ihm des Erdenglücks Erwünschtestes. Wehe, nicht schwand jetzt
+ Mehr des Gesehenen Bild aus seinem Gemüth’. In den Adern
+ Kocht’ ihm das Blut, und im kreisenden Schwung’ umgaukelte jenes
+ Rastlos ihn, da er flog, getrieben von höllischem Zauber,
+ Abzufordern die Hand der Königstochter dem Vater;
+ So zu empören des Herrschers Stolz, und, von diesem gehöhnet,
+ Racherfüllt, sich selber und ihn zu verderben auf immer.
+
+ Siehe, voll Himmelshuld war ihm sein schützender Engel
+ Wieder genaht, und rief in sanftverweisenden Lauten:
+ „Wie, umsonst ertönte dir erst mein warnender Zuruf?
+ Wehe dir, Jüngling, ach, wenn Schuld verdunkelt die Reinheit
+ Deines Gemüths! Wie ein Spiegel, noch erst im herrlichsten Lichtglanz
+ Schimmernd, schnell abstirbt, so ihn feuchtannahender Hauch deckt:
+ Also umwölkt es die Schuld. Bald scheint die blühende Schöpfung
+ Dir verwelkt, und erstarrt ringsum das regsame Leben:
+ Nichts des Hohen vollführest du mehr, von irdischen Banden
+ Niedergehalten. Verzieh’; o denke des Ewigen, reuig;
+ Kehre zurück, und beherrsche mit Kraft die Gelüste des Herzens,
+ Daß du nicht Schmach dir jetzt durch thörichte Worte bereitest!“
+
+ Sagt’ es, und schwang sich empor zu dem Vater
+ im Himmel, deß’ Antlitz
+ Er mit dem Seraph und Cherub schaut für immer und ewig.
+ Aber der Jüngling rief: „Ward erst der Seligen Wonne
+ Mir von dem Himmel gewährt? Vernahm ich jetzo der Hölle
+ Täuschenden Ruf? Nicht weiß ich’s -- will es nicht wissen;
+ es dreht sich
+ Schwindelnd die Welt um mich her; sie reiße mich mit in den Abgrund!“
+ Sieh, und er hieb in den Bauch des ächzenden Läufers den Sporn ein:
+ Brausenden Sprung’s trug fort ihn das Thier,
+ bis er’s vor dem Herrscher,
+ Der mit dem Feldherrn, ernst und schweigend die nächtliche Bahn zog,
+ Jetzt festhielt, nach gewaltigem Müh’n: denn wüthenden Ingrimms
+ Flog es dahin! Nun sprach mit sanfterheitertem Antlitz,
+ Nach dem Jüngling gekehrt, der weitgefürchtete König:
+ „Wallstein, ha, wo weilst du? Komm, und rette den Vater
+ Dir, dem liebenden Sohn, von diesem entsetzlichen Manne!
+ Milota, fort! Entfleuch! Du warst mir treulich ergeben,
+ Du, des Herrschers Vasall; doch hast du mit blutiger Faust ihm
+ Heut’ in dem Herzen gewühlt -- frechlautende Worte gesprochen.
+ Gott ist gerecht. Die Schuld, vergrößert von feindlicher Mißgunst,
+ Mindert vor ihm ein reuiges Herz: er wird’s nicht verschmähen!
+ Halte dich künftig entfernt von mir -- auch jetzt in dem Feldzug,
+ Daß nicht mein Zorn, erwacht, dich noch verderbend ereile.“
+ Jener lächelte grimmig, und rief: „Recht hast du gesprochen:
+ Weichen will ich -- im Kampf’ entfernt dir stehen; der Tochter
+ Stets gedenken, und flieh’n die Nähe des dräuenden Herrschers.“
+ D’rauf entschwand er im Feld; doch Ottgar sagte dem Jüngling:
+ „Wallstein, höre mich nun! Stets warst du mir theuer vor Allen
+ Ob des Heldenmuths und der Treue, mit welcher du, liebend,
+ Hingest an mir: doch heut, wie lohn’ ich geziemend die Thaten
+ Ewigen Ruhms? Erst rächtest du mich an Rudolphs Erzeugtem;
+ D’rauf hast du mich entrissen der Wuth umdrängender Gegner.
+ Sieh’, am kommenden Tag sollst du durch würdigen Lobspruch
+ Hochverherrlichet steh’n vor meiner versammelten Heersmacht;
+ Auch den Feldherrn dort, als Führer des böhmischen Fußvolks,
+ Beigesellt, ein Zeuge der Huld und des Glückes erscheinen!“
+
+ Jener entgegnete schnell, von dem Höllenzauber getrieben:
+ „Herr! du nanntest mich Sohn zuvor, und ein liebender Vater
+ Willst du mir seyn? Wohlan! Ich rühme mich edlen Geschlechtes,
+ Ja, des edelsten, das in dem Vaterlande genannt ist:
+ Reich an Schätzen und Land, gleich Fürstensöhnen geachtet!
+ Vater, mein höchstes, mein einziges Glück harrt deiner Entscheidung!
+ Gib mir Hedwigs Hand, des angebetheten Fräuleins:
+ Dann wird überschwenglicher Lohn mir zu Theil, und ein Eidam
+ Steht dir dankbar bereit -- für dich zu sterben, entschlossen,
+ Tapferen Muth’s im Feld’, ein mächtiger Schirmer des Thrones,
+ Den du zierest, und Wenzeslav, dem Erzeugten, vererbest.
+ Hörst du mich nicht: dann fort an die fernsten Gränzen des Weltmeers;
+ Dann aus dem Leben fort, dann wähle dir treuere Diener!“
+ „Tod und Hölle!“ so rief entrüstet der König, „wie ward mir
+ Heut das Geschick, Wahnsinnigen hier zum Spotte zu dienen?
+ O Verblendeter! Wie? so täuschest du frech und verwegen,
+ Meine Hoffnungen all’, auf dich gegründet, und trotzest
+ Auf die erworbene Herrscherhuld? Du erkühnst dich um Ottgars
+ Tochter zu frei’n -- um Hedwig, nach welcher sich Könige sehnten?
+ Schwind’ aus dem Glanz der Sonn’, aufdämmernder Stern, und durchlaufe
+ Fern mit jenen die dunkele Bahn, die selber dir gleichen!
+ Ehren sollte des Königs Ruf dich am kommenden Morgen?
+ Sieh’, ich schlage dich jetzt --
+ doch, wiss’ es, Bube, zur Schmach nur:
+ Daß du gedenkest hinfort, wie frech du ihn eben gehöhnt hast!“
+ Rief’s, von der Hüfte sich reißend das Schwert.
+ Er schlug mit der Kling’ ihn,
+ Wüthend, über den Helm, und jagte hinüber zur Heersmacht,
+ Der er genaht, in des Morgenroths erglühendem Lichtstrahl.
+ Wallstein zog bei dem Schlag schon halb aus der Scheide das Eisen,
+ Hielt’s so, fest umspannt, hinbrütend, die Augen zum Boden
+ Heftend, erblaßt, und starrete noch mit entsetzlichen Blicken
+ Lang’ um sich her; dann stieß er das Eisen zurück, und verlor sich
+ Von dem Pfad seitab, in des Hains umschattendem Dunkel.
+
+
+
+
+ Sechster Gesang.
+
+
+ Sieh’, im rosigen Duft versank die glühende Sonne
+ Hinter dem fernen Gebirg; die Nacht umschleierte ringsum
+ Schon die Gefild’, als jetzo von Neuburg her an der Donau,
+ Czernin kühn vordrang mit tausend tapferen Böhmen,
+ Die er, unferne dem Bisamberg, in räumigen Fähren
+ Uebergesetzt, nach Waldrams Wink, des frechen Empörers.
+ Dort in verengender Schlucht, die am Fuße des Kahlen- und Leupold-
+ Berges ein Dörfchen birgt in gebüschumhüllender Bergschlucht,
+ Lagen die Böhmen im schlauen Versteck, sich Reiter von Oestreich
+ Rühmend, und hielten das Volk in den Hütten fest, nach des Krieges
+ Eisernem Brauch, daß kein Verräther dem Feinde zum Dienst sey.
+ Doch als jetzo der Mitternacht ersehneter Zeitraum
+ Nah’ war, brachen sie auf, und schlichen am Ufer der Donau
+ Leise hinab, den Füchsen gleich, die so den Gehöften
+ Nah’n, aus den Ställen umher, raschwürgend, die Beute zu holen.
+ Als sie Nußdorf links, durch freundliche Traubengeländer
+ Wandernd, und d’rauf rechts Heiligenstadt, und Döbling erblickten,
+ Lenkten sie wieder behend zu dem lautaufrauschenden Strom ein,
+ Bis sie erreichten den Weidenhain unferne der Steinwehr,
+ Welche das Neuthor schirmt, und harrten, im Dickicht verborgen,
+ Dort des verheißenen Winks, durch List zu erringen die Festung.
+
+ Doch nun klirrten des Thors gewaltige Riegel, und Czernin
+ Wähnte: verrathen sey dem Feinde sein kühnes Beginnen.
+ Weniges sprach er nur: der Schweigende hieß er den Kriegern;
+ Aber das Wenige sprach er mit Kraft; so rief er auch jetzo:
+ „Männer, fasset das Schwert! Wir wollen dem Feinde das Leben
+ Theuer verkaufen im Handgemeng’: ein schrecklicher Kampf sey’s!“
+ Siehe, da ritt aus dem Thor, das aufflog, brausend ein Ritter
+ Näher, und jagte dem Haine vorbei. Ihm folgte der Knappe.
+ Hartmann, Wiens erlesener Hort, verließ mit dem Treuen
+ Eben die Mauern der Burg: er war’s, der näher gesprengt kam.
+ Alsbald wäre der Feind ihm hier in den Rücken gefallen:
+ Ihn, der Rettung bedacht, zu erlegen zugleich mit dem Knappen;
+ Aber es schwang sich Marbod jetzt aus dem finsteren Luftraum,
+ Hastig an Czernins Seit’, und hemmt’ ihn mit täuschenden Worten:
+ „Czernin, halte die Krieger zurück, nicht siehst du den Feind hier,
+ Sondern die Freund’, entsandt durch Rüdiger, daß sie im Rundgang
+ Zieh’n an der Vest’ umher, und erforschen: ob nicht die Gegner
+ Euerer Macht, auflauernden Blicks, entgegen sich stellen?
+ Bald ist die Runde vollbracht, euch öffnet sich leise das Neuthor.“
+ Sagt’ es, voll Hast; dann flog er dem Jünglinge nach, und begann so:
+ „Hartmann, kehre zurück! In dem Hinterhalte verborgen,
+ Lauert dir, mit Verräthern im Bund, der listige Feind auf.
+ Kehre durchs Schottenthor in die Burg, und beschirme die Festung,
+ Dir von dem Herrscher vertraut mit wichtigem Worte: gehorch’ ihm!“
+ Aber der Eilende sprach: „Mich däucht, ein Höllengeflister
+ Hält von der Wallerfahrt mich zurück? Ich gehe, zu bethen
+ Auf dem Kahlenberg für die schwachaufathmende Mutter:
+ Ob nicht Gott sich erbarmt; mein Fleh’n die heilige Jungfrau --
+ Mutter auch sie! voll Huld, dem liebenden Sohn’ an das Herz legt,
+ Und das erfüllte Gelübd’ erringt der Mutter Genesung?“
+ Als er es rief, da gab er dem Pferde die Spornen, und brausend
+ Trug es ihn fort im Galopp’ auf die Höh’n des umnachteten Berges.
+ Dort, zu dem Kloster gelangt, vertraut’ er dem Knappen den Renner;
+ Zog an dem ehernen Pfortenring, und klingelte. Dreimal
+ Scholl in der einsamen Nacht, entlang den finsteren Kreuzgang
+ Hin, der Glocke Getön. Bald klirrte der eiserne Riegel,
+ Von dem Pförtner getrieben, im Schloß’, und in schweigender Ehrfurcht
+ Ließ er den Ritter, der „Gelobt sey Jesus!“ ihm rief, ein.
+ „Ewig!“ gab er zurück’, und verschloß die Thüre mit Sorgfalt:
+ Denn nicht war er ihm fremd; er kannte des Kaisers Erzeugten.
+ Aber er schritt entlang die weitgesonderten Zellen,
+ Die ein freundliches Gärtchen schied, die Reihe hinunter,
+ Bis zu dem Fenster des Bruders Ernst, und klopfte, nur halblaut
+ Rufend: „Vater, komm! Schon floh die zwölfte der Stunden,
+ Komm, und lese die Messe sogleich in der heiligen Halle,
+ Wo vor dem Kreuz-Bild schon unzählige Kranke genasen.
+ O, daß dein frommes Gebeth uns erflehte die liebende Mutter!“
+ „Jüngling!“ so rief der Erwachende jetzt, „was treibest du rastlos
+ Durch die dunkele Nacht? Der Himmel erhöret das Flehen
+ Sterblicher mild bei Tag und Nacht, wenn solches der Seelen
+ Heil’ entspricht: stell’s heim, wie es kömmt, der ewigen Vorsicht.“
+ Sagt’ es, erhob sich, und trat aus der nächtlichen Kammer.
+ Er schlief dort
+ Immer im härnen Gewand’: um das Grab sein Lager zu tauschen
+ Jeglichen Augenblick, mit gottergebenem Herzen.
+
+ Schauer durchfuhr den Geist, der schnell dem Ritter gefolgt war,
+ Als er des Bruders bleiches Gesicht, und das Auge, voll Demuth
+ Stets zur Erde geheftet, ersah; die himmlische Weisheit
+ Klar an der Stirn’ ihm las, und, vereint abtödtendem Bußsinn
+ Seelenfrieden und Ruh’ in seinen erhelleten Zügen
+ Wahrnahm. Dennoch wagt’ er es nicht, ihm zu folgen in Gottes
+ Heiligthum; nur entfernt und schüchtern sah er hinüber,
+ Als er dort vor dem Bild des Gekreuzigten, würdigbekleidet,
+ Stand in dem hellen Schein sechs strahlender Kerzen: sie ragten
+ Aus den silbernen Leuchtern, geteilt, vom Marmor-Altar auf;
+ Sah, wie ihm diente der Ritter selbst, auf die Kniee gesunken:
+ Jetzt ihm brachte das Buch, und er bethete; jetzo, die Gaben
+ Opfernd, Brot und Wein darreicht’; er Worte des Segens
+ Ueber sie sprach, dann auf zur Anbethung hob, und, in Demuth
+ Klopfend die Brust vorher, genoß: ein hehres Geheimniß
+ Feiernd. Er staunte noch mehr: wie dort der muthige Jüngling
+ Ganz in heiliger Gluth und in herzdurchschauernder Andacht
+ Aufgelös’t, mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen
+ Bethete; auch den thränenden Blick von der Erde nicht aufhob,
+ Bis das Opfer vollbracht, und gestillt das sehnende Herz war.
+ Graunvoll stand ihm Odins[1] Altar vor den Augen, und Sclaven
+ Blutend darauf, die, im Kampf gefangen, als Opfer ihm büßten.
+ Ach, er preßte sie fest in die Fläche der Hände, nicht wagend,
+ Sie jetzt himmelempor zu dem furchtbarn Richter zu heben!
+ Doch schon führte der Mönch den Ritter zur Pforte hinüber,
+ Schüttelt’ ihm traulich die Hand, und sagte beklommen zum Abschied:
+ „Gottes Friede mit dir! Vollbracht ist die heilige Handlung,
+ Wie du gewünscht. In dem Wink des Ewigen liegt die Genesung,
+ Liegt das Leben, der Tod, und seine Gerichte sind dunkel.
+ Laß nur walten die Huld: die hier Getrennten vereint sie
+ Jenseits wieder im Glück’, im ewigen, wahren, und einen!“
+
+ Als er sich wandte, zu geh’n, da ergriff ihm Hartmann die Hand noch,
+ Drückte sie glühend an’s Herz, und rief mit thauenden Wimpern:
+ „Ernst, nicht lebt dir der Vater mehr, nicht die Mutter:
+ zur Kriegszeit
+ Haben die grausamen Feind’, unmenschlich vor Wuth, in der Kammer
+ Beid’ erwürgt vor dir, dem scheuverkrochenen Knaben!
+ Nimmer wurdest du froh seitdem, und wohnst in des Klosters
+ Einsamer Zell’. Ach, komm, und sey mir ein Stab auf des Lebens
+ Dunkelem Pfad, mein Lehrer und Freund, und mit dankbarem Herzen
+ Will ich die Freundesliebe dir treu durch Liebe vergelten!“
+ Ernst fuhr, schaudernd, zusammen, und rief:
+ „Der Freundschaft erwähnst du?
+ Ja, mir ward ein Freund von treuem und redlichem Herzen;
+ Aber er wanderte fort, weit über das Meer, und nach Jahren
+ Schmerzlicher Trennung -- sieh’, drei Schritte von hier, an der Mauer
+ Dort, erkannt’ ich den Kehrenden schon: da zuckte der Blitzstrahl
+ Her aus dem Wettergewölk’, und todt, und erstarrt in den Armen
+ Hielt ich ihn! Ach, nicht färbten sich mehr, und färben sich nimmer
+ Meine Wangen, vom Schrecken erbleicht, und entsetzlichem Jammer!
+ Laß mich im Frieden dahier. Geschürzt zur endlichen Wand’rung
+ Hab’ ich mein Kleid, und ich halte den Stab bereit in der Rechten,
+ Wann, und wie es dem Himmel gefällt: du thue deßgleichen
+ Hartmann, eile hinab in die Burg: ich höre der Glocken
+ Stürmenden Ruf im Geschrei und Getös’ lauttobender Menschen!“
+ Jener horchte, bestürzt; dann warf er sich schnell in den Sattel;
+ Spornte sein Roß, und flog, lautathmend, den Wällen entgegen.
+
+ Dort gebar einstweilen die Nacht entsetzliche Thaten.
+ Rüdigers horchendem Ohr’ entging das warnende Wort nicht,
+ Das erst Hugo zuvor dem Kaiser vertraute. Die Sohlen
+ Fremder Männer gewahrete bald sein spähender Scharfblick
+ Unten im Felsengang, wo er häuft’ in Menge die Waffen,
+ Und er sandte den Bothen sogleich an den König von Böhmen,
+ Daß er ihm eine die Macht. Den Schirmern der Veste zur Täuschung,
+ Wandt’ er den Blick von dem Stubenthor nach dem stilleren Neuthor,
+ Wo nur selten erscholl der Fußtritt wandelnder Menschen,
+ Nie des rollenden Wagens Getös’: nur jenen zum Frommen
+ Früher erbaut. Dort sah er das Werk der frechen Empörung
+ Schon gelungen, und harrete nur der verheißenen Hülfsschar.
+
+ Jetzt erscholl die Glock’ aus den Fenstern des ragenden Kirchthurms,
+ Zwölfmal dumpferdrönend dem Schlag des gewichtigen Hammers,
+ Und ummurrend lang’ in dem leis’entschlummerten Luftraum.
+ Alsbald regten im Weidenhain sich die Krieger aus Böhmen --
+ Traten, in Eisen gehüllt, und mit schneidenden Lanzen bewaffnet,
+ Aus den Häusern hervor die Verschworenen (siebenmal hundert
+ An der Zahl) und entlang den Tiefengraben zum Neuthor
+ Standen die frechen geschart, des Wink’s von Rüdiger Waldram
+ Harrend. Er zögerte nicht, und kam, und sprach zu dem Amtner:
+ „Günther, muthig an’s Werk! Mit Hundert deiner Erwählten
+ Hin zu der Burg: dort stoßt mit würgender Rechte die Wachen
+ Nieder, und wahret das Thor an der Kaiserstiege mit Sorgfalt!
+ Hundert send’ ich sogleich in die Runde mit tapferen Führern,
+ Die auf den Wällen erwürgen die Huth. Ist solches geschehen,
+ Dann ertöne Geschrei; dann reißt an den Strängen; der Glocken
+ Sturmruf schalle; das Schlangenhaar aufsträubend, die Augen
+ Drehend vor blutiger Gier, und schwingend die flammende Fackel,
+ Tobe der Aufruhr fort in den Straßen, und brülle die Menschen
+ Wach aus dem Schlaf’ zum Kampf g’en Rudolphs bebende Söldner!
+ Ottgars harren wir dann: bald kömmt er, und wird ihn zermalmen;
+ Doch, so er siegt’? -- ein Unterpfand ist unser: die Mutter,
+ Und die Töchter zugleich: denn Hartmann eilte von hinnen,
+ Das euch sichere Bürgschaft sey ersehnter Verzeihung.
+ Nur mir werde sie nicht. Ha, lieber zum eisigen Nordpol
+ Will ich, ein Bettler zieh’n, als Rudolphs Zepter gehorchen!
+ Kommt; viel lieber den Tod, als solch’ unwürdiges Leben!“
+ Rief’s, empört, und alsbald eileten jene dem Amtner
+ Nach. So wäre die Huth auf den ragenden Mauern erlegen;
+ Doch auf dem Rasenwall an der Burg, wo im Süden des Schneebergs
+ Heitere Stirn’ der Wandelnde stets mit Freuden gewahret:
+ Da er ihm so viel sonn’erhellete Tage vorhersagt,
+ Ging, gemessenen Schritts, Bertrand, der tapfere Schweizer,
+ Hüthend umher. Als jetzt zum zwölften Mal von dem Kirchthurm
+ Dumpf die Glock’ ausklang, von dem eisernen Hammer geschlagen,
+ Sieh’, da stand er erstarrt! Ein Schrei -- doch schrecklich zu hören,
+ Scholl ihm vom Mund; sein Haar aufsträubte sich; laut, wie im Fieber,
+ Klapperten ihm die Zähn’. Er sah zwölf Schattengestalten:
+ Häßliche Weiber der Stimm’, und wankende Greise dem Gang’ nach,
+ Kommen, in Leichentücher gehüllt, todbleich und den Nacken
+ Altersschwer gebeugt: die _Klag’_ genannt von dem Volk dort,
+ Welche, vereint (sechs hie, und drüben so viel’) auf der Schulter
+ Trugen die Bahre heran, und stöhneten. Aber sie zogen,
+ Sein nicht achtend, vorbei; dann fort, an der Mauer der Hofburg
+ Steilrecht schwebend empor -- fort über das Dach, und verschwanden
+ Fern in der finsteren Luft mit kläglichem, leisem Gewimmer.
+ Weiber, so sagt sich das Volk mit schaudernder Angst in die Ohren,
+ Die auf der irdischen Bahn sich unnennbarem Frevel ergaben,
+ Gingen im mitternächtlichen Zug einher auf dem Erdkreis;
+ Klagten, und ächzten, und trügen die Bahr’ an der Kammer vorüber,
+ Wo, zumal bei den Fürsten des Volks -- bei den Mächtigen, Hohen,
+ Bald anklopfet der Tod: sie sterben, und Weinen erschallet.
+
+ Jetzt vernahmen den Schrei die Gefährten des Kriegers. Sie blößten
+ Hurtig das Schwert; erkletterten schnell die ragende Mauer;
+ Schrie’n von fern: „Wer da?“ und fragten zugleich um die Losung.
+ Zwar nicht kam aus dem Mund des Kriegers das heimliche Wort jetzt:
+ Denn noch stand er verstört, und zitterte; aber sein Hauptmann
+ Sah die nahende Schar bewaffneter Bürger: ihm ahnte
+ Schnöder Verrath. Alsbald erhob er die mächtige Stimme;
+ Schrie an die Nachbarhuth, und diese der nächsten, und nächsten
+ So, daß der Lärmruf rings umtönte die Veste: den Kriegern
+ Nun zum Glück’ erregt von dem angstergriffenen Mann dort.
+
+ Als der Ueberfall dem Hort der empöreten Bürger,
+ Günther, mißlang: da mahnt’ er sogleich die Seinen zur Rückkehr,
+ Sich mit Rüdiger Waldrams Macht zu vereinen am Neuthor.
+ Schon begann er den Kampf. In des weitgewölbeten Thorwegs
+ Mauern sah er die Stub’ erhellt, und die Krieger entschlummert.
+ Nur die Wach’ allein ging inner dem Thore den gleichen,
+ Ernstgemessenen Schritt herauf und hinab. An die Schulter
+ Hatt’ er die Lanze gelehnt, und summte zuweilen ein Liedchen.
+ Schnell, wie der Blitz, flog Rüdiger vor, und setzte dem Krieger,
+ Dräuend, das Schwert auf die Brust, so er schrie,
+ ihn zu tödten, entschlossen.
+ Ach, an dem Zürcher-See ließ Wolf in der reinlichen Hütte
+ Gattinn und Söhnchen zurück: denn kaum entschwand ihm ein Jahr erst
+ Glücklicher Ehe, als ihn zu den Waffen der tapfere Herzog,
+ Albrecht, rief! Er sann, des Kind’s und der Gattinn gedenkend,
+ Einen Augenblick; dann dacht’ er der Pflicht und der Rettung
+ Seiner Gefährten: er schrie -- der edelmüthige Krieger
+ Schrie, und sank, von Rüdigers Schwert durchbohrt, auf den Sand hin.
+
+ Wildes Getümmel erscholl. Hervor aus der dämmernden Wachtstub’
+ Stürmten Wolfs Gefährten, voll Hast, und Rüdiger Waldram
+ Hob das blutige Schwert mit gellendem Ruf in die Luft auf.
+ Alsbald trafen sich, im Gemeng, die empöreten Bürger
+ Und die Krieger zugleich. Wie Nachts von der eichenen Tenne
+ Lautes Gepolter erschallt, wenn emsige Löhner des Weizens
+ Goldene Frucht entdreschen dem Halm: so tönte der Waffen
+ Hämmernder Schlag von dem Schild’ und dem Helm der kämpfenden Männer.
+ Nur Gestöhne der Wuth erscholl in den Hallen, und Blut floß
+ Rings in Strömen umher. Die Krieger des Kampfes geübter,
+ Würgten die größere Zahl; doch so, wie die Stier’ auf dem Schauplatz
+ Von unzähligen Rüden umstürmt, mit furchtbaren Hörnern
+ Manchen der Feinde, durchbohrt, hinstrecken, und wüthend sich wehren,
+ Bis sie zuletzt erliegen der stets ergrimmteren Mehrzahl:
+ Also, nach tapferer Gegenwehr, erlag an dem Neuthor,
+ Ueberwältigt, die Huth von fünfzig tapferen Kriegern.
+ Ha, da flogen sogleich des Thors gewaltige Flügel,
+ Heulend, auf eisernen Angeln entzwei! Mit traulichem Handschlag,
+ Grüßte die böhmische Schar, die draußen, mit steigender Kampfgier,
+ Harrete, hier das verbündete Volk, und stürzte, dem Mühlbach
+ Gleich, der schäumender Hast, durch weiteröffnete Schleußen
+ Wild herrauscht, in die Stadt, und Rüdiger jauchzete laut auf:
+ „Eilt zum Kampf, Gefährten des Siegs! Schon seh’ ich erfüllet,
+ Was wir sehnlich gehofft: den Sturz des verhaßten Geschlechtes.
+ Unser die Stadt, das Volk empört. Auf, laßt uns die Söldner
+ All’ erwürgen im Schlaf, die jetzt auch des Führers beraubt sind --
+ Hartmanns: denn er floh, feig bebend, zuvor aus der Festung!
+ Schließet die Flügel sogleich des festeinfugenden Thores,
+ Und erweckt die Bewohner der Stadt zum Kampf der Errettung.“
+
+ Czernin jubelte nicht. „Fürwahr,“ so sprach er bedeutsam,
+ „Viel ist gescheh’n, und mehr, als die Hoffnung verhieß zum Beginne:
+ Nahe der Kaiserburg erblitzen die böhmischen Waffen;
+ Aber ich scheue des Glücks und des leicht zu bethörenden Volkes
+ Wankelmuth! Gar mächtig bewegt des herrschenden Stammes
+ Fromme Liebe die Brust: der Zauber, welchem die Herzen
+ Huldigen, kalt vom Erob’rer gekehrt -- nicht selten auf immer.
+ Zwar verheißt uns die Schreckensnacht in dem Kampfe den Vortheil;
+ Doch uns bleibe dieß Thor. Des Rückzugs denke der Feldherr
+ Auch in dem Sieg, sonst gleitet sein Fuß auf schlüpfrigem Pfad’ aus.“
+ Sagt’ es, und ließ an dem Thor zweihundert tapfere Krieger,
+ Sorgend, zurück: Bolest, dem Amtner, die Kühnen vertrauend,
+ Der, in dem Felde bewährt, mit festausdauerndem Kampfmuth
+ Schirmer ihm sey, und dereinst, so es also des Krieges Geschick will,
+ Seinem Volk’ es eröffne zur heißersehneten Rettung.
+ D’rauf vordrang er zugleich mit Rüdigers jauchzenden Scharen:
+ Denn schon hob aus der Stadt unendlicher Lärm und Getümmel
+ Sich in die Luft. Von den Thürmen umher ertönten die Glocken
+ Stürmenden Rufs; unzählige Feuer, mit hastigen Händen,
+ Rings auf den Zinnen entflammt, erleuchteten schrecklich die Umwelt,
+ Und Gebrülle der Wuth, unsinniger, frecher Empörung,
+ Scholl die drönenden Straßen hinab. Da fuhren die Mütter
+ Auf aus dem ruhigen Schlaf’, und stürzten herbei an das Fenster,
+ Weinten, und rangen die Händ’, umschart von heulenden Kindern.
+ Zitternd stand der Greis an der Thür: sein silbernes Haupthaar
+ Schlug ihm der Wind um die Stirn’ und die toderblasseten Wangen --
+ Sah den eilenden Sohn, und schrie, daß er kehre, vergeblich.
+ Aber es mehrte die Schar der Verblendeten weniges Volk nur,
+ Das, unstät und heimathlos, in die Veste gekommen
+ Ehedem: treu verharrt’ in der Pflicht die bessere Mehrzahl.
+
+ Doch schon trafen, voll Wuth, die Empörer und ihre Genossen
+ Auf das muthige Schweizervolk, das kühn im Verein stand.
+ „Hartmann!“ scholl’s in der Burg, und „Hartmann!“ rings in den Straßen
+ Aengstlich und laut -- umsonst: er weilte noch fern auf den Berghöh’n.
+ Da gedachten der Gegenwehr die Obersten: Arnold,
+ Flüe, und Hohenried, und stellten die Scharen im Halbmond,
+ Der sein Horn hier rechts, dort links in die Straßen hinausschob,
+ Gegen den wildempöreten Feind, vor der ragenden Burg auf:
+ Also vor ihr in dem Kampf, pflichttreu, zu sterben entschlossen.
+ Rüdiger stürmt’ auf Hohenried, der vorne die Scharen
+ Ordnete, los, und schrie: „Dich, Rudolphs treuen Gesellen,
+ Will ich allen zuvor, als heulenden Bothen, zur Hölle
+ Senden: verkünd’ es nur dort, daß sie folgen,
+ und keiner entrinnt mehr!“
+ Rief’s, vorschreitend, und jener begann: „Gewaltiger Prahler,
+ Wärst du so tapfer, als frech mit der tönenden Zunge: mir würde,
+ Trau’n, erbangen die Brust; doch komm, und büße den Frevel,
+ Den du verübst g’en Treu’, und Pflicht, und den heiligen Eidschwur!“
+ So wortwechselten sie in dem Augenblick der Entscheidung.
+ Allen zuvor kam Hohenried, den blinkenden Degen
+ Schwingend, und drang grad’ aus auf Rüdigers pochende Brust ein.
+ Aber er hielt ihm entgegen den Leun, von Silber gestaltet,
+ (Ottgars Löwen zum Ruhm’) auf dem Schild von mächtiger Wölbung:
+ Dieser wehrte dem Stoß’, und der sprödere Stahl, auf des Leu’n Haupt
+ Treffend, brach, wie unbeugsames Glas, mit kreischendem Mißlaut
+ Mitten entzwei. Da stieß, in des Gegners erschütterndem Unfall
+ Kühner geworden, ihm Waldram schnell die Spitze des Degens
+ Durch die erhobene Hand, daß ihr auch das umklammerte Heft noch,
+ Blutumhüllt, entsank -- er wehrlos stand vor dem Gegner.
+ Sieh’, er hätt’ ihn durchbohrt: doch rissen hurtige Krieger
+ Ihn aus umdrängender Todesnoth, und führten ihn sorglich
+ Hinter die Reih’n, wo ihm Hülf’ und erquickende Pflege zu Theil ward.
+
+ Waldram schrie: „Getreue, nun vor! Des Führers beraubet,
+ Wanken die Feinde. Hinauf in die Burg, wo, sehnend, die Gattinn
+ Rudolphs harrt mit den Töchtern des Siegs und der fröhlichen Heimkehr
+ Ihres Gemahls. Vergeblich harre sie. Eilt, und geleitet
+ Sie in das Kloster Sanct Dorothe’; doch führet sie sanft hin:
+ Denn sie that uns kein Leid, und nah’t, abzehrend, dem Grab schon.
+ Nur dem Herrscher allein, der seither Kaiser sich nannte,
+ Zeiget euch unversöhnlich, und schont ihn selbst in dem Tod nicht!“
+ Also rasete Waldram hier. Die frechen Empörer
+ Griffen wüthender an, und drängten die mittlere Kriegsschar,
+ Ihres Gebiethers beraubt, stets weiter zurück in den Burghof.
+ Czernin spornte sein Roß nun links, nun rechts, und entflammte
+ Laut mit Geschrei sein Volk, in die Feinde zu stürmen. Es kämpften
+ Flüe dahier, und Arnold dort, voll eisernen Muthes,
+ Gegen ihn an, und zu schwach, der Menge die Spitze zu biethen,
+ Zog sich Flüe, im schräggedehneten Zuge, vom rechten
+ Eilig zum linken Horn, um, vereint dem kühnen Gefährten,
+ Arnold, dort zu steh’n, und zu fallen im rühmlichen Kampf nur.
+ Dichtgedrängt in Reih’n, vorhielten die Schweizer die Lanzen
+ Hier dem stürmenden, reisigen Volk; die verwundeten Rosse
+ Wütheten -- d’rauf noch mehr mit dem würgenden Eisen die Reiter
+ So, daß das Blut aufwogt’, und die starrenden Leichen bewegte:
+ Dennoch wichen nicht hier, nicht dort die erbitterten Gegner.
+
+ Doch von dem Kahlenberg, voreilend dem fürstlichen Jüngling,
+ Nahete Marbod erst, und sah mit Schrecken des Kaisers
+ Schirmende Burg von der Macht des argen Verräthers gefährdet.
+ Nicht besann er sich lang’, und eilte hinaus nach dem Tabor,
+ Wo der Kaiser im Zelt sanft schlummerte, mitten im Lager
+ Seines erlesenen Heers. Dort fand er auch nahe das Schlafzelt
+ Hugo’s, den er erst gestern warnt’. Ihn dacht’ er zu wecken,
+ Senkte den Flug rasch hin, und begann im Geistergelispel:
+ „Auf, erhebe dich, Greis! Bald schaust du die Flamme des Aufruhrs
+ Leuchten heran von den Thürmen der Stadt, und hörest von dorther
+ Stürmenden Glocken-Klang und Gebrüll empörter Gesellen.
+ Wie, so schnell vergaßest du nun des warnenden Traumes:
+ Lachtest wohl fein? Auf, säume nicht hier zu erwecken den Herrscher!“
+ Eben rief auch die Vorhuth schon an dem Rande des Lagers
+ All’ das entschlummerte Volk stets lärmender auf zu den Waffen.
+ Aber der Greis erhob sich, voll Hast, und sah in der Wahrheit
+ Jenes erfüllt, was ach, nur ein Traum noch gestern ihn dünkte!
+ Eilig trat er sofort zu dem Herrscher, und sagte beklommen:
+ „Herr! unglaublich erschien dir vielleicht des träumenden Greises
+ Warnung? Tritt vor das Zelt, und vernimm mit Staunen des Aufruhrs
+ Wuthgeschrei in der Stadt, empört durch Rüdiger Waldram.
+ Willst du’s, Herr, so eil’ ich mit reisigem Volk vor das Burgthor,
+ Einlaß heischend, und dämpfe die Gluth, eh’ ihr Flammen entfahren!“
+ „Nein, ich fürchte sie nicht,“ so entgegnete jener, „den Auswurf
+ Meines Volks empörte der Rasende nur, und die Bessern
+ Hängen noch redlich an mir. Und wie, ist mein tapferer Sohn nicht
+ Wiens Besatzung ein schirmender Hort? Sind Mutter und Schwestern
+ Ihm nicht ein heiliges Pfand, und es wagten die frechen Empörer,
+ Ungestraft, mit frevelnder Hand an die Theuern zu tasten?
+ Hundert Reiter allein genügen mir, sie zu vernichten.
+ Komm, wir zertreten die Gluth gar leicht im niedrigen Staub noch:
+ Denn ich bau’ auf die Hülfe des Herrn und die Liebe des Volkes.“
+ Heiter schwang er sich jetzt auf das Roß, und flog mit dem Helden
+ Hugo, im sicher’n Geleit erlesener Reiter zur Stadt hin;
+ Dann an dem Walle herum, bis er endlich des finsteren Burgthors
+ Graben ersah. Dort hemmt’ er das Roß, und winkt’: ein Drometer
+ Stieß in das schmetternde Rohr, und sieh’, bald riefen die Krieger,
+ Kletternd herauf an dem Wall’: „Ist’s Hartmann, unser Gebiether?
+ Kommt er, ein Retter, heran in der Stund’ entsetzlicher Nothwehr?
+ Laßt uns vernehmen des Freundes Ruf, und wir senken das Fallthor!“
+ „Gott, und das Vaterland!“ so gab mit gewaltiger Stimme
+ Hugo zurück, „ist Freundesruf in dem Lager von Oestreich:
+ Aber nicht Hartmann -- nein, den Kaiser gewahrt ihr als Retter!“
+
+ Laut erhob sich ihr Jubelgeschrei; doch näher und nähere
+ Scholl von der Roß-Au her, wo sonst die Rosse der Krieger
+ Weideten, schon das Getrab und das Klirren des Waffengeschmeides
+ Auf in der Nacht. Ach, Hartmann war’s! Ihn erkannte der Vater --
+ Ihn, den Vater, der Sohn. Verwirrung, Angst und Entsetzen
+ Faßten wechselnd ihn an; nur leis’ und furchtsam begann er:
+ „Vater, ich ging, auf dem heiligen Berg für die Mutter zu bethen,
+ Wie ich es jüngst verhieß der Flehenden: denn nicht entfernt mehr
+ Scheint ihr des Lebens Ziel; doch ach, entsetzlichen Frevel
+ Seh’ ich indessen verübt von den Meuterern hier, in dem Zeitraum
+ Einer entflohenen Stund’! Ich räch’ ihn, und sollt’ ich auch fallen.“
+ Aber der Vater schwieg. Erschütternd zu schau’n, wie er vor sich
+ Hinsah, schweigend und ernst. Da flog der unglückliche Jüngling
+ Ueber das Thor, das erst mit Getös’, auf den Graben gesenkt, fiel,
+ Durch die finsterumwölbende Halle hinaus auf des Burghofs
+ Räumigen Platz. Er sah, wie auf Leichen erschlagener Brüder,
+ Rüdiger Waldrams siegender Macht, ein tapferes Häuflein
+ Muthig entgegenrang, der jetzt, Entsetzliches sinnend,
+ Ueber die Stufen hinauf in die Kammer zu dringen gedachte,
+ Wo die Fürstinn sich fand mit den lieblichen Töchtern: entschlossen,
+ Sie mit frevelnder Hand in des Klosters Gewahrsam zu bringen:
+ Denn er wähnt’ errungen die Burg, und dem böhmischen Löwen
+ Unterthan die Stadt mit Oestreichs herrlichen Fluren.
+
+ „Halt, Verruchter!“ so rief, aus dem Sattel gestiegen, ihm Hartmann
+ Donnernd zu. Er entblößte das Schwert, und kam wie ein Rohrwolf,
+ Der in des Winters Frost, vom Hunger getrieben, voll Blutgier,
+ Ein in die nächtlichen Hürden stürmt, und die blöckenden Lämmer
+ Würgt mit zerfleischendem Zahn: so kam er in Eile gesprungen.
+ Flammen sprühte sein Aug’, und aus seiner erhobenen Rechten
+ Zuckte der Blitz gen Waldram hin; doch als er ihm nahte,
+ Wandte sich dieser, und rief: „Ha, du, Verhaßter vor Allen;
+ Jetzo nur muthig heran: euch all’ entsend’ ich zur Hölle!“
+ Flog, so rufend, ergrimmt, dem Feind’ entgegen, und strebte,
+ Stöhnend vor Hast, das Schwert in die tapfere Brust ihm zu stoßen;
+ Aber er schlug, vorschauenden Blicks, den nahenden Mordstahl
+ Seitwärts; führte den Todesstreich; zerschmetterte Waldrams
+ Helmdach tief in die Stirne hinab, und warf ihn entseelt hin.
+ Doch nicht rastet’ er noch: er saß blitzschnell in dem Sattel
+ Wieder: erhob das blutige Schwert; ritt glühend vor Mordgier
+ Mitten hinein in die Schar der Empörer, und wüthete links, rechts
+ Dort mit würgender Faust, daß Leichen auf Leichen sich häuften.
+ Ihres Gebiethers beraubt, und entmuthiget, warfen die andern,
+ Schnell die Waffen von sich, und floh’n, im Verborgenen Rettung
+ Suchend, davon. Die Burg ward frei durch den tapferen Jüngling.
+
+ Czernin drängte zuvor die hauptverwaiseten Scharen
+ Arnolds: ihm wichen die Krieger nur Schritt für Schritt
+ in dem Wuthkampf,
+ Bis zu dem Schottenthore hinab. Sie schlossen sich eng’ an
+ Dort vor dem Gotteshaus’, und wehrten sich: alle für Einen,
+ Einer für alle zu sterben bereit, im rühmlichen Tod nur.
+ Keiner wär’ ihm entfloh’n, wenn jetzo nicht, keuchend im Eilflug,
+ Näher der Reisige kam, und schrie: „Erschlagen ist Waldram:
+ Denket der Flucht! Er fiel in dem Kampf mit des Kaisers Erzeugtem;
+ Aber er selber, so jubelt das Volk, hält draußen am Burgthor.“
+ „Freunde,“ so rief ihr Hort den Reisigen, „Rüdiger Waldram
+ Hat uns schnöde getäuscht; nicht des Kampfes Gefahren -- der Festung
+ Leichten Besitz verhieß er uns jüngst, da er stolz sich des Antheils
+ Aller Bewohner vermaß! Mit Recht wohl büßt’ er den Frevel.
+ Unser, zum Glück, das Thor: nun laßt uns gedenken der Rückkehr!“
+ Rief’s, und den Tiefengraben entlang, zu dem stilleren Neuthor
+ Jagt’ er das Roß: ihm nach die Reisigen alle. Die Flügel
+ Theilten sich heulend entzwei, und nicht rastet’ er, bis er die Fähren
+ Wieder ersah an dem Ufer der weithinrollenden Donau.
+ Doch nicht füllte den Raum der schwankenden jetzo die Last mehr,
+ Wie zuvor: erwürgt in den Straßen der mächtigen Festung
+ Lag die Hälfte des reisigen Volks, das gestern herankam.
+
+ Aber mit Trauer im Blick, obgleich ein Sieger, und Retter
+ In der Gefahr, kam Hartmann jetzt aus dem finsteren Burgthor,
+ Langsam geritten heraus, wo sein der liebende Vater
+ Harrte; trauernd auch er, ob solchem Vergehen des Sohnes.
+ Dieser begann: „Verhallt ist der Sturm unsinnigen Aufruhrs:
+ Waldram büßte die Schuld: von meinem vernichtenden Eisen
+ Liegt er, durchbohrt, an der Treppe der Burg,
+ die er, frevelnden Fußes,
+ Erst zu betreten gewagt; die Verbündeten schützte die Flucht nur.
+ Dennoch steh’ ich vor dir, ein Schuldiger. Soll ich auch büßen --
+ Denke des dunkeln Geschicks, das oft auf irdischer Laufbahn
+ Auch die Besseren feindlich ereilt! Nie mög’ es dich treffen!“
+ Und er senkte das Haupt. Doch Rudolph sah ihn, bewegt, an,
+ Hob die Rechte empor, und sagte mit rührender Stimme:
+ „Treu erfülltest du dein Wort, als edeler Ritter,
+ Mildgesinnet, und fromm, der sterbenden Mutter gehorsam;
+ Aber dich sollte die Pflicht mit eiserner Macht an die Festung
+ Bannen: ihr solltest du steh’n ein Hort in dräuender Kriegszeit,
+ Und ein wehrsamer Schild in der Noth. Wer darf sich erkühnen,
+ Das, was höher ihm schien, vor jener zu wählen nach Willkühr?
+ Herrndienst rief dich hier zu dem Dienste des Herrn, und du fehltest
+ Gegen das göttliche Wort des welterleuchtenden Lehrers.
+ Dein Vergeh’n, unglücklicher Sohn, soll keinem der Krieger
+ Künftig zum Beispiel seyn, zur Ermunterung, Gleiches zu wagen!
+ So wie ich jüngst, der Veste zum Schirm, das Schwert dir vertraute,
+ Stellst du’s wieder zurück’, in die Hände des Helden von Tauffers.“
+ Jener reichte das Schwert ihm dar, erblassend, und schweigend.
+
+ Sieh’, jetzt kam aus dem Thor’ ein Jüngling gelaufen, und rief so:
+ „Herr, voll Angst erschein’ ich, ein Both’ aus des Jammers Behausung.
+ Deine Gattinn verschied in den Armen der liebenden Töchter
+ Sanft und ruhig um Mitternacht, noch ehe der Hammer
+ Zwölf’ ausschlug; o komm, und sey den armen ein Tröster!“
+ Hartmann warf sich vom Roß, und flog -- ihm folgte der Vater,
+ Langsam und wankend vor Schmerz, die Stufen hinauf in die Kammer,
+ Wo die Heilige sanft entschlummerte: schnell zu erwachen
+ Wieder zum ewigen Glück’ und nie vergänglicher Wonne.
+ Ihr zu dem Haupt’ und den Füßen, die Stirn’ in die Hände geheftet,
+ Saßen die Töchter umher: gleich Marmorgestalten am Grabmaal,
+ Die zur herzerschütternden Schau der Künstler gebildet.
+ Hartmann beugte sich über sie hin; er küßte, noch stöhnend,
+ Ihr die erkaltete Hand, und der leis’aufweinende Vater
+ Warf sich im stillen Gebeth’ auf die Knie’. Nur Seufzer erschollen;
+ Thränen regten sich nur an den schmerzerstarreten Wangen.
+
+ Aber am Morgen wie dumpf und bang ertönen die Glocken
+ Von den Thürmen der Stadt! Was läuft, und drängt sich das Volk jetzt,
+ Thränenumflossenen Blicks, in die heiligen Hallen des Domes,
+ Den, wie im Dunkel der Nacht, unzählige Kerzen erhellen?
+ Feierlich schallt ein Wehe-Getön’ aus der Orgel: Posaunen
+ Heulen, gedämpft, in den Sterbegesang vielstimmigen Chores,
+ Der von dem Tage des Zorns, von dem unerbittlichen Richter,
+ Von dem Gericht und dem Ende der Welt in Feuer und Flammen,
+ Spricht mit erschütterndem Laut. Doch jetzt gewahren die Augen
+ Mitten das Trauergerüst, auf drei, sich verjüngenden Stufen
+ Sinnig erbaut, und umher mit schwarzem Tuche behangen.
+ Ueber den Stufen gesammt ruht dort die sterbliche Hülle
+ Jener Verewigten schon, mit der Stirn’ zum Altare gewendet,
+ In dem geräumigen, sammt- und goldbekleideten Bleisarg.
+ Oben ziert ihn die Krone von Gold; die schimmernden Wapen
+ Sind an dem Trauergerüst ringsher auf Säulen geheftet,
+ Und auf silbernen Leuchtern erhöht die flammenden Kerzen.
+ Weihrauch wallt empor in die heiligen Hallen; die Priester
+ Feiern das Seelen-Amt am Altar, und die bethende Volksschar
+ Liegt auf den Knieen, und schluchzt:
+ um die Beste der Fürstinnen trauernd,
+ Die nur zum Segen gelebt, als Mutter der Armen und Waisen.
+ Aber, erschütternd zu schau’n: nicht fern dem heiligen Altar,
+ Knie’t, von den Seinen umringt, und im Trauergewand auch der Kaiser:
+ Alle zugleich vor Schmerz erblaßt -- wie gealtert seit gestern!
+ Ach, sie starren zuweilen mit rothgeweineten Augen
+ Nach dem Sarg’, und sehnen sich, ihr, der selig Erhöhten,
+ Wieder vereinet zu seyn schon dort auf immer und ewig!
+ Als nun alles erfüllt, und die heilige Handlung vollbracht war,
+ Schwebte der Sarg, vom Gerüst’ auf kräftige Schultern gehoben,
+ Langsam hinab in die Fürstengruft. Zu Paaren geordnet,
+ Gingen die Priester ihm vor, und beteten leise den Bußpsalm;
+ Ihm nachfolgten die Ihren mit wankendem Schritt. Und so ward dort
+ Beigesetzt in der Gruft die Leiche der edelsten Fürstinn.[2]
+
+ Aber der Kaiser sprach zu dem ältesten seiner Erzeugten,
+ Albrecht: „Glühender Schmerz nagt tief in dem Herzen des Vaters
+ Und der Erzeugten zugleich, die jetzo der Mutter beraubt sind.
+ Ach, mich zög’ es wohl hin, in der einsamen Kammer zu trauern,
+ Jahrlang: denn nicht sehe ich mehr die holde Genossinn
+ Meines Lebens vor mir; nicht hör’ ich die Worte des Trostes
+ Aus dem Munde der Gattinn hinfort, wenn Tage des Kummers
+ Nah’n! So lösen sich hier die trautesten Bande des Lebens,
+ Die uns umfingen mit Lieb’, und wir steh’n am errungenen Ziel oft,
+ Wie der pilgernde Fremdling, allein. Doch sey es, wie Gott will!
+ Jetzt, wo das Glück der Völker, der Ruhm, und das Beste des Landes,
+ Uns’rer Ehre vereint, von des blutigen Kampfes Entscheidung
+ Abhängt, laß uns das Leid, das eigene, tief in des Herzens
+ Unterstem Grund verschließen, und stark und kräftig einhergeh’n,
+ Wie es dem Manne geziemt, der würdig zu handeln, bestimmt ist.
+ Höre denn, was ich zuvor erwog im Gemüth’, und getreulich
+ Dann zu erfüllen beschloß! Jüngst wüstete weit in dem Marchfeld,
+ Wege und Stege gesammt, das entsetzliche Donnergewitter
+ So, daß dem Heereszug Gefahren entgegen sich thürmen
+ Sonder Zahl, die ein Feldherr nie hochmüthig verachte.
+ Ich geleite das Heer gen Heunburg heute noch, morgen
+ Ueberzusetzen, gesinnt, den Strom auf künstlichen Brücken,[3]
+ Die uns, auf Flöß’ erbaut, und mit lastenden Ankern gefesselt,
+ Dienen zur Bahn. Schon sah ich am Ufer unzählige Stämme,
+ Wohl behau’n, und gefügt von den werkbeflissenen Löhnern.
+ Eile mir vor im Gefolg fünfhundert erlesener Krieger,
+ Dort zu gebiethen den Bau, mit kundiger Sorgfalt. Ich folge
+ Rasch mit dem Heere dir nach, und steh’ an dem kommenden Morgen
+ Drüben am Ufer der March, vereint mit des Königs von Ungern
+ Tapferem Volk, im Rücken des Feind’s, und im mächtigen Vortheil.
+ Rühmt er der Menge sich gleich,
+ doch siege die Treu’ und das Recht nur.“
+
+ Jener begann alsbald: „Mit Freuden gehorch’ ich dir, Vater!
+ Aber, o sieh’, da sprengt dein Hartmann, eilenden Fluges,
+ Mit dem getreuen Kurd, der einst in den Jahren der Kindheit
+ Ihn auf den Armen trug, und den blühenden Jüngling das Reitroß
+ Bändigen lehrt’ auf der Ritterburg, ein tapferer Degen,
+ Näher; mich dünkt: zu weiterer Fahrt, mit dem Treuen, gerüstet!“
+ Hartmann hemmte den Lauf, und sagte, herüber gewendet:
+ Denn schon stand sein Roß auf dem Sprung, zu den Staunenden also:
+ „Leb’ wohl, Vater, und ihr, Geschwister mein, auch ihr alle,
+ Lebet auf lange denn wohl! Gar viele der Wege hienieden
+ Sind’s, die Gott die Seinigen führt; doch bringt er uns einst dann
+ Wieder zusammen im Glück von unvergänglicher Dauer!
+ Fort an den vaterländischen Rhein -- hinüber nach Aargau,
+ Führt mich der Weg: denkt mein, des Entfernten, mit Liebe zuweilen!“
+ Rief’s; dann gab er dem Pferde den Sporn, und schwand auf dem Heerweg
+ Plötzlich dahin: ihm sah’n die Beiden mit thränendem Blick nach.
+
+
+
+
+ Siebenter Gesang.
+
+
+ Marbod sah aus den Wolkenhöh’n, verglommenen Blickes,
+ Wie der Mond, umflort von herbstlichen Nebeln am Morgen,
+ Lang’ auf die dämmernden Fluren herab. Er dachte des Bruders
+ Ernst auf dem Kahlenberg, der kriegrische Thaten verschmähend,
+ Froh in der Einsamkeit verharrete: selbst, da ihm Hartmann
+ Ehre und Vortheil both in des Throns hellschimmerndem Umkreis.
+ Völlig fremd erschien ihm die Erd’, und verändert der Menschen
+ Leben und Geist. Nur Feindes-Gewürg im Schlachtengetümmel
+ Sann er sein Lebenlang; nur Kampfmuth heisch’t er vom Manne,
+ Und, ergrimmt, so ihm einst das heiß Ersehnte versagt war,
+ Schlug er den Stein mit dem Schwert’, und spaltete Bäume des Waldes --
+ Ja, was jetzt ihn zermalm’t, unschuldigen Menschen die Scheitel:
+ Denn jetzt hört’ er von Liebe des Feinds, versöhnender Sanftmuth,
+ Schonung, und froher Geduld, und des Friedens sanften Gebothen.
+ Feig und entnervt erschien ihm fürwahr dieß Volk, so er seither
+ Nicht mit staunendem Blick sein Heldenleben gewahrte:
+ Seinen Muth in dem Kampf’ und im Tod, der Helden zu Theil wird.
+ Doch nun horcht’ er, erstaunt: im lauten Getöse der Waffen
+ Kam des Kaisers gewaltige Macht auf dem stäubenden Heerweg
+ Näher. So, wie der Sturm, empört, hersaust, und die Blätter,
+ Tausendfältig bewegt, aufrauschen im finsteren Waldthal:
+ Also klang in sein Ohr des kommenden Heeres Getümmel.
+ Alsbald schwebt’ er vom Morgengewölk nach den Zinnen der Heunburg
+ Hin: einst Attila’s Burg, der sich, als König der Heunen,
+ Furchtbarn Ruhm gewann, da er Gottes Geißel genannt ward;[1]
+ Doch verödet aufragte die Burg in die Lüfte; der Epheu
+ Kroch an der Mauer umher, und durch weitgehöhlete Fenster
+ Sah der bläuliche Himmel herab in den grasigen Hofraum,
+ Wo vom zerschlag’nen Gesims’ ureinst verfallener Bögen
+ Sich der Dornstrauch hob, und im Windesgesäusel sich wiegte.
+ Dort von des Wartthurms schwindliger Höh’ ersah er des Kaisers
+ Nahende Macht, und ihn selbst inmitten der tapferen Scharen:
+ Wie auf dem feurigen Roß er schaltete, hin und herüber
+ Eilend, sie in geordneten Reih’n zum Ziele zu leiten.
+ Unabsehlich hinab auf der Straße war reges Gewimmel,
+ Lärm, und Getös’. Im Lichte der hellaufstrahlenden Sonne
+ Lachten die Fluren rings, und sie sog aus den blanken Gewehren,
+ Aus dem Harnisch und Helm, wie der Blitz augblendend, die Funken.
+
+ Jetzt, wo am Fuße des Bergs sich weit hinüber, im Halbkreis
+ Windet der Donaustrom, anlangten des Heeres Geschwader.
+ Zweifach theilt er sich dort, und streckt ein liebliches Eiland,
+ Gegen die breiteinmündende March zum linken Gestad hin.
+ Sieh’, und all’ die Nacht anschwammen die mächtigen Stämme
+ Wolkengethürmter Fichten, gesandt aus dem südlichen Forstland
+ Oestreichs, das im Gebirg, unendlicher Fülle, sich ausdehnt!
+ Dort, gehorchend dem Wink des hohen Erzeugers, erbaute
+ Albrecht nun die Brücke dem Heer’. Der Stämme je sechzehn
+ Hatt’ er zu Flößen vereint, und über des eilenden Stromes
+ Rücken, im kiesigen Grund mit lastenden Ankern gefesselt:
+ D’rauf erhöht das Säulengebälk’; unendliche Stämme
+ Ueber ihn hin gefügt, und sie in die Quere mit Bohlen
+ Dicht bedeckt: dem Mann’ und dem Rosse zum sicheren Heerweg,
+ Den an jeglichem Rand’ ein leichtes Geländer begränzte.
+ Doch vom Gestade, wohin mit duftenden Matten das Eiland
+ Sich erstreckt, hieß Albrecht dann die Brücke noch schneller
+ Ueber den schmälern Arm erbau’n: denn längliche Fähren
+ Reihten, über der Fluth von gewichtigen Ankern gehalten,
+ Sich hinüber den Strom, und einten die ragenden Ufer:
+ Sicheren Uebergang dem eilenden Heere zu bahnen.
+ „Trefflich hast du, mein Sohn,“ so rief ihm der Kaiser entgegen,
+ „Alles und Jedes vollbracht, und bezwungen die Fluthen des Stromes
+ So, daß wir hinziehn auf ihm, und, des furchtbaren Abgrunds
+ Achtlos, freudig zum Ziel, dem ersehneten, fördern die Schritte:
+ Drüben dem stolzvertrauenden Feind’ in den Rücken zu stürmen.
+ Dein gedenken mit Ruhm noch kommende Menschengeschlechter.“
+ „Vater,“ so sagte darauf der Tapfere, „nimmer geahnet
+ Hättest du wohl: ich sey jetzt eigennützig, und harre
+ Gierig des Lohnes? So ist’s: mir wollest du solchen gewähren
+ Bald in der Schlacht: daß ich dort das Zeichen des Sieges vor dir her
+ Tragend, kämpfe zugleich für den edelsten Herrscher und Vater!“
+
+ Rudolph legte die Hand ihm sanft auf die Schulter, und sah ihm,
+ Beifalllächelnd in’s Aug’: ein zartgesinneter Vater!
+ D’rauf erhob er das Schwert, und ritt, der erste vor allen
+ Ueber die Brücke, das Roß kurz haltend am Zaum’, und ihm folgten
+ So im gehalt’nen Schritt die Reisigen -- folgte das Fußvolk
+ Rastlos nach. Sie donnerte laut, von unzähligen Hufen
+ Wiehernder Rosse gestampft; doch unter des eilenden Fußvolks
+ Ehernem Schritt’, erdrönte sie dumpf nur, und schwankte der Last nach.
+ Also zog er den breiteren Arm, des grünenden Eilands
+ Augefild’, und den schmäleren Arm der mächtigen Donau
+ Freudig hinüber zum linken Gestad’, am unendlichen Marchfeld.
+ Dort aufstellt’ er das Heer, und rief dem kühnen Capellen:
+ „Tapferer, sey mit der Schar fünfhundert erlesener Reiter
+ Heute der Führer des Vorderzugs, schlagfertig und wachsam
+ Jeglichen Augenblick, so Gefahr uns drohte vom Gegner!
+ Otto von Meißau lenkt die Reisigen; doch vor dem Fußvolk
+ Ziehe nun Meinhard, herrschend, einher; ich gebiethe dem Nachzug.
+ Rastlos wollen wir bald des Feindes Lager uns nähern.“
+ Also geschah’s: Capellen ging an der Spitze der Reiter
+ Vorwärts. Hoch in der Luft, vom säuselnden Winde gehoben,
+ Flatterte, grün, sein Fähnlein vor in der Farbe der Hoffnung.
+ Otto’s Fähnlein, blau, die Farb’ ausdauernder Thatkraft,
+ Folgte mit neun- und zwanzigen noch, die im Lichte des Morgens
+ Schimmerten, vielfach an Farb’, wie solche dem Ritter genehm war,
+ Der sie gewählt, ihm nach, und mit jeglichem kamen der Reiter
+ Hundert. D’rauf erschien, blutroth, des unbändigen Muthes
+ Farbe verrathend, die Fahne der görz- und tyrolischen Herrschaft:
+ Meinhards Siegespanier! Ihr reihten der schimmernden Fähnlein
+ Fünfzig sich an, und nach jeglichem eileten hundert der Krieger:
+ Alle mit Helmen und Schilden bewehrt, und mit Lanzen bewaffnet.
+ Aber nach ihm, umringt von der Schar der edelen Ritter,
+ Führte der Kaiser selbst in dem Nachzug jene zum Kampf vor,
+ Die aus den rheinischen Gau’n nach Oestreichs Fluren gekommen,
+ Und ihm folgte das Kriegs-Gezeug’ im unendlichen Zug nach.
+
+ Schnell g’en Hof an der March vordrangen die muthigen Völker,
+ Sonder Trommelgetön und Drometengeschmetter: dem Gegner
+ Weislich zu bergen die Macht, die ihn bald umstürmet im Schlachtfeld;
+ Naheten dann Schloß-Hof, wo empor aus den düsteren Mauern
+ Einer verödeten Burg der Wartthurm sich in die Luft auf,
+ Dräuenden Anseh’ns, hob.[2] Nur Molch’ und giftige Nattern
+ Haus’ten in ihrem unheimlichen Raum. Mit rieselndem Schauder
+ Eilte der Wand’rer vorbei, und der Hirt hielt ferne die Heerden
+ Von den Mauern, wo einst (so kündet die Sage) die Hausfrau,
+ Eitelen Sinnes, der Wangen Paar in dauernder Schönheit
+ Sich zu bewahren, in’s Burgverließ die Kinder verlockte,
+ Schlachtete, dann mit dem Blute sich wusch, unmenschlichen Herzens;
+ Aber sie starb durchs Schwert, und die Burg vermieden im Land dort
+ Rings die Bewohner umher -- zumal in den Stunden des Abends,
+ Wo, so kündeten sie, ein Werfen mit Steinen im Hofraum,
+ Lautes Zischen vom Wartthurm her, und ein Stöhnen und Aechzen
+ Aus dem Verließ erscholl. Doch sieh’, als jetzo vorüber
+ Eilte das Heer, da gewahrete Jörg, der muthige Reiter
+ Steyrischen Oberlands, auf den Zinnen des ragenden Wartthurms
+ Sitzend ein Wesen von Menschengestalt, von Bewegung, und Leben!
+ Alsbald sprang er vom Sattel, und rief, verhöhnend: „Nicht furchtbar
+ Sind die Geister bei Tageslicht; ich wette, die Böhmen
+ Sandten den Späher heran: ich will es ihm tapfer gesegnen!“
+ Rasch enteilt’ er, und klomm an der Mauer, der Gemse nicht ungleich,
+ Die an der Felswand schwebt, empor, bis über dem Fallthor
+ Er die Stufen gewann, und schnell zu den Zinnen hinaufstieg.
+ Schon entfuhr ihm ein höhnender Ruf, da wankt’ er voll Schrecken
+ Wieder zurück: so grausenhaft erwies sich der Fremdling,
+ Der ein Jüngling ihm schien. Sein losgewühletes Haupthaar
+ Flog ihm wild um die Stirn’; an dem blutigen Wamms und den Schenkeln
+ Hingen nur Trümmer des Riemwerks noch vom zerschmetterten Panzer,
+ Wie auch der Schienen am Bein’. Er zitterte: Wuth und Verzweiflung,
+ Rach’ und Schmerz verrieth sein tieferglühendes Antlitz,
+ Als er, den Degengriff mit krampfhaftzuckender Rechten
+ Haltend, nach Jörg umsah, der jetzt ihm wieder genaht war.
+ Aber dem dräuenden faßt’ er die Brust, und warf, mit des Riesen
+ Kraft gestählt, von des Wartthurms Rand’ ihn hinab in den Abgrund:
+ Seinem Volke zur Schau, das eben voll Muthes heran kam.
+ Siehe, da liefen sogleich die Gefährten des sterbenden Kriegers
+ Hin nach dem Thurm, voll Gier, den schrecklichen Frevel zu rächen;
+ Doch schon eilt’ er die Stufen herab, und sprang wie der Steinbock,
+ Den der Schütze verfolgt von Klippe zu Klippe hinunter,
+ Mit erhobenem Schwert, von der Mauer der Burg auf den Vorgrund,
+ Gegen die Rächerschar, sich wüthend zu wehren, entschlossen!
+ Aber es sprengte der Kaiser das Roß in Eile herüber,
+ Und, vernehmend die That des grimmerfülleten Jünglings,
+ Hemmt’ er die Krieger, und rief dem Nahenden: „Halt, ich gebieth’ es!“
+ Jenem sank der dräuende Arm bei den Worten des Herrschers
+ Plötzlich hinab, daß am Stein die Spitze des funkelnden Eisens
+ Klirrete: denn er besann, die Augen erhebend, sich jetzo:
+ Ob er die Stimme gekannt, die ihm also gerufen? Er starrte
+ Schweigend ihn an; die Wuth entschwand, wie schneeige Flocken
+ Vor dem mächtigen Strahl der wolkenenthülleten Sonne
+ Schwinden, aus feinem Gesicht’, und im Kreise der zuckenden Wimpern
+ Wies sich nun herzinniges Leid, das nahe der Thränen
+ Leis’aufstrebenden Quell verkündete. Mild, und versöhnend
+ Sagte der Kaiser: „Verschonet ihn doch: nicht mit hellem Bewußtseyn
+ Hat er Arges verübt. Kein größerer Jammer auf Erden,
+ Denn des Unglücklichen Schau, deß’ edelster Vorzug: des Geistes
+ Licht, verdunkelt ward; der unter den Lebenden weilet,
+ Aber, entfremdet dem holden Verkehr’ und der trauten Gemeinschaft
+ Seiner Lieben, zum Grab fortwankt im finsteren Wahnsinn.
+ Wahrlich mich däucht, als hätt’ ich ihn jüngst gesehen: ein Zerrbild
+ Jenes Ritters, der so feindlich am Tabor turneyte!“
+ Pferdegetrab erscholl jetzt laut in der Nähe: des Reiters
+ Ledig, kam mit verhängtem Zaum der Braune gesprungen;
+ Lief dem erkannten Jünglinge zu, und fuhr mit dem Hals’ ihm,
+ Wiehernd, unter den Arm, daß er über den Mähnen herabhing.
+ Alsbald faßt’ er dies’, auf des treu erfundenen Thieres
+ Rücken sich schwingend in Hast, und flog nach dem Ufer der March hin.
+ Nicht besann er sich dort: er schwamm die Fluthen hinüber,
+ Und entschwand den Augen der stummnachstarrenden Krieger.
+
+ Ach, und der Jüngling war’s, der jüngst so feindlich turneyte:
+ Wallstein! Als in der Schreckensnacht, vernichtet von Ottgars
+ Wüthendem Zorn, er, allein, gehöhnt, und urplötzlich aus Edens
+ Rosenau’n, wohin ihn Hedwigs Engelgestalt rief,
+ Rauhverstoßen sich sah: da warf er die Blicke, mit Ingrimm,
+ Schweigend noch, um sich her; erhob sie g’en Himmel; zerwühlte
+ Sich mit der Rechten das lockige Haar an der Stirn’, und besann sich:
+ Was ihm gescheh’n? Jetzt trieb er das Roß mit schrecklichem Ruf’ an;
+ Riß aus der Scheide den Stahl, und schlug, und bohrte dem armen,
+ Immer tiefer den Sporn in den Leib, daß er blutet’ im Lauf hin.
+ Also wohl Stunden lang, fort über die Hügel und Thäler
+ Trieb er hinaus und herein, voll Wuth, bis athemberaubet,
+ Endlich das Roß hinsank am hainumränderten Blachfeld.
+ Lange stand er dort, wie erstarrt. Der nahenden Sonne
+ Rosiger Strahl, nach welchem er sonst mit Liebe sich sehnend,
+ Rasch die Höhen erklomm, und dort aufjubelte, wenn er
+ Ihm die Stirn’, die umliegende Flur, und der wirbelnden Lerchen
+ Zartes Gefieder beschien, die hoch vom Gewölk’ ihn begrüßten --
+ Ha, wie trüb erglüht’ er ihm jetzt! Wie schrecklich ertönt’ ihm
+ Heut der sonst entzückende Ruf der befiederten Sänger
+ Drüben im schauernden Wald, und wie schal erschien ihm das Leben
+ Ringsum! Furchtbar schwoll ihm die Brust von unsäglichen Qualen:
+ Lichtleer dünkt’ ihn der Tag, und die Sonne verloschen. Er warf sich
+ Dann auf die Erde; verbarg im thauenden Grase das Antlitz;
+ Lag schwerathmend noch, und weinte mit leisem Gestöhn’ fort.
+ Doch nun fuhr er empor (ihn faßt’ unbändige Zornwuth)
+ Riß sich vom Haupte den Helm, den Panzer vom Leib’, und die Schienen,
+ Hastig, von Arm und Bein’, und verstreute sie, schmetternd,
+ im Staub dort,
+ Weil ihn solche nicht schirmten, zuvor, g’en Schmach und Entehrung.
+ Jetzt mit dem Schwert in der Faust, und dem einen Gedanken im Herzen:
+ „Ottgars Tod!“ hinbraus’t’ er im Feld’, ihm zu nahen, entschlossen.
+ Also den Tag und die Nacht fortras’t’ er, und kam an dem Morgen,
+ Wutherschöpft, g’en Hof an der March zu dem einsamen Schloß her;
+ Klomm den Thurm empor, und forschte herum in der Dämm’rung.
+ Stille herrscht’. Er sah hinab in den schwindelnden Abgrund:
+ Einen Schritt von dem Rand -- kopflangs hinunter, und stumm war
+ Plötzlich der schreiende Schmerz in der Brust,
+ und verschollen der Menschen
+ Liebehöhnender Ruf. Doch Ottgar lebend auf Erden
+ Noch? Nur jenen erwürgt zuvor: dann sterben wie immer!
+ Nun, vor den Kaiser geführt, und dort nur Worte der Sanftmuth
+ Hörend von ihm, den er erst jüngst, ein eifernder Ritter
+ Ottgars, offen gehöhnt: das brach ihm das Herz, und mit Thränen
+ Hätt’ er, liegend im Staub’, ein Reuiger, jetzt ihn gesöhnet;
+ Doch ihm folgte sein treues Thier, und er jagte von dannen.
+
+ Sieh’, und rastlos fort g’en Marcheck zogen die Scharen
+ Weiter im fröhlichen Muth, nicht achtend des sengenden Mittags,
+ Noch des qualmenden Staubs, entlang den unendlichen Heerweg!
+ Aber vor Marcheck kam ein Häuflein kumanischer Reiter
+ Näher gesprengt: wohl fünfzig Mann, und der Führer des Volks war
+ Kaduscha. Ihm ertönte der Gruß der Kampfesgenossen.
+ Auch er schwang den blitzenden Stahl, den Freunden zum Dank, auf,
+ Und erkundet’ im Flug: wo er treffe den mächtigen Kaiser?
+ Aber ihn führte das Volk stets weiter zurück’ in den Reihen,
+ Bis er im Waffenschmuck die Schar der erlesenen Ritter
+ Drüben ersah, und gerad’ dorthin den schnaubenden Läufer
+ Spornte. Umforschend im Kreis’, begann er, und sagte, verwundert:
+ „Traun, ich schaue vor mir vereint gewaltige Männer;
+ Doch nach dem Herrscher des deutschen Volks, dem Kaiser Rudolphus,
+ Forsch’ ich umsonst! Erkennbar leicht ist der König der Ungern
+ Schon an dem Purpurpelz, der, rings mit Zobel verbrämet,
+ Ihm von den Schultern fließt; an dem Stern, voll Edelgeschmeides,
+ Der an der Brust den Pelz festschlingt mit der goldenen Kette;
+ Auch an dem Reiher, des Kalpags Zier, entschwebend des Demants
+ Funkelnder Ros’, und dem Stab, den er in der Rechten, zum Zeichen
+ Heerebewegender Macht, und erhabener Herrschergewalt führt:
+ Denn nur kurz ist der Stab, von Golde getrieben, und oben
+ Noch mit der Kugel verseh’n: ein Abbild furchtbarer Waffe,
+ Die in des Ungern Faust zerschmettert dem Feinde die Scheitel;[3]
+ Doch wen grüß’ ich als Herrscher hier mit meines Gebiethers
+ Freundlichem Wort? Verzeiht, so ich irre! Mich dünket, der Ritter
+ Dort in der einfachen Wehr’, ob seines erhabenen Anseh’ns
+ Und der Macht in dem Blick’, ist der Herrscher,
+ zu dem ich gesandt bin.“
+ „Wohl, er ist’s,“ entgegnete jener, „du hast ihn gefunden!
+ Aber verkünde nur schnell: was uns der tapfere König,
+ Unser Freund und Bundesgenoß’, Erfreuliches darbringt?“
+ „Heil und Segen zum Gruß,“ sprach Kaduscha, heimlich erschüttert,
+ „Sendend zugleich mit der Siegesbothschaft Zeichen des Glückes
+ Dir zum Geschenk! Den Kampf begann der Kune mit Ruhm schon.
+ Längs dem Ufer der March, im Hinterhalte verborgen,
+ Lag mein Volk: da zog des Weges vorüber der Böhmen
+ Streitgerüstetes Heer. Wir harrten, lauernd im Dunkel,
+ Bis der größere Hauf’ hinschwand, und die Beute so herrlich
+ Dar sich both. Fürwahr, ein blutiger, schrecklicher Kampf war’s!
+ Dennoch entkamen der Feinde nur zween aus hunderten: alle
+ Lagen erwürgt. Wir hieben sogleich von dem Rumpfe die Häupter,
+ Sie, auf die Säbel gespießt, nach dem Lager zu tragen, und eben
+ Bringt in Körben von Schilf dir solche mein Volk zum Geschenk her,
+ Drüben am schlängelnden Weidenbach, wo dein der Beherrscher
+ Ungerns harrt mit gewaltiger Macht. Das soll ich dir künden.“
+ Heimlicher Schauder ergriff, bei der Red’ entsetzlichem Inhalt,
+ Rudolphs mildgesinnetes Herz, er wandte sich seitab,
+ Barg die Stirn’ in die Hand, und rief nach erschütterndem Schweigen:
+ „Furchtbar habt ihr gesiegt, und dem Feinde Verderben bereitet,
+ Uns voreilend sogar. O möchte die Liebe des Heilands,
+ Möchte sein hohes Gesetz in euren verwilderten Herzen
+ Eingang finden, daß ihr entsagtet für immer der Ahnen
+ Schmählichem Götzendienst: nicht würd’ unmenschlicher Kriegsbrauch
+ Schänden den Sieg, den ihr mit tapferem Muthe gewonnen!
+ Biethet der Krieg nicht genug des Furchtbaren dar, und ein Jammer,
+ Schrecklich, wie der, soll ihn noch entsetzlicher, wilder gestalten?
+ Wehe, daß oft nur aus Blut des Friedens lieblicher Oehlzweig
+ Keimt, und, mit glühenden Thränen benetzt, die Blüthen entfaltet!
+ Schwarzenberg, gib jetzo Geleit den muthigen Kunen;
+ Zieh’ uns voran, und verkünde mit Huld, wie es Rittern geziemet,
+ Unsern Freundesgruß dem Könige! Aber ich folge,
+ Tapferer, dir auf dem Fuß, mit dem muthbegeisterten Heer nach!“
+ D’rauf noch sagt’ er ihm leis’: „O schaffe die Reste der Todten
+ Schnell bei Seite, daß solch’ ein frommer Priester begrabe,
+ Würdig, nach Christenbrauch: denn unsere Brüder begräbt er!
+ Hohn, an den Todten verübt, erfüllet die Seele mit Schauder.“
+ Sagt’ es, und jen’ entschwanden im Flug auf dem stäubenden Heerweg.
+
+ Ottgar rückte mit Heer’smacht an. Nur das Auge der Geister
+ Dringt in die weiteste Fern’: entflohen der sterblichen Hülle
+ Schau’n sie vom Nord- zu dem Südpol hin des kreisenden Erdballs
+ Vielbevölkerten Raum; sie schau’n des unendlichen Weltmeers
+ Schwankende Wüsten, und dort, wohin kein segelndes Fahrzeug
+ Je noch Sterbliche trug, auf weitentlegenen Inseln,
+ Sonder Zahl, gar seltsamgestaltete Thier’ und auch Menschen.
+ Marbod sah aus den Wolkenhöh’n des entrüsteten Ottgars
+ Nahende Heeresmacht mit heimlichem Schauder: unzählbar
+ Schien sie ihm gegen des Kaisers Heer an Mannen und Rossen;
+ Auch nicht ferne zugleich der wildumwüthende Kampf mehr.
+ Alsbald sann er besorgt, ob einer der Lüftebewohner
+ Nahe sich fände, mit ihm vereint, in blutiger Feldschlacht
+ Beizustehen dem Hort der edelmüthigen Deutschen?
+ Schauend umher vom Gewölk nach den fernentlegensten Ländern,
+ Drang sein forschender Blick von dem Rücken des sanften Gebirges,
+ Wo, beginnend vom Donaustrom’, an dem freundlichen Preßburg
+ Höher und höher empor sich hebt, und thürmt der Karpathen
+ Mächtige Kett’ (entlang die silesisch- und polnischen Länder,
+ Eine schirmende Mark für die reichen Gefilde von Ungern)
+ Bis zu dem Riesen der Lomnitz hinauf, der, schneeigen Hauptes,
+ Hoch aus den Wolkenhöh’n in die lieblichen Thäler der Zips schaut:[4]
+ Dorthin drang sein Blick. Auf der Scheitel des Riesen gewahrt’ er
+ Jetzo, erstaunt, den, einst gewaltigen Führer der Gothen,
+ Katwald, hingestreckt mit Inguiomar, dem Cherusker,[5]
+ Hermanns Ohm, der, zürnend dem heftigen Varus-Besieger,
+ Ihn zum Bundesgenossen erkor in den Tagen der Nothwehr.
+ Schüchtern naht’ er den Höh’n: denn Katwald, finstern Gemüthes,
+ Trug ihm Haß in der Brust. Er hatt’ ihn vertrieben aus Böheim;
+ Jener rächte sich d’rauf, mit den Römern im Bund’, und vertrieb ihn
+ Wieder aus Marobud, der Stadt, die er gründete, machtvoll
+ So, daß er dann ein Flüchtling starb in den Mauern Ravenna’s.
+ Dennoch bezwang er sein sträubendes Herz, und schwang sich hinüber
+ Von dem Gewölk. So lang’, als hier, aus der Schleuder geworfen,
+ Fleugt der sausende Stein, und fern zur Erde herabsinkt,
+ Währte sein Eilflug nur, und er stand vor den Beiden, und sagte:
+ „Ha, ihr weilet dahier, entzückt von der reizenden Ansicht,
+ Die dieß Land gewährt im Schooß’ umragender Berghöh’n?
+ Schön ist es: wie nach den vier Weltgegenden, mächtige Flüsse,
+ Ewig genährt von dem sprudelnden Quell, aus dem hohen Gebirgsthal
+ Wälzen die silberne Fluth; wie solches, mit Städtchen und Dörfern
+ Rings besäet, die blühende Flur dem Auge zur Lust beut!
+ Aber ein wichtiger Streit entzweit die mächtigsten Fürsten:
+ Welchem die östliche Mark, die ich einst beherrschte, zum Eigen
+ Werde noch heut’: denn nah’ ist der Kampf, dem Kaiser der Deutschen,
+ Oder dem König des Lands, das ach, von Rache getrieben,
+ Katwald, du, mir entrissest im Kampf -- dem König von Böhmen?
+ Habt ihr völlig vergessen des Muths, der schnell in dem Busen
+ Aufflammt, wenn die Dromet’ erschallt, das wiehernde Schlachtroß
+ Steigt, und der blitzende Stahl in der Rechten des Helden umhersaus’t?
+ Kommt, mit thatenerregendem Wort’ und stachelndem Zuruf
+ Anzufeuern die Kraft der, uns abstammenden Deutschen,
+ Und zu verherrlichen heut’ in dem Feld den erhabensten Kaiser!“
+ Inguiomar erhob bei den Worten sich schnell von des Felsens
+ Schneeigem Kulm, wo er saß (er ragte noch höher denn Marbod,
+ Riesengestaltet, auf), ergriff ihm die Hand, und begann so:
+ „Trauter, nicht sah dich mein Aug’ seitdem, als, flüchtig des Landes,
+ Du nach dem herrlichen Wälschland zogst: mehr Jahre, denn tausend,
+ Sind den Menschen entfloh’n, seit solches geschehen! Ich weilte
+ Unten im Schooße der Erd’, in düstere Träume versunken;
+ Plötzlich rief es mich fort. Wer rief? nicht wußt’ ich es -- folgte.
+ Doch nun zieh’ ich mit dir: ein Freund der Söhne von Deutschland!“
+ Also gesellt’ er sich ihm; doch Katwald starrt’ in den Abgrund
+ Finster hinab, und verschloß den mildversöhnenden Worten
+ Marbods feindlich das Ohr: da entschwanden die beiden Vereinten,
+ Arm in Arm. Er hob mit Grimm in den bläulichen Augen --
+ Trotz in dem blassen Gesicht’, um welches der säuselnde Westwind
+ Wiegte das röthliche Haar, sich vom Boden, und folgte nur zögernd
+ Jenen nach, die rasch nach Oestreichs Fluren enteilen.
+
+ Aber auch Marcheck lag im Rücken des ziehenden Heers schon.
+ Von Baumgarten herab, in der Au feldlagerte weithin
+ Ungerns Macht, verhüllt von schattenden Weidengebüschen.
+ Dorther jagt’ im Gefolg der Reisigen jetzt auf dem Heerweg
+ Ladislav, der König, heran: er dachte dem Kaiser
+ Würdig zu nahen, und hielt, als Staub aufwallte zum Himmel.
+ Schwarzenberg mit Kaduscha war’s, der eilig daherkam.
+ Jener entblößte den Stahl, und senkt’ ihn zum Zeichen der Ehrfurcht,
+ Vor dem Könige; d’rauf erhob er ihn wieder, und sprach so:
+ „Mein erhabener Kaiser und Herr entbiethet dir, Hoheit,
+ Seinen Gruß! Er kommt, dein redlicher Bundesgenosse,
+ Dich an die sehnende Brust vor dem Heere zu drücken. Nicht fern mir
+ Folgte der Vorderzug: bald siehst du ihn schalten im Nachzug.“
+ „Herr,“ sprach Kaduscha jetzt, „erblickst du sein Heldengefolg dort,
+ Forsche mit Fleiß, daß vor Allen sogleich dein Aug’ ihn erspähe:
+ Denn nicht glänzt er im Waffenschmuck; nur magst du ihn kennen
+ An der erhabenen Stirn’, der wölbenden Nase des Adlers,
+ Und an dem Herrscherblick in der Himmelsbläue der Augen!
+ Fremd ist die Furcht dem Kaduscha, doch erbebt’ er, ihm nahend.“
+ „Freude mit ihm,“ entgegnete schnell der König, „und Glück uns
+ Beiden Verbündeten, da sich Ottgars furchtbare Heersmacht
+ Gegen uns wälzt wie die Fluth, die aus ihren Gestaden getreten!
+ Aber er komme nur: bald begegnen wir ihm in den Feldern
+ Ewigen Ruhms, vereint mit Rudolphs tapferen Scharen.
+ Unser Stahl ist geschärft, und die Rechte gar mächtig zum Einhau’n.“
+ Sieh’, da hob sich erneut von der Straße der wirbelnde Staub auf,
+ Und der Rosse Getrab ertönete näher und näher!
+ Rudolph jagte heran im Gefolg’ erlesener Ritter:
+ Denn ihn drängte das Herz, den verbündeten König zu grüßen!
+ Aber noch standen die Ross’ an dem Weg, tiefhangenden Hauptes
+ Tragend den Siegespreis unmenschlicher Krieger. Nicht säumte
+ Schwarzenberg, und begann mit eiferndem Laut vor dem König:
+ „Schnell g’en Zwerndorf hin, da es also dem Kaiser genehm ist,
+ Trage die Last der wohlverhülleten Körbe das Saumthier:
+ Ihm ein werthes Geschenk, weil dort der redliche Priester
+ Solche nach heiligem Christenbrauch der Erde vertrau’n wird.“
+ Sagt’ es, und rief Luitold, dem muthigen Knappen. Er nahte
+ Folgsam, und führte die Schar der Treiber zurück mit den Rossen.
+ Ringsum staunte das Volk, und sah bald seinen Beherrscher,
+ Bald den Fremdling an; doch, tieferglühenden Blickes,
+ Saß der König im Sattel, und schwieg, und ließ ihn gewähren.
+
+ Allen zuvor kam jetzt der Kaiser gesprengt, daß ihn alsbald
+ Ladislav erkenne, der Hort der tapfern Magyaren.
+ Beide sprangen behend’ aus dem Sattel. Sie streckten die Rechten,
+ Einer dem andern im schnelleren Gang, begrüßend, entgegen;
+ Hielten mit heißem Druck die verschlungenen; standen, und blickten
+ Lange, staunend sich an. Dem Auge des einen entstrahlte
+ Feuriger Muth; entscheidende Kraft, und Würde des andern.
+ Als sie jetzo gesättigt das Herz in freundlicher Anschau,
+ Schweigend, begann voll Hast der jugendlichblühende König:
+ „Werth sey mir der heutige Tag, und theuer vor allen,
+ Wo ich, Erhabener, dir, deß’ Ruhm erfüllet den Erdkreis,
+ Nahete, bund’svereint: denn lang ersehnt’ es mein Herz schon!
+ Siehe, nicht riefst du umsonst: ich zog aus den unteren Landen
+ Meines Reichs mit Heeresmacht dir zu Hülfe! Des Ungern
+ Flammenden Muth kennst du, wie er einstürmt
+ rasch in die Schlachtreih’n;
+ Aber der Kun’ ist schrecklicher: denn ihm wohnet die Wildheit
+ Seiner, erst jüngst verlassenen Stepp’ an des Tanais Ufern,
+ Ungezähmt in der Brust; du sollst uns loben im Schlachtfeld.
+ Ha, dort fleugt Staub auf! Fürwahr der Feind ist im Anzug;
+ Solches verkündeten mir zuvor Eilbothen, aus Weiden
+ Kommend, voll Angst: das Volk ersehnet den Retter Rudolphus!“
+
+ Als der Kaiser die Worte vernahm, da wandt’ er die Augen
+ Schnell g’en Oberweiden zurück, das über den Sandhöh’n
+ Einsam liegt: ein hainumsäuseltes Dörfchen. Von dorther
+ Hob sich der Staub zum Gewölk. Wie nach glühenden Tagen des Sommers,
+ Hinter dem fernen Gebirg’, empor die schwärzlichen Wölkchen,
+ Gleich dem, gebläht, in die Lüft’ aufsteigenden Balle sich heben,
+ Bis sie im höheren Raum mit den weitgedehneten, lichten,
+ Aestigen plötzlich vereint, den wetterleuchtenden Schleier
+ Auf an den heiteren Himmel zieh’n: so flog auf dem Heerweg
+ Sparsamer erst, dann häufiger, hoch der qualmende Staub auf,
+ Der, von der Abendsonne durchblinkt, wie vom Blute geröthet,
+ Ottgars nahende Macht verkündete. Jener begann so:
+ „Ha, Beherrscher der Ungern, du bist zur Stunde des Glückes
+ Jetzt mit dem Heldenheer’ als Bundesgenoß mir erschienen!
+ Säumen wir nicht. Nur einmal beut auf entscheidender Bahn dir
+ Freundlich die Hand das Geschick:
+ ergreifst du sie nicht, so entzieht es
+ Selbe für immer vielleicht. D’rum sey in gebiethender Hast nun
+ Unsere Macht zum Wohl unzähliger Menschen vereinigt.
+ Frisch an die That! Wir ordnen das Heer sogleich in dem Feld hier.“
+ Alsbald schwang er sich rüstiger auf in den Sattel, und sprengte
+ Hin, und herüber im Flug, mit des Feldherrn Auge die Gegend
+ Rings erforschend, zum Kampf den günstigen Raum zu erlesen.
+ D’rauf entboth er vor sich die Herolde: hieß von des Heeres
+ Rechtem Horn, g’en Zwerndorf hin Oestreicher und Steyrer
+ Zieh’n; von dem linken die Macht der Kärnthner und Krainer,
+ nach Marchecks
+ Fluren hinab. Capellen geboth den ersteren; diesen
+ Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, als oberster Feldherr.
+ Aber im mittleren Raum, Baumgarten nicht ferne, des Dörfchens
+ Früchtegesegneter Flur, vereinte sein Wink die Tyroler,
+ Schwaben, und Schweizer zugleich, gar tapfere Scharen im Schlachtfeld.
+ Also in fünf Heersäulen stand des gewaltigen Kaisers
+ Macht zu dem Kampfe bereit. Vor jeglicher wehten die Fähnlein
+ Edeler Ritter empor in die Luft, und die sinkende Sonne
+ Leuchtete hell aus den Helmen und Harnischen, furchtbar zu schauen!
+ Reisige folgten den Rittern nach, und, diesen im Rücken,
+ Trefflich geordnet, die Reih’n des lanzentragenden Fußvolks,
+ Wo vor jeglicher, schimmernd im Licht, ein mächtiges Banner
+ Flatterte, dort den Kriegern Verein in dem Kampfe gebiethend.
+ Aber vor allen empor, aus dem Kern des stattlichen Heeres
+ Hob sich die Reichsfahn’ auf: wie des Meerschiffs mittleres Segel,
+ Flatternd umher im Hauch des leis’umschmeichelnden Westwinds,
+ Und enthüllend den Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter
+ Herrlich geziert, nun rechts, nun links auf dem goldenen Feldraum;
+ Immer wies sie dem Heer’ die Nähe des waltenden Herrschers.
+ Aber er sagte darauf zu dem Könige, schnell und entschlossen:
+ „Sey dort hinter Capellens Macht, zur Rechten, der Kunen
+ Furchtbare Schar gestellt, die Kaduscha’s Winken gehorchet;
+ Aber zur Linken, verhüllt von der schattenden Au’, und des Meinhards
+ Völkern zur Stütze gespart, erwarte die tapfere Heerschar,
+ Die Trentschins Gebiether beherrscht, den ehrenden Aufruf:
+ Loszubrechen mit Macht auf die wildanstürmenden Gegner;
+ Doch du weiche zurück: denn also gebiethet die Sitte
+ Deines Landes dem Könige -- fern von dem blutigen, Schlachtfeld
+ Sitzend auf einer der ragenden Höh’n, auf dem rollenden Wagen,
+ Oder dem feurigen Roß, des Kampfmuths seiner Erwählten
+ Zeuge zu seyn![6] Schon neigt sich der Tag.
+ Nicht wird uns der Feind mehr
+ Heute begegnen im Feld; doch sey’s: er komme! Mit Freuden
+ Wollen wir entgegen ihm zieh’n, und der Ehre gedenken.“
+ Sagt’ es, und bald stand jegliche Schar, in Reihen geordnet,
+ Nach dem schaltenden Wink des erhabenen Kaisers. Der König
+ Ungerns gewann mit Gefolg die aufragende Wart’ auf dem Hügel,
+ Die in der Vorzeit einst zur Gränzmark diente den Völkern.
+
+ Doch g’en Westen hinab, nach des Abends goldenen Fluren
+ Senkte die Sonne den Flug, und sah vom Rande des Himmels
+ In das erhellete Nebelgewölk, das, duftigem Schleier
+ Gleich, empor sich hob, sie in lieblicher Ruh zu umfangen;
+ Rosig die Brust erhellt von ihren verglühenden Strahlen,
+ Wanderten hoch in dem Wolkenreich nach entfernteren Zonen
+ Singende Schwäne dahin; im Saatfeld zirpten die Heimchen;
+ Leise verhallte des Tages Geräusch, und das Leben verstummte.
+ Aber die Höhen entlang, die rechts von Weiden nach Marcheck,
+ Weitgedehnt, sich zieh’n, und des Marchthals Fluren beherrschen,
+ Tönete jetzt Getrab anstürmender Rosse, der Waffen
+ Helles Geklirr, und das Schrei’n und Rufen unzähliger Krieger.
+ D’rauf erschien, dem Gewittergewölk’ im Sommer nicht ungleich,
+ Das, von gährendem Donner schwer, am Himmel heraufschwebt,
+ Drüben am Rande der Höh’n die schlachtgerüstete Heersmacht
+ Ottgars: gierig des Kampfs, und zu muthigen Thaten entschlossen.
+ Noch empört’ ihn der Zorn ob jenes verwegenen Jünglings
+ Frechenthülleter Gluth zu seiner Erzeugten, und dennoch
+ Sehnt’ er sich herzinnig nach ihm, in dem einsamen Kriegszelt
+ Sitzend, und schlug sich die Stirn’,
+ und jammerte laut um den Liebling.
+ Also kam er heran, und hoffte, des lechzenden Herzens
+ Heißen Durst im Blut’ und Gewürge der Feinde zu stillen.
+
+ Doch nicht rastete jetzt Drahomira, die schreckliche Feindinn
+ Ottgars: denn sie sah, wie Marbod und Inguiomar erst
+ Sich vereinten, im Kampf zu entflammen die Deutschen. Sie nagte
+ Heimlich vor Wuth an den Lippen, und hätte mit schmähenden Worten
+ Jene gehöhnt; doch schwang sich nun, verdüsterten Blickes,
+ Katwald her in der Luft, und sah nach der Erde herunter.
+ Alsbald hob sie zu ihm sich empor, und rief, ihn erforschend:
+ „Ha, du sahst es, wie Marbod, der schrecklichste dir in des Lebens
+ Langentschwundener Zeit, auch Inguiomar zum Gehülfen
+ Sich erkor, heut’ Oestreichs Volk zu entflammen im Schlachtfeld!
+ Komm, und eine dich mir! Erst will ich den König der Böhmen,
+ Stürzen: denn mir zur Schmach verübt’ er entsetzlichen Frevel;
+ Aber erliegt er im Kampf, dann sey Kunegunde, des Zepters
+ Würdig, erhöht auf den Thron; ihr laß uns erringen den Vortheil.
+ Hoch erhebe sich Böhmens Ruhm, des trefflichen Landes,
+ Das dir gehorcht’, eh’ Marbod dir’s mit den Waffen geraubt hat.“
+ Sagt’ es mit stachelndem Wort; doch jener entgegnete zürnend:
+ „Weiche von mir, du fluchbeladene, daß nicht dein Odem
+ Noch verpeste die Luft, die mir umsäuselt die Wangen!
+ Kein Verein, Drahomira, mit dir! So willst du mit Marbod
+ Und mit Inguiomar, des Kaisers verbündeten Freunden,
+ Ottgars Haupt gefährden im Kampf’? Ich nah’ ihm, als Helfer,
+ Schon dem Lande zum Ruhm, wo ich herrschend lebt’ in der Vorzeit,
+ Ha, und lache des Zorns, der, so wie zum Strande die Meersfluth
+ Brausend fleugt, und zurück, der Ohnmacht eiteles Bild, sinkt,
+ Dir empöret die Brust, und dräuet in nichtiger Ohnmacht!“
+ Rief’s, und stürzte herab vom Gewölk’ an die Seite des Königs,
+ Der das Roß anhielt, und des Kaisers geordnete Völker
+ Staunend ersah, wie solche den Plan erfülleten weithin.
+ Jetzo noch einmal, quer von dem Saum der Erde herüber,
+ Blickte die Sonn’, und verschwand; die Dämmerung zog von dem Thal her.
+ Nicht gedacht’ er des Kampfs für heut’; an dem kommenden Morgen
+ Wollt’ er dem Feind’ ihn biethen auf Tod und Leben, den Herold
+ Sendend zuvor, nach des Kriegs herkömmlicher, edeler Sitte.[7]
+ Katwald war ihm genaht, und haucht’ ihm vor allem den Rath ein:
+ „Ottgar, wie, du willst, nachtlagernd, des dämmernden Morgens
+ Harren dahier? Schnell vor, eh’ dunkel die Nacht sich herabsenkt:
+ Schleudre die feindlichen Reihen entzwei! So machst du dir heut’ noch,
+ Schrecken verbreitend, Bahn zu des Siegs erhellten Gefilden:
+ Denn der erste Gewinn in dem eisernen Feld ist ein Hagel,
+ Der die Halmen der Hoffnung zerschlägt; ein brausender Sturmwind,
+ Der des Athems beraubt den Wanderer, und ihn ermattet.
+ Alsbald biethet der Feind dir selbst ein Zeichen des Angriffs.“
+
+ Jener verschloß ihm das Ohr. Doch wer entflammt’ an dem Abend
+ Schon den noch nicht ersehneten Streit im tosenden Schlachtfeld?
+ Marbod, der muthige that’s. In den Reih’n der stürmischen Reiter
+ Spornt’ ein munterer Held bischöflicher Leute von Salzburg,
+ Schörlin, ein unbändiges Roß heran in dem Kriegszug.[8]
+ Ihm nicht fern, ersah das Nest pferdstachelnder Bremsen
+ Marbods spähendes Aug’: er eilte dahin, und empörte
+ Mit gewaltigem Geisterhauch die entschlummerten Quäler:
+ Denn er brannte vor Gier des Kampfs Arbeiten zu schauen.
+ Sieh’, und, also geweckt, im heulenden, wilden Gesumme
+ Fuhr der Schwarm empor; er flog dem muthigen Rosse
+ Schörlins unter den Bauch, und stachelte solches, erboßt, wund.
+ Schrecklich tobt’ es umher, schlug aus, bog, stöhnend, die Ohren
+ Gegen die Brust, und rannte dahin: nicht achtend des Rufens,
+ Nicht des Schrei’ns, das Schörlin erhob, da er, rücklings gebogen,
+ Zog an dem Zügel, es noch im wüthenden Laufe zu hemmen.
+ Schnurgerad auf Ottgar hin losrannte das Thier jetzt.
+ Zorn erfüllte sein Herz; er rief den staunenden Feldherrn:
+ „Wahrlich, nicht dacht’ ich mehr den Stahl an dem heutigen Abend
+ Feindlich zu zieh’n; doch seht, die Unsinnigen stürzen sich selber
+ Ihm entgegen, voll Wuth! Sie sollen mir büßen die Kühnheit.
+ Fort! Wir greifen sie an mit den schwergeharnischten Reitern,
+ Welch’ uns Böhmen gesandt, den tapfersten Männern auf Erden,
+ Und im gemessenen Schritt’ uns folge das Heer auf dem Fuß nach.“
+ Alsbald gab er dem Pferde den Sporn, und jagte die Höhen
+ Brausend herab. Ihm nach, mit dem kampferfahrenen Helden
+ Lobkowitz, flog die Schar zweitausend geharnischter Reiter.
+ Wie, wenn unterirdische Gluth aus den Tiefen des Erdballs
+ Aufwärts braus’t, und gehemmt, weithin erschüttert die Gegend
+ So, daß vom stürzenden Felsengebirg’ unzählige Trümmer
+ Schnell in’s drönende Thal herrollen mit wildem Getümmel,
+ Krachend der Wald entsinkt, und Staub auffleugt in die Wolken:
+ Also stürmt’ auch hier der König mit seinen Erwählten
+ Von den Höhen herab. Vor den Kommenden stürzte das Reitroß
+ Schörlins zusammen. Kein Leid ihm geschah: die furchtbaren Reiter
+ Setzten über ihn hin; er lag, listsinnend, im Scheintod
+ Dort bis Mitternacht, und kehrete heim zu den Seinen.
+
+ Ottgar nahete schon den äußersten Wachen der Steyrer.
+ „Auf, zu den Waffen!“ so schrie Wildon, der tapfere Hauptmann
+ (Pfannberg weilte noch fern bei Capellen, dem obersten Feldherrn,
+ Drüben im luftigen Zelt, des Kriegs Arbeiten erwägend,
+ Die der Morgen verhieß) und das Fußvolk eilt’ aus dem Lager:
+ Denn nicht dachten des Streites mehr die erlesenen Ritter
+ Jetzt, in der sinkenden Nacht. Wohl mancher saß in dem Gras’ noch,
+ Haltend das Roß an dem Zaum’, und beredete Dieses, und Jenes;
+ Doch nun fuhren sie all’ empor, von dem feurigen Marbod
+ Aufgestürmt mit empörendem Ruf. Bald schwang in den Sattel
+ Jeder sich auf, erhob den Speer in der Rechten, und senkte
+ Sein Helmgitter herab, das Roß zu dem Kampfe bewegend.
+ Ha, und der Kampf begann! In dem Vorderzuge, des Feindes
+ Dräuende List zu erspähen gesandt von dem sinnigen Feldherrn,
+ Stand ein Brüderpaar der Trantmannsdorfe beisammen:
+ Heinrich, und Götz, von der Schar der Verwaiseten.
+ Laut, und mit Nachdruck
+ Hieß sie des Hauptmanns Ruf in die Reih’n der Versammelten kehren:
+ Aber sie hörten ihn nicht, von glühendem Muthe getrieben.
+ Ottgar fuhr auf den älteren los, und, ob er den Speer schon
+ Ihm entgegen streckt’, und des Kampfs wohl kundig sich zeigte,
+ Schlug er ihm doch mit dem Heldenschwert den nahenden Speerschaft
+ Seitwärts, und durchstieß ihm den Hals, wo, gleitend, vom Harnisch
+ Sich der Helm verschob: er sank, und verhauchte das Leben.
+ Götz drang muthig auf Lobkowitz ein; verwundete, jauchzend,
+ Sein aufbäumendes Roß, und stürmte noch feuriger vorwärts;
+ Aber ihm bohrte, von jenem gekehrt, der empörete König
+ Sein, von des Bruders Blut geröthetes Schwert in die Brust ein
+ So, daß er rücklings vom Sattel sank, und dicht an dem Bruder
+ Ruhete, langgestreckt, und erblassend im Tode. Sie lagen
+ Dort wie jährige Leu’n im Staub, die, grausam, ein Tiger
+ Eben erwürgt’ im Gebüsch’, als Beut’ aufsuchte die Mutter.
+ Doch der feurige Katwald sprach, umschwebend, in’s Ohr ihm:
+ „Ottgar, flüchtig enteilet das Glück: erhasch’ es im Flug jetzt!
+ Werfe den Feind, eh’ Rudolphs Schwert dir nah’t. Ich gewahrte
+ Helfende Geister um ihn, die ihn warneten: eile, zu siegen!“
+ „Ha, wer drängt mich so muthig, und kühn?“ sprach zürnend der König,
+ „Muthig, und feig zugleich, mit Rudolphs Schwert mir zu drohen:
+ Denn er komme nur, bald entreißt ihm das meine das Leben!“
+ Rief’s, und jagte dahin wie der brausende Sturm auf den Heiden.
+
+ Welchen erlegt’ er zuerst aus den Reih’n der tapferen Ritter?
+ Sieh’, ihm warf sich Stubenberg vor allen entgegen:
+ Weit vorhaltend den Schild, deß’ Zier, im Ringe der Anker,
+ Schlangenumwunden, sich wies, und strebte, das muthige Herz ihm
+ Durchzubohren im Wuthanlauf mit dem blinkenden Speerstahl;
+ Doch in des Rosses Bauch stieß Ottgar, stachelnd, den Sporn ein
+ So, daß es seitwärts sprang, und er drängte dem Gegner den Degen
+ Tief in die Brust, als ihm die entblößte Höhle der Schulter
+ Räumigen Eingang both: er sank, und athmete nicht mehr.
+ D’rauf erwürgt’ er auch noch urschnell den redlichen Knappen
+ Edelred, der jetzt dem Ritter zu Hülfe geeilt war.
+ Czernin stellte sich g’en Wildon zur Wehre: sie kämpften
+ Lange mit wechselndem Glück; verwundeten: jener des Gegners
+ Bein, und dieser den Arm, und schieden mit dräuendem Ingrimm
+ Mitten im Kampf: denn schon herstürmten im Felde die Reiter
+ Ottgars, welchen das Fußvolk rasch nachdrang, und urplötzlich
+ Hob sich der schwellende Ruf mit dem Waffengetöse der Würger
+ Himmelempor, und erfüllte die Welt mit Entsetzen und Schauder.
+
+ Jetzo vernahm in der zweiten der fünf Heersäulen Capellen
+ Kämpfender Krieger Geschrei, das drüben, am Rande der ersten,
+ Stets vernehmlicher scholl in der Dämmerung. Eifernd besprach er
+ Eben mit Pfannberg dort, dem Führer des steyrischen Volkes,
+ Für den kommenden Tag des Angriffs muthige Weisen;
+ Auch die verstellete Flucht: den wechselnden Kampf, und den Rückzug,
+ So des Krieges Geschick ihn gebeut: da verstummt’ er auf einmal,
+ Horchte dem Lärm, und sprach, voll Hast, zu dem Scharengebiether:
+ „Pfannberg, eile zurück! Der Feind, so sagt uns der Lärm dort,
+ Wagte den Ueberfall in der Dämmerung; eile zur Rettung
+ Deines Volks: ich folge dir schnell mit erlesenen Scharen.“
+ Also geschah’s. Im Flug’ erreichte der tapfere Feldherr
+ Sein gefährdetes Volk, und warf, mit dem Schwert’ in der Faust, sich,
+ Allen voran, als sie nachbraus’ten im stäubenden Saatfeld,
+ Rasch auf die furchtbare Macht der Geharnischten, die zu dem Angriff
+ Ottgar selber geführt, und jetzt umtobte, voll Mordwuth.
+ Ihm selbst hätt’ er die Brust durchbohrt, so plötzlich erschien er
+ Mitten im Waffengemeng; doch schlug ihm der muthige Ritter,
+ Zawiß von Rosenberg, der schönste der Männer im Kriegsheer
+ Böheims, sein erhobenes Schwert aus der Faust, und durchstieß ihm
+ Schnell mit dem Speere den Arm, daß er, stöhnend,
+ vom Sattel herabsank.
+ Ottgar rühmte gerührt den Tapferen; doch Drahomira
+ Lächelte Hohn aus den Lüften herab: sie erspähte die Neigung
+ Schon, die verborgene, jüngst in der Brust Kunegundens für Zawiß,
+ Und gedachte mit Lust der unheilschwangeren Zukunft.
+
+ Pfannbergs Volk, den Sturz des tapferen Führers gewahrend,
+ Drang jetzt eilender vor, und kämpfte, der Löwinn nicht ungleich,
+ Die vor der Höhle die Jungen, umringt von Pardeln erblicket,
+ Um den Verwundeten dort, und es hätte gesiegt mit den Scharen
+ Oestreichs, die Capellen zu Hülfe geführet, und jenen,
+ Die aus dem Hinterhalt’ auch Kaduscha, hörend im Nachtgrau’n
+ Feindlicher Waffen Getös’, ihm, lautaufjauchzend, vereinte:
+ Hemmt’ es nicht Katwalds List. Er sah in der Reihe der Edeln
+ Einen, mit bleichem Gesicht’ und scheuumirrenden Augen,
+ Träg vorschreiten im Kampf: den Pettauer, der vor dem König
+ Ottgar, einst die Ritter der steyrischen Mark des Verrathes
+ Zieh, und dieser verhängte sogleich entsetzliche Strafen;
+ Aber er hatte nicht Ruhe noch Rast seitdem, und im Herzen
+ Trug er die Strafe der Schuld, da er jeglichen Trostes beraubt war.
+ Diesem nahete Katwald jetzt, und schrie in das Ohr ihm:
+ „Horch, dir drohet Verrath und Mord! Unseliger, fliehe!“
+ Schauer durchlief ihm die Haut, da er solches im Geiste vernommen:
+ Alsbald wandt’ er das Roß, und rief, entfliehend: „Verrath! Mord!“
+ Wilde Verwirrung begann: das vorgedrungene Fußvolk
+ Wankte zuerst; ihm folgten die Reisigen -- dann auch die Ritter.
+ Tausendzüngig erhob sich der Ruf: „Entflieht dem Verrath! Fort!“
+ Aus den flüchtenden Reih’n. Auch Kaduscha wich mit den Seinen
+ Lärmend zurück, und entsetzlich erscholl in der Nacht das Getümmel.
+
+ Doch in dem fernen Gezelt vernahm der erhabene Kaiser
+ Jetzo den Lärm, und geboth den Mannen die Rosse zu zäumen:
+ Denn schon lagerten sich die Tapfern ruhig im Saatfeld,
+ Reichend den Rossen das Futter zuvor, und stillten den Hunger
+ Dann mit Brot, und den Durst mit des Quellbachs kühlenden Fluthen:
+ Alsbald waren die Pferde gezäumt, und die Muthigen saßen
+ Sattelfest. Da kam vor allen, gesprengt, auf dem Pfad her
+ Oestreichs Reiterschar. Mit zürnendem Ernst in den Blicken
+ Ritt ihr der Kaiser entgegen. Sie stand von Schauer ergriffen:
+ Denn kein Vorwurf kam aus dem Mund des erhabenen Herrschers.
+ Also gehemmt, wuchs stets zu dichteren Haufen die Heersmacht,
+ Und er kehrte mit ihr g’en Marchecks sandige Fluren.
+
+
+
+
+ Achter Gesang.
+
+
+ „Ha, was röthet den Himmel fern im nächtlichen Dunkel?
+ Welch’ Geschrei erfüllt urplötzlich mit Angst und Entsetzen
+ Drüben die Stadt? Ein Jüngling sitzt, verwilderten Ansehn’s,
+ Dort auf des Felsens Höh’n, und schaut auf
+ die schreckliche Brandstätt’
+ Grinsend herab, wo ruhig noch erst unschuldige Menschen
+ Schlummerten, jetzt Gewürg’ erschallt, und in Strömen das Blut fließt?
+ Furchtbare Schau! Darf also der sterbliche Mensch an dem Menschen
+ Wüthen, daß sanfterer Art der grausame Tiger erscheinet?
+ Wehe, wie fiel er so tief! Wie entwürdigt ihn Laster und Thorheit!
+ Doch ich nah’ ihm schnell, zu erkunden, wie solches geschehen?“
+ So sprach Inguiomar, das gluthverheerete Städtchen
+ Schauend, und eilt’ im Fluge dahin, wo, schrecklichen Blickes
+ Jener hinuntersah nach der Stätte des Jammers. Er saß dort
+ Schauerlich in sich gekehrt, und ihm zuckten die schneeigen Wangen
+ Leise vor ungesättigtem Grimm, da er, vorwärtsgebogen,
+ Stützend das Kinn auf die krampfhaftgeschlossene Faust, in die Flammen
+ Starrete. Doch es stockte das Wort in dem Munde des Geistes,
+ Als er ihn näher geseh’n. Er bebte dem Jammer, und eilte
+ Fort nach den Ufern der March, wo heut’, unferne dem Städtchen
+ Marcheck, nach unrühmlicher Flucht sich die Krieger vereinten.
+
+ Wallstein war’s, der dort auf dem Felsriff saß, und hinunter
+ Starrte, voll Grimms. Sein war die entsetzliche That, und der Hölle
+ Jüngstentlaufene Brut, Drahomira, hauchte die Wuth ihm
+ In die empfängliche Brust, aus welcher des warnenden Engels
+ Bild entfloh, da er sich der Sinneschmeichlerinn hingab.
+ Sieh’, er eilte zuvor aus der Nähe des Kaisers, und setzte,
+ Schwimmend, die Fluthen der March mit dem schnaubenden Rosse hinüber;
+ Flog dann, Auen und Wälder entlang, an Moravia’s Marken
+ Rastlos fort, bis endlich das Roß am dämmernden Abend
+ Stöhnend zu Boden sank. Er entschlummerte neben dem Thier dort;
+ Aber ihm war Drahomira gefolgt. Wie der feurige Schweißhund[1]
+ Angeschossenes Wild, so heiß es auch strebt, zu entkommen,
+ Durch des umschattenden Waldes Nacht verfolgt auf den Fährten,
+ Rastlos, bis es ermattet ihm fällt: so ließ Drahomira
+ Ihn aus den Augen nicht mehr: denn Ottgar sollte getödtet
+ Fallen durch ihn, und ihr Herz sich ersättigen dort an des Jammers
+ Grau’nerregender Schau -- an dem Fall des unglücklichen Jünglings.
+ Einen täuschenden Traum ersann, und bannte sie, zaubernd,
+ Vor den Entschlummerten hin. Er sah im Geiste das Städtchen,
+ Kostel in Mähren, vor sich, und dort sein Alles auf Erden,
+ Hedwig, gefesselt im Thurm, weil sie nicht verhüllte die Neigung,
+ Die sie ihm still genährt in dem treuergebenen Herzen;
+ Sah, wie sie, jammernd, ihm mit den kettenbelasteten Händen
+ Winkt’, und so bleich her sah von des Fensters eisernen Stäben,
+ „Hülfe!“ schreiend, und „Rach’ an Ottgar!“ Aber er stöhnte
+ Laut in dem Schlaf’, und schlug sich die Brust
+ vor unsäglichem Herzleid.
+ Bald erweckt’ ihn Geschrei anstürmender Krieger. Der Kunen
+ Tausend, vereinten sich erst: Weglagerer, Räuber, und Mörder,
+ Von dem Heere getrennt, auf Raub zu ziehen, entschlossen,
+ Die Drahomira noch mehr empörte zu schrecklichen Thaten.
+
+ Als sie jetzt den Schlummernden sahn, der, blühender Jugend,
+ Noch im Schlafe das Schwert umklammert hielt mit der Rechten;
+ Durch die gesenkten Brau’n Wuth kündet’, und, stöhnend, von Rachgier
+ Mit den verzerreten Lippen sprach, da riefen sie freudig:
+ „Seht, den sandt’ uns Tyr,[2] der Gott des Kriegs und Verderbens:
+ Ihm gleich, hält er das Schwert umfaßt, und drohet im Schlaf noch
+ Schrecken dem Feind’. Er sey uns Führer im nächtlichen Raubzug!“
+ Also erweckt’ ihn ihr wildes Geschrei; sie faßten, und hoben
+ Ihn von der Erd’ empor; umhingen in Eile die Schulter
+ Ihm mit dem Pelz, der, marderumbrämt, zur Ferse hinabhing;
+ Setzten die Mütz’ auf sein Haupt, mit dem schwebenden Reiher,
+ und bothen
+ Ihm das erlesenste Pferd. D’rauf sagte noch Sikra, der Hauptmann:
+ „Komm, und führ’ uns im sausenden Ritt nach Kostel, dem Städtchen
+ Drüben im Mährenland, voll reichthumstolzer Bewohner,
+ Die, dem Böhmenkönig getreu, zum Kampfe sich rüsten.
+ Unser König bekriegt ihn selbst auf den Feldern von Oestreich:
+ Wir erhoben uns hier, ihm Schaden zu thun, und zu rächen
+ Plünderung, Mord, und Brand, mit welchen er Ungern vor Jahren
+ Wüstete: ha, nun Rache dafür an dem grausamen Ottgar!“
+ Also tobten sie fort. Der Jüngling ließ sie gewähren,
+ Stand verstört, und wußte nicht, wie ihm geschehen? Er sann jetzt:
+ Ottgar ward ihm genannt -- der Grausame hieß er den Räubern
+ Selbst? Da jauchzet’ er laut; entblößte das Eisen; erhob sich
+ Schnell in den Sattel, und rief: „Mir nach, wir rächen die Unthat!“
+ D’rauf ging’s fort, im sausenden Ritt nach Kostel in Mähren.
+ Vor ihm flog Drahomira einher, und lächelte grimmig:
+ Denn sie sah das Entsetzliche dort vollbracht, und Verderben
+ Ueber des Jünglings Haupt, und Ottgars schweben im Vollmaß.
+
+ Tief entschlummerten schon des ummauerten Städtchens Bewohner.
+ Ach, oft ahnet der Sterbliche nicht, der ruhig dem Schlaf sich
+ Noch an dem Abend ergibt, welch’ Jammer ihn weckt vor dem Morgen!
+ Früher erspähten die Räuber schon des friedlichen Städtchens
+ Schwachverriegeltes Thor und die leichtersteigbare Mauer,
+ Die sie, keuchend vor Hast, erkletterten. Aber das Reitroß
+ Spornte Wallstein rasch umher: denn hoch in die Nacht auf
+ Ragte der Thurm, der dort die holde Geliebte (so wähnt’ er
+ Noch, getäuscht von dem Traum) von ihm für immer getrennt hielt.
+ Wehe, und bald aufflammte die Gluth, an die breternen Dächer
+ Durch die entsetzlichen Kunen gelegt, und erhellete weithin
+ Rings die schweigende Nacht! Nicht säumte der lauernde Nachtwind,
+ Lauterbrausenden Flug’s annahend, die Flamme zu wälzen
+ Hin und daher, an den Häusern der engverschlungenen Straßen.
+ Wildes Geheul erscholl: aus den Stuben hervor auf den Marktplatz
+ Flüchteten jetzt die Bewohner, um dort die Väter, und Mütter,
+ Kinder, und Greise zu seh’n, wie sie bluteten unter dem Schwerthieb
+ Wüthender Räuber, und bald, erwürgt mit den andern, zu fallen
+ Rettungslos: denn Niemand war, der half in dem Jammer.
+ Wohl anlangten den Abend zuvor zwölf muthige Reiter
+ Ottgars, über die March, von Drösing herüber gesendet:
+ Mundvorrath aus dem Städtchen hier, in das Lager der Böhmen
+ Heut noch zu schaffen mit Waffenmacht: denn schreckengerüstet
+ Herrscht in des Krieges Zeit die Gewalt: nur Laute des Ingrimms
+ Treffen das Ohr, das sonst des Friedens sanfte gewohnt war.
+ Als der feindliche Lärmruf scholl, da schwangen die Reiter
+ Sich auf das Roß, zu entflieh’n der wuthempöreten Mehrzahl;
+ Doch sie waren umringt, und nun, mit dem Schwert’ in der Rechten,
+ Kämpfend, zu sterben bereit. Sie stellten sich fest und entschlossen,
+ Vor dem Thurm dort auf, und harrten des nahenden Feindes.
+
+ Allen zuvor kam Wallstein, jauchzt’, und hieb in den Haufen,
+ Blindumwüthend, ein: denn Ottgars kenntliche Reiter
+ Sah er vor sich, und schnob nur Rache, nur flammende Sehnsucht
+ Hedwigs Retter zu seyn aus den Händen unmenschlicher Krieger.
+ Jetzt auflachte voll Hohn Drahomira, und hob sich von dannen:
+ Denn jetzt klebte das Blut des eigenen Volks an dem Schlachtschwert,
+ Das ihm Ottgars Rechte vertraut’, und sie dachte: nicht fern mehr
+ Sey ihm das Ziel, zu fallen mit ihm, unrühmlich, und furchtbar!
+ Siehe, die Reiterschar, umstürmt von den wüthenden Räubern,
+ Fiel nach tapferer Gegenwehr auf die Leichen des Feindes,
+ Die sie gehäuft! Doch Veith, der jetzt aus dem Sattel geworfen,
+ Sank, rief sterbend ihm noch: „Ha, Wallstein: bist du ein Gegner
+ Deines eigenen Vaterlands? Du ermordest die Böhmen?“
+ Wallstein horchte bestürzt: er erkannte den redlichen Krieger,
+ Der in der Ahnen-Burg gedient, und in zartester Kindheit
+ Oft ihm Mährchen erzählt’: ein treugesinneter Reiter;
+ Hob die Blick’ empor, und sah, durch des ragenden, leeren,
+ Halbverfallenen Thurms verwitterte Fenster den Himmel,
+ Sternenhell, herab auf das Blut der Reisigen starren;
+ Sah, erstaunt, um sich her die Leichen der Greis’ und der Kinder
+ Schwimmen im Blut’ -- all’ überall Blut, und die wüthenden Kunen
+ Nur erpicht auf Raub und Plünderung. Plötzlich ergriff ihn
+ Seelenangst: er gab dem Rosse die Sporen, und jagte
+ Durch das offene Thor hinaus auf den einsamen Heerweg;
+ Dann seitab den Hügel empor, der, nahe dem Städtchen,
+ Jäh sich erhebt. Dort saß er am Rand’, aus dem Sattel gestiegen,
+ Haltend das Roß am Zaum’, und sah nach dem schrecklichen Jammer
+ Drüben hinab. Bald wühlt’ er, ergrimmt, sich die Brust mit den Nägeln
+ Wund; bald stützt’ er das Kinn auf die Recht’, und starrte hinunter,
+ Starrte hinauf zu dem tiefverstummenden Himmel, und rang nur
+ Einem Schreckensbild zu entflieh’n, das fieb’risch die Brust ihm
+ Schüttelte: denn er dachte, wie frech er die freundliche Warnung
+ Von sich stieß in der Nacht, welch’ über ihn schrecklich entschieden.
+ Doch als jetzt ihm ein Thränenpaar heiß über die Wangen
+ Träufelte, hob er sich auf von dem Boden, und plötzlich verscheuchte
+ All die Bilder ein kühner Entschluß. Er sagte für sich hin:
+ „Ottgar, kein Verein ist zwischen uns mehr! Ich gehöre
+ Deinem Gegner hinfort: denn sieh’, ich erwürgte die Böhmen --
+ Ach, mein Volk, mit den Kunen im Bund! Dieß blutige Schwert lechzt
+ Jetzo nach deiner Brust, und nach meiner:
+ wir fallen zugleich -- bald!“
+ Stöhnend schwang er sich dann auf’s Roß, und jagte herüber
+ Immer den Fluß entlang, im Galopp, die lagernde Heersmacht
+ Rudolphs noch vor dem Morgenroth zu erreichen vor Marcheck.
+
+ Sieh’, und es rief in der Stadt, in den weitgetrennten Gehöften,
+ Und in den Dörfern umher der Hahn, des dämmernden Morgens
+ Muthiger Herold, sein „wach’ auf“ das andere Mal schon,
+ Als er die seichtere Furt durchwatete; d’rauf vor dem Lager,
+ Laufend, erschien, das Kunenroß heimjagend vom Ufer.
+ „Wer da?“ rief ihm die Huth vom Wall’ entgegen, und zielte
+ Dann mit der Lanze zugleich nach der Brust des nahenden Jünglings:
+ Aber er sprach ergrimmt: „Zu Rudolph, eurem Gebiether
+ Führet mich schnell! Hochwichtiges muß ich sogleich ihm enthüllen.“
+ Jener sah ihn zuvor mit Staunen vom Kopf bis zum Fuß’ an,
+ Eh’ er die Freund’ entboth, ihm sich’res Geleite zu geben:
+ Denn unglücklich nur -- nicht verdächtig erschien er von Anseh’n,
+ Und sie führten ihn jetzt nach des Kaisers ragendem Zelt hin.
+
+ Aber der liebliche Schlaf (ein Balsam für blutende Herzen,
+ Welcher so mild den Schmerz beschwinget, der in des Lebens
+ Dornengefilden sie grausam zerriß) war eben auf Rudolphs
+ Lieder gesunken, und er floh vor dem Fußtritt nahender Krieger
+ Wieder hinweg. Oft wacht’ er im Feld mit heiterem Antlitz
+ Tag’ und Nächte hindurch, zu des Kriegs Beschwerden gestählet.
+ Als in das einsame Zelt der Jüngling getreten, da däucht’ ihn:
+ Jener Unglückliche sey’s, der jüngst den muthigen Reiter
+ Von dem Thurm in den Abgrund warf, und nicht irrte sein Scharfblick.
+ Freundlich winkt’ er ihm jetzt mit der Hand, und jener begann so:
+ „Meine Rede sey kurz! Der Sterbende muß sich beeilen,
+ Daß er enthülle das Wort, das lastend die Brust ihm beschweret.
+ Höre mich, Herr! Ich war dein Feind, und hätte den Sohn dir
+ Gern durchbohrt auf dem Plan, vom wüthenden Hasse getrieben;
+ Aber es zieht das Geschick gar wunderbar oft in des Lebens
+ Irre den Pfad: mich führt es als Freund dir zurück. Mit den Kunen
+ Hab’ ich, dein Dienstmann, erst gesengt, und gebrannt in dem Städtchen
+ Drüben im Mährenland’, und die Bürger zugleich mit den Kriegern
+ Muthig erwürgt: all’ Ottgars Schuld, des grausamen Wüthrichs,
+ Der auch dir nach dem Leben strebt, und die Mörder bereit hält.
+ Aber ich eil’ ihm zuvor, willst du’s, und raub’ ihm das Leben
+ Heut’ noch. Dir ist dieß Schwert geweiht; nicht soll es ihn fehlen:
+ Denn er verübt’ an mir Entsetzliches. Sprich, und ich mord’ ihn!“
+ „Wie,“ so begann, aufjammernd, der Kaiser, „Unselige, habt ihr
+ Ruhige Menschen erwürgt, und gesengt, und gebrannt in dem Städtchen
+ Drüben nach schrecklichem Kriegsbrauch? O, der Völkerbeherrscher
+ Trauriges Los, daß ihr Streit auch Räuberhände bewaffnet,
+ Ungezügelt und frech, dem Gesetz hohnsprechend, zu wüthen!
+ Herr, nicht gehe mit mir in’s Gericht: denn mein ist die Schuld nicht!
+ Doch du kehre zurück, Unglücklicher! Kehre zu Ottgar,
+ Der ein liebender Vater dir war, nun zurück, ihn zu söhnen,
+ Ihn mit reuigem Sinn um den Segen zu fleh’n -- zu erwiedern
+ Ihm verzeihende Huld, so er dich einst kränkte mit Unrecht!
+ Also hat es der Herr uns gelehrt: er möge dir helfen!“
+
+ Wallstein stürzte hinaus, und flog nach dem feindlichen Lager,
+ Rastlos, bis er erreichte die Huth der böhmischen Reiter.
+ Schnell erkannten sie ihn, der oft im Gewühle der Schlachten
+ Sie zum Siege geführt, und jubelten laut in die Nacht auf.
+ Einer begann: „Kehrst du zur Freude des Heers und des Königs
+ Wieder zurück, der, wisse es nur, mit unsäglicher Sehnsucht
+ Nach dem verlorenen Sohn sich abhärmete? Wahrlich, er nannte
+ Heute dich so, und verhieß allmanniglich reiche Belohnung,
+ Der dich führte zurück in die Arme des liebenden Vaters!“
+ Doch, es erwiederte Wallstein ihm den freundlichen Gruß nicht;
+ Eilete vor, und erreichte das Zelt des entschlummerten Königs.
+ Jetzo murrete Greif, der mächtige Hund, vor dem Eingang:
+ Ottgars Liebling, ein Schrecken des Volks, das nächtlicher Stund’ ihm
+ Nahete, wo er, der Kette los, umwandelte wachsam:
+ Denn er bewältigte leicht den stärksten der Reisigen; hielt ihn
+ Nieder, und bellete, bis ein Hausgenosse daherkam.
+ Wallstein zischte nur leis’, und rief ihn bei’m Nahmen: da sprang er,
+ Heulend, herbei; erhob sich mit freudigem, lautem Gewinsel
+ Ihm auf die Schulter, lang wie er war, und leckt’ ihm die Wangen;
+ Lief dann kreisend umher, und kehrete wieder, vor Freuden
+ Bellend, und heulend zugleich: denn Wallstein war ihm seit Jahren
+ Hold, und quälet’ ihn einst im jugendfröhlichen Muth’ oft.
+ Doch er streichelte jetzt den Treu’n mit unwilliger Hand nur;
+ Trat in das Zelt, wo im Lampenschein, auf das Lager gesunken,
+ Ottgar schlummerte: ganz in die Waffen gehüllt, und zu kämpfen
+ Wieder am Morgen bereit, und schauderte, wie er den Mann dort
+ Schlummern sah, der einst ihm vor allen Sterblichen werth war --
+ Jetzt, ohnmächtig im Schlaf’, ihm Preis gegeben zur Willkühr.
+ Grauer schien ihm sein grauendes Haupt seit Tagen geworden,
+ Blässer sein blasses Gesicht. Er stöhnete laut vor dem Traum’ auf,
+ Der ihn umfing, und wand sich, und rief, fast wimmernd,
+ nach Wallstein.
+ Dieser entblößte das Schwert. Noch einmal stand ihm des Jammers
+ Grau’ngestalt, den Ottgar schuf, vor den Augen; er eilte
+ Vorwärts, schwang das Eisen, und sann. Drahomira durchschwebte
+ Jetzo den Zelteingang; umflog in furchtbaren Kreisen
+ Schneller und schneller des Jünglings Haupt, und hauchte des Abgrunds
+ Gifte umher, daß er, schwindelnd, den Mord verübt’ an dem König;
+ Aber er hatte zuvor, vom Kaiser, mit Schrecken, des Heilands
+ Worte gehört. Wie dort im Fiebertraum sich ein Kranker
+ Freut, da ein Freund ihm naht, und nachsinnt: ob er ihn kenne?
+ Also nur dunkel vernahm der zerrüttete Jüngling die Warnung;
+ Dennoch bezwang er sich jetzt, trat näher, und stampfte den Boden.
+ Auffuhr Ottgar schnell, und starrte dem Starrenden, schweigend,
+ In das Gesicht. Ein ganzes, im Glück’ entschwundenes Leben
+ Eilete schnell, wie der Blitz, den Beiden noch einmal vorüber,
+ Und die Vergangenheit warf, hellleuchtend, viel grausere Schatten
+ Noch auf die dunkele Gegenwart. Doch jetzo begann er:
+ „Wallstein, kommst du zurück’? Ich wußt’ es: ein edeles Herz schlägt
+ Dir in der Brust. O, schwer hast du mich betrübt, und des Abgrunds
+ Seelenverwirrende Macht empörte die Wuth mir im Busen
+ So, daß ich, nicht durch eigene Schuld -- von der Hölle betäubt nur,
+ Dir das liebende Herz verwundete! Wohl sind die Menschen
+ Sich zu betrüben, geneigt; doch Reue versöhnt, und Verzeihung
+ Windet den schöneren Kranz um die friedenbiethenden Herzen.
+ Du nun wieder mein Sohn, und ich -- dein liebender Vater ...“
+
+ Jener naht’ ihm, und rief ergrimmt: „Halt ein, und erhebe
+ Nicht den Vorhang mehr, der zwischen uns dunkel herabsank!
+ Was du ersehntest -- es sey: ich verzeihe dir! Aber dem Bogen
+ Furchtbarer Rach’ entschwirrte der Pfeil; nicht reißt ihn des Schützen
+ Hand mehr zurück. Weh’ dir, Unglücklichem: denn ich entsandt’ ihn!
+ Böhmisches Blut benetzte dieß Schwert: mit den Kunen verbunden,
+ Hab’ ich zuvor dein Volk erwürgt, wie ein Söldner des Kaisers.
+ Du hast ihm nach dem Leben gestrebt: ich both mich, als Rächer,
+ Dir zu durchbohren die Brust; doch, sieh’, dein edeler Gegner
+ Achtet dein Haupt, und gab mir sanftversöhnende Lehren:
+ Solchem fällst du besiegt -- ich meinem unglücklichen Schicksal!“
+ Sagt’ es, und kehrte das Schwert urplötzlich von unten nach oben
+ Gegen die Brust, und sank in den Stahl, der, zischenden Lautes,
+ Ihm das pochende Herz durchfuhr. Er verhauchte das Leben
+ Lautlos. Jammernd erhob sich jetzt, ihn zu retten, der König:
+ Aber umsonst: er lag entseelt, und regte sich nicht mehr!
+ Schon aufjauchzte vor Lust Drahomira, der That sich zu rühmen:
+ Da durchblitzt’ ein Glanz den Raum des Gezeltes; ein Flehen
+ Nach erbarmender Huld erscholl. Von Schauder ergriffen
+ Wollte sie flieh’n, um fern in den übersinnlichen Räumen
+ Noch zu entgeh’n dem Zorn der Himmlischen; aber unendlich
+ Rauscht’ Entsetzen ihr vor -- ihr nach: sie sank in den Abgrund
+ Außer den Gränzen der Welt, betäubt vom Schrecken, hinunter,
+ Und erkannte sich erst in den Jammergefilden der Hölle.
+
+ Draußen im Schattenkreis’ des hochaufragenden Eichbaums
+ Gruben die Krieger ein Grab. Der Entseelte lag auf dem Rasen
+ Dort in den Lagermantel gehüllt: da hinkte sein Reitroß,
+ Völlig des Anseh’ns bar, aus der Au herüber, und senkte,
+ Leise genaht, das Haupt zu ihm hin, daß die wallende Mähn’ ihm
+ Dann mit dem Zaum nachsank, und des Todten Antlitz bedeckte.
+ Jahr’ entfloh’n: da hieß es, am Grabe des böhmischen Kriegers
+ Liege das bleiche Geripp von seinem verschmachteten Roß noch!
+
+ Als aus Osten der Hauch des hellaufdämmernden Morgens
+ Ueber die frischbethauete Flur den kühleren Frühwind
+ Sendete; rings im Gefild sich die wiedererwachten Geschlechter
+ Regten, mit gleichgeschäftigem Drang zu durchlaufen des Tages
+ Kreisende Bahn, bis ihr Ziel, nun bald, nun später erreicht ist;
+ Als in den Städten und Dörfern umher, in den Hainen und Wäldern
+ Munterer Laut sich erhob: da hatte der Kaiser im Lager
+ Schon die Scharen vereint, und zu drei Heersäulen geordnet,
+ Sie in geschlossenen Reih’n dem Feind’ entgegen zu stellen.
+ Aber der Ost- und der Steyer-Mark geworfene Scharen
+ Schob er den andern vor in der Mitte, daß sie in dem Schlachtfeld
+ Sich den entwundenen Kranz jetzt herrlicher wieder erkämpften.
+ Heiter saß er zu Pferd’, und sprengte hinauf und hinunter
+ Vor den Reih’n, zu entflammen den Muth der schweigenden Krieger:
+ Denn sie schwiegen, beschämt von des Rückzugs quälendem Vorwurf.
+ „Männer, wohlan,“ so ermahnt’ er sie laut,
+ „steht heut’ in dem Schlachtfeld
+ Fest zusammengedrängt -- euch tapfer zu wehren, entschlossen:
+ Denn bald dürfte der Feind, noch stolz auf errungenen Vortheil,
+ Mit gesteigertem Muth vorstürmen zum blutigen Angriff!
+ Ha, schon seh’ ich den Siegeskranz, mein edler Capellen,
+ Dir an der Stirn! Dir, Trautmansdorf, dem Vater der Helden,
+ Glühen die Wangen vor Gier, zu rächen im Blute des Feindes
+ Die, nur mit Uebermacht erschlagenen Söhn’ in dem Vorkampf.
+ Oestreichs Edelstein’ und Demantberge, verdunkelt
+ Heute sogar den Ruhm der thatengewaltigen Ahnen:
+ Denket des Siegs! Doch, Lichtenstein, wie? Soll ich dich schelten?
+ Nicht die gewohnte Heiterkeit färbt mit Freude dein Antlitz
+ Heut’: erbebst du dem Feind? Der Tapfere scheuet den Tod nicht.“
+ So, vortummelnd das Roß, erregte der Kaiser die Helden.
+ Aber dem Eilenden rief der Lichtensteiner im Scherz nach:
+ „Mit Vergunst! Ihr irrt, erlauchtester Kaiser! Den Feinden
+ Bebt kein Lichtenstein; doch, fröhlicher Dinge zu scheinen
+ Noch, da uns Ottgar jüngst des Turnmahls schnöde beraubte,
+ Gestern nicht gönnte die Zeit, an dem trockenen Brot’ uns zu letzen,
+ Auch den Schlaf uns stahl? Das möchte nicht allen genehm seyn!
+ Doch wir tischen ihm bald die Mahlzeit auf, und verhelfen
+ Ihm zu dem furchtbarn Schlaf, dem er gar freudig entrönne.“
+
+ Lächelnd hörte das Volk den Munteren. Aber der Kaiser
+ Flog zur Rechten hinauf, wo Schweizer, Tyroler, und Schwaben,
+ Muthbeseelt, sich eineten; schwang das Eisen, und rief dann
+ Laut zu dem Sohn, den jüngst er jenen erwählte zum Feldherrn:
+ „Albrecht, halte dich wohl! Stets warst du im Schlachtengewitter,
+ Leuchtend, ein Stern; dir gleich der Burggraf Friedrich und Hochberg,
+ Und mein Müller dort, der redliche, treue Geselle!
+ Auf, ihr seyd mein Volk, ihr sollt mir Ehre gewinnen!
+ Dietrichstein, du Hort der Helden Tyrols, wie erhebt dich
+ Jetzo die Stelle, nach welcher mein Haug in der Veste sich sehnet!“
+ Rief’s; dann flog er zur Linken hinab, und ermahnte die Feldherrn:
+ „Meinhard, trefflicher Held, nicht harrst du erregenden Aufrufs
+ Muthig zu steh’n im Kampf: denn immer wird dir im Schlachtfeld
+ Nur der herrlichste Lorber zu Theil; nun führe die Kärnthner,
+ Führe die Krainer zum Sieg! Dir folgen die Tapferen: Heunburg,
+ Albert von Görz, und der Ortenburg auf der rühmlichen Bahn nach.“
+ Und er entflammte zugleich mit mutherregenden Worten
+ Kaduschas Brust, und die Kraft des Trentschiner Helden Mathias.
+ D’rauf entsandt’ er die Herolde, noch in der Stunde des Morgens
+ Aufzubiethen sein Volk: die heilige Sühne zu feiern.
+
+ Aber noch säumte daheim in dem Lager der König der Böhmen;
+ D’rob der Kaiser sich hoch verwunderte: denn nicht enthüllt war
+ Ihm des Jünglings Tod, und der Gram des erschütterten Königs,
+ Ottgars. Katwald fuhr um ihn her, und erregte das Herz ihm:
+ Jetzt auf des Siegs betretener Bahn mit gewaltiger Thatkraft
+ Vorzudringen. Umsonst! Er saß, hinstarrenden Blickes,
+ In dem Gezelt, und regte sich nicht -- wie ein Marmorgebild dort,
+ Wo an der Urne des Sohn’s, des frühverblich’nen, der Vater,
+ Sitzt gesenketen Haupt’s, und die Thrän’ entlocket dem Wand’rer.
+ D’rauf entschwang sich der Geist, und rief den muthigen Feldherrn:
+ Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Herbot,
+ Heinrich, dem Hort der Baiern, und Pfeil, dem Gebiether der Sachsen,
+ Die zu erneuertem Kampfe bereit, des mächtigen Königs
+ Harrten, schwebend umher von einem zum andern, ergrimmt, zu:
+ „Eilt, und erweckt aus Gram und Verzweiflung euren Beherrscher:
+ Denn er brütet erstarrt für sich hin, und verschließet des Glückes
+ Stimme sein Ohr, das flüchtig entweicht! O nichtige Hoffnung:
+ Als den geworfenen Feind nur die Nacht den vernichtenden Blitzen
+ Eures Arms entriß, da flucht’ er dem nächtlichen Dunkel
+ Laut, und ersehnte des Morgens Strahl; nun weilet er müßig,
+ Und versäumt des Schlachtengeschicks entscheidenden Zeitraum!“
+ Also der Geist, und sie eilten sogleich nach dem Zelte des Königs;
+ Doch, eintretend voll Hast, erbebten die Tapferen alle;
+ Allen erstarb der Laut in dem Mund: so schrecklich zu schauen
+ War die Gestalt, die jüngst noch in jeglichem Busen den Muth hob.
+ Lange starreten sie, von Schauern ergriffen, dem König
+ In das entseelte Gesicht; doch jetzt erhob er sich. Plötzlich
+ Färbte glühendes Roth ihm die Wangen, und hell, wie im Nachtgrau’n
+ Flammt der Essen zerschmelzende Gluth, von mächtigen Bälgen
+ Brausend empört, ihm glänzten die zornausblitzenden Augen,
+ Als er den Helden genaht, mit geballter Faust, und, den Boden
+ Stampfend, das Kleid aufriß, und die Brust voll rühmlicher Narben
+ Rasch entblößend, rief: „Habt ihr ihn getödtet, den Jüngling
+ Voll gewaltiger Kraft, voll edelen Muthes und Sinnes?
+ Nein, ihr nicht: denn ihr seyd feig! Doch heimlich empöret
+ Habt ihr das edle Gemüth, daß er frech des Kindes Gehorsam
+ Mir versagte, mich floh, und selbst mein schrecklichster Feind ward.
+ Aber er stieß den Dolch, den ihr ihm gereicht, nicht dem Vater
+ Hier in die liebende Brust: er durchbohrte sein eigenes Herz nur.
+ Ha, was säumt ihr fürder? Entblößt -- dem meuchelnden Dolchstoß
+ Offen seht ihr die Brust, in der ein tapferes Herz schlägt!
+ Wohl bekannt ist mir’s, daß ihr nach dem Leben mir strebet;
+ Auf, vollführet es hier, eh’ draußen noch tausende fallen,
+ Opfer des Kriegs, des furchtbarn, der mir nimmer zum Heil wird!“[3]
+ Dann verstummt’ er, erblaßt, vor den Tapferen. Lobkowitz wiegte
+ Trauernd, das Haupt: erhob g’en Himmel den Blick, und begann so:
+ „Welchen Jammer verhängt der Ewige über die Völker
+ Böheims! Herr, droht Krankheit dir? Ach, immer zum Herzleid
+ Deines getreuesten Volks geschäh’s -- doch jetzt zur Verzweiflung:
+ Wo der Sieg uns winkt, und die Feinde, vom Schrecken gebändigt,
+ Zitterten! Hab’ ich, dem Streit abhold, nicht des segnenden Friedens
+ Worte gesprochen im Rath’? Umsonst: du wolltest den Krieg nur!
+ Nun vollführ’ es mit Muth, was du so kräftig begonnen.“
+ Ottgar wandte sich schnell zu Milota: „Führe,“ so sprach er,
+ „Heute den Kern des Heers rasch vor zu des Kampfes Entscheidung.
+ Hast du die dunkele Brust mir jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad,
+ Höhnend, enthüllt -- zerfleischt mit blutigen Krallen das Herz mir:
+ Traun, kühn war’s! so wirst du auch jetzt unbändigen Muthes
+ Stehen im Waffenfeld’, und erringen den Sieg mit Gewißheit:
+ Denn erprobt bist du in des Feldherrn wichtiger Stelle.
+ Lobkowitz weile mit mir, der Thaten gewärtig, im Rückhalt.“
+ Katwald hört’, erstaunt, die Rede des Königs, und rief ihm
+ Angstvoll: „Welch’ entsetzliche Wuth verblendet dich vollends,
+ Daß du den Kern des Heers dem heimlichen Gegner vertrau’n willst?
+ Immer lächelt er Hohn, und sinnt verderbliche Tücken.
+ Auf, ermunt’re dich jetzt, und führe das Heer in die Feldschlacht,
+ Selber, sogleich; wo nicht, so vertrau’ es dem tapferen Helden
+ Lobkowitz, eh’ denn ihm, der dir zum Jammer erseh’n ist!“
+ Aber er ballte die Faust, und wankte nicht, eiserngesinnet.
+ Ihm sah Milota kalt in das Aug’, und entgegnete trotzig:
+ „Keinem Schwachen vertraust du den Stab, die Zierde des Feldherrn,
+ Ueber den Kern des Heers: ich werde mir Ehre gewinnen!
+ Zwar verbanntest du mich erst jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad
+ Ferne von dir: ich weilete heut’, und in kommender Zeit noch
+ Gern in dem Nachhalt nur: den hatt’ ich mir heimlich ersehnet!“
+ Sprach’s mit bedeutendem Blick’, und eilte hinaus in der Dämm’rung
+ Schnell zu entbiethen des Vorderzugs beritt’ne Geschwader.
+
+ Draußen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen näher,
+ Saßen die Meißner und Thüringer noch, erlesen zur Vorhuth,
+ An den Feuern umher, und verkürzten in frohen Gesprächen,
+ Oft aufjauchzend zugleich, sich die nächtlichen Stunden.
+ Nur, als jetzt
+ Milota, schaltend, vorüberzog, verstummte des Kriegers
+ Lautes Geschrei. Auch Inguiomar kam, eilenden Fluges,
+ Näher, und rief dem Führer des Volks, dem tapferen Dietrich:
+ „Ha, was sagte wohl jetzt der hochgesinnete Kaiser,
+ Heinrich, der Finkler genannt, der herrliche Vesten-Erbauer,[4]
+ Der auch Meißen erbaute, die Burg, und der Eurigen Ahn ist,
+ So er euch sah’ im Bund mit den Böhmen, als Deutsche den Deutschen
+ Feindlichentgegengestellt, und gehorchend dem Fremdling’ als Söldner
+ Hier in dem Kampf, der euch nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil?
+ Jetzt soll Milota’s Wink, der euch nie günstig gesinnt war,
+ Gegen den Feind mit dem Kern des Heer’s euch drängen, und treiben:
+ Denn hochwerth ist ihm, und noch mehr dem Könige selber,
+ Deutscher Muth, und der Arm, der stets in dem Schlachtengefild noch
+ Ihm den Sieg errang; doch bald vergißt er des Schweißes,
+ Und des Bluts, das ihr vergeudet, im eisernen Feld’ euch
+ Mühend für ihn, und ehrt, wie jetzt, nur die Seinen als Feldherrn.
+ Männer, besteiget das Roß, und zieht in der Stille, des Lagers
+ Wall entlang, nach der Heimath fort, wo die einsame Gattinn
+ Eurer mit Sehnsucht harrt, im Kreis’ umlärmender Kinder!
+ So nicht einet ihr euch, dem Eid’ untreu, mit den Feinden
+ Ottgars; aber auch ihm nicht fröhnet ihr mehr in dem Kriegszug.“
+ Also der Geist. Da erhob sich schnell Herr Dietrich, und rief so:
+ „Männer, hört, was dünkt euch? Ha, was sagte wohl jetzo
+ Unser erlauchter Ahn, der treffliche Vesten-Erbauer,
+ Heinrich, so er uns sah’ im Bund mit den Böhmen, den Deutschen
+ Feindlichentgegenstellt? Wie, Ottgar soll uns zum Kampf hier
+ Drängen, daß wir mit dem Muth, der deutsche Herzen beseelet,
+ Und noch stets ihm den Sieg errang in dem eisernen Schlachtfeld,
+ Enden den Krieg, der uns nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil?
+ Ha, er vergißt nur zu bald des Bluts, und des strömenden Schweißes,
+ Den wir unverzagt ihm spendeten! Lieblinge sind ihm
+ Nur die Slaven allein: denn Milota soll uns gebiethen.
+ Brüder, sitzen wir auf, schnurstracks, und zieh’n in der Stille
+ Fort, nach der Heimath fort: g’en Thüringen, Meißen, wo, liebend,
+ Unser die Gattinn harrt im Kreis’ umlärmender Kinder!
+ Zwar stamm’ ich aus der Ostmark her[5]: denn wisset es, Leupolds
+ Tochter, des Herzogs, war’s, die mich mit Schmerzen geboren,
+ Und mit Lieb’ erzog, zur Freude des _sieghaften_ Vaters;
+ Doch nicht einen wir uns, dem Wort’ untreu, mit den Feinden
+ Ottgars -- zieh’n nur heim, daß wir nicht die Brüder bekämpfen.“
+ Lautumjauchzender Schrei verschlang ihm das Ende des Zurufs.
+ Zitternd vor freudiger Hast, aufzäumte der Krieger sein Reitroß;
+ Hing das Schwert mit dem Wehrgehäng’ um die Schulter, und schwang sich
+ Auf in den Sattel, den eilenden Ritt zu beginnen, unmerkbar
+ Milota’s Falkenblick: denn als er wieder zur Rechten
+ Kehrte, ritten sie links Herrn Dietrich nach in der Stille,
+ Außer dem Rasenwall, thaleinwärts, bis sie den Heerweg
+ Wieder gewannen, entfernt dem Heer’, und für jetzo geborgen:
+ Denn hier wähneten all’: ein feindverderbender Zug sey’s --
+ Milota’s Werk. Doch jen’ enteilten, voll Hast, nach der Heimath.[6]
+
+ Ottgar saß noch im Zelt vereint im Rath mit den Feldherrn.
+ Milder schlug sein stürmisches Herz, und er sagte mit Sanftmuth
+ Manches freundliche Wort den Tapferen. Aber vor allen
+ Rühmt’ er Czernin: ob des entschlossenen Zugs vor die Mauern
+ Wiens, des Ueberfalls, und des kluggeordneten Rückzugs
+ Nach dem rühmlichbestandenen Kampf mit unzähligen Gegnern.
+ „Ha,“ rief Czernin jetzt mit zweifelndem Blick, „noch entrann ich
+ Glücklich des Kaisers Gewalt: denn hatte der Vater des Sohns nicht,
+ Schonend, geharrt, der erst in nächtlicher Stunde die Festung,
+ Für die sterbende Mutter besorgt, verließ: das Entrinnen
+ Wäre nicht leicht, und sicher das Grab in dem Zug uns geworden.
+ Jetzt nur schnell in den Kampf! Nicht in dumpfeinengenden Mauern,
+ Und Spießbürgern vereint, behagt mir, zu streiten; in Freiheit,
+ Draußen im Feld mir nahe der Feind: ich werd’ ihm begegnen!“
+ Als er geendet das Wort, da hob sich zur Decke des Zeltes
+ Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete Ritter,
+ Der den reussischen Scharen geboth, in feuriger Hast auf,
+ Blößte sein mächtiges Schwert, und sagte mit donnernder Stimme:
+ „Nehmt, o König, zum Unterpfand des kühnen Versprechens,
+ Herbots eidliches Wort: nie zieht er hinfort in das Feld mehr,
+ So er nicht eueren Feind, der Kaiser sich nennet, gefangen,
+ Oder todt, euch schafft: dann möget ihr würdig ihm’s lohnen!“
+ „Dann,“ so höhnt’ ihn Zierotin, „dann werd’ ihm als Siegspreis,
+ So er es kühn vollführt, was er so muthig verheißen,
+ Böhmens Hälfte zu Theil -- vielleicht verhieß ich zu wenig!
+ Aber, wohlan, wir all’ erringen gewiß in dem Feld dir
+ Heut’ unendlichen Ruhm, so uns dein gewaltiger Wink nur
+ Lenkt, und dein Siegesblick uns leuchtet
+ im furchtbaren Schlachtgrau’n!“
+ Sprach’s mit Kraft. So riefen zugleich der tapfere Heinrich,
+ Bayerns Herzog, und Pfeil, des Sachsen-Volkes Gebiether.
+
+ Nun trat Zawiß von Rosenberg, der blühende Ritter,
+ Hastig in’s Zelt. Ihm sah wildstarrender Grimm aus den Augen,
+ Als er zu reden begann: „Nicht Erfreuliches werdet ihr hören:
+ Fort ist Meißens und Thüringens Volk, das reisige. Treulos
+ Zog es davon, und ihm liegt das Lager schon fern in dem Rücken,
+ Da es im Flug’ enteilt, zu erreichen die Fluren der Heimath.“
+ All’ aufschrie’n, von Zorn g’en jen’ empöret; nur Ottgar
+ Hob sich, schweigend, vom Stuhl. Wie des Vollmonds zitternder Schimmer
+ Fern auf dem dunkelen Teich’ erglänzt: so erhellt’ ihm die Augen,
+ Welche die Trauer umfing, des Muths aufdämmernder Lichtstrahl.
+ Langsam trat er heraus vor das Zelt; ihm folgten die Feldherrn.
+ Dort ersah er das Heer in der rosigen Frühe. Geschäftig,
+ Wie auf gehügeltem Laub’ im Walde die Ameisen rastlos
+ Kommen, und geh’n: so regte sich schon, die Rosse besorgend,
+ Rings das reisige Volk; der Waffen Glanz und des Lagers
+ Dumpfauftosender Lärm erfüllt’ ihm die Brust mit Vertrauen.
+ Doch stets lauter ertönete jetzt des eisernen Hufes
+ Schmetternder Schlag. Ein Ritter kam in brausendem Eilflug
+ Näher, und hielt das Roß vor dem Könige, trotzigen Blicks, an.
+ Leutold, der Kunring, war’s. Auch ihn empörte so eben
+ Inguiomar, daß er stolz entsage dem Waffenverein hier
+ Mit dem Beherrscher des Böhmenvolks. Nun sprach er ergrimmt so:
+ „Lang ersehnte mein Herz des furchtbarn Kampfes Entscheidung;
+ Aber umsonst: noch zauderst du stets, und versäumest des Glückes
+ Schnellentfliehende Zeit. Erst sah ich hinaus aus dem Lager
+ Ziehen die Meißner zugleich, und die Thüringer. Also bewährt sich
+ Mir die Sage: du biethest die Hand zum schmählichen Frieden,
+ Auf des Sohnes Verlobung bedacht, dem Grafen von Habsburg?
+ Sey’s, ich tadle dich nicht: du magst verfahren nach Willkühr!
+ Aber ich ziehe g’en Dürrenstein mit meinen Getreuen.
+ Kommt dann, beide, vereint! Gar viel’ erblickt ihr der Euren
+ Liegen, entseelt, an dem Wall’ umher, eh’ Leutold, der Kunring,
+ Fällt: nicht besiegt durch euch -- von dem Schutt der Veste begraben.“
+ Stöhnend gab er dem Rosse den Sporn, und entschwand aus den Augen
+ Ottgars schnell. Er griff an die Stirn’, um welche der Frühwind
+ Wiegte sein grauendes Haar, und sprach zu dem sinnenden Feldherrn
+ Lobkowitz: „So ist des Menschen Geschick! In kräftiger Jugend
+ Hüpft der muntere Bach hervor aus grünenden Thälern;
+ Eilet dem freundlichen Land’ und den schimmernden Städten entgegen,
+ Stets gewinnend an Kraft, als sich unzählige Flüsse,
+ Huldigend, ihm anreih’n: er rauscht, ein mächtiger Strom, fort.
+ Doch nicht ferne dem Ziel’, eh’ er matt versinkt in des Meeres
+ Dunkelen Schooß, reißt hier und dort sich in sandigen Eb’nen
+ Wieder ein Arm nach dem andern von ihm, und er endet verloren
+ Dann in dem allverschlingenden dort, auf immer die Laufbahn!
+ Aber, wohlan, nicht klage der Feind: mit unzähligen Scharen
+ Hätt’ ich errungen den Sieg! Die treu verharren, genügen
+ Mir noch, Oestreichs Thron zu erkämpfen im Felde der Ehren.
+ Auf, wir ziehen dahin! Die Dromet’ erschalle; die Trommel
+ Rufe zur Schlacht, und im Wind entfalte sich winkend die Sturmfahn’!“
+ Also geschah’s: denn rasch vordrangen die muthigen Scharen.
+
+
+
+
+ Neunter Gesang.
+
+
+ Sanft verhallete jetzt der Gesang zu der heiligen Feier,
+ Die der Priester des Herrn vollendete, kreisendumgeben
+ Von des Heeres geordneten Reih’n. Im räumigen Lager
+ Stand der Altar erbaut vor dem Bild des erlösenden Kreuzes
+ Schnell, wie die Zeit es heischt’, im Schmuck hellgrünender Reiser;
+ Aber im Augenblick, wo nahe des Lebens und Todes
+ Würfel fallen, aufschwang sich das Herz in heißerer Andacht
+ Mit dem Gesange zu Gott: gar feierlich schlug’s in dem Busen!
+ Jetzt vom Staub, wo er bethend kniet’, erhob sich der Kaiser.
+ Himmlische Ruh’ erhellte sein Aug’, und, heiteren Muthes
+ Pochte sein Heldenherz, da im Feld die kehrenden Scharen
+ Schnell sich ordneten: denn schon riefen zum Kampf die Drometen.
+
+ Hell aufflammte des Morgens Strahl. Die freundliche Sonne,
+ Die den Abend zuvor in Westen ermüdet hinabsank,
+ Hob sich in Osten jetzt, als unter dem kreisenden Erdball
+ Sie die heimliche Bahn vollendete, schöneren Anblicks,
+ Wieder herauf, und erweckte die Welt zu erneuertem Leben.
+ Frischer grünte das Feld, und glänzender hüpfte der Strom hin;
+ Voll war Himmel und Erde vom Laut der verjüngeten Schöpfung;
+ Nur aus dem Waffenschmuck des versammelten Heers in dem Lager,
+ Sog die Sonn’, im Lauf, toddräuenden Glanz, und erfüllte
+ Rings die Völker umher mit Angstgebilden der Zukunft.
+ Aber den Kaiser umgab ein Kranz erlesener Feldherrn;
+ Alle horchten auf ihn, und harrten freudig des Winkes,
+ Der zu Thaten sie rief. Da sprach er, finsteren Blicks, so:
+ „Ottgar säumt, uns hier, wie er gestern gedroht, zu vernichten.
+ Schmach der That: nicht der Sitte gemäß, die aus grauender Vorzeit
+ Wir ererbten, uns both er den Kampf; nein, heimlich, im Dunkeln
+ Fiel er, dem Währwolf gleich, der nächtlich die Hürde bestürmet,
+ Ueber uns her. Es gelang dem Kühnen, zerstreute Geschwader
+ Niederzuwerfen: sie trugen die Schuld und hatten den Lohn hin,
+ Allen zum warnenden Wink, daß nimmer ein Gleiches geschehe!
+ Aber vernehmt, was mir zuvor an heiliger Stätte
+ Mächtig die Seel’ ergriff. Der entschwundenen Tage des Lebens
+ Dacht’ ich im stillen Gemüth: kein dauerndes Glück ist auf Erden.
+ Als ich Gutes und Schlimmes erwog, da fand ich, verwundert,
+ Daß ich am Freitag, an dem der Welterlöser für uns starb,
+ Stets mit Vortheil focht, und den Sieg errang in der Feldschlacht.
+ D’rum, nicht aus Feigheit, nein, aus herzentspross’ner Verehrung
+ Für das geheiligte Kreuz, will ich den Kampf der Entscheidung
+ Morgen kämpfen, am Tag des heiligen Bartholomäus --
+ Heute, gefaßt, nur kühn abwehren den feindlichen Angriff
+ Ottgars, so er ihn wagt. Wir wollen sogar ihm versöhnend
+ Nah’n vor des furchtbaren Kampfes Beginn. Hervor aus den Reihen,
+ Trautmansdorf! Zieh’ hin zu dem Könige; bieth’ ihm des Friedens
+ Oehlzweig noch einmal aus meiner versöhnlichen Rechten.
+ Mögen auch dein’ Erzeugten, wie sonst, dir folgen, daß etwa
+ Solches den Trotz ihm beugt, und das Herz zur Milde beweget:
+ Denn tief rührt uns die Schau des söhn’umgebenen Helden!“
+ Also geschah’s. Hervor aus den Reihen der tapferen Ritter
+ Kam nun Trautmansdorf mit den zwölf ruhmdürstenden Söhnen --
+ Zwei entraffte der grimmige Tod schon gestern im Nachtgrau’n,
+ Als sie im Ueberfall dort Ottgars Rechter erlagen.
+ Ach, nicht lange, so fallen auch sie, auf dem eisernen Schlachtfeld
+ Kämpfend, und einsam kehrt der trauernde Vater zur Burg heim!
+ Jetzt entblößt’ er den Stahl, und sagte mit sinnigen Blicken:
+ „Hart ertönet dem Vater der Ruf, daß er nahe dem Gegner,
+ Dessen Rechte noch roth vom Blut der erschlagenen Söhn’ ist:
+ Denn er könnte den Streit, obgleich ein Bothe des Friedens,
+ Heißer entflammen. Wohlan, wir wollen des Friedens gedenken!“
+ Sagt’ es, und sprengte davon, umringt von den tapferen Söhnen.
+
+ Siehe, nicht fern von Zwerndorf theilt, von trüben Gewässern
+ Schwer, sich der Weidenbach, und eint sich nur wieder vor Marcheck.
+ Links hin streckt er im Augefild den schlängelnden Arm aus,
+ Während, die Straß’ entlang, er rechts die tieferen Fluthen
+ Träg fortwälzt. In dem Eiland dort, Baumgarten vorüber,
+ Traf nun Trautmansdorf auf die Reisigen, welche der Gegner
+ Sandt’, umspähenden Blicks, zu erkunden die Nähe des Gegners:
+ Denn es erlies’t auf der Kriegslaufbahn ein jeglicher Feldherr
+ Waghäls’ sich, die im Grau’n des feindbedroheten Vorschritts,
+ Als _Erleuchter_ ihm zieh’n,
+ und Sicherheit schaffen der Heersmacht.[1]
+ Schon von ferne die Schar, die Rudolph sandte, gewahrend,
+ Ritten sie, brausenden Flugs, zu den Mähnen gebeugt, und den Degen
+ Schwingend auf in die Lüfte, heran: sie wähnten, des Gegners
+ Vorhuth sey’s, und brannten vor Gier, sie niederzuschmettern.
+ Laut schrie Trautmansdorf: „Halt ein! Als Herolde nah’n wir:
+ Blutigen Kampf -- will’s Gott, noch lieber den Frieden zu biethen!“
+ Jen’, unmuthigen Blicks (denn beutebegierig) ihm winkten
+ Stille zu halten am staubenden Weg’, und sendeten alsbald
+ Zween der Reiter zurück, des Feldherrn Sinn zu erforschen,
+ Milota’s; doch er that, des Herolds Worte bedenkend,
+ Solches dem Herrscher kund, und er säumte nicht: denn mit den Reitern
+ Seines Gefolgs und Milota’s, kam er heran zu dem Vor-Zug;
+ Hemmte den Rappen, und hieß, mit zorngerötheten Augen,
+ Gegen ihn stolzausstreckend den Arm, den Redner beginnen:
+ „Mein erlauchtester Kaiser und Herr,“ so sagte der Ritter,
+ „Sendet dir freundlichen Gruß, und thu’t dir kund, und zu wissen:
+ Nicht nach edelem Brauch -- unritterlich hast du sein Volk ihm
+ Ueberfallen bei dunkeler Nacht, und zu weichen, gezwungen.
+ Dennoch biethet er jetzt, hier unter des wölbenden Himmels
+ Heiterem Blau, und im Angesicht des versammelten Heeres,
+ Dir an dem Fest des heiligen Bartholomäus, auf morgen,
+ Offen die Feldschlacht an; obgleich gerüstet, entschlossen
+ Heut’ in dem Lager zu ruhn, und abzuwehren den Angriff
+ Deiner Gewaltigen, wenn -- doch, das sey ferne, sie stürmten.
+ Aber er heißt dich zugleich das Wohl und das Wehe bedenken
+ Tausender. Seyd versöhnt! Du vernahmst des Friedens Bedingniß.“
+
+ Ottgar schwieg erstaunt. Ihn erschütterte heimlich die Bothschaft.
+ Auch ergriff ihn mit Zaubergewalt ein flüchtiger Anblick
+ Jener blühenden Schar, die um ihren Erzeuger zu Pferd saß.
+ Bald auf dem einen und bald auf dem anderen hing mit Gefallen
+ Sein gemilderter Blick: er dachte des Sohnes, und -- Wallsteins!
+ Schon gewahrete jetzt auch Lobkowitz, daß ihm der Unmuth
+ Wich aus der Brust: er kam, des Friedens Ruf zu erneuern;
+ Aber da naht’ ihm Katwald schnell, und haucht’ ihm, vor allem,
+ Trotz in das Herz. Er sagte: „Du sollst für den blühenden Oehlzweig
+ Tauschen heute dein Schwert im furchtbarn Felde der Waffen,
+ Wo der Sieg dich erhöht’? Ein Thor wär’s, der es nicht sähe,
+ Daß nur die Angst vor dir ihm solches gerathen; zerschmettr’ ihn!“
+ Also der Geist. Auch Milota rief ihm, verhöhnend, entgegen:
+ „Ha, du sollest vielleicht neu huldigen, wie auf dem Eiland
+ Kamberg? Steht das dunkle Gezelt, mit dem trüglichen Vorhang,
+ Dich zu beschimpfen, bereit, daß rings die Völker dich schauen,
+ Dich, den König von Böheim, dort auf den Knie’n vor dem Kaiser?“
+ Ottgar ballte die Faust; er sah mit grimmigen Augen
+ Um sich her, und begann voll Wuth: „Wer wagt es, vom Frieden
+ Hier zu sprechen? Hinweg auf immer mit jeglicher Einung
+ Zwischen Habsburgs Grafen und mir, dem Könige! Weichet,
+ Zitternde Memmen, nur wieder zurück’, und entbiethet von Ottgar
+ Ihm die Fehd’ auf Leben und Tod! Zieht hurtig von hinnen,
+ Alle, daß euch nicht ereile mein Zorn schon hier, vor dem Angriff.“
+
+ Rasche Bewegung erhob sich im Kreis’ der gesendeten Helden:
+ Manchem zuckt’ es im Arm, aus der Scheide sein blinkendes Eisen
+ Gegen den König zu zieh’n; doch schnell bezwang sie der Vater:
+ „Denket,“ so rief er gefaßt, „wir kamen als Herolde Rudolphs,
+ Unsers erhabenen Kaisers, gesandt: nicht ziemt es uns, jetzt hier
+ Rächer der Unbill zu seyn; doch bald, in dem Felde der Waffen
+ Laßt uns gedenken der Schmach, und sie rächen im Blute mit Nachdruck.“
+ Rief’s, und jagte den Renner zurück’. Ihm folgten die Seinen
+ Zögernd, vor Ingrimm, nur, und wandten die flammenden Augen
+ Häufig zurück: denn ach, die raschnachstürmenden Reiter
+ Höhnten sie noch mit Geschrei und mit schallendem, lautem Gelächter!
+ Sieben gehorchten, und folgten ihm nach; doch lenkten die andern
+ Fünf’, aus der Zahl der eigenen Söhn’, unbändiger Wuth voll,
+ Plötzlich die Rosse herum, und flogen zurück auf dem Heerweg.
+ „Brüder,“ so rief der älteste laut, „kommt, lasset uns sterben,
+ Eh’ wir dulden die Schmach, die uns also die Seele betrübet!“
+ So mit empörendem Ruf’ enteilete Hartwig, den Degen
+ Schwingend zur Luft. Ihm nach, mit Eckhard, Walther, und Siegfried,
+ Folgte sein Zwillingsbruder und Freund, der tapfere Dietbert,
+ Bis sie erreichten die Schar der Reisigen, die zu dem Angriff
+ Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete, führte:
+ Denn er warb sie entlang die grünlichen Fluthen des Peltew,
+ Jüngst: Klein-Reussens Volk, zu des Kriegs Beschwerden gestählet,
+ Wie auch geübt in dem Schlachtengedräng, schnellfüßige Rosse
+ Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels;
+ Dann mit des Fußes Druck’ und dem Stoße der nervigen Rechten
+ Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen.
+
+ Siehe, so weit ein Pfeil, von der Sehne geschnellt, in den Lüften
+ Herfleugt, hemmte schon Hartwig das Roß, und harrte, dem Leu’n gleich,
+ Der in der Hetz’, umringt von emporgereiheten Sitzen
+ Voll schaulustigen Volkes, allein, der entfesselten Rüden
+ Heulender Schar, wie sie kommen, mit todandräuenden Augen
+ Harrt, und vor Grimm dumpf murrt: so Hartwig, als ihm die Reiter
+ Naheten; doch er rief mit gewaltiger Stimme noch laut so:
+ „Ha, ihr brüstet euch wohl, auf die zierlichgestalteten Mützen
+ Wie auf das wallende Kleid und die fähnleintragenden Lanzen
+ Stolz, in dem Vor-Zug oft, in vielumstürmender Mehrzahl,
+ Niederzustoßen den einzelnen Mann? -- so gar nicht geachtet,
+ Weder dem Feinde noch Freund’: denn bar all’ edler Gesinnung,
+ Die des Kriegers Brust, des tapferen, füllet mit Großmuth!
+ Euere Zung’ ist kühn, die Helden zu schmähen; so kommt denn,
+ Zeiget den Muth, uns hier zu besiegen im rühmlichen Vorkampf!“
+ Also drang er im Eilflug vor; ihm folgten die Brüder
+ Alle, zur Wuth empört. Den Schaft der feindlichen Lanzen
+ Jetzt aufschleudernd zugleich mit dem Schwert’, erwürgten der Gegner
+ Dreizeh’n sie, voll Hast, und wandten dann fliehend den Rücken.
+ Fort nur ein Weniges noch, und sie waren entrückt dem Verderben:
+ Da fiel Dietberts Roß, und begrub mit dem Rücken den Reiter.
+ Hartwig ersah’s, wie er lag in dem Staub: denn immer nach ihm hin
+ Wandt’ er den lächelnden Blick; urplötzlich verscheuchte das Lächeln
+ Jetzo die Angst: er stieg nicht, er stürzte vom Pferde herunter;
+ Lief, erhob ihn, und strebt’, auf den Rücken des rasch und behend sich
+ Wieder erhebenden Thiers, ihm, lautermunternd, zu helfen.
+
+ Doch schon nahten im Flug die erbitterten Feinde. Die Lanzen,
+ Lechzend nach Blut, voreileten weit, zugleich von der Rechten
+ Und vom kräftigen Fuße gedrängt, zum schrecklichen Mordstoß.
+ Sieh’, und, als den Zaum und die Mähn’ erfassend, sich Dietbert
+ Auf in den Bügel schwang, da bohrten der feindlichen Reiter
+ Zween ihm die Lanz’ in die Brust: er sank, und verhauchte das Leben,
+ Eh’ aufschreiend vor Angst um den liebenden Bruder, ihm Hartwig
+ Hülfe geschafft, und Eckhard, fern mit Walther und Siegfried,
+ Sich des Jammers versah’n im lauterbrausenden Heimritt.
+ Zwar sie kehrten zurück’; auch Hartwig saß in dem Sattel
+ Wieder, und so wie der wüthende Bär, dem drüben der Weidmann
+ Schon das zweite Geschoß in die Seite getrieben, sich brüllend,
+ Auf den hinteren Beinen erhebt, und rasch auf den Schützen
+ Losstürmt: drang auch er, ergrimmt, auf die feindliche Schar ein.
+ Nur die Zween im Aug’, die ihm erst erwürgten den Bruder,
+ Gab er dem Rosse den Sporn, und warf sich inmitten der beiden:
+ Einem im Flug zerschmetternd die Stirn’, und dem andern die Scheitel
+ So, daß sie lautlos jetzt, und auf einmal dem Sattel entstürzten!
+ Hoch aufflatterte noch, im Sturz, von dem Schafte das Fähnlein,
+ Das, geröthet vom Blut des erschlagenen Bruders, ihn reizte.
+ Lang’ noch, hätt’ er zugleich mit den drei kampfmuthigen Brüdern,
+ Sich, unbändiger Kraft, gewehrt, und noch manchen der Gegner
+ Hingewürgt; doch schrie, vor Wuth sich die Lippen zernagend,
+ Jaroslav, der Führer des Volks, mit entsetzlicher Stimme:
+ „Schließt, ihr Memmen, den Kreis um die Rasenden; stoßet sie nieder!“
+ Also geschah’s: denn jetzt, umringt von dichteren Haufen,
+ Sanken sie dort, mit nie zu erschütterndem Muthe sich wehrend,
+ Alle, vom Sattel herab, und verhauchten auf Leichen der Gegner,
+ Die sie im Kampf’ erwürgten zuvor, die tapferen Seelen.
+
+ Doch der unglückliche Vater flog auf dem schnaubenden Rosse
+ Nach dem Lager zurück. Den Herrscher zu treffen, verlangend,
+ Daß er ihm künde sogleich das Nahen der feindlichen Heersmacht,
+ Sprengt’ er, die Scharen entlang, dorthin, wo im Hauche des Windes
+ Sein Panier aufflatterte, schön und erhaben vor allen.
+ Eilig sprach er vor ihm, um die fünf gefährdeten Kinder,
+ Die ihm nicht folgten, besorgt: „Umsonst ersehnst du den Frieden
+ Jetzt mit dem Könige: denn nur des Kampfs und der Rache gedenkt er.
+ Wisse, dir nah’t sein Heer; nicht fern mehr streifen die Reiter
+ Milota’s. Ach, mir gönne die Huld, vor des Lagers Umwallung,
+ Kehrend in Eile, zu schau’n: ob mein’ Erzeugten mir folgen?
+ Denn sie sanken vielleicht, empört von unwürdiger Schmähung,
+ Die von dem Feind’ uns ward, als Opfer unbändiger Rachgier!“
+ Sagt’ es, und eilete dann, von den tapferen Söhnen umgeben,
+ Wieder hinaus vor des Lagers Wall, wo Lärm und Getümmel
+ Unter dem Volk sich erhob: denn Milota’s furchtbare Reiter
+ Jagten herbei, wie am grau’numhülleten Morgen des Winters
+ Mit endlosem Geschrei unzählige Krähen heranzieh’n;
+ Schwangen die Lanzen zur Luft, und bothen dem Heere des Kaisers
+ Kampf auf Leben und Tod, mit wildverhöhnendem Trotz’, an.
+ D’rauf nachbrausten sie wieder im Flug den Kriegesgefährten,
+ Sich auf des Feldherrn Wink schnell aufzustellen im Saatfeld.
+
+ Aber der Lärmruf scholl nun rings in dem Lager. Die Trommel
+ Wirbelte; stets empörender klangen die hellen Drometen;
+ Herolde flogen voll Hast umher; die Stimme der Führer
+ Rief gebiethend zur Schlacht; das Fußvolk schloß sich in Reihen;
+ Rasch auf das Pferd aufschwang sich der Reisige; schimmernden Anblicks
+ Zogen die Ritter allen voran, und herrlich geordnet
+ Ging jetzt Rudolphs Heer in festausdauernder Abwehr
+ Außer des Lagers Wall, dem Feinde die Spitze zu biethen.
+ Ach, dort starrete noch auf die fünf erschlagenen Brüder
+ Trautmansdorf, der tapfere Held, mit erschütternder Fassung,
+ Schweigend, hinab! Es sandte zuvor der schreckliche Feldherr,
+ Milota, der auf dem Feld den angstergriffenen Landmann
+ Zwang, das gehörnete Rind, in Eil’, an den Karren zu spannen,
+ Sie nach dem feindlichen Lager heran. Da enthoben die Krieger
+ Jenem die traurige Last, und legten sie dort auf den Boden.
+ Aber er trieb sein Gespann, schnell wieder zurück’ auf dem Heerweg.
+ Siehe, schon wandte sich Trautmansdorf von den theueren Todten
+ Nach den Lebenden um, und gewahrte mit steigender Rührung
+ Jetzt, daß sie all’, ihm gleich, bezwangen die Thräne. Nur Erdwin
+ Hielt sich nicht länger, der jüngst’,
+ und der theuerst’ ihm seiner Erzeugten:
+ Denn er sprang von dem Roß’, und warf mit schallendem Wehruf
+ Sich auf die Brüder hin: nun dem -- dann wieder dem andern
+ Küssend die blasse Stirn’ und die toderstarreten Lippen.
+ Schnell umzog ein glänzender Thau die Augen des Vaters
+ Und der Söhne zugleich; sie weineten, über die Todten
+ Hingebeugt. Doch jetzo begann der tapfere Feldherr:
+ „Keiner tadle den Schmerz, der uns bei den jammernden Tönen
+ Meines geliebtesten Sohnes ergriff. Vielleicht, daß ihn auch bald
+ Grausam der Tod entrafft. Daß mir doch solches geschähe,
+ Eh’ denn ihm -- zu entsetzlich wär’ des Getödteten Anblick!
+ Aber so will es des Kriegers Los: er sterbe der Pflicht treu!
+ Nur beschirmt, als Brüder, ihn kühn! Im Gemenge der Waffen
+ Möge der eine die Brust für den andern biethen, und Rettung
+ Schaffen sich selber und ihm, der Wechselhülfe gedenkend!
+ Erdwin, auf! Gebieth’, und schnell gehorchen die Krieger
+ Dir: nach Marchecks heiligem Grund die gefallenen Helden
+ Heimzutragen, daß dort der Priester mit Grabesgesängen,
+ Segnend, vertraue dem Staube den Staub; du folge dem Zug’ nach!“
+ Erdwin winkte den Kriegern stumm: sie erhoben die Leichen
+ Auf langschaftige Speer’, und trugen sie schnell nach den Mauern
+ Jener, unferne gelegenen Stadt, daß Alles und Jedes
+ Nach dem Willen geschah des mildgesinneten Vaters.
+ Durch das geordnete Heer ging nun der trauernde Zug fort:
+ Denn nach dem Rasenwall, den gestern unzähliges Landvolk
+ Baute, und d’rauf mit dem Graben umzog, dem Lager zur Schutzwehr,
+ Kam es heran: in den blutigen Kampf mit dem Feinde zu treten.
+
+ Aber, nicht rastete Katwald jetzt im höheren Luftraum:
+ Denn voll Muthes empört’ er die Kraft des nahenden Feldherrn,
+ Milota’s. Sieh’, als dieser die furchtbarn Reisigen Herbots
+ Eilen hieß in dem Vorderzug, nach dem muthigen Fußvolk
+ Mährens, dem er geboth, nachdrang ihm zur Rechten der Baiern
+ Treffliche Schar, geführt von Heinrich dem edelen Herzog,
+ Jetzt mit den Sachsen vereint, den tapferen, welche der Markgraf
+ Pfeil (ein Pfeil in der Schlacht!) im Sturmschritt lenkte: den beiden
+ Herrschte noch Czernin ob, als Feldherr. Aber zur Linken
+ Drang der Böhmen erlesenes Volk, gehorchend dem Helden
+ Lobkowitz, vor, und nach diesem kam das kühne Geschwader,
+ Welches sich Ottgar heut’ erlas, gleich loderndem Feuer,
+ Rasch aus dem Nachhalt vor, in die Reihen der Feinde zu stürmen.
+ Katwald eilte, voll Hast, vom Einen zum Andern, und weckte
+ Mächtig in jeglicher Brust des Kampfs entsetzliche Sehnsucht.
+ Horch, schon tönt drometendes Erz; schon wirbelt die Trommel,
+ Schreit der Krieger, und wiehert das Roß; schon zittert der Boden
+ Unter dem stampfenden Huf; des Blachfelds Weite bewegt sich
+ Vorwärts. Doch, wie im Hauch zwei streitender Wind’ an den Ufern
+ Wogen die Fluthen des See’s herauf und hinunter: so trat auch
+ Rudolphs tapferes Heer vor dem Wall den Feinden entgegen,
+ Und, wie der thürmende Wald erkracht, den plötzlich aus Süden
+ Und aus Norden zugleich, Orkane zerschmettern im Spätherbst:
+ Zahllos liegen umher die unendlichen Stämme geworfen
+ Durcheinander hinab in den Staub: so lagen die Reiter
+ Dort mit den Rossen, erwürgt, und des Fußvolks Reihen vermenget.
+ Furchtbar wüthete heut vor allen der tapfere Feldherr,
+ Milota, so daß Ottgar selbst den gewaltigen Thaten
+ Staunte, die er vollbracht’ in des Todes erkorenem Saatfeld.
+ Ach, er ahnete nicht, wie der Rachebrütende jetzt auch
+ Arges sann im Gemüth -- daß er ihm vertraue, die Scheingluth
+ Heuchelte, bald Verrath nur an ihm zu verüben, entschlossen!
+ „Herbot,“ so rief er „hin, wo in keilgestalteter Ordnung
+ Oestreichs Heerschar naht -- die Ritter für jetzo vermeidend,
+ Eile zuerst, und stürm’ im Flug’ in die Seite des Volks ein!“
+ Also geschah’s: denn schmetternd erklangen die eh’rnen Drometen;
+ Schnell, wie das Wetter fleugt, vorbraus’ten die reussischen Reiter,
+ Und die gesenkte Lanz’ aus der Röhre des eisernen Bügels
+ Festnachdrängend, erkor ein jeder von ferne den Mann schon,
+ Dem er die Brust zu durchbohren beschloß. Wohl sechzig erlagen
+ Also dem tödlichen Stahl der wildanprallenden Reiter,
+ Die in des oberen Oestreichs Gau’n der tapfere Hauptmann
+ Berchthold, warb, und lautes Geschrei auftobte zum Himmel.
+ Jene wichen zurück’, um schnell zu erneuerndem Anlauf
+ Sich zu stellen im Feld’, und die mordende Lanze zu senken;
+ Aber Capellen, der oberste Hort des Volks, wie des Ober-
+ Also des Unterlands, flog her, und empörte sie laut so:
+ „Denket der Ehr’ und des Vaterlands, östreichische Männer,
+ Jetzt in dem Kampf. Nur fest die Reihen geschlossen; die Lanzen
+ Kühn dem Feind’ entgegengesenkt, und, nah’t er, zur Erd’ euch
+ Hurtig gebeugt; dann auf, zu durchbohren dem schnaubenden Rosse,
+ Oder dem Reiter, die Brust!
+ Bald schaut ihr sie fliehen im Schlachtfeld.“
+ Auch die Steyrer entflammt’ er, und rief:
+ „Heut sollt an dem Feind’, ihr,
+ Krieger der Steyermark, euch rächen, der Schande gedenkend,
+ Wie ihr gewichen vor ihm mit Lärm und Getös’ in dem Nachtgrau’n,
+ Fortgerissen durch Schuld des Pettau’r, der, von dem Kaiser
+ Heimgesandt, hinfort zur Flucht euch nimmer verlocket!
+ Jetzo nur kühn an den Feind! Uns lohnt der herrlichste Sieg bald.“
+ Sagt’ es, und sprengte zurück: da braus’ten die furchtbaren Reiter
+ Herbots wieder heran, zu erneuen den muthigen Angriff.
+ Jene senkten das Haupt, ausbeugend, zum Knie’ hin, und bohrten
+ Hier dem Reiter, und dort dem Roß den Stahl in die Brust ein,
+ Als weit über ihr Haupt die feindliche Lanze dahinfuhr.
+ Aber der Boden, mit Leichen bedeckt, verwandelte ringsher
+ Sein erfreuendes Grün in die gräuliche Farbe des Blutes.
+
+ Milota sah den wankenden Sieg mit Staunen: er sandte
+ Schnell die Reiter zurück, und führte die mährischen Krieger
+ Gegen das Fußvolk, das aus dem ober’n und unteren Oestreich
+ Kam, und den Steyrern vereint, ihm entgegen stand in dem Schlachtfeld.
+ Gleich den Wogen des Meers, die ein Sturm aus Süden daherrollt,
+ Eilten die Reih’n jetzt vor; doch so, wie jene zum Strand sich
+ Stürzen mit lautem Gebrüll’, und im schäumenden Zorne zerschellen:
+ Denn nicht wanket der Fels: so trafen sie auch an den Kriegern
+ Oestreichs ehernen Widerstand im Gemenge der Waffen.
+ Schrecklich ertönte der Schrei der Würgenden, schrecklich der Lanzen
+ Kreischender Schlag, als sie den eisernen Helm und den Harnisch,
+ Oder das Panzerhemd zerschmetterten, wüthend geschwungen.
+ Gleich dem Orkan, flog jetzt auch Milota hin, und, ersehend,
+ Wie die Führer des Volks: der Seldenhofen die Steyrer --
+ Berchthold Oestreichs Krieger zum Kampf’ empöreten, schwur er
+ Beiden den Tod. Urschnell auf Berchthold drängt’ er das Streitroß,
+ Und als dieser, erhebend das Schwert, die muthigen Krieger
+ Oestreichs jetzt noch mehr vortummelte, siehe, da bohrt’ er
+ Ihm den Stahl in den Hals, daß alsbald ihm auf den Lippen
+ Starb das Wort, er taumelnd sank, und das Leben verhauchte!
+ Schmerz durchzuckte die Brust des Volks bei dem schrecklichen Anblick,
+ Da er, so mildgesinnt, ein Vater der Krieger genannt ward.
+ Doch mit erneuerter Wuth flog Milota hinter den Reihen
+ Seines Volkes hinab; drang wieder hervor, und durchrannte
+ Col von Seldenhofen das Herz, der weit vor den Seinen,
+ Die er entboth, hersprang, und nach ihm sein blutiges Eisen
+ Zuckte, die Stirn’ ihm zu spalten, gesinnt. Nun brachen die Knie’ ihm,
+ Schlotternd, ein, und er fiel, im Tod’ erbleicht, auf das Eisen.
+ Ach, bald jammert daheim die alterserblindete Mutter,
+ Deren einziger Sohn und Trost er war in den Jahren
+ Trauerbelasteter Witwenzeit auf der einsamen Felsburg:
+ Denn nicht kehrt er zurück, wie ein täuschender Traum ihr verheißen --
+ Er, den Traum ihr deutend, verhieß, die Gute zu trösten,
+ Als er zum letzten Mal’ auszog von dem rühmlichen Stammhaus!
+ Hier erlag er zugleich mit fünf erlesenen Kriegern
+ Milota’s Schwert, der furchtbarn Muths, umtobt’ in dem Schlachtfeld.
+ Ottgar wandte sich jetzt nach Lobkowitz um, und begann so:
+ „Nie war Milota’s Seele mir hold: ich kenne der Menschen
+ Trugverhüllende Brust; doch sieh’, ein schrecklicher Krieger
+ Ist er im Feld’: ich vertraute mit Recht ihm die rühmliche Stelle!“
+ Jener entgegnete schnell: „D’rum vor mit den Reitergeschwadern
+ Jetzt, wo die Feind’ erbeben vor ihm, sie niederzuwerfen,
+ Und zu entscheiden den Kampf in der heiteren Stunde des Glückes.“
+ „Nein,“ so sagte der König ergrimmt, „noch laß uns verziehen,
+ Bis er noch mehr aufflammt, und wir ihn entscheiden für immer!“
+
+ Also die beiden dahier. Capellen, der Edle, gewahrend
+ Drüben im Feld den Tod der muthigen Scharengebiether,
+ Sandte den Oesterreichern den Meißauer hier, und den Steyrern
+ Dort den Lichtenstein, aus der Schar der Ritter, als Feldherrn.
+ Schnell gehorchten die zwei Feldobersten jetzo Capellens
+ Ruf; denn jener erkor, an Berchtholds Stelle, den Helden
+ Summerau, und Lichtenstein den furtbaren Ritter
+ Merenberg, an jene des Seldenhofen, zu Führern.
+ Hoch schwang Merenberg sein Schwert in die Luft, und er rief dann:
+ „Ha, nun endlich dem Ziel, dem schrecklichen, näher und näher
+ Schreit’ ich den dunkelen Pfad! Komm, Richard, und stehe dem Bruder
+ Treu zur Seite, mit ihm die entsetzliche That zu vollführen,
+ Die sich der Merenberger ersehnt! O denke des Bruders:
+ Wie er am Galgen hing -- das Haupt zu den Füßen gebunden,
+ Dreimal schreckliche Tage sich wand! Wie, leben soll Ottgar?“
+ Alsbald einte sich ihm in dem Kampf sein finsterer Bruder.
+ Doch mit erneuetem Muth vorstürmten die beiden Geschwader,
+ Und ermordeten, was sich entgegenstemmt’ in den Reihen.
+ Also gedrängt von den Stürmenden, wich Morawia’s Fußvolk
+ Langsam zurück’, und stand, und wehrte sich wieder: nicht anders
+ Weicht der gewaltige Felsenblock, nach dauerndem Regen
+ Losgewühlt vom Gebirg’, an des Bergs abgleitendem Rand hin;
+ Bis nachströmend die Fluth ihn bewegt, und er in den Abgrund
+ Stürzt im sausenden Sprung’ und Getös’, unhemmbaren Fluges.
+
+ Doch der erhabene Kaiser sah mit Freude die Seinen
+ Ringen im Feld, die im Vorkampf schon die gesunkenen Lorbern
+ Ihrer Heldenstirn’ jetzt herrlicher wieder erhöhten.
+ Schnell entboth er zu sich Trentschins Gebiether, der Ungern
+ Muthigen Hort, und sprach: „Noch ward dir, tapferer Feldherr,
+ Nicht eröffnet das Thor an der siegsruhmbiethenden Laufbahn;
+ Aber ich kenne den Muth, der dich und die Deinen beseelet.
+ Zieh’ g’en Schönfeld hin mit den furchtbarn Reitern, und harre
+ Drüben des Winks: urschnell dem Feind’ in die Seite zu fallen.
+ Aber der Wink sey dir: wenn, blutrothschimmernd, von Marchecks
+ Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen.
+ Also erringst du dir Ruhm, und mir den herrlichsten Vortheil.“
+ Jenem erglänzten die Augen wie Gluth; er strich mit der Rechten
+ Sich den mächtigen Bart, und sprach: „Glorwürdiger Kaiser,
+ Gleich dem Morgenthau, der schmachtende Fluren erquicket,
+ Hat dein ehrendes Wort das Herz mir gelabt, und des Unmuths
+ Wolken entflieh’n mir jetzt vor den lang’umdüsterten Augen!
+ Tödtendem Blitz und verheerenden Stürmen gleich ist im Schlachtfeld
+ Ungerns tapferes Volk: ich will sie dir lenken zum Vortheil,
+ Mir zum Ruhm: weil mich des edelsten Kaisers Vertrau’n ehrt.“
+ Sagt’ es, und ritt im Flug,
+ mit den jauchzenden Scharen nach Schönfelds
+ Auen hinab, ersehnend den Wink zu dem schrecklichen Angriff.
+ Aber der Kaiser entsendete links und rechts an die Feldherrn:
+ Albrecht hier, und Meinhard dort, die Herolde; stehen
+ Hieß er sie noch vor dem Wall’, und festabwehren des Gegners
+ Furchtbardrängende Wuth, bis, blutrothschimmernd, von Marchecks
+ Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen:
+ Denn er ordnete dort die zeichenerspähenden Männer.
+
+ Marbod nahte heran. Er schwebte zuvor in dem Zeitraum
+ Eines entfliehenden Augenblicks nach den schimmernden Mauern
+ Drüben der Wunderstadt, Venezia,[2] die aus des Meeres
+ Fluthen sich hebt, und des Fremdlings Brust erfüllet mit Staunen,
+ Dort das ehrende Maal des Heldengreises zu schauen,
+ Dandolos, der mit den Franken im Bund’, ersiegte die Hauptstadt
+ Constantins, erst jüngst, mit nie zu erschütternder Thatkraft.
+ Doch nun kehrt’ er zurück’, und staunte der Menge der Leichen,
+ Die in der Männerschlacht schon weit bedeckten die Felder.
+ Wie den Wanderer Grau’n befällt, der plötzlich ereilet
+ Von dem sausenden Sturm’, in den tiefergesunkenen Wolken
+ Weißherschimmernden Hagel ersieht, und drüben im Wald’ ihn
+ Wüthen hört, wo er bald, entstürzend mit lautem Geprassel,
+ Blühende Zweige zerschlägt, und zu Boden schmettert die Wipfel:
+ Also befiel ein Schauder auch ihn. Im Fluge vernahm er
+ Katwalds Ruf, wie er hier empörte den mächtigen Herbot.
+ „Ha,“ so sprach er, „du prahltest zuvor: du wollest lebendig,
+ Oder todt, aus der Schlacht heimführen den Kaiser der Deutschen?
+ Eitler Schwätzer, wie werden dereinst dein spotten die Helden!
+ Reite zur Rechten hinab, und versuche denn quer in die Reihen
+ Einzudringen, wo Rudolph weilt, und keine Gefahr ahnt.“
+
+ Herbot besann sich schnell; fünfhundert Reisigen rief er:
+ „Folgt mir!“ und jagte zur Rechten hinab, wo, nahe dem Herrscher,
+ Meinhards Heldenruf die Krieger zum Kampfe bewegte:
+ Denn schon maßen im Waffengemeng’ auch die Bayern und Sachsen
+ Sich mit den Tapferen Krains und Kärnthens. Dicht, und unzählbar
+ Lagen die Leichen im Gras’. Doch Czernin führte die Völker
+ Gegen Meinhards Macht, der jetzt ihn näher gewahrend,
+ Schnell vordrang, und, genaht, ihm rief: „Du hast dich vermessen,
+ Nächtlich, im Ueberfall, Vindobona, die herrliche Festung
+ Zu betreten; gehofft, als Sieger, herunter zu schauen,
+ Stolzen Blicks, aus der Kaiserburg: nun sollst du es büßen,
+ Was du frevelnd gedacht, und gewollt, und nimmer erreicht hast.“
+ Czernin schwieg, ergrimmt. Er senkte den Speer, und erreichte,
+ Sausenden Flugs, den Mann, der also ihn schalt vor den Scharen,
+ Ihm die Brust zu durchbohren, gesinnt; doch fehlt’ er des Zieles,
+ Zitternd vor glühender Hast, und der blutgeröthete Speerstahl
+ Streifte nur, zwischen dem Leib’ und dem Arm,
+ durchfahrend, den Harnisch.
+ Meinhard säumte nicht, hob, und senkte das Schwert, und zerschlug ihm
+ Jetzo den Helm und die Stirne zugleich, daß er rücklings vom Rosse
+ Sank, und, gestreckt lang hin, in Todesschauern erblaßte.
+ So vor den äußersten Reih’n stritt auch der muthigen Sachsen
+ Feldherr, Pfeil, mit dem weitgefürchteten Grafen von Heunburg,
+ Der den Kärnthnern geboth, und der Hort der krainischen Scharen,
+ Ortenburg, mit Bayerns gewaltigem Herzoge, Heinrich,
+ Jetzo auf Leben und Tod: da Scharen des einen und andern
+ Sich bekämpften, und rings nur Mord und Gewürge zu schau’n war.
+ Heunburgs blitzendem Stahl’ erlag der tapfere Markgraf
+ Pfeil, nicht des Todes Pfeil, von des Gegners Rechte geschleudert,
+ Mehr vermeidend, nach schrecklichem Kampf’, und hauchte den Geist aus.
+ Heinrich gelang’s, den Ortenburg aus dem Sattel zu heben,
+ Ihm durchstoßend den Arm, daß er dort im knisternden Sandstaub
+ Blutete, kriegsgefangen sich sah, doch wieder gerettet
+ Heim in das Lager kam, und dem kundigen Arzte sich hingab.
+
+ Sieh’, als hier in dem Streit die erbitterten Völker sich maßen;
+ Schlachtruf scholl; Drometen schmetterten; Trommelgewirbel
+ Klang: der Würger Geschrei und Verwundeter Aechzen ertönte,
+ Jagte Herbot von Füllenstein mit seinem Geschwader
+ Durch den sondernden Raum, der zwischen der mittleren Heersmacht
+ Und dem Flügel zur Linken sich fand, in Eile hinunter --
+ Dann auf den Kaiser los, den Katwald ihm, wie der Gemsaar
+ Fernhin schauend, verrieth mit empörendem Geistergelispel.
+ Rudolph kam, im Gefolge der Trautmansdorfe (nur Erdwin
+ Weilte noch, frommbesorgt, in Marchecks schattigem Freythof)
+ Eben heran, gelockt von des raschvorstürmenden Meinhards
+ Lautem Siegesgeschrei, und ahnte die nahe Gefahr nicht;
+ Doch nun hemmt’ er mit zweifelndem Blick das Roß, und erforschte
+ Gierig: ob Freund’, ob Feind’ ihm naheten? bis er des Ritters
+ Riesengestalt ersah, der kennbar im feindlichen Heer war.
+ „Ha,“ so rief er, „erlag mein Volk? Entsetzliches Unglück
+ Droht: denn, seht, uns kommt ein feindlich Geschwader entgegen!“
+ Doch schon war er umringt. Laut schrie zu seinen Erzeugten
+ Trautmansdorf: „Kommt, laßt uns sterben für unseren Kaiser:
+ Rettet ihn, kämpft, und ersiegt euch hier unsterblichen Nachruhm!“
+ Alsbald kehrten die sechs untad’ligen Brüder den Feinden
+ Kämpfend, entgegen die muthige Brust, vom rühmlichen Beispiel
+ Ihres Erzeugers entflammt, den edelsten Herrscher zu retten.
+ Aber auch Marbod sah die Gefahr, die jetzo dem Leben
+ Rudolphs droht’; er umfing mit heißumschlingenden Armen,
+ Flehend, Capellens Brust, und rief: „Zur Linken hinüber
+ Eil’ im sausenden Flug’, und errette den Kaiser vom Tod jetzt!“
+ Jener staunte bei sich, wie ihn solche Gedanken bestürmten?
+ Gab dem Rosse den Sporn, und jagte herüber im Blachfeld.
+
+ Schon umhäuften die Brüderschar in Menge die Leichen;
+ Schon war Edelred mit Erhard gefallen: die andern
+ Bluteten; doch ermahnte sie laut ihr edeler Vater
+ Noch mit dem Schwert’ in der Faust, zum Kampf für den edelsten Kaiser.
+ Sie gehorchten ihm all’, und erlagen nach schrecklichem Mord nur:
+ Kurd, Agilolf, und zuletzt mit Otto der heitere Winfried.
+ Jetzt drang Herbot schnell mit dem Speer, der hoch wie ein Mastbaum
+ Sich in die Lüft’ erhob, auf Rudolphs tapfere Brust ein.
+ Siehe, nicht traf er die Brust des kampferfahrenen Herrschers;
+ Doch dem steigenden Roß durchstieß er die Stirn, daß es stöhnend
+ Sank, und zugleich in den Staub den trefflichen Reiter herabwarf!
+ Ha, wer rettet ihn mehr? Zwar nahte Capellen; die Ritter
+ Naheten; links und rechts herstürmten die muthigsten Krieger:
+ Dennoch war es um ihn gescheh’n, und die Hülfe vergeblich,
+ Wenn nicht hurtig er selbst, mit dem mordenden Speer in der Rechten,
+ Auf den schrecklichen Mann losfuhr; unbändigen Muthes
+ Ihn bekämpfte; den Streich nach seinem geschlossenen Schlachthelm
+ Führend, mit solcher Gewalt ihn traf, daß die Augen ihm alsbald
+ Dunkelten -- Seh’n und Hören verging. Auch erhob er urplötzlich
+ Wieder den Speer: durchstach dicht unter dem Kinne den Riemen,
+ Der den Helm an das Haupt ihm festigte; drehte den Schaft noch
+ Hurtig herum, und riß blitzschnell ihn vom Sattel herunter.
+ Wie die Zinne der Burg, vom Orkan zur Erde geschleudert,
+ Fällt mit Gekrach, und der Grund weit hin erbebet: so fiel dort
+ Herbot zur Erde: sie bebte dem Fall’, und Gerassel der Waffen
+ Scholl im Gefild’ umher. Laut schnaubend vor Angst und Entsetzen
+ Jagte Capellen herbei. Er both, vom Pferde gesprungen,
+ Solches dem Kaiser, und half ihm hinauf in den Sattel, er selber
+ Schwingend das Schwert mit Trautmansdorf, dem tapferen Helden,
+ G’en die umdrängende Feindesschar sich zur Wehre zu stellen.
+
+ Schon entfloh die Gefahr: ein Jauchzen erscholl um den Herrscher,
+ Als jetzt Herbots Volk sich ergab an die drängenden Scharen.
+ Aber er stand, und zitterte. Schnell, empört von dem Anblick
+ Dieses Gewaltigen, der das Leben des Kaisers bedrohte,
+ Sprengten die zürnenden Krieger herbei, an ihm Rache zu üben;
+ Doch der Erhabene rief: „Zurück, verschont ihn: er lebe!
+ Das sey ferne, daß ich bestrafe den tapferen Ritter,
+ Der so kühn sich erwies, nicht Tausende scheuend, im Angriff:
+ Heute noch komm’ er nach Wien in ehrenvolle Gewahrsam.
+ Trautmansdorf, dir dank’ ich das Leben, nach Gott! Nicht zum Boden
+ Wende den Blick jetzt mehr, noch einmal die Opfer zu sehen,
+ Die es dich kostete! Fort, zur Rechten hinab, und entbiethe
+ Albrecht schnell: er stürm’ in den Feind; du stehe zur Seit’ ihm
+ Dann mit gewaltigem Arm, ein rettender Schild in Gefahren!
+ Eilt nun all’ an’s Werk! ich bin geborgen; erhebt euch!“
+ Alle jagten davon; nur einer -- unglücklicher Vater,
+ Nur du allein verweiletest noch, und sah’st auf die Todten,
+ Uebergebogen, hinab; dann gabst du dem Rosse die Spornen!
+ Ach, und das Augenpaar des umschauenden Kaisers erglänzte,
+ Thränenumhüllt! Doch jetzt aufschwang er den Degen: von Marchecks
+ Thurm ertönten mit stürmendem Ruf die Glocken, und blutroth
+ Flatterte dort in die Luft die thatengebiethende Sturmfahn’;
+ Bald erscholl ringsum Geschrei und verwirrtes Getümmel.
+
+ Ottgar zögerte noch. Umsonst ermahnte der Greis ihn,
+ Jammernden Lauts, getäuscht von Herbots Kühnheit, und sagte:
+ „Sieh’, wie dort rechts hin die Reisigen stürmen, das Fußvolk
+ Rasch vordringt! Nun gilt’s: entscheide den schrecklichen Kampf du!“
+ Aber der König begann: „Fürwahr, wir tauschten für heut schon
+ Art und Gemüth: du kühltest die Gluth sonst mir in dem Busen,
+ Kaltvorschauend, und heut’, empört zu Feuer und Flammen,
+ Hast du nicht Ruhe, nicht Rast. Bald tönt der ersehnete Ruf dir.“
+ Dann begann er noch leise für sich in sinnender Schwermuth:
+ „Wallstein, ach, ich schau’ in des Sieges Gefilden dich nimmer!“
+ Lobkowitz schwieg. Doch sieh’, nun hemmte die stürmenden Krieger
+ Milota’s Feldherrnwink! Er dacht’, ergrimmend im Geist, so:
+ „Jetzo der Thaten genug, daß mir vertraue der König.
+ Ist’s nicht klar? Er sann mir heute den sicheren Tod nur,
+ Als er mich ehrend erkor: ich lebe noch, ihm zum Verderben.“
+ Dacht’ es, und zog alsbald, schwachkämpfend, mit zögernden Schritten
+ Sich auf des Nachhalts Reihen zurück. Ihn empörete Katwald,
+ Tapfer zu steh’n: umsonst, er wich! Doch, sausenden Flugs, war
+ Marbod den Völkern genaht, die am rechten Flügel, gehorchend
+ Albrechts Stimme, voll Heldenmuths, nach dem Kampfe sich sehnten.
+ Hochberg, der den Zürchern geboth, ersah er, und rief ihm:
+ „Schreie: „Der Feind entflieht!“ Gar mächtig ertönet dein Ausruf.“
+ Hochberg schrie: „Der Feind entflieht“ mit gewaltiger Stimme,
+ Die zum Kern des Heers, und hinaus zum äußersten Flügel
+ Donnerte. Bald erscholl’s von tausenden Stimmen auf einmal:
+ „Holla, die Feind’ entflieh’n!
+ Sie flieh’n -- die Feinde, sie fliehen!“
+
+ Ottgar horchte dem Ruf mit kalthinstarrendem Blick’ auf;
+ Wandte das Roß, und sprach zu Lobkowitz: „Wahrlich, vermuthend
+ War ich des Unfalls mir: denn höre des Herzens Geheimniß!
+ Jüngst, in der furchtbarn Zeit des mitternächtlichen Grauens
+ Hieß ich, im dunkelen Eichenhain, die Alrune,[3] des Schicksals
+ Hehre Verkündigerinn durch Bothen befragen; sie gab mir
+ Antwort: Ottgarn winkt an Stillfrieds Marken das Ziel schon!
+ Dort ist der Sieg mir gewiß; wir wollen uns fechtend zurückzieh’n!“
+ „Herr, nicht der Hölle vertrau’,“ so rief der jammernde Greis auf,
+ „Gott vertraue -- dir selbst, und deinen gewaltigen Kriegern!
+ Noch steht Sachs und Bayer im Kampf; noch nichts ist verloren.
+ Wolle mit Ernst den Sieg, er ist dein: o komm’, und erring’ ihn!“
+ Aber er trabte zurück. Ihm folgten am Fuße die Scharen
+ Milota’s, der in dem Nachzug noch voll täuschenden Eifers,
+ Selbst abwehrte, zum Schein, die raschnachrückenden Gegner.
+
+ Bald erscholl auch drüben Geschrei, wo Bayern und Sachsen
+ Kämpften im Waffengefild, geführt von dem tapferen Herzog
+ Heinrich, und Zierotin, dem kraftgerüsteten Helden:
+ Denn Matthias, der Hort magyarischer Krieger, ersehend
+ Oben am ragenden Thurm die blutrothflatternde Sturmfahn’ --
+ Hörend der Glocken Getön’, erhob sich in Eile von Schönfeld,
+ Mit zermalmender Macht dem Feind’ in die Seite zu fallen.
+ Vor zu des Rosses Mähne gebeugt, den blitzenden Säbel
+ Schwingend in kräftiger Faust, hinbraus’ten die Reiter, und hieben
+ Links, rechts, ein: bald lagen die Leichen gesä’t in dem Blutfeld,
+ Wankten die Gegner, und floh’n, verfolgt von den Gegnern in Hast fort.
+ Rastlos eilte der König dahin im sinkenden Nachtgrau’n,
+ Bis er nach Dürnkrut kam in das Lager, das er noch letzthin,
+ Stolz vor Siegeshoffnung, verließ -- nun trotzig begrüßte:
+ Denn er dachte des Siegs am nächstaufstrahlenden Morgen.
+ Doch bis Ebenthal, dem einsamen Schloß’ an dem Waldthal,
+ Führte der Kaiser sein Heer, und ruht’, umlagernd, im Feld dort.
+ Ganz verhallte des Tages Lärm, und vom nächtlichen Himmel
+ Sah’n die Sternenheer’ auf die schlummernden Völker herunter.
+
+
+
+
+ Zehnter Gesang.
+
+
+ Abendröthlich erglänzt der schnellentgleitende Rheinstrom;
+ Völlig verhallte der Sturm; nur liebliche Lüftchen bewegen
+ Manchmal, leis’umsäuselnden Flugs den ergossenen Spiegel
+ Seiner Gestade, wo links und rechts, von dunklen Gebüschen,
+ Wäldern, und Höh’n, nun hochaufragende Thürme der Burgen,
+ Nun hellschimmernde Städt’ und Gotteshäuser sich heben,
+ Und ihr Bild in die spiegelnde Fluth von oben nach unten
+ Kehren, gewiegt von dem Zuge der raschforteilenden Wellen.
+ Wechselnd, von einem zum andern Gestad’ durchkreuzen der Vögel
+ Singende Scharen die Luft, und ziehen dem schauernden Wald zu.
+ Abendglockengetön, vermengt dem Blöcken der Heerden
+ Schallet die Ufer entlang, als jetzt an dem wölbenden Himmel
+ Auf sich schwingen die goldenen Stern’; umschattendes Dunkel
+ Ruh’ auf die Welt umher verbreitet, und jeglicher Laut stirbt.
+ Von Schafhausen allein tönt Donnergetös’, in des Abends
+ Stille hörbarer noch dem Ohr: wo im schwindelnden Jähsturz
+ Sich von dem Klippendamm hinab zum versunkenen Strombett
+ Stürzt die gewaltige Fluth, aufschäumt an den Felsen, und dorther
+ Schauernden Nebelqualm in die Haine hinaus, und die Thäler
+ Sendet im Windeshauch’, unendlichen, ewigen Eilflugs.
+
+ Sieh’, ein Ritter kam aus fremden Landen gezogen!
+ Eilig trabt’ er die Straße herab, und ihm folgte der Knappe
+ Fern, ermattet der Last der Wanderung. Aber den Ritter
+ Trieb herzinniges Leid und der Heimath glühende Sehnsucht.
+ Als er im Abendlicht, hervor aus dem dunkelen Eichwald
+ Kommend, vor sich das weitverbreitete Land, und inmitten
+ Fluthen sah den ersehneten Rhein, da hielt er das Roß an;
+ Sprang aus dem Sattel herab, warf sich, erschüttert, zum Boden,
+ Netzt’ ihn mit Thränen, und stand, in des Anschau’ns Wonne versunken.
+ Hartmann war’s, der jetzo dem Strom sich nähernd, und kehrend
+ Heim in das Vaterland, die trauten Gefilde begrüßte.
+ Drüben am linken Gestad’, ersah er das freundliche Städtchen
+ Rheinau, welches der Rhein im kreisenden Lauf, sich nach Osten
+ Wendend, umfließt. Dort baute (so künden die Sagen der Vorzeit)
+ Sorglich das Gotteshaus Funtan, der Heilige,[1] Schottlands
+ Königen blutsverwandt, den Brüdern von Monte-Cassino,
+ Als er, ein Pilger, dort die Stelle, vom Geiste getrieben,
+ Endlich fand, wo allein der Strom nach Osten den Lauf kehrt.
+ Hartmann sah vom Gestad mit bewegtem Herzen hinüber --
+ Sah im Geist noch hinaus weit über die Berge, des Aargau’s
+ Liebliches Thal, und dort von dem Felsenhügel die Habsburg
+ Ragen aus dunkeln Tannen empor in die Luft, und herunter
+ Schau’n auf die Fluthen der Aar,
+ die ihr, eilenden Laufes vorbeirauscht.
+ Zwar vermißte sie jetzt die trauten Gebiether: der Vater
+ Fern (er tauschte den Grafenhut mit der Krone der Kaiser)
+ Todt die Mutter -- von ihm die holden Geschwister geschieden.
+ Er, der Unglückliche, kehrt allein, in einsamer Stille
+ Dort zu erreichen das tröstende Ziel der irdischen Wand’rung.
+
+ Doch nun rief er, bewegt, dem spätnachfolgenden Knappen:
+ „Mangold, fasse das Roß an dem Zaum’, und führ’ es mit Vorsicht
+ Ueber die Brücke zur Stadt; bald folg’ ich dir nach in die Herberg!“
+ Mangold faßte das Roß an dem Zaum, und führt’ es mit Vorsicht
+ Nebenher, dem seinen gesellt, hinüber nach Rheinau
+ So, daß die Brück’, entlang, erst laut, dann leiser und leiser
+ Unter dem eisernen Huf fortpolterte, bis zu dem Land hin.
+ Hartmann weilete noch. Er saß in Trauer versunken,
+ Dort auf dem Felsenriff, das sich auf die Fluthen hinüber
+ Beugt; sah oft nach den Wellen hinab, wie sie rollten, und eilten
+ Rastlos fort in des ewigen Meers verschlingende Tiefen,
+ Und gedachte mit Trost der eilenden Tage des Lebens.
+ Sieh’, nun hob sich vor ihm der Mond in des Himmels Gezelt auf;
+ Hellte die Nacht, und zog in grünlichen Goldes Gefunkel
+ Quer auf dem dunkelen Strom die flimmernde Straße hinunter,
+ Der er, bewegt, nachsah, bis dort zu dem äußersten Rand hin,
+ Wo das Gestirn sich scheitelrecht in den helleren Fluthen
+ Spiegelte. Dort winkt’ ihm (so däucht’ es ihn) freundlichen Blickes,
+ Jenseits her aus ätherischem Glanz die liebende Mutter.
+ Ach, er streckte die Arme nach ihr mit stöhnender Brust aus;
+ Beugte die Stirn’, und ihm sank die heimliche Thrän’ aus den Augen!
+ Jetzo fuhr ein Kahn rasch über den schimmernden Mondpfad;
+ Muntere Stimmen erreichten sein Ohr. Herüber von Rheinau
+ Kehrte nach Eglisau, der Vater mit seinem Erzeugten,
+ Der, ein Fischer, dahin die Beute der Netze getragen,
+ Und seit Jahren umher auf dem fischdurchwimmelten Rheinstrom
+ Ruderte. Nun verfehlt’ er, getäuscht, des Zieles: der Kahn schlug,
+ Von der Strömung gerafft, an dem Joch der gewaltigen Brück’ um,
+ Barst entzwei, und die Zween verschlang, so mächtig sie kämpften,
+ Schrie’n, und riefen, die Fluth.
+ Nicht der lastenden Rüstung gedenkend,
+ Nicht der grausen Gefahr, aufsprang der edele Ritter
+ Auf das Angstgeschrei nach Rettung jammernder Menschen;
+ Lief das Ufer entlang, und warf sich hinab in die Strömung,
+ Als der Junge hervor aus der Fluth die Rechte gehoben;
+ Aber nicht rettet’ er ihn, und fand in dem brausenden Abgrund
+ Dort das Ziel des schwermuthvoll entschwundenen Lebens.[2]
+
+ Ach, nicht ahnte des theueren Sohns unglückliches Schicksal
+ Rudolph noch, der fern im Zelt, von den Helden umgeben,
+ Saß beim erquickenden Mahl, nach unsäglicher Mühe des Tages!
+ Draußen, von Lagerfeuern erhellt, verlor sich des Himmels
+ Nächtliches Grau’n; Geschrei und Gelärm erscholl mit dem Wehruf
+ Blöckender Lämmer und Schaf’, und des dumpfaufbrüllenden Rindes:
+ Denn die Krieger besorgten das Mahl in geschäftiger Sorgfalt:
+ Jetzo das Fleisch in der siedenden Fluth, die im räumigen Kessel
+ Brodelte, wohl mürbkochend, und jetzt es auf kreisenden Spießen
+ Bratend so, daß der Wohlgeruch weit das Lager erfüllte.
+ Auch ermangeln sie nicht des herzerfreuenden Weines,
+ Oder des Brots; nicht des Habers und Heu’s die munteren Rosse:
+ Denn des Heers Marschalk, der Breuner, hatte genügend
+ Alles und Jedes zur Stelle geschafft für die dauernde Kriegszeit,
+ Und stets lauter erscholl auftobende Freud’ in dem Lager.
+
+ Drinnen im hellerleuchteten Zelt, von den Helden umgeben,
+ Harrte der Kaiser zuvor des blühenden Königs der Ungern,
+ Dem er den Herold gesandt, als dort vom Lager vor Marcheck
+ Sich das siegende Heer erhob, die geworfenen Scharen
+ Ueber den Weidenbach voll drängender Hast zu verfolgen.
+ An dem Gestade der March, wo, g’en Hochstätten, im Halbkreis
+ Sich hinwindet der Fluß, aufragte die Kuppe des Felsens,
+ Der vor grau’n Jahrhunderten schon den Völkern zum Markstein
+ Dienete, jetzt dem Zelt des lebensfreudigen Königs
+ Kühlenden Schatten both, und, ferne geseh’n, in der Umwelt
+ Alles dem spähenden Auge verrieth. Dort fand ihn der Herold
+ Sitzend im munteren Kreis’ der Zitherspieler und Sänger,
+ Die von dem Heldenzug der Ahnen herüber nach Ungerns
+ Reichem Gefild’ und der Thatenkraft gepriesener Führer
+ Sprachen im jubelnden Lied’; auch rühmten darauf: wie im Feld’ erst,
+ Kämpfend mit nieu erschütterndem Muth, des verbündeten Kaisers
+ Macht die Feinde bestand, und, gleich dem brausenden Sturmwind,
+ Der auf der Heid’ im Herbst die verdorrten Disteln dahinjagt,
+ Trentschins ruhmverherrlichter Held dann ihnen im Rücken
+ Lag mit mordendem Stahl, als all die Scharen zerstoben.
+ Aber so laut der König sich d’rob erfreute, so gönnt’ er
+ Dennoch dem Kunen den Ruhm vor dem Unger im heimlichen Busen,
+ Und ergrimmte noch mehr, daß ihm Kaduscha heute zurückstand.
+ Hastig nahet’ ihm Meyenberg, der Herold, und sprach so:
+ „Herr, dein Herz erfreue der Ruhm des herrlichsten Sieges,
+ Den dein tapferes Volk mit raschentscheidender Thatkraft
+ Uns erringen half. Zum Kriegsrath ruft dich der Kaiser,
+ Und zu dem fröhlichen Mahl nach des Tags ermüdender Arbeit.“
+ „Gern,“ erwiederte jener, voll Hast, „hineil’ ich in’s Lager
+ Meines erlauchten Verbündeten, der so edel gesinnt ist.“
+ Sagt’ es, und schwang sich auf’s Roß, im Gefolg kumanischer Reiter,
+ Ebenthal zu erreichen im Flug, wo im schimmernden Zeltraum
+ Rudolph, heldenumschart, sein harrete. Wie er dahinflog,
+ Fuhr der Staub zum Gewölk, erregt von den stampfenden Hufen.
+
+ Alle gehorchten dem Ruf des erhabenen Kaisers: nur Einer --
+ Kaduscha war nicht zu schau’n. Empört von dem Glücke des Helden
+ Von Trentschin, entboth er zu sich zweitausend der Reiter:
+ „Ha,“ so sprach er, „was sollen wir hier, mit den Deutschen verbündet,
+ Nutzlos opfern das Blut, da jüngst den lohnenden _Woldan_[3]
+ Wie er den Raubritt hieß, uns grausam der Kaiser verwehrte?
+ Auf, wir zieh’n nach Günß, den tapferen Iwan[4] zu retten,
+ Den jetzt Bertholdsdorf, der Kammerer, stürmend, bedränget,
+ Innen im Raum der gewaltigen Burg! Wir entsetzen die Festung
+ Schnell mit würgender Faust, und erlösen den tapferen Grafen:
+ Dann soll Oestreich bald, verheert, und geplündert, mit Schrecken
+ Schau’n von nah’ und von fern aufflammende Dörfer und Städtchen;
+ Aber wir kehren, beschwert mit reichlicher Beute, zur Heimath.“
+ Laut aufjauchzten sie ihm, nach Beute begierig, und zogen
+ Schnell g’en Heunburg fort, der Donau Fluthen hinüber,
+ Ueber die Brücke, die Albrecht jüngst erbaute mit Sorgfalt;
+ D’rauf gewahrten sie bald den Neusiedl-See, und die Mauern
+ Oedenburgs, und eileten rasch nach den Höhen von Günß hin.
+
+ Doch schon hatte der Kaiser, vereint mit seinen Erwählten,
+ Mit vorschauendem Blick des Angriffs Weisen erwogen;
+ Manchen erforscht, und dem Forschenden gern mit würdiger Sanftmuth
+ Klaren Bescheid ertheilt: bis all’, einmüthig, ihm Beifall
+ Zollten; die Ordnungen, Zahl,
+ und die Stellung der Völker im Schlachtfeld
+ Jeder gar trefflich fand, und jeglicher Zweifel entfloh’n war.
+ Siehe, nun scholl des Rosses Huf von der Straße herüber.
+ Jene horchten erstaunt; da sprach, sanftlächelnd, der Kaiser:
+ „Alle vermißet ihr hier nur ungern Hugo von Tauffers,
+ Jenen gewaltigen Greis, bei’m herzerheiternden Spätmahl.
+ Wahrlich, viel erduldet’ er jetzt, in der engenden Festung
+ Müßig zu steh’n, der stets im Gemenge der eisernen Waffen
+ Rasch vortummelt das Roß, und allwärts ist, wo Gefahr dräut!
+ Ich entboth ihn in’s Feld, dem jüngst verwundeten Helden,
+ Ortenburg, vertrauend die Vest’, und er folgte dem Ruf bald.“
+ Als er’s sprach, da trat der muntere Greis in das Zelt ein;
+ Grüßte den Kaiser zuvor, und den blühenden König der Ungern;
+ Dann die tapferen Helden umher mit feurigen Blicken,
+ Setzte sich hin, und begann: „Fürwahr, ich wähnte: verrosten
+ Müßte mein tüchtiges Schwert in der dunkelen Scheide für immer,
+ Und ich daheim Geschriebenes nur aus dem Munde des Mönchleins
+ Hören: von Thaten des Kriegs und euern errungenen Lorbern!
+ Aber als gütigen Herrn erwies dem alten Gesellen
+ Haug der Kaiser sich stets: sein dacht’ er auch jetzo mit Huld nur.
+ Kaduscha sah ich zuvor an der Spitze des reisigen Volkes
+ Treulos flieh’n; er gab, hohnlachend, den kurzen Bescheid mir:
+ Iwan weih’ er sein Schwert; euch wünsch’ er Glück in dem Siegslauf.“
+
+ All’ aufhorchten mit Staunen dem Wort; doch glühendes Roth fuhr
+ Jetzo mit wechselndem Weiß in die Wangen des Königs von Ungern,
+ Und ihm blitzte der Zorn aus den halbgeschlossenen Augen;
+ Dennoch besann er sich schnell; both dann die Rechte Matthias
+ Von Trentschin, und sprach: „Du sey des Heeres Gebiether
+ Mir hinfort! Obgleich vom Geschlechte der Kunen geboren
+ Mir die Mutter ward; ich die Liebe des Kun’s aus der Brust ihr
+ Sog als wimmerndes Kind, und, zum Jüngling gereift auf dem Todbett
+ Noch ihr schwur auf die pochende Brust: so will ich den, Unger,
+ Reuig erwägend die Schuld der dauernden Geistesverblendung,
+ Vorzieh’n jetzt dem Treulosen, der mich verließ, und nicht schmähen
+ Fürder das edlere Blut des throngebornen Erzeugers.“
+ Jener erhob sich mit Würde vor ihm, und beugte die Scheitel,
+ Schweigend, zum Dank. Doch, als im schlachtentscheidenden Kriegsrath
+ Für den bald aufdämmernden Tag Alljedes besorgt war,
+ Saß der Kaiser im Heldenkreis’ bei dem fröhlichen Nachtmahl
+ Heiteren Blicks, und sprach, umschauend, zu Diesem und Jenem:
+ „Laßt euch Lagerkost, ihr Herrn, genügen: für jetzt noch
+ Sind der Gerichte nicht viel’, doch würze die wenigen Frohsinn!“
+ Lautes Gemurmel erscholl in dem Zelt. Geschäftige Diener
+ Reichten die Speisen herum: das dampfende Muß, aus dem Vorrath
+ Zartesten Mehles gekocht; dann wildes und zahmes Geflügel,
+ Wohlgebraten am Spieß mit dem Rücken des jährigen Rindes,
+ Und, zum kräftigen Brote zuletzt, der Sitte geziemend,
+ Goldenen Honigseim, wie solcher dem Deutschen ersehnt war.
+ Andere trugen die Fluth des köstlichen Weins in den Krügen
+ Freundlich herum, und füllten den Bauch der räumigen Humpen,
+ Die vor jeglichem Gast’, aus schimmerndem Erze getrieben,
+ Standen, nach Herzenslust bei dem Nachtgelage zu trinken.
+ Lauter und feuriger ward das Gespräch, und bewegter das Kriegszelt.
+
+ Aber der Kaiser sah mit lächelndem Wink nach dem Ritter
+ Müller, dem Zürcher, der im Kreise der Fröhlichen, immer
+ Heiteren Scherzes gedacht’, und jetzt zu Friedrich von Nürnberg
+ Also begann: „Herr Burggraf, sprecht: wie war’s denn vor Basel
+ Mit dem Gelehrten, da Ihr ihm Habsburgs Pfennig nicht gönntet?“
+ Jener kündete nun mit hocherröthenden Wangen:
+ Wie in dem dauernden Kampf vor Basel dem edelen Ritter,
+ Rudolph, both sein Werk: „Von den Kriegen der Römer und Deutschen --
+ So auch des Feldherrn Wissenschaft“ ein Gelehrter aus Straßburg;
+ Jener ihm schnell ein Goldstück gab mit der goldenen Kette,
+ Die von dem Hals ihm hing, und d’rauf, voll Gier, in den Büchern
+ Blätterte; wie er -- der Schwester Sohn, ihm solches verwiesen,
+ Da viel Geldes das Volk ihn kostete, viel auch der Kriegszug
+ Fortan heischt’. „Ach hört,“ so erzählt’ er dann, „wie mich Rudolph
+ Schalt! „Der herrlichste Lohn,“ so sprach er, „gebührt dem Gelehrten,
+ Der hochrühmliche Thaten beschreibt, und im Herzen den Muth weckt,
+ Sie zu vollbringen dereinst.“ Er säße wohl selber mit Freuden
+ Ueber den Büchern, so ihm nicht die Zeit ermangelte; lieber
+ Spendet’ er auch sein Gold auf ihn, der, dauernden Mühens,
+ Solche Schätze gehäuft, denn auf manchen untüchtigen Krieger.“[5]
+ „Wahrlich,“ so fiel ihm Müller in’s Wort, „kein wankendes Schilfrohr,
+ Das sich im Hauche des Windes bewegt, gewahrten die Gegner
+ Jemals an ihm, denn hört: der Regensberger vererbte
+ Auch an den Kraft von Toggenburg, der seines Geschlechts war,
+ Unversöhnlichen Haß g’en Habsburg. Feindlich umringten
+ Wir mit erlesenem Volk dort Uznach, die ragende Felsburg,
+ Und ein Krachen begann alsbald: denn laut und unzählbar
+ Flogen die Felsen nach ihr, von des _Antwerks_[6] mächtigem Wurfbaum
+ Hingeschnellt, das Ermel in Roth, der treffliche Meister,
+ Sinnig zu bauen, verstand. Auch die _Katzen_,[7] mit Erde bedecket,
+ Rasteten nicht, stets näher den Mauern gerückt, und die Krieger
+ Schirmend vor Feindesgeschoß, die im Sonnenlicht und im Nachtgrau’n
+ Schwangen die furchtbare Wucht des mauerzertrümmernden Balkens.
+ Hundert Fuß aufragte der Stamm des mächtigen Eichbaums,
+ Den der Meister sich wählt’, und mit Eisen die Stirn’ ihm bewehrte.
+ Donnernd schlug er die Wand, von kräftigen Kriegern geschwungen.
+ Endlich rückten wir auch mit dem _Ebenhoch_[8] an die Zinnen:
+ Schleudernd von ihm zermalmende Blöck’ in die Mitte der Felsburg --
+ Auch mit Schwefel und Harz erfüllete, brennende Kugeln.
+ Doch ereilt’ uns d’rauf der grimmige Winter: verderbend
+ Hielt sich die Burg sechs Monden schon mit erlesenem Streitvolk.
+ Viele begruben wir dort der Unseren; viele vermißten
+ Wir an dem Morgen oft, die feig entwichen bei Nachtzeit;
+ Doch nie wankte noch Rudolphs Muth. Da warfen die Gegner
+ Lebende Fische heraus in das Lager, als spotteten sie noch
+ Seiner Gewalt. Er rief: „Ermannt euch: unser ist Uznach!“
+ Also geschah’s. Er drang bei Nacht mit wenigem Volk nur
+ Ein durch den Mauerbruch, und eröffnete herzhaft das Thor selbst.
+ Unserm würgenden Schwert’ erlagen die Gegner, und alsbald
+ Fiel auch die Burg, zerstört, auf den Wink des Helden von Habsburg.“
+
+ Laut umtönt’ ihn einhelliger Ruf: „Hoch lebe der Held uns!“
+ Doch nun sah ihn zugleich der blühende König der Ungern
+ Traulicher an, und sprach: „Stets bist du wohl glücklich gewesen?
+ Denn ein heiterer Geist wohnt dir in den freundlichen Augen.“
+ Jener begann: „Nicht also: denn vieles erduldet’ ich seither,
+ Ander’n Sterblichen gleich, im wechselnden Laufe des Lebens;
+ Leidengeübt erkenn’ ich das Maß auch der härtesten Leiden
+ Anderer; doch, ich lernete dem, was über uns waltet,
+ Frühe mich fügen; hab’ treu an des Heilands Lehre gehalten,
+ Die uns gewiß, denn einzig wahr, hienieden und jenseits
+ Leitet zum dauernden Glück. Mit Dank genoß ich des Guten;
+ Setzte dem Schlimmen ein Ziel durch Geduld;
+ stets ehrt’ ich die Wahrheit;
+ Meine Wege befahl ich dem Herrn, und schau’ in des Grab’s Nacht
+ Ruhigen Blicks: mir winket aus ihr das ewige Lichtreich.“
+ Sagt’ es, und sah, bewegt, nach Albrecht, seinem Erzeugten,
+ Der an den Lippen des Vaters hing, und weinte, hinüber.
+ Stiller wurd’ es im Zelt, da rief mit umschallender Stimme
+ Lichtenstein: „Was soll uns der Ernst bei der fröhlichen Mahlzeit?
+ Morgen ruft uns die Schlacht mit donnerndem Laut’, und des Frohsinns
+ Jubel verhallt. Wer kehret, wer nicht? Weß’ Sitz an dem Tisch hier
+ Leer ist bei’m künftigen Mahl: das steht uns zum Glück noch verborgen;
+ D’rum genießet des Augenblicks, eh’ er schwindet auf immer!
+ Soll dieß herrliche Fest des Sängers ermangeln? Er harret
+ D’raußen nur eures Winks: der gemeinsamen Freude gedacht’ ich.“
+ „Sage mir an,“ sprach Rudolph jetzt, „weß’ Landes und Volkes
+ Rühmt sich dein Sänger? Bekannt sind mir die Weisen der Meister:
+ Denn mir waren sie stets ersehnete Gäste; so mancher
+ Wallte zur Habsburg hin, und geehrt ging jeder von dannen.
+ Gierig horcht mein Ohr den zaubergewaltigen Männern:
+ Denn mit frischerem Grün bekleidet ihr Sang in dem Winter
+ Selbst, den entblätterten Wald, und mit Frühlingsblumen die Matten,
+ Die der herbstliche Wind versengt’: auf den nebligen Himmel
+ Sä’t er glänzende Stern’ umher, und weckt in des Menschen
+ Fühlender Brust, gar mächtig die Ahnung der schöneren Zukunft,
+ Der hier unter dem Druck der Gegenwart, wie erstarret,
+ Ach, nach jener, so oft, mit inniger Liebe sich sehnet!
+ Eilt, und führt ihn herein den werthen Gast bei dem Mahl hier.“
+ Jener eilte hinaus; dann kehrt’ er, und sagte dem Herrscher:
+ „Nicht unrühmlich bekannt ist Hornecks[9] Name, des Sängers,
+ Der aus der Steyermark entsproß, und in blühender Jugend
+ Fort nach Deutschland zog an den Hof des würdigen Bischofs,
+ Werner von Mainz, wo ihm Rotenburg zum Meister geworden.
+ Aber ihn drängte das Herz: ein redlicher Hirte der Schäflein
+ Seines Heilands zu seyn, und er weidete solche mit Sorgfalt,
+ Jahrlang, bis ihm die Feder zugleich und das Siegel der Bischof
+ Wieder vertraut’. Er starb, und Horneck kehrt’ in die Heimath:
+ Erst dem Sänger des _Frauenbuch’s_,[10] deß’ Sohn ich mich rühme,
+ Sich zum Frommen zu weih’n: dann mir, als jener gestorben:
+ Denn mit unsäglichem Fleiß, in zierlichem Reim die Geschichten
+ Schreibend, folgt er mir treulich nach im Krieg’ und im Frieden.“
+ Doch nun trat im langen Talare der heilige Sänger
+ Leise herein. Er trug die tönende Harfe mit Vorsicht
+ Unter dem Arm, und grüßte die Schar -- vor allen den Kaiser
+ Tief, und mit innigem Blick’. Erstaunt besann der Beherrscher
+ Deutschlands sich. Ihm schien: als hätt’ er ihn früher gesehen;
+ Nur vom lastenden Alter gebeugt, und ergrauet an Haaren
+ Stand er, ein Fremdling, vor ihm. Da ließ er mit freundlichen Mienen
+ Auf den niedrigen Stuhl am Zelteingange sich nieder;
+ Langte die Harfe hervor, und fuhr mit flüchtigen Fingern
+ Ueber die Saiten dahin, die herzerschütternden Lautes
+ Töneten. Still ward’s d’rauf in dem Zelt, und es stockte der Odem
+ Allen umher in der Brust, da er jetzt den feierlichernsten,
+ Heiligen Sang begann im Klange der bebenden Saiten:
+
+ „Laut erbrauset der Sturm, und jagt tiefhangende Wolken
+ Ueber die finsteren Berge hinaus. Der laubige Hochwald
+ Trieft, der Gießbach rauscht, vom dauernden Regen geschwollen.
