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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/29465-0.txt b/29465-0.txt new file mode 100644 index 0000000..5c9dac9 --- /dev/null +++ b/29465-0.txt @@ -0,0 +1,9443 @@ +The Project Gutenberg EBook of Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Rudolph von Habsburg. + Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen. + +Author: Ladislav Pyrker + +Release Date: July 20, 2009 [EBook #29465] + +Language: German + +Character set encoding: UTF-8 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. *** + + + + +Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + + + + +[Dieser Text benutzt die UTF-8-Kodierung (Unicode). Wenn die Apostrophe, +Anführungszeichen und die Umlaute in diesem Absatz als seltsame Zeichen +dargestellt werden, sollten Sie in Ihrem Text-Anzeigeprogramm +„Zeichensatz“ oder „Datei-Kodierung“ auf Unicode (UTF-8) einstellen. +Eventuell ist es auch nötig, die Standardschrift zu ändern. Wenn das +auch nichts hilft, nehmen Sie stattdessen die Latin-1 Version dieses +Textes. + +Die Schreibeform »&c.« (»usw.«) war als Frakturzeichen (nicht in UTF-8 +erhältbar) gedruckt. Folgende Zeichen sind für die verschiedene +Schriftformen benutzt: + + _gesperrt_ + +antiqua+ + =fett= + +Druckfehler und Unregelmässigkeiten stehen am Ende des Textes.] + + + + + [Abbildung: + Pyrker. + J. Bucher gez. / Stahlstich v. V. Froer. + Rudolph von Habsburg.] + + + + + Johann Ladislav Pyrker’s + + SÄMMTLICHE WERKE. + + Neue durchaus verbesserte Ausgabe. + + Zweiter Band. + + + Stuttgart und Tübingen. + _J. G. Cotta’scher Verlag._ + 1855. + + + + + Buchdruckerei der J. G. _Cotta_’schen Buchhandlung in Stuttgart + und Augsburg. + + + + + Rudolph von Habsburg. + + Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen. + + + + +=Inhalt der zwölf Gesänge.= + + +=Erster Gesang.= + +Eingang. Drahomira entfährt der Hölle, sich an Ottgar zu rächen. Er +lagert vor Dürnkrut. Aufzählung der böhmischen Völker. Ottgar im +Kriegsrath mit seinen Feldherrn. Kunegunde, von Drahomira empört, +erfüllt ihn mit unversöhnlicher Rachgier. Meinhard von Görz, und +Lichtenstein, die Gesandten Rudolphs, kommen, ihm Frieden zu biethen, +und zugleich, als sie ihn zum Turniere laden, um die Hand seiner Tochter +für Rudolphs Sohn zu frei’n. Wallstein, Ottgars Liebling, trägt +heimliche Liebe zu ihr. Ottgar entläßt die Gesandten mit zweifelhaften +Worten. Beschließt den Kampf. Gesichte der Zukunft. + + +=Zweiter Gesang.= + +Rudolph zieht seinem Sohn Albrecht bis Lilienfeld entgegen. Besteigt die +Alpenhöhen, wo ein frommer Klausner ihm seines Hauses künftige Größe +verkündet. Schlägt Müller, den Zürcher, zum Ritter. Sonnenaufgang, und +herrliche Aussicht. Albrecht nah’t von Zell heran, und stellt dem +Kehrenden die Schweizer- und die schwäbischen Scharen vor. Er zieht mit +ihnen g’en Wien. Hedwig. + + +=Dritter Gesang.= + +Marbod, einst König der Markmannen, und ein jetzt dem Kaiser gewogener +Geist, eröffnet dem Feldherrn Hugo von Tauffers, in einem Traum, den +Verrath, den Waldram, Bürgermeister zu Wien, an dem Kaiser sinnt. +Rudolph kommt mit seinen Scharen heran, und nimmt an der Wien von seiner +Gemahlinn Abschied. Sendet Hugo von Tauffers an den König der Ungern, +Ladislav. Ernennt an dessen Stelle seinen Sohn, Hartman, zum +Festungsgebiether, und eilt in das Lager am Tabor. Aufzählung seiner +Völker. Hugo von Tauffers im Lager der Kumanier und Ungern. Diese setzen +die March herüber. + + +=Vierter Gesang.= + +Morgen. Turnier am Tabor. Von Drahomira erregt, höhnt Wallstein Hartman, +Rudolphs Sohn; kommt unerkannt in schwarzer Rüstung Ottgar heran; +widersteht ihrer Einflüsterung, den Kaiser zu morden; ersticht Hartmans +Roß; wirft den Fehdehandschuh Rudolph, zum Kampf auf Tod und Leben, hin, +und entflieht im schrecklichen Donnergewitter. + + +=Fünfter Gesang.= + +Ottgar gebiethet in der Nacht dem Heere den Aufbruch, dem er mit +schwachem Geleit folgt. Aus dem Hinterhalt fallen ihn die Kumanier an. +Er schlägt sich mit Wallstein durch. Milota führt ihn auf Irrwegen von +dem Heer ab, und quält ihn mit Rückerinnerungen verübter Frevelthaten. +Von Drahomira bethört, hält Wallstein um die Hand seiner Tochter an. Er +mißhandelt ihn. + + +=Sechster Gesang.= + +Czernin dringt, mit Waldram verstanden, in der Mitternachtsstunde, an +der Spitze einer Schar Böhmen in die Veste Wien ein, als Hartman eben +wegen der schwerkranken Mutter sich nach dem Kahlenberg begab. Ihm, und +den Aufrührern, setzen sich die Schweizer standhaft entgegen. Der Kaiser +zieht, auf Marbods Wink, mit Hugo von Tauffers vor die Thore. Hartman +sprengt herbei, und tödtet Waldram; worauf die Böhmen sich eilig wieder +über die Donau zurückzieh’n. Hugo abermals zum Festungsgebiether +ernannt. Tod der Kaiserinn. Todtenfeier und Begräbniß. Der Kaiser sendet +Albrecht nach Heunburg, eine Brücke über die Donau zu erbauen. Hartman +eilt nach dem Rhein fort. + + +=Siebenter Gesang.= + +Der Kaiser setzt mit dem Heere bei Heunburg über die Donau, und rückt +g’en Marcheck vor. Wallstein, dem Wahnsinn nahe, tödtet einen seiner +Krieger. Der Kaiser entläßt ihn schonend. Kaduscha, ein Führer der +Kurmanier meldet ihm die Nähe des Königs, und die Sendung des Geschenks +mit den Köpfen der, im nächtlichen Ueberfall, getödteten Böhmen. Der +Kaiser sendet Schwarzenberg dem König entgegen, und heißt ihn, jene +begraben zu lassen. Die Geister: Marbod und Inguiomar auf Rudolphs, und +Katwald auf Ottgars Seite. Zusammenkunft Rudolphs mit dem König +Ladislav. Ottgar rückt mit dem Heer’ an. Der Kaiser stellt seine Völker +in Schlachtordnung. Marbod treibt Schörlins Roß gegen die Böhmen. Der +Kampf beginnt. Ottgar tödtet in der Vorhuth zwei Trautmansdorfe. +Pfannberg wird verwundet. Die Steyrer weichen. Der Kaiser hält die +Flüchtenden vor Marcheck auf. + + +=Achter Gesang.= + +Nacht. Von Drahomira verleitet, setzt Wallstein, mit kumanischen +Kriegern vereint, ein Städtchen in Mähren in Brand, und tödtet einige +böhmische Reiter. Kommt zu sich. Eilt in das Lager Rudolphs, und +erbiethet sich, Ottgarn heimlich zu tödten. Der Kaiser heißt ihn reuig +zu Jenem zurückkehren. Drahomira drängt ihn umsonst, den schlummernden +König zu morden. Er fällt in sein eigenes Schwert. Drahomira fährt zur +Hölle. Wallsteins Grab. Der Kaiser stellt in der Morgendämmerung sein +Heer in Schlachtordnung. Ottgar, in Gram versunken, säumt. Ernennt +Milota zum Anführer des Haupttreffens. Worauf die Meißner und Thüringer +von seinem Heer heimlich abziehen; so auch Kunring. Doch Ottgar +gebiethet den Angriff. + + +=Neunter Gesang.= + +Morgen. Der Kaiser verschiebt die Hauptschlacht auf den folgenden Tag. +Sendet Trautmansdorf mit seinen Söhnen, es Ottgarn kund zu thun, und ihm +nochmals Frieden zu biethen. Dieser wird von ihm schnöde abgefertigt. +Von den feindlichen Reitern gehöhnt, kehren fünf seiner Söhne, kämpfen, +und fallen. Der Kaiser stellt sein Heer dem anstürmenden Feind, vor des +Lagers Wall, entgegen. Angriff, und hartnäckiger Kampf. Milota tödtet +die beiden Führer Berchtold und Col von Seldenhofen. Capellen entflammt +die Oestreicher. Die Mährer weichen. Katwald ermuntert den Herbot von +Füllenstein, daß er vor Allen auf den Kaiser eindringe. Meinhard, Graf +von Görz und Tyrol, ringt gegen die Bayern und Sachsen, und erlegt den +Feldherrn Czernin; Heunburg den Markgrafen Pfeil, Feldherrn der Sachsen. +Da dringt Herbot von Füllenstein auf den Kaiser los, und ersticht ihm +das Pferd unter dem Leib. Sechs Trautmansdorfe kämpfen um ihn herum, und +fallen. Der Kaiser reißt Herbot mit dem Speere von dem Pferd herunter, +und macht ihn gefangen. Heißt dort Albrecht mit den Schweizern +vordringen, hier Matthias von Trentschin mit den Ungern dem Feind’ in +die Seite stürmen. Lobkowitz ruft Ottgar auf, daß er mit ganzer Macht +sich auf den Feind werfe. Er gibt ihm kein Gehör. Auf den Ruf „die +Feinde fliehen!“ weichen seine Völker, und er führt sie bis Dürnkrut +zurück. Der Kaiser lagert vor Ebenthal. Nacht. + + +=Zehnter Gesang.= + +Hartman ertrinkt in dem Rhein. Der Kaiser hält mit seinen Feldherrn erst +Kriegsrath; dann die Abendmahlzeit. Horneck der Sänger tritt ein, und +singt die fromme Handlung des Kaisers, als er dem Priester sein Roß +both. Entläßt die Feldherrn. Dem Entschlummerten erscheint sein Sohn +Hartman. Ottgars Abschied von Kunegunden. + + +=Eilfter Gesang.= + +Morgen. Schlachtordnung der Böhmen. Der Kaiserlichen. Gottesdienst. +Vorbereitung zur Schlacht. Die Ritter buhlen um die Ehre, die Sturmfahne +zu tragen. Ottgar, von Katwald erregt, nah’t mit seinem Heer. Hundert +Zürcher erhalten vom Kaiser den Ritterschlag. Trautmansdorfs letzter +Sohn fällt. Die Kumanier stürmen sonder Ordnung. Lobkowitz bringt sie +und die Steyrer, zum Weichen. Verstärkter Angriff. Die Kaiserlichen +allenthalben zurückgedrängt. Der Kaiser steigt vom Pferd, bethet zum +Himmel, und macht ein Gelübde. Ein Unsterblicher stärkt ihn, und heißt +die Geister entflieh’n. Erneuerter Kampf. Albrecht, sein Sohn, trägt ihm +die Kreuzesfahne vor. Nach schrecklichem Gewürg’, wo, mit den Rittern, +die Schweizer und Schwaben entscheidend vordringen, weicht Ottgar auf +den Spannberg zurück. Heißt Milota mit dem Nachhalt vorgeh’n. Allein +dieser flieht, ihn höhnend, mit seinen Scharen vom Schlachtfeld. Letzter +mörderischer Kampf. Ottgar von den Merenbergern vom Pferde gestochen. +Sein zerstreutes Heer bis g’en Laa verfolgt. + + +=Zwölfter Gesang.= + +Ottgars Leiche wird in der Nacht auf einen Trauerwagen gehoben. Hornecks +Klaggesang. Des Kaisers Einzug in Wien. Dankgebeth. Der Wagen mit +Ottgars Leiche nah’t. Lobkowitz führt dessen Sohn Wenzel herbei, daß er +um selbe flehe. Der Kaiser entläßt sie. Endet seinen Siegeseinzug in die +Burg. Nimmt den König Ladislav, und Wenzel an Sohnes statt an, und +verheißt diesem seine jüngste Tochter Gutha. Belehnt seinen Sohn +Albrecht mit Oestreich, und zieht sich dann in das Trauergemach, wo die +Kaiserinn starb, zurück. + + + + + Erster Gesang. + + + Tön’, o Heldengesang, von den schmetternden Kriegesdrometen + Wieder geweckt, von Rudolph nun, dem Kaiser der Deutschen, + Der obsiegend der Macht des Böhmenköniges, Ottgar, + Wahrte die Rechte des Reich’s, und, kehrend vom blutigen Schlachtfeld, + Gründete Habsburgs Thron an den Ufern der mächtigen Donau, + Seinem Geschlechte zum Ruhm, und unzähligen Völkern zum Segen! + + Wer empörte sofort, nach dem jüngsterrungenen Frieden, + Wieder die Fehd’ und das Grau’n der menschenvertilgenden Feldschlacht? + Ein unseliger Geist, _Drahomira_.[1] Die Herrscherinn Böhmens + War sie, und noch ist ihr Nahme mit Schauder genannt in dem Land dort: + Denn Wratislav, dem christlichen Fürsten, vermählet als Heidinn, + Trug sie den Christen Haß in der schrecklichen Brust, und verfolgte + Sie mit Feuer und Schwert. Sie waffnete selbst den Erzeugten, + Boleslav, daß er Wenzel ermorde, den eigenen Bruder, + Weil er dem Heiland getreu, festhielt an dem heiligen Glauben, + Und verübt’ auch sonst an dem Volk’ entsetzliche Frevel: + Zaubergewaltig, ergeben dem Trug der Hölle -- der Schwarzkunst; + Bis urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie, + Lebend, verschlang. Noch jüngst ausspie der klaffende Felsen + Dort bald finsteren Rauch, bald bläuliche Flammen: denn oft kam + Noch in der Neumondsnacht (so heischt’ es die Sag’) ihr zu opfern, + Mancher, vom Wege des Heils Verirrter, dahin, und Verdammniß + Ward ihm zu Theil. D’rum hieß, als früher geweihetes Wasser + Sprengte der Priester umher, und stehende Worte zu Gott rief, + Ottgar füllen den Zauberschlund mit dem lastenden Felsblock + So, daß auf immer verhüllt die Spur des unseligen Raum’s sey. + + Unten im Höllenpfuhl, der außer des kreisenden Weltalls + Gränzen sich noch unendlich erstreckt, erhob Drahomira + Jetzt, verwundert, ihr Haupt, und sprach wuthfunkelnden Blickes: + „Ha! wie kommt es, daß heut der betäubende Rauch, und die Flamme, + Die ich genährt in dem Schlund’, + in welchem ich schrecklichen Tod fand, + Qualmend herab sich wälzt, und keiner der Sterblichen seither, + Opfernd vor ihm, die Schar der Unseligen mehrt in dem Pfuhl hier? + Meister, ist dir’s genehm, daß ich eile hinauf nach des Erdballs + Fluren, und forsche, wie solches gescheh’n? Bald öffnet Verführten + Wieder der Schlund sich weit; ich sende sie, dir zu Gefallen!“ + Sagt’ es, und blickte nach Satan hin, der, riesengestaltet + Saß auf dem glühenden Thron’, und die furchtbarn Augen zum Boden + Heftete, so die unendliche Qual des zerrissenen Herzens + Durch empörenden Trotz und erheuchelte Ruhe zu bergen; + Aber umsonst: denn nimmer birgt er das innere Weh’ mehr, + Das von der finsteren Stirn’ und den zuckenden Wangen sich kund thut. + Nicht erhob er auch jetzt den Blick von dem Boden: er winkte + Nur mit dem Haupt, daß die Höll’ erzitterte, jener den Beifall: + Alsbald fuhr sie in brausender Hast von dem schrecklichen Wohnsitz + All der Unseligen auf, und nahte dem Lande der Böhmen. + + Kaltverachtenden Blicks gewahrte sie dort auf den Fluren + Reiches Gedeih’n, und rings die freundlichen Städt’ und die Dörfer; + Aber vor allen, am Moldaustrom’ erglänzend die Hauptstadt, + Praga, im lieblichen Reiz erst jüngstentfalteter Blüthen. + Sieh’, und ein Pilger kam vom Gelobten-Lande gezogen, + Der vor Jahren die Heimath verließ! Er blickte mit Staunen + Lang’ um sich her: da naht’ ihm, lächelnd, ein Greis, und im Beiseyn + Jener Verworf’nen zugleich, die ihm leis’ aufhorchte, begann er: + „Fremdling, suchst du den Mann, der hier ein Eden erschaffend, + Wie durch Wundergewalt das Leben der Menschen verschönt hat? + Nun ist er fern: denn wiss’ es, der Held und erhabene König, + Ottgar, streute mit Liebe die Saat, und ihm reifte zum Segen + Wohlstand unter dem Volk’ in des Landes erfreuender Schönheit. + Auch erlagen die Gegner ihm stets, und es kündiget allwärts + Seines Nahmens Unsterblichkeit der herrlichste Siegsruhm. + Dennoch hielt er so gern in der dunkelen Scheide das Eisen, + Frieden ersehnend, zurück, und entblößt’ es auch jetzt, nur gezwungen, + Gegen des streitbarn Rudolphs Macht. Er wird sie für immer + Bändigen: denn er zog, gar furchtbargerüstet, zum Kampf’ aus. + Ach, ihn drängte zum Friedensbruch Kunegunde, die Gattinn! + Grimmvoll ist ihr Gemüth, und ihr Herz verwildert durch Herrschsucht, + Die ihm das Böse vergilt, das er Margarethen, der frommen,[2] + Einst als Gatt’ erwies! Dieß Eine verdunkelt den Hochglanz + Seines Ruhms: ihn lenket ein Weib, das, Böhmen zum Jammer, + Selbst Drahomiren gleich, der Unheilstifterinn, wüthet, + Die für den schnöden Gewinn: zu gebiethen des Himmels Gewittern; + Auf den Flügeln des Sturms einher zu fahren im Luftraum, + Oder unsichtbar Menschen zu nah’n -- zu schau’n, und zu horchen + Dort in dem traulichen Kreis’ der Versammelten, und zu verderben + Alle, die auch mit lispelndem Laut, mit umschauendem Blick nur + Ihrer gedacht, und tadelnde Worte gesprochen: für solches + Hatt’ einst diese verkauft die unsterbliche Seele der Hölle; + D’rauf noch Schuld gehäufet auf Schuld, bis schrecklicher Tod ihr + Macht und Leben entriß, und die Böse dem Bösen gesellte, + Als urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie, + Brausend, verschlang: zur Strafe der wildumtobenden Blutgier, + Frevelnden Götzendienst’s, und schrecklicher Christenverfolgung. + Aus dem furchtbarn Schlund aufquoll noch in unseren Tagen + Finsterer Rauch; doch Ottgar barg ihn, den Menschen zur Rettung, + Die, vom Satan bethört, leichtgläubigen Sinnes, ihr nächtlich + Opferten, dort ihr Geschick in kommender Zeit, zu erfragen, + Oder sich trüglichen Glücks zu erfreu’n zu unendlichem Jammer.“ + Sagt’ es, und ging. Da flog, von der Schmähung empört, Drahomira + Ihm auf dem Heerweg nach, und haucht’ ihm Gift in das Antlitz: + Alsbald stand er, erbleicht, und sank, vergehend, zusammen -- + Lag, und stöhnte vor Schmerz, bis endlich der Zauber entfloh’n war. + + Aber sie starrete jetzt, tiefsinnend, und sonder Bewegung + Wie der Aar, der erst die mächtigen Flügel geschlagen, + Regungslos hinschwebt in der bläulichen Luft, in des Schlundes + Grauen hinab. Das Aug’ ihr rollete wild in den Kreisen; + Knisternd sträubt’ ihr Rabenhaar sich empor von der Scheitel, + Und voll Grimms erzitterten ihr die Lippen; sie sagte: + „Ottgar, Fluch sey dir! Du vernichtest des felsigen Schlundes + Zaubergewalt, die Viele nach mir in’s Verderben hinabriß? + Gläubig nahten ihm oft die Verblendeten, welche, des Schicksals + Dunkeln Pfad zu erkunden, auf ihm, des dräuenden Himmels + Warnung zum Trotz, der drückenden Last des Lebens entledigt, + Gerne für trügliches Erdenglück das ewige böthen. + Aber von diesem verbannt durch eisernrichtenden Machtspruch, + Sollt’ ich den glühenden Durst nach Rache, durch Trug und Verblendung, + Ich nicht löschen am Volk, das, gläubig, der Täuschung sich hingab? + Trost ist’s, wenn in der Brust der Unseligen solchem noch Raum blieb, + Mit in dem ähnlichen Jammergeschick die Gefährten zu sehen. + Wie, du entziehst, ein Thor, durch höhnenden Frevel auch die mir? + Ha, dir sey jetzt Rache geschworen! Nicht will ich mehr rasten, + Bis dein Heldenweib -- ihr werde der Thron und die Herrschaft, + Ja, sie herrsche nach dir, mir ähnlich an Kraft und Gesinnung, + Gegen den Feind dich reizt, und du in dem Kampfe, besiegt, fällst; + Also büße den Ruhm, der dir Drahomiren empörte.“ + Und sie flog nun hin, wo im weitverbreiteten Marchfeld + Ottgars furchtbares Heer von Dürnkruts[3] Hügeln hinunter, + Lagerte, dort mit höllischer Lust ihm, verderbend, zu nahen. + + Leise schwebte die Nacht auf den ringsverstummenden Erdkreis + Nieder. Aus Süden erbraus’te der Sturm, und jagte die Wolken + Auf an des Himmels Zelt. Sie rissen im eilenden Zug’ oft + Weit entzwei: da blickte der volle Mond aus des Himmels + Bläue so düster herab, und die Stern’, in Nebel sich hüllend, + Trauerten: denn ein Unhold naht’ auf den Flügeln der Windsbraut. + Jetzt, wie die ragenden Wäll’ und die Häuser der mächtigen Hauptstadt, + Meilenlang bedecken den Plan, und oben zum Bergrand + Aus der Tiefe herauf dem Wanderer, düsteren Schimmers + Glänzet der Lampen Schein in der Nacht, unzählig und endlos: + Also erschien ihr das Heer des Königes, das er erst gestern, + Nach der Eroberung Drosendorfs, des trotzenden Städtchens, + Am Gestade der March, auf Dürnkruts Fluren vereinte. + + Bald erspähte sie dort in des Lagers Mitte, vor allen, + Ottgars hochgewölbetes Zelt, das schimmernde Leinwand + Außen umhüllte; von innen hing, zur Erde herunter, + Scharlachgeröthetes Tuch, verbramt mit goldenen Fransen. + Sieh’, in dem grasumwucherten Raum’, ihm zur Linken und Rechten, + Ragten die Zelt’, erhöht, der Kunring’, tapferer Ritter, + Die in dem Kreis’ östreichischer Herrn, wie der Mond in der Sternflur, + Glänzten an ad’liger Macht und weitverbreitetem Eigen: + Denn Hadmar, und Leutold, die Zwillinge, haus’ten zu Dürnstein + Bald, und bald zu Weitra und Horn; in des rollenden Jahres + Monden wechselnd die Burg; doch immer in trauter Gemeinschaft: + Sonder Gattinn und Kind, des Waffengemenges sich freuend. + Aber mit feindlichem Sinn, von dem Kaiser gewendet, vereinten + Sie mit des Königs Panier jetzt zwanzig flatternde Fähnlein. + Jeglichem folgte die Zahl von fünfzig bepanzerten Reitern, + Die mit dem Schild’ und dem Helme bewehrt, und der Lanze bewaffnet, + Feurige Rosse zum Kampf vortummelten, siegenden Muths voll. + + D’rauf g’en Idungsbeug, auf dem sandumhülleten Blachfeld, + Welchen die schwellende Fluth der March seit Jahren gehäuft hat, + War des Fußvolks Macht, zehntausend tapferer Männer -- + Waren die Reiter gestellt, an der Zahl zweitausend und fünfzig, + Die sich der König in Böhmen erlas, und mit trefflichen Waffen + So, wie jene, versah. Die muthigen, löwenbeherzten, + Lenkten die Rosse mit Kraft und Geschick, die, feurigen Blutes, + Wild umtobten im Kampf’, und die Reihen der Feinde zerstampften. + Lobkowitz führte sie an, der ruhmgekrönete Feldherr. + + Aber vor Ebenthal, der freundlichen Burg, an des Hügels + Abhang, lagerten sich des vielbevölkerten Mährens + Tapfere Söhn’: an der Zahl achttausend erlesenes Fußvolk, + Die, mit dem Panzerhemd’ und der eisernen Haube bewehret, + Führten im Kampfe den Speer und den breitgehämmerten Säbel. + Milota rief sie in’s Feld, ein Ritter, der Ersten des Landes. + Sonst zur Freude gestimmt, als liebender Vater und Gatte, + Sah er des Lebens Blüthenjahr’ und die reifere Mannszeit + Schwinden im Glück. Nur als ihm die zarteste Tochter, Ludwinen, + Sie mit täuschender Huld in den Schimmer des Hofes verlockend, + Ottgar schnöde verführt’, und der Schmach die gefallene Preis gab: + Da verscheuchte der Menschenhaß und die brütende Rachgier + Jegliche Freude vor ihm. Nur Weniges sprach er, und das noch + Sprach er mit bitterem Hohn’ und wildauflachendem Ingrimm; + Aber nicht mied er des Herrschers Näh’, und harrte des Tages, + Der ihm den Durst nach Rach’ einst kühlete schrecklich und furchtbar. + + Dort dem König zur Linken, hinab sich dehnend bis Stillfried, + Stand Klein-Reussens Volk, das jüngst an den Ufern des Peltew, + Lembergs Mauern nicht fern, zu Fuß und zu Pferd sich vereinte: + Jenes, geübt, von der Armbrust, schnellvorschreitend im Schlachtfeld, + Mitten in Feindes Brust den schwirrenden Pfeil zu entsenden; + Dieses, im Waffengemeng’ schnellfußige, hurtige Rosse + Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels: + Dann mit des Fußes Druck und dem Stoße der nervigen Rechten + Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen. + Beide, gleich an der Zahl, dreitausend tapfere Mannen, + Folgeten Herbot von Füllenstein, der riesengestaltet, + Ragte vor allen hervor in dem Heer’, und rühmlich bekannt war + Ob des unbändigen Muths, und der ritterlichsiegenden Thatkraft. + + Doch auch der Meißner kam und der Thüringer jüngst aus der Heimath, + Ottgars Recht zu verfechten im Kampf’, als Bundesgenoß her! + Muth in der Brust, und Kraft in der Rechten, die Lanze zu schwingen + Brachten sie mit, und beiden geboth der tapfere Markgraf + Dietrich, Heinrichs Sohn, des Erleuchteten, mächtigen Ansehn’s. + Jenen vereint, stand auch des korngesegneten Bayerns, + Also auch Sachsens Volk in dem Vorderzuge geordnet: + Gierig des Kampfs, und geübt, die tödlichen Lanzen zu schwingen. + Heinrichs schaltendem Wink, des Herzogs, folgten die Bayern; + Markgraf Pfeils die Sachsen mit Lust in die furchtbare Feldschlacht. + Gegen den Weidenbach, in des weitgedehneten Thalbrunns + Niederung hin, erhöht auf vierzig ragenden Schaften, + Flatterten hoch in der Luft, verschieden an Farb’ und an Zeichen, + All des erlesenen Vorderzugs kampfdrohende Fähnlein. + Jeglichem waren gesellt fünfhundert tapfere Krieger, + Welche das Panzerhemd, und der Helm im Felde beschirmte. + Aber im Rücken des Heers, nicht ferne dem schimmernden Marchfluß, + War noch die Wagenburg, Feldzeug, und Geräthe des Lagers + Aufgehäuft, wie auch Mundvorrath für die dauernde Kriegszeit. + Also lagerten dort des Königs versammelte Scharen. + + All’ umhüllete jetzt der Schlaf mit bleiernem Fittig + Schon. Sie errangen zuvor, nach schrecklichem Kampfe, die Mauern + Drosendorfs, von dem Hohenberger, dem tapferen Feldherrn + Rudolphs, der sie mit Macht und entflammendem Muthe beschirmte. + Aber noch wacht’ im Gezelt der König der Böhmen. Zum Kriegsrath + Rief er um Mitternacht die Feldherrn: denn von dem Kaiser + Waren die Friedensbothen zu ihm, in das Lager gesendet: + Meinhard, Graf von Tyrol, und Lichtenstein: in den Waffen + Beide berühmt. Nicht dacht’ er zwar, den friedlichen Oehlzweig, + Den sein Gegner ihm both, mit versöhnlicher Rechten zu fassen: + Denn er sann nur blutigen Kampf, nur Tod, und Verderben + Ueber Rudolphs Haupt zu wälzen im Felde der Waffen; + Aber es sollte der Helden Verein, was er in dem Busen + Heimlich beschloß, nun künden mit lautentscheidendem Ausspruch. + Siehe, vor allen kam der Führer des reisigen Volkes, + Lobkowitz, ein gewaltiger Greis, deß’ leuchtender Aarblick + Unter den buschigen Brau’n den Muth im Herzen verkündet, + Der auf die Waffenbahn ihn schon als blühenden Jüngling + Trieb, und das Herz ihm gewann des schlachtruhmdürstenden Königs! + Doch umwölkt war jetzt ihm die Stirne von inniger Trauer, + Und zur Erde geheftet sein Aug’, da er dort vor dem Herrscher, + Schweigend, stand. Alsbald, obgleich von heimlichem Unmuth + Selber gebeugt, begann, mit erzwungenem Lächeln der König: + „Wahrlich, nicht wirst du den Feldherrn heut, + mit dem Gram in den Augen, + Muth einflößen im Rath! Hat dir das treffliche Streitroß, + Das zum Siege dich schon in zwanzig Schlachten getragen, + Und aus Feindes Gedräng’ oft rettete, heute das Futter, + Aechzend, verschmäht, und du sorgest vielleicht + um den Liebling im Herzen? + Wie, verfehlte der Spürer im Wald des flüchtigen Rehbocks, + Oder des Hirsches Spur, mit dem sechzehnendigen Hauptschmuck? + Fasse dich, tapferer Greis! Bald wird der Braune genesen; + Bald erfreut uns der Fried’, und du streckst in fröhlichen Stunden, + Draußen am Rasengrund der waldumränderten Hügel, + Wieder im Hörnerklang’ und Gebell verfolgender Spürer + Raschanstürmendes Wild mit sausenden Lanzen zu Boden. + Denke des Worts: bald sind wir heimisch im Lande von Oestreich.“ + „Herr,“ sprach jener bewegt, „gewartet mit emsiger Sorgfalt + Wiehert das Roß, das mich in zwanzig Schlachten getragen, + Und aus dräuender Todesgefahr oft rettete, muthig + Drüben im Zelt! Nicht denk’ ich des Weidwerks jetzt in den Tagen + Ernsten Kriegs, deß’ Bild uns jenes, im sanfteren Frieden + Oft ergetzt, und die Kraft uns stählt in erhöhter Gesundheit. + Ja, du sprachst es im Scherz nur, o Herr! Doch dünkt es mich selber: + Nicht wohnt Heiterkeit dir in den tieferglühenden Augen. + Möge die dunkle Nacht verborgenen Strebens enthüllen + Jetzo der Wahrheit leuchtender Strahl! Zum wichtigen Kriegsrath + Riefst du die Feldherrn: denn die Friedensbothen des Kaisers + Harren der Antwort im fernen Gezelt. Des Friedens erwähnst du? + Heischest Rath, und ach, beschlossen im heimlichen Busen + Hast du den Krieg auf Leben und Tod! O, möchte des Friedens + Freundlicher Ruf den Haß aus deinem empöreten Herzen + Nun verscheuchen, und dir und dem Volk die Fülle des Segens + Schaffen hinfort! Erfüllt hast du mit unendlichem Kriegsruhm + Weithin die Erd’ umher; allüberall preisen die Völker + Deine Weisheit und Kraft. Zieh’ heim nach dem herrlichen Erbreich, + Das dir gehorcht -- nach Böhmen und Mähren: die trefflichsten Völker + Nährt es im blühenden Schooß. Dort lebe dem Glücke der Deinen, + Und unsterblicher Ruhm harrt dein, in der spätesten Zeit noch. + Hast du nicht jüngst mit Siegel und Schrift + und mit heiligem Eidschwur, + Oestreich, Kärnthen, und Krain, als Lehen, entsagt vor dem Kaiser + Selber, auf Glauben und Treu’, und im Treubruch hoffst du zu siegen? + Bebe der That: schwer rächte den Bruch geschworenen Eides + Stets an den Sterblichen noch die ewigwaltende Vorsicht.“ + + Ottgar stand, erschüttert im Geist vor dem Schreckensgedanken; + Sprechen wollt’ er schnell, und es bebten die Lippen ihm leis’ nur. + Doch nun drang ihm das Wort aus den festgeklammerten Zähnen: + „Ha, sey nun, und auf immerhin, der Leib und die Seel’ auch + Mit in dem Spiele gewagt! Nicht kann ich mehr weichen: die Gattinn -- + Ja, das schreckliche Weib, hat mich zu dem Schritte gezwungen. + Da ist kein Rückgang mehr: ich folg’, ein Opfer des Schicksals!“ + „Wie,“ so sprach, ihm freundlicher nahend, der Greis, + „um die Herrschaft + Stritten des Reiches Hort und der König von Böhmen; im Frieden + Schieden sie erst, und die rach’empörende Zunge der Gattinn + Drängte sie wieder zum Würgen zurück? Nicht mühen die Frau’n sich + Ab in dem Feld. Wenn wir erlagen, erkiesen sie wieder + Sich den neuen Gemahl, und erfreu’n sich im Kreise des Lebens; + Doch uns lass’ das Wohl und das Wehe des Landes bedenken. + Ottgar, stolz und tapfergesinnt, gehorchte dem Weib’ nun?“[4] + + Also der Greis; doch, da er es sprach, entflammte des Königs + Niedergeheftetes Auge sich stets zu größerer Wuth noch. + Wie der Drache mit glühendem Blick von dem finsteren Felsschlund + Aufschaut, wenn ein Ruf ihn empört; dann zischend dem Eingang + Nah’t, und, das Haupt zum Boden krümmend, den furchtbaren Rachen + Weit vorstreckt, den Feind zu verschlingen, begierig: so sah er + Jetzo dem Greis’ in das Aug’, und stöhnte vor heimlichem Ingrimm. + Endlich rief er, bewegt: „Halt ein! O tadle den Gatten + Nicht, der solchem Weibe gehorcht: Margarethen, der Frauen + Sanfteste, stieß ich von mir: da sandte der Rächer im Himmel + Mir Kunegunde. Sie hat, ja, bebe dem schrecklichen Wort nur, + Ueber mich Macht und Gewalt. Wie ein Geist des ewigen Abgrunds + Steht sie vor mir ... mich schrecken entsetzliche Träume. Verschließe + Das in der redlichen Brust. Sieh’, hätt’ ich auch tausend und tausend + Eide geschworen: umsonst! Nicht kann ich zurück in dem Kampf mehr + Weichen: ich muß ihn mit Habsburgs Leu’n nun enden für immer.“ + Jetzo winkt’ er dem Greis’: denn, eilenden Schrittes, genahet + Waren die Feldherrn all’, und einten sich ihm in dem Kriegsrath. + Neben ihm saß zur Rechten der Hort und Gebiether der Bayern, + Heinrich; zur Linken ihm Pfeil, der Markgraf; d’rauf um den Tisch her, + Der, nach Lagers Gebrauch, von niederen Bänken umstellt war, + Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Dietrich, + Herbot von Füllenstein, und die Kunring’, tapfere Helden. + Doch von der Mitte herab des hochgespannten Gezeltes + Hing die flammende Lamp’, endlos vom Oehle genähret, + Und erhellte den Tisch in des Zeltraums düsterem Schimmer. + + Eben hatt’ er die Helden begrüßt, und wollte beginnen: + Sieh’, da scholl’s von Hufen der Roß’ in der nächtlichen Stille + Näher und näher, und jetzt absaßen die Reiter am Zeltthor. + Ottgar winkte sogleich dem blühenden Jünglinge, Wallstein, + Der ein Liebling ihm war, schon seit der zartesten Kindheit. + Alsbald eilt’ er hinaus, und faßte vom niederen Gluthherd + Einen leuchtenden Span, den dort ein Krieger entflammte: + Schürend die Gluth, und häufend zugleich das harzige Kienholz. + Mächtiger flammte der Span, da ihn über dem Haupt in die Graunnacht + Wallstein hob, und schauete: wer die Versammelten störe? + Staunend, sah er die Königinn selbst, Kunegunde, sich schwingen + Aus dem Sattel, im Kreis’ erlesenen Reitergefolges; + D’rauf durcheilte sie rasch den Zelteingang, und, den Vorhang + Schleudernd entzwei, schritt sie, mit stolzer Geberde, zum Sitz hin, + Den der Jüngling verließ, an der Seite des Königes selber. + + Ueber ihr schwebte mit grimmerfülletem Blick Drahomira + Leise herein. Sie trieb die Königinn eilig von Drösing + Her in der dunkelen Nacht, daß sie erst durch schmähende Reden + Reize den Gatten, und dann entflamme zur Gier nach des Krieges + Schrecknissen, mehr denn je, in des Raths entscheidendem Zeitraum. + Wehe, sie forscht’, auf Arges bedacht, im Kreise der Helden + Gierig herum, wie die Schlange verhüllt in dem laubigen Zweig lauscht: + Ob ein Vögelchen ihr zur Beute sich bieth’? -- und sie fand noch + Dort den Ersehneten nicht; doch, als der blühende Jüngling + Eintrat, dachte sie schnell dieß Herz zu berücken durch Ehrsucht, + Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher! + + Als der König die Gattinn ersah, da erblaßten die Wangen + Ihm vor Zorn; doch schwieg er, und ließ die Stolze gewähren, + Auf daß keiner im Rath’ ihn verachtete -- jeglicher dachte: + Jetzt erschiene sie hier, ersehnet von ihm, und gerufen. + Rasch war ihr Drahomira genaht: in dem Hauche des Unholds + Ward ihr Busen empört, und alsbald rief sie verhöhnend: + „Ha! welch’ Wunder geschah? Schon heut erfreuen die Böhmen + Sich der Eroberung Drosendorfs, der mächtigen Festung, + Nach den Tagen unendlichen Müh’ns? O, schändliche Thorheit + War es: vor ihr die goldene Zeit zu vergeuden -- zu harren, + Bis der klügere Feind, noch arm an Kriegern und Waffen, + Sich verstärket’, und euch des Eisens Spitze wohl biethet! + Schnell, mit würgender Hand euch bahnend den Weg in die Hauptstadt, + Mußtet ihr folgen der Stimme des Ruhms, und dem dringenden Aufruf + Rüdiger Waldrams[5] dort, des muthigen Meisters der Bürger, + Der nun bald, ein schmähliches Opfer, dem Feinde verrathen, + Fällt durch euere Schuld, durch eure Verblendung, und Feigheit.“ + Siehe, da grins’te vor Lust Drahomira den Helden in’s Antlitz; + Doch jetzt fuhren empor von dem Sitz die Versammelten alle; + Ballten die Faust vor Zorn, und wollten enteilen: nur einer, + Milota, regte sich nicht, und lächelt’ unheimlich für sich hin. + „Faßt euch,“ rief der König, bewegt, „die Königinn duldet + Schon seit jenem unseligen Tag, der uns, und die Völker + Böhmens beschimpft -- dem Tage der Huldigung,[6] nagenden Kummer + Und zerrüttendes Weh’ in den Tiefen des Herzens. Ihr Helden, + Dessen gedenkt, und achtet den Schmerz des unglücklichen Weibes: + Denn nicht wägt er genau das raschverwundende Wort oft, + Das der Zung’ entflieh’t im Sturm der empörten Empfindung. + Aber vernehmt es, was ihr in der Stille der nächtlichen Stunden + Jetzo mit uns erwägen soll’t nach euerer Weisheit: + Rudolph sandte zuvor zwei tapfere Ritter in’s Lager + Her, uns dringender noch als jüngst, die Hand zur Versöhnung + Biethend. Erneuend sodann den Wunsch: durch unserer Kinder + Wechselheirath das Band der Freundschaft für immer zu gründen, + Ladet er uns g’en Wien, zu turnei’n; die Speere zum Scherz nur, + Nicht zum Ernst zu versuchen, und dann die ersehnte Verlobung + Durch ein gastlich Mahl zu feiern im schimmernden Prunksaal. + Solches verkündete heut’ in geheim uns Rüdiger Waldram; + Aber zugleich: g’en Lilienfeld[7] hin ziehe der Kaiser + Albrecht, seinem Erzeugten, mit hundert Reitern entgegen, + Der in den schwäbischen Gau’n die Krieger ihm warb, und vom Aargau + Her die tapfersten führt, die ihm oft errangen den Lorber, + Altgedient, und versucht im Grau’n der eisernen Feldschlacht. + Soll mein Volk vorstürmen bis Wien, daß unser Vertrauter, + Waldram, ihm eröffne das Thor in der nächtlichen Stille, + Wie er es eben verhieß, mit den treuen Bürgern verstanden? + Ist’s wohl räthlicher noch, mit Kunrings Reitergeschwadern + Ueberzusetzen in Fähren den Strom der mächtigen Donau, + Und aus dem Hinterhalt den Kaiser zu fah’n in der Waldschlucht, + Welche sich links und rechts an dem Kaumberg, trüglich herumschlingt? + Nie versagt’ ich das Ohr dem Rathe der Männer: was dünkt euch?“ + Herbot schrie zugleich mit dem Kunring, lärmend, und laut auf: + „Fort nach Wien! Bald sinkt mit der kühnerrungenen Hauptstadt + Rudolphs Macht in den Staub: wir bürgen für herrlichen Sieg dir!“ + + Lobkowitz fuhr von dem Sitz’, des Friedens Ruf zu erneuern; + Aber ihm kam Kunegunde zuvor, und sagte dem König: + „Wie, du spähest noch jetzt nach schlauverhülleten Pfaden, + Thöricht verlassend die kühnere Bahn, die schnell zu dem Ziel führt? + Ist denn völlig gewichen von dir der Muth und die Kühnheit, + Die von Siegen zum Sieg dich leitete, Schlachtenberühmten? + Zahllos warben die Freier um mich. Masowiens[8] Herzog + Ließ auf dem glänzenden Thron mir Macht und Reichthum zur Erbschaft; + Aber ich achtete keinen Mann, im stolzen Bewußtseyn + Herrschender Geisteskraft, und lautgepriesener Schönheit. + Auch du bothst mir die Hand. Der Ruf erscholl in den Ländern: + Ottgar trug des Sieges Panier zu dem Belt hin; erbaute + Dort noch Königsberg,[9] und schlug, heimkehrend, die Scharen + Ungerns im Feld auf das Haupt. Er einte die Steyer- und Ostmark + Dann, als Sieger, mit Kärnthen und Krain dem böhmischen Erbreich, + Und errang die Bewunderung so der entlegensten Völker. + Ha, da sank mein Stolz, beschämt, vor dem Helden! Ich gab mich + Eiteler Täuschung dahin: mit der königlichsieghaften Rechten + Würd’ er auch mich erheben im Glanz’ unsterblichen Ruhmes. + Weh’, nun steh’ ich gebeugt, entehrt, und fruchtlos geopfert! + Aber, denkst du der Ehre nicht mehr, so gedenke der Schmach doch! + Soll ich den Mann, den König, und ach, den Gatten noch mahnen + Dort an den graunerregenden Tag, wo gegen den Eidschwur, + Der dich bewog, dem Kaiser zu huldigen heimlich im Zeltraum, + Er, o schreckliche Schau! auf des Eilands ragendem Hügel, + Das die Donau umschlingt mit weitgedehneten Armen, + Plötzlich am listiggestalteten Zelt den rauschenden Vorhang + Fallen hieß, und dich vor den Augen unzähliger Krieger, + Die an dem Strom sich dieß- und jenseits, feindlichgesondert, + Lagerten, wies zum Hohn’ -- auf die Kniee gesunken, o schändlich, + Ottgar, dich, dem er an dem Hof’ einst dienet’, als Marschalk,[10] + Huldigend dort, in dem Staub’! O, könntest du solches vergessen?“ + Ottgar preßte die Stirn’ in die Fläche der Linken, und glühend + Rann ihm die Thrän’ an der Wange herab. Er sucht’, es zu bergen; + Blickte grimmiger auf, und rief: „Nicht werd’ ich’s vergessen!“ + Doch nun drang Drahomira noch mehr in die Fürstinn. Sie hob sich + Eilig vom Stuhl’ empor, und sagte mit leuchtenden Augen: + „Ha, die Dromet’ erklinge dem Volk’, und gebiethe den Aufbruch + Nach den Mauern von Wien; in die Luft hoch flatt’re die Sturmfahn’ + Vor den Scharen einher, und leite sie glücklich zum Sieg’ hin!“ + Rief’s; doch Ottgar sprach nun so zu dem tapferen Helden, + Lobkowitz: „Wie, du schweigst mein sieggekröneter Feldherr? + Nie ermangelt’ ich deines Raths, und deiner Erfahrung, + Weisheit, Treue und Kraft verdank’ ich, was rühmlich gescheh’n ist.“ + Lobkowitz wiegte das Haupt, und sprach eintönig und trocken: + „Haben doch and’re vor mir, dem wankenden Greise, gesprochen, + Die das heißere Blut, wie im Sturm, fortreißt auf des Ruhmes + Glänzender Bahn -- weit blieb ich zurück’, und bin es zufrieden. + Sieh’, ich wähnte, wir lieh’n ein Ohr des Kaisers Gesandten? + Doch vor dem zürnenden Blick der Königinn? Sey es denn morgen!“ + Also der Held. Da sprach Kunegunde voll Wuth zu dem König: + „Wohl, ich weiche zurück bis Drösing. Sinnst du auf Frieden + Noch mit dem Kaiser, so sey’s; doch nimmer siehst du mich lebend + Wieder: nur mord’ ich zuvor mit Freuden die blühende Tochter, + Eh’ ein schmählicher Bund dem verhaßtesten Feind sie vereine.“ + Rief’s hinschreitend; erhob sich auf’s Roß, und eilte nach Drösing, + Das sie den Abend zuvor mit ihren Erzeugten bezogen. + + Jetzt ließ Ottgar schnell die Gesandten des Kaisers entbiethen, + Die schon lange voll Gier in dem fernen Gezelte des Rufes + Harrten. Meinhard, Graf von Tyrol, erschien, und zur Seit’ ihm + Nahete Lichtenstein: des Heer’s erlesene Zierden. + Stattlich traten sie ein, und setzten sich würdig zum Tisch hin, + Grüßend den König zuvor, und d’rauf, die versammelten Feldherrn. + Meinhard neigte das Haupt, und begann mit edelem Anstand: + „Rudolph, mein erlauchtester Herr, und Kaiser der Deutschen, + Sendet uns, Meinhard und Lichtenstein, nicht unwürdige Bothen, + Freundlich zu dir, erhabener Herr, und König der Böhmen! + Wollest darum uns hören mit Huld, und unsere Reden + Nicht verachten, da wir, nur arm an zierlichen Worten, + Stets mit dem rauheren so, wie mit unserem blinkenden Eisen, + Das wir zu führen gelernt, zum Ziel vorstreben, und treffen. + Frieden beut er dir mit leichtversöhnlichem Herzen; + Doch er beut ihn im Augenblick, wo er völlig gerüstet, + Nicht, wie jüngst in dem Land’, entblößt von Kriegern und Waffen, + Sollte schon fast ihn erflehen von dir -- nein, wo er im Kriegsbund, + Mächtige Völker vereint, und der Treue der Völker gewiß ist. + Daß du, als Kaiser ihn anerkenn’st; ihm Böhmen und Mähren + Tragest zu Leh’n; auf die ost- und die steyrische Mark, + so auf Kärnthen, + Krain, entsag’st: das ist des Friedens enthüllte Bedingniß. + Drei gewaltige Vesten im Land: hier Drösing im Marchfeld, + Dort Pöchlarn, und Enns sollst du mit starker Besatzung + Halten zum Unterpfand durch drei der Jahre, von heut’ an. + Ha! du erstaunest? So ist’s; ihr sollt euch finden in Freundschaft. + Heilig ist Rudolphs Wort, du kannst ihm sicher vertrauen.“ + + Als er die Rede voll Kraft jetzt endete, herrscht’ in dem Zeltraum + Stille umher: doch Lichtenstein, gewahrend den Vortheil, + Grüßte den König zuvor, und begann mit heiterem Blick so: + „Ernstes sagte der Graf. Mit Gott und eurem Gewissen + Werdet ihr solches erwägen zum Glück und zum Segen der Völker, + Die ihr beherrscht; doch leiht auch mir ein günstiges Ohr noch. + Nicht vom blutigen Kampf: von der Minne ersehneten Freuden, + Von Turnei’n, und dem festlichen Mahl gedenk’ ich, zu sprechen. + Allwärts ist es bekannt, daß Herr Rudolphus, der Kaiser, + Ein Turnei, bei’m Tabor,[11] am kommenden Donnererstag schon, + Der Sanct Rochus geheiliget wird, zu halten, gesinnt ist: + Denn nach Frieden verlangt sein Herz, und er hat dich geladen. + Solcher Ehre Gewinn verschmäht kein tapferer Mann je. + Sieh’, d’rum harret er dein und deines so edeln Gefolges, + Das den Herrscher umglänzt, wie die Stern’ umglänzen den Vollmond! + Aber noch höhere Freuden gedenkt, nach vollendetem Festmahl, + Oben im prunkenden Saal der Kaiser mit dir zu bestellen: + Lieblich erblüheten dir die schönsten der Töchter -- in Söhnen + Ihm sein Glück: zum Bund der Einigung beut er die Hand dar: + Hartmann führ’ als Braut sich Hedwig, voll siegender Schönheit, + Thekla, voll zartester Huld, sein Rudolph heim. So ersehnt er’s.“ + + Als er gesprochen das Wort, und noch weiter gedachte zu reden: + Sieh’, da warf sich in brausender Hast der muthige Jüngling, + Wallstein vor! Er stand, und hielt sich die Brust mit der Rechten; + Athmete tiefer, begann zu sprechen, vermocht’s nicht; er stürzte + Dann zum Gezelte hinaus, und verschwand im nächtlichen Dunkel. + Ottgar blickt’ ihm, erstaunt, jetzt nach. Er wähnte: sein Liebling + Sey urplötzlich erkrankt, und von wüthenden Schmerzen befallen; + Doch Drahomira durchschaute sein Herz; sie lächelte grimmig; + Jubelte dann laut auf, und folgte dem fliehenden Jüngling: + Ihm für Hedwig die liebende Brust noch mehr zu entflammen, + Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher. + + Im erleuchteten Zelt verstummten von neuem die Helden; + Gar nicht wollten von Ottgars Mund’ die Worte sich lösen. + Endlich hob er sich auf, und sagte den Beiden zum Abschied: + „Wahrlich, nicht ahnete mir’s, so glühend verlange der Kaiser + Uns bei festlichem Turnkampf, Tanz, und Gelagen zu sehen! + Aber wohlan -- das kündet ihm nur, so er etwa daheim ist: + Ottgar werdet ihr schau’n im Gefolge der Edeln, und hören, + Was er vom Frieden gedacht, und der Kinder ersehnter Verlobung! + Aber, ihr Herrn, gehabt euch wohl; der Himmel geleit’ euch!“ + Beid’ erstaunten der Red’, und eilten unmuthig von dannen. + Draußen sagte zu Lichtenstein der tapfere Meinhard: + „Ritter, sprecht, was dünkt euch? Nicht einmal die Krume zum Imbis, + Nicht des Weines so viel, das unsere Lippen benetzte, + Reicht’ er zum Trunk’ uns dar. Ich meine: von Heirathsgedanken + Ist er so fern, wie dort von mir Veiths glänzender Wagen, + Der an des Himmels Rand zum eisigen Norden hinabsinkt. + Ha! und merktet ihr nicht, wie schnell der arge Verräther + Rudolphs nächtlichen Ritt g’en Lilienfeld ihm enthüllte? + Ach, er zog nur mit schwachem Geleit! Kommt: gut ist die Vorsicht!“ + Rasch aufschwangen sie sich in den Sattel, und flogen nach Wien hin. + + Aber der König entließ die Versammelten. Jetzo noch einmal + Blickt’ er Jedem in’s Aug’, und sagte mit rauherer Stimme: + „Mir zerwühlet die Wuth das Herz. Wie kecklich die Ritter + Sprachen, als sey ich im Feld nicht fürder zu scheu’n, + und, dem Ball gleich, + Nun rechts hin, dann links im schwebenden Fluge zu wenden; + Aber es zehr’ ihr Hort sich zu Tod’ an seinen Gelüsten. + Mein Entschluß ist gefaßt: am Morgen gebiethet den Aufbruch + Euerem Volk. Wir ziehen entlang den schlängelnden Marchfluß + Bis an den Weidenbach, wo, erhöht, des räumigen Lagers + Wall uns schirmt g’en List und Gewalt. Verstanden mit Waldram, + Sey in dem Ueberfall nur „Rache“ der Würgenden Schlachtruf! + Ruhet ein Weniges noch: bald rufen euch laut die Drometen.“ + Jene gehorchten dem Wort’, und eilten nach ihren Gezelten. + Aber der König ging noch lang’ im Schimmer des Nachtlichts, + Sinnend umher. Oft seufzt’ er laut; er ballte die Faust oft + Vor Erbitterung; stand, ging wieder, und hatte nicht Frieden. + Endlich warf er sich hin auf das Lager, und schlummerte leis’ ein. + + Ueber dem Haupt des Schlummernden hing sein schützender Engel, + Trauernd. Verglommen war sein Glanz. Wie auf thürmender Alpen + Ewigbeschneiten Höh’n der rosigglühende Schimmer + In ätherischer Bläue verglimmt in der sinkenden Dämm’rung: + Also auch er, den Schwermuthsblick auf den armen gerichtet, + Den ein furchtbarer Traum umfing. Margarethe, die Gattinn, + Welch’ er schnöde verstieß, naht’ ihm, und sah ihn so trauernd + An, aus dem hüllenden Leichentuch: er wandte sich, schaudernd, + Weg, und hieß sie entflieh’n. Nicht lang’, und in hoher Verklärung + Schwebt’ auf schimmernden Au’n, und bekränzt mit himmlischen Rosen, + Sie vor ihm hin. Er folgte -- sie floh; doch jetzt, an dem Ufer + Eines unendlichen Stroms hielt sie den eilenden Flug an; + Sah, huldflehenden Blicks, zu dem Himmel empor, und entschwand ihm, + Schatten gleich, wenn Nebelgewölk umhüllet die Sonne. + Wieder umfing ihn des Todes Nacht. Um sich her auf dem Schlachtfeld + Sah er unzählige Leichen gehäuft: bis endlich ihm selber + Dort zwei Würger genah’t, mit rach’ausblitzenden Augen, + Tief in die Brust einstürmten den Speer, und höhnten im Tod noch. + Stöhnend wand er sich dann im Schlaf, und in mächtigen Tropfen + Stand ihm der Schweiß auf der Stirn’ und den hochgerötheten Wangen. + + Doch nicht völlig verhüllt den Augen des Himmelsbewohners + War des schlummernden Königs Geschick. Er sah Drahomira + Walten um ihn, und Gefahr ihm bereiten auf schlüpfrigem Pfad hier, + Der zum Verderben führt, und zu nieversiegendem Jammer. + Flehend faltet’ er jetzo die Händ’, und blickte mit Ehrfurcht + Auf zu dem Thron des Ewigen, der in des kreisenden Weltalls + Hehrstem Raum’, auf lichtausströmenden Sonnen erhöht steht. + Dorthin drang sein Blick, wo Cherub- und Seraphim selber + Sich in der Nähe des Throns mit den Fittigen hüllen die Augen, + Dreimal Heilig singend dem Herrn, der herrscht von dem Thron dort, + Hehr, allmächtig, weis’, und gerecht, barmherzig und gnädig! + Ueber die Himmel hinauf erhebt er das Haupt; auf dem Abgrund + Ruht sein Fuß, und sein Arm umfaßt das kreisende Weltall. + Als er gewürdigt ward, die Blicke zum Thron zu erheben, + Sah er, schauernd vor Ehrfurcht, dort enthüllet die Zukunft: + „Ottgar, der nun bald mit reuigem Sinn um Erbarmen + Fleh’n wird, büßet die Schuld vergangener Jahre: den Feinden + Fällt er besiegt in dem Kampf’, und verlieret das Reich und das Leben; + Aber sein Gegner wird ein Vater des Herrschergeschlechtes, + Das in die fernste Zukunft hinab unzähliger Völker + Glück zu fördern, erwählt, im Segen der Erde genannt sey.“ + D’rauf gewahrt’ er den Wink des Herrn: „daß es also gescheh’n wird!“ + Sieh’, da flammten, und floh’n, und kehrten in Eile die Sonnen + Wieder zur Bahn! Der Donner rollte hinunter am Weltrand, + Kreisende Monden und Sterne vorbei; die Vesten des Erdballs + Zitterten; hoch aufrauschte das Meer, und die Ström’ und die Flüsse + Braus’ten wirbelnd zurück, und schäumten empor in den Luftraum. + + Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht + Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth. + + + + + Zweiter Gesang. + + + Siehe, wer reitet den Wald entlang? Vom felsigen Boden + Tönet der eiserne Huf. Wer zieht im Schatten der Thäler + Fort im eilenden Trab? Doch dort, wo am lichteren Waldsaum + Weitgesondert, die Tannen steh’n, und der sonnige Bergpfad + Schlängelnd sich hebt, erblitzt es von hellgeglätteten Waffen + Quer in die Eb’ne herab. Jetzt näher und näher erschallet + Munterer Reiter Gespräch, und das Schnauben und Wiehern der Rosse. + Doch wer ist’s, der allen voran den feurigen Rappen + Reitet, so freundlich und mild, so bar all’ prunkenden Schmuckes? + Zwar erhellt die, in Rosengluth versinkende Sonne + Kein’ unedele Stirn’, und Ehrfurcht heischen die Augen + Dieses Gewaltigen, der ein Fürst, ein Kaiser von Anseh’n + Scheinet? Er ist’s -- ha, Rudolph ist’s, der Kaiser der Deutschen! + + Gestern zog er im Abendlicht mit hundert Erwählten + Eilig zum Kärnthnerthore hinaus nach dem herrschenden Hügel, + Wo (so kündet die Sag’) in grau’numhülleter Vorzeit + Eine Spinnerinn saß, und bettelte, reichliche Spenden + Sammelnd: ein Kreuz zu erbau’n von zartdurchlichtetem Stein dort, + Wo das hölzerne, morsch, zerfiel, an welchem sie lebte. + Aber es wurde zugleich ihr Grab, von dem Fremdling bewundert: + Denn erblickt er die Stadt, die weit auf Erden gerühmt wird, + Vor sich in schimmernder Pracht der Thürm’ und unzähliger Häuser, + Zollt er vor allem der sinnigen Wahl der Spinnerinn Beifall, + Und erquickt sein Aug’ an dem wunderherrlichen Anblick. + D’rauf einlenkt’ er zum Fuß’ der traubengesegneten Hügel: + Petersdorf, und Brunn am Gebirg, wo der emsige Winzer + Keltert den kräftigen Most für die spätnachfolgende Zeit noch, + Und durchtrabte die Stadt von Mödeling.[1] Mächtigen Anseh’ns, + Schaut in das düstere Felsenthal, durch welches der Waldbach, + Eingezwängt, sich windet, und rauscht, die ragende Felsburg, + Mödling herab (ein Eigen des babenbergischen Herzogs, + Heinrich) und lieh auch zugleich dem Städtchen den Nahmen. + Die Nacht hing + Dunkel herab; nicht erspähte der Wart von dem ragenden Wartthurm + Rudolphs hohe Gestalt: d’rum scholl die Dromete zum Gruß nicht. + Doch jetzt zog er am Tannberg fort,[2] wo im ruhigen Thalgrund + Schimmert das Gotteshaus zum Heiligen-Kreuz mit dem Kloster. + Herzog Leopold baut’ es, der Heilige. Mönche von Cisterz + Rief er dahin, daß dies’ in Saatengefilde die Wildniß + Wandelten, und im Gesange des Chors lobpriesen den Schöpfer. + Manches Helden Gebein’, auch Friedrichs, des streitbaren Herzogs, + Letzten seines Geschlechts, deckt dort der ehrende Denkstein. + Aber es sandte darauf vom Heiligen-Kreuze der Stiftsabt + Auch nach Lilienfeld die Brüder: so wollt’ es der Herzog + Leupold, der Glorreiche, selbst, als er an dem Fuße der Alpen + Im bezaubernden Thal das Gotteshaus und das Kloster + Stiftete, dem jetzt Rudolph naht’. Schon ließ er auch Kaumbergs + Marken zurück, und als die Sonne im rosigen Schimmer + Sich in Osten erhob, da zog er durch’s liebliche Hainthal, + Und erkor’s in des Mittags Stunde zur Rast. An dem Göls’bach + Weideten frei die Rosse hinab. Die tapferen Krieger + Saßen im Kreise herum: sie sättigten sich an des Weizens + Goldener Frucht, zum nährenden Brote gebacken, und löschten + Dann an der Quelle den Durst. Inmitten der fröhlichen Männer + Saß der Kaiser im Gras’; er rief den Einen und Andern + Auf zu ergetzlichem Schwank’, und zuletzt den redlichen Knappen + Müller, den Zürcher, der ihm das Leben gerettet, und seither + Stets zu getreulichem Dienst’ ihm stand, im Krieg’ und im Frieden. + „Künde“, so sprach er zu ihm, „den Kriegern das lustige Mährchen: + Wie du mich, den Zürnenden, einst auf der Straße begegnend, + Sühntest, listengeübt: denn manchen von meinen Getreuen + Hast du niedergeworfen zuvor, ein frevelnder Raufbold.“ + „Mit Vergunst, Herr Kaiser,“ begann der fröhliche Kriegsmann, + Schlaugewendeten Blicks, „so ich ruhmbegierig, und eitel, + Meinen Gefährten des Zugs verkünde zuvor, daß ich Habsburgs + Grafen im Kampf mit dem Regensberg das Leben gerettet! + Edle von Toggenburg, und Homburg; jene von Nidov, + Palm, und Warth mit Eschenbach vereinten dem Ritter + Regensberg, den er gewaltig bedrängte, die Scharen; + Doch er dachte der List, kriegskundig, dem Feinde zu schaden. + Oft ritt Regensberg mit zwölf weißschimmernden Rossen, + Welchen voran mit lautem Gebell zwölf ähnliche Doggen + Sprangen, zur Jagd, von dem Uttliberg, stolzirend, herunter. + Rudolph lag in dem Hinterhalt: die Ross’ und die Doggen + Hatt’ er, wie jener gewählt. Mein Volk, die muthigen Zürcher + Brachen hervor, mit ihm in dem Handel verstanden, und als er + Nahte der Burg in verstellter Flucht, da meinte der Wächter, + Oeffnend das Thor voll Hast, sein feindbedroheter Herr sey’s + Alsbald ward erobert die Burg, und zerstöret von Grund aus. + Ist’s nicht also gescheh’n, mein hocherlauchter Gebiether? + Aber da stellten sie euch, auf offnen und heimlichen Wegen + Nach. So geschah’s, daß einst, auf einsamer Fährt’ in dem Wald ihr, + Nur mit schwachem Geleit dem Feind’ in die Hände gefallen, + Rang’t auf Leben und Tod, als bügellos in den Staub euch + Warf das getödtete Roß. Ihr waret erlegen der Mehrzahl; + Doch der Seinen gedenket der Herr: er sandte den Müller + Euch zu Hülf’. Er kam auf dem Pfade geritten, und sah euch + Kämpfen, ähnlich dem Leu’n, den wüthende Tiger umringen; + Naht’ im Flug, und ihr, in den Sattel gehoben, entrannet + So der Gefahr. Doch Müller ist euer getreuester Jünger + Seitdem -- rühmt sich denn auch des edelsten Meisters auf Erden. + Ihr erlaßt mir vielleicht für heute das lustige Mährchen:[3] + Denn, mich dünkt, es entfielen, wie Perlen gestaltete Tropfen + Eueren Wangen. Mich drängte früher die Noth, und euch später: + Alles auf Erden eint der Liebe geschäftige Sorgfalt.“ + Innig gerührt ergriff ihm der Kaiser die Hand, und begann so: + „Edel hast gehandelt an mir, mein trefflicher Jünger! + Doch die Capelle winkt auf den Alphöh’n: heute noch sollst du + Ernten herrlichen Lohn, der Heldenthaten gebühret. + Jetzt rasch auf, ihr Reisigen: rasch zu dem winkenden Ziel hin!“ + All’ erhoben sich nun voll Muths; sie zäumten die Rosse, + Jauchzend, auf, und es ging dann weiter der fröhliche Zug fort. + + Siehe, nicht lang’, und sie sah’n jetzt schon + die bläulichen Alphöh’n + Oben, und tiefer den _Kulm_ und den kegelgestalteten _Spitzbrand_, + Freudigen Blicks, als unter dem Huf der gewaltigen Rosse, + Drönend, die Brück’ erscholl, die, stets von den Fluthen der Traisen + Unten durchrauscht, im Grund die rasche Forelle beschattet. + Weit gerühmt ist die Traisen im Land (daß beide den Ursprung + Sich bestreiten, die Hohenberg-, und die Lilienfelder) + Sprudelnd hervor aus dem Schooß des Traisenberges im Waldthal, + Und enteilend voll Hast, sich dem Donaustrome zu einen.[4] + Freundlich blickten die Sterne bereits vom Gewölbe des Himmels, + Wieder zur Erde herab; schon hauchten die würzigen Matten + Kühlung umher; es verglommen die ragenden Höh’n, und die Fluthen + Dampften im Thal, als jetzt mit seinem Gefolge der Kaiser + Nahe vorüber an Lilienfeld, dem herrlichen Kloster,[5] + Eilete: denn zum Abendgebeth’ ertönte das Glöckchen + Schon von dem Thurm’; es lud zu des Chors Vollendung die Brüder, + Und erweckte zugleich, mildklagend, die Wonne der Wehmuth + Tief in der fühlenden Brust, die leise nach Ruhe sich sehnet + Nach den verschollenen Stürmen des Tags, auf irdischer Wand’rung. + + Nahend dem Ziele, durch’s _Thal_, geboth der Herrscher den Reitern, + Längs dem Bach zu erringen den Kulm, auf dem breiteren Saumpfad; + Aber er selber klomm, des Weg’s wohlkundig, mit Müllern + Dort, wo ein lieblicher Wasserfall, von schroffer Gebirgswand + Plätschernd herab, zerstäubt die silbernblinkenden Fluthen, + Schweigend, die Höhen empor. Er sah nach den lichten Gefilden + Ferner Ebenen, jetzt aus der nächtlichdämmernden Waldung, + Jetzt vom schwindligen Fels mit thauendem Blick’, und errang so + Früher den Kulm; doch dort, vereint mit seinen Erwählten + Wieder, rastet’ er nicht, und stieg, stets höher und höher, + Bis er, den dunkelen Wald entlang, auf blühenden Matten + Wandelnd, schimmern sah im Schooße der luftigen Alphöh’n, + Aus dem Gezweig umhüllender Tannen der kleinen Capelle + Heiligthum, wo das Licht, in der Lampe genährt von dem Klausner, + Sandte die fächelnde Flamm’ empor aus goldenem Oehlduft. + Dorthin wies ein Gesicht, im mitternächtlichen Grauen + Ihm aufsträubend das Haar vor Furcht und Erstaunen, ihn heut’ erst. + Wichtiges sollt’ ihm, dort enthüllt nach des Ewigen Rathschluß, + Mächtig erheben das Herz in der Stunde des nahenden Kampfes. + + Jetzt verließen auf seinen Wink die Reiter den Sattel, + Daß, freiweidend im Feld, die Pferde sich letzten. Des Zaumes + Ledig, sprangen sie wiehernd davon, und wälzten im Gras’ sich + Links und rechts, die Gluth des gepreßten Rückens zu kühlen. + Auch die Reiter gesammt ausruheten dort von der Wand’rung. + Aber der Klausner, ein Greis, von neunzig entflohenen Jahren, + Trat aus der Hütt’, im barnen Gewand’, und führte den Kaiser, + Schweigender Ehrfurcht voll, zur Capelle. Der silberne Bart floß + Ihm zu dem hanfenen Gürtel herab. Von den lastenden Jahren + Wenig gebeugt, sah noch aus seinen erglühenden Augen + Jugendkraft, die manchmal in sinnender Trauer am Boden + Hafteten. Doch jetzt traten sie ein, und beugten die Knie’ dort, + Wo gesegnetes Brot, der Seelen Speise, verwahrt war; + Wo das Bild des Gekreuzigten stand, und die Mutter das Kindlein + Wies in dem hehren Gemähld’, voll Lieb’ an den Busen es drückend, + Und, den wonn’ausstrahlenden Blick auf die Menschen gerichtet, + Allen zu rufen schien: „O liebt den Liebenden mir gleich!“ + Aber der Greis, als wär’ es zum legten Male hienieden, + Sah zu ihr lang’ empor, und wandte sich dann zu dem Pilger: + „Herr“, sprach er, „blick’ auf zu der Himmlischen! Früh in des Lebens + Blüthenzeit hast du die Verehrung der seligsten Jungfrau + Dir erkoren zum wahrenden Schild’, und dem Schiffer nicht ungleich, + Der in der Sturmnacht fest aufschaut zu dem rettenden Leuchtthurm, + Dadurch bewahrt im reinen Gemüth Vertrauen und Demuth: + Jenes zu Gott und auf Menschenwerth, und dies’ auch im Glück’ noch. + Also wandeltest du, ein Seliger, fort auf des Lebens + Dornenpfad mit heiterem Muth: der göttliche Sohn hört + Gerne der Mutter Fleh’n, in ihrem Schutze geborgen. + Jetzt auch wirst du gewiß, in dem furchtbarn Kampf der Entscheidung, + Huldbeglückt, erringen den Sieg, wenn dir auf dem Schlachtfeld, + In umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt: + „Fromme Jungfrau’n einst zu versammeln zum Zeichen des Kreuzes.“[6] + Höre, demnach was mir mein Meister und Herr in Gesichten + Dunkeler Zukunft wies: Ein Vater unzähliger Fürsten + Wirst du seyn, und so oft auch hier auf irdischer Laufbahn + Wechselt des Menschen Geschick vom Guten zum Schlimmen: so wird doch + Treu’, und Redlichkeit stets in deinem Geschlechte noch dauern.“[7] + + „Ernsten Gemüths, herrscht einst dein ältester über die Völker, + Die dein heitres gewann, und fesselte. Ob er auch mannhaft + Steht in der Männerschlacht, und vor ihm die Feinde, besiegt, flieh’n; + Ob er auch ehret das Recht, und Gerechtigkeit übet als Richter, + So auch die Wissenschaften, die Kunst’, und den frohen Gewerbsfleiß + Blühen heißt mit dem Ackerbau, ein sorgsamer Herrscher: + Dennoch mißt er die Liebe. Die Hand der ewigen Vorsicht + Waltet über des Menschen Geschick’. In Dunkel gehüllet + Möge sein Ende dir seyn. Ihn rächen entsetzlich die Seinen.“ + + „Schön an Gemüth und Körper, die Lust des Menschengeschlechtes, + Faßt mit unstraflicher Hand die Kaiserkrone dein Enkel. + Aber, ihm gleich, ein Held, vom feindlichen Schicksal zum Feind’ ihm + Auserkoren, entwindet sie ihr auf dem rauchenden Blutfeld + Mühldorfs; doch entreißt er, erst nur der Rache gedenkend, + Auch in der Kerkerluft der Trausnitz dem edelsten Manne + Nicht den unsterblichen Kranz, der, lohnend, dem Guten zu Theil wird. + Sieh’, er steht, erschütternd, vor ihm, da er Ehre viel höher, + Denn des Lebens erlesenstes Glück, die goldene Freiheit, + Achtet, und wiedergekehrt, die Hände noch selber den Fesseln + Beut: ein Muster der deutschen Treu’ auf Wort und auf Handschlag! + Innig ehrt er ihn d’rauf, und theilt das nächtliche Lager, + Ja, auch den Purpurthron mit dem Freund, der Erde zum Staunen.“ + + „Ha, schon winket des Theuerdanks unsterblicher Held mir + Aus dem strahlenden Licht des thatenverherrlichten Lebens! + Sein erbarmt sich der Herr, und rettet ihn, wunderbar oft so, + Wie auf der Martinswand, aus unsäglicher Noth und Gefahren, + Welch’ ihm fortan drau’n auf des Herrschers dornigen Pfaden. + Hoch erhebt er den Ruhm von Oestreich: kühn auf dem Schlachtfeld, + Weis’ im Rath; ein Liedergewaltiger, Held, und Beherrscher.“ + + „Aber ihm folgt, o Habsburgs Stolz, sein größerer Enkel! + Sein Zeitalter leuchtet in wunderherrlichem Glanz’ auf. + Jugendlich regt sich die Erd’, und treibt den erfreuenden Keim schon + Jedes Großen und Schönen hervor. Erhabene Geister + Wandeln auf ihr zum Ziel -- der Höchst’ er unter den Hohen! + Ha, wie würdig er herrscht, wie kraftvoll! Fern in die Zukunft + Schaut sein Blick: er sinnt auf Deutschlands Größe durch Einung, + Auf Hispania’s Macht, und Italia’s, daß er die Rettung + Schaffe dem Christenvolk g’en wildempörter Osmanen + Allverheerende Wuth, die er tapfer bekämpft, und besieget. + Auch jenseits dem unendlichen Meer’ erbeben die Völker + Seiner Gewalt: nie geht die freundlichleuchtende Sonne + Unter in seines umuferten Reichs endlosen Bezirken. + Also die alt’ und die jüngere Welt im Segen zu einen, + Strebt sein hohes Gemüth. Wie dunkel die Wege der Vorsicht! + Deutschlands Gau’n durchtobt die Neuerung. Feindlichgeschieden, + Schaut urplötzlich der Mensch dem Menschen in’s Aug: ihn verwildert + Schrecklicher Sectenhaß: denn Mord, und Brand, und Empörung + Würgt Jahrhunderte fort, und verscheucht bald jegliche Hoffnung, + Die so herrliche Früchte verhieß. Vergeblich versucht er, + Heimzuführen den scheuentflohenen Frieden: auf immer + Scheint er entfloh’n. Ihn ergreift unendlicher Schmerz, und er endet, + Freientsagend dem Thron, in einsamer Zelle sein Leben.“ + + „Ha, nach neun, durch Weisheit, Mild’, und Gerechtigkeit ruhmvoll + Herrschenden Männern deines Stamms, erseh’ ich im Thronsaal + Eine gewaltige Frau, die im Sturm umdrauender Nöthen, + Gottvertrauenden Muths, die Lieb’ und Bewunderung aller, + Eintritt dort, mit dem Sohn’ auf dem Arm, in die hohe Versammlung + Eines edelen Volks, und tausend Stimmen erschallen, + Als der ehernen Scheid’ entrissen der blitzende Stahl fleugt: + „Laßt uns sterben für Sie, die, als Königinn, uns ist ein König!“ + Glücklich als Gattinn und Mutter zugleich, und als Herrscherinn würdig + Ewigen Ruhms, entschlummert sie sanft in den Armen des Todes.“ + + „Lange zum Manne gereift, nachfolgt ihr spät ihr Erzeugter: + Herrschend des Volks Abgott, dem er nur Gutes gewillt ist. + Aber ihm stürmts in der Brust: was kommenden Zeiten noch dau’re, + Müsse sorgsam gepflegt, und festgegründet der Bau seyn, + Das bedenket er nicht, und sieht noch sterbend, verwelket + Was er gepflanzt, und im Sand, sturzdrohend, was er gebaut hat; + Dennoch beut ihm die Liebe den Kranz niewelkenden Nachruhms.“ + + „Siehe den Weisen, in dessen Hand dann erglänzet der Zepter, + Reißt des Todes Geschick aus der Zahl der Lebenden schnell fort! + Wohl ihm: denn früher erringt er das Ziel der herrlichsten Laufbahn + Auf hesperischer Flur, wo er Glück ausspendet, und Segen!“ + + „Jetzt entschwinden die hehren Gesichte vor mir wie in Nebeln. + Furchtbar steigt Geschrei in die Luft. Des alternden Erdballs + Vesten wanken; es scheint, als sollt’ ein neues Geschlecht sich + Heben empor aus dem gährenden Grund, doch früher die alten + Ganz hinschwinden in Nichts: so entsetzlich schwelgt die Empörung + Fort an den Strömen vergossenen Bluts. Der tauschenden Gleichheit + Mordruf schallt: hinschwindelt das Volk, und reißt mit des Thrones + Stürzendem Heiligthum’ auch sich selber hinunter zum Abgrund, + Wo in dem nächtlichen Grau’n sein Wuthgestöhne verhallet. + Aber ich sehe den Schiffer im Sturm, der, blickend zum Himmel, + Unerschütterten Muths, durchfleugt die empörten Gewässer; + Sehe den Sohn vor mir des Verblichenen, wie er im Nachtgrau’n + Fortgewogt auf der Fluth, nun sinkt, nun steigt, bis er endlich, + Lautumjauchzt, einfährt in den volkerfülleten Hafen, + Und noch höher als erst, nach zwei Jahrzehenden aufragt: + Denn ihn lenkt in den Tagen der Noth stets sicher der Tugend + Heiliger Wink, und sein ist die Lieb’ und die Treue der Völker, + Die er, ein Vater, beherrscht mit mildvorsorgender Weisheit. + Heißt auch mancher Gewaltige „Groß“ in Geschichten der Menschen, + Ihn wird einst die Nachwelt laut den _Edelsten_ nennen.“ + + „Dunkler ward’s ... mir schwand in verworrenen Bildern die Zukunft. + Doch nun hast du vernommen, was mir, unwürdigem Diener + Heute der Herr enthüllt’. Leb’ wohl! Vollbracht ist des Lebens + Weitumirrender Lauf -- er endete, deiner gewärtig. + Denk’ auch mein im Gebeth. Stets sey der Himmel dir gnädig!“ + Sagt’ es, und wankte hinaus, der Klaus’ entgegen. Er warf sich + Dort auf die Knie’, und bethete leis’ mit erblassenden Wangen. + + Aber auch Rudolph lag mit tiefgesunkenem Antlitz + So, daß die stürzende Thrän’ auf die Marmorstufe hinunter + Ihm aus den Wimpern sank, mit hörbarem Laut in der Stille, + Vor dem Altar auf den Knie’n. Sein Dank auf den Fittigen tiefer, + Inniger Andacht flog empor zu dem Vater im Himmel. + Als er den Blick zu dem Bild’ erhob, und das Aug’ auf die Augen + Heftete, die so mild den frommhinwandernden Pilger + Wecken zur Liebe des Sohn’s, da erblaßt’ er betroffen. Ihn dauchte: + Daß sie in himmlischem Glanz’ erglühten, und schaudernder Angst voll, + Wich er zurück vom Altar -- bis jetzt in der Lampe der Lichtdocht + Hell aufflammt’, und sanft, wie zuvor, die Mutter ihn ansah. + + Jetzo rief er Müllern herbei, der draußen im Vorhof + Harrte; legte die Hand ihm fest auf die Schulter, und sagt’ ihm: + „Hole die Waffen schnell: den Degen, den Helm, und den Harnisch; + Auch die Spor’n, die wir mitführeten: leg’ sie in Demuth + Auf den Altar; dann fasse den Speer, die Wache zu halten, + Bis zum Morgen. Ich geh’, ein Weniges draußen zu schlummern.“ + Also geschah’s. Der Knappe ging, und holte, verwundert, + Alles und Jedes herbei; dann faßt’ er den Speer, und erging sich + Dort, gemessenen Schritts, die Wach’ an dem Heiligthum haltend. + Doch als jetzt an des Himmels Rand der erwachende Morgen + Wie der purpurne Kelch der frischentfalteten Rosen + Glühete, hieß der Kaiser sein Volk der kleinen Capelle + Nahen, und dort im Kreis’ umgeben den heiligen Altar. + Anbethend stand er selber vor ihm; dann wandt’ er sich freundlich + Gegen den Kreis; rief laut dem Knappen Müller, und winkt’ ihm, + Niederzuknieen vor Gott auf die Marmorstufe. Den Wammsrock + Nahm er ihm erst von dem Leib’, und umgab mit dem glänzenden Harnisch + Ihm die Brust: er reicht’ ihm die Sporn’ und den trefflichen Degen + Dar mit dem Wehrgehang; bedeckte sein Haupt mit dem Festhelm, + Riß dann schnell das Eisen hervor aus der Scheid’, und begann so: + „Weil du, tapfergesinnt, obgleich als Bürger geboren, + Habsburgs Herrn, der jetzt des heiligen, römischen Reiches + Kaiser sich rühmt, das Leben gerettet, und stets auf dem Schlachtfeld + Ritterlich’ Ehre gewannst durch heldenmütige Thaten: + Will ich dich hier, vor Gottes Altare, den Edeln gesellen. + Aber bedenke denn auch, daß dir hinfort auf des Ritters + Ehrenbahn gezieme, zu schirmen das Recht und die Unschuld; + Schützer zu seyn des zarten Geschlechts in Zucht und in Ehren; + Nie zu meiden den Kampf, in die Schranken durch Edle gefordert; + Nie zu dulden die Schmach, und zu rächen erlittenes Unrecht, + Kräftig und ohne Verzug, so dir’s nicht wehrt das Bewußtseyn: + Hierauf schlag’ ich dich Gott, und Maria, der heiligen Jungfrau, + Auch Sanct Görgen, des Ritters Patron, zu Ehren, zum Ritter.“[8] + Sagt’ es, und führte den Streich + kreuzweis mit dem tönenden Schwertstahl + Ihm die Schulter hinab, erhob den Edeln, und küßt’ ihn. + Laut aufschrie die Schar der Versammelten. Jeglicher staunte, + Forschte zuvor, wohin sich wende das ernste Beginnen? + Doch, nun schüttelt’ ihm jeder die Hand, und lächelt’ ihm Beifall. + + Schon erglühte das zarte Gewölk im lichteren Osten, + Das dem erwachenden Tag das Nahen der herrlichen Sonne + Kündete: sieh’, da führte sein treues Gefolge der Kaiser + Schnell zum ersehneten Alpenrand, wo jetzo die Aussicht + Unermeßlich groß, vor den Augen der Männer sich aufthat! + Aber sie bebten zurück vor freudigem Schreck und Erstaunen: + Erst zur Tiefe hinab, wo auf duftigen Schwingen die Nebel, + Zögernden Flugs, bald hier, bald dort nach entfernteren Thälern + Flatterten, sank ihr Blick. Wie staunt’ er: gewaltige Berghöh’n + Nun zu Hügeln versunken, zu schau’n, und auf jeglichem ringsher + Wiesen, und Ackergründ’, und waldumsäumtes Gehöftland; + Unten am hellen Teich das Gotteshaus, und des Klosters + Riesengebäude; das Thal entlang, an der schimmernden Traisen + Hin, aufwirbelnden Rauch von den Eisenhämmern und Hütten -- Dann + unendlich hinaus vom Gebirg verbreitet die Fluren; + Doch als jetzt aus dem Nebelmeer ihr breiteres Antlitz, + Dunkelgeröthet, die Sonn’ erhob, und ringsum der Erdkreis + Jubelte: reich mit Perlen geschmückt, und begrüßt von den Scharen + Zahlloser Vögel im Wald’, in den Thälern, und hoch in den Lüften, + Wo sich empor unsichtbar schwangen die wirbelnden Lerchen: + Ha, da erglühte die Brust der Männer vor tiefem Entzücken! + Mancher faltete, bethend, die Händ’, und blickte hinunter, + Rings umher, dann himmelwärts, mit Thränen der Wonne. + Keiner hatte zuvor erstiegen die Höh’n, und gesehen + Dorther tausendfaltig besä’t mit schimmernden Städten, + Dörfern, und Klöstern das Land, und hochaufragenden Burgen; + Nur der erhabene Kaiser allein erlabte schon oft sich + Dort an der seligen Schau, und begann jetzt freudigen Blickes: + „Seht, wo nördlich hinaus sich die Straße, wie schimmernde Leinwand, + Dehnt, Sanct-Pölten, die Stadt voll trefflicher Bürger und d’rüben + Herzogburg mit dem Gotteshaus’ im lieblichen Aufeld. + Seht dort links, erbaut auf dem weitgesehenen Berggrath, + Göttweih herrschen im Donauthal, das herrliche Kloster; + Doch, nicht ferne der Burg des Hoheneckers am Wald dort, + Herrlicher Mölk: bewohnt von Benedicts Söhnen die beiden; + D’rauf die Stadt’ auch: Krems, Und, Stein, von Traubengebirgen + Rings umgrünt, an dem Ufer der hellerglänzenden Donau. + Doch, o! wer erspäht’, auch schärferen Blickes, noch jenseits, + Bis zu dem bläulichen Kranz der Karpathen hin, und den Marken + Mährens der Menschen Wohnungen all’ in unendlicher Landschaft? + Seh’t, g’en Westen, den Traunstein dort: er senket den Felsfuß + Tief in den Gmundner See: die Zierde des Oberen-Oestreichs. + Näher erglänzet die Tillisburg, die im ruhigen Thalgrund + Birgt Sanct Florians Stift, das Haus ruhmwürdiger Chorherrn. + Dann erhebt der mächtige Briel, und drüben der Oetscher + Noch das Haupt zum Gewölk, und rings bis zum östlichen Schneeberg, + Der nach der Wiener-Neustadt schaut, der _Immer-Getreuen_,[9] + Sehet ihr Berg’ auf Berge gethürmt, erschütternden Anblicks. + Nur verhüllt uns der Kahlenberg mit seiner Karthause + Wien, die Kaiserstadt, und das weitverbreitete Marchfeld, + Wo jetzt Ottgar lagert, und dort auf blutigen Kampf sinnt; + Doch wir biethen ihm lieber die Hand mit dem friedlichen Oehlzweig, + Als daß er fühle den Schlag der eisernen, niedergeschmettert. + Ha, dieß Bild entschwind’ euch nie, das heute so wonnig + Uns enthüllten die Höh’n des Lilienfelder-Gebirges!“ + + Eiliger wandt’ er jetzt die Schritte zurück, in der Hütte + Noch dem frommen Klausner zu nah’n -- zu vernehmen des Segens + Laute von ihm, und ach, wie ergriff ihn Angst und Entsetzen, + Als er geöffnet die Thür’, und ihn, vor dem Bild des Erlösers + Auf den Knie’n, im Gebeth, mit gesunkenem Haupt und zum Boden + Starrendem Aug’, ersah -- doch stumm, und erblasset im Tod schon! + Lange staunt’ er, bewegt, den Verblichenen an, und enteilte + Dann der Hütt’. In des Augenblicks entschwindendem Zeitraum + Schwangen die Reiter sich all’ in den Sattel, + und trabten ihm, schweigend, + Nach, zum Kloster hinab, wo er, tieferschüttert im Geist noch, + Anbethend, weilt in dem Gotteshaus’, und dann in dem Kreuzgang + Wandelnd, hinauf in das Schlafhaus stieg in der Stunde des Mittags. + Hundert Schritt’ entlang, auf mächtige Säulen gegründet, + Wölbete dreifach die Halle sich auf: nur dämmerndes Zwielicht + Brach durch farbiges Glas der zierlichgestalteten Fenster. + Ernst ergriff ihn das Bild der Vergänglichkeit, als er mit Ehrfurcht + Staunte dem Bau. „Du sollst“, so lispelt’ er leise für sich hin, + „Eiserngefügt, mit Stolz auf die wechselnden Zeiten herabschau’n; + Aber vielleicht, daß nach sechs Jahrhunderten, oder nach sieben + Du in dem Schutte versinkst, wenn dort die prasselnde Flamme + Ueber dir braust, und vergeblich des Wanderers Auge dich suchet!“[10] + + Sieh’, da nahte des Klosters Abt mit den Brüdern, und sagte: + „Herr, du zürnest uns wohl? Wir säumten den Herrscher zu grüßen!“ + Doch der Kaiser begann: „Nicht euere Schuld ist es, wahrlich: + Denn ich schlich gar leise herein, als käm’ ich, ein Späher. + Jetzo gedenkt, Herr Abt, mit sorglicher Liebe zu einen + Staub dem Staub’, aus welchem er kam: die Leiche des Klausners, + Der in dem Herrn entschlief, in der einsamen Hütte der Alphöh’n.“ + „Weh’,“ entgegnete jener bestürzt, „so schwand auch der Segen + Von den Alpen mit ihm: denn seinen erhörten Gebethen + Dankten sie ihr Gedeih’n, und des Segens Fülle die Hirten! + Aber nicht zeitlichen nur, auch ewigen wußt’ er zu spenden. + Liebend brach er das Brot den Großen und Kleinen -- versteht mich + Wohl, erlauchtester Herr: das Brot des göttlichen Wortes, + Das die Seel’ ernährt, und stärket für immer und ewig! + Aber woher er kam; weß’ Landes und Stamm’s er gewesen, + Hat noch keiner enthüllt. Versenkt in düstere Schwermuth, + Kam er in frühester Jugendzeit auf die Alp’, und erbaute + Dort die Capelle, geweiht dem Dienste der seligsten Jungfrau. + Weniges sprach er nur, mit den Worten geizend -- mit Werken + Himmlischen Wohlthuns nicht: ein Heiliger allen verehret. + Morgen wollen wir ihn mit der Seelenmeß’ und dem Bußpsalm + Würdig zur Erde bestatten, und ihm erhöhen den Denkstein.“ + + Jetzo erscholl mit freudigem Ruf Drometengeschmetter + Von dem Wege heran, der Zell’ entgegen -- der Jungfrau + Gnaden-Zelle, führt, wohin, wie der Hirsch nach dem Bronnen + Schmachtet, unzählige Pilger zieh’n mit sehnendem Herzen + Nach dem Segens-Born der göttlichen Huld und Erbarmung. + Hell erglänzte das Aug’ und die Wange des Kaisers. Er eilte + Rasch die Stufen herab: denn Albrecht, sein ältester, kam jetzt + Her aus den rheinischen Gau’n mit tapferen Scharen gezogen. + Laut begrüßt’ er den nahenden Sohn, und both ihm die Hand dar, + Freundlich und mild; doch warm erwiedert’ es dieser, und innig, + Obschon er düstern Gemüths nie lächelte. Siehe, zur Heerschau + Hatt’ er die Krieger in Reihen gestellt! Mit stolzem Vertrauen + Wies er ihm erst fünfhundert aus Zürch, die im Kampfe der Markgraf + Hochberg lenkt; dann jene von Kyburg, Salm und Luzern her: + Dreimal so viel’ an der Zahl, die Nürnbergs tapferer Burggraf, + Friedrich, erkiesend, im Felde beherrscht, und wies ihm dann endlich + Jene, den ersteren gleich an der Zahl, die er selber in Schwabens + Heiteren Gau’n jüngst warb, und jetzo zum Kampf und zum Sieg führt: + Lanzengewaltiges Volk, mit Helmen bewehrt und mit Schilden. + Aber hinab und herauf vor den Reih’n erging sich der Kaiser + Dort mit zögerndem Schritt’. Er sah mit freundlichen Blicken + Jedem Krieger in’s Aug’; erzwang ihm ein Lächeln, und fragt’ ihn: + Wie’s ihm erging seither? -- bei’m Nahmen die Tapferen rufend. + Manchem strich er das rauhe Gesicht mit der Rechten; dem andern + Faßt’ er die Hand, und verhieß ihm des Kampfs Arbeiten die Fülle: + Da er schon alle zuvor im furchtbarn Felde der Waffen + Sah, und erprobte den Muth und die Kraft des einen und andern. + + Jetzo begann der Sohn dem herrschenden Vater zu künden: + Wie er das Kriegsvolk warb in der Heimath -- d’rauf an den Marken + Schwabens vereinte zum Heer’; wie er schnell g’en Ulm an der Donau + Zog, wo zuerst der Strom den breiteren Rücken zur Fahrt beut; + Dann’ in Schiffen herab, durch Bayerns gesegnete Fluren, + Also durch Oestreichs obere Gau’n nach Enns, und gelandet, + Nach Stadt-Steyer geeilt, die am hellerglänzenden Waldstrom + Vielfach den Wand’rer ergetzt durch eisengestaltender Meister + Sinnigen Fleiß, und jetzt unwegsame Schluchten durchirrend, + Kam nach Zell, wo sich an der Gnadenquelle die Krieger + Alle reinten von Schuld, und des himmlischen Brotes genossen. + „Doch,“ so erzählt’ er fort, „wie erhob mich, + nicht ferne dem Ziel mehr, + Heut’ in dem dunkeln Oetscherthal’ ein Wunder der Allmacht! + Vor mir sprang ein flüchtiger Gemsbock fort in des Weges + Krümmungen. Ich, von Jagdlust heiß, verfolgte den Kühnen + Seitab, bis er vom Rand der steilabgleitenden Felswand + Stürzte zur Tiefe hinab, und zerschmetterte dort die Gebein’ all’. + Aber der Rückgang schien auch mir versagt, und ich wand mich + Mühesam nur, die Schluchten entlang, zu lichteren Stellen. + Plötzlich ergriff mein Ohr ein Donnergetümmel: die Felsen + Drönten umher; stets furchtbarer scholl aus der Schlucht, + wie ich nahte, + Stürzender Fluthen Gerausch’, und erfüllte die Thäler mit Schauder. + Doch nun war errungen der Stand. Von des schwindligen Felsens + Schmalvorragendem Riff’ ersah ich, vor freudigem Schrecken + Selber zum Stein erstarrt, des Waldstroms Fall in den Abgrund: + Denn vor mir aufthürmte sich hoch der gespaltene Felsberg + Oben am Rand nur sanft zur Rechten gebogen, und dorther + Stürzt, ein raschvorstürmendes Ungethüm, nieder die Lasing.[11] + Ha, wie Fluth auf Fluth und Wog’ auf Woge sich dränget, + Rastlos; dann, erbebend dem Sturz’, aufheult, und die Stimme + Aller, vereint, zum furchtbarn, schrecklichen Donnergetös’ wird! + Wie sie sich fassen im Flug, mit eh’rnem Geprassel die Klippen + Schlagen, und schäumen vor Wuth; wie sie von dem Felsen herunter + Fort und fort, den jähabrollenden Schnee-Lawinen + Gleich, im kreisenden Schwung sich wälzen, und stürzen, und ewig + Rauschen, und brausen, daß rings die waldigen Höhen erzittern. + Ueber die Berg’ empor, in die hehren Gefilde der Wolken + Fleugt der glänzende Staub zerschellter Gewässer, und dreht sich, + Wirbelnd, im eisigen Hauch des stromgeborenen Windes. + Doch als dort in die Felsenschlucht, am glänzenden Mittag, + Freundlich die Sonne schaut, da haucht sie in vielfacher Wölbung + Hin auf das wirbelnde Naß den siebenfarbigen Bogen, + Der die stürmende Brust mild sänftiget: so wie er Noah + Einst erquickte das Herz, ein Zeichen der hohen Verheißung. + Wahrlich, entzückend schön, und erhebend dem fühlenden Menschen, + Pranget der Lasingfall in Oestreichs hehrem Gebirgsthal!“ + Aber er horchte den Worten des Sohn’s mit Lust, und geboth dann, + Laut, dem Volke zu Fuß und den Reitern den eiligen Aufbruch. + + Staunend ersah’n die Krieger zuvor, an der Seite des Kaisers + Müllern im Ritterschmuck -- den ebenbürtigen Bürger + Zürcher Stadt; sie sah’n es, und lispelten, wiegend das Haupt noch, + Einer dem andern die Frag’ in’s Ohr: „was solches bedeute?“ + Jener gewahrt’ es, und, sich im kreisenden Schwung in den Sattel + Hebend, lenkte den Rappen herbei; dann heischt’ er von Diesem, + Jenem die Rechte zum Gruß, und preßte sie, heiß in der seinen. + Aber da kam, erglühenden Blicks, der Kaiser, und sagte: + „Staunt nicht fürder, daß ihr im Ritterschmucke den Bürger + Euerer Stadt erblickt. Allmänniglich ist es bekannt ja, + Wie er in großer Gefahr mit tapferem Muth mir das Leben + Rettete: d’rum auch werth und würdig des Standes der Edeln; + Aber nicht Müllern nur, auch jeglichem steh’ ich als Schuldner, + Der so, wie er dem Kaiser und Reich sich verdingte: Rudolphus, + Kaiser des Reichs, wird ihm die Schuld mit Wucher bezahlen.“ + Sagt’ es, und schwang sich auf’s wiehernde Roß. Zum freudigen Aufbruch + Scholl die Dromet’, und schnell g’en Wien bewegte der Zug sich. + + Sieh’, in des Abends Grau’n, gewiegt von gaukelnden Lüftchen, + Rauschte das Laub in dem Weidenhain, der nahe den Mauern + Drösings, am Hügel empor sich hob, und im schlängelnden Waldbach, + Längs dem duftenden Thal sich spiegelte! Völlig verhallt war + Nun des Kampfes Getös’ -- erstürmt die Veste. Die Gegner + Wichen, bezwungen, zurück, und Ottgars furchtbare Gattinn + Sah schon stolz auf das Land, das bald (so wähnte sie thöricht) + Oestreichs Aar’ entrissen, dem Leu’n von Böhmen zu Theil wird. + Doch wer ist die holde Gestalt, die, zögernden Schrittes, + Drüben, den Bach entlang, hinwandelt in sinniger Schwermuth? + Hedwig, ihr’ Erzeugte, die Wonne des herrschenden Vaters, + Und der Liebling des Volks, geliebt, und bewundert von allen. + Aber warum erbebt ihr hochgesinnetes Herz nun + Unter der sanftvorwölbenden Brust? Entlockte der Thränen + Hellerglänzendes Paar, das über die rosige Wang’ ihr + Träufelte, tiefverborgener Gram, und die Einsame geht nun + Solches dem spähenden Blick der furchtbarn Mutter zu bergen? + Ach, nicht der Mutter allein -- auch allen den Sterblichen ringsum, + Ja, sich selbst, und sogar dem Allerforscher im Himmel, + Bärge sie gerne den Gram, dem heute die Thränen geflossen! + Doch nun hemmt sie den Schritt. An den Stamm des schattenden Baumes + Stützend den Arm, und pressend die Wang’ in die Höhle der Linken, + Hebt sie das Aug’, voll Himmelsbläu’, empor zu den Sternen. + Seitwärts sank von der hellen Stirn’ ihr des bräunlichen Haupthaars + Ringelnde Meng’, und hing von den Schultern zugleich, und des Nackens + Schöner Säul’ an dem schneeigen Faltengewande hinunter, + Das dicht unter der schwebenden Brust der goldene Gürtel + Lieblich umfing. Nicht kam von den funkelnden Sternen ein Lichtstrahl + Ihr in die grau’numnachtete Brust. Sie starrte, verstummend, + Lange vergeblich empor; doch jetzt mit lispelndem Laut nur, + Und umschauend mit Angst, begann das jammernde Fräulein: + „Ha, vernichtendes Bild -- entsetzlich, und furchtbar, und dennoch + Himmlisch zugleich aufschwebst du vor mir, umgaukelst mich rastlos, + Und bethörst mir den Geist mit tiefverwirrendem Schwindel! + Wallstein -- Gott! Wen nannt’ ich? Sein Nahm’ entriß sich den Lippen + Mir, der Unglücklichen jetzt, und ach, der holdeste Laut wär’s; + Süßer als Harfengetön’ in des Mondlichts freundlichem Schimmer, + Klang’ er mir in dem Ohr’, dürft’ ich ihn nennen -- ich darf nicht! + Glückliche Menschen ihr, die ihr dort in der niedrigen Hütte + Wohnt, wo des Throns augblendender Glanz nicht das Herz von dem Herzen + Trennt, dem ihr’s auf immer geweiht: wie zög ich so freudig + Hin den dunkeln Pfad, der euch beglückend zum Ziel führt! + Weh’, wie sprach ich? Wohin entschwand mir jede Besinnung! + Grünende Matten, du murmelnder Bach, und ihr Sterne da oben + Sagt es nicht, was ihr gehört. Du Mutter des Heiligsten, Besten, + Huldvolle Maid, nah’ mir, der armen Verirrten, zur Rettung! + Billig haßt’ ich ihn. Ha, wie verwegen er jüngst zu den Knie’n mir + Sank -- ich bebte vor Angst, in des Gartens umschattendem Laubgang; + Wie er mir faßte die Hand, an die glühenden Lippen sie pressend, + Bleich aufstarrte zu mir! Nicht soll er fürder mir nahen. + Doch wer eilt im Dunkel daher? Ich stürbe vor ihm jetzt.“ + + Sagt’ es, und wollt’ entflieh’n: da trat ein edeler Ritter, + Schimmernd im tönenden Waffenschmuck’, in der Stille des Abends + Ihr in den Weg, und sprach: „Gönnt mir, holdseliges Fräulein, + Freundlich Gehör! Von Eginhards Geschlechte geboren, + Folg’ ich, ein Rittersmann, der Fahne des Königs von Böhmen, + Eures Erzeugers, und doch, erschrecket nicht, steh’ ich, ein Anwald + Seines Gegners, vor euch. Ich komme, gesendet von Hartmann, + Rudolphs Sohn’, der euch schon lange zum Gatten erwählt ist: + Denn in dem rosigdämmernden Licht unschuldiger Kindheit + Wollten zu eh’lichem Bund’ euch die liebenden Aeltern vereinen, + Ehe des schrecklichen Jammers Grund, die Krone der Kaiser, + Feindlich die Fürsten schied, und her auf das eiserne Schlachtfeld + Zog. Doch hört: mich hob er zuvor mit dem Speer’ aus dem Sattel, + Als ich die flüchtende Schar aus den kühneroberten Mauern + Drosendorfs verfolgt’, und ihn selber bestand auf dem Heerweg. + Aber er schenkte das Leben mir, und die Freiheit -- auf Ritters + Redliches Wort d’rob heischend die Pflicht: + daß ich brächte die Bothschaft + Her, und zurück, wie es euch Bescheid zu geben, genehm ist. + Ach, er hat euch jüngst, so sprach er mit leuchtenden Augen, + Wiedergeseh’n nach Jahren voll Grams, und nimmer entschwindet + Mehr ihm das Bild der holderblüheten Jugendgefährtinn! + Nicht entfloh ihm die Hoffnung noch des ersehneten Friedens. + Mild schlägt Rudolphs Herz: er biethet dem tapferen Ottgar + Freundlich die Hand. Vielleicht, daß bald die gesonderten Krieger, + Die jetzt noch, blutdürstenden Blicks, nach den Lagern hinüber + Schau’n, und, geballt, erheben die Faust: voll dräuenden Ingrimms + Gegen einander zu wüthen bereit, vernehmend des Friedens + Fröhlichdrometenden Ruf, in die Scheid’ ihr blitzendes Eisen + Bergen, und mitten im Feld mit lautem Gejauchz’ sich die Rechten + Schütteln, und ganz vergessen des Grimms in froher Umarmung. + D’rauf zerstreuen sich all’. Auf den stäubenden Straßen erschallet + Sang und Klang. Bekränzt mit grünenden Reisern, enteilen + Sie zur heimischen Flur, um dort in den Blicken der Lieben + Jetzo des Wiedersehn’s erschütternde Wonne zu lesen. + Dann aufdämmert auch ihm, dem euch die liebenden Aeltern + Einst verlobten, der Tag ersehnter, unendlicher Wonne. + Doch so ihn tröge der Hoffnungs-Strahl, und die waltenden Herrscher + Sich bekämpften mit eisernem Trotz’ -- o, hört ihn! Er frägt euch: + Wollt ihr auch dann noch treu dem geschlossenen Bund euch erweisen? + Fromm, und gut ist des Kaisers Erzeugter gesinnt: auf dem Schlachtfeld + Hob sich sein Ruhm, und Deutschlands throngeborene Jungfrau’n + Schau’n mit sehnlichem Blick nach dem herrlichgestalteten Mann hin. + Nur kargt er mit den Worten: es wohnt stets düstere Schwermuth + Ihm auf der Stirn’ -- und im Herzen nach euch unendliche Sehnsucht.“ + Also sprach er, und harrte, bewegt, der entscheidenden Antwort. + + Hedwig sann für sich hin; nach dauerndem Schweigen begann sie: + „Wohl ist Rudolphs trefflicher Sohn, der tapfere Hartmann, + Mir bekannt -- ich ehre den edelgesinnten Jüngling; + Aber getrennt hat uns des Schicksals eherner Rathschluß, + Wandelnd in Haß, und nieversöhnliche Feindschaft der Aeltern + Herzen um uns: ich steh’, entledigt der frühen Verlobung. + Ach, und sollt’ in dem Kampf auch mein Erzeuger dem seinen + Unterliegen, und ich, die Tochter des mächtigen Ottgar, + Dem Europa’s Völker umher sich beugen, voll Ehrfurcht, + Stürzen hinab in den Staub der schmachbelasteten Armuth: + Dennoch würd’ ich nicht Rudolphs Sohn zum Gatten mir kiesen! + Und, da nur ein einziges Wort entscheidet für immer, + Künd’ ihm: ich hätte gewählt -- für den Einen gelobt’ ich zu leben.“ + Also floh ihr das Wort von den zitternden Lippen. Sie wandte + Heim nach der Stadt die furchtbeflügelten Schritt’, und der Ritter + Eilte davon, beschwert mit der trauererregenden Bothschaft. + + + + + Dritter Gesang. + + + Ha, schon lockte der Kampf des Geisterreiches Bewohner + Aus dem übersinnlichen Raum’, und den Tiefen des Erdballs, + Mächtigen Zaubers herbei! Auch _Marbod_,[1] der edele Markmann, + Kam. Nicht im übersinnlichen Raum ergetzte das Licht ihn + Seither: denn er saß, versunken in düstere Schwermuth, + Dort in des Erdballs Schooß wohl zwölf Jahrhunderte lang schon, + Seit er getrennt sich sah von der liebenden Gattinn, Erwine, + Die, in dem Todeskampf’, ihm die Hände mit weinenden Blicken + Reichte zum letzten Mal’, und dann, viel reineren Herzens + Denn ihr Gemahl, empor zu glänzenden Räumen sich aufschwang. + + Marbod herrschte, von Kraft und glühendem Muthe beseelet, + Ueber ein tapferes Volk: Markmannen genannt in den Reihen + Mächtiger Stämme des deutschen Vereins. Von Schwabens Gefilden + Her, die norischen Alpen entlang, Pannonien nahend, + Wo in der Ostmark sich am Ufer der mächtigen Donau + Vindobona erhebt, bis hin zu den Höhen der Heünburg[2] + Schirmten gegen den Feind, im Rücken der Berge, die Marken, + Sie des gemeinsamen Vaterlands, als mannhafte Streiter. + Aber dem schrecklichsten dort, der allzermalmenden Roma, + Ferne zu stehen, und ihm einst kühn zu begegnen im Schlachtfeld, + Zog er nach Bojenheim; verjagte den Gothen-Beherrscher + Katwald; gründete sich ein Reich und die Stadt an der Moldau, + Marobud,[3] und ward gefürchtet umher in den Ländern. + Inguiomar, der Ohm des tapfern, cheruskischen Hermann, + Floh, von diesem gehaßt, zu Marbod. Sie kämpften im Marchfeld + Lange die blutige Schlacht, und es rühmten sich beide des Sieges. + Aber an Hermanns Macht, des glücklichen, schlossen die Scharen + Marbods sich an. Da entriß, mit den Römern verbündet, ihm Katwald, + Stürmend, die Burg Mar’bud, und entthront’ ihn. Ach, er vertraute + Roma’s täuschender Huld, und starb in den Mauern Ravenna’s + Arm -- ein Zeuge des wechselnden Glücks auf irdischer Laufbahn! + Doch nun kam er herauf, und wandte sich rasch nach den Fluren + Oestreichs, das er mit Bojenheim sein nannt’ in der Vorzeit. + Bald gewahrte sein Aug’ auf des Lilienfelder Gebirgs Höh’n + Drüben die Ritterschar blondhaariger Deutschen. Er schwebte + Jetzt in sausender Eile dahin, und so, wie der Geier + Schnell von dem Felsenhorst nach dem dunkeln Thale herabfährt, + Weil er im Laub hellschwirrende Vögel erspähte: so blitzschnell + Fuhr er herab. Er staunte: wie hier die ermüdeten Krieger + Schlummerten; dort, zu dem Bild des Gekreuzigten, einer der Helden + Flehend rang, und ein Greis ihm naht’ in erschütternder Hoheit; + Hörte: wie jenem der Greis der tiefverborgenen Zukunft + Dunkel enthüllt’, und Habsburgs Ruhm mit unzähliger Völker + Glück in seinem Geschlecht verkündete: schauend im Geist dort + Oestreichs Größ’, und in Wonn’ erbebend den hehren Gesichten. + Aber vor allem ergriff des stattlichragenden Herrschers + Näh’ ihn, der, entsprossen aus seinem Stamm’, in des Aargau’s + Thälern die Burge der Ahnen bewohnt’, und von allen gepriesen + Als der Schirmer des Rechts, zum erhabenen Kaiser der Deutschen + Jauchzenden Rufes erwählet ward. „Doch biethet ihm jetzo,“ + Also sagte zuvor der Greis auf den luftigen Alphöh’n, + „Ottgar furchtbarn Kampf, und er soll in dem Waffengefild nur + Dann erringen den Sieg, wenn ihm“ -- welch’ dunkele Reden! -- „In + umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt?“ + Dacht’ es, und eilte, die Heeresmacht des gewaltigen Königs + Drüben am Ufer der March, durchdringenden Blick’s, zu erforschen; + Rudolph helfend zur Seite zu steh’n; in dem Seelenverein ihm + Stets zu erregen das Herz zu ruhmverherrlichten Thaten, + Und zu enthüllen die List auflauernder Feind’ in dem Feldzug. + + Dort, wo im schimmernden Zelt’, umfangen von nächtlichen Schatten, + Ottgar eben, vereint mit den tapferen Helden, zu Rath saß, + Hielt er, schwebend, und sank, wie der Aar, der hoch aus dem Luftraum + Auf die kreischenden Jungen sich senkt, vor dem Zelte herunter; + Doch wie erwachte sein Zorn, als jetzt Drahomira die Recht’ ihm + Lächelnd both, im Wahn: er nah’ als Verbündeter Freund ihr. + Grimmig sah er sie an; sie lächelte wieder, und sagte: + „Ha, nicht hast du die Knie’ vor des Menschen-Sohne gebeugt einst, + Du, in dem Lande der Frei’n Geborener: hast in des Eichwalds + Schauriger Nacht, noch triefend von Blut, geopfert den Göttern -- + Zwar erschuf sie der Wahn, doch hatten wir Schuld an dem Irrwahn + Dort? Jetzt nähr’ ich ihn kühn -- will nie dem stolzen Gewaltspruch + Huldigen. Komm, und stehe mit mir im Bund des Verderbens. + Stark ist mein unbändig Gemüth: dir will ich auf immer + Thatengenossinn seyn auf der Bahn, die Empörung genannt wird + Von dem Beherrscher des All’s. Wir wandeln sie muthig und kühn fort, + Wie er es will, uns fern von des Lichtreichs Gränze verbannend. + Uns vereine das gleiche Geschick und die gleiche Gesinnung: + Ottgar falle besiegt; Kunegund’ sey Herrscherinn! Mir gleich + Trägt sie im Busen ein Herz, voll Kraft, und unbändiger Kühnheit.“ + Aber sie lockt’ ihn umsonst: aus der Bläue der trotzigen Augen, + Die, vom röthlichen Haar umwallt, einst, Gegnern zum Schrecken, + Glüheten, sah er, verachtenden Blicks, auf die Zauberinn nieder; + Wandt’ ihr den Rücken, und fuhr in den Raum des Zeltes herunter: + Denn ihm schwebt’ Erwinens Bild vor den Augen, und Thränen + Trübten sie schnell, da er jetzo, bewegt, der Sanften gedachte. + Doch als sie in dem Kreis’ der Versammelten hier Kunegundens + Herz mit verblendendem Zorn und Haß zu erfüllen bedacht war; + Ottgar selbst, von dem Weib’ empört, dem Herrscher der Deutschen + Grause Vernichtung sann; Verrath in den Mauern der Hauptstadt + Gegen ihn dräuend sich hob, und, „Rache,“ die Losung des Heers war: + Ha, da flog der entrüstete Geist in Eile von dannen! + Eben erglühte das Morgenroth, erneut, wie der Hoffnung + Herzerheiternder Strahl, an dem östlichen Himmel. Er fühlte + Ruh’ in der stürmischen Brust, und schwebte hinan zu den Zinnen + Wiens, wo er bald mit ringsumspähendem Blick im Gebein-Haus, + Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen, + Rüdiger Waldram fand, der dort mit den Bürgern zu Rath saß: + Rudolphs Feinden die Veste noch heut zu verrathen, entschlossen. + „Seht,“ so sprach er, „uns frommt’s des ruhmverherrlichten Ottgars + Herrscherthron zu erhöhen in Oestreichs blühender Hauptstadt. + Wir sind Bürger der Stadt, und erfuhren es all’ in der Wahrheit, + Daß uns Rudolphs Macht, des stolzaufstrebenden Fremdlings, + Schon in dem früheren Völkerkampf nicht zu schirmen vermochte. + Seine Heimath ist fern -- ein Aargau’r bleibt er noch immer. + Flieht den Leu’n im güldenen Feld: _roth_ glüht er vor Ingrimm;[4] + Aber euch sey in dem Purpurfeld der _weiße_[5] willkommen, + Selbst vor dem Doppelaar, den Kaiser Friedrich, der And’re,[6] + Hier zum Wapen uns gab. Nun hört’, ihr Getreuen! Erschallen + Wird vor dem Stubenthor im mitternächtlichen Grauen + Dreimal ein Glöckchen. Es ruft uns zur That: denn kühne Gesellen, + Von dem König der Böhmen gesandt, durcheilen den Wehr-Gang + Außer der Veste, wo ich in Menge die tödlichen Waffen + Heute gehäuft. Wir öffnen das Thor, und, wißt es: verrathen, + Oder errungen im Blut -- uns gleich! wir biethen die Stadt ihm + Morgen zum Unterpfand des jüngstbeschworenen Bundes. + Eilt nun heim, und gedenket des Muths, + und des herrlichsten Lohn’s nur!“ + Schweigend reichten ihm jene die Hand, und eilten von dannen. + + Aber mit Schrecken vernahm den schnöden Verrath an dem Kaiser + Marbod im schwebenden Flug’, und sann, wie er solchen vereitle. + Jetzt entschloß er sich rasch, zu nah’n im warnenden Traumbild + Hugo von Tauffers, dem Greis’ unbändigen Muthes im Schlachtfeld, + Dessen gewaltiger Feldherrnkraft die Veste vertraut war. + Wie sich ein Nebelgewölk hersenkt auf die dämmernden Berghöh’n: + Also nahet’ er ihm, und wies in der Tiefe des Grabens, + Außer dem Stubenthor’, ein Heer von Wölfen: sie folgten + Eilig dem Weidmann nach, der wildanlockenden Köder + Trug in der Hand, und Waldram glich, voll triegender Arglist. + D’rauf durchstürmten sie das eröffnete Thor, und erwürgten + Ringsum Kinder und Greis’, und lautaufheulende Mütter + So, daß das Blut durchwogte die Stadt, wie ein brausender Gießbach, + Der im regnigen Herbst mit schäumenden Fluthen daherfleugt. + Stöhnend entwand sich der Held dem Traum’, und sagte, verwundert: + „Wahrlich, mir führte die Nacht noch nie so klar und lebendig + Gaukelgebilde des Schlafs an der Seele vorüber. Mich dünket, + So ich es recht erwäg’ im Gemüth: ein warnender Traum seys!“ + Und er erhob sich behend’, um die Veste besorgt in dem Herzen. + + Jetzt erscholl ringsher von den hochaufragenden Wällen, + Mächtiger stets Drometengetön’, und unzählige Glocken + Weckten mit ehernem Schall des Volks unendlichen Jubel: + Denn von des Berges Höh’n, wo die Spinnerinn saß an dem Kreuzbild, + Kam Kriegsvolk, und vor ihm der erhabene Kaiser. Die Sonne, + Die sich im rosigen Osten erhob, sog blitzende Strahlen + Aus dem stählernen Kleid der Gewaffneten, herrlich zu schauen! + Rührend zugleich, und herrlicher noch: wie, inmitten des Volkes, + Das entgegen ihm zog, im Geleit zwo lieblicher Töchter, + Agnes und Adelheid, und Hartmann, ihres Erzeugten, + Man die Kaiserinn trug in der Sänfte. Die Mutter der Armen + Hieß sie dem Volk’, und hieß die trefflichste Mutter und Gattinn: + Mild sich bewährend an allen zugleich, ein Engel an Sanftmuth; + Doch sie naht’, abzehrend, des Lebens Ziel’, und auf einmal + Welket sie hin wie die Blume, versengt vom giftigen Mehlthau. + + Draußen in Matzleinsdorf, wo fromme Verehrer ein Standbild + Weihten dem Sankt Florian, dort hob Jahrhunderte lang schon + Eine Linde sich auf, die mächtigen Zweige verbreitend + Rings, und biethend in Sommers Zeit umschattende Kühlung + So dem Pilger zugleich, wie dem schwerarbeitenden Löhner. + Dort geboth er die Rast, und grüßte die nahende Volksschar + Freundlichen Blicks. Doch jetzt, die treffliche Gattinn gewahrend, + Trat er zu ihr, und führte sie sanft zum beschatteten Sitz hin. + Wie ihm die liebende Brust auch blutete, sie an des Lebens + Kraft so erschöpft, und ach, dem Tode verfallen zu schauen; + Dennoch bezwang er den Schmerz, und sah ihr noch heiter in’s Antlitz! + Aber das liebliche Paar der Töchterchen legt’ ihr das Kissen, + Unter den Füßen zurecht, und wand das Tuch ihr mit Sorgfalt, + Um die erschütterte Brust: der dräuenden Kühle gedenkend. + Doch sie sprach zu dem trauten Gemahl, verweisend mit Sanftmuth: + „Gar nicht erwägest du, ach, wie des Vaters die Kinder bedürfen -- + Meiner, der Mutter, nicht mehr: denn schon gewahr’ ich sie mündig + Alle vor mir, und bewahrt, mit Gott, in jeglichem Guten! + Rastlos sucht dein Geist nur Müh’ und Arbeit: die Tag all’ + Schwinden dir hin, und die Nächte, gesammt, in ewigem Streben + Nach dem erkorenen Ziel’, und die Ruh’ erquicket dich nimmer. + Auch bestehst du zu oft und zu kühn die Gefahren, als Herrscher; + Zogst auch jetzo hinauf g’en Lilienfeld in dem Waldthal + Nur mit schwachem Geleit, und leicht wohl hätte die Heimkehr + Dir der Böhme verwehrt, so ein arger Verräther es kund that. + Weh’, und neu entflammt sich der Krieg! Von neuem beginnst du + Wieder den blutigen Lauf, und, ob auch die liebende Gattinn, + Ob die Mutter vergehe vor Angst, und die Kinder, verwaiset, + Schreien nach dir -- umsonst: du kennst, Tollkühner, die Furcht nicht! + Ach, erhob dich die Huld der ewigwaltenden Vorsicht + Nicht auf den Thron, daß du beglückest unzählige Völker; + Führest den Frieden zurück’ in die sturmerschütterten Gauen + Deutschlands, unseres Vaterlands, und erhebest die Ostmark, + Deinem Geschlechte zum Ruhm -- zum Sitz’ unendlichen Segens?“ + Jener entgegnet’ ihr sanft: „Nicht also gedacht, und gesprochen + Hast du, Theure, zuvor in den blühendentfalteten Jahren, + Als in den Kampf dein Held auszog. Du reichtest die Waffen + Selber ihm dort, vom Staub sie reinigend, oder vom Blutrost + Oft mit dem Hauche des Mund’s und den zartgestalteten Fingern, + Und umgürtetest ihn mit dem Schwert, nach ad’liger Sitte. + Zwar dir pochte die Brust, und die rosigerglühenden Lippen + Zitterten ob den Gefahren des Kampfs; doch immer bezwangst du, + Schweigend, die Angst, und theiltest die Freude des kehrenden Siegers: + Denn nicht eitelen Ruhm, nicht schnöden Besitz zu erjagen, + Lag ich draußen im Feld; nie schaffte mein Eisen das Eigen + Armer und Waisen mir heim: nur diese zu schirmen -- zu rächen + Unterdrückung und Schmach der Unschuldigen, zog ich mit Macht aus, + Wie es die Ritterehre geboth. Auch jetzo, gezwungen + Nur, entreiß’ ich das Schwert der rostenden Scheide. Des Friedens + Bothen, erhaben an Rang und Verdienst, entsandt’ ich in’s Lager + Ottgars erst: wohl mir, so er beiden ein günstiges Ohr leiht! + Doch so er taub verschmäht den ein- und den anderen: dann sey + Gott befohlen mein Haupt. Ich muß ja leben, und sterben, + Wie es der Völker Wohl und des Herrschers heilige Pflicht heischt. + Mög’ er Tröster dir seyn, und das Leben noch lange dir fristen + Mir zur Freud’, und den Kindern zum Glück’, auf immer und ewig!“ + Jetzo erhob er sich rasch von der steinernen Bank mit der Gattinn; + Winkt’, und reicht’ ihr, zum Scheiden, die Hand. + Durch quellende Zähren + Sah’n sie lang’ einander in’s Aug’: die Zitternde sank ihm + Dann, voll Hast, an die Brust, und küßte das pochende Herz ihm. + Angst ergriff das Volk, und ihr’ Erzeugten verhüllten, + Weinend, das Aug’: sie kehrete heim nach der einsamen Hofburg. + Ach, nicht sieht er sie mehr, die holde Geliebte der Jugend, + Nicht die erlesenste Gattinn mehr, nicht die beste der Mütter: + Denn ihr Lebenslicht soll nun, wie die Lampe verlöschen, + Die, des Oehles beraubt, nur matt aufflimmert noch einmal! + + D’rauf an der Wien, die träg in den buschigen Ufern sich fortwälzt, + Führt’ er die Heerschar schnell den Mauern der Veste vorüber: + Denn nicht wollt’ er die Burg in den Tagen des Kampfes beschreiten, + Wählend das Zelt zur Wohnung im Kreise der tapferen Krieger. + Außer dem Stubenthor naht’ ihm mit eilenden Schritten + Hugo von Tauffers, er, des treuen, tyrolischen Berglands + Heldensohn, der, jüngst erkoren zum Schirmer der Festung + Tausend trefflichen Schützen geboth, die er warb in der Heimath. + „Herr,“ so sprach er ihm leis’ in das Ohr, „nicht wollest du Hugo’s, + Deines Getreu’n, der lange, fürwahr, den Schuhen des Jünglings + Schon entwuchs, jetzt höhnen, als aberwitzigen Träumers! + Wohl ist des Menschen Geschick, zu spielen als Kind an dem Morgen; + D’rauf an dem Mittag ernst zu wandeln als Mann, -- wie ein Kind fast + Sich zu geberden als Greis, an dem Abend des wechselnden Lebens; + Doch, getrost: noch sitzet das Haupt mir fest auf den Schultern; + Schaue noch scharf in die Fern’, und mir entgehet der Laut nicht, + Der zu Thaten mich ruft im rühmlichen Felde der Waffen! + So verkünd’ ich dir jetzt, wie heute am dämmernden Morgen + Mir ein Wundertraum das Geheimniß enthüllte, daß Gegner + Drinnen im Schooße der Stadt gehägt, gleich giftigen Nattern, + Sinnen auf Mord und Verrath. Ich sah an dem heimlichen Wehr-Gang, + Der, verborgen im dichten Gesträuch, vom Ufer der Donau, + Vielverschlungenen Zugs, zu dem inneren Graben heraufführt, + Listigeröffnet die Thür’, und gehäuft unzählig die Waffen: + Sie zu vertrau’n der würgenden Faust verruchter Gesellen. + Auch entnahm ich zuvor aus dunkelen Zeilen, daß Waldram, + Gestern um Mitternacht Rath hielt im grausen Gebeinhaus + Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen. + Solches erwäg’, o Herr, und begegne dem schnöden Verrath jetzt!