+ Sieh’, dort ruhete nun, aus dem Sattel gestiegen, ein Ritter,
+ Nach ermüdendem Weidwerk aus. Von dem heiteren Antlitz
+ Strahlt ihm der Heldenmuth -- aus den bläulichen Augen die Wahrheit,
+ Liebe, und Treu’. Er sah in die Fluthen: sie saus’ten, und braus’ten,
+ Eilten im Fluge dahin, und er dachte des fliehenden Lebens.
+ Aber der Rappe scharrt; laut winselt der gierige Schweißhund:
+ Denn kein Wild auftrieb er im Forst, und der Ritter erhebt sich
+ Heim zu zieh’n in die Burg, wo sein die Liebenden harren.
+ Jetzt erreicht Geklingel sein Ohr. Von dem finsteren Wald her
+ Naht dem Ufer ein Priester des Herrn: im schimmernden Chorrock,
+ Und mit goldener Stol’ an der Brust, nachschreitend dem Meßner
+ Eilig, das Engelsbrot zu dem sterbenden Manne zu tragen.
+ Doch jetzt schaut er, voll Angst, umher: denn siehe, der Gießbach
+ Schwemmte den Steg aus dem Grund’, und drüben aufjammert die Hausfrau:
+ Hörbar poche der Tod an der Thür’, und es lechze der Gatte
+ Nach der Labung, die ihn auf die Reis’ in die Ewigkeit stärke.
+ Schnell entblößt’ er die Füß’ an des Ufers felsigem Abhang,
+ Dort die rauschende Fluth kühn durch zu waten, entschlossen.
+ Aber der Ritter kam in Eile herüber, und both ihm --
+ Erst anbethend den Heiland der Welt, das gesattelte Reitroß
+ An zu heiligem Dienst, und kehrte, vergnügt, zu den Seinen.
+ Als der Abend sank, und die Welt in rosigen Schimmer
+ Hüllete, sieh’, da führte der Priester das Roß an dem Zügel
+ Ueber den Burghof her, und sagt’ es dem Ritter mit Dank heim!
+ Aber er sprach: „Was dünkt dich? Nein, nicht diene dieß Reitpferd
+ Fürder zu schnödem Gebrauch, das meinen Erlöser getragen:
+ Denn nun sey’s der Kirche des Herrn mit dem Feld’ an dem Weiher
+ Frei geschenkt, daß hinfort kein Wildbach mehr auf den Pfaden
+ Jenes unwirthbaren Raums, in dem heiligsten Amte dich hemme!“
+ D’rauf der Priester begann: „So vergelt’ es dir Gott, der Erbarmer,
+ Edeler Herr, was du mit erbarmendem Sinn an dem Diener
+ Seiner Kirche gethan: stets mög’ es dir glücklich ergehen!
+ Ha, mir sagt es der Geist, und ich irre nicht -- sey dieß Geheimniß
+ Dir in den Tiefen des Herzens bewahrt: dir zieret die Scheitel
+ Würdig dereinst die Krone des heiligen, römischen Reiches!
+ Herrschen wird dein Geschlecht auf dem herrlichsten Thron’
+ in die Zukunft
+ Endlos hin. Dein dauernder Ruhm erfüllet den Erdkreis!“
+
+ Endete so: da sah’n zugleich die versammelten Helden
+ Staunend, dem Kaiser in’s Aug’, und erkannten des Grafen von Habsburg
+ Fromme That enthüllt, die er stets verschwiegen voll Demuth.
+ Aber er stürzte herbei, und drückte mit heißer Umarmung
+ Lange den heiligen Greis an die Brust; dann rief er bewegt so:
+ „Wahrlich, du bist’s, Ehrwürdiger, der an dem rauschenden Gießbach
+ Mir mit dem Herrn erschien, dort Glück und Segen zu spenden!
+ Möge die ewige Huld dir hier und dort ihn vergelten!“
+ Jener beugte die Stirn’ auf Rudolphs Hand, ihm die Thränen
+ Bergend, und wankte hinaus in dem einsamen Zelte zu ruhen.
+ Auch die Helden, gesammt, enteileten: denn an des Morgens
+ Tod- und lebenentscheidende Schlacht ermahnte der Kaiser
+ Sie mit erglühendem Aug’: „O denket,“ so sprach er, „des Morgens,
+ Der uns im eisernen Felde vereint. Im Sieg’ ist die Freiheit,
+ Wohlfahrt, Ruhe und Glück viel Tausender: denket des Sieges!“
+ Aber erschütternd braust’ ein Ruf aus dem Munde der Helden:
+ „Ha, wir gedenken mit Gott zu erringen den Sieg in dem Blutfeld!“
+
+ Tief verstummte das einsame Zelt. Mit sinnenden Blicken
+ Ging der Kaiser umher; dann saß er wieder, und dachte
+ Noch des wechselnden Glücks der Sterblichen -- sah mit Ergebung
+ Himmelempor, und entschlummert’ im Schimmer der Lamp’
+ auf dem Lehnstuhl.
+ Aber nicht lang, da fuhr er, bewegt, zusammen (nicht wacht’ er,
+ Schlummerte nicht) ihm stand, verklärt in himmlischer Schönheit,
+ Hartmann, der liebende Sohn, vor den nachtumhülleten Augen,
+ Blickte lächelnd ihn an, und sprach: „In düsterem Zeitraum
+ Schieden wir, mein Vater! Mir ward auf dem irdischen Dornpfad
+ Jammer zu Theil, und ich weinete still: nicht gewahrend der Vorsicht
+ Mildumschlingende Hand, die allein zum lohnenden Ziel führt.
+ Ha, nun steh’ ich am Ziel! Gelös’t, und in himmlischer Klarheit
+ Liegen des Lebens Räthsel vor mir; versiegt ist der Thränen
+ Bitterer Quell’, und es jauchzt die entfesselte Seele vor Wonn’ auf.
+ Vater, traure nicht, wenn die Todesbothen dir künden:
+ „Hartmann starb in den Fluthen des Rheins: im rühmlichen Streben,
+ Retter zu seyn Unglücklicher!“ Schon ist die sterbliche Hülle,
+ Die ihn umgab, in dem Baseler Dom zu Grabe getragen,
+ Wo ihm ein Denkstein wird, auf immer zum ehrenden Zeichen.
+ Traure nicht. Ich, und die Mutter -- wir harren dein in Gefilden
+ Ewigen Glücks, bis treuerfunden am Ziel, wo entscheidend
+ Sinket die Wag’, und steigt, auch du, vor unsäglicher Wonne
+ Jauchzend, die Deinen ersiehst in seliger Wiedervereinung.
+ Denke der Alpenhöh’n, des Greises, und frommen Gelübdes,
+ Wenn in umdrängender Schlacht die Hoffnung des Sieges dir schwindet!“
+ Rudolph fuhr von dem Stuhl’. Er wähnte den fliehenden Schimmer
+ Noch an der Decke des Zeltes zu schau’n, und zitterte, starrend
+ Hin, den Gesichten der Nacht.
+ Dann rief er: „Ein furchtbarer Traum war’s:
+ Furchtbar und himmlisch zugleich!
+ Mein Hartmann lebt, und mich täuschte
+ Nur der Lamp’ aufflimmerndes Licht. O Herr, du bewahr’ ihn!“
+ Sprach so; streckt’ auf dem Lager sich aus, und entschlummerte wieder.
+
+ Aber nicht herrschte die Ruh’ und des Herzens Frieden in Ottgars
+ Zelt: denn eben kehrt’ er zurück aus dem finsteren Eichwald
+ Götzendorfs, und er wähnete noch: die Schrecken der Hölle
+ Rauschten hinter ihm her, im Gezisch’ unseliger Geister.
+ Furchtbar rollte sein Aug’, und seine geöffneten Lippen
+ Zitterten. Doch nun warf er das Schwert auf den drönenden Tisch hin,
+ Ließ sich nieder, und starrte mit düsterem Blick’ in des Oehldochts
+ Flimmernden Schein. Er eilte zuvor dem waldigen Thalgrund
+ Götzendorfs, im Grauen der Nacht, allein, und dem Heerweg
+ Fern’ auf dem schnaubenden Roß entgegen: des dunkelen Schicksals
+ Ruf noch einmal dort an dem schauerumflossenen Eichbaum,
+ Dem die Bewohner des Dorfs nur mit Angst und Schrecken vorüber
+ Eileten: denn stets scholl Gezisch um ihn her, zu vernehmen.
+ Dorthin bannt’ erst jüngst Drahomira, voll höllischer Arglist,
+ Einen täuschenden Spuk, zu verlocken den finsteren Ottgar,
+ Der um die Mitternacht hinwanderte, Gott zu versuchen.
+ Als er rasch auf den Baum losdrang, da trat ihm sein Engel
+ Unsichtbar in den Weg, und rief an das Herz ihm die Warnung:
+ „Wie, Verehrer des Herrn des Weltalls, Theuererlös’ter,
+ Willst du dem Vater der Lüge dich weih’n -- die unsterbliche Seel’ ihm
+ Selbst verschreiben zum Pfand für trugverhüllende Zeichen?
+ Kehre zurück; bereue die Schuld des entflohenen Lebens.
+ Mild erbarmt sich der Herr des Reuigen: eil’ ihn zu söhnen!“
+ Ottgar horchte bestürzt: denn zorngerötheten Blickes,
+ Sah der Unsterbliche jetzt nach dem Baume hinüber, und alsbald
+ Floh’n die finsteren Mächte davon. Ihr wildes Gezisch scholl
+ Laut um ihn her: er wandte das Roß, und im brausenden Eilflug
+ Kehrt’ er heim in das Zelt, von Angst ergriffen, und Schauder.
+ Als er dort beim Scheine der mattaufflimmernden Lampen,
+ Sinnend, saß: da scholl ein Getrab anstürmender Rosse
+ Näher. Nicht lange, so stand Kunegunde, mit flammenden Blicken
+ Schauend, vor ihm, und sprach: „Hast du die verhüllete Neigung
+ Deiner so theuren Tochter dir, zu dem herrlichen Jüngling,
+ Wallstein, früher gekannt, der jüngst in’s eigene Schwert sank,
+ Und ihr Herz verwundet im Zorn? Nie siehst du sie wieder.
+ Hedwig entfloh. Aus dem Kloster, ach, der ad’ligen Nonnen
+ Drüben im Ungerland kam mir die Kunde gesendet:
+ Eine Braut des Herrn, will sie in erkorener Stille
+ Leben hinfort. Schon hüllt ihr die liebliche Stirne der Schleier.
+ Schrecklicher, dein Werk ist’s: gar viel des Schlimmen erlebst du!“
+
+ Ottgar beugte das Haupt, und barg die thränenden Augen
+ Schnell mit den Händen vor ihr: von dem leise geahneten Schicksal
+ Seines theuersten Kindes bewegt. Er bebte, verstummend.
+ Doch sie sprach von neuem mit Hohn: „Im nächtlichen Grauen
+ Komm ich von Drösing heran: denn wer gewahrt’ in des Tages-
+ Licht nicht die Scham und die heimliche Wuth mir im glühenden Antlitz
+ Ueber die Flucht des Böhmenheers -- des tapfersten Heeres,
+ Das sein Hort: weh mir, daß ich Gattinn dem Feigen geworden,
+ Fliehen hieß in dem Augenblick des entschiedenen Sieges!“
+ „Weib, halt ein!“ schrie laut der Empörete, „kühn und entschlossen
+ War ich mein Leben lang, und feig ertrug ich als Gatte
+ Nur, die Launen des Weibs, das mir zum Jammer zu Theil ward.
+ Ach, die unfriedliche Ehe gebiert die herbste der Qualen!
+ Doch für jetzo hinweg mit eitlem Gezanke. Zu furchtbar
+ Dränget der Augenblick: nicht fern ist die Stunde der Schlacht mehr.
+ Fort noch heute g’en Prag! Ich sende dir muthige Scharen
+ Zum Geleit. Mit dir sey Gott! Kunegunde die Mutter
+ Meiner Kinder bist du! Erhabenes liegt in den Worten.
+ Halte sie wohl, die theuern! Gar viel ertrug ich des Schlimmen
+ Mit Geduld, um die Kindlein: denn mir fehlte der Sohn noch.
+ Ha, daß vielleicht, so mir die Heimkehr wird aus dem Kriegszug,
+ Schönere Tag’ uns blüh’n! Nur als Sieger siehst du mich wieder.“
+ Sagt’ es, und stand, verwendeten Blicks. Ihr rollten die Thränen
+ Ueber die Wangen herab: denn tief vorahnte sie’s: nimmer
+ Werde sie ihn mehr seh’n; doch scholl kein freundliches „Leb’ wohl!“
+ Ihr von den Lippen; sie ging, und schwang sich auf’s Roß,
+ von den Reitern
+ Dicht umschart, bald Prag, die herrliche Stadt zu erreichen.
+
+ Heftig bewegt, ging Ottgar jetzt im dämmernden Zeltraum
+ Auf und nieder, und sann. Schon längstentflohene Zeiten
+ Kehreten ihm, nun lieblich und hell, nun nächtlich und furchtbar,
+ Wieder im Bilde zurück, und ach, unendliche Wehmuth
+ Faßte sein Herz, als dort die dämmernde Helle des Nachtgrau’ns
+ Trauergewölk verschlang, und um ihn, verödet, die Welt lag!
+ Stöhnend streckt’ er zuweilen den Arm weit vor, und ersehnte
+ Heiß, zu entreißen dem Grab, was solches im Moder bedeckt hielt.
+ Seine Lippen bewegten sich dann, und lispelten Nahmen,
+ Ort, und Zeit umher in die Dämmerung. Willigen Herzens,
+ Wär’ er mit flehendem Wort vor Dem, und vor Jenem gesunken
+ Auf die Knie’, zu erringen den Wink ersehnter Verzeihung.
+ Doch, als Niemand war, der Antwort gab, und auf Erden
+ Alles, verstummt, und erstarrt, auf immer jegliches Mitleid
+ Ihm zu versagen schien: da hob er die furchtsamen Augen
+ Auf zu dem Himmel, und sah durch leis’aufquellende Zähren,
+ Zweifelnd, hin, bis jetzt, erschüttert, die bebenden Händ’ er
+ Faltete; dann, gesunkenen Haupts, auf die Kniee sich werfend,
+ Also begann: „O Herr, nicht geh’ in’s Gericht mit mir Armen!
+ Ringsum drängt mich die Schuld,
+ wie die Fluthen des schwellenden Bergstroms,
+ Und einstürzender Berge Geröll. Wo find’ ich Errettung
+ Einst vor deinem Zorn, Allmächtiger, wo, so dem Schuldner
+ Nur vergeltendes Recht, nicht auch Erbarmen zu Theil wird?
+ Doch Erbarmen mit mir, das, hart- und eiserngesinnet,
+ Ich nicht übt’ an den Menschen -- ein Mensch? Erhebe die Hand nur,
+ Furchtbarer, straf’ mich: denn ich hab’ es verschuldet, auf immer!
+ Dennoch nimmst du die Sühne noch an; barmherzig und gnädig
+ Bist du, o Herr, wenn reuig das Herz auf der irdischen Bahn noch,
+ Schmerzdurchdrungen, sie beut! Noch wandl’ ich auf ihr. Im Bewußtseyn
+ Schrecklichen Frevels, zu dem auf der schwindelnden Höhe des Thrones
+ Mich die gefährliche Macht und der feiggesinneten Schmeichler
+ Zauberruf hinriß, und des ungebändigten Herzens
+ Ehrgeiz, Stolz, und begierliche Gluth stets mächtiger drängte,
+ Will ich, läßt du mich leben, o Herr, mit reuigem Herzen
+ Sühnen die Schuld! Wie ich einst des Kreuzes heiliges Zeichen,
+ Siegend, zur Ostsee trug, und dort den verwilderten Heiden
+ Deines Nahmens Ruhm verkündigte, eifernd für Wahrheit,
+ Tugend, und Recht; wie dort das Herz bei jeglichem Guten
+ Höher im Busen mir schlug, und ringsum die heitere Schöpfung
+ Lächelte, weil in der Brust noch Frieden mir wohnte: so will ich,
+ Ein erneuerter Mensch, hinfort dir leben, und würdig
+ Wandeln vor dir, geschirmt von deiner allmächtigen Rechten!
+ Ha, der Morgen graut! Ich stehe g’en über den Feinden:
+ Jenem zumal, der mich verhöhnete -- mir in dem Herzen
+ Glühenden Haß und Rachsucht weckt’. Ich verzeih’ ihm: du heischest
+ Solches, mein Heiland, von mir zum Gehorsam. Im redlichen Kampf nur,
+ Den des Throns erworbenes Recht und die Liebe der Völker
+ Heiliget, will ich ihm steh’n, und anheim dir stellen mein Schicksal.
+ Gieb mir den Sieg, Herr! Doch nicht mein -- dein Wille geschehe!“
+
+ Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht
+ Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.
+
+
+
+
+ Eilfter Gesang.
+
+
+ Zweifelnd rang der Tag mit der Nacht, und im schauernden Zwielicht
+ Ruhte die Erde, noch rings vom holden Schlummer umfangen,
+ Als das schreckliche Paar der Meerenberger in’s Lager
+ Kehrete. Dort an dem Pfad, der, längs dem duftenden Weinberg,
+ Immer höher sich hebt, und erst an dem felsigen Hügel
+ Schwindet, von welchem der Rabenstein empor in die Luft ragt,
+ Standen die Rachebrüder, vereint zu entsetzlichen Thaten,
+ Schon drei Stunden lang, und sah’n mit finsteren Blicken
+ Bald nach dem Hochgericht, bald einer in’s Auge dem andern,
+ Das, wie der Blitz aufflammt in dem Nachtgrau’n, öfters erglühte
+ Vor dem gewaltigen Drang des grimmgesättigten Herzens.
+ Aber da sprach der ältere so zu dem jüngeren Bruder:
+ „Siehe, der Morgen graut; schon bin ich gefaßt, und entschlossen!
+ Komm: die Vorhuth harrt, der wir uns entzogen.“ Und jener
+ Sagt’, erweicht: „Noch ist das Entsetzliche, dem ich erbebe,
+ Nicht gescheh’n; noch stehen wir fern dem gekröneten Gegner,
+ Den ich zu morden schwur in der offenen Schlacht, in des Tempels
+ Heiligthum, und in dem stillen Gemach, wie solches das Glück mir
+ Günstig beut. Bereit ist die Rach’, und der schändlichste Frevel
+ Heischt sie mit Recht, und doch -- ich könnt’ ihm verzeihen!
+ Nicht zürne
+ Theurer, mir ob dem Wort’, er sinkt: ich könnt’ ihm verzeihen!“
+ „Wie,“ so entgegnete jener voll Wuth, „das verhaßteste Wort kam
+ Dir von den Lippen: verzeih’n? Sieh’ hin nach dem Baume des Fluches!
+ Ist er nicht jenem gleich -- vielleicht daß die höllischen Mächt’ ihn,
+ Mir zum Hohn, durch Zaubergewalt herführten im Luftraum,
+ Weh’, auf dem der edelgesinnete Bruder, mein Seyfried,
+ Schuldlos litt; das Haupt zu den Füßen gebunden, nach dreimal
+ Schrecklichen Tagen verblich? Verzeih’n?
+ Ich erwürge dich, thust du’s!“
+ Jener verstummte vor ihm, und sie kehrten mit eilenden Schritten
+ Wieder zurück zur Heldenschar der erlesenen Vorhuth.
+
+ Drüben in Osten entstieg des erd’umrandenden Himmels
+ Tiefen, gehüllt in Rosengluth, die ersehnete Sonne;
+ Aber sie schwand dann bald, von düsteren Wolken verschlungen,
+ Wieder, und zeigt’ auch heute nicht mehr ihr freundliches Antlitz,
+ Bis sie vom Abendthor erreicht das herrliche Ziel sah!
+ Schon war drängende Hast und dumpfes Gemurmel im Lager
+ Beider Gegner erwacht; schon sprengten die Herolde hierhin,
+ Dorthin fort: des Heers Aufstellung den schaltenden Amtnern[1]
+ Kund zu thun, wie solche zuvor der Herrscher gebothen.
+ Ottgars dräuende Macht hob weit an dem dunkelen Spannberg
+ Sich empor: ausdehnend rechts den mächtigen Flügel
+ Bis g’en Weidendorf, und links an die Marken von Dürnkrut,
+ Also geordnet in sechs Heersäulen, dem Feind zu begegnen:
+ Hier an das Böhmen-Volk der Sachs und der Bayer, und drüben
+ Reuß’ und Pol’ an jenes aus Mähren, gereiht, mit den Scharen,
+ Kunrings: denn ihm verharrete dort mit erlesenen Kriegern
+ Noch zu getreulichem Dienst Hadmar, der ältere; Leutold
+ Nur, aufflammenden Zorns, zog jüngst mit den Seinen zur Burg heim.
+
+ Aber wie gestern am Wall’, zu drei Heersäulen geordnet,
+ Standen des Kaisers Reih’n entgegen den Reihen der Gegner,
+ Und gedachten anjetzt vor dem Kampf, der Beicht und des Bußwerks:
+ Denn manch tapferer Krieger sprach: „Wo weilt in des Heeres
+ Ordnung der Seelenhirt, der von dem verirreten Schäflein
+ Höre die Sünden bekannt, und im Nahmen des Herrn es entlasse,
+ Ledig der Schuld? Ach, furchtbar wär’s, in solcher zu scheiden!“
+ Bald gewahrt’ er den Wink, der ihm das ragende Zelt wies,
+ Wo in dem dämmernden Raum, mit niedergehefteten Augen,
+ Heiligen Mitleids voll, der Priester des Herrn zu Gericht saß.
+ Willig senkten vor ihm auch sonst unwillige Knie’ sich
+ Jetzt in den Staub, und, segengestärkt, bekannten die Krieger,
+ Nicht durch Erdenmacht -- nein, nur von dem Herzen getrieben,
+ Was sie gefehlt, und bereut; sie höreten warnende Lehren;
+ Hörten erfreuenden Trost, und zuletzt den göttlichen Ausspruch,
+ Der sie lös’te, nicht band, auf dem Wege des Heils und Erbarmens,
+ Wie es der Meister gelehrt, der Menschen des Himmels Gewalt gab.
+ D’rauf, als dort vor jeder der drei Heersäulen ein Priester
+ Würdig die Feier des Abendmahls vollendete, traten
+ Sie zu dem Tische des Herrn, und empfingen die Speise der Seelen,
+ Klopfend die Brust dreimal mit des Kapernaonischen Hauptmanns
+ Demuthssinn, der sprach: „O Herr, nicht würdig erkenn’ ich
+ Mich, daß du einkehrst heute bei mir; doch, sprichst du ein Wort nur,
+ Wird die Seele gesund!“ Und mit Freudigkeit stellten die Scharen
+ Wieder sich auf in Reih’n, gestärkt in heiliger Andacht.[2]
+
+ Jetzt erwacht’ in dem Lager Getös’. Der edele Ritter
+ Rief den Knappen herbei, daß er säh’ nach dem Zaum’ und dem Bügel --
+ Nach dem Sattel und Gurt: ob jedes dem mächtigen Schlachtdrang
+ Haltbar sich wies’? da er selbst den Helm mit dem Riemen am Kinn sich
+ Festigte; dann sein gutes Schwert, aus der Scheide gezogen,
+ Prüfte, die Schneid’ entlang, mit sanfthingleitendem Daumen.
+ D’rauf noch einmal umwandelnd das Roß mit forschenden Blicken,
+ Faßt’ er hurtig den Zaum, und sagte zu seinem Getreuen:
+ „Grüß’ mir den grauenden Vater daheim, so der Vater im Himmel
+ Mich in dem Waffengemeng, durchbohrt vom feindlichen Eisen,
+ Abruft: bald nachfolgt, vom Alter gebeugt, er in’s Grab mir!“
+ Aber ein Anderer sprach: „Merk’ auf! So ich niedergeworfen
+ Lieg’ auf dem Feld’, und du kehrst, so bringe der Grüße viel tausend’
+ Dort der Schwester noch, der redlichen: denn in dem Leben
+ Theilten wir Freud’ und Leid, vereint von der zartesten Jugend!“
+ Wieder ein Anderer trat mit dem Knappen beiseit’, und geboth ihm:
+ „Kömmst du vorüber die Burg, wo mir, holdselig, das Fräulein
+ Treue Minne gelobt: oft hast du es selber gesehen,
+ Wie von dem Erker sie mir, dem Scheidenden, thränenden Blickes,
+ Nachsah, dann noch fern mit dem schimmernden Tuche mir winkte:
+ O so sprich: „Treu bis in den Tod ihr weiht’ ich das Leben!“
+ Doch der fromme Gemahl begann mit sinnendem Ernst so:
+ „Redlicher, kehrst du, des Ritters beraubt, zur rühmlichen Heimath:
+ Grüße die beste der Frau’n und die holdaufblühenden Kinder
+ Alle mit herzlichem Wort! Die so edelgesinnete Gattinn
+ Solle mir ja bewahren den Eid, und die munteren Jungen,
+ Sorgend mit Mutterhuld, zur Furcht des Herrn auf der Wahrheit
+ Hellem Pfad’ erzieh’n, daß sie Männer in jeglichem Sinne
+ Werden, und wir vor Gott uns wiederfinden in Wonne!“
+
+ So bestelleten dort, voll Hast, die gerüsteten Ritter,
+ Vor dem Entscheidungskampf, des ergriffenen Herzens Geheimniß.
+ Andere sprengten daher, und schüttelten Diesem und Jenem
+ Freundlich die Hand, „leb’ wohl!“ auf immer vielleicht ihm zu rufen.
+ Doch die, bundesgesellt, in den schimmernden Reih’n sich erblickten,
+ Eineten sich mit betheuerndem Wort’ und mit kräftigem Handschlag:
+ Nahe zu seyn in Gefahr, und zu schützen der eine den andern.
+
+ Sieh’, da ritt, umringt von seinen gewaltigen Feldherrn,
+ Nach vollendetem Mahle des Herrn, auch der Kaiser herüber!
+ Hugo von Tauffers sah des Heers Aufstellung, und sagte:
+ „Herr, nicht schweigt dein Haug: er kennt den gütigsten Herrscher!
+ Heiße die Scharen in fünf, nicht in drei Heersäulen geordnet,
+ Gegen den Feind vordringen im Feld, daß die tapferen Krieger
+ Jeglichen Volks, entflammt von der rühmlichen Liebe der Heimath,
+ Streben den andern zuvor, zu erringen den herrlichen Siegspreis.“
+ „Klug hast du,“ sprach jener mit Huld, „mir gerathen. Des Weisen
+ Rath ist besser denn Gold, und des Demants funkelnder Reichthum
+ Wiegt ihn nicht auf. So möge das Heer in gesonderten Haufen
+ Stehen: um mich die Ritter-Schar und die Völker aus Deutschlands
+ Oberen Gau’n; dann rechts, in zwei Heersäulen der Ostmark
+ Heldensöhn’ und der steyrischen Mark, und in zweien, zur Linken,
+ Jene von Kärnthen und Krain, von muthigen Führern geordnet;
+ Aber das tapfere Volk der Ungern stehe zur Rechten --
+ Jenes der Kunen zur Linken zurück: im entscheidenden Zeitraum
+ Vorzubrechen, und dort zu vernichten die fliehenden Scharen,
+ Da von der Warte von Ebenthal der mächtige König,
+ Schauend als Zeuge sein Volk, zum Sieg entflammet die beiden.“
+
+ Also geschah’s. Noch war der volkvereinenden Fähnlein
+ Pracht im Heer nicht enthüllt. Die Fahnenjunker entbanden
+ Solche dem ragenden Schaft’, und sie flatterten jetzt in dem Wind hin,
+ Zahllos, buntvermengt, wie im Lenze die Blumen des Feldes.
+ Alsbald sprengten die Edeln heran, den Ruhm zu erringen:
+ Vor dem Kaiser im Kampf’ einher zu tragen die Sturmfahn’:[3]
+ Oestreichs Demantberg’ und Edelgesteine mit Konrad
+ Haselau; dann Trautmansdorf mit seinem Erzeugten,
+ Ach, dem einzigen jetzt, und auch Capellen mit Heunburg!
+ Aber mit freudigem Stolz begann der erhabene Kaiser:
+ „Werth seyd ihr des Ruhms, des herrlichsten, alle vor allen;
+ Doch mein Haselau, der achtzigjährige Greis dort,
+ Heischt ihn mit Recht: d’rum werd’ ihm heut die erlesene Stelle
+ Oestreichs Siegespanier für Oestreichs ewige Herrschaft
+ In der entscheidenden Völkerschlacht zu erhöh’n, und es steh’ ihm
+ Lichtenstein, so er dort ermattete, hülfegesellet.
+ Tritt, Markgraf von Hochberg, vor, und empfange die Reichsfahn’!
+ Albrecht, du, mein ältester, komm, mir die erste der Fahnen,
+ Die vor allen, geziert mit dem Bild des erlösenden Kreuzes,
+ Aufragt, heut zur ermunternden Schau, in dem Kampfe zu weisen:
+ Dicht vor mir in Gefahr und todverbreitendem Schlachtgrau’n,
+ Wie du es selber ersehntest jüngst, im muthigen Herzen!“
+ Hochberg hob nun zuerst des heiligen, römischen Reiches
+ Fahne zur Luft, wo schwarz im gelbherschimmernden Feldraum
+ Sich der Doppel-Aar, mit Zepter und Krone geschmückt, wies;
+ Jene von Oestreich Haselau, ehrwürdigen Anseh’ns,
+ Weisend den schneeigen Streif in Leupolds rühmlichem Blutfeld.
+ Beide hielten, dem Kaiser nicht fern, zur Rechten und Linken;
+ Aber vor ihm hob dann sein Albrecht die heilige Fahn’ auf,
+ Die in dem grünlichen Feld mit dem Bild des Erlösers geschmückt war.
+ Wieder begann er, und sprach vor dem Heere mit leuchtenden Augen:
+ „Schwarzenberg, nun hin, zu erforschen den König von Böhmen:
+ Ob er gerüstet im Feld’ uns heut zu begegnen, gewillt sey?
+ Nahe der Vorderhuth, mit den Reisigen wirst du ihn treffen:
+ Denn er kennt in Gefahren des Kampfs die unmännliche Furcht nicht!“
+ Jener enteilete, wie der fernhinbrausende Sturmwind,
+ Der des Staubes Gewölk auf dem Heerweg, wirbelnd, emporhebt.
+ Bald annahte der Held dem nahenden Feind’, und gewahrte
+ Dort an der Vorderhuth, im Kreis’ erlesener Feldherrn,
+ Ottgars hohe Gestalt, der, herrlichgewaffnet, daherkam:
+ Denn er hüllte das Haupt in den silbernen Helm, und es wand sich
+ Rings um selben, die Kron’ aus strahlendem Golde, gezackt, auf;
+ Auch der Harnisch und Schild, und am Arm und dem Beine die Schienen,
+ Die er sich heute gewählt, erglänzten von Silber, und dräuend,
+ Warf von des Degens Griff in der Rechten ein röthlicher Demant
+ Blitz’ umher. So kam er, zum Kampf gerüstet, herüber.
+ Als er den Ritter ersah, da hemmt’ er den schnaubenden Rappen
+ Rasch mit zorngeröthetem Blick; doch jener begann so:
+ „Herr, du hast den Frieden verschmäht: so bieth’ ich dir Krieg denn,
+ Ich, von Schwarzenberg, des Kaisers gesendeter Herold,
+ Krieg auf Leben und Tod, im Nahmen des Kaisers! Er fragt dich,
+ Edelgesinnet, zuvor, nach altherkömmlicher Sitte:[4]
+ Ob du, gerüstet zum Kampf’, ihn heut’ erwartest im Schlachtfeld?“
+ Also der tapfere Held. Grimmlächelnd erwiederte jener:
+ „Bring’ ihm die Kunde zurück: ich sey Streit’s halber[5] gekommen!“
+ Sagt’ es, und wandte das Roß, im schnelleren Zuge die Krieger
+ Vorzuführen zur Schlacht, und zu schrecklichem Feindesgemetzel.
+
+ Schon verkündete Schwarzenberg, der edele Herold,
+ Kehrend in Eile zurück, dem Kaiser, daß ewige Feindschaft
+ Ihm der König gelobt, und bald vorstürme zum Angriff.
+ Sieh’, und kaum entfuhr ihm das Wort, da jagten des Gegners
+ Vorderste Haufen herab von dem Hügel; viel tausende folgten
+ Bald den ersteren nach, und verdunkelten alle die Höhen!
+ Manchem der Krieger, der zum ersten Male des Feindes
+ Scharen ersah in dem Feld; noch nie der würgenden Waffen
+ Furchtbaren Schlag vernahm, und empfand in dem Sturme des Angriffs,
+ Pochte das Herz in der Brust viel mächtiger: wechselnde Schauer
+ Liefen ihm fort und fort an dem Haupt und dem Rücken hinunter,
+ Und zu dem Helmdach hob sich oft sein starrendes Haar auf.
+
+ Doch nun ritten im Flug’ aus den Reih’n der mittleren Heerschar
+ Hundert Jünglinge vor, die aus Zürich, dem Städtchen, gezogen;
+ Stellten dort vor dem Kaiser sich auf, und einer begann so:
+ „Möchtest du jetzt, erhabener Herr, ruhmwürdiger Sitte
+ Denkend, ertheilen den Schlag, der uns den Edeln geselle!
+ Ha, nicht soll es dich reu’n, wenn wir vordringen im Schlachtfeld!“
+ Freudig entblößte der Kaiser sein Schwert, erhob es, und sagte:
+ „Blühende Männer, wohlan: da ihr edele Thaten verheißet,
+ So gescheh’ euch nach Wunsch! Hart drängt uns die Stunde: wir schlagen
+ Darum euch nur auf den Helm und den Schild, nach edeler Sitte,
+ Jetzt im Nahmen des Ein-dreieinigen Gottes zu Rittern.“
+ Und er führte den Streich kreuzweis nach den Helmen und Schilden
+ Aller umher. So wurden sie hier den Edeln gesellet.[6]
+ Aber er sprengt’ im Fluge hinaus vor die glänzenden Scharen;
+ Schwang das Eisen, und rief mit lautumschallender Stimme:
+ „Tapfere, hört: nun gilt’s! Dort nah’t in furchtbarer Mehrzahl,
+ Unversöhnlichen Grolls, der Feind, uns die Länder der Ostmark,
+ Ja, auch die Krone des Reichs, im entscheidenden Kampf zu entreißen.
+ Aber nicht soll er deß’ sich erfreu’n. Allmächtig ist Gottes
+ Schützender Arm: er führt uns mit allumfassender Vorsicht
+ Durch die sonnige Flur und die Nachtabgründe des Lebens:
+ Fest ruht mein Vertrauen auf ihm. So werdet auch ihr jetzt,
+ Stark durch Gott, mit unbeugsamer Kraft des endlichen Kampfes
+ Schrecknisse siegend besteh’n; den eidverhöhnenden Frevel
+ Strafen: erringen die langersehnete Ruhe für Deutschland;
+ Gründen der Völker Glück und euren unsterblichen Nachruhm.
+ Ha, und erliegen wir auch, so laßt uns erliegen als Helden!
+ Eins sey mein, und euer Geschick: ich, Kaiser der Deutschen,
+ Leb’, und sterbe mit euch auf dem winkenden Felde der Ehren.“
+ Sieh’, und die jauchzenden Scharen entlang aufblitzten die Waffen
+ Aller zugleich in die Luft: sie heischten urplötzlichen Angriff.
+
+ Aber auch Ottgar rief entflammende Worte den Seinen:
+ „Sehet,“ so sprach er mit grimmigem Blick, „schon naht uns des Gegners
+ Heersmacht, der so frech uns höhnete, schändliche Täuschung
+ Uebend an mir, und an euch: noch bebt mir die Seele vor Schauder,
+ Denk’ ich’s! Doch er büße dafür: denn ewige Schand’ euch,
+ So ihr nicht rächet die Schmach,
+ die, gleich, dem Volk’ und dem Herrscher
+ Böhmens galt. Gedenket der Zeltvorhänge von Kamberg,
+ Strafet des Frevlers Trotz. Er brüste sich, daß ihm die Kunen
+ Gestern erfochten den Sieg. Schaut hin nach den rühmlichen Feldern
+ Kressenbruns, wo ich Bela’s Macht, vernichtend, in Staub warf.
+ Ha, noch bin ich der Held, der euch vom Siege zu Siegen
+ Führete! Fort -- greift an! Dem dräuenden Aare von Oestreich
+ Möge der böhmische Leu’ nun weisen die furchtbaren Klauen.“
+
+ Also empörten ihr Volk die schlachtgebiethenden Herrscher.
+ D’rauf erscholl ringsher Geschrei und Getümmel; die Trommeln
+ Wirbelten; laut in dem Sturm erklangen die eh’rnen Drometen:
+ Hier die Reisigen, dort des Fußvolks Reihen zum Angriff
+ Drängend im Feld’, und so, wie ein Lüftchen die wogenden Aehren
+ Treibt im Kreise herauf und hinab: so bewegte sich hierher,
+ Dorthin, wimmelnd, das Heer. Staub flog empor, wie im Märzmond,
+ Wenn der eisige Nord-, dann wieder der brausende Westwind
+ Noch den entfliehenden Winter hemmt, und am glänzenden Mittag
+ Rieselgewölk aufjagt: da hebt sich im wirbelnden Aufflug
+ Hoch in die Lüfte der flimmernde Schnee; da schwindet des Himmels
+ Sonnige Bläue; das Thal, und die ringsaufragenden Berghöhn
+ Hüllt das Gestöber in Nacht: so erregte der feindlichen Scharen
+ Schlachtanlauf unendlichen Staub in den Saatengefilden,
+ Und das Entsetzen schnob aus dem Grau’n des umnachtenden Qualms her;
+ Aber nicht anders, wie dann, mit entfesselter Wuth, die empörten
+ Stürzen aus Westen und Norden zugleich auf den wimmelnden Hafen,
+ Wo das Gewässer des Meers, aufbrandend, sich hebt; von den Ankern
+ Reisset das Seil, und jetzt, wild an einander geschleudert,
+ Mitten im furchtbarn Wogengeheul, am zerschmetterten Schiffsraum
+ Kracht der Raum, am Maste der Mast, und, berstend am Kiel hin,
+ Donnert das hohle Verdeck, daß rings den umuferten Hafen
+ Grause Zertrümmerung hüllt: so stießen die Heere zusammen.
+ Sieh’, und seitwärts, weit vom Winde hinübergetragen,
+ Legte sich jetzo der Staub in dem Feld: da sah’n sich die Gegner
+ Näher in’s Aug’, und ha, bald traf das Eisen auf’s Leben!
+ Doch, ach! mußte der Kampf für Rudolphs Helden so schrecklich,
+ Und am schrecklichsten noch, für den einen der Helden beginnen?
+
+ Zamor trieb aus der Vorderhuth die rüstigen Schützen
+ Reussens vor in die Schlacht. Sie hatten der tödlichen Armbrust
+ Sehne gespannt; den Pfeil in die Röhre des Schaftes geschoben;
+ Fest an die Wange gepreßt den krummgebogenen Kolben;
+ Dann im Lauf, nach dem Gegner zielend, das schnellende Zünglein
+ Losgedrückt: urplötzlich ertönte die Sehn’, und erbraus’te
+ Fort in der Luft der befiederte Pfeil, nach feindlichem Herzblut
+ Lechzend: er traf, und verwundete Roß und Mann in den Scharen,
+ Die aus der Steyermark herlenkte der tapfere Pfannberg,
+ Und jetzt Trautmansdorf beherrscht: da jener, verwundet,
+ Noch im luftigen Zelt des vielerfahrenen Arztes
+ Sorge sich fügt: voll Gier, in die Schlachtreih’n wiederzukehren.
+ Trautmansdorf ermahnete laut das treffliche Fußvolk
+ Und die Reiter zugleich, des vaterländischen Ruhmes
+ Eingedenk’, heut’ in dem Feld’ als mannhafte Streiter zu stehen.
+ Freudig gehorchte das Volk,
+ und im Sturmlauf ging’s an den Feind jetzt,
+ Als, von der Armbrust her die befiederten Pfeile geschnellet,
+ Zischten. Dicht vorüber dem Ohr des unglücklichen Vaters
+ Flog ein mordender hin, und verschont’ ihn -- den zartesten Sprößling,
+ Der ihm von zehn-und-vier noch blühete, niederzuwerfen.
+ Hinter ihm sank ein Reiter vom Roß’. Er hört’ es, und bebte;
+ Aber nicht sah er zurück, und rief des aufstürmenden Herzens
+ Angst bekämpfend, noch lauter sein Volk zum Kampf und Gewürg’ auf.
+ Erdwin war’s, der fiel, von dem Pfeil’ im Halse getroffen,
+ Da in dem Sturmlauf jetzt die Halsberg’ sich von der Schulter
+ Aufschob. Still, wie die Lilie sinkt, vom Hagel zerschmettert,
+ Sank er vom Roß’, und, fallend, bath er mit sterbendem Blick noch,
+ Daß kein Laut sein Geschick dem enteilenden Vater verrathe.
+ Trauernd gehorchten dem Wink die raschvorstürmenden Krieger.
+ Doch schon drang im beflügelten Ritt sein edler Erzeuger
+ Bis in die vordersten Feindesreih’n,
+ und schnell, wie der Blitz schlägt,
+ Warf sein schrecklicher Arm fünf Schützen aus Reussen zu Boden.
+ Zamor, des Volkes Hort, ersah den Würger, und alsbald
+ Jagt’ er heran, den Tod der gefallenen Krieger zu rächen;
+ Aber ihm eilte nur muthiger noch der Ritter entgegen;
+ Faßte noch fester den Griff in die Hand, und hieb mit des Schwertes
+ Tödlichem Stahl’ ihm die hochgethürmete Mütz’ und die Scheitel
+ Tief in die Stirn’ entzwei, daß er stürzend vom Sattel hinunter
+ Taumelte, laut aufstöhnt’, und das blühende Leben verhauchte.
+ Ach, bald jammert die Gattinn daheim, die, heimlich im Busen
+ Ahnend ihr Trauergeschick, dem scheidenden Gatten den Säugling,
+ Schlummernd in lieblicher Unschuld wies, und die Knie’ ihm umfaßte,
+ Flehend mit Thränen im Blick, daß er doch bei den Seinen verharre;
+ Aber umsonst! Ihn rief der ruhmverheißende Heerbann
+ Fort in das Feld, und er sank, erwürgt,
+ in dem schrecklichen Kampf jetzt.
+ Siehe, nicht rastete Trautmansdorf: er drängte die Schützen,
+ Rasch fortkämpfend, zurück’, und Blut beströmte den Boden!
+
+ Fern, vom gehügelten Sand’, ersah der Führer der Kunen,
+ Suhol, der Eber genannt, dem Trentschins Gebiether den Herold
+ Sendete: daß er ihm eine sein Volk, wie dort in dem Vortrab
+ Trautmansdorf vor allen zuerst vordrang mit den Reitern.
+ Das empört’ ihm die Brust, und, unbändigen Zorns, wie ihm stets noch
+ Jugendlichheiß das Blut in dem leichtaufbrausenden Herzen
+ Kochte, schwang er sein Eisen zur Luft, und begann vor dem Volk so:
+ „Seht, dort fechten sie schon, und tränken ihr Schwert mit des Feindes
+ Dampfendem Blut’, -- erringen wohl auch sich die Beute vor andern,
+ Da wir, müßig im Hinterhalt, des unsicheren Vortheils
+ Harren! Soll denn die Beut’ und der Siegsruhm stets nur die Deutschen
+ Lohnen im Schlachtengefild? Stets sollen wir jenen zurücksteh’n,
+ Eng’ in die Ordnung gebannt? Nicht also gefällt es dem Kunen:
+ Denn er schwärmt in dem Feld, wie ein brausendes Donnergewitter,
+ Frei umher, und erfüllt es mit Angst, Verderben, und Jammer.
+ Auf, wir wollen hinaus, dem Feind’ in die Seite zu fallen
+ Mit entsetzenverbreitender Hand! So holen wir Beut’ uns
+ Selber, und Ruhm wird uns, die Sieger, nur herrlicher lohnen.“
+ Alsbald gab er dem Rosse den Sporn, und es jagte sein Volk ihm
+ Dann im brausenden Flug rasch nach: umschwärmend das Häuflein
+ Kunrings, und schnellend zugleich von dem weitgehörneten Bogen
+ Pfeile, so dicht, daß rings sich in nächtliches Dunkel der Luftraum
+ Hüllete. Bald traf hier, bald dort der befiederte Mordstahl
+ Reiter und Roß, und verwundete viel’ in der nahenden Kriegsschar;
+ Doch als solches die Pfeile verschoß, den entleereten Köcher
+ Und den Bogen, vereint, mit der Schnur auf den Rücken zurückwarf:
+ Da griff’s rasch nach dem Säbel,
+ und hieb mit Gejauchz’ in die Feind’ ein.
+ Kunring hatte den Speer gesenkt; das unbändige Reitroß
+ Links gespornt, und rechts, und die wildumschwärmenden Krieger
+ Niedergeworfen, bis ihm ihr Feldherr, Suhol, der Eber,
+ Seitwärts nahend im Flug, mit dem Säbel die Lenden durchrannte.
+ Alsbald sank er vom Sattel herab: die erschrockenen Krieger
+ Wichen zurück, und im Feld hin scholl Geschrei und Getümmel.
+
+ Ottgar bebte vor Zorn, da er so, im beginnenden Kampf schon
+ Wieder die Gegner im Vortheil sah, und die Seinen im Feld hin
+ Flüchteten. Sieh’, da schwang sich, ergrimmt, der finstere Katwald
+ Aus den Lüften herab, und rief im Geistergelispel:
+ „Wehe, du schaust die Deinen besiegt, noch ehe die Gegner
+ All’ ihr Schwert entblößten, und eh’ den ragenden Speer sie
+ Senkten zum Todesstoß’! Unglücklicher, willst du noch zaudern?
+ Wähle sogleich die tapfersten dir aus des Heeres Geschwadern;
+ Führe sie kühn selbst vor, zu erwecken den Muth in dem Herzen
+ Aller umher: so erringst du vielleicht den herrlichsten Sieg noch!“
+ Ottgar rief alsbald nach Lobkowitz, schreiend hinüber:
+ „Tapferer Greis, nun vor mit deinen geharnischten Reitern,
+ Hier den allentscheidenden Sieg mir heut zu erkämpfen!
+ Groß ist der Ruhm, den dieser mir beut; doch größer die Freundschaft
+ Noch, und die Liebe, die ich, dein König, dankbargesinnet,
+ Dir werkthätig bewies seit dreißig entflohenen Jahren.
+ Dessen gedenk’ anjetzt, und vergilt mir mehr, als die Schuld war!“
+ Dann entsendet’ er dort an Zierotin, und den Herzog
+ Bayerns die Herolde: Muth und dauernde Kraft in dem Busen
+ Beider zu wecken, und hier entboth er, gewaltigen Ausrufs,
+ Selber die Kühnsten im Heer’,
+ und führte sie rasch in die Feldschlacht.
+
+ Nicht entging es dem Blick des erhabenen Kaisers, wie tapfer
+ Trautmansdorf vordrang, und die stürmenden Schützen zurückwarf:
+ Freud’ erfüllte sein Herz; doch bald versiegte sie wieder,
+ Als der Kune so frech, der Willkühr fröhnend, zum Angriff
+ Flog. Kein Sterblicher hemmte den Fels, der, rollend aus Alphöh’n,
+ Schneller und schneller herab in das Thal
+ mit donnerndem Sprung fleugt:
+ D’rum geboth er auch jetzt, den edelen Rittern und Feldherrn,
+ Winkend, das Feldgeschrei. Urplötzlich ertönte der Aufruf:
+ „Gott mit uns!“ im östreichischen Heer’, und „Praga!“ zur Losung
+ Allentscheidender Schlacht, in dem böhmischen, lauter und lauter,
+ Durch drometenden Schall und den Lärm fortwirbelnder Trommeln,
+ Und in dem staubumwölkten Gefild traf Reiter und Fußvolk,
+ Ritter und Knappe zugleich in schrecklicher Eile zusammen.
+ Wie, herstürmend, der Donner rollt, daß die Vesten des Erdballs
+ Zittern, ritt im Galopp mit den schwergeharnischten Reitern
+ Lobkowitz näher, und schlug der Kunen umschwärmende Scharen
+ Mordend zur Erd’, als Suhol, ihr jüngsterlesener Führer,
+ Sank vor seiner Gewalt, und, entmuthigt die andern entflohen.
+ Sieh’, auch Trautmansdorf, von den Reitern entblößt, und der Unzahl
+ Bloßgestellt, wich nun vor Lobkowitz! Aber dem Leu’n gleich,
+ Der, von unbändigen Rüden verfolgt, noch häufig sich wendet,
+ Und noch manchen zerreißt mit den schrecklichen Zähnen: so wies er
+ Ihm die muthige Stirn’, da er fechtend die Scharen zurückzog.
+
+ Meinhard warf sich zuvor rechts hin auf Heinrich, den Herzog
+ Bayerns: denn voll Kraft und verwegenen Muthes im Schlachtfeld,
+ Waren die Krieger aus Kärnthen und Krain ihm gefolgt, und es stürmten
+ Oestreichs Tapfere links, geführt von dem kühnen Capellen,
+ Gegen die Sachsen vor, die Mansfeld, furchtbaren Grimmes
+ Würgen heißt. Da war, entlang die feindlichen Reihen,
+ Schrecklicher Mord, Wehklag’, Aufjauchzen und Jammern zu hören:
+ Da zu schau’n das Entsetzliche: wie der erbitterten Gegner
+ Manche, schon nahe dem Tod, sich im Staub noch, würgend, umfaßten,
+ Und das Blut der Erschlagenen, gleich aufschäumenden Bächen,
+ Wogte hinauf und herab in dem grau’numnachteten Schlachtfeld.
+ Bis an des Himmels Gewölb’ empor die mittägliche Sonne
+ Sich erhob, die heut’ ihr strahlendes Antlitz in Wolken
+ Hüllete, wies die Völkerschlacht, wie auf stürmischer Meerfluth
+ Ein entmastetes Schiff, hinauf und hinunter im Kreis’ treibt,
+ Sich im wechselnden Glück; doch jetzt gelang es dem Helden
+ Lobkowitz, rasch vorstürmend im Feld, der mittleren Heerschar
+ Obzusiegen. Sie wich nur langsam, und stellte sich wieder,
+ Gegen den Feind, erneut, die tödliche Waffe zu führen;
+ Aber mit leuchtendem Blick und muthgerötheten Wangen,
+ Sprengte der König das Roß von Reihen zu Reihen. Er schalt, bath,
+ Und bewegte sein Heer noch eilender vor in dem Blachfeld.
+ „Jetzo hinan,“ so rief er, und schrie, daß die Völker erbebten,
+ „Jetzo nur muthig hinan: denn Ottgar führt euch als Sieger!
+ Seht, wie Jene vor euch entflieh’n; fort, schmettert sie nieder!“
+ Also braus’te das Wort, empörend, ihm von den Lippen.
+ Wie den nächtlich umwüthenden Brand, der viele der Häuser
+ Schon vernichtete, noch das Volk zu bewältigen hoffet:
+ Denn still ruhen die Lüft’ umher; doch plötzlich erhebt sich
+ Ein feindseliger Sturm, und unaufhaltsam hinunter
+ Wälzt sich von neuem der Strom des empöreten Feuers: so stürmten
+ Ottgars Völker dahin, und drängten die Gegner im Blachfeld,
+ Immer rascher und rascher zurück. Ein Körnchen Gewichts mehr
+ Auf die Schale des Leu’n, und den himmelannahenden Räumen,
+ Seinem erkorenen Reich’, entsank der Adler auf immer.
+
+ Rudolph sah des Augenblicks kurzdauernden Zeitraum
+ Lang, bestürzt, umher, und ihm dunkelten nächtlich die Augen.
+ Deutschlands Ruh’, und des Reiches Wohl,
+ dem, herrschend mit Thatkraft,
+ Er sich geweiht, ersah er von neuem gefährdet, und allwärts
+ Wieder entfesselt die Wuth der grau’nverbreitenden Willkühr;
+ Doch bald schwang sich sein Geist aus der Erdennacht in des Himmels
+ Ewiges Lichtreich auf, wo ein mächtiger Helfer ihm lebte.
+ Schnell verließ er den Sattel, und lag auf den Knieen im Staub dort,
+ Laut aufrufend vor allem Volk mit gefalteten Händen:
+ „Ewiger, komm’ uns, errettend, zu Hülf’! Ach, wende die Augen
+ Nicht von uns ab: denn nicht entzündeten, frevelnden Muthes,
+ Wir den blutigen Streit: nur unversöhnlicher Rachgier,
+ Und zermalmender Wuth steh’n wir, abwehrend, entgegen!
+ Gib uns den Sieg! Ein Gelübd lebt mir, erhebend, im Herzen:
+ Denn ich schaue dein Heil, wie der erste der christlichen Kaiser,
+ Huldausstrahlend, vor mir: des weltversöhnenden Kreuzes
+ Heiliges Zeichen, in dem ich den Sieg erringen, und dankbar
+ Ihm, zu verehrendem Dienst, für immer und ewige Zeiten,
+ Stiften ein Gotteshaus, und zu ihm versammeln die Jungfrau’n
+ Werde zu Tulln, am Ufer der freihinrollenden Donau.
+ Sey dem Gelübd von dir, Allmächtiger, Huld und Erhörung!“
+ Als er’s rief, da fuhr ein leuchtender Strahl aus den Wolken,
+ Und erfüllt’ ihn mit Muth und Freudigkeit. Sieh’, auf dem Lichtstrahl
+ Schwebt’ ein Engel daher, und hieß die Scharen der Geister,
+ Welche die Schlacht herab aus dem Uebersinnlichen lockte,
+ Flieh’n, daß keiner im Kampf sich den Gegnern als Helfer erweise!
+ Alle gehorchten, und sah’n, umher in den Wolken sich lagernd,
+ Noch voll Gier auf die Streiter herab; nur einer aus allen,
+ Marbod, stand, und sann den Worten des bethenden Kaisers
+ Trauernd nach. Da erklang urplötzlich ein Ruf aus den Wolken.
+ Ha, sie rissen entzwei: Erwine, die liebende Gattinn,
+ Sank ihm, weinend vor Wonn’, an die Brust.
+ Sie entschwebten des Erdballs
+ Dunkeln Gefilden, vereint, auf dem Sirius, der in dem Sternreich
+ Herrschet, im Lauf des vom Ewigen nur ermessenen Zeitraums,
+ Huldbeglückt, und des Erdenjammers vergessend, zu weilen.
+
+ Aber mit leuchtendem Blick’ erhob der Kaiser der Deutschen
+ Sich von dem Staub’: ein Strahl der himmlischhohen Begeistrung
+ Glänzt’ in ihm, und auf seinen gerötheten Wangen. Betroffen
+ Staunten die Krieger ihn an; doch all’ aufjauchzten mit einmal,
+ Als er das schnaubende Roß vortummelte, dann mit dem Schlachtschwert
+ Auf den nahenden Feind hinwies, und, ermuthigend, ausrief:
+ „Gott ist mit uns! Eilt jetzt, gleich loderndem Feuer im Saatfeld,
+ Gegen den Feind; vertilgt ihm schnell die Haufen, und schafft mir
+ Heut’ unendlichen Ruhm, da ich euerem Muthe vertraute.
+ Euer zugleich ist der Ruhm und der Dank noch spätester Nachwelt:
+ Denn wir kämpfen für Deutschlands Glück, als Deutsche, der Ahnen
+ Werth, die, tapfergesinnt, sich nie im Joche des Fremdlings
+ Beugeten. Hört, der Herr ist mit uns, und scheuet den Tod nicht,
+ Hier der heiligen Pflicht und des Vaterlandes gedenkend!“
+ All’ entflammte sein Wort: ein jeglicher Mann in den Reihen
+ Lechzte vor Gier, schnell vorzudringen im Feld’, und zu sterben
+ Dort den Tod für das Vaterland und die heilige Freiheit.
+ Aber nach Albrecht sah vor allen sein hoher Erzeuger
+ Mit bedeutendem Blick’, und freudiger ging er im Schlachtfeld,
+ Hoch in der Linken die Kreuzesfahn’,
+ in der Rechten das Schlachtschwert
+ Führend, ihm vor. Das Panier von Oestreich, als ihm des Greises
+ Arm ermattete, trug der hochgesinnete Kampfheld,
+ Lichtenstein, und die Reichsfahn’ ihm der tapfere Markgraf
+ Hochberg vor in die Schlacht. D’rauf folgten die älteren Ritter
+ Ihm mit den Edeln aus Zürch, die, heute zu Rittern geschlagen,
+ Kühn voreileten. Laut ermahnt’ er sie noch mit den Worten:
+ „Jünglinge, vor, und ahmt die Tapferen, die sich schon früher
+ Als die Meister im Feld’ erprobten, jetzt in dem Kampf nach!“
+ Jen’ entgegneten jauchzenden Rufs: „Wir halten dir Wort, Herr!“
+ Und entfloh’n. Doch schnell vorstürmten die muthigen Scharen,
+ Die sein Erzeugter ihm warb in den rheinischen Landen, in Schwaben,
+ Und in dem Schweizerland, und die vor allen gewaltig,
+ Altgedient, und in jeder der Kriegsarbeiten erfahren,
+ Ihm auch heut’ errangen den Sieg in dem Kampf der Entscheidung.
+
+ So, wie der eiserne Keil, vom gewichtigen Hammer getrieben,
+ Den mit kräftiger Hand im Gehölz aufschwinget der Löhner,
+ Krachend, entzwei den Stamm des hundertjährigen Eichbaums
+ Spaltet, daß rings umher die Splitter fliegen: so drang jetzt
+ Rudolphs raschgeordnete Macht in das feindliche Heer ein.
+ Kreischender rief die Dromete zum Sturm; die erregende Trommel
+ Scholl ergrimmter, und rings, und überall drängten die Führer
+ Mit gewaltigem Schrei den Krieger vor zu dem Angriff,
+ Daß er noch heißer entbrenne vor Gier: muthfest und entschlossen
+ Niederzuschmettern, was entgegen sich warf in der Feldschlacht,
+ Und entsetzlich war das Gewürg’ in dem Waffengetümmel;
+ Doch, wie ein Felsendamm in dem waldumschatteten Weiher
+ Sich entgegenstemmt den Gewässern des thauenden Frühlings,
+ Unerschüttert und fest: so stemmte sich, eiserngesinnet,
+ Ottgar hier dem stürmenden Feind’ entgegen, und wich nicht.
+ Stundenlang fortwährete schon das tödliche Ringen
+ Tausender gegen einander im Feld! Den tapferen Böhmen,
+ Die in der Heerschar Lobkowitz lenkt’, vereinte der König
+ Bayerns und Sachsens Macht, und führte sie selbst in die Schlacht vor.
+ Zahllos lag sein Volk, erwürgt, auf dem Boden; unzählig
+ Warf auch er die Gegner, entseelt, in den Staub, und es ragten
+ Von den hundert, zuvor zu Rittern geschlagenen Zürchern,
+ Jetzo nur wenige mehr. Wie im hagelgetroffenen Saatfeld
+ Einzeln die Halme noch steh’n, die andern bedecken den Boden
+ Weit, zermalmt von dem sausenden Eis: so ragten auch hier nur
+ Einzeln die Helden noch auf, die aus Zürch gezogen; verwundet,
+ Oder todt, verlor sich im Feld das tapfere Häuflein,
+ Niedergeworfen durch Ottgars Kraft und zerschmetterndes Eisen.
+
+ Doch stets näher kam dem gewaltigen König des Todes
+ Dunkles Geschick. Bald sinkt er in Staub, all’ irdischer Hoheit,
+ Macht, und Würde beraubt, dem ärmsten im Heere vergleichbar:
+ Denn zu entscheidender That aufboth der Edle von Tauffers
+ Nun die Schützen Tyrols. Er drang im brausenden Schlachtfeld
+ Dort mit den kühnen entsetzlicher vor, und, nimmer ermüdend,
+ Spanneten sie die Sehn’ an der Armbrust; legten den Pfeil an,
+ Zielten, und schnellten ihn fort in die Luft. Unhemmbaren Fluges,
+ Saus’t er in Eile dahin, und traf stets sicher in’s Leben:
+ Denn gewohnt ist das Aug’ und die Hand tyrolischer Schützen,
+ Mitten in Feindesbrust des Todes Geschoße zu senden.
+ Doch nun winkte der Held dem Geübtesten, der in den Gauen
+ Rings umher, im _Kreis_- so wie auch _Hauptschießen_ berühmt war:
+ Wenn Zielscheiben, erhöht vor dem Thor’ an festlichen Tagen,
+ Manchen des Schützenvolks aufregeten, stets in der Mitte
+ Drüben zu treffen, und stets zu erringen das Beste vor allen.[7]
+ „Martin,“ so rief er ihm zu, „sieh’ hin, wie der König von Böhmen
+ Dort vortummelt das Roß in dem Feld’, und unsere Völker,
+ Jenem Unsterblichen gleich, der Pharao’s Erstlinge tilgte,
+ Niederwirft! Versuche denn jetzt, ob, sausenden Flugs, nicht
+ Ein befiederter Pfeil, durch dich geschnellt von der Armbrust,
+ Ihn erreicht, und erlegt -- dir Lohn und auch Ehre gewinnet.“
+ Jener entgegnet’ ihm laut: „Nicht geiz’ ich nach Gold und nach Silber:
+ Zierlein nah’, und nicht fern dem wunderlieblichen Innsbruck,
+ Ruht mein Haus an der Felsenwand, die hoch in die Wolken
+ Aufragt, reingezimmert erst jüngst, und mit Habe gesegnet;
+ Doch so ich heute im Feld den blutgierathmenden König,
+ Oder sein Roß, mit dem tödlichen Pfeil durchbohrete: ha, da
+ Rühmt von der Martinswand mich noch die späteste Nachwelt!“
+ D’rauf entsandt’ er den Pfeil: er durchbohrte dem Rosse des Königs,
+ Sausend, die Brust, da es auf in die Luft sich bäumte, des Reiters
+ Ingrimm theilend; es sank auf den Rücken, und warf ihn herunter.
+ Wildes Getümmel erscholl um den Stürzenden. Reisige schwangen
+ Alsbald sich vom Sattel herab, vor Gefahr ihn zu schirmen;
+ Doch erhob er sich schnell, und ermahnte, besteigend das Streitroß,
+ Das ein Reiter ihm both, mit donnernder Stimme die Krieger:
+ Nimmer zu rasten vom Streit’, und den herrlicherrungenen Vortheil
+ Rasch zu verfolgen: schon nahe dem Ziel des entscheidenden Sieges.
+
+ Aber im Feld verhallte sein Ruf. Der furchtbare Keil drang
+ Vor mit zermalmender Kraft; vordrang, die Fahn’ in der Linken,
+ Und in der Rechten das würgende Schwert, des Kaisers Erzeugter,
+ Also auch Lichtenstein und Hochberg; also der Ritter
+ Glänzende Schar, und, vereint, der tapferen Schweizer und Schwaben
+ Siegsruhmdürstende Macht. Doch, als der erhabene Herrscher
+ Auch den Trentschiner entboth, mit den kühnen, magyarischen Reitern
+ Einzubrechen im Sturm in die Seite des Feindes, und Meinhard
+ Dort, hier Otto von Meissau, gleich dem tapferen Helden
+ Trautmansdorf, ihr Volk vortummelten: siehe, da wankte
+ Ottgars Macht. Wie ein Wald an den schwer zu erklimmenden Höhen,
+ Losgewühlt aus dem Grund von innenaufschwellenden Wässern,
+ Erst nur langsam, nur zitternd sich regt; dann plötzlich zum Abgrund
+ Taumelt mit Erd’ und Gestein, wild durcheinander geschleudert:
+ So, nach gewaltigem Kampf, dem entscheidenden, wankten, und stürzten
+ Ottgars Völker dahin; nachbraus’te der Feind, in dem Rücken
+ Rastlos würgend, und sät’ ergrimmt die Leichen im Feld hin.
+ Allwärts war auch das blitzende Schwert des Kaisers zu schauen,
+ Und zu vernehmen sein Ruf, der vorwärts drängte die Scharen;
+ Dennoch vergaß er auch, mitten im Kampf, der verwundeten Krieger
+ Nicht; er hieß mit gebiethendem Wink sie zurück, nach dem Rückhalt
+ Tragen, und dort der Sorgfalt kundiger Aerzte vertrauen.
+ Aber warum hält er nun plötzlich sein feuriges Roß an?
+ Ach, ein Verwundeter streckt, mit lächelndsterbenden Augen,
+ Seine Rechte nach ihm empor, und ruft ihm ein „Leb’wohl!“
+ Matt, doch freundlich noch zu! Sein Müller, der tapfere Held war’s.
+ Tief, zu den Mähnen des Rosses hinab, sank leise des Kaisers
+ Blässeres Antlitz: er sah mit starrendem Aug’ in die Augen
+ Seines Getreu’n, bis, thränenumhüllt, ihm’s dunkelte. Stöhnend
+ Gab er dem Rosse den Sporn, und flog wie ein brausender Sturmwind
+ Dort nun wieder hinaus, wo am lautesten tönte der Schlachtruf.
+
+ Wohlgeordnet, und schnell: denn Lobkowitz deckte des Heeres
+ Rücken, voll Heldenkraft mit den schwergeharnischten Reitern,
+ Zog sich Ottgar jetzt nach den mittleren Höhen von Spannberg
+ Aufwärts, dort dem Feind’, erneu’t die Spitze zu biethen:
+ Denn weit überwog an der Zahl, in dem Waffengemeng schon
+ Seine des Kaisers Macht, und siehe, noch stand in dem Rückhalt
+ Milota! Laut entboth er vor sich den muthigen Feldherrn,
+ Zierotin, und begann: „Nicht kam uns zuvor in dem Schlachtfeld
+ Milota, selbstvorschauenden Blicks, zu Hülfe. Noch steht er,
+ Ungeschwächt, mit der Schar der tapferen Mährer im Rückhalt;
+ Doch jetzt brech’ er vor, und fall’ in die Seite des Gegners,
+ Links anstürmend, da wir zugleich mit vereintem Vermögen,
+ Und unhemmbarer Kraft, auf den mittleren Haufen uns werfen.
+ Groß ist erst die Gefahr, so er säumt; ihm vertrau’ ich: er eile!“
+ Rief’s, und im sausenden Flug fortsprengte der edele Feldherr.
+ Aber des Siegers Heer drang Ottgarn näher und näher.
+ Wie vom verwundeten Leu’n, so sehr er auch strebt, zu entkommen,
+ Sich die lautumbellende Schar gewaltiger Rüden
+ Nicht mehr fernt; ihn, stets blutgieriger, treibt, und bedränget,
+ Bis er, ermattet, sinkt auf den sandigen Höhen: so ließ auch
+ Jetzt von dem König, im Kampf, nicht mehr der verfolgende Feind ab:
+ Denn mit flammendem Muth und unwiderstehlicher Thatkraft
+ Eilte, zum Siege geführt von dem tapferen Grafen von Nürnberg,
+ Schwabens Heldenvolk und der Schweiz gefürchtete Kriegsschar,
+ Rasch die Höhen herauf, und wüthete dort in den Reihen
+ Kühnabwehrender Gegner, vereint, mit gesenketen Lanzen,
+ Allvernichtend, umher. Entsetzlich erscholl das Getümmel.
+
+ Ottgar sah im brausenden Feld den verhaßtesten Gegner,
+ Rudolph jetzt, voll Grimms, wie er schaltete: Reiter und Fußvolk
+ Drängend vor mit gewaltigem Wort’, und das furchtbare Schlachtschwert,
+ Deß’ Blitzglanz vom Blut nur tapferer Gegner verhüllt war,
+ Aufschwang -- sah den Kaiser, und Wuth und unendliche Rachgier
+ Wandelte schnell sein Aug’ in Feuer und Flammen. Er spornte,
+ Hemmte sein Roß dreimal, in dem wildumtobenden Schlachtgrau’n
+ Ihm die Spitze zu biethen, gesinnt; doch immer ergrimmter,
+ Brachen die Gegner heran (nur Lobkowitz stand in dem Kampf noch,
+ Gleich dem Felsen im Wogentumult) und zur Linken und Rechten
+ Wich sein Volk geworfen, zurück in dem stäubenden Saatfeld.
+ Jetzo wandt’ er das Roß, und forscht’: ob Milota vordrang?
+ Denn nicht schien ihm verloren der Sieg, so er rasch in die Seiten
+ Stürmte dem Feind. Doch, ach, was sah er, vor Staunen erstarret?
+ Staub flog auf im Gefild’, und Milota jagte von dannen!
+ Ihm nachbraus’te die reisige Schar, und das mährische Fußvolk,
+ Das er mit täuschendem Wort, dem König zum sichern Verderben,
+ Erst zu dem Rückhalt zog. Mit verhängtem Zügel, und fernher
+ Winkend, naht’ auch Zierotin. Ihm folgten am Fuß nur
+ Zween, der flüchtigen Schar sich entreißende Brüder: der Hanna
+ Fruchtbarem Land entsprossen die Edeln. Der Nahende sprach jetzt:
+ „Herr, nicht künd’ ich es, was dein Auge gesehen -- des Frevlers
+ Schnöden Verrath! Hohnlachend vernahm der schändliche Mann erst
+ Dein gebiethendes Wort, dann rief er mit grimmigen Blicken:
+ „Eile zurück zu dem Könige, sprich: so räche der Vater
+ Seine Tochter an ihm: er fahre denn, fluchend, zur Hölle!“
+ Also der Rach’ allein, nicht des Vaterlandes gedenkend,
+ Floh er mit jenen Verräthern davon, die er früher gewonnen.
+ Nur die beiden dahier mir eilten zum mächtigen Trost nach:
+ Zeigend, daß noch in der Brust der Tapferen Ehr’ und Gewissen
+ Herrlich sich eint, und dir die erlesensten Männer noch treu sind.“
+
+ Ottgar sah nach den Zween mit bewegtem Gemüth’, und begann so:
+ „Laß den Verräther flieh’n. Noch sind die erlesensten Männer,
+ Also sprachst du mit Recht, mir treu. Nicht im dahlenden Frohsinn
+ Will das Große gethan, das Gewaltige, spielend, vollbracht seyn:
+ Denn, ein leuchtender Blitz in des Lebens umnachteten Stunden,
+ Flammet es auf in der Brust, und wecket den Ernst und die Thatkraft.
+ Jetzt umnachtet auch uns die Gefahr; doch laß uns, noch kühner,
+ Dringen hinaus zu dem Tag’, und so dort fallen im Licht nur!“
+ Rief’s, und spornte sein Roß, umschauend: ob er zur Linken,
+ Oder zur Rechten hinab es wende, die kämpfenden Scharen
+ Nun zu gewagter, die Schlacht urplötzlich entscheidender Kriegsthat
+ Anzufeuern, und so mit unwiderstehlicher Kühnheit
+ Festzuhalten das wankende Glück, das sonst ihm getreu war.
+ Doch dort floh’n, gedrängt von den Söhnen der Steyer- und Ostmark,
+ Bayern und Sachsen zurück; hier sank, an der Schulter verwundet,
+ Lobkowitz, er, der untad’lige Held, aus dem Sattel, und, schreiend,
+ Braus’te das reisige, gleich dem vorgedrungenen Fußvolk
+ Böhmens, herüber im Feld, durch Meinhards Völker geworfen,
+ Und gedrängt von dem Hort Trentschins, zur Flucht und Verwirrung:
+ Da in dem Kern des Heers ihn selbst der edelen Ritter
+ Glänzende Schar, und, vereint, die tapferen Schweizer und Schwaben
+ Näher und furchtbarer stets bedroheten, horchend des Kaisers
+ Schlachterregendem Ruf’ in dem wildempörten Getümmel.
+
+ Mansfeld erst, dann Zierotin, die Scharengebiether,
+ Jagten herüber im Feld’, und riefen dem König: „Entfliehe!“
+ Aber er sah, voll Wuth, nach den Rufenden; faßte sein Schwert noch
+ Fester zur Hand, und begann: „Wer sprach ein schmähliches Wort aus?
+ Nichts von Flucht mir gesagt! Ich lebt’ als König, und sterben
+ Werd’ ich als solcher, dem Feinde zum Trotz, auf dem Felde der Ehren.
+ Mir nach, wem sie noch werth im rühmlichen Leben und Tod’ ist!“
+ Wie der gewaltige Leu’ sich wüthenden Tigern entgegen
+ Wirft in des Abends Grau’n: die hochaufsträubenden Mähnen
+ Flattern mit Sturmes Weh’n um den Nacken ihm; dunkelgeröthet
+ Funkeln hervor aus den tiefgesenketen Brau’n ihm die Augen,
+ Als er naht mit Gebrüll, dem so, wie dem rollenden Donner,
+ Drönt das Gefild, und peitschend sich mit dem buschigen Schweifhaar
+ Beide Seiten, sich selbst entflammet zur Wuth: da erliegen
+ Links, rechts ihm, zerschmettert zugleich, die umdrängenden Gegner:
+ Also warf sich auch er vor allen den Rittern entgegen,
+ Daß ihm noch ein’, und der andere dort, östreichischen Blutes,
+ Fiele durchbohrt: denn fest bewahrt’ er den Haß noch im Busen.
+ Jene, erregt von dem stachelnden Wort, nachjagten ihm brausend.
+
+ Sieh’, ihm ritt, tollkühn, der jugendlich blühende Ritter
+ Falkenberg, in den Weg, den oft sein strenger Erzeuger
+ Heimlich und offen gestraft, ihn zu bändigen; aber vergebens:
+ Denn er quälte die Menschen und Thier’, und beherrschte des Herzens
+ Unmuth nicht, der stets zu gewaltsamen Thaten ihn hinriß.
+ Ottgar jagte das Roß dem Nahenden seitwärts vorüber;
+ Schwang sein Eisen, und hieb im Flug mit unbändiger Kraft ihm,
+ Sausend, den Helm und die Scheitel entzwei: er stürzte zum Boden.
+ D’rauf erreichte sein Schwert auf dem Todespfade den Helden,
+ Dietrichstein. So schnell, so kundig der Tapfere vordrang,
+ Ihn mit gesenktem Speer’ aus dem Sattel zu heben, so kam ihm
+ Ottgar doch, verderbend, zuvor, und bohrte den Mordstahl
+ Ihm durch Harnisch und Wamms in das muthvollschlagende Herz ein
+ So, daß er lautlos, bleich, entseelt, an dem Rosse herabsank.
+ Jammern werden daheim die zartaufblühenden Kinder
+ Da er, schon frühe der Gattinn beraubt, ein liebender Vater,
+ Oft auf den Armen sie trug, und so mild, so freundlich und gut war.
+
+ Schnell, zu rächen das Blut der Erschlagenen, blitzten auf Ottgar
+ Jetzt unzählige Speere heran. Da brausete pfeilschnell
+ Otto von Meissau vor, von dem Herrscher gesendet, und schrie laut:
+ „Ritter, schont den Gesalbten des Herrn: so geboth es der Kaiser!“
+ Rief’s; doch jener ergrimmte noch mehr, und spornte sein Streitroß
+ Mitten unter die Schar (zu sterben entschlossen) den heißen,
+ Glühenden Durst nach Rach’ im Blute der Feinde zu löschen.
+ Jetzt umgab ihn des Todes Grau’n. Die furchtbaren Ritter,
+ Merenberg, die, beide mit nie gesättigter Blutgier
+ Näher und näher herbei an die Seite des Königs sich drängten,
+ Sorgend: er beuge sich dort, ein Gefangener, oder er falle
+ Andern, nicht ihren, durch Haß zur Rache bewaffneten Händen,
+ Sprengten dicht vor ihn hin; eröffneten, schnaubend vor Mordlust
+ Ihren geschlossenen Helm, und der ältere rief ihm noch laut zu:
+ „Sieh’, gleich Rachegeistern, vor dir die furchtbaren Brüder,
+ Merenberg -- ein Nahme, der dich zur Hölle hinunter
+ Schleudert! So fahre denn hin, Unmenschlicher, stirb, und verzweifle!“
+ Ha, und sie bohrten den schneidenden Speer mit wildem Gejauchz’ ihm,
+ Beide zugleich, in das Herz (ihm fest in die sterbenden Augen
+ Schauend) und also, voll Hast, mit stets empörterem Ingrimm,
+ Zwölfmal noch in die tapfere Brust, in den Hals, und den Rücken,
+ Bis er, von Wunden bedeckt, hinsank, und das Leben verhauchte.
+
+ Wüthender flog in dem Feld dem Besiegten das siegende Heer nach;
+ Aber vor allen das reisige Volk der Magyaren und Kunen,
+ Heute zu einem vereint, und gehorchend dem tapferen Helden
+ Von Trentschin, der stets den Flüchtenden, mordend, im Rücken
+ Lag, und das Land umher mit unzähligen Leichen besä’te.
+ Rastlos fort g’en Schrieck; dann weiter und weiter von Asparn
+ Bis g’en Laa, der ummauerten Stadt, nachjagten die Ungern
+ Ottgars fliehendem Heer’, und, wo sie dann der Verfolgung
+ Endlich setzten ein Ziel, wird heute zu Tage das Dorf noch
+ „Ungerndorf“ genannt: dem Heldenvolke zum Denkmaal.
+ Siehe, die Wolken entfloh’n; der Geister unzählige Scharen
+ Brauseten, lautaufjubelnd, davon, und die scheidende Sonne
+ Sah von dem Abendthor, verklärt, auf des Sieges Gefild her!
+
+
+
+
+ Zwölfter Gesang.
+
+
+ Schauerlich irrt durch Nacht und Grau’n ein zitternder Lichtstrahl
+ Ueber das schweigende Schlachtfeld hin. Nicht lang’, und es folgen
+ Ihm unzählige nach; viel hundert Fackeln erhellen
+ Bald die Gegend umher: ihr Schimmer, vom Winde gefächelt,
+ Wogt (entsetzlich zu schau’n!) auf den bleicherstarreten Leichen
+ Tausender blitzschnell fort, und erfüllet die Seele mit Wehmuth.
+ Doch wen suchen, voll emsiger Hast, die furchtbaren Männer
+ Jetzo, schreitend umher, in den weiten Gefilden des Todes?
+ Ottgarn! Sieh’, und bald verkündete drüben ein Hügel
+ Rings um ihn her erschlagenen Volks, wo er muthig im Kampf sich
+ Wehrete, bis er, durchbohrt, den Rachebrüdern dahinsank!
+ Dorthin wandelte, schweigend, der Zug; die leuchtende Flamme
+ Wies ihn: erkennbar leicht, obgleich entblößt von des Heeres
+ Plünderndem Troß, wie er lag im finsteren Kreise der Leichen,
+ Mit den heruntergezogenen Brau’n, und den Lippen, zum Bogen
+ Eingekrümmt vor Zorn: denn selbst mit des schwindenden Lebens
+ Letztem Hauch, da ihm schon aus dreizehn Wunden das Blut rann,
+ Wähnet’ er noch: er habe gerecht bestraft den Verräther,
+ Den so feig, so unedel jetzt die schrecklichen Brüder
+ Rächten: zur Wuth empört von der langgenähreten Blutgier.
+
+ Aber des Führers Ruf erscholl, und der stattliche Wagen,
+ Schon mit der Leiche des Königs beschwert,
+ und verhüllt mit dem Bahrtuch,
+ Folgte, rasselnd, dem Zug sechs glänzender, feuriger Rappen,
+ Die zum eng’gemessenen Schritt mit Mühe der Roßwart
+ Bändigte. Sieh’, da trug der weitgefeierte Sänger,
+ Horneck, leise die Harfe herbei. Ihm rollten die Thränen
+ Ueber den grauenden Bart in den Busen herunter, und schweigend
+ Starrt’ er nach Ottgar hin; dann hob er den Klagegesang an:
+ „Weh’, da liegt er entseelt, der einst gewaltige König!
+ Tausende blickten auf ihn, und es drängte der eine den andern,
+ Glühend vor Hast, so er rief; nun ist er verlassen: es horcht ihm
+ Keiner der Emsigen mehr. Wie staunt’, und bewundert’ ihn Jeder
+ Sonst, da er noch zu dem Königsthron, von Edelgesteinen
+ Schimmernd am gold’nen Gewand’, aufschritt:
+ nun wandten sie, schaudernd,
+ Von dem Nackten sich ab, den kaum das kärgliche Gras barg!
+ Ha, wo weilte der Arzt, dem Vergehenden Labsal zu reichen?
+ Waren nicht seidene Kissen zur Hand, nicht schimmernde Decken,
+ Ihn zu erwärmen, und ach! nicht scholl aus dem Munde der Gattinn,
+ Kinder, Verwandten und Freunde umher, ein tröstendes Wörtchen,
+ Ihm zu erheben das Herz? Verließen im Kampfe die Streiter
+ All’ ihn? Wie, nicht einer der Tapferen kam, ihn zu schirmen?
+ Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,
+ Der dir, falschen, vertraut! Erst biethest du lieblichen Honig
+ Mit bethörenden Worten ihm dar; dann wandelst du plötzlich
+ Solchen in furchtbares Gift: er saugt Verderben und Tod ein.
+ Also erging es auch hier dem Könige. Fürsten, bedenket
+ Sein Geschick! Handhabt die Gerechtigkeit, schützet das Recht nur;
+ Seyd durch Tugenden groß, durch Wohlthun herrlich und geizet
+ Nach dem Lohne der Welt nicht allein: vor Gott ist er eitel!
+ Ottgar, ach, er geizte nach ihm! Die, prahlend, geschworen:
+ Auszuhalten bei ihm im Leben und Tode -- wo sind sie?
+ Einsam sinkt er jetzo hinab in des Todes Behausung.
+ Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,
+ Der dir, falschen, vertraut:
+ denn nichtig entschwebt ihm das Leben!“[1]
+ So wehklagte der edele Greis. Ihm horchten die Krieger
+ Alle mit pochender Brust, den Trauerwagen umstehend,
+ Und erhebend die Fackeln zur Luft, die, flatternden Schimmers,
+ Ottgars finstere Stirn’ erhelleten. Jener entzog sich
+ Ihren Blicken, und wanderte dann auf dem nächtlichen Pfad fort.
+ Doch sie schlugen behend’, als solches der Führer gebothen,
+ Ueber die Leiche das Bahrtuch her. Die schnaubenden Rappen
+ Trieb der Roßwart an, und sie trabten, gehaltenen Schrittes,
+ Von den Kriegern umschart, g’en Wien, die herrliche Stadt, hin.
+
+ Dort scholl freudiger Lärm dem kommenden Morgen entgegen,
+ Als, dem Sieger zum Ehrenempfang’, in geschäftiger Hast sie,
+ Durch die dunkele Nacht sich schmückte mit festlichen Kränzen:
+ Denn vor dem Thor, das sich nach Kärnthen dem Wanderer öffnet,
+ Sollte von Laubgehölz’ ein Siegesbogen sich heben,
+ Hochgewölbt, und geziert mit schimmernden Bändern, und oben
+ Rufen die goldene Schrift ein „Lebehoch!“ dem Befreier,
+ Der von der Stadt und dem Land’ abwehrt’ unendlichen Jammer;
+ Oestreichs Herrscherthron fest gründete; dauernden Frieden
+ Deutschlands Gauen errang, und ein Ziel aufsteckte der Willkühr,
+ Die sich gefiel im Raub’, und in all’ den Gräueln des Faustrechts!
+ Auch die Straßen entlang, erhoben sich, dicht vor den Häusern,
+ Lieblichgrünende Reiser zur Luft; buntschimmernde Blumen
+ Hauchten Wohlgeruch her auf die Bahn, die, erkoren dem Sieger,
+ Durch die Stadt sich wand, und zahllos wogten die Fahnen
+ Oestreichs rings von dem Wall’ und den ragenden Thürmen im Wind hin.
+ Also schmückte sich jetzo die Stadt, wie die blühende Braut sich
+ Schmückt an dem Morgen des Tags,
+ der sie eint mit dem Lieben auf immer.
+
+ Hinter des Ostens dämmerndem Thor’ entfaltete jetzo,
+ Neuverjüngt, der Tag die Fittige: weit sich erstreckend
+ Hoben sie fächelnd sich auf, und wehten den glühenden Schimmer,
+ Der sein Rosenlager umfing, empor an dem Himmel;
+ Doch sie weckten zugleich des sanftumschmeichelnden Frühwinds
+ Kühligen Hauch. Er kam aus des säuselnden Waldes Umlaubung
+ Ueber die blumigen Matten heran; verbreitete ringsum
+ Balsamduft, und erfüllte mit Lust die erwachende Schöpfung.
+ Zwitschernd regte die Schwalbe sich schon im Nest mit den Jungen,
+ Das sie im Lenz’ erbaut’ an dem Mauergesimse des Hauses;
+ Auch umgirrete laut die Taub’ in dem Schlag’, und der Hahn rief
+ Schmetternd darein, als draußen vom Feld,
+ von dem Hain’, und dem Hochwald
+ Bis in die bläuliche Luft empor das Getöne sich mehrte.
+ Jetzt von des Himmels Rand, dem Rosenlager entschwebend,
+ Hob die herrliche Sonne sich auf; umhüllte die Berghöh’n,
+ Häuser und Thürme der Stadt mit röthlichem Duft’, und entflammte
+ Hier die Fenster zu Gold, und dort auf den blühenden Matten,
+ Unermeßlich umher, den Thau zu blitzenden Perlen.
+ Doch bald schwang sie, verklärt, sich empor: den wölbenden Himmel
+ Trübte kein Wölkchen, und rings auf dem lichtumflossenen Erdkreis
+ Scholl ein Wonnegejauchz, dem schönsten der Tage zur Feier.
+ Aber schon zogen den Weg nach dem Kreuze der Spinnerinn, eilig,
+ Krieger zu Fuß und zu Pferd in gesonderten Haufen, und weithin
+ Blitzten im Sonnenschein die hellgeglätteten Waffen --
+ Blitzte der Harnisch und Helm der Tapferen, die, von dem Schlachtfeld
+ Kehrend, zum Siegseinzug’ auf dem sanfterhobenen Berg sich
+ Sammelten, wie es der Herrscher geboth. Mit grünenden Reisern
+ Waren die Helme geschmückt, behangen mit Kränzen die Rosse;
+ Laut scholl Jubel die Scharen entlang: denn fröhliche Weisen
+ Sang der Krieger; sein Roß ihm wieherte d’rein; die Drometen
+ Schmetterten, Zink’ und Pauk’ erklang, und die wirbelnde Trommel
+ Rief das verworr’ne Getön zum allerfreuenden Einklang.
+
+ Sieh’, und es lief unzähliges Volk aus der Stadt und vom Land her,
+ Nach der Straße hinaus, auf welcher die Tapferen kamen:
+ Alle mit Angst in der Brust, bis sie in den fröhlichen Reihen
+ Ihre Lieben ersah’n! Da scholl (erschütternd zu hören!)
+ Jauchzen empor; da bog sich mancher vom Sattel herunter:
+ Einer umhalste den Freund, ein andrer den Sohn, und ein dritter
+ Reichte dem grauenden Vater die Hand, der grauenden Mutter,
+ Oder der Braut, die thränenden Blicks, ihm lächelte, sprachlos!
+ Aber es trat nun hier, nun dort mit erblassendem Antlitz
+ Auch der unglückliche Mensch aus den lautaufjubelnden Scharen:
+ Denn nicht hatt’ er die Lieben erseh’n, und dem Fragenden tönte
+ Schrecklich der kurze Bescheid: „Er fiel, und kehret nicht wieder!“
+ Feldeinwärts ging dort ein zartaufblühendes Mädchen,
+ Ringend die Hände mit schwerem Gestöhn; hier saß an des Grabens
+ Rand der Vater: er sah in die Tiefe hinab, und die Mutter
+ Preßte den Arm mit der Stirn’ an den Baum,
+ und schluchzte vor Herzleid.
+ Aber der schwellende Ruf des Entzückens dämpfte des Wehes
+ Schnellverhallenden Laut, und unendlich erscholl das Getümmel,
+ Als dem festlichen Kreuz der Spinnerinn jetzo der Kaiser
+ Nahte mit hehrem Gefolg: denn Ladislav, der Magyaren
+ Blühender König, ritt, hellschimmernd von Gold, ihm zur Rechten;
+ Ihm zur Linken sein tapferer Sohn, der jüngst in der Feldschlacht,
+ Muthentflammt, vortrug der Erlösung heiliges Zeichen,
+ Und ihm folgten, erwählt, des Heers siegstolze Geschwader
+ Nach auf den Wienerberg, der unter den Drängenden bebte,
+ Und in dem Waffengeblitz erschütternd dem Auge zu schau’n war.
+ Jetzt umgab er sich dort mit dem kaiserlichprangenden Mantel;
+ Setzte den Helm, an welchem umher der goldene Kronreif
+ Schimmerte, sich auf das Haupt; entblößte den Degen, und hob ihn
+ Auf zum ersehneten Wink’. Alsbald bewegte das Heer sich
+ Im Geleite des Volks nach Wiens aufjubelnden Mauern.
+ Sieh’, ihm eilten die Ritter vor mit den Reisigen Ungerns --
+ Jenen der Ost- und der steyrischen Mark: von den Heldengebiethern
+ Angeführt, und vereint um die ruhmgekröneten Fähnlein!
+ Aber ihm folgten dann die muthigen Schweizer und Schwaben
+ Und die Tapfern aus Kärnthen und Krain mit den kühnen Tyrolern.
+ Wie der Alpenbach, vom Regen geschwollen, sein Bette
+ Plötzlich verläßt, und quer von des Bergs Abhange sich stürzet,
+ Endlos über die Matten hin die Fluthen ergießend:
+ So fortwälzte sich schnell das Heer; stets näher erscholl ihm
+ Festlicher Glocken Getön’ und des Volks auftobender Jubel.
+
+ Außer dem Kärnthner Thor, wo ein Siegesbogen erhöht war,
+ Standen die trefflichen Bürger vereint. Ihr Meister, erkoren
+ Durch gemeinsame Wahl an Waldrams Stelle, des falschen,
+ Eilte heran, den Zug des erhabenen Kaisers zu hemmen;
+ Both auf dem Becken von schimmerndem Erz, die vergoldeten Schlüssel
+ Wiens, ihm huldigend, dar, und begann die Rede mit Ehrfurcht:
+ „Heil dir, Oestreichs Herrn, dir edelstem Kaiser der Deutschen!
+ Mögest du heut, wo dir, dem Retter, die jubelnde Stadt Wien,
+ Festlichgeschmückt, entgegeneilt mit verlangenden Armen,
+ Nicht gedenken der Schuld entflohener Tage -- des Herzens
+ Deiner Getreuen gewiß! Nun herrsch’ im Segen des Himmels
+ Ueber dein glückliches Volk, und vom Thron, den du auf dem Grundstein
+ Heiliger Religion, Gerechtigkeit, Tugend erhöhtest,
+ Dein erhab’nes Geschlecht an der Zeiten entferntestem Ziel noch!“
+ Sagt’ es, bewegt; doch schnell entgegnete jetzo der Kaiser:
+ „Ihr Getreu’n, habt Dank für des Herzens enthüllte Gesinnung!
+ Gnädig willfahre mir Gott in dem Wunsch, daß ich gründe die Wohlfahrt
+ Fern in die Zukunft noch der guten und trefflichen Völker,
+ Die er mir anvertraut! Mein Glück ist das eure für immer!“
+ Plötzlich entstürzt’ ein heller Strom von Thränen den Augen
+ Aller umher: denn rings erscholl, von Tausender Lippen
+ Brausend, ein „Lebehoch!“ und mehrte sich, jubelnden Lautes,
+ Dort die Straßen entlang, die, erkoren dem festlichen Einzug,
+ Schimmerten. Jetzt durch’s Thor und die Straße Karinthia’s trug ihn,
+ Stolzvorschreitend, das Roß, und aus jeglichem Fenster ertönte
+ Huldigung, wo, bekränzt, die zartaufblühenden Jungfrau’n --
+ Frau’n im glänzenden Schmuck’, ihr schneeiges Tuch in die Lüft’ auf
+ Schwangen, und jauchzten empor mit hellerklingender Stimme.
+ Doch, aus dem wimmelnden Volk vordrängten jetzt, wie verjüngt sich
+ Wankende Greis’, ihn zu seh’n, und zu segnen. Die Väter und Mütter
+ Hoben ihr lallendes Kind auf den Arm; sie falteten erst ihm
+ Freundlich die Händchen, und zeigten ihm dann den Herrlichen drüben,
+ Daß es des Tages noch oft im spätesten Alter gedenke!
+ Sieh’, und nicht trockneten mehr dem erhabenen Kaiser die Augen
+ All’ die Straßen entlang, da er links, und rechts, in dem Siegszug
+ Dankte dem jauchzenden Volk mit oft erhobener Rechten.
+
+ Also im Freudengeschrei unzähliger Meng’, in der Glocken
+ Festlichem Klang’, und der Pauk’ und Dromet’ empörterem Jubel,
+ Zog er entgegen dem Rothenthurm, und lenkete jetzo
+ Ueber den schimmernden Hohenmarkt nach dem prächtigen Hof ein;
+ Dann nach der Freiung hinab, und, dem Schottenkloster vorüber,
+ Durch die Herrngass’ fort nach dem breitaufragenden Graben,
+ Bis er am Riesenthor des unendlichen Doms aus dem Sattel
+ Eilig zur Erde herab sich schwang. Sein mächtiger Gegner,
+ Ottgar, Oestreichs Herrscher vor ihm, vollbrachte des Domes
+ Herrlichen Bau, da er einst zerstört von den Flammen,
+ im Schutt lag.[2]
+ Dort reicht’ ihm der oberste Hirt der Gemeinde, vor allen,
+ Festlichgeschmückt, im Kreise der Priester geweihetes Wasser
+ Sanft mit dem Sprenger dar; dann schwang er das duftende Rauchfaß
+ Dreimal ihm entgegen, und ging, beginnend der Lieder
+ Herrlichstes: „Gott, dich preisen wir!“ zum erleuchteten Altar,
+ Singend, vor ihm einher, und Tausende sangen das Lied nach.
+ Aber, als in dem wölbenden Raum des unendlichen Domes
+ Rings umher des Gesangs allletztes Säuseln verhallt war,
+ Knie’te der Kaiser noch hin, und bethete, heiliger Andacht
+ Voll, am Altar’, im Kreise der ruhmgekröneten Feldherrn.
+ Staunend sah ihn das Volk; doch hingen mit inniger Wehmuth
+ Auch an Trautmansdorf, dem Helden, viel Tausender Augen,
+ Der, von dem schimmernden Kreis’ entfernt, auf die Kniee gesunken,
+ Beugte das grauende Haupt mit gottergebenem Herzen.
+ Bald umhüllten ein jegliches Aug’ untad’lige Thränen:
+ Dort den Mann mit dem schneeigen Haupt so einsam zu schauen,
+ Der noch jüngst, umringt von blühenden Söhnen einherging:
+ Froh der gewaltigen Schar! Nun stand er allein und verlassen,
+ Wie der verdorrete Stamm in dem Wald’, um welchen die Windsbraut
+ All’ die frischen umher mit lautem Gekrach’ in den Staub warf.
+
+ Thauenden Blicks, trat jetzt von den heiligen Hallen der Kaiser
+ Wieder heraus, vor dem Riesenthor zu beginnen den Heimzug
+ Nach der erhabenen Burg. Doch sieh’, welch’ tiefes Erstaunen
+ Unter dem Volk? Schnell theilt es sich links und rechts in den Straßen
+ So, daß der Bahre, von sechs lautschnaubenden Rossen gezogen,
+ Raum sey, fürder zu zieh’n bis hin zur Pforte des Domes.
+ Schmerz ergriff die Brust des beseligten Siegers. Er starrte
+ Lang’ nach dem Trauerflor, und dem leich’umhüllenden Tuch hin,
+ Und erwog im Gemüth: wie mächtig der Todte noch gestern
+ Gegen ihn stand, der heut’, erstarrt, all’ irdischer Hoheit,
+ Kraft, und Streitlust bar, dort unter der finsteren Hülle
+ Ruhete! Dann begann er für sich mit rührendem Laut so:
+ „Ottgar, lebtest du noch, und herrschtest im Frieden, der Rachgier
+ Wüthenden Sturm in der Brust besänftigend; heiteren Blickes
+ Würdest du seh’n: nie haßt’ ich dich, und im redlichen Busen
+ Strebte dieß Herz, voll Liebe, dem deinen entgegen zu schlagen!
+ Ruhe denn jetzt im Schooß des Allerbarmers auf immer!“
+ Sagt’ es, und hieß die Leich’ auf dem trauerumhülleten Wagen
+ Fort nach dem Schottenkloster hinab mit Würde geleiten,
+ Wo sie ruhe, bis ihr, nach der Seelenmess’ und dem Bußpsalm
+ Werd’ ein Grab mit dem ehrenden Stein, an heiliger Stätte.
+ Doch wer drängt sich hier, voll Ungestümm, vor aus den Scharen?
+ Lobkowitz kam, erblaßt von der Wunde zugleich, und dem Herzleid
+ Ob des erschlagenen Königs und Freunds, in Eile herüber,
+ Führend an zitternder Hand das holdaufblühende Söhnlein
+ Ottgars, Wenzeslav, der einsam in Drösing zurückblieb.
+ Ach, er harrete dort des Vaters, in fröhlicher Unschuld;
+ Aber nicht kehrt’ er ihm mehr, und, verwais’t in der zartesten Jugend,
+ Mißt er die kräftige Hand, die ihn leitete, seines Erzeugers!
+ Großes beschloß alsbald der treffliche Greis, und, dem Kaiser
+ Jetzo genaht, vordrängt’ er das Kind, und sprach in das Ohr ihm:
+ „Geh’, und umfass’ ihm die Knie’ mit festgeschlungenen Armen,
+ Daß er dein sich erbarme mit Huld, und die Leiche des Vaters
+ Frei gewähre zum Trost den Unglücklichen, die er zurückließ;
+ Dir zum Ruhm, wenn einst auf vaterländischem Boden
+ Du ihm erhöhst das ehrende Maal, und zur Zierde dem Land dort,
+ Deß gewaltiger Held, und erhabenster Fürst er gewesen!
+ Fasse nur Herz: nicht hartgesinnt erweis’t sich der Kaiser
+ Dir: als Vater das dunkle Geschick der Kinder bedenkend.“
+ Ottgars blühender Sohn gehorcht’ ihm: er stürzte zu Rudolphs
+ Füßen; umfaßt’ ihm die Knie’, und rief erschütternden Lautes:
+ „Mildgesinnt, so sprachen sie all’, ist der mächtige Kaiser,
+ Dem ich hier auf den Knie’n, und mit thränenerfülleten Augen
+ Rufe: erbarme dich mein, des Verwaiseten; lasse des Vaters
+ Leich’ uns frei, der dir erlag in der schrecklichen Feldschlacht!
+ Hast ja auch Kinder, und sie erfreu’n sich des liebenden Vaters
+ Noch, der, machtbegabt, sie schirmt, und zu Ehren erhebet.
+ Aber, o, mich Unglücklichen: denn des Vaters beraubet,
+ Welcher so hold mir war, vermiss’ ich die mächtige Hand jetzt,
+ Die mich hatte geführt auf des Lebens unsicheren Pfaden!
+ Dennoch wird sein Grab im vaterländischen Boden,
+ Der sein theures Gebein bedeckt, und der redende Denkstein
+ Mir erfüllen die Brust mit Trost, und mit Stärke sie waffnen;
+ Stillen den Schmerz der Mutter um ihn, und erheben des Volkes
+ Sinkenden Muth, das stets, in Treu’ ergeben, ihm anhing.“
+ Doch der erhabene Kaiser schwieg, mit sinnenden Blicken
+ Ueber den Jüngling gebeugt, und das Volk dort weinete ringsum.
+ „Höre des Sohnes Fleh’n,“ begann jetzt Lobkowitz finster,
+ „Himmelan hebt sich dein Ruhm: nicht bedarf er des ehrenden Denksteins
+ Hier, der, rühmend, von Ottgars Grab verkünde der Nachwelt,
+ Welchen Gegner du einst im Felde der Waffen erlegt hast.
+ Allwärts preis’t dich die Welt großmüthig und edel: als solchen
+ Sollst du auch ihm dich erweisen -- wo nicht?
+ so täuschte dein Ruf nur:
+ Denn unziemlicher Haß g’en Ottgar füllet dein Herz noch.“
+ Rief’s empört, und übermannt von unbändigem Herzleid.
+ Alle staunten umher; doch zürnte dem eifernden Alten,
+ Welcher so edel gesinnt, und zugleich so tapfer im Feld war,
+ Rudolph nicht. Voll Rührung erhob er nun den Erzeugten
+ Ottgars, der erneut ihm die Knie’ umschlang, von dem Boden,
+ Herzt’ ihn vor allem Volk’, und begann mit erheitertem Antlitz:
+ „Sey getröstet, mein Sohn! Nicht sann ich, vor Trauer verstummend,
+ Dir ein kostbares Unterpfand zu entreißen: denn alsbald
+ Geb’ ich es frei. Auch führe zugleich mit dem tapferen Helden,
+ Lobkowitz, dich der Füllensteiner im Ehrengeleit heim.
+ Zieh’ dann schnell g’en Prag mit der Leiche des theuern Erzeugers,
+ Sie zu bestatten mit würdiger Pracht, und zu weihen ein Denkmaal
+ Ihm, der, herrschend mit Kraft und mit vielumfassender Weisheit,
+ Rastlos seines unzähligen Volks Gedeihen und Wohlfahrt
+ Förderte. Doch, nun komm’! Ich will ein Vater dir werden,
+ Wie ich’s zuvor beschloß im Gemüth’, und im Segen des Himmels
+ Möge der sprossende Keim noch herrliche Früchte dir bringen.“
+ Sagt’ es mit freud’ausstrahlendem Blick’, und als er, gewendet,
+ Faßte des Rosses Zaum mit der Linken, hinauf in den Sattel
+ Sich zu schwingen, da both er zugleich dem staunenden Helden,
+ Lobkowitz, schnell die Rechte zum Gruß mit den freundlichen Worten:
+ „Kühner, du stand’st mir zwar gar feindlich entgegen, und dennoch
+ Sagt mir das Herz: wir scheiden noch bald, als Freunde für immer!“
+ Jener dankt’ ihm d’rauf mit thränenumflossenen Wimpern,
+ Schweigend; aber es quillt ein Dank aus den schimmernden Thränen,
+ Den im schwellenden Strom der Worte die Zunge nicht ausspricht.
+ Solches gewahrete nun der Kaiser, erfreuet, und schwang sich
+ Rasch auf das Roß, den Siegeszug in der Burg zu vollenden:
+ Denn mit jubelndem Ruf fortwogten von neuem die Scharen.
+
+ Jetzt, in dem weitumschlossenen Raum der mächtigen Hofburg,
+ Wies sich dem Volk’ ein Schaugerüst, der Sichel des Mondes
+ Aehnlich an Bogengestalt, erhöht, und mit Purpur behangen.
+ Vierzehn Stufen empor, in stets verengteren Kreisen
+ Hob sich der herrliche Bau, und zuhöchst, auf dem oberen Feldraum
+ Stand, hellschimmernd, des Herrschers Thron, an welchem zur Linken,
+ Und zur Rechten, gar zierlich geschmückt, zwei Stühle von Purpur
+ Glänzten. In drängender Hast erfüllte sich eilig die Hofburg.
+ Freudiger Lärm erscholl, als die Rosse, der Reiter entledigt,
+ Wieherten, heim durch die Menge geführt, und in stattlicher Hoheit
+ Rudolph nun mit Gefolg zu dem glänzenden Throne hinaufschritt;
+ Dort sich Ladislav, den König der Ungern, zur Rechten --
+ Wenzel, den Sohn des getödteten Horts der Böhmen, zur Linken
+ Sitzen hieß, und das Volk mit freundlichem Winke begrüßte;
+ Doch ein schmetternder Laut der Dromete geboth in dem Hofraum
+ Schweigen, und Stille ward, daß der Hauch des athmenden Busens
+ Hörbar flog, und umher die Stimme des Kaisers vernehmlich
+ Tönete, da er die Recht’ erhob, und also zum Volk sprach:
+ „Seht uns am Ziele, mit Gott! Vollbracht ist die That, und das Opfer,
+ Das aus dankbarer Brust zu dem Ewigen heute sich aufschwang.
+ Ach, gar dürftig erscheinet das Wort! Wie sollen wir würdig
+ Danken dem Heer’, das uns den Sieg errang in der Feldschlacht?
+ Wie dem erlauchtesten Könige, der als helfender Freund, uns
+ Einte sein tapferes Volk im allentscheidenden Zeitraum?
+ Nicht vermöchten wir das! Doch ihn, den König der Ungern
+ Schließen wir heut’ an Sohnesstatt, wie er selbst es ersehnet,[3]
+ Freudig an’s Herz, und geloben ihm Schutz und Freundschaft für immer.
+ Wohl bezeugt uns der Herr: „Wer hat, dem wird noch gegeben!“
+ Also auch wir, von Gott mit Kindern gesegnet, erkiesen
+ Heute der Söhne noch mehr -- denn hört: den theuern Erzeugten
+ Ottgars einen wir auch, als solchen, in liebender Sorgfalt
+ Bald mit unserem Blut: ihm Gutha, die Tochter, verlobend,
+ Die uns die jüngst’ erblüht aus den Töchtern,
+ voll lieblicher Unschuld!“
+ Jetzo drückt’ er zuerst den König, und d’rauf den Erzeugten
+ Ottgars rasch an die Brust, und unendlich jauchzte das Volk auf.
+ Aber der König erhob sich vom Stuhl’, und sagte voll Feuer:
+ „O, gesegnet für immer der Tag, der, freundlichen Anblicks,
+ Dich als Bundesgenossen mir wies! Der brausenden Jugend
+ Jahr’ umgaukelten mich noch jüngst im verwirrenden Schimmer;
+ Aber du kamst: wohl nenn’ ich dich „Vater“ mit Recht, und ich fühle
+ Mich urplötzlich zum Manne gereift -- dein würdig, als Sohn jetzt!
+ Lange lebe, beglückt, der edelste Kaiser der Deutschen!“
+ Sprach’s mit jubelndem Ruf’, und umher ertönte des Volkes
+ Freudengeschrei, wie Donnersturm, wie stürzender Wasser
+ Lautes Rauschen: „Er lebe beglückt! Hoch lebe der Kaiser!“
+ So, daß jegliche Brust Entzücken ergriff, und der Thränen
+ Stürmische Fluth in das Aug’ urschnell aufjagte vom Herzen.
+ Aber es winkte der Kaiser erneut: der eh’rnen Drometen
+ Ernstem Schall verstummte das Volk, und er sagte, bewegt, noch:
+ „Hört! Wir scheiden von euch nun bald, und auf lange. Gebiethend
+ Ruft uns Deutschlands Wohl nach den rheinischen Gau’n, und wir folgen
+ Freudig dem Ruf, da uns hier zu weilen hinfort nicht vergönnt ist.
+ Doch nicht bleibe darum dieß Land nach unserer Abfahrt
+ Hauptlos. Wichtiges reift im dunkeln Schooße der Zukunft
+ Ihm, und Hohes erringt es. Inmitten gewaltiger Länder,
+ Hebt Haus-Oestreich hier, aus seinem unscheinbaren Umkreis
+ Eiserngegründet, sich auf; gewährt dann jenen die Herrscher;
+ Flicht in den Kranz nie welkender Macht die herrlichsten Kronen,
+ Die bald König’ ihm biethen, und führt vielfältig durch Sitte,
+ Sprach’, und Stamm gesonderte Völker zu dauernder Einung.
+ Also, gerüstet mit Kraft, soll’s einst im Sturme der Zeiten
+ Fest wie ein Leuchtthurm steh’n, der rettend, Gefahrenbedrängten
+ Von dem Felsen die Flamme weis’t auf dem nächtlichen Irrpfad.
+ Albrecht komme heran. Ihm, unserem theuern Erzeugten,
+ Deß’ erhabener Sinn und Weisheit euch allen bekannt ist,
+ Wollen wir Oestreich hier zu Lehen ertheilen. Als Herzog
+ Werd’ ihm der Thron, und in seinem Geschlecht
+ fortdaure die Herrschaft,
+ Endlos, segenbeglückt zum Wohl unzähliger Völker.“
+ Ha, und er dachte, bewegt, des Alp’bewohnenden Klausners!
+
+ Doch schon ritt aus dem hallenden Thor der Erzeugte des Kaisers,
+ Albrecht, stattlich heran. Sein Roß, der tönenden Hauptzier --
+ Also des Zaums und Geschirrs von blinkendem Silber sich freuend,
+ Beugte stolz das Haupt an die Brust. Doch herrlich geschmückt war
+ Er mit dem Fürstenhut’ und dem Purpurmantel: ihn deckte
+ Glänzender Hermelin; auch hielt er den goldenen Zepter
+ Fest in der Rechten erhöht. Durch Schrift und Siegel ertheilte
+ Friedrich der Erste, von Hohenstauff, der mächtig als Kaiser
+ Ragte vor andern hervor, das Recht dem Herzog von Oestreich,
+ Also zu Pferd, und so herrlich geschmückt das Leh’n zu empfangen.[4]
+ Siehe, vor ihm trug Lichtenstein das Banner von Oestreich,
+ Deß’ ruhmwürdiger Schild, mit dem schneeigen Streif in dem Blutfeld
+ Schimmerte, rasch einher; doch Albrecht hielt an des Thrones
+ Stufen, und beugte sich; d’rauf begann der erhabene Kaiser:
+ „Albrecht, euch beschwören wir jetzt im Nahmen des einen,
+ Wahren, und ewigen Gott’s, zu bekennen: ob ihr, als Herzog
+ Oestreichs, herrschen wollet nach Recht und Gerechtigkeit; ob ihr
+ Schirmen wollet die heilige Lehr’ und den Glauben der Väter,
+ Und euch widmen dem Wohl des Landes mit Leib und mit Leben,
+ Das ihr heute zu Lehen empfaht aus unserer Vollmacht?“
+ Jener rief: „Ich will!“ und alsbald winkte der Kaiser
+ Lichtenstein, daß er ihm darreichte die Fahn’, und begann so:
+ „Nun auch schwört es zu Gott, und im Beiseyn eueres Volkes,
+ Eilig das Banner zugleich, und den goldenen Zepter erhebend
+ Hoch g’en Himmel empor.“ Und jener entgegnete muthig:
+ „Ja, ich schwör’ es zu Gott!“ und erhob den goldenen Zepter
+ Dann mit dem Banner zugleich in die Luft. Der Kaiser entstürzte
+ Jetzo dem Purpurpfühl’, und flog in die Arme des Sohnes,
+ Der, sich schwingend vom Zelter herab, ihm entgegen geeilt war.
+ Lange hielt er den Sohn umfaßt, und sagte mit Rührung:
+ „Gottes Segen mit dir, und mit deinem Geschlechte! Der Nachwelt
+ Stell’ ich es freudig anheim, was heut’ allhier sich begeben.
+ Möge sie noch an der Zeiten entferntestem Ziele, des Glückes
+ Herrlichster Fülle froh, laut Habsburg segnen und Oestreich!“
+
+ Siehe, da rief umher die Menge dem neuen Beherrscher,
+ Jauchzend, ihr „Lebehoch!“ Doch sah nach dem Kaiser so mancher,
+ Innig betrübt, noch hin, der erst von Trennen und Scheiden
+ Sprach, und auf immer vielleicht den liebenden Herzen entrückt wird.
+ D’rauf hieß er die Fürsten bei sich willkommen, und sagte:
+ „Kommt zum erquickenden Mahl’, und ruht in der friedlichen Burg hier,
+ Heiteren Sinn’s, jetzt aus von des Kriegs unzähligen Sorgen!
+ Aber verzeiht: ich eile zuvor nach der düsteren Kammer,
+ Wo die Gattinn mir starb, und nach ihr sich, in Trauergewanden,
+ Sehnen die Kinder vereint; ich gehe, die Lieben zu trösten.“
+ Und er entzog sich den Blicken der lautaufjubelnden Scharen:
+ Thränenden Blicks, aufschreitend allein zur Wohnung der Trauer.
+
+
+
+
+ Nachtrag
+
+ zu dem
+
+ Heldengedichte Rudolph von Habsburg.
+
+
+Die Marchfelder Schlacht. Jahr 1278.
+
+Die merkwürdige Schlacht auf dem Marchfeld zwischen Rudolph I. von
+Habsburg, Kaiser der Deutschen, und Przemisl Ottokar II., König von
+Böhmen, in welcher letzterer besiegt fiel, und jener seinen Nachkommen
+Oestreichs Herrscherthron erkämpfte, geschah am 24. August des Jahres
+1278. Schon zwei Jahre vorher standen sich, eben daselbst, die beiden
+Fürsten feindlich entgegen. Ottokar, durch früheren Ehebund mit der
+babenbergischen Margareth, der Herrscher geworden von Oestreich und
+Steyermark, und, durch Kauf, von Kärnthen und Krain, ließ sich endlich
+herbei, diesen Provinzen, als anheimgefallenen Reichslehen, zu entsagen;
+worauf er, auf der Donau-Insel Kamberg, im Angesicht beider Heere, dem
+Kaiser (19. November 1276) knieend gehuldigt, und dieser, angeblich,
+durch Herabrollen der Zeltvorhänge, diese Handlung offenkundig gemacht
+haben soll. Dem heimkehrenden König setzte seine ehrgeizige Gemahlin,
+Kunegunde, durch Schmähungen so lange zu, bis er dem Kaiser neuerdings
+den Kampf auf Tod und Leben both. Schon am 27. Juni brach er von Prag zu
+seinem Heer’ auf, das sich vor Brünn versammelt hatte, verlor aber auf
+seinem Kriegszug in Oestreich, durch die Belagerung des befestigten
+Städtchens Drosendorf, den entscheidenden Augenblick, und setzte dadurch
+den Kaiser in den Stand, Hülfsvölker zu sammeln, um welchen es sonst
+durch schnelles Vordringen geschehen gewesen wäre. Auf Rudolphs Seite
+standen nebst den Schweizern und Elsassern, die ihm sein Sohn Albrecht
+zuführte, der Pfalzgraf Ludwig, sein Tochtermann; der Burggraf Friedrich
+von Nürnberg; der Markgraf Heinrich von Hochberg: zu welchen noch die
+Grafen von Henneberg, und Fürstenberg stießen. Dann: Meinhard Graf von
+Tyrol; Graf Albert von Görz; Friedrich, und Albert, die Grafen von
+Ortenburg, und Ulrich von Heunburg mit den Tyrolern, Kärnthnern und
+Krainern; Pfannberg, und zugleich die Herren von Pettau, Lichtenstein,
+und Colo von Seldenhofen, mit den Steyrern. Auch die Bischöfe von
+Salzburg und Basel führten ihm Krieger zu, deren ersterem er in der
+Schlacht die Leitung der Oestreicher und Steyrer übergab. Endlich
+erschien auch der König Ladislav IV., an welchen er den tapferen
+tyrolischen Hauptmann, Hugo von Tauffers, abgeschickt hatte, mit mehr
+denn zwanzigtausend kumanischen und ungrischen Reisigen, als sein
+Verbündeter, auf dem Schlachtfeld. An Ottokars Völker, die Böhmen, und
+die Mährer unter Milota’s Leitung, reiheten sich: Bayern, welche der
+Herzog Heinrich; Sachsen, welche Pfeil, der Markgraf von Magdeburg, und
+Meißner und Thüringer, welche der Markgraf Dietrich anführte. Die
+Reussen sandte K. Leo, und die Polen und Schlesier K. Kasimir heran.
+Auch einige östreichische Ritter, unter diesen die beiden Brüder
+Heinrich und Leopold Kunring, ergriffen seine Parthei, so, daß er dem
+Kaiser an der Zahl der Krieger weit überlegen war. Das Feld, auf welchem
+gestritten ward, erstreckte sich von Marcheck über den Weidenbach, dann
+weiter von Stillfried über Dürnkrut bis gegen Idungspeugen, hinauf, und
+der Kampf endete wahrscheinlich, wie weiter unten erhellet, nahe vor dem
+Städtchen Laa. Rudolph setzte mit seinem Heere bei Hainburg über die
+Donau, seine Vereinigung mit dem König der Ungern zu bewirken, und dem
+Feind in den Rücken zu kommen, und lagerte sich vor Marcheck. Die
+Kumanier hatten bereits aus dem Hinterhalt die herumstreifenden Feinde
+angefallen, ihnen über 100 Mann getödtet, und nachdem sie ihnen die
+Köpfe abgehauen, sandten sie selbe dem Kaiser als Geschenk entgegen, der
+sich mit Schauder davon wegwendete, und sie begraben ließ. Am 23. August
+rückte er g’en Stillfried vor, und beschloß die Schlacht auf den
+folgenden Tag, der mit dem Feste des heil. Bartholomäus auf einen
+Freitag fiel, an welchem er öfters glücklich gekämpft hatte.[A] Der Tag
+brach an: die Kaiserlichen standen in fünf Heerhaufen, den sechsen der
+Böhmen, entgegen. Noch kurz vor dem Kampfe schlug der Kaiser, nebst
+anderen, auch hundert Zürcher zu Rittern. In seinem Heer herrschte mehr
+froher Muth, als in jenem Ottokars, da vor Tagesanbruch die Meißner und
+Thüringer aus dem Lager heimlich abzogen, und er zuvor im Zelt, mit
+erregtem Mißtrauen, die Feldherrn aufforderte: „sie sollten ihm, wenn
+sie Verrath an ihm sännen, lieber jetzt die Brust durchbohren, ehe
+Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden.“ Das unbändige
+Pferd eines salzburgischen Reiters, Heinrich Schörlin, rannte, wie toll,
+auf die Böhmen los, und ward so zum Zeichen des früheren Angriffs.
+Ottokar brachte mit den schwergeharnischten Reitern die Oestreicher und
+Steyrer zum Weichen, nachdem der Führer der letzteren, Pfannberg,
+verwundet vom Pferde gefallen war. Als der Kaiser die wankende Schlacht
+sah, da warf er sich aus dem Sattel im Staub auf die Knie’, und bethete
+laut zum Himmel, verheißend durch ein Gelübde, so er den Sieg gewänne,
+ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu stiften; worauf seine Scharen
+ermuthigt vordrangen. Doch schlug sich Herbot von Füllenstein, ein
+polnischer Ritter, durch große Verheißungen Ottokars bewogen, bis zu ihm
+durch, erstach ihm das Pferd unter dem Leib, und brachte ihn in die
+größte Gefahr, wenn nicht er selber, zu Fuß ankämpfend, ihn mit dem
+Speer von dem Sattel herabgerissen, und der herbeieilende tapfere Ritter
+Ulrich Capellen ihm ein Pferd gebothen hätte. Den gefangenen Ritter
+Herbot hieß der Kaiser schonen, seine Wunden verbinden, und warf sich
+dann, wie ein erzürnter Löwe, neuerdings auf die Feinde. Auf dem rechten
+Flügel, wo Hochberg stritt, erhob sich das Geschrei, „die Feinde
+fliehen!“ und bald verbreitete es sich durch alle Reihen Rudolphs.
+Ottokar wankte einen Augenblick, hieß aber Milota aus dem Nachhalt
+vorgeh’n; und als dieser, langgenährter Rache fröhnend, mit den Mährern
+und einigen böhmischen Herren, die er gewann, eben jetzt von dem
+Schlachtfeld abzog, stürzte er sich in den letzten mörderischen Kampf,
+und fiel auch hier, als ein Opfer der Rache, durch die Hand der beiden
+Ritter von Meerenberg, mit dreizehn Wunden, ehe der Befehl des Kaisers,
+der sein Leben zu schonen geboth, erfüllt werden konnte. Worauf Flucht
+und Verwirrung der Böhmen. Der Kaiser ließ zum Rückzug blasen, allein
+die Kumanier verfolgten sie, bis die sinkende Nacht dem Würgen ein Ende
+machte. Die Schlacht währte nur fünf Stunden, und es sollen auf Ottokars
+Seite über 14,000 gefallen seyn. Rudolph hieß seine Leiche sogleich
+aufsuchen, nach dem Städtchen Laa, und noch in der Nacht nach Wien
+bringen, wo sie anfangs in dem Schotten-Kloster beigesetzt, und dann in
+der Kirche der Barfüßer-Mönche öffentlich zur Schau ausgestellt blieb.
+Allein, auf die in das Lager gelangte Bitte der Böhmen, stellte er sie
+ihnen wieder zu; worauf sie über Znaim nach Prag abgeführt, und in dem,
+von ihm erbauten Franciskaner-Kloster königlich zur Erde bestattet ward.
+Rudolph hielt in Wien, unter unendlichem Jubel des Volkes, seinen
+feierlichen Einzug, und erfüllte bald darauf sein Gelübde, indem er zu
+Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes ein adeliges Frauenkloster erbauen
+ließ.
+
+ [Fussnote A: Bei _+Arenpeck Chron. Austr. ad Annum+ 1278 heißt es_:
+ +Conveniunt ambo Reges cum exercitibus suis in campis Austriae trans
+ Danubium apud Weidenbach feria sexta ante Bartholomaei etc.+ Viele
+ andere wollen, daß die Schlacht sich am 26. August ereignet habe.]
+
+
+
+
+ Anmerkungen
+
+ zu
+
+ Rudolph von Habsburg.
+
+
+Erster Gesang.
+
+[1] Vers 9.
+
+_Drahomira_ war die Gemahlinn Vratislavs, Herzogs von Böhmen, der die
+Heidinn in der Hoffnung, daß sie sich zum Christenthume bekehren würde,
+im Jahr 907 ehlichte. Sie gebar ihm zwei Söhne, Wenzel und Boleslav, und
+als er im Jahr 916 starb, und seine Mutter, die heil. Ludmilla, die
+vormundschaftliche Regierung übernehmen wollte, stand sie in der
+berufenen Ständeversammlung zu Prag dagegen auf, zog sich mit ihrem
+jüngeren Sohn, Boleslav, auf das feste Schloß Wischehrad zurück, und
+wüthete beinahe durch vier Jahre, mit Beihülfe des heidnischen
+Stadtrichters Palhog, gegen die Christen mit Feuer und Schwert. Darauf
+ließ sie die Kirche zu Bunzlau zerstören, und endlich auch ihre
+Schwiegermutter auf dem Schlosse Tetin hinrichten. Wenzel, obgleich nur
+ein Jüngling, kam hierauf nach Prag, berief die Stände im Jahr 921, und
+entsetzte sie der Regierung. Doch ruhte die unmenschliche Mutter nicht,
+bis ihr jüngerer Sohn den älteren im Jahr 938 auf ihr Anstiften durch
+Brudermord auf die Seite schaffte. Nach der Sage soll sie auf dem
+Hradschin die Erde lebendig verschlungen haben. S. +_Cosmas Pragensis_
+L. I. _Hist._ -- _Pulkawa Hist. Boh._ C. 13. _Dubrav. Hist. Boh._ L. 5.
+_Sylvius_, _Hagek_ etc.+
+
+[2] Vers 68.
+
+_Margareth_, die Tochter des babenbergischen Leopold des Glorreichen,
+Herzogs von Oestreich, war die Wittwe Kaisers Heinrich VII., und bereits
+an Jahren vorgerückt, als Ottokar, wohl nur in der Absicht, mit ihrer
+Hand Oestreich und die Steyermark zu erlangen, sie im Jahr 1252
+heirathete, aber schon im Jahr 1261 sich von ihr, wegen beschuldigter
+Unfruchtbarkeit, wieder scheiden ließ. Sie starb zu Krems im Jahr 1267
+im Kloster, und zwar, wie Einige behaupten, durch Gift, mit welchem sie
+Ottokar aus der Welt geschafft haben soll. Doch hat Hanthaler +_Fast.
+Campilil._ T. I. P. II. Dec. VII. §. I. C. XXXIV.+ diese Behauptung
+widerlegt. Sie liegt in dem Kloster Lilienfeld, das ihr Vater stiftete,
+ihm zur Linken, vor dem Hochaltar, begraben.
+
+[3] Vers 117.
+
+_Durnkrut._ Siehe den merkwürdigen Aufsatz „Die Entscheidungsschlacht im
+Marchfelde zwischen Rudolph und Ottokar 1278“ im Archiv für Geographie,
+Historie &c. Nr. 1 und 2 des J. 1814. Der vortreffliche
+Geschichtschreiber, Chorherr Kurz, sagt in seinem +Oestreich unter
+Ottokar und Albrecht I.+: „In Rücksicht des Schlachtfeldes stimmen die
+Berichte nicht ganz überein, welches wohl nicht anders möglich ist, da
+zwei Heere nothwendig eine große Strecke einnehmen, und während einer so
+entscheidenden Schlacht an mehreren Orten gestritten wird. Daß an dem
+Marchfluß gekämpft ward, in welchem viele Böhmen den Tod fanden,
+bestätigen alle Chroniken. Der Bezirk von _Stillfried_ bis
+_Idungspeugen_ hinauf, war der eigentliche Kampfplatz, _Chrutterfeld_,
+das ebenfalls genannt wird, liegt in der Mitte. Die Schlacht muß sich
+von Stillfried gegen den _Weidenbach_ und bis _Marcheck_ ausgedehnt
+haben, da Rudolph in seinem Stiftsbrief sagt: „Gott habe ihn nicht fern
+der Kirche von Marcheck aus Todesgefahr errettet“. +In loco ab ecclesia
+eadem non longe distante nos quasi in angustiis mortis positos liberavit
+ab hostibus: et prostratis eisdem liberavit gloria triumphali.+
++_Bodmann_ cap. I. p. 100.+ Wahrscheinlich deutet er auf die Gefahr, die
+ihm drohte, als ihm das Pferd unter dem Leib’ erstochen ward. +_Calles_
+T. II.+ p. 552-562 hat alle hierher gehörigen Stellen gesammelt“.
+
+[4] Vers 284.
+
+Siehe über dieses Gespräch Hornecks Reim-Chronik, Cap. 132-136
+
+[5] Vers 351.
+
+_Rüdiger Waldram_ nennt _Fugger_, in seinem _Ehrenspiegel des Erzhauses
+Oestreich_, den Bürgermeister Wiens, der an Rudolph mit dem König der
+Böhmen einverstanden, heimlichen Verrath sann. Bei andern
+Schriftstellern heißt er Paltram Vazo. Der Sänger Rudolphs fand jenen
+wohlklingender zu seinem Zwecke (S. auch +Wolf. Lazius Chron. Vienn.
+Lib. IV.+ und +Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.+)
+
+[6] Vers 360.
+
+Die Erzählung von der Huldigung Ottokars auf der Donau-Insel _Kamberg_,
+wo er, nachdem die täuschenden Zeltvorhänge gefallen waren, auf den
+Knieen vor dem Kaiser liegend, den beiden, durch die Donau geschiedenen
+Heeren gewiesen ward, ist von vielen gründlichen Geschichtsforschern als
+unstatthaft verworfen worden.
+
+[7] Vers 375.
+
+In einem der anmuthigsten Gebirgsthäler Unter-Oestreichs, am Fuße der
+Alpen, und an dem Ufer des Traisenflusses, liegt das Cisterzienser-Stift
+_Lilienfeld_, von dem babenbergischen Leopold VII., oder Glorreichen, im
+Jahr 1202 gestiftet, dem der Sänger Rudolphs durch acht und zwanzig
+Jahre angehörte, und demselben in den letzten sieben Jahren als Abt,
+k. k. Rath und niederöstreichischer Landesstand, vorgesetzt war.
+
+[8] Vers 397.
+
+_Masovien_ (Masuren), eine Landschaft in Polen, welche an Preußen, an
+Groß- und Klein-Polen und an Lithauen gränzte, früher durch eigene
+Herzoge regiert, und unter König Sigismund I. mit Polen vereiniget ward.
+Ihre vornehmsten Städte waren Warschau und Plozk. (Hartknoch +de Republ.
+Pol. L. I. c. 10.+)
+
+[9] Vers 403.
+
+_Königsberg_, die zweite Residenzstadt Preußens an der Pregel, von mehr
+als 60,000 Einwohnern, und einer Universität, die in der neueren Zeit
+durch Kant berühmt geworden ist, soll Ottokar im Jahr 1254 gegründet
+haben.
+
+[10] Vers 421.
+
+Daß Rudolph in seinem sieben und dreißigsten Jahre an den Hof Ottokars,
+der übrigens als ein großer Feldherr jungen Fürsten allerdings zum
+Muster dienen könnte, berufen, und zu seinem Hofmarschalk ernannt worden
+sey, daß er dann mit ihm die, bei dem Einfall der Tartaren wieder
+heidnisch gewordenen, Preußen bekämpfte, im Jahr 1260 einem Kriegszug
+gegen die Ungern beigewohnt, und wegen ausgezeichneter Heldenthaten von
+ihm den Ritterschlag erhalten habe, sind Erzählungen aus seinem Leben,
+deren Wahrheit hie und da bestritten worden ist.
+
+[11] Vers 484.
+
+_Tabor_. Ein an dem linken Ufer der Donau, Wien gegenüber liegendes
+Dorf.
+
+
+Zweiter Gesang.
+
+[1] Vers 28.
+
+Die Veste _Mödling_, deren Ruinen über dem Städtchen gleiches Nahmens,
+nicht fern von Wien, in dem Brühler Thal zu sehen sind, war das
+Eigenthum mehrerer Fürsten eines Zweigs des babenbergischen
+Herrscherstammes, die sich Herzoge von Modeling nannten, und das zuletzt
+auch Gertrud, die Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling, und Bruders
+Friedrichs des Streitbaren, zu ihrem Antheil erhielt, nachdem ihr Gatte,
+Herman, Markgraf von Baden, gestorben war.
+
+[2] Vers 35.
+
+In einem eng umschlossenen Thal’, am Fuße des Tannberges, welches der
+Sattelbach durckfließt, stiftete Leopold der Heilige im Jahr 1135 das
+Cisterzienser-Kloster Heiligen-Kreuz, welches nebst andern merkwürdigen
+Grabmäälern im Kreuzgang auch jenes von Friedrich dem Streitbaren,
+letzten Sprossen des babenbergischen Stammes, zur Schau stellt.
+
+[3] Vers 91.
+
+Ueber _Jacob Müllers_, des Zürcher Kriegers, _lustige Mähre_ siehe
++_Alb. Argent. Cap._ 18+ und _Fuggers Spiegel der Ehren des Erzhauses
+Oestreich_. Nürnberg, 1668, erstes Buch 7. Cap. S. 66.
+
+[4] Vers 110.
+
+Der _Traisen_-Fluß in Unteröstreich, der bei Traisenmauer in die Donau
+fällt, entspringt hinter der Lilienfelder Alpenkette aus dem sogenannten
+Traisenberg, und ergießt sich in zwei Bächen, wovon der eine hinter
+Tirnitz aus der Süd- und der andere hinter Hohenberg aus der Nordseite
+des Berges hervordringt, so, daß beide erst oberhalb Lilienfeld sich
+wieder vereinigen, und die eigentliche Traisen bilden. Wechselweise wird
+der eine, und der andere Arm die _unechte Traisen_ genannt, je nachdem
+der Bewohner des einen und des andern Bezirks Kunde darüber geben soll.
+
+[5] Vers 115.
+
+_Lilienfeld_, das Cisterzienserkloster in Unteröstreich, welches am Fuße
+der Alpen, in einem der reizendsten Thäler, nicht weit von der, auf der
+Hauptstraße nach Wien liegenden Stadt St. Pölten entfernt liegt, wurde
+durch den babenbergischen Leopold den Glorreichen, Herzog von Oestreich,
+im Jahr 1202 gestiftet, erhielt, wie schon weiter oben im Gedichte
+gesagt wird, die ersten Mitglieder aus dem Kloster Heiligen-Kreuz, und
+besteht nun schon 640 Jahre. In dieses Kloster trat der Dichter Rudolphs
+von Habsburg, in seinem zwanzigsten Lebensjahre, im Jahre 1792, und
+hatte ihm gegen 28 Jahre lang angehört, nach welchen er zu höhern
+Stellen berufen ward; es ist ihm daher wohl zu guten zu halten, daß er
+es zu einem der Schauplätze seines Gedichtes gewählt, und mit besonderer
+Liebe und Ortskenntniß beschrieben hat.
+
+[6] Vers 171.
+
+Ob Rudolph vor, oder während der Schlacht das Gelübde gemacht habe: so
+er den Sieg gewänne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu erbauen,
+ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht völlig erweisbar. So viel ist
+gewiß, daß er, nach jenem erhaltenen Sieg über seinen Gegner, das
+adelige Frauenkloster zu Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes erbaut, und
+auch seine, und seiner Gemahlinn aus Stein gehauene Statuen dahin
+geschenkt habe, die leider zur Zeit der Aufhebung desselben, auf eine
+unverantwortliche Weise, vernichtet worden sind!
+
+[7] Vers 176.
+
+Die hier bezeichneten Fürsten sind: Albrecht I., Friedrich der Schöne,
+Maximilian I., Carl V., Maria Theresia, Joseph II., Leopold II.,
+Franz I.
+
+[8] Vers 320.
+
+Nach Fugger geschah diese Handlung zu Mainz, als Kaiser Rudolph das
+Reich bereisete, im Jahr 1273. (_Siehe Spiegel der Ehren_. S. 84.)
+
+[9] Vers 372.
+
+_Wiener-Neustadt_ -- erhielt den Titel der _Allzeit Getreuen_ schon von
+Herzog Friedrich dem Streitbaren, wie es aus einer ihr im Jahr 1242
+ertheilten Privilegien-Urkunde erhellet. Kaiser Leopold I. schenkte ihr
+im J. 1708 eine Fahne mit der Aufschrift: +Semper fidelis civitas
+Neostadiensis -- pro Caesare et Religione+ -- wie solches nebst andern
+historisch merkwürdigen Seltenheiten in dem Rathhaus-Archive daselbst zu
+ersehen ist.
+
+[10] Vers 410.
+
+Ein Meisterwerk der gothischen Baukunst, das alle Fremden durch seinen
+majestätischen Umfang in Erstaunen setzte, das sogenannte Dormitorium,
+oder Schlafhaus zu Lilienfeld, welches ursprünglich den Klosterbrüdern
+zur gemeinschaftlichen Wohn- und Schlafstätte diente, als noch, außer
+dem Chorgebeth, das Ausräuten und Urbarmachen der Wildniß umher ihr
+hauptsächliches Geschäft war, ging durch den großen Brand (13. September
+1810) völlig zu Grunde, so daß keine Spur mehr von seiner Herrlichkeit
+übrig blieb.
+
+[11] Vers 478.
+
+Der _Lasingfall_, in den Lilienfelder Gebirgen, ist seit dem Jahr 1815,
+wo ihn der Verfasser des gegenwärtigen Gedichts, als damaliger
+Stiftsvorsteher, zugänglich, und dadurch erst bekannt machte, der
+Gegenstand der Aufmerksamkeit der Reisenden, die ihn jährlich in großer
+Anzahl besuchen. Seine Schönheit übertrifft jede Vorstellung. Die
+Felsenschlucht, durch welche sich die Lasing herabstürzt, hat drei
+Hauptabsätze, die nach Wiener Maß:
+
+ a = 107 Fuß
+ b = 40 „ 8”
+ c = 123 „ 2”
+ -------------
+ 270 ’ 10”
+
+senkrechte Höhe, und
+
+ a = 145 Fuß 2”
+ b = 126 „ 7”
+ c = 123 „ 4”
+ -------------
+ 395 ’ 1”
+
+horizontale Länge des Wasserfalls bewirken. Auch das Felsenthal am Fuß
+des Oetschers, durch welches sie sich ergießt, gewährt einen
+ergreifenden Anblick.
+
+
+Dritter Gesang.
+
+[1] Vers 3.
+
+_Marbod_, +Marobodus+, wie ihn Tacitus nennt, König der Marcomannen,
+eines schwäbischen Stammes (Mark-Mannen, Hüther der Gränze, oder wie
+Andere wollen: _Marich_-Mannen, Roßtummler, von dem alten deutschen Wort
+_Marich_, Stute, Mähre, +equa+), lebte gleichzeitig mit Herman dem
+Cherusker. Entschlossen, sich in einer entfernteren Stellung den Römern
+furchtbar zu machen, sammelte er ein Heer von mehr denn siebenzig
+tausend Mann, zog immer weiter an der Donau herab, und nachdem er den
+_Catualda_ (Gothwald oder Katwald), einen Anführer der Gothen, aus dem
+Lande der Bojen, dem heutigen Böhmen, verjagt hatte, gründete er dort
+den Sitz eines neuen Reichs, das sich von der äußersten Spitze der
+Ostmark, und der Gränze Pannoniens, bis an das Riesengebirge hin
+erstreckte. _Inguiomar_ (wahrscheinlich Hinkmar), der Ohm Hermans, der
+zu ihm flüchtete, verwickelte ihn in einen heftigen Streit mit seinem
+gewaltigen Neffen, und als nach einer unentschiedenen blutigen
+Feldschlacht seine Krieger auf Hermans Seite traten, und Catuald mit
+Hülfe römischer Scharen seine Burg erstürmte, faßte er den Entschluß,
+sich in Roms Schutz zu begeben. Er wurde nach Ravenna verwiesen, wo er
+nach einem zwei und zwanzigjährigen Aufenthalt sein Leben -- das er, wie
+Tacitus sagt, zu sehr liebte, in unrühmlicher Abgeschiedenheit endete.
+Catuald hatte ein gleiches Schicksal, denn er wurde von den Römern nach
+Frejus in Frankreich verwiesen.
+
+[2] Vers 16.
+
+Das Schloß _Hainburg_ mit dem Städtchen gleiches Nahmens, an der Gränze
+Ungerns in Unter-Oestreich, soll, der Sage nach, von Attila, dem König
+der Heunen, wie die Deutschen der Vorzeit die Hunnen nannten, erbaut
+worden sein: daher Heunenburg, _Heunburg_, geheißen haben. Was hier von
+dem Umfang, und der Lage des markomannischen Reichs unter Marbod, und
+weiter unten Vers 25 von der durch ihn gekämpften Schlacht auf dem
+Marchfeld gesagt wird, gründet sich, nicht mit historischer Gewißheit,
+sondern in poetisch genommener scheinbarer Möglichkeit, auf folgende
+Stellen aus dem Werke: +Hist. opus in IV. T. divisum, quorum T. I. Germ.
+ant. illust. continet. Basileae 1574 ed. Tencterus+.
+
++Sub Martungis erant Curiones, inde Chetuari, et Parmecampi, ubi hodie
+pars est Austriae Cis-Danubianae juxta _Krembs, Znaem et Niclaspurg_.
+Inde habitabant Marcomanni; hodie regio illa Moravia est, quae se ad
+Sudinos extendebat, et Danubium usque, ubi hodie civitas est
+_Prespurgium_. -- Gessit haec gens maxima bella cum Romanis etc. etc.
+_Bilibaldi Birkheimeri Locor. per German. explicatio pag. 209._+
+
+Ferner: +Nariscos Marcomannos et Quados haud dubie ea loca tenuisse
+putamus, ubi nunc agunt Moravi, _Merherlandt_. De Marcomannis nemo
+dubitare potest, qui Vellejum legerit. _Henr. Clareani in P. C. Taciti
+de Mor. Germ. comment._ p. 188.+
+
+Und endlich: +Marcomanni sedes habuerunt in ea parte, quae spectat ortum
+versus Moraviam et Austriam. Enituit autem virtus Marcomannorum in
+multis asperrimis bellis, in quibus patriam adversus Romanos fortissime
+defenderunt etc. _Philip. Melanchtonis Vocabula Regionum et Gent. quae
+recens. in libello Taciti de mor. Germ._ p. 193.+
+
+Daß aber Rudolph aus Marbods Stamm entsprossen seyn soll (siehe unten V.
+48) gründet sich in besagtem Sinn auf folgende Stelle:
+
++Andreas Alciatus in suis annotationibus in Tacitum, etiam in Helvetiis
+consedisse Marcomannos quadosque putat. Exstat enim, inquit, adhuc in
+eis Vallis _Marcomanna_ nomine.+
+
++_Andreae Althameri Scholia in Cornel. Tacit. de Germ._ pag. 61+
+desselben Werks.
+
+[3] Vers 23.
+
+_Marobudum_ hieß die Residenzstadt Marbods, des Königs der Marcomannen,
+die er sich in dem vormahligen Bojenheim erbaute, und die an der Stelle,
+wo jetzt Prag -- nach Andern -- wo jezt Budweis, gestanden haben soll.
+
+[4] Vers 106.
+
+Das Wapen der Grafen von Habsburg enthielt im goldenen Felde einen
+rothen Löwen mit einer blauen Krone auf dem Haupt.
+
+[5] Vers 107.
+
+Das böhmische Wapen zeigt einen weißen gekrönten Löwen im rothen Feld.
+Kaiser Friedrich I. ertheilte selbes, nach dem Mailänder Krieg,
+Uladislav II. im Jahr 1159.
+
+[6] Vers 108.
+
+Kaiser Friedrich II. erhob Wien im Jahr 1237 zu einer freien
+Reichsstadt, ertheilte ihr den doppelten Adler zum Wapen, und stiftete
+eine hohe Schule daselbst. S. _Lazius_. Auch diesem wird widersprochen.
+
+[7] Vers 295.
+
+Der schmale Donau-Arm, der, unterhalb Nußdorf von dem Hauptstrom
+geschieden, die Stadt Wien von der Leopoldstadt trennet, und hiermit ein
+großes Eyland bildet, auf welchem nebst besagter Vorstadt, auch die
+anmuthigsten Spaziergänge in der Brigittenau, dem Augarten und dem
+berühmten Prater sich befinden.
+
+[8] Vers 308.
+
+_Amtner_, dieses im Verlaufe des Gedichtes einigemal vorkommende Wort,
+bezeichnet (wie Schaff-ner, Zöll-ner u. s. w. geformt) ganz entsprechend
+die französische Benennung _Offizier_; wo sodann _Offizier-Corps_, durch
+_Amtnergilde_ gegeben werden könnte.
+
+[9] Vers 350.
+
+Die Kumanier (ein sarmatisches Volk), die aus ihrem Land, welches
+zwischen den Alpen und der Donau, gegen die Tartarei zu, lag, von den
+hinterhalb wohnenden Tartaren gedrängt, unter Bela IV. Jahr 1239 nach
+Ungern kamen, und von diesem eine große Strecke Lands zwischen der Donau
+und der Theyß eingeräumt erhielten, vereinigten sich dann mit den bald
+nachfolgenden Tataren, über Ungern die schrecklichste Verwüstung zu
+bringen, weßwegen sie dem Unger, der sie in seiner Sprache Kun nennt,
+auch nachdem jene schon abgezogen waren, noch lange verhaßt blieben.
+(+Bonfinii Decad. II. Lib. 8.+)
+
+[10] Vers 358.
+
+Dschengis Khan brachte durch die Gründung seines großen Reichs in Asien
+auch die europäische Tartarei, welche die Halbinsel Krimm, Beßarabien
+und das Land zwischen dem Dniester und Dnepr in sich faßte, in Bewegung.
+Seine Horden drängten die vor ihnen liegenden Kumanier, und als diese,
+unter ihrem König Kuthen, sich nach Ungern zurück zogen, folgten sie
+ihnen dahin nach, und verwüsteten unter ihren beiden Anführern, Vathos,
+der über Reußen, Polen und Mähren, und Kadan, der aus der Moldau
+hereinbrach, beinahe durch zwei Jahre das Land mit Feuer und Schwert.
+
+[11] Vers 517.
+
+Rudolphs Zug nach dem Gelobten-Lande; auch daß er Hofmarschalk König
+Ottokars gewesen (siehe weiter unten Vers 602) gehört unter die
+bestrittenen Ereignisse seines Lebens.
+
+[12] Vers 581.
+
+_Ueber das Faustrecht_ siehe Dr. Gerhards Abhandlung. Jena 1711.
+
+[13] Vers 595.
+
+_Fugger_ erzählt: „Auf dem Reichstag zu Nürnberg Jahr 1274 ist
+beschlossen worden, daß forthin alle Reichsabschiede, Freiheitsbriefe,
+Befehle, Verträge, letzte Willen, und dergleichen öffentliche Urkunden,
+nicht mehr wie zuvor, in lateinischer, sondern in deutscher Sprache
+sollten ausgefertigt werden, damit also die Ungelehrten, die das Latein
+nicht verständen, nicht ungefährt bleiben, und die bürgerlichen
+Geschäfte in mehrere Richtigkeit kommen möchten. Wiewohl es noch bei dem
+damaligen Unform der Sprache (!!) mit der deutschen Rednerei etwas hart
+herginge, so wäre doch diese löbliche Sorgfalt K. Rudolph ein guter
+Anfang, und eine kräftige Anreizung zur Ausübung unserer Muttersprache
+gewesen.“ (_Siehe Ehrenspiegel_ S. 87.)
+
+
+Vierter Gesang.
+
+[1] Vers 58.
+
+_Lug_, _Lueg_ im Oberdeutschen eine Warte, +Specula+, welche demnach dem
+französischen +Loge+ entspricht. Siehe Theuerd. Cap. 47.
+
+[2] Vers 131.
+
+Alles, was hier, und weiter unten von Turnier und Turniergebräuchen
+gesagt wird, mag in _Rüxners Turnierbuche_; in +_Du Cange dissertations
+sur l’histoire de St. Louis_+, und in +_Menestrier_ (Claude Franç.)
+_Traité des Tournois_, _Joustes_ etc. Lyon 1669. IV.+ seine Belege
+finden.
+
+[3] Vers 428.
+
+_Zawiß von Rosenberg_, der Geliebte, und nachher Gemahl der Wittwe
+Ottokars, Kunegunde, übte, während der Minderjährigkeit Wenzels,
+Herrschergewalt über Böhmen aus. Dieser, nach ihrem Tod König geworden,
+trug ihm tiefen Haß im Herzen, welchem zu entgehen, und sich zugleich an
+dem feindseligen Herrscher zu rächen, Zawiß, durch eine Heirath mit der
+Base des Ungernkönigs Ladislav, sich gegen ihn zu verbinden suchte.
+-- Doch, in dem Augenblick der Abfahrt ward er zu Prag durch List
+festgenommen, und nach mehr als Jahresfrist im Kerker zu Budweis
+enthauptet.
+
+
+Fünfter Gesang.
+
+[1] Vers 131.
+
+Die Schlacht von Kressenbrunn (Kroissenbrunn) im Marchfeld, in welcher
+Ottokar über Bela IV. König der Ungern, einen entscheidenden Sieg davon
+trug, ereignete sich im J. 1260. Siehe die höchst anziehende
+Beschreibung derselben in _Hornecks Reim-Chronik_ vom 58. bis 64. Cap.
+
+[2] Vers 153.
+
+Nach jenem Sieg von Kroissenbrunn über die Ungern, zog Ottokar mit
+seinen Scharen, wie im Triumph, durch Kärnthen und Krain. Als die Böhmen
+an der Gränze von Italien die Steinwände von Canale ersahen, fragten sie
+den König: „ob Rom nahe sey? denn sie hätten öfters von ihren Vorfahren
+sagen gehört, daß sie durch eine solche Felsenpforte auf die Straße nach
+Rom gekommen seyen.“ Ottokar antwortete ihnen, „Böhm’ und Pole sollen
+sich einst hier wie zu Hause finden, denn, so er noch einige Zeit lebte,
+würde sich seine Gewalt noch viel weiter erstrecken.“ _Horneck
+Reim-Chronik_ Cap. 90.
+
+[3] Vers 162.
+
+_Arpad_, der erste Anführer der Ungern (Magyaren), die, kommend von den
+Ufern des Tanais her, im neunten Jahrhundert Pannonien in Besitz nahmen,
+stand seinem Volk (nach +Anonym. Belae Not. 52. Cap.+) beiläufig von 889
+bis 907 vor, und war der Stammvater einer Reihe von Königen, unter
+welchen der heil. Stephan zuerst, im J. 1000, diesen Titel annahm, bis
+mit Andreas III. im J. 1301 sein Stamm ausstarb. Erst Ferdinand I. hat
+dieses Reich auf immer mit Oestreich vereinigt, obschon dasselbe vor ihm
+zwei Fürsten seines Hauses, Albert II., und Ladislaus Posthumus,
+besaßen.
+
+[4] Vers 358.
+
+Das Schicksal beider fürstlichen Jünglinge, Konradins von Schwaben (Sohn
+Konrads IV.) und Friedrichs von Oestreich (Sohn Markgraf Hermans von
+Baden, und Gertrud, Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling) die im Jahr
+1268 zu Neapel durch das Bluturtheil Carls von Anjou hingerichtet
+wurden, ist bekannt. Horneck beschuldigt Ottokarn an mehr denn einer
+Stelle, daß er, als Mitwerber um Oestreich und Steyermark, ihren Tod
+befördert habe. _S. Reim-Chronik_ Cap. 164.
+
+[5] Vers 361.
+
+Gertrud, die Mutter Friedrichs von Oestreich, ließ Ottokar, nachdem er
+Steyermark in seine Gewalt bekam, aus allen ihren Besitzungen, zuletzt
+auch aus Judenburg und Feistritz, durch den grausam gesinnten Propst von
+Brünn, vertreiben. Zur Nachtzeit, im Regen und Sturm, mußte sie die
+Reise antreten. Sie begab sich nach Meißen. (_Horneck Reim-Chronik_ Cap.
+55 und 56.)
+
+[6] Vers 364.
+
+Ueber Margarethens, der verstoßenen Gemahlinn Ottokars, Schicksale,
+siehe _oben Anmerkungen zum ersten Gesange [2] zum Vers_ 68.
+
+[7] Vers 365.
+
+Otto, Herrn von und zu Meißau, den Stolz des östreichischen Adels, hatte
+Ottokar, wegen geargwohnter Anhänglichkeit für den Sohn der
+babenbergischen Gertrud, im Schloß Eichhorn festsetzen, und dort Jahr
+1265 im Hungerthurm verbrennen lassen. (+Chron. Austral. Neob. et Leob.
+apud. Hieron. Pez T. I.+)
+
+[8] Vers 366.
+
+Der scheelsüchtige Ritter Friedrich von Pettau hatte Ottokars
+argwöhnisches Gemüth gegen einige seiner Mitstände in der Steyermark
+aufgeregt, der dann mehrere von ihnen, als: Ulrich von Lichtenstein,
+Hartneid von Wildon, Wülfing von Stubenberg, und Heinrich und Bernhard
+von Pfannberg, auf verschiedene Vesten gefangen setzen, und sie aus
+diesen nach einer zweijährigen Haft nicht eher entließ, bis sie ihm ihre
+Burgen ausgeliefert hatten. _Horneck_ Cap. 85 und 86.
+
+[9] Vers 372.
+
+Seyfried von Merenberg, der steyrische Ritter, versäumte dem König
+Ottokar, auf seinem Siegszug an der Drau mit den übrigen Herrn entgegen
+zu kommen, und fiel durch Einflüsterung eines bösen Menschen bei ihm in
+Verdacht. Er ließ ihn in der Folge heimlich greifen, und gebunden nach
+Prag abführen. Als er vielfältig gemartert, Gott zum Zeugen seiner
+Unschuld rief, und dem, nach Geständnissen einer Verschwörung in
+Kärnthen und Krain gierigen König, keine Lüge für Wahrheit geben wollte,
+wurde er durch ein Pferd zum Galgen geschleift, und dort, das Haupt zu
+den Füßen gebunden, aufgehenkt. Noch in der zweiten Nacht lebt’ er in
+diesem qualvollen Zustand, bis ihm endlich einer der böhmischen Szupane
+die Scheitel mit einem Kolben einschlug, weil er, auf wiederholte
+Aufforderungen, schon halbtodt, aber standhaft, der Wahrheit getreu
+gewesen zu seyn betheuerte. (_Horneck_ Cap. 99.)
+
+[10] Vers 378.
+
+Ottokar ließ den Bruder Milota’s, Beneß, Kämmerer von Mähren, dessen
+Tochter er geschändet haben soll, zugleich mit Otto von Meißau im Jahr
+1265 in dem Hungerthurm zu Eichhorn verbrennen. Milota’s Haß gegen
+Ottokar, und der Verrath, den er in der Marchfelder Schlacht 1278 an ihm
+beging, soll dadurch veranlaßt worden seyn. (Siehe _Hanthalers_ +Fast.
+Campil. Lib. I. Dec. VII. §. 26.+ S. 1017 und _Fuggers Ehrenspiegel_ &c.
+S. 104.)
+
+
+Sechster Gesang.
+
+[1] Vers 96.
+
+_Odin_, der Gott der Götter, nach der nordischen Mythologie. (Siehe
+_Ryerups Wörterbuch der scandinavischen Mythologie von Sander_,
+Copenhagen 1817.)
+
+[2] Vers 516.
+
+Die Gemahlinn Rudolphs, Anna, verschied zu Wien am 23. Hornung des Jahrs
+1281, von wo ihre Leiche nach Basel abgeführt, und in der Domkirche
+beigesetzt worden ist.
+
+[3] Vers 538.
+
+Daß sowohl Ottokar, als auch Rudolph schon zu ihrer Zeit eine Art
+Pontonsbrücke über Flüsse zu schlagen verstanden, erhellet aus _Hornecks
+Reim-Chronik_ Cap. 92., wo es heißt:
+
+ Chostleichen hiez er machen
+ Von Holczwerich ein Prukken
+ Dew waz von manigen stuckchen
+ Chluegleichen gevalten.
+
+und dann
+
+ Bey der Tunawstaden
+ Do sich das Her vol gelait,
+ Do waz dew Prukken berait
+ Vber die Tunaw weit;
+ Die Prukken muesten alle Zeit
+ Wohl hundert Wegen tragen,
+ Wo des Kunigs Helfer lagen,
+ Da ward nach gesannt &c. &c.
+
+In diesem 92. Capitel ist von der Einnahme des Preßburger Schlosses im
+letzten Krieg Ottokars gegen Ungern die Rede.
+
+
+Siebenter Gesang.
+
+[1] Vers 25.
+
+Ueber Hainburg, und ihre vermeintliche Erbauung durch Attila, siehe oben
+_Anmerkungen zum dritten Gesang_[2] Vers 16.
+
+[2] Vers 110.
+
+Die Sage von der Burgfrau, welche grausam eitlen Sinnes das Blut der
+Kinder vergoß, zeigt auf die Ruinen des Schlosses * * *, an dem rechten
+Waag-Ufer, nicht fern von Trentschin, welches sie bewohnt hat.
+
+[3] Vers 244.
+
+Die Waffe, eine Art kurzer Streitkolben, von welcher hier die Rede ist
+nennt der Unger +Buzogány+, wo der Buchstabe +z+ wie beim italienischen
++zero+ ausgesprochen wird; das +y+ verliert sich aber im Druck der Zunge
+an den Gaumen.
+
+[4] Vers 309.
+
+Die _Zips_ (Zipß), lat. +Scepusium+, eine Gespannschaft in Ober-Ungern
+am Fuße der höchsten Karpathen gelegen, und wohl eines der höchsten
+bewohnten Gebirgsthäler der östreichischen Monarchie, aus welchem nach
+allen Welttheilen bedeutende Flüsse sich ergießen: g’en Westen die Waag;
+g’en Süden die Hernath; g’en Osten die Tarza; g’en Norden die Poprad,
+die in dem angränzenden Polen, mit der Dunajez vereint, in die
+Weichsel fällt. Diese Gespannschaft zeichnet intellectuelle und
+landwirthschaftliche Cultur vor mancher andern Ungerns aus, so, daß viel
+Wohlstand sowohl in den zwei königlichen Städten Leutschau und Käßmark,
+als auch in den XVI. Städten, unter den munteren und fleißigen Bewohnern
+zu sehen ist. Der Verfasser gegenwärtigen Gedichts trennte sich schwer
+von diesem Ländchen, worinn ihm 1819 und 1820 eine ehrenvolle Bestimmung
+geworden war.
+
+[5] Vers 312.
+
+Ueber Katwald und _Inguiomar_ siehe oben die _Anmerkungen zum dritten
+Gesange_ [1] Vers 3.
+
+[6] Vers 474.
+
+Daß die Könige von Ungern, zur Zeit _Hornecks_ wenigstens, in der
+Schlacht nicht selber mitfochten, sondern von einer Anhöhe nur Zeugen
+derselben waren, erhellet aus Cap. 153, wo von der Marchfelder Schlacht
+die Rede ist:
+
+ Kunig Ladißla den jungen
+ Sy furten von Streit dan
+ Auf den Perikch ob dem Plan
+ Da er wol hört und sach
+ Alles daz, daz da geschach
+ Auf dem Veld prait.
+ Ez ist der Vnger Gewonhait
+ Vnd jehent auch offenbar:
+ Ir Kunig sey jn zu achpar
+ Darezu, daz er schull streiten &c. &c.
+
+Auch sagt _Haselbach_ +Chron. Austr. Lib. III. ap. Hier. Pez. T. II.
+Ladislao+, juvene Ungariae, cuncta de monte prospectante; nam Ungarorum
+mos habet, ut Rex propria persona bellum intrare non debeat.
+
+[7] Vers 536.
+
+Die Sitte, des Gegners Heer zum Kampf herauszufordern, und sogar von
+beiden Seiten dazu Tag und Ort zu bestimmen, war den alten Deutschen
+gemein. Ein Beispiel davon findet man auch bei _Horneck_ Cap. 60, wo
+Ottokar den König Bela durch Otto von Meißau zum Kampf auffordert, und
+bald darauf auch Bela den Gegnern sagen läßt, sie sollen sich auf eine
+bestimmte Strecke zurückziehen, damit die Ungern über die March setzen,
+sich aufstellen, und die Schlacht liefern mögen.
+
+[8] Vers 550.
+
+Sowohl bei Horneck, als auch bei den spätern Geschichtschreibern, wird
+Schörlins und seines unbändigen Rosses erwähnt, welches das erste
+Zeichen zur Marchfelder Schlacht gegeben habe.
+
+
+Achter Gesang.
+
+[1] Vers 31.
+
+In der Jägersprache heißt das Bluten des verwundeten Wildes: das
+_Schweißen_; daher die Benennung einer Gattung der Jagdhunde.
+
+[2] Vers 55.
+
+_Tyr_, nach der nordischen Mythologie, der Sohn Odins, des höchsten der
+Götter, und ein Beschützer der muthigen Krieger, soll die einzige
+Gottheit der scythischen Völker gewesen seyn, die ohne Zweifel unter
+einem andern Nahmen bei ihnen in Verehrung stand. Bei seinem Scheiden
+von der Erde soll er sein Schwert in die Erde vergraben haben, welches
+erst später Attila auffand.
+
+[3] Vers 386.
+
+Vor der Schlacht sollen Einige aus dem östreichischen Heere den König
+Ottokar, aus alter Anhänglichkeit, schriftlich vor Untreue der Seinigen
+gewarnt haben; da nun auch die Meißner und Thüringer heimlich aus dem
+Lager abzogen, so habe er sich wehrlos in die Mitte seiner Feldherrn
+gestellt, und sie aufgefordert, ihm die Brust zu durchbohren, ehe noch
+viele Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden. (Siehe
+_Hanthaler_ +Fast. Camp. T. I. Pars II. Dec. VIII. §. 80.+ +Arenpeckii
+Chron. Austr. ad An. 1278+.)
+
+[4] Vers 428.
+
+Heinrich I. der _Städte-Erbauer_, hat ungefähr im J. 930 die Stadt, und
+das Schloß Meißen an der Elbe erbaut, und ihr von dem Flüßchen, das sie
+eben dort aufnimmt, und Meiße heißt, den Nahmen gegeben.
+
+[5] Vers 459.
+
+Constanzia, Tochter des babenbergischen Leopold des _Glorreichen_, war
+die Gemahlinn Markgrafs Heinrich von Meißen, des Sieghaften, die ihm die
+beiden Söhne Dietrich und Albrecht gebar. Einen von diesen beiden
+verlangten die Stände von Oestreich, nach dem Erlöschen des
+babenbergischen Stammes, und der kurzen Regierung Hermanns von Baden, zu
+ihrem Herrscher, und fertigten von Tuln, wo sie ihre Versammlung
+hielten, Gesandte nach Meißen ab, die hernach der König von Böhmen
+unterwegs aufgehalten, von der Fortsetzung der Reise abgebracht, und
+sich durch Hindeutung auf eine Heirath mit der verwittweten Herrscherinn
+Margareth den Weg zur Erwerbung von Oestreich und der Steyermark
+eröffnet hat.
+
+[6] Vers 473.
+
+Daß die Meißner und Thüringer vor der Schlacht heimlich aus dem Lager
+Ottokars abgezogen seyen, ist geschichtlich. (S. oben _Anmerkung_ [3]
+zum 386 Vers.) Die Ursache dieses Abzugs ist unbekannt.
+
+
+Neunter Gesang.
+
+[1] Vers 71.
+
+Die Krieger, gewöhnlich leichte Reiterei, die vor einem feindlichen
+Heere daherzieh’n, heißen in der bestehenden Kriegssprache:
++Eclaireurs+.
+
+[2] Vers 436.
+
+_Venezia_. Ueber die merkwürdige Eroberung Constantinopels im Jahr 1202
+(also 76 Jahre vor der Marchfelder Schlacht) durch vorzügliche
+Mitwirkung des 90jährigen Greises, Heinrich Dandolo, Doge von Venedig,
+siehe Raumers Geschichte der Hohenstaufen III. B. und Daru’s Histoire de
+Venise I. Der Sänger Rudolphs von Habsburg wollte hier, jener herrlichen
+Stadt, der einstigen Königinn des adriatischen Meeres, deren Andenken
+ihm auf immer theuer bleiben wird, dankbar erwähnen.
+
+[3] Vers 600.
+
+_Al-rune_. _Runen, Runenschrift_, ein den alten Germanen und
+Scandinaviern eigenes Alphabet, nach welchem im nördlichen Deutschland
+noch einige Denksteine beschrieben gefunden werden. Wahrscheinlich
+hatten sie selbes von den Phönikern erhalten, und was sich davon hie und
+da auf verwittertem Gestein vorfand, diente in späterer Zeit zu manchen
+vorgeblich zauberischen Künsten, das Schicksal der Menschen von den
+Nornen, den Schicksalsgöttinnen, zu erfragen. Diese drei schönen
+Jungfrauen, heben sich stets aus Mimers Brunn, der himmlischen Quelle,
+herauf bei welcher die Götter Rath halten, und ihre Urtheile offenbaren,
+und heißen: Urda, Werandi, Skulda: _Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft_.
+(_Ryerups scandinav. Mythol._ &c.)
+
+
+Zehnter Gesang.
+
+[1] Vers 35.
+
+_Rheinau_, +Augia major+, ein kleines Städtchen zwischen Schaffhausen
+und Eglisau, wo eine Brücke über den Rhein führt. Dort befand sich
+vormals ein reiches Benedictiner-Stift, das Funtan der Heilige, aus dem
+königlichen Geblüt Schottlands, erbaut haben soll, da er aus höherer
+Eingebung einen Platz dazu suchen mußte, wo der Rhein _nach Osten_
+fließt, und solcher an dieser Stelle allein gefunden wird. +Stumpf.
+Schw. Chron. p. 360.+
+
+[2] Vers 84.
+
+_Hartmann_, der jüngste der Söhne Rudolphs, ertrank, mit noch andern
+dreizehn Jünglingen, adeligen Geschlechts, am 20. Dezember des Jahrs
+1280, im achtzehnten seines Alters, als er mit selben den Rhein
+hinabfuhr, und das Schiff bei Rheinau von dem Grundeis umgestürzt wurde.
+-- Seine Leiche ward nach Basel geführt, und im dortigen Münster
+begraben.
+
+[3] Vers 138.
+
+_Woldan_ hieß ein Raubritt, den öfters der oberste Anführer eines im
+Krieg begriffenen Volks, mit einer Schar Freiwilliger, in dem Lande des
+Feindes, Beute zu holen, unternahm. Bei der Belagerung Peterlingens
+forderte Rudolph sein Volk zu einem solchen Woldan auf; er streifte bis
+gen Lausanne, und es heißt da;
+
+ Si namen da so viel
+ Daz Ich fürwar sagen wil,
+ Daz in langer Zeit
+ Nahent, noch weit,
+ Nie wart geritten noch gethan
+ Ain so schedleicher Woldan.
+
+ (Horneck R. Chr. C. 319.)
+
+[4] Vers 140.
+
+_Iwan von Günß_ (Sohn des Grafen Heinrich) empörte sich erst gegen
+seinen eigenen König, fiel dann, häufig plündernd, auch in Oestreich und
+Steyermark ein, und verübte unzählige Grausamkeiten. Im Jahr 1286 schlug
+er den gegen ihn gesandten Abt von Admont; später auch Herman von
+Landenberg, der sich ihm mit seinen östreichischen und steyerischen
+Kriegern ergeben mußte. Herzog Albrecht, von Truppen entblößt, verschloß
+sich in Neustadt, und ging sogar den Vertrag von Hainburg ein, vermöge
+welchem die Gefangenen ausgewechselt, und in einem Krieg mit Ungern sie
+sich beide gegenseitige Hülfe leisten sollten. Iwan setzte seine
+Verheerungen in Oestreich bald wieder fort, bis endlich im Jahr 1280 ihn
+Albrecht mit starker Macht bekriegte, ihm Oedenburg nebst vielen andern
+Vesten, Burgen und Märkten abnahm, und ihn endlich, nach einer
+hartnäckigen Belagerung, in Günß bezwang. Ueber diese Belagerung siehe
+_Horneck R. Chron._ von Cap. 312 bis 315.
+
+[5] Vers 228.
+
+Ueber dieses historische Faktum siehe Fugger _Ehrenspiegel_ S. 75. Cap.
+VIII.
+
+[6] Vers 236.
+
+_Antwerk_ war ein Wurfgeschütz, aus welchem Steine von bedeutender
+Schwere, ja auch zuweilen Schwefelfeuer nach den Erkern, und auf die
+Häuser der Veste geworfen wurden. (Ueber diese und die folgenden
+Kriegswerkzeuge des Mittelalters, siehe: _Schachts vortreffliches Werk
+über Hornecks Reim-Chronik_, Mainz 1821, S. 388.)
+
+[7] Vers 238.
+
+_Katzen_ nannte man die mit Erde gedeckten Werke, welche inwendig mit
+Stoßbäumen versehen, nach Ausfüllung der Gräben, bis an die Mauern
+vorgeschoben wurden, und gegen welche man sich durch Minen, und
+Geschosse von den Mauern herab, zu wehren suchte. S. oben.
+
+[8] Vers 245.
+
+_Ebenhoch_ hießen eine Art Thürme, die, wahrscheinlich auf Rädern, an
+die Mauern geschoben, verschiedene Geschosse in die Veste zu schleudern,
+dienten. Ihr Nahme zeigt, daß sie hoch genug waren, um das Innere der
+ummauerten Städte und Vesten übersehen zu können. S. oben.
+
+[9] Vers 297.
+
+Dem Verfasser der berühmten _Reim-Chronik_, die zuerst von dem gelehrten
+Benediktiner von Melk, _Hieronymus Pez_, im Jahre 1745 zum Druck
+befördert ward, hat Lazius +Comment. Geneal. p. Auster.+ 233 außer dem
+Nahmen _Ottakcher_ (Ottokar), den er sich selber R. Chr. Cap. 177
+beilegt, unbekannt aus welcher Quelle, auch den von _Horneck_,
+aufgefunden. Er lebte unter _Rudolphs_ I. und _Albrechts_ I. Zeiten; war
+in Steyermark geboren; hatte den berühmten Meistersänger Kunrad von
+Rotenberg, der vorher an Manfreds Hofe lebte, zum Lehrmeister; stand,
+man weiß nicht, in welcher Eigenschaft, im Gefolge Ulrich und Otto
+Lichtensteins; wohnte der Marchfelder Schlacht 1278 bei, und starb erst
+nach dem Jahr 1309, da er noch von dem Aufruhr einiger aus dem Adel, und
+der Wiener Bürger, gegen _Friedrich den Schönen_ spricht, und damit sein
+Werk beschließt. Die _Reim-Chronik Hornecks_, die mit dem Tode
+_Friedrichs_ II. röm. Kaisers beginnt, und um das Jahr 1309 der
+Regierung _Friedrich des Schönen_ endet, enthält über 83,000 kurze
+gereimte Verse in 830 Capiteln.
+
+Ein anderes noch ungedrucktes Werk Hornecks: _Von den Monarchen und
+Kaisern der Welt bis auf Friedrich II. röm. Kaiser_, in ähnlichen Versen
+verfaßt, ist im Besitze der k. k. Hofbibliothek zu Wien. (Siehe die
+Vorerinnerungen des Hieronymus Pez zu Hornecks Reim-Chronik in seinem
+Werke: +Scriptores rerum Austriacarum III.+ Band; und obiges treffliche
+Werk: _Aus- und über Ottokars von Horneck Reim-Chronik_, von Th.
+Schacht, Mainz 1821.)
+
+[10] Vers 305.
+
+Ulrich von Lichtenstein, aus der steyerischen Linie der Lichtensteine --
+ein trefflicher Ritter und Minnesänger zugleich, der die beiden
+merkwürdigen Gedichte: _Frauendienst_, und: _Ytwitz oder der Frauen
+Puech_, verfaßte, mag kurz vor der Marchfelder Entscheidungsschlacht
+gestorben seyn. Das erstere Werk enthält ein prächtiger Codex in
+München, und wurde herausgegeben durch Ludwig Tieck. Stuttgart und
+Tübingen in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung 1812. Das zweite befindet
+sich in der Ambraser Sammlung zu Wien, Bl. 220-225 noch ungedruckt. (S.
+die Beschreibung Primißers -- Seite 279.)
+
+
+Eilfter Gesang.
+
+[1] Vers 38.
+
+_Siehe oben Anmerkungen_ zum _dritten Gesang_ [8] Vers 308.
+
+[2] Vers 73.
+
+Was hier von den Vorbereitungen zur Schlacht, als: von der Feier des
+Abendmahls im Lager; von der Beicht’ und Communion, und weiter unten:
+von dem Mustern der Gurt’ und Steigbügel; von den Aufträgen, welche die
+Ritter im Fall, daß sie dem Feinde erlägen, an ihre Daheimgebliebenen
+den Knappen ertheilen; von dem Zusammenhalten der Freunde in der
+Schlacht u. s. w. gesagt wird, ist durchaus der damaligen Rittersitte
+gemäß, und in Hornecks _Reim-Chronik_ Cap. 147, 329, 330 und 530
+begründet.
+
+[3] Vers 135.
+
+Die ausgezeichnetsten Ritter wetteiferten um den Vorzug, das
+Hauptbanner, oder die Sturmfahn, dem Herrscher selber in der Schlacht
+vorzutragen. Horneck _Reim-Chronik_ C. 148.
+
+[4] Vers 181.
+
+Ueber die Sitte, sich gegenseitig die Schlacht anzukündigen, und dazu
+Tag und Stunde zu bestimmen, siehe oben _Anmerkung zum siebenten
+Gesange_ Vers 536. [[Anm. 7.7.]]
+
+[5] Vers 184.
+
+Im Jahr 1289 überzog Kaiser Rudolph den Herzog von Burgund mit Krieg,
+eroberte Mömpelgard, und zwang ihn zum Frieden. Vor der Schlacht sandte
+er einen Bothen mit der Frage an ihn: „ob er zum Streiten bereit sey?“
+und der Herzog ließ ihm sagen: „er seye darum hergekommen.“ (Siehe
+_Horneck Reim-Chronik_ C. 329.)
+
+[6] Vers 211.
+
+Den Ritterschlag auf Schild und Schwert ertheilte Rudolph also vor der
+Schlacht: S. _Horneck_ R. Chr. C. 149.
+
+[7] Vers 542.
+
+In den Gebirgsthälern Tirols, Steyermarks und Oestreichs, ist das
+sogenannte _Scheibenschießen_ eine beliebte und mitunter nützliche
+Unterhaltung des Volks. _Zu Hauptschießen_ werden von nahe und ferne die
+Schützen geladen: das _Kreisschießen_ ist das gewöhnliche an Sonn- und
+Festtagen; das _Beste_, ist der Preis dessen der den besten Schuß
+gethan.
+
+
+Zwölfter Gesang.
+
+[1] Vers 54.
+
+Ueber diesen Klaggesang Hornecks siehe dessen _Reim-Chronik_ Cap. 163
+und 164. Hier nur Einiges aus demselben:
+
+ Sieh Welt aller Untrew Chron,
+ Daz ist auch ainer deiner Lon!
+ -- -- -- -- -- --
+ Auf der Erden lag er par
+ Sein eigen Pluts naz.
+ Wo waren die Matraß,
+ Und die gulter Seydein,
+ Darauf er sollt gelegen sein?
+ Wo waren die ihn sollten chlagen?
+ Von Mannen und von Magen, (Anverwandte)
+ Pelieb er Trostes frey.
+ Wo waren Erzt und Erzeney,
+ Damit man seine Wunden
+ Solt han gepunden?
+ -- -- -- -- --
+ Er hat so viel Guts,
+ Wer er gewesen des Muts,
+ Daz er tegleich wolt
+ Von edlem Gestain und Gold
+ Haben tragen Kleider an,
+ Daz hiet er wol getan.
+ Dez liez er ihm so gar zerrinnen
+ Daz man im muest gewinnen
+ Ain Graz, daß man ihn mit pedackt,
+ So gar pelieb er nakht.
+ -- -- -- -- -- --
+ Ungetrev Welt, die spielt
+ Du von im so gar,
+ Daz aus dainer Schar
+ Im Niempt volgt nach.
+ -- -- -- -- -- --
+ Sieh Welt daz ist dein Sold.
+ We im! der dir ist hold
+ Und We im den du trewtest.
+ Mit dem Mund du im pewtest
+ Honig an dem Anwang,
+ Und hechst als ein Gift-Slang
+ An dem End -- --
+ -- -- -- -- -- --
+ Wer nicht will Gottes Haz
+ Und seinen Zorn leiden,
+ Der muß die Welt vermeiden.
+ Dann die Werich, die sy geert
+ Die sind vor Gott unwert.
+ Dez vermaid nit der wakcher
+ Von Pehaim Kunig Ottakher:
+ Wann er vollfurt mit Gelust
+ Der Welt Achust, (unordl. Begierden und Laster.)
+ Und rang hier also ser
+ Nach der zergenklichen Er,
+ Daz er sich dez nicht liez befillen
+ Damit er nach irm Willen
+ Möcht gewerben, und geleben,
+ Daz sol im Gott vergeben!
+
+[2] Vers 209.
+
+Die Stephanskirche, nachdem sie vorher zweimal abgebrannt war, hat
+Ottokar beinahe in derselben Gestalt, wie sie noch heut’ zu Tage zu
+sehen ist, während er über Oestreich herrschte, hergestellt.
+
+[3] Vers 347.
+
+Daß Rudolph den König Ladislav adoptirt habe, meldet auch Fugger I. Buch
+12. Cap. S. 101.
+
+[4] Vers 401.
+
+Die Belehnung Albrechts mit Oestreich, Steyer, Krain, der Windischmark
+und Portenau geschah eigentlich zu Augsburg während des Reichstags
+daselbst im Jahr 1282, wo, im sogenannten _Frohnhof_, ein kaiserlicher
+Thron, umgeben von den Churfürsten und Fürstensöhnen, zu sehen war, und
+die Feierlichkeit nach denen, von Friedrich I., Heinrich IV. Friedrich
+II. ertheilten Privilegien geschah.
+
+
+ * * * * *
+ * * * *
+ * * * * *
+
+
+Druckfehler:
+
+Rechtschreibeformen in -lll- (_allletzter_, _hellleuchtend_) sind
+ungeändert.
+
+ 1. Gesang
+ Des Friedens erwähnst du? [ererwähnst]
+ „daß es also gescheh’n wird!“ [_“ aus 1827 Auflage ergänzt_]
+
+ 2. Gesang
+ Manches Helden Gebein’, auch Friedrichs ... [Fiedrichs]
+ stets in deinem Geschlechte noch dauern.“[7] [_“ 1827_]
+ und waldumsäumtes Gehöftland; [waldumsaumtes]
+
+ 3. Gesang
+ ein trefflicher Stürmer!“ [_“ 1827_]
+
+ 4. Gesang
+ und nahten ihm, grüßend mit Ehrfurcht. [grußend]
+ Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden.“
+ [_hier und anderswo fehlt das zweite “_]
+ hoben den Helm von dem Haupt’, und empfiengen [_ungeändert_]
+ „Euch entbiethet zuvor [_»,Euch« mit einfaches Anführungszeichen_]
+ der letzte der Kämpfe gewähret!“ [gewahret]
+
+ 8. Gesang
+ Heinrich, dem Hort der Baiern [_ungeändert: anderswo »Bayern«_]
+ Draußen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen näher
+ [_»naher«; aber vielleicht »nahe« wie in 1827_]
+
+ 9. Gesang
+ Drüben der Wunderstadt, Venezia,[2] [_[1] statt [2]_]
+ die Feinde, sie fliehen!“ [_“ 1827_]
+ die Alrune,[3] [_[4] statt [3]_]
+
+ 10. Gesang
+ Sie zu vollbringen dereinst. [_“ fehlt hier?_]
+ Retter zu seyn Unglücklicher!“ [_“ 1827_]
+
+ 11. Gesang
+ O so sprich: „Treu bis in den Tod ihr weiht’ ich das Leben!“
+ [_zweites “ fehlt_]
+ Nun die Schützen Tyrols [Schützens]
+ den schwer zu erklimmenden Höhen [erglimmenden]
+
+
+ Anmerkungen:
+
+ [Einige Anmerkungen, wie 2.5, 3.8, 9.2, und das Dicht in 12.1, sind
+ scheinbar nach Pyrkers Tod eingefügt.]
+
+ 1.
+ Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.) [_) fehlt_]
+ [_eigentlich Gerard de Roo_]
+ von dem babenbergischen Leopold VII. [_. fehlt_]
+
+ 2.
+ gewährt einen ergreifenden Anblick. [_. fehlt_]
+
+ 3.
+ Uladislav II. [_ungeändert_]
+
+ 5.
+ noch viel weiter erstrecken.“ [_“ fehlt_]
+ (Siehe _Hanthalers_ ... [_( fehlt_]
+
+ 6.
+ Wohl hundert Wegen tragen, [_»hunbert«; 1827 »hundert«_]
+
+ 7.
+ [8] Vers 550. [_[5] statt [8]_]
+
+ 12.
+ Privilegien geschah. [_. fehlt_]
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. ***
+
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+Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online
+Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
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+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
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+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
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+rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
+such as creation of derivative works, reports, performances and
+research. They may be modified and printed and given away--you may do
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+redistribution.
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+works. See paragraph 1.E below.
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+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
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+is also defective, you may demand a refund in writing without further
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+WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
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+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
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+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
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+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
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+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
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+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
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+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
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+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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+++ b/29465-8.txt
@@ -0,0 +1,9441 @@
+The Project Gutenberg EBook of Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Rudolph von Habsburg.
+ Ein Heldengedicht in zwlf Gesngen.
+
+Author: Ladislav Pyrker
+
+Release Date: July 20, 2009 [EBook #29465]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. ***
+
+
+
+
+Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online
+Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+[Dieser Text ist fr Benutzer gedacht, deren Text-Anzeigeprogramm
+nicht die volle Unicode (UTF-8) Version anzeigen kann. An- und
+Abfhrungsstriche aus dem Original wurden durch Guillemets
+ersetzt, und die einfachen Anfhrungsstriche haben die einfachere
+'Schreibmaschinenform'.
+
+Die Schreibeform &c. (usw.) war als Frakturzeichen (nicht in UTF-8
+bzw. Latin-1 erhltbar) gedruckt. Folgende Zeichen sind fr die
+verschiedene Schriftformen benutzt:
+
+ _gesperrt_
+ +antiqua+
+ =fett=
+
+Druckfehler und Unregelmssigkeiten stehen am Ende des Textes.]
+
+
+
+
+ [Abbildung:
+ Pyrker.
+ J. Bucher gez. / Stahlstich v. V. Froer.
+ Rudolph von Habsburg.]
+
+
+
+
+ Johann Ladislav Pyrker's
+
+ SMMTLICHE WERKE.
+
+ Neue durchaus verbesserte Ausgabe.
+
+ Zweiter Band.
+
+
+ Stuttgart und Tbingen.
+ _J. G. Cotta'scher Verlag._
+ 1855.
+
+
+
+
+ Buchdruckerei der J. G. _Cotta_'schen Buchhandlung in Stuttgart
+ und Augsburg.
+
+
+
+
+ Rudolph von Habsburg.
+
+ Ein Heldengedicht in zwlf Gesngen.
+
+
+
+
+=Inhalt der zwlf Gesnge.=
+
+
+=Erster Gesang.=
+
+Eingang. Drahomira entfhrt der Hlle, sich an Ottgar zu rchen. Er
+lagert vor Drnkrut. Aufzhlung der bhmischen Vlker. Ottgar im
+Kriegsrath mit seinen Feldherrn. Kunegunde, von Drahomira emprt,
+erfllt ihn mit unvershnlicher Rachgier. Meinhard von Grz, und
+Lichtenstein, die Gesandten Rudolphs, kommen, ihm Frieden zu biethen,
+und zugleich, als sie ihn zum Turniere laden, um die Hand seiner Tochter
+fr Rudolphs Sohn zu frei'n. Wallstein, Ottgars Liebling, trgt
+heimliche Liebe zu ihr. Ottgar entlt die Gesandten mit zweifelhaften
+Worten. Beschliet den Kampf. Gesichte der Zukunft.
+
+
+=Zweiter Gesang.=
+
+Rudolph zieht seinem Sohn Albrecht bis Lilienfeld entgegen. Besteigt die
+Alpenhhen, wo ein frommer Klausner ihm seines Hauses knftige Gre
+verkndet. Schlgt Mller, den Zrcher, zum Ritter. Sonnenaufgang, und
+herrliche Aussicht. Albrecht nah't von Zell heran, und stellt dem
+Kehrenden die Schweizer- und die schwbischen Scharen vor. Er zieht mit
+ihnen g'en Wien. Hedwig.
+
+
+=Dritter Gesang.=
+
+Marbod, einst Knig der Markmannen, und ein jetzt dem Kaiser gewogener
+Geist, erffnet dem Feldherrn Hugo von Tauffers, in einem Traum, den
+Verrath, den Waldram, Brgermeister zu Wien, an dem Kaiser sinnt.
+Rudolph kommt mit seinen Scharen heran, und nimmt an der Wien von seiner
+Gemahlinn Abschied. Sendet Hugo von Tauffers an den Knig der Ungern,
+Ladislav. Ernennt an dessen Stelle seinen Sohn, Hartman, zum
+Festungsgebiether, und eilt in das Lager am Tabor. Aufzhlung seiner
+Vlker. Hugo von Tauffers im Lager der Kumanier und Ungern. Diese setzen
+die March herber.
+
+
+=Vierter Gesang.=
+
+Morgen. Turnier am Tabor. Von Drahomira erregt, hhnt Wallstein Hartman,
+Rudolphs Sohn; kommt unerkannt in schwarzer Rstung Ottgar heran;
+widersteht ihrer Einflsterung, den Kaiser zu morden; ersticht Hartmans
+Ro; wirft den Fehdehandschuh Rudolph, zum Kampf auf Tod und Leben, hin,
+und entflieht im schrecklichen Donnergewitter.
+
+
+=Fnfter Gesang.=
+
+Ottgar gebiethet in der Nacht dem Heere den Aufbruch, dem er mit
+schwachem Geleit folgt. Aus dem Hinterhalt fallen ihn die Kumanier an.
+Er schlgt sich mit Wallstein durch. Milota fhrt ihn auf Irrwegen von
+dem Heer ab, und qult ihn mit Rckerinnerungen verbter Frevelthaten.
+Von Drahomira bethrt, hlt Wallstein um die Hand seiner Tochter an. Er
+mihandelt ihn.
+
+
+=Sechster Gesang.=
+
+Czernin dringt, mit Waldram verstanden, in der Mitternachtsstunde, an
+der Spitze einer Schar Bhmen in die Veste Wien ein, als Hartman eben
+wegen der schwerkranken Mutter sich nach dem Kahlenberg begab. Ihm, und
+den Aufrhrern, setzen sich die Schweizer standhaft entgegen. Der Kaiser
+zieht, auf Marbods Wink, mit Hugo von Tauffers vor die Thore. Hartman
+sprengt herbei, und tdtet Waldram; worauf die Bhmen sich eilig wieder
+ber die Donau zurckzieh'n. Hugo abermals zum Festungsgebiether
+ernannt. Tod der Kaiserinn. Todtenfeier und Begrbni. Der Kaiser sendet
+Albrecht nach Heunburg, eine Brcke ber die Donau zu erbauen. Hartman
+eilt nach dem Rhein fort.
+
+
+=Siebenter Gesang.=
+
+Der Kaiser setzt mit dem Heere bei Heunburg ber die Donau, und rckt
+g'en Marcheck vor. Wallstein, dem Wahnsinn nahe, tdtet einen seiner
+Krieger. Der Kaiser entlt ihn schonend. Kaduscha, ein Fhrer der
+Kurmanier meldet ihm die Nhe des Knigs, und die Sendung des Geschenks
+mit den Kpfen der, im nchtlichen Ueberfall, getdteten Bhmen. Der
+Kaiser sendet Schwarzenberg dem Knig entgegen, und heit ihn, jene
+begraben zu lassen. Die Geister: Marbod und Inguiomar auf Rudolphs, und
+Katwald auf Ottgars Seite. Zusammenkunft Rudolphs mit dem Knig
+Ladislav. Ottgar rckt mit dem Heer' an. Der Kaiser stellt seine Vlker
+in Schlachtordnung. Marbod treibt Schrlins Ro gegen die Bhmen. Der
+Kampf beginnt. Ottgar tdtet in der Vorhuth zwei Trautmansdorfe.
+Pfannberg wird verwundet. Die Steyrer weichen. Der Kaiser hlt die
+Flchtenden vor Marcheck auf.
+
+
+=Achter Gesang.=
+
+Nacht. Von Drahomira verleitet, setzt Wallstein, mit kumanischen
+Kriegern vereint, ein Stdtchen in Mhren in Brand, und tdtet einige
+bhmische Reiter. Kommt zu sich. Eilt in das Lager Rudolphs, und
+erbiethet sich, Ottgarn heimlich zu tdten. Der Kaiser heit ihn reuig
+zu Jenem zurckkehren. Drahomira drngt ihn umsonst, den schlummernden
+Knig zu morden. Er fllt in sein eigenes Schwert. Drahomira fhrt zur
+Hlle. Wallsteins Grab. Der Kaiser stellt in der Morgendmmerung sein
+Heer in Schlachtordnung. Ottgar, in Gram versunken, sumt. Ernennt
+Milota zum Anfhrer des Haupttreffens. Worauf die Meiner und Thringer
+von seinem Heer heimlich abziehen; so auch Kunring. Doch Ottgar
+gebiethet den Angriff.
+
+
+=Neunter Gesang.=
+
+Morgen. Der Kaiser verschiebt die Hauptschlacht auf den folgenden Tag.
+Sendet Trautmansdorf mit seinen Shnen, es Ottgarn kund zu thun, und ihm
+nochmals Frieden zu biethen. Dieser wird von ihm schnde abgefertigt.
+Von den feindlichen Reitern gehhnt, kehren fnf seiner Shne, kmpfen,
+und fallen. Der Kaiser stellt sein Heer dem anstrmenden Feind, vor des
+Lagers Wall, entgegen. Angriff, und hartnckiger Kampf. Milota tdtet
+die beiden Fhrer Berchtold und Col von Seldenhofen. Capellen entflammt
+die Oestreicher. Die Mhrer weichen. Katwald ermuntert den Herbot von
+Fllenstein, da er vor Allen auf den Kaiser eindringe. Meinhard, Graf
+von Grz und Tyrol, ringt gegen die Bayern und Sachsen, und erlegt den
+Feldherrn Czernin; Heunburg den Markgrafen Pfeil, Feldherrn der Sachsen.
+Da dringt Herbot von Fllenstein auf den Kaiser los, und ersticht ihm
+das Pferd unter dem Leib. Sechs Trautmansdorfe kmpfen um ihn herum, und
+fallen. Der Kaiser reit Herbot mit dem Speere von dem Pferd herunter,
+und macht ihn gefangen. Heit dort Albrecht mit den Schweizern
+vordringen, hier Matthias von Trentschin mit den Ungern dem Feind' in
+die Seite strmen. Lobkowitz ruft Ottgar auf, da er mit ganzer Macht
+sich auf den Feind werfe. Er gibt ihm kein Gehr. Auf den Ruf die
+Feinde fliehen! weichen seine Vlker, und er fhrt sie bis Drnkrut
+zurck. Der Kaiser lagert vor Ebenthal. Nacht.
+
+
+=Zehnter Gesang.=
+
+Hartman ertrinkt in dem Rhein. Der Kaiser hlt mit seinen Feldherrn erst
+Kriegsrath; dann die Abendmahlzeit. Horneck der Snger tritt ein, und
+singt die fromme Handlung des Kaisers, als er dem Priester sein Ro
+both. Entlt die Feldherrn. Dem Entschlummerten erscheint sein Sohn
+Hartman. Ottgars Abschied von Kunegunden.
+
+
+=Eilfter Gesang.=
+
+Morgen. Schlachtordnung der Bhmen. Der Kaiserlichen. Gottesdienst.
+Vorbereitung zur Schlacht. Die Ritter buhlen um die Ehre, die Sturmfahne
+zu tragen. Ottgar, von Katwald erregt, nah't mit seinem Heer. Hundert
+Zrcher erhalten vom Kaiser den Ritterschlag. Trautmansdorfs letzter
+Sohn fllt. Die Kumanier strmen sonder Ordnung. Lobkowitz bringt sie
+und die Steyrer, zum Weichen. Verstrkter Angriff. Die Kaiserlichen
+allenthalben zurckgedrngt. Der Kaiser steigt vom Pferd, bethet zum
+Himmel, und macht ein Gelbde. Ein Unsterblicher strkt ihn, und heit
+die Geister entflieh'n. Erneuerter Kampf. Albrecht, sein Sohn, trgt ihm
+die Kreuzesfahne vor. Nach schrecklichem Gewrg', wo, mit den Rittern,
+die Schweizer und Schwaben entscheidend vordringen, weicht Ottgar auf
+den Spannberg zurck. Heit Milota mit dem Nachhalt vorgeh'n. Allein
+dieser flieht, ihn hhnend, mit seinen Scharen vom Schlachtfeld. Letzter
+mrderischer Kampf. Ottgar von den Merenbergern vom Pferde gestochen.
+Sein zerstreutes Heer bis g'en Laa verfolgt.
+
+
+=Zwlfter Gesang.=
+
+Ottgars Leiche wird in der Nacht auf einen Trauerwagen gehoben. Hornecks
+Klaggesang. Des Kaisers Einzug in Wien. Dankgebeth. Der Wagen mit
+Ottgars Leiche nah't. Lobkowitz fhrt dessen Sohn Wenzel herbei, da er
+um selbe flehe. Der Kaiser entlt sie. Endet seinen Siegeseinzug in die
+Burg. Nimmt den Knig Ladislav, und Wenzel an Sohnes statt an, und
+verheit diesem seine jngste Tochter Gutha. Belehnt seinen Sohn
+Albrecht mit Oestreich, und zieht sich dann in das Trauergemach, wo die
+Kaiserinn starb, zurck.
+
+
+
+
+ Erster Gesang.
+
+
+ Tn', o Heldengesang, von den schmetternden Kriegesdrometen
+ Wieder geweckt, von Rudolph nun, dem Kaiser der Deutschen,
+ Der obsiegend der Macht des Bhmenkniges, Ottgar,
+ Wahrte die Rechte des Reich's, und, kehrend vom blutigen Schlachtfeld,
+ Grndete Habsburgs Thron an den Ufern der mchtigen Donau,
+ Seinem Geschlechte zum Ruhm, und unzhligen Vlkern zum Segen!
+
+ Wer emprte sofort, nach dem jngsterrungenen Frieden,
+ Wieder die Fehd' und das Grau'n der menschenvertilgenden Feldschlacht?
+ Ein unseliger Geist, _Drahomira_.[1] Die Herrscherinn Bhmens
+ War sie, und noch ist ihr Nahme mit Schauder genannt in dem Land dort:
+ Denn Wratislav, dem christlichen Frsten, vermhlet als Heidinn,
+ Trug sie den Christen Ha in der schrecklichen Brust, und verfolgte
+ Sie mit Feuer und Schwert. Sie waffnete selbst den Erzeugten,
+ Boleslav, da er Wenzel ermorde, den eigenen Bruder,
+ Weil er dem Heiland getreu, festhielt an dem heiligen Glauben,
+ Und verbt' auch sonst an dem Volk' entsetzliche Frevel:
+ Zaubergewaltig, ergeben dem Trug der Hlle -- der Schwarzkunst;
+ Bis urpltzlich die berstend' Erde zu Prag, am Hradschin, sie,
+ Lebend, verschlang. Noch jngst ausspie der klaffende Felsen
+ Dort bald finsteren Rauch, bald bluliche Flammen: denn oft kam
+ Noch in der Neumondsnacht (so heischt' es die Sag') ihr zu opfern,
+ Mancher, vom Wege des Heils Verirrter, dahin, und Verdammni
+ Ward ihm zu Theil. D'rum hie, als frher geweihetes Wasser
+ Sprengte der Priester umher, und stehende Worte zu Gott rief,
+ Ottgar fllen den Zauberschlund mit dem lastenden Felsblock
+ So, da auf immer verhllt die Spur des unseligen Raum's sey.
+
+ Unten im Hllenpfuhl, der auer des kreisenden Weltalls
+ Grnzen sich noch unendlich erstreckt, erhob Drahomira
+ Jetzt, verwundert, ihr Haupt, und sprach wuthfunkelnden Blickes:
+ Ha! wie kommt es, da heut der betubende Rauch, und die Flamme,
+ Die ich genhrt in dem Schlund',
+ in welchem ich schrecklichen Tod fand,
+ Qualmend herab sich wlzt, und keiner der Sterblichen seither,
+ Opfernd vor ihm, die Schar der Unseligen mehrt in dem Pfuhl hier?
+ Meister, ist dir's genehm, da ich eile hinauf nach des Erdballs
+ Fluren, und forsche, wie solches gescheh'n? Bald ffnet Verfhrten
+ Wieder der Schlund sich weit; ich sende sie, dir zu Gefallen!
+ Sagt' es, und blickte nach Satan hin, der, riesengestaltet
+ Sa auf dem glhenden Thron', und die furchtbarn Augen zum Boden
+ Heftete, so die unendliche Qual des zerrissenen Herzens
+ Durch emprenden Trotz und erheuchelte Ruhe zu bergen;
+ Aber umsonst: denn nimmer birgt er das innere Weh' mehr,
+ Das von der finsteren Stirn' und den zuckenden Wangen sich kund thut.
+ Nicht erhob er auch jetzt den Blick von dem Boden: er winkte
+ Nur mit dem Haupt, da die Hll' erzitterte, jener den Beifall:
+ Alsbald fuhr sie in brausender Hast von dem schrecklichen Wohnsitz
+ All der Unseligen auf, und nahte dem Lande der Bhmen.
+
+ Kaltverachtenden Blicks gewahrte sie dort auf den Fluren
+ Reiches Gedeih'n, und rings die freundlichen Stdt' und die Drfer;
+ Aber vor allen, am Moldaustrom' erglnzend die Hauptstadt,
+ Praga, im lieblichen Reiz erst jngstentfalteter Blthen.
+ Sieh', und ein Pilger kam vom Gelobten-Lande gezogen,
+ Der vor Jahren die Heimath verlie! Er blickte mit Staunen
+ Lang' um sich her: da naht' ihm, lchelnd, ein Greis, und im Beiseyn
+ Jener Verworf'nen zugleich, die ihm leis' aufhorchte, begann er:
+ Fremdling, suchst du den Mann, der hier ein Eden erschaffend,
+ Wie durch Wundergewalt das Leben der Menschen verschnt hat?
+ Nun ist er fern: denn wiss' es, der Held und erhabene Knig,
+ Ottgar, streute mit Liebe die Saat, und ihm reifte zum Segen
+ Wohlstand unter dem Volk' in des Landes erfreuender Schnheit.
+ Auch erlagen die Gegner ihm stets, und es kndiget allwrts
+ Seines Nahmens Unsterblichkeit der herrlichste Siegsruhm.
+ Dennoch hielt er so gern in der dunkelen Scheide das Eisen,
+ Frieden ersehnend, zurck, und entblt' es auch jetzt, nur gezwungen,
+ Gegen des streitbarn Rudolphs Macht. Er wird sie fr immer
+ Bndigen: denn er zog, gar furchtbargerstet, zum Kampf' aus.
+ Ach, ihn drngte zum Friedensbruch Kunegunde, die Gattinn!
+ Grimmvoll ist ihr Gemth, und ihr Herz verwildert durch Herrschsucht,
+ Die ihm das Bse vergilt, das er Margarethen, der frommen,[2]
+ Einst als Gatt' erwies! Die Eine verdunkelt den Hochglanz
+ Seines Ruhms: ihn lenket ein Weib, das, Bhmen zum Jammer,
+ Selbst Drahomiren gleich, der Unheilstifterinn, wthet,
+ Die fr den schnden Gewinn: zu gebiethen des Himmels Gewittern;
+ Auf den Flgeln des Sturms einher zu fahren im Luftraum,
+ Oder unsichtbar Menschen zu nah'n -- zu schau'n, und zu horchen
+ Dort in dem traulichen Kreis' der Versammelten, und zu verderben
+ Alle, die auch mit lispelndem Laut, mit umschauendem Blick nur
+ Ihrer gedacht, und tadelnde Worte gesprochen: fr solches
+ Hatt' einst diese verkauft die unsterbliche Seele der Hlle;
+ D'rauf noch Schuld gehufet auf Schuld, bis schrecklicher Tod ihr
+ Macht und Leben entri, und die Bse dem Bsen gesellte,
+ Als urpltzlich die berstend' Erde zu Prag, am Hradschin, sie,
+ Brausend, verschlang: zur Strafe der wildumtobenden Blutgier,
+ Frevelnden Gtzendienst's, und schrecklicher Christenverfolgung.
+ Aus dem furchtbarn Schlund aufquoll noch in unseren Tagen
+ Finsterer Rauch; doch Ottgar barg ihn, den Menschen zur Rettung,
+ Die, vom Satan bethrt, leichtglubigen Sinnes, ihr nchtlich
+ Opferten, dort ihr Geschick in kommender Zeit, zu erfragen,
+ Oder sich trglichen Glcks zu erfreu'n zu unendlichem Jammer.
+ Sagt' es, und ging. Da flog, von der Schmhung emprt, Drahomira
+ Ihm auf dem Heerweg nach, und haucht' ihm Gift in das Antlitz:
+ Alsbald stand er, erbleicht, und sank, vergehend, zusammen--
+ Lag, und sthnte vor Schmerz, bis endlich der Zauber entfloh'n war.
+
+ Aber sie starrete jetzt, tiefsinnend, und sonder Bewegung
+ Wie der Aar, der erst die mchtigen Flgel geschlagen,
+ Regungslos hinschwebt in der blulichen Luft, in des Schlundes
+ Grauen hinab. Das Aug' ihr rollete wild in den Kreisen;
+ Knisternd strubt' ihr Rabenhaar sich empor von der Scheitel,
+ Und voll Grimms erzitterten ihr die Lippen; sie sagte:
+ Ottgar, Fluch sey dir! Du vernichtest des felsigen Schlundes
+ Zaubergewalt, die Viele nach mir in's Verderben hinabri?
+ Glubig nahten ihm oft die Verblendeten, welche, des Schicksals
+ Dunkeln Pfad zu erkunden, auf ihm, des druenden Himmels
+ Warnung zum Trotz, der drckenden Last des Lebens entledigt,
+ Gerne fr trgliches Erdenglck das ewige bthen.
+ Aber von diesem verbannt durch eisernrichtenden Machtspruch,
+ Sollt' ich den glhenden Durst nach Rache, durch Trug und Verblendung,
+ Ich nicht lschen am Volk, das, glubig, der Tuschung sich hingab?
+ Trost ist's, wenn in der Brust der Unseligen solchem noch Raum blieb,
+ Mit in dem hnlichen Jammergeschick die Gefhrten zu sehen.
+ Wie, du entziehst, ein Thor, durch hhnenden Frevel auch die mir?
+ Ha, dir sey jetzt Rache geschworen! Nicht will ich mehr rasten,
+ Bis dein Heldenweib -- ihr werde der Thron und die Herrschaft,
+ Ja, sie herrsche nach dir, mir hnlich an Kraft und Gesinnung,
+ Gegen den Feind dich reizt, und du in dem Kampfe, besiegt, fllst;
+ Also be den Ruhm, der dir Drahomiren emprte.
+ Und sie flog nun hin, wo im weitverbreiteten Marchfeld
+ Ottgars furchtbares Heer von Drnkruts[3] Hgeln hinunter,
+ Lagerte, dort mit hllischer Lust ihm, verderbend, zu nahen.
+
+ Leise schwebte die Nacht auf den ringsverstummenden Erdkreis
+ Nieder. Aus Sden erbraus'te der Sturm, und jagte die Wolken
+ Auf an des Himmels Zelt. Sie rissen im eilenden Zug' oft
+ Weit entzwei: da blickte der volle Mond aus des Himmels
+ Blue so dster herab, und die Stern', in Nebel sich hllend,
+ Trauerten: denn ein Unhold naht' auf den Flgeln der Windsbraut.
+ Jetzt, wie die ragenden Wll' und die Huser der mchtigen Hauptstadt,
+ Meilenlang bedecken den Plan, und oben zum Bergrand
+ Aus der Tiefe herauf dem Wanderer, dsteren Schimmers
+ Glnzet der Lampen Schein in der Nacht, unzhlig und endlos:
+ Also erschien ihr das Heer des Kniges, das er erst gestern,
+ Nach der Eroberung Drosendorfs, des trotzenden Stdtchens,
+ Am Gestade der March, auf Drnkruts Fluren vereinte.
+
+ Bald ersphte sie dort in des Lagers Mitte, vor allen,
+ Ottgars hochgewlbetes Zelt, das schimmernde Leinwand
+ Auen umhllte; von innen hing, zur Erde herunter,
+ Scharlachgerthetes Tuch, verbramt mit goldenen Fransen.
+ Sieh', in dem grasumwucherten Raum', ihm zur Linken und Rechten,
+ Ragten die Zelt', erhht, der Kunring', tapferer Ritter,
+ Die in dem Kreis' streichischer Herrn, wie der Mond in der Sternflur,
+ Glnzten an ad'liger Macht und weitverbreitetem Eigen:
+ Denn Hadmar, und Leutold, die Zwillinge, haus'ten zu Drnstein
+ Bald, und bald zu Weitra und Horn; in des rollenden Jahres
+ Monden wechselnd die Burg; doch immer in trauter Gemeinschaft:
+ Sonder Gattinn und Kind, des Waffengemenges sich freuend.
+ Aber mit feindlichem Sinn, von dem Kaiser gewendet, vereinten
+ Sie mit des Knigs Panier jetzt zwanzig flatternde Fhnlein.
+ Jeglichem folgte die Zahl von fnfzig bepanzerten Reitern,
+ Die mit dem Schild' und dem Helme bewehrt, und der Lanze bewaffnet,
+ Feurige Rosse zum Kampf vortummelten, siegenden Muths voll.
+
+ D'rauf g'en Idungsbeug, auf dem sandumhlleten Blachfeld,
+ Welchen die schwellende Fluth der March seit Jahren gehuft hat,
+ War des Fuvolks Macht, zehntausend tapferer Mnner--
+ Waren die Reiter gestellt, an der Zahl zweitausend und fnfzig,
+ Die sich der Knig in Bhmen erlas, und mit trefflichen Waffen
+ So, wie jene, versah. Die muthigen, lwenbeherzten,
+ Lenkten die Rosse mit Kraft und Geschick, die, feurigen Blutes,
+ Wild umtobten im Kampf', und die Reihen der Feinde zerstampften.
+ Lobkowitz fhrte sie an, der ruhmgekrnete Feldherr.
+
+ Aber vor Ebenthal, der freundlichen Burg, an des Hgels
+ Abhang, lagerten sich des vielbevlkerten Mhrens
+ Tapfere Shn': an der Zahl achttausend erlesenes Fuvolk,
+ Die, mit dem Panzerhemd' und der eisernen Haube bewehret,
+ Fhrten im Kampfe den Speer und den breitgehmmerten Sbel.
+ Milota rief sie in's Feld, ein Ritter, der Ersten des Landes.
+ Sonst zur Freude gestimmt, als liebender Vater und Gatte,
+ Sah er des Lebens Blthenjahr' und die reifere Mannszeit
+ Schwinden im Glck. Nur als ihm die zarteste Tochter, Ludwinen,
+ Sie mit tuschender Huld in den Schimmer des Hofes verlockend,
+ Ottgar schnde verfhrt', und der Schmach die gefallene Preis gab:
+ Da verscheuchte der Menschenha und die brtende Rachgier
+ Jegliche Freude vor ihm. Nur Weniges sprach er, und das noch
+ Sprach er mit bitterem Hohn' und wildauflachendem Ingrimm;
+ Aber nicht mied er des Herrschers Nh', und harrte des Tages,
+ Der ihm den Durst nach Rach' einst khlete schrecklich und furchtbar.
+
+ Dort dem Knig zur Linken, hinab sich dehnend bis Stillfried,
+ Stand Klein-Reussens Volk, das jngst an den Ufern des Peltew,
+ Lembergs Mauern nicht fern, zu Fu und zu Pferd sich vereinte:
+ Jenes, gebt, von der Armbrust, schnellvorschreitend im Schlachtfeld,
+ Mitten in Feindes Brust den schwirrenden Pfeil zu entsenden;
+ Dieses, im Waffengemeng' schnellfuige, hurtige Rosse
+ Spornend, vorzusenken den Speer aus der Rhre des Bgels:
+ Dann mit des Fues Druck und dem Stoe der nervigen Rechten
+ Einzustrmen im sausenden Flug' in die feindlichen Reihen.
+ Beide, gleich an der Zahl, dreitausend tapfere Mannen,
+ Folgeten Herbot von Fllenstein, der riesengestaltet,
+ Ragte vor allen hervor in dem Heer', und rhmlich bekannt war
+ Ob des unbndigen Muths, und der ritterlichsiegenden Thatkraft.
+
+ Doch auch der Meiner kam und der Thringer jngst aus der Heimath,
+ Ottgars Recht zu verfechten im Kampf', als Bundesgeno her!
+ Muth in der Brust, und Kraft in der Rechten, die Lanze zu schwingen
+ Brachten sie mit, und beiden geboth der tapfere Markgraf
+ Dietrich, Heinrichs Sohn, des Erleuchteten, mchtigen Ansehn's.
+ Jenen vereint, stand auch des korngesegneten Bayerns,
+ Also auch Sachsens Volk in dem Vorderzuge geordnet:
+ Gierig des Kampfs, und gebt, die tdlichen Lanzen zu schwingen.
+ Heinrichs schaltendem Wink, des Herzogs, folgten die Bayern;
+ Markgraf Pfeils die Sachsen mit Lust in die furchtbare Feldschlacht.
+ Gegen den Weidenbach, in des weitgedehneten Thalbrunns
+ Niederung hin, erhht auf vierzig ragenden Schaften,
+ Flatterten hoch in der Luft, verschieden an Farb' und an Zeichen,
+ All des erlesenen Vorderzugs kampfdrohende Fhnlein.
+ Jeglichem waren gesellt fnfhundert tapfere Krieger,
+ Welche das Panzerhemd, und der Helm im Felde beschirmte.
+ Aber im Rcken des Heers, nicht ferne dem schimmernden Marchflu,
+ War noch die Wagenburg, Feldzeug, und Gerthe des Lagers
+ Aufgehuft, wie auch Mundvorrath fr die dauernde Kriegszeit.
+ Also lagerten dort des Knigs versammelte Scharen.
+
+ All' umhllete jetzt der Schlaf mit bleiernem Fittig
+ Schon. Sie errangen zuvor, nach schrecklichem Kampfe, die Mauern
+ Drosendorfs, von dem Hohenberger, dem tapferen Feldherrn
+ Rudolphs, der sie mit Macht und entflammendem Muthe beschirmte.
+ Aber noch wacht' im Gezelt der Knig der Bhmen. Zum Kriegsrath
+ Rief er um Mitternacht die Feldherrn: denn von dem Kaiser
+ Waren die Friedensbothen zu ihm, in das Lager gesendet:
+ Meinhard, Graf von Tyrol, und Lichtenstein: in den Waffen
+ Beide berhmt. Nicht dacht' er zwar, den friedlichen Oehlzweig,
+ Den sein Gegner ihm both, mit vershnlicher Rechten zu fassen:
+ Denn er sann nur blutigen Kampf, nur Tod, und Verderben
+ Ueber Rudolphs Haupt zu wlzen im Felde der Waffen;
+ Aber es sollte der Helden Verein, was er in dem Busen
+ Heimlich beschlo, nun knden mit lautentscheidendem Ausspruch.
+ Siehe, vor allen kam der Fhrer des reisigen Volkes,
+ Lobkowitz, ein gewaltiger Greis, de' leuchtender Aarblick
+ Unter den buschigen Brau'n den Muth im Herzen verkndet,
+ Der auf die Waffenbahn ihn schon als blhenden Jngling
+ Trieb, und das Herz ihm gewann des schlachtruhmdrstenden Knigs!
+ Doch umwlkt war jetzt ihm die Stirne von inniger Trauer,
+ Und zur Erde geheftet sein Aug', da er dort vor dem Herrscher,
+ Schweigend, stand. Alsbald, obgleich von heimlichem Unmuth
+ Selber gebeugt, begann, mit erzwungenem Lcheln der Knig:
+ Wahrlich, nicht wirst du den Feldherrn heut,
+ mit dem Gram in den Augen,
+ Muth einflen im Rath! Hat dir das treffliche Streitro,
+ Das zum Siege dich schon in zwanzig Schlachten getragen,
+ Und aus Feindes Gedrng' oft rettete, heute das Futter,
+ Aechzend, verschmht, und du sorgest vielleicht
+ um den Liebling im Herzen?
+ Wie, verfehlte der Sprer im Wald des flchtigen Rehbocks,
+ Oder des Hirsches Spur, mit dem sechzehnendigen Hauptschmuck?
+ Fasse dich, tapferer Greis! Bald wird der Braune genesen;
+ Bald erfreut uns der Fried', und du streckst in frhlichen Stunden,
+ Drauen am Rasengrund der waldumrnderten Hgel,
+ Wieder im Hrnerklang' und Gebell verfolgender Sprer
+ Raschanstrmendes Wild mit sausenden Lanzen zu Boden.
+ Denke des Worts: bald sind wir heimisch im Lande von Oestreich.
+ Herr, sprach jener bewegt, gewartet mit emsiger Sorgfalt
+ Wiehert das Ro, das mich in zwanzig Schlachten getragen,
+ Und aus druender Todesgefahr oft rettete, muthig
+ Drben im Zelt! Nicht denk' ich des Weidwerks jetzt in den Tagen
+ Ernsten Kriegs, de' Bild uns jenes, im sanfteren Frieden
+ Oft ergetzt, und die Kraft uns sthlt in erhhter Gesundheit.
+ Ja, du sprachst es im Scherz nur, o Herr! Doch dnkt es mich selber:
+ Nicht wohnt Heiterkeit dir in den tieferglhenden Augen.
+ Mge die dunkle Nacht verborgenen Strebens enthllen
+ Jetzo der Wahrheit leuchtender Strahl! Zum wichtigen Kriegsrath
+ Riefst du die Feldherrn: denn die Friedensbothen des Kaisers
+ Harren der Antwort im fernen Gezelt. Des Friedens erwhnst du?
+ Heischest Rath, und ach, beschlossen im heimlichen Busen
+ Hast du den Krieg auf Leben und Tod! O, mchte des Friedens
+ Freundlicher Ruf den Ha aus deinem empreten Herzen
+ Nun verscheuchen, und dir und dem Volk die Flle des Segens
+ Schaffen hinfort! Erfllt hast du mit unendlichem Kriegsruhm
+ Weithin die Erd' umher; allberall preisen die Vlker
+ Deine Weisheit und Kraft. Zieh' heim nach dem herrlichen Erbreich,
+ Das dir gehorcht -- nach Bhmen und Mhren: die trefflichsten Vlker
+ Nhrt es im blhenden Schoo. Dort lebe dem Glcke der Deinen,
+ Und unsterblicher Ruhm harrt dein, in der sptesten Zeit noch.
+ Hast du nicht jngst mit Siegel und Schrift
+ und mit heiligem Eidschwur,
+ Oestreich, Krnthen, und Krain, als Lehen, entsagt vor dem Kaiser
+ Selber, auf Glauben und Treu', und im Treubruch hoffst du zu siegen?
+ Bebe der That: schwer rchte den Bruch geschworenen Eides
+ Stets an den Sterblichen noch die ewigwaltende Vorsicht.
+
+ Ottgar stand, erschttert im Geist vor dem Schreckensgedanken;
+ Sprechen wollt' er schnell, und es bebten die Lippen ihm leis' nur.
+ Doch nun drang ihm das Wort aus den festgeklammerten Zhnen:
+ Ha, sey nun, und auf immerhin, der Leib und die Seel' auch
+ Mit in dem Spiele gewagt! Nicht kann ich mehr weichen: die Gattinn--
+ Ja, das schreckliche Weib, hat mich zu dem Schritte gezwungen.
+ Da ist kein Rckgang mehr: ich folg', ein Opfer des Schicksals!
+ Wie, so sprach, ihm freundlicher nahend, der Greis,
+ um die Herrschaft
+ Stritten des Reiches Hort und der Knig von Bhmen; im Frieden
+ Schieden sie erst, und die rach'emprende Zunge der Gattinn
+ Drngte sie wieder zum Wrgen zurck? Nicht mhen die Frau'n sich
+ Ab in dem Feld. Wenn wir erlagen, erkiesen sie wieder
+ Sich den neuen Gemahl, und erfreu'n sich im Kreise des Lebens;
+ Doch uns lass' das Wohl und das Wehe des Landes bedenken.
+ Ottgar, stolz und tapfergesinnt, gehorchte dem Weib' nun?[4]
+
+ Also der Greis; doch, da er es sprach, entflammte des Knigs
+ Niedergeheftetes Auge sich stets zu grerer Wuth noch.
+ Wie der Drache mit glhendem Blick von dem finsteren Felsschlund
+ Aufschaut, wenn ein Ruf ihn emprt; dann zischend dem Eingang
+ Nah't, und, das Haupt zum Boden krmmend, den furchtbaren Rachen
+ Weit vorstreckt, den Feind zu verschlingen, begierig: so sah er
+ Jetzo dem Greis' in das Aug', und sthnte vor heimlichem Ingrimm.
+ Endlich rief er, bewegt: Halt ein! O tadle den Gatten
+ Nicht, der solchem Weibe gehorcht: Margarethen, der Frauen
+ Sanfteste, stie ich von mir: da sandte der Rcher im Himmel
+ Mir Kunegunde. Sie hat, ja, bebe dem schrecklichen Wort nur,
+ Ueber mich Macht und Gewalt. Wie ein Geist des ewigen Abgrunds
+ Steht sie vor mir ... mich schrecken entsetzliche Trume. Verschliee
+ Das in der redlichen Brust. Sieh', htt' ich auch tausend und tausend
+ Eide geschworen: umsonst! Nicht kann ich zurck in dem Kampf mehr
+ Weichen: ich mu ihn mit Habsburgs Leu'n nun enden fr immer.
+ Jetzo winkt' er dem Greis': denn, eilenden Schrittes, genahet
+ Waren die Feldherrn all', und einten sich ihm in dem Kriegsrath.
+ Neben ihm sa zur Rechten der Hort und Gebiether der Bayern,
+ Heinrich; zur Linken ihm Pfeil, der Markgraf; d'rauf um den Tisch her,
+ Der, nach Lagers Gebrauch, von niederen Bnken umstellt war,
+ Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Dietrich,
+ Herbot von Fllenstein, und die Kunring', tapfere Helden.
+ Doch von der Mitte herab des hochgespannten Gezeltes
+ Hing die flammende Lamp', endlos vom Oehle genhret,
+ Und erhellte den Tisch in des Zeltraums dsterem Schimmer.
+
+ Eben hatt' er die Helden begrt, und wollte beginnen:
+ Sieh', da scholl's von Hufen der Ro' in der nchtlichen Stille
+ Nher und nher, und jetzt absaen die Reiter am Zeltthor.
+ Ottgar winkte sogleich dem blhenden Jnglinge, Wallstein,
+ Der ein Liebling ihm war, schon seit der zartesten Kindheit.
+ Alsbald eilt' er hinaus, und fate vom niederen Gluthherd
+ Einen leuchtenden Span, den dort ein Krieger entflammte:
+ Schrend die Gluth, und hufend zugleich das harzige Kienholz.
+ Mchtiger flammte der Span, da ihn ber dem Haupt in die Graunnacht
+ Wallstein hob, und schauete: wer die Versammelten stre?
+ Staunend, sah er die Kniginn selbst, Kunegunde, sich schwingen
+ Aus dem Sattel, im Kreis' erlesenen Reitergefolges;
+ D'rauf durcheilte sie rasch den Zelteingang, und, den Vorhang
+ Schleudernd entzwei, schritt sie, mit stolzer Geberde, zum Sitz hin,
+ Den der Jngling verlie, an der Seite des Kniges selber.
+
+ Ueber ihr schwebte mit grimmerflletem Blick Drahomira
+ Leise herein. Sie trieb die Kniginn eilig von Drsing
+ Her in der dunkelen Nacht, da sie erst durch schmhende Reden
+ Reize den Gatten, und dann entflamme zur Gier nach des Krieges
+ Schrecknissen, mehr denn je, in des Raths entscheidendem Zeitraum.
+ Wehe, sie forscht', auf Arges bedacht, im Kreise der Helden
+ Gierig herum, wie die Schlange verhllt in dem laubigen Zweig lauscht:
+ Ob ein Vgelchen ihr zur Beute sich bieth'? -- und sie fand noch
+ Dort den Ersehneten nicht; doch, als der blhende Jngling
+ Eintrat, dachte sie schnell die Herz zu bercken durch Ehrsucht,
+ Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaten Beherrscher!
+
+ Als der Knig die Gattinn ersah, da erblaten die Wangen
+ Ihm vor Zorn; doch schwieg er, und lie die Stolze gewhren,
+ Auf da keiner im Rath' ihn verachtete -- jeglicher dachte:
+ Jetzt erschiene sie hier, ersehnet von ihm, und gerufen.
+ Rasch war ihr Drahomira genaht: in dem Hauche des Unholds
+ Ward ihr Busen emprt, und alsbald rief sie verhhnend:
+ Ha! welch' Wunder geschah? Schon heut erfreuen die Bhmen
+ Sich der Eroberung Drosendorfs, der mchtigen Festung,
+ Nach den Tagen unendlichen Mh'ns? O, schndliche Thorheit
+ War es: vor ihr die goldene Zeit zu vergeuden -- zu harren,
+ Bis der klgere Feind, noch arm an Kriegern und Waffen,
+ Sich verstrket', und euch des Eisens Spitze wohl biethet!
+ Schnell, mit wrgender Hand euch bahnend den Weg in die Hauptstadt,
+ Mutet ihr folgen der Stimme des Ruhms, und dem dringenden Aufruf
+ Rdiger Waldrams[5] dort, des muthigen Meisters der Brger,
+ Der nun bald, ein schmhliches Opfer, dem Feinde verrathen,
+ Fllt durch euere Schuld, durch eure Verblendung, und Feigheit.
+ Siehe, da grins'te vor Lust Drahomira den Helden in's Antlitz;
+ Doch jetzt fuhren empor von dem Sitz die Versammelten alle;
+ Ballten die Faust vor Zorn, und wollten enteilen: nur einer,
+ Milota, regte sich nicht, und lchelt' unheimlich fr sich hin.
+ Fat euch, rief der Knig, bewegt, die Kniginn duldet
+ Schon seit jenem unseligen Tag, der uns, und die Vlker
+ Bhmens beschimpft -- dem Tage der Huldigung,[6] nagenden Kummer
+ Und zerrttendes Weh' in den Tiefen des Herzens. Ihr Helden,
+ Dessen gedenkt, und achtet den Schmerz des unglcklichen Weibes:
+ Denn nicht wgt er genau das raschverwundende Wort oft,
+ Das der Zung' entflieh't im Sturm der emprten Empfindung.
+ Aber vernehmt es, was ihr in der Stille der nchtlichen Stunden
+ Jetzo mit uns erwgen soll't nach euerer Weisheit:
+ Rudolph sandte zuvor zwei tapfere Ritter in's Lager
+ Her, uns dringender noch als jngst, die Hand zur Vershnung
+ Biethend. Erneuend sodann den Wunsch: durch unserer Kinder
+ Wechselheirath das Band der Freundschaft fr immer zu grnden,
+ Ladet er uns g'en Wien, zu turnei'n; die Speere zum Scherz nur,
+ Nicht zum Ernst zu versuchen, und dann die ersehnte Verlobung
+ Durch ein gastlich Mahl zu feiern im schimmernden Prunksaal.
+ Solches verkndete heut' in geheim uns Rdiger Waldram;
+ Aber zugleich: g'en Lilienfeld[7] hin ziehe der Kaiser
+ Albrecht, seinem Erzeugten, mit hundert Reitern entgegen,
+ Der in den schwbischen Gau'n die Krieger ihm warb, und vom Aargau
+ Her die tapfersten fhrt, die ihm oft errangen den Lorber,
+ Altgedient, und versucht im Grau'n der eisernen Feldschlacht.
+ Soll mein Volk vorstrmen bis Wien, da unser Vertrauter,
+ Waldram, ihm erffne das Thor in der nchtlichen Stille,
+ Wie er es eben verhie, mit den treuen Brgern verstanden?
+ Ist's wohl rthlicher noch, mit Kunrings Reitergeschwadern
+ Ueberzusetzen in Fhren den Strom der mchtigen Donau,
+ Und aus dem Hinterhalt den Kaiser zu fah'n in der Waldschlucht,
+ Welche sich links und rechts an dem Kaumberg, trglich herumschlingt?
+ Nie versagt' ich das Ohr dem Rathe der Mnner: was dnkt euch?
+ Herbot schrie zugleich mit dem Kunring, lrmend, und laut auf:
+ Fort nach Wien! Bald sinkt mit der khnerrungenen Hauptstadt
+ Rudolphs Macht in den Staub: wir brgen fr herrlichen Sieg dir!
+
+ Lobkowitz fuhr von dem Sitz', des Friedens Ruf zu erneuern;
+ Aber ihm kam Kunegunde zuvor, und sagte dem Knig:
+ Wie, du sphest noch jetzt nach schlauverhlleten Pfaden,
+ Thricht verlassend die khnere Bahn, die schnell zu dem Ziel fhrt?
+ Ist denn vllig gewichen von dir der Muth und die Khnheit,
+ Die von Siegen zum Sieg dich leitete, Schlachtenberhmten?
+ Zahllos warben die Freier um mich. Masowiens[8] Herzog
+ Lie auf dem glnzenden Thron mir Macht und Reichthum zur Erbschaft;
+ Aber ich achtete keinen Mann, im stolzen Bewutseyn
+ Herrschender Geisteskraft, und lautgepriesener Schnheit.
+ Auch du bothst mir die Hand. Der Ruf erscholl in den Lndern:
+ Ottgar trug des Sieges Panier zu dem Belt hin; erbaute
+ Dort noch Knigsberg,[9] und schlug, heimkehrend, die Scharen
+ Ungerns im Feld auf das Haupt. Er einte die Steyer- und Ostmark
+ Dann, als Sieger, mit Krnthen und Krain dem bhmischen Erbreich,
+ Und errang die Bewunderung so der entlegensten Vlker.
+ Ha, da sank mein Stolz, beschmt, vor dem Helden! Ich gab mich
+ Eiteler Tuschung dahin: mit der kniglichsieghaften Rechten
+ Wrd' er auch mich erheben im Glanz' unsterblichen Ruhmes.
+ Weh', nun steh' ich gebeugt, entehrt, und fruchtlos geopfert!
+ Aber, denkst du der Ehre nicht mehr, so gedenke der Schmach doch!
+ Soll ich den Mann, den Knig, und ach, den Gatten noch mahnen
+ Dort an den graunerregenden Tag, wo gegen den Eidschwur,
+ Der dich bewog, dem Kaiser zu huldigen heimlich im Zeltraum,
+ Er, o schreckliche Schau! auf des Eilands ragendem Hgel,
+ Das die Donau umschlingt mit weitgedehneten Armen,
+ Pltzlich am listiggestalteten Zelt den rauschenden Vorhang
+ Fallen hie, und dich vor den Augen unzhliger Krieger,
+ Die an dem Strom sich die- und jenseits, feindlichgesondert,
+ Lagerten, wies zum Hohn' -- auf die Kniee gesunken, o schndlich,
+ Ottgar, dich, dem er an dem Hof' einst dienet', als Marschalk,[10]
+ Huldigend dort, in dem Staub'! O, knntest du solches vergessen?
+ Ottgar prete die Stirn' in die Flche der Linken, und glhend
+ Rann ihm die Thrn' an der Wange herab. Er sucht', es zu bergen;
+ Blickte grimmiger auf, und rief: Nicht werd' ich's vergessen!
+ Doch nun drang Drahomira noch mehr in die Frstinn. Sie hob sich
+ Eilig vom Stuhl' empor, und sagte mit leuchtenden Augen:
+ Ha, die Dromet' erklinge dem Volk', und gebiethe den Aufbruch
+ Nach den Mauern von Wien; in die Luft hoch flatt're die Sturmfahn'
+ Vor den Scharen einher, und leite sie glcklich zum Sieg' hin!
+ Rief's; doch Ottgar sprach nun so zu dem tapferen Helden,
+ Lobkowitz: Wie, du schweigst mein sieggekrneter Feldherr?
+ Nie ermangelt' ich deines Raths, und deiner Erfahrung,
+ Weisheit, Treue und Kraft verdank' ich, was rhmlich gescheh'n ist.
+ Lobkowitz wiegte das Haupt, und sprach eintnig und trocken:
+ Haben doch and're vor mir, dem wankenden Greise, gesprochen,
+ Die das heiere Blut, wie im Sturm, fortreit auf des Ruhmes
+ Glnzender Bahn -- weit blieb ich zurck', und bin es zufrieden.
+ Sieh', ich whnte, wir lieh'n ein Ohr des Kaisers Gesandten?
+ Doch vor dem zrnenden Blick der Kniginn? Sey es denn morgen!
+ Also der Held. Da sprach Kunegunde voll Wuth zu dem Knig:
+ Wohl, ich weiche zurck bis Drsing. Sinnst du auf Frieden
+ Noch mit dem Kaiser, so sey's; doch nimmer siehst du mich lebend
+ Wieder: nur mord' ich zuvor mit Freuden die blhende Tochter,
+ Eh' ein schmhlicher Bund dem verhatesten Feind sie vereine.
+ Rief's hinschreitend; erhob sich auf's Ro, und eilte nach Drsing,
+ Das sie den Abend zuvor mit ihren Erzeugten bezogen.
+
+ Jetzt lie Ottgar schnell die Gesandten des Kaisers entbiethen,
+ Die schon lange voll Gier in dem fernen Gezelte des Rufes
+ Harrten. Meinhard, Graf von Tyrol, erschien, und zur Seit' ihm
+ Nahete Lichtenstein: des Heer's erlesene Zierden.
+ Stattlich traten sie ein, und setzten sich wrdig zum Tisch hin,
+ Grend den Knig zuvor, und d'rauf, die versammelten Feldherrn.
+ Meinhard neigte das Haupt, und begann mit edelem Anstand:
+ Rudolph, mein erlauchtester Herr, und Kaiser der Deutschen,
+ Sendet uns, Meinhard und Lichtenstein, nicht unwrdige Bothen,
+ Freundlich zu dir, erhabener Herr, und Knig der Bhmen!
+ Wollest darum uns hren mit Huld, und unsere Reden
+ Nicht verachten, da wir, nur arm an zierlichen Worten,
+ Stets mit dem rauheren so, wie mit unserem blinkenden Eisen,
+ Das wir zu fhren gelernt, zum Ziel vorstreben, und treffen.
+ Frieden beut er dir mit leichtvershnlichem Herzen;
+ Doch er beut ihn im Augenblick, wo er vllig gerstet,
+ Nicht, wie jngst in dem Land', entblt von Kriegern und Waffen,
+ Sollte schon fast ihn erflehen von dir -- nein, wo er im Kriegsbund,
+ Mchtige Vlker vereint, und der Treue der Vlker gewi ist.
+ Da du, als Kaiser ihn anerkenn'st; ihm Bhmen und Mhren
+ Tragest zu Leh'n; auf die ost- und die steyrische Mark,
+ so auf Krnthen,
+ Krain, entsag'st: das ist des Friedens enthllte Bedingni.
+ Drei gewaltige Vesten im Land: hier Drsing im Marchfeld,
+ Dort Pchlarn, und Enns sollst du mit starker Besatzung
+ Halten zum Unterpfand durch drei der Jahre, von heut' an.
+ Ha! du erstaunest? So ist's; ihr sollt euch finden in Freundschaft.
+ Heilig ist Rudolphs Wort, du kannst ihm sicher vertrauen.
+
+ Als er die Rede voll Kraft jetzt endete, herrscht' in dem Zeltraum
+ Stille umher: doch Lichtenstein, gewahrend den Vortheil,
+ Grte den Knig zuvor, und begann mit heiterem Blick so:
+ Ernstes sagte der Graf. Mit Gott und eurem Gewissen
+ Werdet ihr solches erwgen zum Glck und zum Segen der Vlker,
+ Die ihr beherrscht; doch leiht auch mir ein gnstiges Ohr noch.
+ Nicht vom blutigen Kampf: von der Minne ersehneten Freuden,
+ Von Turnei'n, und dem festlichen Mahl gedenk' ich, zu sprechen.
+ Allwrts ist es bekannt, da Herr Rudolphus, der Kaiser,
+ Ein Turnei, bei'm Tabor,[11] am kommenden Donnererstag schon,
+ Der Sanct Rochus geheiliget wird, zu halten, gesinnt ist:
+ Denn nach Frieden verlangt sein Herz, und er hat dich geladen.
+ Solcher Ehre Gewinn verschmht kein tapferer Mann je.
+ Sieh', d'rum harret er dein und deines so edeln Gefolges,
+ Das den Herrscher umglnzt, wie die Stern' umglnzen den Vollmond!
+ Aber noch hhere Freuden gedenkt, nach vollendetem Festmahl,
+ Oben im prunkenden Saal der Kaiser mit dir zu bestellen:
+ Lieblich erblheten dir die schnsten der Tchter -- in Shnen
+ Ihm sein Glck: zum Bund der Einigung beut er die Hand dar:
+ Hartmann fhr' als Braut sich Hedwig, voll siegender Schnheit,
+ Thekla, voll zartester Huld, sein Rudolph heim. So ersehnt er's.
+
+ Als er gesprochen das Wort, und noch weiter gedachte zu reden:
+ Sieh', da warf sich in brausender Hast der muthige Jngling,
+ Wallstein vor! Er stand, und hielt sich die Brust mit der Rechten;
+ Athmete tiefer, begann zu sprechen, vermocht's nicht; er strzte
+ Dann zum Gezelte hinaus, und verschwand im nchtlichen Dunkel.
+ Ottgar blickt' ihm, erstaunt, jetzt nach. Er whnte: sein Liebling
+ Sey urpltzlich erkrankt, und von wthenden Schmerzen befallen;
+ Doch Drahomira durchschaute sein Herz; sie lchelte grimmig;
+ Jubelte dann laut auf, und folgte dem fliehenden Jngling:
+ Ihm fr Hedwig die liebende Brust noch mehr zu entflammen,
+ Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaten Beherrscher.
+
+ Im erleuchteten Zelt verstummten von neuem die Helden;
+ Gar nicht wollten von Ottgars Mund' die Worte sich lsen.
+ Endlich hob er sich auf, und sagte den Beiden zum Abschied:
+ Wahrlich, nicht ahnete mir's, so glhend verlange der Kaiser
+ Uns bei festlichem Turnkampf, Tanz, und Gelagen zu sehen!
+ Aber wohlan -- das kndet ihm nur, so er etwa daheim ist:
+ Ottgar werdet ihr schau'n im Gefolge der Edeln, und hren,
+ Was er vom Frieden gedacht, und der Kinder ersehnter Verlobung!
+ Aber, ihr Herrn, gehabt euch wohl; der Himmel geleit' euch!
+ Beid' erstaunten der Red', und eilten unmuthig von dannen.
+ Drauen sagte zu Lichtenstein der tapfere Meinhard:
+ Ritter, sprecht, was dnkt euch? Nicht einmal die Krume zum Imbis,
+ Nicht des Weines so viel, das unsere Lippen benetzte,
+ Reicht' er zum Trunk' uns dar. Ich meine: von Heirathsgedanken
+ Ist er so fern, wie dort von mir Veiths glnzender Wagen,
+ Der an des Himmels Rand zum eisigen Norden hinabsinkt.
+ Ha! und merktet ihr nicht, wie schnell der arge Verrther
+ Rudolphs nchtlichen Ritt g'en Lilienfeld ihm enthllte?
+ Ach, er zog nur mit schwachem Geleit! Kommt: gut ist die Vorsicht!
+ Rasch aufschwangen sie sich in den Sattel, und flogen nach Wien hin.
+
+ Aber der Knig entlie die Versammelten. Jetzo noch einmal
+ Blickt' er Jedem in's Aug', und sagte mit rauherer Stimme:
+ Mir zerwhlet die Wuth das Herz. Wie kecklich die Ritter
+ Sprachen, als sey ich im Feld nicht frder zu scheu'n,
+ und, dem Ball gleich,
+ Nun rechts hin, dann links im schwebenden Fluge zu wenden;
+ Aber es zehr' ihr Hort sich zu Tod' an seinen Gelsten.
+ Mein Entschlu ist gefat: am Morgen gebiethet den Aufbruch
+ Euerem Volk. Wir ziehen entlang den schlngelnden Marchflu
+ Bis an den Weidenbach, wo, erhht, des rumigen Lagers
+ Wall uns schirmt g'en List und Gewalt. Verstanden mit Waldram,
+ Sey in dem Ueberfall nur Rache der Wrgenden Schlachtruf!
+ Ruhet ein Weniges noch: bald rufen euch laut die Drometen.
+ Jene gehorchten dem Wort', und eilten nach ihren Gezelten.
+ Aber der Knig ging noch lang' im Schimmer des Nachtlichts,
+ Sinnend umher. Oft seufzt' er laut; er ballte die Faust oft
+ Vor Erbitterung; stand, ging wieder, und hatte nicht Frieden.
+ Endlich warf er sich hin auf das Lager, und schlummerte leis' ein.
+
+ Ueber dem Haupt des Schlummernden hing sein schtzender Engel,
+ Trauernd. Verglommen war sein Glanz. Wie auf thrmender Alpen
+ Ewigbeschneiten Hh'n der rosigglhende Schimmer
+ In therischer Blue verglimmt in der sinkenden Dmm'rung:
+ Also auch er, den Schwermuthsblick auf den armen gerichtet,
+ Den ein furchtbarer Traum umfing. Margarethe, die Gattinn,
+ Welch' er schnde verstie, naht' ihm, und sah ihn so trauernd
+ An, aus dem hllenden Leichentuch: er wandte sich, schaudernd,
+ Weg, und hie sie entflieh'n. Nicht lang', und in hoher Verklrung
+ Schwebt' auf schimmernden Au'n, und bekrnzt mit himmlischen Rosen,
+ Sie vor ihm hin. Er folgte -- sie floh; doch jetzt, an dem Ufer
+ Eines unendlichen Stroms hielt sie den eilenden Flug an;
+ Sah, huldflehenden Blicks, zu dem Himmel empor, und entschwand ihm,
+ Schatten gleich, wenn Nebelgewlk umhllet die Sonne.
+ Wieder umfing ihn des Todes Nacht. Um sich her auf dem Schlachtfeld
+ Sah er unzhlige Leichen gehuft: bis endlich ihm selber
+ Dort zwei Wrger genah't, mit rach'ausblitzenden Augen,
+ Tief in die Brust einstrmten den Speer, und hhnten im Tod noch.
+ Sthnend wand er sich dann im Schlaf, und in mchtigen Tropfen
+ Stand ihm der Schwei auf der Stirn' und den hochgertheten Wangen.
+
+ Doch nicht vllig verhllt den Augen des Himmelsbewohners
+ War des schlummernden Knigs Geschick. Er sah Drahomira
+ Walten um ihn, und Gefahr ihm bereiten auf schlpfrigem Pfad hier,
+ Der zum Verderben fhrt, und zu nieversiegendem Jammer.
+ Flehend faltet' er jetzo die Hnd', und blickte mit Ehrfurcht
+ Auf zu dem Thron des Ewigen, der in des kreisenden Weltalls
+ Hehrstem Raum', auf lichtausstrmenden Sonnen erhht steht.
+ Dorthin drang sein Blick, wo Cherub- und Seraphim selber
+ Sich in der Nhe des Throns mit den Fittigen hllen die Augen,
+ Dreimal Heilig singend dem Herrn, der herrscht von dem Thron dort,
+ Hehr, allmchtig, weis', und gerecht, barmherzig und gndig!
+ Ueber die Himmel hinauf erhebt er das Haupt; auf dem Abgrund
+ Ruht sein Fu, und sein Arm umfat das kreisende Weltall.
+ Als er gewrdigt ward, die Blicke zum Thron zu erheben,
+ Sah er, schauernd vor Ehrfurcht, dort enthllet die Zukunft:
+ Ottgar, der nun bald mit reuigem Sinn um Erbarmen
+ Fleh'n wird, bet die Schuld vergangener Jahre: den Feinden
+ Fllt er besiegt in dem Kampf', und verlieret das Reich und das Leben;
+ Aber sein Gegner wird ein Vater des Herrschergeschlechtes,
+ Das in die fernste Zukunft hinab unzhliger Vlker
+ Glck zu frdern, erwhlt, im Segen der Erde genannt sey.
+ D'rauf gewahrt' er den Wink des Herrn: da es also gescheh'n wird!
+ Sieh', da flammten, und floh'n, und kehrten in Eile die Sonnen
+ Wieder zur Bahn! Der Donner rollte hinunter am Weltrand,
+ Kreisende Monden und Sterne vorbei; die Vesten des Erdballs
+ Zitterten; hoch aufrauschte das Meer, und die Strm' und die Flsse
+ Braus'ten wirbelnd zurck, und schumten empor in den Luftraum.
+
+ Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht
+ Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglhte das Frhroth.
+
+
+
+
+ Zweiter Gesang.
+
+
+ Siehe, wer reitet den Wald entlang? Vom felsigen Boden
+ Tnet der eiserne Huf. Wer zieht im Schatten der Thler
+ Fort im eilenden Trab? Doch dort, wo am lichteren Waldsaum
+ Weitgesondert, die Tannen steh'n, und der sonnige Bergpfad
+ Schlngelnd sich hebt, erblitzt es von hellgegltteten Waffen
+ Quer in die Eb'ne herab. Jetzt nher und nher erschallet
+ Munterer Reiter Gesprch, und das Schnauben und Wiehern der Rosse.
+ Doch wer ist's, der allen voran den feurigen Rappen
+ Reitet, so freundlich und mild, so bar all' prunkenden Schmuckes?
+ Zwar erhellt die, in Rosengluth versinkende Sonne
+ Kein' unedele Stirn', und Ehrfurcht heischen die Augen
+ Dieses Gewaltigen, der ein Frst, ein Kaiser von Anseh'n
+ Scheinet? Er ist's -- ha, Rudolph ist's, der Kaiser der Deutschen!
+
+ Gestern zog er im Abendlicht mit hundert Erwhlten
+ Eilig zum Krnthnerthore hinaus nach dem herrschenden Hgel,
+ Wo (so kndet die Sag') in grau'numhlleter Vorzeit
+ Eine Spinnerinn sa, und bettelte, reichliche Spenden
+ Sammelnd: ein Kreuz zu erbau'n von zartdurchlichtetem Stein dort,
+ Wo das hlzerne, morsch, zerfiel, an welchem sie lebte.
+ Aber es wurde zugleich ihr Grab, von dem Fremdling bewundert:
+ Denn erblickt er die Stadt, die weit auf Erden gerhmt wird,
+ Vor sich in schimmernder Pracht der Thrm' und unzhliger Huser,
+ Zollt er vor allem der sinnigen Wahl der Spinnerinn Beifall,
+ Und erquickt sein Aug' an dem wunderherrlichen Anblick.
+ D'rauf einlenkt' er zum Fu' der traubengesegneten Hgel:
+ Petersdorf, und Brunn am Gebirg, wo der emsige Winzer
+ Keltert den krftigen Most fr die sptnachfolgende Zeit noch,
+ Und durchtrabte die Stadt von Mdeling.[1] Mchtigen Anseh'ns,
+ Schaut in das dstere Felsenthal, durch welches der Waldbach,
+ Eingezwngt, sich windet, und rauscht, die ragende Felsburg,
+ Mdling herab (ein Eigen des babenbergischen Herzogs,
+ Heinrich) und lieh auch zugleich dem Stdtchen den Nahmen.
+ Die Nacht hing
+ Dunkel herab; nicht ersphte der Wart von dem ragenden Wartthurm
+ Rudolphs hohe Gestalt: d'rum scholl die Dromete zum Gru nicht.
+ Doch jetzt zog er am Tannberg fort,[2] wo im ruhigen Thalgrund
+ Schimmert das Gotteshaus zum Heiligen-Kreuz mit dem Kloster.
+ Herzog Leopold baut' es, der Heilige. Mnche von Cisterz
+ Rief er dahin, da dies' in Saatengefilde die Wildni
+ Wandelten, und im Gesange des Chors lobpriesen den Schpfer.
+ Manches Helden Gebein', auch Friedrichs, des streitbaren Herzogs,
+ Letzten seines Geschlechts, deckt dort der ehrende Denkstein.
+ Aber es sandte darauf vom Heiligen-Kreuze der Stiftsabt
+ Auch nach Lilienfeld die Brder: so wollt' es der Herzog
+ Leupold, der Glorreiche, selbst, als er an dem Fue der Alpen
+ Im bezaubernden Thal das Gotteshaus und das Kloster
+ Stiftete, dem jetzt Rudolph naht'. Schon lie er auch Kaumbergs
+ Marken zurck, und als die Sonne im rosigen Schimmer
+ Sich in Osten erhob, da zog er durch's liebliche Hainthal,
+ Und erkor's in des Mittags Stunde zur Rast. An dem Gls'bach
+ Weideten frei die Rosse hinab. Die tapferen Krieger
+ Saen im Kreise herum: sie sttigten sich an des Weizens
+ Goldener Frucht, zum nhrenden Brote gebacken, und lschten
+ Dann an der Quelle den Durst. Inmitten der frhlichen Mnner
+ Sa der Kaiser im Gras'; er rief den Einen und Andern
+ Auf zu ergetzlichem Schwank', und zuletzt den redlichen Knappen
+ Mller, den Zrcher, der ihm das Leben gerettet, und seither
+ Stets zu getreulichem Dienst' ihm stand, im Krieg' und im Frieden.
+ Knde, so sprach er zu ihm, den Kriegern das lustige Mhrchen:
+ Wie du mich, den Zrnenden, einst auf der Strae begegnend,
+ Shntest, listengebt: denn manchen von meinen Getreuen
+ Hast du niedergeworfen zuvor, ein frevelnder Raufbold.
+ Mit Vergunst, Herr Kaiser, begann der frhliche Kriegsmann,
+ Schlaugewendeten Blicks, so ich ruhmbegierig, und eitel,
+ Meinen Gefhrten des Zugs verknde zuvor, da ich Habsburgs
+ Grafen im Kampf mit dem Regensberg das Leben gerettet!
+ Edle von Toggenburg, und Homburg; jene von Nidov,
+ Palm, und Warth mit Eschenbach vereinten dem Ritter
+ Regensberg, den er gewaltig bedrngte, die Scharen;
+ Doch er dachte der List, kriegskundig, dem Feinde zu schaden.
+ Oft ritt Regensberg mit zwlf weischimmernden Rossen,
+ Welchen voran mit lautem Gebell zwlf hnliche Doggen
+ Sprangen, zur Jagd, von dem Uttliberg, stolzirend, herunter.
+ Rudolph lag in dem Hinterhalt: die Ross' und die Doggen
+ Hatt' er, wie jener gewhlt. Mein Volk, die muthigen Zrcher
+ Brachen hervor, mit ihm in dem Handel verstanden, und als er
+ Nahte der Burg in verstellter Flucht, da meinte der Wchter,
+ Oeffnend das Thor voll Hast, sein feindbedroheter Herr sey's
+ Alsbald ward erobert die Burg, und zerstret von Grund aus.
+ Ist's nicht also gescheh'n, mein hocherlauchter Gebiether?
+ Aber da stellten sie euch, auf offnen und heimlichen Wegen
+ Nach. So geschah's, da einst, auf einsamer Fhrt' in dem Wald ihr,
+ Nur mit schwachem Geleit dem Feind' in die Hnde gefallen,
+ Rang't auf Leben und Tod, als bgellos in den Staub euch
+ Warf das getdtete Ro. Ihr waret erlegen der Mehrzahl;
+ Doch der Seinen gedenket der Herr: er sandte den Mller
+ Euch zu Hlf'. Er kam auf dem Pfade geritten, und sah euch
+ Kmpfen, hnlich dem Leu'n, den wthende Tiger umringen;
+ Naht' im Flug, und ihr, in den Sattel gehoben, entrannet
+ So der Gefahr. Doch Mller ist euer getreuester Jnger
+ Seitdem -- rhmt sich denn auch des edelsten Meisters auf Erden.
+ Ihr erlat mir vielleicht fr heute das lustige Mhrchen:[3]
+ Denn, mich dnkt, es entfielen, wie Perlen gestaltete Tropfen
+ Eueren Wangen. Mich drngte frher die Noth, und euch spter:
+ Alles auf Erden eint der Liebe geschftige Sorgfalt.
+ Innig gerhrt ergriff ihm der Kaiser die Hand, und begann so:
+ Edel hast gehandelt an mir, mein trefflicher Jnger!
+ Doch die Capelle winkt auf den Alphh'n: heute noch sollst du
+ Ernten herrlichen Lohn, der Heldenthaten gebhret.
+ Jetzt rasch auf, ihr Reisigen: rasch zu dem winkenden Ziel hin!
+ All' erhoben sich nun voll Muths; sie zumten die Rosse,
+ Jauchzend, auf, und es ging dann weiter der frhliche Zug fort.
+
+ Siehe, nicht lang', und sie sah'n jetzt schon
+ die blulichen Alphh'n
+ Oben, und tiefer den _Kulm_ und den kegelgestalteten _Spitzbrand_,
+ Freudigen Blicks, als unter dem Huf der gewaltigen Rosse,
+ Drnend, die Brck' erscholl, die, stets von den Fluthen der Traisen
+ Unten durchrauscht, im Grund die rasche Forelle beschattet.
+ Weit gerhmt ist die Traisen im Land (da beide den Ursprung
+ Sich bestreiten, die Hohenberg-, und die Lilienfelder)
+ Sprudelnd hervor aus dem Schoo des Traisenberges im Waldthal,
+ Und enteilend voll Hast, sich dem Donaustrome zu einen.[4]
+ Freundlich blickten die Sterne bereits vom Gewlbe des Himmels,
+ Wieder zur Erde herab; schon hauchten die wrzigen Matten
+ Khlung umher; es verglommen die ragenden Hh'n, und die Fluthen
+ Dampften im Thal, als jetzt mit seinem Gefolge der Kaiser
+ Nahe vorber an Lilienfeld, dem herrlichen Kloster,[5]
+ Eilete: denn zum Abendgebeth' ertnte das Glckchen
+ Schon von dem Thurm'; es lud zu des Chors Vollendung die Brder,
+ Und erweckte zugleich, mildklagend, die Wonne der Wehmuth
+ Tief in der fhlenden Brust, die leise nach Ruhe sich sehnet
+ Nach den verschollenen Strmen des Tags, auf irdischer Wand'rung.
+
+ Nahend dem Ziele, durch's _Thal_, geboth der Herrscher den Reitern,
+ Lngs dem Bach zu erringen den Kulm, auf dem breiteren Saumpfad;
+ Aber er selber klomm, des Weg's wohlkundig, mit Mllern
+ Dort, wo ein lieblicher Wasserfall, von schroffer Gebirgswand
+ Pltschernd herab, zerstubt die silbernblinkenden Fluthen,
+ Schweigend, die Hhen empor. Er sah nach den lichten Gefilden
+ Ferner Ebenen, jetzt aus der nchtlichdmmernden Waldung,
+ Jetzt vom schwindligen Fels mit thauendem Blick', und errang so
+ Frher den Kulm; doch dort, vereint mit seinen Erwhlten
+ Wieder, rastet' er nicht, und stieg, stets hher und hher,
+ Bis er, den dunkelen Wald entlang, auf blhenden Matten
+ Wandelnd, schimmern sah im Schooe der luftigen Alphh'n,
+ Aus dem Gezweig umhllender Tannen der kleinen Capelle
+ Heiligthum, wo das Licht, in der Lampe genhrt von dem Klausner,
+ Sandte die fchelnde Flamm' empor aus goldenem Oehlduft.
+ Dorthin wies ein Gesicht, im mitternchtlichen Grauen
+ Ihm aufstrubend das Haar vor Furcht und Erstaunen, ihn heut' erst.
+ Wichtiges sollt' ihm, dort enthllt nach des Ewigen Rathschlu,
+ Mchtig erheben das Herz in der Stunde des nahenden Kampfes.
+
+ Jetzt verlieen auf seinen Wink die Reiter den Sattel,
+ Da, freiweidend im Feld, die Pferde sich letzten. Des Zaumes
+ Ledig, sprangen sie wiehernd davon, und wlzten im Gras' sich
+ Links und rechts, die Gluth des gepreten Rckens zu khlen.
+ Auch die Reiter gesammt ausruheten dort von der Wand'rung.
+ Aber der Klausner, ein Greis, von neunzig entflohenen Jahren,
+ Trat aus der Htt', im barnen Gewand', und fhrte den Kaiser,
+ Schweigender Ehrfurcht voll, zur Capelle. Der silberne Bart flo
+ Ihm zu dem hanfenen Grtel herab. Von den lastenden Jahren
+ Wenig gebeugt, sah noch aus seinen erglhenden Augen
+ Jugendkraft, die manchmal in sinnender Trauer am Boden
+ Hafteten. Doch jetzt traten sie ein, und beugten die Knie' dort,
+ Wo gesegnetes Brot, der Seelen Speise, verwahrt war;
+ Wo das Bild des Gekreuzigten stand, und die Mutter das Kindlein
+ Wies in dem hehren Gemhld', voll Lieb' an den Busen es drckend,
+ Und, den wonn'ausstrahlenden Blick auf die Menschen gerichtet,
+ Allen zu rufen schien: O liebt den Liebenden mir gleich!
+ Aber der Greis, als wr' es zum legten Male hienieden,
+ Sah zu ihr lang' empor, und wandte sich dann zu dem Pilger:
+ Herr, sprach er, blick' auf zu der Himmlischen! Frh in des Lebens
+ Blthenzeit hast du die Verehrung der seligsten Jungfrau
+ Dir erkoren zum wahrenden Schild', und dem Schiffer nicht ungleich,
+ Der in der Sturmnacht fest aufschaut zu dem rettenden Leuchtthurm,
+ Dadurch bewahrt im reinen Gemth Vertrauen und Demuth:
+ Jenes zu Gott und auf Menschenwerth, und dies' auch im Glck' noch.
+ Also wandeltest du, ein Seliger, fort auf des Lebens
+ Dornenpfad mit heiterem Muth: der gttliche Sohn hrt
+ Gerne der Mutter Fleh'n, in ihrem Schutze geborgen.
+ Jetzt auch wirst du gewi, in dem furchtbarn Kampf der Entscheidung,
+ Huldbeglckt, erringen den Sieg, wenn dir auf dem Schlachtfeld,
+ In umdrngender Noth vom Munde des Herzens Gelbd' tnt:
+ Fromme Jungfrau'n einst zu versammeln zum Zeichen des Kreuzes.[6]
+ Hre, demnach was mir mein Meister und Herr in Gesichten
+ Dunkeler Zukunft wies: Ein Vater unzhliger Frsten
+ Wirst du seyn, und so oft auch hier auf irdischer Laufbahn
+ Wechselt des Menschen Geschick vom Guten zum Schlimmen: so wird doch
+ Treu', und Redlichkeit stets in deinem Geschlechte noch dauern.[7]
+
+ Ernsten Gemths, herrscht einst dein ltester ber die Vlker,
+ Die dein heitres gewann, und fesselte. Ob er auch mannhaft
+ Steht in der Mnnerschlacht, und vor ihm die Feinde, besiegt, flieh'n;
+ Ob er auch ehret das Recht, und Gerechtigkeit bet als Richter,
+ So auch die Wissenschaften, die Kunst', und den frohen Gewerbsflei
+ Blhen heit mit dem Ackerbau, ein sorgsamer Herrscher:
+ Dennoch mit er die Liebe. Die Hand der ewigen Vorsicht
+ Waltet ber des Menschen Geschick'. In Dunkel gehllet
+ Mge sein Ende dir seyn. Ihn rchen entsetzlich die Seinen.
+
+ Schn an Gemth und Krper, die Lust des Menschengeschlechtes,
+ Fat mit unstraflicher Hand die Kaiserkrone dein Enkel.
+ Aber, ihm gleich, ein Held, vom feindlichen Schicksal zum Feind' ihm
+ Auserkoren, entwindet sie ihr auf dem rauchenden Blutfeld
+ Mhldorfs; doch entreit er, erst nur der Rache gedenkend,
+ Auch in der Kerkerluft der Trausnitz dem edelsten Manne
+ Nicht den unsterblichen Kranz, der, lohnend, dem Guten zu Theil wird.
+ Sieh', er steht, erschtternd, vor ihm, da er Ehre viel hher,
+ Denn des Lebens erlesenstes Glck, die goldene Freiheit,
+ Achtet, und wiedergekehrt, die Hnde noch selber den Fesseln
+ Beut: ein Muster der deutschen Treu' auf Wort und auf Handschlag!
+ Innig ehrt er ihn d'rauf, und theilt das nchtliche Lager,
+ Ja, auch den Purpurthron mit dem Freund, der Erde zum Staunen.
+
+ Ha, schon winket des Theuerdanks unsterblicher Held mir
+ Aus dem strahlenden Licht des thatenverherrlichten Lebens!
+ Sein erbarmt sich der Herr, und rettet ihn, wunderbar oft so,
+ Wie auf der Martinswand, aus unsglicher Noth und Gefahren,
+ Welch' ihm fortan drau'n auf des Herrschers dornigen Pfaden.
+ Hoch erhebt er den Ruhm von Oestreich: khn auf dem Schlachtfeld,
+ Weis' im Rath; ein Liedergewaltiger, Held, und Beherrscher.
+
+ Aber ihm folgt, o Habsburgs Stolz, sein grerer Enkel!
+ Sein Zeitalter leuchtet in wunderherrlichem Glanz' auf.
+ Jugendlich regt sich die Erd', und treibt den erfreuenden Keim schon
+ Jedes Groen und Schnen hervor. Erhabene Geister
+ Wandeln auf ihr zum Ziel -- der Hchst' er unter den Hohen!
+ Ha, wie wrdig er herrscht, wie kraftvoll! Fern in die Zukunft
+ Schaut sein Blick: er sinnt auf Deutschlands Gre durch Einung,
+ Auf Hispania's Macht, und Italia's, da er die Rettung
+ Schaffe dem Christenvolk g'en wildemprter Osmanen
+ Allverheerende Wuth, die er tapfer bekmpft, und besieget.
+ Auch jenseits dem unendlichen Meer' erbeben die Vlker
+ Seiner Gewalt: nie geht die freundlichleuchtende Sonne
+ Unter in seines umuferten Reichs endlosen Bezirken.
+ Also die alt' und die jngere Welt im Segen zu einen,
+ Strebt sein hohes Gemth. Wie dunkel die Wege der Vorsicht!
+ Deutschlands Gau'n durchtobt die Neuerung. Feindlichgeschieden,
+ Schaut urpltzlich der Mensch dem Menschen in's Aug: ihn verwildert
+ Schrecklicher Sectenha: denn Mord, und Brand, und Emprung
+ Wrgt Jahrhunderte fort, und verscheucht bald jegliche Hoffnung,
+ Die so herrliche Frchte verhie. Vergeblich versucht er,
+ Heimzufhren den scheuentflohenen Frieden: auf immer
+ Scheint er entfloh'n. Ihn ergreift unendlicher Schmerz, und er endet,
+ Freientsagend dem Thron, in einsamer Zelle sein Leben.
+
+ Ha, nach neun, durch Weisheit, Mild', und Gerechtigkeit ruhmvoll
+ Herrschenden Mnnern deines Stamms, erseh' ich im Thronsaal
+ Eine gewaltige Frau, die im Sturm umdrauender Nthen,
+ Gottvertrauenden Muths, die Lieb' und Bewunderung aller,
+ Eintritt dort, mit dem Sohn' auf dem Arm, in die hohe Versammlung
+ Eines edelen Volks, und tausend Stimmen erschallen,
+ Als der ehernen Scheid' entrissen der blitzende Stahl fleugt:
+ Lat uns sterben fr Sie, die, als Kniginn, uns ist ein Knig!
+ Glcklich als Gattinn und Mutter zugleich, und als Herrscherinn wrdig
+ Ewigen Ruhms, entschlummert sie sanft in den Armen des Todes.
+
+ Lange zum Manne gereift, nachfolgt ihr spt ihr Erzeugter:
+ Herrschend des Volks Abgott, dem er nur Gutes gewillt ist.
+ Aber ihm strmts in der Brust: was kommenden Zeiten noch dau're,
+ Msse sorgsam gepflegt, und festgegrndet der Bau seyn,
+ Das bedenket er nicht, und sieht noch sterbend, verwelket
+ Was er gepflanzt, und im Sand, sturzdrohend, was er gebaut hat;
+ Dennoch beut ihm die Liebe den Kranz niewelkenden Nachruhms.
+
+ Siehe den Weisen, in dessen Hand dann erglnzet der Zepter,
+ Reit des Todes Geschick aus der Zahl der Lebenden schnell fort!
+ Wohl ihm: denn frher erringt er das Ziel der herrlichsten Laufbahn
+ Auf hesperischer Flur, wo er Glck ausspendet, und Segen!
+
+ Jetzt entschwinden die hehren Gesichte vor mir wie in Nebeln.
+ Furchtbar steigt Geschrei in die Luft. Des alternden Erdballs
+ Vesten wanken; es scheint, als sollt' ein neues Geschlecht sich
+ Heben empor aus dem ghrenden Grund, doch frher die alten
+ Ganz hinschwinden in Nichts: so entsetzlich schwelgt die Emprung
+ Fort an den Strmen vergossenen Bluts. Der tauschenden Gleichheit
+ Mordruf schallt: hinschwindelt das Volk, und reit mit des Thrones
+ Strzendem Heiligthum' auch sich selber hinunter zum Abgrund,
+ Wo in dem nchtlichen Grau'n sein Wuthgesthne verhallet.
+ Aber ich sehe den Schiffer im Sturm, der, blickend zum Himmel,
+ Unerschtterten Muths, durchfleugt die emprten Gewsser;
+ Sehe den Sohn vor mir des Verblichenen, wie er im Nachtgrau'n
+ Fortgewogt auf der Fluth, nun sinkt, nun steigt, bis er endlich,
+ Lautumjauchzt, einfhrt in den volkerflleten Hafen,
+ Und noch hher als erst, nach zwei Jahrzehenden aufragt:
+ Denn ihn lenkt in den Tagen der Noth stets sicher der Tugend
+ Heiliger Wink, und sein ist die Lieb' und die Treue der Vlker,
+ Die er, ein Vater, beherrscht mit mildvorsorgender Weisheit.
+ Heit auch mancher Gewaltige Gro߫ in Geschichten der Menschen,
+ Ihn wird einst die Nachwelt laut den _Edelsten_ nennen.
+
+ Dunkler ward's ... mir schwand in verworrenen Bildern die Zukunft.
+ Doch nun hast du vernommen, was mir, unwrdigem Diener
+ Heute der Herr enthllt'. Leb' wohl! Vollbracht ist des Lebens
+ Weitumirrender Lauf -- er endete, deiner gewrtig.
+ Denk' auch mein im Gebeth. Stets sey der Himmel dir gndig!
+ Sagt' es, und wankte hinaus, der Klaus' entgegen. Er warf sich
+ Dort auf die Knie', und bethete leis' mit erblassenden Wangen.
+
+ Aber auch Rudolph lag mit tiefgesunkenem Antlitz
+ So, da die strzende Thrn' auf die Marmorstufe hinunter
+ Ihm aus den Wimpern sank, mit hrbarem Laut in der Stille,
+ Vor dem Altar auf den Knie'n. Sein Dank auf den Fittigen tiefer,
+ Inniger Andacht flog empor zu dem Vater im Himmel.
+ Als er den Blick zu dem Bild' erhob, und das Aug' auf die Augen
+ Heftete, die so mild den frommhinwandernden Pilger
+ Wecken zur Liebe des Sohn's, da erblat' er betroffen. Ihn dauchte:
+ Da sie in himmlischem Glanz' erglhten, und schaudernder Angst voll,
+ Wich er zurck vom Altar -- bis jetzt in der Lampe der Lichtdocht
+ Hell aufflammt', und sanft, wie zuvor, die Mutter ihn ansah.
+
+ Jetzo rief er Mllern herbei, der drauen im Vorhof
+ Harrte; legte die Hand ihm fest auf die Schulter, und sagt' ihm:
+ Hole die Waffen schnell: den Degen, den Helm, und den Harnisch;
+ Auch die Spor'n, die wir mitfhreten: leg' sie in Demuth
+ Auf den Altar; dann fasse den Speer, die Wache zu halten,
+ Bis zum Morgen. Ich geh', ein Weniges drauen zu schlummern.
+ Also geschah's. Der Knappe ging, und holte, verwundert,
+ Alles und Jedes herbei; dann fat' er den Speer, und erging sich
+ Dort, gemessenen Schritts, die Wach' an dem Heiligthum haltend.
+ Doch als jetzt an des Himmels Rand der erwachende Morgen
+ Wie der purpurne Kelch der frischentfalteten Rosen
+ Glhete, hie der Kaiser sein Volk der kleinen Capelle
+ Nahen, und dort im Kreis' umgeben den heiligen Altar.
+ Anbethend stand er selber vor ihm; dann wandt' er sich freundlich
+ Gegen den Kreis; rief laut dem Knappen Mller, und winkt' ihm,
+ Niederzuknieen vor Gott auf die Marmorstufe. Den Wammsrock
+ Nahm er ihm erst von dem Leib', und umgab mit dem glnzenden Harnisch
+ Ihm die Brust: er reicht' ihm die Sporn' und den trefflichen Degen
+ Dar mit dem Wehrgehang; bedeckte sein Haupt mit dem Festhelm,
+ Ri dann schnell das Eisen hervor aus der Scheid', und begann so:
+ Weil du, tapfergesinnt, obgleich als Brger geboren,
+ Habsburgs Herrn, der jetzt des heiligen, rmischen Reiches
+ Kaiser sich rhmt, das Leben gerettet, und stets auf dem Schlachtfeld
+ Ritterlich' Ehre gewannst durch heldenmtige Thaten:
+ Will ich dich hier, vor Gottes Altare, den Edeln gesellen.
+ Aber bedenke denn auch, da dir hinfort auf des Ritters
+ Ehrenbahn gezieme, zu schirmen das Recht und die Unschuld;
+ Schtzer zu seyn des zarten Geschlechts in Zucht und in Ehren;
+ Nie zu meiden den Kampf, in die Schranken durch Edle gefordert;
+ Nie zu dulden die Schmach, und zu rchen erlittenes Unrecht,
+ Krftig und ohne Verzug, so dir's nicht wehrt das Bewutseyn:
+ Hierauf schlag' ich dich Gott, und Maria, der heiligen Jungfrau,
+ Auch Sanct Grgen, des Ritters Patron, zu Ehren, zum Ritter.[8]
+ Sagt' es, und fhrte den Streich
+ kreuzweis mit dem tnenden Schwertstahl
+ Ihm die Schulter hinab, erhob den Edeln, und kt' ihn.
+ Laut aufschrie die Schar der Versammelten. Jeglicher staunte,
+ Forschte zuvor, wohin sich wende das ernste Beginnen?
+ Doch, nun schttelt' ihm jeder die Hand, und lchelt' ihm Beifall.
+
+ Schon erglhte das zarte Gewlk im lichteren Osten,
+ Das dem erwachenden Tag das Nahen der herrlichen Sonne
+ Kndete: sieh', da fhrte sein treues Gefolge der Kaiser
+ Schnell zum ersehneten Alpenrand, wo jetzo die Aussicht
+ Unermelich gro, vor den Augen der Mnner sich aufthat!
+ Aber sie bebten zurck vor freudigem Schreck und Erstaunen:
+ Erst zur Tiefe hinab, wo auf duftigen Schwingen die Nebel,
+ Zgernden Flugs, bald hier, bald dort nach entfernteren Thlern
+ Flatterten, sank ihr Blick. Wie staunt' er: gewaltige Berghh'n
+ Nun zu Hgeln versunken, zu schau'n, und auf jeglichem ringsher
+ Wiesen, und Ackergrnd', und waldumsumtes Gehftland;
+ Unten am hellen Teich das Gotteshaus, und des Klosters
+ Riesengebude; das Thal entlang, an der schimmernden Traisen
+ Hin, aufwirbelnden Rauch von den Eisenhmmern und Htten -- Dann
+ unendlich hinaus vom Gebirg verbreitet die Fluren;
+ Doch als jetzt aus dem Nebelmeer ihr breiteres Antlitz,
+ Dunkelgerthet, die Sonn' erhob, und ringsum der Erdkreis
+ Jubelte: reich mit Perlen geschmckt, und begrt von den Scharen
+ Zahlloser Vgel im Wald', in den Thlern, und hoch in den Lften,
+ Wo sich empor unsichtbar schwangen die wirbelnden Lerchen:
+ Ha, da erglhte die Brust der Mnner vor tiefem Entzcken!
+ Mancher faltete, bethend, die Hnd', und blickte hinunter,
+ Rings umher, dann himmelwrts, mit Thrnen der Wonne.
+ Keiner hatte zuvor erstiegen die Hh'n, und gesehen
+ Dorther tausendfaltig bes't mit schimmernden Stdten,
+ Drfern, und Klstern das Land, und hochaufragenden Burgen;
+ Nur der erhabene Kaiser allein erlabte schon oft sich
+ Dort an der seligen Schau, und begann jetzt freudigen Blickes:
+ Seht, wo nrdlich hinaus sich die Strae, wie schimmernde Leinwand,
+ Dehnt, Sanct-Plten, die Stadt voll trefflicher Brger und d'rben
+ Herzogburg mit dem Gotteshaus' im lieblichen Aufeld.
+ Seht dort links, erbaut auf dem weitgesehenen Berggrath,
+ Gttweih herrschen im Donauthal, das herrliche Kloster;
+ Doch, nicht ferne der Burg des Hoheneckers am Wald dort,
+ Herrlicher Mlk: bewohnt von Benedicts Shnen die beiden;
+ D'rauf die Stadt' auch: Krems, Und, Stein, von Traubengebirgen
+ Rings umgrnt, an dem Ufer der hellerglnzenden Donau.
+ Doch, o! wer erspht', auch schrferen Blickes, noch jenseits,
+ Bis zu dem blulichen Kranz der Karpathen hin, und den Marken
+ Mhrens der Menschen Wohnungen all' in unendlicher Landschaft?
+ Seh't, g'en Westen, den Traunstein dort: er senket den Felsfu
+ Tief in den Gmundner See: die Zierde des Oberen-Oestreichs.
+ Nher erglnzet die Tillisburg, die im ruhigen Thalgrund
+ Birgt Sanct Florians Stift, das Haus ruhmwrdiger Chorherrn.
+ Dann erhebt der mchtige Briel, und drben der Oetscher
+ Noch das Haupt zum Gewlk, und rings bis zum stlichen Schneeberg,
+ Der nach der Wiener-Neustadt schaut, der _Immer-Getreuen_,[9]
+ Sehet ihr Berg' auf Berge gethrmt, erschtternden Anblicks.
+ Nur verhllt uns der Kahlenberg mit seiner Karthause
+ Wien, die Kaiserstadt, und das weitverbreitete Marchfeld,
+ Wo jetzt Ottgar lagert, und dort auf blutigen Kampf sinnt;
+ Doch wir biethen ihm lieber die Hand mit dem friedlichen Oehlzweig,
+ Als da er fhle den Schlag der eisernen, niedergeschmettert.
+ Ha, die Bild entschwind' euch nie, das heute so wonnig
+ Uns enthllten die Hh'n des Lilienfelder-Gebirges!
+
+ Eiliger wandt' er jetzt die Schritte zurck, in der Htte
+ Noch dem frommen Klausner zu nah'n -- zu vernehmen des Segens
+ Laute von ihm, und ach, wie ergriff ihn Angst und Entsetzen,
+ Als er geffnet die Thr', und ihn, vor dem Bild des Erlsers
+ Auf den Knie'n, im Gebeth, mit gesunkenem Haupt und zum Boden
+ Starrendem Aug', ersah -- doch stumm, und erblasset im Tod schon!
+ Lange staunt' er, bewegt, den Verblichenen an, und enteilte
+ Dann der Htt'. In des Augenblicks entschwindendem Zeitraum
+ Schwangen die Reiter sich all' in den Sattel,
+ und trabten ihm, schweigend,
+ Nach, zum Kloster hinab, wo er, tieferschttert im Geist noch,
+ Anbethend, weilt in dem Gotteshaus', und dann in dem Kreuzgang
+ Wandelnd, hinauf in das Schlafhaus stieg in der Stunde des Mittags.
+ Hundert Schritt' entlang, auf mchtige Sulen gegrndet,
+ Wlbete dreifach die Halle sich auf: nur dmmerndes Zwielicht
+ Brach durch farbiges Glas der zierlichgestalteten Fenster.
+ Ernst ergriff ihn das Bild der Vergnglichkeit, als er mit Ehrfurcht
+ Staunte dem Bau. Du sollst, so lispelt' er leise fr sich hin,
+ Eiserngefgt, mit Stolz auf die wechselnden Zeiten herabschau'n;
+ Aber vielleicht, da nach sechs Jahrhunderten, oder nach sieben
+ Du in dem Schutte versinkst, wenn dort die prasselnde Flamme
+ Ueber dir braust, und vergeblich des Wanderers Auge dich suchet![10]
+
+ Sieh', da nahte des Klosters Abt mit den Brdern, und sagte:
+ Herr, du zrnest uns wohl? Wir sumten den Herrscher zu gren!
+ Doch der Kaiser begann: Nicht euere Schuld ist es, wahrlich:
+ Denn ich schlich gar leise herein, als km' ich, ein Spher.
+ Jetzo gedenkt, Herr Abt, mit sorglicher Liebe zu einen
+ Staub dem Staub', aus welchem er kam: die Leiche des Klausners,
+ Der in dem Herrn entschlief, in der einsamen Htte der Alphh'n.
+ Weh', entgegnete jener bestrzt, so schwand auch der Segen
+ Von den Alpen mit ihm: denn seinen erhrten Gebethen
+ Dankten sie ihr Gedeih'n, und des Segens Flle die Hirten!
+ Aber nicht zeitlichen nur, auch ewigen wut' er zu spenden.
+ Liebend brach er das Brot den Groen und Kleinen -- versteht mich
+ Wohl, erlauchtester Herr: das Brot des gttlichen Wortes,
+ Das die Seel' ernhrt, und strket fr immer und ewig!
+ Aber woher er kam; we' Landes und Stamm's er gewesen,
+ Hat noch keiner enthllt. Versenkt in dstere Schwermuth,
+ Kam er in frhester Jugendzeit auf die Alp', und erbaute
+ Dort die Capelle, geweiht dem Dienste der seligsten Jungfrau.
+ Weniges sprach er nur, mit den Worten geizend -- mit Werken
+ Himmlischen Wohlthuns nicht: ein Heiliger allen verehret.
+ Morgen wollen wir ihn mit der Seelenme' und dem Bupsalm
+ Wrdig zur Erde bestatten, und ihm erhhen den Denkstein.
+
+ Jetzo erscholl mit freudigem Ruf Drometengeschmetter
+ Von dem Wege heran, der Zell' entgegen -- der Jungfrau
+ Gnaden-Zelle, fhrt, wohin, wie der Hirsch nach dem Bronnen
+ Schmachtet, unzhlige Pilger zieh'n mit sehnendem Herzen
+ Nach dem Segens-Born der gttlichen Huld und Erbarmung.
+ Hell erglnzte das Aug' und die Wange des Kaisers. Er eilte
+ Rasch die Stufen herab: denn Albrecht, sein ltester, kam jetzt
+ Her aus den rheinischen Gau'n mit tapferen Scharen gezogen.
+ Laut begrt' er den nahenden Sohn, und both ihm die Hand dar,
+ Freundlich und mild; doch warm erwiedert' es dieser, und innig,
+ Obschon er dstern Gemths nie lchelte. Siehe, zur Heerschau
+ Hatt' er die Krieger in Reihen gestellt! Mit stolzem Vertrauen
+ Wies er ihm erst fnfhundert aus Zrch, die im Kampfe der Markgraf
+ Hochberg lenkt; dann jene von Kyburg, Salm und Luzern her:
+ Dreimal so viel' an der Zahl, die Nrnbergs tapferer Burggraf,
+ Friedrich, erkiesend, im Felde beherrscht, und wies ihm dann endlich
+ Jene, den ersteren gleich an der Zahl, die er selber in Schwabens
+ Heiteren Gau'n jngst warb, und jetzo zum Kampf und zum Sieg fhrt:
+ Lanzengewaltiges Volk, mit Helmen bewehrt und mit Schilden.
+ Aber hinab und herauf vor den Reih'n erging sich der Kaiser
+ Dort mit zgerndem Schritt'. Er sah mit freundlichen Blicken
+ Jedem Krieger in's Aug'; erzwang ihm ein Lcheln, und fragt' ihn:
+ Wie's ihm erging seither? -- bei'm Nahmen die Tapferen rufend.
+ Manchem strich er das rauhe Gesicht mit der Rechten; dem andern
+ Fat' er die Hand, und verhie ihm des Kampfs Arbeiten die Flle:
+ Da er schon alle zuvor im furchtbarn Felde der Waffen
+ Sah, und erprobte den Muth und die Kraft des einen und andern.
+
+ Jetzo begann der Sohn dem herrschenden Vater zu knden:
+ Wie er das Kriegsvolk warb in der Heimath -- d'rauf an den Marken
+ Schwabens vereinte zum Heer'; wie er schnell g'en Ulm an der Donau
+ Zog, wo zuerst der Strom den breiteren Rcken zur Fahrt beut;
+ Dann' in Schiffen herab, durch Bayerns gesegnete Fluren,
+ Also durch Oestreichs obere Gau'n nach Enns, und gelandet,
+ Nach Stadt-Steyer geeilt, die am hellerglnzenden Waldstrom
+ Vielfach den Wand'rer ergetzt durch eisengestaltender Meister
+ Sinnigen Flei, und jetzt unwegsame Schluchten durchirrend,
+ Kam nach Zell, wo sich an der Gnadenquelle die Krieger
+ Alle reinten von Schuld, und des himmlischen Brotes genossen.
+ Doch, so erzhlt' er fort, wie erhob mich,
+ nicht ferne dem Ziel mehr,
+ Heut' in dem dunkeln Oetscherthal' ein Wunder der Allmacht!
+ Vor mir sprang ein flchtiger Gemsbock fort in des Weges
+ Krmmungen. Ich, von Jagdlust hei, verfolgte den Khnen
+ Seitab, bis er vom Rand der steilabgleitenden Felswand
+ Strzte zur Tiefe hinab, und zerschmetterte dort die Gebein' all'.
+ Aber der Rckgang schien auch mir versagt, und ich wand mich
+ Mhesam nur, die Schluchten entlang, zu lichteren Stellen.
+ Pltzlich ergriff mein Ohr ein Donnergetmmel: die Felsen
+ Drnten umher; stets furchtbarer scholl aus der Schlucht,
+ wie ich nahte,
+ Strzender Fluthen Gerausch', und erfllte die Thler mit Schauder.
+ Doch nun war errungen der Stand. Von des schwindligen Felsens
+ Schmalvorragendem Riff' ersah ich, vor freudigem Schrecken
+ Selber zum Stein erstarrt, des Waldstroms Fall in den Abgrund:
+ Denn vor mir aufthrmte sich hoch der gespaltene Felsberg
+ Oben am Rand nur sanft zur Rechten gebogen, und dorther
+ Strzt, ein raschvorstrmendes Ungethm, nieder die Lasing.[11]
+ Ha, wie Fluth auf Fluth und Wog' auf Woge sich drnget,
+ Rastlos; dann, erbebend dem Sturz', aufheult, und die Stimme
+ Aller, vereint, zum furchtbarn, schrecklichen Donnergets' wird!
+ Wie sie sich fassen im Flug, mit eh'rnem Geprassel die Klippen
+ Schlagen, und schumen vor Wuth; wie sie von dem Felsen herunter
+ Fort und fort, den jhabrollenden Schnee-Lawinen
+ Gleich, im kreisenden Schwung sich wlzen, und strzen, und ewig
+ Rauschen, und brausen, da rings die waldigen Hhen erzittern.
+ Ueber die Berg' empor, in die hehren Gefilde der Wolken
+ Fleugt der glnzende Staub zerschellter Gewsser, und dreht sich,
+ Wirbelnd, im eisigen Hauch des stromgeborenen Windes.
+ Doch als dort in die Felsenschlucht, am glnzenden Mittag,
+ Freundlich die Sonne schaut, da haucht sie in vielfacher Wlbung
+ Hin auf das wirbelnde Na den siebenfarbigen Bogen,
+ Der die strmende Brust mild snftiget: so wie er Noah
+ Einst erquickte das Herz, ein Zeichen der hohen Verheiung.
+ Wahrlich, entzckend schn, und erhebend dem fhlenden Menschen,
+ Pranget der Lasingfall in Oestreichs hehrem Gebirgsthal!
+ Aber er horchte den Worten des Sohn's mit Lust, und geboth dann,
+ Laut, dem Volke zu Fu und den Reitern den eiligen Aufbruch.
+
+ Staunend ersah'n die Krieger zuvor, an der Seite des Kaisers
+ Mllern im Ritterschmuck -- den ebenbrtigen Brger
+ Zrcher Stadt; sie sah'n es, und lispelten, wiegend das Haupt noch,
+ Einer dem andern die Frag' in's Ohr: was solches bedeute?
+ Jener gewahrt' es, und, sich im kreisenden Schwung in den Sattel
+ Hebend, lenkte den Rappen herbei; dann heischt' er von Diesem,
+ Jenem die Rechte zum Gru, und prete sie, hei in der seinen.
+ Aber da kam, erglhenden Blicks, der Kaiser, und sagte:
+ Staunt nicht frder, da ihr im Ritterschmucke den Brger
+ Euerer Stadt erblickt. Allmnniglich ist es bekannt ja,
+ Wie er in groer Gefahr mit tapferem Muth mir das Leben
+ Rettete: d'rum auch werth und wrdig des Standes der Edeln;
+ Aber nicht Mllern nur, auch jeglichem steh' ich als Schuldner,
+ Der so, wie er dem Kaiser und Reich sich verdingte: Rudolphus,
+ Kaiser des Reichs, wird ihm die Schuld mit Wucher bezahlen.
+ Sagt' es, und schwang sich auf's wiehernde Ro. Zum freudigen Aufbruch
+ Scholl die Dromet', und schnell g'en Wien bewegte der Zug sich.
+
+ Sieh', in des Abends Grau'n, gewiegt von gaukelnden Lftchen,
+ Rauschte das Laub in dem Weidenhain, der nahe den Mauern
+ Drsings, am Hgel empor sich hob, und im schlngelnden Waldbach,
+ Lngs dem duftenden Thal sich spiegelte! Vllig verhallt war
+ Nun des Kampfes Gets' -- erstrmt die Veste. Die Gegner
+ Wichen, bezwungen, zurck, und Ottgars furchtbare Gattinn
+ Sah schon stolz auf das Land, das bald (so whnte sie thricht)
+ Oestreichs Aar' entrissen, dem Leu'n von Bhmen zu Theil wird.
+ Doch wer ist die holde Gestalt, die, zgernden Schrittes,
+ Drben, den Bach entlang, hinwandelt in sinniger Schwermuth?
+ Hedwig, ihr' Erzeugte, die Wonne des herrschenden Vaters,
+ Und der Liebling des Volks, geliebt, und bewundert von allen.
+ Aber warum erbebt ihr hochgesinnetes Herz nun
+ Unter der sanftvorwlbenden Brust? Entlockte der Thrnen
+ Hellerglnzendes Paar, das ber die rosige Wang' ihr
+ Trufelte, tiefverborgener Gram, und die Einsame geht nun
+ Solches dem sphenden Blick der furchtbarn Mutter zu bergen?
+ Ach, nicht der Mutter allein -- auch allen den Sterblichen ringsum,
+ Ja, sich selbst, und sogar dem Allerforscher im Himmel,
+ Brge sie gerne den Gram, dem heute die Thrnen geflossen!
+ Doch nun hemmt sie den Schritt. An den Stamm des schattenden Baumes
+ Sttzend den Arm, und pressend die Wang' in die Hhle der Linken,
+ Hebt sie das Aug', voll Himmelsblu', empor zu den Sternen.
+ Seitwrts sank von der hellen Stirn' ihr des brunlichen Haupthaars
+ Ringelnde Meng', und hing von den Schultern zugleich, und des Nackens
+ Schner Sul' an dem schneeigen Faltengewande hinunter,
+ Das dicht unter der schwebenden Brust der goldene Grtel
+ Lieblich umfing. Nicht kam von den funkelnden Sternen ein Lichtstrahl
+ Ihr in die grau'numnachtete Brust. Sie starrte, verstummend,
+ Lange vergeblich empor; doch jetzt mit lispelndem Laut nur,
+ Und umschauend mit Angst, begann das jammernde Frulein:
+ Ha, vernichtendes Bild -- entsetzlich, und furchtbar, und dennoch
+ Himmlisch zugleich aufschwebst du vor mir, umgaukelst mich rastlos,
+ Und bethrst mir den Geist mit tiefverwirrendem Schwindel!
+ Wallstein -- Gott! Wen nannt' ich? Sein Nahm' entri sich den Lippen
+ Mir, der Unglcklichen jetzt, und ach, der holdeste Laut wr's;
+ Ser als Harfengetn' in des Mondlichts freundlichem Schimmer,
+ Klang' er mir in dem Ohr', drft' ich ihn nennen -- ich darf nicht!
+ Glckliche Menschen ihr, die ihr dort in der niedrigen Htte
+ Wohnt, wo des Throns augblendender Glanz nicht das Herz von dem Herzen
+ Trennt, dem ihr's auf immer geweiht: wie zg ich so freudig
+ Hin den dunkeln Pfad, der euch beglckend zum Ziel fhrt!
+ Weh', wie sprach ich? Wohin entschwand mir jede Besinnung!
+ Grnende Matten, du murmelnder Bach, und ihr Sterne da oben
+ Sagt es nicht, was ihr gehrt. Du Mutter des Heiligsten, Besten,
+ Huldvolle Maid, nah' mir, der armen Verirrten, zur Rettung!
+ Billig hat' ich ihn. Ha, wie verwegen er jngst zu den Knie'n mir
+ Sank -- ich bebte vor Angst, in des Gartens umschattendem Laubgang;
+ Wie er mir fate die Hand, an die glhenden Lippen sie pressend,
+ Bleich aufstarrte zu mir! Nicht soll er frder mir nahen.
+ Doch wer eilt im Dunkel daher? Ich strbe vor ihm jetzt.
+
+ Sagt' es, und wollt' entflieh'n: da trat ein edeler Ritter,
+ Schimmernd im tnenden Waffenschmuck', in der Stille des Abends
+ Ihr in den Weg, und sprach: Gnnt mir, holdseliges Frulein,
+ Freundlich Gehr! Von Eginhards Geschlechte geboren,
+ Folg' ich, ein Rittersmann, der Fahne des Knigs von Bhmen,
+ Eures Erzeugers, und doch, erschrecket nicht, steh' ich, ein Anwald
+ Seines Gegners, vor euch. Ich komme, gesendet von Hartmann,
+ Rudolphs Sohn', der euch schon lange zum Gatten erwhlt ist:
+ Denn in dem rosigdmmernden Licht unschuldiger Kindheit
+ Wollten zu eh'lichem Bund' euch die liebenden Aeltern vereinen,
+ Ehe des schrecklichen Jammers Grund, die Krone der Kaiser,
+ Feindlich die Frsten schied, und her auf das eiserne Schlachtfeld
+ Zog. Doch hrt: mich hob er zuvor mit dem Speer' aus dem Sattel,
+ Als ich die flchtende Schar aus den khneroberten Mauern
+ Drosendorfs verfolgt', und ihn selber bestand auf dem Heerweg.
+ Aber er schenkte das Leben mir, und die Freiheit -- auf Ritters
+ Redliches Wort d'rob heischend die Pflicht:
+ da ich brchte die Bothschaft
+ Her, und zurck, wie es euch Bescheid zu geben, genehm ist.
+ Ach, er hat euch jngst, so sprach er mit leuchtenden Augen,
+ Wiedergeseh'n nach Jahren voll Grams, und nimmer entschwindet
+ Mehr ihm das Bild der holderblheten Jugendgefhrtinn!
+ Nicht entfloh ihm die Hoffnung noch des ersehneten Friedens.
+ Mild schlgt Rudolphs Herz: er biethet dem tapferen Ottgar
+ Freundlich die Hand. Vielleicht, da bald die gesonderten Krieger,
+ Die jetzt noch, blutdrstenden Blicks, nach den Lagern hinber
+ Schau'n, und, geballt, erheben die Faust: voll druenden Ingrimms
+ Gegen einander zu wthen bereit, vernehmend des Friedens
+ Frhlichdrometenden Ruf, in die Scheid' ihr blitzendes Eisen
+ Bergen, und mitten im Feld mit lautem Gejauchz' sich die Rechten
+ Schtteln, und ganz vergessen des Grimms in froher Umarmung.
+ D'rauf zerstreuen sich all'. Auf den stubenden Straen erschallet
+ Sang und Klang. Bekrnzt mit grnenden Reisern, enteilen
+ Sie zur heimischen Flur, um dort in den Blicken der Lieben
+ Jetzo des Wiedersehn's erschtternde Wonne zu lesen.
+ Dann aufdmmert auch ihm, dem euch die liebenden Aeltern
+ Einst verlobten, der Tag ersehnter, unendlicher Wonne.
+ Doch so ihn trge der Hoffnungs-Strahl, und die waltenden Herrscher
+ Sich bekmpften mit eisernem Trotz' -- o, hrt ihn! Er frgt euch:
+ Wollt ihr auch dann noch treu dem geschlossenen Bund euch erweisen?
+ Fromm, und gut ist des Kaisers Erzeugter gesinnt: auf dem Schlachtfeld
+ Hob sich sein Ruhm, und Deutschlands throngeborene Jungfrau'n
+ Schau'n mit sehnlichem Blick nach dem herrlichgestalteten Mann hin.
+ Nur kargt er mit den Worten: es wohnt stets dstere Schwermuth
+ Ihm auf der Stirn' -- und im Herzen nach euch unendliche Sehnsucht.
+ Also sprach er, und harrte, bewegt, der entscheidenden Antwort.
+
+ Hedwig sann fr sich hin; nach dauerndem Schweigen begann sie:
+ Wohl ist Rudolphs trefflicher Sohn, der tapfere Hartmann,
+ Mir bekannt -- ich ehre den edelgesinnten Jngling;
+ Aber getrennt hat uns des Schicksals eherner Rathschlu,
+ Wandelnd in Ha, und nievershnliche Feindschaft der Aeltern
+ Herzen um uns: ich steh', entledigt der frhen Verlobung.
+ Ach, und sollt' in dem Kampf auch mein Erzeuger dem seinen
+ Unterliegen, und ich, die Tochter des mchtigen Ottgar,
+ Dem Europa's Vlker umher sich beugen, voll Ehrfurcht,
+ Strzen hinab in den Staub der schmachbelasteten Armuth:
+ Dennoch wrd' ich nicht Rudolphs Sohn zum Gatten mir kiesen!
+ Und, da nur ein einziges Wort entscheidet fr immer,
+ Knd' ihm: ich htte gewhlt -- fr den Einen gelobt' ich zu leben.
+ Also floh ihr das Wort von den zitternden Lippen. Sie wandte
+ Heim nach der Stadt die furchtbeflgelten Schritt', und der Ritter
+ Eilte davon, beschwert mit der trauererregenden Bothschaft.
+
+
+
+
+ Dritter Gesang.
+
+
+ Ha, schon lockte der Kampf des Geisterreiches Bewohner
+ Aus dem bersinnlichen Raum', und den Tiefen des Erdballs,
+ Mchtigen Zaubers herbei! Auch _Marbod_,[1] der edele Markmann,
+ Kam. Nicht im bersinnlichen Raum ergetzte das Licht ihn
+ Seither: denn er sa, versunken in dstere Schwermuth,
+ Dort in des Erdballs Schoo wohl zwlf Jahrhunderte lang schon,
+ Seit er getrennt sich sah von der liebenden Gattinn, Erwine,
+ Die, in dem Todeskampf', ihm die Hnde mit weinenden Blicken
+ Reichte zum letzten Mal', und dann, viel reineren Herzens
+ Denn ihr Gemahl, empor zu glnzenden Rumen sich aufschwang.
+
+ Marbod herrschte, von Kraft und glhendem Muthe beseelet,
+ Ueber ein tapferes Volk: Markmannen genannt in den Reihen
+ Mchtiger Stmme des deutschen Vereins. Von Schwabens Gefilden
+ Her, die norischen Alpen entlang, Pannonien nahend,
+ Wo in der Ostmark sich am Ufer der mchtigen Donau
+ Vindobona erhebt, bis hin zu den Hhen der Henburg[2]
+ Schirmten gegen den Feind, im Rcken der Berge, die Marken,
+ Sie des gemeinsamen Vaterlands, als mannhafte Streiter.
+ Aber dem schrecklichsten dort, der allzermalmenden Roma,
+ Ferne zu stehen, und ihm einst khn zu begegnen im Schlachtfeld,
+ Zog er nach Bojenheim; verjagte den Gothen-Beherrscher
+ Katwald; grndete sich ein Reich und die Stadt an der Moldau,
+ Marobud,[3] und ward gefrchtet umher in den Lndern.
+ Inguiomar, der Ohm des tapfern, cheruskischen Hermann,
+ Floh, von diesem gehat, zu Marbod. Sie kmpften im Marchfeld
+ Lange die blutige Schlacht, und es rhmten sich beide des Sieges.
+ Aber an Hermanns Macht, des glcklichen, schlossen die Scharen
+ Marbods sich an. Da entri, mit den Rmern verbndet, ihm Katwald,
+ Strmend, die Burg Mar'bud, und entthront' ihn. Ach, er vertraute
+ Roma's tuschender Huld, und starb in den Mauern Ravenna's
+ Arm -- ein Zeuge des wechselnden Glcks auf irdischer Laufbahn!
+ Doch nun kam er herauf, und wandte sich rasch nach den Fluren
+ Oestreichs, das er mit Bojenheim sein nannt' in der Vorzeit.
+ Bald gewahrte sein Aug' auf des Lilienfelder Gebirgs Hh'n
+ Drben die Ritterschar blondhaariger Deutschen. Er schwebte
+ Jetzt in sausender Eile dahin, und so, wie der Geier
+ Schnell von dem Felsenhorst nach dem dunkeln Thale herabfhrt,
+ Weil er im Laub hellschwirrende Vgel ersphte: so blitzschnell
+ Fuhr er herab. Er staunte: wie hier die ermdeten Krieger
+ Schlummerten; dort, zu dem Bild des Gekreuzigten, einer der Helden
+ Flehend rang, und ein Greis ihm naht' in erschtternder Hoheit;
+ Hrte: wie jenem der Greis der tiefverborgenen Zukunft
+ Dunkel enthllt', und Habsburgs Ruhm mit unzhliger Vlker
+ Glck in seinem Geschlecht verkndete: schauend im Geist dort
+ Oestreichs Gr', und in Wonn' erbebend den hehren Gesichten.
+ Aber vor allem ergriff des stattlichragenden Herrschers
+ Nh' ihn, der, entsprossen aus seinem Stamm', in des Aargau's
+ Thlern die Burge der Ahnen bewohnt', und von allen gepriesen
+ Als der Schirmer des Rechts, zum erhabenen Kaiser der Deutschen
+ Jauchzenden Rufes erwhlet ward. Doch biethet ihm jetzo,
+ Also sagte zuvor der Greis auf den luftigen Alphh'n,
+ Ottgar furchtbarn Kampf, und er soll in dem Waffengefild nur
+ Dann erringen den Sieg, wenn ihm -- welch' dunkele Reden! -- In
+ umdrngender Noth vom Munde des Herzens Gelbd' tnt?
+ Dacht' es, und eilte, die Heeresmacht des gewaltigen Knigs
+ Drben am Ufer der March, durchdringenden Blick's, zu erforschen;
+ Rudolph helfend zur Seite zu steh'n; in dem Seelenverein ihm
+ Stets zu erregen das Herz zu ruhmverherrlichten Thaten,
+ Und zu enthllen die List auflauernder Feind' in dem Feldzug.
+
+ Dort, wo im schimmernden Zelt', umfangen von nchtlichen Schatten,
+ Ottgar eben, vereint mit den tapferen Helden, zu Rath sa,
+ Hielt er, schwebend, und sank, wie der Aar, der hoch aus dem Luftraum
+ Auf die kreischenden Jungen sich senkt, vor dem Zelte herunter;
+ Doch wie erwachte sein Zorn, als jetzt Drahomira die Recht' ihm
+ Lchelnd both, im Wahn: er nah' als Verbndeter Freund ihr.
+ Grimmig sah er sie an; sie lchelte wieder, und sagte:
+ Ha, nicht hast du die Knie' vor des Menschen-Sohne gebeugt einst,
+ Du, in dem Lande der Frei'n Geborener: hast in des Eichwalds
+ Schauriger Nacht, noch triefend von Blut, geopfert den Gttern--
+ Zwar erschuf sie der Wahn, doch hatten wir Schuld an dem Irrwahn
+ Dort? Jetzt nhr' ich ihn khn -- will nie dem stolzen Gewaltspruch
+ Huldigen. Komm, und stehe mit mir im Bund des Verderbens.
+ Stark ist mein unbndig Gemth: dir will ich auf immer
+ Thatengenossinn seyn auf der Bahn, die Emprung genannt wird
+ Von dem Beherrscher des All's. Wir wandeln sie muthig und khn fort,
+ Wie er es will, uns fern von des Lichtreichs Grnze verbannend.
+ Uns vereine das gleiche Geschick und die gleiche Gesinnung:
+ Ottgar falle besiegt; Kunegund' sey Herrscherinn! Mir gleich
+ Trgt sie im Busen ein Herz, voll Kraft, und unbndiger Khnheit.
+ Aber sie lockt' ihn umsonst: aus der Blue der trotzigen Augen,
+ Die, vom rthlichen Haar umwallt, einst, Gegnern zum Schrecken,
+ Glheten, sah er, verachtenden Blicks, auf die Zauberinn nieder;
+ Wandt' ihr den Rcken, und fuhr in den Raum des Zeltes herunter:
+ Denn ihm schwebt' Erwinens Bild vor den Augen, und Thrnen
+ Trbten sie schnell, da er jetzo, bewegt, der Sanften gedachte.
+ Doch als sie in dem Kreis' der Versammelten hier Kunegundens
+ Herz mit verblendendem Zorn und Ha zu erfllen bedacht war;
+ Ottgar selbst, von dem Weib' emprt, dem Herrscher der Deutschen
+ Grause Vernichtung sann; Verrath in den Mauern der Hauptstadt
+ Gegen ihn druend sich hob, und, Rache, die Losung des Heers war:
+ Ha, da flog der entrstete Geist in Eile von dannen!
+ Eben erglhte das Morgenroth, erneut, wie der Hoffnung
+ Herzerheiternder Strahl, an dem stlichen Himmel. Er fhlte
+ Ruh' in der strmischen Brust, und schwebte hinan zu den Zinnen
+ Wiens, wo er bald mit ringsumsphendem Blick im Gebein-Haus,
+ Unter der wlbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen,
+ Rdiger Waldram fand, der dort mit den Brgern zu Rath sa:
+ Rudolphs Feinden die Veste noch heut zu verrathen, entschlossen.
+ Seht, so sprach er, uns frommt's des ruhmverherrlichten Ottgars
+ Herrscherthron zu erhhen in Oestreichs blhender Hauptstadt.
+ Wir sind Brger der Stadt, und erfuhren es all' in der Wahrheit,
+ Da uns Rudolphs Macht, des stolzaufstrebenden Fremdlings,
+ Schon in dem frheren Vlkerkampf nicht zu schirmen vermochte.
+ Seine Heimath ist fern -- ein Aargau'r bleibt er noch immer.
+ Flieht den Leu'n im gldenen Feld: _roth_ glht er vor Ingrimm;[4]
+ Aber euch sey in dem Purpurfeld der _weie_[5] willkommen,
+ Selbst vor dem Doppelaar, den Kaiser Friedrich, der And're,[6]
+ Hier zum Wapen uns gab. Nun hrt', ihr Getreuen! Erschallen
+ Wird vor dem Stubenthor im mitternchtlichen Grauen
+ Dreimal ein Glckchen. Es ruft uns zur That: denn khne Gesellen,
+ Von dem Knig der Bhmen gesandt, durcheilen den Wehr-Gang
+ Auer der Veste, wo ich in Menge die tdlichen Waffen
+ Heute gehuft. Wir ffnen das Thor, und, wit es: verrathen,
+ Oder errungen im Blut -- uns gleich! wir biethen die Stadt ihm
+ Morgen zum Unterpfand des jngstbeschworenen Bundes.
+ Eilt nun heim, und gedenket des Muths,
+ und des herrlichsten Lohn's nur!
+ Schweigend reichten ihm jene die Hand, und eilten von dannen.
+
+ Aber mit Schrecken vernahm den schnden Verrath an dem Kaiser
+ Marbod im schwebenden Flug', und sann, wie er solchen vereitle.
+ Jetzt entschlo er sich rasch, zu nah'n im warnenden Traumbild
+ Hugo von Tauffers, dem Greis' unbndigen Muthes im Schlachtfeld,
+ Dessen gewaltiger Feldherrnkraft die Veste vertraut war.
+ Wie sich ein Nebelgewlk hersenkt auf die dmmernden Berghh'n:
+ Also nahet' er ihm, und wies in der Tiefe des Grabens,
+ Auer dem Stubenthor', ein Heer von Wlfen: sie folgten
+ Eilig dem Weidmann nach, der wildanlockenden Kder
+ Trug in der Hand, und Waldram glich, voll triegender Arglist.
+ D'rauf durchstrmten sie das erffnete Thor, und erwrgten
+ Ringsum Kinder und Greis', und lautaufheulende Mtter
+ So, da das Blut durchwogte die Stadt, wie ein brausender Giebach,
+ Der im regnigen Herbst mit schumenden Fluthen daherfleugt.
+ Sthnend entwand sich der Held dem Traum', und sagte, verwundert:
+ Wahrlich, mir fhrte die Nacht noch nie so klar und lebendig
+ Gaukelgebilde des Schlafs an der Seele vorber. Mich dnket,
+ So ich es recht erwg' im Gemth: ein warnender Traum seys!
+ Und er erhob sich behend', um die Veste besorgt in dem Herzen.
+
+ Jetzt erscholl ringsher von den hochaufragenden Wllen,
+ Mchtiger stets Drometengetn', und unzhlige Glocken
+ Weckten mit ehernem Schall des Volks unendlichen Jubel:
+ Denn von des Berges Hh'n, wo die Spinnerinn sa an dem Kreuzbild,
+ Kam Kriegsvolk, und vor ihm der erhabene Kaiser. Die Sonne,
+ Die sich im rosigen Osten erhob, sog blitzende Strahlen
+ Aus dem sthlernen Kleid der Gewaffneten, herrlich zu schauen!
+ Rhrend zugleich, und herrlicher noch: wie, inmitten des Volkes,
+ Das entgegen ihm zog, im Geleit zwo lieblicher Tchter,
+ Agnes und Adelheid, und Hartmann, ihres Erzeugten,
+ Man die Kaiserinn trug in der Snfte. Die Mutter der Armen
+ Hie sie dem Volk', und hie die trefflichste Mutter und Gattinn:
+ Mild sich bewhrend an allen zugleich, ein Engel an Sanftmuth;
+ Doch sie naht', abzehrend, des Lebens Ziel', und auf einmal
+ Welket sie hin wie die Blume, versengt vom giftigen Mehlthau.
+
+ Drauen in Matzleinsdorf, wo fromme Verehrer ein Standbild
+ Weihten dem Sankt Florian, dort hob Jahrhunderte lang schon
+ Eine Linde sich auf, die mchtigen Zweige verbreitend
+ Rings, und biethend in Sommers Zeit umschattende Khlung
+ So dem Pilger zugleich, wie dem schwerarbeitenden Lhner.
+ Dort geboth er die Rast, und grte die nahende Volksschar
+ Freundlichen Blicks. Doch jetzt, die treffliche Gattinn gewahrend,
+ Trat er zu ihr, und fhrte sie sanft zum beschatteten Sitz hin.
+ Wie ihm die liebende Brust auch blutete, sie an des Lebens
+ Kraft so erschpft, und ach, dem Tode verfallen zu schauen;
+ Dennoch bezwang er den Schmerz, und sah ihr noch heiter in's Antlitz!
+ Aber das liebliche Paar der Tchterchen legt' ihr das Kissen,
+ Unter den Fen zurecht, und wand das Tuch ihr mit Sorgfalt,
+ Um die erschtterte Brust: der druenden Khle gedenkend.
+ Doch sie sprach zu dem trauten Gemahl, verweisend mit Sanftmuth:
+ Gar nicht erwgest du, ach, wie des Vaters die Kinder bedrfen--
+ Meiner, der Mutter, nicht mehr: denn schon gewahr' ich sie mndig
+ Alle vor mir, und bewahrt, mit Gott, in jeglichem Guten!
+ Rastlos sucht dein Geist nur Mh' und Arbeit: die Tag all'
+ Schwinden dir hin, und die Nchte, gesammt, in ewigem Streben
+ Nach dem erkorenen Ziel', und die Ruh' erquicket dich nimmer.
+ Auch bestehst du zu oft und zu khn die Gefahren, als Herrscher;
+ Zogst auch jetzo hinauf g'en Lilienfeld in dem Waldthal
+ Nur mit schwachem Geleit, und leicht wohl htte die Heimkehr
+ Dir der Bhme verwehrt, so ein arger Verrther es kund that.
+ Weh', und neu entflammt sich der Krieg! Von neuem beginnst du
+ Wieder den blutigen Lauf, und, ob auch die liebende Gattinn,
+ Ob die Mutter vergehe vor Angst, und die Kinder, verwaiset,
+ Schreien nach dir -- umsonst: du kennst, Tollkhner, die Furcht nicht!
+ Ach, erhob dich die Huld der ewigwaltenden Vorsicht
+ Nicht auf den Thron, da du beglckest unzhlige Vlker;
+ Fhrest den Frieden zurck' in die sturmerschtterten Gauen
+ Deutschlands, unseres Vaterlands, und erhebest die Ostmark,
+ Deinem Geschlechte zum Ruhm -- zum Sitz' unendlichen Segens?
+ Jener entgegnet' ihr sanft: Nicht also gedacht, und gesprochen
+ Hast du, Theure, zuvor in den blhendentfalteten Jahren,
+ Als in den Kampf dein Held auszog. Du reichtest die Waffen
+ Selber ihm dort, vom Staub sie reinigend, oder vom Blutrost
+ Oft mit dem Hauche des Mund's und den zartgestalteten Fingern,
+ Und umgrtetest ihn mit dem Schwert, nach ad'liger Sitte.
+ Zwar dir pochte die Brust, und die rosigerglhenden Lippen
+ Zitterten ob den Gefahren des Kampfs; doch immer bezwangst du,
+ Schweigend, die Angst, und theiltest die Freude des kehrenden Siegers:
+ Denn nicht eitelen Ruhm, nicht schnden Besitz zu erjagen,
+ Lag ich drauen im Feld; nie schaffte mein Eisen das Eigen
+ Armer und Waisen mir heim: nur diese zu schirmen -- zu rchen
+ Unterdrckung und Schmach der Unschuldigen, zog ich mit Macht aus,
+ Wie es die Ritterehre geboth. Auch jetzo, gezwungen
+ Nur, entrei' ich das Schwert der rostenden Scheide. Des Friedens
+ Bothen, erhaben an Rang und Verdienst, entsandt' ich in's Lager
+ Ottgars erst: wohl mir, so er beiden ein gnstiges Ohr leiht!
+ Doch so er taub verschmht den ein- und den anderen: dann sey
+ Gott befohlen mein Haupt. Ich mu ja leben, und sterben,
+ Wie es der Vlker Wohl und des Herrschers heilige Pflicht heischt.
+ Mg' er Trster dir seyn, und das Leben noch lange dir fristen
+ Mir zur Freud', und den Kindern zum Glck', auf immer und ewig!
+ Jetzo erhob er sich rasch von der steinernen Bank mit der Gattinn;
+ Winkt', und reicht' ihr, zum Scheiden, die Hand.
+ Durch quellende Zhren
+ Sah'n sie lang' einander in's Aug': die Zitternde sank ihm
+ Dann, voll Hast, an die Brust, und kte das pochende Herz ihm.
+ Angst ergriff das Volk, und ihr' Erzeugten verhllten,
+ Weinend, das Aug': sie kehrete heim nach der einsamen Hofburg.
+ Ach, nicht sieht er sie mehr, die holde Geliebte der Jugend,
+ Nicht die erlesenste Gattinn mehr, nicht die beste der Mtter:
+ Denn ihr Lebenslicht soll nun, wie die Lampe verlschen,
+ Die, des Oehles beraubt, nur matt aufflimmert noch einmal!
+
+ D'rauf an der Wien, die trg in den buschigen Ufern sich fortwlzt,
+ Fhrt' er die Heerschar schnell den Mauern der Veste vorber:
+ Denn nicht wollt' er die Burg in den Tagen des Kampfes beschreiten,
+ Whlend das Zelt zur Wohnung im Kreise der tapferen Krieger.
+ Auer dem Stubenthor naht' ihm mit eilenden Schritten
+ Hugo von Tauffers, er, des treuen, tyrolischen Berglands
+ Heldensohn, der, jngst erkoren zum Schirmer der Festung
+ Tausend trefflichen Schtzen geboth, die er warb in der Heimath.
+ Herr, so sprach er ihm leis' in das Ohr, nicht wollest du Hugo's,
+ Deines Getreu'n, der lange, frwahr, den Schuhen des Jnglings
+ Schon entwuchs, jetzt hhnen, als aberwitzigen Trumers!
+ Wohl ist des Menschen Geschick, zu spielen als Kind an dem Morgen;
+ D'rauf an dem Mittag ernst zu wandeln als Mann, -- wie ein Kind fast
+ Sich zu geberden als Greis, an dem Abend des wechselnden Lebens;
+ Doch, getrost: noch sitzet das Haupt mir fest auf den Schultern;
+ Schaue noch scharf in die Fern', und mir entgehet der Laut nicht,
+ Der zu Thaten mich ruft im rhmlichen Felde der Waffen!
+ So verknd' ich dir jetzt, wie heute am dmmernden Morgen
+ Mir ein Wundertraum das Geheimni enthllte, da Gegner
+ Drinnen im Schooe der Stadt gehgt, gleich giftigen Nattern,
+ Sinnen auf Mord und Verrath. Ich sah an dem heimlichen Wehr-Gang,
+ Der, verborgen im dichten Gestruch, vom Ufer der Donau,
+ Vielverschlungenen Zugs, zu dem inneren Graben herauffhrt,
+ Listigerffnet die Thr', und gehuft unzhlig die Waffen:
+ Sie zu vertrau'n der wrgenden Faust verruchter Gesellen.
+ Auch entnahm ich zuvor aus dunkelen Zeilen, da Waldram,
+ Gestern um Mitternacht Rath hielt im grausen Gebeinhaus
+ Unter der wlbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen.
+ Solches erwg', o Herr, und begegne dem schnden Verrath jetzt!
+ Horch, so gab ihm der Kaiser zurck, der Huth in der Festung
+ Eine sich hier die Schar zweitausend gewaltiger Schweizer
+ Heute noch, die, so hei' es, erschlaffte die dauernde Heersfahrt!
+ Hartmanns Muthe vertraut sey dann die Vest' und die Hofburg;
+ Doch du schwinge dich hurtig auf's Ro, und reite g'en Theben,
+ Wo schon Ladislav, mit der Krone des heiligen Knigs
+ Jngst geschmckt, als Freund und verbndeter Kriegesgenosse,
+ Unser mit Sehnsucht harrt im Kreise der tapfer'n Magyaren.
+ Ihm entbiethe denn unsern Gru: er solle bereit steh'n,
+ Bis von dem Kahlenberg', in dem mitternchtlichen Grauen
+ Hoch die Lohe sich hebt: des Kampfs bedeutender Wink; dann
+ Eil' er herber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge
+ Sie in dem trocknen Gerhr', an dem Weidenbache vor Marchek.
+ Auch ich werde nicht fern mehr seyn, und ihm einen die Scharen
+ Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.
+ Hugo vernahm das Wort -- nicht zweimal braucht' er's zu hren:
+ Denn er hob sich, behend', im kreisenden Schwung in den Sattel,
+ Jagte davon -- ihm nach der rstige Knapp', und in Sulen
+ Hob sich der Staub empor in die Luft vom schimmernden Heerweg.
+
+ Doch nun theilten die Schtzen Tyrols mit den tapferen Schweizern
+ Wiens ruhmwrdige Huth, wie solches der Kaiser gebothen,
+ Der das Schwert von der Hfte sich nahm, und dem tapferen Hartmann,
+ Seinem Erzeugten, es gab mit sanftermahnenden Worten:
+ Deinem Muthe vertraut sey jetzo die Burg und die Festung
+ Wiens, der herrlichen Stadt. Ein rettender Schild der Bedrngten
+ Mgest du seyn, und den Ruhm von deinem Geschlechte bewahren,
+ Das von der Habsburg kam, und Oestreich, liebend, zur Heimath
+ Sich erkor: ihr Glck auf immer zu grnden, entschlossen!
+ Sagt' es, und Hartmann trat mit schweigendem Ernst in die Vest' ein,
+ Dort zu gebiethen der Schar wallschirmender, muthiger Vlker.
+ Trauer umwlkte sein stilles Gemth. Von den Sterblichen einer,
+ Die, durch Prfung bewhrt, des Herrn verborgener Rathschlu
+ Wandeln heit auf der Dornenbahn in die ewige Heimath,
+ Wuchs er in Schwermuth auf. Den Gegnern gefrchtet im Schlachtfeld,
+ Und von Jeglichem ob des Wissens Reichthum bewundert,
+ War er der Aeltern Stolz, und die Freude der edelsten Menschen;
+ Doch milang ihm oft sein Mh'n und Streben, und ach, erst
+ Kndet' ihm Eginhard des stolzgesinneten Fruleins
+ Liebeverschmhendes Wort. Er hielt sich die Brust mit der Rechten,
+ Wo das Herz emprter ihm schlug, und sah zu dem Himmel
+ Dsteren Blicks, empor; doch bald bezwang er sich wieder:
+ Mit Ergebung vor Gott, und den Menschen zu wandeln, entschlossen.
+ Jetzt, so hoch ihn der Ruf des Heldenvaters auch ehrte,
+ Inner den ragenden Mauern Wiens dem Feinde zu trotzen,
+ Und zu entreien den Sieg, nicht weckt' er ihm Freud' in dem Herzen:
+ Denn ihn hie auf den Kahlenberg zur stillen Karthause
+ Pilgern ein frommes Gelbd', und, wie es nun lsen?
+ -- nicht wut' er's.
+
+ Aber es zog auf der Brcke dort, die, einigend Leupold's
+ Auen- und Inselstadt[7] mit dem Land' und der Vest',
+ in dem Grund fut,
+ Eilig der stattliche Kaiser einher vor den muthigen Scharen.
+ Schmal, und getrennt von dem Riesenarm der herrschenden Donau,
+ Wogt in der Tiefe der Strom, und umfat ein mchtiges Eiland,
+ Das im Schooe die Auenstadt und umschattende Auen
+ Lieblich vereint, zur Lust des wandelnden Stdtebewohners.
+ D'rauf im Eilschritt ritt er hinaus auf den schwankenden Bohlen,
+ Wo auf dem Riesenstrom sich die Fhren an Fhren, im Halbkreis
+ Reihten, dem wachsenden Mond' an dem Sternenhimmel nicht ungleich,
+ Wenn er auf dunkeles Nebelgewlk im Westen hinabsinkt.
+ Angelangt an der Spitze, vom Tabor hinaus, wo im Aufeld
+ Links an der Stra', und rechts sein Heer das Lager bezogen,
+ Sah er zum Ehrenempfang die Scharen geordnet, und winkte
+ Beifall den Amtnern[8] zugleich, und den muthbegeisterten Kriegern:
+ Denn schon hob sich ihr Freuden-Geschrei die Reihen hinunter,
+ Endlosdauernd im Ruf: Hoch lebe der Kaiser Rudolphus!
+
+ Allen voran stand dort der Hauf' streichischer Krieger,
+ Ober'n und unteren Lands; die letzteren fhrte Capellen,
+ Jene Dietrichstein in das Feld: zehntausend der Mnner,
+ Die mit dem Panzerhemd, mit dem Helm', und dem Schilde bewehret,
+ Kmpfend zu Fu, aufschwangen im Feld die tdlichen Lanzen.
+ Aber das muthige Volk der Steyrer, der Krainer, und Krnthner
+ Stand an jene gereiht, und, wahrt' auch der Helm nicht das Haupt ihm,
+ Nicht der eiserne Harnisch die Brust; doch wrd' es, den Degen
+ Schwingend, durchbrechen im Sturm,
+ und erringen den blutigen Kampfpreis.
+ Pfannberg, Meinhard, und Ortenburg die untad'ligen Feldherrn,
+ Riefen die Vlker in's Feld: dreitausend erlesene Reiter.
+ Auch der Schweizer gewaltiges Volk, und der heiteren Schwaben
+ Heldenschar stand dort, gesellet der lagernden Heersmacht;
+ Dies' emprte zur Schlacht der Burggraf, Friedrich von Nrnberg,
+ Rudolphs Schwestersohn, und ein tapferer Degen im Schlachtfeld,
+ Albrecht jene, der edele Sohn des edelsten Kaisers;
+ Doch den beiden vereinten sich noch tyrolische Schtzen,
+ Die, gerufen erst jngst aus den Thlern der Heimath, die Armbrust
+ Auf der Schulter -- die Pfeil', im Bndel geschnrt, auf dem Rcken
+ Trugen; umsphenden Blicks, wie dem Wild' auf der Fhrte die Jger,
+ Fernhin sah'n, und, khn, nicht in Stahl und Eisen sich hllten.
+ Tauffers war ihr Hort im Gewhle der Schlachten. Er flog jetzt
+ Unaufhaltsam dahin, des Kaisers erlesener Herold.
+
+ Sieh', und schon gewahrt' er das Ziel! Die sinkende Sonne
+ Stand an dem Abendthor', umhllt von rosigem Schimmer.
+ Heller glht' ihr scheidender Blick; ihr goldenes Haupthaar
+ Flammt' empor, da in hehrem Glanz sie noch einmal herber
+ Winkt' ihr Lebewohl! dem sanft entschlummerten Erdkreis.
+ Aber die Khlung sank auf den Fittigen schmeichelnder Lftchen
+ Leise herab, und erquickte die schweraufathmende Schpfung.
+ Jetzt vollbrachte den Ritt sein feuriger Renner; es flogen
+ Dampfend und triefend von Schwei ihm die Seiten;
+ der Hals und der Rcken
+ Schumt', und ihm wankten die F',
+ da er stand vor dem Zelte des Knigs.
+
+ Dort den Hgel empor, wo jetzt nur Trmmer des Schlosses
+ Weitumkreisenden Hof bezeichneten, das in der Vorzeit
+ Herrschend hinuntersah auf das Land, aus dem in die Donau
+ Drben die March sich ergiet, und, von ihren gewaltigen Fluthen
+ Stolz zurckgedrngt, seegleich bedecket die Fluren:
+ Dort, auf Pfhle gespannt, erhoben sich tausend und tausend
+ Schimmernde Zelte des Volks der Kumanier und der Magyaren.[9]
+ Jene rhmten sich gleichen Geschlechts und Ursprungs mit diesen;
+ Doch der edlere Stamm der ahnenstolzen Magyaren
+ Hielt Jahrhunderte schon, aus Scythiens grasiger Steppe
+ Kommend (Tanfu, Zuard, Lehel, und der tapfere Almus,
+ Waren die Fhrer des Volks) Pannoniens herrliche Fluren
+ Im Besitz', errungen im Sieg ruhmdrstender Ahnen.
+ Jngst erst kam der Kune heran, dem wilden Tartaren
+ Folgend im Schreckenszug, und, als er, verwilderter heimzog,[10]
+ Nach entsetzlichem Mord' und Gewrg' unzhliger Christen,
+ Blieb er im Lande zurck: inmitten der They und der Donau,
+ Sich erwhlend ein Sandgefild zum dauernden Wohnsitz,
+ Welches der Steppe gleich, unendlicher Flche sich ausdehnt,
+ Und Kumanien heit. Ihn nennt der Unger den Kun nur.
+ Eisern hielt er noch fest an der Sitte der Heimath; auch Gtzen
+ Dienet' er, so vermengend das Wort der ewigen Wahrheit
+ Mit entehrendem Wahn: denn kaum erkannte des Heilands
+ Rettenden Weg sein Geist, und roh bewahrt' er das Herz noch.
+ Aber entsetzlich wthet der grimmige Kun' in der Feldschlacht.
+ Ordnungslos, bald links, bald rechts sich wendend, im Eilflug,
+ Braus't er heran wie der Sturm. Er schnellt von dem tnenden Bogen
+ Durch die heulende Luft den befiederten Pfeil, und verfehlt nie,
+ So er den Gegner in's Auge gefat, in die Brust ihn zu treffen.
+ Aber von diesem bedrngt, entflieht, und kehret er wieder,
+ Listengebt; lt oft dem fliehenden Rosse den Zgel;
+ Wendet sich hurtig im Sattel herum, und schleudert des Tschakans
+ Eisengewichtige Last dem Nahenden mchtig entgegen.
+ Sieh', und hatt' er ihn etwa verfehlt, da setzt er sich wieder
+ Rasch, im Schwunge, zurecht in dem Sattel; ergreifet die Zgel;
+ Lenkt im kreisenden Lauf mit eisernem Drucke der Schenkel
+ Eilig den Renner heran, und so der entflogenen Waffe
+ Nahend, schwebt er mit einem Fu noch im Riemen des Bgels;
+ Beugt sich nieder im Flug', und hebt sie empor von dem Boden,
+ Ehe der Feind sich gestellt, und des Fliehenden Jauchzen vernommen.
+
+ Dort schwang Hugo sich jetzt mit forschendem Blick' aus dem Sattel,
+ Und vertraute das Ro dem redlichen Knappen zur Pfleg' an.
+ Fernher scholl an sein Ohr des Lagers Getse: dem Meersturm
+ Gleich, der himmelan braus't, erfllt' ein dumpfes Gemurmel
+ Drben die Nacht. Stets glhender schien der wolkige Himmel
+ Ueber dem Lager, erhellt von unzhlbarlodernden Feuern.
+ Dorther kam auftobender Mnner Geschrei, und der Weiber
+ Lautes Kreischen, vermengt dem Gebrll'
+ und dem Wiehern des Lastthiers:
+ Denn von den Zelten hinaus umgrasete rings in dem Blachfeld
+ Breitgehrnetes Rind und der Ross' unendliche Mehrzahl,
+ Die nur klein von Gestalt, und unscheinbar dnken dem Fremdling,
+ Aber, von feurigem Muth' erfllt, und dauernder Kraft voll,
+ Tragen den Reiter so schnell wie der Blitz an den Feind, und erretten
+ Oft ihn im Schlachtengemeng, schnellfig zum Sprung und zum Laufen.
+ Also lagerten hier die Kumanier. Doch in des Heeres
+ Rcken ruhte das Reitervolk der edelen Ungern,
+ Kummererfllt: denn Ladislav, der Knig, erkor sich
+ Jene zu Lieblingen, so der Ahnenehre vergessend.
+
+ Als nun Hugo dem Zelt des Kniges nahte, vermeint' er,
+ Zithergetne zu hren; ihm schien: kumanische Mdchen
+ Sangen dazu, nach Heidenbrauch, unziemliche Weisen.
+ Ach, und so war's! Doch bald verstummte der Sang und die Zither,
+ Als der Fremdling, in Eisen gehllt, ihm nher getreten.
+ All' erhoben sich schnell von dem Boden -- die brtigen Mnner
+ Und die rosigen Mdchen, und jetzt der frstliche Jngling,
+ Anmuthstrahlenden Blicks, an dem Haupte von brunlichen Haaren
+ Lieblich umlockt, voll Jugendkraft und blhender Schnheit.
+ Aber er stand verwirrt, und wute nicht, wie er beginne,
+ Bis er sich wieder ermannt', und d'rauf mit krftigem Laut rief:
+ Sprich: we' Landes du bist, o Fremdling? Triegt uns die Ahnung
+ Nicht, so kommst du gesandt von dem Kaiser der Deutschen, Rudolphus,
+ Der uns vielleicht des Saumsals zeiht, und unrhmlicher Trgheit,
+ Weil wir ruhen dahier, bei Saitenspiel und Gesngen
+ Uns ergetzend, und sein', des feindbedrngten nicht achten?
+ Doch wir harreten nur des Winks, den er uns verheien,
+ Und gedenken, ihm treu und redlich zu Hlfe zu stehen!
+ Hugo beugte das Haupt, und sagte mit edelem Anstand:
+ Herr, du ahnetest recht! Hier steht des Kaisers Gesandter,
+ Hugo von Tauffers genannt, vor dir, und, wahrlich, ein Krieger,
+ Seit er der Schul' entlief: ein Taug'nichts ist er am Schreibtisch!
+ Aber nicht rostete noch in der Scheide sein trefflicher Degen;
+ Gerne stellt er sich ein, wo es gilt ihm Ruhm zu gewinnen,
+ Und hoch ehrt ihn die Sendung auch jetzt: denn Wichtiges soll er
+ Dir kund thun; doch, Herr, verzeih' -- in dieser Gesellschaft?
+ Sagt' es, und lchelte fast; der Knig entgegnete leiser:
+ Ritter, mir scheint dein lchelndstrafendes Auge zu sagen,
+ Was dem Knige ziemt, was nicht! Erfahrenes Alter
+ Richtet streng; doch sieh', noch blht mir der frhlichen Jugend
+ Rosenhain, und ich wandle in ihm mit heiterem Sinn fort;
+ Weile so gerne dahier im Kreis' des unschuldigen Volkes,
+ Das, von der Urzeit her die ererbeten Sitten bewahrend,
+ Frei, die Fessel nicht kennt, die uns engt im verfeinerten Leben!
+ Aber tritt in mein Zelt, und vergnge dein Herz an dem Sptmahl,
+ Das ich dir biethe nach Lagers Brauch; dann will ich dich hren.
+
+ Eilig traten sie ein. Die finsteren Scharengebiether
+ Folgten dem Knige nach, und setzten sich rings um den Tisch her,
+ Sonder Ordnung, noch Wahl. In zottige Pelze gehllet,
+ Sah'n sie stolz aus den tiefvergrabenen Augen dem Fremdling
+ Jetzt in das heitre Gesicht, und strichen den Bart an der Lippe.
+ Bald erschienen im Zelt' auch die rosigblhenden Mdchen,
+ Tragend in Krben Pferdfleisch auf, das unter dem Sattel
+ Barg der Reiter, und dann hinflog, bis solches im Ritte
+ Hei geworden, und mrb', des Volks ersehntes Gericht war;
+ Auch gebratenes Fleisch vlietragender Lmmer, mit Knoblauch
+ Vielgewrzt; dann Brot aus dem feinsten Mehle gebacken,
+ Hochgewlbet und wei, nach Art magyarischer Backkunst,
+ Und die mchtigen Krge, gefllt mit den edelsten Weinen.
+ Alle schmaus'ten nach Lust; doch Hugo verschmhte des Kunen
+ Lieblingsgericht -- nicht des Weins,
+ des trefflichen, schonend: unendlich
+ Gab er bei Humpen Bescheid, und blieb stets seiner noch Meister.
+
+ Siehe, von neuem erscholl der Zither Getn', und der Herrscher
+ Mahnte die Mnner und Mdchen zum Tanz', dem Gaste zu Ehren!
+ Jene stellten sich ernsten Blicks, dem Knig gehorchend,
+ Drauen in Doppelreih'n, und hoben den werbenden Tanz an,
+ Der in das Feld den Jngling ruft, und Gefhle der Wehmuth,
+ Ihm in der Brust aufregt, an die Zeiten der Vter ihn mahnend,
+ Mit wehklagenden, tief das Herz bestrmenden Weisen.
+ Aber sie schlugen die Hand an die Hand, und die Sporn' an die Spornen;
+ Stampften zugleich, rasch hin und daher sich wendend, den Boden;
+ Sthnend vor Lust, und ihr Aug' erfllten oft schimmernde Thrnen,
+ Pltzlich geweckt von dem Sturm der emprten Herzensempfindung.
+ Doch als d'rauf zu dem Wechseltanz der erfahrene Knstler
+ Rasch in die Saiten griff, mit dem Fue der schnelleren Weisen
+ Zeitma schlug: da fate die Tnzerinn jeglicher Tnzer
+ Um den blhenden Leib, und schwang sie umher an der Stelle,
+ Bald mit dem linken, und bald mit dem rechten Arme sie drehend
+ Fort im verengenden Kreis'. Dann ri er sich wieder von ihr los;
+ Hpfte schnell vor ihr hin, und schlug die klingenden Spornen,
+ Jauchzend, zusammen, und schlug die Wade mit wechselnden Hnden.
+ Aber sie folgt' ihm entfernt. Die Recht' an die Seite sich stemmend,
+ Hielt sie die Schrze am Saum' sich stolz vom Leib' mit der Linken,
+ Wandte sich links und rechts, mit niedlichen Sprngen, und mied ihn
+ Scheinbar, bis sie, ersehnt, urschnell in die Arme des Tnzers
+ Flog, und von neuem das Paar in schwindelnden Kreisen sich drehte.
+ Doch nun winkte der Knig zum Schlu: die Saiten verstummten;
+ Hoch erhob der Tnzer die Tnzerinn noch, und entlie sie;
+ Kam dann, triefend von Schwei, und setzte sich wieder zum Tisch hin.
+ Jene entfloh'n, und der Knig sprach, mildlchelnd, zu Hugo:
+ Ritter, du hast magyarische Tnze geseh'n, und ergetzet
+ Dich bei'm frhlichen Mahl', obgleich du ein nchterner Gast bist!
+ Nun ersehnte mein Geist zu vernehmen, wie Kaiser Rudolphus,
+ Unser Bundesgeno' und Freund, zum Throne gelangt ist--
+ Er, einst Habsburgs Graf? Doch knde zuvor uns die Abkunft
+ Und die muthigen Thaten des huldbeseligten Herrschers,
+ Die mit unsterblichem Ruhm' ihm zieren die Stirne. Der Morgen
+ Graut: bald steht ihm Ungerns Macht zu Geboth' in der Feldschlacht.
+ Zwar verweigerst du noch, so entgegnete jener, des Kaisers
+ Herold' ein willig Gehr, und lullst ihn bei Tnzen und Mahlen,
+ Zaubernd, ein, da er ganz vergesse der wichtigen Sendung.
+ Aber, weil dich verlangt, von meines erlauchten Gebiethers
+ Abkunft, Muth und Heldenkraft, die Carol des Groen
+ Glnzenden Thron ihm errang, zu hren, so will ich mich fgen
+ In Geduld, und harren: es gilt ja die Ehre des Kaisers!
+
+ Wisse demnach! Stolz hebt sich vom Fels die mchtige Habsburg
+ Aus umdmmerndem Wald, an der Aar in die bluliche Luft auf.
+ Dort, so kndet die Sag', erschien in grauender Vorzeit
+ Rudolphs edles Geschlecht, aus frnkischem Stamm, und erbaute
+ Jene, wie auch Aarburg, und Brugg, die gewaltigen Vesten.
+ Aber vor allen hie die Herrliche jene von Habsburg:
+ Denn mildherzige That an den Drftigen, eisernes Schirmrecht
+ Gegen die freche Gewalt des Unterdrckers der Schwachen,
+ Uebten aus ihr, gebhrend, die weitgerhmten Gebiether.
+ Dort erwuchs, entflammt von dem Ruhm gefeierter Ahnen,
+ Rudolph, Albrechts Sohn, des Weisen, und Hedwig, der Frommen,
+ Lernend durch Gottesfurcht und Weisheit frhe des Lebens
+ Hchstes Glck in der eigenen Brust zu grnden fr immer.
+ Doch wo wre Beginn und Ende? so Alles und Jedes
+ Ich dir kndete: wie an den Hof ihn Friedrich, der Kaiser,
+ Der zu der heiligen Tauf', als Path' ihn fhrte, gerufen,
+ Da er ihn lehrte mit Rittersmuth nach rhmlichen Thaten
+ Streben; wie er im sicilischen Krieg', und in jenem von Oestreich,
+ Gegen den Streitbar'n focht, und miterstrmte die Stadt Wien,
+ Die, vor allen beglckt, ihn einst als Herrscher begret;
+ D'rauf in der Ahnen-Burg[11] zugleich mit dem Vater das Kreuz nahm;
+ Nach dem Gelobten-Land, die Feinde des Kreuzes bekmpfend,
+ Wallete; dort den Vater begrub, und, als er zur Habsburg
+ Heimzog, freudig zu eh'lichem Bund sich Annen erkies'te,
+ Hochbergs Kind, voll Huld, und die tugendreichste der Frauen--
+ Auch, allmnniglich werth, ein trefflicher Ritter und Herr war.
+ Wohl gebrch' es mir auch an der Zeit und an Odem, geziemend
+ Nun zu schildern die sieg- und ruhmverherrlichten Krieg' all',
+ Die er gefhrt in den zweimal eilf unseligen Jahren,
+ Wo das verwaisete Reich nach Friedrichs Tode, des Kaisers,
+ Voll von Mord und Plnderung war, da in grauser Verwild'rung
+ Aus der thrmenden Burg ein jeglicher Ritter, nach Willkhr
+ Schaltend, Sitten, Gesetz', und allem Heiligen Hohn sprach;
+ Wie er beschirmte das Recht und die Unschuld stets, und das Banner
+ Habsburgs ward dem Schwachen zum Trost',
+ und den Rubern zum Schrecken.
+ Aber vernimm die einzige nur, wie khn, wie entschlossen,
+ Und wie edel er ist! Ihm stand der Abt zu Sanct-Gallen,
+ Der, ein Falkensteiner, das Schwert und den hirtlichen Krummstab
+ Kundig zu fhren gelernt, gar feindlich entgegen; sie qulten
+ Tapfer sich ab. Da brach sein Zorn auf die Baseler Brger
+ Los, die ihm, wildemprt, erschlugen die Freund' und Verwandten:
+ Denn mit wenigen Reisigen hielt er still vor den Thoren
+ Wyls, des Stdtchens, und heischte noch Einla dort zu dem Stiftsabt,
+ Der bei dem nchtlichen Imbi sa, und, erstaunet, ihn ansah.
+ Aber er both ihm die Hand, und sprach: Da ich also zu dir kam,
+ Diene zum Zeichen dir: ich achte dich, redlichgesinnet,
+ Wie ich es bin, und vertraue dir khn so Leben und Freiheit.
+ Hre, viel besser wr's, da wir uns in Rechten vertrgen,
+ Heute noch; dann die Waffen vereint, nach den Baselern kehrten,
+ Die mir erschlugen die Freund', und erwrgten die theuern Verwandten!
+ Also geschah's: sie schmaus'ten vershnt. Am kommenden Abend
+ Zogen sie rasch auf die Baseler los, und frchterlich brannt' es
+ Bald von der Stadt auf; bald vershnete Blut die Erschlag'nen,
+ Und die Gegner umfing der Friede mit traulichen Armen.
+ D'rauf durchschwamm er die Furt, die noch habsburger im Land dort
+ Heiet, des mchtigen Rheins mit reisigem Volk', und erstrmte
+ Breisach khn, mit dem Stahl in der Faust, ein trefflicher Strmer!
+
+ Laut aufjubelten jetzt die Kumanier, preisend des Ritters
+ Heldenmuth, und, ergreifend, voll Hast, den irdenen Weinkrug,
+ Der vor jeglichem stand, mit edelem Moste gefllet,
+ Leerten sie ihn bis zum Boden hinab auf seine Gesundheit
+ Aus, auf einen Zug: da ihr Haupt mit dem steigenden Weinkrug
+ Weit zurcke sich bog, und stellten ihn dann auf den Tisch dort
+ Nieder mit ohrerschtterndem Schlag. Doch wieder begann er:
+ Also erscholl sein Ruhm zu den fernentlegensten Lndern
+ So, da der Bhmen-Knig sogar, der jetzt in dem Feld uns
+ Biethet die Fehd' auf Leben und Tod, mit schimmernder Goldschrift
+ Ihn an den Hof zu sich lud, und zum Marschalk, ehrend, ernannte.
+ Ha, nicht reut' ihn die Wahl! Er focht ihm zur Seite mit Siegsruhm,
+ Gegen die Heiden im Preuenland', und errang ihm den Lorber
+ Auch im Vernichtungskampf g'en Bela's schreckliche Heersmacht.
+ D'rum kein Wunder, da er, nach dem Wink der erbarmenden Vorsicht,
+ Die des gemeinsamen Vaterlands unendlichem Jammer
+ Setzen wollt' ein Ziel, von den _sieben_ glnzenden Sternen
+ Unser's heiligen Reichs zur herrschenden Sonne gewhlt ward:
+ Da er im goldenen Schmuck der Kaiserkrone des Segens
+ Strahlen ber die Gau'n des deutschen Landes versende.
+ Sieh' er lag vor Basel mit Macht; da brachte die Bothschaft
+ Ihm der Pappenheimer! Er stand, und wankt', und besann sich;
+ Aber, auf Gott vertrauend, geboth ihm das Herz in dem Busen
+ Freudigen Muth. Er ging, und bald vereinte der Krnung
+ Allerfreuendes Fest die Vlker der Deutschen zu Aachen.
+ Dort heischt' er, im Dome gekrnt, den Eid von den Frsten:
+ Da sie verschafften nach _Recht_
+ dem heiligen, rmischen Reich' jetzt,
+ Was ihm die Faust entri.[12] Sie ersannen, zaudernd, die Ausflucht:
+ Noch vermiss' er zum Knigseid' den Zepter der Ahnen.
+ Doch er wandte sich schnell; hob selbst das Kreuz von dem Altar;
+ Hielt es empor, und rief: Wer kennt ein schneres Zeichen,
+ Kraft zu verleihen dem Eid', denn dieses, woran der Erlser
+ Sterbend hing, und uns errettete, heilig und wahrhaft?
+ Und sie schwuren darauf: erbebend dem herrschenden Manne,
+ Der so krftig gesprochen -- so fest- und so muthiggesinnt war.
+ Dir, und manniglich ist es bekannt, wie der Kaiser, Rudolphus,
+ Redlich gehalten sein Wort, und treu gelset den Schwur hat:
+ Bannend den Uebermuth, und des Faustrechts wildes Gewaltreich
+ Muthig aus Deutschlands Gau'n --
+ an Leib und an Seel', er, ein Deutscher,
+ Der bald unserer geist- und herzerhebenden Sprach' auch
+ Sinnig zu Ehren half: in den Kanzeleien den Vorzug
+ Ihr vor dem todten Latein, dem schwerverstndlichen, gnnend.[13]
+ Also geschah es, da, dankerfllt, ein jegliches Herz ihm
+ Huldigte: denn ihm zrnet allein der Knig der Bhmen,
+ Weil er, thrichten Sinns, die Kaiserkrone verschmhend,
+ Sie auf dem Haupte des Mannes sah, der einst ihm als Marschalk
+ Dienete. Doch umsonst bestrmt er die Erd' und den Himmel,
+ Sie zu entreien dem Haupt, dem Gott sie gegeben, zum Segen
+ Gegenwrtiger Zeit und endlos dauernder Zukunft.
+ Ha, schon winket das Morgenroth! So hre mit Huld nun,
+ Was mein Kaiser und Herr zum freundlichen Gru dir entbiethet:
+ Wenn von dem Kahlenberg in dem mitternchtlichen Grauen
+ Hoch die Loh' auffleugt: dann eil' aus dem schirmenden Lager
+ Schnell hinber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge
+ Sie in dem trocknen Gerhr' an dem Weidenbache bei Marcheck:
+ Denn auch er wird also dir nah'n, und die Hnde dir reichen
+ Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.
+ Und er erhob sich nun, schnell heimzukehren, entschlossen.
+
+ Glhenden Blickes sah aus dem schimmernden Thore des Morgens
+ Nach dem Zelteingang die Sonne herber, und hauchte
+ Hpfende Funken in's bleiche Gesicht der schlfrigen Krieger,
+ Die um den Knig herum sich lagerten. Aber er hob jetzt,
+ Stillhinbrtend, vom Stuhle sich auf. Zur glnzenden Heerschau
+ Dacht' er zu wecken sein Volk, dem scheidenden Fremdling zum Staunen.
+ Gern, so entgegnet' er, will ich mich ganz dem Winke des Kaisers
+ Fgen, und eilen in's Feld, sein redlicher Bundesgenosse;
+ Aber nicht wollest du scheiden zuvor, eh' dir nicht zur Heerschau
+ Drauen mein Volk sich wies: nicht soll sich's lange verziehen.
+ Sagt' es; ri sich das Schwert von der Hft', und schlug in die Tafel
+ Dann mit der Klinge so stark, da die ird'nen Gefe zum Boden
+ Taumelten: ein's das and're im Flug zu Scherben zerschmetternd.
+ Wunder zu schau'n! Da fuhr in brausender Eile der Feldherrn
+ Leise zum Schlaf hinnickende Schar von den Sitzen, und leer war's
+ Bald in dem weiten Gezelt. Dem Knige folgte der Ritter
+ Staunend nach. Doch jetzt erschollen von grausem Gebrlle
+ Tausend Hrner, die einst die mchtige Stirne des Pflugstiers
+ Ziereten, breitgestellt, da kaum der grte der Mnner
+ Sie mit den Armen erma von einer Spitze zur andern.
+ Schon erhob sich Geschrei und Gets', und das Wiehern der Rosse
+ Rings in dem Lager, und fllte mit Angst und Entsetzen die Umwelt.
+ Hoch auf fuhr der finstere Staub, und dicht, wie der Krhen
+ Wimmelnde Schar durchstrmt den nebligen Himmel, so flogen,
+ Schnell gewahrend den Wink des Knigs, unzhlige Haufen,
+ Sich in den Sattel schwingend, voll Hast, nach dem Ufer der March hin.
+
+ Dort, auf dem sandigen Feld', in fernhinschwindenden langen,
+ Drei Mann tief, geordneten-Reih'n aufritten die Kunen:
+ Lenkend hurtige Rosse vor und zurck mit des Schenkels
+ Mchtigem Druck, den, weitumflatternd, das leinene Beinkleid
+ Hllete bis zu der Ferse hinab, und den ledernen Bundschuh'n.
+ Sonst ihr Kleid: ein Pelz von dem zottigen Vliee des Widders,
+ Ueber dem krzeren Hemd', das halb des Niedergebeugten
+ Rcken entblt -- doch weit die Arme umwallt, und, der Scheitel
+ Zur Bedeckung, die Mtze von Filz, mit der wallenden Feder.
+ Zehnmal tausend' erhoben zur Luft den blitzenden Sbel,
+ Der der Sichel des Neumonds glich in der Krmm', und es fhrten,
+ Eben so viele den Bogen und Pfeil mit dem hmmernden Tschakan.
+ Diese lenkte Suhol, der Eber genannt von den Seinen,
+ Ob des unbndigen Muths, und der Blitzstrahl, Kaduscha, jene:
+ Denn er flog so schnell wie der Blitz im Sturme der Schlacht hin.
+ Aber der Ungern edeles Volk beherrschte Matthias
+ Von Trentschin, der schlachterfahrene, tapfere Feldherr,
+ Dessen gewaltige Burg an den schimmernden Fluthen des Waagstroms,
+ Druend, in's Waag-Thal schaut, und Schrecken gebiethet den Feinden.
+ Auch er fhrte heran zehntausend muthige Reiter,
+ Welchen der Kalpag zierte das Haupt mit des Reihers Gefieder;
+ Aber der Pelz, am Rcken hinab an goldenen Schnren
+ Hngend, von hellblau'm Tuch, verbrmt mit schwrzlichem Lammsfell,
+ Und gelbschimmernden Knpfen besetzt; dann, hnlich, der Dolman,
+ Schimmernd von Gold an der Brust, vom seidenen Grtel umfangen,
+ Ziert' ihm den Leib, und der Bein' anschmiegende, gleiche Bekleidung
+ Zierte die Fe zugleich mit den spornenbewaffneten Tschismen.
+ Jeglicher hielt in der Faust, an die Schulter gelehnet, des Sbels
+ Krummgehmmerten Stahl, der, sausend, die Feinde zerschmettert.
+
+ Als nun Hugo die Vlker geseh'n, da sprach zu Matthias
+ Von Trentschin der Knig, ihm selbst und den Seinen zur Trauer:
+ Tapferer, weile dahier mit deinen Geschwadern, des Lagers
+ Mchtiger Hort: denn bald, erbaut auf schwankende Fhren,
+ Einet die Brcke des Flusses Gestad', und all das Gerth hier
+ Schaffest du dann noch heute hinber, dem Heere zum Vortheil!
+ Aber, o freundlicher Greis, du, Hugo von Tauffers, der Ritter
+ Edelster, folg' mir nach, und knde dem mchtigen Herrscher,
+ Heimgekehrt in die Kaiserburg, was du an der March hier,
+ Staunend, gewahren wirst; knd' ihm: wir stehen den Feinden
+ Jenseits nahe genug; zum wrgenden Kampfe gerstet!
+ Sagt' es, und sprengte voraus: ihm nach die Kumanier alle,
+ Mitten hinein in den Flu, hinber zu schwimmen, entschlossen.
+ Hochaufspritzte die Fluth dem gewaltigen Drange; die Wsser
+ Brauseten laut von unzhligen Hufen der Rosse geschlagen;
+ Brandend flogen die Wellen zum Land', und schumten, und zischten
+ Endlos. Wie in dem eisigen Belt keckmuthige Fischer,
+ Eilend zum Wallfischfang' in schaukelnden Booten, auf einmal
+ Nahe des Unthiers Riesengestalt, das Heere der Fischchen
+ Vor sich jagt, erseh'n: da werfen sie schnell die Harpun' aus,
+ Die zweizackig gespitzt, einstrmt in die Weiche des Bauches,
+ Oder in's breite Genick des riesigen Fisches, und Blut frbt
+ Alsbald ringsum das Meer: denn eilig hinunter zum Abgrund
+ Fhrt er, und eilig herauf,
+ und peitscht mit dem Schweife die Meerfluth,
+ Da sie himmelan fleugt, und rchelt mit dumpfem Gebrlle
+ Durch den schrecklichen Sturm der emprten Gewsser: so wogte,
+ Schumt', und braus'te die March, als jetzo die Kunen hinber
+ Mit gewaltigem Lrm und Geschrei, die wiehernden Rosse
+ Spornten, und all' das Heer errang, durchschwimmend, das Ufer.
+ Hugo sa in dem Sattel, und schwieg; doch jetzo besann er
+ Sich nicht lang', und schwamm (ihm folgte der redliche Knappe)
+ Eisenbewehrt, wie er war, auf dem mchtigen Gaule hinber;
+ Schwang das Schwert in die Luft, und flog entgegen der Hauptstadt.
+
+
+
+
+ Vierter Gesang.
+
+
+ Leis' entschwebte die Nacht; aus dem hehren Gewlbe des Himmels
+ Schwanden die Sternenheere dahin, und auf gaukelnden Lftchen
+ Schien ein freundlicher Tag sich herab auf die Fluren zu senken:
+ Doch, es erhob vor dem Morgenroth am stlichen Erdrand
+ Sich ein Nebelgewlk, das, eiligen Flugs, sich verbreitend,
+ Mehr und mehr den hochaufwlbenden Himmel befleckte.
+ Sieh', als jetzo dem Saum der lichtergewordenen Hhen
+ Nher die Sonne kam: da erglhten im blulichen Luftraum
+ Rings die zerrissenen Wolken umher, blutrthlichen Schimmers.
+ Jetzt erhob sie das Haupt; nur sparsam scholl aus den Lften
+ Und aus dem Wald, der Morgengru der befiederten Snger
+ Ihr entgegen: sie sah mit trauerndem Blicke herber.
+ Schwl umwogte die Luft; erboter qulten die Fliegen
+ Menschen und Thiere zugleich; dumpf klang der wechselnde Windsto
+ Ueber die Heid': er kruselte weit den Rcken des Stroms hin,
+ Und erhob in Wirbeln den Staub. Kein khlender Nachtthau
+ Hatte die Fluren erquickt, und die Schpfung trauerte ringsum:
+ Zeichen all' annhernden Sturms und gewaltigen Regens.
+ Aber im Zelteingang, verlassend das nchtliche Lager,
+ Sa der Kaiser, und sah mit dsterem Blick' in des Morgens
+ Druende Gluth. Er dacht' im Geiste das dunkele Schicksal
+ Tausender, bis zu dem Abendlicht' entschieden zum Leben,
+ Oder zum Tode, mit Angst! Bald sollten die Lose, so grau'nvoll,
+ Fallen des blutigen Kriegs -- des holdumlchelnden Friedens,
+ Wie es dem mchtigen Feinde gefiel, dem er ihn gebothen.
+ Ach, der Jammer des Volks durchdrang ihm die Seele! Zum Himmel
+ Hob er den Blick, und lispelte so mit gefalteten Hnden:
+ La den Frieden, o Herr, ihm mild erscheinen im Frhroth,
+ Und erwrmen sein Herz mit den huldausspendenden Strahlen,
+ Da er erkenne die eigene Schuld, entsage der Rachgier,
+ Und, als Herrscher vershnt, heimkehre den Seinen zum Segen!
+ Aber mit Staunen vernahm's der, einst kampfdrstende Marbod,
+ Als er umschwebte das Haupt des Bethenden, wie er dem Gegner
+ Frieden gelobte, vershnlich und mild, und konnt' es nicht fassen--
+ Er, der stets nur Schlachten ersehnt', und glhenden Muths voll,
+ Selber aufreizte den Feind auf den Pfaden des irdischen Lebens.
+ Zweifelnd stand er lange vor ihm. Er whnte, bekmmert:
+ Ihm gebrech' es an Kraft und an raschvordringender Khnheit
+ (Nicht begreifend sein Herz, ein Irrender, Lichtesberaubter)
+ Wiegte das Haupt, und fuhr, verstrt, zu dem Morgengewlk auf.
+
+ Siehe, der Kaiser trat alsbald erheiterten Blickes
+ Aus dem Gezelt, und hrte mit Lust, unferne dem Lager,
+ Walten geschftig das Volk der Zimmerer, Schmied', und der Schreiner.
+ All' die Nacht forthmmerten sie bei dem Scheine der Kesseln,
+ Die mit schwrzlichem Pech und duftendem Harze genhret,
+ Weit erhellten die Au an des Heerwegs schlngelndem Zug hin.
+ Drauen bei Floridsdorf am Donaustrande, wo dreifach,
+ Strahlen gleich, fortzieh'n die lnderverbindenden Straen:
+ Diese nach Ungerland -- nach Bhmen und Mhren die andern,
+ Eileten sie, zu erbau'n die Gerst' und die Schranken der Turnbahn.
+ Hundert Schritte, die Stra' entlang, und der Breite nach fnfzig,
+ Ebneten sie den Grund schnurgleich, und bestreuten ihn zolltief
+ Dann mit dem schimmernden Sand, der drben am Ufer gehuft lag;
+ Fgten auf Sulen die Balken umher, und trennten mit Absicht
+ So von dem Wiesengrund das langgedehnete Viereck.
+ Aber es wich an dem unteren Rand des umschrankten Gebiethes
+ Quer ein Balken zurck, so er Einla both den Erwhlten,
+ Und an dem oberen stand, gar herrlich gestaltet, die Prachtlug[1]
+ Oben verziert mit dem Doppelaar, mit der Kron' und dem Zepter,
+ Und von Innen geschmckt mit Sammtvorhngen von Purpur,
+ Die an dem Saum' umher von goldnen Blumen erglnzten.
+ Dort dem Herrscher und seinem Gefolg', erles'nen Geschlechtes,
+ Standen die Sitz' erhht, und emporgereihet im Halbkreis';
+ Doch ein breites Gerst, entlang die Schranken der Turnbahn,
+ Bauten sie auch; versahn's mit emporgereiheten Sitzen
+ Fr schaulustiges Volk aus den nahen und fernen Gefilden,
+ Und erhhten die luftigen Zelt', entgegen der Prachtlug:
+ Tapferen Rittern zur Rast, die her zu turneien gekommen.
+ Als der Krieger dem Zelt' enteilete, stand er, vor Staunen,
+ Pltzlich verstummt; er rieb sich die Augen im dmmernden Frhroth;
+ Sann: ob Trume der Nacht ihn fften, oder von fern her
+ Irgend ein Zauberer kam, und die Luftgebilde zur Schau gab?
+ Doch bald lacht' er des eitelen Wahns: hochrhmend die Meister
+ Des, mit Geschick und regsamer Kraft gefrderten Werkes;
+ Eilte hinaus, sein Ro an dem Standpfahl, wo es die Nacht durch
+ Ruhete, jetzt mit sorglicher Treue zu warten, und klopft' erst
+ Selbes am mhnigen Hals' mit der Hand, im freundlichen Zuruf;
+ Aber es scharrt' in dem Grund', und wieherte, gierig des Futters.
+ Rings erwachte Gets' und unendlicher Lrm in dem Lager.
+
+ Jetzo erscholl Getrab anstrmender Rosse, den Ohren
+ Hrbarer stets; dann sah das Aug', umsphend, von fern her
+ Blitzen die Harnisch und Helm', und endlich erkannte der Kaiser
+ Meinhard, und Lichtenstein, die er, Frieden zu biethen, gesendet.
+ Angelangt im Gewlk' umwirbelnden Staubs vor dem Herrscher
+ Rissen die beiden das Ro am Zgel zurcke. Sie sprangen
+ Aus dem Sattel behend', und nahten ihm, grend mit Ehrfurcht.
+ Aber er rief erstaunt: Wie, Meinhard kehrt uns, emprt heim?
+ Lichtenstein, was bringt ihr zurck aus dem bhmischen Lager?
+ Sanft ist des Friedens Hand: sie streut in des Lebens Gefilden
+ Blumen umher -- die in Eisen gehllete Rechte des Krieges
+ Trieft vom Blut der Erschlagenen; doch, wenn eben dem Unhold
+ Heiliges Recht das Schwert vertraut, da bringt er vom Schlachtfeld
+ Muth, selbststndige Kraft, und Sicherheit unter die Vlker:
+ D'rum auch der Krieg erwnscht, wenn nur das Recht ihn gebiethet.
+ Jetzt, frwahr ersehnte mein Herz den Frieden, und wohl mir,
+ Wenn der Knig, vershnt, zum gebothenen selber die Hand reicht!
+ Meinhard sagte darauf: Nicht hat uns der Knig von Bhmen
+ Ritterlich' Ehre gewhrt -- gastfreundlich das Herz uns erheitert:
+ Grimm bewlkte sein Aug', da er sprach, und finster uns ansah.
+ Wie der furchtbare Leu' mit glhenden Blicken des Gegners
+ Harrt auf dem Plan, da er ihm zermalme die Knochen: so dnkt mich
+ Sah der Knig uns an, und schwerlich sinnt er auf Frieden.
+ Aber vielleicht, da Lichtenstein, der glckliche Freier,
+ Frohere Kunde gebracht: de' will ich mich gerne bescheiden.
+ Zwar, so begann jetzt Lichtenstein, versprach uns des Knigs
+ Zornumwlketer Blick des Guten nicht viel, und ich brgte
+ Fr den Frieden nicht mehr mit dem Kopf: er mchte nicht fest steh'n;
+ Aber noch stehet das Spiel, und es fllt der entscheidende Wrfel
+ Heute noch nicht. Ich sehe dahier mit unsglicher Hochlust
+ Schon die Schranken gefgt zum Turnei, und bald, in dem Prunksaal,
+ Den von der Decke herab unzhlige Kerzen erleuchten,
+ Minniglich schne Frau'n und Frulein, an gastlichen Tafeln
+ Wrdiggepaart umher mit den sieggekrneten Rittern.
+ Welche Beseligung, mich in dem lrmenden Kreise zu treffen:
+ Denn auch trgere Zungen bewegt die frhliche Mahlzeit!
+ Hre mich Jung und Alt; nicht spricht ein faselnder Seher!
+ Da des Knigs verdsterter Geist noch heute sich aufhellt,
+ Knd' ich zuvor: denn wit es, er kommt, und nah' ist die Zeit schon,
+ Zum dankbiethenden Turnkampf her, mit erlesenen Rittern.
+ Dort, so sprach er vor uns, soll's bald allmnniglich kund seyn,
+ Was er vom Krieg und Frieden gedacht, und der Kinder Verlobung.
+ Gott befohlen das Ein' und das Andere! sagte, gen Himmel
+ Schauend, der Kaiser, und wandte sich; dann begann er von neuem
+ Wieder, mit sorglichem Blick: Wo weilt mein tapferer Hugo?
+ Das sey ferne, da ihm was Leides geschehen: mir brche
+ Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden.
+
+ Kaum entfloh ihm das Wort, da tnte von ferne der Hufschlag
+ Brausender Rosse die Strae heran, die entgegen den Marken
+ Ungerns fhrt am linken Gestad der mchtigen Donau.
+ Hugo war's, der kam (weit hinter ihm folgte der Knappe,
+ Schlechter beritten, denn er) die stubende Strae herber;
+ Doch nun hemmt' er das Ro, und die Wange, wie Flammen gerthet,
+ Lchelt' ihm, als er gegrt. Er schwang sich vom Sattel, und sagte:
+ Herr, nicht hast du umsonst die Gste geladen: erhellt sind
+ Weit die Straen hinaus von schimmernden Kleidern und Waffen.
+ Trog nicht der Schein, so trabt von dem Bisamberg an der Donau,
+ De' unendlicher Ruhm an kstlichem Moste bewhrt ist,
+ Ein gar stattlicher Haufe heran: die flatternden Fhnlein,
+ Wei, wie des Schneebergs Haupt, verknden uns bhmische Kmpen.
+ Aber, als sie dahier zum Scherz nur brechen die Lanzen,
+ Harren ihrer im Hinterhalt gar ernste Gesellen,
+ Und ersehnen den Kampf. Der Ungern blhender Knig--
+ Blhend, und jung frwahr! verhie dir Hlf', und gewhrt sie:
+ Denn vor mir durchschwamm sein furchtbares Reitergeschwader,
+ Jauchzend, die March, und steht auf Oestreichs Erde, vor Marcheck
+ In dem Gerhr', lngs hin dem Weidenbache, verborgen.
+ Zrne nicht, da ich zu kommen verzog. Viel hatt' ich zu reden,--
+ Von dem Kaiser zumal, und dem Greif', wenn alles ihm abstirbt,
+ Wird die Zung' allein stets rhriger noch mit den Jahren.
+ Auch gebrach's nicht an kstlichem Trank', an magyarischer Tnzer
+ Frhlichem Lrm, und du weit, dein Haug ist freudig gestimmet,
+ Sieht er die Humpen gefllt, und um ihn lebendig die Jugend:
+ Dennoch stellt er sich ein, wo es gilt, und die Klingen entscheiden.
+ Ruhe, so sprach mit lchelndem Blick der erhabene Kaiser,
+ Raschvorstrmender Greis, in dem Zelt' auf das Lager gesunken!
+ Aber euch beid', obgleich ermdet vom dauernden Ritte,
+ Lockt, de' bin ich gewi, Drometengeschmetter zur Turnbahn,
+ Rstet euch denn. Mir ziemt, hausvterlich sorgend, im Lugsaal
+ Fertig zu stehen, und dort die Gste mit Huld zu begren.
+ Meinhard, zieh' im festlichen Schmuck, mit flatternden Fhnlein,
+ Zinken, und Paukengetn', und hundert erlesenen Reitern
+ Bis zu des Lagers Rand' entgegen dem Herrscher von Bhmen:
+ Ihn zu begren nach Wrd', und des Turnspiels Sitte geziemend!
+
+ Also entlie er mit heiterem Muth die gewaltigen Helden.
+ Aber er stieg die Stufen empor in die herrliche Prachtlug,
+ Eilete vor, und sieh', ihm nahten die theuren Erzeugten
+ Albrecht, Hartmann, und Adelheid: nur blieb in der Hofburg
+ Agnes, die holde, daheim, die leidende Mutter zu pflegen.
+ Alsbald scholl aufjubelnder Pauken Getn', und Drometen
+ Schmetterten laut in des wimmelnden Volks unendliches Jauchzen:
+ Denn, wie der Bienen unzhliger Schwarm in des kehrenden Frhlings
+ Milderem Hauch, fortzieht in die lieblichduftenden Fluren,
+ Gierig des Honigseims, und rings umsummet die Blthen:
+ Also zog aus der Stadt, von dem nahen und fernen Gebieth her,
+ Zahllos, Jung und Alt, im Schmucke der festlichen Kleider,
+ Und erfllte die hohen Gerst', augblendenden Schimmers.
+ Mitten im dichten Gedrng' erglnzten, vor allen, die Edeln,
+ Die im glhenden Muth vortummelten feurige Rosse:
+ Herrlich geschmckt der Reiter zugleich,
+ und das wiehernde Schlachtro.
+ Doch wer knnte die Zahl, und den Ruhm der Tapferen knden?
+
+ Otto von Meiau kam: Feldoberster war er des Kaisers,
+ Reich in dem Land umher an Gtern und Mannen, und reicher
+ Noch an errungenem Ruhm' im druenden Felde der Waffen.
+ Blau, wie des Himmels Zelt, mit Gold umrndert, und seiden,
+ Flo ihm der Mantel am Rcken hinab von dem Harnisch, und blau war
+ Auch sein Wehrgehng mit der seidenen Schrp' und dem Helmbusch;
+ Also des Rosses Hauptzier, Zaum, und die schuppigen Decken
+ Vorn an der Brust und den Seiten herum, von Eisen gefget.
+ Aber das Einhorn wies sein Schild im goldenen Feldraum,
+ Wie es zum muthigen Kampf von dem schroffen Felsen sich aufbumt.
+ Solchen trug ein Knapp ihm nach, und der andere folgt' ihm,
+ Haltend die zween hochragenden Speer' in der nervigen Rechten.
+ Pauk' und Dromet' erklang, da er jetzt vor den rhmlichen Schranken
+ Hemmte sein feuriges Ro, absa, und in's dunkele Zelt ging.
+
+ Bald nachfolgte dem Helden zuerst der khne Capellen:
+ Oberster Fhrer auch er im Heere des Kaisers, und werth ihm
+ Ob der bestndigen Treu', und des nie zu erschtternden Muthes.
+ Meergrn hatt' er zur Farbe gewhlt, und verzieret mit Silber
+ Seine Rstung zugleich, und des Rosses herrliches Reitzeug.
+ Aber den Schild, wo ein Wehrgehng den silbernen Feldraum
+ Dreimal durchschlingt, und vom Helm sich des Adlers Fittig erhebet,
+ Trug ihm der Knappe nach, und ein anderer brachte die Waffen.
+ Freudig ersah ihn das Volk, und als er mit edelem Anstand
+ Sich vor dem Schrankenthor von dem schnaubenden Rosse herabschwang,
+ Rief erneueten Gru der Klang der Drometen und Pauken.
+
+ Nun kam Trautmansdorf, von acht selbst-eigenen Shnen--
+ Angeeigneten sechs, umringt, vor die Schranken. Des Bruders
+ Ehrenreich, den einst ein wthender Eber zerrissen,
+ Als er im Walde des Weidwerks pflog, verlassene Waisen
+ Waren die sechs, und er, ein liebender Vater den einen,
+ Wie den andern; doch sie lohnten ihm herrlich die Sorgfalt:
+ Wohlgesittet, fromm, und im blhendentfalteten Leben
+ Alle, voll Heldenmuths, nachfolgend dem edelsten Vater.
+ Nicht entbehrt' er im Krieg, nicht daheim, nicht an heiliger Sttte
+ Selber ihres Gefolg's, und lchelte, stolz in dem Herzen
+ Seines Glcks, das hher denn all' sein Reichthum ihn dnkte,
+ Wenn ihm das Volk, erstaunt, nachsah, und den Segen ihm zurief.
+ Aber nicht lang', da sinkt, wie, vom sausenden Hagel zerschmettert,
+ Halmfrucht drauen im Feld, die herrliche Schar in das Grab hin--
+ All', erschlagen vom Feind, und einsam kehret der Vater
+ Heim in die Ahnen-Burg: ihn trstet ihr rhmlicher Tod nur.
+ Doch jetzt naht' er vor seinen, ihm gleich gersteten Shnen:
+ Denn von Silber blank war Harnisch, und Helm, und der Helmbusch;
+ Also das Wehrgehng, die Schrpe, der seidene Mantel,
+ Und der glnzende Schild, (den, goldengehrnet, ein Widder
+ Zierete) wei wie der Schnee, mit der Wehre des stattlichen Rosses.
+ Jubelnd im Paukenklang', erschollen die eh'rnen Drometen.
+
+ Doch jetzt naht' ein Paar der Edelgestein' in dem Adel
+ Oestreichs: Lichten- und Dietrichstein.
+ Aus der steyrischen Mark stammt
+ Jener (Ulrichs Sohn, des trefflichen Ritters und Sngers,
+ Der sein Leben der _Frauen-Ehr'_ und dem Degen verschrieben)[2]
+ Dieser aus Oesterreich, ein Sohn ruhmwrdiger Aeltern:
+ Er, stets dstern Gemths, da jener des heiteren Vaters
+ Frohsinn geerbt; doch einte schon frhe der trautesten Freundschaft
+ Unauflsliches Band die Herzen der tapferen Ritter.
+ Hochroth zierte des Lichtenstein, und seines Gefhrten
+ Waffengeschmeid Kornblumenblau. Im grnlichen Feldraum
+ Wies des Winzers Messer sein Schild, und im goldenen zeigte
+ Jener des Lichtenstein zwei schrgablaufende Balken.
+ Schmetternd klang die Dromet', und die Pauken donnerten laut auf.
+
+ Sieh' auch die beiden Demantberg', auf welche sich Oestreich
+ Ruhig sttzt: der Schwarzen- und Stahrenberg (in des Ruhmes
+ Ehernen Tafeln genannt, und hochgepriesen fr immer)
+ Sprengten eilig heran! In des Schildes goldenem Feldraum
+ Fhrete jener den Aar und das Hfthorn; dieser im lichtblau'n
+ Einen geschnabelten Wolf, und kor sich zur Farbe der Ehren
+ Blagelb, silbergeschmckt, da jener mit goldenem Zierrath
+ Whlte das dunkele Kirschenroth, erfreulich zu schauen.
+ Mchtiger hob sich zur Luft der Pauk' und Dromete Getn' auf.
+
+ Kurd von Haselau, der achtzigjhrige Ritter,
+ Naht' im Fluge heran. Noch rstig und Kampfes begierig,
+ Stieg er vom Ro, und ging, den ehrenden Sitz an der Prachtlug
+ Einzunehmen: erwhlt zum Turnvogt heut von dem Kaiser.
+ Ihm nachfolgten zugleich der Seldenhofer, der Pfannberg,
+ Hardeg, Hohenberg, und der Wildon: treffliche Kmpen!
+
+ Jetzt anlangten im Ehrengeleit die bhmischen Ritter:
+ Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Wallstein,
+ Dann auch Herbot von Fllenstein, der reuische Kampfheld,
+ Riesengestaltet, im Trotz allbeugender Strke sich rhmend,
+ Den sich Ottgar jngst zum Feldherrn kor, und als Herrscher
+ Einst in der steyrischen Mark dem Volk aufstellte zum Zwingherrn.
+ Sieh', gar herrlich geschmckt erschienen die Ritter, als sollte
+ Oestreichs ad'ligen Glanz heut jener von Bhmen verdunkeln!
+ Tausende wandten den Blick nach den Fremdlingen, alle voll Sehnsucht:
+ Ottgarn dort zu schau'n, als Freund: er sumte zu kommen.
+ Dreimal, und lauter stets erhob sich der donnernden Pauken
+ Und Drometen Getn, den nahenden Fremden zu Ehren.
+ Doch, vernehmend den jubelnden Schall, enteilten die Helden
+ Oestreichs hurtig dem Zelt', und schwangen sich auf in den Sattel.
+
+ Meinhard, fhrend die Bhmen heran, verlangte vom Thorwart,
+ Da er den Degen erhob, Einla in die rhmlichen Schranken.
+ Alsbald wich der Riegel zurck, und in Reihen geordnet
+ (Jene zuerst, und drauf die Heldenshne des Landes)
+ Ritten entlang die Turnbahn all', in der nervigen Rechten
+ Hebend den Speer in die Luft,
+ mit zgerndem Schritt nach der Prachtlug,
+ Wo der erhabene Kaiser sa, und der Kommenden harrte.
+ Als sie gegrt -- er gedankt, da sprach der tapfere Meinhard:
+ Mein durchlauchtigster Kaiser, und Herr! Des bhmischen Reiches
+ Knig entbiethet dir Gru und Freundschaft zuvor, und erklret:
+ Ihm selbst wehrt es ein bses Geschick des frhlichen Turnspiels
+ Zeuge zu seyn; doch sendet er dir die tapfersten Ritter,
+ Hier den Ruhm des Vaterlands zu erhhen als Sieger!
+ Wahrlich, so rief der Kaiser ihm zu, nicht dacht' ich: entrissen
+ Werde mir heut' ein Glck, das ich ersehnt' in dem Herzen
+ Aber wohlan: werth seyen uns auch die tapferen Ritter,
+ Die uns der Knig gesandt! Der Kampf beginne. Turneivogt,
+ Handle dein Amt! Der Herold rufe, der Sitte geziemend.
+ Grieswart sey fr heut der edle Wildonier, Berchtold,
+ Breuner, und Pottendorf, die Kmpfer zu schirmen vor Unbill,
+ Ordnungbedacht: ihr Wink sey heilig geachtet von allen.
+ Sagt' es, und setzte sich dann auf den schwellenden Pfhl.
+ Da erhob sich
+ Haselau, der Greis, und ging nach der rumigen Halle,
+ Die sich unter der Lug aufwlbte, mit Purpur behangen,
+ Dort zu beginnen die Waffenschau. Die erlesenen Ritter
+ Legten sogleich den Speer und das Schwert, kampfgierigen Muths, hin.
+ Sorgsam prfte der Greis die gebothenen: stumpf und gefahrlos
+ Sollten sie seyn -- zum Scherz, nicht zum Ernst
+ gebraucht in dem Turnkampf.
+ Zween der Grieswrt' hoben den Helm von dem Haupt', und empfiengen,
+ Schreitend umher links, rechts, ein bezeichnendes Los von den Rittern:
+ Jeglicher gab's, mit dem Nahmen verseh'n. D'rauf schttelten mehrmal
+ Jene die Zeichen umher in dem Helm', und bothen (die Ordnung
+ Wechselnd) sie dar: der rechts, wo links der and're gefordert,
+ Also whlte sich dort ein jeglicher Kmpe den Gegner.
+
+ Jetzt erhob der Herold den Stab, und Tausende schwiegen;
+ Zog ein Blatt aus dem Busen heraus, das, rauschendentfaltet,
+ Glnzte von goldener Schrift, und las mit gewaltiger Stimme,
+ Allen verstndlich, vor: Wie der mchtigste Kaiser, Rudolphus,
+ Jngst auf den heiligen Rochus Tag, des Jahrs der Erlsung:
+ Tausend zweihundert und siebenzig-acht, der heute gezhlt wird,
+ Alle die Edeln, von Nah' und von Fern, zu turneien am Tabor
+ Aufboth, die nach dem Recht' und nach Rittersitte gemeint sind.
+ Weiche darum von hier, der bar ist der ad'ligen Ahnen-
+ Reih' erhrtender Zahl, und der unehlich geboren;
+ Der in den Kirchenbann, in die Acht des Kaisers und Reiches
+ Fiel ob schndlicher That, ob Mord und Gottesverlugnung;
+ Der die Wittwen und Waisen bedrckt', und das zarte Geschlecht nicht
+ Schirmt' in Gefahr, nicht rcht', als Mann, g'en schnde Verlumdung;
+ Der Meineides und Trugs, und unedlen Gewerbs sich bewut ist,
+ So er dem Schild und dem Schwerte zur Schmach, einst Handel getrieben:
+ Ferne mgen sie stehen, sie all', und ermangeln des Vorzugs,
+ Der nur Edeln gebhrt, in des Turnkampfs rhmlichem Feld hier!
+ Rief's; dann faltet' er wieder das Blatt, und barg's in dem Busen.
+ Jetzt aufpflanzten, voll Hast, die hurtigen Knappen die Fhnlein
+ Ihrer Ritter so hier, als drben, die Schranken hinunter,
+ Und die Grieswrt' theilten sich links und rechts an der Bahn hin,
+ Tragend den Stab in der Hand, zum Zeichen des heiligen Gastrechts.
+ Doch nun kehrten zugleich, im zgernden Schritte, die Kmpen
+ Wieder zurck, vor dem Schrankenthor sich fertig zu stellen.
+
+ Als der Kaiser die Kehrenden sah -- dann vor sich das Volk dort,
+ Dann im Rcken die Bnke gedrngt voll grauender Ritter,
+ Edeler Herrn, und Frau'n, und zartaufblhender Frulein:
+ Ach, da fllten sich fast ihm die Augen mit Thrnen! Er wandte
+ Halb nach den Kindern sich um, und sprach mit inniger Rhrung:
+ Welch unzhliges Volk: nur die Ein' ersehen wir hier nicht--
+ Euere Mutter ist fern, und Agnes, als Pflegerinn wechselnd
+ Heute mit euch! Auch wir entbehreten freudig des Schauspiels--
+ Weilten so gerne daheim bei der Leidenden; aber die Pflicht ruft
+ Ehernen Lauts, und heit all' and're im Herzen verstummen.
+ Weh', da ich auch die Kunringe hier vermi', und der Helden
+ Einige, die verlockt auf trugverhlleten Pfaden
+ Sich zu den Feinden gesellt, und im Schooe der eigenen Mutter,
+ Jenen gleich mit der grimmigen Faust zu whlen bereit steh'n;
+ Aber vielleicht gelingt es mir noch die Verirrten zu sammeln!
+ Jene schwiegen, und hielten die Hand vor die thrnenden Augen:
+ Ob der Mutter betrbt; doch Hartmann vor allen: ein Liebling
+ War der Trauernde stets der holden Mutter gewesen.
+
+ Sieh', nun schwebt' auf dem Wettergewlk des umnachteten Himmels
+ Marbod daher! Er sah Drahomira vorber im Eilflug
+ Ziehen, und folgen der Spur des schwarzgersteten Ritters,
+ Der mit geschlossenem Helm' aus dem bhmischen Lager herber
+ Spornte den Rappen im Donnergalopp', an die Schranken der Turnbahn.
+ Nicht wie den Sterblichen war dem Geiste der Ritter verhllet:
+ D'rum erbangt' ihm die Brust vor Angst ob seinem Erwhlten,
+ Rudolph, dem er sich liebend geweiht: denn siegenden Hohn sah
+ Er in dem Blick Dahomira's, und kam, ihm rettend zu nahen,
+ Wenn sie, hllischen Trugs, Gefahr ihm sann, und Verderben.
+ Immer schneller verschlang des Tages Heit're der Wolken
+ Finstere Nacht. An dem Himmel herauf, und hinunter zum Erdrand
+ Zuckte der rthliche Blitz, und von fern her murrte der Donner:
+ Kommend auf Flgeln des Sturms, vom druenden Sden herber.
+
+ Jetzt erscholl drometender Ruf, dreimaligen Stillstands,
+ Tief, eintnig, gedehnt: des Kampfs ersehnetes Zeichen.
+ Alsbald braus'te der Riegel zurck: in die rhmlichen Schranken
+ Ritt, gemessenen Schritts, hellstrahlend von Purpur und Goldschmuck,
+ Lobkowitz ein; den Schild ihm ziert' ein fliegender Adler.
+ Ganz durchma er die Bahn bis vor in die Nhe der Prachtlug;
+ Wandte das Ro, und harrete dort des wrdigen Gegners,
+ Den das Los ihm beschied, und sieh', ihm nahte Capellen,
+ Muthigen Blicks! Da rief ihm Lobkowitz freundlich entgegen:
+ Nun geschlossen den Helm, und fest in dem Sattel gesessen!
+ Schon viel Rhmens hrt' ich von euch, Capellen! So lat uns
+ Heut' erseh'n: ob mir, ob euch die Krone bestimmt sey,
+ Welche zum Dank uns beut die Erzeugte des edelsten Kaisers,
+ Adelheid, voll Engelshuld und himmlischer Schnheit.
+ Wohl, entgegnete jener mit Trotz, das lat uns erproben,
+ Lobkowitz! Rasch seyd ihr, bheimische Kmpen, und dennoch
+ Sollt ihr Oestreichs Shnen den Kranz nicht rauben im Turnkampf.
+ Aber sie schlossen den Helm, und setzten sich fest in dem Sattel.
+ D'rauf, mit gewaltiger Faust vorsenkend den Speer aus des Bgels
+ Rhr', und den ehernen Schild vorhaltend dem Feinde zur Abwehr,
+ Spornten beide das Ro, das, weitvorgreifenden Sprunges,
+ Schnell, wie der Blitz, auf dem Plan mit tnendem Hufe dahinflog,
+ Bis inmitten der Bahn, urpltzlich, ein jeder der Gegner
+ Traf des anderen Schild mit des Speers abprallendem Eisen
+ So, da der mchtige Schaft, in tausende Splitter zertrmmert,
+ Hoch empor in die Luft und umher auf dem zischenden Sand flog,
+ Und die Rosse, zurck' auf die Hinterfe gesunken,
+ Noch dem gewaltigen Sto' erzitterten, schreckenerfllet.
+ Lautaufjauchzte den Kmpen das Volk; unzhlige Stimmen
+ Zollten im tausendfltigen Ruf den Trefflichen Beifall.
+ Jetzt gedachten sie schon, aus dem Sattel sich schwingend, zu zeigen
+ Auch in dem zweiten Gang mit dem blinkenden Schwert die Gewandtheit,
+ Schnelle, und Kraft; doch laut rief dort der herrschende Turnvogt:
+ Helden, es ist euch Siegesruhm die Flle geworden!
+ Ruht von dem Scheinkampf jetzt! Vielleicht, so Gott es nicht wendet,
+ Werdet ihr bald zum Ernst, nicht zum Scherz,
+ in schrecklicher Feldschlacht
+ Richten das blitzende Schwert auf die Brust anstrmender Gegner!
+ Ihr brach't zierlich den Speer: aus der Hand der holden Erzeugten
+ Rudolphs, wird euch herrlicher Lohn noch heut' in dem Turn-Dank!
+ Jene kehrten zurck, in dem hohen Gezelte zu ruhen.
+
+ Stille wurd' es umher, und es fat' ein heimlicher Schauder
+ Manchem die Brust bei'm ernsteren Wort des prophetischen Greises.
+ Doch nun braust' im Sturm der schwarzgerstete Ritter
+ Nher, und ri den Rappen zurck' an dem leitenden Zgel,
+ Sonst durchbrach er im Sprung die hemmenden Schranken. Er nagte,
+ Wthenden Grimms, am Gebi', und schnob, und streute den Schneeschaum
+ Hin auf den Sand, den er mit den scharrenden Hufen umherwarf.
+ Edelem Stamm' entsprossen schien der gewaltige Reiter;
+ Aber noch barg der geschlossene Helm ihn den Augen des Volkes.
+ Stolz erhob er die Hand, und hie mit stummen Geberden
+ Milota nah'n. D'rauf zog er ein Blatt aus den Fugen des Panzers,
+ Reicht' es ihm dar, und wies nach des Turnvogts herrschendem Sitz hin.
+ Milota lchelte Hohn, da er, spornend sein Ro, an den Schranken
+ Hinflog, und darreichte das Blatt dem staunenden Alten.
+ Dieser entfaltet' es schnell, und las mit vernehmlicher Stimme:
+ Euch entbiethet zuvor, ihr edelen Herren und Ritter,
+ Ihren freundlichen Gru Kunegunde, des bhmischen Reiches
+ Kniginn! Dann verlangt sie, da ihr den Ritter in Trauer
+ Nicht verschmht, der glnzenden Stamms sich rhmt, und im Turnkampf
+ Heute, vor euch, ihr herrlichen Ruhm zu ersiegen, bereit ist.
+ Aber ihm werde nach Wunsch der letzte der Kmpfe gewhret!
+ Stumm verneigte der Greis sein Haupt, und Milota kehrte
+ Wieder zurck. Da lispelte leis' in die Ohren des Nachbars
+ Ein Barfermnch, der jngst aus Bhmen gekommen,
+ Und auf dem volkerfllten Gerst schaulustig sich einfand:
+ Seh' ich den Ritter dort, gehllt in die finstere Rstung,
+ Will es mich fast bednken: er sey der Kniginn Liebling,
+ Zawi von Rosenberg,[3] der weitgepriesener Anmuth,
+ Blhender Jugendkraft, und tapferen Muthes, ihr Herz schon
+ Vllig gewann, das leis' in heimlichen Flammen sich abzehrt.
+ Also rcht sich die Schuld! Ein Gleiches mit Gleichem vergolten
+ Wird dem Knige, der Margarethen verstie, und den Unhold
+ Sich beilegte zum Weib: Kunegund' ersehnt sich den Buhlen.
+ Also das Mnchlein sprach. Doch feuriger stets, und entflammter,
+ Zuckten die Blitz' umher im Gewlk', und auf ehernen Rdern
+ Sank stets tiefer herab des Donners rollender Wagen
+ So, da die Menge mit Angst aufsah, und, des strmenden Regens
+ Denkend, nur an dem Leinendach des Gerstes noch Trost fand.
+
+ Wieder erscholl gar feierlich ernst die Dromete. Zum Turnkampf
+ Rief sie ein Heldenpaar: da flog der muthige Wallstein,
+ Herrlich glnzend von Gold auf dem perlen-farbigen Sammttuch,
+ Ueber die Plne hinab, und wandte sich, harrend des Gegners.
+ Sieh', ihm fiel das Los, mit dem Stahrenberg in den Schranken
+ Heute zum erstenmal, sich zu messen: zum Ritter geschlagen
+ Jngst durch Ottgar selbst, der ihn vor jeglichem liebte!
+ Jugendlich hpfte das Blut in den Adern des feurigen Helden
+ Noch. Er lechzte nach Ruhm; doch wthete jetzt in der Brust ihm
+ Furchtbare Liebesgluth, seit er vernommen, da Hedwig--
+ Sie, die Zierde der Welt, fr welch' er thricht entbrannt war,
+ Reichen sollte die Hand zum eh'lichen Bund dem Erzeugten
+ Rudolphs, Hartmann, und ach, Verzweiflung fat' ihn erneut an!
+ Ungeheueres sann er emprt im Gemth, und nicht wut' er
+ Wie er's vollbringe dereinst. Da sprach ihm jetzt Drahomira,
+ Die, nur auf Arges bedacht, auflauerte, leis' an das Ohr so:
+ Denke des Muths: vielleicht gelingt es dir heut, den Verhaten
+ Dort mit hhnendem Blick zu reizen, und Rache zu ben!
+ Alsbald wandt' er das Haupt, und sah mit hhnenden Blicken,
+ Lang' nach dem tapferen Hartmann hin, als htt' er gefrevelt.
+ Zorngluth scho in das bleiche Gesicht des Edeln: er hob sich
+ Hastig vom Sitz, ihn laut zur Rede zu stellen, entschlossen.
+
+ Doch schon nahete Stahrenberg, im feurigen Vorschritt
+ Zgelnd das Ro, und rief dem Gegner, lchelnd, entgegen:
+ Erst so beweglich, und nun sumst du den Kampf zu beginnen?
+ Nein, ich sume nicht! sprach alsbald der Zrnende, whnend:
+ Jener zeihe der Feigheit ihn. Er ahnte nicht, wer ihm
+ Also emprte die Brust durch dunkle Gebilde der Rachgier.
+ Trotzig schlo er den Helm; lie sinken den Speer in der Rechten;
+ Gab dem Rosse den Sporn, und flog dem Ritter entgegen,
+ Der nicht mig geharrt: denn sieh', jetzt trafen die beiden
+ Sich inmitten des Plans, an dem Schilde die Speere zu brechen,
+ Wie es der Turnbahn Sitte geboth, und trefflich erzielte
+ Stahrenberg den Gewinn: sein Speer zerbrach an dem Turnschild
+ Wallsteins, den ein glnzender Stern erhellete, krachend;
+ Schlug auch den Stern entzwei, und zerstob in unzhlige Trmmer!
+ Aber nicht so sein Gegenpart. Von stachelnder Rachgier
+ Glhend, nahm er das Abseh'n hoch nach dem Helm', und er stie ihm
+ Solchen vom Haupt mit festnachstrmender Rechten, da alsbald
+ Ihm an dem Kinn der Riemen zerri, und im Sande der Helm hin
+ Kollerte. Zornerfllt gewahrten die lteren Ritter
+ Wallsteins Frevelthat, und murreten. Aber dem Turnvogt
+ Schien gleichmig des Kampfes Gewinn: weil jener den Schild ihm,
+ Schmetternd, zerbrach, und dieser den Helm von dem Haupt ihm gehoben.
+ Stille herrscht' umher; kein Beifall krnte die Kmpen.
+ Stahrenberg ritt eilig zurck; doch zgerte Wallstein
+ Noch auf dem Plan, und sah von neuem mit hhnendem Ingrimm
+ Nach der Lug empor, wo Hartmann im glnzenden Harnisch,
+ Lieben Geschwistern vereint, sich fand an der Seite des Kaisers.
+ Ihn verhhnet' er frech, und begann mit stachelnden Worten:
+ Khlere Lftchen umweh'n dich dort; hier fhlt es sich heier:
+ Komm, und versuch's! Der Jugend Kraft zu erproben, ist rhmlich.
+ Sthnend vor edelem Zorn erhob sich der Jngling, und forschte
+ Einen Augenblick in dem Antlitz des herrschenden Vaters.
+ Aber er sa in erschtternder Hoheit dort in der Mitte
+ Seiner Erwhlten, und sah, verstummend, hinab auf den Ritter.
+ Jenem genug: er sprang die Stufen herunter, und warf sich
+ Schnell auf das wiehernde Ro, das drauen der Knappe gehalten;
+ Fate, zitternd vor Hast, den Speer, und flog auf die Turnbahn.
+
+ Doch schon hatte zuvor von dem trugverblendeten Wallstein
+ Sich Drahomira gewendet, und hing mit flammenden Blicken
+ Ueber Ottgars Haupt. Er war's, der heute des Nachtgrau'ns
+ Farbe zur Rstung sich whlt', als jene, voll hllischer Arglist,
+ Ihn zu dem Kampf hertrieb: nur Jammer zu schaffen, entschlossen.
+ Wie auf dem trglichen Netz die giftige Spinne dahinfhrt,
+ Wo die Beute sich fing, und diese mit klebrigen Fden
+ Dicht umstrickt, da kein' Errettung mehr von dem Tod ist:
+ Also lie sie nicht ab von dem unglckseligen Herrscher,
+ De', sonst edele, Heldenbrust in wilder Emprung
+ Schrecklicher Ehrsucht gohr, und allein nach Rache sich sehnte.
+ Siehe, wie zween geschweifte Kometen am nchtlichen Himmel
+ Glh'n, und in blutiger Kriegeszeit den zagenden Vlkern
+ Dru'n Pest, Hungersnoth, und Theurung: also erglhten
+ Jetzt Drahomira's zur Wuth emprete Blicke; sie hauchte
+ Ottgars horchendem Ohr den seelenverderbenden Rath ein:
+ Pfeilschnell naht, und entfliehet das Glck:
+ d'rum hasch' es im Flug jetzt,
+ Eh' es auf immer entweicht, und nicht wiederkehret dem Trgen:
+ Tritt mit Hartmann du in den Kampf; dir weiche dein Liebling
+ Wallstein. Thricht verga der waffenbeschauende Turnvogt
+ Deine zu prfen: du fhrst verderbliche. Schleudre den Jngling
+ Erst in den Staub; dann wende dich, nah' ist der Kaiser,
+ durchbohr' ihm
+ Khn die verrth'rische Brust, und entflieh'.
+ Dein schreckliches Reitro
+ Trgt dich schnell aus umdrngender Noth: denn hllische Macht tobt
+ Ihm in den Adern. Auf, und rche dich jetzt an dem Gegner.
+
+ Wild aufbumte sich Ottgars Rapp', als jene gesprochen;
+ Scharrt' in dem Sand, und schnob, und drehte sich,
+ wthend, im Halbkreis':
+ Denn sie erregte das Thier durch Gaukelgebilde der Hlle.
+ Heimlicher Schauder ergriff das Volk und die edelen Ritter.
+ Ottgars Aug' umdsterte Nacht: gleich Meeresorkanen,
+ Whlten in seiner Brust die Empfindungen streitender Rachgier,
+ Ehre, und Pflicht. Doch jetzt besann er sich; sprengte den Rappen
+ Ueber die Schranken, und rief dem kampfbeginnenden Helden
+ Laut, im Brausen des nahenden Sturms und Donnergewitters:
+ Wallstein, halt! Zieh' hin zu dem Schrankenthor', und vergnne
+ Mir in des Kampfs Entscheidung den Sieg. Kunegunde geboth mir
+ Sie zu rchen, und dich an dem schmhungliebenden Buben
+ De', der Kaiser sich nennt des heiligen, rmischen Reiches.
+ Wallstein eilte zurck; doch Hartmann rief ihm entgegen:
+ Ha, du lgst! Nie hat mein Mund Kunegunden, noch jenen,
+ Der so frech sich erweis't, so unritterlich handelt, geschmhet,
+ Weder heimlich, noch offenbar: das sollst du mir ben.
+ Rief's, und senkte den Speer, nicht erwgend, da solchen der Knappe,
+ Nicht zum Kampf auf Leben und Tod -- nur zum rhmlichen Scheinkampf
+ Ihm darreichte zuvor, in drngender Hast und Verwirrung.
+ Zwar erhob den Stab und die herrschende Stimme der Turnvogt;
+ Zwar abmahnten vom Streit die Grieswart' die und auch jenseits;
+ Aber sie achteten's nicht. Von dem lautaufheulenden Sturmwind
+ Ward verschlungen ihr Ruf, und die rachebefeuerten Gegner
+ Bringt zur Ruhe kein Stab jetzt mehr, noch zu klarer Besinnung.
+ Aber schon war, voll sorglicher Hast, dem erhabenen Kaiser
+ Marbod genaht. Nicht entging dem liebenden Geist Drahomira's
+ Unheilschwangerer Blick, die, beiden: dem Kaiser und Bhmens
+ Knige, Tod und Verderben sann, und in wilder Verwirrung
+ Leichen auf Leichen gehuft, der Hlle zur frevelnden Lust, sah.
+ Jetzt umfat' er ihn hei, und rief im Geistergelispel:
+ Auf, und ziehe dein blinkendes Schwert, zur Wehre dich stellend!
+ Dir droht Mord und Verrath, und deinem Sohne Verderben
+ Von dem Fremdlinge. Horch, und verschmhe des Warnenden Rath nicht!
+ Alsbald hob, von dem Geist erregt, der gewaltige Herrscher
+ Von dem Stuhle sich auf; entblte das Eisen, und eilte
+ Schnell die Treppe herab auf die Plane, den theuern Erzeugten
+ Gegen die Wuth des rascheindringenden Gegners zu schirmen,
+ Der so frech verhhnte den Ruf des heiligen Gastrechts.
+
+ Jetzo sporneten, laut mit Geschrei, die erbitterten Helden
+ Gegen einander die Ross' auf dem Plan; doch, brausenden Fluges,
+ Trieb in dem Augenblick das entsetzliche Donnergewitter
+ Nher, und stubte den Sand in wirbelnden Sulen vom Grund auf.
+ Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag urpltzlichen Donners
+ Flammt', und krachte herab aus dem finsteren Schooe der Wolken,
+ Die, gewitterschwer, tiefhangend, zum Boden gesunken,
+ Jetzo des Mittags Hell' in Nacht verwandelten ringsum.
+ Angst ergriff das versammelte Volk. Dem Schreckensgedanken
+ Bebte das Herz, als sey der Tag' allletzter gekommen.
+ Wie, und dennoch ruhten die zween erbitterten Gegner
+ Von dem Kampfe noch nicht? Sie sprengten die Lufer im Flug fort.
+ Jetzo, wo Ottgars Speer mit tdlicher Spitze dem Turnschild,
+ Harnisch, und Herzen zugleich des harmloskmpfenden Hartmann
+ Nahete, fuhr ein Blitz, an der Breite dem strzenden Waldstrom
+ Aehnlich, zwischen die beiden herab, und entsetzlicher Donner
+ Rollte, betubenden Schlags, erschtternd ringsum die Gegend,
+ Pltzlich ihm nach; doch Marbod sprang urschnell in den Blitz hin.
+ Sein entrsteter Blick entflammte sich hell, und er schreckte
+ Hartmanns wildanstrmendes Ro vor dem Rosse des Gegners.
+ Bumend hob es sich auf: da drang ihm der Speer so gewaltig
+ Ein in die Brust, da der Schaft, erkrachend,
+ sich bog, und entzwei brach.
+ Sthnend sank das Ro auf den Rcken. Der Reiter entzog ihm
+ Schnell das Bein, und stand, ergriffen von inniger Wehmuth:
+ Schauend sein treues Thier, das jetzt mit den vorderen Hufen,
+ Jetzt mit den hinteren scharrt' in dem Sand --
+ dann todt, und erstarrt lag.
+
+ Ottgar sa, geblendet vom Blitz', und schnaubend vor Ingrimm
+ Ob des gebrochenen Speers. Er hrte den schrecklichen Donner,
+ Hrte die lrmenden Ritter nicht mehr, die, emprt von dem Frevel,
+ Naheten; doch er sann im schnellhinschwindenden Zeitraum
+ Eines Augenblicks. Drahomira emprte zur Wuth ihn,
+ Als der Kaiser zur Rettung des Sohns in Eile dahersprang;
+ Aber umsonst: denn stolz- und tapfergesinnet war Ottgar;
+ Feig ihm dnkte der Mord. Er ri von der Rechten den Handschuh,
+ Warf ihn entgegen dem Feind', entblte das Eisen, und rief ihm:
+ Rudolph, heb' ihn nur auf: denn es biethet auf Tod und auf Leben
+ Ottgar, zitt're vor ihm, dir Fehde fr jetzt, und fr immer!
+ Nichts von Frieden darum, und nichts von der Kinder Verlobung:
+ Rach' allein ist die Losung hinfort: das soll ich dir kund thun!
+ Rief's, und gab dem Rosse den Sporn. Die Schranken hinber
+ Trug es ihn fort im Sprung; dann, sausend, im Donnergaloppe
+ Weiter und weiter hinaus auf der staubenden Strae nach Stillfried,
+ Und ihm sprengte sein Ehrengefolg' im eiligen Flug nach.
+ Aber in wilder Verwirrung schrie'n, und entstrzten die ander'n
+ Rings den Sitzen, und floh'n durch Sturm und Gewitter voll Angst heim.
+
+
+
+
+ Fnfter Gesang.
+
+
+ Schttelnd die triefenden Schwingen, erhob nach unendlichem Regen
+ Sich der Abendwind, und warf von dem rauschenden Hochwald
+ Und dem ersuselnden Hain' gewichtige Tropfen zum Boden.
+ Trauernd senkten den lastenden Kelch in dem Felde die Blumen
+ Noch, und das blinkende Gras bewegte sich langsam und schwer nur.
+ Kein Gesang der Vgel erscholl; nur fern in dem Sumpfrohr
+ Quackte der Frosch, und die finstere Luft durchkrchzten die Raben:
+ Denn noch deckte Gewlk des Himmels Bogen; der Donner
+ Rollte noch fort, und der leuchtende Blitzstrahl fuhr noch im Sden
+ Flatternd umher: als droht' er entsetzlicher wiederzukehren.
+ Da gelangte, von Wuth und ghrender Rache getrieben,
+ Ottgar heim vor das Lagerzelt, und schwang sich vom Sattel
+ Hastig herab. Ihm kam der Kunring, Leutold, entgegen,
+ Der mit Schmerzen daheim sein harrete. Jetzo begann er:
+ Wahrlich, du kommst ersehnt, und glhender noch, als am Abend
+ Unsers mit Blut gefertigten Bund's: an dem Kaiser -- an Rudolph,
+ Rache zu ben -- an ihm, der nach den geheiligten Rechten
+ Altehrwrdiger Ritterzeit im emprenden Hochmuth
+ Greift mit gewaffneter Hand; der Deutschlands Edeln der Knechtschaft
+ Fesseln beut, da er schon gar viele der Vesten zu Boden
+ Schmettert', und allen ein Gleiches droht: da nimmer die Freien
+ Uebten ihr Recht an dem Volk, dem niedriggebornen, nach Willkhr.
+ Nicht so wurden wir einst lehnpflichtig dem Knig. Der Leh'nsherr
+ Rang um sein Eigen im Feld; sein ist's, was dort ihm zu Theil ward--
+ Knig auch er: ihm huldigt zur Frohne der Hold und der Sasse.
+ Wie, mir wrd' es verwehrt zu erbauen die Burg auf dem Felsen,
+ Der aus dunkelem Wald' aufragt, und zum schwindelnden Abgrund,
+ Senkrecht bis zu dem Wildbach hin die Wnde hinabsenkt,
+ Unnahbar dem Feind? Nicht sollt' ich dort von den Zinnen,
+ Oder des Wartthurms Hh'n mit herrschendem Blick in des Abends
+ Goldenem Schein' erforschen die Gau'n: ob, lauernd, der Gegner
+ Nahe den Thalweg her? Nicht sein, des ohnmchtigen, spotten,
+ Der, mit blutigen Kpfen zurck von der Veste gewiesen,
+ Schamroth flieht? Nicht von ihr zum Kampf mit den Reisigen auszieh'n,
+ Kennend der Mauern Gefg', und in selben geschirmt nach dem Heimzug?
+ Rechte nur immerhin der Unfreie mit mir, da ich, Freier,
+ Niederwerfe nach Lust auf der Strae den wandernden Kaufmann,
+ Der, ein Brger der Stadt, dem Juden zugleich und dem Wechsler
+ Treuverbndet, mein Volk betriegt, de' Habe doch mein ist?
+ Nur in der Ritterburg, der Wieg' erhebender Thatkraft,
+ Heldensinnes, und Muths wohnt auch das husliche Glck noch.
+ Wenn ich schaue die Hausfrau dort, wie sie schaltet mit Sanftmuth
+ Ueber das rohe Gesind', und die zchtigen Tchter, den Rosen
+ Gleich aufblhend, erwerben die Huld und die Wrde der Mutter;
+ Wenn ich vom Fenster hinab an des Hofraums rasigem Abhang
+ Ringen sehe den Sohn mit den Knappen: wie diesem den Bart er,
+ Lachend, zerrauft, und den anderen schlgt mit den winzigen Fustchen,
+ So vorbend die Kraft auf die herrlichsten Jahre des Lebens:
+ Nicht fr die goldene Kron' eintauscht' ich die goldene Freiheit.
+ Sieh', auch der Snger spricht dort ein, und lt in dem Hofraum,
+ Nachtumhllt, gar mild ertnen die lieblichen Saiten,
+ Eh' er beginnet sein Lied; doch sitzen wir bald in des Saales
+ Schimmerndem Licht um ihn her, und horchen den zaub'rischen Tnen
+ Von der Minne Leiden und Glck; von den Wundergeschichten
+ Grauender Heldenzeit, und den Thaten gewaltiger Ahnen
+ So, da in wonniger Lust, wie im Flug', uns die Stunden entschwinden!
+ Ha, und dessen gedenkt der Habsburg uns zu berauben?
+ Knftig sollen wir feig, erschlafft, und vllig verweichlicht,
+ Wohnen in dumpfiger Stadt, und der Ritterehre vergessend,
+ Hflingen gleich, uns bcken vor ihm? Doch, Knig, verzeihe,
+ Wenn vor dir nicht Geflliges spricht ein wackerer Deutscher!
+ Wie habt ihr turneit? Ward Habsburgs Lwe gebndigt?
+ Hast du Rache gebt? -- denn Schreckliches kndet dein Aug' an.
+ Sagt' es, erstaunt; doch Ottgar sah mit den flammenden Augen
+ Ihn noch schrecklicher an, und rief: Ja, Rache gebet
+ Offen vor allem Volk! Wohl sagt' ein hllischer Geist mir
+ Heimlich in's Ohr: Durchbohr' ihn! doch mich dnkt' es zu niedrig:
+ Morden! Ein Leichtes war's, auf dem Plan das blinkende Schwert ihm
+ In die verrth'rische Brust -- er zitterte! heute zu tauchen;
+ Doch nur in offener Schlacht, das Aug' auf das Auge geheftet,
+ Soll er mir steh'n, und, fallend, im Staub' aushauchen das Leben.
+ Vor, aus seinem Gefolg trat Milota jetzt, und begann so:
+ Knig, verzeih': er zitterte nicht! Dich tuschte der Rachgier
+ Seelenverwirrende Gluth. Wohl staunt' ich, als er so muthvoll
+ Dir entgegen trat auf dem Plan: du sporntest den Rappen
+ Weise davon. Gut war's: nicht wehrlos falle der Gegner,
+ Tapferen Herzens, dem tapferen Mann; das hast du erwogen:
+ Selber beut sich ja oft nur klgeren Seelen das Glck an.
+ Sprach so, kaum bekmpfend die Wuth, die ihm heimlich des Herzens
+ Tiefen zerri, und er lchelte nur. Doch jener zernagte,
+ Schweigend, die Lippen vor Zorn: denn Spott verriethen die Augen
+ Milota's. Jetzt entblt' er das Schwert, und flehte zum Himmel:
+ Ewiger, der du schirmst das Recht, und bestrafest das Unrecht;
+ Auch in der Vorzeit oft in die Hnde der Fhrer des Volkes
+ Gabst dein Rcherschwert, zu vertilgen Israels Gegner,
+ Hre mein Fleh'n, und la' mich jetzt vergelten im Vollma
+ Dem, der, frevelnd an mir, verletzte die Treu' und die Wahrheit,
+ Mich beschimpfend vor allem Volk, da er laut es gebilligt:
+ Heimlich im Zelt sollt' ich ihm huldigen -- schndlicher Trug war's!
+ Mich verachtet das Volk seitdem, und die jammernde Mutter
+ Meiner Erzeugten weis't die unschuldigen Opfer des Truges
+ Mir, im verzweifelnden Schmerz.
+ O, gib mir den Sieg in dem Kampf jetzt!
+ Ihr, so rief er den Feldherrn laut, erhebet die Banner
+ Eurer geordneten Schar! Wir ziehen noch heute nach Thalsbrunn:
+ Dort von dem Weidenbach g'en Wien zu dringen, entschlossen.
+
+ Jene gehorchten sogleich, und gebothen dem Heere den Aufbruch.
+ All' die geordneten Reihen hinab ertnte das Rufen
+ Tausender: Auf! In den Kampf! Wir geh'n den Feinden entgegen.
+ Trommeln rasselten dumpf, und das Schmettern eh'rner Drometen
+ Scholl aus dem Waffen-Geklirr mit dem Wiehern unbndiger Rosse.
+ Bald schwand rings die wandernde Stadt der Gezelt' aus den Fluren,
+ Und die unendliche Wagenburg nachfolgte der Heer'smacht
+ Langsamen Schritts, von dem Lastvieh fort auf der Strae gezogen.
+ Siehe, in drei Heersulen ging des gewaltigen Knigs
+ Furchtbare Macht jetzt vor! Er hemmte sein Ro an dem Heerweg;
+ Sah die Tausende zieh'n, und heischte von Diesem und Jenem,
+ Schnelleren Gang mit erhobener, oft schrittweisender Rechten.
+ Lobkowitz fhrt' in dem Vorderzug die bhmischen Reiter;
+ Mhrens Volk, das muthig zu Fu anstrmt in der Feldschlacht,
+ Milota, der in der Mitt' einher vor den Reussen, den Meinern,
+ Und den Thringern zog. Doch Czernin lenkt' in dem Nachzug
+ Sachsens reisiges Volk, dem rasch die Mannen der Kunring',
+ Und die Bayern zugleich voreileten, frhlichen Muthes.
+ Als das geordnete Heer aufbrach, da schlo mit Gefolg auch
+ Ottgar sich, hinbrtend, ihm an. Der tapfere Wallstein
+ Ritt ihm zur Seit' -- auch er versunken in dstere Schwermuth:
+ Denn nicht brachte der Tag ihm Gewinn; nicht die schnere Hoffnung
+ Blht' ihm darum, weil er sie dem Gegner entri auf der Turnbahn.
+ Ach, sie stand ihm zu hoch, des Knigs Erzeugte! Nicht wagt' er,
+ Ihm zu erffnen das Herz, obgleich er liebend an ihm hing.
+
+ Jetzo schwand das hg'lige Matz zur Rechten, und Angerns
+ Weidenreiches Gefild zur Linken dem Heere vorber.
+ Ottgars Blick hing starr an der March, die rauschend hinunter,
+ G'en Marcheck und Kressenbrunn die dunkelen Fluthen
+ Wlzte. Der herrlichen Zeit errungenen Ruhmes gedacht' er
+ Jetzo mit pochender Brust, und sprach zu dem sinnenden Jngling:
+ Eilt nicht der Strom, wie die Zeit, in ewigwechselndem Lauf fort?
+ Bald erglnzt er im sonnigen Licht, bald wogt er im Sturmhauch,
+ Trbaufschumend, umher: sein voriger Reiz ist entschwunden.
+ Siehe, wie dster die March jetzt fliet,
+ und wie herrlich erschien sie
+ Dort an dem Tage von Kressenbrunn,[1] wo im Siegesgefild mir
+ Ungerns Macht erlag, die Bela, der tapfere Knig,
+ Zahllos, wie der Heuschrecken Heer', uns entgegengefhrt hat!
+ Jenem Siegestag zur Erinnerung grndet' ich dankbar
+ Dann Marcheck, die blhende Stadt, am Gestade des Flusses.
+ Ha, dort scholl mir die Stimme des Glcks in dem Sieges-Gefild noch,
+ Und ich folgt' ihr beherzt! Vielleicht erschallt sie mir nimmer.
+ So ist des Menschen Geschick, des sterblichen, hier auf des Lebens
+ Pilgerpfad' empor zu schieen, voll ppigen Wuchses;
+ Doch gestellt ist das Ma, und er schrumpft dann wieder zusammen,
+ Wie die thrmend' Eich', die ihr Haupt in die Lfte gehoben,
+ Nun zu Moder zerfllt: die, ach, Jahrhunderten trotzte,
+ Liegt in dem Staub! So schreiten auch Reich' und gewaltige Vlker
+ Pltzlich wieder zurck von den kaum errungenen Hhen,
+ Und mir ahnet es fast, ich hab' sie errungen: zum Abend
+ Neigt sich mein Strahlengestirn, und bald versinkt es in Nachtgrau'n.
+ Das sey ferne, so rief den schwrmerischtrben Gedanken
+ Sich entreiend mit Macht, der feurige Jngling, das Dunkel
+ Kennt dein Glcksgestirn nicht mehr: erst jetzo beginne
+ Solches den schneren Lauf zu des Ruhms hellleuchtender Sonne!
+ Fllt der Kaiser besiegt, und das soll er! dann ist die Welt dir
+ Unterthan. Wie dort nach dem herrlichen Sieg' im Triumphzug
+ Du hinfhrtest dein Volk an Italiens Grnze:[2] so winkt jetzt,
+ Ueber sie hin dein Siegespfad. Weltherrschend, erffnet
+ Roma dir die Thor', und erblickt die Krone der Kaiser
+ Schimmernd auf deinem Haupt, die Carol der Groe getragen.
+ Stark bist du, und noch strker, so dir ein tapferer Eidam--
+ Doch nicht aus Rudolphs Stamm, den du geziemend verschmhtest,
+ Sich in dem Schlachtfeld eint, als Gatte der himmlischen Hedwig!
+
+ Ottgar schwieg, und das Heer zog weiter in tuschender Stille,
+ Wie er gebothen zuvor. Doch sieh', aus den nchtlichen Wolken
+ Senkte sich Arpad[3] jetzt in Eile herunter! Ein Vater
+ Ward er genannt dem Magyaren-Volk', und aus seinem Geschlecht her
+ Sprote der Segenszweig: der erste, der heilige Knig
+ Ungerns, der, sein Volk auf des Heilands Pfade geleitend,
+ Ihm der Menschlichkeit beglckende Recht', und der Sitten
+ Mildere Form kund gab, auch Gesetz' ihm schenkte zur Wohlfahrt.
+ Arpad, schauend den Kun, im Rohrgefilde verborgen,
+ Sann alsbald nur Thaten des Muths, und er nahete pfeilschnell
+ Ladislav, dem Knige, der, entschlummert im Zeltraum
+ Lag auf dem Brenfell' im grasumwucherten Aufeld;
+ Beugte sich ber ihn hin, und prete den Mund auf den Mund ihm
+ So, da er ngstlich sich wand, und sthnete, bis er die Augen
+ Aufschlug, schrie, und im finsteren Zelt', entrstet, umher sah.
+ Arpad haucht' ihm Muth in die Brust mit dem Seelengelispel:
+ Also bezwungen vom Schlaf, dehnst du die blhenden Glieder,
+ Eingelullt vom Gesang kumanischer Frau'n und der Zither
+ Sanftem Getn? Wach' auf, du Weichlicher! Denke der Ahnen
+ Weitgefeierten Heldenruhms, und des feurigen Muthes,
+ Der sie beseelte beim Klang des furchtbarbrllenden Rindhorns,
+ Wenn die Feinde sich trafen im Feld', und der Wrgenden Ruf scholl.
+ Wachen mu dort stets fr alle der Herrscher, und rastlos
+ Walten bei Tag und bei Nacht, in gefahrumdruender Kriegszeit.
+ Horch dem Gewirr! Schon zieht der Bhm' in tuschender Stille
+ Eilig die Strae hinab g'en Thalsbrunn, dort in des Lagers
+ Weitumkreisendem Raum, von dem Rasenwall' und dem Graben
+ Mchtig geschirmt, dem Feinde sich rasch entgegen zu werfen.
+ Zahllos regten sich dort viel' Tag' und Nchte die Grber,
+ Die er entboth in dem Land' umher voll schrecklicher Drohung;
+ Doch im Rcken des eilenden Heers, nichts Arges vermuthend,
+ Kommt mit schwachem Gefolg' auch der Knig vorber, und langsam
+ Folgt ihm die Wagenburg: d'rum schnell an das muthige Werk jetzt!
+ Sende hinaus in den Hinterhalt der bewhrtesten Reiter
+ Tausend, die, verborgen im trocknen Gerhr', an dem Heerweg
+ Harren, bis Ottgar naht: gleich weit entfernt von den Scharen
+ Und von der Wagenburg; dann all', im sausenden Eilflug,
+ All' auf ihn los, und erhascht ihr ihn,
+ schnell in Geschrei und Getmmel
+ Wieder zurck in das Lager gejagt mit dem werthen Gefang'nen.
+ So beginne den Kampf, ein Sieger, zur Freude dem Kaiser--
+ Dir, und dem Vaterlande zum Ruhm, dem Lande der Helden!
+ Sagt' es mit lispelndem Laut. Da trat ein Kun in das Zelt ein,
+ Athemberaubt vor Hast, und verkndete: da auf dem Heerweg
+ Zahllos, Schar auf Schar, der Bhme vorbergezogen.
+ Feuriger hauchte der Geist, da er sprach, dem horchenden Knig
+ Noch in die Seele den khnen Entschlu. Sieh', eilig erhob er
+ D'rauf sich vom Lager, und rief nach dem tapferen Fhrer der Kunen,
+ Kaduscha, der, von Gestalt nur klein, und hlich von Anseh'n,
+ Doch unbndiger Kraft, und flammenschnaubenden Muths war.
+ Eile, so sprach er zu ihm, mit tausend erlesenen Reitern
+ Bis an den Rand des Gerhres hinaus, und harre mit Vorsicht
+ Dort in dem Hinterhalt, bis Ottgar selber dir nah' ist:
+ Weit getrennt von der Wagenburg, und den eilenden Scharen;
+ Dann im Fluge hinaus, zu erhaschen den Herrscher der Bhmen!
+ Fnfzig Rosse sind dein, und zehn goldschimmernde Sttel,
+ Auch der Waffenschmuck des Kniges, kehrst du als Sieger.
+ Ich vernahm es, entgegnete stolz der muthige Feldherr,
+ Als er das Ro bestieg. Er jagte mit tausend Erwhlten
+ Bis an den Saum des Gerhres hinaus, und warf sich, des Knigs
+ Harrend, in's Gras. Wie in dunkeler Nacht der schreckliche Rohrwolf
+ Lauscht an der Trift, und dort auf die Hinterfe gesunken,
+ Winselnd vor Gier nach Blut, mit glhenden Augen umherschaut:
+ Ob nicht der Rinder Schar vorber wandere, grasend?
+ So der Kune dahier. Doch sieh', bald wogten des Feindes
+ Reihen vorbei, und im Zwischenraum, nichts Arges vermuthend,
+ Naht' auch Ottgar jetzt, als Kaduscha, sich in den Sattel
+ Hebend, den Kunen zu strmen geboth. Vor dem wilden Getmmel
+ Klirrender Waffen, und brausender Ross', und der strmenden Krieger
+ Lautem Gejauchz' erbebte die Nacht, und des Knigs Geleitschar
+ Starrte vor Angst: denn schnell, weit vorgebeugt aus dem Sattel,
+ Schwingend mit wildem Gebrll den krummgehmmerten Sbel,
+ Jagten die Kunen heran, und drohten ihm Tod und Verderben.
+ Wallstein rief alsbald dem Gefolg': O, schliet um den Herrscher
+ Einen ehernen Kreis mit der Brust, und fielen im Kampf wir
+ Alle zugleich, nur sey des Herrn Gesalbter errettet!
+ Aber nicht sumten die Tapferen: denn dreihundert aus Bhmen,
+ Bayern, und Sachsen, erwhlt zum Geleit', umringten den Knig
+ Schirmend, und kehrten die Brust nach dem Feind,
+ der, hnlich dem Sturmwind,
+ Naher und naher im Flug, herbraust' auf dem staubenden Heerweg.
+
+ Kaduscha hieb der erst' in den Kreis des khnen Gefolgs ein.
+ Er zerschmetterte schnell zwei muthigen Bayern, von Trings
+ Mannen, die Stirn', und erhob sein Eisen, noch frder zu wthen.
+ Tring, der edele Ritter, der, ausziehend aus Seefelds
+ Ragender Burg, dort sieben unmndige Kinder zurcklie:
+ Denn ihm raubte der Tod erst jngst die treffliche Hausfrau,
+ Senkte den Speer auf den Wthenden; ritt rasch an, und durchstie ihm
+ Also die Rechte, da ihr alsbald entschlpfte der Sbel.
+ Jetzo hatt' er gercht die Ermordeten; aber es barg sich
+ Jener sogleich im Gedrng', und rief nach dem Fhrer des Volkes,
+ Zobor, ihm vertrauend des Kampfs entscheidende Leitung--
+ Ihm, dem Riesen an Kraft: er lockte den grimmigen Bren
+ Aus der Hhle heraus, und erwrgte ihn, ringend, am Boden.
+ Seitwrts drang er auf Tring ein, der, schnaubend vor Rachgier
+ Reiter auf Reiter herab aus dem Sattel warf mit dem Speerschaft.
+ Vier' erwrgt' er schon: da stie ihm die Spitze des Eisens
+ Zobor tief in's Genick', als er nach dem Gegner sich beugte.
+ Tring sank in den Staub, und hauchte den muthigen Geist aus.
+ Ach, und die Amme fhrt, wie die liebvollsorgende Mutter,
+ Jeglichen Morgen die Kinder heraus auf die Zinnen der Felsburg;
+ Zeigt dort allen den Weg, den jngst der Vater gezogen,
+ Und euch allen, so sprach sie,
+ ein schnes Geschenk aus der Hauptstadt
+ Heimbringt, so ihr euch fromm und gut, wie er's heischte, benehmet.
+ Doch nicht kehret er heim; sein harren die Kinder vergeblich:
+ Denn er liegt getdtet im Staub! So fielen noch hundert,
+ Unter der wrgenden Faust der Kunen, gebndigte Krieger,
+ Und Verderben umgab stets nher und nher den Knig.
+ Wie wenn nchtlich im Wald' ein wandernder Fleischer, von Rubern
+ Angefallen, mit tapferem Muth' sich wehrt, und der Gegner
+ Manchen erlegt; doch wre noch all sein Mhen vergeblich,
+ So das menschengetreueste Thier ihm nicht fest an den Seiten
+ Kmpfte: sein mchtiger Hund, der rasch im Kreise sich wendend,
+ Diesem die Kehle durchhaut mit den tdlichen Zhnen; den andern
+ Niederreit am Genick', und, wrgend, nicht ruhet, nicht rastet,
+ Bis er errettet schaut den Gebiether: so stritt fr das Leben
+ Ottgars, hufend die Leichen umher, der tapfere Wallstein.
+ Doch, als jetzt die Gefahr ihm noch gewaltiger drohte,
+ Schrie er ihm zu: Mir nach, mein Knig und Herr! und er bahnte
+ Sich mit dem sausenden Stahl durch Feindeshaufen den Blutpfad.
+ Ottgar folgt' ihm beherzt, und hieb die Umstrmenden nieder.
+ Ha, nach entsetzlichem Mord und Gewrg, durchhau'n, und gesprengt war
+ Endlich der Todesring, und ihm entrannen die beiden,
+ Brausenden Flugs, auf dem Heerweg fort! Im nchtlichen Dunkel
+ Schwanden sie bald aus den Augen der weitnachfolgenden Gegner;
+ Doch die kehrten zurck', und des Knigs treue Geleitschar
+ Fiel nach tapferer Gegenwehr (denn Keiner ergab sich)
+ Hier erschlagen im Kampf mit den herzblutdrstenden Kunen.
+ Ach, wie grausam wtheten jetzt die Schrecklichen: hauend
+ Allen das Haupt von dem Rumpf', und es dann auf die Spitze des Sbels
+ Pflanzend, zogen sie heim, siegtrunken und rachegesttigt:
+ Denn sie sahen zuvor wohl doppelt die Zahl der Gefhrten
+ Hingestreckt im Staub', und erwrgt von den tapferen Feinden.
+
+ Fort, und fort im Galopp war Ottgar schon in des Heeres
+ Nhe gelangt; nur die Hh'n von Prottes, dem ruhigen Drfchen,
+ Lagen noch, trennend, vor ihm, und hinter den eilenden Scharen.
+ Milota trabte die Hhen herab. Mit ngstlicher Sorgfalt
+ Forschte sein Auge zuvor nach dem Knig: er hatt' ihn dem Tod schon
+ Lange geweiht, und harrete nur des ersehneten Tages,
+ Wo er nach Rache die Gier an ihm sttigte, schrecklich und furchtbar!
+ D'rum verlor er ihn nie aus den Augen, und so, wie der Kater,
+ Grausamer Lust, freigibt das erst gefangene Muschen:
+ Da folgt ihm sein glhender Blick, und will es entrinnen,
+ Streckt er sogleich ihm nach die klau'nbewaffneten Pfoten--
+ Reit es zurck in den Todes-Kreis, und weidet die Augen
+ So an dem armen, voll Grimms: nicht anders verfolgten die Augen
+ Milota's Ottgarn stets, der Rach' ihn zu opfern, entschlossen.
+ Jetzo gewahrend: er sey's, begann er von weitem zu rufen:
+ Wahrlich, du wagtest viel, mein Knig, so fern dich zu halten
+ Von dem schnellvoreilenden Heer! Wer so die Gefahr sucht,
+ Wandelt auf glattem Gerll', an des Abgrunds schwindligem Rand hin:
+ Denn in den Auen der March droht uns der schrecklichen Kunen
+ Leis'umsphendes Volk: du warst die erwnschteste Beut' ihm,
+ So es dich traf. Doch sprich, wo weilt dein Reitergefolg noch?
+ Mein Gefolg ist todt, entgegnete jener, gefallen
+ Unter des Feindes wrgender Faust. Dem tapferen Jngling
+ Hier verdank' ich das Leben allein; stets hielt er im Leben
+ Treulich an mir; er sey, wie ein Sohn, mir geliebt in der Zukunft.
+ D'rauf hinbeugt' er nach Wallstein sich von dem Sattel; er kt' ihn
+ Auf die glhende Stirn, und drckt' ihm die Rechte noch freundlich.
+ Jener, mit Freudenthrnen im Blick', erwiederte, hebend
+ Ottgars Hand an den Mund, der Liebe beglckendes Zeichen.
+ Pltzlich sah er im Geist der wahnsinngenhreten Hoffnung
+ Truggestalt in der Wirklichkeit, hellschimmernden Glanzes,
+ Ihm genaht, und gestillt des Herzens unendliche Sehnsucht.
+ Wehe, da Drahomira so nah' ihm war in des Nachtgrau'ns
+ Schrecklicher Stund', und stets auflauerte, da sie, verderbend
+ Ihn, sich rche zugleich an Ottgarn, hllischer Lust voll!
+ Hufesgerassel erscholl: denn Milota's Reitergeschwader
+ Jagte heran. Sie schrie ihm ins Ohr: Der Feind ist im Anzug!
+ Ha, der Feind! rief Milota laut, und in wilder Verwirrung
+ Jagt' er nach Ebenthal, woher sie gekommen, das Ro hin.
+ Ottgar folgt' ihm schnell; nur Wallstein hemmte den Lufer
+ Oft: um den Knig besorgt, und fr ihn zu sterben, entschlossen.
+ Aber ihm duchte das nahe Gebirg, und drben das Blachfeld
+ Jenes von Ebenthal an der freundlichen Burg, wo er seicher
+ Oft sich erging, des Weidwerks Lust ergeben im Feld' auch.
+ Ottgar hrete jetzt den Ruf des warnenden Jnglings;
+ Tobte vor Zorn, und sprach zu Milota grimmigen Blickes:
+ Hat dich mein bses Geschick mir entgegengefhrt an dem Kreuzweg,
+ Wo in dem nchtlichen Grau'n nur menschenfeindliche Geister
+ Hausen, da du dem Heer mich entrckst, und verleitest zum Irrgang?
+ Wahrlich, der Himmel straft heut Nacht die Vergehungen alle,
+ Die mich erniedrigten einst auf des Lebens verlockenden Bahnen!
+ Fort, g'en Stillfried jetzt, wo die Wagenburg und der Nachhuth
+ Tapfere Schar mich schirmt, bis wir dem Heere vereint sind!
+
+ Finster umhllete noch das Gewlk den nchtlichen Himmel;
+ Noch aufri der entfliehende Blitz zuweilen die Lieder,
+ Zrnend, und sah mit feurigem Blick aus Osten herber.
+ Bergan hob sich der Weg, und Milota sagte, verhhnend,
+ Als die Ross', oft zgernden Gang's, aufschritten den Bergpfad:
+ Hoffst du, Herr! vor des Ewigen Richterstuhle so leicht dich
+ Abzufinden dereinst mit dem schreckengersteten Engel,
+ Der dein Blatt dir weis't in dem Buche des Lebens und Todes?
+ Whnst noch gar, du habest gebt fr Alles und Jedes,
+ Was du verbt seither, schon heut' im nchtlichen Irr-Ritt?
+ Grauses vernahm mein Ohr. Ist's Wahrheit, oder nur Tuschung,
+ Was die Sag' uns gab von dem blutbesudelten Handel
+ Dort? Da die Ost- und die steyrische-Mark dir bleibe zu Eigen,
+ Hast du Schtze gesandt nach Wlschland -- heimlich verbndet
+ Rom und Neapel dir, und Konradin, Friedrich von Oestreich[4]
+ Hingeopfert des Henkers Schwert, die blhenden Frsten?
+ Hast nicht Erbarmen gebt, als d'rauf die Mutter des letztern,
+ Gertrud,[5] sanften Gemths, aus dem Erbe der Vter vertrieben,
+ Fliehen hie dein Wthrich fort in strmischer Nachtzeit?
+ Bist du rein von Schuld an dem Tod der verstoenen Gattinn,
+ Margareth?[6] Ward der edele Herr und Ritter von Meiau
+ Nicht in unwrdiger Haft von dir verbrannt in dem Schlothurm?[7]
+ Nicht die Heldenschar, von dem Pettau'r,[8] niedrigen Herzens,
+ Angeschwrzt, jahrlang' in schmhlichen Banden gehalten--
+ Ihrer gewaltigen Vesten beraubt? Sieh' dort auf dem Hgel
+ Drben den Rabenstein: wie im Wind sich die drren Gerippe
+ Dreh'n nun hin, nun her, und im Schwung lautchzen die Ketten!
+ Hu, aufstrubt sich mein Haar -- und dennoch lieber gehenkt dort,
+ Als da ich bte, wie du, an dem Merenberger[9] den Frevel!
+ Aber horch! Da er nun, das Haupt an die Fe gebunden,
+ Zweimal den Morgen und Abend sah, in schrecklichen Qualen
+ Hngend am Rabenstein, war nur der geschndeten Schwester
+ Bild -- geschndet von dir, vor seinem Gemthe! Dir flucht' er,
+ Eh' er starb, durchbohrt von einem der wilden Szupanen.
+ Wie, du erschrickst? Nein, frchte nichts, Herr!
+ Da ich jetzo der Tochter,[10]
+ Meines geliebtesten Kindes, gedacht, nicht verdenk' es dem Vater,
+ Der nicht weinen mehr kann um sie, die schndlich verfhrt ward.
+ Ihre die Schuld, der Metze: sie gab sich wohl selber der Schmach hin!
+
+ Ottgar schlug sich die Brust, und wimmerte: Vater, Verzeihung;
+ Mein ist die Schuld allein: den Himmlischen glich sie an Reinheit!
+ So? -- sprach dann mit gedehnetem Laut der entsetzliche Vater.
+ Ottgar sthnte vor Angst, da es jener vernahm; mit den Zhnen
+ Knirscht' er; sah empor, und rief mit ersterbender Stimme:
+ Milota, sieh', wie es ber den armen Sndern erblitzet!
+ Sagt' es, und sttzte das Haupt, vergehend, auf Milota's Schulter.
+ Jetzt in der geistverzckenden Zeit todhnlicher Ohnmacht
+ Sah, wie entkrpert, er dort an dem Rabenstein, Drahomira
+ Schweben umher, und oft hellstrahlen von rthlichen Flammen.
+ Ihr nachfolgten zum Dienst drei Migestalten der Hlle
+ So, da der Halbentseelte noch zuckt', und bebte vor Schrecken,
+ Als er die Furchtbar'n sah. Aus schwarzumhllendem Schleier
+ Starrten mit weitgeffnetem Aug' todblasse Gesichter,
+ Und ihr Leib, durchblinkt von der Flammengestalt Drahomira's,
+ Flo, wie ein Trauerflor, hinaus in das finstere Nachtgrau'n.
+ Doch, nach dem Wink der Gebietherinn, auf,
+ und hinunter sich schwingend
+ Dicht an dem Rabenstein, wie der Mauerspecht am Gemuer,
+ Der mit klglichem Ruf nach Gewrm' und Kferchen sphet,
+ Nagten sie dort ein Giftgewchs und das Moos mit den Zhnen
+ Ab von dem Stein und Gehlz, und schwebten hinab auf den Heerweg.
+ (Zwischen Ottgar hier, und Milota -- aber vor Wallstein
+ Dort, der zgernd folgt': in tuschende Trume versunken
+ Knftigen Glcks) und hauchten zugleich auf die Erde den Unrath.
+ Doch Drahomira kam, vorhaltend in glhender Rechten
+ Einen Becher, in dem verderbliche Sfte von Krutern
+ Ghreten: erst entpret dem Eisenhtchen und Schierling,
+ Dann Tollkirschensfte vermengt, der pltzlich des Menschen
+ Sinne verwirrt. Sie go mit zaubergewaltigen Worten,
+ Vor den Drei'n, die sie nachmurmelten, wie aus der Felskluft
+ Grimmvoll murrt ein Drach', das Gift auf den furchtbaren Unrath
+ Aus; zertrmmerte schnell den Becher auf ihm, und erhob sich
+ Dann im Weh'ausruf des Hllengefolg's in den Luftraum.
+ Alsbald schwamm ein blulicher Duft, des giftigen Pfuhles
+ Nebel gleich, umher: dem nahenden Jngling zum Falle
+ Hingebannt von der Macht Drahomira's, des schrecklichen Weibes.
+
+ Ha, schon naht' er heran! Noch brannte der glhende Ku ihm
+ Auf der Stirn'; noch scholl in das Ohr ihm der schmeichelnde Zuruf
+ Ottgars: Da er ein Sohn ihm sey -- dem liebenden Vater.
+ Wie, ein Sohn? Dann ... ja, wenn Hedwig die Rechte mir reichet!
+ Himmlische Hoffnung! Rief's; da bumte schnaubend sein Reitro
+ Dort an der furchtbarn Stelle sich auf. Ihn duchte der Wehruf,
+ Den er jetzo vernahm, aufhorchend mit pochendem Herzen,
+ Hedwigs Stimm': alsbald vorspornend den hurtigen Lufer,
+ Stand er gebannt in dem Zauberkreis', und urpltzlich, so whnt' er,
+ Ward ihm zur Gegenwart die nimmergeahnete Zukunft.
+ Hochbeglckt hielt er die Ersehnete jetzt in den Armen:
+ Ihm schwand Himmel und Erde dahin! Doch flatterte blitzschnell
+ Weiter der tuschende Spuk, da, schnaubend vor Angst und Entsetzen,
+ Nun das Ro fortsprang aus dem Zauberkreise der Hlle.
+ Sthnend sah er zurck, und die Blsse des Todes bedeckte
+ Seine Wangen: ein Traum, so schien es ihm, flchtig entronnen,
+ Wies ihm des Erdenglcks Erwnschtestes. Wehe, nicht schwand jetzt
+ Mehr des Gesehenen Bild aus seinem Gemth'. In den Adern
+ Kocht' ihm das Blut, und im kreisenden Schwung' umgaukelte jenes
+ Rastlos ihn, da er flog, getrieben von hllischem Zauber,
+ Abzufordern die Hand der Knigstochter dem Vater;
+ So zu empren des Herrschers Stolz, und, von diesem gehhnet,
+ Racherfllt, sich selber und ihn zu verderben auf immer.
+
+ Siehe, voll Himmelshuld war ihm sein schtzender Engel
+ Wieder genaht, und rief in sanftverweisenden Lauten:
+ Wie, umsonst ertnte dir erst mein warnender Zuruf?
+ Wehe dir, Jngling, ach, wenn Schuld verdunkelt die Reinheit
+ Deines Gemths! Wie ein Spiegel, noch erst im herrlichsten Lichtglanz
+ Schimmernd, schnell abstirbt, so ihn feuchtannahender Hauch deckt:
+ Also umwlkt es die Schuld. Bald scheint die blhende Schpfung
+ Dir verwelkt, und erstarrt ringsum das regsame Leben:
+ Nichts des Hohen vollfhrest du mehr, von irdischen Banden
+ Niedergehalten. Verzieh'; o denke des Ewigen, reuig;
+ Kehre zurck, und beherrsche mit Kraft die Gelste des Herzens,
+ Da du nicht Schmach dir jetzt durch thrichte Worte bereitest!
+
+ Sagt' es, und schwang sich empor zu dem Vater
+ im Himmel, de' Antlitz
+ Er mit dem Seraph und Cherub schaut fr immer und ewig.
+ Aber der Jngling rief: Ward erst der Seligen Wonne
+ Mir von dem Himmel gewhrt? Vernahm ich jetzo der Hlle
+ Tuschenden Ruf? Nicht wei ich's -- will es nicht wissen;
+ es dreht sich
+ Schwindelnd die Welt um mich her; sie reie mich mit in den Abgrund!
+ Sieh, und er hieb in den Bauch des chzenden Lufers den Sporn ein:
+ Brausenden Sprung's trug fort ihn das Thier,
+ bis er's vor dem Herrscher,
+ Der mit dem Feldherrn, ernst und schweigend die nchtliche Bahn zog,
+ Jetzt festhielt, nach gewaltigem Mh'n: denn wthenden Ingrimms
+ Flog es dahin! Nun sprach mit sanfterheitertem Antlitz,
+ Nach dem Jngling gekehrt, der weitgefrchtete Knig:
+ Wallstein, ha, wo weilst du? Komm, und rette den Vater
+ Dir, dem liebenden Sohn, von diesem entsetzlichen Manne!
+ Milota, fort! Entfleuch! Du warst mir treulich ergeben,
+ Du, des Herrschers Vasall; doch hast du mit blutiger Faust ihm
+ Heut' in dem Herzen gewhlt -- frechlautende Worte gesprochen.
+ Gott ist gerecht. Die Schuld, vergrert von feindlicher Migunst,
+ Mindert vor ihm ein reuiges Herz: er wird's nicht verschmhen!
+ Halte dich knftig entfernt von mir -- auch jetzt in dem Feldzug,
+ Da nicht mein Zorn, erwacht, dich noch verderbend ereile.
+ Jener lchelte grimmig, und rief: Recht hast du gesprochen:
+ Weichen will ich -- im Kampf' entfernt dir stehen; der Tochter
+ Stets gedenken, und flieh'n die Nhe des druenden Herrschers.
+ D'rauf entschwand er im Feld; doch Ottgar sagte dem Jngling:
+ Wallstein, hre mich nun! Stets warst du mir theuer vor Allen
+ Ob des Heldenmuths und der Treue, mit welcher du, liebend,
+ Hingest an mir: doch heut, wie lohn' ich geziemend die Thaten
+ Ewigen Ruhms? Erst rchtest du mich an Rudolphs Erzeugtem;
+ D'rauf hast du mich entrissen der Wuth umdrngender Gegner.
+ Sieh', am kommenden Tag sollst du durch wrdigen Lobspruch
+ Hochverherrlichet steh'n vor meiner versammelten Heersmacht;
+ Auch den Feldherrn dort, als Fhrer des bhmischen Fuvolks,
+ Beigesellt, ein Zeuge der Huld und des Glckes erscheinen!
+
+ Jener entgegnete schnell, von dem Hllenzauber getrieben:
+ Herr! du nanntest mich Sohn zuvor, und ein liebender Vater
+ Willst du mir seyn? Wohlan! Ich rhme mich edlen Geschlechtes,
+ Ja, des edelsten, das in dem Vaterlande genannt ist:
+ Reich an Schtzen und Land, gleich Frstenshnen geachtet!
+ Vater, mein hchstes, mein einziges Glck harrt deiner Entscheidung!
+ Gib mir Hedwigs Hand, des angebetheten Fruleins:
+ Dann wird berschwenglicher Lohn mir zu Theil, und ein Eidam
+ Steht dir dankbar bereit -- fr dich zu sterben, entschlossen,
+ Tapferen Muth's im Feld', ein mchtiger Schirmer des Thrones,
+ Den du zierest, und Wenzeslav, dem Erzeugten, vererbest.
+ Hrst du mich nicht: dann fort an die fernsten Grnzen des Weltmeers;
+ Dann aus dem Leben fort, dann whle dir treuere Diener!
+ Tod und Hlle! so rief entrstet der Knig, wie ward mir
+ Heut das Geschick, Wahnsinnigen hier zum Spotte zu dienen?
+ O Verblendeter! Wie? so tuschest du frech und verwegen,
+ Meine Hoffnungen all', auf dich gegrndet, und trotzest
+ Auf die erworbene Herrscherhuld? Du erkhnst dich um Ottgars
+ Tochter zu frei'n -- um Hedwig, nach welcher sich Knige sehnten?
+ Schwind' aus dem Glanz der Sonn', aufdmmernder Stern, und durchlaufe
+ Fern mit jenen die dunkele Bahn, die selber dir gleichen!
+ Ehren sollte des Knigs Ruf dich am kommenden Morgen?
+ Sieh', ich schlage dich jetzt --
+ doch, wiss' es, Bube, zur Schmach nur:
+ Da du gedenkest hinfort, wie frech du ihn eben gehhnt hast!
+ Rief's, von der Hfte sich reiend das Schwert.
+ Er schlug mit der Kling' ihn,
+ Wthend, ber den Helm, und jagte hinber zur Heersmacht,
+ Der er genaht, in des Morgenroths erglhendem Lichtstrahl.
+ Wallstein zog bei dem Schlag schon halb aus der Scheide das Eisen,
+ Hielt's so, fest umspannt, hinbrtend, die Augen zum Boden
+ Heftend, erblat, und starrete noch mit entsetzlichen Blicken
+ Lang' um sich her; dann stie er das Eisen zurck, und verlor sich
+ Von dem Pfad seitab, in des Hains umschattendem Dunkel.
+
+
+
+
+ Sechster Gesang.
+
+
+ Sieh', im rosigen Duft versank die glhende Sonne
+ Hinter dem fernen Gebirg; die Nacht umschleierte ringsum
+ Schon die Gefild', als jetzo von Neuburg her an der Donau,
+ Czernin khn vordrang mit tausend tapferen Bhmen,
+ Die er, unferne dem Bisamberg, in rumigen Fhren
+ Uebergesetzt, nach Waldrams Wink, des frechen Emprers.
+ Dort in verengender Schlucht, die am Fue des Kahlen- und Leupold-
+ Berges ein Drfchen birgt in gebschumhllender Bergschlucht,
+ Lagen die Bhmen im schlauen Versteck, sich Reiter von Oestreich
+ Rhmend, und hielten das Volk in den Htten fest, nach des Krieges
+ Eisernem Brauch, da kein Verrther dem Feinde zum Dienst sey.
+ Doch als jetzo der Mitternacht ersehneter Zeitraum
+ Nah' war, brachen sie auf, und schlichen am Ufer der Donau
+ Leise hinab, den Fchsen gleich, die so den Gehften
+ Nah'n, aus den Stllen umher, raschwrgend, die Beute zu holen.
+ Als sie Nudorf links, durch freundliche Traubengelnder
+ Wandernd, und d'rauf rechts Heiligenstadt, und Dbling erblickten,
+ Lenkten sie wieder behend zu dem lautaufrauschenden Strom ein,
+ Bis sie erreichten den Weidenhain unferne der Steinwehr,
+ Welche das Neuthor schirmt, und harrten, im Dickicht verborgen,
+ Dort des verheienen Winks, durch List zu erringen die Festung.
+
+ Doch nun klirrten des Thors gewaltige Riegel, und Czernin
+ Whnte: verrathen sey dem Feinde sein khnes Beginnen.
+ Weniges sprach er nur: der Schweigende hie er den Kriegern;
+ Aber das Wenige sprach er mit Kraft; so rief er auch jetzo:
+ Mnner, fasset das Schwert! Wir wollen dem Feinde das Leben
+ Theuer verkaufen im Handgemeng': ein schrecklicher Kampf sey's!
+ Siehe, da ritt aus dem Thor, das aufflog, brausend ein Ritter
+ Nher, und jagte dem Haine vorbei. Ihm folgte der Knappe.
+ Hartmann, Wiens erlesener Hort, verlie mit dem Treuen
+ Eben die Mauern der Burg: er war's, der nher gesprengt kam.
+ Alsbald wre der Feind ihm hier in den Rcken gefallen:
+ Ihn, der Rettung bedacht, zu erlegen zugleich mit dem Knappen;
+ Aber es schwang sich Marbod jetzt aus dem finsteren Luftraum,
+ Hastig an Czernins Seit', und hemmt' ihn mit tuschenden Worten:
+ Czernin, halte die Krieger zurck, nicht siehst du den Feind hier,
+ Sondern die Freund', entsandt durch Rdiger, da sie im Rundgang
+ Zieh'n an der Vest' umher, und erforschen: ob nicht die Gegner
+ Euerer Macht, auflauernden Blicks, entgegen sich stellen?
+ Bald ist die Runde vollbracht, euch ffnet sich leise das Neuthor.
+ Sagt' es, voll Hast; dann flog er dem Jnglinge nach, und begann so:
+ Hartmann, kehre zurck! In dem Hinterhalte verborgen,
+ Lauert dir, mit Verrthern im Bund, der listige Feind auf.
+ Kehre durchs Schottenthor in die Burg, und beschirme die Festung,
+ Dir von dem Herrscher vertraut mit wichtigem Worte: gehorch' ihm!
+ Aber der Eilende sprach: Mich ducht, ein Hllengeflister
+ Hlt von der Wallerfahrt mich zurck? Ich gehe, zu bethen
+ Auf dem Kahlenberg fr die schwachaufathmende Mutter:
+ Ob nicht Gott sich erbarmt; mein Fleh'n die heilige Jungfrau--
+ Mutter auch sie! voll Huld, dem liebenden Sohn' an das Herz legt,
+ Und das erfllte Gelbd' erringt der Mutter Genesung?
+ Als er es rief, da gab er dem Pferde die Spornen, und brausend
+ Trug es ihn fort im Galopp' auf die Hh'n des umnachteten Berges.
+ Dort, zu dem Kloster gelangt, vertraut' er dem Knappen den Renner;
+ Zog an dem ehernen Pfortenring, und klingelte. Dreimal
+ Scholl in der einsamen Nacht, entlang den finsteren Kreuzgang
+ Hin, der Glocke Getn. Bald klirrte der eiserne Riegel,
+ Von dem Pfrtner getrieben, im Schlo', und in schweigender Ehrfurcht
+ Lie er den Ritter, der Gelobt sey Jesus! ihm rief, ein.
+ Ewig! gab er zurck', und verschlo die Thre mit Sorgfalt:
+ Denn nicht war er ihm fremd; er kannte des Kaisers Erzeugten.
+ Aber er schritt entlang die weitgesonderten Zellen,
+ Die ein freundliches Grtchen schied, die Reihe hinunter,
+ Bis zu dem Fenster des Bruders Ernst, und klopfte, nur halblaut
+ Rufend: Vater, komm! Schon floh die zwlfte der Stunden,
+ Komm, und lese die Messe sogleich in der heiligen Halle,
+ Wo vor dem Kreuz-Bild schon unzhlige Kranke genasen.
+ O, da dein frommes Gebeth uns erflehte die liebende Mutter!
+ Jngling! so rief der Erwachende jetzt, was treibest du rastlos
+ Durch die dunkele Nacht? Der Himmel erhret das Flehen
+ Sterblicher mild bei Tag und Nacht, wenn solches der Seelen
+ Heil' entspricht: stell's heim, wie es kmmt, der ewigen Vorsicht.
+ Sagt' es, erhob sich, und trat aus der nchtlichen Kammer.
+ Er schlief dort
+ Immer im hrnen Gewand': um das Grab sein Lager zu tauschen
+ Jeglichen Augenblick, mit gottergebenem Herzen.
+
+ Schauer durchfuhr den Geist, der schnell dem Ritter gefolgt war,
+ Als er des Bruders bleiches Gesicht, und das Auge, voll Demuth
+ Stets zur Erde geheftet, ersah; die himmlische Weisheit
+ Klar an der Stirn' ihm las, und, vereint abtdtendem Businn
+ Seelenfrieden und Ruh' in seinen erhelleten Zgen
+ Wahrnahm. Dennoch wagt' er es nicht, ihm zu folgen in Gottes
+ Heiligthum; nur entfernt und schchtern sah er hinber,
+ Als er dort vor dem Bild des Gekreuzigten, wrdigbekleidet,
+ Stand in dem hellen Schein sechs strahlender Kerzen: sie ragten
+ Aus den silbernen Leuchtern, geteilt, vom Marmor-Altar auf;
+ Sah, wie ihm diente der Ritter selbst, auf die Kniee gesunken:
+ Jetzt ihm brachte das Buch, und er bethete; jetzo, die Gaben
+ Opfernd, Brot und Wein darreicht'; er Worte des Segens
+ Ueber sie sprach, dann auf zur Anbethung hob, und, in Demuth
+ Klopfend die Brust vorher, geno: ein hehres Geheimni
+ Feiernd. Er staunte noch mehr: wie dort der muthige Jngling
+ Ganz in heiliger Gluth und in herzdurchschauernder Andacht
+ Aufgels't, mit gesenktem Haupt und gefalteten Hnden
+ Bethete; auch den thrnenden Blick von der Erde nicht aufhob,
+ Bis das Opfer vollbracht, und gestillt das sehnende Herz war.
+ Graunvoll stand ihm Odins[1] Altar vor den Augen, und Sclaven
+ Blutend darauf, die, im Kampf gefangen, als Opfer ihm bten.
+ Ach, er prete sie fest in die Flche der Hnde, nicht wagend,
+ Sie jetzt himmelempor zu dem furchtbarn Richter zu heben!
+ Doch schon fhrte der Mnch den Ritter zur Pforte hinber,
+ Schttelt' ihm traulich die Hand, und sagte beklommen zum Abschied:
+ Gottes Friede mit dir! Vollbracht ist die heilige Handlung,
+ Wie du gewnscht. In dem Wink des Ewigen liegt die Genesung,
+ Liegt das Leben, der Tod, und seine Gerichte sind dunkel.
+ La nur walten die Huld: die hier Getrennten vereint sie
+ Jenseits wieder im Glck', im ewigen, wahren, und einen!
+
+ Als er sich wandte, zu geh'n, da ergriff ihm Hartmann die Hand noch,
+ Drckte sie glhend an's Herz, und rief mit thauenden Wimpern:
+ Ernst, nicht lebt dir der Vater mehr, nicht die Mutter:
+ zur Kriegszeit
+ Haben die grausamen Feind', unmenschlich vor Wuth, in der Kammer
+ Beid' erwrgt vor dir, dem scheuverkrochenen Knaben!
+ Nimmer wurdest du froh seitdem, und wohnst in des Klosters
+ Einsamer Zell'. Ach, komm, und sey mir ein Stab auf des Lebens
+ Dunkelem Pfad, mein Lehrer und Freund, und mit dankbarem Herzen
+ Will ich die Freundesliebe dir treu durch Liebe vergelten!
+ Ernst fuhr, schaudernd, zusammen, und rief:
+ Der Freundschaft erwhnst du?
+ Ja, mir ward ein Freund von treuem und redlichem Herzen;
+ Aber er wanderte fort, weit ber das Meer, und nach Jahren
+ Schmerzlicher Trennung -- sieh', drei Schritte von hier, an der Mauer
+ Dort, erkannt' ich den Kehrenden schon: da zuckte der Blitzstrahl
+ Her aus dem Wettergewlk', und todt, und erstarrt in den Armen
+ Hielt ich ihn! Ach, nicht frbten sich mehr, und frben sich nimmer
+ Meine Wangen, vom Schrecken erbleicht, und entsetzlichem Jammer!
+ La mich im Frieden dahier. Geschrzt zur endlichen Wand'rung
+ Hab' ich mein Kleid, und ich halte den Stab bereit in der Rechten,
+ Wann, und wie es dem Himmel gefllt: du thue degleichen
+ Hartmann, eile hinab in die Burg: ich hre der Glocken
+ Strmenden Ruf im Geschrei und Gets' lauttobender Menschen!
+ Jener horchte, bestrzt; dann warf er sich schnell in den Sattel;
+ Spornte sein Ro, und flog, lautathmend, den Wllen entgegen.
+
+ Dort gebar einstweilen die Nacht entsetzliche Thaten.
+ Rdigers horchendem Ohr' entging das warnende Wort nicht,
+ Das erst Hugo zuvor dem Kaiser vertraute. Die Sohlen
+ Fremder Mnner gewahrete bald sein sphender Scharfblick
+ Unten im Felsengang, wo er huft' in Menge die Waffen,
+ Und er sandte den Bothen sogleich an den Knig von Bhmen,
+ Da er ihm eine die Macht. Den Schirmern der Veste zur Tuschung,
+ Wandt' er den Blick von dem Stubenthor nach dem stilleren Neuthor,
+ Wo nur selten erscholl der Futritt wandelnder Menschen,
+ Nie des rollenden Wagens Gets': nur jenen zum Frommen
+ Frher erbaut. Dort sah er das Werk der frechen Emprung
+ Schon gelungen, und harrete nur der verheienen Hlfsschar.
+
+ Jetzt erscholl die Glock' aus den Fenstern des ragenden Kirchthurms,
+ Zwlfmal dumpferdrnend dem Schlag des gewichtigen Hammers,
+ Und ummurrend lang' in dem leis'entschlummerten Luftraum.
+ Alsbald regten im Weidenhain sich die Krieger aus Bhmen--
+ Traten, in Eisen gehllt, und mit schneidenden Lanzen bewaffnet,
+ Aus den Husern hervor die Verschworenen (siebenmal hundert
+ An der Zahl) und entlang den Tiefengraben zum Neuthor
+ Standen die frechen geschart, des Wink's von Rdiger Waldram
+ Harrend. Er zgerte nicht, und kam, und sprach zu dem Amtner:
+ Gnther, muthig an's Werk! Mit Hundert deiner Erwhlten
+ Hin zu der Burg: dort stot mit wrgender Rechte die Wachen
+ Nieder, und wahret das Thor an der Kaiserstiege mit Sorgfalt!
+ Hundert send' ich sogleich in die Runde mit tapferen Fhrern,
+ Die auf den Wllen erwrgen die Huth. Ist solches geschehen,
+ Dann ertne Geschrei; dann reit an den Strngen; der Glocken
+ Sturmruf schalle; das Schlangenhaar aufstrubend, die Augen
+ Drehend vor blutiger Gier, und schwingend die flammende Fackel,
+ Tobe der Aufruhr fort in den Straen, und brlle die Menschen
+ Wach aus dem Schlaf' zum Kampf g'en Rudolphs bebende Sldner!
+ Ottgars harren wir dann: bald kmmt er, und wird ihn zermalmen;
+ Doch, so er siegt'? -- ein Unterpfand ist unser: die Mutter,
+ Und die Tchter zugleich: denn Hartmann eilte von hinnen,
+ Das euch sichere Brgschaft sey ersehnter Verzeihung.
+ Nur mir werde sie nicht. Ha, lieber zum eisigen Nordpol
+ Will ich, ein Bettler zieh'n, als Rudolphs Zepter gehorchen!
+ Kommt; viel lieber den Tod, als solch' unwrdiges Leben!
+ Rief's, emprt, und alsbald eileten jene dem Amtner
+ Nach. So wre die Huth auf den ragenden Mauern erlegen;
+ Doch auf dem Rasenwall an der Burg, wo im Sden des Schneebergs
+ Heitere Stirn' der Wandelnde stets mit Freuden gewahret:
+ Da er ihm so viel sonn'erhellete Tage vorhersagt,
+ Ging, gemessenen Schritts, Bertrand, der tapfere Schweizer,
+ Hthend umher. Als jetzt zum zwlften Mal von dem Kirchthurm
+ Dumpf die Glock' ausklang, von dem eisernen Hammer geschlagen,
+ Sieh', da stand er erstarrt! Ein Schrei -- doch schrecklich zu hren,
+ Scholl ihm vom Mund; sein Haar aufstrubte sich; laut, wie im Fieber,
+ Klapperten ihm die Zhn'. Er sah zwlf Schattengestalten:
+ Hliche Weiber der Stimm', und wankende Greise dem Gang' nach,
+ Kommen, in Leichentcher gehllt, todbleich und den Nacken
+ Altersschwer gebeugt: die _Klag'_ genannt von dem Volk dort,
+ Welche, vereint (sechs hie, und drben so viel') auf der Schulter
+ Trugen die Bahre heran, und sthneten. Aber sie zogen,
+ Sein nicht achtend, vorbei; dann fort, an der Mauer der Hofburg
+ Steilrecht schwebend empor -- fort ber das Dach, und verschwanden
+ Fern in der finsteren Luft mit klglichem, leisem Gewimmer.
+ Weiber, so sagt sich das Volk mit schaudernder Angst in die Ohren,
+ Die auf der irdischen Bahn sich unnennbarem Frevel ergaben,
+ Gingen im mitternchtlichen Zug einher auf dem Erdkreis;
+ Klagten, und chzten, und trgen die Bahr' an der Kammer vorber,
+ Wo, zumal bei den Frsten des Volks -- bei den Mchtigen, Hohen,
+ Bald anklopfet der Tod: sie sterben, und Weinen erschallet.
+
+ Jetzt vernahmen den Schrei die Gefhrten des Kriegers. Sie blten
+ Hurtig das Schwert; erkletterten schnell die ragende Mauer;
+ Schrie'n von fern: Wer da? und fragten zugleich um die Losung.
+ Zwar nicht kam aus dem Mund des Kriegers das heimliche Wort jetzt:
+ Denn noch stand er verstrt, und zitterte; aber sein Hauptmann
+ Sah die nahende Schar bewaffneter Brger: ihm ahnte
+ Schnder Verrath. Alsbald erhob er die mchtige Stimme;
+ Schrie an die Nachbarhuth, und diese der nchsten, und nchsten
+ So, da der Lrmruf rings umtnte die Veste: den Kriegern
+ Nun zum Glck' erregt von dem angstergriffenen Mann dort.
+
+ Als der Ueberfall dem Hort der empreten Brger,
+ Gnther, milang: da mahnt' er sogleich die Seinen zur Rckkehr,
+ Sich mit Rdiger Waldrams Macht zu vereinen am Neuthor.
+ Schon begann er den Kampf. In des weitgewlbeten Thorwegs
+ Mauern sah er die Stub' erhellt, und die Krieger entschlummert.
+ Nur die Wach' allein ging inner dem Thore den gleichen,
+ Ernstgemessenen Schritt herauf und hinab. An die Schulter
+ Hatt' er die Lanze gelehnt, und summte zuweilen ein Liedchen.
+ Schnell, wie der Blitz, flog Rdiger vor, und setzte dem Krieger,
+ Druend, das Schwert auf die Brust, so er schrie,
+ ihn zu tdten, entschlossen.
+ Ach, an dem Zrcher-See lie Wolf in der reinlichen Htte
+ Gattinn und Shnchen zurck: denn kaum entschwand ihm ein Jahr erst
+ Glcklicher Ehe, als ihn zu den Waffen der tapfere Herzog,
+ Albrecht, rief! Er sann, des Kind's und der Gattinn gedenkend,
+ Einen Augenblick; dann dacht' er der Pflicht und der Rettung
+ Seiner Gefhrten: er schrie -- der edelmthige Krieger
+ Schrie, und sank, von Rdigers Schwert durchbohrt, auf den Sand hin.
+
+ Wildes Getmmel erscholl. Hervor aus der dmmernden Wachtstub'
+ Strmten Wolfs Gefhrten, voll Hast, und Rdiger Waldram
+ Hob das blutige Schwert mit gellendem Ruf in die Luft auf.
+ Alsbald trafen sich, im Gemeng, die empreten Brger
+ Und die Krieger zugleich. Wie Nachts von der eichenen Tenne
+ Lautes Gepolter erschallt, wenn emsige Lhner des Weizens
+ Goldene Frucht entdreschen dem Halm: so tnte der Waffen
+ Hmmernder Schlag von dem Schild' und dem Helm der kmpfenden Mnner.
+ Nur Gesthne der Wuth erscholl in den Hallen, und Blut flo
+ Rings in Strmen umher. Die Krieger des Kampfes gebter,
+ Wrgten die grere Zahl; doch so, wie die Stier' auf dem Schauplatz
+ Von unzhligen Rden umstrmt, mit furchtbaren Hrnern
+ Manchen der Feinde, durchbohrt, hinstrecken, und wthend sich wehren,
+ Bis sie zuletzt erliegen der stets ergrimmteren Mehrzahl:
+ Also, nach tapferer Gegenwehr, erlag an dem Neuthor,
+ Ueberwltigt, die Huth von fnfzig tapferen Kriegern.
+ Ha, da flogen sogleich des Thors gewaltige Flgel,
+ Heulend, auf eisernen Angeln entzwei! Mit traulichem Handschlag,
+ Grte die bhmische Schar, die drauen, mit steigender Kampfgier,
+ Harrete, hier das verbndete Volk, und strzte, dem Mhlbach
+ Gleich, der schumender Hast, durch weiterffnete Schleuen
+ Wild herrauscht, in die Stadt, und Rdiger jauchzete laut auf:
+ Eilt zum Kampf, Gefhrten des Siegs! Schon seh' ich erfllet,
+ Was wir sehnlich gehofft: den Sturz des verhaten Geschlechtes.
+ Unser die Stadt, das Volk emprt. Auf, lat uns die Sldner
+ All' erwrgen im Schlaf, die jetzt auch des Fhrers beraubt sind--
+ Hartmanns: denn er floh, feig bebend, zuvor aus der Festung!
+ Schlieet die Flgel sogleich des festeinfugenden Thores,
+ Und erweckt die Bewohner der Stadt zum Kampf der Errettung.
+
+ Czernin jubelte nicht. Frwahr, so sprach er bedeutsam,
+ Viel ist gescheh'n, und mehr, als die Hoffnung verhie zum Beginne:
+ Nahe der Kaiserburg erblitzen die bhmischen Waffen;
+ Aber ich scheue des Glcks und des leicht zu bethrenden Volkes
+ Wankelmuth! Gar mchtig bewegt des herrschenden Stammes
+ Fromme Liebe die Brust: der Zauber, welchem die Herzen
+ Huldigen, kalt vom Erob'rer gekehrt -- nicht selten auf immer.
+ Zwar verheit uns die Schreckensnacht in dem Kampfe den Vortheil;
+ Doch uns bleibe die Thor. Des Rckzugs denke der Feldherr
+ Auch in dem Sieg, sonst gleitet sein Fu auf schlpfrigem Pfad' aus.
+ Sagt' es, und lie an dem Thor zweihundert tapfere Krieger,
+ Sorgend, zurck: Bolest, dem Amtner, die Khnen vertrauend,
+ Der, in dem Felde bewhrt, mit festausdauerndem Kampfmuth
+ Schirmer ihm sey, und dereinst, so es also des Krieges Geschick will,
+ Seinem Volk' es erffne zur heiersehneten Rettung.
+ D'rauf vordrang er zugleich mit Rdigers jauchzenden Scharen:
+ Denn schon hob aus der Stadt unendlicher Lrm und Getmmel
+ Sich in die Luft. Von den Thrmen umher ertnten die Glocken
+ Strmenden Rufs; unzhlige Feuer, mit hastigen Hnden,
+ Rings auf den Zinnen entflammt, erleuchteten schrecklich die Umwelt,
+ Und Gebrlle der Wuth, unsinniger, frecher Emprung,
+ Scholl die drnenden Straen hinab. Da fuhren die Mtter
+ Auf aus dem ruhigen Schlaf', und strzten herbei an das Fenster,
+ Weinten, und rangen die Hnd', umschart von heulenden Kindern.
+ Zitternd stand der Greis an der Thr: sein silbernes Haupthaar
+ Schlug ihm der Wind um die Stirn' und die toderblasseten Wangen--
+ Sah den eilenden Sohn, und schrie, da er kehre, vergeblich.
+ Aber es mehrte die Schar der Verblendeten weniges Volk nur,
+ Das, unstt und heimathlos, in die Veste gekommen
+ Ehedem: treu verharrt' in der Pflicht die bessere Mehrzahl.
+
+ Doch schon trafen, voll Wuth, die Emprer und ihre Genossen
+ Auf das muthige Schweizervolk, das khn im Verein stand.
+ Hartmann! scholl's in der Burg, und Hartmann! rings in den Straen
+ Aengstlich und laut -- umsonst: er weilte noch fern auf den Berghh'n.
+ Da gedachten der Gegenwehr die Obersten: Arnold,
+ Fle, und Hohenried, und stellten die Scharen im Halbmond,
+ Der sein Horn hier rechts, dort links in die Straen hinausschob,
+ Gegen den wildempreten Feind, vor der ragenden Burg auf:
+ Also vor ihr in dem Kampf, pflichttreu, zu sterben entschlossen.
+ Rdiger strmt' auf Hohenried, der vorne die Scharen
+ Ordnete, los, und schrie: Dich, Rudolphs treuen Gesellen,
+ Will ich allen zuvor, als heulenden Bothen, zur Hlle
+ Senden: verknd' es nur dort, da sie folgen,
+ und keiner entrinnt mehr!
+ Rief's, vorschreitend, und jener begann: Gewaltiger Prahler,
+ Wrst du so tapfer, als frech mit der tnenden Zunge: mir wrde,
+ Trau'n, erbangen die Brust; doch komm, und be den Frevel,
+ Den du verbst g'en Treu', und Pflicht, und den heiligen Eidschwur!
+ So wortwechselten sie in dem Augenblick der Entscheidung.
+ Allen zuvor kam Hohenried, den blinkenden Degen
+ Schwingend, und drang grad' aus auf Rdigers pochende Brust ein.
+ Aber er hielt ihm entgegen den Leun, von Silber gestaltet,
+ (Ottgars Lwen zum Ruhm') auf dem Schild von mchtiger Wlbung:
+ Dieser wehrte dem Sto', und der sprdere Stahl, auf des Leu'n Haupt
+ Treffend, brach, wie unbeugsames Glas, mit kreischendem Milaut
+ Mitten entzwei. Da stie, in des Gegners erschtterndem Unfall
+ Khner geworden, ihm Waldram schnell die Spitze des Degens
+ Durch die erhobene Hand, da ihr auch das umklammerte Heft noch,
+ Blutumhllt, entsank -- er wehrlos stand vor dem Gegner.
+ Sieh', er htt' ihn durchbohrt: doch rissen hurtige Krieger
+ Ihn aus umdrngender Todesnoth, und fhrten ihn sorglich
+ Hinter die Reih'n, wo ihm Hlf' und erquickende Pflege zu Theil ward.
+
+ Waldram schrie: Getreue, nun vor! Des Fhrers beraubet,
+ Wanken die Feinde. Hinauf in die Burg, wo, sehnend, die Gattinn
+ Rudolphs harrt mit den Tchtern des Siegs und der frhlichen Heimkehr
+ Ihres Gemahls. Vergeblich harre sie. Eilt, und geleitet
+ Sie in das Kloster Sanct Dorothe'; doch fhret sie sanft hin:
+ Denn sie that uns kein Leid, und nah't, abzehrend, dem Grab schon.
+ Nur dem Herrscher allein, der seither Kaiser sich nannte,
+ Zeiget euch unvershnlich, und schont ihn selbst in dem Tod nicht!
+ Also rasete Waldram hier. Die frechen Emprer
+ Griffen wthender an, und drngten die mittlere Kriegsschar,
+ Ihres Gebiethers beraubt, stets weiter zurck in den Burghof.
+ Czernin spornte sein Ro nun links, nun rechts, und entflammte
+ Laut mit Geschrei sein Volk, in die Feinde zu strmen. Es kmpften
+ Fle dahier, und Arnold dort, voll eisernen Muthes,
+ Gegen ihn an, und zu schwach, der Menge die Spitze zu biethen,
+ Zog sich Fle, im schrggedehneten Zuge, vom rechten
+ Eilig zum linken Horn, um, vereint dem khnen Gefhrten,
+ Arnold, dort zu steh'n, und zu fallen im rhmlichen Kampf nur.
+ Dichtgedrngt in Reih'n, vorhielten die Schweizer die Lanzen
+ Hier dem strmenden, reisigen Volk; die verwundeten Rosse
+ Wtheten -- d'rauf noch mehr mit dem wrgenden Eisen die Reiter
+ So, da das Blut aufwogt', und die starrenden Leichen bewegte:
+ Dennoch wichen nicht hier, nicht dort die erbitterten Gegner.
+
+ Doch von dem Kahlenberg, voreilend dem frstlichen Jngling,
+ Nahete Marbod erst, und sah mit Schrecken des Kaisers
+ Schirmende Burg von der Macht des argen Verrthers gefhrdet.
+ Nicht besann er sich lang', und eilte hinaus nach dem Tabor,
+ Wo der Kaiser im Zelt sanft schlummerte, mitten im Lager
+ Seines erlesenen Heers. Dort fand er auch nahe das Schlafzelt
+ Hugo's, den er erst gestern warnt'. Ihn dacht' er zu wecken,
+ Senkte den Flug rasch hin, und begann im Geistergelispel:
+ Auf, erhebe dich, Greis! Bald schaust du die Flamme des Aufruhrs
+ Leuchten heran von den Thrmen der Stadt, und hrest von dorther
+ Strmenden Glocken-Klang und Gebrll emprter Gesellen.
+ Wie, so schnell vergaest du nun des warnenden Traumes:
+ Lachtest wohl fein? Auf, sume nicht hier zu erwecken den Herrscher!
+ Eben rief auch die Vorhuth schon an dem Rande des Lagers
+ All' das entschlummerte Volk stets lrmender auf zu den Waffen.
+ Aber der Greis erhob sich, voll Hast, und sah in der Wahrheit
+ Jenes erfllt, was ach, nur ein Traum noch gestern ihn dnkte!
+ Eilig trat er sofort zu dem Herrscher, und sagte beklommen:
+ Herr! unglaublich erschien dir vielleicht des trumenden Greises
+ Warnung? Tritt vor das Zelt, und vernimm mit Staunen des Aufruhrs
+ Wuthgeschrei in der Stadt, emprt durch Rdiger Waldram.
+ Willst du's, Herr, so eil' ich mit reisigem Volk vor das Burgthor,
+ Einla heischend, und dmpfe die Gluth, eh' ihr Flammen entfahren!
+ Nein, ich frchte sie nicht, so entgegnete jener, den Auswurf
+ Meines Volks emprte der Rasende nur, und die Bessern
+ Hngen noch redlich an mir. Und wie, ist mein tapferer Sohn nicht
+ Wiens Besatzung ein schirmender Hort? Sind Mutter und Schwestern
+ Ihm nicht ein heiliges Pfand, und es wagten die frechen Emprer,
+ Ungestraft, mit frevelnder Hand an die Theuern zu tasten?
+ Hundert Reiter allein gengen mir, sie zu vernichten.
+ Komm, wir zertreten die Gluth gar leicht im niedrigen Staub noch:
+ Denn ich bau' auf die Hlfe des Herrn und die Liebe des Volkes.
+ Heiter schwang er sich jetzt auf das Ro, und flog mit dem Helden
+ Hugo, im sicher'n Geleit erlesener Reiter zur Stadt hin;
+ Dann an dem Walle herum, bis er endlich des finsteren Burgthors
+ Graben ersah. Dort hemmt' er das Ro, und winkt': ein Drometer
+ Stie in das schmetternde Rohr, und sieh', bald riefen die Krieger,
+ Kletternd herauf an dem Wall': Ist's Hartmann, unser Gebiether?
+ Kommt er, ein Retter, heran in der Stund' entsetzlicher Nothwehr?
+ Lat uns vernehmen des Freundes Ruf, und wir senken das Fallthor!