“ + „Horch,“ so gab ihm der Kaiser zurück, „der Huth in der Festung + Eine sich hier die Schar zweitausend gewaltiger Schweizer + Heute noch, die, so heiß’ es, erschlaffte die dauernde Heersfahrt! + Hartmanns Muthe vertraut sey dann die Vest’ und die Hofburg; + Doch du schwinge dich hurtig auf’s Roß, und reite g’en Theben, + Wo schon Ladislav, mit der Krone des heiligen Königs + Jüngst geschmückt, als Freund und verbündeter Kriegesgenosse, + Unser mit Sehnsucht harrt im Kreise der tapfer’n Magyaren. + Ihm entbiethe denn unsern Gruß: er solle bereit steh’n, + Bis von dem Kahlenberg’, in dem mitternächtlichen Grauen + Hoch die Lohe sich hebt: des Kampfs bedeutender Wink; dann + Eil’ er herüber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge + Sie in dem trocknen Geröhr’, an dem Weidenbache vor Marchek. + Auch ich werde nicht fern mehr seyn, und ihm einen die Scharen + Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“ + Hugo vernahm das Wort -- nicht zweimal braucht’ er’s zu hören: + Denn er hob sich, behend’, im kreisenden Schwung in den Sattel, + Jagte davon -- ihm nach der rüstige Knapp’, und in Säulen + Hob sich der Staub empor in die Luft vom schimmernden Heerweg. + + Doch nun theilten die Schützen Tyrols mit den tapferen Schweizern + Wiens ruhmwürdige Huth, wie solches der Kaiser gebothen, + Der das Schwert von der Hüfte sich nahm, und dem tapferen Hartmann, + Seinem Erzeugten, es gab mit sanftermahnenden Worten: + „Deinem Muthe vertraut sey jetzo die Burg und die Festung + Wiens, der herrlichen Stadt. Ein rettender Schild der Bedrängten + Mögest du seyn, und den Ruhm von deinem Geschlechte bewahren, + Das von der Habsburg kam, und Oestreich, liebend, zur Heimath + Sich erkor: ihr Glück auf immer zu gründen, entschlossen!“ + Sagt’ es, und Hartmann trat mit schweigendem Ernst in die Vest’ ein, + Dort zu gebiethen der Schar wallschirmender, muthiger Völker. + Trauer umwölkte sein stilles Gemüth. Von den Sterblichen einer, + Die, durch Prüfung bewährt, des Herrn verborgener Rathschluß + Wandeln heißt auf der Dornenbahn in die ewige Heimath, + Wuchs er in Schwermuth auf. Den Gegnern gefürchtet im Schlachtfeld, + Und von Jeglichem ob des Wissens Reichthum bewundert, + War er der Aeltern Stolz, und die Freude der edelsten Menschen; + Doch mißlang ihm oft sein Müh’n und Streben, und ach, erst + Kündet’ ihm Eginhard des stolzgesinneten Fräuleins + Liebeverschmähendes Wort. Er hielt sich die Brust mit der Rechten, + Wo das Herz empörter ihm schlug, und sah zu dem Himmel + Düsteren Blicks, empor; doch bald bezwang er sich wieder: + Mit Ergebung vor Gott, und den Menschen zu wandeln, entschlossen. + Jetzt, so hoch ihn der Ruf des Heldenvaters auch ehrte, + Inner den ragenden Mauern Wiens dem Feinde zu trotzen, + Und zu entreißen den Sieg, nicht weckt’ er ihm Freud’ in dem Herzen: + Denn ihn hieß auf den Kahlenberg zur stillen Karthause + Pilgern ein frommes Gelübd’, und, wie es nun lösen? + -- nicht wußt’ er’s. + + Aber es zog auf der Brücke dort, die, einigend Leupold’s + Außen- und Inselstadt[7] mit dem Land’ und der Vest’, + in dem Grund fußt, + Eilig der stattliche Kaiser einher vor den muthigen Scharen. + Schmal, und getrennt von dem Riesenarm der herrschenden Donau, + Wogt in der Tiefe der Strom, und umfaßt ein mächtiges Eiland, + Das im Schooße die Außenstadt und umschattende Auen + Lieblich vereint, zur Lust des wandelnden Städtebewohners. + D’rauf im Eilschritt ritt er hinaus auf den schwankenden Bohlen, + Wo auf dem Riesenstrom sich die Fähren an Fähren, im Halbkreis + Reihten, dem wachsenden Mond’ an dem Sternenhimmel nicht ungleich, + Wenn er auf dunkeles Nebelgewölk im Westen hinabsinkt. + Angelangt an der Spitze, vom Tabor hinaus, wo im Aufeld + Links an der Straß’, und rechts sein Heer das Lager bezogen, + Sah er zum Ehrenempfang die Scharen geordnet, und winkte + Beifall den Amtnern[8] zugleich, und den muthbegeisterten Kriegern: + Denn schon hob sich ihr Freuden-Geschrei die Reihen hinunter, + Endlosdauernd im Ruf: „Hoch lebe der Kaiser Rudolphus!“ + + Allen voran stand dort der Hauf’ östreichischer Krieger, + Ober’n und unteren Lands; die letzteren führte Capellen, + Jene Dietrichstein in das Feld: zehntausend der Männer, + Die mit dem Panzerhemd, mit dem Helm’, und dem Schilde bewehret, + Kämpfend zu Fuß, aufschwangen im Feld die tödlichen Lanzen. + Aber das muthige Volk der Steyrer, der Krainer, und Kärnthner + Stand an jene gereiht, und, wahrt’ auch der Helm nicht das Haupt ihm, + Nicht der eiserne Harnisch die Brust; doch würd’ es, den Degen + Schwingend, durchbrechen im Sturm, + und erringen den blutigen Kampfpreis. + Pfannberg, Meinhard, und Ortenburg die untad’ligen Feldherrn, + Riefen die Völker in’s Feld: dreitausend erlesene Reiter. + Auch der Schweizer gewaltiges Volk, und der heiteren Schwaben + Heldenschar stand dort, gesellet der lagernden Heersmacht; + Dies’ empörte zur Schlacht der Burggraf, Friedrich von Nürnberg, + Rudolphs Schwestersohn, und ein tapferer Degen im Schlachtfeld, + Albrecht jene, der edele Sohn des edelsten Kaisers; + Doch den beiden vereinten sich noch tyrolische Schützen, + Die, gerufen erst jüngst aus den Thälern der Heimath, die Armbrust + Auf der Schulter -- die Pfeil’, im Bündel geschnürt, auf dem Rücken + Trugen; umspähenden Blicks, wie dem Wild’ auf der Fährte die Jäger, + Fernhin sah’n, und, kühn, nicht in Stahl und Eisen sich hüllten. + Tauffers war ihr Hort im Gewühle der Schlachten. Er flog jetzt + Unaufhaltsam dahin, des Kaisers erlesener Herold. + + Sieh’, und schon gewahrt’ er das Ziel! Die sinkende Sonne + Stand an dem Abendthor’, umhüllt von rosigem Schimmer. + Heller glüht’ ihr scheidender Blick; ihr goldenes Haupthaar + Flammt’ empor, da in hehrem Glanz sie noch einmal herüber + Winkt’ ihr Lebewohl! dem sanft entschlummerten Erdkreis. + Aber die Kühlung sank auf den Fittigen schmeichelnder Lüftchen + Leise herab, und erquickte die schweraufathmende Schöpfung. + Jetzt vollbrachte den Ritt sein feuriger Renner; es flogen + Dampfend und triefend von Schweiß ihm die Seiten; + der Hals und der Rücken + Schäumt’, und ihm wankten die Füß’, + da er stand vor dem Zelte des Königs. + + Dort den Hügel empor, wo jetzt nur Trümmer des Schlosses + Weitumkreisenden Hof bezeichneten, das in der Vorzeit + Herrschend hinuntersah auf das Land, aus dem in die Donau + Drüben die March sich ergießt, und, von ihren gewaltigen Fluthen + Stolz zurückgedrängt, seegleich bedecket die Fluren: + Dort, auf Pfähle gespannt, erhoben sich tausend und tausend + Schimmernde Zelte des Volks der Kumanier und der Magyaren.[9] + Jene rühmten sich gleichen Geschlechts und Ursprungs mit diesen; + Doch der edlere Stamm der ahnenstolzen Magyaren + Hielt Jahrhunderte schon, aus Scythiens grasiger Steppe + Kommend (Tanfu, Zuard, Lehel, und der tapfere Almus, + Waren die Führer des Volks) Pannoniens herrliche Fluren + Im Besitz’, errungen im Sieg ruhmdürstender Ahnen. + Jüngst erst kam der Kune heran, dem wilden Tartaren + Folgend im Schreckenszug, und, als er, verwilderter heimzog,[10] + Nach entsetzlichem Mord’ und Gewürg’ unzähliger Christen, + Blieb er im Lande zurück: inmitten der Theyß und der Donau, + Sich erwählend ein Sandgefild zum dauernden Wohnsitz, + Welches der Steppe gleich, unendlicher Fläche sich ausdehnt, + Und Kumanien heißt. Ihn nennt der Unger den Kun nur. + Eisern hielt er noch fest an der Sitte der Heimath; auch Götzen + Dienet’ er, so vermengend das Wort der ewigen Wahrheit + Mit entehrendem Wahn: denn kaum erkannte des Heilands + Rettenden Weg sein Geist, und roh bewahrt’ er das Herz noch. + Aber entsetzlich wüthet der grimmige Kun’ in der Feldschlacht. + Ordnungslos, bald links, bald rechts sich wendend, im Eilflug, + Braus’t er heran wie der Sturm. Er schnellt von dem tönenden Bogen + Durch die heulende Luft den befiederten Pfeil, und verfehlt nie, + So er den Gegner in’s Auge gefaßt, in die Brust ihn zu treffen. + Aber von diesem bedrängt, entflieht, und kehret er wieder, + Listengeübt; läßt oft dem fliehenden Rosse den Zügel; + Wendet sich hurtig im Sattel herum, und schleudert des Tschakans + Eisengewichtige Last dem Nahenden mächtig entgegen. + Sieh’, und hatt’ er ihn etwa verfehlt, da setzt er sich wieder + Rasch, im Schwunge, zurecht in dem Sattel; ergreifet die Zügel; + Lenkt im kreisenden Lauf mit eisernem Drucke der Schenkel + Eilig den Renner heran, und so der entflogenen Waffe + Nahend, schwebt er mit einem Fuß noch im Riemen des Bügels; + Beugt sich nieder im Flug’, und hebt sie empor von dem Boden, + Ehe der Feind sich gestellt, und des Fliehenden Jauchzen vernommen. + + Dort schwang Hugo sich jetzt mit forschendem Blick’ aus dem Sattel, + Und vertraute das Roß dem redlichen Knappen zur Pfleg’ an. + Fernher scholl an sein Ohr des Lagers Getöse: dem Meersturm + Gleich, der himmelan braus’t, erfüllt’ ein dumpfes Gemurmel + Drüben die Nacht. Stets glühender schien der wolkige Himmel + Ueber dem Lager, erhellt von unzählbarlodernden Feuern. + Dorther kam auftobender Männer Geschrei, und der Weiber + Lautes Kreischen, vermengt dem Gebrüll’ + und dem Wiehern des Lastthiers: + Denn von den Zelten hinaus umgrasete rings in dem Blachfeld + Breitgehörnetes Rind und der Ross’ unendliche Mehrzahl, + Die nur klein von Gestalt, und unscheinbar dünken dem Fremdling, + Aber, von feurigem Muth’ erfüllt, und dauernder Kraft voll, + Tragen den Reiter so schnell wie der Blitz an den Feind, und erretten + Oft ihn im Schlachtengemeng, schnellfüßig zum Sprung und zum Laufen. + Also lagerten hier die Kumanier. Doch in des Heeres + Rücken ruhte das Reitervolk der edelen Ungern, + Kummererfüllt: denn Ladislav, der König, erkor sich + Jene zu Lieblingen, so der Ahnenehre vergessend. + + Als nun Hugo dem Zelt des Königes nahte, vermeint’ er, + Zithergetöne zu hören; ihm schien: kumanische Mädchen + Sangen dazu, nach Heidenbrauch, unziemliche Weisen. + Ach, und so war’s! Doch bald verstummte der Sang und die Zither, + Als der Fremdling, in Eisen gehüllt, ihm näher getreten. + All’ erhoben sich schnell von dem Boden -- die bärtigen Männer + Und die rosigen Mädchen, und jetzt der fürstliche Jüngling, + Anmuthstrahlenden Blicks, an dem Haupte von bräunlichen Haaren + Lieblich umlockt, voll Jugendkraft und blühender Schönheit. + Aber er stand verwirrt, und wußte nicht, wie er beginne, + Bis er sich wieder ermannt’, und d’rauf mit kräftigem Laut rief: + „Sprich: weß’ Landes du bist, o Fremdling? Triegt uns die Ahnung + Nicht, so kommst du gesandt von dem Kaiser der Deutschen, Rudolphus, + Der uns vielleicht des Saumsals zeiht, und unrühmlicher Trägheit, + Weil wir ruhen dahier, bei Saitenspiel und Gesängen + Uns ergetzend, und sein’, des feindbedrängten nicht achten? + Doch wir harreten nur des Winks, den er uns verheißen, + Und gedenken, ihm treu und redlich zu Hülfe zu stehen!“ + Hugo beugte das Haupt, und sagte mit edelem Anstand: + „Herr, du ahnetest recht! Hier steht des Kaisers Gesandter, + Hugo von Tauffers genannt, vor dir, und, wahrlich, ein Krieger, + Seit er der Schul’ entlief: ein Taug’nichts ist er am Schreibtisch! + Aber nicht rostete noch in der Scheide sein trefflicher Degen; + Gerne stellt er sich ein, wo es gilt ihm Ruhm zu gewinnen, + Und hoch ehrt ihn die Sendung auch jetzt: denn Wichtiges soll er + Dir kund thun; doch, Herr, verzeih’ -- in dieser Gesellschaft?“ + Sagt’ es, und lächelte fast; der König entgegnete leiser: + „Ritter, mir scheint dein lächelndstrafendes Auge zu sagen, + Was dem Könige ziemt, was nicht! Erfahrenes Alter + Richtet streng; doch sieh’, noch blüht mir der fröhlichen Jugend + Rosenhain, und ich wandle in ihm mit heiterem Sinn fort; + Weile so gerne dahier im Kreis’ des unschuldigen Volkes, + Das, von der Urzeit her die ererbeten Sitten bewahrend, + Frei, die Fessel nicht kennt, die uns engt im verfeinerten Leben! + Aber tritt in mein Zelt, und vergnüge dein Herz an dem Spätmahl, + Das ich dir biethe nach Lagers Brauch; dann will ich dich hören.“ + + Eilig traten sie ein. Die finsteren Scharengebiether + Folgten dem Könige nach, und setzten sich rings um den Tisch her, + Sonder Ordnung, noch Wahl. In zottige Pelze gehüllet, + Sah’n sie stolz aus den tiefvergrabenen Augen dem Fremdling + Jetzt in das heitre Gesicht, und strichen den Bart an der Lippe. + Bald erschienen im Zelt’ auch die rosigblühenden Mädchen, + Tragend in Körben Pferdfleisch auf, das unter dem Sattel + Barg der Reiter, und dann hinflog, bis solches im Ritte + Heiß geworden, und mürb’, des Volks ersehntes Gericht war; + Auch gebratenes Fleisch vließtragender Lämmer, mit Knoblauch + Vielgewürzt; dann Brot aus dem feinsten Mehle gebacken, + Hochgewölbet und weiß, nach Art magyarischer Backkunst, + Und die mächtigen Krüge, gefüllt mit den edelsten Weinen. + Alle schmaus’ten nach Lust; doch Hugo verschmähte des Kunen + Lieblingsgericht -- nicht des Weins, + des trefflichen, schonend: unendlich + Gab er bei Humpen Bescheid, und blieb stets seiner noch Meister. + + Siehe, von neuem erscholl der Zither Getön’, und der Herrscher + Mahnte die Männer und Mädchen zum Tanz’, dem Gaste zu Ehren! + Jene stellten sich ernsten Blicks, dem König gehorchend, + Draußen in Doppelreih’n, und hoben den werbenden Tanz an, + Der in das Feld den Jüngling ruft, und Gefühle der Wehmuth, + Ihm in der Brust aufregt, an die Zeiten der Väter ihn mahnend, + Mit wehklagenden, tief das Herz bestürmenden Weisen. + Aber sie schlugen die Hand an die Hand, und die Sporn’ an die Spornen; + Stampften zugleich, rasch hin und daher sich wendend, den Boden; + Stöhnend vor Lust, und ihr Aug’ erfüllten oft schimmernde Thränen, + Plötzlich geweckt von dem Sturm der empörten Herzensempfindung. + Doch als d’rauf zu dem Wechseltanz der erfahrene Künstler + Rasch in die Saiten griff, mit dem Fuße der schnelleren Weisen + Zeitmaß schlug: da faßte die Tänzerinn jeglicher Tänzer + Um den blühenden Leib, und schwang sie umher an der Stelle, + Bald mit dem linken, und bald mit dem rechten Arme sie drehend + Fort im verengenden Kreis’. Dann riß er sich wieder von ihr los; + Hüpfte schnell vor ihr hin, und schlug die klingenden Spornen, + Jauchzend, zusammen, und schlug die Wade mit wechselnden Händen. + Aber sie folgt’ ihm entfernt. Die Recht’ an die Seite sich stemmend, + Hielt sie die Schürze am Saum’ sich stolz vom Leib’ mit der Linken, + Wandte sich links und rechts, mit niedlichen Sprüngen, und mied ihn + Scheinbar, bis sie, ersehnt, urschnell in die Arme des Tänzers + Flog, und von neuem das Paar in schwindelnden Kreisen sich drehte. + Doch nun winkte der König zum Schluß: die Saiten verstummten; + Hoch erhob der Tänzer die Tänzerinn noch, und entließ sie; + Kam dann, triefend von Schweiß, und setzte sich wieder zum Tisch hin. + Jene entfloh’n, und der König sprach, mildlächelnd, zu Hugo: + „Ritter, du hast magyarische Tänze geseh’n, und ergetzet + Dich bei’m fröhlichen Mahl’, obgleich du ein nüchterner Gast bist! + Nun ersehnte mein Geist zu vernehmen, wie Kaiser Rudolphus, + Unser Bundesgenoß’ und Freund, zum Throne gelangt ist -- + Er, einst Habsburgs Graf? Doch künde zuvor uns die Abkunft + Und die muthigen Thaten des huldbeseligten Herrschers, + Die mit unsterblichem Ruhm’ ihm zieren die Stirne. Der Morgen + Graut: bald steht ihm Ungerns Macht zu Geboth’ in der Feldschlacht.“ + „Zwar verweigerst du noch,“ so entgegnete jener, „des Kaisers + Herold’ ein willig Gehör, und lullst ihn bei Tänzen und Mahlen, + Zaubernd, ein, daß er ganz vergesse der wichtigen Sendung. + Aber, weil dich verlangt, von meines erlauchten Gebiethers + Abkunft, Muth und Heldenkraft, die Carol des Großen + Glänzenden Thron ihm errang, zu hören, so will ich mich fügen + In Geduld, und harren: es gilt ja die Ehre des Kaisers!“ + + „Wisse demnach! Stolz hebt sich vom Fels die mächtige Habsburg + Aus umdämmerndem Wald, an der Aar in die bläuliche Luft auf. + Dort, so kündet die Sag’, erschien in grauender Vorzeit + Rudolphs edles Geschlecht, aus fränkischem Stamm, und erbaute + Jene, wie auch Aarburg, und Brugg, die gewaltigen Vesten. + Aber vor allen hieß die „Herrliche“ jene von Habsburg: + Denn mildherzige That an den Dürftigen, eisernes Schirmrecht + Gegen die freche Gewalt des Unterdrückers der Schwachen, + Uebten aus ihr, gebührend, die weitgerühmten Gebiether. + Dort erwuchs, entflammt von dem Ruhm gefeierter Ahnen, + Rudolph, Albrechts Sohn, des Weisen, und Hedwig, der Frommen, + Lernend durch Gottesfurcht und Weisheit frühe des Lebens + Höchstes Glück in der eigenen Brust zu gründen für immer. + Doch wo wäre Beginn und Ende? so Alles und Jedes + Ich dir kündete: wie an den Hof ihn Friedrich, der Kaiser, + Der zu der heiligen Tauf’, als Path’ ihn führte, gerufen, + Daß er ihn lehrte mit Rittersmuth nach rühmlichen Thaten + Streben; wie er im sicilischen Krieg’, und in jenem von Oestreich, + Gegen den Streitbar’n focht, und miterstürmte die Stadt Wien, + Die, vor allen beglückt, ihn einst als Herrscher begrüßet; + D’rauf in der Ahnen-Burg[11] zugleich mit dem Vater das Kreuz nahm; + Nach dem Gelobten-Land, die Feinde des Kreuzes bekämpfend, + Wallete; dort den Vater begrub, und, als er zur Habsburg + Heimzog, freudig zu eh’lichem Bund sich Annen erkies’te, + Hochbergs Kind, voll Huld, und die tugendreichste der Frauen -- + Auch, allmänniglich werth, ein trefflicher Ritter und Herr war. + Wohl gebräch’ es mir auch an der Zeit und an Odem, geziemend + Nun zu schildern die sieg- und ruhmverherrlichten Krieg’ all’, + Die er geführt in den zweimal eilf unseligen Jahren, + Wo das verwaisete Reich nach Friedrichs Tode, des Kaisers, + Voll von Mord und Plünderung war, da in grauser Verwild’rung + Aus der thürmenden Burg ein jeglicher Ritter, nach Willkühr + Schaltend, Sitten, Gesetz’, und allem Heiligen Hohn sprach; + Wie er beschirmte das Recht und die Unschuld stets, und das Banner + Habsburgs ward dem Schwachen zum Trost’, + und den Räubern zum Schrecken. + Aber vernimm dieß einzige nur, wie kühn, wie entschlossen, + Und wie edel er ist! Ihm stand der Abt zu Sanct-Gallen, + Der, ein Falkensteiner, das Schwert und den hirtlichen Krummstab + Kundig zu führen gelernt, gar feindlich entgegen; sie quälten + Tapfer sich ab. Da brach sein Zorn auf die Baseler Bürger + Los, die ihm, wildempört, erschlugen die Freund’ und Verwandten: + Denn mit wenigen Reisigen hielt er still vor den Thoren + Wyls, des Städtchens, und heischte noch Einlaß dort zu dem Stiftsabt, + Der bei dem nächtlichen Imbiß saß, und, erstaunet, ihn ansah. + Aber er both ihm die Hand, und sprach: „Daß ich also zu dir kam, + Diene zum Zeichen dir: ich achte dich, redlichgesinnet, + Wie ich es bin, und vertraue dir kühn so Leben und Freiheit. + Höre, viel besser wär’s, daß wir uns in Rechten vertrügen, + Heute noch; dann die Waffen vereint, nach den Baselern kehrten, + Die mir erschlugen die Freund’, und erwürgten die theuern Verwandten!“ + Also geschah’s: sie schmaus’ten versöhnt. Am kommenden Abend + Zogen sie rasch auf die Baseler los, und fürchterlich brannt’ es + Bald von der Stadt auf; bald versöhnete Blut die Erschlag’nen, + Und die Gegner umfing der Friede mit traulichen Armen. + D’rauf durchschwamm er die Furt, die noch „habsburger“ im Land dort + Heißet, des mächtigen Rheins mit reisigem Volk’, und erstürmte + Breisach kühn, mit dem Stahl in der Faust, ein trefflicher Stürmer!“ + + Laut aufjubelten jetzt die Kumanier, preisend des Ritters + Heldenmuth, und, ergreifend, voll Hast, den irdenen Weinkrug, + Der vor jeglichem stand, mit edelem Moste gefüllet, + Leerten sie ihn bis zum Boden hinab auf seine Gesundheit + Aus, auf einen Zug: daß ihr Haupt mit dem steigenden Weinkrug + Weit zurücke sich bog, und stellten ihn dann auf den Tisch dort + Nieder mit ohrerschütterndem Schlag. Doch wieder begann er: + „Also erscholl sein Ruhm zu den fernentlegensten Ländern + So, daß der Böhmen-König sogar, der jetzt in dem Feld uns + Biethet die Fehd’ auf Leben und Tod, mit schimmernder Goldschrift + Ihn an den Hof zu sich lud, und zum Marschalk, ehrend, ernannte. + Ha, nicht reut’ ihn die Wahl! Er focht ihm zur Seite mit Siegsruhm, + Gegen die Heiden im Preußenland’, und errang ihm den Lorber + Auch im Vernichtungskampf g’en Bela’s schreckliche Heersmacht. + D’rum kein Wunder, daß er, nach dem Wink der erbarmenden Vorsicht, + Die des gemeinsamen Vaterlands unendlichem Jammer + Setzen wollt’ ein Ziel, von den _sieben_ glänzenden Sternen + Unser’s heiligen Reichs zur herrschenden Sonne gewählt ward: + Daß er im goldenen Schmuck der Kaiserkrone des Segens + Strahlen über die Gau’n des deutschen Landes versende. + Sieh’ er lag vor Basel mit Macht; da brachte die Bothschaft + Ihm der Pappenheimer! Er stand, und wankt’, und besann sich; + Aber, auf Gott vertrauend, geboth ihm das Herz in dem Busen + Freudigen Muth. Er ging, und bald vereinte der Krönung + Allerfreuendes Fest die Völker der Deutschen zu Aachen. + Dort heischt’ er, im Dome gekrönt, den Eid von den Fürsten: + Daß sie verschafften nach _Recht_ + dem heiligen, römischen Reich’ jetzt, + Was ihm die Faust entriß.[12] Sie ersannen, zaudernd, die Ausflucht: + „Noch vermiss’ er zum Königseid’ den Zepter der Ahnen.“ + Doch er wandte sich schnell; hob selbst das Kreuz von dem Altar; + Hielt es empor, und rief: „Wer kennt ein schöneres Zeichen, + Kraft zu verleihen dem Eid’, denn dieses, woran der Erlöser + Sterbend hing, und uns errettete, heilig und wahrhaft?“ + Und sie schwuren darauf: erbebend dem herrschenden Manne, + Der so kräftig gesprochen -- so fest- und so muthiggesinnt war. + Dir, und manniglich ist es bekannt, wie der Kaiser, Rudolphus, + Redlich gehalten sein Wort, und treu gelöset den Schwur hat: + Bannend den Uebermuth, und des Faustrechts wildes Gewaltreich + Muthig aus Deutschlands Gau’n -- + an Leib und an Seel’, er, ein Deutscher, + Der bald unserer geist- und herzerhebenden Sprach’ auch + Sinnig zu Ehren half: in den Kanzeleien den Vorzug + Ihr vor dem todten Latein, dem schwerverständlichen, gönnend.[13] + Also geschah es, daß, dankerfüllt, ein jegliches Herz ihm + Huldigte: denn ihm zürnet allein der König der Böhmen, + Weil er, thörichten Sinns, die Kaiserkrone verschmähend, + Sie auf dem Haupte des Mannes sah, der einst ihm als Marschalk + Dienete. Doch umsonst bestürmt er die Erd’ und den Himmel, + Sie zu entreißen dem Haupt, dem Gott sie gegeben, zum Segen + Gegenwärtiger Zeit und endlos dauernder Zukunft. + Ha, schon winket das Morgenroth! So höre mit Huld nun, + Was mein Kaiser und Herr zum freundlichen Gruß dir entbiethet: + Wenn von dem Kahlenberg in dem mitternächtlichen Grauen + Hoch die Loh’ auffleugt: dann eil’ aus dem schirmenden Lager + Schnell hinüber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge + Sie in dem trocknen Geröhr’ an dem Weidenbache bei Marcheck: + Denn auch er wird also dir nah’n, und die Hände dir reichen + Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“ + Und er erhob sich nun, schnell heimzukehren, entschlossen. + + Glühenden Blickes sah aus dem schimmernden Thore des Morgens + Nach dem Zelteingang die Sonne herüber, und hauchte + Hüpfende Funken in’s bleiche Gesicht der schläfrigen Krieger, + Die um den König herum sich lagerten. Aber er hob jetzt, + Stillhinbrütend, vom Stuhle sich auf. Zur glänzenden Heerschau + Dacht’ er zu wecken sein Volk, dem scheidenden Fremdling zum Staunen. + „Gern,“ so entgegnet’ er, „will ich mich ganz dem Winke des Kaisers + Fügen, und eilen in’s Feld, sein redlicher Bundesgenosse; + Aber nicht wollest du scheiden zuvor, eh’ dir nicht zur Heerschau + Draußen mein Volk sich wies: nicht soll sich’s lange verziehen.“ + Sagt’ es; riß sich das Schwert von der Hüft’, und schlug in die Tafel + Dann mit der Klinge so stark, daß die ird’nen Gefäße zum Boden + Taumelten: ein’s das and’re im Flug zu Scherben zerschmetternd. + Wunder zu schau’n! Da fuhr in brausender Eile der Feldherrn + Leise zum Schlaf hinnickende Schar von den Sitzen, und leer war’s + Bald in dem weiten Gezelt. Dem Könige folgte der Ritter + Staunend nach. Doch jetzt erschollen von grausem Gebrülle + Tausend Hörner, die einst die mächtige Stirne des Pflugstiers + Ziereten, breitgestellt, daß kaum der größte der Männer + Sie mit den Armen ermaß von einer Spitze zur andern. + Schon erhob sich Geschrei und Getös’, und das Wiehern der Rosse + Rings in dem Lager, und füllte mit Angst und Entsetzen die Umwelt. + Hoch auf fuhr der finstere Staub, und dicht, wie der Krähen + Wimmelnde Schar durchstürmt den nebligen Himmel, so flogen, + Schnell gewahrend den Wink des Königs, unzählige Haufen, + Sich in den Sattel schwingend, voll Hast, nach dem Ufer der March hin. + + Dort, auf dem sandigen Feld’, in fernhinschwindenden langen, + Drei Mann tief, geordneten-Reih’n aufritten die Kunen: + Lenkend hurtige Rosse vor und zurück mit des Schenkels + Mächtigem Druck, den, weitumflatternd, das leinene Beinkleid + Hüllete bis zu der Ferse hinab, und den ledernen Bundschuh’n. + Sonst ihr Kleid: ein Pelz von dem zottigen Vließe des Widders, + Ueber dem kürzeren Hemd’, das halb des Niedergebeugten + Rücken entblößt -- doch weit die Arme umwallt, und, der Scheitel + Zur Bedeckung, die Mütze von Filz, mit der wallenden Feder. + Zehnmal tausend’ erhoben zur Luft den blitzenden Säbel, + Der der Sichel des Neumonds glich in der Krümm’, und es führten, + Eben so viele den Bogen und Pfeil mit dem hämmernden Tschakan. + Diese lenkte Suhol, der Eber genannt von den Seinen, + Ob des unbändigen Muths, und der Blitzstrahl, Kaduscha, jene: + Denn er flog so schnell wie der Blitz im Sturme der Schlacht hin. + Aber der Ungern edeles Volk beherrschte Matthias + Von Trentschin, der schlachterfahrene, tapfere Feldherr, + Dessen gewaltige Burg an den schimmernden Fluthen des Waagstroms, + Dräuend, in’s Waag-Thal schaut, und Schrecken gebiethet den Feinden. + Auch er führte heran zehntausend muthige Reiter, + Welchen der Kalpag zierte das Haupt mit des Reihers Gefieder; + Aber der Pelz, am Rücken hinab an goldenen Schnüren + Hängend, von hellblau’m Tuch, verbrämt mit schwärzlichem Lammsfell, + Und gelbschimmernden Knöpfen besetzt; dann, ähnlich, der Dolman, + Schimmernd von Gold an der Brust, vom seidenen Gürtel umfangen, + Ziert’ ihm den Leib, und der Bein’ anschmiegende, gleiche Bekleidung + Zierte die Füße zugleich mit den spornenbewaffneten Tschismen. + Jeglicher hielt in der Faust, an die Schulter gelehnet, des Säbels + Krummgehämmerten Stahl, der, sausend, die Feinde zerschmettert. + + Als nun Hugo die Völker geseh’n, da sprach zu Matthias + Von Trentschin der König, ihm selbst und den Seinen zur Trauer: + „Tapferer, weile dahier mit deinen Geschwadern, des Lagers + Mächtiger Hort: denn bald, erbaut auf schwankende Fähren, + Einet die Brücke des Flusses Gestad’, und all das Geräth hier + Schaffest du dann noch heute hinüber, dem Heere zum Vortheil! + Aber, o freundlicher Greis, du, Hugo von Tauffers, der Ritter + Edelster, folg’ mir nach, und künde dem mächtigen Herrscher, + Heimgekehrt in die Kaiserburg, was du an der March hier, + Staunend, gewahren wirst; künd’ ihm: wir stehen den Feinden + Jenseits nahe genug; zum würgenden Kampfe gerüstet!“ + Sagt’ es, und sprengte voraus: ihm nach die Kumanier alle, + Mitten hinein in den Fluß, hinüber zu schwimmen, entschlossen. + Hochaufspritzte die Fluth dem gewaltigen Drange; die Wässer + Brauseten laut von unzähligen Hufen der Rosse geschlagen; + Brandend flogen die Wellen zum Land’, und schäumten, und zischten + Endlos. Wie in dem eisigen Belt keckmuthige Fischer, + Eilend zum Wallfischfang’ in schaukelnden Booten, auf einmal + Nahe des Unthiers Riesengestalt, das Heere der Fischchen + Vor sich jagt, erseh’n: da werfen sie schnell die Harpun’ aus, + Die zweizackig gespitzt, einstürmt in die Weiche des Bauches, + Oder in’s breite Genick des riesigen Fisches, und Blut färbt + Alsbald ringsum das Meer: denn eilig hinunter zum Abgrund + Fährt er, und eilig herauf, + und peitscht mit dem Schweife die Meerfluth, + Daß sie himmelan fleugt, und röchelt mit dumpfem Gebrülle + Durch den schrecklichen Sturm der empörten Gewässer: so wogte, + Schäumt’, und braus’te die March, als jetzo die Kunen hinüber + Mit gewaltigem Lärm und Geschrei, die wiehernden Rosse + Spornten, und all’ das Heer errang, durchschwimmend, das Ufer. + Hugo saß in dem Sattel, und schwieg; doch jetzo besann er + Sich nicht lang’, und schwamm (ihm folgte der redliche Knappe) + Eisenbewehrt, wie er war, auf dem mächtigen Gaule hinüber; + Schwang das Schwert in die Luft, und flog entgegen der Hauptstadt. + + + + + Vierter Gesang. + + + Leis’ entschwebte die Nacht; aus dem hehren Gewölbe des Himmels + Schwanden die Sternenheere dahin, und auf gaukelnden Lüftchen + Schien ein freundlicher Tag sich herab auf die Fluren zu senken: + Doch, es erhob vor dem Morgenroth am östlichen Erdrand + Sich ein Nebelgewölk, das, eiligen Flugs, sich verbreitend, + Mehr und mehr den hochaufwölbenden Himmel befleckte. + Sieh’, als jetzo dem Saum der lichtergewordenen Höhen + Näher die Sonne kam: da erglühten im bläulichen Luftraum + Rings die zerrissenen Wolken umher, blutröthlichen Schimmers. + Jetzt erhob sie das Haupt; nur sparsam scholl aus den Lüften + Und aus dem Wald, der Morgengruß der befiederten Sänger + Ihr entgegen: sie sah mit trauerndem Blicke herüber. + Schwül umwogte die Luft; erboßter quälten die Fliegen + Menschen und Thiere zugleich; dumpf klang der wechselnde Windstoß + Ueber die Heid’: er kräuselte weit den Rücken des Stroms hin, + Und erhob in Wirbeln den Staub. Kein kühlender Nachtthau + Hatte die Fluren erquickt, und die Schöpfung trauerte ringsum: + Zeichen all’ annähernden Sturms und gewaltigen Regens. + Aber im Zelteingang, verlassend das nächtliche Lager, + Saß der Kaiser, und sah mit düsterem Blick’ in des Morgens + Dräuende Gluth. Er dacht’ im Geiste das dunkele Schicksal + Tausender, bis zu dem Abendlicht’ entschieden zum Leben, + Oder zum Tode, mit Angst! Bald sollten die Lose, so grau’nvoll, + Fallen des blutigen Kriegs -- des holdumlächelnden Friedens, + Wie es dem mächtigen Feinde gefiel, dem er ihn gebothen. + Ach, der Jammer des Volks durchdrang ihm die Seele! Zum Himmel + Hob er den Blick, und lispelte so mit gefalteten Händen: + „Laß den Frieden, o Herr, ihm mild erscheinen im Frühroth, + Und erwärmen sein Herz mit den huldausspendenden Strahlen, + Daß er erkenne die eigene Schuld, entsage der Rachgier, + Und, als Herrscher versöhnt, heimkehre den Seinen zum Segen!“ + Aber mit Staunen vernahm’s der, einst kampfdürstende Marbod, + Als er umschwebte das Haupt des Bethenden, wie er dem Gegner + Frieden gelobte, versöhnlich und mild, und konnt’ es nicht fassen -- + Er, der stets nur Schlachten ersehnt’, und glühenden Muths voll, + Selber aufreizte den Feind auf den Pfaden des irdischen Lebens. + Zweifelnd stand er lange vor ihm. Er wähnte, bekümmert: + Ihm gebrech’ es an Kraft und an raschvordringender Kühnheit + (Nicht begreifend sein Herz, ein Irrender, Lichtesberaubter) + Wiegte das Haupt, und fuhr, verstört, zu dem Morgengewölk auf. + + Siehe, der Kaiser trat alsbald erheiterten Blickes + Aus dem Gezelt, und hörte mit Lust, unferne dem Lager, + Walten geschäftig das Volk der Zimmerer, Schmied’, und der Schreiner. + All’ die Nacht forthämmerten sie bei dem Scheine der Kesseln, + Die mit schwärzlichem Pech und duftendem Harze genähret, + Weit erhellten die Au an des Heerwegs schlängelndem Zug hin. + Draußen bei Floridsdorf am Donaustrande, wo dreifach, + Strahlen gleich, fortzieh’n die länderverbindenden Straßen: + Diese nach Ungerland -- nach Böhmen und Mähren die andern, + Eileten sie, zu erbau’n die Gerüst’ und die Schranken der Turnbahn. + Hundert Schritte, die Straß’ entlang, und der Breite nach fünfzig, + Ebneten sie den Grund schnurgleich, und bestreuten ihn zolltief + Dann mit dem schimmernden Sand, der drüben am Ufer gehäuft lag; + Fügten auf Säulen die Balken umher, und trennten mit Absicht + So von dem Wiesengrund das langgedehnete Viereck. + Aber es wich an dem unteren Rand des umschrankten Gebiethes + Quer ein Balken zurück, so er Einlaß both den Erwählten, + Und an dem oberen stand, gar herrlich gestaltet, die Prachtlug[1] + Oben verziert mit dem Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter, + Und von Innen geschmückt mit Sammtvorhängen von Purpur, + Die an dem Saum’ umher von goldnen Blumen erglänzten. + Dort dem Herrscher und seinem Gefolg’, erles’nen Geschlechtes, + Standen die Sitz’ erhöht, und emporgereihet im Halbkreis’; + Doch ein breites Gerüst, entlang die Schranken der Turnbahn, + Bauten sie auch; versahn’s mit emporgereiheten Sitzen + Für schaulustiges Volk aus den nahen und fernen Gefilden, + Und erhöhten die luftigen Zelt’, entgegen der Prachtlug: + Tapferen Rittern zur Rast, die her zu turneien gekommen. + Als der Krieger dem Zelt’ enteilete, stand er, vor Staunen, + Plötzlich verstummt; er rieb sich die Augen im dämmernden Frühroth; + Sann: ob Träume der Nacht ihn äfften, oder von fern her + Irgend ein Zauberer kam, und die Luftgebilde zur Schau gab? + Doch bald lacht’ er des eitelen Wahns: hochrühmend die Meister + Des, mit Geschick und regsamer Kraft geförderten Werkes; + Eilte hinaus, sein Roß an dem Standpfahl, wo es die Nacht durch + Ruhete, jetzt mit sorglicher Treue zu warten, und klopft’ erst + Selbes am mähnigen Hals’ mit der Hand, im freundlichen Zuruf; + Aber es scharrt’ in dem Grund’, und wieherte, gierig des Futters. + Rings erwachte Getös’ und unendlicher Lärm in dem Lager. + + Jetzo erscholl Getrab anstürmender Rosse, den Ohren + Hörbarer stets; dann sah das Aug’, umspähend, von fern her + Blitzen die Harnisch und Helm’, und endlich erkannte der Kaiser + Meinhard, und Lichtenstein, die er, Frieden zu biethen, gesendet. + Angelangt im Gewölk’ umwirbelnden Staubs vor dem Herrscher + Rissen die beiden das Roß am Zügel zurücke. Sie sprangen + Aus dem Sattel behend’, und nahten ihm, grüßend mit Ehrfurcht. + Aber er rief erstaunt: „Wie, Meinhard kehrt uns, empört heim? + Lichtenstein, was bringt ihr zurück aus dem böhmischen Lager? + Sanft ist des Friedens Hand: sie streut in des Lebens Gefilden + Blumen umher -- die in Eisen gehüllete Rechte des Krieges + Trieft vom Blut der Erschlagenen; doch, wenn eben dem Unhold + Heiliges Recht das Schwert vertraut, da bringt er vom Schlachtfeld + Muth, selbstständige Kraft, und Sicherheit unter die Völker: + D’rum auch der Krieg erwünscht, wenn nur das Recht ihn gebiethet. + Jetzt, fürwahr ersehnte mein Herz den Frieden, und wohl mir, + Wenn der König, versöhnt, zum gebothenen selber die Hand reicht!“ + Meinhard sagte darauf: „Nicht hat uns der König von Böhmen + Ritterlich’ Ehre gewährt -- gastfreundlich das Herz uns erheitert: + Grimm bewölkte sein Aug’, da er sprach, und finster uns ansah. + Wie der furchtbare Leu’ mit glühenden Blicken des Gegners + Harrt auf dem Plan, daß er ihm zermalme die Knochen: so dünkt mich + Sah der König uns an, und schwerlich sinnt er auf Frieden. + Aber vielleicht, daß Lichtenstein, der glückliche Freier, + Frohere Kunde gebracht: deß’ will ich mich gerne bescheiden.“ + „Zwar,“ so begann jetzt Lichtenstein, „versprach uns des Königs + Zornumwölketer Blick des Guten nicht viel, und ich bürgte + Für den Frieden nicht mehr mit dem Kopf: er möchte nicht fest steh’n; + Aber noch stehet das Spiel, und es fällt der entscheidende Würfel + Heute noch nicht. Ich sehe dahier mit unsäglicher Hochlust + Schon die Schranken gefügt zum Turnei, und bald, in dem Prunksaal, + Den von der Decke herab unzählige Kerzen erleuchten, + Minniglich schöne Frau’n und Fräulein, an gastlichen Tafeln + Würdiggepaart umher mit den sieggekröneten Rittern. + Welche Beseligung, mich in dem lärmenden Kreise zu treffen: + Denn auch trägere Zungen bewegt die fröhliche Mahlzeit! + Höre mich Jung und Alt; nicht spricht ein faselnder Seher! + Daß des Königs verdüsterter Geist noch heute sich aufhellt, + Künd’ ich zuvor: denn wißt es, er kommt, und nah’ ist die Zeit schon, + Zum dankbiethenden Turnkampf her, mit erlesenen Rittern. + „Dort,“ so sprach er vor uns, „soll’s bald allmänniglich kund seyn, + Was er vom Krieg und Frieden gedacht, und der Kinder Verlobung.“ + „Gott befohlen das Ein’ und das Andere!“ sagte, gen Himmel + Schauend, der Kaiser, und wandte sich; dann begann er von neuem + Wieder, mit sorglichem Blick: „Wo weilt mein tapferer Hugo? + Das sey ferne, daß ihm was Leides geschehen: mir bräche + Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden.“ + + Kaum entfloh ihm das Wort, da tönte von ferne der Hufschlag + Brausender Rosse die Straße heran, die entgegen den Marken + Ungerns führt am linken Gestad der mächtigen Donau. + Hugo war’s, der kam (weit hinter ihm folgte der Knappe, + Schlechter beritten, denn er) die stäubende Straße herüber; + Doch nun hemmt’ er das Roß, und die Wange, wie Flammen geröthet, + Lächelt’ ihm, als er gegrüßt. Er schwang sich vom Sattel, und sagte: + „Herr, nicht hast du umsonst die Gäste geladen: erhellt sind + Weit die Straßen hinaus von schimmernden Kleidern und Waffen. + Trog nicht der Schein, so trabt von dem Bisamberg an der Donau, + Deß’ unendlicher Ruhm an köstlichem Moste bewährt ist, + Ein gar stattlicher Haufe heran: die flatternden Fähnlein, + Weiß, wie des Schneebergs Haupt, verkünden uns böhmische Kämpen. + Aber, als sie dahier zum Scherz nur brechen die Lanzen, + Harren ihrer im Hinterhalt gar ernste Gesellen, + Und ersehnen den Kampf. Der Ungern blühender König -- + Blühend, und jung fürwahr! verhieß dir Hülf’, und gewährt sie: + Denn vor mir durchschwamm sein furchtbares Reitergeschwader, + Jauchzend, die March, und steht auf Oestreichs Erde, vor Marcheck + In dem Geröhr’, längs hin dem Weidenbache, verborgen. + Zürne nicht, daß ich zu kommen verzog. Viel hatt’ ich zu reden, -- + Von dem Kaiser zumal, und dem Greif’, wenn alles ihm abstirbt, + Wird die Zung’ allein stets rühriger noch mit den Jahren. + Auch gebrach’s nicht an köstlichem Trank’, an magyarischer Tänzer + Fröhlichem Lärm, und du weißt, dein Haug ist freudig gestimmet, + Sieht er die Humpen gefüllt, und um ihn lebendig die Jugend: + Dennoch stellt er sich ein, wo es gilt, und die Klingen entscheiden.“ + „Ruhe,“ so sprach mit lächelndem Blick der erhabene Kaiser, + „Raschvorstürmender Greis, in dem Zelt’ auf das Lager gesunken! + Aber euch beid’, obgleich ermüdet vom dauernden Ritte, + Lockt, deß’ bin ich gewiß, Drometengeschmetter zur Turnbahn, + Rüstet euch denn. Mir ziemt, hausväterlich sorgend, im Lugsaal + Fertig zu stehen, und dort die Gäste mit Huld zu begrüßen. + Meinhard, zieh’ im festlichen Schmuck, mit flatternden Fähnlein, + Zinken, und Paukengetön’, und hundert erlesenen Reitern + Bis zu des Lagers Rand’ entgegen dem Herrscher von Böhmen: + Ihn zu begrüßen nach Würd’, und des Turnspiels Sitte geziemend!“ + + Also entließ er mit heiterem Muth die gewaltigen Helden. + Aber er stieg die Stufen empor in die herrliche Prachtlug, + Eilete vor, und sieh’, ihm nahten die theuren Erzeugten + Albrecht, Hartmann, und Adelheid: nur blieb in der Hofburg + Agnes, die holde, daheim, die leidende Mutter zu pflegen. + Alsbald scholl aufjubelnder Pauken Getön’, und Drometen + Schmetterten laut in des wimmelnden Volks unendliches Jauchzen: + Denn, wie der Bienen unzähliger Schwarm in des kehrenden Frühlings + Milderem Hauch, fortzieht in die lieblichduftenden Fluren, + Gierig des Honigseims, und rings umsummet die Blüthen: + Also zog aus der Stadt, von dem nahen und fernen Gebieth her, + Zahllos, Jung und Alt, im Schmucke der festlichen Kleider, + Und erfüllte die hohen Gerüst’, augblendenden Schimmers. + Mitten im dichten Gedräng’ erglänzten, vor allen, die Edeln, + Die im glühenden Muth vortummelten feurige Rosse: + Herrlich geschmückt der Reiter zugleich, + und das wiehernde Schlachtroß. + Doch wer könnte die Zahl, und den Ruhm der Tapferen künden? + + Otto von Meißau kam: Feldoberster war er des Kaisers, + Reich in dem Land umher an Gütern und Mannen, und reicher + Noch an errungenem Ruhm’ im dräuenden Felde der Waffen. + Blau, wie des Himmels Zelt, mit Gold umrändert, und seiden, + Floß ihm der Mantel am Rücken hinab von dem Harnisch, und blau war + Auch sein Wehrgehäng mit der seidenen Schärp’ und dem Helmbusch; + Also des Rosses Hauptzier, Zaum, und die schuppigen Decken + Vorn an der Brust und den Seiten herum, von Eisen gefüget. + Aber das Einhorn wies sein Schild im goldenen Feldraum, + Wie es zum muthigen Kampf von dem schroffen Felsen sich aufbäumt. + Solchen trug ein Knapp ihm nach, und der andere folgt’ ihm, + Haltend die zween hochragenden Speer’ in der nervigen Rechten. + Pauk’ und Dromet’ erklang, da er jetzt vor den rühmlichen Schranken + Hemmte sein feuriges Roß, absaß, und in’s dunkele Zelt ging. + + Bald nachfolgte dem Helden zuerst der kühne Capellen: + Oberster Führer auch er im Heere des Kaisers, und werth ihm + Ob der beständigen Treu’, und des nie zu erschütternden Muthes. + Meergrün hatt’ er zur Farbe gewählt, und verzieret mit Silber + Seine Rüstung zugleich, und des Rosses herrliches Reitzeug. + Aber den Schild, wo ein Wehrgehäng den silbernen Feldraum + Dreimal durchschlingt, und vom Helm sich des Adlers Fittig erhebet, + Trug ihm der Knappe nach, und ein anderer brachte die Waffen. + Freudig ersah ihn das Volk, und als er mit edelem Anstand + Sich vor dem Schrankenthor von dem schnaubenden Rosse herabschwang, + Rief erneueten Gruß der Klang der Drometen und Pauken. + + Nun kam Trautmansdorf, von acht selbst-eigenen Söhnen -- + Angeeigneten sechs, umringt, vor die Schranken. Des Bruders + Ehrenreich, den einst ein wüthender Eber zerrissen, + Als er im Walde des Weidwerks pflog, verlassene Waisen + Waren die sechs, und er, ein liebender Vater den einen, + Wie den andern; doch sie lohnten ihm herrlich die Sorgfalt: + Wohlgesittet, fromm, und im blühendentfalteten Leben + Alle, voll Heldenmuths, nachfolgend dem edelsten Vater. + Nicht entbehrt’ er im Krieg, nicht daheim, nicht an heiliger Stätte + Selber ihres Gefolg’s, und lächelte, stolz in dem Herzen + Seines Glücks, das höher denn all’ sein Reichthum ihn dünkte, + Wenn ihm das Volk, erstaunt, nachsah, und den Segen ihm zurief. + Aber nicht lang’, da sinkt, wie, vom sausenden Hagel zerschmettert, + Halmfrucht draußen im Feld, die herrliche Schar in das Grab hin -- + All’, erschlagen vom Feind, und einsam kehret der Vater + Heim in die Ahnen-Burg: ihn tröstet ihr rühmlicher Tod nur. + Doch jetzt naht’ er vor seinen, ihm gleich gerüsteten Söhnen: + Denn von Silber blank war Harnisch, und Helm, und der Helmbusch; + Also das Wehrgehäng, die Schärpe, der seidene Mantel, + Und der glänzende Schild, (den, goldengehörnet, ein Widder + Zierete) weiß wie der Schnee, mit der Wehre des stattlichen Rosses. + Jubelnd im Paukenklang’, erschollen die eh’rnen Drometen. + + Doch jetzt naht’ ein Paar der Edelgestein’ in dem Adel + Oestreichs: Lichten- und Dietrichstein. + Aus der steyrischen Mark stammt + Jener (Ulrichs Sohn, des trefflichen Ritters und Sängers, + Der sein Leben der _Frauen-Ehr’_ und dem Degen verschrieben)[2] + Dieser aus Oesterreich, ein Sohn ruhmwürdiger Aeltern: + Er, stets düstern Gemüths, da jener des heiteren Vaters + Frohsinn geerbt; doch einte schon frühe der trautesten Freundschaft + Unauflösliches Band die Herzen der tapferen Ritter. + Hochroth zierte des Lichtenstein, und seines Gefährten + Waffengeschmeid Kornblumenblau. Im grünlichen Feldraum + Wies des Winzers Messer sein Schild, und im goldenen zeigte + Jener des Lichtenstein zwei schrägablaufende Balken. + Schmetternd klang die Dromet’, und die Pauken donnerten laut auf. + + Sieh’ auch die beiden Demantberg’, auf welche sich Oestreich + Ruhig stützt: der Schwarzen- und Stahrenberg (in des Ruhmes + Ehernen Tafeln genannt, und hochgepriesen für immer) + Sprengten eilig heran! In des Schildes goldenem Feldraum + Führete jener den Aar und das Hüfthorn; dieser im lichtblau’n + Einen geschnabelten Wolf, und kor sich zur Farbe der Ehren + Blaßgelb, silbergeschmückt, da jener mit goldenem Zierrath + Wählte das dunkele Kirschenroth, erfreulich zu schauen. + Mächtiger hob sich zur Luft der Pauk’ und Dromete Getön’ auf. + + Kurd von Haselau, der achtzigjährige Ritter, + Naht’ im Fluge heran. Noch rüstig und Kampfes begierig, + Stieg er vom Roß, und ging, den ehrenden Sitz an der Prachtlug + Einzunehmen: erwählt zum Turnvogt heut von dem Kaiser. + Ihm nachfolgten zugleich der Seldenhofer, der Pfannberg, + Hardeg, Hohenberg, und der Wildon: treffliche Kämpen! + + Jetzt anlangten im Ehrengeleit die böhmischen Ritter: + Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Wallstein, + Dann auch Herbot von Füllenstein, der reußische Kampfheld, + Riesengestaltet, im Trotz allbeugender Stärke sich rühmend, + Den sich Ottgar jüngst zum Feldherrn kor, und als Herrscher + Einst in der steyrischen Mark dem Volk aufstellte zum Zwingherrn. + Sieh’, gar herrlich geschmückt erschienen die Ritter, als sollte + Oestreichs ad’ligen Glanz heut jener von Böhmen verdunkeln! + Tausende wandten den Blick nach den Fremdlingen, alle voll Sehnsucht: + Ottgarn dort zu schau’n, als Freund: er säumte zu kommen. + Dreimal, und lauter stets erhob sich der donnernden Pauken + Und Drometen Getön, den nahenden Fremden zu Ehren. + Doch, vernehmend den jubelnden Schall, enteilten die Helden + Oestreichs hurtig dem Zelt’, und schwangen sich auf in den Sattel. + + Meinhard, führend die Böhmen heran, verlangte vom Thorwart, + Da er den Degen erhob, Einlaß in die rühmlichen Schranken. + Alsbald wich der Riegel zurück, und in Reihen geordnet + (Jene zuerst, und drauf die Heldensöhne des Landes) + Ritten entlang die Turnbahn all’, in der nervigen Rechten + Hebend den Speer in die Luft, + mit zögerndem Schritt nach der Prachtlug, + Wo der erhabene Kaiser saß, und der Kommenden harrte. + Als sie gegrüßt -- er gedankt, da sprach der tapfere Meinhard: + „Mein durchlauchtigster Kaiser, und Herr! Des böhmischen Reiches + König entbiethet dir Gruß und Freundschaft zuvor, und erkläret: + Ihm selbst wehrt es ein böses Geschick des fröhlichen Turnspiels + Zeuge zu seyn; doch sendet er dir die tapfersten Ritter, + Hier den Ruhm des Vaterlands zu erhöhen als Sieger!“ + „Wahrlich,“ so rief der Kaiser ihm zu, „nicht dacht’ ich: entrissen + Werde mir heut’ ein Glück, das ich ersehnt’ in dem Herzen + Aber wohlan: werth seyen uns auch die tapferen Ritter, + Die uns der König gesandt! Der Kampf beginne. Turneivogt, + Handle dein Amt! Der Herold rufe, der Sitte geziemend. + Grieswart sey für heut der edle Wildonier, Berchtold, + Breuner, und Pottendorf, die Kämpfer zu schirmen vor Unbill, + Ordnungbedacht: ihr Wink sey heilig geachtet von allen.“ + Sagt’ es, und setzte sich dann auf den schwellenden Pfühl. + Da erhob sich + Haselau, der Greis, und ging nach der räumigen Halle, + Die sich unter der Lug aufwölbte, mit Purpur behangen, + Dort zu beginnen die Waffenschau. Die erlesenen Ritter + Legten sogleich den Speer und das Schwert, kampfgierigen Muths, hin. + Sorgsam prüfte der Greis die gebothenen: stumpf und gefahrlos + Sollten sie seyn -- zum Scherz, nicht zum Ernst + gebraucht in dem Turnkampf. + Zween der Grieswärt’ hoben den Helm von dem Haupt’, und empfiengen, + Schreitend umher links, rechts, ein bezeichnendes Los von den Rittern: + Jeglicher gab’s, mit dem Nahmen verseh’n. D’rauf schüttelten mehrmal + Jene die Zeichen umher in dem Helm’, und bothen (die Ordnung + Wechselnd) sie dar: der rechts, wo links der and’re gefordert, + Also wählte sich dort ein jeglicher Kämpe den Gegner. + + Jetzt erhob der Herold den Stab, und Tausende schwiegen; + Zog ein Blatt aus dem Busen heraus, das, rauschendentfaltet, + Glänzte von goldener Schrift, und las mit gewaltiger Stimme, + Allen verständlich, vor: „Wie der mächtigste Kaiser, Rudolphus, + Jüngst auf den heiligen Rochus Tag, des Jahrs der Erlösung: + Tausend zweihundert und siebenzig-acht, der heute gezählt wird, + Alle die Edeln, von Nah’ und von Fern, zu turneien am Tabor + Aufboth, die nach dem Recht’ und nach Rittersitte gemeint sind. + Weiche darum von hier, der bar ist der ad’ligen Ahnen- + Reih’ erhärtender Zahl, und der unehlich geboren; + Der in den Kirchenbann, in die Acht des Kaisers und Reiches + Fiel ob schändlicher That, ob Mord und Gottesverläugnung; + Der die Wittwen und Waisen bedrückt’, und das zarte Geschlecht nicht + Schirmt’ in Gefahr, nicht rächt’, als Mann, g’en schnöde Verläumdung; + Der Meineides und Trugs, und unedlen Gewerbs sich bewußt ist, + So er dem Schild und dem Schwerte zur Schmach, einst Handel getrieben: + Ferne mögen sie stehen, sie all’, und ermangeln des Vorzugs, + Der nur Edeln gebührt, in des Turnkampfs rühmlichem Feld hier!“ + Rief’s; dann faltet’ er wieder das Blatt, und barg’s in dem Busen. + Jetzt aufpflanzten, voll Hast, die hurtigen Knappen die Fähnlein + Ihrer Ritter so hier, als drüben, die Schranken hinunter, + Und die Grieswärt’ theilten sich links und rechts an der Bahn hin, + Tragend den Stab in der Hand, zum Zeichen des heiligen Gastrechts. + Doch nun kehrten zugleich, im zögernden Schritte, die Kämpen + Wieder zurück, vor dem Schrankenthor sich fertig zu stellen. + + Als der Kaiser die Kehrenden sah -- dann vor sich das Volk dort, + Dann im Rücken die Bänke gedrängt voll grauender Ritter, + Edeler Herrn, und Frau’n, und zartaufblühender Fräulein: + Ach, da füllten sich fast ihm die Augen mit Thränen! Er wandte + Halb nach den Kindern sich um, und sprach mit inniger Rührung: + „Welch unzähliges Volk: nur die Ein’ ersehen wir hier nicht -- + Euere Mutter ist fern, und Agnes, als Pflegerinn wechselnd + Heute mit euch! Auch wir entbehreten freudig des Schauspiels -- + Weilten so gerne daheim bei der Leidenden; aber die Pflicht ruft + Ehernen Lauts, und heißt all’ and’re im Herzen verstummen. + Weh’, daß ich auch die Kunringe hier vermiß’, und der Helden + Einige, die verlockt auf trugverhülleten Pfaden + Sich zu den Feinden gesellt, und im Schooße der eigenen Mutter, + Jenen gleich mit der grimmigen Faust zu wühlen bereit steh’n; + Aber vielleicht gelingt es mir noch die Verirrten zu sammeln!“ + Jene schwiegen, und hielten die Hand vor die thränenden Augen: + Ob der Mutter betrübt; doch Hartmann vor allen: ein Liebling + War der Trauernde stets der holden Mutter gewesen. + + Sieh’, nun schwebt’ auf dem Wettergewölk des umnachteten Himmels + Marbod daher! Er sah Drahomira vorüber im Eilflug + Ziehen, und folgen der Spur des schwarzgerüsteten Ritters, + Der mit geschlossenem Helm’ aus dem böhmischen Lager herüber + Spornte den Rappen im Donnergalopp’, an die Schranken der Turnbahn. + Nicht wie den Sterblichen war dem Geiste der Ritter verhüllet: + D’rum erbangt’ ihm die Brust vor Angst ob seinem Erwählten, + Rudolph, dem er sich liebend geweiht: denn siegenden Hohn sah + Er in dem Blick Dahomira’s, und kam, ihm rettend zu nahen, + Wenn sie, höllischen Trugs, Gefahr ihm sann, und Verderben. + Immer schneller verschlang des Tages Heit’re der Wolken + Finstere Nacht. An dem Himmel herauf, und hinunter zum Erdrand + Zuckte der röthliche Blitz, und von fern her murrte der Donner: + Kommend auf Flügeln des Sturms, vom dräuenden Süden herüber. + + Jetzt erscholl drometender Ruf, dreimaligen Stillstands, + Tief, eintönig, gedehnt: des Kampfs ersehnetes Zeichen. + Alsbald braus’te der Riegel zurück: in die rühmlichen Schranken + Ritt, gemessenen Schritts, hellstrahlend von Purpur und Goldschmuck, + Lobkowitz ein; den Schild ihm ziert’ ein fliegender Adler. + Ganz durchmaß er die Bahn bis vor in die Nähe der Prachtlug; + Wandte das Roß, und harrete dort des würdigen Gegners, + Den das Los ihm beschied, und sieh’, ihm nahte Capellen, + Muthigen Blicks! Da rief ihm Lobkowitz freundlich entgegen: + „Nun geschlossen den Helm, und fest in dem Sattel gesessen! + Schon viel Rühmens hört’ ich von euch, Capellen! So laßt uns + Heut’ erseh’n: ob mir, ob euch die Krone bestimmt sey, + Welche zum Dank uns beut die Erzeugte des edelsten Kaisers, + Adelheid, voll Engelshuld und himmlischer Schönheit.“ + „Wohl,“ entgegnete jener mit Trotz, „das laßt uns erproben, + Lobkowitz! Rasch seyd ihr, böheimische Kämpen, und dennoch + Sollt ihr Oestreichs Söhnen den Kranz nicht rauben im Turnkampf.“ + Aber sie schlossen den Helm, und setzten sich fest in dem Sattel. + D’rauf, mit gewaltiger Faust vorsenkend den Speer aus des Bügels + Röhr’, und den ehernen Schild vorhaltend dem Feinde zur Abwehr, + Spornten beide das Roß, das, weitvorgreifenden Sprunges, + Schnell, wie der Blitz, auf dem Plan mit tönendem Hufe dahinflog, + Bis inmitten der Bahn, urplötzlich, ein jeder der Gegner + Traf des anderen Schild mit des Speers abprallendem Eisen + So, daß der mächtige Schaft, in tausende Splitter zertrümmert, + Hoch empor in die Luft und umher auf dem zischenden Sand flog, + Und die Rosse, zurück’ auf die Hinterfüße gesunken, + Noch dem gewaltigen Stoß’ erzitterten, schreckenerfüllet. + Lautaufjauchzte den Kämpen das Volk; unzählige Stimmen + Zollten im tausendfältigen Ruf den Trefflichen Beifall. + Jetzt gedachten sie schon, aus dem Sattel sich schwingend, zu zeigen + Auch in dem zweiten Gang mit dem blinkenden Schwert die Gewandtheit, + Schnelle, und Kraft; doch laut rief dort der herrschende Turnvogt: + „Helden, es ist euch Siegesruhm die Fülle geworden! + Ruht von dem Scheinkampf jetzt! Vielleicht, so Gott es nicht wendet, + Werdet ihr bald zum Ernst, nicht zum Scherz, + in schrecklicher Feldschlacht + Richten das blitzende Schwert auf die Brust anstürmender Gegner! + Ihr brach’t zierlich den Speer: aus der Hand der holden Erzeugten + Rudolphs, wird euch herrlicher Lohn noch heut’ in dem Turn-Dank!“ + Jene kehrten zurück, in dem hohen Gezelte zu ruhen. + + Stille wurd’ es umher, und es faßt’ ein heimlicher Schauder + Manchem die Brust bei’m ernsteren Wort des prophetischen Greises. + Doch nun braust’ im Sturm der schwarzgerüstete Ritter + Näher, und riß den Rappen zurück’ an dem leitenden Zügel, + Sonst durchbrach er im Sprung die hemmenden Schranken. Er nagte, + Wüthenden Grimms, am Gebiß’, und schnob, und streute den Schneeschaum + Hin auf den Sand, den er mit den scharrenden Hufen umherwarf. + Edelem Stamm’ entsprossen schien der gewaltige Reiter; + Aber noch barg der geschlossene Helm ihn den Augen des Volkes. + Stolz erhob er die Hand, und hieß mit stummen Geberden + Milota nah’n. D’rauf zog er ein Blatt aus den Fugen des Panzers, + Reicht’ es ihm dar, und wies nach des Turnvogts herrschendem Sitz hin. + Milota lächelte Hohn, da er, spornend sein Roß, an den Schranken + Hinflog, und darreichte das Blatt dem staunenden Alten. + Dieser entfaltet’ es schnell, und las mit vernehmlicher Stimme: + „Euch entbiethet zuvor, ihr edelen Herren und Ritter, + Ihren freundlichen Gruß Kunegunde, des böhmischen Reiches + Königinn! Dann verlangt sie, daß ihr den Ritter in Trauer + Nicht verschmäht, der glänzenden Stamms sich rühmt, und im Turnkampf + Heute, vor euch, ihr herrlichen Ruhm zu ersiegen, bereit ist. + Aber ihm werde nach Wunsch der letzte der Kämpfe gewähret!“ + Stumm verneigte der Greis sein Haupt, und Milota kehrte + Wieder zurück. Da lispelte leis’ in die Ohren des Nachbars + Ein Barfüßermönch, der jüngst aus Böhmen gekommen, + Und auf dem volkerfüllten Gerüst schaulustig sich einfand: + „Seh’ ich den Ritter dort, gehüllt in die finstere Rüstung, + Will es mich fast bedünken: er sey der Königinn Liebling, + Zawiß von Rosenberg,[3] der weitgepriesener Anmuth, + Blühender Jugendkraft, und tapferen Muthes, ihr Herz schon + Völlig gewann, das leis’ in heimlichen Flammen sich abzehrt. + Also rächt sich die Schuld! Ein Gleiches mit Gleichem vergolten + Wird dem Könige, der Margarethen verstieß, und den Unhold + Sich beilegte zum Weib: Kunegund’ ersehnt sich den Buhlen.“ + Also das Mönchlein sprach. Doch feuriger stets, und entflammter, + Zuckten die Blitz’ umher im Gewölk’, und auf ehernen Rädern + Sank stets tiefer herab des Donners rollender Wagen + So, daß die Menge mit Angst aufsah, und, des strömenden Regens + Denkend, nur an dem Leinendach des Gerüstes noch Trost fand. + + Wieder erscholl gar feierlich ernst die Dromete. Zum Turnkampf + Rief sie ein Heldenpaar: da flog der muthige Wallstein, + Herrlich glänzend von Gold auf dem perlen-farbigen Sammttuch, + Ueber die Pläne hinab, und wandte sich, harrend des Gegners. + Sieh’, ihm fiel das Los, mit dem Stahrenberg in den Schranken + Heute zum erstenmal, sich zu messen: zum Ritter geschlagen + Jüngst durch Ottgar selbst, der ihn vor jeglichem liebte! + Jugendlich hüpfte das Blut in den Adern des feurigen Helden + Noch. Er lechzte nach Ruhm; doch wüthete jetzt in der Brust ihm + Furchtbare Liebesgluth, seit er vernommen, daß Hedwig -- + Sie, die Zierde der Welt, für welch’ er thöricht entbrannt war, + Reichen sollte die Hand zum eh’lichen Bund dem Erzeugten + Rudolphs, Hartmann, und ach, Verzweiflung faßt’ ihn erneut an! + Ungeheueres sann er empört im Gemüth, und nicht wußt’ er + Wie er’s vollbringe dereinst. Da sprach ihm jetzt Drahomira, + Die, nur auf Arges bedacht, auflauerte, leis’ an das Ohr so: + „Denke des Muths: vielleicht gelingt es dir heut, den Verhaßten + Dort mit höhnendem Blick zu reizen, und Rache zu üben!“ + Alsbald wandt’ er das Haupt, und sah mit höhnenden Blicken, + Lang’ nach dem tapferen Hartmann hin, als hätt’ er gefrevelt. + Zorngluth schoß in das bleiche Gesicht des Edeln: er hob sich + Hastig vom Sitz, ihn laut zur Rede zu stellen, entschlossen. + + Doch schon nahete Stahrenberg, im feurigen Vorschritt + Zügelnd das Roß, und rief dem Gegner, lächelnd, entgegen: + „Erst so beweglich, und nun säumst du den Kampf zu beginnen?“ + „Nein, ich säume nicht!“ sprach alsbald der Zürnende, wähnend: + Jener zeihe der Feigheit ihn. Er ahnte nicht, wer ihm + Also empörte die Brust durch dunkle Gebilde der Rachgier. + Trotzig schloß er den Helm; ließ sinken den Speer in der Rechten; + Gab dem Rosse den Sporn, und flog dem Ritter entgegen, + Der nicht müßig geharrt: denn sieh’, jetzt trafen die beiden + Sich inmitten des Plans, an dem Schilde die Speere zu brechen, + Wie es der Turnbahn Sitte geboth, und trefflich erzielte + Stahrenberg den Gewinn: sein Speer zerbrach an dem Turnschild + Wallsteins, den ein glänzender Stern erhellete, krachend; + Schlug auch den Stern entzwei, und zerstob in unzählige Trümmer! + Aber nicht so sein Gegenpart. Von stachelnder Rachgier + Glühend, nahm er das Abseh’n hoch nach dem Helm’, und er stieß ihm + Solchen vom Haupt mit festnachstürmender Rechten, daß alsbald + Ihm an dem Kinn der Riemen zerriß, und im Sande der Helm hin + Kollerte. Zornerfüllt gewahrten die älteren Ritter + Wallsteins Frevelthat, und murreten. Aber dem Turnvogt + Schien gleichmäßig des Kampfes Gewinn: weil jener den Schild ihm, + Schmetternd, zerbrach, und dieser den Helm von dem Haupt ihm gehoben. + Stille herrscht’ umher; kein Beifall krönte die Kämpen. + Stahrenberg ritt eilig zurück; doch zögerte Wallstein + Noch auf dem Plan, und sah von neuem mit höhnendem Ingrimm + Nach der Lug empor, wo Hartmann im glänzenden Harnisch, + Lieben Geschwistern vereint, sich fand an der Seite des Kaisers. + Ihn verhöhnet’ er frech, und begann mit stachelnden Worten: + „Kühlere Lüftchen umweh’n dich dort; hier fühlt es sich heißer: + Komm, und versuch’s! Der Jugend Kraft zu erproben, ist rühmlich.“ + Stöhnend vor edelem Zorn erhob sich der Jüngling, und forschte + Einen Augenblick in dem Antlitz des herrschenden Vaters. + Aber er saß in erschütternder Hoheit dort in der Mitte + Seiner Erwählten, und sah, verstummend, hinab auf den Ritter. + Jenem genug: er sprang die Stufen herunter, und warf sich + Schnell auf das wiehernde Roß, das draußen der Knappe gehalten; + Faßte, zitternd vor Hast, den Speer, und flog auf die Turnbahn. + + Doch schon hatte zuvor von dem trugverblendeten Wallstein + Sich Drahomira gewendet, und hing mit flammenden Blicken + Ueber Ottgars Haupt. Er war’s, der heute des Nachtgrau’ns + Farbe zur Rüstung sich wählt’, als jene, voll höllischer Arglist, + Ihn zu dem Kampf hertrieb: nur Jammer zu schaffen, entschlossen. + Wie auf dem trüglichen Netz die giftige Spinne dahinfährt, + Wo die Beute sich fing, und diese mit klebrigen Fäden + Dicht umstrickt, daß kein’ Errettung mehr von dem Tod ist: + Also ließ sie nicht ab von dem unglückseligen Herrscher, + Deß’, sonst edele, Heldenbrust in wilder Empörung + Schrecklicher Ehrsucht gohr, und allein nach Rache sich sehnte. + Siehe, wie zween geschweifte Kometen am nächtlichen Himmel + Glüh’n, und in blutiger Kriegeszeit den zagenden Völkern + Dräu’n Pest, Hungersnoth, und Theurung: also erglühten + Jetzt Drahomira’s zur Wuth empörete Blicke; sie hauchte + Ottgars horchendem Ohr den seelenverderbenden Rath ein: + „Pfeilschnell naht, und entfliehet das Glück: + d’rum hasch’ es im Flug jetzt, + Eh’ es auf immer entweicht, und nicht wiederkehret dem Trägen: + Tritt mit Hartmann du in den Kampf; dir weiche dein Liebling + Wallstein. Thöricht vergaß der waffenbeschauende Turnvogt + Deine zu prüfen: du führst verderbliche. Schleudre den Jüngling + Erst in den Staub; dann wende dich, nah’ ist der Kaiser, + durchbohr’ ihm + Kühn die verräth’rische Brust, und entflieh’. + Dein schreckliches Reitroß + Trägt dich schnell aus umdrängender Noth: denn höllische Macht tobt + Ihm in den Adern. Auf, und räche dich jetzt an dem Gegner.“ + + Wild aufbäumte sich Ottgars Rapp’, als jene gesprochen; + Scharrt’ in dem Sand, und schnob, und drehte sich, + wüthend, im Halbkreis’: + Denn sie erregte das Thier durch Gaukelgebilde der Hölle. + Heimlicher Schauder ergriff das Volk und die edelen Ritter. + Ottgars Aug’ umdüsterte Nacht: gleich Meeresorkanen, + Wühlten in seiner Brust die Empfindungen streitender Rachgier, + Ehre, und Pflicht. Doch jetzt besann er sich; sprengte den Rappen + Ueber die Schranken, und rief dem kampfbeginnenden Helden + Laut, im Brausen des nahenden Sturms und Donnergewitters: + „Wallstein, halt! Zieh’ hin zu dem Schrankenthor’, und vergönne + Mir in des Kampfs Entscheidung den Sieg. Kunegunde geboth mir + Sie zu rächen, und dich an dem schmähungliebenden Buben + Deß’, der Kaiser sich nennt des heiligen, römischen Reiches.“ + Wallstein eilte zurück; doch Hartmann rief ihm entgegen: + „Ha, du lügst! Nie hat mein Mund Kunegunden, noch jenen, + Der so frech sich erweis’t, so unritterlich handelt, geschmähet, + Weder heimlich, noch offenbar: das sollst du mir büßen.“ + Rief’s, und senkte den Speer, nicht erwägend, daß solchen der Knappe, + Nicht zum Kampf auf Leben und Tod -- nur zum rühmlichen Scheinkampf + Ihm darreichte zuvor, in drängender Hast und Verwirrung. + Zwar erhob den Stab und die herrschende Stimme der Turnvogt; + Zwar abmahnten vom Streit die Grieswart’ dieß und auch jenseits; + Aber sie achteten’s nicht. Von dem lautaufheulenden Sturmwind + Ward verschlungen ihr Ruf, und die rachebefeuerten Gegner + Bringt zur Ruhe kein Stab jetzt mehr, noch zu klarer Besinnung. + Aber schon war, voll sorglicher Hast, dem erhabenen Kaiser + Marbod genaht. Nicht entging dem liebenden Geist Drahomira’s + Unheilschwangerer Blick, die, beiden: dem Kaiser und Böhmens + Könige, Tod und Verderben sann, und in wilder Verwirrung + Leichen auf Leichen gehäuft, der Hölle zur frevelnden Lust, sah. + Jetzt umfaßt’ er ihn heiß, und rief im Geistergelispel: + „Auf, und ziehe dein blinkendes Schwert, zur Wehre dich stellend! + Dir droht Mord und Verrath, und deinem Sohne Verderben + Von dem Fremdlinge. Horch, und verschmähe des Warnenden Rath nicht!“ + Alsbald hob, von dem Geist erregt, der gewaltige Herrscher + Von dem Stuhle sich auf; entblößte das Eisen, und eilte + Schnell die Treppe herab auf die Plane, den theuern Erzeugten + Gegen die Wuth des rascheindringenden Gegners zu schirmen, + Der so frech verhöhnte den Ruf des heiligen Gastrechts. + + Jetzo sporneten, laut mit Geschrei, die erbitterten Helden + Gegen einander die Ross’ auf dem Plan; doch, brausenden Fluges, + Trieb in dem Augenblick das entsetzliche Donnergewitter + Näher, und stäubte den Sand in wirbelnden Säulen vom Grund auf. + Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag urplötzlichen Donners + Flammt’, und krachte herab aus dem finsteren Schooße der Wolken, + Die, gewitterschwer, tiefhangend, zum Boden gesunken, + Jetzo des Mittags Hell’ in Nacht verwandelten ringsum. + Angst ergriff das versammelte Volk. Dem Schreckensgedanken + Bebte das Herz, als sey der Tag’ allletzter gekommen. + Wie, und dennoch ruhten die zween erbitterten Gegner + Von dem Kampfe noch nicht? Sie sprengten die Läufer im Flug fort. + Jetzo, wo Ottgars Speer mit tödlicher Spitze dem Turnschild, + Harnisch, und Herzen zugleich des harmloskämpfenden Hartmann + Nahete, fuhr ein Blitz, an der Breite dem stürzenden Waldstrom + Aehnlich, zwischen die beiden herab, und entsetzlicher Donner + Rollte, betäubenden Schlags, erschütternd ringsum die Gegend, + Plötzlich ihm nach; doch Marbod sprang urschnell in den Blitz hin. + Sein entrüsteter Blick entflammte sich hell, und er schreckte + Hartmanns wildanstürmendes Roß vor dem Rosse des Gegners. + Bäumend hob es sich auf: da drang ihm der Speer so gewaltig + Ein in die Brust, daß der Schaft, erkrachend, + sich bog, und entzwei brach. + Stöhnend sank das Roß auf den Rücken. Der Reiter entzog ihm + Schnell das Bein, und stand, ergriffen von inniger Wehmuth: + Schauend sein treues Thier, das jetzt mit den vorderen Hufen, + Jetzt mit den hinteren scharrt’ in dem Sand -- + dann todt, und erstarrt lag. + + Ottgar saß, geblendet vom Blitz’, und schnaubend vor Ingrimm + Ob des gebrochenen Speers. Er hörte den schrecklichen Donner, + Hörte die lärmenden Ritter nicht mehr, die, empört von dem Frevel, + Naheten; doch er sann im schnellhinschwindenden Zeitraum + Eines Augenblicks. Drahomira empörte zur Wuth ihn, + Als der Kaiser zur Rettung des Sohns in Eile dahersprang; + Aber umsonst: denn stolz- und tapfergesinnet war Ottgar; + Feig ihm dünkte der Mord. Er riß von der Rechten den Handschuh, + Warf ihn entgegen dem Feind’, entblößte das Eisen, und rief ihm: + „Rudolph, heb’ ihn nur auf: denn es biethet auf Tod und auf Leben + Ottgar, zitt’re vor ihm, dir Fehde für jetzt, und für immer! + Nichts von Frieden darum, und nichts von der Kinder Verlobung: + Rach’ allein ist die Losung hinfort: das soll ich dir kund thun!“ + Rief’s, und gab dem Rosse den Sporn. Die Schranken hinüber + Trug es ihn fort im Sprung; dann, sausend, im Donnergaloppe + Weiter und weiter hinaus auf der staubenden Straße nach Stillfried, + Und ihm sprengte sein Ehrengefolg’ im eiligen Flug nach. + Aber in wilder Verwirrung schrie’n, und entstürzten die ander’n + Rings den Sitzen, und floh’n durch Sturm und Gewitter voll Angst heim. + + + + + Fünfter Gesang. + + + Schüttelnd die triefenden Schwingen, erhob nach unendlichem Regen + Sich der Abendwind, und warf von dem rauschenden Hochwald + Und dem ersäuselnden Hain’ gewichtige Tropfen zum Boden. + Trauernd senkten den lastenden Kelch in dem Felde die Blumen + Noch, und das blinkende Gras bewegte sich langsam und schwer nur. + Kein Gesang der Vögel erscholl; nur fern in dem Sumpfrohr + Quackte der Frosch, und die finstere Luft durchkrächzten die Raben: + Denn noch deckte Gewölk des Himmels Bogen; der Donner + Rollte noch fort, und der leuchtende Blitzstrahl fuhr noch im Süden + Flatternd umher: als droht’ er entsetzlicher wiederzukehren. + Da gelangte, von Wuth und gährender Rache getrieben, + Ottgar heim vor das Lagerzelt, und schwang sich vom Sattel + Hastig herab. Ihm kam der Kunring, Leutold, entgegen, + Der mit Schmerzen daheim sein harrete. Jetzo begann er: + „Wahrlich, du kommst ersehnt, und glühender noch, als am Abend + Unsers mit Blut gefertigten Bund’s: an dem Kaiser -- an Rudolph, + Rache zu üben -- an ihm, der nach den geheiligten Rechten + Altehrwürdiger Ritterzeit im empörenden Hochmuth + Greift mit gewaffneter Hand; der Deutschlands Edeln der Knechtschaft + Fesseln beut, da er schon gar viele der Vesten zu Boden + Schmettert’, und allen ein Gleiches droht: daß nimmer die Freien + Uebten ihr Recht an dem Volk, dem niedriggebornen, nach Willkühr. + Nicht so wurden wir einst lehnpflichtig dem König. Der Leh’nsherr + Rang um sein Eigen im Feld; sein ist’s, was dort ihm zu Theil ward -- + König auch er: ihm huldigt zur Frohne der Hold und der Sasse. + Wie, mir würd’ es verwehrt zu erbauen die Burg auf dem Felsen, + Der aus dunkelem Wald’ aufragt, und zum schwindelnden Abgrund, + Senkrecht bis zu dem Wildbach hin die Wände hinabsenkt, + Unnahbar dem Feind? Nicht sollt’ ich dort von den Zinnen, + Oder des Wartthurms Höh’n mit herrschendem Blick in des Abends + Goldenem Schein’ erforschen die Gau’n: ob, lauernd, der Gegner + Nahe den Thalweg her? Nicht sein, des ohnmächtigen, spotten, + Der, mit blutigen Köpfen zurück von der Veste gewiesen, + Schamroth flieht? Nicht von ihr zum Kampf mit den Reisigen auszieh’n, + Kennend der Mauern Gefüg’, und in selben geschirmt nach dem Heimzug? + Rechte nur immerhin der Unfreie mit mir, daß ich, Freier, + Niederwerfe nach Lust auf der Straße den wandernden Kaufmann, + Der, ein Bürger der Stadt, dem Juden zugleich und dem Wechsler + Treuverbündet, mein Volk betriegt, deß’ Habe doch mein ist? + Nur in der Ritterburg, der Wieg’ erhebender Thatkraft, + Heldensinnes, und Muths wohnt auch das häusliche Glück noch. + Wenn ich schaue die Hausfrau dort, wie sie schaltet mit Sanftmuth + Ueber das rohe Gesind’, und die züchtigen Töchter, den Rosen + Gleich aufblühend, erwerben die Huld und die Würde der Mutter; + Wenn ich vom Fenster hinab an des Hofraums rasigem Abhang + Ringen sehe den Sohn mit den Knappen: wie diesem den Bart er, + Lachend, zerrauft, und den anderen schlägt mit den winzigen Fäustchen, + So vorübend die Kraft auf die herrlichsten Jahre des Lebens: + Nicht für die goldene Kron’ eintauscht’ ich die goldene Freiheit. + Sieh’, auch der Sänger spricht dort ein, und läßt in dem Hofraum, + Nachtumhüllt, gar mild ertönen die lieblichen Saiten, + Eh’ er beginnet sein Lied; doch sitzen wir bald in des Saales + Schimmerndem Licht um ihn her, und horchen den zaub’rischen Tönen + Von der Minne Leiden und Glück; von den Wundergeschichten + Grauender Heldenzeit, und den Thaten gewaltiger Ahnen + So, daß in wonniger Lust, wie im Flug’, uns die Stunden entschwinden! + Ha, und dessen gedenkt der Habsburg uns zu berauben? + Künftig sollen wir feig, erschlafft, und völlig verweichlicht, + Wohnen in dumpfiger Stadt, und der Ritterehre vergessend, + Höflingen gleich, uns bücken vor ihm? Doch, König, verzeihe, + Wenn vor dir nicht Gefälliges spricht ein wackerer Deutscher! + Wie habt ihr turneit? Ward Habsburgs Löwe gebändigt? + Hast du Rache geübt? -- denn Schreckliches kündet dein Aug’ an.“ + Sagt’ es, erstaunt; doch Ottgar sah mit den flammenden Augen + Ihn noch schrecklicher an, und rief: „Ja, Rache geübet + Offen vor allem Volk! Wohl sagt’ ein höllischer Geist mir + Heimlich in’s Ohr: „Durchbohr’ ihn!“ doch mich dünkt’ es zu niedrig: + Morden! Ein Leichtes war’s, auf dem Plan das blinkende Schwert ihm + In die verräth’rische Brust -- er zitterte! heute zu tauchen; + Doch nur in offener Schlacht, das Aug’ auf das Auge geheftet, + Soll er mir steh’n, und, fallend, im Staub’ aushauchen das Leben.“ + Vor, aus seinem Gefolg trat Milota jetzt, und begann so: + „König, verzeih’: er zitterte nicht! Dich täuschte der Rachgier + Seelenverwirrende Gluth. Wohl staunt’ ich, als er so muthvoll + Dir entgegen trat auf dem Plan: du sporntest den Rappen + Weise davon. Gut war’s: nicht wehrlos falle der Gegner, + Tapferen Herzens, dem tapferen Mann; das hast du erwogen: + Selber beut sich ja oft nur klügeren Seelen das Glück an.“ + Sprach so, kaum bekämpfend die Wuth, die ihm heimlich des Herzens + Tiefen zerriß, und er lächelte nur. Doch jener zernagte, + Schweigend, die Lippen vor Zorn: denn Spott verriethen die Augen + Milota’s. Jetzt entblößt’ er das Schwert, und flehte zum Himmel: + „Ewiger, der du schirmst das Recht, und bestrafest das Unrecht; + Auch in der Vorzeit oft in die Hände der Führer des Volkes + Gabst dein Rächerschwert, zu vertilgen Israels Gegner, + Höre mein Fleh’n, und laß’ mich jetzt vergelten im Vollmaß + Dem, der, frevelnd an mir, verletzte die Treu’ und die Wahrheit, + Mich beschimpfend vor allem Volk, da er laut es gebilligt: + Heimlich im Zelt sollt’ ich ihm huldigen -- schändlicher Trug war’s! + Mich verachtet das Volk seitdem, und die jammernde Mutter + Meiner Erzeugten weis’t die unschuldigen Opfer des Truges + Mir, im verzweifelnden Schmerz. + O, gib mir den Sieg in dem Kampf jetzt!“ + „Ihr,“ so rief er den Feldherrn laut, „erhebet die Banner + Eurer geordneten Schar! Wir ziehen noch heute nach Thalsbrunn: + Dort von dem Weidenbach g’en Wien zu dringen, entschlossen.“ + + Jene gehorchten sogleich, und gebothen dem Heere den Aufbruch. + All’ die geordneten Reihen hinab ertönte das Rufen + Tausender: „Auf! In den Kampf! Wir geh’n den Feinden entgegen.“ + Trommeln rasselten dumpf, und das Schmettern eh’rner Drometen + Scholl aus dem Waffen-Geklirr mit dem Wiehern unbändiger Rosse. + Bald schwand rings die wandernde Stadt der Gezelt’ aus den Fluren, + Und die unendliche Wagenburg nachfolgte der Heer’smacht + Langsamen Schritts, von dem Lastvieh fort auf der Straße gezogen. + Siehe, in drei Heersäulen ging des gewaltigen Königs + Furchtbare Macht jetzt vor! Er hemmte sein Roß an dem Heerweg; + Sah die Tausende zieh’n, und heischte von Diesem und Jenem, + Schnelleren Gang mit erhobener, oft schrittweisender Rechten. + Lobkowitz führt’ in dem Vorderzug die böhmischen Reiter; + Mährens Volk, das muthig zu Fuß anstürmt in der Feldschlacht, + Milota, der in der Mitt’ einher vor den Reussen, den Meißnern, + Und den Thüringern zog. Doch Czernin lenkt’ in dem Nachzug + Sachsens reisiges Volk, dem rasch die Mannen der Kunring’, + Und die Bayern zugleich voreileten, fröhlichen Muthes. + Als das geordnete Heer aufbrach, da schloß mit Gefolg auch + Ottgar sich, hinbrütend, ihm an. Der tapfere Wallstein + Ritt ihm zur Seit’ -- auch er versunken in düstere Schwermuth: + Denn nicht brachte der Tag ihm Gewinn; nicht die schönere Hoffnung + Blüht’ ihm darum, weil er sie dem Gegner entriß auf der Turnbahn. + Ach, sie stand ihm zu hoch, des Königs Erzeugte! Nicht wagt’ er, + Ihm zu eröffnen das Herz, obgleich er liebend an ihm hing. + + Jetzo schwand das hüg’lige Matz zur Rechten, und Angerns + Weidenreiches Gefild zur Linken dem Heere vorüber. + Ottgars Blick hing starr an der March, die rauschend hinunter, + G’en Marcheck und Kressenbrunn die dunkelen Fluthen + Wälzte. Der herrlichen Zeit errungenen Ruhmes gedacht’ er + Jetzo mit pochender Brust, und sprach zu dem sinnenden Jüngling: + „Eilt nicht der Strom, wie die Zeit, in ewigwechselndem Lauf fort? + Bald erglänzt er im sonnigen Licht, bald wogt er im Sturmhauch, + Trübaufschäumend, umher: sein voriger Reiz ist entschwunden. + Siehe, wie düster die March jetzt fließt, + und wie herrlich erschien sie + Dort an dem Tage von Kressenbrunn,[1] wo im Siegesgefild mir + Ungerns Macht erlag, die Bela, der tapfere König, + Zahllos, wie der Heuschrecken Heer’, uns entgegengeführt hat! + Jenem Siegestag zur Erinnerung gründet’ ich dankbar + Dann Marcheck, die blühende Stadt, am Gestade des Flusses. + Ha, dort scholl mir die Stimme des Glücks in dem Sieges-Gefild noch, + Und ich folgt’ ihr beherzt! Vielleicht erschallt sie mir nimmer. + So ist des Menschen Geschick, des sterblichen, hier auf des Lebens + Pilgerpfad’ empor zu schießen, voll üppigen Wuchses; + Doch gestellt ist das Maß, und er schrumpft dann wieder zusammen, + Wie die thürmend’ Eich’, die ihr Haupt in die Lüfte gehoben, + Nun zu Moder zerfällt: die, ach, Jahrhunderten trotzte, + Liegt in dem Staub! So schreiten auch Reich’ und gewaltige Völker + Plötzlich wieder zurück von den kaum errungenen Höhen, + Und mir ahnet es fast, ich hab’ sie errungen: zum Abend + Neigt sich mein Strahlengestirn, und bald versinkt es in Nachtgrau’n.“ + „Das sey ferne,“ so rief den schwärmerischtrüben Gedanken + Sich entreißend mit Macht, der feurige Jüngling, „das Dunkel + Kennt dein Glücksgestirn nicht mehr: erst jetzo beginne + Solches den schöneren Lauf zu des Ruhms hellleuchtender Sonne! + Fällt der Kaiser besiegt, und das soll er! dann ist die Welt dir + Unterthan. Wie dort nach dem herrlichen Sieg’ im Triumphzug + Du hinführtest dein Volk an Italiens Gränze:[2] so winkt jetzt, + Ueber sie hin dein Siegespfad. Weltherrschend, eröffnet + Roma dir die Thor’, und erblickt die Krone der Kaiser + Schimmernd auf deinem Haupt, die Carol der Große getragen. + Stark bist du, und noch stärker, so dir ein tapferer Eidam -- + Doch nicht aus Rudolphs Stamm, den du geziemend verschmähtest, + Sich in dem Schlachtfeld eint, als Gatte der himmlischen Hedwig!“ + + Ottgar schwieg, und das Heer zog weiter in täuschender Stille, + Wie er gebothen zuvor. Doch sieh’, aus den nächtlichen Wolken + Senkte sich Arpad[3] jetzt in Eile herunter! Ein Vater + Ward er genannt dem Magyaren-Volk’, und aus seinem Geschlecht her + Sproßte der Segenszweig: der erste, der heilige König + Ungerns, der, sein Volk auf des Heilands Pfade geleitend, + Ihm der Menschlichkeit beglückende Recht’, und der Sitten + Mildere Form kund gab, auch Gesetz’ ihm schenkte zur Wohlfahrt. + Arpad, schauend den Kun, im Rohrgefilde verborgen, + Sann alsbald nur Thaten des Muths, und er nahete pfeilschnell + Ladislav, dem Könige, der, entschlummert im Zeltraum + Lag auf dem Bärenfell’ im grasumwucherten Aufeld; + Beugte sich über ihn hin, und preßte den Mund auf den Mund ihm + So, daß er ängstlich sich wand, und stöhnete, bis er die Augen + Aufschlug, schrie, und im finsteren Zelt’, entrüstet, umher sah. + Arpad haucht’ ihm Muth in die Brust mit dem Seelengelispel: + „Also bezwungen vom Schlaf, dehnst du die blühenden Glieder, + Eingelullt vom Gesang kumanischer Frau’n und der Zither + Sanftem Getön? Wach’ auf, du Weichlicher! Denke der Ahnen + Weitgefeierten Heldenruhms, und des feurigen Muthes, + Der sie beseelte beim Klang des furchtbarbrüllenden Rindhorns, + Wenn die Feinde sich trafen im Feld’, und der Würgenden Ruf scholl. + Wachen muß dort stets für alle der Herrscher, und rastlos + Walten bei Tag und bei Nacht, in gefahrumdräuender Kriegszeit. + Horch dem Gewirr! Schon zieht der Böhm’ in täuschender Stille + Eilig die Straße hinab g’en Thalsbrunn, dort in des Lagers + Weitumkreisendem Raum, von dem Rasenwall’ und dem Graben + Mächtig geschirmt, dem Feinde sich rasch entgegen zu werfen. + Zahllos regten sich dort viel’ Tag’ und Nächte die Gräber, + Die er entboth in dem Land’ umher voll schrecklicher Drohung; + Doch im Rücken des eilenden Heers, nichts Arges vermuthend, + Kommt mit schwachem Gefolg’ auch der König vorüber, und langsam + Folgt ihm die Wagenburg: d’rum schnell an das muthige Werk jetzt! + Sende hinaus in den Hinterhalt der bewährtesten Reiter + Tausend, die, verborgen im trocknen Geröhr’, an dem Heerweg + Harren, bis Ottgar naht: gleich weit entfernt von den Scharen + Und von der Wagenburg; dann all’, im sausenden Eilflug, + All’ auf ihn los, und erhascht ihr ihn, + schnell in Geschrei und Getümmel + Wieder zurück in das Lager gejagt mit dem werthen Gefang’nen. + So beginne den Kampf, ein Sieger, zur Freude dem Kaiser -- + Dir, und dem Vaterlande zum Ruhm, dem Lande der Helden!“ + Sagt’ es mit lispelndem Laut. Da trat ein Kun in das Zelt ein, + Athemberaubt vor Hast, und verkündete: daß auf dem Heerweg + Zahllos, Schar auf Schar, der Böhme vorübergezogen. + Feuriger hauchte der Geist, da er sprach, dem horchenden König + Noch in die Seele den kühnen Entschluß. Sieh’, eilig erhob er + D’rauf sich vom Lager, und rief nach dem tapferen Führer der Kunen, + Kaduscha, der, von Gestalt nur klein, und häßlich von Anseh’n, + Doch unbändiger Kraft, und flammenschnaubenden Muths war. + „Eile,“ so sprach er zu ihm, „mit tausend erlesenen Reitern + Bis an den Rand des Geröhres hinaus, und harre mit Vorsicht + Dort in dem Hinterhalt, bis Ottgar selber dir nah’ ist: + Weit getrennt von der Wagenburg, und den eilenden Scharen; + Dann im Fluge hinaus, zu erhaschen den Herrscher der Böhmen! + Fünfzig Rosse sind dein, und zehn goldschimmernde Sättel, + Auch der Waffenschmuck des Königes, kehrst du als Sieger.“ + „Ich vernahm es,“ entgegnete stolz der muthige Feldherr, + Als er das Roß bestieg. Er jagte mit tausend Erwählten + Bis an den Saum des Geröhres hinaus, und warf sich, des Königs + Harrend, in’s Gras. Wie in dunkeler Nacht der schreckliche Rohrwolf + Lauscht an der Trift, und dort auf die Hinterfüße gesunken, + Winselnd vor Gier nach Blut, mit glühenden Augen umherschaut: + Ob nicht der Rinder Schar vorüber wandere, grasend? + So der Kune dahier. Doch sieh’, bald wogten des Feindes + Reihen vorbei, und im Zwischenraum, nichts Arges vermuthend, + Naht’ auch Ottgar jetzt, als Kaduscha, sich in den Sattel + Hebend, den Kunen zu stürmen geboth. Vor dem wilden Getümmel + Klirrender Waffen, und brausender Ross’, und der stürmenden Krieger + Lautem Gejauchz’ erbebte die Nacht, und des Königs Geleitschar + Starrte vor Angst: denn schnell, weit vorgebeugt aus dem Sattel, + Schwingend mit wildem Gebrüll den krummgehämmerten Säbel, + Jagten die Kunen heran, und drohten ihm Tod und Verderben. + Wallstein rief alsbald dem Gefolg’: „O, schließt um den Herrscher + Einen ehernen Kreis mit der Brust, und fielen im Kampf wir + Alle zugleich, nur sey des Herrn Gesalbter errettet!“ + Aber nicht säumten die Tapferen: denn dreihundert aus Böhmen, + Bayern, und Sachsen, erwählt zum Geleit’, umringten den König + Schirmend, und kehrten die Brust nach dem Feind, + der, ähnlich dem Sturmwind, + Naher und naher im Flug, herbraust’ auf dem staubenden Heerweg. + + Kaduscha hieb der erst’ in den Kreis des kühnen Gefolgs ein. + Er zerschmetterte schnell zwei muthigen Bayern, von Törings + Mannen, die Stirn’, und erhob sein Eisen, noch fürder zu wüthen. + Töring, der edele Ritter, der, ausziehend aus Seefelds + Ragender Burg, dort sieben unmündige Kinder zurückließ: + Denn ihm raubte der Tod erst jüngst die treffliche Hausfrau, + Senkte den Speer auf den Wüthenden; ritt rasch an, und durchstieß ihm + Also die Rechte, daß ihr alsbald entschlüpfte der Säbel. + Jetzo hatt’ er gerächt die Ermordeten; aber es barg sich + Jener sogleich im Gedräng’, und rief nach dem Führer des Volkes, + Zobor, ihm vertrauend des Kampfs entscheidende Leitung -- + Ihm, dem Riesen an Kraft: er lockte den grimmigen Bären + Aus der Höhle heraus, und erwürgte ihn, ringend, am Boden. + Seitwärts drang er auf Töring ein, der, schnaubend vor Rachgier + Reiter auf Reiter herab aus dem Sattel warf mit dem Speerschaft. + Vier’ erwürgt’ er schon: da stieß ihm die Spitze des Eisens + Zobor tief in’s Genick’, als er nach dem Gegner sich beugte. + Töring sank in den Staub, und hauchte den muthigen Geist aus. + Ach, und die Amme führt, wie die liebvollsorgende Mutter, + Jeglichen Morgen die Kinder heraus auf die Zinnen der Felsburg; + Zeigt dort allen den Weg, den jüngst der Vater gezogen, + „Und euch allen,“ so sprach sie, + „ein schönes Geschenk aus der Hauptstadt + Heimbringt, so ihr euch fromm und gut, wie er’s heischte, benehmet.“ + Doch nicht kehret er heim; sein harren die Kinder vergeblich: + Denn er liegt getödtet im Staub! So fielen noch hundert, + Unter der würgenden Faust der Kunen, gebändigte Krieger, + Und Verderben umgab stets näher und näher den König. + Wie wenn nächtlich im Wald’ ein wandernder Fleischer, von Räubern + Angefallen, mit tapferem Muth’ sich wehrt, und der Gegner + Manchen erlegt; doch wäre noch all sein Mühen vergeblich, + So das menschengetreueste Thier ihm nicht fest an den Seiten + Kämpfte: sein mächtiger Hund, der rasch im Kreise sich wendend, + Diesem die Kehle durchhaut mit den tödlichen Zähnen; den andern + Niederreißt am Genick’, und, würgend, nicht ruhet, nicht rastet, + Bis er errettet schaut den Gebiether: so stritt für das Leben + Ottgars, häufend die Leichen umher, der tapfere Wallstein. + Doch, als jetzt die Gefahr ihm noch gewaltiger drohte, + Schrie er ihm zu: „Mir nach, mein König und Herr!“ und er bahnte + Sich mit dem sausenden Stahl durch Feindeshaufen den Blutpfad. + Ottgar folgt’ ihm beherzt, und hieb die Umstürmenden nieder. + Ha, nach entsetzlichem Mord und Gewürg, durchhau’n, und gesprengt war + Endlich der Todesring, und ihm entrannen die beiden, + Brausenden Flugs, auf dem Heerweg fort! Im nächtlichen Dunkel + Schwanden sie bald aus den Augen der weitnachfolgenden Gegner; + Doch die kehrten zurück’, und des Königs treue Geleitschar + Fiel nach tapferer Gegenwehr (denn Keiner ergab sich) + Hier erschlagen im Kampf mit den herzblutdürstenden Kunen. + Ach, wie grausam wütheten jetzt die Schrecklichen: hauend + Allen das Haupt von dem Rumpf’, und es dann auf die Spitze des Säbels + Pflanzend, zogen sie heim, siegtrunken und rachegesättigt: + Denn sie sahen zuvor wohl doppelt die Zahl der Gefährten + Hingestreckt im Staub’, und erwürgt von den tapferen Feinden. + + Fort, und fort im Galopp war Ottgar schon in des Heeres + Nähe gelangt; nur die Höh’n von Prottes, dem ruhigen Dörfchen, + Lagen noch, trennend, vor ihm, und hinter den eilenden Scharen. + Milota trabte die Höhen herab. Mit ängstlicher Sorgfalt + Forschte sein Auge zuvor nach dem König: er hatt’ ihn dem Tod schon + Lange geweiht, und harrete nur des ersehneten Tages, + Wo er nach Rache die Gier an ihm sättigte, schrecklich und furchtbar! + D’rum verlor er ihn nie aus den Augen, und so, wie der Kater, + Grausamer Lust, freigibt das erst gefangene Mäuschen: + Da folgt ihm sein glühender Blick, und will es entrinnen, + Streckt er sogleich ihm nach die klau’nbewaffneten Pfoten -- + Reißt es zurück in den Todes-Kreis, und weidet die Augen + So an dem armen, voll Grimms: nicht anders verfolgten die Augen + Milota’s Ottgarn stets, der Rach’ ihn zu opfern, entschlossen. + Jetzo gewahrend: er sey’s, begann er von weitem zu rufen: + „Wahrlich, du wagtest viel, mein König, so fern dich zu halten + Von dem schnellvoreilenden Heer! Wer so die Gefahr sucht, + Wandelt auf glattem Geröll’, an des Abgrunds schwindligem Rand hin: + Denn in den Auen der March droht uns der schrecklichen Kunen + Leis’umspähendes Volk: du warst die erwünschteste Beut’ ihm, + So es dich traf. Doch sprich, wo weilt dein Reitergefolg noch?“ + „Mein Gefolg ist todt,“ entgegnete jener, „gefallen + Unter des Feindes würgender Faust. Dem tapferen Jüngling + Hier verdank’ ich das Leben allein; stets hielt er im Leben + Treulich an mir; er sey, wie ein Sohn, mir geliebt in der Zukunft.“ + D’rauf hinbeugt’ er nach Wallstein sich von dem Sattel; er küßt’ ihn + Auf die glühende Stirn, und drückt’ ihm die Rechte noch freundlich. + Jener, mit Freudenthränen im Blick’, erwiederte, hebend + Ottgars Hand an den Mund, der Liebe beglückendes Zeichen. + Plötzlich sah er im Geist der wahnsinngenähreten Hoffnung + Truggestalt in der Wirklichkeit, hellschimmernden Glanzes, + Ihm genaht, und gestillt des Herzens unendliche Sehnsucht. + Wehe, daß Drahomira so nah’ ihm war in des Nachtgrau’ns + Schrecklicher Stund’, und stets auflauerte, daß sie, verderbend + Ihn, sich räche zugleich an Ottgarn, höllischer Lust voll! + Hufesgerassel erscholl: denn Milota’s Reitergeschwader + Jagte heran. Sie schrie ihm ins Ohr: „Der Feind ist im Anzug!“ + „Ha, der Feind!“ rief Milota laut, und in wilder Verwirrung + Jagt’ er nach Ebenthal, woher sie gekommen, das Roß hin. + Ottgar folgt’ ihm schnell; nur Wallstein hemmte den Läufer + Oft: um den König besorgt, und für ihn zu sterben, entschlossen. + Aber ihm däuchte das nahe Gebirg, und drüben das Blachfeld + Jenes von Ebenthal an der freundlichen Burg, wo er seicher + Oft sich erging, des Weidwerks Lust ergeben im Feld’ auch. + Ottgar hörete jetzt den Ruf des warnenden Jünglings; + Tobte vor Zorn, und sprach zu Milota grimmigen Blickes: + „Hat dich mein böses Geschick mir entgegengeführt an dem Kreuzweg, + Wo in dem nächtlichen Grau’n nur menschenfeindliche Geister + Hausen, daß du dem Heer mich entrückst, und verleitest zum Irrgang? + Wahrlich, der Himmel straft heut Nacht die Vergehungen alle, + Die mich erniedrigten einst auf des Lebens verlockenden Bahnen! + Fort, g’en Stillfried jetzt, wo die Wagenburg und der Nachhuth + Tapfere Schar mich schirmt, bis wir dem Heere vereint sind!“ + + Finster umhüllete noch das Gewölk den nächtlichen Himmel; + Noch aufriß der entfliehende Blitz zuweilen die Lieder, + Zürnend, und sah mit feurigem Blick aus Osten herüber. + Bergan hob sich der Weg, und Milota sagte, verhöhnend, + Als die Ross’, oft zögernden Gang’s, aufschritten den Bergpfad: + „Hoffst du, Herr! vor des Ewigen Richterstuhle so leicht dich + Abzufinden dereinst mit dem schreckengerüsteten Engel, + Der dein Blatt dir weis’t in dem Buche des Lebens und Todes? + Wähnst noch gar, du habest gebüßt für Alles und Jedes, + Was du verübt seither, schon heut’ im nächtlichen Irr-Ritt? + Grauses vernahm mein Ohr. Ist’s Wahrheit, oder nur Täuschung, + Was die Sag’ uns gab von dem blutbesudelten Handel + Dort? Daß die Ost- und die steyrische-Mark dir bleibe zu Eigen, + Hast du Schätze gesandt nach Wälschland -- heimlich verbündet + Rom und Neapel dir, und Konradin, Friedrich von Oestreich[4] + Hingeopfert des Henkers Schwert, die blühenden Fürsten? + Hast nicht Erbarmen geübt, als d’rauf die Mutter des letztern, + Gertrud,[5] sanften Gemüths, aus dem Erbe der Väter vertrieben, + Fliehen hieß dein Wüthrich fort in stürmischer Nachtzeit? + Bist du rein von Schuld an dem Tod der verstoßenen Gattinn, + Margareth?[6] Ward der edele Herr und Ritter von Meißau + Nicht in unwürdiger Haft von dir verbrannt in dem Schloßthurm?[7] + Nicht die Heldenschar, von dem Pettau’r,[8] niedrigen Herzens, + Angeschwärzt, jahrlang’ in schmählichen Banden gehalten -- + Ihrer gewaltigen Vesten beraubt? Sieh’ dort auf dem Hügel + Drüben den Rabenstein: wie im Wind sich die dürren Gerippe + Dreh’n nun hin, nun her, und im Schwung lautächzen die Ketten! + Hu, aufsträubt sich mein Haar -- und dennoch lieber gehenkt dort, + Als daß ich übte, wie du, an dem Merenberger[9] den Frevel! + Aber horch! Da er nun, das Haupt an die Füße gebunden, + Zweimal den Morgen und Abend sah, in schrecklichen Qualen + Hängend am Rabenstein, war nur der geschändeten Schwester + Bild -- geschändet von dir, vor seinem Gemüthe! Dir flucht’ er, + Eh’ er starb, durchbohrt von einem der wilden Szupanen. + Wie, du erschrickst? Nein, fürchte nichts, Herr! + Daß ich jetzo der Tochter,[10] + Meines geliebtesten Kindes, gedacht, nicht verdenk’ es dem Vater, + Der nicht weinen mehr kann um sie, die schändlich verführt ward. + Ihre die Schuld, der Metze: sie gab sich wohl selber der Schmach hin!“ + + Ottgar schlug sich die Brust, und wimmerte: „Vater, Verzeihung; + Mein ist die Schuld allein: den Himmlischen glich sie an Reinheit!“ + „So?“ -- sprach dann mit gedehnetem Laut der entsetzliche Vater. + Ottgar stöhnte vor Angst, daß es jener vernahm; mit den Zähnen + Knirscht’ er; sah empor, und rief mit ersterbender Stimme: + „Milota, sieh’, wie es über den armen Sündern erblitzet!“ + Sagt’ es, und stützte das Haupt, vergehend, auf Milota’s Schulter. + Jetzt in der geistverzückenden Zeit todähnlicher Ohnmacht + Sah, wie entkörpert, er dort an dem Rabenstein, Drahomira + Schweben umher, und oft hellstrahlen von röthlichen Flammen. + Ihr nachfolgten zum Dienst drei Mißgestalten der Hölle + So, daß der Halbentseelte noch zuckt’, und bebte vor Schrecken, + Als er die Furchtbar’n sah. Aus schwarzumhüllendem Schleier + Starrten mit weitgeöffnetem Aug’ todblasse Gesichter, + Und ihr Leib, durchblinkt von der Flammengestalt Drahomira’s, + Floß, wie ein Trauerflor, hinaus in das finstere Nachtgrau’n. + Doch, nach dem Wink der Gebietherinn, auf, + und hinunter sich schwingend + Dicht an dem Rabenstein, wie der Mauerspecht am Gemäuer, + Der mit kläglichem Ruf nach Gewürm’ und Käferchen spähet, + Nagten sie dort ein Giftgewächs und das Moos mit den Zähnen + Ab von dem Stein und Gehölz, und schwebten hinab auf den Heerweg. + (Zwischen Ottgar hier, und Milota -- aber vor Wallstein + Dort, der zögernd folgt’: in täuschende Träume versunken + Künftigen Glücks) und hauchten zugleich auf die Erde den Unrath. + Doch Drahomira kam, vorhaltend in glühender Rechten + Einen Becher, in dem verderbliche Säfte von Kräutern + Gähreten: erst entpreßt dem Eisenhütchen und Schierling, + Dann Tollkirschensäfte vermengt, der plötzlich des Menschen + Sinne verwirrt. Sie goß mit zaubergewaltigen Worten, + Vor den Drei’n, die sie nachmurmelten, wie aus der Felskluft + Grimmvoll murrt ein Drach’, das Gift auf den furchtbaren Unrath + Aus; zertrümmerte schnell den Becher auf ihm, und erhob sich + Dann im Weh’ausruf des Höllengefolg’s in den Luftraum. + Alsbald schwamm ein bläulicher Duft, des giftigen Pfuhles + Nebel gleich, umher: dem nahenden Jüngling zum Falle + Hingebannt von der Macht Drahomira’s, des schrecklichen Weibes. + + Ha, schon naht’ er heran! Noch brannte der glühende Kuß ihm + Auf der Stirn’; noch scholl in das Ohr ihm der schmeichelnde Zuruf + Ottgars: „Daß er ein Sohn ihm sey -- dem liebenden Vater.“ + „Wie, ein Sohn? Dann ... ja, wenn Hedwig die Rechte mir reichet! + Himmlische Hoffnung!“ Rief’s; da bäumte schnaubend sein Reitroß + Dort an der furchtbarn Stelle sich auf. Ihn däuchte der Wehruf, + Den er jetzo vernahm, aufhorchend mit pochendem Herzen, + Hedwigs Stimm’: alsbald vorspornend den hurtigen Läufer, + Stand er gebannt in dem Zauberkreis’, und urplötzlich, so wähnt’ er, + Ward ihm zur Gegenwart die nimmergeahnete Zukunft. + Hochbeglückt hielt er die Ersehnete jetzt in den Armen: + Ihm schwand Himmel und Erde dahin! Doch flatterte blitzschnell + Weiter der täuschende Spuk, da, schnaubend vor Angst und Entsetzen, + Nun das Roß fortsprang aus dem Zauberkreise der Hölle. + Stöhnend sah er zurück, und die Blässe des Todes bedeckte + Seine Wangen: ein Traum, so schien es ihm, flüchtig entronnen, + Wies ihm des Erdenglücks Erwünschtestes. Wehe, nicht schwand jetzt + Mehr des Gesehenen Bild aus seinem Gemüth’. In den Adern + Kocht’ ihm das Blut, und im kreisenden Schwung’ umgaukelte jenes + Rastlos ihn, da er flog, getrieben von höllischem Zauber, + Abzufordern die Hand der Königstochter dem Vater; + So zu empören des Herrschers Stolz, und, von diesem gehöhnet, + Racherfüllt, sich selber und ihn zu verderben auf immer. + + Siehe, voll Himmelshuld war ihm sein schützender Engel + Wieder genaht, und rief in sanftverweisenden Lauten: + „Wie, umsonst ertönte dir erst mein warnender Zuruf? + Wehe dir, Jüngling, ach, wenn Schuld verdunkelt die Reinheit + Deines Gemüths! Wie ein Spiegel, noch erst im herrlichsten Lichtglanz + Schimmernd, schnell abstirbt, so ihn feuchtannahender Hauch deckt: + Also umwölkt es die Schuld. Bald scheint die blühende Schöpfung + Dir verwelkt, und erstarrt ringsum das regsame Leben: + Nichts des Hohen vollführest du mehr, von irdischen Banden + Niedergehalten. Verzieh’; o denke des Ewigen, reuig; + Kehre zurück, und beherrsche mit Kraft die Gelüste des Herzens, + Daß du nicht Schmach dir jetzt durch thörichte Worte bereitest!“ + + Sagt’ es, und schwang sich empor zu dem Vater + im Himmel, deß’ Antlitz + Er mit dem Seraph und Cherub schaut für immer und ewig. + Aber der Jüngling rief: „Ward erst der Seligen Wonne + Mir von dem Himmel gewährt? Vernahm ich jetzo der Hölle + Täuschenden Ruf? Nicht weiß ich’s -- will es nicht wissen; + es dreht sich + Schwindelnd die Welt um mich her; sie reiße mich mit in den Abgrund!“ + Sieh, und er hieb in den Bauch des ächzenden Läufers den Sporn ein: + Brausenden Sprung’s trug fort ihn das Thier, + bis er’s vor dem Herrscher, + Der mit dem Feldherrn, ernst und schweigend die nächtliche Bahn zog, + Jetzt festhielt, nach gewaltigem Müh’n: denn wüthenden Ingrimms + Flog es dahin! Nun sprach mit sanfterheitertem Antlitz, + Nach dem Jüngling gekehrt, der weitgefürchtete König: + „Wallstein, ha, wo weilst du? Komm, und rette den Vater + Dir, dem liebenden Sohn, von diesem entsetzlichen Manne! + Milota, fort! Entfleuch! Du warst mir treulich ergeben, + Du, des Herrschers Vasall; doch hast du mit blutiger Faust ihm + Heut’ in dem Herzen gewühlt -- frechlautende Worte gesprochen. + Gott ist gerecht. Die Schuld, vergrößert von feindlicher Mißgunst, + Mindert vor ihm ein reuiges Herz: er wird’s nicht verschmähen! + Halte dich künftig entfernt von mir -- auch jetzt in dem Feldzug, + Daß nicht mein Zorn, erwacht, dich noch verderbend ereile.“ + Jener lächelte grimmig, und rief: „Recht hast du gesprochen: + Weichen will ich -- im Kampf’ entfernt dir stehen; der Tochter + Stets gedenken, und flieh’n die Nähe des dräuenden Herrschers.“ + D’rauf entschwand er im Feld; doch Ottgar sagte dem Jüngling: + „Wallstein, höre mich nun! Stets warst du mir theuer vor Allen + Ob des Heldenmuths und der Treue, mit welcher du, liebend, + Hingest an mir: doch heut, wie lohn’ ich geziemend die Thaten + Ewigen Ruhms? Erst rächtest du mich an Rudolphs Erzeugtem; + D’rauf hast du mich entrissen der Wuth umdrängender Gegner. + Sieh’, am kommenden Tag sollst du durch würdigen Lobspruch + Hochverherrlichet steh’n vor meiner versammelten Heersmacht; + Auch den Feldherrn dort, als Führer des böhmischen Fußvolks, + Beigesellt, ein Zeuge der Huld und des Glückes erscheinen!“ + + Jener entgegnete schnell, von dem Höllenzauber getrieben: + „Herr! du nanntest mich Sohn zuvor, und ein liebender Vater + Willst du mir seyn? Wohlan! Ich rühme mich edlen Geschlechtes, + Ja, des edelsten, das in dem Vaterlande genannt ist: + Reich an Schätzen und Land, gleich Fürstensöhnen geachtet! + Vater, mein höchstes, mein einziges Glück harrt deiner Entscheidung! + Gib mir Hedwigs Hand, des angebetheten Fräuleins: + Dann wird überschwenglicher Lohn mir zu Theil, und ein Eidam + Steht dir dankbar bereit -- für dich zu sterben, entschlossen, + Tapferen Muth’s im Feld’, ein mächtiger Schirmer des Thrones, + Den du zierest, und Wenzeslav, dem Erzeugten, vererbest. + Hörst du mich nicht: dann fort an die fernsten Gränzen des Weltmeers; + Dann aus dem Leben fort, dann wähle dir treuere Diener!“ + „Tod und Hölle!“ so rief entrüstet der König, „wie ward mir + Heut das Geschick, Wahnsinnigen hier zum Spotte zu dienen? + O Verblendeter! Wie? so täuschest du frech und verwegen, + Meine Hoffnungen all’, auf dich gegründet, und trotzest + Auf die erworbene Herrscherhuld? Du erkühnst dich um Ottgars + Tochter zu frei’n -- um Hedwig, nach welcher sich Könige sehnten? + Schwind’ aus dem Glanz der Sonn’, aufdämmernder Stern, und durchlaufe + Fern mit jenen die dunkele Bahn, die selber dir gleichen! + Ehren sollte des Königs Ruf dich am kommenden Morgen? + Sieh’, ich schlage dich jetzt -- + doch, wiss’ es, Bube, zur Schmach nur: + Daß du gedenkest hinfort, wie frech du ihn eben gehöhnt hast!“ + Rief’s, von der Hüfte sich reißend das Schwert. + Er schlug mit der Kling’ ihn, + Wüthend, über den Helm, und jagte hinüber zur Heersmacht, + Der er genaht, in des Morgenroths erglühendem Lichtstrahl. + Wallstein zog bei dem Schlag schon halb aus der Scheide das Eisen, + Hielt’s so, fest umspannt, hinbrütend, die Augen zum Boden + Heftend, erblaßt, und starrete noch mit entsetzlichen Blicken + Lang’ um sich her; dann stieß er das Eisen zurück, und verlor sich + Von dem Pfad seitab, in des Hains umschattendem Dunkel. + + + + + Sechster Gesang. + + + Sieh’, im rosigen Duft versank die glühende Sonne + Hinter dem fernen Gebirg; die Nacht umschleierte ringsum + Schon die Gefild’, als jetzo von Neuburg her an der Donau, + Czernin kühn vordrang mit tausend tapferen Böhmen, + Die er, unferne dem Bisamberg, in räumigen Fähren + Uebergesetzt, nach Waldrams Wink, des frechen Empörers. + Dort in verengender Schlucht, die am Fuße des Kahlen- und Leupold- + Berges ein Dörfchen birgt in gebüschumhüllender Bergschlucht, + Lagen die Böhmen im schlauen Versteck, sich Reiter von Oestreich + Rühmend, und hielten das Volk in den Hütten fest, nach des Krieges + Eisernem Brauch, daß kein Verräther dem Feinde zum Dienst sey. + Doch als jetzo der Mitternacht ersehneter Zeitraum + Nah’ war, brachen sie auf, und schlichen am Ufer der Donau + Leise hinab, den Füchsen gleich, die so den Gehöften + Nah’n, aus den Ställen umher, raschwürgend, die Beute zu holen. + Als sie Nußdorf links, durch freundliche Traubengeländer + Wandernd, und d’rauf rechts Heiligenstadt, und Döbling erblickten, + Lenkten sie wieder behend zu dem lautaufrauschenden Strom ein, + Bis sie erreichten den Weidenhain unferne der Steinwehr, + Welche das Neuthor schirmt, und harrten, im Dickicht verborgen, + Dort des verheißenen Winks, durch List zu erringen die Festung. + + Doch nun klirrten des Thors gewaltige Riegel, und Czernin + Wähnte: verrathen sey dem Feinde sein kühnes Beginnen. + Weniges sprach er nur: der Schweigende hieß er den Kriegern; + Aber das Wenige sprach er mit Kraft; so rief er auch jetzo: + „Männer, fasset das Schwert! Wir wollen dem Feinde das Leben + Theuer verkaufen im Handgemeng’: ein schrecklicher Kampf sey’s!