+ Gott, und das Vaterland! so gab mit gewaltiger Stimme
+ Hugo zurck, ist Freundesruf in dem Lager von Oestreich:
+ Aber nicht Hartmann -- nein, den Kaiser gewahrt ihr als Retter!
+
+ Laut erhob sich ihr Jubelgeschrei; doch nher und nhere
+ Scholl von der Ro-Au her, wo sonst die Rosse der Krieger
+ Weideten, schon das Getrab und das Klirren des Waffengeschmeides
+ Auf in der Nacht. Ach, Hartmann war's! Ihn erkannte der Vater--
+ Ihn, den Vater, der Sohn. Verwirrung, Angst und Entsetzen
+ Faten wechselnd ihn an; nur leis' und furchtsam begann er:
+ Vater, ich ging, auf dem heiligen Berg fr die Mutter zu bethen,
+ Wie ich es jngst verhie der Flehenden: denn nicht entfernt mehr
+ Scheint ihr des Lebens Ziel; doch ach, entsetzlichen Frevel
+ Seh' ich indessen verbt von den Meuterern hier, in dem Zeitraum
+ Einer entflohenen Stund'! Ich rch' ihn, und sollt' ich auch fallen.
+ Aber der Vater schwieg. Erschtternd zu schau'n, wie er vor sich
+ Hinsah, schweigend und ernst. Da flog der unglckliche Jngling
+ Ueber das Thor, das erst mit Gets', auf den Graben gesenkt, fiel,
+ Durch die finsterumwlbende Halle hinaus auf des Burghofs
+ Rumigen Platz. Er sah, wie auf Leichen erschlagener Brder,
+ Rdiger Waldrams siegender Macht, ein tapferes Huflein
+ Muthig entgegenrang, der jetzt, Entsetzliches sinnend,
+ Ueber die Stufen hinauf in die Kammer zu dringen gedachte,
+ Wo die Frstinn sich fand mit den lieblichen Tchtern: entschlossen,
+ Sie mit frevelnder Hand in des Klosters Gewahrsam zu bringen:
+ Denn er whnt' errungen die Burg, und dem bhmischen Lwen
+ Unterthan die Stadt mit Oestreichs herrlichen Fluren.
+
+ Halt, Verruchter! so rief, aus dem Sattel gestiegen, ihm Hartmann
+ Donnernd zu. Er entblte das Schwert, und kam wie ein Rohrwolf,
+ Der in des Winters Frost, vom Hunger getrieben, voll Blutgier,
+ Ein in die nchtlichen Hrden strmt, und die blckenden Lmmer
+ Wrgt mit zerfleischendem Zahn: so kam er in Eile gesprungen.
+ Flammen sprhte sein Aug', und aus seiner erhobenen Rechten
+ Zuckte der Blitz gen Waldram hin; doch als er ihm nahte,
+ Wandte sich dieser, und rief: Ha, du, Verhater vor Allen;
+ Jetzo nur muthig heran: euch all' entsend' ich zur Hlle!
+ Flog, so rufend, ergrimmt, dem Feind' entgegen, und strebte,
+ Sthnend vor Hast, das Schwert in die tapfere Brust ihm zu stoen;
+ Aber er schlug, vorschauenden Blicks, den nahenden Mordstahl
+ Seitwrts; fhrte den Todesstreich; zerschmetterte Waldrams
+ Helmdach tief in die Stirne hinab, und warf ihn entseelt hin.
+ Doch nicht rastet' er noch: er sa blitzschnell in dem Sattel
+ Wieder: erhob das blutige Schwert; ritt glhend vor Mordgier
+ Mitten hinein in die Schar der Emprer, und wthete links, rechts
+ Dort mit wrgender Faust, da Leichen auf Leichen sich huften.
+ Ihres Gebiethers beraubt, und entmuthiget, warfen die andern,
+ Schnell die Waffen von sich, und floh'n, im Verborgenen Rettung
+ Suchend, davon. Die Burg ward frei durch den tapferen Jngling.
+
+ Czernin drngte zuvor die hauptverwaiseten Scharen
+ Arnolds: ihm wichen die Krieger nur Schritt fr Schritt
+ in dem Wuthkampf,
+ Bis zu dem Schottenthore hinab. Sie schlossen sich eng' an
+ Dort vor dem Gotteshaus', und wehrten sich: alle fr Einen,
+ Einer fr alle zu sterben bereit, im rhmlichen Tod nur.
+ Keiner wr' ihm entfloh'n, wenn jetzo nicht, keuchend im Eilflug,
+ Nher der Reisige kam, und schrie: Erschlagen ist Waldram:
+ Denket der Flucht! Er fiel in dem Kampf mit des Kaisers Erzeugtem;
+ Aber er selber, so jubelt das Volk, hlt drauen am Burgthor.
+ Freunde, so rief ihr Hort den Reisigen, Rdiger Waldram
+ Hat uns schnde getuscht; nicht des Kampfes Gefahren -- der Festung
+ Leichten Besitz verhie er uns jngst, da er stolz sich des Antheils
+ Aller Bewohner verma! Mit Recht wohl bt' er den Frevel.
+ Unser, zum Glck, das Thor: nun lat uns gedenken der Rckkehr!
+ Rief's, und den Tiefengraben entlang, zu dem stilleren Neuthor
+ Jagt' er das Ro: ihm nach die Reisigen alle. Die Flgel
+ Theilten sich heulend entzwei, und nicht rastet' er, bis er die Fhren
+ Wieder ersah an dem Ufer der weithinrollenden Donau.
+ Doch nicht fllte den Raum der schwankenden jetzo die Last mehr,
+ Wie zuvor: erwrgt in den Straen der mchtigen Festung
+ Lag die Hlfte des reisigen Volks, das gestern herankam.
+
+ Aber mit Trauer im Blick, obgleich ein Sieger, und Retter
+ In der Gefahr, kam Hartmann jetzt aus dem finsteren Burgthor,
+ Langsam geritten heraus, wo sein der liebende Vater
+ Harrte; trauernd auch er, ob solchem Vergehen des Sohnes.
+ Dieser begann: Verhallt ist der Sturm unsinnigen Aufruhrs:
+ Waldram bte die Schuld: von meinem vernichtenden Eisen
+ Liegt er, durchbohrt, an der Treppe der Burg,
+ die er, frevelnden Fues,
+ Erst zu betreten gewagt; die Verbndeten schtzte die Flucht nur.
+ Dennoch steh' ich vor dir, ein Schuldiger. Soll ich auch ben--
+ Denke des dunkeln Geschicks, das oft auf irdischer Laufbahn
+ Auch die Besseren feindlich ereilt! Nie mg' es dich treffen!
+ Und er senkte das Haupt. Doch Rudolph sah ihn, bewegt, an,
+ Hob die Rechte empor, und sagte mit rhrender Stimme:
+ Treu erflltest du dein Wort, als edeler Ritter,
+ Mildgesinnet, und fromm, der sterbenden Mutter gehorsam;
+ Aber dich sollte die Pflicht mit eiserner Macht an die Festung
+ Bannen: ihr solltest du steh'n ein Hort in druender Kriegszeit,
+ Und ein wehrsamer Schild in der Noth. Wer darf sich erkhnen,
+ Das, was hher ihm schien, vor jener zu whlen nach Willkhr?
+ Herrndienst rief dich hier zu dem Dienste des Herrn, und du fehltest
+ Gegen das gttliche Wort des welterleuchtenden Lehrers.
+ Dein Vergeh'n, unglcklicher Sohn, soll keinem der Krieger
+ Knftig zum Beispiel seyn, zur Ermunterung, Gleiches zu wagen!
+ So wie ich jngst, der Veste zum Schirm, das Schwert dir vertraute,
+ Stellst du's wieder zurck', in die Hnde des Helden von Tauffers.
+ Jener reichte das Schwert ihm dar, erblassend, und schweigend.
+
+ Sieh', jetzt kam aus dem Thor' ein Jngling gelaufen, und rief so:
+ Herr, voll Angst erschein' ich, ein Both' aus des Jammers Behausung.
+ Deine Gattinn verschied in den Armen der liebenden Tchter
+ Sanft und ruhig um Mitternacht, noch ehe der Hammer
+ Zwlf' ausschlug; o komm, und sey den armen ein Trster!
+ Hartmann warf sich vom Ro, und flog -- ihm folgte der Vater,
+ Langsam und wankend vor Schmerz, die Stufen hinauf in die Kammer,
+ Wo die Heilige sanft entschlummerte: schnell zu erwachen
+ Wieder zum ewigen Glck' und nie vergnglicher Wonne.
+ Ihr zu dem Haupt' und den Fen, die Stirn' in die Hnde geheftet,
+ Saen die Tchter umher: gleich Marmorgestalten am Grabmaal,
+ Die zur herzerschtternden Schau der Knstler gebildet.
+ Hartmann beugte sich ber sie hin; er kte, noch sthnend,
+ Ihr die erkaltete Hand, und der leis'aufweinende Vater
+ Warf sich im stillen Gebeth' auf die Knie'. Nur Seufzer erschollen;
+ Thrnen regten sich nur an den schmerzerstarreten Wangen.
+
+ Aber am Morgen wie dumpf und bang ertnen die Glocken
+ Von den Thrmen der Stadt! Was luft, und drngt sich das Volk jetzt,
+ Thrnenumflossenen Blicks, in die heiligen Hallen des Domes,
+ Den, wie im Dunkel der Nacht, unzhlige Kerzen erhellen?
+ Feierlich schallt ein Wehe-Getn' aus der Orgel: Posaunen
+ Heulen, gedmpft, in den Sterbegesang vielstimmigen Chores,
+ Der von dem Tage des Zorns, von dem unerbittlichen Richter,
+ Von dem Gericht und dem Ende der Welt in Feuer und Flammen,
+ Spricht mit erschtterndem Laut. Doch jetzt gewahren die Augen
+ Mitten das Trauergerst, auf drei, sich verjngenden Stufen
+ Sinnig erbaut, und umher mit schwarzem Tuche behangen.
+ Ueber den Stufen gesammt ruht dort die sterbliche Hlle
+ Jener Verewigten schon, mit der Stirn' zum Altare gewendet,
+ In dem gerumigen, sammt- und goldbekleideten Bleisarg.
+ Oben ziert ihn die Krone von Gold; die schimmernden Wapen
+ Sind an dem Trauergerst ringsher auf Sulen geheftet,
+ Und auf silbernen Leuchtern erhht die flammenden Kerzen.
+ Weihrauch wallt empor in die heiligen Hallen; die Priester
+ Feiern das Seelen-Amt am Altar, und die bethende Volksschar
+ Liegt auf den Knieen, und schluchzt:
+ um die Beste der Frstinnen trauernd,
+ Die nur zum Segen gelebt, als Mutter der Armen und Waisen.
+ Aber, erschtternd zu schau'n: nicht fern dem heiligen Altar,
+ Knie't, von den Seinen umringt, und im Trauergewand auch der Kaiser:
+ Alle zugleich vor Schmerz erblat -- wie gealtert seit gestern!
+ Ach, sie starren zuweilen mit rothgeweineten Augen
+ Nach dem Sarg', und sehnen sich, ihr, der selig Erhhten,
+ Wieder vereinet zu seyn schon dort auf immer und ewig!
+ Als nun alles erfllt, und die heilige Handlung vollbracht war,
+ Schwebte der Sarg, vom Gerst' auf krftige Schultern gehoben,
+ Langsam hinab in die Frstengruft. Zu Paaren geordnet,
+ Gingen die Priester ihm vor, und beteten leise den Bupsalm;
+ Ihm nachfolgten die Ihren mit wankendem Schritt. Und so ward dort
+ Beigesetzt in der Gruft die Leiche der edelsten Frstinn.[2]
+
+ Aber der Kaiser sprach zu dem ltesten seiner Erzeugten,
+ Albrecht: Glhender Schmerz nagt tief in dem Herzen des Vaters
+ Und der Erzeugten zugleich, die jetzo der Mutter beraubt sind.
+ Ach, mich zg' es wohl hin, in der einsamen Kammer zu trauern,
+ Jahrlang: denn nicht sehe ich mehr die holde Genossinn
+ Meines Lebens vor mir; nicht hr' ich die Worte des Trostes
+ Aus dem Munde der Gattinn hinfort, wenn Tage des Kummers
+ Nah'n! So lsen sich hier die trautesten Bande des Lebens,
+ Die uns umfingen mit Lieb', und wir steh'n am errungenen Ziel oft,
+ Wie der pilgernde Fremdling, allein. Doch sey es, wie Gott will!
+ Jetzt, wo das Glck der Vlker, der Ruhm, und das Beste des Landes,
+ Uns'rer Ehre vereint, von des blutigen Kampfes Entscheidung
+ Abhngt, la uns das Leid, das eigene, tief in des Herzens
+ Unterstem Grund verschlieen, und stark und krftig einhergeh'n,
+ Wie es dem Manne geziemt, der wrdig zu handeln, bestimmt ist.
+ Hre denn, was ich zuvor erwog im Gemth', und getreulich
+ Dann zu erfllen beschlo! Jngst wstete weit in dem Marchfeld,
+ Wege und Stege gesammt, das entsetzliche Donnergewitter
+ So, da dem Heereszug Gefahren entgegen sich thrmen
+ Sonder Zahl, die ein Feldherr nie hochmthig verachte.
+ Ich geleite das Heer gen Heunburg heute noch, morgen
+ Ueberzusetzen, gesinnt, den Strom auf knstlichen Brcken,[3]
+ Die uns, auf Fl' erbaut, und mit lastenden Ankern gefesselt,
+ Dienen zur Bahn. Schon sah ich am Ufer unzhlige Stmme,
+ Wohl behau'n, und gefgt von den werkbeflissenen Lhnern.
+ Eile mir vor im Gefolg fnfhundert erlesener Krieger,
+ Dort zu gebiethen den Bau, mit kundiger Sorgfalt. Ich folge
+ Rasch mit dem Heere dir nach, und steh' an dem kommenden Morgen
+ Drben am Ufer der March, vereint mit des Knigs von Ungern
+ Tapferem Volk, im Rcken des Feind's, und im mchtigen Vortheil.
+ Rhmt er der Menge sich gleich,
+ doch siege die Treu' und das Recht nur.
+
+ Jener begann alsbald: Mit Freuden gehorch' ich dir, Vater!
+ Aber, o sieh', da sprengt dein Hartmann, eilenden Fluges,
+ Mit dem getreuen Kurd, der einst in den Jahren der Kindheit
+ Ihn auf den Armen trug, und den blhenden Jngling das Reitro
+ Bndigen lehrt' auf der Ritterburg, ein tapferer Degen,
+ Nher; mich dnkt: zu weiterer Fahrt, mit dem Treuen, gerstet!
+ Hartmann hemmte den Lauf, und sagte, herber gewendet:
+ Denn schon stand sein Ro auf dem Sprung, zu den Staunenden also:
+ Leb' wohl, Vater, und ihr, Geschwister mein, auch ihr alle,
+ Lebet auf lange denn wohl! Gar viele der Wege hienieden
+ Sind's, die Gott die Seinigen fhrt; doch bringt er uns einst dann
+ Wieder zusammen im Glck von unvergnglicher Dauer!
+ Fort an den vaterlndischen Rhein -- hinber nach Aargau,
+ Fhrt mich der Weg: denkt mein, des Entfernten, mit Liebe zuweilen!
+ Rief's; dann gab er dem Pferde den Sporn, und schwand auf dem Heerweg
+ Pltzlich dahin: ihm sah'n die Beiden mit thrnendem Blick nach.
+
+
+
+
+ Siebenter Gesang.
+
+
+ Marbod sah aus den Wolkenhh'n, verglommenen Blickes,
+ Wie der Mond, umflort von herbstlichen Nebeln am Morgen,
+ Lang' auf die dmmernden Fluren herab. Er dachte des Bruders
+ Ernst auf dem Kahlenberg, der kriegrische Thaten verschmhend,
+ Froh in der Einsamkeit verharrete: selbst, da ihm Hartmann
+ Ehre und Vortheil both in des Throns hellschimmerndem Umkreis.
+ Vllig fremd erschien ihm die Erd', und verndert der Menschen
+ Leben und Geist. Nur Feindes-Gewrg im Schlachtengetmmel
+ Sann er sein Lebenlang; nur Kampfmuth heisch't er vom Manne,
+ Und, ergrimmt, so ihm einst das hei Ersehnte versagt war,
+ Schlug er den Stein mit dem Schwert', und spaltete Bume des Waldes--
+ Ja, was jetzt ihn zermalm't, unschuldigen Menschen die Scheitel:
+ Denn jetzt hrt' er von Liebe des Feinds, vershnender Sanftmuth,
+ Schonung, und froher Geduld, und des Friedens sanften Gebothen.
+ Feig und entnervt erschien ihm frwahr die Volk, so er seither
+ Nicht mit staunendem Blick sein Heldenleben gewahrte:
+ Seinen Muth in dem Kampf' und im Tod, der Helden zu Theil wird.
+ Doch nun horcht' er, erstaunt: im lauten Getse der Waffen
+ Kam des Kaisers gewaltige Macht auf dem stubenden Heerweg
+ Nher. So, wie der Sturm, emprt, hersaust, und die Bltter,
+ Tausendfltig bewegt, aufrauschen im finsteren Waldthal:
+ Also klang in sein Ohr des kommenden Heeres Getmmel.
+ Alsbald schwebt' er vom Morgengewlk nach den Zinnen der Heunburg
+ Hin: einst Attila's Burg, der sich, als Knig der Heunen,
+ Furchtbarn Ruhm gewann, da er Gottes Geiel genannt ward;[1]
+ Doch verdet aufragte die Burg in die Lfte; der Epheu
+ Kroch an der Mauer umher, und durch weitgehhlete Fenster
+ Sah der bluliche Himmel herab in den grasigen Hofraum,
+ Wo vom zerschlag'nen Gesims' ureinst verfallener Bgen
+ Sich der Dornstrauch hob, und im Windesgesusel sich wiegte.
+ Dort von des Wartthurms schwindliger Hh' ersah er des Kaisers
+ Nahende Macht, und ihn selbst inmitten der tapferen Scharen:
+ Wie auf dem feurigen Ro er schaltete, hin und herber
+ Eilend, sie in geordneten Reih'n zum Ziele zu leiten.
+ Unabsehlich hinab auf der Strae war reges Gewimmel,
+ Lrm, und Gets'. Im Lichte der hellaufstrahlenden Sonne
+ Lachten die Fluren rings, und sie sog aus den blanken Gewehren,
+ Aus dem Harnisch und Helm, wie der Blitz augblendend, die Funken.
+
+ Jetzt, wo am Fue des Bergs sich weit hinber, im Halbkreis
+ Windet der Donaustrom, anlangten des Heeres Geschwader.
+ Zweifach theilt er sich dort, und streckt ein liebliches Eiland,
+ Gegen die breiteinmndende March zum linken Gestad hin.
+ Sieh', und all' die Nacht anschwammen die mchtigen Stmme
+ Wolkengethrmter Fichten, gesandt aus dem sdlichen Forstland
+ Oestreichs, das im Gebirg, unendlicher Flle, sich ausdehnt!
+ Dort, gehorchend dem Wink des hohen Erzeugers, erbaute
+ Albrecht nun die Brcke dem Heer'. Der Stmme je sechzehn
+ Hatt' er zu Flen vereint, und ber des eilenden Stromes
+ Rcken, im kiesigen Grund mit lastenden Ankern gefesselt:
+ D'rauf erhht das Sulengeblk'; unendliche Stmme
+ Ueber ihn hin gefgt, und sie in die Quere mit Bohlen
+ Dicht bedeckt: dem Mann' und dem Rosse zum sicheren Heerweg,
+ Den an jeglichem Rand' ein leichtes Gelnder begrnzte.
+ Doch vom Gestade, wohin mit duftenden Matten das Eiland
+ Sich erstreckt, hie Albrecht dann die Brcke noch schneller
+ Ueber den schmlern Arm erbau'n: denn lngliche Fhren
+ Reihten, ber der Fluth von gewichtigen Ankern gehalten,
+ Sich hinber den Strom, und einten die ragenden Ufer:
+ Sicheren Uebergang dem eilenden Heere zu bahnen.
+ Trefflich hast du, mein Sohn, so rief ihm der Kaiser entgegen,
+ Alles und Jedes vollbracht, und bezwungen die Fluthen des Stromes
+ So, da wir hinziehn auf ihm, und, des furchtbaren Abgrunds
+ Achtlos, freudig zum Ziel, dem ersehneten, frdern die Schritte:
+ Drben dem stolzvertrauenden Feind' in den Rcken zu strmen.
+ Dein gedenken mit Ruhm noch kommende Menschengeschlechter.
+ Vater, so sagte darauf der Tapfere, nimmer geahnet
+ Httest du wohl: ich sey jetzt eigenntzig, und harre
+ Gierig des Lohnes? So ist's: mir wollest du solchen gewhren
+ Bald in der Schlacht: da ich dort das Zeichen des Sieges vor dir her
+ Tragend, kmpfe zugleich fr den edelsten Herrscher und Vater!
+
+ Rudolph legte die Hand ihm sanft auf die Schulter, und sah ihm,
+ Beifalllchelnd in's Aug': ein zartgesinneter Vater!
+ D'rauf erhob er das Schwert, und ritt, der erste vor allen
+ Ueber die Brcke, das Ro kurz haltend am Zaum', und ihm folgten
+ So im gehalt'nen Schritt die Reisigen -- folgte das Fuvolk
+ Rastlos nach. Sie donnerte laut, von unzhligen Hufen
+ Wiehernder Rosse gestampft; doch unter des eilenden Fuvolks
+ Ehernem Schritt', erdrnte sie dumpf nur, und schwankte der Last nach.
+ Also zog er den breiteren Arm, des grnenden Eilands
+ Augefild', und den schmleren Arm der mchtigen Donau
+ Freudig hinber zum linken Gestad', am unendlichen Marchfeld.
+ Dort aufstellt' er das Heer, und rief dem khnen Capellen:
+ Tapferer, sey mit der Schar fnfhundert erlesener Reiter
+ Heute der Fhrer des Vorderzugs, schlagfertig und wachsam
+ Jeglichen Augenblick, so Gefahr uns drohte vom Gegner!
+ Otto von Meiau lenkt die Reisigen; doch vor dem Fuvolk
+ Ziehe nun Meinhard, herrschend, einher; ich gebiethe dem Nachzug.
+ Rastlos wollen wir bald des Feindes Lager uns nhern.
+ Also geschah's: Capellen ging an der Spitze der Reiter
+ Vorwrts. Hoch in der Luft, vom suselnden Winde gehoben,
+ Flatterte, grn, sein Fhnlein vor in der Farbe der Hoffnung.
+ Otto's Fhnlein, blau, die Farb' ausdauernder Thatkraft,
+ Folgte mit neun- und zwanzigen noch, die im Lichte des Morgens
+ Schimmerten, vielfach an Farb', wie solche dem Ritter genehm war,
+ Der sie gewhlt, ihm nach, und mit jeglichem kamen der Reiter
+ Hundert. D'rauf erschien, blutroth, des unbndigen Muthes
+ Farbe verrathend, die Fahne der grz- und tyrolischen Herrschaft:
+ Meinhards Siegespanier! Ihr reihten der schimmernden Fhnlein
+ Fnfzig sich an, und nach jeglichem eileten hundert der Krieger:
+ Alle mit Helmen und Schilden bewehrt, und mit Lanzen bewaffnet.
+ Aber nach ihm, umringt von der Schar der edelen Ritter,
+ Fhrte der Kaiser selbst in dem Nachzug jene zum Kampf vor,
+ Die aus den rheinischen Gau'n nach Oestreichs Fluren gekommen,
+ Und ihm folgte das Kriegs-Gezeug' im unendlichen Zug nach.
+
+ Schnell g'en Hof an der March vordrangen die muthigen Vlker,
+ Sonder Trommelgetn und Drometengeschmetter: dem Gegner
+ Weislich zu bergen die Macht, die ihn bald umstrmet im Schlachtfeld;
+ Naheten dann Schlo-Hof, wo empor aus den dsteren Mauern
+ Einer verdeten Burg der Wartthurm sich in die Luft auf,
+ Druenden Anseh'ns, hob.[2] Nur Molch' und giftige Nattern
+ Haus'ten in ihrem unheimlichen Raum. Mit rieselndem Schauder
+ Eilte der Wand'rer vorbei, und der Hirt hielt ferne die Heerden
+ Von den Mauern, wo einst (so kndet die Sage) die Hausfrau,
+ Eitelen Sinnes, der Wangen Paar in dauernder Schnheit
+ Sich zu bewahren, in's Burgverlie die Kinder verlockte,
+ Schlachtete, dann mit dem Blute sich wusch, unmenschlichen Herzens;
+ Aber sie starb durchs Schwert, und die Burg vermieden im Land dort
+ Rings die Bewohner umher -- zumal in den Stunden des Abends,
+ Wo, so kndeten sie, ein Werfen mit Steinen im Hofraum,
+ Lautes Zischen vom Wartthurm her, und ein Sthnen und Aechzen
+ Aus dem Verlie erscholl. Doch sieh', als jetzo vorber
+ Eilte das Heer, da gewahrete Jrg, der muthige Reiter
+ Steyrischen Oberlands, auf den Zinnen des ragenden Wartthurms
+ Sitzend ein Wesen von Menschengestalt, von Bewegung, und Leben!
+ Alsbald sprang er vom Sattel, und rief, verhhnend: Nicht furchtbar
+ Sind die Geister bei Tageslicht; ich wette, die Bhmen
+ Sandten den Spher heran: ich will es ihm tapfer gesegnen!
+ Rasch enteilt' er, und klomm an der Mauer, der Gemse nicht ungleich,
+ Die an der Felswand schwebt, empor, bis ber dem Fallthor
+ Er die Stufen gewann, und schnell zu den Zinnen hinaufstieg.
+ Schon entfuhr ihm ein hhnender Ruf, da wankt' er voll Schrecken
+ Wieder zurck: so grausenhaft erwies sich der Fremdling,
+ Der ein Jngling ihm schien. Sein losgewhletes Haupthaar
+ Flog ihm wild um die Stirn'; an dem blutigen Wamms und den Schenkeln
+ Hingen nur Trmmer des Riemwerks noch vom zerschmetterten Panzer,
+ Wie auch der Schienen am Bein'. Er zitterte: Wuth und Verzweiflung,
+ Rach' und Schmerz verrieth sein tieferglhendes Antlitz,
+ Als er, den Degengriff mit krampfhaftzuckender Rechten
+ Haltend, nach Jrg umsah, der jetzt ihm wieder genaht war.
+ Aber dem druenden fat' er die Brust, und warf, mit des Riesen
+ Kraft gesthlt, von des Wartthurms Rand' ihn hinab in den Abgrund:
+ Seinem Volke zur Schau, das eben voll Muthes heran kam.
+ Siehe, da liefen sogleich die Gefhrten des sterbenden Kriegers
+ Hin nach dem Thurm, voll Gier, den schrecklichen Frevel zu rchen;
+ Doch schon eilt' er die Stufen herab, und sprang wie der Steinbock,
+ Den der Schtze verfolgt von Klippe zu Klippe hinunter,
+ Mit erhobenem Schwert, von der Mauer der Burg auf den Vorgrund,
+ Gegen die Rcherschar, sich wthend zu wehren, entschlossen!
+ Aber es sprengte der Kaiser das Ro in Eile herber,
+ Und, vernehmend die That des grimmerflleten Jnglings,
+ Hemmt' er die Krieger, und rief dem Nahenden: Halt, ich gebieth' es!
+ Jenem sank der druende Arm bei den Worten des Herrschers
+ Pltzlich hinab, da am Stein die Spitze des funkelnden Eisens
+ Klirrete: denn er besann, die Augen erhebend, sich jetzo:
+ Ob er die Stimme gekannt, die ihm also gerufen? Er starrte
+ Schweigend ihn an; die Wuth entschwand, wie schneeige Flocken
+ Vor dem mchtigen Strahl der wolkenenthlleten Sonne
+ Schwinden, aus feinem Gesicht', und im Kreise der zuckenden Wimpern
+ Wies sich nun herzinniges Leid, das nahe der Thrnen
+ Leis'aufstrebenden Quell verkndete. Mild, und vershnend
+ Sagte der Kaiser: Verschonet ihn doch: nicht mit hellem Bewutseyn
+ Hat er Arges verbt. Kein grerer Jammer auf Erden,
+ Denn des Unglcklichen Schau, de' edelster Vorzug: des Geistes
+ Licht, verdunkelt ward; der unter den Lebenden weilet,
+ Aber, entfremdet dem holden Verkehr' und der trauten Gemeinschaft
+ Seiner Lieben, zum Grab fortwankt im finsteren Wahnsinn.
+ Wahrlich mich ducht, als htt' ich ihn jngst gesehen: ein Zerrbild
+ Jenes Ritters, der so feindlich am Tabor turneyte!
+ Pferdegetrab erscholl jetzt laut in der Nhe: des Reiters
+ Ledig, kam mit verhngtem Zaum der Braune gesprungen;
+ Lief dem erkannten Jnglinge zu, und fuhr mit dem Hals' ihm,
+ Wiehernd, unter den Arm, da er ber den Mhnen herabhing.
+ Alsbald fat' er dies', auf des treu erfundenen Thieres
+ Rcken sich schwingend in Hast, und flog nach dem Ufer der March hin.
+ Nicht besann er sich dort: er schwamm die Fluthen hinber,
+ Und entschwand den Augen der stummnachstarrenden Krieger.
+
+ Ach, und der Jngling war's, der jngst so feindlich turneyte:
+ Wallstein! Als in der Schreckensnacht, vernichtet von Ottgars
+ Wthendem Zorn, er, allein, gehhnt, und urpltzlich aus Edens
+ Rosenau'n, wohin ihn Hedwigs Engelgestalt rief,
+ Rauhverstoen sich sah: da warf er die Blicke, mit Ingrimm,
+ Schweigend noch, um sich her; erhob sie g'en Himmel; zerwhlte
+ Sich mit der Rechten das lockige Haar an der Stirn', und besann sich:
+ Was ihm gescheh'n? Jetzt trieb er das Ro mit schrecklichem Ruf' an;
+ Ri aus der Scheide den Stahl, und schlug, und bohrte dem armen,
+ Immer tiefer den Sporn in den Leib, da er blutet' im Lauf hin.
+ Also wohl Stunden lang, fort ber die Hgel und Thler
+ Trieb er hinaus und herein, voll Wuth, bis athemberaubet,
+ Endlich das Ro hinsank am hainumrnderten Blachfeld.
+ Lange stand er dort, wie erstarrt. Der nahenden Sonne
+ Rosiger Strahl, nach welchem er sonst mit Liebe sich sehnend,
+ Rasch die Hhen erklomm, und dort aufjubelte, wenn er
+ Ihm die Stirn', die umliegende Flur, und der wirbelnden Lerchen
+ Zartes Gefieder beschien, die hoch vom Gewlk' ihn begrten--
+ Ha, wie trb erglht' er ihm jetzt! Wie schrecklich ertnt' ihm
+ Heut der sonst entzckende Ruf der befiederten Snger
+ Drben im schauernden Wald, und wie schal erschien ihm das Leben
+ Ringsum! Furchtbar schwoll ihm die Brust von unsglichen Qualen:
+ Lichtleer dnkt' ihn der Tag, und die Sonne verloschen. Er warf sich
+ Dann auf die Erde; verbarg im thauenden Grase das Antlitz;
+ Lag schwerathmend noch, und weinte mit leisem Gesthn' fort.
+ Doch nun fuhr er empor (ihn fat' unbndige Zornwuth)
+ Ri sich vom Haupte den Helm, den Panzer vom Leib', und die Schienen,
+ Hastig, von Arm und Bein', und verstreute sie, schmetternd,
+ im Staub dort,
+ Weil ihn solche nicht schirmten, zuvor, g'en Schmach und Entehrung.
+ Jetzt mit dem Schwert in der Faust, und dem einen Gedanken im Herzen:
+ Ottgars Tod! hinbraus't' er im Feld', ihm zu nahen, entschlossen.
+ Also den Tag und die Nacht fortras't' er, und kam an dem Morgen,
+ Wutherschpft, g'en Hof an der March zu dem einsamen Schlo her;
+ Klomm den Thurm empor, und forschte herum in der Dmm'rung.
+ Stille herrscht'. Er sah hinab in den schwindelnden Abgrund:
+ Einen Schritt von dem Rand -- kopflangs hinunter, und stumm war
+ Pltzlich der schreiende Schmerz in der Brust,
+ und verschollen der Menschen
+ Liebehhnender Ruf. Doch Ottgar lebend auf Erden
+ Noch? Nur jenen erwrgt zuvor: dann sterben wie immer!
+ Nun, vor den Kaiser gefhrt, und dort nur Worte der Sanftmuth
+ Hrend von ihm, den er erst jngst, ein eifernder Ritter
+ Ottgars, offen gehhnt: das brach ihm das Herz, und mit Thrnen
+ Htt' er, liegend im Staub', ein Reuiger, jetzt ihn geshnet;
+ Doch ihm folgte sein treues Thier, und er jagte von dannen.
+
+ Sieh', und rastlos fort g'en Marcheck zogen die Scharen
+ Weiter im frhlichen Muth, nicht achtend des sengenden Mittags,
+ Noch des qualmenden Staubs, entlang den unendlichen Heerweg!
+ Aber vor Marcheck kam ein Huflein kumanischer Reiter
+ Nher gesprengt: wohl fnfzig Mann, und der Fhrer des Volks war
+ Kaduscha. Ihm ertnte der Gru der Kampfesgenossen.
+ Auch er schwang den blitzenden Stahl, den Freunden zum Dank, auf,
+ Und erkundet' im Flug: wo er treffe den mchtigen Kaiser?
+ Aber ihn fhrte das Volk stets weiter zurck' in den Reihen,
+ Bis er im Waffenschmuck die Schar der erlesenen Ritter
+ Drben ersah, und gerad' dorthin den schnaubenden Lufer
+ Spornte. Umforschend im Kreis', begann er, und sagte, verwundert:
+ Traun, ich schaue vor mir vereint gewaltige Mnner;
+ Doch nach dem Herrscher des deutschen Volks, dem Kaiser Rudolphus,
+ Forsch' ich umsonst! Erkennbar leicht ist der Knig der Ungern
+ Schon an dem Purpurpelz, der, rings mit Zobel verbrmet,
+ Ihm von den Schultern fliet; an dem Stern, voll Edelgeschmeides,
+ Der an der Brust den Pelz festschlingt mit der goldenen Kette;
+ Auch an dem Reiher, des Kalpags Zier, entschwebend des Demants
+ Funkelnder Ros', und dem Stab, den er in der Rechten, zum Zeichen
+ Heerebewegender Macht, und erhabener Herrschergewalt fhrt:
+ Denn nur kurz ist der Stab, von Golde getrieben, und oben
+ Noch mit der Kugel verseh'n: ein Abbild furchtbarer Waffe,
+ Die in des Ungern Faust zerschmettert dem Feinde die Scheitel;[3]
+ Doch wen gr' ich als Herrscher hier mit meines Gebiethers
+ Freundlichem Wort? Verzeiht, so ich irre! Mich dnket, der Ritter
+ Dort in der einfachen Wehr', ob seines erhabenen Anseh'ns
+ Und der Macht in dem Blick', ist der Herrscher,
+ zu dem ich gesandt bin.
+ Wohl, er ist's, entgegnete jener, du hast ihn gefunden!
+ Aber verknde nur schnell: was uns der tapfere Knig,
+ Unser Freund und Bundesgeno', Erfreuliches darbringt?
+ Heil und Segen zum Gru, sprach Kaduscha, heimlich erschttert,
+ Sendend zugleich mit der Siegesbothschaft Zeichen des Glckes
+ Dir zum Geschenk! Den Kampf begann der Kune mit Ruhm schon.
+ Lngs dem Ufer der March, im Hinterhalte verborgen,
+ Lag mein Volk: da zog des Weges vorber der Bhmen
+ Streitgerstetes Heer. Wir harrten, lauernd im Dunkel,
+ Bis der grere Hauf' hinschwand, und die Beute so herrlich
+ Dar sich both. Frwahr, ein blutiger, schrecklicher Kampf war's!
+ Dennoch entkamen der Feinde nur zween aus hunderten: alle
+ Lagen erwrgt. Wir hieben sogleich von dem Rumpfe die Hupter,
+ Sie, auf die Sbel gespiet, nach dem Lager zu tragen, und eben
+ Bringt in Krben von Schilf dir solche mein Volk zum Geschenk her,
+ Drben am schlngelnden Weidenbach, wo dein der Beherrscher
+ Ungerns harrt mit gewaltiger Macht. Das soll ich dir knden.
+ Heimlicher Schauder ergriff, bei der Red' entsetzlichem Inhalt,
+ Rudolphs mildgesinnetes Herz, er wandte sich seitab,
+ Barg die Stirn' in die Hand, und rief nach erschtterndem Schweigen:
+ Furchtbar habt ihr gesiegt, und dem Feinde Verderben bereitet,
+ Uns voreilend sogar. O mchte die Liebe des Heilands,
+ Mchte sein hohes Gesetz in euren verwilderten Herzen
+ Eingang finden, da ihr entsagtet fr immer der Ahnen
+ Schmhlichem Gtzendienst: nicht wrd' unmenschlicher Kriegsbrauch
+ Schnden den Sieg, den ihr mit tapferem Muthe gewonnen!
+ Biethet der Krieg nicht genug des Furchtbaren dar, und ein Jammer,
+ Schrecklich, wie der, soll ihn noch entsetzlicher, wilder gestalten?
+ Wehe, da oft nur aus Blut des Friedens lieblicher Oehlzweig
+ Keimt, und, mit glhenden Thrnen benetzt, die Blthen entfaltet!
+ Schwarzenberg, gib jetzo Geleit den muthigen Kunen;
+ Zieh' uns voran, und verknde mit Huld, wie es Rittern geziemet,
+ Unsern Freundesgru dem Knige! Aber ich folge,
+ Tapferer, dir auf dem Fu, mit dem muthbegeisterten Heer nach!
+ D'rauf noch sagt' er ihm leis': O schaffe die Reste der Todten
+ Schnell bei Seite, da solch' ein frommer Priester begrabe,
+ Wrdig, nach Christenbrauch: denn unsere Brder begrbt er!
+ Hohn, an den Todten verbt, erfllet die Seele mit Schauder.
+ Sagt' es, und jen' entschwanden im Flug auf dem stubenden Heerweg.
+
+ Ottgar rckte mit Heer'smacht an. Nur das Auge der Geister
+ Dringt in die weiteste Fern': entflohen der sterblichen Hlle
+ Schau'n sie vom Nord- zu dem Sdpol hin des kreisenden Erdballs
+ Vielbevlkerten Raum; sie schau'n des unendlichen Weltmeers
+ Schwankende Wsten, und dort, wohin kein segelndes Fahrzeug
+ Je noch Sterbliche trug, auf weitentlegenen Inseln,
+ Sonder Zahl, gar seltsamgestaltete Thier' und auch Menschen.
+ Marbod sah aus den Wolkenhh'n des entrsteten Ottgars
+ Nahende Heeresmacht mit heimlichem Schauder: unzhlbar
+ Schien sie ihm gegen des Kaisers Heer an Mannen und Rossen;
+ Auch nicht ferne zugleich der wildumwthende Kampf mehr.
+ Alsbald sann er besorgt, ob einer der Lftebewohner
+ Nahe sich fnde, mit ihm vereint, in blutiger Feldschlacht
+ Beizustehen dem Hort der edelmthigen Deutschen?
+ Schauend umher vom Gewlk nach den fernentlegensten Lndern,
+ Drang sein forschender Blick von dem Rcken des sanften Gebirges,
+ Wo, beginnend vom Donaustrom', an dem freundlichen Preburg
+ Hher und hher empor sich hebt, und thrmt der Karpathen
+ Mchtige Kett' (entlang die silesisch- und polnischen Lnder,
+ Eine schirmende Mark fr die reichen Gefilde von Ungern)
+ Bis zu dem Riesen der Lomnitz hinauf, der, schneeigen Hauptes,
+ Hoch aus den Wolkenhh'n in die lieblichen Thler der Zips schaut:[4]
+ Dorthin drang sein Blick. Auf der Scheitel des Riesen gewahrt' er
+ Jetzo, erstaunt, den, einst gewaltigen Fhrer der Gothen,
+ Katwald, hingestreckt mit Inguiomar, dem Cherusker,[5]
+ Hermanns Ohm, der, zrnend dem heftigen Varus-Besieger,
+ Ihn zum Bundesgenossen erkor in den Tagen der Nothwehr.
+ Schchtern naht' er den Hh'n: denn Katwald, finstern Gemthes,
+ Trug ihm Ha in der Brust. Er hatt' ihn vertrieben aus Bheim;
+ Jener rchte sich d'rauf, mit den Rmern im Bund', und vertrieb ihn
+ Wieder aus Marobud, der Stadt, die er grndete, machtvoll
+ So, da er dann ein Flchtling starb in den Mauern Ravenna's.
+ Dennoch bezwang er sein strubendes Herz, und schwang sich hinber
+ Von dem Gewlk. So lang', als hier, aus der Schleuder geworfen,
+ Fleugt der sausende Stein, und fern zur Erde herabsinkt,
+ Whrte sein Eilflug nur, und er stand vor den Beiden, und sagte:
+ Ha, ihr weilet dahier, entzckt von der reizenden Ansicht,
+ Die die Land gewhrt im Schoo' umragender Berghh'n?
+ Schn ist es: wie nach den vier Weltgegenden, mchtige Flsse,
+ Ewig genhrt von dem sprudelnden Quell, aus dem hohen Gebirgsthal
+ Wlzen die silberne Fluth; wie solches, mit Stdtchen und Drfern
+ Rings beset, die blhende Flur dem Auge zur Lust beut!
+ Aber ein wichtiger Streit entzweit die mchtigsten Frsten:
+ Welchem die stliche Mark, die ich einst beherrschte, zum Eigen
+ Werde noch heut': denn nah' ist der Kampf, dem Kaiser der Deutschen,
+ Oder dem Knig des Lands, das ach, von Rache getrieben,
+ Katwald, du, mir entrissest im Kampf -- dem Knig von Bhmen?
+ Habt ihr vllig vergessen des Muths, der schnell in dem Busen
+ Aufflammt, wenn die Dromet' erschallt, das wiehernde Schlachtro
+ Steigt, und der blitzende Stahl in der Rechten des Helden umhersaus't?
+ Kommt, mit thatenerregendem Wort' und stachelndem Zuruf
+ Anzufeuern die Kraft der, uns abstammenden Deutschen,
+ Und zu verherrlichen heut' in dem Feld den erhabensten Kaiser!
+ Inguiomar erhob bei den Worten sich schnell von des Felsens
+ Schneeigem Kulm, wo er sa (er ragte noch hher denn Marbod,
+ Riesengestaltet, auf), ergriff ihm die Hand, und begann so:
+ Trauter, nicht sah dich mein Aug' seitdem, als, flchtig des Landes,
+ Du nach dem herrlichen Wlschland zogst: mehr Jahre, denn tausend,
+ Sind den Menschen entfloh'n, seit solches geschehen! Ich weilte
+ Unten im Schooe der Erd', in dstere Trume versunken;
+ Pltzlich rief es mich fort. Wer rief? nicht wut' ich es -- folgte.
+ Doch nun zieh' ich mit dir: ein Freund der Shne von Deutschland!
+ Also gesellt' er sich ihm; doch Katwald starrt' in den Abgrund
+ Finster hinab, und verschlo den mildvershnenden Worten
+ Marbods feindlich das Ohr: da entschwanden die beiden Vereinten,
+ Arm in Arm. Er hob mit Grimm in den blulichen Augen--
+ Trotz in dem blassen Gesicht', um welches der suselnde Westwind
+ Wiegte das rthliche Haar, sich vom Boden, und folgte nur zgernd
+ Jenen nach, die rasch nach Oestreichs Fluren enteilen.
+
+ Aber auch Marcheck lag im Rcken des ziehenden Heers schon.
+ Von Baumgarten herab, in der Au feldlagerte weithin
+ Ungerns Macht, verhllt von schattenden Weidengebschen.
+ Dorther jagt' im Gefolg der Reisigen jetzt auf dem Heerweg
+ Ladislav, der Knig, heran: er dachte dem Kaiser
+ Wrdig zu nahen, und hielt, als Staub aufwallte zum Himmel.
+ Schwarzenberg mit Kaduscha war's, der eilig daherkam.
+ Jener entblte den Stahl, und senkt' ihn zum Zeichen der Ehrfurcht,
+ Vor dem Knige; d'rauf erhob er ihn wieder, und sprach so:
+ Mein erhabener Kaiser und Herr entbiethet dir, Hoheit,
+ Seinen Gru! Er kommt, dein redlicher Bundesgenosse,
+ Dich an die sehnende Brust vor dem Heere zu drcken. Nicht fern mir
+ Folgte der Vorderzug: bald siehst du ihn schalten im Nachzug.
+ Herr, sprach Kaduscha jetzt, erblickst du sein Heldengefolg dort,
+ Forsche mit Flei, da vor Allen sogleich dein Aug' ihn ersphe:
+ Denn nicht glnzt er im Waffenschmuck; nur magst du ihn kennen
+ An der erhabenen Stirn', der wlbenden Nase des Adlers,
+ Und an dem Herrscherblick in der Himmelsblue der Augen!
+ Fremd ist die Furcht dem Kaduscha, doch erbebt' er, ihm nahend.
+ Freude mit ihm, entgegnete schnell der Knig, und Glck uns
+ Beiden Verbndeten, da sich Ottgars furchtbare Heersmacht
+ Gegen uns wlzt wie die Fluth, die aus ihren Gestaden getreten!
+ Aber er komme nur: bald begegnen wir ihm in den Feldern
+ Ewigen Ruhms, vereint mit Rudolphs tapferen Scharen.
+ Unser Stahl ist geschrft, und die Rechte gar mchtig zum Einhau'n.
+ Sieh', da hob sich erneut von der Strae der wirbelnde Staub auf,
+ Und der Rosse Getrab ertnete nher und nher!
+ Rudolph jagte heran im Gefolg' erlesener Ritter:
+ Denn ihn drngte das Herz, den verbndeten Knig zu gren!
+ Aber noch standen die Ross' an dem Weg, tiefhangenden Hauptes
+ Tragend den Siegespreis unmenschlicher Krieger. Nicht sumte
+ Schwarzenberg, und begann mit eiferndem Laut vor dem Knig:
+ Schnell g'en Zwerndorf hin, da es also dem Kaiser genehm ist,
+ Trage die Last der wohlverhlleten Krbe das Saumthier:
+ Ihm ein werthes Geschenk, weil dort der redliche Priester
+ Solche nach heiligem Christenbrauch der Erde vertrau'n wird.
+ Sagt' es, und rief Luitold, dem muthigen Knappen. Er nahte
+ Folgsam, und fhrte die Schar der Treiber zurck mit den Rossen.
+ Ringsum staunte das Volk, und sah bald seinen Beherrscher,
+ Bald den Fremdling an; doch, tieferglhenden Blickes,
+ Sa der Knig im Sattel, und schwieg, und lie ihn gewhren.
+
+ Allen zuvor kam jetzt der Kaiser gesprengt, da ihn alsbald
+ Ladislav erkenne, der Hort der tapfern Magyaren.
+ Beide sprangen behend' aus dem Sattel. Sie streckten die Rechten,
+ Einer dem andern im schnelleren Gang, begrend, entgegen;
+ Hielten mit heiem Druck die verschlungenen; standen, und blickten
+ Lange, staunend sich an. Dem Auge des einen entstrahlte
+ Feuriger Muth; entscheidende Kraft, und Wrde des andern.
+ Als sie jetzo gesttigt das Herz in freundlicher Anschau,
+ Schweigend, begann voll Hast der jugendlichblhende Knig:
+ Werth sey mir der heutige Tag, und theuer vor allen,
+ Wo ich, Erhabener, dir, de' Ruhm erfllet den Erdkreis,
+ Nahete, bund'svereint: denn lang ersehnt' es mein Herz schon!
+ Siehe, nicht riefst du umsonst: ich zog aus den unteren Landen
+ Meines Reichs mit Heeresmacht dir zu Hlfe! Des Ungern
+ Flammenden Muth kennst du, wie er einstrmt
+ rasch in die Schlachtreih'n;
+ Aber der Kun' ist schrecklicher: denn ihm wohnet die Wildheit
+ Seiner, erst jngst verlassenen Stepp' an des Tanais Ufern,
+ Ungezhmt in der Brust; du sollst uns loben im Schlachtfeld.
+ Ha, dort fleugt Staub auf! Frwahr der Feind ist im Anzug;
+ Solches verkndeten mir zuvor Eilbothen, aus Weiden
+ Kommend, voll Angst: das Volk ersehnet den Retter Rudolphus!
+
+ Als der Kaiser die Worte vernahm, da wandt' er die Augen
+ Schnell g'en Oberweiden zurck, das ber den Sandhh'n
+ Einsam liegt: ein hainumsuseltes Drfchen. Von dorther
+ Hob sich der Staub zum Gewlk. Wie nach glhenden Tagen des Sommers,
+ Hinter dem fernen Gebirg', empor die schwrzlichen Wlkchen,
+ Gleich dem, geblht, in die Lft' aufsteigenden Balle sich heben,
+ Bis sie im hheren Raum mit den weitgedehneten, lichten,
+ Aestigen pltzlich vereint, den wetterleuchtenden Schleier
+ Auf an den heiteren Himmel zieh'n: so flog auf dem Heerweg
+ Sparsamer erst, dann hufiger, hoch der qualmende Staub auf,
+ Der, von der Abendsonne durchblinkt, wie vom Blute gerthet,
+ Ottgars nahende Macht verkndete. Jener begann so:
+ Ha, Beherrscher der Ungern, du bist zur Stunde des Glckes
+ Jetzt mit dem Heldenheer' als Bundesgeno mir erschienen!
+ Sumen wir nicht. Nur einmal beut auf entscheidender Bahn dir
+ Freundlich die Hand das Geschick:
+ ergreifst du sie nicht, so entzieht es
+ Selbe fr immer vielleicht. D'rum sey in gebiethender Hast nun
+ Unsere Macht zum Wohl unzhliger Menschen vereinigt.
+ Frisch an die That! Wir ordnen das Heer sogleich in dem Feld hier.
+ Alsbald schwang er sich rstiger auf in den Sattel, und sprengte
+ Hin, und herber im Flug, mit des Feldherrn Auge die Gegend
+ Rings erforschend, zum Kampf den gnstigen Raum zu erlesen.
+ D'rauf entboth er vor sich die Herolde: hie von des Heeres
+ Rechtem Horn, g'en Zwerndorf hin Oestreicher und Steyrer
+ Zieh'n; von dem linken die Macht der Krnthner und Krainer,
+ nach Marchecks
+ Fluren hinab. Capellen geboth den ersteren; diesen
+ Meinhard, Graf von Grz und Tyrol, als oberster Feldherr.
+ Aber im mittleren Raum, Baumgarten nicht ferne, des Drfchens
+ Frchtegesegneter Flur, vereinte sein Wink die Tyroler,
+ Schwaben, und Schweizer zugleich, gar tapfere Scharen im Schlachtfeld.
+ Also in fnf Heersulen stand des gewaltigen Kaisers
+ Macht zu dem Kampfe bereit. Vor jeglicher wehten die Fhnlein
+ Edeler Ritter empor in die Luft, und die sinkende Sonne
+ Leuchtete hell aus den Helmen und Harnischen, furchtbar zu schauen!
+ Reisige folgten den Rittern nach, und, diesen im Rcken,
+ Trefflich geordnet, die Reih'n des lanzentragenden Fuvolks,
+ Wo vor jeglicher, schimmernd im Licht, ein mchtiges Banner
+ Flatterte, dort den Kriegern Verein in dem Kampfe gebiethend.
+ Aber vor allen empor, aus dem Kern des stattlichen Heeres
+ Hob sich die Reichsfahn' auf: wie des Meerschiffs mittleres Segel,
+ Flatternd umher im Hauch des leis'umschmeichelnden Westwinds,
+ Und enthllend den Doppelaar, mit der Kron' und dem Zepter
+ Herrlich geziert, nun rechts, nun links auf dem goldenen Feldraum;
+ Immer wies sie dem Heer' die Nhe des waltenden Herrschers.
+ Aber er sagte darauf zu dem Knige, schnell und entschlossen:
+ Sey dort hinter Capellens Macht, zur Rechten, der Kunen
+ Furchtbare Schar gestellt, die Kaduscha's Winken gehorchet;
+ Aber zur Linken, verhllt von der schattenden Au', und des Meinhards
+ Vlkern zur Sttze gespart, erwarte die tapfere Heerschar,
+ Die Trentschins Gebiether beherrscht, den ehrenden Aufruf:
+ Loszubrechen mit Macht auf die wildanstrmenden Gegner;
+ Doch du weiche zurck: denn also gebiethet die Sitte
+ Deines Landes dem Knige -- fern von dem blutigen, Schlachtfeld
+ Sitzend auf einer der ragenden Hh'n, auf dem rollenden Wagen,
+ Oder dem feurigen Ro, des Kampfmuths seiner Erwhlten
+ Zeuge zu seyn![6] Schon neigt sich der Tag.
+ Nicht wird uns der Feind mehr
+ Heute begegnen im Feld; doch sey's: er komme! Mit Freuden
+ Wollen wir entgegen ihm zieh'n, und der Ehre gedenken.
+ Sagt' es, und bald stand jegliche Schar, in Reihen geordnet,
+ Nach dem schaltenden Wink des erhabenen Kaisers. Der Knig
+ Ungerns gewann mit Gefolg die aufragende Wart' auf dem Hgel,
+ Die in der Vorzeit einst zur Grnzmark diente den Vlkern.
+
+ Doch g'en Westen hinab, nach des Abends goldenen Fluren
+ Senkte die Sonne den Flug, und sah vom Rande des Himmels
+ In das erhellete Nebelgewlk, das, duftigem Schleier
+ Gleich, empor sich hob, sie in lieblicher Ruh zu umfangen;
+ Rosig die Brust erhellt von ihren verglhenden Strahlen,
+ Wanderten hoch in dem Wolkenreich nach entfernteren Zonen
+ Singende Schwne dahin; im Saatfeld zirpten die Heimchen;
+ Leise verhallte des Tages Gerusch, und das Leben verstummte.
+ Aber die Hhen entlang, die rechts von Weiden nach Marcheck,
+ Weitgedehnt, sich zieh'n, und des Marchthals Fluren beherrschen,
+ Tnete jetzt Getrab anstrmender Rosse, der Waffen
+ Helles Geklirr, und das Schrei'n und Rufen unzhliger Krieger.
+ D'rauf erschien, dem Gewittergewlk' im Sommer nicht ungleich,
+ Das, von ghrendem Donner schwer, am Himmel heraufschwebt,
+ Drben am Rande der Hh'n die schlachtgerstete Heersmacht
+ Ottgars: gierig des Kampfs, und zu muthigen Thaten entschlossen.
+ Noch emprt' ihn der Zorn ob jenes verwegenen Jnglings
+ Frechenthlleter Gluth zu seiner Erzeugten, und dennoch
+ Sehnt' er sich herzinnig nach ihm, in dem einsamen Kriegszelt
+ Sitzend, und schlug sich die Stirn',
+ und jammerte laut um den Liebling.
+ Also kam er heran, und hoffte, des lechzenden Herzens
+ Heien Durst im Blut' und Gewrge der Feinde zu stillen.
+
+ Doch nicht rastete jetzt Drahomira, die schreckliche Feindinn
+ Ottgars: denn sie sah, wie Marbod und Inguiomar erst
+ Sich vereinten, im Kampf zu entflammen die Deutschen. Sie nagte
+ Heimlich vor Wuth an den Lippen, und htte mit schmhenden Worten
+ Jene gehhnt; doch schwang sich nun, verdsterten Blickes,
+ Katwald her in der Luft, und sah nach der Erde herunter.
+ Alsbald hob sie zu ihm sich empor, und rief, ihn erforschend:
+ Ha, du sahst es, wie Marbod, der schrecklichste dir in des Lebens
+ Langentschwundener Zeit, auch Inguiomar zum Gehlfen
+ Sich erkor, heut' Oestreichs Volk zu entflammen im Schlachtfeld!
+ Komm, und eine dich mir! Erst will ich den Knig der Bhmen,
+ Strzen: denn mir zur Schmach verbt' er entsetzlichen Frevel;
+ Aber erliegt er im Kampf, dann sey Kunegunde, des Zepters
+ Wrdig, erhht auf den Thron; ihr la uns erringen den Vortheil.
+ Hoch erhebe sich Bhmens Ruhm, des trefflichen Landes,
+ Das dir gehorcht', eh' Marbod dir's mit den Waffen geraubt hat.
+ Sagt' es mit stachelndem Wort; doch jener entgegnete zrnend:
+ Weiche von mir, du fluchbeladene, da nicht dein Odem
+ Noch verpeste die Luft, die mir umsuselt die Wangen!
+ Kein Verein, Drahomira, mit dir! So willst du mit Marbod
+ Und mit Inguiomar, des Kaisers verbndeten Freunden,
+ Ottgars Haupt gefhrden im Kampf'? Ich nah' ihm, als Helfer,
+ Schon dem Lande zum Ruhm, wo ich herrschend lebt' in der Vorzeit,
+ Ha, und lache des Zorns, der, so wie zum Strande die Meersfluth
+ Brausend fleugt, und zurck, der Ohnmacht eiteles Bild, sinkt,
+ Dir empret die Brust, und druet in nichtiger Ohnmacht!
+ Rief's, und strzte herab vom Gewlk' an die Seite des Knigs,
+ Der das Ro anhielt, und des Kaisers geordnete Vlker
+ Staunend ersah, wie solche den Plan erflleten weithin.
+ Jetzo noch einmal, quer von dem Saum der Erde herber,
+ Blickte die Sonn', und verschwand; die Dmmerung zog von dem Thal her.
+ Nicht gedacht' er des Kampfs fr heut'; an dem kommenden Morgen
+ Wollt' er dem Feind' ihn biethen auf Tod und Leben, den Herold
+ Sendend zuvor, nach des Kriegs herkmmlicher, edeler Sitte.[7]
+ Katwald war ihm genaht, und haucht' ihm vor allem den Rath ein:
+ Ottgar, wie, du willst, nachtlagernd, des dmmernden Morgens
+ Harren dahier? Schnell vor, eh' dunkel die Nacht sich herabsenkt:
+ Schleudre die feindlichen Reihen entzwei! So machst du dir heut' noch,
+ Schrecken verbreitend, Bahn zu des Siegs erhellten Gefilden:
+ Denn der erste Gewinn in dem eisernen Feld ist ein Hagel,
+ Der die Halmen der Hoffnung zerschlgt; ein brausender Sturmwind,
+ Der des Athems beraubt den Wanderer, und ihn ermattet.
+ Alsbald biethet der Feind dir selbst ein Zeichen des Angriffs.
+
+ Jener verschlo ihm das Ohr. Doch wer entflammt' an dem Abend
+ Schon den noch nicht ersehneten Streit im tosenden Schlachtfeld?
+ Marbod, der muthige that's. In den Reih'n der strmischen Reiter
+ Spornt' ein munterer Held bischflicher Leute von Salzburg,
+ Schrlin, ein unbndiges Ro heran in dem Kriegszug.[8]
+ Ihm nicht fern, ersah das Nest pferdstachelnder Bremsen
+ Marbods sphendes Aug': er eilte dahin, und emprte
+ Mit gewaltigem Geisterhauch die entschlummerten Quler:
+ Denn er brannte vor Gier des Kampfs Arbeiten zu schauen.
+ Sieh', und, also geweckt, im heulenden, wilden Gesumme
+ Fuhr der Schwarm empor; er flog dem muthigen Rosse
+ Schrlins unter den Bauch, und stachelte solches, erbot, wund.
+ Schrecklich tobt' es umher, schlug aus, bog, sthnend, die Ohren
+ Gegen die Brust, und rannte dahin: nicht achtend des Rufens,
+ Nicht des Schrei'ns, das Schrlin erhob, da er, rcklings gebogen,
+ Zog an dem Zgel, es noch im wthenden Laufe zu hemmen.
+ Schnurgerad auf Ottgar hin losrannte das Thier jetzt.
+ Zorn erfllte sein Herz; er rief den staunenden Feldherrn:
+ Wahrlich, nicht dacht' ich mehr den Stahl an dem heutigen Abend
+ Feindlich zu zieh'n; doch seht, die Unsinnigen strzen sich selber
+ Ihm entgegen, voll Wuth! Sie sollen mir ben die Khnheit.
+ Fort! Wir greifen sie an mit den schwergeharnischten Reitern,
+ Welch' uns Bhmen gesandt, den tapfersten Mnnern auf Erden,
+ Und im gemessenen Schritt' uns folge das Heer auf dem Fu nach.
+ Alsbald gab er dem Pferde den Sporn, und jagte die Hhen
+ Brausend herab. Ihm nach, mit dem kampferfahrenen Helden
+ Lobkowitz, flog die Schar zweitausend geharnischter Reiter.
+ Wie, wenn unterirdische Gluth aus den Tiefen des Erdballs
+ Aufwrts braus't, und gehemmt, weithin erschttert die Gegend
+ So, da vom strzenden Felsengebirg' unzhlige Trmmer
+ Schnell in's drnende Thal herrollen mit wildem Getmmel,
+ Krachend der Wald entsinkt, und Staub auffleugt in die Wolken:
+ Also strmt' auch hier der Knig mit seinen Erwhlten
+ Von den Hhen herab. Vor den Kommenden strzte das Reitro
+ Schrlins zusammen. Kein Leid ihm geschah: die furchtbaren Reiter
+ Setzten ber ihn hin; er lag, listsinnend, im Scheintod
+ Dort bis Mitternacht, und kehrete heim zu den Seinen.
+
+ Ottgar nahete schon den uersten Wachen der Steyrer.
+ Auf, zu den Waffen! so schrie Wildon, der tapfere Hauptmann
+ (Pfannberg weilte noch fern bei Capellen, dem obersten Feldherrn,
+ Drben im luftigen Zelt, des Kriegs Arbeiten erwgend,
+ Die der Morgen verhie) und das Fuvolk eilt' aus dem Lager:
+ Denn nicht dachten des Streites mehr die erlesenen Ritter
+ Jetzt, in der sinkenden Nacht. Wohl mancher sa in dem Gras' noch,
+ Haltend das Ro an dem Zaum', und beredete Dieses, und Jenes;
+ Doch nun fuhren sie all' empor, von dem feurigen Marbod
+ Aufgestrmt mit emprendem Ruf. Bald schwang in den Sattel
+ Jeder sich auf, erhob den Speer in der Rechten, und senkte
+ Sein Helmgitter herab, das Ro zu dem Kampfe bewegend.
+ Ha, und der Kampf begann! In dem Vorderzuge, des Feindes
+ Druende List zu ersphen gesandt von dem sinnigen Feldherrn,
+ Stand ein Brderpaar der Trantmannsdorfe beisammen:
+ Heinrich, und Gtz, von der Schar der Verwaiseten.
+ Laut, und mit Nachdruck
+ Hie sie des Hauptmanns Ruf in die Reih'n der Versammelten kehren:
+ Aber sie hrten ihn nicht, von glhendem Muthe getrieben.
+ Ottgar fuhr auf den lteren los, und, ob er den Speer schon
+ Ihm entgegen streckt', und des Kampfs wohl kundig sich zeigte,
+ Schlug er ihm doch mit dem Heldenschwert den nahenden Speerschaft
+ Seitwrts, und durchstie ihm den Hals, wo, gleitend, vom Harnisch
+ Sich der Helm verschob: er sank, und verhauchte das Leben.
+ Gtz drang muthig auf Lobkowitz ein; verwundete, jauchzend,
+ Sein aufbumendes Ro, und strmte noch feuriger vorwrts;
+ Aber ihm bohrte, von jenem gekehrt, der emprete Knig
+ Sein, von des Bruders Blut gerthetes Schwert in die Brust ein
+ So, da er rcklings vom Sattel sank, und dicht an dem Bruder
+ Ruhete, langgestreckt, und erblassend im Tode. Sie lagen
+ Dort wie jhrige Leu'n im Staub, die, grausam, ein Tiger
+ Eben erwrgt' im Gebsch', als Beut' aufsuchte die Mutter.
+ Doch der feurige Katwald sprach, umschwebend, in's Ohr ihm:
+ Ottgar, flchtig enteilet das Glck: erhasch' es im Flug jetzt!
+ Werfe den Feind, eh' Rudolphs Schwert dir nah't. Ich gewahrte
+ Helfende Geister um ihn, die ihn warneten: eile, zu siegen!
+ Ha, wer drngt mich so muthig, und khn? sprach zrnend der Knig,
+ Muthig, und feig zugleich, mit Rudolphs Schwert mir zu drohen:
+ Denn er komme nur, bald entreit ihm das meine das Leben!
+ Rief's, und jagte dahin wie der brausende Sturm auf den Heiden.
+
+ Welchen erlegt' er zuerst aus den Reih'n der tapferen Ritter?
+ Sieh', ihm warf sich Stubenberg vor allen entgegen:
+ Weit vorhaltend den Schild, de' Zier, im Ringe der Anker,
+ Schlangenumwunden, sich wies, und strebte, das muthige Herz ihm
+ Durchzubohren im Wuthanlauf mit dem blinkenden Speerstahl;
+ Doch in des Rosses Bauch stie Ottgar, stachelnd, den Sporn ein
+ So, da es seitwrts sprang, und er drngte dem Gegner den Degen
+ Tief in die Brust, als ihm die entblte Hhle der Schulter
+ Rumigen Eingang both: er sank, und athmete nicht mehr.
+ D'rauf erwrgt' er auch noch urschnell den redlichen Knappen
+ Edelred, der jetzt dem Ritter zu Hlfe geeilt war.
+ Czernin stellte sich g'en Wildon zur Wehre: sie kmpften
+ Lange mit wechselndem Glck; verwundeten: jener des Gegners
+ Bein, und dieser den Arm, und schieden mit druendem Ingrimm
+ Mitten im Kampf: denn schon herstrmten im Felde die Reiter
+ Ottgars, welchen das Fuvolk rasch nachdrang, und urpltzlich
+ Hob sich der schwellende Ruf mit dem Waffengetse der Wrger
+ Himmelempor, und erfllte die Welt mit Entsetzen und Schauder.
+
+ Jetzo vernahm in der zweiten der fnf Heersulen Capellen
+ Kmpfender Krieger Geschrei, das drben, am Rande der ersten,
+ Stets vernehmlicher scholl in der Dmmerung. Eifernd besprach er
+ Eben mit Pfannberg dort, dem Fhrer des steyrischen Volkes,
+ Fr den kommenden Tag des Angriffs muthige Weisen;
+ Auch die verstellete Flucht: den wechselnden Kampf, und den Rckzug,
+ So des Krieges Geschick ihn gebeut: da verstummt' er auf einmal,
+ Horchte dem Lrm, und sprach, voll Hast, zu dem Scharengebiether:
+ Pfannberg, eile zurck! Der Feind, so sagt uns der Lrm dort,
+ Wagte den Ueberfall in der Dmmerung; eile zur Rettung
+ Deines Volks: ich folge dir schnell mit erlesenen Scharen.
+ Also geschah's. Im Flug' erreichte der tapfere Feldherr
+ Sein gefhrdetes Volk, und warf, mit dem Schwert' in der Faust, sich,
+ Allen voran, als sie nachbraus'ten im stubenden Saatfeld,
+ Rasch auf die furchtbare Macht der Geharnischten, die zu dem Angriff
+ Ottgar selber gefhrt, und jetzt umtobte, voll Mordwuth.
+ Ihm selbst htt' er die Brust durchbohrt, so pltzlich erschien er
+ Mitten im Waffengemeng; doch schlug ihm der muthige Ritter,
+ Zawi von Rosenberg, der schnste der Mnner im Kriegsheer
+ Bheims, sein erhobenes Schwert aus der Faust, und durchstie ihm
+ Schnell mit dem Speere den Arm, da er, sthnend,
+ vom Sattel herabsank.
+ Ottgar rhmte gerhrt den Tapferen; doch Drahomira
+ Lchelte Hohn aus den Lften herab: sie ersphte die Neigung
+ Schon, die verborgene, jngst in der Brust Kunegundens fr Zawi,
+ Und gedachte mit Lust der unheilschwangeren Zukunft.
+
+ Pfannbergs Volk, den Sturz des tapferen Fhrers gewahrend,
+ Drang jetzt eilender vor, und kmpfte, der Lwinn nicht ungleich,
+ Die vor der Hhle die Jungen, umringt von Pardeln erblicket,
+ Um den Verwundeten dort, und es htte gesiegt mit den Scharen
+ Oestreichs, die Capellen zu Hlfe gefhret, und jenen,
+ Die aus dem Hinterhalt' auch Kaduscha, hrend im Nachtgrau'n
+ Feindlicher Waffen Gets', ihm, lautaufjauchzend, vereinte:
+ Hemmt' es nicht Katwalds List. Er sah in der Reihe der Edeln
+ Einen, mit bleichem Gesicht' und scheuumirrenden Augen,
+ Trg vorschreiten im Kampf: den Pettauer, der vor dem Knig
+ Ottgar, einst die Ritter der steyrischen Mark des Verrathes
+ Zieh, und dieser verhngte sogleich entsetzliche Strafen;
+ Aber er hatte nicht Ruhe noch Rast seitdem, und im Herzen
+ Trug er die Strafe der Schuld, da er jeglichen Trostes beraubt war.
+ Diesem nahete Katwald jetzt, und schrie in das Ohr ihm:
+ Horch, dir drohet Verrath und Mord! Unseliger, fliehe!
+ Schauer durchlief ihm die Haut, da er solches im Geiste vernommen:
+ Alsbald wandt' er das Ro, und rief, entfliehend: Verrath! Mord!
+ Wilde Verwirrung begann: das vorgedrungene Fuvolk
+ Wankte zuerst; ihm folgten die Reisigen -- dann auch die Ritter.
+ Tausendzngig erhob sich der Ruf: Entflieht dem Verrath! Fort!
+ Aus den flchtenden Reih'n. Auch Kaduscha wich mit den Seinen
+ Lrmend zurck, und entsetzlich erscholl in der Nacht das Getmmel.
+
+ Doch in dem fernen Gezelt vernahm der erhabene Kaiser
+ Jetzo den Lrm, und geboth den Mannen die Rosse zu zumen:
+ Denn schon lagerten sich die Tapfern ruhig im Saatfeld,
+ Reichend den Rossen das Futter zuvor, und stillten den Hunger
+ Dann mit Brot, und den Durst mit des Quellbachs khlenden Fluthen:
+ Alsbald waren die Pferde gezumt, und die Muthigen saen
+ Sattelfest. Da kam vor allen, gesprengt, auf dem Pfad her
+ Oestreichs Reiterschar. Mit zrnendem Ernst in den Blicken
+ Ritt ihr der Kaiser entgegen. Sie stand von Schauer ergriffen:
+ Denn kein Vorwurf kam aus dem Mund des erhabenen Herrschers.
+ Also gehemmt, wuchs stets zu dichteren Haufen die Heersmacht,
+ Und er kehrte mit ihr g'en Marchecks sandige Fluren.
+
+
+
+
+ Achter Gesang.
+
+
+ Ha, was rthet den Himmel fern im nchtlichen Dunkel?
+ Welch' Geschrei erfllt urpltzlich mit Angst und Entsetzen
+ Drben die Stadt? Ein Jngling sitzt, verwilderten Ansehn's,
+ Dort auf des Felsens Hh'n, und schaut auf
+ die schreckliche Brandsttt'
+ Grinsend herab, wo ruhig noch erst unschuldige Menschen
+ Schlummerten, jetzt Gewrg' erschallt, und in Strmen das Blut fliet?
+ Furchtbare Schau! Darf also der sterbliche Mensch an dem Menschen
+ Wthen, da sanfterer Art der grausame Tiger erscheinet?
+ Wehe, wie fiel er so tief! Wie entwrdigt ihn Laster und Thorheit!
+ Doch ich nah' ihm schnell, zu erkunden, wie solches geschehen?
+ So sprach Inguiomar, das gluthverheerete Stdtchen
+ Schauend, und eilt' im Fluge dahin, wo, schrecklichen Blickes
+ Jener hinuntersah nach der Sttte des Jammers. Er sa dort
+ Schauerlich in sich gekehrt, und ihm zuckten die schneeigen Wangen
+ Leise vor ungesttigtem Grimm, da er, vorwrtsgebogen,
+ Sttzend das Kinn auf die krampfhaftgeschlossene Faust, in die Flammen
+ Starrete. Doch es stockte das Wort in dem Munde des Geistes,
+ Als er ihn nher geseh'n. Er bebte dem Jammer, und eilte
+ Fort nach den Ufern der March, wo heut', unferne dem Stdtchen
+ Marcheck, nach unrhmlicher Flucht sich die Krieger vereinten.
+
+ Wallstein war's, der dort auf dem Felsriff sa, und hinunter
+ Starrte, voll Grimms. Sein war die entsetzliche That, und der Hlle
+ Jngstentlaufene Brut, Drahomira, hauchte die Wuth ihm
+ In die empfngliche Brust, aus welcher des warnenden Engels
+ Bild entfloh, da er sich der Sinneschmeichlerinn hingab.
+ Sieh', er eilte zuvor aus der Nhe des Kaisers, und setzte,
+ Schwimmend, die Fluthen der March mit dem schnaubenden Rosse hinber;
+ Flog dann, Auen und Wlder entlang, an Moravia's Marken
+ Rastlos fort, bis endlich das Ro am dmmernden Abend
+ Sthnend zu Boden sank. Er entschlummerte neben dem Thier dort;
+ Aber ihm war Drahomira gefolgt. Wie der feurige Schweihund[1]
+ Angeschossenes Wild, so hei es auch strebt, zu entkommen,
+ Durch des umschattenden Waldes Nacht verfolgt auf den Fhrten,
+ Rastlos, bis es ermattet ihm fllt: so lie Drahomira
+ Ihn aus den Augen nicht mehr: denn Ottgar sollte getdtet
+ Fallen durch ihn, und ihr Herz sich ersttigen dort an des Jammers
+ Grau'nerregender Schau -- an dem Fall des unglcklichen Jnglings.
+ Einen tuschenden Traum ersann, und bannte sie, zaubernd,
+ Vor den Entschlummerten hin. Er sah im Geiste das Stdtchen,
+ Kostel in Mhren, vor sich, und dort sein Alles auf Erden,
+ Hedwig, gefesselt im Thurm, weil sie nicht verhllte die Neigung,
+ Die sie ihm still genhrt in dem treuergebenen Herzen;
+ Sah, wie sie, jammernd, ihm mit den kettenbelasteten Hnden
+ Winkt', und so bleich her sah von des Fensters eisernen Stben,
+ Hlfe! schreiend, und Rach' an Ottgar! Aber er sthnte
+ Laut in dem Schlaf', und schlug sich die Brust
+ vor unsglichem Herzleid.
+ Bald erweckt' ihn Geschrei anstrmender Krieger. Der Kunen
+ Tausend, vereinten sich erst: Weglagerer, Ruber, und Mrder,
+ Von dem Heere getrennt, auf Raub zu ziehen, entschlossen,
+ Die Drahomira noch mehr emprte zu schrecklichen Thaten.
+
+ Als sie jetzt den Schlummernden sahn, der, blhender Jugend,
+ Noch im Schlafe das Schwert umklammert hielt mit der Rechten;
+ Durch die gesenkten Brau'n Wuth kndet', und, sthnend, von Rachgier
+ Mit den verzerreten Lippen sprach, da riefen sie freudig:
+ Seht, den sandt' uns Tyr,[2] der Gott des Kriegs und Verderbens:
+ Ihm gleich, hlt er das Schwert umfat, und drohet im Schlaf noch
+ Schrecken dem Feind'. Er sey uns Fhrer im nchtlichen Raubzug!
+ Also erweckt' ihn ihr wildes Geschrei; sie faten, und hoben
+ Ihn von der Erd' empor; umhingen in Eile die Schulter
+ Ihm mit dem Pelz, der, marderumbrmt, zur Ferse hinabhing;
+ Setzten die Mtz' auf sein Haupt, mit dem schwebenden Reiher,
+ und bothen
+ Ihm das erlesenste Pferd. D'rauf sagte noch Sikra, der Hauptmann:
+ Komm, und fhr' uns im sausenden Ritt nach Kostel, dem Stdtchen
+ Drben im Mhrenland, voll reichthumstolzer Bewohner,
+ Die, dem Bhmenknig getreu, zum Kampfe sich rsten.
+ Unser Knig bekriegt ihn selbst auf den Feldern von Oestreich:
+ Wir erhoben uns hier, ihm Schaden zu thun, und zu rchen
+ Plnderung, Mord, und Brand, mit welchen er Ungern vor Jahren
+ Wstete: ha, nun Rache dafr an dem grausamen Ottgar!
+ Also tobten sie fort. Der Jngling lie sie gewhren,
+ Stand verstrt, und wute nicht, wie ihm geschehen? Er sann jetzt:
+ Ottgar ward ihm genannt -- der Grausame hie er den Rubern
+ Selbst? Da jauchzet' er laut; entblte das Eisen; erhob sich
+ Schnell in den Sattel, und rief: Mir nach, wir rchen die Unthat!
+ D'rauf ging's fort, im sausenden Ritt nach Kostel in Mhren.
+ Vor ihm flog Drahomira einher, und lchelte grimmig:
+ Denn sie sah das Entsetzliche dort vollbracht, und Verderben
+ Ueber des Jnglings Haupt, und Ottgars schweben im Vollma.
+
+ Tief entschlummerten schon des ummauerten Stdtchens Bewohner.
+ Ach, oft ahnet der Sterbliche nicht, der ruhig dem Schlaf sich
+ Noch an dem Abend ergibt, welch' Jammer ihn weckt vor dem Morgen!
+ Frher ersphten die Ruber schon des friedlichen Stdtchens
+ Schwachverriegeltes Thor und die leichtersteigbare Mauer,
+ Die sie, keuchend vor Hast, erkletterten. Aber das Reitro
+ Spornte Wallstein rasch umher: denn hoch in die Nacht auf
+ Ragte der Thurm, der dort die holde Geliebte (so whnt' er
+ Noch, getuscht von dem Traum) von ihm fr immer getrennt hielt.
+ Wehe, und bald aufflammte die Gluth, an die breternen Dcher
+ Durch die entsetzlichen Kunen gelegt, und erhellete weithin
+ Rings die schweigende Nacht! Nicht sumte der lauernde Nachtwind,
+ Lauterbrausenden Flug's annahend, die Flamme zu wlzen
+ Hin und daher, an den Husern der engverschlungenen Straen.
+ Wildes Geheul erscholl: aus den Stuben hervor auf den Marktplatz
+ Flchteten jetzt die Bewohner, um dort die Vter, und Mtter,
+ Kinder, und Greise zu seh'n, wie sie bluteten unter dem Schwerthieb
+ Wthender Ruber, und bald, erwrgt mit den andern, zu fallen
+ Rettungslos: denn Niemand war, der half in dem Jammer.
+ Wohl anlangten den Abend zuvor zwlf muthige Reiter
+ Ottgars, ber die March, von Drsing herber gesendet:
+ Mundvorrath aus dem Stdtchen hier, in das Lager der Bhmen
+ Heut noch zu schaffen mit Waffenmacht: denn schreckengerstet
+ Herrscht in des Krieges Zeit die Gewalt: nur Laute des Ingrimms
+ Treffen das Ohr, das sonst des Friedens sanfte gewohnt war.
+ Als der feindliche Lrmruf scholl, da schwangen die Reiter
+ Sich auf das Ro, zu entflieh'n der wuthempreten Mehrzahl;
+ Doch sie waren umringt, und nun, mit dem Schwert' in der Rechten,
+ Kmpfend, zu sterben bereit. Sie stellten sich fest und entschlossen,
+ Vor dem Thurm dort auf, und harrten des nahenden Feindes.
+
+ Allen zuvor kam Wallstein, jauchzt', und hieb in den Haufen,
+ Blindumwthend, ein: denn Ottgars kenntliche Reiter
+ Sah er vor sich, und schnob nur Rache, nur flammende Sehnsucht
+ Hedwigs Retter zu seyn aus den Hnden unmenschlicher Krieger.
+ Jetzt auflachte voll Hohn Drahomira, und hob sich von dannen:
+ Denn jetzt klebte das Blut des eigenen Volks an dem Schlachtschwert,
+ Das ihm Ottgars Rechte vertraut', und sie dachte: nicht fern mehr
+ Sey ihm das Ziel, zu fallen mit ihm, unrhmlich, und furchtbar!
+ Siehe, die Reiterschar, umstrmt von den wthenden Rubern,
+ Fiel nach tapferer Gegenwehr auf die Leichen des Feindes,
+ Die sie gehuft! Doch Veith, der jetzt aus dem Sattel geworfen,
+ Sank, rief sterbend ihm noch: Ha, Wallstein: bist du ein Gegner
+ Deines eigenen Vaterlands? Du ermordest die Bhmen?
+ Wallstein horchte bestrzt: er erkannte den redlichen Krieger,
+ Der in der Ahnen-Burg gedient, und in zartester Kindheit
+ Oft ihm Mhrchen erzhlt': ein treugesinneter Reiter;
+ Hob die Blick' empor, und sah, durch des ragenden, leeren,
+ Halbverfallenen Thurms verwitterte Fenster den Himmel,
+ Sternenhell, herab auf das Blut der Reisigen starren;
+ Sah, erstaunt, um sich her die Leichen der Greis' und der Kinder
+ Schwimmen im Blut' -- all' berall Blut, und die wthenden Kunen
+ Nur erpicht auf Raub und Plnderung. Pltzlich ergriff ihn
+ Seelenangst: er gab dem Rosse die Sporen, und jagte
+ Durch das offene Thor hinaus auf den einsamen Heerweg;
+ Dann seitab den Hgel empor, der, nahe dem Stdtchen,
+ Jh sich erhebt. Dort sa er am Rand', aus dem Sattel gestiegen,
+ Haltend das Ro am Zaum', und sah nach dem schrecklichen Jammer
+ Drben hinab. Bald whlt' er, ergrimmt, sich die Brust mit den Ngeln
+ Wund; bald sttzt' er das Kinn auf die Recht', und starrte hinunter,
+ Starrte hinauf zu dem tiefverstummenden Himmel, und rang nur
+ Einem Schreckensbild zu entflieh'n, das fieb'risch die Brust ihm
+ Schttelte: denn er dachte, wie frech er die freundliche Warnung
+ Von sich stie in der Nacht, welch' ber ihn schrecklich entschieden.
+ Doch als jetzt ihm ein Thrnenpaar hei ber die Wangen
+ Trufelte, hob er sich auf von dem Boden, und pltzlich verscheuchte
+ All die Bilder ein khner Entschlu. Er sagte fr sich hin:
+ Ottgar, kein Verein ist zwischen uns mehr! Ich gehre
+ Deinem Gegner hinfort: denn sieh', ich erwrgte die Bhmen--
+ Ach, mein Volk, mit den Kunen im Bund! Die blutige Schwert lechzt
+ Jetzo nach deiner Brust, und nach meiner:
+ wir fallen zugleich -- bald!
+ Sthnend schwang er sich dann auf's Ro, und jagte herber
+ Immer den Flu entlang, im Galopp, die lagernde Heersmacht
+ Rudolphs noch vor dem Morgenroth zu erreichen vor Marcheck.
+
+ Sieh', und es rief in der Stadt, in den weitgetrennten Gehften,
+ Und in den Drfern umher der Hahn, des dmmernden Morgens
+ Muthiger Herold, sein wach' auf das andere Mal schon,
+ Als er die seichtere Furt durchwatete; d'rauf vor dem Lager,
+ Laufend, erschien, das Kunenro heimjagend vom Ufer.
+ Wer da? rief ihm die Huth vom Wall' entgegen, und zielte
+ Dann mit der Lanze zugleich nach der Brust des nahenden Jnglings:
+ Aber er sprach ergrimmt: Zu Rudolph, eurem Gebiether
+ Fhret mich schnell! Hochwichtiges mu ich sogleich ihm enthllen.
+ Jener sah ihn zuvor mit Staunen vom Kopf bis zum Fu' an,
+ Eh' er die Freund' entboth, ihm sich'res Geleite zu geben:
+ Denn unglcklich nur -- nicht verdchtig erschien er von Anseh'n,
+ Und sie fhrten ihn jetzt nach des Kaisers ragendem Zelt hin.
+
+ Aber der liebliche Schlaf (ein Balsam fr blutende Herzen,
+ Welcher so mild den Schmerz beschwinget, der in des Lebens
+ Dornengefilden sie grausam zerri) war eben auf Rudolphs
+ Lieder gesunken, und er floh vor dem Futritt nahender Krieger
+ Wieder hinweg. Oft wacht' er im Feld mit heiterem Antlitz
+ Tag' und Nchte hindurch, zu des Kriegs Beschwerden gesthlet.
+ Als in das einsame Zelt der Jngling getreten, da ducht' ihn:
+ Jener Unglckliche sey's, der jngst den muthigen Reiter
+ Von dem Thurm in den Abgrund warf, und nicht irrte sein Scharfblick.
+ Freundlich winkt' er ihm jetzt mit der Hand, und jener begann so:
+ Meine Rede sey kurz! Der Sterbende mu sich beeilen,
+ Da er enthlle das Wort, das lastend die Brust ihm beschweret.
+ Hre mich, Herr! Ich war dein Feind, und htte den Sohn dir
+ Gern durchbohrt auf dem Plan, vom wthenden Hasse getrieben;
+ Aber es zieht das Geschick gar wunderbar oft in des Lebens
+ Irre den Pfad: mich fhrt es als Freund dir zurck. Mit den Kunen
+ Hab' ich, dein Dienstmann, erst gesengt, und gebrannt in dem Stdtchen
+ Drben im Mhrenland', und die Brger zugleich mit den Kriegern
+ Muthig erwrgt: all' Ottgars Schuld, des grausamen Wthrichs,
+ Der auch dir nach dem Leben strebt, und die Mrder bereit hlt.
+ Aber ich eil' ihm zuvor, willst du's, und raub' ihm das Leben
+ Heut' noch. Dir ist die Schwert geweiht; nicht soll es ihn fehlen:
+ Denn er verbt' an mir Entsetzliches. Sprich, und ich mord' ihn!
+ Wie, so begann, aufjammernd, der Kaiser, Unselige, habt ihr
+ Ruhige Menschen erwrgt, und gesengt, und gebrannt in dem Stdtchen
+ Drben nach schrecklichem Kriegsbrauch? O, der Vlkerbeherrscher
+ Trauriges Los, da ihr Streit auch Ruberhnde bewaffnet,
+ Ungezgelt und frech, dem Gesetz hohnsprechend, zu wthen!
+ Herr, nicht gehe mit mir in's Gericht: denn mein ist die Schuld nicht!
+ Doch du kehre zurck, Unglcklicher! Kehre zu Ottgar,
+ Der ein liebender Vater dir war, nun zurck, ihn zu shnen,
+ Ihn mit reuigem Sinn um den Segen zu fleh'n -- zu erwiedern
+ Ihm verzeihende Huld, so er dich einst krnkte mit Unrecht!
+ Also hat es der Herr uns gelehrt: er mge dir helfen!
+
+ Wallstein strzte hinaus, und flog nach dem feindlichen Lager,
+ Rastlos, bis er erreichte die Huth der bhmischen Reiter.
+ Schnell erkannten sie ihn, der oft im Gewhle der Schlachten
+ Sie zum Siege gefhrt, und jubelten laut in die Nacht auf.
+ Einer begann: Kehrst du zur Freude des Heers und des Knigs
+ Wieder zurck, der, wisse es nur, mit unsglicher Sehnsucht
+ Nach dem verlorenen Sohn sich abhrmete? Wahrlich, er nannte
+ Heute dich so, und verhie allmanniglich reiche Belohnung,
+ Der dich fhrte zurck in die Arme des liebenden Vaters!
+ Doch, es erwiederte Wallstein ihm den freundlichen Gru nicht;
+ Eilete vor, und erreichte das Zelt des entschlummerten Knigs.
+ Jetzo murrete Greif, der mchtige Hund, vor dem Eingang:
+ Ottgars Liebling, ein Schrecken des Volks, das nchtlicher Stund' ihm
+ Nahete, wo er, der Kette los, umwandelte wachsam:
+ Denn er bewltigte leicht den strksten der Reisigen; hielt ihn
+ Nieder, und bellete, bis ein Hausgenosse daherkam.
+ Wallstein zischte nur leis', und rief ihn bei'm Nahmen: da sprang er,
+ Heulend, herbei; erhob sich mit freudigem, lautem Gewinsel
+ Ihm auf die Schulter, lang wie er war, und leckt' ihm die Wangen;
+ Lief dann kreisend umher, und kehrete wieder, vor Freuden
+ Bellend, und heulend zugleich: denn Wallstein war ihm seit Jahren
+ Hold, und qulet' ihn einst im jugendfrhlichen Muth' oft.
+ Doch er streichelte jetzt den Treu'n mit unwilliger Hand nur;
+ Trat in das Zelt, wo im Lampenschein, auf das Lager gesunken,
+ Ottgar schlummerte: ganz in die Waffen gehllt, und zu kmpfen
+ Wieder am Morgen bereit, und schauderte, wie er den Mann dort
+ Schlummern sah, der einst ihm vor allen Sterblichen werth war--
+ Jetzt, ohnmchtig im Schlaf', ihm Preis gegeben zur Willkhr.
+ Grauer schien ihm sein grauendes Haupt seit Tagen geworden,
+ Blsser sein blasses Gesicht. Er sthnete laut vor dem Traum' auf,
+ Der ihn umfing, und wand sich, und rief, fast wimmernd,
+ nach Wallstein.
+ Dieser entblte das Schwert. Noch einmal stand ihm des Jammers
+ Grau'ngestalt, den Ottgar schuf, vor den Augen; er eilte
+ Vorwrts, schwang das Eisen, und sann. Drahomira durchschwebte
+ Jetzo den Zelteingang; umflog in furchtbaren Kreisen
+ Schneller und schneller des Jnglings Haupt, und hauchte des Abgrunds
+ Gifte umher, da er, schwindelnd, den Mord verbt' an dem Knig;
+ Aber er hatte zuvor, vom Kaiser, mit Schrecken, des Heilands
+ Worte gehrt. Wie dort im Fiebertraum sich ein Kranker
+ Freut, da ein Freund ihm naht, und nachsinnt: ob er ihn kenne?
+ Also nur dunkel vernahm der zerrttete Jngling die Warnung;
+ Dennoch bezwang er sich jetzt, trat nher, und stampfte den Boden.
+ Auffuhr Ottgar schnell, und starrte dem Starrenden, schweigend,
+ In das Gesicht. Ein ganzes, im Glck' entschwundenes Leben
+ Eilete schnell, wie der Blitz, den Beiden noch einmal vorber,
+ Und die Vergangenheit warf, hellleuchtend, viel grausere Schatten
+ Noch auf die dunkele Gegenwart. Doch jetzo begann er:
+ Wallstein, kommst du zurck'? Ich wut' es: ein edeles Herz schlgt
+ Dir in der Brust. O, schwer hast du mich betrbt, und des Abgrunds
+ Seelenverwirrende Macht emprte die Wuth mir im Busen
+ So, da ich, nicht durch eigene Schuld -- von der Hlle betubt nur,
+ Dir das liebende Herz verwundete! Wohl sind die Menschen
+ Sich zu betrben, geneigt; doch Reue vershnt, und Verzeihung
+ Windet den schneren Kranz um die friedenbiethenden Herzen.
+ Du nun wieder mein Sohn, und ich -- dein liebender Vater ...
+
+ Jener naht' ihm, und rief ergrimmt: Halt ein, und erhebe
+ Nicht den Vorhang mehr, der zwischen uns dunkel herabsank!
+ Was du ersehntest -- es sey: ich verzeihe dir! Aber dem Bogen
+ Furchtbarer Rach' entschwirrte der Pfeil; nicht reit ihn des Schtzen
+ Hand mehr zurck. Weh' dir, Unglcklichem: denn ich entsandt' ihn!
+ Bhmisches Blut benetzte die Schwert: mit den Kunen verbunden,
+ Hab' ich zuvor dein Volk erwrgt, wie ein Sldner des Kaisers.
+ Du hast ihm nach dem Leben gestrebt: ich both mich, als Rcher,
+ Dir zu durchbohren die Brust; doch, sieh', dein edeler Gegner
+ Achtet dein Haupt, und gab mir sanftvershnende Lehren:
+ Solchem fllst du besiegt -- ich meinem unglcklichen Schicksal!
+ Sagt' es, und kehrte das Schwert urpltzlich von unten nach oben
+ Gegen die Brust, und sank in den Stahl, der, zischenden Lautes,
+ Ihm das pochende Herz durchfuhr. Er verhauchte das Leben
+ Lautlos. Jammernd erhob sich jetzt, ihn zu retten, der Knig:
+ Aber umsonst: er lag entseelt, und regte sich nicht mehr!
+ Schon aufjauchzte vor Lust Drahomira, der That sich zu rhmen:
+ Da durchblitzt' ein Glanz den Raum des Gezeltes; ein Flehen
+ Nach erbarmender Huld erscholl. Von Schauder ergriffen
+ Wollte sie flieh'n, um fern in den bersinnlichen Rumen
+ Noch zu entgeh'n dem Zorn der Himmlischen; aber unendlich
+ Rauscht' Entsetzen ihr vor -- ihr nach: sie sank in den Abgrund
+ Auer den Grnzen der Welt, betubt vom Schrecken, hinunter,
+ Und erkannte sich erst in den Jammergefilden der Hlle.
+
+ Drauen im Schattenkreis' des hochaufragenden Eichbaums
+ Gruben die Krieger ein Grab. Der Entseelte lag auf dem Rasen
+ Dort in den Lagermantel gehllt: da hinkte sein Reitro,
+ Vllig des Anseh'ns bar, aus der Au herber, und senkte,
+ Leise genaht, das Haupt zu ihm hin, da die wallende Mhn' ihm
+ Dann mit dem Zaum nachsank, und des Todten Antlitz bedeckte.
+ Jahr' entfloh'n: da hie es, am Grabe des bhmischen Kriegers
+ Liege das bleiche Geripp von seinem verschmachteten Ro noch!
+
+ Als aus Osten der Hauch des hellaufdmmernden Morgens
+ Ueber die frischbethauete Flur den khleren Frhwind
+ Sendete; rings im Gefild sich die wiedererwachten Geschlechter
+ Regten, mit gleichgeschftigem Drang zu durchlaufen des Tages
+ Kreisende Bahn, bis ihr Ziel, nun bald, nun spter erreicht ist;
+ Als in den Stdten und Drfern umher, in den Hainen und Wldern
+ Munterer Laut sich erhob: da hatte der Kaiser im Lager
+ Schon die Scharen vereint, und zu drei Heersulen geordnet,
+ Sie in geschlossenen Reih'n dem Feind' entgegen zu stellen.
+ Aber der Ost- und der Steyer-Mark geworfene Scharen
+ Schob er den andern vor in der Mitte, da sie in dem Schlachtfeld
+ Sich den entwundenen Kranz jetzt herrlicher wieder erkmpften.
+ Heiter sa er zu Pferd', und sprengte hinauf und hinunter
+ Vor den Reih'n, zu entflammen den Muth der schweigenden Krieger:
+ Denn sie schwiegen, beschmt von des Rckzugs qulendem Vorwurf.
+ Mnner, wohlan, so ermahnt' er sie laut,
+ steht heut' in dem Schlachtfeld
+ Fest zusammengedrngt -- euch tapfer zu wehren, entschlossen:
+ Denn bald drfte der Feind, noch stolz auf errungenen Vortheil,
+ Mit gesteigertem Muth vorstrmen zum blutigen Angriff!
+ Ha, schon seh' ich den Siegeskranz, mein edler Capellen,
+ Dir an der Stirn! Dir, Trautmansdorf, dem Vater der Helden,
+ Glhen die Wangen vor Gier, zu rchen im Blute des Feindes
+ Die, nur mit Uebermacht erschlagenen Shn' in dem Vorkampf.
+ Oestreichs Edelstein' und Demantberge, verdunkelt
+ Heute sogar den Ruhm der thatengewaltigen Ahnen:
+ Denket des Siegs! Doch, Lichtenstein, wie? Soll ich dich schelten?
+ Nicht die gewohnte Heiterkeit frbt mit Freude dein Antlitz
+ Heut': erbebst du dem Feind? Der Tapfere scheuet den Tod nicht.
+ So, vortummelnd das Ro, erregte der Kaiser die Helden.
+ Aber dem Eilenden rief der Lichtensteiner im Scherz nach:
+ Mit Vergunst! Ihr irrt, erlauchtester Kaiser! Den Feinden
+ Bebt kein Lichtenstein; doch, frhlicher Dinge zu scheinen
+ Noch, da uns Ottgar jngst des Turnmahls schnde beraubte,
+ Gestern nicht gnnte die Zeit, an dem trockenen Brot' uns zu letzen,
+ Auch den Schlaf uns stahl? Das mchte nicht allen genehm seyn!
+ Doch wir tischen ihm bald die Mahlzeit auf, und verhelfen
+ Ihm zu dem furchtbarn Schlaf, dem er gar freudig entrnne.
+
+ Lchelnd hrte das Volk den Munteren. Aber der Kaiser
+ Flog zur Rechten hinauf, wo Schweizer, Tyroler, und Schwaben,
+ Muthbeseelt, sich eineten; schwang das Eisen, und rief dann
+ Laut zu dem Sohn, den jngst er jenen erwhlte zum Feldherrn:
+ Albrecht, halte dich wohl! Stets warst du im Schlachtengewitter,
+ Leuchtend, ein Stern; dir gleich der Burggraf Friedrich und Hochberg,
+ Und mein Mller dort, der redliche, treue Geselle!
+ Auf, ihr seyd mein Volk, ihr sollt mir Ehre gewinnen!
+ Dietrichstein, du Hort der Helden Tyrols, wie erhebt dich
+ Jetzo die Stelle, nach welcher mein Haug in der Veste sich sehnet!
+ Rief's; dann flog er zur Linken hinab, und ermahnte die Feldherrn:
+ Meinhard, trefflicher Held, nicht harrst du erregenden Aufrufs
+ Muthig zu steh'n im Kampf: denn immer wird dir im Schlachtfeld
+ Nur der herrlichste Lorber zu Theil; nun fhre die Krnthner,
+ Fhre die Krainer zum Sieg! Dir folgen die Tapferen: Heunburg,
+ Albert von Grz, und der Ortenburg auf der rhmlichen Bahn nach.
+ Und er entflammte zugleich mit mutherregenden Worten
+ Kaduschas Brust, und die Kraft des Trentschiner Helden Mathias.
+ D'rauf entsandt' er die Herolde, noch in der Stunde des Morgens
+ Aufzubiethen sein Volk: die heilige Shne zu feiern.
+
+ Aber noch sumte daheim in dem Lager der Knig der Bhmen;
+ D'rob der Kaiser sich hoch verwunderte: denn nicht enthllt war
+ Ihm des Jnglings Tod, und der Gram des erschtterten Knigs,
+ Ottgars. Katwald fuhr um ihn her, und erregte das Herz ihm:
+ Jetzt auf des Siegs betretener Bahn mit gewaltiger Thatkraft
+ Vorzudringen. Umsonst! Er sa, hinstarrenden Blickes,
+ In dem Gezelt, und regte sich nicht -- wie ein Marmorgebild dort,
+ Wo an der Urne des Sohn's, des frhverblich'nen, der Vater,
+ Sitzt gesenketen Haupt's, und die Thrn' entlocket dem Wand'rer.
+ D'rauf entschwang sich der Geist, und rief den muthigen Feldherrn:
+ Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Herbot,
+ Heinrich, dem Hort der Baiern, und Pfeil, dem Gebiether der Sachsen,
+ Die zu erneuertem Kampfe bereit, des mchtigen Knigs
+ Harrten, schwebend umher von einem zum andern, ergrimmt, zu:
+ Eilt, und erweckt aus Gram und Verzweiflung euren Beherrscher:
+ Denn er brtet erstarrt fr sich hin, und verschlieet des Glckes
+ Stimme sein Ohr, das flchtig entweicht! O nichtige Hoffnung:
+ Als den geworfenen Feind nur die Nacht den vernichtenden Blitzen
+ Eures Arms entri, da flucht' er dem nchtlichen Dunkel
+ Laut, und ersehnte des Morgens Strahl; nun weilet er mig,
+ Und versumt des Schlachtengeschicks entscheidenden Zeitraum!
+ Also der Geist, und sie eilten sogleich nach dem Zelte des Knigs;
+ Doch, eintretend voll Hast, erbebten die Tapferen alle;
+ Allen erstarb der Laut in dem Mund: so schrecklich zu schauen
+ War die Gestalt, die jngst noch in jeglichem Busen den Muth hob.
+ Lange starreten sie, von Schauern ergriffen, dem Knig
+ In das entseelte Gesicht; doch jetzt erhob er sich. Pltzlich
+ Frbte glhendes Roth ihm die Wangen, und hell, wie im Nachtgrau'n
+ Flammt der Essen zerschmelzende Gluth, von mchtigen Blgen
+ Brausend emprt, ihm glnzten die zornausblitzenden Augen,
+ Als er den Helden genaht, mit geballter Faust, und, den Boden
+ Stampfend, das Kleid aufri, und die Brust voll rhmlicher Narben
+ Rasch entblend, rief: Habt ihr ihn getdtet, den Jngling
+ Voll gewaltiger Kraft, voll edelen Muthes und Sinnes?
+ Nein, ihr nicht: denn ihr seyd feig! Doch heimlich empret
+ Habt ihr das edle Gemth, da er frech des Kindes Gehorsam
+ Mir versagte, mich floh, und selbst mein schrecklichster Feind ward.
+ Aber er stie den Dolch, den ihr ihm gereicht, nicht dem Vater
+ Hier in die liebende Brust: er durchbohrte sein eigenes Herz nur.
+ Ha, was sumt ihr frder? Entblt -- dem meuchelnden Dolchsto
+ Offen seht ihr die Brust, in der ein tapferes Herz schlgt!
+ Wohl bekannt ist mir's, da ihr nach dem Leben mir strebet;
+ Auf, vollfhret es hier, eh' drauen noch tausende fallen,
+ Opfer des Kriegs, des furchtbarn, der mir nimmer zum Heil wird![3]
+ Dann verstummt' er, erblat, vor den Tapferen. Lobkowitz wiegte
+ Trauernd, das Haupt: erhob g'en Himmel den Blick, und begann so:
+ Welchen Jammer verhngt der Ewige ber die Vlker
+ Bheims! Herr, droht Krankheit dir? Ach, immer zum Herzleid
+ Deines getreuesten Volks geschh's -- doch jetzt zur Verzweiflung:
+ Wo der Sieg uns winkt, und die Feinde, vom Schrecken gebndigt,
+ Zitterten! Hab' ich, dem Streit abhold, nicht des segnenden Friedens
+ Worte gesprochen im Rath'? Umsonst: du wolltest den Krieg nur!
+ Nun vollfhr' es mit Muth, was du so krftig begonnen.
+ Ottgar wandte sich schnell zu Milota: Fhre, so sprach er,
+ Heute den Kern des Heers rasch vor zu des Kampfes Entscheidung.
+ Hast du die dunkele Brust mir jngst auf dem nchtlichen Irrpfad,
+ Hhnend, enthllt -- zerfleischt mit blutigen Krallen das Herz mir:
+ Traun, khn war's! so wirst du auch jetzt unbndigen Muthes
+ Stehen im Waffenfeld', und erringen den Sieg mit Gewiheit:
+ Denn erprobt bist du in des Feldherrn wichtiger Stelle.
+ Lobkowitz weile mit mir, der Thaten gewrtig, im Rckhalt.
+ Katwald hrt', erstaunt, die Rede des Knigs, und rief ihm
+ Angstvoll: Welch' entsetzliche Wuth verblendet dich vollends,
+ Da du den Kern des Heers dem heimlichen Gegner vertrau'n willst?
+ Immer lchelt er Hohn, und sinnt verderbliche Tcken.
+ Auf, ermunt're dich jetzt, und fhre das Heer in die Feldschlacht,
+ Selber, sogleich; wo nicht, so vertrau' es dem tapferen Helden
+ Lobkowitz, eh' denn ihm, der dir zum Jammer erseh'n ist!
+ Aber er ballte die Faust, und wankte nicht, eiserngesinnet.
+ Ihm sah Milota kalt in das Aug', und entgegnete trotzig:
+ Keinem Schwachen vertraust du den Stab, die Zierde des Feldherrn,
+ Ueber den Kern des Heers: ich werde mir Ehre gewinnen!
+ Zwar verbanntest du mich erst jngst auf dem nchtlichen Irrpfad
+ Ferne von dir: ich weilete heut', und in kommender Zeit noch
+ Gern in dem Nachhalt nur: den hatt' ich mir heimlich ersehnet!
+ Sprach's mit bedeutendem Blick', und eilte hinaus in der Dmm'rung
+ Schnell zu entbiethen des Vorderzugs beritt'ne Geschwader.
+
+ Drauen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen nher,
+ Saen die Meiner und Thringer noch, erlesen zur Vorhuth,
+ An den Feuern umher, und verkrzten in frohen Gesprchen,
+ Oft aufjauchzend zugleich, sich die nchtlichen Stunden.
+ Nur, als jetzt
+ Milota, schaltend, vorberzog, verstummte des Kriegers
+ Lautes Geschrei. Auch Inguiomar kam, eilenden Fluges,
+ Nher, und rief dem Fhrer des Volks, dem tapferen Dietrich:
+ Ha, was sagte wohl jetzt der hochgesinnete Kaiser,
+ Heinrich, der Finkler genannt, der herrliche Vesten-Erbauer,[4]
+ Der auch Meien erbaute, die Burg, und der Eurigen Ahn ist,
+ So er euch sah' im Bund mit den Bhmen, als Deutsche den Deutschen
+ Feindlichentgegengestellt, und gehorchend dem Fremdling' als Sldner
+ Hier in dem Kampf, der euch nicht Ruhm gewhret, nicht Vortheil?
+ Jetzt soll Milota's Wink, der euch nie gnstig gesinnt war,
+ Gegen den Feind mit dem Kern des Heer's euch drngen, und treiben:
+ Denn hochwerth ist ihm, und noch mehr dem Knige selber,
+ Deutscher Muth, und der Arm, der stets in dem Schlachtengefild noch
+ Ihm den Sieg errang; doch bald vergit er des Schweies,
+ Und des Bluts, das ihr vergeudet, im eisernen Feld' euch
+ Mhend fr ihn, und ehrt, wie jetzt, nur die Seinen als Feldherrn.
+ Mnner, besteiget das Ro, und zieht in der Stille, des Lagers
+ Wall entlang, nach der Heimath fort, wo die einsame Gattinn
+ Eurer mit Sehnsucht harrt, im Kreis' umlrmender Kinder!
+ So nicht einet ihr euch, dem Eid' untreu, mit den Feinden
+ Ottgars; aber auch ihm nicht frhnet ihr mehr in dem Kriegszug.
+ Also der Geist. Da erhob sich schnell Herr Dietrich, und rief so:
+ Mnner, hrt, was dnkt euch? Ha, was sagte wohl jetzo
+ Unser erlauchter Ahn, der treffliche Vesten-Erbauer,
+ Heinrich, so er uns sah' im Bund mit den Bhmen, den Deutschen
+ Feindlichentgegenstellt? Wie, Ottgar soll uns zum Kampf hier
+ Drngen, da wir mit dem Muth, der deutsche Herzen beseelet,
+ Und noch stets ihm den Sieg errang in dem eisernen Schlachtfeld,
+ Enden den Krieg, der uns nicht Ruhm gewhret, nicht Vortheil?
+ Ha, er vergit nur zu bald des Bluts, und des strmenden Schweies,
+ Den wir unverzagt ihm spendeten! Lieblinge sind ihm
+ Nur die Slaven allein: denn Milota soll uns gebiethen.
+ Brder, sitzen wir auf, schnurstracks, und zieh'n in der Stille
+ Fort, nach der Heimath fort: g'en Thringen, Meien, wo, liebend,
+ Unser die Gattinn harrt im Kreis' umlrmender Kinder!
+ Zwar stamm' ich aus der Ostmark her[5]: denn wisset es, Leupolds
+ Tochter, des Herzogs, war's, die mich mit Schmerzen geboren,
+ Und mit Lieb' erzog, zur Freude des _sieghaften_ Vaters;
+ Doch nicht einen wir uns, dem Wort' untreu, mit den Feinden
+ Ottgars -- zieh'n nur heim, da wir nicht die Brder bekmpfen.
+ Lautumjauchzender Schrei verschlang ihm das Ende des Zurufs.
+ Zitternd vor freudiger Hast, aufzumte der Krieger sein Reitro;
+ Hing das Schwert mit dem Wehrgehng' um die Schulter, und schwang sich
+ Auf in den Sattel, den eilenden Ritt zu beginnen, unmerkbar
+ Milota's Falkenblick: denn als er wieder zur Rechten
+ Kehrte, ritten sie links Herrn Dietrich nach in der Stille,
+ Auer dem Rasenwall, thaleinwrts, bis sie den Heerweg
+ Wieder gewannen, entfernt dem Heer', und fr jetzo geborgen:
+ Denn hier whneten all': ein feindverderbender Zug sey's--
+ Milota's Werk. Doch jen' enteilten, voll Hast, nach der Heimath.[6]
+
+ Ottgar sa noch im Zelt vereint im Rath mit den Feldherrn.
+ Milder schlug sein strmisches Herz, und er sagte mit Sanftmuth
+ Manches freundliche Wort den Tapferen. Aber vor allen
+ Rhmt' er Czernin: ob des entschlossenen Zugs vor die Mauern
+ Wiens, des Ueberfalls, und des kluggeordneten Rckzugs
+ Nach dem rhmlichbestandenen Kampf mit unzhligen Gegnern.
+ Ha, rief Czernin jetzt mit zweifelndem Blick, noch entrann ich
+ Glcklich des Kaisers Gewalt: denn hatte der Vater des Sohns nicht,
+ Schonend, geharrt, der erst in nchtlicher Stunde die Festung,
+ Fr die sterbende Mutter besorgt, verlie: das Entrinnen
+ Wre nicht leicht, und sicher das Grab in dem Zug uns geworden.
+ Jetzt nur schnell in den Kampf! Nicht in dumpfeinengenden Mauern,
+ Und Spiebrgern vereint, behagt mir, zu streiten; in Freiheit,
+ Drauen im Feld mir nahe der Feind: ich werd' ihm begegnen!
+ Als er geendet das Wort, da hob sich zur Decke des Zeltes
+ Herbot von Fllenstein, der riesengestaltete Ritter,
+ Der den reussischen Scharen geboth, in feuriger Hast auf,
+ Blte sein mchtiges Schwert, und sagte mit donnernder Stimme:
+ Nehmt, o Knig, zum Unterpfand des khnen Versprechens,
+ Herbots eidliches Wort: nie zieht er hinfort in das Feld mehr,
+ So er nicht eueren Feind, der Kaiser sich nennet, gefangen,
+ Oder todt, euch schafft: dann mget ihr wrdig ihm's lohnen!
+ Dann, so hhnt' ihn Zierotin, dann werd' ihm als Siegspreis,
+ So er es khn vollfhrt, was er so muthig verheien,
+ Bhmens Hlfte zu Theil -- vielleicht verhie ich zu wenig!
+ Aber, wohlan, wir all' erringen gewi in dem Feld dir
+ Heut' unendlichen Ruhm, so uns dein gewaltiger Wink nur
+ Lenkt, und dein Siegesblick uns leuchtet
+ im furchtbaren Schlachtgrau'n!
+ Sprach's mit Kraft. So riefen zugleich der tapfere Heinrich,
+ Bayerns Herzog, und Pfeil, des Sachsen-Volkes Gebiether.
+
+ Nun trat Zawi von Rosenberg, der blhende Ritter,
+ Hastig in's Zelt. Ihm sah wildstarrender Grimm aus den Augen,
+ Als er zu reden begann: Nicht Erfreuliches werdet ihr hren:
+ Fort ist Meiens und Thringens Volk, das reisige. Treulos
+ Zog es davon, und ihm liegt das Lager schon fern in dem Rcken,
+ Da es im Flug' enteilt, zu erreichen die Fluren der Heimath.
+ All' aufschrie'n, von Zorn g'en jen' empret; nur Ottgar
+ Hob sich, schweigend, vom Stuhl. Wie des Vollmonds zitternder Schimmer
+ Fern auf dem dunkelen Teich' erglnzt: so erhellt' ihm die Augen,
+ Welche die Trauer umfing, des Muths aufdmmernder Lichtstrahl.
+ Langsam trat er heraus vor das Zelt; ihm folgten die Feldherrn.
+ Dort ersah er das Heer in der rosigen Frhe. Geschftig,
+ Wie auf gehgeltem Laub' im Walde die Ameisen rastlos
+ Kommen, und geh'n: so regte sich schon, die Rosse besorgend,
+ Rings das reisige Volk; der Waffen Glanz und des Lagers
+ Dumpfauftosender Lrm erfllt' ihm die Brust mit Vertrauen.
+ Doch stets lauter ertnete jetzt des eisernen Hufes
+ Schmetternder Schlag. Ein Ritter kam in brausendem Eilflug
+ Nher, und hielt das Ro vor dem Knige, trotzigen Blicks, an.
+ Leutold, der Kunring, war's. Auch ihn emprte so eben
+ Inguiomar, da er stolz entsage dem Waffenverein hier
+ Mit dem Beherrscher des Bhmenvolks. Nun sprach er ergrimmt so:
+ Lang ersehnte mein Herz des furchtbarn Kampfes Entscheidung;
+ Aber umsonst: noch zauderst du stets, und versumest des Glckes
+ Schnellentfliehende Zeit. Erst sah ich hinaus aus dem Lager
+ Ziehen die Meiner zugleich, und die Thringer. Also bewhrt sich
+ Mir die Sage: du biethest die Hand zum schmhlichen Frieden,
+ Auf des Sohnes Verlobung bedacht, dem Grafen von Habsburg?
+ Sey's, ich tadle dich nicht: du magst verfahren nach Willkhr!
+ Aber ich ziehe g'en Drrenstein mit meinen Getreuen.
+ Kommt dann, beide, vereint! Gar viel' erblickt ihr der Euren
+ Liegen, entseelt, an dem Wall' umher, eh' Leutold, der Kunring,
+ Fllt: nicht besiegt durch euch -- von dem Schutt der Veste begraben.
+ Sthnend gab er dem Rosse den Sporn, und entschwand aus den Augen
+ Ottgars schnell. Er griff an die Stirn', um welche der Frhwind
+ Wiegte sein grauendes Haar, und sprach zu dem sinnenden Feldherrn
+ Lobkowitz: So ist des Menschen Geschick! In krftiger Jugend
+ Hpft der muntere Bach hervor aus grnenden Thlern;
+ Eilet dem freundlichen Land' und den schimmernden Stdten entgegen,
+ Stets gewinnend an Kraft, als sich unzhlige Flsse,
+ Huldigend, ihm anreih'n: er rauscht, ein mchtiger Strom, fort.
+ Doch nicht ferne dem Ziel', eh' er matt versinkt in des Meeres
+ Dunkelen Schoo, reit hier und dort sich in sandigen Eb'nen
+ Wieder ein Arm nach dem andern von ihm, und er endet verloren
+ Dann in dem allverschlingenden dort, auf immer die Laufbahn!
+ Aber, wohlan, nicht klage der Feind: mit unzhligen Scharen
+ Htt' ich errungen den Sieg! Die treu verharren, gengen
+ Mir noch, Oestreichs Thron zu erkmpfen im Felde der Ehren.
+ Auf, wir ziehen dahin! Die Dromet' erschalle; die Trommel
+ Rufe zur Schlacht, und im Wind entfalte sich winkend die Sturmfahn'!
+ Also geschah's: denn rasch vordrangen die muthigen Scharen.
+
+
+
+
+ Neunter Gesang.
+
+
+ Sanft verhallete jetzt der Gesang zu der heiligen Feier,
+ Die der Priester des Herrn vollendete, kreisendumgeben
+ Von des Heeres geordneten Reih'n. Im rumigen Lager
+ Stand der Altar erbaut vor dem Bild des erlsenden Kreuzes
+ Schnell, wie die Zeit es heischt', im Schmuck hellgrnender Reiser;
+ Aber im Augenblick, wo nahe des Lebens und Todes
+ Wrfel fallen, aufschwang sich das Herz in heierer Andacht
+ Mit dem Gesange zu Gott: gar feierlich schlug's in dem Busen!
+ Jetzt vom Staub, wo er bethend kniet', erhob sich der Kaiser.
+ Himmlische Ruh' erhellte sein Aug', und, heiteren Muthes
+ Pochte sein Heldenherz, da im Feld die kehrenden Scharen
+ Schnell sich ordneten: denn schon riefen zum Kampf die Drometen.
+
+ Hell aufflammte des Morgens Strahl. Die freundliche Sonne,
+ Die den Abend zuvor in Westen ermdet hinabsank,
+ Hob sich in Osten jetzt, als unter dem kreisenden Erdball
+ Sie die heimliche Bahn vollendete, schneren Anblicks,
+ Wieder herauf, und erweckte die Welt zu erneuertem Leben.
+ Frischer grnte das Feld, und glnzender hpfte der Strom hin;
+ Voll war Himmel und Erde vom Laut der verjngeten Schpfung;
+ Nur aus dem Waffenschmuck des versammelten Heers in dem Lager,
+ Sog die Sonn', im Lauf, toddruenden Glanz, und erfllte
+ Rings die Vlker umher mit Angstgebilden der Zukunft.
+ Aber den Kaiser umgab ein Kranz erlesener Feldherrn;
+ Alle horchten auf ihn, und harrten freudig des Winkes,
+ Der zu Thaten sie rief. Da sprach er, finsteren Blicks, so:
+ Ottgar sumt, uns hier, wie er gestern gedroht, zu vernichten.
+ Schmach der That: nicht der Sitte gem, die aus grauender Vorzeit
+ Wir ererbten, uns both er den Kampf; nein, heimlich, im Dunkeln
+ Fiel er, dem Whrwolf gleich, der nchtlich die Hrde bestrmet,
+ Ueber uns her. Es gelang dem Khnen, zerstreute Geschwader
+ Niederzuwerfen: sie trugen die Schuld und hatten den Lohn hin,
+ Allen zum warnenden Wink, da nimmer ein Gleiches geschehe!
+ Aber vernehmt, was mir zuvor an heiliger Sttte
+ Mchtig die Seel' ergriff. Der entschwundenen Tage des Lebens
+ Dacht' ich im stillen Gemth: kein dauerndes Glck ist auf Erden.
+ Als ich Gutes und Schlimmes erwog, da fand ich, verwundert,
+ Da ich am Freitag, an dem der Welterlser fr uns starb,
+ Stets mit Vortheil focht, und den Sieg errang in der Feldschlacht.
+ D'rum, nicht aus Feigheit, nein, aus herzentspross'ner Verehrung
+ Fr das geheiligte Kreuz, will ich den Kampf der Entscheidung
+ Morgen kmpfen, am Tag des heiligen Bartholomus--
+ Heute, gefat, nur khn abwehren den feindlichen Angriff
+ Ottgars, so er ihn wagt. Wir wollen sogar ihm vershnend
+ Nah'n vor des furchtbaren Kampfes Beginn. Hervor aus den Reihen,
+ Trautmansdorf! Zieh' hin zu dem Knige; bieth' ihm des Friedens
+ Oehlzweig noch einmal aus meiner vershnlichen Rechten.
+ Mgen auch dein' Erzeugten, wie sonst, dir folgen, da etwa
+ Solches den Trotz ihm beugt, und das Herz zur Milde beweget:
+ Denn tief rhrt uns die Schau des shn'umgebenen Helden!
+ Also geschah's. Hervor aus den Reihen der tapferen Ritter
+ Kam nun Trautmansdorf mit den zwlf ruhmdrstenden Shnen--
+ Zwei entraffte der grimmige Tod schon gestern im Nachtgrau'n,
+ Als sie im Ueberfall dort Ottgars Rechter erlagen.
+ Ach, nicht lange, so fallen auch sie, auf dem eisernen Schlachtfeld
+ Kmpfend, und einsam kehrt der trauernde Vater zur Burg heim!
+ Jetzt entblt' er den Stahl, und sagte mit sinnigen Blicken:
+ Hart ertnet dem Vater der Ruf, da er nahe dem Gegner,
+ Dessen Rechte noch roth vom Blut der erschlagenen Shn' ist:
+ Denn er knnte den Streit, obgleich ein Bothe des Friedens,
+ Heier entflammen. Wohlan, wir wollen des Friedens gedenken!
+ Sagt' es, und sprengte davon, umringt von den tapferen Shnen.
+
+ Siehe, nicht fern von Zwerndorf theilt, von trben Gewssern
+ Schwer, sich der Weidenbach, und eint sich nur wieder vor Marcheck.
+ Links hin streckt er im Augefild den schlngelnden Arm aus,
+ Whrend, die Stra' entlang, er rechts die tieferen Fluthen
+ Trg fortwlzt. In dem Eiland dort, Baumgarten vorber,
+ Traf nun Trautmansdorf auf die Reisigen, welche der Gegner
+ Sandt', umsphenden Blicks, zu erkunden die Nhe des Gegners:
+ Denn es erlies't auf der Kriegslaufbahn ein jeglicher Feldherr
+ Waghls' sich, die im Grau'n des feindbedroheten Vorschritts,
+ Als _Erleuchter_ ihm zieh'n,
+ und Sicherheit schaffen der Heersmacht.[1]
+ Schon von ferne die Schar, die Rudolph sandte, gewahrend,
+ Ritten sie, brausenden Flugs, zu den Mhnen gebeugt, und den Degen
+ Schwingend auf in die Lfte, heran: sie whnten, des Gegners
+ Vorhuth sey's, und brannten vor Gier, sie niederzuschmettern.
+ Laut schrie Trautmansdorf: Halt ein! Als Herolde nah'n wir:
+ Blutigen Kampf -- will's Gott, noch lieber den Frieden zu biethen!
+ Jen', unmuthigen Blicks (denn beutebegierig) ihm winkten
+ Stille zu halten am staubenden Weg', und sendeten alsbald
+ Zween der Reiter zurck, des Feldherrn Sinn zu erforschen,
+ Milota's; doch er that, des Herolds Worte bedenkend,
+ Solches dem Herrscher kund, und er sumte nicht: denn mit den Reitern
+ Seines Gefolgs und Milota's, kam er heran zu dem Vor-Zug;
+ Hemmte den Rappen, und hie, mit zorngertheten Augen,
+ Gegen ihn stolzausstreckend den Arm, den Redner beginnen:
+ Mein erlauchtester Kaiser und Herr, so sagte der Ritter,
+ Sendet dir freundlichen Gru, und thu't dir kund, und zu wissen:
+ Nicht nach edelem Brauch -- unritterlich hast du sein Volk ihm
+ Ueberfallen bei dunkeler Nacht, und zu weichen, gezwungen.
+ Dennoch biethet er jetzt, hier unter des wlbenden Himmels
+ Heiterem Blau, und im Angesicht des versammelten Heeres,
+ Dir an dem Fest des heiligen Bartholomus, auf morgen,
+ Offen die Feldschlacht an; obgleich gerstet, entschlossen
+ Heut' in dem Lager zu ruhn, und abzuwehren den Angriff
+ Deiner Gewaltigen, wenn -- doch, das sey ferne, sie strmten.
+ Aber er heit dich zugleich das Wohl und das Wehe bedenken
+ Tausender. Seyd vershnt! Du vernahmst des Friedens Bedingni.
+
+ Ottgar schwieg erstaunt. Ihn erschtterte heimlich die Bothschaft.
+ Auch ergriff ihn mit Zaubergewalt ein flchtiger Anblick
+ Jener blhenden Schar, die um ihren Erzeuger zu Pferd sa.
+ Bald auf dem einen und bald auf dem anderen hing mit Gefallen
+ Sein gemilderter Blick: er dachte des Sohnes, und -- Wallsteins!
+ Schon gewahrete jetzt auch Lobkowitz, da ihm der Unmuth
+ Wich aus der Brust: er kam, des Friedens Ruf zu erneuern;
+ Aber da naht' ihm Katwald schnell, und haucht' ihm, vor allem,
+ Trotz in das Herz. Er sagte: Du sollst fr den blhenden Oehlzweig
+ Tauschen heute dein Schwert im furchtbarn Felde der Waffen,
+ Wo der Sieg dich erhht'? Ein Thor wr's, der es nicht she,
+ Da nur die Angst vor dir ihm solches gerathen; zerschmettr' ihn!
+ Also der Geist. Auch Milota rief ihm, verhhnend, entgegen:
+ Ha, du sollest vielleicht neu huldigen, wie auf dem Eiland
+ Kamberg? Steht das dunkle Gezelt, mit dem trglichen Vorhang,
+ Dich zu beschimpfen, bereit, da rings die Vlker dich schauen,
+ Dich, den Knig von Bheim, dort auf den Knie'n vor dem Kaiser?
+ Ottgar ballte die Faust; er sah mit grimmigen Augen
+ Um sich her, und begann voll Wuth: Wer wagt es, vom Frieden
+ Hier zu sprechen? Hinweg auf immer mit jeglicher Einung
+ Zwischen Habsburgs Grafen und mir, dem Knige! Weichet,
+ Zitternde Memmen, nur wieder zurck', und entbiethet von Ottgar
+ Ihm die Fehd' auf Leben und Tod! Zieht hurtig von hinnen,
+ Alle, da euch nicht ereile mein Zorn schon hier, vor dem Angriff.
+
+ Rasche Bewegung erhob sich im Kreis' der gesendeten Helden:
+ Manchem zuckt' es im Arm, aus der Scheide sein blinkendes Eisen
+ Gegen den Knig zu zieh'n; doch schnell bezwang sie der Vater:
+ Denket, so rief er gefat, wir kamen als Herolde Rudolphs,
+ Unsers erhabenen Kaisers, gesandt: nicht ziemt es uns, jetzt hier
+ Rcher der Unbill zu seyn; doch bald, in dem Felde der Waffen
+ Lat uns gedenken der Schmach, und sie rchen im Blute mit Nachdruck.
+ Rief's, und jagte den Renner zurck'. Ihm folgten die Seinen
+ Zgernd, vor Ingrimm, nur, und wandten die flammenden Augen
+ Hufig zurck: denn ach, die raschnachstrmenden Reiter
+ Hhnten sie noch mit Geschrei und mit schallendem, lautem Gelchter!
+ Sieben gehorchten, und folgten ihm nach; doch lenkten die andern
+ Fnf', aus der Zahl der eigenen Shn', unbndiger Wuth voll,
+ Pltzlich die Rosse herum, und flogen zurck auf dem Heerweg.
+ Brder, so rief der lteste laut, kommt, lasset uns sterben,
+ Eh' wir dulden die Schmach, die uns also die Seele betrbet!
+ So mit emprendem Ruf' enteilete Hartwig, den Degen
+ Schwingend zur Luft. Ihm nach, mit Eckhard, Walther, und Siegfried,
+ Folgte sein Zwillingsbruder und Freund, der tapfere Dietbert,
+ Bis sie erreichten die Schar der Reisigen, die zu dem Angriff
+ Herbot von Fllenstein, der riesengestaltete, fhrte:
+ Denn er warb sie entlang die grnlichen Fluthen des Peltew,
+ Jngst: Klein-Reussens Volk, zu des Kriegs Beschwerden gesthlet,
+ Wie auch gebt in dem Schlachtengedrng, schnellfige Rosse
+ Spornend, vorzusenken den Speer aus der Rhre des Bgels;
+ Dann mit des Fues Druck' und dem Stoe der nervigen Rechten
+ Einzustrmen im sausenden Flug' in die feindlichen Reihen.
+
+ Siehe, so weit ein Pfeil, von der Sehne geschnellt, in den Lften
+ Herfleugt, hemmte schon Hartwig das Ro, und harrte, dem Leu'n gleich,
+ Der in der Hetz', umringt von emporgereiheten Sitzen
+ Voll schaulustigen Volkes, allein, der entfesselten Rden
+ Heulender Schar, wie sie kommen, mit todandruenden Augen
+ Harrt, und vor Grimm dumpf murrt: so Hartwig, als ihm die Reiter
+ Naheten; doch er rief mit gewaltiger Stimme noch laut so:
+ Ha, ihr brstet euch wohl, auf die zierlichgestalteten Mtzen
+ Wie auf das wallende Kleid und die fhnleintragenden Lanzen
+ Stolz, in dem Vor-Zug oft, in vielumstrmender Mehrzahl,
+ Niederzustoen den einzelnen Mann? -- so gar nicht geachtet,
+ Weder dem Feinde noch Freund': denn bar all' edler Gesinnung,
+ Die des Kriegers Brust, des tapferen, fllet mit Gromuth!
+ Euere Zung' ist khn, die Helden zu schmhen; so kommt denn,
+ Zeiget den Muth, uns hier zu besiegen im rhmlichen Vorkampf!
+ Also drang er im Eilflug vor; ihm folgten die Brder
+ Alle, zur Wuth emprt. Den Schaft der feindlichen Lanzen
+ Jetzt aufschleudernd zugleich mit dem Schwert', erwrgten der Gegner
+ Dreizeh'n sie, voll Hast, und wandten dann fliehend den Rcken.
+ Fort nur ein Weniges noch, und sie waren entrckt dem Verderben:
+ Da fiel Dietberts Ro, und begrub mit dem Rcken den Reiter.
+ Hartwig ersah's, wie er lag in dem Staub: denn immer nach ihm hin
+ Wandt' er den lchelnden Blick; urpltzlich verscheuchte das Lcheln
+ Jetzo die Angst: er stieg nicht, er strzte vom Pferde herunter;
+ Lief, erhob ihn, und strebt', auf den Rcken des rasch und behend sich
+ Wieder erhebenden Thiers, ihm, lautermunternd, zu helfen.
+
+ Doch schon nahten im Flug die erbitterten Feinde. Die Lanzen,
+ Lechzend nach Blut, voreileten weit, zugleich von der Rechten
+ Und vom krftigen Fue gedrngt, zum schrecklichen Mordsto.
+ Sieh', und, als den Zaum und die Mhn' erfassend, sich Dietbert
+ Auf in den Bgel schwang, da bohrten der feindlichen Reiter
+ Zween ihm die Lanz' in die Brust: er sank, und verhauchte das Leben,
+ Eh' aufschreiend vor Angst um den liebenden Bruder, ihm Hartwig
+ Hlfe geschafft, und Eckhard, fern mit Walther und Siegfried,
+ Sich des Jammers versah'n im lauterbrausenden Heimritt.
+ Zwar sie kehrten zurck'; auch Hartwig sa in dem Sattel
+ Wieder, und so wie der wthende Br, dem drben der Weidmann
+ Schon das zweite Gescho in die Seite getrieben, sich brllend,
+ Auf den hinteren Beinen erhebt, und rasch auf den Schtzen
+ Losstrmt: drang auch er, ergrimmt, auf die feindliche Schar ein.
+ Nur die Zween im Aug', die ihm erst erwrgten den Bruder,
+ Gab er dem Rosse den Sporn, und warf sich inmitten der beiden:
+ Einem im Flug zerschmetternd die Stirn', und dem andern die Scheitel
+ So, da sie lautlos jetzt, und auf einmal dem Sattel entstrzten!
+ Hoch aufflatterte noch, im Sturz, von dem Schafte das Fhnlein,
+ Das, gerthet vom Blut des erschlagenen Bruders, ihn reizte.
+ Lang' noch, htt' er zugleich mit den drei kampfmuthigen Brdern,
+ Sich, unbndiger Kraft, gewehrt, und noch manchen der Gegner
+ Hingewrgt; doch schrie, vor Wuth sich die Lippen zernagend,
+ Jaroslav, der Fhrer des Volks, mit entsetzlicher Stimme:
+ Schliet, ihr Memmen, den Kreis um die Rasenden; stoet sie nieder!
+ Also geschah's: denn jetzt, umringt von dichteren Haufen,
+ Sanken sie dort, mit nie zu erschtterndem Muthe sich wehrend,
+ Alle, vom Sattel herab, und verhauchten auf Leichen der Gegner,
+ Die sie im Kampf' erwrgten zuvor, die tapferen Seelen.
+
+ Doch der unglckliche Vater flog auf dem schnaubenden Rosse
+ Nach dem Lager zurck. Den Herrscher zu treffen, verlangend,
+ Da er ihm knde sogleich das Nahen der feindlichen Heersmacht,
+ Sprengt' er, die Scharen entlang, dorthin, wo im Hauche des Windes
+ Sein Panier aufflatterte, schn und erhaben vor allen.
+ Eilig sprach er vor ihm, um die fnf gefhrdeten Kinder,
+ Die ihm nicht folgten, besorgt: Umsonst ersehnst du den Frieden
+ Jetzt mit dem Knige: denn nur des Kampfs und der Rache gedenkt er.
+ Wisse, dir nah't sein Heer; nicht fern mehr streifen die Reiter
+ Milota's. Ach, mir gnne die Huld, vor des Lagers Umwallung,
+ Kehrend in Eile, zu schau'n: ob mein' Erzeugten mir folgen?
+ Denn sie sanken vielleicht, emprt von unwrdiger Schmhung,
+ Die von dem Feind' uns ward, als Opfer unbndiger Rachgier!
+ Sagt' es, und eilete dann, von den tapferen Shnen umgeben,
+ Wieder hinaus vor des Lagers Wall, wo Lrm und Getmmel
+ Unter dem Volk sich erhob: denn Milota's furchtbare Reiter
+ Jagten herbei, wie am grau'numhlleten Morgen des Winters
+ Mit endlosem Geschrei unzhlige Krhen heranzieh'n;
+ Schwangen die Lanzen zur Luft, und bothen dem Heere des Kaisers
+ Kampf auf Leben und Tod, mit wildverhhnendem Trotz', an.
+ D'rauf nachbrausten sie wieder im Flug den Kriegesgefhrten,
+ Sich auf des Feldherrn Wink schnell aufzustellen im Saatfeld.
+
+ Aber der Lrmruf scholl nun rings in dem Lager. Die Trommel
+ Wirbelte; stets emprender klangen die hellen Drometen;
+ Herolde flogen voll Hast umher; die Stimme der Fhrer
+ Rief gebiethend zur Schlacht; das Fuvolk schlo sich in Reihen;
+ Rasch auf das Pferd aufschwang sich der Reisige; schimmernden Anblicks
+ Zogen die Ritter allen voran, und herrlich geordnet
+ Ging jetzt Rudolphs Heer in festausdauernder Abwehr
+ Auer des Lagers Wall, dem Feinde die Spitze zu biethen.
+ Ach, dort starrete noch auf die fnf erschlagenen Brder
+ Trautmansdorf, der tapfere Held, mit erschtternder Fassung,
+ Schweigend, hinab! Es sandte zuvor der schreckliche Feldherr,
+ Milota, der auf dem Feld den angstergriffenen Landmann
+ Zwang, das gehrnete Rind, in Eil', an den Karren zu spannen,
+ Sie nach dem feindlichen Lager heran. Da enthoben die Krieger
+ Jenem die traurige Last, und legten sie dort auf den Boden.
+ Aber er trieb sein Gespann, schnell wieder zurck' auf dem Heerweg.
+ Siehe, schon wandte sich Trautmansdorf von den theueren Todten
+ Nach den Lebenden um, und gewahrte mit steigender Rhrung
+ Jetzt, da sie all', ihm gleich, bezwangen die Thrne. Nur Erdwin
+ Hielt sich nicht lnger, der jngst',
+ und der theuerst' ihm seiner Erzeugten:
+ Denn er sprang von dem Ro', und warf mit schallendem Wehruf
+ Sich auf die Brder hin: nun dem -- dann wieder dem andern
+ Kssend die blasse Stirn' und die toderstarreten Lippen.
+ Schnell umzog ein glnzender Thau die Augen des Vaters
+ Und der Shne zugleich; sie weineten, ber die Todten
+ Hingebeugt. Doch jetzo begann der tapfere Feldherr:
+ Keiner tadle den Schmerz, der uns bei den jammernden Tnen
+ Meines geliebtesten Sohnes ergriff. Vielleicht, da ihn auch bald
+ Grausam der Tod entrafft. Da mir doch solches geschhe,
+ Eh' denn ihm -- zu entsetzlich wr' des Getdteten Anblick!
+ Aber so will es des Kriegers Los: er sterbe der Pflicht treu!
+ Nur beschirmt, als Brder, ihn khn! Im Gemenge der Waffen
+ Mge der eine die Brust fr den andern biethen, und Rettung
+ Schaffen sich selber und ihm, der Wechselhlfe gedenkend!
+ Erdwin, auf! Gebieth', und schnell gehorchen die Krieger
+ Dir: nach Marchecks heiligem Grund die gefallenen Helden
+ Heimzutragen, da dort der Priester mit Grabesgesngen,
+ Segnend, vertraue dem Staube den Staub; du folge dem Zug' nach!
+ Erdwin winkte den Kriegern stumm: sie erhoben die Leichen
+ Auf langschaftige Speer', und trugen sie schnell nach den Mauern
+ Jener, unferne gelegenen Stadt, da Alles und Jedes
+ Nach dem Willen geschah des mildgesinneten Vaters.
+ Durch das geordnete Heer ging nun der trauernde Zug fort:
+ Denn nach dem Rasenwall, den gestern unzhliges Landvolk
+ Baute, und d'rauf mit dem Graben umzog, dem Lager zur Schutzwehr,
+ Kam es heran: in den blutigen Kampf mit dem Feinde zu treten.
+
+ Aber, nicht rastete Katwald jetzt im hheren Luftraum:
+ Denn voll Muthes emprt' er die Kraft des nahenden Feldherrn,
+ Milota's. Sieh', als dieser die furchtbarn Reisigen Herbots
+ Eilen hie in dem Vorderzug, nach dem muthigen Fuvolk
+ Mhrens, dem er geboth, nachdrang ihm zur Rechten der Baiern
+ Treffliche Schar, gefhrt von Heinrich dem edelen Herzog,
+ Jetzt mit den Sachsen vereint, den tapferen, welche der Markgraf
+ Pfeil (ein Pfeil in der Schlacht!) im Sturmschritt lenkte: den beiden
+ Herrschte noch Czernin ob, als Feldherr. Aber zur Linken
+ Drang der Bhmen erlesenes Volk, gehorchend dem Helden
+ Lobkowitz, vor, und nach diesem kam das khne Geschwader,
+ Welches sich Ottgar heut' erlas, gleich loderndem Feuer,
+ Rasch aus dem Nachhalt vor, in die Reihen der Feinde zu strmen.
+ Katwald eilte, voll Hast, vom Einen zum Andern, und weckte
+ Mchtig in jeglicher Brust des Kampfs entsetzliche Sehnsucht.
+ Horch, schon tnt drometendes Erz; schon wirbelt die Trommel,
+ Schreit der Krieger, und wiehert das Ro; schon zittert der Boden
+ Unter dem stampfenden Huf; des Blachfelds Weite bewegt sich
+ Vorwrts. Doch, wie im Hauch zwei streitender Wind' an den Ufern
+ Wogen die Fluthen des See's herauf und hinunter: so trat auch
+ Rudolphs tapferes Heer vor dem Wall den Feinden entgegen,
+ Und, wie der thrmende Wald erkracht, den pltzlich aus Sden
+ Und aus Norden zugleich, Orkane zerschmettern im Sptherbst:
+ Zahllos liegen umher die unendlichen Stmme geworfen
+ Durcheinander hinab in den Staub: so lagen die Reiter
+ Dort mit den Rossen, erwrgt, und des Fuvolks Reihen vermenget.
+ Furchtbar wthete heut vor allen der tapfere Feldherr,
+ Milota, so da Ottgar selbst den gewaltigen Thaten
+ Staunte, die er vollbracht' in des Todes erkorenem Saatfeld.
+ Ach, er ahnete nicht, wie der Rachebrtende jetzt auch
+ Arges sann im Gemth -- da er ihm vertraue, die Scheingluth
+ Heuchelte, bald Verrath nur an ihm zu verben, entschlossen!
+ Herbot, so rief er hin, wo in keilgestalteter Ordnung
+ Oestreichs Heerschar naht -- die Ritter fr jetzo vermeidend,
+ Eile zuerst, und strm' im Flug' in die Seite des Volks ein!
+ Also geschah's: denn schmetternd erklangen die eh'rnen Drometen;
+ Schnell, wie das Wetter fleugt, vorbraus'ten die reussischen Reiter,
+ Und die gesenkte Lanz' aus der Rhre des eisernen Bgels
+ Festnachdrngend, erkor ein jeder von ferne den Mann schon,
+ Dem er die Brust zu durchbohren beschlo. Wohl sechzig erlagen
+ Also dem tdlichen Stahl der wildanprallenden Reiter,
+ Die in des oberen Oestreichs Gau'n der tapfere Hauptmann
+ Berchthold, warb, und lautes Geschrei auftobte zum Himmel.
+ Jene wichen zurck', um schnell zu erneuerndem Anlauf
+ Sich zu stellen im Feld', und die mordende Lanze zu senken;
+ Aber Capellen, der oberste Hort des Volks, wie des Ober-
+ Also des Unterlands, flog her, und emprte sie laut so:
+ Denket der Ehr' und des Vaterlands, streichische Mnner,
+ Jetzt in dem Kampf. Nur fest die Reihen geschlossen; die Lanzen
+ Khn dem Feind' entgegengesenkt, und, nah't er, zur Erd' euch
+ Hurtig gebeugt; dann auf, zu durchbohren dem schnaubenden Rosse,
+ Oder dem Reiter, die Brust!
+ Bald schaut ihr sie fliehen im Schlachtfeld.
+ Auch die Steyrer entflammt' er, und rief:
+ Heut sollt an dem Feind', ihr,
+ Krieger der Steyermark, euch rchen, der Schande gedenkend,
+ Wie ihr gewichen vor ihm mit Lrm und Gets' in dem Nachtgrau'n,
+ Fortgerissen durch Schuld des Pettau'r, der, von dem Kaiser
+ Heimgesandt, hinfort zur Flucht euch nimmer verlocket!
+ Jetzo nur khn an den Feind! Uns lohnt der herrlichste Sieg bald.
+ Sagt' es, und sprengte zurck: da braus'ten die furchtbaren Reiter
+ Herbots wieder heran, zu erneuen den muthigen Angriff.
+ Jene senkten das Haupt, ausbeugend, zum Knie' hin, und bohrten
+ Hier dem Reiter, und dort dem Ro den Stahl in die Brust ein,
+ Als weit ber ihr Haupt die feindliche Lanze dahinfuhr.
+ Aber der Boden, mit Leichen bedeckt, verwandelte ringsher
+ Sein erfreuendes Grn in die gruliche Farbe des Blutes.
+
+ Milota sah den wankenden Sieg mit Staunen: er sandte
+ Schnell die Reiter zurck, und fhrte die mhrischen Krieger
+ Gegen das Fuvolk, das aus dem ober'n und unteren Oestreich
+ Kam, und den Steyrern vereint, ihm entgegen stand in dem Schlachtfeld.
+ Gleich den Wogen des Meers, die ein Sturm aus Sden daherrollt,
+ Eilten die Reih'n jetzt vor; doch so, wie jene zum Strand sich
+ Strzen mit lautem Gebrll', und im schumenden Zorne zerschellen:
+ Denn nicht wanket der Fels: so trafen sie auch an den Kriegern
+ Oestreichs ehernen Widerstand im Gemenge der Waffen.
+ Schrecklich ertnte der Schrei der Wrgenden, schrecklich der Lanzen
+ Kreischender Schlag, als sie den eisernen Helm und den Harnisch,
+ Oder das Panzerhemd zerschmetterten, wthend geschwungen.
+ Gleich dem Orkan, flog jetzt auch Milota hin, und, ersehend,
+ Wie die Fhrer des Volks: der Seldenhofen die Steyrer--
+ Berchthold Oestreichs Krieger zum Kampf' empreten, schwur er
+ Beiden den Tod. Urschnell auf Berchthold drngt' er das Streitro,
+ Und als dieser, erhebend das Schwert, die muthigen Krieger
+ Oestreichs jetzt noch mehr vortummelte, siehe, da bohrt' er
+ Ihm den Stahl in den Hals, da alsbald ihm auf den Lippen
+ Starb das Wort, er taumelnd sank, und das Leben verhauchte!
+ Schmerz durchzuckte die Brust des Volks bei dem schrecklichen Anblick,
+ Da er, so mildgesinnt, ein Vater der Krieger genannt ward.
+ Doch mit erneuerter Wuth flog Milota hinter den Reihen
+ Seines Volkes hinab; drang wieder hervor, und durchrannte
+ Col von Seldenhofen das Herz, der weit vor den Seinen,
+ Die er entboth, hersprang, und nach ihm sein blutiges Eisen
+ Zuckte, die Stirn' ihm zu spalten, gesinnt. Nun brachen die Knie' ihm,
+ Schlotternd, ein, und er fiel, im Tod' erbleicht, auf das Eisen.
+ Ach, bald jammert daheim die alterserblindete Mutter,
+ Deren einziger Sohn und Trost er war in den Jahren
+ Trauerbelasteter Witwenzeit auf der einsamen Felsburg:
+ Denn nicht kehrt er zurck, wie ein tuschender Traum ihr verheien--
+ Er, den Traum ihr deutend, verhie, die Gute zu trsten,
+ Als er zum letzten Mal' auszog von dem rhmlichen Stammhaus!
+ Hier erlag er zugleich mit fnf erlesenen Kriegern
+ Milota's Schwert, der furchtbarn Muths, umtobt' in dem Schlachtfeld.
+ Ottgar wandte sich jetzt nach Lobkowitz um, und begann so:
+ Nie war Milota's Seele mir hold: ich kenne der Menschen
+ Trugverhllende Brust; doch sieh', ein schrecklicher Krieger
+ Ist er im Feld': ich vertraute mit Recht ihm die rhmliche Stelle!
+ Jener entgegnete schnell: D'rum vor mit den Reitergeschwadern
+ Jetzt, wo die Feind' erbeben vor ihm, sie niederzuwerfen,
+ Und zu entscheiden den Kampf in der heiteren Stunde des Glckes.
+ Nein, so sagte der Knig ergrimmt, noch la uns verziehen,
+ Bis er noch mehr aufflammt, und wir ihn entscheiden fr immer!
+
+ Also die beiden dahier. Capellen, der Edle, gewahrend
+ Drben im Feld den Tod der muthigen Scharengebiether,
+ Sandte den Oesterreichern den Meiauer hier, und den Steyrern
+ Dort den Lichtenstein, aus der Schar der Ritter, als Feldherrn.
+ Schnell gehorchten die zwei Feldobersten jetzo Capellens
+ Ruf; denn jener erkor, an Berchtholds Stelle, den Helden
+ Summerau, und Lichtenstein den furtbaren Ritter
+ Merenberg, an jene des Seldenhofen, zu Fhrern.
+ Hoch schwang Merenberg sein Schwert in die Luft, und er rief dann:
+ Ha, nun endlich dem Ziel, dem schrecklichen, nher und nher
+ Schreit' ich den dunkelen Pfad! Komm, Richard, und stehe dem Bruder
+ Treu zur Seite, mit ihm die entsetzliche That zu vollfhren,
+ Die sich der Merenberger ersehnt! O denke des Bruders:
+ Wie er am Galgen hing -- das Haupt zu den Fen gebunden,
+ Dreimal schreckliche Tage sich wand! Wie, leben soll Ottgar?
+ Alsbald einte sich ihm in dem Kampf sein finsterer Bruder.
+ Doch mit erneuetem Muth vorstrmten die beiden Geschwader,
+ Und ermordeten, was sich entgegenstemmt' in den Reihen.
+ Also gedrngt von den Strmenden, wich Morawia's Fuvolk
+ Langsam zurck', und stand, und wehrte sich wieder: nicht anders
+ Weicht der gewaltige Felsenblock, nach dauerndem Regen
+ Losgewhlt vom Gebirg', an des Bergs abgleitendem Rand hin;
+ Bis nachstrmend die Fluth ihn bewegt, und er in den Abgrund
+ Strzt im sausenden Sprung' und Gets', unhemmbaren Fluges.
+
+ Doch der erhabene Kaiser sah mit Freude die Seinen
+ Ringen im Feld, die im Vorkampf schon die gesunkenen Lorbern
+ Ihrer Heldenstirn' jetzt herrlicher wieder erhhten.
+ Schnell entboth er zu sich Trentschins Gebiether, der Ungern
+ Muthigen Hort, und sprach: Noch ward dir, tapferer Feldherr,
+ Nicht erffnet das Thor an der siegsruhmbiethenden Laufbahn;
+ Aber ich kenne den Muth, der dich und die Deinen beseelet.
+ Zieh' g'en Schnfeld hin mit den furchtbarn Reitern, und harre
+ Drben des Winks: urschnell dem Feind' in die Seite zu fallen.
+ Aber der Wink sey dir: wenn, blutrothschimmernd, von Marchecks
+ Ragendem Thurm die Sturmfahn' weht, und die Glocken erschallen.
+ Also erringst du dir Ruhm, und mir den herrlichsten Vortheil.
+ Jenem erglnzten die Augen wie Gluth; er strich mit der Rechten
+ Sich den mchtigen Bart, und sprach: Glorwrdiger Kaiser,
+ Gleich dem Morgenthau, der schmachtende Fluren erquicket,
+ Hat dein ehrendes Wort das Herz mir gelabt, und des Unmuths
+ Wolken entflieh'n mir jetzt vor den lang'umdsterten Augen!
+ Tdtendem Blitz und verheerenden Strmen gleich ist im Schlachtfeld
+ Ungerns tapferes Volk: ich will sie dir lenken zum Vortheil,
+ Mir zum Ruhm: weil mich des edelsten Kaisers Vertrau'n ehrt.
+ Sagt' es, und ritt im Flug,
+ mit den jauchzenden Scharen nach Schnfelds
+ Auen hinab, ersehnend den Wink zu dem schrecklichen Angriff.
+ Aber der Kaiser entsendete links und rechts an die Feldherrn:
+ Albrecht hier, und Meinhard dort, die Herolde; stehen
+ Hie er sie noch vor dem Wall', und festabwehren des Gegners
+ Furchtbardrngende Wuth, bis, blutrothschimmernd, von Marchecks
+ Ragendem Thurm die Sturmfahn' weht, und die Glocken erschallen:
+ Denn er ordnete dort die zeichenersphenden Mnner.
+
+ Marbod nahte heran. Er schwebte zuvor in dem Zeitraum
+ Eines entfliehenden Augenblicks nach den schimmernden Mauern
+ Drben der Wunderstadt, Venezia,[2] die aus des Meeres
+ Fluthen sich hebt, und des Fremdlings Brust erfllet mit Staunen,
+ Dort das ehrende Maal des Heldengreises zu schauen,
+ Dandolos, der mit den Franken im Bund', ersiegte die Hauptstadt
+ Constantins, erst jngst, mit nie zu erschtternder Thatkraft.
+ Doch nun kehrt' er zurck', und staunte der Menge der Leichen,
+ Die in der Mnnerschlacht schon weit bedeckten die Felder.
+ Wie den Wanderer Grau'n befllt, der pltzlich ereilet
+ Von dem sausenden Sturm', in den tiefergesunkenen Wolken
+ Weiherschimmernden Hagel ersieht, und drben im Wald' ihn
+ Wthen hrt, wo er bald, entstrzend mit lautem Geprassel,
+ Blhende Zweige zerschlgt, und zu Boden schmettert die Wipfel:
+ Also befiel ein Schauder auch ihn. Im Fluge vernahm er
+ Katwalds Ruf, wie er hier emprte den mchtigen Herbot.
+ Ha, so sprach er, du prahltest zuvor: du wollest lebendig,
+ Oder todt, aus der Schlacht heimfhren den Kaiser der Deutschen?
+ Eitler Schwtzer, wie werden dereinst dein spotten die Helden!
+ Reite zur Rechten hinab, und versuche denn quer in die Reihen
+ Einzudringen, wo Rudolph weilt, und keine Gefahr ahnt.
+
+ Herbot besann sich schnell; fnfhundert Reisigen rief er:
+ Folgt mir! und jagte zur Rechten hinab, wo, nahe dem Herrscher,
+ Meinhards Heldenruf die Krieger zum Kampfe bewegte:
+ Denn schon maen im Waffengemeng' auch die Bayern und Sachsen
+ Sich mit den Tapferen Krains und Krnthens. Dicht, und unzhlbar
+ Lagen die Leichen im Gras'. Doch Czernin fhrte die Vlker
+ Gegen Meinhards Macht, der jetzt ihn nher gewahrend,
+ Schnell vordrang, und, genaht, ihm rief: Du hast dich vermessen,
+ Nchtlich, im Ueberfall, Vindobona, die herrliche Festung
+ Zu betreten; gehofft, als Sieger, herunter zu schauen,
+ Stolzen Blicks, aus der Kaiserburg: nun sollst du es ben,
+ Was du frevelnd gedacht, und gewollt, und nimmer erreicht hast.
+ Czernin schwieg, ergrimmt. Er senkte den Speer, und erreichte,
+ Sausenden Flugs, den Mann, der also ihn schalt vor den Scharen,
+ Ihm die Brust zu durchbohren, gesinnt; doch fehlt' er des Zieles,
+ Zitternd vor glhender Hast, und der blutgerthete Speerstahl
+ Streifte nur, zwischen dem Leib' und dem Arm,
+ durchfahrend, den Harnisch.
+ Meinhard sumte nicht, hob, und senkte das Schwert, und zerschlug ihm
+ Jetzo den Helm und die Stirne zugleich, da er rcklings vom Rosse
+ Sank, und, gestreckt lang hin, in Todesschauern erblate.
+ So vor den uersten Reih'n stritt auch der muthigen Sachsen
+ Feldherr, Pfeil, mit dem weitgefrchteten Grafen von Heunburg,
+ Der den Krnthnern geboth, und der Hort der krainischen Scharen,
+ Ortenburg, mit Bayerns gewaltigem Herzoge, Heinrich,
+ Jetzo auf Leben und Tod: da Scharen des einen und andern
+ Sich bekmpften, und rings nur Mord und Gewrge zu schau'n war.
+ Heunburgs blitzendem Stahl' erlag der tapfere Markgraf
+ Pfeil, nicht des Todes Pfeil, von des Gegners Rechte geschleudert,
+ Mehr vermeidend, nach schrecklichem Kampf', und hauchte den Geist aus.
+ Heinrich gelang's, den Ortenburg aus dem Sattel zu heben,
+ Ihm durchstoend den Arm, da er dort im knisternden Sandstaub
+ Blutete, kriegsgefangen sich sah, doch wieder gerettet
+ Heim in das Lager kam, und dem kundigen Arzte sich hingab.
+
+ Sieh', als hier in dem Streit die erbitterten Vlker sich maen;
+ Schlachtruf scholl; Drometen schmetterten; Trommelgewirbel
+ Klang: der Wrger Geschrei und Verwundeter Aechzen ertnte,
+ Jagte Herbot von Fllenstein mit seinem Geschwader
+ Durch den sondernden Raum, der zwischen der mittleren Heersmacht
+ Und dem Flgel zur Linken sich fand, in Eile hinunter--
+ Dann auf den Kaiser los, den Katwald ihm, wie der Gemsaar
+ Fernhin schauend, verrieth mit emprendem Geistergelispel.
+ Rudolph kam, im Gefolge der Trautmansdorfe (nur Erdwin
+ Weilte noch, frommbesorgt, in Marchecks schattigem Freythof)
+ Eben heran, gelockt von des raschvorstrmenden Meinhards
+ Lautem Siegesgeschrei, und ahnte die nahe Gefahr nicht;
+ Doch nun hemmt' er mit zweifelndem Blick das Ro, und erforschte
+ Gierig: ob Freund', ob Feind' ihm naheten? bis er des Ritters
+ Riesengestalt ersah, der kennbar im feindlichen Heer war.
+ Ha, so rief er, erlag mein Volk? Entsetzliches Unglck
+ Droht: denn, seht, uns kommt ein feindlich Geschwader entgegen!
+ Doch schon war er umringt. Laut schrie zu seinen Erzeugten
+ Trautmansdorf: Kommt, lat uns sterben fr unseren Kaiser:
+ Rettet ihn, kmpft, und ersiegt euch hier unsterblichen Nachruhm!
+ Alsbald kehrten die sechs untad'ligen Brder den Feinden
+ Kmpfend, entgegen die muthige Brust, vom rhmlichen Beispiel
+ Ihres Erzeugers entflammt, den edelsten Herrscher zu retten.
+ Aber auch Marbod sah die Gefahr, die jetzo dem Leben
+ Rudolphs droht'; er umfing mit heiumschlingenden Armen,
+ Flehend, Capellens Brust, und rief: Zur Linken hinber
+ Eil' im sausenden Flug', und errette den Kaiser vom Tod jetzt!
+ Jener staunte bei sich, wie ihn solche Gedanken bestrmten?
+ Gab dem Rosse den Sporn, und jagte herber im Blachfeld.
+
+ Schon umhuften die Brderschar in Menge die Leichen;
+ Schon war Edelred mit Erhard gefallen: die andern
+ Bluteten; doch ermahnte sie laut ihr edeler Vater
+ Noch mit dem Schwert' in der Faust, zum Kampf fr den edelsten Kaiser.
+ Sie gehorchten ihm all', und erlagen nach schrecklichem Mord nur:
+ Kurd, Agilolf, und zuletzt mit Otto der heitere Winfried.
+ Jetzt drang Herbot schnell mit dem Speer, der hoch wie ein Mastbaum
+ Sich in die Lft' erhob, auf Rudolphs tapfere Brust ein.
+ Siehe, nicht traf er die Brust des kampferfahrenen Herrschers;
+ Doch dem steigenden Ro durchstie er die Stirn, da es sthnend
+ Sank, und zugleich in den Staub den trefflichen Reiter herabwarf!
+ Ha, wer rettet ihn mehr? Zwar nahte Capellen; die Ritter
+ Naheten; links und rechts herstrmten die muthigsten Krieger:
+ Dennoch war es um ihn gescheh'n, und die Hlfe vergeblich,
+ Wenn nicht hurtig er selbst, mit dem mordenden Speer in der Rechten,
+ Auf den schrecklichen Mann losfuhr; unbndigen Muthes
+ Ihn bekmpfte; den Streich nach seinem geschlossenen Schlachthelm
+ Fhrend, mit solcher Gewalt ihn traf, da die Augen ihm alsbald
+ Dunkelten -- Seh'n und Hren verging. Auch erhob er urpltzlich
+ Wieder den Speer: durchstach dicht unter dem Kinne den Riemen,
+ Der den Helm an das Haupt ihm festigte; drehte den Schaft noch
+ Hurtig herum, und ri blitzschnell ihn vom Sattel herunter.
+ Wie die Zinne der Burg, vom Orkan zur Erde geschleudert,
+ Fllt mit Gekrach, und der Grund weit hin erbebet: so fiel dort
+ Herbot zur Erde: sie bebte dem Fall', und Gerassel der Waffen
+ Scholl im Gefild' umher. Laut schnaubend vor Angst und Entsetzen
+ Jagte Capellen herbei. Er both, vom Pferde gesprungen,
+ Solches dem Kaiser, und half ihm hinauf in den Sattel, er selber
+ Schwingend das Schwert mit Trautmansdorf, dem tapferen Helden,
+ G'en die umdrngende Feindesschar sich zur Wehre zu stellen.
+
+ Schon entfloh die Gefahr: ein Jauchzen erscholl um den Herrscher,
+ Als jetzt Herbots Volk sich ergab an die drngenden Scharen.
+ Aber er stand, und zitterte. Schnell, emprt von dem Anblick
+ Dieses Gewaltigen, der das Leben des Kaisers bedrohte,
+ Sprengten die zrnenden Krieger herbei, an ihm Rache zu ben;
+ Doch der Erhabene rief: Zurck, verschont ihn: er lebe!
+ Das sey ferne, da ich bestrafe den tapferen Ritter,
+ Der so khn sich erwies, nicht Tausende scheuend, im Angriff:
+ Heute noch komm' er nach Wien in ehrenvolle Gewahrsam.
+ Trautmansdorf, dir dank' ich das Leben, nach Gott! Nicht zum Boden
+ Wende den Blick jetzt mehr, noch einmal die Opfer zu sehen,
+ Die es dich kostete! Fort, zur Rechten hinab, und entbiethe
+ Albrecht schnell: er strm' in den Feind; du stehe zur Seit' ihm
+ Dann mit gewaltigem Arm, ein rettender Schild in Gefahren!
+ Eilt nun all' an's Werk! ich bin geborgen; erhebt euch!
+ Alle jagten davon; nur einer -- unglcklicher Vater,
+ Nur du allein verweiletest noch, und sah'st auf die Todten,
+ Uebergebogen, hinab; dann gabst du dem Rosse die Spornen!
+ Ach, und das Augenpaar des umschauenden Kaisers erglnzte,
+ Thrnenumhllt! Doch jetzt aufschwang er den Degen: von Marchecks
+ Thurm ertnten mit strmendem Ruf die Glocken, und blutroth
+ Flatterte dort in die Luft die thatengebiethende Sturmfahn';
+ Bald erscholl ringsum Geschrei und verwirrtes Getmmel.
+
+ Ottgar zgerte noch. Umsonst ermahnte der Greis ihn,
+ Jammernden Lauts, getuscht von Herbots Khnheit, und sagte:
+ Sieh', wie dort rechts hin die Reisigen strmen, das Fuvolk
+ Rasch vordringt! Nun gilt's: entscheide den schrecklichen Kampf du!
+ Aber der Knig begann: Frwahr, wir tauschten fr heut schon
+ Art und Gemth: du khltest die Gluth sonst mir in dem Busen,
+ Kaltvorschauend, und heut', emprt zu Feuer und Flammen,
+ Hast du nicht Ruhe, nicht Rast. Bald tnt der ersehnete Ruf dir.
+ Dann begann er noch leise fr sich in sinnender Schwermuth:
+ Wallstein, ach, ich schau' in des Sieges Gefilden dich nimmer!
+ Lobkowitz schwieg. Doch sieh', nun hemmte die strmenden Krieger
+ Milota's Feldherrnwink! Er dacht', ergrimmend im Geist, so:
+ Jetzo der Thaten genug, da mir vertraue der Knig.
+ Ist's nicht klar? Er sann mir heute den sicheren Tod nur,
+ Als er mich ehrend erkor: ich lebe noch, ihm zum Verderben.
+ Dacht' es, und zog alsbald, schwachkmpfend, mit zgernden Schritten
+ Sich auf des Nachhalts Reihen zurck. Ihn emprete Katwald,
+ Tapfer zu steh'n: umsonst, er wich! Doch, sausenden Flugs, war
+ Marbod den Vlkern genaht, die am rechten Flgel, gehorchend
+ Albrechts Stimme, voll Heldenmuths, nach dem Kampfe sich sehnten.
+ Hochberg, der den Zrchern geboth, ersah er, und rief ihm:
+ Schreie: Der Feind entflieht! Gar mchtig ertnet dein Ausruf.
+ Hochberg schrie: Der Feind entflieht mit gewaltiger Stimme,
+ Die zum Kern des Heers, und hinaus zum uersten Flgel
+ Donnerte. Bald erscholl's von tausenden Stimmen auf einmal:
+ Holla, die Feind' entflieh'n!
+ Sie flieh'n -- die Feinde, sie fliehen!
+
+ Ottgar horchte dem Ruf mit kalthinstarrendem Blick' auf;
+ Wandte das Ro, und sprach zu Lobkowitz: Wahrlich, vermuthend
+ War ich des Unfalls mir: denn hre des Herzens Geheimni!
+ Jngst, in der furchtbarn Zeit des mitternchtlichen Grauens
+ Hie ich, im dunkelen Eichenhain, die Alrune,[3] des Schicksals
+ Hehre Verkndigerinn durch Bothen befragen; sie gab mir
+ Antwort: Ottgarn winkt an Stillfrieds Marken das Ziel schon!
+ Dort ist der Sieg mir gewi; wir wollen uns fechtend zurckzieh'n!
+ Herr, nicht der Hlle vertrau', so rief der jammernde Greis auf,
+ Gott vertraue -- dir selbst, und deinen gewaltigen Kriegern!
+ Noch steht Sachs und Bayer im Kampf; noch nichts ist verloren.
+ Wolle mit Ernst den Sieg, er ist dein: o komm', und erring' ihn!
+ Aber er trabte zurck. Ihm folgten am Fue die Scharen
+ Milota's, der in dem Nachzug noch voll tuschenden Eifers,
+ Selbst abwehrte, zum Schein, die raschnachrckenden Gegner.
+
+ Bald erscholl auch drben Geschrei, wo Bayern und Sachsen
+ Kmpften im Waffengefild, gefhrt von dem tapferen Herzog
+ Heinrich, und Zierotin, dem kraftgersteten Helden:
+ Denn Matthias, der Hort magyarischer Krieger, ersehend
+ Oben am ragenden Thurm die blutrothflatternde Sturmfahn'--
+ Hrend der Glocken Getn', erhob sich in Eile von Schnfeld,
+ Mit zermalmender Macht dem Feind' in die Seite zu fallen.
+ Vor zu des Rosses Mhne gebeugt, den blitzenden Sbel
+ Schwingend in krftiger Faust, hinbraus'ten die Reiter, und hieben
+ Links, rechts, ein: bald lagen die Leichen ges't in dem Blutfeld,
+ Wankten die Gegner, und floh'n, verfolgt von den Gegnern in Hast fort.
+ Rastlos eilte der Knig dahin im sinkenden Nachtgrau'n,
+ Bis er nach Drnkrut kam in das Lager, das er noch letzthin,
+ Stolz vor Siegeshoffnung, verlie -- nun trotzig begrte:
+ Denn er dachte des Siegs am nchstaufstrahlenden Morgen.
+ Doch bis Ebenthal, dem einsamen Schlo' an dem Waldthal,
+ Fhrte der Kaiser sein Heer, und ruht', umlagernd, im Feld dort.
+ Ganz verhallte des Tages Lrm, und vom nchtlichen Himmel
+ Sah'n die Sternenheer' auf die schlummernden Vlker herunter.
+
+
+
+
+ Zehnter Gesang.
+
+
+ Abendrthlich erglnzt der schnellentgleitende Rheinstrom;
+ Vllig verhallte der Sturm; nur liebliche Lftchen bewegen
+ Manchmal, leis'umsuselnden Flugs den ergossenen Spiegel
+ Seiner Gestade, wo links und rechts, von dunklen Gebschen,
+ Wldern, und Hh'n, nun hochaufragende Thrme der Burgen,
+ Nun hellschimmernde Stdt' und Gotteshuser sich heben,
+ Und ihr Bild in die spiegelnde Fluth von oben nach unten
+ Kehren, gewiegt von dem Zuge der raschforteilenden Wellen.
+ Wechselnd, von einem zum andern Gestad' durchkreuzen der Vgel
+ Singende Scharen die Luft, und ziehen dem schauernden Wald zu.
+ Abendglockengetn, vermengt dem Blcken der Heerden
+ Schallet die Ufer entlang, als jetzt an dem wlbenden Himmel
+ Auf sich schwingen die goldenen Stern'; umschattendes Dunkel
+ Ruh' auf die Welt umher verbreitet, und jeglicher Laut stirbt.
+ Von Schafhausen allein tnt Donnergets', in des Abends
+ Stille hrbarer noch dem Ohr: wo im schwindelnden Jhsturz
+ Sich von dem Klippendamm hinab zum versunkenen Strombett
+ Strzt die gewaltige Fluth, aufschumt an den Felsen, und dorther
+ Schauernden Nebelqualm in die Haine hinaus, und die Thler
+ Sendet im Windeshauch', unendlichen, ewigen Eilflugs.
+
+ Sieh', ein Ritter kam aus fremden Landen gezogen!
+ Eilig trabt' er die Strae herab, und ihm folgte der Knappe
+ Fern, ermattet der Last der Wanderung. Aber den Ritter
+ Trieb herzinniges Leid und der Heimath glhende Sehnsucht.
+ Als er im Abendlicht, hervor aus dem dunkelen Eichwald
+ Kommend, vor sich das weitverbreitete Land, und inmitten
+ Fluthen sah den ersehneten Rhein, da hielt er das Ro an;
+ Sprang aus dem Sattel herab, warf sich, erschttert, zum Boden,
+ Netzt' ihn mit Thrnen, und stand, in des Anschau'ns Wonne versunken.
+ Hartmann war's, der jetzo dem Strom sich nhernd, und kehrend
+ Heim in das Vaterland, die trauten Gefilde begrte.
+ Drben am linken Gestad', ersah er das freundliche Stdtchen
+ Rheinau, welches der Rhein im kreisenden Lauf, sich nach Osten
+ Wendend, umfliet. Dort baute (so knden die Sagen der Vorzeit)
+ Sorglich das Gotteshaus Funtan, der Heilige,[1] Schottlands
+ Knigen blutsverwandt, den Brdern von Monte-Cassino,
+ Als er, ein Pilger, dort die Stelle, vom Geiste getrieben,
+ Endlich fand, wo allein der Strom nach Osten den Lauf kehrt.
+ Hartmann sah vom Gestad mit bewegtem Herzen hinber--
+ Sah im Geist noch hinaus weit ber die Berge, des Aargau's
+ Liebliches Thal, und dort von dem Felsenhgel die Habsburg
+ Ragen aus dunkeln Tannen empor in die Luft, und herunter
+ Schau'n auf die Fluthen der Aar,
+ die ihr, eilenden Laufes vorbeirauscht.
+ Zwar vermite sie jetzt die trauten Gebiether: der Vater
+ Fern (er tauschte den Grafenhut mit der Krone der Kaiser)
+ Todt die Mutter -- von ihm die holden Geschwister geschieden.
+ Er, der Unglckliche, kehrt allein, in einsamer Stille
+ Dort zu erreichen das trstende Ziel der irdischen Wand'rung.
+
+ Doch nun rief er, bewegt, dem sptnachfolgenden Knappen:
+ Mangold, fasse das Ro an dem Zaum', und fhr' es mit Vorsicht
+ Ueber die Brcke zur Stadt; bald folg' ich dir nach in die Herberg!
+ Mangold fate das Ro an dem Zaum, und fhrt' es mit Vorsicht
+ Nebenher, dem seinen gesellt, hinber nach Rheinau
+ So, da die Brck', entlang, erst laut, dann leiser und leiser
+ Unter dem eisernen Huf fortpolterte, bis zu dem Land hin.
+ Hartmann weilete noch. Er sa in Trauer versunken,
+ Dort auf dem Felsenriff, das sich auf die Fluthen hinber
+ Beugt; sah oft nach den Wellen hinab, wie sie rollten, und eilten
+ Rastlos fort in des ewigen Meers verschlingende Tiefen,
+ Und gedachte mit Trost der eilenden Tage des Lebens.
+ Sieh', nun hob sich vor ihm der Mond in des Himmels Gezelt auf;
+ Hellte die Nacht, und zog in grnlichen Goldes Gefunkel
+ Quer auf dem dunkelen Strom die flimmernde Strae hinunter,
+ Der er, bewegt, nachsah, bis dort zu dem uersten Rand hin,
+ Wo das Gestirn sich scheitelrecht in den helleren Fluthen
+ Spiegelte. Dort winkt' ihm (so ducht' es ihn) freundlichen Blickes,
+ Jenseits her aus therischem Glanz die liebende Mutter.
+ Ach, er streckte die Arme nach ihr mit sthnender Brust aus;
+ Beugte die Stirn', und ihm sank die heimliche Thrn' aus den Augen!
+ Jetzo fuhr ein Kahn rasch ber den schimmernden Mondpfad;
+ Muntere Stimmen erreichten sein Ohr. Herber von Rheinau
+ Kehrte nach Eglisau, der Vater mit seinem Erzeugten,
+ Der, ein Fischer, dahin die Beute der Netze getragen,
+ Und seit Jahren umher auf dem fischdurchwimmelten Rheinstrom
+ Ruderte. Nun verfehlt' er, getuscht, des Zieles: der Kahn schlug,
+ Von der Strmung gerafft, an dem Joch der gewaltigen Brck' um,
+ Barst entzwei, und die Zween verschlang, so mchtig sie kmpften,
+ Schrie'n, und riefen, die Fluth.
+ Nicht der lastenden Rstung gedenkend,
+ Nicht der grausen Gefahr, aufsprang der edele Ritter
+ Auf das Angstgeschrei nach Rettung jammernder Menschen;
+ Lief das Ufer entlang, und warf sich hinab in die Strmung,
+ Als der Junge hervor aus der Fluth die Rechte gehoben;
+ Aber nicht rettet' er ihn, und fand in dem brausenden Abgrund
+ Dort das Ziel des schwermuthvoll entschwundenen Lebens.[2]
+
+ Ach, nicht ahnte des theueren Sohns unglckliches Schicksal
+ Rudolph noch, der fern im Zelt, von den Helden umgeben,
+ Sa beim erquickenden Mahl, nach unsglicher Mhe des Tages!
+ Drauen, von Lagerfeuern erhellt, verlor sich des Himmels
+ Nchtliches Grau'n; Geschrei und Gelrm erscholl mit dem Wehruf
+ Blckender Lmmer und Schaf', und des dumpfaufbrllenden Rindes:
+ Denn die Krieger besorgten das Mahl in geschftiger Sorgfalt:
+ Jetzo das Fleisch in der siedenden Fluth, die im rumigen Kessel
+ Brodelte, wohl mrbkochend, und jetzt es auf kreisenden Spieen
+ Bratend so, da der Wohlgeruch weit das Lager erfllte.
+ Auch ermangeln sie nicht des herzerfreuenden Weines,
+ Oder des Brots; nicht des Habers und Heu's die munteren Rosse:
+ Denn des Heers Marschalk, der Breuner, hatte gengend
+ Alles und Jedes zur Stelle geschafft fr die dauernde Kriegszeit,
+ Und stets lauter erscholl auftobende Freud' in dem Lager.
+
+ Drinnen im hellerleuchteten Zelt, von den Helden umgeben,
+ Harrte der Kaiser zuvor des blhenden Knigs der Ungern,
+ Dem er den Herold gesandt, als dort vom Lager vor Marcheck
+ Sich das siegende Heer erhob, die geworfenen Scharen
+ Ueber den Weidenbach voll drngender Hast zu verfolgen.
+ An dem Gestade der March, wo, g'en Hochsttten, im Halbkreis
+ Sich hinwindet der Flu, aufragte die Kuppe des Felsens,
+ Der vor grau'n Jahrhunderten schon den Vlkern zum Markstein
+ Dienete, jetzt dem Zelt des lebensfreudigen Knigs
+ Khlenden Schatten both, und, ferne geseh'n, in der Umwelt
+ Alles dem sphenden Auge verrieth. Dort fand ihn der Herold
+ Sitzend im munteren Kreis' der Zitherspieler und Snger,
+ Die von dem Heldenzug der Ahnen herber nach Ungerns
+ Reichem Gefild' und der Thatenkraft gepriesener Fhrer
+ Sprachen im jubelnden Lied'; auch rhmten darauf: wie im Feld' erst,
+ Kmpfend mit nieu erschtterndem Muth, des verbndeten Kaisers
+ Macht die Feinde bestand, und, gleich dem brausenden Sturmwind,
+ Der auf der Heid' im Herbst die verdorrten Disteln dahinjagt,
+ Trentschins ruhmverherrlichter Held dann ihnen im Rcken
+ Lag mit mordendem Stahl, als all die Scharen zerstoben.
+ Aber so laut der Knig sich d'rob erfreute, so gnnt' er
+ Dennoch dem Kunen den Ruhm vor dem Unger im heimlichen Busen,
+ Und ergrimmte noch mehr, da ihm Kaduscha heute zurckstand.
+ Hastig nahet' ihm Meyenberg, der Herold, und sprach so:
+ Herr, dein Herz erfreue der Ruhm des herrlichsten Sieges,
+ Den dein tapferes Volk mit raschentscheidender Thatkraft
+ Uns erringen half. Zum Kriegsrath ruft dich der Kaiser,
+ Und zu dem frhlichen Mahl nach des Tags ermdender Arbeit.
+ Gern, erwiederte jener, voll Hast, hineil' ich in's Lager
+ Meines erlauchten Verbndeten, der so edel gesinnt ist.
+ Sagt' es, und schwang sich auf's Ro, im Gefolg kumanischer Reiter,
+ Ebenthal zu erreichen im Flug, wo im schimmernden Zeltraum
+ Rudolph, heldenumschart, sein harrete. Wie er dahinflog,
+ Fuhr der Staub zum Gewlk, erregt von den stampfenden Hufen.
+
+ Alle gehorchten dem Ruf des erhabenen Kaisers: nur Einer--
+ Kaduscha war nicht zu schau'n. Emprt von dem Glcke des Helden
+ Von Trentschin, entboth er zu sich zweitausend der Reiter:
+ Ha, so sprach er, was sollen wir hier, mit den Deutschen verbndet,
+ Nutzlos opfern das Blut, da jngst den lohnenden _Woldan_[3]
+ Wie er den Raubritt hie, uns grausam der Kaiser verwehrte?
+ Auf, wir zieh'n nach Gn, den tapferen Iwan[4] zu retten,
+ Den jetzt Bertholdsdorf, der Kammerer, strmend, bedrnget,
+ Innen im Raum der gewaltigen Burg! Wir entsetzen die Festung
+ Schnell mit wrgender Faust, und erlsen den tapferen Grafen:
+ Dann soll Oestreich bald, verheert, und geplndert, mit Schrecken
+ Schau'n von nah' und von fern aufflammende Drfer und Stdtchen;
+ Aber wir kehren, beschwert mit reichlicher Beute, zur Heimath.
+ Laut aufjauchzten sie ihm, nach Beute begierig, und zogen
+ Schnell g'en Heunburg fort, der Donau Fluthen hinber,
+ Ueber die Brcke, die Albrecht jngst erbaute mit Sorgfalt;
+ D'rauf gewahrten sie bald den Neusiedl-See, und die Mauern
+ Oedenburgs, und eileten rasch nach den Hhen von Gn hin.
+
+ Doch schon hatte der Kaiser, vereint mit seinen Erwhlten,
+ Mit vorschauendem Blick des Angriffs Weisen erwogen;
+ Manchen erforscht, und dem Forschenden gern mit wrdiger Sanftmuth
+ Klaren Bescheid ertheilt: bis all', einmthig, ihm Beifall
+ Zollten; die Ordnungen, Zahl,
+ und die Stellung der Vlker im Schlachtfeld
+ Jeder gar trefflich fand, und jeglicher Zweifel entfloh'n war.
+ Siehe, nun scholl des Rosses Huf von der Strae herber.
+ Jene horchten erstaunt; da sprach, sanftlchelnd, der Kaiser:
+ Alle vermiet ihr hier nur ungern Hugo von Tauffers,
+ Jenen gewaltigen Greis, bei'm herzerheiternden Sptmahl.
+ Wahrlich, viel erduldet' er jetzt, in der engenden Festung
+ Mig zu steh'n, der stets im Gemenge der eisernen Waffen
+ Rasch vortummelt das Ro, und allwrts ist, wo Gefahr drut!
+ Ich entboth ihn in's Feld, dem jngst verwundeten Helden,
+ Ortenburg, vertrauend die Vest', und er folgte dem Ruf bald.
+ Als er's sprach, da trat der muntere Greis in das Zelt ein;
+ Grte den Kaiser zuvor, und den blhenden Knig der Ungern;
+ Dann die tapferen Helden umher mit feurigen Blicken,
+ Setzte sich hin, und begann: Frwahr, ich whnte: verrosten
+ Mte mein tchtiges Schwert in der dunkelen Scheide fr immer,
+ Und ich daheim Geschriebenes nur aus dem Munde des Mnchleins
+ Hren: von Thaten des Kriegs und euern errungenen Lorbern!
+ Aber als gtigen Herrn erwies dem alten Gesellen
+ Haug der Kaiser sich stets: sein dacht' er auch jetzo mit Huld nur.
+ Kaduscha sah ich zuvor an der Spitze des reisigen Volkes
+ Treulos flieh'n; er gab, hohnlachend, den kurzen Bescheid mir:
+ Iwan weih' er sein Schwert; euch wnsch' er Glck in dem Siegslauf.
+
+ All' aufhorchten mit Staunen dem Wort; doch glhendes Roth fuhr
+ Jetzo mit wechselndem Wei in die Wangen des Knigs von Ungern,
+ Und ihm blitzte der Zorn aus den halbgeschlossenen Augen;
+ Dennoch besann er sich schnell; both dann die Rechte Matthias
+ Von Trentschin, und sprach: Du sey des Heeres Gebiether
+ Mir hinfort! Obgleich vom Geschlechte der Kunen geboren
+ Mir die Mutter ward; ich die Liebe des Kun's aus der Brust ihr
+ Sog als wimmerndes Kind, und, zum Jngling gereift auf dem Todbett
+ Noch ihr schwur auf die pochende Brust: so will ich den, Unger,
+ Reuig erwgend die Schuld der dauernden Geistesverblendung,
+ Vorzieh'n jetzt dem Treulosen, der mich verlie, und nicht schmhen
+ Frder das edlere Blut des throngebornen Erzeugers.
+ Jener erhob sich mit Wrde vor ihm, und beugte die Scheitel,
+ Schweigend, zum Dank. Doch, als im schlachtentscheidenden Kriegsrath
+ Fr den bald aufdmmernden Tag Alljedes besorgt war,
+ Sa der Kaiser im Heldenkreis' bei dem frhlichen Nachtmahl
+ Heiteren Blicks, und sprach, umschauend, zu Diesem und Jenem:
+ Lat euch Lagerkost, ihr Herrn, gengen: fr jetzt noch
+ Sind der Gerichte nicht viel', doch wrze die wenigen Frohsinn!
+ Lautes Gemurmel erscholl in dem Zelt. Geschftige Diener
+ Reichten die Speisen herum: das dampfende Mu, aus dem Vorrath
+ Zartesten Mehles gekocht; dann wildes und zahmes Geflgel,
+ Wohlgebraten am Spie mit dem Rcken des jhrigen Rindes,
+ Und, zum krftigen Brote zuletzt, der Sitte geziemend,
+ Goldenen Honigseim, wie solcher dem Deutschen ersehnt war.
+ Andere trugen die Fluth des kstlichen Weins in den Krgen
+ Freundlich herum, und fllten den Bauch der rumigen Humpen,
+ Die vor jeglichem Gast', aus schimmerndem Erze getrieben,
+ Standen, nach Herzenslust bei dem Nachtgelage zu trinken.
+ Lauter und feuriger ward das Gesprch, und bewegter das Kriegszelt.
+
+ Aber der Kaiser sah mit lchelndem Wink nach dem Ritter
+ Mller, dem Zrcher, der im Kreise der Frhlichen, immer
+ Heiteren Scherzes gedacht', und jetzt zu Friedrich von Nrnberg
+ Also begann: Herr Burggraf, sprecht: wie war's denn vor Basel
+ Mit dem Gelehrten, da Ihr ihm Habsburgs Pfennig nicht gnntet?
+ Jener kndete nun mit hocherrthenden Wangen:
+ Wie in dem dauernden Kampf vor Basel dem edelen Ritter,
+ Rudolph, both sein Werk: Von den Kriegen der Rmer und Deutschen--
+ So auch des Feldherrn Wissenschaft ein Gelehrter aus Straburg;
+ Jener ihm schnell ein Goldstck gab mit der goldenen Kette,
+ Die von dem Hals ihm hing, und d'rauf, voll Gier, in den Bchern
+ Bltterte; wie er -- der Schwester Sohn, ihm solches verwiesen,
+ Da viel Geldes das Volk ihn kostete, viel auch der Kriegszug
+ Fortan heischt'. Ach hrt, so erzhlt' er dann, wie mich Rudolph
+ Schalt! Der herrlichste Lohn, so sprach er, gebhrt dem Gelehrten,
+ Der hochrhmliche Thaten beschreibt, und im Herzen den Muth weckt,
+ Sie zu vollbringen dereinst. Er se wohl selber mit Freuden
+ Ueber den Bchern, so ihm nicht die Zeit ermangelte; lieber
+ Spendet' er auch sein Gold auf ihn, der, dauernden Mhens,
+ Solche Schtze gehuft, denn auf manchen untchtigen Krieger.[5]
+ Wahrlich, so fiel ihm Mller in's Wort, kein wankendes Schilfrohr,
+ Das sich im Hauche des Windes bewegt, gewahrten die Gegner
+ Jemals an ihm, denn hrt: der Regensberger vererbte
+ Auch an den Kraft von Toggenburg, der seines Geschlechts war,
+ Unvershnlichen Ha g'en Habsburg. Feindlich umringten
+ Wir mit erlesenem Volk dort Uznach, die ragende Felsburg,
+ Und ein Krachen begann alsbald: denn laut und unzhlbar
+ Flogen die Felsen nach ihr, von des _Antwerks_[6] mchtigem Wurfbaum
+ Hingeschnellt, das Ermel in Roth, der treffliche Meister,
+ Sinnig zu bauen, verstand. Auch die _Katzen_,[7] mit Erde bedecket,
+ Rasteten nicht, stets nher den Mauern gerckt, und die Krieger
+ Schirmend vor Feindesgescho, die im Sonnenlicht und im Nachtgrau'n
+ Schwangen die furchtbare Wucht des mauerzertrmmernden Balkens.
+ Hundert Fu aufragte der Stamm des mchtigen Eichbaums,
+ Den der Meister sich whlt', und mit Eisen die Stirn' ihm bewehrte.
+ Donnernd schlug er die Wand, von krftigen Kriegern geschwungen.
+ Endlich rckten wir auch mit dem _Ebenhoch_[8] an die Zinnen:
+ Schleudernd von ihm zermalmende Blck' in die Mitte der Felsburg--
+ Auch mit Schwefel und Harz erfllete, brennende Kugeln.
+ Doch ereilt' uns d'rauf der grimmige Winter: verderbend
+ Hielt sich die Burg sechs Monden schon mit erlesenem Streitvolk.
+ Viele begruben wir dort der Unseren; viele vermiten
+ Wir an dem Morgen oft, die feig entwichen bei Nachtzeit;
+ Doch nie wankte noch Rudolphs Muth. Da warfen die Gegner
+ Lebende Fische heraus in das Lager, als spotteten sie noch
+ Seiner Gewalt. Er rief: Ermannt euch: unser ist Uznach!
+ Also geschah's. Er drang bei Nacht mit wenigem Volk nur
+ Ein durch den Mauerbruch, und erffnete herzhaft das Thor selbst.
+ Unserm wrgenden Schwert' erlagen die Gegner, und alsbald
+ Fiel auch die Burg, zerstrt, auf den Wink des Helden von Habsburg.
+
+ Laut umtnt' ihn einhelliger Ruf: Hoch lebe der Held uns!
+ Doch nun sah ihn zugleich der blhende Knig der Ungern
+ Traulicher an, und sprach: Stets bist du wohl glcklich gewesen?
+ Denn ein heiterer Geist wohnt dir in den freundlichen Augen.
+ Jener begann: Nicht also: denn vieles erduldet' ich seither,
+ Ander'n Sterblichen gleich, im wechselnden Laufe des Lebens;
+ Leidengebt erkenn' ich das Ma auch der hrtesten Leiden
+ Anderer; doch, ich lernete dem, was ber uns waltet,
+ Frhe mich fgen; hab' treu an des Heilands Lehre gehalten,
+ Die uns gewi, denn einzig wahr, hienieden und jenseits
+ Leitet zum dauernden Glck. Mit Dank geno ich des Guten;
+ Setzte dem Schlimmen ein Ziel durch Geduld;
+ stets ehrt' ich die Wahrheit;
+ Meine Wege befahl ich dem Herrn, und schau' in des Grab's Nacht
+ Ruhigen Blicks: mir winket aus ihr das ewige Lichtreich.
+ Sagt' es, und sah, bewegt, nach Albrecht, seinem Erzeugten,
+ Der an den Lippen des Vaters hing, und weinte, hinber.
+ Stiller wurd' es im Zelt, da rief mit umschallender Stimme
+ Lichtenstein: Was soll uns der Ernst bei der frhlichen Mahlzeit?
+ Morgen ruft uns die Schlacht mit donnerndem Laut', und des Frohsinns
+ Jubel verhallt. Wer kehret, wer nicht? We' Sitz an dem Tisch hier
+ Leer ist bei'm knftigen Mahl: das steht uns zum Glck noch verborgen;
+ D'rum genieet des Augenblicks, eh' er schwindet auf immer!
+ Soll die herrliche Fest des Sngers ermangeln? Er harret
+ D'rauen nur eures Winks: der gemeinsamen Freude gedacht' ich.
+ Sage mir an, sprach Rudolph jetzt, we' Landes und Volkes
+ Rhmt sich dein Snger? Bekannt sind mir die Weisen der Meister:
+ Denn mir waren sie stets ersehnete Gste; so mancher
+ Wallte zur Habsburg hin, und geehrt ging jeder von dannen.
+ Gierig horcht mein Ohr den zaubergewaltigen Mnnern:
+ Denn mit frischerem Grn bekleidet ihr Sang in dem Winter
+ Selbst, den entbltterten Wald, und mit Frhlingsblumen die Matten,
+ Die der herbstliche Wind versengt': auf den nebligen Himmel
+ S't er glnzende Stern' umher, und weckt in des Menschen
+ Fhlender Brust, gar mchtig die Ahnung der schneren Zukunft,
+ Der hier unter dem Druck der Gegenwart, wie erstarret,
+ Ach, nach jener, so oft, mit inniger Liebe sich sehnet!
+ Eilt, und fhrt ihn herein den werthen Gast bei dem Mahl hier.
+ Jener eilte hinaus; dann kehrt' er, und sagte dem Herrscher:
+ Nicht unrhmlich bekannt ist Hornecks[9] Name, des Sngers,
+ Der aus der Steyermark entspro, und in blhender Jugend
+ Fort nach Deutschland zog an den Hof des wrdigen Bischofs,
+ Werner von Mainz, wo ihm Rotenburg zum Meister geworden.
+ Aber ihn drngte das Herz: ein redlicher Hirte der Schflein
+ Seines Heilands zu seyn, und er weidete solche mit Sorgfalt,
+ Jahrlang, bis ihm die Feder zugleich und das Siegel der Bischof
+ Wieder vertraut'. Er starb, und Horneck kehrt' in die Heimath:
+ Erst dem Snger des _Frauenbuch's_,[10] de' Sohn ich mich rhme,
+ Sich zum Frommen zu weih'n: dann mir, als jener gestorben:
+ Denn mit unsglichem Flei, in zierlichem Reim die Geschichten
+ Schreibend, folgt er mir treulich nach im Krieg' und im Frieden.
+ Doch nun trat im langen Talare der heilige Snger
+ Leise herein. Er trug die tnende Harfe mit Vorsicht
+ Unter dem Arm, und grte die Schar -- vor allen den Kaiser
+ Tief, und mit innigem Blick'. Erstaunt besann der Beherrscher
+ Deutschlands sich. Ihm schien: als htt' er ihn frher gesehen;
+ Nur vom lastenden Alter gebeugt, und ergrauet an Haaren
+ Stand er, ein Fremdling, vor ihm. Da lie er mit freundlichen Mienen
+ Auf den niedrigen Stuhl am Zelteingange sich nieder;
+ Langte die Harfe hervor, und fuhr mit flchtigen Fingern
+ Ueber die Saiten dahin, die herzerschtternden Lautes
+ Tneten. Still ward's d'rauf in dem Zelt, und es stockte der Odem
+ Allen umher in der Brust, da er jetzt den feierlichernsten,
+ Heiligen Sang begann im Klange der bebenden Saiten:
+
+ Laut erbrauset der Sturm, und jagt tiefhangende Wolken
+ Ueber die finsteren Berge hinaus. Der laubige Hochwald
+ Trieft, der Giebach rauscht, vom dauernden Regen geschwollen.
+ Sieh', dort ruhete nun, aus dem Sattel gestiegen, ein Ritter,
+ Nach ermdendem Weidwerk aus. Von dem heiteren Antlitz
+ Strahlt ihm der Heldenmuth -- aus den blulichen Augen die Wahrheit,
+ Liebe, und Treu'. Er sah in die Fluthen: sie saus'ten, und braus'ten,
+ Eilten im Fluge dahin, und er dachte des fliehenden Lebens.
+ Aber der Rappe scharrt; laut winselt der gierige Schweihund:
+ Denn kein Wild auftrieb er im Forst, und der Ritter erhebt sich
+ Heim zu zieh'n in die Burg, wo sein die Liebenden harren.
+ Jetzt erreicht Geklingel sein Ohr. Von dem finsteren Wald her
+ Naht dem Ufer ein Priester des Herrn: im schimmernden Chorrock,
+ Und mit goldener Stol' an der Brust, nachschreitend dem Mener
+ Eilig, das Engelsbrot zu dem sterbenden Manne zu tragen.
+ Doch jetzt schaut er, voll Angst, umher: denn siehe, der Giebach
+ Schwemmte den Steg aus dem Grund', und drben aufjammert die Hausfrau:
+ Hrbar poche der Tod an der Thr', und es lechze der Gatte
+ Nach der Labung, die ihn auf die Reis' in die Ewigkeit strke.
+ Schnell entblt' er die F' an des Ufers felsigem Abhang,
+ Dort die rauschende Fluth khn durch zu waten, entschlossen.
+ Aber der Ritter kam in Eile herber, und both ihm--
+ Erst anbethend den Heiland der Welt, das gesattelte Reitro
+ An zu heiligem Dienst, und kehrte, vergngt, zu den Seinen.
+ Als der Abend sank, und die Welt in rosigen Schimmer
+ Hllete, sieh', da fhrte der Priester das Ro an dem Zgel
+ Ueber den Burghof her, und sagt' es dem Ritter mit Dank heim!
+ Aber er sprach: Was dnkt dich? Nein, nicht diene die Reitpferd
+ Frder zu schndem Gebrauch, das meinen Erlser getragen:
+ Denn nun sey's der Kirche des Herrn mit dem Feld' an dem Weiher
+ Frei geschenkt, da hinfort kein Wildbach mehr auf den Pfaden
+ Jenes unwirthbaren Raums, in dem heiligsten Amte dich hemme!
+ D'rauf der Priester begann: So vergelt' es dir Gott, der Erbarmer,
+ Edeler Herr, was du mit erbarmendem Sinn an dem Diener
+ Seiner Kirche gethan: stets mg' es dir glcklich ergehen!
+ Ha, mir sagt es der Geist, und ich irre nicht -- sey die Geheimni
+ Dir in den Tiefen des Herzens bewahrt: dir zieret die Scheitel
+ Wrdig dereinst die Krone des heiligen, rmischen Reiches!
+ Herrschen wird dein Geschlecht auf dem herrlichsten Thron'
+ in die Zukunft
+ Endlos hin. Dein dauernder Ruhm erfllet den Erdkreis!
+
+ Endete so: da sah'n zugleich die versammelten Helden
+ Staunend, dem Kaiser in's Aug', und erkannten des Grafen von Habsburg
+ Fromme That enthllt, die er stets verschwiegen voll Demuth.
+ Aber er strzte herbei, und drckte mit heier Umarmung
+ Lange den heiligen Greis an die Brust; dann rief er bewegt so:
+ Wahrlich, du bist's, Ehrwrdiger, der an dem rauschenden Giebach
+ Mir mit dem Herrn erschien, dort Glck und Segen zu spenden!
+ Mge die ewige Huld dir hier und dort ihn vergelten!
+ Jener beugte die Stirn' auf Rudolphs Hand, ihm die Thrnen
+ Bergend, und wankte hinaus in dem einsamen Zelte zu ruhen.
+ Auch die Helden, gesammt, enteileten: denn an des Morgens
+ Tod- und lebenentscheidende Schlacht ermahnte der Kaiser
+ Sie mit erglhendem Aug': O denket, so sprach er, des Morgens,
+ Der uns im eisernen Felde vereint. Im Sieg' ist die Freiheit,
+ Wohlfahrt, Ruhe und Glck viel Tausender: denket des Sieges!
+ Aber erschtternd braust' ein Ruf aus dem Munde der Helden:
+ Ha, wir gedenken mit Gott zu erringen den Sieg in dem Blutfeld!
+
+ Tief verstummte das einsame Zelt. Mit sinnenden Blicken
+ Ging der Kaiser umher; dann sa er wieder, und dachte
+ Noch des wechselnden Glcks der Sterblichen -- sah mit Ergebung
+ Himmelempor, und entschlummert' im Schimmer der Lamp'
+ auf dem Lehnstuhl.
+ Aber nicht lang, da fuhr er, bewegt, zusammen (nicht wacht' er,
+ Schlummerte nicht) ihm stand, verklrt in himmlischer Schnheit,
+ Hartmann, der liebende Sohn, vor den nachtumhlleten Augen,
+ Blickte lchelnd ihn an, und sprach: In dsterem Zeitraum
+ Schieden wir, mein Vater! Mir ward auf dem irdischen Dornpfad
+ Jammer zu Theil, und ich weinete still: nicht gewahrend der Vorsicht
+ Mildumschlingende Hand, die allein zum lohnenden Ziel fhrt.
+ Ha, nun steh' ich am Ziel! Gels't, und in himmlischer Klarheit
+ Liegen des Lebens Rthsel vor mir; versiegt ist der Thrnen
+ Bitterer Quell', und es jauchzt die entfesselte Seele vor Wonn' auf.
+ Vater, traure nicht, wenn die Todesbothen dir knden:
+ Hartmann starb in den Fluthen des Rheins: im rhmlichen Streben,
+ Retter zu seyn Unglcklicher! Schon ist die sterbliche Hlle,
+ Die ihn umgab, in dem Baseler Dom zu Grabe getragen,
+ Wo ihm ein Denkstein wird, auf immer zum ehrenden Zeichen.
+ Traure nicht. Ich, und die Mutter -- wir harren dein in Gefilden
+ Ewigen Glcks, bis treuerfunden am Ziel, wo entscheidend
+ Sinket die Wag', und steigt, auch du, vor unsglicher Wonne
+ Jauchzend, die Deinen ersiehst in seliger Wiedervereinung.
+ Denke der Alpenhh'n, des Greises, und frommen Gelbdes,
+ Wenn in umdrngender Schlacht die Hoffnung des Sieges dir schwindet!
+ Rudolph fuhr von dem Stuhl'. Er whnte den fliehenden Schimmer
+ Noch an der Decke des Zeltes zu schau'n, und zitterte, starrend
+ Hin, den Gesichten der Nacht.
+ Dann rief er: Ein furchtbarer Traum war's:
+ Furchtbar und himmlisch zugleich!
+ Mein Hartmann lebt, und mich tuschte
+ Nur der Lamp' aufflimmerndes Licht. O Herr, du bewahr' ihn!
+ Sprach so; streckt' auf dem Lager sich aus, und entschlummerte wieder.
+
+ Aber nicht herrschte die Ruh' und des Herzens Frieden in Ottgars
+ Zelt: denn eben kehrt' er zurck aus dem finsteren Eichwald
+ Gtzendorfs, und er whnete noch: die Schrecken der Hlle
+ Rauschten hinter ihm her, im Gezisch' unseliger Geister.
+ Furchtbar rollte sein Aug', und seine geffneten Lippen
+ Zitterten. Doch nun warf er das Schwert auf den drnenden Tisch hin,
+ Lie sich nieder, und starrte mit dsterem Blick' in des Oehldochts
+ Flimmernden Schein. Er eilte zuvor dem waldigen Thalgrund
+ Gtzendorfs, im Grauen der Nacht, allein, und dem Heerweg
+ Fern' auf dem schnaubenden Ro entgegen: des dunkelen Schicksals
+ Ruf noch einmal dort an dem schauerumflossenen Eichbaum,
+ Dem die Bewohner des Dorfs nur mit Angst und Schrecken vorber
+ Eileten: denn stets scholl Gezisch um ihn her, zu vernehmen.
+ Dorthin bannt' erst jngst Drahomira, voll hllischer Arglist,
+ Einen tuschenden Spuk, zu verlocken den finsteren Ottgar,
+ Der um die Mitternacht hinwanderte, Gott zu versuchen.
+ Als er rasch auf den Baum losdrang, da trat ihm sein Engel
+ Unsichtbar in den Weg, und rief an das Herz ihm die Warnung:
+ Wie, Verehrer des Herrn des Weltalls, Theuererls'ter,
+ Willst du dem Vater der Lge dich weih'n -- die unsterbliche Seel' ihm
+ Selbst verschreiben zum Pfand fr trugverhllende Zeichen?
+ Kehre zurck; bereue die Schuld des entflohenen Lebens.
+ Mild erbarmt sich der Herr des Reuigen: eil' ihn zu shnen!
+ Ottgar horchte bestrzt: denn zorngertheten Blickes,
+ Sah der Unsterbliche jetzt nach dem Baume hinber, und alsbald
+ Floh'n die finsteren Mchte davon. Ihr wildes Gezisch scholl
+ Laut um ihn her: er wandte das Ro, und im brausenden Eilflug
+ Kehrt' er heim in das Zelt, von Angst ergriffen, und Schauder.
+ Als er dort beim Scheine der mattaufflimmernden Lampen,
+ Sinnend, sa: da scholl ein Getrab anstrmender Rosse
+ Nher. Nicht lange, so stand Kunegunde, mit flammenden Blicken
+ Schauend, vor ihm, und sprach: Hast du die verhllete Neigung
+ Deiner so theuren Tochter dir, zu dem herrlichen Jngling,
+ Wallstein, frher gekannt, der jngst in's eigene Schwert sank,
+ Und ihr Herz verwundet im Zorn? Nie siehst du sie wieder.
+ Hedwig entfloh. Aus dem Kloster, ach, der ad'ligen Nonnen
+ Drben im Ungerland kam mir die Kunde gesendet:
+ Eine Braut des Herrn, will sie in erkorener Stille
+ Leben hinfort. Schon hllt ihr die liebliche Stirne der Schleier.
+ Schrecklicher, dein Werk ist's: gar viel des Schlimmen erlebst du!
+
+ Ottgar beugte das Haupt, und barg die thrnenden Augen
+ Schnell mit den Hnden vor ihr: von dem leise geahneten Schicksal
+ Seines theuersten Kindes bewegt. Er bebte, verstummend.
+ Doch sie sprach von neuem mit Hohn: Im nchtlichen Grauen
+ Komm ich von Drsing heran: denn wer gewahrt' in des Tages-
+ Licht nicht die Scham und die heimliche Wuth mir im glhenden Antlitz
+ Ueber die Flucht des Bhmenheers -- des tapfersten Heeres,
+ Das sein Hort: weh mir, da ich Gattinn dem Feigen geworden,
+ Fliehen hie in dem Augenblick des entschiedenen Sieges!
+ Weib, halt ein! schrie laut der Emprete, khn und entschlossen
+ War ich mein Leben lang, und feig ertrug ich als Gatte
+ Nur, die Launen des Weibs, das mir zum Jammer zu Theil ward.
+ Ach, die unfriedliche Ehe gebiert die herbste der Qualen!
+ Doch fr jetzo hinweg mit eitlem Gezanke. Zu furchtbar
+ Drnget der Augenblick: nicht fern ist die Stunde der Schlacht mehr.
+ Fort noch heute g'en Prag! Ich sende dir muthige Scharen
+ Zum Geleit. Mit dir sey Gott! Kunegunde die Mutter
+ Meiner Kinder bist du! Erhabenes liegt in den Worten.
+ Halte sie wohl, die theuern! Gar viel ertrug ich des Schlimmen
+ Mit Geduld, um die Kindlein: denn mir fehlte der Sohn noch.
+ Ha, da vielleicht, so mir die Heimkehr wird aus dem Kriegszug,
+ Schnere Tag' uns blh'n! Nur als Sieger siehst du mich wieder.
+ Sagt' es, und stand, verwendeten Blicks. Ihr rollten die Thrnen
+ Ueber die Wangen herab: denn tief vorahnte sie's: nimmer
+ Werde sie ihn mehr seh'n; doch scholl kein freundliches Leb' wohl!
+ Ihr von den Lippen; sie ging, und schwang sich auf's Ro,
+ von den Reitern
+ Dicht umschart, bald Prag, die herrliche Stadt zu erreichen.
+
+ Heftig bewegt, ging Ottgar jetzt im dmmernden Zeltraum
+ Auf und nieder, und sann. Schon lngstentflohene Zeiten
+ Kehreten ihm, nun lieblich und hell, nun nchtlich und furchtbar,
+ Wieder im Bilde zurck, und ach, unendliche Wehmuth
+ Fate sein Herz, als dort die dmmernde Helle des Nachtgrau'ns
+ Trauergewlk verschlang, und um ihn, verdet, die Welt lag!
+ Sthnend streckt' er zuweilen den Arm weit vor, und ersehnte
+ Hei, zu entreien dem Grab, was solches im Moder bedeckt hielt.
+ Seine Lippen bewegten sich dann, und lispelten Nahmen,
+ Ort, und Zeit umher in die Dmmerung. Willigen Herzens,
+ Wr' er mit flehendem Wort vor Dem, und vor Jenem gesunken
+ Auf die Knie', zu erringen den Wink ersehnter Verzeihung.
+ Doch, als Niemand war, der Antwort gab, und auf Erden
+ Alles, verstummt, und erstarrt, auf immer jegliches Mitleid
+ Ihm zu versagen schien: da hob er die furchtsamen Augen
+ Auf zu dem Himmel, und sah durch leis'aufquellende Zhren,
+ Zweifelnd, hin, bis jetzt, erschttert, die bebenden Hnd' er
+ Faltete; dann, gesunkenen Haupts, auf die Kniee sich werfend,
+ Also begann: O Herr, nicht geh' in's Gericht mit mir Armen!
+ Ringsum drngt mich die Schuld,
+ wie die Fluthen des schwellenden Bergstroms,
+ Und einstrzender Berge Gerll. Wo find' ich Errettung
+ Einst vor deinem Zorn, Allmchtiger, wo, so dem Schuldner
+ Nur vergeltendes Recht, nicht auch Erbarmen zu Theil wird?
+ Doch Erbarmen mit mir, das, hart- und eiserngesinnet,
+ Ich nicht bt' an den Menschen -- ein Mensch? Erhebe die Hand nur,
+ Furchtbarer, straf' mich: denn ich hab' es verschuldet, auf immer!
+ Dennoch nimmst du die Shne noch an; barmherzig und gndig
+ Bist du, o Herr, wenn reuig das Herz auf der irdischen Bahn noch,
+ Schmerzdurchdrungen, sie beut! Noch wandl' ich auf ihr. Im Bewutseyn
+ Schrecklichen Frevels, zu dem auf der schwindelnden Hhe des Thrones
+ Mich die gefhrliche Macht und der feiggesinneten Schmeichler
+ Zauberruf hinri, und des ungebndigten Herzens
+ Ehrgeiz, Stolz, und begierliche Gluth stets mchtiger drngte,
+ Will ich, lt du mich leben, o Herr, mit reuigem Herzen
+ Shnen die Schuld! Wie ich einst des Kreuzes heiliges Zeichen,
+ Siegend, zur Ostsee trug, und dort den verwilderten Heiden
+ Deines Nahmens Ruhm verkndigte, eifernd fr Wahrheit,
+ Tugend, und Recht; wie dort das Herz bei jeglichem Guten
+ Hher im Busen mir schlug, und ringsum die heitere Schpfung
+ Lchelte, weil in der Brust noch Frieden mir wohnte: so will ich,
+ Ein erneuerter Mensch, hinfort dir leben, und wrdig
+ Wandeln vor dir, geschirmt von deiner allmchtigen Rechten!
+ Ha, der Morgen graut! Ich stehe g'en ber den Feinden:
+ Jenem zumal, der mich verhhnete -- mir in dem Herzen
+ Glhenden Ha und Rachsucht weckt'. Ich verzeih' ihm: du heischest
+ Solches, mein Heiland, von mir zum Gehorsam. Im redlichen Kampf nur,
+ Den des Throns erworbenes Recht und die Liebe der Vlker
+ Heiliget, will ich ihm steh'n, und anheim dir stellen mein Schicksal.
+ Gieb mir den Sieg, Herr! Doch nicht mein -- dein Wille geschehe!
+
+ Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht
+ Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglhte das Frhroth.
+
+
+
+
+ Eilfter Gesang.
+
+
+ Zweifelnd rang der Tag mit der Nacht, und im schauernden Zwielicht
+ Ruhte die Erde, noch rings vom holden Schlummer umfangen,
+ Als das schreckliche Paar der Meerenberger in's Lager
+ Kehrete. Dort an dem Pfad, der, lngs dem duftenden Weinberg,
+ Immer hher sich hebt, und erst an dem felsigen Hgel
+ Schwindet, von welchem der Rabenstein empor in die Luft ragt,
+ Standen die Rachebrder, vereint zu entsetzlichen Thaten,
+ Schon drei Stunden lang, und sah'n mit finsteren Blicken
+ Bald nach dem Hochgericht, bald einer in's Auge dem andern,
+ Das, wie der Blitz aufflammt in dem Nachtgrau'n, fters erglhte
+ Vor dem gewaltigen Drang des grimmgesttigten Herzens.
+ Aber da sprach der ltere so zu dem jngeren Bruder:
+ Siehe, der Morgen graut; schon bin ich gefat, und entschlossen!
+ Komm: die Vorhuth harrt, der wir uns entzogen. Und jener
+ Sagt', erweicht: Noch ist das Entsetzliche, dem ich erbebe,
+ Nicht gescheh'n; noch stehen wir fern dem gekrneten Gegner,
+ Den ich zu morden schwur in der offenen Schlacht, in des Tempels
+ Heiligthum, und in dem stillen Gemach, wie solches das Glck mir
+ Gnstig beut. Bereit ist die Rach', und der schndlichste Frevel
+ Heischt sie mit Recht, und doch -- ich knnt' ihm verzeihen!
+ Nicht zrne
+ Theurer, mir ob dem Wort', er sinkt: ich knnt' ihm verzeihen!
+ Wie, so entgegnete jener voll Wuth, das verhateste Wort kam
+ Dir von den Lippen: verzeih'n? Sieh' hin nach dem Baume des Fluches!
+ Ist er nicht jenem gleich -- vielleicht da die hllischen Mcht' ihn,
+ Mir zum Hohn, durch Zaubergewalt herfhrten im Luftraum,
+ Weh', auf dem der edelgesinnete Bruder, mein Seyfried,
+ Schuldlos litt; das Haupt zu den Fen gebunden, nach dreimal
+ Schrecklichen Tagen verblich? Verzeih'n?
+ Ich erwrge dich, thust du's!
+ Jener verstummte vor ihm, und sie kehrten mit eilenden Schritten
+ Wieder zurck zur Heldenschar der erlesenen Vorhuth.
+
+ Drben in Osten entstieg des erd'umrandenden Himmels
+ Tiefen, gehllt in Rosengluth, die ersehnete Sonne;
+ Aber sie schwand dann bald, von dsteren Wolken verschlungen,
+ Wieder, und zeigt' auch heute nicht mehr ihr freundliches Antlitz,
+ Bis sie vom Abendthor erreicht das herrliche Ziel sah!
+ Schon war drngende Hast und dumpfes Gemurmel im Lager
+ Beider Gegner erwacht; schon sprengten die Herolde hierhin,
+ Dorthin fort: des Heers Aufstellung den schaltenden Amtnern[1]
+ Kund zu thun, wie solche zuvor der Herrscher gebothen.
+ Ottgars druende Macht hob weit an dem dunkelen Spannberg
+ Sich empor: ausdehnend rechts den mchtigen Flgel
+ Bis g'en Weidendorf, und links an die Marken von Drnkrut,
+ Also geordnet in sechs Heersulen, dem Feind zu begegnen:
+ Hier an das Bhmen-Volk der Sachs und der Bayer, und drben
+ Reu' und Pol' an jenes aus Mhren, gereiht, mit den Scharen,
+ Kunrings: denn ihm verharrete dort mit erlesenen Kriegern
+ Noch zu getreulichem Dienst Hadmar, der ltere; Leutold
+ Nur, aufflammenden Zorns, zog jngst mit den Seinen zur Burg heim.
+
+ Aber wie gestern am Wall', zu drei Heersulen geordnet,
+ Standen des Kaisers Reih'n entgegen den Reihen der Gegner,
+ Und gedachten anjetzt vor dem Kampf, der Beicht und des Buwerks:
+ Denn manch tapferer Krieger sprach: Wo weilt in des Heeres
+ Ordnung der Seelenhirt, der von dem verirreten Schflein
+ Hre die Snden bekannt, und im Nahmen des Herrn es entlasse,
+ Ledig der Schuld? Ach, furchtbar wr's, in solcher zu scheiden!
+ Bald gewahrt' er den Wink, der ihm das ragende Zelt wies,
+ Wo in dem dmmernden Raum, mit niedergehefteten Augen,
+ Heiligen Mitleids voll, der Priester des Herrn zu Gericht sa.
+ Willig senkten vor ihm auch sonst unwillige Knie' sich
+ Jetzt in den Staub, und, segengestrkt, bekannten die Krieger,
+ Nicht durch Erdenmacht -- nein, nur von dem Herzen getrieben,
+ Was sie gefehlt, und bereut; sie hreten warnende Lehren;
+ Hrten erfreuenden Trost, und zuletzt den gttlichen Ausspruch,
+ Der sie ls'te, nicht band, auf dem Wege des Heils und Erbarmens,
+ Wie es der Meister gelehrt, der Menschen des Himmels Gewalt gab.
+ D'rauf, als dort vor jeder der drei Heersulen ein Priester
+ Wrdig die Feier des Abendmahls vollendete, traten
+ Sie zu dem Tische des Herrn, und empfingen die Speise der Seelen,
+ Klopfend die Brust dreimal mit des Kapernaonischen Hauptmanns
+ Demuthssinn, der sprach: O Herr, nicht wrdig erkenn' ich
+ Mich, da du einkehrst heute bei mir; doch, sprichst du ein Wort nur,
+ Wird die Seele gesund! Und mit Freudigkeit stellten die Scharen
+ Wieder sich auf in Reih'n, gestrkt in heiliger Andacht.[2]
+
+ Jetzt erwacht' in dem Lager Gets'. Der edele Ritter
+ Rief den Knappen herbei, da er sh' nach dem Zaum' und dem Bgel--
+ Nach dem Sattel und Gurt: ob jedes dem mchtigen Schlachtdrang
+ Haltbar sich wies'? da er selbst den Helm mit dem Riemen am Kinn sich
+ Festigte; dann sein gutes Schwert, aus der Scheide gezogen,
+ Prfte, die Schneid' entlang, mit sanfthingleitendem Daumen.
+ D'rauf noch einmal umwandelnd das Ro mit forschenden Blicken,
+ Fat' er hurtig den Zaum, und sagte zu seinem Getreuen:
+ Gr' mir den grauenden Vater daheim, so der Vater im Himmel
+ Mich in dem Waffengemeng, durchbohrt vom feindlichen Eisen,
+ Abruft: bald nachfolgt, vom Alter gebeugt, er in's Grab mir!
+ Aber ein Anderer sprach: Merk' auf! So ich niedergeworfen
+ Lieg' auf dem Feld', und du kehrst, so bringe der Gre viel tausend'
+ Dort der Schwester noch, der redlichen: denn in dem Leben
+ Theilten wir Freud' und Leid, vereint von der zartesten Jugend!
+ Wieder ein Anderer trat mit dem Knappen beiseit', und geboth ihm:
+ Kmmst du vorber die Burg, wo mir, holdselig, das Frulein
+ Treue Minne gelobt: oft hast du es selber gesehen,
+ Wie von dem Erker sie mir, dem Scheidenden, thrnenden Blickes,
+ Nachsah, dann noch fern mit dem schimmernden Tuche mir winkte:
+ O so sprich: Treu bis in den Tod ihr weiht' ich das Leben!
+ Doch der fromme Gemahl begann mit sinnendem Ernst so:
+ Redlicher, kehrst du, des Ritters beraubt, zur rhmlichen Heimath:
+ Gre die beste der Frau'n und die holdaufblhenden Kinder
+ Alle mit herzlichem Wort! Die so edelgesinnete Gattinn
+ Solle mir ja bewahren den Eid, und die munteren Jungen,
+ Sorgend mit Mutterhuld, zur Furcht des Herrn auf der Wahrheit
+ Hellem Pfad' erzieh'n, da sie Mnner in jeglichem Sinne
+ Werden, und wir vor Gott uns wiederfinden in Wonne!
+
+ So bestelleten dort, voll Hast, die gersteten Ritter,
+ Vor dem Entscheidungskampf, des ergriffenen Herzens Geheimni.
+ Andere sprengten daher, und schttelten Diesem und Jenem
+ Freundlich die Hand, leb' wohl! auf immer vielleicht ihm zu rufen.
+ Doch die, bundesgesellt, in den schimmernden Reih'n sich erblickten,
+ Eineten sich mit betheuerndem Wort' und mit krftigem Handschlag:
+ Nahe zu seyn in Gefahr, und zu schtzen der eine den andern.
+
+ Sieh', da ritt, umringt von seinen gewaltigen Feldherrn,
+ Nach vollendetem Mahle des Herrn, auch der Kaiser herber!
+ Hugo von Tauffers sah des Heers Aufstellung, und sagte:
+ Herr, nicht schweigt dein Haug: er kennt den gtigsten Herrscher!
+ Heie die Scharen in fnf, nicht in drei Heersulen geordnet,
+ Gegen den Feind vordringen im Feld, da die tapferen Krieger
+ Jeglichen Volks, entflammt von der rhmlichen Liebe der Heimath,
+ Streben den andern zuvor, zu erringen den herrlichen Siegspreis.
+ Klug hast du, sprach jener mit Huld, mir gerathen. Des Weisen
+ Rath ist besser denn Gold, und des Demants funkelnder Reichthum
+ Wiegt ihn nicht auf. So mge das Heer in gesonderten Haufen
+ Stehen: um mich die Ritter-Schar und die Vlker aus Deutschlands
+ Oberen Gau'n; dann rechts, in zwei Heersulen der Ostmark
+ Heldenshn' und der steyrischen Mark, und in zweien, zur Linken,
+ Jene von Krnthen und Krain, von muthigen Fhrern geordnet;
+ Aber das tapfere Volk der Ungern stehe zur Rechten--
+ Jenes der Kunen zur Linken zurck: im entscheidenden Zeitraum
+ Vorzubrechen, und dort zu vernichten die fliehenden Scharen,
+ Da von der Warte von Ebenthal der mchtige Knig,
+ Schauend als Zeuge sein Volk, zum Sieg entflammet die beiden.
+
+ Also geschah's. Noch war der volkvereinenden Fhnlein
+ Pracht im Heer nicht enthllt. Die Fahnenjunker entbanden
+ Solche dem ragenden Schaft', und sie flatterten jetzt in dem Wind hin,
+ Zahllos, buntvermengt, wie im Lenze die Blumen des Feldes.
+ Alsbald sprengten die Edeln heran, den Ruhm zu erringen:
+ Vor dem Kaiser im Kampf' einher zu tragen die Sturmfahn':[3]
+ Oestreichs Demantberg' und Edelgesteine mit Konrad
+ Haselau; dann Trautmansdorf mit seinem Erzeugten,
+ Ach, dem einzigen jetzt, und auch Capellen mit Heunburg!
+ Aber mit freudigem Stolz begann der erhabene Kaiser:
+ Werth seyd ihr des Ruhms, des herrlichsten, alle vor allen;
+ Doch mein Haselau, der achtzigjhrige Greis dort,
+ Heischt ihn mit Recht: d'rum werd' ihm heut die erlesene Stelle
+ Oestreichs Siegespanier fr Oestreichs ewige Herrschaft
+ In der entscheidenden Vlkerschlacht zu erhh'n, und es steh' ihm
+ Lichtenstein, so er dort ermattete, hlfegesellet.
+ Tritt, Markgraf von Hochberg, vor, und empfange die Reichsfahn'!
+ Albrecht, du, mein ltester, komm, mir die erste der Fahnen,
+ Die vor allen, geziert mit dem Bild des erlsenden Kreuzes,
+ Aufragt, heut zur ermunternden Schau, in dem Kampfe zu weisen:
+ Dicht vor mir in Gefahr und todverbreitendem Schlachtgrau'n,
+ Wie du es selber ersehntest jngst, im muthigen Herzen!
+ Hochberg hob nun zuerst des heiligen, rmischen Reiches
+ Fahne zur Luft, wo schwarz im gelbherschimmernden Feldraum
+ Sich der Doppel-Aar, mit Zepter und Krone geschmckt, wies;
+ Jene von Oestreich Haselau, ehrwrdigen Anseh'ns,
+ Weisend den schneeigen Streif in Leupolds rhmlichem Blutfeld.
+ Beide hielten, dem Kaiser nicht fern, zur Rechten und Linken;
+ Aber vor ihm hob dann sein Albrecht die heilige Fahn' auf,
+ Die in dem grnlichen Feld mit dem Bild des Erlsers geschmckt war.
+ Wieder begann er, und sprach vor dem Heere mit leuchtenden Augen:
+ Schwarzenberg, nun hin, zu erforschen den Knig von Bhmen:
+ Ob er gerstet im Feld' uns heut zu begegnen, gewillt sey?
+ Nahe der Vorderhuth, mit den Reisigen wirst du ihn treffen:
+ Denn er kennt in Gefahren des Kampfs die unmnnliche Furcht nicht!
+ Jener enteilete, wie der fernhinbrausende Sturmwind,
+ Der des Staubes Gewlk auf dem Heerweg, wirbelnd, emporhebt.
+ Bald annahte der Held dem nahenden Feind', und gewahrte
+ Dort an der Vorderhuth, im Kreis' erlesener Feldherrn,
+ Ottgars hohe Gestalt, der, herrlichgewaffnet, daherkam:
+ Denn er hllte das Haupt in den silbernen Helm, und es wand sich
+ Rings um selben, die Kron' aus strahlendem Golde, gezackt, auf;
+ Auch der Harnisch und Schild, und am Arm und dem Beine die Schienen,
+ Die er sich heute gewhlt, erglnzten von Silber, und druend,
+ Warf von des Degens Griff in der Rechten ein rthlicher Demant
+ Blitz' umher. So kam er, zum Kampf gerstet, herber.
+ Als er den Ritter ersah, da hemmt' er den schnaubenden Rappen
+ Rasch mit zorngerthetem Blick; doch jener begann so:
+ Herr, du hast den Frieden verschmht: so bieth' ich dir Krieg denn,
+ Ich, von Schwarzenberg, des Kaisers gesendeter Herold,
+ Krieg auf Leben und Tod, im Nahmen des Kaisers! Er fragt dich,
+ Edelgesinnet, zuvor, nach altherkmmlicher Sitte:[4]
+ Ob du, gerstet zum Kampf', ihn heut' erwartest im Schlachtfeld?
+ Also der tapfere Held. Grimmlchelnd erwiederte jener:
+ Bring' ihm die Kunde zurck: ich sey Streit's halber[5] gekommen!
+ Sagt' es, und wandte das Ro, im schnelleren Zuge die Krieger
+ Vorzufhren zur Schlacht, und zu schrecklichem Feindesgemetzel.
+
+ Schon verkndete Schwarzenberg, der edele Herold,
+ Kehrend in Eile zurck, dem Kaiser, da ewige Feindschaft
+ Ihm der Knig gelobt, und bald vorstrme zum Angriff.
+ Sieh', und kaum entfuhr ihm das Wort, da jagten des Gegners
+ Vorderste Haufen herab von dem Hgel; viel tausende folgten
+ Bald den ersteren nach, und verdunkelten alle die Hhen!
+ Manchem der Krieger, der zum ersten Male des Feindes
+ Scharen ersah in dem Feld; noch nie der wrgenden Waffen
+ Furchtbaren Schlag vernahm, und empfand in dem Sturme des Angriffs,
+ Pochte das Herz in der Brust viel mchtiger: wechselnde Schauer
+ Liefen ihm fort und fort an dem Haupt und dem Rcken hinunter,
+ Und zu dem Helmdach hob sich oft sein starrendes Haar auf.
+
+ Doch nun ritten im Flug' aus den Reih'n der mittleren Heerschar
+ Hundert Jnglinge vor, die aus Zrich, dem Stdtchen, gezogen;
+ Stellten dort vor dem Kaiser sich auf, und einer begann so:
+ Mchtest du jetzt, erhabener Herr, ruhmwrdiger Sitte
+ Denkend, ertheilen den Schlag, der uns den Edeln geselle!
+ Ha, nicht soll es dich reu'n, wenn wir vordringen im Schlachtfeld!
+ Freudig entblte der Kaiser sein Schwert, erhob es, und sagte:
+ Blhende Mnner, wohlan: da ihr edele Thaten verheiet,
+ So gescheh' euch nach Wunsch! Hart drngt uns die Stunde: wir schlagen
+ Darum euch nur auf den Helm und den Schild, nach edeler Sitte,
+ Jetzt im Nahmen des Ein-dreieinigen Gottes zu Rittern.
+ Und er fhrte den Streich kreuzweis nach den Helmen und Schilden
+ Aller umher. So wurden sie hier den Edeln gesellet.[6]
+ Aber er sprengt' im Fluge hinaus vor die glnzenden Scharen;
+ Schwang das Eisen, und rief mit lautumschallender Stimme:
+ Tapfere, hrt: nun gilt's! Dort nah't in furchtbarer Mehrzahl,
+ Unvershnlichen Grolls, der Feind, uns die Lnder der Ostmark,
+ Ja, auch die Krone des Reichs, im entscheidenden Kampf zu entreien.
+ Aber nicht soll er de' sich erfreu'n. Allmchtig ist Gottes
+ Schtzender Arm: er fhrt uns mit allumfassender Vorsicht
+ Durch die sonnige Flur und die Nachtabgrnde des Lebens:
+ Fest ruht mein Vertrauen auf ihm. So werdet auch ihr jetzt,
+ Stark durch Gott, mit unbeugsamer Kraft des endlichen Kampfes
+ Schrecknisse siegend besteh'n; den eidverhhnenden Frevel
+ Strafen: erringen die langersehnete Ruhe fr Deutschland;
+ Grnden der Vlker Glck und euren unsterblichen Nachruhm.
+ Ha, und erliegen wir auch, so lat uns erliegen als Helden!
+ Eins sey mein, und euer Geschick: ich, Kaiser der Deutschen,
+ Leb', und sterbe mit euch auf dem winkenden Felde der Ehren.
+ Sieh', und die jauchzenden Scharen entlang aufblitzten die Waffen
+ Aller zugleich in die Luft: sie heischten urpltzlichen Angriff.
+
+ Aber auch Ottgar rief entflammende Worte den Seinen:
+ Sehet, so sprach er mit grimmigem Blick, schon naht uns des Gegners
+ Heersmacht, der so frech uns hhnete, schndliche Tuschung
+ Uebend an mir, und an euch: noch bebt mir die Seele vor Schauder,
+ Denk' ich's! Doch er be dafr: denn ewige Schand' euch,
+ So ihr nicht rchet die Schmach,
+ die, gleich, dem Volk' und dem Herrscher
+ Bhmens galt. Gedenket der Zeltvorhnge von Kamberg,
+ Strafet des Frevlers Trotz. Er brste sich, da ihm die Kunen
+ Gestern erfochten den Sieg. Schaut hin nach den rhmlichen Feldern
+ Kressenbruns, wo ich Bela's Macht, vernichtend, in Staub warf.
+ Ha, noch bin ich der Held, der euch vom Siege zu Siegen
+ Fhrete! Fort -- greift an! Dem druenden Aare von Oestreich
+ Mge der bhmische Leu' nun weisen die furchtbaren Klauen.
+
+ Also emprten ihr Volk die schlachtgebiethenden Herrscher.
+ D'rauf erscholl ringsher Geschrei und Getmmel; die Trommeln
+ Wirbelten; laut in dem Sturm erklangen die eh'rnen Drometen:
+ Hier die Reisigen, dort des Fuvolks Reihen zum Angriff
+ Drngend im Feld', und so, wie ein Lftchen die wogenden Aehren
+ Treibt im Kreise herauf und hinab: so bewegte sich hierher,
+ Dorthin, wimmelnd, das Heer. Staub flog empor, wie im Mrzmond,
+ Wenn der eisige Nord-, dann wieder der brausende Westwind
+ Noch den entfliehenden Winter hemmt, und am glnzenden Mittag
+ Rieselgewlk aufjagt: da hebt sich im wirbelnden Aufflug
+ Hoch in die Lfte der flimmernde Schnee; da schwindet des Himmels
+ Sonnige Blue; das Thal, und die ringsaufragenden Berghhn
+ Hllt das Gestber in Nacht: so erregte der feindlichen Scharen
+ Schlachtanlauf unendlichen Staub in den Saatengefilden,
+ Und das Entsetzen schnob aus dem Grau'n des umnachtenden Qualms her;
+ Aber nicht anders, wie dann, mit entfesselter Wuth, die emprten
+ Strzen aus Westen und Norden zugleich auf den wimmelnden Hafen,
+ Wo das Gewsser des Meers, aufbrandend, sich hebt; von den Ankern
+ Reisset das Seil, und jetzt, wild an einander geschleudert,
+ Mitten im furchtbarn Wogengeheul, am zerschmetterten Schiffsraum
+ Kracht der Raum, am Maste der Mast, und, berstend am Kiel hin,
+ Donnert das hohle Verdeck, da rings den umuferten Hafen
+ Grause Zertrmmerung hllt: so stieen die Heere zusammen.
+ Sieh', und seitwrts, weit vom Winde hinbergetragen,
+ Legte sich jetzo der Staub in dem Feld: da sah'n sich die Gegner
+ Nher in's Aug', und ha, bald traf das Eisen auf's Leben!
+ Doch, ach! mute der Kampf fr Rudolphs Helden so schrecklich,
+ Und am schrecklichsten noch, fr den einen der Helden beginnen?
+
+ Zamor trieb aus der Vorderhuth die rstigen Schtzen
+ Reussens vor in die Schlacht. Sie hatten der tdlichen Armbrust
+ Sehne gespannt; den Pfeil in die Rhre des Schaftes geschoben;
+ Fest an die Wange gepret den krummgebogenen Kolben;
+ Dann im Lauf, nach dem Gegner zielend, das schnellende Znglein
+ Losgedrckt: urpltzlich ertnte die Sehn', und erbraus'te
+ Fort in der Luft der befiederte Pfeil, nach feindlichem Herzblut
+ Lechzend: er traf, und verwundete Ro und Mann in den Scharen,
+ Die aus der Steyermark herlenkte der tapfere Pfannberg,
+ Und jetzt Trautmansdorf beherrscht: da jener, verwundet,
+ Noch im luftigen Zelt des vielerfahrenen Arztes
+ Sorge sich fgt: voll Gier, in die Schlachtreih'n wiederzukehren.
+ Trautmansdorf ermahnete laut das treffliche Fuvolk
+ Und die Reiter zugleich, des vaterlndischen Ruhmes
+ Eingedenk', heut' in dem Feld' als mannhafte Streiter zu stehen.
+ Freudig gehorchte das Volk,
+ und im Sturmlauf ging's an den Feind jetzt,
+ Als, von der Armbrust her die befiederten Pfeile geschnellet,
+ Zischten. Dicht vorber dem Ohr des unglcklichen Vaters
+ Flog ein mordender hin, und verschont' ihn -- den zartesten Sprling,
+ Der ihm von zehn-und-vier noch blhete, niederzuwerfen.
+ Hinter ihm sank ein Reiter vom Ro'. Er hrt' es, und bebte;
+ Aber nicht sah er zurck, und rief des aufstrmenden Herzens
+ Angst bekmpfend, noch lauter sein Volk zum Kampf und Gewrg' auf.
+ Erdwin war's, der fiel, von dem Pfeil' im Halse getroffen,
+ Da in dem Sturmlauf jetzt die Halsberg' sich von der Schulter
+ Aufschob. Still, wie die Lilie sinkt, vom Hagel zerschmettert,
+ Sank er vom Ro', und, fallend, bath er mit sterbendem Blick noch,
+ Da kein Laut sein Geschick dem enteilenden Vater verrathe.
+ Trauernd gehorchten dem Wink die raschvorstrmenden Krieger.
+ Doch schon drang im beflgelten Ritt sein edler Erzeuger
+ Bis in die vordersten Feindesreih'n,
+ und schnell, wie der Blitz schlgt,
+ Warf sein schrecklicher Arm fnf Schtzen aus Reussen zu Boden.
+ Zamor, des Volkes Hort, ersah den Wrger, und alsbald
+ Jagt' er heran, den Tod der gefallenen Krieger zu rchen;
+ Aber ihm eilte nur muthiger noch der Ritter entgegen;
+ Fate noch fester den Griff in die Hand, und hieb mit des Schwertes
+ Tdlichem Stahl' ihm die hochgethrmete Mtz' und die Scheitel
+ Tief in die Stirn' entzwei, da er strzend vom Sattel hinunter
+ Taumelte, laut aufsthnt', und das blhende Leben verhauchte.
+ Ach, bald jammert die Gattinn daheim, die, heimlich im Busen
+ Ahnend ihr Trauergeschick, dem scheidenden Gatten den Sugling,
+ Schlummernd in lieblicher Unschuld wies, und die Knie' ihm umfate,
+ Flehend mit Thrnen im Blick, da er doch bei den Seinen verharre;
+ Aber umsonst! Ihn rief der ruhmverheiende Heerbann
+ Fort in das Feld, und er sank, erwrgt,
+ in dem schrecklichen Kampf jetzt.
+ Siehe, nicht rastete Trautmansdorf: er drngte die Schtzen,
+ Rasch fortkmpfend, zurck', und Blut bestrmte den Boden!
+
+ Fern, vom gehgelten Sand', ersah der Fhrer der Kunen,
+ Suhol, der Eber genannt, dem Trentschins Gebiether den Herold
+ Sendete: da er ihm eine sein Volk, wie dort in dem Vortrab
+ Trautmansdorf vor allen zuerst vordrang mit den Reitern.
+ Das emprt' ihm die Brust, und, unbndigen Zorns, wie ihm stets noch
+ Jugendlichhei das Blut in dem leichtaufbrausenden Herzen
+ Kochte, schwang er sein Eisen zur Luft, und begann vor dem Volk so:
+ Seht, dort fechten sie schon, und trnken ihr Schwert mit des Feindes
+ Dampfendem Blut', -- erringen wohl auch sich die Beute vor andern,
+ Da wir, mig im Hinterhalt, des unsicheren Vortheils
+ Harren! Soll denn die Beut' und der Siegsruhm stets nur die Deutschen
+ Lohnen im Schlachtengefild? Stets sollen wir jenen zurcksteh'n,
+ Eng' in die Ordnung gebannt? Nicht also gefllt es dem Kunen:
+ Denn er schwrmt in dem Feld, wie ein brausendes Donnergewitter,
+ Frei umher, und erfllt es mit Angst, Verderben, und Jammer.
+ Auf, wir wollen hinaus, dem Feind' in die Seite zu fallen
+ Mit entsetzenverbreitender Hand! So holen wir Beut' uns
+ Selber, und Ruhm wird uns, die Sieger, nur herrlicher lohnen.
+ Alsbald gab er dem Rosse den Sporn, und es jagte sein Volk ihm
+ Dann im brausenden Flug rasch nach: umschwrmend das Huflein
+ Kunrings, und schnellend zugleich von dem weitgehrneten Bogen
+ Pfeile, so dicht, da rings sich in nchtliches Dunkel der Luftraum
+ Hllete. Bald traf hier, bald dort der befiederte Mordstahl
+ Reiter und Ro, und verwundete viel' in der nahenden Kriegsschar;
+ Doch als solches die Pfeile verscho, den entleereten Kcher
+ Und den Bogen, vereint, mit der Schnur auf den Rcken zurckwarf:
+ Da griff's rasch nach dem Sbel,
+ und hieb mit Gejauchz' in die Feind' ein.
+ Kunring hatte den Speer gesenkt; das unbndige Reitro
+ Links gespornt, und rechts, und die wildumschwrmenden Krieger
+ Niedergeworfen, bis ihm ihr Feldherr, Suhol, der Eber,
+ Seitwrts nahend im Flug, mit dem Sbel die Lenden durchrannte.
+ Alsbald sank er vom Sattel herab: die erschrockenen Krieger
+ Wichen zurck, und im Feld hin scholl Geschrei und Getmmel.
+
+ Ottgar bebte vor Zorn, da er so, im beginnenden Kampf schon
+ Wieder die Gegner im Vortheil sah, und die Seinen im Feld hin
+ Flchteten. Sieh', da schwang sich, ergrimmt, der finstere Katwald
+ Aus den Lften herab, und rief im Geistergelispel:
+ Wehe, du schaust die Deinen besiegt, noch ehe die Gegner
+ All' ihr Schwert entblten, und eh' den ragenden Speer sie
+ Senkten zum Todessto'! Unglcklicher, willst du noch zaudern?
+ Whle sogleich die tapfersten dir aus des Heeres Geschwadern;
+ Fhre sie khn selbst vor, zu erwecken den Muth in dem Herzen
+ Aller umher: so erringst du vielleicht den herrlichsten Sieg noch!
+ Ottgar rief alsbald nach Lobkowitz, schreiend hinber:
+ Tapferer Greis, nun vor mit deinen geharnischten Reitern,
+ Hier den allentscheidenden Sieg mir heut zu erkmpfen!
+ Gro ist der Ruhm, den dieser mir beut; doch grer die Freundschaft
+ Noch, und die Liebe, die ich, dein Knig, dankbargesinnet,
+ Dir werkthtig bewies seit dreiig entflohenen Jahren.
+ Dessen gedenk' anjetzt, und vergilt mir mehr, als die Schuld war!
+ Dann entsendet' er dort an Zierotin, und den Herzog
+ Bayerns die Herolde: Muth und dauernde Kraft in dem Busen
+ Beider zu wecken, und hier entboth er, gewaltigen Ausrufs,
+ Selber die Khnsten im Heer',
+ und fhrte sie rasch in die Feldschlacht.
+
+ Nicht entging es dem Blick des erhabenen Kaisers, wie tapfer
+ Trautmansdorf vordrang, und die strmenden Schtzen zurckwarf:
+ Freud' erfllte sein Herz; doch bald versiegte sie wieder,
+ Als der Kune so frech, der Willkhr frhnend, zum Angriff
+ Flog. Kein Sterblicher hemmte den Fels, der, rollend aus Alphh'n,
+ Schneller und schneller herab in das Thal
+ mit donnerndem Sprung fleugt:
+ D'rum geboth er auch jetzt, den edelen Rittern und Feldherrn,
+ Winkend, das Feldgeschrei. Urpltzlich ertnte der Aufruf:
+ Gott mit uns! im streichischen Heer', und Praga! zur Losung
+ Allentscheidender Schlacht, in dem bhmischen, lauter und lauter,
+ Durch drometenden Schall und den Lrm fortwirbelnder Trommeln,
+ Und in dem staubumwlkten Gefild traf Reiter und Fuvolk,
+ Ritter und Knappe zugleich in schrecklicher Eile zusammen.
+ Wie, herstrmend, der Donner rollt, da die Vesten des Erdballs
+ Zittern, ritt im Galopp mit den schwergeharnischten Reitern
+ Lobkowitz nher, und schlug der Kunen umschwrmende Scharen
+ Mordend zur Erd', als Suhol, ihr jngsterlesener Fhrer,
+ Sank vor seiner Gewalt, und, entmuthigt die andern entflohen.
+ Sieh', auch Trautmansdorf, von den Reitern entblt, und der Unzahl
+ Blogestellt, wich nun vor Lobkowitz! Aber dem Leu'n gleich,
+ Der, von unbndigen Rden verfolgt, noch hufig sich wendet,
+ Und noch manchen zerreit mit den schrecklichen Zhnen: so wies er
+ Ihm die muthige Stirn', da er fechtend die Scharen zurckzog.
+
+ Meinhard warf sich zuvor rechts hin auf Heinrich, den Herzog
+ Bayerns: denn voll Kraft und verwegenen Muthes im Schlachtfeld,
+ Waren die Krieger aus Krnthen und Krain ihm gefolgt, und es strmten
+ Oestreichs Tapfere links, gefhrt von dem khnen Capellen,
+ Gegen die Sachsen vor, die Mansfeld, furchtbaren Grimmes
+ Wrgen heit. Da war, entlang die feindlichen Reihen,
+ Schrecklicher Mord, Wehklag', Aufjauchzen und Jammern zu hren:
+ Da zu schau'n das Entsetzliche: wie der erbitterten Gegner
+ Manche, schon nahe dem Tod, sich im Staub noch, wrgend, umfaten,
+ Und das Blut der Erschlagenen, gleich aufschumenden Bchen,
+ Wogte hinauf und herab in dem grau'numnachteten Schlachtfeld.
+ Bis an des Himmels Gewlb' empor die mittgliche Sonne
+ Sich erhob, die heut' ihr strahlendes Antlitz in Wolken
+ Hllete, wies die Vlkerschlacht, wie auf strmischer Meerfluth
+ Ein entmastetes Schiff, hinauf und hinunter im Kreis' treibt,
+ Sich im wechselnden Glck; doch jetzt gelang es dem Helden
+ Lobkowitz, rasch vorstrmend im Feld, der mittleren Heerschar
+ Obzusiegen. Sie wich nur langsam, und stellte sich wieder,
+ Gegen den Feind, erneut, die tdliche Waffe zu fhren;
+ Aber mit leuchtendem Blick und muthgertheten Wangen,
+ Sprengte der Knig das Ro von Reihen zu Reihen. Er schalt, bath,
+ Und bewegte sein Heer noch eilender vor in dem Blachfeld.
+ Jetzo hinan, so rief er, und schrie, da die Vlker erbebten,
+ Jetzo nur muthig hinan: denn Ottgar fhrt euch als Sieger!
+ Seht, wie Jene vor euch entflieh'n; fort, schmettert sie nieder!
+ Also braus'te das Wort, emprend, ihm von den Lippen.
+ Wie den nchtlich umwthenden Brand, der viele der Huser
+ Schon vernichtete, noch das Volk zu bewltigen hoffet:
+ Denn still ruhen die Lft' umher; doch pltzlich erhebt sich
+ Ein feindseliger Sturm, und unaufhaltsam hinunter
+ Wlzt sich von neuem der Strom des empreten Feuers: so strmten
+ Ottgars Vlker dahin, und drngten die Gegner im Blachfeld,
+ Immer rascher und rascher zurck. Ein Krnchen Gewichts mehr
+ Auf die Schale des Leu'n, und den himmelannahenden Rumen,
+ Seinem erkorenen Reich', entsank der Adler auf immer.
+
+ Rudolph sah des Augenblicks kurzdauernden Zeitraum
+ Lang, bestrzt, umher, und ihm dunkelten nchtlich die Augen.
+ Deutschlands Ruh', und des Reiches Wohl,
+ dem, herrschend mit Thatkraft,
+ Er sich geweiht, ersah er von neuem gefhrdet, und allwrts
+ Wieder entfesselt die Wuth der grau'nverbreitenden Willkhr;
+ Doch bald schwang sich sein Geist aus der Erdennacht in des Himmels
+ Ewiges Lichtreich auf, wo ein mchtiger Helfer ihm lebte.
+ Schnell verlie er den Sattel, und lag auf den Knieen im Staub dort,
+ Laut aufrufend vor allem Volk mit gefalteten Hnden:
+ Ewiger, komm' uns, errettend, zu Hlf'! Ach, wende die Augen
+ Nicht von uns ab: denn nicht entzndeten, frevelnden Muthes,
+ Wir den blutigen Streit: nur unvershnlicher Rachgier,
+ Und zermalmender Wuth steh'n wir, abwehrend, entgegen!
+ Gib uns den Sieg! Ein Gelbd lebt mir, erhebend, im Herzen:
+ Denn ich schaue dein Heil, wie der erste der christlichen Kaiser,
+ Huldausstrahlend, vor mir: des weltvershnenden Kreuzes
+ Heiliges Zeichen, in dem ich den Sieg erringen, und dankbar
+ Ihm, zu verehrendem Dienst, fr immer und ewige Zeiten,
+ Stiften ein Gotteshaus, und zu ihm versammeln die Jungfrau'n
+ Werde zu Tulln, am Ufer der freihinrollenden Donau.
+ Sey dem Gelbd von dir, Allmchtiger, Huld und Erhrung!
+ Als er's rief, da fuhr ein leuchtender Strahl aus den Wolken,
+ Und erfllt' ihn mit Muth und Freudigkeit. Sieh', auf dem Lichtstrahl
+ Schwebt' ein Engel daher, und hie die Scharen der Geister,
+ Welche die Schlacht herab aus dem Uebersinnlichen lockte,
+ Flieh'n, da keiner im Kampf sich den Gegnern als Helfer erweise!
+ Alle gehorchten, und sah'n, umher in den Wolken sich lagernd,
+ Noch voll Gier auf die Streiter herab; nur einer aus allen,
+ Marbod, stand, und sann den Worten des bethenden Kaisers
+ Trauernd nach. Da erklang urpltzlich ein Ruf aus den Wolken.
+ Ha, sie rissen entzwei: Erwine, die liebende Gattinn,
+ Sank ihm, weinend vor Wonn', an die Brust.
+ Sie entschwebten des Erdballs
+ Dunkeln Gefilden, vereint, auf dem Sirius, der in dem Sternreich
+ Herrschet, im Lauf des vom Ewigen nur ermessenen Zeitraums,
+ Huldbeglckt, und des Erdenjammers vergessend, zu weilen.
+
+ Aber mit leuchtendem Blick' erhob der Kaiser der Deutschen
+ Sich von dem Staub': ein Strahl der himmlischhohen Begeistrung
+ Glnzt' in ihm, und auf seinen gertheten Wangen. Betroffen
+ Staunten die Krieger ihn an; doch all' aufjauchzten mit einmal,
+ Als er das schnaubende Ro vortummelte, dann mit dem Schlachtschwert
+ Auf den nahenden Feind hinwies, und, ermuthigend, ausrief:
+ Gott ist mit uns! Eilt jetzt, gleich loderndem Feuer im Saatfeld,
+ Gegen den Feind; vertilgt ihm schnell die Haufen, und schafft mir
+ Heut' unendlichen Ruhm, da ich euerem Muthe vertraute.
+ Euer zugleich ist der Ruhm und der Dank noch sptester Nachwelt:
+ Denn wir kmpfen fr Deutschlands Glck, als Deutsche, der Ahnen
+ Werth, die, tapfergesinnt, sich nie im Joche des Fremdlings
+ Beugeten. Hrt, der Herr ist mit uns, und scheuet den Tod nicht,
+ Hier der heiligen Pflicht und des Vaterlandes gedenkend!
+ All' entflammte sein Wort: ein jeglicher Mann in den Reihen
+ Lechzte vor Gier, schnell vorzudringen im Feld', und zu sterben
+ Dort den Tod fr das Vaterland und die heilige Freiheit.
+ Aber nach Albrecht sah vor allen sein hoher Erzeuger
+ Mit bedeutendem Blick', und freudiger ging er im Schlachtfeld,
+ Hoch in der Linken die Kreuzesfahn',
+ in der Rechten das Schlachtschwert
+ Fhrend, ihm vor. Das Panier von Oestreich, als ihm des Greises
+ Arm ermattete, trug der hochgesinnete Kampfheld,
+ Lichtenstein, und die Reichsfahn' ihm der tapfere Markgraf
+ Hochberg vor in die Schlacht. D'rauf folgten die lteren Ritter
+ Ihm mit den Edeln aus Zrch, die, heute zu Rittern geschlagen,
+ Khn voreileten. Laut ermahnt' er sie noch mit den Worten:
+ Jnglinge, vor, und ahmt die Tapferen, die sich schon frher
+ Als die Meister im Feld' erprobten, jetzt in dem Kampf nach!
+ Jen' entgegneten jauchzenden Rufs: Wir halten dir Wort, Herr!
+ Und entfloh'n. Doch schnell vorstrmten die muthigen Scharen,
+ Die sein Erzeugter ihm warb in den rheinischen Landen, in Schwaben,
+ Und in dem Schweizerland, und die vor allen gewaltig,
+ Altgedient, und in jeder der Kriegsarbeiten erfahren,
+ Ihm auch heut' errangen den Sieg in dem Kampf der Entscheidung.
+
+ So, wie der eiserne Keil, vom gewichtigen Hammer getrieben,
+ Den mit krftiger Hand im Gehlz aufschwinget der Lhner,
+ Krachend, entzwei den Stamm des hundertjhrigen Eichbaums
+ Spaltet, da rings umher die Splitter fliegen: so drang jetzt
+ Rudolphs raschgeordnete Macht in das feindliche Heer ein.
+ Kreischender rief die Dromete zum Sturm; die erregende Trommel
+ Scholl ergrimmter, und rings, und berall drngten die Fhrer
+ Mit gewaltigem Schrei den Krieger vor zu dem Angriff,
+ Da er noch heier entbrenne vor Gier: muthfest und entschlossen
+ Niederzuschmettern, was entgegen sich warf in der Feldschlacht,
+ Und entsetzlich war das Gewrg' in dem Waffengetmmel;
+ Doch, wie ein Felsendamm in dem waldumschatteten Weiher
+ Sich entgegenstemmt den Gewssern des thauenden Frhlings,
+ Unerschttert und fest: so stemmte sich, eiserngesinnet,
+ Ottgar hier dem strmenden Feind' entgegen, und wich nicht.
+ Stundenlang fortwhrete schon das tdliche Ringen
+ Tausender gegen einander im Feld! Den tapferen Bhmen,
+ Die in der Heerschar Lobkowitz lenkt', vereinte der Knig
+ Bayerns und Sachsens Macht, und fhrte sie selbst in die Schlacht vor.
+ Zahllos lag sein Volk, erwrgt, auf dem Boden; unzhlig
+ Warf auch er die Gegner, entseelt, in den Staub, und es ragten
+ Von den hundert, zuvor zu Rittern geschlagenen Zrchern,
+ Jetzo nur wenige mehr. Wie im hagelgetroffenen Saatfeld
+ Einzeln die Halme noch steh'n, die andern bedecken den Boden
+ Weit, zermalmt von dem sausenden Eis: so ragten auch hier nur
+ Einzeln die Helden noch auf, die aus Zrch gezogen; verwundet,
+ Oder todt, verlor sich im Feld das tapfere Huflein,
+ Niedergeworfen durch Ottgars Kraft und zerschmetterndes Eisen.
+
+ Doch stets nher kam dem gewaltigen Knig des Todes
+ Dunkles Geschick. Bald sinkt er in Staub, all' irdischer Hoheit,
+ Macht, und Wrde beraubt, dem rmsten im Heere vergleichbar:
+ Denn zu entscheidender That aufboth der Edle von Tauffers
+ Nun die Schtzen Tyrols. Er drang im brausenden Schlachtfeld
+ Dort mit den khnen entsetzlicher vor, und, nimmer ermdend,
+ Spanneten sie die Sehn' an der Armbrust; legten den Pfeil an,
+ Zielten, und schnellten ihn fort in die Luft. Unhemmbaren Fluges,
+ Saus't er in Eile dahin, und traf stets sicher in's Leben:
+ Denn gewohnt ist das Aug' und die Hand tyrolischer Schtzen,
+ Mitten in Feindesbrust des Todes Geschoe zu senden.
+ Doch nun winkte der Held dem Gebtesten, der in den Gauen
+ Rings umher, im _Kreis_- so wie auch _Hauptschieen_ berhmt war:
+ Wenn Zielscheiben, erhht vor dem Thor' an festlichen Tagen,
+ Manchen des Schtzenvolks aufregeten, stets in der Mitte
+ Drben zu treffen, und stets zu erringen das Beste vor allen.[7]
+ Martin, so rief er ihm zu, sieh' hin, wie der Knig von Bhmen
+ Dort vortummelt das Ro in dem Feld', und unsere Vlker,
+ Jenem Unsterblichen gleich, der Pharao's Erstlinge tilgte,
+ Niederwirft! Versuche denn jetzt, ob, sausenden Flugs, nicht
+ Ein befiederter Pfeil, durch dich geschnellt von der Armbrust,
+ Ihn erreicht, und erlegt -- dir Lohn und auch Ehre gewinnet.
+ Jener entgegnet' ihm laut: Nicht geiz' ich nach Gold und nach Silber:
+ Zierlein nah', und nicht fern dem wunderlieblichen Innsbruck,
+ Ruht mein Haus an der Felsenwand, die hoch in die Wolken
+ Aufragt, reingezimmert erst jngst, und mit Habe gesegnet;
+ Doch so ich heute im Feld den blutgierathmenden Knig,
+ Oder sein Ro, mit dem tdlichen Pfeil durchbohrete: ha, da
+ Rhmt von der Martinswand mich noch die spteste Nachwelt!
+ D'rauf entsandt' er den Pfeil: er durchbohrte dem Rosse des Knigs,
+ Sausend, die Brust, da es auf in die Luft sich bumte, des Reiters
+ Ingrimm theilend; es sank auf den Rcken, und warf ihn herunter.
+ Wildes Getmmel erscholl um den Strzenden. Reisige schwangen
+ Alsbald sich vom Sattel herab, vor Gefahr ihn zu schirmen;
+ Doch erhob er sich schnell, und ermahnte, besteigend das Streitro,
+ Das ein Reiter ihm both, mit donnernder Stimme die Krieger:
+ Nimmer zu rasten vom Streit', und den herrlicherrungenen Vortheil
+ Rasch zu verfolgen: schon nahe dem Ziel des entscheidenden Sieges.
+
+ Aber im Feld verhallte sein Ruf. Der furchtbare Keil drang
+ Vor mit zermalmender Kraft; vordrang, die Fahn' in der Linken,
+ Und in der Rechten das wrgende Schwert, des Kaisers Erzeugter,
+ Also auch Lichtenstein und Hochberg; also der Ritter
+ Glnzende Schar, und, vereint, der tapferen Schweizer und Schwaben
+ Siegsruhmdrstende Macht. Doch, als der erhabene Herrscher
+ Auch den Trentschiner entboth, mit den khnen, magyarischen Reitern
+ Einzubrechen im Sturm in die Seite des Feindes, und Meinhard
+ Dort, hier Otto von Meissau, gleich dem tapferen Helden
+ Trautmansdorf, ihr Volk vortummelten: siehe, da wankte
+ Ottgars Macht. Wie ein Wald an den schwer zu erklimmenden Hhen,
+ Losgewhlt aus dem Grund von innenaufschwellenden Wssern,
+ Erst nur langsam, nur zitternd sich regt; dann pltzlich zum Abgrund
+ Taumelt mit Erd' und Gestein, wild durcheinander geschleudert:
+ So, nach gewaltigem Kampf, dem entscheidenden, wankten, und strzten
+ Ottgars Vlker dahin; nachbraus'te der Feind, in dem Rcken
+ Rastlos wrgend, und st' ergrimmt die Leichen im Feld hin.
+ Allwrts war auch das blitzende Schwert des Kaisers zu schauen,
+ Und zu vernehmen sein Ruf, der vorwrts drngte die Scharen;
+ Dennoch verga er auch, mitten im Kampf, der verwundeten Krieger
+ Nicht; er hie mit gebiethendem Wink sie zurck, nach dem Rckhalt
+ Tragen, und dort der Sorgfalt kundiger Aerzte vertrauen.
+ Aber warum hlt er nun pltzlich sein feuriges Ro an?
+ Ach, ein Verwundeter streckt, mit lchelndsterbenden Augen,
+ Seine Rechte nach ihm empor, und ruft ihm ein Leb'wohl!
+ Matt, doch freundlich noch zu! Sein Mller, der tapfere Held war's.
+ Tief, zu den Mhnen des Rosses hinab, sank leise des Kaisers
+ Blsseres Antlitz: er sah mit starrendem Aug' in die Augen
+ Seines Getreu'n, bis, thrnenumhllt, ihm's dunkelte. Sthnend
+ Gab er dem Rosse den Sporn, und flog wie ein brausender Sturmwind
+ Dort nun wieder hinaus, wo am lautesten tnte der Schlachtruf.
+
+ Wohlgeordnet, und schnell: denn Lobkowitz deckte des Heeres
+ Rcken, voll Heldenkraft mit den schwergeharnischten Reitern,
+ Zog sich Ottgar jetzt nach den mittleren Hhen von Spannberg
+ Aufwrts, dort dem Feind', erneu't die Spitze zu biethen:
+ Denn weit berwog an der Zahl, in dem Waffengemeng schon
+ Seine des Kaisers Macht, und siehe, noch stand in dem Rckhalt
+ Milota! Laut entboth er vor sich den muthigen Feldherrn,
+ Zierotin, und begann: Nicht kam uns zuvor in dem Schlachtfeld
+ Milota, selbstvorschauenden Blicks, zu Hlfe. Noch steht er,
+ Ungeschwcht, mit der Schar der tapferen Mhrer im Rckhalt;
+ Doch jetzt brech' er vor, und fall' in die Seite des Gegners,
+ Links anstrmend, da wir zugleich mit vereintem Vermgen,
+ Und unhemmbarer Kraft, auf den mittleren Haufen uns werfen.
+ Gro ist erst die Gefahr, so er sumt; ihm vertrau' ich: er eile!
+ Rief's, und im sausenden Flug fortsprengte der edele Feldherr.
+ Aber des Siegers Heer drang Ottgarn nher und nher.
+ Wie vom verwundeten Leu'n, so sehr er auch strebt, zu entkommen,
+ Sich die lautumbellende Schar gewaltiger Rden
+ Nicht mehr fernt; ihn, stets blutgieriger, treibt, und bedrnget,
+ Bis er, ermattet, sinkt auf den sandigen Hhen: so lie auch
+ Jetzt von dem Knig, im Kampf, nicht mehr der verfolgende Feind ab:
+ Denn mit flammendem Muth und unwiderstehlicher Thatkraft
+ Eilte, zum Siege gefhrt von dem tapferen Grafen von Nrnberg,
+ Schwabens Heldenvolk und der Schweiz gefrchtete Kriegsschar,
+ Rasch die Hhen herauf, und wthete dort in den Reihen
+ Khnabwehrender Gegner, vereint, mit gesenketen Lanzen,
+ Allvernichtend, umher. Entsetzlich erscholl das Getmmel.
+
+ Ottgar sah im brausenden Feld den verhatesten Gegner,
+ Rudolph jetzt, voll Grimms, wie er schaltete: Reiter und Fuvolk
+ Drngend vor mit gewaltigem Wort', und das furchtbare Schlachtschwert,
+ De' Blitzglanz vom Blut nur tapferer Gegner verhllt war,
+ Aufschwang -- sah den Kaiser, und Wuth und unendliche Rachgier
+ Wandelte schnell sein Aug' in Feuer und Flammen. Er spornte,
+ Hemmte sein Ro dreimal, in dem wildumtobenden Schlachtgrau'n
+ Ihm die Spitze zu biethen, gesinnt; doch immer ergrimmter,
+ Brachen die Gegner heran (nur Lobkowitz stand in dem Kampf noch,
+ Gleich dem Felsen im Wogentumult) und zur Linken und Rechten
+ Wich sein Volk geworfen, zurck in dem stubenden Saatfeld.
+ Jetzo wandt' er das Ro, und forscht': ob Milota vordrang?
+ Denn nicht schien ihm verloren der Sieg, so er rasch in die Seiten
+ Strmte dem Feind. Doch, ach, was sah er, vor Staunen erstarret?
+ Staub flog auf im Gefild', und Milota jagte von dannen!
+ Ihm nachbraus'te die reisige Schar, und das mhrische Fuvolk,
+ Das er mit tuschendem Wort, dem Knig zum sichern Verderben,
+ Erst zu dem Rckhalt zog. Mit verhngtem Zgel, und fernher
+ Winkend, naht' auch Zierotin. Ihm folgten am Fu nur
+ Zween, der flchtigen Schar sich entreiende Brder: der Hanna
+ Fruchtbarem Land entsprossen die Edeln. Der Nahende sprach jetzt:
+ Herr, nicht knd' ich es, was dein Auge gesehen -- des Frevlers
+ Schnden Verrath! Hohnlachend vernahm der schndliche Mann erst
+ Dein gebiethendes Wort, dann rief er mit grimmigen Blicken:
+ Eile zurck zu dem Knige, sprich: so rche der Vater
+ Seine Tochter an ihm: er fahre denn, fluchend, zur Hlle!
+ Also der Rach' allein, nicht des Vaterlandes gedenkend,
+ Floh er mit jenen Verrthern davon, die er frher gewonnen.
+ Nur die beiden dahier mir eilten zum mchtigen Trost nach:
+ Zeigend, da noch in der Brust der Tapferen Ehr' und Gewissen
+ Herrlich sich eint, und dir die erlesensten Mnner noch treu sind.
+
+ Ottgar sah nach den Zween mit bewegtem Gemth', und begann so:
+ La den Verrther flieh'n. Noch sind die erlesensten Mnner,
+ Also sprachst du mit Recht, mir treu. Nicht im dahlenden Frohsinn
+ Will das Groe gethan, das Gewaltige, spielend, vollbracht seyn:
+ Denn, ein leuchtender Blitz in des Lebens umnachteten Stunden,
+ Flammet es auf in der Brust, und wecket den Ernst und die Thatkraft.
+ Jetzt umnachtet auch uns die Gefahr; doch la uns, noch khner,
+ Dringen hinaus zu dem Tag', und so dort fallen im Licht nur!
+ Rief's, und spornte sein Ro, umschauend: ob er zur Linken,
+ Oder zur Rechten hinab es wende, die kmpfenden Scharen
+ Nun zu gewagter, die Schlacht urpltzlich entscheidender Kriegsthat
+ Anzufeuern, und so mit unwiderstehlicher Khnheit
+ Festzuhalten das wankende Glck, das sonst ihm getreu war.
+ Doch dort floh'n, gedrngt von den Shnen der Steyer- und Ostmark,
+ Bayern und Sachsen zurck; hier sank, an der Schulter verwundet,
+ Lobkowitz, er, der untad'lige Held, aus dem Sattel, und, schreiend,
+ Braus'te das reisige, gleich dem vorgedrungenen Fuvolk
+ Bhmens, herber im Feld, durch Meinhards Vlker geworfen,
+ Und gedrngt von dem Hort Trentschins, zur Flucht und Verwirrung:
+ Da in dem Kern des Heers ihn selbst der edelen Ritter
+ Glnzende Schar, und, vereint, die tapferen Schweizer und Schwaben
+ Nher und furchtbarer stets bedroheten, horchend des Kaisers
+ Schlachterregendem Ruf' in dem wildemprten Getmmel.
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+ Mansfeld erst, dann Zierotin, die Scharengebiether,
+ Jagten herber im Feld', und riefen dem Knig: Entfliehe!
+ Aber er sah, voll Wuth, nach den Rufenden; fate sein Schwert noch
+ Fester zur Hand, und begann: Wer sprach ein schmhliches Wort aus?
+ Nichts von Flucht mir gesagt! Ich lebt' als Knig, und sterben
+ Werd' ich als solcher, dem Feinde zum Trotz, auf dem Felde der Ehren.
+ Mir nach, wem sie noch werth im rhmlichen Leben und Tod' ist!
+ Wie der gewaltige Leu' sich wthenden Tigern entgegen
+ Wirft in des Abends Grau'n: die hochaufstrubenden Mhnen
+ Flattern mit Sturmes Weh'n um den Nacken ihm; dunkelgerthet
+ Funkeln hervor aus den tiefgesenketen Brau'n ihm die Augen,
+ Als er naht mit Gebrll, dem so, wie dem rollenden Donner,
+ Drnt das Gefild, und peitschend sich mit dem buschigen Schweifhaar
+ Beide Seiten, sich selbst entflammet zur Wuth: da erliegen
+ Links, rechts ihm, zerschmettert zugleich, die umdrngenden Gegner:
+ Also warf sich auch er vor allen den Rittern entgegen,
+ Da ihm noch ein', und der andere dort, streichischen Blutes,
+ Fiele durchbohrt: denn fest bewahrt' er den Ha noch im Busen.
+ Jene, erregt von dem stachelnden Wort, nachjagten ihm brausend.
+
+ Sieh', ihm ritt, tollkhn, der jugendlich blhende Ritter
+ Falkenberg, in den Weg, den oft sein strenger Erzeuger
+ Heimlich und offen gestraft, ihn zu bndigen; aber vergebens:
+ Denn er qulte die Menschen und Thier', und beherrschte des Herzens
+ Unmuth nicht, der stets zu gewaltsamen Thaten ihn hinri.
+ Ottgar jagte das Ro dem Nahenden seitwrts vorber;
+ Schwang sein Eisen, und hieb im Flug mit unbndiger Kraft ihm,
+ Sausend, den Helm und die Scheitel entzwei: er strzte zum Boden.
+ D'rauf erreichte sein Schwert auf dem Todespfade den Helden,
+ Dietrichstein. So schnell, so kundig der Tapfere vordrang,
+ Ihn mit gesenktem Speer' aus dem Sattel zu heben, so kam ihm
+ Ottgar doch, verderbend, zuvor, und bohrte den Mordstahl
+ Ihm durch Harnisch und Wamms in das muthvollschlagende Herz ein
+ So, da er lautlos, bleich, entseelt, an dem Rosse herabsank.
+ Jammern werden daheim die zartaufblhenden Kinder
+ Da er, schon frhe der Gattinn beraubt, ein liebender Vater,
+ Oft auf den Armen sie trug, und so mild, so freundlich und gut war.
+
+ Schnell, zu rchen das Blut der Erschlagenen, blitzten auf Ottgar
+ Jetzt unzhlige Speere heran. Da brausete pfeilschnell
+ Otto von Meissau vor, von dem Herrscher gesendet, und schrie laut:
+ Ritter, schont den Gesalbten des Herrn: so geboth es der Kaiser!
+ Rief's; doch jener ergrimmte noch mehr, und spornte sein Streitro
+ Mitten unter die Schar (zu sterben entschlossen) den heien,
+ Glhenden Durst nach Rach' im Blute der Feinde zu lschen.
+ Jetzt umgab ihn des Todes Grau'n. Die furchtbaren Ritter,
+ Merenberg, die, beide mit nie gesttigter Blutgier
+ Nher und nher herbei an die Seite des Knigs sich drngten,
+ Sorgend: er beuge sich dort, ein Gefangener, oder er falle
+ Andern, nicht ihren, durch Ha zur Rache bewaffneten Hnden,
+ Sprengten dicht vor ihn hin; erffneten, schnaubend vor Mordlust
+ Ihren geschlossenen Helm, und der ltere rief ihm noch laut zu:
+ Sieh', gleich Rachegeistern, vor dir die furchtbaren Brder,
+ Merenberg -- ein Nahme, der dich zur Hlle hinunter
+ Schleudert! So fahre denn hin, Unmenschlicher, stirb, und verzweifle!
+ Ha, und sie bohrten den schneidenden Speer mit wildem Gejauchz' ihm,
+ Beide zugleich, in das Herz (ihm fest in die sterbenden Augen
+ Schauend) und also, voll Hast, mit stets emprterem Ingrimm,
+ Zwlfmal noch in die tapfere Brust, in den Hals, und den Rcken,
+ Bis er, von Wunden bedeckt, hinsank, und das Leben verhauchte.
+
+ Wthender flog in dem Feld dem Besiegten das siegende Heer nach;
+ Aber vor allen das reisige Volk der Magyaren und Kunen,
+ Heute zu einem vereint, und gehorchend dem tapferen Helden
+ Von Trentschin, der stets den Flchtenden, mordend, im Rcken
+ Lag, und das Land umher mit unzhligen Leichen bes'te.
+ Rastlos fort g'en Schrieck; dann weiter und weiter von Asparn
+ Bis g'en Laa, der ummauerten Stadt, nachjagten die Ungern
+ Ottgars fliehendem Heer', und, wo sie dann der Verfolgung
+ Endlich setzten ein Ziel, wird heute zu Tage das Dorf noch
+ Ungerndorf genannt: dem Heldenvolke zum Denkmaal.
+ Siehe, die Wolken entfloh'n; der Geister unzhlige Scharen
+ Brauseten, lautaufjubelnd, davon, und die scheidende Sonne
+ Sah von dem Abendthor, verklrt, auf des Sieges Gefild her!
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+ Zwlfter Gesang.
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+ Schauerlich irrt durch Nacht und Grau'n ein zitternder Lichtstrahl
+ Ueber das schweigende Schlachtfeld hin. Nicht lang', und es folgen
+ Ihm unzhlige nach; viel hundert Fackeln erhellen
+ Bald die Gegend umher: ihr Schimmer, vom Winde gefchelt,
+ Wogt (entsetzlich zu schau'n!) auf den bleicherstarreten Leichen
+ Tausender blitzschnell fort, und erfllet die Seele mit Wehmuth.
+ Doch wen suchen, voll emsiger Hast, die furchtbaren Mnner
+ Jetzo, schreitend umher, in den weiten Gefilden des Todes?
+ Ottgarn! Sieh', und bald verkndete drben ein Hgel
+ Rings um ihn her erschlagenen Volks, wo er muthig im Kampf sich
+ Wehrete, bis er, durchbohrt, den Rachebrdern dahinsank!
+ Dorthin wandelte, schweigend, der Zug; die leuchtende Flamme
+ Wies ihn: erkennbar leicht, obgleich entblt von des Heeres
+ Plnderndem Tro, wie er lag im finsteren Kreise der Leichen,
+ Mit den heruntergezogenen Brau'n, und den Lippen, zum Bogen
+ Eingekrmmt vor Zorn: denn selbst mit des schwindenden Lebens
+ Letztem Hauch, da ihm schon aus dreizehn Wunden das Blut rann,
+ Whnet' er noch: er habe gerecht bestraft den Verrther,
+ Den so feig, so unedel jetzt die schrecklichen Brder
+ Rchten: zur Wuth emprt von der langgenhreten Blutgier.
+
+ Aber des Fhrers Ruf erscholl, und der stattliche Wagen,
+ Schon mit der Leiche des Knigs beschwert,
+ und verhllt mit dem Bahrtuch,
+ Folgte, rasselnd, dem Zug sechs glnzender, feuriger Rappen,
+ Die zum eng'gemessenen Schritt mit Mhe der Rowart
+ Bndigte. Sieh', da trug der weitgefeierte Snger,
+ Horneck, leise die Harfe herbei. Ihm rollten die Thrnen
+ Ueber den grauenden Bart in den Busen herunter, und schweigend
+ Starrt' er nach Ottgar hin; dann hob er den Klagegesang an:
+ Weh', da liegt er entseelt, der einst gewaltige Knig!
+ Tausende blickten auf ihn, und es drngte der eine den andern,
+ Glhend vor Hast, so er rief; nun ist er verlassen: es horcht ihm
+ Keiner der Emsigen mehr. Wie staunt', und bewundert' ihn Jeder
+ Sonst, da er noch zu dem Knigsthron, von Edelgesteinen
+ Schimmernd am gold'nen Gewand', aufschritt:
+ nun wandten sie, schaudernd,
+ Von dem Nackten sich ab, den kaum das krgliche Gras barg!
+ Ha, wo weilte der Arzt, dem Vergehenden Labsal zu reichen?
+ Waren nicht seidene Kissen zur Hand, nicht schimmernde Decken,
+ Ihn zu erwrmen, und ach! nicht scholl aus dem Munde der Gattinn,
+ Kinder, Verwandten und Freunde umher, ein trstendes Wrtchen,
+ Ihm zu erheben das Herz? Verlieen im Kampfe die Streiter
+ All' ihn? Wie, nicht einer der Tapferen kam, ihn zu schirmen?
+ Welt, Welt, so ist dein schnder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,
+ Der dir, falschen, vertraut! Erst biethest du lieblichen Honig
+ Mit bethrenden Worten ihm dar; dann wandelst du pltzlich
+ Solchen in furchtbares Gift: er saugt Verderben und Tod ein.
+ Also erging es auch hier dem Knige. Frsten, bedenket
+ Sein Geschick! Handhabt die Gerechtigkeit, schtzet das Recht nur;
+ Seyd durch Tugenden gro, durch Wohlthun herrlich und geizet
+ Nach dem Lohne der Welt nicht allein: vor Gott ist er eitel!
+ Ottgar, ach, er geizte nach ihm! Die, prahlend, geschworen:
+ Auszuhalten bei ihm im Leben und Tode -- wo sind sie?
+ Einsam sinkt er jetzo hinab in des Todes Behausung.
+ Welt, Welt, so ist dein schnder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,
+ Der dir, falschen, vertraut:
+ denn nichtig entschwebt ihm das Leben![1]
+ So wehklagte der edele Greis. Ihm horchten die Krieger
+ Alle mit pochender Brust, den Trauerwagen umstehend,
+ Und erhebend die Fackeln zur Luft, die, flatternden Schimmers,
+ Ottgars finstere Stirn' erhelleten. Jener entzog sich
+ Ihren Blicken, und wanderte dann auf dem nchtlichen Pfad fort.
+ Doch sie schlugen behend', als solches der Fhrer gebothen,
+ Ueber die Leiche das Bahrtuch her. Die schnaubenden Rappen
+ Trieb der Rowart an, und sie trabten, gehaltenen Schrittes,
+ Von den Kriegern umschart, g'en Wien, die herrliche Stadt, hin.
+
+ Dort scholl freudiger Lrm dem kommenden Morgen entgegen,
+ Als, dem Sieger zum Ehrenempfang', in geschftiger Hast sie,
+ Durch die dunkele Nacht sich schmckte mit festlichen Krnzen:
+ Denn vor dem Thor, das sich nach Krnthen dem Wanderer ffnet,
+ Sollte von Laubgehlz' ein Siegesbogen sich heben,
+ Hochgewlbt, und geziert mit schimmernden Bndern, und oben
+ Rufen die goldene Schrift ein Lebehoch! dem Befreier,
+ Der von der Stadt und dem Land' abwehrt' unendlichen Jammer;
+ Oestreichs Herrscherthron fest grndete; dauernden Frieden
+ Deutschlands Gauen errang, und ein Ziel aufsteckte der Willkhr,
+ Die sich gefiel im Raub', und in all' den Grueln des Faustrechts!
+ Auch die Straen entlang, erhoben sich, dicht vor den Husern,
+ Lieblichgrnende Reiser zur Luft; buntschimmernde Blumen
+ Hauchten Wohlgeruch her auf die Bahn, die, erkoren dem Sieger,
+ Durch die Stadt sich wand, und zahllos wogten die Fahnen
+ Oestreichs rings von dem Wall' und den ragenden Thrmen im Wind hin.
+ Also schmckte sich jetzo die Stadt, wie die blhende Braut sich
+ Schmckt an dem Morgen des Tags,
+ der sie eint mit dem Lieben auf immer.
+
+ Hinter des Ostens dmmerndem Thor' entfaltete jetzo,
+ Neuverjngt, der Tag die Fittige: weit sich erstreckend
+ Hoben sie fchelnd sich auf, und wehten den glhenden Schimmer,
+ Der sein Rosenlager umfing, empor an dem Himmel;
+ Doch sie weckten zugleich des sanftumschmeichelnden Frhwinds
+ Khligen Hauch. Er kam aus des suselnden Waldes Umlaubung
+ Ueber die blumigen Matten heran; verbreitete ringsum
+ Balsamduft, und erfllte mit Lust die erwachende Schpfung.
+ Zwitschernd regte die Schwalbe sich schon im Nest mit den Jungen,
+ Das sie im Lenz' erbaut' an dem Mauergesimse des Hauses;
+ Auch umgirrete laut die Taub' in dem Schlag', und der Hahn rief
+ Schmetternd darein, als drauen vom Feld,
+ von dem Hain', und dem Hochwald
+ Bis in die bluliche Luft empor das Getne sich mehrte.
+ Jetzt von des Himmels Rand, dem Rosenlager entschwebend,
+ Hob die herrliche Sonne sich auf; umhllte die Berghh'n,
+ Huser und Thrme der Stadt mit rthlichem Duft', und entflammte
+ Hier die Fenster zu Gold, und dort auf den blhenden Matten,
+ Unermelich umher, den Thau zu blitzenden Perlen.
+ Doch bald schwang sie, verklrt, sich empor: den wlbenden Himmel
+ Trbte kein Wlkchen, und rings auf dem lichtumflossenen Erdkreis
+ Scholl ein Wonnegejauchz, dem schnsten der Tage zur Feier.
+ Aber schon zogen den Weg nach dem Kreuze der Spinnerinn, eilig,
+ Krieger zu Fu und zu Pferd in gesonderten Haufen, und weithin
+ Blitzten im Sonnenschein die hellgegltteten Waffen--
+ Blitzte der Harnisch und Helm der Tapferen, die, von dem Schlachtfeld
+ Kehrend, zum Siegseinzug' auf dem sanfterhobenen Berg sich
+ Sammelten, wie es der Herrscher geboth. Mit grnenden Reisern
+ Waren die Helme geschmckt, behangen mit Krnzen die Rosse;
+ Laut scholl Jubel die Scharen entlang: denn frhliche Weisen
+ Sang der Krieger; sein Ro ihm wieherte d'rein; die Drometen
+ Schmetterten, Zink' und Pauk' erklang, und die wirbelnde Trommel
+ Rief das verworr'ne Getn zum allerfreuenden Einklang.
+
+ Sieh', und es lief unzhliges Volk aus der Stadt und vom Land her,
+ Nach der Strae hinaus, auf welcher die Tapferen kamen:
+ Alle mit Angst in der Brust, bis sie in den frhlichen Reihen
+ Ihre Lieben ersah'n! Da scholl (erschtternd zu hren!)
+ Jauchzen empor; da bog sich mancher vom Sattel herunter:
+ Einer umhalste den Freund, ein andrer den Sohn, und ein dritter
+ Reichte dem grauenden Vater die Hand, der grauenden Mutter,
+ Oder der Braut, die thrnenden Blicks, ihm lchelte, sprachlos!
+ Aber es trat nun hier, nun dort mit erblassendem Antlitz
+ Auch der unglckliche Mensch aus den lautaufjubelnden Scharen:
+ Denn nicht hatt' er die Lieben erseh'n, und dem Fragenden tnte
+ Schrecklich der kurze Bescheid: Er fiel, und kehret nicht wieder!
+ Feldeinwrts ging dort ein zartaufblhendes Mdchen,
+ Ringend die Hnde mit schwerem Gesthn; hier sa an des Grabens
+ Rand der Vater: er sah in die Tiefe hinab, und die Mutter
+ Prete den Arm mit der Stirn' an den Baum,
+ und schluchzte vor Herzleid.
+ Aber der schwellende Ruf des Entzckens dmpfte des Wehes
+ Schnellverhallenden Laut, und unendlich erscholl das Getmmel,
+ Als dem festlichen Kreuz der Spinnerinn jetzo der Kaiser
+ Nahte mit hehrem Gefolg: denn Ladislav, der Magyaren
+ Blhender Knig, ritt, hellschimmernd von Gold, ihm zur Rechten;
+ Ihm zur Linken sein tapferer Sohn, der jngst in der Feldschlacht,
+ Muthentflammt, vortrug der Erlsung heiliges Zeichen,
+ Und ihm folgten, erwhlt, des Heers siegstolze Geschwader
+ Nach auf den Wienerberg, der unter den Drngenden bebte,
+ Und in dem Waffengeblitz erschtternd dem Auge zu schau'n war.
+ Jetzt umgab er sich dort mit dem kaiserlichprangenden Mantel;
+ Setzte den Helm, an welchem umher der goldene Kronreif
+ Schimmerte, sich auf das Haupt; entblte den Degen, und hob ihn
+ Auf zum ersehneten Wink'. Alsbald bewegte das Heer sich
+ Im Geleite des Volks nach Wiens aufjubelnden Mauern.
+ Sieh', ihm eilten die Ritter vor mit den Reisigen Ungerns--
+ Jenen der Ost- und der steyrischen Mark: von den Heldengebiethern
+ Angefhrt, und vereint um die ruhmgekrneten Fhnlein!
+ Aber ihm folgten dann die muthigen Schweizer und Schwaben
+ Und die Tapfern aus Krnthen und Krain mit den khnen Tyrolern.
+ Wie der Alpenbach, vom Regen geschwollen, sein Bette
+ Pltzlich verlt, und quer von des Bergs Abhange sich strzet,
+ Endlos ber die Matten hin die Fluthen ergieend:
+ So fortwlzte sich schnell das Heer; stets nher erscholl ihm
+ Festlicher Glocken Getn' und des Volks auftobender Jubel.
+
+ Auer dem Krnthner Thor, wo ein Siegesbogen erhht war,
+ Standen die trefflichen Brger vereint. Ihr Meister, erkoren
+ Durch gemeinsame Wahl an Waldrams Stelle, des falschen,
+ Eilte heran, den Zug des erhabenen Kaisers zu hemmen;
+ Both auf dem Becken von schimmerndem Erz, die vergoldeten Schlssel
+ Wiens, ihm huldigend, dar, und begann die Rede mit Ehrfurcht:
+ Heil dir, Oestreichs Herrn, dir edelstem Kaiser der Deutschen!
+ Mgest du heut, wo dir, dem Retter, die jubelnde Stadt Wien,
+ Festlichgeschmckt, entgegeneilt mit verlangenden Armen,
+ Nicht gedenken der Schuld entflohener Tage -- des Herzens
+ Deiner Getreuen gewi! Nun herrsch' im Segen des Himmels
+ Ueber dein glckliches Volk, und vom Thron, den du auf dem Grundstein
+ Heiliger Religion, Gerechtigkeit, Tugend erhhtest,
+ Dein erhab'nes Geschlecht an der Zeiten entferntestem Ziel noch!
+ Sagt' es, bewegt; doch schnell entgegnete jetzo der Kaiser:
+ Ihr Getreu'n, habt Dank fr des Herzens enthllte Gesinnung!
+ Gndig willfahre mir Gott in dem Wunsch, da ich grnde die Wohlfahrt
+ Fern in die Zukunft noch der guten und trefflichen Vlker,
+ Die er mir anvertraut! Mein Glck ist das eure fr immer!
+ Pltzlich entstrzt' ein heller Strom von Thrnen den Augen
+ Aller umher: denn rings erscholl, von Tausender Lippen
+ Brausend, ein Lebehoch! und mehrte sich, jubelnden Lautes,
+ Dort die Straen entlang, die, erkoren dem festlichen Einzug,
+ Schimmerten. Jetzt durch's Thor und die Strae Karinthia's trug ihn,
+ Stolzvorschreitend, das Ro, und aus jeglichem Fenster ertnte
+ Huldigung, wo, bekrnzt, die zartaufblhenden Jungfrau'n--
+ Frau'n im glnzenden Schmuck', ihr schneeiges Tuch in die Lft' auf
+ Schwangen, und jauchzten empor mit hellerklingender Stimme.
+ Doch, aus dem wimmelnden Volk vordrngten jetzt, wie verjngt sich
+ Wankende Greis', ihn zu seh'n, und zu segnen. Die Vter und Mtter
+ Hoben ihr lallendes Kind auf den Arm; sie falteten erst ihm
+ Freundlich die Hndchen, und zeigten ihm dann den Herrlichen drben,
+ Da es des Tages noch oft im sptesten Alter gedenke!
+ Sieh', und nicht trockneten mehr dem erhabenen Kaiser die Augen
+ All' die Straen entlang, da er links, und rechts, in dem Siegszug
+ Dankte dem jauchzenden Volk mit oft erhobener Rechten.
+
+ Also im Freudengeschrei unzhliger Meng', in der Glocken
+ Festlichem Klang', und der Pauk' und Dromet' emprterem Jubel,
+ Zog er entgegen dem Rothenthurm, und lenkete jetzo
+ Ueber den schimmernden Hohenmarkt nach dem prchtigen Hof ein;
+ Dann nach der Freiung hinab, und, dem Schottenkloster vorber,
+ Durch die Herrngass' fort nach dem breitaufragenden Graben,
+ Bis er am Riesenthor des unendlichen Doms aus dem Sattel
+ Eilig zur Erde herab sich schwang. Sein mchtiger Gegner,
+ Ottgar, Oestreichs Herrscher vor ihm, vollbrachte des Domes
+ Herrlichen Bau, da er einst zerstrt von den Flammen,
+ im Schutt lag.[2]
+ Dort reicht' ihm der oberste Hirt der Gemeinde, vor allen,
+ Festlichgeschmckt, im Kreise der Priester geweihetes Wasser
+ Sanft mit dem Sprenger dar; dann schwang er das duftende Rauchfa
+ Dreimal ihm entgegen, und ging, beginnend der Lieder
+ Herrlichstes: Gott, dich preisen wir! zum erleuchteten Altar,
+ Singend, vor ihm einher, und Tausende sangen das Lied nach.
+ Aber, als in dem wlbenden Raum des unendlichen Domes
+ Rings umher des Gesangs allletztes Suseln verhallt war,
+ Knie'te der Kaiser noch hin, und bethete, heiliger Andacht
+ Voll, am Altar', im Kreise der ruhmgekrneten Feldherrn.
+ Staunend sah ihn das Volk; doch hingen mit inniger Wehmuth
+ Auch an Trautmansdorf, dem Helden, viel Tausender Augen,
+ Der, von dem schimmernden Kreis' entfernt, auf die Kniee gesunken,
+ Beugte das grauende Haupt mit gottergebenem Herzen.
+ Bald umhllten ein jegliches Aug' untad'lige Thrnen:
+ Dort den Mann mit dem schneeigen Haupt so einsam zu schauen,
+ Der noch jngst, umringt von blhenden Shnen einherging:
+ Froh der gewaltigen Schar! Nun stand er allein und verlassen,
+ Wie der verdorrete Stamm in dem Wald', um welchen die Windsbraut
+ All' die frischen umher mit lautem Gekrach' in den Staub warf.
+
+ Thauenden Blicks, trat jetzt von den heiligen Hallen der Kaiser
+ Wieder heraus, vor dem Riesenthor zu beginnen den Heimzug
+ Nach der erhabenen Burg. Doch sieh', welch' tiefes Erstaunen
+ Unter dem Volk? Schnell theilt es sich links und rechts in den Straen
+ So, da der Bahre, von sechs lautschnaubenden Rossen gezogen,
+ Raum sey, frder zu zieh'n bis hin zur Pforte des Domes.
+ Schmerz ergriff die Brust des beseligten Siegers. Er starrte
+ Lang' nach dem Trauerflor, und dem leich'umhllenden Tuch hin,
+ Und erwog im Gemth: wie mchtig der Todte noch gestern
+ Gegen ihn stand, der heut', erstarrt, all' irdischer Hoheit,
+ Kraft, und Streitlust bar, dort unter der finsteren Hlle
+ Ruhete! Dann begann er fr sich mit rhrendem Laut so:
+ Ottgar, lebtest du noch, und herrschtest im Frieden, der Rachgier
+ Wthenden Sturm in der Brust besnftigend; heiteren Blickes
+ Wrdest du seh'n: nie hat' ich dich, und im redlichen Busen
+ Strebte die Herz, voll Liebe, dem deinen entgegen zu schlagen!
+ Ruhe denn jetzt im Schoo des Allerbarmers auf immer!
+ Sagt' es, und hie die Leich' auf dem trauerumhlleten Wagen
+ Fort nach dem Schottenkloster hinab mit Wrde geleiten,
+ Wo sie ruhe, bis ihr, nach der Seelenmess' und dem Bupsalm
+ Werd' ein Grab mit dem ehrenden Stein, an heiliger Sttte.
+ Doch wer drngt sich hier, voll Ungestmm, vor aus den Scharen?
+ Lobkowitz kam, erblat von der Wunde zugleich, und dem Herzleid
+ Ob des erschlagenen Knigs und Freunds, in Eile herber,
+ Fhrend an zitternder Hand das holdaufblhende Shnlein
+ Ottgars, Wenzeslav, der einsam in Drsing zurckblieb.
+ Ach, er harrete dort des Vaters, in frhlicher Unschuld;
+ Aber nicht kehrt' er ihm mehr, und, verwais't in der zartesten Jugend,
+ Mit er die krftige Hand, die ihn leitete, seines Erzeugers!
+ Groes beschlo alsbald der treffliche Greis, und, dem Kaiser
+ Jetzo genaht, vordrngt' er das Kind, und sprach in das Ohr ihm:
+ Geh', und umfass' ihm die Knie' mit festgeschlungenen Armen,
+ Da er dein sich erbarme mit Huld, und die Leiche des Vaters
+ Frei gewhre zum Trost den Unglcklichen, die er zurcklie;
+ Dir zum Ruhm, wenn einst auf vaterlndischem Boden
+ Du ihm erhhst das ehrende Maal, und zur Zierde dem Land dort,
+ De gewaltiger Held, und erhabenster Frst er gewesen!
+ Fasse nur Herz: nicht hartgesinnt erweis't sich der Kaiser
+ Dir: als Vater das dunkle Geschick der Kinder bedenkend.
+ Ottgars blhender Sohn gehorcht' ihm: er strzte zu Rudolphs
+ Fen; umfat' ihm die Knie', und rief erschtternden Lautes:
+ Mildgesinnt, so sprachen sie all', ist der mchtige Kaiser,
+ Dem ich hier auf den Knie'n, und mit thrnenerflleten Augen
+ Rufe: erbarme dich mein, des Verwaiseten; lasse des Vaters
+ Leich' uns frei, der dir erlag in der schrecklichen Feldschlacht!
+ Hast ja auch Kinder, und sie erfreu'n sich des liebenden Vaters
+ Noch, der, machtbegabt, sie schirmt, und zu Ehren erhebet.
+ Aber, o, mich Unglcklichen: denn des Vaters beraubet,
+ Welcher so hold mir war, vermiss' ich die mchtige Hand jetzt,
+ Die mich hatte gefhrt auf des Lebens unsicheren Pfaden!
+ Dennoch wird sein Grab im vaterlndischen Boden,
+ Der sein theures Gebein bedeckt, und der redende Denkstein
+ Mir erfllen die Brust mit Trost, und mit Strke sie waffnen;
+ Stillen den Schmerz der Mutter um ihn, und erheben des Volkes
+ Sinkenden Muth, das stets, in Treu' ergeben, ihm anhing.
+ Doch der erhabene Kaiser schwieg, mit sinnenden Blicken
+ Ueber den Jngling gebeugt, und das Volk dort weinete ringsum.
+ Hre des Sohnes Fleh'n, begann jetzt Lobkowitz finster,
+ Himmelan hebt sich dein Ruhm: nicht bedarf er des ehrenden Denksteins
+ Hier, der, rhmend, von Ottgars Grab verknde der Nachwelt,
+ Welchen Gegner du einst im Felde der Waffen erlegt hast.
+ Allwrts preis't dich die Welt gromthig und edel: als solchen
+ Sollst du auch ihm dich erweisen -- wo nicht?
+ so tuschte dein Ruf nur:
+ Denn unziemlicher Ha g'en Ottgar fllet dein Herz noch.
+ Rief's emprt, und bermannt von unbndigem Herzleid.
+ Alle staunten umher; doch zrnte dem eifernden Alten,
+ Welcher so edel gesinnt, und zugleich so tapfer im Feld war,
+ Rudolph nicht. Voll Rhrung erhob er nun den Erzeugten
+ Ottgars, der erneut ihm die Knie' umschlang, von dem Boden,
+ Herzt' ihn vor allem Volk', und begann mit erheitertem Antlitz:
+ Sey getrstet, mein Sohn! Nicht sann ich, vor Trauer verstummend,
+ Dir ein kostbares Unterpfand zu entreien: denn alsbald
+ Geb' ich es frei. Auch fhre zugleich mit dem tapferen Helden,
+ Lobkowitz, dich der Fllensteiner im Ehrengeleit heim.
+ Zieh' dann schnell g'en Prag mit der Leiche des theuern Erzeugers,
+ Sie zu bestatten mit wrdiger Pracht, und zu weihen ein Denkmaal
+ Ihm, der, herrschend mit Kraft und mit vielumfassender Weisheit,
+ Rastlos seines unzhligen Volks Gedeihen und Wohlfahrt
+ Frderte. Doch, nun komm'! Ich will ein Vater dir werden,
+ Wie ich's zuvor beschlo im Gemth', und im Segen des Himmels
+ Mge der sprossende Keim noch herrliche Frchte dir bringen.
+ Sagt' es mit freud'ausstrahlendem Blick', und als er, gewendet,
+ Fate des Rosses Zaum mit der Linken, hinauf in den Sattel
+ Sich zu schwingen, da both er zugleich dem staunenden Helden,
+ Lobkowitz, schnell die Rechte zum Gru mit den freundlichen Worten:
+ Khner, du stand'st mir zwar gar feindlich entgegen, und dennoch
+ Sagt mir das Herz: wir scheiden noch bald, als Freunde fr immer!
+ Jener dankt' ihm d'rauf mit thrnenumflossenen Wimpern,
+ Schweigend; aber es quillt ein Dank aus den schimmernden Thrnen,
+ Den im schwellenden Strom der Worte die Zunge nicht ausspricht.
+ Solches gewahrete nun der Kaiser, erfreuet, und schwang sich
+ Rasch auf das Ro, den Siegeszug in der Burg zu vollenden:
+ Denn mit jubelndem Ruf fortwogten von neuem die Scharen.
+
+ Jetzt, in dem weitumschlossenen Raum der mchtigen Hofburg,
+ Wies sich dem Volk' ein Schaugerst, der Sichel des Mondes
+ Aehnlich an Bogengestalt, erhht, und mit Purpur behangen.
+ Vierzehn Stufen empor, in stets verengteren Kreisen
+ Hob sich der herrliche Bau, und zuhchst, auf dem oberen Feldraum
+ Stand, hellschimmernd, des Herrschers Thron, an welchem zur Linken,
+ Und zur Rechten, gar zierlich geschmckt, zwei Sthle von Purpur
+ Glnzten. In drngender Hast erfllte sich eilig die Hofburg.
+ Freudiger Lrm erscholl, als die Rosse, der Reiter entledigt,
+ Wieherten, heim durch die Menge gefhrt, und in stattlicher Hoheit
+ Rudolph nun mit Gefolg zu dem glnzenden Throne hinaufschritt;
+ Dort sich Ladislav, den Knig der Ungern, zur Rechten--
+ Wenzel, den Sohn des getdteten Horts der Bhmen, zur Linken
+ Sitzen hie, und das Volk mit freundlichem Winke begrte;
+ Doch ein schmetternder Laut der Dromete geboth in dem Hofraum
+ Schweigen, und Stille ward, da der Hauch des athmenden Busens
+ Hrbar flog, und umher die Stimme des Kaisers vernehmlich
+ Tnete, da er die Recht' erhob, und also zum Volk sprach:
+ Seht uns am Ziele, mit Gott! Vollbracht ist die That, und das Opfer,
+ Das aus dankbarer Brust zu dem Ewigen heute sich aufschwang.
+ Ach, gar drftig erscheinet das Wort! Wie sollen wir wrdig
+ Danken dem Heer', das uns den Sieg errang in der Feldschlacht?
+ Wie dem erlauchtesten Knige, der als helfender Freund, uns
+ Einte sein tapferes Volk im allentscheidenden Zeitraum?
+ Nicht vermchten wir das! Doch ihn, den Knig der Ungern
+ Schlieen wir heut' an Sohnesstatt, wie er selbst es ersehnet,[3]
+ Freudig an's Herz, und geloben ihm Schutz und Freundschaft fr immer.
+ Wohl bezeugt uns der Herr: Wer hat, dem wird noch gegeben!
+ Also auch wir, von Gott mit Kindern gesegnet, erkiesen
+ Heute der Shne noch mehr -- denn hrt: den theuern Erzeugten
+ Ottgars einen wir auch, als solchen, in liebender Sorgfalt
+ Bald mit unserem Blut: ihm Gutha, die Tochter, verlobend,
+ Die uns die jngst' erblht aus den Tchtern,
+ voll lieblicher Unschuld!
+ Jetzo drckt' er zuerst den Knig, und d'rauf den Erzeugten
+ Ottgars rasch an die Brust, und unendlich jauchzte das Volk auf.
+ Aber der Knig erhob sich vom Stuhl', und sagte voll Feuer:
+ O, gesegnet fr immer der Tag, der, freundlichen Anblicks,
+ Dich als Bundesgenossen mir wies! Der brausenden Jugend
+ Jahr' umgaukelten mich noch jngst im verwirrenden Schimmer;
+ Aber du kamst: wohl nenn' ich dich Vater mit Recht, und ich fhle
+ Mich urpltzlich zum Manne gereift -- dein wrdig, als Sohn jetzt!
+ Lange lebe, beglckt, der edelste Kaiser der Deutschen!
+ Sprach's mit jubelndem Ruf', und umher ertnte des Volkes
+ Freudengeschrei, wie Donnersturm, wie strzender Wasser
+ Lautes Rauschen: Er lebe beglckt! Hoch lebe der Kaiser!
+ So, da jegliche Brust Entzcken ergriff, und der Thrnen
+ Strmische Fluth in das Aug' urschnell aufjagte vom Herzen.
+ Aber es winkte der Kaiser erneut: der eh'rnen Drometen
+ Ernstem Schall verstummte das Volk, und er sagte, bewegt, noch:
+ Hrt! Wir scheiden von euch nun bald, und auf lange. Gebiethend
+ Ruft uns Deutschlands Wohl nach den rheinischen Gau'n, und wir folgen
+ Freudig dem Ruf, da uns hier zu weilen hinfort nicht vergnnt ist.
+ Doch nicht bleibe darum die Land nach unserer Abfahrt
+ Hauptlos. Wichtiges reift im dunkeln Schooe der Zukunft
+ Ihm, und Hohes erringt es. Inmitten gewaltiger Lnder,
+ Hebt Haus-Oestreich hier, aus seinem unscheinbaren Umkreis
+ Eiserngegrndet, sich auf; gewhrt dann jenen die Herrscher;
+ Flicht in den Kranz nie welkender Macht die herrlichsten Kronen,
+ Die bald Knig' ihm biethen, und fhrt vielfltig durch Sitte,
+ Sprach', und Stamm gesonderte Vlker zu dauernder Einung.
+ Also, gerstet mit Kraft, soll's einst im Sturme der Zeiten
+ Fest wie ein Leuchtthurm steh'n, der rettend, Gefahrenbedrngten
+ Von dem Felsen die Flamme weis't auf dem nchtlichen Irrpfad.
+ Albrecht komme heran. Ihm, unserem theuern Erzeugten,
+ De' erhabener Sinn und Weisheit euch allen bekannt ist,
+ Wollen wir Oestreich hier zu Lehen ertheilen. Als Herzog
+ Werd' ihm der Thron, und in seinem Geschlecht
+ fortdaure die Herrschaft,
+ Endlos, segenbeglckt zum Wohl unzhliger Vlker.
+ Ha, und er dachte, bewegt, des Alp'bewohnenden Klausners!
+
+ Doch schon ritt aus dem hallenden Thor der Erzeugte des Kaisers,
+ Albrecht, stattlich heran. Sein Ro, der tnenden Hauptzier--
+ Also des Zaums und Geschirrs von blinkendem Silber sich freuend,
+ Beugte stolz das Haupt an die Brust. Doch herrlich geschmckt war
+ Er mit dem Frstenhut' und dem Purpurmantel: ihn deckte
+ Glnzender Hermelin; auch hielt er den goldenen Zepter
+ Fest in der Rechten erhht. Durch Schrift und Siegel ertheilte
+ Friedrich der Erste, von Hohenstauff, der mchtig als Kaiser
+ Ragte vor andern hervor, das Recht dem Herzog von Oestreich,
+ Also zu Pferd, und so herrlich geschmckt das Leh'n zu empfangen.[4]
+ Siehe, vor ihm trug Lichtenstein das Banner von Oestreich,
+ De' ruhmwrdiger Schild, mit dem schneeigen Streif in dem Blutfeld
+ Schimmerte, rasch einher; doch Albrecht hielt an des Thrones
+ Stufen, und beugte sich; d'rauf begann der erhabene Kaiser:
+ Albrecht, euch beschwren wir jetzt im Nahmen des einen,
+ Wahren, und ewigen Gott's, zu bekennen: ob ihr, als Herzog
+ Oestreichs, herrschen wollet nach Recht und Gerechtigkeit; ob ihr
+ Schirmen wollet die heilige Lehr' und den Glauben der Vter,
+ Und euch widmen dem Wohl des Landes mit Leib und mit Leben,
+ Das ihr heute zu Lehen empfaht aus unserer Vollmacht?
+ Jener rief: Ich will! und alsbald winkte der Kaiser
+ Lichtenstein, da er ihm darreichte die Fahn', und begann so:
+ Nun auch schwrt es zu Gott, und im Beiseyn eueres Volkes,
+ Eilig das Banner zugleich, und den goldenen Zepter erhebend
+ Hoch g'en Himmel empor. Und jener entgegnete muthig:
+ Ja, ich schwr' es zu Gott! und erhob den goldenen Zepter
+ Dann mit dem Banner zugleich in die Luft. Der Kaiser entstrzte
+ Jetzo dem Purpurpfhl', und flog in die Arme des Sohnes,
+ Der, sich schwingend vom Zelter herab, ihm entgegen geeilt war.
+ Lange hielt er den Sohn umfat, und sagte mit Rhrung:
+ Gottes Segen mit dir, und mit deinem Geschlechte! Der Nachwelt
+ Stell' ich es freudig anheim, was heut' allhier sich begeben.
+ Mge sie noch an der Zeiten entferntestem Ziele, des Glckes
+ Herrlichster Flle froh, laut Habsburg segnen und Oestreich!
+
+ Siehe, da rief umher die Menge dem neuen Beherrscher,
+ Jauchzend, ihr Lebehoch! Doch sah nach dem Kaiser so mancher,
+ Innig betrbt, noch hin, der erst von Trennen und Scheiden
+ Sprach, und auf immer vielleicht den liebenden Herzen entrckt wird.
+ D'rauf hie er die Frsten bei sich willkommen, und sagte:
+ Kommt zum erquickenden Mahl', und ruht in der friedlichen Burg hier,
+ Heiteren Sinn's, jetzt aus von des Kriegs unzhligen Sorgen!
+ Aber verzeiht: ich eile zuvor nach der dsteren Kammer,
+ Wo die Gattinn mir starb, und nach ihr sich, in Trauergewanden,
+ Sehnen die Kinder vereint; ich gehe, die Lieben zu trsten.
+ Und er entzog sich den Blicken der lautaufjubelnden Scharen:
+ Thrnenden Blicks, aufschreitend allein zur Wohnung der Trauer.
+
+
+
+
+ Nachtrag
+
+ zu dem
+
+ Heldengedichte Rudolph von Habsburg.
+
+
+Die Marchfelder Schlacht. Jahr 1278.
+
+Die merkwrdige Schlacht auf dem Marchfeld zwischen Rudolph I. von
+Habsburg, Kaiser der Deutschen, und Przemisl Ottokar II., Knig von
+Bhmen, in welcher letzterer besiegt fiel, und jener seinen Nachkommen
+Oestreichs Herrscherthron erkmpfte, geschah am 24. August des Jahres
+1278. Schon zwei Jahre vorher standen sich, eben daselbst, die beiden
+Frsten feindlich entgegen. Ottokar, durch frheren Ehebund mit der
+babenbergischen Margareth, der Herrscher geworden von Oestreich und
+Steyermark, und, durch Kauf, von Krnthen und Krain, lie sich endlich
+herbei, diesen Provinzen, als anheimgefallenen Reichslehen, zu entsagen;
+worauf er, auf der Donau-Insel Kamberg, im Angesicht beider Heere, dem
+Kaiser (19. November 1276) knieend gehuldigt, und dieser, angeblich,
+durch Herabrollen der Zeltvorhnge, diese Handlung offenkundig gemacht
+haben soll. Dem heimkehrenden Knig setzte seine ehrgeizige Gemahlin,
+Kunegunde, durch Schmhungen so lange zu, bis er dem Kaiser neuerdings
+den Kampf auf Tod und Leben both. Schon am 27. Juni brach er von Prag zu
+seinem Heer' auf, das sich vor Brnn versammelt hatte, verlor aber auf
+seinem Kriegszug in Oestreich, durch die Belagerung des befestigten
+Stdtchens Drosendorf, den entscheidenden Augenblick, und setzte dadurch
+den Kaiser in den Stand, Hlfsvlker zu sammeln, um welchen es sonst
+durch schnelles Vordringen geschehen gewesen wre. Auf Rudolphs Seite
+standen nebst den Schweizern und Elsassern, die ihm sein Sohn Albrecht
+zufhrte, der Pfalzgraf Ludwig, sein Tochtermann; der Burggraf Friedrich
+von Nrnberg; der Markgraf Heinrich von Hochberg: zu welchen noch die
+Grafen von Henneberg, und Frstenberg stieen. Dann: Meinhard Graf von
+Tyrol; Graf Albert von Grz; Friedrich, und Albert, die Grafen von
+Ortenburg, und Ulrich von Heunburg mit den Tyrolern, Krnthnern und
+Krainern; Pfannberg, und zugleich die Herren von Pettau, Lichtenstein,
+und Colo von Seldenhofen, mit den Steyrern. Auch die Bischfe von
+Salzburg und Basel fhrten ihm Krieger zu, deren ersterem er in der
+Schlacht die Leitung der Oestreicher und Steyrer bergab. Endlich
+erschien auch der Knig Ladislav IV., an welchen er den tapferen
+tyrolischen Hauptmann, Hugo von Tauffers, abgeschickt hatte, mit mehr
+denn zwanzigtausend kumanischen und ungrischen Reisigen, als sein
+Verbndeter, auf dem Schlachtfeld. An Ottokars Vlker, die Bhmen, und
+die Mhrer unter Milota's Leitung, reiheten sich: Bayern, welche der
+Herzog Heinrich; Sachsen, welche Pfeil, der Markgraf von Magdeburg, und
+Meiner und Thringer, welche der Markgraf Dietrich anfhrte. Die
+Reussen sandte K. Leo, und die Polen und Schlesier K. Kasimir heran.
+Auch einige streichische Ritter, unter diesen die beiden Brder
+Heinrich und Leopold Kunring, ergriffen seine Parthei, so, da er dem
+Kaiser an der Zahl der Krieger weit berlegen war. Das Feld, auf welchem
+gestritten ward, erstreckte sich von Marcheck ber den Weidenbach, dann
+weiter von Stillfried ber Drnkrut bis gegen Idungspeugen, hinauf, und
+der Kampf endete wahrscheinlich, wie weiter unten erhellet, nahe vor dem
+Stdtchen Laa. Rudolph setzte mit seinem Heere bei Hainburg ber die
+Donau, seine Vereinigung mit dem Knig der Ungern zu bewirken, und dem
+Feind in den Rcken zu kommen, und lagerte sich vor Marcheck. Die
+Kumanier hatten bereits aus dem Hinterhalt die herumstreifenden Feinde
+angefallen, ihnen ber 100 Mann getdtet, und nachdem sie ihnen die
+Kpfe abgehauen, sandten sie selbe dem Kaiser als Geschenk entgegen, der
+sich mit Schauder davon wegwendete, und sie begraben lie. Am 23. August
+rckte er g'en Stillfried vor, und beschlo die Schlacht auf den
+folgenden Tag, der mit dem Feste des heil. Bartholomus auf einen
+Freitag fiel, an welchem er fters glcklich gekmpft hatte.[A] Der Tag
+brach an: die Kaiserlichen standen in fnf Heerhaufen, den sechsen der
+Bhmen, entgegen. Noch kurz vor dem Kampfe schlug der Kaiser, nebst
+anderen, auch hundert Zrcher zu Rittern. In seinem Heer herrschte mehr
+froher Muth, als in jenem Ottokars, da vor Tagesanbruch die Meiner und
+Thringer aus dem Lager heimlich abzogen, und er zuvor im Zelt, mit
+erregtem Mitrauen, die Feldherrn aufforderte: sie sollten ihm, wenn
+sie Verrath an ihm snnen, lieber jetzt die Brust durchbohren, ehe
+Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn wrden. Das unbndige
+Pferd eines salzburgischen Reiters, Heinrich Schrlin, rannte, wie toll,
+auf die Bhmen los, und ward so zum Zeichen des frheren Angriffs.
+Ottokar brachte mit den schwergeharnischten Reitern die Oestreicher und
+Steyrer zum Weichen, nachdem der Fhrer der letzteren, Pfannberg,
+verwundet vom Pferde gefallen war. Als der Kaiser die wankende Schlacht
+sah, da warf er sich aus dem Sattel im Staub auf die Knie', und bethete
+laut zum Himmel, verheiend durch ein Gelbde, so er den Sieg gewnne,
+ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu stiften; worauf seine Scharen
+ermuthigt vordrangen. Doch schlug sich Herbot von Fllenstein, ein
+polnischer Ritter, durch groe Verheiungen Ottokars bewogen, bis zu ihm
+durch, erstach ihm das Pferd unter dem Leib, und brachte ihn in die
+grte Gefahr, wenn nicht er selber, zu Fu ankmpfend, ihn mit dem
+Speer von dem Sattel herabgerissen, und der herbeieilende tapfere Ritter
+Ulrich Capellen ihm ein Pferd gebothen htte. Den gefangenen Ritter
+Herbot hie der Kaiser schonen, seine Wunden verbinden, und warf sich
+dann, wie ein erzrnter Lwe, neuerdings auf die Feinde. Auf dem rechten
+Flgel, wo Hochberg stritt, erhob sich das Geschrei, die Feinde
+fliehen! und bald verbreitete es sich durch alle Reihen Rudolphs.
+Ottokar wankte einen Augenblick, hie aber Milota aus dem Nachhalt
+vorgeh'n; und als dieser, langgenhrter Rache frhnend, mit den Mhrern
+und einigen bhmischen Herren, die er gewann, eben jetzt von dem
+Schlachtfeld abzog, strzte er sich in den letzten mrderischen Kampf,
+und fiel auch hier, als ein Opfer der Rache, durch die Hand der beiden
+Ritter von Meerenberg, mit dreizehn Wunden, ehe der Befehl des Kaisers,
+der sein Leben zu schonen geboth, erfllt werden konnte. Worauf Flucht
+und Verwirrung der Bhmen. Der Kaiser lie zum Rckzug blasen, allein
+die Kumanier verfolgten sie, bis die sinkende Nacht dem Wrgen ein Ende
+machte. Die Schlacht whrte nur fnf Stunden, und es sollen auf Ottokars
+Seite ber 14,000 gefallen seyn. Rudolph hie seine Leiche sogleich
+aufsuchen, nach dem Stdtchen Laa, und noch in der Nacht nach Wien
+bringen, wo sie anfangs in dem Schotten-Kloster beigesetzt, und dann in
+der Kirche der Barfer-Mnche ffentlich zur Schau ausgestellt blieb.
+Allein, auf die in das Lager gelangte Bitte der Bhmen, stellte er sie
+ihnen wieder zu; worauf sie ber Znaim nach Prag abgefhrt, und in dem,
+von ihm erbauten Franciskaner-Kloster kniglich zur Erde bestattet ward.
+Rudolph hielt in Wien, unter unendlichem Jubel des Volkes, seinen
+feierlichen Einzug, und erfllte bald darauf sein Gelbde, indem er zu
+Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes ein adeliges Frauenkloster erbauen
+lie.
+
+ [Fussnote A: Bei _+Arenpeck Chron. Austr. ad Annum+ 1278 heit es_:
+ +Conveniunt ambo Reges cum exercitibus suis in campis Austriae trans
+ Danubium apud Weidenbach feria sexta ante Bartholomaei etc.+ Viele
+ andere wollen, da die Schlacht sich am 26. August ereignet habe.]
+
+
+
+
+ Anmerkungen
+
+ zu
+
+ Rudolph von Habsburg.
+
+
+Erster Gesang.
+
+[1] Vers 9.
+
+_Drahomira_ war die Gemahlinn Vratislavs, Herzogs von Bhmen, der die
+Heidinn in der Hoffnung, da sie sich zum Christenthume bekehren wrde,
+im Jahr 907 ehlichte. Sie gebar ihm zwei Shne, Wenzel und Boleslav, und
+als er im Jahr 916 starb, und seine Mutter, die heil. Ludmilla, die
+vormundschaftliche Regierung bernehmen wollte, stand sie in der
+berufenen Stndeversammlung zu Prag dagegen auf, zog sich mit ihrem
+jngeren Sohn, Boleslav, auf das feste Schlo Wischehrad zurck, und
+wthete beinahe durch vier Jahre, mit Beihlfe des heidnischen
+Stadtrichters Palhog, gegen die Christen mit Feuer und Schwert. Darauf
+lie sie die Kirche zu Bunzlau zerstren, und endlich auch ihre
+Schwiegermutter auf dem Schlosse Tetin hinrichten. Wenzel, obgleich nur
+ein Jngling, kam hierauf nach Prag, berief die Stnde im Jahr 921, und
+entsetzte sie der Regierung. Doch ruhte die unmenschliche Mutter nicht,
+bis ihr jngerer Sohn den lteren im Jahr 938 auf ihr Anstiften durch
+Brudermord auf die Seite schaffte. Nach der Sage soll sie auf dem
+Hradschin die Erde lebendig verschlungen haben. S. +_Cosmas Pragensis_
+L. I. _Hist._ -- _Pulkawa Hist. Boh._ C. 13. _Dubrav. Hist. Boh._ L. 5.
+_Sylvius_, _Hagek_ etc.+
+
+[2] Vers 68.
+
+_Margareth_, die Tochter des babenbergischen Leopold des Glorreichen,
+Herzogs von Oestreich, war die Wittwe Kaisers Heinrich VII., und bereits
+an Jahren vorgerckt, als Ottokar, wohl nur in der Absicht, mit ihrer
+Hand Oestreich und die Steyermark zu erlangen, sie im Jahr 1252
+heirathete, aber schon im Jahr 1261 sich von ihr, wegen beschuldigter
+Unfruchtbarkeit, wieder scheiden lie. Sie starb zu Krems im Jahr 1267
+im Kloster, und zwar, wie Einige behaupten, durch Gift, mit welchem sie
+Ottokar aus der Welt geschafft haben soll. Doch hat Hanthaler +_Fast.
+Campilil._ T. I. P. II. Dec. VII. . I. C. XXXIV.+ diese Behauptung
+widerlegt. Sie liegt in dem Kloster Lilienfeld, das ihr Vater stiftete,
+ihm zur Linken, vor dem Hochaltar, begraben.
+
+[3] Vers 117.
+
+_Durnkrut._ Siehe den merkwrdigen Aufsatz Die Entscheidungsschlacht im
+Marchfelde zwischen Rudolph und Ottokar 1278 im Archiv fr Geographie,
+Historie &c. Nr. 1 und 2 des J. 1814. Der vortreffliche
+Geschichtschreiber, Chorherr Kurz, sagt in seinem +Oestreich unter
+Ottokar und Albrecht I.+: In Rcksicht des Schlachtfeldes stimmen die
+Berichte nicht ganz berein, welches wohl nicht anders mglich ist, da
+zwei Heere nothwendig eine groe Strecke einnehmen, und whrend einer so
+entscheidenden Schlacht an mehreren Orten gestritten wird. Da an dem
+Marchflu gekmpft ward, in welchem viele Bhmen den Tod fanden,
+besttigen alle Chroniken. Der Bezirk von _Stillfried_ bis
+_Idungspeugen_ hinauf, war der eigentliche Kampfplatz, _Chrutterfeld_,
+das ebenfalls genannt wird, liegt in der Mitte. Die Schlacht mu sich
+von Stillfried gegen den _Weidenbach_ und bis _Marcheck_ ausgedehnt
+haben, da Rudolph in seinem Stiftsbrief sagt: Gott habe ihn nicht fern
+der Kirche von Marcheck aus Todesgefahr errettet. +In loco ab ecclesia
+eadem non longe distante nos quasi in angustiis mortis positos liberavit
+ab hostibus: et prostratis eisdem liberavit gloria triumphali.+
++_Bodmann_ cap. I. p. 100.+ Wahrscheinlich deutet er auf die Gefahr, die
+ihm drohte, als ihm das Pferd unter dem Leib' erstochen ward. +_Calles_
+T. II.+ p. 552-562 hat alle hierher gehrigen Stellen gesammelt.
+
+[4] Vers 284.
+
+Siehe ber dieses Gesprch Hornecks Reim-Chronik, Cap. 132-136
+
+[5] Vers 351.
+
+_Rdiger Waldram_ nennt _Fugger_, in seinem _Ehrenspiegel des Erzhauses
+Oestreich_, den Brgermeister Wiens, der an Rudolph mit dem Knig der
+Bhmen einverstanden, heimlichen Verrath sann. Bei andern
+Schriftstellern heit er Paltram Vazo. Der Snger Rudolphs fand jenen
+wohlklingender zu seinem Zwecke (S. auch +Wolf. Lazius Chron. Vienn.
+Lib. IV.+ und +Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.+)
+
+[6] Vers 360.
+
+Die Erzhlung von der Huldigung Ottokars auf der Donau-Insel _Kamberg_,
+wo er, nachdem die tuschenden Zeltvorhnge gefallen waren, auf den
+Knieen vor dem Kaiser liegend, den beiden, durch die Donau geschiedenen
+Heeren gewiesen ward, ist von vielen grndlichen Geschichtsforschern als
+unstatthaft verworfen worden.
+
+[7] Vers 375.
+
+In einem der anmuthigsten Gebirgsthler Unter-Oestreichs, am Fue der
+Alpen, und an dem Ufer des Traisenflusses, liegt das Cisterzienser-Stift
+_Lilienfeld_, von dem babenbergischen Leopold VII., oder Glorreichen, im
+Jahr 1202 gestiftet, dem der Snger Rudolphs durch acht und zwanzig
+Jahre angehrte, und demselben in den letzten sieben Jahren als Abt,
+k.k. Rath und niederstreichischer Landesstand, vorgesetzt war.
+
+[8] Vers 397.
+
+_Masovien_ (Masuren), eine Landschaft in Polen, welche an Preuen, an
+Gro- und Klein-Polen und an Lithauen grnzte, frher durch eigene
+Herzoge regiert, und unter Knig Sigismund I. mit Polen vereiniget ward.
+Ihre vornehmsten Stdte waren Warschau und Plozk. (Hartknoch +de Republ.
+Pol. L. I. c. 10.+)
+
+[9] Vers 403.
+
+_Knigsberg_, die zweite Residenzstadt Preuens an der Pregel, von mehr
+als 60,000 Einwohnern, und einer Universitt, die in der neueren Zeit
+durch Kant berhmt geworden ist, soll Ottokar im Jahr 1254 gegrndet
+haben.
+
+[10] Vers 421.
+
+Da Rudolph in seinem sieben und dreiigsten Jahre an den Hof Ottokars,
+der brigens als ein groer Feldherr jungen Frsten allerdings zum
+Muster dienen knnte, berufen, und zu seinem Hofmarschalk ernannt worden
+sey, da er dann mit ihm die, bei dem Einfall der Tartaren wieder
+heidnisch gewordenen, Preuen bekmpfte, im Jahr 1260 einem Kriegszug
+gegen die Ungern beigewohnt, und wegen ausgezeichneter Heldenthaten von
+ihm den Ritterschlag erhalten habe, sind Erzhlungen aus seinem Leben,
+deren Wahrheit hie und da bestritten worden ist.
+
+[11] Vers 484.
+
+_Tabor_. Ein an dem linken Ufer der Donau, Wien gegenber liegendes
+Dorf.
+
+
+Zweiter Gesang.
+
+[1] Vers 28.
+
+Die Veste _Mdling_, deren Ruinen ber dem Stdtchen gleiches Nahmens,
+nicht fern von Wien, in dem Brhler Thal zu sehen sind, war das
+Eigenthum mehrerer Frsten eines Zweigs des babenbergischen
+Herrscherstammes, die sich Herzoge von Modeling nannten, und das zuletzt
+auch Gertrud, die Tochter Heinrichs, Herzogs von Mdling, und Bruders
+Friedrichs des Streitbaren, zu ihrem Antheil erhielt, nachdem ihr Gatte,
+Herman, Markgraf von Baden, gestorben war.
+
+[2] Vers 35.
+
+In einem eng umschlossenen Thal', am Fue des Tannberges, welches der
+Sattelbach durckfliet, stiftete Leopold der Heilige im Jahr 1135 das
+Cisterzienser-Kloster Heiligen-Kreuz, welches nebst andern merkwrdigen
+Grabmlern im Kreuzgang auch jenes von Friedrich dem Streitbaren,
+letzten Sprossen des babenbergischen Stammes, zur Schau stellt.
+
+[3] Vers 91.
+
+Ueber _Jacob Mllers_, des Zrcher Kriegers, _lustige Mhre_ siehe
++_Alb. Argent. Cap._ 18+ und _Fuggers Spiegel der Ehren des Erzhauses
+Oestreich_. Nrnberg, 1668, erstes Buch 7. Cap. S. 66.
+
+[4] Vers 110.
+
+Der _Traisen_-Flu in Unterstreich, der bei Traisenmauer in die Donau
+fllt, entspringt hinter der Lilienfelder Alpenkette aus dem sogenannten
+Traisenberg, und ergiet sich in zwei Bchen, wovon der eine hinter
+Tirnitz aus der Sd- und der andere hinter Hohenberg aus der Nordseite
+des Berges hervordringt, so, da beide erst oberhalb Lilienfeld sich
+wieder vereinigen, und die eigentliche Traisen bilden. Wechselweise wird
+der eine, und der andere Arm die _unechte Traisen_ genannt, je nachdem
+der Bewohner des einen und des andern Bezirks Kunde darber geben soll.
+
+[5] Vers 115.
+
+_Lilienfeld_, das Cisterzienserkloster in Unterstreich, welches am Fue
+der Alpen, in einem der reizendsten Thler, nicht weit von der, auf der
+Hauptstrae nach Wien liegenden Stadt St. Plten entfernt liegt, wurde
+durch den babenbergischen Leopold den Glorreichen, Herzog von Oestreich,
+im Jahr 1202 gestiftet, erhielt, wie schon weiter oben im Gedichte
+gesagt wird, die ersten Mitglieder aus dem Kloster Heiligen-Kreuz, und
+besteht nun schon 640 Jahre. In dieses Kloster trat der Dichter Rudolphs
+von Habsburg, in seinem zwanzigsten Lebensjahre, im Jahre 1792, und
+hatte ihm gegen 28 Jahre lang angehrt, nach welchen er zu hhern
+Stellen berufen ward; es ist ihm daher wohl zu guten zu halten, da er
+es zu einem der Schaupltze seines Gedichtes gewhlt, und mit besonderer
+Liebe und Ortskenntni beschrieben hat.
+
+[6] Vers 171.
+
+Ob Rudolph vor, oder whrend der Schlacht das Gelbde gemacht habe: so
+er den Sieg gewnne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu erbauen,
+ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht vllig erweisbar. So viel ist
+gewi, da er, nach jenem erhaltenen Sieg ber seinen Gegner, das
+adelige Frauenkloster zu Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes erbaut, und
+auch seine, und seiner Gemahlinn aus Stein gehauene Statuen dahin
+geschenkt habe, die leider zur Zeit der Aufhebung desselben, auf eine
+unverantwortliche Weise, vernichtet worden sind!
+
+[7] Vers 176.
+
+Die hier bezeichneten Frsten sind: Albrecht I., Friedrich der Schne,
+Maximilian I., Carl V., Maria Theresia, Joseph II., Leopold II.,
+FranzI.
+
+[8] Vers 320.
+
+Nach Fugger geschah diese Handlung zu Mainz, als Kaiser Rudolph das
+Reich bereisete, im Jahr 1273. (_Siehe Spiegel der Ehren_. S. 84.)
+
+[9] Vers 372.
+
+_Wiener-Neustadt_ -- erhielt den Titel der _Allzeit Getreuen_ schon von
+Herzog Friedrich dem Streitbaren, wie es aus einer ihr im Jahr 1242
+ertheilten Privilegien-Urkunde erhellet. Kaiser Leopold I. schenkte ihr
+im J. 1708 eine Fahne mit der Aufschrift: +Semper fidelis civitas
+Neostadiensis -- pro Caesare et Religione+ -- wie solches nebst andern
+historisch merkwrdigen Seltenheiten in dem Rathhaus-Archive daselbst zu
+ersehen ist.
+
+[10] Vers 410.
+
+Ein Meisterwerk der gothischen Baukunst, das alle Fremden durch seinen
+majesttischen Umfang in Erstaunen setzte, das sogenannte Dormitorium,
+oder Schlafhaus zu Lilienfeld, welches ursprnglich den Klosterbrdern
+zur gemeinschaftlichen Wohn- und Schlafsttte diente, als noch, auer
+dem Chorgebeth, das Ausruten und Urbarmachen der Wildni umher ihr
+hauptschliches Geschft war, ging durch den groen Brand (13. September
+1810) vllig zu Grunde, so da keine Spur mehr von seiner Herrlichkeit
+brig blieb.
+
+[11] Vers 478.
+
+Der _Lasingfall_, in den Lilienfelder Gebirgen, ist seit dem Jahr 1815,
+wo ihn der Verfasser des gegenwrtigen Gedichts, als damaliger
+Stiftsvorsteher, zugnglich, und dadurch erst bekannt machte, der
+Gegenstand der Aufmerksamkeit der Reisenden, die ihn jhrlich in groer
+Anzahl besuchen. Seine Schnheit bertrifft jede Vorstellung. Die
+Felsenschlucht, durch welche sich die Lasing herabstrzt, hat drei
+Hauptabstze, die nach Wiener Ma:
+
+ a = 107 Fu
+ b = 40 8"
+ c = 123 2"
+ -------------
+ 270 ' 10"
+
+senkrechte Hhe, und
+
+ a = 145 Fu 2"
+ b = 126 7"
+ c = 123 4"
+ -------------
+ 395 ' 1"
+
+horizontale Lnge des Wasserfalls bewirken. Auch das Felsenthal am Fu
+des Oetschers, durch welches sie sich ergiet, gewhrt einen
+ergreifenden Anblick.
+
+
+Dritter Gesang.
+
+[1] Vers 3.
+
+_Marbod_, +Marobodus+, wie ihn Tacitus nennt, Knig der Marcomannen,
+eines schwbischen Stammes (Mark-Mannen, Hther der Grnze, oder wie
+Andere wollen: _Marich_-Mannen, Rotummler, von dem alten deutschen Wort
+_Marich_, Stute, Mhre, +equa+), lebte gleichzeitig mit Herman dem
+Cherusker. Entschlossen, sich in einer entfernteren Stellung den Rmern
+furchtbar zu machen, sammelte er ein Heer von mehr denn siebenzig
+tausend Mann, zog immer weiter an der Donau herab, und nachdem er den
+_Catualda_ (Gothwald oder Katwald), einen Anfhrer der Gothen, aus dem
+Lande der Bojen, dem heutigen Bhmen, verjagt hatte, grndete er dort
+den Sitz eines neuen Reichs, das sich von der uersten Spitze der
+Ostmark, und der Grnze Pannoniens, bis an das Riesengebirge hin
+erstreckte. _Inguiomar_ (wahrscheinlich Hinkmar), der Ohm Hermans, der
+zu ihm flchtete, verwickelte ihn in einen heftigen Streit mit seinem
+gewaltigen Neffen, und als nach einer unentschiedenen blutigen
+Feldschlacht seine Krieger auf Hermans Seite traten, und Catuald mit
+Hlfe rmischer Scharen seine Burg erstrmte, fate er den Entschlu,
+sich in Roms Schutz zu begeben. Er wurde nach Ravenna verwiesen, wo er
+nach einem zwei und zwanzigjhrigen Aufenthalt sein Leben -- das er, wie
+Tacitus sagt, zu sehr liebte, in unrhmlicher Abgeschiedenheit endete.
+Catuald hatte ein gleiches Schicksal, denn er wurde von den Rmern nach
+Frejus in Frankreich verwiesen.
+
+[2] Vers 16.
+
+Das Schlo _Hainburg_ mit dem Stdtchen gleiches Nahmens, an der Grnze
+Ungerns in Unter-Oestreich, soll, der Sage nach, von Attila, dem Knig
+der Heunen, wie die Deutschen der Vorzeit die Hunnen nannten, erbaut
+worden sein: daher Heunenburg, _Heunburg_, geheien haben. Was hier von
+dem Umfang, und der Lage des markomannischen Reichs unter Marbod, und
+weiter unten Vers 25 von der durch ihn gekmpften Schlacht auf dem
+Marchfeld gesagt wird, grndet sich, nicht mit historischer Gewiheit,
+sondern in poetisch genommener scheinbarer Mglichkeit, auf folgende
+Stellen aus dem Werke: +Hist. opus in IV. T. divisum, quorum T. I. Germ.
+ant. illust. continet. Basileae 1574 ed. Tencterus+.
+
++Sub Martungis erant Curiones, inde Chetuari, et Parmecampi, ubi hodie
+pars est Austriae Cis-Danubianae juxta _Krembs, Znaem et Niclaspurg_.
+Inde habitabant Marcomanni; hodie regio illa Moravia est, quae se ad
+Sudinos extendebat, et Danubium usque, ubi hodie civitas est
+_Prespurgium_. -- Gessit haec gens maxima bella cum Romanis etc. etc.
+_Bilibaldi Birkheimeri Locor. per German. explicatio pag. 209._+
+
+Ferner: +Nariscos Marcomannos et Quados haud dubie ea loca tenuisse
+putamus, ubi nunc agunt Moravi, _Merherlandt_. De Marcomannis nemo
+dubitare potest, qui Vellejum legerit. _Henr. Clareani in P. C. Taciti
+de Mor. Germ. comment._ p. 188.+
+
+Und endlich: +Marcomanni sedes habuerunt in ea parte, quae spectat ortum
+versus Moraviam et Austriam. Enituit autem virtus Marcomannorum in
+multis asperrimis bellis, in quibus patriam adversus Romanos fortissime
+defenderunt etc. _Philip. Melanchtonis Vocabula Regionum et Gent. quae
+recens. in libello Taciti de mor. Germ._ p. 193.+
+
+Da aber Rudolph aus Marbods Stamm entsprossen seyn soll (siehe unten V.
+48) grndet sich in besagtem Sinn auf folgende Stelle:
+
++Andreas Alciatus in suis annotationibus in Tacitum, etiam in Helvetiis
+consedisse Marcomannos quadosque putat. Exstat enim, inquit, adhuc in
+eis Vallis _Marcomanna_ nomine.+
+
++_Andreae Althameri Scholia in Cornel. Tacit. de Germ._ pag. 61+
+desselben Werks.
+
+[3] Vers 23.
+
+_Marobudum_ hie die Residenzstadt Marbods, des Knigs der Marcomannen,
+die er sich in dem vormahligen Bojenheim erbaute, und die an der Stelle,
+wo jetzt Prag -- nach Andern -- wo jezt Budweis, gestanden haben soll.
+
+[4] Vers 106.
+
+Das Wapen der Grafen von Habsburg enthielt im goldenen Felde einen
+rothen Lwen mit einer blauen Krone auf dem Haupt.
+
+[5] Vers 107.
+
+Das bhmische Wapen zeigt einen weien gekrnten Lwen im rothen Feld.
+Kaiser Friedrich I. ertheilte selbes, nach dem Mailnder Krieg,
+Uladislav II. im Jahr 1159.
+
+[6] Vers 108.
+
+Kaiser Friedrich II. erhob Wien im Jahr 1237 zu einer freien
+Reichsstadt, ertheilte ihr den doppelten Adler zum Wapen, und stiftete
+eine hohe Schule daselbst. S. _Lazius_. Auch diesem wird widersprochen.
+
+[7] Vers 295.
+
+Der schmale Donau-Arm, der, unterhalb Nudorf von dem Hauptstrom
+geschieden, die Stadt Wien von der Leopoldstadt trennet, und hiermit ein
+groes Eyland bildet, auf welchem nebst besagter Vorstadt, auch die
+anmuthigsten Spaziergnge in der Brigittenau, dem Augarten und dem
+berhmten Prater sich befinden.
+
+[8] Vers 308.
+
+_Amtner_, dieses im Verlaufe des Gedichtes einigemal vorkommende Wort,
+bezeichnet (wie Schaff-ner, Zll-ner u.s.w. geformt) ganz entsprechend
+die franzsische Benennung _Offizier_; wo sodann _Offizier-Corps_, durch
+_Amtnergilde_ gegeben werden knnte.
+
+[9] Vers 350.
+
+Die Kumanier (ein sarmatisches Volk), die aus ihrem Land, welches
+zwischen den Alpen und der Donau, gegen die Tartarei zu, lag, von den
+hinterhalb wohnenden Tartaren gedrngt, unter Bela IV. Jahr 1239 nach
+Ungern kamen, und von diesem eine groe Strecke Lands zwischen der Donau
+und der They eingerumt erhielten, vereinigten sich dann mit den bald
+nachfolgenden Tataren, ber Ungern die schrecklichste Verwstung zu
+bringen, wewegen sie dem Unger, der sie in seiner Sprache Kun nennt,
+auch nachdem jene schon abgezogen waren, noch lange verhat blieben.
+(+Bonfinii Decad. II. Lib. 8.+)
+
+[10] Vers 358.
+
+Dschengis Khan brachte durch die Grndung seines groen Reichs in Asien
+auch die europische Tartarei, welche die Halbinsel Krimm, Bearabien
+und das Land zwischen dem Dniester und Dnepr in sich fate, in Bewegung.
+Seine Horden drngten die vor ihnen liegenden Kumanier, und als diese,
+unter ihrem Knig Kuthen, sich nach Ungern zurck zogen, folgten sie
+ihnen dahin nach, und verwsteten unter ihren beiden Anfhrern, Vathos,
+der ber Reuen, Polen und Mhren, und Kadan, der aus der Moldau
+hereinbrach, beinahe durch zwei Jahre das Land mit Feuer und Schwert.
+
+[11] Vers 517.
+
+Rudolphs Zug nach dem Gelobten-Lande; auch da er Hofmarschalk Knig
+Ottokars gewesen (siehe weiter unten Vers 602) gehrt unter die
+bestrittenen Ereignisse seines Lebens.
+
+[12] Vers 581.
+
+_Ueber das Faustrecht_ siehe Dr. Gerhards Abhandlung. Jena 1711.
+
+[13] Vers 595.
+
+_Fugger_ erzhlt: Auf dem Reichstag zu Nrnberg Jahr 1274 ist
+beschlossen worden, da forthin alle Reichsabschiede, Freiheitsbriefe,
+Befehle, Vertrge, letzte Willen, und dergleichen ffentliche Urkunden,
+nicht mehr wie zuvor, in lateinischer, sondern in deutscher Sprache
+sollten ausgefertigt werden, damit also die Ungelehrten, die das Latein
+nicht verstnden, nicht ungefhrt bleiben, und die brgerlichen
+Geschfte in mehrere Richtigkeit kommen mchten. Wiewohl es noch bei dem
+damaligen Unform der Sprache (!!) mit der deutschen Rednerei etwas hart
+herginge, so wre doch diese lbliche Sorgfalt K. Rudolph ein guter
+Anfang, und eine krftige Anreizung zur Ausbung unserer Muttersprache
+gewesen. (_Siehe Ehrenspiegel_ S. 87.)
+
+
+Vierter Gesang.
+
+[1] Vers 58.
+
+_Lug_, _Lueg_ im Oberdeutschen eine Warte, +Specula+, welche demnach dem
+franzsischen +Loge+ entspricht. Siehe Theuerd. Cap. 47.
+
+[2] Vers 131.
+
+Alles, was hier, und weiter unten von Turnier und Turniergebruchen
+gesagt wird, mag in _Rxners Turnierbuche_; in +_Du Cange dissertations
+sur l'histoire de St. Louis_+, und in +_Menestrier_ (Claude Fran.)
+_Trait des Tournois_, _Joustes_ etc. Lyon 1669. IV.+ seine Belege
+finden.
+
+[3] Vers 428.
+
+_Zawi von Rosenberg_, der Geliebte, und nachher Gemahl der Wittwe
+Ottokars, Kunegunde, bte, whrend der Minderjhrigkeit Wenzels,
+Herrschergewalt ber Bhmen aus. Dieser, nach ihrem Tod Knig geworden,
+trug ihm tiefen Ha im Herzen, welchem zu entgehen, und sich zugleich an
+dem feindseligen Herrscher zu rchen, Zawi, durch eine Heirath mit der
+Base des Ungernknigs Ladislav, sich gegen ihn zu verbinden suchte.
+--Doch, in dem Augenblick der Abfahrt ward er zu Prag durch List
+festgenommen, und nach mehr als Jahresfrist im Kerker zu Budweis
+enthauptet.
+
+
+Fnfter Gesang.
+
+[1] Vers 131.
+
+Die Schlacht von Kressenbrunn (Kroissenbrunn) im Marchfeld, in welcher
+Ottokar ber Bela IV. Knig der Ungern, einen entscheidenden Sieg davon
+trug, ereignete sich im J. 1260. Siehe die hchst anziehende
+Beschreibung derselben in _Hornecks Reim-Chronik_ vom 58. bis 64. Cap.
+
+[2] Vers 153.
+
+Nach jenem Sieg von Kroissenbrunn ber die Ungern, zog Ottokar mit
+seinen Scharen, wie im Triumph, durch Krnthen und Krain. Als die Bhmen
+an der Grnze von Italien die Steinwnde von Canale ersahen, fragten sie
+den Knig: ob Rom nahe sey? denn sie htten fters von ihren Vorfahren
+sagen gehrt, da sie durch eine solche Felsenpforte auf die Strae nach
+Rom gekommen seyen. Ottokar antwortete ihnen, Bhm' und Pole sollen
+sich einst hier wie zu Hause finden, denn, so er noch einige Zeit lebte,
+wrde sich seine Gewalt noch viel weiter erstrecken. _Horneck
+Reim-Chronik_ Cap. 90.
+
+[3] Vers 162.
+
+_Arpad_, der erste Anfhrer der Ungern (Magyaren), die, kommend von den
+Ufern des Tanais her, im neunten Jahrhundert Pannonien in Besitz nahmen,
+stand seinem Volk (nach +Anonym. Belae Not. 52. Cap.+) beilufig von 889
+bis 907 vor, und war der Stammvater einer Reihe von Knigen, unter
+welchen der heil. Stephan zuerst, im J. 1000, diesen Titel annahm, bis
+mit Andreas III. im J. 1301 sein Stamm ausstarb. Erst Ferdinand I. hat
+dieses Reich auf immer mit Oestreich vereinigt, obschon dasselbe vor ihm
+zwei Frsten seines Hauses, Albert II., und Ladislaus Posthumus,
+besaen.
+
+[4] Vers 358.
+
+Das Schicksal beider frstlichen Jnglinge, Konradins von Schwaben (Sohn
+Konrads IV.) und Friedrichs von Oestreich (Sohn Markgraf Hermans von
+Baden, und Gertrud, Tochter Heinrichs, Herzogs von Mdling) die im Jahr
+1268 zu Neapel durch das Bluturtheil Carls von Anjou hingerichtet
+wurden, ist bekannt. Horneck beschuldigt Ottokarn an mehr denn einer
+Stelle, da er, als Mitwerber um Oestreich und Steyermark, ihren Tod
+befrdert habe. _S. Reim-Chronik_ Cap. 164.
+
+[5] Vers 361.
+
+Gertrud, die Mutter Friedrichs von Oestreich, lie Ottokar, nachdem er
+Steyermark in seine Gewalt bekam, aus allen ihren Besitzungen, zuletzt
+auch aus Judenburg und Feistritz, durch den grausam gesinnten Propst von
+Brnn, vertreiben. Zur Nachtzeit, im Regen und Sturm, mute sie die
+Reise antreten. Sie begab sich nach Meien. (_Horneck Reim-Chronik_ Cap.
+55 und 56.)
+
+[6] Vers 364.
+
+Ueber Margarethens, der verstoenen Gemahlinn Ottokars, Schicksale,
+siehe _oben Anmerkungen zum ersten Gesange [2] zum Vers_ 68.
+
+[7] Vers 365.
+
+Otto, Herrn von und zu Meiau, den Stolz des streichischen Adels, hatte
+Ottokar, wegen geargwohnter Anhnglichkeit fr den Sohn der
+babenbergischen Gertrud, im Schlo Eichhorn festsetzen, und dort Jahr
+1265 im Hungerthurm verbrennen lassen. (+Chron. Austral. Neob. et Leob.
+apud. Hieron. Pez T. I.+)
+
+[8] Vers 366.
+
+Der scheelschtige Ritter Friedrich von Pettau hatte Ottokars
+argwhnisches Gemth gegen einige seiner Mitstnde in der Steyermark
+aufgeregt, der dann mehrere von ihnen, als: Ulrich von Lichtenstein,
+Hartneid von Wildon, Wlfing von Stubenberg, und Heinrich und Bernhard
+von Pfannberg, auf verschiedene Vesten gefangen setzen, und sie aus
+diesen nach einer zweijhrigen Haft nicht eher entlie, bis sie ihm ihre
+Burgen ausgeliefert hatten. _Horneck_ Cap. 85 und 86.
+
+[9] Vers 372.
+
+Seyfried von Merenberg, der steyrische Ritter, versumte dem Knig
+Ottokar, auf seinem Siegszug an der Drau mit den brigen Herrn entgegen
+zu kommen, und fiel durch Einflsterung eines bsen Menschen bei ihm in
+Verdacht. Er lie ihn in der Folge heimlich greifen, und gebunden nach
+Prag abfhren. Als er vielfltig gemartert, Gott zum Zeugen seiner
+Unschuld rief, und dem, nach Gestndnissen einer Verschwrung in
+Krnthen und Krain gierigen Knig, keine Lge fr Wahrheit geben wollte,
+wurde er durch ein Pferd zum Galgen geschleift, und dort, das Haupt zu
+den Fen gebunden, aufgehenkt. Noch in der zweiten Nacht lebt' er in
+diesem qualvollen Zustand, bis ihm endlich einer der bhmischen Szupane
+die Scheitel mit einem Kolben einschlug, weil er, auf wiederholte
+Aufforderungen, schon halbtodt, aber standhaft, der Wahrheit getreu
+gewesen zu seyn betheuerte. (_Horneck_ Cap. 99.)
+
+[10] Vers 378.
+
+Ottokar lie den Bruder Milota's, Bene, Kmmerer von Mhren, dessen
+Tochter er geschndet haben soll, zugleich mit Otto von Meiau im Jahr
+1265 in dem Hungerthurm zu Eichhorn verbrennen. Milota's Ha gegen
+Ottokar, und der Verrath, den er in der Marchfelder Schlacht 1278 an ihm
+beging, soll dadurch veranlat worden seyn. (Siehe _Hanthalers_ +Fast.
+Campil. Lib. I. Dec. VII. . 26.+ S. 1017 und _Fuggers Ehrenspiegel_ &c.
+S. 104.)
+
+
+Sechster Gesang.
+
+[1] Vers 96.
+
+_Odin_, der Gott der Gtter, nach der nordischen Mythologie. (Siehe
+_Ryerups Wrterbuch der scandinavischen Mythologie von Sander_,
+Copenhagen 1817.)
+
+[2] Vers 516.
+
+Die Gemahlinn Rudolphs, Anna, verschied zu Wien am 23. Hornung des Jahrs
+1281, von wo ihre Leiche nach Basel abgefhrt, und in der Domkirche
+beigesetzt worden ist.
+
+[3] Vers 538.
+
+Da sowohl Ottokar, als auch Rudolph schon zu ihrer Zeit eine Art
+Pontonsbrcke ber Flsse zu schlagen verstanden, erhellet aus _Hornecks
+Reim-Chronik_ Cap. 92., wo es heit:
+
+ Chostleichen hiez er machen
+ Von Holczwerich ein Prukken
+ Dew waz von manigen stuckchen
+ Chluegleichen gevalten.
+
+und dann
+
+ Bey der Tunawstaden
+ Do sich das Her vol gelait,
+ Do waz dew Prukken berait
+ Vber die Tunaw weit;
+ Die Prukken muesten alle Zeit
+ Wohl hundert Wegen tragen,
+ Wo des Kunigs Helfer lagen,
+ Da ward nach gesannt &c. &c.
+
+In diesem 92. Capitel ist von der Einnahme des Preburger Schlosses im
+letzten Krieg Ottokars gegen Ungern die Rede.
+
+
+Siebenter Gesang.
+
+[1] Vers 25.
+
+Ueber Hainburg, und ihre vermeintliche Erbauung durch Attila, siehe oben
+_Anmerkungen zum dritten Gesang_[2] Vers 16.
+
+[2] Vers 110.
+
+Die Sage von der Burgfrau, welche grausam eitlen Sinnes das Blut der
+Kinder vergo, zeigt auf die Ruinen des Schlosses * * *, an dem rechten
+Waag-Ufer, nicht fern von Trentschin, welches sie bewohnt hat.
+
+[3] Vers 244.
+
+Die Waffe, eine Art kurzer Streitkolben, von welcher hier die Rede ist
+nennt der Unger +Buzogny+, wo der Buchstabe +z+ wie beim italienischen
++zero+ ausgesprochen wird; das +y+ verliert sich aber im Druck der Zunge
+an den Gaumen.
+
+[4] Vers 309.
+
+Die _Zips_ (Zip), lat. +Scepusium+, eine Gespannschaft in Ober-Ungern
+am Fue der hchsten Karpathen gelegen, und wohl eines der hchsten
+bewohnten Gebirgsthler der streichischen Monarchie, aus welchem nach
+allen Welttheilen bedeutende Flsse sich ergieen: g'en Westen die Waag;
+g'en Sden die Hernath; g'en Osten die Tarza; g'en Norden die Poprad,
+die in dem angrnzenden Polen, mit der Dunajez vereint, in die
+Weichsel fllt. Diese Gespannschaft zeichnet intellectuelle und
+landwirthschaftliche Cultur vor mancher andern Ungerns aus, so, da viel
+Wohlstand sowohl in den zwei kniglichen Stdten Leutschau und Kmark,
+als auch in den XVI. Stdten, unter den munteren und fleiigen Bewohnern
+zu sehen ist. Der Verfasser gegenwrtigen Gedichts trennte sich schwer
+von diesem Lndchen, worinn ihm 1819 und 1820 eine ehrenvolle Bestimmung
+geworden war.
+
+[5] Vers 312.
+
+Ueber Katwald und _Inguiomar_ siehe oben die _Anmerkungen zum dritten
+Gesange_ [1] Vers 3.
+
+[6] Vers 474.
+
+Da die Knige von Ungern, zur Zeit _Hornecks_ wenigstens, in der
+Schlacht nicht selber mitfochten, sondern von einer Anhhe nur Zeugen
+derselben waren, erhellet aus Cap. 153, wo von der Marchfelder Schlacht
+die Rede ist:
+
+ Kunig Ladila den jungen
+ Sy furten von Streit dan
+ Auf den Perikch ob dem Plan
+ Da er wol hrt und sach
+ Alles daz, daz da geschach
+ Auf dem Veld prait.
+ Ez ist der Vnger Gewonhait
+ Vnd jehent auch offenbar:
+ Ir Kunig sey jn zu achpar
+ Darezu, daz er schull streiten &c. &c.
+
+Auch sagt _Haselbach_ +Chron. Austr. Lib. III. ap. Hier. Pez. T. II.
+Ladislao+, juvene Ungariae, cuncta de monte prospectante; nam Ungarorum
+mos habet, ut Rex propria persona bellum intrare non debeat.
+
+[7] Vers 536.
+
+Die Sitte, des Gegners Heer zum Kampf herauszufordern, und sogar von
+beiden Seiten dazu Tag und Ort zu bestimmen, war den alten Deutschen
+gemein. Ein Beispiel davon findet man auch bei _Horneck_ Cap. 60, wo
+Ottokar den Knig Bela durch Otto von Meiau zum Kampf auffordert, und
+bald darauf auch Bela den Gegnern sagen lt, sie sollen sich auf eine
+bestimmte Strecke zurckziehen, damit die Ungern ber die March setzen,
+sich aufstellen, und die Schlacht liefern mgen.
+
+[8] Vers 550.
+
+Sowohl bei Horneck, als auch bei den sptern Geschichtschreibern, wird
+Schrlins und seines unbndigen Rosses erwhnt, welches das erste
+Zeichen zur Marchfelder Schlacht gegeben habe.
+
+
+Achter Gesang.
+
+[1] Vers 31.
+
+In der Jgersprache heit das Bluten des verwundeten Wildes: das
+_Schweien_; daher die Benennung einer Gattung der Jagdhunde.
+
+[2] Vers 55.
+
+_Tyr_, nach der nordischen Mythologie, der Sohn Odins, des hchsten der
+Gtter, und ein Beschtzer der muthigen Krieger, soll die einzige
+Gottheit der scythischen Vlker gewesen seyn, die ohne Zweifel unter
+einem andern Nahmen bei ihnen in Verehrung stand. Bei seinem Scheiden
+von der Erde soll er sein Schwert in die Erde vergraben haben, welches
+erst spter Attila auffand.
+
+[3] Vers 386.
+
+Vor der Schlacht sollen Einige aus dem streichischen Heere den Knig
+Ottokar, aus alter Anhnglichkeit, schriftlich vor Untreue der Seinigen
+gewarnt haben; da nun auch die Meiner und Thringer heimlich aus dem
+Lager abzogen, so habe er sich wehrlos in die Mitte seiner Feldherrn
+gestellt, und sie aufgefordert, ihm die Brust zu durchbohren, ehe noch
+viele Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn wrden. (Siehe
+_Hanthaler_ +Fast. Camp. T. I. Pars II. Dec. VIII. . 80.+ +Arenpeckii
+Chron. Austr. ad An. 1278+.)
+
+[4] Vers 428.
+
+Heinrich I. der _Stdte-Erbauer_, hat ungefhr im J. 930 die Stadt, und
+das Schlo Meien an der Elbe erbaut, und ihr von dem Flchen, das sie
+eben dort aufnimmt, und Meie heit, den Nahmen gegeben.
+
+[5] Vers 459.
+
+Constanzia, Tochter des babenbergischen Leopold des _Glorreichen_, war
+die Gemahlinn Markgrafs Heinrich von Meien, des Sieghaften, die ihm die
+beiden Shne Dietrich und Albrecht gebar. Einen von diesen beiden
+verlangten die Stnde von Oestreich, nach dem Erlschen des
+babenbergischen Stammes, und der kurzen Regierung Hermanns von Baden, zu
+ihrem Herrscher, und fertigten von Tuln, wo sie ihre Versammlung
+hielten, Gesandte nach Meien ab, die hernach der Knig von Bhmen
+unterwegs aufgehalten, von der Fortsetzung der Reise abgebracht, und
+sich durch Hindeutung auf eine Heirath mit der verwittweten Herrscherinn
+Margareth den Weg zur Erwerbung von Oestreich und der Steyermark
+erffnet hat.
+
+[6] Vers 473.
+
+Da die Meiner und Thringer vor der Schlacht heimlich aus dem Lager
+Ottokars abgezogen seyen, ist geschichtlich. (S. oben _Anmerkung_ [3]
+zum 386 Vers.) Die Ursache dieses Abzugs ist unbekannt.
+
+
+Neunter Gesang.
+
+[1] Vers 71.
+
+Die Krieger, gewhnlich leichte Reiterei, die vor einem feindlichen
+Heere daherzieh'n, heien in der bestehenden Kriegssprache:
++Eclaireurs+.
+
+[2] Vers 436.
+
+_Venezia_. Ueber die merkwrdige Eroberung Constantinopels im Jahr 1202
+(also 76 Jahre vor der Marchfelder Schlacht) durch vorzgliche
+Mitwirkung des 90jhrigen Greises, Heinrich Dandolo, Doge von Venedig,
+siehe Raumers Geschichte der Hohenstaufen III. B. und Daru's Histoire de
+Venise I. Der Snger Rudolphs von Habsburg wollte hier, jener herrlichen
+Stadt, der einstigen Kniginn des adriatischen Meeres, deren Andenken
+ihm auf immer theuer bleiben wird, dankbar erwhnen.
+
+[3] Vers 600.
+
+_Al-rune_. _Runen, Runenschrift_, ein den alten Germanen und
+Scandinaviern eigenes Alphabet, nach welchem im nrdlichen Deutschland
+noch einige Denksteine beschrieben gefunden werden. Wahrscheinlich
+hatten sie selbes von den Phnikern erhalten, und was sich davon hie und
+da auf verwittertem Gestein vorfand, diente in spterer Zeit zu manchen
+vorgeblich zauberischen Knsten, das Schicksal der Menschen von den
+Nornen, den Schicksalsgttinnen, zu erfragen. Diese drei schnen
+Jungfrauen, heben sich stets aus Mimers Brunn, der himmlischen Quelle,
+herauf bei welcher die Gtter Rath halten, und ihre Urtheile offenbaren,
+und heien: Urda, Werandi, Skulda: _Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft_.
+(_Ryerups scandinav. Mythol._ &c.)
+
+
+Zehnter Gesang.
+
+[1] Vers 35.
+
+_Rheinau_, +Augia major+, ein kleines Stdtchen zwischen Schaffhausen
+und Eglisau, wo eine Brcke ber den Rhein fhrt. Dort befand sich
+vormals ein reiches Benedictiner-Stift, das Funtan der Heilige, aus dem
+kniglichen Geblt Schottlands, erbaut haben soll, da er aus hherer
+Eingebung einen Platz dazu suchen mute, wo der Rhein _nach Osten_
+fliet, und solcher an dieser Stelle allein gefunden wird. +Stumpf.
+Schw. Chron. p. 360.+
+
+[2] Vers 84.
+
+_Hartmann_, der jngste der Shne Rudolphs, ertrank, mit noch andern
+dreizehn Jnglingen, adeligen Geschlechts, am 20. Dezember des Jahrs
+1280, im achtzehnten seines Alters, als er mit selben den Rhein
+hinabfuhr, und das Schiff bei Rheinau von dem Grundeis umgestrzt wurde.
+-- Seine Leiche ward nach Basel gefhrt, und im dortigen Mnster
+begraben.
+
+[3] Vers 138.
+
+_Woldan_ hie ein Raubritt, den fters der oberste Anfhrer eines im
+Krieg begriffenen Volks, mit einer Schar Freiwilliger, in dem Lande des
+Feindes, Beute zu holen, unternahm. Bei der Belagerung Peterlingens
+forderte Rudolph sein Volk zu einem solchen Woldan auf; er streifte bis
+gen Lausanne, und es heit da;
+
+ Si namen da so viel
+ Daz Ich frwar sagen wil,
+ Daz in langer Zeit
+ Nahent, noch weit,
+ Nie wart geritten noch gethan
+ Ain so schedleicher Woldan.
+
+ (Horneck R. Chr. C. 319.)
+
+[4] Vers 140.
+
+_Iwan von Gn_ (Sohn des Grafen Heinrich) emprte sich erst gegen
+seinen eigenen Knig, fiel dann, hufig plndernd, auch in Oestreich und
+Steyermark ein, und verbte unzhlige Grausamkeiten. Im Jahr 1286 schlug
+er den gegen ihn gesandten Abt von Admont; spter auch Herman von
+Landenberg, der sich ihm mit seinen streichischen und steyerischen
+Kriegern ergeben mute. Herzog Albrecht, von Truppen entblt, verschlo
+sich in Neustadt, und ging sogar den Vertrag von Hainburg ein, vermge
+welchem die Gefangenen ausgewechselt, und in einem Krieg mit Ungern sie
+sich beide gegenseitige Hlfe leisten sollten. Iwan setzte seine
+Verheerungen in Oestreich bald wieder fort, bis endlich im Jahr 1280 ihn
+Albrecht mit starker Macht bekriegte, ihm Oedenburg nebst vielen andern
+Vesten, Burgen und Mrkten abnahm, und ihn endlich, nach einer
+hartnckigen Belagerung, in Gn bezwang. Ueber diese Belagerung siehe
+_Horneck R. Chron._ von Cap. 312 bis 315.
+
+[5] Vers 228.
+
+Ueber dieses historische Faktum siehe Fugger _Ehrenspiegel_ S. 75. Cap.
+VIII.
+
+[6] Vers 236.
+
+_Antwerk_ war ein Wurfgeschtz, aus welchem Steine von bedeutender
+Schwere, ja auch zuweilen Schwefelfeuer nach den Erkern, und auf die
+Huser der Veste geworfen wurden. (Ueber diese und die folgenden
+Kriegswerkzeuge des Mittelalters, siehe: _Schachts vortreffliches Werk
+ber Hornecks Reim-Chronik_, Mainz 1821, S. 388.)
+
+[7] Vers 238.
+
+_Katzen_ nannte man die mit Erde gedeckten Werke, welche inwendig mit
+Stobumen versehen, nach Ausfllung der Grben, bis an die Mauern
+vorgeschoben wurden, und gegen welche man sich durch Minen, und
+Geschosse von den Mauern herab, zu wehren suchte. S. oben.
+
+[8] Vers 245.
+
+_Ebenhoch_ hieen eine Art Thrme, die, wahrscheinlich auf Rdern, an
+die Mauern geschoben, verschiedene Geschosse in die Veste zu schleudern,
+dienten. Ihr Nahme zeigt, da sie hoch genug waren, um das Innere der
+ummauerten Stdte und Vesten bersehen zu knnen. S. oben.
+
+[9] Vers 297.
+
+Dem Verfasser der berhmten _Reim-Chronik_, die zuerst von dem gelehrten
+Benediktiner von Melk, _Hieronymus Pez_, im Jahre 1745 zum Druck
+befrdert ward, hat Lazius +Comment. Geneal. p. Auster.+ 233 auer dem
+Nahmen _Ottakcher_ (Ottokar), den er sich selber R. Chr. Cap. 177
+beilegt, unbekannt aus welcher Quelle, auch den von _Horneck_,
+aufgefunden. Er lebte unter _Rudolphs_ I. und _Albrechts_ I. Zeiten; war
+in Steyermark geboren; hatte den berhmten Meistersnger Kunrad von
+Rotenberg, der vorher an Manfreds Hofe lebte, zum Lehrmeister; stand,
+man wei nicht, in welcher Eigenschaft, im Gefolge Ulrich und Otto
+Lichtensteins; wohnte der Marchfelder Schlacht 1278 bei, und starb erst
+nach dem Jahr 1309, da er noch von dem Aufruhr einiger aus dem Adel, und
+der Wiener Brger, gegen _Friedrich den Schnen_ spricht, und damit sein
+Werk beschliet. Die _Reim-Chronik Hornecks_, die mit dem Tode
+_Friedrichs_ II. rm. Kaisers beginnt, und um das Jahr 1309 der
+Regierung _Friedrich des Schnen_ endet, enthlt ber 83,000 kurze
+gereimte Verse in 830 Capiteln.
+
+Ein anderes noch ungedrucktes Werk Hornecks: _Von den Monarchen und
+Kaisern der Welt bis auf Friedrich II. rm. Kaiser_, in hnlichen Versen
+verfat, ist im Besitze der k. k. Hofbibliothek zu Wien. (Siehe die
+Vorerinnerungen des Hieronymus Pez zu Hornecks Reim-Chronik in seinem
+Werke: +Scriptores rerum Austriacarum III.+ Band; und obiges treffliche
+Werk: _Aus- und ber Ottokars von Horneck Reim-Chronik_, von Th.
+Schacht, Mainz 1821.)
+
+[10] Vers 305.
+
+Ulrich von Lichtenstein, aus der steyerischen Linie der Lichtensteine --
+ein trefflicher Ritter und Minnesnger zugleich, der die beiden
+merkwrdigen Gedichte: _Frauendienst_, und: _Ytwitz oder der Frauen
+Puech_, verfate, mag kurz vor der Marchfelder Entscheidungsschlacht
+gestorben seyn. Das erstere Werk enthlt ein prchtiger Codex in
+Mnchen, und wurde herausgegeben durch Ludwig Tieck. Stuttgart und
+Tbingen in der J.G. Cotta'schen Buchhandlung 1812. Das zweite befindet
+sich in der Ambraser Sammlung zu Wien, Bl. 220-225 noch ungedruckt. (S.
+die Beschreibung Primiers -- Seite 279.)
+
+
+Eilfter Gesang.
+
+[1] Vers 38.
+
+_Siehe oben Anmerkungen_ zum _dritten Gesang_ [8] Vers 308.
+
+[2] Vers 73.
+
+Was hier von den Vorbereitungen zur Schlacht, als: von der Feier des
+Abendmahls im Lager; von der Beicht' und Communion, und weiter unten:
+von dem Mustern der Gurt' und Steigbgel; von den Auftrgen, welche die
+Ritter im Fall, da sie dem Feinde erlgen, an ihre Daheimgebliebenen
+den Knappen ertheilen; von dem Zusammenhalten der Freunde in der
+Schlacht u.s.w. gesagt wird, ist durchaus der damaligen Rittersitte
+gem, und in Hornecks _Reim-Chronik_ Cap. 147, 329, 330 und 530
+begrndet.
+
+[3] Vers 135.
+
+Die ausgezeichnetsten Ritter wetteiferten um den Vorzug, das
+Hauptbanner, oder die Sturmfahn, dem Herrscher selber in der Schlacht
+vorzutragen. Horneck _Reim-Chronik_ C. 148.
+
+[4] Vers 181.
+
+Ueber die Sitte, sich gegenseitig die Schlacht anzukndigen, und dazu
+Tag und Stunde zu bestimmen, siehe oben _Anmerkung zum siebenten
+Gesange_ Vers 536. [[Anm. 7.7.]]
+
+[5] Vers 184.
+
+Im Jahr 1289 berzog Kaiser Rudolph den Herzog von Burgund mit Krieg,
+eroberte Mmpelgard, und zwang ihn zum Frieden. Vor der Schlacht sandte
+er einen Bothen mit der Frage an ihn: ob er zum Streiten bereit sey?
+und der Herzog lie ihm sagen: er seye darum hergekommen. (Siehe
+_Horneck Reim-Chronik_ C. 329.)
+
+[6] Vers 211.
+
+Den Ritterschlag auf Schild und Schwert ertheilte Rudolph also vor der
+Schlacht: S. _Horneck_ R. Chr. C. 149.
+
+[7] Vers 542.
+
+In den Gebirgsthlern Tirols, Steyermarks und Oestreichs, ist das
+sogenannte _Scheibenschieen_ eine beliebte und mitunter ntzliche
+Unterhaltung des Volks. _Zu Hauptschieen_ werden von nahe und ferne die
+Schtzen geladen: das _Kreisschieen_ ist das gewhnliche an Sonn- und
+Festtagen; das _Beste_, ist der Preis dessen der den besten Schu
+gethan.
+
+
+Zwlfter Gesang.
+
+[1] Vers 54.
+
+Ueber diesen Klaggesang Hornecks siehe dessen _Reim-Chronik_ Cap. 163
+und 164. Hier nur Einiges aus demselben:
+
+ Sieh Welt aller Untrew Chron,
+ Daz ist auch ainer deiner Lon!
+ -- -- -- -- -- --
+ Auf der Erden lag er par
+ Sein eigen Pluts naz.
+ Wo waren die Matra,
+ Und die gulter Seydein,
+ Darauf er sollt gelegen sein?
+ Wo waren die ihn sollten chlagen?
+ Von Mannen und von Magen, (Anverwandte)
+ Pelieb er Trostes frey.
+ Wo waren Erzt und Erzeney,
+ Damit man seine Wunden
+ Solt han gepunden?
+ -- -- -- -- --
+ Er hat so viel Guts,
+ Wer er gewesen des Muts,
+ Daz er tegleich wolt
+ Von edlem Gestain und Gold
+ Haben tragen Kleider an,
+ Daz hiet er wol getan.
+ Dez liez er ihm so gar zerrinnen
+ Daz man im muest gewinnen
+ Ain Graz, da man ihn mit pedackt,
+ So gar pelieb er nakht.
+ -- -- -- -- -- --
+ Ungetrev Welt, die spielt
+ Du von im so gar,
+ Daz aus dainer Schar
+ Im Niempt volgt nach.
+ -- -- -- -- -- --
+ Sieh Welt daz ist dein Sold.
+ We im! der dir ist hold
+ Und We im den du trewtest.
+ Mit dem Mund du im pewtest
+ Honig an dem Anwang,
+ Und hechst als ein Gift-Slang
+ An dem End -- --
+ -- -- -- -- -- --
+ Wer nicht will Gottes Haz
+ Und seinen Zorn leiden,
+ Der mu die Welt vermeiden.
+ Dann die Werich, die sy geert
+ Die sind vor Gott unwert.
+ Dez vermaid nit der wakcher
+ Von Pehaim Kunig Ottakher:
+ Wann er vollfurt mit Gelust
+ Der Welt Achust, (unordl. Begierden und Laster.)
+ Und rang hier also ser
+ Nach der zergenklichen Er,
+ Daz er sich dez nicht liez befillen
+ Damit er nach irm Willen
+ Mcht gewerben, und geleben,
+ Daz sol im Gott vergeben!
+
+[2] Vers 209.
+
+Die Stephanskirche, nachdem sie vorher zweimal abgebrannt war, hat
+Ottokar beinahe in derselben Gestalt, wie sie noch heut' zu Tage zu
+sehen ist, whrend er ber Oestreich herrschte, hergestellt.
+
+[3] Vers 347.
+
+Da Rudolph den Knig Ladislav adoptirt habe, meldet auch Fugger I. Buch
+12. Cap. S. 101.
+
+[4] Vers 401.
+
+Die Belehnung Albrechts mit Oestreich, Steyer, Krain, der Windischmark
+und Portenau geschah eigentlich zu Augsburg whrend des Reichstags
+daselbst im Jahr 1282, wo, im sogenannten _Frohnhof_, ein kaiserlicher
+Thron, umgeben von den Churfrsten und Frstenshnen, zu sehen war, und
+die Feierlichkeit nach denen, von Friedrich I., Heinrich IV. Friedrich
+II. ertheilten Privilegien geschah.
+
+
+ * * * * *
+ * * * *
+ * * * * *
+
+
+Druckfehler:
+
+Rechtschreibeformen in -lll- (_allletzter_, _hellleuchtend_) sind
+ungendert.
+
+ 1. Gesang
+ Des Friedens erwhnst du? [ererwhnst]
+ da es also gescheh'n wird! [_ aus 1827 Auflage ergnzt_]
+
+ 2. Gesang
+ Manches Helden Gebein', auch Friedrichs ... [Fiedrichs]
+ stets in deinem Geschlechte noch dauern.[7] [_ 1827_]
+ und waldumsumtes Gehftland; [waldumsaumtes]
+
+ 3. Gesang
+ ein trefflicher Strmer! [_ 1827_]
+
+ 4. Gesang
+ und nahten ihm, grend mit Ehrfurcht. [gruend]
+ Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden.
+ [_hier und anderswo fehlt das zweite _]
+ hoben den Helm von dem Haupt', und empfiengen [_ungendert_]
+ Euch entbiethet zuvor [_,Euch mit einfaches Anfhrungszeichen_]
+ der letzte der Kmpfe gewhret! [gewahret]
+
+ 8. Gesang
+ Heinrich, dem Hort der Baiern [_ungendert: anderswo Bayern_]
+ Drauen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen nher
+ [_naher; aber vielleicht nahe wie in 1827_]
+
+ 9. Gesang
+ Drben der Wunderstadt, Venezia,[2] [_[1] statt [2]_]
+ die Feinde, sie fliehen! [_ 1827_]
+ die Alrune,[3] [_[4] statt [3]_]
+
+ 10. Gesang
+ Sie zu vollbringen dereinst. [_ fehlt hier?_]
+ Retter zu seyn Unglcklicher! [_ 1827_]
+
+ 11. Gesang
+ O so sprich: Treu bis in den Tod ihr weiht' ich das Leben!
+ [_zweites fehlt_]
+ Nun die Schtzen Tyrols [Schtzens]
+ den schwer zu erklimmenden Hhen [erglimmenden]
+
+
+ Anmerkungen:
+
+ [Einige Anmerkungen, wie 2.5, 3.8, 9.2, und das Dicht in 12.1, sind
+ scheinbar nach Pyrkers Tod eingefgt.]
+
+ 1.
+ Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.) [_) fehlt_]
+ [_eigentlich Gerard de Roo_]
+ von dem babenbergischen Leopold VII. [_. fehlt_]
+
+ 2.
+ gewhrt einen ergreifenden Anblick. [_. fehlt_]
+
+ 3.
+ Uladislav II. [_ungendert_]
+
+ 5.
+ noch viel weiter erstrecken. [_ fehlt_]
+ (Siehe _Hanthalers_ ... [_( fehlt_]
+
+ 6.
+ Wohl hundert Wegen tragen, [_hunbert; 1827 hundert_]
+
+ 7.
+ [8] Vers 550. [_[5] statt [8]_]
+
+ 12.
+ Privilegien geschah. [_. fehlt_]
+
+
+
+
+
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+
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+Foundation as set forth in Section 3 below.
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+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
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+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
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+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
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+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
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+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
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+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
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+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
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+throughout numerous locations. Its business office is located at
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+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
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+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
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+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
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+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
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+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
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+where we have not received written confirmation of compliance. To
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+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
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+works.
+
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+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
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+
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+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
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+
+ http://www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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Binary files differ
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@@ -0,0 +1,11535 @@
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+<body>
+
+
+<pre>
+
+The Project Gutenberg EBook of Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Rudolph von Habsburg.
+ Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen.
+
+Author: Ladislav Pyrker
+
+Release Date: July 20, 2009 [EBook #29465]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. ***
+
+
+
+
+Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online
+Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+</pre>
+
+
+<div class = "mynote">
+
+<p><a name = "start" id = "start">Dieser Text</a> benutzt die
+UTF-8-Kodierung (Unicode). Wenn die Apostrophe, Anführungszeichen und
+die Umlaute in diesem Absatz als seltsame Zeichen dargestellt werden,
+könnte es auch an Ihrem inkompatiblen Browser oder an fehlenden Fonts
+(Zeichensätzen) liegen. Stellen Sie zunächst sicher, dass der
+„Zeichensatz“ oder „Datei-Kodierung“ auf Unicode (UTF-8) eingestellt
+ist. Eventuell ist es auch nötig, die Standardschrift Ihres Browser zu
+ändern.</p>
+
+<p>Einige Druckfehler sind korrigiert und mit <ins class = "correction"
+title = "wie so">popups</ins> notiert. Manche davon sind aus der 1827
+Auflage verbessert. Rechtschreibeformen in <b>-lll-</b>
+(<i>allletzter</i>, <i>hellleuchtend</i>) sind ungeändert. Einige
+Anmerkungen, wie <a href = "#note2_5">2<sup>5</sup></a>, <a href =
+"#note3_8">3<sup>8</sup></a>, <a href = "#note9_2">9<sup>2</sup></a>,
+und das Dicht in <a href = "#note12_1">12<sup>1</sup></a>, sind
+scheinbar nach Pyrkers Tod eingefügt.</p>
+
+<p>Die Schreibeform <b>&amp;c.</b> (»usw.«) war als Frakturzeichen
+<img src = "images/etc.gif" width = "26" height = "17"
+alt = "usw. zeichen"> gedruckt. Antiqua (nicht-fraktur) ist <span class
+= "latin">wie so</span> gedeutet.</p>
+
+<p class = "center">
+<a href = "#inhalt">Inhalt</a><br>
+<a href = "#gesang1">Rudolph von Habsburg</a><br>
+<a href = "#nachtrag">Nachtrag</a><br>
+<a href = "#anmerkungen">Anmerkungen</a></p>
+
+</div>
+
+<p class = "illustration">
+<img src = "images/frontis.jpg" width = "329" height = "531"
+alt = "Pyrker. Rudolph von Habsburg."
+title = "Pyrker. Rudolph von Habsburg."></p>
+
+<hr class = "mid">
+
+<div class = "titlepage">
+
+<h4>Johann Ladislav Pyrker’s</h4>
+
+<h1>sämmtliche Werke.</h1>
+
+<h6>Neue durchaus verbesserte Ausgabe.</h6>
+
+<h4>Zweiter Band.</h4>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h5><b>Stuttgart und Tübingen.</b></h5>
+
+<h5>J.<em> G</em>.<em> Cotta’scher Verlag</em>.</h5>
+
+<h5>1855.</h5>
+
+</div>
+
+<hr class = "mid">
+
+<!-- -->
+
+<h6>Buchdruckerei der J. G. <em>Cotta</em>’schen Buchhandlung in
+Stuttgart<br>
+und Augsburg.</h6>
+
+<hr class = "mid">
+
+<span class = "pagenum">1</span>
+
+<div class = "titlepage">
+
+<h2>Rudolph von Habsburg.</h2>
+
+<h5><b>Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen.</b></h5>
+
+</div>
+
+<hr class = "mid">
+
+<!-- page 2 -->
+
+<div class = "maintext">
+
+<span class = "pagenum">3</span>
+
+<div class = "contents">
+
+<h3><a name = "inhalt" id = "inhalt">Inhalt der zwölf Gesänge.</a></h3>
+
+<hr class = "micro">
+
+<h5><a href = "#gesang1">Erster Gesang.</a></h5>
+
+<p>Eingang. Drahomira entfährt der Hölle, sich an Ottgar zu rächen. Er
+lagert vor Dürnkrut. Aufzählung der böhmischen Völker. Ottgar im
+Kriegsrath mit seinen Feldherrn. Kunegunde, von Drahomira empört,
+erfüllt ihn mit unversöhnlicher Rachgier. Meinhard von Görz, und
+Lichtenstein, die Gesandten Rudolphs, kommen, ihm Frieden zu biethen,
+und zugleich, als sie ihn zum Turniere laden, um die Hand seiner Tochter
+für Rudolphs Sohn zu frei’n. Wallstein, Ottgars Liebling, trägt
+heimliche Liebe zu ihr. Ottgar entläßt die Gesandten mit zweifelhaften
+Worten. Beschließt den Kampf. Gesichte der Zukunft.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang2">Zweiter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Rudolph zieht seinem Sohn Albrecht bis Lilienfeld entgegen. Besteigt
+die Alpenhöhen, wo ein frommer Klausner ihm seines Hauses künftige Größe
+verkündet. Schlägt Müller, den Zürcher, zum Ritter. Sonnenaufgang, und
+herrliche Aussicht. Albrecht nah’t von Zell heran, und stellt dem
+Kehrenden die Schweizer- und die schwäbischen Scharen vor. Er zieht mit
+ihnen g’en Wien. Hedwig.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang3">Dritter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Marbod, einst König der Markmannen, und ein jetzt dem Kaiser
+gewogener Geist, eröffnet dem Feldherrn Hugo von Tauffers, in einem
+Traum, den Verrath, den Waldram, Bürgermeister zu Wien, an dem Kaiser
+sinnt. Rudolph kommt mit seinen Scharen heran, und nimmt an der Wien von
+seiner Gemahlinn Abschied. Sendet Hugo von Tauffers an den König der
+Ungern, Ladislav. Ernennt an dessen Stelle seinen Sohn, Hartman, zum
+Festungs&shy;gebiether, und eilt in das Lager am Tabor. Aufzählung
+seiner Völker. Hugo von Tauffers im Lager der Kumanier und Ungern. Diese
+setzen die March herüber.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">4</span>
+<h5><a href = "#gesang4">Vierter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Morgen. Turnier am Tabor. Von Drahomira erregt, höhnt Wallstein
+Hartman, Rudolphs Sohn; kommt unerkannt in schwarzer Rüstung Ottgar
+heran; widersteht ihrer Einflüsterung, den Kaiser zu morden; ersticht
+Hartmans Roß; wirft den Fehdehandschuh Rudolph, zum Kampf auf Tod und
+Leben, hin, und entflieht im schrecklichen Donnergewitter.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang5">Fünfter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Ottgar gebiethet in der Nacht dem Heere den Aufbruch, dem er mit
+schwachem Geleit folgt. Aus dem Hinterhalt fallen ihn die Kumanier an.
+Er schlägt sich mit Wallstein durch. Milota führt ihn auf Irrwegen von
+dem Heer ab, und quält ihn mit Rück&shy;erinnerungen verübter
+Frevelthaten. Von Drahomira bethört, hält Wallstein um die Hand seiner
+Tochter an. Er mißhandelt ihn.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang6">Sechster Gesang.</a></h5>
+
+<p>Czernin dringt, mit Waldram verstanden, in der Mitternachtsstunde, an
+der Spitze einer Schar Böhmen in die Veste Wien ein, als Hartman eben
+wegen der schwerkranken Mutter sich nach dem Kahlenberg begab. Ihm, und
+den Aufrührern, setzen sich die Schweizer standhaft entgegen. Der Kaiser
+zieht, auf Marbods Wink, mit Hugo von Tauffers vor die Thore. Hartman
+sprengt herbei, und tödtet Waldram; worauf die Böhmen sich eilig wieder
+über die Donau zurückzieh’n. Hugo abermals zum Festungs&shy;gebiether
+ernannt. Tod der Kaiserinn. Todtenfeier und Begräbniß. Der Kaiser sendet
+Albrecht nach Heunburg, eine Brücke über die Donau zu erbauen. Hartman
+eilt nach dem Rhein fort.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang7">Siebenter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Der Kaiser setzt mit dem Heere bei Heunburg über die Donau, und rückt
+g’en Marcheck vor. Wallstein, dem Wahnsinn nahe, tödtet einen seiner
+Krieger. Der Kaiser entläßt ihn schonend. Kaduscha, ein Führer der
+Kurmanier meldet ihm die Nähe des Königs, und die Sendung des Geschenks
+mit den Köpfen der, im nächtlichen Ueberfall, getödteten Böhmen. Der
+Kaiser sendet Schwarzenberg dem König entgegen, und heißt ihn, jene
+begraben zu lassen. Die Geister: Marbod und Inguiomar auf Rudolphs, und
+Katwald auf Ottgars Seite. Zusammenkunft Rudolphs mit dem König
+Ladislav. Ottgar rückt mit dem Heer’ an. Der Kaiser stellt seine Völker
+in Schlachtordnung. Marbod treibt Schörlins Roß gegen die Böhmen. Der
+Kampf beginnt. Ottgar tödtet in der Vorhuth zwei Trautmansdorfe.
+Pfannberg wird verwundet. Die Steyrer weichen. Der Kaiser hält die
+Flüchtenden vor Marcheck auf.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">5</span>
+<h5><a href = "#gesang8">Achter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Nacht. Von Drahomira verleitet, setzt Wallstein, mit kumanischen
+Kriegern vereint, ein Städtchen in Mähren in Brand, und tödtet einige
+böhmische Reiter. Kommt zu sich. Eilt in das Lager Rudolphs, und
+erbiethet sich, Ottgarn heimlich zu tödten. Der Kaiser heißt ihn reuig
+zu Jenem zurückkehren. Drahomira drängt ihn umsonst, den schlummernden
+König zu morden. Er fällt in sein eigenes Schwert. Drahomira fährt zur
+Hölle. Wallsteins Grab. Der Kaiser stellt in der Morgendämmerung sein
+Heer in Schlachtordnung. Ottgar, in Gram versunken, säumt. Ernennt
+Milota zum Anführer des Haupttreffens. Worauf die Meißner und Thüringer
+von seinem Heer heimlich abziehen; so auch Kunring. Doch Ottgar
+gebiethet den Angriff.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang9">Neunter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Morgen. Der Kaiser verschiebt die Hauptschlacht auf den folgenden
+Tag. Sendet Trautmansdorf mit seinen Söhnen, es Ottgarn kund zu thun,
+und ihm nochmals Frieden zu biethen. Dieser wird von ihm schnöde
+abgefertigt. Von den feindlichen Reitern gehöhnt, kehren fünf seiner
+Söhne, kämpfen, und fallen. Der Kaiser stellt sein Heer dem anstürmenden
+Feind, vor des Lagers Wall, entgegen. Angriff, und hartnäckiger Kampf.
+Milota tödtet die beiden Führer Berchtold und Col von Seldenhofen.
+Capellen entflammt die Oestreicher. Die Mährer weichen. Katwald
+ermuntert den Herbot von Füllenstein, daß er vor Allen auf den Kaiser
+eindringe. Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, ringt gegen die Bayern und
+Sachsen, und erlegt den Feldherrn Czernin; Heunburg den Markgrafen
+Pfeil, Feldherrn der Sachsen. Da dringt Herbot von Füllenstein auf den
+Kaiser los, und ersticht ihm das Pferd unter dem Leib. Sechs
+Trautmansdorfe kämpfen um ihn herum, und fallen. Der Kaiser reißt Herbot
+mit dem Speere von dem Pferd herunter, und macht ihn gefangen. Heißt
+dort Albrecht mit den Schweizern vordringen, hier Matthias von
+Trentschin mit den Ungern dem Feind’ in die Seite stürmen. Lobkowitz
+ruft Ottgar auf, daß er mit ganzer Macht sich auf den Feind werfe. Er
+gibt ihm kein Gehör. Auf den Ruf „die Feinde fliehen!“ weichen seine
+Völker, und er führt sie bis Dürnkrut zurück. Der Kaiser lagert vor
+Ebenthal. Nacht.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang10">Zehnter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Hartman ertrinkt in dem Rhein. Der Kaiser hält mit seinen Feldherrn
+erst Kriegsrath; dann die Abendmahlzeit. Horneck der Sänger tritt ein,
+und singt die fromme Handlung des Kaisers, als er dem Priester sein Roß
+<span class = "pagenum">6</span>
+both. Entläßt die Feldherrn. Dem Entschlummerten erscheint sein Sohn
+Hartman. Ottgars Abschied von Kunegunden.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang11">Eilfter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Morgen. Schlachtordnung der Böhmen. Der Kaiserlichen. Gottesdienst.
+Vorbereitung zur Schlacht. Die Ritter buhlen um die Ehre, die Sturmfahne
+zu tragen. Ottgar, von Katwald erregt, nah’t mit seinem Heer. Hundert
+Zürcher erhalten vom Kaiser den Ritterschlag. Trautmansdorfs letzter
+Sohn fällt. Die Kumanier stürmen sonder Ordnung. Lobkowitz bringt sie
+und die Steyrer, zum Weichen. Verstärkter Angriff. Die Kaiserlichen
+allenthalben zurückgedrängt. Der Kaiser steigt vom Pferd, bethet zum
+Himmel, und macht ein Gelübde. Ein Unsterblicher stärkt ihn, und heißt
+die Geister entflieh’n. Erneuerter Kampf. Albrecht, sein Sohn, trägt ihm
+die Kreuzesfahne vor. Nach schrecklichem Gewürg’, wo, mit den Rittern,
+die Schweizer und Schwaben entscheidend vordringen, weicht Ottgar auf
+den Spannberg zurück. Heißt Milota mit dem Nachhalt vorgeh’n. Allein
+dieser flieht, ihn höhnend, mit seinen Scharen vom Schlachtfeld. Letzter
+mörderischer Kampf. Ottgar von den Merenbergern vom Pferde gestochen.
+Sein zerstreutes Heer bis g’en Laa verfolgt.</p>
+
+
+<h5><a href = "#gesang12">Zwölfter Gesang.</a></h5>
+
+<p>Ottgars Leiche wird in der Nacht auf einen Trauerwagen gehoben.
+Hornecks Klaggesang. Des Kaisers Einzug in Wien. Dankgebeth. Der Wagen
+mit Ottgars Leiche nah’t. Lobkowitz führt dessen Sohn Wenzel herbei, daß
+er um selbe flehe. Der Kaiser entläßt sie. Endet seinen Siegeseinzug in
+die Burg. Nimmt den König Ladislav, und Wenzel an Sohnes statt an, und
+verheißt diesem seine jüngste Tochter Gutha. Belehnt seinen Sohn
+Albrecht mit Oestreich, und zieht sich dann in das Trauergemach, wo die
+Kaiserinn starb, zurück.</p>
+
+</div>
+
+<hr class = "small">
+
+<span class = "pagenum">7</span>
+<div class = "verse">
+<!-- here for entire text -->
+
+<h3><a name = "gesang1" id = "gesang1">Erster Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Tön’, o Heldengesang, von den schmetternden Kriegesdrometen</p>
+<p>Wieder geweckt, von Rudolph nun, dem Kaiser der Deutschen,</p>
+<p>Der obsiegend der Macht des Böhmenköniges, Ottgar,</p>
+<p>Wahrte die Rechte des Reich’s, und, kehrend vom blutigen
+Schlachtfeld,</p>
+<p>Gründete Habsburgs Thron an den Ufern der mächtigen Donau,</p>
+<p>Seinem Geschlechte zum Ruhm, und unzähligen Völkern zum Segen!</p>
+
+<p class = "stanza">
+Wer empörte sofort, nach dem jüngsterrungenen Frieden,</p>
+<p>Wieder die Fehd’ und das Grau’n der menschen&shy;vertilgenden
+Feldschlacht?</p>
+<p>Ein unseliger Geist, <em>Drahomira</em>.<a class = "tag" name =
+"tag1_1" id = "tag1_1" href = "#note1_1">1</a> Die Herrscherinn
+Böhmens</p>
+<p>War sie, und noch ist ihr Nahme mit Schauder genannt in dem Land
+dort:</p>
+<p>Denn Wratislav, dem christlichen Fürsten, vermählet als Heidinn,</p>
+<span class = "pagenum">8</span>
+<p>Trug sie den Christen Haß in der schrecklichen Brust, und
+verfolgte</p>
+<p>Sie mit Feuer und Schwert. Sie waffnete selbst den Erzeugten,</p>
+<p>Boleslav, daß er Wenzel ermorde, den eigenen Bruder,</p>
+<p>Weil er dem Heiland getreu, festhielt an dem heiligen Glauben,</p>
+<p>Und verübt’ auch sonst an dem Volk’ entsetzliche Frevel:</p>
+<p>Zaubergewaltig, ergeben dem Trug der Hölle &mdash; der
+Schwarzkunst;</p>
+<p>Bis urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie,</p>
+<p>Lebend, verschlang. Noch jüngst ausspie der klaffende Felsen</p>
+<p>Dort bald finsteren Rauch, bald bläuliche Flammen: denn oft kam</p>
+<p>Noch in der Neumondsnacht (so heischt’ es die Sag’) ihr zu
+opfern,</p>
+<p>Mancher, vom Wege des Heils Verirrter, dahin, und Verdammniß</p>
+<p>Ward ihm zu Theil. D’rum hieß, als früher geweihetes Wasser</p>
+<p>Sprengte der Priester umher, und stehende Worte zu Gott rief,</p>
+<p>Ottgar füllen den Zauberschlund mit dem lastenden Felsblock</p>
+<p>So, daß auf immer verhüllt die Spur des unseligen Raum’s sey.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Unten im Höllenpfuhl, der außer des kreisenden Weltalls</p>
+<p>Gränzen sich noch unendlich erstreckt, erhob Drahomira</p>
+<span class = "pagenum">9</span>
+<p>Jetzt, verwundert, ihr Haupt, und sprach wuthfunkelnden Blickes:</p>
+<p>„Ha! wie kommt es, daß heut der betäubende Rauch, und die Flamme,</p>
+<p>Die ich genährt in dem Schlund’, in welchem ich schrecklichen Tod
+fand,</p>
+<p>Qualmend herab sich wälzt, und keiner der Sterblichen seither,</p>
+<p>Opfernd vor ihm, die Schar der Unseligen mehrt in dem Pfuhl hier?</p>
+<p>Meister, ist dir’s genehm, daß ich eile hinauf nach des Erdballs</p>
+<p>Fluren, und forsche, wie solches gescheh’n? Bald öffnet
+Verführten</p>
+<p>Wieder der Schlund sich weit; ich sende sie, dir zu Gefallen!“</p>
+<p>Sagt’ es, und blickte nach Satan hin, der, riesengestaltet</p>
+<p>Saß auf dem glühenden Thron’, und die furchtbarn Augen zum Boden</p>
+<p>Heftete, so die unendliche Qual des zerrissenen Herzens</p>
+<p>Durch empörenden Trotz und erheuchelte Ruhe zu bergen;</p>
+<p>Aber umsonst: denn nimmer birgt er das innere Weh’ mehr,</p>
+<p>Das von der finsteren Stirn’ und den zuckenden Wangen sich kund
+thut.</p>
+<p>Nicht erhob er auch jetzt den Blick von dem Boden: er winkte</p>
+<p>Nur mit dem Haupt, daß die Höll’ erzitterte, jener den Beifall:</p>
+<p>Alsbald fuhr sie in brausender Hast von dem schrecklichen
+Wohnsitz</p>
+<p>All der Unseligen auf, und nahte dem Lande der Böhmen.</p>
+
+<span class = "pagenum">10</span>
+<p class = "stanza">
+Kaltverachtenden Blicks gewahrte sie dort auf den Fluren</p>
+<p>Reiches Gedeih’n, und rings die freundlichen Städt’ und die
+Dörfer;</p>
+<p>Aber vor allen, am Moldaustrom’ erglänzend die Hauptstadt,</p>
+<p>Praga, im lieblichen Reiz erst jüngstentfalteter Blüthen.</p>
+<p>Sieh’, und ein Pilger kam vom Gelobten-Lande gezogen,</p>
+<p>Der vor Jahren die Heimath verließ! Er blickte mit Staunen</p>
+<p>Lang’ um sich her: da naht’ ihm, lächelnd, ein Greis, und im
+Beiseyn</p>
+<p>Jener Verworf’nen zugleich, die ihm leis’ aufhorchte, begann er:</p>
+<p>„Fremdling, suchst du den Mann, der hier ein Eden erschaffend,</p>
+<p>Wie durch Wundergewalt das Leben der Menschen verschönt hat?</p>
+<p>Nun ist er fern: denn wiss’ es, der Held und erhabene König,</p>
+<p>Ottgar, streute mit Liebe die Saat, und ihm reifte zum Segen</p>
+<p>Wohlstand unter dem Volk’ in des Landes erfreuender Schönheit.</p>
+<p>Auch erlagen die Gegner ihm stets, und es kündiget allwärts</p>
+<p>Seines Nahmens Unsterblichkeit der herrlichste Siegsruhm.</p>
+<p>Dennoch hielt er so gern in der dunkelen Scheide das Eisen,</p>
+<p>Frieden ersehnend, zurück, und entblößt’ es auch jetzt, nur
+gezwungen,</p>
+<p>Gegen des streitbarn Rudolphs Macht. Er wird sie für immer</p>
+<span class = "pagenum">11</span>
+<p>Bändigen: denn er zog, gar furchtbargerüstet, zum Kampf’ aus.</p>
+<p>Ach, ihn drängte zum Friedensbruch Kunegunde, die Gattinn!</p>
+<p>Grimmvoll ist ihr Gemüth, und ihr Herz verwildert durch
+Herrschsucht,</p>
+<p>Die ihm das Böse vergilt, das er Margarethen, der frommen,<a class =
+"tag" name = "tag1_2" id = "tag1_2" href = "#note1_2">2</a></p>
+<p>Einst als Gatt’ erwies! Dieß Eine verdunkelt den Hochglanz</p>
+<p>Seines Ruhms: ihn lenket ein Weib, das, Böhmen zum Jammer,</p>
+<p>Selbst Drahomiren gleich, der Unheilstifterinn, wüthet,</p>
+<p>Die für den schnöden Gewinn: zu gebiethen des Himmels Gewittern;</p>
+<p>Auf den Flügeln des Sturms einher zu fahren im Luftraum,</p>
+<p>Oder unsichtbar Menschen zu nah’n &mdash; zu schau’n, und zu
+horchen</p>
+<p>Dort in dem traulichen Kreis’ der Versammelten, und zu verderben</p>
+<p>Alle, die auch mit lispelndem Laut, mit umschauendem Blick nur</p>
+<p>Ihrer gedacht, und tadelnde Worte gesprochen: für solches</p>
+<p>Hatt’ einst diese verkauft die unsterbliche Seele der Hölle;</p>
+<p>D’rauf noch Schuld gehäufet auf Schuld, bis schrecklicher Tod ihr</p>
+<p>Macht und Leben entriß, und die Böse dem Bösen gesellte,</p>
+<p>Als urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie,</p>
+<p>Brausend, verschlang: zur Strafe der wildumtobenden Blutgier,</p>
+<span class = "pagenum">12</span>
+<p>Frevelnden Götzendienst’s, und schrecklicher Christenverfolgung.</p>
+<p>Aus dem furchtbarn Schlund aufquoll noch in unseren Tagen</p>
+<p>Finsterer Rauch; doch Ottgar barg ihn, den Menschen zur Rettung,</p>
+<p>Die, vom Satan bethört, leichtgläubigen Sinnes, ihr nächtlich</p>
+<p>Opferten, dort ihr Geschick in kommender Zeit, zu erfragen,</p>
+<p>Oder sich trüglichen Glücks zu erfreu’n zu unendlichem Jammer.“</p>
+<p>Sagt’ es, und ging. Da flog, von der Schmähung empört, Drahomira</p>
+<p>Ihm auf dem Heerweg nach, und haucht’ ihm Gift in das Antlitz:</p>
+<p>Alsbald stand er, erbleicht, und sank, vergehend,
+zusammen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Lag, und stöhnte vor Schmerz, bis endlich der Zauber entfloh’n
+war.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber sie starrete jetzt, tiefsinnend, und sonder Bewegung</p>
+<p>Wie der Aar, der erst die mächtigen Flügel geschlagen,</p>
+<p>Regungslos hinschwebt in der bläulichen Luft, in des Schlundes</p>
+<p>Grauen hinab. Das Aug’ ihr rollete wild in den Kreisen;</p>
+<p>Knisternd sträubt’ ihr Rabenhaar sich empor von der Scheitel,</p>
+<p>Und voll Grimms erzitterten ihr die Lippen; sie sagte:</p>
+<p>„Ottgar, Fluch sey dir! Du vernichtest des felsigen Schlundes</p>
+<p>Zaubergewalt, die Viele nach mir in’s Verderben hinabriß?</p>
+<p>Gläubig nahten ihm oft die Verblendeten, welche, des Schicksals</p>
+<span class = "pagenum">13</span>
+<p>Dunkeln Pfad zu erkunden, auf ihm, des dräuenden Himmels</p>
+<p>Warnung zum Trotz, der drückenden Last des Lebens entledigt,</p>
+<p>Gerne für trügliches Erdenglück das ewige böthen.</p>
+<p>Aber von diesem verbannt durch eisernrichtenden Machtspruch,</p>
+<p>Sollt’ ich den glühenden Durst nach Rache, durch Trug und
+Verblendung,</p>
+<p>Ich nicht löschen am Volk, das, gläubig, der Täuschung sich
+hingab?</p>
+<p>Trost ist’s, wenn in der Brust der Unseligen solchem noch Raum
+blieb,</p>
+<p>Mit in dem ähnlichen Jammergeschick die Gefährten zu sehen.</p>
+<p>Wie, du entziehst, ein Thor, durch höhnenden Frevel auch die mir?</p>
+<p>Ha, dir sey jetzt Rache geschworen! Nicht will ich mehr rasten,</p>
+<p>Bis dein Heldenweib &mdash; ihr werde der Thron und die
+Herrschaft,</p>
+<p>Ja, sie herrsche nach dir, mir ähnlich an Kraft und Gesinnung,</p>
+<p>Gegen den Feind dich reizt, und du in dem Kampfe, besiegt,
+fällst;</p>
+<p>Also büße den Ruhm, der dir Drahomiren empörte.“</p>
+<p>Und sie flog nun hin, wo im weitverbreiteten Marchfeld</p>
+<p>Ottgars furchtbares Heer von Dürnkruts<a class = "tag" name =
+"tag1_3" id = "tag1_3" href = "#note1_3">3</a> Hügeln hinunter,</p>
+<p>Lagerte, dort mit höllischer Lust ihm, verderbend, zu nahen.</p>
+
+<span class = "pagenum">14</span>
+<p class = "stanza">
+Leise schwebte die Nacht auf den ringsverstummenden Erdkreis</p>
+<p>Nieder. Aus Süden erbraus’te der Sturm, und jagte die Wolken</p>
+<p>Auf an des Himmels Zelt. Sie rissen im eilenden Zug’ oft</p>
+<p>Weit entzwei: da blickte der volle Mond aus des Himmels</p>
+<p>Bläue so düster herab, und die Stern’, in Nebel sich hüllend,</p>
+<p>Trauerten: denn ein Unhold naht’ auf den Flügeln der Windsbraut.</p>
+<p>Jetzt, wie die ragenden Wäll’ und die Häuser der mächtigen
+Hauptstadt,</p>
+<p>Meilenlang bedecken den Plan, und oben zum Bergrand</p>
+<p>Aus der Tiefe herauf dem Wanderer, düsteren Schimmers</p>
+<p>Glänzet der Lampen Schein in der Nacht, unzählig und endlos:</p>
+<p>Also erschien ihr das Heer des Königes, das er erst gestern,</p>
+<p>Nach der Eroberung Drosendorfs, des trotzenden Städtchens,</p>
+<p>Am Gestade der March, auf Dürnkruts Fluren vereinte.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Bald erspähte sie dort in des Lagers Mitte, vor allen,</p>
+<p>Ottgars hochgewölbetes Zelt, das schimmernde Leinwand</p>
+<p>Außen umhüllte; von innen hing, zur Erde herunter,</p>
+<p>Scharlachgeröthetes Tuch, verbramt mit goldenen Fransen.</p>
+<p>Sieh’, in dem grasumwucherten Raum’, ihm zur Linken und Rechten,</p>
+<p>Ragten die Zelt’, erhöht, der Kunring’, tapferer Ritter,</p>
+<p>Die in dem Kreis’ östreichischer Herrn, wie der Mond in der
+Sternflur,</p>
+<span class = "pagenum">15</span>
+<p>Glänzten an ad’liger Macht und weitverbreitetem Eigen:</p>
+<p>Denn Hadmar, und Leutold, die Zwillinge, haus’ten zu Dürnstein</p>
+<p>Bald, und bald zu Weitra und Horn; in des rollenden Jahres</p>
+<p>Monden wechselnd die Burg; doch immer in trauter Gemeinschaft:</p>
+<p>Sonder Gattinn und Kind, des Waffengemenges sich freuend.</p>
+<p>Aber mit feindlichem Sinn, von dem Kaiser gewendet, vereinten</p>
+<p>Sie mit des Königs Panier jetzt zwanzig flatternde Fähnlein.</p>
+<p>Jeglichem folgte die Zahl von fünfzig bepanzerten Reitern,</p>
+<p>Die mit dem Schild’ und dem Helme bewehrt, und der Lanze
+bewaffnet,</p>
+<p>Feurige Rosse zum Kampf vortummelten, siegenden Muths voll.</p>
+
+<p class = "stanza">
+D’rauf g’en Idungsbeug, auf dem sandumhülleten Blachfeld,</p>
+<p>Welchen die schwellende Fluth der March seit Jahren gehäuft hat,</p>
+<p>War des Fußvolks Macht, zehntausend tapferer Männer&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Waren die Reiter gestellt, an der Zahl zweitausend und fünfzig,</p>
+<p>Die sich der König in Böhmen erlas, und mit trefflichen Waffen</p>
+<p>So, wie jene, versah. Die muthigen, löwenbeherzten,</p>
+<p>Lenkten die Rosse mit Kraft und Geschick, die, feurigen Blutes,</p>
+<span class = "pagenum">16</span>
+<p>Wild umtobten im Kampf’, und die Reihen der Feinde zerstampften.</p>
+<p>Lobkowitz führte sie an, der ruhmgekrönete Feldherr.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber vor Ebenthal, der freundlichen Burg, an des Hügels</p>
+<p>Abhang, lagerten sich des vielbevölkerten Mährens</p>
+<p>Tapfere Söhn’: an der Zahl achttausend erlesenes Fußvolk,</p>
+<p>Die, mit dem Panzerhemd’ und der eisernen Haube bewehret,</p>
+<p>Führten im Kampfe den Speer und den breitgehämmerten Säbel.</p>
+<p>Milota rief sie in’s Feld, ein Ritter, der Ersten des Landes.</p>
+<p>Sonst zur Freude gestimmt, als liebender Vater und Gatte,</p>
+<p>Sah er des Lebens Blüthenjahr’ und die reifere Mannszeit</p>
+<p>Schwinden im Glück. Nur als ihm die zarteste Tochter, Ludwinen,</p>
+<p>Sie mit täuschender Huld in den Schimmer des Hofes verlockend,</p>
+<p>Ottgar schnöde verführt’, und der Schmach die gefallene Preis
+gab:</p>
+<p>Da verscheuchte der Menschenhaß und die brütende Rachgier</p>
+<p>Jegliche Freude vor ihm. Nur Weniges sprach er, und das noch</p>
+<p>Sprach er mit bitterem Hohn’ und wildauflachendem Ingrimm;</p>
+<p>Aber nicht mied er des Herrschers Näh’, und harrte des Tages,</p>
+<p>Der ihm den Durst nach Rach’ einst kühlete schrecklich und
+furchtbar.</p>
+
+<span class = "pagenum">17</span>
+<p class = "stanza">
+Dort dem König zur Linken, hinab sich dehnend bis Stillfried,</p>
+<p>Stand Klein-Reussens Volk, das jüngst an den Ufern des Peltew,</p>
+<p>Lembergs Mauern nicht fern, zu Fuß und zu Pferd sich vereinte:</p>
+<p>Jenes, geübt, von der Armbrust, schnell&shy;vorschreitend im
+Schlachtfeld,</p>
+<p>Mitten in Feindes Brust den schwirrenden Pfeil zu entsenden;</p>
+<p>Dieses, im Waffengemeng’ schnellfußige, hurtige Rosse</p>
+<p>Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels:</p>
+<p>Dann mit des Fußes Druck und dem Stoße der nervigen Rechten</p>
+<p>Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen.</p>
+<p>Beide, gleich an der Zahl, dreitausend tapfere Mannen,</p>
+<p>Folgeten Herbot von Füllenstein, der riesengestaltet,</p>
+<p>Ragte vor allen hervor in dem Heer’, und rühmlich bekannt war</p>
+<p>Ob des unbändigen Muths, und der ritterlichsiegenden Thatkraft.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch auch der Meißner kam und der Thüringer jüngst aus der Heimath,</p>
+<p>Ottgars Recht zu verfechten im Kampf’, als Bundesgenoß her!</p>
+<p>Muth in der Brust, und Kraft in der Rechten, die Lanze zu
+schwingen</p>
+<p>Brachten sie mit, und beiden geboth der tapfere Markgraf</p>
+<span class = "pagenum">18</span>
+<p>Dietrich, Heinrichs Sohn, des Erleuchteten, mächtigen Ansehn’s.</p>
+<p>Jenen vereint, stand auch des korngesegneten Bayerns,</p>
+<p>Also auch Sachsens Volk in dem Vorderzuge geordnet:</p>
+<p>Gierig des Kampfs, und geübt, die tödlichen Lanzen zu schwingen.</p>
+<p>Heinrichs schaltendem Wink, des Herzogs, folgten die Bayern;</p>
+<p>Markgraf Pfeils die Sachsen mit Lust in die furchtbare
+Feldschlacht.</p>
+<p>Gegen den Weidenbach, in des weitgedehneten Thalbrunns</p>
+<p>Niederung hin, erhöht auf vierzig ragenden Schaften,</p>
+<p>Flatterten hoch in der Luft, verschieden an Farb’ und an Zeichen,</p>
+<p>All des erlesenen Vorderzugs kampfdrohende Fähnlein.</p>
+<p>Jeglichem waren gesellt fünfhundert tapfere Krieger,</p>
+<p>Welche das Panzerhemd, und der Helm im Felde beschirmte.</p>
+<p>Aber im Rücken des Heers, nicht ferne dem schimmernden Marchfluß,</p>
+<p>War noch die Wagenburg, Feldzeug, und Geräthe des Lagers</p>
+<p>Aufgehäuft, wie auch Mundvorrath für die dauernde Kriegszeit.</p>
+<p>Also lagerten dort des Königs versammelte Scharen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+All’ umhüllete jetzt der Schlaf mit bleiernem Fittig</p>
+<p>Schon. Sie errangen zuvor, nach schrecklichem Kampfe, die Mauern</p>
+<p>Drosendorfs, von dem Hohenberger, dem tapferen Feldherrn</p>
+<p>Rudolphs, der sie mit Macht und entflammendem Muthe beschirmte.</p>
+<span class = "pagenum">19</span>
+<p>Aber noch wacht’ im Gezelt der König der Böhmen. Zum Kriegsrath</p>
+<p>Rief er um Mitternacht die Feldherrn: denn von dem Kaiser</p>
+<p>Waren die Friedensbothen zu ihm, in das Lager gesendet:</p>
+<p>Meinhard, Graf von Tyrol, und Lichtenstein: in den Waffen</p>
+<p>Beide berühmt. Nicht dacht’ er zwar, den friedlichen Oehlzweig,</p>
+<p>Den sein Gegner ihm both, mit versöhnlicher Rechten zu fassen:</p>
+<p>Denn er sann nur blutigen Kampf, nur Tod, und Verderben</p>
+<p>Ueber Rudolphs Haupt zu wälzen im Felde der Waffen;</p>
+<p>Aber es sollte der Helden Verein, was er in dem Busen</p>
+<p>Heimlich beschloß, nun künden mit lautentscheidendem Ausspruch.</p>
+<p>Siehe, vor allen kam der Führer des reisigen Volkes,</p>
+<p>Lobkowitz, ein gewaltiger Greis, deß’ leuchtender Aarblick</p>
+<p>Unter den buschigen Brau’n den Muth im Herzen verkündet,</p>
+<p>Der auf die Waffenbahn ihn schon als blühenden Jüngling</p>
+<p>Trieb, und das Herz ihm gewann des schlachtruhm&shy;dürstenden
+Königs!</p>
+<p>Doch umwölkt war jetzt ihm die Stirne von inniger Trauer,</p>
+<p>Und zur Erde geheftet sein Aug’, da er dort vor dem Herrscher,</p>
+<p>Schweigend, stand. Alsbald, obgleich von heimlichem Unmuth</p>
+<p>Selber gebeugt, begann, mit erzwungenem Lächeln der König:</p>
+<p>„Wahrlich, nicht wirst du den Feldherrn heut, mit dem Gram in den
+Augen,</p>
+<p>Muth einflößen im Rath! Hat dir das treffliche Streitroß,</p>
+<span class = "pagenum">20</span>
+<p>Das zum Siege dich schon in zwanzig Schlachten getragen,</p>
+<p>Und aus Feindes Gedräng’ oft rettete, heute das Futter,</p>
+<p>Aechzend, verschmäht, und du sorgest vielleicht um den Liebling im
+Herzen?</p>
+<p>Wie, verfehlte der Spürer im Wald des flüchtigen Rehbocks,</p>
+<p>Oder des Hirsches Spur, mit dem sechzehnendigen Hauptschmuck?</p>
+<p>Fasse dich, tapferer Greis! Bald wird der Braune genesen;</p>
+<p>Bald erfreut uns der Fried’, und du streckst in fröhlichen
+Stunden,</p>
+<p>Draußen am Rasengrund der waldumränderten Hügel,</p>
+<p>Wieder im Hörnerklang’ und Gebell verfolgender Spürer</p>
+<p>Raschanstürmendes Wild mit sausenden Lanzen zu Boden.</p>
+<p>Denke des Worts: bald sind wir heimisch im Lande von Oestreich.“</p>
+<p>„Herr,“ sprach jener bewegt, „gewartet mit emsiger Sorgfalt</p>
+<p>Wiehert das Roß, das mich in zwanzig Schlachten getragen,</p>
+<p>Und aus dräuender Todesgefahr oft rettete, muthig</p>
+<p>Drüben im Zelt! Nicht denk’ ich des Weidwerks jetzt in den Tagen</p>
+<p>Ernsten Kriegs, deß’ Bild uns jenes, im sanfteren Frieden</p>
+<p>Oft ergetzt, und die Kraft uns stählt in erhöhter Gesundheit.</p>
+<p>Ja, du sprachst es im Scherz nur, o Herr! Doch dünkt es mich
+selber:</p>
+<p>Nicht wohnt Heiterkeit dir in den tieferglühenden Augen.</p>
+<p>Möge die dunkle Nacht verborgenen Strebens enthüllen</p>
+<p>Jetzo der Wahrheit leuchtender Strahl! Zum wichtigen Kriegsrath</p>
+<span class = "pagenum">21</span>
+<p>Riefst du die Feldherrn: denn die Friedensbothen des Kaisers</p>
+<p>Harren der Antwort im fernen Gezelt. Des Friedens <ins class =
+"correction" title = "Original: ererwähnst">erwähnst</ins> du?</p>
+<p>Heischest Rath, und ach, beschlossen im heimlichen Busen</p>
+<p>Hast du den Krieg auf Leben und Tod! O, möchte des Friedens</p>
+<p>Freundlicher Ruf den Haß aus deinem empöreten Herzen</p>
+<p>Nun verscheuchen, und dir und dem Volk die Fülle des Segens</p>
+<p>Schaffen hinfort! Erfüllt hast du mit unendlichem Kriegsruhm</p>
+<p>Weithin die Erd’ umher; allüberall preisen die Völker</p>
+<p>Deine Weisheit und Kraft. Zieh’ heim nach dem herrlichen
+Erbreich,</p>
+<p>Das dir gehorcht &mdash; nach Böhmen und Mähren: die trefflichsten
+Völker</p>
+<p>Nährt es im blühenden Schooß. Dort lebe dem Glücke der Deinen,</p>
+<p>Und unsterblicher Ruhm harrt dein, in der spätesten Zeit noch.</p>
+<p>Hast du nicht jüngst mit Siegel und Schrift und mit heiligem
+Eidschwur,</p>
+<p>Oestreich, Kärnthen, und Krain, als Lehen, entsagt vor dem Kaiser</p>
+<p>Selber, auf Glauben und Treu’, und im Treubruch hoffst du zu
+siegen?</p>
+<p>Bebe der That: schwer rächte den Bruch geschworenen Eides</p>
+<p>Stets an den Sterblichen noch die ewigwaltende Vorsicht.“</p>
+
+<span class = "pagenum">22</span>
+<p class = "stanza">
+Ottgar stand, erschüttert im Geist vor dem Schreckensgedanken;</p>
+<p>Sprechen wollt’ er schnell, und es bebten die Lippen ihm leis’
+nur.</p>
+<p>Doch nun drang ihm das Wort aus den festgeklammerten Zähnen:</p>
+<p>„Ha, sey nun, und auf immerhin, der Leib und die Seel’ auch</p>
+<p>Mit in dem Spiele gewagt! Nicht kann ich mehr weichen: die
+Gattinn&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Ja, das schreckliche Weib, hat mich zu dem Schritte gezwungen.</p>
+<p>Da ist kein Rückgang mehr: ich folg’, ein Opfer des Schicksals!“</p>
+<p>„Wie,“ so sprach, ihm freundlicher nahend, der Greis, „um die
+Herrschaft</p>
+<p>Stritten des Reiches Hort und der König von Böhmen; im Frieden</p>
+<p>Schieden sie erst, und die rach’empörende Zunge der Gattinn</p>
+<p>Drängte sie wieder zum Würgen zurück? Nicht mühen die Frau’n sich</p>
+<p>Ab in dem Feld. Wenn wir erlagen, erkiesen sie wieder</p>
+<p>Sich den neuen Gemahl, und erfreu’n sich im Kreise des Lebens;</p>
+<p>Doch uns lass’ das Wohl und das Wehe des Landes bedenken.</p>
+<p>Ottgar, stolz und tapfergesinnt, gehorchte dem Weib’ nun?“<a class =
+"tag" name = "tag1_4" id = "tag1_4" href = "#note1_4">4</a></p>
+
+<p class = "stanza">
+Also der Greis; doch, da er es sprach, entflammte des Königs</p>
+<p>Niedergeheftetes Auge sich stets zu größerer Wuth noch.</p>
+<span class = "pagenum">23</span>
+<p>Wie der Drache mit glühendem Blick von dem finsteren Felsschlund</p>
+<p>Aufschaut, wenn ein Ruf ihn empört; dann zischend dem Eingang</p>
+<p>Nah’t, und, das Haupt zum Boden krümmend, den furchtbaren Rachen</p>
+<p>Weit vorstreckt, den Feind zu verschlingen, begierig: so sah er</p>
+<p>Jetzo dem Greis’ in das Aug’, und stöhnte vor heimlichem Ingrimm.</p>
+<p>Endlich rief er, bewegt: „Halt ein! O tadle den Gatten</p>
+<p>Nicht, der solchem Weibe gehorcht: Margarethen, der Frauen</p>
+<p>Sanfteste, stieß ich von mir: da sandte der Rächer im Himmel</p>
+<p>Mir Kunegunde. Sie hat, ja, bebe dem schrecklichen Wort nur,</p>
+<p>Ueber mich Macht und Gewalt. Wie ein Geist des ewigen Abgrunds</p>
+<p>Steht sie vor mir ... mich schrecken entsetzliche Träume.
+Verschließe</p>
+<p>Das in der redlichen Brust. Sieh’, hätt’ ich auch tausend und
+tausend</p>
+<p>Eide geschworen: umsonst! Nicht kann ich zurück in dem Kampf mehr</p>
+<p>Weichen: ich muß ihn mit Habsburgs Leu’n nun enden für immer.“</p>
+<p>Jetzo winkt’ er dem Greis’: denn, eilenden Schrittes, genahet</p>
+<p>Waren die Feldherrn all’, und einten sich ihm in dem Kriegsrath.</p>
+<span class = "pagenum">24</span>
+<p>Neben ihm saß zur Rechten der Hort und Gebiether der Bayern,</p>
+<p>Heinrich; zur Linken ihm Pfeil, der Markgraf; d’rauf um den Tisch
+her,</p>
+<p>Der, nach Lagers Gebrauch, von niederen Bänken umstellt war,</p>
+<p>Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Dietrich,</p>
+<p>Herbot von Füllenstein, und die Kunring’, tapfere Helden.</p>
+<p>Doch von der Mitte herab des hochgespannten Gezeltes</p>
+<p>Hing die flammende Lamp’, endlos vom Oehle genähret,</p>
+<p>Und erhellte den Tisch in des Zeltraums düsterem Schimmer.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Eben hatt’ er die Helden begrüßt, und wollte beginnen:</p>
+<p>Sieh’, da scholl’s von Hufen der Roß’ in der nächtlichen Stille</p>
+<p>Näher und näher, und jetzt absaßen die Reiter am Zeltthor.</p>
+<p>Ottgar winkte sogleich dem blühenden Jünglinge, Wallstein,</p>
+<p>Der ein Liebling ihm war, schon seit der zartesten Kindheit.</p>
+<p>Alsbald eilt’ er hinaus, und faßte vom niederen Gluthherd</p>
+<p>Einen leuchtenden Span, den dort ein Krieger entflammte:</p>
+<p>Schürend die Gluth, und häufend zugleich das harzige Kienholz.</p>
+<p>Mächtiger flammte der Span, da ihn über dem Haupt in die
+Graunnacht</p>
+<p>Wallstein hob, und schauete: wer die Versammelten störe?</p>
+<p>Staunend, sah er die Königinn selbst, Kunegunde, sich schwingen</p>
+<p>Aus dem Sattel, im Kreis’ erlesenen Reitergefolges;</p>
+<p>D’rauf durcheilte sie rasch den Zelteingang, und, den Vorhang</p>
+<span class = "pagenum">25</span>
+<p>Schleudernd entzwei, schritt sie, mit stolzer Geberde, zum Sitz
+hin,</p>
+<p>Den der Jüngling verließ, an der Seite des Königes selber.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ueber ihr schwebte mit grimmerfülletem Blick Drahomira</p>
+<p>Leise herein. Sie trieb die Königinn eilig von Drösing</p>
+<p>Her in der dunkelen Nacht, daß sie erst durch schmähende Reden</p>
+<p>Reize den Gatten, und dann entflamme zur Gier nach des Krieges</p>
+<p>Schrecknissen, mehr denn je, in des Raths entscheidendem
+Zeitraum.</p>
+<p>Wehe, sie forscht’, auf Arges bedacht, im Kreise der Helden</p>
+<p>Gierig herum, wie die Schlange verhüllt in dem laubigen Zweig
+lauscht:</p>
+<p>Ob ein Vögelchen ihr zur Beute sich bieth’? &mdash; und sie fand
+noch</p>
+<p>Dort den Ersehneten nicht; doch, als der blühende Jüngling</p>
+<p>Eintrat, dachte sie schnell dieß Herz zu berücken durch Ehrsucht,</p>
+<p>Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher!</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als der König die Gattinn ersah, da erblaßten die Wangen</p>
+<p>Ihm vor Zorn; doch schwieg er, und ließ die Stolze gewähren,</p>
+<p>Auf daß keiner im Rath’ ihn verachtete &mdash; jeglicher dachte:</p>
+<p>Jetzt erschiene sie hier, ersehnet von ihm, und gerufen.</p>
+<p>Rasch war ihr Drahomira genaht: in dem Hauche des Unholds</p>
+<p>Ward ihr Busen empört, und alsbald rief sie verhöhnend:</p>
+<span class = "pagenum">26</span>
+<p>„Ha! welch’ Wunder geschah? Schon heut erfreuen die Böhmen</p>
+<p>Sich der Eroberung Drosendorfs, der mächtigen Festung,</p>
+<p>Nach den Tagen unendlichen Müh’ns? O, schändliche Thorheit</p>
+<p>War es: vor ihr die goldene Zeit zu vergeuden &mdash; zu harren,</p>
+<p>Bis der klügere Feind, noch arm an Kriegern und Waffen,</p>
+<p>Sich verstärket’, und euch des Eisens Spitze wohl biethet!</p>
+<p>Schnell, mit würgender Hand euch bahnend den Weg in die
+Hauptstadt,</p>
+<p>Mußtet ihr folgen der Stimme des Ruhms, und dem dringenden Aufruf</p>
+<p>Rüdiger Waldrams<a class = "tag" name = "tag1_5" id = "tag1_5" href =
+"#note1_5">5</a> dort, des muthigen Meisters der Bürger,</p>
+<p>Der nun bald, ein schmähliches Opfer, dem Feinde verrathen,</p>
+<p>Fällt durch euere Schuld, durch eure Verblendung, und Feigheit.“</p>
+<p>Siehe, da grins’te vor Lust Drahomira den Helden in’s Antlitz;</p>
+<p>Doch jetzt fuhren empor von dem Sitz die Versammelten alle;</p>
+<p>Ballten die Faust vor Zorn, und wollten enteilen: nur einer,</p>
+<p>Milota, regte sich nicht, und lächelt’ unheimlich für sich hin.</p>
+<p>„Faßt euch,“ rief der König, bewegt, „die Königinn duldet</p>
+<p>Schon seit jenem unseligen Tag, der uns, und die Völker</p>
+<p>Böhmens beschimpft &mdash; dem Tage der Huldigung,<a class = "tag"
+name = "tag1_6" id = "tag1_6" href = "#note1_6">6</a> nagenden
+Kummer</p>
+<p>Und zerrüttendes Weh’ in den Tiefen des Herzens. Ihr Helden,</p>
+<p>Dessen gedenkt, und achtet den Schmerz des unglücklichen Weibes:</p>
+<p>Denn nicht wägt er genau das raschverwundende Wort oft,</p>
+<span class = "pagenum">27</span>
+<p>Das der Zung’ entflieh’t im Sturm der empörten Empfindung.</p>
+<p>Aber vernehmt es, was ihr in der Stille der nächtlichen Stunden</p>
+<p>Jetzo mit uns erwägen soll’t nach euerer Weisheit:</p>
+<p>Rudolph sandte zuvor zwei tapfere Ritter in’s Lager</p>
+<p>Her, uns dringender noch als jüngst, die Hand zur Versöhnung</p>
+<p>Biethend. Erneuend sodann den Wunsch: durch unserer Kinder</p>
+<p>Wechselheirath das Band der Freundschaft für immer zu gründen,</p>
+<p>Ladet er uns g’en Wien, zu turnei’n; die Speere zum Scherz nur,</p>
+<p>Nicht zum Ernst zu versuchen, und dann die ersehnte Verlobung</p>
+<p>Durch ein gastlich Mahl zu feiern im schimmernden Prunksaal.</p>
+<p>Solches verkündete heut’ in geheim uns Rüdiger Waldram;</p>
+<p>Aber zugleich: g’en Lilienfeld<a class = "tag" name = "tag1_7" id =
+"tag1_7" href = "#note1_7">7</a> hin ziehe der Kaiser</p>
+<p>Albrecht, seinem Erzeugten, mit hundert Reitern entgegen,</p>
+<p>Der in den schwäbischen Gau’n die Krieger ihm warb, und vom
+Aargau</p>
+<p>Her die tapfersten führt, die ihm oft errangen den Lorber,</p>
+<p>Altgedient, und versucht im Grau’n der eisernen Feldschlacht.</p>
+<p>Soll mein Volk vorstürmen bis Wien, daß unser Vertrauter,</p>
+<p>Waldram, ihm eröffne das Thor in der nächtlichen Stille,</p>
+<p>Wie er es eben verhieß, mit den treuen Bürgern verstanden?</p>
+<p>Ist’s wohl räthlicher noch, mit Kunrings Reitergeschwadern</p>
+<p>Ueberzusetzen in Fähren den Strom der mächtigen Donau,</p>
+<span class = "pagenum">28</span>
+<p>Und aus dem Hinterhalt den Kaiser zu fah’n in der Waldschlucht,</p>
+<p>Welche sich links und rechts an dem Kaumberg, trüglich
+herumschlingt?</p>
+<p>Nie versagt’ ich das Ohr dem Rathe der Männer: was dünkt euch?“</p>
+<p>Herbot schrie zugleich mit dem Kunring, lärmend, und laut auf:</p>
+<p>„Fort nach Wien! Bald sinkt mit der kühnerrungenen Hauptstadt</p>
+<p>Rudolphs Macht in den Staub: wir bürgen für herrlichen Sieg dir!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Lobkowitz fuhr von dem Sitz’, des Friedens Ruf zu erneuern;</p>
+<p>Aber ihm kam Kunegunde zuvor, und sagte dem König:</p>
+<p>„Wie, du spähest noch jetzt nach schlauverhülleten Pfaden,</p>
+<p>Thöricht verlassend die kühnere Bahn, die schnell zu dem Ziel
+führt?</p>
+<p>Ist denn völlig gewichen von dir der Muth und die Kühnheit,</p>
+<p>Die von Siegen zum Sieg dich leitete, Schlachtenberühmten?</p>
+<p>Zahllos warben die Freier um mich. Masowiens<a class = "tag" name =
+"tag1_8" id = "tag1_8" href = "#note1_8">8</a> Herzog</p>
+<p>Ließ auf dem glänzenden Thron mir Macht und Reichthum zur
+Erbschaft;</p>
+<p>Aber ich achtete keinen Mann, im stolzen Bewußtseyn</p>
+<p>Herrschender Geisteskraft, und lautgepriesener Schönheit.</p>
+<p>Auch du bothst mir die Hand. Der Ruf erscholl in den Ländern:</p>
+<span class = "pagenum">29</span>
+<p>Ottgar trug des Sieges Panier zu dem Belt hin; erbaute</p>
+<p>Dort noch Königsberg,<a class = "tag" name = "tag1_9" id = "tag1_9"
+href = "#note1_9">9</a> und schlug, heimkehrend, die Scharen</p>
+<p>Ungerns im Feld auf das Haupt. Er einte die Steyer- und Ostmark</p>
+<p>Dann, als Sieger, mit Kärnthen und Krain dem böhmischen Erbreich,</p>
+<p>Und errang die Bewunderung so der entlegensten Völker.</p>
+<p>Ha, da sank mein Stolz, beschämt, vor dem Helden! Ich gab mich</p>
+<p>Eiteler Täuschung dahin: mit der königlichsieghaften Rechten</p>
+<p>Würd’ er auch mich erheben im Glanz’ unsterblichen Ruhmes.</p>
+<p>Weh’, nun steh’ ich gebeugt, entehrt, und fruchtlos geopfert!</p>
+<p>Aber, denkst du der Ehre nicht mehr, so gedenke der Schmach doch!</p>
+<p>Soll ich den Mann, den König, und ach, den Gatten noch mahnen</p>
+<p>Dort an den graunerregenden Tag, wo gegen den Eidschwur,</p>
+<p>Der dich bewog, dem Kaiser zu huldigen heimlich im Zeltraum,</p>
+<p>Er, o schreckliche Schau! auf des Eilands ragendem Hügel,</p>
+<p>Das die Donau umschlingt mit weitgedehneten Armen,</p>
+<p>Plötzlich am listiggestalteten Zelt den rauschenden Vorhang</p>
+<p>Fallen hieß, und dich vor den Augen unzähliger Krieger,</p>
+<p>Die an dem Strom sich dieß- und jenseits, feindlichgesondert,</p>
+<p>Lagerten, wies zum Hohn’ &mdash; auf die Kniee gesunken, o
+schändlich,</p>
+<p>Ottgar, dich, dem er an dem Hof’ einst dienet’, als Marschalk,<a
+class = "tag" name = "tag1_10" id = "tag1_10" href =
+"#note1_10">10</a></p>
+<span class = "pagenum">30</span>
+<p>Huldigend dort, in dem Staub’! O, könntest du solches vergessen?“</p>
+<p>Ottgar preßte die Stirn’ in die Fläche der Linken, und glühend</p>
+<p>Rann ihm die Thrän’ an der Wange herab. Er sucht’, es zu bergen;</p>
+<p>Blickte grimmiger auf, und rief: „Nicht werd’ ich’s vergessen!“</p>
+<p>Doch nun drang Drahomira noch mehr in die Fürstinn. Sie hob sich</p>
+<p>Eilig vom Stuhl’ empor, und sagte mit leuchtenden Augen:</p>
+<p>„Ha, die Dromet’ erklinge dem Volk’, und gebiethe den Aufbruch</p>
+<p>Nach den Mauern von Wien; in die Luft hoch flatt’re die
+Sturmfahn’</p>
+<p>Vor den Scharen einher, und leite sie glücklich zum Sieg’ hin!“</p>
+<p>Rief’s; doch Ottgar sprach nun so zu dem tapferen Helden,</p>
+<p>Lobkowitz: „Wie, du schweigst mein sieggekröneter Feldherr?</p>
+<p>Nie ermangelt’ ich deines Raths, und deiner Erfahrung,</p>
+<p>Weisheit, Treue und Kraft verdank’ ich, was rühmlich gescheh’n
+ist.“</p>
+<p>Lobkowitz wiegte das Haupt, und sprach eintönig und trocken:</p>
+<p>„Haben doch and’re vor mir, dem wankenden Greise, gesprochen,</p>
+<p>Die das heißere Blut, wie im Sturm, fortreißt auf des Ruhmes</p>
+<p>Glänzender Bahn &mdash; weit blieb ich zurück’, und bin es
+zufrieden.</p>
+<span class = "pagenum">31</span>
+<p>Sieh’, ich wähnte, wir lieh’n ein Ohr des Kaisers Gesandten?</p>
+<p>Doch vor dem zürnenden Blick der Königinn? Sey es denn morgen!“</p>
+<p>Also der Held. Da sprach Kunegunde voll Wuth zu dem König:</p>
+<p>„Wohl, ich weiche zurück bis Drösing. Sinnst du auf Frieden</p>
+<p>Noch mit dem Kaiser, so sey’s; doch nimmer siehst du mich lebend</p>
+<p>Wieder: nur mord’ ich zuvor mit Freuden die blühende Tochter,</p>
+<p>Eh’ ein schmählicher Bund dem verhaßtesten Feind sie vereine.“</p>
+<p>Rief’s hinschreitend; erhob sich auf’s Roß, und eilte nach
+Drösing,</p>
+<p>Das sie den Abend zuvor mit ihren Erzeugten bezogen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt ließ Ottgar schnell die Gesandten des Kaisers entbiethen,</p>
+<p>Die schon lange voll Gier in dem fernen Gezelte des Rufes</p>
+<p>Harrten. Meinhard, Graf von Tyrol, erschien, und zur Seit’ ihm</p>
+<p>Nahete Lichtenstein: des Heer’s erlesene Zierden.</p>
+<p>Stattlich traten sie ein, und setzten sich würdig zum Tisch hin,</p>
+<p>Grüßend den König zuvor, und d’rauf, die versammelten Feldherrn.</p>
+<p>Meinhard neigte das Haupt, und begann mit edelem Anstand:</p>
+<p>„Rudolph, mein erlauchtester Herr, und Kaiser der Deutschen,</p>
+<span class = "pagenum">32</span>
+<p>Sendet uns, Meinhard und Lichtenstein, nicht unwürdige Bothen,</p>
+<p>Freundlich zu dir, erhabener Herr, und König der Böhmen!</p>
+<p>Wollest darum uns hören mit Huld, und unsere Reden</p>
+<p>Nicht verachten, da wir, nur arm an zierlichen Worten,</p>
+<p>Stets mit dem rauheren so, wie mit unserem blinkenden Eisen,</p>
+<p>Das wir zu führen gelernt, zum Ziel vorstreben, und treffen.</p>
+<p>Frieden beut er dir mit leichtversöhnlichem Herzen;</p>
+<p>Doch er beut ihn im Augenblick, wo er völlig gerüstet,</p>
+<p>Nicht, wie jüngst in dem Land’, entblößt von Kriegern und Waffen,</p>
+<p>Sollte schon fast ihn erflehen von dir &mdash; nein, wo er im
+Kriegsbund,</p>
+<p>Mächtige Völker vereint, und der Treue der Völker gewiß ist.</p>
+<p>Daß du, als Kaiser ihn anerkenn’st; ihm Böhmen und Mähren</p>
+<p>Tragest zu Leh’n; auf die ost- und die steyrische Mark, so auf
+Kärnthen,</p>
+<p>Krain, entsag’st: das ist des Friedens enthüllte Bedingniß.</p>
+<p>Drei gewaltige Vesten im Land: hier Drösing im Marchfeld,</p>
+<p>Dort Pöchlarn, und Enns sollst du mit starker Besatzung</p>
+<p>Halten zum Unterpfand durch drei der Jahre, von heut’ an.</p>
+<p>Ha! du erstaunest? So ist’s; ihr sollt euch finden in
+Freundschaft.</p>
+<p>Heilig ist Rudolphs Wort, du kannst ihm sicher vertrauen.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als er die Rede voll Kraft jetzt endete, herrscht’ in dem Zeltraum</p>
+<span class = "pagenum">33</span>
+<p>Stille umher: doch Lichtenstein, gewahrend den Vortheil,</p>
+<p>Grüßte den König zuvor, und begann mit heiterem Blick so:</p>
+<p>„Ernstes sagte der Graf. Mit Gott und eurem Gewissen</p>
+<p>Werdet ihr solches erwägen zum Glück und zum Segen der Völker,</p>
+<p>Die ihr beherrscht; doch leiht auch mir ein günstiges Ohr noch.</p>
+<p>Nicht vom blutigen Kampf: von der Minne ersehneten Freuden,</p>
+<p>Von Turnei’n, und dem festlichen Mahl gedenk’ ich, zu sprechen.</p>
+<p>Allwärts ist es bekannt, daß Herr Rudolphus, der Kaiser,</p>
+<p>Ein Turnei, bei’m Tabor,<a class = "tag" name = "tag1_11" id =
+"tag1_11" href = "#note1_11">11</a> am kommenden Donnererstag schon,</p>
+<p>Der Sanct Rochus geheiliget wird, zu halten, gesinnt ist:</p>
+<p>Denn nach Frieden verlangt sein Herz, und er hat dich geladen.</p>
+<p>Solcher Ehre Gewinn verschmäht kein tapferer Mann je.</p>
+<p>Sieh’, d’rum harret er dein und deines so edeln Gefolges,</p>
+<p>Das den Herrscher umglänzt, wie die Stern’ umglänzen den
+Vollmond!</p>
+<p>Aber noch höhere Freuden gedenkt, nach vollendetem Festmahl,</p>
+<p>Oben im prunkenden Saal der Kaiser mit dir zu bestellen:</p>
+<p>Lieblich erblüheten dir die schönsten der Töchter &mdash; in
+Söhnen</p>
+<p>Ihm sein Glück: zum Bund der Einigung beut er die Hand dar:</p>
+<p>Hartmann führ’ als Braut sich Hedwig, voll siegender Schönheit,</p>
+<p>Thekla, voll zartester Huld, sein Rudolph heim. So ersehnt er’s.“</p>
+
+<span class = "pagenum">34</span>
+<p class = "stanza">
+Als er gesprochen das Wort, und noch weiter gedachte zu reden:</p>
+<p>Sieh’, da warf sich in brausender Hast der muthige Jüngling,</p>
+<p>Wallstein vor! Er stand, und hielt sich die Brust mit der
+Rechten;</p>
+<p>Athmete tiefer, begann zu sprechen, vermocht’s nicht; er stürzte</p>
+<p>Dann zum Gezelte hinaus, und verschwand im nächtlichen Dunkel.</p>
+<p>Ottgar blickt’ ihm, erstaunt, jetzt nach. Er wähnte: sein
+Liebling</p>
+<p>Sey urplötzlich erkrankt, und von wüthenden Schmerzen befallen;</p>
+<p>Doch Drahomira durchschaute sein Herz; sie lächelte grimmig;</p>
+<p>Jubelte dann laut auf, und folgte dem fliehenden Jüngling:</p>
+<p>Ihm für Hedwig die liebende Brust noch mehr zu entflammen,</p>
+<p>Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Im erleuchteten Zelt verstummten von neuem die Helden;</p>
+<p>Gar nicht wollten von Ottgars Mund’ die Worte sich lösen.</p>
+<p>Endlich hob er sich auf, und sagte den Beiden zum Abschied:</p>
+<p>„Wahrlich, nicht ahnete mir’s, so glühend verlange der Kaiser</p>
+<p>Uns bei festlichem Turnkampf, Tanz, und Gelagen zu sehen!</p>
+<p>Aber wohlan &mdash; das kündet ihm nur, so er etwa daheim ist:</p>
+<p>Ottgar werdet ihr schau’n im Gefolge der Edeln, und hören,</p>
+<p>Was er vom Frieden gedacht, und der Kinder ersehnter Verlobung!</p>
+<span class = "pagenum">35</span>
+<p>Aber, ihr Herrn, gehabt euch wohl; der Himmel geleit’ euch!“</p>
+<p>Beid’ erstaunten der Red’, und eilten unmuthig von dannen.</p>
+<p>Draußen sagte zu Lichtenstein der tapfere Meinhard:</p>
+<p>„Ritter, sprecht, was dünkt euch? Nicht einmal die Krume zum
+Imbis,</p>
+<p>Nicht des Weines so viel, das unsere Lippen benetzte,</p>
+<p>Reicht’ er zum Trunk’ uns dar. Ich meine: von Heirathsgedanken</p>
+<p>Ist er so fern, wie dort von mir Veiths glänzender Wagen,</p>
+<p>Der an des Himmels Rand zum eisigen Norden hinabsinkt.</p>
+<p>Ha! und merktet ihr nicht, wie schnell der arge Verräther</p>
+<p>Rudolphs nächtlichen Ritt g’en Lilienfeld ihm enthüllte?</p>
+<p>Ach, er zog nur mit schwachem Geleit! Kommt: gut ist die
+Vorsicht!“</p>
+<p>Rasch aufschwangen sie sich in den Sattel, und flogen nach Wien
+hin.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber der König entließ die Versammelten. Jetzo noch einmal</p>
+<p>Blickt’ er Jedem in’s Aug’, und sagte mit rauherer Stimme:</p>
+<p>„Mir zerwühlet die Wuth das Herz. Wie kecklich die Ritter</p>
+<p>Sprachen, als sey ich im Feld nicht fürder zu scheu’n, und, dem Ball
+gleich,</p>
+<p>Nun rechts hin, dann links im schwebenden Fluge zu wenden;</p>
+<p>Aber es zehr’ ihr Hort sich zu Tod’ an seinen Gelüsten.</p>
+<p>Mein Entschluß ist gefaßt: am Morgen gebiethet den Aufbruch</p>
+<p>Euerem Volk. Wir ziehen entlang den schlängelnden Marchfluß</p>
+<span class = "pagenum">36</span>
+<p>Bis an den Weidenbach, wo, erhöht, des räumigen Lagers</p>
+<p>Wall uns schirmt g’en List und Gewalt. Verstanden mit Waldram,</p>
+<p>Sey in dem Ueberfall nur „Rache“ der Würgenden Schlachtruf!</p>
+<p>Ruhet ein Weniges noch: bald rufen euch laut die Drometen.“</p>
+<p>Jene gehorchten dem Wort’, und eilten nach ihren Gezelten.</p>
+<p>Aber der König ging noch lang’ im Schimmer des Nachtlichts,</p>
+<p>Sinnend umher. Oft seufzt’ er laut; er ballte die Faust oft</p>
+<p>Vor Erbitterung; stand, ging wieder, und hatte nicht Frieden.</p>
+<p>Endlich warf er sich hin auf das Lager, und schlummerte leis’
+ein.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ueber dem Haupt des Schlummernden hing sein schützender Engel,</p>
+<p>Trauernd. Verglommen war sein Glanz. Wie auf thürmender Alpen</p>
+<p>Ewigbeschneiten Höh’n der rosigglühende Schimmer</p>
+<p>In ätherischer Bläue verglimmt in der sinkenden Dämm’rung:</p>
+<p>Also auch er, den Schwermuthsblick auf den armen gerichtet,</p>
+<p>Den ein furchtbarer Traum umfing. Margarethe, die Gattinn,</p>
+<p>Welch’ er schnöde verstieß, naht’ ihm, und sah ihn so trauernd</p>
+<span class = "pagenum">37</span>
+<p>An, aus dem hüllenden Leichentuch: er wandte sich, schaudernd,</p>
+<p>Weg, und hieß sie entflieh’n. Nicht lang’, und in hoher
+Verklärung</p>
+<p>Schwebt’ auf schimmernden Au’n, und bekränzt mit himmlischen
+Rosen,</p>
+<p>Sie vor ihm hin. Er folgte &mdash; sie floh; doch jetzt, an dem
+Ufer</p>
+<p>Eines unendlichen Stroms hielt sie den eilenden Flug an;</p>
+<p>Sah, huldflehenden Blicks, zu dem Himmel empor, und entschwand
+ihm,</p>
+<p>Schatten gleich, wenn Nebelgewölk umhüllet die Sonne.</p>
+<p>Wieder umfing ihn des Todes Nacht. Um sich her auf dem
+Schlachtfeld</p>
+<p>Sah er unzählige Leichen gehäuft: bis endlich ihm selber</p>
+<p>Dort zwei Würger genah’t, mit rach’ausblitzenden Augen,</p>
+<p>Tief in die Brust einstürmten den Speer, und höhnten im Tod noch.</p>
+<p>Stöhnend wand er sich dann im Schlaf, und in mächtigen Tropfen</p>
+<p>Stand ihm der Schweiß auf der Stirn’ und den hochgerötheten
+Wangen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch nicht völlig verhüllt den Augen des Himmelsbewohners</p>
+<p>War des schlummernden Königs Geschick. Er sah Drahomira</p>
+<p>Walten um ihn, und Gefahr ihm bereiten auf schlüpfrigem Pfad
+hier,</p>
+<span class = "pagenum">38</span>
+<p>Der zum Verderben führt, und zu nieversiegendem Jammer.</p>
+<p>Flehend faltet’ er jetzo die Händ’, und blickte mit Ehrfurcht</p>
+<p>Auf zu dem Thron des Ewigen, der in des kreisenden Weltalls</p>
+<p>Hehrstem Raum’, auf lichtausströmenden Sonnen erhöht steht.</p>
+<p>Dorthin drang sein Blick, wo Cherub- und Seraphim selber</p>
+<p>Sich in der Nähe des Throns mit den Fittigen hüllen die Augen,</p>
+<p>Dreimal Heilig singend dem Herrn, der herrscht von dem Thron
+dort,</p>
+<p>Hehr, allmächtig, weis’, und gerecht, barmherzig und gnädig!</p>
+<p>Ueber die Himmel hinauf erhebt er das Haupt; auf dem Abgrund</p>
+<p>Ruht sein Fuß, und sein Arm umfaßt das kreisende Weltall.</p>
+<p>Als er gewürdigt ward, die Blicke zum Thron zu erheben,</p>
+<p>Sah er, schauernd vor Ehrfurcht, dort enthüllet die Zukunft:</p>
+<p>„Ottgar, der nun bald mit reuigem Sinn um Erbarmen</p>
+<p>Fleh’n wird, büßet die Schuld vergangener Jahre: den Feinden</p>
+<p>Fällt er besiegt in dem Kampf’, und verlieret das Reich und das
+Leben;</p>
+<p>Aber sein Gegner wird ein Vater des Herrscher&shy;geschlechtes,</p>
+<p>Das in die fernste Zukunft hinab unzähliger Völker</p>
+<p>Glück zu fördern, erwählt, im Segen der Erde genannt sey.“</p>
+<p>D’rauf gewahrt’ er den Wink des Herrn: „daß es also gescheh’n
+wird<ins class = "correction"
+title = "fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">!“&nbsp;</ins></p>
+<p>Sieh’, da flammten, und floh’n, und kehrten in Eile die Sonnen</p>
+<span class = "pagenum">39</span>
+<p>Wieder zur Bahn! Der Donner rollte hinunter am Weltrand,</p>
+<p>Kreisende Monden und Sterne vorbei; die Vesten des Erdballs</p>
+<p>Zitterten; hoch aufrauschte das Meer, und die Ström’ und die
+Flüsse</p>
+<p>Braus’ten wirbelnd zurück, und schäumten empor in den Luftraum.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht</p>
+<p>Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">40</span>
+<h3><a name = "gesang2" id = "gesang2">Zweiter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Siehe, wer reitet den Wald entlang? Vom felsigen Boden</p>
+<p>Tönet der eiserne Huf. Wer zieht im Schatten der Thäler</p>
+<p>Fort im eilenden Trab? Doch dort, wo am lichteren Waldsaum</p>
+<p>Weitgesondert, die Tannen steh’n, und der sonnige Bergpfad</p>
+<p>Schlängelnd sich hebt, erblitzt es von hellgeglätteten Waffen</p>
+<p>Quer in die Eb’ne herab. Jetzt näher und näher erschallet</p>
+<p>Munterer Reiter Gespräch, und das Schnauben und Wiehern der
+Rosse.</p>
+<p>Doch wer ist’s, der allen voran den feurigen Rappen</p>
+<p>Reitet, so freundlich und mild, so bar all’ prunkenden Schmuckes?</p>
+<p>Zwar erhellt die, in Rosengluth versinkende Sonne</p>
+<p>Kein’ unedele Stirn’, und Ehrfurcht heischen die Augen</p>
+<p>Dieses Gewaltigen, der ein Fürst, ein Kaiser von Anseh’n</p>
+<p>Scheinet? Er ist’s &mdash; ha, Rudolph ist’s, der Kaiser der
+Deutschen!</p>
+
+<p class = "stanza">
+Gestern zog er im Abendlicht mit hundert Erwählten</p>
+<p>Eilig zum Kärnthnerthore hinaus nach dem herrschenden Hügel,</p>
+<span class = "pagenum">41</span>
+<p>Wo (so kündet die Sag’) in grau’numhülleter Vorzeit</p>
+<p>Eine Spinnerinn saß, und bettelte, reichliche Spenden</p>
+<p>Sammelnd: ein Kreuz zu erbau’n von zartdurchlichtetem Stein dort,</p>
+<p>Wo das hölzerne, morsch, zerfiel, an welchem sie lebte.</p>
+<p>Aber es wurde zugleich ihr Grab, von dem Fremdling bewundert:</p>
+<p>Denn erblickt er die Stadt, die weit auf Erden gerühmt wird,</p>
+<p>Vor sich in schimmernder Pracht der Thürm’ und unzähliger Häuser,</p>
+<p>Zollt er vor allem der sinnigen Wahl der Spinnerinn Beifall,</p>
+<p>Und erquickt sein Aug’ an dem wunderherrlichen Anblick.</p>
+<p>D’rauf einlenkt’ er zum Fuß’ der traubengesegneten Hügel:</p>
+<p>Petersdorf, und Brunn am Gebirg, wo der emsige Winzer</p>
+<p>Keltert den kräftigen Most für die spätnachfolgende Zeit noch,</p>
+<p>Und durchtrabte die Stadt von Mödeling.<a class = "tag" name =
+"tag2_1" id = "tag2_1" href = "#note2_1">1</a> Mächtigen Anseh’ns,</p>
+<p>Schaut in das düstere Felsenthal, durch welches der Waldbach,</p>
+<p>Eingezwängt, sich windet, und rauscht, die ragende Felsburg,</p>
+<p>Mödling herab (ein Eigen des babenbergischen Herzogs,</p>
+<p>Heinrich) und lieh auch zugleich dem Städtchen den Nahmen. Die Nacht
+hing</p>
+<p>Dunkel herab; nicht erspähte der Wart von dem ragenden Wartthurm</p>
+<p>Rudolphs hohe Gestalt: d’rum scholl die Dromete zum Gruß nicht.</p>
+<span class = "pagenum">42</span>
+<p>Doch jetzt zog er am Tannberg fort,<a class = "tag" name = "tag2_2"
+id = "tag2_2" href = "#note2_2">2</a> wo im ruhigen Thalgrund</p>
+<p>Schimmert das Gotteshaus zum Heiligen-Kreuz mit dem Kloster.</p>
+<p>Herzog Leopold baut’ es, der Heilige. Mönche von Cisterz</p>
+<p>Rief er dahin, daß dies’ in Saatengefilde die Wildniß</p>
+<p>Wandelten, und im Gesange des Chors lobpriesen den Schöpfer.</p>
+<p>Manches Helden Gebein’, auch <ins class = "correction" title =
+"Original: Fiedrichs">Friedrichs</ins>, des streitbaren Herzogs,</p>
+<p>Letzten seines Geschlechts, deckt dort der ehrende Denkstein.</p>
+<p>Aber es sandte darauf vom Heiligen-Kreuze der Stiftsabt</p>
+<p>Auch nach Lilienfeld die Brüder: so wollt’ es der Herzog</p>
+<p>Leupold, der Glorreiche, selbst, als er an dem Fuße der Alpen</p>
+<p>Im bezaubernden Thal das Gotteshaus und das Kloster</p>
+<p>Stiftete, dem jetzt Rudolph naht’. Schon ließ er auch Kaumbergs</p>
+<p>Marken zurück, und als die Sonne im rosigen Schimmer</p>
+<p>Sich in Osten erhob, da zog er durch’s liebliche Hainthal,</p>
+<p>Und erkor’s in des Mittags Stunde zur Rast. An dem Göls’bach</p>
+<p>Weideten frei die Rosse hinab. Die tapferen Krieger</p>
+<p>Saßen im Kreise herum: sie sättigten sich an des Weizens</p>
+<p>Goldener Frucht, zum nährenden Brote gebacken, und löschten</p>
+<p>Dann an der Quelle den Durst. Inmitten der fröhlichen Männer</p>
+<p>Saß der Kaiser im Gras’; er rief den Einen und Andern</p>
+<p>Auf zu ergetzlichem Schwank’, und zuletzt den redlichen Knappen</p>
+<span class = "pagenum">43</span>
+<p>Müller, den Zürcher, der ihm das Leben gerettet, und seither</p>
+<p>Stets zu getreulichem Dienst’ ihm stand, im Krieg’ und im
+Frieden.</p>
+<p>„Künde“, so sprach er zu ihm, „den Kriegern das lustige Mährchen:</p>
+<p>Wie du mich, den Zürnenden, einst auf der Straße begegnend,</p>
+<p>Sühntest, listengeübt: denn manchen von meinen Getreuen</p>
+<p>Hast du niedergeworfen zuvor, ein frevelnder Raufbold.“</p>
+<p>„Mit Vergunst, Herr Kaiser,“ begann der fröhliche Kriegsmann,</p>
+<p>Schlaugewendeten Blicks, „so ich ruhmbegierig, und eitel,</p>
+<p>Meinen Gefährten des Zugs verkünde zuvor, daß ich Habsburgs</p>
+<p>Grafen im Kampf mit dem Regensberg das Leben gerettet!</p>
+<p>Edle von Toggenburg, und Homburg; jene von Nidov,</p>
+<p>Palm, und Warth mit Eschenbach vereinten dem Ritter</p>
+<p>Regensberg, den er gewaltig bedrängte, die Scharen;</p>
+<p>Doch er dachte der List, kriegskundig, dem Feinde zu schaden.</p>
+<p>Oft ritt Regensberg mit zwölf weißschimmernden Rossen,</p>
+<p>Welchen voran mit lautem Gebell zwölf ähnliche Doggen</p>
+<p>Sprangen, zur Jagd, von dem Uttliberg, stolzirend, herunter.</p>
+<p>Rudolph lag in dem Hinterhalt: die Ross’ und die Doggen</p>
+<p>Hatt’ er, wie jener gewählt. Mein Volk, die muthigen Zürcher</p>
+<p>Brachen hervor, mit ihm in dem Handel verstanden, und als er</p>
+<p>Nahte der Burg in verstellter Flucht, da meinte der Wächter,</p>
+<p>Oeffnend das Thor voll Hast, sein feindbedroheter Herr sey’s</p>
+<span class = "pagenum">44</span>
+<p>Alsbald ward erobert die Burg, und zerstöret von Grund aus.</p>
+<p>Ist’s nicht also gescheh’n, mein hocherlauchter Gebiether?</p>
+<p>Aber da stellten sie euch, auf offnen und heimlichen Wegen</p>
+<p>Nach. So geschah’s, daß einst, auf einsamer Fährt’ in dem Wald
+ihr,</p>
+<p>Nur mit schwachem Geleit dem Feind’ in die Hände gefallen,</p>
+<p>Rang’t auf Leben und Tod, als bügellos in den Staub euch</p>
+<p>Warf das getödtete Roß. Ihr waret erlegen der Mehrzahl;</p>
+<p>Doch der Seinen gedenket der Herr: er sandte den Müller</p>
+<p>Euch zu Hülf’. Er kam auf dem Pfade geritten, und sah euch</p>
+<p>Kämpfen, ähnlich dem Leu’n, den wüthende Tiger umringen;</p>
+<p>Naht’ im Flug, und ihr, in den Sattel gehoben, entrannet</p>
+<p>So der Gefahr. Doch Müller ist euer getreuester Jünger</p>
+<p>Seitdem &mdash; rühmt sich denn auch des edelsten Meisters auf
+Erden.</p>
+<p>Ihr erlaßt mir vielleicht für heute das lustige Mährchen:<a class =
+"tag" name = "tag2_3" id = "tag2_3" href = "#note2_3">3</a></p>
+<p>Denn, mich dünkt, es entfielen, wie Perlen gestaltete Tropfen</p>
+<p>Eueren Wangen. Mich drängte früher die Noth, und euch später:</p>
+<p>Alles auf Erden eint der Liebe geschäftige Sorgfalt.“</p>
+<p>Innig gerührt ergriff ihm der Kaiser die Hand, und begann so:</p>
+<p>„Edel hast gehandelt an mir, mein trefflicher Jünger!</p>
+<p>Doch die Capelle winkt auf den Alphöh’n: heute noch sollst du</p>
+<p>Ernten herrlichen Lohn, der Heldenthaten gebühret.</p>
+<p>Jetzt rasch auf, ihr Reisigen: rasch zu dem winkenden Ziel hin!“</p>
+<span class = "pagenum">45</span>
+<p>All’ erhoben sich nun voll Muths; sie zäumten die Rosse,</p>
+<p>Jauchzend, auf, und es ging dann weiter der fröhliche Zug fort.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Siehe, nicht lang’, und sie sah’n jetzt schon die bläulichen
+Alphöh’n</p>
+<p>Oben, und tiefer den <em>Kulm</em> und den kegelgestalteten
+<em>Spitzbrand</em>,</p>
+<p>Freudigen Blicks, als unter dem Huf der gewaltigen Rosse,</p>
+<p>Drönend, die Brück’ erscholl, die, stets von den Fluthen der
+Traisen</p>
+<p>Unten durchrauscht, im Grund die rasche Forelle beschattet.</p>
+<p>Weit gerühmt ist die Traisen im Land (daß beide den Ursprung</p>
+<p>Sich bestreiten, die Hohenberg-, und die Lilienfelder)</p>
+<p>Sprudelnd hervor aus dem Schooß des Traisenberges im Waldthal,</p>
+<p>Und enteilend voll Hast, sich dem Donaustrome zu einen.<a class =
+"tag" name = "tag2_4" id = "tag2_4" href = "#note2_4">4</a></p>
+<p>Freundlich blickten die Sterne bereits vom Gewölbe des Himmels,</p>
+<p>Wieder zur Erde herab; schon hauchten die würzigen Matten</p>
+<p>Kühlung umher; es verglommen die ragenden Höh’n, und die Fluthen</p>
+<p>Dampften im Thal, als jetzt mit seinem Gefolge der Kaiser</p>
+<p>Nahe vorüber an Lilienfeld, dem herrlichen Kloster,<a class = "tag"
+name = "tag2_5" id = "tag2_5" href = "#note2_5">5</a></p>
+<p>Eilete: denn zum Abendgebeth’ ertönte das Glöckchen</p>
+<p>Schon von dem Thurm’; es lud zu des Chors Vollendung die Brüder,</p>
+<span class = "pagenum">46</span>
+<p>Und erweckte zugleich, mildklagend, die Wonne der Wehmuth</p>
+<p>Tief in der fühlenden Brust, die leise nach Ruhe sich sehnet</p>
+<p>Nach den verschollenen Stürmen des Tags, auf irdischer Wand’rung.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Nahend dem Ziele, durch’s <em>Thal</em>, geboth der Herrscher den
+Reitern,</p>
+<p>Längs dem Bach zu erringen den Kulm, auf dem breiteren Saumpfad;</p>
+<p>Aber er selber klomm, des Weg’s wohlkundig, mit Müllern</p>
+<p>Dort, wo ein lieblicher Wasserfall, von schroffer Gebirgswand</p>
+<p>Plätschernd herab, zerstäubt die silbernblinkenden Fluthen,</p>
+<p>Schweigend, die Höhen empor. Er sah nach den lichten Gefilden</p>
+<p>Ferner Ebenen, jetzt aus der nächtlichdämmernden Waldung,</p>
+<p>Jetzt vom schwindligen Fels mit thauendem Blick’, und errang so</p>
+<p>Früher den Kulm; doch dort, vereint mit seinen Erwählten</p>
+<p>Wieder, rastet’ er nicht, und stieg, stets höher und höher,</p>
+<p>Bis er, den dunkelen Wald entlang, auf blühenden Matten</p>
+<p>Wandelnd, schimmern sah im Schooße der luftigen Alphöh’n,</p>
+<p>Aus dem Gezweig umhüllender Tannen der kleinen Capelle</p>
+<p>Heiligthum, wo das Licht, in der Lampe genährt von dem Klausner,</p>
+<p>Sandte die fächelnde Flamm’ empor aus goldenem Oehlduft.</p>
+<p>Dorthin wies ein Gesicht, im mitternächtlichen Grauen</p>
+<p>Ihm aufsträubend das Haar vor Furcht und Erstaunen, ihn heut’
+erst.</p>
+<span class = "pagenum">47</span>
+<p>Wichtiges sollt’ ihm, dort enthüllt nach des Ewigen Rathschluß,</p>
+<p>Mächtig erheben das Herz in der Stunde des nahenden Kampfes.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt verließen auf seinen Wink die Reiter den Sattel,</p>
+<p>Daß, freiweidend im Feld, die Pferde sich letzten. Des Zaumes</p>
+<p>Ledig, sprangen sie wiehernd davon, und wälzten im Gras’ sich</p>
+<p>Links und rechts, die Gluth des gepreßten Rückens zu kühlen.</p>
+<p>Auch die Reiter gesammt ausruheten dort von der Wand’rung.</p>
+<p>Aber der Klausner, ein Greis, von neunzig entflohenen Jahren,</p>
+<p>Trat aus der Hütt’, im barnen Gewand’, und führte den Kaiser,</p>
+<p>Schweigender Ehrfurcht voll, zur Capelle. Der silberne Bart floß</p>
+<p>Ihm zu dem hanfenen Gürtel herab. Von den lastenden Jahren</p>
+<p>Wenig gebeugt, sah noch aus seinen erglühenden Augen</p>
+<p>Jugendkraft, die manchmal in sinnender Trauer am Boden</p>
+<p>Hafteten. Doch jetzt traten sie ein, und beugten die Knie’ dort,</p>
+<p>Wo gesegnetes Brot, der Seelen Speise, verwahrt war;</p>
+<p>Wo das Bild des Gekreuzigten stand, und die Mutter das Kindlein</p>
+<p>Wies in dem hehren Gemähld’, voll Lieb’ an den Busen es drückend,</p>
+<span class = "pagenum">48</span>
+<p>Und, den wonn’ausstrahlenden Blick auf die Menschen gerichtet,</p>
+<p>Allen zu rufen schien: „O liebt den Liebenden mir gleich!“</p>
+<p>Aber der Greis, als wär’ es zum legten Male hienieden,</p>
+<p>Sah zu ihr lang’ empor, und wandte sich dann zu dem Pilger:</p>
+<p>„Herr“, sprach er, „blick’ auf zu der Himmlischen! Früh in des
+Lebens</p>
+<p>Blüthenzeit hast du die Verehrung der seligsten Jungfrau</p>
+<p>Dir erkoren zum wahrenden Schild’, und dem Schiffer nicht
+ungleich,</p>
+<p>Der in der Sturmnacht fest aufschaut zu dem rettenden
+Leuchtthurm,</p>
+<p>Dadurch bewahrt im reinen Gemüth Vertrauen und Demuth:</p>
+<p>Jenes zu Gott und auf Menschenwerth, und dies’ auch im Glück’
+noch.</p>
+<p>Also wandeltest du, ein Seliger, fort auf des Lebens</p>
+<p>Dornenpfad mit heiterem Muth: der göttliche Sohn hört</p>
+<p>Gerne der Mutter Fleh’n, in ihrem Schutze geborgen.</p>
+<p>Jetzt auch wirst du gewiß, in dem furchtbarn Kampf der
+Entscheidung,</p>
+<p>Huldbeglückt, erringen den Sieg, wenn dir auf dem Schlachtfeld,</p>
+<p>In umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt:</p>
+<p>„Fromme Jungfrau’n einst zu versammeln zum Zeichen des Kreuzes.“<a
+class = "tag" name = "tag2_6" id = "tag2_6" href = "#note2_6">6</a></p>
+<p>Höre, demnach was mir mein Meister und Herr in Gesichten</p>
+<span class = "pagenum">49</span>
+<p>Dunkeler Zukunft wies: Ein Vater unzähliger Fürsten</p>
+<p>Wirst du seyn, und so oft auch hier auf irdischer Laufbahn</p>
+<p>Wechselt des Menschen Geschick vom Guten zum Schlimmen: so wird
+doch</p>
+<p>Treu’, und Redlichkeit stets in deinem Geschlechte noch dauern<ins
+class = "correction" title =
+"fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">.“</ins><a class = "tag"
+name = "tag2_7" id = "tag2_7" href = "#note2_7">7</a></p>
+
+<p class = "stanza">
+„Ernsten Gemüths, herrscht einst dein ältester über die Völker,</p>
+<p>Die dein heitres gewann, und fesselte. Ob er auch mannhaft</p>
+<p>Steht in der Männerschlacht, und vor ihm die Feinde, besiegt,
+flieh’n;</p>
+<p>Ob er auch ehret das Recht, und Gerechtigkeit übet als Richter,</p>
+<p>So auch die Wissenschaften, die Kunst’, und den frohen
+Gewerbsfleiß</p>
+<p>Blühen heißt mit dem Ackerbau, ein sorgsamer Herrscher:</p>
+<p>Dennoch mißt er die Liebe. Die Hand der ewigen Vorsicht</p>
+<p>Waltet über des Menschen Geschick’. In Dunkel gehüllet</p>
+<p>Möge sein Ende dir seyn. Ihn rächen entsetzlich die Seinen.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+„Schön an Gemüth und Körper, die Lust des Menschen&shy;geschlechtes,</p>
+<p>Faßt mit unstraflicher Hand die Kaiserkrone dein Enkel.</p>
+<p>Aber, ihm gleich, ein Held, vom feindlichen Schicksal zum Feind’
+ihm</p>
+<p>Auserkoren, entwindet sie ihr auf dem rauchenden Blutfeld</p>
+<p>Mühldorfs; doch entreißt er, erst nur der Rache gedenkend,</p>
+<span class = "pagenum">50</span>
+<p>Auch in der Kerkerluft der Trausnitz dem edelsten Manne</p>
+<p>Nicht den unsterblichen Kranz, der, lohnend, dem Guten zu Theil
+wird.</p>
+<p>Sieh’, er steht, erschütternd, vor ihm, da er Ehre viel höher,</p>
+<p>Denn des Lebens erlesenstes Glück, die goldene Freiheit,</p>
+<p>Achtet, und wiedergekehrt, die Hände noch selber den Fesseln</p>
+<p>Beut: ein Muster der deutschen Treu’ auf Wort und auf Handschlag!</p>
+<p>Innig ehrt er ihn d’rauf, und theilt das nächtliche Lager,</p>
+<p>Ja, auch den Purpurthron mit dem Freund, der Erde zum Staunen.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+„Ha, schon winket des Theuerdanks unsterblicher Held mir</p>
+<p>Aus dem strahlenden Licht des thaten&shy;verherrlichten Lebens!</p>
+<p>Sein erbarmt sich der Herr, und rettet ihn, wunderbar oft so,</p>
+<p>Wie auf der Martinswand, aus unsäglicher Noth und Gefahren,</p>
+<p>Welch’ ihm fortan drau’n auf des Herrschers dornigen Pfaden.</p>
+<p>Hoch erhebt er den Ruhm von Oestreich: kühn auf dem Schlachtfeld,</p>
+<p>Weis’ im Rath; ein Liedergewaltiger, Held, und Beherrscher.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+„Aber ihm folgt, o Habsburgs Stolz, sein größerer Enkel!</p>
+<p>Sein Zeitalter leuchtet in wunderherrlichem Glanz’ auf.</p>
+<p>Jugendlich regt sich die Erd’, und treibt den erfreuenden Keim
+schon</p>
+<span class = "pagenum">51</span>
+<p>Jedes Großen und Schönen hervor. Erhabene Geister</p>
+<p>Wandeln auf ihr zum Ziel &mdash; der Höchst’ er unter den Hohen!</p>
+<p>Ha, wie würdig er herrscht, wie kraftvoll! Fern in die Zukunft</p>
+<p>Schaut sein Blick: er sinnt auf Deutschlands Größe durch Einung,</p>
+<p>Auf Hispania’s Macht, und Italia’s, daß er die Rettung</p>
+<p>Schaffe dem Christenvolk g’en wildempörter Osmanen</p>
+<p>Allverheerende Wuth, die er tapfer bekämpft, und besieget.</p>
+<p>Auch jenseits dem unendlichen Meer’ erbeben die Völker</p>
+<p>Seiner Gewalt: nie geht die freundlich&shy;leuchtende Sonne</p>
+<p>Unter in seines umuferten Reichs endlosen Bezirken.</p>
+<p>Also die alt’ und die jüngere Welt im Segen zu einen,</p>
+<p>Strebt sein hohes Gemüth. Wie dunkel die Wege der Vorsicht!</p>
+<p>Deutschlands Gau’n durchtobt die Neuerung. Feindlichgeschieden,</p>
+<p>Schaut urplötzlich der Mensch dem Menschen in’s Aug: ihn
+verwildert</p>
+<p>Schrecklicher Sectenhaß: denn Mord, und Brand, und Empörung</p>
+<p>Würgt Jahrhunderte fort, und verscheucht bald jegliche Hoffnung,</p>
+<p>Die so herrliche Früchte verhieß. Vergeblich versucht er,</p>
+<p>Heimzuführen den scheuentflohenen Frieden: auf immer</p>
+<p>Scheint er entfloh’n. Ihn ergreift unendlicher Schmerz, und er
+endet,</p>
+<p>Freientsagend dem Thron, in einsamer Zelle sein Leben.“</p>
+
+<span class = "pagenum">52</span>
+<p class = "stanza">
+„Ha, nach neun, durch Weisheit, Mild’, und Gerechtigkeit ruhmvoll</p>
+<p>Herrschenden Männern deines Stamms, erseh’ ich im Thronsaal</p>
+<p>Eine gewaltige Frau, die im Sturm umdrauender Nöthen,</p>
+<p>Gottvertrauenden Muths, die Lieb’ und Bewunderung aller,</p>
+<p>Eintritt dort, mit dem Sohn’ auf dem Arm, in die hohe Versammlung</p>
+<p>Eines edelen Volks, und tausend Stimmen erschallen,</p>
+<p>Als der ehernen Scheid’ entrissen der blitzende Stahl fleugt:</p>
+<p>„Laßt uns sterben für Sie, die, als Königinn, uns ist ein König!“</p>
+<p>Glücklich als Gattinn und Mutter zugleich, und als Herrscherinn
+würdig</p>
+<p>Ewigen Ruhms, entschlummert sie sanft in den Armen des Todes.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+„Lange zum Manne gereift, nachfolgt ihr spät ihr Erzeugter:</p>
+<p>Herrschend des Volks Abgott, dem er nur Gutes gewillt ist.</p>
+<p>Aber ihm stürmts in der Brust: was kommenden Zeiten noch dau’re,</p>
+<p>Müsse sorgsam gepflegt, und festgegründet der Bau seyn,</p>
+<p>Das bedenket er nicht, und sieht noch sterbend, verwelket</p>
+<p>Was er gepflanzt, und im Sand, sturzdrohend, was er gebaut hat;</p>
+<p>Dennoch beut ihm die Liebe den Kranz niewelkenden Nachruhms.“</p>
+
+<span class = "pagenum">53</span>
+<p class = "stanza">
+„Siehe den Weisen, in dessen Hand dann erglänzet der Zepter,</p>
+<p>Reißt des Todes Geschick aus der Zahl der Lebenden schnell fort!</p>
+<p>Wohl ihm: denn früher erringt er das Ziel der herrlichsten
+Laufbahn</p>
+<p>Auf hesperischer Flur, wo er Glück ausspendet, und Segen!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+„Jetzt entschwinden die hehren Gesichte vor mir wie in Nebeln.</p>
+<p>Furchtbar steigt Geschrei in die Luft. Des alternden Erdballs</p>
+<p>Vesten wanken; es scheint, als sollt’ ein neues Geschlecht sich</p>
+<p>Heben empor aus dem gährenden Grund, doch früher die alten</p>
+<p>Ganz hinschwinden in Nichts: so entsetzlich schwelgt die Empörung</p>
+<p>Fort an den Strömen vergossenen Bluts. Der tauschenden Gleichheit</p>
+<p>Mordruf schallt: hinschwindelt das Volk, und reißt mit des
+Thrones</p>
+<p>Stürzendem Heiligthum’ auch sich selber hinunter zum Abgrund,</p>
+<p>Wo in dem nächtlichen Grau’n sein Wuthgestöhne verhallet.</p>
+<p>Aber ich sehe den Schiffer im Sturm, der, blickend zum Himmel,</p>
+<p>Unerschütterten Muths, durchfleugt die empörten Gewässer;</p>
+<p>Sehe den Sohn vor mir des Verblichenen, wie er im Nachtgrau’n</p>
+<span class = "pagenum">54</span>
+<p>Fortgewogt auf der Fluth, nun sinkt, nun steigt, bis er endlich,</p>
+<p>Lautumjauchzt, einfährt in den volkerfülleten Hafen,</p>
+<p>Und noch höher als erst, nach zwei Jahrzehenden aufragt:</p>
+<p>Denn ihn lenkt in den Tagen der Noth stets sicher der Tugend</p>
+<p>Heiliger Wink, und sein ist die Lieb’ und die Treue der Völker,</p>
+<p>Die er, ein Vater, beherrscht mit mildvorsorgender Weisheit.</p>
+<p>Heißt auch mancher Gewaltige „Groß“ in Geschichten der Menschen,</p>
+<p>Ihn wird einst die Nachwelt laut den <em>Edelsten</em> nennen.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+„Dunkler ward’s ... mir schwand in verworrenen Bildern die Zukunft.</p>
+<p>Doch nun hast du vernommen, was mir, unwürdigem Diener</p>
+<p>Heute der Herr enthüllt’. Leb’ wohl! Vollbracht ist des Lebens</p>
+<p>Weitumirrender Lauf &mdash; er endete, deiner gewärtig.</p>
+<p>Denk’ auch mein im Gebeth. Stets sey der Himmel dir gnädig!“</p>
+<p>Sagt’ es, und wankte hinaus, der Klaus’ entgegen. Er warf sich</p>
+<p>Dort auf die Knie’, und bethete leis’ mit erblassenden Wangen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber auch Rudolph lag mit tiefgesunkenem Antlitz</p>
+<p>So, daß die stürzende Thrän’ auf die Marmorstufe hinunter</p>
+<p>Ihm aus den Wimpern sank, mit hörbarem Laut in der Stille,</p>
+<span class = "pagenum">55</span>
+<p>Vor dem Altar auf den Knie’n. Sein Dank auf den Fittigen tiefer,</p>
+<p>Inniger Andacht flog empor zu dem Vater im Himmel.</p>
+<p>Als er den Blick zu dem Bild’ erhob, und das Aug’ auf die Augen</p>
+<p>Heftete, die so mild den frommhinwandernden Pilger</p>
+<p>Wecken zur Liebe des Sohn’s, da erblaßt’ er betroffen. Ihn
+dauchte:</p>
+<p>Daß sie in himmlischem Glanz’ erglühten, und schaudernder Angst
+voll,</p>
+<p>Wich er zurück vom Altar &mdash; bis jetzt in der Lampe der
+Lichtdocht</p>
+<p>Hell aufflammt’, und sanft, wie zuvor, die Mutter ihn ansah.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzo rief er Müllern herbei, der draußen im Vorhof</p>
+<p>Harrte; legte die Hand ihm fest auf die Schulter, und sagt’ ihm:</p>
+<p>„Hole die Waffen schnell: den Degen, den Helm, und den Harnisch;</p>
+<p>Auch die Spor’n, die wir mitführeten: leg’ sie in Demuth</p>
+<p>Auf den Altar; dann fasse den Speer, die Wache zu halten,</p>
+<p>Bis zum Morgen. Ich geh’, ein Weniges draußen zu schlummern.“</p>
+<p>Also geschah’s. Der Knappe ging, und holte, verwundert,</p>
+<p>Alles und Jedes herbei; dann faßt’ er den Speer, und erging sich</p>
+<p>Dort, gemessenen Schritts, die Wach’ an dem Heiligthum haltend.</p>
+<span class = "pagenum">56</span>
+<p>Doch als jetzt an des Himmels Rand der erwachende Morgen</p>
+<p>Wie der purpurne Kelch der frischentfalteten Rosen</p>
+<p>Glühete, hieß der Kaiser sein Volk der kleinen Capelle</p>
+<p>Nahen, und dort im Kreis’ umgeben den heiligen Altar.</p>
+<p>Anbethend stand er selber vor ihm; dann wandt’ er sich freundlich</p>
+<p>Gegen den Kreis; rief laut dem Knappen Müller, und winkt’ ihm,</p>
+<p>Niederzuknieen vor Gott auf die Marmorstufe. Den Wammsrock</p>
+<p>Nahm er ihm erst von dem Leib’, und umgab mit dem glänzenden
+Harnisch</p>
+<p>Ihm die Brust: er reicht’ ihm die Sporn’ und den trefflichen
+Degen</p>
+<p>Dar mit dem Wehrgehang; bedeckte sein Haupt mit dem Festhelm,</p>
+<p>Riß dann schnell das Eisen hervor aus der Scheid’, und begann so:</p>
+<p>„Weil du, tapfergesinnt, obgleich als Bürger geboren,</p>
+<p>Habsburgs Herrn, der jetzt des heiligen, römischen Reiches</p>
+<p>Kaiser sich rühmt, das Leben gerettet, und stets auf dem
+Schlachtfeld</p>
+<p>Ritterlich’ Ehre gewannst durch heldenmütige Thaten:</p>
+<p>Will ich dich hier, vor Gottes Altare, den Edeln gesellen.</p>
+<p>Aber bedenke denn auch, daß dir hinfort auf des Ritters</p>
+<p>Ehrenbahn gezieme, zu schirmen das Recht und die Unschuld;</p>
+<p>Schützer zu seyn des zarten Geschlechts in Zucht und in Ehren;</p>
+<span class = "pagenum">57</span>
+<p>Nie zu meiden den Kampf, in die Schranken durch Edle gefordert;</p>
+<p>Nie zu dulden die Schmach, und zu rächen erlittenes Unrecht,</p>
+<p>Kräftig und ohne Verzug, so dir’s nicht wehrt das Bewußtseyn:</p>
+<p>Hierauf schlag’ ich dich Gott, und Maria, der heiligen Jungfrau,</p>
+<p>Auch Sanct Görgen, des Ritters Patron, zu Ehren, zum Ritter.“<a class
+= "tag" name = "tag2_8" id = "tag2_8" href = "#note2_8">8</a></p>
+<p>Sagt’ es, und führte den Streich kreuzweis mit dem tönenden
+Schwertstahl</p>
+<p>Ihm die Schulter hinab, erhob den Edeln, und küßt’ ihn.</p>
+<p>Laut aufschrie die Schar der Versammelten. Jeglicher staunte,</p>
+<p>Forschte zuvor, wohin sich wende das ernste Beginnen?</p>
+<p>Doch, nun schüttelt’ ihm jeder die Hand, und lächelt’ ihm
+Beifall.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Schon erglühte das zarte Gewölk im lichteren Osten,</p>
+<p>Das dem erwachenden Tag das Nahen der herrlichen Sonne</p>
+<p>Kündete: sieh’, da führte sein treues Gefolge der Kaiser</p>
+<p>Schnell zum ersehneten Alpenrand, wo jetzo die Aussicht</p>
+<p>Unermeßlich groß, vor den Augen der Männer sich aufthat!</p>
+<p>Aber sie bebten zurück vor freudigem Schreck und Erstaunen:</p>
+<p>Erst zur Tiefe hinab, wo auf duftigen Schwingen die Nebel,</p>
+<p>Zögernden Flugs, bald hier, bald dort nach entfernteren Thälern</p>
+<p>Flatterten, sank ihr Blick. Wie staunt’ er: gewaltige Berghöh’n</p>
+<span class = "pagenum">58</span>
+<p>Nun zu Hügeln versunken, zu schau’n, und auf jeglichem ringsher</p>
+<p>Wiesen, und Ackergründ’, und <ins class = "correction" title =
+"Original: waldumsaumtes">waldumsäumtes</ins> Gehöftland;</p>
+<p>Unten am hellen Teich das Gotteshaus, und des Klosters</p>
+<p>Riesengebäude; das Thal entlang, an der schimmernden Traisen</p>
+<p>Hin, aufwirbelnden Rauch von den Eisenhämmern und Hütten &mdash;
+Dann</p>
+<p>unendlich hinaus vom Gebirg verbreitet die Fluren;</p>
+<p>Doch als jetzt aus dem Nebelmeer ihr breiteres Antlitz,</p>
+<p>Dunkelgeröthet, die Sonn’ erhob, und ringsum der Erdkreis</p>
+<p>Jubelte: reich mit Perlen geschmückt, und begrüßt von den Scharen</p>
+<p>Zahlloser Vögel im Wald’, in den Thälern, und hoch in den Lüften,</p>
+<p>Wo sich empor unsichtbar schwangen die wirbelnden Lerchen:</p>
+<p>Ha, da erglühte die Brust der Männer vor tiefem Entzücken!</p>
+<p>Mancher faltete, bethend, die Händ’, und blickte hinunter,</p>
+<p>Rings umher, dann himmelwärts, mit Thränen der Wonne.</p>
+<p>Keiner hatte zuvor erstiegen die Höh’n, und gesehen</p>
+<p>Dorther tausendfaltig besä’t mit schimmernden Städten,</p>
+<p>Dörfern, und Klöstern das Land, und hochaufragenden Burgen;</p>
+<p>Nur der erhabene Kaiser allein erlabte schon oft sich</p>
+<p>Dort an der seligen Schau, und begann jetzt freudigen Blickes:</p>
+<p>„Seht, wo nördlich hinaus sich die Straße, wie schimmernde
+Leinwand,</p>
+<p>Dehnt, Sanct-Pölten, die Stadt voll trefflicher Bürger und
+d’rüben</p>
+<span class = "pagenum">59</span>
+<p>Herzogburg mit dem Gotteshaus’ im lieblichen Aufeld.</p>
+<p>Seht dort links, erbaut auf dem weitgesehenen Berggrath,</p>
+<p>Göttweih herrschen im Donauthal, das herrliche Kloster;</p>
+<p>Doch, nicht ferne der Burg des Hoheneckers am Wald dort,</p>
+<p>Herrlicher Mölk: bewohnt von Benedicts Söhnen die beiden;</p>
+<p>D’rauf die Stadt’ auch: Krems, Und, Stein, von Traubengebirgen</p>
+<p>Rings umgrünt, an dem Ufer der hellerglänzenden Donau.</p>
+<p>Doch, o! wer erspäht’, auch schärferen Blickes, noch jenseits,</p>
+<p>Bis zu dem bläulichen Kranz der Karpathen hin, und den Marken</p>
+<p>Mährens der Menschen Wohnungen all’ in unendlicher Landschaft?</p>
+<p>Seh’t, g’en Westen, den Traunstein dort: er senket den Felsfuß</p>
+<p>Tief in den Gmundner See: die Zierde des Oberen-Oestreichs.</p>
+<p>Näher erglänzet die Tillisburg, die im ruhigen Thalgrund</p>
+<p>Birgt Sanct Florians Stift, das Haus ruhmwürdiger Chorherrn.</p>
+<p>Dann erhebt der mächtige Briel, und drüben der Oetscher</p>
+<p>Noch das Haupt zum Gewölk, und rings bis zum östlichen
+Schneeberg,</p>
+<p>Der nach der Wiener-Neustadt schaut, der <em>Immer-Getreuen</em>,<a
+class = "tag" name = "tag2_9" id = "tag2_9" href = "#note2_9">9</a></p>
+<p>Sehet ihr Berg’ auf Berge gethürmt, erschütternden Anblicks.</p>
+<p>Nur verhüllt uns der Kahlenberg mit seiner Karthause</p>
+<p>Wien, die Kaiserstadt, und das weitverbreitete Marchfeld,</p>
+<span class = "pagenum">60</span>
+<p>Wo jetzt Ottgar lagert, und dort auf blutigen Kampf sinnt;</p>
+<p>Doch wir biethen ihm lieber die Hand mit dem friedlichen
+Oehlzweig,</p>
+<p>Als daß er fühle den Schlag der eisernen, niedergeschmettert.</p>
+<p>Ha, dieß Bild entschwind’ euch nie, das heute so wonnig</p>
+<p>Uns enthüllten die Höh’n des Lilienfelder-Gebirges!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Eiliger wandt’ er jetzt die Schritte zurück, in der Hütte</p>
+<p>Noch dem frommen Klausner zu nah’n &mdash; zu vernehmen des
+Segens</p>
+<p>Laute von ihm, und ach, wie ergriff ihn Angst und Entsetzen,</p>
+<p>Als er geöffnet die Thür’, und ihn, vor dem Bild des Erlösers</p>
+<p>Auf den Knie’n, im Gebeth, mit gesunkenem Haupt und zum Boden</p>
+<p>Starrendem Aug’, ersah &mdash; doch stumm, und erblasset im Tod
+schon!</p>
+<p>Lange staunt’ er, bewegt, den Verblichenen an, und enteilte</p>
+<p>Dann der Hütt’. In des Augenblicks entschwindendem Zeitraum</p>
+<p>Schwangen die Reiter sich all’ in den Sattel, und trabten ihm,
+schweigend,</p>
+<p>Nach, zum Kloster hinab, wo er, tieferschüttert im Geist noch,</p>
+<p>Anbethend, weilt in dem Gotteshaus’, und dann in dem Kreuzgang</p>
+<p>Wandelnd, hinauf in das Schlafhaus stieg in der Stunde des
+Mittags.</p>
+<span class = "pagenum">61</span>
+<p>Hundert Schritt’ entlang, auf mächtige Säulen gegründet,</p>
+<p>Wölbete dreifach die Halle sich auf: nur dämmerndes Zwielicht</p>
+<p>Brach durch farbiges Glas der zierlichgestalteten Fenster.</p>
+<p>Ernst ergriff ihn das Bild der Vergänglichkeit, als er mit
+Ehrfurcht</p>
+<p>Staunte dem Bau. „Du sollst“, so lispelt’ er leise für sich hin,</p>
+<p>„Eiserngefügt, mit Stolz auf die wechselnden Zeiten herabschau’n;</p>
+<p>Aber vielleicht, daß nach sechs Jahrhunderten, oder nach sieben</p>
+<p>Du in dem Schutte versinkst, wenn dort die prasselnde Flamme</p>
+<p>Ueber dir braust, und vergeblich des Wanderers Auge dich suchet!“<a
+class = "tag" name = "tag2_10" id = "tag2_10" href =
+"#note2_10">10</a></p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, da nahte des Klosters Abt mit den Brüdern, und sagte:</p>
+<p>„Herr, du zürnest uns wohl? Wir säumten den Herrscher zu grüßen!“</p>
+<p>Doch der Kaiser begann: „Nicht euere Schuld ist es, wahrlich:</p>
+<p>Denn ich schlich gar leise herein, als käm’ ich, ein Späher.</p>
+<p>Jetzo gedenkt, Herr Abt, mit sorglicher Liebe zu einen</p>
+<p>Staub dem Staub’, aus welchem er kam: die Leiche des Klausners,</p>
+<p>Der in dem Herrn entschlief, in der einsamen Hütte der Alphöh’n.“</p>
+<p>„Weh’,“ entgegnete jener bestürzt, „so schwand auch der Segen</p>
+<span class = "pagenum">62</span>
+<p>Von den Alpen mit ihm: denn seinen erhörten Gebethen</p>
+<p>Dankten sie ihr Gedeih’n, und des Segens Fülle die Hirten!</p>
+<p>Aber nicht zeitlichen nur, auch ewigen wußt’ er zu spenden.</p>
+<p>Liebend brach er das Brot den Großen und Kleinen &mdash; versteht
+mich</p>
+<p>Wohl, erlauchtester Herr: das Brot des göttlichen Wortes,</p>
+<p>Das die Seel’ ernährt, und stärket für immer und ewig!</p>
+<p>Aber woher er kam; weß’ Landes und Stamm’s er gewesen,</p>
+<p>Hat noch keiner enthüllt. Versenkt in düstere Schwermuth,</p>
+<p>Kam er in frühester Jugendzeit auf die Alp’, und erbaute</p>
+<p>Dort die Capelle, geweiht dem Dienste der seligsten Jungfrau.</p>
+<p>Weniges sprach er nur, mit den Worten geizend &mdash; mit Werken</p>
+<p>Himmlischen Wohlthuns nicht: ein Heiliger allen verehret.</p>
+<p>Morgen wollen wir ihn mit der Seelenmeß’ und dem Bußpsalm</p>
+<p>Würdig zur Erde bestatten, und ihm erhöhen den Denkstein.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzo erscholl mit freudigem Ruf Drometengeschmetter</p>
+<p>Von dem Wege heran, der Zell’ entgegen &mdash; der Jungfrau</p>
+<p>Gnaden-Zelle, führt, wohin, wie der Hirsch nach dem Bronnen</p>
+<p>Schmachtet, unzählige Pilger zieh’n mit sehnendem Herzen</p>
+<p>Nach dem Segens-Born der göttlichen Huld und Erbarmung.</p>
+<p>Hell erglänzte das Aug’ und die Wange des Kaisers. Er eilte</p>
+<p>Rasch die Stufen herab: denn Albrecht, sein ältester, kam jetzt</p>
+<p>Her aus den rheinischen Gau’n mit tapferen Scharen gezogen.</p>
+<p>Laut begrüßt’ er den nahenden Sohn, und both ihm die Hand dar,</p>
+<p>Freundlich und mild; doch warm erwiedert’ es dieser, und innig,</p>
+<span class = "pagenum">63</span>
+<p>Obschon er düstern Gemüths nie lächelte. Siehe, zur Heerschau</p>
+<p>Hatt’ er die Krieger in Reihen gestellt! Mit stolzem Vertrauen</p>
+<p>Wies er ihm erst fünfhundert aus Zürch, die im Kampfe der
+Markgraf</p>
+<p>Hochberg lenkt; dann jene von Kyburg, Salm und Luzern her:</p>
+<p>Dreimal so viel’ an der Zahl, die Nürnbergs tapferer Burggraf,</p>
+<p>Friedrich, erkiesend, im Felde beherrscht, und wies ihm dann
+endlich</p>
+<p>Jene, den ersteren gleich an der Zahl, die er selber in Schwabens</p>
+<p>Heiteren Gau’n jüngst warb, und jetzo zum Kampf und zum Sieg
+führt:</p>
+<p>Lanzengewaltiges Volk, mit Helmen bewehrt und mit Schilden.</p>
+<p>Aber hinab und herauf vor den Reih’n erging sich der Kaiser</p>
+<p>Dort mit zögerndem Schritt’. Er sah mit freundlichen Blicken</p>
+<p>Jedem Krieger in’s Aug’; erzwang ihm ein Lächeln, und fragt’ ihn:</p>
+<p>Wie’s ihm erging seither? &mdash; bei’m Nahmen die Tapferen
+rufend.</p>
+<p>Manchem strich er das rauhe Gesicht mit der Rechten; dem andern</p>
+<p>Faßt’ er die Hand, und verhieß ihm des Kampfs Arbeiten die Fülle:</p>
+<p>Da er schon alle zuvor im furchtbarn Felde der Waffen</p>
+<p>Sah, und erprobte den Muth und die Kraft des einen und andern.</p>
+
+<span class = "pagenum">64</span>
+<p class = "stanza">
+Jetzo begann der Sohn dem herrschenden Vater zu künden:</p>
+<p>Wie er das Kriegsvolk warb in der Heimath &mdash; d’rauf an den
+Marken</p>
+<p>Schwabens vereinte zum Heer’; wie er schnell g’en Ulm an der
+Donau</p>
+<p>Zog, wo zuerst der Strom den breiteren Rücken zur Fahrt beut;</p>
+<p>Dann’ in Schiffen herab, durch Bayerns gesegnete Fluren,</p>
+<p>Also durch Oestreichs obere Gau’n nach Enns, und gelandet,</p>
+<p>Nach Stadt-Steyer geeilt, die am hellerglänzenden Waldstrom</p>
+<p>Vielfach den Wand’rer ergetzt durch eisengestaltender Meister</p>
+<p>Sinnigen Fleiß, und jetzt unwegsame Schluchten durchirrend,</p>
+<p>Kam nach Zell, wo sich an der Gnadenquelle die Krieger</p>
+<p>Alle reinten von Schuld, und des himmlischen Brotes genossen.</p>
+<p>„Doch,“ so erzählt’ er fort, „wie erhob mich, nicht ferne dem Ziel
+mehr,</p>
+<p>Heut’ in dem dunkeln Oetscherthal’ ein Wunder der Allmacht!</p>
+<p>Vor mir sprang ein flüchtiger Gemsbock fort in des Weges</p>
+<p>Krümmungen. Ich, von Jagdlust heiß, verfolgte den Kühnen</p>
+<p>Seitab, bis er vom Rand der steilabgleitenden Felswand</p>
+<p>Stürzte zur Tiefe hinab, und zerschmetterte dort die Gebein’
+all’.</p>
+<p>Aber der Rückgang schien auch mir versagt, und ich wand mich</p>
+<p>Mühesam nur, die Schluchten entlang, zu lichteren Stellen.</p>
+<p>Plötzlich ergriff mein Ohr ein Donnergetümmel: die Felsen</p>
+<p>Drönten umher; stets furchtbarer scholl aus der Schlucht, wie ich
+nahte,</p>
+<p>Stürzender Fluthen Gerausch’, und erfüllte die Thäler mit
+Schauder.</p>
+<span class = "pagenum">65</span>
+<p>Doch nun war errungen der Stand. Von des schwindligen Felsens</p>
+<p>Schmalvorragendem Riff’ ersah ich, vor freudigem Schrecken</p>
+<p>Selber zum Stein erstarrt, des Waldstroms Fall in den Abgrund:</p>
+<p>Denn vor mir aufthürmte sich hoch der gespaltene Felsberg</p>
+<p>Oben am Rand nur sanft zur Rechten gebogen, und dorther</p>
+<p>Stürzt, ein raschvorstürmendes Ungethüm, nieder die Lasing.<a class =
+"tag" name = "tag2_11" id = "tag2_11" href = "#note2_11">11</a></p>
+<p>Ha, wie Fluth auf Fluth und Wog’ auf Woge sich dränget,</p>
+<p>Rastlos; dann, erbebend dem Sturz’, aufheult, und die Stimme</p>
+<p>Aller, vereint, zum furchtbarn, schrecklichen Donnergetös’ wird!</p>
+<p>Wie sie sich fassen im Flug, mit eh’rnem Geprassel die Klippen</p>
+<p>Schlagen, und schäumen vor Wuth; wie sie von dem Felsen herunter</p>
+<p>Fort und fort, den jähabrollenden Schnee-Lawinen</p>
+<p>Gleich, im kreisenden Schwung sich wälzen, und stürzen, und ewig</p>
+<p>Rauschen, und brausen, daß rings die waldigen Höhen erzittern.</p>
+<p>Ueber die Berg’ empor, in die hehren Gefilde der Wolken</p>
+<p>Fleugt der glänzende Staub zerschellter Gewässer, und dreht sich,</p>
+<p>Wirbelnd, im eisigen Hauch des stromgeborenen Windes.</p>
+<p>Doch als dort in die Felsenschlucht, am glänzenden Mittag,</p>
+<p>Freundlich die Sonne schaut, da haucht sie in vielfacher Wölbung</p>
+<p>Hin auf das wirbelnde Naß den siebenfarbigen Bogen,</p>
+<p>Der die stürmende Brust mild sänftiget: so wie er Noah</p>
+<span class = "pagenum">66</span>
+<p>Einst erquickte das Herz, ein Zeichen der hohen Verheißung.</p>
+<p>Wahrlich, entzückend schön, und erhebend dem fühlenden Menschen,</p>
+<p>Pranget der Lasingfall in Oestreichs hehrem Gebirgsthal!“</p>
+<p>Aber er horchte den Worten des Sohn’s mit Lust, und geboth dann,</p>
+<p>Laut, dem Volke zu Fuß und den Reitern den eiligen Aufbruch.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Staunend ersah’n die Krieger zuvor, an der Seite des Kaisers</p>
+<p>Müllern im Ritterschmuck &mdash; den ebenbürtigen Bürger</p>
+<p>Zürcher Stadt; sie sah’n es, und lispelten, wiegend das Haupt
+noch,</p>
+<p>Einer dem andern die Frag’ in’s Ohr: „was solches bedeute?“</p>
+<p>Jener gewahrt’ es, und, sich im kreisenden Schwung in den Sattel</p>
+<p>Hebend, lenkte den Rappen herbei; dann heischt’ er von Diesem,</p>
+<p>Jenem die Rechte zum Gruß, und preßte sie, heiß in der seinen.</p>
+<p>Aber da kam, erglühenden Blicks, der Kaiser, und sagte:</p>
+<p>„Staunt nicht fürder, daß ihr im Ritterschmucke den Bürger</p>
+<p>Euerer Stadt erblickt. Allmänniglich ist es bekannt ja,</p>
+<p>Wie er in großer Gefahr mit tapferem Muth mir das Leben</p>
+<p>Rettete: d’rum auch werth und würdig des Standes der Edeln;</p>
+<p>Aber nicht Müllern nur, auch jeglichem steh’ ich als Schuldner,</p>
+<p>Der so, wie er dem Kaiser und Reich sich verdingte: Rudolphus,</p>
+<p>Kaiser des Reichs, wird ihm die Schuld mit Wucher bezahlen.“</p>
+<span class = "pagenum">67</span>
+<p>Sagt’ es, und schwang sich auf’s wiehernde Roß. Zum freudigen
+Aufbruch</p>
+<p>Scholl die Dromet’, und schnell g’en Wien bewegte der Zug sich.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, in des Abends Grau’n, gewiegt von gaukelnden Lüftchen,</p>
+<p>Rauschte das Laub in dem Weidenhain, der nahe den Mauern</p>
+<p>Drösings, am Hügel empor sich hob, und im schlängelnden Waldbach,</p>
+<p>Längs dem duftenden Thal sich spiegelte! Völlig verhallt war</p>
+<p>Nun des Kampfes Getös’ &mdash; erstürmt die Veste. Die Gegner</p>
+<p>Wichen, bezwungen, zurück, und Ottgars furchtbare Gattinn</p>
+<p>Sah schon stolz auf das Land, das bald (so wähnte sie thöricht)</p>
+<p>Oestreichs Aar’ entrissen, dem Leu’n von Böhmen zu Theil wird.</p>
+<p>Doch wer ist die holde Gestalt, die, zögernden Schrittes,</p>
+<p>Drüben, den Bach entlang, hinwandelt in sinniger Schwermuth?</p>
+<p>Hedwig, ihr’ Erzeugte, die Wonne des herrschenden Vaters,</p>
+<p>Und der Liebling des Volks, geliebt, und bewundert von allen.</p>
+<p>Aber warum erbebt ihr hochgesinnetes Herz nun</p>
+<p>Unter der sanftvorwölbenden Brust? Entlockte der Thränen</p>
+<p>Hellerglänzendes Paar, das über die rosige Wang’ ihr</p>
+<p>Träufelte, tiefverborgener Gram, und die Einsame geht nun</p>
+<p>Solches dem spähenden Blick der furchtbarn Mutter zu bergen?</p>
+<p>Ach, nicht der Mutter allein &mdash; auch allen den Sterblichen
+ringsum,</p>
+<p>Ja, sich selbst, und sogar dem Allerforscher im Himmel,</p>
+<span class = "pagenum">68</span>
+<p>Bärge sie gerne den Gram, dem heute die Thränen geflossen!</p>
+<p>Doch nun hemmt sie den Schritt. An den Stamm des schattenden
+Baumes</p>
+<p>Stützend den Arm, und pressend die Wang’ in die Höhle der Linken,</p>
+<p>Hebt sie das Aug’, voll Himmelsbläu’, empor zu den Sternen.</p>
+<p>Seitwärts sank von der hellen Stirn’ ihr des bräunlichen
+Haupthaars</p>
+<p>Ringelnde Meng’, und hing von den Schultern zugleich, und des
+Nackens</p>
+<p>Schöner Säul’ an dem schneeigen Faltengewande hinunter,</p>
+<p>Das dicht unter der schwebenden Brust der goldene Gürtel</p>
+<p>Lieblich umfing. Nicht kam von den funkelnden Sternen ein
+Lichtstrahl</p>
+<p>Ihr in die grau’numnachtete Brust. Sie starrte, verstummend,</p>
+<p>Lange vergeblich empor; doch jetzt mit lispelndem Laut nur,</p>
+<p>Und umschauend mit Angst, begann das jammernde Fräulein:</p>
+<p>„Ha, vernichtendes Bild &mdash; entsetzlich, und furchtbar, und
+dennoch</p>
+<p>Himmlisch zugleich aufschwebst du vor mir, umgaukelst mich
+rastlos,</p>
+<p>Und bethörst mir den Geist mit tiefverwirrendem Schwindel!</p>
+<p>Wallstein &mdash; Gott! Wen nannt’ ich? Sein Nahm’ entriß sich den
+Lippen</p>
+<p>Mir, der Unglücklichen jetzt, und ach, der holdeste Laut wär’s;</p>
+<p>Süßer als Harfengetön’ in des Mondlichts freundlichem Schimmer,</p>
+<p>Klang’ er mir in dem Ohr’, dürft’ ich ihn nennen &mdash; ich darf
+nicht!</p>
+<span class = "pagenum">69</span>
+<p>Glückliche Menschen ihr, die ihr dort in der niedrigen Hütte</p>
+<p>Wohnt, wo des Throns augblendender Glanz nicht das Herz von dem
+Herzen</p>
+<p>Trennt, dem ihr’s auf immer geweiht: wie zög ich so freudig</p>
+<p>Hin den dunkeln Pfad, der euch beglückend zum Ziel führt!</p>
+<p>Weh’, wie sprach ich? Wohin entschwand mir jede Besinnung!</p>
+<p>Grünende Matten, du murmelnder Bach, und ihr Sterne da oben</p>
+<p>Sagt es nicht, was ihr gehört. Du Mutter des Heiligsten, Besten,</p>
+<p>Huldvolle Maid, nah’ mir, der armen Verirrten, zur Rettung!</p>
+<p>Billig haßt’ ich ihn. Ha, wie verwegen er jüngst zu den Knie’n
+mir</p>
+<p>Sank &mdash; ich bebte vor Angst, in des Gartens umschattendem
+Laubgang;</p>
+<p>Wie er mir faßte die Hand, an die glühenden Lippen sie pressend,</p>
+<p>Bleich aufstarrte zu mir! Nicht soll er fürder mir nahen.</p>
+<p>Doch wer eilt im Dunkel daher? Ich stürbe vor ihm jetzt.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sagt’ es, und wollt’ entflieh’n: da trat ein edeler Ritter,</p>
+<p>Schimmernd im tönenden Waffenschmuck’, in der Stille des Abends</p>
+<p>Ihr in den Weg, und sprach: „Gönnt mir, holdseliges Fräulein,</p>
+<p>Freundlich Gehör! Von Eginhards Geschlechte geboren,</p>
+<p>Folg’ ich, ein Rittersmann, der Fahne des Königs von Böhmen,</p>
+<span class = "pagenum">70</span>
+<p>Eures Erzeugers, und doch, erschrecket nicht, steh’ ich, ein
+Anwald</p>
+<p>Seines Gegners, vor euch. Ich komme, gesendet von Hartmann,</p>
+<p>Rudolphs Sohn’, der euch schon lange zum Gatten erwählt ist:</p>
+<p>Denn in dem rosigdämmernden Licht unschuldiger Kindheit</p>
+<p>Wollten zu eh’lichem Bund’ euch die liebenden Aeltern vereinen,</p>
+<p>Ehe des schrecklichen Jammers Grund, die Krone der Kaiser,</p>
+<p>Feindlich die Fürsten schied, und her auf das eiserne
+Schlachtfeld</p>
+<p>Zog. Doch hört: mich hob er zuvor mit dem Speer’ aus dem Sattel,</p>
+<p>Als ich die flüchtende Schar aus den kühneroberten Mauern</p>
+<p>Drosendorfs verfolgt’, und ihn selber bestand auf dem Heerweg.</p>
+<p>Aber er schenkte das Leben mir, und die Freiheit &mdash; auf
+Ritters</p>
+<p>Redliches Wort d’rob heischend die Pflicht: daß ich brächte die
+Bothschaft</p>
+<p>Her, und zurück, wie es euch Bescheid zu geben, genehm ist.</p>
+<p>Ach, er hat euch jüngst, so sprach er mit leuchtenden Augen,</p>
+<p>Wiedergeseh’n nach Jahren voll Grams, und nimmer entschwindet</p>
+<p>Mehr ihm das Bild der holderblüheten Jugendgefährtinn!</p>
+<p>Nicht entfloh ihm die Hoffnung noch des ersehneten Friedens.</p>
+<p>Mild schlägt Rudolphs Herz: er biethet dem tapferen Ottgar</p>
+<p>Freundlich die Hand. Vielleicht, daß bald die gesonderten
+Krieger,</p>
+<span class = "pagenum">71</span>
+<p>Die jetzt noch, blutdürstenden Blicks, nach den Lagern hinüber</p>
+<p>Schau’n, und, geballt, erheben die Faust: voll dräuenden Ingrimms</p>
+<p>Gegen einander zu wüthen bereit, vernehmend des Friedens</p>
+<p>Fröhlichdrometenden Ruf, in die Scheid’ ihr blitzendes Eisen</p>
+<p>Bergen, und mitten im Feld mit lautem Gejauchz’ sich die Rechten</p>
+<p>Schütteln, und ganz vergessen des Grimms in froher Umarmung.</p>
+<p>D’rauf zerstreuen sich all’. Auf den stäubenden Straßen
+erschallet</p>
+<p>Sang und Klang. Bekränzt mit grünenden Reisern, enteilen</p>
+<p>Sie zur heimischen Flur, um dort in den Blicken der Lieben</p>
+<p>Jetzo des Wiedersehn’s erschütternde Wonne zu lesen.</p>
+<p>Dann aufdämmert auch ihm, dem euch die liebenden Aeltern</p>
+<p>Einst verlobten, der Tag ersehnter, unendlicher Wonne.</p>
+<p>Doch so ihn tröge der Hoffnungs-Strahl, und die waltenden
+Herrscher</p>
+<p>Sich bekämpften mit eisernem Trotz’ &mdash; o, hört ihn! Er frägt
+euch:</p>
+<p>Wollt ihr auch dann noch treu dem geschlossenen Bund euch
+erweisen?</p>
+<p>Fromm, und gut ist des Kaisers Erzeugter gesinnt: auf dem
+Schlachtfeld</p>
+<p>Hob sich sein Ruhm, und Deutschlands throngeborene Jungfrau’n</p>
+<p>Schau’n mit sehnlichem Blick nach dem herrlichgestalteten Mann
+hin.</p>
+<span class = "pagenum">72</span>
+<p>Nur kargt er mit den Worten: es wohnt stets düstere Schwermuth</p>
+<p>Ihm auf der Stirn’ &mdash; und im Herzen nach euch unendliche
+Sehnsucht.“</p>
+<p>Also sprach er, und harrte, bewegt, der entscheidenden Antwort.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Hedwig sann für sich hin; nach dauerndem Schweigen begann sie:</p>
+<p>„Wohl ist Rudolphs trefflicher Sohn, der tapfere Hartmann,</p>
+<p>Mir bekannt &mdash; ich ehre den edelgesinnten Jüngling;</p>
+<p>Aber getrennt hat uns des Schicksals eherner Rathschluß,</p>
+<p>Wandelnd in Haß, und nieversöhnliche Feindschaft der Aeltern</p>
+<p>Herzen um uns: ich steh’, entledigt der frühen Verlobung.</p>
+<p>Ach, und sollt’ in dem Kampf auch mein Erzeuger dem seinen</p>
+<p>Unterliegen, und ich, die Tochter des mächtigen Ottgar,</p>
+<p>Dem Europa’s Völker umher sich beugen, voll Ehrfurcht,</p>
+<p>Stürzen hinab in den Staub der schmachbelasteten Armuth:</p>
+<p>Dennoch würd’ ich nicht Rudolphs Sohn zum Gatten mir kiesen!</p>
+<p>Und, da nur ein einziges Wort entscheidet für immer,</p>
+<p>Künd’ ihm: ich hätte gewählt &mdash; für den Einen gelobt’ ich zu
+leben.“</p>
+<p>Also floh ihr das Wort von den zitternden Lippen. Sie wandte</p>
+<p>Heim nach der Stadt die furchtbeflügelten Schritt’, und der
+Ritter</p>
+<p>Eilte davon, beschwert mit der trauererregenden Bothschaft.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">73</span>
+<h3><a name = "gesang3" id = "gesang3">Dritter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Ha, schon lockte der Kampf des Geisterreiches Bewohner</p>
+<p>Aus dem übersinnlichen Raum’, und den Tiefen des Erdballs,</p>
+<p>Mächtigen Zaubers herbei! Auch <em>Marbod</em>,<a class = "tag" name
+= "tag3_1" id = "tag3_1" href = "#note3_1">1</a> der edele Markmann,</p>
+<p>Kam. Nicht im übersinnlichen Raum ergetzte das Licht ihn</p>
+<p>Seither: denn er saß, versunken in düstere Schwermuth,</p>
+<p>Dort in des Erdballs Schooß wohl zwölf Jahrhunderte lang schon,</p>
+<p>Seit er getrennt sich sah von der liebenden Gattinn, Erwine,</p>
+<p>Die, in dem Todeskampf’, ihm die Hände mit weinenden Blicken</p>
+<p>Reichte zum letzten Mal’, und dann, viel reineren Herzens</p>
+<p>Denn ihr Gemahl, empor zu glänzenden Räumen sich aufschwang.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Marbod herrschte, von Kraft und glühendem Muthe beseelet,</p>
+<p>Ueber ein tapferes Volk: Markmannen genannt in den Reihen</p>
+<span class = "pagenum">74</span>
+<p>Mächtiger Stämme des deutschen Vereins. Von Schwabens Gefilden</p>
+<p>Her, die norischen Alpen entlang, Pannonien nahend,</p>
+<p>Wo in der Ostmark sich am Ufer der mächtigen Donau</p>
+<p>Vindobona erhebt, bis hin zu den Höhen der Heünburg<a class = "tag"
+name = "tag3_2" id = "tag3_2" href = "#note3_2">2</a></p>
+<p>Schirmten gegen den Feind, im Rücken der Berge, die Marken,</p>
+<p>Sie des gemeinsamen Vaterlands, als mannhafte Streiter.</p>
+<p>Aber dem schrecklichsten dort, der allzermalmenden Roma,</p>
+<p>Ferne zu stehen, und ihm einst kühn zu begegnen im Schlachtfeld,</p>
+<p>Zog er nach Bojenheim; verjagte den Gothen-Beherrscher</p>
+<p>Katwald; gründete sich ein Reich und die Stadt an der Moldau,</p>
+<p>Marobud,<a class = "tag" name = "tag3_3" id = "tag3_3" href =
+"#note3_3">3</a> und ward gefürchtet umher in den Ländern.</p>
+<p>Inguiomar, der Ohm des tapfern, cheruskischen Hermann,</p>
+<p>Floh, von diesem gehaßt, zu Marbod. Sie kämpften im Marchfeld</p>
+<p>Lange die blutige Schlacht, und es rühmten sich beide des Sieges.</p>
+<p>Aber an Hermanns Macht, des glücklichen, schlossen die Scharen</p>
+<p>Marbods sich an. Da entriß, mit den Römern verbündet, ihm
+Katwald,</p>
+<p>Stürmend, die Burg Mar’bud, und entthront’ ihn. Ach, er vertraute</p>
+<p>Roma’s täuschender Huld, und starb in den Mauern Ravenna’s</p>
+<p>Arm &mdash; ein Zeuge des wechselnden Glücks auf irdischer
+Laufbahn!</p>
+<span class = "pagenum">75</span>
+<p>Doch nun kam er herauf, und wandte sich rasch nach den Fluren</p>
+<p>Oestreichs, das er mit Bojenheim sein nannt’ in der Vorzeit.</p>
+<p>Bald gewahrte sein Aug’ auf des Lilienfelder Gebirgs Höh’n</p>
+<p>Drüben die Ritterschar blondhaariger Deutschen. Er schwebte</p>
+<p>Jetzt in sausender Eile dahin, und so, wie der Geier</p>
+<p>Schnell von dem Felsenhorst nach dem dunkeln Thale herabfährt,</p>
+<p>Weil er im Laub hellschwirrende Vögel erspähte: so blitzschnell</p>
+<p>Fuhr er herab. Er staunte: wie hier die ermüdeten Krieger</p>
+<p>Schlummerten; dort, zu dem Bild des Gekreuzigten, einer der
+Helden</p>
+<p>Flehend rang, und ein Greis ihm naht’ in erschütternder Hoheit;</p>
+<p>Hörte: wie jenem der Greis der tiefverborgenen Zukunft</p>
+<p>Dunkel enthüllt’, und Habsburgs Ruhm mit unzähliger Völker</p>
+<p>Glück in seinem Geschlecht verkündete: schauend im Geist dort</p>
+<p>Oestreichs Größ’, und in Wonn’ erbebend den hehren Gesichten.</p>
+<p>Aber vor allem ergriff des stattlichragenden Herrschers</p>
+<p>Näh’ ihn, der, entsprossen aus seinem Stamm’, in des Aargau’s</p>
+<p>Thälern die Burge der Ahnen bewohnt’, und von allen gepriesen</p>
+<p>Als der Schirmer des Rechts, zum erhabenen Kaiser der Deutschen</p>
+<p>Jauchzenden Rufes erwählet ward. „Doch biethet ihm jetzo,“</p>
+<p>Also sagte zuvor der Greis auf den luftigen Alphöh’n,</p>
+<span class = "pagenum">76</span>
+<p>„Ottgar furchtbarn Kampf, und er soll in dem Waffengefild nur</p>
+<p>Dann erringen den Sieg, wenn ihm“ &mdash; welch’ dunkele Reden!