“ + Siehe, da ritt aus dem Thor, das aufflog, brausend ein Ritter + Näher, und jagte dem Haine vorbei. Ihm folgte der Knappe. + Hartmann, Wiens erlesener Hort, verließ mit dem Treuen + Eben die Mauern der Burg: er war’s, der näher gesprengt kam. + Alsbald wäre der Feind ihm hier in den Rücken gefallen: + Ihn, der Rettung bedacht, zu erlegen zugleich mit dem Knappen; + Aber es schwang sich Marbod jetzt aus dem finsteren Luftraum, + Hastig an Czernins Seit’, und hemmt’ ihn mit täuschenden Worten: + „Czernin, halte die Krieger zurück, nicht siehst du den Feind hier, + Sondern die Freund’, entsandt durch Rüdiger, daß sie im Rundgang + Zieh’n an der Vest’ umher, und erforschen: ob nicht die Gegner + Euerer Macht, auflauernden Blicks, entgegen sich stellen? + Bald ist die Runde vollbracht, euch öffnet sich leise das Neuthor.“ + Sagt’ es, voll Hast; dann flog er dem Jünglinge nach, und begann so: + „Hartmann, kehre zurück! In dem Hinterhalte verborgen, + Lauert dir, mit Verräthern im Bund, der listige Feind auf. + Kehre durchs Schottenthor in die Burg, und beschirme die Festung, + Dir von dem Herrscher vertraut mit wichtigem Worte: gehorch’ ihm!“ + Aber der Eilende sprach: „Mich däucht, ein Höllengeflister + Hält von der Wallerfahrt mich zurück? Ich gehe, zu bethen + Auf dem Kahlenberg für die schwachaufathmende Mutter: + Ob nicht Gott sich erbarmt; mein Fleh’n die heilige Jungfrau -- + Mutter auch sie! voll Huld, dem liebenden Sohn’ an das Herz legt, + Und das erfüllte Gelübd’ erringt der Mutter Genesung?“ + Als er es rief, da gab er dem Pferde die Spornen, und brausend + Trug es ihn fort im Galopp’ auf die Höh’n des umnachteten Berges. + Dort, zu dem Kloster gelangt, vertraut’ er dem Knappen den Renner; + Zog an dem ehernen Pfortenring, und klingelte. Dreimal + Scholl in der einsamen Nacht, entlang den finsteren Kreuzgang + Hin, der Glocke Getön. Bald klirrte der eiserne Riegel, + Von dem Pförtner getrieben, im Schloß’, und in schweigender Ehrfurcht + Ließ er den Ritter, der „Gelobt sey Jesus!“ ihm rief, ein. + „Ewig!“ gab er zurück’, und verschloß die Thüre mit Sorgfalt: + Denn nicht war er ihm fremd; er kannte des Kaisers Erzeugten. + Aber er schritt entlang die weitgesonderten Zellen, + Die ein freundliches Gärtchen schied, die Reihe hinunter, + Bis zu dem Fenster des Bruders Ernst, und klopfte, nur halblaut + Rufend: „Vater, komm! Schon floh die zwölfte der Stunden, + Komm, und lese die Messe sogleich in der heiligen Halle, + Wo vor dem Kreuz-Bild schon unzählige Kranke genasen. + O, daß dein frommes Gebeth uns erflehte die liebende Mutter!“ + „Jüngling!“ so rief der Erwachende jetzt, „was treibest du rastlos + Durch die dunkele Nacht? Der Himmel erhöret das Flehen + Sterblicher mild bei Tag und Nacht, wenn solches der Seelen + Heil’ entspricht: stell’s heim, wie es kömmt, der ewigen Vorsicht.“ + Sagt’ es, erhob sich, und trat aus der nächtlichen Kammer. + Er schlief dort + Immer im härnen Gewand’: um das Grab sein Lager zu tauschen + Jeglichen Augenblick, mit gottergebenem Herzen. + + Schauer durchfuhr den Geist, der schnell dem Ritter gefolgt war, + Als er des Bruders bleiches Gesicht, und das Auge, voll Demuth + Stets zur Erde geheftet, ersah; die himmlische Weisheit + Klar an der Stirn’ ihm las, und, vereint abtödtendem Bußsinn + Seelenfrieden und Ruh’ in seinen erhelleten Zügen + Wahrnahm. Dennoch wagt’ er es nicht, ihm zu folgen in Gottes + Heiligthum; nur entfernt und schüchtern sah er hinüber, + Als er dort vor dem Bild des Gekreuzigten, würdigbekleidet, + Stand in dem hellen Schein sechs strahlender Kerzen: sie ragten + Aus den silbernen Leuchtern, geteilt, vom Marmor-Altar auf; + Sah, wie ihm diente der Ritter selbst, auf die Kniee gesunken: + Jetzt ihm brachte das Buch, und er bethete; jetzo, die Gaben + Opfernd, Brot und Wein darreicht’; er Worte des Segens + Ueber sie sprach, dann auf zur Anbethung hob, und, in Demuth + Klopfend die Brust vorher, genoß: ein hehres Geheimniß + Feiernd. Er staunte noch mehr: wie dort der muthige Jüngling + Ganz in heiliger Gluth und in herzdurchschauernder Andacht + Aufgelös’t, mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen + Bethete; auch den thränenden Blick von der Erde nicht aufhob, + Bis das Opfer vollbracht, und gestillt das sehnende Herz war. + Graunvoll stand ihm Odins[1] Altar vor den Augen, und Sclaven + Blutend darauf, die, im Kampf gefangen, als Opfer ihm büßten. + Ach, er preßte sie fest in die Fläche der Hände, nicht wagend, + Sie jetzt himmelempor zu dem furchtbarn Richter zu heben! + Doch schon führte der Mönch den Ritter zur Pforte hinüber, + Schüttelt’ ihm traulich die Hand, und sagte beklommen zum Abschied: + „Gottes Friede mit dir! Vollbracht ist die heilige Handlung, + Wie du gewünscht. In dem Wink des Ewigen liegt die Genesung, + Liegt das Leben, der Tod, und seine Gerichte sind dunkel. + Laß nur walten die Huld: die hier Getrennten vereint sie + Jenseits wieder im Glück’, im ewigen, wahren, und einen!“ + + Als er sich wandte, zu geh’n, da ergriff ihm Hartmann die Hand noch, + Drückte sie glühend an’s Herz, und rief mit thauenden Wimpern: + „Ernst, nicht lebt dir der Vater mehr, nicht die Mutter: + zur Kriegszeit + Haben die grausamen Feind’, unmenschlich vor Wuth, in der Kammer + Beid’ erwürgt vor dir, dem scheuverkrochenen Knaben! + Nimmer wurdest du froh seitdem, und wohnst in des Klosters + Einsamer Zell’. Ach, komm, und sey mir ein Stab auf des Lebens + Dunkelem Pfad, mein Lehrer und Freund, und mit dankbarem Herzen + Will ich die Freundesliebe dir treu durch Liebe vergelten!“ + Ernst fuhr, schaudernd, zusammen, und rief: + „Der Freundschaft erwähnst du? + Ja, mir ward ein Freund von treuem und redlichem Herzen; + Aber er wanderte fort, weit über das Meer, und nach Jahren + Schmerzlicher Trennung -- sieh’, drei Schritte von hier, an der Mauer + Dort, erkannt’ ich den Kehrenden schon: da zuckte der Blitzstrahl + Her aus dem Wettergewölk’, und todt, und erstarrt in den Armen + Hielt ich ihn! Ach, nicht färbten sich mehr, und färben sich nimmer + Meine Wangen, vom Schrecken erbleicht, und entsetzlichem Jammer! + Laß mich im Frieden dahier. Geschürzt zur endlichen Wand’rung + Hab’ ich mein Kleid, und ich halte den Stab bereit in der Rechten, + Wann, und wie es dem Himmel gefällt: du thue deßgleichen + Hartmann, eile hinab in die Burg: ich höre der Glocken + Stürmenden Ruf im Geschrei und Getös’ lauttobender Menschen!“ + Jener horchte, bestürzt; dann warf er sich schnell in den Sattel; + Spornte sein Roß, und flog, lautathmend, den Wällen entgegen. + + Dort gebar einstweilen die Nacht entsetzliche Thaten. + Rüdigers horchendem Ohr’ entging das warnende Wort nicht, + Das erst Hugo zuvor dem Kaiser vertraute. Die Sohlen + Fremder Männer gewahrete bald sein spähender Scharfblick + Unten im Felsengang, wo er häuft’ in Menge die Waffen, + Und er sandte den Bothen sogleich an den König von Böhmen, + Daß er ihm eine die Macht. Den Schirmern der Veste zur Täuschung, + Wandt’ er den Blick von dem Stubenthor nach dem stilleren Neuthor, + Wo nur selten erscholl der Fußtritt wandelnder Menschen, + Nie des rollenden Wagens Getös’: nur jenen zum Frommen + Früher erbaut. Dort sah er das Werk der frechen Empörung + Schon gelungen, und harrete nur der verheißenen Hülfsschar. + + Jetzt erscholl die Glock’ aus den Fenstern des ragenden Kirchthurms, + Zwölfmal dumpferdrönend dem Schlag des gewichtigen Hammers, + Und ummurrend lang’ in dem leis’entschlummerten Luftraum. + Alsbald regten im Weidenhain sich die Krieger aus Böhmen -- + Traten, in Eisen gehüllt, und mit schneidenden Lanzen bewaffnet, + Aus den Häusern hervor die Verschworenen (siebenmal hundert + An der Zahl) und entlang den Tiefengraben zum Neuthor + Standen die frechen geschart, des Wink’s von Rüdiger Waldram + Harrend. Er zögerte nicht, und kam, und sprach zu dem Amtner: + „Günther, muthig an’s Werk! Mit Hundert deiner Erwählten + Hin zu der Burg: dort stoßt mit würgender Rechte die Wachen + Nieder, und wahret das Thor an der Kaiserstiege mit Sorgfalt! + Hundert send’ ich sogleich in die Runde mit tapferen Führern, + Die auf den Wällen erwürgen die Huth. Ist solches geschehen, + Dann ertöne Geschrei; dann reißt an den Strängen; der Glocken + Sturmruf schalle; das Schlangenhaar aufsträubend, die Augen + Drehend vor blutiger Gier, und schwingend die flammende Fackel, + Tobe der Aufruhr fort in den Straßen, und brülle die Menschen + Wach aus dem Schlaf’ zum Kampf g’en Rudolphs bebende Söldner! + Ottgars harren wir dann: bald kömmt er, und wird ihn zermalmen; + Doch, so er siegt’? -- ein Unterpfand ist unser: die Mutter, + Und die Töchter zugleich: denn Hartmann eilte von hinnen, + Das euch sichere Bürgschaft sey ersehnter Verzeihung. + Nur mir werde sie nicht. Ha, lieber zum eisigen Nordpol + Will ich, ein Bettler zieh’n, als Rudolphs Zepter gehorchen! + Kommt; viel lieber den Tod, als solch’ unwürdiges Leben!“ + Rief’s, empört, und alsbald eileten jene dem Amtner + Nach. So wäre die Huth auf den ragenden Mauern erlegen; + Doch auf dem Rasenwall an der Burg, wo im Süden des Schneebergs + Heitere Stirn’ der Wandelnde stets mit Freuden gewahret: + Da er ihm so viel sonn’erhellete Tage vorhersagt, + Ging, gemessenen Schritts, Bertrand, der tapfere Schweizer, + Hüthend umher. Als jetzt zum zwölften Mal von dem Kirchthurm + Dumpf die Glock’ ausklang, von dem eisernen Hammer geschlagen, + Sieh’, da stand er erstarrt! Ein Schrei -- doch schrecklich zu hören, + Scholl ihm vom Mund; sein Haar aufsträubte sich; laut, wie im Fieber, + Klapperten ihm die Zähn’. Er sah zwölf Schattengestalten: + Häßliche Weiber der Stimm’, und wankende Greise dem Gang’ nach, + Kommen, in Leichentücher gehüllt, todbleich und den Nacken + Altersschwer gebeugt: die _Klag’_ genannt von dem Volk dort, + Welche, vereint (sechs hie, und drüben so viel’) auf der Schulter + Trugen die Bahre heran, und stöhneten. Aber sie zogen, + Sein nicht achtend, vorbei; dann fort, an der Mauer der Hofburg + Steilrecht schwebend empor -- fort über das Dach, und verschwanden + Fern in der finsteren Luft mit kläglichem, leisem Gewimmer. + Weiber, so sagt sich das Volk mit schaudernder Angst in die Ohren, + Die auf der irdischen Bahn sich unnennbarem Frevel ergaben, + Gingen im mitternächtlichen Zug einher auf dem Erdkreis; + Klagten, und ächzten, und trügen die Bahr’ an der Kammer vorüber, + Wo, zumal bei den Fürsten des Volks -- bei den Mächtigen, Hohen, + Bald anklopfet der Tod: sie sterben, und Weinen erschallet. + + Jetzt vernahmen den Schrei die Gefährten des Kriegers. Sie blößten + Hurtig das Schwert; erkletterten schnell die ragende Mauer; + Schrie’n von fern: „Wer da?“ und fragten zugleich um die Losung. + Zwar nicht kam aus dem Mund des Kriegers das heimliche Wort jetzt: + Denn noch stand er verstört, und zitterte; aber sein Hauptmann + Sah die nahende Schar bewaffneter Bürger: ihm ahnte + Schnöder Verrath. Alsbald erhob er die mächtige Stimme; + Schrie an die Nachbarhuth, und diese der nächsten, und nächsten + So, daß der Lärmruf rings umtönte die Veste: den Kriegern + Nun zum Glück’ erregt von dem angstergriffenen Mann dort. + + Als der Ueberfall dem Hort der empöreten Bürger, + Günther, mißlang: da mahnt’ er sogleich die Seinen zur Rückkehr, + Sich mit Rüdiger Waldrams Macht zu vereinen am Neuthor. + Schon begann er den Kampf. In des weitgewölbeten Thorwegs + Mauern sah er die Stub’ erhellt, und die Krieger entschlummert. + Nur die Wach’ allein ging inner dem Thore den gleichen, + Ernstgemessenen Schritt herauf und hinab. An die Schulter + Hatt’ er die Lanze gelehnt, und summte zuweilen ein Liedchen. + Schnell, wie der Blitz, flog Rüdiger vor, und setzte dem Krieger, + Dräuend, das Schwert auf die Brust, so er schrie, + ihn zu tödten, entschlossen. + Ach, an dem Zürcher-See ließ Wolf in der reinlichen Hütte + Gattinn und Söhnchen zurück: denn kaum entschwand ihm ein Jahr erst + Glücklicher Ehe, als ihn zu den Waffen der tapfere Herzog, + Albrecht, rief! Er sann, des Kind’s und der Gattinn gedenkend, + Einen Augenblick; dann dacht’ er der Pflicht und der Rettung + Seiner Gefährten: er schrie -- der edelmüthige Krieger + Schrie, und sank, von Rüdigers Schwert durchbohrt, auf den Sand hin. + + Wildes Getümmel erscholl. Hervor aus der dämmernden Wachtstub’ + Stürmten Wolfs Gefährten, voll Hast, und Rüdiger Waldram + Hob das blutige Schwert mit gellendem Ruf in die Luft auf. + Alsbald trafen sich, im Gemeng, die empöreten Bürger + Und die Krieger zugleich. Wie Nachts von der eichenen Tenne + Lautes Gepolter erschallt, wenn emsige Löhner des Weizens + Goldene Frucht entdreschen dem Halm: so tönte der Waffen + Hämmernder Schlag von dem Schild’ und dem Helm der kämpfenden Männer. + Nur Gestöhne der Wuth erscholl in den Hallen, und Blut floß + Rings in Strömen umher. Die Krieger des Kampfes geübter, + Würgten die größere Zahl; doch so, wie die Stier’ auf dem Schauplatz + Von unzähligen Rüden umstürmt, mit furchtbaren Hörnern + Manchen der Feinde, durchbohrt, hinstrecken, und wüthend sich wehren, + Bis sie zuletzt erliegen der stets ergrimmteren Mehrzahl: + Also, nach tapferer Gegenwehr, erlag an dem Neuthor, + Ueberwältigt, die Huth von fünfzig tapferen Kriegern. + Ha, da flogen sogleich des Thors gewaltige Flügel, + Heulend, auf eisernen Angeln entzwei! Mit traulichem Handschlag, + Grüßte die böhmische Schar, die draußen, mit steigender Kampfgier, + Harrete, hier das verbündete Volk, und stürzte, dem Mühlbach + Gleich, der schäumender Hast, durch weiteröffnete Schleußen + Wild herrauscht, in die Stadt, und Rüdiger jauchzete laut auf: + „Eilt zum Kampf, Gefährten des Siegs! Schon seh’ ich erfüllet, + Was wir sehnlich gehofft: den Sturz des verhaßten Geschlechtes. + Unser die Stadt, das Volk empört. Auf, laßt uns die Söldner + All’ erwürgen im Schlaf, die jetzt auch des Führers beraubt sind -- + Hartmanns: denn er floh, feig bebend, zuvor aus der Festung! + Schließet die Flügel sogleich des festeinfugenden Thores, + Und erweckt die Bewohner der Stadt zum Kampf der Errettung.“ + + Czernin jubelte nicht. „Fürwahr,“ so sprach er bedeutsam, + „Viel ist gescheh’n, und mehr, als die Hoffnung verhieß zum Beginne: + Nahe der Kaiserburg erblitzen die böhmischen Waffen; + Aber ich scheue des Glücks und des leicht zu bethörenden Volkes + Wankelmuth! Gar mächtig bewegt des herrschenden Stammes + Fromme Liebe die Brust: der Zauber, welchem die Herzen + Huldigen, kalt vom Erob’rer gekehrt -- nicht selten auf immer. + Zwar verheißt uns die Schreckensnacht in dem Kampfe den Vortheil; + Doch uns bleibe dieß Thor. Des Rückzugs denke der Feldherr + Auch in dem Sieg, sonst gleitet sein Fuß auf schlüpfrigem Pfad’ aus.“ + Sagt’ es, und ließ an dem Thor zweihundert tapfere Krieger, + Sorgend, zurück: Bolest, dem Amtner, die Kühnen vertrauend, + Der, in dem Felde bewährt, mit festausdauerndem Kampfmuth + Schirmer ihm sey, und dereinst, so es also des Krieges Geschick will, + Seinem Volk’ es eröffne zur heißersehneten Rettung. + D’rauf vordrang er zugleich mit Rüdigers jauchzenden Scharen: + Denn schon hob aus der Stadt unendlicher Lärm und Getümmel + Sich in die Luft. Von den Thürmen umher ertönten die Glocken + Stürmenden Rufs; unzählige Feuer, mit hastigen Händen, + Rings auf den Zinnen entflammt, erleuchteten schrecklich die Umwelt, + Und Gebrülle der Wuth, unsinniger, frecher Empörung, + Scholl die drönenden Straßen hinab. Da fuhren die Mütter + Auf aus dem ruhigen Schlaf’, und stürzten herbei an das Fenster, + Weinten, und rangen die Händ’, umschart von heulenden Kindern. + Zitternd stand der Greis an der Thür: sein silbernes Haupthaar + Schlug ihm der Wind um die Stirn’ und die toderblasseten Wangen -- + Sah den eilenden Sohn, und schrie, daß er kehre, vergeblich. + Aber es mehrte die Schar der Verblendeten weniges Volk nur, + Das, unstät und heimathlos, in die Veste gekommen + Ehedem: treu verharrt’ in der Pflicht die bessere Mehrzahl. + + Doch schon trafen, voll Wuth, die Empörer und ihre Genossen + Auf das muthige Schweizervolk, das kühn im Verein stand. + „Hartmann!“ scholl’s in der Burg, und „Hartmann!“ rings in den Straßen + Aengstlich und laut -- umsonst: er weilte noch fern auf den Berghöh’n. + Da gedachten der Gegenwehr die Obersten: Arnold, + Flüe, und Hohenried, und stellten die Scharen im Halbmond, + Der sein Horn hier rechts, dort links in die Straßen hinausschob, + Gegen den wildempöreten Feind, vor der ragenden Burg auf: + Also vor ihr in dem Kampf, pflichttreu, zu sterben entschlossen. + Rüdiger stürmt’ auf Hohenried, der vorne die Scharen + Ordnete, los, und schrie: „Dich, Rudolphs treuen Gesellen, + Will ich allen zuvor, als heulenden Bothen, zur Hölle + Senden: verkünd’ es nur dort, daß sie folgen, + und keiner entrinnt mehr!“ + Rief’s, vorschreitend, und jener begann: „Gewaltiger Prahler, + Wärst du so tapfer, als frech mit der tönenden Zunge: mir würde, + Trau’n, erbangen die Brust; doch komm, und büße den Frevel, + Den du verübst g’en Treu’, und Pflicht, und den heiligen Eidschwur!“ + So wortwechselten sie in dem Augenblick der Entscheidung. + Allen zuvor kam Hohenried, den blinkenden Degen + Schwingend, und drang grad’ aus auf Rüdigers pochende Brust ein. + Aber er hielt ihm entgegen den Leun, von Silber gestaltet, + (Ottgars Löwen zum Ruhm’) auf dem Schild von mächtiger Wölbung: + Dieser wehrte dem Stoß’, und der sprödere Stahl, auf des Leu’n Haupt + Treffend, brach, wie unbeugsames Glas, mit kreischendem Mißlaut + Mitten entzwei. Da stieß, in des Gegners erschütterndem Unfall + Kühner geworden, ihm Waldram schnell die Spitze des Degens + Durch die erhobene Hand, daß ihr auch das umklammerte Heft noch, + Blutumhüllt, entsank -- er wehrlos stand vor dem Gegner. + Sieh’, er hätt’ ihn durchbohrt: doch rissen hurtige Krieger + Ihn aus umdrängender Todesnoth, und führten ihn sorglich + Hinter die Reih’n, wo ihm Hülf’ und erquickende Pflege zu Theil ward. + + Waldram schrie: „Getreue, nun vor! Des Führers beraubet, + Wanken die Feinde. Hinauf in die Burg, wo, sehnend, die Gattinn + Rudolphs harrt mit den Töchtern des Siegs und der fröhlichen Heimkehr + Ihres Gemahls. Vergeblich harre sie. Eilt, und geleitet + Sie in das Kloster Sanct Dorothe’; doch führet sie sanft hin: + Denn sie that uns kein Leid, und nah’t, abzehrend, dem Grab schon. + Nur dem Herrscher allein, der seither Kaiser sich nannte, + Zeiget euch unversöhnlich, und schont ihn selbst in dem Tod nicht!“ + Also rasete Waldram hier. Die frechen Empörer + Griffen wüthender an, und drängten die mittlere Kriegsschar, + Ihres Gebiethers beraubt, stets weiter zurück in den Burghof. + Czernin spornte sein Roß nun links, nun rechts, und entflammte + Laut mit Geschrei sein Volk, in die Feinde zu stürmen. Es kämpften + Flüe dahier, und Arnold dort, voll eisernen Muthes, + Gegen ihn an, und zu schwach, der Menge die Spitze zu biethen, + Zog sich Flüe, im schräggedehneten Zuge, vom rechten + Eilig zum linken Horn, um, vereint dem kühnen Gefährten, + Arnold, dort zu steh’n, und zu fallen im rühmlichen Kampf nur. + Dichtgedrängt in Reih’n, vorhielten die Schweizer die Lanzen + Hier dem stürmenden, reisigen Volk; die verwundeten Rosse + Wütheten -- d’rauf noch mehr mit dem würgenden Eisen die Reiter + So, daß das Blut aufwogt’, und die starrenden Leichen bewegte: + Dennoch wichen nicht hier, nicht dort die erbitterten Gegner. + + Doch von dem Kahlenberg, voreilend dem fürstlichen Jüngling, + Nahete Marbod erst, und sah mit Schrecken des Kaisers + Schirmende Burg von der Macht des argen Verräthers gefährdet. + Nicht besann er sich lang’, und eilte hinaus nach dem Tabor, + Wo der Kaiser im Zelt sanft schlummerte, mitten im Lager + Seines erlesenen Heers. Dort fand er auch nahe das Schlafzelt + Hugo’s, den er erst gestern warnt’. Ihn dacht’ er zu wecken, + Senkte den Flug rasch hin, und begann im Geistergelispel: + „Auf, erhebe dich, Greis! Bald schaust du die Flamme des Aufruhrs + Leuchten heran von den Thürmen der Stadt, und hörest von dorther + Stürmenden Glocken-Klang und Gebrüll empörter Gesellen. + Wie, so schnell vergaßest du nun des warnenden Traumes: + Lachtest wohl fein? Auf, säume nicht hier zu erwecken den Herrscher!“ + Eben rief auch die Vorhuth schon an dem Rande des Lagers + All’ das entschlummerte Volk stets lärmender auf zu den Waffen. + Aber der Greis erhob sich, voll Hast, und sah in der Wahrheit + Jenes erfüllt, was ach, nur ein Traum noch gestern ihn dünkte! + Eilig trat er sofort zu dem Herrscher, und sagte beklommen: + „Herr! unglaublich erschien dir vielleicht des träumenden Greises + Warnung? Tritt vor das Zelt, und vernimm mit Staunen des Aufruhrs + Wuthgeschrei in der Stadt, empört durch Rüdiger Waldram. + Willst du’s, Herr, so eil’ ich mit reisigem Volk vor das Burgthor, + Einlaß heischend, und dämpfe die Gluth, eh’ ihr Flammen entfahren!“ + „Nein, ich fürchte sie nicht,“ so entgegnete jener, „den Auswurf + Meines Volks empörte der Rasende nur, und die Bessern + Hängen noch redlich an mir. Und wie, ist mein tapferer Sohn nicht + Wiens Besatzung ein schirmender Hort? Sind Mutter und Schwestern + Ihm nicht ein heiliges Pfand, und es wagten die frechen Empörer, + Ungestraft, mit frevelnder Hand an die Theuern zu tasten? + Hundert Reiter allein genügen mir, sie zu vernichten. + Komm, wir zertreten die Gluth gar leicht im niedrigen Staub noch: + Denn ich bau’ auf die Hülfe des Herrn und die Liebe des Volkes.“ + Heiter schwang er sich jetzt auf das Roß, und flog mit dem Helden + Hugo, im sicher’n Geleit erlesener Reiter zur Stadt hin; + Dann an dem Walle herum, bis er endlich des finsteren Burgthors + Graben ersah. Dort hemmt’ er das Roß, und winkt’: ein Drometer + Stieß in das schmetternde Rohr, und sieh’, bald riefen die Krieger, + Kletternd herauf an dem Wall’: „Ist’s Hartmann, unser Gebiether? + Kommt er, ein Retter, heran in der Stund’ entsetzlicher Nothwehr? + Laßt uns vernehmen des Freundes Ruf, und wir senken das Fallthor!“ + „Gott, und das Vaterland!“ so gab mit gewaltiger Stimme + Hugo zurück, „ist Freundesruf in dem Lager von Oestreich: + Aber nicht Hartmann -- nein, den Kaiser gewahrt ihr als Retter!“ + + Laut erhob sich ihr Jubelgeschrei; doch näher und nähere + Scholl von der Roß-Au her, wo sonst die Rosse der Krieger + Weideten, schon das Getrab und das Klirren des Waffengeschmeides + Auf in der Nacht. Ach, Hartmann war’s! Ihn erkannte der Vater -- + Ihn, den Vater, der Sohn. Verwirrung, Angst und Entsetzen + Faßten wechselnd ihn an; nur leis’ und furchtsam begann er: + „Vater, ich ging, auf dem heiligen Berg für die Mutter zu bethen, + Wie ich es jüngst verhieß der Flehenden: denn nicht entfernt mehr + Scheint ihr des Lebens Ziel; doch ach, entsetzlichen Frevel + Seh’ ich indessen verübt von den Meuterern hier, in dem Zeitraum + Einer entflohenen Stund’! Ich räch’ ihn, und sollt’ ich auch fallen.“ + Aber der Vater schwieg. Erschütternd zu schau’n, wie er vor sich + Hinsah, schweigend und ernst. Da flog der unglückliche Jüngling + Ueber das Thor, das erst mit Getös’, auf den Graben gesenkt, fiel, + Durch die finsterumwölbende Halle hinaus auf des Burghofs + Räumigen Platz. Er sah, wie auf Leichen erschlagener Brüder, + Rüdiger Waldrams siegender Macht, ein tapferes Häuflein + Muthig entgegenrang, der jetzt, Entsetzliches sinnend, + Ueber die Stufen hinauf in die Kammer zu dringen gedachte, + Wo die Fürstinn sich fand mit den lieblichen Töchtern: entschlossen, + Sie mit frevelnder Hand in des Klosters Gewahrsam zu bringen: + Denn er wähnt’ errungen die Burg, und dem böhmischen Löwen + Unterthan die Stadt mit Oestreichs herrlichen Fluren. + + „Halt, Verruchter!“ so rief, aus dem Sattel gestiegen, ihm Hartmann + Donnernd zu. Er entblößte das Schwert, und kam wie ein Rohrwolf, + Der in des Winters Frost, vom Hunger getrieben, voll Blutgier, + Ein in die nächtlichen Hürden stürmt, und die blöckenden Lämmer + Würgt mit zerfleischendem Zahn: so kam er in Eile gesprungen. + Flammen sprühte sein Aug’, und aus seiner erhobenen Rechten + Zuckte der Blitz gen Waldram hin; doch als er ihm nahte, + Wandte sich dieser, und rief: „Ha, du, Verhaßter vor Allen; + Jetzo nur muthig heran: euch all’ entsend’ ich zur Hölle!“ + Flog, so rufend, ergrimmt, dem Feind’ entgegen, und strebte, + Stöhnend vor Hast, das Schwert in die tapfere Brust ihm zu stoßen; + Aber er schlug, vorschauenden Blicks, den nahenden Mordstahl + Seitwärts; führte den Todesstreich; zerschmetterte Waldrams + Helmdach tief in die Stirne hinab, und warf ihn entseelt hin. + Doch nicht rastet’ er noch: er saß blitzschnell in dem Sattel + Wieder: erhob das blutige Schwert; ritt glühend vor Mordgier + Mitten hinein in die Schar der Empörer, und wüthete links, rechts + Dort mit würgender Faust, daß Leichen auf Leichen sich häuften. + Ihres Gebiethers beraubt, und entmuthiget, warfen die andern, + Schnell die Waffen von sich, und floh’n, im Verborgenen Rettung + Suchend, davon. Die Burg ward frei durch den tapferen Jüngling. + + Czernin drängte zuvor die hauptverwaiseten Scharen + Arnolds: ihm wichen die Krieger nur Schritt für Schritt + in dem Wuthkampf, + Bis zu dem Schottenthore hinab. Sie schlossen sich eng’ an + Dort vor dem Gotteshaus’, und wehrten sich: alle für Einen, + Einer für alle zu sterben bereit, im rühmlichen Tod nur. + Keiner wär’ ihm entfloh’n, wenn jetzo nicht, keuchend im Eilflug, + Näher der Reisige kam, und schrie: „Erschlagen ist Waldram: + Denket der Flucht! Er fiel in dem Kampf mit des Kaisers Erzeugtem; + Aber er selber, so jubelt das Volk, hält draußen am Burgthor.“ + „Freunde,“ so rief ihr Hort den Reisigen, „Rüdiger Waldram + Hat uns schnöde getäuscht; nicht des Kampfes Gefahren -- der Festung + Leichten Besitz verhieß er uns jüngst, da er stolz sich des Antheils + Aller Bewohner vermaß! Mit Recht wohl büßt’ er den Frevel. + Unser, zum Glück, das Thor: nun laßt uns gedenken der Rückkehr!“ + Rief’s, und den Tiefengraben entlang, zu dem stilleren Neuthor + Jagt’ er das Roß: ihm nach die Reisigen alle. Die Flügel + Theilten sich heulend entzwei, und nicht rastet’ er, bis er die Fähren + Wieder ersah an dem Ufer der weithinrollenden Donau. + Doch nicht füllte den Raum der schwankenden jetzo die Last mehr, + Wie zuvor: erwürgt in den Straßen der mächtigen Festung + Lag die Hälfte des reisigen Volks, das gestern herankam. + + Aber mit Trauer im Blick, obgleich ein Sieger, und Retter + In der Gefahr, kam Hartmann jetzt aus dem finsteren Burgthor, + Langsam geritten heraus, wo sein der liebende Vater + Harrte; trauernd auch er, ob solchem Vergehen des Sohnes. + Dieser begann: „Verhallt ist der Sturm unsinnigen Aufruhrs: + Waldram büßte die Schuld: von meinem vernichtenden Eisen + Liegt er, durchbohrt, an der Treppe der Burg, + die er, frevelnden Fußes, + Erst zu betreten gewagt; die Verbündeten schützte die Flucht nur. + Dennoch steh’ ich vor dir, ein Schuldiger. Soll ich auch büßen -- + Denke des dunkeln Geschicks, das oft auf irdischer Laufbahn + Auch die Besseren feindlich ereilt! Nie mög’ es dich treffen!“ + Und er senkte das Haupt. Doch Rudolph sah ihn, bewegt, an, + Hob die Rechte empor, und sagte mit rührender Stimme: + „Treu erfülltest du dein Wort, als edeler Ritter, + Mildgesinnet, und fromm, der sterbenden Mutter gehorsam; + Aber dich sollte die Pflicht mit eiserner Macht an die Festung + Bannen: ihr solltest du steh’n ein Hort in dräuender Kriegszeit, + Und ein wehrsamer Schild in der Noth. Wer darf sich erkühnen, + Das, was höher ihm schien, vor jener zu wählen nach Willkühr? + Herrndienst rief dich hier zu dem Dienste des Herrn, und du fehltest + Gegen das göttliche Wort des welterleuchtenden Lehrers. + Dein Vergeh’n, unglücklicher Sohn, soll keinem der Krieger + Künftig zum Beispiel seyn, zur Ermunterung, Gleiches zu wagen! + So wie ich jüngst, der Veste zum Schirm, das Schwert dir vertraute, + Stellst du’s wieder zurück’, in die Hände des Helden von Tauffers.“ + Jener reichte das Schwert ihm dar, erblassend, und schweigend. + + Sieh’, jetzt kam aus dem Thor’ ein Jüngling gelaufen, und rief so: + „Herr, voll Angst erschein’ ich, ein Both’ aus des Jammers Behausung. + Deine Gattinn verschied in den Armen der liebenden Töchter + Sanft und ruhig um Mitternacht, noch ehe der Hammer + Zwölf’ ausschlug; o komm, und sey den armen ein Tröster!“ + Hartmann warf sich vom Roß, und flog -- ihm folgte der Vater, + Langsam und wankend vor Schmerz, die Stufen hinauf in die Kammer, + Wo die Heilige sanft entschlummerte: schnell zu erwachen + Wieder zum ewigen Glück’ und nie vergänglicher Wonne. + Ihr zu dem Haupt’ und den Füßen, die Stirn’ in die Hände geheftet, + Saßen die Töchter umher: gleich Marmorgestalten am Grabmaal, + Die zur herzerschütternden Schau der Künstler gebildet. + Hartmann beugte sich über sie hin; er küßte, noch stöhnend, + Ihr die erkaltete Hand, und der leis’aufweinende Vater + Warf sich im stillen Gebeth’ auf die Knie’. Nur Seufzer erschollen; + Thränen regten sich nur an den schmerzerstarreten Wangen. + + Aber am Morgen wie dumpf und bang ertönen die Glocken + Von den Thürmen der Stadt! Was läuft, und drängt sich das Volk jetzt, + Thränenumflossenen Blicks, in die heiligen Hallen des Domes, + Den, wie im Dunkel der Nacht, unzählige Kerzen erhellen? + Feierlich schallt ein Wehe-Getön’ aus der Orgel: Posaunen + Heulen, gedämpft, in den Sterbegesang vielstimmigen Chores, + Der von dem Tage des Zorns, von dem unerbittlichen Richter, + Von dem Gericht und dem Ende der Welt in Feuer und Flammen, + Spricht mit erschütterndem Laut. Doch jetzt gewahren die Augen + Mitten das Trauergerüst, auf drei, sich verjüngenden Stufen + Sinnig erbaut, und umher mit schwarzem Tuche behangen. + Ueber den Stufen gesammt ruht dort die sterbliche Hülle + Jener Verewigten schon, mit der Stirn’ zum Altare gewendet, + In dem geräumigen, sammt- und goldbekleideten Bleisarg. + Oben ziert ihn die Krone von Gold; die schimmernden Wapen + Sind an dem Trauergerüst ringsher auf Säulen geheftet, + Und auf silbernen Leuchtern erhöht die flammenden Kerzen. + Weihrauch wallt empor in die heiligen Hallen; die Priester + Feiern das Seelen-Amt am Altar, und die bethende Volksschar + Liegt auf den Knieen, und schluchzt: + um die Beste der Fürstinnen trauernd, + Die nur zum Segen gelebt, als Mutter der Armen und Waisen. + Aber, erschütternd zu schau’n: nicht fern dem heiligen Altar, + Knie’t, von den Seinen umringt, und im Trauergewand auch der Kaiser: + Alle zugleich vor Schmerz erblaßt -- wie gealtert seit gestern! + Ach, sie starren zuweilen mit rothgeweineten Augen + Nach dem Sarg’, und sehnen sich, ihr, der selig Erhöhten, + Wieder vereinet zu seyn schon dort auf immer und ewig! + Als nun alles erfüllt, und die heilige Handlung vollbracht war, + Schwebte der Sarg, vom Gerüst’ auf kräftige Schultern gehoben, + Langsam hinab in die Fürstengruft. Zu Paaren geordnet, + Gingen die Priester ihm vor, und beteten leise den Bußpsalm; + Ihm nachfolgten die Ihren mit wankendem Schritt. Und so ward dort + Beigesetzt in der Gruft die Leiche der edelsten Fürstinn.[2] + + Aber der Kaiser sprach zu dem ältesten seiner Erzeugten, + Albrecht: „Glühender Schmerz nagt tief in dem Herzen des Vaters + Und der Erzeugten zugleich, die jetzo der Mutter beraubt sind. + Ach, mich zög’ es wohl hin, in der einsamen Kammer zu trauern, + Jahrlang: denn nicht sehe ich mehr die holde Genossinn + Meines Lebens vor mir; nicht hör’ ich die Worte des Trostes + Aus dem Munde der Gattinn hinfort, wenn Tage des Kummers + Nah’n! So lösen sich hier die trautesten Bande des Lebens, + Die uns umfingen mit Lieb’, und wir steh’n am errungenen Ziel oft, + Wie der pilgernde Fremdling, allein. Doch sey es, wie Gott will! + Jetzt, wo das Glück der Völker, der Ruhm, und das Beste des Landes, + Uns’rer Ehre vereint, von des blutigen Kampfes Entscheidung + Abhängt, laß uns das Leid, das eigene, tief in des Herzens + Unterstem Grund verschließen, und stark und kräftig einhergeh’n, + Wie es dem Manne geziemt, der würdig zu handeln, bestimmt ist. + Höre denn, was ich zuvor erwog im Gemüth’, und getreulich + Dann zu erfüllen beschloß! Jüngst wüstete weit in dem Marchfeld, + Wege und Stege gesammt, das entsetzliche Donnergewitter + So, daß dem Heereszug Gefahren entgegen sich thürmen + Sonder Zahl, die ein Feldherr nie hochmüthig verachte. + Ich geleite das Heer gen Heunburg heute noch, morgen + Ueberzusetzen, gesinnt, den Strom auf künstlichen Brücken,[3] + Die uns, auf Flöß’ erbaut, und mit lastenden Ankern gefesselt, + Dienen zur Bahn. Schon sah ich am Ufer unzählige Stämme, + Wohl behau’n, und gefügt von den werkbeflissenen Löhnern. + Eile mir vor im Gefolg fünfhundert erlesener Krieger, + Dort zu gebiethen den Bau, mit kundiger Sorgfalt. Ich folge + Rasch mit dem Heere dir nach, und steh’ an dem kommenden Morgen + Drüben am Ufer der March, vereint mit des Königs von Ungern + Tapferem Volk, im Rücken des Feind’s, und im mächtigen Vortheil. + Rühmt er der Menge sich gleich, + doch siege die Treu’ und das Recht nur.“ + + Jener begann alsbald: „Mit Freuden gehorch’ ich dir, Vater! + Aber, o sieh’, da sprengt dein Hartmann, eilenden Fluges, + Mit dem getreuen Kurd, der einst in den Jahren der Kindheit + Ihn auf den Armen trug, und den blühenden Jüngling das Reitroß + Bändigen lehrt’ auf der Ritterburg, ein tapferer Degen, + Näher; mich dünkt: zu weiterer Fahrt, mit dem Treuen, gerüstet!“ + Hartmann hemmte den Lauf, und sagte, herüber gewendet: + Denn schon stand sein Roß auf dem Sprung, zu den Staunenden also: + „Leb’ wohl, Vater, und ihr, Geschwister mein, auch ihr alle, + Lebet auf lange denn wohl! Gar viele der Wege hienieden + Sind’s, die Gott die Seinigen führt; doch bringt er uns einst dann + Wieder zusammen im Glück von unvergänglicher Dauer! + Fort an den vaterländischen Rhein -- hinüber nach Aargau, + Führt mich der Weg: denkt mein, des Entfernten, mit Liebe zuweilen!“ + Rief’s; dann gab er dem Pferde den Sporn, und schwand auf dem Heerweg + Plötzlich dahin: ihm sah’n die Beiden mit thränendem Blick nach. + + + + + Siebenter Gesang. + + + Marbod sah aus den Wolkenhöh’n, verglommenen Blickes, + Wie der Mond, umflort von herbstlichen Nebeln am Morgen, + Lang’ auf die dämmernden Fluren herab. Er dachte des Bruders + Ernst auf dem Kahlenberg, der kriegrische Thaten verschmähend, + Froh in der Einsamkeit verharrete: selbst, da ihm Hartmann + Ehre und Vortheil both in des Throns hellschimmerndem Umkreis. + Völlig fremd erschien ihm die Erd’, und verändert der Menschen + Leben und Geist. Nur Feindes-Gewürg im Schlachtengetümmel + Sann er sein Lebenlang; nur Kampfmuth heisch’t er vom Manne, + Und, ergrimmt, so ihm einst das heiß Ersehnte versagt war, + Schlug er den Stein mit dem Schwert’, und spaltete Bäume des Waldes -- + Ja, was jetzt ihn zermalm’t, unschuldigen Menschen die Scheitel: + Denn jetzt hört’ er von Liebe des Feinds, versöhnender Sanftmuth, + Schonung, und froher Geduld, und des Friedens sanften Gebothen. + Feig und entnervt erschien ihm fürwahr dieß Volk, so er seither + Nicht mit staunendem Blick sein Heldenleben gewahrte: + Seinen Muth in dem Kampf’ und im Tod, der Helden zu Theil wird. + Doch nun horcht’ er, erstaunt: im lauten Getöse der Waffen + Kam des Kaisers gewaltige Macht auf dem stäubenden Heerweg + Näher. So, wie der Sturm, empört, hersaust, und die Blätter, + Tausendfältig bewegt, aufrauschen im finsteren Waldthal: + Also klang in sein Ohr des kommenden Heeres Getümmel. + Alsbald schwebt’ er vom Morgengewölk nach den Zinnen der Heunburg + Hin: einst Attila’s Burg, der sich, als König der Heunen, + Furchtbarn Ruhm gewann, da er Gottes Geißel genannt ward;[1] + Doch verödet aufragte die Burg in die Lüfte; der Epheu + Kroch an der Mauer umher, und durch weitgehöhlete Fenster + Sah der bläuliche Himmel herab in den grasigen Hofraum, + Wo vom zerschlag’nen Gesims’ ureinst verfallener Bögen + Sich der Dornstrauch hob, und im Windesgesäusel sich wiegte. + Dort von des Wartthurms schwindliger Höh’ ersah er des Kaisers + Nahende Macht, und ihn selbst inmitten der tapferen Scharen: + Wie auf dem feurigen Roß er schaltete, hin und herüber + Eilend, sie in geordneten Reih’n zum Ziele zu leiten. + Unabsehlich hinab auf der Straße war reges Gewimmel, + Lärm, und Getös’. Im Lichte der hellaufstrahlenden Sonne + Lachten die Fluren rings, und sie sog aus den blanken Gewehren, + Aus dem Harnisch und Helm, wie der Blitz augblendend, die Funken. + + Jetzt, wo am Fuße des Bergs sich weit hinüber, im Halbkreis + Windet der Donaustrom, anlangten des Heeres Geschwader. + Zweifach theilt er sich dort, und streckt ein liebliches Eiland, + Gegen die breiteinmündende March zum linken Gestad hin. + Sieh’, und all’ die Nacht anschwammen die mächtigen Stämme + Wolkengethürmter Fichten, gesandt aus dem südlichen Forstland + Oestreichs, das im Gebirg, unendlicher Fülle, sich ausdehnt! + Dort, gehorchend dem Wink des hohen Erzeugers, erbaute + Albrecht nun die Brücke dem Heer’. Der Stämme je sechzehn + Hatt’ er zu Flößen vereint, und über des eilenden Stromes + Rücken, im kiesigen Grund mit lastenden Ankern gefesselt: + D’rauf erhöht das Säulengebälk’; unendliche Stämme + Ueber ihn hin gefügt, und sie in die Quere mit Bohlen + Dicht bedeckt: dem Mann’ und dem Rosse zum sicheren Heerweg, + Den an jeglichem Rand’ ein leichtes Geländer begränzte. + Doch vom Gestade, wohin mit duftenden Matten das Eiland + Sich erstreckt, hieß Albrecht dann die Brücke noch schneller + Ueber den schmälern Arm erbau’n: denn längliche Fähren + Reihten, über der Fluth von gewichtigen Ankern gehalten, + Sich hinüber den Strom, und einten die ragenden Ufer: + Sicheren Uebergang dem eilenden Heere zu bahnen. + „Trefflich hast du, mein Sohn,“ so rief ihm der Kaiser entgegen, + „Alles und Jedes vollbracht, und bezwungen die Fluthen des Stromes + So, daß wir hinziehn auf ihm, und, des furchtbaren Abgrunds + Achtlos, freudig zum Ziel, dem ersehneten, fördern die Schritte: + Drüben dem stolzvertrauenden Feind’ in den Rücken zu stürmen. + Dein gedenken mit Ruhm noch kommende Menschengeschlechter.“ + „Vater,“ so sagte darauf der Tapfere, „nimmer geahnet + Hättest du wohl: ich sey jetzt eigennützig, und harre + Gierig des Lohnes? So ist’s: mir wollest du solchen gewähren + Bald in der Schlacht: daß ich dort das Zeichen des Sieges vor dir her + Tragend, kämpfe zugleich für den edelsten Herrscher und Vater!“ + + Rudolph legte die Hand ihm sanft auf die Schulter, und sah ihm, + Beifalllächelnd in’s Aug’: ein zartgesinneter Vater! + D’rauf erhob er das Schwert, und ritt, der erste vor allen + Ueber die Brücke, das Roß kurz haltend am Zaum’, und ihm folgten + So im gehalt’nen Schritt die Reisigen -- folgte das Fußvolk + Rastlos nach. Sie donnerte laut, von unzähligen Hufen + Wiehernder Rosse gestampft; doch unter des eilenden Fußvolks + Ehernem Schritt’, erdrönte sie dumpf nur, und schwankte der Last nach. + Also zog er den breiteren Arm, des grünenden Eilands + Augefild’, und den schmäleren Arm der mächtigen Donau + Freudig hinüber zum linken Gestad’, am unendlichen Marchfeld. + Dort aufstellt’ er das Heer, und rief dem kühnen Capellen: + „Tapferer, sey mit der Schar fünfhundert erlesener Reiter + Heute der Führer des Vorderzugs, schlagfertig und wachsam + Jeglichen Augenblick, so Gefahr uns drohte vom Gegner! + Otto von Meißau lenkt die Reisigen; doch vor dem Fußvolk + Ziehe nun Meinhard, herrschend, einher; ich gebiethe dem Nachzug. + Rastlos wollen wir bald des Feindes Lager uns nähern.“ + Also geschah’s: Capellen ging an der Spitze der Reiter + Vorwärts. Hoch in der Luft, vom säuselnden Winde gehoben, + Flatterte, grün, sein Fähnlein vor in der Farbe der Hoffnung. + Otto’s Fähnlein, blau, die Farb’ ausdauernder Thatkraft, + Folgte mit neun- und zwanzigen noch, die im Lichte des Morgens + Schimmerten, vielfach an Farb’, wie solche dem Ritter genehm war, + Der sie gewählt, ihm nach, und mit jeglichem kamen der Reiter + Hundert. D’rauf erschien, blutroth, des unbändigen Muthes + Farbe verrathend, die Fahne der görz- und tyrolischen Herrschaft: + Meinhards Siegespanier! Ihr reihten der schimmernden Fähnlein + Fünfzig sich an, und nach jeglichem eileten hundert der Krieger: + Alle mit Helmen und Schilden bewehrt, und mit Lanzen bewaffnet. + Aber nach ihm, umringt von der Schar der edelen Ritter, + Führte der Kaiser selbst in dem Nachzug jene zum Kampf vor, + Die aus den rheinischen Gau’n nach Oestreichs Fluren gekommen, + Und ihm folgte das Kriegs-Gezeug’ im unendlichen Zug nach. + + Schnell g’en Hof an der March vordrangen die muthigen Völker, + Sonder Trommelgetön und Drometengeschmetter: dem Gegner + Weislich zu bergen die Macht, die ihn bald umstürmet im Schlachtfeld; + Naheten dann Schloß-Hof, wo empor aus den düsteren Mauern + Einer verödeten Burg der Wartthurm sich in die Luft auf, + Dräuenden Anseh’ns, hob.[2] Nur Molch’ und giftige Nattern + Haus’ten in ihrem unheimlichen Raum. Mit rieselndem Schauder + Eilte der Wand’rer vorbei, und der Hirt hielt ferne die Heerden + Von den Mauern, wo einst (so kündet die Sage) die Hausfrau, + Eitelen Sinnes, der Wangen Paar in dauernder Schönheit + Sich zu bewahren, in’s Burgverließ die Kinder verlockte, + Schlachtete, dann mit dem Blute sich wusch, unmenschlichen Herzens; + Aber sie starb durchs Schwert, und die Burg vermieden im Land dort + Rings die Bewohner umher -- zumal in den Stunden des Abends, + Wo, so kündeten sie, ein Werfen mit Steinen im Hofraum, + Lautes Zischen vom Wartthurm her, und ein Stöhnen und Aechzen + Aus dem Verließ erscholl. Doch sieh’, als jetzo vorüber + Eilte das Heer, da gewahrete Jörg, der muthige Reiter + Steyrischen Oberlands, auf den Zinnen des ragenden Wartthurms + Sitzend ein Wesen von Menschengestalt, von Bewegung, und Leben! + Alsbald sprang er vom Sattel, und rief, verhöhnend: „Nicht furchtbar + Sind die Geister bei Tageslicht; ich wette, die Böhmen + Sandten den Späher heran: ich will es ihm tapfer gesegnen!“ + Rasch enteilt’ er, und klomm an der Mauer, der Gemse nicht ungleich, + Die an der Felswand schwebt, empor, bis über dem Fallthor + Er die Stufen gewann, und schnell zu den Zinnen hinaufstieg. + Schon entfuhr ihm ein höhnender Ruf, da wankt’ er voll Schrecken + Wieder zurück: so grausenhaft erwies sich der Fremdling, + Der ein Jüngling ihm schien. Sein losgewühletes Haupthaar + Flog ihm wild um die Stirn’; an dem blutigen Wamms und den Schenkeln + Hingen nur Trümmer des Riemwerks noch vom zerschmetterten Panzer, + Wie auch der Schienen am Bein’. Er zitterte: Wuth und Verzweiflung, + Rach’ und Schmerz verrieth sein tieferglühendes Antlitz, + Als er, den Degengriff mit krampfhaftzuckender Rechten + Haltend, nach Jörg umsah, der jetzt ihm wieder genaht war. + Aber dem dräuenden faßt’ er die Brust, und warf, mit des Riesen + Kraft gestählt, von des Wartthurms Rand’ ihn hinab in den Abgrund: + Seinem Volke zur Schau, das eben voll Muthes heran kam. + Siehe, da liefen sogleich die Gefährten des sterbenden Kriegers + Hin nach dem Thurm, voll Gier, den schrecklichen Frevel zu rächen; + Doch schon eilt’ er die Stufen herab, und sprang wie der Steinbock, + Den der Schütze verfolgt von Klippe zu Klippe hinunter, + Mit erhobenem Schwert, von der Mauer der Burg auf den Vorgrund, + Gegen die Rächerschar, sich wüthend zu wehren, entschlossen! + Aber es sprengte der Kaiser das Roß in Eile herüber, + Und, vernehmend die That des grimmerfülleten Jünglings, + Hemmt’ er die Krieger, und rief dem Nahenden: „Halt, ich gebieth’ es!“ + Jenem sank der dräuende Arm bei den Worten des Herrschers + Plötzlich hinab, daß am Stein die Spitze des funkelnden Eisens + Klirrete: denn er besann, die Augen erhebend, sich jetzo: + Ob er die Stimme gekannt, die ihm also gerufen? Er starrte + Schweigend ihn an; die Wuth entschwand, wie schneeige Flocken + Vor dem mächtigen Strahl der wolkenenthülleten Sonne + Schwinden, aus feinem Gesicht’, und im Kreise der zuckenden Wimpern + Wies sich nun herzinniges Leid, das nahe der Thränen + Leis’aufstrebenden Quell verkündete. Mild, und versöhnend + Sagte der Kaiser: „Verschonet ihn doch: nicht mit hellem Bewußtseyn + Hat er Arges verübt. Kein größerer Jammer auf Erden, + Denn des Unglücklichen Schau, deß’ edelster Vorzug: des Geistes + Licht, verdunkelt ward; der unter den Lebenden weilet, + Aber, entfremdet dem holden Verkehr’ und der trauten Gemeinschaft + Seiner Lieben, zum Grab fortwankt im finsteren Wahnsinn. + Wahrlich mich däucht, als hätt’ ich ihn jüngst gesehen: ein Zerrbild + Jenes Ritters, der so feindlich am Tabor turneyte!“ + Pferdegetrab erscholl jetzt laut in der Nähe: des Reiters + Ledig, kam mit verhängtem Zaum der Braune gesprungen; + Lief dem erkannten Jünglinge zu, und fuhr mit dem Hals’ ihm, + Wiehernd, unter den Arm, daß er über den Mähnen herabhing. + Alsbald faßt’ er dies’, auf des treu erfundenen Thieres + Rücken sich schwingend in Hast, und flog nach dem Ufer der March hin. + Nicht besann er sich dort: er schwamm die Fluthen hinüber, + Und entschwand den Augen der stummnachstarrenden Krieger. + + Ach, und der Jüngling war’s, der jüngst so feindlich turneyte: + Wallstein! Als in der Schreckensnacht, vernichtet von Ottgars + Wüthendem Zorn, er, allein, gehöhnt, und urplötzlich aus Edens + Rosenau’n, wohin ihn Hedwigs Engelgestalt rief, + Rauhverstoßen sich sah: da warf er die Blicke, mit Ingrimm, + Schweigend noch, um sich her; erhob sie g’en Himmel; zerwühlte + Sich mit der Rechten das lockige Haar an der Stirn’, und besann sich: + Was ihm gescheh’n? Jetzt trieb er das Roß mit schrecklichem Ruf’ an; + Riß aus der Scheide den Stahl, und schlug, und bohrte dem armen, + Immer tiefer den Sporn in den Leib, daß er blutet’ im Lauf hin. + Also wohl Stunden lang, fort über die Hügel und Thäler + Trieb er hinaus und herein, voll Wuth, bis athemberaubet, + Endlich das Roß hinsank am hainumränderten Blachfeld. + Lange stand er dort, wie erstarrt. Der nahenden Sonne + Rosiger Strahl, nach welchem er sonst mit Liebe sich sehnend, + Rasch die Höhen erklomm, und dort aufjubelte, wenn er + Ihm die Stirn’, die umliegende Flur, und der wirbelnden Lerchen + Zartes Gefieder beschien, die hoch vom Gewölk’ ihn begrüßten -- + Ha, wie trüb erglüht’ er ihm jetzt! Wie schrecklich ertönt’ ihm + Heut der sonst entzückende Ruf der befiederten Sänger + Drüben im schauernden Wald, und wie schal erschien ihm das Leben + Ringsum! Furchtbar schwoll ihm die Brust von unsäglichen Qualen: + Lichtleer dünkt’ ihn der Tag, und die Sonne verloschen. Er warf sich + Dann auf die Erde; verbarg im thauenden Grase das Antlitz; + Lag schwerathmend noch, und weinte mit leisem Gestöhn’ fort. + Doch nun fuhr er empor (ihn faßt’ unbändige Zornwuth) + Riß sich vom Haupte den Helm, den Panzer vom Leib’, und die Schienen, + Hastig, von Arm und Bein’, und verstreute sie, schmetternd, + im Staub dort, + Weil ihn solche nicht schirmten, zuvor, g’en Schmach und Entehrung. + Jetzt mit dem Schwert in der Faust, und dem einen Gedanken im Herzen: + „Ottgars Tod!“ hinbraus’t’ er im Feld’, ihm zu nahen, entschlossen. + Also den Tag und die Nacht fortras’t’ er, und kam an dem Morgen, + Wutherschöpft, g’en Hof an der March zu dem einsamen Schloß her; + Klomm den Thurm empor, und forschte herum in der Dämm’rung. + Stille herrscht’. Er sah hinab in den schwindelnden Abgrund: + Einen Schritt von dem Rand -- kopflangs hinunter, und stumm war + Plötzlich der schreiende Schmerz in der Brust, + und verschollen der Menschen + Liebehöhnender Ruf. Doch Ottgar lebend auf Erden + Noch? Nur jenen erwürgt zuvor: dann sterben wie immer! + Nun, vor den Kaiser geführt, und dort nur Worte der Sanftmuth + Hörend von ihm, den er erst jüngst, ein eifernder Ritter + Ottgars, offen gehöhnt: das brach ihm das Herz, und mit Thränen + Hätt’ er, liegend im Staub’, ein Reuiger, jetzt ihn gesöhnet; + Doch ihm folgte sein treues Thier, und er jagte von dannen. + + Sieh’, und rastlos fort g’en Marcheck zogen die Scharen + Weiter im fröhlichen Muth, nicht achtend des sengenden Mittags, + Noch des qualmenden Staubs, entlang den unendlichen Heerweg! + Aber vor Marcheck kam ein Häuflein kumanischer Reiter + Näher gesprengt: wohl fünfzig Mann, und der Führer des Volks war + Kaduscha. Ihm ertönte der Gruß der Kampfesgenossen. + Auch er schwang den blitzenden Stahl, den Freunden zum Dank, auf, + Und erkundet’ im Flug: wo er treffe den mächtigen Kaiser? + Aber ihn führte das Volk stets weiter zurück’ in den Reihen, + Bis er im Waffenschmuck die Schar der erlesenen Ritter + Drüben ersah, und gerad’ dorthin den schnaubenden Läufer + Spornte. Umforschend im Kreis’, begann er, und sagte, verwundert: + „Traun, ich schaue vor mir vereint gewaltige Männer; + Doch nach dem Herrscher des deutschen Volks, dem Kaiser Rudolphus, + Forsch’ ich umsonst! Erkennbar leicht ist der König der Ungern + Schon an dem Purpurpelz, der, rings mit Zobel verbrämet, + Ihm von den Schultern fließt; an dem Stern, voll Edelgeschmeides, + Der an der Brust den Pelz festschlingt mit der goldenen Kette; + Auch an dem Reiher, des Kalpags Zier, entschwebend des Demants + Funkelnder Ros’, und dem Stab, den er in der Rechten, zum Zeichen + Heerebewegender Macht, und erhabener Herrschergewalt führt: + Denn nur kurz ist der Stab, von Golde getrieben, und oben + Noch mit der Kugel verseh’n: ein Abbild furchtbarer Waffe, + Die in des Ungern Faust zerschmettert dem Feinde die Scheitel;[3] + Doch wen grüß’ ich als Herrscher hier mit meines Gebiethers + Freundlichem Wort? Verzeiht, so ich irre! Mich dünket, der Ritter + Dort in der einfachen Wehr’, ob seines erhabenen Anseh’ns + Und der Macht in dem Blick’, ist der Herrscher, + zu dem ich gesandt bin.“ + „Wohl, er ist’s,“ entgegnete jener, „du hast ihn gefunden! + Aber verkünde nur schnell: was uns der tapfere König, + Unser Freund und Bundesgenoß’, Erfreuliches darbringt?“ + „Heil und Segen zum Gruß,“ sprach Kaduscha, heimlich erschüttert, + „Sendend zugleich mit der Siegesbothschaft Zeichen des Glückes + Dir zum Geschenk! Den Kampf begann der Kune mit Ruhm schon. + Längs dem Ufer der March, im Hinterhalte verborgen, + Lag mein Volk: da zog des Weges vorüber der Böhmen + Streitgerüstetes Heer. Wir harrten, lauernd im Dunkel, + Bis der größere Hauf’ hinschwand, und die Beute so herrlich + Dar sich both. Fürwahr, ein blutiger, schrecklicher Kampf war’s! + Dennoch entkamen der Feinde nur zween aus hunderten: alle + Lagen erwürgt. Wir hieben sogleich von dem Rumpfe die Häupter, + Sie, auf die Säbel gespießt, nach dem Lager zu tragen, und eben + Bringt in Körben von Schilf dir solche mein Volk zum Geschenk her, + Drüben am schlängelnden Weidenbach, wo dein der Beherrscher + Ungerns harrt mit gewaltiger Macht. Das soll ich dir künden.“ + Heimlicher Schauder ergriff, bei der Red’ entsetzlichem Inhalt, + Rudolphs mildgesinnetes Herz, er wandte sich seitab, + Barg die Stirn’ in die Hand, und rief nach erschütterndem Schweigen: + „Furchtbar habt ihr gesiegt, und dem Feinde Verderben bereitet, + Uns voreilend sogar. O möchte die Liebe des Heilands, + Möchte sein hohes Gesetz in euren verwilderten Herzen + Eingang finden, daß ihr entsagtet für immer der Ahnen + Schmählichem Götzendienst: nicht würd’ unmenschlicher Kriegsbrauch + Schänden den Sieg, den ihr mit tapferem Muthe gewonnen! + Biethet der Krieg nicht genug des Furchtbaren dar, und ein Jammer, + Schrecklich, wie der, soll ihn noch entsetzlicher, wilder gestalten? + Wehe, daß oft nur aus Blut des Friedens lieblicher Oehlzweig + Keimt, und, mit glühenden Thränen benetzt, die Blüthen entfaltet! + Schwarzenberg, gib jetzo Geleit den muthigen Kunen; + Zieh’ uns voran, und verkünde mit Huld, wie es Rittern geziemet, + Unsern Freundesgruß dem Könige! Aber ich folge, + Tapferer, dir auf dem Fuß, mit dem muthbegeisterten Heer nach!“ + D’rauf noch sagt’ er ihm leis’: „O schaffe die Reste der Todten + Schnell bei Seite, daß solch’ ein frommer Priester begrabe, + Würdig, nach Christenbrauch: denn unsere Brüder begräbt er! + Hohn, an den Todten verübt, erfüllet die Seele mit Schauder.“ + Sagt’ es, und jen’ entschwanden im Flug auf dem stäubenden Heerweg. + + Ottgar rückte mit Heer’smacht an. Nur das Auge der Geister + Dringt in die weiteste Fern’: entflohen der sterblichen Hülle + Schau’n sie vom Nord- zu dem Südpol hin des kreisenden Erdballs + Vielbevölkerten Raum; sie schau’n des unendlichen Weltmeers + Schwankende Wüsten, und dort, wohin kein segelndes Fahrzeug + Je noch Sterbliche trug, auf weitentlegenen Inseln, + Sonder Zahl, gar seltsamgestaltete Thier’ und auch Menschen. + Marbod sah aus den Wolkenhöh’n des entrüsteten Ottgars + Nahende Heeresmacht mit heimlichem Schauder: unzählbar + Schien sie ihm gegen des Kaisers Heer an Mannen und Rossen; + Auch nicht ferne zugleich der wildumwüthende Kampf mehr. + Alsbald sann er besorgt, ob einer der Lüftebewohner + Nahe sich fände, mit ihm vereint, in blutiger Feldschlacht + Beizustehen dem Hort der edelmüthigen Deutschen? + Schauend umher vom Gewölk nach den fernentlegensten Ländern, + Drang sein forschender Blick von dem Rücken des sanften Gebirges, + Wo, beginnend vom Donaustrom’, an dem freundlichen Preßburg + Höher und höher empor sich hebt, und thürmt der Karpathen + Mächtige Kett’ (entlang die silesisch- und polnischen Länder, + Eine schirmende Mark für die reichen Gefilde von Ungern) + Bis zu dem Riesen der Lomnitz hinauf, der, schneeigen Hauptes, + Hoch aus den Wolkenhöh’n in die lieblichen Thäler der Zips schaut:[4] + Dorthin drang sein Blick. Auf der Scheitel des Riesen gewahrt’ er + Jetzo, erstaunt, den, einst gewaltigen Führer der Gothen, + Katwald, hingestreckt mit Inguiomar, dem Cherusker,[5] + Hermanns Ohm, der, zürnend dem heftigen Varus-Besieger, + Ihn zum Bundesgenossen erkor in den Tagen der Nothwehr. + Schüchtern naht’ er den Höh’n: denn Katwald, finstern Gemüthes, + Trug ihm Haß in der Brust. Er hatt’ ihn vertrieben aus Böheim; + Jener rächte sich d’rauf, mit den Römern im Bund’, und vertrieb ihn + Wieder aus Marobud, der Stadt, die er gründete, machtvoll + So, daß er dann ein Flüchtling starb in den Mauern Ravenna’s. + Dennoch bezwang er sein sträubendes Herz, und schwang sich hinüber + Von dem Gewölk. So lang’, als hier, aus der Schleuder geworfen, + Fleugt der sausende Stein, und fern zur Erde herabsinkt, + Währte sein Eilflug nur, und er stand vor den Beiden, und sagte: + „Ha, ihr weilet dahier, entzückt von der reizenden Ansicht, + Die dieß Land gewährt im Schooß’ umragender Berghöh’n? + Schön ist es: wie nach den vier Weltgegenden, mächtige Flüsse, + Ewig genährt von dem sprudelnden Quell, aus dem hohen Gebirgsthal + Wälzen die silberne Fluth; wie solches, mit Städtchen und Dörfern + Rings besäet, die blühende Flur dem Auge zur Lust beut! + Aber ein wichtiger Streit entzweit die mächtigsten Fürsten: + Welchem die östliche Mark, die ich einst beherrschte, zum Eigen + Werde noch heut’: denn nah’ ist der Kampf, dem Kaiser der Deutschen, + Oder dem König des Lands, das ach, von Rache getrieben, + Katwald, du, mir entrissest im Kampf -- dem König von Böhmen? + Habt ihr völlig vergessen des Muths, der schnell in dem Busen + Aufflammt, wenn die Dromet’ erschallt, das wiehernde Schlachtroß + Steigt, und der blitzende Stahl in der Rechten des Helden umhersaus’t? + Kommt, mit thatenerregendem Wort’ und stachelndem Zuruf + Anzufeuern die Kraft der, uns abstammenden Deutschen, + Und zu verherrlichen heut’ in dem Feld den erhabensten Kaiser!“ + Inguiomar erhob bei den Worten sich schnell von des Felsens + Schneeigem Kulm, wo er saß (er ragte noch höher denn Marbod, + Riesengestaltet, auf), ergriff ihm die Hand, und begann so: + „Trauter, nicht sah dich mein Aug’ seitdem, als, flüchtig des Landes, + Du nach dem herrlichen Wälschland zogst: mehr Jahre, denn tausend, + Sind den Menschen entfloh’n, seit solches geschehen! Ich weilte + Unten im Schooße der Erd’, in düstere Träume versunken; + Plötzlich rief es mich fort. Wer rief? nicht wußt’ ich es -- folgte. + Doch nun zieh’ ich mit dir: ein Freund der Söhne von Deutschland!“ + Also gesellt’ er sich ihm; doch Katwald starrt’ in den Abgrund + Finster hinab, und verschloß den mildversöhnenden Worten + Marbods feindlich das Ohr: da entschwanden die beiden Vereinten, + Arm in Arm. Er hob mit Grimm in den bläulichen Augen -- + Trotz in dem blassen Gesicht’, um welches der säuselnde Westwind + Wiegte das röthliche Haar, sich vom Boden, und folgte nur zögernd + Jenen nach, die rasch nach Oestreichs Fluren enteilen. + + Aber auch Marcheck lag im Rücken des ziehenden Heers schon. + Von Baumgarten herab, in der Au feldlagerte weithin + Ungerns Macht, verhüllt von schattenden Weidengebüschen. + Dorther jagt’ im Gefolg der Reisigen jetzt auf dem Heerweg + Ladislav, der König, heran: er dachte dem Kaiser + Würdig zu nahen, und hielt, als Staub aufwallte zum Himmel. + Schwarzenberg mit Kaduscha war’s, der eilig daherkam. + Jener entblößte den Stahl, und senkt’ ihn zum Zeichen der Ehrfurcht, + Vor dem Könige; d’rauf erhob er ihn wieder, und sprach so: + „Mein erhabener Kaiser und Herr entbiethet dir, Hoheit, + Seinen Gruß! Er kommt, dein redlicher Bundesgenosse, + Dich an die sehnende Brust vor dem Heere zu drücken. Nicht fern mir + Folgte der Vorderzug: bald siehst du ihn schalten im Nachzug.“ + „Herr,“ sprach Kaduscha jetzt, „erblickst du sein Heldengefolg dort, + Forsche mit Fleiß, daß vor Allen sogleich dein Aug’ ihn erspähe: + Denn nicht glänzt er im Waffenschmuck; nur magst du ihn kennen + An der erhabenen Stirn’, der wölbenden Nase des Adlers, + Und an dem Herrscherblick in der Himmelsbläue der Augen! + Fremd ist die Furcht dem Kaduscha, doch erbebt’ er, ihm nahend.“ + „Freude mit ihm,“ entgegnete schnell der König, „und Glück uns + Beiden Verbündeten, da sich Ottgars furchtbare Heersmacht + Gegen uns wälzt wie die Fluth, die aus ihren Gestaden getreten! + Aber er komme nur: bald begegnen wir ihm in den Feldern + Ewigen Ruhms, vereint mit Rudolphs tapferen Scharen. + Unser Stahl ist geschärft, und die Rechte gar mächtig zum Einhau’n.“ + Sieh’, da hob sich erneut von der Straße der wirbelnde Staub auf, + Und der Rosse Getrab ertönete näher und näher! + Rudolph jagte heran im Gefolg’ erlesener Ritter: + Denn ihn drängte das Herz, den verbündeten König zu grüßen! + Aber noch standen die Ross’ an dem Weg, tiefhangenden Hauptes + Tragend den Siegespreis unmenschlicher Krieger. Nicht säumte + Schwarzenberg, und begann mit eiferndem Laut vor dem König: + „Schnell g’en Zwerndorf hin, da es also dem Kaiser genehm ist, + Trage die Last der wohlverhülleten Körbe das Saumthier: + Ihm ein werthes Geschenk, weil dort der redliche Priester + Solche nach heiligem Christenbrauch der Erde vertrau’n wird.“ + Sagt’ es, und rief Luitold, dem muthigen Knappen. Er nahte + Folgsam, und führte die Schar der Treiber zurück mit den Rossen. + Ringsum staunte das Volk, und sah bald seinen Beherrscher, + Bald den Fremdling an; doch, tieferglühenden Blickes, + Saß der König im Sattel, und schwieg, und ließ ihn gewähren. + + Allen zuvor kam jetzt der Kaiser gesprengt, daß ihn alsbald + Ladislav erkenne, der Hort der tapfern Magyaren. + Beide sprangen behend’ aus dem Sattel. Sie streckten die Rechten, + Einer dem andern im schnelleren Gang, begrüßend, entgegen; + Hielten mit heißem Druck die verschlungenen; standen, und blickten + Lange, staunend sich an. Dem Auge des einen entstrahlte + Feuriger Muth; entscheidende Kraft, und Würde des andern. + Als sie jetzo gesättigt das Herz in freundlicher Anschau, + Schweigend, begann voll Hast der jugendlichblühende König: + „Werth sey mir der heutige Tag, und theuer vor allen, + Wo ich, Erhabener, dir, deß’ Ruhm erfüllet den Erdkreis, + Nahete, bund’svereint: denn lang ersehnt’ es mein Herz schon! + Siehe, nicht riefst du umsonst: ich zog aus den unteren Landen + Meines Reichs mit Heeresmacht dir zu Hülfe! Des Ungern + Flammenden Muth kennst du, wie er einstürmt + rasch in die Schlachtreih’n; + Aber der Kun’ ist schrecklicher: denn ihm wohnet die Wildheit + Seiner, erst jüngst verlassenen Stepp’ an des Tanais Ufern, + Ungezähmt in der Brust; du sollst uns loben im Schlachtfeld. + Ha, dort fleugt Staub auf! Fürwahr der Feind ist im Anzug; + Solches verkündeten mir zuvor Eilbothen, aus Weiden + Kommend, voll Angst: das Volk ersehnet den Retter Rudolphus!“ + + Als der Kaiser die Worte vernahm, da wandt’ er die Augen + Schnell g’en Oberweiden zurück, das über den Sandhöh’n + Einsam liegt: ein hainumsäuseltes Dörfchen. Von dorther + Hob sich der Staub zum Gewölk. Wie nach glühenden Tagen des Sommers, + Hinter dem fernen Gebirg’, empor die schwärzlichen Wölkchen, + Gleich dem, gebläht, in die Lüft’ aufsteigenden Balle sich heben, + Bis sie im höheren Raum mit den weitgedehneten, lichten, + Aestigen plötzlich vereint, den wetterleuchtenden Schleier + Auf an den heiteren Himmel zieh’n: so flog auf dem Heerweg + Sparsamer erst, dann häufiger, hoch der qualmende Staub auf, + Der, von der Abendsonne durchblinkt, wie vom Blute geröthet, + Ottgars nahende Macht verkündete. Jener begann so: + „Ha, Beherrscher der Ungern, du bist zur Stunde des Glückes + Jetzt mit dem Heldenheer’ als Bundesgenoß mir erschienen! + Säumen wir nicht. Nur einmal beut auf entscheidender Bahn dir + Freundlich die Hand das Geschick: + ergreifst du sie nicht, so entzieht es + Selbe für immer vielleicht. D’rum sey in gebiethender Hast nun + Unsere Macht zum Wohl unzähliger Menschen vereinigt. + Frisch an die That! Wir ordnen das Heer sogleich in dem Feld hier.“ + Alsbald schwang er sich rüstiger auf in den Sattel, und sprengte + Hin, und herüber im Flug, mit des Feldherrn Auge die Gegend + Rings erforschend, zum Kampf den günstigen Raum zu erlesen. + D’rauf entboth er vor sich die Herolde: hieß von des Heeres + Rechtem Horn, g’en Zwerndorf hin Oestreicher und Steyrer + Zieh’n; von dem linken die Macht der Kärnthner und Krainer, + nach Marchecks + Fluren hinab. Capellen geboth den ersteren; diesen + Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, als oberster Feldherr. + Aber im mittleren Raum, Baumgarten nicht ferne, des Dörfchens + Früchtegesegneter Flur, vereinte sein Wink die Tyroler, + Schwaben, und Schweizer zugleich, gar tapfere Scharen im Schlachtfeld. + Also in fünf Heersäulen stand des gewaltigen Kaisers + Macht zu dem Kampfe bereit. Vor jeglicher wehten die Fähnlein + Edeler Ritter empor in die Luft, und die sinkende Sonne + Leuchtete hell aus den Helmen und Harnischen, furchtbar zu schauen! + Reisige folgten den Rittern nach, und, diesen im Rücken, + Trefflich geordnet, die Reih’n des lanzentragenden Fußvolks, + Wo vor jeglicher, schimmernd im Licht, ein mächtiges Banner + Flatterte, dort den Kriegern Verein in dem Kampfe gebiethend. + Aber vor allen empor, aus dem Kern des stattlichen Heeres + Hob sich die Reichsfahn’ auf: wie des Meerschiffs mittleres Segel, + Flatternd umher im Hauch des leis’umschmeichelnden Westwinds, + Und enthüllend den Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter + Herrlich geziert, nun rechts, nun links auf dem goldenen Feldraum; + Immer wies sie dem Heer’ die Nähe des waltenden Herrschers. + Aber er sagte darauf zu dem Könige, schnell und entschlossen: + „Sey dort hinter Capellens Macht, zur Rechten, der Kunen + Furchtbare Schar gestellt, die Kaduscha’s Winken gehorchet; + Aber zur Linken, verhüllt von der schattenden Au’, und des Meinhards + Völkern zur Stütze gespart, erwarte die tapfere Heerschar, + Die Trentschins Gebiether beherrscht, den ehrenden Aufruf: + Loszubrechen mit Macht auf die wildanstürmenden Gegner; + Doch du weiche zurück: denn also gebiethet die Sitte + Deines Landes dem Könige -- fern von dem blutigen, Schlachtfeld + Sitzend auf einer der ragenden Höh’n, auf dem rollenden Wagen, + Oder dem feurigen Roß, des Kampfmuths seiner Erwählten + Zeuge zu seyn![6] Schon neigt sich der Tag. + Nicht wird uns der Feind mehr + Heute begegnen im Feld; doch sey’s: er komme! Mit Freuden + Wollen wir entgegen ihm zieh’n, und der Ehre gedenken.“ + Sagt’ es, und bald stand jegliche Schar, in Reihen geordnet, + Nach dem schaltenden Wink des erhabenen Kaisers. Der König + Ungerns gewann mit Gefolg die aufragende Wart’ auf dem Hügel, + Die in der Vorzeit einst zur Gränzmark diente den Völkern. + + Doch g’en Westen hinab, nach des Abends goldenen Fluren + Senkte die Sonne den Flug, und sah vom Rande des Himmels + In das erhellete Nebelgewölk, das, duftigem Schleier + Gleich, empor sich hob, sie in lieblicher Ruh zu umfangen; + Rosig die Brust erhellt von ihren verglühenden Strahlen, + Wanderten hoch in dem Wolkenreich nach entfernteren Zonen + Singende Schwäne dahin; im Saatfeld zirpten die Heimchen; + Leise verhallte des Tages Geräusch, und das Leben verstummte. + Aber die Höhen entlang, die rechts von Weiden nach Marcheck, + Weitgedehnt, sich zieh’n, und des Marchthals Fluren beherrschen, + Tönete jetzt Getrab anstürmender Rosse, der Waffen + Helles Geklirr, und das Schrei’n und Rufen unzähliger Krieger. + D’rauf erschien, dem Gewittergewölk’ im Sommer nicht ungleich, + Das, von gährendem Donner schwer, am Himmel heraufschwebt, + Drüben am Rande der Höh’n die schlachtgerüstete Heersmacht + Ottgars: gierig des Kampfs, und zu muthigen Thaten entschlossen. + Noch empört’ ihn der Zorn ob jenes verwegenen Jünglings + Frechenthülleter Gluth zu seiner Erzeugten, und dennoch + Sehnt’ er sich herzinnig nach ihm, in dem einsamen Kriegszelt + Sitzend, und schlug sich die Stirn’, + und jammerte laut um den Liebling. + Also kam er heran, und hoffte, des lechzenden Herzens + Heißen Durst im Blut’ und Gewürge der Feinde zu stillen. + + Doch nicht rastete jetzt Drahomira, die schreckliche Feindinn + Ottgars: denn sie sah, wie Marbod und Inguiomar erst + Sich vereinten, im Kampf zu entflammen die Deutschen. Sie nagte + Heimlich vor Wuth an den Lippen, und hätte mit schmähenden Worten + Jene gehöhnt; doch schwang sich nun, verdüsterten Blickes, + Katwald her in der Luft, und sah nach der Erde herunter. + Alsbald hob sie zu ihm sich empor, und rief, ihn erforschend: + „Ha, du sahst es, wie Marbod, der schrecklichste dir in des Lebens + Langentschwundener Zeit, auch Inguiomar zum Gehülfen + Sich erkor, heut’ Oestreichs Volk zu entflammen im Schlachtfeld! + Komm, und eine dich mir! Erst will ich den König der Böhmen, + Stürzen: denn mir zur Schmach verübt’ er entsetzlichen Frevel; + Aber erliegt er im Kampf, dann sey Kunegunde, des Zepters + Würdig, erhöht auf den Thron; ihr laß uns erringen den Vortheil. + Hoch erhebe sich Böhmens Ruhm, des trefflichen Landes, + Das dir gehorcht’, eh’ Marbod dir’s mit den Waffen geraubt hat.“ + Sagt’ es mit stachelndem Wort; doch jener entgegnete zürnend: + „Weiche von mir, du fluchbeladene, daß nicht dein Odem + Noch verpeste die Luft, die mir umsäuselt die Wangen! + Kein Verein, Drahomira, mit dir! So willst du mit Marbod + Und mit Inguiomar, des Kaisers verbündeten Freunden, + Ottgars Haupt gefährden im Kampf’? Ich nah’ ihm, als Helfer, + Schon dem Lande zum Ruhm, wo ich herrschend lebt’ in der Vorzeit, + Ha, und lache des Zorns, der, so wie zum Strande die Meersfluth + Brausend fleugt, und zurück, der Ohnmacht eiteles Bild, sinkt, + Dir empöret die Brust, und dräuet in nichtiger Ohnmacht!“ + Rief’s, und stürzte herab vom Gewölk’ an die Seite des Königs, + Der das Roß anhielt, und des Kaisers geordnete Völker + Staunend ersah, wie solche den Plan erfülleten weithin. + Jetzo noch einmal, quer von dem Saum der Erde herüber, + Blickte die Sonn’, und verschwand; die Dämmerung zog von dem Thal her. + Nicht gedacht’ er des Kampfs für heut’; an dem kommenden Morgen + Wollt’ er dem Feind’ ihn biethen auf Tod und Leben, den Herold + Sendend zuvor, nach des Kriegs herkömmlicher, edeler Sitte.[7] + Katwald war ihm genaht, und haucht’ ihm vor allem den Rath ein: + „Ottgar, wie, du willst, nachtlagernd, des dämmernden Morgens + Harren dahier? Schnell vor, eh’ dunkel die Nacht sich herabsenkt: + Schleudre die feindlichen Reihen entzwei! So machst du dir heut’ noch, + Schrecken verbreitend, Bahn zu des Siegs erhellten Gefilden: + Denn der erste Gewinn in dem eisernen Feld ist ein Hagel, + Der die Halmen der Hoffnung zerschlägt; ein brausender Sturmwind, + Der des Athems beraubt den Wanderer, und ihn ermattet. + Alsbald biethet der Feind dir selbst ein Zeichen des Angriffs.“ + + Jener verschloß ihm das Ohr. Doch wer entflammt’ an dem Abend + Schon den noch nicht ersehneten Streit im tosenden Schlachtfeld? + Marbod, der muthige that’s. In den Reih’n der stürmischen Reiter + Spornt’ ein munterer Held bischöflicher Leute von Salzburg, + Schörlin, ein unbändiges Roß heran in dem Kriegszug.[8] + Ihm nicht fern, ersah das Nest pferdstachelnder Bremsen + Marbods spähendes Aug’: er eilte dahin, und empörte + Mit gewaltigem Geisterhauch die entschlummerten Quäler: + Denn er brannte vor Gier des Kampfs Arbeiten zu schauen. + Sieh’, und, also geweckt, im heulenden, wilden Gesumme + Fuhr der Schwarm empor; er flog dem muthigen Rosse + Schörlins unter den Bauch, und stachelte solches, erboßt, wund. + Schrecklich tobt’ es umher, schlug aus, bog, stöhnend, die Ohren + Gegen die Brust, und rannte dahin: nicht achtend des Rufens, + Nicht des Schrei’ns, das Schörlin erhob, da er, rücklings gebogen, + Zog an dem Zügel, es noch im wüthenden Laufe zu hemmen. + Schnurgerad auf Ottgar hin losrannte das Thier jetzt. + Zorn erfüllte sein Herz; er rief den staunenden Feldherrn: + „Wahrlich, nicht dacht’ ich mehr den Stahl an dem heutigen Abend + Feindlich zu zieh’n; doch seht, die Unsinnigen stürzen sich selber + Ihm entgegen, voll Wuth! Sie sollen mir büßen die Kühnheit. + Fort! Wir greifen sie an mit den schwergeharnischten Reitern, + Welch’ uns Böhmen gesandt, den tapfersten Männern auf Erden, + Und im gemessenen Schritt’ uns folge das Heer auf dem Fuß nach.“ + Alsbald gab er dem Pferde den Sporn, und jagte die Höhen + Brausend herab. Ihm nach, mit dem kampferfahrenen Helden + Lobkowitz, flog die Schar zweitausend geharnischter Reiter. + Wie, wenn unterirdische Gluth aus den Tiefen des Erdballs + Aufwärts braus’t, und gehemmt, weithin erschüttert die Gegend + So, daß vom stürzenden Felsengebirg’ unzählige Trümmer + Schnell in’s drönende Thal herrollen mit wildem Getümmel, + Krachend der Wald entsinkt, und Staub auffleugt in die Wolken: + Also stürmt’ auch hier der König mit seinen Erwählten + Von den Höhen herab. Vor den Kommenden stürzte das Reitroß + Schörlins zusammen. Kein Leid ihm geschah: die furchtbaren Reiter + Setzten über ihn hin; er lag, listsinnend, im Scheintod + Dort bis Mitternacht, und kehrete heim zu den Seinen. + + Ottgar nahete schon den äußersten Wachen der Steyrer. + „Auf, zu den Waffen!“ so schrie Wildon, der tapfere Hauptmann + (Pfannberg weilte noch fern bei Capellen, dem obersten Feldherrn, + Drüben im luftigen Zelt, des Kriegs Arbeiten erwägend, + Die der Morgen verhieß) und das Fußvolk eilt’ aus dem Lager: + Denn nicht dachten des Streites mehr die erlesenen Ritter + Jetzt, in der sinkenden Nacht. Wohl mancher saß in dem Gras’ noch, + Haltend das Roß an dem Zaum’, und beredete Dieses, und Jenes; + Doch nun fuhren sie all’ empor, von dem feurigen Marbod + Aufgestürmt mit empörendem Ruf. Bald schwang in den Sattel + Jeder sich auf, erhob den Speer in der Rechten, und senkte + Sein Helmgitter herab, das Roß zu dem Kampfe bewegend. + Ha, und der Kampf begann! In dem Vorderzuge, des Feindes + Dräuende List zu erspähen gesandt von dem sinnigen Feldherrn, + Stand ein Brüderpaar der Trantmannsdorfe beisammen: + Heinrich, und Götz, von der Schar der Verwaiseten. + Laut, und mit Nachdruck + Hieß sie des Hauptmanns Ruf in die Reih’n der Versammelten kehren: + Aber sie hörten ihn nicht, von glühendem Muthe getrieben. + Ottgar fuhr auf den älteren los, und, ob er den Speer schon + Ihm entgegen streckt’, und des Kampfs wohl kundig sich zeigte, + Schlug er ihm doch mit dem Heldenschwert den nahenden Speerschaft + Seitwärts, und durchstieß ihm den Hals, wo, gleitend, vom Harnisch + Sich der Helm verschob: er sank, und verhauchte das Leben. + Götz drang muthig auf Lobkowitz ein; verwundete, jauchzend, + Sein aufbäumendes Roß, und stürmte noch feuriger vorwärts; + Aber ihm bohrte, von jenem gekehrt, der empörete König + Sein, von des Bruders Blut geröthetes Schwert in die Brust ein + So, daß er rücklings vom Sattel sank, und dicht an dem Bruder + Ruhete, langgestreckt, und erblassend im Tode. Sie lagen + Dort wie jährige Leu’n im Staub, die, grausam, ein Tiger + Eben erwürgt’ im Gebüsch’, als Beut’ aufsuchte die Mutter. + Doch der feurige Katwald sprach, umschwebend, in’s Ohr ihm: + „Ottgar, flüchtig enteilet das Glück: erhasch’ es im Flug jetzt! + Werfe den Feind, eh’ Rudolphs Schwert dir nah’t. Ich gewahrte + Helfende Geister um ihn, die ihn warneten: eile, zu siegen!“ + „Ha, wer drängt mich so muthig, und kühn?“ sprach zürnend der König, + „Muthig, und feig zugleich, mit Rudolphs Schwert mir zu drohen: + Denn er komme nur, bald entreißt ihm das meine das Leben!“ + Rief’s, und jagte dahin wie der brausende Sturm auf den Heiden. + + Welchen erlegt’ er zuerst aus den Reih’n der tapferen Ritter? + Sieh’, ihm warf sich Stubenberg vor allen entgegen: + Weit vorhaltend den Schild, deß’ Zier, im Ringe der Anker, + Schlangenumwunden, sich wies, und strebte, das muthige Herz ihm + Durchzubohren im Wuthanlauf mit dem blinkenden Speerstahl; + Doch in des Rosses Bauch stieß Ottgar, stachelnd, den Sporn ein + So, daß es seitwärts sprang, und er drängte dem Gegner den Degen + Tief in die Brust, als ihm die entblößte Höhle der Schulter + Räumigen Eingang both: er sank, und athmete nicht mehr. + D’rauf erwürgt’ er auch noch urschnell den redlichen Knappen + Edelred, der jetzt dem Ritter zu Hülfe geeilt war. + Czernin stellte sich g’en Wildon zur Wehre: sie kämpften + Lange mit wechselndem Glück; verwundeten: jener des Gegners + Bein, und dieser den Arm, und schieden mit dräuendem Ingrimm + Mitten im Kampf: denn schon herstürmten im Felde die Reiter + Ottgars, welchen das Fußvolk rasch nachdrang, und urplötzlich + Hob sich der schwellende Ruf mit dem Waffengetöse der Würger + Himmelempor, und erfüllte die Welt mit Entsetzen und Schauder. + + Jetzo vernahm in der zweiten der fünf Heersäulen Capellen + Kämpfender Krieger Geschrei, das drüben, am Rande der ersten, + Stets vernehmlicher scholl in der Dämmerung. Eifernd besprach er + Eben mit Pfannberg dort, dem Führer des steyrischen Volkes, + Für den kommenden Tag des Angriffs muthige Weisen; + Auch die verstellete Flucht: den wechselnden Kampf, und den Rückzug, + So des Krieges Geschick ihn gebeut: da verstummt’ er auf einmal, + Horchte dem Lärm, und sprach, voll Hast, zu dem Scharengebiether: + „Pfannberg, eile zurück! Der Feind, so sagt uns der Lärm dort, + Wagte den Ueberfall in der Dämmerung; eile zur Rettung + Deines Volks: ich folge dir schnell mit erlesenen Scharen.“ + Also geschah’s. Im Flug’ erreichte der tapfere Feldherr + Sein gefährdetes Volk, und warf, mit dem Schwert’ in der Faust, sich, + Allen voran, als sie nachbraus’ten im stäubenden Saatfeld, + Rasch auf die furchtbare Macht der Geharnischten, die zu dem Angriff + Ottgar selber geführt, und jetzt umtobte, voll Mordwuth. + Ihm selbst hätt’ er die Brust durchbohrt, so plötzlich erschien er + Mitten im Waffengemeng; doch schlug ihm der muthige Ritter, + Zawiß von Rosenberg, der schönste der Männer im Kriegsheer + Böheims, sein erhobenes Schwert aus der Faust, und durchstieß ihm + Schnell mit dem Speere den Arm, daß er, stöhnend, + vom Sattel herabsank. + Ottgar rühmte gerührt den Tapferen; doch Drahomira + Lächelte Hohn aus den Lüften herab: sie erspähte die Neigung + Schon, die verborgene, jüngst in der Brust Kunegundens für Zawiß, + Und gedachte mit Lust der unheilschwangeren Zukunft. + + Pfannbergs Volk, den Sturz des tapferen Führers gewahrend, + Drang jetzt eilender vor, und kämpfte, der Löwinn nicht ungleich, + Die vor der Höhle die Jungen, umringt von Pardeln erblicket, + Um den Verwundeten dort, und es hätte gesiegt mit den Scharen + Oestreichs, die Capellen zu Hülfe geführet, und jenen, + Die aus dem Hinterhalt’ auch Kaduscha, hörend im Nachtgrau’n + Feindlicher Waffen Getös’, ihm, lautaufjauchzend, vereinte: + Hemmt’ es nicht Katwalds List. Er sah in der Reihe der Edeln + Einen, mit bleichem Gesicht’ und scheuumirrenden Augen, + Träg vorschreiten im Kampf: den Pettauer, der vor dem König + Ottgar, einst die Ritter der steyrischen Mark des Verrathes + Zieh, und dieser verhängte sogleich entsetzliche Strafen; + Aber er hatte nicht Ruhe noch Rast seitdem, und im Herzen + Trug er die Strafe der Schuld, da er jeglichen Trostes beraubt war. + Diesem nahete Katwald jetzt, und schrie in das Ohr ihm: + „Horch, dir drohet Verrath und Mord! Unseliger, fliehe!“ + Schauer durchlief ihm die Haut, da er solches im Geiste vernommen: + Alsbald wandt’ er das Roß, und rief, entfliehend: „Verrath! Mord!“ + Wilde Verwirrung begann: das vorgedrungene Fußvolk + Wankte zuerst; ihm folgten die Reisigen -- dann auch die Ritter. + Tausendzüngig erhob sich der Ruf: „Entflieht dem Verrath! Fort!“ + Aus den flüchtenden Reih’n. Auch Kaduscha wich mit den Seinen + Lärmend zurück, und entsetzlich erscholl in der Nacht das Getümmel. + + Doch in dem fernen Gezelt vernahm der erhabene Kaiser + Jetzo den Lärm, und geboth den Mannen die Rosse zu zäumen: + Denn schon lagerten sich die Tapfern ruhig im Saatfeld, + Reichend den Rossen das Futter zuvor, und stillten den Hunger + Dann mit Brot, und den Durst mit des Quellbachs kühlenden Fluthen: + Alsbald waren die Pferde gezäumt, und die Muthigen saßen + Sattelfest. Da kam vor allen, gesprengt, auf dem Pfad her + Oestreichs Reiterschar. Mit zürnendem Ernst in den Blicken + Ritt ihr der Kaiser entgegen. Sie stand von Schauer ergriffen: + Denn kein Vorwurf kam aus dem Mund des erhabenen Herrschers. + Also gehemmt, wuchs stets zu dichteren Haufen die Heersmacht, + Und er kehrte mit ihr g’en Marchecks sandige Fluren. + + + + + Achter Gesang. + + + „Ha, was röthet den Himmel fern im nächtlichen Dunkel? + Welch’ Geschrei erfüllt urplötzlich mit Angst und Entsetzen + Drüben die Stadt? Ein Jüngling sitzt, verwilderten Ansehn’s, + Dort auf des Felsens Höh’n, und schaut auf + die schreckliche Brandstätt’ + Grinsend herab, wo ruhig noch erst unschuldige Menschen + Schlummerten, jetzt Gewürg’ erschallt, und in Strömen das Blut fließt? + Furchtbare Schau! Darf also der sterbliche Mensch an dem Menschen + Wüthen, daß sanfterer Art der grausame Tiger erscheinet? + Wehe, wie fiel er so tief! Wie entwürdigt ihn Laster und Thorheit! + Doch ich nah’ ihm schnell, zu erkunden, wie solches geschehen?“ + So sprach Inguiomar, das gluthverheerete Städtchen + Schauend, und eilt’ im Fluge dahin, wo, schrecklichen Blickes + Jener hinuntersah nach der Stätte des Jammers. Er saß dort + Schauerlich in sich gekehrt, und ihm zuckten die schneeigen Wangen + Leise vor ungesättigtem Grimm, da er, vorwärtsgebogen, + Stützend das Kinn auf die krampfhaftgeschlossene Faust, in die Flammen + Starrete. Doch es stockte das Wort in dem Munde des Geistes, + Als er ihn näher geseh’n. Er bebte dem Jammer, und eilte + Fort nach den Ufern der March, wo heut’, unferne dem Städtchen + Marcheck, nach unrühmlicher Flucht sich die Krieger vereinten. + + Wallstein war’s, der dort auf dem Felsriff saß, und hinunter + Starrte, voll Grimms. Sein war die entsetzliche That, und der Hölle + Jüngstentlaufene Brut, Drahomira, hauchte die Wuth ihm + In die empfängliche Brust, aus welcher des warnenden Engels + Bild entfloh, da er sich der Sinneschmeichlerinn hingab. + Sieh’, er eilte zuvor aus der Nähe des Kaisers, und setzte, + Schwimmend, die Fluthen der March mit dem schnaubenden Rosse hinüber; + Flog dann, Auen und Wälder entlang, an Moravia’s Marken + Rastlos fort, bis endlich das Roß am dämmernden Abend + Stöhnend zu Boden sank. Er entschlummerte neben dem Thier dort; + Aber ihm war Drahomira gefolgt. Wie der feurige Schweißhund[1] + Angeschossenes Wild, so heiß es auch strebt, zu entkommen, + Durch des umschattenden Waldes Nacht verfolgt auf den Fährten, + Rastlos, bis es ermattet ihm fällt: so ließ Drahomira + Ihn aus den Augen nicht mehr: denn Ottgar sollte getödtet + Fallen durch ihn, und ihr Herz sich ersättigen dort an des Jammers + Grau’nerregender Schau -- an dem Fall des unglücklichen Jünglings. + Einen täuschenden Traum ersann, und bannte sie, zaubernd, + Vor den Entschlummerten hin. Er sah im Geiste das Städtchen, + Kostel in Mähren, vor sich, und dort sein Alles auf Erden, + Hedwig, gefesselt im Thurm, weil sie nicht verhüllte die Neigung, + Die sie ihm still genährt in dem treuergebenen Herzen; + Sah, wie sie, jammernd, ihm mit den kettenbelasteten Händen + Winkt’, und so bleich her sah von des Fensters eisernen Stäben, + „Hülfe!“ schreiend, und „Rach’ an Ottgar!“ Aber er stöhnte + Laut in dem Schlaf’, und schlug sich die Brust + vor unsäglichem Herzleid. + Bald erweckt’ ihn Geschrei anstürmender Krieger. Der Kunen + Tausend, vereinten sich erst: Weglagerer, Räuber, und Mörder, + Von dem Heere getrennt, auf Raub zu ziehen, entschlossen, + Die Drahomira noch mehr empörte zu schrecklichen Thaten. + + Als sie jetzt den Schlummernden sahn, der, blühender Jugend, + Noch im Schlafe das Schwert umklammert hielt mit der Rechten; + Durch die gesenkten Brau’n Wuth kündet’, und, stöhnend, von Rachgier + Mit den verzerreten Lippen sprach, da riefen sie freudig: + „Seht, den sandt’ uns Tyr,[2] der Gott des Kriegs und Verderbens: + Ihm gleich, hält er das Schwert umfaßt, und drohet im Schlaf noch + Schrecken dem Feind’. Er sey uns Führer im nächtlichen Raubzug!“ + Also erweckt’ ihn ihr wildes Geschrei; sie faßten, und hoben + Ihn von der Erd’ empor; umhingen in Eile die Schulter + Ihm mit dem Pelz, der, marderumbrämt, zur Ferse hinabhing; + Setzten die Mütz’ auf sein Haupt, mit dem schwebenden Reiher, + und bothen + Ihm das erlesenste Pferd. D’rauf sagte noch Sikra, der Hauptmann: + „Komm, und führ’ uns im sausenden Ritt nach Kostel, dem Städtchen + Drüben im Mährenland, voll reichthumstolzer Bewohner, + Die, dem Böhmenkönig getreu, zum Kampfe sich rüsten. + Unser König bekriegt ihn selbst auf den Feldern von Oestreich: + Wir erhoben uns hier, ihm Schaden zu thun, und zu rächen + Plünderung, Mord, und Brand, mit welchen er Ungern vor Jahren + Wüstete: ha, nun Rache dafür an dem grausamen Ottgar!“ + Also tobten sie fort. Der Jüngling ließ sie gewähren, + Stand verstört, und wußte nicht, wie ihm geschehen? Er sann jetzt: + Ottgar ward ihm genannt -- der Grausame hieß er den Räubern + Selbst? Da jauchzet’ er laut; entblößte das Eisen; erhob sich + Schnell in den Sattel, und rief: „Mir nach, wir rächen die Unthat!“ + D’rauf ging’s fort, im sausenden Ritt nach Kostel in Mähren. + Vor ihm flog Drahomira einher, und lächelte grimmig: + Denn sie sah das Entsetzliche dort vollbracht, und Verderben + Ueber des Jünglings Haupt, und Ottgars schweben im Vollmaß. + + Tief entschlummerten schon des ummauerten Städtchens Bewohner. + Ach, oft ahnet der Sterbliche nicht, der ruhig dem Schlaf sich + Noch an dem Abend ergibt, welch’ Jammer ihn weckt vor dem Morgen! + Früher erspähten die Räuber schon des friedlichen Städtchens + Schwachverriegeltes Thor und die leichtersteigbare Mauer, + Die sie, keuchend vor Hast, erkletterten. Aber das Reitroß + Spornte Wallstein rasch umher: denn hoch in die Nacht auf + Ragte der Thurm, der dort die holde Geliebte (so wähnt’ er + Noch, getäuscht von dem Traum) von ihm für immer getrennt hielt. + Wehe, und bald aufflammte die Gluth, an die breternen Dächer + Durch die entsetzlichen Kunen gelegt, und erhellete weithin + Rings die schweigende Nacht! Nicht säumte der lauernde Nachtwind, + Lauterbrausenden Flug’s annahend, die Flamme zu wälzen + Hin und daher, an den Häusern der engverschlungenen Straßen. + Wildes Geheul erscholl: aus den Stuben hervor auf den Marktplatz + Flüchteten jetzt die Bewohner, um dort die Väter, und Mütter, + Kinder, und Greise zu seh’n, wie sie bluteten unter dem Schwerthieb + Wüthender Räuber, und bald, erwürgt mit den andern, zu fallen + Rettungslos: denn Niemand war, der half in dem Jammer. + Wohl anlangten den Abend zuvor zwölf muthige Reiter + Ottgars, über die March, von Drösing herüber gesendet: + Mundvorrath aus dem Städtchen hier, in das Lager der Böhmen + Heut noch zu schaffen mit Waffenmacht: denn schreckengerüstet + Herrscht in des Krieges Zeit die Gewalt: nur Laute des Ingrimms + Treffen das Ohr, das sonst des Friedens sanfte gewohnt war. + Als der feindliche Lärmruf scholl, da schwangen die Reiter + Sich auf das Roß, zu entflieh’n der wuthempöreten Mehrzahl; + Doch sie waren umringt, und nun, mit dem Schwert’ in der Rechten, + Kämpfend, zu sterben bereit. Sie stellten sich fest und entschlossen, + Vor dem Thurm dort auf, und harrten des nahenden Feindes. + + Allen zuvor kam Wallstein, jauchzt’, und hieb in den Haufen, + Blindumwüthend, ein: denn Ottgars kenntliche Reiter + Sah er vor sich, und schnob nur Rache, nur flammende Sehnsucht + Hedwigs Retter zu seyn aus den Händen unmenschlicher Krieger. + Jetzt auflachte voll Hohn Drahomira, und hob sich von dannen: + Denn jetzt klebte das Blut des eigenen Volks an dem Schlachtschwert, + Das ihm Ottgars Rechte vertraut’, und sie dachte: nicht fern mehr + Sey ihm das Ziel, zu fallen mit ihm, unrühmlich, und furchtbar! + Siehe, die Reiterschar, umstürmt von den wüthenden Räubern, + Fiel nach tapferer Gegenwehr auf die Leichen des Feindes, + Die sie gehäuft! Doch Veith, der jetzt aus dem Sattel geworfen, + Sank, rief sterbend ihm noch: „Ha, Wallstein: bist du ein Gegner + Deines eigenen Vaterlands? Du ermordest die Böhmen?“ + Wallstein horchte bestürzt: er erkannte den redlichen Krieger, + Der in der Ahnen-Burg gedient, und in zartester Kindheit + Oft ihm Mährchen erzählt’: ein treugesinneter Reiter; + Hob die Blick’ empor, und sah, durch des ragenden, leeren, + Halbverfallenen Thurms verwitterte Fenster den Himmel, + Sternenhell, herab auf das Blut der Reisigen starren; + Sah, erstaunt, um sich her die Leichen der Greis’ und der Kinder + Schwimmen im Blut’ -- all’ überall Blut, und die wüthenden Kunen + Nur erpicht auf Raub und Plünderung. Plötzlich ergriff ihn + Seelenangst: er gab dem Rosse die Sporen, und jagte + Durch das offene Thor hinaus auf den einsamen Heerweg; + Dann seitab den Hügel empor, der, nahe dem Städtchen, + Jäh sich erhebt. Dort saß er am Rand’, aus dem Sattel gestiegen, + Haltend das Roß am Zaum’, und sah nach dem schrecklichen Jammer + Drüben hinab. Bald wühlt’ er, ergrimmt, sich die Brust mit den Nägeln + Wund; bald stützt’ er das Kinn auf die Recht’, und starrte hinunter, + Starrte hinauf zu dem tiefverstummenden Himmel, und rang nur + Einem Schreckensbild zu entflieh’n, das fieb’risch die Brust ihm + Schüttelte: denn er dachte, wie frech er die freundliche Warnung + Von sich stieß in der Nacht, welch’ über ihn schrecklich entschieden. + Doch als jetzt ihm ein Thränenpaar heiß über die Wangen + Träufelte, hob er sich auf von dem Boden, und plötzlich verscheuchte + All die Bilder ein kühner Entschluß. Er sagte für sich hin: + „Ottgar, kein Verein ist zwischen uns mehr! Ich gehöre + Deinem Gegner hinfort: denn sieh’, ich erwürgte die Böhmen -- + Ach, mein Volk, mit den Kunen im Bund! Dieß blutige Schwert lechzt + Jetzo nach deiner Brust, und nach meiner: + wir fallen zugleich -- bald!“ + Stöhnend schwang er sich dann auf’s Roß, und jagte herüber + Immer den Fluß entlang, im Galopp, die lagernde Heersmacht + Rudolphs noch vor dem Morgenroth zu erreichen vor Marcheck. + + Sieh’, und es rief in der Stadt, in den weitgetrennten Gehöften, + Und in den Dörfern umher der Hahn, des dämmernden Morgens + Muthiger Herold, sein „wach’ auf“ das andere Mal schon, + Als er die seichtere Furt durchwatete; d’rauf vor dem Lager, + Laufend, erschien, das Kunenroß heimjagend vom Ufer. + „Wer da?“ rief ihm die Huth vom Wall’ entgegen, und zielte + Dann mit der Lanze zugleich nach der Brust des nahenden Jünglings: + Aber er sprach ergrimmt: „Zu Rudolph, eurem Gebiether + Führet mich schnell! Hochwichtiges muß ich sogleich ihm enthüllen.“ + Jener sah ihn zuvor mit Staunen vom Kopf bis zum Fuß’ an, + Eh’ er die Freund’ entboth, ihm sich’res Geleite zu geben: + Denn unglücklich nur -- nicht verdächtig erschien er von Anseh’n, + Und sie führten ihn jetzt nach des Kaisers ragendem Zelt hin. + + Aber der liebliche Schlaf (ein Balsam für blutende Herzen, + Welcher so mild den Schmerz beschwinget, der in des Lebens + Dornengefilden sie grausam zerriß) war eben auf Rudolphs + Lieder gesunken, und er floh vor dem Fußtritt nahender Krieger + Wieder hinweg. Oft wacht’ er im Feld mit heiterem Antlitz + Tag’ und Nächte hindurch, zu des Kriegs Beschwerden gestählet. + Als in das einsame Zelt der Jüngling getreten, da däucht’ ihn: + Jener Unglückliche sey’s, der jüngst den muthigen Reiter + Von dem Thurm in den Abgrund warf, und nicht irrte sein Scharfblick. + Freundlich winkt’ er ihm jetzt mit der Hand, und jener begann so: + „Meine Rede sey kurz! Der Sterbende muß sich beeilen, + Daß er enthülle das Wort, das lastend die Brust ihm beschweret. + Höre mich, Herr! Ich war dein Feind, und hätte den Sohn dir + Gern durchbohrt auf dem Plan, vom wüthenden Hasse getrieben; + Aber es zieht das Geschick gar wunderbar oft in des Lebens + Irre den Pfad: mich führt es als Freund dir zurück. Mit den Kunen + Hab’ ich, dein Dienstmann, erst gesengt, und gebrannt in dem Städtchen + Drüben im Mährenland’, und die Bürger zugleich mit den Kriegern + Muthig erwürgt: all’ Ottgars Schuld, des grausamen Wüthrichs, + Der auch dir nach dem Leben strebt, und die Mörder bereit hält. + Aber ich eil’ ihm zuvor, willst du’s, und raub’ ihm das Leben + Heut’ noch. Dir ist dieß Schwert geweiht; nicht soll es ihn fehlen: + Denn er verübt’ an mir Entsetzliches. Sprich, und ich mord’ ihn!“ + „Wie,“ so begann, aufjammernd, der Kaiser, „Unselige, habt ihr + Ruhige Menschen erwürgt, und gesengt, und gebrannt in dem Städtchen + Drüben nach schrecklichem Kriegsbrauch? O, der Völkerbeherrscher + Trauriges Los, daß ihr Streit auch Räuberhände bewaffnet, + Ungezügelt und frech, dem Gesetz hohnsprechend, zu wüthen! + Herr, nicht gehe mit mir in’s Gericht: denn mein ist die Schuld nicht! + Doch du kehre zurück, Unglücklicher! Kehre zu Ottgar, + Der ein liebender Vater dir war, nun zurück, ihn zu söhnen, + Ihn mit reuigem Sinn um den Segen zu fleh’n -- zu erwiedern + Ihm verzeihende Huld, so er dich einst kränkte mit Unrecht! + Also hat es der Herr uns gelehrt: er möge dir helfen!“ + + Wallstein stürzte hinaus, und flog nach dem feindlichen Lager, + Rastlos, bis er erreichte die Huth der böhmischen Reiter. + Schnell erkannten sie ihn, der oft im Gewühle der Schlachten + Sie zum Siege geführt, und jubelten laut in die Nacht auf. + Einer begann: „Kehrst du zur Freude des Heers und des Königs + Wieder zurück, der, wisse es nur, mit unsäglicher Sehnsucht + Nach dem verlorenen Sohn sich abhärmete? Wahrlich, er nannte + Heute dich so, und verhieß allmanniglich reiche Belohnung, + Der dich führte zurück in die Arme des liebenden Vaters!“ + Doch, es erwiederte Wallstein ihm den freundlichen Gruß nicht; + Eilete vor, und erreichte das Zelt des entschlummerten Königs. + Jetzo murrete Greif, der mächtige Hund, vor dem Eingang: + Ottgars Liebling, ein Schrecken des Volks, das nächtlicher Stund’ ihm + Nahete, wo er, der Kette los, umwandelte wachsam: + Denn er bewältigte leicht den stärksten der Reisigen; hielt ihn + Nieder, und bellete, bis ein Hausgenosse daherkam. + Wallstein zischte nur leis’, und rief ihn bei’m Nahmen: da sprang er, + Heulend, herbei; erhob sich mit freudigem, lautem Gewinsel + Ihm auf die Schulter, lang wie er war, und leckt’ ihm die Wangen; + Lief dann kreisend umher, und kehrete wieder, vor Freuden + Bellend, und heulend zugleich: denn Wallstein war ihm seit Jahren + Hold, und quälet’ ihn einst im jugendfröhlichen Muth’ oft. + Doch er streichelte jetzt den Treu’n mit unwilliger Hand nur; + Trat in das Zelt, wo im Lampenschein, auf das Lager gesunken, + Ottgar schlummerte: ganz in die Waffen gehüllt, und zu kämpfen + Wieder am Morgen bereit, und schauderte, wie er den Mann dort + Schlummern sah, der einst ihm vor allen Sterblichen werth war -- + Jetzt, ohnmächtig im Schlaf’, ihm Preis gegeben zur Willkühr. + Grauer schien ihm sein grauendes Haupt seit Tagen geworden, + Blässer sein blasses Gesicht. Er stöhnete laut vor dem Traum’ auf, + Der ihn umfing, und wand sich, und rief, fast wimmernd, + nach Wallstein. + Dieser entblößte das Schwert. Noch einmal stand ihm des Jammers + Grau’ngestalt, den Ottgar schuf, vor den Augen; er eilte + Vorwärts, schwang das Eisen, und sann. Drahomira durchschwebte + Jetzo den Zelteingang; umflog in furchtbaren Kreisen + Schneller und schneller des Jünglings Haupt, und hauchte des Abgrunds + Gifte umher, daß er, schwindelnd, den Mord verübt’ an dem König; + Aber er hatte zuvor, vom Kaiser, mit Schrecken, des Heilands + Worte gehört. Wie dort im Fiebertraum sich ein Kranker + Freut, da ein Freund ihm naht, und nachsinnt: ob er ihn kenne? + Also nur dunkel vernahm der zerrüttete Jüngling die Warnung; + Dennoch bezwang er sich jetzt, trat näher, und stampfte den Boden. + Auffuhr Ottgar schnell, und starrte dem Starrenden, schweigend, + In das Gesicht. Ein ganzes, im Glück’ entschwundenes Leben + Eilete schnell, wie der Blitz, den Beiden noch einmal vorüber, + Und die Vergangenheit warf, hellleuchtend, viel grausere Schatten + Noch auf die dunkele Gegenwart. Doch jetzo begann er: + „Wallstein, kommst du zurück’? Ich wußt’ es: ein edeles Herz schlägt + Dir in der Brust. O, schwer hast du mich betrübt, und des Abgrunds + Seelenverwirrende Macht empörte die Wuth mir im Busen + So, daß ich, nicht durch eigene Schuld -- von der Hölle betäubt nur, + Dir das liebende Herz verwundete! Wohl sind die Menschen + Sich zu betrüben, geneigt; doch Reue versöhnt, und Verzeihung + Windet den schöneren Kranz um die friedenbiethenden Herzen. + Du nun wieder mein Sohn, und ich -- dein liebender Vater ...“ + + Jener naht’ ihm, und rief ergrimmt: „Halt ein, und erhebe + Nicht den Vorhang mehr, der zwischen uns dunkel herabsank! + Was du ersehntest -- es sey: ich verzeihe dir! Aber dem Bogen + Furchtbarer Rach’ entschwirrte der Pfeil; nicht reißt ihn des Schützen + Hand mehr zurück. Weh’ dir, Unglücklichem: denn ich entsandt’ ihn! + Böhmisches Blut benetzte dieß Schwert: mit den Kunen verbunden, + Hab’ ich zuvor dein Volk erwürgt, wie ein Söldner des Kaisers. + Du hast ihm nach dem Leben gestrebt: ich both mich, als Rächer, + Dir zu durchbohren die Brust; doch, sieh’, dein edeler Gegner + Achtet dein Haupt, und gab mir sanftversöhnende Lehren: + Solchem fällst du besiegt -- ich meinem unglücklichen Schicksal!“ + Sagt’ es, und kehrte das Schwert urplötzlich von unten nach oben + Gegen die Brust, und sank in den Stahl, der, zischenden Lautes, + Ihm das pochende Herz durchfuhr. Er verhauchte das Leben + Lautlos. Jammernd erhob sich jetzt, ihn zu retten, der König: + Aber umsonst: er lag entseelt, und regte sich nicht mehr! + Schon aufjauchzte vor Lust Drahomira, der That sich zu rühmen: + Da durchblitzt’ ein Glanz den Raum des Gezeltes; ein Flehen + Nach erbarmender Huld erscholl. Von Schauder ergriffen + Wollte sie flieh’n, um fern in den übersinnlichen Räumen + Noch zu entgeh’n dem Zorn der Himmlischen; aber unendlich + Rauscht’ Entsetzen ihr vor -- ihr nach: sie sank in den Abgrund + Außer den Gränzen der Welt, betäubt vom Schrecken, hinunter, + Und erkannte sich erst in den Jammergefilden der Hölle. + + Draußen im Schattenkreis’ des hochaufragenden Eichbaums + Gruben die Krieger ein Grab. Der Entseelte lag auf dem Rasen + Dort in den Lagermantel gehüllt: da hinkte sein Reitroß, + Völlig des Anseh’ns bar, aus der Au herüber, und senkte, + Leise genaht, das Haupt zu ihm hin, daß die wallende Mähn’ ihm + Dann mit dem Zaum nachsank, und des Todten Antlitz bedeckte. + Jahr’ entfloh’n: da hieß es, am Grabe des böhmischen Kriegers + Liege das bleiche Geripp von seinem verschmachteten Roß noch! + + Als aus Osten der Hauch des hellaufdämmernden Morgens + Ueber die frischbethauete Flur den kühleren Frühwind + Sendete; rings im Gefild sich die wiedererwachten Geschlechter + Regten, mit gleichgeschäftigem Drang zu durchlaufen des Tages + Kreisende Bahn, bis ihr Ziel, nun bald, nun später erreicht ist; + Als in den Städten und Dörfern umher, in den Hainen und Wäldern + Munterer Laut sich erhob: da hatte der Kaiser im Lager + Schon die Scharen vereint, und zu drei Heersäulen geordnet, + Sie in geschlossenen Reih’n dem Feind’ entgegen zu stellen. + Aber der Ost- und der Steyer-Mark geworfene Scharen + Schob er den andern vor in der Mitte, daß sie in dem Schlachtfeld + Sich den entwundenen Kranz jetzt herrlicher wieder erkämpften. + Heiter saß er zu Pferd’, und sprengte hinauf und hinunter + Vor den Reih’n, zu entflammen den Muth der schweigenden Krieger: + Denn sie schwiegen, beschämt von des Rückzugs quälendem Vorwurf. + „Männer, wohlan,“ so ermahnt’ er sie laut, + „steht heut’ in dem Schlachtfeld + Fest zusammengedrängt -- euch tapfer zu wehren, entschlossen: + Denn bald dürfte der Feind, noch stolz auf errungenen Vortheil, + Mit gesteigertem Muth vorstürmen zum blutigen Angriff! + Ha, schon seh’ ich den Siegeskranz, mein edler Capellen, + Dir an der Stirn! Dir, Trautmansdorf, dem Vater der Helden, + Glühen die Wangen vor Gier, zu rächen im Blute des Feindes + Die, nur mit Uebermacht erschlagenen Söhn’ in dem Vorkampf. + Oestreichs Edelstein’ und Demantberge, verdunkelt + Heute sogar den Ruhm der thatengewaltigen Ahnen: + Denket des Siegs! Doch, Lichtenstein, wie? Soll ich dich schelten? + Nicht die gewohnte Heiterkeit färbt mit Freude dein Antlitz + Heut’: erbebst du dem Feind? Der Tapfere scheuet den Tod nicht.“ + So, vortummelnd das Roß, erregte der Kaiser die Helden. + Aber dem Eilenden rief der Lichtensteiner im Scherz nach: + „Mit Vergunst! Ihr irrt, erlauchtester Kaiser! Den Feinden + Bebt kein Lichtenstein; doch, fröhlicher Dinge zu scheinen + Noch, da uns Ottgar jüngst des Turnmahls schnöde beraubte, + Gestern nicht gönnte die Zeit, an dem trockenen Brot’ uns zu letzen, + Auch den Schlaf uns stahl? Das möchte nicht allen genehm seyn! + Doch wir tischen ihm bald die Mahlzeit auf, und verhelfen + Ihm zu dem furchtbarn Schlaf, dem er gar freudig entrönne.“ + + Lächelnd hörte das Volk den Munteren. Aber der Kaiser + Flog zur Rechten hinauf, wo Schweizer, Tyroler, und Schwaben, + Muthbeseelt, sich eineten; schwang das Eisen, und rief dann + Laut zu dem Sohn, den jüngst er jenen erwählte zum Feldherrn: + „Albrecht, halte dich wohl! Stets warst du im Schlachtengewitter, + Leuchtend, ein Stern; dir gleich der Burggraf Friedrich und Hochberg, + Und mein Müller dort, der redliche, treue Geselle! + Auf, ihr seyd mein Volk, ihr sollt mir Ehre gewinnen! + Dietrichstein, du Hort der Helden Tyrols, wie erhebt dich + Jetzo die Stelle, nach welcher mein Haug in der Veste sich sehnet!“ + Rief’s; dann flog er zur Linken hinab, und ermahnte die Feldherrn: + „Meinhard, trefflicher Held, nicht harrst du erregenden Aufrufs + Muthig zu steh’n im Kampf: denn immer wird dir im Schlachtfeld + Nur der herrlichste Lorber zu Theil; nun führe die Kärnthner, + Führe die Krainer zum Sieg! Dir folgen die Tapferen: Heunburg, + Albert von Görz, und der Ortenburg auf der rühmlichen Bahn nach.“ + Und er entflammte zugleich mit mutherregenden Worten + Kaduschas Brust, und die Kraft des Trentschiner Helden Mathias. + D’rauf entsandt’ er die Herolde, noch in der Stunde des Morgens + Aufzubiethen sein Volk: die heilige Sühne zu feiern. + + Aber noch säumte daheim in dem Lager der König der Böhmen; + D’rob der Kaiser sich hoch verwunderte: denn nicht enthüllt war + Ihm des Jünglings Tod, und der Gram des erschütterten Königs, + Ottgars. Katwald fuhr um ihn her, und erregte das Herz ihm: + Jetzt auf des Siegs betretener Bahn mit gewaltiger Thatkraft + Vorzudringen. Umsonst! Er saß, hinstarrenden Blickes, + In dem Gezelt, und regte sich nicht -- wie ein Marmorgebild dort, + Wo an der Urne des Sohn’s, des frühverblich’nen, der Vater, + Sitzt gesenketen Haupt’s, und die Thrän’ entlocket dem Wand’rer. + D’rauf entschwang sich der Geist, und rief den muthigen Feldherrn: + Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Herbot, + Heinrich, dem Hort der Baiern, und Pfeil, dem Gebiether der Sachsen, + Die zu erneuertem Kampfe bereit, des mächtigen Königs + Harrten, schwebend umher von einem zum andern, ergrimmt, zu: + „Eilt, und erweckt aus Gram und Verzweiflung euren Beherrscher: + Denn er brütet erstarrt für sich hin, und verschließet des Glückes + Stimme sein Ohr, das flüchtig entweicht! O nichtige Hoffnung: + Als den geworfenen Feind nur die Nacht den vernichtenden Blitzen + Eures Arms entriß, da flucht’ er dem nächtlichen Dunkel + Laut, und ersehnte des Morgens Strahl; nun weilet er müßig, + Und versäumt des Schlachtengeschicks entscheidenden Zeitraum!“ + Also der Geist, und sie eilten sogleich nach dem Zelte des Königs; + Doch, eintretend voll Hast, erbebten die Tapferen alle; + Allen erstarb der Laut in dem Mund: so schrecklich zu schauen + War die Gestalt, die jüngst noch in jeglichem Busen den Muth hob. + Lange starreten sie, von Schauern ergriffen, dem König + In das entseelte Gesicht; doch jetzt erhob er sich. Plötzlich + Färbte glühendes Roth ihm die Wangen, und hell, wie im Nachtgrau’n + Flammt der Essen zerschmelzende Gluth, von mächtigen Bälgen + Brausend empört, ihm glänzten die zornausblitzenden Augen, + Als er den Helden genaht, mit geballter Faust, und, den Boden + Stampfend, das Kleid aufriß, und die Brust voll rühmlicher Narben + Rasch entblößend, rief: „Habt ihr ihn getödtet, den Jüngling + Voll gewaltiger Kraft, voll edelen Muthes und Sinnes? + Nein, ihr nicht: denn ihr seyd feig! Doch heimlich empöret + Habt ihr das edle Gemüth, daß er frech des Kindes Gehorsam + Mir versagte, mich floh, und selbst mein schrecklichster Feind ward. + Aber er stieß den Dolch, den ihr ihm gereicht, nicht dem Vater + Hier in die liebende Brust: er durchbohrte sein eigenes Herz nur. + Ha, was säumt ihr fürder? Entblößt -- dem meuchelnden Dolchstoß + Offen seht ihr die Brust, in der ein tapferes Herz schlägt! + Wohl bekannt ist mir’s, daß ihr nach dem Leben mir strebet; + Auf, vollführet es hier, eh’ draußen noch tausende fallen, + Opfer des Kriegs, des furchtbarn, der mir nimmer zum Heil wird!“[3] + Dann verstummt’ er, erblaßt, vor den Tapferen. Lobkowitz wiegte + Trauernd, das Haupt: erhob g’en Himmel den Blick, und begann so: + „Welchen Jammer verhängt der Ewige über die Völker + Böheims! Herr, droht Krankheit dir? Ach, immer zum Herzleid + Deines getreuesten Volks geschäh’s -- doch jetzt zur Verzweiflung: + Wo der Sieg uns winkt, und die Feinde, vom Schrecken gebändigt, + Zitterten! Hab’ ich, dem Streit abhold, nicht des segnenden Friedens + Worte gesprochen im Rath’? Umsonst: du wolltest den Krieg nur! + Nun vollführ’ es mit Muth, was du so kräftig begonnen.“ + Ottgar wandte sich schnell zu Milota: „Führe,“ so sprach er, + „Heute den Kern des Heers rasch vor zu des Kampfes Entscheidung. + Hast du die dunkele Brust mir jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad, + Höhnend, enthüllt -- zerfleischt mit blutigen Krallen das Herz mir: + Traun, kühn war’s! so wirst du auch jetzt unbändigen Muthes + Stehen im Waffenfeld’, und erringen den Sieg mit Gewißheit: + Denn erprobt bist du in des Feldherrn wichtiger Stelle. + Lobkowitz weile mit mir, der Thaten gewärtig, im Rückhalt.“ + Katwald hört’, erstaunt, die Rede des Königs, und rief ihm + Angstvoll: „Welch’ entsetzliche Wuth verblendet dich vollends, + Daß du den Kern des Heers dem heimlichen Gegner vertrau’n willst? + Immer lächelt er Hohn, und sinnt verderbliche Tücken. + Auf, ermunt’re dich jetzt, und führe das Heer in die Feldschlacht, + Selber, sogleich; wo nicht, so vertrau’ es dem tapferen Helden + Lobkowitz, eh’ denn ihm, der dir zum Jammer erseh’n ist!“ + Aber er ballte die Faust, und wankte nicht, eiserngesinnet. + Ihm sah Milota kalt in das Aug’, und entgegnete trotzig: + „Keinem Schwachen vertraust du den Stab, die Zierde des Feldherrn, + Ueber den Kern des Heers: ich werde mir Ehre gewinnen! + Zwar verbanntest du mich erst jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad + Ferne von dir: ich weilete heut’, und in kommender Zeit noch + Gern in dem Nachhalt nur: den hatt’ ich mir heimlich ersehnet!“ + Sprach’s mit bedeutendem Blick’, und eilte hinaus in der Dämm’rung + Schnell zu entbiethen des Vorderzugs beritt’ne Geschwader. + + Draußen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen näher, + Saßen die Meißner und Thüringer noch, erlesen zur Vorhuth, + An den Feuern umher, und verkürzten in frohen Gesprächen, + Oft aufjauchzend zugleich, sich die nächtlichen Stunden. + Nur, als jetzt + Milota, schaltend, vorüberzog, verstummte des Kriegers + Lautes Geschrei. Auch Inguiomar kam, eilenden Fluges, + Näher, und rief dem Führer des Volks, dem tapferen Dietrich: + „Ha, was sagte wohl jetzt der hochgesinnete Kaiser, + Heinrich, der Finkler genannt, der herrliche Vesten-Erbauer,[4] + Der auch Meißen erbaute, die Burg, und der Eurigen Ahn ist, + So er euch sah’ im Bund mit den Böhmen, als Deutsche den Deutschen + Feindlichentgegengestellt, und gehorchend dem Fremdling’ als Söldner + Hier in dem Kampf, der euch nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil? + Jetzt soll Milota’s Wink, der euch nie günstig gesinnt war, + Gegen den Feind mit dem Kern des Heer’s euch drängen, und treiben: + Denn hochwerth ist ihm, und noch mehr dem Könige selber, + Deutscher Muth, und der Arm, der stets in dem Schlachtengefild noch + Ihm den Sieg errang; doch bald vergißt er des Schweißes, + Und des Bluts, das ihr vergeudet, im eisernen Feld’ euch + Mühend für ihn, und ehrt, wie jetzt, nur die Seinen als Feldherrn. + Männer, besteiget das Roß, und zieht in der Stille, des Lagers + Wall entlang, nach der Heimath fort, wo die einsame Gattinn + Eurer mit Sehnsucht harrt, im Kreis’ umlärmender Kinder! + So nicht einet ihr euch, dem Eid’ untreu, mit den Feinden + Ottgars; aber auch ihm nicht fröhnet ihr mehr in dem Kriegszug.“ + Also der Geist. Da erhob sich schnell Herr Dietrich, und rief so: + „Männer, hört, was dünkt euch? Ha, was sagte wohl jetzo + Unser erlauchter Ahn, der treffliche Vesten-Erbauer, + Heinrich, so er uns sah’ im Bund mit den Böhmen, den Deutschen + Feindlichentgegenstellt? Wie, Ottgar soll uns zum Kampf hier + Drängen, daß wir mit dem Muth, der deutsche Herzen beseelet, + Und noch stets ihm den Sieg errang in dem eisernen Schlachtfeld, + Enden den Krieg, der uns nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil? + Ha, er vergißt nur zu bald des Bluts, und des strömenden Schweißes, + Den wir unverzagt ihm spendeten! Lieblinge sind ihm + Nur die Slaven allein: denn Milota soll uns gebiethen. + Brüder, sitzen wir auf, schnurstracks, und zieh’n in der Stille + Fort, nach der Heimath fort: g’en Thüringen, Meißen, wo, liebend, + Unser die Gattinn harrt im Kreis’ umlärmender Kinder! + Zwar stamm’ ich aus der Ostmark her[5]: denn wisset es, Leupolds + Tochter, des Herzogs, war’s, die mich mit Schmerzen geboren, + Und mit Lieb’ erzog, zur Freude des _sieghaften_ Vaters; + Doch nicht einen wir uns, dem Wort’ untreu, mit den Feinden + Ottgars -- zieh’n nur heim, daß wir nicht die Brüder bekämpfen.“ + Lautumjauchzender Schrei verschlang ihm das Ende des Zurufs. + Zitternd vor freudiger Hast, aufzäumte der Krieger sein Reitroß; + Hing das Schwert mit dem Wehrgehäng’ um die Schulter, und schwang sich + Auf in den Sattel, den eilenden Ritt zu beginnen, unmerkbar + Milota’s Falkenblick: denn als er wieder zur Rechten + Kehrte, ritten sie links Herrn Dietrich nach in der Stille, + Außer dem Rasenwall, thaleinwärts, bis sie den Heerweg + Wieder gewannen, entfernt dem Heer’, und für jetzo geborgen: + Denn hier wähneten all’: ein feindverderbender Zug sey’s -- + Milota’s Werk. Doch jen’ enteilten, voll Hast, nach der Heimath.[6] + + Ottgar saß noch im Zelt vereint im Rath mit den Feldherrn. + Milder schlug sein stürmisches Herz, und er sagte mit Sanftmuth + Manches freundliche Wort den Tapferen. Aber vor allen + Rühmt’ er Czernin: ob des entschlossenen Zugs vor die Mauern + Wiens, des Ueberfalls, und des kluggeordneten Rückzugs + Nach dem rühmlichbestandenen Kampf mit unzähligen Gegnern. + „Ha,“ rief Czernin jetzt mit zweifelndem Blick, „noch entrann ich + Glücklich des Kaisers Gewalt: denn hatte der Vater des Sohns nicht, + Schonend, geharrt, der erst in nächtlicher Stunde die Festung, + Für die sterbende Mutter besorgt, verließ: das Entrinnen + Wäre nicht leicht, und sicher das Grab in dem Zug uns geworden. + Jetzt nur schnell in den Kampf! Nicht in dumpfeinengenden Mauern, + Und Spießbürgern vereint, behagt mir, zu streiten; in Freiheit, + Draußen im Feld mir nahe der Feind: ich werd’ ihm begegnen!“ + Als er geendet das Wort, da hob sich zur Decke des Zeltes + Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete Ritter, + Der den reussischen Scharen geboth, in feuriger Hast auf, + Blößte sein mächtiges Schwert, und sagte mit donnernder Stimme: + „Nehmt, o König, zum Unterpfand des kühnen Versprechens, + Herbots eidliches Wort: nie zieht er hinfort in das Feld mehr, + So er nicht eueren Feind, der Kaiser sich nennet, gefangen, + Oder todt, euch schafft: dann möget ihr würdig ihm’s lohnen!“ + „Dann,“ so höhnt’ ihn Zierotin, „dann werd’ ihm als Siegspreis, + So er es kühn vollführt, was er so muthig verheißen, + Böhmens Hälfte zu Theil -- vielleicht verhieß ich zu wenig! + Aber, wohlan, wir all’ erringen gewiß in dem Feld dir + Heut’ unendlichen Ruhm, so uns dein gewaltiger Wink nur + Lenkt, und dein Siegesblick uns leuchtet + im furchtbaren Schlachtgrau’n!“ + Sprach’s mit Kraft. So riefen zugleich der tapfere Heinrich, + Bayerns Herzog, und Pfeil, des Sachsen-Volkes Gebiether. + + Nun trat Zawiß von Rosenberg, der blühende Ritter, + Hastig in’s Zelt. Ihm sah wildstarrender Grimm aus den Augen, + Als er zu reden begann: „Nicht Erfreuliches werdet ihr hören: + Fort ist Meißens und Thüringens Volk, das reisige. Treulos + Zog es davon, und ihm liegt das Lager schon fern in dem Rücken, + Da es im Flug’ enteilt, zu erreichen die Fluren der Heimath.“ + All’ aufschrie’n, von Zorn g’en jen’ empöret; nur Ottgar + Hob sich, schweigend, vom Stuhl. Wie des Vollmonds zitternder Schimmer + Fern auf dem dunkelen Teich’ erglänzt: so erhellt’ ihm die Augen, + Welche die Trauer umfing, des Muths aufdämmernder Lichtstrahl. + Langsam trat er heraus vor das Zelt; ihm folgten die Feldherrn. + Dort ersah er das Heer in der rosigen Frühe. Geschäftig, + Wie auf gehügeltem Laub’ im Walde die Ameisen rastlos + Kommen, und geh’n: so regte sich schon, die Rosse besorgend, + Rings das reisige Volk; der Waffen Glanz und des Lagers + Dumpfauftosender Lärm erfüllt’ ihm die Brust mit Vertrauen. + Doch stets lauter ertönete jetzt des eisernen Hufes + Schmetternder Schlag. Ein Ritter kam in brausendem Eilflug + Näher, und hielt das Roß vor dem Könige, trotzigen Blicks, an. + Leutold, der Kunring, war’s. Auch ihn empörte so eben + Inguiomar, daß er stolz entsage dem Waffenverein hier + Mit dem Beherrscher des Böhmenvolks. Nun sprach er ergrimmt so: + „Lang ersehnte mein Herz des furchtbarn Kampfes Entscheidung; + Aber umsonst: noch zauderst du stets, und versäumest des Glückes + Schnellentfliehende Zeit. Erst sah ich hinaus aus dem Lager + Ziehen die Meißner zugleich, und die Thüringer. Also bewährt sich + Mir die Sage: du biethest die Hand zum schmählichen Frieden, + Auf des Sohnes Verlobung bedacht, dem Grafen von Habsburg? + Sey’s, ich tadle dich nicht: du magst verfahren nach Willkühr! + Aber ich ziehe g’en Dürrenstein mit meinen Getreuen. + Kommt dann, beide, vereint! Gar viel’ erblickt ihr der Euren + Liegen, entseelt, an dem Wall’ umher, eh’ Leutold, der Kunring, + Fällt: nicht besiegt durch euch -- von dem Schutt der Veste begraben.“ + Stöhnend gab er dem Rosse den Sporn, und entschwand aus den Augen + Ottgars schnell. Er griff an die Stirn’, um welche der Frühwind + Wiegte sein grauendes Haar, und sprach zu dem sinnenden Feldherrn + Lobkowitz: „So ist des Menschen Geschick! In kräftiger Jugend + Hüpft der muntere Bach hervor aus grünenden Thälern; + Eilet dem freundlichen Land’ und den schimmernden Städten entgegen, + Stets gewinnend an Kraft, als sich unzählige Flüsse, + Huldigend, ihm anreih’n: er rauscht, ein mächtiger Strom, fort. + Doch nicht ferne dem Ziel’, eh’ er matt versinkt in des Meeres + Dunkelen Schooß, reißt hier und dort sich in sandigen Eb’nen + Wieder ein Arm nach dem andern von ihm, und er endet verloren + Dann in dem allverschlingenden dort, auf immer die Laufbahn! + Aber, wohlan, nicht klage der Feind: mit unzähligen Scharen + Hätt’ ich errungen den Sieg! Die treu verharren, genügen + Mir noch, Oestreichs Thron zu erkämpfen im Felde der Ehren. + Auf, wir ziehen dahin! Die Dromet’ erschalle; die Trommel + Rufe zur Schlacht, und im Wind entfalte sich winkend die Sturmfahn’!“ + Also geschah’s: denn rasch vordrangen die muthigen Scharen. + + + + + Neunter Gesang. + + + Sanft verhallete jetzt der Gesang zu der heiligen Feier, + Die der Priester des Herrn vollendete, kreisendumgeben + Von des Heeres geordneten Reih’n. Im räumigen Lager + Stand der Altar erbaut vor dem Bild des erlösenden Kreuzes + Schnell, wie die Zeit es heischt’, im Schmuck hellgrünender Reiser; + Aber im Augenblick, wo nahe des Lebens und Todes + Würfel fallen, aufschwang sich das Herz in heißerer Andacht + Mit dem Gesange zu Gott: gar feierlich schlug’s in dem Busen! + Jetzt vom Staub, wo er bethend kniet’, erhob sich der Kaiser. + Himmlische Ruh’ erhellte sein Aug’, und, heiteren Muthes + Pochte sein Heldenherz, da im Feld die kehrenden Scharen + Schnell sich ordneten: denn schon riefen zum Kampf die Drometen. + + Hell aufflammte des Morgens Strahl. Die freundliche Sonne, + Die den Abend zuvor in Westen ermüdet hinabsank, + Hob sich in Osten jetzt, als unter dem kreisenden Erdball + Sie die heimliche Bahn vollendete, schöneren Anblicks, + Wieder herauf, und erweckte die Welt zu erneuertem Leben. + Frischer grünte das Feld, und glänzender hüpfte der Strom hin; + Voll war Himmel und Erde vom Laut der verjüngeten Schöpfung; + Nur aus dem Waffenschmuck des versammelten Heers in dem Lager, + Sog die Sonn’, im Lauf, toddräuenden Glanz, und erfüllte + Rings die Völker umher mit Angstgebilden der Zukunft. + Aber den Kaiser umgab ein Kranz erlesener Feldherrn; + Alle horchten auf ihn, und harrten freudig des Winkes, + Der zu Thaten sie rief. Da sprach er, finsteren Blicks, so: + „Ottgar säumt, uns hier, wie er gestern gedroht, zu vernichten. + Schmach der That: nicht der Sitte gemäß, die aus grauender Vorzeit + Wir ererbten, uns both er den Kampf; nein, heimlich, im Dunkeln + Fiel er, dem Währwolf gleich, der nächtlich die Hürde bestürmet, + Ueber uns her. Es gelang dem Kühnen, zerstreute Geschwader + Niederzuwerfen: sie trugen die Schuld und hatten den Lohn hin, + Allen zum warnenden Wink, daß nimmer ein Gleiches geschehe! + Aber vernehmt, was mir zuvor an heiliger Stätte + Mächtig die Seel’ ergriff. Der entschwundenen Tage des Lebens + Dacht’ ich im stillen Gemüth: kein dauerndes Glück ist auf Erden. + Als ich Gutes und Schlimmes erwog, da fand ich, verwundert, + Daß ich am Freitag, an dem der Welterlöser für uns starb, + Stets mit Vortheil focht, und den Sieg errang in der Feldschlacht. + D’rum, nicht aus Feigheit, nein, aus herzentspross’ner Verehrung + Für das geheiligte Kreuz, will ich den Kampf der Entscheidung + Morgen kämpfen, am Tag des heiligen Bartholomäus -- + Heute, gefaßt, nur kühn abwehren den feindlichen Angriff + Ottgars, so er ihn wagt. Wir wollen sogar ihm versöhnend + Nah’n vor des furchtbaren Kampfes Beginn. Hervor aus den Reihen, + Trautmansdorf! Zieh’ hin zu dem Könige; bieth’ ihm des Friedens + Oehlzweig noch einmal aus meiner versöhnlichen Rechten. + Mögen auch dein’ Erzeugten, wie sonst, dir folgen, daß etwa + Solches den Trotz ihm beugt, und das Herz zur Milde beweget: + Denn tief rührt uns die Schau des söhn’umgebenen Helden!“ + Also geschah’s. Hervor aus den Reihen der tapferen Ritter + Kam nun Trautmansdorf mit den zwölf ruhmdürstenden Söhnen -- + Zwei entraffte der grimmige Tod schon gestern im Nachtgrau’n, + Als sie im Ueberfall dort Ottgars Rechter erlagen. + Ach, nicht lange, so fallen auch sie, auf dem eisernen Schlachtfeld + Kämpfend, und einsam kehrt der trauernde Vater zur Burg heim! + Jetzt entblößt’ er den Stahl, und sagte mit sinnigen Blicken: + „Hart ertönet dem Vater der Ruf, daß er nahe dem Gegner, + Dessen Rechte noch roth vom Blut der erschlagenen Söhn’ ist: + Denn er könnte den Streit, obgleich ein Bothe des Friedens, + Heißer entflammen. Wohlan, wir wollen des Friedens gedenken!“ + Sagt’ es, und sprengte davon, umringt von den tapferen Söhnen. + + Siehe, nicht fern von Zwerndorf theilt, von trüben Gewässern + Schwer, sich der Weidenbach, und eint sich nur wieder vor Marcheck. + Links hin streckt er im Augefild den schlängelnden Arm aus, + Während, die Straß’ entlang, er rechts die tieferen Fluthen + Träg fortwälzt. In dem Eiland dort, Baumgarten vorüber, + Traf nun Trautmansdorf auf die Reisigen, welche der Gegner + Sandt’, umspähenden Blicks, zu erkunden die Nähe des Gegners: + Denn es erlies’t auf der Kriegslaufbahn ein jeglicher Feldherr + Waghäls’ sich, die im Grau’n des feindbedroheten Vorschritts, + Als _Erleuchter_ ihm zieh’n, + und Sicherheit schaffen der Heersmacht.[1] + Schon von ferne die Schar, die Rudolph sandte, gewahrend, + Ritten sie, brausenden Flugs, zu den Mähnen gebeugt, und den Degen + Schwingend auf in die Lüfte, heran: sie wähnten, des Gegners + Vorhuth sey’s, und brannten vor Gier, sie niederzuschmettern. + Laut schrie Trautmansdorf: „Halt ein! Als Herolde nah’n wir: + Blutigen Kampf -- will’s Gott, noch lieber den Frieden zu biethen!“ + Jen’, unmuthigen Blicks (denn beutebegierig) ihm winkten + Stille zu halten am staubenden Weg’, und sendeten alsbald + Zween der Reiter zurück, des Feldherrn Sinn zu erforschen, + Milota’s; doch er that, des Herolds Worte bedenkend, + Solches dem Herrscher kund, und er säumte nicht: denn mit den Reitern + Seines Gefolgs und Milota’s, kam er heran zu dem Vor-Zug; + Hemmte den Rappen, und hieß, mit zorngerötheten Augen, + Gegen ihn stolzausstreckend den Arm, den Redner beginnen: + „Mein erlauchtester Kaiser und Herr,“ so sagte der Ritter, + „Sendet dir freundlichen Gruß, und thu’t dir kund, und zu wissen: + Nicht nach edelem Brauch -- unritterlich hast du sein Volk ihm + Ueberfallen bei dunkeler Nacht, und zu weichen, gezwungen. + Dennoch biethet er jetzt, hier unter des wölbenden Himmels + Heiterem Blau, und im Angesicht des versammelten Heeres, + Dir an dem Fest des heiligen Bartholomäus, auf morgen, + Offen die Feldschlacht an; obgleich gerüstet, entschlossen + Heut’ in dem Lager zu ruhn, und abzuwehren den Angriff + Deiner Gewaltigen, wenn -- doch, das sey ferne, sie stürmten. + Aber er heißt dich zugleich das Wohl und das Wehe bedenken + Tausender. Seyd versöhnt! Du vernahmst des Friedens Bedingniß.“ + + Ottgar schwieg erstaunt. Ihn erschütterte heimlich die Bothschaft. + Auch ergriff ihn mit Zaubergewalt ein flüchtiger Anblick + Jener blühenden Schar, die um ihren Erzeuger zu Pferd saß. + Bald auf dem einen und bald auf dem anderen hing mit Gefallen + Sein gemilderter Blick: er dachte des Sohnes, und -- Wallsteins! + Schon gewahrete jetzt auch Lobkowitz, daß ihm der Unmuth + Wich aus der Brust: er kam, des Friedens Ruf zu erneuern; + Aber da naht’ ihm Katwald schnell, und haucht’ ihm, vor allem, + Trotz in das Herz. Er sagte: „Du sollst für den blühenden Oehlzweig + Tauschen heute dein Schwert im furchtbarn Felde der Waffen, + Wo der Sieg dich erhöht’? Ein Thor wär’s, der es nicht sähe, + Daß nur die Angst vor dir ihm solches gerathen; zerschmettr’ ihn!“ + Also der Geist. Auch Milota rief ihm, verhöhnend, entgegen: + „Ha, du sollest vielleicht neu huldigen, wie auf dem Eiland + Kamberg? Steht das dunkle Gezelt, mit dem trüglichen Vorhang, + Dich zu beschimpfen, bereit, daß rings die Völker dich schauen, + Dich, den König von Böheim, dort auf den Knie’n vor dem Kaiser?“ + Ottgar ballte die Faust; er sah mit grimmigen Augen + Um sich her, und begann voll Wuth: „Wer wagt es, vom Frieden + Hier zu sprechen? Hinweg auf immer mit jeglicher Einung + Zwischen Habsburgs Grafen und mir, dem Könige! Weichet, + Zitternde Memmen, nur wieder zurück’, und entbiethet von Ottgar + Ihm die Fehd’ auf Leben und Tod! Zieht hurtig von hinnen, + Alle, daß euch nicht ereile mein Zorn schon hier, vor dem Angriff.“ + + Rasche Bewegung erhob sich im Kreis’ der gesendeten Helden: + Manchem zuckt’ es im Arm, aus der Scheide sein blinkendes Eisen + Gegen den König zu zieh’n; doch schnell bezwang sie der Vater: + „Denket,“ so rief er gefaßt, „wir kamen als Herolde Rudolphs, + Unsers erhabenen Kaisers, gesandt: nicht ziemt es uns, jetzt hier + Rächer der Unbill zu seyn; doch bald, in dem Felde der Waffen + Laßt uns gedenken der Schmach, und sie rächen im Blute mit Nachdruck.“ + Rief’s, und jagte den Renner zurück’. Ihm folgten die Seinen + Zögernd, vor Ingrimm, nur, und wandten die flammenden Augen + Häufig zurück: denn ach, die raschnachstürmenden Reiter + Höhnten sie noch mit Geschrei und mit schallendem, lautem Gelächter! + Sieben gehorchten, und folgten ihm nach; doch lenkten die andern + Fünf’, aus der Zahl der eigenen Söhn’, unbändiger Wuth voll, + Plötzlich die Rosse herum, und flogen zurück auf dem Heerweg. + „Brüder,“ so rief der älteste laut, „kommt, lasset uns sterben, + Eh’ wir dulden die Schmach, die uns also die Seele betrübet!“ + So mit empörendem Ruf’ enteilete Hartwig, den Degen + Schwingend zur Luft. Ihm nach, mit Eckhard, Walther, und Siegfried, + Folgte sein Zwillingsbruder und Freund, der tapfere Dietbert, + Bis sie erreichten die Schar der Reisigen, die zu dem Angriff + Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete, führte: + Denn er warb sie entlang die grünlichen Fluthen des Peltew, + Jüngst: Klein-Reussens Volk, zu des Kriegs Beschwerden gestählet, + Wie auch geübt in dem Schlachtengedräng, schnellfüßige Rosse + Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels; + Dann mit des Fußes Druck’ und dem Stoße der nervigen Rechten + Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen. + + Siehe, so weit ein Pfeil, von der Sehne geschnellt, in den Lüften + Herfleugt, hemmte schon Hartwig das Roß, und harrte, dem Leu’n gleich, + Der in der Hetz’, umringt von emporgereiheten Sitzen + Voll schaulustigen Volkes, allein, der entfesselten Rüden + Heulender Schar, wie sie kommen, mit todandräuenden Augen + Harrt, und vor Grimm dumpf murrt: so Hartwig, als ihm die Reiter + Naheten; doch er rief mit gewaltiger Stimme noch laut so: + „Ha, ihr brüstet euch wohl, auf die zierlichgestalteten Mützen + Wie auf das wallende Kleid und die fähnleintragenden Lanzen + Stolz, in dem Vor-Zug oft, in vielumstürmender Mehrzahl, + Niederzustoßen den einzelnen Mann? -- so gar nicht geachtet, + Weder dem Feinde noch Freund’: denn bar all’ edler Gesinnung, + Die des Kriegers Brust, des tapferen, füllet mit Großmuth! + Euere Zung’ ist kühn, die Helden zu schmähen; so kommt denn, + Zeiget den Muth, uns hier zu besiegen im rühmlichen Vorkampf!“ + Also drang er im Eilflug vor; ihm folgten die Brüder + Alle, zur Wuth empört. Den Schaft der feindlichen Lanzen + Jetzt aufschleudernd zugleich mit dem Schwert’, erwürgten der Gegner + Dreizeh’n sie, voll Hast, und wandten dann fliehend den Rücken. + Fort nur ein Weniges noch, und sie waren entrückt dem Verderben: + Da fiel Dietberts Roß, und begrub mit dem Rücken den Reiter. + Hartwig ersah’s, wie er lag in dem Staub: denn immer nach ihm hin + Wandt’ er den lächelnden Blick; urplötzlich verscheuchte das Lächeln + Jetzo die Angst: er stieg nicht, er stürzte vom Pferde herunter; + Lief, erhob ihn, und strebt’, auf den Rücken des rasch und behend sich + Wieder erhebenden Thiers, ihm, lautermunternd, zu helfen. + + Doch schon nahten im Flug die erbitterten Feinde. Die Lanzen, + Lechzend nach Blut, voreileten weit, zugleich von der Rechten + Und vom kräftigen Fuße gedrängt, zum schrecklichen Mordstoß. + Sieh’, und, als den Zaum und die Mähn’ erfassend, sich Dietbert + Auf in den Bügel schwang, da bohrten der feindlichen Reiter + Zween ihm die Lanz’ in die Brust: er sank, und verhauchte das Leben, + Eh’ aufschreiend vor Angst um den liebenden Bruder, ihm Hartwig + Hülfe geschafft, und Eckhard, fern mit Walther und Siegfried, + Sich des Jammers versah’n im lauterbrausenden Heimritt. + Zwar sie kehrten zurück’; auch Hartwig saß in dem Sattel + Wieder, und so wie der wüthende Bär, dem drüben der Weidmann + Schon das zweite Geschoß in die Seite getrieben, sich brüllend, + Auf den hinteren Beinen erhebt, und rasch auf den Schützen + Losstürmt: drang auch er, ergrimmt, auf die feindliche Schar ein. + Nur die Zween im Aug’, die ihm erst erwürgten den Bruder, + Gab er dem Rosse den Sporn, und warf sich inmitten der beiden: + Einem im Flug zerschmetternd die Stirn’, und dem andern die Scheitel + So, daß sie lautlos jetzt, und auf einmal dem Sattel entstürzten! + Hoch aufflatterte noch, im Sturz, von dem Schafte das Fähnlein, + Das, geröthet vom Blut des erschlagenen Bruders, ihn reizte. + Lang’ noch, hätt’ er zugleich mit den drei kampfmuthigen Brüdern, + Sich, unbändiger Kraft, gewehrt, und noch manchen der Gegner + Hingewürgt; doch schrie, vor Wuth sich die Lippen zernagend, + Jaroslav, der Führer des Volks, mit entsetzlicher Stimme: + „Schließt, ihr Memmen, den Kreis um die Rasenden; stoßet sie nieder!“ + Also geschah’s: denn jetzt, umringt von dichteren Haufen, + Sanken sie dort, mit nie zu erschütterndem Muthe sich wehrend, + Alle, vom Sattel herab, und verhauchten auf Leichen der Gegner, + Die sie im Kampf’ erwürgten zuvor, die tapferen Seelen. + + Doch der unglückliche Vater flog auf dem schnaubenden Rosse + Nach dem Lager zurück. Den Herrscher zu treffen, verlangend, + Daß er ihm künde sogleich das Nahen der feindlichen Heersmacht, + Sprengt’ er, die Scharen entlang, dorthin, wo im Hauche des Windes + Sein Panier aufflatterte, schön und erhaben vor allen. + Eilig sprach er vor ihm, um die fünf gefährdeten Kinder, + Die ihm nicht folgten, besorgt: „Umsonst ersehnst du den Frieden + Jetzt mit dem Könige: denn nur des Kampfs und der Rache gedenkt er. + Wisse, dir nah’t sein Heer; nicht fern mehr streifen die Reiter + Milota’s. Ach, mir gönne die Huld, vor des Lagers Umwallung, + Kehrend in Eile, zu schau’n: ob mein’ Erzeugten mir folgen? + Denn sie sanken vielleicht, empört von unwürdiger Schmähung, + Die von dem Feind’ uns ward, als Opfer unbändiger Rachgier!“ + Sagt’ es, und eilete dann, von den tapferen Söhnen umgeben, + Wieder hinaus vor des Lagers Wall, wo Lärm und Getümmel + Unter dem Volk sich erhob: denn Milota’s furchtbare Reiter + Jagten herbei, wie am grau’numhülleten Morgen des Winters + Mit endlosem Geschrei unzählige Krähen heranzieh’n; + Schwangen die Lanzen zur Luft, und bothen dem Heere des Kaisers + Kampf auf Leben und Tod, mit wildverhöhnendem Trotz’, an. + D’rauf nachbrausten sie wieder im Flug den Kriegesgefährten, + Sich auf des Feldherrn Wink schnell aufzustellen im Saatfeld. + + Aber der Lärmruf scholl nun rings in dem Lager. Die Trommel + Wirbelte; stets empörender klangen die hellen Drometen; + Herolde flogen voll Hast umher; die Stimme der Führer + Rief gebiethend zur Schlacht; das Fußvolk schloß sich in Reihen; + Rasch auf das Pferd aufschwang sich der Reisige; schimmernden Anblicks + Zogen die Ritter allen voran, und herrlich geordnet + Ging jetzt Rudolphs Heer in festausdauernder Abwehr + Außer des Lagers Wall, dem Feinde die Spitze zu biethen. + Ach, dort starrete noch auf die fünf erschlagenen Brüder + Trautmansdorf, der tapfere Held, mit erschütternder Fassung, + Schweigend, hinab! Es sandte zuvor der schreckliche Feldherr, + Milota, der auf dem Feld den angstergriffenen Landmann + Zwang, das gehörnete Rind, in Eil’, an den Karren zu spannen, + Sie nach dem feindlichen Lager heran. Da enthoben die Krieger + Jenem die traurige Last, und legten sie dort auf den Boden. + Aber er trieb sein Gespann, schnell wieder zurück’ auf dem Heerweg. + Siehe, schon wandte sich Trautmansdorf von den theueren Todten + Nach den Lebenden um, und gewahrte mit steigender Rührung + Jetzt, daß sie all’, ihm gleich, bezwangen die Thräne. Nur Erdwin + Hielt sich nicht länger, der jüngst’, + und der theuerst’ ihm seiner Erzeugten: + Denn er sprang von dem Roß’, und warf mit schallendem Wehruf + Sich auf die Brüder hin: nun dem -- dann wieder dem andern + Küssend die blasse Stirn’ und die toderstarreten Lippen. + Schnell umzog ein glänzender Thau die Augen des Vaters + Und der Söhne zugleich; sie weineten, über die Todten + Hingebeugt. Doch jetzo begann der tapfere Feldherr: + „Keiner tadle den Schmerz, der uns bei den jammernden Tönen + Meines geliebtesten Sohnes ergriff. Vielleicht, daß ihn auch bald + Grausam der Tod entrafft. Daß mir doch solches geschähe, + Eh’ denn ihm -- zu entsetzlich wär’ des Getödteten Anblick! + Aber so will es des Kriegers Los: er sterbe der Pflicht treu! + Nur beschirmt, als Brüder, ihn kühn! Im Gemenge der Waffen + Möge der eine die Brust für den andern biethen, und Rettung + Schaffen sich selber und ihm, der Wechselhülfe gedenkend! + Erdwin, auf! Gebieth’, und schnell gehorchen die Krieger + Dir: nach Marchecks heiligem Grund die gefallenen Helden + Heimzutragen, daß dort der Priester mit Grabesgesängen, + Segnend, vertraue dem Staube den Staub; du folge dem Zug’ nach!“ + Erdwin winkte den Kriegern stumm: sie erhoben die Leichen + Auf langschaftige Speer’, und trugen sie schnell nach den Mauern + Jener, unferne gelegenen Stadt, daß Alles und Jedes + Nach dem Willen geschah des mildgesinneten Vaters. + Durch das geordnete Heer ging nun der trauernde Zug fort: + Denn nach dem Rasenwall, den gestern unzähliges Landvolk + Baute, und d’rauf mit dem Graben umzog, dem Lager zur Schutzwehr, + Kam es heran: in den blutigen Kampf mit dem Feinde zu treten. + + Aber, nicht rastete Katwald jetzt im höheren Luftraum: + Denn voll Muthes empört’ er die Kraft des nahenden Feldherrn, + Milota’s. Sieh’, als dieser die furchtbarn Reisigen Herbots + Eilen hieß in dem Vorderzug, nach dem muthigen Fußvolk + Mährens, dem er geboth, nachdrang ihm zur Rechten der Baiern + Treffliche Schar, geführt von Heinrich dem edelen Herzog, + Jetzt mit den Sachsen vereint, den tapferen, welche der Markgraf + Pfeil (ein Pfeil in der Schlacht!) im Sturmschritt lenkte: den beiden + Herrschte noch Czernin ob, als Feldherr. Aber zur Linken + Drang der Böhmen erlesenes Volk, gehorchend dem Helden + Lobkowitz, vor, und nach diesem kam das kühne Geschwader, + Welches sich Ottgar heut’ erlas, gleich loderndem Feuer, + Rasch aus dem Nachhalt vor, in die Reihen der Feinde zu stürmen. + Katwald eilte, voll Hast, vom Einen zum Andern, und weckte + Mächtig in jeglicher Brust des Kampfs entsetzliche Sehnsucht. + Horch, schon tönt drometendes Erz; schon wirbelt die Trommel, + Schreit der Krieger, und wiehert das Roß; schon zittert der Boden + Unter dem stampfenden Huf; des Blachfelds Weite bewegt sich + Vorwärts. Doch, wie im Hauch zwei streitender Wind’ an den Ufern + Wogen die Fluthen des See’s herauf und hinunter: so trat auch + Rudolphs tapferes Heer vor dem Wall den Feinden entgegen, + Und, wie der thürmende Wald erkracht, den plötzlich aus Süden + Und aus Norden zugleich, Orkane zerschmettern im Spätherbst: + Zahllos liegen umher die unendlichen Stämme geworfen + Durcheinander hinab in den Staub: so lagen die Reiter + Dort mit den Rossen, erwürgt, und des Fußvolks Reihen vermenget. + Furchtbar wüthete heut vor allen der tapfere Feldherr, + Milota, so daß Ottgar selbst den gewaltigen Thaten + Staunte, die er vollbracht’ in des Todes erkorenem Saatfeld. + Ach, er ahnete nicht, wie der Rachebrütende jetzt auch + Arges sann im Gemüth -- daß er ihm vertraue, die Scheingluth + Heuchelte, bald Verrath nur an ihm zu verüben, entschlossen! + „Herbot,“ so rief er „hin, wo in keilgestalteter Ordnung + Oestreichs Heerschar naht -- die Ritter für jetzo vermeidend, + Eile zuerst, und stürm’ im Flug’ in die Seite des Volks ein!“ + Also geschah’s: denn schmetternd erklangen die eh’rnen Drometen; + Schnell, wie das Wetter fleugt, vorbraus’ten die reussischen Reiter, + Und die gesenkte Lanz’ aus der Röhre des eisernen Bügels + Festnachdrängend, erkor ein jeder von ferne den Mann schon, + Dem er die Brust zu durchbohren beschloß. Wohl sechzig erlagen + Also dem tödlichen Stahl der wildanprallenden Reiter, + Die in des oberen Oestreichs Gau’n der tapfere Hauptmann + Berchthold, warb, und lautes Geschrei auftobte zum Himmel. + Jene wichen zurück’, um schnell zu erneuerndem Anlauf + Sich zu stellen im Feld’, und die mordende Lanze zu senken; + Aber Capellen, der oberste Hort des Volks, wie des Ober- + Also des Unterlands, flog her, und empörte sie laut so: + „Denket der Ehr’ und des Vaterlands, östreichische Männer, + Jetzt in dem Kampf. Nur fest die Reihen geschlossen; die Lanzen + Kühn dem Feind’ entgegengesenkt, und, nah’t er, zur Erd’ euch + Hurtig gebeugt; dann auf, zu durchbohren dem schnaubenden Rosse, + Oder dem Reiter, die Brust! + Bald schaut ihr sie fliehen im Schlachtfeld.“ + Auch die Steyrer entflammt’ er, und rief: + „Heut sollt an dem Feind’, ihr, + Krieger der Steyermark, euch rächen, der Schande gedenkend, + Wie ihr gewichen vor ihm mit Lärm und Getös’ in dem Nachtgrau’n, + Fortgerissen durch Schuld des Pettau’r, der, von dem Kaiser + Heimgesandt, hinfort zur Flucht euch nimmer verlocket! + Jetzo nur kühn an den Feind! Uns lohnt der herrlichste Sieg bald.“ + Sagt’ es, und sprengte zurück: da braus’ten die furchtbaren Reiter + Herbots wieder heran, zu erneuen den muthigen Angriff. + Jene senkten das Haupt, ausbeugend, zum Knie’ hin, und bohrten + Hier dem Reiter, und dort dem Roß den Stahl in die Brust ein, + Als weit über ihr Haupt die feindliche Lanze dahinfuhr. + Aber der Boden, mit Leichen bedeckt, verwandelte ringsher + Sein erfreuendes Grün in die gräuliche Farbe des Blutes. + + Milota sah den wankenden Sieg mit Staunen: er sandte + Schnell die Reiter zurück, und führte die mährischen Krieger + Gegen das Fußvolk, das aus dem ober’n und unteren Oestreich + Kam, und den Steyrern vereint, ihm entgegen stand in dem Schlachtfeld. + Gleich den Wogen des Meers, die ein Sturm aus Süden daherrollt, + Eilten die Reih’n jetzt vor; doch so, wie jene zum Strand sich + Stürzen mit lautem Gebrüll’, und im schäumenden Zorne zerschellen: + Denn nicht wanket der Fels: so trafen sie auch an den Kriegern + Oestreichs ehernen Widerstand im Gemenge der Waffen. + Schrecklich ertönte der Schrei der Würgenden, schrecklich der Lanzen + Kreischender Schlag, als sie den eisernen Helm und den Harnisch, + Oder das Panzerhemd zerschmetterten, wüthend geschwungen. + Gleich dem Orkan, flog jetzt auch Milota hin, und, ersehend, + Wie die Führer des Volks: der Seldenhofen die Steyrer -- + Berchthold Oestreichs Krieger zum Kampf’ empöreten, schwur er + Beiden den Tod. Urschnell auf Berchthold drängt’ er das Streitroß, + Und als dieser, erhebend das Schwert, die muthigen Krieger + Oestreichs jetzt noch mehr vortummelte, siehe, da bohrt’ er + Ihm den Stahl in den Hals, daß alsbald ihm auf den Lippen + Starb das Wort, er taumelnd sank, und das Leben verhauchte! + Schmerz durchzuckte die Brust des Volks bei dem schrecklichen Anblick, + Da er, so mildgesinnt, ein Vater der Krieger genannt ward. + Doch mit erneuerter Wuth flog Milota hinter den Reihen + Seines Volkes hinab; drang wieder hervor, und durchrannte + Col von Seldenhofen das Herz, der weit vor den Seinen, + Die er entboth, hersprang, und nach ihm sein blutiges Eisen + Zuckte, die Stirn’ ihm zu spalten, gesinnt. Nun brachen die Knie’ ihm, + Schlotternd, ein, und er fiel, im Tod’ erbleicht, auf das Eisen. + Ach, bald jammert daheim die alterserblindete Mutter, + Deren einziger Sohn und Trost er war in den Jahren + Trauerbelasteter Witwenzeit auf der einsamen Felsburg: + Denn nicht kehrt er zurück, wie ein täuschender Traum ihr verheißen -- + Er, den Traum ihr deutend, verhieß, die Gute zu trösten, + Als er zum letzten Mal’ auszog von dem rühmlichen Stammhaus! + Hier erlag er zugleich mit fünf erlesenen Kriegern + Milota’s Schwert, der furchtbarn Muths, umtobt’ in dem Schlachtfeld. + Ottgar wandte sich jetzt nach Lobkowitz um, und begann so: + „Nie war Milota’s Seele mir hold: ich kenne der Menschen + Trugverhüllende Brust; doch sieh’, ein schrecklicher Krieger + Ist er im Feld’: ich vertraute mit Recht ihm die rühmliche Stelle!“ + Jener entgegnete schnell: „D’rum vor mit den Reitergeschwadern + Jetzt, wo die Feind’ erbeben vor ihm, sie niederzuwerfen, + Und zu entscheiden den Kampf in der heiteren Stunde des Glückes.“ + „Nein,“ so sagte der König ergrimmt, „noch laß uns verziehen, + Bis er noch mehr aufflammt, und wir ihn entscheiden für immer!“ + + Also die beiden dahier. Capellen, der Edle, gewahrend + Drüben im Feld den Tod der muthigen Scharengebiether, + Sandte den Oesterreichern den Meißauer hier, und den Steyrern + Dort den Lichtenstein, aus der Schar der Ritter, als Feldherrn. + Schnell gehorchten die zwei Feldobersten jetzo Capellens + Ruf; denn jener erkor, an Berchtholds Stelle, den Helden + Summerau, und Lichtenstein den furtbaren Ritter + Merenberg, an jene des Seldenhofen, zu Führern. + Hoch schwang Merenberg sein Schwert in die Luft, und er rief dann: + „Ha, nun endlich dem Ziel, dem schrecklichen, näher und näher + Schreit’ ich den dunkelen Pfad! Komm, Richard, und stehe dem Bruder + Treu zur Seite, mit ihm die entsetzliche That zu vollführen, + Die sich der Merenberger ersehnt! O denke des Bruders: + Wie er am Galgen hing -- das Haupt zu den Füßen gebunden, + Dreimal schreckliche Tage sich wand! Wie, leben soll Ottgar?“ + Alsbald einte sich ihm in dem Kampf sein finsterer Bruder. + Doch mit erneuetem Muth vorstürmten die beiden Geschwader, + Und ermordeten, was sich entgegenstemmt’ in den Reihen. + Also gedrängt von den Stürmenden, wich Morawia’s Fußvolk + Langsam zurück’, und stand, und wehrte sich wieder: nicht anders + Weicht der gewaltige Felsenblock, nach dauerndem Regen + Losgewühlt vom Gebirg’, an des Bergs abgleitendem Rand hin; + Bis nachströmend die Fluth ihn bewegt, und er in den Abgrund + Stürzt im sausenden Sprung’ und Getös’, unhemmbaren Fluges. + + Doch der erhabene Kaiser sah mit Freude die Seinen + Ringen im Feld, die im Vorkampf schon die gesunkenen Lorbern + Ihrer Heldenstirn’ jetzt herrlicher wieder erhöhten. + Schnell entboth er zu sich Trentschins Gebiether, der Ungern + Muthigen Hort, und sprach: „Noch ward dir, tapferer Feldherr, + Nicht eröffnet das Thor an der siegsruhmbiethenden Laufbahn; + Aber ich kenne den Muth, der dich und die Deinen beseelet. + Zieh’ g’en Schönfeld hin mit den furchtbarn Reitern, und harre + Drüben des Winks: urschnell dem Feind’ in die Seite zu fallen. + Aber der Wink sey dir: wenn, blutrothschimmernd, von Marchecks + Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen. + Also erringst du dir Ruhm, und mir den herrlichsten Vortheil.“ + Jenem erglänzten die Augen wie Gluth; er strich mit der Rechten + Sich den mächtigen Bart, und sprach: „Glorwürdiger Kaiser, + Gleich dem Morgenthau, der schmachtende Fluren erquicket, + Hat dein ehrendes Wort das Herz mir gelabt, und des Unmuths + Wolken entflieh’n mir jetzt vor den lang’umdüsterten Augen! + Tödtendem Blitz und verheerenden Stürmen gleich ist im Schlachtfeld + Ungerns tapferes Volk: ich will sie dir lenken zum Vortheil, + Mir zum Ruhm: weil mich des edelsten Kaisers Vertrau’n ehrt.“ + Sagt’ es, und ritt im Flug, + mit den jauchzenden Scharen nach Schönfelds + Auen hinab, ersehnend den Wink zu dem schrecklichen Angriff. + Aber der Kaiser entsendete links und rechts an die Feldherrn: + Albrecht hier, und Meinhard dort, die Herolde; stehen + Hieß er sie noch vor dem Wall’, und festabwehren des Gegners + Furchtbardrängende Wuth, bis, blutrothschimmernd, von Marchecks + Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen: + Denn er ordnete dort die zeichenerspähenden Männer. + + Marbod nahte heran. Er schwebte zuvor in dem Zeitraum + Eines entfliehenden Augenblicks nach den schimmernden Mauern + Drüben der Wunderstadt, Venezia,[2] die aus des Meeres + Fluthen sich hebt, und des Fremdlings Brust erfüllet mit Staunen, + Dort das ehrende Maal des Heldengreises zu schauen, + Dandolos, der mit den Franken im Bund’, ersiegte die Hauptstadt + Constantins, erst jüngst, mit nie zu erschütternder Thatkraft. + Doch nun kehrt’ er zurück’, und staunte der Menge der Leichen, + Die in der Männerschlacht schon weit bedeckten die Felder. + Wie den Wanderer Grau’n befällt, der plötzlich ereilet + Von dem sausenden Sturm’, in den tiefergesunkenen Wolken + Weißherschimmernden Hagel ersieht, und drüben im Wald’ ihn + Wüthen hört, wo er bald, entstürzend mit lautem Geprassel, + Blühende Zweige zerschlägt, und zu Boden schmettert die Wipfel: + Also befiel ein Schauder auch ihn. Im Fluge vernahm er + Katwalds Ruf, wie er hier empörte den mächtigen Herbot. + „Ha,“ so sprach er, „du prahltest zuvor: du wollest lebendig, + Oder todt, aus der Schlacht heimführen den Kaiser der Deutschen? + Eitler Schwätzer, wie werden dereinst dein spotten die Helden! + Reite zur Rechten hinab, und versuche denn quer in die Reihen + Einzudringen, wo Rudolph weilt, und keine Gefahr ahnt.“ + + Herbot besann sich schnell; fünfhundert Reisigen rief er: + „Folgt mir!“ und jagte zur Rechten hinab, wo, nahe dem Herrscher, + Meinhards Heldenruf die Krieger zum Kampfe bewegte: + Denn schon maßen im Waffengemeng’ auch die Bayern und Sachsen + Sich mit den Tapferen Krains und Kärnthens. Dicht, und unzählbar + Lagen die Leichen im Gras’. Doch Czernin führte die Völker + Gegen Meinhards Macht, der jetzt ihn näher gewahrend, + Schnell vordrang, und, genaht, ihm rief: „Du hast dich vermessen, + Nächtlich, im Ueberfall, Vindobona, die herrliche Festung + Zu betreten; gehofft, als Sieger, herunter zu schauen, + Stolzen Blicks, aus der Kaiserburg: nun sollst du es büßen, + Was du frevelnd gedacht, und gewollt, und nimmer erreicht hast.“ + Czernin schwieg, ergrimmt. Er senkte den Speer, und erreichte, + Sausenden Flugs, den Mann, der also ihn schalt vor den Scharen, + Ihm die Brust zu durchbohren, gesinnt; doch fehlt’ er des Zieles, + Zitternd vor glühender Hast, und der blutgeröthete Speerstahl + Streifte nur, zwischen dem Leib’ und dem Arm, + durchfahrend, den Harnisch. + Meinhard säumte nicht, hob, und senkte das Schwert, und zerschlug ihm + Jetzo den Helm und die Stirne zugleich, daß er rücklings vom Rosse + Sank, und, gestreckt lang hin, in Todesschauern erblaßte. + So vor den äußersten Reih’n stritt auch der muthigen Sachsen + Feldherr, Pfeil, mit dem weitgefürchteten Grafen von Heunburg, + Der den Kärnthnern geboth, und der Hort der krainischen Scharen, + Ortenburg, mit Bayerns gewaltigem Herzoge, Heinrich, + Jetzo auf Leben und Tod: da Scharen des einen und andern + Sich bekämpften, und rings nur Mord und Gewürge zu schau’n war. + Heunburgs blitzendem Stahl’ erlag der tapfere Markgraf + Pfeil, nicht des Todes Pfeil, von des Gegners Rechte geschleudert, + Mehr vermeidend, nach schrecklichem Kampf’, und hauchte den Geist aus. + Heinrich gelang’s, den Ortenburg aus dem Sattel zu heben, + Ihm durchstoßend den Arm, daß er dort im knisternden Sandstaub + Blutete, kriegsgefangen sich sah, doch wieder gerettet + Heim in das Lager kam, und dem kundigen Arzte sich hingab. + + Sieh’, als hier in dem Streit die erbitterten Völker sich maßen; + Schlachtruf scholl; Drometen schmetterten; Trommelgewirbel + Klang: der Würger Geschrei und Verwundeter Aechzen ertönte, + Jagte Herbot von Füllenstein mit seinem Geschwader + Durch den sondernden Raum, der zwischen der mittleren Heersmacht + Und dem Flügel zur Linken sich fand, in Eile hinunter -- + Dann auf den Kaiser los, den Katwald ihm, wie der Gemsaar + Fernhin schauend, verrieth mit empörendem Geistergelispel. + Rudolph kam, im Gefolge der Trautmansdorfe (nur Erdwin + Weilte noch, frommbesorgt, in Marchecks schattigem Freythof) + Eben heran, gelockt von des raschvorstürmenden Meinhards + Lautem Siegesgeschrei, und ahnte die nahe Gefahr nicht; + Doch nun hemmt’ er mit zweifelndem Blick das Roß, und erforschte + Gierig: ob Freund’, ob Feind’ ihm naheten? bis er des Ritters + Riesengestalt ersah, der kennbar im feindlichen Heer war. + „Ha,“ so rief er, „erlag mein Volk? Entsetzliches Unglück + Droht: denn, seht, uns kommt ein feindlich Geschwader entgegen!“ + Doch schon war er umringt. Laut schrie zu seinen Erzeugten + Trautmansdorf: „Kommt, laßt uns sterben für unseren Kaiser: + Rettet ihn, kämpft, und ersiegt euch hier unsterblichen Nachruhm!“ + Alsbald kehrten die sechs untad’ligen Brüder den Feinden + Kämpfend, entgegen die muthige Brust, vom rühmlichen Beispiel + Ihres Erzeugers entflammt, den edelsten Herrscher zu retten. + Aber auch Marbod sah die Gefahr, die jetzo dem Leben + Rudolphs droht’; er umfing mit heißumschlingenden Armen, + Flehend, Capellens Brust, und rief: „Zur Linken hinüber + Eil’ im sausenden Flug’, und errette den Kaiser vom Tod jetzt!“ + Jener staunte bei sich, wie ihn solche Gedanken bestürmten? + Gab dem Rosse den Sporn, und jagte herüber im Blachfeld. + + Schon umhäuften die Brüderschar in Menge die Leichen; + Schon war Edelred mit Erhard gefallen: die andern + Bluteten; doch ermahnte sie laut ihr edeler Vater + Noch mit dem Schwert’ in der Faust, zum Kampf für den edelsten Kaiser. + Sie gehorchten ihm all’, und erlagen nach schrecklichem Mord nur: + Kurd, Agilolf, und zuletzt mit Otto der heitere Winfried. + Jetzt drang Herbot schnell mit dem Speer, der hoch wie ein Mastbaum + Sich in die Lüft’ erhob, auf Rudolphs tapfere Brust ein. + Siehe, nicht traf er die Brust des kampferfahrenen Herrschers; + Doch dem steigenden Roß durchstieß er die Stirn, daß es stöhnend + Sank, und zugleich in den Staub den trefflichen Reiter herabwarf! + Ha, wer rettet ihn mehr? Zwar nahte Capellen; die Ritter + Naheten; links und rechts herstürmten die muthigsten Krieger: + Dennoch war es um ihn gescheh’n, und die Hülfe vergeblich, + Wenn nicht hurtig er selbst, mit dem mordenden Speer in der Rechten, + Auf den schrecklichen Mann losfuhr; unbändigen Muthes + Ihn bekämpfte; den Streich nach seinem geschlossenen Schlachthelm + Führend, mit solcher Gewalt ihn traf, daß die Augen ihm alsbald + Dunkelten -- Seh’n und Hören verging. Auch erhob er urplötzlich + Wieder den Speer: durchstach dicht unter dem Kinne den Riemen, + Der den Helm an das Haupt ihm festigte; drehte den Schaft noch + Hurtig herum, und riß blitzschnell ihn vom Sattel herunter. + Wie die Zinne der Burg, vom Orkan zur Erde geschleudert, + Fällt mit Gekrach, und der Grund weit hin erbebet: so fiel dort + Herbot zur Erde: sie bebte dem Fall’, und Gerassel der Waffen + Scholl im Gefild’ umher. Laut schnaubend vor Angst und Entsetzen + Jagte Capellen herbei. Er both, vom Pferde gesprungen, + Solches dem Kaiser, und half ihm hinauf in den Sattel, er selber + Schwingend das Schwert mit Trautmansdorf, dem tapferen Helden, + G’en die umdrängende Feindesschar sich zur Wehre zu stellen. + + Schon entfloh die Gefahr: ein Jauchzen erscholl um den Herrscher, + Als jetzt Herbots Volk sich ergab an die drängenden Scharen. + Aber er stand, und zitterte. Schnell, empört von dem Anblick + Dieses Gewaltigen, der das Leben des Kaisers bedrohte, + Sprengten die zürnenden Krieger herbei, an ihm Rache zu üben; + Doch der Erhabene rief: „Zurück, verschont ihn: er lebe! + Das sey ferne, daß ich bestrafe den tapferen Ritter, + Der so kühn sich erwies, nicht Tausende scheuend, im Angriff: + Heute noch komm’ er nach Wien in ehrenvolle Gewahrsam. + Trautmansdorf, dir dank’ ich das Leben, nach Gott! Nicht zum Boden + Wende den Blick jetzt mehr, noch einmal die Opfer zu sehen, + Die es dich kostete! Fort, zur Rechten hinab, und entbiethe + Albrecht schnell: er stürm’ in den Feind; du stehe zur Seit’ ihm + Dann mit gewaltigem Arm, ein rettender Schild in Gefahren! + Eilt nun all’ an’s Werk! ich bin geborgen; erhebt euch!“ + Alle jagten davon; nur einer -- unglücklicher Vater, + Nur du allein verweiletest noch, und sah’st auf die Todten, + Uebergebogen, hinab; dann gabst du dem Rosse die Spornen! + Ach, und das Augenpaar des umschauenden Kaisers erglänzte, + Thränenumhüllt! Doch jetzt aufschwang er den Degen: von Marchecks + Thurm ertönten mit stürmendem Ruf die Glocken, und blutroth + Flatterte dort in die Luft die thatengebiethende Sturmfahn’; + Bald erscholl ringsum Geschrei und verwirrtes Getümmel. + + Ottgar zögerte noch. Umsonst ermahnte der Greis ihn, + Jammernden Lauts, getäuscht von Herbots Kühnheit, und sagte: + „Sieh’, wie dort rechts hin die Reisigen stürmen, das Fußvolk + Rasch vordringt! Nun gilt’s: entscheide den schrecklichen Kampf du!“ + Aber der König begann: „Fürwahr, wir tauschten für heut schon + Art und Gemüth: du kühltest die Gluth sonst mir in dem Busen, + Kaltvorschauend, und heut’, empört zu Feuer und Flammen, + Hast du nicht Ruhe, nicht Rast. Bald tönt der ersehnete Ruf dir.“ + Dann begann er noch leise für sich in sinnender Schwermuth: + „Wallstein, ach, ich schau’ in des Sieges Gefilden dich nimmer!“ + Lobkowitz schwieg. Doch sieh’, nun hemmte die stürmenden Krieger + Milota’s Feldherrnwink! Er dacht’, ergrimmend im Geist, so: + „Jetzo der Thaten genug, daß mir vertraue der König. + Ist’s nicht klar? Er sann mir heute den sicheren Tod nur, + Als er mich ehrend erkor: ich lebe noch, ihm zum Verderben.“ + Dacht’ es, und zog alsbald, schwachkämpfend, mit zögernden Schritten + Sich auf des Nachhalts Reihen zurück. Ihn empörete Katwald, + Tapfer zu steh’n: umsonst, er wich! Doch, sausenden Flugs, war + Marbod den Völkern genaht, die am rechten Flügel, gehorchend + Albrechts Stimme, voll Heldenmuths, nach dem Kampfe sich sehnten. + Hochberg, der den Zürchern geboth, ersah er, und rief ihm: + „Schreie: „Der Feind entflieht!“ Gar mächtig ertönet dein Ausruf.“ + Hochberg schrie: „Der Feind entflieht“ mit gewaltiger Stimme, + Die zum Kern des Heers, und hinaus zum äußersten Flügel + Donnerte. Bald erscholl’s von tausenden Stimmen auf einmal: + „Holla, die Feind’ entflieh’n! + Sie flieh’n -- die Feinde, sie fliehen!“ + + Ottgar horchte dem Ruf mit kalthinstarrendem Blick’ auf; + Wandte das Roß, und sprach zu Lobkowitz: „Wahrlich, vermuthend + War ich des Unfalls mir: denn höre des Herzens Geheimniß! + Jüngst, in der furchtbarn Zeit des mitternächtlichen Grauens + Hieß ich, im dunkelen Eichenhain, die Alrune,[3] des Schicksals + Hehre Verkündigerinn durch Bothen befragen; sie gab mir + Antwort: Ottgarn winkt an Stillfrieds Marken das Ziel schon! + Dort ist der Sieg mir gewiß; wir wollen uns fechtend zurückzieh’n!“ + „Herr, nicht der Hölle vertrau’,“ so rief der jammernde Greis auf, + „Gott vertraue -- dir selbst, und deinen gewaltigen Kriegern! + Noch steht Sachs und Bayer im Kampf; noch nichts ist verloren. + Wolle mit Ernst den Sieg, er ist dein: o komm’, und erring’ ihn!“ + Aber er trabte zurück. Ihm folgten am Fuße die Scharen + Milota’s, der in dem Nachzug noch voll täuschenden Eifers, + Selbst abwehrte, zum Schein, die raschnachrückenden Gegner. + + Bald erscholl auch drüben Geschrei, wo Bayern und Sachsen + Kämpften im Waffengefild, geführt von dem tapferen Herzog + Heinrich, und Zierotin, dem kraftgerüsteten Helden: + Denn Matthias, der Hort magyarischer Krieger, ersehend + Oben am ragenden Thurm die blutrothflatternde Sturmfahn’ -- + Hörend der Glocken Getön’, erhob sich in Eile von Schönfeld, + Mit zermalmender Macht dem Feind’ in die Seite zu fallen. + Vor zu des Rosses Mähne gebeugt, den blitzenden Säbel + Schwingend in kräftiger Faust, hinbraus’ten die Reiter, und hieben + Links, rechts, ein: bald lagen die Leichen gesä’t in dem Blutfeld, + Wankten die Gegner, und floh’n, verfolgt von den Gegnern in Hast fort. + Rastlos eilte der König dahin im sinkenden Nachtgrau’n, + Bis er nach Dürnkrut kam in das Lager, das er noch letzthin, + Stolz vor Siegeshoffnung, verließ -- nun trotzig begrüßte: + Denn er dachte des Siegs am nächstaufstrahlenden Morgen. + Doch bis Ebenthal, dem einsamen Schloß’ an dem Waldthal, + Führte der Kaiser sein Heer, und ruht’, umlagernd, im Feld dort. + Ganz verhallte des Tages Lärm, und vom nächtlichen Himmel + Sah’n die Sternenheer’ auf die schlummernden Völker herunter. + + + + + Zehnter Gesang. + + + Abendröthlich erglänzt der schnellentgleitende Rheinstrom; + Völlig verhallte der Sturm; nur liebliche Lüftchen bewegen + Manchmal, leis’umsäuselnden Flugs den ergossenen Spiegel + Seiner Gestade, wo links und rechts, von dunklen Gebüschen, + Wäldern, und Höh’n, nun hochaufragende Thürme der Burgen, + Nun hellschimmernde Städt’ und Gotteshäuser sich heben, + Und ihr Bild in die spiegelnde Fluth von oben nach unten + Kehren, gewiegt von dem Zuge der raschforteilenden Wellen. + Wechselnd, von einem zum andern Gestad’ durchkreuzen der Vögel + Singende Scharen die Luft, und ziehen dem schauernden Wald zu. + Abendglockengetön, vermengt dem Blöcken der Heerden + Schallet die Ufer entlang, als jetzt an dem wölbenden Himmel + Auf sich schwingen die goldenen Stern’; umschattendes Dunkel + Ruh’ auf die Welt umher verbreitet, und jeglicher Laut stirbt. + Von Schafhausen allein tönt Donnergetös’, in des Abends + Stille hörbarer noch dem Ohr: wo im schwindelnden Jähsturz + Sich von dem Klippendamm hinab zum versunkenen Strombett + Stürzt die gewaltige Fluth, aufschäumt an den Felsen, und dorther + Schauernden Nebelqualm in die Haine hinaus, und die Thäler + Sendet im Windeshauch’, unendlichen, ewigen Eilflugs. + + Sieh’, ein Ritter kam aus fremden Landen gezogen! + Eilig trabt’ er die Straße herab, und ihm folgte der Knappe + Fern, ermattet der Last der Wanderung. Aber den Ritter + Trieb herzinniges Leid und der Heimath glühende Sehnsucht. + Als er im Abendlicht, hervor aus dem dunkelen Eichwald + Kommend, vor sich das weitverbreitete Land, und inmitten + Fluthen sah den ersehneten Rhein, da hielt er das Roß an; + Sprang aus dem Sattel herab, warf sich, erschüttert, zum Boden, + Netzt’ ihn mit Thränen, und stand, in des Anschau’ns Wonne versunken. + Hartmann war’s, der jetzo dem Strom sich nähernd, und kehrend + Heim in das Vaterland, die trauten Gefilde begrüßte. + Drüben am linken Gestad’, ersah er das freundliche Städtchen + Rheinau, welches der Rhein im kreisenden Lauf, sich nach Osten + Wendend, umfließt. Dort baute (so künden die Sagen der Vorzeit) + Sorglich das Gotteshaus Funtan, der Heilige,[1] Schottlands + Königen blutsverwandt, den Brüdern von Monte-Cassino, + Als er, ein Pilger, dort die Stelle, vom Geiste getrieben, + Endlich fand, wo allein der Strom nach Osten den Lauf kehrt. + Hartmann sah vom Gestad mit bewegtem Herzen hinüber -- + Sah im Geist noch hinaus weit über die Berge, des Aargau’s + Liebliches Thal, und dort von dem Felsenhügel die Habsburg + Ragen aus dunkeln Tannen empor in die Luft, und herunter + Schau’n auf die Fluthen der Aar, + die ihr, eilenden Laufes vorbeirauscht. + Zwar vermißte sie jetzt die trauten Gebiether: der Vater + Fern (er tauschte den Grafenhut mit der Krone der Kaiser) + Todt die Mutter -- von ihm die holden Geschwister geschieden. + Er, der Unglückliche, kehrt allein, in einsamer Stille + Dort zu erreichen das tröstende Ziel der irdischen Wand’rung. + + Doch nun rief er, bewegt, dem spätnachfolgenden Knappen: + „Mangold, fasse das Roß an dem Zaum’, und führ’ es mit Vorsicht + Ueber die Brücke zur Stadt; bald folg’ ich dir nach in die Herberg!“ + Mangold faßte das Roß an dem Zaum, und führt’ es mit Vorsicht + Nebenher, dem seinen gesellt, hinüber nach Rheinau + So, daß die Brück’, entlang, erst laut, dann leiser und leiser + Unter dem eisernen Huf fortpolterte, bis zu dem Land hin. + Hartmann weilete noch. Er saß in Trauer versunken, + Dort auf dem Felsenriff, das sich auf die Fluthen hinüber + Beugt; sah oft nach den Wellen hinab, wie sie rollten, und eilten + Rastlos fort in des ewigen Meers verschlingende Tiefen, + Und gedachte mit Trost der eilenden Tage des Lebens. + Sieh’, nun hob sich vor ihm der Mond in des Himmels Gezelt auf; + Hellte die Nacht, und zog in grünlichen Goldes Gefunkel + Quer auf dem dunkelen Strom die flimmernde Straße hinunter, + Der er, bewegt, nachsah, bis dort zu dem äußersten Rand hin, + Wo das Gestirn sich scheitelrecht in den helleren Fluthen + Spiegelte. Dort winkt’ ihm (so däucht’ es ihn) freundlichen Blickes, + Jenseits her aus ätherischem Glanz die liebende Mutter. + Ach, er streckte die Arme nach ihr mit stöhnender Brust aus; + Beugte die Stirn’, und ihm sank die heimliche Thrän’ aus den Augen! + Jetzo fuhr ein Kahn rasch über den schimmernden Mondpfad; + Muntere Stimmen erreichten sein Ohr. Herüber von Rheinau + Kehrte nach Eglisau, der Vater mit seinem Erzeugten, + Der, ein Fischer, dahin die Beute der Netze getragen, + Und seit Jahren umher auf dem fischdurchwimmelten Rheinstrom + Ruderte. Nun verfehlt’ er, getäuscht, des Zieles: der Kahn schlug, + Von der Strömung gerafft, an dem Joch der gewaltigen Brück’ um, + Barst entzwei, und die Zween verschlang, so mächtig sie kämpften, + Schrie’n, und riefen, die Fluth. + Nicht der lastenden Rüstung gedenkend, + Nicht der grausen Gefahr, aufsprang der edele Ritter + Auf das Angstgeschrei nach Rettung jammernder Menschen; + Lief das Ufer entlang, und warf sich hinab in die Strömung, + Als der Junge hervor aus der Fluth die Rechte gehoben; + Aber nicht rettet’ er ihn, und fand in dem brausenden Abgrund + Dort das Ziel des schwermuthvoll entschwundenen Lebens.[2] + + Ach, nicht ahnte des theueren Sohns unglückliches Schicksal + Rudolph noch, der fern im Zelt, von den Helden umgeben, + Saß beim erquickenden Mahl, nach unsäglicher Mühe des Tages! + Draußen, von Lagerfeuern erhellt, verlor sich des Himmels + Nächtliches Grau’n; Geschrei und Gelärm erscholl mit dem Wehruf + Blöckender Lämmer und Schaf’, und des dumpfaufbrüllenden Rindes: + Denn die Krieger besorgten das Mahl in geschäftiger Sorgfalt: + Jetzo das Fleisch in der siedenden Fluth, die im räumigen Kessel + Brodelte, wohl mürbkochend, und jetzt es auf kreisenden Spießen + Bratend so, daß der Wohlgeruch weit das Lager erfüllte. + Auch ermangeln sie nicht des herzerfreuenden Weines, + Oder des Brots; nicht des Habers und Heu’s die munteren Rosse: + Denn des Heers Marschalk, der Breuner, hatte genügend + Alles und Jedes zur Stelle geschafft für die dauernde Kriegszeit, + Und stets lauter erscholl auftobende Freud’ in dem Lager. + + Drinnen im hellerleuchteten Zelt, von den Helden umgeben, + Harrte der Kaiser zuvor des blühenden Königs der Ungern, + Dem er den Herold gesandt, als dort vom Lager vor Marcheck + Sich das siegende Heer erhob, die geworfenen Scharen + Ueber den Weidenbach voll drängender Hast zu verfolgen. + An dem Gestade der March, wo, g’en Hochstätten, im Halbkreis + Sich hinwindet der Fluß, aufragte die Kuppe des Felsens, + Der vor grau’n Jahrhunderten schon den Völkern zum Markstein + Dienete, jetzt dem Zelt des lebensfreudigen Königs + Kühlenden Schatten both, und, ferne geseh’n, in der Umwelt + Alles dem spähenden Auge verrieth. Dort fand ihn der Herold + Sitzend im munteren Kreis’ der Zitherspieler und Sänger, + Die von dem Heldenzug der Ahnen herüber nach Ungerns + Reichem Gefild’ und der Thatenkraft gepriesener Führer + Sprachen im jubelnden Lied’; auch rühmten darauf: wie im Feld’ erst, + Kämpfend mit nieu erschütterndem Muth, des verbündeten Kaisers + Macht die Feinde bestand, und, gleich dem brausenden Sturmwind, + Der auf der Heid’ im Herbst die verdorrten Disteln dahinjagt, + Trentschins ruhmverherrlichter Held dann ihnen im Rücken + Lag mit mordendem Stahl, als all die Scharen zerstoben. + Aber so laut der König sich d’rob erfreute, so gönnt’ er + Dennoch dem Kunen den Ruhm vor dem Unger im heimlichen Busen, + Und ergrimmte noch mehr, daß ihm Kaduscha heute zurückstand. + Hastig nahet’ ihm Meyenberg, der Herold, und sprach so: + „Herr, dein Herz erfreue der Ruhm des herrlichsten Sieges, + Den dein tapferes Volk mit raschentscheidender Thatkraft + Uns erringen half. Zum Kriegsrath ruft dich der Kaiser, + Und zu dem fröhlichen Mahl nach des Tags ermüdender Arbeit.“ + „Gern,“ erwiederte jener, voll Hast, „hineil’ ich in’s Lager + Meines erlauchten Verbündeten, der so edel gesinnt ist.“ + Sagt’ es, und schwang sich auf’s Roß, im Gefolg kumanischer Reiter, + Ebenthal zu erreichen im Flug, wo im schimmernden Zeltraum + Rudolph, heldenumschart, sein harrete. Wie er dahinflog, + Fuhr der Staub zum Gewölk, erregt von den stampfenden Hufen. + + Alle gehorchten dem Ruf des erhabenen Kaisers: nur Einer -- + Kaduscha war nicht zu schau’n. Empört von dem Glücke des Helden + Von Trentschin, entboth er zu sich zweitausend der Reiter: + „Ha,“ so sprach er, „was sollen wir hier, mit den Deutschen verbündet, + Nutzlos opfern das Blut, da jüngst den lohnenden _Woldan_[3] + Wie er den Raubritt hieß, uns grausam der Kaiser verwehrte? + Auf, wir zieh’n nach Günß, den tapferen Iwan[4] zu retten, + Den jetzt Bertholdsdorf, der Kammerer, stürmend, bedränget, + Innen im Raum der gewaltigen Burg! Wir entsetzen die Festung + Schnell mit würgender Faust, und erlösen den tapferen Grafen: + Dann soll Oestreich bald, verheert, und geplündert, mit Schrecken + Schau’n von nah’ und von fern aufflammende Dörfer und Städtchen; + Aber wir kehren, beschwert mit reichlicher Beute, zur Heimath.“ + Laut aufjauchzten sie ihm, nach Beute begierig, und zogen + Schnell g’en Heunburg fort, der Donau Fluthen hinüber, + Ueber die Brücke, die Albrecht jüngst erbaute mit Sorgfalt; + D’rauf gewahrten sie bald den Neusiedl-See, und die Mauern + Oedenburgs, und eileten rasch nach den Höhen von Günß hin. + + Doch schon hatte der Kaiser, vereint mit seinen Erwählten, + Mit vorschauendem Blick des Angriffs Weisen erwogen; + Manchen erforscht, und dem Forschenden gern mit würdiger Sanftmuth + Klaren Bescheid ertheilt: bis all’, einmüthig, ihm Beifall + Zollten; die Ordnungen, Zahl, + und die Stellung der Völker im Schlachtfeld + Jeder gar trefflich fand, und jeglicher Zweifel entfloh’n war. + Siehe, nun scholl des Rosses Huf von der Straße herüber. + Jene horchten erstaunt; da sprach, sanftlächelnd, der Kaiser: + „Alle vermißet ihr hier nur ungern Hugo von Tauffers, + Jenen gewaltigen Greis, bei’m herzerheiternden Spätmahl. + Wahrlich, viel erduldet’ er jetzt, in der engenden Festung + Müßig zu steh’n, der stets im Gemenge der eisernen Waffen + Rasch vortummelt das Roß, und allwärts ist, wo Gefahr dräut! + Ich entboth ihn in’s Feld, dem jüngst verwundeten Helden, + Ortenburg, vertrauend die Vest’, und er folgte dem Ruf bald.“ + Als er’s sprach, da trat der muntere Greis in das Zelt ein; + Grüßte den Kaiser zuvor, und den blühenden König der Ungern; + Dann die tapferen Helden umher mit feurigen Blicken, + Setzte sich hin, und begann: „Fürwahr, ich wähnte: verrosten + Müßte mein tüchtiges Schwert in der dunkelen Scheide für immer, + Und ich daheim Geschriebenes nur aus dem Munde des Mönchleins + Hören: von Thaten des Kriegs und euern errungenen Lorbern! + Aber als gütigen Herrn erwies dem alten Gesellen + Haug der Kaiser sich stets: sein dacht’ er auch jetzo mit Huld nur. + Kaduscha sah ich zuvor an der Spitze des reisigen Volkes + Treulos flieh’n; er gab, hohnlachend, den kurzen Bescheid mir: + Iwan weih’ er sein Schwert; euch wünsch’ er Glück in dem Siegslauf.“ + + All’ aufhorchten mit Staunen dem Wort; doch glühendes Roth fuhr + Jetzo mit wechselndem Weiß in die Wangen des Königs von Ungern, + Und ihm blitzte der Zorn aus den halbgeschlossenen Augen; + Dennoch besann er sich schnell; both dann die Rechte Matthias + Von Trentschin, und sprach: „Du sey des Heeres Gebiether + Mir hinfort! Obgleich vom Geschlechte der Kunen geboren + Mir die Mutter ward; ich die Liebe des Kun’s aus der Brust ihr + Sog als wimmerndes Kind, und, zum Jüngling gereift auf dem Todbett + Noch ihr schwur auf die pochende Brust: so will ich den, Unger, + Reuig erwägend die Schuld der dauernden Geistesverblendung, + Vorzieh’n jetzt dem Treulosen, der mich verließ, und nicht schmähen + Fürder das edlere Blut des throngebornen Erzeugers.“ + Jener erhob sich mit Würde vor ihm, und beugte die Scheitel, + Schweigend, zum Dank. Doch, als im schlachtentscheidenden Kriegsrath + Für den bald aufdämmernden Tag Alljedes besorgt war, + Saß der Kaiser im Heldenkreis’ bei dem fröhlichen Nachtmahl + Heiteren Blicks, und sprach, umschauend, zu Diesem und Jenem: + „Laßt euch Lagerkost, ihr Herrn, genügen: für jetzt noch + Sind der Gerichte nicht viel’, doch würze die wenigen Frohsinn!“ + Lautes Gemurmel erscholl in dem Zelt. Geschäftige Diener + Reichten die Speisen herum: das dampfende Muß, aus dem Vorrath + Zartesten Mehles gekocht; dann wildes und zahmes Geflügel, + Wohlgebraten am Spieß mit dem Rücken des jährigen Rindes, + Und, zum kräftigen Brote zuletzt, der Sitte geziemend, + Goldenen Honigseim, wie solcher dem Deutschen ersehnt war. + Andere trugen die Fluth des köstlichen Weins in den Krügen + Freundlich herum, und füllten den Bauch der räumigen Humpen, + Die vor jeglichem Gast’, aus schimmerndem Erze getrieben, + Standen, nach Herzenslust bei dem Nachtgelage zu trinken. + Lauter und feuriger ward das Gespräch, und bewegter das Kriegszelt. + + Aber der Kaiser sah mit lächelndem Wink nach dem Ritter + Müller, dem Zürcher, der im Kreise der Fröhlichen, immer + Heiteren Scherzes gedacht’, und jetzt zu Friedrich von Nürnberg + Also begann: „Herr Burggraf, sprecht: wie war’s denn vor Basel + Mit dem Gelehrten, da Ihr ihm Habsburgs Pfennig nicht gönntet?“ + Jener kündete nun mit hocherröthenden Wangen: + Wie in dem dauernden Kampf vor Basel dem edelen Ritter, + Rudolph, both sein Werk: „Von den Kriegen der Römer und Deutschen -- + So auch des Feldherrn Wissenschaft“ ein Gelehrter aus Straßburg; + Jener ihm schnell ein Goldstück gab mit der goldenen Kette, + Die von dem Hals ihm hing, und d’rauf, voll Gier, in den Büchern + Blätterte; wie er -- der Schwester Sohn, ihm solches verwiesen, + Da viel Geldes das Volk ihn kostete, viel auch der Kriegszug + Fortan heischt’. „Ach hört,“ so erzählt’ er dann, „wie mich Rudolph + Schalt! „Der herrlichste Lohn,“ so sprach er, „gebührt dem Gelehrten, + Der hochrühmliche Thaten beschreibt, und im Herzen den Muth weckt, + Sie zu vollbringen dereinst.“ Er säße wohl selber mit Freuden + Ueber den Büchern, so ihm nicht die Zeit ermangelte; lieber + Spendet’ er auch sein Gold auf ihn, der, dauernden Mühens, + Solche Schätze gehäuft, denn auf manchen untüchtigen Krieger.“[5] + „Wahrlich,“ so fiel ihm Müller in’s Wort, „kein wankendes Schilfrohr, + Das sich im Hauche des Windes bewegt, gewahrten die Gegner + Jemals an ihm, denn hört: der Regensberger vererbte + Auch an den Kraft von Toggenburg, der seines Geschlechts war, + Unversöhnlichen Haß g’en Habsburg. Feindlich umringten + Wir mit erlesenem Volk dort Uznach, die ragende Felsburg, + Und ein Krachen begann alsbald: denn laut und unzählbar + Flogen die Felsen nach ihr, von des _Antwerks_[6] mächtigem Wurfbaum + Hingeschnellt, das Ermel in Roth, der treffliche Meister, + Sinnig zu bauen, verstand. Auch die _Katzen_,[7] mit Erde bedecket, + Rasteten nicht, stets näher den Mauern gerückt, und die Krieger + Schirmend vor Feindesgeschoß, die im Sonnenlicht und im Nachtgrau’n + Schwangen die furchtbare Wucht des mauerzertrümmernden Balkens. + Hundert Fuß aufragte der Stamm des mächtigen Eichbaums, + Den der Meister sich wählt’, und mit Eisen die Stirn’ ihm bewehrte. + Donnernd schlug er die Wand, von kräftigen Kriegern geschwungen. + Endlich rückten wir auch mit dem _Ebenhoch_[8] an die Zinnen: + Schleudernd von ihm zermalmende Blöck’ in die Mitte der Felsburg -- + Auch mit Schwefel und Harz erfüllete, brennende Kugeln. + Doch ereilt’ uns d’rauf der grimmige Winter: verderbend + Hielt sich die Burg sechs Monden schon mit erlesenem Streitvolk. + Viele begruben wir dort der Unseren; viele vermißten + Wir an dem Morgen oft, die feig entwichen bei Nachtzeit; + Doch nie wankte noch Rudolphs Muth. Da warfen die Gegner + Lebende Fische heraus in das Lager, als spotteten sie noch + Seiner Gewalt. Er rief: „Ermannt euch: unser ist Uznach!“ + Also geschah’s. Er drang bei Nacht mit wenigem Volk nur + Ein durch den Mauerbruch, und eröffnete herzhaft das Thor selbst. + Unserm würgenden Schwert’ erlagen die Gegner, und alsbald + Fiel auch die Burg, zerstört, auf den Wink des Helden von Habsburg.“ + + Laut umtönt’ ihn einhelliger Ruf: „Hoch lebe der Held uns!“ + Doch nun sah ihn zugleich der blühende König der Ungern + Traulicher an, und sprach: „Stets bist du wohl glücklich gewesen? + Denn ein heiterer Geist wohnt dir in den freundlichen Augen.“ + Jener begann: „Nicht also: denn vieles erduldet’ ich seither, + Ander’n Sterblichen gleich, im wechselnden Laufe des Lebens; + Leidengeübt erkenn’ ich das Maß auch der härtesten Leiden + Anderer; doch, ich lernete dem, was über uns waltet, + Frühe mich fügen; hab’ treu an des Heilands Lehre gehalten, + Die uns gewiß, denn einzig wahr, hienieden und jenseits + Leitet zum dauernden Glück. Mit Dank genoß ich des Guten; + Setzte dem Schlimmen ein Ziel durch Geduld; + stets ehrt’ ich die Wahrheit; + Meine Wege befahl ich dem Herrn, und schau’ in des Grab’s Nacht + Ruhigen Blicks: mir winket aus ihr das ewige Lichtreich.“ + Sagt’ es, und sah, bewegt, nach Albrecht, seinem Erzeugten, + Der an den Lippen des Vaters hing, und weinte, hinüber. + Stiller wurd’ es im Zelt, da rief mit umschallender Stimme + Lichtenstein: „Was soll uns der Ernst bei der fröhlichen Mahlzeit? + Morgen ruft uns die Schlacht mit donnerndem Laut’, und des Frohsinns + Jubel verhallt. Wer kehret, wer nicht? Weß’ Sitz an dem Tisch hier + Leer ist bei’m künftigen Mahl: das steht uns zum Glück noch verborgen; + D’rum genießet des Augenblicks, eh’ er schwindet auf immer! + Soll dieß herrliche Fest des Sängers ermangeln? Er harret + D’raußen nur eures Winks: der gemeinsamen Freude gedacht’ ich.“ + „Sage mir an,“ sprach Rudolph jetzt, „weß’ Landes und Volkes + Rühmt sich dein Sänger? Bekannt sind mir die Weisen der Meister: + Denn mir waren sie stets ersehnete Gäste; so mancher + Wallte zur Habsburg hin, und geehrt ging jeder von dannen. + Gierig horcht mein Ohr den zaubergewaltigen Männern: + Denn mit frischerem Grün bekleidet ihr Sang in dem Winter + Selbst, den entblätterten Wald, und mit Frühlingsblumen die Matten, + Die der herbstliche Wind versengt’: auf den nebligen Himmel + Sä’t er glänzende Stern’ umher, und weckt in des Menschen + Fühlender Brust, gar mächtig die Ahnung der schöneren Zukunft, + Der hier unter dem Druck der Gegenwart, wie erstarret, + Ach, nach jener, so oft, mit inniger Liebe sich sehnet! + Eilt, und führt ihn herein den werthen Gast bei dem Mahl hier.“ + Jener eilte hinaus; dann kehrt’ er, und sagte dem Herrscher: + „Nicht unrühmlich bekannt ist Hornecks[9] Name, des Sängers, + Der aus der Steyermark entsproß, und in blühender Jugend + Fort nach Deutschland zog an den Hof des würdigen Bischofs, + Werner von Mainz, wo ihm Rotenburg zum Meister geworden. + Aber ihn drängte das Herz: ein redlicher Hirte der Schäflein + Seines Heilands zu seyn, und er weidete solche mit Sorgfalt, + Jahrlang, bis ihm die Feder zugleich und das Siegel der Bischof + Wieder vertraut’. Er starb, und Horneck kehrt’ in die Heimath: + Erst dem Sänger des _Frauenbuch’s_,[10] deß’ Sohn ich mich rühme, + Sich zum Frommen zu weih’n: dann mir, als jener gestorben: + Denn mit unsäglichem Fleiß, in zierlichem Reim die Geschichten + Schreibend, folgt er mir treulich nach im Krieg’ und im Frieden.“ + Doch nun trat im langen Talare der heilige Sänger + Leise herein. Er trug die tönende Harfe mit Vorsicht + Unter dem Arm, und grüßte die Schar -- vor allen den Kaiser + Tief, und mit innigem Blick’. Erstaunt besann der Beherrscher + Deutschlands sich. Ihm schien: als hätt’ er ihn früher gesehen; + Nur vom lastenden Alter gebeugt, und ergrauet an Haaren + Stand er, ein Fremdling, vor ihm. Da ließ er mit freundlichen Mienen + Auf den niedrigen Stuhl am Zelteingange sich nieder; + Langte die Harfe hervor, und fuhr mit flüchtigen Fingern + Ueber die Saiten dahin, die herzerschütternden Lautes + Töneten. Still ward’s d’rauf in dem Zelt, und es stockte der Odem + Allen umher in der Brust, da er jetzt den feierlichernsten, + Heiligen Sang begann im Klange der bebenden Saiten: + + „Laut erbrauset der Sturm, und jagt tiefhangende Wolken + Ueber die finsteren Berge hinaus. Der laubige Hochwald + Trieft, der Gießbach rauscht, vom dauernden Regen geschwollen. + Sieh’, dort ruhete nun, aus dem Sattel gestiegen, ein Ritter, + Nach ermüdendem Weidwerk aus. Von dem heiteren Antlitz + Strahlt ihm der Heldenmuth -- aus den bläulichen Augen die Wahrheit, + Liebe, und Treu’. Er sah in die Fluthen: sie saus’ten, und braus’ten, + Eilten im Fluge dahin, und er dachte des fliehenden Lebens. + Aber der Rappe scharrt; laut winselt der gierige Schweißhund: + Denn kein Wild auftrieb er im Forst, und der Ritter erhebt sich + Heim zu zieh’n in die Burg, wo sein die Liebenden harren. + Jetzt erreicht Geklingel sein Ohr. Von dem finsteren Wald her + Naht dem Ufer ein Priester des Herrn: im schimmernden Chorrock, + Und mit goldener Stol’ an der Brust, nachschreitend dem Meßner + Eilig, das Engelsbrot zu dem sterbenden Manne zu tragen. + Doch jetzt schaut er, voll Angst, umher: denn siehe, der Gießbach + Schwemmte den Steg aus dem Grund’, und drüben aufjammert die Hausfrau: + Hörbar poche der Tod an der Thür’, und es lechze der Gatte + Nach der Labung, die ihn auf die Reis’ in die Ewigkeit stärke. + Schnell entblößt’ er die Füß’ an des Ufers felsigem Abhang, + Dort die rauschende Fluth kühn durch zu waten, entschlossen. + Aber der Ritter kam in Eile herüber, und both ihm -- + Erst anbethend den Heiland der Welt, das gesattelte Reitroß + An zu heiligem Dienst, und kehrte, vergnügt, zu den Seinen. + Als der Abend sank, und die Welt in rosigen Schimmer + Hüllete, sieh’, da führte der Priester das Roß an dem Zügel + Ueber den Burghof her, und sagt’ es dem Ritter mit Dank heim! + Aber er sprach: „Was dünkt dich? Nein, nicht diene dieß Reitpferd + Fürder zu schnödem Gebrauch, das meinen Erlöser getragen: + Denn nun sey’s der Kirche des Herrn mit dem Feld’ an dem Weiher + Frei geschenkt, daß hinfort kein Wildbach mehr auf den Pfaden + Jenes unwirthbaren Raums, in dem heiligsten Amte dich hemme!“ + D’rauf der Priester begann: „So vergelt’ es dir Gott, der Erbarmer, + Edeler Herr, was du mit erbarmendem Sinn an dem Diener + Seiner Kirche gethan: stets mög’ es dir glücklich ergehen! + Ha, mir sagt es der Geist, und ich irre nicht -- sey dieß Geheimniß + Dir in den Tiefen des Herzens bewahrt: dir zieret die Scheitel + Würdig dereinst die Krone des heiligen, römischen Reiches! + Herrschen wird dein Geschlecht auf dem herrlichsten Thron’ + in die Zukunft + Endlos hin. Dein dauernder Ruhm erfüllet den Erdkreis!“ + + Endete so: da sah’n zugleich die versammelten Helden + Staunend, dem Kaiser in’s Aug’, und erkannten des Grafen von Habsburg + Fromme That enthüllt, die er stets verschwiegen voll Demuth. + Aber er stürzte herbei, und drückte mit heißer Umarmung + Lange den heiligen Greis an die Brust; dann rief er bewegt so: + „Wahrlich, du bist’s, Ehrwürdiger, der an dem rauschenden Gießbach + Mir mit dem Herrn erschien, dort Glück und Segen zu spenden! + Möge die ewige Huld dir hier und dort ihn vergelten!“ + Jener beugte die Stirn’ auf Rudolphs Hand, ihm die Thränen + Bergend, und wankte hinaus in dem einsamen Zelte zu ruhen. + Auch die Helden, gesammt, enteileten: denn an des Morgens + Tod- und lebenentscheidende Schlacht ermahnte der Kaiser + Sie mit erglühendem Aug’: „O denket,“ so sprach er, „des Morgens, + Der uns im eisernen Felde vereint. Im Sieg’ ist die Freiheit, + Wohlfahrt, Ruhe und Glück viel Tausender: denket des Sieges!“ + Aber erschütternd braust’ ein Ruf aus dem Munde der Helden: + „Ha, wir gedenken mit Gott zu erringen den Sieg in dem Blutfeld!“ + + Tief verstummte das einsame Zelt. Mit sinnenden Blicken + Ging der Kaiser umher; dann saß er wieder, und dachte + Noch des wechselnden Glücks der Sterblichen -- sah mit Ergebung + Himmelempor, und entschlummert’ im Schimmer der Lamp’ + auf dem Lehnstuhl. + Aber nicht lang, da fuhr er, bewegt, zusammen (nicht wacht’ er, + Schlummerte nicht) ihm stand, verklärt in himmlischer Schönheit, + Hartmann, der liebende Sohn, vor den nachtumhülleten Augen, + Blickte lächelnd ihn an, und sprach: „In düsterem Zeitraum + Schieden wir, mein Vater! Mir ward auf dem irdischen Dornpfad + Jammer zu Theil, und ich weinete still: nicht gewahrend der Vorsicht + Mildumschlingende Hand, die allein zum lohnenden Ziel führt. + Ha, nun steh’ ich am Ziel! Gelös’t, und in himmlischer Klarheit + Liegen des Lebens Räthsel vor mir; versiegt ist der Thränen + Bitterer Quell’, und es jauchzt die entfesselte Seele vor Wonn’ auf. + Vater, traure nicht, wenn die Todesbothen dir künden: + „Hartmann starb in den Fluthen des Rheins: im rühmlichen Streben, + Retter zu seyn Unglücklicher!“ Schon ist die sterbliche Hülle, + Die ihn umgab, in dem Baseler Dom zu Grabe getragen, + Wo ihm ein Denkstein wird, auf immer zum ehrenden Zeichen. + Traure nicht. Ich, und die Mutter -- wir harren dein in Gefilden + Ewigen Glücks, bis treuerfunden am Ziel, wo entscheidend + Sinket die Wag’, und steigt, auch du, vor unsäglicher Wonne + Jauchzend, die Deinen ersiehst in seliger Wiedervereinung. + Denke der Alpenhöh’n, des Greises, und frommen Gelübdes, + Wenn in umdrängender Schlacht die Hoffnung des Sieges dir schwindet!“ + Rudolph fuhr von dem Stuhl’. Er wähnte den fliehenden Schimmer + Noch an der Decke des Zeltes zu schau’n, und zitterte, starrend + Hin, den Gesichten der Nacht. + Dann rief er: „Ein furchtbarer Traum war’s: + Furchtbar und himmlisch zugleich! + Mein Hartmann lebt, und mich täuschte + Nur der Lamp’ aufflimmerndes Licht. O Herr, du bewahr’ ihn!“ + Sprach so; streckt’ auf dem Lager sich aus, und entschlummerte wieder. + + Aber nicht herrschte die Ruh’ und des Herzens Frieden in Ottgars + Zelt: denn eben kehrt’ er zurück aus dem finsteren Eichwald + Götzendorfs, und er wähnete noch: die Schrecken der Hölle + Rauschten hinter ihm her, im Gezisch’ unseliger Geister. + Furchtbar rollte sein Aug’, und seine geöffneten Lippen + Zitterten. Doch nun warf er das Schwert auf den drönenden Tisch hin, + Ließ sich nieder, und starrte mit düsterem Blick’ in des Oehldochts + Flimmernden Schein. Er eilte zuvor dem waldigen Thalgrund + Götzendorfs, im Grauen der Nacht, allein, und dem Heerweg + Fern’ auf dem schnaubenden Roß entgegen: des dunkelen Schicksals + Ruf noch einmal dort an dem schauerumflossenen Eichbaum, + Dem die Bewohner des Dorfs nur mit Angst und Schrecken vorüber + Eileten: denn stets scholl Gezisch um ihn her, zu vernehmen. + Dorthin bannt’ erst jüngst Drahomira, voll höllischer Arglist, + Einen täuschenden Spuk, zu verlocken den finsteren Ottgar, + Der um die Mitternacht hinwanderte, Gott zu versuchen. + Als er rasch auf den Baum losdrang, da trat ihm sein Engel + Unsichtbar in den Weg, und rief an das Herz ihm die Warnung: + „Wie, Verehrer des Herrn des Weltalls, Theuererlös’ter, + Willst du dem Vater der Lüge dich weih’n -- die unsterbliche Seel’ ihm + Selbst verschreiben zum Pfand für trugverhüllende Zeichen? + Kehre zurück; bereue die Schuld des entflohenen Lebens. + Mild erbarmt sich der Herr des Reuigen: eil’ ihn zu söhnen!“ + Ottgar horchte bestürzt: denn zorngerötheten Blickes, + Sah der Unsterbliche jetzt nach dem Baume hinüber, und alsbald + Floh’n die finsteren Mächte davon. Ihr wildes Gezisch scholl + Laut um ihn her: er wandte das Roß, und im brausenden Eilflug + Kehrt’ er heim in das Zelt, von Angst ergriffen, und Schauder. + Als er dort beim Scheine der mattaufflimmernden Lampen, + Sinnend, saß: da scholl ein Getrab anstürmender Rosse + Näher. Nicht lange, so stand Kunegunde, mit flammenden Blicken + Schauend, vor ihm, und sprach: „Hast du die verhüllete Neigung + Deiner so theuren Tochter dir, zu dem herrlichen Jüngling, + Wallstein, früher gekannt, der jüngst in’s eigene Schwert sank, + Und ihr Herz verwundet im Zorn? Nie siehst du sie wieder. + Hedwig entfloh. Aus dem Kloster, ach, der ad’ligen Nonnen + Drüben im Ungerland kam mir die Kunde gesendet: + Eine Braut des Herrn, will sie in erkorener Stille + Leben hinfort. Schon hüllt ihr die liebliche Stirne der Schleier. + Schrecklicher, dein Werk ist’s: gar viel des Schlimmen erlebst du!“ + + Ottgar beugte das Haupt, und barg die thränenden Augen + Schnell mit den Händen vor ihr: von dem leise geahneten Schicksal + Seines theuersten Kindes bewegt. Er bebte, verstummend. + Doch sie sprach von neuem mit Hohn: „Im nächtlichen Grauen + Komm ich von Drösing heran: denn wer gewahrt’ in des Tages- + Licht nicht die Scham und die heimliche Wuth mir im glühenden Antlitz + Ueber die Flucht des Böhmenheers -- des tapfersten Heeres, + Das sein Hort: weh mir, daß ich Gattinn dem Feigen geworden, + Fliehen hieß in dem Augenblick des entschiedenen Sieges!“ + „Weib, halt ein!“ schrie laut der Empörete, „kühn und entschlossen + War ich mein Leben lang, und feig ertrug ich als Gatte + Nur, die Launen des Weibs, das mir zum Jammer zu Theil ward. + Ach, die unfriedliche Ehe gebiert die herbste der Qualen! + Doch für jetzo hinweg mit eitlem Gezanke. Zu furchtbar + Dränget der Augenblick: nicht fern ist die Stunde der Schlacht mehr. + Fort noch heute g’en Prag! Ich sende dir muthige Scharen + Zum Geleit. Mit dir sey Gott! Kunegunde die Mutter + Meiner Kinder bist du! Erhabenes liegt in den Worten. + Halte sie wohl, die theuern! Gar viel ertrug ich des Schlimmen + Mit Geduld, um die Kindlein: denn mir fehlte der Sohn noch. + Ha, daß vielleicht, so mir die Heimkehr wird aus dem Kriegszug, + Schönere Tag’ uns blüh’n! Nur als Sieger siehst du mich wieder.“ + Sagt’ es, und stand, verwendeten Blicks. Ihr rollten die Thränen + Ueber die Wangen herab: denn tief vorahnte sie’s: nimmer + Werde sie ihn mehr seh’n; doch scholl kein freundliches „Leb’ wohl!“ + Ihr von den Lippen; sie ging, und schwang sich auf’s Roß, + von den Reitern + Dicht umschart, bald Prag, die herrliche Stadt zu erreichen. + + Heftig bewegt, ging Ottgar jetzt im dämmernden Zeltraum + Auf und nieder, und sann. Schon längstentflohene Zeiten + Kehreten ihm, nun lieblich und hell, nun nächtlich und furchtbar, + Wieder im Bilde zurück, und ach, unendliche Wehmuth + Faßte sein Herz, als dort die dämmernde Helle des Nachtgrau’ns + Trauergewölk verschlang, und um ihn, verödet, die Welt lag! + Stöhnend streckt’ er zuweilen den Arm weit vor, und ersehnte + Heiß, zu entreißen dem Grab, was solches im Moder bedeckt hielt. + Seine Lippen bewegten sich dann, und lispelten Nahmen, + Ort, und Zeit umher in die Dämmerung. Willigen Herzens, + Wär’ er mit flehendem Wort vor Dem, und vor Jenem gesunken + Auf die Knie’, zu erringen den Wink ersehnter Verzeihung. + Doch, als Niemand war, der Antwort gab, und auf Erden + Alles, verstummt, und erstarrt, auf immer jegliches Mitleid + Ihm zu versagen schien: da hob er die furchtsamen Augen + Auf zu dem Himmel, und sah durch leis’aufquellende Zähren, + Zweifelnd, hin, bis jetzt, erschüttert, die bebenden Händ’ er + Faltete; dann, gesunkenen Haupts, auf die Kniee sich werfend, + Also begann: „O Herr, nicht geh’ in’s Gericht mit mir Armen! + Ringsum drängt mich die Schuld, + wie die Fluthen des schwellenden Bergstroms, + Und einstürzender Berge Geröll. Wo find’ ich Errettung + Einst vor deinem Zorn, Allmächtiger, wo, so dem Schuldner + Nur vergeltendes Recht, nicht auch Erbarmen zu Theil wird? + Doch Erbarmen mit mir, das, hart- und eiserngesinnet, + Ich nicht übt’ an den Menschen -- ein Mensch? Erhebe die Hand nur, + Furchtbarer, straf’ mich: denn ich hab’ es verschuldet, auf immer! + Dennoch nimmst du die Sühne noch an; barmherzig und gnädig + Bist du, o Herr, wenn reuig das Herz auf der irdischen Bahn noch, + Schmerzdurchdrungen, sie beut! Noch wandl’ ich auf ihr. Im Bewußtseyn + Schrecklichen Frevels, zu dem auf der schwindelnden Höhe des Thrones + Mich die gefährliche Macht und der feiggesinneten Schmeichler + Zauberruf hinriß, und des ungebändigten Herzens + Ehrgeiz, Stolz, und begierliche Gluth stets mächtiger drängte, + Will ich, läßt du mich leben, o Herr, mit reuigem Herzen + Sühnen die Schuld! Wie ich einst des Kreuzes heiliges Zeichen, + Siegend, zur Ostsee trug, und dort den verwilderten Heiden + Deines Nahmens Ruhm verkündigte, eifernd für Wahrheit, + Tugend, und Recht; wie dort das Herz bei jeglichem Guten + Höher im Busen mir schlug, und ringsum die heitere Schöpfung + Lächelte, weil in der Brust noch Frieden mir wohnte: so will ich, + Ein erneuerter Mensch, hinfort dir leben, und würdig + Wandeln vor dir, geschirmt von deiner allmächtigen Rechten! + Ha, der Morgen graut! Ich stehe g’en über den Feinden: + Jenem zumal, der mich verhöhnete -- mir in dem Herzen + Glühenden Haß und Rachsucht weckt’. Ich verzeih’ ihm: du heischest + Solches, mein Heiland, von mir zum Gehorsam. Im redlichen Kampf nur, + Den des Throns erworbenes Recht und die Liebe der Völker + Heiliget, will ich ihm steh’n, und anheim dir stellen mein Schicksal. + Gieb mir den Sieg, Herr! Doch nicht mein -- dein Wille geschehe!“ + + Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht + Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth. + + + + + Eilfter Gesang. + + + Zweifelnd rang der Tag mit der Nacht, und im schauernden Zwielicht + Ruhte die Erde, noch rings vom holden Schlummer umfangen, + Als das schreckliche Paar der Meerenberger in’s Lager + Kehrete. Dort an dem Pfad, der, längs dem duftenden Weinberg, + Immer höher sich hebt, und erst an dem felsigen Hügel + Schwindet, von welchem der Rabenstein empor in die Luft ragt, + Standen die Rachebrüder, vereint zu entsetzlichen Thaten, + Schon drei Stunden lang, und sah’n mit finsteren Blicken + Bald nach dem Hochgericht, bald einer in’s Auge dem andern, + Das, wie der Blitz aufflammt in dem Nachtgrau’n, öfters erglühte + Vor dem gewaltigen Drang des grimmgesättigten Herzens. + Aber da sprach der ältere so zu dem jüngeren Bruder: + „Siehe, der Morgen graut; schon bin ich gefaßt, und entschlossen! + Komm: die Vorhuth harrt, der wir uns entzogen.“ Und jener + Sagt’, erweicht: „Noch ist das Entsetzliche, dem ich erbebe, + Nicht gescheh’n; noch stehen wir fern dem gekröneten Gegner, + Den ich zu morden schwur in der offenen Schlacht, in des Tempels + Heiligthum, und in dem stillen Gemach, wie solches das Glück mir + Günstig beut. Bereit ist die Rach’, und der schändlichste Frevel + Heischt sie mit Recht, und doch -- ich könnt’ ihm verzeihen! + Nicht zürne + Theurer, mir ob dem Wort’, er sinkt: ich könnt’ ihm verzeihen!“ + „Wie,“ so entgegnete jener voll Wuth, „das verhaßteste Wort kam + Dir von den Lippen: verzeih’n? Sieh’ hin nach dem Baume des Fluches! + Ist er nicht jenem gleich -- vielleicht daß die höllischen Mächt’ ihn, + Mir zum Hohn, durch Zaubergewalt herführten im Luftraum, + Weh’, auf dem der edelgesinnete Bruder, mein Seyfried, + Schuldlos litt; das Haupt zu den Füßen gebunden, nach dreimal + Schrecklichen Tagen verblich? Verzeih’n? + Ich erwürge dich, thust du’s!“ + Jener verstummte vor ihm, und sie kehrten mit eilenden Schritten + Wieder zurück zur Heldenschar der erlesenen Vorhuth. + + Drüben in Osten entstieg des erd’umrandenden Himmels + Tiefen, gehüllt in Rosengluth, die ersehnete Sonne; + Aber sie schwand dann bald, von düsteren Wolken verschlungen, + Wieder, und zeigt’ auch heute nicht mehr ihr freundliches Antlitz, + Bis sie vom Abendthor erreicht das herrliche Ziel sah! + Schon war drängende Hast und dumpfes Gemurmel im Lager + Beider Gegner erwacht; schon sprengten die Herolde hierhin, + Dorthin fort: des Heers Aufstellung den schaltenden Amtnern[1] + Kund zu thun, wie solche zuvor der Herrscher gebothen. + Ottgars dräuende Macht hob weit an dem dunkelen Spannberg + Sich empor: ausdehnend rechts den mächtigen Flügel + Bis g’en Weidendorf, und links an die Marken von Dürnkrut, + Also geordnet in sechs Heersäulen, dem Feind zu begegnen: + Hier an das Böhmen-Volk der Sachs und der Bayer, und drüben + Reuß’ und Pol’ an jenes aus Mähren, gereiht, mit den Scharen, + Kunrings: denn ihm verharrete dort mit erlesenen Kriegern + Noch zu getreulichem Dienst Hadmar, der ältere; Leutold + Nur, aufflammenden Zorns, zog jüngst mit den Seinen zur Burg heim. + + Aber wie gestern am Wall’, zu drei Heersäulen geordnet, + Standen des Kaisers Reih’n entgegen den Reihen der Gegner, + Und gedachten anjetzt vor dem Kampf, der Beicht und des Bußwerks: + Denn manch tapferer Krieger sprach: „Wo weilt in des Heeres + Ordnung der Seelenhirt, der von dem verirreten Schäflein + Höre die Sünden bekannt, und im Nahmen des Herrn es entlasse, + Ledig der Schuld? Ach, furchtbar wär’s, in solcher zu scheiden!“ + Bald gewahrt’ er den Wink, der ihm das ragende Zelt wies, + Wo in dem dämmernden Raum, mit niedergehefteten Augen, + Heiligen Mitleids voll, der Priester des Herrn zu Gericht saß. + Willig senkten vor ihm auch sonst unwillige Knie’ sich + Jetzt in den Staub, und, segengestärkt, bekannten die Krieger, + Nicht durch Erdenmacht -- nein, nur von dem Herzen getrieben, + Was sie gefehlt, und bereut; sie höreten warnende Lehren; + Hörten erfreuenden Trost, und zuletzt den göttlichen Ausspruch, + Der sie lös’te, nicht band, auf dem Wege des Heils und Erbarmens, + Wie es der Meister gelehrt, der Menschen des Himmels Gewalt gab. + D’rauf, als dort vor jeder der drei Heersäulen ein Priester + Würdig die Feier des Abendmahls vollendete, traten + Sie zu dem Tische des Herrn, und empfingen die Speise der Seelen, + Klopfend die Brust dreimal mit des Kapernaonischen Hauptmanns + Demuthssinn, der sprach: „O Herr, nicht würdig erkenn’ ich + Mich, daß du einkehrst heute bei mir; doch, sprichst du ein Wort nur, + Wird die Seele gesund!“ Und mit Freudigkeit stellten die Scharen + Wieder sich auf in Reih’n, gestärkt in heiliger Andacht.[2] + + Jetzt erwacht’ in dem Lager Getös’. Der edele Ritter + Rief den Knappen herbei, daß er säh’ nach dem Zaum’ und dem Bügel -- + Nach dem Sattel und Gurt: ob jedes dem mächtigen Schlachtdrang + Haltbar sich wies’? da er selbst den Helm mit dem Riemen am Kinn sich + Festigte; dann sein gutes Schwert, aus der Scheide gezogen, + Prüfte, die Schneid’ entlang, mit sanfthingleitendem Daumen. + D’rauf noch einmal umwandelnd das Roß mit forschenden Blicken, + Faßt’ er hurtig den Zaum, und sagte zu seinem Getreuen: + „Grüß’ mir den grauenden Vater daheim, so der Vater im Himmel + Mich in dem Waffengemeng, durchbohrt vom feindlichen Eisen, + Abruft: bald nachfolgt, vom Alter gebeugt, er in’s Grab mir!“ + Aber ein Anderer sprach: „Merk’ auf! So ich niedergeworfen + Lieg’ auf dem Feld’, und du kehrst, so bringe der Grüße viel tausend’ + Dort der Schwester noch, der redlichen: denn in dem Leben + Theilten wir Freud’ und Leid, vereint von der zartesten Jugend!“ + Wieder ein Anderer trat mit dem Knappen beiseit’, und geboth ihm: + „Kömmst du vorüber die Burg, wo mir, holdselig, das Fräulein + Treue Minne gelobt: oft hast du es selber gesehen, + Wie von dem Erker sie mir, dem Scheidenden, thränenden Blickes, + Nachsah, dann noch fern mit dem schimmernden Tuche mir winkte: + O so sprich: „Treu bis in den Tod ihr weiht’ ich das Leben!“ + Doch der fromme Gemahl begann mit sinnendem Ernst so: + „Redlicher, kehrst du, des Ritters beraubt, zur rühmlichen Heimath: + Grüße die beste der Frau’n und die holdaufblühenden Kinder + Alle mit herzlichem Wort! Die so edelgesinnete Gattinn + Solle mir ja bewahren den Eid, und die munteren Jungen, + Sorgend mit Mutterhuld, zur Furcht des Herrn auf der Wahrheit + Hellem Pfad’ erzieh’n, daß sie Männer in jeglichem Sinne + Werden, und wir vor Gott uns wiederfinden in Wonne!“ + + So bestelleten dort, voll Hast, die gerüsteten Ritter, + Vor dem Entscheidungskampf, des ergriffenen Herzens Geheimniß. + Andere sprengten daher, und schüttelten Diesem und Jenem + Freundlich die Hand, „leb’ wohl!“ auf immer vielleicht ihm zu rufen. + Doch die, bundesgesellt, in den schimmernden Reih’n sich erblickten, + Eineten sich mit betheuerndem Wort’ und mit kräftigem Handschlag: + Nahe zu seyn in Gefahr, und zu schützen der eine den andern. + + Sieh’, da ritt, umringt von seinen gewaltigen Feldherrn, + Nach vollendetem Mahle des Herrn, auch der Kaiser herüber! + Hugo von Tauffers sah des Heers Aufstellung, und sagte: + „Herr, nicht schweigt dein Haug: er kennt den gütigsten Herrscher! + Heiße die Scharen in fünf, nicht in drei Heersäulen geordnet, + Gegen den Feind vordringen im Feld, daß die tapferen Krieger + Jeglichen Volks, entflammt von der rühmlichen Liebe der Heimath, + Streben den andern zuvor, zu erringen den herrlichen Siegspreis.“ + „Klug hast du,“ sprach jener mit Huld, „mir gerathen. Des Weisen + Rath ist besser denn Gold, und des Demants funkelnder Reichthum + Wiegt ihn nicht auf. So möge das Heer in gesonderten Haufen + Stehen: um mich die Ritter-Schar und die Völker aus Deutschlands + Oberen Gau’n; dann rechts, in zwei Heersäulen der Ostmark + Heldensöhn’ und der steyrischen Mark, und in zweien, zur Linken, + Jene von Kärnthen und Krain, von muthigen Führern geordnet; + Aber das tapfere Volk der Ungern stehe zur Rechten -- + Jenes der Kunen zur Linken zurück: im entscheidenden Zeitraum + Vorzubrechen, und dort zu vernichten die fliehenden Scharen, + Da von der Warte von Ebenthal der mächtige König, + Schauend als Zeuge sein Volk, zum Sieg entflammet die beiden.“ + + Also geschah’s. Noch war der volkvereinenden Fähnlein + Pracht im Heer nicht enthüllt. Die Fahnenjunker entbanden + Solche dem ragenden Schaft’, und sie flatterten jetzt in dem Wind hin, + Zahllos, buntvermengt, wie im Lenze die Blumen des Feldes. + Alsbald sprengten die Edeln heran, den Ruhm zu erringen: + Vor dem Kaiser im Kampf’ einher zu tragen die Sturmfahn’:[3] + Oestreichs Demantberg’ und Edelgesteine mit Konrad + Haselau; dann Trautmansdorf mit seinem Erzeugten, + Ach, dem einzigen jetzt, und auch Capellen mit Heunburg! + Aber mit freudigem Stolz begann der erhabene Kaiser: + „Werth seyd ihr des Ruhms, des herrlichsten, alle vor allen; + Doch mein Haselau, der achtzigjährige Greis dort, + Heischt ihn mit Recht: d’rum werd’ ihm heut die erlesene Stelle + Oestreichs Siegespanier für Oestreichs ewige Herrschaft + In der entscheidenden Völkerschlacht zu erhöh’n, und es steh’ ihm + Lichtenstein, so er dort ermattete, hülfegesellet. + Tritt, Markgraf von Hochberg, vor, und empfange die Reichsfahn’! + Albrecht, du, mein ältester, komm, mir die erste der Fahnen, + Die vor allen, geziert mit dem Bild des erlösenden Kreuzes, + Aufragt, heut zur ermunternden Schau, in dem Kampfe zu weisen: + Dicht vor mir in Gefahr und todverbreitendem Schlachtgrau’n, + Wie du es selber ersehntest jüngst, im muthigen Herzen!“ + Hochberg hob nun zuerst des heiligen, römischen Reiches + Fahne zur Luft, wo schwarz im gelbherschimmernden Feldraum + Sich der Doppel-Aar, mit Zepter und Krone geschmückt, wies; + Jene von Oestreich Haselau, ehrwürdigen Anseh’ns, + Weisend den schneeigen Streif in Leupolds rühmlichem Blutfeld. + Beide hielten, dem Kaiser nicht fern, zur Rechten und Linken; + Aber vor ihm hob dann sein Albrecht die heilige Fahn’ auf, + Die in dem grünlichen Feld mit dem Bild des Erlösers geschmückt war. + Wieder begann er, und sprach vor dem Heere mit leuchtenden Augen: + „Schwarzenberg, nun hin, zu erforschen den König von Böhmen: + Ob er gerüstet im Feld’ uns heut zu begegnen, gewillt sey? + Nahe der Vorderhuth, mit den Reisigen wirst du ihn treffen: + Denn er kennt in Gefahren des Kampfs die unmännliche Furcht nicht!“ + Jener enteilete, wie der fernhinbrausende Sturmwind, + Der des Staubes Gewölk auf dem Heerweg, wirbelnd, emporhebt. + Bald annahte der Held dem nahenden Feind’, und gewahrte + Dort an der Vorderhuth, im Kreis’ erlesener Feldherrn, + Ottgars hohe Gestalt, der, herrlichgewaffnet, daherkam: + Denn er hüllte das Haupt in den silbernen Helm, und es wand sich + Rings um selben, die Kron’ aus strahlendem Golde, gezackt, auf; + Auch der Harnisch und Schild, und am Arm und dem Beine die Schienen, + Die er sich heute gewählt, erglänzten von Silber, und dräuend, + Warf von des Degens Griff in der Rechten ein röthlicher Demant + Blitz’ umher. So kam er, zum Kampf gerüstet, herüber. + Als er den Ritter ersah, da hemmt’ er den schnaubenden Rappen + Rasch mit zorngeröthetem Blick; doch jener begann so: + „Herr, du hast den Frieden verschmäht: so bieth’ ich dir Krieg denn, + Ich, von Schwarzenberg, des Kaisers gesendeter Herold, + Krieg auf Leben und Tod, im Nahmen des Kaisers! Er fragt dich, + Edelgesinnet, zuvor, nach altherkömmlicher Sitte:[4] + Ob du, gerüstet zum Kampf’, ihn heut’ erwartest im Schlachtfeld?“ + Also der tapfere Held. Grimmlächelnd erwiederte jener: + „Bring’ ihm die Kunde zurück: ich sey Streit’s halber[5] gekommen!“ + Sagt’ es, und wandte das Roß, im schnelleren Zuge die Krieger + Vorzuführen zur Schlacht, und zu schrecklichem Feindesgemetzel. + + Schon verkündete Schwarzenberg, der edele Herold, + Kehrend in Eile zurück, dem Kaiser, daß ewige Feindschaft + Ihm der König gelobt, und bald vorstürme zum Angriff. + Sieh’, und kaum entfuhr ihm das Wort, da jagten des Gegners + Vorderste Haufen herab von dem Hügel; viel tausende folgten + Bald den ersteren nach, und verdunkelten alle die Höhen! + Manchem der Krieger, der zum ersten Male des Feindes + Scharen ersah in dem Feld; noch nie der würgenden Waffen + Furchtbaren Schlag vernahm, und empfand in dem Sturme des Angriffs, + Pochte das Herz in der Brust viel mächtiger: wechselnde Schauer + Liefen ihm fort und fort an dem Haupt und dem Rücken hinunter, + Und zu dem Helmdach hob sich oft sein starrendes Haar auf. + + Doch nun ritten im Flug’ aus den Reih’n der mittleren Heerschar + Hundert Jünglinge vor, die aus Zürich, dem Städtchen, gezogen; + Stellten dort vor dem Kaiser sich auf, und einer begann so: + „Möchtest du jetzt, erhabener Herr, ruhmwürdiger Sitte + Denkend, ertheilen den Schlag, der uns den Edeln geselle! + Ha, nicht soll es dich reu’n, wenn wir vordringen im Schlachtfeld!“ + Freudig entblößte der Kaiser sein Schwert, erhob es, und sagte: + „Blühende Männer, wohlan: da ihr edele Thaten verheißet, + So gescheh’ euch nach Wunsch! Hart drängt uns die Stunde: wir schlagen + Darum euch nur auf den Helm und den Schild, nach edeler Sitte, + Jetzt im Nahmen des Ein-dreieinigen Gottes zu Rittern.“ + Und er führte den Streich kreuzweis nach den Helmen und Schilden + Aller umher. So wurden sie hier den Edeln gesellet.[6] + Aber er sprengt’ im Fluge hinaus vor die glänzenden Scharen; + Schwang das Eisen, und rief mit lautumschallender Stimme: + „Tapfere, hört: nun gilt’s! Dort nah’t in furchtbarer Mehrzahl, + Unversöhnlichen Grolls, der Feind, uns die Länder der Ostmark, + Ja, auch die Krone des Reichs, im entscheidenden Kampf zu entreißen. + Aber nicht soll er deß’ sich erfreu’n. Allmächtig ist Gottes + Schützender Arm: er führt uns mit allumfassender Vorsicht + Durch die sonnige Flur und die Nachtabgründe des Lebens: + Fest ruht mein Vertrauen auf ihm. So werdet auch ihr jetzt, + Stark durch Gott, mit unbeugsamer Kraft des endlichen Kampfes + Schrecknisse siegend besteh’n; den eidverhöhnenden Frevel + Strafen: erringen die langersehnete Ruhe für Deutschland; + Gründen der Völker Glück und euren unsterblichen Nachruhm. + Ha, und erliegen wir auch, so laßt uns erliegen als Helden! + Eins sey mein, und euer Geschick: ich, Kaiser der Deutschen, + Leb’, und sterbe mit euch auf dem winkenden Felde der Ehren.“ + Sieh’, und die jauchzenden Scharen entlang aufblitzten die Waffen + Aller zugleich in die Luft: sie heischten urplötzlichen Angriff. + + Aber auch Ottgar rief entflammende Worte den Seinen: + „Sehet,“ so sprach er mit grimmigem Blick, „schon naht uns des Gegners + Heersmacht, der so frech uns höhnete, schändliche Täuschung + Uebend an mir, und an euch: noch bebt mir die Seele vor Schauder, + Denk’ ich’s! Doch er büße dafür: denn ewige Schand’ euch, + So ihr nicht rächet die Schmach, + die, gleich, dem Volk’ und dem Herrscher + Böhmens galt. Gedenket der Zeltvorhänge von Kamberg, + Strafet des Frevlers Trotz. Er brüste sich, daß ihm die Kunen + Gestern erfochten den Sieg. Schaut hin nach den rühmlichen Feldern + Kressenbruns, wo ich Bela’s Macht, vernichtend, in Staub warf. + Ha, noch bin ich der Held, der euch vom Siege zu Siegen + Führete! Fort -- greift an! Dem dräuenden Aare von Oestreich + Möge der böhmische Leu’ nun weisen die furchtbaren Klauen.