+&mdash; „In</p>
+<p>umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt?“</p>
+<p>Dacht’ es, und eilte, die Heeresmacht des gewaltigen Königs</p>
+<p>Drüben am Ufer der March, durchdringenden Blick’s, zu erforschen;</p>
+<p>Rudolph helfend zur Seite zu steh’n; in dem Seelenverein ihm</p>
+<p>Stets zu erregen das Herz zu ruhmverherrlichten Thaten,</p>
+<p>Und zu enthüllen die List auflauernder Feind’ in dem Feldzug.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Dort, wo im schimmernden Zelt’, umfangen von nächtlichen Schatten,</p>
+<p>Ottgar eben, vereint mit den tapferen Helden, zu Rath saß,</p>
+<p>Hielt er, schwebend, und sank, wie der Aar, der hoch aus dem
+Luftraum</p>
+<p>Auf die kreischenden Jungen sich senkt, vor dem Zelte herunter;</p>
+<p>Doch wie erwachte sein Zorn, als jetzt Drahomira die Recht’ ihm</p>
+<p>Lächelnd both, im Wahn: er nah’ als Verbündeter Freund ihr.</p>
+<p>Grimmig sah er sie an; sie lächelte wieder, und sagte:</p>
+<p>„Ha, nicht hast du die Knie’ vor des Menschen-Sohne gebeugt
+einst,</p>
+<p>Du, in dem Lande der Frei’n Geborener: hast in des Eichwalds</p>
+<p>Schauriger Nacht, noch triefend von Blut, geopfert den
+Göttern&nbsp;&mdash;</p>
+<span class = "pagenum">77</span>
+<p>Zwar erschuf sie der Wahn, doch hatten wir Schuld an dem Irrwahn</p>
+<p>Dort? Jetzt nähr’ ich ihn kühn &mdash; will nie dem stolzen
+Gewaltspruch</p>
+<p>Huldigen. Komm, und stehe mit mir im Bund des Verderbens.</p>
+<p>Stark ist mein unbändig Gemüth: dir will ich auf immer</p>
+<p>Thatengenossinn seyn auf der Bahn, die Empörung genannt wird</p>
+<p>Von dem Beherrscher des All’s. Wir wandeln sie muthig und kühn
+fort,</p>
+<p>Wie er es will, uns fern von des Lichtreichs Gränze verbannend.</p>
+<p>Uns vereine das gleiche Geschick und die gleiche Gesinnung:</p>
+<p>Ottgar falle besiegt; Kunegund’ sey Herrscherinn! Mir gleich</p>
+<p>Trägt sie im Busen ein Herz, voll Kraft, und unbändiger
+Kühnheit.“</p>
+<p>Aber sie lockt’ ihn umsonst: aus der Bläue der trotzigen Augen,</p>
+<p>Die, vom röthlichen Haar umwallt, einst, Gegnern zum Schrecken,</p>
+<p>Glüheten, sah er, verachtenden Blicks, auf die Zauberinn nieder;</p>
+<p>Wandt’ ihr den Rücken, und fuhr in den Raum des Zeltes herunter:</p>
+<p>Denn ihm schwebt’ Erwinens Bild vor den Augen, und Thränen</p>
+<p>Trübten sie schnell, da er jetzo, bewegt, der Sanften gedachte.</p>
+<p>Doch als sie in dem Kreis’ der Versammelten hier Kunegundens</p>
+<p>Herz mit verblendendem Zorn und Haß zu erfüllen bedacht war;</p>
+<span class = "pagenum">78</span>
+<p>Ottgar selbst, von dem Weib’ empört, dem Herrscher der Deutschen</p>
+<p>Grause Vernichtung sann; Verrath in den Mauern der Hauptstadt</p>
+<p>Gegen ihn dräuend sich hob, und, „Rache,“ die Losung des Heers
+war:</p>
+<p>Ha, da flog der entrüstete Geist in Eile von dannen!</p>
+<p>Eben erglühte das Morgenroth, erneut, wie der Hoffnung</p>
+<p>Herzerheiternder Strahl, an dem östlichen Himmel. Er fühlte</p>
+<p>Ruh’ in der stürmischen Brust, und schwebte hinan zu den Zinnen</p>
+<p>Wiens, wo er bald mit ringsumspähendem Blick im Gebein-Haus,</p>
+<p>Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen,</p>
+<p>Rüdiger Waldram fand, der dort mit den Bürgern zu Rath saß:</p>
+<p>Rudolphs Feinden die Veste noch heut zu verrathen, entschlossen.</p>
+<p>„Seht,“ so sprach er, „uns frommt’s des ruhmverherrlichten
+Ottgars</p>
+<p>Herrscherthron zu erhöhen in Oestreichs blühender Hauptstadt.</p>
+<p>Wir sind Bürger der Stadt, und erfuhren es all’ in der Wahrheit,</p>
+<p>Daß uns Rudolphs Macht, des stolzaufstrebenden Fremdlings,</p>
+<p>Schon in dem früheren Völkerkampf nicht zu schirmen vermochte.</p>
+<p>Seine Heimath ist fern &mdash; ein Aargau’r bleibt er noch immer.</p>
+<p>Flieht den Leu’n im güldenen Feld: <em>roth</em> glüht er vor
+Ingrimm;<a class = "tag" name = "tag3_4" id = "tag3_4" href =
+"#note3_4">4</a></p>
+<span class = "pagenum">79</span>
+<p>Aber euch sey in dem Purpurfeld der <em>weiße</em><a class = "tag"
+name = "tag3_5" id = "tag3_5" href = "#note3_5">5</a> willkommen,</p>
+<p>Selbst vor dem Doppelaar, den Kaiser Friedrich, der And’re,<a class =
+"tag" name = "tag3_6" id = "tag3_6" href = "#note3_6">6</a></p>
+<p>Hier zum Wapen uns gab. Nun hört’, ihr Getreuen! Erschallen</p>
+<p>Wird vor dem Stubenthor im mitternächtlichen Grauen</p>
+<p>Dreimal ein Glöckchen. Es ruft uns zur That: denn kühne Gesellen,</p>
+<p>Von dem König der Böhmen gesandt, durcheilen den Wehr-Gang</p>
+<p>Außer der Veste, wo ich in Menge die tödlichen Waffen</p>
+<p>Heute gehäuft. Wir öffnen das Thor, und, wißt es: verrathen,</p>
+<p>Oder errungen im Blut &mdash; uns gleich! wir biethen die Stadt
+ihm</p>
+<p>Morgen zum Unterpfand des jüngstbeschworenen Bundes.</p>
+<p>Eilt nun heim, und gedenket des Muths, und des herrlichsten Lohn’s
+nur!“</p>
+<p>Schweigend reichten ihm jene die Hand, und eilten von dannen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber mit Schrecken vernahm den schnöden Verrath an dem Kaiser</p>
+<p>Marbod im schwebenden Flug’, und sann, wie er solchen vereitle.</p>
+<p>Jetzt entschloß er sich rasch, zu nah’n im warnenden Traumbild</p>
+<p>Hugo von Tauffers, dem Greis’ unbändigen Muthes im Schlachtfeld,</p>
+<p>Dessen gewaltiger Feldherrnkraft die Veste vertraut war.</p>
+<p>Wie sich ein Nebelgewölk hersenkt auf die dämmernden Berghöh’n:</p>
+<span class = "pagenum">80</span>
+<p>Also nahet’ er ihm, und wies in der Tiefe des Grabens,</p>
+<p>Außer dem Stubenthor’, ein Heer von Wölfen: sie folgten</p>
+<p>Eilig dem Weidmann nach, der wildanlockenden Köder</p>
+<p>Trug in der Hand, und Waldram glich, voll triegender Arglist.</p>
+<p>D’rauf durchstürmten sie das eröffnete Thor, und erwürgten</p>
+<p>Ringsum Kinder und Greis’, und lautaufheulende Mütter</p>
+<p>So, daß das Blut durchwogte die Stadt, wie ein brausender
+Gießbach,</p>
+<p>Der im regnigen Herbst mit schäumenden Fluthen daherfleugt.</p>
+<p>Stöhnend entwand sich der Held dem Traum’, und sagte, verwundert:</p>
+<p>„Wahrlich, mir führte die Nacht noch nie so klar und lebendig</p>
+<p>Gaukelgebilde des Schlafs an der Seele vorüber. Mich dünket,</p>
+<p>So ich es recht erwäg’ im Gemüth: ein warnender Traum seys!“</p>
+<p>Und er erhob sich behend’, um die Veste besorgt in dem Herzen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt erscholl ringsher von den hochaufragenden Wällen,</p>
+<p>Mächtiger stets Drometengetön’, und unzählige Glocken</p>
+<p>Weckten mit ehernem Schall des Volks unendlichen Jubel:</p>
+<p>Denn von des Berges Höh’n, wo die Spinnerinn saß an dem
+Kreuzbild,</p>
+<p>Kam Kriegsvolk, und vor ihm der erhabene Kaiser. Die Sonne,</p>
+<p>Die sich im rosigen Osten erhob, sog blitzende Strahlen</p>
+<p>Aus dem stählernen Kleid der Gewaffneten, herrlich zu schauen!</p>
+<p>Rührend zugleich, und herrlicher noch: wie, inmitten des Volkes,</p>
+<p>Das entgegen ihm zog, im Geleit zwo lieblicher Töchter,</p>
+<span class = "pagenum">81</span>
+<p>Agnes und Adelheid, und Hartmann, ihres Erzeugten,</p>
+<p>Man die Kaiserinn trug in der Sänfte. Die Mutter der Armen</p>
+<p>Hieß sie dem Volk’, und hieß die trefflichste Mutter und Gattinn:</p>
+<p>Mild sich bewährend an allen zugleich, ein Engel an Sanftmuth;</p>
+<p>Doch sie naht’, abzehrend, des Lebens Ziel’, und auf einmal</p>
+<p>Welket sie hin wie die Blume, versengt vom giftigen Mehlthau.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Draußen in Matzleinsdorf, wo fromme Verehrer ein Standbild</p>
+<p>Weihten dem Sankt Florian, dort hob Jahrhunderte lang schon</p>
+<p>Eine Linde sich auf, die mächtigen Zweige verbreitend</p>
+<p>Rings, und biethend in Sommers Zeit umschattende Kühlung</p>
+<p>So dem Pilger zugleich, wie dem schwerarbeitenden Löhner.</p>
+<p>Dort geboth er die Rast, und grüßte die nahende Volksschar</p>
+<p>Freundlichen Blicks. Doch jetzt, die treffliche Gattinn
+gewahrend,</p>
+<p>Trat er zu ihr, und führte sie sanft zum beschatteten Sitz hin.</p>
+<p>Wie ihm die liebende Brust auch blutete, sie an des Lebens</p>
+<p>Kraft so erschöpft, und ach, dem Tode verfallen zu schauen;</p>
+<p>Dennoch bezwang er den Schmerz, und sah ihr noch heiter in’s
+Antlitz!</p>
+<p>Aber das liebliche Paar der Töchterchen legt’ ihr das Kissen,</p>
+<p>Unter den Füßen zurecht, und wand das Tuch ihr mit Sorgfalt,</p>
+<p>Um die erschütterte Brust: der dräuenden Kühle gedenkend.</p>
+<span class = "pagenum">82</span>
+<p>Doch sie sprach zu dem trauten Gemahl, verweisend mit Sanftmuth:</p>
+<p>„Gar nicht erwägest du, ach, wie des Vaters die Kinder
+bedürfen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Meiner, der Mutter, nicht mehr: denn schon gewahr’ ich sie mündig</p>
+<p>Alle vor mir, und bewahrt, mit Gott, in jeglichem Guten!</p>
+<p>Rastlos sucht dein Geist nur Müh’ und Arbeit: die Tag all’</p>
+<p>Schwinden dir hin, und die Nächte, gesammt, in ewigem Streben</p>
+<p>Nach dem erkorenen Ziel’, und die Ruh’ erquicket dich nimmer.</p>
+<p>Auch bestehst du zu oft und zu kühn die Gefahren, als Herrscher;</p>
+<p>Zogst auch jetzo hinauf g’en Lilienfeld in dem Waldthal</p>
+<p>Nur mit schwachem Geleit, und leicht wohl hätte die Heimkehr</p>
+<p>Dir der Böhme verwehrt, so ein arger Verräther es kund that.</p>
+<p>Weh’, und neu entflammt sich der Krieg! Von neuem beginnst du</p>
+<p>Wieder den blutigen Lauf, und, ob auch die liebende Gattinn,</p>
+<p>Ob die Mutter vergehe vor Angst, und die Kinder, verwaiset,</p>
+<p>Schreien nach dir &mdash; umsonst: du kennst, Tollkühner, die Furcht
+nicht!</p>
+<p>Ach, erhob dich die Huld der ewigwaltenden Vorsicht</p>
+<p>Nicht auf den Thron, daß du beglückest unzählige Völker;</p>
+<p>Führest den Frieden zurück’ in die sturmerschütterten Gauen</p>
+<p>Deutschlands, unseres Vaterlands, und erhebest die Ostmark,</p>
+<p>Deinem Geschlechte zum Ruhm &mdash; zum Sitz’ unendlichen
+Segens?“</p>
+<span class = "pagenum">83</span>
+<p>Jener entgegnet’ ihr sanft: „Nicht also gedacht, und gesprochen</p>
+<p>Hast du, Theure, zuvor in den blühendentfalteten Jahren,</p>
+<p>Als in den Kampf dein Held auszog. Du reichtest die Waffen</p>
+<p>Selber ihm dort, vom Staub sie reinigend, oder vom Blutrost</p>
+<p>Oft mit dem Hauche des Mund’s und den zartgestalteten Fingern,</p>
+<p>Und umgürtetest ihn mit dem Schwert, nach ad’liger Sitte.</p>
+<p>Zwar dir pochte die Brust, und die rosigerglühenden Lippen</p>
+<p>Zitterten ob den Gefahren des Kampfs; doch immer bezwangst du,</p>
+<p>Schweigend, die Angst, und theiltest die Freude des kehrenden
+Siegers:</p>
+<p>Denn nicht eitelen Ruhm, nicht schnöden Besitz zu erjagen,</p>
+<p>Lag ich draußen im Feld; nie schaffte mein Eisen das Eigen</p>
+<p>Armer und Waisen mir heim: nur diese zu schirmen &mdash; zu
+rächen</p>
+<p>Unterdrückung und Schmach der Unschuldigen, zog ich mit Macht
+aus,</p>
+<p>Wie es die Ritterehre geboth. Auch jetzo, gezwungen</p>
+<p>Nur, entreiß’ ich das Schwert der rostenden Scheide. Des Friedens</p>
+<p>Bothen, erhaben an Rang und Verdienst, entsandt’ ich in’s Lager</p>
+<p>Ottgars erst: wohl mir, so er beiden ein günstiges Ohr leiht!</p>
+<p>Doch so er taub verschmäht den ein- und den anderen: dann sey</p>
+<p>Gott befohlen mein Haupt. Ich muß ja leben, und sterben,</p>
+<p>Wie es der Völker Wohl und des Herrschers heilige Pflicht
+heischt.</p>
+<span class = "pagenum">84</span>
+<p>Mög’ er Tröster dir seyn, und das Leben noch lange dir fristen</p>
+<p>Mir zur Freud’, und den Kindern zum Glück’, auf immer und ewig!“</p>
+<p>Jetzo erhob er sich rasch von der steinernen Bank mit der
+Gattinn;</p>
+<p>Winkt’, und reicht’ ihr, zum Scheiden, die Hand. Durch quellende
+Zähren</p>
+<p>Sah’n sie lang’ einander in’s Aug’: die Zitternde sank ihm</p>
+<p>Dann, voll Hast, an die Brust, und küßte das pochende Herz ihm.</p>
+<p>Angst ergriff das Volk, und ihr’ Erzeugten verhüllten,</p>
+<p>Weinend, das Aug’: sie kehrete heim nach der einsamen Hofburg.</p>
+<p>Ach, nicht sieht er sie mehr, die holde Geliebte der Jugend,</p>
+<p>Nicht die erlesenste Gattinn mehr, nicht die beste der Mütter:</p>
+<p>Denn ihr Lebenslicht soll nun, wie die Lampe verlöschen,</p>
+<p>Die, des Oehles beraubt, nur matt aufflimmert noch einmal!</p>
+
+<p class = "stanza">
+D’rauf an der Wien, die träg in den buschigen Ufern sich fortwälzt,</p>
+<p>Führt’ er die Heerschar schnell den Mauern der Veste vorüber:</p>
+<p>Denn nicht wollt’ er die Burg in den Tagen des Kampfes
+beschreiten,</p>
+<p>Wählend das Zelt zur Wohnung im Kreise der tapferen Krieger.</p>
+<p>Außer dem Stubenthor naht’ ihm mit eilenden Schritten</p>
+<p>Hugo von Tauffers, er, des treuen, tyrolischen Berglands</p>
+<span class = "pagenum">85</span>
+<p>Heldensohn, der, jüngst erkoren zum Schirmer der Festung</p>
+<p>Tausend trefflichen Schützen geboth, die er warb in der Heimath.</p>
+<p>„Herr,“ so sprach er ihm leis’ in das Ohr, „nicht wollest du
+Hugo’s,</p>
+<p>Deines Getreu’n, der lange, fürwahr, den Schuhen des Jünglings</p>
+<p>Schon entwuchs, jetzt höhnen, als aberwitzigen Träumers!</p>
+<p>Wohl ist des Menschen Geschick, zu spielen als Kind an dem
+Morgen;</p>
+<p>D’rauf an dem Mittag ernst zu wandeln als Mann, &mdash; wie ein Kind
+fast</p>
+<p>Sich zu geberden als Greis, an dem Abend des wechselnden Lebens;</p>
+<p>Doch, getrost: noch sitzet das Haupt mir fest auf den Schultern;</p>
+<p>Schaue noch scharf in die Fern’, und mir entgehet der Laut nicht,</p>
+<p>Der zu Thaten mich ruft im rühmlichen Felde der Waffen!</p>
+<p>So verkünd’ ich dir jetzt, wie heute am dämmernden Morgen</p>
+<p>Mir ein Wundertraum das Geheimniß enthüllte, daß Gegner</p>
+<p>Drinnen im Schooße der Stadt gehägt, gleich giftigen Nattern,</p>
+<p>Sinnen auf Mord und Verrath. Ich sah an dem heimlichen Wehr-Gang,</p>
+<p>Der, verborgen im dichten Gesträuch, vom Ufer der Donau,</p>
+<p>Vielverschlungenen Zugs, zu dem inneren Graben heraufführt,</p>
+<p>Listigeröffnet die Thür’, und gehäuft unzählig die Waffen:</p>
+<p>Sie zu vertrau’n der würgenden Faust verruchter Gesellen.</p>
+<p>Auch entnahm ich zuvor aus dunkelen Zeilen, daß Waldram,</p>
+<span class = "pagenum">86</span>
+<p>Gestern um Mitternacht Rath hielt im grausen Gebeinhaus</p>
+<p>Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen.</p>
+<p>Solches erwäg’, o Herr, und begegne dem schnöden Verrath jetzt!“</p>
+<p>„Horch,“ so gab ihm der Kaiser zurück, „der Huth in der Festung</p>
+<p>Eine sich hier die Schar zweitausend gewaltiger Schweizer</p>
+<p>Heute noch, die, so heiß’ es, erschlaffte die dauernde
+Heersfahrt!</p>
+<p>Hartmanns Muthe vertraut sey dann die Vest’ und die Hofburg;</p>
+<p>Doch du schwinge dich hurtig auf’s Roß, und reite g’en Theben,</p>
+<p>Wo schon Ladislav, mit der Krone des heiligen Königs</p>
+<p>Jüngst geschmückt, als Freund und verbündeter Kriegesgenosse,</p>
+<p>Unser mit Sehnsucht harrt im Kreise der tapfer’n Magyaren.</p>
+<p>Ihm entbiethe denn unsern Gruß: er solle bereit steh’n,</p>
+<p>Bis von dem Kahlenberg’, in dem mitternächtlichen Grauen</p>
+<p>Hoch die Lohe sich hebt: des Kampfs bedeutender Wink; dann</p>
+<p>Eil’ er herüber die March mit den schrecklichen Reitern, und
+berge</p>
+<p>Sie in dem trocknen Geröhr’, an dem Weidenbache vor Marchek.</p>
+<p>Auch ich werde nicht fern mehr seyn, und ihm einen die Scharen</p>
+<p>Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“</p>
+<p>Hugo vernahm das Wort &mdash; nicht zweimal braucht’ er’s zu
+hören:</p>
+<p>Denn er hob sich, behend’, im kreisenden Schwung in den Sattel,</p>
+<span class = "pagenum">87</span>
+<p>Jagte davon &mdash; ihm nach der rüstige Knapp’, und in Säulen</p>
+<p>Hob sich der Staub empor in die Luft vom schimmernden Heerweg.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch nun theilten die Schützen Tyrols mit den tapferen Schweizern</p>
+<p>Wiens ruhmwürdige Huth, wie solches der Kaiser gebothen,</p>
+<p>Der das Schwert von der Hüfte sich nahm, und dem tapferen
+Hartmann,</p>
+<p>Seinem Erzeugten, es gab mit sanftermahnenden Worten:</p>
+<p>„Deinem Muthe vertraut sey jetzo die Burg und die Festung</p>
+<p>Wiens, der herrlichen Stadt. Ein rettender Schild der Bedrängten</p>
+<p>Mögest du seyn, und den Ruhm von deinem Geschlechte bewahren,</p>
+<p>Das von der Habsburg kam, und Oestreich, liebend, zur Heimath</p>
+<p>Sich erkor: ihr Glück auf immer zu gründen, entschlossen!“</p>
+<p>Sagt’ es, und Hartmann trat mit schweigendem Ernst in die Vest’
+ein,</p>
+<p>Dort zu gebiethen der Schar wallschirmender, muthiger Völker.</p>
+<p>Trauer umwölkte sein stilles Gemüth. Von den Sterblichen einer,</p>
+<p>Die, durch Prüfung bewährt, des Herrn verborgener Rathschluß</p>
+<p>Wandeln heißt auf der Dornenbahn in die ewige Heimath,</p>
+<p>Wuchs er in Schwermuth auf. Den Gegnern gefürchtet im
+Schlachtfeld,</p>
+<span class = "pagenum">88</span>
+<p>Und von Jeglichem ob des Wissens Reichthum bewundert,</p>
+<p>War er der Aeltern Stolz, und die Freude der edelsten Menschen;</p>
+<p>Doch mißlang ihm oft sein Müh’n und Streben, und ach, erst</p>
+<p>Kündet’ ihm Eginhard des stolzgesinneten Fräuleins</p>
+<p>Liebeverschmähendes Wort. Er hielt sich die Brust mit der
+Rechten,</p>
+<p>Wo das Herz empörter ihm schlug, und sah zu dem Himmel</p>
+<p>Düsteren Blicks, empor; doch bald bezwang er sich wieder:</p>
+<p>Mit Ergebung vor Gott, und den Menschen zu wandeln, entschlossen.</p>
+<p>Jetzt, so hoch ihn der Ruf des Heldenvaters auch ehrte,</p>
+<p>Inner den ragenden Mauern Wiens dem Feinde zu trotzen,</p>
+<p>Und zu entreißen den Sieg, nicht weckt’ er ihm Freud’ in dem
+Herzen:</p>
+<p>Denn ihn hieß auf den Kahlenberg zur stillen Karthause</p>
+<p>Pilgern ein frommes Gelübd’, und, wie es nun lösen? &mdash; nicht
+wußt’ er’s.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber es zog auf der Brücke dort, die, einigend Leupold’s</p>
+<p>Außen- und Inselstadt<a class = "tag" name = "tag3_7" id = "tag3_7"
+href = "#note3_7">7</a> mit dem Land’ und der Vest’, in dem Grund
+fußt,</p>
+<p>Eilig der stattliche Kaiser einher vor den muthigen Scharen.</p>
+<p>Schmal, und getrennt von dem Riesenarm der herrschenden Donau,</p>
+<p>Wogt in der Tiefe der Strom, und umfaßt ein mächtiges Eiland,</p>
+<p>Das im Schooße die Außenstadt und umschattende Auen</p>
+<span class = "pagenum">89</span>
+<p>Lieblich vereint, zur Lust des wandelnden Städtebewohners.</p>
+<p>D’rauf im Eilschritt ritt er hinaus auf den schwankenden Bohlen,</p>
+<p>Wo auf dem Riesenstrom sich die Fähren an Fähren, im Halbkreis</p>
+<p>Reihten, dem wachsenden Mond’ an dem Sternenhimmel nicht
+ungleich,</p>
+<p>Wenn er auf dunkeles Nebelgewölk im Westen hinabsinkt.</p>
+<p>Angelangt an der Spitze, vom Tabor hinaus, wo im Aufeld</p>
+<p>Links an der Straß’, und rechts sein Heer das Lager bezogen,</p>
+<p>Sah er zum Ehrenempfang die Scharen geordnet, und winkte</p>
+<p>Beifall den Amtnern<a class = "tag" name = "tag3_8" id = "tag3_8"
+href = "#note3_8">8</a> zugleich, und den muth&shy;begeisterten
+Kriegern:</p>
+<p>Denn schon hob sich ihr Freuden-Geschrei die Reihen hinunter,</p>
+<p>Endlosdauernd im Ruf: „Hoch lebe der Kaiser Rudolphus!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Allen voran stand dort der Hauf’ östreichischer Krieger,</p>
+<p>Ober’n und unteren Lands; die letzteren führte Capellen,</p>
+<p>Jene Dietrichstein in das Feld: zehntausend der Männer,</p>
+<p>Die mit dem Panzerhemd, mit dem Helm’, und dem Schilde bewehret,</p>
+<p>Kämpfend zu Fuß, aufschwangen im Feld die tödlichen Lanzen.</p>
+<p>Aber das muthige Volk der Steyrer, der Krainer, und Kärnthner</p>
+<p>Stand an jene gereiht, und, wahrt’ auch der Helm nicht das Haupt
+ihm,</p>
+<p>Nicht der eiserne Harnisch die Brust; doch würd’ es, den Degen</p>
+<span class = "pagenum">90</span>
+<p>Schwingend, durchbrechen im Sturm, und erringen den blutigen
+Kampfpreis.</p>
+<p>Pfannberg, Meinhard, und Ortenburg die untad’ligen Feldherrn,</p>
+<p>Riefen die Völker in’s Feld: dreitausend erlesene Reiter.</p>
+<p>Auch der Schweizer gewaltiges Volk, und der heiteren Schwaben</p>
+<p>Heldenschar stand dort, gesellet der lagernden Heersmacht;</p>
+<p>Dies’ empörte zur Schlacht der Burggraf, Friedrich von Nürnberg,</p>
+<p>Rudolphs Schwestersohn, und ein tapferer Degen im Schlachtfeld,</p>
+<p>Albrecht jene, der edele Sohn des edelsten Kaisers;</p>
+<p>Doch den beiden vereinten sich noch tyrolische Schützen,</p>
+<p>Die, gerufen erst jüngst aus den Thälern der Heimath, die
+Armbrust</p>
+<p>Auf der Schulter &mdash; die Pfeil’, im Bündel geschnürt, auf dem
+Rücken</p>
+<p>Trugen; umspähenden Blicks, wie dem Wild’ auf der Fährte die
+Jäger,</p>
+<p>Fernhin sah’n, und, kühn, nicht in Stahl und Eisen sich hüllten.</p>
+<p>Tauffers war ihr Hort im Gewühle der Schlachten. Er flog jetzt</p>
+<p>Unaufhaltsam dahin, des Kaisers erlesener Herold.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, und schon gewahrt’ er das Ziel! Die sinkende Sonne</p>
+<p>Stand an dem Abendthor’, umhüllt von rosigem Schimmer.</p>
+<span class = "pagenum">91</span>
+<p>Heller glüht’ ihr scheidender Blick; ihr goldenes Haupthaar</p>
+<p>Flammt’ empor, da in hehrem Glanz sie noch einmal herüber</p>
+<p>Winkt’ ihr Lebewohl! dem sanft entschlummerten Erdkreis.</p>
+<p>Aber die Kühlung sank auf den Fittigen schmeichelnder Lüftchen</p>
+<p>Leise herab, und erquickte die schweraufathmende Schöpfung.</p>
+<p>Jetzt vollbrachte den Ritt sein feuriger Renner; es flogen</p>
+<p>Dampfend und triefend von Schweiß ihm die Seiten; der Hals und der
+Rücken</p>
+<p>Schäumt’, und ihm wankten die Füß’, da er stand vor dem Zelte des
+Königs.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Dort den Hügel empor, wo jetzt nur Trümmer des Schlosses</p>
+<p>Weitumkreisenden Hof bezeichneten, das in der Vorzeit</p>
+<p>Herrschend hinuntersah auf das Land, aus dem in die Donau</p>
+<p>Drüben die March sich ergießt, und, von ihren gewaltigen Fluthen</p>
+<p>Stolz zurückgedrängt, seegleich bedecket die Fluren:</p>
+<p>Dort, auf Pfähle gespannt, erhoben sich tausend und tausend</p>
+<p>Schimmernde Zelte des Volks der Kumanier und der Magyaren.<a class =
+"tag" name = "tag3_9" id = "tag3_9" href = "#note3_9">9</a></p>
+<p>Jene rühmten sich gleichen Geschlechts und Ursprungs mit diesen;</p>
+<p>Doch der edlere Stamm der ahnenstolzen Magyaren</p>
+<p>Hielt Jahrhunderte schon, aus Scythiens grasiger Steppe</p>
+<p>Kommend (Tanfu, Zuard, Lehel, und der tapfere Almus,</p>
+<p>Waren die Führer des Volks) Pannoniens herrliche Fluren</p>
+<p>Im Besitz’, errungen im Sieg ruhmdürstender Ahnen.</p>
+<span class = "pagenum">92</span>
+<p>Jüngst erst kam der Kune heran, dem wilden Tartaren</p>
+<p>Folgend im Schreckenszug, und, als er, verwilderter heimzog,<a class
+= "tag" name = "tag3_10" id = "tag3_10" href = "#note3_10">10</a></p>
+<p>Nach entsetzlichem Mord’ und Gewürg’ unzähliger Christen,</p>
+<p>Blieb er im Lande zurück: inmitten der Theyß und der Donau,</p>
+<p>Sich erwählend ein Sandgefild zum dauernden Wohnsitz,</p>
+<p>Welches der Steppe gleich, unendlicher Fläche sich ausdehnt,</p>
+<p>Und Kumanien heißt. Ihn nennt der Unger den Kun nur.</p>
+<p>Eisern hielt er noch fest an der Sitte der Heimath; auch Götzen</p>
+<p>Dienet’ er, so vermengend das Wort der ewigen Wahrheit</p>
+<p>Mit entehrendem Wahn: denn kaum erkannte des Heilands</p>
+<p>Rettenden Weg sein Geist, und roh bewahrt’ er das Herz noch.</p>
+<p>Aber entsetzlich wüthet der grimmige Kun’ in der Feldschlacht.</p>
+<p>Ordnungslos, bald links, bald rechts sich wendend, im Eilflug,</p>
+<p>Braus’t er heran wie der Sturm. Er schnellt von dem tönenden
+Bogen</p>
+<p>Durch die heulende Luft den befiederten Pfeil, und verfehlt nie,</p>
+<p>So er den Gegner in’s Auge gefaßt, in die Brust ihn zu treffen.</p>
+<p>Aber von diesem bedrängt, entflieht, und kehret er wieder,</p>
+<p>Listengeübt; läßt oft dem fliehenden Rosse den Zügel;</p>
+<p>Wendet sich hurtig im Sattel herum, und schleudert des Tschakans</p>
+<p>Eisengewichtige Last dem Nahenden mächtig entgegen.</p>
+<p>Sieh’, und hatt’ er ihn etwa verfehlt, da setzt er sich wieder</p>
+<p>Rasch, im Schwunge, zurecht in dem Sattel; ergreifet die Zügel;</p>
+<p>Lenkt im kreisenden Lauf mit eisernem Drucke der Schenkel</p>
+<span class = "pagenum">93</span>
+<p>Eilig den Renner heran, und so der entflogenen Waffe</p>
+<p>Nahend, schwebt er mit einem Fuß noch im Riemen des Bügels;</p>
+<p>Beugt sich nieder im Flug’, und hebt sie empor von dem Boden,</p>
+<p>Ehe der Feind sich gestellt, und des Fliehenden Jauchzen
+vernommen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Dort schwang Hugo sich jetzt mit forschendem Blick’ aus dem Sattel,</p>
+<p>Und vertraute das Roß dem redlichen Knappen zur Pfleg’ an.</p>
+<p>Fernher scholl an sein Ohr des Lagers Getöse: dem Meersturm</p>
+<p>Gleich, der himmelan braus’t, erfüllt’ ein dumpfes Gemurmel</p>
+<p>Drüben die Nacht. Stets glühender schien der wolkige Himmel</p>
+<p>Ueber dem Lager, erhellt von unzählbarlodernden Feuern.</p>
+<p>Dorther kam auftobender Männer Geschrei, und der Weiber</p>
+<p>Lautes Kreischen, vermengt dem Gebrüll’ und dem Wiehern des
+Lastthiers:</p>
+<p>Denn von den Zelten hinaus umgrasete rings in dem Blachfeld</p>
+<p>Breitgehörnetes Rind und der Ross’ unendliche Mehrzahl,</p>
+<p>Die nur klein von Gestalt, und unscheinbar dünken dem Fremdling,</p>
+<p>Aber, von feurigem Muth’ erfüllt, und dauernder Kraft voll,</p>
+<p>Tragen den Reiter so schnell wie der Blitz an den Feind, und
+erretten</p>
+<p>Oft ihn im Schlachtengemeng, schnellfüßig zum Sprung und zum
+Laufen.</p>
+<p>Also lagerten hier die Kumanier. Doch in des Heeres</p>
+<span class = "pagenum">94</span>
+<p>Rücken ruhte das Reitervolk der edelen Ungern,</p>
+<p>Kummererfüllt: denn Ladislav, der König, erkor sich</p>
+<p>Jene zu Lieblingen, so der Ahnenehre vergessend.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als nun Hugo dem Zelt des Königes nahte, vermeint’ er,</p>
+<p>Zithergetöne zu hören; ihm schien: kumanische Mädchen</p>
+<p>Sangen dazu, nach Heidenbrauch, unziemliche Weisen.</p>
+<p>Ach, und so war’s! Doch bald verstummte der Sang und die Zither,</p>
+<p>Als der Fremdling, in Eisen gehüllt, ihm näher getreten.</p>
+<p>All’ erhoben sich schnell von dem Boden &mdash; die bärtigen
+Männer</p>
+<p>Und die rosigen Mädchen, und jetzt der fürstliche Jüngling,</p>
+<p>Anmuthstrahlenden Blicks, an dem Haupte von bräunlichen Haaren</p>
+<p>Lieblich umlockt, voll Jugendkraft und blühender Schönheit.</p>
+<p>Aber er stand verwirrt, und wußte nicht, wie er beginne,</p>
+<p>Bis er sich wieder ermannt’, und d’rauf mit kräftigem Laut rief:</p>
+<p>„Sprich: weß’ Landes du bist, o Fremdling? Triegt uns die Ahnung</p>
+<p>Nicht, so kommst du gesandt von dem Kaiser der Deutschen,
+Rudolphus,</p>
+<p>Der uns vielleicht des Saumsals zeiht, und unrühmlicher Trägheit,</p>
+<p>Weil wir ruhen dahier, bei Saitenspiel und Gesängen</p>
+<p>Uns ergetzend, und sein’, des feindbedrängten nicht achten?</p>
+<p>Doch wir harreten nur des Winks, den er uns verheißen,</p>
+<p>Und gedenken, ihm treu und redlich zu Hülfe zu stehen!“</p>
+<span class = "pagenum">95</span>
+<p>Hugo beugte das Haupt, und sagte mit edelem Anstand:</p>
+<p>„Herr, du ahnetest recht! Hier steht des Kaisers Gesandter,</p>
+<p>Hugo von Tauffers genannt, vor dir, und, wahrlich, ein Krieger,</p>
+<p>Seit er der Schul’ entlief: ein Taug’nichts ist er am
+Schreibtisch!</p>
+<p>Aber nicht rostete noch in der Scheide sein trefflicher Degen;</p>
+<p>Gerne stellt er sich ein, wo es gilt ihm Ruhm zu gewinnen,</p>
+<p>Und hoch ehrt ihn die Sendung auch jetzt: denn Wichtiges soll er</p>
+<p>Dir kund thun; doch, Herr, verzeih’ &mdash; in dieser
+Gesellschaft?“</p>
+<p>Sagt’ es, und lächelte fast; der König entgegnete leiser:</p>
+<p>„Ritter, mir scheint dein lächelndstrafendes Auge zu sagen,</p>
+<p>Was dem Könige ziemt, was nicht! Erfahrenes Alter</p>
+<p>Richtet streng; doch sieh’, noch blüht mir der fröhlichen Jugend</p>
+<p>Rosenhain, und ich wandle in ihm mit heiterem Sinn fort;</p>
+<p>Weile so gerne dahier im Kreis’ des unschuldigen Volkes,</p>
+<p>Das, von der Urzeit her die ererbeten Sitten bewahrend,</p>
+<p>Frei, die Fessel nicht kennt, die uns engt im verfeinerten Leben!</p>
+<p>Aber tritt in mein Zelt, und vergnüge dein Herz an dem Spätmahl,</p>
+<p>Das ich dir biethe nach Lagers Brauch; dann will ich dich hören.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Eilig traten sie ein. Die finsteren Scharengebiether</p>
+<p>Folgten dem Könige nach, und setzten sich rings um den Tisch her,</p>
+<span class = "pagenum">96</span>
+<p>Sonder Ordnung, noch Wahl. In zottige Pelze gehüllet,</p>
+<p>Sah’n sie stolz aus den tiefvergrabenen Augen dem Fremdling</p>
+<p>Jetzt in das heitre Gesicht, und strichen den Bart an der Lippe.</p>
+<p>Bald erschienen im Zelt’ auch die rosigblühenden Mädchen,</p>
+<p>Tragend in Körben Pferdfleisch auf, das unter dem Sattel</p>
+<p>Barg der Reiter, und dann hinflog, bis solches im Ritte</p>
+<p>Heiß geworden, und mürb’, des Volks ersehntes Gericht war;</p>
+<p>Auch gebratenes Fleisch vließtragender Lämmer, mit Knoblauch</p>
+<p>Vielgewürzt; dann Brot aus dem feinsten Mehle gebacken,</p>
+<p>Hochgewölbet und weiß, nach Art magyarischer Backkunst,</p>
+<p>Und die mächtigen Krüge, gefüllt mit den edelsten Weinen.</p>
+<p>Alle schmaus’ten nach Lust; doch Hugo verschmähte des Kunen</p>
+<p>Lieblingsgericht &mdash; nicht des Weins, des trefflichen, schonend:
+unendlich</p>
+<p>Gab er bei Humpen Bescheid, und blieb stets seiner noch Meister.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Siehe, von neuem erscholl der Zither Getön’, und der Herrscher</p>
+<p>Mahnte die Männer und Mädchen zum Tanz’, dem Gaste zu Ehren!</p>
+<p>Jene stellten sich ernsten Blicks, dem König gehorchend,</p>
+<p>Draußen in Doppelreih’n, und hoben den werbenden Tanz an,</p>
+<p>Der in das Feld den Jüngling ruft, und Gefühle der Wehmuth,</p>
+<p>Ihm in der Brust aufregt, an die Zeiten der Väter ihn mahnend,</p>
+<p>Mit wehklagenden, tief das Herz bestürmenden Weisen.</p>
+<span class = "pagenum">97</span>
+<p>Aber sie schlugen die Hand an die Hand, und die Sporn’ an die
+Spornen;</p>
+<p>Stampften zugleich, rasch hin und daher sich wendend, den Boden;</p>
+<p>Stöhnend vor Lust, und ihr Aug’ erfüllten oft schimmernde
+Thränen,</p>
+<p>Plötzlich geweckt von dem Sturm der empörten Herzensempfindung.</p>
+<p>Doch als d’rauf zu dem Wechseltanz der erfahrene Künstler</p>
+<p>Rasch in die Saiten griff, mit dem Fuße der schnelleren Weisen</p>
+<p>Zeitmaß schlug: da faßte die Tänzerinn jeglicher Tänzer</p>
+<p>Um den blühenden Leib, und schwang sie umher an der Stelle,</p>
+<p>Bald mit dem linken, und bald mit dem rechten Arme sie drehend</p>
+<p>Fort im verengenden Kreis’. Dann riß er sich wieder von ihr los;</p>
+<p>Hüpfte schnell vor ihr hin, und schlug die klingenden Spornen,</p>
+<p>Jauchzend, zusammen, und schlug die Wade mit wechselnden Händen.</p>
+<p>Aber sie folgt’ ihm entfernt. Die Recht’ an die Seite sich
+stemmend,</p>
+<p>Hielt sie die Schürze am Saum’ sich stolz vom Leib’ mit der
+Linken,</p>
+<p>Wandte sich links und rechts, mit niedlichen Sprüngen, und mied
+ihn</p>
+<p>Scheinbar, bis sie, ersehnt, urschnell in die Arme des Tänzers</p>
+<span class = "pagenum">98</span>
+<p>Flog, und von neuem das Paar in schwindelnden Kreisen sich
+drehte.</p>
+<p>Doch nun winkte der König zum Schluß: die Saiten verstummten;</p>
+<p>Hoch erhob der Tänzer die Tänzerinn noch, und entließ sie;</p>
+<p>Kam dann, triefend von Schweiß, und setzte sich wieder zum Tisch
+hin.</p>
+<p>Jene entfloh’n, und der König sprach, mildlächelnd, zu Hugo:</p>
+<p>„Ritter, du hast magyarische Tänze geseh’n, und ergetzet</p>
+<p>Dich bei’m fröhlichen Mahl’, obgleich du ein nüchterner Gast
+bist!</p>
+<p>Nun ersehnte mein Geist zu vernehmen, wie Kaiser Rudolphus,</p>
+<p>Unser Bundesgenoß’ und Freund, zum Throne gelangt
+ist&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Er, einst Habsburgs Graf? Doch künde zuvor uns die Abkunft</p>
+<p>Und die muthigen Thaten des huldbeseligten Herrschers,</p>
+<p>Die mit unsterblichem Ruhm’ ihm zieren die Stirne. Der Morgen</p>
+<p>Graut: bald steht ihm Ungerns Macht zu Geboth’ in der
+Feldschlacht.“</p>
+<p>„Zwar verweigerst du noch,“ so entgegnete jener, „des Kaisers</p>
+<p>Herold’ ein willig Gehör, und lullst ihn bei Tänzen und Mahlen,</p>
+<p>Zaubernd, ein, daß er ganz vergesse der wichtigen Sendung.</p>
+<p>Aber, weil dich verlangt, von meines erlauchten Gebiethers</p>
+<p>Abkunft, Muth und Heldenkraft, die Carol des Großen</p>
+<p>Glänzenden Thron ihm errang, zu hören, so will ich mich fügen</p>
+<p>In Geduld, und harren: es gilt ja die Ehre des Kaisers!“</p>
+
+<span class = "pagenum">99</span>
+<p class = "stanza">
+„Wisse demnach! Stolz hebt sich vom Fels die mächtige Habsburg</p>
+<p>Aus umdämmerndem Wald, an der Aar in die bläuliche Luft auf.</p>
+<p>Dort, so kündet die Sag’, erschien in grauender Vorzeit</p>
+<p>Rudolphs edles Geschlecht, aus fränkischem Stamm, und erbaute</p>
+<p>Jene, wie auch Aarburg, und Brugg, die gewaltigen Vesten.</p>
+<p>Aber vor allen hieß die „Herrliche“ jene von Habsburg:</p>
+<p>Denn mildherzige That an den Dürftigen, eisernes Schirmrecht</p>
+<p>Gegen die freche Gewalt des Unterdrückers der Schwachen,</p>
+<p>Uebten aus ihr, gebührend, die weitgerühmten Gebiether.</p>
+<p>Dort erwuchs, entflammt von dem Ruhm gefeierter Ahnen,</p>
+<p>Rudolph, Albrechts Sohn, des Weisen, und Hedwig, der Frommen,</p>
+<p>Lernend durch Gottesfurcht und Weisheit frühe des Lebens</p>
+<p>Höchstes Glück in der eigenen Brust zu gründen für immer.</p>
+<p>Doch wo wäre Beginn und Ende? so Alles und Jedes</p>
+<p>Ich dir kündete: wie an den Hof ihn Friedrich, der Kaiser,</p>
+<p>Der zu der heiligen Tauf’, als Path’ ihn führte, gerufen,</p>
+<p>Daß er ihn lehrte mit Rittersmuth nach rühmlichen Thaten</p>
+<p>Streben; wie er im sicilischen Krieg’, und in jenem von
+Oestreich,</p>
+<p>Gegen den Streitbar’n focht, und miterstürmte die Stadt Wien,</p>
+<p>Die, vor allen beglückt, ihn einst als Herrscher begrüßet;</p>
+<p>D’rauf in der Ahnen-Burg<a class = "tag" name = "tag3_11" id =
+"tag3_11" href = "#note3_11">11</a> zugleich mit dem Vater das Kreuz
+nahm;</p>
+<p>Nach dem Gelobten-Land, die Feinde des Kreuzes bekämpfend,</p>
+<span class = "pagenum">100</span>
+<p>Wallete; dort den Vater begrub, und, als er zur Habsburg</p>
+<p>Heimzog, freudig zu eh’lichem Bund sich Annen erkies’te,</p>
+<p>Hochbergs Kind, voll Huld, und die tugendreichste der
+Frauen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Auch, allmänniglich werth, ein trefflicher Ritter und Herr war.</p>
+<p>Wohl gebräch’ es mir auch an der Zeit und an Odem, geziemend</p>
+<p>Nun zu schildern die sieg- und ruhmverherrlichten Krieg’ all’,</p>
+<p>Die er geführt in den zweimal eilf unseligen Jahren,</p>
+<p>Wo das verwaisete Reich nach Friedrichs Tode, des Kaisers,</p>
+<p>Voll von Mord und Plünderung war, da in grauser Verwild’rung</p>
+<p>Aus der thürmenden Burg ein jeglicher Ritter, nach Willkühr</p>
+<p>Schaltend, Sitten, Gesetz’, und allem Heiligen Hohn sprach;</p>
+<p>Wie er beschirmte das Recht und die Unschuld stets, und das
+Banner</p>
+<p>Habsburgs ward dem Schwachen zum Trost’, und den Räubern zum
+Schrecken.</p>
+<p>Aber vernimm dieß einzige nur, wie kühn, wie entschlossen,</p>
+<p>Und wie edel er ist! Ihm stand der Abt zu Sanct-Gallen,</p>
+<p>Der, ein Falkensteiner, das Schwert und den hirtlichen Krummstab</p>
+<p>Kundig zu führen gelernt, gar feindlich entgegen; sie quälten</p>
+<p>Tapfer sich ab. Da brach sein Zorn auf die Baseler Bürger</p>
+<p>Los, die ihm, wildempört, erschlugen die Freund’ und Verwandten:</p>
+<p>Denn mit wenigen Reisigen hielt er still vor den Thoren</p>
+<p>Wyls, des Städtchens, und heischte noch Einlaß dort zu dem
+Stiftsabt,</p>
+<span class = "pagenum">101</span>
+<p>Der bei dem nächtlichen Imbiß saß, und, erstaunet, ihn ansah.</p>
+<p>Aber er both ihm die Hand, und sprach: „Daß ich also zu dir kam,</p>
+<p>Diene zum Zeichen dir: ich achte dich, redlichgesinnet,</p>
+<p>Wie ich es bin, und vertraue dir kühn so Leben und Freiheit.</p>
+<p>Höre, viel besser wär’s, daß wir uns in Rechten vertrügen,</p>
+<p>Heute noch; dann die Waffen vereint, nach den Baselern kehrten,</p>
+<p>Die mir erschlugen die Freund’, und erwürgten die theuern
+Verwandten!“</p>
+<p>Also geschah’s: sie schmaus’ten versöhnt. Am kommenden Abend</p>
+<p>Zogen sie rasch auf die Baseler los, und fürchterlich brannt’ es</p>
+<p>Bald von der Stadt auf; bald versöhnete Blut die Erschlag’nen,</p>
+<p>Und die Gegner umfing der Friede mit traulichen Armen.</p>
+<p>D’rauf durchschwamm er die Furt, die noch „habsburger“ im Land
+dort</p>
+<p>Heißet, des mächtigen Rheins mit reisigem Volk’, und erstürmte</p>
+<p>Breisach kühn, mit dem Stahl in der Faust, ein trefflicher
+Stürmer<ins class = "correction"
+title = "fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">!“&nbsp;</ins></p>
+
+<p class = "stanza">
+Laut aufjubelten jetzt die Kumanier, preisend des Ritters</p>
+<p>Heldenmuth, und, ergreifend, voll Hast, den irdenen Weinkrug,</p>
+<p>Der vor jeglichem stand, mit edelem Moste gefüllet,</p>
+<span class = "pagenum">102</span>
+<p>Leerten sie ihn bis zum Boden hinab auf seine Gesundheit</p>
+<p>Aus, auf einen Zug: daß ihr Haupt mit dem steigenden Weinkrug</p>
+<p>Weit zurücke sich bog, und stellten ihn dann auf den Tisch dort</p>
+<p>Nieder mit ohrerschütterndem Schlag. Doch wieder begann er:</p>
+<p>„Also erscholl sein Ruhm zu den fernentlegensten Ländern</p>
+<p>So, daß der Böhmen-König sogar, der jetzt in dem Feld uns</p>
+<p>Biethet die Fehd’ auf Leben und Tod, mit schimmernder Goldschrift</p>
+<p>Ihn an den Hof zu sich lud, und zum Marschalk, ehrend, ernannte.</p>
+<p>Ha, nicht reut’ ihn die Wahl! Er focht ihm zur Seite mit
+Siegsruhm,</p>
+<p>Gegen die Heiden im Preußenland’, und errang ihm den Lorber</p>
+<p>Auch im Vernichtungskampf g’en Bela’s schreckliche Heersmacht.</p>
+<p>D’rum kein Wunder, daß er, nach dem Wink der erbarmenden
+Vorsicht,</p>
+<p>Die des gemeinsamen Vaterlands unendlichem Jammer</p>
+<p>Setzen wollt’ ein Ziel, von den <em>sieben</em> glänzenden
+Sternen</p>
+<p>Unser’s heiligen Reichs zur herrschenden Sonne gewählt ward:</p>
+<p>Daß er im goldenen Schmuck der Kaiserkrone des Segens</p>
+<p>Strahlen über die Gau’n des deutschen Landes versende.</p>
+<p>Sieh’ er lag vor Basel mit Macht; da brachte die Bothschaft</p>
+<p>Ihm der Pappenheimer! Er stand, und wankt’, und besann sich;</p>
+<p>Aber, auf Gott vertrauend, geboth ihm das Herz in dem Busen</p>
+<span class = "pagenum">103</span>
+<p>Freudigen Muth. Er ging, und bald vereinte der Krönung</p>
+<p>Allerfreuendes Fest die Völker der Deutschen zu Aachen.</p>
+<p>Dort heischt’ er, im Dome gekrönt, den Eid von den Fürsten:</p>
+<p>Daß sie verschafften nach <em>Recht</em> dem heiligen, römischen
+Reich’ jetzt,</p>
+<p>Was ihm die Faust entriß.<a class = "tag" name = "tag3_12" id =
+"tag3_12" href = "#note3_12">12</a> Sie ersannen, zaudernd, die
+Ausflucht:</p>
+<p>„Noch vermiss’ er zum Königseid’ den Zepter der Ahnen.“</p>
+<p>Doch er wandte sich schnell; hob selbst das Kreuz von dem Altar;</p>
+<p>Hielt es empor, und rief: „Wer kennt ein schöneres Zeichen,</p>
+<p>Kraft zu verleihen dem Eid’, denn dieses, woran der Erlöser</p>
+<p>Sterbend hing, und uns errettete, heilig und wahrhaft?“</p>
+<p>Und sie schwuren darauf: erbebend dem herrschenden Manne,</p>
+<p>Der so kräftig gesprochen &mdash; so fest- und so muthiggesinnt
+war.</p>
+<p>Dir, und manniglich ist es bekannt, wie der Kaiser, Rudolphus,</p>
+<p>Redlich gehalten sein Wort, und treu gelöset den Schwur hat:</p>
+<p>Bannend den Uebermuth, und des Faustrechts wildes Gewaltreich</p>
+<p>Muthig aus Deutschlands Gau’n &mdash; an Leib und an Seel’, er, ein
+Deutscher,</p>
+<p>Der bald unserer geist- und herzerhebenden Sprach’ auch</p>
+<p>Sinnig zu Ehren half: in den Kanzeleien den Vorzug</p>
+<p>Ihr vor dem todten Latein, dem schwer&shy;verständlichen, gönnend.<a
+class = "tag" name = "tag3_13" id = "tag3_13" href =
+"#note3_13">13</a></p>
+<p>Also geschah es, daß, dankerfüllt, ein jegliches Herz ihm</p>
+<p>Huldigte: denn ihm zürnet allein der König der Böhmen,</p>
+<p>Weil er, thörichten Sinns, die Kaiserkrone verschmähend,</p>
+<span class = "pagenum">104</span>
+<p>Sie auf dem Haupte des Mannes sah, der einst ihm als Marschalk</p>
+<p>Dienete. Doch umsonst bestürmt er die Erd’ und den Himmel,</p>
+<p>Sie zu entreißen dem Haupt, dem Gott sie gegeben, zum Segen</p>
+<p>Gegenwärtiger Zeit und endlos dauernder Zukunft.</p>
+<p>Ha, schon winket das Morgenroth! So höre mit Huld nun,</p>
+<p>Was mein Kaiser und Herr zum freundlichen Gruß dir entbiethet:</p>
+<p>Wenn von dem Kahlenberg in dem mitternächtlichen Grauen</p>
+<p>Hoch die Loh’ auffleugt: dann eil’ aus dem schirmenden Lager</p>
+<p>Schnell hinüber die March mit den schrecklichen Reitern, und
+berge</p>
+<p>Sie in dem trocknen Geröhr’ an dem Weidenbache bei Marcheck:</p>
+<p>Denn auch er wird also dir nah’n, und die Hände dir reichen</p>
+<p>Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“</p>
+<p>Und er erhob sich nun, schnell heimzukehren, entschlossen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Glühenden Blickes sah aus dem schimmernden Thore des Morgens</p>
+<p>Nach dem Zelteingang die Sonne herüber, und hauchte</p>
+<p>Hüpfende Funken in’s bleiche Gesicht der schläfrigen Krieger,</p>
+<p>Die um den König herum sich lagerten. Aber er hob jetzt,</p>
+<p>Stillhinbrütend, vom Stuhle sich auf. Zur glänzenden Heerschau</p>
+<p>Dacht’ er zu wecken sein Volk, dem scheidenden Fremdling zum
+Staunen.</p>
+<p>„Gern,“ so entgegnet’ er, „will ich mich ganz dem Winke des
+Kaisers</p>
+<span class = "pagenum">105</span>
+<p>Fügen, und eilen in’s Feld, sein redlicher Bundesgenosse;</p>
+<p>Aber nicht wollest du scheiden zuvor, eh’ dir nicht zur Heerschau</p>
+<p>Draußen mein Volk sich wies: nicht soll sich’s lange verziehen.“</p>
+<p>Sagt’ es; riß sich das Schwert von der Hüft’, und schlug in die
+Tafel</p>
+<p>Dann mit der Klinge so stark, daß die ird’nen Gefäße zum Boden</p>
+<p>Taumelten: ein’s das and’re im Flug zu Scherben zerschmetternd.</p>
+<p>Wunder zu schau’n! Da fuhr in brausender Eile der Feldherrn</p>
+<p>Leise zum Schlaf hinnickende Schar von den Sitzen, und leer war’s</p>
+<p>Bald in dem weiten Gezelt. Dem Könige folgte der Ritter</p>
+<p>Staunend nach. Doch jetzt erschollen von grausem Gebrülle</p>
+<p>Tausend Hörner, die einst die mächtige Stirne des Pflugstiers</p>
+<p>Ziereten, breitgestellt, daß kaum der größte der Männer</p>
+<p>Sie mit den Armen ermaß von einer Spitze zur andern.</p>
+<p>Schon erhob sich Geschrei und Getös’, und das Wiehern der Rosse</p>
+<p>Rings in dem Lager, und füllte mit Angst und Entsetzen die
+Umwelt.</p>
+<p>Hoch auf fuhr der finstere Staub, und dicht, wie der Krähen</p>
+<p>Wimmelnde Schar durchstürmt den nebligen Himmel, so flogen,</p>
+<p>Schnell gewahrend den Wink des Königs, unzählige Haufen,</p>
+<p>Sich in den Sattel schwingend, voll Hast, nach dem Ufer der March
+hin.</p>
+
+<span class = "pagenum">106</span>
+<p class = "stanza">
+Dort, auf dem sandigen Feld’, in fernhinschwindenden langen,</p>
+<p>Drei Mann tief, geordneten-Reih’n aufritten die Kunen:</p>
+<p>Lenkend hurtige Rosse vor und zurück mit des Schenkels</p>
+<p>Mächtigem Druck, den, weitumflatternd, das leinene Beinkleid</p>
+<p>Hüllete bis zu der Ferse hinab, und den ledernen Bundschuh’n.</p>
+<p>Sonst ihr Kleid: ein Pelz von dem zottigen Vließe des Widders,</p>
+<p>Ueber dem kürzeren Hemd’, das halb des Niedergebeugten</p>
+<p>Rücken entblößt &mdash; doch weit die Arme umwallt, und, der
+Scheitel</p>
+<p>Zur Bedeckung, die Mütze von Filz, mit der wallenden Feder.</p>
+<p>Zehnmal tausend’ erhoben zur Luft den blitzenden Säbel,</p>
+<p>Der der Sichel des Neumonds glich in der Krümm’, und es führten,</p>
+<p>Eben so viele den Bogen und Pfeil mit dem hämmernden Tschakan.</p>
+<p>Diese lenkte Suhol, der Eber genannt von den Seinen,</p>
+<p>Ob des unbändigen Muths, und der Blitzstrahl, Kaduscha, jene:</p>
+<p>Denn er flog so schnell wie der Blitz im Sturme der Schlacht hin.</p>
+<p>Aber der Ungern edeles Volk beherrschte Matthias</p>
+<p>Von Trentschin, der schlachterfahrene, tapfere Feldherr,</p>
+<p>Dessen gewaltige Burg an den schimmernden Fluthen des Waagstroms,</p>
+<p>Dräuend, in’s Waag-Thal schaut, und Schrecken gebiethet den
+Feinden.</p>
+<span class = "pagenum">107</span>
+<p>Auch er führte heran zehntausend muthige Reiter,</p>
+<p>Welchen der Kalpag zierte das Haupt mit des Reihers Gefieder;</p>
+<p>Aber der Pelz, am Rücken hinab an goldenen Schnüren</p>
+<p>Hängend, von hellblau’m Tuch, verbrämt mit schwärzlichem
+Lammsfell,</p>
+<p>Und gelbschimmernden Knöpfen besetzt; dann, ähnlich, der Dolman,</p>
+<p>Schimmernd von Gold an der Brust, vom seidenen Gürtel umfangen,</p>
+<p>Ziert’ ihm den Leib, und der Bein’ anschmiegende, gleiche
+Bekleidung</p>
+<p>Zierte die Füße zugleich mit den spornenbewaffneten Tschismen.</p>
+<p>Jeglicher hielt in der Faust, an die Schulter gelehnet, des
+Säbels</p>
+<p>Krummgehämmerten Stahl, der, sausend, die Feinde zerschmettert.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als nun Hugo die Völker geseh’n, da sprach zu Matthias</p>
+<p>Von Trentschin der König, ihm selbst und den Seinen zur Trauer:</p>
+<p>„Tapferer, weile dahier mit deinen Geschwadern, des Lagers</p>
+<p>Mächtiger Hort: denn bald, erbaut auf schwankende Fähren,</p>
+<p>Einet die Brücke des Flusses Gestad’, und all das Geräth hier</p>
+<p>Schaffest du dann noch heute hinüber, dem Heere zum Vortheil!</p>
+<p>Aber, o freundlicher Greis, du, Hugo von Tauffers, der Ritter</p>
+<p>Edelster, folg’ mir nach, und künde dem mächtigen Herrscher,</p>
+<span class = "pagenum">108</span>
+<p>Heimgekehrt in die Kaiserburg, was du an der March hier,</p>
+<p>Staunend, gewahren wirst; künd’ ihm: wir stehen den Feinden</p>
+<p>Jenseits nahe genug; zum würgenden Kampfe gerüstet!“</p>
+<p>Sagt’ es, und sprengte voraus: ihm nach die Kumanier alle,</p>
+<p>Mitten hinein in den Fluß, hinüber zu schwimmen, entschlossen.</p>
+<p>Hochaufspritzte die Fluth dem gewaltigen Drange; die Wässer</p>
+<p>Brauseten laut von unzähligen Hufen der Rosse geschlagen;</p>
+<p>Brandend flogen die Wellen zum Land’, und schäumten, und zischten</p>
+<p>Endlos. Wie in dem eisigen Belt keckmuthige Fischer,</p>
+<p>Eilend zum Wallfischfang’ in schaukelnden Booten, auf einmal</p>
+<p>Nahe des Unthiers Riesengestalt, das Heere der Fischchen</p>
+<p>Vor sich jagt, erseh’n: da werfen sie schnell die Harpun’ aus,</p>
+<p>Die zweizackig gespitzt, einstürmt in die Weiche des Bauches,</p>
+<p>Oder in’s breite Genick des riesigen Fisches, und Blut färbt</p>
+<p>Alsbald ringsum das Meer: denn eilig hinunter zum Abgrund</p>
+<p>Fährt er, und eilig herauf, und peitscht mit dem Schweife die
+Meerfluth,</p>
+<p>Daß sie himmelan fleugt, und röchelt mit dumpfem Gebrülle</p>
+<p>Durch den schrecklichen Sturm der empörten Gewässer: so wogte,</p>
+<p>Schäumt’, und braus’te die March, als jetzo die Kunen hinüber</p>
+<p>Mit gewaltigem Lärm und Geschrei, die wiehernden Rosse</p>
+<p>Spornten, und all’ das Heer errang, durchschwimmend, das Ufer.</p>
+<span class = "pagenum">109</span>
+<p class = "stanza">
+Hugo saß in dem Sattel, und schwieg; doch jetzo besann er</p>
+<p>Sich nicht lang’, und schwamm (ihm folgte der redliche Knappe)</p>
+<p>Eisenbewehrt, wie er war, auf dem mächtigen Gaule hinüber;</p>
+<p>Schwang das Schwert in die Luft, und flog entgegen der
+Hauptstadt.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">110</span>
+<h3><a name = "gesang4" id = "gesang4">Vierter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Leis’ entschwebte die Nacht; aus dem hehren Gewölbe des Himmels</p>
+<p>Schwanden die Sternenheere dahin, und auf gaukelnden Lüftchen</p>
+<p>Schien ein freundlicher Tag sich herab auf die Fluren zu senken:</p>
+<p>Doch, es erhob vor dem Morgenroth am östlichen Erdrand</p>
+<p>Sich ein Nebelgewölk, das, eiligen Flugs, sich verbreitend,</p>
+<p>Mehr und mehr den hochaufwölbenden Himmel befleckte.</p>
+<p>Sieh’, als jetzo dem Saum der lichtergewordenen Höhen</p>
+<p>Näher die Sonne kam: da erglühten im bläulichen Luftraum</p>
+<p>Rings die zerrissenen Wolken umher, blutröthlichen Schimmers.</p>
+<p>Jetzt erhob sie das Haupt; nur sparsam scholl aus den Lüften</p>
+<p>Und aus dem Wald, der Morgengruß der befiederten Sänger</p>
+<p>Ihr entgegen: sie sah mit trauerndem Blicke herüber.</p>
+<p>Schwül umwogte die Luft; erboßter quälten die Fliegen</p>
+<p>Menschen und Thiere zugleich; dumpf klang der wechselnde Windstoß</p>
+<span class = "pagenum">111</span>
+<p>Ueber die Heid’: er kräuselte weit den Rücken des Stroms hin,</p>
+<p>Und erhob in Wirbeln den Staub. Kein kühlender Nachtthau</p>
+<p>Hatte die Fluren erquickt, und die Schöpfung trauerte ringsum:</p>
+<p>Zeichen all’ annähernden Sturms und gewaltigen Regens.</p>
+<p>Aber im Zelteingang, verlassend das nächtliche Lager,</p>
+<p>Saß der Kaiser, und sah mit düsterem Blick’ in des Morgens</p>
+<p>Dräuende Gluth. Er dacht’ im Geiste das dunkele Schicksal</p>
+<p>Tausender, bis zu dem Abendlicht’ entschieden zum Leben,</p>
+<p>Oder zum Tode, mit Angst! Bald sollten die Lose, so grau’nvoll,</p>
+<p>Fallen des blutigen Kriegs &mdash; des holdumlächelnden Friedens,</p>
+<p>Wie es dem mächtigen Feinde gefiel, dem er ihn gebothen.</p>
+<p>Ach, der Jammer des Volks durchdrang ihm die Seele! Zum Himmel</p>
+<p>Hob er den Blick, und lispelte so mit gefalteten Händen:</p>
+<p>„Laß den Frieden, o Herr, ihm mild erscheinen im Frühroth,</p>
+<p>Und erwärmen sein Herz mit den huldausspendenden Strahlen,</p>
+<p>Daß er erkenne die eigene Schuld, entsage der Rachgier,</p>
+<p>Und, als Herrscher versöhnt, heimkehre den Seinen zum Segen!“</p>
+<p>Aber mit Staunen vernahm’s der, einst kampfdürstende Marbod,</p>
+<p>Als er umschwebte das Haupt des Bethenden, wie er dem Gegner</p>
+<p>Frieden gelobte, versöhnlich und mild, und konnt’ es nicht
+fassen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Er, der stets nur Schlachten ersehnt’, und glühenden Muths voll,</p>
+<span class = "pagenum">112</span>
+<p>Selber aufreizte den Feind auf den Pfaden des irdischen Lebens.</p>
+<p>Zweifelnd stand er lange vor ihm. Er wähnte, bekümmert:</p>
+<p>Ihm gebrech’ es an Kraft und an raschvordringender Kühnheit</p>
+<p>(Nicht begreifend sein Herz, ein Irrender, Lichtesberaubter)</p>
+<p>Wiegte das Haupt, und fuhr, verstört, zu dem Morgengewölk auf.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Siehe, der Kaiser trat alsbald erheiterten Blickes</p>
+<p>Aus dem Gezelt, und hörte mit Lust, unferne dem Lager,</p>
+<p>Walten geschäftig das Volk der Zimmerer, Schmied’, und der
+Schreiner.</p>
+<p>All’ die Nacht forthämmerten sie bei dem Scheine der Kesseln,</p>
+<p>Die mit schwärzlichem Pech und duftendem Harze genähret,</p>
+<p>Weit erhellten die Au an des Heerwegs schlängelndem Zug hin.</p>
+<p>Draußen bei Floridsdorf am Donaustrande, wo dreifach,</p>
+<p>Strahlen gleich, fortzieh’n die länderverbindenden Straßen:</p>
+<p>Diese nach Ungerland &mdash; nach Böhmen und Mähren die andern,</p>
+<p>Eileten sie, zu erbau’n die Gerüst’ und die Schranken der
+Turnbahn.</p>
+<p>Hundert Schritte, die Straß’ entlang, und der Breite nach
+fünfzig,</p>
+<p>Ebneten sie den Grund schnurgleich, und bestreuten ihn zolltief</p>
+<p>Dann mit dem schimmernden Sand, der drüben am Ufer gehäuft lag;</p>
+<p>Fügten auf Säulen die Balken umher, und trennten mit Absicht</p>
+<span class = "pagenum">113</span>
+<p>So von dem Wiesengrund das langgedehnete Viereck.</p>
+<p>Aber es wich an dem unteren Rand des umschrankten Gebiethes</p>
+<p>Quer ein Balken zurück, so er Einlaß both den Erwählten,</p>
+<p>Und an dem oberen stand, gar herrlich gestaltet, die Prachtlug<a
+class = "tag" name = "tag4_1" id = "tag4_1" href = "#note4_1">1</a></p>
+<p>Oben verziert mit dem Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter,</p>
+<p>Und von Innen geschmückt mit Sammtvorhängen von Purpur,</p>
+<p>Die an dem Saum’ umher von goldnen Blumen erglänzten.</p>
+<p>Dort dem Herrscher und seinem Gefolg’, erles’nen Geschlechtes,</p>
+<p>Standen die Sitz’ erhöht, und emporgereihet im Halbkreis’;</p>
+<p>Doch ein breites Gerüst, entlang die Schranken der Turnbahn,</p>
+<p>Bauten sie auch; versahn’s mit emporgereiheten Sitzen</p>
+<p>Für schaulustiges Volk aus den nahen und fernen Gefilden,</p>
+<p>Und erhöhten die luftigen Zelt’, entgegen der Prachtlug:</p>
+<p>Tapferen Rittern zur Rast, die her zu turneien gekommen.</p>
+<p>Als der Krieger dem Zelt’ enteilete, stand er, vor Staunen,</p>
+<p>Plötzlich verstummt; er rieb sich die Augen im dämmernden
+Frühroth;</p>
+<p>Sann: ob Träume der Nacht ihn äfften, oder von fern her</p>
+<p>Irgend ein Zauberer kam, und die Luftgebilde zur Schau gab?</p>
+<p>Doch bald lacht’ er des eitelen Wahns: hochrühmend die Meister</p>
+<p>Des, mit Geschick und regsamer Kraft geförderten Werkes;</p>
+<p>Eilte hinaus, sein Roß an dem Standpfahl, wo es die Nacht durch</p>
+<span class = "pagenum">114</span>
+<p>Ruhete, jetzt mit sorglicher Treue zu warten, und klopft’ erst</p>
+<p>Selbes am mähnigen Hals’ mit der Hand, im freundlichen Zuruf;</p>
+<p>Aber es scharrt’ in dem Grund’, und wieherte, gierig des Futters.</p>
+<p>Rings erwachte Getös’ und unendlicher Lärm in dem Lager.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzo erscholl Getrab anstürmender Rosse, den Ohren</p>
+<p>Hörbarer stets; dann sah das Aug’, umspähend, von fern her</p>
+<p>Blitzen die Harnisch und Helm’, und endlich erkannte der Kaiser</p>
+<p>Meinhard, und Lichtenstein, die er, Frieden zu biethen, gesendet.</p>
+<p>Angelangt im Gewölk’ umwirbelnden Staubs vor dem Herrscher</p>
+<p>Rissen die beiden das Roß am Zügel zurücke. Sie sprangen</p>
+<p>Aus dem Sattel behend’, und nahten ihm, <ins class = "correction"
+title = "Original: grußend">grüßend</ins> mit Ehrfurcht.</p>
+<p>Aber er rief erstaunt: „Wie, Meinhard kehrt uns, empört heim?</p>
+<p>Lichtenstein, was bringt ihr zurück aus dem böhmischen Lager?</p>
+<p>Sanft ist des Friedens Hand: sie streut in des Lebens Gefilden</p>
+<p>Blumen umher &mdash; die in Eisen gehüllete Rechte des Krieges</p>
+<p>Trieft vom Blut der Erschlagenen; doch, wenn eben dem Unhold</p>
+<p>Heiliges Recht das Schwert vertraut, da bringt er vom
+Schlachtfeld</p>
+<span class = "pagenum">115</span>
+<p>Muth, selbstständige Kraft, und Sicherheit unter die Völker:</p>
+<p>D’rum auch der Krieg erwünscht, wenn nur das Recht ihn gebiethet.</p>
+<p>Jetzt, fürwahr ersehnte mein Herz den Frieden, und wohl mir,</p>
+<p>Wenn der König, versöhnt, zum gebothenen selber die Hand reicht!“</p>
+<p>Meinhard sagte darauf: „Nicht hat uns der König von Böhmen</p>
+<p>Ritterlich’ Ehre gewährt &mdash; gastfreundlich das Herz uns
+erheitert:</p>
+<p>Grimm bewölkte sein Aug’, da er sprach, und finster uns ansah.</p>
+<p>Wie der furchtbare Leu’ mit glühenden Blicken des Gegners</p>
+<p>Harrt auf dem Plan, daß er ihm zermalme die Knochen: so dünkt
+mich</p>
+<p>Sah der König uns an, und schwerlich sinnt er auf Frieden.</p>
+<p>Aber vielleicht, daß Lichtenstein, der glückliche Freier,</p>
+<p>Frohere Kunde gebracht: deß’ will ich mich gerne bescheiden.“</p>
+<p>„Zwar,“ so begann jetzt Lichtenstein, „versprach uns des Königs</p>
+<p>Zornumwölketer Blick des Guten nicht viel, und ich bürgte</p>
+<p>Für den Frieden nicht mehr mit dem Kopf: er möchte nicht fest
+steh’n;</p>
+<p>Aber noch stehet das Spiel, und es fällt der entscheidende Würfel</p>
+<p>Heute noch nicht. Ich sehe dahier mit unsäglicher Hochlust</p>
+<p>Schon die Schranken gefügt zum Turnei, und bald, in dem
+Prunksaal,</p>
+<span class = "pagenum">116</span>
+<p>Den von der Decke herab unzählige Kerzen erleuchten,</p>
+<p>Minniglich schöne Frau’n und Fräulein, an gastlichen Tafeln</p>
+<p>Würdiggepaart umher mit den sieggekröneten Rittern.</p>
+<p>Welche Beseligung, mich in dem lärmenden Kreise zu treffen:</p>
+<p>Denn auch trägere Zungen bewegt die fröhliche Mahlzeit!</p>
+<p>Höre mich Jung und Alt; nicht spricht ein faselnder Seher!</p>
+<p>Daß des Königs verdüsterter Geist noch heute sich aufhellt,</p>
+<p>Künd’ ich zuvor: denn wißt es, er kommt, und nah’ ist die Zeit
+schon,</p>
+<p>Zum dankbiethenden Turnkampf her, mit erlesenen Rittern.</p>
+<p>„Dort,“ so sprach er vor uns, „soll’s bald allmänniglich kund
+seyn,</p>
+<p>Was er vom Krieg und Frieden gedacht, und der Kinder Verlobung.“</p>
+<p>„Gott befohlen das Ein’ und das Andere!“ sagte, gen Himmel</p>
+<p>Schauend, der Kaiser, und wandte sich; dann begann er von neuem</p>
+<p>Wieder, mit sorglichem Blick: „Wo weilt mein tapferer Hugo?</p>
+<p>Das sey ferne, daß ihm was Leides geschehen: mir bräche</p>
+<p>Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden<ins class =
+"correction" title = "zweites „ fehlt">.“</ins></p>
+
+<p class = "stanza">
+Kaum entfloh ihm das Wort, da tönte von ferne der Hufschlag</p>
+<p>Brausender Rosse die Straße heran, die entgegen den Marken</p>
+<p>Ungerns führt am linken Gestad der mächtigen Donau.</p>
+<p>Hugo war’s, der kam (weit hinter ihm folgte der Knappe,</p>
+<p>Schlechter beritten, denn er) die stäubende Straße herüber;</p>
+<span class = "pagenum">117</span>
+<p>Doch nun hemmt’ er das Roß, und die Wange, wie Flammen geröthet,</p>
+<p>Lächelt’ ihm, als er gegrüßt. Er schwang sich vom Sattel, und
+sagte:</p>
+<p>„Herr, nicht hast du umsonst die Gäste geladen: erhellt sind</p>
+<p>Weit die Straßen hinaus von schimmernden Kleidern und Waffen.</p>
+<p>Trog nicht der Schein, so trabt von dem Bisamberg an der Donau,</p>
+<p>Deß’ unendlicher Ruhm an köstlichem Moste bewährt ist,</p>
+<p>Ein gar stattlicher Haufe heran: die flatternden Fähnlein,</p>
+<p>Weiß, wie des Schneebergs Haupt, verkünden uns böhmische Kämpen.</p>
+<p>Aber, als sie dahier zum Scherz nur brechen die Lanzen,</p>
+<p>Harren ihrer im Hinterhalt gar ernste Gesellen,</p>
+<p>Und ersehnen den Kampf. Der Ungern blühender König&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Blühend, und jung fürwahr! verhieß dir Hülf’, und gewährt sie:</p>
+<p>Denn vor mir durchschwamm sein furchtbares Reitergeschwader,</p>
+<p>Jauchzend, die March, und steht auf Oestreichs Erde, vor Marcheck</p>
+<p>In dem Geröhr’, längs hin dem Weidenbache, verborgen.</p>
+<p>Zürne nicht, daß ich zu kommen verzog. Viel hatt’ ich zu
+reden,&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Von dem Kaiser zumal, und dem Greif’, wenn alles ihm abstirbt,</p>
+<p>Wird die Zung’ allein stets rühriger noch mit den Jahren.</p>
+<p>Auch gebrach’s nicht an köstlichem Trank’, an magyarischer Tänzer</p>
+<span class = "pagenum">118</span>
+<p>Fröhlichem Lärm, und du weißt, dein Haug ist freudig gestimmet,</p>
+<p>Sieht er die Humpen gefüllt, und um ihn lebendig die Jugend:</p>
+<p>Dennoch stellt er sich ein, wo es gilt, und die Klingen
+entscheiden.“</p>
+<p>„Ruhe,“ so sprach mit lächelndem Blick der erhabene Kaiser,</p>
+<p>„Raschvorstürmender Greis, in dem Zelt’ auf das Lager gesunken!</p>
+<p>Aber euch beid’, obgleich ermüdet vom dauernden Ritte,</p>
+<p>Lockt, deß’ bin ich gewiß, Drometengeschmetter zur Turnbahn,</p>
+<p>Rüstet euch denn. Mir ziemt, hausväterlich sorgend, im Lugsaal</p>
+<p>Fertig zu stehen, und dort die Gäste mit Huld zu begrüßen.</p>
+<p>Meinhard, zieh’ im festlichen Schmuck, mit flatternden Fähnlein,</p>
+<p>Zinken, und Paukengetön’, und hundert erlesenen Reitern</p>
+<p>Bis zu des Lagers Rand’ entgegen dem Herrscher von Böhmen:</p>
+<p>Ihn zu begrüßen nach Würd’, und des Turnspiels Sitte geziemend!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Also entließ er mit heiterem Muth die gewaltigen Helden.</p>
+<p>Aber er stieg die Stufen empor in die herrliche Prachtlug,</p>
+<p>Eilete vor, und sieh’, ihm nahten die theuren Erzeugten</p>
+<p>Albrecht, Hartmann, und Adelheid: nur blieb in der Hofburg</p>
+<p>Agnes, die holde, daheim, die leidende Mutter zu pflegen.</p>
+<p>Alsbald scholl aufjubelnder Pauken Getön’, und Drometen</p>
+<span class = "pagenum">119</span>
+<p>Schmetterten laut in des wimmelnden Volks unendliches Jauchzen:</p>
+<p>Denn, wie der Bienen unzähliger Schwarm in des kehrenden
+Frühlings</p>
+<p>Milderem Hauch, fortzieht in die lieblichduftenden Fluren,</p>
+<p>Gierig des Honigseims, und rings umsummet die Blüthen:</p>
+<p>Also zog aus der Stadt, von dem nahen und fernen Gebieth her,</p>
+<p>Zahllos, Jung und Alt, im Schmucke der festlichen Kleider,</p>
+<p>Und erfüllte die hohen Gerüst’, augblendenden Schimmers.</p>
+<p>Mitten im dichten Gedräng’ erglänzten, vor allen, die Edeln,</p>
+<p>Die im glühenden Muth vortummelten feurige Rosse:</p>
+<p>Herrlich geschmückt der Reiter zugleich, und das wiehernde
+Schlachtroß.</p>
+<p>Doch wer könnte die Zahl, und den Ruhm der Tapferen künden?</p>
+
+<p class = "stanza">
+Otto von Meißau kam: Feldoberster war er des Kaisers,</p>
+<p>Reich in dem Land umher an Gütern und Mannen, und reicher</p>
+<p>Noch an errungenem Ruhm’ im dräuenden Felde der Waffen.</p>
+<p>Blau, wie des Himmels Zelt, mit Gold umrändert, und seiden,</p>
+<p>Floß ihm der Mantel am Rücken hinab von dem Harnisch, und blau
+war</p>
+<p>Auch sein Wehrgehäng mit der seidenen Schärp’ und dem Helmbusch;</p>
+<p>Also des Rosses Hauptzier, Zaum, und die schuppigen Decken</p>
+<span class = "pagenum">120</span>
+<p>Vorn an der Brust und den Seiten herum, von Eisen gefüget.</p>
+<p>Aber das Einhorn wies sein Schild im goldenen Feldraum,</p>
+<p>Wie es zum muthigen Kampf von dem schroffen Felsen sich aufbäumt.</p>
+<p>Solchen trug ein Knapp ihm nach, und der andere folgt’ ihm,</p>
+<p>Haltend die zween hochragenden Speer’ in der nervigen Rechten.</p>
+<p>Pauk’ und Dromet’ erklang, da er jetzt vor den rühmlichen
+Schranken</p>
+<p>Hemmte sein feuriges Roß, absaß, und in’s dunkele Zelt ging.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Bald nachfolgte dem Helden zuerst der kühne Capellen:</p>
+<p>Oberster Führer auch er im Heere des Kaisers, und werth ihm</p>
+<p>Ob der beständigen Treu’, und des nie zu erschütternden Muthes.</p>
+<p>Meergrün hatt’ er zur Farbe gewählt, und verzieret mit Silber</p>
+<p>Seine Rüstung zugleich, und des Rosses herrliches Reitzeug.</p>
+<p>Aber den Schild, wo ein Wehrgehäng den silbernen Feldraum</p>
+<p>Dreimal durchschlingt, und vom Helm sich des Adlers Fittig
+erhebet,</p>
+<p>Trug ihm der Knappe nach, und ein anderer brachte die Waffen.</p>
+<p>Freudig ersah ihn das Volk, und als er mit edelem Anstand</p>
+<p>Sich vor dem Schrankenthor von dem schnaubenden Rosse
+herabschwang,</p>
+<p>Rief erneueten Gruß der Klang der Drometen und Pauken.</p>
+
+<span class = "pagenum">121</span>
+<p class = "stanza">
+Nun kam Trautmansdorf, von acht selbst-eigenen Söhnen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Angeeigneten sechs, umringt, vor die Schranken. Des Bruders</p>
+<p>Ehrenreich, den einst ein wüthender Eber zerrissen,</p>
+<p>Als er im Walde des Weidwerks pflog, verlassene Waisen</p>
+<p>Waren die sechs, und er, ein liebender Vater den einen,</p>
+<p>Wie den andern; doch sie lohnten ihm herrlich die Sorgfalt:</p>
+<p>Wohlgesittet, fromm, und im blühendentfalteten Leben</p>
+<p>Alle, voll Heldenmuths, nachfolgend dem edelsten Vater.</p>
+<p>Nicht entbehrt’ er im Krieg, nicht daheim, nicht an heiliger
+Stätte</p>
+<p>Selber ihres Gefolg’s, und lächelte, stolz in dem Herzen</p>
+<p>Seines Glücks, das höher denn all’ sein Reichthum ihn dünkte,</p>
+<p>Wenn ihm das Volk, erstaunt, nachsah, und den Segen ihm zurief.</p>
+<p>Aber nicht lang’, da sinkt, wie, vom sausenden Hagel
+zerschmettert,</p>
+<p>Halmfrucht draußen im Feld, die herrliche Schar in das Grab
+hin&nbsp;&mdash;</p>
+<p>All’, erschlagen vom Feind, und einsam kehret der Vater</p>
+<p>Heim in die Ahnen-Burg: ihn tröstet ihr rühmlicher Tod nur.</p>
+<p>Doch jetzt naht’ er vor seinen, ihm gleich gerüsteten Söhnen:</p>
+<p>Denn von Silber blank war Harnisch, und Helm, und der Helmbusch;</p>
+<p>Also das Wehrgehäng, die Schärpe, der seidene Mantel,</p>
+<p>Und der glänzende Schild, (den, goldengehörnet, ein Widder</p>
+<span class = "pagenum">122</span>
+<p>Zierete) weiß wie der Schnee, mit der Wehre des stattlichen
+Rosses.</p>
+<p>Jubelnd im Paukenklang’, erschollen die eh’rnen Drometen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch jetzt naht’ ein Paar der Edelgestein’ in dem Adel</p>
+<p>Oestreichs: Lichten- und Dietrichstein. Aus der steyrischen Mark
+stammt</p>
+<p>Jener (Ulrichs Sohn, des trefflichen Ritters und Sängers,</p>
+<p>Der sein Leben der <em>Frauen-Ehr’</em> und dem Degen verschrieben)<a
+class = "tag" name = "tag4_2" id = "tag4_2" href = "#note4_2">2</a></p>
+<p>Dieser aus Oesterreich, ein Sohn ruhmwürdiger Aeltern:</p>
+<p>Er, stets düstern Gemüths, da jener des heiteren Vaters</p>
+<p>Frohsinn geerbt; doch einte schon frühe der trautesten
+Freundschaft</p>
+<p>Unauflösliches Band die Herzen der tapferen Ritter.</p>
+<p>Hochroth zierte des Lichtenstein, und seines Gefährten</p>
+<p>Waffengeschmeid Kornblumenblau. Im grünlichen Feldraum</p>
+<p>Wies des Winzers Messer sein Schild, und im goldenen zeigte</p>
+<p>Jener des Lichtenstein zwei schrägablaufende Balken.</p>
+<p>Schmetternd klang die Dromet’, und die Pauken donnerten laut auf.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’ auch die beiden Demantberg’, auf welche sich Oestreich</p>
+<p>Ruhig stützt: der Schwarzen- und Stahrenberg (in des Ruhmes</p>
+<p>Ehernen Tafeln genannt, und hochgepriesen für immer)</p>
+<span class = "pagenum">123</span>
+<p>Sprengten eilig heran! In des Schildes goldenem Feldraum</p>
+<p>Führete jener den Aar und das Hüfthorn; dieser im lichtblau’n</p>
+<p>Einen geschnabelten Wolf, und kor sich zur Farbe der Ehren</p>
+<p>Blaßgelb, silbergeschmückt, da jener mit goldenem Zierrath</p>
+<p>Wählte das dunkele Kirschenroth, erfreulich zu schauen.</p>
+<p>Mächtiger hob sich zur Luft der Pauk’ und Dromete Getön’ auf.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Kurd von Haselau, der achtzigjährige Ritter,</p>
+<p>Naht’ im Fluge heran. Noch rüstig und Kampfes begierig,</p>
+<p>Stieg er vom Roß, und ging, den ehrenden Sitz an der Prachtlug</p>
+<p>Einzunehmen: erwählt zum Turnvogt heut von dem Kaiser.</p>
+<p>Ihm nachfolgten zugleich der Seldenhofer, der Pfannberg,</p>
+<p>Hardeg, Hohenberg, und der Wildon: treffliche Kämpen!</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt anlangten im Ehrengeleit die böhmischen Ritter:</p>
+<p>Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Wallstein,</p>
+<p>Dann auch Herbot von Füllenstein, der reußische Kampfheld,</p>
+<p>Riesengestaltet, im Trotz allbeugender Stärke sich rühmend,</p>
+<p>Den sich Ottgar jüngst zum Feldherrn kor, und als Herrscher</p>
+<p>Einst in der steyrischen Mark dem Volk aufstellte zum Zwingherrn.</p>
+<p>Sieh’, gar herrlich geschmückt erschienen die Ritter, als sollte</p>
+<p>Oestreichs ad’ligen Glanz heut jener von Böhmen verdunkeln!</p>
+<p>Tausende wandten den Blick nach den Fremdlingen, alle voll
+Sehnsucht:</p>
+<p>Ottgarn dort zu schau’n, als Freund: er säumte zu kommen.</p>
+<span class = "pagenum">124</span>
+<p>Dreimal, und lauter stets erhob sich der donnernden Pauken</p>
+<p>Und Drometen Getön, den nahenden Fremden zu Ehren.</p>
+<p>Doch, vernehmend den jubelnden Schall, enteilten die Helden</p>
+<p>Oestreichs hurtig dem Zelt’, und schwangen sich auf in den
+Sattel.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Meinhard, führend die Böhmen heran, verlangte vom Thorwart,</p>
+<p>Da er den Degen erhob, Einlaß in die rühmlichen Schranken.</p>
+<p>Alsbald wich der Riegel zurück, und in Reihen geordnet</p>
+<p>(Jene zuerst, und drauf die Heldensöhne des Landes)</p>
+<p>Ritten entlang die Turnbahn all’, in der nervigen Rechten</p>
+<p>Hebend den Speer in die Luft, mit zögerndem Schritt nach der
+Prachtlug,</p>
+<p>Wo der erhabene Kaiser saß, und der Kommenden harrte.</p>
+<p>Als sie gegrüßt &mdash; er gedankt, da sprach der tapfere
+Meinhard:</p>
+<p>„Mein durchlauchtigster Kaiser, und Herr! Des böhmischen Reiches</p>
+<p>König entbiethet dir Gruß und Freundschaft zuvor, und erkläret:</p>
+<p>Ihm selbst wehrt es ein böses Geschick des fröhlichen Turnspiels</p>
+<p>Zeuge zu seyn; doch sendet er dir die tapfersten Ritter,</p>
+<p>Hier den Ruhm des Vaterlands zu erhöhen als Sieger!“</p>
+<p>„Wahrlich,“ so rief der Kaiser ihm zu, „nicht dacht’ ich:
+entrissen</p>
+<p>Werde mir heut’ ein Glück, das ich ersehnt’ in dem Herzen</p>
+<span class = "pagenum">125</span>
+<p>Aber wohlan: werth seyen uns auch die tapferen Ritter,</p>
+<p>Die uns der König gesandt! Der Kampf beginne. Turneivogt,</p>
+<p>Handle dein Amt! Der Herold rufe, der Sitte geziemend.</p>
+<p>Grieswart sey für heut der edle Wildonier, Berchtold,</p>
+<p>Breuner, und Pottendorf, die Kämpfer zu schirmen vor Unbill,</p>
+<p>Ordnungbedacht: ihr Wink sey heilig geachtet von allen.“</p>
+<p>Sagt’ es, und setzte sich dann auf den schwellenden Pfühl. Da erhob
+sich</p>
+<p>Haselau, der Greis, und ging nach der räumigen Halle,</p>
+<p>Die sich unter der Lug aufwölbte, mit Purpur behangen,</p>
+<p>Dort zu beginnen die Waffenschau. Die erlesenen Ritter</p>
+<p>Legten sogleich den Speer und das Schwert, kampfgierigen Muths,
+hin.</p>
+<p>Sorgsam prüfte der Greis die gebothenen: stumpf und gefahrlos</p>
+<p>Sollten sie seyn &mdash; zum Scherz, nicht zum Ernst gebraucht in dem
+Turnkampf.</p>
+<p>Zween der Grieswärt’ hoben den Helm von dem Haupt’, und <ins class =
+"correction" title = "ungeändert">empfiengen</ins>,</p>
+<p>Schreitend umher links, rechts, ein bezeichnendes Los von den
+Rittern:</p>
+<p>Jeglicher gab’s, mit dem Nahmen verseh’n. D’rauf schüttelten
+mehrmal</p>
+<p>Jene die Zeichen umher in dem Helm’, und bothen (die Ordnung</p>
+<p>Wechselnd) sie dar: der rechts, wo links der and’re gefordert,</p>
+<p>Also wählte sich dort ein jeglicher Kämpe den Gegner.</p>
+
+<span class = "pagenum">126</span>
+<p class = "stanza">
+Jetzt erhob der Herold den Stab, und Tausende schwiegen;</p>
+<p>Zog ein Blatt aus dem Busen heraus, das, rauschendentfaltet,</p>
+<p>Glänzte von goldener Schrift, und las mit gewaltiger Stimme,</p>
+<p>Allen verständlich, vor: „Wie der mächtigste Kaiser, Rudolphus,</p>
+<p>Jüngst auf den heiligen Rochus Tag, des Jahrs der Erlösung:</p>
+<p>Tausend zweihundert und siebenzig-acht, der heute gezählt wird,</p>
+<p>Alle die Edeln, von Nah’ und von Fern, zu turneien am Tabor</p>
+<p>Aufboth, die nach dem Recht’ und nach Rittersitte gemeint sind.</p>
+<p>Weiche darum von hier, der bar ist der ad’ligen Ahnen-</p>
+<p>Reih’ erhärtender Zahl, und der unehlich geboren;</p>
+<p>Der in den Kirchenbann, in die Acht des Kaisers und Reiches</p>
+<p>Fiel ob schändlicher That, ob Mord und Gottesverläugnung;</p>
+<p>Der die Wittwen und Waisen bedrückt’, und das zarte Geschlecht
+nicht</p>
+<p>Schirmt’ in Gefahr, nicht rächt’, als Mann, g’en schnöde
+Verläumdung;</p>
+<p>Der Meineides und Trugs, und unedlen Gewerbs sich bewußt ist,</p>
+<p>So er dem Schild und dem Schwerte zur Schmach, einst Handel
+getrieben:</p>
+<p>Ferne mögen sie stehen, sie all’, und ermangeln des Vorzugs,</p>
+<p>Der nur Edeln gebührt, in des Turnkampfs rühmlichem Feld hier!“</p>
+<p>Rief’s; dann faltet’ er wieder das Blatt, und barg’s in dem
+Busen.</p>
+<span class = "pagenum">127</span>
+<p>Jetzt aufpflanzten, voll Hast, die hurtigen Knappen die Fähnlein</p>
+<p>Ihrer Ritter so hier, als drüben, die Schranken hinunter,</p>
+<p>Und die Grieswärt’ theilten sich links und rechts an der Bahn
+hin,</p>
+<p>Tragend den Stab in der Hand, zum Zeichen des heiligen
+Gastrechts.</p>
+<p>Doch nun kehrten zugleich, im zögernden Schritte, die Kämpen</p>
+<p>Wieder zurück, vor dem Schrankenthor sich fertig zu stellen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als der Kaiser die Kehrenden sah &mdash; dann vor sich das Volk
+dort,</p>
+<p>Dann im Rücken die Bänke gedrängt voll grauender Ritter,</p>
+<p>Edeler Herrn, und Frau’n, und zartaufblühender Fräulein:</p>
+<p>Ach, da füllten sich fast ihm die Augen mit Thränen! Er wandte</p>
+<p>Halb nach den Kindern sich um, und sprach mit inniger Rührung:</p>
+<p>„Welch unzähliges Volk: nur die Ein’ ersehen wir hier
+nicht&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Euere Mutter ist fern, und Agnes, als Pflegerinn wechselnd</p>
+<p>Heute mit euch! Auch wir entbehreten freudig des
+Schauspiels&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Weilten so gerne daheim bei der Leidenden; aber die Pflicht ruft</p>
+<p>Ehernen Lauts, und heißt all’ and’re im Herzen verstummen.</p>
+<p>Weh’, daß ich auch die Kunringe hier vermiß’, und der Helden</p>
+<p>Einige, die verlockt auf trugverhülleten Pfaden</p>
+<p>Sich zu den Feinden gesellt, und im Schooße der eigenen Mutter,</p>
+<p>Jenen gleich mit der grimmigen Faust zu wühlen bereit steh’n;</p>
+<span class = "pagenum">128</span>
+<p>Aber vielleicht gelingt es mir noch die Verirrten zu sammeln!“</p>
+<p>Jene schwiegen, und hielten die Hand vor die thränenden Augen:</p>
+<p>Ob der Mutter betrübt; doch Hartmann vor allen: ein Liebling</p>
+<p>War der Trauernde stets der holden Mutter gewesen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, nun schwebt’ auf dem Wettergewölk des umnachteten Himmels</p>
+<p>Marbod daher! Er sah Drahomira vorüber im Eilflug</p>
+<p>Ziehen, und folgen der Spur des schwarzgerüsteten Ritters,</p>
+<p>Der mit geschlossenem Helm’ aus dem böhmischen Lager herüber</p>
+<p>Spornte den Rappen im Donnergalopp’, an die Schranken der
+Turnbahn.</p>
+<p>Nicht wie den Sterblichen war dem Geiste der Ritter verhüllet:</p>
+<p>D’rum erbangt’ ihm die Brust vor Angst ob seinem Erwählten,</p>
+<p>Rudolph, dem er sich liebend geweiht: denn siegenden Hohn sah</p>
+<p>Er in dem Blick Dahomira’s, und kam, ihm rettend zu nahen,</p>
+<p>Wenn sie, höllischen Trugs, Gefahr ihm sann, und Verderben.</p>
+<p>Immer schneller verschlang des Tages Heit’re der Wolken</p>
+<p>Finstere Nacht. An dem Himmel herauf, und hinunter zum Erdrand</p>
+<p>Zuckte der röthliche Blitz, und von fern her murrte der Donner:</p>
+<p>Kommend auf Flügeln des Sturms, vom dräuenden Süden herüber.</p>
+
+<span class = "pagenum">129</span>
+<p class = "stanza">
+Jetzt erscholl drometender Ruf, dreimaligen Stillstands,</p>
+<p>Tief, eintönig, gedehnt: des Kampfs ersehnetes Zeichen.</p>
+<p>Alsbald braus’te der Riegel zurück: in die rühmlichen Schranken</p>
+<p>Ritt, gemessenen Schritts, hellstrahlend von Purpur und
+Goldschmuck,</p>
+<p>Lobkowitz ein; den Schild ihm ziert’ ein fliegender Adler.</p>
+<p>Ganz durchmaß er die Bahn bis vor in die Nähe der Prachtlug;</p>
+<p>Wandte das Roß, und harrete dort des würdigen Gegners,</p>
+<p>Den das Los ihm beschied, und sieh’, ihm nahte Capellen,</p>
+<p>Muthigen Blicks! Da rief ihm Lobkowitz freundlich entgegen:</p>
+<p>„Nun geschlossen den Helm, und fest in dem Sattel gesessen!</p>
+<p>Schon viel Rühmens hört’ ich von euch, Capellen! So laßt uns</p>
+<p>Heut’ erseh’n: ob mir, ob euch die Krone bestimmt sey,</p>
+<p>Welche zum Dank uns beut die Erzeugte des edelsten Kaisers,</p>
+<p>Adelheid, voll Engelshuld und himmlischer Schönheit.“</p>
+<p>„Wohl,“ entgegnete jener mit Trotz, „das laßt uns erproben,</p>
+<p>Lobkowitz! Rasch seyd ihr, böheimische Kämpen, und dennoch</p>
+<p>Sollt ihr Oestreichs Söhnen den Kranz nicht rauben im Turnkampf.“</p>
+<p>Aber sie schlossen den Helm, und setzten sich fest in dem Sattel.</p>
+<p>D’rauf, mit gewaltiger Faust vorsenkend den Speer aus des Bügels</p>
+<p>Röhr’, und den ehernen Schild vorhaltend dem Feinde zur Abwehr,</p>
+<p>Spornten beide das Roß, das, weitvorgreifenden Sprunges,</p>
+<p>Schnell, wie der Blitz, auf dem Plan mit tönendem Hufe dahinflog,</p>
+<span class = "pagenum">130</span>
+<p>Bis inmitten der Bahn, urplötzlich, ein jeder der Gegner</p>
+<p>Traf des anderen Schild mit des Speers abprallendem Eisen</p>
+<p>So, daß der mächtige Schaft, in tausende Splitter zertrümmert,</p>
+<p>Hoch empor in die Luft und umher auf dem zischenden Sand flog,</p>
+<p>Und die Rosse, zurück’ auf die Hinterfüße gesunken,</p>
+<p>Noch dem gewaltigen Stoß’ erzitterten, schreckenerfüllet.</p>
+<p>Lautaufjauchzte den Kämpen das Volk; unzählige Stimmen</p>
+<p>Zollten im tausendfältigen Ruf den Trefflichen Beifall.</p>
+<p>Jetzt gedachten sie schon, aus dem Sattel sich schwingend, zu
+zeigen</p>
+<p>Auch in dem zweiten Gang mit dem blinkenden Schwert die
+Gewandtheit,</p>
+<p>Schnelle, und Kraft; doch laut rief dort der herrschende
+Turnvogt:</p>
+<p>„Helden, es ist euch Siegesruhm die Fülle geworden!</p>
+<p>Ruht von dem Scheinkampf jetzt! Vielleicht, so Gott es nicht
+wendet,</p>
+<p>Werdet ihr bald zum Ernst, nicht zum Scherz, in schrecklicher
+Feldschlacht</p>
+<p>Richten das blitzende Schwert auf die Brust anstürmender Gegner!</p>
+<p>Ihr brach’t zierlich den Speer: aus der Hand der holden Erzeugten</p>
+<p>Rudolphs, wird euch herrlicher Lohn noch heut’ in dem Turn-Dank!“</p>
+<p>Jene kehrten zurück, in dem hohen Gezelte zu ruhen.</p>
+
+<span class = "pagenum">131</span>
+<p class = "stanza">
+Stille wurd’ es umher, und es faßt’ ein heimlicher Schauder</p>
+<p>Manchem die Brust bei’m ernsteren Wort des prophetischen Greises.</p>
+<p>Doch nun braust’ im Sturm der schwarzgerüstete Ritter</p>
+<p>Näher, und riß den Rappen zurück’ an dem leitenden Zügel,</p>
+<p>Sonst durchbrach er im Sprung die hemmenden Schranken. Er nagte,</p>
+<p>Wüthenden Grimms, am Gebiß’, und schnob, und streute den
+Schneeschaum</p>
+<p>Hin auf den Sand, den er mit den scharrenden Hufen umherwarf.</p>
+<p>Edelem Stamm’ entsprossen schien der gewaltige Reiter;</p>
+<p>Aber noch barg der geschlossene Helm ihn den Augen des Volkes.</p>
+<p>Stolz erhob er die Hand, und hieß mit stummen Geberden</p>
+<p>Milota nah’n. D’rauf zog er ein Blatt aus den Fugen des Panzers,</p>
+<p>Reicht’ es ihm dar, und wies nach des Turnvogts herrschendem Sitz
+hin.</p>
+<p>Milota lächelte Hohn, da er, spornend sein Roß, an den Schranken</p>
+<p>Hinflog, und darreichte das Blatt dem staunenden Alten.</p>
+<p>Dieser entfaltet’ es schnell, und las mit vernehmlicher Stimme:</p>
+<p><ins class = "correction" title = "Original: ,Euch">„Euch</ins>
+entbiethet zuvor, ihr edelen Herren und Ritter,</p>
+<p>Ihren freundlichen Gruß Kunegunde, des böhmischen Reiches</p>
+<p>Königinn! Dann verlangt sie, daß ihr den Ritter in Trauer</p>
+<span class = "pagenum">132</span>
+<p>Nicht verschmäht, der glänzenden Stamms sich rühmt, und im
+Turnkampf</p>
+<p>Heute, vor euch, ihr herrlichen Ruhm zu ersiegen, bereit ist.</p>
+<p>Aber ihm werde nach Wunsch der letzte der Kämpfe <ins class =
+"correction" title = "Original: gewahret">gewähret</ins>!“</p>
+<p>Stumm verneigte der Greis sein Haupt, und Milota kehrte</p>
+<p>Wieder zurück. Da lispelte leis’ in die Ohren des Nachbars</p>
+<p>Ein Barfüßermönch, der jüngst aus Böhmen gekommen,</p>
+<p>Und auf dem volkerfüllten Gerüst schaulustig sich einfand:</p>
+<p>„Seh’ ich den Ritter dort, gehüllt in die finstere Rüstung,</p>
+<p>Will es mich fast bedünken: er sey der Königinn Liebling,</p>
+<p>Zawiß von Rosenberg,<a class = "tag" name = "tag4_3" id = "tag4_3"
+href = "#note4_3">3</a> der weitgepriesener Anmuth,</p>
+<p>Blühender Jugendkraft, und tapferen Muthes, ihr Herz schon</p>
+<p>Völlig gewann, das leis’ in heimlichen Flammen sich abzehrt.</p>
+<p>Also rächt sich die Schuld! Ein Gleiches mit Gleichem vergolten</p>
+<p>Wird dem Könige, der Margarethen verstieß, und den Unhold</p>
+<p>Sich beilegte zum Weib: Kunegund’ ersehnt sich den Buhlen.“</p>
+<p>Also das Mönchlein sprach. Doch feuriger stets, und entflammter,</p>
+<p>Zuckten die Blitz’ umher im Gewölk’, und auf ehernen Rädern</p>
+<p>Sank stets tiefer herab des Donners rollender Wagen</p>
+<p>So, daß die Menge mit Angst aufsah, und, des strömenden Regens</p>
+<p>Denkend, nur an dem Leinendach des Gerüstes noch Trost fand.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Wieder erscholl gar feierlich ernst die Dromete. Zum Turnkampf</p>
+<p>Rief sie ein Heldenpaar: da flog der muthige Wallstein,</p>
+<span class = "pagenum">133</span>
+<p>Herrlich glänzend von Gold auf dem perlen-farbigen Sammttuch,</p>
+<p>Ueber die Pläne hinab, und wandte sich, harrend des Gegners.</p>
+<p>Sieh’, ihm fiel das Los, mit dem Stahrenberg in den Schranken</p>
+<p>Heute zum erstenmal, sich zu messen: zum Ritter geschlagen</p>
+<p>Jüngst durch Ottgar selbst, der ihn vor jeglichem liebte!</p>
+<p>Jugendlich hüpfte das Blut in den Adern des feurigen Helden</p>
+<p>Noch. Er lechzte nach Ruhm; doch wüthete jetzt in der Brust ihm</p>
+<p>Furchtbare Liebesgluth, seit er vernommen, daß
+Hedwig&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Sie, die Zierde der Welt, für welch’ er thöricht entbrannt war,</p>
+<p>Reichen sollte die Hand zum eh’lichen Bund dem Erzeugten</p>
+<p>Rudolphs, Hartmann, und ach, Verzweiflung faßt’ ihn erneut an!</p>
+<p>Ungeheueres sann er empört im Gemüth, und nicht wußt’ er</p>
+<p>Wie er’s vollbringe dereinst. Da sprach ihm jetzt Drahomira,</p>
+<p>Die, nur auf Arges bedacht, auflauerte, leis’ an das Ohr so:</p>
+<p>„Denke des Muths: vielleicht gelingt es dir heut, den Verhaßten</p>
+<p>Dort mit höhnendem Blick zu reizen, und Rache zu üben!“</p>
+<p>Alsbald wandt’ er das Haupt, und sah mit höhnenden Blicken,</p>
+<p>Lang’ nach dem tapferen Hartmann hin, als hätt’ er gefrevelt.</p>
+<p>Zorngluth schoß in das bleiche Gesicht des Edeln: er hob sich</p>
+<p>Hastig vom Sitz, ihn laut zur Rede zu stellen, entschlossen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch schon nahete Stahrenberg, im feurigen Vorschritt</p>
+<p>Zügelnd das Roß, und rief dem Gegner, lächelnd, entgegen:</p>
+<span class = "pagenum">134</span>
+<p>„Erst so beweglich, und nun säumst du den Kampf zu beginnen?“</p>
+<p>„Nein, ich säume nicht!“ sprach alsbald der Zürnende, wähnend:</p>
+<p>Jener zeihe der Feigheit ihn. Er ahnte nicht, wer ihm</p>
+<p>Also empörte die Brust durch dunkle Gebilde der Rachgier.</p>
+<p>Trotzig schloß er den Helm; ließ sinken den Speer in der Rechten;</p>
+<p>Gab dem Rosse den Sporn, und flog dem Ritter entgegen,</p>
+<p>Der nicht müßig geharrt: denn sieh’, jetzt trafen die beiden</p>
+<p>Sich inmitten des Plans, an dem Schilde die Speere zu brechen,</p>
+<p>Wie es der Turnbahn Sitte geboth, und trefflich erzielte</p>
+<p>Stahrenberg den Gewinn: sein Speer zerbrach an dem Turnschild</p>
+<p>Wallsteins, den ein glänzender Stern erhellete, krachend;</p>
+<p>Schlug auch den Stern entzwei, und zerstob in unzählige Trümmer!</p>
+<p>Aber nicht so sein Gegenpart. Von stachelnder Rachgier</p>
+<p>Glühend, nahm er das Abseh’n hoch nach dem Helm’, und er stieß
+ihm</p>
+<p>Solchen vom Haupt mit festnachstürmender Rechten, daß alsbald</p>
+<p>Ihm an dem Kinn der Riemen zerriß, und im Sande der Helm hin</p>
+<p>Kollerte. Zornerfüllt gewahrten die älteren Ritter</p>
+<p>Wallsteins Frevelthat, und murreten. Aber dem Turnvogt</p>
+<p>Schien gleichmäßig des Kampfes Gewinn: weil jener den Schild ihm,</p>
+<span class = "pagenum">135</span>
+<p>Schmetternd, zerbrach, und dieser den Helm von dem Haupt ihm
+gehoben.</p>
+<p>Stille herrscht’ umher; kein Beifall krönte die Kämpen.</p>
+<p>Stahrenberg ritt eilig zurück; doch zögerte Wallstein</p>
+<p>Noch auf dem Plan, und sah von neuem mit höhnendem Ingrimm</p>
+<p>Nach der Lug empor, wo Hartmann im glänzenden Harnisch,</p>
+<p>Lieben Geschwistern vereint, sich fand an der Seite des Kaisers.</p>
+<p>Ihn verhöhnet’ er frech, und begann mit stachelnden Worten:</p>
+<p>„Kühlere Lüftchen umweh’n dich dort; hier fühlt es sich heißer:</p>
+<p>Komm, und versuch’s! Der Jugend Kraft zu erproben, ist rühmlich.“</p>
+<p>Stöhnend vor edelem Zorn erhob sich der Jüngling, und forschte</p>
+<p>Einen Augenblick in dem Antlitz des herrschenden Vaters.</p>
+<p>Aber er saß in erschütternder Hoheit dort in der Mitte</p>
+<p>Seiner Erwählten, und sah, verstummend, hinab auf den Ritter.</p>
+<p>Jenem genug: er sprang die Stufen herunter, und warf sich</p>
+<p>Schnell auf das wiehernde Roß, das draußen der Knappe gehalten;</p>
+<p>Faßte, zitternd vor Hast, den Speer, und flog auf die Turnbahn.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch schon hatte zuvor von dem trugverblendeten Wallstein</p>
+<p>Sich Drahomira gewendet, und hing mit flammenden Blicken</p>
+<p>Ueber Ottgars Haupt. Er war’s, der heute des Nachtgrau’ns</p>
+<span class = "pagenum">136</span>
+<p>Farbe zur Rüstung sich wählt’, als jene, voll höllischer Arglist,</p>
+<p>Ihn zu dem Kampf hertrieb: nur Jammer zu schaffen, entschlossen.</p>
+<p>Wie auf dem trüglichen Netz die giftige Spinne dahinfährt,</p>
+<p>Wo die Beute sich fing, und diese mit klebrigen Fäden</p>
+<p>Dicht umstrickt, daß kein’ Errettung mehr von dem Tod ist:</p>
+<p>Also ließ sie nicht ab von dem unglückseligen Herrscher,</p>
+<p>Deß’, sonst edele, Heldenbrust in wilder Empörung</p>
+<p>Schrecklicher Ehrsucht gohr, und allein nach Rache sich sehnte.</p>
+<p>Siehe, wie zween geschweifte Kometen am nächtlichen Himmel</p>
+<p>Glüh’n, und in blutiger Kriegeszeit den zagenden Völkern</p>
+<p>Dräu’n Pest, Hungersnoth, und Theurung: also erglühten</p>
+<p>Jetzt Drahomira’s zur Wuth empörete Blicke; sie hauchte</p>
+<p>Ottgars horchendem Ohr den seelenverderbenden Rath ein:</p>
+<p>„Pfeilschnell naht, und entfliehet das Glück: d’rum hasch’ es im Flug
+jetzt,</p>
+<p>Eh’ es auf immer entweicht, und nicht wiederkehret dem Trägen:</p>
+<p>Tritt mit Hartmann du in den Kampf; dir weiche dein Liebling</p>
+<p>Wallstein. Thöricht vergaß der waffenbeschauende Turnvogt</p>
+<p>Deine zu prüfen: du führst verderbliche. Schleudre den Jüngling</p>
+<p>Erst in den Staub; dann wende dich, nah’ ist der Kaiser, durchbohr’
+ihm</p>
+<p>Kühn die verräth’rische Brust, und entflieh’. Dein schreckliches
+Reitroß</p>
+<span class = "pagenum">137</span>
+<p>Trägt dich schnell aus umdrängender Noth: denn höllische Macht
+tobt</p>
+<p>Ihm in den Adern. Auf, und räche dich jetzt an dem Gegner.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Wild aufbäumte sich Ottgars Rapp’, als jene gesprochen;</p>
+<p>Scharrt’ in dem Sand, und schnob, und drehte sich, wüthend, im
+Halbkreis’:</p>
+<p>Denn sie erregte das Thier durch Gaukelgebilde der Hölle.</p>
+<p>Heimlicher Schauder ergriff das Volk und die edelen Ritter.</p>
+<p>Ottgars Aug’ umdüsterte Nacht: gleich Meeresorkanen,</p>
+<p>Wühlten in seiner Brust die Empfindungen streitender Rachgier,</p>
+<p>Ehre, und Pflicht. Doch jetzt besann er sich; sprengte den Rappen</p>
+<p>Ueber die Schranken, und rief dem kampfbeginnenden Helden</p>
+<p>Laut, im Brausen des nahenden Sturms und Donnergewitters:</p>
+<p>„Wallstein, halt! Zieh’ hin zu dem Schrankenthor’, und vergönne</p>
+<p>Mir in des Kampfs Entscheidung den Sieg. Kunegunde geboth mir</p>
+<p>Sie zu rächen, und dich an dem schmähungliebenden Buben</p>
+<p>Deß’, der Kaiser sich nennt des heiligen, römischen Reiches.“</p>
+<p>Wallstein eilte zurück; doch Hartmann rief ihm entgegen:</p>
+<p>„Ha, du lügst! Nie hat mein Mund Kunegunden, noch jenen,</p>
+<p>Der so frech sich erweis’t, so unritterlich handelt, geschmähet,</p>
+<p>Weder heimlich, noch offenbar: das sollst du mir büßen.“</p>
+<p>Rief’s, und senkte den Speer, nicht erwägend, daß solchen der
+Knappe,</p>
+<span class = "pagenum">138</span>
+<p>Nicht zum Kampf auf Leben und Tod &mdash; nur zum rühmlichen
+Scheinkampf</p>
+<p>Ihm darreichte zuvor, in drängender Hast und Verwirrung.</p>
+<p>Zwar erhob den Stab und die herrschende Stimme der Turnvogt;</p>
+<p>Zwar abmahnten vom Streit die Grieswart’ dieß und auch jenseits;</p>
+<p>Aber sie achteten’s nicht. Von dem lautaufheulenden Sturmwind</p>
+<p>Ward verschlungen ihr Ruf, und die rachebefeuerten Gegner</p>
+<p>Bringt zur Ruhe kein Stab jetzt mehr, noch zu klarer Besinnung.</p>
+<p>Aber schon war, voll sorglicher Hast, dem erhabenen Kaiser</p>
+<p>Marbod genaht. Nicht entging dem liebenden Geist Drahomira’s</p>
+<p>Unheilschwangerer Blick, die, beiden: dem Kaiser und Böhmens</p>
+<p>Könige, Tod und Verderben sann, und in wilder Verwirrung</p>
+<p>Leichen auf Leichen gehäuft, der Hölle zur frevelnden Lust, sah.</p>
+<p>Jetzt umfaßt’ er ihn heiß, und rief im Geistergelispel:</p>
+<p>„Auf, und ziehe dein blinkendes Schwert, zur Wehre dich stellend!</p>
+<p>Dir droht Mord und Verrath, und deinem Sohne Verderben</p>
+<p>Von dem Fremdlinge. Horch, und verschmähe des Warnenden Rath
+nicht!“</p>
+<p>Alsbald hob, von dem Geist erregt, der gewaltige Herrscher</p>
+<p>Von dem Stuhle sich auf; entblößte das Eisen, und eilte</p>
+<p>Schnell die Treppe herab auf die Plane, den theuern Erzeugten</p>
+<span class = "pagenum">139</span>
+<p>Gegen die Wuth des rascheindringenden Gegners zu schirmen,</p>
+<p>Der so frech verhöhnte den Ruf des heiligen Gastrechts.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzo sporneten, laut mit Geschrei, die erbitterten Helden</p>
+<p>Gegen einander die Ross’ auf dem Plan; doch, brausenden Fluges,</p>
+<p>Trieb in dem Augenblick das entsetzliche Donnergewitter</p>
+<p>Näher, und stäubte den Sand in wirbelnden Säulen vom Grund auf.</p>
+<p>Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag urplötzlichen Donners</p>
+<p>Flammt’, und krachte herab aus dem finsteren Schooße der Wolken,</p>
+<p>Die, gewitterschwer, tiefhangend, zum Boden gesunken,</p>
+<p>Jetzo des Mittags Hell’ in Nacht verwandelten ringsum.</p>
+<p>Angst ergriff das versammelte Volk. Dem Schreckensgedanken</p>
+<p>Bebte das Herz, als sey der Tag’ allletzter gekommen.</p>
+<p>Wie, und dennoch ruhten die zween erbitterten Gegner</p>
+<p>Von dem Kampfe noch nicht? Sie sprengten die Läufer im Flug fort.</p>
+<p>Jetzo, wo Ottgars Speer mit tödlicher Spitze dem Turnschild,</p>
+<p>Harnisch, und Herzen zugleich des harmloskämpfenden Hartmann</p>
+<p>Nahete, fuhr ein Blitz, an der Breite dem stürzenden Waldstrom</p>
+<p>Aehnlich, zwischen die beiden herab, und entsetzlicher Donner</p>
+<p>Rollte, betäubenden Schlags, erschütternd ringsum die Gegend,</p>
+<p>Plötzlich ihm nach; doch Marbod sprang urschnell in den Blitz
+hin.</p>
+<span class = "pagenum">140</span>
+<p>Sein entrüsteter Blick entflammte sich hell, und er schreckte</p>
+<p>Hartmanns wildanstürmendes Roß vor dem Rosse des Gegners.</p>
+<p>Bäumend hob es sich auf: da drang ihm der Speer so gewaltig</p>
+<p>Ein in die Brust, daß der Schaft, erkrachend, sich bog, und entzwei
+brach.</p>
+<p>Stöhnend sank das Roß auf den Rücken. Der Reiter entzog ihm</p>
+<p>Schnell das Bein, und stand, ergriffen von inniger Wehmuth:</p>
+<p>Schauend sein treues Thier, das jetzt mit den vorderen Hufen,</p>
+<p>Jetzt mit den hinteren scharrt’ in dem Sand &mdash; dann todt, und
+erstarrt lag.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar saß, geblendet vom Blitz’, und schnaubend vor Ingrimm</p>
+<p>Ob des gebrochenen Speers. Er hörte den schrecklichen Donner,</p>
+<p>Hörte die lärmenden Ritter nicht mehr, die, empört von dem
+Frevel,</p>
+<p>Naheten; doch er sann im schnell&shy;hinschwindenden Zeitraum</p>
+<p>Eines Augenblicks. Drahomira empörte zur Wuth ihn,</p>
+<p>Als der Kaiser zur Rettung des Sohns in Eile dahersprang;</p>
+<p>Aber umsonst: denn stolz- und tapfergesinnet war Ottgar;</p>
+<p>Feig ihm dünkte der Mord. Er riß von der Rechten den Handschuh,</p>
+<p>Warf ihn entgegen dem Feind’, entblößte das Eisen, und rief ihm:</p>
+<p>„Rudolph, heb’ ihn nur auf: denn es biethet auf Tod und auf Leben</p>
+<p>Ottgar, zitt’re vor ihm, dir Fehde für jetzt, und für immer!</p>
+<span class = "pagenum">141</span>
+<p>Nichts von Frieden darum, und nichts von der Kinder Verlobung:</p>
+<p>Rach’ allein ist die Losung hinfort: das soll ich dir kund thun!“</p>
+<p>Rief’s, und gab dem Rosse den Sporn. Die Schranken hinüber</p>
+<p>Trug es ihn fort im Sprung; dann, sausend, im Donnergaloppe</p>
+<p>Weiter und weiter hinaus auf der staubenden Straße nach
+Stillfried,</p>
+<p>Und ihm sprengte sein Ehrengefolg’ im eiligen Flug nach.</p>
+<p>Aber in wilder Verwirrung schrie’n, und entstürzten die ander’n</p>
+<p>Rings den Sitzen, und floh’n durch Sturm und Gewitter voll Angst
+heim.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">142</span>
+<h3><a name = "gesang5" id = "gesang5">Fünfter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Schüttelnd die triefenden Schwingen, erhob nach unendlichem Regen</p>
+<p>Sich der Abendwind, und warf von dem rauschenden Hochwald</p>
+<p>Und dem ersäuselnden Hain’ gewichtige Tropfen zum Boden.</p>
+<p>Trauernd senkten den lastenden Kelch in dem Felde die Blumen</p>
+<p>Noch, und das blinkende Gras bewegte sich langsam und schwer nur.</p>
+<p>Kein Gesang der Vögel erscholl; nur fern in dem Sumpfrohr</p>
+<p>Quackte der Frosch, und die finstere Luft durchkrächzten die
+Raben:</p>
+<p>Denn noch deckte Gewölk des Himmels Bogen; der Donner</p>
+<p>Rollte noch fort, und der leuchtende Blitzstrahl fuhr noch im
+Süden</p>
+<p>Flatternd umher: als droht’ er entsetzlicher wiederzukehren.</p>
+<p>Da gelangte, von Wuth und gährender Rache getrieben,</p>
+<p>Ottgar heim vor das Lagerzelt, und schwang sich vom Sattel</p>
+<p>Hastig herab. Ihm kam der Kunring, Leutold, entgegen,</p>
+<span class = "pagenum">143</span>
+<p>Der mit Schmerzen daheim sein harrete. Jetzo begann er:</p>
+<p>„Wahrlich, du kommst ersehnt, und glühender noch, als am Abend</p>
+<p>Unsers mit Blut gefertigten Bund’s: an dem Kaiser &mdash; an
+Rudolph,</p>
+<p>Rache zu üben &mdash; an ihm, der nach den geheiligten Rechten</p>
+<p>Altehrwürdiger Ritterzeit im empörenden Hochmuth</p>
+<p>Greift mit gewaffneter Hand; der Deutschlands Edeln der
+Knechtschaft</p>
+<p>Fesseln beut, da er schon gar viele der Vesten zu Boden</p>
+<p>Schmettert’, und allen ein Gleiches droht: daß nimmer die Freien</p>
+<p>Uebten ihr Recht an dem Volk, dem niedriggebornen, nach Willkühr.</p>
+<p>Nicht so wurden wir einst lehnpflichtig dem König. Der Leh’nsherr</p>
+<p>Rang um sein Eigen im Feld; sein ist’s, was dort ihm zu Theil
+ward&nbsp;&mdash;</p>
+<p>König auch er: ihm huldigt zur Frohne der Hold und der Sasse.</p>
+<p>Wie, mir würd’ es verwehrt zu erbauen die Burg auf dem Felsen,</p>
+<p>Der aus dunkelem Wald’ aufragt, und zum schwindelnden Abgrund,</p>
+<p>Senkrecht bis zu dem Wildbach hin die Wände hinabsenkt,</p>
+<p>Unnahbar dem Feind? Nicht sollt’ ich dort von den Zinnen,</p>
+<p>Oder des Wartthurms Höh’n mit herrschendem Blick in des Abends</p>
+<span class = "pagenum">144</span>
+<p>Goldenem Schein’ erforschen die Gau’n: ob, lauernd, der Gegner</p>
+<p>Nahe den Thalweg her? Nicht sein, des ohnmächtigen, spotten,</p>
+<p>Der, mit blutigen Köpfen zurück von der Veste gewiesen,</p>
+<p>Schamroth flieht? Nicht von ihr zum Kampf mit den Reisigen
+auszieh’n,</p>
+<p>Kennend der Mauern Gefüg’, und in selben geschirmt nach dem
+Heimzug?</p>
+<p>Rechte nur immerhin der Unfreie mit mir, daß ich, Freier,</p>
+<p>Niederwerfe nach Lust auf der Straße den wandernden Kaufmann,</p>
+<p>Der, ein Bürger der Stadt, dem Juden zugleich und dem Wechsler</p>
+<p>Treuverbündet, mein Volk betriegt, deß’ Habe doch mein ist?</p>
+<p>Nur in der Ritterburg, der Wieg’ erhebender Thatkraft,</p>
+<p>Heldensinnes, und Muths wohnt auch das häusliche Glück noch.</p>
+<p>Wenn ich schaue die Hausfrau dort, wie sie schaltet mit Sanftmuth</p>
+<p>Ueber das rohe Gesind’, und die züchtigen Töchter, den Rosen</p>
+<p>Gleich aufblühend, erwerben die Huld und die Würde der Mutter;</p>
+<p>Wenn ich vom Fenster hinab an des Hofraums rasigem Abhang</p>
+<p>Ringen sehe den Sohn mit den Knappen: wie diesem den Bart er,</p>
+<p>Lachend, zerrauft, und den anderen schlägt mit den winzigen
+Fäustchen,</p>
+<span class = "pagenum">145</span>
+<p>So vorübend die Kraft auf die herrlichsten Jahre des Lebens:</p>
+<p>Nicht für die goldene Kron’ eintauscht’ ich die goldene Freiheit.</p>
+<p>Sieh’, auch der Sänger spricht dort ein, und läßt in dem Hofraum,</p>
+<p>Nachtumhüllt, gar mild ertönen die lieblichen Saiten,</p>
+<p>Eh’ er beginnet sein Lied; doch sitzen wir bald in des Saales</p>
+<p>Schimmerndem Licht um ihn her, und horchen den zaub’rischen Tönen</p>
+<p>Von der Minne Leiden und Glück; von den Wundergeschichten</p>
+<p>Grauender Heldenzeit, und den Thaten gewaltiger Ahnen</p>
+<p>So, daß in wonniger Lust, wie im Flug’, uns die Stunden
+entschwinden!</p>
+<p>Ha, und dessen gedenkt der Habsburg uns zu berauben?</p>
+<p>Künftig sollen wir feig, erschlafft, und völlig verweichlicht,</p>
+<p>Wohnen in dumpfiger Stadt, und der Ritterehre vergessend,</p>
+<p>Höflingen gleich, uns bücken vor ihm? Doch, König, verzeihe,</p>
+<p>Wenn vor dir nicht Gefälliges spricht ein wackerer Deutscher!</p>
+<p>Wie habt ihr turneit? Ward Habsburgs Löwe gebändigt?</p>
+<p>Hast du Rache geübt? &mdash; denn Schreckliches kündet dein Aug’
+an.“</p>
+<p>Sagt’ es, erstaunt; doch Ottgar sah mit den flammenden Augen</p>
+<p>Ihn noch schrecklicher an, und rief: „Ja, Rache geübet</p>
+<p>Offen vor allem Volk! Wohl sagt’ ein höllischer Geist mir</p>
+<p>Heimlich in’s Ohr: „Durchbohr’ ihn!“ doch mich dünkt’ es zu
+niedrig:</p>
+<p>Morden! Ein Leichtes war’s, auf dem Plan das blinkende Schwert
+ihm</p>
+<span class = "pagenum">146</span>
+<p>In die verräth’rische Brust &mdash; er zitterte! heute zu
+tauchen;</p>
+<p>Doch nur in offener Schlacht, das Aug’ auf das Auge geheftet,</p>
+<p>Soll er mir steh’n, und, fallend, im Staub’ aushauchen das
+Leben.“</p>
+<p>Vor, aus seinem Gefolg trat Milota jetzt, und begann so:</p>
+<p>„König, verzeih’: er zitterte nicht! Dich täuschte der Rachgier</p>
+<p>Seelenverwirrende Gluth. Wohl staunt’ ich, als er so muthvoll</p>
+<p>Dir entgegen trat auf dem Plan: du sporntest den Rappen</p>
+<p>Weise davon. Gut war’s: nicht wehrlos falle der Gegner,</p>
+<p>Tapferen Herzens, dem tapferen Mann; das hast du erwogen:</p>
+<p>Selber beut sich ja oft nur klügeren Seelen das Glück an.“</p>
+<p>Sprach so, kaum bekämpfend die Wuth, die ihm heimlich des Herzens</p>
+<p>Tiefen zerriß, und er lächelte nur. Doch jener zernagte,</p>
+<p>Schweigend, die Lippen vor Zorn: denn Spott verriethen die Augen</p>
+<p>Milota’s. Jetzt entblößt’ er das Schwert, und flehte zum Himmel:</p>
+<p>„Ewiger, der du schirmst das Recht, und bestrafest das Unrecht;</p>
+<p>Auch in der Vorzeit oft in die Hände der Führer des Volkes</p>
+<p>Gabst dein Rächerschwert, zu vertilgen Israels Gegner,</p>
+<p>Höre mein Fleh’n, und laß’ mich jetzt vergelten im Vollmaß</p>
+<p>Dem, der, frevelnd an mir, verletzte die Treu’ und die Wahrheit,</p>
+<p>Mich beschimpfend vor allem Volk, da er laut es gebilligt:</p>
+<span class = "pagenum">147</span>
+<p>Heimlich im Zelt sollt’ ich ihm huldigen &mdash; schändlicher Trug
+war’s!</p>
+<p>Mich verachtet das Volk seitdem, und die jammernde Mutter</p>
+<p>Meiner Erzeugten weis’t die unschuldigen Opfer des Truges</p>
+<p>Mir, im verzweifelnden Schmerz. O, gib mir den Sieg in dem Kampf
+jetzt!“</p>
+<p>„Ihr,“ so rief er den Feldherrn laut, „erhebet die Banner</p>
+<p>Eurer geordneten Schar! Wir ziehen noch heute nach Thalsbrunn:</p>
+<p>Dort von dem Weidenbach g’en Wien zu dringen, entschlossen.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jene gehorchten sogleich, und gebothen dem Heere den Aufbruch.</p>
+<p>All’ die geordneten Reihen hinab ertönte das Rufen</p>
+<p>Tausender: „Auf! In den Kampf! Wir geh’n den Feinden entgegen.“</p>
+<p>Trommeln rasselten dumpf, und das Schmettern eh’rner Drometen</p>
+<p>Scholl aus dem Waffen-Geklirr mit dem Wiehern unbändiger Rosse.</p>
+<p>Bald schwand rings die wandernde Stadt der Gezelt’ aus den
+Fluren,</p>
+<p>Und die unendliche Wagenburg nachfolgte der Heer’smacht</p>
+<p>Langsamen Schritts, von dem Lastvieh fort auf der Straße gezogen.</p>
+<p>Siehe, in drei Heersäulen ging des gewaltigen Königs</p>
+<p>Furchtbare Macht jetzt vor! Er hemmte sein Roß an dem Heerweg;</p>
+<span class = "pagenum">148</span>
+<p>Sah die Tausende zieh’n, und heischte von Diesem und Jenem,</p>
+<p>Schnelleren Gang mit erhobener, oft schrittweisender Rechten.</p>
+<p>Lobkowitz führt’ in dem Vorderzug die böhmischen Reiter;</p>
+<p>Mährens Volk, das muthig zu Fuß anstürmt in der Feldschlacht,</p>
+<p>Milota, der in der Mitt’ einher vor den Reussen, den Meißnern,</p>
+<p>Und den Thüringern zog. Doch Czernin lenkt’ in dem Nachzug</p>
+<p>Sachsens reisiges Volk, dem rasch die Mannen der Kunring’,</p>
+<p>Und die Bayern zugleich voreileten, fröhlichen Muthes.</p>
+<p>Als das geordnete Heer aufbrach, da schloß mit Gefolg auch</p>
+<p>Ottgar sich, hinbrütend, ihm an. Der tapfere Wallstein</p>
+<p>Ritt ihm zur Seit’ &mdash; auch er versunken in düstere
+Schwermuth:</p>
+<p>Denn nicht brachte der Tag ihm Gewinn; nicht die schönere
+Hoffnung</p>
+<p>Blüht’ ihm darum, weil er sie dem Gegner entriß auf der Turnbahn.</p>
+<p>Ach, sie stand ihm zu hoch, des Königs Erzeugte! Nicht wagt’ er,</p>
+<p>Ihm zu eröffnen das Herz, obgleich er liebend an ihm hing.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzo schwand das hüg’lige Matz zur Rechten, und Angerns</p>
+<p>Weidenreiches Gefild zur Linken dem Heere vorüber.</p>
+<p>Ottgars Blick hing starr an der March, die rauschend hinunter,</p>
+<p>G’en Marcheck und Kressenbrunn die dunkelen Fluthen</p>
+<p>Wälzte. Der herrlichen Zeit errungenen Ruhmes gedacht’ er</p>
+<span class = "pagenum">149</span>
+<p>Jetzo mit pochender Brust, und sprach zu dem sinnenden Jüngling:</p>
+<p>„Eilt nicht der Strom, wie die Zeit, in ewigwechselndem Lauf
+fort?</p>
+<p>Bald erglänzt er im sonnigen Licht, bald wogt er im Sturmhauch,</p>
+<p>Trübaufschäumend, umher: sein voriger Reiz ist entschwunden.</p>
+<p>Siehe, wie düster die March jetzt fließt, und wie herrlich erschien
+sie</p>
+<p>Dort an dem Tage von Kressenbrunn,<a class = "tag" name = "tag5_1" id
+= "tag5_1" href = "#note5_1">1</a> wo im Siegesgefild mir</p>
+<p>Ungerns Macht erlag, die Bela, der tapfere König,</p>
+<p>Zahllos, wie der Heuschrecken Heer’, uns entgegengeführt hat!</p>
+<p>Jenem Siegestag zur Erinnerung gründet’ ich dankbar</p>
+<p>Dann Marcheck, die blühende Stadt, am Gestade des Flusses.</p>
+<p>Ha, dort scholl mir die Stimme des Glücks in dem Sieges-Gefild
+noch,</p>
+<p>Und ich folgt’ ihr beherzt! Vielleicht erschallt sie mir nimmer.</p>
+<p>So ist des Menschen Geschick, des sterblichen, hier auf des
+Lebens</p>
+<p>Pilgerpfad’ empor zu schießen, voll üppigen Wuchses;</p>
+<p>Doch gestellt ist das Maß, und er schrumpft dann wieder zusammen,</p>
+<p>Wie die thürmend’ Eich’, die ihr Haupt in die Lüfte gehoben,</p>
+<p>Nun zu Moder zerfällt: die, ach, Jahrhunderten trotzte,</p>
+<p>Liegt in dem Staub! So schreiten auch Reich’ und gewaltige Völker</p>
+<p>Plötzlich wieder zurück von den kaum errungenen Höhen,</p>
+<span class = "pagenum">150</span>
+<p>Und mir ahnet es fast, ich hab’ sie errungen: zum Abend</p>
+<p>Neigt sich mein Strahlengestirn, und bald versinkt es in
+Nachtgrau’n.“</p>
+<p>„Das sey ferne,“ so rief den schwärmerischtrüben Gedanken</p>
+<p>Sich entreißend mit Macht, der feurige Jüngling, „das Dunkel</p>
+<p>Kennt dein Glücksgestirn nicht mehr: erst jetzo beginne</p>
+<p>Solches den schöneren Lauf zu des Ruhms hellleuchtender Sonne!</p>
+<p>Fällt der Kaiser besiegt, und das soll er! dann ist die Welt dir</p>
+<p>Unterthan. Wie dort nach dem herrlichen Sieg’ im Triumphzug</p>
+<p>Du hinführtest dein Volk an Italiens Gränze:<a class = "tag" name =
+"tag5_2" id = "tag5_2" href = "#note5_2">2</a> so winkt jetzt,</p>
+<p>Ueber sie hin dein Siegespfad. Weltherrschend, eröffnet</p>
+<p>Roma dir die Thor’, und erblickt die Krone der Kaiser</p>
+<p>Schimmernd auf deinem Haupt, die Carol der Große getragen.</p>
+<p>Stark bist du, und noch stärker, so dir ein tapferer
+Eidam&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Doch nicht aus Rudolphs Stamm, den du geziemend verschmähtest,</p>
+<p>Sich in dem Schlachtfeld eint, als Gatte der himmlischen Hedwig!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar schwieg, und das Heer zog weiter in täuschender Stille,</p>
+<p>Wie er gebothen zuvor. Doch sieh’, aus den nächtlichen Wolken</p>
+<p>Senkte sich Arpad<a class = "tag" name = "tag5_3" id = "tag5_3" href
+= "#note5_3">3</a> jetzt in Eile herunter! Ein Vater</p>
+<p>Ward er genannt dem Magyaren-Volk’, und aus seinem Geschlecht her</p>
+<span class = "pagenum">151</span>
+<p>Sproßte der Segenszweig: der erste, der heilige König</p>
+<p>Ungerns, der, sein Volk auf des Heilands Pfade geleitend,</p>
+<p>Ihm der Menschlichkeit beglückende Recht’, und der Sitten</p>
+<p>Mildere Form kund gab, auch Gesetz’ ihm schenkte zur Wohlfahrt.</p>
+<p>Arpad, schauend den Kun, im Rohrgefilde verborgen,</p>
+<p>Sann alsbald nur Thaten des Muths, und er nahete pfeilschnell</p>
+<p>Ladislav, dem Könige, der, entschlummert im Zeltraum</p>
+<p>Lag auf dem Bärenfell’ im grasumwucherten Aufeld;</p>
+<p>Beugte sich über ihn hin, und preßte den Mund auf den Mund ihm</p>
+<p>So, daß er ängstlich sich wand, und stöhnete, bis er die Augen</p>
+<p>Aufschlug, schrie, und im finsteren Zelt’, entrüstet, umher sah.</p>
+<p>Arpad haucht’ ihm Muth in die Brust mit dem Seelengelispel:</p>
+<p>„Also bezwungen vom Schlaf, dehnst du die blühenden Glieder,</p>
+<p>Eingelullt vom Gesang kumanischer Frau’n und der Zither</p>
+<p>Sanftem Getön? Wach’ auf, du Weichlicher! Denke der Ahnen</p>
+<p>Weitgefeierten Heldenruhms, und des feurigen Muthes,</p>
+<p>Der sie beseelte beim Klang des furchtbarbrüllenden Rindhorns,</p>
+<p>Wenn die Feinde sich trafen im Feld’, und der Würgenden Ruf
+scholl.</p>
+<p>Wachen muß dort stets für alle der Herrscher, und rastlos</p>
+<p>Walten bei Tag und bei Nacht, in gefahrumdräuender Kriegszeit.</p>
+<span class = "pagenum">152</span>
+<p>Horch dem Gewirr! Schon zieht der Böhm’ in täuschender Stille</p>
+<p>Eilig die Straße hinab g’en Thalsbrunn, dort in des Lagers</p>
+<p>Weitumkreisendem Raum, von dem Rasenwall’ und dem Graben</p>
+<p>Mächtig geschirmt, dem Feinde sich rasch entgegen zu werfen.</p>
+<p>Zahllos regten sich dort viel’ Tag’ und Nächte die Gräber,</p>
+<p>Die er entboth in dem Land’ umher voll schrecklicher Drohung;</p>
+<p>Doch im Rücken des eilenden Heers, nichts Arges vermuthend,</p>
+<p>Kommt mit schwachem Gefolg’ auch der König vorüber, und langsam</p>
+<p>Folgt ihm die Wagenburg: d’rum schnell an das muthige Werk jetzt!</p>
+<p>Sende hinaus in den Hinterhalt der bewährtesten Reiter</p>
+<p>Tausend, die, verborgen im trocknen Geröhr’, an dem Heerweg</p>
+<p>Harren, bis Ottgar naht: gleich weit entfernt von den Scharen</p>
+<p>Und von der Wagenburg; dann all’, im sausenden Eilflug,</p>
+<p>All’ auf ihn los, und erhascht ihr ihn, schnell in Geschrei und
+Getümmel</p>
+<p>Wieder zurück in das Lager gejagt mit dem werthen Gefang’nen.</p>
+<p>So beginne den Kampf, ein Sieger, zur Freude dem
+Kaiser&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Dir, und dem Vaterlande zum Ruhm, dem Lande der Helden!“</p>
+<p>Sagt’ es mit lispelndem Laut. Da trat ein Kun in das Zelt ein,</p>
+<p>Athemberaubt vor Hast, und verkündete: daß auf dem Heerweg</p>
+<p>Zahllos, Schar auf Schar, der Böhme vorübergezogen.</p>
+<p>Feuriger hauchte der Geist, da er sprach, dem horchenden König</p>
+<span class = "pagenum">153</span>
+<p>Noch in die Seele den kühnen Entschluß. Sieh’, eilig erhob er</p>
+<p>D’rauf sich vom Lager, und rief nach dem tapferen Führer der
+Kunen,</p>
+<p>Kaduscha, der, von Gestalt nur klein, und häßlich von Anseh’n,</p>
+<p>Doch unbändiger Kraft, und flammenschnaubenden Muths war.</p>
+<p>„Eile,“ so sprach er zu ihm, „mit tausend erlesenen Reitern</p>
+<p>Bis an den Rand des Geröhres hinaus, und harre mit Vorsicht</p>
+<p>Dort in dem Hinterhalt, bis Ottgar selber dir nah’ ist:</p>
+<p>Weit getrennt von der Wagenburg, und den eilenden Scharen;</p>
+<p>Dann im Fluge hinaus, zu erhaschen den Herrscher der Böhmen!</p>
+<p>Fünfzig Rosse sind dein, und zehn goldschimmernde Sättel,</p>
+<p>Auch der Waffenschmuck des Königes, kehrst du als Sieger.“</p>
+<p>„Ich vernahm es,“ entgegnete stolz der muthige Feldherr,</p>
+<p>Als er das Roß bestieg. Er jagte mit tausend Erwählten</p>
+<p>Bis an den Saum des Geröhres hinaus, und warf sich, des Königs</p>
+<p>Harrend, in’s Gras. Wie in dunkeler Nacht der schreckliche
+Rohrwolf</p>
+<p>Lauscht an der Trift, und dort auf die Hinterfüße gesunken,</p>
+<p>Winselnd vor Gier nach Blut, mit glühenden Augen umherschaut:</p>
+<p>Ob nicht der Rinder Schar vorüber wandere, grasend?</p>
+<p>So der Kune dahier. Doch sieh’, bald wogten des Feindes</p>
+<p>Reihen vorbei, und im Zwischenraum, nichts Arges vermuthend,</p>
+<p>Naht’ auch Ottgar jetzt, als Kaduscha, sich in den Sattel</p>
+<span class = "pagenum">154</span>
+<p>Hebend, den Kunen zu stürmen geboth. Vor dem wilden Getümmel</p>
+<p>Klirrender Waffen, und brausender Ross’, und der stürmenden
+Krieger</p>
+<p>Lautem Gejauchz’ erbebte die Nacht, und des Königs Geleitschar</p>
+<p>Starrte vor Angst: denn schnell, weit vorgebeugt aus dem Sattel,</p>
+<p>Schwingend mit wildem Gebrüll den krummgehämmerten Säbel,</p>
+<p>Jagten die Kunen heran, und drohten ihm Tod und Verderben.</p>
+<p>Wallstein rief alsbald dem Gefolg’: „O, schließt um den Herrscher</p>
+<p>Einen ehernen Kreis mit der Brust, und fielen im Kampf wir</p>
+<p>Alle zugleich, nur sey des Herrn Gesalbter errettet!“</p>
+<p>Aber nicht säumten die Tapferen: denn dreihundert aus Böhmen,</p>
+<p>Bayern, und Sachsen, erwählt zum Geleit’, umringten den König</p>
+<p>Schirmend, und kehrten die Brust nach dem Feind, der, ähnlich dem
+Sturmwind,</p>
+<p>Naher und naher im Flug, herbraust’ auf dem staubenden Heerweg.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Kaduscha hieb der erst’ in den Kreis des kühnen Gefolgs ein.</p>
+<p>Er zerschmetterte schnell zwei muthigen Bayern, von Törings</p>
+<span class = "pagenum">155</span>
+<p>Mannen, die Stirn’, und erhob sein Eisen, noch fürder zu wüthen.</p>
+<p>Töring, der edele Ritter, der, ausziehend aus Seefelds</p>
+<p>Ragender Burg, dort sieben unmündige Kinder zurückließ:</p>
+<p>Denn ihm raubte der Tod erst jüngst die treffliche Hausfrau,</p>
+<p>Senkte den Speer auf den Wüthenden; ritt rasch an, und durchstieß
+ihm</p>
+<p>Also die Rechte, daß ihr alsbald entschlüpfte der Säbel.</p>
+<p>Jetzo hatt’ er gerächt die Ermordeten; aber es barg sich</p>
+<p>Jener sogleich im Gedräng’, und rief nach dem Führer des Volkes,</p>
+<p>Zobor, ihm vertrauend des Kampfs entscheidende
+Leitung&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Ihm, dem Riesen an Kraft: er lockte den grimmigen Bären</p>
+<p>Aus der Höhle heraus, und erwürgte ihn, ringend, am Boden.</p>
+<p>Seitwärts drang er auf Töring ein, der, schnaubend vor Rachgier</p>
+<p>Reiter auf Reiter herab aus dem Sattel warf mit dem Speerschaft.</p>
+<p>Vier’ erwürgt’ er schon: da stieß ihm die Spitze des Eisens</p>
+<p>Zobor tief in’s Genick’, als er nach dem Gegner sich beugte.</p>
+<p>Töring sank in den Staub, und hauchte den muthigen Geist aus.</p>
+<p>Ach, und die Amme führt, wie die liebvollsorgende Mutter,</p>
+<p>Jeglichen Morgen die Kinder heraus auf die Zinnen der Felsburg;</p>
+<p>Zeigt dort allen den Weg, den jüngst der Vater gezogen,</p>
+<p>„Und euch allen,“ so sprach sie, „ein schönes Geschenk aus der
+Hauptstadt</p>
+<span class = "pagenum">156</span>
+<p>Heimbringt, so ihr euch fromm und gut, wie er’s heischte,
+benehmet.“</p>
+<p>Doch nicht kehret er heim; sein harren die Kinder vergeblich:</p>
+<p>Denn er liegt getödtet im Staub! So fielen noch hundert,</p>
+<p>Unter der würgenden Faust der Kunen, gebändigte Krieger,</p>
+<p>Und Verderben umgab stets näher und näher den König.</p>
+<p>Wie wenn nächtlich im Wald’ ein wandernder Fleischer, von Räubern</p>
+<p>Angefallen, mit tapferem Muth’ sich wehrt, und der Gegner</p>
+<p>Manchen erlegt; doch wäre noch all sein Mühen vergeblich,</p>
+<p>So das menschengetreueste Thier ihm nicht fest an den Seiten</p>
+<p>Kämpfte: sein mächtiger Hund, der rasch im Kreise sich wendend,</p>
+<p>Diesem die Kehle durchhaut mit den tödlichen Zähnen; den andern</p>
+<p>Niederreißt am Genick’, und, würgend, nicht ruhet, nicht rastet,</p>
+<p>Bis er errettet schaut den Gebiether: so stritt für das Leben</p>
+<p>Ottgars, häufend die Leichen umher, der tapfere Wallstein.</p>
+<p>Doch, als jetzt die Gefahr ihm noch gewaltiger drohte,</p>
+<p>Schrie er ihm zu: „Mir nach, mein König und Herr!“ und er bahnte</p>
+<p>Sich mit dem sausenden Stahl durch Feindeshaufen den Blutpfad.</p>
+<p>Ottgar folgt’ ihm beherzt, und hieb die Umstürmenden nieder.</p>
+<p>Ha, nach entsetzlichem Mord und Gewürg, durchhau’n, und gesprengt
+war</p>
+<p>Endlich der Todesring, und ihm entrannen die beiden,</p>
+<span class = "pagenum">157</span>
+<p>Brausenden Flugs, auf dem Heerweg fort! Im nächtlichen Dunkel</p>
+<p>Schwanden sie bald aus den Augen der weitnachfolgenden Gegner;</p>
+<p>Doch die kehrten zurück’, und des Königs treue Geleitschar</p>
+<p>Fiel nach tapferer Gegenwehr (denn Keiner ergab sich)</p>
+<p>Hier erschlagen im Kampf mit den herzblutdürstenden Kunen.</p>
+<p>Ach, wie grausam wütheten jetzt die Schrecklichen: hauend</p>
+<p>Allen das Haupt von dem Rumpf’, und es dann auf die Spitze des
+Säbels</p>
+<p>Pflanzend, zogen sie heim, siegtrunken und rachegesättigt:</p>
+<p>Denn sie sahen zuvor wohl doppelt die Zahl der Gefährten</p>
+<p>Hingestreckt im Staub’, und erwürgt von den tapferen Feinden.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Fort, und fort im Galopp war Ottgar schon in des Heeres</p>
+<p>Nähe gelangt; nur die Höh’n von Prottes, dem ruhigen Dörfchen,</p>
+<p>Lagen noch, trennend, vor ihm, und hinter den eilenden Scharen.</p>
+<p>Milota trabte die Höhen herab. Mit ängstlicher Sorgfalt</p>
+<p>Forschte sein Auge zuvor nach dem König: er hatt’ ihn dem Tod
+schon</p>
+<p>Lange geweiht, und harrete nur des ersehneten Tages,</p>
+<p>Wo er nach Rache die Gier an ihm sättigte, schrecklich und
+furchtbar!</p>
+<p>D’rum verlor er ihn nie aus den Augen, und so, wie der Kater,</p>
+<p>Grausamer Lust, freigibt das erst gefangene Mäuschen:</p>
+<span class = "pagenum">158</span>
+<p>Da folgt ihm sein glühender Blick, und will es entrinnen,</p>
+<p>Streckt er sogleich ihm nach die klau’nbewaffneten
+Pfoten&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Reißt es zurück in den Todes-Kreis, und weidet die Augen</p>
+<p>So an dem armen, voll Grimms: nicht anders verfolgten die Augen</p>
+<p>Milota’s Ottgarn stets, der Rach’ ihn zu opfern, entschlossen.</p>
+<p>Jetzo gewahrend: er sey’s, begann er von weitem zu rufen:</p>
+<p>„Wahrlich, du wagtest viel, mein König, so fern dich zu halten</p>
+<p>Von dem schnellvoreilenden Heer! Wer so die Gefahr sucht,</p>
+<p>Wandelt auf glattem Geröll’, an des Abgrunds schwindligem Rand
+hin:</p>
+<p>Denn in den Auen der March droht uns der schrecklichen Kunen</p>
+<p>Leis’umspähendes Volk: du warst die erwünschteste Beut’ ihm,</p>
+<p>So es dich traf. Doch sprich, wo weilt dein Reitergefolg noch?“</p>
+<p>„Mein Gefolg ist todt,“ entgegnete jener, „gefallen</p>
+<p>Unter des Feindes würgender Faust. Dem tapferen Jüngling</p>
+<p>Hier verdank’ ich das Leben allein; stets hielt er im Leben</p>
+<p>Treulich an mir; er sey, wie ein Sohn, mir geliebt in der
+Zukunft.“</p>
+<p>D’rauf hinbeugt’ er nach Wallstein sich von dem Sattel; er küßt’
+ihn</p>
+<p>Auf die glühende Stirn, und drückt’ ihm die Rechte noch
+freundlich.</p>
+<p>Jener, mit Freudenthränen im Blick’, erwiederte, hebend</p>
+<p>Ottgars Hand an den Mund, der Liebe beglückendes Zeichen.</p>
+<span class = "pagenum">159</span>
+<p>Plötzlich sah er im Geist der wahnsinngenähreten Hoffnung</p>
+<p>Truggestalt in der Wirklichkeit, hellschimmernden Glanzes,</p>
+<p>Ihm genaht, und gestillt des Herzens unendliche Sehnsucht.</p>
+<p>Wehe, daß Drahomira so nah’ ihm war in des Nachtgrau’ns</p>
+<p>Schrecklicher Stund’, und stets auflauerte, daß sie, verderbend</p>
+<p>Ihn, sich räche zugleich an Ottgarn, höllischer Lust voll!</p>
+<p>Hufesgerassel erscholl: denn Milota’s Reitergeschwader</p>
+<p>Jagte heran. Sie schrie ihm ins Ohr: „Der Feind ist im Anzug!“</p>
+<p>„Ha, der Feind!“ rief Milota laut, und in wilder Verwirrung</p>
+<p>Jagt’ er nach Ebenthal, woher sie gekommen, das Roß hin.</p>
+<p>Ottgar folgt’ ihm schnell; nur Wallstein hemmte den Läufer</p>
+<p>Oft: um den König besorgt, und für ihn zu sterben, entschlossen.</p>
+<p>Aber ihm däuchte das nahe Gebirg, und drüben das Blachfeld</p>
+<p>Jenes von Ebenthal an der freundlichen Burg, wo er seicher</p>
+<p>Oft sich erging, des Weidwerks Lust ergeben im Feld’ auch.</p>
+<p>Ottgar hörete jetzt den Ruf des warnenden Jünglings;</p>
+<p>Tobte vor Zorn, und sprach zu Milota grimmigen Blickes:</p>
+<p>„Hat dich mein böses Geschick mir entgegengeführt an dem
+Kreuzweg,</p>
+<p>Wo in dem nächtlichen Grau’n nur menschenfeindliche Geister</p>
+<p>Hausen, daß du dem Heer mich entrückst, und verleitest zum
+Irrgang?</p>
+<p>Wahrlich, der Himmel straft heut Nacht die Vergehungen alle,</p>
+<p>Die mich erniedrigten einst auf des Lebens verlockenden Bahnen!</p>
+<span class = "pagenum">160</span>
+<p>Fort, g’en Stillfried jetzt, wo die Wagenburg und der Nachhuth</p>
+<p>Tapfere Schar mich schirmt, bis wir dem Heere vereint sind!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Finster umhüllete noch das Gewölk den nächtlichen Himmel;</p>
+<p>Noch aufriß der entfliehende Blitz zuweilen die Lieder,</p>
+<p>Zürnend, und sah mit feurigem Blick aus Osten herüber.</p>
+<p>Bergan hob sich der Weg, und Milota sagte, verhöhnend,</p>
+<p>Als die Ross’, oft zögernden Gang’s, aufschritten den Bergpfad:</p>
+<p>„Hoffst du, Herr! vor des Ewigen Richterstuhle so leicht dich</p>
+<p>Abzufinden dereinst mit dem schreckengerüsteten Engel,</p>
+<p>Der dein Blatt dir weis’t in dem Buche des Lebens und Todes?</p>
+<p>Wähnst noch gar, du habest gebüßt für Alles und Jedes,</p>
+<p>Was du verübt seither, schon heut’ im nächtlichen Irr-Ritt?</p>
+<p>Grauses vernahm mein Ohr. Ist’s Wahrheit, oder nur Täuschung,</p>
+<p>Was die Sag’ uns gab von dem blutbesudelten Handel</p>
+<p>Dort? Daß die Ost- und die steyrische-Mark dir bleibe zu Eigen,</p>
+<p>Hast du Schätze gesandt nach Wälschland &mdash; heimlich
+verbündet</p>
+<p>Rom und Neapel dir, und Konradin, Friedrich von Oestreich<a class =
+"tag" name = "tag5_4" id = "tag5_4" href = "#note5_4">4</a></p>
+<p>Hingeopfert des Henkers Schwert, die blühenden Fürsten?</p>
+<p>Hast nicht Erbarmen geübt, als d’rauf die Mutter des letztern,</p>
+<p>Gertrud,<a class = "tag" name = "tag5_5" id = "tag5_5" href =
+"#note5_5">5</a> sanften Gemüths, aus dem Erbe der Väter vertrieben,</p>
+<p>Fliehen hieß dein Wüthrich fort in stürmischer Nachtzeit?</p>
+<span class = "pagenum">161</span>
+<p>Bist du rein von Schuld an dem Tod der verstoßenen Gattinn,</p>
+<p>Margareth?<a class = "tag" name = "tag5_6" id = "tag5_6" href =
+"#note5_6">6</a> Ward der edele Herr und Ritter von Meißau</p>
+<p>Nicht in unwürdiger Haft von dir verbrannt in dem Schloßthurm?<a
+class = "tag" name = "tag5_7" id = "tag5_7" href = "#note5_7">7</a></p>
+<p>Nicht die Heldenschar, von dem Pettau’r,<a class = "tag" name =
+"tag5_8" id = "tag5_8" href = "#note5_8">8</a> niedrigen Herzens,</p>
+<p>Angeschwärzt, jahrlang’ in schmählichen Banden
+gehalten&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Ihrer gewaltigen Vesten beraubt? Sieh’ dort auf dem Hügel</p>
+<p>Drüben den Rabenstein: wie im Wind sich die dürren Gerippe</p>
+<p>Dreh’n nun hin, nun her, und im Schwung lautächzen die Ketten!</p>
+<p>Hu, aufsträubt sich mein Haar &mdash; und dennoch lieber gehenkt
+dort,</p>
+<p>Als daß ich übte, wie du, an dem Merenberger<a class = "tag" name =
+"tag5_9" id = "tag5_9" href = "#note5_9">9</a> den Frevel!</p>
+<p>Aber horch! Da er nun, das Haupt an die Füße gebunden,</p>
+<p>Zweimal den Morgen und Abend sah, in schrecklichen Qualen</p>
+<p>Hängend am Rabenstein, war nur der geschändeten Schwester</p>
+<p>Bild &mdash; geschändet von dir, vor seinem Gemüthe! Dir flucht’
+er,</p>
+<p>Eh’ er starb, durchbohrt von einem der wilden Szupanen.</p>
+<p>Wie, du erschrickst? Nein, fürchte nichts, Herr! Daß ich jetzo der
+Tochter,<a class = "tag" name = "tag5_10" id = "tag5_10" href =
+"#note5_10">10</a></p>
+<p>Meines geliebtesten Kindes, gedacht, nicht verdenk’ es dem Vater,</p>
+<p>Der nicht weinen mehr kann um sie, die schändlich verführt ward.</p>
+<p>Ihre die Schuld, der Metze: sie gab sich wohl selber der Schmach
+hin!“</p>
+
+<span class = "pagenum">162</span>
+<p class = "stanza">
+Ottgar schlug sich die Brust, und wimmerte: „Vater, Verzeihung;</p>
+<p>Mein ist die Schuld allein: den Himmlischen glich sie an
+Reinheit!“</p>
+<p>„So?“ &mdash; sprach dann mit gedehnetem Laut der entsetzliche
+Vater.</p>
+<p>Ottgar stöhnte vor Angst, daß es jener vernahm; mit den Zähnen</p>
+<p>Knirscht’ er; sah empor, und rief mit ersterbender Stimme:</p>
+<p>„Milota, sieh’, wie es über den armen Sündern erblitzet!“</p>
+<p>Sagt’ es, und stützte das Haupt, vergehend, auf Milota’s
+Schulter.</p>
+<p>Jetzt in der geistverzückenden Zeit todähnlicher Ohnmacht</p>
+<p>Sah, wie entkörpert, er dort an dem Rabenstein, Drahomira</p>
+<p>Schweben umher, und oft hellstrahlen von röthlichen Flammen.</p>
+<p>Ihr nachfolgten zum Dienst drei Mißgestalten der Hölle</p>
+<p>So, daß der Halbentseelte noch zuckt’, und bebte vor Schrecken,</p>
+<p>Als er die Furchtbar’n sah. Aus schwarzumhüllendem Schleier</p>
+<p>Starrten mit weitgeöffnetem Aug’ todblasse Gesichter,</p>
+<p>Und ihr Leib, durchblinkt von der Flammengestalt Drahomira’s,</p>
+<p>Floß, wie ein Trauerflor, hinaus in das finstere Nachtgrau’n.</p>
+<p>Doch, nach dem Wink der Gebietherinn, auf, und hinunter sich
+schwingend</p>
+<p>Dicht an dem Rabenstein, wie der Mauerspecht am Gemäuer,</p>
+<p>Der mit kläglichem Ruf nach Gewürm’ und Käferchen spähet,</p>
+<p>Nagten sie dort ein Giftgewächs und das Moos mit den Zähnen</p>
+<p>Ab von dem Stein und Gehölz, und schwebten hinab auf den Heerweg.</p>
+<span class = "pagenum">163</span>
+<p>(Zwischen Ottgar hier, und Milota &mdash; aber vor Wallstein</p>
+<p>Dort, der zögernd folgt’: in täuschende Träume versunken</p>
+<p>Künftigen Glücks) und hauchten zugleich auf die Erde den Unrath.</p>
+<p>Doch Drahomira kam, vorhaltend in glühender Rechten</p>
+<p>Einen Becher, in dem verderbliche Säfte von Kräutern</p>
+<p>Gähreten: erst entpreßt dem Eisenhütchen und Schierling,</p>
+<p>Dann Tollkirschensäfte vermengt, der plötzlich des Menschen</p>
+<p>Sinne verwirrt. Sie goß mit zaubergewaltigen Worten,</p>
+<p>Vor den Drei’n, die sie nachmurmelten, wie aus der Felskluft</p>
+<p>Grimmvoll murrt ein Drach’, das Gift auf den furchtbaren Unrath</p>
+<p>Aus; zertrümmerte schnell den Becher auf ihm, und erhob sich</p>
+<p>Dann im Weh’ausruf des Höllengefolg’s in den Luftraum.</p>
+<p>Alsbald schwamm ein bläulicher Duft, des giftigen Pfuhles</p>
+<p>Nebel gleich, umher: dem nahenden Jüngling zum Falle</p>
+<p>Hingebannt von der Macht Drahomira’s, des schrecklichen Weibes.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ha, schon naht’ er heran! Noch brannte der glühende Kuß ihm</p>
+<p>Auf der Stirn’; noch scholl in das Ohr ihm der schmeichelnde
+Zuruf</p>
+<p>Ottgars: „Daß er ein Sohn ihm sey &mdash; dem liebenden Vater.“</p>
+<p>„Wie, ein Sohn? Dann ... ja, wenn Hedwig die Rechte mir reichet!</p>
+<p>Himmlische Hoffnung!“ Rief’s; da bäumte schnaubend sein Reitroß</p>
+<span class = "pagenum">164</span>
+<p>Dort an der furchtbarn Stelle sich auf. Ihn däuchte der Wehruf,</p>
+<p>Den er jetzo vernahm, aufhorchend mit pochendem Herzen,</p>
+<p>Hedwigs Stimm’: alsbald vorspornend den hurtigen Läufer,</p>
+<p>Stand er gebannt in dem Zauberkreis’, und urplötzlich, so wähnt’
+er,</p>
+<p>Ward ihm zur Gegenwart die nimmergeahnete Zukunft.</p>
+<p>Hochbeglückt hielt er die Ersehnete jetzt in den Armen:</p>
+<p>Ihm schwand Himmel und Erde dahin! Doch flatterte blitzschnell</p>
+<p>Weiter der täuschende Spuk, da, schnaubend vor Angst und
+Entsetzen,</p>
+<p>Nun das Roß fortsprang aus dem Zauberkreise der Hölle.</p>
+<p>Stöhnend sah er zurück, und die Blässe des Todes bedeckte</p>
+<p>Seine Wangen: ein Traum, so schien es ihm, flüchtig entronnen,</p>
+<p>Wies ihm des Erdenglücks Erwünschtestes. Wehe, nicht schwand
+jetzt</p>
+<p>Mehr des Gesehenen Bild aus seinem Gemüth’. In den Adern</p>
+<p>Kocht’ ihm das Blut, und im kreisenden Schwung’ umgaukelte jenes</p>
+<p>Rastlos ihn, da er flog, getrieben von höllischem Zauber,</p>
+<p>Abzufordern die Hand der Königstochter dem Vater;</p>
+<p>So zu empören des Herrschers Stolz, und, von diesem gehöhnet,</p>
+<p>Racherfüllt, sich selber und ihn zu verderben auf immer.</p>
+
+<span class = "pagenum">165</span>
+<p class = "stanza">
+Siehe, voll Himmelshuld war ihm sein schützender Engel</p>
+<p>Wieder genaht, und rief in sanftverweisenden Lauten:</p>
+<p>„Wie, umsonst ertönte dir erst mein warnender Zuruf?</p>
+<p>Wehe dir, Jüngling, ach, wenn Schuld verdunkelt die Reinheit</p>
+<p>Deines Gemüths! Wie ein Spiegel, noch erst im herrlichsten
+Lichtglanz</p>
+<p>Schimmernd, schnell abstirbt, so ihn feuchtannahender Hauch
+deckt:</p>
+<p>Also umwölkt es die Schuld. Bald scheint die blühende Schöpfung</p>
+<p>Dir verwelkt, und erstarrt ringsum das regsame Leben:</p>
+<p>Nichts des Hohen vollführest du mehr, von irdischen Banden</p>
+<p>Niedergehalten. Verzieh’; o denke des Ewigen, reuig;</p>
+<p>Kehre zurück, und beherrsche mit Kraft die Gelüste des Herzens,</p>
+<p>Daß du nicht Schmach dir jetzt durch thörichte Worte bereitest!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sagt’ es, und schwang sich empor zu dem Vater im Himmel, deß’
+Antlitz</p>
+<p>Er mit dem Seraph und Cherub schaut für immer und ewig.</p>
+<p>Aber der Jüngling rief: „Ward erst der Seligen Wonne</p>
+<p>Mir von dem Himmel gewährt? Vernahm ich jetzo der Hölle</p>
+<p>Täuschenden Ruf? Nicht weiß ich’s &mdash; will es nicht wissen; es
+dreht sich</p>
+<p>Schwindelnd die Welt um mich her; sie reiße mich mit in den
+Abgrund!“</p>
+<span class = "pagenum">166</span>
+<p>Sieh, und er hieb in den Bauch des ächzenden Läufers den Sporn
+ein:</p>
+<p>Brausenden Sprung’s trug fort ihn das Thier, bis er’s vor dem
+Herrscher,</p>
+<p>Der mit dem Feldherrn, ernst und schweigend die nächtliche Bahn
+zog,</p>
+<p>Jetzt festhielt, nach gewaltigem Müh’n: denn wüthenden Ingrimms</p>
+<p>Flog es dahin! Nun sprach mit sanfterheitertem Antlitz,</p>
+<p>Nach dem Jüngling gekehrt, der weitgefürchtete König:</p>
+<p>„Wallstein, ha, wo weilst du? Komm, und rette den Vater</p>
+<p>Dir, dem liebenden Sohn, von diesem entsetzlichen Manne!</p>
+<p>Milota, fort! Entfleuch! Du warst mir treulich ergeben,</p>
+<p>Du, des Herrschers Vasall; doch hast du mit blutiger Faust ihm</p>
+<p>Heut’ in dem Herzen gewühlt &mdash; frechlautende Worte
+gesprochen.</p>
+<p>Gott ist gerecht. Die Schuld, vergrößert von feindlicher
+Mißgunst,</p>
+<p>Mindert vor ihm ein reuiges Herz: er wird’s nicht verschmähen!</p>
+<p>Halte dich künftig entfernt von mir &mdash; auch jetzt in dem
+Feldzug,</p>
+<p>Daß nicht mein Zorn, erwacht, dich noch verderbend ereile.“</p>
+<p>Jener lächelte grimmig, und rief: „Recht hast du gesprochen:</p>
+<p>Weichen will ich &mdash; im Kampf’ entfernt dir stehen; der
+Tochter</p>
+<p>Stets gedenken, und flieh’n die Nähe des dräuenden Herrschers.“</p>
+<p>D’rauf entschwand er im Feld; doch Ottgar sagte dem Jüngling:</p>
+<span class = "pagenum">167</span>
+<p>„Wallstein, höre mich nun! Stets warst du mir theuer vor Allen</p>
+<p>Ob des Heldenmuths und der Treue, mit welcher du, liebend,</p>
+<p>Hingest an mir: doch heut, wie lohn’ ich geziemend die Thaten</p>
+<p>Ewigen Ruhms? Erst rächtest du mich an Rudolphs Erzeugtem;</p>
+<p>D’rauf hast du mich entrissen der Wuth umdrängender Gegner.</p>
+<p>Sieh’, am kommenden Tag sollst du durch würdigen Lobspruch</p>
+<p>Hochverherrlichet steh’n vor meiner versammelten Heersmacht;</p>
+<p>Auch den Feldherrn dort, als Führer des böhmischen Fußvolks,</p>
+<p>Beigesellt, ein Zeuge der Huld und des Glückes erscheinen!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jener entgegnete schnell, von dem Höllenzauber getrieben:</p>
+<p>„Herr! du nanntest mich Sohn zuvor, und ein liebender Vater</p>
+<p>Willst du mir seyn? Wohlan! Ich rühme mich edlen Geschlechtes,</p>
+<p>Ja, des edelsten, das in dem Vaterlande genannt ist:</p>
+<p>Reich an Schätzen und Land, gleich Fürstensöhnen geachtet!</p>
+<p>Vater, mein höchstes, mein einziges Glück harrt deiner
+Entscheidung!</p>
+<p>Gib mir Hedwigs Hand, des angebetheten Fräuleins:</p>
+<p>Dann wird überschwenglicher Lohn mir zu Theil, und ein Eidam</p>
+<p>Steht dir dankbar bereit &mdash; für dich zu sterben,
+entschlossen,</p>
+<p>Tapferen Muth’s im Feld’, ein mächtiger Schirmer des Thrones,</p>
+<p>Den du zierest, und Wenzeslav, dem Erzeugten, vererbest.</p>
+<span class = "pagenum">168</span>
+<p>Hörst du mich nicht: dann fort an die fernsten Gränzen des
+Weltmeers;</p>
+<p>Dann aus dem Leben fort, dann wähle dir treuere Diener!“</p>
+<p>„Tod und Hölle!“ so rief entrüstet der König, „wie ward mir</p>
+<p>Heut das Geschick, Wahnsinnigen hier zum Spotte zu dienen?</p>
+<p>O Verblendeter! Wie? so täuschest du frech und verwegen,</p>
+<p>Meine Hoffnungen all’, auf dich gegründet, und trotzest</p>
+<p>Auf die erworbene Herrscherhuld? Du erkühnst dich um Ottgars</p>
+<p>Tochter zu frei’n &mdash; um Hedwig, nach welcher sich Könige
+sehnten?</p>
+<p>Schwind’ aus dem Glanz der Sonn’, aufdämmernder Stern, und
+durchlaufe</p>
+<p>Fern mit jenen die dunkele Bahn, die selber dir gleichen!</p>
+<p>Ehren sollte des Königs Ruf dich am kommenden Morgen?</p>
+<p>Sieh’, ich schlage dich jetzt &mdash; doch, wiss’ es, Bube, zur
+Schmach nur:</p>
+<p>Daß du gedenkest hinfort, wie frech du ihn eben gehöhnt hast!“</p>
+<p>Rief’s, von der Hüfte sich reißend das Schwert. Er schlug mit der
+Kling’ ihn,</p>
+<p>Wüthend, über den Helm, und jagte hinüber zur Heersmacht,</p>
+<p>Der er genaht, in des Morgenroths erglühendem Lichtstrahl.</p>
+<p>Wallstein zog bei dem Schlag schon halb aus der Scheide das
+Eisen,</p>
+<p>Hielt’s so, fest umspannt, hinbrütend, die Augen zum Boden</p>
+<p>Heftend, erblaßt, und starrete noch mit entsetzlichen Blicken</p>
+<p>Lang’ um sich her; dann stieß er das Eisen zurück, und verlor
+sich</p>
+<p>Von dem Pfad seitab, in des Hains umschattendem Dunkel.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">169</span>
+<h3><a name = "gesang6" id = "gesang6">Sechster Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Sieh’, im rosigen Duft versank die glühende Sonne</p>
+<p>Hinter dem fernen Gebirg; die Nacht umschleierte ringsum</p>
+<p>Schon die Gefild’, als jetzo von Neuburg her an der Donau,</p>
+<p>Czernin kühn vordrang mit tausend tapferen Böhmen,</p>
+<p>Die er, unferne dem Bisamberg, in räumigen Fähren</p>
+<p>Uebergesetzt, nach Waldrams Wink, des frechen Empörers.</p>
+<p>Dort in verengender Schlucht, die am Fuße des Kahlen- und
+Leupold-</p>
+<p>Berges ein Dörfchen birgt in gebüschumhüllender Bergschlucht,</p>
+<p>Lagen die Böhmen im schlauen Versteck, sich Reiter von Oestreich</p>
+<p>Rühmend, und hielten das Volk in den Hütten fest, nach des
+Krieges</p>
+<p>Eisernem Brauch, daß kein Verräther dem Feinde zum Dienst sey.</p>
+<p>Doch als jetzo der Mitternacht ersehneter Zeitraum</p>
+<p>Nah’ war, brachen sie auf, und schlichen am Ufer der Donau</p>
+<p>Leise hinab, den Füchsen gleich, die so den Gehöften</p>
+<span class = "pagenum">170</span>
+<p>Nah’n, aus den Ställen umher, raschwürgend, die Beute zu holen.</p>
+<p>Als sie Nußdorf links, durch freundliche Traubengeländer</p>
+<p>Wandernd, und d’rauf rechts Heiligenstadt, und Döbling
+erblickten,</p>
+<p>Lenkten sie wieder behend zu dem lautaufrauschenden Strom ein,</p>
+<p>Bis sie erreichten den Weidenhain unferne der Steinwehr,</p>
+<p>Welche das Neuthor schirmt, und harrten, im Dickicht verborgen,</p>
+<p>Dort des verheißenen Winks, durch List zu erringen die Festung.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch nun klirrten des Thors gewaltige Riegel, und Czernin</p>
+<p>Wähnte: verrathen sey dem Feinde sein kühnes Beginnen.</p>
+<p>Weniges sprach er nur: der Schweigende hieß er den Kriegern;</p>
+<p>Aber das Wenige sprach er mit Kraft; so rief er auch jetzo:</p>
+<p>„Männer, fasset das Schwert! Wir wollen dem Feinde das Leben</p>
+<p>Theuer verkaufen im Handgemeng’: ein schrecklicher Kampf sey’s!“</p>
+<p>Siehe, da ritt aus dem Thor, das aufflog, brausend ein Ritter</p>
+<p>Näher, und jagte dem Haine vorbei. Ihm folgte der Knappe.</p>
+<p>Hartmann, Wiens erlesener Hort, verließ mit dem Treuen</p>
+<p>Eben die Mauern der Burg: er war’s, der näher gesprengt kam.</p>
+<p>Alsbald wäre der Feind ihm hier in den Rücken gefallen:</p>
+<p>Ihn, der Rettung bedacht, zu erlegen zugleich mit dem Knappen;</p>
+<span class = "pagenum">171</span>
+<p>Aber es schwang sich Marbod jetzt aus dem finsteren Luftraum,</p>
+<p>Hastig an Czernins Seit’, und hemmt’ ihn mit täuschenden Worten:</p>
+<p>„Czernin, halte die Krieger zurück, nicht siehst du den Feind
+hier,</p>
+<p>Sondern die Freund’, entsandt durch Rüdiger, daß sie im Rundgang</p>
+<p>Zieh’n an der Vest’ umher, und erforschen: ob nicht die Gegner</p>
+<p>Euerer Macht, auflauernden Blicks, entgegen sich stellen?</p>
+<p>Bald ist die Runde vollbracht, euch öffnet sich leise das
+Neuthor.“</p>
+<p>Sagt’ es, voll Hast; dann flog er dem Jünglinge nach, und begann
+so:</p>
+<p>„Hartmann, kehre zurück! In dem Hinterhalte verborgen,</p>
+<p>Lauert dir, mit Verräthern im Bund, der listige Feind auf.</p>
+<p>Kehre durchs Schottenthor in die Burg, und beschirme die Festung,</p>
+<p>Dir von dem Herrscher vertraut mit wichtigem Worte: gehorch’
+ihm!“</p>
+<p>Aber der Eilende sprach: „Mich däucht, ein Höllengeflister</p>
+<p>Hält von der Wallerfahrt mich zurück? Ich gehe, zu bethen</p>
+<p>Auf dem Kahlenberg für die schwachaufathmende Mutter:</p>
+<p>Ob nicht Gott sich erbarmt; mein Fleh’n die heilige
+Jungfrau&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Mutter auch sie! voll Huld, dem liebenden Sohn’ an das Herz legt,</p>
+<p>Und das erfüllte Gelübd’ erringt der Mutter Genesung?“</p>
+<span class = "pagenum">172</span>
+<p>Als er es rief, da gab er dem Pferde die Spornen, und brausend</p>
+<p>Trug es ihn fort im Galopp’ auf die Höh’n des umnachteten Berges.</p>
+<p>Dort, zu dem Kloster gelangt, vertraut’ er dem Knappen den
+Renner;</p>
+<p>Zog an dem ehernen Pfortenring, und klingelte. Dreimal</p>
+<p>Scholl in der einsamen Nacht, entlang den finsteren Kreuzgang</p>
+<p>Hin, der Glocke Getön. Bald klirrte der eiserne Riegel,</p>
+<p>Von dem Pförtner getrieben, im Schloß’, und in schweigender
+Ehrfurcht</p>
+<p>Ließ er den Ritter, der „Gelobt sey Jesus!“ ihm rief, ein.</p>
+<p>„Ewig!“ gab er zurück’, und verschloß die Thüre mit Sorgfalt:</p>
+<p>Denn nicht war er ihm fremd; er kannte des Kaisers Erzeugten.</p>
+<p>Aber er schritt entlang die weitgesonderten Zellen,</p>
+<p>Die ein freundliches Gärtchen schied, die Reihe hinunter,</p>
+<p>Bis zu dem Fenster des Bruders Ernst, und klopfte, nur halblaut</p>
+<p>Rufend: „Vater, komm! Schon floh die zwölfte der Stunden,</p>
+<p>Komm, und lese die Messe sogleich in der heiligen Halle,</p>
+<p>Wo vor dem Kreuz-Bild schon unzählige Kranke genasen.</p>
+<p>O, daß dein frommes Gebeth uns erflehte die liebende Mutter!“</p>
+<p>„Jüngling!“ so rief der Erwachende jetzt, „was treibest du
+rastlos</p>
+<p>Durch die dunkele Nacht? Der Himmel erhöret das Flehen</p>
+<p>Sterblicher mild bei Tag und Nacht, wenn solches der Seelen</p>
+<span class = "pagenum">173</span>
+<p>Heil’ entspricht: stell’s heim, wie es kömmt, der ewigen
+Vorsicht.“</p>
+<p>Sagt’ es, erhob sich, und trat aus der nächtlichen Kammer. Er schlief
+dort</p>
+<p>Immer im härnen Gewand’: um das Grab sein Lager zu tauschen</p>
+<p>Jeglichen Augenblick, mit gottergebenem Herzen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Schauer durchfuhr den Geist, der schnell dem Ritter gefolgt war,</p>
+<p>Als er des Bruders bleiches Gesicht, und das Auge, voll Demuth</p>
+<p>Stets zur Erde geheftet, ersah; die himmlische Weisheit</p>
+<p>Klar an der Stirn’ ihm las, und, vereint abtödtendem Bußsinn</p>
+<p>Seelenfrieden und Ruh’ in seinen erhelleten Zügen</p>
+<p>Wahrnahm. Dennoch wagt’ er es nicht, ihm zu folgen in Gottes</p>
+<p>Heiligthum; nur entfernt und schüchtern sah er hinüber,</p>
+<p>Als er dort vor dem Bild des Gekreuzigten, würdigbekleidet,</p>
+<p>Stand in dem hellen Schein sechs strahlender Kerzen: sie ragten</p>
+<p>Aus den silbernen Leuchtern, geteilt, vom Marmor-Altar auf;</p>
+<p>Sah, wie ihm diente der Ritter selbst, auf die Kniee gesunken:</p>
+<p>Jetzt ihm brachte das Buch, und er bethete; jetzo, die Gaben</p>
+<p>Opfernd, Brot und Wein darreicht’; er Worte des Segens</p>
+<p>Ueber sie sprach, dann auf zur Anbethung hob, und, in Demuth</p>
+<span class = "pagenum">174</span>
+<p>Klopfend die Brust vorher, genoß: ein hehres Geheimniß</p>
+<p>Feiernd. Er staunte noch mehr: wie dort der muthige Jüngling</p>
+<p>Ganz in heiliger Gluth und in herzdurch&shy;schauernder Andacht</p>
+<p>Aufgelös’t, mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen</p>
+<p>Bethete; auch den thränenden Blick von der Erde nicht aufhob,</p>
+<p>Bis das Opfer vollbracht, und gestillt das sehnende Herz war.</p>
+<p>Graunvoll stand ihm Odins<a class = "tag" name = "tag6_1" id =
+"tag6_1" href = "#note6_1">1</a> Altar vor den Augen, und Sclaven</p>
+<p>Blutend darauf, die, im Kampf gefangen, als Opfer ihm büßten.</p>
+<p>Ach, er preßte sie fest in die Fläche der Hände, nicht wagend,</p>
+<p>Sie jetzt himmelempor zu dem furchtbarn Richter zu heben!</p>
+<p>Doch schon führte der Mönch den Ritter zur Pforte hinüber,</p>
+<p>Schüttelt’ ihm traulich die Hand, und sagte beklommen zum
+Abschied:</p>
+<p>„Gottes Friede mit dir! Vollbracht ist die heilige Handlung,</p>
+<p>Wie du gewünscht. In dem Wink des Ewigen liegt die Genesung,</p>
+<p>Liegt das Leben, der Tod, und seine Gerichte sind dunkel.</p>
+<p>Laß nur walten die Huld: die hier Getrennten vereint sie</p>
+<p>Jenseits wieder im Glück’, im ewigen, wahren, und einen!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als er sich wandte, zu geh’n, da ergriff ihm Hartmann die Hand noch,</p>
+<p>Drückte sie glühend an’s Herz, und rief mit thauenden Wimpern:</p>
+<span class = "pagenum">175</span>
+<p>„Ernst, nicht lebt dir der Vater mehr, nicht die Mutter: zur
+Kriegszeit</p>
+<p>Haben die grausamen Feind’, unmenschlich vor Wuth, in der Kammer</p>
+<p>Beid’ erwürgt vor dir, dem scheuverkrochenen Knaben!</p>
+<p>Nimmer wurdest du froh seitdem, und wohnst in des Klosters</p>
+<p>Einsamer Zell’. Ach, komm, und sey mir ein Stab auf des Lebens</p>
+<p>Dunkelem Pfad, mein Lehrer und Freund, und mit dankbarem Herzen</p>
+<p>Will ich die Freundesliebe dir treu durch Liebe vergelten!“</p>
+<p>Ernst fuhr, schaudernd, zusammen, und rief: „Der Freundschaft
+erwähnst du?</p>
+<p>Ja, mir ward ein Freund von treuem und redlichem Herzen;</p>
+<p>Aber er wanderte fort, weit über das Meer, und nach Jahren</p>
+<p>Schmerzlicher Trennung &mdash; sieh’, drei Schritte von hier, an der
+Mauer</p>
+<p>Dort, erkannt’ ich den Kehrenden schon: da zuckte der Blitzstrahl</p>
+<p>Her aus dem Wettergewölk’, und todt, und erstarrt in den Armen</p>
+<p>Hielt ich ihn! Ach, nicht färbten sich mehr, und färben sich
+nimmer</p>
+<p>Meine Wangen, vom Schrecken erbleicht, und entsetzlichem Jammer!</p>
+<p>Laß mich im Frieden dahier. Geschürzt zur endlichen Wand’rung</p>
+<p>Hab’ ich mein Kleid, und ich halte den Stab bereit in der
+Rechten,</p>
+<span class = "pagenum">176</span>
+<p>Wann, und wie es dem Himmel gefällt: du thue deßgleichen</p>
+<p>Hartmann, eile hinab in die Burg: ich höre der Glocken</p>
+<p>Stürmenden Ruf im Geschrei und Getös’ lauttobender Menschen!“</p>
+<p>Jener horchte, bestürzt; dann warf er sich schnell in den Sattel;</p>
+<p>Spornte sein Roß, und flog, lautathmend, den Wällen entgegen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Dort gebar einstweilen die Nacht entsetzliche Thaten.</p>
+<p>Rüdigers horchendem Ohr’ entging das warnende Wort nicht,</p>
+<p>Das erst Hugo zuvor dem Kaiser vertraute. Die Sohlen</p>
+<p>Fremder Männer gewahrete bald sein spähender Scharfblick</p>
+<p>Unten im Felsengang, wo er häuft’ in Menge die Waffen,</p>
+<p>Und er sandte den Bothen sogleich an den König von Böhmen,</p>
+<p>Daß er ihm eine die Macht. Den Schirmern der Veste zur Täuschung,</p>
+<p>Wandt’ er den Blick von dem Stubenthor nach dem stilleren
+Neuthor,</p>
+<p>Wo nur selten erscholl der Fußtritt wandelnder Menschen,</p>
+<p>Nie des rollenden Wagens Getös’: nur jenen zum Frommen</p>
+<p>Früher erbaut. Dort sah er das Werk der frechen Empörung</p>
+<p>Schon gelungen, und harrete nur der verheißenen Hülfsschar.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt erscholl die Glock’ aus den Fenstern des ragenden Kirchthurms,</p>
+<p>Zwölfmal dumpferdrönend dem Schlag des gewichtigen Hammers,</p>
+<p>Und ummurrend lang’ in dem leis’entschlummerten Luftraum.</p>
+<span class = "pagenum">177</span>
+<p>Alsbald regten im Weidenhain sich die Krieger aus
+Böhmen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Traten, in Eisen gehüllt, und mit schneidenden Lanzen bewaffnet,</p>
+<p>Aus den Häusern hervor die Verschworenen (siebenmal hundert</p>
+<p>An der Zahl) und entlang den Tiefengraben zum Neuthor</p>
+<p>Standen die frechen geschart, des Wink’s von Rüdiger Waldram</p>
+<p>Harrend. Er zögerte nicht, und kam, und sprach zu dem Amtner:</p>
+<p>„Günther, muthig an’s Werk! Mit Hundert deiner Erwählten</p>
+<p>Hin zu der Burg: dort stoßt mit würgender Rechte die Wachen</p>
+<p>Nieder, und wahret das Thor an der Kaiserstiege mit Sorgfalt!</p>
+<p>Hundert send’ ich sogleich in die Runde mit tapferen Führern,</p>
+<p>Die auf den Wällen erwürgen die Huth. Ist solches geschehen,</p>
+<p>Dann ertöne Geschrei; dann reißt an den Strängen; der Glocken</p>
+<p>Sturmruf schalle; das Schlangenhaar aufsträubend, die Augen</p>
+<p>Drehend vor blutiger Gier, und schwingend die flammende Fackel,</p>
+<p>Tobe der Aufruhr fort in den Straßen, und brülle die Menschen</p>
+<p>Wach aus dem Schlaf’ zum Kampf g’en Rudolphs bebende Söldner!</p>
+<p>Ottgars harren wir dann: bald kömmt er, und wird ihn zermalmen;</p>
+<p>Doch, so er siegt’? &mdash; ein Unterpfand ist unser: die Mutter,</p>
+<span class = "pagenum">178</span>
+<p>Und die Töchter zugleich: denn Hartmann eilte von hinnen,</p>
+<p>Das euch sichere Bürgschaft sey ersehnter Verzeihung.</p>
+<p>Nur mir werde sie nicht. Ha, lieber zum eisigen Nordpol</p>
+<p>Will ich, ein Bettler zieh’n, als Rudolphs Zepter gehorchen!</p>
+<p>Kommt; viel lieber den Tod, als solch’ unwürdiges Leben!“</p>
+<p>Rief’s, empört, und alsbald eileten jene dem Amtner</p>
+<p>Nach. So wäre die Huth auf den ragenden Mauern erlegen;</p>
+<p>Doch auf dem Rasenwall an der Burg, wo im Süden des Schneebergs</p>
+<p>Heitere Stirn’ der Wandelnde stets mit Freuden gewahret:</p>
+<p>Da er ihm so viel sonn’erhellete Tage vorhersagt,</p>
+<p>Ging, gemessenen Schritts, Bertrand, der tapfere Schweizer,</p>
+<p>Hüthend umher. Als jetzt zum zwölften Mal von dem Kirchthurm</p>
+<p>Dumpf die Glock’ ausklang, von dem eisernen Hammer geschlagen,</p>
+<p>Sieh’, da stand er erstarrt! Ein Schrei &mdash; doch schrecklich zu
+hören,</p>
+<p>Scholl ihm vom Mund; sein Haar aufsträubte sich; laut, wie im
+Fieber,</p>
+<p>Klapperten ihm die Zähn’. Er sah zwölf Schattengestalten:</p>
+<p>Häßliche Weiber der Stimm’, und wankende Greise dem Gang’ nach,</p>
+<p>Kommen, in Leichentücher gehüllt, todbleich und den Nacken</p>
+<p>Altersschwer gebeugt: die <em>Klag’</em> genannt von dem Volk
+dort,</p>
+<p>Welche, vereint (sechs hie, und drüben so viel’) auf der Schulter</p>
+<p>Trugen die Bahre heran, und stöhneten. Aber sie zogen,</p>
+<span class = "pagenum">179</span>
+<p>Sein nicht achtend, vorbei; dann fort, an der Mauer der Hofburg</p>
+<p>Steilrecht schwebend empor &mdash; fort über das Dach, und
+verschwanden</p>
+<p>Fern in der finsteren Luft mit kläglichem, leisem Gewimmer.</p>
+<p>Weiber, so sagt sich das Volk mit schaudernder Angst in die
+Ohren,</p>
+<p>Die auf der irdischen Bahn sich unnennbarem Frevel ergaben,</p>
+<p>Gingen im mitternächtlichen Zug einher auf dem Erdkreis;</p>
+<p>Klagten, und ächzten, und trügen die Bahr’ an der Kammer vorüber,</p>
+<p>Wo, zumal bei den Fürsten des Volks &mdash; bei den Mächtigen,
+Hohen,</p>
+<p>Bald anklopfet der Tod: sie sterben, und Weinen erschallet.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt vernahmen den Schrei die Gefährten des Kriegers. Sie blößten</p>
+<p>Hurtig das Schwert; erkletterten schnell die ragende Mauer;</p>
+<p>Schrie’n von fern: „Wer da?“ und fragten zugleich um die Losung.</p>
+<p>Zwar nicht kam aus dem Mund des Kriegers das heimliche Wort
+jetzt:</p>
+<p>Denn noch stand er verstört, und zitterte; aber sein Hauptmann</p>
+<p>Sah die nahende Schar bewaffneter Bürger: ihm ahnte</p>
+<p>Schnöder Verrath. Alsbald erhob er die mächtige Stimme;</p>
+<p>Schrie an die Nachbarhuth, und diese der nächsten, und nächsten</p>
+<span class = "pagenum">180</span>
+<p>So, daß der Lärmruf rings umtönte die Veste: den Kriegern</p>
+<p>Nun zum Glück’ erregt von dem angstergriffenen Mann dort.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als der Ueberfall dem Hort der empöreten Bürger,</p>
+<p>Günther, mißlang: da mahnt’ er sogleich die Seinen zur Rückkehr,</p>
+<p>Sich mit Rüdiger Waldrams Macht zu vereinen am Neuthor.</p>
+<p>Schon begann er den Kampf. In des weitgewölbeten Thorwegs</p>
+<p>Mauern sah er die Stub’ erhellt, und die Krieger entschlummert.</p>
+<p>Nur die Wach’ allein ging inner dem Thore den gleichen,</p>
+<p>Ernstgemessenen Schritt herauf und hinab. An die Schulter</p>
+<p>Hatt’ er die Lanze gelehnt, und summte zuweilen ein Liedchen.</p>
+<p>Schnell, wie der Blitz, flog Rüdiger vor, und setzte dem Krieger,</p>
+<p>Dräuend, das Schwert auf die Brust, so er schrie, ihn zu tödten,
+entschlossen.</p>
+<p>Ach, an dem Zürcher-See ließ Wolf in der reinlichen Hütte</p>
+<p>Gattinn und Söhnchen zurück: denn kaum entschwand ihm ein Jahr
+erst</p>
+<p>Glücklicher Ehe, als ihn zu den Waffen der tapfere Herzog,</p>
+<p>Albrecht, rief! Er sann, des Kind’s und der Gattinn gedenkend,</p>
+<p>Einen Augenblick; dann dacht’ er der Pflicht und der Rettung</p>
+<p>Seiner Gefährten: er schrie &mdash; der edelmüthige Krieger</p>
+<p>Schrie, und sank, von Rüdigers Schwert durchbohrt, auf den Sand
+hin.</p>
+
+<span class = "pagenum">181</span>
+<p class = "stanza">
+Wildes Getümmel erscholl. Hervor aus der dämmernden Wachtstub’</p>
+<p>Stürmten Wolfs Gefährten, voll Hast, und Rüdiger Waldram</p>
+<p>Hob das blutige Schwert mit gellendem Ruf in die Luft auf.</p>
+<p>Alsbald trafen sich, im Gemeng, die empöreten Bürger</p>
+<p>Und die Krieger zugleich. Wie Nachts von der eichenen Tenne</p>
+<p>Lautes Gepolter erschallt, wenn emsige Löhner des Weizens</p>
+<p>Goldene Frucht entdreschen dem Halm: so tönte der Waffen</p>
+<p>Hämmernder Schlag von dem Schild’ und dem Helm der kämpfenden
+Männer.</p>
+<p>Nur Gestöhne der Wuth erscholl in den Hallen, und Blut floß</p>
+<p>Rings in Strömen umher. Die Krieger des Kampfes geübter,</p>
+<p>Würgten die größere Zahl; doch so, wie die Stier’ auf dem
+Schauplatz</p>
+<p>Von unzähligen Rüden umstürmt, mit furchtbaren Hörnern</p>
+<p>Manchen der Feinde, durchbohrt, hinstrecken, und wüthend sich
+wehren,</p>
+<p>Bis sie zuletzt erliegen der stets ergrimmteren Mehrzahl:</p>
+<p>Also, nach tapferer Gegenwehr, erlag an dem Neuthor,</p>
+<p>Ueberwältigt, die Huth von fünfzig tapferen Kriegern.</p>
+<p>Ha, da flogen sogleich des Thors gewaltige Flügel,</p>
+<p>Heulend, auf eisernen Angeln entzwei! Mit traulichem Handschlag,</p>
+<p>Grüßte die böhmische Schar, die draußen, mit steigender
+Kampfgier,</p>
+<p>Harrete, hier das verbündete Volk, und stürzte, dem Mühlbach</p>
+<p>Gleich, der schäumender Hast, durch weiteröffnete Schleußen</p>
+<span class = "pagenum">182</span>
+<p>Wild herrauscht, in die Stadt, und Rüdiger jauchzete laut auf:</p>
+<p>„Eilt zum Kampf, Gefährten des Siegs! Schon seh’ ich erfüllet,</p>
+<p>Was wir sehnlich gehofft: den Sturz des verhaßten Geschlechtes.</p>
+<p>Unser die Stadt, das Volk empört. Auf, laßt uns die Söldner</p>
+<p>All’ erwürgen im Schlaf, die jetzt auch des Führers beraubt
+sind&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Hartmanns: denn er floh, feig bebend, zuvor aus der Festung!</p>
+<p>Schließet die Flügel sogleich des festeinfugenden Thores,</p>
+<p>Und erweckt die Bewohner der Stadt zum Kampf der Errettung.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Czernin jubelte nicht. „Fürwahr,“ so sprach er bedeutsam,</p>
+<p>„Viel ist gescheh’n, und mehr, als die Hoffnung verhieß zum
+Beginne:</p>
+<p>Nahe der Kaiserburg erblitzen die böhmischen Waffen;</p>
+<p>Aber ich scheue des Glücks und des leicht zu bethörenden Volkes</p>
+<p>Wankelmuth! Gar mächtig bewegt des herrschenden Stammes</p>
+<p>Fromme Liebe die Brust: der Zauber, welchem die Herzen</p>
+<p>Huldigen, kalt vom Erob’rer gekehrt &mdash; nicht selten auf
+immer.</p>
+<p>Zwar verheißt uns die Schreckensnacht in dem Kampfe den Vortheil;</p>
+<p>Doch uns bleibe dieß Thor. Des Rückzugs denke der Feldherr</p>
+<p>Auch in dem Sieg, sonst gleitet sein Fuß auf schlüpfrigem Pfad’
+aus.“</p>
+<span class = "pagenum">183</span>
+<p>Sagt’ es, und ließ an dem Thor zweihundert tapfere Krieger,</p>
+<p>Sorgend, zurück: Bolest, dem Amtner, die Kühnen vertrauend,</p>
+<p>Der, in dem Felde bewährt, mit festausdauerndem Kampfmuth</p>
+<p>Schirmer ihm sey, und dereinst, so es also des Krieges Geschick
+will,</p>
+<p>Seinem Volk’ es eröffne zur heißersehneten Rettung.</p>
+<p>D’rauf vordrang er zugleich mit Rüdigers jauchzenden Scharen:</p>
+<p>Denn schon hob aus der Stadt unendlicher Lärm und Getümmel</p>
+<p>Sich in die Luft. Von den Thürmen umher ertönten die Glocken</p>
+<p>Stürmenden Rufs; unzählige Feuer, mit hastigen Händen,</p>
+<p>Rings auf den Zinnen entflammt, erleuchteten schrecklich die
+Umwelt,</p>
+<p>Und Gebrülle der Wuth, unsinniger, frecher Empörung,</p>
+<p>Scholl die drönenden Straßen hinab. Da fuhren die Mütter</p>
+<p>Auf aus dem ruhigen Schlaf’, und stürzten herbei an das Fenster,</p>
+<p>Weinten, und rangen die Händ’, umschart von heulenden Kindern.</p>
+<p>Zitternd stand der Greis an der Thür: sein silbernes Haupthaar</p>
+<p>Schlug ihm der Wind um die Stirn’ und die toderblasseten
+Wangen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Sah den eilenden Sohn, und schrie, daß er kehre, vergeblich.</p>
+<p>Aber es mehrte die Schar der Verblendeten weniges Volk nur,</p>
+<p>Das, unstät und heimathlos, in die Veste gekommen</p>
+<p>Ehedem: treu verharrt’ in der Pflicht die bessere Mehrzahl.</p>
+
+<span class = "pagenum">184</span>
+<p class = "stanza">
+Doch schon trafen, voll Wuth, die Empörer und ihre Genossen</p>
+<p>Auf das muthige Schweizervolk, das kühn im Verein stand.</p>
+<p>„Hartmann!“ scholl’s in der Burg, und „Hartmann!“ rings in den
+Straßen</p>
+<p>Aengstlich und laut &mdash; umsonst: er weilte noch fern auf den
+Berghöh’n.</p>
+<p>Da gedachten der Gegenwehr die Obersten: Arnold,</p>
+<p>Flüe, und Hohenried, und stellten die Scharen im Halbmond,</p>
+<p>Der sein Horn hier rechts, dort links in die Straßen hinausschob,</p>
+<p>Gegen den wildempöreten Feind, vor der ragenden Burg auf:</p>
+<p>Also vor ihr in dem Kampf, pflichttreu, zu sterben entschlossen.</p>
+<p>Rüdiger stürmt’ auf Hohenried, der vorne die Scharen</p>
+<p>Ordnete, los, und schrie: „Dich, Rudolphs treuen Gesellen,</p>
+<p>Will ich allen zuvor, als heulenden Bothen, zur Hölle</p>
+<p>Senden: verkünd’ es nur dort, daß sie folgen, und keiner entrinnt
+mehr!“</p>
+<p>Rief’s, vorschreitend, und jener begann: „Gewaltiger Prahler,</p>
+<p>Wärst du so tapfer, als frech mit der tönenden Zunge: mir würde,</p>
+<p>Trau’n, erbangen die Brust; doch komm, und büße den Frevel,</p>
+<p>Den du verübst g’en Treu’, und Pflicht, und den heiligen
+Eidschwur!“</p>
+<p>So wortwechselten sie in dem Augenblick der Entscheidung.</p>
+<p>Allen zuvor kam Hohenried, den blinkenden Degen</p>
+<p>Schwingend, und drang grad’ aus auf Rüdigers pochende Brust ein.</p>
+<span class = "pagenum">185</span>
+<p>Aber er hielt ihm entgegen den Leun, von Silber gestaltet,</p>
+<p>(Ottgars Löwen zum Ruhm’) auf dem Schild von mächtiger Wölbung:</p>
+<p>Dieser wehrte dem Stoß’, und der sprödere Stahl, auf des Leu’n
+Haupt</p>
+<p>Treffend, brach, wie unbeugsames Glas, mit kreischendem Mißlaut</p>
+<p>Mitten entzwei. Da stieß, in des Gegners erschütterndem Unfall</p>
+<p>Kühner geworden, ihm Waldram schnell die Spitze des Degens</p>
+<p>Durch die erhobene Hand, daß ihr auch das umklammerte Heft noch,</p>
+<p>Blutumhüllt, entsank &mdash; er wehrlos stand vor dem Gegner.</p>
+<p>Sieh’, er hätt’ ihn durchbohrt: doch rissen hurtige Krieger</p>
+<p>Ihn aus umdrängender Todesnoth, und führten ihn sorglich</p>
+<p>Hinter die Reih’n, wo ihm Hülf’ und erquickende Pflege zu Theil
+ward.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Waldram schrie: „Getreue, nun vor! Des Führers beraubet,</p>
+<p>Wanken die Feinde. Hinauf in die Burg, wo, sehnend, die Gattinn</p>
+<p>Rudolphs harrt mit den Töchtern des Siegs und der fröhlichen
+Heimkehr</p>
+<p>Ihres Gemahls. Vergeblich harre sie. Eilt, und geleitet</p>
+<p>Sie in das Kloster Sanct Dorothe’; doch führet sie sanft hin:</p>
+<p>Denn sie that uns kein Leid, und nah’t, abzehrend, dem Grab
+schon.</p>
+<span class = "pagenum">186</span>
+<p>Nur dem Herrscher allein, der seither Kaiser sich nannte,</p>
+<p>Zeiget euch unversöhnlich, und schont ihn selbst in dem Tod
+nicht!“</p>
+<p>Also rasete Waldram hier. Die frechen Empörer</p>
+<p>Griffen wüthender an, und drängten die mittlere Kriegsschar,</p>
+<p>Ihres Gebiethers beraubt, stets weiter zurück in den Burghof.</p>
+<p>Czernin spornte sein Roß nun links, nun rechts, und entflammte</p>
+<p>Laut mit Geschrei sein Volk, in die Feinde zu stürmen. Es
+kämpften</p>
+<p>Flüe dahier, und Arnold dort, voll eisernen Muthes,</p>
+<p>Gegen ihn an, und zu schwach, der Menge die Spitze zu biethen,</p>
+<p>Zog sich Flüe, im schräggedehneten Zuge, vom rechten</p>
+<p>Eilig zum linken Horn, um, vereint dem kühnen Gefährten,</p>
+<p>Arnold, dort zu steh’n, und zu fallen im rühmlichen Kampf nur.</p>
+<p>Dichtgedrängt in Reih’n, vorhielten die Schweizer die Lanzen</p>
+<p>Hier dem stürmenden, reisigen Volk; die verwundeten Rosse</p>
+<p>Wütheten &mdash; d’rauf noch mehr mit dem würgenden Eisen die
+Reiter</p>
+<p>So, daß das Blut aufwogt’, und die starrenden Leichen bewegte:</p>
+<p>Dennoch wichen nicht hier, nicht dort die erbitterten Gegner.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch von dem Kahlenberg, voreilend dem fürstlichen Jüngling,</p>
+<p>Nahete Marbod erst, und sah mit Schrecken des Kaisers</p>
+<span class = "pagenum">187</span>
+<p>Schirmende Burg von der Macht des argen Verräthers gefährdet.</p>
+<p>Nicht besann er sich lang’, und eilte hinaus nach dem Tabor,</p>
+<p>Wo der Kaiser im Zelt sanft schlummerte, mitten im Lager</p>
+<p>Seines erlesenen Heers. Dort fand er auch nahe das Schlafzelt</p>
+<p>Hugo’s, den er erst gestern warnt’. Ihn dacht’ er zu wecken,</p>
+<p>Senkte den Flug rasch hin, und begann im Geistergelispel:</p>
+<p>„Auf, erhebe dich, Greis! Bald schaust du die Flamme des Aufruhrs</p>
+<p>Leuchten heran von den Thürmen der Stadt, und hörest von dorther</p>
+<p>Stürmenden Glocken-Klang und Gebrüll empörter Gesellen.</p>
+<p>Wie, so schnell vergaßest du nun des warnenden Traumes:</p>
+<p>Lachtest wohl fein? Auf, säume nicht hier zu erwecken den
+Herrscher!“</p>
+<p>Eben rief auch die Vorhuth schon an dem Rande des Lagers</p>
+<p>All’ das entschlummerte Volk stets lärmender auf zu den Waffen.</p>
+<p>Aber der Greis erhob sich, voll Hast, und sah in der Wahrheit</p>
+<p>Jenes erfüllt, was ach, nur ein Traum noch gestern ihn dünkte!</p>
+<p>Eilig trat er sofort zu dem Herrscher, und sagte beklommen:</p>
+<p>„Herr! unglaublich erschien dir vielleicht des träumenden Greises</p>
+<p>Warnung? Tritt vor das Zelt, und vernimm mit Staunen des Aufruhrs</p>
+<p>Wuthgeschrei in der Stadt, empört durch Rüdiger Waldram.</p>
+<span class = "pagenum">188</span>
+<p>Willst du’s, Herr, so eil’ ich mit reisigem Volk vor das
+Burgthor,</p>
+<p>Einlaß heischend, und dämpfe die Gluth, eh’ ihr Flammen
+entfahren!“</p>
+<p>„Nein, ich fürchte sie nicht,“ so entgegnete jener, „den Auswurf</p>
+<p>Meines Volks empörte der Rasende nur, und die Bessern</p>
+<p>Hängen noch redlich an mir. Und wie, ist mein tapferer Sohn nicht</p>
+<p>Wiens Besatzung ein schirmender Hort? Sind Mutter und Schwestern</p>
+<p>Ihm nicht ein heiliges Pfand, und es wagten die frechen Empörer,</p>
+<p>Ungestraft, mit frevelnder Hand an die Theuern zu tasten?</p>
+<p>Hundert Reiter allein genügen mir, sie zu vernichten.</p>
+<p>Komm, wir zertreten die Gluth gar leicht im niedrigen Staub noch:</p>
+<p>Denn ich bau’ auf die Hülfe des Herrn und die Liebe des Volkes.“</p>
+<p>Heiter schwang er sich jetzt auf das Roß, und flog mit dem Helden</p>
+<p>Hugo, im sicher’n Geleit erlesener Reiter zur Stadt hin;</p>
+<p>Dann an dem Walle herum, bis er endlich des finsteren Burgthors</p>
+<p>Graben ersah. Dort hemmt’ er das Roß, und winkt’: ein Drometer</p>
+<p>Stieß in das schmetternde Rohr, und sieh’, bald riefen die
+Krieger,</p>
+<span class = "pagenum">189</span>
+<p>Kletternd herauf an dem Wall’: „Ist’s Hartmann, unser Gebiether?</p>
+<p>Kommt er, ein Retter, heran in der Stund’ entsetzlicher Nothwehr?</p>
+<p>Laßt uns vernehmen des Freundes Ruf, und wir senken das
+Fallthor!“</p>
+<p>„Gott, und das Vaterland!“ so gab mit gewaltiger Stimme</p>
+<p>Hugo zurück, „ist Freundesruf in dem Lager von Oestreich:</p>
+<p>Aber nicht Hartmann &mdash; nein, den Kaiser gewahrt ihr als
+Retter!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Laut erhob sich ihr Jubelgeschrei; doch näher und nähere</p>
+<p>Scholl von der Roß-Au her, wo sonst die Rosse der Krieger</p>
+<p>Weideten, schon das Getrab und das Klirren des Waffengeschmeides</p>
+<p>Auf in der Nacht. Ach, Hartmann war’s! Ihn erkannte der
+Vater&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Ihn, den Vater, der Sohn. Verwirrung, Angst und Entsetzen</p>
+<p>Faßten wechselnd ihn an; nur leis’ und furchtsam begann er:</p>
+<p>„Vater, ich ging, auf dem heiligen Berg für die Mutter zu bethen,</p>
+<p>Wie ich es jüngst verhieß der Flehenden: denn nicht entfernt mehr</p>
+<p>Scheint ihr des Lebens Ziel; doch ach, entsetzlichen Frevel</p>
+<p>Seh’ ich indessen verübt von den Meuterern hier, in dem Zeitraum</p>
+<p>Einer entflohenen Stund’! Ich räch’ ihn, und sollt’ ich auch
+fallen.“</p>
+<span class = "pagenum">190</span>
+<p>Aber der Vater schwieg. Erschütternd zu schau’n, wie er vor sich</p>
+<p>Hinsah, schweigend und ernst. Da flog der unglückliche Jüngling</p>
+<p>Ueber das Thor, das erst mit Getös’, auf den Graben gesenkt,
+fiel,</p>
+<p>Durch die finsterumwölbende Halle hinaus auf des Burghofs</p>
+<p>Räumigen Platz. Er sah, wie auf Leichen erschlagener Brüder,</p>
+<p>Rüdiger Waldrams siegender Macht, ein tapferes Häuflein</p>
+<p>Muthig entgegenrang, der jetzt, Entsetzliches sinnend,</p>
+<p>Ueber die Stufen hinauf in die Kammer zu dringen gedachte,</p>
+<p>Wo die Fürstinn sich fand mit den lieblichen Töchtern:
+entschlossen,</p>
+<p>Sie mit frevelnder Hand in des Klosters Gewahrsam zu bringen:</p>
+<p>Denn er wähnt’ errungen die Burg, und dem böhmischen Löwen</p>
+<p>Unterthan die Stadt mit Oestreichs herrlichen Fluren.</p>
+
+<p class = "stanza">
+„Halt, Verruchter!“ so rief, aus dem Sattel gestiegen, ihm Hartmann</p>
+<p>Donnernd zu. Er entblößte das Schwert, und kam wie ein Rohrwolf,</p>
+<p>Der in des Winters Frost, vom Hunger getrieben, voll Blutgier,</p>
+<p>Ein in die nächtlichen Hürden stürmt, und die blöckenden Lämmer</p>
+<p>Würgt mit zerfleischendem Zahn: so kam er in Eile gesprungen.</p>
+<span class = "pagenum">191</span>
+<p>Flammen sprühte sein Aug’, und aus seiner erhobenen Rechten</p>
+<p>Zuckte der Blitz gen Waldram hin; doch als er ihm nahte,</p>
+<p>Wandte sich dieser, und rief: „Ha, du, Verhaßter vor Allen;</p>
+<p>Jetzo nur muthig heran: euch all’ entsend’ ich zur Hölle!“</p>
+<p>Flog, so rufend, ergrimmt, dem Feind’ entgegen, und strebte,</p>
+<p>Stöhnend vor Hast, das Schwert in die tapfere Brust ihm zu
+stoßen;</p>
+<p>Aber er schlug, vorschauenden Blicks, den nahenden Mordstahl</p>
+<p>Seitwärts; führte den Todesstreich; zerschmetterte Waldrams</p>
+<p>Helmdach tief in die Stirne hinab, und warf ihn entseelt hin.</p>
+<p>Doch nicht rastet’ er noch: er saß blitzschnell in dem Sattel</p>
+<p>Wieder: erhob das blutige Schwert; ritt glühend vor Mordgier</p>
+<p>Mitten hinein in die Schar der Empörer, und wüthete links, rechts</p>
+<p>Dort mit würgender Faust, daß Leichen auf Leichen sich häuften.</p>
+<p>Ihres Gebiethers beraubt, und entmuthiget, warfen die andern,</p>
+<p>Schnell die Waffen von sich, und floh’n, im Verborgenen Rettung</p>
+<p>Suchend, davon. Die Burg ward frei durch den tapferen Jüngling.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Czernin drängte zuvor die hauptverwaiseten Scharen</p>
+<p>Arnolds: ihm wichen die Krieger nur Schritt für Schritt in dem
+Wuthkampf,</p>
+<p>Bis zu dem Schottenthore hinab. Sie schlossen sich eng’ an</p>
+<p>Dort vor dem Gotteshaus’, und wehrten sich: alle für Einen,</p>
+<p>Einer für alle zu sterben bereit, im rühmlichen Tod nur.</p>
+<span class = "pagenum">192</span>
+<p>Keiner wär’ ihm entfloh’n, wenn jetzo nicht, keuchend im Eilflug,</p>
+<p>Näher der Reisige kam, und schrie: „Erschlagen ist Waldram:</p>
+<p>Denket der Flucht! Er fiel in dem Kampf mit des Kaisers
+Erzeugtem;</p>
+<p>Aber er selber, so jubelt das Volk, hält draußen am Burgthor.“</p>
+<p>„Freunde,“ so rief ihr Hort den Reisigen, „Rüdiger Waldram</p>
+<p>Hat uns schnöde getäuscht; nicht des Kampfes Gefahren &mdash; der
+Festung</p>
+<p>Leichten Besitz verhieß er uns jüngst, da er stolz sich des
+Antheils</p>
+<p>Aller Bewohner vermaß! Mit Recht wohl büßt’ er den Frevel.</p>
+<p>Unser, zum Glück, das Thor: nun laßt uns gedenken der Rückkehr!“</p>
+<p>Rief’s, und den Tiefengraben entlang, zu dem stilleren Neuthor</p>
+<p>Jagt’ er das Roß: ihm nach die Reisigen alle. Die Flügel</p>
+<p>Theilten sich heulend entzwei, und nicht rastet’ er, bis er die
+Fähren</p>
+<p>Wieder ersah an dem Ufer der weithinrollenden Donau.</p>
+<p>Doch nicht füllte den Raum der schwankenden jetzo die Last mehr,</p>
+<p>Wie zuvor: erwürgt in den Straßen der mächtigen Festung</p>
+<p>Lag die Hälfte des reisigen Volks, das gestern herankam.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber mit Trauer im Blick, obgleich ein Sieger, und Retter</p>
+<p>In der Gefahr, kam Hartmann jetzt aus dem finsteren Burgthor,</p>
+<span class = "pagenum">193</span>
+<p>Langsam geritten heraus, wo sein der liebende Vater</p>
+<p>Harrte; trauernd auch er, ob solchem Vergehen des Sohnes.</p>
+<p>Dieser begann: „Verhallt ist der Sturm unsinnigen Aufruhrs:</p>
+<p>Waldram büßte die Schuld: von meinem vernichtenden Eisen</p>
+<p>Liegt er, durchbohrt, an der Treppe der Burg, die er, frevelnden
+Fußes,</p>
+<p>Erst zu betreten gewagt; die Verbündeten schützte die Flucht nur.</p>
+<p>Dennoch steh’ ich vor dir, ein Schuldiger. Soll ich auch
+büßen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Denke des dunkeln Geschicks, das oft auf irdischer Laufbahn</p>
+<p>Auch die Besseren feindlich ereilt! Nie mög’ es dich treffen!“</p>
+<p>Und er senkte das Haupt. Doch Rudolph sah ihn, bewegt, an,</p>
+<p>Hob die Rechte empor, und sagte mit rührender Stimme:</p>
+<p>„Treu erfülltest du dein Wort, als edeler Ritter,</p>
+<p>Mildgesinnet, und fromm, der sterbenden Mutter gehorsam;</p>
+<p>Aber dich sollte die Pflicht mit eiserner Macht an die Festung</p>
+<p>Bannen: ihr solltest du steh’n ein Hort in dräuender Kriegszeit,</p>
+<p>Und ein wehrsamer Schild in der Noth. Wer darf sich erkühnen,</p>
+<p>Das, was höher ihm schien, vor jener zu wählen nach Willkühr?</p>
+<p>Herrndienst rief dich hier zu dem Dienste des Herrn, und du
+fehltest</p>
+<p>Gegen das göttliche Wort des welterleuchtenden Lehrers.</p>
+<p>Dein Vergeh’n, unglücklicher Sohn, soll keinem der Krieger</p>
+<p>Künftig zum Beispiel seyn, zur Ermunterung, Gleiches zu wagen!</p>
+<span class = "pagenum">194</span>
+<p>So wie ich jüngst, der Veste zum Schirm, das Schwert dir
+vertraute,</p>
+<p>Stellst du’s wieder zurück’, in die Hände des Helden von
+Tauffers.“</p>
+<p>Jener reichte das Schwert ihm dar, erblassend, und schweigend.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, jetzt kam aus dem Thor’ ein Jüngling gelaufen, und rief so:</p>
+<p>„Herr, voll Angst erschein’ ich, ein Both’ aus des Jammers
+Behausung.</p>
+<p>Deine Gattinn verschied in den Armen der liebenden Töchter</p>
+<p>Sanft und ruhig um Mitternacht, noch ehe der Hammer</p>
+<p>Zwölf’ ausschlug; o komm, und sey den armen ein Tröster!“</p>
+<p>Hartmann warf sich vom Roß, und flog &mdash; ihm folgte der
+Vater,</p>
+<p>Langsam und wankend vor Schmerz, die Stufen hinauf in die Kammer,</p>
+<p>Wo die Heilige sanft entschlummerte: schnell zu erwachen</p>
+<p>Wieder zum ewigen Glück’ und nie vergänglicher Wonne.</p>
+<p>Ihr zu dem Haupt’ und den Füßen, die Stirn’ in die Hände
+geheftet,</p>
+<p>Saßen die Töchter umher: gleich Marmorgestalten am Grabmaal,</p>
+<p>Die zur herzerschütternden Schau der Künstler gebildet.</p>
+<p>Hartmann beugte sich über sie hin; er küßte, noch stöhnend,</p>
+<p>Ihr die erkaltete Hand, und der leis’aufweinende Vater</p>
+<p>Warf sich im stillen Gebeth’ auf die Knie’. Nur Seufzer
+erschollen;</p>
+<p>Thränen regten sich nur an den schmerzerstarreten Wangen.</p>
+
+<span class = "pagenum">195</span>
+<p class = "stanza">
+Aber am Morgen wie dumpf und bang ertönen die Glocken</p>
+<p>Von den Thürmen der Stadt! Was läuft, und drängt sich das Volk
+jetzt,</p>
+<p>Thränenumflossenen Blicks, in die heiligen Hallen des Domes,</p>
+<p>Den, wie im Dunkel der Nacht, unzählige Kerzen erhellen?</p>
+<p>Feierlich schallt ein Wehe-Getön’ aus der Orgel: Posaunen</p>
+<p>Heulen, gedämpft, in den Sterbegesang vielstimmigen Chores,</p>
+<p>Der von dem Tage des Zorns, von dem unerbittlichen Richter,</p>
+<p>Von dem Gericht und dem Ende der Welt in Feuer und Flammen,</p>
+<p>Spricht mit erschütterndem Laut. Doch jetzt gewahren die Augen</p>
+<p>Mitten das Trauergerüst, auf drei, sich verjüngenden Stufen</p>
+<p>Sinnig erbaut, und umher mit schwarzem Tuche behangen.</p>
+<p>Ueber den Stufen gesammt ruht dort die sterbliche Hülle</p>
+<p>Jener Verewigten schon, mit der Stirn’ zum Altare gewendet,</p>
+<p>In dem geräumigen, sammt- und goldbekleideten Bleisarg.</p>
+<p>Oben ziert ihn die Krone von Gold; die schimmernden Wapen</p>
+<p>Sind an dem Trauergerüst ringsher auf Säulen geheftet,</p>
+<p>Und auf silbernen Leuchtern erhöht die flammenden Kerzen.</p>
+<p>Weihrauch wallt empor in die heiligen Hallen; die Priester</p>
+<p>Feiern das Seelen-Amt am Altar, und die bethende Volksschar</p>
+<p>Liegt auf den Knieen, und schluchzt: um die Beste der Fürstinnen
+trauernd,</p>
+<p>Die nur zum Segen gelebt, als Mutter der Armen und Waisen.</p>
+<p>Aber, erschütternd zu schau’n: nicht fern dem heiligen Altar,</p>
+<p>Knie’t, von den Seinen umringt, und im Trauergewand auch der
+Kaiser:</p>
+<span class = "pagenum">196</span>
+<p>Alle zugleich vor Schmerz erblaßt &mdash; wie gealtert seit
+gestern!</p>
+<p>Ach, sie starren zuweilen mit rothgeweineten Augen</p>
+<p>Nach dem Sarg’, und sehnen sich, ihr, der selig Erhöhten,</p>
+<p>Wieder vereinet zu seyn schon dort auf immer und ewig!</p>
+<p>Als nun alles erfüllt, und die heilige Handlung vollbracht war,</p>
+<p>Schwebte der Sarg, vom Gerüst’ auf kräftige Schultern gehoben,</p>
+<p>Langsam hinab in die Fürstengruft. Zu Paaren geordnet,</p>
+<p>Gingen die Priester ihm vor, und beteten leise den Bußpsalm;</p>
+<p>Ihm nachfolgten die Ihren mit wankendem Schritt. Und so ward dort</p>
+<p>Beigesetzt in der Gruft die Leiche der edelsten Fürstinn.<a class =
+"tag" name = "tag6_2" id = "tag6_2" href = "#note6_2">2</a></p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber der Kaiser sprach zu dem ältesten seiner Erzeugten,</p>
+<p>Albrecht: „Glühender Schmerz nagt tief in dem Herzen des Vaters</p>
+<p>Und der Erzeugten zugleich, die jetzo der Mutter beraubt sind.</p>
+<p>Ach, mich zög’ es wohl hin, in der einsamen Kammer zu trauern,</p>
+<p>Jahrlang: denn nicht sehe ich mehr die holde Genossinn</p>
+<p>Meines Lebens vor mir; nicht hör’ ich die Worte des Trostes</p>
+<p>Aus dem Munde der Gattinn hinfort, wenn Tage des Kummers</p>
+<p>Nah’n! So lösen sich hier die trautesten Bande des Lebens,</p>
+<p>Die uns umfingen mit Lieb’, und wir steh’n am errungenen Ziel
+oft,</p>
+<p>Wie der pilgernde Fremdling, allein. Doch sey es, wie Gott will!</p>
+<span class = "pagenum">197</span>
+<p>Jetzt, wo das Glück der Völker, der Ruhm, und das Beste des
+Landes,</p>
+<p>Uns’rer Ehre vereint, von des blutigen Kampfes Entscheidung</p>
+<p>Abhängt, laß uns das Leid, das eigene, tief in des Herzens</p>
+<p>Unterstem Grund verschließen, und stark und kräftig einhergeh’n,</p>
+<p>Wie es dem Manne geziemt, der würdig zu handeln, bestimmt ist.</p>
+<p>Höre denn, was ich zuvor erwog im Gemüth’, und getreulich</p>
+<p>Dann zu erfüllen beschloß! Jüngst wüstete weit in dem Marchfeld,</p>
+<p>Wege und Stege gesammt, das entsetzliche Donnergewitter</p>
+<p>So, daß dem Heereszug Gefahren entgegen sich thürmen</p>
+<p>Sonder Zahl, die ein Feldherr nie hochmüthig verachte.</p>
+<p>Ich geleite das Heer gen Heunburg heute noch, morgen</p>
+<p>Ueberzusetzen, gesinnt, den Strom auf künstlichen Brücken,<a class =
+"tag" name = "tag6_3" id = "tag6_3" href = "#note6_3">3</a></p>
+<p>Die uns, auf Flöß’ erbaut, und mit lastenden Ankern gefesselt,</p>
+<p>Dienen zur Bahn. Schon sah ich am Ufer unzählige Stämme,</p>
+<p>Wohl behau’n, und gefügt von den werkbeflissenen Löhnern.</p>
+<p>Eile mir vor im Gefolg fünfhundert erlesener Krieger,</p>
+<p>Dort zu gebiethen den Bau, mit kundiger Sorgfalt. Ich folge</p>
+<p>Rasch mit dem Heere dir nach, und steh’ an dem kommenden Morgen</p>
+<p>Drüben am Ufer der March, vereint mit des Königs von Ungern</p>
+<p>Tapferem Volk, im Rücken des Feind’s, und im mächtigen Vortheil.</p>
+<p>Rühmt er der Menge sich gleich, doch siege die Treu’ und das Recht
+nur.“</p>
+
+<span class = "pagenum">198</span>
+<p class = "stanza">
+Jener begann alsbald: „Mit Freuden gehorch’ ich dir, Vater!</p>
+<p>Aber, o sieh’, da sprengt dein Hartmann, eilenden Fluges,</p>
+<p>Mit dem getreuen Kurd, der einst in den Jahren der Kindheit</p>
+<p>Ihn auf den Armen trug, und den blühenden Jüngling das Reitroß</p>
+<p>Bändigen lehrt’ auf der Ritterburg, ein tapferer Degen,</p>
+<p>Näher; mich dünkt: zu weiterer Fahrt, mit dem Treuen, gerüstet!“</p>
+<p>Hartmann hemmte den Lauf, und sagte, herüber gewendet:</p>
+<p>Denn schon stand sein Roß auf dem Sprung, zu den Staunenden also:</p>
+<p>„Leb’ wohl, Vater, und ihr, Geschwister mein, auch ihr alle,</p>
+<p>Lebet auf lange denn wohl! Gar viele der Wege hienieden</p>
+<p>Sind’s, die Gott die Seinigen führt; doch bringt er uns einst
+dann</p>
+<p>Wieder zusammen im Glück von unvergänglicher Dauer!</p>
+<p>Fort an den vaterländischen Rhein &mdash; hinüber nach Aargau,</p>
+<p>Führt mich der Weg: denkt mein, des Entfernten, mit Liebe
+zuweilen!“</p>
+<p>Rief’s; dann gab er dem Pferde den Sporn, und schwand auf dem
+Heerweg</p>
+<p>Plötzlich dahin: ihm sah’n die Beiden mit thränendem Blick nach.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">199</span>
+<h3><a name = "gesang7" id = "gesang7">Siebenter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Marbod sah aus den Wolkenhöh’n, verglommenen Blickes,</p>
+<p>Wie der Mond, umflort von herbstlichen Nebeln am Morgen,</p>
+<p>Lang’ auf die dämmernden Fluren herab. Er dachte des Bruders</p>
+<p>Ernst auf dem Kahlenberg, der kriegrische Thaten verschmähend,</p>
+<p>Froh in der Einsamkeit verharrete: selbst, da ihm Hartmann</p>
+<p>Ehre und Vortheil both in des Throns hellschimmerndem Umkreis.</p>
+<p>Völlig fremd erschien ihm die Erd’, und verändert der Menschen</p>
+<p>Leben und Geist. Nur Feindes-Gewürg im Schlachtengetümmel</p>
+<p>Sann er sein Lebenlang; nur Kampfmuth heisch’t er vom Manne,</p>
+<p>Und, ergrimmt, so ihm einst das heiß Ersehnte versagt war,</p>
+<p>Schlug er den Stein mit dem Schwert’, und spaltete Bäume des
+Waldes&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Ja, was jetzt ihn zermalm’t, unschuldigen Menschen die Scheitel:</p>
+<span class = "pagenum">200</span>
+<p>Denn jetzt hört’ er von Liebe des Feinds, versöhnender Sanftmuth,</p>
+<p>Schonung, und froher Geduld, und des Friedens sanften Gebothen.</p>
+<p>Feig und entnervt erschien ihm fürwahr dieß Volk, so er seither</p>
+<p>Nicht mit staunendem Blick sein Heldenleben gewahrte:</p>
+<p>Seinen Muth in dem Kampf’ und im Tod, der Helden zu Theil wird.</p>
+<p>Doch nun horcht’ er, erstaunt: im lauten Getöse der Waffen</p>
+<p>Kam des Kaisers gewaltige Macht auf dem stäubenden Heerweg</p>
+<p>Näher. So, wie der Sturm, empört, hersaust, und die Blätter,</p>
+<p>Tausendfältig bewegt, aufrauschen im finsteren Waldthal:</p>
+<p>Also klang in sein Ohr des kommenden Heeres Getümmel.</p>
+<p>Alsbald schwebt’ er vom Morgengewölk nach den Zinnen der Heunburg</p>
+<p>Hin: einst Attila’s Burg, der sich, als König der Heunen,</p>
+<p>Furchtbarn Ruhm gewann, da er Gottes Geißel genannt ward;<a class =
+"tag" name = "tag7_1" id = "tag7_1" href = "#note7_1">1</a></p>
+<p>Doch verödet aufragte die Burg in die Lüfte; der Epheu</p>
+<p>Kroch an der Mauer umher, und durch weitgehöhlete Fenster</p>
+<p>Sah der bläuliche Himmel herab in den grasigen Hofraum,</p>
+<p>Wo vom zerschlag’nen Gesims’ ureinst verfallener Bögen</p>
+<p>Sich der Dornstrauch hob, und im Windesgesäusel sich wiegte.</p>
+<p>Dort von des Wartthurms schwindliger Höh’ ersah er des Kaisers</p>
+<p>Nahende Macht, und ihn selbst inmitten der tapferen Scharen:</p>
+<span class = "pagenum">201</span>
+<p>Wie auf dem feurigen Roß er schaltete, hin und herüber</p>
+<p>Eilend, sie in geordneten Reih’n zum Ziele zu leiten.</p>
+<p>Unabsehlich hinab auf der Straße war reges Gewimmel,</p>
+<p>Lärm, und Getös’. Im Lichte der hellaufstrahlenden Sonne</p>
+<p>Lachten die Fluren rings, und sie sog aus den blanken Gewehren,</p>
+<p>Aus dem Harnisch und Helm, wie der Blitz augblendend, die Funken.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt, wo am Fuße des Bergs sich weit hinüber, im Halbkreis</p>
+<p>Windet der Donaustrom, anlangten des Heeres Geschwader.</p>
+<p>Zweifach theilt er sich dort, und streckt ein liebliches Eiland,</p>
+<p>Gegen die breiteinmündende March zum linken Gestad hin.</p>
+<p>Sieh’, und all’ die Nacht anschwammen die mächtigen Stämme</p>
+<p>Wolkengethürmter Fichten, gesandt aus dem südlichen Forstland</p>