“ + + Also empörten ihr Volk die schlachtgebiethenden Herrscher. + D’rauf erscholl ringsher Geschrei und Getümmel; die Trommeln + Wirbelten; laut in dem Sturm erklangen die eh’rnen Drometen: + Hier die Reisigen, dort des Fußvolks Reihen zum Angriff + Drängend im Feld’, und so, wie ein Lüftchen die wogenden Aehren + Treibt im Kreise herauf und hinab: so bewegte sich hierher, + Dorthin, wimmelnd, das Heer. Staub flog empor, wie im Märzmond, + Wenn der eisige Nord-, dann wieder der brausende Westwind + Noch den entfliehenden Winter hemmt, und am glänzenden Mittag + Rieselgewölk aufjagt: da hebt sich im wirbelnden Aufflug + Hoch in die Lüfte der flimmernde Schnee; da schwindet des Himmels + Sonnige Bläue; das Thal, und die ringsaufragenden Berghöhn + Hüllt das Gestöber in Nacht: so erregte der feindlichen Scharen + Schlachtanlauf unendlichen Staub in den Saatengefilden, + Und das Entsetzen schnob aus dem Grau’n des umnachtenden Qualms her; + Aber nicht anders, wie dann, mit entfesselter Wuth, die empörten + Stürzen aus Westen und Norden zugleich auf den wimmelnden Hafen, + Wo das Gewässer des Meers, aufbrandend, sich hebt; von den Ankern + Reisset das Seil, und jetzt, wild an einander geschleudert, + Mitten im furchtbarn Wogengeheul, am zerschmetterten Schiffsraum + Kracht der Raum, am Maste der Mast, und, berstend am Kiel hin, + Donnert das hohle Verdeck, daß rings den umuferten Hafen + Grause Zertrümmerung hüllt: so stießen die Heere zusammen. + Sieh’, und seitwärts, weit vom Winde hinübergetragen, + Legte sich jetzo der Staub in dem Feld: da sah’n sich die Gegner + Näher in’s Aug’, und ha, bald traf das Eisen auf’s Leben! + Doch, ach! mußte der Kampf für Rudolphs Helden so schrecklich, + Und am schrecklichsten noch, für den einen der Helden beginnen? + + Zamor trieb aus der Vorderhuth die rüstigen Schützen + Reussens vor in die Schlacht. Sie hatten der tödlichen Armbrust + Sehne gespannt; den Pfeil in die Röhre des Schaftes geschoben; + Fest an die Wange gepreßt den krummgebogenen Kolben; + Dann im Lauf, nach dem Gegner zielend, das schnellende Zünglein + Losgedrückt: urplötzlich ertönte die Sehn’, und erbraus’te + Fort in der Luft der befiederte Pfeil, nach feindlichem Herzblut + Lechzend: er traf, und verwundete Roß und Mann in den Scharen, + Die aus der Steyermark herlenkte der tapfere Pfannberg, + Und jetzt Trautmansdorf beherrscht: da jener, verwundet, + Noch im luftigen Zelt des vielerfahrenen Arztes + Sorge sich fügt: voll Gier, in die Schlachtreih’n wiederzukehren. + Trautmansdorf ermahnete laut das treffliche Fußvolk + Und die Reiter zugleich, des vaterländischen Ruhmes + Eingedenk’, heut’ in dem Feld’ als mannhafte Streiter zu stehen. + Freudig gehorchte das Volk, + und im Sturmlauf ging’s an den Feind jetzt, + Als, von der Armbrust her die befiederten Pfeile geschnellet, + Zischten. Dicht vorüber dem Ohr des unglücklichen Vaters + Flog ein mordender hin, und verschont’ ihn -- den zartesten Sprößling, + Der ihm von zehn-und-vier noch blühete, niederzuwerfen. + Hinter ihm sank ein Reiter vom Roß’. Er hört’ es, und bebte; + Aber nicht sah er zurück, und rief des aufstürmenden Herzens + Angst bekämpfend, noch lauter sein Volk zum Kampf und Gewürg’ auf. + Erdwin war’s, der fiel, von dem Pfeil’ im Halse getroffen, + Da in dem Sturmlauf jetzt die Halsberg’ sich von der Schulter + Aufschob. Still, wie die Lilie sinkt, vom Hagel zerschmettert, + Sank er vom Roß’, und, fallend, bath er mit sterbendem Blick noch, + Daß kein Laut sein Geschick dem enteilenden Vater verrathe. + Trauernd gehorchten dem Wink die raschvorstürmenden Krieger. + Doch schon drang im beflügelten Ritt sein edler Erzeuger + Bis in die vordersten Feindesreih’n, + und schnell, wie der Blitz schlägt, + Warf sein schrecklicher Arm fünf Schützen aus Reussen zu Boden. + Zamor, des Volkes Hort, ersah den Würger, und alsbald + Jagt’ er heran, den Tod der gefallenen Krieger zu rächen; + Aber ihm eilte nur muthiger noch der Ritter entgegen; + Faßte noch fester den Griff in die Hand, und hieb mit des Schwertes + Tödlichem Stahl’ ihm die hochgethürmete Mütz’ und die Scheitel + Tief in die Stirn’ entzwei, daß er stürzend vom Sattel hinunter + Taumelte, laut aufstöhnt’, und das blühende Leben verhauchte. + Ach, bald jammert die Gattinn daheim, die, heimlich im Busen + Ahnend ihr Trauergeschick, dem scheidenden Gatten den Säugling, + Schlummernd in lieblicher Unschuld wies, und die Knie’ ihm umfaßte, + Flehend mit Thränen im Blick, daß er doch bei den Seinen verharre; + Aber umsonst! Ihn rief der ruhmverheißende Heerbann + Fort in das Feld, und er sank, erwürgt, + in dem schrecklichen Kampf jetzt. + Siehe, nicht rastete Trautmansdorf: er drängte die Schützen, + Rasch fortkämpfend, zurück’, und Blut beströmte den Boden! + + Fern, vom gehügelten Sand’, ersah der Führer der Kunen, + Suhol, der Eber genannt, dem Trentschins Gebiether den Herold + Sendete: daß er ihm eine sein Volk, wie dort in dem Vortrab + Trautmansdorf vor allen zuerst vordrang mit den Reitern. + Das empört’ ihm die Brust, und, unbändigen Zorns, wie ihm stets noch + Jugendlichheiß das Blut in dem leichtaufbrausenden Herzen + Kochte, schwang er sein Eisen zur Luft, und begann vor dem Volk so: + „Seht, dort fechten sie schon, und tränken ihr Schwert mit des Feindes + Dampfendem Blut’, -- erringen wohl auch sich die Beute vor andern, + Da wir, müßig im Hinterhalt, des unsicheren Vortheils + Harren! Soll denn die Beut’ und der Siegsruhm stets nur die Deutschen + Lohnen im Schlachtengefild? Stets sollen wir jenen zurücksteh’n, + Eng’ in die Ordnung gebannt? Nicht also gefällt es dem Kunen: + Denn er schwärmt in dem Feld, wie ein brausendes Donnergewitter, + Frei umher, und erfüllt es mit Angst, Verderben, und Jammer. + Auf, wir wollen hinaus, dem Feind’ in die Seite zu fallen + Mit entsetzenverbreitender Hand! So holen wir Beut’ uns + Selber, und Ruhm wird uns, die Sieger, nur herrlicher lohnen.“ + Alsbald gab er dem Rosse den Sporn, und es jagte sein Volk ihm + Dann im brausenden Flug rasch nach: umschwärmend das Häuflein + Kunrings, und schnellend zugleich von dem weitgehörneten Bogen + Pfeile, so dicht, daß rings sich in nächtliches Dunkel der Luftraum + Hüllete. Bald traf hier, bald dort der befiederte Mordstahl + Reiter und Roß, und verwundete viel’ in der nahenden Kriegsschar; + Doch als solches die Pfeile verschoß, den entleereten Köcher + Und den Bogen, vereint, mit der Schnur auf den Rücken zurückwarf: + Da griff’s rasch nach dem Säbel, + und hieb mit Gejauchz’ in die Feind’ ein. + Kunring hatte den Speer gesenkt; das unbändige Reitroß + Links gespornt, und rechts, und die wildumschwärmenden Krieger + Niedergeworfen, bis ihm ihr Feldherr, Suhol, der Eber, + Seitwärts nahend im Flug, mit dem Säbel die Lenden durchrannte. + Alsbald sank er vom Sattel herab: die erschrockenen Krieger + Wichen zurück, und im Feld hin scholl Geschrei und Getümmel. + + Ottgar bebte vor Zorn, da er so, im beginnenden Kampf schon + Wieder die Gegner im Vortheil sah, und die Seinen im Feld hin + Flüchteten. Sieh’, da schwang sich, ergrimmt, der finstere Katwald + Aus den Lüften herab, und rief im Geistergelispel: + „Wehe, du schaust die Deinen besiegt, noch ehe die Gegner + All’ ihr Schwert entblößten, und eh’ den ragenden Speer sie + Senkten zum Todesstoß’! Unglücklicher, willst du noch zaudern? + Wähle sogleich die tapfersten dir aus des Heeres Geschwadern; + Führe sie kühn selbst vor, zu erwecken den Muth in dem Herzen + Aller umher: so erringst du vielleicht den herrlichsten Sieg noch!“ + Ottgar rief alsbald nach Lobkowitz, schreiend hinüber: + „Tapferer Greis, nun vor mit deinen geharnischten Reitern, + Hier den allentscheidenden Sieg mir heut zu erkämpfen! + Groß ist der Ruhm, den dieser mir beut; doch größer die Freundschaft + Noch, und die Liebe, die ich, dein König, dankbargesinnet, + Dir werkthätig bewies seit dreißig entflohenen Jahren. + Dessen gedenk’ anjetzt, und vergilt mir mehr, als die Schuld war!“ + Dann entsendet’ er dort an Zierotin, und den Herzog + Bayerns die Herolde: Muth und dauernde Kraft in dem Busen + Beider zu wecken, und hier entboth er, gewaltigen Ausrufs, + Selber die Kühnsten im Heer’, + und führte sie rasch in die Feldschlacht. + + Nicht entging es dem Blick des erhabenen Kaisers, wie tapfer + Trautmansdorf vordrang, und die stürmenden Schützen zurückwarf: + Freud’ erfüllte sein Herz; doch bald versiegte sie wieder, + Als der Kune so frech, der Willkühr fröhnend, zum Angriff + Flog. Kein Sterblicher hemmte den Fels, der, rollend aus Alphöh’n, + Schneller und schneller herab in das Thal + mit donnerndem Sprung fleugt: + D’rum geboth er auch jetzt, den edelen Rittern und Feldherrn, + Winkend, das Feldgeschrei. Urplötzlich ertönte der Aufruf: + „Gott mit uns!“ im östreichischen Heer’, und „Praga!“ zur Losung + Allentscheidender Schlacht, in dem böhmischen, lauter und lauter, + Durch drometenden Schall und den Lärm fortwirbelnder Trommeln, + Und in dem staubumwölkten Gefild traf Reiter und Fußvolk, + Ritter und Knappe zugleich in schrecklicher Eile zusammen. + Wie, herstürmend, der Donner rollt, daß die Vesten des Erdballs + Zittern, ritt im Galopp mit den schwergeharnischten Reitern + Lobkowitz näher, und schlug der Kunen umschwärmende Scharen + Mordend zur Erd’, als Suhol, ihr jüngsterlesener Führer, + Sank vor seiner Gewalt, und, entmuthigt die andern entflohen. + Sieh’, auch Trautmansdorf, von den Reitern entblößt, und der Unzahl + Bloßgestellt, wich nun vor Lobkowitz! Aber dem Leu’n gleich, + Der, von unbändigen Rüden verfolgt, noch häufig sich wendet, + Und noch manchen zerreißt mit den schrecklichen Zähnen: so wies er + Ihm die muthige Stirn’, da er fechtend die Scharen zurückzog. + + Meinhard warf sich zuvor rechts hin auf Heinrich, den Herzog + Bayerns: denn voll Kraft und verwegenen Muthes im Schlachtfeld, + Waren die Krieger aus Kärnthen und Krain ihm gefolgt, und es stürmten + Oestreichs Tapfere links, geführt von dem kühnen Capellen, + Gegen die Sachsen vor, die Mansfeld, furchtbaren Grimmes + Würgen heißt. Da war, entlang die feindlichen Reihen, + Schrecklicher Mord, Wehklag’, Aufjauchzen und Jammern zu hören: + Da zu schau’n das Entsetzliche: wie der erbitterten Gegner + Manche, schon nahe dem Tod, sich im Staub noch, würgend, umfaßten, + Und das Blut der Erschlagenen, gleich aufschäumenden Bächen, + Wogte hinauf und herab in dem grau’numnachteten Schlachtfeld. + Bis an des Himmels Gewölb’ empor die mittägliche Sonne + Sich erhob, die heut’ ihr strahlendes Antlitz in Wolken + Hüllete, wies die Völkerschlacht, wie auf stürmischer Meerfluth + Ein entmastetes Schiff, hinauf und hinunter im Kreis’ treibt, + Sich im wechselnden Glück; doch jetzt gelang es dem Helden + Lobkowitz, rasch vorstürmend im Feld, der mittleren Heerschar + Obzusiegen. Sie wich nur langsam, und stellte sich wieder, + Gegen den Feind, erneut, die tödliche Waffe zu führen; + Aber mit leuchtendem Blick und muthgerötheten Wangen, + Sprengte der König das Roß von Reihen zu Reihen. Er schalt, bath, + Und bewegte sein Heer noch eilender vor in dem Blachfeld. + „Jetzo hinan,“ so rief er, und schrie, daß die Völker erbebten, + „Jetzo nur muthig hinan: denn Ottgar führt euch als Sieger! + Seht, wie Jene vor euch entflieh’n; fort, schmettert sie nieder!“ + Also braus’te das Wort, empörend, ihm von den Lippen. + Wie den nächtlich umwüthenden Brand, der viele der Häuser + Schon vernichtete, noch das Volk zu bewältigen hoffet: + Denn still ruhen die Lüft’ umher; doch plötzlich erhebt sich + Ein feindseliger Sturm, und unaufhaltsam hinunter + Wälzt sich von neuem der Strom des empöreten Feuers: so stürmten + Ottgars Völker dahin, und drängten die Gegner im Blachfeld, + Immer rascher und rascher zurück. Ein Körnchen Gewichts mehr + Auf die Schale des Leu’n, und den himmelannahenden Räumen, + Seinem erkorenen Reich’, entsank der Adler auf immer. + + Rudolph sah des Augenblicks kurzdauernden Zeitraum + Lang, bestürzt, umher, und ihm dunkelten nächtlich die Augen. + Deutschlands Ruh’, und des Reiches Wohl, + dem, herrschend mit Thatkraft, + Er sich geweiht, ersah er von neuem gefährdet, und allwärts + Wieder entfesselt die Wuth der grau’nverbreitenden Willkühr; + Doch bald schwang sich sein Geist aus der Erdennacht in des Himmels + Ewiges Lichtreich auf, wo ein mächtiger Helfer ihm lebte. + Schnell verließ er den Sattel, und lag auf den Knieen im Staub dort, + Laut aufrufend vor allem Volk mit gefalteten Händen: + „Ewiger, komm’ uns, errettend, zu Hülf’! Ach, wende die Augen + Nicht von uns ab: denn nicht entzündeten, frevelnden Muthes, + Wir den blutigen Streit: nur unversöhnlicher Rachgier, + Und zermalmender Wuth steh’n wir, abwehrend, entgegen! + Gib uns den Sieg! Ein Gelübd lebt mir, erhebend, im Herzen: + Denn ich schaue dein Heil, wie der erste der christlichen Kaiser, + Huldausstrahlend, vor mir: des weltversöhnenden Kreuzes + Heiliges Zeichen, in dem ich den Sieg erringen, und dankbar + Ihm, zu verehrendem Dienst, für immer und ewige Zeiten, + Stiften ein Gotteshaus, und zu ihm versammeln die Jungfrau’n + Werde zu Tulln, am Ufer der freihinrollenden Donau. + Sey dem Gelübd von dir, Allmächtiger, Huld und Erhörung!“ + Als er’s rief, da fuhr ein leuchtender Strahl aus den Wolken, + Und erfüllt’ ihn mit Muth und Freudigkeit. Sieh’, auf dem Lichtstrahl + Schwebt’ ein Engel daher, und hieß die Scharen der Geister, + Welche die Schlacht herab aus dem Uebersinnlichen lockte, + Flieh’n, daß keiner im Kampf sich den Gegnern als Helfer erweise! + Alle gehorchten, und sah’n, umher in den Wolken sich lagernd, + Noch voll Gier auf die Streiter herab; nur einer aus allen, + Marbod, stand, und sann den Worten des bethenden Kaisers + Trauernd nach. Da erklang urplötzlich ein Ruf aus den Wolken. + Ha, sie rissen entzwei: Erwine, die liebende Gattinn, + Sank ihm, weinend vor Wonn’, an die Brust. + Sie entschwebten des Erdballs + Dunkeln Gefilden, vereint, auf dem Sirius, der in dem Sternreich + Herrschet, im Lauf des vom Ewigen nur ermessenen Zeitraums, + Huldbeglückt, und des Erdenjammers vergessend, zu weilen. + + Aber mit leuchtendem Blick’ erhob der Kaiser der Deutschen + Sich von dem Staub’: ein Strahl der himmlischhohen Begeistrung + Glänzt’ in ihm, und auf seinen gerötheten Wangen. Betroffen + Staunten die Krieger ihn an; doch all’ aufjauchzten mit einmal, + Als er das schnaubende Roß vortummelte, dann mit dem Schlachtschwert + Auf den nahenden Feind hinwies, und, ermuthigend, ausrief: + „Gott ist mit uns! Eilt jetzt, gleich loderndem Feuer im Saatfeld, + Gegen den Feind; vertilgt ihm schnell die Haufen, und schafft mir + Heut’ unendlichen Ruhm, da ich euerem Muthe vertraute. + Euer zugleich ist der Ruhm und der Dank noch spätester Nachwelt: + Denn wir kämpfen für Deutschlands Glück, als Deutsche, der Ahnen + Werth, die, tapfergesinnt, sich nie im Joche des Fremdlings + Beugeten. Hört, der Herr ist mit uns, und scheuet den Tod nicht, + Hier der heiligen Pflicht und des Vaterlandes gedenkend!“ + All’ entflammte sein Wort: ein jeglicher Mann in den Reihen + Lechzte vor Gier, schnell vorzudringen im Feld’, und zu sterben + Dort den Tod für das Vaterland und die heilige Freiheit. + Aber nach Albrecht sah vor allen sein hoher Erzeuger + Mit bedeutendem Blick’, und freudiger ging er im Schlachtfeld, + Hoch in der Linken die Kreuzesfahn’, + in der Rechten das Schlachtschwert + Führend, ihm vor. Das Panier von Oestreich, als ihm des Greises + Arm ermattete, trug der hochgesinnete Kampfheld, + Lichtenstein, und die Reichsfahn’ ihm der tapfere Markgraf + Hochberg vor in die Schlacht. D’rauf folgten die älteren Ritter + Ihm mit den Edeln aus Zürch, die, heute zu Rittern geschlagen, + Kühn voreileten. Laut ermahnt’ er sie noch mit den Worten: + „Jünglinge, vor, und ahmt die Tapferen, die sich schon früher + Als die Meister im Feld’ erprobten, jetzt in dem Kampf nach!“ + Jen’ entgegneten jauchzenden Rufs: „Wir halten dir Wort, Herr!“ + Und entfloh’n. Doch schnell vorstürmten die muthigen Scharen, + Die sein Erzeugter ihm warb in den rheinischen Landen, in Schwaben, + Und in dem Schweizerland, und die vor allen gewaltig, + Altgedient, und in jeder der Kriegsarbeiten erfahren, + Ihm auch heut’ errangen den Sieg in dem Kampf der Entscheidung. + + So, wie der eiserne Keil, vom gewichtigen Hammer getrieben, + Den mit kräftiger Hand im Gehölz aufschwinget der Löhner, + Krachend, entzwei den Stamm des hundertjährigen Eichbaums + Spaltet, daß rings umher die Splitter fliegen: so drang jetzt + Rudolphs raschgeordnete Macht in das feindliche Heer ein. + Kreischender rief die Dromete zum Sturm; die erregende Trommel + Scholl ergrimmter, und rings, und überall drängten die Führer + Mit gewaltigem Schrei den Krieger vor zu dem Angriff, + Daß er noch heißer entbrenne vor Gier: muthfest und entschlossen + Niederzuschmettern, was entgegen sich warf in der Feldschlacht, + Und entsetzlich war das Gewürg’ in dem Waffengetümmel; + Doch, wie ein Felsendamm in dem waldumschatteten Weiher + Sich entgegenstemmt den Gewässern des thauenden Frühlings, + Unerschüttert und fest: so stemmte sich, eiserngesinnet, + Ottgar hier dem stürmenden Feind’ entgegen, und wich nicht. + Stundenlang fortwährete schon das tödliche Ringen + Tausender gegen einander im Feld! Den tapferen Böhmen, + Die in der Heerschar Lobkowitz lenkt’, vereinte der König + Bayerns und Sachsens Macht, und führte sie selbst in die Schlacht vor. + Zahllos lag sein Volk, erwürgt, auf dem Boden; unzählig + Warf auch er die Gegner, entseelt, in den Staub, und es ragten + Von den hundert, zuvor zu Rittern geschlagenen Zürchern, + Jetzo nur wenige mehr. Wie im hagelgetroffenen Saatfeld + Einzeln die Halme noch steh’n, die andern bedecken den Boden + Weit, zermalmt von dem sausenden Eis: so ragten auch hier nur + Einzeln die Helden noch auf, die aus Zürch gezogen; verwundet, + Oder todt, verlor sich im Feld das tapfere Häuflein, + Niedergeworfen durch Ottgars Kraft und zerschmetterndes Eisen. + + Doch stets näher kam dem gewaltigen König des Todes + Dunkles Geschick. Bald sinkt er in Staub, all’ irdischer Hoheit, + Macht, und Würde beraubt, dem ärmsten im Heere vergleichbar: + Denn zu entscheidender That aufboth der Edle von Tauffers + Nun die Schützen Tyrols. Er drang im brausenden Schlachtfeld + Dort mit den kühnen entsetzlicher vor, und, nimmer ermüdend, + Spanneten sie die Sehn’ an der Armbrust; legten den Pfeil an, + Zielten, und schnellten ihn fort in die Luft. Unhemmbaren Fluges, + Saus’t er in Eile dahin, und traf stets sicher in’s Leben: + Denn gewohnt ist das Aug’ und die Hand tyrolischer Schützen, + Mitten in Feindesbrust des Todes Geschoße zu senden. + Doch nun winkte der Held dem Geübtesten, der in den Gauen + Rings umher, im _Kreis_- so wie auch _Hauptschießen_ berühmt war: + Wenn Zielscheiben, erhöht vor dem Thor’ an festlichen Tagen, + Manchen des Schützenvolks aufregeten, stets in der Mitte + Drüben zu treffen, und stets zu erringen das Beste vor allen.[7] + „Martin,“ so rief er ihm zu, „sieh’ hin, wie der König von Böhmen + Dort vortummelt das Roß in dem Feld’, und unsere Völker, + Jenem Unsterblichen gleich, der Pharao’s Erstlinge tilgte, + Niederwirft! Versuche denn jetzt, ob, sausenden Flugs, nicht + Ein befiederter Pfeil, durch dich geschnellt von der Armbrust, + Ihn erreicht, und erlegt -- dir Lohn und auch Ehre gewinnet.“ + Jener entgegnet’ ihm laut: „Nicht geiz’ ich nach Gold und nach Silber: + Zierlein nah’, und nicht fern dem wunderlieblichen Innsbruck, + Ruht mein Haus an der Felsenwand, die hoch in die Wolken + Aufragt, reingezimmert erst jüngst, und mit Habe gesegnet; + Doch so ich heute im Feld den blutgierathmenden König, + Oder sein Roß, mit dem tödlichen Pfeil durchbohrete: ha, da + Rühmt von der Martinswand mich noch die späteste Nachwelt!“ + D’rauf entsandt’ er den Pfeil: er durchbohrte dem Rosse des Königs, + Sausend, die Brust, da es auf in die Luft sich bäumte, des Reiters + Ingrimm theilend; es sank auf den Rücken, und warf ihn herunter. + Wildes Getümmel erscholl um den Stürzenden. Reisige schwangen + Alsbald sich vom Sattel herab, vor Gefahr ihn zu schirmen; + Doch erhob er sich schnell, und ermahnte, besteigend das Streitroß, + Das ein Reiter ihm both, mit donnernder Stimme die Krieger: + Nimmer zu rasten vom Streit’, und den herrlicherrungenen Vortheil + Rasch zu verfolgen: schon nahe dem Ziel des entscheidenden Sieges. + + Aber im Feld verhallte sein Ruf. Der furchtbare Keil drang + Vor mit zermalmender Kraft; vordrang, die Fahn’ in der Linken, + Und in der Rechten das würgende Schwert, des Kaisers Erzeugter, + Also auch Lichtenstein und Hochberg; also der Ritter + Glänzende Schar, und, vereint, der tapferen Schweizer und Schwaben + Siegsruhmdürstende Macht. Doch, als der erhabene Herrscher + Auch den Trentschiner entboth, mit den kühnen, magyarischen Reitern + Einzubrechen im Sturm in die Seite des Feindes, und Meinhard + Dort, hier Otto von Meissau, gleich dem tapferen Helden + Trautmansdorf, ihr Volk vortummelten: siehe, da wankte + Ottgars Macht. Wie ein Wald an den schwer zu erklimmenden Höhen, + Losgewühlt aus dem Grund von innenaufschwellenden Wässern, + Erst nur langsam, nur zitternd sich regt; dann plötzlich zum Abgrund + Taumelt mit Erd’ und Gestein, wild durcheinander geschleudert: + So, nach gewaltigem Kampf, dem entscheidenden, wankten, und stürzten + Ottgars Völker dahin; nachbraus’te der Feind, in dem Rücken + Rastlos würgend, und sät’ ergrimmt die Leichen im Feld hin. + Allwärts war auch das blitzende Schwert des Kaisers zu schauen, + Und zu vernehmen sein Ruf, der vorwärts drängte die Scharen; + Dennoch vergaß er auch, mitten im Kampf, der verwundeten Krieger + Nicht; er hieß mit gebiethendem Wink sie zurück, nach dem Rückhalt + Tragen, und dort der Sorgfalt kundiger Aerzte vertrauen. + Aber warum hält er nun plötzlich sein feuriges Roß an? + Ach, ein Verwundeter streckt, mit lächelndsterbenden Augen, + Seine Rechte nach ihm empor, und ruft ihm ein „Leb’wohl!“ + Matt, doch freundlich noch zu! Sein Müller, der tapfere Held war’s. + Tief, zu den Mähnen des Rosses hinab, sank leise des Kaisers + Blässeres Antlitz: er sah mit starrendem Aug’ in die Augen + Seines Getreu’n, bis, thränenumhüllt, ihm’s dunkelte. Stöhnend + Gab er dem Rosse den Sporn, und flog wie ein brausender Sturmwind + Dort nun wieder hinaus, wo am lautesten tönte der Schlachtruf. + + Wohlgeordnet, und schnell: denn Lobkowitz deckte des Heeres + Rücken, voll Heldenkraft mit den schwergeharnischten Reitern, + Zog sich Ottgar jetzt nach den mittleren Höhen von Spannberg + Aufwärts, dort dem Feind’, erneu’t die Spitze zu biethen: + Denn weit überwog an der Zahl, in dem Waffengemeng schon + Seine des Kaisers Macht, und siehe, noch stand in dem Rückhalt + Milota! Laut entboth er vor sich den muthigen Feldherrn, + Zierotin, und begann: „Nicht kam uns zuvor in dem Schlachtfeld + Milota, selbstvorschauenden Blicks, zu Hülfe. Noch steht er, + Ungeschwächt, mit der Schar der tapferen Mährer im Rückhalt; + Doch jetzt brech’ er vor, und fall’ in die Seite des Gegners, + Links anstürmend, da wir zugleich mit vereintem Vermögen, + Und unhemmbarer Kraft, auf den mittleren Haufen uns werfen. + Groß ist erst die Gefahr, so er säumt; ihm vertrau’ ich: er eile!“ + Rief’s, und im sausenden Flug fortsprengte der edele Feldherr. + Aber des Siegers Heer drang Ottgarn näher und näher. + Wie vom verwundeten Leu’n, so sehr er auch strebt, zu entkommen, + Sich die lautumbellende Schar gewaltiger Rüden + Nicht mehr fernt; ihn, stets blutgieriger, treibt, und bedränget, + Bis er, ermattet, sinkt auf den sandigen Höhen: so ließ auch + Jetzt von dem König, im Kampf, nicht mehr der verfolgende Feind ab: + Denn mit flammendem Muth und unwiderstehlicher Thatkraft + Eilte, zum Siege geführt von dem tapferen Grafen von Nürnberg, + Schwabens Heldenvolk und der Schweiz gefürchtete Kriegsschar, + Rasch die Höhen herauf, und wüthete dort in den Reihen + Kühnabwehrender Gegner, vereint, mit gesenketen Lanzen, + Allvernichtend, umher. Entsetzlich erscholl das Getümmel. + + Ottgar sah im brausenden Feld den verhaßtesten Gegner, + Rudolph jetzt, voll Grimms, wie er schaltete: Reiter und Fußvolk + Drängend vor mit gewaltigem Wort’, und das furchtbare Schlachtschwert, + Deß’ Blitzglanz vom Blut nur tapferer Gegner verhüllt war, + Aufschwang -- sah den Kaiser, und Wuth und unendliche Rachgier + Wandelte schnell sein Aug’ in Feuer und Flammen. Er spornte, + Hemmte sein Roß dreimal, in dem wildumtobenden Schlachtgrau’n + Ihm die Spitze zu biethen, gesinnt; doch immer ergrimmter, + Brachen die Gegner heran (nur Lobkowitz stand in dem Kampf noch, + Gleich dem Felsen im Wogentumult) und zur Linken und Rechten + Wich sein Volk geworfen, zurück in dem stäubenden Saatfeld. + Jetzo wandt’ er das Roß, und forscht’: ob Milota vordrang? + Denn nicht schien ihm verloren der Sieg, so er rasch in die Seiten + Stürmte dem Feind. Doch, ach, was sah er, vor Staunen erstarret? + Staub flog auf im Gefild’, und Milota jagte von dannen! + Ihm nachbraus’te die reisige Schar, und das mährische Fußvolk, + Das er mit täuschendem Wort, dem König zum sichern Verderben, + Erst zu dem Rückhalt zog. Mit verhängtem Zügel, und fernher + Winkend, naht’ auch Zierotin. Ihm folgten am Fuß nur + Zween, der flüchtigen Schar sich entreißende Brüder: der Hanna + Fruchtbarem Land entsprossen die Edeln. Der Nahende sprach jetzt: + „Herr, nicht künd’ ich es, was dein Auge gesehen -- des Frevlers + Schnöden Verrath! Hohnlachend vernahm der schändliche Mann erst + Dein gebiethendes Wort, dann rief er mit grimmigen Blicken: + „Eile zurück zu dem Könige, sprich: so räche der Vater + Seine Tochter an ihm: er fahre denn, fluchend, zur Hölle!“ + Also der Rach’ allein, nicht des Vaterlandes gedenkend, + Floh er mit jenen Verräthern davon, die er früher gewonnen. + Nur die beiden dahier mir eilten zum mächtigen Trost nach: + Zeigend, daß noch in der Brust der Tapferen Ehr’ und Gewissen + Herrlich sich eint, und dir die erlesensten Männer noch treu sind.“ + + Ottgar sah nach den Zween mit bewegtem Gemüth’, und begann so: + „Laß den Verräther flieh’n. Noch sind die erlesensten Männer, + Also sprachst du mit Recht, mir treu. Nicht im dahlenden Frohsinn + Will das Große gethan, das Gewaltige, spielend, vollbracht seyn: + Denn, ein leuchtender Blitz in des Lebens umnachteten Stunden, + Flammet es auf in der Brust, und wecket den Ernst und die Thatkraft. + Jetzt umnachtet auch uns die Gefahr; doch laß uns, noch kühner, + Dringen hinaus zu dem Tag’, und so dort fallen im Licht nur!“ + Rief’s, und spornte sein Roß, umschauend: ob er zur Linken, + Oder zur Rechten hinab es wende, die kämpfenden Scharen + Nun zu gewagter, die Schlacht urplötzlich entscheidender Kriegsthat + Anzufeuern, und so mit unwiderstehlicher Kühnheit + Festzuhalten das wankende Glück, das sonst ihm getreu war. + Doch dort floh’n, gedrängt von den Söhnen der Steyer- und Ostmark, + Bayern und Sachsen zurück; hier sank, an der Schulter verwundet, + Lobkowitz, er, der untad’lige Held, aus dem Sattel, und, schreiend, + Braus’te das reisige, gleich dem vorgedrungenen Fußvolk + Böhmens, herüber im Feld, durch Meinhards Völker geworfen, + Und gedrängt von dem Hort Trentschins, zur Flucht und Verwirrung: + Da in dem Kern des Heers ihn selbst der edelen Ritter + Glänzende Schar, und, vereint, die tapferen Schweizer und Schwaben + Näher und furchtbarer stets bedroheten, horchend des Kaisers + Schlachterregendem Ruf’ in dem wildempörten Getümmel. + + Mansfeld erst, dann Zierotin, die Scharengebiether, + Jagten herüber im Feld’, und riefen dem König: „Entfliehe!“ + Aber er sah, voll Wuth, nach den Rufenden; faßte sein Schwert noch + Fester zur Hand, und begann: „Wer sprach ein schmähliches Wort aus? + Nichts von Flucht mir gesagt! Ich lebt’ als König, und sterben + Werd’ ich als solcher, dem Feinde zum Trotz, auf dem Felde der Ehren. + Mir nach, wem sie noch werth im rühmlichen Leben und Tod’ ist!“ + Wie der gewaltige Leu’ sich wüthenden Tigern entgegen + Wirft in des Abends Grau’n: die hochaufsträubenden Mähnen + Flattern mit Sturmes Weh’n um den Nacken ihm; dunkelgeröthet + Funkeln hervor aus den tiefgesenketen Brau’n ihm die Augen, + Als er naht mit Gebrüll, dem so, wie dem rollenden Donner, + Drönt das Gefild, und peitschend sich mit dem buschigen Schweifhaar + Beide Seiten, sich selbst entflammet zur Wuth: da erliegen + Links, rechts ihm, zerschmettert zugleich, die umdrängenden Gegner: + Also warf sich auch er vor allen den Rittern entgegen, + Daß ihm noch ein’, und der andere dort, östreichischen Blutes, + Fiele durchbohrt: denn fest bewahrt’ er den Haß noch im Busen. + Jene, erregt von dem stachelnden Wort, nachjagten ihm brausend. + + Sieh’, ihm ritt, tollkühn, der jugendlich blühende Ritter + Falkenberg, in den Weg, den oft sein strenger Erzeuger + Heimlich und offen gestraft, ihn zu bändigen; aber vergebens: + Denn er quälte die Menschen und Thier’, und beherrschte des Herzens + Unmuth nicht, der stets zu gewaltsamen Thaten ihn hinriß. + Ottgar jagte das Roß dem Nahenden seitwärts vorüber; + Schwang sein Eisen, und hieb im Flug mit unbändiger Kraft ihm, + Sausend, den Helm und die Scheitel entzwei: er stürzte zum Boden. + D’rauf erreichte sein Schwert auf dem Todespfade den Helden, + Dietrichstein. So schnell, so kundig der Tapfere vordrang, + Ihn mit gesenktem Speer’ aus dem Sattel zu heben, so kam ihm + Ottgar doch, verderbend, zuvor, und bohrte den Mordstahl + Ihm durch Harnisch und Wamms in das muthvollschlagende Herz ein + So, daß er lautlos, bleich, entseelt, an dem Rosse herabsank. + Jammern werden daheim die zartaufblühenden Kinder + Da er, schon frühe der Gattinn beraubt, ein liebender Vater, + Oft auf den Armen sie trug, und so mild, so freundlich und gut war. + + Schnell, zu rächen das Blut der Erschlagenen, blitzten auf Ottgar + Jetzt unzählige Speere heran. Da brausete pfeilschnell + Otto von Meissau vor, von dem Herrscher gesendet, und schrie laut: + „Ritter, schont den Gesalbten des Herrn: so geboth es der Kaiser!“ + Rief’s; doch jener ergrimmte noch mehr, und spornte sein Streitroß + Mitten unter die Schar (zu sterben entschlossen) den heißen, + Glühenden Durst nach Rach’ im Blute der Feinde zu löschen. + Jetzt umgab ihn des Todes Grau’n. Die furchtbaren Ritter, + Merenberg, die, beide mit nie gesättigter Blutgier + Näher und näher herbei an die Seite des Königs sich drängten, + Sorgend: er beuge sich dort, ein Gefangener, oder er falle + Andern, nicht ihren, durch Haß zur Rache bewaffneten Händen, + Sprengten dicht vor ihn hin; eröffneten, schnaubend vor Mordlust + Ihren geschlossenen Helm, und der ältere rief ihm noch laut zu: + „Sieh’, gleich Rachegeistern, vor dir die furchtbaren Brüder, + Merenberg -- ein Nahme, der dich zur Hölle hinunter + Schleudert! So fahre denn hin, Unmenschlicher, stirb, und verzweifle!“ + Ha, und sie bohrten den schneidenden Speer mit wildem Gejauchz’ ihm, + Beide zugleich, in das Herz (ihm fest in die sterbenden Augen + Schauend) und also, voll Hast, mit stets empörterem Ingrimm, + Zwölfmal noch in die tapfere Brust, in den Hals, und den Rücken, + Bis er, von Wunden bedeckt, hinsank, und das Leben verhauchte. + + Wüthender flog in dem Feld dem Besiegten das siegende Heer nach; + Aber vor allen das reisige Volk der Magyaren und Kunen, + Heute zu einem vereint, und gehorchend dem tapferen Helden + Von Trentschin, der stets den Flüchtenden, mordend, im Rücken + Lag, und das Land umher mit unzähligen Leichen besä’te. + Rastlos fort g’en Schrieck; dann weiter und weiter von Asparn + Bis g’en Laa, der ummauerten Stadt, nachjagten die Ungern + Ottgars fliehendem Heer’, und, wo sie dann der Verfolgung + Endlich setzten ein Ziel, wird heute zu Tage das Dorf noch + „Ungerndorf“ genannt: dem Heldenvolke zum Denkmaal. + Siehe, die Wolken entfloh’n; der Geister unzählige Scharen + Brauseten, lautaufjubelnd, davon, und die scheidende Sonne + Sah von dem Abendthor, verklärt, auf des Sieges Gefild her! + + + + + Zwölfter Gesang. + + + Schauerlich irrt durch Nacht und Grau’n ein zitternder Lichtstrahl + Ueber das schweigende Schlachtfeld hin. Nicht lang’, und es folgen + Ihm unzählige nach; viel hundert Fackeln erhellen + Bald die Gegend umher: ihr Schimmer, vom Winde gefächelt, + Wogt (entsetzlich zu schau’n!) auf den bleicherstarreten Leichen + Tausender blitzschnell fort, und erfüllet die Seele mit Wehmuth. + Doch wen suchen, voll emsiger Hast, die furchtbaren Männer + Jetzo, schreitend umher, in den weiten Gefilden des Todes? + Ottgarn! Sieh’, und bald verkündete drüben ein Hügel + Rings um ihn her erschlagenen Volks, wo er muthig im Kampf sich + Wehrete, bis er, durchbohrt, den Rachebrüdern dahinsank! + Dorthin wandelte, schweigend, der Zug; die leuchtende Flamme + Wies ihn: erkennbar leicht, obgleich entblößt von des Heeres + Plünderndem Troß, wie er lag im finsteren Kreise der Leichen, + Mit den heruntergezogenen Brau’n, und den Lippen, zum Bogen + Eingekrümmt vor Zorn: denn selbst mit des schwindenden Lebens + Letztem Hauch, da ihm schon aus dreizehn Wunden das Blut rann, + Wähnet’ er noch: er habe gerecht bestraft den Verräther, + Den so feig, so unedel jetzt die schrecklichen Brüder + Rächten: zur Wuth empört von der langgenähreten Blutgier. + + Aber des Führers Ruf erscholl, und der stattliche Wagen, + Schon mit der Leiche des Königs beschwert, + und verhüllt mit dem Bahrtuch, + Folgte, rasselnd, dem Zug sechs glänzender, feuriger Rappen, + Die zum eng’gemessenen Schritt mit Mühe der Roßwart + Bändigte. Sieh’, da trug der weitgefeierte Sänger, + Horneck, leise die Harfe herbei. Ihm rollten die Thränen + Ueber den grauenden Bart in den Busen herunter, und schweigend + Starrt’ er nach Ottgar hin; dann hob er den Klagegesang an: + „Weh’, da liegt er entseelt, der einst gewaltige König! + Tausende blickten auf ihn, und es drängte der eine den andern, + Glühend vor Hast, so er rief; nun ist er verlassen: es horcht ihm + Keiner der Emsigen mehr. Wie staunt’, und bewundert’ ihn Jeder + Sonst, da er noch zu dem Königsthron, von Edelgesteinen + Schimmernd am gold’nen Gewand’, aufschritt: + nun wandten sie, schaudernd, + Von dem Nackten sich ab, den kaum das kärgliche Gras barg! + Ha, wo weilte der Arzt, dem Vergehenden Labsal zu reichen? + Waren nicht seidene Kissen zur Hand, nicht schimmernde Decken, + Ihn zu erwärmen, und ach! nicht scholl aus dem Munde der Gattinn, + Kinder, Verwandten und Freunde umher, ein tröstendes Wörtchen, + Ihm zu erheben das Herz? Verließen im Kampfe die Streiter + All’ ihn? Wie, nicht einer der Tapferen kam, ihn zu schirmen? + Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren, + Der dir, falschen, vertraut! Erst biethest du lieblichen Honig + Mit bethörenden Worten ihm dar; dann wandelst du plötzlich + Solchen in furchtbares Gift: er saugt Verderben und Tod ein. + Also erging es auch hier dem Könige. Fürsten, bedenket + Sein Geschick! Handhabt die Gerechtigkeit, schützet das Recht nur; + Seyd durch Tugenden groß, durch Wohlthun herrlich und geizet + Nach dem Lohne der Welt nicht allein: vor Gott ist er eitel! + Ottgar, ach, er geizte nach ihm! Die, prahlend, geschworen: + Auszuhalten bei ihm im Leben und Tode -- wo sind sie? + Einsam sinkt er jetzo hinab in des Todes Behausung. + Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren, + Der dir, falschen, vertraut: + denn nichtig entschwebt ihm das Leben!“[1] + So wehklagte der edele Greis. Ihm horchten die Krieger + Alle mit pochender Brust, den Trauerwagen umstehend, + Und erhebend die Fackeln zur Luft, die, flatternden Schimmers, + Ottgars finstere Stirn’ erhelleten. Jener entzog sich + Ihren Blicken, und wanderte dann auf dem nächtlichen Pfad fort. + Doch sie schlugen behend’, als solches der Führer gebothen, + Ueber die Leiche das Bahrtuch her. Die schnaubenden Rappen + Trieb der Roßwart an, und sie trabten, gehaltenen Schrittes, + Von den Kriegern umschart, g’en Wien, die herrliche Stadt, hin. + + Dort scholl freudiger Lärm dem kommenden Morgen entgegen, + Als, dem Sieger zum Ehrenempfang’, in geschäftiger Hast sie, + Durch die dunkele Nacht sich schmückte mit festlichen Kränzen: + Denn vor dem Thor, das sich nach Kärnthen dem Wanderer öffnet, + Sollte von Laubgehölz’ ein Siegesbogen sich heben, + Hochgewölbt, und geziert mit schimmernden Bändern, und oben + Rufen die goldene Schrift ein „Lebehoch!“ dem Befreier, + Der von der Stadt und dem Land’ abwehrt’ unendlichen Jammer; + Oestreichs Herrscherthron fest gründete; dauernden Frieden + Deutschlands Gauen errang, und ein Ziel aufsteckte der Willkühr, + Die sich gefiel im Raub’, und in all’ den Gräueln des Faustrechts! + Auch die Straßen entlang, erhoben sich, dicht vor den Häusern, + Lieblichgrünende Reiser zur Luft; buntschimmernde Blumen + Hauchten Wohlgeruch her auf die Bahn, die, erkoren dem Sieger, + Durch die Stadt sich wand, und zahllos wogten die Fahnen + Oestreichs rings von dem Wall’ und den ragenden Thürmen im Wind hin. + Also schmückte sich jetzo die Stadt, wie die blühende Braut sich + Schmückt an dem Morgen des Tags, + der sie eint mit dem Lieben auf immer. + + Hinter des Ostens dämmerndem Thor’ entfaltete jetzo, + Neuverjüngt, der Tag die Fittige: weit sich erstreckend + Hoben sie fächelnd sich auf, und wehten den glühenden Schimmer, + Der sein Rosenlager umfing, empor an dem Himmel; + Doch sie weckten zugleich des sanftumschmeichelnden Frühwinds + Kühligen Hauch. Er kam aus des säuselnden Waldes Umlaubung + Ueber die blumigen Matten heran; verbreitete ringsum + Balsamduft, und erfüllte mit Lust die erwachende Schöpfung. + Zwitschernd regte die Schwalbe sich schon im Nest mit den Jungen, + Das sie im Lenz’ erbaut’ an dem Mauergesimse des Hauses; + Auch umgirrete laut die Taub’ in dem Schlag’, und der Hahn rief + Schmetternd darein, als draußen vom Feld, + von dem Hain’, und dem Hochwald + Bis in die bläuliche Luft empor das Getöne sich mehrte. + Jetzt von des Himmels Rand, dem Rosenlager entschwebend, + Hob die herrliche Sonne sich auf; umhüllte die Berghöh’n, + Häuser und Thürme der Stadt mit röthlichem Duft’, und entflammte + Hier die Fenster zu Gold, und dort auf den blühenden Matten, + Unermeßlich umher, den Thau zu blitzenden Perlen. + Doch bald schwang sie, verklärt, sich empor: den wölbenden Himmel + Trübte kein Wölkchen, und rings auf dem lichtumflossenen Erdkreis + Scholl ein Wonnegejauchz, dem schönsten der Tage zur Feier. + Aber schon zogen den Weg nach dem Kreuze der Spinnerinn, eilig, + Krieger zu Fuß und zu Pferd in gesonderten Haufen, und weithin + Blitzten im Sonnenschein die hellgeglätteten Waffen -- + Blitzte der Harnisch und Helm der Tapferen, die, von dem Schlachtfeld + Kehrend, zum Siegseinzug’ auf dem sanfterhobenen Berg sich + Sammelten, wie es der Herrscher geboth. Mit grünenden Reisern + Waren die Helme geschmückt, behangen mit Kränzen die Rosse; + Laut scholl Jubel die Scharen entlang: denn fröhliche Weisen + Sang der Krieger; sein Roß ihm wieherte d’rein; die Drometen + Schmetterten, Zink’ und Pauk’ erklang, und die wirbelnde Trommel + Rief das verworr’ne Getön zum allerfreuenden Einklang. + + Sieh’, und es lief unzähliges Volk aus der Stadt und vom Land her, + Nach der Straße hinaus, auf welcher die Tapferen kamen: + Alle mit Angst in der Brust, bis sie in den fröhlichen Reihen + Ihre Lieben ersah’n! Da scholl (erschütternd zu hören!) + Jauchzen empor; da bog sich mancher vom Sattel herunter: + Einer umhalste den Freund, ein andrer den Sohn, und ein dritter + Reichte dem grauenden Vater die Hand, der grauenden Mutter, + Oder der Braut, die thränenden Blicks, ihm lächelte, sprachlos! + Aber es trat nun hier, nun dort mit erblassendem Antlitz + Auch der unglückliche Mensch aus den lautaufjubelnden Scharen: + Denn nicht hatt’ er die Lieben erseh’n, und dem Fragenden tönte + Schrecklich der kurze Bescheid: „Er fiel, und kehret nicht wieder!“ + Feldeinwärts ging dort ein zartaufblühendes Mädchen, + Ringend die Hände mit schwerem Gestöhn; hier saß an des Grabens + Rand der Vater: er sah in die Tiefe hinab, und die Mutter + Preßte den Arm mit der Stirn’ an den Baum, + und schluchzte vor Herzleid. + Aber der schwellende Ruf des Entzückens dämpfte des Wehes + Schnellverhallenden Laut, und unendlich erscholl das Getümmel, + Als dem festlichen Kreuz der Spinnerinn jetzo der Kaiser + Nahte mit hehrem Gefolg: denn Ladislav, der Magyaren + Blühender König, ritt, hellschimmernd von Gold, ihm zur Rechten; + Ihm zur Linken sein tapferer Sohn, der jüngst in der Feldschlacht, + Muthentflammt, vortrug der Erlösung heiliges Zeichen, + Und ihm folgten, erwählt, des Heers siegstolze Geschwader + Nach auf den Wienerberg, der unter den Drängenden bebte, + Und in dem Waffengeblitz erschütternd dem Auge zu schau’n war. + Jetzt umgab er sich dort mit dem kaiserlichprangenden Mantel; + Setzte den Helm, an welchem umher der goldene Kronreif + Schimmerte, sich auf das Haupt; entblößte den Degen, und hob ihn + Auf zum ersehneten Wink’. Alsbald bewegte das Heer sich + Im Geleite des Volks nach Wiens aufjubelnden Mauern. + Sieh’, ihm eilten die Ritter vor mit den Reisigen Ungerns -- + Jenen der Ost- und der steyrischen Mark: von den Heldengebiethern + Angeführt, und vereint um die ruhmgekröneten Fähnlein! + Aber ihm folgten dann die muthigen Schweizer und Schwaben + Und die Tapfern aus Kärnthen und Krain mit den kühnen Tyrolern. + Wie der Alpenbach, vom Regen geschwollen, sein Bette + Plötzlich verläßt, und quer von des Bergs Abhange sich stürzet, + Endlos über die Matten hin die Fluthen ergießend: + So fortwälzte sich schnell das Heer; stets näher erscholl ihm + Festlicher Glocken Getön’ und des Volks auftobender Jubel. + + Außer dem Kärnthner Thor, wo ein Siegesbogen erhöht war, + Standen die trefflichen Bürger vereint. Ihr Meister, erkoren + Durch gemeinsame Wahl an Waldrams Stelle, des falschen, + Eilte heran, den Zug des erhabenen Kaisers zu hemmen; + Both auf dem Becken von schimmerndem Erz, die vergoldeten Schlüssel + Wiens, ihm huldigend, dar, und begann die Rede mit Ehrfurcht: + „Heil dir, Oestreichs Herrn, dir edelstem Kaiser der Deutschen! + Mögest du heut, wo dir, dem Retter, die jubelnde Stadt Wien, + Festlichgeschmückt, entgegeneilt mit verlangenden Armen, + Nicht gedenken der Schuld entflohener Tage -- des Herzens + Deiner Getreuen gewiß! Nun herrsch’ im Segen des Himmels + Ueber dein glückliches Volk, und vom Thron, den du auf dem Grundstein + Heiliger Religion, Gerechtigkeit, Tugend erhöhtest, + Dein erhab’nes Geschlecht an der Zeiten entferntestem Ziel noch!“ + Sagt’ es, bewegt; doch schnell entgegnete jetzo der Kaiser: + „Ihr Getreu’n, habt Dank für des Herzens enthüllte Gesinnung! + Gnädig willfahre mir Gott in dem Wunsch, daß ich gründe die Wohlfahrt + Fern in die Zukunft noch der guten und trefflichen Völker, + Die er mir anvertraut! Mein Glück ist das eure für immer!“ + Plötzlich entstürzt’ ein heller Strom von Thränen den Augen + Aller umher: denn rings erscholl, von Tausender Lippen + Brausend, ein „Lebehoch!“ und mehrte sich, jubelnden Lautes, + Dort die Straßen entlang, die, erkoren dem festlichen Einzug, + Schimmerten. Jetzt durch’s Thor und die Straße Karinthia’s trug ihn, + Stolzvorschreitend, das Roß, und aus jeglichem Fenster ertönte + Huldigung, wo, bekränzt, die zartaufblühenden Jungfrau’n -- + Frau’n im glänzenden Schmuck’, ihr schneeiges Tuch in die Lüft’ auf + Schwangen, und jauchzten empor mit hellerklingender Stimme. + Doch, aus dem wimmelnden Volk vordrängten jetzt, wie verjüngt sich + Wankende Greis’, ihn zu seh’n, und zu segnen. Die Väter und Mütter + Hoben ihr lallendes Kind auf den Arm; sie falteten erst ihm + Freundlich die Händchen, und zeigten ihm dann den Herrlichen drüben, + Daß es des Tages noch oft im spätesten Alter gedenke! + Sieh’, und nicht trockneten mehr dem erhabenen Kaiser die Augen + All’ die Straßen entlang, da er links, und rechts, in dem Siegszug + Dankte dem jauchzenden Volk mit oft erhobener Rechten. + + Also im Freudengeschrei unzähliger Meng’, in der Glocken + Festlichem Klang’, und der Pauk’ und Dromet’ empörterem Jubel, + Zog er entgegen dem Rothenthurm, und lenkete jetzo + Ueber den schimmernden Hohenmarkt nach dem prächtigen Hof ein; + Dann nach der Freiung hinab, und, dem Schottenkloster vorüber, + Durch die Herrngass’ fort nach dem breitaufragenden Graben, + Bis er am Riesenthor des unendlichen Doms aus dem Sattel + Eilig zur Erde herab sich schwang. Sein mächtiger Gegner, + Ottgar, Oestreichs Herrscher vor ihm, vollbrachte des Domes + Herrlichen Bau, da er einst zerstört von den Flammen, + im Schutt lag.[2] + Dort reicht’ ihm der oberste Hirt der Gemeinde, vor allen, + Festlichgeschmückt, im Kreise der Priester geweihetes Wasser + Sanft mit dem Sprenger dar; dann schwang er das duftende Rauchfaß + Dreimal ihm entgegen, und ging, beginnend der Lieder + Herrlichstes: „Gott, dich preisen wir!“ zum erleuchteten Altar, + Singend, vor ihm einher, und Tausende sangen das Lied nach. + Aber, als in dem wölbenden Raum des unendlichen Domes + Rings umher des Gesangs allletztes Säuseln verhallt war, + Knie’te der Kaiser noch hin, und bethete, heiliger Andacht + Voll, am Altar’, im Kreise der ruhmgekröneten Feldherrn. + Staunend sah ihn das Volk; doch hingen mit inniger Wehmuth + Auch an Trautmansdorf, dem Helden, viel Tausender Augen, + Der, von dem schimmernden Kreis’ entfernt, auf die Kniee gesunken, + Beugte das grauende Haupt mit gottergebenem Herzen. + Bald umhüllten ein jegliches Aug’ untad’lige Thränen: + Dort den Mann mit dem schneeigen Haupt so einsam zu schauen, + Der noch jüngst, umringt von blühenden Söhnen einherging: + Froh der gewaltigen Schar! Nun stand er allein und verlassen, + Wie der verdorrete Stamm in dem Wald’, um welchen die Windsbraut + All’ die frischen umher mit lautem Gekrach’ in den Staub warf. + + Thauenden Blicks, trat jetzt von den heiligen Hallen der Kaiser + Wieder heraus, vor dem Riesenthor zu beginnen den Heimzug + Nach der erhabenen Burg. Doch sieh’, welch’ tiefes Erstaunen + Unter dem Volk? Schnell theilt es sich links und rechts in den Straßen + So, daß der Bahre, von sechs lautschnaubenden Rossen gezogen, + Raum sey, fürder zu zieh’n bis hin zur Pforte des Domes. + Schmerz ergriff die Brust des beseligten Siegers. Er starrte + Lang’ nach dem Trauerflor, und dem leich’umhüllenden Tuch hin, + Und erwog im Gemüth: wie mächtig der Todte noch gestern + Gegen ihn stand, der heut’, erstarrt, all’ irdischer Hoheit, + Kraft, und Streitlust bar, dort unter der finsteren Hülle + Ruhete! Dann begann er für sich mit rührendem Laut so: + „Ottgar, lebtest du noch, und herrschtest im Frieden, der Rachgier + Wüthenden Sturm in der Brust besänftigend; heiteren Blickes + Würdest du seh’n: nie haßt’ ich dich, und im redlichen Busen + Strebte dieß Herz, voll Liebe, dem deinen entgegen zu schlagen! + Ruhe denn jetzt im Schooß des Allerbarmers auf immer!“ + Sagt’ es, und hieß die Leich’ auf dem trauerumhülleten Wagen + Fort nach dem Schottenkloster hinab mit Würde geleiten, + Wo sie ruhe, bis ihr, nach der Seelenmess’ und dem Bußpsalm + Werd’ ein Grab mit dem ehrenden Stein, an heiliger Stätte. + Doch wer drängt sich hier, voll Ungestümm, vor aus den Scharen? + Lobkowitz kam, erblaßt von der Wunde zugleich, und dem Herzleid + Ob des erschlagenen Königs und Freunds, in Eile herüber, + Führend an zitternder Hand das holdaufblühende Söhnlein + Ottgars, Wenzeslav, der einsam in Drösing zurückblieb. + Ach, er harrete dort des Vaters, in fröhlicher Unschuld; + Aber nicht kehrt’ er ihm mehr, und, verwais’t in der zartesten Jugend, + Mißt er die kräftige Hand, die ihn leitete, seines Erzeugers! + Großes beschloß alsbald der treffliche Greis, und, dem Kaiser + Jetzo genaht, vordrängt’ er das Kind, und sprach in das Ohr ihm: + „Geh’, und umfass’ ihm die Knie’ mit festgeschlungenen Armen, + Daß er dein sich erbarme mit Huld, und die Leiche des Vaters + Frei gewähre zum Trost den Unglücklichen, die er zurückließ; + Dir zum Ruhm, wenn einst auf vaterländischem Boden + Du ihm erhöhst das ehrende Maal, und zur Zierde dem Land dort, + Deß gewaltiger Held, und erhabenster Fürst er gewesen! + Fasse nur Herz: nicht hartgesinnt erweis’t sich der Kaiser + Dir: als Vater das dunkle Geschick der Kinder bedenkend.“ + Ottgars blühender Sohn gehorcht’ ihm: er stürzte zu Rudolphs + Füßen; umfaßt’ ihm die Knie’, und rief erschütternden Lautes: + „Mildgesinnt, so sprachen sie all’, ist der mächtige Kaiser, + Dem ich hier auf den Knie’n, und mit thränenerfülleten Augen + Rufe: erbarme dich mein, des Verwaiseten; lasse des Vaters + Leich’ uns frei, der dir erlag in der schrecklichen Feldschlacht! + Hast ja auch Kinder, und sie erfreu’n sich des liebenden Vaters + Noch, der, machtbegabt, sie schirmt, und zu Ehren erhebet. + Aber, o, mich Unglücklichen: denn des Vaters beraubet, + Welcher so hold mir war, vermiss’ ich die mächtige Hand jetzt, + Die mich hatte geführt auf des Lebens unsicheren Pfaden! + Dennoch wird sein Grab im vaterländischen Boden, + Der sein theures Gebein bedeckt, und der redende Denkstein + Mir erfüllen die Brust mit Trost, und mit Stärke sie waffnen; + Stillen den Schmerz der Mutter um ihn, und erheben des Volkes + Sinkenden Muth, das stets, in Treu’ ergeben, ihm anhing.“ + Doch der erhabene Kaiser schwieg, mit sinnenden Blicken + Ueber den Jüngling gebeugt, und das Volk dort weinete ringsum. + „Höre des Sohnes Fleh’n,“ begann jetzt Lobkowitz finster, + „Himmelan hebt sich dein Ruhm: nicht bedarf er des ehrenden Denksteins + Hier, der, rühmend, von Ottgars Grab verkünde der Nachwelt, + Welchen Gegner du einst im Felde der Waffen erlegt hast. + Allwärts preis’t dich die Welt großmüthig und edel: als solchen + Sollst du auch ihm dich erweisen -- wo nicht? + so täuschte dein Ruf nur: + Denn unziemlicher Haß g’en Ottgar füllet dein Herz noch.“ + Rief’s empört, und übermannt von unbändigem Herzleid. + Alle staunten umher; doch zürnte dem eifernden Alten, + Welcher so edel gesinnt, und zugleich so tapfer im Feld war, + Rudolph nicht. Voll Rührung erhob er nun den Erzeugten + Ottgars, der erneut ihm die Knie’ umschlang, von dem Boden, + Herzt’ ihn vor allem Volk’, und begann mit erheitertem Antlitz: + „Sey getröstet, mein Sohn! Nicht sann ich, vor Trauer verstummend, + Dir ein kostbares Unterpfand zu entreißen: denn alsbald + Geb’ ich es frei. Auch führe zugleich mit dem tapferen Helden, + Lobkowitz, dich der Füllensteiner im Ehrengeleit heim. + Zieh’ dann schnell g’en Prag mit der Leiche des theuern Erzeugers, + Sie zu bestatten mit würdiger Pracht, und zu weihen ein Denkmaal + Ihm, der, herrschend mit Kraft und mit vielumfassender Weisheit, + Rastlos seines unzähligen Volks Gedeihen und Wohlfahrt + Förderte. Doch, nun komm’! Ich will ein Vater dir werden, + Wie ich’s zuvor beschloß im Gemüth’, und im Segen des Himmels + Möge der sprossende Keim noch herrliche Früchte dir bringen.“ + Sagt’ es mit freud’ausstrahlendem Blick’, und als er, gewendet, + Faßte des Rosses Zaum mit der Linken, hinauf in den Sattel + Sich zu schwingen, da both er zugleich dem staunenden Helden, + Lobkowitz, schnell die Rechte zum Gruß mit den freundlichen Worten: + „Kühner, du stand’st mir zwar gar feindlich entgegen, und dennoch + Sagt mir das Herz: wir scheiden noch bald, als Freunde für immer!“ + Jener dankt’ ihm d’rauf mit thränenumflossenen Wimpern, + Schweigend; aber es quillt ein Dank aus den schimmernden Thränen, + Den im schwellenden Strom der Worte die Zunge nicht ausspricht. + Solches gewahrete nun der Kaiser, erfreuet, und schwang sich + Rasch auf das Roß, den Siegeszug in der Burg zu vollenden: + Denn mit jubelndem Ruf fortwogten von neuem die Scharen. + + Jetzt, in dem weitumschlossenen Raum der mächtigen Hofburg, + Wies sich dem Volk’ ein Schaugerüst, der Sichel des Mondes + Aehnlich an Bogengestalt, erhöht, und mit Purpur behangen. + Vierzehn Stufen empor, in stets verengteren Kreisen + Hob sich der herrliche Bau, und zuhöchst, auf dem oberen Feldraum + Stand, hellschimmernd, des Herrschers Thron, an welchem zur Linken, + Und zur Rechten, gar zierlich geschmückt, zwei Stühle von Purpur + Glänzten. In drängender Hast erfüllte sich eilig die Hofburg. + Freudiger Lärm erscholl, als die Rosse, der Reiter entledigt, + Wieherten, heim durch die Menge geführt, und in stattlicher Hoheit + Rudolph nun mit Gefolg zu dem glänzenden Throne hinaufschritt; + Dort sich Ladislav, den König der Ungern, zur Rechten -- + Wenzel, den Sohn des getödteten Horts der Böhmen, zur Linken + Sitzen hieß, und das Volk mit freundlichem Winke begrüßte; + Doch ein schmetternder Laut der Dromete geboth in dem Hofraum + Schweigen, und Stille ward, daß der Hauch des athmenden Busens + Hörbar flog, und umher die Stimme des Kaisers vernehmlich + Tönete, da er die Recht’ erhob, und also zum Volk sprach: + „Seht uns am Ziele, mit Gott! Vollbracht ist die That, und das Opfer, + Das aus dankbarer Brust zu dem Ewigen heute sich aufschwang. + Ach, gar dürftig erscheinet das Wort! Wie sollen wir würdig + Danken dem Heer’, das uns den Sieg errang in der Feldschlacht? + Wie dem erlauchtesten Könige, der als helfender Freund, uns + Einte sein tapferes Volk im allentscheidenden Zeitraum? + Nicht vermöchten wir das! Doch ihn, den König der Ungern + Schließen wir heut’ an Sohnesstatt, wie er selbst es ersehnet,[3] + Freudig an’s Herz, und geloben ihm Schutz und Freundschaft für immer. + Wohl bezeugt uns der Herr: „Wer hat, dem wird noch gegeben!“ + Also auch wir, von Gott mit Kindern gesegnet, erkiesen + Heute der Söhne noch mehr -- denn hört: den theuern Erzeugten + Ottgars einen wir auch, als solchen, in liebender Sorgfalt + Bald mit unserem Blut: ihm Gutha, die Tochter, verlobend, + Die uns die jüngst’ erblüht aus den Töchtern, + voll lieblicher Unschuld!“ + Jetzo drückt’ er zuerst den König, und d’rauf den Erzeugten + Ottgars rasch an die Brust, und unendlich jauchzte das Volk auf. + Aber der König erhob sich vom Stuhl’, und sagte voll Feuer: + „O, gesegnet für immer der Tag, der, freundlichen Anblicks, + Dich als Bundesgenossen mir wies! Der brausenden Jugend + Jahr’ umgaukelten mich noch jüngst im verwirrenden Schimmer; + Aber du kamst: wohl nenn’ ich dich „Vater“ mit Recht, und ich fühle + Mich urplötzlich zum Manne gereift -- dein würdig, als Sohn jetzt! + Lange lebe, beglückt, der edelste Kaiser der Deutschen!“ + Sprach’s mit jubelndem Ruf’, und umher ertönte des Volkes + Freudengeschrei, wie Donnersturm, wie stürzender Wasser + Lautes Rauschen: „Er lebe beglückt! Hoch lebe der Kaiser!“ + So, daß jegliche Brust Entzücken ergriff, und der Thränen + Stürmische Fluth in das Aug’ urschnell aufjagte vom Herzen. + Aber es winkte der Kaiser erneut: der eh’rnen Drometen + Ernstem Schall verstummte das Volk, und er sagte, bewegt, noch: + „Hört! Wir scheiden von euch nun bald, und auf lange. Gebiethend + Ruft uns Deutschlands Wohl nach den rheinischen Gau’n, und wir folgen + Freudig dem Ruf, da uns hier zu weilen hinfort nicht vergönnt ist. + Doch nicht bleibe darum dieß Land nach unserer Abfahrt + Hauptlos. Wichtiges reift im dunkeln Schooße der Zukunft + Ihm, und Hohes erringt es. Inmitten gewaltiger Länder, + Hebt Haus-Oestreich hier, aus seinem unscheinbaren Umkreis + Eiserngegründet, sich auf; gewährt dann jenen die Herrscher; + Flicht in den Kranz nie welkender Macht die herrlichsten Kronen, + Die bald König’ ihm biethen, und führt vielfältig durch Sitte, + Sprach’, und Stamm gesonderte Völker zu dauernder Einung. + Also, gerüstet mit Kraft, soll’s einst im Sturme der Zeiten + Fest wie ein Leuchtthurm steh’n, der rettend, Gefahrenbedrängten + Von dem Felsen die Flamme weis’t auf dem nächtlichen Irrpfad. + Albrecht komme heran. Ihm, unserem theuern Erzeugten, + Deß’ erhabener Sinn und Weisheit euch allen bekannt ist, + Wollen wir Oestreich hier zu Lehen ertheilen. Als Herzog + Werd’ ihm der Thron, und in seinem Geschlecht + fortdaure die Herrschaft, + Endlos, segenbeglückt zum Wohl unzähliger Völker.“ + Ha, und er dachte, bewegt, des Alp’bewohnenden Klausners! + + Doch schon ritt aus dem hallenden Thor der Erzeugte des Kaisers, + Albrecht, stattlich heran. Sein Roß, der tönenden Hauptzier -- + Also des Zaums und Geschirrs von blinkendem Silber sich freuend, + Beugte stolz das Haupt an die Brust. Doch herrlich geschmückt war + Er mit dem Fürstenhut’ und dem Purpurmantel: ihn deckte + Glänzender Hermelin; auch hielt er den goldenen Zepter + Fest in der Rechten erhöht. Durch Schrift und Siegel ertheilte + Friedrich der Erste, von Hohenstauff, der mächtig als Kaiser + Ragte vor andern hervor, das Recht dem Herzog von Oestreich, + Also zu Pferd, und so herrlich geschmückt das Leh’n zu empfangen.[4] + Siehe, vor ihm trug Lichtenstein das Banner von Oestreich, + Deß’ ruhmwürdiger Schild, mit dem schneeigen Streif in dem Blutfeld + Schimmerte, rasch einher; doch Albrecht hielt an des Thrones + Stufen, und beugte sich; d’rauf begann der erhabene Kaiser: + „Albrecht, euch beschwören wir jetzt im Nahmen des einen, + Wahren, und ewigen Gott’s, zu bekennen: ob ihr, als Herzog + Oestreichs, herrschen wollet nach Recht und Gerechtigkeit; ob ihr + Schirmen wollet die heilige Lehr’ und den Glauben der Väter, + Und euch widmen dem Wohl des Landes mit Leib und mit Leben, + Das ihr heute zu Lehen empfaht aus unserer Vollmacht?“ + Jener rief: „Ich will!“ und alsbald winkte der Kaiser + Lichtenstein, daß er ihm darreichte die Fahn’, und begann so: + „Nun auch schwört es zu Gott, und im Beiseyn eueres Volkes, + Eilig das Banner zugleich, und den goldenen Zepter erhebend + Hoch g’en Himmel empor.“ Und jener entgegnete muthig: + „Ja, ich schwör’ es zu Gott!“ und erhob den goldenen Zepter + Dann mit dem Banner zugleich in die Luft. Der Kaiser entstürzte + Jetzo dem Purpurpfühl’, und flog in die Arme des Sohnes, + Der, sich schwingend vom Zelter herab, ihm entgegen geeilt war. + Lange hielt er den Sohn umfaßt, und sagte mit Rührung: + „Gottes Segen mit dir, und mit deinem Geschlechte! Der Nachwelt + Stell’ ich es freudig anheim, was heut’ allhier sich begeben. + Möge sie noch an der Zeiten entferntestem Ziele, des Glückes + Herrlichster Fülle froh, laut Habsburg segnen und Oestreich!“ + + Siehe, da rief umher die Menge dem neuen Beherrscher, + Jauchzend, ihr „Lebehoch!“ Doch sah nach dem Kaiser so mancher, + Innig betrübt, noch hin, der erst von Trennen und Scheiden + Sprach, und auf immer vielleicht den liebenden Herzen entrückt wird. + D’rauf hieß er die Fürsten bei sich willkommen, und sagte: + „Kommt zum erquickenden Mahl’, und ruht in der friedlichen Burg hier, + Heiteren Sinn’s, jetzt aus von des Kriegs unzähligen Sorgen! + Aber verzeiht: ich eile zuvor nach der düsteren Kammer, + Wo die Gattinn mir starb, und nach ihr sich, in Trauergewanden, + Sehnen die Kinder vereint; ich gehe, die Lieben zu trösten.“ + Und er entzog sich den Blicken der lautaufjubelnden Scharen: + Thränenden Blicks, aufschreitend allein zur Wohnung der Trauer. + + + + + Nachtrag + + zu dem + + Heldengedichte Rudolph von Habsburg. + + +Die Marchfelder Schlacht. Jahr 1278. + +Die merkwürdige Schlacht auf dem Marchfeld zwischen Rudolph I. von +Habsburg, Kaiser der Deutschen, und Przemisl Ottokar II., König von +Böhmen, in welcher letzterer besiegt fiel, und jener seinen Nachkommen +Oestreichs Herrscherthron erkämpfte, geschah am 24. August des Jahres +1278. Schon zwei Jahre vorher standen sich, eben daselbst, die beiden +Fürsten feindlich entgegen. Ottokar, durch früheren Ehebund mit der +babenbergischen Margareth, der Herrscher geworden von Oestreich und +Steyermark, und, durch Kauf, von Kärnthen und Krain, ließ sich endlich +herbei, diesen Provinzen, als anheimgefallenen Reichslehen, zu entsagen; +worauf er, auf der Donau-Insel Kamberg, im Angesicht beider Heere, dem +Kaiser (19. November 1276) knieend gehuldigt, und dieser, angeblich, +durch Herabrollen der Zeltvorhänge, diese Handlung offenkundig gemacht +haben soll. Dem heimkehrenden König setzte seine ehrgeizige Gemahlin, +Kunegunde, durch Schmähungen so lange zu, bis er dem Kaiser neuerdings +den Kampf auf Tod und Leben both. Schon am 27. Juni brach er von Prag zu +seinem Heer’ auf, das sich vor Brünn versammelt hatte, verlor aber auf +seinem Kriegszug in Oestreich, durch die Belagerung des befestigten +Städtchens Drosendorf, den entscheidenden Augenblick, und setzte dadurch +den Kaiser in den Stand, Hülfsvölker zu sammeln, um welchen es sonst +durch schnelles Vordringen geschehen gewesen wäre. Auf Rudolphs Seite +standen nebst den Schweizern und Elsassern, die ihm sein Sohn Albrecht +zuführte, der Pfalzgraf Ludwig, sein Tochtermann; der Burggraf Friedrich +von Nürnberg; der Markgraf Heinrich von Hochberg: zu welchen noch die +Grafen von Henneberg, und Fürstenberg stießen. Dann: Meinhard Graf von +Tyrol; Graf Albert von Görz; Friedrich, und Albert, die Grafen von +Ortenburg, und Ulrich von Heunburg mit den Tyrolern, Kärnthnern und +Krainern; Pfannberg, und zugleich die Herren von Pettau, Lichtenstein, +und Colo von Seldenhofen, mit den Steyrern. Auch die Bischöfe von +Salzburg und Basel führten ihm Krieger zu, deren ersterem er in der +Schlacht die Leitung der Oestreicher und Steyrer übergab. Endlich +erschien auch der König Ladislav IV., an welchen er den tapferen +tyrolischen Hauptmann, Hugo von Tauffers, abgeschickt hatte, mit mehr +denn zwanzigtausend kumanischen und ungrischen Reisigen, als sein +Verbündeter, auf dem Schlachtfeld. An Ottokars Völker, die Böhmen, und +die Mährer unter Milota’s Leitung, reiheten sich: Bayern, welche der +Herzog Heinrich; Sachsen, welche Pfeil, der Markgraf von Magdeburg, und +Meißner und Thüringer, welche der Markgraf Dietrich anführte. Die +Reussen sandte K. Leo, und die Polen und Schlesier K. Kasimir heran. +Auch einige östreichische Ritter, unter diesen die beiden Brüder +Heinrich und Leopold Kunring, ergriffen seine Parthei, so, daß er dem +Kaiser an der Zahl der Krieger weit überlegen war. Das Feld, auf welchem +gestritten ward, erstreckte sich von Marcheck über den Weidenbach, dann +weiter von Stillfried über Dürnkrut bis gegen Idungspeugen, hinauf, und +der Kampf endete wahrscheinlich, wie weiter unten erhellet, nahe vor dem +Städtchen Laa. Rudolph setzte mit seinem Heere bei Hainburg über die +Donau, seine Vereinigung mit dem König der Ungern zu bewirken, und dem +Feind in den Rücken zu kommen, und lagerte sich vor Marcheck. Die +Kumanier hatten bereits aus dem Hinterhalt die herumstreifenden Feinde +angefallen, ihnen über 100 Mann getödtet, und nachdem sie ihnen die +Köpfe abgehauen, sandten sie selbe dem Kaiser als Geschenk entgegen, der +sich mit Schauder davon wegwendete, und sie begraben ließ. Am 23. August +rückte er g’en Stillfried vor, und beschloß die Schlacht auf den +folgenden Tag, der mit dem Feste des heil. Bartholomäus auf einen +Freitag fiel, an welchem er öfters glücklich gekämpft hatte.[A] Der Tag +brach an: die Kaiserlichen standen in fünf Heerhaufen, den sechsen der +Böhmen, entgegen. Noch kurz vor dem Kampfe schlug der Kaiser, nebst +anderen, auch hundert Zürcher zu Rittern. In seinem Heer herrschte mehr +froher Muth, als in jenem Ottokars, da vor Tagesanbruch die Meißner und +Thüringer aus dem Lager heimlich abzogen, und er zuvor im Zelt, mit +erregtem Mißtrauen, die Feldherrn aufforderte: „sie sollten ihm, wenn +sie Verrath an ihm sännen, lieber jetzt die Brust durchbohren, ehe +Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden.“ Das unbändige +Pferd eines salzburgischen Reiters, Heinrich Schörlin, rannte, wie toll, +auf die Böhmen los, und ward so zum Zeichen des früheren Angriffs. +Ottokar brachte mit den schwergeharnischten Reitern die Oestreicher und +Steyrer zum Weichen, nachdem der Führer der letzteren, Pfannberg, +verwundet vom Pferde gefallen war. Als der Kaiser die wankende Schlacht +sah, da warf er sich aus dem Sattel im Staub auf die Knie’, und bethete +laut zum Himmel, verheißend durch ein Gelübde, so er den Sieg gewänne, +ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu stiften; worauf seine Scharen +ermuthigt vordrangen. Doch schlug sich Herbot von Füllenstein, ein +polnischer Ritter, durch große Verheißungen Ottokars bewogen, bis zu ihm +durch, erstach ihm das Pferd unter dem Leib, und brachte ihn in die +größte Gefahr, wenn nicht er selber, zu Fuß ankämpfend, ihn mit dem +Speer von dem Sattel herabgerissen, und der herbeieilende tapfere Ritter +Ulrich Capellen ihm ein Pferd gebothen hätte. Den gefangenen Ritter +Herbot hieß der Kaiser schonen, seine Wunden verbinden, und warf sich +dann, wie ein erzürnter Löwe, neuerdings auf die Feinde. Auf dem rechten +Flügel, wo Hochberg stritt, erhob sich das Geschrei, „die Feinde +fliehen!“ und bald verbreitete es sich durch alle Reihen Rudolphs. +Ottokar wankte einen Augenblick, hieß aber Milota aus dem Nachhalt +vorgeh’n; und als dieser, langgenährter Rache fröhnend, mit den Mährern +und einigen böhmischen Herren, die er gewann, eben jetzt von dem +Schlachtfeld abzog, stürzte er sich in den letzten mörderischen Kampf, +und fiel auch hier, als ein Opfer der Rache, durch die Hand der beiden +Ritter von Meerenberg, mit dreizehn Wunden, ehe der Befehl des Kaisers, +der sein Leben zu schonen geboth, erfüllt werden konnte. Worauf Flucht +und Verwirrung der Böhmen. Der Kaiser ließ zum Rückzug blasen, allein +die Kumanier verfolgten sie, bis die sinkende Nacht dem Würgen ein Ende +machte. Die Schlacht währte nur fünf Stunden, und es sollen auf Ottokars +Seite über 14,000 gefallen seyn. Rudolph hieß seine Leiche sogleich +aufsuchen, nach dem Städtchen Laa, und noch in der Nacht nach Wien +bringen, wo sie anfangs in dem Schotten-Kloster beigesetzt, und dann in +der Kirche der Barfüßer-Mönche öffentlich zur Schau ausgestellt blieb. +Allein, auf die in das Lager gelangte Bitte der Böhmen, stellte er sie +ihnen wieder zu; worauf sie über Znaim nach Prag abgeführt, und in dem, +von ihm erbauten Franciskaner-Kloster königlich zur Erde bestattet ward. +Rudolph hielt in Wien, unter unendlichem Jubel des Volkes, seinen +feierlichen Einzug, und erfüllte bald darauf sein Gelübde, indem er zu +Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes ein adeliges Frauenkloster erbauen +ließ. + + [Fussnote A: Bei _+Arenpeck Chron. Austr. ad Annum+ 1278 heißt es_: + +Conveniunt ambo Reges cum exercitibus suis in campis Austriae trans + Danubium apud Weidenbach feria sexta ante Bartholomaei etc.+ Viele + andere wollen, daß die Schlacht sich am 26. August ereignet habe.] + + + + + Anmerkungen + + zu + + Rudolph von Habsburg. + + +Erster Gesang. + +[1] Vers 9. + +_Drahomira_ war die Gemahlinn Vratislavs, Herzogs von Böhmen, der die +Heidinn in der Hoffnung, daß sie sich zum Christenthume bekehren würde, +im Jahr 907 ehlichte. Sie gebar ihm zwei Söhne, Wenzel und Boleslav, und +als er im Jahr 916 starb, und seine Mutter, die heil. Ludmilla, die +vormundschaftliche Regierung übernehmen wollte, stand sie in der +berufenen Ständeversammlung zu Prag dagegen auf, zog sich mit ihrem +jüngeren Sohn, Boleslav, auf das feste Schloß Wischehrad zurück, und +wüthete beinahe durch vier Jahre, mit Beihülfe des heidnischen +Stadtrichters Palhog, gegen die Christen mit Feuer und Schwert. Darauf +ließ sie die Kirche zu Bunzlau zerstören, und endlich auch ihre +Schwiegermutter auf dem Schlosse Tetin hinrichten. Wenzel, obgleich nur +ein Jüngling, kam hierauf nach Prag, berief die Stände im Jahr 921, und +entsetzte sie der Regierung. Doch ruhte die unmenschliche Mutter nicht, +bis ihr jüngerer Sohn den älteren im Jahr 938 auf ihr Anstiften durch +Brudermord auf die Seite schaffte. Nach der Sage soll sie auf dem +Hradschin die Erde lebendig verschlungen haben. S. +_Cosmas Pragensis_ +L. I. _Hist._ -- _Pulkawa Hist. Boh._ C. 13. _Dubrav. Hist. Boh._ L. 5. +_Sylvius_, _Hagek_ etc.+ + +[2] Vers 68. + +_Margareth_, die Tochter des babenbergischen Leopold des Glorreichen, +Herzogs von Oestreich, war die Wittwe Kaisers Heinrich VII., und bereits +an Jahren vorgerückt, als Ottokar, wohl nur in der Absicht, mit ihrer +Hand Oestreich und die Steyermark zu erlangen, sie im Jahr 1252 +heirathete, aber schon im Jahr 1261 sich von ihr, wegen beschuldigter +Unfruchtbarkeit, wieder scheiden ließ. Sie starb zu Krems im Jahr 1267 +im Kloster, und zwar, wie Einige behaupten, durch Gift, mit welchem sie +Ottokar aus der Welt geschafft haben soll. Doch hat Hanthaler +_Fast. +Campilil._ T. I. P. II. Dec. VII. §. I. C. XXXIV.+ diese Behauptung +widerlegt. Sie liegt in dem Kloster Lilienfeld, das ihr Vater stiftete, +ihm zur Linken, vor dem Hochaltar, begraben. + +[3] Vers 117. + +_Durnkrut._ Siehe den merkwürdigen Aufsatz „Die Entscheidungsschlacht im +Marchfelde zwischen Rudolph und Ottokar 1278“ im Archiv für Geographie, +Historie &c. Nr. 1 und 2 des J. 1814. Der vortreffliche +Geschichtschreiber, Chorherr Kurz, sagt in seinem +Oestreich unter +Ottokar und Albrecht I.+: „In Rücksicht des Schlachtfeldes stimmen die +Berichte nicht ganz überein, welches wohl nicht anders möglich ist, da +zwei Heere nothwendig eine große Strecke einnehmen, und während einer so +entscheidenden Schlacht an mehreren Orten gestritten wird. Daß an dem +Marchfluß gekämpft ward, in welchem viele Böhmen den Tod fanden, +bestätigen alle Chroniken. Der Bezirk von _Stillfried_ bis +_Idungspeugen_ hinauf, war der eigentliche Kampfplatz, _Chrutterfeld_, +das ebenfalls genannt wird, liegt in der Mitte. Die Schlacht muß sich +von Stillfried gegen den _Weidenbach_ und bis _Marcheck_ ausgedehnt +haben, da Rudolph in seinem Stiftsbrief sagt: „Gott habe ihn nicht fern +der Kirche von Marcheck aus Todesgefahr errettet“. +In loco ab ecclesia +eadem non longe distante nos quasi in angustiis mortis positos liberavit +ab hostibus: et prostratis eisdem liberavit gloria triumphali.+ ++_Bodmann_ cap. I. p. 100.+ Wahrscheinlich deutet er auf die Gefahr, die +ihm drohte, als ihm das Pferd unter dem Leib’ erstochen ward. +_Calles_ +T. II.+ p. 552-562 hat alle hierher gehörigen Stellen gesammelt“. + +[4] Vers 284. + +Siehe über dieses Gespräch Hornecks Reim-Chronik, Cap. 132-136 + +[5] Vers 351. + +_Rüdiger Waldram_ nennt _Fugger_, in seinem _Ehrenspiegel des Erzhauses +Oestreich_, den Bürgermeister Wiens, der an Rudolph mit dem König der +Böhmen einverstanden, heimlichen Verrath sann. Bei andern +Schriftstellern heißt er Paltram Vazo. Der Sänger Rudolphs fand jenen +wohlklingender zu seinem Zwecke (S. auch +Wolf. Lazius Chron. Vienn. +Lib. IV.+ und +Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.+) + +[6] Vers 360. + +Die Erzählung von der Huldigung Ottokars auf der Donau-Insel _Kamberg_, +wo er, nachdem die täuschenden Zeltvorhänge gefallen waren, auf den +Knieen vor dem Kaiser liegend, den beiden, durch die Donau geschiedenen +Heeren gewiesen ward, ist von vielen gründlichen Geschichtsforschern als +unstatthaft verworfen worden. + +[7] Vers 375. + +In einem der anmuthigsten Gebirgsthäler Unter-Oestreichs, am Fuße der +Alpen, und an dem Ufer des Traisenflusses, liegt das Cisterzienser-Stift +_Lilienfeld_, von dem babenbergischen Leopold VII., oder Glorreichen, im +Jahr 1202 gestiftet, dem der Sänger Rudolphs durch acht und zwanzig +Jahre angehörte, und demselben in den letzten sieben Jahren als Abt, +k. k. Rath und niederöstreichischer Landesstand, vorgesetzt war. + +[8] Vers 397. + +_Masovien_ (Masuren), eine Landschaft in Polen, welche an Preußen, an +Groß- und Klein-Polen und an Lithauen gränzte, früher durch eigene +Herzoge regiert, und unter König Sigismund I. mit Polen vereiniget ward. +Ihre vornehmsten Städte waren Warschau und Plozk. (Hartknoch +de Republ. +Pol. L. I. c. 10.+) + +[9] Vers 403. + +_Königsberg_, die zweite Residenzstadt Preußens an der Pregel, von mehr +als 60,000 Einwohnern, und einer Universität, die in der neueren Zeit +durch Kant berühmt geworden ist, soll Ottokar im Jahr 1254 gegründet +haben. + +[10] Vers 421. + +Daß Rudolph in seinem sieben und dreißigsten Jahre an den Hof Ottokars, +der übrigens als ein großer Feldherr jungen Fürsten allerdings zum +Muster dienen könnte, berufen, und zu seinem Hofmarschalk ernannt worden +sey, daß er dann mit ihm die, bei dem Einfall der Tartaren wieder +heidnisch gewordenen, Preußen bekämpfte, im Jahr 1260 einem Kriegszug +gegen die Ungern beigewohnt, und wegen ausgezeichneter Heldenthaten von +ihm den Ritterschlag erhalten habe, sind Erzählungen aus seinem Leben, +deren Wahrheit hie und da bestritten worden ist. + +[11] Vers 484. + +_Tabor_. Ein an dem linken Ufer der Donau, Wien gegenüber liegendes +Dorf. + + +Zweiter Gesang. + +[1] Vers 28. + +Die Veste _Mödling_, deren Ruinen über dem Städtchen gleiches Nahmens, +nicht fern von Wien, in dem Brühler Thal zu sehen sind, war das +Eigenthum mehrerer Fürsten eines Zweigs des babenbergischen +Herrscherstammes, die sich Herzoge von Modeling nannten, und das zuletzt +auch Gertrud, die Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling, und Bruders +Friedrichs des Streitbaren, zu ihrem Antheil erhielt, nachdem ihr Gatte, +Herman, Markgraf von Baden, gestorben war. + +[2] Vers 35. + +In einem eng umschlossenen Thal’, am Fuße des Tannberges, welches der +Sattelbach durckfließt, stiftete Leopold der Heilige im Jahr 1135 das +Cisterzienser-Kloster Heiligen-Kreuz, welches nebst andern merkwürdigen +Grabmäälern im Kreuzgang auch jenes von Friedrich dem Streitbaren, +letzten Sprossen des babenbergischen Stammes, zur Schau stellt. + +[3] Vers 91. + +Ueber _Jacob Müllers_, des Zürcher Kriegers, _lustige Mähre_ siehe ++_Alb. Argent. Cap._ 18+ und _Fuggers Spiegel der Ehren des Erzhauses +Oestreich_. Nürnberg, 1668, erstes Buch 7. Cap. S. 66. + +[4] Vers 110. + +Der _Traisen_-Fluß in Unteröstreich, der bei Traisenmauer in die Donau +fällt, entspringt hinter der Lilienfelder Alpenkette aus dem sogenannten +Traisenberg, und ergießt sich in zwei Bächen, wovon der eine hinter +Tirnitz aus der Süd- und der andere hinter Hohenberg aus der Nordseite +des Berges hervordringt, so, daß beide erst oberhalb Lilienfeld sich +wieder vereinigen, und die eigentliche Traisen bilden. Wechselweise wird +der eine, und der andere Arm die _unechte Traisen_ genannt, je nachdem +der Bewohner des einen und des andern Bezirks Kunde darüber geben soll. + +[5] Vers 115. + +_Lilienfeld_, das Cisterzienserkloster in Unteröstreich, welches am Fuße +der Alpen, in einem der reizendsten Thäler, nicht weit von der, auf der +Hauptstraße nach Wien liegenden Stadt St. Pölten entfernt liegt, wurde +durch den babenbergischen Leopold den Glorreichen, Herzog von Oestreich, +im Jahr 1202 gestiftet, erhielt, wie schon weiter oben im Gedichte +gesagt wird, die ersten Mitglieder aus dem Kloster Heiligen-Kreuz, und +besteht nun schon 640 Jahre. In dieses Kloster trat der Dichter Rudolphs +von Habsburg, in seinem zwanzigsten Lebensjahre, im Jahre 1792, und +hatte ihm gegen 28 Jahre lang angehört, nach welchen er zu höhern +Stellen berufen ward; es ist ihm daher wohl zu guten zu halten, daß er +es zu einem der Schauplätze seines Gedichtes gewählt, und mit besonderer +Liebe und Ortskenntniß beschrieben hat. + +[6] Vers 171. + +Ob Rudolph vor, oder während der Schlacht das Gelübde gemacht habe: so +er den Sieg gewänne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu erbauen, +ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht völlig erweisbar. So viel ist +gewiß, daß er, nach jenem erhaltenen Sieg über seinen Gegner, das +adelige Frauenkloster zu Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes erbaut, und +auch seine, und seiner Gemahlinn aus Stein gehauene Statuen dahin +geschenkt habe, die leider zur Zeit der Aufhebung desselben, auf eine +unverantwortliche Weise, vernichtet worden sind! + +[7] Vers 176. + +Die hier bezeichneten Fürsten sind: Albrecht I., Friedrich der Schöne, +Maximilian I., Carl V., Maria Theresia, Joseph II., Leopold II., +Franz I. + +[8] Vers 320. + +Nach Fugger geschah diese Handlung zu Mainz, als Kaiser Rudolph das +Reich bereisete, im Jahr 1273. (_Siehe Spiegel der Ehren_. S. 84.) + +[9] Vers 372. + +_Wiener-Neustadt_ -- erhielt den Titel der _Allzeit Getreuen_ schon von +Herzog Friedrich dem Streitbaren, wie es aus einer ihr im Jahr 1242 +ertheilten Privilegien-Urkunde erhellet. Kaiser Leopold I. schenkte ihr +im J. 1708 eine Fahne mit der Aufschrift: +Semper fidelis civitas +Neostadiensis -- pro Caesare et Religione+ -- wie solches nebst andern +historisch merkwürdigen Seltenheiten in dem Rathhaus-Archive daselbst zu +ersehen ist. + +[10] Vers 410. + +Ein Meisterwerk der gothischen Baukunst, das alle Fremden durch seinen +majestätischen Umfang in Erstaunen setzte, das sogenannte Dormitorium, +oder Schlafhaus zu Lilienfeld, welches ursprünglich den Klosterbrüdern +zur gemeinschaftlichen Wohn- und Schlafstätte diente, als noch, außer +dem Chorgebeth, das Ausräuten und Urbarmachen der Wildniß umher ihr +hauptsächliches Geschäft war, ging durch den großen Brand (13. September +1810) völlig zu Grunde, so daß keine Spur mehr von seiner Herrlichkeit +übrig blieb. + +[11] Vers 478. + +Der _Lasingfall_, in den Lilienfelder Gebirgen, ist seit dem Jahr 1815, +wo ihn der Verfasser des gegenwärtigen Gedichts, als damaliger +Stiftsvorsteher, zugänglich, und dadurch erst bekannt machte, der +Gegenstand der Aufmerksamkeit der Reisenden, die ihn jährlich in großer +Anzahl besuchen. Seine Schönheit übertrifft jede Vorstellung. Die +Felsenschlucht, durch welche sich die Lasing herabstürzt, hat drei +Hauptabsätze, die nach Wiener Maß: + + a = 107 Fuß + b = 40 „ 8” + c = 123 „ 2” + ------------- + 270 ’ 10” + +senkrechte Höhe, und + + a = 145 Fuß 2” + b = 126 „ 7” + c = 123 „ 4” + ------------- + 395 ’ 1” + +horizontale Länge des Wasserfalls bewirken. Auch das Felsenthal am Fuß +des Oetschers, durch welches sie sich ergießt, gewährt einen +ergreifenden Anblick. + + +Dritter Gesang. + +[1] Vers 3. + +_Marbod_, +Marobodus+, wie ihn Tacitus nennt, König der Marcomannen, +eines schwäbischen Stammes (Mark-Mannen, Hüther der Gränze, oder wie +Andere wollen: _Marich_-Mannen, Roßtummler, von dem alten deutschen Wort +_Marich_, Stute, Mähre, +equa+), lebte gleichzeitig mit Herman dem +Cherusker. Entschlossen, sich in einer entfernteren Stellung den Römern +furchtbar zu machen, sammelte er ein Heer von mehr denn siebenzig +tausend Mann, zog immer weiter an der Donau herab, und nachdem er den +_Catualda_ (Gothwald oder Katwald), einen Anführer der Gothen, aus dem +Lande der Bojen, dem heutigen Böhmen, verjagt hatte, gründete er dort +den Sitz eines neuen Reichs, das sich von der äußersten Spitze der +Ostmark, und der Gränze Pannoniens, bis an das Riesengebirge hin +erstreckte. _Inguiomar_ (wahrscheinlich Hinkmar), der Ohm Hermans, der +zu ihm flüchtete, verwickelte ihn in einen heftigen Streit mit seinem +gewaltigen Neffen, und als nach einer unentschiedenen blutigen +Feldschlacht seine Krieger auf Hermans Seite traten, und Catuald mit +Hülfe römischer Scharen seine Burg erstürmte, faßte er den Entschluß, +sich in Roms Schutz zu begeben. Er wurde nach Ravenna verwiesen, wo er +nach einem zwei und zwanzigjährigen Aufenthalt sein Leben -- das er, wie +Tacitus sagt, zu sehr liebte, in unrühmlicher Abgeschiedenheit endete. +Catuald hatte ein gleiches Schicksal, denn er wurde von den Römern nach +Frejus in Frankreich verwiesen. + +[2] Vers 16. + +Das Schloß _Hainburg_ mit dem Städtchen gleiches Nahmens, an der Gränze +Ungerns in Unter-Oestreich, soll, der Sage nach, von Attila, dem König +der Heunen, wie die Deutschen der Vorzeit die Hunnen nannten, erbaut +worden sein: daher Heunenburg, _Heunburg_, geheißen haben. Was hier von +dem Umfang, und der Lage des markomannischen Reichs unter Marbod, und +weiter unten Vers 25 von der durch ihn gekämpften Schlacht auf dem +Marchfeld gesagt wird, gründet sich, nicht mit historischer Gewißheit, +sondern in poetisch genommener scheinbarer Möglichkeit, auf folgende +Stellen aus dem Werke: +Hist. opus in IV. T. divisum, quorum T. I. Germ. +ant. illust. continet. Basileae 1574 ed. Tencterus+. + ++Sub Martungis erant Curiones, inde Chetuari, et Parmecampi, ubi hodie +pars est Austriae Cis-Danubianae juxta _Krembs, Znaem et Niclaspurg_. +Inde habitabant Marcomanni; hodie regio illa Moravia est, quae se ad +Sudinos extendebat, et Danubium usque, ubi hodie civitas est +_Prespurgium_. -- Gessit haec gens maxima bella cum Romanis etc. etc. +_Bilibaldi Birkheimeri Locor. per German. explicatio pag. 209._+ + +Ferner: +Nariscos Marcomannos et Quados haud dubie ea loca tenuisse +putamus, ubi nunc agunt Moravi, _Merherlandt_. De Marcomannis nemo +dubitare potest, qui Vellejum legerit. _Henr. Clareani in P. C. Taciti +de Mor. Germ. comment._ p. 188.+ + +Und endlich: +Marcomanni sedes habuerunt in ea parte, quae spectat ortum +versus Moraviam et Austriam. Enituit autem virtus Marcomannorum in +multis asperrimis bellis, in quibus patriam adversus Romanos fortissime +defenderunt etc. _Philip. Melanchtonis Vocabula Regionum et Gent. quae +recens. in libello Taciti de mor. Germ._ p. 193.+ + +Daß aber Rudolph aus Marbods Stamm entsprossen seyn soll (siehe unten V. +48) gründet sich in besagtem Sinn auf folgende Stelle: + ++Andreas Alciatus in suis annotationibus in Tacitum, etiam in Helvetiis +consedisse Marcomannos quadosque putat. Exstat enim, inquit, adhuc in +eis Vallis _Marcomanna_ nomine.+ + ++_Andreae Althameri Scholia in Cornel. Tacit. de Germ._ pag. 61+ +desselben Werks. + +[3] Vers 23. + +_Marobudum_ hieß die Residenzstadt Marbods, des Königs der Marcomannen, +die er sich in dem vormahligen Bojenheim erbaute, und die an der Stelle, +wo jetzt Prag -- nach Andern -- wo jezt Budweis, gestanden haben soll. + +[4] Vers 106. + +Das Wapen der Grafen von Habsburg enthielt im goldenen Felde einen +rothen Löwen mit einer blauen Krone auf dem Haupt. + +[5] Vers 107. + +Das böhmische Wapen zeigt einen weißen gekrönten Löwen im rothen Feld. +Kaiser Friedrich I. ertheilte selbes, nach dem Mailänder Krieg, +Uladislav II. im Jahr 1159. + +[6] Vers 108. + +Kaiser Friedrich II. erhob Wien im Jahr 1237 zu einer freien +Reichsstadt, ertheilte ihr den doppelten Adler zum Wapen, und stiftete +eine hohe Schule daselbst. S. _Lazius_. Auch diesem wird widersprochen. + +[7] Vers 295. + +Der schmale Donau-Arm, der, unterhalb Nußdorf von dem Hauptstrom +geschieden, die Stadt Wien von der Leopoldstadt trennet, und hiermit ein +großes Eyland bildet, auf welchem nebst besagter Vorstadt, auch die +anmuthigsten Spaziergänge in der Brigittenau, dem Augarten und dem +berühmten Prater sich befinden. + +[8] Vers 308. + +_Amtner_, dieses im Verlaufe des Gedichtes einigemal vorkommende Wort, +bezeichnet (wie Schaff-ner, Zöll-ner u. s. w. geformt) ganz entsprechend +die französische Benennung _Offizier_; wo sodann _Offizier-Corps_, durch +_Amtnergilde_ gegeben werden könnte. + +[9] Vers 350. + +Die Kumanier (ein sarmatisches Volk), die aus ihrem Land, welches +zwischen den Alpen und der Donau, gegen die Tartarei zu, lag, von den +hinterhalb wohnenden Tartaren gedrängt, unter Bela IV. Jahr 1239 nach +Ungern kamen, und von diesem eine große Strecke Lands zwischen der Donau +und der Theyß eingeräumt erhielten, vereinigten sich dann mit den bald +nachfolgenden Tataren, über Ungern die schrecklichste Verwüstung zu +bringen, weßwegen sie dem Unger, der sie in seiner Sprache Kun nennt, +auch nachdem jene schon abgezogen waren, noch lange verhaßt blieben. +(+Bonfinii Decad. II. Lib. 8.+) + +[10] Vers 358. + +Dschengis Khan brachte durch die Gründung seines großen Reichs in Asien +auch die europäische Tartarei, welche die Halbinsel Krimm, Beßarabien +und das Land zwischen dem Dniester und Dnepr in sich faßte, in Bewegung. +Seine Horden drängten die vor ihnen liegenden Kumanier, und als diese, +unter ihrem König Kuthen, sich nach Ungern zurück zogen, folgten sie +ihnen dahin nach, und verwüsteten unter ihren beiden Anführern, Vathos, +der über Reußen, Polen und Mähren, und Kadan, der aus der Moldau +hereinbrach, beinahe durch zwei Jahre das Land mit Feuer und Schwert. + +[11] Vers 517. + +Rudolphs Zug nach dem Gelobten-Lande; auch daß er Hofmarschalk König +Ottokars gewesen (siehe weiter unten Vers 602) gehört unter die +bestrittenen Ereignisse seines Lebens. + +[12] Vers 581. + +_Ueber das Faustrecht_ siehe Dr. Gerhards Abhandlung. Jena 1711. + +[13] Vers 595. + +_Fugger_ erzählt: „Auf dem Reichstag zu Nürnberg Jahr 1274 ist +beschlossen worden, daß forthin alle Reichsabschiede, Freiheitsbriefe, +Befehle, Verträge, letzte Willen, und dergleichen öffentliche Urkunden, +nicht mehr wie zuvor, in lateinischer, sondern in deutscher Sprache +sollten ausgefertigt werden, damit also die Ungelehrten, die das Latein +nicht verständen, nicht ungefährt bleiben, und die bürgerlichen +Geschäfte in mehrere Richtigkeit kommen möchten. Wiewohl es noch bei dem +damaligen Unform der Sprache (!!) mit der deutschen Rednerei etwas hart +herginge, so wäre doch diese löbliche Sorgfalt K. Rudolph ein guter +Anfang, und eine kräftige Anreizung zur Ausübung unserer Muttersprache +gewesen.“ (_Siehe Ehrenspiegel_ S. 87.) + + +Vierter Gesang. + +[1] Vers 58. + +_Lug_, _Lueg_ im Oberdeutschen eine Warte, +Specula+, welche demnach dem +französischen +Loge+ entspricht. Siehe Theuerd. Cap. 47. + +[2] Vers 131. + +Alles, was hier, und weiter unten von Turnier und Turniergebräuchen +gesagt wird, mag in _Rüxners Turnierbuche_; in +_Du Cange dissertations +sur l’histoire de St. Louis_+, und in +_Menestrier_ (Claude Franç.) +_Traité des Tournois_, _Joustes_ etc. Lyon 1669. IV.+ seine Belege +finden. + +[3] Vers 428. + +_Zawiß von Rosenberg_, der Geliebte, und nachher Gemahl der Wittwe +Ottokars, Kunegunde, übte, während der Minderjährigkeit Wenzels, +Herrschergewalt über Böhmen aus. Dieser, nach ihrem Tod König geworden, +trug ihm tiefen Haß im Herzen, welchem zu entgehen, und sich zugleich an +dem feindseligen Herrscher zu rächen, Zawiß, durch eine Heirath mit der +Base des Ungernkönigs Ladislav, sich gegen ihn zu verbinden suchte. +-- Doch, in dem Augenblick der Abfahrt ward er zu Prag durch List +festgenommen, und nach mehr als Jahresfrist im Kerker zu Budweis +enthauptet. + + +Fünfter Gesang. + +[1] Vers 131. + +Die Schlacht von Kressenbrunn (Kroissenbrunn) im Marchfeld, in welcher +Ottokar über Bela IV. König der Ungern, einen entscheidenden Sieg davon +trug, ereignete sich im J. 1260. Siehe die höchst anziehende +Beschreibung derselben in _Hornecks Reim-Chronik_ vom 58. bis 64. Cap. + +[2] Vers 153. + +Nach jenem Sieg von Kroissenbrunn über die Ungern, zog Ottokar mit +seinen Scharen, wie im Triumph, durch Kärnthen und Krain. Als die Böhmen +an der Gränze von Italien die Steinwände von Canale ersahen, fragten sie +den König: „ob Rom nahe sey? denn sie hätten öfters von ihren Vorfahren +sagen gehört, daß sie durch eine solche Felsenpforte auf die Straße nach +Rom gekommen seyen.“ Ottokar antwortete ihnen, „Böhm’ und Pole sollen +sich einst hier wie zu Hause finden, denn, so er noch einige Zeit lebte, +würde sich seine Gewalt noch viel weiter erstrecken.“ _Horneck +Reim-Chronik_ Cap. 90. + +[3] Vers 162. + +_Arpad_, der erste Anführer der Ungern (Magyaren), die, kommend von den +Ufern des Tanais her, im neunten Jahrhundert Pannonien in Besitz nahmen, +stand seinem Volk (nach +Anonym. Belae Not. 52. Cap.+) beiläufig von 889 +bis 907 vor, und war der Stammvater einer Reihe von Königen, unter +welchen der heil. Stephan zuerst, im J. 1000, diesen Titel annahm, bis +mit Andreas III. im J. 1301 sein Stamm ausstarb. Erst Ferdinand I. hat +dieses Reich auf immer mit Oestreich vereinigt, obschon dasselbe vor ihm +zwei Fürsten seines Hauses, Albert II., und Ladislaus Posthumus, +besaßen. + +[4] Vers 358. + +Das Schicksal beider fürstlichen Jünglinge, Konradins von Schwaben (Sohn +Konrads IV.) und Friedrichs von Oestreich (Sohn Markgraf Hermans von +Baden, und Gertrud, Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling) die im Jahr +1268 zu Neapel durch das Bluturtheil Carls von Anjou hingerichtet +wurden, ist bekannt. Horneck beschuldigt Ottokarn an mehr denn einer +Stelle, daß er, als Mitwerber um Oestreich und Steyermark, ihren Tod +befördert habe. _S. Reim-Chronik_ Cap. 164. + +[5] Vers 361. + +Gertrud, die Mutter Friedrichs von Oestreich, ließ Ottokar, nachdem er +Steyermark in seine Gewalt bekam, aus allen ihren Besitzungen, zuletzt +auch aus Judenburg und Feistritz, durch den grausam gesinnten Propst von +Brünn, vertreiben. Zur Nachtzeit, im Regen und Sturm, mußte sie die +Reise antreten. Sie begab sich nach Meißen. (_Horneck Reim-Chronik_ Cap. +55 und 56.) + +[6] Vers 364. + +Ueber Margarethens, der verstoßenen Gemahlinn Ottokars, Schicksale, +siehe _oben Anmerkungen zum ersten Gesange [2] zum Vers_ 68. + +[7] Vers 365. + +Otto, Herrn von und zu Meißau, den Stolz des östreichischen Adels, hatte +Ottokar, wegen geargwohnter Anhänglichkeit für den Sohn der +babenbergischen Gertrud, im Schloß Eichhorn festsetzen, und dort Jahr +1265 im Hungerthurm verbrennen lassen. (+Chron. Austral. Neob. et Leob. +apud. Hieron. Pez T. I.+) + +[8] Vers 366. + +Der scheelsüchtige Ritter Friedrich von Pettau hatte Ottokars +argwöhnisches Gemüth gegen einige seiner Mitstände in der Steyermark +aufgeregt, der dann mehrere von ihnen, als: Ulrich von Lichtenstein, +Hartneid von Wildon, Wülfing von Stubenberg, und Heinrich und Bernhard +von Pfannberg, auf verschiedene Vesten gefangen setzen, und sie aus +diesen nach einer zweijährigen Haft nicht eher entließ, bis sie ihm ihre +Burgen ausgeliefert hatten. _Horneck_ Cap. 85 und 86. + +[9] Vers 372. + +Seyfried von Merenberg, der steyrische Ritter, versäumte dem König +Ottokar, auf seinem Siegszug an der Drau mit den übrigen Herrn entgegen +zu kommen, und fiel durch Einflüsterung eines bösen Menschen bei ihm in +Verdacht. Er ließ ihn in der Folge heimlich greifen, und gebunden nach +Prag abführen. Als er vielfältig gemartert, Gott zum Zeugen seiner +Unschuld rief, und dem, nach Geständnissen einer Verschwörung in +Kärnthen und Krain gierigen König, keine Lüge für Wahrheit geben wollte, +wurde er durch ein Pferd zum Galgen geschleift, und dort, das Haupt zu +den Füßen gebunden, aufgehenkt. Noch in der zweiten Nacht lebt’ er in +diesem qualvollen Zustand, bis ihm endlich einer der böhmischen Szupane +die Scheitel mit einem Kolben einschlug, weil er, auf wiederholte +Aufforderungen, schon halbtodt, aber standhaft, der Wahrheit getreu +gewesen zu seyn betheuerte. (_Horneck_ Cap. 99.) + +[10] Vers 378. + +Ottokar ließ den Bruder Milota’s, Beneß, Kämmerer von Mähren, dessen +Tochter er geschändet haben soll, zugleich mit Otto von Meißau im Jahr +1265 in dem Hungerthurm zu Eichhorn verbrennen. Milota’s Haß gegen +Ottokar, und der Verrath, den er in der Marchfelder Schlacht 1278 an ihm +beging, soll dadurch veranlaßt worden seyn. (Siehe _Hanthalers_ +Fast. +Campil. Lib. I. Dec. VII. §. 26.+ S. 1017 und _Fuggers Ehrenspiegel_ &c. +S. 104.) + + +Sechster Gesang. + +[1] Vers 96. + +_Odin_, der Gott der Götter, nach der nordischen Mythologie. (Siehe +_Ryerups Wörterbuch der scandinavischen Mythologie von Sander_, +Copenhagen 1817.) + +[2] Vers 516. + +Die Gemahlinn Rudolphs, Anna, verschied zu Wien am 23. Hornung des Jahrs +1281, von wo ihre Leiche nach Basel abgeführt, und in der Domkirche +beigesetzt worden ist. + +[3] Vers 538. + +Daß sowohl Ottokar, als auch Rudolph schon zu ihrer Zeit eine Art +Pontonsbrücke über Flüsse zu schlagen verstanden, erhellet aus _Hornecks +Reim-Chronik_ Cap. 92., wo es heißt: + + Chostleichen hiez er machen + Von Holczwerich ein Prukken + Dew waz von manigen stuckchen + Chluegleichen gevalten. + +und dann + + Bey der Tunawstaden + Do sich das Her vol gelait, + Do waz dew Prukken berait + Vber die Tunaw weit; + Die Prukken muesten alle Zeit + Wohl hundert Wegen tragen, + Wo des Kunigs Helfer lagen, + Da ward nach gesannt &c. &c. + +In diesem 92. Capitel ist von der Einnahme des Preßburger Schlosses im +letzten Krieg Ottokars gegen Ungern die Rede. + + +Siebenter Gesang. + +[1] Vers 25. + +Ueber Hainburg, und ihre vermeintliche Erbauung durch Attila, siehe oben +_Anmerkungen zum dritten Gesang_[2] Vers 16. + +[2] Vers 110. + +Die Sage von der Burgfrau, welche grausam eitlen Sinnes das Blut der +Kinder vergoß, zeigt auf die Ruinen des Schlosses * * *, an dem rechten +Waag-Ufer, nicht fern von Trentschin, welches sie bewohnt hat. + +[3] Vers 244. + +Die Waffe, eine Art kurzer Streitkolben, von welcher hier die Rede ist +nennt der Unger +Buzogány+, wo der Buchstabe +z+ wie beim italienischen ++zero+ ausgesprochen wird; das +y+ verliert sich aber im Druck der Zunge +an den Gaumen. + +[4] Vers 309. + +Die _Zips_ (Zipß), lat. +Scepusium+, eine Gespannschaft in Ober-Ungern +am Fuße der höchsten Karpathen gelegen, und wohl eines der höchsten +bewohnten Gebirgsthäler der östreichischen Monarchie, aus welchem nach +allen Welttheilen bedeutende Flüsse sich ergießen: g’en Westen die Waag; +g’en Süden die Hernath; g’en Osten die Tarza; g’en Norden die Poprad, +die in dem angränzenden Polen, mit der Dunajez vereint, in die +Weichsel fällt. Diese Gespannschaft zeichnet intellectuelle und +landwirthschaftliche Cultur vor mancher andern Ungerns aus, so, daß viel +Wohlstand sowohl in den zwei königlichen Städten Leutschau und Käßmark, +als auch in den XVI. Städten, unter den munteren und fleißigen Bewohnern +zu sehen ist. Der Verfasser gegenwärtigen Gedichts trennte sich schwer +von diesem Ländchen, worinn ihm 1819 und 1820 eine ehrenvolle Bestimmung +geworden war. + +[5] Vers 312. + +Ueber Katwald und _Inguiomar_ siehe oben die _Anmerkungen zum dritten +Gesange_ [1] Vers 3. + +[6] Vers 474. + +Daß die Könige von Ungern, zur Zeit _Hornecks_ wenigstens, in der +Schlacht nicht selber mitfochten, sondern von einer Anhöhe nur Zeugen +derselben waren, erhellet aus Cap. 153, wo von der Marchfelder Schlacht +die Rede ist: + + Kunig Ladißla den jungen + Sy furten von Streit dan + Auf den Perikch ob dem Plan + Da er wol hört und sach + Alles daz, daz da geschach + Auf dem Veld prait. + Ez ist der Vnger Gewonhait + Vnd jehent auch offenbar: + Ir Kunig sey jn zu achpar + Darezu, daz er schull streiten &c. &c. + +Auch sagt _Haselbach_ +Chron. Austr. Lib. III. ap. Hier. Pez. T. II. +Ladislao+, juvene Ungariae, cuncta de monte prospectante; nam Ungarorum +mos habet, ut Rex propria persona bellum intrare non debeat. + +[7] Vers 536. + +Die Sitte, des Gegners Heer zum Kampf herauszufordern, und sogar von +beiden Seiten dazu Tag und Ort zu bestimmen, war den alten Deutschen +gemein. Ein Beispiel davon findet man auch bei _Horneck_ Cap. 60, wo +Ottokar den König Bela durch Otto von Meißau zum Kampf auffordert, und +bald darauf auch Bela den Gegnern sagen läßt, sie sollen sich auf eine +bestimmte Strecke zurückziehen, damit die Ungern über die March setzen, +sich aufstellen, und die Schlacht liefern mögen. + +[8] Vers 550. + +Sowohl bei Horneck, als auch bei den spätern Geschichtschreibern, wird +Schörlins und seines unbändigen Rosses erwähnt, welches das erste +Zeichen zur Marchfelder Schlacht gegeben habe. + + +Achter Gesang. + +[1] Vers 31. + +In der Jägersprache heißt das Bluten des verwundeten Wildes: das +_Schweißen_; daher die Benennung einer Gattung der Jagdhunde. + +[2] Vers 55. + +_Tyr_, nach der nordischen Mythologie, der Sohn Odins, des höchsten der +Götter, und ein Beschützer der muthigen Krieger, soll die einzige +Gottheit der scythischen Völker gewesen seyn, die ohne Zweifel unter +einem andern Nahmen bei ihnen in Verehrung stand. Bei seinem Scheiden +von der Erde soll er sein Schwert in die Erde vergraben haben, welches +erst später Attila auffand. + +[3] Vers 386. + +Vor der Schlacht sollen Einige aus dem östreichischen Heere den König +Ottokar, aus alter Anhänglichkeit, schriftlich vor Untreue der Seinigen +gewarnt haben; da nun auch die Meißner und Thüringer heimlich aus dem +Lager abzogen, so habe er sich wehrlos in die Mitte seiner Feldherrn +gestellt, und sie aufgefordert, ihm die Brust zu durchbohren, ehe noch +viele Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden. (Siehe +_Hanthaler_ +Fast. Camp. T. I. Pars II. Dec. VIII. §. 80.+ +Arenpeckii +Chron. Austr. ad An. 1278+.) + +[4] Vers 428. + +Heinrich I. der _Städte-Erbauer_, hat ungefähr im J. 930 die Stadt, und +das Schloß Meißen an der Elbe erbaut, und ihr von dem Flüßchen, das sie +eben dort aufnimmt, und Meiße heißt, den Nahmen gegeben. + +[5] Vers 459. + +Constanzia, Tochter des babenbergischen Leopold des _Glorreichen_, war +die Gemahlinn Markgrafs Heinrich von Meißen, des Sieghaften, die ihm die +beiden Söhne Dietrich und Albrecht gebar. Einen von diesen beiden +verlangten die Stände von Oestreich, nach dem Erlöschen des +babenbergischen Stammes, und der kurzen Regierung Hermanns von Baden, zu +ihrem Herrscher, und fertigten von Tuln, wo sie ihre Versammlung +hielten, Gesandte nach Meißen ab, die hernach der König von Böhmen +unterwegs aufgehalten, von der Fortsetzung der Reise abgebracht, und +sich durch Hindeutung auf eine Heirath mit der verwittweten Herrscherinn +Margareth den Weg zur Erwerbung von Oestreich und der Steyermark +eröffnet hat. + +[6] Vers 473. + +Daß die Meißner und Thüringer vor der Schlacht heimlich aus dem Lager +Ottokars abgezogen seyen, ist geschichtlich. (S. oben _Anmerkung_ [3] +zum 386 Vers.) Die Ursache dieses Abzugs ist unbekannt. + + +Neunter Gesang. + +[1] Vers 71. + +Die Krieger, gewöhnlich leichte Reiterei, die vor einem feindlichen +Heere daherzieh’n, heißen in der bestehenden Kriegssprache: ++Eclaireurs+. + +[2] Vers 436. + +_Venezia_. Ueber die merkwürdige Eroberung Constantinopels im Jahr 1202 +(also 76 Jahre vor der Marchfelder Schlacht) durch vorzügliche +Mitwirkung des 90jährigen Greises, Heinrich Dandolo, Doge von Venedig, +siehe Raumers Geschichte der Hohenstaufen III. B. und Daru’s Histoire de +Venise I. Der Sänger Rudolphs von Habsburg wollte hier, jener herrlichen +Stadt, der einstigen Königinn des adriatischen Meeres, deren Andenken +ihm auf immer theuer bleiben wird, dankbar erwähnen. + +[3] Vers 600. + +_Al-rune_. _Runen, Runenschrift_, ein den alten Germanen und +Scandinaviern eigenes Alphabet, nach welchem im nördlichen Deutschland +noch einige Denksteine beschrieben gefunden werden. Wahrscheinlich +hatten sie selbes von den Phönikern erhalten, und was sich davon hie und +da auf verwittertem Gestein vorfand, diente in späterer Zeit zu manchen +vorgeblich zauberischen Künsten, das Schicksal der Menschen von den +Nornen, den Schicksalsgöttinnen, zu erfragen. Diese drei schönen +Jungfrauen, heben sich stets aus Mimers Brunn, der himmlischen Quelle, +herauf bei welcher die Götter Rath halten, und ihre Urtheile offenbaren, +und heißen: Urda, Werandi, Skulda: _Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft_. +(_Ryerups scandinav. Mythol._ &c.) + + +Zehnter Gesang. + +[1] Vers 35. + +_Rheinau_, +Augia major+, ein kleines Städtchen zwischen Schaffhausen +und Eglisau, wo eine Brücke über den Rhein führt. Dort befand sich +vormals ein reiches Benedictiner-Stift, das Funtan der Heilige, aus dem +königlichen Geblüt Schottlands, erbaut haben soll, da er aus höherer +Eingebung einen Platz dazu suchen mußte, wo der Rhein _nach Osten_ +fließt, und solcher an dieser Stelle allein gefunden wird. +Stumpf. +Schw. Chron. p. 360.+ + +[2] Vers 84. + +_Hartmann_, der jüngste der Söhne Rudolphs, ertrank, mit noch andern +dreizehn Jünglingen, adeligen Geschlechts, am 20. Dezember des Jahrs +1280, im achtzehnten seines Alters, als er mit selben den Rhein +hinabfuhr, und das Schiff bei Rheinau von dem Grundeis umgestürzt wurde. +-- Seine Leiche ward nach Basel geführt, und im dortigen Münster +begraben. + +[3] Vers 138. + +_Woldan_ hieß ein Raubritt, den öfters der oberste Anführer eines im +Krieg begriffenen Volks, mit einer Schar Freiwilliger, in dem Lande des +Feindes, Beute zu holen, unternahm. Bei der Belagerung Peterlingens +forderte Rudolph sein Volk zu einem solchen Woldan auf; er streifte bis +gen Lausanne, und es heißt da; + + Si namen da so viel + Daz Ich fürwar sagen wil, + Daz in langer Zeit + Nahent, noch weit, + Nie wart geritten noch gethan + Ain so schedleicher Woldan. + + (Horneck R. Chr. C. 319.) + +[4] Vers 140. + +_Iwan von Günß_ (Sohn des Grafen Heinrich) empörte sich erst gegen +seinen eigenen König, fiel dann, häufig plündernd, auch in Oestreich und +Steyermark ein, und verübte unzählige Grausamkeiten. Im Jahr 1286 schlug +er den gegen ihn gesandten Abt von Admont; später auch Herman von +Landenberg, der sich ihm mit seinen östreichischen und steyerischen +Kriegern ergeben mußte. Herzog Albrecht, von Truppen entblößt, verschloß +sich in Neustadt, und ging sogar den Vertrag von Hainburg ein, vermöge +welchem die Gefangenen ausgewechselt, und in einem Krieg mit Ungern sie +sich beide gegenseitige Hülfe leisten sollten. Iwan setzte seine +Verheerungen in Oestreich bald wieder fort, bis endlich im Jahr 1280 ihn +Albrecht mit starker Macht bekriegte, ihm Oedenburg nebst vielen andern +Vesten, Burgen und Märkten abnahm, und ihn endlich, nach einer +hartnäckigen Belagerung, in Günß bezwang. Ueber diese Belagerung siehe +_Horneck R. Chron._ von Cap. 312 bis 315. + +[5] Vers 228. + +Ueber dieses historische Faktum siehe Fugger _Ehrenspiegel_ S. 75. Cap. +VIII. + +[6] Vers 236. + +_Antwerk_ war ein Wurfgeschütz, aus welchem Steine von bedeutender +Schwere, ja auch zuweilen Schwefelfeuer nach den Erkern, und auf die +Häuser der Veste geworfen wurden. (Ueber diese und die folgenden +Kriegswerkzeuge des Mittelalters, siehe: _Schachts vortreffliches Werk +über Hornecks Reim-Chronik_, Mainz 1821, S. 388.) + +[7] Vers 238. + +_Katzen_ nannte man die mit Erde gedeckten Werke, welche inwendig mit +Stoßbäumen versehen, nach Ausfüllung der Gräben, bis an die Mauern +vorgeschoben wurden, und gegen welche man sich durch Minen, und +Geschosse von den Mauern herab, zu wehren suchte. S. oben. + +[8] Vers 245. + +_Ebenhoch_ hießen eine Art Thürme, die, wahrscheinlich auf Rädern, an +die Mauern geschoben, verschiedene Geschosse in die Veste zu schleudern, +dienten. Ihr Nahme zeigt, daß sie hoch genug waren, um das Innere der +ummauerten Städte und Vesten übersehen zu können. S. oben. + +[9] Vers 297. + +Dem Verfasser der berühmten _Reim-Chronik_, die zuerst von dem gelehrten +Benediktiner von Melk, _Hieronymus Pez_, im Jahre 1745 zum Druck +befördert ward, hat Lazius +Comment. Geneal. p. Auster.