+<p>Oestreichs, das im Gebirg, unendlicher Fülle, sich ausdehnt!</p>
+<p>Dort, gehorchend dem Wink des hohen Erzeugers, erbaute</p>
+<p>Albrecht nun die Brücke dem Heer’. Der Stämme je sechzehn</p>
+<p>Hatt’ er zu Flößen vereint, und über des eilenden Stromes</p>
+<p>Rücken, im kiesigen Grund mit lastenden Ankern gefesselt:</p>
+<p>D’rauf erhöht das Säulengebälk’; unendliche Stämme</p>
+<p>Ueber ihn hin gefügt, und sie in die Quere mit Bohlen</p>
+<p>Dicht bedeckt: dem Mann’ und dem Rosse zum sicheren Heerweg,</p>
+<p>Den an jeglichem Rand’ ein leichtes Geländer begränzte.</p>
+<p>Doch vom Gestade, wohin mit duftenden Matten das Eiland</p>
+<span class = "pagenum">202</span>
+<p>Sich erstreckt, hieß Albrecht dann die Brücke noch schneller</p>
+<p>Ueber den schmälern Arm erbau’n: denn längliche Fähren</p>
+<p>Reihten, über der Fluth von gewichtigen Ankern gehalten,</p>
+<p>Sich hinüber den Strom, und einten die ragenden Ufer:</p>
+<p>Sicheren Uebergang dem eilenden Heere zu bahnen.</p>
+<p>„Trefflich hast du, mein Sohn,“ so rief ihm der Kaiser entgegen,</p>
+<p>„Alles und Jedes vollbracht, und bezwungen die Fluthen des
+Stromes</p>
+<p>So, daß wir hinziehn auf ihm, und, des furchtbaren Abgrunds</p>
+<p>Achtlos, freudig zum Ziel, dem ersehneten, fördern die Schritte:</p>
+<p>Drüben dem stolzvertrauenden Feind’ in den Rücken zu stürmen.</p>
+<p>Dein gedenken mit Ruhm noch kommende Menschen&shy;geschlechter.“</p>
+<p>„Vater,“ so sagte darauf der Tapfere, „nimmer geahnet</p>
+<p>Hättest du wohl: ich sey jetzt eigennützig, und harre</p>
+<p>Gierig des Lohnes? So ist’s: mir wollest du solchen gewähren</p>
+<p>Bald in der Schlacht: daß ich dort das Zeichen des Sieges vor dir
+her</p>
+<p>Tragend, kämpfe zugleich für den edelsten Herrscher und Vater!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Rudolph legte die Hand ihm sanft auf die Schulter, und sah ihm,</p>
+<p>Beifalllächelnd in’s Aug’: ein zartgesinneter Vater!</p>
+<span class = "pagenum">203</span>
+<p>D’rauf erhob er das Schwert, und ritt, der erste vor allen</p>
+<p>Ueber die Brücke, das Roß kurz haltend am Zaum’, und ihm folgten</p>
+<p>So im gehalt’nen Schritt die Reisigen &mdash; folgte das Fußvolk</p>
+<p>Rastlos nach. Sie donnerte laut, von unzähligen Hufen</p>
+<p>Wiehernder Rosse gestampft; doch unter des eilenden Fußvolks</p>
+<p>Ehernem Schritt’, erdrönte sie dumpf nur, und schwankte der Last
+nach.</p>
+<p>Also zog er den breiteren Arm, des grünenden Eilands</p>
+<p>Augefild’, und den schmäleren Arm der mächtigen Donau</p>
+<p>Freudig hinüber zum linken Gestad’, am unendlichen Marchfeld.</p>
+<p>Dort aufstellt’ er das Heer, und rief dem kühnen Capellen:</p>
+<p>„Tapferer, sey mit der Schar fünfhundert erlesener Reiter</p>
+<p>Heute der Führer des Vorderzugs, schlagfertig und wachsam</p>
+<p>Jeglichen Augenblick, so Gefahr uns drohte vom Gegner!</p>
+<p>Otto von Meißau lenkt die Reisigen; doch vor dem Fußvolk</p>
+<p>Ziehe nun Meinhard, herrschend, einher; ich gebiethe dem Nachzug.</p>
+<p>Rastlos wollen wir bald des Feindes Lager uns nähern.“</p>
+<p>Also geschah’s: Capellen ging an der Spitze der Reiter</p>
+<p>Vorwärts. Hoch in der Luft, vom säuselnden Winde gehoben,</p>
+<p>Flatterte, grün, sein Fähnlein vor in der Farbe der Hoffnung.</p>
+<p>Otto’s Fähnlein, blau, die Farb’ ausdauernder Thatkraft,</p>
+<p>Folgte mit neun- und zwanzigen noch, die im Lichte des Morgens</p>
+<p>Schimmerten, vielfach an Farb’, wie solche dem Ritter genehm war,</p>
+<span class = "pagenum">204</span>
+<p>Der sie gewählt, ihm nach, und mit jeglichem kamen der Reiter</p>
+<p>Hundert. D’rauf erschien, blutroth, des unbändigen Muthes</p>
+<p>Farbe verrathend, die Fahne der görz- und tyrolischen Herrschaft:</p>
+<p>Meinhards Siegespanier! Ihr reihten der schimmernden Fähnlein</p>
+<p>Fünfzig sich an, und nach jeglichem eileten hundert der Krieger:</p>
+<p>Alle mit Helmen und Schilden bewehrt, und mit Lanzen bewaffnet.</p>
+<p>Aber nach ihm, umringt von der Schar der edelen Ritter,</p>
+<p>Führte der Kaiser selbst in dem Nachzug jene zum Kampf vor,</p>
+<p>Die aus den rheinischen Gau’n nach Oestreichs Fluren gekommen,</p>
+<p>Und ihm folgte das Kriegs-Gezeug’ im unendlichen Zug nach.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Schnell g’en Hof an der March vordrangen die muthigen Völker,</p>
+<p>Sonder Trommelgetön und Drometengeschmetter: dem Gegner</p>
+<p>Weislich zu bergen die Macht, die ihn bald umstürmet im
+Schlachtfeld;</p>
+<p>Naheten dann Schloß-Hof, wo empor aus den düsteren Mauern</p>
+<p>Einer verödeten Burg der Wartthurm sich in die Luft auf,</p>
+<p>Dräuenden Anseh’ns, hob.<a class = "tag" name = "tag7_2" id =
+"tag7_2" href = "#note7_2">2</a> Nur Molch’ und giftige Nattern</p>
+<p>Haus’ten in ihrem unheimlichen Raum. Mit rieselndem Schauder</p>
+<span class = "pagenum">205</span>
+<p>Eilte der Wand’rer vorbei, und der Hirt hielt ferne die Heerden</p>
+<p>Von den Mauern, wo einst (so kündet die Sage) die Hausfrau,</p>
+<p>Eitelen Sinnes, der Wangen Paar in dauernder Schönheit</p>
+<p>Sich zu bewahren, in’s Burgverließ die Kinder verlockte,</p>
+<p>Schlachtete, dann mit dem Blute sich wusch, unmenschlichen
+Herzens;</p>
+<p>Aber sie starb durchs Schwert, und die Burg vermieden im Land
+dort</p>
+<p>Rings die Bewohner umher &mdash; zumal in den Stunden des Abends,</p>
+<p>Wo, so kündeten sie, ein Werfen mit Steinen im Hofraum,</p>
+<p>Lautes Zischen vom Wartthurm her, und ein Stöhnen und Aechzen</p>
+<p>Aus dem Verließ erscholl. Doch sieh’, als jetzo vorüber</p>
+<p>Eilte das Heer, da gewahrete Jörg, der muthige Reiter</p>
+<p>Steyrischen Oberlands, auf den Zinnen des ragenden Wartthurms</p>
+<p>Sitzend ein Wesen von Menschengestalt, von Bewegung, und Leben!</p>
+<p>Alsbald sprang er vom Sattel, und rief, verhöhnend: „Nicht
+furchtbar</p>
+<p>Sind die Geister bei Tageslicht; ich wette, die Böhmen</p>
+<p>Sandten den Späher heran: ich will es ihm tapfer gesegnen!“</p>
+<p>Rasch enteilt’ er, und klomm an der Mauer, der Gemse nicht
+ungleich,</p>
+<p>Die an der Felswand schwebt, empor, bis über dem Fallthor</p>
+<p>Er die Stufen gewann, und schnell zu den Zinnen hinaufstieg.</p>
+<span class = "pagenum">206</span>
+<p>Schon entfuhr ihm ein höhnender Ruf, da wankt’ er voll Schrecken</p>
+<p>Wieder zurück: so grausenhaft erwies sich der Fremdling,</p>
+<p>Der ein Jüngling ihm schien. Sein losgewühletes Haupthaar</p>
+<p>Flog ihm wild um die Stirn’; an dem blutigen Wamms und den
+Schenkeln</p>
+<p>Hingen nur Trümmer des Riemwerks noch vom zerschmetterten Panzer,</p>
+<p>Wie auch der Schienen am Bein’. Er zitterte: Wuth und
+Verzweiflung,</p>
+<p>Rach’ und Schmerz verrieth sein tieferglühendes Antlitz,</p>
+<p>Als er, den Degengriff mit krampfhaftzuckender Rechten</p>
+<p>Haltend, nach Jörg umsah, der jetzt ihm wieder genaht war.</p>
+<p>Aber dem dräuenden faßt’ er die Brust, und warf, mit des Riesen</p>
+<p>Kraft gestählt, von des Wartthurms Rand’ ihn hinab in den
+Abgrund:</p>
+<p>Seinem Volke zur Schau, das eben voll Muthes heran kam.</p>
+<p>Siehe, da liefen sogleich die Gefährten des sterbenden Kriegers</p>
+<p>Hin nach dem Thurm, voll Gier, den schrecklichen Frevel zu
+rächen;</p>
+<p>Doch schon eilt’ er die Stufen herab, und sprang wie der
+Steinbock,</p>
+<p>Den der Schütze verfolgt von Klippe zu Klippe hinunter,</p>
+<p>Mit erhobenem Schwert, von der Mauer der Burg auf den Vorgrund,</p>
+<p>Gegen die Rächerschar, sich wüthend zu wehren, entschlossen!</p>
+<p>Aber es sprengte der Kaiser das Roß in Eile herüber,</p>
+<span class = "pagenum">207</span>
+<p>Und, vernehmend die That des grimmerfülleten Jünglings,</p>
+<p>Hemmt’ er die Krieger, und rief dem Nahenden: „Halt, ich gebieth’
+es!“</p>
+<p>Jenem sank der dräuende Arm bei den Worten des Herrschers</p>
+<p>Plötzlich hinab, daß am Stein die Spitze des funkelnden Eisens</p>
+<p>Klirrete: denn er besann, die Augen erhebend, sich jetzo:</p>
+<p>Ob er die Stimme gekannt, die ihm also gerufen? Er starrte</p>
+<p>Schweigend ihn an; die Wuth entschwand, wie schneeige Flocken</p>
+<p>Vor dem mächtigen Strahl der wolkenenthülleten Sonne</p>
+<p>Schwinden, aus feinem Gesicht’, und im Kreise der zuckenden
+Wimpern</p>
+<p>Wies sich nun herzinniges Leid, das nahe der Thränen</p>
+<p>Leis’aufstrebenden Quell verkündete. Mild, und versöhnend</p>
+<p>Sagte der Kaiser: „Verschonet ihn doch: nicht mit hellem
+Bewußtseyn</p>
+<p>Hat er Arges verübt. Kein größerer Jammer auf Erden,</p>
+<p>Denn des Unglücklichen Schau, deß’ edelster Vorzug: des Geistes</p>
+<p>Licht, verdunkelt ward; der unter den Lebenden weilet,</p>
+<p>Aber, entfremdet dem holden Verkehr’ und der trauten Gemeinschaft</p>
+<p>Seiner Lieben, zum Grab fortwankt im finsteren Wahnsinn.</p>
+<p>Wahrlich mich däucht, als hätt’ ich ihn jüngst gesehen: ein
+Zerrbild</p>
+<p>Jenes Ritters, der so feindlich am Tabor turneyte!“</p>
+<p>Pferdegetrab erscholl jetzt laut in der Nähe: des Reiters</p>
+<span class = "pagenum">208</span>
+<p>Ledig, kam mit verhängtem Zaum der Braune gesprungen;</p>
+<p>Lief dem erkannten Jünglinge zu, und fuhr mit dem Hals’ ihm,</p>
+<p>Wiehernd, unter den Arm, daß er über den Mähnen herabhing.</p>
+<p>Alsbald faßt’ er dies’, auf des treu erfundenen Thieres</p>
+<p>Rücken sich schwingend in Hast, und flog nach dem Ufer der March
+hin.</p>
+<p>Nicht besann er sich dort: er schwamm die Fluthen hinüber,</p>
+<p>Und entschwand den Augen der stummnachstarrenden Krieger.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ach, und der Jüngling war’s, der jüngst so feindlich turneyte:</p>
+<p>Wallstein! Als in der Schreckensnacht, vernichtet von Ottgars</p>
+<p>Wüthendem Zorn, er, allein, gehöhnt, und urplötzlich aus Edens</p>
+<p>Rosenau’n, wohin ihn Hedwigs Engelgestalt rief,</p>
+<p>Rauhverstoßen sich sah: da warf er die Blicke, mit Ingrimm,</p>
+<p>Schweigend noch, um sich her; erhob sie g’en Himmel; zerwühlte</p>
+<p>Sich mit der Rechten das lockige Haar an der Stirn’, und besann
+sich:</p>
+<p>Was ihm gescheh’n? Jetzt trieb er das Roß mit schrecklichem Ruf’
+an;</p>
+<p>Riß aus der Scheide den Stahl, und schlug, und bohrte dem armen,</p>
+<p>Immer tiefer den Sporn in den Leib, daß er blutet’ im Lauf hin.</p>
+<p>Also wohl Stunden lang, fort über die Hügel und Thäler</p>
+<p>Trieb er hinaus und herein, voll Wuth, bis athemberaubet,</p>
+<span class = "pagenum">209</span>
+<p>Endlich das Roß hinsank am hainumränderten Blachfeld.</p>
+<p>Lange stand er dort, wie erstarrt. Der nahenden Sonne</p>
+<p>Rosiger Strahl, nach welchem er sonst mit Liebe sich sehnend,</p>
+<p>Rasch die Höhen erklomm, und dort aufjubelte, wenn er</p>
+<p>Ihm die Stirn’, die umliegende Flur, und der wirbelnden Lerchen</p>
+<p>Zartes Gefieder beschien, die hoch vom Gewölk’ ihn
+begrüßten&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Ha, wie trüb erglüht’ er ihm jetzt! Wie schrecklich ertönt’ ihm</p>
+<p>Heut der sonst entzückende Ruf der befiederten Sänger</p>
+<p>Drüben im schauernden Wald, und wie schal erschien ihm das Leben</p>
+<p>Ringsum! Furchtbar schwoll ihm die Brust von unsäglichen Qualen:</p>
+<p>Lichtleer dünkt’ ihn der Tag, und die Sonne verloschen. Er warf
+sich</p>
+<p>Dann auf die Erde; verbarg im thauenden Grase das Antlitz;</p>
+<p>Lag schwerathmend noch, und weinte mit leisem Gestöhn’ fort.</p>
+<p>Doch nun fuhr er empor (ihn faßt’ unbändige Zornwuth)</p>
+<p>Riß sich vom Haupte den Helm, den Panzer vom Leib’, und die
+Schienen,</p>
+<p>Hastig, von Arm und Bein’, und verstreute sie, schmetternd, im Staub
+dort,</p>
+<p>Weil ihn solche nicht schirmten, zuvor, g’en Schmach und
+Entehrung.</p>
+<p>Jetzt mit dem Schwert in der Faust, und dem einen Gedanken im
+Herzen:</p>
+<span class = "pagenum">210</span>
+<p>„Ottgars Tod!“ hinbraus’t’ er im Feld’, ihm zu nahen,
+entschlossen.</p>
+<p>Also den Tag und die Nacht fortras’t’ er, und kam an dem Morgen,</p>
+<p>Wutherschöpft, g’en Hof an der March zu dem einsamen Schloß her;</p>
+<p>Klomm den Thurm empor, und forschte herum in der Dämm’rung.</p>
+<p>Stille herrscht’. Er sah hinab in den schwindelnden Abgrund:</p>
+<p>Einen Schritt von dem Rand &mdash; kopflangs hinunter, und stumm
+war</p>
+<p>Plötzlich der schreiende Schmerz in der Brust, und verschollen der
+Menschen</p>
+<p>Liebehöhnender Ruf. Doch Ottgar lebend auf Erden</p>
+<p>Noch? Nur jenen erwürgt zuvor: dann sterben wie immer!</p>
+<p>Nun, vor den Kaiser geführt, und dort nur Worte der Sanftmuth</p>
+<p>Hörend von ihm, den er erst jüngst, ein eifernder Ritter</p>
+<p>Ottgars, offen gehöhnt: das brach ihm das Herz, und mit Thränen</p>
+<p>Hätt’ er, liegend im Staub’, ein Reuiger, jetzt ihn gesöhnet;</p>
+<p>Doch ihm folgte sein treues Thier, und er jagte von dannen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, und rastlos fort g’en Marcheck zogen die Scharen</p>
+<p>Weiter im fröhlichen Muth, nicht achtend des sengenden Mittags,</p>
+<p>Noch des qualmenden Staubs, entlang den unendlichen Heerweg!</p>
+<p>Aber vor Marcheck kam ein Häuflein kumanischer Reiter</p>
+<span class = "pagenum">211</span>
+<p>Näher gesprengt: wohl fünfzig Mann, und der Führer des Volks war</p>
+<p>Kaduscha. Ihm ertönte der Gruß der Kampfesgenossen.</p>
+<p>Auch er schwang den blitzenden Stahl, den Freunden zum Dank, auf,</p>
+<p>Und erkundet’ im Flug: wo er treffe den mächtigen Kaiser?</p>
+<p>Aber ihn führte das Volk stets weiter zurück’ in den Reihen,</p>
+<p>Bis er im Waffenschmuck die Schar der erlesenen Ritter</p>
+<p>Drüben ersah, und gerad’ dorthin den schnaubenden Läufer</p>
+<p>Spornte. Umforschend im Kreis’, begann er, und sagte, verwundert:</p>
+<p>„Traun, ich schaue vor mir vereint gewaltige Männer;</p>
+<p>Doch nach dem Herrscher des deutschen Volks, dem Kaiser
+Rudolphus,</p>
+<p>Forsch’ ich umsonst! Erkennbar leicht ist der König der Ungern</p>
+<p>Schon an dem Purpurpelz, der, rings mit Zobel verbrämet,</p>
+<p>Ihm von den Schultern fließt; an dem Stern, voll Edelgeschmeides,</p>
+<p>Der an der Brust den Pelz festschlingt mit der goldenen Kette;</p>
+<p>Auch an dem Reiher, des Kalpags Zier, entschwebend des Demants</p>
+<p>Funkelnder Ros’, und dem Stab, den er in der Rechten, zum Zeichen</p>
+<p>Heerebewegender Macht, und erhabener Herrschergewalt führt:</p>
+<p>Denn nur kurz ist der Stab, von Golde getrieben, und oben</p>
+<p>Noch mit der Kugel verseh’n: ein Abbild furchtbarer Waffe,</p>
+<p>Die in des Ungern Faust zerschmettert dem Feinde die Scheitel;<a
+class = "tag" name = "tag7_3" id = "tag7_3" href = "#note7_3">3</a></p>
+<span class = "pagenum">212</span>
+<p>Doch wen grüß’ ich als Herrscher hier mit meines Gebiethers</p>
+<p>Freundlichem Wort? Verzeiht, so ich irre! Mich dünket, der Ritter</p>
+<p>Dort in der einfachen Wehr’, ob seines erhabenen Anseh’ns</p>
+<p>Und der Macht in dem Blick’, ist der Herrscher, zu dem ich gesandt
+bin.“</p>
+<p>„Wohl, er ist’s,“ entgegnete jener, „du hast ihn gefunden!</p>
+<p>Aber verkünde nur schnell: was uns der tapfere König,</p>
+<p>Unser Freund und Bundesgenoß’, Erfreuliches darbringt?“</p>
+<p>„Heil und Segen zum Gruß,“ sprach Kaduscha, heimlich erschüttert,</p>
+<p>„Sendend zugleich mit der Siegesbothschaft Zeichen des Glückes</p>
+<p>Dir zum Geschenk! Den Kampf begann der Kune mit Ruhm schon.</p>
+<p>Längs dem Ufer der March, im Hinterhalte verborgen,</p>
+<p>Lag mein Volk: da zog des Weges vorüber der Böhmen</p>
+<p>Streitgerüstetes Heer. Wir harrten, lauernd im Dunkel,</p>
+<p>Bis der größere Hauf’ hinschwand, und die Beute so herrlich</p>
+<p>Dar sich both. Fürwahr, ein blutiger, schrecklicher Kampf war’s!</p>
+<p>Dennoch entkamen der Feinde nur zween aus hunderten: alle</p>
+<p>Lagen erwürgt. Wir hieben sogleich von dem Rumpfe die Häupter,</p>
+<p>Sie, auf die Säbel gespießt, nach dem Lager zu tragen, und eben</p>
+<p>Bringt in Körben von Schilf dir solche mein Volk zum Geschenk
+her,</p>
+<span class = "pagenum">213</span>
+<p>Drüben am schlängelnden Weidenbach, wo dein der Beherrscher</p>
+<p>Ungerns harrt mit gewaltiger Macht. Das soll ich dir künden.“</p>
+<p>Heimlicher Schauder ergriff, bei der Red’ entsetzlichem Inhalt,</p>
+<p>Rudolphs mildgesinnetes Herz, er wandte sich seitab,</p>
+<p>Barg die Stirn’ in die Hand, und rief nach erschütterndem
+Schweigen:</p>
+<p>„Furchtbar habt ihr gesiegt, und dem Feinde Verderben bereitet,</p>
+<p>Uns voreilend sogar. O möchte die Liebe des Heilands,</p>
+<p>Möchte sein hohes Gesetz in euren verwilderten Herzen</p>
+<p>Eingang finden, daß ihr entsagtet für immer der Ahnen</p>
+<p>Schmählichem Götzendienst: nicht würd’ unmenschlicher
+Kriegsbrauch</p>
+<p>Schänden den Sieg, den ihr mit tapferem Muthe gewonnen!</p>
+<p>Biethet der Krieg nicht genug des Furchtbaren dar, und ein
+Jammer,</p>
+<p>Schrecklich, wie der, soll ihn noch entsetzlicher, wilder
+gestalten?</p>
+<p>Wehe, daß oft nur aus Blut des Friedens lieblicher Oehlzweig</p>
+<p>Keimt, und, mit glühenden Thränen benetzt, die Blüthen entfaltet!</p>
+<p>Schwarzenberg, gib jetzo Geleit den muthigen Kunen;</p>
+<p>Zieh’ uns voran, und verkünde mit Huld, wie es Rittern geziemet,</p>
+<p>Unsern Freundesgruß dem Könige! Aber ich folge,</p>
+<p>Tapferer, dir auf dem Fuß, mit dem muthbegeisterten Heer nach!“</p>
+<span class = "pagenum">214</span>
+<p>D’rauf noch sagt’ er ihm leis’: „O schaffe die Reste der Todten</p>
+<p>Schnell bei Seite, daß solch’ ein frommer Priester begrabe,</p>
+<p>Würdig, nach Christenbrauch: denn unsere Brüder begräbt er!</p>
+<p>Hohn, an den Todten verübt, erfüllet die Seele mit Schauder.“</p>
+<p>Sagt’ es, und jen’ entschwanden im Flug auf dem stäubenden
+Heerweg.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar rückte mit Heer’smacht an. Nur das Auge der Geister</p>
+<p>Dringt in die weiteste Fern’: entflohen der sterblichen Hülle</p>
+<p>Schau’n sie vom Nord- zu dem Südpol hin des kreisenden Erdballs</p>
+<p>Vielbevölkerten Raum; sie schau’n des unendlichen Weltmeers</p>
+<p>Schwankende Wüsten, und dort, wohin kein segelndes Fahrzeug</p>
+<p>Je noch Sterbliche trug, auf weitentlegenen Inseln,</p>
+<p>Sonder Zahl, gar seltsamgestaltete Thier’ und auch Menschen.</p>
+<p>Marbod sah aus den Wolkenhöh’n des entrüsteten Ottgars</p>
+<p>Nahende Heeresmacht mit heimlichem Schauder: unzählbar</p>
+<p>Schien sie ihm gegen des Kaisers Heer an Mannen und Rossen;</p>
+<p>Auch nicht ferne zugleich der wildumwüthende Kampf mehr.</p>
+<p>Alsbald sann er besorgt, ob einer der Lüftebewohner</p>
+<p>Nahe sich fände, mit ihm vereint, in blutiger Feldschlacht</p>
+<p>Beizustehen dem Hort der edelmüthigen Deutschen?</p>
+<p>Schauend umher vom Gewölk nach den fernentlegensten Ländern,</p>
+<span class = "pagenum">215</span>
+<p>Drang sein forschender Blick von dem Rücken des sanften Gebirges,</p>
+<p>Wo, beginnend vom Donaustrom’, an dem freundlichen Preßburg</p>
+<p>Höher und höher empor sich hebt, und thürmt der Karpathen</p>
+<p>Mächtige Kett’ (entlang die silesisch- und polnischen Länder,</p>
+<p>Eine schirmende Mark für die reichen Gefilde von Ungern)</p>
+<p>Bis zu dem Riesen der Lomnitz hinauf, der, schneeigen Hauptes,</p>
+<p>Hoch aus den Wolkenhöh’n in die lieblichen Thäler der Zips schaut:<a
+class = "tag" name = "tag7_4" id = "tag7_4" href = "#note7_4">4</a></p>
+<p>Dorthin drang sein Blick. Auf der Scheitel des Riesen gewahrt’ er</p>
+<p>Jetzo, erstaunt, den, einst gewaltigen Führer der Gothen,</p>
+<p>Katwald, hingestreckt mit Inguiomar, dem Cherusker,<a class = "tag"
+name = "tag7_5" id = "tag7_5" href = "#note7_5">5</a></p>
+<p>Hermanns Ohm, der, zürnend dem heftigen Varus-Besieger,</p>
+<p>Ihn zum Bundesgenossen erkor in den Tagen der Nothwehr.</p>
+<p>Schüchtern naht’ er den Höh’n: denn Katwald, finstern Gemüthes,</p>
+<p>Trug ihm Haß in der Brust. Er hatt’ ihn vertrieben aus Böheim;</p>
+<p>Jener rächte sich d’rauf, mit den Römern im Bund’, und vertrieb
+ihn</p>
+<p>Wieder aus Marobud, der Stadt, die er gründete, machtvoll</p>
+<p>So, daß er dann ein Flüchtling starb in den Mauern Ravenna’s.</p>
+<p>Dennoch bezwang er sein sträubendes Herz, und schwang sich
+hinüber</p>
+<span class = "pagenum">216</span>
+<p>Von dem Gewölk. So lang’, als hier, aus der Schleuder geworfen,</p>
+<p>Fleugt der sausende Stein, und fern zur Erde herabsinkt,</p>
+<p>Währte sein Eilflug nur, und er stand vor den Beiden, und sagte:</p>
+<p>„Ha, ihr weilet dahier, entzückt von der reizenden Ansicht,</p>
+<p>Die dieß Land gewährt im Schooß’ umragender Berghöh’n?</p>
+<p>Schön ist es: wie nach den vier Weltgegenden, mächtige Flüsse,</p>
+<p>Ewig genährt von dem sprudelnden Quell, aus dem hohen Gebirgsthal</p>
+<p>Wälzen die silberne Fluth; wie solches, mit Städtchen und Dörfern</p>
+<p>Rings besäet, die blühende Flur dem Auge zur Lust beut!</p>
+<p>Aber ein wichtiger Streit entzweit die mächtigsten Fürsten:</p>
+<p>Welchem die östliche Mark, die ich einst beherrschte, zum Eigen</p>
+<p>Werde noch heut’: denn nah’ ist der Kampf, dem Kaiser der
+Deutschen,</p>
+<p>Oder dem König des Lands, das ach, von Rache getrieben,</p>
+<p>Katwald, du, mir entrissest im Kampf &mdash; dem König von
+Böhmen?</p>
+<p>Habt ihr völlig vergessen des Muths, der schnell in dem Busen</p>
+<p>Aufflammt, wenn die Dromet’ erschallt, das wiehernde Schlachtroß</p>
+<p>Steigt, und der blitzende Stahl in der Rechten des Helden
+umhersaus’t?</p>
+<span class = "pagenum">217</span>
+<p>Kommt, mit thatenerregendem Wort’ und stachelndem Zuruf</p>
+<p>Anzufeuern die Kraft der, uns abstammenden Deutschen,</p>
+<p>Und zu verherrlichen heut’ in dem Feld den erhabensten Kaiser!“</p>
+<p>Inguiomar erhob bei den Worten sich schnell von des Felsens</p>
+<p>Schneeigem Kulm, wo er saß (er ragte noch höher denn Marbod,</p>
+<p>Riesengestaltet, auf), ergriff ihm die Hand, und begann so:</p>
+<p>„Trauter, nicht sah dich mein Aug’ seitdem, als, flüchtig des
+Landes,</p>
+<p>Du nach dem herrlichen Wälschland zogst: mehr Jahre, denn
+tausend,</p>
+<p>Sind den Menschen entfloh’n, seit solches geschehen! Ich weilte</p>
+<p>Unten im Schooße der Erd’, in düstere Träume versunken;</p>
+<p>Plötzlich rief es mich fort. Wer rief? nicht wußt’ ich es &mdash;
+folgte.</p>
+<p>Doch nun zieh’ ich mit dir: ein Freund der Söhne von
+Deutschland!“</p>
+<p>Also gesellt’ er sich ihm; doch Katwald starrt’ in den Abgrund</p>
+<p>Finster hinab, und verschloß den mildversöhnenden Worten</p>
+<p>Marbods feindlich das Ohr: da entschwanden die beiden Vereinten,</p>
+<p>Arm in Arm. Er hob mit Grimm in den bläulichen Augen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Trotz in dem blassen Gesicht’, um welches der säuselnde Westwind</p>
+<p>Wiegte das röthliche Haar, sich vom Boden, und folgte nur zögernd</p>
+<p>Jenen nach, die rasch nach Oestreichs Fluren enteilen.</p>
+
+<span class = "pagenum">218</span>
+<p class = "stanza">
+Aber auch Marcheck lag im Rücken des ziehenden Heers schon.</p>
+<p>Von Baumgarten herab, in der Au feldlagerte weithin</p>
+<p>Ungerns Macht, verhüllt von schattenden Weidengebüschen.</p>
+<p>Dorther jagt’ im Gefolg der Reisigen jetzt auf dem Heerweg</p>
+<p>Ladislav, der König, heran: er dachte dem Kaiser</p>
+<p>Würdig zu nahen, und hielt, als Staub aufwallte zum Himmel.</p>
+<p>Schwarzenberg mit Kaduscha war’s, der eilig daherkam.</p>
+<p>Jener entblößte den Stahl, und senkt’ ihn zum Zeichen der
+Ehrfurcht,</p>
+<p>Vor dem Könige; d’rauf erhob er ihn wieder, und sprach so:</p>
+<p>„Mein erhabener Kaiser und Herr entbiethet dir, Hoheit,</p>
+<p>Seinen Gruß! Er kommt, dein redlicher Bundesgenosse,</p>
+<p>Dich an die sehnende Brust vor dem Heere zu drücken. Nicht fern
+mir</p>
+<p>Folgte der Vorderzug: bald siehst du ihn schalten im Nachzug.“</p>
+<p>„Herr,“ sprach Kaduscha jetzt, „erblickst du sein Heldengefolg
+dort,</p>
+<p>Forsche mit Fleiß, daß vor Allen sogleich dein Aug’ ihn erspähe:</p>
+<p>Denn nicht glänzt er im Waffenschmuck; nur magst du ihn kennen</p>
+<p>An der erhabenen Stirn’, der wölbenden Nase des Adlers,</p>
+<p>Und an dem Herrscherblick in der Himmelsbläue der Augen!</p>
+<p>Fremd ist die Furcht dem Kaduscha, doch erbebt’ er, ihm nahend.“</p>
+<span class = "pagenum">219</span>
+<p>„Freude mit ihm,“ entgegnete schnell der König, „und Glück uns</p>
+<p>Beiden Verbündeten, da sich Ottgars furchtbare Heersmacht</p>
+<p>Gegen uns wälzt wie die Fluth, die aus ihren Gestaden getreten!</p>
+<p>Aber er komme nur: bald begegnen wir ihm in den Feldern</p>
+<p>Ewigen Ruhms, vereint mit Rudolphs tapferen Scharen.</p>
+<p>Unser Stahl ist geschärft, und die Rechte gar mächtig zum
+Einhau’n.“</p>
+<p>Sieh’, da hob sich erneut von der Straße der wirbelnde Staub auf,</p>
+<p>Und der Rosse Getrab ertönete näher und näher!</p>
+<p>Rudolph jagte heran im Gefolg’ erlesener Ritter:</p>
+<p>Denn ihn drängte das Herz, den verbündeten König zu grüßen!</p>
+<p>Aber noch standen die Ross’ an dem Weg, tiefhangenden Hauptes</p>
+<p>Tragend den Siegespreis unmenschlicher Krieger. Nicht säumte</p>
+<p>Schwarzenberg, und begann mit eiferndem Laut vor dem König:</p>
+<p>„Schnell g’en Zwerndorf hin, da es also dem Kaiser genehm ist,</p>
+<p>Trage die Last der wohlverhülleten Körbe das Saumthier:</p>
+<p>Ihm ein werthes Geschenk, weil dort der redliche Priester</p>
+<p>Solche nach heiligem Christenbrauch der Erde vertrau’n wird.“</p>
+<p>Sagt’ es, und rief Luitold, dem muthigen Knappen. Er nahte</p>
+<span class = "pagenum">220</span>
+<p>Folgsam, und führte die Schar der Treiber zurück mit den Rossen.</p>
+<p>Ringsum staunte das Volk, und sah bald seinen Beherrscher,</p>
+<p>Bald den Fremdling an; doch, tieferglühenden Blickes,</p>
+<p>Saß der König im Sattel, und schwieg, und ließ ihn gewähren.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Allen zuvor kam jetzt der Kaiser gesprengt, daß ihn alsbald</p>
+<p>Ladislav erkenne, der Hort der tapfern Magyaren.</p>
+<p>Beide sprangen behend’ aus dem Sattel. Sie streckten die Rechten,</p>
+<p>Einer dem andern im schnelleren Gang, begrüßend, entgegen;</p>
+<p>Hielten mit heißem Druck die verschlungenen; standen, und
+blickten</p>
+<p>Lange, staunend sich an. Dem Auge des einen entstrahlte</p>
+<p>Feuriger Muth; entscheidende Kraft, und Würde des andern.</p>
+<p>Als sie jetzo gesättigt das Herz in freundlicher Anschau,</p>
+<p>Schweigend, begann voll Hast der jugendlichblühende König:</p>
+<p>„Werth sey mir der heutige Tag, und theuer vor allen,</p>
+<p>Wo ich, Erhabener, dir, deß’ Ruhm erfüllet den Erdkreis,</p>
+<p>Nahete, bund’svereint: denn lang ersehnt’ es mein Herz schon!</p>
+<p>Siehe, nicht riefst du umsonst: ich zog aus den unteren Landen</p>
+<p>Meines Reichs mit Heeresmacht dir zu Hülfe! Des Ungern</p>
+<p>Flammenden Muth kennst du, wie er einstürmt rasch in die
+Schlachtreih’n;</p>
+<span class = "pagenum">221</span>
+<p>Aber der Kun’ ist schrecklicher: denn ihm wohnet die Wildheit</p>
+<p>Seiner, erst jüngst verlassenen Stepp’ an des Tanais Ufern,</p>
+<p>Ungezähmt in der Brust; du sollst uns loben im Schlachtfeld.</p>
+<p>Ha, dort fleugt Staub auf! Fürwahr der Feind ist im Anzug;</p>
+<p>Solches verkündeten mir zuvor Eilbothen, aus Weiden</p>
+<p>Kommend, voll Angst: das Volk ersehnet den Retter Rudolphus!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als der Kaiser die Worte vernahm, da wandt’ er die Augen</p>
+<p>Schnell g’en Oberweiden zurück, das über den Sandhöh’n</p>
+<p>Einsam liegt: ein hainumsäuseltes Dörfchen. Von dorther</p>
+<p>Hob sich der Staub zum Gewölk. Wie nach glühenden Tagen des
+Sommers,</p>
+<p>Hinter dem fernen Gebirg’, empor die schwärzlichen Wölkchen,</p>
+<p>Gleich dem, gebläht, in die Lüft’ aufsteigenden Balle sich heben,</p>
+<p>Bis sie im höheren Raum mit den weitgedehneten, lichten,</p>
+<p>Aestigen plötzlich vereint, den wetterleuchtenden Schleier</p>
+<p>Auf an den heiteren Himmel zieh’n: so flog auf dem Heerweg</p>
+<p>Sparsamer erst, dann häufiger, hoch der qualmende Staub auf,</p>
+<p>Der, von der Abendsonne durchblinkt, wie vom Blute geröthet,</p>
+<p>Ottgars nahende Macht verkündete. Jener begann so:</p>
+<p>„Ha, Beherrscher der Ungern, du bist zur Stunde des Glückes</p>
+<p>Jetzt mit dem Heldenheer’ als Bundesgenoß mir erschienen!</p>
+<span class = "pagenum">222</span>
+<p>Säumen wir nicht. Nur einmal beut auf entscheidender Bahn dir</p>
+<p>Freundlich die Hand das Geschick: ergreifst du sie nicht, so entzieht
+es</p>
+<p>Selbe für immer vielleicht. D’rum sey in gebiethender Hast nun</p>
+<p>Unsere Macht zum Wohl unzähliger Menschen vereinigt.</p>
+<p>Frisch an die That! Wir ordnen das Heer sogleich in dem Feld
+hier.“</p>
+<p>Alsbald schwang er sich rüstiger auf in den Sattel, und sprengte</p>
+<p>Hin, und herüber im Flug, mit des Feldherrn Auge die Gegend</p>
+<p>Rings erforschend, zum Kampf den günstigen Raum zu erlesen.</p>
+<p>D’rauf entboth er vor sich die Herolde: hieß von des Heeres</p>
+<p>Rechtem Horn, g’en Zwerndorf hin Oestreicher und Steyrer</p>
+<p>Zieh’n; von dem linken die Macht der Kärnthner und Krainer, nach
+Marchecks</p>
+<p>Fluren hinab. Capellen geboth den ersteren; diesen</p>
+<p>Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, als oberster Feldherr.</p>
+<p>Aber im mittleren Raum, Baumgarten nicht ferne, des Dörfchens</p>
+<p>Früchtegesegneter Flur, vereinte sein Wink die Tyroler,</p>
+<p>Schwaben, und Schweizer zugleich, gar tapfere Scharen im
+Schlachtfeld.</p>
+<p>Also in fünf Heersäulen stand des gewaltigen Kaisers</p>
+<p>Macht zu dem Kampfe bereit. Vor jeglicher wehten die Fähnlein</p>
+<span class = "pagenum">223</span>
+<p>Edeler Ritter empor in die Luft, und die sinkende Sonne</p>
+<p>Leuchtete hell aus den Helmen und Harnischen, furchtbar zu
+schauen!</p>
+<p>Reisige folgten den Rittern nach, und, diesen im Rücken,</p>
+<p>Trefflich geordnet, die Reih’n des lanzentragenden Fußvolks,</p>
+<p>Wo vor jeglicher, schimmernd im Licht, ein mächtiges Banner</p>
+<p>Flatterte, dort den Kriegern Verein in dem Kampfe gebiethend.</p>
+<p>Aber vor allen empor, aus dem Kern des stattlichen Heeres</p>
+<p>Hob sich die Reichsfahn’ auf: wie des Meerschiffs mittleres
+Segel,</p>
+<p>Flatternd umher im Hauch des leis’umschmeichelnden Westwinds,</p>
+<p>Und enthüllend den Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter</p>
+<p>Herrlich geziert, nun rechts, nun links auf dem goldenen
+Feldraum;</p>
+<p>Immer wies sie dem Heer’ die Nähe des waltenden Herrschers.</p>
+<p>Aber er sagte darauf zu dem Könige, schnell und entschlossen:</p>
+<p>„Sey dort hinter Capellens Macht, zur Rechten, der Kunen</p>
+<p>Furchtbare Schar gestellt, die Kaduscha’s Winken gehorchet;</p>
+<p>Aber zur Linken, verhüllt von der schattenden Au’, und des
+Meinhards</p>
+<p>Völkern zur Stütze gespart, erwarte die tapfere Heerschar,</p>
+<p>Die Trentschins Gebiether beherrscht, den ehrenden Aufruf:</p>
+<p>Loszubrechen mit Macht auf die wildanstürmenden Gegner;</p>
+<p>Doch du weiche zurück: denn also gebiethet die Sitte</p>
+<p>Deines Landes dem Könige &mdash; fern von dem blutigen,
+Schlachtfeld</p>
+<span class = "pagenum">224</span>
+<p>Sitzend auf einer der ragenden Höh’n, auf dem rollenden Wagen,</p>
+<p>Oder dem feurigen Roß, des Kampfmuths seiner Erwählten</p>
+<p>Zeuge zu seyn!<a class = "tag" name = "tag7_6" id = "tag7_6" href =
+"#note7_6">6</a> Schon neigt sich der Tag. Nicht wird uns der Feind
+mehr</p>
+<p>Heute begegnen im Feld; doch sey’s: er komme! Mit Freuden</p>
+<p>Wollen wir entgegen ihm zieh’n, und der Ehre gedenken.“</p>
+<p>Sagt’ es, und bald stand jegliche Schar, in Reihen geordnet,</p>
+<p>Nach dem schaltenden Wink des erhabenen Kaisers. Der König</p>
+<p>Ungerns gewann mit Gefolg die aufragende Wart’ auf dem Hügel,</p>
+<p>Die in der Vorzeit einst zur Gränzmark diente den Völkern.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch g’en Westen hinab, nach des Abends goldenen Fluren</p>
+<p>Senkte die Sonne den Flug, und sah vom Rande des Himmels</p>
+<p>In das erhellete Nebelgewölk, das, duftigem Schleier</p>
+<p>Gleich, empor sich hob, sie in lieblicher Ruh zu umfangen;</p>
+<p>Rosig die Brust erhellt von ihren verglühenden Strahlen,</p>
+<p>Wanderten hoch in dem Wolkenreich nach entfernteren Zonen</p>
+<p>Singende Schwäne dahin; im Saatfeld zirpten die Heimchen;</p>
+<p>Leise verhallte des Tages Geräusch, und das Leben verstummte.</p>
+<p>Aber die Höhen entlang, die rechts von Weiden nach Marcheck,</p>
+<p>Weitgedehnt, sich zieh’n, und des Marchthals Fluren beherrschen,</p>
+<p>Tönete jetzt Getrab anstürmender Rosse, der Waffen</p>
+<span class = "pagenum">225</span>
+<p>Helles Geklirr, und das Schrei’n und Rufen unzähliger Krieger.</p>
+<p>D’rauf erschien, dem Gewittergewölk’ im Sommer nicht ungleich,</p>
+<p>Das, von gährendem Donner schwer, am Himmel heraufschwebt,</p>
+<p>Drüben am Rande der Höh’n die schlachtgerüstete Heersmacht</p>
+<p>Ottgars: gierig des Kampfs, und zu muthigen Thaten entschlossen.</p>
+<p>Noch empört’ ihn der Zorn ob jenes verwegenen Jünglings</p>
+<p>Frechenthülleter Gluth zu seiner Erzeugten, und dennoch</p>
+<p>Sehnt’ er sich herzinnig nach ihm, in dem einsamen Kriegszelt</p>
+<p>Sitzend, und schlug sich die Stirn’, und jammerte laut um den
+Liebling.</p>
+<p>Also kam er heran, und hoffte, des lechzenden Herzens</p>
+<p>Heißen Durst im Blut’ und Gewürge der Feinde zu stillen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch nicht rastete jetzt Drahomira, die schreckliche Feindinn</p>
+<p>Ottgars: denn sie sah, wie Marbod und Inguiomar erst</p>
+<p>Sich vereinten, im Kampf zu entflammen die Deutschen. Sie nagte</p>
+<p>Heimlich vor Wuth an den Lippen, und hätte mit schmähenden Worten</p>
+<p>Jene gehöhnt; doch schwang sich nun, verdüsterten Blickes,</p>
+<p>Katwald her in der Luft, und sah nach der Erde herunter.</p>
+<p>Alsbald hob sie zu ihm sich empor, und rief, ihn erforschend:</p>
+<p>„Ha, du sahst es, wie Marbod, der schrecklichste dir in des
+Lebens</p>
+<span class = "pagenum">226</span>
+<p>Langentschwundener Zeit, auch Inguiomar zum Gehülfen</p>
+<p>Sich erkor, heut’ Oestreichs Volk zu entflammen im Schlachtfeld!</p>
+<p>Komm, und eine dich mir! Erst will ich den König der Böhmen,</p>
+<p>Stürzen: denn mir zur Schmach verübt’ er entsetzlichen Frevel;</p>
+<p>Aber erliegt er im Kampf, dann sey Kunegunde, des Zepters</p>
+<p>Würdig, erhöht auf den Thron; ihr laß uns erringen den Vortheil.</p>
+<p>Hoch erhebe sich Böhmens Ruhm, des trefflichen Landes,</p>
+<p>Das dir gehorcht’, eh’ Marbod dir’s mit den Waffen geraubt hat.“</p>
+<p>Sagt’ es mit stachelndem Wort; doch jener entgegnete zürnend:</p>
+<p>„Weiche von mir, du fluchbeladene, daß nicht dein Odem</p>
+<p>Noch verpeste die Luft, die mir umsäuselt die Wangen!</p>
+<p>Kein Verein, Drahomira, mit dir! So willst du mit Marbod</p>
+<p>Und mit Inguiomar, des Kaisers verbündeten Freunden,</p>
+<p>Ottgars Haupt gefährden im Kampf’? Ich nah’ ihm, als Helfer,</p>
+<p>Schon dem Lande zum Ruhm, wo ich herrschend lebt’ in der Vorzeit,</p>
+<p>Ha, und lache des Zorns, der, so wie zum Strande die Meersfluth</p>
+<p>Brausend fleugt, und zurück, der Ohnmacht eiteles Bild, sinkt,</p>
+<p>Dir empöret die Brust, und dräuet in nichtiger Ohnmacht!“</p>
+<p>Rief’s, und stürzte herab vom Gewölk’ an die Seite des Königs,</p>
+<span class = "pagenum">227</span>
+<p>Der das Roß anhielt, und des Kaisers geordnete Völker</p>
+<p>Staunend ersah, wie solche den Plan erfülleten weithin.</p>
+<p>Jetzo noch einmal, quer von dem Saum der Erde herüber,</p>
+<p>Blickte die Sonn’, und verschwand; die Dämmerung zog von dem Thal
+her.</p>
+<p>Nicht gedacht’ er des Kampfs für heut’; an dem kommenden Morgen</p>
+<p>Wollt’ er dem Feind’ ihn biethen auf Tod und Leben, den Herold</p>
+<p>Sendend zuvor, nach des Kriegs herkömmlicher, edeler Sitte.<a class =
+"tag" name = "tag7_7" id = "tag7_7" href = "#note7_7">7</a></p>
+<p>Katwald war ihm genaht, und haucht’ ihm vor allem den Rath ein:</p>
+<p>„Ottgar, wie, du willst, nachtlagernd, des dämmernden Morgens</p>
+<p>Harren dahier? Schnell vor, eh’ dunkel die Nacht sich herabsenkt:</p>
+<p>Schleudre die feindlichen Reihen entzwei! So machst du dir heut’
+noch,</p>
+<p>Schrecken verbreitend, Bahn zu des Siegs erhellten Gefilden:</p>
+<p>Denn der erste Gewinn in dem eisernen Feld ist ein Hagel,</p>
+<p>Der die Halmen der Hoffnung zerschlägt; ein brausender Sturmwind,</p>
+<p>Der des Athems beraubt den Wanderer, und ihn ermattet.</p>
+<p>Alsbald biethet der Feind dir selbst ein Zeichen des Angriffs.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jener verschloß ihm das Ohr. Doch wer entflammt’ an dem Abend</p>
+<p>Schon den noch nicht ersehneten Streit im tosenden Schlachtfeld?</p>
+<span class = "pagenum">228</span>
+<p>Marbod, der muthige that’s. In den Reih’n der stürmischen Reiter</p>
+<p>Spornt’ ein munterer Held bischöflicher Leute von Salzburg,</p>
+<p>Schörlin, ein unbändiges Roß heran in dem Kriegszug.<a class = "tag"
+name = "tag7_8" id = "tag7_8" href = "#note7_8">8</a></p>
+<p>Ihm nicht fern, ersah das Nest pferdstachelnder Bremsen</p>
+<p>Marbods spähendes Aug’: er eilte dahin, und empörte</p>
+<p>Mit gewaltigem Geisterhauch die entschlummerten Quäler:</p>
+<p>Denn er brannte vor Gier des Kampfs Arbeiten zu schauen.</p>
+<p>Sieh’, und, also geweckt, im heulenden, wilden Gesumme</p>
+<p>Fuhr der Schwarm empor; er flog dem muthigen Rosse</p>
+<p>Schörlins unter den Bauch, und stachelte solches, erboßt, wund.</p>
+<p>Schrecklich tobt’ es umher, schlug aus, bog, stöhnend, die Ohren</p>
+<p>Gegen die Brust, und rannte dahin: nicht achtend des Rufens,</p>
+<p>Nicht des Schrei’ns, das Schörlin erhob, da er, rücklings
+gebogen,</p>
+<p>Zog an dem Zügel, es noch im wüthenden Laufe zu hemmen.</p>
+<p>Schnurgerad auf Ottgar hin losrannte das Thier jetzt.</p>
+<p>Zorn erfüllte sein Herz; er rief den staunenden Feldherrn:</p>
+<p>„Wahrlich, nicht dacht’ ich mehr den Stahl an dem heutigen Abend</p>
+<p>Feindlich zu zieh’n; doch seht, die Unsinnigen stürzen sich
+selber</p>
+<p>Ihm entgegen, voll Wuth! Sie sollen mir büßen die Kühnheit.</p>
+<p>Fort! Wir greifen sie an mit den schwergeharnischten Reitern,</p>
+<span class = "pagenum">229</span>
+<p>Welch’ uns Böhmen gesandt, den tapfersten Männern auf Erden,</p>
+<p>Und im gemessenen Schritt’ uns folge das Heer auf dem Fuß nach.“</p>
+<p>Alsbald gab er dem Pferde den Sporn, und jagte die Höhen</p>
+<p>Brausend herab. Ihm nach, mit dem kampferfahrenen Helden</p>
+<p>Lobkowitz, flog die Schar zweitausend geharnischter Reiter.</p>
+<p>Wie, wenn unterirdische Gluth aus den Tiefen des Erdballs</p>
+<p>Aufwärts braus’t, und gehemmt, weithin erschüttert die Gegend</p>
+<p>So, daß vom stürzenden Felsengebirg’ unzählige Trümmer</p>
+<p>Schnell in’s drönende Thal herrollen mit wildem Getümmel,</p>
+<p>Krachend der Wald entsinkt, und Staub auffleugt in die Wolken:</p>
+<p>Also stürmt’ auch hier der König mit seinen Erwählten</p>
+<p>Von den Höhen herab. Vor den Kommenden stürzte das Reitroß</p>
+<p>Schörlins zusammen. Kein Leid ihm geschah: die furchtbaren Reiter</p>
+<p>Setzten über ihn hin; er lag, listsinnend, im Scheintod</p>
+<p>Dort bis Mitternacht, und kehrete heim zu den Seinen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar nahete schon den äußersten Wachen der Steyrer.</p>
+<p>„Auf, zu den Waffen!“ so schrie Wildon, der tapfere Hauptmann</p>
+<p>(Pfannberg weilte noch fern bei Capellen, dem obersten Feldherrn,</p>
+<p>Drüben im luftigen Zelt, des Kriegs Arbeiten erwägend,</p>
+<span class = "pagenum">230</span>
+<p>Die der Morgen verhieß) und das Fußvolk eilt’ aus dem Lager:</p>
+<p>Denn nicht dachten des Streites mehr die erlesenen Ritter</p>
+<p>Jetzt, in der sinkenden Nacht. Wohl mancher saß in dem Gras’
+noch,</p>
+<p>Haltend das Roß an dem Zaum’, und beredete Dieses, und Jenes;</p>
+<p>Doch nun fuhren sie all’ empor, von dem feurigen Marbod</p>
+<p>Aufgestürmt mit empörendem Ruf. Bald schwang in den Sattel</p>
+<p>Jeder sich auf, erhob den Speer in der Rechten, und senkte</p>
+<p>Sein Helmgitter herab, das Roß zu dem Kampfe bewegend.</p>
+<p>Ha, und der Kampf begann! In dem Vorderzuge, des Feindes</p>
+<p>Dräuende List zu erspähen gesandt von dem sinnigen Feldherrn,</p>
+<p>Stand ein Brüderpaar der Trantmannsdorfe beisammen:</p>
+<p>Heinrich, und Götz, von der Schar der Verwaiseten. Laut, und mit
+Nachdruck</p>
+<p>Hieß sie des Hauptmanns Ruf in die Reih’n der Versammelten
+kehren:</p>
+<p>Aber sie hörten ihn nicht, von glühendem Muthe getrieben.</p>
+<p>Ottgar fuhr auf den älteren los, und, ob er den Speer schon</p>
+<p>Ihm entgegen streckt’, und des Kampfs wohl kundig sich zeigte,</p>
+<p>Schlug er ihm doch mit dem Heldenschwert den nahenden Speerschaft</p>
+<p>Seitwärts, und durchstieß ihm den Hals, wo, gleitend, vom
+Harnisch</p>
+<span class = "pagenum">231</span>
+<p>Sich der Helm verschob: er sank, und verhauchte das Leben.</p>
+<p>Götz drang muthig auf Lobkowitz ein; verwundete, jauchzend,</p>
+<p>Sein aufbäumendes Roß, und stürmte noch feuriger vorwärts;</p>
+<p>Aber ihm bohrte, von jenem gekehrt, der empörete König</p>
+<p>Sein, von des Bruders Blut geröthetes Schwert in die Brust ein</p>
+<p>So, daß er rücklings vom Sattel sank, und dicht an dem Bruder</p>
+<p>Ruhete, langgestreckt, und erblassend im Tode. Sie lagen</p>
+<p>Dort wie jährige Leu’n im Staub, die, grausam, ein Tiger</p>
+<p>Eben erwürgt’ im Gebüsch’, als Beut’ aufsuchte die Mutter.</p>
+<p>Doch der feurige Katwald sprach, umschwebend, in’s Ohr ihm:</p>
+<p>„Ottgar, flüchtig enteilet das Glück: erhasch’ es im Flug jetzt!</p>
+<p>Werfe den Feind, eh’ Rudolphs Schwert dir nah’t. Ich gewahrte</p>
+<p>Helfende Geister um ihn, die ihn warneten: eile, zu siegen!“</p>
+<p>„Ha, wer drängt mich so muthig, und kühn?“ sprach zürnend der
+König,</p>
+<p>„Muthig, und feig zugleich, mit Rudolphs Schwert mir zu drohen:</p>
+<p>Denn er komme nur, bald entreißt ihm das meine das Leben!“</p>
+<p>Rief’s, und jagte dahin wie der brausende Sturm auf den Heiden.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Welchen erlegt’ er zuerst aus den Reih’n der tapferen Ritter?</p>
+<p>Sieh’, ihm warf sich Stubenberg vor allen entgegen:</p>
+<span class = "pagenum">232</span>
+<p>Weit vorhaltend den Schild, deß’ Zier, im Ringe der Anker,</p>
+<p>Schlangenumwunden, sich wies, und strebte, das muthige Herz ihm</p>
+<p>Durchzubohren im Wuthanlauf mit dem blinkenden Speerstahl;</p>
+<p>Doch in des Rosses Bauch stieß Ottgar, stachelnd, den Sporn ein</p>
+<p>So, daß es seitwärts sprang, und er drängte dem Gegner den Degen</p>
+<p>Tief in die Brust, als ihm die entblößte Höhle der Schulter</p>
+<p>Räumigen Eingang both: er sank, und athmete nicht mehr.</p>
+<p>D’rauf erwürgt’ er auch noch urschnell den redlichen Knappen</p>
+<p>Edelred, der jetzt dem Ritter zu Hülfe geeilt war.</p>
+<p>Czernin stellte sich g’en Wildon zur Wehre: sie kämpften</p>
+<p>Lange mit wechselndem Glück; verwundeten: jener des Gegners</p>
+<p>Bein, und dieser den Arm, und schieden mit dräuendem Ingrimm</p>
+<p>Mitten im Kampf: denn schon herstürmten im Felde die Reiter</p>
+<p>Ottgars, welchen das Fußvolk rasch nachdrang, und urplötzlich</p>
+<p>Hob sich der schwellende Ruf mit dem Waffengetöse der Würger</p>
+<p>Himmelempor, und erfüllte die Welt mit Entsetzen und Schauder.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzo vernahm in der zweiten der fünf Heersäulen Capellen</p>
+<p>Kämpfender Krieger Geschrei, das drüben, am Rande der ersten,</p>
+<span class = "pagenum">233</span>
+<p>Stets vernehmlicher scholl in der Dämmerung. Eifernd besprach er</p>
+<p>Eben mit Pfannberg dort, dem Führer des steyrischen Volkes,</p>
+<p>Für den kommenden Tag des Angriffs muthige Weisen;</p>
+<p>Auch die verstellete Flucht: den wechselnden Kampf, und den
+Rückzug,</p>
+<p>So des Krieges Geschick ihn gebeut: da verstummt’ er auf einmal,</p>
+<p>Horchte dem Lärm, und sprach, voll Hast, zu dem Scharengebiether:</p>
+<p>„Pfannberg, eile zurück! Der Feind, so sagt uns der Lärm dort,</p>
+<p>Wagte den Ueberfall in der Dämmerung; eile zur Rettung</p>
+<p>Deines Volks: ich folge dir schnell mit erlesenen Scharen.“</p>
+<p>Also geschah’s. Im Flug’ erreichte der tapfere Feldherr</p>
+<p>Sein gefährdetes Volk, und warf, mit dem Schwert’ in der Faust,
+sich,</p>
+<p>Allen voran, als sie nachbraus’ten im stäubenden Saatfeld,</p>
+<p>Rasch auf die furchtbare Macht der Geharnischten, die zu dem
+Angriff</p>
+<p>Ottgar selber geführt, und jetzt umtobte, voll Mordwuth.</p>
+<p>Ihm selbst hätt’ er die Brust durchbohrt, so plötzlich erschien
+er</p>
+<p>Mitten im Waffengemeng; doch schlug ihm der muthige Ritter,</p>
+<p>Zawiß von Rosenberg, der schönste der Männer im Kriegsheer</p>
+<p>Böheims, sein erhobenes Schwert aus der Faust, und durchstieß ihm</p>
+<p>Schnell mit dem Speere den Arm, daß er, stöhnend, vom Sattel
+herabsank.</p>
+<span class = "pagenum">234</span>
+<p>Ottgar rühmte gerührt den Tapferen; doch Drahomira</p>
+<p>Lächelte Hohn aus den Lüften herab: sie erspähte die Neigung</p>
+<p>Schon, die verborgene, jüngst in der Brust Kunegundens für Zawiß,</p>
+<p>Und gedachte mit Lust der unheilschwangeren Zukunft.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Pfannbergs Volk, den Sturz des tapferen Führers gewahrend,</p>
+<p>Drang jetzt eilender vor, und kämpfte, der Löwinn nicht ungleich,</p>
+<p>Die vor der Höhle die Jungen, umringt von Pardeln erblicket,</p>
+<p>Um den Verwundeten dort, und es hätte gesiegt mit den Scharen</p>
+<p>Oestreichs, die Capellen zu Hülfe geführet, und jenen,</p>
+<p>Die aus dem Hinterhalt’ auch Kaduscha, hörend im Nachtgrau’n</p>
+<p>Feindlicher Waffen Getös’, ihm, lautaufjauchzend, vereinte:</p>
+<p>Hemmt’ es nicht Katwalds List. Er sah in der Reihe der Edeln</p>
+<p>Einen, mit bleichem Gesicht’ und scheuumirrenden Augen,</p>
+<p>Träg vorschreiten im Kampf: den Pettauer, der vor dem König</p>
+<p>Ottgar, einst die Ritter der steyrischen Mark des Verrathes</p>
+<p>Zieh, und dieser verhängte sogleich entsetzliche Strafen;</p>
+<p>Aber er hatte nicht Ruhe noch Rast seitdem, und im Herzen</p>
+<p>Trug er die Strafe der Schuld, da er jeglichen Trostes beraubt
+war.</p>
+<span class = "pagenum">235</span>
+<p>Diesem nahete Katwald jetzt, und schrie in das Ohr ihm:</p>
+<p>„Horch, dir drohet Verrath und Mord! Unseliger, fliehe!“</p>
+<p>Schauer durchlief ihm die Haut, da er solches im Geiste
+vernommen:</p>
+<p>Alsbald wandt’ er das Roß, und rief, entfliehend: „Verrath!
+Mord!“</p>
+<p>Wilde Verwirrung begann: das vorgedrungene Fußvolk</p>
+<p>Wankte zuerst; ihm folgten die Reisigen &mdash; dann auch die
+Ritter.</p>
+<p>Tausendzüngig erhob sich der Ruf: „Entflieht dem Verrath! Fort!“</p>
+<p>Aus den flüchtenden Reih’n. Auch Kaduscha wich mit den Seinen</p>
+<p>Lärmend zurück, und entsetzlich erscholl in der Nacht das
+Getümmel.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch in dem fernen Gezelt vernahm der erhabene Kaiser</p>
+<p>Jetzo den Lärm, und geboth den Mannen die Rosse zu zäumen:</p>
+<p>Denn schon lagerten sich die Tapfern ruhig im Saatfeld,</p>
+<p>Reichend den Rossen das Futter zuvor, und stillten den Hunger</p>
+<p>Dann mit Brot, und den Durst mit des Quellbachs kühlenden
+Fluthen:</p>
+<p>Alsbald waren die Pferde gezäumt, und die Muthigen saßen</p>
+<p>Sattelfest. Da kam vor allen, gesprengt, auf dem Pfad her</p>
+<p>Oestreichs Reiterschar. Mit zürnendem Ernst in den Blicken</p>
+<span class = "pagenum">236</span>
+<p>Ritt ihr der Kaiser entgegen. Sie stand von Schauer ergriffen:</p>
+<p>Denn kein Vorwurf kam aus dem Mund des erhabenen Herrschers.</p>
+<p>Also gehemmt, wuchs stets zu dichteren Haufen die Heersmacht,</p>
+<p>Und er kehrte mit ihr g’en Marchecks sandige Fluren.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">237</span>
+<h3><a name = "gesang8" id = "gesang8">Achter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>„Ha, was röthet den Himmel fern im nächtlichen Dunkel?</p>
+<p>Welch’ Geschrei erfüllt urplötzlich mit Angst und Entsetzen</p>
+<p>Drüben die Stadt? Ein Jüngling sitzt, verwilderten Ansehn’s,</p>
+<p>Dort auf des Felsens Höh’n, und schaut auf die schreckliche
+Brandstätt’</p>
+<p>Grinsend herab, wo ruhig noch erst unschuldige Menschen</p>
+<p>Schlummerten, jetzt Gewürg’ erschallt, und in Strömen das Blut
+fließt?</p>
+<p>Furchtbare Schau! Darf also der sterbliche Mensch an dem Menschen</p>
+<p>Wüthen, daß sanfterer Art der grausame Tiger erscheinet?</p>
+<p>Wehe, wie fiel er so tief! Wie entwürdigt ihn Laster und
+Thorheit!</p>
+<p>Doch ich nah’ ihm schnell, zu erkunden, wie solches geschehen?“</p>
+<p>So sprach Inguiomar, das gluthverheerete Städtchen</p>
+<p>Schauend, und eilt’ im Fluge dahin, wo, schrecklichen Blickes</p>
+<p>Jener hinuntersah nach der Stätte des Jammers. Er saß dort</p>
+<span class = "pagenum">238</span>
+<p>Schauerlich in sich gekehrt, und ihm zuckten die schneeigen
+Wangen</p>
+<p>Leise vor ungesättigtem Grimm, da er, vorwärtsgebogen,</p>
+<p>Stützend das Kinn auf die krampfhaft&shy;geschlossene Faust, in die
+Flammen</p>
+<p>Starrete. Doch es stockte das Wort in dem Munde des Geistes,</p>
+<p>Als er ihn näher geseh’n. Er bebte dem Jammer, und eilte</p>
+<p>Fort nach den Ufern der March, wo heut’, unferne dem Städtchen</p>
+<p>Marcheck, nach unrühmlicher Flucht sich die Krieger vereinten.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Wallstein war’s, der dort auf dem Felsriff saß, und hinunter</p>
+<p>Starrte, voll Grimms. Sein war die entsetzliche That, und der
+Hölle</p>
+<p>Jüngstentlaufene Brut, Drahomira, hauchte die Wuth ihm</p>
+<p>In die empfängliche Brust, aus welcher des warnenden Engels</p>
+<p>Bild entfloh, da er sich der Sinneschmeichlerinn hingab.</p>
+<p>Sieh’, er eilte zuvor aus der Nähe des Kaisers, und setzte,</p>
+<p>Schwimmend, die Fluthen der March mit dem schnaubenden Rosse
+hinüber;</p>
+<p>Flog dann, Auen und Wälder entlang, an Moravia’s Marken</p>
+<p>Rastlos fort, bis endlich das Roß am dämmernden Abend</p>
+<p>Stöhnend zu Boden sank. Er entschlummerte neben dem Thier dort;</p>
+<span class = "pagenum">239</span>
+<p>Aber ihm war Drahomira gefolgt. Wie der feurige Schweißhund<a class =
+"tag" name = "tag8_1" id = "tag8_1" href = "#note8_1">1</a></p>
+<p>Angeschossenes Wild, so heiß es auch strebt, zu entkommen,</p>
+<p>Durch des umschattenden Waldes Nacht verfolgt auf den Fährten,</p>
+<p>Rastlos, bis es ermattet ihm fällt: so ließ Drahomira</p>
+<p>Ihn aus den Augen nicht mehr: denn Ottgar sollte getödtet</p>
+<p>Fallen durch ihn, und ihr Herz sich ersättigen dort an des
+Jammers</p>
+<p>Grau’nerregender Schau &mdash; an dem Fall des unglücklichen
+Jünglings.</p>
+<p>Einen täuschenden Traum ersann, und bannte sie, zaubernd,</p>
+<p>Vor den Entschlummerten hin. Er sah im Geiste das Städtchen,</p>
+<p>Kostel in Mähren, vor sich, und dort sein Alles auf Erden,</p>
+<p>Hedwig, gefesselt im Thurm, weil sie nicht verhüllte die Neigung,</p>
+<p>Die sie ihm still genährt in dem treuergebenen Herzen;</p>
+<p>Sah, wie sie, jammernd, ihm mit den kettenbelasteten Händen</p>
+<p>Winkt’, und so bleich her sah von des Fensters eisernen Stäben,</p>
+<p>„Hülfe!“ schreiend, und „Rach’ an Ottgar!“ Aber er stöhnte</p>
+<p>Laut in dem Schlaf’, und schlug sich die Brust vor unsäglichem
+Herzleid.</p>
+<p>Bald erweckt’ ihn Geschrei anstürmender Krieger. Der Kunen</p>
+<p>Tausend, vereinten sich erst: Weglagerer, Räuber, und Mörder,</p>
+<p>Von dem Heere getrennt, auf Raub zu ziehen, entschlossen,</p>
+<p>Die Drahomira noch mehr empörte zu schrecklichen Thaten.</p>
+
+<span class = "pagenum">240</span>
+<p class = "stanza">
+Als sie jetzt den Schlummernden sahn, der, blühender Jugend,</p>
+<p>Noch im Schlafe das Schwert umklammert hielt mit der Rechten;</p>
+<p>Durch die gesenkten Brau’n Wuth kündet’, und, stöhnend, von
+Rachgier</p>
+<p>Mit den verzerreten Lippen sprach, da riefen sie freudig:</p>
+<p>„Seht, den sandt’ uns Tyr,<a class = "tag" name = "tag8_2" id =
+"tag8_2" href = "#note8_2">2</a> der Gott des Kriegs und Verderbens:</p>
+<p>Ihm gleich, hält er das Schwert umfaßt, und drohet im Schlaf noch</p>
+<p>Schrecken dem Feind’. Er sey uns Führer im nächtlichen Raubzug!“</p>
+<p>Also erweckt’ ihn ihr wildes Geschrei; sie faßten, und hoben</p>
+<p>Ihn von der Erd’ empor; umhingen in Eile die Schulter</p>
+<p>Ihm mit dem Pelz, der, marderumbrämt, zur Ferse hinabhing;</p>
+<p>Setzten die Mütz’ auf sein Haupt, mit dem schwebenden Reiher, und
+bothen</p>
+<p>Ihm das erlesenste Pferd. D’rauf sagte noch Sikra, der Hauptmann:</p>
+<p>„Komm, und führ’ uns im sausenden Ritt nach Kostel, dem Städtchen</p>
+<p>Drüben im Mährenland, voll reichthumstolzer Bewohner,</p>
+<p>Die, dem Böhmenkönig getreu, zum Kampfe sich rüsten.</p>
+<p>Unser König bekriegt ihn selbst auf den Feldern von Oestreich:</p>
+<p>Wir erhoben uns hier, ihm Schaden zu thun, und zu rächen</p>
+<p>Plünderung, Mord, und Brand, mit welchen er Ungern vor Jahren</p>
+<span class = "pagenum">241</span>
+<p>Wüstete: ha, nun Rache dafür an dem grausamen Ottgar!“</p>
+<p>Also tobten sie fort. Der Jüngling ließ sie gewähren,</p>
+<p>Stand verstört, und wußte nicht, wie ihm geschehen? Er sann
+jetzt:</p>
+<p>Ottgar ward ihm genannt &mdash; der Grausame hieß er den Räubern</p>
+<p>Selbst? Da jauchzet’ er laut; entblößte das Eisen; erhob sich</p>
+<p>Schnell in den Sattel, und rief: „Mir nach, wir rächen die
+Unthat!“</p>
+<p>D’rauf ging’s fort, im sausenden Ritt nach Kostel in Mähren.</p>
+<p>Vor ihm flog Drahomira einher, und lächelte grimmig:</p>
+<p>Denn sie sah das Entsetzliche dort vollbracht, und Verderben</p>
+<p>Ueber des Jünglings Haupt, und Ottgars schweben im Vollmaß.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Tief entschlummerten schon des ummauerten Städtchens Bewohner.</p>
+<p>Ach, oft ahnet der Sterbliche nicht, der ruhig dem Schlaf sich</p>
+<p>Noch an dem Abend ergibt, welch’ Jammer ihn weckt vor dem Morgen!</p>
+<p>Früher erspähten die Räuber schon des friedlichen Städtchens</p>
+<p>Schwachverriegeltes Thor und die leichtersteigbare Mauer,</p>
+<p>Die sie, keuchend vor Hast, erkletterten. Aber das Reitroß</p>
+<p>Spornte Wallstein rasch umher: denn hoch in die Nacht auf</p>
+<p>Ragte der Thurm, der dort die holde Geliebte (so wähnt’ er</p>
+<p>Noch, getäuscht von dem Traum) von ihm für immer getrennt hielt.</p>
+<p>Wehe, und bald aufflammte die Gluth, an die breternen Dächer</p>
+<span class = "pagenum">242</span>
+<p>Durch die entsetzlichen Kunen gelegt, und erhellete weithin</p>
+<p>Rings die schweigende Nacht! Nicht säumte der lauernde Nachtwind,</p>
+<p>Lauterbrausenden Flug’s annahend, die Flamme zu wälzen</p>
+<p>Hin und daher, an den Häusern der engverschlungenen Straßen.</p>
+<p>Wildes Geheul erscholl: aus den Stuben hervor auf den Marktplatz</p>
+<p>Flüchteten jetzt die Bewohner, um dort die Väter, und Mütter,</p>
+<p>Kinder, und Greise zu seh’n, wie sie bluteten unter dem
+Schwerthieb</p>
+<p>Wüthender Räuber, und bald, erwürgt mit den andern, zu fallen</p>
+<p>Rettungslos: denn Niemand war, der half in dem Jammer.</p>
+<p>Wohl anlangten den Abend zuvor zwölf muthige Reiter</p>
+<p>Ottgars, über die March, von Drösing herüber gesendet:</p>
+<p>Mundvorrath aus dem Städtchen hier, in das Lager der Böhmen</p>
+<p>Heut noch zu schaffen mit Waffenmacht: denn schreckengerüstet</p>
+<p>Herrscht in des Krieges Zeit die Gewalt: nur Laute des Ingrimms</p>
+<p>Treffen das Ohr, das sonst des Friedens sanfte gewohnt war.</p>
+<p>Als der feindliche Lärmruf scholl, da schwangen die Reiter</p>
+<p>Sich auf das Roß, zu entflieh’n der wuthempöreten Mehrzahl;</p>
+<p>Doch sie waren umringt, und nun, mit dem Schwert’ in der Rechten,</p>
+<span class = "pagenum">243</span>
+<p>Kämpfend, zu sterben bereit. Sie stellten sich fest und
+entschlossen,</p>
+<p>Vor dem Thurm dort auf, und harrten des nahenden Feindes.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Allen zuvor kam Wallstein, jauchzt’, und hieb in den Haufen,</p>
+<p>Blindumwüthend, ein: denn Ottgars kenntliche Reiter</p>
+<p>Sah er vor sich, und schnob nur Rache, nur flammende Sehnsucht</p>
+<p>Hedwigs Retter zu seyn aus den Händen unmenschlicher Krieger.</p>
+<p>Jetzt auflachte voll Hohn Drahomira, und hob sich von dannen:</p>
+<p>Denn jetzt klebte das Blut des eigenen Volks an dem
+Schlachtschwert,</p>
+<p>Das ihm Ottgars Rechte vertraut’, und sie dachte: nicht fern mehr</p>
+<p>Sey ihm das Ziel, zu fallen mit ihm, unrühmlich, und furchtbar!</p>
+<p>Siehe, die Reiterschar, umstürmt von den wüthenden Räubern,</p>
+<p>Fiel nach tapferer Gegenwehr auf die Leichen des Feindes,</p>
+<p>Die sie gehäuft! Doch Veith, der jetzt aus dem Sattel geworfen,</p>
+<p>Sank, rief sterbend ihm noch: „Ha, Wallstein: bist du ein Gegner</p>
+<p>Deines eigenen Vaterlands? Du ermordest die Böhmen?“</p>
+<p>Wallstein horchte bestürzt: er erkannte den redlichen Krieger,</p>
+<p>Der in der Ahnen-Burg gedient, und in zartester Kindheit</p>
+<span class = "pagenum">244</span>
+<p>Oft ihm Mährchen erzählt’: ein treugesinneter Reiter;</p>
+<p>Hob die Blick’ empor, und sah, durch des ragenden, leeren,</p>
+<p>Halbverfallenen Thurms verwitterte Fenster den Himmel,</p>
+<p>Sternenhell, herab auf das Blut der Reisigen starren;</p>
+<p>Sah, erstaunt, um sich her die Leichen der Greis’ und der Kinder</p>
+<p>Schwimmen im Blut’ &mdash; all’ überall Blut, und die wüthenden
+Kunen</p>
+<p>Nur erpicht auf Raub und Plünderung. Plötzlich ergriff ihn</p>
+<p>Seelenangst: er gab dem Rosse die Sporen, und jagte</p>
+<p>Durch das offene Thor hinaus auf den einsamen Heerweg;</p>
+<p>Dann seitab den Hügel empor, der, nahe dem Städtchen,</p>
+<p>Jäh sich erhebt. Dort saß er am Rand’, aus dem Sattel gestiegen,</p>
+<p>Haltend das Roß am Zaum’, und sah nach dem schrecklichen Jammer</p>
+<p>Drüben hinab. Bald wühlt’ er, ergrimmt, sich die Brust mit den
+Nägeln</p>
+<p>Wund; bald stützt’ er das Kinn auf die Recht’, und starrte
+hinunter,</p>
+<p>Starrte hinauf zu dem tiefverstummenden Himmel, und rang nur</p>
+<p>Einem Schreckensbild zu entflieh’n, das fieb’risch die Brust ihm</p>
+<p>Schüttelte: denn er dachte, wie frech er die freundliche Warnung</p>
+<p>Von sich stieß in der Nacht, welch’ über ihn schrecklich
+entschieden.</p>
+<p>Doch als jetzt ihm ein Thränenpaar heiß über die Wangen</p>
+<span class = "pagenum">245</span>
+<p>Träufelte, hob er sich auf von dem Boden, und plötzlich
+verscheuchte</p>
+<p>All die Bilder ein kühner Entschluß. Er sagte für sich hin:</p>
+<p>„Ottgar, kein Verein ist zwischen uns mehr! Ich gehöre</p>
+<p>Deinem Gegner hinfort: denn sieh’, ich erwürgte die
+Böhmen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Ach, mein Volk, mit den Kunen im Bund! Dieß blutige Schwert
+lechzt</p>
+<p>Jetzo nach deiner Brust, und nach meiner: wir fallen zugleich &mdash;
+bald!“</p>
+<p>Stöhnend schwang er sich dann auf’s Roß, und jagte herüber</p>
+<p>Immer den Fluß entlang, im Galopp, die lagernde Heersmacht</p>
+<p>Rudolphs noch vor dem Morgenroth zu erreichen vor Marcheck.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, und es rief in der Stadt, in den weitgetrennten Gehöften,</p>
+<p>Und in den Dörfern umher der Hahn, des dämmernden Morgens</p>
+<p>Muthiger Herold, sein „wach’ auf“ das andere Mal schon,</p>
+<p>Als er die seichtere Furt durchwatete; d’rauf vor dem Lager,</p>
+<p>Laufend, erschien, das Kunenroß heimjagend vom Ufer.</p>
+<p>„Wer da?“ rief ihm die Huth vom Wall’ entgegen, und zielte</p>
+<p>Dann mit der Lanze zugleich nach der Brust des nahenden
+Jünglings:</p>
+<p>Aber er sprach ergrimmt: „Zu Rudolph, eurem Gebiether</p>
+<p>Führet mich schnell! Hochwichtiges muß ich sogleich ihm
+enthüllen.“</p>
+<p>Jener sah ihn zuvor mit Staunen vom Kopf bis zum Fuß’ an,</p>
+<span class = "pagenum">246</span>
+<p>Eh’ er die Freund’ entboth, ihm sich’res Geleite zu geben:</p>
+<p>Denn unglücklich nur &mdash; nicht verdächtig erschien er von
+Anseh’n,</p>
+<p>Und sie führten ihn jetzt nach des Kaisers ragendem Zelt hin.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber der liebliche Schlaf (ein Balsam für blutende Herzen,</p>
+<p>Welcher so mild den Schmerz beschwinget, der in des Lebens</p>
+<p>Dornengefilden sie grausam zerriß) war eben auf Rudolphs</p>
+<p>Lieder gesunken, und er floh vor dem Fußtritt nahender Krieger</p>
+<p>Wieder hinweg. Oft wacht’ er im Feld mit heiterem Antlitz</p>
+<p>Tag’ und Nächte hindurch, zu des Kriegs Beschwerden gestählet.</p>
+<p>Als in das einsame Zelt der Jüngling getreten, da däucht’ ihn:</p>
+<p>Jener Unglückliche sey’s, der jüngst den muthigen Reiter</p>
+<p>Von dem Thurm in den Abgrund warf, und nicht irrte sein
+Scharfblick.</p>
+<p>Freundlich winkt’ er ihm jetzt mit der Hand, und jener begann so:</p>
+<p>„Meine Rede sey kurz! Der Sterbende muß sich beeilen,</p>
+<p>Daß er enthülle das Wort, das lastend die Brust ihm beschweret.</p>
+<p>Höre mich, Herr! Ich war dein Feind, und hätte den Sohn dir</p>
+<p>Gern durchbohrt auf dem Plan, vom wüthenden Hasse getrieben;</p>
+<p>Aber es zieht das Geschick gar wunderbar oft in des Lebens</p>
+<span class = "pagenum">247</span>
+<p>Irre den Pfad: mich führt es als Freund dir zurück. Mit den Kunen</p>
+<p>Hab’ ich, dein Dienstmann, erst gesengt, und gebrannt in dem
+Städtchen</p>
+<p>Drüben im Mährenland’, und die Bürger zugleich mit den Kriegern</p>
+<p>Muthig erwürgt: all’ Ottgars Schuld, des grausamen Wüthrichs,</p>
+<p>Der auch dir nach dem Leben strebt, und die Mörder bereit hält.</p>
+<p>Aber ich eil’ ihm zuvor, willst du’s, und raub’ ihm das Leben</p>
+<p>Heut’ noch. Dir ist dieß Schwert geweiht; nicht soll es ihn
+fehlen:</p>
+<p>Denn er verübt’ an mir Entsetzliches. Sprich, und ich mord’ ihn!“</p>
+<p>„Wie,“ so begann, aufjammernd, der Kaiser, „Unselige, habt ihr</p>
+<p>Ruhige Menschen erwürgt, und gesengt, und gebrannt in dem
+Städtchen</p>
+<p>Drüben nach schrecklichem Kriegsbrauch? O, der Völkerbeherrscher</p>
+<p>Trauriges Los, daß ihr Streit auch Räuberhände bewaffnet,</p>
+<p>Ungezügelt und frech, dem Gesetz hohnsprechend, zu wüthen!</p>
+<p>Herr, nicht gehe mit mir in’s Gericht: denn mein ist die Schuld
+nicht!</p>
+<p>Doch du kehre zurück, Unglücklicher! Kehre zu Ottgar,</p>
+<p>Der ein liebender Vater dir war, nun zurück, ihn zu söhnen,</p>
+<p>Ihn mit reuigem Sinn um den Segen zu fleh’n &mdash; zu erwiedern</p>
+<span class = "pagenum">248</span>
+<p>Ihm verzeihende Huld, so er dich einst kränkte mit Unrecht!</p>
+<p>Also hat es der Herr uns gelehrt: er möge dir helfen!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Wallstein stürzte hinaus, und flog nach dem feindlichen Lager,</p>
+<p>Rastlos, bis er erreichte die Huth der böhmischen Reiter.</p>
+<p>Schnell erkannten sie ihn, der oft im Gewühle der Schlachten</p>
+<p>Sie zum Siege geführt, und jubelten laut in die Nacht auf.</p>
+<p>Einer begann: „Kehrst du zur Freude des Heers und des Königs</p>
+<p>Wieder zurück, der, wisse es nur, mit unsäglicher Sehnsucht</p>
+<p>Nach dem verlorenen Sohn sich abhärmete? Wahrlich, er nannte</p>
+<p>Heute dich so, und verhieß allmanniglich reiche Belohnung,</p>
+<p>Der dich führte zurück in die Arme des liebenden Vaters!“</p>
+<p>Doch, es erwiederte Wallstein ihm den freundlichen Gruß nicht;</p>
+<p>Eilete vor, und erreichte das Zelt des entschlummerten Königs.</p>
+<p>Jetzo murrete Greif, der mächtige Hund, vor dem Eingang:</p>
+<p>Ottgars Liebling, ein Schrecken des Volks, das nächtlicher Stund’
+ihm</p>
+<p>Nahete, wo er, der Kette los, umwandelte wachsam:</p>
+<p>Denn er bewältigte leicht den stärksten der Reisigen; hielt ihn</p>
+<p>Nieder, und bellete, bis ein Hausgenosse daherkam.</p>
+<p>Wallstein zischte nur leis’, und rief ihn bei’m Nahmen: da sprang
+er,</p>
+<p>Heulend, herbei; erhob sich mit freudigem, lautem Gewinsel</p>
+<p>Ihm auf die Schulter, lang wie er war, und leckt’ ihm die Wangen;</p>
+<span class = "pagenum">249</span>
+<p>Lief dann kreisend umher, und kehrete wieder, vor Freuden</p>
+<p>Bellend, und heulend zugleich: denn Wallstein war ihm seit Jahren</p>
+<p>Hold, und quälet’ ihn einst im jugendfröhlichen Muth’ oft.</p>
+<p>Doch er streichelte jetzt den Treu’n mit unwilliger Hand nur;</p>
+<p>Trat in das Zelt, wo im Lampenschein, auf das Lager gesunken,</p>
+<p>Ottgar schlummerte: ganz in die Waffen gehüllt, und zu kämpfen</p>
+<p>Wieder am Morgen bereit, und schauderte, wie er den Mann dort</p>
+<p>Schlummern sah, der einst ihm vor allen Sterblichen werth
+war&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Jetzt, ohnmächtig im Schlaf’, ihm Preis gegeben zur Willkühr.</p>
+<p>Grauer schien ihm sein grauendes Haupt seit Tagen geworden,</p>
+<p>Blässer sein blasses Gesicht. Er stöhnete laut vor dem Traum’
+auf,</p>
+<p>Der ihn umfing, und wand sich, und rief, fast wimmernd, nach
+Wallstein.</p>
+<p>Dieser entblößte das Schwert. Noch einmal stand ihm des Jammers</p>
+<p>Grau’ngestalt, den Ottgar schuf, vor den Augen; er eilte</p>
+<p>Vorwärts, schwang das Eisen, und sann. Drahomira durchschwebte</p>
+<p>Jetzo den Zelteingang; umflog in furchtbaren Kreisen</p>
+<p>Schneller und schneller des Jünglings Haupt, und hauchte des
+Abgrunds</p>
+<p>Gifte umher, daß er, schwindelnd, den Mord verübt’ an dem König;</p>
+<span class = "pagenum">250</span>
+<p>Aber er hatte zuvor, vom Kaiser, mit Schrecken, des Heilands</p>
+<p>Worte gehört. Wie dort im Fiebertraum sich ein Kranker</p>
+<p>Freut, da ein Freund ihm naht, und nachsinnt: ob er ihn kenne?</p>
+<p>Also nur dunkel vernahm der zerrüttete Jüngling die Warnung;</p>
+<p>Dennoch bezwang er sich jetzt, trat näher, und stampfte den
+Boden.</p>
+<p>Auffuhr Ottgar schnell, und starrte dem Starrenden, schweigend,</p>
+<p>In das Gesicht. Ein ganzes, im Glück’ entschwundenes Leben</p>
+<p>Eilete schnell, wie der Blitz, den Beiden noch einmal vorüber,</p>
+<p>Und die Vergangenheit warf, hellleuchtend, viel grausere Schatten</p>
+<p>Noch auf die dunkele Gegenwart. Doch jetzo begann er:</p>
+<p>„Wallstein, kommst du zurück’? Ich wußt’ es: ein edeles Herz
+schlägt</p>
+<p>Dir in der Brust. O, schwer hast du mich betrübt, und des
+Abgrunds</p>
+<p>Seelenverwirrende Macht empörte die Wuth mir im Busen</p>
+<p>So, daß ich, nicht durch eigene Schuld &mdash; von der Hölle betäubt
+nur,</p>
+<p>Dir das liebende Herz verwundete! Wohl sind die Menschen</p>
+<p>Sich zu betrüben, geneigt; doch Reue versöhnt, und Verzeihung</p>
+<p>Windet den schöneren Kranz um die friedenbiethenden Herzen.</p>
+<p>Du nun wieder mein Sohn, und ich &mdash; dein liebender Vater
+...“</p>
+
+<span class = "pagenum">251</span>
+<p class = "stanza">
+Jener naht’ ihm, und rief ergrimmt: „Halt ein, und erhebe</p>
+<p>Nicht den Vorhang mehr, der zwischen uns dunkel herabsank!</p>
+<p>Was du ersehntest &mdash; es sey: ich verzeihe dir! Aber dem
+Bogen</p>
+<p>Furchtbarer Rach’ entschwirrte der Pfeil; nicht reißt ihn des
+Schützen</p>
+<p>Hand mehr zurück. Weh’ dir, Unglücklichem: denn ich entsandt’
+ihn!</p>
+<p>Böhmisches Blut benetzte dieß Schwert: mit den Kunen verbunden,</p>
+<p>Hab’ ich zuvor dein Volk erwürgt, wie ein Söldner des Kaisers.</p>
+<p>Du hast ihm nach dem Leben gestrebt: ich both mich, als Rächer,</p>
+<p>Dir zu durchbohren die Brust; doch, sieh’, dein edeler Gegner</p>
+<p>Achtet dein Haupt, und gab mir sanftversöhnende Lehren:</p>
+<p>Solchem fällst du besiegt &mdash; ich meinem unglücklichen
+Schicksal!“</p>
+<p>Sagt’ es, und kehrte das Schwert urplötzlich von unten nach oben</p>
+<p>Gegen die Brust, und sank in den Stahl, der, zischenden Lautes,</p>
+<p>Ihm das pochende Herz durchfuhr. Er verhauchte das Leben</p>
+<p>Lautlos. Jammernd erhob sich jetzt, ihn zu retten, der König:</p>
+<p>Aber umsonst: er lag entseelt, und regte sich nicht mehr!</p>
+<p>Schon aufjauchzte vor Lust Drahomira, der That sich zu rühmen:</p>
+<span class = "pagenum">252</span>
+<p>Da durchblitzt’ ein Glanz den Raum des Gezeltes; ein Flehen</p>
+<p>Nach erbarmender Huld erscholl. Von Schauder ergriffen</p>
+<p>Wollte sie flieh’n, um fern in den übersinnlichen Räumen</p>
+<p>Noch zu entgeh’n dem Zorn der Himmlischen; aber unendlich</p>
+<p>Rauscht’ Entsetzen ihr vor &mdash; ihr nach: sie sank in den
+Abgrund</p>
+<p>Außer den Gränzen der Welt, betäubt vom Schrecken, hinunter,</p>
+<p>Und erkannte sich erst in den Jammergefilden der Hölle.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Draußen im Schattenkreis’ des hochaufragenden Eichbaums</p>
+<p>Gruben die Krieger ein Grab. Der Entseelte lag auf dem Rasen</p>
+<p>Dort in den Lagermantel gehüllt: da hinkte sein Reitroß,</p>
+<p>Völlig des Anseh’ns bar, aus der Au herüber, und senkte,</p>
+<p>Leise genaht, das Haupt zu ihm hin, daß die wallende Mähn’ ihm</p>
+<p>Dann mit dem Zaum nachsank, und des Todten Antlitz bedeckte.</p>
+<p>Jahr’ entfloh’n: da hieß es, am Grabe des böhmischen Kriegers</p>
+<p>Liege das bleiche Geripp von seinem verschmachteten Roß noch!</p>
+
+<p class = "stanza">
+Als aus Osten der Hauch des hellaufdämmernden Morgens</p>
+<p>Ueber die frischbethauete Flur den kühleren Frühwind</p>
+<p>Sendete; rings im Gefild sich die wiedererwachten Geschlechter</p>
+<p>Regten, mit gleichgeschäftigem Drang zu durchlaufen des Tages</p>
+<span class = "pagenum">253</span>
+<p>Kreisende Bahn, bis ihr Ziel, nun bald, nun später erreicht ist;</p>
+<p>Als in den Städten und Dörfern umher, in den Hainen und Wäldern</p>
+<p>Munterer Laut sich erhob: da hatte der Kaiser im Lager</p>
+<p>Schon die Scharen vereint, und zu drei Heersäulen geordnet,</p>
+<p>Sie in geschlossenen Reih’n dem Feind’ entgegen zu stellen.</p>
+<p>Aber der Ost- und der Steyer-Mark geworfene Scharen</p>
+<p>Schob er den andern vor in der Mitte, daß sie in dem Schlachtfeld</p>
+<p>Sich den entwundenen Kranz jetzt herrlicher wieder erkämpften.</p>
+<p>Heiter saß er zu Pferd’, und sprengte hinauf und hinunter</p>
+<p>Vor den Reih’n, zu entflammen den Muth der schweigenden Krieger:</p>
+<p>Denn sie schwiegen, beschämt von des Rückzugs quälendem Vorwurf.</p>
+<p>„Männer, wohlan,“ so ermahnt’ er sie laut, „steht heut’ in dem
+Schlachtfeld</p>
+<p>Fest zusammengedrängt &mdash; euch tapfer zu wehren,
+entschlossen:</p>
+<p>Denn bald dürfte der Feind, noch stolz auf errungenen Vortheil,</p>
+<p>Mit gesteigertem Muth vorstürmen zum blutigen Angriff!</p>
+<p>Ha, schon seh’ ich den Siegeskranz, mein edler Capellen,</p>
+<p>Dir an der Stirn! Dir, Trautmansdorf, dem Vater der Helden,</p>
+<p>Glühen die Wangen vor Gier, zu rächen im Blute des Feindes</p>
+<span class = "pagenum">254</span>
+<p>Die, nur mit Uebermacht erschlagenen Söhn’ in dem Vorkampf.</p>
+<p>Oestreichs Edelstein’ und Demantberge, verdunkelt</p>
+<p>Heute sogar den Ruhm der thatengewaltigen Ahnen:</p>
+<p>Denket des Siegs! Doch, Lichtenstein, wie? Soll ich dich
+schelten?</p>
+<p>Nicht die gewohnte Heiterkeit färbt mit Freude dein Antlitz</p>
+<p>Heut’: erbebst du dem Feind? Der Tapfere scheuet den Tod nicht.“</p>
+<p>So, vortummelnd das Roß, erregte der Kaiser die Helden.</p>
+<p>Aber dem Eilenden rief der Lichtensteiner im Scherz nach:</p>
+<p>„Mit Vergunst! Ihr irrt, erlauchtester Kaiser! Den Feinden</p>
+<p>Bebt kein Lichtenstein; doch, fröhlicher Dinge zu scheinen</p>
+<p>Noch, da uns Ottgar jüngst des Turnmahls schnöde beraubte,</p>
+<p>Gestern nicht gönnte die Zeit, an dem trockenen Brot’ uns zu
+letzen,</p>
+<p>Auch den Schlaf uns stahl? Das möchte nicht allen genehm seyn!</p>
+<p>Doch wir tischen ihm bald die Mahlzeit auf, und verhelfen</p>
+<p>Ihm zu dem furchtbarn Schlaf, dem er gar freudig entrönne.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Lächelnd hörte das Volk den Munteren. Aber der Kaiser</p>
+<p>Flog zur Rechten hinauf, wo Schweizer, Tyroler, und Schwaben,</p>
+<p>Muthbeseelt, sich eineten; schwang das Eisen, und rief dann</p>
+<p>Laut zu dem Sohn, den jüngst er jenen erwählte zum Feldherrn:</p>
+<p>„Albrecht, halte dich wohl! Stets warst du im Schlachtengewitter,</p>
+<span class = "pagenum">255</span>
+<p>Leuchtend, ein Stern; dir gleich der Burggraf Friedrich und
+Hochberg,</p>
+<p>Und mein Müller dort, der redliche, treue Geselle!</p>
+<p>Auf, ihr seyd mein Volk, ihr sollt mir Ehre gewinnen!</p>
+<p>Dietrichstein, du Hort der Helden Tyrols, wie erhebt dich</p>
+<p>Jetzo die Stelle, nach welcher mein Haug in der Veste sich
+sehnet!“</p>
+<p>Rief’s; dann flog er zur Linken hinab, und ermahnte die
+Feldherrn:</p>
+<p>„Meinhard, trefflicher Held, nicht harrst du erregenden Aufrufs</p>
+<p>Muthig zu steh’n im Kampf: denn immer wird dir im Schlachtfeld</p>
+<p>Nur der herrlichste Lorber zu Theil; nun führe die Kärnthner,</p>
+<p>Führe die Krainer zum Sieg! Dir folgen die Tapferen: Heunburg,</p>
+<p>Albert von Görz, und der Ortenburg auf der rühmlichen Bahn nach.“</p>
+<p>Und er entflammte zugleich mit mutherregenden Worten</p>
+<p>Kaduschas Brust, und die Kraft des Trentschiner Helden Mathias.</p>
+<p>D’rauf entsandt’ er die Herolde, noch in der Stunde des Morgens</p>
+<p>Aufzubiethen sein Volk: die heilige Sühne zu feiern.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber noch säumte daheim in dem Lager der König der Böhmen;</p>
+<p>D’rob der Kaiser sich hoch verwunderte: denn nicht enthüllt war</p>
+<span class = "pagenum">256</span>
+<p>Ihm des Jünglings Tod, und der Gram des erschütterten Königs,</p>
+<p>Ottgars. Katwald fuhr um ihn her, und erregte das Herz ihm:</p>
+<p>Jetzt auf des Siegs betretener Bahn mit gewaltiger Thatkraft</p>
+<p>Vorzudringen. Umsonst! Er saß, hinstarrenden Blickes,</p>
+<p>In dem Gezelt, und regte sich nicht &mdash; wie ein Marmorgebild
+dort,</p>
+<p>Wo an der Urne des Sohn’s, des frühverblich’nen, der Vater,</p>
+<p>Sitzt gesenketen Haupt’s, und die Thrän’ entlocket dem Wand’rer.</p>
+<p>D’rauf entschwang sich der Geist, und rief den muthigen
+Feldherrn:</p>
+<p>Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Herbot,</p>
+<p>Heinrich, dem Hort der <ins class = "correction"
+title = "ungeändert: anderswo und 1827 »Bayern«">Baiern</ins>,
+und Pfeil, dem Gebiether der Sachsen,</p>
+<p>Die zu erneuertem Kampfe bereit, des mächtigen Königs</p>
+<p>Harrten, schwebend umher von einem zum andern, ergrimmt, zu:</p>
+<p>„Eilt, und erweckt aus Gram und Verzweiflung euren Beherrscher:</p>
+<p>Denn er brütet erstarrt für sich hin, und verschließet des
+Glückes</p>
+<p>Stimme sein Ohr, das flüchtig entweicht! O nichtige Hoffnung:</p>
+<p>Als den geworfenen Feind nur die Nacht den vernichtenden Blitzen</p>
+<p>Eures Arms entriß, da flucht’ er dem nächtlichen Dunkel</p>
+<span class = "pagenum">257</span>
+<p>Laut, und ersehnte des Morgens Strahl; nun weilet er müßig,</p>
+<p>Und versäumt des Schlachtengeschicks entscheidenden Zeitraum!“</p>
+<p>Also der Geist, und sie eilten sogleich nach dem Zelte des
+Königs;</p>
+<p>Doch, eintretend voll Hast, erbebten die Tapferen alle;</p>
+<p>Allen erstarb der Laut in dem Mund: so schrecklich zu schauen</p>
+<p>War die Gestalt, die jüngst noch in jeglichem Busen den Muth hob.</p>
+<p>Lange starreten sie, von Schauern ergriffen, dem König</p>
+<p>In das entseelte Gesicht; doch jetzt erhob er sich. Plötzlich</p>
+<p>Färbte glühendes Roth ihm die Wangen, und hell, wie im
+Nachtgrau’n</p>
+<p>Flammt der Essen zerschmelzende Gluth, von mächtigen Bälgen</p>
+<p>Brausend empört, ihm glänzten die zornausblitzenden Augen,</p>
+<p>Als er den Helden genaht, mit geballter Faust, und, den Boden</p>
+<p>Stampfend, das Kleid aufriß, und die Brust voll rühmlicher Narben</p>
+<p>Rasch entblößend, rief: „Habt ihr ihn getödtet, den Jüngling</p>
+<p>Voll gewaltiger Kraft, voll edelen Muthes und Sinnes?</p>
+<p>Nein, ihr nicht: denn ihr seyd feig! Doch heimlich empöret</p>
+<p>Habt ihr das edle Gemüth, daß er frech des Kindes Gehorsam</p>
+<p>Mir versagte, mich floh, und selbst mein schrecklichster Feind
+ward.</p>
+<p>Aber er stieß den Dolch, den ihr ihm gereicht, nicht dem Vater</p>
+<span class = "pagenum">258</span>
+<p>Hier in die liebende Brust: er durchbohrte sein eigenes Herz nur.</p>
+<p>Ha, was säumt ihr fürder? Entblößt &mdash; dem meuchelnden
+Dolchstoß</p>
+<p>Offen seht ihr die Brust, in der ein tapferes Herz schlägt!</p>
+<p>Wohl bekannt ist mir’s, daß ihr nach dem Leben mir strebet;</p>
+<p>Auf, vollführet es hier, eh’ draußen noch tausende fallen,</p>
+<p>Opfer des Kriegs, des furchtbarn, der mir nimmer zum Heil wird!“<a
+class = "tag" name = "tag8_3" id = "tag8_3" href = "#note8_3">3</a></p>
+<p>Dann verstummt’ er, erblaßt, vor den Tapferen. Lobkowitz wiegte</p>
+<p>Trauernd, das Haupt: erhob g’en Himmel den Blick, und begann so:</p>
+<p>„Welchen Jammer verhängt der Ewige über die Völker</p>
+<p>Böheims! Herr, droht Krankheit dir? Ach, immer zum Herzleid</p>
+<p>Deines getreuesten Volks geschäh’s &mdash; doch jetzt zur
+Verzweiflung:</p>
+<p>Wo der Sieg uns winkt, und die Feinde, vom Schrecken gebändigt,</p>
+<p>Zitterten! Hab’ ich, dem Streit abhold, nicht des segnenden
+Friedens</p>
+<p>Worte gesprochen im Rath’? Umsonst: du wolltest den Krieg nur!</p>
+<p>Nun vollführ’ es mit Muth, was du so kräftig begonnen.“</p>
+<p>Ottgar wandte sich schnell zu Milota: „Führe,“ so sprach er,</p>
+<p>„Heute den Kern des Heers rasch vor zu des Kampfes Entscheidung.</p>
+<span class = "pagenum">259</span>
+<p>Hast du die dunkele Brust mir jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad,</p>
+<p>Höhnend, enthüllt &mdash; zerfleischt mit blutigen Krallen das Herz
+mir:</p>
+<p>Traun, kühn war’s! so wirst du auch jetzt unbändigen Muthes</p>
+<p>Stehen im Waffenfeld’, und erringen den Sieg mit Gewißheit:</p>
+<p>Denn erprobt bist du in des Feldherrn wichtiger Stelle.</p>
+<p>Lobkowitz weile mit mir, der Thaten gewärtig, im Rückhalt.“</p>
+<p>Katwald hört’, erstaunt, die Rede des Königs, und rief ihm</p>
+<p>Angstvoll: „Welch’ entsetzliche Wuth verblendet dich vollends,</p>
+<p>Daß du den Kern des Heers dem heimlichen Gegner vertrau’n willst?</p>
+<p>Immer lächelt er Hohn, und sinnt verderbliche Tücken.</p>
+<p>Auf, ermunt’re dich jetzt, und führe das Heer in die
+Feldschlacht,</p>
+<p>Selber, sogleich; wo nicht, so vertrau’ es dem tapferen Helden</p>
+<p>Lobkowitz, eh’ denn ihm, der dir zum Jammer erseh’n ist!“</p>
+<p>Aber er ballte die Faust, und wankte nicht, eiserngesinnet.</p>
+<p>Ihm sah Milota kalt in das Aug’, und entgegnete trotzig:</p>
+<p>„Keinem Schwachen vertraust du den Stab, die Zierde des
+Feldherrn,</p>
+<p>Ueber den Kern des Heers: ich werde mir Ehre gewinnen!</p>
+<p>Zwar verbanntest du mich erst jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad</p>
+<p>Ferne von dir: ich weilete heut’, und in kommender Zeit noch</p>
+<p>Gern in dem Nachhalt nur: den hatt’ ich mir heimlich ersehnet!“</p>
+<span class = "pagenum">260</span>
+<p>Sprach’s mit bedeutendem Blick’, und eilte hinaus in der
+Dämm’rung</p>
+<p>Schnell zu entbiethen des Vorderzugs beritt’ne Geschwader.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Draußen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen <ins class =
+"correction" title = "Original »naher«, 1827 »nahe«">näher</ins>,</p>
+<p>Saßen die Meißner und Thüringer noch, erlesen zur Vorhuth,</p>
+<p>An den Feuern umher, und verkürzten in frohen Gesprächen,</p>
+<p>Oft aufjauchzend zugleich, sich die nächtlichen Stunden. Nur, als
+jetzt</p>
+<p>Milota, schaltend, vorüberzog, verstummte des Kriegers</p>
+<p>Lautes Geschrei. Auch Inguiomar kam, eilenden Fluges,</p>
+<p>Näher, und rief dem Führer des Volks, dem tapferen Dietrich:</p>
+<p>„Ha, was sagte wohl jetzt der hochgesinnete Kaiser,</p>
+<p>Heinrich, der Finkler genannt, der herrliche Vesten-Erbauer,<a class
+= "tag" name = "tag8_4" id = "tag8_4" href = "#note8_4">4</a></p>
+<p>Der auch Meißen erbaute, die Burg, und der Eurigen Ahn ist,</p>
+<p>So er euch sah’ im Bund mit den Böhmen, als Deutsche den
+Deutschen</p>
+<p>Feindlichentgegengestellt, und gehorchend dem Fremdling’ als
+Söldner</p>
+<p>Hier in dem Kampf, der euch nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil?</p>
+<p>Jetzt soll Milota’s Wink, der euch nie günstig gesinnt war,</p>
+<p>Gegen den Feind mit dem Kern des Heer’s euch drängen, und
+treiben:</p>
+<p>Denn hochwerth ist ihm, und noch mehr dem Könige selber,</p>
+<span class = "pagenum">261</span>
+<p>Deutscher Muth, und der Arm, der stets in dem Schlachtengefild
+noch</p>
+<p>Ihm den Sieg errang; doch bald vergißt er des Schweißes,</p>
+<p>Und des Bluts, das ihr vergeudet, im eisernen Feld’ euch</p>
+<p>Mühend für ihn, und ehrt, wie jetzt, nur die Seinen als
+Feldherrn.</p>
+<p>Männer, besteiget das Roß, und zieht in der Stille, des Lagers</p>
+<p>Wall entlang, nach der Heimath fort, wo die einsame Gattinn</p>
+<p>Eurer mit Sehnsucht harrt, im Kreis’ umlärmender Kinder!</p>
+<p>So nicht einet ihr euch, dem Eid’ untreu, mit den Feinden</p>
+<p>Ottgars; aber auch ihm nicht fröhnet ihr mehr in dem Kriegszug.“</p>
+<p>Also der Geist. Da erhob sich schnell Herr Dietrich, und rief so:</p>
+<p>„Männer, hört, was dünkt euch? Ha, was sagte wohl jetzo</p>
+<p>Unser erlauchter Ahn, der treffliche Vesten-Erbauer,</p>
+<p>Heinrich, so er uns sah’ im Bund mit den Böhmen, den Deutschen</p>
+<p>Feindlichentgegenstellt? Wie, Ottgar soll uns zum Kampf hier</p>
+<p>Drängen, daß wir mit dem Muth, der deutsche Herzen beseelet,</p>
+<p>Und noch stets ihm den Sieg errang in dem eisernen Schlachtfeld,</p>
+<p>Enden den Krieg, der uns nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil?</p>
+<p>Ha, er vergißt nur zu bald des Bluts, und des strömenden
+Schweißes,</p>
+<span class = "pagenum">262</span>
+<p>Den wir unverzagt ihm spendeten! Lieblinge sind ihm</p>
+<p>Nur die Slaven allein: denn Milota soll uns gebiethen.</p>
+<p>Brüder, sitzen wir auf, schnurstracks, und zieh’n in der Stille</p>
+<p>Fort, nach der Heimath fort: g’en Thüringen, Meißen, wo, liebend,</p>
+<p>Unser die Gattinn harrt im Kreis’ umlärmender Kinder!</p>
+<p>Zwar stamm’ ich aus der Ostmark her<a class = "tag" name = "tag8_5"
+id = "tag8_5" href = "#note8_5">5</a>: denn wisset es, Leupolds</p>
+<p>Tochter, des Herzogs, war’s, die mich mit Schmerzen geboren,</p>
+<p>Und mit Lieb’ erzog, zur Freude des <em>sieghaften</em> Vaters;</p>
+<p>Doch nicht einen wir uns, dem Wort’ untreu, mit den Feinden</p>
+<p>Ottgars &mdash; zieh’n nur heim, daß wir nicht die Brüder
+bekämpfen.“</p>
+<p>Lautumjauchzender Schrei verschlang ihm das Ende des Zurufs.</p>
+<p>Zitternd vor freudiger Hast, aufzäumte der Krieger sein Reitroß;</p>
+<p>Hing das Schwert mit dem Wehrgehäng’ um die Schulter, und schwang
+sich</p>
+<p>Auf in den Sattel, den eilenden Ritt zu beginnen, unmerkbar</p>
+<p>Milota’s Falkenblick: denn als er wieder zur Rechten</p>
+<p>Kehrte, ritten sie links Herrn Dietrich nach in der Stille,</p>
+<p>Außer dem Rasenwall, thaleinwärts, bis sie den Heerweg</p>
+<p>Wieder gewannen, entfernt dem Heer’, und für jetzo geborgen:</p>
+<p>Denn hier wähneten all’: ein feindverderbender Zug
+sey’s&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Milota’s Werk. Doch jen’ enteilten, voll Hast, nach der Heimath.<a
+class = "tag" name = "tag8_6" id = "tag8_6" href = "#note8_6">6</a></p>
+
+<span class = "pagenum">263</span>
+<p class = "stanza">
+Ottgar saß noch im Zelt vereint im Rath mit den Feldherrn.</p>
+<p>Milder schlug sein stürmisches Herz, und er sagte mit Sanftmuth</p>
+<p>Manches freundliche Wort den Tapferen. Aber vor allen</p>
+<p>Rühmt’ er Czernin: ob des entschlossenen Zugs vor die Mauern</p>
+<p>Wiens, des Ueberfalls, und des kluggeordneten Rückzugs</p>
+<p>Nach dem rühmlichbestandenen Kampf mit unzähligen Gegnern.</p>
+<p>„Ha,“ rief Czernin jetzt mit zweifelndem Blick, „noch entrann ich</p>
+<p>Glücklich des Kaisers Gewalt: denn hatte der Vater des Sohns
+nicht,</p>
+<p>Schonend, geharrt, der erst in nächtlicher Stunde die Festung,</p>
+<p>Für die sterbende Mutter besorgt, verließ: das Entrinnen</p>
+<p>Wäre nicht leicht, und sicher das Grab in dem Zug uns geworden.</p>
+<p>Jetzt nur schnell in den Kampf! Nicht in dumpfeinengenden Mauern,</p>
+<p>Und Spießbürgern vereint, behagt mir, zu streiten; in Freiheit,</p>
+<p>Draußen im Feld mir nahe der Feind: ich werd’ ihm begegnen!“</p>
+<p>Als er geendet das Wort, da hob sich zur Decke des Zeltes</p>
+<p>Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete Ritter,</p>
+<p>Der den reussischen Scharen geboth, in feuriger Hast auf,</p>
+<p>Blößte sein mächtiges Schwert, und sagte mit donnernder Stimme:</p>
+<span class = "pagenum">264</span>
+<p>„Nehmt, o König, zum Unterpfand des kühnen Versprechens,</p>
+<p>Herbots eidliches Wort: nie zieht er hinfort in das Feld mehr,</p>
+<p>So er nicht eueren Feind, der Kaiser sich nennet, gefangen,</p>
+<p>Oder todt, euch schafft: dann möget ihr würdig ihm’s lohnen!“</p>
+<p>„Dann,“ so höhnt’ ihn Zierotin, „dann werd’ ihm als Siegspreis,</p>
+<p>So er es kühn vollführt, was er so muthig verheißen,</p>
+<p>Böhmens Hälfte zu Theil &mdash; vielleicht verhieß ich zu wenig!</p>
+<p>Aber, wohlan, wir all’ erringen gewiß in dem Feld dir</p>
+<p>Heut’ unendlichen Ruhm, so uns dein gewaltiger Wink nur</p>
+<p>Lenkt, und dein Siegesblick uns leuchtet im furchtbaren
+Schlachtgrau’n!“</p>
+<p>Sprach’s mit Kraft. So riefen zugleich der tapfere Heinrich,</p>
+<p>Bayerns Herzog, und Pfeil, des Sachsen-Volkes Gebiether.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Nun trat Zawiß von Rosenberg, der blühende Ritter,</p>
+<p>Hastig in’s Zelt. Ihm sah wildstarrender Grimm aus den Augen,</p>
+<p>Als er zu reden begann: „Nicht Erfreuliches werdet ihr hören:</p>
+<p>Fort ist Meißens und Thüringens Volk, das reisige. Treulos</p>
+<p>Zog es davon, und ihm liegt das Lager schon fern in dem Rücken,</p>
+<p>Da es im Flug’ enteilt, zu erreichen die Fluren der Heimath.“</p>
+<p>All’ aufschrie’n, von Zorn g’en jen’ empöret; nur Ottgar</p>
+<p>Hob sich, schweigend, vom Stuhl. Wie des Vollmonds zitternder
+Schimmer</p>
+<p>Fern auf dem dunkelen Teich’ erglänzt: so erhellt’ ihm die Augen,</p>
+<span class = "pagenum">265</span>
+<p>Welche die Trauer umfing, des Muths aufdämmernder Lichtstrahl.</p>
+<p>Langsam trat er heraus vor das Zelt; ihm folgten die Feldherrn.</p>
+<p>Dort ersah er das Heer in der rosigen Frühe. Geschäftig,</p>
+<p>Wie auf gehügeltem Laub’ im Walde die Ameisen rastlos</p>
+<p>Kommen, und geh’n: so regte sich schon, die Rosse besorgend,</p>
+<p>Rings das reisige Volk; der Waffen Glanz und des Lagers</p>
+<p>Dumpfauftosender Lärm erfüllt’ ihm die Brust mit Vertrauen.</p>
+<p>Doch stets lauter ertönete jetzt des eisernen Hufes</p>
+<p>Schmetternder Schlag. Ein Ritter kam in brausendem Eilflug</p>
+<p>Näher, und hielt das Roß vor dem Könige, trotzigen Blicks, an.</p>
+<p>Leutold, der Kunring, war’s. Auch ihn empörte so eben</p>
+<p>Inguiomar, daß er stolz entsage dem Waffenverein hier</p>
+<p>Mit dem Beherrscher des Böhmenvolks. Nun sprach er ergrimmt so:</p>
+<p>„Lang ersehnte mein Herz des furchtbarn Kampfes Entscheidung;</p>
+<p>Aber umsonst: noch zauderst du stets, und versäumest des Glückes</p>
+<p>Schnellentfliehende Zeit. Erst sah ich hinaus aus dem Lager</p>
+<p>Ziehen die Meißner zugleich, und die Thüringer. Also bewährt sich</p>
+<p>Mir die Sage: du biethest die Hand zum schmählichen Frieden,</p>
+<p>Auf des Sohnes Verlobung bedacht, dem Grafen von Habsburg?</p>
+<span class = "pagenum">266</span>
+<p>Sey’s, ich tadle dich nicht: du magst verfahren nach Willkühr!</p>
+<p>Aber ich ziehe g’en Dürrenstein mit meinen Getreuen.</p>
+<p>Kommt dann, beide, vereint! Gar viel’ erblickt ihr der Euren</p>
+<p>Liegen, entseelt, an dem Wall’ umher, eh’ Leutold, der Kunring,</p>
+<p>Fällt: nicht besiegt durch euch &mdash; von dem Schutt der Veste
+begraben.“</p>
+<p>Stöhnend gab er dem Rosse den Sporn, und entschwand aus den Augen</p>
+<p>Ottgars schnell. Er griff an die Stirn’, um welche der Frühwind</p>
+<p>Wiegte sein grauendes Haar, und sprach zu dem sinnenden Feldherrn</p>
+<p>Lobkowitz: „So ist des Menschen Geschick! In kräftiger Jugend</p>
+<p>Hüpft der muntere Bach hervor aus grünenden Thälern;</p>
+<p>Eilet dem freundlichen Land’ und den schimmernden Städten
+entgegen,</p>
+<p>Stets gewinnend an Kraft, als sich unzählige Flüsse,</p>
+<p>Huldigend, ihm anreih’n: er rauscht, ein mächtiger Strom, fort.</p>
+<p>Doch nicht ferne dem Ziel’, eh’ er matt versinkt in des Meeres</p>
+<p>Dunkelen Schooß, reißt hier und dort sich in sandigen Eb’nen</p>
+<p>Wieder ein Arm nach dem andern von ihm, und er endet verloren</p>
+<p>Dann in dem allverschlingenden dort, auf immer die Laufbahn!</p>
+<p>Aber, wohlan, nicht klage der Feind: mit unzähligen Scharen</p>
+<span class = "pagenum">267</span>
+<p>Hätt’ ich errungen den Sieg! Die treu verharren, genügen</p>
+<p>Mir noch, Oestreichs Thron zu erkämpfen im Felde der Ehren.</p>
+<p>Auf, wir ziehen dahin! Die Dromet’ erschalle; die Trommel</p>
+<p>Rufe zur Schlacht, und im Wind entfalte sich winkend die
+Sturmfahn’!“</p>
+<p>Also geschah’s: denn rasch vordrangen die muthigen Scharen.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">268</span>
+<h3><a name = "gesang9" id = "gesang9">Neunter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Sanft verhallete jetzt der Gesang zu der heiligen Feier,</p>
+<p>Die der Priester des Herrn vollendete, kreisendumgeben</p>
+<p>Von des Heeres geordneten Reih’n. Im räumigen Lager</p>
+<p>Stand der Altar erbaut vor dem Bild des erlösenden Kreuzes</p>
+<p>Schnell, wie die Zeit es heischt’, im Schmuck hellgrünender
+Reiser;</p>
+<p>Aber im Augenblick, wo nahe des Lebens und Todes</p>
+<p>Würfel fallen, aufschwang sich das Herz in heißerer Andacht</p>
+<p>Mit dem Gesange zu Gott: gar feierlich schlug’s in dem Busen!</p>
+<p>Jetzt vom Staub, wo er bethend kniet’, erhob sich der Kaiser.</p>
+<p>Himmlische Ruh’ erhellte sein Aug’, und, heiteren Muthes</p>
+<p>Pochte sein Heldenherz, da im Feld die kehrenden Scharen</p>
+<p>Schnell sich ordneten: denn schon riefen zum Kampf die Drometen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Hell aufflammte des Morgens Strahl. Die freundliche Sonne,</p>
+<p>Die den Abend zuvor in Westen ermüdet hinabsank,</p>
+<span class = "pagenum">269</span>
+<p>Hob sich in Osten jetzt, als unter dem kreisenden Erdball</p>
+<p>Sie die heimliche Bahn vollendete, schöneren Anblicks,</p>
+<p>Wieder herauf, und erweckte die Welt zu erneuertem Leben.</p>
+<p>Frischer grünte das Feld, und glänzender hüpfte der Strom hin;</p>
+<p>Voll war Himmel und Erde vom Laut der verjüngeten Schöpfung;</p>
+<p>Nur aus dem Waffenschmuck des versammelten Heers in dem Lager,</p>
+<p>Sog die Sonn’, im Lauf, toddräuenden Glanz, und erfüllte</p>
+<p>Rings die Völker umher mit Angstgebilden der Zukunft.</p>
+<p>Aber den Kaiser umgab ein Kranz erlesener Feldherrn;</p>
+<p>Alle horchten auf ihn, und harrten freudig des Winkes,</p>
+<p>Der zu Thaten sie rief. Da sprach er, finsteren Blicks, so:</p>
+<p>„Ottgar säumt, uns hier, wie er gestern gedroht, zu vernichten.</p>
+<p>Schmach der That: nicht der Sitte gemäß, die aus grauender
+Vorzeit</p>
+<p>Wir ererbten, uns both er den Kampf; nein, heimlich, im Dunkeln</p>
+<p>Fiel er, dem Währwolf gleich, der nächtlich die Hürde bestürmet,</p>
+<p>Ueber uns her. Es gelang dem Kühnen, zerstreute Geschwader</p>
+<p>Niederzuwerfen: sie trugen die Schuld und hatten den Lohn hin,</p>
+<p>Allen zum warnenden Wink, daß nimmer ein Gleiches geschehe!</p>
+<p>Aber vernehmt, was mir zuvor an heiliger Stätte</p>
+<span class = "pagenum">270</span>
+<p>Mächtig die Seel’ ergriff. Der entschwundenen Tage des Lebens</p>
+<p>Dacht’ ich im stillen Gemüth: kein dauerndes Glück ist auf Erden.</p>
+<p>Als ich Gutes und Schlimmes erwog, da fand ich, verwundert,</p>
+<p>Daß ich am Freitag, an dem der Welterlöser für uns starb,</p>
+<p>Stets mit Vortheil focht, und den Sieg errang in der
+Feldschlacht.</p>
+<p>D’rum, nicht aus Feigheit, nein, aus herzentspross’ner Verehrung</p>
+<p>Für das geheiligte Kreuz, will ich den Kampf der Entscheidung</p>
+<p>Morgen kämpfen, am Tag des heiligen Bartholomäus&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Heute, gefaßt, nur kühn abwehren den feindlichen Angriff</p>
+<p>Ottgars, so er ihn wagt. Wir wollen sogar ihm versöhnend</p>
+<p>Nah’n vor des furchtbaren Kampfes Beginn. Hervor aus den Reihen,</p>
+<p>Trautmansdorf! Zieh’ hin zu dem Könige; bieth’ ihm des Friedens</p>
+<p>Oehlzweig noch einmal aus meiner versöhnlichen Rechten.</p>
+<p>Mögen auch dein’ Erzeugten, wie sonst, dir folgen, daß etwa</p>
+<p>Solches den Trotz ihm beugt, und das Herz zur Milde beweget:</p>
+<p>Denn tief rührt uns die Schau des söhn’umgebenen Helden!“</p>
+<p>Also geschah’s. Hervor aus den Reihen der tapferen Ritter</p>
+<p>Kam nun Trautmansdorf mit den zwölf ruhmdürstenden
+Söhnen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Zwei entraffte der grimmige Tod schon gestern im Nachtgrau’n,</p>
+<p>Als sie im Ueberfall dort Ottgars Rechter erlagen.</p>
+<span class = "pagenum">271</span>
+<p>Ach, nicht lange, so fallen auch sie, auf dem eisernen
+Schlachtfeld</p>
+<p>Kämpfend, und einsam kehrt der trauernde Vater zur Burg heim!</p>
+<p>Jetzt entblößt’ er den Stahl, und sagte mit sinnigen Blicken:</p>
+<p>„Hart ertönet dem Vater der Ruf, daß er nahe dem Gegner,</p>
+<p>Dessen Rechte noch roth vom Blut der erschlagenen Söhn’ ist:</p>
+<p>Denn er könnte den Streit, obgleich ein Bothe des Friedens,</p>
+<p>Heißer entflammen. Wohlan, wir wollen des Friedens gedenken!“</p>
+<p>Sagt’ es, und sprengte davon, umringt von den tapferen Söhnen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Siehe, nicht fern von Zwerndorf theilt, von trüben Gewässern</p>
+<p>Schwer, sich der Weidenbach, und eint sich nur wieder vor
+Marcheck.</p>
+<p>Links hin streckt er im Augefild den schlängelnden Arm aus,</p>
+<p>Während, die Straß’ entlang, er rechts die tieferen Fluthen</p>
+<p>Träg fortwälzt. In dem Eiland dort, Baumgarten vorüber,</p>
+<p>Traf nun Trautmansdorf auf die Reisigen, welche der Gegner</p>
+<p>Sandt’, umspähenden Blicks, zu erkunden die Nähe des Gegners:</p>
+<p>Denn es erlies’t auf der Kriegslaufbahn ein jeglicher Feldherr</p>
+<p>Waghäls’ sich, die im Grau’n des feindbedroheten Vorschritts,</p>
+<p>Als <em>Erleuchter</em> ihm zieh’n, und Sicherheit schaffen der
+Heersmacht.<a class = "tag" name = "tag9_1" id = "tag9_1" href =
+"#note9_1">1</a></p>
+<p>Schon von ferne die Schar, die Rudolph sandte, gewahrend,</p>
+<span class = "pagenum">272</span>
+<p>Ritten sie, brausenden Flugs, zu den Mähnen gebeugt, und den
+Degen</p>
+<p>Schwingend auf in die Lüfte, heran: sie wähnten, des Gegners</p>
+<p>Vorhuth sey’s, und brannten vor Gier, sie niederzuschmettern.</p>
+<p>Laut schrie Trautmansdorf: „Halt ein! Als Herolde nah’n wir:</p>
+<p>Blutigen Kampf &mdash; will’s Gott, noch lieber den Frieden zu
+biethen!“</p>
+<p>Jen’, unmuthigen Blicks (denn beutebegierig) ihm winkten</p>
+<p>Stille zu halten am staubenden Weg’, und sendeten alsbald</p>
+<p>Zween der Reiter zurück, des Feldherrn Sinn zu erforschen,</p>
+<p>Milota’s; doch er that, des Herolds Worte bedenkend,</p>
+<p>Solches dem Herrscher kund, und er säumte nicht: denn mit den
+Reitern</p>
+<p>Seines Gefolgs und Milota’s, kam er heran zu dem Vor-Zug;</p>
+<p>Hemmte den Rappen, und hieß, mit zorngerötheten Augen,</p>
+<p>Gegen ihn stolzausstreckend den Arm, den Redner beginnen:</p>
+<p>„Mein erlauchtester Kaiser und Herr,“ so sagte der Ritter,</p>
+<p>„Sendet dir freundlichen Gruß, und thu’t dir kund, und zu wissen:</p>
+<p>Nicht nach edelem Brauch &mdash; unritterlich hast du sein Volk
+ihm</p>
+<p>Ueberfallen bei dunkeler Nacht, und zu weichen, gezwungen.</p>
+<p>Dennoch biethet er jetzt, hier unter des wölbenden Himmels</p>
+<p>Heiterem Blau, und im Angesicht des versammelten Heeres,</p>
+<p>Dir an dem Fest des heiligen Bartholomäus, auf morgen,</p>
+<p>Offen die Feldschlacht an; obgleich gerüstet, entschlossen</p>
+<p>Heut’ in dem Lager zu ruhn, und abzuwehren den Angriff</p>
+<span class = "pagenum">273</span>
+<p>Deiner Gewaltigen, wenn &mdash; doch, das sey ferne, sie
+stürmten.</p>
+<p>Aber er heißt dich zugleich das Wohl und das Wehe bedenken</p>
+<p>Tausender. Seyd versöhnt! Du vernahmst des Friedens Bedingniß.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar schwieg erstaunt. Ihn erschütterte heimlich die Bothschaft.</p>
+<p>Auch ergriff ihn mit Zaubergewalt ein flüchtiger Anblick</p>
+<p>Jener blühenden Schar, die um ihren Erzeuger zu Pferd saß.</p>
+<p>Bald auf dem einen und bald auf dem anderen hing mit Gefallen</p>
+<p>Sein gemilderter Blick: er dachte des Sohnes, und &mdash;
+Wallsteins!</p>
+<p>Schon gewahrete jetzt auch Lobkowitz, daß ihm der Unmuth</p>
+<p>Wich aus der Brust: er kam, des Friedens Ruf zu erneuern;</p>
+<p>Aber da naht’ ihm Katwald schnell, und haucht’ ihm, vor allem,</p>
+<p>Trotz in das Herz. Er sagte: „Du sollst für den blühenden
+Oehlzweig</p>
+<p>Tauschen heute dein Schwert im furchtbarn Felde der Waffen,</p>
+<p>Wo der Sieg dich erhöht’? Ein Thor wär’s, der es nicht sähe,</p>
+<p>Daß nur die Angst vor dir ihm solches gerathen; zerschmettr’
+ihn!“</p>
+<p>Also der Geist. Auch Milota rief ihm, verhöhnend, entgegen:</p>
+<p>„Ha, du sollest vielleicht neu huldigen, wie auf dem Eiland</p>
+<span class = "pagenum">274</span>
+<p>Kamberg? Steht das dunkle Gezelt, mit dem trüglichen Vorhang,</p>
+<p>Dich zu beschimpfen, bereit, daß rings die Völker dich schauen,</p>
+<p>Dich, den König von Böheim, dort auf den Knie’n vor dem Kaiser?“</p>
+<p>Ottgar ballte die Faust; er sah mit grimmigen Augen</p>
+<p>Um sich her, und begann voll Wuth: „Wer wagt es, vom Frieden</p>
+<p>Hier zu sprechen? Hinweg auf immer mit jeglicher Einung</p>
+<p>Zwischen Habsburgs Grafen und mir, dem Könige! Weichet,</p>
+<p>Zitternde Memmen, nur wieder zurück’, und entbiethet von Ottgar</p>
+<p>Ihm die Fehd’ auf Leben und Tod! Zieht hurtig von hinnen,</p>
+<p>Alle, daß euch nicht ereile mein Zorn schon hier, vor dem
+Angriff.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Rasche Bewegung erhob sich im Kreis’ der gesendeten Helden:</p>
+<p>Manchem zuckt’ es im Arm, aus der Scheide sein blinkendes Eisen</p>
+<p>Gegen den König zu zieh’n; doch schnell bezwang sie der Vater:</p>
+<p>„Denket,“ so rief er gefaßt, „wir kamen als Herolde Rudolphs,</p>
+<p>Unsers erhabenen Kaisers, gesandt: nicht ziemt es uns, jetzt hier</p>
+<p>Rächer der Unbill zu seyn; doch bald, in dem Felde der Waffen</p>
+<span class = "pagenum">275</span>
+<p>Laßt uns gedenken der Schmach, und sie rächen im Blute mit
+Nachdruck.“</p>
+<p>Rief’s, und jagte den Renner zurück’. Ihm folgten die Seinen</p>
+<p>Zögernd, vor Ingrimm, nur, und wandten die flammenden Augen</p>
+<p>Häufig zurück: denn ach, die raschnachstürmenden Reiter</p>
+<p>Höhnten sie noch mit Geschrei und mit schallendem, lautem
+Gelächter!</p>
+<p>Sieben gehorchten, und folgten ihm nach; doch lenkten die andern</p>
+<p>Fünf’, aus der Zahl der eigenen Söhn’, unbändiger Wuth voll,</p>
+<p>Plötzlich die Rosse herum, und flogen zurück auf dem Heerweg.</p>
+<p>„Brüder,“ so rief der älteste laut, „kommt, lasset uns sterben,</p>
+<p>Eh’ wir dulden die Schmach, die uns also die Seele betrübet!“</p>
+<p>So mit empörendem Ruf’ enteilete Hartwig, den Degen</p>
+<p>Schwingend zur Luft. Ihm nach, mit Eckhard, Walther, und
+Siegfried,</p>
+<p>Folgte sein Zwillingsbruder und Freund, der tapfere Dietbert,</p>
+<p>Bis sie erreichten die Schar der Reisigen, die zu dem Angriff</p>
+<p>Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete, führte:</p>
+<p>Denn er warb sie entlang die grünlichen Fluthen des Peltew,</p>
+<p>Jüngst: Klein-Reussens Volk, zu des Kriegs Beschwerden gestählet,</p>
+<p>Wie auch geübt in dem Schlachtengedräng, schnellfüßige Rosse</p>
+<p>Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels;</p>
+<p>Dann mit des Fußes Druck’ und dem Stoße der nervigen Rechten</p>
+<p>Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen.</p>
+
+<span class = "pagenum">276</span>
+<p class = "stanza">
+Siehe, so weit ein Pfeil, von der Sehne geschnellt, in den Lüften</p>
+<p>Herfleugt, hemmte schon Hartwig das Roß, und harrte, dem Leu’n
+gleich,</p>
+<p>Der in der Hetz’, umringt von emporgereiheten Sitzen</p>
+<p>Voll schaulustigen Volkes, allein, der entfesselten Rüden</p>
+<p>Heulender Schar, wie sie kommen, mit todandräuenden Augen</p>
+<p>Harrt, und vor Grimm dumpf murrt: so Hartwig, als ihm die Reiter</p>
+<p>Naheten; doch er rief mit gewaltiger Stimme noch laut so:</p>
+<p>„Ha, ihr brüstet euch wohl, auf die zierlichgestalteten Mützen</p>
+<p>Wie auf das wallende Kleid und die fähnleintragenden Lanzen</p>
+<p>Stolz, in dem Vor-Zug oft, in vielumstürmender Mehrzahl,</p>
+<p>Niederzustoßen den einzelnen Mann? &mdash; so gar nicht geachtet,</p>
+<p>Weder dem Feinde noch Freund’: denn bar all’ edler Gesinnung,</p>
+<p>Die des Kriegers Brust, des tapferen, füllet mit Großmuth!</p>
+<p>Euere Zung’ ist kühn, die Helden zu schmähen; so kommt denn,</p>
+<p>Zeiget den Muth, uns hier zu besiegen im rühmlichen Vorkampf!“</p>
+<p>Also drang er im Eilflug vor; ihm folgten die Brüder</p>
+<p>Alle, zur Wuth empört. Den Schaft der feindlichen Lanzen</p>
+<p>Jetzt aufschleudernd zugleich mit dem Schwert’, erwürgten der
+Gegner</p>
+<p>Dreizeh’n sie, voll Hast, und wandten dann fliehend den Rücken.</p>
+<p>Fort nur ein Weniges noch, und sie waren entrückt dem Verderben:</p>
+<span class = "pagenum">277</span>
+<p>Da fiel Dietberts Roß, und begrub mit dem Rücken den Reiter.</p>
+<p>Hartwig ersah’s, wie er lag in dem Staub: denn immer nach ihm hin</p>
+<p>Wandt’ er den lächelnden Blick; urplötzlich verscheuchte das
+Lächeln</p>
+<p>Jetzo die Angst: er stieg nicht, er stürzte vom Pferde herunter;</p>
+<p>Lief, erhob ihn, und strebt’, auf den Rücken des rasch und behend
+sich</p>
+<p>Wieder erhebenden Thiers, ihm, lautermunternd, zu helfen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch schon nahten im Flug die erbitterten Feinde. Die Lanzen,</p>
+<p>Lechzend nach Blut, voreileten weit, zugleich von der Rechten</p>
+<p>Und vom kräftigen Fuße gedrängt, zum schrecklichen Mordstoß.</p>
+<p>Sieh’, und, als den Zaum und die Mähn’ erfassend, sich Dietbert</p>
+<p>Auf in den Bügel schwang, da bohrten der feindlichen Reiter</p>
+<p>Zween ihm die Lanz’ in die Brust: er sank, und verhauchte das
+Leben,</p>
+<p>Eh’ aufschreiend vor Angst um den liebenden Bruder, ihm Hartwig</p>
+<p>Hülfe geschafft, und Eckhard, fern mit Walther und Siegfried,</p>
+<p>Sich des Jammers versah’n im lauterbrausenden Heimritt.</p>
+<p>Zwar sie kehrten zurück’; auch Hartwig saß in dem Sattel</p>
+<p>Wieder, und so wie der wüthende Bär, dem drüben der Weidmann</p>
+<span class = "pagenum">278</span>
+<p>Schon das zweite Geschoß in die Seite getrieben, sich brüllend,</p>
+<p>Auf den hinteren Beinen erhebt, und rasch auf den Schützen</p>
+<p>Losstürmt: drang auch er, ergrimmt, auf die feindliche Schar ein.</p>
+<p>Nur die Zween im Aug’, die ihm erst erwürgten den Bruder,</p>
+<p>Gab er dem Rosse den Sporn, und warf sich inmitten der beiden:</p>
+<p>Einem im Flug zerschmetternd die Stirn’, und dem andern die
+Scheitel</p>
+<p>So, daß sie lautlos jetzt, und auf einmal dem Sattel entstürzten!</p>
+<p>Hoch aufflatterte noch, im Sturz, von dem Schafte das Fähnlein,</p>
+<p>Das, geröthet vom Blut des erschlagenen Bruders, ihn reizte.</p>
+<p>Lang’ noch, hätt’ er zugleich mit den drei kampfmuthigen Brüdern,</p>
+<p>Sich, unbändiger Kraft, gewehrt, und noch manchen der Gegner</p>
+<p>Hingewürgt; doch schrie, vor Wuth sich die Lippen zernagend,</p>
+<p>Jaroslav, der Führer des Volks, mit entsetzlicher Stimme:</p>
+<p>„Schließt, ihr Memmen, den Kreis um die Rasenden; stoßet sie
+nieder!“</p>
+<p>Also geschah’s: denn jetzt, umringt von dichteren Haufen,</p>
+<p>Sanken sie dort, mit nie zu erschütterndem Muthe sich wehrend,</p>
+<span class = "pagenum">279</span>
+<p>Alle, vom Sattel herab, und verhauchten auf Leichen der Gegner,</p>
+<p>Die sie im Kampf’ erwürgten zuvor, die tapferen Seelen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch der unglückliche Vater flog auf dem schnaubenden Rosse</p>
+<p>Nach dem Lager zurück. Den Herrscher zu treffen, verlangend,</p>
+<p>Daß er ihm künde sogleich das Nahen der feindlichen Heersmacht,</p>
+<p>Sprengt’ er, die Scharen entlang, dorthin, wo im Hauche des
+Windes</p>
+<p>Sein Panier aufflatterte, schön und erhaben vor allen.</p>
+<p>Eilig sprach er vor ihm, um die fünf gefährdeten Kinder,</p>
+<p>Die ihm nicht folgten, besorgt: „Umsonst ersehnst du den Frieden</p>
+<p>Jetzt mit dem Könige: denn nur des Kampfs und der Rache gedenkt
+er.</p>
+<p>Wisse, dir nah’t sein Heer; nicht fern mehr streifen die Reiter</p>
+<p>Milota’s. Ach, mir gönne die Huld, vor des Lagers Umwallung,</p>
+<p>Kehrend in Eile, zu schau’n: ob mein’ Erzeugten mir folgen?</p>
+<p>Denn sie sanken vielleicht, empört von unwürdiger Schmähung,</p>
+<p>Die von dem Feind’ uns ward, als Opfer unbändiger Rachgier!“</p>
+<p>Sagt’ es, und eilete dann, von den tapferen Söhnen umgeben,</p>
+<span class = "pagenum">280</span>
+<p>Wieder hinaus vor des Lagers Wall, wo Lärm und Getümmel</p>
+<p>Unter dem Volk sich erhob: denn Milota’s furchtbare Reiter</p>
+<p>Jagten herbei, wie am grau’numhülleten Morgen des Winters</p>
+<p>Mit endlosem Geschrei unzählige Krähen heranzieh’n;</p>
+<p>Schwangen die Lanzen zur Luft, und bothen dem Heere des Kaisers</p>
+<p>Kampf auf Leben und Tod, mit wildverhöhnendem Trotz’, an.</p>
+<p>D’rauf nachbrausten sie wieder im Flug den Kriegesgefährten,</p>
+<p>Sich auf des Feldherrn Wink schnell aufzustellen im Saatfeld.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber der Lärmruf scholl nun rings in dem Lager. Die Trommel</p>
+<p>Wirbelte; stets empörender klangen die hellen Drometen;</p>
+<p>Herolde flogen voll Hast umher; die Stimme der Führer</p>
+<p>Rief gebiethend zur Schlacht; das Fußvolk schloß sich in Reihen;</p>
+<p>Rasch auf das Pferd aufschwang sich der Reisige; schimmernden
+Anblicks</p>
+<p>Zogen die Ritter allen voran, und herrlich geordnet</p>
+<p>Ging jetzt Rudolphs Heer in festausdauernder Abwehr</p>
+<p>Außer des Lagers Wall, dem Feinde die Spitze zu biethen.</p>
+<p>Ach, dort starrete noch auf die fünf erschlagenen Brüder</p>
+<p>Trautmansdorf, der tapfere Held, mit erschütternder Fassung,</p>
+<p>Schweigend, hinab! Es sandte zuvor der schreckliche Feldherr,</p>
+<span class = "pagenum">281</span>
+<p>Milota, der auf dem Feld den angstergriffenen Landmann</p>
+<p>Zwang, das gehörnete Rind, in Eil’, an den Karren zu spannen,</p>
+<p>Sie nach dem feindlichen Lager heran. Da enthoben die Krieger</p>
+<p>Jenem die traurige Last, und legten sie dort auf den Boden.</p>
+<p>Aber er trieb sein Gespann, schnell wieder zurück’ auf dem
+Heerweg.</p>
+<p>Siehe, schon wandte sich Trautmansdorf von den theueren Todten</p>
+<p>Nach den Lebenden um, und gewahrte mit steigender Rührung</p>
+<p>Jetzt, daß sie all’, ihm gleich, bezwangen die Thräne. Nur Erdwin</p>
+<p>Hielt sich nicht länger, der jüngst’, und der theuerst’ ihm seiner
+Erzeugten:</p>
+<p>Denn er sprang von dem Roß’, und warf mit schallendem Wehruf</p>
+<p>Sich auf die Brüder hin: nun dem &mdash; dann wieder dem andern</p>
+<p>Küssend die blasse Stirn’ und die toderstarreten Lippen.</p>
+<p>Schnell umzog ein glänzender Thau die Augen des Vaters</p>
+<p>Und der Söhne zugleich; sie weineten, über die Todten</p>
+<p>Hingebeugt. Doch jetzo begann der tapfere Feldherr:</p>
+<p>„Keiner tadle den Schmerz, der uns bei den jammernden Tönen</p>
+<p>Meines geliebtesten Sohnes ergriff. Vielleicht, daß ihn auch bald</p>
+<span class = "pagenum">282</span>
+<p>Grausam der Tod entrafft. Daß mir doch solches geschähe,</p>
+<p>Eh’ denn ihm &mdash; zu entsetzlich wär’ des Getödteten Anblick!</p>
+<p>Aber so will es des Kriegers Los: er sterbe der Pflicht treu!</p>
+<p>Nur beschirmt, als Brüder, ihn kühn! Im Gemenge der Waffen</p>
+<p>Möge der eine die Brust für den andern biethen, und Rettung</p>
+<p>Schaffen sich selber und ihm, der Wechselhülfe gedenkend!</p>
+<p>Erdwin, auf! Gebieth’, und schnell gehorchen die Krieger</p>
+<p>Dir: nach Marchecks heiligem Grund die gefallenen Helden</p>
+<p>Heimzutragen, daß dort der Priester mit Grabesgesängen,</p>
+<p>Segnend, vertraue dem Staube den Staub; du folge dem Zug’ nach!“</p>
+<p>Erdwin winkte den Kriegern stumm: sie erhoben die Leichen</p>
+<p>Auf langschaftige Speer’, und trugen sie schnell nach den Mauern</p>
+<p>Jener, unferne gelegenen Stadt, daß Alles und Jedes</p>
+<p>Nach dem Willen geschah des mildgesinneten Vaters.</p>
+<p>Durch das geordnete Heer ging nun der trauernde Zug fort:</p>
+<p>Denn nach dem Rasenwall, den gestern unzähliges Landvolk</p>
+<p>Baute, und d’rauf mit dem Graben umzog, dem Lager zur Schutzwehr,</p>
+<p>Kam es heran: in den blutigen Kampf mit dem Feinde zu treten.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber, nicht rastete Katwald jetzt im höheren Luftraum:</p>
+<p>Denn voll Muthes empört’ er die Kraft des nahenden Feldherrn,</p>
+<span class = "pagenum">283</span>
+<p>Milota’s. Sieh’, als dieser die furchtbarn Reisigen Herbots</p>
+<p>Eilen hieß in dem Vorderzug, nach dem muthigen Fußvolk</p>
+<p>Mährens, dem er geboth, nachdrang ihm zur Rechten der Baiern</p>
+<p>Treffliche Schar, geführt von Heinrich dem edelen Herzog,</p>
+<p>Jetzt mit den Sachsen vereint, den tapferen, welche der Markgraf</p>
+<p>Pfeil (ein Pfeil in der Schlacht!) im Sturmschritt lenkte: den
+beiden</p>
+<p>Herrschte noch Czernin ob, als Feldherr. Aber zur Linken</p>
+<p>Drang der Böhmen erlesenes Volk, gehorchend dem Helden</p>
+<p>Lobkowitz, vor, und nach diesem kam das kühne Geschwader,</p>
+<p>Welches sich Ottgar heut’ erlas, gleich loderndem Feuer,</p>
+<p>Rasch aus dem Nachhalt vor, in die Reihen der Feinde zu stürmen.</p>
+<p>Katwald eilte, voll Hast, vom Einen zum Andern, und weckte</p>
+<p>Mächtig in jeglicher Brust des Kampfs entsetzliche Sehnsucht.</p>
+<p>Horch, schon tönt drometendes Erz; schon wirbelt die Trommel,</p>
+<p>Schreit der Krieger, und wiehert das Roß; schon zittert der Boden</p>
+<p>Unter dem stampfenden Huf; des Blachfelds Weite bewegt sich</p>
+<p>Vorwärts. Doch, wie im Hauch zwei streitender Wind’ an den Ufern</p>
+<p>Wogen die Fluthen des See’s herauf und hinunter: so trat auch</p>
+<p>Rudolphs tapferes Heer vor dem Wall den Feinden entgegen,</p>
+<span class = "pagenum">284</span>
+<p>Und, wie der thürmende Wald erkracht, den plötzlich aus Süden</p>
+<p>Und aus Norden zugleich, Orkane zerschmettern im Spätherbst:</p>
+<p>Zahllos liegen umher die unendlichen Stämme geworfen</p>
+<p>Durcheinander hinab in den Staub: so lagen die Reiter</p>
+<p>Dort mit den Rossen, erwürgt, und des Fußvolks Reihen vermenget.</p>
+<p>Furchtbar wüthete heut vor allen der tapfere Feldherr,</p>
+<p>Milota, so daß Ottgar selbst den gewaltigen Thaten</p>
+<p>Staunte, die er vollbracht’ in des Todes erkorenem Saatfeld.</p>
+<p>Ach, er ahnete nicht, wie der Rachebrütende jetzt auch</p>
+<p>Arges sann im Gemüth &mdash; daß er ihm vertraue, die Scheingluth</p>
+<p>Heuchelte, bald Verrath nur an ihm zu verüben, entschlossen!</p>
+<p>„Herbot,“ so rief er „hin, wo in keilgestalteter Ordnung</p>
+<p>Oestreichs Heerschar naht &mdash; die Ritter für jetzo
+vermeidend,</p>
+<p>Eile zuerst, und stürm’ im Flug’ in die Seite des Volks ein!“</p>
+<p>Also geschah’s: denn schmetternd erklangen die eh’rnen Drometen;</p>
+<p>Schnell, wie das Wetter fleugt, vorbraus’ten die reussischen
+Reiter,</p>
+<p>Und die gesenkte Lanz’ aus der Röhre des eisernen Bügels</p>
+<p>Festnachdrängend, erkor ein jeder von ferne den Mann schon,</p>
+<p>Dem er die Brust zu durchbohren beschloß. Wohl sechzig erlagen</p>
+<p>Also dem tödlichen Stahl der wildanprallenden Reiter,</p>
+<span class = "pagenum">285</span>
+<p>Die in des oberen Oestreichs Gau’n der tapfere Hauptmann</p>
+<p>Berchthold, warb, und lautes Geschrei auftobte zum Himmel.</p>
+<p>Jene wichen zurück’, um schnell zu erneuerndem Anlauf</p>
+<p>Sich zu stellen im Feld’, und die mordende Lanze zu senken;</p>
+<p>Aber Capellen, der oberste Hort des Volks, wie des Ober-</p>
+<p>Also des Unterlands, flog her, und empörte sie laut so:</p>
+<p>„Denket der Ehr’ und des Vaterlands, östreichische Männer,</p>
+<p>Jetzt in dem Kampf. Nur fest die Reihen geschlossen; die Lanzen</p>
+<p>Kühn dem Feind’ entgegengesenkt, und, nah’t er, zur Erd’ euch</p>
+<p>Hurtig gebeugt; dann auf, zu durchbohren dem schnaubenden Rosse,</p>
+<p>Oder dem Reiter, die Brust! Bald schaut ihr sie fliehen im
+Schlachtfeld.“</p>
+<p>Auch die Steyrer entflammt’ er, und rief: „Heut sollt an dem Feind’,
+ihr,</p>
+<p>Krieger der Steyermark, euch rächen, der Schande gedenkend,</p>
+<p>Wie ihr gewichen vor ihm mit Lärm und Getös’ in dem Nachtgrau’n,</p>
+<p>Fortgerissen durch Schuld des Pettau’r, der, von dem Kaiser</p>
+<p>Heimgesandt, hinfort zur Flucht euch nimmer verlocket!</p>
+<p>Jetzo nur kühn an den Feind! Uns lohnt der herrlichste Sieg
+bald.“</p>
+<p>Sagt’ es, und sprengte zurück: da braus’ten die furchtbaren
+Reiter</p>
+<p>Herbots wieder heran, zu erneuen den muthigen Angriff.</p>
+<p>Jene senkten das Haupt, ausbeugend, zum Knie’ hin, und bohrten</p>
+<span class = "pagenum">286</span>
+<p>Hier dem Reiter, und dort dem Roß den Stahl in die Brust ein,</p>
+<p>Als weit über ihr Haupt die feindliche Lanze dahinfuhr.</p>
+<p>Aber der Boden, mit Leichen bedeckt, verwandelte ringsher</p>
+<p>Sein erfreuendes Grün in die gräuliche Farbe des Blutes.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Milota sah den wankenden Sieg mit Staunen: er sandte</p>
+<p>Schnell die Reiter zurück, und führte die mährischen Krieger</p>
+<p>Gegen das Fußvolk, das aus dem ober’n und unteren Oestreich</p>
+<p>Kam, und den Steyrern vereint, ihm entgegen stand in dem
+Schlachtfeld.</p>
+<p>Gleich den Wogen des Meers, die ein Sturm aus Süden daherrollt,</p>
+<p>Eilten die Reih’n jetzt vor; doch so, wie jene zum Strand sich</p>
+<p>Stürzen mit lautem Gebrüll’, und im schäumenden Zorne
+zerschellen:</p>
+<p>Denn nicht wanket der Fels: so trafen sie auch an den Kriegern</p>
+<p>Oestreichs ehernen Widerstand im Gemenge der Waffen.</p>
+<p>Schrecklich ertönte der Schrei der Würgenden, schrecklich der
+Lanzen</p>
+<p>Kreischender Schlag, als sie den eisernen Helm und den Harnisch,</p>
+<p>Oder das Panzerhemd zerschmetterten, wüthend geschwungen.</p>
+<p>Gleich dem Orkan, flog jetzt auch Milota hin, und, ersehend,</p>
+<p>Wie die Führer des Volks: der Seldenhofen die
+Steyrer&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Berchthold Oestreichs Krieger zum Kampf’ empöreten, schwur er</p>
+<span class = "pagenum">287</span>
+<p>Beiden den Tod. Urschnell auf Berchthold drängt’ er das
+Streitroß,</p>
+<p>Und als dieser, erhebend das Schwert, die muthigen Krieger</p>
+<p>Oestreichs jetzt noch mehr vortummelte, siehe, da bohrt’ er</p>
+<p>Ihm den Stahl in den Hals, daß alsbald ihm auf den Lippen</p>
+<p>Starb das Wort, er taumelnd sank, und das Leben verhauchte!</p>
+<p>Schmerz durchzuckte die Brust des Volks bei dem schrecklichen
+Anblick,</p>
+<p>Da er, so mildgesinnt, ein Vater der Krieger genannt ward.</p>
+<p>Doch mit erneuerter Wuth flog Milota hinter den Reihen</p>
+<p>Seines Volkes hinab; drang wieder hervor, und durchrannte</p>
+<p>Col von Seldenhofen das Herz, der weit vor den Seinen,</p>
+<p>Die er entboth, hersprang, und nach ihm sein blutiges Eisen</p>
+<p>Zuckte, die Stirn’ ihm zu spalten, gesinnt. Nun brachen die Knie’
+ihm,</p>
+<p>Schlotternd, ein, und er fiel, im Tod’ erbleicht, auf das Eisen.</p>
+<p>Ach, bald jammert daheim die alterserblindete Mutter,</p>
+<p>Deren einziger Sohn und Trost er war in den Jahren</p>
+<p>Trauerbelasteter Witwenzeit auf der einsamen Felsburg:</p>
+<p>Denn nicht kehrt er zurück, wie ein täuschender Traum ihr
+verheißen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Er, den Traum ihr deutend, verhieß, die Gute zu trösten,</p>
+<p>Als er zum letzten Mal’ auszog von dem rühmlichen Stammhaus!</p>
+<span class = "pagenum">288</span>
+<p>Hier erlag er zugleich mit fünf erlesenen Kriegern</p>
+<p>Milota’s Schwert, der furchtbarn Muths, umtobt’ in dem
+Schlachtfeld.</p>
+<p>Ottgar wandte sich jetzt nach Lobkowitz um, und begann so:</p>
+<p>„Nie war Milota’s Seele mir hold: ich kenne der Menschen</p>
+<p>Trugverhüllende Brust; doch sieh’, ein schrecklicher Krieger</p>
+<p>Ist er im Feld’: ich vertraute mit Recht ihm die rühmliche
+Stelle!“</p>
+<p>Jener entgegnete schnell: „D’rum vor mit den Reitergeschwadern</p>
+<p>Jetzt, wo die Feind’ erbeben vor ihm, sie niederzuwerfen,</p>
+<p>Und zu entscheiden den Kampf in der heiteren Stunde des Glückes.“</p>
+<p>„Nein,“ so sagte der König ergrimmt, „noch laß uns verziehen,</p>
+<p>Bis er noch mehr aufflammt, und wir ihn entscheiden für immer!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Also die beiden dahier. Capellen, der Edle, gewahrend</p>
+<p>Drüben im Feld den Tod der muthigen Scharengebiether,</p>
+<p>Sandte den Oesterreichern den Meißauer hier, und den Steyrern</p>
+<p>Dort den Lichtenstein, aus der Schar der Ritter, als Feldherrn.</p>
+<p>Schnell gehorchten die zwei Feldobersten jetzo Capellens</p>
+<p>Ruf; denn jener erkor, an Berchtholds Stelle, den Helden</p>
+<p>Summerau, und Lichtenstein den furtbaren Ritter</p>
+<p>Merenberg, an jene des Seldenhofen, zu Führern.</p>
+<span class = "pagenum">289</span>
+<p>Hoch schwang Merenberg sein Schwert in die Luft, und er rief
+dann:</p>
+<p>„Ha, nun endlich dem Ziel, dem schrecklichen, näher und näher</p>
+<p>Schreit’ ich den dunkelen Pfad! Komm, Richard, und stehe dem
+Bruder</p>
+<p>Treu zur Seite, mit ihm die entsetzliche That zu vollführen,</p>
+<p>Die sich der Merenberger ersehnt! O denke des Bruders:</p>
+<p>Wie er am Galgen hing &mdash; das Haupt zu den Füßen gebunden,</p>
+<p>Dreimal schreckliche Tage sich wand! Wie, leben soll Ottgar?“</p>
+<p>Alsbald einte sich ihm in dem Kampf sein finsterer Bruder.</p>
+<p>Doch mit erneuetem Muth vorstürmten die beiden Geschwader,</p>
+<p>Und ermordeten, was sich entgegenstemmt’ in den Reihen.</p>
+<p>Also gedrängt von den Stürmenden, wich Morawia’s Fußvolk</p>
+<p>Langsam zurück’, und stand, und wehrte sich wieder: nicht anders</p>
+<p>Weicht der gewaltige Felsenblock, nach dauerndem Regen</p>
+<p>Losgewühlt vom Gebirg’, an des Bergs abgleitendem Rand hin;</p>
+<p>Bis nachströmend die Fluth ihn bewegt, und er in den Abgrund</p>
+<p>Stürzt im sausenden Sprung’ und Getös’, unhemmbaren Fluges.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch der erhabene Kaiser sah mit Freude die Seinen</p>
+<p>Ringen im Feld, die im Vorkampf schon die gesunkenen Lorbern</p>
+<span class = "pagenum">290</span>
+<p>Ihrer Heldenstirn’ jetzt herrlicher wieder erhöhten.</p>
+<p>Schnell entboth er zu sich Trentschins Gebiether, der Ungern</p>
+<p>Muthigen Hort, und sprach: „Noch ward dir, tapferer Feldherr,</p>
+<p>Nicht eröffnet das Thor an der siegsruhmbiethenden Laufbahn;</p>
+<p>Aber ich kenne den Muth, der dich und die Deinen beseelet.</p>
+<p>Zieh’ g’en Schönfeld hin mit den furchtbarn Reitern, und harre</p>
+<p>Drüben des Winks: urschnell dem Feind’ in die Seite zu fallen.</p>
+<p>Aber der Wink sey dir: wenn, blutrothschimmernd, von Marchecks</p>
+<p>Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen.</p>
+<p>Also erringst du dir Ruhm, und mir den herrlichsten Vortheil.“</p>
+<p>Jenem erglänzten die Augen wie Gluth; er strich mit der Rechten</p>
+<p>Sich den mächtigen Bart, und sprach: „Glorwürdiger Kaiser,</p>
+<p>Gleich dem Morgenthau, der schmachtende Fluren erquicket,</p>
+<p>Hat dein ehrendes Wort das Herz mir gelabt, und des Unmuths</p>
+<p>Wolken entflieh’n mir jetzt vor den lang’umdüsterten Augen!</p>
+<p>Tödtendem Blitz und verheerenden Stürmen gleich ist im
+Schlachtfeld</p>
+<p>Ungerns tapferes Volk: ich will sie dir lenken zum Vortheil,</p>
+<span class = "pagenum">291</span>
+<p>Mir zum Ruhm: weil mich des edelsten Kaisers Vertrau’n ehrt.“</p>
+<p>Sagt’ es, und ritt im Flug, mit den jauchzenden Scharen nach
+Schönfelds</p>
+<p>Auen hinab, ersehnend den Wink zu dem schrecklichen Angriff.</p>
+<p>Aber der Kaiser entsendete links und rechts an die Feldherrn:</p>
+<p>Albrecht hier, und Meinhard dort, die Herolde; stehen</p>
+<p>Hieß er sie noch vor dem Wall’, und festabwehren des Gegners</p>
+<p>Furchtbardrängende Wuth, bis, blutrothschimmernd, von Marchecks</p>
+<p>Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen:</p>
+<p>Denn er ordnete dort die zeichenerspähenden Männer.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Marbod nahte heran. Er schwebte zuvor in dem Zeitraum</p>
+<p>Eines entfliehenden Augenblicks nach den schimmernden Mauern</p>
+<p>Drüben der Wunderstadt, Venezia,<ins class = "correction" title = "Original: »1«"><a class = "tag" name = "tag9_2" id =
+"tag9_2" href = "#note9_2">2</a></ins> die aus des Meeres</p>
+<p>Fluthen sich hebt, und des Fremdlings Brust erfüllet mit Staunen,</p>
+<p>Dort das ehrende Maal des Heldengreises zu schauen,</p>
+<p>Dandolos, der mit den Franken im Bund’, ersiegte die Hauptstadt</p>
+<p>Constantins, erst jüngst, mit nie zu erschütternder Thatkraft.</p>
+<span class = "pagenum">292</span>
+<p>Doch nun kehrt’ er zurück’, und staunte der Menge der Leichen,</p>
+<p>Die in der Männerschlacht schon weit bedeckten die Felder.</p>
+<p>Wie den Wanderer Grau’n befällt, der plötzlich ereilet</p>
+<p>Von dem sausenden Sturm’, in den tiefergesunkenen Wolken</p>
+<p>Weißherschimmernden Hagel ersieht, und drüben im Wald’ ihn</p>
+<p>Wüthen hört, wo er bald, entstürzend mit lautem Geprassel,</p>
+<p>Blühende Zweige zerschlägt, und zu Boden schmettert die Wipfel:</p>
+<p>Also befiel ein Schauder auch ihn. Im Fluge vernahm er</p>
+<p>Katwalds Ruf, wie er hier empörte den mächtigen Herbot.</p>
+<p>„Ha,“ so sprach er, „du prahltest zuvor: du wollest lebendig,</p>
+<p>Oder todt, aus der Schlacht heimführen den Kaiser der Deutschen?</p>
+<p>Eitler Schwätzer, wie werden dereinst dein spotten die Helden!</p>
+<p>Reite zur Rechten hinab, und versuche denn quer in die Reihen</p>
+<p>Einzudringen, wo Rudolph weilt, und keine Gefahr ahnt.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Herbot besann sich schnell; fünfhundert Reisigen rief er:</p>
+<p>„Folgt mir!“ und jagte zur Rechten hinab, wo, nahe dem Herrscher,</p>
+<p>Meinhards Heldenruf die Krieger zum Kampfe bewegte:</p>
+<p>Denn schon maßen im Waffengemeng’ auch die Bayern und Sachsen</p>
+<p>Sich mit den Tapferen Krains und Kärnthens. Dicht, und unzählbar</p>
+<p>Lagen die Leichen im Gras’. Doch Czernin führte die Völker</p>
+<span class = "pagenum">293</span>
+<p>Gegen Meinhards Macht, der jetzt ihn näher gewahrend,</p>
+<p>Schnell vordrang, und, genaht, ihm rief: „Du hast dich vermessen,</p>
+<p>Nächtlich, im Ueberfall, Vindobona, die herrliche Festung</p>
+<p>Zu betreten; gehofft, als Sieger, herunter zu schauen,</p>
+<p>Stolzen Blicks, aus der Kaiserburg: nun sollst du es büßen,</p>
+<p>Was du frevelnd gedacht, und gewollt, und nimmer erreicht hast.“</p>
+<p>Czernin schwieg, ergrimmt. Er senkte den Speer, und erreichte,</p>
+<p>Sausenden Flugs, den Mann, der also ihn schalt vor den Scharen,</p>
+<p>Ihm die Brust zu durchbohren, gesinnt; doch fehlt’ er des Zieles,</p>
+<p>Zitternd vor glühender Hast, und der blutgeröthete Speerstahl</p>
+<p>Streifte nur, zwischen dem Leib’ und dem Arm, durchfahrend, den
+Harnisch.</p>
+<p>Meinhard säumte nicht, hob, und senkte das Schwert, und zerschlug
+ihm</p>
+<p>Jetzo den Helm und die Stirne zugleich, daß er rücklings vom
+Rosse</p>
+<p>Sank, und, gestreckt lang hin, in Todesschauern erblaßte.</p>
+<p>So vor den äußersten Reih’n stritt auch der muthigen Sachsen</p>
+<p>Feldherr, Pfeil, mit dem weitgefürchteten Grafen von Heunburg,</p>
+<p>Der den Kärnthnern geboth, und der Hort der krainischen Scharen,</p>
+<span class = "pagenum">294</span>
+<p>Ortenburg, mit Bayerns gewaltigem Herzoge, Heinrich,</p>
+<p>Jetzo auf Leben und Tod: da Scharen des einen und andern</p>
+<p>Sich bekämpften, und rings nur Mord und Gewürge zu schau’n war.</p>
+<p>Heunburgs blitzendem Stahl’ erlag der tapfere Markgraf</p>
+<p>Pfeil, nicht des Todes Pfeil, von des Gegners Rechte
+geschleudert,</p>
+<p>Mehr vermeidend, nach schrecklichem Kampf’, und hauchte den Geist
+aus.</p>
+<p>Heinrich gelang’s, den Ortenburg aus dem Sattel zu heben,</p>
+<p>Ihm durchstoßend den Arm, daß er dort im knisternden Sandstaub</p>
+<p>Blutete, kriegsgefangen sich sah, doch wieder gerettet</p>
+<p>Heim in das Lager kam, und dem kundigen Arzte sich hingab.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, als hier in dem Streit die erbitterten Völker sich maßen;</p>
+<p>Schlachtruf scholl; Drometen schmetterten; Trommelgewirbel</p>
+<p>Klang: der Würger Geschrei und Verwundeter Aechzen ertönte,</p>
+<p>Jagte Herbot von Füllenstein mit seinem Geschwader</p>
+<p>Durch den sondernden Raum, der zwischen der mittleren Heersmacht</p>
+<p>Und dem Flügel zur Linken sich fand, in Eile
+hinunter&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Dann auf den Kaiser los, den Katwald ihm, wie der Gemsaar</p>
+<p>Fernhin schauend, verrieth mit empörendem Geistergelispel.</p>
+<p>Rudolph kam, im Gefolge der Trautmansdorfe (nur Erdwin</p>
+<span class = "pagenum">295</span>
+<p>Weilte noch, frommbesorgt, in Marchecks schattigem Freythof)</p>
+<p>Eben heran, gelockt von des raschvorstürmenden Meinhards</p>
+<p>Lautem Siegesgeschrei, und ahnte die nahe Gefahr nicht;</p>
+<p>Doch nun hemmt’ er mit zweifelndem Blick das Roß, und erforschte</p>
+<p>Gierig: ob Freund’, ob Feind’ ihm naheten? bis er des Ritters</p>
+<p>Riesengestalt ersah, der kennbar im feindlichen Heer war.</p>
+<p>„Ha,“ so rief er, „erlag mein Volk? Entsetzliches Unglück</p>
+<p>Droht: denn, seht, uns kommt ein feindlich Geschwader entgegen!“</p>
+<p>Doch schon war er umringt. Laut schrie zu seinen Erzeugten</p>
+<p>Trautmansdorf: „Kommt, laßt uns sterben für unseren Kaiser:</p>
+<p>Rettet ihn, kämpft, und ersiegt euch hier unsterblichen
+Nachruhm!“</p>
+<p>Alsbald kehrten die sechs untad’ligen Brüder den Feinden</p>
+<p>Kämpfend, entgegen die muthige Brust, vom rühmlichen Beispiel</p>
+<p>Ihres Erzeugers entflammt, den edelsten Herrscher zu retten.</p>
+<p>Aber auch Marbod sah die Gefahr, die jetzo dem Leben</p>
+<p>Rudolphs droht’; er umfing mit heißumschlingenden Armen,</p>
+<p>Flehend, Capellens Brust, und rief: „Zur Linken hinüber</p>
+<p>Eil’ im sausenden Flug’, und errette den Kaiser vom Tod jetzt!“</p>
+<p>Jener staunte bei sich, wie ihn solche Gedanken bestürmten?</p>
+<p>Gab dem Rosse den Sporn, und jagte herüber im Blachfeld.</p>
+
+<span class = "pagenum">296</span>
+<p class = "stanza">
+Schon umhäuften die Brüderschar in Menge die Leichen;</p>
+<p>Schon war Edelred mit Erhard gefallen: die andern</p>
+<p>Bluteten; doch ermahnte sie laut ihr edeler Vater</p>
+<p>Noch mit dem Schwert’ in der Faust, zum Kampf für den edelsten
+Kaiser.</p>
+<p>Sie gehorchten ihm all’, und erlagen nach schrecklichem Mord nur:</p>
+<p>Kurd, Agilolf, und zuletzt mit Otto der heitere Winfried.</p>
+<p>Jetzt drang Herbot schnell mit dem Speer, der hoch wie ein
+Mastbaum</p>
+<p>Sich in die Lüft’ erhob, auf Rudolphs tapfere Brust ein.</p>
+<p>Siehe, nicht traf er die Brust des kampferfahrenen Herrschers;</p>
+<p>Doch dem steigenden Roß durchstieß er die Stirn, daß es stöhnend</p>
+<p>Sank, und zugleich in den Staub den trefflichen Reiter herabwarf!</p>
+<p>Ha, wer rettet ihn mehr? Zwar nahte Capellen; die Ritter</p>
+<p>Naheten; links und rechts herstürmten die muthigsten Krieger:</p>
+<p>Dennoch war es um ihn gescheh’n, und die Hülfe vergeblich,</p>
+<p>Wenn nicht hurtig er selbst, mit dem mordenden Speer in der
+Rechten,</p>
+<p>Auf den schrecklichen Mann losfuhr; unbändigen Muthes</p>
+<p>Ihn bekämpfte; den Streich nach seinem geschlossenen Schlachthelm</p>
+<p>Führend, mit solcher Gewalt ihn traf, daß die Augen ihm alsbald</p>
+<span class = "pagenum">297</span>
+<p>Dunkelten &mdash; Seh’n und Hören verging. Auch erhob er
+urplötzlich</p>
+<p>Wieder den Speer: durchstach dicht unter dem Kinne den Riemen,</p>
+<p>Der den Helm an das Haupt ihm festigte; drehte den Schaft noch</p>
+<p>Hurtig herum, und riß blitzschnell ihn vom Sattel herunter.</p>
+<p>Wie die Zinne der Burg, vom Orkan zur Erde geschleudert,</p>
+<p>Fällt mit Gekrach, und der Grund weit hin erbebet: so fiel dort</p>
+<p>Herbot zur Erde: sie bebte dem Fall’, und Gerassel der Waffen</p>
+<p>Scholl im Gefild’ umher. Laut schnaubend vor Angst und Entsetzen</p>
+<p>Jagte Capellen herbei. Er both, vom Pferde gesprungen,</p>
+<p>Solches dem Kaiser, und half ihm hinauf in den Sattel, er selber</p>
+<p>Schwingend das Schwert mit Trautmansdorf, dem tapferen Helden,</p>
+<p>G’en die umdrängende Feindesschar sich zur Wehre zu stellen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Schon entfloh die Gefahr: ein Jauchzen erscholl um den Herrscher,</p>
+<p>Als jetzt Herbots Volk sich ergab an die drängenden Scharen.</p>
+<p>Aber er stand, und zitterte. Schnell, empört von dem Anblick</p>
+<p>Dieses Gewaltigen, der das Leben des Kaisers bedrohte,</p>
+<p>Sprengten die zürnenden Krieger herbei, an ihm Rache zu üben;</p>
+<span class = "pagenum">298</span>
+<p>Doch der Erhabene rief: „Zurück, verschont ihn: er lebe!</p>
+<p>Das sey ferne, daß ich bestrafe den tapferen Ritter,</p>
+<p>Der so kühn sich erwies, nicht Tausende scheuend, im Angriff:</p>
+<p>Heute noch komm’ er nach Wien in ehrenvolle Gewahrsam.</p>
+<p>Trautmansdorf, dir dank’ ich das Leben, nach Gott! Nicht zum
+Boden</p>
+<p>Wende den Blick jetzt mehr, noch einmal die Opfer zu sehen,</p>
+<p>Die es dich kostete! Fort, zur Rechten hinab, und entbiethe</p>
+<p>Albrecht schnell: er stürm’ in den Feind; du stehe zur Seit’ ihm</p>
+<p>Dann mit gewaltigem Arm, ein rettender Schild in Gefahren!</p>
+<p>Eilt nun all’ an’s Werk! ich bin geborgen; erhebt euch!“</p>
+<p>Alle jagten davon; nur einer &mdash; unglücklicher Vater,</p>
+<p>Nur du allein verweiletest noch, und sah’st auf die Todten,</p>
+<p>Uebergebogen, hinab; dann gabst du dem Rosse die Spornen!</p>
+<p>Ach, und das Augenpaar des umschauenden Kaisers erglänzte,</p>
+<p>Thränenumhüllt! Doch jetzt aufschwang er den Degen: von Marchecks</p>
+<p>Thurm ertönten mit stürmendem Ruf die Glocken, und blutroth</p>
+<p>Flatterte dort in die Luft die thatengebiethende Sturmfahn’;</p>
+<p>Bald erscholl ringsum Geschrei und verwirrtes Getümmel.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar zögerte noch. Umsonst ermahnte der Greis ihn,</p>
+<p>Jammernden Lauts, getäuscht von Herbots Kühnheit, und sagte:</p>
+<p>„Sieh’, wie dort rechts hin die Reisigen stürmen, das Fußvolk</p>
+<p>Rasch vordringt! Nun gilt’s: entscheide den schrecklichen Kampf
+du!“</p>
+<p>Aber der König begann: „Fürwahr, wir tauschten für heut schon</p>
+<span class = "pagenum">299</span>
+<p>Art und Gemüth: du kühltest die Gluth sonst mir in dem Busen,</p>
+<p>Kaltvorschauend, und heut’, empört zu Feuer und Flammen,</p>
+<p>Hast du nicht Ruhe, nicht Rast. Bald tönt der ersehnete Ruf dir.“</p>
+<p>Dann begann er noch leise für sich in sinnender Schwermuth:</p>
+<p>„Wallstein, ach, ich schau’ in des Sieges Gefilden dich nimmer!“</p>
+<p>Lobkowitz schwieg. Doch sieh’, nun hemmte die stürmenden Krieger</p>
+<p>Milota’s Feldherrnwink! Er dacht’, ergrimmend im Geist, so:</p>
+<p>„Jetzo der Thaten genug, daß mir vertraue der König.</p>
+<p>Ist’s nicht klar? Er sann mir heute den sicheren Tod nur,</p>
+<p>Als er mich ehrend erkor: ich lebe noch, ihm zum Verderben.“</p>
+<p>Dacht’ es, und zog alsbald, schwachkämpfend, mit zögernden
+Schritten</p>
+<p>Sich auf des Nachhalts Reihen zurück. Ihn empörete Katwald,</p>
+<p>Tapfer zu steh’n: umsonst, er wich! Doch, sausenden Flugs, war</p>
+<p>Marbod den Völkern genaht, die am rechten Flügel, gehorchend</p>
+<p>Albrechts Stimme, voll Heldenmuths, nach dem Kampfe sich sehnten.</p>
+<p>Hochberg, der den Zürchern geboth, ersah er, und rief ihm:</p>
+<p>„Schreie: „Der Feind entflieht!“ Gar mächtig ertönet dein
+Ausruf.“</p>
+<p>Hochberg schrie: „Der Feind entflieht“ mit gewaltiger Stimme,</p>
+<p>Die zum Kern des Heers, und hinaus zum äußersten Flügel</p>
+<span class = "pagenum">300</span>
+<p>Donnerte. Bald erscholl’s von tausenden Stimmen auf einmal:</p>
+<p>„Holla, die Feind’ entflieh’n! Sie flieh’n &mdash; die Feinde, sie
+fliehen<ins class = "correction"
+title = "fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">!“&nbsp;</ins></p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar horchte dem Ruf mit kalthinstarrendem Blick’ auf;</p>
+<p>Wandte das Roß, und sprach zu Lobkowitz: „Wahrlich, vermuthend</p>
+<p>War ich des Unfalls mir: denn höre des Herzens Geheimniß!</p>
+<p>Jüngst, in der furchtbarn Zeit des mitternächtlichen Grauens</p>
+<p>Hieß ich, im dunkelen Eichenhain, die Alrune,<ins class = "correction" title = "Original: »4«"><a class = "tag" name =
+"tag9_3" id = "tag9_3" href = "#note9_3">3</a></ins> des Schicksals</p>
+<p>Hehre Verkündigerinn durch Bothen befragen; sie gab mir</p>
+<p>Antwort: Ottgarn winkt an Stillfrieds Marken das Ziel schon!</p>
+<p>Dort ist der Sieg mir gewiß; wir wollen uns fechtend
+zurückzieh’n!“</p>
+<p>„Herr, nicht der Hölle vertrau’,“ so rief der jammernde Greis
+auf,</p>
+<p>„Gott vertraue &mdash; dir selbst, und deinen gewaltigen
+Kriegern!</p>
+<p>Noch steht Sachs und Bayer im Kampf; noch nichts ist verloren.</p>
+<p>Wolle mit Ernst den Sieg, er ist dein: o komm’, und erring’ ihn!“</p>
+<p>Aber er trabte zurück. Ihm folgten am Fuße die Scharen</p>
+<p>Milota’s, der in dem Nachzug noch voll täuschenden Eifers,</p>
+<p>Selbst abwehrte, zum Schein, die raschnachrückenden Gegner.</p>
+
+<span class = "pagenum">301</span>
+<p class = "stanza">
+Bald erscholl auch drüben Geschrei, wo Bayern und Sachsen</p>
+<p>Kämpften im Waffengefild, geführt von dem tapferen Herzog</p>
+<p>Heinrich, und Zierotin, dem kraftgerüsteten Helden:</p>
+<p>Denn Matthias, der Hort magyarischer Krieger, ersehend</p>
+<p>Oben am ragenden Thurm die blutrothflatternde
+Sturmfahn’&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Hörend der Glocken Getön’, erhob sich in Eile von Schönfeld,</p>
+<p>Mit zermalmender Macht dem Feind’ in die Seite zu fallen.</p>
+<p>Vor zu des Rosses Mähne gebeugt, den blitzenden Säbel</p>
+<p>Schwingend in kräftiger Faust, hinbraus’ten die Reiter, und
+hieben</p>
+<p>Links, rechts, ein: bald lagen die Leichen gesä’t in dem
+Blutfeld,</p>
+<p>Wankten die Gegner, und floh’n, verfolgt von den Gegnern in Hast
+fort.</p>
+<p>Rastlos eilte der König dahin im sinkenden Nachtgrau’n,</p>
+<p>Bis er nach Dürnkrut kam in das Lager, das er noch letzthin,</p>
+<p>Stolz vor Siegeshoffnung, verließ &mdash; nun trotzig begrüßte:</p>
+<p>Denn er dachte des Siegs am nächst&shy;aufstrahlenden Morgen.</p>
+<p>Doch bis Ebenthal, dem einsamen Schloß’ an dem Waldthal,</p>
+<p>Führte der Kaiser sein Heer, und ruht’, umlagernd, im Feld dort.</p>
+<p>Ganz verhallte des Tages Lärm, und vom nächtlichen Himmel</p>
+<p>Sah’n die Sternenheer’ auf die schlummernden Völker herunter.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">302</span>
+<h3><a name = "gesang10" id = "gesang10">Zehnter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Abendröthlich erglänzt der schnellentgleitende Rheinstrom;</p>
+<p>Völlig verhallte der Sturm; nur liebliche Lüftchen bewegen</p>
+<p>Manchmal, leis’umsäuselnden Flugs den ergossenen Spiegel</p>
+<p>Seiner Gestade, wo links und rechts, von dunklen Gebüschen,</p>
+<p>Wäldern, und Höh’n, nun hochaufragende Thürme der Burgen,</p>
+<p>Nun hellschimmernde Städt’ und Gotteshäuser sich heben,</p>
+<p>Und ihr Bild in die spiegelnde Fluth von oben nach unten</p>
+<p>Kehren, gewiegt von dem Zuge der raschforteilenden Wellen.</p>
+<p>Wechselnd, von einem zum andern Gestad’ durchkreuzen der Vögel</p>
+<p>Singende Scharen die Luft, und ziehen dem schauernden Wald zu.</p>
+<p>Abendglockengetön, vermengt dem Blöcken der Heerden</p>
+<p>Schallet die Ufer entlang, als jetzt an dem wölbenden Himmel</p>
+<p>Auf sich schwingen die goldenen Stern’; umschattendes Dunkel</p>
+<p>Ruh’ auf die Welt umher verbreitet, und jeglicher Laut stirbt.</p>
+<p>Von Schafhausen allein tönt Donnergetös’, in des Abends</p>
+<p>Stille hörbarer noch dem Ohr: wo im schwindelnden Jähsturz</p>
+<span class = "pagenum">303</span>
+<p>Sich von dem Klippendamm hinab zum versunkenen Strombett</p>
+<p>Stürzt die gewaltige Fluth, aufschäumt an den Felsen, und dorther</p>
+<p>Schauernden Nebelqualm in die Haine hinaus, und die Thäler</p>
+<p>Sendet im Windeshauch’, unendlichen, ewigen Eilflugs.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, ein Ritter kam aus fremden Landen gezogen!</p>
+<p>Eilig trabt’ er die Straße herab, und ihm folgte der Knappe</p>
+<p>Fern, ermattet der Last der Wanderung. Aber den Ritter</p>
+<p>Trieb herzinniges Leid und der Heimath glühende Sehnsucht.</p>
+<p>Als er im Abendlicht, hervor aus dem dunkelen Eichwald</p>
+<p>Kommend, vor sich das weitverbreitete Land, und inmitten</p>
+<p>Fluthen sah den ersehneten Rhein, da hielt er das Roß an;</p>
+<p>Sprang aus dem Sattel herab, warf sich, erschüttert, zum Boden,</p>
+<p>Netzt’ ihn mit Thränen, und stand, in des Anschau’ns Wonne
+versunken.</p>
+<p>Hartmann war’s, der jetzo dem Strom sich nähernd, und kehrend</p>
+<p>Heim in das Vaterland, die trauten Gefilde begrüßte.</p>
+<p>Drüben am linken Gestad’, ersah er das freundliche Städtchen</p>
+<p>Rheinau, welches der Rhein im kreisenden Lauf, sich nach Osten</p>
+<p>Wendend, umfließt. Dort baute (so künden die Sagen der Vorzeit)</p>
+<p>Sorglich das Gotteshaus Funtan, der Heilige,<a class = "tag" name =
+"tag10_1" id = "tag10_1" href = "#note10_1">1</a> Schottlands</p>
+<p>Königen blutsverwandt, den Brüdern von Monte-Cassino,</p>
+<p>Als er, ein Pilger, dort die Stelle, vom Geiste getrieben,</p>
+<span class = "pagenum">304</span>
+<p>Endlich fand, wo allein der Strom nach Osten den Lauf kehrt.</p>
+<p>Hartmann sah vom Gestad mit bewegtem Herzen hinüber&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Sah im Geist noch hinaus weit über die Berge, des Aargau’s</p>
+<p>Liebliches Thal, und dort von dem Felsenhügel die Habsburg</p>
+<p>Ragen aus dunkeln Tannen empor in die Luft, und herunter</p>
+<p>Schau’n auf die Fluthen der Aar, die ihr, eilenden Laufes
+vorbeirauscht.</p>
+<p>Zwar vermißte sie jetzt die trauten Gebiether: der Vater</p>
+<p>Fern (er tauschte den Grafenhut mit der Krone der Kaiser)</p>
+<p>Todt die Mutter &mdash; von ihm die holden Geschwister
+geschieden.</p>
+<p>Er, der Unglückliche, kehrt allein, in einsamer Stille</p>
+<p>Dort zu erreichen das tröstende Ziel der irdischen Wand’rung.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch nun rief er, bewegt, dem spätnachfolgenden Knappen:</p>
+<p>„Mangold, fasse das Roß an dem Zaum’, und führ’ es mit Vorsicht</p>
+<p>Ueber die Brücke zur Stadt; bald folg’ ich dir nach in die
+Herberg!“</p>
+<p>Mangold faßte das Roß an dem Zaum, und führt’ es mit Vorsicht</p>
+<p>Nebenher, dem seinen gesellt, hinüber nach Rheinau</p>
+<p>So, daß die Brück’, entlang, erst laut, dann leiser und leiser</p>
+<p>Unter dem eisernen Huf fortpolterte, bis zu dem Land hin.</p>
+<p>Hartmann weilete noch. Er saß in Trauer versunken,</p>
+<p>Dort auf dem Felsenriff, das sich auf die Fluthen hinüber</p>
+<p>Beugt; sah oft nach den Wellen hinab, wie sie rollten, und eilten</p>
+<span class = "pagenum">305</span>
+<p>Rastlos fort in des ewigen Meers verschlingende Tiefen,</p>
+<p>Und gedachte mit Trost der eilenden Tage des Lebens.</p>
+<p>Sieh’, nun hob sich vor ihm der Mond in des Himmels Gezelt auf;</p>
+<p>Hellte die Nacht, und zog in grünlichen Goldes Gefunkel</p>
+<p>Quer auf dem dunkelen Strom die flimmernde Straße hinunter,</p>
+<p>Der er, bewegt, nachsah, bis dort zu dem äußersten Rand hin,</p>
+<p>Wo das Gestirn sich scheitelrecht in den helleren Fluthen</p>
+<p>Spiegelte. Dort winkt’ ihm (so däucht’ es ihn) freundlichen
+Blickes,</p>
+<p>Jenseits her aus ätherischem Glanz die liebende Mutter.</p>
+<p>Ach, er streckte die Arme nach ihr mit stöhnender Brust aus;</p>
+<p>Beugte die Stirn’, und ihm sank die heimliche Thrän’ aus den
+Augen!</p>
+<p>Jetzo fuhr ein Kahn rasch über den schimmernden Mondpfad;</p>
+<p>Muntere Stimmen erreichten sein Ohr. Herüber von Rheinau</p>
+<p>Kehrte nach Eglisau, der Vater mit seinem Erzeugten,</p>
+<p>Der, ein Fischer, dahin die Beute der Netze getragen,</p>
+<p>Und seit Jahren umher auf dem fischdurchwimmelten Rheinstrom</p>
+<p>Ruderte. Nun verfehlt’ er, getäuscht, des Zieles: der Kahn
+schlug,</p>
+<p>Von der Strömung gerafft, an dem Joch der gewaltigen Brück’ um,</p>
+<p>Barst entzwei, und die Zween verschlang, so mächtig sie kämpften,</p>
+<span class = "pagenum">306</span>
+<p>Schrie’n, und riefen, die Fluth. Nicht der lastenden Rüstung
+gedenkend,</p>
+<p>Nicht der grausen Gefahr, aufsprang der edele Ritter</p>
+<p>Auf das Angstgeschrei nach Rettung jammernder Menschen;</p>
+<p>Lief das Ufer entlang, und warf sich hinab in die Strömung,</p>
+<p>Als der Junge hervor aus der Fluth die Rechte gehoben;</p>
+<p>Aber nicht rettet’ er ihn, und fand in dem brausenden Abgrund</p>
+<p>Dort das Ziel des schwermuthvoll entschwundenen Lebens.<a class =
+"tag" name = "tag10_2" id = "tag10_2" href = "#note10_2">2</a></p>
+
+<p class = "stanza">
+Ach, nicht ahnte des theueren Sohns unglückliches Schicksal</p>
+<p>Rudolph noch, der fern im Zelt, von den Helden umgeben,</p>
+<p>Saß beim erquickenden Mahl, nach unsäglicher Mühe des Tages!</p>
+<p>Draußen, von Lagerfeuern erhellt, verlor sich des Himmels</p>
+<p>Nächtliches Grau’n; Geschrei und Gelärm erscholl mit dem Wehruf</p>
+<p>Blöckender Lämmer und Schaf’, und des dumpfaufbrüllenden Rindes:</p>
+<p>Denn die Krieger besorgten das Mahl in geschäftiger Sorgfalt:</p>
+<p>Jetzo das Fleisch in der siedenden Fluth, die im räumigen Kessel</p>
+<p>Brodelte, wohl mürbkochend, und jetzt es auf kreisenden Spießen</p>
+<p>Bratend so, daß der Wohlgeruch weit das Lager erfüllte.</p>
+<p>Auch ermangeln sie nicht des herzerfreuenden Weines,</p>
+<span class = "pagenum">307</span>
+<p>Oder des Brots; nicht des Habers und Heu’s die munteren Rosse:</p>
+<p>Denn des Heers Marschalk, der Breuner, hatte genügend</p>
+<p>Alles und Jedes zur Stelle geschafft für die dauernde Kriegszeit,</p>
+<p>Und stets lauter erscholl auftobende Freud’ in dem Lager.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Drinnen im hellerleuchteten Zelt, von den Helden umgeben,</p>
+<p>Harrte der Kaiser zuvor des blühenden Königs der Ungern,</p>
+<p>Dem er den Herold gesandt, als dort vom Lager vor Marcheck</p>
+<p>Sich das siegende Heer erhob, die geworfenen Scharen</p>
+<p>Ueber den Weidenbach voll drängender Hast zu verfolgen.</p>
+<p>An dem Gestade der March, wo, g’en Hochstätten, im Halbkreis</p>
+<p>Sich hinwindet der Fluß, aufragte die Kuppe des Felsens,</p>
+<p>Der vor grau’n Jahrhunderten schon den Völkern zum Markstein</p>
+<p>Dienete, jetzt dem Zelt des lebensfreudigen Königs</p>
+<p>Kühlenden Schatten both, und, ferne geseh’n, in der Umwelt</p>
+<p>Alles dem spähenden Auge verrieth. Dort fand ihn der Herold</p>
+<p>Sitzend im munteren Kreis’ der Zitherspieler und Sänger,</p>
+<p>Die von dem Heldenzug der Ahnen herüber nach Ungerns</p>
+<p>Reichem Gefild’ und der Thatenkraft gepriesener Führer</p>
+<p>Sprachen im jubelnden Lied’; auch rühmten darauf: wie im Feld’
+erst,</p>
+<p>Kämpfend mit nieu erschütterndem Muth, des verbündeten Kaisers</p>
+<span class = "pagenum">308</span>
+<p>Macht die Feinde bestand, und, gleich dem brausenden Sturmwind,</p>
+<p>Der auf der Heid’ im Herbst die verdorrten Disteln dahinjagt,</p>
+<p>Trentschins ruhmverherrlichter Held dann ihnen im Rücken</p>
+<p>Lag mit mordendem Stahl, als all die Scharen zerstoben.</p>
+<p>Aber so laut der König sich d’rob erfreute, so gönnt’ er</p>
+<p>Dennoch dem Kunen den Ruhm vor dem Unger im heimlichen Busen,</p>
+<p>Und ergrimmte noch mehr, daß ihm Kaduscha heute zurückstand.</p>
+<p>Hastig nahet’ ihm Meyenberg, der Herold, und sprach so:</p>
+<p>„Herr, dein Herz erfreue der Ruhm des herrlichsten Sieges,</p>
+<p>Den dein tapferes Volk mit raschentscheidender Thatkraft</p>
+<p>Uns erringen half. Zum Kriegsrath ruft dich der Kaiser,</p>
+<p>Und zu dem fröhlichen Mahl nach des Tags ermüdender Arbeit.“</p>
+<p>„Gern,“ erwiederte jener, voll Hast, „hineil’ ich in’s Lager</p>
+<p>Meines erlauchten Verbündeten, der so edel gesinnt ist.“</p>
+<p>Sagt’ es, und schwang sich auf’s Roß, im Gefolg kumanischer
+Reiter,</p>
+<p>Ebenthal zu erreichen im Flug, wo im schimmernden Zeltraum</p>
+<p>Rudolph, heldenumschart, sein harrete. Wie er dahinflog,</p>
+<p>Fuhr der Staub zum Gewölk, erregt von den stampfenden Hufen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Alle gehorchten dem Ruf des erhabenen Kaisers: nur
+Einer&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Kaduscha war nicht zu schau’n. Empört von dem Glücke des Helden</p>
+<span class = "pagenum">309</span>
+<p>Von Trentschin, entboth er zu sich zweitausend der Reiter:</p>
+<p>„Ha,“ so sprach er, „was sollen wir hier, mit den Deutschen
+verbündet,</p>
+<p>Nutzlos opfern das Blut, da jüngst den lohnenden <em>Woldan</em><a
+class = "tag" name = "tag10_3" id = "tag10_3" href =
+"#note10_3">3</a></p>
+<p>Wie er den Raubritt hieß, uns grausam der Kaiser verwehrte?</p>
+<p>Auf, wir zieh’n nach Günß, den tapferen Iwan<a class = "tag" name =
+"tag10_4" id = "tag10_4" href = "#note10_4">4</a> zu retten,</p>
+<p>Den jetzt Bertholdsdorf, der Kammerer, stürmend, bedränget,</p>
+<p>Innen im Raum der gewaltigen Burg! Wir entsetzen die Festung</p>
+<p>Schnell mit würgender Faust, und erlösen den tapferen Grafen:</p>
+<p>Dann soll Oestreich bald, verheert, und geplündert, mit Schrecken</p>
+<p>Schau’n von nah’ und von fern aufflammende Dörfer und Städtchen;</p>
+<p>Aber wir kehren, beschwert mit reichlicher Beute, zur Heimath.“</p>
+<p>Laut aufjauchzten sie ihm, nach Beute begierig, und zogen</p>
+<p>Schnell g’en Heunburg fort, der Donau Fluthen hinüber,</p>
+<p>Ueber die Brücke, die Albrecht jüngst erbaute mit Sorgfalt;</p>
+<p>D’rauf gewahrten sie bald den Neusiedl-See, und die Mauern</p>
+<p>Oedenburgs, und eileten rasch nach den Höhen von Günß hin.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch schon hatte der Kaiser, vereint mit seinen Erwählten,</p>
+<p>Mit vorschauendem Blick des Angriffs Weisen erwogen;</p>
+<p>Manchen erforscht, und dem Forschenden gern mit würdiger
+Sanftmuth</p>
+<span class = "pagenum">310</span>
+<p>Klaren Bescheid ertheilt: bis all’, einmüthig, ihm Beifall</p>
+<p>Zollten; die Ordnungen, Zahl, und die Stellung der Völker im
+Schlachtfeld</p>
+<p>Jeder gar trefflich fand, und jeglicher Zweifel entfloh’n war.</p>
+<p>Siehe, nun scholl des Rosses Huf von der Straße herüber.</p>
+<p>Jene horchten erstaunt; da sprach, sanftlächelnd, der Kaiser:</p>
+<p>„Alle vermißet ihr hier nur ungern Hugo von Tauffers,</p>
+<p>Jenen gewaltigen Greis, bei’m herzerheiternden Spätmahl.</p>
+<p>Wahrlich, viel erduldet’ er jetzt, in der engenden Festung</p>
+<p>Müßig zu steh’n, der stets im Gemenge der eisernen Waffen</p>
+<p>Rasch vortummelt das Roß, und allwärts ist, wo Gefahr dräut!</p>
+<p>Ich entboth ihn in’s Feld, dem jüngst verwundeten Helden,</p>
+<p>Ortenburg, vertrauend die Vest’, und er folgte dem Ruf bald.“</p>
+<p>Als er’s sprach, da trat der muntere Greis in das Zelt ein;</p>
+<p>Grüßte den Kaiser zuvor, und den blühenden König der Ungern;</p>
+<p>Dann die tapferen Helden umher mit feurigen Blicken,</p>
+<p>Setzte sich hin, und begann: „Fürwahr, ich wähnte: verrosten</p>
+<p>Müßte mein tüchtiges Schwert in der dunkelen Scheide für immer,</p>
+<p>Und ich daheim Geschriebenes nur aus dem Munde des Mönchleins</p>
+<p>Hören: von Thaten des Kriegs und euern errungenen Lorbern!</p>
+<p>Aber als gütigen Herrn erwies dem alten Gesellen</p>
+<p>Haug der Kaiser sich stets: sein dacht’ er auch jetzo mit Huld
+nur.</p>
+<span class = "pagenum">311</span>
+<p>Kaduscha sah ich zuvor an der Spitze des reisigen Volkes</p>
+<p>Treulos flieh’n; er gab, hohnlachend, den kurzen Bescheid mir:</p>
+<p>Iwan weih’ er sein Schwert; euch wünsch’ er Glück in dem
+Siegslauf.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+All’ aufhorchten mit Staunen dem Wort; doch glühendes Roth fuhr</p>
+<p>Jetzo mit wechselndem Weiß in die Wangen des Königs von Ungern,</p>
+<p>Und ihm blitzte der Zorn aus den halbgeschlossenen Augen;</p>
+<p>Dennoch besann er sich schnell; both dann die Rechte Matthias</p>
+<p>Von Trentschin, und sprach: „Du sey des Heeres Gebiether</p>
+<p>Mir hinfort! Obgleich vom Geschlechte der Kunen geboren</p>
+<p>Mir die Mutter ward; ich die Liebe des Kun’s aus der Brust ihr</p>
+<p>Sog als wimmerndes Kind, und, zum Jüngling gereift auf dem
+Todbett</p>
+<p>Noch ihr schwur auf die pochende Brust: so will ich den, Unger,</p>
+<p>Reuig erwägend die Schuld der dauernden Geistesverblendung,</p>
+<p>Vorzieh’n jetzt dem Treulosen, der mich verließ, und nicht
+schmähen</p>
+<p>Fürder das edlere Blut des throngebornen Erzeugers.“</p>
+<p>Jener erhob sich mit Würde vor ihm, und beugte die Scheitel,</p>
+<p>Schweigend, zum Dank. Doch, als im schlacht&shy;entscheidenden
+Kriegsrath</p>
+<p>Für den bald aufdämmernden Tag Alljedes besorgt war,</p>
+<span class = "pagenum">312</span>
+<p>Saß der Kaiser im Heldenkreis’ bei dem fröhlichen Nachtmahl</p>
+<p>Heiteren Blicks, und sprach, umschauend, zu Diesem und Jenem:</p>
+<p>„Laßt euch Lagerkost, ihr Herrn, genügen: für jetzt noch</p>
+<p>Sind der Gerichte nicht viel’, doch würze die wenigen Frohsinn!“</p>
+<p>Lautes Gemurmel erscholl in dem Zelt. Geschäftige Diener</p>
+<p>Reichten die Speisen herum: das dampfende Muß, aus dem Vorrath</p>
+<p>Zartesten Mehles gekocht; dann wildes und zahmes Geflügel,</p>
+<p>Wohlgebraten am Spieß mit dem Rücken des jährigen Rindes,</p>
+<p>Und, zum kräftigen Brote zuletzt, der Sitte geziemend,</p>
+<p>Goldenen Honigseim, wie solcher dem Deutschen ersehnt war.</p>
+<p>Andere trugen die Fluth des köstlichen Weins in den Krügen</p>
+<p>Freundlich herum, und füllten den Bauch der räumigen Humpen,</p>
+<p>Die vor jeglichem Gast’, aus schimmerndem Erze getrieben,</p>
+<p>Standen, nach Herzenslust bei dem Nachtgelage zu trinken.</p>
+<p>Lauter und feuriger ward das Gespräch, und bewegter das
+Kriegszelt.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber der Kaiser sah mit lächelndem Wink nach dem Ritter</p>
+<p>Müller, dem Zürcher, der im Kreise der Fröhlichen, immer</p>
+<p>Heiteren Scherzes gedacht’, und jetzt zu Friedrich von Nürnberg</p>
+<p>Also begann: „Herr Burggraf, sprecht: wie war’s denn vor Basel</p>
+<p>Mit dem Gelehrten, da Ihr ihm Habsburgs Pfennig nicht gönntet?“</p>
+<span class = "pagenum">313</span>
+<p>Jener kündete nun mit hocherröthenden Wangen:</p>
+<p>Wie in dem dauernden Kampf vor Basel dem edelen Ritter,</p>
+<p>Rudolph, both sein Werk: „Von den Kriegen der Römer und
+Deutschen&nbsp;&mdash;</p>
+<p>So auch des Feldherrn Wissenschaft“ ein Gelehrter aus Straßburg;</p>
+<p>Jener ihm schnell ein Goldstück gab mit der goldenen Kette,</p>
+<p>Die von dem Hals ihm hing, und d’rauf, voll Gier, in den Büchern</p>
+<p>Blätterte; wie er &mdash; der Schwester Sohn, ihm solches
+verwiesen,</p>
+<p>Da viel Geldes das Volk ihn kostete, viel auch der Kriegszug</p>
+<p>Fortan heischt’. „Ach hört,“ so erzählt’ er dann, „wie mich
+Rudolph</p>
+<p>Schalt! „Der herrlichste Lohn,“ so sprach er, „gebührt dem
+Gelehrten,</p>
+<p>Der hochrühmliche Thaten beschreibt, und im Herzen den Muth
+weckt,</p>
+<p>Sie zu vollbringen dereinst<ins class = "correction"
+title = "“ fehlt">.“</ins> Er säße wohl selber mit Freuden</p>
+<p>Ueber den Büchern, so ihm nicht die Zeit ermangelte; lieber</p>
+<p>Spendet’ er auch sein Gold auf ihn, der, dauernden Mühens,</p>
+<p>Solche Schätze gehäuft, denn auf manchen untüchtigen Krieger.“<a
+class = "tag" name = "tag10_5" id = "tag10_5" href =
+"#note10_5">5</a></p>
+<p>„Wahrlich,“ so fiel ihm Müller in’s Wort, „kein wankendes
+Schilfrohr,</p>
+<p>Das sich im Hauche des Windes bewegt, gewahrten die Gegner</p>
+<p>Jemals an ihm, denn hört: der Regensberger vererbte</p>
+<span class = "pagenum">314</span>
+<p>Auch an den Kraft von Toggenburg, der seines Geschlechts war,</p>
+<p>Unversöhnlichen Haß g’en Habsburg. Feindlich umringten</p>
+<p>Wir mit erlesenem Volk dort Uznach, die ragende Felsburg,</p>
+<p>Und ein Krachen begann alsbald: denn laut und unzählbar</p>
+<p>Flogen die Felsen nach ihr, von des <em>Antwerks</em><a class = "tag"
+name = "tag10_6" id = "tag10_6" href = "#note10_6">6</a> mächtigem
+Wurfbaum</p>
+<p>Hingeschnellt, das Ermel in Roth, der treffliche Meister,</p>
+<p>Sinnig zu bauen, verstand. Auch die <em>Katzen</em>,<a class = "tag"
+name = "tag10_7" id = "tag10_7" href = "#note10_7">7</a> mit Erde
+bedecket,</p>
+<p>Rasteten nicht, stets näher den Mauern gerückt, und die Krieger</p>
+<p>Schirmend vor Feindesgeschoß, die im Sonnenlicht und im
+Nachtgrau’n</p>
+<p>Schwangen die furchtbare Wucht des mauerzertrümmernden Balkens.</p>
+<p>Hundert Fuß aufragte der Stamm des mächtigen Eichbaums,</p>
+<p>Den der Meister sich wählt’, und mit Eisen die Stirn’ ihm
+bewehrte.</p>
+<p>Donnernd schlug er die Wand, von kräftigen Kriegern geschwungen.</p>
+<p>Endlich rückten wir auch mit dem <em>Ebenhoch</em><a class = "tag"
+name = "tag10_8" id = "tag10_8" href = "#note10_8">8</a> an die
+Zinnen:</p>
+<p>Schleudernd von ihm zermalmende Blöck’ in die Mitte der
+Felsburg&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Auch mit Schwefel und Harz erfüllete, brennende Kugeln.</p>
+<p>Doch ereilt’ uns d’rauf der grimmige Winter: verderbend</p>
+<p>Hielt sich die Burg sechs Monden schon mit erlesenem Streitvolk.</p>
+<span class = "pagenum">315</span>
+<p>Viele begruben wir dort der Unseren; viele vermißten</p>
+<p>Wir an dem Morgen oft, die feig entwichen bei Nachtzeit;</p>
+<p>Doch nie wankte noch Rudolphs Muth. Da warfen die Gegner</p>
+<p>Lebende Fische heraus in das Lager, als spotteten sie noch</p>
+<p>Seiner Gewalt. Er rief: „Ermannt euch: unser ist Uznach!“</p>
+<p>Also geschah’s. Er drang bei Nacht mit wenigem Volk nur</p>
+<p>Ein durch den Mauerbruch, und eröffnete herzhaft das Thor selbst.</p>
+<p>Unserm würgenden Schwert’ erlagen die Gegner, und alsbald</p>
+<p>Fiel auch die Burg, zerstört, auf den Wink des Helden von
+Habsburg.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Laut umtönt’ ihn einhelliger Ruf: „Hoch lebe der Held uns!“</p>
+<p>Doch nun sah ihn zugleich der blühende König der Ungern</p>
+<p>Traulicher an, und sprach: „Stets bist du wohl glücklich gewesen?</p>
+<p>Denn ein heiterer Geist wohnt dir in den freundlichen Augen.“</p>
+<p>Jener begann: „Nicht also: denn vieles erduldet’ ich seither,</p>
+<p>Ander’n Sterblichen gleich, im wechselnden Laufe des Lebens;</p>
+<p>Leidengeübt erkenn’ ich das Maß auch der härtesten Leiden</p>
+<p>Anderer; doch, ich lernete dem, was über uns waltet,</p>
+<p>Frühe mich fügen; hab’ treu an des Heilands Lehre gehalten,</p>
+<p>Die uns gewiß, denn einzig wahr, hienieden und jenseits</p>
+<p>Leitet zum dauernden Glück. Mit Dank genoß ich des Guten;</p>
+<p>Setzte dem Schlimmen ein Ziel durch Geduld; stets ehrt’ ich die
+Wahrheit;</p>
+<span class = "pagenum">316</span>
+<p>Meine Wege befahl ich dem Herrn, und schau’ in des Grab’s Nacht</p>
+<p>Ruhigen Blicks: mir winket aus ihr das ewige Lichtreich.“</p>
+<p>Sagt’ es, und sah, bewegt, nach Albrecht, seinem Erzeugten,</p>
+<p>Der an den Lippen des Vaters hing, und weinte, hinüber.</p>
+<p>Stiller wurd’ es im Zelt, da rief mit umschallender Stimme</p>
+<p>Lichtenstein: „Was soll uns der Ernst bei der fröhlichen
+Mahlzeit?</p>
+<p>Morgen ruft uns die Schlacht mit donnerndem Laut’, und des
+Frohsinns</p>
+<p>Jubel verhallt. Wer kehret, wer nicht? Weß’ Sitz an dem Tisch
+hier</p>
+<p>Leer ist bei’m künftigen Mahl: das steht uns zum Glück noch
+verborgen;</p>
+<p>D’rum genießet des Augenblicks, eh’ er schwindet auf immer!</p>
+<p>Soll dieß herrliche Fest des Sängers ermangeln? Er harret</p>
+<p>D’raußen nur eures Winks: der gemeinsamen Freude gedacht’ ich.“</p>
+<p>„Sage mir an,“ sprach Rudolph jetzt, „weß’ Landes und Volkes</p>
+<p>Rühmt sich dein Sänger? Bekannt sind mir die Weisen der Meister:</p>
+<p>Denn mir waren sie stets ersehnete Gäste; so mancher</p>
+<p>Wallte zur Habsburg hin, und geehrt ging jeder von dannen.</p>
+<p>Gierig horcht mein Ohr den zaubergewaltigen Männern:</p>
+<p>Denn mit frischerem Grün bekleidet ihr Sang in dem Winter</p>
+<p>Selbst, den entblätterten Wald, und mit Frühlingsblumen die
+Matten,</p>
+<span class = "pagenum">317</span>
+<p>Die der herbstliche Wind versengt’: auf den nebligen Himmel</p>
+<p>Sä’t er glänzende Stern’ umher, und weckt in des Menschen</p>
+<p>Fühlender Brust, gar mächtig die Ahnung der schöneren Zukunft,</p>
+<p>Der hier unter dem Druck der Gegenwart, wie erstarret,</p>
+<p>Ach, nach jener, so oft, mit inniger Liebe sich sehnet!</p>
+<p>Eilt, und führt ihn herein den werthen Gast bei dem Mahl hier.“</p>
+<p>Jener eilte hinaus; dann kehrt’ er, und sagte dem Herrscher:</p>
+<p>„Nicht unrühmlich bekannt ist Hornecks<a class = "tag" name =
+"tag10_9" id = "tag10_9" href = "#note10_9">9</a> Name, des Sängers,</p>
+<p>Der aus der Steyermark entsproß, und in blühender Jugend</p>
+<p>Fort nach Deutschland zog an den Hof des würdigen Bischofs,</p>
+<p>Werner von Mainz, wo ihm Rotenburg zum Meister geworden.</p>
+<p>Aber ihn drängte das Herz: ein redlicher Hirte der Schäflein</p>
+<p>Seines Heilands zu seyn, und er weidete solche mit Sorgfalt,</p>
+<p>Jahrlang, bis ihm die Feder zugleich und das Siegel der Bischof</p>
+<p>Wieder vertraut’. Er starb, und Horneck kehrt’ in die Heimath:</p>
+<p>Erst dem Sänger des <em>Frauenbuch’s</em>,<a class = "tag" name =
+"tag10_10" id = "tag10_10" href = "#note10_10">10</a> deß’ Sohn ich mich
+rühme,</p>
+<p>Sich zum Frommen zu weih’n: dann mir, als jener gestorben:</p>
+<p>Denn mit unsäglichem Fleiß, in zierlichem Reim die Geschichten</p>
+<p>Schreibend, folgt er mir treulich nach im Krieg’ und im Frieden.“</p>
+<span class = "pagenum">318</span>
+<p>Doch nun trat im langen Talare der heilige Sänger</p>
+<p>Leise herein. Er trug die tönende Harfe mit Vorsicht</p>
+<p>Unter dem Arm, und grüßte die Schar &mdash; vor allen den Kaiser</p>
+<p>Tief, und mit innigem Blick’. Erstaunt besann der Beherrscher</p>
+<p>Deutschlands sich. Ihm schien: als hätt’ er ihn früher gesehen;</p>
+<p>Nur vom lastenden Alter gebeugt, und ergrauet an Haaren</p>
+<p>Stand er, ein Fremdling, vor ihm. Da ließ er mit freundlichen
+Mienen</p>
+<p>Auf den niedrigen Stuhl am Zelteingange sich nieder;</p>
+<p>Langte die Harfe hervor, und fuhr mit flüchtigen Fingern</p>
+<p>Ueber die Saiten dahin, die herzerschütternden Lautes</p>
+<p>Töneten. Still ward’s d’rauf in dem Zelt, und es stockte der Odem</p>
+<p>Allen umher in der Brust, da er jetzt den feierlichernsten,</p>
+<p>Heiligen Sang begann im Klange der bebenden Saiten:</p>
+
+<p class = "stanza">
+„Laut erbrauset der Sturm, und jagt tiefhangende Wolken</p>
+<p>Ueber die finsteren Berge hinaus. Der laubige Hochwald</p>
+<p>Trieft, der Gießbach rauscht, vom dauernden Regen geschwollen.</p>
+<p>Sieh’, dort ruhete nun, aus dem Sattel gestiegen, ein Ritter,</p>
+<p>Nach ermüdendem Weidwerk aus. Von dem heiteren Antlitz</p>
+<p>Strahlt ihm der Heldenmuth &mdash; aus den bläulichen Augen die
+Wahrheit,</p>
+<p>Liebe, und Treu’. Er sah in die Fluthen: sie saus’ten, und
+braus’ten,</p>
+<span class = "pagenum">319</span>
+<p>Eilten im Fluge dahin, und er dachte des fliehenden Lebens.</p>
+<p>Aber der Rappe scharrt; laut winselt der gierige Schweißhund:</p>
+<p>Denn kein Wild auftrieb er im Forst, und der Ritter erhebt sich</p>
+<p>Heim zu zieh’n in die Burg, wo sein die Liebenden harren.</p>
+<p>Jetzt erreicht Geklingel sein Ohr. Von dem finsteren Wald her</p>
+<p>Naht dem Ufer ein Priester des Herrn: im schimmernden Chorrock,</p>
+<p>Und mit goldener Stol’ an der Brust, nachschreitend dem Meßner</p>
+<p>Eilig, das Engelsbrot zu dem sterbenden Manne zu tragen.</p>
+<p>Doch jetzt schaut er, voll Angst, umher: denn siehe, der Gießbach</p>
+<p>Schwemmte den Steg aus dem Grund’, und drüben aufjammert die
+Hausfrau:</p>
+<p>Hörbar poche der Tod an der Thür’, und es lechze der Gatte</p>
+<p>Nach der Labung, die ihn auf die Reis’ in die Ewigkeit stärke.</p>
+<p>Schnell entblößt’ er die Füß’ an des Ufers felsigem Abhang,</p>
+<p>Dort die rauschende Fluth kühn durch zu waten, entschlossen.</p>
+<p>Aber der Ritter kam in Eile herüber, und both ihm&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Erst anbethend den Heiland der Welt, das gesattelte Reitroß</p>
+<p>An zu heiligem Dienst, und kehrte, vergnügt, zu den Seinen.</p>
+<p>Als der Abend sank, und die Welt in rosigen Schimmer</p>
+<p>Hüllete, sieh’, da führte der Priester das Roß an dem Zügel</p>
+<p>Ueber den Burghof her, und sagt’ es dem Ritter mit Dank heim!</p>
+<p>Aber er sprach: „Was dünkt dich? Nein, nicht diene dieß Reitpferd</p>
+<span class = "pagenum">320</span>
+<p>Fürder zu schnödem Gebrauch, das meinen Erlöser getragen:</p>
+<p>Denn nun sey’s der Kirche des Herrn mit dem Feld’ an dem Weiher</p>
+<p>Frei geschenkt, daß hinfort kein Wildbach mehr auf den Pfaden</p>
+<p>Jenes unwirthbaren Raums, in dem heiligsten Amte dich hemme!“</p>
+<p>D’rauf der Priester begann: „So vergelt’ es dir Gott, der
+Erbarmer,</p>
+<p>Edeler Herr, was du mit erbarmendem Sinn an dem Diener</p>
+<p>Seiner Kirche gethan: stets mög’ es dir glücklich ergehen!</p>
+<p>Ha, mir sagt es der Geist, und ich irre nicht &mdash; sey dieß
+Geheimniß</p>
+<p>Dir in den Tiefen des Herzens bewahrt: dir zieret die Scheitel</p>
+<p>Würdig dereinst die Krone des heiligen, römischen Reiches!</p>
+<p>Herrschen wird dein Geschlecht auf dem herrlichsten Thron’ in die
+Zukunft</p>
+<p>Endlos hin. Dein dauernder Ruhm erfüllet den Erdkreis!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Endete so: da sah’n zugleich die versammelten Helden</p>
+<p>Staunend, dem Kaiser in’s Aug’, und erkannten des Grafen von
+Habsburg</p>
+<p>Fromme That enthüllt, die er stets verschwiegen voll Demuth.</p>
+<p>Aber er stürzte herbei, und drückte mit heißer Umarmung</p>
+<p>Lange den heiligen Greis an die Brust; dann rief er bewegt so:</p>
+<p>„Wahrlich, du bist’s, Ehrwürdiger, der an dem rauschenden
+Gießbach</p>
+<span class = "pagenum">321</span>
+<p>Mir mit dem Herrn erschien, dort Glück und Segen zu spenden!</p>
+<p>Möge die ewige Huld dir hier und dort ihn vergelten!“</p>
+<p>Jener beugte die Stirn’ auf Rudolphs Hand, ihm die Thränen</p>
+<p>Bergend, und wankte hinaus in dem einsamen Zelte zu ruhen.</p>
+<p>Auch die Helden, gesammt, enteileten: denn an des Morgens</p>
+<p>Tod- und lebenentscheidende Schlacht ermahnte der Kaiser</p>
+<p>Sie mit erglühendem Aug’: „O denket,“ so sprach er, „des Morgens,</p>
+<p>Der uns im eisernen Felde vereint. Im Sieg’ ist die Freiheit,</p>
+<p>Wohlfahrt, Ruhe und Glück viel Tausender: denket des Sieges!“</p>
+<p>Aber erschütternd braust’ ein Ruf aus dem Munde der Helden:</p>
+<p>„Ha, wir gedenken mit Gott zu erringen den Sieg in dem Blutfeld!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Tief verstummte das einsame Zelt. Mit sinnenden Blicken</p>
+<p>Ging der Kaiser umher; dann saß er wieder, und dachte</p>
+<p>Noch des wechselnden Glücks der Sterblichen &mdash; sah mit
+Ergebung</p>
+<p>Himmelempor, und entschlummert’ im Schimmer der Lamp’ auf dem
+Lehnstuhl.</p>
+<p>Aber nicht lang, da fuhr er, bewegt, zusammen (nicht wacht’ er,</p>
+<p>Schlummerte nicht) ihm stand, verklärt in himmlischer Schönheit,</p>
+<span class = "pagenum">322</span>
+<p>Hartmann, der liebende Sohn, vor den nachtumhülleten Augen,</p>
+<p>Blickte lächelnd ihn an, und sprach: „In düsterem Zeitraum</p>
+<p>Schieden wir, mein Vater! Mir ward auf dem irdischen Dornpfad</p>
+<p>Jammer zu Theil, und ich weinete still: nicht gewahrend der
+Vorsicht</p>
+<p>Mildumschlingende Hand, die allein zum lohnenden Ziel führt.</p>
+<p>Ha, nun steh’ ich am Ziel! Gelös’t, und in himmlischer Klarheit</p>
+<p>Liegen des Lebens Räthsel vor mir; versiegt ist der Thränen</p>
+<p>Bitterer Quell’, und es jauchzt die entfesselte Seele vor Wonn’
+auf.</p>
+<p>Vater, traure nicht, wenn die Todesbothen dir künden:</p>
+<p>„Hartmann starb in den Fluthen des Rheins: im rühmlichen Streben,</p>
+<p>Retter zu seyn Unglücklicher<ins class = "correction" title =
+"fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">!“ </ins>Schon ist die
+sterbliche Hülle,</p>
+<p>Die ihn umgab, in dem Baseler Dom zu Grabe getragen,</p>
+<p>Wo ihm ein Denkstein wird, auf immer zum ehrenden Zeichen.</p>
+<p>Traure nicht. Ich, und die Mutter &mdash; wir harren dein in
+Gefilden</p>
+<p>Ewigen Glücks, bis treuerfunden am Ziel, wo entscheidend</p>
+<p>Sinket die Wag’, und steigt, auch du, vor unsäglicher Wonne</p>
+<p>Jauchzend, die Deinen ersiehst in seliger Wiedervereinung.</p>
+<p>Denke der Alpenhöh’n, des Greises, und frommen Gelübdes,</p>
+<p>Wenn in umdrängender Schlacht die Hoffnung des Sieges dir
+schwindet!“</p>
+<span class = "pagenum">323</span>
+<p>Rudolph fuhr von dem Stuhl’. Er wähnte den fliehenden Schimmer</p>
+<p>Noch an der Decke des Zeltes zu schau’n, und zitterte, starrend</p>
+<p>Hin, den Gesichten der Nacht. Dann rief er: „Ein furchtbarer Traum
+war’s:</p>
+<p>Furchtbar und himmlisch zugleich! Mein Hartmann lebt, und mich
+täuschte</p>
+<p>Nur der Lamp’ aufflimmerndes Licht. O Herr, du bewahr’ ihn!“</p>
+<p>Sprach so; streckt’ auf dem Lager sich aus, und entschlummerte
+wieder.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber nicht herrschte die Ruh’ und des Herzens Frieden in Ottgars</p>
+<p>Zelt: denn eben kehrt’ er zurück aus dem finsteren Eichwald</p>
+<p>Götzendorfs, und er wähnete noch: die Schrecken der Hölle</p>
+<p>Rauschten hinter ihm her, im Gezisch’ unseliger Geister.</p>
+<p>Furchtbar rollte sein Aug’, und seine geöffneten Lippen</p>
+<p>Zitterten. Doch nun warf er das Schwert auf den drönenden Tisch
+hin,</p>
+<p>Ließ sich nieder, und starrte mit düsterem Blick’ in des
+Oehldochts</p>
+<p>Flimmernden Schein. Er eilte zuvor dem waldigen Thalgrund</p>
+<p>Götzendorfs, im Grauen der Nacht, allein, und dem Heerweg</p>
+<p>Fern’ auf dem schnaubenden Roß entgegen: des dunkelen Schicksals</p>
+<p>Ruf noch einmal dort an dem schauerumflossenen Eichbaum,</p>
+<p>Dem die Bewohner des Dorfs nur mit Angst und Schrecken vorüber</p>
+<span class = "pagenum">324</span>
+<p>Eileten: denn stets scholl Gezisch um ihn her, zu vernehmen.</p>
+<p>Dorthin bannt’ erst jüngst Drahomira, voll höllischer Arglist,</p>
+<p>Einen täuschenden Spuk, zu verlocken den finsteren Ottgar,</p>
+<p>Der um die Mitternacht hinwanderte, Gott zu versuchen.</p>
+<p>Als er rasch auf den Baum losdrang, da trat ihm sein Engel</p>
+<p>Unsichtbar in den Weg, und rief an das Herz ihm die Warnung:</p>
+<p>„Wie, Verehrer des Herrn des Weltalls, Theuererlös’ter,</p>
+<p>Willst du dem Vater der Lüge dich weih’n &mdash; die unsterbliche
+Seel’ ihm</p>
+<p>Selbst verschreiben zum Pfand für trugverhüllende Zeichen?</p>
+<p>Kehre zurück; bereue die Schuld des entflohenen Lebens.</p>
+<p>Mild erbarmt sich der Herr des Reuigen: eil’ ihn zu söhnen!“</p>
+<p>Ottgar horchte bestürzt: denn zorngerötheten Blickes,</p>
+<p>Sah der Unsterbliche jetzt nach dem Baume hinüber, und alsbald</p>
+<p>Floh’n die finsteren Mächte davon. Ihr wildes Gezisch scholl</p>
+<p>Laut um ihn her: er wandte das Roß, und im brausenden Eilflug</p>
+<p>Kehrt’ er heim in das Zelt, von Angst ergriffen, und Schauder.</p>
+<p>Als er dort beim Scheine der mattaufflimmernden Lampen,</p>
+<p>Sinnend, saß: da scholl ein Getrab anstürmender Rosse</p>
+<p>Näher. Nicht lange, so stand Kunegunde, mit flammenden Blicken</p>
+<p>Schauend, vor ihm, und sprach: „Hast du die verhüllete Neigung</p>
+<p>Deiner so theuren Tochter dir, zu dem herrlichen Jüngling,</p>
+<span class = "pagenum">325</span>
+<p>Wallstein, früher gekannt, der jüngst in’s eigene Schwert sank,</p>
+<p>Und ihr Herz verwundet im Zorn? Nie siehst du sie wieder.</p>
+<p>Hedwig entfloh. Aus dem Kloster, ach, der ad’ligen Nonnen</p>
+<p>Drüben im Ungerland kam mir die Kunde gesendet:</p>
+<p>Eine Braut des Herrn, will sie in erkorener Stille</p>
+<p>Leben hinfort. Schon hüllt ihr die liebliche Stirne der Schleier.</p>
+<p>Schrecklicher, dein Werk ist’s: gar viel des Schlimmen erlebst
+du!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar beugte das Haupt, und barg die thränenden Augen</p>
+<p>Schnell mit den Händen vor ihr: von dem leise geahneten Schicksal</p>
+<p>Seines theuersten Kindes bewegt. Er bebte, verstummend.</p>
+<p>Doch sie sprach von neuem mit Hohn: „Im nächtlichen Grauen</p>
+<p>Komm ich von Drösing heran: denn wer gewahrt’ in des Tages-</p>
+<p>Licht nicht die Scham und die heimliche Wuth mir im glühenden
+Antlitz</p>
+<p>Ueber die Flucht des Böhmenheers &mdash; des tapfersten Heeres,</p>
+<p>Das sein Hort: weh mir, daß ich Gattinn dem Feigen geworden,</p>
+<p>Fliehen hieß in dem Augenblick des entschiedenen Sieges!“</p>
+<p>„Weib, halt ein!“ schrie laut der Empörete, „kühn und
+entschlossen</p>
+<p>War ich mein Leben lang, und feig ertrug ich als Gatte</p>
+<span class = "pagenum">326</span>
+<p>Nur, die Launen des Weibs, das mir zum Jammer zu Theil ward.</p>
+<p>Ach, die unfriedliche Ehe gebiert die herbste der Qualen!</p>
+<p>Doch für jetzo hinweg mit eitlem Gezanke. Zu furchtbar</p>
+<p>Dränget der Augenblick: nicht fern ist die Stunde der Schlacht
+mehr.</p>
+<p>Fort noch heute g’en Prag! Ich sende dir muthige Scharen</p>
+<p>Zum Geleit. Mit dir sey Gott! Kunegunde die Mutter</p>
+<p>Meiner Kinder bist du! Erhabenes liegt in den Worten.</p>
+<p>Halte sie wohl, die theuern! Gar viel ertrug ich des Schlimmen</p>
+<p>Mit Geduld, um die Kindlein: denn mir fehlte der Sohn noch.</p>
+<p>Ha, daß vielleicht, so mir die Heimkehr wird aus dem Kriegszug,</p>
+<p>Schönere Tag’ uns blüh’n! Nur als Sieger siehst du mich wieder.“</p>
+<p>Sagt’ es, und stand, verwendeten Blicks. Ihr rollten die Thränen</p>
+<p>Ueber die Wangen herab: denn tief vorahnte sie’s: nimmer</p>
+<p>Werde sie ihn mehr seh’n; doch scholl kein freundliches „Leb’
+wohl!“</p>
+<p>Ihr von den Lippen; sie ging, und schwang sich auf’s Roß, von den
+Reitern</p>
+<p>Dicht umschart, bald Prag, die herrliche Stadt zu erreichen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Heftig bewegt, ging Ottgar jetzt im dämmernden Zeltraum</p>
+<p>Auf und nieder, und sann. Schon längstentflohene Zeiten</p>
+<span class = "pagenum">327</span>
+<p>Kehreten ihm, nun lieblich und hell, nun nächtlich und furchtbar,</p>
+<p>Wieder im Bilde zurück, und ach, unendliche Wehmuth</p>
+<p>Faßte sein Herz, als dort die dämmernde Helle des Nachtgrau’ns</p>
+<p>Trauergewölk verschlang, und um ihn, verödet, die Welt lag!</p>
+<p>Stöhnend streckt’ er zuweilen den Arm weit vor, und ersehnte</p>
+<p>Heiß, zu entreißen dem Grab, was solches im Moder bedeckt hielt.</p>
+<p>Seine Lippen bewegten sich dann, und lispelten Nahmen,</p>
+<p>Ort, und Zeit umher in die Dämmerung. Willigen Herzens,</p>
+<p>Wär’ er mit flehendem Wort vor Dem, und vor Jenem gesunken</p>
+<p>Auf die Knie’, zu erringen den Wink ersehnter Verzeihung.</p>
+<p>Doch, als Niemand war, der Antwort gab, und auf Erden</p>
+<p>Alles, verstummt, und erstarrt, auf immer jegliches Mitleid</p>
+<p>Ihm zu versagen schien: da hob er die furchtsamen Augen</p>
+<p>Auf zu dem Himmel, und sah durch leis’aufquellende Zähren,</p>
+<p>Zweifelnd, hin, bis jetzt, erschüttert, die bebenden Händ’ er</p>
+<p>Faltete; dann, gesunkenen Haupts, auf die Kniee sich werfend,</p>
+<p>Also begann: „O Herr, nicht geh’ in’s Gericht mit mir Armen!</p>
+<p>Ringsum drängt mich die Schuld, wie die Fluthen des schwellenden
+Bergstroms,</p>
+<p>Und einstürzender Berge Geröll. Wo find’ ich Errettung</p>
+<p>Einst vor deinem Zorn, Allmächtiger, wo, so dem Schuldner</p>
+<p>Nur vergeltendes Recht, nicht auch Erbarmen zu Theil wird?</p>
+<p>Doch Erbarmen mit mir, das, hart- und eiserngesinnet,</p>
+<span class = "pagenum">328</span>
+<p>Ich nicht übt’ an den Menschen &mdash; ein Mensch? Erhebe die Hand
+nur,</p>
+<p>Furchtbarer, straf’ mich: denn ich hab’ es verschuldet, auf
+immer!</p>
+<p>Dennoch nimmst du die Sühne noch an; barmherzig und gnädig</p>
+<p>Bist du, o Herr, wenn reuig das Herz auf der irdischen Bahn noch,</p>
+<p>Schmerzdurchdrungen, sie beut! Noch wandl’ ich auf ihr. Im
+Bewußtseyn</p>
+<p>Schrecklichen Frevels, zu dem auf der schwindelnden Höhe des
+Thrones</p>
+<p>Mich die gefährliche Macht und der feiggesinneten Schmeichler</p>
+<p>Zauberruf hinriß, und des ungebändigten Herzens</p>
+<p>Ehrgeiz, Stolz, und begierliche Gluth stets mächtiger drängte,</p>
+<p>Will ich, läßt du mich leben, o Herr, mit reuigem Herzen</p>
+<p>Sühnen die Schuld! Wie ich einst des Kreuzes heiliges Zeichen,</p>
+<p>Siegend, zur Ostsee trug, und dort den verwilderten Heiden</p>
+<p>Deines Nahmens Ruhm verkündigte, eifernd für Wahrheit,</p>
+<p>Tugend, und Recht; wie dort das Herz bei jeglichem Guten</p>
+<p>Höher im Busen mir schlug, und ringsum die heitere Schöpfung</p>
+<p>Lächelte, weil in der Brust noch Frieden mir wohnte: so will ich,</p>
+<p>Ein erneuerter Mensch, hinfort dir leben, und würdig</p>
+<p>Wandeln vor dir, geschirmt von deiner allmächtigen Rechten!</p>
+<p>Ha, der Morgen graut! Ich stehe g’en über den Feinden:</p>
+<span class = "pagenum">329</span>
+<p>Jenem zumal, der mich verhöhnete &mdash; mir in dem Herzen</p>
+<p>Glühenden Haß und Rachsucht weckt’. Ich verzeih’ ihm: du
+heischest</p>
+<p>Solches, mein Heiland, von mir zum Gehorsam. Im redlichen Kampf
+nur,</p>
+<p>Den des Throns erworbenes Recht und die Liebe der Völker</p>
+<p>Heiliget, will ich ihm steh’n, und anheim dir stellen mein
+Schicksal.</p>
+<p>Gieb mir den Sieg, Herr! Doch nicht mein &mdash; dein Wille
+geschehe!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht</p>
+<p>Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">330</span>
+<h3><a name = "gesang11" id = "gesang11">Eilfter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Zweifelnd rang der Tag mit der Nacht, und im schauernden
+Zwielicht</p>
+<p>Ruhte die Erde, noch rings vom holden Schlummer umfangen,</p>
+<p>Als das schreckliche Paar der Meerenberger in’s Lager</p>
+<p>Kehrete. Dort an dem Pfad, der, längs dem duftenden Weinberg,</p>
+<p>Immer höher sich hebt, und erst an dem felsigen Hügel</p>
+<p>Schwindet, von welchem der Rabenstein empor in die Luft ragt,</p>
+<p>Standen die Rachebrüder, vereint zu entsetzlichen Thaten,</p>
+<p>Schon drei Stunden lang, und sah’n mit finsteren Blicken</p>
+<p>Bald nach dem Hochgericht, bald einer in’s Auge dem andern,</p>
+<p>Das, wie der Blitz aufflammt in dem Nachtgrau’n, öfters erglühte</p>
+<p>Vor dem gewaltigen Drang des grimmgesättigten Herzens.</p>
+<p>Aber da sprach der ältere so zu dem jüngeren Bruder:</p>
+<p>„Siehe, der Morgen graut; schon bin ich gefaßt, und entschlossen!</p>
+<p>Komm: die Vorhuth harrt, der wir uns entzogen.“ Und jener</p>
+<span class = "pagenum">331</span>
+<p>Sagt’, erweicht: „Noch ist das Entsetzliche, dem ich erbebe,</p>
+<p>Nicht gescheh’n; noch stehen wir fern dem gekröneten Gegner,</p>
+<p>Den ich zu morden schwur in der offenen Schlacht, in des Tempels</p>
+<p>Heiligthum, und in dem stillen Gemach, wie solches das Glück mir</p>
+<p>Günstig beut. Bereit ist die Rach’, und der schändlichste Frevel</p>
+<p>Heischt sie mit Recht, und doch &mdash; ich könnt’ ihm verzeihen!