+ 233 außer dem +Nahmen _Ottakcher_ (Ottokar), den er sich selber R. Chr. Cap. 177 +beilegt, unbekannt aus welcher Quelle, auch den von _Horneck_, +aufgefunden. Er lebte unter _Rudolphs_ I. und _Albrechts_ I. Zeiten; war +in Steyermark geboren; hatte den berühmten Meistersänger Kunrad von +Rotenberg, der vorher an Manfreds Hofe lebte, zum Lehrmeister; stand, +man weiß nicht, in welcher Eigenschaft, im Gefolge Ulrich und Otto +Lichtensteins; wohnte der Marchfelder Schlacht 1278 bei, und starb erst +nach dem Jahr 1309, da er noch von dem Aufruhr einiger aus dem Adel, und +der Wiener Bürger, gegen _Friedrich den Schönen_ spricht, und damit sein +Werk beschließt. Die _Reim-Chronik Hornecks_, die mit dem Tode +_Friedrichs_ II. röm. Kaisers beginnt, und um das Jahr 1309 der +Regierung _Friedrich des Schönen_ endet, enthält über 83,000 kurze +gereimte Verse in 830 Capiteln. + +Ein anderes noch ungedrucktes Werk Hornecks: _Von den Monarchen und +Kaisern der Welt bis auf Friedrich II. röm. Kaiser_, in ähnlichen Versen +verfaßt, ist im Besitze der k. k. Hofbibliothek zu Wien. (Siehe die +Vorerinnerungen des Hieronymus Pez zu Hornecks Reim-Chronik in seinem +Werke: +Scriptores rerum Austriacarum III.+ Band; und obiges treffliche +Werk: _Aus- und über Ottokars von Horneck Reim-Chronik_, von Th. +Schacht, Mainz 1821.) + +[10] Vers 305. + +Ulrich von Lichtenstein, aus der steyerischen Linie der Lichtensteine -- +ein trefflicher Ritter und Minnesänger zugleich, der die beiden +merkwürdigen Gedichte: _Frauendienst_, und: _Ytwitz oder der Frauen +Puech_, verfaßte, mag kurz vor der Marchfelder Entscheidungsschlacht +gestorben seyn. Das erstere Werk enthält ein prächtiger Codex in +München, und wurde herausgegeben durch Ludwig Tieck. Stuttgart und +Tübingen in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung 1812. Das zweite befindet +sich in der Ambraser Sammlung zu Wien, Bl. 220-225 noch ungedruckt. (S. +die Beschreibung Primißers -- Seite 279.) + + +Eilfter Gesang. + +[1] Vers 38. + +_Siehe oben Anmerkungen_ zum _dritten Gesang_ [8] Vers 308. + +[2] Vers 73. + +Was hier von den Vorbereitungen zur Schlacht, als: von der Feier des +Abendmahls im Lager; von der Beicht’ und Communion, und weiter unten: +von dem Mustern der Gurt’ und Steigbügel; von den Aufträgen, welche die +Ritter im Fall, daß sie dem Feinde erlägen, an ihre Daheimgebliebenen +den Knappen ertheilen; von dem Zusammenhalten der Freunde in der +Schlacht u. s. w. gesagt wird, ist durchaus der damaligen Rittersitte +gemäß, und in Hornecks _Reim-Chronik_ Cap. 147, 329, 330 und 530 +begründet. + +[3] Vers 135. + +Die ausgezeichnetsten Ritter wetteiferten um den Vorzug, das +Hauptbanner, oder die Sturmfahn, dem Herrscher selber in der Schlacht +vorzutragen. Horneck _Reim-Chronik_ C. 148. + +[4] Vers 181. + +Ueber die Sitte, sich gegenseitig die Schlacht anzukündigen, und dazu +Tag und Stunde zu bestimmen, siehe oben _Anmerkung zum siebenten +Gesange_ Vers 536. [[Anm. 7.7.]] + +[5] Vers 184. + +Im Jahr 1289 überzog Kaiser Rudolph den Herzog von Burgund mit Krieg, +eroberte Mömpelgard, und zwang ihn zum Frieden. Vor der Schlacht sandte +er einen Bothen mit der Frage an ihn: „ob er zum Streiten bereit sey?“ +und der Herzog ließ ihm sagen: „er seye darum hergekommen.“ (Siehe +_Horneck Reim-Chronik_ C. 329.) + +[6] Vers 211. + +Den Ritterschlag auf Schild und Schwert ertheilte Rudolph also vor der +Schlacht: S. _Horneck_ R. Chr. C. 149. + +[7] Vers 542. + +In den Gebirgsthälern Tirols, Steyermarks und Oestreichs, ist das +sogenannte _Scheibenschießen_ eine beliebte und mitunter nützliche +Unterhaltung des Volks. _Zu Hauptschießen_ werden von nahe und ferne die +Schützen geladen: das _Kreisschießen_ ist das gewöhnliche an Sonn- und +Festtagen; das _Beste_, ist der Preis dessen der den besten Schuß +gethan. + + +Zwölfter Gesang. + +[1] Vers 54. + +Ueber diesen Klaggesang Hornecks siehe dessen _Reim-Chronik_ Cap. 163 +und 164. Hier nur Einiges aus demselben: + + Sieh Welt aller Untrew Chron, + Daz ist auch ainer deiner Lon! + -- -- -- -- -- -- + Auf der Erden lag er par + Sein eigen Pluts naz. + Wo waren die Matraß, + Und die gulter Seydein, + Darauf er sollt gelegen sein? + Wo waren die ihn sollten chlagen? + Von Mannen und von Magen, (Anverwandte) + Pelieb er Trostes frey. + Wo waren Erzt und Erzeney, + Damit man seine Wunden + Solt han gepunden? + -- -- -- -- -- + Er hat so viel Guts, + Wer er gewesen des Muts, + Daz er tegleich wolt + Von edlem Gestain und Gold + Haben tragen Kleider an, + Daz hiet er wol getan. + Dez liez er ihm so gar zerrinnen + Daz man im muest gewinnen + Ain Graz, daß man ihn mit pedackt, + So gar pelieb er nakht. + -- -- -- -- -- -- + Ungetrev Welt, die spielt + Du von im so gar, + Daz aus dainer Schar + Im Niempt volgt nach. + -- -- -- -- -- -- + Sieh Welt daz ist dein Sold. + We im! der dir ist hold + Und We im den du trewtest. + Mit dem Mund du im pewtest + Honig an dem Anwang, + Und hechst als ein Gift-Slang + An dem End -- -- + -- -- -- -- -- -- + Wer nicht will Gottes Haz + Und seinen Zorn leiden, + Der muß die Welt vermeiden. + Dann die Werich, die sy geert + Die sind vor Gott unwert. + Dez vermaid nit der wakcher + Von Pehaim Kunig Ottakher: + Wann er vollfurt mit Gelust + Der Welt Achust, (unordl. Begierden und Laster.) + Und rang hier also ser + Nach der zergenklichen Er, + Daz er sich dez nicht liez befillen + Damit er nach irm Willen + Möcht gewerben, und geleben, + Daz sol im Gott vergeben! + +[2] Vers 209. + +Die Stephanskirche, nachdem sie vorher zweimal abgebrannt war, hat +Ottokar beinahe in derselben Gestalt, wie sie noch heut’ zu Tage zu +sehen ist, während er über Oestreich herrschte, hergestellt. + +[3] Vers 347. + +Daß Rudolph den König Ladislav adoptirt habe, meldet auch Fugger I. Buch +12. Cap. S. 101. + +[4] Vers 401. + +Die Belehnung Albrechts mit Oestreich, Steyer, Krain, der Windischmark +und Portenau geschah eigentlich zu Augsburg während des Reichstags +daselbst im Jahr 1282, wo, im sogenannten _Frohnhof_, ein kaiserlicher +Thron, umgeben von den Churfürsten und Fürstensöhnen, zu sehen war, und +die Feierlichkeit nach denen, von Friedrich I., Heinrich IV. Friedrich +II. ertheilten Privilegien geschah. + + + * * * * * + * * * * + * * * * * + + +Druckfehler: + +Rechtschreibeformen in -lll- (_allletzter_, _hellleuchtend_) sind +ungeändert. + + 1. Gesang + Des Friedens erwähnst du? [ererwähnst] + „daß es also gescheh’n wird!“ [_“ aus 1827 Auflage ergänzt_] + + 2. Gesang + Manches Helden Gebein’, auch Friedrichs ... [Fiedrichs] + stets in deinem Geschlechte noch dauern.“[7] [_“ 1827_] + und waldumsäumtes Gehöftland; [waldumsaumtes] + + 3. Gesang + ein trefflicher Stürmer!“ [_“ 1827_] + + 4. Gesang + und nahten ihm, grüßend mit Ehrfurcht. [grußend] + Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden.“ + [_hier und anderswo fehlt das zweite “_] + hoben den Helm von dem Haupt’, und empfiengen [_ungeändert_] + „Euch entbiethet zuvor [_»,Euch« mit einfaches Anführungszeichen_] + der letzte der Kämpfe gewähret!“ [gewahret] + + 8. Gesang + Heinrich, dem Hort der Baiern [_ungeändert: anderswo »Bayern«_] + Draußen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen näher + [_»naher«; aber vielleicht »nahe« wie in 1827_] + + 9. Gesang + Drüben der Wunderstadt, Venezia,[2] [_[1] statt [2]_] + die Feinde, sie fliehen!“ [_“ 1827_] + die Alrune,[3] [_[4] statt [3]_] + + 10. Gesang + Sie zu vollbringen dereinst. [_“ fehlt hier?_] + Retter zu seyn Unglücklicher!“ [_“ 1827_] + + 11. Gesang + O so sprich: „Treu bis in den Tod ihr weiht’ ich das Leben!“ + [_zweites “ fehlt_] + Nun die Schützen Tyrols [Schützens] + den schwer zu erklimmenden Höhen [erglimmenden] + + + Anmerkungen: + + [Einige Anmerkungen, wie 2.5, 3.8, 9.2, und das Dicht in 12.1, sind + scheinbar nach Pyrkers Tod eingefügt.] + + 1. + Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.) [_) fehlt_] + [_eigentlich Gerard de Roo_] + von dem babenbergischen Leopold VII. [_. fehlt_] + + 2. + gewährt einen ergreifenden Anblick. [_. fehlt_] + + 3. + Uladislav II. [_ungeändert_] + + 5. + noch viel weiter erstrecken.“ [_“ fehlt_] + (Siehe _Hanthalers_ ... [_( fehlt_] + + 6. + Wohl hundert Wegen tragen, [_»hunbert«; 1827 »hundert«_] + + 7. + [8] Vers 550. [_[5] statt [8]_] + + 12. + Privilegien geschah. [_. fehlt_] + + + + + +End of Project Gutenberg's Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. *** + +***** This file should be named 29465-0.txt or 29465-0.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/2/9/4/6/29465/ + +Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Rudolph von Habsburg. + Ein Heldengedicht in zwlf Gesngen. + +Author: Ladislav Pyrker + +Release Date: July 20, 2009 [EBook #29465] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. *** + + + + +Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + + + + +[Dieser Text ist fr Benutzer gedacht, deren Text-Anzeigeprogramm +nicht die volle Unicode (UTF-8) Version anzeigen kann. An- und +Abfhrungsstriche aus dem Original wurden durch Guillemets +ersetzt, und die einfachen Anfhrungsstriche haben die einfachere +'Schreibmaschinenform'. + +Die Schreibeform &c. (usw.) war als Frakturzeichen (nicht in UTF-8 +bzw. Latin-1 erhltbar) gedruckt. Folgende Zeichen sind fr die +verschiedene Schriftformen benutzt: + + _gesperrt_ + +antiqua+ + =fett= + +Druckfehler und Unregelmssigkeiten stehen am Ende des Textes.] + + + + + [Abbildung: + Pyrker. + J. Bucher gez. / Stahlstich v. V. Froer. + Rudolph von Habsburg.] + + + + + Johann Ladislav Pyrker's + + SMMTLICHE WERKE. + + Neue durchaus verbesserte Ausgabe. + + Zweiter Band. + + + Stuttgart und Tbingen. + _J. G. Cotta'scher Verlag._ + 1855. + + + + + Buchdruckerei der J. G. _Cotta_'schen Buchhandlung in Stuttgart + und Augsburg. + + + + + Rudolph von Habsburg. + + Ein Heldengedicht in zwlf Gesngen. + + + + +=Inhalt der zwlf Gesnge.= + + +=Erster Gesang.= + +Eingang. Drahomira entfhrt der Hlle, sich an Ottgar zu rchen. Er +lagert vor Drnkrut. Aufzhlung der bhmischen Vlker. Ottgar im +Kriegsrath mit seinen Feldherrn. Kunegunde, von Drahomira emprt, +erfllt ihn mit unvershnlicher Rachgier. Meinhard von Grz, und +Lichtenstein, die Gesandten Rudolphs, kommen, ihm Frieden zu biethen, +und zugleich, als sie ihn zum Turniere laden, um die Hand seiner Tochter +fr Rudolphs Sohn zu frei'n. Wallstein, Ottgars Liebling, trgt +heimliche Liebe zu ihr. Ottgar entlt die Gesandten mit zweifelhaften +Worten. Beschliet den Kampf. Gesichte der Zukunft. + + +=Zweiter Gesang.= + +Rudolph zieht seinem Sohn Albrecht bis Lilienfeld entgegen. Besteigt die +Alpenhhen, wo ein frommer Klausner ihm seines Hauses knftige Gre +verkndet. Schlgt Mller, den Zrcher, zum Ritter. Sonnenaufgang, und +herrliche Aussicht. Albrecht nah't von Zell heran, und stellt dem +Kehrenden die Schweizer- und die schwbischen Scharen vor. Er zieht mit +ihnen g'en Wien. Hedwig. + + +=Dritter Gesang.= + +Marbod, einst Knig der Markmannen, und ein jetzt dem Kaiser gewogener +Geist, erffnet dem Feldherrn Hugo von Tauffers, in einem Traum, den +Verrath, den Waldram, Brgermeister zu Wien, an dem Kaiser sinnt. +Rudolph kommt mit seinen Scharen heran, und nimmt an der Wien von seiner +Gemahlinn Abschied. Sendet Hugo von Tauffers an den Knig der Ungern, +Ladislav. Ernennt an dessen Stelle seinen Sohn, Hartman, zum +Festungsgebiether, und eilt in das Lager am Tabor. Aufzhlung seiner +Vlker. Hugo von Tauffers im Lager der Kumanier und Ungern. Diese setzen +die March herber. + + +=Vierter Gesang.= + +Morgen. Turnier am Tabor. Von Drahomira erregt, hhnt Wallstein Hartman, +Rudolphs Sohn; kommt unerkannt in schwarzer Rstung Ottgar heran; +widersteht ihrer Einflsterung, den Kaiser zu morden; ersticht Hartmans +Ro; wirft den Fehdehandschuh Rudolph, zum Kampf auf Tod und Leben, hin, +und entflieht im schrecklichen Donnergewitter. + + +=Fnfter Gesang.= + +Ottgar gebiethet in der Nacht dem Heere den Aufbruch, dem er mit +schwachem Geleit folgt. Aus dem Hinterhalt fallen ihn die Kumanier an. +Er schlgt sich mit Wallstein durch. Milota fhrt ihn auf Irrwegen von +dem Heer ab, und qult ihn mit Rckerinnerungen verbter Frevelthaten. +Von Drahomira bethrt, hlt Wallstein um die Hand seiner Tochter an. Er +mihandelt ihn. + + +=Sechster Gesang.= + +Czernin dringt, mit Waldram verstanden, in der Mitternachtsstunde, an +der Spitze einer Schar Bhmen in die Veste Wien ein, als Hartman eben +wegen der schwerkranken Mutter sich nach dem Kahlenberg begab. Ihm, und +den Aufrhrern, setzen sich die Schweizer standhaft entgegen. Der Kaiser +zieht, auf Marbods Wink, mit Hugo von Tauffers vor die Thore. Hartman +sprengt herbei, und tdtet Waldram; worauf die Bhmen sich eilig wieder +ber die Donau zurckzieh'n. Hugo abermals zum Festungsgebiether +ernannt. Tod der Kaiserinn. Todtenfeier und Begrbni. Der Kaiser sendet +Albrecht nach Heunburg, eine Brcke ber die Donau zu erbauen. Hartman +eilt nach dem Rhein fort. + + +=Siebenter Gesang.= + +Der Kaiser setzt mit dem Heere bei Heunburg ber die Donau, und rckt +g'en Marcheck vor. Wallstein, dem Wahnsinn nahe, tdtet einen seiner +Krieger. Der Kaiser entlt ihn schonend. Kaduscha, ein Fhrer der +Kurmanier meldet ihm die Nhe des Knigs, und die Sendung des Geschenks +mit den Kpfen der, im nchtlichen Ueberfall, getdteten Bhmen. Der +Kaiser sendet Schwarzenberg dem Knig entgegen, und heit ihn, jene +begraben zu lassen. Die Geister: Marbod und Inguiomar auf Rudolphs, und +Katwald auf Ottgars Seite. Zusammenkunft Rudolphs mit dem Knig +Ladislav. Ottgar rckt mit dem Heer' an. Der Kaiser stellt seine Vlker +in Schlachtordnung. Marbod treibt Schrlins Ro gegen die Bhmen. Der +Kampf beginnt. Ottgar tdtet in der Vorhuth zwei Trautmansdorfe. +Pfannberg wird verwundet. Die Steyrer weichen. Der Kaiser hlt die +Flchtenden vor Marcheck auf. + + +=Achter Gesang.= + +Nacht. Von Drahomira verleitet, setzt Wallstein, mit kumanischen +Kriegern vereint, ein Stdtchen in Mhren in Brand, und tdtet einige +bhmische Reiter. Kommt zu sich. Eilt in das Lager Rudolphs, und +erbiethet sich, Ottgarn heimlich zu tdten. Der Kaiser heit ihn reuig +zu Jenem zurckkehren. Drahomira drngt ihn umsonst, den schlummernden +Knig zu morden. Er fllt in sein eigenes Schwert. Drahomira fhrt zur +Hlle. Wallsteins Grab. Der Kaiser stellt in der Morgendmmerung sein +Heer in Schlachtordnung. Ottgar, in Gram versunken, sumt. Ernennt +Milota zum Anfhrer des Haupttreffens. Worauf die Meiner und Thringer +von seinem Heer heimlich abziehen; so auch Kunring. Doch Ottgar +gebiethet den Angriff. + + +=Neunter Gesang.= + +Morgen. Der Kaiser verschiebt die Hauptschlacht auf den folgenden Tag. +Sendet Trautmansdorf mit seinen Shnen, es Ottgarn kund zu thun, und ihm +nochmals Frieden zu biethen. Dieser wird von ihm schnde abgefertigt. +Von den feindlichen Reitern gehhnt, kehren fnf seiner Shne, kmpfen, +und fallen. Der Kaiser stellt sein Heer dem anstrmenden Feind, vor des +Lagers Wall, entgegen. Angriff, und hartnckiger Kampf. Milota tdtet +die beiden Fhrer Berchtold und Col von Seldenhofen. Capellen entflammt +die Oestreicher. Die Mhrer weichen. Katwald ermuntert den Herbot von +Fllenstein, da er vor Allen auf den Kaiser eindringe. Meinhard, Graf +von Grz und Tyrol, ringt gegen die Bayern und Sachsen, und erlegt den +Feldherrn Czernin; Heunburg den Markgrafen Pfeil, Feldherrn der Sachsen. +Da dringt Herbot von Fllenstein auf den Kaiser los, und ersticht ihm +das Pferd unter dem Leib. Sechs Trautmansdorfe kmpfen um ihn herum, und +fallen. Der Kaiser reit Herbot mit dem Speere von dem Pferd herunter, +und macht ihn gefangen. Heit dort Albrecht mit den Schweizern +vordringen, hier Matthias von Trentschin mit den Ungern dem Feind' in +die Seite strmen. Lobkowitz ruft Ottgar auf, da er mit ganzer Macht +sich auf den Feind werfe. Er gibt ihm kein Gehr. Auf den Ruf die +Feinde fliehen! weichen seine Vlker, und er fhrt sie bis Drnkrut +zurck. Der Kaiser lagert vor Ebenthal. Nacht. + + +=Zehnter Gesang.= + +Hartman ertrinkt in dem Rhein. Der Kaiser hlt mit seinen Feldherrn erst +Kriegsrath; dann die Abendmahlzeit. Horneck der Snger tritt ein, und +singt die fromme Handlung des Kaisers, als er dem Priester sein Ro +both. Entlt die Feldherrn. Dem Entschlummerten erscheint sein Sohn +Hartman. Ottgars Abschied von Kunegunden. + + +=Eilfter Gesang.= + +Morgen. Schlachtordnung der Bhmen. Der Kaiserlichen. Gottesdienst. +Vorbereitung zur Schlacht. Die Ritter buhlen um die Ehre, die Sturmfahne +zu tragen. Ottgar, von Katwald erregt, nah't mit seinem Heer. Hundert +Zrcher erhalten vom Kaiser den Ritterschlag. Trautmansdorfs letzter +Sohn fllt. Die Kumanier strmen sonder Ordnung. Lobkowitz bringt sie +und die Steyrer, zum Weichen. Verstrkter Angriff. Die Kaiserlichen +allenthalben zurckgedrngt. Der Kaiser steigt vom Pferd, bethet zum +Himmel, und macht ein Gelbde. Ein Unsterblicher strkt ihn, und heit +die Geister entflieh'n. Erneuerter Kampf. Albrecht, sein Sohn, trgt ihm +die Kreuzesfahne vor. Nach schrecklichem Gewrg', wo, mit den Rittern, +die Schweizer und Schwaben entscheidend vordringen, weicht Ottgar auf +den Spannberg zurck. Heit Milota mit dem Nachhalt vorgeh'n. Allein +dieser flieht, ihn hhnend, mit seinen Scharen vom Schlachtfeld. Letzter +mrderischer Kampf. Ottgar von den Merenbergern vom Pferde gestochen. +Sein zerstreutes Heer bis g'en Laa verfolgt. + + +=Zwlfter Gesang.= + +Ottgars Leiche wird in der Nacht auf einen Trauerwagen gehoben. Hornecks +Klaggesang. Des Kaisers Einzug in Wien. Dankgebeth. Der Wagen mit +Ottgars Leiche nah't. Lobkowitz fhrt dessen Sohn Wenzel herbei, da er +um selbe flehe. Der Kaiser entlt sie. Endet seinen Siegeseinzug in die +Burg. Nimmt den Knig Ladislav, und Wenzel an Sohnes statt an, und +verheit diesem seine jngste Tochter Gutha. Belehnt seinen Sohn +Albrecht mit Oestreich, und zieht sich dann in das Trauergemach, wo die +Kaiserinn starb, zurck. + + + + + Erster Gesang. + + + Tn', o Heldengesang, von den schmetternden Kriegesdrometen + Wieder geweckt, von Rudolph nun, dem Kaiser der Deutschen, + Der obsiegend der Macht des Bhmenkniges, Ottgar, + Wahrte die Rechte des Reich's, und, kehrend vom blutigen Schlachtfeld, + Grndete Habsburgs Thron an den Ufern der mchtigen Donau, + Seinem Geschlechte zum Ruhm, und unzhligen Vlkern zum Segen! + + Wer emprte sofort, nach dem jngsterrungenen Frieden, + Wieder die Fehd' und das Grau'n der menschenvertilgenden Feldschlacht? + Ein unseliger Geist, _Drahomira_.[1] Die Herrscherinn Bhmens + War sie, und noch ist ihr Nahme mit Schauder genannt in dem Land dort: + Denn Wratislav, dem christlichen Frsten, vermhlet als Heidinn, + Trug sie den Christen Ha in der schrecklichen Brust, und verfolgte + Sie mit Feuer und Schwert. Sie waffnete selbst den Erzeugten, + Boleslav, da er Wenzel ermorde, den eigenen Bruder, + Weil er dem Heiland getreu, festhielt an dem heiligen Glauben, + Und verbt' auch sonst an dem Volk' entsetzliche Frevel: + Zaubergewaltig, ergeben dem Trug der Hlle -- der Schwarzkunst; + Bis urpltzlich die berstend' Erde zu Prag, am Hradschin, sie, + Lebend, verschlang. Noch jngst ausspie der klaffende Felsen + Dort bald finsteren Rauch, bald bluliche Flammen: denn oft kam + Noch in der Neumondsnacht (so heischt' es die Sag') ihr zu opfern, + Mancher, vom Wege des Heils Verirrter, dahin, und Verdammni + Ward ihm zu Theil. D'rum hie, als frher geweihetes Wasser + Sprengte der Priester umher, und stehende Worte zu Gott rief, + Ottgar fllen den Zauberschlund mit dem lastenden Felsblock + So, da auf immer verhllt die Spur des unseligen Raum's sey. + + Unten im Hllenpfuhl, der auer des kreisenden Weltalls + Grnzen sich noch unendlich erstreckt, erhob Drahomira + Jetzt, verwundert, ihr Haupt, und sprach wuthfunkelnden Blickes: + Ha! wie kommt es, da heut der betubende Rauch, und die Flamme, + Die ich genhrt in dem Schlund', + in welchem ich schrecklichen Tod fand, + Qualmend herab sich wlzt, und keiner der Sterblichen seither, + Opfernd vor ihm, die Schar der Unseligen mehrt in dem Pfuhl hier? + Meister, ist dir's genehm, da ich eile hinauf nach des Erdballs + Fluren, und forsche, wie solches gescheh'n? Bald ffnet Verfhrten + Wieder der Schlund sich weit; ich sende sie, dir zu Gefallen! + Sagt' es, und blickte nach Satan hin, der, riesengestaltet + Sa auf dem glhenden Thron', und die furchtbarn Augen zum Boden + Heftete, so die unendliche Qual des zerrissenen Herzens + Durch emprenden Trotz und erheuchelte Ruhe zu bergen; + Aber umsonst: denn nimmer birgt er das innere Weh' mehr, + Das von der finsteren Stirn' und den zuckenden Wangen sich kund thut. + Nicht erhob er auch jetzt den Blick von dem Boden: er winkte + Nur mit dem Haupt, da die Hll' erzitterte, jener den Beifall: + Alsbald fuhr sie in brausender Hast von dem schrecklichen Wohnsitz + All der Unseligen auf, und nahte dem Lande der Bhmen. + + Kaltverachtenden Blicks gewahrte sie dort auf den Fluren + Reiches Gedeih'n, und rings die freundlichen Stdt' und die Drfer; + Aber vor allen, am Moldaustrom' erglnzend die Hauptstadt, + Praga, im lieblichen Reiz erst jngstentfalteter Blthen. + Sieh', und ein Pilger kam vom Gelobten-Lande gezogen, + Der vor Jahren die Heimath verlie! Er blickte mit Staunen + Lang' um sich her: da naht' ihm, lchelnd, ein Greis, und im Beiseyn + Jener Verworf'nen zugleich, die ihm leis' aufhorchte, begann er: + Fremdling, suchst du den Mann, der hier ein Eden erschaffend, + Wie durch Wundergewalt das Leben der Menschen verschnt hat? + Nun ist er fern: denn wiss' es, der Held und erhabene Knig, + Ottgar, streute mit Liebe die Saat, und ihm reifte zum Segen + Wohlstand unter dem Volk' in des Landes erfreuender Schnheit. + Auch erlagen die Gegner ihm stets, und es kndiget allwrts + Seines Nahmens Unsterblichkeit der herrlichste Siegsruhm. + Dennoch hielt er so gern in der dunkelen Scheide das Eisen, + Frieden ersehnend, zurck, und entblt' es auch jetzt, nur gezwungen, + Gegen des streitbarn Rudolphs Macht. Er wird sie fr immer + Bndigen: denn er zog, gar furchtbargerstet, zum Kampf' aus. + Ach, ihn drngte zum Friedensbruch Kunegunde, die Gattinn! + Grimmvoll ist ihr Gemth, und ihr Herz verwildert durch Herrschsucht, + Die ihm das Bse vergilt, das er Margarethen, der frommen,[2] + Einst als Gatt' erwies! Die Eine verdunkelt den Hochglanz + Seines Ruhms: ihn lenket ein Weib, das, Bhmen zum Jammer, + Selbst Drahomiren gleich, der Unheilstifterinn, wthet, + Die fr den schnden Gewinn: zu gebiethen des Himmels Gewittern; + Auf den Flgeln des Sturms einher zu fahren im Luftraum, + Oder unsichtbar Menschen zu nah'n -- zu schau'n, und zu horchen + Dort in dem traulichen Kreis' der Versammelten, und zu verderben + Alle, die auch mit lispelndem Laut, mit umschauendem Blick nur + Ihrer gedacht, und tadelnde Worte gesprochen: fr solches + Hatt' einst diese verkauft die unsterbliche Seele der Hlle; + D'rauf noch Schuld gehufet auf Schuld, bis schrecklicher Tod ihr + Macht und Leben entri, und die Bse dem Bsen gesellte, + Als urpltzlich die berstend' Erde zu Prag, am Hradschin, sie, + Brausend, verschlang: zur Strafe der wildumtobenden Blutgier, + Frevelnden Gtzendienst's, und schrecklicher Christenverfolgung. + Aus dem furchtbarn Schlund aufquoll noch in unseren Tagen + Finsterer Rauch; doch Ottgar barg ihn, den Menschen zur Rettung, + Die, vom Satan bethrt, leichtglubigen Sinnes, ihr nchtlich + Opferten, dort ihr Geschick in kommender Zeit, zu erfragen, + Oder sich trglichen Glcks zu erfreu'n zu unendlichem Jammer. + Sagt' es, und ging. Da flog, von der Schmhung emprt, Drahomira + Ihm auf dem Heerweg nach, und haucht' ihm Gift in das Antlitz: + Alsbald stand er, erbleicht, und sank, vergehend, zusammen-- + Lag, und sthnte vor Schmerz, bis endlich der Zauber entfloh'n war. + + Aber sie starrete jetzt, tiefsinnend, und sonder Bewegung + Wie der Aar, der erst die mchtigen Flgel geschlagen, + Regungslos hinschwebt in der blulichen Luft, in des Schlundes + Grauen hinab. Das Aug' ihr rollete wild in den Kreisen; + Knisternd strubt' ihr Rabenhaar sich empor von der Scheitel, + Und voll Grimms erzitterten ihr die Lippen; sie sagte: + Ottgar, Fluch sey dir! Du vernichtest des felsigen Schlundes + Zaubergewalt, die Viele nach mir in's Verderben hinabri? + Glubig nahten ihm oft die Verblendeten, welche, des Schicksals + Dunkeln Pfad zu erkunden, auf ihm, des druenden Himmels + Warnung zum Trotz, der drckenden Last des Lebens entledigt, + Gerne fr trgliches Erdenglck das ewige bthen. + Aber von diesem verbannt durch eisernrichtenden Machtspruch, + Sollt' ich den glhenden Durst nach Rache, durch Trug und Verblendung, + Ich nicht lschen am Volk, das, glubig, der Tuschung sich hingab? + Trost ist's, wenn in der Brust der Unseligen solchem noch Raum blieb, + Mit in dem hnlichen Jammergeschick die Gefhrten zu sehen. + Wie, du entziehst, ein Thor, durch hhnenden Frevel auch die mir? + Ha, dir sey jetzt Rache geschworen! Nicht will ich mehr rasten, + Bis dein Heldenweib -- ihr werde der Thron und die Herrschaft, + Ja, sie herrsche nach dir, mir hnlich an Kraft und Gesinnung, + Gegen den Feind dich reizt, und du in dem Kampfe, besiegt, fllst; + Also be den Ruhm, der dir Drahomiren emprte. + Und sie flog nun hin, wo im weitverbreiteten Marchfeld + Ottgars furchtbares Heer von Drnkruts[3] Hgeln hinunter, + Lagerte, dort mit hllischer Lust ihm, verderbend, zu nahen. + + Leise schwebte die Nacht auf den ringsverstummenden Erdkreis + Nieder. Aus Sden erbraus'te der Sturm, und jagte die Wolken + Auf an des Himmels Zelt. Sie rissen im eilenden Zug' oft + Weit entzwei: da blickte der volle Mond aus des Himmels + Blue so dster herab, und die Stern', in Nebel sich hllend, + Trauerten: denn ein Unhold naht' auf den Flgeln der Windsbraut. + Jetzt, wie die ragenden Wll' und die Huser der mchtigen Hauptstadt, + Meilenlang bedecken den Plan, und oben zum Bergrand + Aus der Tiefe herauf dem Wanderer, dsteren Schimmers + Glnzet der Lampen Schein in der Nacht, unzhlig und endlos: + Also erschien ihr das Heer des Kniges, das er erst gestern, + Nach der Eroberung Drosendorfs, des trotzenden Stdtchens, + Am Gestade der March, auf Drnkruts Fluren vereinte. + + Bald ersphte sie dort in des Lagers Mitte, vor allen, + Ottgars hochgewlbetes Zelt, das schimmernde Leinwand + Auen umhllte; von innen hing, zur Erde herunter, + Scharlachgerthetes Tuch, verbramt mit goldenen Fransen. + Sieh', in dem grasumwucherten Raum', ihm zur Linken und Rechten, + Ragten die Zelt', erhht, der Kunring', tapferer Ritter, + Die in dem Kreis' streichischer Herrn, wie der Mond in der Sternflur, + Glnzten an ad'liger Macht und weitverbreitetem Eigen: + Denn Hadmar, und Leutold, die Zwillinge, haus'ten zu Drnstein + Bald, und bald zu Weitra und Horn; in des rollenden Jahres + Monden wechselnd die Burg; doch immer in trauter Gemeinschaft: + Sonder Gattinn und Kind, des Waffengemenges sich freuend. + Aber mit feindlichem Sinn, von dem Kaiser gewendet, vereinten + Sie mit des Knigs Panier jetzt zwanzig flatternde Fhnlein. + Jeglichem folgte die Zahl von fnfzig bepanzerten Reitern, + Die mit dem Schild' und dem Helme bewehrt, und der Lanze bewaffnet, + Feurige Rosse zum Kampf vortummelten, siegenden Muths voll. + + D'rauf g'en Idungsbeug, auf dem sandumhlleten Blachfeld, + Welchen die schwellende Fluth der March seit Jahren gehuft hat, + War des Fuvolks Macht, zehntausend tapferer Mnner-- + Waren die Reiter gestellt, an der Zahl zweitausend und fnfzig, + Die sich der Knig in Bhmen erlas, und mit trefflichen Waffen + So, wie jene, versah. Die muthigen, lwenbeherzten, + Lenkten die Rosse mit Kraft und Geschick, die, feurigen Blutes, + Wild umtobten im Kampf', und die Reihen der Feinde zerstampften. + Lobkowitz fhrte sie an, der ruhmgekrnete Feldherr. + + Aber vor Ebenthal, der freundlichen Burg, an des Hgels + Abhang, lagerten sich des vielbevlkerten Mhrens + Tapfere Shn': an der Zahl achttausend erlesenes Fuvolk, + Die, mit dem Panzerhemd' und der eisernen Haube bewehret, + Fhrten im Kampfe den Speer und den breitgehmmerten Sbel. + Milota rief sie in's Feld, ein Ritter, der Ersten des Landes. + Sonst zur Freude gestimmt, als liebender Vater und Gatte, + Sah er des Lebens Blthenjahr' und die reifere Mannszeit + Schwinden im Glck. Nur als ihm die zarteste Tochter, Ludwinen, + Sie mit tuschender Huld in den Schimmer des Hofes verlockend, + Ottgar schnde verfhrt', und der Schmach die gefallene Preis gab: + Da verscheuchte der Menschenha und die brtende Rachgier + Jegliche Freude vor ihm. Nur Weniges sprach er, und das noch + Sprach er mit bitterem Hohn' und wildauflachendem Ingrimm; + Aber nicht mied er des Herrschers Nh', und harrte des Tages, + Der ihm den Durst nach Rach' einst khlete schrecklich und furchtbar. + + Dort dem Knig zur Linken, hinab sich dehnend bis Stillfried, + Stand Klein-Reussens Volk, das jngst an den Ufern des Peltew, + Lembergs Mauern nicht fern, zu Fu und zu Pferd sich vereinte: + Jenes, gebt, von der Armbrust, schnellvorschreitend im Schlachtfeld, + Mitten in Feindes Brust den schwirrenden Pfeil zu entsenden; + Dieses, im Waffengemeng' schnellfuige, hurtige Rosse + Spornend, vorzusenken den Speer aus der Rhre des Bgels: + Dann mit des Fues Druck und dem Stoe der nervigen Rechten + Einzustrmen im sausenden Flug' in die feindlichen Reihen. + Beide, gleich an der Zahl, dreitausend tapfere Mannen, + Folgeten Herbot von Fllenstein, der riesengestaltet, + Ragte vor allen hervor in dem Heer', und rhmlich bekannt war + Ob des unbndigen Muths, und der ritterlichsiegenden Thatkraft. + + Doch auch der Meiner kam und der Thringer jngst aus der Heimath, + Ottgars Recht zu verfechten im Kampf', als Bundesgeno her! + Muth in der Brust, und Kraft in der Rechten, die Lanze zu schwingen + Brachten sie mit, und beiden geboth der tapfere Markgraf + Dietrich, Heinrichs Sohn, des Erleuchteten, mchtigen Ansehn's. + Jenen vereint, stand auch des korngesegneten Bayerns, + Also auch Sachsens Volk in dem Vorderzuge geordnet: + Gierig des Kampfs, und gebt, die tdlichen Lanzen zu schwingen. + Heinrichs schaltendem Wink, des Herzogs, folgten die Bayern; + Markgraf Pfeils die Sachsen mit Lust in die furchtbare Feldschlacht. + Gegen den Weidenbach, in des weitgedehneten Thalbrunns + Niederung hin, erhht auf vierzig ragenden Schaften, + Flatterten hoch in der Luft, verschieden an Farb' und an Zeichen, + All des erlesenen Vorderzugs kampfdrohende Fhnlein. + Jeglichem waren gesellt fnfhundert tapfere Krieger, + Welche das Panzerhemd, und der Helm im Felde beschirmte. + Aber im Rcken des Heers, nicht ferne dem schimmernden Marchflu, + War noch die Wagenburg, Feldzeug, und Gerthe des Lagers + Aufgehuft, wie auch Mundvorrath fr die dauernde Kriegszeit. + Also lagerten dort des Knigs versammelte Scharen. + + All' umhllete jetzt der Schlaf mit bleiernem Fittig + Schon. Sie errangen zuvor, nach schrecklichem Kampfe, die Mauern + Drosendorfs, von dem Hohenberger, dem tapferen Feldherrn + Rudolphs, der sie mit Macht und entflammendem Muthe beschirmte. + Aber noch wacht' im Gezelt der Knig der Bhmen. Zum Kriegsrath + Rief er um Mitternacht die Feldherrn: denn von dem Kaiser + Waren die Friedensbothen zu ihm, in das Lager gesendet: + Meinhard, Graf von Tyrol, und Lichtenstein: in den Waffen + Beide berhmt. Nicht dacht' er zwar, den friedlichen Oehlzweig, + Den sein Gegner ihm both, mit vershnlicher Rechten zu fassen: + Denn er sann nur blutigen Kampf, nur Tod, und Verderben + Ueber Rudolphs Haupt zu wlzen im Felde der Waffen; + Aber es sollte der Helden Verein, was er in dem Busen + Heimlich beschlo, nun knden mit lautentscheidendem Ausspruch. + Siehe, vor allen kam der Fhrer des reisigen Volkes, + Lobkowitz, ein gewaltiger Greis, de' leuchtender Aarblick + Unter den buschigen Brau'n den Muth im Herzen verkndet, + Der auf die Waffenbahn ihn schon als blhenden Jngling + Trieb, und das Herz ihm gewann des schlachtruhmdrstenden Knigs! + Doch umwlkt war jetzt ihm die Stirne von inniger Trauer, + Und zur Erde geheftet sein Aug', da er dort vor dem Herrscher, + Schweigend, stand. Alsbald, obgleich von heimlichem Unmuth + Selber gebeugt, begann, mit erzwungenem Lcheln der Knig: + Wahrlich, nicht wirst du den Feldherrn heut, + mit dem Gram in den Augen, + Muth einflen im Rath! Hat dir das treffliche Streitro, + Das zum Siege dich schon in zwanzig Schlachten getragen, + Und aus Feindes Gedrng' oft rettete, heute das Futter, + Aechzend, verschmht, und du sorgest vielleicht + um den Liebling im Herzen? + Wie, verfehlte der Sprer im Wald des flchtigen Rehbocks, + Oder des Hirsches Spur, mit dem sechzehnendigen Hauptschmuck? + Fasse dich, tapferer Greis! Bald wird der Braune genesen; + Bald erfreut uns der Fried', und du streckst in frhlichen Stunden, + Drauen am Rasengrund der waldumrnderten Hgel, + Wieder im Hrnerklang' und Gebell verfolgender Sprer + Raschanstrmendes Wild mit sausenden Lanzen zu Boden. + Denke des Worts: bald sind wir heimisch im Lande von Oestreich. + Herr, sprach jener bewegt, gewartet mit emsiger Sorgfalt + Wiehert das Ro, das mich in zwanzig Schlachten getragen, + Und aus druender Todesgefahr oft rettete, muthig + Drben im Zelt! Nicht denk' ich des Weidwerks jetzt in den Tagen + Ernsten Kriegs, de' Bild uns jenes, im sanfteren Frieden + Oft ergetzt, und die Kraft uns sthlt in erhhter Gesundheit. + Ja, du sprachst es im Scherz nur, o Herr! Doch dnkt es mich selber: + Nicht wohnt Heiterkeit dir in den tieferglhenden Augen. + Mge die dunkle Nacht verborgenen Strebens enthllen + Jetzo der Wahrheit leuchtender Strahl! Zum wichtigen Kriegsrath + Riefst du die Feldherrn: denn die Friedensbothen des Kaisers + Harren der Antwort im fernen Gezelt. Des Friedens erwhnst du? + Heischest Rath, und ach, beschlossen im heimlichen Busen + Hast du den Krieg auf Leben und Tod! O, mchte des Friedens + Freundlicher Ruf den Ha aus deinem empreten Herzen + Nun verscheuchen, und dir und dem Volk die Flle des Segens + Schaffen hinfort! Erfllt hast du mit unendlichem Kriegsruhm + Weithin die Erd' umher; allberall preisen die Vlker + Deine Weisheit und Kraft. Zieh' heim nach dem herrlichen Erbreich, + Das dir gehorcht -- nach Bhmen und Mhren: die trefflichsten Vlker + Nhrt es im blhenden Schoo. Dort lebe dem Glcke der Deinen, + Und unsterblicher Ruhm harrt dein, in der sptesten Zeit noch. + Hast du nicht jngst mit Siegel und Schrift + und mit heiligem Eidschwur, + Oestreich, Krnthen, und Krain, als Lehen, entsagt vor dem Kaiser + Selber, auf Glauben und Treu', und im Treubruch hoffst du zu siegen? + Bebe der That: schwer rchte den Bruch geschworenen Eides + Stets an den Sterblichen noch die ewigwaltende Vorsicht. + + Ottgar stand, erschttert im Geist vor dem Schreckensgedanken; + Sprechen wollt' er schnell, und es bebten die Lippen ihm leis' nur. + Doch nun drang ihm das Wort aus den festgeklammerten Zhnen: + Ha, sey nun, und auf immerhin, der Leib und die Seel' auch + Mit in dem Spiele gewagt! Nicht kann ich mehr weichen: die Gattinn-- + Ja, das schreckliche Weib, hat mich zu dem Schritte gezwungen. + Da ist kein Rckgang mehr: ich folg', ein Opfer des Schicksals! + Wie, so sprach, ihm freundlicher nahend, der Greis, + um die Herrschaft + Stritten des Reiches Hort und der Knig von Bhmen; im Frieden + Schieden sie erst, und die rach'emprende Zunge der Gattinn + Drngte sie wieder zum Wrgen zurck? Nicht mhen die Frau'n sich + Ab in dem Feld. Wenn wir erlagen, erkiesen sie wieder + Sich den neuen Gemahl, und erfreu'n sich im Kreise des Lebens; + Doch uns lass' das Wohl und das Wehe des Landes bedenken. + Ottgar, stolz und tapfergesinnt, gehorchte dem Weib' nun?[4] + + Also der Greis; doch, da er es sprach, entflammte des Knigs + Niedergeheftetes Auge sich stets zu grerer Wuth noch. + Wie der Drache mit glhendem Blick von dem finsteren Felsschlund + Aufschaut, wenn ein Ruf ihn emprt; dann zischend dem Eingang + Nah't, und, das Haupt zum Boden krmmend, den furchtbaren Rachen + Weit vorstreckt, den Feind zu verschlingen, begierig: so sah er + Jetzo dem Greis' in das Aug', und sthnte vor heimlichem Ingrimm. + Endlich rief er, bewegt: Halt ein! O tadle den Gatten + Nicht, der solchem Weibe gehorcht: Margarethen, der Frauen + Sanfteste, stie ich von mir: da sandte der Rcher im Himmel + Mir Kunegunde. Sie hat, ja, bebe dem schrecklichen Wort nur, + Ueber mich Macht und Gewalt. Wie ein Geist des ewigen Abgrunds + Steht sie vor mir ... mich schrecken entsetzliche Trume. Verschliee + Das in der redlichen Brust. Sieh', htt' ich auch tausend und tausend + Eide geschworen: umsonst! Nicht kann ich zurck in dem Kampf mehr + Weichen: ich mu ihn mit Habsburgs Leu'n nun enden fr immer. + Jetzo winkt' er dem Greis': denn, eilenden Schrittes, genahet + Waren die Feldherrn all', und einten sich ihm in dem Kriegsrath. + Neben ihm sa zur Rechten der Hort und Gebiether der Bayern, + Heinrich; zur Linken ihm Pfeil, der Markgraf; d'rauf um den Tisch her, + Der, nach Lagers Gebrauch, von niederen Bnken umstellt war, + Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Dietrich, + Herbot von Fllenstein, und die Kunring', tapfere Helden. + Doch von der Mitte herab des hochgespannten Gezeltes + Hing die flammende Lamp', endlos vom Oehle genhret, + Und erhellte den Tisch in des Zeltraums dsterem Schimmer. + + Eben hatt' er die Helden begrt, und wollte beginnen: + Sieh', da scholl's von Hufen der Ro' in der nchtlichen Stille + Nher und nher, und jetzt absaen die Reiter am Zeltthor. + Ottgar winkte sogleich dem blhenden Jnglinge, Wallstein, + Der ein Liebling ihm war, schon seit der zartesten Kindheit. + Alsbald eilt' er hinaus, und fate vom niederen Gluthherd + Einen leuchtenden Span, den dort ein Krieger entflammte: + Schrend die Gluth, und hufend zugleich das harzige Kienholz. + Mchtiger flammte der Span, da ihn ber dem Haupt in die Graunnacht + Wallstein hob, und schauete: wer die Versammelten stre? + Staunend, sah er die Kniginn selbst, Kunegunde, sich schwingen + Aus dem Sattel, im Kreis' erlesenen Reitergefolges; + D'rauf durcheilte sie rasch den Zelteingang, und, den Vorhang + Schleudernd entzwei, schritt sie, mit stolzer Geberde, zum Sitz hin, + Den der Jngling verlie, an der Seite des Kniges selber. + + Ueber ihr schwebte mit grimmerflletem Blick Drahomira + Leise herein. Sie trieb die Kniginn eilig von Drsing + Her in der dunkelen Nacht, da sie erst durch schmhende Reden + Reize den Gatten, und dann entflamme zur Gier nach des Krieges + Schrecknissen, mehr denn je, in des Raths entscheidendem Zeitraum. + Wehe, sie forscht', auf Arges bedacht, im Kreise der Helden + Gierig herum, wie die Schlange verhllt in dem laubigen Zweig lauscht: + Ob ein Vgelchen ihr zur Beute sich bieth'? -- und sie fand noch + Dort den Ersehneten nicht; doch, als der blhende Jngling + Eintrat, dachte sie schnell die Herz zu bercken durch Ehrsucht, + Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaten Beherrscher! + + Als der Knig die Gattinn ersah, da erblaten die Wangen + Ihm vor Zorn; doch schwieg er, und lie die Stolze gewhren, + Auf da keiner im Rath' ihn verachtete -- jeglicher dachte: + Jetzt erschiene sie hier, ersehnet von ihm, und gerufen. + Rasch war ihr Drahomira genaht: in dem Hauche des Unholds + Ward ihr Busen emprt, und alsbald rief sie verhhnend: + Ha! welch' Wunder geschah? Schon heut erfreuen die Bhmen + Sich der Eroberung Drosendorfs, der mchtigen Festung, + Nach den Tagen unendlichen Mh'ns? O, schndliche Thorheit + War es: vor ihr die goldene Zeit zu vergeuden -- zu harren, + Bis der klgere Feind, noch arm an Kriegern und Waffen, + Sich verstrket', und euch des Eisens Spitze wohl biethet! + Schnell, mit wrgender Hand euch bahnend den Weg in die Hauptstadt, + Mutet ihr folgen der Stimme des Ruhms, und dem dringenden Aufruf + Rdiger Waldrams[5] dort, des muthigen Meisters der Brger, + Der nun bald, ein schmhliches Opfer, dem Feinde verrathen, + Fllt durch euere Schuld, durch eure Verblendung, und Feigheit. + Siehe, da grins'te vor Lust Drahomira den Helden in's Antlitz; + Doch jetzt fuhren empor von dem Sitz die Versammelten alle; + Ballten die Faust vor Zorn, und wollten enteilen: nur einer, + Milota, regte sich nicht, und lchelt' unheimlich fr sich hin. + Fat euch, rief der Knig, bewegt, die Kniginn duldet + Schon seit jenem unseligen Tag, der uns, und die Vlker + Bhmens beschimpft -- dem Tage der Huldigung,[6] nagenden Kummer + Und zerrttendes Weh' in den Tiefen des Herzens. Ihr Helden, + Dessen gedenkt, und achtet den Schmerz des unglcklichen Weibes: + Denn nicht wgt er genau das raschverwundende Wort oft, + Das der Zung' entflieh't im Sturm der emprten Empfindung. + Aber vernehmt es, was ihr in der Stille der nchtlichen Stunden + Jetzo mit uns erwgen soll't nach euerer Weisheit: + Rudolph sandte zuvor zwei tapfere Ritter in's Lager + Her, uns dringender noch als jngst, die Hand zur Vershnung + Biethend. Erneuend sodann den Wunsch: durch unserer Kinder + Wechselheirath das Band der Freundschaft fr immer zu grnden, + Ladet er uns g'en Wien, zu turnei'n; die Speere zum Scherz nur, + Nicht zum Ernst zu versuchen, und dann die ersehnte Verlobung + Durch ein gastlich Mahl zu feiern im schimmernden Prunksaal. + Solches verkndete heut' in geheim uns Rdiger Waldram; + Aber zugleich: g'en Lilienfeld[7] hin ziehe der Kaiser + Albrecht, seinem Erzeugten, mit hundert Reitern entgegen, + Der in den schwbischen Gau'n die Krieger ihm warb, und vom Aargau + Her die tapfersten fhrt, die ihm oft errangen den Lorber, + Altgedient, und versucht im Grau'n der eisernen Feldschlacht. + Soll mein Volk vorstrmen bis Wien, da unser Vertrauter, + Waldram, ihm erffne das Thor in der nchtlichen Stille, + Wie er es eben verhie, mit den treuen Brgern verstanden? + Ist's wohl rthlicher noch, mit Kunrings Reitergeschwadern + Ueberzusetzen in Fhren den Strom der mchtigen Donau, + Und aus dem Hinterhalt den Kaiser zu fah'n in der Waldschlucht, + Welche sich links und rechts an dem Kaumberg, trglich herumschlingt? + Nie versagt' ich das Ohr dem Rathe der Mnner: was dnkt euch? + Herbot schrie zugleich mit dem Kunring, lrmend, und laut auf: + Fort nach Wien! Bald sinkt mit der khnerrungenen Hauptstadt + Rudolphs Macht in den Staub: wir brgen fr herrlichen Sieg dir! + + Lobkowitz fuhr von dem Sitz', des Friedens Ruf zu erneuern; + Aber ihm kam Kunegunde zuvor, und sagte dem Knig: + Wie, du sphest noch jetzt nach schlauverhlleten Pfaden, + Thricht verlassend die khnere Bahn, die schnell zu dem Ziel fhrt? + Ist denn vllig gewichen von dir der Muth und die Khnheit, + Die von Siegen zum Sieg dich leitete, Schlachtenberhmten? + Zahllos warben die Freier um mich. Masowiens[8] Herzog + Lie auf dem glnzenden Thron mir Macht und Reichthum zur Erbschaft; + Aber ich achtete keinen Mann, im stolzen Bewutseyn + Herrschender Geisteskraft, und lautgepriesener Schnheit. + Auch du bothst mir die Hand. Der Ruf erscholl in den Lndern: + Ottgar trug des Sieges Panier zu dem Belt hin; erbaute + Dort noch Knigsberg,[9] und schlug, heimkehrend, die Scharen + Ungerns im Feld auf das Haupt. Er einte die Steyer- und Ostmark + Dann, als Sieger, mit Krnthen und Krain dem bhmischen Erbreich, + Und errang die Bewunderung so der entlegensten Vlker. + Ha, da sank mein Stolz, beschmt, vor dem Helden! Ich gab mich + Eiteler Tuschung dahin: mit der kniglichsieghaften Rechten + Wrd' er auch mich erheben im Glanz' unsterblichen Ruhmes. + Weh', nun steh' ich gebeugt, entehrt, und fruchtlos geopfert! + Aber, denkst du der Ehre nicht mehr, so gedenke der Schmach doch! + Soll ich den Mann, den Knig, und ach, den Gatten noch mahnen + Dort an den graunerregenden Tag, wo gegen den Eidschwur, + Der dich bewog, dem Kaiser zu huldigen heimlich im Zeltraum, + Er, o schreckliche Schau! auf des Eilands ragendem Hgel, + Das die Donau umschlingt mit weitgedehneten Armen, + Pltzlich am listiggestalteten Zelt den rauschenden Vorhang + Fallen hie, und dich vor den Augen unzhliger Krieger, + Die an dem Strom sich die- und jenseits, feindlichgesondert, + Lagerten, wies zum Hohn' -- auf die Kniee gesunken, o schndlich, + Ottgar, dich, dem er an dem Hof' einst dienet', als Marschalk,[10] + Huldigend dort, in dem Staub'! O, knntest du solches vergessen? + Ottgar prete die Stirn' in die Flche der Linken, und glhend + Rann ihm die Thrn' an der Wange herab. Er sucht', es zu bergen; + Blickte grimmiger auf, und rief: Nicht werd' ich's vergessen! + Doch nun drang Drahomira noch mehr in die Frstinn. Sie hob sich + Eilig vom Stuhl' empor, und sagte mit leuchtenden Augen: + Ha, die Dromet' erklinge dem Volk', und gebiethe den Aufbruch + Nach den Mauern von Wien; in die Luft hoch flatt're die Sturmfahn' + Vor den Scharen einher, und leite sie glcklich zum Sieg' hin! + Rief's; doch Ottgar sprach nun so zu dem tapferen Helden, + Lobkowitz: Wie, du schweigst mein sieggekrneter Feldherr? + Nie ermangelt' ich deines Raths, und deiner Erfahrung, + Weisheit, Treue und Kraft verdank' ich, was rhmlich gescheh'n ist. + Lobkowitz wiegte das Haupt, und sprach eintnig und trocken: + Haben doch and're vor mir, dem wankenden Greise, gesprochen, + Die das heiere Blut, wie im Sturm, fortreit auf des Ruhmes + Glnzender Bahn -- weit blieb ich zurck', und bin es zufrieden. + Sieh', ich whnte, wir lieh'n ein Ohr des Kaisers Gesandten? + Doch vor dem zrnenden Blick der Kniginn? Sey es denn morgen! + Also der Held. Da sprach Kunegunde voll Wuth zu dem Knig: + Wohl, ich weiche zurck bis Drsing. Sinnst du auf Frieden + Noch mit dem Kaiser, so sey's; doch nimmer siehst du mich lebend + Wieder: nur mord' ich zuvor mit Freuden die blhende Tochter, + Eh' ein schmhlicher Bund dem verhatesten Feind sie vereine. + Rief's hinschreitend; erhob sich auf's Ro, und eilte nach Drsing, + Das sie den Abend zuvor mit ihren Erzeugten bezogen. + + Jetzt lie Ottgar schnell die Gesandten des Kaisers entbiethen, + Die schon lange voll Gier in dem fernen Gezelte des Rufes + Harrten. Meinhard, Graf von Tyrol, erschien, und zur Seit' ihm + Nahete Lichtenstein: des Heer's erlesene Zierden. + Stattlich traten sie ein, und setzten sich wrdig zum Tisch hin, + Grend den Knig zuvor, und d'rauf, die versammelten Feldherrn. + Meinhard neigte das Haupt, und begann mit edelem Anstand: + Rudolph, mein erlauchtester Herr, und Kaiser der Deutschen, + Sendet uns, Meinhard und Lichtenstein, nicht unwrdige Bothen, + Freundlich zu dir, erhabener Herr, und Knig der Bhmen! + Wollest darum uns hren mit Huld, und unsere Reden + Nicht verachten, da wir, nur arm an zierlichen Worten, + Stets mit dem rauheren so, wie mit unserem blinkenden Eisen, + Das wir zu fhren gelernt, zum Ziel vorstreben, und treffen. + Frieden beut er dir mit leichtvershnlichem Herzen; + Doch er beut ihn im Augenblick, wo er vllig gerstet, + Nicht, wie jngst in dem Land', entblt von Kriegern und Waffen, + Sollte schon fast ihn erflehen von dir -- nein, wo er im Kriegsbund, + Mchtige Vlker vereint, und der Treue der Vlker gewi ist. + Da du, als Kaiser ihn anerkenn'st; ihm Bhmen und Mhren + Tragest zu Leh'n; auf die ost- und die steyrische Mark, + so auf Krnthen, + Krain, entsag'st: das ist des Friedens enthllte Bedingni. + Drei gewaltige Vesten im Land: hier Drsing im Marchfeld, + Dort Pchlarn, und Enns sollst du mit starker Besatzung + Halten zum Unterpfand durch drei der Jahre, von heut' an. + Ha! du erstaunest? So ist's; ihr sollt euch finden in Freundschaft. + Heilig ist Rudolphs Wort, du kannst ihm sicher vertrauen. + + Als er die Rede voll Kraft jetzt endete, herrscht' in dem Zeltraum + Stille umher: doch Lichtenstein, gewahrend den Vortheil, + Grte den Knig zuvor, und begann mit heiterem Blick so: + Ernstes sagte der Graf. Mit Gott und eurem Gewissen + Werdet ihr solches erwgen zum Glck und zum Segen der Vlker, + Die ihr beherrscht; doch leiht auch mir ein gnstiges Ohr noch. + Nicht vom blutigen Kampf: von der Minne ersehneten Freuden, + Von Turnei'n, und dem festlichen Mahl gedenk' ich, zu sprechen. + Allwrts ist es bekannt, da Herr Rudolphus, der Kaiser, + Ein Turnei, bei'm Tabor,[11] am kommenden Donnererstag schon, + Der Sanct Rochus geheiliget wird, zu halten, gesinnt ist: + Denn nach Frieden verlangt sein Herz, und er hat dich geladen. + Solcher Ehre Gewinn verschmht kein tapferer Mann je. + Sieh', d'rum harret er dein und deines so edeln Gefolges, + Das den Herrscher umglnzt, wie die Stern' umglnzen den Vollmond! + Aber noch hhere Freuden gedenkt, nach vollendetem Festmahl, + Oben im prunkenden Saal der Kaiser mit dir zu bestellen: + Lieblich erblheten dir die schnsten der Tchter -- in Shnen + Ihm sein Glck: zum Bund der Einigung beut er die Hand dar: + Hartmann fhr' als Braut sich Hedwig, voll siegender Schnheit, + Thekla, voll zartester Huld, sein Rudolph heim. So ersehnt er's. + + Als er gesprochen das Wort, und noch weiter gedachte zu reden: + Sieh', da warf sich in brausender Hast der muthige Jngling, + Wallstein vor! Er stand, und hielt sich die Brust mit der Rechten; + Athmete tiefer, begann zu sprechen, vermocht's nicht; er strzte + Dann zum Gezelte hinaus, und verschwand im nchtlichen Dunkel. + Ottgar blickt' ihm, erstaunt, jetzt nach. Er whnte: sein Liebling + Sey urpltzlich erkrankt, und von wthenden Schmerzen befallen; + Doch Drahomira durchschaute sein Herz; sie lchelte grimmig; + Jubelte dann laut auf, und folgte dem fliehenden Jngling: + Ihm fr Hedwig die liebende Brust noch mehr zu entflammen, + Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaten Beherrscher. + + Im erleuchteten Zelt verstummten von neuem die Helden; + Gar nicht wollten von Ottgars Mund' die Worte sich lsen. + Endlich hob er sich auf, und sagte den Beiden zum Abschied: + Wahrlich, nicht ahnete mir's, so glhend verlange der Kaiser + Uns bei festlichem Turnkampf, Tanz, und Gelagen zu sehen! + Aber wohlan -- das kndet ihm nur, so er etwa daheim ist: + Ottgar werdet ihr schau'n im Gefolge der Edeln, und hren, + Was er vom Frieden gedacht, und der Kinder ersehnter Verlobung! + Aber, ihr Herrn, gehabt euch wohl; der Himmel geleit' euch! + Beid' erstaunten der Red', und eilten unmuthig von dannen. + Drauen sagte zu Lichtenstein der tapfere Meinhard: + Ritter, sprecht, was dnkt euch? Nicht einmal die Krume zum Imbis, + Nicht des Weines so viel, das unsere Lippen benetzte, + Reicht' er zum Trunk' uns dar. Ich meine: von Heirathsgedanken + Ist er so fern, wie dort von mir Veiths glnzender Wagen, + Der an des Himmels Rand zum eisigen Norden hinabsinkt. + Ha! und merktet ihr nicht, wie schnell der arge Verrther + Rudolphs nchtlichen Ritt g'en Lilienfeld ihm enthllte? + Ach, er zog nur mit schwachem Geleit! Kommt: gut ist die Vorsicht! + Rasch aufschwangen sie sich in den Sattel, und flogen nach Wien hin. + + Aber der Knig entlie die Versammelten. Jetzo noch einmal + Blickt' er Jedem in's Aug', und sagte mit rauherer Stimme: + Mir zerwhlet die Wuth das Herz. Wie kecklich die Ritter + Sprachen, als sey ich im Feld nicht frder zu scheu'n, + und, dem Ball gleich, + Nun rechts hin, dann links im schwebenden Fluge zu wenden; + Aber es zehr' ihr Hort sich zu Tod' an seinen Gelsten. + Mein Entschlu ist gefat: am Morgen gebiethet den Aufbruch + Euerem Volk. Wir ziehen entlang den schlngelnden Marchflu + Bis an den Weidenbach, wo, erhht, des rumigen Lagers + Wall uns schirmt g'en List und Gewalt. Verstanden mit Waldram, + Sey in dem Ueberfall nur Rache der Wrgenden Schlachtruf! + Ruhet ein Weniges noch: bald rufen euch laut die Drometen. + Jene gehorchten dem Wort', und eilten nach ihren Gezelten. + Aber der Knig ging noch lang' im Schimmer des Nachtlichts, + Sinnend umher. Oft seufzt' er laut; er ballte die Faust oft + Vor Erbitterung; stand, ging wieder, und hatte nicht Frieden. + Endlich warf er sich hin auf das Lager, und schlummerte leis' ein. + + Ueber dem Haupt des Schlummernden hing sein schtzender Engel, + Trauernd. Verglommen war sein Glanz. Wie auf thrmender Alpen + Ewigbeschneiten Hh'n der rosigglhende Schimmer + In therischer Blue verglimmt in der sinkenden Dmm'rung: + Also auch er, den Schwermuthsblick auf den armen gerichtet, + Den ein furchtbarer Traum umfing. Margarethe, die Gattinn, + Welch' er schnde verstie, naht' ihm, und sah ihn so trauernd + An, aus dem hllenden Leichentuch: er wandte sich, schaudernd, + Weg, und hie sie entflieh'n. Nicht lang', und in hoher Verklrung + Schwebt' auf schimmernden Au'n, und bekrnzt mit himmlischen Rosen, + Sie vor ihm hin. Er folgte -- sie floh; doch jetzt, an dem Ufer + Eines unendlichen Stroms hielt sie den eilenden Flug an; + Sah, huldflehenden Blicks, zu dem Himmel empor, und entschwand ihm, + Schatten gleich, wenn Nebelgewlk umhllet die Sonne. + Wieder umfing ihn des Todes Nacht. Um sich her auf dem Schlachtfeld + Sah er unzhlige Leichen gehuft: bis endlich ihm selber + Dort zwei Wrger genah't, mit rach'ausblitzenden Augen, + Tief in die Brust einstrmten den Speer, und hhnten im Tod noch. + Sthnend wand er sich dann im Schlaf, und in mchtigen Tropfen + Stand ihm der Schwei auf der Stirn' und den hochgertheten Wangen. + + Doch nicht vllig verhllt den Augen des Himmelsbewohners + War des schlummernden Knigs Geschick. Er sah Drahomira + Walten um ihn, und Gefahr ihm bereiten auf schlpfrigem Pfad hier, + Der zum Verderben fhrt, und zu nieversiegendem Jammer. + Flehend faltet' er jetzo die Hnd', und blickte mit Ehrfurcht + Auf zu dem Thron des Ewigen, der in des kreisenden Weltalls + Hehrstem Raum', auf lichtausstrmenden Sonnen erhht steht. + Dorthin drang sein Blick, wo Cherub- und Seraphim selber + Sich in der Nhe des Throns mit den Fittigen hllen die Augen, + Dreimal Heilig singend dem Herrn, der herrscht von dem Thron dort, + Hehr, allmchtig, weis', und gerecht, barmherzig und gndig! + Ueber die Himmel hinauf erhebt er das Haupt; auf dem Abgrund + Ruht sein Fu, und sein Arm umfat das kreisende Weltall. + Als er gewrdigt ward, die Blicke zum Thron zu erheben, + Sah er, schauernd vor Ehrfurcht, dort enthllet die Zukunft: + Ottgar, der nun bald mit reuigem Sinn um Erbarmen + Fleh'n wird, bet die Schuld vergangener Jahre: den Feinden + Fllt er besiegt in dem Kampf', und verlieret das Reich und das Leben; + Aber sein Gegner wird ein Vater des Herrschergeschlechtes, + Das in die fernste Zukunft hinab unzhliger Vlker + Glck zu frdern, erwhlt, im Segen der Erde genannt sey. + D'rauf gewahrt' er den Wink des Herrn: da es also gescheh'n wird! + Sieh', da flammten, und floh'n, und kehrten in Eile die Sonnen + Wieder zur Bahn! Der Donner rollte hinunter am Weltrand, + Kreisende Monden und Sterne vorbei; die Vesten des Erdballs + Zitterten; hoch aufrauschte das Meer, und die Strm' und die Flsse + Braus'ten wirbelnd zurck, und schumten empor in den Luftraum. + + Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht + Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglhte das Frhroth. + + + + + Zweiter Gesang. + + + Siehe, wer reitet den Wald entlang? Vom felsigen Boden + Tnet der eiserne Huf. Wer zieht im Schatten der Thler + Fort im eilenden Trab? Doch dort, wo am lichteren Waldsaum + Weitgesondert, die Tannen steh'n, und der sonnige Bergpfad + Schlngelnd sich hebt, erblitzt es von hellgegltteten Waffen + Quer in die Eb'ne herab. Jetzt nher und nher erschallet + Munterer Reiter Gesprch, und das Schnauben und Wiehern der Rosse. + Doch wer ist's, der allen voran den feurigen Rappen + Reitet, so freundlich und mild, so bar all' prunkenden Schmuckes? + Zwar erhellt die, in Rosengluth versinkende Sonne + Kein' unedele Stirn', und Ehrfurcht heischen die Augen + Dieses Gewaltigen, der ein Frst, ein Kaiser von Anseh'n + Scheinet? Er ist's -- ha, Rudolph ist's, der Kaiser der Deutschen! + + Gestern zog er im Abendlicht mit hundert Erwhlten + Eilig zum Krnthnerthore hinaus nach dem herrschenden Hgel, + Wo (so kndet die Sag') in grau'numhlleter Vorzeit + Eine Spinnerinn sa, und bettelte, reichliche Spenden + Sammelnd: ein Kreuz zu erbau'n von zartdurchlichtetem Stein dort, + Wo das hlzerne, morsch, zerfiel, an welchem sie lebte. + Aber es wurde zugleich ihr Grab, von dem Fremdling bewundert: + Denn erblickt er die Stadt, die weit auf Erden gerhmt wird, + Vor sich in schimmernder Pracht der Thrm' und unzhliger Huser, + Zollt er vor allem der sinnigen Wahl der Spinnerinn Beifall, + Und erquickt sein Aug' an dem wunderherrlichen Anblick. + D'rauf einlenkt' er zum Fu' der traubengesegneten Hgel: + Petersdorf, und Brunn am Gebirg, wo der emsige Winzer + Keltert den krftigen Most fr die sptnachfolgende Zeit noch, + Und durchtrabte die Stadt von Mdeling.[1] Mchtigen Anseh'ns, + Schaut in das dstere Felsenthal, durch welches der Waldbach, + Eingezwngt, sich windet, und rauscht, die ragende Felsburg, + Mdling herab (ein Eigen des babenbergischen Herzogs, + Heinrich) und lieh auch zugleich dem Stdtchen den Nahmen. + Die Nacht hing + Dunkel herab; nicht ersphte der Wart von dem ragenden Wartthurm + Rudolphs hohe Gestalt: d'rum scholl die Dromete zum Gru nicht. + Doch jetzt zog er am Tannberg fort,[2] wo im ruhigen Thalgrund + Schimmert das Gotteshaus zum Heiligen-Kreuz mit dem Kloster. + Herzog Leopold baut' es, der Heilige. Mnche von Cisterz + Rief er dahin, da dies' in Saatengefilde die Wildni + Wandelten, und im Gesange des Chors lobpriesen den Schpfer. + Manches Helden Gebein', auch Friedrichs, des streitbaren Herzogs, + Letzten seines Geschlechts, deckt dort der ehrende Denkstein. + Aber es sandte darauf vom Heiligen-Kreuze der Stiftsabt + Auch nach Lilienfeld die Brder: so wollt' es der Herzog + Leupold, der Glorreiche, selbst, als er an dem Fue der Alpen + Im bezaubernden Thal das Gotteshaus und das Kloster + Stiftete, dem jetzt Rudolph naht'. Schon lie er auch Kaumbergs + Marken zurck, und als die Sonne im rosigen Schimmer + Sich in Osten erhob, da zog er durch's liebliche Hainthal, + Und erkor's in des Mittags Stunde zur Rast. An dem Gls'bach + Weideten frei die Rosse hinab. Die tapferen Krieger + Saen im Kreise herum: sie sttigten sich an des Weizens + Goldener Frucht, zum nhrenden Brote gebacken, und lschten + Dann an der Quelle den Durst. Inmitten der frhlichen Mnner + Sa der Kaiser im Gras'; er rief den Einen und Andern + Auf zu ergetzlichem Schwank', und zuletzt den redlichen Knappen + Mller, den Zrcher, der ihm das Leben gerettet, und seither + Stets zu getreulichem Dienst' ihm stand, im Krieg' und im Frieden. + Knde, so sprach er zu ihm, den Kriegern das lustige Mhrchen: + Wie du mich, den Zrnenden, einst auf der Strae begegnend, + Shntest, listengebt: denn manchen von meinen Getreuen + Hast du niedergeworfen zuvor, ein frevelnder Raufbold. + Mit Vergunst, Herr Kaiser, begann der frhliche Kriegsmann, + Schlaugewendeten Blicks, so ich ruhmbegierig, und eitel, + Meinen Gefhrten des Zugs verknde zuvor, da ich Habsburgs + Grafen im Kampf mit dem Regensberg das Leben gerettet! + Edle von Toggenburg, und Homburg; jene von Nidov, + Palm, und Warth mit Eschenbach vereinten dem Ritter + Regensberg, den er gewaltig bedrngte, die Scharen; + Doch er dachte der List, kriegskundig, dem Feinde zu schaden. + Oft ritt Regensberg mit zwlf weischimmernden Rossen, + Welchen voran mit lautem Gebell zwlf hnliche Doggen + Sprangen, zur Jagd, von dem Uttliberg, stolzirend, herunter. + Rudolph lag in dem Hinterhalt: die Ross' und die Doggen + Hatt' er, wie jener gewhlt. Mein Volk, die muthigen Zrcher + Brachen hervor, mit ihm in dem Handel verstanden, und als er + Nahte der Burg in verstellter Flucht, da meinte der Wchter, + Oeffnend das Thor voll Hast, sein feindbedroheter Herr sey's + Alsbald ward erobert die Burg, und zerstret von Grund aus. + Ist's nicht also gescheh'n, mein hocherlauchter Gebiether? + Aber da stellten sie euch, auf offnen und heimlichen Wegen + Nach. So geschah's, da einst, auf einsamer Fhrt' in dem Wald ihr, + Nur mit schwachem Geleit dem Feind' in die Hnde gefallen, + Rang't auf Leben und Tod, als bgellos in den Staub euch + Warf das getdtete Ro. Ihr waret erlegen der Mehrzahl; + Doch der Seinen gedenket der Herr: er sandte den Mller + Euch zu Hlf'. Er kam auf dem Pfade geritten, und sah euch + Kmpfen, hnlich dem Leu'n, den wthende Tiger umringen; + Naht' im Flug, und ihr, in den Sattel gehoben, entrannet + So der Gefahr. Doch Mller ist euer getreuester Jnger + Seitdem -- rhmt sich denn auch des edelsten Meisters auf Erden. + Ihr erlat mir vielleicht fr heute das lustige Mhrchen:[3] + Denn, mich dnkt, es entfielen, wie Perlen gestaltete Tropfen + Eueren Wangen. Mich drngte frher die Noth, und euch spter: + Alles auf Erden eint der Liebe geschftige Sorgfalt. + Innig gerhrt ergriff ihm der Kaiser die Hand, und begann so: + Edel hast gehandelt an mir, mein trefflicher Jnger! + Doch die Capelle winkt auf den Alphh'n: heute noch sollst du + Ernten herrlichen Lohn, der Heldenthaten gebhret. + Jetzt rasch auf, ihr Reisigen: rasch zu dem winkenden Ziel hin! + All' erhoben sich nun voll Muths; sie zumten die Rosse, + Jauchzend, auf, und es ging dann weiter der frhliche Zug fort. + + Siehe, nicht lang', und sie sah'n jetzt schon + die blulichen Alphh'n + Oben, und tiefer den _Kulm_ und den kegelgestalteten _Spitzbrand_, + Freudigen Blicks, als unter dem Huf der gewaltigen Rosse, + Drnend, die Brck' erscholl, die, stets von den Fluthen der Traisen + Unten durchrauscht, im Grund die rasche Forelle beschattet. + Weit gerhmt ist die Traisen im Land (da beide den Ursprung + Sich bestreiten, die Hohenberg-, und die Lilienfelder) + Sprudelnd hervor aus dem Schoo des Traisenberges im Waldthal, + Und enteilend voll Hast, sich dem Donaustrome zu einen.[4] + Freundlich blickten die Sterne bereits vom Gewlbe des Himmels, + Wieder zur Erde herab; schon hauchten die wrzigen Matten + Khlung umher; es verglommen die ragenden Hh'n, und die Fluthen + Dampften im Thal, als jetzt mit seinem Gefolge der Kaiser + Nahe vorber an Lilienfeld, dem herrlichen Kloster,[5] + Eilete: denn zum Abendgebeth' ertnte das Glckchen + Schon von dem Thurm'; es lud zu des Chors Vollendung die Brder, + Und erweckte zugleich, mildklagend, die Wonne der Wehmuth + Tief in der fhlenden Brust, die leise nach Ruhe sich sehnet + Nach den verschollenen Strmen des Tags, auf irdischer Wand'rung. + + Nahend dem Ziele, durch's _Thal_, geboth der Herrscher den Reitern, + Lngs dem Bach zu erringen den Kulm, auf dem breiteren Saumpfad; + Aber er selber klomm, des Weg's wohlkundig, mit Mllern + Dort, wo ein lieblicher Wasserfall, von schroffer Gebirgswand + Pltschernd herab, zerstubt die silbernblinkenden Fluthen, + Schweigend, die Hhen empor. Er sah nach den lichten Gefilden + Ferner Ebenen, jetzt aus der nchtlichdmmernden Waldung, + Jetzt vom schwindligen Fels mit thauendem Blick', und errang so + Frher den Kulm; doch dort, vereint mit seinen Erwhlten + Wieder, rastet' er nicht, und stieg, stets hher und hher, + Bis er, den dunkelen Wald entlang, auf blhenden Matten + Wandelnd, schimmern sah im Schooe der luftigen Alphh'n, + Aus dem Gezweig umhllender Tannen der kleinen Capelle + Heiligthum, wo das Licht, in der Lampe genhrt von dem Klausner, + Sandte die fchelnde Flamm' empor aus goldenem Oehlduft. + Dorthin wies ein Gesicht, im mitternchtlichen Grauen + Ihm aufstrubend das Haar vor Furcht und Erstaunen, ihn heut' erst. + Wichtiges sollt' ihm, dort enthllt nach des Ewigen Rathschlu, + Mchtig erheben das Herz in der Stunde des nahenden Kampfes. + + Jetzt verlieen auf seinen Wink die Reiter den Sattel, + Da, freiweidend im Feld, die Pferde sich letzten. Des Zaumes + Ledig, sprangen sie wiehernd davon, und wlzten im Gras' sich + Links und rechts, die Gluth des gepreten Rckens zu khlen. + Auch die Reiter gesammt ausruheten dort von der Wand'rung. + Aber der Klausner, ein Greis, von neunzig entflohenen Jahren, + Trat aus der Htt', im barnen Gewand', und fhrte den Kaiser, + Schweigender Ehrfurcht voll, zur Capelle. Der silberne Bart flo + Ihm zu dem hanfenen Grtel herab. Von den lastenden Jahren + Wenig gebeugt, sah noch aus seinen erglhenden Augen + Jugendkraft, die manchmal in sinnender Trauer am Boden + Hafteten. Doch jetzt traten sie ein, und beugten die Knie' dort, + Wo gesegnetes Brot, der Seelen Speise, verwahrt war; + Wo das Bild des Gekreuzigten stand, und die Mutter das Kindlein + Wies in dem hehren Gemhld', voll Lieb' an den Busen es drckend, + Und, den wonn'ausstrahlenden Blick auf die Menschen gerichtet, + Allen zu rufen schien: O liebt den Liebenden mir gleich! + Aber der Greis, als wr' es zum legten Male hienieden, + Sah zu ihr lang' empor, und wandte sich dann zu dem Pilger: + Herr, sprach er, blick' auf zu der Himmlischen! Frh in des Lebens + Blthenzeit hast du die Verehrung der seligsten Jungfrau + Dir erkoren zum wahrenden Schild', und dem Schiffer nicht ungleich, + Der in der Sturmnacht fest aufschaut zu dem rettenden Leuchtthurm, + Dadurch bewahrt im reinen Gemth Vertrauen und Demuth: + Jenes zu Gott und auf Menschenwerth, und dies' auch im Glck' noch. + Also wandeltest du, ein Seliger, fort auf des Lebens + Dornenpfad mit heiterem Muth: der gttliche Sohn hrt + Gerne der Mutter Fleh'n, in ihrem Schutze geborgen. + Jetzt auch wirst du gewi, in dem furchtbarn Kampf der Entscheidung, + Huldbeglckt, erringen den Sieg, wenn dir auf dem Schlachtfeld, + In umdrngender Noth vom Munde des Herzens Gelbd' tnt: + Fromme Jungfrau'n einst zu versammeln zum Zeichen des Kreuzes.[6] + Hre, demnach was mir mein Meister und Herr in Gesichten + Dunkeler Zukunft wies: Ein Vater unzhliger Frsten + Wirst du seyn, und so oft auch hier auf irdischer Laufbahn + Wechselt des Menschen Geschick vom Guten zum Schlimmen: so wird doch + Treu', und Redlichkeit stets in deinem Geschlechte noch dauern.[7] + + Ernsten Gemths, herrscht einst dein ltester ber die Vlker, + Die dein heitres gewann, und fesselte. Ob er auch mannhaft + Steht in der Mnnerschlacht, und vor ihm die Feinde, besiegt, flieh'n; + Ob er auch ehret das Recht, und Gerechtigkeit bet als Richter, + So auch die Wissenschaften, die Kunst', und den frohen Gewerbsflei + Blhen heit mit dem Ackerbau, ein sorgsamer Herrscher: + Dennoch mit er die Liebe. Die Hand der ewigen Vorsicht + Waltet ber des Menschen Geschick'. In Dunkel gehllet + Mge sein Ende dir seyn. Ihn rchen entsetzlich die Seinen. + + Schn an Gemth und Krper, die Lust des Menschengeschlechtes, + Fat mit unstraflicher Hand die Kaiserkrone dein Enkel. + Aber, ihm gleich, ein Held, vom feindlichen Schicksal zum Feind' ihm + Auserkoren, entwindet sie ihr auf dem rauchenden Blutfeld + Mhldorfs; doch entreit er, erst nur der Rache gedenkend, + Auch in der Kerkerluft der Trausnitz dem edelsten Manne + Nicht den unsterblichen Kranz, der, lohnend, dem Guten zu Theil wird. + Sieh', er steht, erschtternd, vor ihm, da er Ehre viel hher, + Denn des Lebens erlesenstes Glck, die goldene Freiheit, + Achtet, und wiedergekehrt, die Hnde noch selber den Fesseln + Beut: ein Muster der deutschen Treu' auf Wort und auf Handschlag! + Innig ehrt er ihn d'rauf, und theilt das nchtliche Lager, + Ja, auch den Purpurthron mit dem Freund, der Erde zum Staunen. + + Ha, schon winket des Theuerdanks unsterblicher Held mir + Aus dem strahlenden Licht des thatenverherrlichten Lebens! + Sein erbarmt sich der Herr, und rettet ihn, wunderbar oft so, + Wie auf der Martinswand, aus unsglicher Noth und Gefahren, + Welch' ihm fortan drau'n auf des Herrschers dornigen Pfaden. + Hoch erhebt er den Ruhm von Oestreich: khn auf dem Schlachtfeld, + Weis' im Rath; ein Liedergewaltiger, Held, und Beherrscher. + + Aber ihm folgt, o Habsburgs Stolz, sein grerer Enkel! + Sein Zeitalter leuchtet in wunderherrlichem Glanz' auf. + Jugendlich regt sich die Erd', und treibt den erfreuenden Keim schon + Jedes Groen und Schnen hervor. Erhabene Geister + Wandeln auf ihr zum Ziel -- der Hchst' er unter den Hohen! + Ha, wie wrdig er herrscht, wie kraftvoll! Fern in die Zukunft + Schaut sein Blick: er sinnt auf Deutschlands Gre durch Einung, + Auf Hispania's Macht, und Italia's, da er die Rettung + Schaffe dem Christenvolk g'en wildemprter Osmanen + Allverheerende Wuth, die er tapfer bekmpft, und besieget. + Auch jenseits dem unendlichen Meer' erbeben die Vlker + Seiner Gewalt: nie geht die freundlichleuchtende Sonne + Unter in seines umuferten Reichs endlosen Bezirken. + Also die alt' und die jngere Welt im Segen zu einen, + Strebt sein hohes Gemth. Wie dunkel die Wege der Vorsicht! + Deutschlands Gau'n durchtobt die Neuerung. Feindlichgeschieden, + Schaut urpltzlich der Mensch dem Menschen in's Aug: ihn verwildert + Schrecklicher Sectenha: denn Mord, und Brand, und Emprung + Wrgt Jahrhunderte fort, und verscheucht bald jegliche Hoffnung, + Die so herrliche Frchte verhie. Vergeblich versucht er, + Heimzufhren den scheuentflohenen Frieden: auf immer + Scheint er entfloh'n. Ihn ergreift unendlicher Schmerz, und er endet, + Freientsagend dem Thron, in einsamer Zelle sein Leben. + + Ha, nach neun, durch Weisheit, Mild', und Gerechtigkeit ruhmvoll + Herrschenden Mnnern deines Stamms, erseh' ich im Thronsaal + Eine gewaltige Frau, die im Sturm umdrauender Nthen, + Gottvertrauenden Muths, die Lieb' und Bewunderung aller, + Eintritt dort, mit dem Sohn' auf dem Arm, in die hohe Versammlung + Eines edelen Volks, und tausend Stimmen erschallen, + Als der ehernen Scheid' entrissen der blitzende Stahl fleugt: + Lat uns sterben fr Sie, die, als Kniginn, uns ist ein Knig! + Glcklich als Gattinn und Mutter zugleich, und als Herrscherinn wrdig + Ewigen Ruhms, entschlummert sie sanft in den Armen des Todes. + + Lange zum Manne gereift, nachfolgt ihr spt ihr Erzeugter: + Herrschend des Volks Abgott, dem er nur Gutes gewillt ist. + Aber ihm strmts in der Brust: was kommenden Zeiten noch dau're, + Msse sorgsam gepflegt, und festgegrndet der Bau seyn, + Das bedenket er nicht, und sieht noch sterbend, verwelket + Was er gepflanzt, und im Sand, sturzdrohend, was er gebaut hat; + Dennoch beut ihm die Liebe den Kranz niewelkenden Nachruhms. + + Siehe den Weisen, in dessen Hand dann erglnzet der Zepter, + Reit des Todes Geschick aus der Zahl der Lebenden schnell fort! + Wohl ihm: denn frher erringt er das Ziel der herrlichsten Laufbahn + Auf hesperischer Flur, wo er Glck ausspendet, und Segen! + + Jetzt entschwinden die hehren Gesichte vor mir wie in Nebeln. + Furchtbar steigt Geschrei in die Luft. Des alternden Erdballs + Vesten wanken; es scheint, als sollt' ein neues Geschlecht sich + Heben empor aus dem ghrenden Grund, doch frher die alten + Ganz hinschwinden in Nichts: so entsetzlich schwelgt die Emprung + Fort an den Strmen vergossenen Bluts. Der tauschenden Gleichheit + Mordruf schallt: hinschwindelt das Volk, und reit mit des Thrones + Strzendem Heiligthum' auch sich selber hinunter zum Abgrund, + Wo in dem nchtlichen Grau'n sein Wuthgesthne verhallet. + Aber ich sehe den Schiffer im Sturm, der, blickend zum Himmel, + Unerschtterten Muths, durchfleugt die emprten Gewsser; + Sehe den Sohn vor mir des Verblichenen, wie er im Nachtgrau'n + Fortgewogt auf der Fluth, nun sinkt, nun steigt, bis er endlich, + Lautumjauchzt, einfhrt in den volkerflleten Hafen, + Und noch hher als erst, nach zwei Jahrzehenden aufragt: + Denn ihn lenkt in den Tagen der Noth stets sicher der Tugend + Heiliger Wink, und sein ist die Lieb' und die Treue der Vlker, + Die er, ein Vater, beherrscht mit mildvorsorgender Weisheit. + Heit auch mancher Gewaltige Gro߫ in Geschichten der Menschen, + Ihn wird einst die Nachwelt laut den _Edelsten_ nennen. + + Dunkler ward's ... mir schwand in verworrenen Bildern die Zukunft. + Doch nun hast du vernommen, was mir, unwrdigem Diener + Heute der Herr enthllt'. Leb' wohl! Vollbracht ist des Lebens + Weitumirrender Lauf -- er endete, deiner gewrtig. + Denk' auch mein im Gebeth. Stets sey der Himmel dir gndig! + Sagt' es, und wankte hinaus, der Klaus' entgegen. Er warf sich + Dort auf die Knie', und bethete leis' mit erblassenden Wangen. + + Aber auch Rudolph lag mit tiefgesunkenem Antlitz + So, da die strzende Thrn' auf die Marmorstufe hinunter + Ihm aus den Wimpern sank, mit hrbarem Laut in der Stille, + Vor dem Altar auf den Knie'n. Sein Dank auf den Fittigen tiefer, + Inniger Andacht flog empor zu dem Vater im Himmel. + Als er den Blick zu dem Bild' erhob, und das Aug' auf die Augen + Heftete, die so mild den frommhinwandernden Pilger + Wecken zur Liebe des Sohn's, da erblat' er betroffen. Ihn dauchte: + Da sie in himmlischem Glanz' erglhten, und schaudernder Angst voll, + Wich er zurck vom Altar -- bis jetzt in der Lampe der Lichtdocht + Hell aufflammt', und sanft, wie zuvor, die Mutter ihn ansah. + + Jetzo rief er Mllern herbei, der drauen im Vorhof + Harrte; legte die Hand ihm fest auf die Schulter, und sagt' ihm: + Hole die Waffen schnell: den Degen, den Helm, und den Harnisch; + Auch die Spor'n, die wir mitfhreten: leg' sie in Demuth + Auf den Altar; dann fasse den Speer, die Wache zu halten, + Bis zum Morgen. Ich geh', ein Weniges drauen zu schlummern. + Also geschah's. Der Knappe ging, und holte, verwundert, + Alles und Jedes herbei; dann fat' er den Speer, und erging sich + Dort, gemessenen Schritts, die Wach' an dem Heiligthum haltend. + Doch als jetzt an des Himmels Rand der erwachende Morgen + Wie der purpurne Kelch der frischentfalteten Rosen + Glhete, hie der Kaiser sein Volk der kleinen Capelle + Nahen, und dort im Kreis' umgeben den heiligen Altar. + Anbethend stand er selber vor ihm; dann wandt' er sich freundlich + Gegen den Kreis; rief laut dem Knappen Mller, und winkt' ihm, + Niederzuknieen vor Gott auf die Marmorstufe. Den Wammsrock + Nahm er ihm erst von dem Leib', und umgab mit dem glnzenden Harnisch + Ihm die Brust: er reicht' ihm die Sporn' und den trefflichen Degen + Dar mit dem Wehrgehang; bedeckte sein Haupt mit dem Festhelm, + Ri dann schnell das Eisen hervor aus der Scheid', und begann so: + Weil du, tapfergesinnt, obgleich als Brger geboren, + Habsburgs Herrn, der jetzt des heiligen, rmischen Reiches + Kaiser sich rhmt, das Leben gerettet, und stets auf dem Schlachtfeld + Ritterlich' Ehre gewannst durch heldenmtige Thaten: + Will ich dich hier, vor Gottes Altare, den Edeln gesellen. + Aber bedenke denn auch, da dir hinfort auf des Ritters + Ehrenbahn gezieme, zu schirmen das Recht und die Unschuld; + Schtzer zu seyn des zarten Geschlechts in Zucht und in Ehren; + Nie zu meiden den Kampf, in die Schranken durch Edle gefordert; + Nie zu dulden die Schmach, und zu rchen erlittenes Unrecht, + Krftig und ohne Verzug, so dir's nicht wehrt das Bewutseyn: + Hierauf schlag' ich dich Gott, und Maria, der heiligen Jungfrau, + Auch Sanct Grgen, des Ritters Patron, zu Ehren, zum Ritter.[8] + Sagt' es, und fhrte den Streich + kreuzweis mit dem tnenden Schwertstahl + Ihm die Schulter hinab, erhob den Edeln, und kt' ihn. + Laut aufschrie die Schar der Versammelten. Jeglicher staunte, + Forschte zuvor, wohin sich wende das ernste Beginnen? + Doch, nun schttelt' ihm jeder die Hand, und lchelt' ihm Beifall. + + Schon erglhte das zarte Gewlk im lichteren Osten, + Das dem erwachenden Tag das Nahen der herrlichen Sonne + Kndete: sieh', da fhrte sein treues Gefolge der Kaiser + Schnell zum ersehneten Alpenrand, wo jetzo die Aussicht + Unermelich gro, vor den Augen der Mnner sich aufthat! + Aber sie bebten zurck vor freudigem Schreck und Erstaunen: + Erst zur Tiefe hinab, wo auf duftigen Schwingen die Nebel, + Zgernden Flugs, bald hier, bald dort nach entfernteren Thlern + Flatterten, sank ihr Blick. Wie staunt' er: gewaltige Berghh'n + Nun zu Hgeln versunken, zu schau'n, und auf jeglichem ringsher + Wiesen, und Ackergrnd', und waldumsumtes Gehftland; + Unten am hellen Teich das Gotteshaus, und des Klosters + Riesengebude; das Thal entlang, an der schimmernden Traisen + Hin, aufwirbelnden Rauch von den Eisenhmmern und Htten -- Dann + unendlich hinaus vom Gebirg verbreitet die Fluren; + Doch als jetzt aus dem Nebelmeer ihr breiteres Antlitz, + Dunkelgerthet, die Sonn' erhob, und ringsum der Erdkreis + Jubelte: reich mit Perlen geschmckt, und begrt von den Scharen + Zahlloser Vgel im Wald', in den Thlern, und hoch in den Lften, + Wo sich empor unsichtbar schwangen die wirbelnden Lerchen: + Ha, da erglhte die Brust der Mnner vor tiefem Entzcken! + Mancher faltete, bethend, die Hnd', und blickte hinunter, + Rings umher, dann himmelwrts, mit Thrnen der Wonne. + Keiner hatte zuvor erstiegen die Hh'n, und gesehen + Dorther tausendfaltig bes't mit schimmernden Stdten, + Drfern, und Klstern das Land, und hochaufragenden Burgen; + Nur der erhabene Kaiser allein erlabte schon oft sich + Dort an der seligen Schau, und begann jetzt freudigen Blickes: + Seht, wo nrdlich hinaus sich die Strae, wie schimmernde Leinwand, + Dehnt, Sanct-Plten, die Stadt voll trefflicher Brger und d'rben + Herzogburg mit dem Gotteshaus' im lieblichen Aufeld. + Seht dort links, erbaut auf dem weitgesehenen Berggrath, + Gttweih herrschen im Donauthal, das herrliche Kloster; + Doch, nicht ferne der Burg des Hoheneckers am Wald dort, + Herrlicher Mlk: bewohnt von Benedicts Shnen die beiden; + D'rauf die Stadt' auch: Krems, Und, Stein, von Traubengebirgen + Rings umgrnt, an dem Ufer der hellerglnzenden Donau. + Doch, o! wer erspht', auch schrferen Blickes, noch jenseits, + Bis zu dem blulichen Kranz der Karpathen hin, und den Marken + Mhrens der Menschen Wohnungen all' in unendlicher Landschaft? + Seh't, g'en Westen, den Traunstein dort: er senket den Felsfu + Tief in den Gmundner See: die Zierde des Oberen-Oestreichs. + Nher erglnzet die Tillisburg, die im ruhigen Thalgrund + Birgt Sanct Florians Stift, das Haus ruhmwrdiger Chorherrn. + Dann erhebt der mchtige Briel, und drben der Oetscher + Noch das Haupt zum Gewlk, und rings bis zum stlichen Schneeberg, + Der nach der Wiener-Neustadt schaut, der _Immer-Getreuen_,[9] + Sehet ihr Berg' auf Berge gethrmt, erschtternden Anblicks. + Nur verhllt uns der Kahlenberg mit seiner Karthause + Wien, die Kaiserstadt, und das weitverbreitete Marchfeld, + Wo jetzt Ottgar lagert, und dort auf blutigen Kampf sinnt; + Doch wir biethen ihm lieber die Hand mit dem friedlichen Oehlzweig, + Als da er fhle den Schlag der eisernen, niedergeschmettert. + Ha, die Bild entschwind' euch nie, das heute so wonnig + Uns enthllten die Hh'n des Lilienfelder-Gebirges! + + Eiliger wandt' er jetzt die Schritte zurck, in der Htte + Noch dem frommen Klausner zu nah'n -- zu vernehmen des Segens + Laute von ihm, und ach, wie ergriff ihn Angst und Entsetzen, + Als er geffnet die Thr', und ihn, vor dem Bild des Erlsers + Auf den Knie'n, im Gebeth, mit gesunkenem Haupt und zum Boden + Starrendem Aug', ersah -- doch stumm, und erblasset im Tod schon! + Lange staunt' er, bewegt, den Verblichenen an, und enteilte + Dann der Htt'. In des Augenblicks entschwindendem Zeitraum + Schwangen die Reiter sich all' in den Sattel, + und trabten ihm, schweigend, + Nach, zum Kloster hinab, wo er, tieferschttert im Geist noch, + Anbethend, weilt in dem Gotteshaus', und dann in dem Kreuzgang + Wandelnd, hinauf in das Schlafhaus stieg in der Stunde des Mittags. + Hundert Schritt' entlang, auf mchtige Sulen gegrndet, + Wlbete dreifach die Halle sich auf: nur dmmerndes Zwielicht + Brach durch farbiges Glas der zierlichgestalteten Fenster. + Ernst ergriff ihn das Bild der Vergnglichkeit, als er mit Ehrfurcht + Staunte dem Bau. Du sollst, so lispelt' er leise fr sich hin, + Eiserngefgt, mit Stolz auf die wechselnden Zeiten herabschau'n; + Aber vielleicht, da nach sechs Jahrhunderten, oder nach sieben + Du in dem Schutte versinkst, wenn dort die prasselnde Flamme + Ueber dir braust, und vergeblich des Wanderers Auge dich suchet![10] + + Sieh', da nahte des Klosters Abt mit den Brdern, und sagte: + Herr, du zrnest uns wohl? Wir sumten den Herrscher zu gren! + Doch der Kaiser begann: Nicht euere Schuld ist es, wahrlich: + Denn ich schlich gar leise herein, als km' ich, ein Spher. + Jetzo gedenkt, Herr Abt, mit sorglicher Liebe zu einen + Staub dem Staub', aus welchem er kam: die Leiche des Klausners, + Der in dem Herrn entschlief, in der einsamen Htte der Alphh'n. + Weh', entgegnete jener bestrzt, so schwand auch der Segen + Von den Alpen mit ihm: denn seinen erhrten Gebethen + Dankten sie ihr Gedeih'n, und des Segens Flle die Hirten! + Aber nicht zeitlichen nur, auch ewigen wut' er zu spenden. + Liebend brach er das Brot den Groen und Kleinen -- versteht mich + Wohl, erlauchtester Herr: das Brot des gttlichen Wortes, + Das die Seel' ernhrt, und strket fr immer und ewig! + Aber woher er kam; we' Landes und Stamm's er gewesen, + Hat noch keiner enthllt. Versenkt in dstere Schwermuth, + Kam er in frhester Jugendzeit auf die Alp', und erbaute + Dort die Capelle, geweiht dem Dienste der seligsten Jungfrau. + Weniges sprach er nur, mit den Worten geizend -- mit Werken + Himmlischen Wohlthuns nicht: ein Heiliger allen verehret. + Morgen wollen wir ihn mit der Seelenme' und dem Bupsalm + Wrdig zur Erde bestatten, und ihm erhhen den Denkstein. + + Jetzo erscholl mit freudigem Ruf Drometengeschmetter + Von dem Wege heran, der Zell' entgegen -- der Jungfrau + Gnaden-Zelle, fhrt, wohin, wie der Hirsch nach dem Bronnen + Schmachtet, unzhlige Pilger zieh'n mit sehnendem Herzen + Nach dem Segens-Born der gttlichen Huld und Erbarmung. + Hell erglnzte das Aug' und die Wange des Kaisers. Er eilte + Rasch die Stufen herab: denn Albrecht, sein ltester, kam jetzt + Her aus den rheinischen Gau'n mit tapferen Scharen gezogen. + Laut begrt' er den nahenden Sohn, und both ihm die Hand dar, + Freundlich und mild; doch warm erwiedert' es dieser, und innig, + Obschon er dstern Gemths nie lchelte. Siehe, zur Heerschau + Hatt' er die Krieger in Reihen gestellt! Mit stolzem Vertrauen + Wies er ihm erst fnfhundert aus Zrch, die im Kampfe der Markgraf + Hochberg lenkt; dann jene von Kyburg, Salm und Luzern her: + Dreimal so viel' an der Zahl, die Nrnbergs tapferer Burggraf, + Friedrich, erkiesend, im Felde beherrscht, und wies ihm dann endlich + Jene, den ersteren gleich an der Zahl, die er selber in Schwabens + Heiteren Gau'n jngst warb, und jetzo zum Kampf und zum Sieg fhrt: + Lanzengewaltiges Volk, mit Helmen bewehrt und mit Schilden. + Aber hinab und herauf vor den Reih'n erging sich der Kaiser + Dort mit zgerndem Schritt'. Er sah mit freundlichen Blicken + Jedem Krieger in's Aug'; erzwang ihm ein Lcheln, und fragt' ihn: + Wie's ihm erging seither? -- bei'm Nahmen die Tapferen rufend. + Manchem strich er das rauhe Gesicht mit der Rechten; dem andern + Fat' er die Hand, und verhie ihm des Kampfs Arbeiten die Flle: + Da er schon alle zuvor im furchtbarn Felde der Waffen + Sah, und erprobte den Muth und die Kraft des einen und andern. + + Jetzo begann der Sohn dem herrschenden Vater zu knden: + Wie er das Kriegsvolk warb in der Heimath -- d'rauf an den Marken + Schwabens vereinte zum Heer'; wie er schnell g'en Ulm an der Donau + Zog, wo zuerst der Strom den breiteren Rcken zur Fahrt beut; + Dann' in Schiffen herab, durch Bayerns gesegnete Fluren, + Also durch Oestreichs obere Gau'n nach Enns, und gelandet, + Nach Stadt-Steyer geeilt, die am hellerglnzenden Waldstrom + Vielfach den Wand'rer ergetzt durch eisengestaltender Meister + Sinnigen Flei, und jetzt unwegsame Schluchten durchirrend, + Kam nach Zell, wo sich an der Gnadenquelle die Krieger + Alle reinten von Schuld, und des himmlischen Brotes genossen. + Doch, so erzhlt' er fort, wie erhob mich, + nicht ferne dem Ziel mehr, + Heut' in dem dunkeln Oetscherthal' ein Wunder der Allmacht! + Vor mir sprang ein flchtiger Gemsbock fort in des Weges + Krmmungen. Ich, von Jagdlust hei, verfolgte den Khnen + Seitab, bis er vom Rand der steilabgleitenden Felswand + Strzte zur Tiefe hinab, und zerschmetterte dort die Gebein' all'. + Aber der Rckgang schien auch mir versagt, und ich wand mich + Mhesam nur, die Schluchten entlang, zu lichteren Stellen. + Pltzlich ergriff mein Ohr ein Donnergetmmel: die Felsen + Drnten umher; stets furchtbarer scholl aus der Schlucht, + wie ich nahte, + Strzender Fluthen Gerausch', und erfllte die Thler mit Schauder. + Doch nun war errungen der Stand. Von des schwindligen Felsens + Schmalvorragendem Riff' ersah ich, vor freudigem Schrecken + Selber zum Stein erstarrt, des Waldstroms Fall in den Abgrund: + Denn vor mir aufthrmte sich hoch der gespaltene Felsberg + Oben am Rand nur sanft zur Rechten gebogen, und dorther + Strzt, ein raschvorstrmendes Ungethm, nieder die Lasing.[11] + Ha, wie Fluth auf Fluth und Wog' auf Woge sich drnget, + Rastlos; dann, erbebend dem Sturz', aufheult, und die Stimme + Aller, vereint, zum furchtbarn, schrecklichen Donnergets' wird! + Wie sie sich fassen im Flug, mit eh'rnem Geprassel die Klippen + Schlagen, und schumen vor Wuth; wie sie von dem Felsen herunter + Fort und fort, den jhabrollenden Schnee-Lawinen + Gleich, im kreisenden Schwung sich wlzen, und strzen, und ewig + Rauschen, und brausen, da rings die waldigen Hhen erzittern. + Ueber die Berg' empor, in die hehren Gefilde der Wolken + Fleugt der glnzende Staub zerschellter Gewsser, und dreht sich, + Wirbelnd, im eisigen Hauch des stromgeborenen Windes. + Doch als dort in die Felsenschlucht, am glnzenden Mittag, + Freundlich die Sonne schaut, da haucht sie in vielfacher Wlbung + Hin auf das wirbelnde Na den siebenfarbigen Bogen, + Der die strmende Brust mild snftiget: so wie er Noah + Einst erquickte das Herz, ein Zeichen der hohen Verheiung. + Wahrlich, entzckend schn, und erhebend dem fhlenden Menschen, + Pranget der Lasingfall in Oestreichs hehrem Gebirgsthal! + Aber er horchte den Worten des Sohn's mit Lust, und geboth dann, + Laut, dem Volke zu Fu und den Reitern den eiligen Aufbruch. + + Staunend ersah'n die Krieger zuvor, an der Seite des Kaisers + Mllern im Ritterschmuck -- den ebenbrtigen Brger + Zrcher Stadt; sie sah'n es, und lispelten, wiegend das Haupt noch, + Einer dem andern die Frag' in's Ohr: was solches bedeute? + Jener gewahrt' es, und, sich im kreisenden Schwung in den Sattel + Hebend, lenkte den Rappen herbei; dann heischt' er von Diesem, + Jenem die Rechte zum Gru, und prete sie, hei in der seinen. + Aber da kam, erglhenden Blicks, der Kaiser, und sagte: + Staunt nicht frder, da ihr im Ritterschmucke den Brger + Euerer Stadt erblickt. Allmnniglich ist es bekannt ja, + Wie er in groer Gefahr mit tapferem Muth mir das Leben + Rettete: d'rum auch werth und wrdig des Standes der Edeln; + Aber nicht Mllern nur, auch jeglichem steh' ich als Schuldner, + Der so, wie er dem Kaiser und Reich sich verdingte: Rudolphus, + Kaiser des Reichs, wird ihm die Schuld mit Wucher bezahlen. + Sagt' es, und schwang sich auf's wiehernde Ro. Zum freudigen Aufbruch + Scholl die Dromet', und schnell g'en Wien bewegte der Zug sich. + + Sieh', in des Abends Grau'n, gewiegt von gaukelnden Lftchen, + Rauschte das Laub in dem Weidenhain, der nahe den Mauern + Drsings, am Hgel empor sich hob, und im schlngelnden Waldbach, + Lngs dem duftenden Thal sich spiegelte! Vllig verhallt war + Nun des Kampfes Gets' -- erstrmt die Veste. Die Gegner + Wichen, bezwungen, zurck, und Ottgars furchtbare Gattinn + Sah schon stolz auf das Land, das bald (so whnte sie thricht) + Oestreichs Aar' entrissen, dem Leu'n von Bhmen zu Theil wird. + Doch wer ist die holde Gestalt, die, zgernden Schrittes, + Drben, den Bach entlang, hinwandelt in sinniger Schwermuth? + Hedwig, ihr' Erzeugte, die Wonne des herrschenden Vaters, + Und der Liebling des Volks, geliebt, und bewundert von allen. + Aber warum erbebt ihr hochgesinnetes Herz nun + Unter der sanftvorwlbenden Brust? Entlockte der Thrnen + Hellerglnzendes Paar, das ber die rosige Wang' ihr + Trufelte, tiefverborgener Gram, und die Einsame geht nun + Solches dem sphenden Blick der furchtbarn Mutter zu bergen? + Ach, nicht der Mutter allein -- auch allen den Sterblichen ringsum, + Ja, sich selbst, und sogar dem Allerforscher im Himmel, + Brge sie gerne den Gram, dem heute die Thrnen geflossen! + Doch nun hemmt sie den Schritt. An den Stamm des schattenden Baumes + Sttzend den Arm, und pressend die Wang' in die Hhle der Linken, + Hebt sie das Aug', voll Himmelsblu', empor zu den Sternen. + Seitwrts sank von der hellen Stirn' ihr des brunlichen Haupthaars + Ringelnde Meng', und hing von den Schultern zugleich, und des Nackens + Schner Sul' an dem schneeigen Faltengewande hinunter, + Das dicht unter der schwebenden Brust der goldene Grtel + Lieblich umfing. Nicht kam von den funkelnden Sternen ein Lichtstrahl + Ihr in die grau'numnachtete Brust. Sie starrte, verstummend, + Lange vergeblich empor; doch jetzt mit lispelndem Laut nur, + Und umschauend mit Angst, begann das jammernde Frulein: + Ha, vernichtendes Bild -- entsetzlich, und furchtbar, und dennoch + Himmlisch zugleich aufschwebst du vor mir, umgaukelst mich rastlos, + Und bethrst mir den Geist mit tiefverwirrendem Schwindel! + Wallstein -- Gott! Wen nannt' ich? Sein Nahm' entri sich den Lippen + Mir, der Unglcklichen jetzt, und ach, der holdeste Laut wr's; + Ser als Harfengetn' in des Mondlichts freundlichem Schimmer, + Klang' er mir in dem Ohr', drft' ich ihn nennen -- ich darf nicht! + Glckliche Menschen ihr, die ihr dort in der niedrigen Htte + Wohnt, wo des Throns augblendender Glanz nicht das Herz von dem Herzen + Trennt, dem ihr's auf immer geweiht: wie zg ich so freudig + Hin den dunkeln Pfad, der euch beglckend zum Ziel fhrt! + Weh', wie sprach ich? Wohin entschwand mir jede Besinnung! + Grnende Matten, du murmelnder Bach, und ihr Sterne da oben + Sagt es nicht, was ihr gehrt. Du Mutter des Heiligsten, Besten, + Huldvolle Maid, nah' mir, der armen Verirrten, zur Rettung! + Billig hat' ich ihn. Ha, wie verwegen er jngst zu den Knie'n mir + Sank -- ich bebte vor Angst, in des Gartens umschattendem Laubgang; + Wie er mir fate die Hand, an die glhenden Lippen sie pressend, + Bleich aufstarrte zu mir! Nicht soll er frder mir nahen. + Doch wer eilt im Dunkel daher? Ich strbe vor ihm jetzt. + + Sagt' es, und wollt' entflieh'n: da trat ein edeler Ritter, + Schimmernd im tnenden Waffenschmuck', in der Stille des Abends + Ihr in den Weg, und sprach: Gnnt mir, holdseliges Frulein, + Freundlich Gehr! Von Eginhards Geschlechte geboren, + Folg' ich, ein Rittersmann, der Fahne des Knigs von Bhmen, + Eures Erzeugers, und doch, erschrecket nicht, steh' ich, ein Anwald + Seines Gegners, vor euch. Ich komme, gesendet von Hartmann, + Rudolphs Sohn', der euch schon lange zum Gatten erwhlt ist: + Denn in dem rosigdmmernden Licht unschuldiger Kindheit + Wollten zu eh'lichem Bund' euch die liebenden Aeltern vereinen, + Ehe des schrecklichen Jammers Grund, die Krone der Kaiser, + Feindlich die Frsten schied, und her auf das eiserne Schlachtfeld + Zog. Doch hrt: mich hob er zuvor mit dem Speer' aus dem Sattel, + Als ich die flchtende Schar aus den khneroberten Mauern + Drosendorfs verfolgt', und ihn selber bestand auf dem Heerweg. + Aber er schenkte das Leben mir, und die Freiheit -- auf Ritters + Redliches Wort d'rob heischend die Pflicht: + da ich brchte die Bothschaft + Her, und zurck, wie es euch Bescheid zu geben, genehm ist. + Ach, er hat euch jngst, so sprach er mit leuchtenden Augen, + Wiedergeseh'n nach Jahren voll Grams, und nimmer entschwindet + Mehr ihm das Bild der holderblheten Jugendgefhrtinn! + Nicht entfloh ihm die Hoffnung noch des ersehneten Friedens. + Mild schlgt Rudolphs Herz: er biethet dem tapferen Ottgar + Freundlich die Hand. Vielleicht, da bald die gesonderten Krieger, + Die jetzt noch, blutdrstenden Blicks, nach den Lagern hinber + Schau'n, und, geballt, erheben die Faust: voll druenden Ingrimms + Gegen einander zu wthen bereit, vernehmend des Friedens + Frhlichdrometenden Ruf, in die Scheid' ihr blitzendes Eisen + Bergen, und mitten im Feld mit lautem Gejauchz' sich die Rechten + Schtteln, und ganz vergessen des Grimms in froher Umarmung. + D'rauf zerstreuen sich all'. Auf den stubenden Straen erschallet + Sang und Klang. Bekrnzt mit grnenden Reisern, enteilen + Sie zur heimischen Flur, um dort in den Blicken der Lieben + Jetzo des Wiedersehn's erschtternde Wonne zu lesen. + Dann aufdmmert auch ihm, dem euch die liebenden Aeltern + Einst verlobten, der Tag ersehnter, unendlicher Wonne. + Doch so ihn trge der Hoffnungs-Strahl, und die waltenden Herrscher + Sich bekmpften mit eisernem Trotz' -- o, hrt ihn! Er frgt euch: + Wollt ihr auch dann noch treu dem geschlossenen Bund euch erweisen? + Fromm, und gut ist des Kaisers Erzeugter gesinnt: auf dem Schlachtfeld + Hob sich sein Ruhm, und Deutschlands throngeborene Jungfrau'n + Schau'n mit sehnlichem Blick nach dem herrlichgestalteten Mann hin. + Nur kargt er mit den Worten: es wohnt stets dstere Schwermuth + Ihm auf der Stirn' -- und im Herzen nach euch unendliche Sehnsucht. + Also sprach er, und harrte, bewegt, der entscheidenden Antwort. + + Hedwig sann fr sich hin; nach dauerndem Schweigen begann sie: + Wohl ist Rudolphs trefflicher Sohn, der tapfere Hartmann, + Mir bekannt -- ich ehre den edelgesinnten Jngling; + Aber getrennt hat uns des Schicksals eherner Rathschlu, + Wandelnd in Ha, und nievershnliche Feindschaft der Aeltern + Herzen um uns: ich steh', entledigt der frhen Verlobung. + Ach, und sollt' in dem Kampf auch mein Erzeuger dem seinen + Unterliegen, und ich, die Tochter des mchtigen Ottgar, + Dem Europa's Vlker umher sich beugen, voll Ehrfurcht, + Strzen hinab in den Staub der schmachbelasteten Armuth: + Dennoch wrd' ich nicht Rudolphs Sohn zum Gatten mir kiesen! + Und, da nur ein einziges Wort entscheidet fr immer, + Knd' ihm: ich htte gewhlt -- fr den Einen gelobt' ich zu leben. + Also floh ihr das Wort von den zitternden Lippen. Sie wandte + Heim nach der Stadt die furchtbeflgelten Schritt', und der Ritter + Eilte davon, beschwert mit der trauererregenden Bothschaft. + + + + + Dritter Gesang. + + + Ha, schon lockte der Kampf des Geisterreiches Bewohner + Aus dem bersinnlichen Raum', und den Tiefen des Erdballs, + Mchtigen Zaubers herbei! Auch _Marbod_,[1] der edele Markmann, + Kam. Nicht im bersinnlichen Raum ergetzte das Licht ihn + Seither: denn er sa, versunken in dstere Schwermuth, + Dort in des Erdballs Schoo wohl zwlf Jahrhunderte lang schon, + Seit er getrennt sich sah von der liebenden Gattinn, Erwine, + Die, in dem Todeskampf', ihm die Hnde mit weinenden Blicken + Reichte zum letzten Mal', und dann, viel reineren Herzens + Denn ihr Gemahl, empor zu glnzenden Rumen sich aufschwang. + + Marbod herrschte, von Kraft und glhendem Muthe beseelet, + Ueber ein tapferes Volk: Markmannen genannt in den Reihen + Mchtiger Stmme des deutschen Vereins. Von Schwabens Gefilden + Her, die norischen Alpen entlang, Pannonien nahend, + Wo in der Ostmark sich am Ufer der mchtigen Donau + Vindobona erhebt, bis hin zu den Hhen der Henburg[2] + Schirmten gegen den Feind, im Rcken der Berge, die Marken, + Sie des gemeinsamen Vaterlands, als mannhafte Streiter. + Aber dem schrecklichsten dort, der allzermalmenden Roma, + Ferne zu stehen, und ihm einst khn zu begegnen im Schlachtfeld, + Zog er nach Bojenheim; verjagte den Gothen-Beherrscher + Katwald; grndete sich ein Reich und die Stadt an der Moldau, + Marobud,[3] und ward gefrchtet umher in den Lndern. + Inguiomar, der Ohm des tapfern, cheruskischen Hermann, + Floh, von diesem gehat, zu Marbod. Sie kmpften im Marchfeld + Lange die blutige Schlacht, und es rhmten sich beide des Sieges. + Aber an Hermanns Macht, des glcklichen, schlossen die Scharen + Marbods sich an. Da entri, mit den Rmern verbndet, ihm Katwald, + Strmend, die Burg Mar'bud, und entthront' ihn. Ach, er vertraute + Roma's tuschender Huld, und starb in den Mauern Ravenna's + Arm -- ein Zeuge des wechselnden Glcks auf irdischer Laufbahn! + Doch nun kam er herauf, und wandte sich rasch nach den Fluren + Oestreichs, das er mit Bojenheim sein nannt' in der Vorzeit. + Bald gewahrte sein Aug' auf des Lilienfelder Gebirgs Hh'n + Drben die Ritterschar blondhaariger Deutschen. Er schwebte + Jetzt in sausender Eile dahin, und so, wie der Geier + Schnell von dem Felsenhorst nach dem dunkeln Thale herabfhrt, + Weil er im Laub hellschwirrende Vgel ersphte: so blitzschnell + Fuhr er herab. Er staunte: wie hier die ermdeten Krieger + Schlummerten; dort, zu dem Bild des Gekreuzigten, einer der Helden + Flehend rang, und ein Greis ihm naht' in erschtternder Hoheit; + Hrte: wie jenem der Greis der tiefverborgenen Zukunft + Dunkel enthllt', und Habsburgs Ruhm mit unzhliger Vlker + Glck in seinem Geschlecht verkndete: schauend im Geist dort + Oestreichs Gr', und in Wonn' erbebend den hehren Gesichten. + Aber vor allem ergriff des stattlichragenden Herrschers + Nh' ihn, der, entsprossen aus seinem Stamm', in des Aargau's + Thlern die Burge der Ahnen bewohnt', und von allen gepriesen + Als der Schirmer des Rechts, zum erhabenen Kaiser der Deutschen + Jauchzenden Rufes erwhlet ward. Doch biethet ihm jetzo, + Also sagte zuvor der Greis auf den luftigen Alphh'n, + Ottgar furchtbarn Kampf, und er soll in dem Waffengefild nur + Dann erringen den Sieg, wenn ihm -- welch' dunkele Reden! -- In + umdrngender Noth vom Munde des Herzens Gelbd' tnt? + Dacht' es, und eilte, die Heeresmacht des gewaltigen Knigs + Drben am Ufer der March, durchdringenden Blick's, zu erforschen; + Rudolph helfend zur Seite zu steh'n; in dem Seelenverein ihm + Stets zu erregen das Herz zu ruhmverherrlichten Thaten, + Und zu enthllen die List auflauernder Feind' in dem Feldzug. + + Dort, wo im schimmernden Zelt', umfangen von nchtlichen Schatten, + Ottgar eben, vereint mit den tapferen Helden, zu Rath sa, + Hielt er, schwebend, und sank, wie der Aar, der hoch aus dem Luftraum + Auf die kreischenden Jungen sich senkt, vor dem Zelte herunter; + Doch wie erwachte sein Zorn, als jetzt Drahomira die Recht' ihm + Lchelnd both, im Wahn: er nah' als Verbndeter Freund ihr. + Grimmig sah er sie an; sie lchelte wieder, und sagte: + Ha, nicht hast du die Knie' vor des Menschen-Sohne gebeugt einst, + Du, in dem Lande der Frei'n Geborener: hast in des Eichwalds + Schauriger Nacht, noch triefend von Blut, geopfert den Gttern-- + Zwar erschuf sie der Wahn, doch hatten wir Schuld an dem Irrwahn + Dort? Jetzt nhr' ich ihn khn -- will nie dem stolzen Gewaltspruch + Huldigen. Komm, und stehe mit mir im Bund des Verderbens. + Stark ist mein unbndig Gemth: dir will ich auf immer + Thatengenossinn seyn auf der Bahn, die Emprung genannt wird + Von dem Beherrscher des All's. Wir wandeln sie muthig und khn fort, + Wie er es will, uns fern von des Lichtreichs Grnze verbannend. + Uns vereine das gleiche Geschick und die gleiche Gesinnung: + Ottgar falle besiegt; Kunegund' sey Herrscherinn! Mir gleich + Trgt sie im Busen ein Herz, voll Kraft, und unbndiger Khnheit. + Aber sie lockt' ihn umsonst: aus der Blue der trotzigen Augen, + Die, vom rthlichen Haar umwallt, einst, Gegnern zum Schrecken, + Glheten, sah er, verachtenden Blicks, auf die Zauberinn nieder; + Wandt' ihr den Rcken, und fuhr in den Raum des Zeltes herunter: + Denn ihm schwebt' Erwinens Bild vor den Augen, und Thrnen + Trbten sie schnell, da er jetzo, bewegt, der Sanften gedachte. + Doch als sie in dem Kreis' der Versammelten hier Kunegundens + Herz mit verblendendem Zorn und Ha zu erfllen bedacht war; + Ottgar selbst, von dem Weib' emprt, dem Herrscher der Deutschen + Grause Vernichtung sann; Verrath in den Mauern der Hauptstadt + Gegen ihn druend sich hob, und, Rache, die Losung des Heers war: + Ha, da flog der entrstete Geist in Eile von dannen! + Eben erglhte das Morgenroth, erneut, wie der Hoffnung + Herzerheiternder Strahl, an dem stlichen Himmel. Er fhlte + Ruh' in der strmischen Brust, und schwebte hinan zu den Zinnen + Wiens, wo er bald mit ringsumsphendem Blick im Gebein-Haus, + Unter der wlbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen, + Rdiger Waldram fand, der dort mit den Brgern zu Rath sa: + Rudolphs Feinden die Veste noch heut zu verrathen, entschlossen. + Seht, so sprach er, uns frommt's des ruhmverherrlichten Ottgars + Herrscherthron zu erhhen in Oestreichs blhender Hauptstadt. + Wir sind Brger der Stadt, und erfuhren es all' in der Wahrheit, + Da uns Rudolphs Macht, des stolzaufstrebenden Fremdlings, + Schon in dem frheren Vlkerkampf nicht zu schirmen vermochte. + Seine Heimath ist fern -- ein Aargau'r bleibt er noch immer. + Flieht den Leu'n im gldenen Feld: _roth_ glht er vor Ingrimm;[4] + Aber euch sey in dem Purpurfeld der _weie_[5] willkommen, + Selbst vor dem Doppelaar, den Kaiser Friedrich, der And're,[6] + Hier zum Wapen uns gab. Nun hrt', ihr Getreuen! Erschallen + Wird vor dem Stubenthor im mitternchtlichen Grauen + Dreimal ein Glckchen. Es ruft uns zur That: denn khne Gesellen, + Von dem Knig der Bhmen gesandt, durcheilen den Wehr-Gang + Auer der Veste, wo ich in Menge die tdlichen Waffen + Heute gehuft. Wir ffnen das Thor, und, wit es: verrathen, + Oder errungen im Blut -- uns gleich! wir biethen die Stadt ihm + Morgen zum Unterpfand des jngstbeschworenen Bundes. + Eilt nun heim, und gedenket des Muths, + und des herrlichsten Lohn's nur! + Schweigend reichten ihm jene die Hand, und eilten von dannen. + + Aber mit Schrecken vernahm den schnden Verrath an dem Kaiser + Marbod im schwebenden Flug', und sann, wie er solchen vereitle. + Jetzt entschlo er sich rasch, zu nah'n im warnenden Traumbild + Hugo von Tauffers, dem Greis' unbndigen Muthes im Schlachtfeld, + Dessen gewaltiger Feldherrnkraft die Veste vertraut war. + Wie sich ein Nebelgewlk hersenkt auf die dmmernden Berghh'n: + Also nahet' er ihm, und wies in der Tiefe des Grabens, + Auer dem Stubenthor', ein Heer von Wlfen: sie folgten + Eilig dem Weidmann nach, der wildanlockenden Kder + Trug in der Hand, und Waldram glich, voll triegender Arglist. + D'rauf durchstrmten sie das erffnete Thor, und erwrgten + Ringsum Kinder und Greis', und lautaufheulende Mtter + So, da das Blut durchwogte die Stadt, wie ein brausender Giebach, + Der im regnigen Herbst mit schumenden Fluthen daherfleugt. + Sthnend entwand sich der Held dem Traum', und sagte, verwundert: + Wahrlich, mir fhrte die Nacht noch nie so klar und lebendig + Gaukelgebilde des Schlafs an der Seele vorber. Mich dnket, + So ich es recht erwg' im Gemth: ein warnender Traum seys! + Und er erhob sich behend', um die Veste besorgt in dem Herzen. + + Jetzt erscholl ringsher von den hochaufragenden Wllen, + Mchtiger stets Drometengetn', und unzhlige Glocken + Weckten mit ehernem Schall des Volks unendlichen Jubel: + Denn von des Berges Hh'n, wo die Spinnerinn sa an dem Kreuzbild, + Kam Kriegsvolk, und vor ihm der erhabene Kaiser. Die Sonne, + Die sich im rosigen Osten erhob, sog blitzende Strahlen + Aus dem sthlernen Kleid der Gewaffneten, herrlich zu schauen! + Rhrend zugleich, und herrlicher noch: wie, inmitten des Volkes, + Das entgegen ihm zog, im Geleit zwo lieblicher Tchter, + Agnes und Adelheid, und Hartmann, ihres Erzeugten, + Man die Kaiserinn trug in der Snfte. Die Mutter der Armen + Hie sie dem Volk', und hie die trefflichste Mutter und Gattinn: + Mild sich bewhrend an allen zugleich, ein Engel an Sanftmuth; + Doch sie naht', abzehrend, des Lebens Ziel', und auf einmal + Welket sie hin wie die Blume, versengt vom giftigen Mehlthau. + + Drauen in Matzleinsdorf, wo fromme Verehrer ein Standbild + Weihten dem Sankt Florian, dort hob Jahrhunderte lang schon + Eine Linde sich auf, die mchtigen Zweige verbreitend + Rings, und biethend in Sommers Zeit umschattende Khlung + So dem Pilger zugleich, wie dem schwerarbeitenden Lhner. + Dort geboth er die Rast, und grte die nahende Volksschar + Freundlichen Blicks. Doch jetzt, die treffliche Gattinn gewahrend, + Trat er zu ihr, und fhrte sie sanft zum beschatteten Sitz hin. + Wie ihm die liebende Brust auch blutete, sie an des Lebens + Kraft so erschpft, und ach, dem Tode verfallen zu schauen; + Dennoch bezwang er den Schmerz, und sah ihr noch heiter in's Antlitz! + Aber das liebliche Paar der Tchterchen legt' ihr das Kissen, + Unter den Fen zurecht, und wand das Tuch ihr mit Sorgfalt, + Um die erschtterte Brust: der druenden Khle gedenkend. + Doch sie sprach zu dem trauten Gemahl, verweisend mit Sanftmuth: + Gar nicht erwgest du, ach, wie des Vaters die Kinder bedrfen-- + Meiner, der Mutter, nicht mehr: denn schon gewahr' ich sie mndig + Alle vor mir, und bewahrt, mit Gott, in jeglichem Guten! + Rastlos sucht dein Geist nur Mh' und Arbeit: die Tag all' + Schwinden dir hin, und die Nchte, gesammt, in ewigem Streben + Nach dem erkorenen Ziel', und die Ruh' erquicket dich nimmer. + Auch bestehst du zu oft und zu khn die Gefahren, als Herrscher; + Zogst auch jetzo hinauf g'en Lilienfeld in dem Waldthal + Nur mit schwachem Geleit, und leicht wohl htte die Heimkehr + Dir der Bhme verwehrt, so ein arger Verrther es kund that. + Weh', und neu entflammt sich der Krieg! Von neuem beginnst du + Wieder den blutigen Lauf, und, ob auch die liebende Gattinn, + Ob die Mutter vergehe vor Angst, und die Kinder, verwaiset, + Schreien nach dir -- umsonst: du kennst, Tollkhner, die Furcht nicht! + Ach, erhob dich die Huld der ewigwaltenden Vorsicht + Nicht auf den Thron, da du beglckest unzhlige Vlker; + Fhrest den Frieden zurck' in die sturmerschtterten Gauen + Deutschlands, unseres Vaterlands, und erhebest die Ostmark, + Deinem Geschlechte zum Ruhm -- zum Sitz' unendlichen Segens? + Jener entgegnet' ihr sanft: Nicht also gedacht, und gesprochen + Hast du, Theure, zuvor in den blhendentfalteten Jahren, + Als in den Kampf dein Held auszog. Du reichtest die Waffen + Selber ihm dort, vom Staub sie reinigend, oder vom Blutrost + Oft mit dem Hauche des Mund's und den zartgestalteten Fingern, + Und umgrtetest ihn mit dem Schwert, nach ad'liger Sitte. + Zwar dir pochte die Brust, und die rosigerglhenden Lippen + Zitterten ob den Gefahren des Kampfs; doch immer bezwangst du, + Schweigend, die Angst, und theiltest die Freude des kehrenden Siegers: + Denn nicht eitelen Ruhm, nicht schnden Besitz zu erjagen, + Lag ich drauen im Feld; nie schaffte mein Eisen das Eigen + Armer und Waisen mir heim: nur diese zu schirmen -- zu rchen + Unterdrckung und Schmach der Unschuldigen, zog ich mit Macht aus, + Wie es die Ritterehre geboth. Auch jetzo, gezwungen + Nur, entrei' ich das Schwert der rostenden Scheide. Des Friedens + Bothen, erhaben an Rang und Verdienst, entsandt' ich in's Lager + Ottgars erst: wohl mir, so er beiden ein gnstiges Ohr leiht! + Doch so er taub verschmht den ein- und den anderen: dann sey + Gott befohlen mein Haupt. Ich mu ja leben, und sterben, + Wie es der Vlker Wohl und des Herrschers heilige Pflicht heischt. + Mg' er Trster dir seyn, und das Leben noch lange dir fristen + Mir zur Freud', und den Kindern zum Glck', auf immer und ewig! + Jetzo erhob er sich rasch von der steinernen Bank mit der Gattinn; + Winkt', und reicht' ihr, zum Scheiden, die Hand. + Durch quellende Zhren + Sah'n sie lang' einander in's Aug': die Zitternde sank ihm + Dann, voll Hast, an die Brust, und kte das pochende Herz ihm. + Angst ergriff das Volk, und ihr' Erzeugten verhllten, + Weinend, das Aug': sie kehrete heim nach der einsamen Hofburg. + Ach, nicht sieht er sie mehr, die holde Geliebte der Jugend, + Nicht die erlesenste Gattinn mehr, nicht die beste der Mtter: + Denn ihr Lebenslicht soll nun, wie die Lampe verlschen, + Die, des Oehles beraubt, nur matt aufflimmert noch einmal! + + D'rauf an der Wien, die trg in den buschigen Ufern sich fortwlzt, + Fhrt' er die Heerschar schnell den Mauern der Veste vorber: + Denn nicht wollt' er die Burg in den Tagen des Kampfes beschreiten, + Whlend das Zelt zur Wohnung im Kreise der tapferen Krieger. + Auer dem Stubenthor naht' ihm mit eilenden Schritten + Hugo von Tauffers, er, des treuen, tyrolischen Berglands + Heldensohn, der, jngst erkoren zum Schirmer der Festung + Tausend trefflichen Schtzen geboth, die er warb in der Heimath. + Herr, so sprach er ihm leis' in das Ohr, nicht wollest du Hugo's, + Deines Getreu'n, der lange, frwahr, den Schuhen des Jnglings + Schon entwuchs, jetzt hhnen, als aberwitzigen Trumers! + Wohl ist des Menschen Geschick, zu spielen als Kind an dem Morgen; + D'rauf an dem Mittag ernst zu wandeln als Mann, -- wie ein Kind fast + Sich zu geberden als Greis, an dem Abend des wechselnden Lebens; + Doch, getrost: noch sitzet das Haupt mir fest auf den Schultern; + Schaue noch scharf in die Fern', und mir entgehet der Laut nicht, + Der zu Thaten mich ruft im rhmlichen Felde der Waffen! + So verknd' ich dir jetzt, wie heute am dmmernden Morgen + Mir ein Wundertraum das Geheimni enthllte, da Gegner + Drinnen im Schooe der Stadt gehgt, gleich giftigen Nattern, + Sinnen auf Mord und Verrath. Ich sah an dem heimlichen Wehr-Gang, + Der, verborgen im dichten Gestruch, vom Ufer der Donau, + Vielverschlungenen Zugs, zu dem inneren Graben herauffhrt, + Listigerffnet die Thr', und gehuft unzhlig die Waffen: + Sie zu vertrau'n der wrgenden Faust verruchter Gesellen. + Auch entnahm ich zuvor aus dunkelen Zeilen, da Waldram, + Gestern um Mitternacht Rath hielt im grausen Gebeinhaus + Unter der wlbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen. + Solches erwg', o Herr, und begegne dem schnden Verrath jetzt! + Horch, so gab ihm der Kaiser zurck, der Huth in der Festung + Eine sich hier die Schar zweitausend gewaltiger Schweizer + Heute noch, die, so hei' es, erschlaffte die dauernde Heersfahrt! + Hartmanns Muthe vertraut sey dann die Vest' und die Hofburg; + Doch du schwinge dich hurtig auf's Ro, und reite g'en Theben, + Wo schon Ladislav, mit der Krone des heiligen Knigs + Jngst geschmckt, als Freund und verbndeter Kriegesgenosse, + Unser mit Sehnsucht harrt im Kreise der tapfer'n Magyaren. + Ihm entbiethe denn unsern Gru: er solle bereit steh'n, + Bis von dem Kahlenberg', in dem mitternchtlichen Grauen + Hoch die Lohe sich hebt: des Kampfs bedeutender Wink; dann + Eil' er herber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge + Sie in dem trocknen Gerhr', an dem Weidenbache vor Marchek. + Auch ich werde nicht fern mehr seyn, und ihm einen die Scharen + Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung. + Hugo vernahm das Wort -- nicht zweimal braucht' er's zu hren: + Denn er hob sich, behend', im kreisenden Schwung in den Sattel, + Jagte davon -- ihm nach der rstige Knapp', und in Sulen + Hob sich der Staub empor in die Luft vom schimmernden Heerweg. + + Doch nun theilten die Schtzen Tyrols mit den tapferen Schweizern + Wiens ruhmwrdige Huth, wie solches der Kaiser gebothen, + Der das Schwert von der Hfte sich nahm, und dem tapferen Hartmann, + Seinem Erzeugten, es gab mit sanftermahnenden Worten: + Deinem Muthe vertraut sey jetzo die Burg und die Festung + Wiens, der herrlichen Stadt. Ein rettender Schild der Bedrngten + Mgest du seyn, und den Ruhm von deinem Geschlechte bewahren, + Das von der Habsburg kam, und Oestreich, liebend, zur Heimath + Sich erkor: ihr Glck auf immer zu grnden, entschlossen! + Sagt' es, und Hartmann trat mit schweigendem Ernst in die Vest' ein, + Dort zu gebiethen der Schar wallschirmender, muthiger Vlker. + Trauer umwlkte sein stilles Gemth. Von den Sterblichen einer, + Die, durch Prfung bewhrt, des Herrn verborgener Rathschlu + Wandeln heit auf der Dornenbahn in die ewige Heimath, + Wuchs er in Schwermuth auf. Den Gegnern gefrchtet im Schlachtfeld, + Und von Jeglichem ob des Wissens Reichthum bewundert, + War er der Aeltern Stolz, und die Freude der edelsten Menschen; + Doch milang ihm oft sein Mh'n und Streben, und ach, erst + Kndet' ihm Eginhard des stolzgesinneten Fruleins + Liebeverschmhendes Wort. Er hielt sich die Brust mit der Rechten, + Wo das Herz emprter ihm schlug, und sah zu dem Himmel + Dsteren Blicks, empor; doch bald bezwang er sich wieder: + Mit Ergebung vor Gott, und den Menschen zu wandeln, entschlossen. + Jetzt, so hoch ihn der Ruf des Heldenvaters auch ehrte, + Inner den ragenden Mauern Wiens dem Feinde zu trotzen, + Und zu entreien den Sieg, nicht weckt' er ihm Freud' in dem Herzen: + Denn ihn hie auf den Kahlenberg zur stillen Karthause + Pilgern ein frommes Gelbd', und, wie es nun lsen? + -- nicht wut' er's. + + Aber es zog auf der Brcke dort, die, einigend Leupold's + Auen- und Inselstadt[7] mit dem Land' und der Vest', + in dem Grund fut, + Eilig der stattliche Kaiser einher vor den muthigen Scharen. + Schmal, und getrennt von dem Riesenarm der herrschenden Donau, + Wogt in der Tiefe der Strom, und umfat ein mchtiges Eiland, + Das im Schooe die Auenstadt und umschattende Auen + Lieblich vereint, zur Lust des wandelnden Stdtebewohners. + D'rauf im Eilschritt ritt er hinaus auf den schwankenden Bohlen, + Wo auf dem Riesenstrom sich die Fhren an Fhren, im Halbkreis + Reihten, dem wachsenden Mond' an dem Sternenhimmel nicht ungleich, + Wenn er auf dunkeles Nebelgewlk im Westen hinabsinkt. + Angelangt an der Spitze, vom Tabor hinaus, wo im Aufeld + Links an der Stra', und rechts sein Heer das Lager bezogen, + Sah er zum Ehrenempfang die Scharen geordnet, und winkte + Beifall den Amtnern[8] zugleich, und den muthbegeisterten Kriegern: + Denn schon hob sich ihr Freuden-Geschrei die Reihen hinunter, + Endlosdauernd im Ruf: Hoch lebe der Kaiser Rudolphus! + + Allen voran stand dort der Hauf' streichischer Krieger, + Ober'n und unteren Lands; die letzteren fhrte Capellen, + Jene Dietrichstein in das Feld: zehntausend der Mnner, + Die mit dem Panzerhemd, mit dem Helm', und dem Schilde bewehret, + Kmpfend zu Fu, aufschwangen im Feld die tdlichen Lanzen. + Aber das muthige Volk der Steyrer, der Krainer, und Krnthner + Stand an jene gereiht, und, wahrt' auch der Helm nicht das Haupt ihm, + Nicht der eiserne Harnisch die Brust; doch wrd' es, den Degen + Schwingend, durchbrechen im Sturm, + und erringen den blutigen Kampfpreis. + Pfannberg, Meinhard, und Ortenburg die untad'ligen Feldherrn, + Riefen die Vlker in's Feld: dreitausend erlesene Reiter. + Auch der Schweizer gewaltiges Volk, und der heiteren Schwaben + Heldenschar stand dort, gesellet der lagernden Heersmacht; + Dies' emprte zur Schlacht der Burggraf, Friedrich von Nrnberg, + Rudolphs Schwestersohn, und ein tapferer Degen im Schlachtfeld, + Albrecht jene, der edele Sohn des edelsten Kaisers; + Doch den beiden vereinten sich noch tyrolische Schtzen, + Die, gerufen erst jngst aus den Thlern der Heimath, die Armbrust + Auf der Schulter -- die Pfeil', im Bndel geschnrt, auf dem Rcken + Trugen; umsphenden Blicks, wie dem Wild' auf der Fhrte die Jger, + Fernhin sah'n, und, khn, nicht in Stahl und Eisen sich hllten. + Tauffers war ihr Hort im Gewhle der Schlachten. Er flog jetzt + Unaufhaltsam dahin, des Kaisers erlesener Herold. + + Sieh', und schon gewahrt' er das Ziel! Die sinkende Sonne + Stand an dem Abendthor', umhllt von rosigem Schimmer. + Heller glht' ihr scheidender Blick; ihr goldenes Haupthaar + Flammt' empor, da in hehrem Glanz sie noch einmal herber + Winkt' ihr Lebewohl! dem sanft entschlummerten Erdkreis. + Aber die Khlung sank auf den Fittigen schmeichelnder Lftchen + Leise herab, und erquickte die schweraufathmende Schpfung. + Jetzt vollbrachte den Ritt sein feuriger Renner; es flogen + Dampfend und triefend von Schwei ihm die Seiten; + der Hals und der Rcken + Schumt', und ihm wankten die F', + da er stand vor dem Zelte des Knigs. + + Dort den Hgel empor, wo jetzt nur Trmmer des Schlosses + Weitumkreisenden Hof bezeichneten, das in der Vorzeit + Herrschend hinuntersah auf das Land, aus dem in die Donau + Drben die March sich ergiet, und, von ihren gewaltigen Fluthen + Stolz zurckgedrngt, seegleich bedecket die Fluren: + Dort, auf Pfhle gespannt, erhoben sich tausend und tausend + Schimmernde Zelte des Volks der Kumanier und der Magyaren.[9] + Jene rhmten sich gleichen Geschlechts und Ursprungs mit diesen; + Doch der edlere Stamm der ahnenstolzen Magyaren + Hielt Jahrhunderte schon, aus Scythiens grasiger Steppe + Kommend (Tanfu, Zuard, Lehel, und der tapfere Almus, + Waren die Fhrer des Volks) Pannoniens herrliche Fluren + Im Besitz', errungen im Sieg ruhmdrstender Ahnen. + Jngst erst kam der Kune heran, dem wilden Tartaren + Folgend im Schreckenszug, und, als er, verwilderter heimzog,[10] + Nach entsetzlichem Mord' und Gewrg' unzhliger Christen, + Blieb er im Lande zurck: inmitten der They und der Donau, + Sich erwhlend ein Sandgefild zum dauernden Wohnsitz, + Welches der Steppe gleich, unendlicher Flche sich ausdehnt, + Und Kumanien heit. Ihn nennt der Unger den Kun nur. + Eisern hielt er noch fest an der Sitte der Heimath; auch Gtzen + Dienet' er, so vermengend das Wort der ewigen Wahrheit + Mit entehrendem Wahn: denn kaum erkannte des Heilands + Rettenden Weg sein Geist, und roh bewahrt' er das Herz noch. + Aber entsetzlich wthet der grimmige Kun' in der Feldschlacht. + Ordnungslos, bald links, bald rechts sich wendend, im Eilflug, + Braus't er heran wie der Sturm. Er schnellt von dem tnenden Bogen + Durch die heulende Luft den befiederten Pfeil, und verfehlt nie, + So er den Gegner in's Auge gefat, in die Brust ihn zu treffen. + Aber von diesem bedrngt, entflieht, und kehret er wieder, + Listengebt; lt oft dem fliehenden Rosse den Zgel; + Wendet sich hurtig im Sattel herum, und schleudert des Tschakans + Eisengewichtige Last dem Nahenden mchtig entgegen. + Sieh', und hatt' er ihn etwa verfehlt, da setzt er sich wieder + Rasch, im Schwunge, zurecht in dem Sattel; ergreifet die Zgel; + Lenkt im kreisenden Lauf mit eisernem Drucke der Schenkel + Eilig den Renner heran, und so der entflogenen Waffe + Nahend, schwebt er mit einem Fu noch im Riemen des Bgels; + Beugt sich nieder im Flug', und hebt sie empor von dem Boden, + Ehe der Feind sich gestellt, und des Fliehenden Jauchzen vernommen. + + Dort schwang Hugo sich jetzt mit forschendem Blick' aus dem Sattel, + Und vertraute das Ro dem redlichen Knappen zur Pfleg' an. + Fernher scholl an sein Ohr des Lagers Getse: dem Meersturm + Gleich, der himmelan braus't, erfllt' ein dumpfes Gemurmel + Drben die Nacht. Stets glhender schien der wolkige Himmel + Ueber dem Lager, erhellt von unzhlbarlodernden Feuern. + Dorther kam auftobender Mnner Geschrei, und der Weiber + Lautes Kreischen, vermengt dem Gebrll' + und dem Wiehern des Lastthiers: + Denn von den Zelten hinaus umgrasete rings in dem Blachfeld + Breitgehrnetes Rind und der Ross' unendliche Mehrzahl, + Die nur klein von Gestalt, und unscheinbar dnken dem Fremdling, + Aber, von feurigem Muth' erfllt, und dauernder Kraft voll, + Tragen den Reiter so schnell wie der Blitz an den Feind, und erretten + Oft ihn im Schlachtengemeng, schnellfig zum Sprung und zum Laufen. + Also lagerten hier die Kumanier. Doch in des Heeres + Rcken ruhte das Reitervolk der edelen Ungern, + Kummererfllt: denn Ladislav, der Knig, erkor sich + Jene zu Lieblingen, so der Ahnenehre vergessend. + + Als nun Hugo dem Zelt des Kniges nahte, vermeint' er, + Zithergetne zu hren; ihm schien: kumanische Mdchen + Sangen dazu, nach Heidenbrauch, unziemliche Weisen. + Ach, und so war's! Doch bald verstummte der Sang und die Zither, + Als der Fremdling, in Eisen gehllt, ihm nher getreten. + All' erhoben sich schnell von dem Boden -- die brtigen Mnner + Und die rosigen Mdchen, und jetzt der frstliche Jngling, + Anmuthstrahlenden Blicks, an dem Haupte von brunlichen Haaren + Lieblich umlockt, voll Jugendkraft und blhender Schnheit. + Aber er stand verwirrt, und wute nicht, wie er beginne, + Bis er sich wieder ermannt', und d'rauf mit krftigem Laut rief: + Sprich: we' Landes du bist, o Fremdling? Triegt uns die Ahnung + Nicht, so kommst du gesandt von dem Kaiser der Deutschen, Rudolphus, + Der uns vielleicht des Saumsals zeiht, und unrhmlicher Trgheit, + Weil wir ruhen dahier, bei Saitenspiel und Gesngen + Uns ergetzend, und sein', des feindbedrngten nicht achten? + Doch wir harreten nur des Winks, den er uns verheien, + Und gedenken, ihm treu und redlich zu Hlfe zu stehen! + Hugo beugte das Haupt, und sagte mit edelem Anstand: + Herr, du ahnetest recht! Hier steht des Kaisers Gesandter, + Hugo von Tauffers genannt, vor dir, und, wahrlich, ein Krieger, + Seit er der Schul' entlief: ein Taug'nichts ist er am Schreibtisch! + Aber nicht rostete noch in der Scheide sein trefflicher Degen; + Gerne stellt er sich ein, wo es gilt ihm Ruhm zu gewinnen, + Und hoch ehrt ihn die Sendung auch jetzt: denn Wichtiges soll er + Dir kund thun; doch, Herr, verzeih' -- in dieser Gesellschaft? + Sagt' es, und lchelte fast; der Knig entgegnete leiser: + Ritter, mir scheint dein lchelndstrafendes Auge zu sagen, + Was dem Knige ziemt, was nicht! Erfahrenes Alter + Richtet streng; doch sieh', noch blht mir der frhlichen Jugend + Rosenhain, und ich wandle in ihm mit heiterem Sinn fort; + Weile so gerne dahier im Kreis' des unschuldigen Volkes, + Das, von der Urzeit her die ererbeten Sitten bewahrend, + Frei, die Fessel nicht kennt, die uns engt im verfeinerten Leben! + Aber tritt in mein Zelt, und vergnge dein Herz an dem Sptmahl, + Das ich dir biethe nach Lagers Brauch; dann will ich dich hren. + + Eilig traten sie ein. Die finsteren Scharengebiether + Folgten dem Knige nach, und setzten sich rings um den Tisch her, + Sonder Ordnung, noch Wahl. In zottige Pelze gehllet, + Sah'n sie stolz aus den tiefvergrabenen Augen dem Fremdling + Jetzt in das heitre Gesicht, und strichen den Bart an der Lippe. + Bald erschienen im Zelt' auch die rosigblhenden Mdchen, + Tragend in Krben Pferdfleisch auf, das unter dem Sattel + Barg der Reiter, und dann hinflog, bis solches im Ritte + Hei geworden, und mrb', des Volks ersehntes Gericht war; + Auch gebratenes Fleisch vlietragender Lmmer, mit Knoblauch + Vielgewrzt; dann Brot aus dem feinsten Mehle gebacken, + Hochgewlbet und wei, nach Art magyarischer Backkunst, + Und die mchtigen Krge, gefllt mit den edelsten Weinen. + Alle schmaus'ten nach Lust; doch Hugo verschmhte des Kunen + Lieblingsgericht -- nicht des Weins, + des trefflichen, schonend: unendlich + Gab er bei Humpen Bescheid, und blieb stets seiner noch Meister. + + Siehe, von neuem erscholl der Zither Getn', und der Herrscher + Mahnte die Mnner und Mdchen zum Tanz', dem Gaste zu Ehren! + Jene stellten sich ernsten Blicks, dem Knig gehorchend, + Drauen in Doppelreih'n, und hoben den werbenden Tanz an, + Der in das Feld den Jngling ruft, und Gefhle der Wehmuth, + Ihm in der Brust aufregt, an die Zeiten der Vter ihn mahnend, + Mit wehklagenden, tief das Herz bestrmenden Weisen. + Aber sie schlugen die Hand an die Hand, und die Sporn' an die Spornen; + Stampften zugleich, rasch hin und daher sich wendend, den Boden; + Sthnend vor Lust, und ihr Aug' erfllten oft schimmernde Thrnen, + Pltzlich geweckt von dem Sturm der emprten Herzensempfindung. + Doch als d'rauf zu dem Wechseltanz der erfahrene Knstler + Rasch in die Saiten griff, mit dem Fue der schnelleren Weisen + Zeitma schlug: da fate die Tnzerinn jeglicher Tnzer + Um den blhenden Leib, und schwang sie umher an der Stelle, + Bald mit dem linken, und bald mit dem rechten Arme sie drehend + Fort im verengenden Kreis'. Dann ri er sich wieder von ihr los; + Hpfte schnell vor ihr hin, und schlug die klingenden Spornen, + Jauchzend, zusammen, und schlug die Wade mit wechselnden Hnden. + Aber sie folgt' ihm entfernt. Die Recht' an die Seite sich stemmend, + Hielt sie die Schrze am Saum' sich stolz vom Leib' mit der Linken, + Wandte sich links und rechts, mit niedlichen Sprngen, und mied ihn + Scheinbar, bis sie, ersehnt, urschnell in die Arme des Tnzers + Flog, und von neuem das Paar in schwindelnden Kreisen sich drehte. + Doch nun winkte der Knig zum Schlu: die Saiten verstummten; + Hoch erhob der Tnzer die Tnzerinn noch, und entlie sie; + Kam dann, triefend von Schwei, und setzte sich wieder zum Tisch hin. + Jene entfloh'n, und der Knig sprach, mildlchelnd, zu Hugo: + Ritter, du hast magyarische Tnze geseh'n, und ergetzet + Dich bei'm frhlichen Mahl', obgleich du ein nchterner Gast bist! + Nun ersehnte mein Geist zu vernehmen, wie Kaiser Rudolphus, + Unser Bundesgeno' und Freund, zum Throne gelangt ist-- + Er, einst Habsburgs Graf? Doch knde zuvor uns die Abkunft + Und die muthigen Thaten des huldbeseligten Herrschers, + Die mit unsterblichem Ruhm' ihm zieren die Stirne. Der Morgen + Graut: bald steht ihm Ungerns Macht zu Geboth' in der Feldschlacht. + Zwar verweigerst du noch, so entgegnete jener, des Kaisers + Herold' ein willig Gehr, und lullst ihn bei Tnzen und Mahlen, + Zaubernd, ein, da er ganz vergesse der wichtigen Sendung. + Aber, weil dich verlangt, von meines erlauchten Gebiethers + Abkunft, Muth und Heldenkraft, die Carol des Groen + Glnzenden Thron ihm errang, zu hren, so will ich mich fgen + In Geduld, und harren: es gilt ja die Ehre des Kaisers! + + Wisse demnach! Stolz hebt sich vom Fels die mchtige Habsburg + Aus umdmmerndem Wald, an der Aar in die bluliche Luft auf. + Dort, so kndet die Sag', erschien in grauender Vorzeit + Rudolphs edles Geschlecht, aus frnkischem Stamm, und erbaute + Jene, wie auch Aarburg, und Brugg, die gewaltigen Vesten. + Aber vor allen hie die Herrliche jene von Habsburg: + Denn mildherzige That an den Drftigen, eisernes Schirmrecht + Gegen die freche Gewalt des Unterdrckers der Schwachen, + Uebten aus ihr, gebhrend, die weitgerhmten Gebiether. + Dort erwuchs, entflammt von dem Ruhm gefeierter Ahnen, + Rudolph, Albrechts Sohn, des Weisen, und Hedwig, der Frommen, + Lernend durch Gottesfurcht und Weisheit frhe des Lebens + Hchstes Glck in der eigenen Brust zu grnden fr immer. + Doch wo wre Beginn und Ende? so Alles und Jedes + Ich dir kndete: wie an den Hof ihn Friedrich, der Kaiser, + Der zu der heiligen Tauf', als Path' ihn fhrte, gerufen, + Da er ihn lehrte mit Rittersmuth nach rhmlichen Thaten + Streben; wie er im sicilischen Krieg', und in jenem von Oestreich, + Gegen den Streitbar'n focht, und miterstrmte die Stadt Wien, + Die, vor allen beglckt, ihn einst als Herrscher begret; + D'rauf in der Ahnen-Burg[11] zugleich mit dem Vater das Kreuz nahm; + Nach dem Gelobten-Land, die Feinde des Kreuzes bekmpfend, + Wallete; dort den Vater begrub, und, als er zur Habsburg + Heimzog, freudig zu eh'lichem Bund sich Annen erkies'te, + Hochbergs Kind, voll Huld, und die tugendreichste der Frauen-- + Auch, allmnniglich werth, ein trefflicher Ritter und Herr war. + Wohl gebrch' es mir auch an der Zeit und an Odem, geziemend + Nun zu schildern die sieg- und ruhmverherrlichten Krieg' all', + Die er gefhrt in den zweimal eilf unseligen Jahren, + Wo das verwaisete Reich nach Friedrichs Tode, des Kaisers, + Voll von Mord und Plnderung war, da in grauser Verwild'rung + Aus der thrmenden Burg ein jeglicher Ritter, nach Willkhr + Schaltend, Sitten, Gesetz', und allem Heiligen Hohn sprach; + Wie er beschirmte das Recht und die Unschuld stets, und das Banner + Habsburgs ward dem Schwachen zum Trost', + und den Rubern zum Schrecken. + Aber vernimm die einzige nur, wie khn, wie entschlossen, + Und wie edel er ist! Ihm stand der Abt zu Sanct-Gallen, + Der, ein Falkensteiner, das Schwert und den hirtlichen Krummstab + Kundig zu fhren gelernt, gar feindlich entgegen; sie qulten + Tapfer sich ab. Da brach sein Zorn auf die Baseler Brger + Los, die ihm, wildemprt, erschlugen die Freund' und Verwandten: + Denn mit wenigen Reisigen hielt er still vor den Thoren + Wyls, des Stdtchens, und heischte noch Einla dort zu dem Stiftsabt, + Der bei dem nchtlichen Imbi sa, und, erstaunet, ihn ansah. + Aber er both ihm die Hand, und sprach: Da ich also zu dir kam, + Diene zum Zeichen dir: ich achte dich, redlichgesinnet, + Wie ich es bin, und vertraue dir khn so Leben und Freiheit. + Hre, viel besser wr's, da wir uns in Rechten vertrgen, + Heute noch; dann die Waffen vereint, nach den Baselern kehrten, + Die mir erschlugen die Freund', und erwrgten die theuern Verwandten! + Also geschah's: sie schmaus'ten vershnt. Am kommenden Abend + Zogen sie rasch auf die Baseler los, und frchterlich brannt' es + Bald von der Stadt auf; bald vershnete Blut die Erschlag'nen, + Und die Gegner umfing der Friede mit traulichen Armen. + D'rauf durchschwamm er die Furt, die noch habsburger im Land dort + Heiet, des mchtigen Rheins mit reisigem Volk', und erstrmte + Breisach khn, mit dem Stahl in der Faust, ein trefflicher Strmer! + + Laut aufjubelten jetzt die Kumanier, preisend des Ritters + Heldenmuth, und, ergreifend, voll Hast, den irdenen Weinkrug, + Der vor jeglichem stand, mit edelem Moste gefllet, + Leerten sie ihn bis zum Boden hinab auf seine Gesundheit + Aus, auf einen Zug: da ihr Haupt mit dem steigenden Weinkrug + Weit zurcke sich bog, und stellten ihn dann auf den Tisch dort + Nieder mit ohrerschtterndem Schlag. Doch wieder begann er: + Also erscholl sein Ruhm zu den fernentlegensten Lndern + So, da der Bhmen-Knig sogar, der jetzt in dem Feld uns + Biethet die Fehd' auf Leben und Tod, mit schimmernder Goldschrift + Ihn an den Hof zu sich lud, und zum Marschalk, ehrend, ernannte. + Ha, nicht reut' ihn die Wahl! Er focht ihm zur Seite mit Siegsruhm, + Gegen die Heiden im Preuenland', und errang ihm den Lorber + Auch im Vernichtungskampf g'en Bela's schreckliche Heersmacht. + D'rum kein Wunder, da er, nach dem Wink der erbarmenden Vorsicht, + Die des gemeinsamen Vaterlands unendlichem Jammer + Setzen wollt' ein Ziel, von den _sieben_ glnzenden Sternen + Unser's heiligen Reichs zur herrschenden Sonne gewhlt ward: + Da er im goldenen Schmuck der Kaiserkrone des Segens + Strahlen ber die Gau'n des deutschen Landes versende. + Sieh' er lag vor Basel mit Macht; da brachte die Bothschaft + Ihm der Pappenheimer! Er stand, und wankt', und besann sich; + Aber, auf Gott vertrauend, geboth ihm das Herz in dem Busen + Freudigen Muth. Er ging, und bald vereinte der Krnung + Allerfreuendes Fest die Vlker der Deutschen zu Aachen. + Dort heischt' er, im Dome gekrnt, den Eid von den Frsten: + Da sie verschafften nach _Recht_ + dem heiligen, rmischen Reich' jetzt, + Was ihm die Faust entri.[12] Sie ersannen, zaudernd, die Ausflucht: + Noch vermiss' er zum Knigseid' den Zepter der Ahnen. + Doch er wandte sich schnell; hob selbst das Kreuz von dem Altar; + Hielt es empor, und rief: Wer kennt ein schneres Zeichen, + Kraft zu verleihen dem Eid', denn dieses, woran der Erlser + Sterbend hing, und uns errettete, heilig und wahrhaft? + Und sie schwuren darauf: erbebend dem herrschenden Manne, + Der so krftig gesprochen -- so fest- und so muthiggesinnt war. + Dir, und manniglich ist es bekannt, wie der Kaiser, Rudolphus, + Redlich gehalten sein Wort, und treu gelset den Schwur hat: + Bannend den Uebermuth, und des Faustrechts wildes Gewaltreich + Muthig aus Deutschlands Gau'n -- + an Leib und an Seel', er, ein Deutscher, + Der bald unserer geist- und herzerhebenden Sprach' auch + Sinnig zu Ehren half: in den Kanzeleien den Vorzug + Ihr vor dem todten Latein, dem schwerverstndlichen, gnnend.[13] + Also geschah es, da, dankerfllt, ein jegliches Herz ihm + Huldigte: denn ihm zrnet allein der Knig der Bhmen, + Weil er, thrichten Sinns, die Kaiserkrone verschmhend, + Sie auf dem Haupte des Mannes sah, der einst ihm als Marschalk + Dienete. Doch umsonst bestrmt er die Erd' und den Himmel, + Sie zu entreien dem Haupt, dem Gott sie gegeben, zum Segen + Gegenwrtiger Zeit und endlos dauernder Zukunft. + Ha, schon winket das Morgenroth! So hre mit Huld nun, + Was mein Kaiser und Herr zum freundlichen Gru dir entbiethet: + Wenn von dem Kahlenberg in dem mitternchtlichen Grauen + Hoch die Loh' auffleugt: dann eil' aus dem schirmenden Lager + Schnell hinber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge + Sie in dem trocknen Gerhr' an dem Weidenbache bei Marcheck: + Denn auch er wird also dir nah'n, und die Hnde dir reichen + Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung. + Und er erhob sich nun, schnell heimzukehren, entschlossen. + + Glhenden Blickes sah aus dem schimmernden Thore des Morgens + Nach dem Zelteingang die Sonne herber, und hauchte + Hpfende Funken in's bleiche Gesicht der schlfrigen Krieger, + Die um den Knig herum sich lagerten. Aber er hob jetzt, + Stillhinbrtend, vom Stuhle sich auf. Zur glnzenden Heerschau + Dacht' er zu wecken sein Volk, dem scheidenden Fremdling zum Staunen. + Gern, so entgegnet' er, will ich mich ganz dem Winke des Kaisers + Fgen, und eilen in's Feld, sein redlicher Bundesgenosse; + Aber nicht wollest du scheiden zuvor, eh' dir nicht zur Heerschau + Drauen mein Volk sich wies: nicht soll sich's lange verziehen. + Sagt' es; ri sich das Schwert von der Hft', und schlug in die Tafel + Dann mit der Klinge so stark, da die ird'nen Gefe zum Boden + Taumelten: ein's das and're im Flug zu Scherben zerschmetternd. + Wunder zu schau'n! Da fuhr in brausender Eile der Feldherrn + Leise zum Schlaf hinnickende Schar von den Sitzen, und leer war's + Bald in dem weiten Gezelt. Dem Knige folgte der Ritter + Staunend nach. Doch jetzt erschollen von grausem Gebrlle + Tausend Hrner, die einst die mchtige Stirne des Pflugstiers + Ziereten, breitgestellt, da kaum der grte der Mnner + Sie mit den Armen erma von einer Spitze zur andern. + Schon erhob sich Geschrei und Gets', und das Wiehern der Rosse + Rings in dem Lager, und fllte mit Angst und Entsetzen die Umwelt. + Hoch auf fuhr der finstere Staub, und dicht, wie der Krhen + Wimmelnde Schar durchstrmt den nebligen Himmel, so flogen, + Schnell gewahrend den Wink des Knigs, unzhlige Haufen, + Sich in den Sattel schwingend, voll Hast, nach dem Ufer der March hin. + + Dort, auf dem sandigen Feld', in fernhinschwindenden langen, + Drei Mann tief, geordneten-Reih'n aufritten die Kunen: + Lenkend hurtige Rosse vor und zurck mit des Schenkels + Mchtigem Druck, den, weitumflatternd, das leinene Beinkleid + Hllete bis zu der Ferse hinab, und den ledernen Bundschuh'n. + Sonst ihr Kleid: ein Pelz von dem zottigen Vliee des Widders, + Ueber dem krzeren Hemd', das halb des Niedergebeugten + Rcken entblt -- doch weit die Arme umwallt, und, der Scheitel + Zur Bedeckung, die Mtze von Filz, mit der wallenden Feder. + Zehnmal tausend' erhoben zur Luft den blitzenden Sbel, + Der der Sichel des Neumonds glich in der Krmm', und es fhrten, + Eben so viele den Bogen und Pfeil mit dem hmmernden Tschakan. + Diese lenkte Suhol, der Eber genannt von den Seinen, + Ob des unbndigen Muths, und der Blitzstrahl, Kaduscha, jene: + Denn er flog so schnell wie der Blitz im Sturme der Schlacht hin. + Aber der Ungern edeles Volk beherrschte Matthias + Von Trentschin, der schlachterfahrene, tapfere Feldherr, + Dessen gewaltige Burg an den schimmernden Fluthen des Waagstroms, + Druend, in's Waag-Thal schaut, und Schrecken gebiethet den Feinden. + Auch er fhrte heran zehntausend muthige Reiter, + Welchen der Kalpag zierte das Haupt mit des Reihers Gefieder; + Aber der Pelz, am Rcken hinab an goldenen Schnren + Hngend, von hellblau'm Tuch, verbrmt mit schwrzlichem Lammsfell, + Und gelbschimmernden Knpfen besetzt; dann, hnlich, der Dolman, + Schimmernd von Gold an der Brust, vom seidenen Grtel umfangen, + Ziert' ihm den Leib, und der Bein' anschmiegende, gleiche Bekleidung + Zierte die Fe zugleich mit den spornenbewaffneten Tschismen. + Jeglicher hielt in der Faust, an die Schulter gelehnet, des Sbels + Krummgehmmerten Stahl, der, sausend, die Feinde zerschmettert. + + Als nun Hugo die Vlker geseh'n, da sprach zu Matthias + Von Trentschin der Knig, ihm selbst und den Seinen zur Trauer: + Tapferer, weile dahier mit deinen Geschwadern, des Lagers + Mchtiger Hort: denn bald, erbaut auf schwankende Fhren, + Einet die Brcke des Flusses Gestad', und all das Gerth hier + Schaffest du dann noch heute hinber, dem Heere zum Vortheil! + Aber, o freundlicher Greis, du, Hugo von Tauffers, der Ritter + Edelster, folg' mir nach, und knde dem mchtigen Herrscher, + Heimgekehrt in die Kaiserburg, was du an der March hier, + Staunend, gewahren wirst; knd' ihm: wir stehen den Feinden + Jenseits nahe genug; zum wrgenden Kampfe gerstet! + Sagt' es, und sprengte voraus: ihm nach die Kumanier alle, + Mitten hinein in den Flu, hinber zu schwimmen, entschlossen. + Hochaufspritzte die Fluth dem gewaltigen Drange; die Wsser + Brauseten laut von unzhligen Hufen der Rosse geschlagen; + Brandend flogen die Wellen zum Land', und schumten, und zischten + Endlos. Wie in dem eisigen Belt keckmuthige Fischer, + Eilend zum Wallfischfang' in schaukelnden Booten, auf einmal + Nahe des Unthiers Riesengestalt, das Heere der Fischchen + Vor sich jagt, erseh'n: da werfen sie schnell die Harpun' aus, + Die zweizackig gespitzt, einstrmt in die Weiche des Bauches, + Oder in's breite Genick des riesigen Fisches, und Blut frbt + Alsbald ringsum das Meer: denn eilig hinunter zum Abgrund + Fhrt er, und eilig herauf, + und peitscht mit dem Schweife die Meerfluth, + Da sie himmelan fleugt, und rchelt mit dumpfem Gebrlle + Durch den schrecklichen Sturm der emprten Gewsser: so wogte, + Schumt', und braus'te die March, als jetzo die Kunen hinber + Mit gewaltigem Lrm und Geschrei, die wiehernden Rosse + Spornten, und all' das Heer errang, durchschwimmend, das Ufer. + Hugo sa in dem Sattel, und schwieg; doch jetzo besann er + Sich nicht lang', und schwamm (ihm folgte der redliche Knappe) + Eisenbewehrt, wie er war, auf dem mchtigen Gaule hinber; + Schwang das Schwert in die Luft, und flog entgegen der Hauptstadt. + + + + + Vierter Gesang. + + + Leis' entschwebte die Nacht; aus dem hehren Gewlbe des Himmels + Schwanden die Sternenheere dahin, und auf gaukelnden Lftchen + Schien ein freundlicher Tag sich herab auf die Fluren zu senken: + Doch, es erhob vor dem Morgenroth am stlichen Erdrand + Sich ein Nebelgewlk, das, eiligen Flugs, sich verbreitend, + Mehr und mehr den hochaufwlbenden Himmel befleckte. + Sieh', als jetzo dem Saum der lichtergewordenen Hhen + Nher die Sonne kam: da erglhten im blulichen Luftraum + Rings die zerrissenen Wolken umher, blutrthlichen Schimmers. + Jetzt erhob sie das Haupt; nur sparsam scholl aus den Lften + Und aus dem Wald, der Morgengru der befiederten Snger + Ihr entgegen: sie sah mit trauerndem Blicke herber. + Schwl umwogte die Luft; erboter qulten die Fliegen + Menschen und Thiere zugleich; dumpf klang der wechselnde Windsto + Ueber die Heid': er kruselte weit den Rcken des Stroms hin, + Und erhob in Wirbeln den Staub. Kein khlender Nachtthau + Hatte die Fluren erquickt, und die Schpfung trauerte ringsum: + Zeichen all' annhernden Sturms und gewaltigen Regens. + Aber im Zelteingang, verlassend das nchtliche Lager, + Sa der Kaiser, und sah mit dsterem Blick' in des Morgens + Druende Gluth. Er dacht' im Geiste das dunkele Schicksal + Tausender, bis zu dem Abendlicht' entschieden zum Leben, + Oder zum Tode, mit Angst! Bald sollten die Lose, so grau'nvoll, + Fallen des blutigen Kriegs -- des holdumlchelnden Friedens, + Wie es dem mchtigen Feinde gefiel, dem er ihn gebothen. + Ach, der Jammer des Volks durchdrang ihm die Seele! Zum Himmel + Hob er den Blick, und lispelte so mit gefalteten Hnden: + La den Frieden, o Herr, ihm mild erscheinen im Frhroth, + Und erwrmen sein Herz mit den huldausspendenden Strahlen, + Da er erkenne die eigene Schuld, entsage der Rachgier, + Und, als Herrscher vershnt, heimkehre den Seinen zum Segen! + Aber mit Staunen vernahm's der, einst kampfdrstende Marbod, + Als er umschwebte das Haupt des Bethenden, wie er dem Gegner + Frieden gelobte, vershnlich und mild, und konnt' es nicht fassen-- + Er, der stets nur Schlachten ersehnt', und glhenden Muths voll, + Selber aufreizte den Feind auf den Pfaden des irdischen Lebens. + Zweifelnd stand er lange vor ihm. Er whnte, bekmmert: + Ihm gebrech' es an Kraft und an raschvordringender Khnheit + (Nicht begreifend sein Herz, ein Irrender, Lichtesberaubter) + Wiegte das Haupt, und fuhr, verstrt, zu dem Morgengewlk auf. + + Siehe, der Kaiser trat alsbald erheiterten Blickes + Aus dem Gezelt, und hrte mit Lust, unferne dem Lager, + Walten geschftig das Volk der Zimmerer, Schmied', und der Schreiner. + All' die Nacht forthmmerten sie bei dem Scheine der Kesseln, + Die mit schwrzlichem Pech und duftendem Harze genhret, + Weit erhellten die Au an des Heerwegs schlngelndem Zug hin. + Drauen bei Floridsdorf am Donaustrande, wo dreifach, + Strahlen gleich, fortzieh'n die lnderverbindenden Straen: + Diese nach Ungerland -- nach Bhmen und Mhren die andern, + Eileten sie, zu erbau'n die Gerst' und die Schranken der Turnbahn. + Hundert Schritte, die Stra' entlang, und der Breite nach fnfzig, + Ebneten sie den Grund schnurgleich, und bestreuten ihn zolltief + Dann mit dem schimmernden Sand, der drben am Ufer gehuft lag; + Fgten auf Sulen die Balken umher, und trennten mit Absicht + So von dem Wiesengrund das langgedehnete Viereck. + Aber es wich an dem unteren Rand des umschrankten Gebiethes + Quer ein Balken zurck, so er Einla both den Erwhlten, + Und an dem oberen stand, gar herrlich gestaltet, die Prachtlug[1] + Oben verziert mit dem Doppelaar, mit der Kron' und dem Zepter, + Und von Innen geschmckt mit Sammtvorhngen von Purpur, + Die an dem Saum' umher von goldnen Blumen erglnzten. + Dort dem Herrscher und seinem Gefolg', erles'nen Geschlechtes, + Standen die Sitz' erhht, und emporgereihet im Halbkreis'; + Doch ein breites Gerst, entlang die Schranken der Turnbahn, + Bauten sie auch; versahn's mit emporgereiheten Sitzen + Fr schaulustiges Volk aus den nahen und fernen Gefilden, + Und erhhten die luftigen Zelt', entgegen der Prachtlug: + Tapferen Rittern zur Rast, die her zu turneien gekommen. + Als der Krieger dem Zelt' enteilete, stand er, vor Staunen, + Pltzlich verstummt; er rieb sich die Augen im dmmernden Frhroth; + Sann: ob Trume der Nacht ihn fften, oder von fern her + Irgend ein Zauberer kam, und die Luftgebilde zur Schau gab? + Doch bald lacht' er des eitelen Wahns: hochrhmend die Meister + Des, mit Geschick und regsamer Kraft gefrderten Werkes; + Eilte hinaus, sein Ro an dem Standpfahl, wo es die Nacht durch + Ruhete, jetzt mit sorglicher Treue zu warten, und klopft' erst + Selbes am mhnigen Hals' mit der Hand, im freundlichen Zuruf; + Aber es scharrt' in dem Grund', und wieherte, gierig des Futters. + Rings erwachte Gets' und unendlicher Lrm in dem Lager. + + Jetzo erscholl Getrab anstrmender Rosse, den Ohren + Hrbarer stets; dann sah das Aug', umsphend, von fern her + Blitzen die Harnisch und Helm', und endlich erkannte der Kaiser + Meinhard, und Lichtenstein, die er, Frieden zu biethen, gesendet. + Angelangt im Gewlk' umwirbelnden Staubs vor dem Herrscher + Rissen die beiden das Ro am Zgel zurcke. Sie sprangen + Aus dem Sattel behend', und nahten ihm, grend mit Ehrfurcht. + Aber er rief erstaunt: Wie, Meinhard kehrt uns, emprt heim? + Lichtenstein, was bringt ihr zurck aus dem bhmischen Lager? + Sanft ist des Friedens Hand: sie streut in des Lebens Gefilden + Blumen umher -- die in Eisen gehllete Rechte des Krieges + Trieft vom Blut der Erschlagenen; doch, wenn eben dem Unhold + Heiliges Recht das Schwert vertraut, da bringt er vom Schlachtfeld + Muth, selbststndige Kraft, und Sicherheit unter die Vlker: + D'rum auch der Krieg erwnscht, wenn nur das Recht ihn gebiethet. + Jetzt, frwahr ersehnte mein Herz den Frieden, und wohl mir, + Wenn der Knig, vershnt, zum gebothenen selber die Hand reicht! + Meinhard sagte darauf: Nicht hat uns der Knig von Bhmen + Ritterlich' Ehre gewhrt -- gastfreundlich das Herz uns erheitert: + Grimm bewlkte sein Aug', da er sprach, und finster uns ansah. + Wie der furchtbare Leu' mit glhenden Blicken des Gegners + Harrt auf dem Plan, da er ihm zermalme die Knochen: so dnkt mich + Sah der Knig uns an, und schwerlich sinnt er auf Frieden. + Aber vielleicht, da Lichtenstein, der glckliche Freier, + Frohere Kunde gebracht: de' will ich mich gerne bescheiden. + Zwar, so begann jetzt Lichtenstein, versprach uns des Knigs + Zornumwlketer Blick des Guten nicht viel, und ich brgte + Fr den Frieden nicht mehr mit dem Kopf: er mchte nicht fest steh'n; + Aber noch stehet das Spiel, und es fllt der entscheidende Wrfel + Heute noch nicht. Ich sehe dahier mit unsglicher Hochlust + Schon die Schranken gefgt zum Turnei, und bald, in dem Prunksaal, + Den von der Decke herab unzhlige Kerzen erleuchten, + Minniglich schne Frau'n und Frulein, an gastlichen Tafeln + Wrdiggepaart umher mit den sieggekrneten Rittern. + Welche Beseligung, mich in dem lrmenden Kreise zu treffen: + Denn auch trgere Zungen bewegt die frhliche Mahlzeit! + Hre mich Jung und Alt; nicht spricht ein faselnder Seher! + Da des Knigs verdsterter Geist noch heute sich aufhellt, + Knd' ich zuvor: denn wit es, er kommt, und nah' ist die Zeit schon, + Zum dankbiethenden Turnkampf her, mit erlesenen Rittern. + Dort, so sprach er vor uns, soll's bald allmnniglich kund seyn, + Was er vom Krieg und Frieden gedacht, und der Kinder Verlobung. + Gott befohlen das Ein' und das Andere! sagte, gen Himmel + Schauend, der Kaiser, und wandte sich; dann begann er von neuem + Wieder, mit sorglichem Blick: Wo weilt mein tapferer Hugo? + Das sey ferne, da ihm was Leides geschehen: mir brche + Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden. + + Kaum entfloh ihm das Wort, da tnte von ferne der Hufschlag + Brausender Rosse die Strae heran, die entgegen den Marken + Ungerns fhrt am linken Gestad der mchtigen Donau. + Hugo war's, der kam (weit hinter ihm folgte der Knappe, + Schlechter beritten, denn er) die stubende Strae herber; + Doch nun hemmt' er das Ro, und die Wange, wie Flammen gerthet, + Lchelt' ihm, als er gegrt. Er schwang sich vom Sattel, und sagte: + Herr, nicht hast du umsonst die Gste geladen: erhellt sind + Weit die Straen hinaus von schimmernden Kleidern und Waffen. + Trog nicht der Schein, so trabt von dem Bisamberg an der Donau, + De' unendlicher Ruhm an kstlichem Moste bewhrt ist, + Ein gar stattlicher Haufe heran: die flatternden Fhnlein, + Wei, wie des Schneebergs Haupt, verknden uns bhmische Kmpen. + Aber, als sie dahier zum Scherz nur brechen die Lanzen, + Harren ihrer im Hinterhalt gar ernste Gesellen, + Und ersehnen den Kampf. Der Ungern blhender Knig-- + Blhend, und jung frwahr! verhie dir Hlf', und gewhrt sie: + Denn vor mir durchschwamm sein furchtbares Reitergeschwader, + Jauchzend, die March, und steht auf Oestreichs Erde, vor Marcheck + In dem Gerhr', lngs hin dem Weidenbache, verborgen. + Zrne nicht, da ich zu kommen verzog. Viel hatt' ich zu reden,-- + Von dem Kaiser zumal, und dem Greif', wenn alles ihm abstirbt, + Wird die Zung' allein stets rhriger noch mit den Jahren. + Auch gebrach's nicht an kstlichem Trank', an magyarischer Tnzer + Frhlichem Lrm, und du weit, dein Haug ist freudig gestimmet, + Sieht er die Humpen gefllt, und um ihn lebendig die Jugend: + Dennoch stellt er sich ein, wo es gilt, und die Klingen entscheiden. + Ruhe, so sprach mit lchelndem Blick der erhabene Kaiser, + Raschvorstrmender Greis, in dem Zelt' auf das Lager gesunken! + Aber euch beid', obgleich ermdet vom dauernden Ritte, + Lockt, de' bin ich gewi, Drometengeschmetter zur Turnbahn, + Rstet euch denn. Mir ziemt, hausvterlich sorgend, im Lugsaal + Fertig zu stehen, und dort die Gste mit Huld zu begren. + Meinhard, zieh' im festlichen Schmuck, mit flatternden Fhnlein, + Zinken, und Paukengetn', und hundert erlesenen Reitern + Bis zu des Lagers Rand' entgegen dem Herrscher von Bhmen: + Ihn zu begren nach Wrd', und des Turnspiels Sitte geziemend! + + Also entlie er mit heiterem Muth die gewaltigen Helden. + Aber er stieg die Stufen empor in die herrliche Prachtlug, + Eilete vor, und sieh', ihm nahten die theuren Erzeugten + Albrecht, Hartmann, und Adelheid: nur blieb in der Hofburg + Agnes, die holde, daheim, die leidende Mutter zu pflegen. + Alsbald scholl aufjubelnder Pauken Getn', und Drometen + Schmetterten laut in des wimmelnden Volks unendliches Jauchzen: + Denn, wie der Bienen unzhliger Schwarm in des kehrenden Frhlings + Milderem Hauch, fortzieht in die lieblichduftenden Fluren, + Gierig des Honigseims, und rings umsummet die Blthen: + Also zog aus der Stadt, von dem nahen und fernen Gebieth her, + Zahllos, Jung und Alt, im Schmucke der festlichen Kleider, + Und erfllte die hohen Gerst', augblendenden Schimmers. + Mitten im dichten Gedrng' erglnzten, vor allen, die Edeln, + Die im glhenden Muth vortummelten feurige Rosse: + Herrlich geschmckt der Reiter zugleich, + und das wiehernde Schlachtro. + Doch wer knnte die Zahl, und den Ruhm der Tapferen knden? + + Otto von Meiau kam: Feldoberster war er des Kaisers, + Reich in dem Land umher an Gtern und Mannen, und reicher + Noch an errungenem Ruhm' im druenden Felde der Waffen. + Blau, wie des Himmels Zelt, mit Gold umrndert, und seiden, + Flo ihm der Mantel am Rcken hinab von dem Harnisch, und blau war + Auch sein Wehrgehng mit der seidenen Schrp' und dem Helmbusch; + Also des Rosses Hauptzier, Zaum, und die schuppigen Decken + Vorn an der Brust und den Seiten herum, von Eisen gefget. + Aber das Einhorn wies sein Schild im goldenen Feldraum, + Wie es zum muthigen Kampf von dem schroffen Felsen sich aufbumt. + Solchen trug ein Knapp ihm nach, und der andere folgt' ihm, + Haltend die zween hochragenden Speer' in der nervigen Rechten. + Pauk' und Dromet' erklang, da er jetzt vor den rhmlichen Schranken + Hemmte sein feuriges Ro, absa, und in's dunkele Zelt ging. + + Bald nachfolgte dem Helden zuerst der khne Capellen: + Oberster Fhrer auch er im Heere des Kaisers, und werth ihm + Ob der bestndigen Treu', und des nie zu erschtternden Muthes. + Meergrn hatt' er zur Farbe gewhlt, und verzieret mit Silber + Seine Rstung zugleich, und des Rosses herrliches Reitzeug. + Aber den Schild, wo ein Wehrgehng den silbernen Feldraum + Dreimal durchschlingt, und vom Helm sich des Adlers Fittig erhebet, + Trug ihm der Knappe nach, und ein anderer brachte die Waffen. + Freudig ersah ihn das Volk, und als er mit edelem Anstand + Sich vor dem Schrankenthor von dem schnaubenden Rosse herabschwang, + Rief erneueten Gru der Klang der Drometen und Pauken. + + Nun kam Trautmansdorf, von acht selbst-eigenen Shnen-- + Angeeigneten sechs, umringt, vor die Schranken. Des Bruders + Ehrenreich, den einst ein wthender Eber zerrissen, + Als er im Walde des Weidwerks pflog, verlassene Waisen + Waren die sechs, und er, ein liebender Vater den einen, + Wie den andern; doch sie lohnten ihm herrlich die Sorgfalt: + Wohlgesittet, fromm, und im blhendentfalteten Leben + Alle, voll Heldenmuths, nachfolgend dem edelsten Vater. + Nicht entbehrt' er im Krieg, nicht daheim, nicht an heiliger Sttte + Selber ihres Gefolg's, und lchelte, stolz in dem Herzen + Seines Glcks, das hher denn all' sein Reichthum ihn dnkte, + Wenn ihm das Volk, erstaunt, nachsah, und den Segen ihm zurief. + Aber nicht lang', da sinkt, wie, vom sausenden Hagel zerschmettert, + Halmfrucht drauen im Feld, die herrliche Schar in das Grab hin-- + All', erschlagen vom Feind, und einsam kehret der Vater + Heim in die Ahnen-Burg: ihn trstet ihr rhmlicher Tod nur. + Doch jetzt naht' er vor seinen, ihm gleich gersteten Shnen: + Denn von Silber blank war Harnisch, und Helm, und der Helmbusch; + Also das Wehrgehng, die Schrpe, der seidene Mantel, + Und der glnzende Schild, (den, goldengehrnet, ein Widder + Zierete) wei wie der Schnee, mit der Wehre des stattlichen Rosses. + Jubelnd im Paukenklang', erschollen die eh'rnen Drometen. + + Doch jetzt naht' ein Paar der Edelgestein' in dem Adel + Oestreichs: Lichten- und Dietrichstein. + Aus der steyrischen Mark stammt + Jener (Ulrichs Sohn, des trefflichen Ritters und Sngers, + Der sein Leben der _Frauen-Ehr'_ und dem Degen verschrieben)[2] + Dieser aus Oesterreich, ein Sohn ruhmwrdiger Aeltern: + Er, stets dstern Gemths, da jener des heiteren Vaters + Frohsinn geerbt; doch einte schon frhe der trautesten Freundschaft + Unauflsliches Band die Herzen der tapferen Ritter. + Hochroth zierte des Lichtenstein, und seines Gefhrten + Waffengeschmeid Kornblumenblau. Im grnlichen Feldraum + Wies des Winzers Messer sein Schild, und im goldenen zeigte + Jener des Lichtenstein zwei schrgablaufende Balken. + Schmetternd klang die Dromet', und die Pauken donnerten laut auf. + + Sieh' auch die beiden Demantberg', auf welche sich Oestreich + Ruhig sttzt: der Schwarzen- und Stahrenberg (in des Ruhmes + Ehernen Tafeln genannt, und hochgepriesen fr immer) + Sprengten eilig heran! In des Schildes goldenem Feldraum + Fhrete jener den Aar und das Hfthorn; dieser im lichtblau'n + Einen geschnabelten Wolf, und kor sich zur Farbe der Ehren + Blagelb, silbergeschmckt, da jener mit goldenem Zierrath + Whlte das dunkele Kirschenroth, erfreulich zu schauen. + Mchtiger hob sich zur Luft der Pauk' und Dromete Getn' auf. + + Kurd von Haselau, der achtzigjhrige Ritter, + Naht' im Fluge heran. Noch rstig und Kampfes begierig, + Stieg er vom Ro, und ging, den ehrenden Sitz an der Prachtlug + Einzunehmen: erwhlt zum Turnvogt heut von dem Kaiser. + Ihm nachfolgten zugleich der Seldenhofer, der Pfannberg, + Hardeg, Hohenberg, und der Wildon: treffliche Kmpen! + + Jetzt anlangten im Ehrengeleit die bhmischen Ritter: + Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Wallstein, + Dann auch Herbot von Fllenstein, der reuische Kampfheld, + Riesengestaltet, im Trotz allbeugender Strke sich rhmend, + Den sich Ottgar jngst zum Feldherrn kor, und als Herrscher + Einst in der steyrischen Mark dem Volk aufstellte zum Zwingherrn. + Sieh', gar herrlich geschmckt erschienen die Ritter, als sollte + Oestreichs ad'ligen Glanz heut jener von Bhmen verdunkeln! + Tausende wandten den Blick nach den Fremdlingen, alle voll Sehnsucht: + Ottgarn dort zu schau'n, als Freund: er sumte zu kommen. + Dreimal, und lauter stets erhob sich der donnernden Pauken + Und Drometen Getn, den nahenden Fremden zu Ehren. + Doch, vernehmend den jubelnden Schall, enteilten die Helden + Oestreichs hurtig dem Zelt', und schwangen sich auf in den Sattel. + + Meinhard, fhrend die Bhmen heran, verlangte vom Thorwart, + Da er den Degen erhob, Einla in die rhmlichen Schranken. + Alsbald wich der Riegel zurck, und in Reihen geordnet + (Jene zuerst, und drauf die Heldenshne des Landes) + Ritten entlang die Turnbahn all', in der nervigen Rechten + Hebend den Speer in die Luft, + mit zgerndem Schritt nach der Prachtlug, + Wo der erhabene Kaiser sa, und der Kommenden harrte. + Als sie gegrt -- er gedankt, da sprach der tapfere Meinhard: + Mein durchlauchtigster Kaiser, und Herr! Des bhmischen Reiches + Knig entbiethet dir Gru und Freundschaft zuvor, und erklret: + Ihm selbst wehrt es ein bses Geschick des frhlichen Turnspiels + Zeuge zu seyn; doch sendet er dir die tapfersten Ritter, + Hier den Ruhm des Vaterlands zu erhhen als Sieger! + Wahrlich, so rief der Kaiser ihm zu, nicht dacht' ich: entrissen + Werde mir heut' ein Glck, das ich ersehnt' in dem Herzen + Aber wohlan: werth seyen uns auch die tapferen Ritter, + Die uns der Knig gesandt! Der Kampf beginne. Turneivogt, + Handle dein Amt! Der Herold rufe, der Sitte geziemend. + Grieswart sey fr heut der edle Wildonier, Berchtold, + Breuner, und Pottendorf, die Kmpfer zu schirmen vor Unbill, + Ordnungbedacht: ihr Wink sey heilig geachtet von allen. + Sagt' es, und setzte sich dann auf den schwellenden Pfhl. + Da erhob sich + Haselau, der Greis, und ging nach der rumigen Halle, + Die sich unter der Lug aufwlbte, mit Purpur behangen, + Dort zu beginnen die Waffenschau. Die erlesenen Ritter + Legten sogleich den Speer und das Schwert, kampfgierigen Muths, hin. + Sorgsam prfte der Greis die gebothenen: stumpf und gefahrlos + Sollten sie seyn -- zum Scherz, nicht zum Ernst + gebraucht in dem Turnkampf. + Zween der Grieswrt' hoben den Helm von dem Haupt', und empfiengen, + Schreitend umher links, rechts, ein bezeichnendes Los von den Rittern: + Jeglicher gab's, mit dem Nahmen verseh'n. D'rauf schttelten mehrmal + Jene die Zeichen umher in dem Helm', und bothen (die Ordnung + Wechselnd) sie dar: der rechts, wo links der and're gefordert, + Also whlte sich dort ein jeglicher Kmpe den Gegner. + + Jetzt erhob der Herold den Stab, und Tausende schwiegen; + Zog ein Blatt aus dem Busen heraus, das, rauschendentfaltet, + Glnzte von goldener Schrift, und las mit gewaltiger Stimme, + Allen verstndlich, vor: Wie der mchtigste Kaiser, Rudolphus, + Jngst auf den heiligen Rochus Tag, des Jahrs der Erlsung: + Tausend zweihundert und siebenzig-acht, der heute gezhlt wird, + Alle die Edeln, von Nah' und von Fern, zu turneien am Tabor + Aufboth, die nach dem Recht' und nach Rittersitte gemeint sind. + Weiche darum von hier, der bar ist der ad'ligen Ahnen- + Reih' erhrtender Zahl, und der unehlich geboren; + Der in den Kirchenbann, in die Acht des Kaisers und Reiches + Fiel ob schndlicher That, ob Mord und Gottesverlugnung; + Der die Wittwen und Waisen bedrckt', und das zarte Geschlecht nicht + Schirmt' in Gefahr, nicht rcht', als Mann, g'en schnde Verlumdung; + Der Meineides und Trugs, und unedlen Gewerbs sich bewut ist, + So er dem Schild und dem Schwerte zur Schmach, einst Handel getrieben: + Ferne mgen sie stehen, sie all', und ermangeln des Vorzugs, + Der nur Edeln gebhrt, in des Turnkampfs rhmlichem Feld hier! + Rief's; dann faltet' er wieder das Blatt, und barg's in dem Busen. + Jetzt aufpflanzten, voll Hast, die hurtigen Knappen die Fhnlein + Ihrer Ritter so hier, als drben, die Schranken hinunter, + Und die Grieswrt' theilten sich links und rechts an der Bahn hin, + Tragend den Stab in der Hand, zum Zeichen des heiligen Gastrechts. + Doch nun kehrten zugleich, im zgernden Schritte, die Kmpen + Wieder zurck, vor dem Schrankenthor sich fertig zu stellen. + + Als der Kaiser die Kehrenden sah -- dann vor sich das Volk dort, + Dann im Rcken die Bnke gedrngt voll grauender Ritter, + Edeler Herrn, und Frau'n, und zartaufblhender Frulein: + Ach, da fllten sich fast ihm die Augen mit Thrnen! Er wandte + Halb nach den Kindern sich um, und sprach mit inniger Rhrung: + Welch unzhliges Volk: nur die Ein' ersehen wir hier nicht-- + Euere Mutter ist fern, und Agnes, als Pflegerinn wechselnd + Heute mit euch! Auch wir entbehreten freudig des Schauspiels-- + Weilten so gerne daheim bei der Leidenden; aber die Pflicht ruft + Ehernen Lauts, und heit all' and're im Herzen verstummen. + Weh', da ich auch die Kunringe hier vermi', und der Helden + Einige, die verlockt auf trugverhlleten Pfaden + Sich zu den Feinden gesellt, und im Schooe der eigenen Mutter, + Jenen gleich mit der grimmigen Faust zu whlen bereit steh'n; + Aber vielleicht gelingt es mir noch die Verirrten zu sammeln! + Jene schwiegen, und hielten die Hand vor die thrnenden Augen: + Ob der Mutter betrbt; doch Hartmann vor allen: ein Liebling + War der Trauernde stets der holden Mutter gewesen. + + Sieh', nun schwebt' auf dem Wettergewlk des umnachteten Himmels + Marbod daher! Er sah Drahomira vorber im Eilflug + Ziehen, und folgen der Spur des schwarzgersteten Ritters, + Der mit geschlossenem Helm' aus dem bhmischen Lager herber + Spornte den Rappen im Donnergalopp', an die Schranken der Turnbahn. + Nicht wie den Sterblichen war dem Geiste der Ritter verhllet: + D'rum erbangt' ihm die Brust vor Angst ob seinem Erwhlten, + Rudolph, dem er sich liebend geweiht: denn siegenden Hohn sah + Er in dem Blick Dahomira's, und kam, ihm rettend zu nahen, + Wenn sie, hllischen Trugs, Gefahr ihm sann, und Verderben. + Immer schneller verschlang des Tages Heit're der Wolken + Finstere Nacht. An dem Himmel herauf, und hinunter zum Erdrand + Zuckte der rthliche Blitz, und von fern her murrte der Donner: + Kommend auf Flgeln des Sturms, vom druenden Sden herber. + + Jetzt erscholl drometender Ruf, dreimaligen Stillstands, + Tief, eintnig, gedehnt: des Kampfs ersehnetes Zeichen. + Alsbald braus'te der Riegel zurck: in die rhmlichen Schranken + Ritt, gemessenen Schritts, hellstrahlend von Purpur und Goldschmuck, + Lobkowitz ein; den Schild ihm ziert' ein fliegender Adler. + Ganz durchma er die Bahn bis vor in die Nhe der Prachtlug; + Wandte das Ro, und harrete dort des wrdigen Gegners, + Den das Los ihm beschied, und sieh', ihm nahte Capellen, + Muthigen Blicks! Da rief ihm Lobkowitz freundlich entgegen: + Nun geschlossen den Helm, und fest in dem Sattel gesessen! + Schon viel Rhmens hrt' ich von euch, Capellen! So lat uns + Heut' erseh'n: ob mir, ob euch die Krone bestimmt sey, + Welche zum Dank uns beut die Erzeugte des edelsten Kaisers, + Adelheid, voll Engelshuld und himmlischer Schnheit. + Wohl, entgegnete jener mit Trotz, das lat uns erproben, + Lobkowitz! Rasch seyd ihr, bheimische Kmpen, und dennoch + Sollt ihr Oestreichs Shnen den Kranz nicht rauben im Turnkampf. + Aber sie schlossen den Helm, und setzten sich fest in dem Sattel. + D'rauf, mit gewaltiger Faust vorsenkend den Speer aus des Bgels + Rhr', und den ehernen Schild vorhaltend dem Feinde zur Abwehr, + Spornten beide das Ro, das, weitvorgreifenden Sprunges, + Schnell, wie der Blitz, auf dem Plan mit tnendem Hufe dahinflog, + Bis inmitten der Bahn, urpltzlich, ein jeder der Gegner + Traf des anderen Schild mit des Speers abprallendem Eisen + So, da der mchtige Schaft, in tausende Splitter zertrmmert, + Hoch empor in die Luft und umher auf dem zischenden Sand flog, + Und die Rosse, zurck' auf die Hinterfe gesunken, + Noch dem gewaltigen Sto' erzitterten, schreckenerfllet. + Lautaufjauchzte den Kmpen das Volk; unzhlige Stimmen + Zollten im tausendfltigen Ruf den Trefflichen Beifall. + Jetzt gedachten sie schon, aus dem Sattel sich schwingend, zu zeigen + Auch in dem zweiten Gang mit dem blinkenden Schwert die Gewandtheit, + Schnelle, und Kraft; doch laut rief dort der herrschende Turnvogt: + Helden, es ist euch Siegesruhm die Flle geworden! + Ruht von dem Scheinkampf jetzt! Vielleicht, so Gott es nicht wendet, + Werdet ihr bald zum Ernst, nicht zum Scherz, + in schrecklicher Feldschlacht + Richten das blitzende Schwert auf die Brust anstrmender Gegner! + Ihr brach't zierlich den Speer: aus der Hand der holden Erzeugten + Rudolphs, wird euch herrlicher Lohn noch heut' in dem Turn-Dank! + Jene kehrten zurck, in dem hohen Gezelte zu ruhen. + + Stille wurd' es umher, und es fat' ein heimlicher Schauder + Manchem die Brust bei'm ernsteren Wort des prophetischen Greises. + Doch nun braust' im Sturm der schwarzgerstete Ritter + Nher, und ri den Rappen zurck' an dem leitenden Zgel, + Sonst durchbrach er im Sprung die hemmenden Schranken. Er nagte, + Wthenden Grimms, am Gebi', und schnob, und streute den Schneeschaum + Hin auf den Sand, den er mit den scharrenden Hufen umherwarf. + Edelem Stamm' entsprossen schien der gewaltige Reiter; + Aber noch barg der geschlossene Helm ihn den Augen des Volkes. + Stolz erhob er die Hand, und hie mit stummen Geberden + Milota nah'n. D'rauf zog er ein Blatt aus den Fugen des Panzers, + Reicht' es ihm dar, und wies nach des Turnvogts herrschendem Sitz hin. + Milota lchelte Hohn, da er, spornend sein Ro, an den Schranken + Hinflog, und darreichte das Blatt dem staunenden Alten. + Dieser entfaltet' es schnell, und las mit vernehmlicher Stimme: + Euch entbiethet zuvor, ihr edelen Herren und Ritter, + Ihren freundlichen Gru Kunegunde, des bhmischen Reiches + Kniginn! Dann verlangt sie, da ihr den Ritter in Trauer + Nicht verschmht, der glnzenden Stamms sich rhmt, und im Turnkampf + Heute, vor euch, ihr herrlichen Ruhm zu ersiegen, bereit ist. + Aber ihm werde nach Wunsch der letzte der Kmpfe gewhret! + Stumm verneigte der Greis sein Haupt, und Milota kehrte + Wieder zurck. Da lispelte leis' in die Ohren des Nachbars + Ein Barfermnch, der jngst aus Bhmen gekommen, + Und auf dem volkerfllten Gerst schaulustig sich einfand: + Seh' ich den Ritter dort, gehllt in die finstere Rstung, + Will es mich fast bednken: er sey der Kniginn Liebling, + Zawi von Rosenberg,[3] der weitgepriesener Anmuth, + Blhender Jugendkraft, und tapferen Muthes, ihr Herz schon + Vllig gewann, das leis' in heimlichen Flammen sich abzehrt. + Also rcht sich die Schuld! Ein Gleiches mit Gleichem vergolten + Wird dem Knige, der Margarethen verstie, und den Unhold + Sich beilegte zum Weib: Kunegund' ersehnt sich den Buhlen. + Also das Mnchlein sprach. Doch feuriger stets, und entflammter, + Zuckten die Blitz' umher im Gewlk', und auf ehernen Rdern + Sank stets tiefer herab des Donners rollender Wagen + So, da die Menge mit Angst aufsah, und, des strmenden Regens + Denkend, nur an dem Leinendach des Gerstes noch Trost fand. + + Wieder erscholl gar feierlich ernst die Dromete. Zum Turnkampf + Rief sie ein Heldenpaar: da flog der muthige Wallstein, + Herrlich glnzend von Gold auf dem perlen-farbigen Sammttuch, + Ueber die Plne hinab, und wandte sich, harrend des Gegners. + Sieh', ihm fiel das Los, mit dem Stahrenberg in den Schranken + Heute zum erstenmal, sich zu messen: zum Ritter geschlagen + Jngst durch Ottgar selbst, der ihn vor jeglichem liebte! + Jugendlich hpfte das Blut in den Adern des feurigen Helden + Noch. Er lechzte nach Ruhm; doch wthete jetzt in der Brust ihm + Furchtbare Liebesgluth, seit er vernommen, da Hedwig-- + Sie, die Zierde der Welt, fr welch' er thricht entbrannt war, + Reichen sollte die Hand zum eh'lichen Bund dem Erzeugten + Rudolphs, Hartmann, und ach, Verzweiflung fat' ihn erneut an! + Ungeheueres sann er emprt im Gemth, und nicht wut' er + Wie er's vollbringe dereinst. Da sprach ihm jetzt Drahomira, + Die, nur auf Arges bedacht, auflauerte, leis' an das Ohr so: + Denke des Muths: vielleicht gelingt es dir heut, den Verhaten + Dort mit hhnendem Blick zu reizen, und Rache zu ben! + Alsbald wandt' er das Haupt, und sah mit hhnenden Blicken, + Lang' nach dem tapferen Hartmann hin, als htt' er gefrevelt. + Zorngluth scho in das bleiche Gesicht des Edeln: er hob sich + Hastig vom Sitz, ihn laut zur Rede zu stellen, entschlossen. + + Doch schon nahete Stahrenberg, im feurigen Vorschritt + Zgelnd das Ro, und rief dem Gegner, lchelnd, entgegen: + Erst so beweglich, und nun sumst du den Kampf zu beginnen? + Nein, ich sume nicht! sprach alsbald der Zrnende, whnend: + Jener zeihe der Feigheit ihn. Er ahnte nicht, wer ihm + Also emprte die Brust durch dunkle Gebilde der Rachgier. + Trotzig schlo er den Helm; lie sinken den Speer in der Rechten; + Gab dem Rosse den Sporn, und flog dem Ritter entgegen, + Der nicht mig geharrt: denn sieh', jetzt trafen die beiden + Sich inmitten des Plans, an dem Schilde die Speere zu brechen, + Wie es der Turnbahn Sitte geboth, und trefflich erzielte + Stahrenberg den Gewinn: sein Speer zerbrach an dem Turnschild + Wallsteins, den ein glnzender Stern erhellete, krachend; + Schlug auch den Stern entzwei, und zerstob in unzhlige Trmmer! + Aber nicht so sein Gegenpart. Von stachelnder Rachgier + Glhend, nahm er das Abseh'n hoch nach dem Helm', und er stie ihm + Solchen vom Haupt mit festnachstrmender Rechten, da alsbald + Ihm an dem Kinn der Riemen zerri, und im Sande der Helm hin + Kollerte. Zornerfllt gewahrten die lteren Ritter + Wallsteins Frevelthat, und murreten. Aber dem Turnvogt + Schien gleichmig des Kampfes Gewinn: weil jener den Schild ihm, + Schmetternd, zerbrach, und dieser den Helm von dem Haupt ihm gehoben. + Stille herrscht' umher; kein Beifall krnte die Kmpen. + Stahrenberg ritt eilig zurck; doch zgerte Wallstein + Noch auf dem Plan, und sah von neuem mit hhnendem Ingrimm + Nach der Lug empor, wo Hartmann im glnzenden Harnisch, + Lieben Geschwistern vereint, sich fand an der Seite des Kaisers. + Ihn verhhnet' er frech, und begann mit stachelnden Worten: + Khlere Lftchen umweh'n dich dort; hier fhlt es sich heier: + Komm, und versuch's! Der Jugend Kraft zu erproben, ist rhmlich. + Sthnend vor edelem Zorn erhob sich der Jngling, und forschte + Einen Augenblick in dem Antlitz des herrschenden Vaters. + Aber er sa in erschtternder Hoheit dort in der Mitte + Seiner Erwhlten, und sah, verstummend, hinab auf den Ritter. + Jenem genug: er sprang die Stufen herunter, und warf sich + Schnell auf das wiehernde Ro, das drauen der Knappe gehalten; + Fate, zitternd vor Hast, den Speer, und flog auf die Turnbahn. + + Doch schon hatte zuvor von dem trugverblendeten Wallstein + Sich Drahomira gewendet, und hing mit flammenden Blicken + Ueber Ottgars Haupt. Er war's, der heute des Nachtgrau'ns + Farbe zur Rstung sich whlt', als jene, voll hllischer Arglist, + Ihn zu dem Kampf hertrieb: nur Jammer zu schaffen, entschlossen. + Wie auf dem trglichen Netz die giftige Spinne dahinfhrt, + Wo die Beute sich fing, und diese mit klebrigen Fden + Dicht umstrickt, da kein' Errettung mehr von dem Tod ist: + Also lie sie nicht ab von dem unglckseligen Herrscher, + De', sonst edele, Heldenbrust in wilder Emprung + Schrecklicher Ehrsucht gohr, und allein nach Rache sich sehnte. + Siehe, wie zween geschweifte Kometen am nchtlichen Himmel + Glh'n, und in blutiger Kriegeszeit den zagenden Vlkern + Dru'n Pest, Hungersnoth, und Theurung: also erglhten + Jetzt Drahomira's zur Wuth emprete Blicke; sie hauchte + Ottgars horchendem Ohr den seelenverderbenden Rath ein: + Pfeilschnell naht, und entfliehet das Glck: + d'rum hasch' es im Flug jetzt, + Eh' es auf immer entweicht, und nicht wiederkehret dem Trgen: + Tritt mit Hartmann du in den Kampf; dir weiche dein Liebling + Wallstein. Thricht verga der waffenbeschauende Turnvogt + Deine zu prfen: du fhrst verderbliche. Schleudre den Jngling + Erst in den Staub; dann wende dich, nah' ist der Kaiser, + durchbohr' ihm + Khn die verrth'rische Brust, und entflieh'. + Dein schreckliches Reitro + Trgt dich schnell aus umdrngender Noth: denn hllische Macht tobt + Ihm in den Adern. Auf, und rche dich jetzt an dem Gegner. + + Wild aufbumte sich Ottgars Rapp', als jene gesprochen; + Scharrt' in dem Sand, und schnob, und drehte sich, + wthend, im Halbkreis': + Denn sie erregte das Thier durch Gaukelgebilde der Hlle. + Heimlicher Schauder ergriff das Volk und die edelen Ritter. + Ottgars Aug' umdsterte Nacht: gleich Meeresorkanen, + Whlten in seiner Brust die Empfindungen streitender Rachgier, + Ehre, und Pflicht. Doch jetzt besann er sich; sprengte den Rappen + Ueber die Schranken, und rief dem kampfbeginnenden Helden + Laut, im Brausen des nahenden Sturms und Donnergewitters: + Wallstein, halt! Zieh' hin zu dem Schrankenthor', und vergnne + Mir in des Kampfs Entscheidung den Sieg. Kunegunde geboth mir + Sie zu rchen, und dich an dem schmhungliebenden Buben + De', der Kaiser sich nennt des heiligen, rmischen Reiches. + Wallstein eilte zurck; doch Hartmann rief ihm entgegen: + Ha, du lgst! Nie hat mein Mund Kunegunden, noch jenen, + Der so frech sich erweis't, so unritterlich handelt, geschmhet, + Weder heimlich, noch offenbar: das sollst du mir ben. + Rief's, und senkte den Speer, nicht erwgend, da solchen der Knappe, + Nicht zum Kampf auf Leben und Tod -- nur zum rhmlichen Scheinkampf + Ihm darreichte zuvor, in drngender Hast und Verwirrung. + Zwar erhob den Stab und die herrschende Stimme der Turnvogt; + Zwar abmahnten vom Streit die Grieswart' die und auch jenseits; + Aber sie achteten's nicht. Von dem lautaufheulenden Sturmwind + Ward verschlungen ihr Ruf, und die rachebefeuerten Gegner + Bringt zur Ruhe kein Stab jetzt mehr, noch zu klarer Besinnung. + Aber schon war, voll sorglicher Hast, dem erhabenen Kaiser + Marbod genaht. Nicht entging dem liebenden Geist Drahomira's + Unheilschwangerer Blick, die, beiden: dem Kaiser und Bhmens + Knige, Tod und Verderben sann, und in wilder Verwirrung + Leichen auf Leichen gehuft, der Hlle zur frevelnden Lust, sah. + Jetzt umfat' er ihn hei, und rief im Geistergelispel: + Auf, und ziehe dein blinkendes Schwert, zur Wehre dich stellend! + Dir droht Mord und Verrath, und deinem Sohne Verderben + Von dem Fremdlinge. Horch, und verschmhe des Warnenden Rath nicht! + Alsbald hob, von dem Geist erregt, der gewaltige Herrscher + Von dem Stuhle sich auf; entblte das Eisen, und eilte + Schnell die Treppe herab auf die Plane, den theuern Erzeugten + Gegen die Wuth des rascheindringenden Gegners zu schirmen, + Der so frech verhhnte den Ruf des heiligen Gastrechts. + + Jetzo sporneten, laut mit Geschrei, die erbitterten Helden + Gegen einander die Ross' auf dem Plan; doch, brausenden Fluges, + Trieb in dem Augenblick das entsetzliche Donnergewitter + Nher, und stubte den Sand in wirbelnden Sulen vom Grund auf. + Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag urpltzlichen Donners + Flammt', und krachte herab aus dem finsteren Schooe der Wolken, + Die, gewitterschwer, tiefhangend, zum Boden gesunken, + Jetzo des Mittags Hell' in Nacht verwandelten ringsum. + Angst ergriff das versammelte Volk. Dem Schreckensgedanken + Bebte das Herz, als sey der Tag' allletzter gekommen. + Wie, und dennoch ruhten die zween erbitterten Gegner + Von dem Kampfe noch nicht? Sie sprengten die Lufer im Flug fort. + Jetzo, wo Ottgars Speer mit tdlicher Spitze dem Turnschild, + Harnisch, und Herzen zugleich des harmloskmpfenden Hartmann + Nahete, fuhr ein Blitz, an der Breite dem strzenden Waldstrom + Aehnlich, zwischen die beiden herab, und entsetzlicher Donner + Rollte, betubenden Schlags, erschtternd ringsum die Gegend, + Pltzlich ihm nach; doch Marbod sprang urschnell in den Blitz hin. + Sein entrsteter Blick entflammte sich hell, und er schreckte + Hartmanns wildanstrmendes Ro vor dem Rosse des Gegners. + Bumend hob es sich auf: da drang ihm der Speer so gewaltig + Ein in die Brust, da der Schaft, erkrachend, + sich bog, und entzwei brach. + Sthnend sank das Ro auf den Rcken. Der Reiter entzog ihm + Schnell das Bein, und stand, ergriffen von inniger Wehmuth: + Schauend sein treues Thier, das jetzt mit den vorderen Hufen, + Jetzt mit den hinteren scharrt' in dem Sand -- + dann todt, und erstarrt lag. + + Ottgar sa, geblendet vom Blitz', und schnaubend vor Ingrimm + Ob des gebrochenen Speers. Er hrte den schrecklichen Donner, + Hrte die lrmenden Ritter nicht mehr, die, emprt von dem Frevel, + Naheten; doch er sann im schnellhinschwindenden Zeitraum + Eines Augenblicks. Drahomira emprte zur Wuth ihn, + Als der Kaiser zur Rettung des Sohns in Eile dahersprang; + Aber umsonst: denn stolz- und tapfergesinnet war Ottgar; + Feig ihm dnkte der Mord. Er ri von der Rechten den Handschuh, + Warf ihn entgegen dem Feind', entblte das Eisen, und rief ihm: + Rudolph, heb' ihn nur auf: denn es biethet auf Tod und auf Leben + Ottgar, zitt're vor ihm, dir Fehde fr jetzt, und fr immer! + Nichts von Frieden darum, und nichts von der Kinder Verlobung: + Rach' allein ist die Losung hinfort: das soll ich dir kund thun! + Rief's, und gab dem Rosse den Sporn. Die Schranken hinber + Trug es ihn fort im Sprung; dann, sausend, im Donnergaloppe + Weiter und weiter hinaus auf der staubenden Strae nach Stillfried, + Und ihm sprengte sein Ehrengefolg' im eiligen Flug nach. + Aber in wilder Verwirrung schrie'n, und entstrzten die ander'n + Rings den Sitzen, und floh'n durch Sturm und Gewitter voll Angst heim. + + + + + Fnfter Gesang. + + + Schttelnd die triefenden Schwingen, erhob nach unendlichem Regen + Sich der Abendwind, und warf von dem rauschenden Hochwald + Und dem ersuselnden Hain' gewichtige Tropfen zum Boden. + Trauernd senkten den lastenden Kelch in dem Felde die Blumen + Noch, und das blinkende Gras bewegte sich langsam und schwer nur. + Kein Gesang der Vgel erscholl; nur fern in dem Sumpfrohr + Quackte der Frosch, und die finstere Luft durchkrchzten die Raben: + Denn noch deckte Gewlk des Himmels Bogen; der Donner + Rollte noch fort, und der leuchtende Blitzstrahl fuhr noch im Sden + Flatternd umher: als droht' er entsetzlicher wiederzukehren. + Da gelangte, von Wuth und ghrender Rache getrieben, + Ottgar heim vor das Lagerzelt, und schwang sich vom Sattel + Hastig herab. Ihm kam der Kunring, Leutold, entgegen, + Der mit Schmerzen daheim sein harrete. Jetzo begann er: + Wahrlich, du kommst ersehnt, und glhender noch, als am Abend + Unsers mit Blut gefertigten Bund's: an dem Kaiser -- an Rudolph, + Rache zu ben -- an ihm, der nach den geheiligten Rechten + Altehrwrdiger Ritterzeit im emprenden Hochmuth + Greift mit gewaffneter Hand; der Deutschlands Edeln der Knechtschaft + Fesseln beut, da er schon gar viele der Vesten zu Boden + Schmettert', und allen ein Gleiches droht: da nimmer die Freien + Uebten ihr Recht an dem Volk, dem niedriggebornen, nach Willkhr. + Nicht so wurden wir einst lehnpflichtig dem Knig. Der Leh'nsherr + Rang um sein Eigen im Feld; sein ist's, was dort ihm zu Theil ward-- + Knig auch er: ihm huldigt zur Frohne der Hold und der Sasse. + Wie, mir wrd' es verwehrt zu erbauen die Burg auf dem Felsen, + Der aus dunkelem Wald' aufragt, und zum schwindelnden Abgrund, + Senkrecht bis zu dem Wildbach hin die Wnde hinabsenkt, + Unnahbar dem Feind? Nicht sollt' ich dort von den Zinnen, + Oder des Wartthurms Hh'n mit herrschendem Blick in des Abends + Goldenem Schein' erforschen die Gau'n: ob, lauernd, der Gegner + Nahe den Thalweg her? Nicht sein, des ohnmchtigen, spotten, + Der, mit blutigen Kpfen zurck von der Veste gewiesen, + Schamroth flieht? Nicht von ihr zum Kampf mit den Reisigen auszieh'n, + Kennend der Mauern Gefg', und in selben geschirmt nach dem Heimzug? + Rechte nur immerhin der Unfreie mit mir, da ich, Freier, + Niederwerfe nach Lust auf der Strae den wandernden Kaufmann, + Der, ein Brger der Stadt, dem Juden zugleich und dem Wechsler + Treuverbndet, mein Volk betriegt, de' Habe doch mein ist? + Nur in der Ritterburg, der Wieg' erhebender Thatkraft, + Heldensinnes, und Muths wohnt auch das husliche Glck noch. + Wenn ich schaue die Hausfrau dort, wie sie schaltet mit Sanftmuth + Ueber das rohe Gesind', und die zchtigen Tchter, den Rosen + Gleich aufblhend, erwerben die Huld und die Wrde der Mutter; + Wenn ich vom Fenster hinab an des Hofraums rasigem Abhang + Ringen sehe den Sohn mit den Knappen: wie diesem den Bart er, + Lachend, zerrauft, und den anderen schlgt mit den winzigen Fustchen, + So vorbend die Kraft auf die herrlichsten Jahre des Lebens: + Nicht fr die goldene Kron' eintauscht' ich die goldene Freiheit. + Sieh', auch der Snger spricht dort ein, und lt in dem Hofraum, + Nachtumhllt, gar mild ertnen die lieblichen Saiten, + Eh' er beginnet sein Lied; doch sitzen wir bald in des Saales + Schimmerndem Licht um ihn her, und horchen den zaub'rischen Tnen + Von der Minne Leiden und Glck; von den Wundergeschichten + Grauender Heldenzeit, und den Thaten gewaltiger Ahnen + So, da in wonniger Lust, wie im Flug', uns die Stunden entschwinden! + Ha, und dessen gedenkt der Habsburg uns zu berauben? + Knftig sollen wir feig, erschlafft, und vllig verweichlicht, + Wohnen in dumpfiger Stadt, und der Ritterehre vergessend, + Hflingen gleich, uns bcken vor ihm? Doch, Knig, verzeihe, + Wenn vor dir nicht Geflliges spricht ein wackerer Deutscher! + Wie habt ihr turneit? Ward Habsburgs Lwe gebndigt? + Hast du Rache gebt? -- denn Schreckliches kndet dein Aug' an. + Sagt' es, erstaunt; doch Ottgar sah mit den flammenden Augen + Ihn noch schrecklicher an, und rief: Ja, Rache gebet + Offen vor allem Volk! Wohl sagt' ein hllischer Geist mir + Heimlich in's Ohr: Durchbohr' ihn! doch mich dnkt' es zu niedrig: + Morden! Ein Leichtes war's, auf dem Plan das blinkende Schwert ihm + In die verrth'rische Brust -- er zitterte! heute zu tauchen; + Doch nur in offener Schlacht, das Aug' auf das Auge geheftet, + Soll er mir steh'n, und, fallend, im Staub' aushauchen das Leben. + Vor, aus seinem Gefolg trat Milota jetzt, und begann so: + Knig, verzeih': er zitterte nicht! Dich tuschte der Rachgier + Seelenverwirrende Gluth. Wohl staunt' ich, als er so muthvoll + Dir entgegen trat auf dem Plan: du sporntest den Rappen + Weise davon. Gut war's: nicht wehrlos falle der Gegner, + Tapferen Herzens, dem tapferen Mann; das hast du erwogen: + Selber beut sich ja oft nur klgeren Seelen das Glck an. + Sprach so, kaum bekmpfend die Wuth, die ihm heimlich des Herzens + Tiefen zerri, und er lchelte nur. Doch jener zernagte, + Schweigend, die Lippen vor Zorn: denn Spott verriethen die Augen + Milota's. Jetzt entblt' er das Schwert, und flehte zum Himmel: + Ewiger, der du schirmst das Recht, und bestrafest das Unrecht; + Auch in der Vorzeit oft in die Hnde der Fhrer des Volkes + Gabst dein Rcherschwert, zu vertilgen Israels Gegner, + Hre mein Fleh'n, und la' mich jetzt vergelten im Vollma + Dem, der, frevelnd an mir, verletzte die Treu' und die Wahrheit, + Mich beschimpfend vor allem Volk, da er laut es gebilligt: + Heimlich im Zelt sollt' ich ihm huldigen -- schndlicher Trug war's! + Mich verachtet das Volk seitdem, und die jammernde Mutter + Meiner Erzeugten weis't die unschuldigen Opfer des Truges + Mir, im verzweifelnden Schmerz. + O, gib mir den Sieg in dem Kampf jetzt! + Ihr, so rief er den Feldherrn laut, erhebet die Banner + Eurer geordneten Schar! Wir ziehen noch heute nach Thalsbrunn: + Dort von dem Weidenbach g'en Wien zu dringen, entschlossen. + + Jene gehorchten sogleich, und gebothen dem Heere den Aufbruch. + All' die geordneten Reihen hinab ertnte das Rufen + Tausender: Auf! In den Kampf! Wir geh'n den Feinden entgegen. + Trommeln rasselten dumpf, und das Schmettern eh'rner Drometen + Scholl aus dem Waffen-Geklirr mit dem Wiehern unbndiger Rosse. + Bald schwand rings die wandernde Stadt der Gezelt' aus den Fluren, + Und die unendliche Wagenburg nachfolgte der Heer'smacht + Langsamen Schritts, von dem Lastvieh fort auf der Strae gezogen. + Siehe, in drei Heersulen ging des gewaltigen Knigs + Furchtbare Macht jetzt vor! Er hemmte sein Ro an dem Heerweg; + Sah die Tausende zieh'n, und heischte von Diesem und Jenem, + Schnelleren Gang mit erhobener, oft schrittweisender Rechten. + Lobkowitz fhrt' in dem Vorderzug die bhmischen Reiter; + Mhrens Volk, das muthig zu Fu anstrmt in der Feldschlacht, + Milota, der in der Mitt' einher vor den Reussen, den Meinern, + Und den Thringern zog. Doch Czernin lenkt' in dem Nachzug + Sachsens reisiges Volk, dem rasch die Mannen der Kunring', + Und die Bayern zugleich voreileten, frhlichen Muthes. + Als das geordnete Heer aufbrach, da schlo mit Gefolg auch + Ottgar sich, hinbrtend, ihm an. Der tapfere Wallstein + Ritt ihm zur Seit' -- auch er versunken in dstere Schwermuth: + Denn nicht brachte der Tag ihm Gewinn; nicht die schnere Hoffnung + Blht' ihm darum, weil er sie dem Gegner entri auf der Turnbahn. + Ach, sie stand ihm zu hoch, des Knigs Erzeugte! Nicht wagt' er, + Ihm zu erffnen das Herz, obgleich er liebend an ihm hing. + + Jetzo schwand das hg'lige Matz zur Rechten, und Angerns + Weidenreiches Gefild zur Linken dem Heere vorber. + Ottgars Blick hing starr an der March, die rauschend hinunter, + G'en Marcheck und Kressenbrunn die dunkelen Fluthen + Wlzte. Der herrlichen Zeit errungenen Ruhmes gedacht' er + Jetzo mit pochender Brust, und sprach zu dem sinnenden Jngling: + Eilt nicht der Strom, wie die Zeit, in ewigwechselndem Lauf fort? + Bald erglnzt er im sonnigen Licht, bald wogt er im Sturmhauch, + Trbaufschumend, umher: sein voriger Reiz ist entschwunden. + Siehe, wie dster die March jetzt fliet, + und wie herrlich erschien sie + Dort an dem Tage von Kressenbrunn,[1] wo im Siegesgefild mir + Ungerns Macht erlag, die Bela, der tapfere Knig, + Zahllos, wie der Heuschrecken Heer', uns entgegengefhrt hat! + Jenem Siegestag zur Erinnerung grndet' ich dankbar + Dann Marcheck, die blhende Stadt, am Gestade des Flusses. + Ha, dort scholl mir die Stimme des Glcks in dem Sieges-Gefild noch, + Und ich folgt' ihr beherzt! Vielleicht erschallt sie mir nimmer. + So ist des Menschen Geschick, des sterblichen, hier auf des Lebens + Pilgerpfad' empor zu schieen, voll ppigen Wuchses; + Doch gestellt ist das Ma, und er schrumpft dann wieder zusammen, + Wie die thrmend' Eich', die ihr Haupt in die Lfte gehoben, + Nun zu Moder zerfllt: die, ach, Jahrhunderten trotzte, + Liegt in dem Staub! So schreiten auch Reich' und gewaltige Vlker + Pltzlich wieder zurck von den kaum errungenen Hhen, + Und mir ahnet es fast, ich hab' sie errungen: zum Abend + Neigt sich mein Strahlengestirn, und bald versinkt es in Nachtgrau'n. + Das sey ferne, so rief den schwrmerischtrben Gedanken + Sich entreiend mit Macht, der feurige Jngling, das Dunkel + Kennt dein Glcksgestirn nicht mehr: erst jetzo beginne + Solches den schneren Lauf zu des Ruhms hellleuchtender Sonne! + Fllt der Kaiser besiegt, und das soll er! dann ist die Welt dir + Unterthan. Wie dort nach dem herrlichen Sieg' im Triumphzug + Du hinfhrtest dein Volk an Italiens Grnze:[2] so winkt jetzt, + Ueber sie hin dein Siegespfad. Weltherrschend, erffnet + Roma dir die Thor', und erblickt die Krone der Kaiser + Schimmernd auf deinem Haupt, die Carol der Groe getragen. + Stark bist du, und noch strker, so dir ein tapferer Eidam-- + Doch nicht aus Rudolphs Stamm, den du geziemend verschmhtest, + Sich in dem Schlachtfeld eint, als Gatte der himmlischen Hedwig! + + Ottgar schwieg, und das Heer zog weiter in tuschender Stille, + Wie er gebothen zuvor. Doch sieh', aus den nchtlichen Wolken + Senkte sich Arpad[3] jetzt in Eile herunter! Ein Vater + Ward er genannt dem Magyaren-Volk', und aus seinem Geschlecht her + Sprote der Segenszweig: der erste, der heilige Knig + Ungerns, der, sein Volk auf des Heilands Pfade geleitend, + Ihm der Menschlichkeit beglckende Recht', und der Sitten + Mildere Form kund gab, auch Gesetz' ihm schenkte zur Wohlfahrt. + Arpad, schauend den Kun, im Rohrgefilde verborgen, + Sann alsbald nur Thaten des Muths, und er nahete pfeilschnell + Ladislav, dem Knige, der, entschlummert im Zeltraum + Lag auf dem Brenfell' im grasumwucherten Aufeld; + Beugte sich ber ihn hin, und prete den Mund auf den Mund ihm + So, da er ngstlich sich wand, und sthnete, bis er die Augen + Aufschlug, schrie, und im finsteren Zelt', entrstet, umher sah. + Arpad haucht' ihm Muth in die Brust mit dem Seelengelispel: + Also bezwungen vom Schlaf, dehnst du die blhenden Glieder, + Eingelullt vom Gesang kumanischer Frau'n und der Zither + Sanftem Getn? Wach' auf, du Weichlicher! Denke der Ahnen + Weitgefeierten Heldenruhms, und des feurigen Muthes, + Der sie beseelte beim Klang des furchtbarbrllenden Rindhorns, + Wenn die Feinde sich trafen im Feld', und der Wrgenden Ruf scholl. + Wachen mu dort stets fr alle der Herrscher, und rastlos + Walten bei Tag und bei Nacht, in gefahrumdruender Kriegszeit. + Horch dem Gewirr! Schon zieht der Bhm' in tuschender Stille + Eilig die Strae hinab g'en Thalsbrunn, dort in des Lagers + Weitumkreisendem Raum, von dem Rasenwall' und dem Graben + Mchtig geschirmt, dem Feinde sich rasch entgegen zu werfen. + Zahllos regten sich dort viel' Tag' und Nchte die Grber, + Die er entboth in dem Land' umher voll schrecklicher Drohung; + Doch im Rcken des eilenden Heers, nichts Arges vermuthend, + Kommt mit schwachem Gefolg' auch der Knig vorber, und langsam + Folgt ihm die Wagenburg: d'rum schnell an das muthige Werk jetzt! + Sende hinaus in den Hinterhalt der bewhrtesten Reiter + Tausend, die, verborgen im trocknen Gerhr', an dem Heerweg + Harren, bis Ottgar naht: gleich weit entfernt von den Scharen + Und von der Wagenburg; dann all', im sausenden Eilflug, + All' auf ihn los, und erhascht ihr ihn, + schnell in Geschrei und Getmmel + Wieder zurck in das Lager gejagt mit dem werthen Gefang'nen. + So beginne den Kampf, ein Sieger, zur Freude dem Kaiser-- + Dir, und dem Vaterlande zum Ruhm, dem Lande der Helden! + Sagt' es mit lispelndem Laut. Da trat ein Kun in das Zelt ein, + Athemberaubt vor Hast, und verkndete: da auf dem Heerweg + Zahllos, Schar auf Schar, der Bhme vorbergezogen. + Feuriger hauchte der Geist, da er sprach, dem horchenden Knig + Noch in die Seele den khnen Entschlu. Sieh', eilig erhob er + D'rauf sich vom Lager, und rief nach dem tapferen Fhrer der Kunen, + Kaduscha, der, von Gestalt nur klein, und hlich von Anseh'n, + Doch unbndiger Kraft, und flammenschnaubenden Muths war. + Eile, so sprach er zu ihm, mit tausend erlesenen Reitern + Bis an den Rand des Gerhres hinaus, und harre mit Vorsicht + Dort in dem Hinterhalt, bis Ottgar selber dir nah' ist: + Weit getrennt von der Wagenburg, und den eilenden Scharen; + Dann im Fluge hinaus, zu erhaschen den Herrscher der Bhmen! + Fnfzig Rosse sind dein, und zehn goldschimmernde Sttel, + Auch der Waffenschmuck des Kniges, kehrst du als Sieger. + Ich vernahm es, entgegnete stolz der muthige Feldherr, + Als er das Ro bestieg. Er jagte mit tausend Erwhlten + Bis an den Saum des Gerhres hinaus, und warf sich, des Knigs + Harrend, in's Gras. Wie in dunkeler Nacht der schreckliche Rohrwolf + Lauscht an der Trift, und dort auf die Hinterfe gesunken, + Winselnd vor Gier nach Blut, mit glhenden Augen umherschaut: + Ob nicht der Rinder Schar vorber wandere, grasend? + So der Kune dahier. Doch sieh', bald wogten des Feindes + Reihen vorbei, und im Zwischenraum, nichts Arges vermuthend, + Naht' auch Ottgar jetzt, als Kaduscha, sich in den Sattel + Hebend, den Kunen zu strmen geboth. Vor dem wilden Getmmel + Klirrender Waffen, und brausender Ross', und der strmenden Krieger + Lautem Gejauchz' erbebte die Nacht, und des Knigs Geleitschar + Starrte vor Angst: denn schnell, weit vorgebeugt aus dem Sattel, + Schwingend mit wildem Gebrll den krummgehmmerten Sbel, + Jagten die Kunen heran, und drohten ihm Tod und Verderben. + Wallstein rief alsbald dem Gefolg': O, schliet um den Herrscher + Einen ehernen Kreis mit der Brust, und fielen im Kampf wir + Alle zugleich, nur sey des Herrn Gesalbter errettet! + Aber nicht sumten die Tapferen: denn dreihundert aus Bhmen, + Bayern, und Sachsen, erwhlt zum Geleit', umringten den Knig + Schirmend, und kehrten die Brust nach dem Feind, + der, hnlich dem Sturmwind, + Naher und naher im Flug, herbraust' auf dem staubenden Heerweg. + + Kaduscha hieb der erst' in den Kreis des khnen Gefolgs ein. + Er zerschmetterte schnell zwei muthigen Bayern, von Trings + Mannen, die Stirn', und erhob sein Eisen, noch frder zu wthen. + Tring, der edele Ritter, der, ausziehend aus Seefelds + Ragender Burg, dort sieben unmndige Kinder zurcklie: + Denn ihm raubte der Tod erst jngst die treffliche Hausfrau, + Senkte den Speer auf den Wthenden; ritt rasch an, und durchstie ihm + Also die Rechte, da ihr alsbald entschlpfte der Sbel. + Jetzo hatt' er gercht die Ermordeten; aber es barg sich + Jener sogleich im Gedrng', und rief nach dem Fhrer des Volkes, + Zobor, ihm vertrauend des Kampfs entscheidende Leitung-- + Ihm, dem Riesen an Kraft: er lockte den grimmigen Bren + Aus der Hhle heraus, und erwrgte ihn, ringend, am Boden. + Seitwrts drang er auf Tring ein, der, schnaubend vor Rachgier + Reiter auf Reiter herab aus dem Sattel warf mit dem Speerschaft. + Vier' erwrgt' er schon: da stie ihm die Spitze des Eisens + Zobor tief in's Genick', als er nach dem Gegner sich beugte. + Tring sank in den Staub, und hauchte den muthigen Geist aus. + Ach, und die Amme fhrt, wie die liebvollsorgende Mutter, + Jeglichen Morgen die Kinder heraus auf die Zinnen der Felsburg; + Zeigt dort allen den Weg, den jngst der Vater gezogen, + Und euch allen, so sprach sie, + ein schnes Geschenk aus der Hauptstadt + Heimbringt, so ihr euch fromm und gut, wie er's heischte, benehmet. + Doch nicht kehret er heim; sein harren die Kinder vergeblich: + Denn er liegt getdtet im Staub! So fielen noch hundert, + Unter der wrgenden Faust der Kunen, gebndigte Krieger, + Und Verderben umgab stets nher und nher den Knig. + Wie wenn nchtlich im Wald' ein wandernder Fleischer, von Rubern + Angefallen, mit tapferem Muth' sich wehrt, und der Gegner + Manchen erlegt; doch wre noch all sein Mhen vergeblich, + So das menschengetreueste Thier ihm nicht fest an den Seiten + Kmpfte: sein mchtiger Hund, der rasch im Kreise sich wendend, + Diesem die Kehle durchhaut mit den tdlichen Zhnen; den andern + Niederreit am Genick', und, wrgend, nicht ruhet, nicht rastet, + Bis er errettet schaut den Gebiether: so stritt fr das Leben + Ottgars, hufend die Leichen umher, der tapfere Wallstein. + Doch, als jetzt die Gefahr ihm noch gewaltiger drohte, + Schrie er ihm zu: Mir nach, mein Knig und Herr! und er bahnte + Sich mit dem sausenden Stahl durch Feindeshaufen den Blutpfad. + Ottgar folgt' ihm beherzt, und hieb die Umstrmenden nieder. + Ha, nach entsetzlichem Mord und Gewrg, durchhau'n, und gesprengt war + Endlich der Todesring, und ihm entrannen die beiden, + Brausenden Flugs, auf dem Heerweg fort! Im nchtlichen Dunkel + Schwanden sie bald aus den Augen der weitnachfolgenden Gegner; + Doch die kehrten zurck', und des Knigs treue Geleitschar + Fiel nach tapferer Gegenwehr (denn Keiner ergab sich) + Hier erschlagen im Kampf mit den herzblutdrstenden Kunen. + Ach, wie grausam wtheten jetzt die Schrecklichen: hauend + Allen das Haupt von dem Rumpf', und es dann auf die Spitze des Sbels + Pflanzend, zogen sie heim, siegtrunken und rachegesttigt: + Denn sie sahen zuvor wohl doppelt die Zahl der Gefhrten + Hingestreckt im Staub', und erwrgt von den tapferen Feinden. + + Fort, und fort im Galopp war Ottgar schon in des Heeres + Nhe gelangt; nur die Hh'n von Prottes, dem ruhigen Drfchen, + Lagen noch, trennend, vor ihm, und hinter den eilenden Scharen. + Milota trabte die Hhen herab. Mit ngstlicher Sorgfalt + Forschte sein Auge zuvor nach dem Knig: er hatt' ihn dem Tod schon + Lange geweiht, und harrete nur des ersehneten Tages, + Wo er nach Rache die Gier an ihm sttigte, schrecklich und furchtbar! + D'rum verlor er ihn nie aus den Augen, und so, wie der Kater, + Grausamer Lust, freigibt das erst gefangene Muschen: + Da folgt ihm sein glhender Blick, und will es entrinnen, + Streckt er sogleich ihm nach die klau'nbewaffneten Pfoten-- + Reit es zurck in den Todes-Kreis, und weidet die Augen + So an dem armen, voll Grimms: nicht anders verfolgten die Augen + Milota's Ottgarn stets, der Rach' ihn zu opfern, entschlossen. + Jetzo gewahrend: er sey's, begann er von weitem zu rufen: + Wahrlich, du wagtest viel, mein Knig, so fern dich zu halten + Von dem schnellvoreilenden Heer! Wer so die Gefahr sucht, + Wandelt auf glattem Gerll', an des Abgrunds schwindligem Rand hin: + Denn in den Auen der March droht uns der schrecklichen Kunen + Leis'umsphendes Volk: du warst die erwnschteste Beut' ihm, + So es dich traf. Doch sprich, wo weilt dein Reitergefolg noch? + Mein Gefolg ist todt, entgegnete jener, gefallen + Unter des Feindes wrgender Faust. Dem tapferen Jngling + Hier verdank' ich das Leben allein; stets hielt er im Leben + Treulich an mir; er sey, wie ein Sohn, mir geliebt in der Zukunft. + D'rauf hinbeugt' er nach Wallstein sich von dem Sattel; er kt' ihn + Auf die glhende Stirn, und drckt' ihm die Rechte noch freundlich. + Jener, mit Freudenthrnen im Blick', erwiederte, hebend + Ottgars Hand an den Mund, der Liebe beglckendes Zeichen. + Pltzlich sah er im Geist der wahnsinngenhreten Hoffnung + Truggestalt in der Wirklichkeit, hellschimmernden Glanzes, + Ihm genaht, und gestillt des Herzens unendliche Sehnsucht. + Wehe, da Drahomira so nah' ihm war in des Nachtgrau'ns + Schrecklicher Stund', und stets auflauerte, da sie, verderbend + Ihn, sich rche zugleich an Ottgarn, hllischer Lust voll! + Hufesgerassel erscholl: denn Milota's Reitergeschwader + Jagte heran. Sie schrie ihm ins Ohr: Der Feind ist im Anzug! + Ha, der Feind! rief Milota laut, und in wilder Verwirrung + Jagt' er nach Ebenthal, woher sie gekommen, das Ro hin. + Ottgar folgt' ihm schnell; nur Wallstein hemmte den Lufer + Oft: um den Knig besorgt, und fr ihn zu sterben, entschlossen. + Aber ihm duchte das nahe Gebirg, und drben das Blachfeld + Jenes von Ebenthal an der freundlichen Burg, wo er seicher + Oft sich erging, des Weidwerks Lust ergeben im Feld' auch. + Ottgar hrete jetzt den Ruf des warnenden Jnglings; + Tobte vor Zorn, und sprach zu Milota grimmigen Blickes: + Hat dich mein bses Geschick mir entgegengefhrt an dem Kreuzweg, + Wo in dem nchtlichen Grau'n nur menschenfeindliche Geister + Hausen, da du dem Heer mich entrckst, und verleitest zum Irrgang? + Wahrlich, der Himmel straft heut Nacht die Vergehungen alle, + Die mich erniedrigten einst auf des Lebens verlockenden Bahnen! + Fort, g'en Stillfried jetzt, wo die Wagenburg und der Nachhuth + Tapfere Schar mich schirmt, bis wir dem Heere vereint sind! + + Finster umhllete noch das Gewlk den nchtlichen Himmel; + Noch aufri der entfliehende Blitz zuweilen die Lieder, + Zrnend, und sah mit feurigem Blick aus Osten herber. + Bergan hob sich der Weg, und Milota sagte, verhhnend, + Als die Ross', oft zgernden Gang's, aufschritten den Bergpfad: + Hoffst du, Herr! vor des Ewigen Richterstuhle so leicht dich + Abzufinden dereinst mit dem schreckengersteten Engel, + Der dein Blatt dir weis't in dem Buche des Lebens und Todes? + Whnst noch gar, du habest gebt fr Alles und Jedes, + Was du verbt seither, schon heut' im nchtlichen Irr-Ritt? + Grauses vernahm mein Ohr. Ist's Wahrheit, oder nur Tuschung, + Was die Sag' uns gab von dem blutbesudelten Handel + Dort? Da die Ost- und die steyrische-Mark dir bleibe zu Eigen, + Hast du Schtze gesandt nach Wlschland -- heimlich verbndet + Rom und Neapel dir, und Konradin, Friedrich von Oestreich[4] + Hingeopfert des Henkers Schwert, die blhenden Frsten? + Hast nicht Erbarmen gebt, als d'rauf die Mutter des letztern, + Gertrud,[5] sanften Gemths, aus dem Erbe der Vter vertrieben, + Fliehen hie dein Wthrich fort in strmischer Nachtzeit? + Bist du rein von Schuld an dem Tod der verstoenen Gattinn, + Margareth?[6] Ward der edele Herr und Ritter von Meiau + Nicht in unwrdiger Haft von dir verbrannt in dem Schlothurm?