+Nicht zürne</p>
+<p>Theurer, mir ob dem Wort’, er sinkt: ich könnt’ ihm verzeihen!“</p>
+<p>„Wie,“ so entgegnete jener voll Wuth, „das verhaßteste Wort kam</p>
+<p>Dir von den Lippen: verzeih’n? Sieh’ hin nach dem Baume des
+Fluches!</p>
+<p>Ist er nicht jenem gleich &mdash; vielleicht daß die höllischen
+Mächt’ ihn,</p>
+<p>Mir zum Hohn, durch Zaubergewalt herführten im Luftraum,</p>
+<p>Weh’, auf dem der edelgesinnete Bruder, mein Seyfried,</p>
+<p>Schuldlos litt; das Haupt zu den Füßen gebunden, nach dreimal</p>
+<p>Schrecklichen Tagen verblich? Verzeih’n? Ich erwürge dich, thust
+du’s!“</p>
+<p>Jener verstummte vor ihm, und sie kehrten mit eilenden Schritten</p>
+<p>Wieder zurück zur Heldenschar der erlesenen Vorhuth.</p>
+
+<span class = "pagenum">332</span>
+<p class = "stanza">
+Drüben in Osten entstieg des erd’umrandenden Himmels</p>
+<p>Tiefen, gehüllt in Rosengluth, die ersehnete Sonne;</p>
+<p>Aber sie schwand dann bald, von düsteren Wolken verschlungen,</p>
+<p>Wieder, und zeigt’ auch heute nicht mehr ihr freundliches
+Antlitz,</p>
+<p>Bis sie vom Abendthor erreicht das herrliche Ziel sah!</p>
+<p>Schon war drängende Hast und dumpfes Gemurmel im Lager</p>
+<p>Beider Gegner erwacht; schon sprengten die Herolde hierhin,</p>
+<p>Dorthin fort: des Heers Aufstellung den schaltenden Amtnern<a class =
+"tag" name = "tag11_1" id = "tag11_1" href = "#note11_1">1</a></p>
+<p>Kund zu thun, wie solche zuvor der Herrscher gebothen.</p>
+<p>Ottgars dräuende Macht hob weit an dem dunkelen Spannberg</p>
+<p>Sich empor: ausdehnend rechts den mächtigen Flügel</p>
+<p>Bis g’en Weidendorf, und links an die Marken von Dürnkrut,</p>
+<p>Also geordnet in sechs Heersäulen, dem Feind zu begegnen:</p>
+<p>Hier an das Böhmen-Volk der Sachs und der Bayer, und drüben</p>
+<p>Reuß’ und Pol’ an jenes aus Mähren, gereiht, mit den Scharen,</p>
+<p>Kunrings: denn ihm verharrete dort mit erlesenen Kriegern</p>
+<p>Noch zu getreulichem Dienst Hadmar, der ältere; Leutold</p>
+<p>Nur, aufflammenden Zorns, zog jüngst mit den Seinen zur Burg
+heim.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber wie gestern am Wall’, zu drei Heersäulen geordnet,</p>
+<p>Standen des Kaisers Reih’n entgegen den Reihen der Gegner,</p>
+<p>Und gedachten anjetzt vor dem Kampf, der Beicht und des Bußwerks:</p>
+<span class = "pagenum">333</span>
+<p>Denn manch tapferer Krieger sprach: „Wo weilt in des Heeres</p>
+<p>Ordnung der Seelenhirt, der von dem verirreten Schäflein</p>
+<p>Höre die Sünden bekannt, und im Nahmen des Herrn es entlasse,</p>
+<p>Ledig der Schuld? Ach, furchtbar wär’s, in solcher zu scheiden!“</p>
+<p>Bald gewahrt’ er den Wink, der ihm das ragende Zelt wies,</p>
+<p>Wo in dem dämmernden Raum, mit niedergehefteten Augen,</p>
+<p>Heiligen Mitleids voll, der Priester des Herrn zu Gericht saß.</p>
+<p>Willig senkten vor ihm auch sonst unwillige Knie’ sich</p>
+<p>Jetzt in den Staub, und, segengestärkt, bekannten die Krieger,</p>
+<p>Nicht durch Erdenmacht &mdash; nein, nur von dem Herzen
+getrieben,</p>
+<p>Was sie gefehlt, und bereut; sie höreten warnende Lehren;</p>
+<p>Hörten erfreuenden Trost, und zuletzt den göttlichen Ausspruch,</p>
+<p>Der sie lös’te, nicht band, auf dem Wege des Heils und Erbarmens,</p>
+<p>Wie es der Meister gelehrt, der Menschen des Himmels Gewalt gab.</p>
+<p>D’rauf, als dort vor jeder der drei Heersäulen ein Priester</p>
+<p>Würdig die Feier des Abendmahls vollendete, traten</p>
+<p>Sie zu dem Tische des Herrn, und empfingen die Speise der Seelen,</p>
+<p>Klopfend die Brust dreimal mit des Kapernaonischen Hauptmanns</p>
+<p>Demuthssinn, der sprach: „O Herr, nicht würdig erkenn’ ich</p>
+<span class = "pagenum">334</span>
+<p>Mich, daß du einkehrst heute bei mir; doch, sprichst du ein Wort
+nur,</p>
+<p>Wird die Seele gesund!“ Und mit Freudigkeit stellten die Scharen</p>
+<p>Wieder sich auf in Reih’n, gestärkt in heiliger Andacht.<a class =
+"tag" name = "tag11_2" id = "tag11_2" href = "#note11_2">2</a></p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt erwacht’ in dem Lager Getös’. Der edele Ritter</p>
+<p>Rief den Knappen herbei, daß er säh’ nach dem Zaum’ und dem
+Bügel&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Nach dem Sattel und Gurt: ob jedes dem mächtigen Schlachtdrang</p>
+<p>Haltbar sich wies’? da er selbst den Helm mit dem Riemen am Kinn
+sich</p>
+<p>Festigte; dann sein gutes Schwert, aus der Scheide gezogen,</p>
+<p>Prüfte, die Schneid’ entlang, mit sanfthingleitendem Daumen.</p>
+<p>D’rauf noch einmal umwandelnd das Roß mit forschenden Blicken,</p>
+<p>Faßt’ er hurtig den Zaum, und sagte zu seinem Getreuen:</p>
+<p>„Grüß’ mir den grauenden Vater daheim, so der Vater im Himmel</p>
+<p>Mich in dem Waffengemeng, durchbohrt vom feindlichen Eisen,</p>
+<p>Abruft: bald nachfolgt, vom Alter gebeugt, er in’s Grab mir!“</p>
+<p>Aber ein Anderer sprach: „Merk’ auf! So ich niedergeworfen</p>
+<p>Lieg’ auf dem Feld’, und du kehrst, so bringe der Grüße viel
+tausend’</p>
+<p>Dort der Schwester noch, der redlichen: denn in dem Leben</p>
+<span class = "pagenum">335</span>
+<p>Theilten wir Freud’ und Leid, vereint von der zartesten Jugend!“</p>
+<p>Wieder ein Anderer trat mit dem Knappen beiseit’, und geboth ihm:</p>
+<p>„Kömmst du vorüber die Burg, wo mir, holdselig, das Fräulein</p>
+<p>Treue Minne gelobt: oft hast du es selber gesehen,</p>
+<p>Wie von dem Erker sie mir, dem Scheidenden, thränenden Blickes,</p>
+<p>Nachsah, dann noch fern mit dem schimmernden Tuche mir winkte:</p>
+<p>O so sprich: „Treu bis in den Tod ihr weiht’ ich das Leben<ins class
+= "correction" title = "zweites „ fehlt">!“</ins></p>
+<p>Doch der fromme Gemahl begann mit sinnendem Ernst so:</p>
+<p>„Redlicher, kehrst du, des Ritters beraubt, zur rühmlichen
+Heimath:</p>
+<p>Grüße die beste der Frau’n und die holdaufblühenden Kinder</p>
+<p>Alle mit herzlichem Wort! Die so edelgesinnete Gattinn</p>
+<p>Solle mir ja bewahren den Eid, und die munteren Jungen,</p>
+<p>Sorgend mit Mutterhuld, zur Furcht des Herrn auf der Wahrheit</p>
+<p>Hellem Pfad’ erzieh’n, daß sie Männer in jeglichem Sinne</p>
+<p>Werden, und wir vor Gott uns wiederfinden in Wonne!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+So bestelleten dort, voll Hast, die gerüsteten Ritter,</p>
+<p>Vor dem Entscheidungskampf, des ergriffenen Herzens Geheimniß.</p>
+<p>Andere sprengten daher, und schüttelten Diesem und Jenem</p>
+<span class = "pagenum">336</span>
+<p>Freundlich die Hand, „leb’ wohl!“ auf immer vielleicht ihm zu
+rufen.</p>
+<p>Doch die, bundesgesellt, in den schimmernden Reih’n sich
+erblickten,</p>
+<p>Eineten sich mit betheuerndem Wort’ und mit kräftigem Handschlag:</p>
+<p>Nahe zu seyn in Gefahr, und zu schützen der eine den andern.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, da ritt, umringt von seinen gewaltigen Feldherrn,</p>
+<p>Nach vollendetem Mahle des Herrn, auch der Kaiser herüber!</p>
+<p>Hugo von Tauffers sah des Heers Aufstellung, und sagte:</p>
+<p>„Herr, nicht schweigt dein Haug: er kennt den gütigsten
+Herrscher!</p>
+<p>Heiße die Scharen in fünf, nicht in drei Heersäulen geordnet,</p>
+<p>Gegen den Feind vordringen im Feld, daß die tapferen Krieger</p>
+<p>Jeglichen Volks, entflammt von der rühmlichen Liebe der Heimath,</p>
+<p>Streben den andern zuvor, zu erringen den herrlichen Siegspreis.“</p>
+<p>„Klug hast du,“ sprach jener mit Huld, „mir gerathen. Des Weisen</p>
+<p>Rath ist besser denn Gold, und des Demants funkelnder Reichthum</p>
+<p>Wiegt ihn nicht auf. So möge das Heer in gesonderten Haufen</p>
+<span class = "pagenum">337</span>
+<p>Stehen: um mich die Ritter-Schar und die Völker aus Deutschlands</p>
+<p>Oberen Gau’n; dann rechts, in zwei Heersäulen der Ostmark</p>
+<p>Heldensöhn’ und der steyrischen Mark, und in zweien, zur Linken,</p>
+<p>Jene von Kärnthen und Krain, von muthigen Führern geordnet;</p>
+<p>Aber das tapfere Volk der Ungern stehe zur Rechten&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Jenes der Kunen zur Linken zurück: im entscheidenden Zeitraum</p>
+<p>Vorzubrechen, und dort zu vernichten die fliehenden Scharen,</p>
+<p>Da von der Warte von Ebenthal der mächtige König,</p>
+<p>Schauend als Zeuge sein Volk, zum Sieg entflammet die beiden.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Also geschah’s. Noch war der volkvereinenden Fähnlein</p>
+<p>Pracht im Heer nicht enthüllt. Die Fahnenjunker entbanden</p>
+<p>Solche dem ragenden Schaft’, und sie flatterten jetzt in dem Wind
+hin,</p>
+<p>Zahllos, buntvermengt, wie im Lenze die Blumen des Feldes.</p>
+<p>Alsbald sprengten die Edeln heran, den Ruhm zu erringen:</p>
+<p>Vor dem Kaiser im Kampf’ einher zu tragen die Sturmfahn’:<a class =
+"tag" name = "tag11_3" id = "tag11_3" href = "#note11_3">3</a></p>
+<p>Oestreichs Demantberg’ und Edelgesteine mit Konrad</p>
+<p>Haselau; dann Trautmansdorf mit seinem Erzeugten,</p>
+<p>Ach, dem einzigen jetzt, und auch Capellen mit Heunburg!</p>
+<span class = "pagenum">338</span>
+<p>Aber mit freudigem Stolz begann der erhabene Kaiser:</p>
+<p>„Werth seyd ihr des Ruhms, des herrlichsten, alle vor allen;</p>
+<p>Doch mein Haselau, der achtzigjährige Greis dort,</p>
+<p>Heischt ihn mit Recht: d’rum werd’ ihm heut die erlesene Stelle</p>
+<p>Oestreichs Siegespanier für Oestreichs ewige Herrschaft</p>
+<p>In der entscheidenden Völkerschlacht zu erhöh’n, und es steh’ ihm</p>
+<p>Lichtenstein, so er dort ermattete, hülfegesellet.</p>
+<p>Tritt, Markgraf von Hochberg, vor, und empfange die Reichsfahn’!</p>
+<p>Albrecht, du, mein ältester, komm, mir die erste der Fahnen,</p>
+<p>Die vor allen, geziert mit dem Bild des erlösenden Kreuzes,</p>
+<p>Aufragt, heut zur ermunternden Schau, in dem Kampfe zu weisen:</p>
+<p>Dicht vor mir in Gefahr und todverbreitendem Schlachtgrau’n,</p>
+<p>Wie du es selber ersehntest jüngst, im muthigen Herzen!“</p>
+<p>Hochberg hob nun zuerst des heiligen, römischen Reiches</p>
+<p>Fahne zur Luft, wo schwarz im gelbherschimmernden Feldraum</p>
+<p>Sich der Doppel-Aar, mit Zepter und Krone geschmückt, wies;</p>
+<p>Jene von Oestreich Haselau, ehrwürdigen Anseh’ns,</p>
+<p>Weisend den schneeigen Streif in Leupolds rühmlichem Blutfeld.</p>
+<p>Beide hielten, dem Kaiser nicht fern, zur Rechten und Linken;</p>
+<span class = "pagenum">339</span>
+<p>Aber vor ihm hob dann sein Albrecht die heilige Fahn’ auf,</p>
+<p>Die in dem grünlichen Feld mit dem Bild des Erlösers geschmückt
+war.</p>
+<p>Wieder begann er, und sprach vor dem Heere mit leuchtenden Augen:</p>
+<p>„Schwarzenberg, nun hin, zu erforschen den König von Böhmen:</p>
+<p>Ob er gerüstet im Feld’ uns heut zu begegnen, gewillt sey?</p>
+<p>Nahe der Vorderhuth, mit den Reisigen wirst du ihn treffen:</p>
+<p>Denn er kennt in Gefahren des Kampfs die unmännliche Furcht
+nicht!“</p>
+<p>Jener enteilete, wie der fernhinbrausende Sturmwind,</p>
+<p>Der des Staubes Gewölk auf dem Heerweg, wirbelnd, emporhebt.</p>
+<p>Bald annahte der Held dem nahenden Feind’, und gewahrte</p>
+<p>Dort an der Vorderhuth, im Kreis’ erlesener Feldherrn,</p>
+<p>Ottgars hohe Gestalt, der, herrlichgewaffnet, daherkam:</p>
+<p>Denn er hüllte das Haupt in den silbernen Helm, und es wand sich</p>
+<p>Rings um selben, die Kron’ aus strahlendem Golde, gezackt, auf;</p>
+<p>Auch der Harnisch und Schild, und am Arm und dem Beine die
+Schienen,</p>
+<p>Die er sich heute gewählt, erglänzten von Silber, und dräuend,</p>
+<p>Warf von des Degens Griff in der Rechten ein röthlicher Demant</p>
+<p>Blitz’ umher. So kam er, zum Kampf gerüstet, herüber.</p>
+<span class = "pagenum">340</span>
+<p>Als er den Ritter ersah, da hemmt’ er den schnaubenden Rappen</p>
+<p>Rasch mit zorngeröthetem Blick; doch jener begann so:</p>
+<p>„Herr, du hast den Frieden verschmäht: so bieth’ ich dir Krieg
+denn,</p>
+<p>Ich, von Schwarzenberg, des Kaisers gesendeter Herold,</p>
+<p>Krieg auf Leben und Tod, im Nahmen des Kaisers! Er fragt dich,</p>
+<p>Edelgesinnet, zuvor, nach altherkömmlicher Sitte:<a class = "tag"
+name = "tag11_4" id = "tag11_4" href = "#note11_4">4</a></p>
+<p>Ob du, gerüstet zum Kampf’, ihn heut’ erwartest im Schlachtfeld?“</p>
+<p>Also der tapfere Held. Grimmlächelnd erwiederte jener:</p>
+<p>„Bring’ ihm die Kunde zurück: ich sey Streit’s halber<a class = "tag"
+name = "tag11_5" id = "tag11_5" href = "#note11_5">5</a> gekommen!“</p>
+<p>Sagt’ es, und wandte das Roß, im schnelleren Zuge die Krieger</p>
+<p>Vorzuführen zur Schlacht, und zu schrecklichem Feindesgemetzel.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Schon verkündete Schwarzenberg, der edele Herold,</p>
+<p>Kehrend in Eile zurück, dem Kaiser, daß ewige Feindschaft</p>
+<p>Ihm der König gelobt, und bald vorstürme zum Angriff.</p>
+<p>Sieh’, und kaum entfuhr ihm das Wort, da jagten des Gegners</p>
+<p>Vorderste Haufen herab von dem Hügel; viel tausende folgten</p>
+<p>Bald den ersteren nach, und verdunkelten alle die Höhen!</p>
+<p>Manchem der Krieger, der zum ersten Male des Feindes</p>
+<span class = "pagenum">341</span>
+<p>Scharen ersah in dem Feld; noch nie der würgenden Waffen</p>
+<p>Furchtbaren Schlag vernahm, und empfand in dem Sturme des
+Angriffs,</p>
+<p>Pochte das Herz in der Brust viel mächtiger: wechselnde Schauer</p>
+<p>Liefen ihm fort und fort an dem Haupt und dem Rücken hinunter,</p>
+<p>Und zu dem Helmdach hob sich oft sein starrendes Haar auf.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch nun ritten im Flug’ aus den Reih’n der mittleren Heerschar</p>
+<p>Hundert Jünglinge vor, die aus Zürich, dem Städtchen, gezogen;</p>
+<p>Stellten dort vor dem Kaiser sich auf, und einer begann so:</p>
+<p>„Möchtest du jetzt, erhabener Herr, ruhmwürdiger Sitte</p>
+<p>Denkend, ertheilen den Schlag, der uns den Edeln geselle!</p>
+<p>Ha, nicht soll es dich reu’n, wenn wir vordringen im
+Schlachtfeld!“</p>
+<p>Freudig entblößte der Kaiser sein Schwert, erhob es, und sagte:</p>
+<p>„Blühende Männer, wohlan: da ihr edele Thaten verheißet,</p>
+<p>So gescheh’ euch nach Wunsch! Hart drängt uns die Stunde: wir
+schlagen</p>
+<p>Darum euch nur auf den Helm und den Schild, nach edeler Sitte,</p>
+<p>Jetzt im Nahmen des Ein-dreieinigen Gottes zu Rittern.“</p>
+<p>Und er führte den Streich kreuzweis nach den Helmen und Schilden</p>
+<span class = "pagenum">342</span>
+<p>Aller umher. So wurden sie hier den Edeln gesellet.<a class = "tag"
+name = "tag11_6" id = "tag11_6" href = "#note11_6">6</a></p>
+<p>Aber er sprengt’ im Fluge hinaus vor die glänzenden Scharen;</p>
+<p>Schwang das Eisen, und rief mit lautumschallender Stimme:</p>
+<p>„Tapfere, hört: nun gilt’s! Dort nah’t in furchtbarer Mehrzahl,</p>
+<p>Unversöhnlichen Grolls, der Feind, uns die Länder der Ostmark,</p>
+<p>Ja, auch die Krone des Reichs, im entscheidenden Kampf zu
+entreißen.</p>
+<p>Aber nicht soll er deß’ sich erfreu’n. Allmächtig ist Gottes</p>
+<p>Schützender Arm: er führt uns mit allumfassender Vorsicht</p>
+<p>Durch die sonnige Flur und die Nachtabgründe des Lebens:</p>
+<p>Fest ruht mein Vertrauen auf ihm. So werdet auch ihr jetzt,</p>
+<p>Stark durch Gott, mit unbeugsamer Kraft des endlichen Kampfes</p>
+<p>Schrecknisse siegend besteh’n; den eidverhöhnenden Frevel</p>
+<p>Strafen: erringen die langersehnete Ruhe für Deutschland;</p>
+<p>Gründen der Völker Glück und euren unsterblichen Nachruhm.</p>
+<p>Ha, und erliegen wir auch, so laßt uns erliegen als Helden!</p>
+<p>Eins sey mein, und euer Geschick: ich, Kaiser der Deutschen,</p>
+<p>Leb’, und sterbe mit euch auf dem winkenden Felde der Ehren.“</p>
+<p>Sieh’, und die jauchzenden Scharen entlang aufblitzten die Waffen</p>
+<p>Aller zugleich in die Luft: sie heischten urplötzlichen Angriff.</p>
+
+<span class = "pagenum">343</span>
+<p class = "stanza">
+Aber auch Ottgar rief entflammende Worte den Seinen:</p>
+<p>„Sehet,“ so sprach er mit grimmigem Blick, „schon naht uns des
+Gegners</p>
+<p>Heersmacht, der so frech uns höhnete, schändliche Täuschung</p>
+<p>Uebend an mir, und an euch: noch bebt mir die Seele vor Schauder,</p>
+<p>Denk’ ich’s! Doch er büße dafür: denn ewige Schand’ euch,</p>
+<p>So ihr nicht rächet die Schmach, die, gleich, dem Volk’ und dem
+Herrscher</p>
+<p>Böhmens galt. Gedenket der Zeltvorhänge von Kamberg,</p>
+<p>Strafet des Frevlers Trotz. Er brüste sich, daß ihm die Kunen</p>
+<p>Gestern erfochten den Sieg. Schaut hin nach den rühmlichen
+Feldern</p>
+<p>Kressenbruns, wo ich Bela’s Macht, vernichtend, in Staub warf.</p>
+<p>Ha, noch bin ich der Held, der euch vom Siege zu Siegen</p>
+<p>Führete! Fort &mdash; greift an! Dem dräuenden Aare von Oestreich</p>
+<p>Möge der böhmische Leu’ nun weisen die furchtbaren Klauen.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Also empörten ihr Volk die schlachtgebiethenden Herrscher.</p>
+<p>D’rauf erscholl ringsher Geschrei und Getümmel; die Trommeln</p>
+<p>Wirbelten; laut in dem Sturm erklangen die eh’rnen Drometen:</p>
+<p>Hier die Reisigen, dort des Fußvolks Reihen zum Angriff</p>
+<p>Drängend im Feld’, und so, wie ein Lüftchen die wogenden Aehren</p>
+<span class = "pagenum">344</span>
+<p>Treibt im Kreise herauf und hinab: so bewegte sich hierher,</p>
+<p>Dorthin, wimmelnd, das Heer. Staub flog empor, wie im Märzmond,</p>
+<p>Wenn der eisige Nord-, dann wieder der brausende Westwind</p>
+<p>Noch den entfliehenden Winter hemmt, und am glänzenden Mittag</p>
+<p>Rieselgewölk aufjagt: da hebt sich im wirbelnden Aufflug</p>
+<p>Hoch in die Lüfte der flimmernde Schnee; da schwindet des Himmels</p>
+<p>Sonnige Bläue; das Thal, und die ringsaufragenden Berghöhn</p>
+<p>Hüllt das Gestöber in Nacht: so erregte der feindlichen Scharen</p>
+<p>Schlachtanlauf unendlichen Staub in den Saatengefilden,</p>
+<p>Und das Entsetzen schnob aus dem Grau’n des umnachtenden Qualms
+her;</p>
+<p>Aber nicht anders, wie dann, mit entfesselter Wuth, die empörten</p>
+<p>Stürzen aus Westen und Norden zugleich auf den wimmelnden Hafen,</p>
+<p>Wo das Gewässer des Meers, aufbrandend, sich hebt; von den Ankern</p>
+<p>Reisset das Seil, und jetzt, wild an einander geschleudert,</p>
+<p>Mitten im furchtbarn Wogengeheul, am zerschmetterten Schiffsraum</p>
+<p>Kracht der Raum, am Maste der Mast, und, berstend am Kiel hin,</p>
+<p>Donnert das hohle Verdeck, daß rings den umuferten Hafen</p>
+<span class = "pagenum">345</span>
+<p>Grause Zertrümmerung hüllt: so stießen die Heere zusammen.</p>
+<p>Sieh’, und seitwärts, weit vom Winde hinübergetragen,</p>
+<p>Legte sich jetzo der Staub in dem Feld: da sah’n sich die Gegner</p>
+<p>Näher in’s Aug’, und ha, bald traf das Eisen auf’s Leben!</p>
+<p>Doch, ach! mußte der Kampf für Rudolphs Helden so schrecklich,</p>
+<p>Und am schrecklichsten noch, für den einen der Helden beginnen?</p>
+
+<p class = "stanza">
+Zamor trieb aus der Vorderhuth die rüstigen Schützen</p>
+<p>Reussens vor in die Schlacht. Sie hatten der tödlichen Armbrust</p>
+<p>Sehne gespannt; den Pfeil in die Röhre des Schaftes geschoben;</p>
+<p>Fest an die Wange gepreßt den krummgebogenen Kolben;</p>
+<p>Dann im Lauf, nach dem Gegner zielend, das schnellende Zünglein</p>
+<p>Losgedrückt: urplötzlich ertönte die Sehn’, und erbraus’te</p>
+<p>Fort in der Luft der befiederte Pfeil, nach feindlichem Herzblut</p>
+<p>Lechzend: er traf, und verwundete Roß und Mann in den Scharen,</p>
+<p>Die aus der Steyermark herlenkte der tapfere Pfannberg,</p>
+<p>Und jetzt Trautmansdorf beherrscht: da jener, verwundet,</p>
+<p>Noch im luftigen Zelt des vielerfahrenen Arztes</p>
+<p>Sorge sich fügt: voll Gier, in die Schlachtreih’n wiederzukehren.</p>
+<span class = "pagenum">346</span>
+<p>Trautmansdorf ermahnete laut das treffliche Fußvolk</p>
+<p>Und die Reiter zugleich, des vaterländischen Ruhmes</p>
+<p>Eingedenk’, heut’ in dem Feld’ als mannhafte Streiter zu stehen.</p>
+<p>Freudig gehorchte das Volk, und im Sturmlauf ging’s an den Feind
+jetzt,</p>
+<p>Als, von der Armbrust her die befiederten Pfeile geschnellet,</p>
+<p>Zischten. Dicht vorüber dem Ohr des unglücklichen Vaters</p>
+<p>Flog ein mordender hin, und verschont’ ihn &mdash; den zartesten
+Sprößling,</p>
+<p>Der ihm von zehn-und-vier noch blühete, niederzuwerfen.</p>
+<p>Hinter ihm sank ein Reiter vom Roß’. Er hört’ es, und bebte;</p>
+<p>Aber nicht sah er zurück, und rief des aufstürmenden Herzens</p>
+<p>Angst bekämpfend, noch lauter sein Volk zum Kampf und Gewürg’
+auf.</p>
+<p>Erdwin war’s, der fiel, von dem Pfeil’ im Halse getroffen,</p>
+<p>Da in dem Sturmlauf jetzt die Halsberg’ sich von der Schulter</p>
+<p>Aufschob. Still, wie die Lilie sinkt, vom Hagel zerschmettert,</p>
+<p>Sank er vom Roß’, und, fallend, bath er mit sterbendem Blick
+noch,</p>
+<p>Daß kein Laut sein Geschick dem enteilenden Vater verrathe.</p>
+<p>Trauernd gehorchten dem Wink die raschvorstürmenden Krieger.</p>
+<p>Doch schon drang im beflügelten Ritt sein edler Erzeuger</p>
+<p>Bis in die vordersten Feindesreih’n, und schnell, wie der Blitz
+schlägt,</p>
+<span class = "pagenum">347</span>
+<p>Warf sein schrecklicher Arm fünf Schützen aus Reussen zu Boden.</p>
+<p>Zamor, des Volkes Hort, ersah den Würger, und alsbald</p>
+<p>Jagt’ er heran, den Tod der gefallenen Krieger zu rächen;</p>
+<p>Aber ihm eilte nur muthiger noch der Ritter entgegen;</p>
+<p>Faßte noch fester den Griff in die Hand, und hieb mit des
+Schwertes</p>
+<p>Tödlichem Stahl’ ihm die hochgethürmete Mütz’ und die Scheitel</p>
+<p>Tief in die Stirn’ entzwei, daß er stürzend vom Sattel hinunter</p>
+<p>Taumelte, laut aufstöhnt’, und das blühende Leben verhauchte.</p>
+<p>Ach, bald jammert die Gattinn daheim, die, heimlich im Busen</p>
+<p>Ahnend ihr Trauergeschick, dem scheidenden Gatten den Säugling,</p>
+<p>Schlummernd in lieblicher Unschuld wies, und die Knie’ ihm
+umfaßte,</p>
+<p>Flehend mit Thränen im Blick, daß er doch bei den Seinen
+verharre;</p>
+<p>Aber umsonst! Ihn rief der ruhmverheißende Heerbann</p>
+<p>Fort in das Feld, und er sank, erwürgt, in dem schrecklichen Kampf
+jetzt.</p>
+<p>Siehe, nicht rastete Trautmansdorf: er drängte die Schützen,</p>
+<p>Rasch fortkämpfend, zurück’, und Blut beströmte den Boden!</p>
+
+<p class = "stanza">
+Fern, vom gehügelten Sand’, ersah der Führer der Kunen,</p>
+<span class = "pagenum">348</span>
+<p>Suhol, der Eber genannt, dem Trentschins Gebiether den Herold</p>
+<p>Sendete: daß er ihm eine sein Volk, wie dort in dem Vortrab</p>
+<p>Trautmansdorf vor allen zuerst vordrang mit den Reitern.</p>
+<p>Das empört’ ihm die Brust, und, unbändigen Zorns, wie ihm stets
+noch</p>
+<p>Jugendlichheiß das Blut in dem leichtaufbrausenden Herzen</p>
+<p>Kochte, schwang er sein Eisen zur Luft, und begann vor dem Volk
+so:</p>
+<p>„Seht, dort fechten sie schon, und tränken ihr Schwert mit des
+Feindes</p>
+<p>Dampfendem Blut’, &mdash; erringen wohl auch sich die Beute vor
+andern,</p>
+<p>Da wir, müßig im Hinterhalt, des unsicheren Vortheils</p>
+<p>Harren! Soll denn die Beut’ und der Siegsruhm stets nur die
+Deutschen</p>
+<p>Lohnen im Schlachtengefild? Stets sollen wir jenen zurücksteh’n,</p>
+<p>Eng’ in die Ordnung gebannt? Nicht also gefällt es dem Kunen:</p>
+<p>Denn er schwärmt in dem Feld, wie ein brausendes Donnergewitter,</p>
+<p>Frei umher, und erfüllt es mit Angst, Verderben, und Jammer.</p>
+<p>Auf, wir wollen hinaus, dem Feind’ in die Seite zu fallen</p>
+<p>Mit entsetzenverbreitender Hand! So holen wir Beut’ uns</p>
+<p>Selber, und Ruhm wird uns, die Sieger, nur herrlicher lohnen.“</p>
+<span class = "pagenum">349</span>
+<p>Alsbald gab er dem Rosse den Sporn, und es jagte sein Volk ihm</p>
+<p>Dann im brausenden Flug rasch nach: umschwärmend das Häuflein</p>
+<p>Kunrings, und schnellend zugleich von dem weitgehörneten Bogen</p>
+<p>Pfeile, so dicht, daß rings sich in nächtliches Dunkel der
+Luftraum</p>
+<p>Hüllete. Bald traf hier, bald dort der befiederte Mordstahl</p>
+<p>Reiter und Roß, und verwundete viel’ in der nahenden Kriegsschar;</p>
+<p>Doch als solches die Pfeile verschoß, den entleereten Köcher</p>
+<p>Und den Bogen, vereint, mit der Schnur auf den Rücken zurückwarf:</p>
+<p>Da griff’s rasch nach dem Säbel, und hieb mit Gejauchz’ in die Feind’
+ein.</p>
+<p>Kunring hatte den Speer gesenkt; das unbändige Reitroß</p>
+<p>Links gespornt, und rechts, und die wildumschwärmenden Krieger</p>
+<p>Niedergeworfen, bis ihm ihr Feldherr, Suhol, der Eber,</p>
+<p>Seitwärts nahend im Flug, mit dem Säbel die Lenden durchrannte.</p>
+<p>Alsbald sank er vom Sattel herab: die erschrockenen Krieger</p>
+<p>Wichen zurück, und im Feld hin scholl Geschrei und Getümmel.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar bebte vor Zorn, da er so, im beginnenden Kampf schon</p>
+<span class = "pagenum">350</span>
+<p>Wieder die Gegner im Vortheil sah, und die Seinen im Feld hin</p>
+<p>Flüchteten. Sieh’, da schwang sich, ergrimmt, der finstere
+Katwald</p>
+<p>Aus den Lüften herab, und rief im Geistergelispel:</p>
+<p>„Wehe, du schaust die Deinen besiegt, noch ehe die Gegner</p>
+<p>All’ ihr Schwert entblößten, und eh’ den ragenden Speer sie</p>
+<p>Senkten zum Todesstoß’! Unglücklicher, willst du noch zaudern?</p>
+<p>Wähle sogleich die tapfersten dir aus des Heeres Geschwadern;</p>
+<p>Führe sie kühn selbst vor, zu erwecken den Muth in dem Herzen</p>
+<p>Aller umher: so erringst du vielleicht den herrlichsten Sieg
+noch!“</p>
+<p>Ottgar rief alsbald nach Lobkowitz, schreiend hinüber:</p>
+<p>„Tapferer Greis, nun vor mit deinen geharnischten Reitern,</p>
+<p>Hier den allentscheidenden Sieg mir heut zu erkämpfen!</p>
+<p>Groß ist der Ruhm, den dieser mir beut; doch größer die
+Freundschaft</p>
+<p>Noch, und die Liebe, die ich, dein König, dankbargesinnet,</p>
+<p>Dir werkthätig bewies seit dreißig entflohenen Jahren.</p>
+<p>Dessen gedenk’ anjetzt, und vergilt mir mehr, als die Schuld
+war!“</p>
+<p>Dann entsendet’ er dort an Zierotin, und den Herzog</p>
+<p>Bayerns die Herolde: Muth und dauernde Kraft in dem Busen</p>
+<span class = "pagenum">351</span>
+<p>Beider zu wecken, und hier entboth er, gewaltigen Ausrufs,</p>
+<p>Selber die Kühnsten im Heer’, und führte sie rasch in die
+Feldschlacht.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Nicht entging es dem Blick des erhabenen Kaisers, wie tapfer</p>
+<p>Trautmansdorf vordrang, und die stürmenden Schützen zurückwarf:</p>
+<p>Freud’ erfüllte sein Herz; doch bald versiegte sie wieder,</p>
+<p>Als der Kune so frech, der Willkühr fröhnend, zum Angriff</p>
+<p>Flog. Kein Sterblicher hemmte den Fels, der, rollend aus
+Alphöh’n,</p>
+<p>Schneller und schneller herab in das Thal mit donnerndem Sprung
+fleugt:</p>
+<p>D’rum geboth er auch jetzt, den edelen Rittern und Feldherrn,</p>
+<p>Winkend, das Feldgeschrei. Urplötzlich ertönte der Aufruf:</p>
+<p>„Gott mit uns!“ im östreichischen Heer’, und „Praga!“ zur Losung</p>
+<p>Allentscheidender Schlacht, in dem böhmischen, lauter und lauter,</p>
+<p>Durch drometenden Schall und den Lärm fortwirbelnder Trommeln,</p>
+<p>Und in dem staubumwölkten Gefild traf Reiter und Fußvolk,</p>
+<p>Ritter und Knappe zugleich in schrecklicher Eile zusammen.</p>
+<p>Wie, herstürmend, der Donner rollt, daß die Vesten des Erdballs</p>
+<span class = "pagenum">352</span>
+<p>Zittern, ritt im Galopp mit den schwergeharnischten Reitern</p>
+<p>Lobkowitz näher, und schlug der Kunen umschwärmende Scharen</p>
+<p>Mordend zur Erd’, als Suhol, ihr jüngsterlesener Führer,</p>
+<p>Sank vor seiner Gewalt, und, entmuthigt die andern entflohen.</p>
+<p>Sieh’, auch Trautmansdorf, von den Reitern entblößt, und der
+Unzahl</p>
+<p>Bloßgestellt, wich nun vor Lobkowitz! Aber dem Leu’n gleich,</p>
+<p>Der, von unbändigen Rüden verfolgt, noch häufig sich wendet,</p>
+<p>Und noch manchen zerreißt mit den schrecklichen Zähnen: so wies
+er</p>
+<p>Ihm die muthige Stirn’, da er fechtend die Scharen zurückzog.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Meinhard warf sich zuvor rechts hin auf Heinrich, den Herzog</p>
+<p>Bayerns: denn voll Kraft und verwegenen Muthes im Schlachtfeld,</p>
+<p>Waren die Krieger aus Kärnthen und Krain ihm gefolgt, und es
+stürmten</p>
+<p>Oestreichs Tapfere links, geführt von dem kühnen Capellen,</p>
+<p>Gegen die Sachsen vor, die Mansfeld, furchtbaren Grimmes</p>
+<p>Würgen heißt. Da war, entlang die feindlichen Reihen,</p>
+<p>Schrecklicher Mord, Wehklag’, Aufjauchzen und Jammern zu hören:</p>
+<p>Da zu schau’n das Entsetzliche: wie der erbitterten Gegner</p>
+<p>Manche, schon nahe dem Tod, sich im Staub noch, würgend,
+umfaßten,</p>
+<span class = "pagenum">353</span>
+<p>Und das Blut der Erschlagenen, gleich aufschäumenden Bächen,</p>
+<p>Wogte hinauf und herab in dem grau’numnachteten Schlachtfeld.</p>
+<p>Bis an des Himmels Gewölb’ empor die mittägliche Sonne</p>
+<p>Sich erhob, die heut’ ihr strahlendes Antlitz in Wolken</p>
+<p>Hüllete, wies die Völkerschlacht, wie auf stürmischer Meerfluth</p>
+<p>Ein entmastetes Schiff, hinauf und hinunter im Kreis’ treibt,</p>
+<p>Sich im wechselnden Glück; doch jetzt gelang es dem Helden</p>
+<p>Lobkowitz, rasch vorstürmend im Feld, der mittleren Heerschar</p>
+<p>Obzusiegen. Sie wich nur langsam, und stellte sich wieder,</p>
+<p>Gegen den Feind, erneut, die tödliche Waffe zu führen;</p>
+<p>Aber mit leuchtendem Blick und muthgerötheten Wangen,</p>
+<p>Sprengte der König das Roß von Reihen zu Reihen. Er schalt, bath,</p>
+<p>Und bewegte sein Heer noch eilender vor in dem Blachfeld.</p>
+<p>„Jetzo hinan,“ so rief er, und schrie, daß die Völker erbebten,</p>
+<p>„Jetzo nur muthig hinan: denn Ottgar führt euch als Sieger!</p>
+<p>Seht, wie Jene vor euch entflieh’n; fort, schmettert sie nieder!“</p>
+<p>Also braus’te das Wort, empörend, ihm von den Lippen.</p>
+<p>Wie den nächtlich umwüthenden Brand, der viele der Häuser</p>
+<p>Schon vernichtete, noch das Volk zu bewältigen hoffet:</p>
+<p>Denn still ruhen die Lüft’ umher; doch plötzlich erhebt sich</p>
+<span class = "pagenum">354</span>
+<p>Ein feindseliger Sturm, und unaufhaltsam hinunter</p>
+<p>Wälzt sich von neuem der Strom des empöreten Feuers: so stürmten</p>
+<p>Ottgars Völker dahin, und drängten die Gegner im Blachfeld,</p>
+<p>Immer rascher und rascher zurück. Ein Körnchen Gewichts mehr</p>
+<p>Auf die Schale des Leu’n, und den himmelannahenden Räumen,</p>
+<p>Seinem erkorenen Reich’, entsank der Adler auf immer.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Rudolph sah des Augenblicks kurzdauernden Zeitraum</p>
+<p>Lang, bestürzt, umher, und ihm dunkelten nächtlich die Augen.</p>
+<p>Deutschlands Ruh’, und des Reiches Wohl, dem, herrschend mit
+Thatkraft,</p>
+<p>Er sich geweiht, ersah er von neuem gefährdet, und allwärts</p>
+<p>Wieder entfesselt die Wuth der grau’nverbreitenden Willkühr;</p>
+<p>Doch bald schwang sich sein Geist aus der Erdennacht in des
+Himmels</p>
+<p>Ewiges Lichtreich auf, wo ein mächtiger Helfer ihm lebte.</p>
+<p>Schnell verließ er den Sattel, und lag auf den Knieen im Staub
+dort,</p>
+<p>Laut aufrufend vor allem Volk mit gefalteten Händen:</p>
+<p>„Ewiger, komm’ uns, errettend, zu Hülf’! Ach, wende die Augen</p>
+<p>Nicht von uns ab: denn nicht entzündeten, frevelnden Muthes,</p>
+<span class = "pagenum">355</span>
+<p>Wir den blutigen Streit: nur unversöhnlicher Rachgier,</p>
+<p>Und zermalmender Wuth steh’n wir, abwehrend, entgegen!</p>
+<p>Gib uns den Sieg! Ein Gelübd lebt mir, erhebend, im Herzen:</p>
+<p>Denn ich schaue dein Heil, wie der erste der christlichen Kaiser,</p>
+<p>Huldausstrahlend, vor mir: des weltversöhnenden Kreuzes</p>
+<p>Heiliges Zeichen, in dem ich den Sieg erringen, und dankbar</p>
+<p>Ihm, zu verehrendem Dienst, für immer und ewige Zeiten,</p>
+<p>Stiften ein Gotteshaus, und zu ihm versammeln die Jungfrau’n</p>
+<p>Werde zu Tulln, am Ufer der freihinrollenden Donau.</p>
+<p>Sey dem Gelübd von dir, Allmächtiger, Huld und Erhörung!“</p>
+<p>Als er’s rief, da fuhr ein leuchtender Strahl aus den Wolken,</p>
+<p>Und erfüllt’ ihn mit Muth und Freudigkeit. Sieh’, auf dem
+Lichtstrahl</p>
+<p>Schwebt’ ein Engel daher, und hieß die Scharen der Geister,</p>
+<p>Welche die Schlacht herab aus dem Uebersinnlichen lockte,</p>
+<p>Flieh’n, daß keiner im Kampf sich den Gegnern als Helfer erweise!</p>
+<p>Alle gehorchten, und sah’n, umher in den Wolken sich lagernd,</p>
+<p>Noch voll Gier auf die Streiter herab; nur einer aus allen,</p>
+<p>Marbod, stand, und sann den Worten des bethenden Kaisers</p>
+<p>Trauernd nach. Da erklang urplötzlich ein Ruf aus den Wolken.</p>
+<p>Ha, sie rissen entzwei: Erwine, die liebende Gattinn,</p>
+<p>Sank ihm, weinend vor Wonn’, an die Brust. Sie entschwebten des
+Erdballs</p>
+<span class = "pagenum">356</span>
+<p>Dunkeln Gefilden, vereint, auf dem Sirius, der in dem Sternreich</p>
+<p>Herrschet, im Lauf des vom Ewigen nur ermessenen Zeitraums,</p>
+<p>Huldbeglückt, und des Erdenjammers vergessend, zu weilen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber mit leuchtendem Blick’ erhob der Kaiser der Deutschen</p>
+<p>Sich von dem Staub’: ein Strahl der himmlischhohen Begeistrung</p>
+<p>Glänzt’ in ihm, und auf seinen gerötheten Wangen. Betroffen</p>
+<p>Staunten die Krieger ihn an; doch all’ aufjauchzten mit einmal,</p>
+<p>Als er das schnaubende Roß vortummelte, dann mit dem
+Schlachtschwert</p>
+<p>Auf den nahenden Feind hinwies, und, ermuthigend, ausrief:</p>
+<p>„Gott ist mit uns! Eilt jetzt, gleich loderndem Feuer im
+Saatfeld,</p>
+<p>Gegen den Feind; vertilgt ihm schnell die Haufen, und schafft mir</p>
+<p>Heut’ unendlichen Ruhm, da ich euerem Muthe vertraute.</p>
+<p>Euer zugleich ist der Ruhm und der Dank noch spätester Nachwelt:</p>
+<p>Denn wir kämpfen für Deutschlands Glück, als Deutsche, der Ahnen</p>
+<p>Werth, die, tapfergesinnt, sich nie im Joche des Fremdlings</p>
+<span class = "pagenum">357</span>
+<p>Beugeten. Hört, der Herr ist mit uns, und scheuet den Tod nicht,</p>
+<p>Hier der heiligen Pflicht und des Vaterlandes gedenkend!“</p>
+<p>All’ entflammte sein Wort: ein jeglicher Mann in den Reihen</p>
+<p>Lechzte vor Gier, schnell vorzudringen im Feld’, und zu sterben</p>
+<p>Dort den Tod für das Vaterland und die heilige Freiheit.</p>
+<p>Aber nach Albrecht sah vor allen sein hoher Erzeuger</p>
+<p>Mit bedeutendem Blick’, und freudiger ging er im Schlachtfeld,</p>
+<p>Hoch in der Linken die Kreuzesfahn’, in der Rechten das
+Schlachtschwert</p>
+<p>Führend, ihm vor. Das Panier von Oestreich, als ihm des Greises</p>
+<p>Arm ermattete, trug der hochgesinnete Kampfheld,</p>
+<p>Lichtenstein, und die Reichsfahn’ ihm der tapfere Markgraf</p>
+<p>Hochberg vor in die Schlacht. D’rauf folgten die älteren Ritter</p>
+<p>Ihm mit den Edeln aus Zürch, die, heute zu Rittern geschlagen,</p>
+<p>Kühn voreileten. Laut ermahnt’ er sie noch mit den Worten:</p>
+<p>„Jünglinge, vor, und ahmt die Tapferen, die sich schon früher</p>
+<p>Als die Meister im Feld’ erprobten, jetzt in dem Kampf nach!“</p>
+<p>Jen’ entgegneten jauchzenden Rufs: „Wir halten dir Wort, Herr!“</p>
+<p>Und entfloh’n. Doch schnell vorstürmten die muthigen Scharen,</p>
+<span class = "pagenum">358</span>
+<p>Die sein Erzeugter ihm warb in den rheinischen Landen, in
+Schwaben,</p>
+<p>Und in dem Schweizerland, und die vor allen gewaltig,</p>
+<p>Altgedient, und in jeder der Kriegsarbeiten erfahren,</p>
+<p>Ihm auch heut’ errangen den Sieg in dem Kampf der Entscheidung.</p>
+
+<p class = "stanza">
+So, wie der eiserne Keil, vom gewichtigen Hammer getrieben,</p>
+<p>Den mit kräftiger Hand im Gehölz aufschwinget der Löhner,</p>
+<p>Krachend, entzwei den Stamm des hundertjährigen Eichbaums</p>
+<p>Spaltet, daß rings umher die Splitter fliegen: so drang jetzt</p>
+<p>Rudolphs raschgeordnete Macht in das feindliche Heer ein.</p>
+<p>Kreischender rief die Dromete zum Sturm; die erregende Trommel</p>
+<p>Scholl ergrimmter, und rings, und überall drängten die Führer</p>
+<p>Mit gewaltigem Schrei den Krieger vor zu dem Angriff,</p>
+<p>Daß er noch heißer entbrenne vor Gier: muthfest und entschlossen</p>
+<p>Niederzuschmettern, was entgegen sich warf in der Feldschlacht,</p>
+<p>Und entsetzlich war das Gewürg’ in dem Waffengetümmel;</p>
+<p>Doch, wie ein Felsendamm in dem waldumschatteten Weiher</p>
+<p>Sich entgegenstemmt den Gewässern des thauenden Frühlings,</p>
+<p>Unerschüttert und fest: so stemmte sich, eiserngesinnet,</p>
+<p>Ottgar hier dem stürmenden Feind’ entgegen, und wich nicht.</p>
+<p>Stundenlang fortwährete schon das tödliche Ringen</p>
+<span class = "pagenum">359</span>
+<p>Tausender gegen einander im Feld! Den tapferen Böhmen,</p>
+<p>Die in der Heerschar Lobkowitz lenkt’, vereinte der König</p>
+<p>Bayerns und Sachsens Macht, und führte sie selbst in die Schlacht
+vor.</p>
+<p>Zahllos lag sein Volk, erwürgt, auf dem Boden; unzählig</p>
+<p>Warf auch er die Gegner, entseelt, in den Staub, und es ragten</p>
+<p>Von den hundert, zuvor zu Rittern geschlagenen Zürchern,</p>
+<p>Jetzo nur wenige mehr. Wie im hagelgetroffenen Saatfeld</p>
+<p>Einzeln die Halme noch steh’n, die andern bedecken den Boden</p>
+<p>Weit, zermalmt von dem sausenden Eis: so ragten auch hier nur</p>
+<p>Einzeln die Helden noch auf, die aus Zürch gezogen; verwundet,</p>
+<p>Oder todt, verlor sich im Feld das tapfere Häuflein,</p>
+<p>Niedergeworfen durch Ottgars Kraft und zerschmetterndes Eisen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch stets näher kam dem gewaltigen König des Todes</p>
+<p>Dunkles Geschick. Bald sinkt er in Staub, all’ irdischer Hoheit,</p>
+<p>Macht, und Würde beraubt, dem ärmsten im Heere vergleichbar:</p>
+<p>Denn zu entscheidender That aufboth der Edle von Tauffers</p>
+<p>Nun die <ins class = "correction" title = "Original: Schützens">Schützen</ins>
+Tyrols. Er drang im brausenden Schlachtfeld</p>
+<p>Dort mit den kühnen entsetzlicher vor, und, nimmer ermüdend,</p>
+<span class = "pagenum">360</span>
+<p>Spanneten sie die Sehn’ an der Armbrust; legten den Pfeil an,</p>
+<p>Zielten, und schnellten ihn fort in die Luft. Unhemmbaren Fluges,</p>
+<p>Saus’t er in Eile dahin, und traf stets sicher in’s Leben:</p>
+<p>Denn gewohnt ist das Aug’ und die Hand tyrolischer Schützen,</p>
+<p>Mitten in Feindesbrust des Todes Geschoße zu senden.</p>
+<p>Doch nun winkte der Held dem Geübtesten, der in den Gauen</p>
+<p>Rings umher, im <em>Kreis</em>- so wie auch <em>Hauptschießen</em>
+berühmt war:</p>
+<p>Wenn Zielscheiben, erhöht vor dem Thor’ an festlichen Tagen,</p>
+<p>Manchen des Schützenvolks aufregeten, stets in der Mitte</p>
+<p>Drüben zu treffen, und stets zu erringen das Beste vor allen.<a class
+= "tag" name = "tag11_7" id = "tag11_7" href = "#note11_7">7</a></p>
+<p>„Martin,“ so rief er ihm zu, „sieh’ hin, wie der König von Böhmen</p>
+<p>Dort vortummelt das Roß in dem Feld’, und unsere Völker,</p>
+<p>Jenem Unsterblichen gleich, der Pharao’s Erstlinge tilgte,</p>
+<p>Niederwirft! Versuche denn jetzt, ob, sausenden Flugs, nicht</p>
+<p>Ein befiederter Pfeil, durch dich geschnellt von der Armbrust,</p>
+<p>Ihn erreicht, und erlegt &mdash; dir Lohn und auch Ehre
+gewinnet.“</p>
+<p>Jener entgegnet’ ihm laut: „Nicht geiz’ ich nach Gold und nach
+Silber:</p>
+<p>Zierlein nah’, und nicht fern dem wunderlieblichen Innsbruck,</p>
+<p>Ruht mein Haus an der Felsenwand, die hoch in die Wolken</p>
+<p>Aufragt, reingezimmert erst jüngst, und mit Habe gesegnet;</p>
+<span class = "pagenum">361</span>
+<p>Doch so ich heute im Feld den blutgierathmenden König,</p>
+<p>Oder sein Roß, mit dem tödlichen Pfeil durchbohrete: ha, da</p>
+<p>Rühmt von der Martinswand mich noch die späteste Nachwelt!“</p>
+<p>D’rauf entsandt’ er den Pfeil: er durchbohrte dem Rosse des
+Königs,</p>
+<p>Sausend, die Brust, da es auf in die Luft sich bäumte, des
+Reiters</p>
+<p>Ingrimm theilend; es sank auf den Rücken, und warf ihn herunter.</p>
+<p>Wildes Getümmel erscholl um den Stürzenden. Reisige schwangen</p>
+<p>Alsbald sich vom Sattel herab, vor Gefahr ihn zu schirmen;</p>
+<p>Doch erhob er sich schnell, und ermahnte, besteigend das
+Streitroß,</p>
+<p>Das ein Reiter ihm both, mit donnernder Stimme die Krieger:</p>
+<p>Nimmer zu rasten vom Streit’, und den herrlicherrungenen Vortheil</p>
+<p>Rasch zu verfolgen: schon nahe dem Ziel des entscheidenden
+Sieges.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber im Feld verhallte sein Ruf. Der furchtbare Keil drang</p>
+<p>Vor mit zermalmender Kraft; vordrang, die Fahn’ in der Linken,</p>
+<p>Und in der Rechten das würgende Schwert, des Kaisers Erzeugter,</p>
+<span class = "pagenum">362</span>
+<p>Also auch Lichtenstein und Hochberg; also der Ritter</p>
+<p>Glänzende Schar, und, vereint, der tapferen Schweizer und
+Schwaben</p>
+<p>Siegsruhmdürstende Macht. Doch, als der erhabene Herrscher</p>
+<p>Auch den Trentschiner entboth, mit den kühnen, magyarischen
+Reitern</p>
+<p>Einzubrechen im Sturm in die Seite des Feindes, und Meinhard</p>
+<p>Dort, hier Otto von Meissau, gleich dem tapferen Helden</p>
+<p>Trautmansdorf, ihr Volk vortummelten: siehe, da wankte</p>
+<p>Ottgars Macht. Wie ein Wald an den schwer zu <ins class =
+"correction" title = "Original: erglimmenden">erklimmenden</ins>
+Höhen,</p>
+<p>Losgewühlt aus dem Grund von innen&shy;aufschwellenden Wässern,</p>
+<p>Erst nur langsam, nur zitternd sich regt; dann plötzlich zum
+Abgrund</p>
+<p>Taumelt mit Erd’ und Gestein, wild durcheinander geschleudert:</p>
+<p>So, nach gewaltigem Kampf, dem entscheidenden, wankten, und
+stürzten</p>
+<p>Ottgars Völker dahin; nachbraus’te der Feind, in dem Rücken</p>
+<p>Rastlos würgend, und sät’ ergrimmt die Leichen im Feld hin.</p>
+<p>Allwärts war auch das blitzende Schwert des Kaisers zu schauen,</p>
+<p>Und zu vernehmen sein Ruf, der vorwärts drängte die Scharen;</p>
+<p>Dennoch vergaß er auch, mitten im Kampf, der verwundeten Krieger</p>
+<span class = "pagenum">363</span>
+<p>Nicht; er hieß mit gebiethendem Wink sie zurück, nach dem
+Rückhalt</p>
+<p>Tragen, und dort der Sorgfalt kundiger Aerzte vertrauen.</p>
+<p>Aber warum hält er nun plötzlich sein feuriges Roß an?</p>
+<p>Ach, ein Verwundeter streckt, mit lächelndsterbenden Augen,</p>
+<p>Seine Rechte nach ihm empor, und ruft ihm ein „Leb’wohl!“</p>
+<p>Matt, doch freundlich noch zu! Sein Müller, der tapfere Held
+war’s.</p>
+<p>Tief, zu den Mähnen des Rosses hinab, sank leise des Kaisers</p>
+<p>Blässeres Antlitz: er sah mit starrendem Aug’ in die Augen</p>
+<p>Seines Getreu’n, bis, thränenumhüllt, ihm’s dunkelte. Stöhnend</p>
+<p>Gab er dem Rosse den Sporn, und flog wie ein brausender Sturmwind</p>
+<p>Dort nun wieder hinaus, wo am lautesten tönte der Schlachtruf.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Wohlgeordnet, und schnell: denn Lobkowitz deckte des Heeres</p>
+<p>Rücken, voll Heldenkraft mit den schwergeharnischten Reitern,</p>
+<p>Zog sich Ottgar jetzt nach den mittleren Höhen von Spannberg</p>
+<p>Aufwärts, dort dem Feind’, erneu’t die Spitze zu biethen:</p>
+<p>Denn weit überwog an der Zahl, in dem Waffengemeng schon</p>
+<p>Seine des Kaisers Macht, und siehe, noch stand in dem Rückhalt</p>
+<p>Milota! Laut entboth er vor sich den muthigen Feldherrn,</p>
+<p>Zierotin, und begann: „Nicht kam uns zuvor in dem Schlachtfeld</p>
+<span class = "pagenum">364</span>
+<p>Milota, selbstvorschauenden Blicks, zu Hülfe. Noch steht er,</p>
+<p>Ungeschwächt, mit der Schar der tapferen Mährer im Rückhalt;</p>
+<p>Doch jetzt brech’ er vor, und fall’ in die Seite des Gegners,</p>
+<p>Links anstürmend, da wir zugleich mit vereintem Vermögen,</p>
+<p>Und unhemmbarer Kraft, auf den mittleren Haufen uns werfen.</p>
+<p>Groß ist erst die Gefahr, so er säumt; ihm vertrau’ ich: er
+eile!“</p>
+<p>Rief’s, und im sausenden Flug fortsprengte der edele Feldherr.</p>
+<p>Aber des Siegers Heer drang Ottgarn näher und näher.</p>
+<p>Wie vom verwundeten Leu’n, so sehr er auch strebt, zu entkommen,</p>
+<p>Sich die lautumbellende Schar gewaltiger Rüden</p>
+<p>Nicht mehr fernt; ihn, stets blutgieriger, treibt, und bedränget,</p>
+<p>Bis er, ermattet, sinkt auf den sandigen Höhen: so ließ auch</p>
+<p>Jetzt von dem König, im Kampf, nicht mehr der verfolgende Feind
+ab:</p>
+<p>Denn mit flammendem Muth und unwiderstehlicher Thatkraft</p>
+<p>Eilte, zum Siege geführt von dem tapferen Grafen von Nürnberg,</p>
+<p>Schwabens Heldenvolk und der Schweiz gefürchtete Kriegsschar,</p>
+<p>Rasch die Höhen herauf, und wüthete dort in den Reihen</p>
+<p>Kühnabwehrender Gegner, vereint, mit gesenketen Lanzen,</p>
+<p>Allvernichtend, umher. Entsetzlich erscholl das Getümmel.</p>
+
+<span class = "pagenum">365</span>
+<p class = "stanza">
+Ottgar sah im brausenden Feld den verhaßtesten Gegner,</p>
+<p>Rudolph jetzt, voll Grimms, wie er schaltete: Reiter und Fußvolk</p>
+<p>Drängend vor mit gewaltigem Wort’, und das furchtbare
+Schlachtschwert,</p>
+<p>Deß’ Blitzglanz vom Blut nur tapferer Gegner verhüllt war,</p>
+<p>Aufschwang &mdash; sah den Kaiser, und Wuth und unendliche
+Rachgier</p>
+<p>Wandelte schnell sein Aug’ in Feuer und Flammen. Er spornte,</p>
+<p>Hemmte sein Roß dreimal, in dem wildumtobenden Schlachtgrau’n</p>
+<p>Ihm die Spitze zu biethen, gesinnt; doch immer ergrimmter,</p>
+<p>Brachen die Gegner heran (nur Lobkowitz stand in dem Kampf noch,</p>
+<p>Gleich dem Felsen im Wogentumult) und zur Linken und Rechten</p>
+<p>Wich sein Volk geworfen, zurück in dem stäubenden Saatfeld.</p>
+<p>Jetzo wandt’ er das Roß, und forscht’: ob Milota vordrang?</p>
+<p>Denn nicht schien ihm verloren der Sieg, so er rasch in die
+Seiten</p>
+<p>Stürmte dem Feind. Doch, ach, was sah er, vor Staunen erstarret?</p>
+<p>Staub flog auf im Gefild’, und Milota jagte von dannen!</p>
+<p>Ihm nachbraus’te die reisige Schar, und das mährische Fußvolk,</p>
+<p>Das er mit täuschendem Wort, dem König zum sichern Verderben,</p>
+<span class = "pagenum">366</span>
+<p>Erst zu dem Rückhalt zog. Mit verhängtem Zügel, und fernher</p>
+<p>Winkend, naht’ auch Zierotin. Ihm folgten am Fuß nur</p>
+<p>Zween, der flüchtigen Schar sich entreißende Brüder: der Hanna</p>
+<p>Fruchtbarem Land entsprossen die Edeln. Der Nahende sprach jetzt:</p>
+<p>„Herr, nicht künd’ ich es, was dein Auge gesehen &mdash; des
+Frevlers</p>
+<p>Schnöden Verrath! Hohnlachend vernahm der schändliche Mann erst</p>
+<p>Dein gebiethendes Wort, dann rief er mit grimmigen Blicken:</p>
+<p>„Eile zurück zu dem Könige, sprich: so räche der Vater</p>
+<p>Seine Tochter an ihm: er fahre denn, fluchend, zur Hölle!“</p>
+<p>Also der Rach’ allein, nicht des Vaterlandes gedenkend,</p>
+<p>Floh er mit jenen Verräthern davon, die er früher gewonnen.</p>
+<p>Nur die beiden dahier mir eilten zum mächtigen Trost nach:</p>
+<p>Zeigend, daß noch in der Brust der Tapferen Ehr’ und Gewissen</p>
+<p>Herrlich sich eint, und dir die erlesensten Männer noch treu
+sind.“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Ottgar sah nach den Zween mit bewegtem Gemüth’, und begann so:</p>
+<p>„Laß den Verräther flieh’n. Noch sind die erlesensten Männer,</p>
+<p>Also sprachst du mit Recht, mir treu. Nicht im dahlenden Frohsinn</p>
+<span class = "pagenum">367</span>
+<p>Will das Große gethan, das Gewaltige, spielend, vollbracht seyn:</p>
+<p>Denn, ein leuchtender Blitz in des Lebens umnachteten Stunden,</p>
+<p>Flammet es auf in der Brust, und wecket den Ernst und die
+Thatkraft.</p>
+<p>Jetzt umnachtet auch uns die Gefahr; doch laß uns, noch kühner,</p>
+<p>Dringen hinaus zu dem Tag’, und so dort fallen im Licht nur!“</p>
+<p>Rief’s, und spornte sein Roß, umschauend: ob er zur Linken,</p>
+<p>Oder zur Rechten hinab es wende, die kämpfenden Scharen</p>
+<p>Nun zu gewagter, die Schlacht urplötzlich entscheidender
+Kriegsthat</p>
+<p>Anzufeuern, und so mit unwiderstehlicher Kühnheit</p>
+<p>Festzuhalten das wankende Glück, das sonst ihm getreu war.</p>
+<p>Doch dort floh’n, gedrängt von den Söhnen der Steyer- und
+Ostmark,</p>
+<p>Bayern und Sachsen zurück; hier sank, an der Schulter verwundet,</p>
+<p>Lobkowitz, er, der untad’lige Held, aus dem Sattel, und,
+schreiend,</p>
+<p>Braus’te das reisige, gleich dem vorgedrungenen Fußvolk</p>
+<p>Böhmens, herüber im Feld, durch Meinhards Völker geworfen,</p>
+<p>Und gedrängt von dem Hort Trentschins, zur Flucht und Verwirrung:</p>
+<p>Da in dem Kern des Heers ihn selbst der edelen Ritter</p>
+<span class = "pagenum">368</span>
+<p>Glänzende Schar, und, vereint, die tapferen Schweizer und
+Schwaben</p>
+<p>Näher und furchtbarer stets bedroheten, horchend des Kaisers</p>
+<p>Schlachterregendem Ruf’ in dem wildempörten Getümmel.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Mansfeld erst, dann Zierotin, die Scharengebiether,</p>
+<p>Jagten herüber im Feld’, und riefen dem König: „Entfliehe!“</p>
+<p>Aber er sah, voll Wuth, nach den Rufenden; faßte sein Schwert
+noch</p>
+<p>Fester zur Hand, und begann: „Wer sprach ein schmähliches Wort
+aus?</p>
+<p>Nichts von Flucht mir gesagt! Ich lebt’ als König, und sterben</p>
+<p>Werd’ ich als solcher, dem Feinde zum Trotz, auf dem Felde der
+Ehren.</p>
+<p>Mir nach, wem sie noch werth im rühmlichen Leben und Tod’ ist!“</p>
+<p>Wie der gewaltige Leu’ sich wüthenden Tigern entgegen</p>
+<p>Wirft in des Abends Grau’n: die hochaufsträubenden Mähnen</p>
+<p>Flattern mit Sturmes Weh’n um den Nacken ihm; dunkelgeröthet</p>
+<p>Funkeln hervor aus den tiefgesenketen Brau’n ihm die Augen,</p>
+<p>Als er naht mit Gebrüll, dem so, wie dem rollenden Donner,</p>
+<p>Drönt das Gefild, und peitschend sich mit dem buschigen
+Schweifhaar</p>
+<p>Beide Seiten, sich selbst entflammet zur Wuth: da erliegen</p>
+<p>Links, rechts ihm, zerschmettert zugleich, die umdrängenden
+Gegner:</p>
+<span class = "pagenum">369</span>
+<p>Also warf sich auch er vor allen den Rittern entgegen,</p>
+<p>Daß ihm noch ein’, und der andere dort, östreichischen Blutes,</p>
+<p>Fiele durchbohrt: denn fest bewahrt’ er den Haß noch im Busen.</p>
+<p>Jene, erregt von dem stachelnden Wort, nachjagten ihm brausend.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, ihm ritt, tollkühn, der jugendlich blühende Ritter</p>
+<p>Falkenberg, in den Weg, den oft sein strenger Erzeuger</p>
+<p>Heimlich und offen gestraft, ihn zu bändigen; aber vergebens:</p>
+<p>Denn er quälte die Menschen und Thier’, und beherrschte des
+Herzens</p>
+<p>Unmuth nicht, der stets zu gewaltsamen Thaten ihn hinriß.</p>
+<p>Ottgar jagte das Roß dem Nahenden seitwärts vorüber;</p>
+<p>Schwang sein Eisen, und hieb im Flug mit unbändiger Kraft ihm,</p>
+<p>Sausend, den Helm und die Scheitel entzwei: er stürzte zum Boden.</p>
+<p>D’rauf erreichte sein Schwert auf dem Todespfade den Helden,</p>
+<p>Dietrichstein. So schnell, so kundig der Tapfere vordrang,</p>
+<p>Ihn mit gesenktem Speer’ aus dem Sattel zu heben, so kam ihm</p>
+<p>Ottgar doch, verderbend, zuvor, und bohrte den Mordstahl</p>
+<p>Ihm durch Harnisch und Wamms in das muthvollschlagende Herz ein</p>
+<p>So, daß er lautlos, bleich, entseelt, an dem Rosse herabsank.</p>
+<p>Jammern werden daheim die zartaufblühenden Kinder</p>
+<span class = "pagenum">370</span>
+<p>Da er, schon frühe der Gattinn beraubt, ein liebender Vater,</p>
+<p>Oft auf den Armen sie trug, und so mild, so freundlich und gut
+war.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Schnell, zu rächen das Blut der Erschlagenen, blitzten auf Ottgar</p>
+<p>Jetzt unzählige Speere heran. Da brausete pfeilschnell</p>
+<p>Otto von Meissau vor, von dem Herrscher gesendet, und schrie
+laut:</p>
+<p>„Ritter, schont den Gesalbten des Herrn: so geboth es der
+Kaiser!“</p>
+<p>Rief’s; doch jener ergrimmte noch mehr, und spornte sein
+Streitroß</p>
+<p>Mitten unter die Schar (zu sterben entschlossen) den heißen,</p>
+<p>Glühenden Durst nach Rach’ im Blute der Feinde zu löschen.</p>
+<p>Jetzt umgab ihn des Todes Grau’n. Die furchtbaren Ritter,</p>
+<p>Merenberg, die, beide mit nie gesättigter Blutgier</p>
+<p>Näher und näher herbei an die Seite des Königs sich drängten,</p>
+<p>Sorgend: er beuge sich dort, ein Gefangener, oder er falle</p>
+<p>Andern, nicht ihren, durch Haß zur Rache bewaffneten Händen,</p>
+<p>Sprengten dicht vor ihn hin; eröffneten, schnaubend vor Mordlust</p>
+<p>Ihren geschlossenen Helm, und der ältere rief ihm noch laut zu:</p>
+<p>„Sieh’, gleich Rachegeistern, vor dir die furchtbaren Brüder,</p>
+<p>Merenberg &mdash; ein Nahme, der dich zur Hölle hinunter</p>
+<span class = "pagenum">371</span>
+<p>Schleudert! So fahre denn hin, Unmenschlicher, stirb, und
+verzweifle!“</p>
+<p>Ha, und sie bohrten den schneidenden Speer mit wildem Gejauchz’
+ihm,</p>
+<p>Beide zugleich, in das Herz (ihm fest in die sterbenden Augen</p>
+<p>Schauend) und also, voll Hast, mit stets empörterem Ingrimm,</p>
+<p>Zwölfmal noch in die tapfere Brust, in den Hals, und den Rücken,</p>
+<p>Bis er, von Wunden bedeckt, hinsank, und das Leben verhauchte.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Wüthender flog in dem Feld dem Besiegten das siegende Heer nach;</p>
+<p>Aber vor allen das reisige Volk der Magyaren und Kunen,</p>
+<p>Heute zu einem vereint, und gehorchend dem tapferen Helden</p>
+<p>Von Trentschin, der stets den Flüchtenden, mordend, im Rücken</p>
+<p>Lag, und das Land umher mit unzähligen Leichen besä’te.</p>
+<p>Rastlos fort g’en Schrieck; dann weiter und weiter von Asparn</p>
+<p>Bis g’en Laa, der ummauerten Stadt, nachjagten die Ungern</p>
+<p>Ottgars fliehendem Heer’, und, wo sie dann der Verfolgung</p>
+<p>Endlich setzten ein Ziel, wird heute zu Tage das Dorf noch</p>
+<p>„Ungerndorf“ genannt: dem Heldenvolke zum Denkmaal.</p>
+<p>Siehe, die Wolken entfloh’n; der Geister unzählige Scharen</p>
+<p>Brauseten, lautaufjubelnd, davon, und die scheidende Sonne</p>
+<p>Sah von dem Abendthor, verklärt, auf des Sieges Gefild her!</p>
+
+
+
+
+<span class = "pagenum">372</span>
+<h3><a name = "gesang12" id = "gesang12">Zwölfter Gesang.</a></h3>
+
+
+<p>Schauerlich irrt durch Nacht und Grau’n ein zitternder
+Lichtstrahl</p>
+<p>Ueber das schweigende Schlachtfeld hin. Nicht lang’, und es
+folgen</p>
+<p>Ihm unzählige nach; viel hundert Fackeln erhellen</p>
+<p>Bald die Gegend umher: ihr Schimmer, vom Winde gefächelt,</p>
+<p>Wogt (entsetzlich zu schau’n!) auf den bleicherstarreten Leichen</p>
+<p>Tausender blitzschnell fort, und erfüllet die Seele mit Wehmuth.</p>
+<p>Doch wen suchen, voll emsiger Hast, die furchtbaren Männer</p>
+<p>Jetzo, schreitend umher, in den weiten Gefilden des Todes?</p>
+<p>Ottgarn! Sieh’, und bald verkündete drüben ein Hügel</p>
+<p>Rings um ihn her erschlagenen Volks, wo er muthig im Kampf sich</p>
+<p>Wehrete, bis er, durchbohrt, den Rachebrüdern dahinsank!</p>
+<p>Dorthin wandelte, schweigend, der Zug; die leuchtende Flamme</p>
+<p>Wies ihn: erkennbar leicht, obgleich entblößt von des Heeres</p>
+<p>Plünderndem Troß, wie er lag im finsteren Kreise der Leichen,</p>
+<span class = "pagenum">373</span>
+<p>Mit den heruntergezogenen Brau’n, und den Lippen, zum Bogen</p>
+<p>Eingekrümmt vor Zorn: denn selbst mit des schwindenden Lebens</p>
+<p>Letztem Hauch, da ihm schon aus dreizehn Wunden das Blut rann,</p>
+<p>Wähnet’ er noch: er habe gerecht bestraft den Verräther,</p>
+<p>Den so feig, so unedel jetzt die schrecklichen Brüder</p>
+<p>Rächten: zur Wuth empört von der langgenähreten Blutgier.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Aber des Führers Ruf erscholl, und der stattliche Wagen,</p>
+<p>Schon mit der Leiche des Königs beschwert, und verhüllt mit dem
+Bahrtuch,</p>
+<p>Folgte, rasselnd, dem Zug sechs glänzender, feuriger Rappen,</p>
+<p>Die zum eng’gemessenen Schritt mit Mühe der Roßwart</p>
+<p>Bändigte. Sieh’, da trug der weitgefeierte Sänger,</p>
+<p>Horneck, leise die Harfe herbei. Ihm rollten die Thränen</p>
+<p>Ueber den grauenden Bart in den Busen herunter, und schweigend</p>
+<p>Starrt’ er nach Ottgar hin; dann hob er den Klagegesang an:</p>
+<p>„Weh’, da liegt er entseelt, der einst gewaltige König!</p>
+<p>Tausende blickten auf ihn, und es drängte der eine den andern,</p>
+<p>Glühend vor Hast, so er rief; nun ist er verlassen: es horcht ihm</p>
+<p>Keiner der Emsigen mehr. Wie staunt’, und bewundert’ ihn Jeder</p>
+<p>Sonst, da er noch zu dem Königsthron, von Edelgesteinen</p>
+<span class = "pagenum">374</span>
+<p>Schimmernd am gold’nen Gewand’, aufschritt: nun wandten sie,
+schaudernd,</p>
+<p>Von dem Nackten sich ab, den kaum das kärgliche Gras barg!</p>
+<p>Ha, wo weilte der Arzt, dem Vergehenden Labsal zu reichen?</p>
+<p>Waren nicht seidene Kissen zur Hand, nicht schimmernde Decken,</p>
+<p>Ihn zu erwärmen, und ach! nicht scholl aus dem Munde der Gattinn,</p>
+<p>Kinder, Verwandten und Freunde umher, ein tröstendes Wörtchen,</p>
+<p>Ihm zu erheben das Herz? Verließen im Kampfe die Streiter</p>
+<p>All’ ihn? Wie, nicht einer der Tapferen kam, ihn zu schirmen?</p>
+<p>Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,</p>
+<p>Der dir, falschen, vertraut! Erst biethest du lieblichen Honig</p>
+<p>Mit bethörenden Worten ihm dar; dann wandelst du plötzlich</p>
+<p>Solchen in furchtbares Gift: er saugt Verderben und Tod ein.</p>
+<p>Also erging es auch hier dem Könige. Fürsten, bedenket</p>
+<p>Sein Geschick! Handhabt die Gerechtigkeit, schützet das Recht
+nur;</p>
+<p>Seyd durch Tugenden groß, durch Wohlthun herrlich und geizet</p>
+<p>Nach dem Lohne der Welt nicht allein: vor Gott ist er eitel!</p>
+<p>Ottgar, ach, er geizte nach ihm! Die, prahlend, geschworen:</p>
+<p>Auszuhalten bei ihm im Leben und Tode &mdash; wo sind sie?</p>
+<span class = "pagenum">375</span>
+<p>Einsam sinkt er jetzo hinab in des Todes Behausung.</p>
+<p>Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,</p>
+<p>Der dir, falschen, vertraut: denn nichtig entschwebt ihm das
+Leben!“<a class = "tag" name = "tag12_1" id = "tag12_1" href =
+"#note12_1">1</a></p>
+<p>So wehklagte der edele Greis. Ihm horchten die Krieger</p>
+<p>Alle mit pochender Brust, den Trauerwagen umstehend,</p>
+<p>Und erhebend die Fackeln zur Luft, die, flatternden Schimmers,</p>
+<p>Ottgars finstere Stirn’ erhelleten. Jener entzog sich</p>
+<p>Ihren Blicken, und wanderte dann auf dem nächtlichen Pfad fort.</p>
+<p>Doch sie schlugen behend’, als solches der Führer gebothen,</p>
+<p>Ueber die Leiche das Bahrtuch her. Die schnaubenden Rappen</p>
+<p>Trieb der Roßwart an, und sie trabten, gehaltenen Schrittes,</p>
+<p>Von den Kriegern umschart, g’en Wien, die herrliche Stadt, hin.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Dort scholl freudiger Lärm dem kommenden Morgen entgegen,</p>
+<p>Als, dem Sieger zum Ehrenempfang’, in geschäftiger Hast sie,</p>
+<p>Durch die dunkele Nacht sich schmückte mit festlichen Kränzen:</p>
+<p>Denn vor dem Thor, das sich nach Kärnthen dem Wanderer öffnet,</p>
+<p>Sollte von Laubgehölz’ ein Siegesbogen sich heben,</p>
+<p>Hochgewölbt, und geziert mit schimmernden Bändern, und oben</p>
+<span class = "pagenum">376</span>
+<p>Rufen die goldene Schrift ein „Lebehoch!“ dem Befreier,</p>
+<p>Der von der Stadt und dem Land’ abwehrt’ unendlichen Jammer;</p>
+<p>Oestreichs Herrscherthron fest gründete; dauernden Frieden</p>
+<p>Deutschlands Gauen errang, und ein Ziel aufsteckte der Willkühr,</p>
+<p>Die sich gefiel im Raub’, und in all’ den Gräueln des
+Faustrechts!</p>
+<p>Auch die Straßen entlang, erhoben sich, dicht vor den Häusern,</p>
+<p>Lieblichgrünende Reiser zur Luft; buntschimmernde Blumen</p>
+<p>Hauchten Wohlgeruch her auf die Bahn, die, erkoren dem Sieger,</p>
+<p>Durch die Stadt sich wand, und zahllos wogten die Fahnen</p>
+<p>Oestreichs rings von dem Wall’ und den ragenden Thürmen im Wind
+hin.</p>
+<p>Also schmückte sich jetzo die Stadt, wie die blühende Braut sich</p>
+<p>Schmückt an dem Morgen des Tags, der sie eint mit dem Lieben auf
+immer.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Hinter des Ostens dämmerndem Thor’ entfaltete jetzo,</p>
+<p>Neuverjüngt, der Tag die Fittige: weit sich erstreckend</p>
+<p>Hoben sie fächelnd sich auf, und wehten den glühenden Schimmer,</p>
+<p>Der sein Rosenlager umfing, empor an dem Himmel;</p>
+<p>Doch sie weckten zugleich des sanft&shy;umschmeichelnden
+Frühwinds</p>
+<p>Kühligen Hauch. Er kam aus des säuselnden Waldes Umlaubung</p>
+<span class = "pagenum">377</span>
+<p>Ueber die blumigen Matten heran; verbreitete ringsum</p>
+<p>Balsamduft, und erfüllte mit Lust die erwachende Schöpfung.</p>
+<p>Zwitschernd regte die Schwalbe sich schon im Nest mit den Jungen,</p>
+<p>Das sie im Lenz’ erbaut’ an dem Mauergesimse des Hauses;</p>
+<p>Auch umgirrete laut die Taub’ in dem Schlag’, und der Hahn rief</p>
+<p>Schmetternd darein, als draußen vom Feld, von dem Hain’, und dem
+Hochwald</p>
+<p>Bis in die bläuliche Luft empor das Getöne sich mehrte.</p>
+<p>Jetzt von des Himmels Rand, dem Rosenlager entschwebend,</p>
+<p>Hob die herrliche Sonne sich auf; umhüllte die Berghöh’n,</p>
+<p>Häuser und Thürme der Stadt mit röthlichem Duft’, und entflammte</p>
+<p>Hier die Fenster zu Gold, und dort auf den blühenden Matten,</p>
+<p>Unermeßlich umher, den Thau zu blitzenden Perlen.</p>
+<p>Doch bald schwang sie, verklärt, sich empor: den wölbenden Himmel</p>
+<p>Trübte kein Wölkchen, und rings auf dem lichtumflossenen Erdkreis</p>
+<p>Scholl ein Wonnegejauchz, dem schönsten der Tage zur Feier.</p>
+<p>Aber schon zogen den Weg nach dem Kreuze der Spinnerinn, eilig,</p>
+<p>Krieger zu Fuß und zu Pferd in gesonderten Haufen, und weithin</p>
+<p>Blitzten im Sonnenschein die hellgeglätteten Waffen&nbsp;&mdash;</p>
+<span class = "pagenum">378</span>
+<p>Blitzte der Harnisch und Helm der Tapferen, die, von dem
+Schlachtfeld</p>
+<p>Kehrend, zum Siegseinzug’ auf dem sanfterhobenen Berg sich</p>
+<p>Sammelten, wie es der Herrscher geboth. Mit grünenden Reisern</p>
+<p>Waren die Helme geschmückt, behangen mit Kränzen die Rosse;</p>
+<p>Laut scholl Jubel die Scharen entlang: denn fröhliche Weisen</p>
+<p>Sang der Krieger; sein Roß ihm wieherte d’rein; die Drometen</p>
+<p>Schmetterten, Zink’ und Pauk’ erklang, und die wirbelnde Trommel</p>
+<p>Rief das verworr’ne Getön zum allerfreuenden Einklang.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Sieh’, und es lief unzähliges Volk aus der Stadt und vom Land her,</p>
+<p>Nach der Straße hinaus, auf welcher die Tapferen kamen:</p>
+<p>Alle mit Angst in der Brust, bis sie in den fröhlichen Reihen</p>
+<p>Ihre Lieben ersah’n! Da scholl (erschütternd zu hören!)</p>
+<p>Jauchzen empor; da bog sich mancher vom Sattel herunter:</p>
+<p>Einer umhalste den Freund, ein andrer den Sohn, und ein dritter</p>
+<p>Reichte dem grauenden Vater die Hand, der grauenden Mutter,</p>
+<p>Oder der Braut, die thränenden Blicks, ihm lächelte, sprachlos!</p>
+<p>Aber es trat nun hier, nun dort mit erblassendem Antlitz</p>
+<span class = "pagenum">379</span>
+<p>Auch der unglückliche Mensch aus den lautaufjubelnden Scharen:</p>
+<p>Denn nicht hatt’ er die Lieben erseh’n, und dem Fragenden tönte</p>
+<p>Schrecklich der kurze Bescheid: „Er fiel, und kehret nicht
+wieder!“</p>
+<p>Feldeinwärts ging dort ein zartaufblühendes Mädchen,</p>
+<p>Ringend die Hände mit schwerem Gestöhn; hier saß an des Grabens</p>
+<p>Rand der Vater: er sah in die Tiefe hinab, und die Mutter</p>
+<p>Preßte den Arm mit der Stirn’ an den Baum, und schluchzte vor
+Herzleid.</p>
+<p>Aber der schwellende Ruf des Entzückens dämpfte des Wehes</p>
+<p>Schnellverhallenden Laut, und unendlich erscholl das Getümmel,</p>
+<p>Als dem festlichen Kreuz der Spinnerinn jetzo der Kaiser</p>
+<p>Nahte mit hehrem Gefolg: denn Ladislav, der Magyaren</p>
+<p>Blühender König, ritt, hellschimmernd von Gold, ihm zur Rechten;</p>
+<p>Ihm zur Linken sein tapferer Sohn, der jüngst in der
+Feldschlacht,</p>
+<p>Muthentflammt, vortrug der Erlösung heiliges Zeichen,</p>
+<p>Und ihm folgten, erwählt, des Heers siegstolze Geschwader</p>
+<p>Nach auf den Wienerberg, der unter den Drängenden bebte,</p>
+<p>Und in dem Waffengeblitz erschütternd dem Auge zu schau’n war.</p>
+<p>Jetzt umgab er sich dort mit dem kaiserlich&shy;prangenden
+Mantel;</p>
+<span class = "pagenum">380</span>
+<p>Setzte den Helm, an welchem umher der goldene Kronreif</p>
+<p>Schimmerte, sich auf das Haupt; entblößte den Degen, und hob ihn</p>
+<p>Auf zum ersehneten Wink’. Alsbald bewegte das Heer sich</p>
+<p>Im Geleite des Volks nach Wiens aufjubelnden Mauern.</p>
+<p>Sieh’, ihm eilten die Ritter vor mit den Reisigen
+Ungerns&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Jenen der Ost- und der steyrischen Mark: von den Heldengebiethern</p>
+<p>Angeführt, und vereint um die ruhmgekröneten Fähnlein!</p>
+<p>Aber ihm folgten dann die muthigen Schweizer und Schwaben</p>
+<p>Und die Tapfern aus Kärnthen und Krain mit den kühnen Tyrolern.</p>
+<p>Wie der Alpenbach, vom Regen geschwollen, sein Bette</p>
+<p>Plötzlich verläßt, und quer von des Bergs Abhange sich stürzet,</p>
+<p>Endlos über die Matten hin die Fluthen ergießend:</p>
+<p>So fortwälzte sich schnell das Heer; stets näher erscholl ihm</p>
+<p>Festlicher Glocken Getön’ und des Volks auftobender Jubel.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Außer dem Kärnthner Thor, wo ein Siegesbogen erhöht war,</p>
+<p>Standen die trefflichen Bürger vereint. Ihr Meister, erkoren</p>
+<p>Durch gemeinsame Wahl an Waldrams Stelle, des falschen,</p>
+<p>Eilte heran, den Zug des erhabenen Kaisers zu hemmen;</p>
+<p>Both auf dem Becken von schimmerndem Erz, die vergoldeten
+Schlüssel</p>
+<p>Wiens, ihm huldigend, dar, und begann die Rede mit Ehrfurcht:</p>
+<span class = "pagenum">381</span>
+<p>„Heil dir, Oestreichs Herrn, dir edelstem Kaiser der Deutschen!</p>
+<p>Mögest du heut, wo dir, dem Retter, die jubelnde Stadt Wien,</p>
+<p>Festlichgeschmückt, entgegeneilt mit verlangenden Armen,</p>
+<p>Nicht gedenken der Schuld entflohener Tage &mdash; des Herzens</p>
+<p>Deiner Getreuen gewiß! Nun herrsch’ im Segen des Himmels</p>
+<p>Ueber dein glückliches Volk, und vom Thron, den du auf dem
+Grundstein</p>
+<p>Heiliger Religion, Gerechtigkeit, Tugend erhöhtest,</p>
+<p>Dein erhab’nes Geschlecht an der Zeiten entferntestem Ziel noch!“</p>
+<p>Sagt’ es, bewegt; doch schnell entgegnete jetzo der Kaiser:</p>
+<p>„Ihr Getreu’n, habt Dank für des Herzens enthüllte Gesinnung!</p>
+<p>Gnädig willfahre mir Gott in dem Wunsch, daß ich gründe die
+Wohlfahrt</p>
+<p>Fern in die Zukunft noch der guten und trefflichen Völker,</p>
+<p>Die er mir anvertraut! Mein Glück ist das eure für immer!“</p>
+<p>Plötzlich entstürzt’ ein heller Strom von Thränen den Augen</p>
+<p>Aller umher: denn rings erscholl, von Tausender Lippen</p>
+<p>Brausend, ein „Lebehoch!“ und mehrte sich, jubelnden Lautes,</p>
+<p>Dort die Straßen entlang, die, erkoren dem festlichen Einzug,</p>
+<p>Schimmerten. Jetzt durch’s Thor und die Straße Karinthia’s trug
+ihn,</p>
+<p>Stolzvorschreitend, das Roß, und aus jeglichem Fenster ertönte</p>
+<span class = "pagenum">382</span>
+<p>Huldigung, wo, bekränzt, die zartaufblühenden
+Jungfrau’n&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Frau’n im glänzenden Schmuck’, ihr schneeiges Tuch in die Lüft’
+auf</p>
+<p>Schwangen, und jauchzten empor mit hellerklingender Stimme.</p>
+<p>Doch, aus dem wimmelnden Volk vordrängten jetzt, wie verjüngt
+sich</p>
+<p>Wankende Greis’, ihn zu seh’n, und zu segnen. Die Väter und
+Mütter</p>
+<p>Hoben ihr lallendes Kind auf den Arm; sie falteten erst ihm</p>
+<p>Freundlich die Händchen, und zeigten ihm dann den Herrlichen
+drüben,</p>
+<p>Daß es des Tages noch oft im spätesten Alter gedenke!</p>
+<p>Sieh’, und nicht trockneten mehr dem erhabenen Kaiser die Augen</p>
+<p>All’ die Straßen entlang, da er links, und rechts, in dem
+Siegszug</p>
+<p>Dankte dem jauchzenden Volk mit oft erhobener Rechten.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Also im Freudengeschrei unzähliger Meng’, in der Glocken</p>
+<p>Festlichem Klang’, und der Pauk’ und Dromet’ empörterem Jubel,</p>
+<p>Zog er entgegen dem Rothenthurm, und lenkete jetzo</p>
+<p>Ueber den schimmernden Hohenmarkt nach dem prächtigen Hof ein;</p>
+<p>Dann nach der Freiung hinab, und, dem Schottenkloster vorüber,</p>
+<p>Durch die Herrngass’ fort nach dem breitaufragenden Graben,</p>
+<span class = "pagenum">383</span>
+<p>Bis er am Riesenthor des unendlichen Doms aus dem Sattel</p>
+<p>Eilig zur Erde herab sich schwang. Sein mächtiger Gegner,</p>
+<p>Ottgar, Oestreichs Herrscher vor ihm, vollbrachte des Domes</p>
+<p>Herrlichen Bau, da er einst zerstört von den Flammen, im Schutt
+lag.<a class = "tag" name = "tag12_2" id = "tag12_2" href =
+"#note12_2">2</a></p>
+<p>Dort reicht’ ihm der oberste Hirt der Gemeinde, vor allen,</p>
+<p>Festlichgeschmückt, im Kreise der Priester geweihetes Wasser</p>
+<p>Sanft mit dem Sprenger dar; dann schwang er das duftende Rauchfaß</p>
+<p>Dreimal ihm entgegen, und ging, beginnend der Lieder</p>
+<p>Herrlichstes: „Gott, dich preisen wir!“ zum erleuchteten Altar,</p>
+<p>Singend, vor ihm einher, und Tausende sangen das Lied nach.</p>
+<p>Aber, als in dem wölbenden Raum des unendlichen Domes</p>
+<p>Rings umher des Gesangs allletztes Säuseln verhallt war,</p>
+<p>Knie’te der Kaiser noch hin, und bethete, heiliger Andacht</p>
+<p>Voll, am Altar’, im Kreise der ruhmgekröneten Feldherrn.</p>
+<p>Staunend sah ihn das Volk; doch hingen mit inniger Wehmuth</p>
+<p>Auch an Trautmansdorf, dem Helden, viel Tausender Augen,</p>
+<p>Der, von dem schimmernden Kreis’ entfernt, auf die Kniee
+gesunken,</p>
+<p>Beugte das grauende Haupt mit gottergebenem Herzen.</p>
+<p>Bald umhüllten ein jegliches Aug’ untad’lige Thränen:</p>
+<p>Dort den Mann mit dem schneeigen Haupt so einsam zu schauen,</p>
+<p>Der noch jüngst, umringt von blühenden Söhnen einherging:</p>
+<span class = "pagenum">384</span>
+<p>Froh der gewaltigen Schar! Nun stand er allein und verlassen,</p>
+<p>Wie der verdorrete Stamm in dem Wald’, um welchen die Windsbraut</p>
+<p>All’ die frischen umher mit lautem Gekrach’ in den Staub warf.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Thauenden Blicks, trat jetzt von den heiligen Hallen der Kaiser</p>
+<p>Wieder heraus, vor dem Riesenthor zu beginnen den Heimzug</p>
+<p>Nach der erhabenen Burg. Doch sieh’, welch’ tiefes Erstaunen</p>
+<p>Unter dem Volk? Schnell theilt es sich links und rechts in den
+Straßen</p>
+<p>So, daß der Bahre, von sechs lautschnaubenden Rossen gezogen,</p>
+<p>Raum sey, fürder zu zieh’n bis hin zur Pforte des Domes.</p>
+<p>Schmerz ergriff die Brust des beseligten Siegers. Er starrte</p>
+<p>Lang’ nach dem Trauerflor, und dem leich’umhüllenden Tuch hin,</p>
+<p>Und erwog im Gemüth: wie mächtig der Todte noch gestern</p>
+<p>Gegen ihn stand, der heut’, erstarrt, all’ irdischer Hoheit,</p>
+<p>Kraft, und Streitlust bar, dort unter der finsteren Hülle</p>
+<p>Ruhete! Dann begann er für sich mit rührendem Laut so:</p>
+<p>„Ottgar, lebtest du noch, und herrschtest im Frieden, der
+Rachgier</p>
+<p>Wüthenden Sturm in der Brust besänftigend; heiteren Blickes</p>
+<span class = "pagenum">385</span>
+<p>Würdest du seh’n: nie haßt’ ich dich, und im redlichen Busen</p>
+<p>Strebte dieß Herz, voll Liebe, dem deinen entgegen zu schlagen!</p>
+<p>Ruhe denn jetzt im Schooß des Allerbarmers auf immer!“</p>
+<p>Sagt’ es, und hieß die Leich’ auf dem trauerumhülleten Wagen</p>
+<p>Fort nach dem Schottenkloster hinab mit Würde geleiten,</p>
+<p>Wo sie ruhe, bis ihr, nach der Seelenmess’ und dem Bußpsalm</p>
+<p>Werd’ ein Grab mit dem ehrenden Stein, an heiliger Stätte.</p>
+<p>Doch wer drängt sich hier, voll Ungestümm, vor aus den Scharen?</p>
+<p>Lobkowitz kam, erblaßt von der Wunde zugleich, und dem Herzleid</p>
+<p>Ob des erschlagenen Königs und Freunds, in Eile herüber,</p>
+<p>Führend an zitternder Hand das holdaufblühende Söhnlein</p>
+<p>Ottgars, Wenzeslav, der einsam in Drösing zurückblieb.</p>
+<p>Ach, er harrete dort des Vaters, in fröhlicher Unschuld;</p>
+<p>Aber nicht kehrt’ er ihm mehr, und, verwais’t in der zartesten
+Jugend,</p>
+<p>Mißt er die kräftige Hand, die ihn leitete, seines Erzeugers!</p>
+<p>Großes beschloß alsbald der treffliche Greis, und, dem Kaiser</p>
+<p>Jetzo genaht, vordrängt’ er das Kind, und sprach in das Ohr ihm:</p>
+<p>„Geh’, und umfass’ ihm die Knie’ mit festgeschlungenen Armen,</p>
+<span class = "pagenum">386</span>
+<p>Daß er dein sich erbarme mit Huld, und die Leiche des Vaters</p>
+<p>Frei gewähre zum Trost den Unglücklichen, die er zurückließ;</p>
+<p>Dir zum Ruhm, wenn einst auf vaterländischem Boden</p>
+<p>Du ihm erhöhst das ehrende Maal, und zur Zierde dem Land dort,</p>
+<p>Deß gewaltiger Held, und erhabenster Fürst er gewesen!</p>
+<p>Fasse nur Herz: nicht hartgesinnt erweis’t sich der Kaiser</p>
+<p>Dir: als Vater das dunkle Geschick der Kinder bedenkend.“</p>
+<p>Ottgars blühender Sohn gehorcht’ ihm: er stürzte zu Rudolphs</p>
+<p>Füßen; umfaßt’ ihm die Knie’, und rief erschütternden Lautes:</p>
+<p>„Mildgesinnt, so sprachen sie all’, ist der mächtige Kaiser,</p>
+<p>Dem ich hier auf den Knie’n, und mit thränenerfülleten Augen</p>
+<p>Rufe: erbarme dich mein, des Verwaiseten; lasse des Vaters</p>
+<p>Leich’ uns frei, der dir erlag in der schrecklichen Feldschlacht!</p>
+<p>Hast ja auch Kinder, und sie erfreu’n sich des liebenden Vaters</p>
+<p>Noch, der, machtbegabt, sie schirmt, und zu Ehren erhebet.</p>
+<p>Aber, o, mich Unglücklichen: denn des Vaters beraubet,</p>
+<p>Welcher so hold mir war, vermiss’ ich die mächtige Hand jetzt,</p>
+<p>Die mich hatte geführt auf des Lebens unsicheren Pfaden!</p>
+<p>Dennoch wird sein Grab im vaterländischen Boden,</p>
+<p>Der sein theures Gebein bedeckt, und der redende Denkstein</p>
+<span class = "pagenum">387</span>
+<p>Mir erfüllen die Brust mit Trost, und mit Stärke sie waffnen;</p>
+<p>Stillen den Schmerz der Mutter um ihn, und erheben des Volkes</p>
+<p>Sinkenden Muth, das stets, in Treu’ ergeben, ihm anhing.“</p>
+<p>Doch der erhabene Kaiser schwieg, mit sinnenden Blicken</p>
+<p>Ueber den Jüngling gebeugt, und das Volk dort weinete ringsum.</p>
+<p>„Höre des Sohnes Fleh’n,“ begann jetzt Lobkowitz finster,</p>
+<p>„Himmelan hebt sich dein Ruhm: nicht bedarf er des ehrenden
+Denksteins</p>
+<p>Hier, der, rühmend, von Ottgars Grab verkünde der Nachwelt,</p>
+<p>Welchen Gegner du einst im Felde der Waffen erlegt hast.</p>
+<p>Allwärts preis’t dich die Welt großmüthig und edel: als solchen</p>
+<p>Sollst du auch ihm dich erweisen &mdash; wo nicht? so täuschte dein
+Ruf nur:</p>
+<p>Denn unziemlicher Haß g’en Ottgar füllet dein Herz noch.“</p>
+<p>Rief’s empört, und übermannt von unbändigem Herzleid.</p>
+<p>Alle staunten umher; doch zürnte dem eifernden Alten,</p>
+<p>Welcher so edel gesinnt, und zugleich so tapfer im Feld war,</p>
+<p>Rudolph nicht. Voll Rührung erhob er nun den Erzeugten</p>
+<p>Ottgars, der erneut ihm die Knie’ umschlang, von dem Boden,</p>
+<p>Herzt’ ihn vor allem Volk’, und begann mit erheitertem Antlitz:</p>
+<p>„Sey getröstet, mein Sohn! Nicht sann ich, vor Trauer
+verstummend,</p>
+<span class = "pagenum">388</span>
+<p>Dir ein kostbares Unterpfand zu entreißen: denn alsbald</p>
+<p>Geb’ ich es frei. Auch führe zugleich mit dem tapferen Helden,</p>
+<p>Lobkowitz, dich der Füllensteiner im Ehrengeleit heim.</p>
+<p>Zieh’ dann schnell g’en Prag mit der Leiche des theuern
+Erzeugers,</p>
+<p>Sie zu bestatten mit würdiger Pracht, und zu weihen ein Denkmaal</p>
+<p>Ihm, der, herrschend mit Kraft und mit vielumfassender Weisheit,</p>
+<p>Rastlos seines unzähligen Volks Gedeihen und Wohlfahrt</p>
+<p>Förderte. Doch, nun komm’! Ich will ein Vater dir werden,</p>
+<p>Wie ich’s zuvor beschloß im Gemüth’, und im Segen des Himmels</p>
+<p>Möge der sprossende Keim noch herrliche Früchte dir bringen.“</p>
+<p>Sagt’ es mit freud’ausstrahlendem Blick’, und als er, gewendet,</p>
+<p>Faßte des Rosses Zaum mit der Linken, hinauf in den Sattel</p>
+<p>Sich zu schwingen, da both er zugleich dem staunenden Helden,</p>
+<p>Lobkowitz, schnell die Rechte zum Gruß mit den freundlichen
+Worten:</p>
+<p>„Kühner, du stand’st mir zwar gar feindlich entgegen, und dennoch</p>
+<p>Sagt mir das Herz: wir scheiden noch bald, als Freunde für
+immer!“</p>
+<p>Jener dankt’ ihm d’rauf mit thränenumflossenen Wimpern,</p>
+<span class = "pagenum">389</span>
+<p>Schweigend; aber es quillt ein Dank aus den schimmernden Thränen,</p>
+<p>Den im schwellenden Strom der Worte die Zunge nicht ausspricht.</p>
+<p>Solches gewahrete nun der Kaiser, erfreuet, und schwang sich</p>
+<p>Rasch auf das Roß, den Siegeszug in der Burg zu vollenden:</p>
+<p>Denn mit jubelndem Ruf fortwogten von neuem die Scharen.</p>
+
+<p class = "stanza">
+Jetzt, in dem weitumschlossenen Raum der mächtigen Hofburg,</p>
+<p>Wies sich dem Volk’ ein Schaugerüst, der Sichel des Mondes</p>
+<p>Aehnlich an Bogengestalt, erhöht, und mit Purpur behangen.</p>
+<p>Vierzehn Stufen empor, in stets verengteren Kreisen</p>
+<p>Hob sich der herrliche Bau, und zuhöchst, auf dem oberen Feldraum</p>
+<p>Stand, hellschimmernd, des Herrschers Thron, an welchem zur
+Linken,</p>
+<p>Und zur Rechten, gar zierlich geschmückt, zwei Stühle von Purpur</p>
+<p>Glänzten. In drängender Hast erfüllte sich eilig die Hofburg.</p>
+<p>Freudiger Lärm erscholl, als die Rosse, der Reiter entledigt,</p>
+<p>Wieherten, heim durch die Menge geführt, und in stattlicher
+Hoheit</p>
+<p>Rudolph nun mit Gefolg zu dem glänzenden Throne hinaufschritt;</p>
+<p>Dort sich Ladislav, den König der Ungern, zur
+Rechten&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Wenzel, den Sohn des getödteten Horts der Böhmen, zur Linken</p>
+<span class = "pagenum">390</span>
+<p>Sitzen hieß, und das Volk mit freundlichem Winke begrüßte;</p>
+<p>Doch ein schmetternder Laut der Dromete geboth in dem Hofraum</p>
+<p>Schweigen, und Stille ward, daß der Hauch des athmenden Busens</p>
+<p>Hörbar flog, und umher die Stimme des Kaisers vernehmlich</p>
+<p>Tönete, da er die Recht’ erhob, und also zum Volk sprach:</p>
+<p>„Seht uns am Ziele, mit Gott! Vollbracht ist die That, und das
+Opfer,</p>
+<p>Das aus dankbarer Brust zu dem Ewigen heute sich aufschwang.</p>
+<p>Ach, gar dürftig erscheinet das Wort! Wie sollen wir würdig</p>
+<p>Danken dem Heer’, das uns den Sieg errang in der Feldschlacht?</p>
+<p>Wie dem erlauchtesten Könige, der als helfender Freund, uns</p>
+<p>Einte sein tapferes Volk im allentscheidenden Zeitraum?</p>
+<p>Nicht vermöchten wir das! Doch ihn, den König der Ungern</p>
+<p>Schließen wir heut’ an Sohnesstatt, wie er selbst es ersehnet,<a
+class = "tag" name = "tag12_3" id = "tag12_3" href =
+"#note12_3">3</a></p>
+<p>Freudig an’s Herz, und geloben ihm Schutz und Freundschaft für
+immer.</p>
+<p>Wohl bezeugt uns der Herr: „Wer hat, dem wird noch gegeben!“</p>
+<p>Also auch wir, von Gott mit Kindern gesegnet, erkiesen</p>
+<p>Heute der Söhne noch mehr &mdash; denn hört: den theuern
+Erzeugten</p>
+<p>Ottgars einen wir auch, als solchen, in liebender Sorgfalt</p>
+<p>Bald mit unserem Blut: ihm Gutha, die Tochter, verlobend,</p>
+<span class = "pagenum">391</span>
+<p>Die uns die jüngst’ erblüht aus den Töchtern, voll lieblicher
+Unschuld!“</p>
+<p>Jetzo drückt’ er zuerst den König, und d’rauf den Erzeugten</p>
+<p>Ottgars rasch an die Brust, und unendlich jauchzte das Volk auf.</p>
+<p>Aber der König erhob sich vom Stuhl’, und sagte voll Feuer:</p>
+<p>„O, gesegnet für immer der Tag, der, freundlichen Anblicks,</p>
+<p>Dich als Bundesgenossen mir wies! Der brausenden Jugend</p>
+<p>Jahr’ umgaukelten mich noch jüngst im verwirrenden Schimmer;</p>
+<p>Aber du kamst: wohl nenn’ ich dich „Vater“ mit Recht, und ich
+fühle</p>
+<p>Mich urplötzlich zum Manne gereift &mdash; dein würdig, als Sohn
+jetzt!</p>
+<p>Lange lebe, beglückt, der edelste Kaiser der Deutschen!“</p>
+<p>Sprach’s mit jubelndem Ruf’, und umher ertönte des Volkes</p>
+<p>Freudengeschrei, wie Donnersturm, wie stürzender Wasser</p>
+<p>Lautes Rauschen: „Er lebe beglückt! Hoch lebe der Kaiser!“</p>
+<p>So, daß jegliche Brust Entzücken ergriff, und der Thränen</p>
+<p>Stürmische Fluth in das Aug’ urschnell aufjagte vom Herzen.</p>
+<p>Aber es winkte der Kaiser erneut: der eh’rnen Drometen</p>
+<p>Ernstem Schall verstummte das Volk, und er sagte, bewegt, noch:</p>
+<p>„Hört! Wir scheiden von euch nun bald, und auf lange. Gebiethend</p>
+<p>Ruft uns Deutschlands Wohl nach den rheinischen Gau’n, und wir
+folgen</p>
+<p>Freudig dem Ruf, da uns hier zu weilen hinfort nicht vergönnt
+ist.</p>
+<p>Doch nicht bleibe darum dieß Land nach unserer Abfahrt</p>
+<span class = "pagenum">392</span>
+<p>Hauptlos. Wichtiges reift im dunkeln Schooße der Zukunft</p>
+<p>Ihm, und Hohes erringt es. Inmitten gewaltiger Länder,</p>
+<p>Hebt Haus-Oestreich hier, aus seinem unscheinbaren Umkreis</p>
+<p>Eiserngegründet, sich auf; gewährt dann jenen die Herrscher;</p>
+<p>Flicht in den Kranz nie welkender Macht die herrlichsten Kronen,</p>
+<p>Die bald König’ ihm biethen, und führt vielfältig durch Sitte,</p>
+<p>Sprach’, und Stamm gesonderte Völker zu dauernder Einung.</p>
+<p>Also, gerüstet mit Kraft, soll’s einst im Sturme der Zeiten</p>
+<p>Fest wie ein Leuchtthurm steh’n, der rettend, Gefahrenbedrängten</p>
+<p>Von dem Felsen die Flamme weis’t auf dem nächtlichen Irrpfad.</p>
+<p>Albrecht komme heran. Ihm, unserem theuern Erzeugten,</p>
+<p>Deß’ erhabener Sinn und Weisheit euch allen bekannt ist,</p>
+<p>Wollen wir Oestreich hier zu Lehen ertheilen. Als Herzog</p>
+<p>Werd’ ihm der Thron, und in seinem Geschlecht fortdaure die
+Herrschaft,</p>
+<p>Endlos, segenbeglückt zum Wohl unzähliger Völker.“</p>
+<p>Ha, und er dachte, bewegt, des Alp’bewohnenden Klausners!</p>
+
+<p class = "stanza">
+Doch schon ritt aus dem hallenden Thor der Erzeugte des Kaisers,</p>
+<p>Albrecht, stattlich heran. Sein Roß, der tönenden
+Hauptzier&nbsp;&mdash;</p>
+<p>Also des Zaums und Geschirrs von blinkendem Silber sich freuend,</p>
+<p>Beugte stolz das Haupt an die Brust. Doch herrlich geschmückt war</p>
+<p>Er mit dem Fürstenhut’ und dem Purpurmantel: ihn deckte</p>
+<span class = "pagenum">393</span>
+<p>Glänzender Hermelin; auch hielt er den goldenen Zepter</p>
+<p>Fest in der Rechten erhöht. Durch Schrift und Siegel ertheilte</p>
+<p>Friedrich der Erste, von Hohenstauff, der mächtig als Kaiser</p>
+<p>Ragte vor andern hervor, das Recht dem Herzog von Oestreich,</p>
+<p>Also zu Pferd, und so herrlich geschmückt das Leh’n zu empfangen.<a
+class = "tag" name = "tag12_4" id = "tag12_4" href =
+"#note12_4">4</a></p>
+<p>Siehe, vor ihm trug Lichtenstein das Banner von Oestreich,</p>
+<p>Deß’ ruhmwürdiger Schild, mit dem schneeigen Streif in dem
+Blutfeld</p>
+<p>Schimmerte, rasch einher; doch Albrecht hielt an des Thrones</p>
+<p>Stufen, und beugte sich; d’rauf begann der erhabene Kaiser:</p>
+<p>„Albrecht, euch beschwören wir jetzt im Nahmen des einen,</p>
+<p>Wahren, und ewigen Gott’s, zu bekennen: ob ihr, als Herzog</p>
+<p>Oestreichs, herrschen wollet nach Recht und Gerechtigkeit; ob ihr</p>
+<p>Schirmen wollet die heilige Lehr’ und den Glauben der Väter,</p>
+<p>Und euch widmen dem Wohl des Landes mit Leib und mit Leben,</p>
+<p>Das ihr heute zu Lehen empfaht aus unserer Vollmacht?“</p>
+<p>Jener rief: „Ich will!“ und alsbald winkte der Kaiser</p>
+<p>Lichtenstein, daß er ihm darreichte die Fahn’, und begann so:</p>
+<p>„Nun auch schwört es zu Gott, und im Beiseyn eueres Volkes,</p>
+<p>Eilig das Banner zugleich, und den goldenen Zepter erhebend</p>
+<p>Hoch g’en Himmel empor.“ Und jener entgegnete muthig:</p>
+<p>„Ja, ich schwör’ es zu Gott!“ und erhob den goldenen Zepter</p>
+<p>Dann mit dem Banner zugleich in die Luft. Der Kaiser entstürzte</p>
+<span class = "pagenum">394</span>
+<p>Jetzo dem Purpurpfühl’, und flog in die Arme des Sohnes,</p>
+<p>Der, sich schwingend vom Zelter herab, ihm entgegen geeilt war.</p>
+<p>Lange hielt er den Sohn umfaßt, und sagte mit Rührung:</p>
+<p>„Gottes Segen mit dir, und mit deinem Geschlechte! Der Nachwelt</p>
+<p>Stell’ ich es freudig anheim, was heut’ allhier sich begeben.</p>
+<p>Möge sie noch an der Zeiten entferntestem Ziele, des Glückes</p>
+<p>Herrlichster Fülle froh, laut Habsburg segnen und Oestreich!“</p>
+
+<p class = "stanza">
+Siehe, da rief umher die Menge dem neuen Beherrscher,</p>
+<p>Jauchzend, ihr „Lebehoch!“ Doch sah nach dem Kaiser so mancher,</p>
+<p>Innig betrübt, noch hin, der erst von Trennen und Scheiden</p>
+<p>Sprach, und auf immer vielleicht den liebenden Herzen entrückt
+wird.</p>
+<p>D’rauf hieß er die Fürsten bei sich willkommen, und sagte:</p>
+<p>„Kommt zum erquickenden Mahl’, und ruht in der friedlichen Burg
+hier,</p>
+<p>Heiteren Sinn’s, jetzt aus von des Kriegs unzähligen Sorgen!</p>
+<p>Aber verzeiht: ich eile zuvor nach der düsteren Kammer,</p>
+<p>Wo die Gattinn mir starb, und nach ihr sich, in Trauergewanden,</p>
+<p>Sehnen die Kinder vereint; ich gehe, die Lieben zu trösten.“</p>
+<p>Und er entzog sich den Blicken der lautaufjubelnden Scharen:</p>
+<p>Thränenden Blicks, aufschreitend allein zur Wohnung der Trauer.</p>
+
+</div>
+<!-- end div verse -->
+
+</div>
+<!-- end div maintext -->
+
+<hr class = "small">
+
+<span class = "pagenum">395</span>
+
+<div class = "notes">
+
+<h3><a name = "nachtrag" id = "nachtrag">Nachtrag</a></h3>
+
+<h6>zu dem</h6>
+
+<h4>Heldengedichte Rudolph von Habsburg.</h4>
+
+<hr class = "micro">
+
+<h5>Die Marchfelder Schlacht. Jahr 1278.</h5>
+
+<p><span class = "firstletter">D</span>ie merkwürdige Schlacht auf dem
+Marchfeld zwischen Rudolph&nbsp;<span class = "latin">I.</span> von
+Habsburg, Kaiser der Deutschen, und Przemisl Ottokar&nbsp;<span class =
+"latin">II.</span>, König von Böhmen, in welcher letzterer besiegt fiel,
+und jener seinen Nachkommen Oestreichs Herrscherthron erkämpfte, geschah
+am 24. August des Jahres 1278. Schon zwei Jahre vorher standen sich,
+eben daselbst, die beiden Fürsten feindlich entgegen. Ottokar, durch
+früheren Ehebund mit der babenbergischen Margareth, der Herrscher
+geworden von Oestreich und Steyermark, und, durch Kauf, von Kärnthen und
+Krain, ließ sich endlich herbei, diesen Provinzen, als
+anheim&shy;gefallenen Reichslehen, zu entsagen; worauf er, auf der
+Donau-Insel Kamberg, im Angesicht beider Heere, dem Kaiser (19. November
+1276) knieend gehuldigt, und dieser, angeblich, durch Herabrollen der
+Zeltvorhänge, diese Handlung offenkundig gemacht haben soll. Dem
+heimkehrenden König setzte seine ehrgeizige Gemahlin, Kunegunde, durch
+Schmähungen so lange zu, bis er dem Kaiser neuerdings den Kampf auf Tod
+und Leben both. Schon am 27. Juni brach er von Prag zu seinem Heer’ auf,
+das sich vor Brünn versammelt hatte, verlor aber auf seinem Kriegszug in
+Oestreich, durch die Belagerung des befestigten Städtchens Drosendorf,
+den entscheidenden Augenblick, und setzte dadurch den Kaiser in den
+Stand,
+<span class = "pagenum">396</span>
+Hülfsvölker zu sammeln, um welchen es sonst durch schnelles Vordringen
+geschehen gewesen wäre. Auf Rudolphs Seite standen nebst den Schweizern
+und Elsassern, die ihm sein Sohn Albrecht zuführte, der Pfalzgraf
+Ludwig, sein Tochtermann; der Burggraf Friedrich von Nürnberg; der
+Markgraf Heinrich von Hochberg: zu welchen noch die Grafen von
+Henneberg, und Fürstenberg stießen. Dann: Meinhard Graf von Tyrol; Graf
+Albert von Görz; Friedrich, und Albert, die Grafen von Ortenburg, und
+Ulrich von Heunburg mit den Tyrolern, Kärnthnern und Krainern;
+Pfannberg, und zugleich die Herren von Pettau, Lichtenstein, und Colo
+von Seldenhofen, mit den Steyrern. Auch die Bischöfe von Salzburg und
+Basel führten ihm Krieger zu, deren ersterem er in der Schlacht die
+Leitung der Oestreicher und Steyrer übergab. Endlich erschien auch der
+König Ladislav&nbsp;<span class = "latin">IV.</span>, an welchen er den
+tapferen tyrolischen Hauptmann, Hugo von Tauffers, abgeschickt hatte,
+mit mehr denn zwanzigtausend kumanischen und ungrischen Reisigen, als
+sein Verbündeter, auf dem Schlachtfeld. An Ottokars Völker, die Böhmen,
+und die Mährer unter Milota’s Leitung, reiheten sich: Bayern, welche der
+Herzog Heinrich; Sachsen, welche Pfeil, der Markgraf von Magdeburg, und
+Meißner und Thüringer, welche der Markgraf Dietrich anführte. Die
+Reussen sandte K.&nbsp;Leo, und die Polen und Schlesier K.&nbsp;Kasimir
+heran. Auch einige östreichische Ritter, unter diesen die beiden Brüder
+Heinrich und Leopold Kunring, ergriffen seine Parthei, so, daß er dem
+Kaiser an der Zahl der Krieger weit überlegen war. Das Feld, auf welchem
+gestritten ward, erstreckte sich von Marcheck über den Weidenbach, dann
+weiter von Stillfried über Dürnkrut bis gegen Idungspeugen, hinauf, und
+der Kampf endete wahrscheinlich, wie weiter unten erhellet, nahe vor dem
+Städtchen Laa. Rudolph setzte mit seinem Heere bei Hainburg über die
+Donau, seine Vereinigung mit dem König der Ungern zu bewirken, und dem
+Feind in den Rücken zu kommen, und lagerte sich vor Marcheck. Die
+<span class = "pagenum">397</span>
+Kumanier hatten bereits aus dem Hinterhalt die herumstreifenden Feinde
+angefallen, ihnen über 100 Mann getödtet, und nachdem sie ihnen die
+Köpfe abgehauen, sandten sie selbe dem Kaiser als Geschenk entgegen, der
+sich mit Schauder davon wegwendete, und sie begraben ließ. Am 23. August
+rückte er g’en Stillfried vor, und beschloß die Schlacht auf den
+folgenden Tag, der mit dem Feste des heil. Bartholomäus auf einen
+Freitag fiel, an welchem er öfters glücklich gekämpft hatte.<a class =
+"tag" name = "endtagA" id = "endtagA" href = "#endnoteA">*</a> Der Tag
+brach an: die Kaiserlichen standen in fünf Heerhaufen, den sechsen der
+Böhmen, entgegen. Noch kurz vor dem Kampfe schlug der Kaiser, nebst
+anderen, auch hundert Zürcher zu Rittern. In seinem Heer herrschte mehr
+froher Muth, als in jenem Ottokars, da vor Tagesanbruch die Meißner und
+Thüringer aus dem Lager heimlich abzogen, und er zuvor im Zelt, mit
+erregtem Mißtrauen, die Feldherrn aufforderte: „sie sollten ihm, wenn
+sie Verrath an ihm sännen, lieber jetzt die Brust durchbohren, ehe
+Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden.“ Das unbändige
+Pferd eines salzburgischen Reiters, Heinrich Schörlin, rannte, wie toll,
+auf die Böhmen los, und ward so zum Zeichen des früheren Angriffs.
+Ottokar brachte mit den schwer&shy;geharnischten Reitern die Oestreicher
+und Steyrer zum Weichen, nachdem der Führer der letzteren, Pfannberg,
+verwundet vom Pferde gefallen war. Als der Kaiser die wankende Schlacht
+sah, da warf er sich aus dem Sattel im Staub auf die Knie’, und bethete
+laut zum Himmel, verheißend durch ein Gelübde, so er den Sieg gewänne,
+ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu stiften; worauf seine Scharen
+ermuthigt vordrangen. Doch schlug sich Herbot von Füllenstein, ein
+polnischer Ritter, durch große Verheißungen Ottokars bewogen, bis zu ihm
+durch,
+<span class = "pagenum">398</span>
+erstach ihm das Pferd unter dem Leib, und brachte ihn in die größte
+Gefahr, wenn nicht er selber, zu Fuß ankämpfend, ihn mit dem Speer von
+dem Sattel herabgerissen, und der herbeieilende tapfere Ritter Ulrich
+Capellen ihm ein Pferd gebothen hätte. Den gefangenen Ritter Herbot hieß
+der Kaiser schonen, seine Wunden verbinden, und warf sich dann, wie ein
+erzürnter Löwe, neuerdings auf die Feinde. Auf dem rechten Flügel, wo
+Hochberg stritt, erhob sich das Geschrei, „die Feinde fliehen!“ und bald
+verbreitete es sich durch alle Reihen Rudolphs. Ottokar wankte einen
+Augenblick, hieß aber Milota aus dem Nachhalt vorgeh’n; und als dieser,
+langgenährter Rache fröhnend, mit den Mährern und einigen böhmischen
+Herren, die er gewann, eben jetzt von dem Schlachtfeld abzog, stürzte er
+sich in den letzten mörderischen Kampf, und fiel auch hier, als ein
+Opfer der Rache, durch die Hand der beiden Ritter von Meerenberg, mit
+dreizehn Wunden, ehe der Befehl des Kaisers, der sein Leben zu schonen
+geboth, erfüllt werden konnte. Worauf Flucht und Verwirrung der Böhmen.
+Der Kaiser ließ zum Rückzug blasen, allein die Kumanier verfolgten sie,
+bis die sinkende Nacht dem Würgen ein Ende machte. Die Schlacht währte
+nur fünf Stunden, und es sollen auf Ottokars Seite über 14,000 gefallen
+seyn. Rudolph hieß seine Leiche sogleich aufsuchen, nach dem Städtchen
+Laa, und noch in der Nacht nach Wien bringen, wo sie anfangs in dem
+Schotten-Kloster beigesetzt, und dann in der Kirche der Barfüßer-Mönche
+öffentlich zur Schau ausgestellt blieb. Allein, auf die in das Lager
+gelangte Bitte der Böhmen, stellte er sie ihnen wieder zu; worauf sie
+über Znaim nach Prag abgeführt, und in dem, von ihm erbauten
+Franciskaner-Kloster königlich zur Erde bestattet ward. Rudolph hielt in
+Wien, unter unendlichem Jubel des Volkes, seinen feierlichen Einzug, und
+erfüllte bald darauf sein Gelübde, indem er zu Tuln, zu Ehren des heil.
+Kreuzes ein adeliges Frauenkloster erbauen ließ.</p>
+
+<p class = "footnote">
+<a name = "endnoteA" id = "endnoteA" href = "#endtagA">*)</a>
+Bei <em><span class = "latin">Arenpeck Chron. Austr. ad Annum</span>
+1278 heißt es</em>: <span class = "latin">Conveniunt ambo Reges cum
+exercitibus suis in campis Austriae trans Danubium apud Weidenbach feria
+sexta ante Bartholomaei etc.</span> Viele andere wollen, daß die
+Schlacht sich am 26. August ereignet habe.</p>
+
+</div>
+
+<hr class = "small">
+
+<div class = "notes">
+
+<span class = "pagenum">399</span>
+<h3><a name = "anmerkungen" id = "anmerkungen">Anmerkungen</a></h3>
+
+<h6>zu</h6>
+
+<h2>Rudolph von Habsburg.</h2>
+
+<hr class = "tiny">
+
+
+<h4><a name = "ges1_notes" id = "ges1_notes">Erster Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_1" id = "note1_1" href =
+"#tag1_1">1</a> Vers 9.</h5>
+
+<p><em>Drahomira</em> war die Gemahlinn Vratislavs, Herzogs von Böhmen,
+der die Heidinn in der Hoffnung, daß sie sich zum Christenthume bekehren
+würde, im Jahr 907 ehlichte. Sie gebar ihm zwei Söhne, Wenzel und
+Boleslav, und als er im Jahr 916 starb, und seine Mutter, die heil.
+Ludmilla, die vormund&shy;schaftliche Regierung übernehmen wollte, stand
+sie in der berufenen Stände&shy;versammlung zu Prag dagegen auf, zog
+sich mit ihrem jüngeren Sohn, Boleslav, auf das feste Schloß Wischehrad
+zurück, und wüthete beinahe durch vier Jahre, mit Beihülfe des
+heidnischen Stadtrichters Palhog, gegen die Christen mit Feuer und
+Schwert. Darauf ließ sie die Kirche zu Bunzlau zerstören, und endlich
+auch ihre Schwiegermutter auf dem Schlosse Tetin hinrichten. Wenzel,
+obgleich nur ein Jüngling, kam hierauf nach Prag, berief die Stände im
+Jahr 921, und entsetzte sie der Regierung. Doch ruhte die unmenschliche
+Mutter nicht, bis ihr jüngerer Sohn den älteren im Jahr 938 auf ihr
+Anstiften durch Brudermord auf die Seite schaffte. Nach der Sage soll
+sie auf dem Hradschin die Erde lebendig verschlungen haben.
+S.&nbsp;<span class = "latin"><em>Cosmas Pragensis</em> L.&nbsp;I.
+<em>Hist.</em> &mdash; <em>Pulkawa Hist. Boh.</em> C.&nbsp;13.
+<em>Dubrav. Hist. Boh.</em> L.&nbsp;5. <em>Sylvius</em>, <em>Hagek</em>
+etc.</span>
+
+
+<span class = "pagenum">400</span></p>
+<h5><a class = "tag" name = "note1_2" id = "note1_2" href =
+"#tag1_2">2</a> Vers 68.</h5>
+
+<p><em>Margareth</em>, die Tochter des babenbergischen Leopold des
+Glorreichen, Herzogs von Oestreich, war die Wittwe Kaisers Heinrich
+<span class = "latin">VII</span>, und bereits an Jahren vorgerückt, als
+Ottokar, wohl nur in der Absicht, mit ihrer Hand Oestreich und die
+Steyermark zu erlangen, sie im Jahr 1252 heirathete, aber schon im Jahr
+1261 sich von ihr, wegen beschuldigter Unfruchtbarkeit, wieder scheiden
+ließ. Sie starb zu Krems im Jahr 1267 im Kloster, und zwar, wie Einige
+behaupten, durch Gift, mit welchem sie Ottokar aus der Welt geschafft
+haben soll. Doch hat Hanthaler <span class = "latin"><em>Fast.
+Campilil.</em> T.&nbsp;I. P.&nbsp;II. Dec. VII. §.&nbsp;I.
+C.&nbsp;XXXIV.</span> diese Behauptung widerlegt. Sie liegt in dem
+Kloster Lilienfeld, das ihr Vater stiftete, ihm zur Linken, vor dem
+Hochaltar, begraben.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_3" id = "note1_3" href =
+"#tag1_3">3</a> Vers 117.</h5>
+
+<p><em>Durnkrut.</em> Siehe den merkwürdigen Aufsatz „Die
+Entscheidungs&shy;schlacht im Marchfelde zwischen Rudolph und Ottokar
+1278“ im Archiv für Geographie, Historie &amp;c. Nr. 1 und 2 des
+J.&nbsp;1814. Der vortreffliche Geschicht&shy;schreiber, Chorherr Kurz,
+sagt in seinem <span class = "latin">Oestreich unter Ottokar und
+Albrecht&nbsp;I.</span>: „In Rücksicht des Schlachtfeldes stimmen die
+Berichte nicht ganz überein, welches wohl nicht anders möglich ist, da
+zwei Heere nothwendig eine große Strecke einnehmen, und während einer so
+entscheidenden Schlacht an mehreren Orten gestritten wird. Daß an dem
+Marchfluß gekämpft ward, in welchem viele Böhmen den Tod fanden,
+bestätigen alle Chroniken. Der Bezirk von <em>Stillfried</em> bis
+<em>Idungspeugen</em> hinauf, war der eigentliche Kampfplatz,
+<em>Chrutterfeld</em>, das ebenfalls genannt wird, liegt in der Mitte.
+Die Schlacht muß sich von Stillfried gegen den <em>Weidenbach</em> und
+bis <em>Marcheck</em> ausgedehnt haben, da Rudolph in seinem Stiftsbrief
+sagt: „Gott habe ihn nicht fern der Kirche von Marcheck aus Todesgefahr
+errettet“. <span class = "latin">In loco ab ecclesia eadem non longe
+distante nos quasi in angustiis mortis positos liberavit ab hostibus: et
+prostratis eisdem liberavit gloria triumphali.</span> <span class =
+"latin"><em>Bodmann</em> cap.&nbsp;I. p.&nbsp;100.</span> Wahrscheinlich
+deutet er auf die Gefahr, die ihm drohte, als ihm das Pferd unter dem
+Leib’ erstochen ward. <span class = "latin"><em>Calles</em>
+T.&nbsp;II.</span> p.&nbsp;552-562 hat alle hierher gehörigen Stellen
+gesammelt“.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_4" id = "note1_4" href =
+"#tag1_4">4</a> Vers 284.</h5>
+
+<p>Siehe über dieses Gespräch Hornecks Reim-Chronik, Cap. 132-136</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_5" id = "note1_5" href =
+"#tag1_5">5</a> Vers 351.</h5>
+
+<p><em>Rüdiger Waldram</em> nennt <em>Fugger</em>, in seinem
+<em>Ehrenspiegel des Erzhauses Oestreich</em>, den Bürgermeister Wiens,
+der an Rudolph
+<span class = "pagenum">401</span>
+mit dem König der Böhmen einverstanden, heimlichen Verrath sann. Bei
+andern Schriftstellern heißt er Paltram Vazo. Der Sänger Rudolphs fand
+jenen wohlklingender zu seinem Zwecke (S. auch <span class =
+"latin">Wolf. Lazius Chron. Vienn. Lib. IV.</span> und <span class =
+"latin"><ins class = "correction" title = "eigentlich Gerard de Roo">Gerard.
+Roo</ins> Hist. Austr. Lib.&nbsp;I.</span><ins class =
+"correction" title = ") fehlt">)&nbsp;</ins></p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_6" id = "note1_6" href =
+"#tag1_6">6</a> Vers 360.</h5>
+
+<p>Die Erzählung von der Huldigung Ottokars auf der Donau-Insel
+<em>Kamberg</em>, wo er, nachdem die täuschenden Zeltvorhänge gefallen
+waren, auf den Knieen vor dem Kaiser liegend, den beiden, durch die
+Donau geschiedenen Heeren gewiesen ward, ist von vielen gründlichen
+Geschichts&shy;forschern als unstatthaft verworfen worden.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_7" id = "note1_7" href =
+"#tag1_7">7</a> Vers 375.</h5>
+
+<p>In einem der anmuthigsten Gebirgsthäler Unter-Oestreichs, am Fuße der
+Alpen, und an dem Ufer des Traisenflusses, liegt das Cisterzienser-Stift
+<em>Lilienfeld</em>, von dem babenbergischen Leopold <span class =
+"latin"><ins class = "correction" title = ". unsichtbar">VII.</ins></span>,
+oder Glorreichen, im Jahr 1202 gestiftet,
+dem der Sänger Rudolphs durch acht und zwanzig Jahre angehörte, und
+demselben in den letzten sieben Jahren als Abt, k.&nbsp;k. Rath und
+nieder&shy;östreichischer Landesstand, vorgesetzt war.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_8" id = "note1_8" href =
+"#tag1_8">8</a> Vers 397.</h5>
+
+<p><em>Masovien</em> (Masuren), eine Landschaft in Polen, welche an
+Preußen, an Groß- und Klein-Polen und an Lithauen gränzte, früher durch
+eigene Herzoge regiert, und unter König Sigismund&nbsp;<span class =
+"latin">I.</span> mit Polen vereiniget ward. Ihre vornehmsten Städte
+waren Warschau und Plozk. (Hartknoch <span class = "latin">de Republ.
+Pol. L.&nbsp;I. c.&nbsp;10.</span>)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_9" id = "note1_9" href =
+"#tag1_9">9</a> Vers 403.</h5>
+
+<p><em>Königsberg</em>, die zweite Residenzstadt Preußens an der Pregel,
+von mehr als 60,000 Einwohnern, und einer Universität, die in der
+neueren Zeit durch Kant berühmt geworden ist, soll Ottokar im Jahr 1254
+gegründet haben.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_10" id = "note1_10" href =
+"#tag1_10">10</a> Vers 421.</h5>
+
+<p>Daß Rudolph in seinem sieben und dreißigsten Jahre an den Hof
+Ottokars, der übrigens als ein großer Feldherr jungen Fürsten allerdings
+zum Muster dienen könnte, berufen, und zu seinem Hofmarschalk ernannt
+worden sey, daß er dann mit ihm die, bei dem Einfall der Tartaren wieder
+heidnisch gewordenen, Preußen bekämpfte, im Jahr 1260 einem Kriegszug
+gegen die Ungern beigewohnt, und wegen ausgezeichneter Heldenthaten von
+<span class = "pagenum">402</span>
+ihm den Ritterschlag erhalten habe, sind Erzählungen aus seinem Leben,
+deren Wahrheit hie und da bestritten worden ist.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note1_11" id = "note1_11" href =
+"#tag1_11">11</a> Vers 484.</h5>
+
+<p><em>Tabor</em>. Ein an dem linken Ufer der Donau, Wien gegenüber
+liegendes Dorf.</p>
+
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges2_notes" id = "ges2_notes">Zweiter Gesang.</a></h4>
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_1" id = "note2_1" href =
+"#tag2_1">1</a> Vers 28.</h5>
+
+
+<p>Die Veste <em>Mödling</em>, deren Ruinen über dem Städtchen gleiches
+Nahmens, nicht fern von Wien, in dem Brühler Thal zu sehen sind, war das
+Eigenthum mehrerer Fürsten eines Zweigs des babenbergischen
+Herrscher&shy;stammes, die sich Herzoge von Modeling nannten, und das
+zuletzt auch Gertrud, die Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling, und
+Bruders Friedrichs des Streitbaren, zu ihrem Antheil erhielt, nachdem
+ihr Gatte, Herman, Markgraf von Baden, gestorben war.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_2" id = "note2_2" href =
+"#tag2_2">2</a> Vers 35.</h5>
+
+<p>In einem eng umschlossenen Thal’, am Fuße des Tannberges, welches der
+Sattelbach durckfließt, stiftete Leopold der Heilige im Jahr 1135 das
+Cisterzienser-Kloster Heiligen-Kreuz, welches nebst andern merkwürdigen
+Grabmäälern im Kreuzgang auch jenes von Friedrich dem Streitbaren,
+letzten Sprossen des babenbergischen Stammes, zur Schau stellt.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_3" id = "note2_3" href =
+"#tag2_3">3</a> Vers 91.</h5>
+
+<p>Ueber <em>Jacob Müllers</em>, des Zürcher Kriegers, <em>lustige
+Mähre</em> siehe <span class = "latin"><em>Alb. Argent. Cap.</em>
+18</span> und <em>Fuggers Spiegel der Ehren des Erzhauses
+Oestreich</em>. Nürnberg, 1668, erstes Buch 7.&nbsp;Cap. S.&nbsp;66.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_4" id = "note2_4" href =
+"#tag2_4">4</a> Vers 110.</h5>
+
+<p>Der <em>Traisen</em>-Fluß in Unteröstreich, der bei Traisenmauer in
+die Donau fällt, entspringt hinter der Lilienfelder Alpenkette aus dem
+sogenannten Traisenberg, und ergießt sich in zwei Bächen, wovon der eine
+hinter Tirnitz aus der Süd- und der andere hinter Hohenberg aus der
+Nordseite des Berges hervordringt, so, daß beide erst oberhalb
+Lilienfeld sich wieder vereinigen, und die eigentliche Traisen bilden.
+Wechselweise wird
+<span class = "pagenum">403</span>
+der eine, und der andere Arm die <em>unechte Traisen</em> genannt, je
+nachdem der Bewohner des einen und des andern Bezirks Kunde darüber
+geben soll.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_5" id = "note2_5" href =
+"#tag2_5">5</a> Vers 115.</h5>
+
+<p><em>Lilienfeld</em>, das Cisterzienserkloster in Unteröstreich,
+welches am Fuße der Alpen, in einem der reizendsten Thäler, nicht weit
+von der, auf der Hauptstraße nach Wien liegenden Stadt St. Pölten
+entfernt liegt, wurde durch den babenbergischen Leopold den Glorreichen,
+Herzog von Oestreich, im Jahr 1202 gestiftet, erhielt, wie schon weiter
+oben im Gedichte gesagt wird, die ersten Mitglieder aus dem Kloster
+Heiligen-Kreuz, und besteht nun schon 640 Jahre. In dieses Kloster trat
+der Dichter Rudolphs von Habsburg, in seinem zwanzigsten Lebensjahre, im
+Jahre 1792, und hatte ihm gegen 28 Jahre lang angehört, nach welchen er
+zu höhern Stellen berufen ward; es ist ihm daher wohl zu guten zu
+halten, daß er es zu einem der Schauplätze seines Gedichtes gewählt, und
+mit besonderer Liebe und Ortskenntniß beschrieben hat.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_6" id = "note2_6" href =
+"#tag2_6">6</a> Vers 171.</h5>
+
+<p>Ob Rudolph vor, oder während der Schlacht das Gelübde gemacht habe:
+so er den Sieg gewänne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu
+erbauen, ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht völlig erweisbar. So
+viel ist gewiß, daß er, nach jenem erhaltenen Sieg über seinen Gegner,
+das adelige Frauenkloster zu Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes erbaut,
+und auch seine, und seiner Gemahlinn aus Stein gehauene Statuen dahin
+geschenkt habe, die leider zur Zeit der Aufhebung desselben, auf eine
+unverant&shy;wortliche Weise, vernichtet worden sind!</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_7" id = "note2_7" href =
+"#tag2_7">7</a> Vers 176.</h5>
+
+<p>Die hier bezeichneten Fürsten sind: Albrecht&nbsp;<span class =
+"latin">I.</span>, Friedrich der Schöne, Maximilian&nbsp;<span class =
+"latin">I.</span>, Carl&nbsp;<span class = "latin">V.</span>, Maria
+Theresia, Joseph&nbsp;<span class = "latin">II.</span>,
+Leopold&nbsp;<span class = "latin">II.</span>, Franz&nbsp;<span class =
+"latin">I.</span></p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_8" id = "note2_8" href =
+"#tag2_8">8</a> Vers 320.</h5>
+
+<p>Nach Fugger geschah diese Handlung zu Mainz, als Kaiser Rudolph das
+Reich bereisete, im Jahr 1273. (<em>Siehe Spiegel der Ehren</em>.
+S.&nbsp;84.)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_9" id = "note2_9" href =
+"#tag2_9">9</a> Vers 372.</h5>
+
+<p><em>Wiener-Neustadt</em> &mdash; erhielt den Titel der <em>Allzeit
+Getreuen</em> schon von Herzog Friedrich dem Streitbaren, wie es aus
+einer ihr im Jahr
+<span class = "pagenum">404</span>
+1242 ertheilten Privilegien-Urkunde erhellet. Kaiser Leopold&nbsp;<span
+class = "latin">I.</span> schenkte ihr im J.&nbsp;1708 eine Fahne mit
+der Aufschrift: <span class = "latin">Semper fidelis civitas
+Neostadiensis &mdash; pro Caesare et Religione</span> &mdash; wie
+solches nebst andern historisch merk&shy;würdigen Selten&shy;heiten in
+dem Rathhaus-Archive daselbst zu ersehen ist.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_10" id = "note2_10" href =
+"#tag2_10">10</a> Vers 410.</h5>
+
+<p>Ein Meisterwerk der gothischen Baukunst, das alle Fremden durch
+seinen majestätischen Umfang in Erstaunen setzte, das sogenannte
+Dormitorium, oder Schlafhaus zu Lilienfeld, welches ursprünglich den
+Klosterbrüdern zur gemeinschaft&shy;lichen Wohn- und Schlafstätte
+diente, als noch, außer dem Chorgebeth, das Ausräuten und Urbarmachen
+der Wildniß umher ihr hauptsächliches Geschäft war, ging durch den
+großen Brand (13. September 1810) völlig zu Grunde, so daß keine Spur
+mehr von seiner Herrlichkeit übrig blieb.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note2_11" id = "note2_11" href =
+"#tag2_11">11</a> Vers 478.</h5>
+
+<p>Der <em>Lasingfall</em>, in den Lilienfelder Gebirgen, ist seit dem
+Jahr 1815, wo ihn der Verfasser des gegenwärtigen Gedichts, als
+damaliger Stiftsvorsteher, zugänglich, und dadurch erst bekannt machte,
+der Gegenstand der Aufmerksamkeit der Reisenden, die ihn jährlich in
+großer Anzahl besuchen. Seine Schönheit übertrifft jede Vorstellung. Die
+Felsenschlucht, durch welche sich die Lasing herabstürzt, hat drei
+Hauptabsätze, die nach Wiener Maß:</p>
+
+<table class = "fall" summary = "Lasingfall senkrecht">
+<tr>
+<td><span class = "latin">a</span> =</td>
+<td class = "number">107</td>
+<td>Fuß</td>
+<td></td>
+</tr>
+<tr>
+<td><span class = "latin">b</span> =</td>
+<td class = "number">40</td>
+<td>&nbsp; „</td>
+<td class = "number">8”</td>
+</tr>
+<tr class = "bottompad">
+<td><span class = "latin">c</span> =</td>
+<td class = "number">123</td>
+<td>&nbsp; „</td>
+<td class = "number">2”</td>
+</tr>
+<tr>
+<td></td>
+<td class = "number topline">270</td>
+<td class = "topline">&nbsp; ’</td>
+<td class = "number topline">10”</td>
+</tr>
+</table>
+
+<p>senkrechte Höhe, und</p>
+
+<table class = "fall" summary = "Lasingfall horizontal">
+<tr>
+<td><span class = "latin">a</span> =</td>
+<td class = "number">145</td>
+<td>Fuß</td>
+<td class = "number">&nbsp; 2”</td>
+</tr>
+<tr>
+<td><span class = "latin">b</span> =</td>
+<td class = "number">126</td>
+<td>&nbsp; „</td>
+<td class = "number">7”</td>
+</tr>
+<tr class = "bottompad">
+<td><span class = "latin">c</span> =</td>
+<td class = "number">123</td>
+<td>&nbsp; „</td>
+<td class = "number">4”</td>
+</tr>
+<tr class = "topline">
+<td></td>
+<td class = "number topline">395</td>
+<td class = "topline">&nbsp; ’</td>
+<td class = "number topline">1”</td>
+</tr>
+</table>
+
+<p>horizontale Länge des Wasserfalls bewirken. Auch das Felsenthal am
+Fuß des Oetschers, durch welches sie sich ergießt, gewährt einen
+ergreifenden Anblick<ins class = "correction" title = ". fehlt">.&nbsp;</ins></p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<span class = "pagenum">405</span>
+<h4><a name = "ges3_notes" id = "ges3_notes">Dritter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_1" id = "note3_1" href =
+"#tag3_1">1</a> Vers 3.</h5>
+
+<p><em>Marbod</em>, <span class = "latin">Marobodus</span>, wie ihn
+Tacitus nennt, König der Marcomannen, eines schwäbischen Stammes
+(Mark-Mannen, Hüther der Gränze, oder wie Andere wollen:
+<em>Marich</em>-Mannen, Roßtummler, von dem alten deutschen Wort
+<em>Marich</em>, Stute, Mähre, <span class = "latin">equa</span>), lebte
+gleichzeitig mit Herman dem Cherusker. Entschlossen, sich in einer
+entfernteren Stellung den Römern furchtbar zu machen, sammelte er ein
+Heer von mehr denn siebenzig tausend Mann, zog immer weiter an der Donau
+herab, und nachdem er den <em>Catualda</em> (Gothwald oder Katwald),
+einen Anführer der Gothen, aus dem Lande der Bojen, dem heutigen Böhmen,
+verjagt hatte, gründete er dort den Sitz eines neuen Reichs, das sich
+von der äußersten Spitze der Ostmark, und der Gränze Pannoniens, bis an
+das Riesengebirge hin erstreckte. <em>Inguiomar</em> (wahrscheinlich
+Hinkmar), der Ohm Hermans, der zu ihm flüchtete, verwickelte ihn in
+einen heftigen Streit mit seinem gewaltigen Neffen, und als nach einer
+unentschiedenen blutigen Feldschlacht seine Krieger auf Hermans Seite
+traten, und Catuald mit Hülfe römischer Scharen seine Burg erstürmte,
+faßte er den Entschluß, sich in Roms Schutz zu begeben. Er wurde nach
+Ravenna verwiesen, wo er nach einem zwei und zwanzigjährigen Aufenthalt
+sein Leben &mdash; das er, wie Tacitus sagt, zu sehr liebte, in
+unrühmlicher Abge&shy;schiedenheit endete. Catuald hatte ein gleiches
+Schicksal, denn er wurde von den Römern nach Frejus in Frankreich
+verwiesen.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_2" id = "note3_2" href =
+"#tag3_2">2</a> Vers 16.</h5>
+
+<p>Das Schloß <em>Hainburg</em> mit dem Städtchen gleiches Nahmens, an
+der Gränze Ungerns in Unter-Oestreich, soll, der Sage nach, von Attila,
+dem König der Heunen, wie die Deutschen der Vorzeit die Hunnen nannten,
+erbaut worden sein: daher Heunenburg, <em>Heunburg</em>, geheißen haben.
+Was hier von dem Umfang, und der Lage des markomannischen Reichs unter
+Marbod, und weiter unten Vers 25 von der durch ihn gekämpften Schlacht
+auf dem Marchfeld gesagt wird, gründet sich, nicht mit historischer
+Gewißheit, sondern in poetisch genommener scheinbarer Möglichkeit, auf
+folgende Stellen aus dem Werke: <span class = "latin">Hist. opus in IV.
+T. divisum, quorum T.&nbsp;I. Germ. ant. illust. continet. Basileae 1574
+ed. Tencterus</span>.</p>
+
+<span class = "pagenum">406</span>
+<p><span class = "latin">Sub Martungis erant Curiones, inde Chetuari, et
+Parmecampi, ubi hodie pars est Austriae Cis-Danubianae juxta <em>Krembs,
+Znaem et Niclaspurg</em>. Inde habitabant Marcomanni; hodie regio illa
+Moravia est, quae se ad Sudinos extendebat, et Danubium usque, ubi hodie
+civitas est <em>Prespurgium</em>. &mdash; Gessit haec gens maxima bella
+cum Romanis etc. etc. <em>Bilibaldi Birkheimeri Locor. per German.
+explicatio pag. 209.</em></span></p>
+
+<p>Ferner: <span class = "latin">Nariscos Marcomannos et Quados haud
+dubie ea loca tenuisse putamus, ubi nunc agunt Moravi,
+<em>Merherlandt</em>. De Marcomannis nemo dubitare potest, qui Vellejum
+legerit. <em>Henr. Clareani in P.&nbsp;C. Taciti de Mor. Germ.
+comment.</em> p.&nbsp;188.</span></p>
+
+<p>Und endlich: <span class = "latin">Marcomanni sedes habuerunt in ea
+parte, quae spectat ortum versus Moraviam et Austriam. Enituit autem
+virtus Marcomannorum in multis asperrimis bellis, in quibus patriam
+adversus Romanos fortissime defenderunt etc. <em>Philip. Melanchtonis
+Vocabula Regionum et Gent. quae recens. in libello Taciti de mor.
+Germ.</em> p.&nbsp;193.</span></p>
+
+<p>Daß aber Rudolph aus Marbods Stamm entsprossen seyn soll (siehe unten
+V.&nbsp;48) gründet sich in besagtem Sinn auf folgende Stelle:</p>
+
+<p><span class = "latin">Andreas Alciatus in suis annotationibus in
+Tacitum, etiam in Helvetiis consedisse Marcomannos quadosque putat.
+Exstat enim, inquit, adhuc in eis Vallis <em>Marcomanna</em>
+nomine.</span></p>
+
+<p><span class = "latin"><em>Andreae Althameri Scholia in Cornel. Tacit.
+de Germ.</em> pag. 61</span> desselben Werks.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_3" id = "note3_3" href =
+"#tag3_3">3</a> Vers 23.</h5>
+
+<p><em>Marobudum</em> hieß die Residenzstadt Marbods, des Königs der
+Marcomannen, die er sich in dem vormahligen Bojenheim erbaute, und die
+an der Stelle, wo jetzt Prag &mdash; nach Andern &mdash; wo jezt
+Budweis, gestanden haben soll.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_4" id = "note3_4" href =
+"#tag3_4">4</a> Vers 106.</h5>
+
+<p>Das Wapen der Grafen von Habsburg enthielt im goldenen Felde einen
+rothen Löwen mit einer blauen Krone auf dem Haupt.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_5" id = "note3_5" href =
+"#tag3_5">5</a> Vers 107.</h5>
+
+<p>Das böhmische Wapen zeigt einen weißen gekrönten Löwen im rothen
+Feld. Kaiser Friedrich&nbsp;<span class = "latin">I.</span> ertheilte
+selbes, nach dem Mailänder Krieg, <ins class = "correction" title =
+"ungeändert, auch in 1827">Uladislav</ins>&nbsp;<span class =
+"latin">II.</span> im Jahr 1159.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">407</span>
+<h5><a class = "tag" name = "note3_6" id = "note3_6" href =
+"#tag3_6">6</a> Vers 108.</h5>
+
+<p>Kaiser Friedrich <span class = "latin">II.</span> erhob Wien im Jahr
+1237 zu einer freien Reichsstadt, ertheilte ihr den doppelten Adler zum
+Wapen, und stiftete eine hohe Schule daselbst. S.&nbsp;<em>Lazius</em>.
+Auch diesem wird widersprochen.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_7" id = "note3_7" href =
+"#tag3_7">7</a> Vers 295.</h5>
+
+<p>Der schmale Donau-Arm, der, unterhalb Nußdorf von dem Hauptstrom
+geschieden, die Stadt Wien von der Leopoldstadt trennet, und hiermit ein
+großes Eyland bildet, auf welchem nebst besagter Vorstadt, auch die
+anmuthigsten Spaziergänge in der Brigittenau, dem Augarten und dem
+berühmten Prater sich befinden.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_8" id = "note3_8" href =
+"#tag3_8">8</a> Vers 308.</h5>
+
+<p><em>Amtner</em>, dieses im Verlaufe des Gedichtes einigemal
+vorkommende Wort, bezeichnet (wie Schaff-ner, Zöll-ner
+u.&nbsp;s.&nbsp;w. geformt) ganz entsprechend die französische Benennung
+<em>Offizier</em>; wo sodann <em>Offizier-Corps</em>, durch
+<em>Amtnergilde</em> gegeben werden könnte.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_9" id = "note3_9" href =
+"#tag3_9">9</a> Vers 350.</h5>
+
+<p>Die Kumanier (ein sarmatisches Volk), die aus ihrem Land, welches
+zwischen den Alpen und der Donau, gegen die Tartarei zu, lag, von den
+hinterhalb wohnenden Tartaren gedrängt, unter Bela&nbsp;<span class =
+"latin">IV.</span> Jahr 1239 nach Ungern kamen, und von diesem eine
+große Strecke Lands zwischen der Donau und der Theyß eingeräumt
+erhielten, vereinigten sich dann mit den bald nachfolgenden Tataren,
+über Ungern die schrecklichste Verwüstung zu bringen, weßwegen sie dem
+Unger, der sie in seiner Sprache Kun nennt, auch nachdem jene schon
+abgezogen waren, noch lange verhaßt blieben. (<span class =
+"latin">Bonfinii Decad. II. Lib.&nbsp;8.</span>)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_10" id = "note3_10" href =
+"#tag3_10">10</a> Vers 358.</h5>
+
+<p>Dschengis Khan brachte durch die Gründung seines großen Reichs in
+Asien auch die europäische Tartarei, welche die Halbinsel Krimm,
+Beßarabien und das Land zwischen dem Dniester und Dnepr in sich faßte,
+in Bewegung. Seine Horden drängten die vor ihnen liegenden Kumanier, und
+als diese, unter ihrem König Kuthen, sich nach Ungern zurück zogen,
+folgten sie ihnen dahin nach, und verwüsteten unter ihren beiden
+Anführern, Vathos, der über Reußen, Polen und Mähren, und Kadan, der aus
+der Moldau hereinbrach, beinahe durch zwei Jahre das Land mit Feuer und
+Schwert.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">408</span>
+<h5><a class = "tag" name = "note3_11" id = "note3_11" href =
+"#tag3_11">11</a> Vers 517.</h5>
+
+<p>Rudolphs Zug nach dem Gelobten-Lande; auch daß er Hofmarschalk König
+Ottokars gewesen (siehe weiter unten Vers 602) gehört unter die
+bestrittenen Ereignisse seines Lebens.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_12" id = "note3_12" href =
+"#tag3_12">12</a> Vers 581.</h5>
+
+<p><em>Ueber das Faustrecht</em> siehe <span class = "latin">Dr.</span>
+Gerhards Abhandlung. Jena 1711.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note3_13" id = "note3_13" href =
+"#tag3_13">13</a> Vers 595.</h5>
+
+<p><em>Fugger</em> erzählt: „Auf dem Reichstag zu Nürnberg Jahr 1274 ist
+beschlossen worden, daß forthin alle Reichsabschiede, Freiheitsbriefe,
+Befehle, Verträge, letzte Willen, und dergleichen öffentliche Urkunden,
+nicht mehr wie zuvor, in lateinischer, sondern in deutscher Sprache
+sollten ausgefertigt werden, damit also die Ungelehrten, die das Latein
+nicht verständen, nicht ungefährt bleiben, und die bürgerlichen
+Geschäfte in mehrere Richtigkeit kommen möchten. Wiewohl es noch bei dem
+damaligen Unform der Sprache (!!) mit der deutschen Rednerei etwas hart
+herginge, so wäre doch diese löbliche Sorgfalt K.&nbsp;Rudolph ein guter
+Anfang, und eine kräftige Anreizung zur Ausübung unserer Muttersprache
+gewesen.“ (<em>Siehe Ehrenspiegel</em> S.&nbsp;87.)</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges4_notes" id = "ges4_notes">Vierter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note4_1" id = "note4_1" href =
+"#tag4_1">1</a> Vers 58.</h5>
+
+<p><em>Lug</em>, <em>Lueg</em> im Oberdeutschen eine Warte, <span class
+= "latin">Specula</span>, welche demnach dem französischen <span class =
+"latin">Loge</span> entspricht. Siehe Theuerd. Cap. 47.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note4_2" id = "note4_2" href =
+"#tag4_2">2</a> Vers 131.</h5>
+
+<p>Alles, was hier, und weiter unten von Turnier und Turniergebräuchen
+gesagt wird, mag in <em>Rüxners Turnierbuche</em>; in <span class =
+"latin"><em>Du Cange dissertations sur l’histoire de St.
+Louis</em></span>, und in <span class = "latin"><em>Menestrier</em>
+(Claude Franç.) <em>Traité des Tournois</em>, <em>Joustes</em> etc. Lyon
+1669. IV.</span> seine Belege finden.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note4_3" id = "note4_3" href =
+"#tag4_3">3</a> Vers 428.</h5>
+
+<p><em>Zawiß von Rosenberg</em>, der Geliebte, und nachher Gemahl der
+Wittwe Ottokars, Kunegunde, übte, während der Minder&shy;jährigkeit
+Wenzels,
+<span class = "pagenum">409</span>
+Herrscher&shy;gewalt über Böhmen aus. Dieser, nach ihrem Tod König
+geworden, trug ihm tiefen Haß im Herzen, welchem zu entgehen, und sich
+zugleich an dem feindseligen Herrscher zu rächen, Zawiß, durch eine
+Heirath mit der Base des Ungernkönigs Ladislav, sich gegen ihn zu
+verbinden suchte. &mdash; Doch, in dem Augenblick der Abfahrt ward er zu
+Prag durch List festgenommen, und nach mehr als Jahresfrist im Kerker zu
+Budweis enthauptet.</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges5_notes" id = "ges5_notes">Fünfter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_1" id = "note5_1" href =
+"#tag5_1">1</a> Vers 131.</h5>
+
+<p>Die Schlacht von Kressenbrunn (Kroissenbrunn) im Marchfeld, in
+welcher Ottokar über Bela&nbsp;<span class = "latin">IV.</span> König
+der Ungern, einen entscheidenden Sieg davon trug, ereignete sich im
+J.&nbsp;1260. Siehe die höchst anziehende Beschreibung derselben in
+<em>Hornecks Reim-Chronik</em> vom 58. bis 64. Cap.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_2" id = "note5_2" href =
+"#tag5_2">2</a> Vers 153.</h5>
+
+<p>Nach jenem Sieg von Kroissenbrunn über die Ungern, zog Ottokar mit
+seinen Scharen, wie im Triumph, durch Kärnthen und Krain. Als die Böhmen
+an der Gränze von Italien die Steinwände von Canale ersahen, fragten sie
+den König: „ob Rom nahe sey? denn sie hätten öfters von ihren Vorfahren
+sagen gehört, daß sie durch eine solche Felsenpforte auf die Straße nach
+Rom gekommen seyen.“ Ottokar antwortete ihnen, „Böhm’ und Pole sollen
+sich einst hier wie zu Hause finden, denn, so er noch einige Zeit lebte,
+würde sich seine Gewalt noch viel weiter erstrecken<ins class =
+"correction" title = "“ fehlt">.“</ins> <em>Horneck Reim-Chronik</em>
+Cap. 90.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_3" id = "note5_3" href =
+"#tag5_3">3</a> Vers 162.</h5>
+
+<p><em>Arpad</em>, der erste Anführer der Ungern (Magyaren), die,
+kommend von den Ufern des Tanais her, im neunten Jahrhundert Pannonien
+in Besitz nahmen, stand seinem Volk (nach <span class = "latin">Anonym.
+Belae Not. 52. Cap.</span>) beiläufig von 889 bis 907 vor, und war der
+Stammvater einer Reihe von Königen, unter welchen der heil. Stephan
+zuerst, im J.&nbsp;1000, diesen Titel annahm, bis mit Andreas <span
+class = "latin">III.</span> im J.&nbsp;1301 sein Stamm ausstarb. Erst
+Ferdinand&nbsp;<span class = "latin">I.</span> hat dieses Reich auf
+immer mit Oestreich vereinigt, obschon
+<span class = "pagenum">410</span>
+dasselbe vor ihm zwei Fürsten seines Hauses, Albert&nbsp;<span class =
+"latin">II.</span>, und Ladislaus Posthumus, besaßen.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_4" id = "note5_4" href =
+"#tag5_4">4</a> Vers 358.</h5>
+
+<p>Das Schicksal beider fürstlichen Jünglinge, Konradins von Schwaben
+(Sohn Konrads&nbsp;<span class = "latin">IV.</span>) und Friedrichs von
+Oestreich (Sohn Markgraf Hermans von Baden, und Gertrud, Tochter
+Heinrichs, Herzogs von Mödling) die im Jahr 1268 zu Neapel durch das
+Bluturtheil Carls von Anjou hingerichtet wurden, ist bekannt. Horneck
+beschuldigt Ottokarn an mehr denn einer Stelle, daß er, als Mitwerber um
+Oestreich und Steyermark, ihren Tod befördert habe.
+<em>S.&nbsp;Reim-Chronik</em> Cap. 164.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_5" id = "note5_5" href =
+"#tag5_5">5</a> Vers 361.</h5>
+
+<p>Gertrud, die Mutter Friedrichs von Oestreich, ließ Ottokar, nachdem
+er Steyermark in seine Gewalt bekam, aus allen ihren Besitzungen,
+zuletzt auch aus Judenburg und Feistritz, durch den grausam gesinnten
+Propst von Brünn, vertreiben. Zur Nachtzeit, im Regen und Sturm, mußte
+sie die Reise antreten. Sie begab sich nach Meißen. (<em>Horneck
+Reim-Chronik</em> Cap. 55 und 56.)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_6" id = "note5_6" href =
+"#tag5_6">6</a> Vers 364.</h5>
+
+<p>Ueber Margarethens, der verstoßenen Gemahlinn Ottokars, Schicksale,
+siehe <em>oben Anmerkungen zum ersten Gesange <a class = "tag" href = "#note1_2">2</a> zum Vers</em> 68.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_7" id = "note5_7" href =
+"#tag5_7">7</a> Vers 365.</h5>
+
+<p>Otto, Herrn von und zu Meißau, den Stolz des östreichischen Adels,
+hatte Ottokar, wegen geargwohnter Anhänglichkeit für den Sohn der
+babenbergischen Gertrud, im Schloß Eichhorn festsetzen, und dort Jahr
+1265 im Hungerthurm verbrennen lassen. (<span class = "latin">Chron.
+Austral. Neob. et Leob. apud. Hieron. Pez T.&nbsp;I.</span>)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_8" id = "note5_8" href =
+"#tag5_8">8</a> Vers 366.</h5>
+
+<p>Der scheelsüchtige Ritter Friedrich von Pettau hatte Ottokars
+argwöhnisches Gemüth gegen einige seiner Mitstände in der Steyermark
+aufgeregt, der dann mehrere von ihnen, als: Ulrich von Lichtenstein,
+Hartneid von Wildon, Wülfing von Stubenberg, und Heinrich und Bernhard
+von Pfannberg, auf verschiedene Vesten gefangen setzen, und sie aus
+diesen nach einer zweijährigen Haft nicht eher entließ, bis sie ihm ihre
+Burgen ausgeliefert hatten. <em>Horneck</em> Cap. 85 und 86.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">411</span>
+<h5><a class = "tag" name = "note5_9" id = "note5_9" href =
+"#tag5_9">9</a> Vers 372.</h5>
+
+<p>Seyfried von Merenberg, der steyrische Ritter, versäumte dem König
+Ottokar, auf seinem Siegszug an der Drau mit den übrigen Herrn entgegen
+zu kommen, und fiel durch Einflüsterung eines bösen Menschen bei ihm in
+Verdacht. Er ließ ihn in der Folge heimlich greifen, und gebunden nach
+Prag abführen. Als er vielfältig gemartert, Gott zum Zeugen seiner
+Unschuld rief, und dem, nach Geständnissen einer Verschwörung in
+Kärnthen und Krain gierigen König, keine Lüge für Wahrheit geben wollte,
+wurde er durch ein Pferd zum Galgen geschleift, und dort, das Haupt zu
+den Füßen gebunden, aufgehenkt. Noch in der zweiten Nacht lebt’ er in
+diesem qualvollen Zustand, bis ihm endlich einer der böhmischen Szupane
+die Scheitel mit einem Kolben einschlug, weil er, auf wiederholte
+Aufforderungen, schon halbtodt, aber standhaft, der Wahrheit getreu
+gewesen zu seyn betheuerte. (<em>Horneck</em> Cap. 99.)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note5_10" id = "note5_10" href =
+"#tag5_10">10</a> Vers 378.</h5>
+
+<p>Ottokar ließ den Bruder Milota’s, Beneß, Kämmerer von Mähren, dessen
+Tochter er geschändet haben soll, zugleich mit Otto von Meißau im Jahr
+1265 in dem Hungerthurm zu Eichhorn verbrennen. Milota’s Haß gegen
+Ottokar, und der Verrath, den er in der Marchfelder Schlacht 1278 an ihm
+beging, soll dadurch veranlaßt worden seyn. <ins class = "correction"
+title = "( fehlt">(Siehe</ins> <em>Hanthalers</em> <span class =
+"latin">Fast. Campil. Lib.&nbsp;I. Dec. VII. §. 26.</span> S.&nbsp;1017
+und <em>Fuggers Ehrenspiegel</em> &amp;c. S.&nbsp;104.)</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges6_notes" id = "ges6_notes">Sechster Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note6_1" id = "note6_1" href =
+"#tag6_1">1</a> Vers 96.</h5>
+
+<p><em>Odin</em>, der Gott der Götter, nach der nordischen Mythologie.
+(Siehe <em>Ryerups Wörterbuch der scandinavischen Mythologie von
+Sander</em>, Copenhagen 1817.)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note6_2" id = "note6_2" href =
+"#tag6_2">2</a> Vers 516.</h5>
+
+<p>Die Gemahlinn Rudolphs, Anna, verschied zu Wien am 23. Hornung des
+Jahrs 1281, von wo ihre Leiche nach Basel abgeführt, und in der
+Domkirche beigesetzt worden ist.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">412</span>
+<h5><a class = "tag" name = "note6_3" id = "note6_3" href =
+"#tag6_3">3</a> Vers 538.</h5>
+
+<p>Daß sowohl Ottokar, als auch Rudolph schon zu ihrer Zeit eine Art
+Pontonsbrücke über Flüsse zu schlagen verstanden, erhellet aus
+<em>Hornecks Reim-Chronik</em> Cap. 92., wo es heißt:</p>
+
+<div class = "verse">
+<p>Chostleichen hiez er machen</p>
+<p>Von Holczwerich ein Prukken</p>
+<p>Dew waz von manigen stuckchen</p>
+<p>Chluegleichen gevalten.</p>
+</div>
+
+<p>und dann</p>
+
+<div class = "verse">
+<p>Bey der Tunawstaden</p>
+<p>Do sich das Her vol gelait,</p>
+<p>Do waz dew Prukken berait</p>
+<p>Vber die Tunaw weit;</p>
+<p>Die Prukken muesten alle Zeit</p>
+<p>Wohl <ins class = "correction" title = "Original »hunbert«, 1827 »hundert«">hundert</ins> Wegen tragen,</p>
+<p>Wo des Kunigs Helfer lagen,</p>
+<p>Da ward nach gesannt &amp;c. &amp;c.</p>
+</div>
+
+<p>In diesem 92. Capitel ist von der Einnahme des Preßburger Schlosses
+im letzten Krieg Ottokars gegen Ungern die Rede.</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges7_notes" id = "ges7_notes">Siebenter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note7_1" id = "note7_1" href =
+"#tag7_1">1</a> Vers 25.</h5>
+
+<p>Ueber Hainburg, und ihre vermeintliche Erbauung durch Attila, siehe
+oben <em>Anmerkungen zum dritten Gesang</em> <a class = "tag" href =
+"#note3_2">2</a> Vers 16.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note7_2" id = "note7_2" href =
+"#tag7_2">2</a> Vers 110.</h5>
+
+<p>Die Sage von der Burgfrau, welche grausam eitlen Sinnes das Blut der
+Kinder vergoß, zeigt auf die Ruinen des Schlosses &nbsp;* * *, an dem
+rechten Waag-Ufer, nicht fern von Trentschin, welches sie bewohnt
+hat.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note7_3" id = "note7_3" href =
+"#tag7_3">3</a> Vers 244.</h5>
+
+<p>Die Waffe, eine Art kurzer Streitkolben, von welcher hier die Rede
+ist nennt der Unger <span class = "latin">Buzogány</span>, wo der
+Buchstabe <span class = "latin">z</span> wie beim italienischen <span
+class = "latin">zero</span> ausgesprochen wird; das <span class =
+"latin">y</span> verliert sich aber im Druck der Zunge an den
+Gaumen.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">413</span>
+<h5><a class = "tag" name = "note7_4" id = "note7_4" href =
+"#tag7_4">4</a> Vers 309.</h5>
+
+<p>Die <em>Zips</em> (Zipß), lat. <span class =
+"latin">Scepusium</span>, eine Gespannschaft in Ober-Ungern am Fuße der
+höchsten Karpathen gelegen, und wohl eines der höchsten bewohnten
+Gebirgsthäler der östreichischen Monarchie, aus welchem nach allen
+Welttheilen bedeutende Flüsse sich ergießen: g’en Westen die Waag; g’en
+Süden die Hernath; g’en Osten die Tarza; g’en Norden die Poprad, die in
+dem angränzenden Polen, mit der Dunajez vereint, in die Weichsel fällt.
+Diese Gespannschaft zeichnet intellectuelle und
+landwirth&shy;schaft&shy;liche Cultur vor mancher andern Ungerns aus,
+so, daß viel Wohlstand sowohl in den zwei königlichen Städten Leutschau
+und Käßmark, als auch in den <span class = "latin">XVI.</span> Städten,
+unter den munteren und fleißigen Bewohnern zu sehen ist. Der Verfasser
+gegenwärtigen Gedichts trennte sich schwer von diesem Ländchen, worinn
+ihm 1819 und 1820 eine ehrenvolle Bestimmung geworden war.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note7_5" id = "note7_5" href =
+"#tag7_5">5</a> Vers 312.</h5>
+
+<p>Ueber Katwald und <em>Inguiomar</em> siehe oben die <em>Anmerkungen
+zum dritten Gesange</em> <a class = "tag" href = "#note3_1">1</a>
+Vers&nbsp;3.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note7_6" id = "note7_6" href =
+"#tag7_6">6</a> Vers 474.</h5>
+
+<p>Daß die Könige von Ungern, zur Zeit <em>Hornecks</em> wenigstens, in
+der Schlacht nicht selber mitfochten, sondern von einer Anhöhe nur
+Zeugen derselben waren, erhellet aus Cap. 153, wo von der Marchfelder
+Schlacht die Rede ist:</p>
+
+<div class= "verse">
+<p>Kunig Ladißla den jungen</p>
+<p>Sy furten von Streit dan</p>
+<p>Auf den Perikch ob dem Plan</p>
+<p>Da er wol hört und sach</p>
+<p>Alles daz, daz da geschach</p>
+<p>Auf dem Veld prait.</p>
+<p>Ez ist der Vnger Gewonhait</p>
+<p>Vnd jehent auch offenbar:</p>
+<p>Ir Kunig sey jn zu achpar</p>
+<p>Darezu, daz er schull streiten &amp;c. &amp;c.</p>
+</div>
+
+<p>Auch sagt <em>Haselbach</em> <span class = "latin">Chron. Austr. Lib.
+III. ap. Hier. Pez. T.&nbsp;II. Ladislao</span>, juvene Ungariae, cuncta
+de monte prospectante; nam Ungarorum mos habet, ut Rex propria persona
+bellum intrare non debeat.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note7_7" id = "note7_7" href =
+"#tag7_7">7</a> Vers 536.</h5>
+
+<p>Die Sitte, des Gegners Heer zum Kampf herauszufordern, und sogar von
+beiden Seiten dazu Tag und Ort zu bestimmen, war den alten Deutschen
+<span class = "pagenum">414</span>
+gemein. Ein Beispiel davon findet man auch bei <em>Horneck</em> Cap. 60,
+wo Ottokar den König Bela durch Otto von Meißau zum Kampf auffordert,
+und bald darauf auch Bela den Gegnern sagen läßt, sie sollen sich auf
+eine bestimmte Strecke zurückziehen, damit die Ungern über die March
+setzen, sich aufstellen, und die Schlacht liefern mögen.</p>
+
+
+<h5><ins class = "correction" title = "Original »5«"><a class = "tag"
+name = "note7_8" id = "note7_8" href = "#tag7_8">8</a></ins> Vers
+550.</h5>
+
+<p>Sowohl bei Horneck, als auch bei den spätern Geschichtschreibern,
+wird Schörlins und seines unbändigen Rosses erwähnt, welches das erste
+Zeichen zur Marchfelder Schlacht gegeben habe.</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges8_notes" id = "ges8_notes">Achter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note8_1" id = "note8_1" href =
+"#tag8_1">1</a> Vers 31.</h5>
+
+<p>In der Jägersprache heißt das Bluten des verwundeten Wildes: das
+<em>Schweißen</em>; daher die Benennung einer Gattung der Jagdhunde.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note8_2" id = "note8_2" href =
+"#tag8_2">2</a> Vers 55.</h5>
+
+<p><em>Tyr</em>, nach der nordischen Mythologie, der Sohn Odins, des
+höchsten der Götter, und ein Beschützer der muthigen Krieger, soll die
+einzige Gottheit der scythischen Völker gewesen seyn, die ohne Zweifel
+unter einem andern Nahmen bei ihnen in Verehrung stand. Bei seinem
+Scheiden von der Erde soll er sein Schwert in die Erde vergraben haben,
+welches erst später Attila auffand.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note8_3" id = "note8_3" href =
+"#tag8_3">3</a> Vers 386.</h5>
+
+<p>Vor der Schlacht sollen Einige aus dem östreichischen Heere den König
+Ottokar, aus alter Anhänglichkeit, schriftlich vor Untreue der Seinigen
+gewarnt haben; da nun auch die Meißner und Thüringer heimlich aus dem
+Lager abzogen, so habe er sich wehrlos in die Mitte seiner Feldherrn
+gestellt, und sie aufgefordert, ihm die Brust zu durchbohren, ehe noch
+viele Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden. (Siehe
+<em>Hanthaler</em> <span class = "latin">Fast. Camp. T.&nbsp;I. Pars II.
+Dec. VIII. §. 80.</span> <span class = "latin">Arenpeckii Chron. Austr.
+ad An. 1278</span>.)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note8_4" id = "note8_4" href =
+"#tag8_4">4</a> Vers 428.</h5>
+
+<p>Heinrich <span class = "latin">I.</span> der <em>Städte-Erbauer</em>,
+hat ungefähr im J.&nbsp;930 die Stadt, und das Schloß Meißen an der Elbe
+erbaut, und ihr von dem Flüßchen, das sie eben dort aufnimmt, und Meiße
+heißt, den Nahmen gegeben.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">415</span>
+<h5><a class = "tag" name = "note8_5" id = "note8_5" href =
+"#tag8_5">5</a> Vers 459.</h5>
+
+<p>Constanzia, Tochter des babenbergischen Leopold des
+<em>Glorreichen</em>, war die Gemahlinn Markgrafs Heinrich von Meißen,
+des Sieghaften, die ihm die beiden Söhne Dietrich und Albrecht gebar.
+Einen von diesen beiden verlangten die Stände von Oestreich, nach dem
+Erlöschen des babenbergischen Stammes, und der kurzen Regierung Hermanns
+von Baden, zu ihrem Herrscher, und fertigten von Tuln, wo sie ihre
+Versammlung hielten, Gesandte nach Meißen ab, die hernach der König von
+Böhmen unterwegs aufgehalten, von der Fortsetzung der Reise abgebracht,
+und sich durch Hindeutung auf eine Heirath mit der verwittweten
+Herrscherinn Margareth den Weg zur Erwerbung von Oestreich und der
+Steyermark eröffnet hat.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note8_6" id = "note8_6" href =
+"#tag8_6">6</a> Vers 473.</h5>
+
+<p>Daß die Meißner und Thüringer vor der Schlacht heimlich aus dem Lager
+Ottokars abgezogen seyen, ist geschichtlich. (S.&nbsp;oben
+<em>Anmerkung</em> <a class = "tag" href = "#note8_3">3</a> zum 386
+Vers.) Die Ursache dieses Abzugs ist unbekannt.</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges9_notes" id = "ges9_notes">Neunter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note9_1" id = "note9_1" href =
+"#tag9_1">1</a> Vers 71.</h5>
+
+<p>Die Krieger, gewöhnlich leichte Reiterei, die vor einem feindlichen
+Heere daherzieh’n, heißen in der bestehenden Kriegssprache: <span class
+= "latin">Eclaireurs</span>.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note9_2" id = "note9_2" href =
+"#tag9_2">2</a> Vers 436.</h5>
+
+<p><em>Venezia</em>. Ueber die merkwürdige Eroberung Constantinopels im
+Jahr 1202 (also 76 Jahre vor der Marchfelder Schlacht) durch vorzügliche
+Mitwirkung des 90jährigen Greises, Heinrich Dandolo, Doge von Venedig,
+siehe Raumers Geschichte der Hohenstaufen <span class =
+"latin">III.</span>&nbsp;B. und Daru’s Histoire de Venise&nbsp;<span
+class = "latin">I.</span> Der Sänger Rudolphs von Habsburg wollte hier,
+jener herrlichen Stadt, der einstigen Königinn des adriatischen Meeres,
+deren Andenken ihm auf immer theuer bleiben wird, dankbar erwähnen.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note9_3" id = "note9_3" href =
+"#tag9_3">3</a> Vers 600.</h5>
+
+<p><em>Al-rune</em>. <em>Runen, Runenschrift</em>, ein den alten
+Germanen und Scandinaviern eigenes Alphabet, nach welchem im nördlichen
+Deutschland noch einige Denksteine beschrieben gefunden werden.
+Wahrscheinlich hatten
+<span class = "pagenum">416</span>
+sie selbes von den Phönikern erhalten, und was sich davon hie und da auf
+verwittertem Gestein vorfand, diente in späterer Zeit zu manchen
+vorgeblich zauberischen Künsten, das Schicksal der Menschen von den
+Nornen, den Schicksals&shy;göttinnen, zu erfragen. Diese drei schönen
+Jungfrauen, heben sich stets aus Mimers Brunn, der himmlischen Quelle,
+herauf bei welcher die Götter Rath halten, und ihre Urtheile offenbaren,
+und heißen: Urda, Werandi, Skulda: <em>Vergangenheit, Gegenwart,
+Zukunft</em>. (<em>Ryerups scandinav. Mythol.</em> &amp;c.)</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges10_notes" id = "ges10_notes">Zehnter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_1" id = "note10_1" href =
+"#tag10_1">1</a> Vers 35.</h5>
+
+<p><em>Rheinau</em>, <span class = "latin">Augia major</span>, ein
+kleines Städtchen zwischen Schaffhausen und Eglisau, wo eine Brücke über
+den Rhein führt. Dort befand sich vormals ein reiches
+Benedictiner-Stift, das Funtan der Heilige, aus dem königlichen Geblüt
+Schottlands, erbaut haben soll, da er aus höherer Eingebung einen Platz
+dazu suchen mußte, wo der Rhein <em>nach Osten</em> fließt, und solcher
+an dieser Stelle allein gefunden wird. <span class = "latin">Stumpf.
+Schw. Chron. p.&nbsp;360.</span></p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_2" id = "note10_2" href =
+"#tag10_2">2</a> Vers 84.</h5>
+
+<p><em>Hartmann</em>, der jüngste der Söhne Rudolphs, ertrank, mit noch
+andern dreizehn Jünglingen, adeligen Geschlechts, am 20. Dezember des
+Jahrs 1280, im achtzehnten seines Alters, als er mit selben den Rhein
+hinabfuhr, und das Schiff bei Rheinau von dem Grundeis umgestürzt wurde.
+&mdash; Seine Leiche ward nach Basel geführt, und im dortigen Münster
+begraben.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_3" id = "note10_3" href =
+"#tag10_3">3</a> Vers 138.</h5>
+
+<p><em>Woldan</em> hieß ein Raubritt, den öfters der oberste Anführer
+eines im Krieg begriffenen Volks, mit einer Schar Freiwilliger, in dem
+Lande des Feindes, Beute zu holen, unternahm. Bei der Belagerung
+Peterlingens forderte Rudolph sein Volk zu einem solchen Woldan auf; er
+streifte bis gen Lausanne, und es heißt da;</p>
+
+<div class = "verse">
+<p>Si namen da so viel</p>
+<p>Daz Ich fürwar sagen wil,</p>
+<p><span class = "pagenum">417</span>
+<p>Daz in langer Zeit</p>
+<p>Nahent, noch weit,</p>
+<p>Nie wart geritten noch gethan</p>
+<p>Ain so schedleicher Woldan.</p>
+
+<p class = "author">(Horneck R. Chr. C. 319.)</p>
+</div>
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_4" id = "note10_4" href =
+"#tag10_4">4</a> Vers 140.</h5>
+
+<p><em>Iwan von Günß</em> (Sohn des Grafen Heinrich) empörte sich erst
+gegen seinen eigenen König, fiel dann, häufig plündernd, auch in
+Oestreich und Steyermark ein, und verübte unzählige Grausamkeiten. Im
+Jahr 1286 schlug er den gegen ihn gesandten Abt von Admont; später auch
+Herman von Landenberg, der sich ihm mit seinen östreichischen und
+steyerischen Kriegern ergeben mußte. Herzog Albrecht, von Truppen
+entblößt, verschloß sich in Neustadt, und ging sogar den Vertrag von
+Hainburg ein, vermöge welchem die Gefangenen ausgewechselt, und in einem
+Krieg mit Ungern sie sich beide gegenseitige Hülfe leisten sollten. Iwan
+setzte seine Verheerungen in Oestreich bald wieder fort, bis endlich im
+Jahr 1280 ihn Albrecht mit starker Macht bekriegte, ihm Oedenburg nebst
+vielen andern Vesten, Burgen und Märkten abnahm, und ihn endlich, nach
+einer hartnäckigen Belagerung, in Günß bezwang. Ueber diese Belagerung
+siehe <em>Horneck R.&nbsp;Chron.</em> von Cap. 312 bis 315.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_5" id = "note10_5" href =
+"#tag10_5">5</a> Vers 228.</h5>
+
+<p>Ueber dieses historische Faktum siehe Fugger <em>Ehrenspiegel</em>
+S.&nbsp;75. Cap. <span class = "latin">VIII.</span></p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_6" id = "note10_6" href =
+"#tag10_6">6</a> Vers 236.</h5>
+
+<p><em>Antwerk</em> war ein Wurfgeschütz, aus welchem Steine von
+bedeutender Schwere, ja auch zuweilen Schwefelfeuer nach den Erkern, und
+auf die Häuser der Veste geworfen wurden. (Ueber diese und die folgenden
+Kriegswerkzeuge des Mittelalters, siehe: <em>Schachts vortreffliches
+Werk über Hornecks Reim-Chronik</em>, Mainz 1821, S.&nbsp;388.)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_7" id = "note10_7" href =
+"#tag10_7">7</a> Vers 238.</h5>
+
+<p><em>Katzen</em> nannte man die mit Erde gedeckten Werke, welche
+inwendig mit Stoßbäumen versehen, nach Ausfüllung der Gräben, bis an die
+Mauern vorgeschoben wurden, und gegen welche man sich durch Minen, und
+Geschosse von den Mauern herab, zu wehren suchte. S.&nbsp;oben.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">418</span>
+<h5><a class = "tag" name = "note10_8" id = "note10_8" href =
+"#tag10_8">8</a> Vers 245.</h5>
+
+<p><em>Ebenhoch</em> hießen eine Art Thürme, die, wahrscheinlich auf
+Rädern, an die Mauern geschoben, verschiedene Geschosse in die Veste zu
+schleudern, dienten. Ihr Nahme zeigt, daß sie hoch genug waren, um das
+Innere der ummauerten Städte und Vesten übersehen zu können.
+S.&nbsp;oben.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_9" id = "note10_9" href =
+"#tag10_9">9</a> Vers 297.</h5>
+
+<p>Dem Verfasser der berühmten <em>Reim-Chronik</em>, die zuerst von dem
+gelehrten Benediktiner von Melk, <em>Hieronymus Pez</em>, im Jahre 1745
+zum Druck befördert ward, hat Lazius <span class = "latin">Comment.
+Geneal. p. Auster.</span> 233 außer dem Nahmen <em>Ottakcher</em>
+(Ottokar), den er sich selber R.&nbsp;Chr. Cap. 177 beilegt, unbekannt
+aus welcher Quelle, auch den von <em>Horneck</em>, aufgefunden. Er lebte
+unter <em>Rudolphs</em>&nbsp;<span class = "latin">I.</span> und
+<em>Albrechts</em>&nbsp;<span class = "latin">I.</span> Zeiten; war in
+Steyermark geboren; hatte den berühmten Meistersänger Kunrad von
+Rotenberg, der vorher an Manfreds Hofe lebte, zum Lehrmeister; stand,
+man weiß nicht, in welcher Eigenschaft, im Gefolge Ulrich und Otto
+Lichtensteins; wohnte der Marchfelder Schlacht 1278 bei, und starb erst
+nach dem Jahr 1309, da er noch von dem Aufruhr einiger aus dem Adel, und
+der Wiener Bürger, gegen <em>Friedrich den Schönen</em> spricht, und
+damit sein Werk beschließt. Die <em>Reim-Chronik Hornecks</em>, die mit
+dem Tode <em>Friedrichs</em>&nbsp;<span class = "latin">II.</span> röm.
+Kaisers beginnt, und um das Jahr 1309 der Regierung <em>Friedrich des
+Schönen</em> endet, enthält über 83,000 kurze gereimte Verse in 830
+Capiteln.</p>
+
+<p>Ein anderes noch ungedrucktes Werk Hornecks: <em>Von den Monarchen
+und Kaisern der Welt bis auf Friedrich&nbsp;<span class =
+"latin">II.</span> röm. Kaiser</em>, in ähnlichen Versen verfaßt, ist im
+Besitze der k.&nbsp;k. Hofbibliothek zu Wien. (Siehe die Vorerinnerungen
+des Hieronymus Pez zu Hornecks Reim-Chronik in seinem Werke: <span class
+= "latin">Scriptores rerum Austriacarum III.</span> Band; und obiges
+treffliche Werk: <em>Aus- und über Ottokars von Horneck
+Reim-Chronik</em>, von Th. Schacht, Mainz 1821.)</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note10_10" id = "note10_10" href =
+"#tag10_10">10</a> Vers 305.</h5>
+
+<p>Ulrich von Lichtenstein, aus der steyerischen Linie der Lichtensteine
+&mdash; ein trefflicher Ritter und Minnesänger zugleich, der die beiden
+merkwürdigen Gedichte: <em>Frauendienst</em>, und: <em>Ytwitz oder der
+Frauen Puech</em>, verfaßte, mag kurz vor der Marchfelder
+Entscheidungs&shy;schlacht gestorben seyn. Das erstere Werk enthält ein
+prächtiger Codex in München, und wurde herausgegeben durch Ludwig Tieck.
+Stuttgart und Tübingen
+<span class = "pagenum">419</span>
+in der J.&nbsp;G. Cotta’schen Buchhandlung 1812. Das zweite befindet
+sich in der Ambraser Sammlung zu Wien, Bl. 220-225 noch ungedruckt. (S.
+die Beschreibung Primißers &mdash; Seite 279.)</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges11_notes" id = "ges11_notes">Eilfter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note11_1" id = "note11_1" href =
+"#tag11_1">1</a> Vers 38.</h5>
+
+<p><em>Siehe oben Anmerkungen</em> zum <em>dritten Gesang</em> <a class
+= "tag" href = "#note3_8">8</a> Vers 308.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note11_2" id = "note11_2" href =
+"#tag11_2">2</a> Vers 73.</h5>
+
+<p>Was hier von den Vorbereitungen zur Schlacht, als: von der Feier des
+Abendmahls im Lager; von der Beicht’ und Communion, und weiter unten:
+von dem Mustern der Gurt’ und Steigbügel; von den Aufträgen, welche die
+Ritter im Fall, daß sie dem Feinde erlägen, an ihre
+Daheim&shy;gebliebenen den Knappen ertheilen; von dem Zusammenhalten der
+Freunde in der Schlacht u.&nbsp;s.&nbsp;w. gesagt wird, ist durchaus der
+damaligen Rittersitte gemäß, und in Hornecks <em>Reim-Chronik</em> Cap.
+147, 329, 330 und 530 begründet.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note11_3" id = "note11_3" href =
+"#tag11_3">3</a> Vers 135.</h5>
+
+<p>Die ausgezeichnetsten Ritter wetteiferten um den Vorzug, das
+Hauptbanner, oder die Sturmfahn, dem Herrscher selber in der Schlacht
+vorzutragen. Horneck <em>Reim-Chronik</em> C.&nbsp;148.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note11_4" id = "note11_4" href =
+"#tag11_4">4</a> Vers 181.</h5>
+
+<p>Ueber die Sitte, sich gegenseitig die Schlacht anzukündigen, und dazu
+Tag und Stunde zu bestimmen, siehe oben <em>Anmerkung zum siebenten
+Gesange</em> <a href = "#note7_7">Vers 536</a>.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note11_5" id = "note11_5" href =
+"#tag11_5">5</a> Vers 184.</h5>
+
+<p>Im Jahr 1289 überzog Kaiser Rudolph den Herzog von Burgund mit Krieg,
+eroberte Mömpelgard, und zwang ihn zum Frieden. Vor der Schlacht sandte
+er einen Bothen mit der Frage an ihn: „ob er zum Streiten bereit sey?“
+und der Herzog ließ ihm sagen: „er seye darum hergekommen.“ (Siehe
+<em>Horneck Reim-Chronik</em> C.&nbsp;329.)
+
+
+<span class = "pagenum">420</span></p>
+<h5><a class = "tag" name = "note11_6" id = "note11_6" href =
+"#tag11_6">6</a> Vers 211.</h5>
+
+<p>Den Ritterschlag auf Schild und Schwert ertheilte Rudolph also vor
+der Schlacht: S.&nbsp;<em>Horneck</em> R.&nbsp;Chr. C.&nbsp;149.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note11_7" id = "note11_7" href =
+"#tag11_7">7</a> Vers 542.</h5>
+
+<p>In den Gebirgsthälern Tirols, Steyermarks und Oestreichs, ist das
+sogenannte <em>Scheiben&shy;schießen</em> eine beliebte und mitunter
+nützliche Unterhaltung des Volks. <em>Zu Hauptschießen</em> werden von
+nahe und ferne die Schützen geladen: das <em>Kreisschießen</em> ist das
+gewöhnliche an Sonn- und Festtagen; das <em>Beste</em>, ist der Preis
+dessen der den besten Schuß gethan.</p>
+
+<hr class = "tiny">
+
+<h4><a name = "ges12_notes" id = "ges12_notes">Zwölfter Gesang.</a></h4>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note12_1" id = "note12_1" href =
+"#tag12_1">1</a> Vers 54.</h5>
+
+<p>Ueber diesen Klaggesang Hornecks siehe dessen <em>Reim-Chronik</em>
+Cap. 163 und 164. Hier nur Einiges aus demselben:</p>
+
+<div class = "verse">
+<p>Sieh Welt aller Untrew Chron,</p>
+<p>Daz ist auch ainer deiner Lon!</p>
+
+<p class = "gap">
+&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;</p>
+
+<p>Auf der Erden lag er par</p>
+<p>Sein eigen Pluts naz.</p>
+<p>Wo waren die Matraß,</p>
+<p>Und die gulter Seydein,</p>
+<p>Darauf er sollt gelegen sein?</p>
+<p>Wo waren die ihn sollten chlagen?</p>
+<p>Von Mannen und von Magen, (Anverwandte)</p>
+<p>Pelieb er Trostes frey.</p>
+<p>Wo waren Erzt und Erzeney,</p>
+<p>Damit man seine Wunden</p>
+<p>Solt han gepunden?</p>
+
+<p class = "gap">
+&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;</p>
+
+<p>Er hat so viel Guts,</p>
+<p>Wer er gewesen des Muts,</p>
+<p>Daz er tegleich wolt</p>
+<p>Von edlem Gestain und Gold</p>
+<p>Haben tragen Kleider an,</p>
+<p>Daz hiet er wol getan.</p>
+<span class = "pagenum">421</span>
+<p>Dez liez er ihm so gar zerrinnen</p>
+<p>Daz man im muest gewinnen</p>
+<p>Ain Graz, daß man ihn mit pedackt,</p>
+<p>So gar pelieb er nakht.</p>
+
+<p class = "gap">
+&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;</p>
+
+<p>Ungetrev Welt, die spielt</p>
+<p>Du von im so gar,</p>
+<p>Daz aus dainer Schar</p>
+<p>Im Niempt volgt nach.</p>
+
+<p class = "gap">
+&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;</p>
+
+<p>Sieh Welt daz ist dein Sold.</p>
+<p>We im! der dir ist hold</p>
+<p>Und We im den du trewtest.</p>
+<p>Mit dem Mund du im pewtest</p>
+<p>Honig an dem Anwang,</p>
+<p>Und hechst als ein Gift-Slang</p>
+<p>An dem End<span class = "gap">&mdash; &mdash;</span></p>
+
+<p class = "gap">
+&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;</p>
+
+<p>Wer nicht will Gottes Haz</p>
+<p>Und seinen Zorn leiden,</p>
+<p>Der muß die Welt vermeiden.</p>
+<p>Dann die Werich, die sy geert</p>
+<p>Die sind vor Gott unwert.</p>
+<p>Dez vermaid nit der wakcher</p>
+<p>Von Pehaim Kunig Ottakher:</p>
+<p>Wann er vollfurt mit Gelust</p>
+<p>Der Welt Achust, (unordl. Begierden und Laster.)</p>
+<p>Und rang hier also ser</p>
+<p>Nach der zergenklichen Er,</p>
+<p>Daz er sich dez nicht liez befillen</p>
+<p>Damit er nach irm Willen</p>
+<p>Möcht gewerben, und geleben,</p>
+<p>Daz sol im Gott vergeben!</p>
+</div>
+
+<h5><a class = "tag" name = "note12_2" id = "note12_2" href =
+"#tag12_2">2</a> Vers 209.</h5>
+
+<p>Die Stephanskirche, nachdem sie vorher zweimal abgebrannt war, hat
+Ottokar beinahe in derselben Gestalt, wie sie noch heut’ zu Tage zu
+sehen ist, während er über Oestreich herrschte, hergestellt.</p>
+
+
+<span class = "pagenum">422</span>
+<h5><a class = "tag" name = "note12_3" id = "note12_3" href =
+"#tag12_3">3</a> Vers 347.</h5>
+
+<p>Daß Rudolph den König Ladislav adoptirt habe, meldet auch Fugger
+<span class = "latin">I.</span>&nbsp;Buch 12. Cap. S.&nbsp;101.</p>
+
+
+<h5><a class = "tag" name = "note12_4" id = "note12_4" href =
+"#tag12_4">4</a> Vers 401.</h5>
+
+<p>Die Belehnung Albrechts mit Oestreich, Steyer, Krain, der
+Windischmark und Portenau geschah eigentlich zu Augsburg während des
+Reichstags daselbst im Jahr 1282, wo, im sogenannten <em>Frohnhof</em>,
+ein kaiserlicher Thron, umgeben von den Churfürsten und Fürstensöhnen,
+zu sehen war, und die Feierlichkeit nach denen, von Friedrich&nbsp;<span
+class = "latin">I.</span>, Heinrich&nbsp;<span class =
+"latin">IV.</span> Friedrich&nbsp;<span class = "latin">II.</span>
+ertheilten Privilegien geschah<ins class = "correction"
+title = ". fehlt">.&nbsp;</ins></p>
+
+</div>
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. ***
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+works. See paragraph 1.E below.
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+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
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+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ http://www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
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+in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES.
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+Procedures for determining public domain status are described in
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+No investigation has been made concerning possible copyrights in
+jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize
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+status under the laws that apply to them.
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