[7] + Nicht die Heldenschar, von dem Pettau'r,[8] niedrigen Herzens, + Angeschwrzt, jahrlang' in schmhlichen Banden gehalten-- + Ihrer gewaltigen Vesten beraubt? Sieh' dort auf dem Hgel + Drben den Rabenstein: wie im Wind sich die drren Gerippe + Dreh'n nun hin, nun her, und im Schwung lautchzen die Ketten! + Hu, aufstrubt sich mein Haar -- und dennoch lieber gehenkt dort, + Als da ich bte, wie du, an dem Merenberger[9] den Frevel! + Aber horch! Da er nun, das Haupt an die Fe gebunden, + Zweimal den Morgen und Abend sah, in schrecklichen Qualen + Hngend am Rabenstein, war nur der geschndeten Schwester + Bild -- geschndet von dir, vor seinem Gemthe! Dir flucht' er, + Eh' er starb, durchbohrt von einem der wilden Szupanen. + Wie, du erschrickst? Nein, frchte nichts, Herr! + Da ich jetzo der Tochter,[10] + Meines geliebtesten Kindes, gedacht, nicht verdenk' es dem Vater, + Der nicht weinen mehr kann um sie, die schndlich verfhrt ward. + Ihre die Schuld, der Metze: sie gab sich wohl selber der Schmach hin! + + Ottgar schlug sich die Brust, und wimmerte: Vater, Verzeihung; + Mein ist die Schuld allein: den Himmlischen glich sie an Reinheit! + So? -- sprach dann mit gedehnetem Laut der entsetzliche Vater. + Ottgar sthnte vor Angst, da es jener vernahm; mit den Zhnen + Knirscht' er; sah empor, und rief mit ersterbender Stimme: + Milota, sieh', wie es ber den armen Sndern erblitzet! + Sagt' es, und sttzte das Haupt, vergehend, auf Milota's Schulter. + Jetzt in der geistverzckenden Zeit todhnlicher Ohnmacht + Sah, wie entkrpert, er dort an dem Rabenstein, Drahomira + Schweben umher, und oft hellstrahlen von rthlichen Flammen. + Ihr nachfolgten zum Dienst drei Migestalten der Hlle + So, da der Halbentseelte noch zuckt', und bebte vor Schrecken, + Als er die Furchtbar'n sah. Aus schwarzumhllendem Schleier + Starrten mit weitgeffnetem Aug' todblasse Gesichter, + Und ihr Leib, durchblinkt von der Flammengestalt Drahomira's, + Flo, wie ein Trauerflor, hinaus in das finstere Nachtgrau'n. + Doch, nach dem Wink der Gebietherinn, auf, + und hinunter sich schwingend + Dicht an dem Rabenstein, wie der Mauerspecht am Gemuer, + Der mit klglichem Ruf nach Gewrm' und Kferchen sphet, + Nagten sie dort ein Giftgewchs und das Moos mit den Zhnen + Ab von dem Stein und Gehlz, und schwebten hinab auf den Heerweg. + (Zwischen Ottgar hier, und Milota -- aber vor Wallstein + Dort, der zgernd folgt': in tuschende Trume versunken + Knftigen Glcks) und hauchten zugleich auf die Erde den Unrath. + Doch Drahomira kam, vorhaltend in glhender Rechten + Einen Becher, in dem verderbliche Sfte von Krutern + Ghreten: erst entpret dem Eisenhtchen und Schierling, + Dann Tollkirschensfte vermengt, der pltzlich des Menschen + Sinne verwirrt. Sie go mit zaubergewaltigen Worten, + Vor den Drei'n, die sie nachmurmelten, wie aus der Felskluft + Grimmvoll murrt ein Drach', das Gift auf den furchtbaren Unrath + Aus; zertrmmerte schnell den Becher auf ihm, und erhob sich + Dann im Weh'ausruf des Hllengefolg's in den Luftraum. + Alsbald schwamm ein blulicher Duft, des giftigen Pfuhles + Nebel gleich, umher: dem nahenden Jngling zum Falle + Hingebannt von der Macht Drahomira's, des schrecklichen Weibes. + + Ha, schon naht' er heran! Noch brannte der glhende Ku ihm + Auf der Stirn'; noch scholl in das Ohr ihm der schmeichelnde Zuruf + Ottgars: Da er ein Sohn ihm sey -- dem liebenden Vater. + Wie, ein Sohn? Dann ... ja, wenn Hedwig die Rechte mir reichet! + Himmlische Hoffnung! Rief's; da bumte schnaubend sein Reitro + Dort an der furchtbarn Stelle sich auf. Ihn duchte der Wehruf, + Den er jetzo vernahm, aufhorchend mit pochendem Herzen, + Hedwigs Stimm': alsbald vorspornend den hurtigen Lufer, + Stand er gebannt in dem Zauberkreis', und urpltzlich, so whnt' er, + Ward ihm zur Gegenwart die nimmergeahnete Zukunft. + Hochbeglckt hielt er die Ersehnete jetzt in den Armen: + Ihm schwand Himmel und Erde dahin! Doch flatterte blitzschnell + Weiter der tuschende Spuk, da, schnaubend vor Angst und Entsetzen, + Nun das Ro fortsprang aus dem Zauberkreise der Hlle. + Sthnend sah er zurck, und die Blsse des Todes bedeckte + Seine Wangen: ein Traum, so schien es ihm, flchtig entronnen, + Wies ihm des Erdenglcks Erwnschtestes. Wehe, nicht schwand jetzt + Mehr des Gesehenen Bild aus seinem Gemth'. In den Adern + Kocht' ihm das Blut, und im kreisenden Schwung' umgaukelte jenes + Rastlos ihn, da er flog, getrieben von hllischem Zauber, + Abzufordern die Hand der Knigstochter dem Vater; + So zu empren des Herrschers Stolz, und, von diesem gehhnet, + Racherfllt, sich selber und ihn zu verderben auf immer. + + Siehe, voll Himmelshuld war ihm sein schtzender Engel + Wieder genaht, und rief in sanftverweisenden Lauten: + Wie, umsonst ertnte dir erst mein warnender Zuruf? + Wehe dir, Jngling, ach, wenn Schuld verdunkelt die Reinheit + Deines Gemths! Wie ein Spiegel, noch erst im herrlichsten Lichtglanz + Schimmernd, schnell abstirbt, so ihn feuchtannahender Hauch deckt: + Also umwlkt es die Schuld. Bald scheint die blhende Schpfung + Dir verwelkt, und erstarrt ringsum das regsame Leben: + Nichts des Hohen vollfhrest du mehr, von irdischen Banden + Niedergehalten. Verzieh'; o denke des Ewigen, reuig; + Kehre zurck, und beherrsche mit Kraft die Gelste des Herzens, + Da du nicht Schmach dir jetzt durch thrichte Worte bereitest! + + Sagt' es, und schwang sich empor zu dem Vater + im Himmel, de' Antlitz + Er mit dem Seraph und Cherub schaut fr immer und ewig. + Aber der Jngling rief: Ward erst der Seligen Wonne + Mir von dem Himmel gewhrt? Vernahm ich jetzo der Hlle + Tuschenden Ruf? Nicht wei ich's -- will es nicht wissen; + es dreht sich + Schwindelnd die Welt um mich her; sie reie mich mit in den Abgrund! + Sieh, und er hieb in den Bauch des chzenden Lufers den Sporn ein: + Brausenden Sprung's trug fort ihn das Thier, + bis er's vor dem Herrscher, + Der mit dem Feldherrn, ernst und schweigend die nchtliche Bahn zog, + Jetzt festhielt, nach gewaltigem Mh'n: denn wthenden Ingrimms + Flog es dahin! Nun sprach mit sanfterheitertem Antlitz, + Nach dem Jngling gekehrt, der weitgefrchtete Knig: + Wallstein, ha, wo weilst du? Komm, und rette den Vater + Dir, dem liebenden Sohn, von diesem entsetzlichen Manne! + Milota, fort! Entfleuch! Du warst mir treulich ergeben, + Du, des Herrschers Vasall; doch hast du mit blutiger Faust ihm + Heut' in dem Herzen gewhlt -- frechlautende Worte gesprochen. + Gott ist gerecht. Die Schuld, vergrert von feindlicher Migunst, + Mindert vor ihm ein reuiges Herz: er wird's nicht verschmhen! + Halte dich knftig entfernt von mir -- auch jetzt in dem Feldzug, + Da nicht mein Zorn, erwacht, dich noch verderbend ereile. + Jener lchelte grimmig, und rief: Recht hast du gesprochen: + Weichen will ich -- im Kampf' entfernt dir stehen; der Tochter + Stets gedenken, und flieh'n die Nhe des druenden Herrschers. + D'rauf entschwand er im Feld; doch Ottgar sagte dem Jngling: + Wallstein, hre mich nun! Stets warst du mir theuer vor Allen + Ob des Heldenmuths und der Treue, mit welcher du, liebend, + Hingest an mir: doch heut, wie lohn' ich geziemend die Thaten + Ewigen Ruhms? Erst rchtest du mich an Rudolphs Erzeugtem; + D'rauf hast du mich entrissen der Wuth umdrngender Gegner. + Sieh', am kommenden Tag sollst du durch wrdigen Lobspruch + Hochverherrlichet steh'n vor meiner versammelten Heersmacht; + Auch den Feldherrn dort, als Fhrer des bhmischen Fuvolks, + Beigesellt, ein Zeuge der Huld und des Glckes erscheinen! + + Jener entgegnete schnell, von dem Hllenzauber getrieben: + Herr! du nanntest mich Sohn zuvor, und ein liebender Vater + Willst du mir seyn? Wohlan! Ich rhme mich edlen Geschlechtes, + Ja, des edelsten, das in dem Vaterlande genannt ist: + Reich an Schtzen und Land, gleich Frstenshnen geachtet! + Vater, mein hchstes, mein einziges Glck harrt deiner Entscheidung! + Gib mir Hedwigs Hand, des angebetheten Fruleins: + Dann wird berschwenglicher Lohn mir zu Theil, und ein Eidam + Steht dir dankbar bereit -- fr dich zu sterben, entschlossen, + Tapferen Muth's im Feld', ein mchtiger Schirmer des Thrones, + Den du zierest, und Wenzeslav, dem Erzeugten, vererbest. + Hrst du mich nicht: dann fort an die fernsten Grnzen des Weltmeers; + Dann aus dem Leben fort, dann whle dir treuere Diener! + Tod und Hlle! so rief entrstet der Knig, wie ward mir + Heut das Geschick, Wahnsinnigen hier zum Spotte zu dienen? + O Verblendeter! Wie? so tuschest du frech und verwegen, + Meine Hoffnungen all', auf dich gegrndet, und trotzest + Auf die erworbene Herrscherhuld? Du erkhnst dich um Ottgars + Tochter zu frei'n -- um Hedwig, nach welcher sich Knige sehnten? + Schwind' aus dem Glanz der Sonn', aufdmmernder Stern, und durchlaufe + Fern mit jenen die dunkele Bahn, die selber dir gleichen! + Ehren sollte des Knigs Ruf dich am kommenden Morgen? + Sieh', ich schlage dich jetzt -- + doch, wiss' es, Bube, zur Schmach nur: + Da du gedenkest hinfort, wie frech du ihn eben gehhnt hast! + Rief's, von der Hfte sich reiend das Schwert. + Er schlug mit der Kling' ihn, + Wthend, ber den Helm, und jagte hinber zur Heersmacht, + Der er genaht, in des Morgenroths erglhendem Lichtstrahl. + Wallstein zog bei dem Schlag schon halb aus der Scheide das Eisen, + Hielt's so, fest umspannt, hinbrtend, die Augen zum Boden + Heftend, erblat, und starrete noch mit entsetzlichen Blicken + Lang' um sich her; dann stie er das Eisen zurck, und verlor sich + Von dem Pfad seitab, in des Hains umschattendem Dunkel. + + + + + Sechster Gesang. + + + Sieh', im rosigen Duft versank die glhende Sonne + Hinter dem fernen Gebirg; die Nacht umschleierte ringsum + Schon die Gefild', als jetzo von Neuburg her an der Donau, + Czernin khn vordrang mit tausend tapferen Bhmen, + Die er, unferne dem Bisamberg, in rumigen Fhren + Uebergesetzt, nach Waldrams Wink, des frechen Emprers. + Dort in verengender Schlucht, die am Fue des Kahlen- und Leupold- + Berges ein Drfchen birgt in gebschumhllender Bergschlucht, + Lagen die Bhmen im schlauen Versteck, sich Reiter von Oestreich + Rhmend, und hielten das Volk in den Htten fest, nach des Krieges + Eisernem Brauch, da kein Verrther dem Feinde zum Dienst sey. + Doch als jetzo der Mitternacht ersehneter Zeitraum + Nah' war, brachen sie auf, und schlichen am Ufer der Donau + Leise hinab, den Fchsen gleich, die so den Gehften + Nah'n, aus den Stllen umher, raschwrgend, die Beute zu holen. + Als sie Nudorf links, durch freundliche Traubengelnder + Wandernd, und d'rauf rechts Heiligenstadt, und Dbling erblickten, + Lenkten sie wieder behend zu dem lautaufrauschenden Strom ein, + Bis sie erreichten den Weidenhain unferne der Steinwehr, + Welche das Neuthor schirmt, und harrten, im Dickicht verborgen, + Dort des verheienen Winks, durch List zu erringen die Festung. + + Doch nun klirrten des Thors gewaltige Riegel, und Czernin + Whnte: verrathen sey dem Feinde sein khnes Beginnen. + Weniges sprach er nur: der Schweigende hie er den Kriegern; + Aber das Wenige sprach er mit Kraft; so rief er auch jetzo: + Mnner, fasset das Schwert! Wir wollen dem Feinde das Leben + Theuer verkaufen im Handgemeng': ein schrecklicher Kampf sey's! + Siehe, da ritt aus dem Thor, das aufflog, brausend ein Ritter + Nher, und jagte dem Haine vorbei. Ihm folgte der Knappe. + Hartmann, Wiens erlesener Hort, verlie mit dem Treuen + Eben die Mauern der Burg: er war's, der nher gesprengt kam. + Alsbald wre der Feind ihm hier in den Rcken gefallen: + Ihn, der Rettung bedacht, zu erlegen zugleich mit dem Knappen; + Aber es schwang sich Marbod jetzt aus dem finsteren Luftraum, + Hastig an Czernins Seit', und hemmt' ihn mit tuschenden Worten: + Czernin, halte die Krieger zurck, nicht siehst du den Feind hier, + Sondern die Freund', entsandt durch Rdiger, da sie im Rundgang + Zieh'n an der Vest' umher, und erforschen: ob nicht die Gegner + Euerer Macht, auflauernden Blicks, entgegen sich stellen? + Bald ist die Runde vollbracht, euch ffnet sich leise das Neuthor. + Sagt' es, voll Hast; dann flog er dem Jnglinge nach, und begann so: + Hartmann, kehre zurck! In dem Hinterhalte verborgen, + Lauert dir, mit Verrthern im Bund, der listige Feind auf. + Kehre durchs Schottenthor in die Burg, und beschirme die Festung, + Dir von dem Herrscher vertraut mit wichtigem Worte: gehorch' ihm! + Aber der Eilende sprach: Mich ducht, ein Hllengeflister + Hlt von der Wallerfahrt mich zurck? Ich gehe, zu bethen + Auf dem Kahlenberg fr die schwachaufathmende Mutter: + Ob nicht Gott sich erbarmt; mein Fleh'n die heilige Jungfrau-- + Mutter auch sie! voll Huld, dem liebenden Sohn' an das Herz legt, + Und das erfllte Gelbd' erringt der Mutter Genesung? + Als er es rief, da gab er dem Pferde die Spornen, und brausend + Trug es ihn fort im Galopp' auf die Hh'n des umnachteten Berges. + Dort, zu dem Kloster gelangt, vertraut' er dem Knappen den Renner; + Zog an dem ehernen Pfortenring, und klingelte. Dreimal + Scholl in der einsamen Nacht, entlang den finsteren Kreuzgang + Hin, der Glocke Getn. Bald klirrte der eiserne Riegel, + Von dem Pfrtner getrieben, im Schlo', und in schweigender Ehrfurcht + Lie er den Ritter, der Gelobt sey Jesus! ihm rief, ein. + Ewig! gab er zurck', und verschlo die Thre mit Sorgfalt: + Denn nicht war er ihm fremd; er kannte des Kaisers Erzeugten. + Aber er schritt entlang die weitgesonderten Zellen, + Die ein freundliches Grtchen schied, die Reihe hinunter, + Bis zu dem Fenster des Bruders Ernst, und klopfte, nur halblaut + Rufend: Vater, komm! Schon floh die zwlfte der Stunden, + Komm, und lese die Messe sogleich in der heiligen Halle, + Wo vor dem Kreuz-Bild schon unzhlige Kranke genasen. + O, da dein frommes Gebeth uns erflehte die liebende Mutter! + Jngling! so rief der Erwachende jetzt, was treibest du rastlos + Durch die dunkele Nacht? Der Himmel erhret das Flehen + Sterblicher mild bei Tag und Nacht, wenn solches der Seelen + Heil' entspricht: stell's heim, wie es kmmt, der ewigen Vorsicht. + Sagt' es, erhob sich, und trat aus der nchtlichen Kammer. + Er schlief dort + Immer im hrnen Gewand': um das Grab sein Lager zu tauschen + Jeglichen Augenblick, mit gottergebenem Herzen. + + Schauer durchfuhr den Geist, der schnell dem Ritter gefolgt war, + Als er des Bruders bleiches Gesicht, und das Auge, voll Demuth + Stets zur Erde geheftet, ersah; die himmlische Weisheit + Klar an der Stirn' ihm las, und, vereint abtdtendem Businn + Seelenfrieden und Ruh' in seinen erhelleten Zgen + Wahrnahm. Dennoch wagt' er es nicht, ihm zu folgen in Gottes + Heiligthum; nur entfernt und schchtern sah er hinber, + Als er dort vor dem Bild des Gekreuzigten, wrdigbekleidet, + Stand in dem hellen Schein sechs strahlender Kerzen: sie ragten + Aus den silbernen Leuchtern, geteilt, vom Marmor-Altar auf; + Sah, wie ihm diente der Ritter selbst, auf die Kniee gesunken: + Jetzt ihm brachte das Buch, und er bethete; jetzo, die Gaben + Opfernd, Brot und Wein darreicht'; er Worte des Segens + Ueber sie sprach, dann auf zur Anbethung hob, und, in Demuth + Klopfend die Brust vorher, geno: ein hehres Geheimni + Feiernd. Er staunte noch mehr: wie dort der muthige Jngling + Ganz in heiliger Gluth und in herzdurchschauernder Andacht + Aufgels't, mit gesenktem Haupt und gefalteten Hnden + Bethete; auch den thrnenden Blick von der Erde nicht aufhob, + Bis das Opfer vollbracht, und gestillt das sehnende Herz war. + Graunvoll stand ihm Odins[1] Altar vor den Augen, und Sclaven + Blutend darauf, die, im Kampf gefangen, als Opfer ihm bten. + Ach, er prete sie fest in die Flche der Hnde, nicht wagend, + Sie jetzt himmelempor zu dem furchtbarn Richter zu heben! + Doch schon fhrte der Mnch den Ritter zur Pforte hinber, + Schttelt' ihm traulich die Hand, und sagte beklommen zum Abschied: + Gottes Friede mit dir! Vollbracht ist die heilige Handlung, + Wie du gewnscht. In dem Wink des Ewigen liegt die Genesung, + Liegt das Leben, der Tod, und seine Gerichte sind dunkel. + La nur walten die Huld: die hier Getrennten vereint sie + Jenseits wieder im Glck', im ewigen, wahren, und einen! + + Als er sich wandte, zu geh'n, da ergriff ihm Hartmann die Hand noch, + Drckte sie glhend an's Herz, und rief mit thauenden Wimpern: + Ernst, nicht lebt dir der Vater mehr, nicht die Mutter: + zur Kriegszeit + Haben die grausamen Feind', unmenschlich vor Wuth, in der Kammer + Beid' erwrgt vor dir, dem scheuverkrochenen Knaben! + Nimmer wurdest du froh seitdem, und wohnst in des Klosters + Einsamer Zell'. Ach, komm, und sey mir ein Stab auf des Lebens + Dunkelem Pfad, mein Lehrer und Freund, und mit dankbarem Herzen + Will ich die Freundesliebe dir treu durch Liebe vergelten! + Ernst fuhr, schaudernd, zusammen, und rief: + Der Freundschaft erwhnst du? + Ja, mir ward ein Freund von treuem und redlichem Herzen; + Aber er wanderte fort, weit ber das Meer, und nach Jahren + Schmerzlicher Trennung -- sieh', drei Schritte von hier, an der Mauer + Dort, erkannt' ich den Kehrenden schon: da zuckte der Blitzstrahl + Her aus dem Wettergewlk', und todt, und erstarrt in den Armen + Hielt ich ihn! Ach, nicht frbten sich mehr, und frben sich nimmer + Meine Wangen, vom Schrecken erbleicht, und entsetzlichem Jammer! + La mich im Frieden dahier. Geschrzt zur endlichen Wand'rung + Hab' ich mein Kleid, und ich halte den Stab bereit in der Rechten, + Wann, und wie es dem Himmel gefllt: du thue degleichen + Hartmann, eile hinab in die Burg: ich hre der Glocken + Strmenden Ruf im Geschrei und Gets' lauttobender Menschen! + Jener horchte, bestrzt; dann warf er sich schnell in den Sattel; + Spornte sein Ro, und flog, lautathmend, den Wllen entgegen. + + Dort gebar einstweilen die Nacht entsetzliche Thaten. + Rdigers horchendem Ohr' entging das warnende Wort nicht, + Das erst Hugo zuvor dem Kaiser vertraute. Die Sohlen + Fremder Mnner gewahrete bald sein sphender Scharfblick + Unten im Felsengang, wo er huft' in Menge die Waffen, + Und er sandte den Bothen sogleich an den Knig von Bhmen, + Da er ihm eine die Macht. Den Schirmern der Veste zur Tuschung, + Wandt' er den Blick von dem Stubenthor nach dem stilleren Neuthor, + Wo nur selten erscholl der Futritt wandelnder Menschen, + Nie des rollenden Wagens Gets': nur jenen zum Frommen + Frher erbaut. Dort sah er das Werk der frechen Emprung + Schon gelungen, und harrete nur der verheienen Hlfsschar. + + Jetzt erscholl die Glock' aus den Fenstern des ragenden Kirchthurms, + Zwlfmal dumpferdrnend dem Schlag des gewichtigen Hammers, + Und ummurrend lang' in dem leis'entschlummerten Luftraum. + Alsbald regten im Weidenhain sich die Krieger aus Bhmen-- + Traten, in Eisen gehllt, und mit schneidenden Lanzen bewaffnet, + Aus den Husern hervor die Verschworenen (siebenmal hundert + An der Zahl) und entlang den Tiefengraben zum Neuthor + Standen die frechen geschart, des Wink's von Rdiger Waldram + Harrend. Er zgerte nicht, und kam, und sprach zu dem Amtner: + Gnther, muthig an's Werk! Mit Hundert deiner Erwhlten + Hin zu der Burg: dort stot mit wrgender Rechte die Wachen + Nieder, und wahret das Thor an der Kaiserstiege mit Sorgfalt! + Hundert send' ich sogleich in die Runde mit tapferen Fhrern, + Die auf den Wllen erwrgen die Huth. Ist solches geschehen, + Dann ertne Geschrei; dann reit an den Strngen; der Glocken + Sturmruf schalle; das Schlangenhaar aufstrubend, die Augen + Drehend vor blutiger Gier, und schwingend die flammende Fackel, + Tobe der Aufruhr fort in den Straen, und brlle die Menschen + Wach aus dem Schlaf' zum Kampf g'en Rudolphs bebende Sldner! + Ottgars harren wir dann: bald kmmt er, und wird ihn zermalmen; + Doch, so er siegt'? -- ein Unterpfand ist unser: die Mutter, + Und die Tchter zugleich: denn Hartmann eilte von hinnen, + Das euch sichere Brgschaft sey ersehnter Verzeihung. + Nur mir werde sie nicht. Ha, lieber zum eisigen Nordpol + Will ich, ein Bettler zieh'n, als Rudolphs Zepter gehorchen! + Kommt; viel lieber den Tod, als solch' unwrdiges Leben! + Rief's, emprt, und alsbald eileten jene dem Amtner + Nach. So wre die Huth auf den ragenden Mauern erlegen; + Doch auf dem Rasenwall an der Burg, wo im Sden des Schneebergs + Heitere Stirn' der Wandelnde stets mit Freuden gewahret: + Da er ihm so viel sonn'erhellete Tage vorhersagt, + Ging, gemessenen Schritts, Bertrand, der tapfere Schweizer, + Hthend umher. Als jetzt zum zwlften Mal von dem Kirchthurm + Dumpf die Glock' ausklang, von dem eisernen Hammer geschlagen, + Sieh', da stand er erstarrt! Ein Schrei -- doch schrecklich zu hren, + Scholl ihm vom Mund; sein Haar aufstrubte sich; laut, wie im Fieber, + Klapperten ihm die Zhn'. Er sah zwlf Schattengestalten: + Hliche Weiber der Stimm', und wankende Greise dem Gang' nach, + Kommen, in Leichentcher gehllt, todbleich und den Nacken + Altersschwer gebeugt: die _Klag'_ genannt von dem Volk dort, + Welche, vereint (sechs hie, und drben so viel') auf der Schulter + Trugen die Bahre heran, und sthneten. Aber sie zogen, + Sein nicht achtend, vorbei; dann fort, an der Mauer der Hofburg + Steilrecht schwebend empor -- fort ber das Dach, und verschwanden + Fern in der finsteren Luft mit klglichem, leisem Gewimmer. + Weiber, so sagt sich das Volk mit schaudernder Angst in die Ohren, + Die auf der irdischen Bahn sich unnennbarem Frevel ergaben, + Gingen im mitternchtlichen Zug einher auf dem Erdkreis; + Klagten, und chzten, und trgen die Bahr' an der Kammer vorber, + Wo, zumal bei den Frsten des Volks -- bei den Mchtigen, Hohen, + Bald anklopfet der Tod: sie sterben, und Weinen erschallet. + + Jetzt vernahmen den Schrei die Gefhrten des Kriegers. Sie blten + Hurtig das Schwert; erkletterten schnell die ragende Mauer; + Schrie'n von fern: Wer da? und fragten zugleich um die Losung. + Zwar nicht kam aus dem Mund des Kriegers das heimliche Wort jetzt: + Denn noch stand er verstrt, und zitterte; aber sein Hauptmann + Sah die nahende Schar bewaffneter Brger: ihm ahnte + Schnder Verrath. Alsbald erhob er die mchtige Stimme; + Schrie an die Nachbarhuth, und diese der nchsten, und nchsten + So, da der Lrmruf rings umtnte die Veste: den Kriegern + Nun zum Glck' erregt von dem angstergriffenen Mann dort. + + Als der Ueberfall dem Hort der empreten Brger, + Gnther, milang: da mahnt' er sogleich die Seinen zur Rckkehr, + Sich mit Rdiger Waldrams Macht zu vereinen am Neuthor. + Schon begann er den Kampf. In des weitgewlbeten Thorwegs + Mauern sah er die Stub' erhellt, und die Krieger entschlummert. + Nur die Wach' allein ging inner dem Thore den gleichen, + Ernstgemessenen Schritt herauf und hinab. An die Schulter + Hatt' er die Lanze gelehnt, und summte zuweilen ein Liedchen. + Schnell, wie der Blitz, flog Rdiger vor, und setzte dem Krieger, + Druend, das Schwert auf die Brust, so er schrie, + ihn zu tdten, entschlossen. + Ach, an dem Zrcher-See lie Wolf in der reinlichen Htte + Gattinn und Shnchen zurck: denn kaum entschwand ihm ein Jahr erst + Glcklicher Ehe, als ihn zu den Waffen der tapfere Herzog, + Albrecht, rief! Er sann, des Kind's und der Gattinn gedenkend, + Einen Augenblick; dann dacht' er der Pflicht und der Rettung + Seiner Gefhrten: er schrie -- der edelmthige Krieger + Schrie, und sank, von Rdigers Schwert durchbohrt, auf den Sand hin. + + Wildes Getmmel erscholl. Hervor aus der dmmernden Wachtstub' + Strmten Wolfs Gefhrten, voll Hast, und Rdiger Waldram + Hob das blutige Schwert mit gellendem Ruf in die Luft auf. + Alsbald trafen sich, im Gemeng, die empreten Brger + Und die Krieger zugleich. Wie Nachts von der eichenen Tenne + Lautes Gepolter erschallt, wenn emsige Lhner des Weizens + Goldene Frucht entdreschen dem Halm: so tnte der Waffen + Hmmernder Schlag von dem Schild' und dem Helm der kmpfenden Mnner. + Nur Gesthne der Wuth erscholl in den Hallen, und Blut flo + Rings in Strmen umher. Die Krieger des Kampfes gebter, + Wrgten die grere Zahl; doch so, wie die Stier' auf dem Schauplatz + Von unzhligen Rden umstrmt, mit furchtbaren Hrnern + Manchen der Feinde, durchbohrt, hinstrecken, und wthend sich wehren, + Bis sie zuletzt erliegen der stets ergrimmteren Mehrzahl: + Also, nach tapferer Gegenwehr, erlag an dem Neuthor, + Ueberwltigt, die Huth von fnfzig tapferen Kriegern. + Ha, da flogen sogleich des Thors gewaltige Flgel, + Heulend, auf eisernen Angeln entzwei! Mit traulichem Handschlag, + Grte die bhmische Schar, die drauen, mit steigender Kampfgier, + Harrete, hier das verbndete Volk, und strzte, dem Mhlbach + Gleich, der schumender Hast, durch weiterffnete Schleuen + Wild herrauscht, in die Stadt, und Rdiger jauchzete laut auf: + Eilt zum Kampf, Gefhrten des Siegs! Schon seh' ich erfllet, + Was wir sehnlich gehofft: den Sturz des verhaten Geschlechtes. + Unser die Stadt, das Volk emprt. Auf, lat uns die Sldner + All' erwrgen im Schlaf, die jetzt auch des Fhrers beraubt sind-- + Hartmanns: denn er floh, feig bebend, zuvor aus der Festung! + Schlieet die Flgel sogleich des festeinfugenden Thores, + Und erweckt die Bewohner der Stadt zum Kampf der Errettung. + + Czernin jubelte nicht. Frwahr, so sprach er bedeutsam, + Viel ist gescheh'n, und mehr, als die Hoffnung verhie zum Beginne: + Nahe der Kaiserburg erblitzen die bhmischen Waffen; + Aber ich scheue des Glcks und des leicht zu bethrenden Volkes + Wankelmuth! Gar mchtig bewegt des herrschenden Stammes + Fromme Liebe die Brust: der Zauber, welchem die Herzen + Huldigen, kalt vom Erob'rer gekehrt -- nicht selten auf immer. + Zwar verheit uns die Schreckensnacht in dem Kampfe den Vortheil; + Doch uns bleibe die Thor. Des Rckzugs denke der Feldherr + Auch in dem Sieg, sonst gleitet sein Fu auf schlpfrigem Pfad' aus. + Sagt' es, und lie an dem Thor zweihundert tapfere Krieger, + Sorgend, zurck: Bolest, dem Amtner, die Khnen vertrauend, + Der, in dem Felde bewhrt, mit festausdauerndem Kampfmuth + Schirmer ihm sey, und dereinst, so es also des Krieges Geschick will, + Seinem Volk' es erffne zur heiersehneten Rettung. + D'rauf vordrang er zugleich mit Rdigers jauchzenden Scharen: + Denn schon hob aus der Stadt unendlicher Lrm und Getmmel + Sich in die Luft. Von den Thrmen umher ertnten die Glocken + Strmenden Rufs; unzhlige Feuer, mit hastigen Hnden, + Rings auf den Zinnen entflammt, erleuchteten schrecklich die Umwelt, + Und Gebrlle der Wuth, unsinniger, frecher Emprung, + Scholl die drnenden Straen hinab. Da fuhren die Mtter + Auf aus dem ruhigen Schlaf', und strzten herbei an das Fenster, + Weinten, und rangen die Hnd', umschart von heulenden Kindern. + Zitternd stand der Greis an der Thr: sein silbernes Haupthaar + Schlug ihm der Wind um die Stirn' und die toderblasseten Wangen-- + Sah den eilenden Sohn, und schrie, da er kehre, vergeblich. + Aber es mehrte die Schar der Verblendeten weniges Volk nur, + Das, unstt und heimathlos, in die Veste gekommen + Ehedem: treu verharrt' in der Pflicht die bessere Mehrzahl. + + Doch schon trafen, voll Wuth, die Emprer und ihre Genossen + Auf das muthige Schweizervolk, das khn im Verein stand. + Hartmann! scholl's in der Burg, und Hartmann! rings in den Straen + Aengstlich und laut -- umsonst: er weilte noch fern auf den Berghh'n. + Da gedachten der Gegenwehr die Obersten: Arnold, + Fle, und Hohenried, und stellten die Scharen im Halbmond, + Der sein Horn hier rechts, dort links in die Straen hinausschob, + Gegen den wildempreten Feind, vor der ragenden Burg auf: + Also vor ihr in dem Kampf, pflichttreu, zu sterben entschlossen. + Rdiger strmt' auf Hohenried, der vorne die Scharen + Ordnete, los, und schrie: Dich, Rudolphs treuen Gesellen, + Will ich allen zuvor, als heulenden Bothen, zur Hlle + Senden: verknd' es nur dort, da sie folgen, + und keiner entrinnt mehr! + Rief's, vorschreitend, und jener begann: Gewaltiger Prahler, + Wrst du so tapfer, als frech mit der tnenden Zunge: mir wrde, + Trau'n, erbangen die Brust; doch komm, und be den Frevel, + Den du verbst g'en Treu', und Pflicht, und den heiligen Eidschwur! + So wortwechselten sie in dem Augenblick der Entscheidung. + Allen zuvor kam Hohenried, den blinkenden Degen + Schwingend, und drang grad' aus auf Rdigers pochende Brust ein. + Aber er hielt ihm entgegen den Leun, von Silber gestaltet, + (Ottgars Lwen zum Ruhm') auf dem Schild von mchtiger Wlbung: + Dieser wehrte dem Sto', und der sprdere Stahl, auf des Leu'n Haupt + Treffend, brach, wie unbeugsames Glas, mit kreischendem Milaut + Mitten entzwei. Da stie, in des Gegners erschtterndem Unfall + Khner geworden, ihm Waldram schnell die Spitze des Degens + Durch die erhobene Hand, da ihr auch das umklammerte Heft noch, + Blutumhllt, entsank -- er wehrlos stand vor dem Gegner. + Sieh', er htt' ihn durchbohrt: doch rissen hurtige Krieger + Ihn aus umdrngender Todesnoth, und fhrten ihn sorglich + Hinter die Reih'n, wo ihm Hlf' und erquickende Pflege zu Theil ward. + + Waldram schrie: Getreue, nun vor! Des Fhrers beraubet, + Wanken die Feinde. Hinauf in die Burg, wo, sehnend, die Gattinn + Rudolphs harrt mit den Tchtern des Siegs und der frhlichen Heimkehr + Ihres Gemahls. Vergeblich harre sie. Eilt, und geleitet + Sie in das Kloster Sanct Dorothe'; doch fhret sie sanft hin: + Denn sie that uns kein Leid, und nah't, abzehrend, dem Grab schon. + Nur dem Herrscher allein, der seither Kaiser sich nannte, + Zeiget euch unvershnlich, und schont ihn selbst in dem Tod nicht! + Also rasete Waldram hier. Die frechen Emprer + Griffen wthender an, und drngten die mittlere Kriegsschar, + Ihres Gebiethers beraubt, stets weiter zurck in den Burghof. + Czernin spornte sein Ro nun links, nun rechts, und entflammte + Laut mit Geschrei sein Volk, in die Feinde zu strmen. Es kmpften + Fle dahier, und Arnold dort, voll eisernen Muthes, + Gegen ihn an, und zu schwach, der Menge die Spitze zu biethen, + Zog sich Fle, im schrggedehneten Zuge, vom rechten + Eilig zum linken Horn, um, vereint dem khnen Gefhrten, + Arnold, dort zu steh'n, und zu fallen im rhmlichen Kampf nur. + Dichtgedrngt in Reih'n, vorhielten die Schweizer die Lanzen + Hier dem strmenden, reisigen Volk; die verwundeten Rosse + Wtheten -- d'rauf noch mehr mit dem wrgenden Eisen die Reiter + So, da das Blut aufwogt', und die starrenden Leichen bewegte: + Dennoch wichen nicht hier, nicht dort die erbitterten Gegner. + + Doch von dem Kahlenberg, voreilend dem frstlichen Jngling, + Nahete Marbod erst, und sah mit Schrecken des Kaisers + Schirmende Burg von der Macht des argen Verrthers gefhrdet. + Nicht besann er sich lang', und eilte hinaus nach dem Tabor, + Wo der Kaiser im Zelt sanft schlummerte, mitten im Lager + Seines erlesenen Heers. Dort fand er auch nahe das Schlafzelt + Hugo's, den er erst gestern warnt'. Ihn dacht' er zu wecken, + Senkte den Flug rasch hin, und begann im Geistergelispel: + Auf, erhebe dich, Greis! Bald schaust du die Flamme des Aufruhrs + Leuchten heran von den Thrmen der Stadt, und hrest von dorther + Strmenden Glocken-Klang und Gebrll emprter Gesellen. + Wie, so schnell vergaest du nun des warnenden Traumes: + Lachtest wohl fein? Auf, sume nicht hier zu erwecken den Herrscher! + Eben rief auch die Vorhuth schon an dem Rande des Lagers + All' das entschlummerte Volk stets lrmender auf zu den Waffen. + Aber der Greis erhob sich, voll Hast, und sah in der Wahrheit + Jenes erfllt, was ach, nur ein Traum noch gestern ihn dnkte! + Eilig trat er sofort zu dem Herrscher, und sagte beklommen: + Herr! unglaublich erschien dir vielleicht des trumenden Greises + Warnung? Tritt vor das Zelt, und vernimm mit Staunen des Aufruhrs + Wuthgeschrei in der Stadt, emprt durch Rdiger Waldram. + Willst du's, Herr, so eil' ich mit reisigem Volk vor das Burgthor, + Einla heischend, und dmpfe die Gluth, eh' ihr Flammen entfahren! + Nein, ich frchte sie nicht, so entgegnete jener, den Auswurf + Meines Volks emprte der Rasende nur, und die Bessern + Hngen noch redlich an mir. Und wie, ist mein tapferer Sohn nicht + Wiens Besatzung ein schirmender Hort? Sind Mutter und Schwestern + Ihm nicht ein heiliges Pfand, und es wagten die frechen Emprer, + Ungestraft, mit frevelnder Hand an die Theuern zu tasten? + Hundert Reiter allein gengen mir, sie zu vernichten. + Komm, wir zertreten die Gluth gar leicht im niedrigen Staub noch: + Denn ich bau' auf die Hlfe des Herrn und die Liebe des Volkes. + Heiter schwang er sich jetzt auf das Ro, und flog mit dem Helden + Hugo, im sicher'n Geleit erlesener Reiter zur Stadt hin; + Dann an dem Walle herum, bis er endlich des finsteren Burgthors + Graben ersah. Dort hemmt' er das Ro, und winkt': ein Drometer + Stie in das schmetternde Rohr, und sieh', bald riefen die Krieger, + Kletternd herauf an dem Wall': Ist's Hartmann, unser Gebiether? + Kommt er, ein Retter, heran in der Stund' entsetzlicher Nothwehr? + Lat uns vernehmen des Freundes Ruf, und wir senken das Fallthor! + Gott, und das Vaterland! so gab mit gewaltiger Stimme + Hugo zurck, ist Freundesruf in dem Lager von Oestreich: + Aber nicht Hartmann -- nein, den Kaiser gewahrt ihr als Retter! + + Laut erhob sich ihr Jubelgeschrei; doch nher und nhere + Scholl von der Ro-Au her, wo sonst die Rosse der Krieger + Weideten, schon das Getrab und das Klirren des Waffengeschmeides + Auf in der Nacht. Ach, Hartmann war's! Ihn erkannte der Vater-- + Ihn, den Vater, der Sohn. Verwirrung, Angst und Entsetzen + Faten wechselnd ihn an; nur leis' und furchtsam begann er: + Vater, ich ging, auf dem heiligen Berg fr die Mutter zu bethen, + Wie ich es jngst verhie der Flehenden: denn nicht entfernt mehr + Scheint ihr des Lebens Ziel; doch ach, entsetzlichen Frevel + Seh' ich indessen verbt von den Meuterern hier, in dem Zeitraum + Einer entflohenen Stund'! Ich rch' ihn, und sollt' ich auch fallen. + Aber der Vater schwieg. Erschtternd zu schau'n, wie er vor sich + Hinsah, schweigend und ernst. Da flog der unglckliche Jngling + Ueber das Thor, das erst mit Gets', auf den Graben gesenkt, fiel, + Durch die finsterumwlbende Halle hinaus auf des Burghofs + Rumigen Platz. Er sah, wie auf Leichen erschlagener Brder, + Rdiger Waldrams siegender Macht, ein tapferes Huflein + Muthig entgegenrang, der jetzt, Entsetzliches sinnend, + Ueber die Stufen hinauf in die Kammer zu dringen gedachte, + Wo die Frstinn sich fand mit den lieblichen Tchtern: entschlossen, + Sie mit frevelnder Hand in des Klosters Gewahrsam zu bringen: + Denn er whnt' errungen die Burg, und dem bhmischen Lwen + Unterthan die Stadt mit Oestreichs herrlichen Fluren. + + Halt, Verruchter! so rief, aus dem Sattel gestiegen, ihm Hartmann + Donnernd zu. Er entblte das Schwert, und kam wie ein Rohrwolf, + Der in des Winters Frost, vom Hunger getrieben, voll Blutgier, + Ein in die nchtlichen Hrden strmt, und die blckenden Lmmer + Wrgt mit zerfleischendem Zahn: so kam er in Eile gesprungen. + Flammen sprhte sein Aug', und aus seiner erhobenen Rechten + Zuckte der Blitz gen Waldram hin; doch als er ihm nahte, + Wandte sich dieser, und rief: Ha, du, Verhater vor Allen; + Jetzo nur muthig heran: euch all' entsend' ich zur Hlle! + Flog, so rufend, ergrimmt, dem Feind' entgegen, und strebte, + Sthnend vor Hast, das Schwert in die tapfere Brust ihm zu stoen; + Aber er schlug, vorschauenden Blicks, den nahenden Mordstahl + Seitwrts; fhrte den Todesstreich; zerschmetterte Waldrams + Helmdach tief in die Stirne hinab, und warf ihn entseelt hin. + Doch nicht rastet' er noch: er sa blitzschnell in dem Sattel + Wieder: erhob das blutige Schwert; ritt glhend vor Mordgier + Mitten hinein in die Schar der Emprer, und wthete links, rechts + Dort mit wrgender Faust, da Leichen auf Leichen sich huften. + Ihres Gebiethers beraubt, und entmuthiget, warfen die andern, + Schnell die Waffen von sich, und floh'n, im Verborgenen Rettung + Suchend, davon. Die Burg ward frei durch den tapferen Jngling. + + Czernin drngte zuvor die hauptverwaiseten Scharen + Arnolds: ihm wichen die Krieger nur Schritt fr Schritt + in dem Wuthkampf, + Bis zu dem Schottenthore hinab. Sie schlossen sich eng' an + Dort vor dem Gotteshaus', und wehrten sich: alle fr Einen, + Einer fr alle zu sterben bereit, im rhmlichen Tod nur. + Keiner wr' ihm entfloh'n, wenn jetzo nicht, keuchend im Eilflug, + Nher der Reisige kam, und schrie: Erschlagen ist Waldram: + Denket der Flucht! Er fiel in dem Kampf mit des Kaisers Erzeugtem; + Aber er selber, so jubelt das Volk, hlt drauen am Burgthor. + Freunde, so rief ihr Hort den Reisigen, Rdiger Waldram + Hat uns schnde getuscht; nicht des Kampfes Gefahren -- der Festung + Leichten Besitz verhie er uns jngst, da er stolz sich des Antheils + Aller Bewohner verma! Mit Recht wohl bt' er den Frevel. + Unser, zum Glck, das Thor: nun lat uns gedenken der Rckkehr! + Rief's, und den Tiefengraben entlang, zu dem stilleren Neuthor + Jagt' er das Ro: ihm nach die Reisigen alle. Die Flgel + Theilten sich heulend entzwei, und nicht rastet' er, bis er die Fhren + Wieder ersah an dem Ufer der weithinrollenden Donau. + Doch nicht fllte den Raum der schwankenden jetzo die Last mehr, + Wie zuvor: erwrgt in den Straen der mchtigen Festung + Lag die Hlfte des reisigen Volks, das gestern herankam. + + Aber mit Trauer im Blick, obgleich ein Sieger, und Retter + In der Gefahr, kam Hartmann jetzt aus dem finsteren Burgthor, + Langsam geritten heraus, wo sein der liebende Vater + Harrte; trauernd auch er, ob solchem Vergehen des Sohnes. + Dieser begann: Verhallt ist der Sturm unsinnigen Aufruhrs: + Waldram bte die Schuld: von meinem vernichtenden Eisen + Liegt er, durchbohrt, an der Treppe der Burg, + die er, frevelnden Fues, + Erst zu betreten gewagt; die Verbndeten schtzte die Flucht nur. + Dennoch steh' ich vor dir, ein Schuldiger. Soll ich auch ben-- + Denke des dunkeln Geschicks, das oft auf irdischer Laufbahn + Auch die Besseren feindlich ereilt! Nie mg' es dich treffen! + Und er senkte das Haupt. Doch Rudolph sah ihn, bewegt, an, + Hob die Rechte empor, und sagte mit rhrender Stimme: + Treu erflltest du dein Wort, als edeler Ritter, + Mildgesinnet, und fromm, der sterbenden Mutter gehorsam; + Aber dich sollte die Pflicht mit eiserner Macht an die Festung + Bannen: ihr solltest du steh'n ein Hort in druender Kriegszeit, + Und ein wehrsamer Schild in der Noth. Wer darf sich erkhnen, + Das, was hher ihm schien, vor jener zu whlen nach Willkhr? + Herrndienst rief dich hier zu dem Dienste des Herrn, und du fehltest + Gegen das gttliche Wort des welterleuchtenden Lehrers. + Dein Vergeh'n, unglcklicher Sohn, soll keinem der Krieger + Knftig zum Beispiel seyn, zur Ermunterung, Gleiches zu wagen! + So wie ich jngst, der Veste zum Schirm, das Schwert dir vertraute, + Stellst du's wieder zurck', in die Hnde des Helden von Tauffers. + Jener reichte das Schwert ihm dar, erblassend, und schweigend. + + Sieh', jetzt kam aus dem Thor' ein Jngling gelaufen, und rief so: + Herr, voll Angst erschein' ich, ein Both' aus des Jammers Behausung. + Deine Gattinn verschied in den Armen der liebenden Tchter + Sanft und ruhig um Mitternacht, noch ehe der Hammer + Zwlf' ausschlug; o komm, und sey den armen ein Trster! + Hartmann warf sich vom Ro, und flog -- ihm folgte der Vater, + Langsam und wankend vor Schmerz, die Stufen hinauf in die Kammer, + Wo die Heilige sanft entschlummerte: schnell zu erwachen + Wieder zum ewigen Glck' und nie vergnglicher Wonne. + Ihr zu dem Haupt' und den Fen, die Stirn' in die Hnde geheftet, + Saen die Tchter umher: gleich Marmorgestalten am Grabmaal, + Die zur herzerschtternden Schau der Knstler gebildet. + Hartmann beugte sich ber sie hin; er kte, noch sthnend, + Ihr die erkaltete Hand, und der leis'aufweinende Vater + Warf sich im stillen Gebeth' auf die Knie'. Nur Seufzer erschollen; + Thrnen regten sich nur an den schmerzerstarreten Wangen. + + Aber am Morgen wie dumpf und bang ertnen die Glocken + Von den Thrmen der Stadt! Was luft, und drngt sich das Volk jetzt, + Thrnenumflossenen Blicks, in die heiligen Hallen des Domes, + Den, wie im Dunkel der Nacht, unzhlige Kerzen erhellen? + Feierlich schallt ein Wehe-Getn' aus der Orgel: Posaunen + Heulen, gedmpft, in den Sterbegesang vielstimmigen Chores, + Der von dem Tage des Zorns, von dem unerbittlichen Richter, + Von dem Gericht und dem Ende der Welt in Feuer und Flammen, + Spricht mit erschtterndem Laut. Doch jetzt gewahren die Augen + Mitten das Trauergerst, auf drei, sich verjngenden Stufen + Sinnig erbaut, und umher mit schwarzem Tuche behangen. + Ueber den Stufen gesammt ruht dort die sterbliche Hlle + Jener Verewigten schon, mit der Stirn' zum Altare gewendet, + In dem gerumigen, sammt- und goldbekleideten Bleisarg. + Oben ziert ihn die Krone von Gold; die schimmernden Wapen + Sind an dem Trauergerst ringsher auf Sulen geheftet, + Und auf silbernen Leuchtern erhht die flammenden Kerzen. + Weihrauch wallt empor in die heiligen Hallen; die Priester + Feiern das Seelen-Amt am Altar, und die bethende Volksschar + Liegt auf den Knieen, und schluchzt: + um die Beste der Frstinnen trauernd, + Die nur zum Segen gelebt, als Mutter der Armen und Waisen. + Aber, erschtternd zu schau'n: nicht fern dem heiligen Altar, + Knie't, von den Seinen umringt, und im Trauergewand auch der Kaiser: + Alle zugleich vor Schmerz erblat -- wie gealtert seit gestern! + Ach, sie starren zuweilen mit rothgeweineten Augen + Nach dem Sarg', und sehnen sich, ihr, der selig Erhhten, + Wieder vereinet zu seyn schon dort auf immer und ewig! + Als nun alles erfllt, und die heilige Handlung vollbracht war, + Schwebte der Sarg, vom Gerst' auf krftige Schultern gehoben, + Langsam hinab in die Frstengruft. Zu Paaren geordnet, + Gingen die Priester ihm vor, und beteten leise den Bupsalm; + Ihm nachfolgten die Ihren mit wankendem Schritt. Und so ward dort + Beigesetzt in der Gruft die Leiche der edelsten Frstinn.[2] + + Aber der Kaiser sprach zu dem ltesten seiner Erzeugten, + Albrecht: Glhender Schmerz nagt tief in dem Herzen des Vaters + Und der Erzeugten zugleich, die jetzo der Mutter beraubt sind. + Ach, mich zg' es wohl hin, in der einsamen Kammer zu trauern, + Jahrlang: denn nicht sehe ich mehr die holde Genossinn + Meines Lebens vor mir; nicht hr' ich die Worte des Trostes + Aus dem Munde der Gattinn hinfort, wenn Tage des Kummers + Nah'n! So lsen sich hier die trautesten Bande des Lebens, + Die uns umfingen mit Lieb', und wir steh'n am errungenen Ziel oft, + Wie der pilgernde Fremdling, allein. Doch sey es, wie Gott will! + Jetzt, wo das Glck der Vlker, der Ruhm, und das Beste des Landes, + Uns'rer Ehre vereint, von des blutigen Kampfes Entscheidung + Abhngt, la uns das Leid, das eigene, tief in des Herzens + Unterstem Grund verschlieen, und stark und krftig einhergeh'n, + Wie es dem Manne geziemt, der wrdig zu handeln, bestimmt ist. + Hre denn, was ich zuvor erwog im Gemth', und getreulich + Dann zu erfllen beschlo! Jngst wstete weit in dem Marchfeld, + Wege und Stege gesammt, das entsetzliche Donnergewitter + So, da dem Heereszug Gefahren entgegen sich thrmen + Sonder Zahl, die ein Feldherr nie hochmthig verachte. + Ich geleite das Heer gen Heunburg heute noch, morgen + Ueberzusetzen, gesinnt, den Strom auf knstlichen Brcken,[3] + Die uns, auf Fl' erbaut, und mit lastenden Ankern gefesselt, + Dienen zur Bahn. Schon sah ich am Ufer unzhlige Stmme, + Wohl behau'n, und gefgt von den werkbeflissenen Lhnern. + Eile mir vor im Gefolg fnfhundert erlesener Krieger, + Dort zu gebiethen den Bau, mit kundiger Sorgfalt. Ich folge + Rasch mit dem Heere dir nach, und steh' an dem kommenden Morgen + Drben am Ufer der March, vereint mit des Knigs von Ungern + Tapferem Volk, im Rcken des Feind's, und im mchtigen Vortheil. + Rhmt er der Menge sich gleich, + doch siege die Treu' und das Recht nur. + + Jener begann alsbald: Mit Freuden gehorch' ich dir, Vater! + Aber, o sieh', da sprengt dein Hartmann, eilenden Fluges, + Mit dem getreuen Kurd, der einst in den Jahren der Kindheit + Ihn auf den Armen trug, und den blhenden Jngling das Reitro + Bndigen lehrt' auf der Ritterburg, ein tapferer Degen, + Nher; mich dnkt: zu weiterer Fahrt, mit dem Treuen, gerstet! + Hartmann hemmte den Lauf, und sagte, herber gewendet: + Denn schon stand sein Ro auf dem Sprung, zu den Staunenden also: + Leb' wohl, Vater, und ihr, Geschwister mein, auch ihr alle, + Lebet auf lange denn wohl! Gar viele der Wege hienieden + Sind's, die Gott die Seinigen fhrt; doch bringt er uns einst dann + Wieder zusammen im Glck von unvergnglicher Dauer! + Fort an den vaterlndischen Rhein -- hinber nach Aargau, + Fhrt mich der Weg: denkt mein, des Entfernten, mit Liebe zuweilen! + Rief's; dann gab er dem Pferde den Sporn, und schwand auf dem Heerweg + Pltzlich dahin: ihm sah'n die Beiden mit thrnendem Blick nach. + + + + + Siebenter Gesang. + + + Marbod sah aus den Wolkenhh'n, verglommenen Blickes, + Wie der Mond, umflort von herbstlichen Nebeln am Morgen, + Lang' auf die dmmernden Fluren herab. Er dachte des Bruders + Ernst auf dem Kahlenberg, der kriegrische Thaten verschmhend, + Froh in der Einsamkeit verharrete: selbst, da ihm Hartmann + Ehre und Vortheil both in des Throns hellschimmerndem Umkreis. + Vllig fremd erschien ihm die Erd', und verndert der Menschen + Leben und Geist. Nur Feindes-Gewrg im Schlachtengetmmel + Sann er sein Lebenlang; nur Kampfmuth heisch't er vom Manne, + Und, ergrimmt, so ihm einst das hei Ersehnte versagt war, + Schlug er den Stein mit dem Schwert', und spaltete Bume des Waldes-- + Ja, was jetzt ihn zermalm't, unschuldigen Menschen die Scheitel: + Denn jetzt hrt' er von Liebe des Feinds, vershnender Sanftmuth, + Schonung, und froher Geduld, und des Friedens sanften Gebothen. + Feig und entnervt erschien ihm frwahr die Volk, so er seither + Nicht mit staunendem Blick sein Heldenleben gewahrte: + Seinen Muth in dem Kampf' und im Tod, der Helden zu Theil wird. + Doch nun horcht' er, erstaunt: im lauten Getse der Waffen + Kam des Kaisers gewaltige Macht auf dem stubenden Heerweg + Nher. So, wie der Sturm, emprt, hersaust, und die Bltter, + Tausendfltig bewegt, aufrauschen im finsteren Waldthal: + Also klang in sein Ohr des kommenden Heeres Getmmel. + Alsbald schwebt' er vom Morgengewlk nach den Zinnen der Heunburg + Hin: einst Attila's Burg, der sich, als Knig der Heunen, + Furchtbarn Ruhm gewann, da er Gottes Geiel genannt ward;[1] + Doch verdet aufragte die Burg in die Lfte; der Epheu + Kroch an der Mauer umher, und durch weitgehhlete Fenster + Sah der bluliche Himmel herab in den grasigen Hofraum, + Wo vom zerschlag'nen Gesims' ureinst verfallener Bgen + Sich der Dornstrauch hob, und im Windesgesusel sich wiegte. + Dort von des Wartthurms schwindliger Hh' ersah er des Kaisers + Nahende Macht, und ihn selbst inmitten der tapferen Scharen: + Wie auf dem feurigen Ro er schaltete, hin und herber + Eilend, sie in geordneten Reih'n zum Ziele zu leiten. + Unabsehlich hinab auf der Strae war reges Gewimmel, + Lrm, und Gets'. Im Lichte der hellaufstrahlenden Sonne + Lachten die Fluren rings, und sie sog aus den blanken Gewehren, + Aus dem Harnisch und Helm, wie der Blitz augblendend, die Funken. + + Jetzt, wo am Fue des Bergs sich weit hinber, im Halbkreis + Windet der Donaustrom, anlangten des Heeres Geschwader. + Zweifach theilt er sich dort, und streckt ein liebliches Eiland, + Gegen die breiteinmndende March zum linken Gestad hin. + Sieh', und all' die Nacht anschwammen die mchtigen Stmme + Wolkengethrmter Fichten, gesandt aus dem sdlichen Forstland + Oestreichs, das im Gebirg, unendlicher Flle, sich ausdehnt! + Dort, gehorchend dem Wink des hohen Erzeugers, erbaute + Albrecht nun die Brcke dem Heer'. Der Stmme je sechzehn + Hatt' er zu Flen vereint, und ber des eilenden Stromes + Rcken, im kiesigen Grund mit lastenden Ankern gefesselt: + D'rauf erhht das Sulengeblk'; unendliche Stmme + Ueber ihn hin gefgt, und sie in die Quere mit Bohlen + Dicht bedeckt: dem Mann' und dem Rosse zum sicheren Heerweg, + Den an jeglichem Rand' ein leichtes Gelnder begrnzte. + Doch vom Gestade, wohin mit duftenden Matten das Eiland + Sich erstreckt, hie Albrecht dann die Brcke noch schneller + Ueber den schmlern Arm erbau'n: denn lngliche Fhren + Reihten, ber der Fluth von gewichtigen Ankern gehalten, + Sich hinber den Strom, und einten die ragenden Ufer: + Sicheren Uebergang dem eilenden Heere zu bahnen. + Trefflich hast du, mein Sohn, so rief ihm der Kaiser entgegen, + Alles und Jedes vollbracht, und bezwungen die Fluthen des Stromes + So, da wir hinziehn auf ihm, und, des furchtbaren Abgrunds + Achtlos, freudig zum Ziel, dem ersehneten, frdern die Schritte: + Drben dem stolzvertrauenden Feind' in den Rcken zu strmen. + Dein gedenken mit Ruhm noch kommende Menschengeschlechter. + Vater, so sagte darauf der Tapfere, nimmer geahnet + Httest du wohl: ich sey jetzt eigenntzig, und harre + Gierig des Lohnes? So ist's: mir wollest du solchen gewhren + Bald in der Schlacht: da ich dort das Zeichen des Sieges vor dir her + Tragend, kmpfe zugleich fr den edelsten Herrscher und Vater! + + Rudolph legte die Hand ihm sanft auf die Schulter, und sah ihm, + Beifalllchelnd in's Aug': ein zartgesinneter Vater! + D'rauf erhob er das Schwert, und ritt, der erste vor allen + Ueber die Brcke, das Ro kurz haltend am Zaum', und ihm folgten + So im gehalt'nen Schritt die Reisigen -- folgte das Fuvolk + Rastlos nach. Sie donnerte laut, von unzhligen Hufen + Wiehernder Rosse gestampft; doch unter des eilenden Fuvolks + Ehernem Schritt', erdrnte sie dumpf nur, und schwankte der Last nach. + Also zog er den breiteren Arm, des grnenden Eilands + Augefild', und den schmleren Arm der mchtigen Donau + Freudig hinber zum linken Gestad', am unendlichen Marchfeld. + Dort aufstellt' er das Heer, und rief dem khnen Capellen: + Tapferer, sey mit der Schar fnfhundert erlesener Reiter + Heute der Fhrer des Vorderzugs, schlagfertig und wachsam + Jeglichen Augenblick, so Gefahr uns drohte vom Gegner! + Otto von Meiau lenkt die Reisigen; doch vor dem Fuvolk + Ziehe nun Meinhard, herrschend, einher; ich gebiethe dem Nachzug. + Rastlos wollen wir bald des Feindes Lager uns nhern. + Also geschah's: Capellen ging an der Spitze der Reiter + Vorwrts. Hoch in der Luft, vom suselnden Winde gehoben, + Flatterte, grn, sein Fhnlein vor in der Farbe der Hoffnung. + Otto's Fhnlein, blau, die Farb' ausdauernder Thatkraft, + Folgte mit neun- und zwanzigen noch, die im Lichte des Morgens + Schimmerten, vielfach an Farb', wie solche dem Ritter genehm war, + Der sie gewhlt, ihm nach, und mit jeglichem kamen der Reiter + Hundert. D'rauf erschien, blutroth, des unbndigen Muthes + Farbe verrathend, die Fahne der grz- und tyrolischen Herrschaft: + Meinhards Siegespanier! Ihr reihten der schimmernden Fhnlein + Fnfzig sich an, und nach jeglichem eileten hundert der Krieger: + Alle mit Helmen und Schilden bewehrt, und mit Lanzen bewaffnet. + Aber nach ihm, umringt von der Schar der edelen Ritter, + Fhrte der Kaiser selbst in dem Nachzug jene zum Kampf vor, + Die aus den rheinischen Gau'n nach Oestreichs Fluren gekommen, + Und ihm folgte das Kriegs-Gezeug' im unendlichen Zug nach. + + Schnell g'en Hof an der March vordrangen die muthigen Vlker, + Sonder Trommelgetn und Drometengeschmetter: dem Gegner + Weislich zu bergen die Macht, die ihn bald umstrmet im Schlachtfeld; + Naheten dann Schlo-Hof, wo empor aus den dsteren Mauern + Einer verdeten Burg der Wartthurm sich in die Luft auf, + Druenden Anseh'ns, hob.[2] Nur Molch' und giftige Nattern + Haus'ten in ihrem unheimlichen Raum. Mit rieselndem Schauder + Eilte der Wand'rer vorbei, und der Hirt hielt ferne die Heerden + Von den Mauern, wo einst (so kndet die Sage) die Hausfrau, + Eitelen Sinnes, der Wangen Paar in dauernder Schnheit + Sich zu bewahren, in's Burgverlie die Kinder verlockte, + Schlachtete, dann mit dem Blute sich wusch, unmenschlichen Herzens; + Aber sie starb durchs Schwert, und die Burg vermieden im Land dort + Rings die Bewohner umher -- zumal in den Stunden des Abends, + Wo, so kndeten sie, ein Werfen mit Steinen im Hofraum, + Lautes Zischen vom Wartthurm her, und ein Sthnen und Aechzen + Aus dem Verlie erscholl. Doch sieh', als jetzo vorber + Eilte das Heer, da gewahrete Jrg, der muthige Reiter + Steyrischen Oberlands, auf den Zinnen des ragenden Wartthurms + Sitzend ein Wesen von Menschengestalt, von Bewegung, und Leben! + Alsbald sprang er vom Sattel, und rief, verhhnend: Nicht furchtbar + Sind die Geister bei Tageslicht; ich wette, die Bhmen + Sandten den Spher heran: ich will es ihm tapfer gesegnen! + Rasch enteilt' er, und klomm an der Mauer, der Gemse nicht ungleich, + Die an der Felswand schwebt, empor, bis ber dem Fallthor + Er die Stufen gewann, und schnell zu den Zinnen hinaufstieg. + Schon entfuhr ihm ein hhnender Ruf, da wankt' er voll Schrecken + Wieder zurck: so grausenhaft erwies sich der Fremdling, + Der ein Jngling ihm schien. Sein losgewhletes Haupthaar + Flog ihm wild um die Stirn'; an dem blutigen Wamms und den Schenkeln + Hingen nur Trmmer des Riemwerks noch vom zerschmetterten Panzer, + Wie auch der Schienen am Bein'. Er zitterte: Wuth und Verzweiflung, + Rach' und Schmerz verrieth sein tieferglhendes Antlitz, + Als er, den Degengriff mit krampfhaftzuckender Rechten + Haltend, nach Jrg umsah, der jetzt ihm wieder genaht war. + Aber dem druenden fat' er die Brust, und warf, mit des Riesen + Kraft gesthlt, von des Wartthurms Rand' ihn hinab in den Abgrund: + Seinem Volke zur Schau, das eben voll Muthes heran kam. + Siehe, da liefen sogleich die Gefhrten des sterbenden Kriegers + Hin nach dem Thurm, voll Gier, den schrecklichen Frevel zu rchen; + Doch schon eilt' er die Stufen herab, und sprang wie der Steinbock, + Den der Schtze verfolgt von Klippe zu Klippe hinunter, + Mit erhobenem Schwert, von der Mauer der Burg auf den Vorgrund, + Gegen die Rcherschar, sich wthend zu wehren, entschlossen! + Aber es sprengte der Kaiser das Ro in Eile herber, + Und, vernehmend die That des grimmerflleten Jnglings, + Hemmt' er die Krieger, und rief dem Nahenden: Halt, ich gebieth' es! + Jenem sank der druende Arm bei den Worten des Herrschers + Pltzlich hinab, da am Stein die Spitze des funkelnden Eisens + Klirrete: denn er besann, die Augen erhebend, sich jetzo: + Ob er die Stimme gekannt, die ihm also gerufen? Er starrte + Schweigend ihn an; die Wuth entschwand, wie schneeige Flocken + Vor dem mchtigen Strahl der wolkenenthlleten Sonne + Schwinden, aus feinem Gesicht', und im Kreise der zuckenden Wimpern + Wies sich nun herzinniges Leid, das nahe der Thrnen + Leis'aufstrebenden Quell verkndete. Mild, und vershnend + Sagte der Kaiser: Verschonet ihn doch: nicht mit hellem Bewutseyn + Hat er Arges verbt. Kein grerer Jammer auf Erden, + Denn des Unglcklichen Schau, de' edelster Vorzug: des Geistes + Licht, verdunkelt ward; der unter den Lebenden weilet, + Aber, entfremdet dem holden Verkehr' und der trauten Gemeinschaft + Seiner Lieben, zum Grab fortwankt im finsteren Wahnsinn. + Wahrlich mich ducht, als htt' ich ihn jngst gesehen: ein Zerrbild + Jenes Ritters, der so feindlich am Tabor turneyte! + Pferdegetrab erscholl jetzt laut in der Nhe: des Reiters + Ledig, kam mit verhngtem Zaum der Braune gesprungen; + Lief dem erkannten Jnglinge zu, und fuhr mit dem Hals' ihm, + Wiehernd, unter den Arm, da er ber den Mhnen herabhing. + Alsbald fat' er dies', auf des treu erfundenen Thieres + Rcken sich schwingend in Hast, und flog nach dem Ufer der March hin. + Nicht besann er sich dort: er schwamm die Fluthen hinber, + Und entschwand den Augen der stummnachstarrenden Krieger. + + Ach, und der Jngling war's, der jngst so feindlich turneyte: + Wallstein! Als in der Schreckensnacht, vernichtet von Ottgars + Wthendem Zorn, er, allein, gehhnt, und urpltzlich aus Edens + Rosenau'n, wohin ihn Hedwigs Engelgestalt rief, + Rauhverstoen sich sah: da warf er die Blicke, mit Ingrimm, + Schweigend noch, um sich her; erhob sie g'en Himmel; zerwhlte + Sich mit der Rechten das lockige Haar an der Stirn', und besann sich: + Was ihm gescheh'n? Jetzt trieb er das Ro mit schrecklichem Ruf' an; + Ri aus der Scheide den Stahl, und schlug, und bohrte dem armen, + Immer tiefer den Sporn in den Leib, da er blutet' im Lauf hin. + Also wohl Stunden lang, fort ber die Hgel und Thler + Trieb er hinaus und herein, voll Wuth, bis athemberaubet, + Endlich das Ro hinsank am hainumrnderten Blachfeld. + Lange stand er dort, wie erstarrt. Der nahenden Sonne + Rosiger Strahl, nach welchem er sonst mit Liebe sich sehnend, + Rasch die Hhen erklomm, und dort aufjubelte, wenn er + Ihm die Stirn', die umliegende Flur, und der wirbelnden Lerchen + Zartes Gefieder beschien, die hoch vom Gewlk' ihn begrten-- + Ha, wie trb erglht' er ihm jetzt! Wie schrecklich ertnt' ihm + Heut der sonst entzckende Ruf der befiederten Snger + Drben im schauernden Wald, und wie schal erschien ihm das Leben + Ringsum! Furchtbar schwoll ihm die Brust von unsglichen Qualen: + Lichtleer dnkt' ihn der Tag, und die Sonne verloschen. Er warf sich + Dann auf die Erde; verbarg im thauenden Grase das Antlitz; + Lag schwerathmend noch, und weinte mit leisem Gesthn' fort. + Doch nun fuhr er empor (ihn fat' unbndige Zornwuth) + Ri sich vom Haupte den Helm, den Panzer vom Leib', und die Schienen, + Hastig, von Arm und Bein', und verstreute sie, schmetternd, + im Staub dort, + Weil ihn solche nicht schirmten, zuvor, g'en Schmach und Entehrung. + Jetzt mit dem Schwert in der Faust, und dem einen Gedanken im Herzen: + Ottgars Tod! hinbraus't' er im Feld', ihm zu nahen, entschlossen. + Also den Tag und die Nacht fortras't' er, und kam an dem Morgen, + Wutherschpft, g'en Hof an der March zu dem einsamen Schlo her; + Klomm den Thurm empor, und forschte herum in der Dmm'rung. + Stille herrscht'. Er sah hinab in den schwindelnden Abgrund: + Einen Schritt von dem Rand -- kopflangs hinunter, und stumm war + Pltzlich der schreiende Schmerz in der Brust, + und verschollen der Menschen + Liebehhnender Ruf. Doch Ottgar lebend auf Erden + Noch? Nur jenen erwrgt zuvor: dann sterben wie immer! + Nun, vor den Kaiser gefhrt, und dort nur Worte der Sanftmuth + Hrend von ihm, den er erst jngst, ein eifernder Ritter + Ottgars, offen gehhnt: das brach ihm das Herz, und mit Thrnen + Htt' er, liegend im Staub', ein Reuiger, jetzt ihn geshnet; + Doch ihm folgte sein treues Thier, und er jagte von dannen. + + Sieh', und rastlos fort g'en Marcheck zogen die Scharen + Weiter im frhlichen Muth, nicht achtend des sengenden Mittags, + Noch des qualmenden Staubs, entlang den unendlichen Heerweg! + Aber vor Marcheck kam ein Huflein kumanischer Reiter + Nher gesprengt: wohl fnfzig Mann, und der Fhrer des Volks war + Kaduscha. Ihm ertnte der Gru der Kampfesgenossen. + Auch er schwang den blitzenden Stahl, den Freunden zum Dank, auf, + Und erkundet' im Flug: wo er treffe den mchtigen Kaiser? + Aber ihn fhrte das Volk stets weiter zurck' in den Reihen, + Bis er im Waffenschmuck die Schar der erlesenen Ritter + Drben ersah, und gerad' dorthin den schnaubenden Lufer + Spornte. Umforschend im Kreis', begann er, und sagte, verwundert: + Traun, ich schaue vor mir vereint gewaltige Mnner; + Doch nach dem Herrscher des deutschen Volks, dem Kaiser Rudolphus, + Forsch' ich umsonst! Erkennbar leicht ist der Knig der Ungern + Schon an dem Purpurpelz, der, rings mit Zobel verbrmet, + Ihm von den Schultern fliet; an dem Stern, voll Edelgeschmeides, + Der an der Brust den Pelz festschlingt mit der goldenen Kette; + Auch an dem Reiher, des Kalpags Zier, entschwebend des Demants + Funkelnder Ros', und dem Stab, den er in der Rechten, zum Zeichen + Heerebewegender Macht, und erhabener Herrschergewalt fhrt: + Denn nur kurz ist der Stab, von Golde getrieben, und oben + Noch mit der Kugel verseh'n: ein Abbild furchtbarer Waffe, + Die in des Ungern Faust zerschmettert dem Feinde die Scheitel;[3] + Doch wen gr' ich als Herrscher hier mit meines Gebiethers + Freundlichem Wort? Verzeiht, so ich irre! Mich dnket, der Ritter + Dort in der einfachen Wehr', ob seines erhabenen Anseh'ns + Und der Macht in dem Blick', ist der Herrscher, + zu dem ich gesandt bin. + Wohl, er ist's, entgegnete jener, du hast ihn gefunden! + Aber verknde nur schnell: was uns der tapfere Knig, + Unser Freund und Bundesgeno', Erfreuliches darbringt? + Heil und Segen zum Gru, sprach Kaduscha, heimlich erschttert, + Sendend zugleich mit der Siegesbothschaft Zeichen des Glckes + Dir zum Geschenk! Den Kampf begann der Kune mit Ruhm schon. + Lngs dem Ufer der March, im Hinterhalte verborgen, + Lag mein Volk: da zog des Weges vorber der Bhmen + Streitgerstetes Heer. Wir harrten, lauernd im Dunkel, + Bis der grere Hauf' hinschwand, und die Beute so herrlich + Dar sich both. Frwahr, ein blutiger, schrecklicher Kampf war's! + Dennoch entkamen der Feinde nur zween aus hunderten: alle + Lagen erwrgt. Wir hieben sogleich von dem Rumpfe die Hupter, + Sie, auf die Sbel gespiet, nach dem Lager zu tragen, und eben + Bringt in Krben von Schilf dir solche mein Volk zum Geschenk her, + Drben am schlngelnden Weidenbach, wo dein der Beherrscher + Ungerns harrt mit gewaltiger Macht. Das soll ich dir knden. + Heimlicher Schauder ergriff, bei der Red' entsetzlichem Inhalt, + Rudolphs mildgesinnetes Herz, er wandte sich seitab, + Barg die Stirn' in die Hand, und rief nach erschtterndem Schweigen: + Furchtbar habt ihr gesiegt, und dem Feinde Verderben bereitet, + Uns voreilend sogar. O mchte die Liebe des Heilands, + Mchte sein hohes Gesetz in euren verwilderten Herzen + Eingang finden, da ihr entsagtet fr immer der Ahnen + Schmhlichem Gtzendienst: nicht wrd' unmenschlicher Kriegsbrauch + Schnden den Sieg, den ihr mit tapferem Muthe gewonnen! + Biethet der Krieg nicht genug des Furchtbaren dar, und ein Jammer, + Schrecklich, wie der, soll ihn noch entsetzlicher, wilder gestalten? + Wehe, da oft nur aus Blut des Friedens lieblicher Oehlzweig + Keimt, und, mit glhenden Thrnen benetzt, die Blthen entfaltet! + Schwarzenberg, gib jetzo Geleit den muthigen Kunen; + Zieh' uns voran, und verknde mit Huld, wie es Rittern geziemet, + Unsern Freundesgru dem Knige! Aber ich folge, + Tapferer, dir auf dem Fu, mit dem muthbegeisterten Heer nach! + D'rauf noch sagt' er ihm leis': O schaffe die Reste der Todten + Schnell bei Seite, da solch' ein frommer Priester begrabe, + Wrdig, nach Christenbrauch: denn unsere Brder begrbt er! + Hohn, an den Todten verbt, erfllet die Seele mit Schauder. + Sagt' es, und jen' entschwanden im Flug auf dem stubenden Heerweg. + + Ottgar rckte mit Heer'smacht an. Nur das Auge der Geister + Dringt in die weiteste Fern': entflohen der sterblichen Hlle + Schau'n sie vom Nord- zu dem Sdpol hin des kreisenden Erdballs + Vielbevlkerten Raum; sie schau'n des unendlichen Weltmeers + Schwankende Wsten, und dort, wohin kein segelndes Fahrzeug + Je noch Sterbliche trug, auf weitentlegenen Inseln, + Sonder Zahl, gar seltsamgestaltete Thier' und auch Menschen. + Marbod sah aus den Wolkenhh'n des entrsteten Ottgars + Nahende Heeresmacht mit heimlichem Schauder: unzhlbar + Schien sie ihm gegen des Kaisers Heer an Mannen und Rossen; + Auch nicht ferne zugleich der wildumwthende Kampf mehr. + Alsbald sann er besorgt, ob einer der Lftebewohner + Nahe sich fnde, mit ihm vereint, in blutiger Feldschlacht + Beizustehen dem Hort der edelmthigen Deutschen? + Schauend umher vom Gewlk nach den fernentlegensten Lndern, + Drang sein forschender Blick von dem Rcken des sanften Gebirges, + Wo, beginnend vom Donaustrom', an dem freundlichen Preburg + Hher und hher empor sich hebt, und thrmt der Karpathen + Mchtige Kett' (entlang die silesisch- und polnischen Lnder, + Eine schirmende Mark fr die reichen Gefilde von Ungern) + Bis zu dem Riesen der Lomnitz hinauf, der, schneeigen Hauptes, + Hoch aus den Wolkenhh'n in die lieblichen Thler der Zips schaut:[4] + Dorthin drang sein Blick. Auf der Scheitel des Riesen gewahrt' er + Jetzo, erstaunt, den, einst gewaltigen Fhrer der Gothen, + Katwald, hingestreckt mit Inguiomar, dem Cherusker,[5] + Hermanns Ohm, der, zrnend dem heftigen Varus-Besieger, + Ihn zum Bundesgenossen erkor in den Tagen der Nothwehr. + Schchtern naht' er den Hh'n: denn Katwald, finstern Gemthes, + Trug ihm Ha in der Brust. Er hatt' ihn vertrieben aus Bheim; + Jener rchte sich d'rauf, mit den Rmern im Bund', und vertrieb ihn + Wieder aus Marobud, der Stadt, die er grndete, machtvoll + So, da er dann ein Flchtling starb in den Mauern Ravenna's. + Dennoch bezwang er sein strubendes Herz, und schwang sich hinber + Von dem Gewlk. So lang', als hier, aus der Schleuder geworfen, + Fleugt der sausende Stein, und fern zur Erde herabsinkt, + Whrte sein Eilflug nur, und er stand vor den Beiden, und sagte: + Ha, ihr weilet dahier, entzckt von der reizenden Ansicht, + Die die Land gewhrt im Schoo' umragender Berghh'n? + Schn ist es: wie nach den vier Weltgegenden, mchtige Flsse, + Ewig genhrt von dem sprudelnden Quell, aus dem hohen Gebirgsthal + Wlzen die silberne Fluth; wie solches, mit Stdtchen und Drfern + Rings beset, die blhende Flur dem Auge zur Lust beut! + Aber ein wichtiger Streit entzweit die mchtigsten Frsten: + Welchem die stliche Mark, die ich einst beherrschte, zum Eigen + Werde noch heut': denn nah' ist der Kampf, dem Kaiser der Deutschen, + Oder dem Knig des Lands, das ach, von Rache getrieben, + Katwald, du, mir entrissest im Kampf -- dem Knig von Bhmen? + Habt ihr vllig vergessen des Muths, der schnell in dem Busen + Aufflammt, wenn die Dromet' erschallt, das wiehernde Schlachtro + Steigt, und der blitzende Stahl in der Rechten des Helden umhersaus't? + Kommt, mit thatenerregendem Wort' und stachelndem Zuruf + Anzufeuern die Kraft der, uns abstammenden Deutschen, + Und zu verherrlichen heut' in dem Feld den erhabensten Kaiser! + Inguiomar erhob bei den Worten sich schnell von des Felsens + Schneeigem Kulm, wo er sa (er ragte noch hher denn Marbod, + Riesengestaltet, auf), ergriff ihm die Hand, und begann so: + Trauter, nicht sah dich mein Aug' seitdem, als, flchtig des Landes, + Du nach dem herrlichen Wlschland zogst: mehr Jahre, denn tausend, + Sind den Menschen entfloh'n, seit solches geschehen! Ich weilte + Unten im Schooe der Erd', in dstere Trume versunken; + Pltzlich rief es mich fort. Wer rief? nicht wut' ich es -- folgte. + Doch nun zieh' ich mit dir: ein Freund der Shne von Deutschland! + Also gesellt' er sich ihm; doch Katwald starrt' in den Abgrund + Finster hinab, und verschlo den mildvershnenden Worten + Marbods feindlich das Ohr: da entschwanden die beiden Vereinten, + Arm in Arm. Er hob mit Grimm in den blulichen Augen-- + Trotz in dem blassen Gesicht', um welches der suselnde Westwind + Wiegte das rthliche Haar, sich vom Boden, und folgte nur zgernd + Jenen nach, die rasch nach Oestreichs Fluren enteilen. + + Aber auch Marcheck lag im Rcken des ziehenden Heers schon. + Von Baumgarten herab, in der Au feldlagerte weithin + Ungerns Macht, verhllt von schattenden Weidengebschen. + Dorther jagt' im Gefolg der Reisigen jetzt auf dem Heerweg + Ladislav, der Knig, heran: er dachte dem Kaiser + Wrdig zu nahen, und hielt, als Staub aufwallte zum Himmel. + Schwarzenberg mit Kaduscha war's, der eilig daherkam. + Jener entblte den Stahl, und senkt' ihn zum Zeichen der Ehrfurcht, + Vor dem Knige; d'rauf erhob er ihn wieder, und sprach so: + Mein erhabener Kaiser und Herr entbiethet dir, Hoheit, + Seinen Gru! Er kommt, dein redlicher Bundesgenosse, + Dich an die sehnende Brust vor dem Heere zu drcken. Nicht fern mir + Folgte der Vorderzug: bald siehst du ihn schalten im Nachzug. + Herr, sprach Kaduscha jetzt, erblickst du sein Heldengefolg dort, + Forsche mit Flei, da vor Allen sogleich dein Aug' ihn ersphe: + Denn nicht glnzt er im Waffenschmuck; nur magst du ihn kennen + An der erhabenen Stirn', der wlbenden Nase des Adlers, + Und an dem Herrscherblick in der Himmelsblue der Augen! + Fremd ist die Furcht dem Kaduscha, doch erbebt' er, ihm nahend. + Freude mit ihm, entgegnete schnell der Knig, und Glck uns + Beiden Verbndeten, da sich Ottgars furchtbare Heersmacht + Gegen uns wlzt wie die Fluth, die aus ihren Gestaden getreten! + Aber er komme nur: bald begegnen wir ihm in den Feldern + Ewigen Ruhms, vereint mit Rudolphs tapferen Scharen. + Unser Stahl ist geschrft, und die Rechte gar mchtig zum Einhau'n. + Sieh', da hob sich erneut von der Strae der wirbelnde Staub auf, + Und der Rosse Getrab ertnete nher und nher! + Rudolph jagte heran im Gefolg' erlesener Ritter: + Denn ihn drngte das Herz, den verbndeten Knig zu gren! + Aber noch standen die Ross' an dem Weg, tiefhangenden Hauptes + Tragend den Siegespreis unmenschlicher Krieger. Nicht sumte + Schwarzenberg, und begann mit eiferndem Laut vor dem Knig: + Schnell g'en Zwerndorf hin, da es also dem Kaiser genehm ist, + Trage die Last der wohlverhlleten Krbe das Saumthier: + Ihm ein werthes Geschenk, weil dort der redliche Priester + Solche nach heiligem Christenbrauch der Erde vertrau'n wird. + Sagt' es, und rief Luitold, dem muthigen Knappen. Er nahte + Folgsam, und fhrte die Schar der Treiber zurck mit den Rossen. + Ringsum staunte das Volk, und sah bald seinen Beherrscher, + Bald den Fremdling an; doch, tieferglhenden Blickes, + Sa der Knig im Sattel, und schwieg, und lie ihn gewhren. + + Allen zuvor kam jetzt der Kaiser gesprengt, da ihn alsbald + Ladislav erkenne, der Hort der tapfern Magyaren. + Beide sprangen behend' aus dem Sattel. Sie streckten die Rechten, + Einer dem andern im schnelleren Gang, begrend, entgegen; + Hielten mit heiem Druck die verschlungenen; standen, und blickten + Lange, staunend sich an. Dem Auge des einen entstrahlte + Feuriger Muth; entscheidende Kraft, und Wrde des andern. + Als sie jetzo gesttigt das Herz in freundlicher Anschau, + Schweigend, begann voll Hast der jugendlichblhende Knig: + Werth sey mir der heutige Tag, und theuer vor allen, + Wo ich, Erhabener, dir, de' Ruhm erfllet den Erdkreis, + Nahete, bund'svereint: denn lang ersehnt' es mein Herz schon! + Siehe, nicht riefst du umsonst: ich zog aus den unteren Landen + Meines Reichs mit Heeresmacht dir zu Hlfe! Des Ungern + Flammenden Muth kennst du, wie er einstrmt + rasch in die Schlachtreih'n; + Aber der Kun' ist schrecklicher: denn ihm wohnet die Wildheit + Seiner, erst jngst verlassenen Stepp' an des Tanais Ufern, + Ungezhmt in der Brust; du sollst uns loben im Schlachtfeld. + Ha, dort fleugt Staub auf! Frwahr der Feind ist im Anzug; + Solches verkndeten mir zuvor Eilbothen, aus Weiden + Kommend, voll Angst: das Volk ersehnet den Retter Rudolphus! + + Als der Kaiser die Worte vernahm, da wandt' er die Augen + Schnell g'en Oberweiden zurck, das ber den Sandhh'n + Einsam liegt: ein hainumsuseltes Drfchen. Von dorther + Hob sich der Staub zum Gewlk. Wie nach glhenden Tagen des Sommers, + Hinter dem fernen Gebirg', empor die schwrzlichen Wlkchen, + Gleich dem, geblht, in die Lft' aufsteigenden Balle sich heben, + Bis sie im hheren Raum mit den weitgedehneten, lichten, + Aestigen pltzlich vereint, den wetterleuchtenden Schleier + Auf an den heiteren Himmel zieh'n: so flog auf dem Heerweg + Sparsamer erst, dann hufiger, hoch der qualmende Staub auf, + Der, von der Abendsonne durchblinkt, wie vom Blute gerthet, + Ottgars nahende Macht verkndete. Jener begann so: + Ha, Beherrscher der Ungern, du bist zur Stunde des Glckes + Jetzt mit dem Heldenheer' als Bundesgeno mir erschienen! + Sumen wir nicht. Nur einmal beut auf entscheidender Bahn dir + Freundlich die Hand das Geschick: + ergreifst du sie nicht, so entzieht es + Selbe fr immer vielleicht. D'rum sey in gebiethender Hast nun + Unsere Macht zum Wohl unzhliger Menschen vereinigt. + Frisch an die That! Wir ordnen das Heer sogleich in dem Feld hier. + Alsbald schwang er sich rstiger auf in den Sattel, und sprengte + Hin, und herber im Flug, mit des Feldherrn Auge die Gegend + Rings erforschend, zum Kampf den gnstigen Raum zu erlesen. + D'rauf entboth er vor sich die Herolde: hie von des Heeres + Rechtem Horn, g'en Zwerndorf hin Oestreicher und Steyrer + Zieh'n; von dem linken die Macht der Krnthner und Krainer, + nach Marchecks + Fluren hinab. Capellen geboth den ersteren; diesen + Meinhard, Graf von Grz und Tyrol, als oberster Feldherr. + Aber im mittleren Raum, Baumgarten nicht ferne, des Drfchens + Frchtegesegneter Flur, vereinte sein Wink die Tyroler, + Schwaben, und Schweizer zugleich, gar tapfere Scharen im Schlachtfeld. + Also in fnf Heersulen stand des gewaltigen Kaisers + Macht zu dem Kampfe bereit. Vor jeglicher wehten die Fhnlein + Edeler Ritter empor in die Luft, und die sinkende Sonne + Leuchtete hell aus den Helmen und Harnischen, furchtbar zu schauen! + Reisige folgten den Rittern nach, und, diesen im Rcken, + Trefflich geordnet, die Reih'n des lanzentragenden Fuvolks, + Wo vor jeglicher, schimmernd im Licht, ein mchtiges Banner + Flatterte, dort den Kriegern Verein in dem Kampfe gebiethend. + Aber vor allen empor, aus dem Kern des stattlichen Heeres + Hob sich die Reichsfahn' auf: wie des Meerschiffs mittleres Segel, + Flatternd umher im Hauch des leis'umschmeichelnden Westwinds, + Und enthllend den Doppelaar, mit der Kron' und dem Zepter + Herrlich geziert, nun rechts, nun links auf dem goldenen Feldraum; + Immer wies sie dem Heer' die Nhe des waltenden Herrschers. + Aber er sagte darauf zu dem Knige, schnell und entschlossen: + Sey dort hinter Capellens Macht, zur Rechten, der Kunen + Furchtbare Schar gestellt, die Kaduscha's Winken gehorchet; + Aber zur Linken, verhllt von der schattenden Au', und des Meinhards + Vlkern zur Sttze gespart, erwarte die tapfere Heerschar, + Die Trentschins Gebiether beherrscht, den ehrenden Aufruf: + Loszubrechen mit Macht auf die wildanstrmenden Gegner; + Doch du weiche zurck: denn also gebiethet die Sitte + Deines Landes dem Knige -- fern von dem blutigen, Schlachtfeld + Sitzend auf einer der ragenden Hh'n, auf dem rollenden Wagen, + Oder dem feurigen Ro, des Kampfmuths seiner Erwhlten + Zeuge zu seyn![6] Schon neigt sich der Tag. + Nicht wird uns der Feind mehr + Heute begegnen im Feld; doch sey's: er komme! Mit Freuden + Wollen wir entgegen ihm zieh'n, und der Ehre gedenken. + Sagt' es, und bald stand jegliche Schar, in Reihen geordnet, + Nach dem schaltenden Wink des erhabenen Kaisers. Der Knig + Ungerns gewann mit Gefolg die aufragende Wart' auf dem Hgel, + Die in der Vorzeit einst zur Grnzmark diente den Vlkern. + + Doch g'en Westen hinab, nach des Abends goldenen Fluren + Senkte die Sonne den Flug, und sah vom Rande des Himmels + In das erhellete Nebelgewlk, das, duftigem Schleier + Gleich, empor sich hob, sie in lieblicher Ruh zu umfangen; + Rosig die Brust erhellt von ihren verglhenden Strahlen, + Wanderten hoch in dem Wolkenreich nach entfernteren Zonen + Singende Schwne dahin; im Saatfeld zirpten die Heimchen; + Leise verhallte des Tages Gerusch, und das Leben verstummte. + Aber die Hhen entlang, die rechts von Weiden nach Marcheck, + Weitgedehnt, sich zieh'n, und des Marchthals Fluren beherrschen, + Tnete jetzt Getrab anstrmender Rosse, der Waffen + Helles Geklirr, und das Schrei'n und Rufen unzhliger Krieger. + D'rauf erschien, dem Gewittergewlk' im Sommer nicht ungleich, + Das, von ghrendem Donner schwer, am Himmel heraufschwebt, + Drben am Rande der Hh'n die schlachtgerstete Heersmacht + Ottgars: gierig des Kampfs, und zu muthigen Thaten entschlossen. + Noch emprt' ihn der Zorn ob jenes verwegenen Jnglings + Frechenthlleter Gluth zu seiner Erzeugten, und dennoch + Sehnt' er sich herzinnig nach ihm, in dem einsamen Kriegszelt + Sitzend, und schlug sich die Stirn', + und jammerte laut um den Liebling. + Also kam er heran, und hoffte, des lechzenden Herzens + Heien Durst im Blut' und Gewrge der Feinde zu stillen. + + Doch nicht rastete jetzt Drahomira, die schreckliche Feindinn + Ottgars: denn sie sah, wie Marbod und Inguiomar erst + Sich vereinten, im Kampf zu entflammen die Deutschen. Sie nagte + Heimlich vor Wuth an den Lippen, und htte mit schmhenden Worten + Jene gehhnt; doch schwang sich nun, verdsterten Blickes, + Katwald her in der Luft, und sah nach der Erde herunter. + Alsbald hob sie zu ihm sich empor, und rief, ihn erforschend: + Ha, du sahst es, wie Marbod, der schrecklichste dir in des Lebens + Langentschwundener Zeit, auch Inguiomar zum Gehlfen + Sich erkor, heut' Oestreichs Volk zu entflammen im Schlachtfeld! + Komm, und eine dich mir! Erst will ich den Knig der Bhmen, + Strzen: denn mir zur Schmach verbt' er entsetzlichen Frevel; + Aber erliegt er im Kampf, dann sey Kunegunde, des Zepters + Wrdig, erhht auf den Thron; ihr la uns erringen den Vortheil. + Hoch erhebe sich Bhmens Ruhm, des trefflichen Landes, + Das dir gehorcht', eh' Marbod dir's mit den Waffen geraubt hat. + Sagt' es mit stachelndem Wort; doch jener entgegnete zrnend: + Weiche von mir, du fluchbeladene, da nicht dein Odem + Noch verpeste die Luft, die mir umsuselt die Wangen! + Kein Verein, Drahomira, mit dir! So willst du mit Marbod + Und mit Inguiomar, des Kaisers verbndeten Freunden, + Ottgars Haupt gefhrden im Kampf'? Ich nah' ihm, als Helfer, + Schon dem Lande zum Ruhm, wo ich herrschend lebt' in der Vorzeit, + Ha, und lache des Zorns, der, so wie zum Strande die Meersfluth + Brausend fleugt, und zurck, der Ohnmacht eiteles Bild, sinkt, + Dir empret die Brust, und druet in nichtiger Ohnmacht! + Rief's, und strzte herab vom Gewlk' an die Seite des Knigs, + Der das Ro anhielt, und des Kaisers geordnete Vlker + Staunend ersah, wie solche den Plan erflleten weithin. + Jetzo noch einmal, quer von dem Saum der Erde herber, + Blickte die Sonn', und verschwand; die Dmmerung zog von dem Thal her. + Nicht gedacht' er des Kampfs fr heut'; an dem kommenden Morgen + Wollt' er dem Feind' ihn biethen auf Tod und Leben, den Herold + Sendend zuvor, nach des Kriegs herkmmlicher, edeler Sitte.[7] + Katwald war ihm genaht, und haucht' ihm vor allem den Rath ein: + Ottgar, wie, du willst, nachtlagernd, des dmmernden Morgens + Harren dahier? Schnell vor, eh' dunkel die Nacht sich herabsenkt: + Schleudre die feindlichen Reihen entzwei! So machst du dir heut' noch, + Schrecken verbreitend, Bahn zu des Siegs erhellten Gefilden: + Denn der erste Gewinn in dem eisernen Feld ist ein Hagel, + Der die Halmen der Hoffnung zerschlgt; ein brausender Sturmwind, + Der des Athems beraubt den Wanderer, und ihn ermattet. + Alsbald biethet der Feind dir selbst ein Zeichen des Angriffs. + + Jener verschlo ihm das Ohr. Doch wer entflammt' an dem Abend + Schon den noch nicht ersehneten Streit im tosenden Schlachtfeld? + Marbod, der muthige that's. In den Reih'n der strmischen Reiter + Spornt' ein munterer Held bischflicher Leute von Salzburg, + Schrlin, ein unbndiges Ro heran in dem Kriegszug.[8] + Ihm nicht fern, ersah das Nest pferdstachelnder Bremsen + Marbods sphendes Aug': er eilte dahin, und emprte + Mit gewaltigem Geisterhauch die entschlummerten Quler: + Denn er brannte vor Gier des Kampfs Arbeiten zu schauen. + Sieh', und, also geweckt, im heulenden, wilden Gesumme + Fuhr der Schwarm empor; er flog dem muthigen Rosse + Schrlins unter den Bauch, und stachelte solches, erbot, wund. + Schrecklich tobt' es umher, schlug aus, bog, sthnend, die Ohren + Gegen die Brust, und rannte dahin: nicht achtend des Rufens, + Nicht des Schrei'ns, das Schrlin erhob, da er, rcklings gebogen, + Zog an dem Zgel, es noch im wthenden Laufe zu hemmen. + Schnurgerad auf Ottgar hin losrannte das Thier jetzt. + Zorn erfllte sein Herz; er rief den staunenden Feldherrn: + Wahrlich, nicht dacht' ich mehr den Stahl an dem heutigen Abend + Feindlich zu zieh'n; doch seht, die Unsinnigen strzen sich selber + Ihm entgegen, voll Wuth! Sie sollen mir ben die Khnheit. + Fort! Wir greifen sie an mit den schwergeharnischten Reitern, + Welch' uns Bhmen gesandt, den tapfersten Mnnern auf Erden, + Und im gemessenen Schritt' uns folge das Heer auf dem Fu nach. + Alsbald gab er dem Pferde den Sporn, und jagte die Hhen + Brausend herab. Ihm nach, mit dem kampferfahrenen Helden + Lobkowitz, flog die Schar zweitausend geharnischter Reiter. + Wie, wenn unterirdische Gluth aus den Tiefen des Erdballs + Aufwrts braus't, und gehemmt, weithin erschttert die Gegend + So, da vom strzenden Felsengebirg' unzhlige Trmmer + Schnell in's drnende Thal herrollen mit wildem Getmmel, + Krachend der Wald entsinkt, und Staub auffleugt in die Wolken: + Also strmt' auch hier der Knig mit seinen Erwhlten + Von den Hhen herab. Vor den Kommenden strzte das Reitro + Schrlins zusammen. Kein Leid ihm geschah: die furchtbaren Reiter + Setzten ber ihn hin; er lag, listsinnend, im Scheintod + Dort bis Mitternacht, und kehrete heim zu den Seinen. + + Ottgar nahete schon den uersten Wachen der Steyrer. + Auf, zu den Waffen! so schrie Wildon, der tapfere Hauptmann + (Pfannberg weilte noch fern bei Capellen, dem obersten Feldherrn, + Drben im luftigen Zelt, des Kriegs Arbeiten erwgend, + Die der Morgen verhie) und das Fuvolk eilt' aus dem Lager: + Denn nicht dachten des Streites mehr die erlesenen Ritter + Jetzt, in der sinkenden Nacht. Wohl mancher sa in dem Gras' noch, + Haltend das Ro an dem Zaum', und beredete Dieses, und Jenes; + Doch nun fuhren sie all' empor, von dem feurigen Marbod + Aufgestrmt mit emprendem Ruf. Bald schwang in den Sattel + Jeder sich auf, erhob den Speer in der Rechten, und senkte + Sein Helmgitter herab, das Ro zu dem Kampfe bewegend. + Ha, und der Kampf begann! In dem Vorderzuge, des Feindes + Druende List zu ersphen gesandt von dem sinnigen Feldherrn, + Stand ein Brderpaar der Trantmannsdorfe beisammen: + Heinrich, und Gtz, von der Schar der Verwaiseten. + Laut, und mit Nachdruck + Hie sie des Hauptmanns Ruf in die Reih'n der Versammelten kehren: + Aber sie hrten ihn nicht, von glhendem Muthe getrieben. + Ottgar fuhr auf den lteren los, und, ob er den Speer schon + Ihm entgegen streckt', und des Kampfs wohl kundig sich zeigte, + Schlug er ihm doch mit dem Heldenschwert den nahenden Speerschaft + Seitwrts, und durchstie ihm den Hals, wo, gleitend, vom Harnisch + Sich der Helm verschob: er sank, und verhauchte das Leben. + Gtz drang muthig auf Lobkowitz ein; verwundete, jauchzend, + Sein aufbumendes Ro, und strmte noch feuriger vorwrts; + Aber ihm bohrte, von jenem gekehrt, der emprete Knig + Sein, von des Bruders Blut gerthetes Schwert in die Brust ein + So, da er rcklings vom Sattel sank, und dicht an dem Bruder + Ruhete, langgestreckt, und erblassend im Tode. Sie lagen + Dort wie jhrige Leu'n im Staub, die, grausam, ein Tiger + Eben erwrgt' im Gebsch', als Beut' aufsuchte die Mutter. + Doch der feurige Katwald sprach, umschwebend, in's Ohr ihm: + Ottgar, flchtig enteilet das Glck: erhasch' es im Flug jetzt! + Werfe den Feind, eh' Rudolphs Schwert dir nah't. Ich gewahrte + Helfende Geister um ihn, die ihn warneten: eile, zu siegen! + Ha, wer drngt mich so muthig, und khn? sprach zrnend der Knig, + Muthig, und feig zugleich, mit Rudolphs Schwert mir zu drohen: + Denn er komme nur, bald entreit ihm das meine das Leben! + Rief's, und jagte dahin wie der brausende Sturm auf den Heiden. + + Welchen erlegt' er zuerst aus den Reih'n der tapferen Ritter? + Sieh', ihm warf sich Stubenberg vor allen entgegen: + Weit vorhaltend den Schild, de' Zier, im Ringe der Anker, + Schlangenumwunden, sich wies, und strebte, das muthige Herz ihm + Durchzubohren im Wuthanlauf mit dem blinkenden Speerstahl; + Doch in des Rosses Bauch stie Ottgar, stachelnd, den Sporn ein + So, da es seitwrts sprang, und er drngte dem Gegner den Degen + Tief in die Brust, als ihm die entblte Hhle der Schulter + Rumigen Eingang both: er sank, und athmete nicht mehr. + D'rauf erwrgt' er auch noch urschnell den redlichen Knappen + Edelred, der jetzt dem Ritter zu Hlfe geeilt war. + Czernin stellte sich g'en Wildon zur Wehre: sie kmpften + Lange mit wechselndem Glck; verwundeten: jener des Gegners + Bein, und dieser den Arm, und schieden mit druendem Ingrimm + Mitten im Kampf: denn schon herstrmten im Felde die Reiter + Ottgars, welchen das Fuvolk rasch nachdrang, und urpltzlich + Hob sich der schwellende Ruf mit dem Waffengetse der Wrger + Himmelempor, und erfllte die Welt mit Entsetzen und Schauder. + + Jetzo vernahm in der zweiten der fnf Heersulen Capellen + Kmpfender Krieger Geschrei, das drben, am Rande der ersten, + Stets vernehmlicher scholl in der Dmmerung. Eifernd besprach er + Eben mit Pfannberg dort, dem Fhrer des steyrischen Volkes, + Fr den kommenden Tag des Angriffs muthige Weisen; + Auch die verstellete Flucht: den wechselnden Kampf, und den Rckzug, + So des Krieges Geschick ihn gebeut: da verstummt' er auf einmal, + Horchte dem Lrm, und sprach, voll Hast, zu dem Scharengebiether: + Pfannberg, eile zurck! Der Feind, so sagt uns der Lrm dort, + Wagte den Ueberfall in der Dmmerung; eile zur Rettung + Deines Volks: ich folge dir schnell mit erlesenen Scharen. + Also geschah's. Im Flug' erreichte der tapfere Feldherr + Sein gefhrdetes Volk, und warf, mit dem Schwert' in der Faust, sich, + Allen voran, als sie nachbraus'ten im stubenden Saatfeld, + Rasch auf die furchtbare Macht der Geharnischten, die zu dem Angriff + Ottgar selber gefhrt, und jetzt umtobte, voll Mordwuth. + Ihm selbst htt' er die Brust durchbohrt, so pltzlich erschien er + Mitten im Waffengemeng; doch schlug ihm der muthige Ritter, + Zawi von Rosenberg, der schnste der Mnner im Kriegsheer + Bheims, sein erhobenes Schwert aus der Faust, und durchstie ihm + Schnell mit dem Speere den Arm, da er, sthnend, + vom Sattel herabsank. + Ottgar rhmte gerhrt den Tapferen; doch Drahomira + Lchelte Hohn aus den Lften herab: sie ersphte die Neigung + Schon, die verborgene, jngst in der Brust Kunegundens fr Zawi, + Und gedachte mit Lust der unheilschwangeren Zukunft. + + Pfannbergs Volk, den Sturz des tapferen Fhrers gewahrend, + Drang jetzt eilender vor, und kmpfte, der Lwinn nicht ungleich, + Die vor der Hhle die Jungen, umringt von Pardeln erblicket, + Um den Verwundeten dort, und es htte gesiegt mit den Scharen + Oestreichs, die Capellen zu Hlfe gefhret, und jenen, + Die aus dem Hinterhalt' auch Kaduscha, hrend im Nachtgrau'n + Feindlicher Waffen Gets', ihm, lautaufjauchzend, vereinte: + Hemmt' es nicht Katwalds List. Er sah in der Reihe der Edeln + Einen, mit bleichem Gesicht' und scheuumirrenden Augen, + Trg vorschreiten im Kampf: den Pettauer, der vor dem Knig + Ottgar, einst die Ritter der steyrischen Mark des Verrathes + Zieh, und dieser verhngte sogleich entsetzliche Strafen; + Aber er hatte nicht Ruhe noch Rast seitdem, und im Herzen + Trug er die Strafe der Schuld, da er jeglichen Trostes beraubt war. + Diesem nahete Katwald jetzt, und schrie in das Ohr ihm: + Horch, dir drohet Verrath und Mord! Unseliger, fliehe! + Schauer durchlief ihm die Haut, da er solches im Geiste vernommen: + Alsbald wandt' er das Ro, und rief, entfliehend: Verrath! Mord! + Wilde Verwirrung begann: das vorgedrungene Fuvolk + Wankte zuerst; ihm folgten die Reisigen -- dann auch die Ritter. + Tausendzngig erhob sich der Ruf: Entflieht dem Verrath! Fort! + Aus den flchtenden Reih'n. Auch Kaduscha wich mit den Seinen + Lrmend zurck, und entsetzlich erscholl in der Nacht das Getmmel. + + Doch in dem fernen Gezelt vernahm der erhabene Kaiser + Jetzo den Lrm, und geboth den Mannen die Rosse zu zumen: + Denn schon lagerten sich die Tapfern ruhig im Saatfeld, + Reichend den Rossen das Futter zuvor, und stillten den Hunger + Dann mit Brot, und den Durst mit des Quellbachs khlenden Fluthen: + Alsbald waren die Pferde gezumt, und die Muthigen saen + Sattelfest. Da kam vor allen, gesprengt, auf dem Pfad her + Oestreichs Reiterschar. Mit zrnendem Ernst in den Blicken + Ritt ihr der Kaiser entgegen. Sie stand von Schauer ergriffen: + Denn kein Vorwurf kam aus dem Mund des erhabenen Herrschers. + Also gehemmt, wuchs stets zu dichteren Haufen die Heersmacht, + Und er kehrte mit ihr g'en Marchecks sandige Fluren. + + + + + Achter Gesang. + + + Ha, was rthet den Himmel fern im nchtlichen Dunkel? + Welch' Geschrei erfllt urpltzlich mit Angst und Entsetzen + Drben die Stadt? Ein Jngling sitzt, verwilderten Ansehn's, + Dort auf des Felsens Hh'n, und schaut auf + die schreckliche Brandsttt' + Grinsend herab, wo ruhig noch erst unschuldige Menschen + Schlummerten, jetzt Gewrg' erschallt, und in Strmen das Blut fliet? + Furchtbare Schau! Darf also der sterbliche Mensch an dem Menschen + Wthen, da sanfterer Art der grausame Tiger erscheinet? + Wehe, wie fiel er so tief! Wie entwrdigt ihn Laster und Thorheit! + Doch ich nah' ihm schnell, zu erkunden, wie solches geschehen? + So sprach Inguiomar, das gluthverheerete Stdtchen + Schauend, und eilt' im Fluge dahin, wo, schrecklichen Blickes + Jener hinuntersah nach der Sttte des Jammers. Er sa dort + Schauerlich in sich gekehrt, und ihm zuckten die schneeigen Wangen + Leise vor ungesttigtem Grimm, da er, vorwrtsgebogen, + Sttzend das Kinn auf die krampfhaftgeschlossene Faust, in die Flammen + Starrete. Doch es stockte das Wort in dem Munde des Geistes, + Als er ihn nher geseh'n. Er bebte dem Jammer, und eilte + Fort nach den Ufern der March, wo heut', unferne dem Stdtchen + Marcheck, nach unrhmlicher Flucht sich die Krieger vereinten. + + Wallstein war's, der dort auf dem Felsriff sa, und hinunter + Starrte, voll Grimms. Sein war die entsetzliche That, und der Hlle + Jngstentlaufene Brut, Drahomira, hauchte die Wuth ihm + In die empfngliche Brust, aus welcher des warnenden Engels + Bild entfloh, da er sich der Sinneschmeichlerinn hingab. + Sieh', er eilte zuvor aus der Nhe des Kaisers, und setzte, + Schwimmend, die Fluthen der March mit dem schnaubenden Rosse hinber; + Flog dann, Auen und Wlder entlang, an Moravia's Marken + Rastlos fort, bis endlich das Ro am dmmernden Abend + Sthnend zu Boden sank. Er entschlummerte neben dem Thier dort; + Aber ihm war Drahomira gefolgt. Wie der feurige Schweihund[1] + Angeschossenes Wild, so hei es auch strebt, zu entkommen, + Durch des umschattenden Waldes Nacht verfolgt auf den Fhrten, + Rastlos, bis es ermattet ihm fllt: so lie Drahomira + Ihn aus den Augen nicht mehr: denn Ottgar sollte getdtet + Fallen durch ihn, und ihr Herz sich ersttigen dort an des Jammers + Grau'nerregender Schau -- an dem Fall des unglcklichen Jnglings. + Einen tuschenden Traum ersann, und bannte sie, zaubernd, + Vor den Entschlummerten hin. Er sah im Geiste das Stdtchen, + Kostel in Mhren, vor sich, und dort sein Alles auf Erden, + Hedwig, gefesselt im Thurm, weil sie nicht verhllte die Neigung, + Die sie ihm still genhrt in dem treuergebenen Herzen; + Sah, wie sie, jammernd, ihm mit den kettenbelasteten Hnden + Winkt', und so bleich her sah von des Fensters eisernen Stben, + Hlfe! schreiend, und Rach' an Ottgar! Aber er sthnte + Laut in dem Schlaf', und schlug sich die Brust + vor unsglichem Herzleid. + Bald erweckt' ihn Geschrei anstrmender Krieger. Der Kunen + Tausend, vereinten sich erst: Weglagerer, Ruber, und Mrder, + Von dem Heere getrennt, auf Raub zu ziehen, entschlossen, + Die Drahomira noch mehr emprte zu schrecklichen Thaten. + + Als sie jetzt den Schlummernden sahn, der, blhender Jugend, + Noch im Schlafe das Schwert umklammert hielt mit der Rechten; + Durch die gesenkten Brau'n Wuth kndet', und, sthnend, von Rachgier + Mit den verzerreten Lippen sprach, da riefen sie freudig: + Seht, den sandt' uns Tyr,[2] der Gott des Kriegs und Verderbens: + Ihm gleich, hlt er das Schwert umfat, und drohet im Schlaf noch + Schrecken dem Feind'. Er sey uns Fhrer im nchtlichen Raubzug! + Also erweckt' ihn ihr wildes Geschrei; sie faten, und hoben + Ihn von der Erd' empor; umhingen in Eile die Schulter + Ihm mit dem Pelz, der, marderumbrmt, zur Ferse hinabhing; + Setzten die Mtz' auf sein Haupt, mit dem schwebenden Reiher, + und bothen + Ihm das erlesenste Pferd. D'rauf sagte noch Sikra, der Hauptmann: + Komm, und fhr' uns im sausenden Ritt nach Kostel, dem Stdtchen + Drben im Mhrenland, voll reichthumstolzer Bewohner, + Die, dem Bhmenknig getreu, zum Kampfe sich rsten. + Unser Knig bekriegt ihn selbst auf den Feldern von Oestreich: + Wir erhoben uns hier, ihm Schaden zu thun, und zu rchen + Plnderung, Mord, und Brand, mit welchen er Ungern vor Jahren + Wstete: ha, nun Rache dafr an dem grausamen Ottgar! + Also tobten sie fort. Der Jngling lie sie gewhren, + Stand verstrt, und wute nicht, wie ihm geschehen? Er sann jetzt: + Ottgar ward ihm genannt -- der Grausame hie er den Rubern + Selbst? Da jauchzet' er laut; entblte das Eisen; erhob sich + Schnell in den Sattel, und rief: Mir nach, wir rchen die Unthat! + D'rauf ging's fort, im sausenden Ritt nach Kostel in Mhren. + Vor ihm flog Drahomira einher, und lchelte grimmig: + Denn sie sah das Entsetzliche dort vollbracht, und Verderben + Ueber des Jnglings Haupt, und Ottgars schweben im Vollma. + + Tief entschlummerten schon des ummauerten Stdtchens Bewohner. + Ach, oft ahnet der Sterbliche nicht, der ruhig dem Schlaf sich + Noch an dem Abend ergibt, welch' Jammer ihn weckt vor dem Morgen! + Frher ersphten die Ruber schon des friedlichen Stdtchens + Schwachverriegeltes Thor und die leichtersteigbare Mauer, + Die sie, keuchend vor Hast, erkletterten. Aber das Reitro + Spornte Wallstein rasch umher: denn hoch in die Nacht auf + Ragte der Thurm, der dort die holde Geliebte (so whnt' er + Noch, getuscht von dem Traum) von ihm fr immer getrennt hielt. + Wehe, und bald aufflammte die Gluth, an die breternen Dcher + Durch die entsetzlichen Kunen gelegt, und erhellete weithin + Rings die schweigende Nacht! Nicht sumte der lauernde Nachtwind, + Lauterbrausenden Flug's annahend, die Flamme zu wlzen + Hin und daher, an den Husern der engverschlungenen Straen. + Wildes Geheul erscholl: aus den Stuben hervor auf den Marktplatz + Flchteten jetzt die Bewohner, um dort die Vter, und Mtter, + Kinder, und Greise zu seh'n, wie sie bluteten unter dem Schwerthieb + Wthender Ruber, und bald, erwrgt mit den andern, zu fallen + Rettungslos: denn Niemand war, der half in dem Jammer. + Wohl anlangten den Abend zuvor zwlf muthige Reiter + Ottgars, ber die March, von Drsing herber gesendet: + Mundvorrath aus dem Stdtchen hier, in das Lager der Bhmen + Heut noch zu schaffen mit Waffenmacht: denn schreckengerstet + Herrscht in des Krieges Zeit die Gewalt: nur Laute des Ingrimms + Treffen das Ohr, das sonst des Friedens sanfte gewohnt war. + Als der feindliche Lrmruf scholl, da schwangen die Reiter + Sich auf das Ro, zu entflieh'n der wuthempreten Mehrzahl; + Doch sie waren umringt, und nun, mit dem Schwert' in der Rechten, + Kmpfend, zu sterben bereit. Sie stellten sich fest und entschlossen, + Vor dem Thurm dort auf, und harrten des nahenden Feindes. + + Allen zuvor kam Wallstein, jauchzt', und hieb in den Haufen, + Blindumwthend, ein: denn Ottgars kenntliche Reiter + Sah er vor sich, und schnob nur Rache, nur flammende Sehnsucht + Hedwigs Retter zu seyn aus den Hnden unmenschlicher Krieger. + Jetzt auflachte voll Hohn Drahomira, und hob sich von dannen: + Denn jetzt klebte das Blut des eigenen Volks an dem Schlachtschwert, + Das ihm Ottgars Rechte vertraut', und sie dachte: nicht fern mehr + Sey ihm das Ziel, zu fallen mit ihm, unrhmlich, und furchtbar! + Siehe, die Reiterschar, umstrmt von den wthenden Rubern, + Fiel nach tapferer Gegenwehr auf die Leichen des Feindes, + Die sie gehuft! Doch Veith, der jetzt aus dem Sattel geworfen, + Sank, rief sterbend ihm noch: Ha, Wallstein: bist du ein Gegner + Deines eigenen Vaterlands? Du ermordest die Bhmen? + Wallstein horchte bestrzt: er erkannte den redlichen Krieger, + Der in der Ahnen-Burg gedient, und in zartester Kindheit + Oft ihm Mhrchen erzhlt': ein treugesinneter Reiter; + Hob die Blick' empor, und sah, durch des ragenden, leeren, + Halbverfallenen Thurms verwitterte Fenster den Himmel, + Sternenhell, herab auf das Blut der Reisigen starren; + Sah, erstaunt, um sich her die Leichen der Greis' und der Kinder + Schwimmen im Blut' -- all' berall Blut, und die wthenden Kunen + Nur erpicht auf Raub und Plnderung. Pltzlich ergriff ihn + Seelenangst: er gab dem Rosse die Sporen, und jagte + Durch das offene Thor hinaus auf den einsamen Heerweg; + Dann seitab den Hgel empor, der, nahe dem Stdtchen, + Jh sich erhebt. Dort sa er am Rand', aus dem Sattel gestiegen, + Haltend das Ro am Zaum', und sah nach dem schrecklichen Jammer + Drben hinab. Bald whlt' er, ergrimmt, sich die Brust mit den Ngeln + Wund; bald sttzt' er das Kinn auf die Recht', und starrte hinunter, + Starrte hinauf zu dem tiefverstummenden Himmel, und rang nur + Einem Schreckensbild zu entflieh'n, das fieb'risch die Brust ihm + Schttelte: denn er dachte, wie frech er die freundliche Warnung + Von sich stie in der Nacht, welch' ber ihn schrecklich entschieden. + Doch als jetzt ihm ein Thrnenpaar hei ber die Wangen + Trufelte, hob er sich auf von dem Boden, und pltzlich verscheuchte + All die Bilder ein khner Entschlu. Er sagte fr sich hin: + Ottgar, kein Verein ist zwischen uns mehr! Ich gehre + Deinem Gegner hinfort: denn sieh', ich erwrgte die Bhmen-- + Ach, mein Volk, mit den Kunen im Bund! Die blutige Schwert lechzt + Jetzo nach deiner Brust, und nach meiner: + wir fallen zugleich -- bald! + Sthnend schwang er sich dann auf's Ro, und jagte herber + Immer den Flu entlang, im Galopp, die lagernde Heersmacht + Rudolphs noch vor dem Morgenroth zu erreichen vor Marcheck. + + Sieh', und es rief in der Stadt, in den weitgetrennten Gehften, + Und in den Drfern umher der Hahn, des dmmernden Morgens + Muthiger Herold, sein wach' auf das andere Mal schon, + Als er die seichtere Furt durchwatete; d'rauf vor dem Lager, + Laufend, erschien, das Kunenro heimjagend vom Ufer. + Wer da? rief ihm die Huth vom Wall' entgegen, und zielte + Dann mit der Lanze zugleich nach der Brust des nahenden Jnglings: + Aber er sprach ergrimmt: Zu Rudolph, eurem Gebiether + Fhret mich schnell! Hochwichtiges mu ich sogleich ihm enthllen. + Jener sah ihn zuvor mit Staunen vom Kopf bis zum Fu' an, + Eh' er die Freund' entboth, ihm sich'res Geleite zu geben: + Denn unglcklich nur -- nicht verdchtig erschien er von Anseh'n, + Und sie fhrten ihn jetzt nach des Kaisers ragendem Zelt hin. + + Aber der liebliche Schlaf (ein Balsam fr blutende Herzen, + Welcher so mild den Schmerz beschwinget, der in des Lebens + Dornengefilden sie grausam zerri) war eben auf Rudolphs + Lieder gesunken, und er floh vor dem Futritt nahender Krieger + Wieder hinweg. Oft wacht' er im Feld mit heiterem Antlitz + Tag' und Nchte hindurch, zu des Kriegs Beschwerden gesthlet. + Als in das einsame Zelt der Jngling getreten, da ducht' ihn: + Jener Unglckliche sey's, der jngst den muthigen Reiter + Von dem Thurm in den Abgrund warf, und nicht irrte sein Scharfblick. + Freundlich winkt' er ihm jetzt mit der Hand, und jener begann so: + Meine Rede sey kurz! Der Sterbende mu sich beeilen, + Da er enthlle das Wort, das lastend die Brust ihm beschweret. + Hre mich, Herr! Ich war dein Feind, und htte den Sohn dir + Gern durchbohrt auf dem Plan, vom wthenden Hasse getrieben; + Aber es zieht das Geschick gar wunderbar oft in des Lebens + Irre den Pfad: mich fhrt es als Freund dir zurck. Mit den Kunen + Hab' ich, dein Dienstmann, erst gesengt, und gebrannt in dem Stdtchen + Drben im Mhrenland', und die Brger zugleich mit den Kriegern + Muthig erwrgt: all' Ottgars Schuld, des grausamen Wthrichs, + Der auch dir nach dem Leben strebt, und die Mrder bereit hlt. + Aber ich eil' ihm zuvor, willst du's, und raub' ihm das Leben + Heut' noch. Dir ist die Schwert geweiht; nicht soll es ihn fehlen: + Denn er verbt' an mir Entsetzliches. Sprich, und ich mord' ihn! + Wie, so begann, aufjammernd, der Kaiser, Unselige, habt ihr + Ruhige Menschen erwrgt, und gesengt, und gebrannt in dem Stdtchen + Drben nach schrecklichem Kriegsbrauch? O, der Vlkerbeherrscher + Trauriges Los, da ihr Streit auch Ruberhnde bewaffnet, + Ungezgelt und frech, dem Gesetz hohnsprechend, zu wthen! + Herr, nicht gehe mit mir in's Gericht: denn mein ist die Schuld nicht! + Doch du kehre zurck, Unglcklicher! Kehre zu Ottgar, + Der ein liebender Vater dir war, nun zurck, ihn zu shnen, + Ihn mit reuigem Sinn um den Segen zu fleh'n -- zu erwiedern + Ihm verzeihende Huld, so er dich einst krnkte mit Unrecht! + Also hat es der Herr uns gelehrt: er mge dir helfen! + + Wallstein strzte hinaus, und flog nach dem feindlichen Lager, + Rastlos, bis er erreichte die Huth der bhmischen Reiter. + Schnell erkannten sie ihn, der oft im Gewhle der Schlachten + Sie zum Siege gefhrt, und jubelten laut in die Nacht auf. + Einer begann: Kehrst du zur Freude des Heers und des Knigs + Wieder zurck, der, wisse es nur, mit unsglicher Sehnsucht + Nach dem verlorenen Sohn sich abhrmete? Wahrlich, er nannte + Heute dich so, und verhie allmanniglich reiche Belohnung, + Der dich fhrte zurck in die Arme des liebenden Vaters! + Doch, es erwiederte Wallstein ihm den freundlichen Gru nicht; + Eilete vor, und erreichte das Zelt des entschlummerten Knigs. + Jetzo murrete Greif, der mchtige Hund, vor dem Eingang: + Ottgars Liebling, ein Schrecken des Volks, das nchtlicher Stund' ihm + Nahete, wo er, der Kette los, umwandelte wachsam: + Denn er bewltigte leicht den strksten der Reisigen; hielt ihn + Nieder, und bellete, bis ein Hausgenosse daherkam. + Wallstein zischte nur leis', und rief ihn bei'm Nahmen: da sprang er, + Heulend, herbei; erhob sich mit freudigem, lautem Gewinsel + Ihm auf die Schulter, lang wie er war, und leckt' ihm die Wangen; + Lief dann kreisend umher, und kehrete wieder, vor Freuden + Bellend, und heulend zugleich: denn Wallstein war ihm seit Jahren + Hold, und qulet' ihn einst im jugendfrhlichen Muth' oft. + Doch er streichelte jetzt den Treu'n mit unwilliger Hand nur; + Trat in das Zelt, wo im Lampenschein, auf das Lager gesunken, + Ottgar schlummerte: ganz in die Waffen gehllt, und zu kmpfen + Wieder am Morgen bereit, und schauderte, wie er den Mann dort + Schlummern sah, der einst ihm vor allen Sterblichen werth war-- + Jetzt, ohnmchtig im Schlaf', ihm Preis gegeben zur Willkhr. + Grauer schien ihm sein grauendes Haupt seit Tagen geworden, + Blsser sein blasses Gesicht. Er sthnete laut vor dem Traum' auf, + Der ihn umfing, und wand sich, und rief, fast wimmernd, + nach Wallstein. + Dieser entblte das Schwert. Noch einmal stand ihm des Jammers + Grau'ngestalt, den Ottgar schuf, vor den Augen; er eilte + Vorwrts, schwang das Eisen, und sann. Drahomira durchschwebte + Jetzo den Zelteingang; umflog in furchtbaren Kreisen + Schneller und schneller des Jnglings Haupt, und hauchte des Abgrunds + Gifte umher, da er, schwindelnd, den Mord verbt' an dem Knig; + Aber er hatte zuvor, vom Kaiser, mit Schrecken, des Heilands + Worte gehrt. Wie dort im Fiebertraum sich ein Kranker + Freut, da ein Freund ihm naht, und nachsinnt: ob er ihn kenne? + Also nur dunkel vernahm der zerrttete Jngling die Warnung; + Dennoch bezwang er sich jetzt, trat nher, und stampfte den Boden. + Auffuhr Ottgar schnell, und starrte dem Starrenden, schweigend, + In das Gesicht. Ein ganzes, im Glck' entschwundenes Leben + Eilete schnell, wie der Blitz, den Beiden noch einmal vorber, + Und die Vergangenheit warf, hellleuchtend, viel grausere Schatten + Noch auf die dunkele Gegenwart. Doch jetzo begann er: + Wallstein, kommst du zurck'? Ich wut' es: ein edeles Herz schlgt + Dir in der Brust. O, schwer hast du mich betrbt, und des Abgrunds + Seelenverwirrende Macht emprte die Wuth mir im Busen + So, da ich, nicht durch eigene Schuld -- von der Hlle betubt nur, + Dir das liebende Herz verwundete! Wohl sind die Menschen + Sich zu betrben, geneigt; doch Reue vershnt, und Verzeihung + Windet den schneren Kranz um die friedenbiethenden Herzen. + Du nun wieder mein Sohn, und ich -- dein liebender Vater ... + + Jener naht' ihm, und rief ergrimmt: Halt ein, und erhebe + Nicht den Vorhang mehr, der zwischen uns dunkel herabsank! + Was du ersehntest -- es sey: ich verzeihe dir! Aber dem Bogen + Furchtbarer Rach' entschwirrte der Pfeil; nicht reit ihn des Schtzen + Hand mehr zurck. Weh' dir, Unglcklichem: denn ich entsandt' ihn! + Bhmisches Blut benetzte die Schwert: mit den Kunen verbunden, + Hab' ich zuvor dein Volk erwrgt, wie ein Sldner des Kaisers. + Du hast ihm nach dem Leben gestrebt: ich both mich, als Rcher, + Dir zu durchbohren die Brust; doch, sieh', dein edeler Gegner + Achtet dein Haupt, und gab mir sanftvershnende Lehren: + Solchem fllst du besiegt -- ich meinem unglcklichen Schicksal! + Sagt' es, und kehrte das Schwert urpltzlich von unten nach oben + Gegen die Brust, und sank in den Stahl, der, zischenden Lautes, + Ihm das pochende Herz durchfuhr. Er verhauchte das Leben + Lautlos. Jammernd erhob sich jetzt, ihn zu retten, der Knig: + Aber umsonst: er lag entseelt, und regte sich nicht mehr! + Schon aufjauchzte vor Lust Drahomira, der That sich zu rhmen: + Da durchblitzt' ein Glanz den Raum des Gezeltes; ein Flehen + Nach erbarmender Huld erscholl. Von Schauder ergriffen + Wollte sie flieh'n, um fern in den bersinnlichen Rumen + Noch zu entgeh'n dem Zorn der Himmlischen; aber unendlich + Rauscht' Entsetzen ihr vor -- ihr nach: sie sank in den Abgrund + Auer den Grnzen der Welt, betubt vom Schrecken, hinunter, + Und erkannte sich erst in den Jammergefilden der Hlle. + + Drauen im Schattenkreis' des hochaufragenden Eichbaums + Gruben die Krieger ein Grab. Der Entseelte lag auf dem Rasen + Dort in den Lagermantel gehllt: da hinkte sein Reitro, + Vllig des Anseh'ns bar, aus der Au herber, und senkte, + Leise genaht, das Haupt zu ihm hin, da die wallende Mhn' ihm + Dann mit dem Zaum nachsank, und des Todten Antlitz bedeckte. + Jahr' entfloh'n: da hie es, am Grabe des bhmischen Kriegers + Liege das bleiche Geripp von seinem verschmachteten Ro noch! + + Als aus Osten der Hauch des hellaufdmmernden Morgens + Ueber die frischbethauete Flur den khleren Frhwind + Sendete; rings im Gefild sich die wiedererwachten Geschlechter + Regten, mit gleichgeschftigem Drang zu durchlaufen des Tages + Kreisende Bahn, bis ihr Ziel, nun bald, nun spter erreicht ist; + Als in den Stdten und Drfern umher, in den Hainen und Wldern + Munterer Laut sich erhob: da hatte der Kaiser im Lager + Schon die Scharen vereint, und zu drei Heersulen geordnet, + Sie in geschlossenen Reih'n dem Feind' entgegen zu stellen. + Aber der Ost- und der Steyer-Mark geworfene Scharen + Schob er den andern vor in der Mitte, da sie in dem Schlachtfeld + Sich den entwundenen Kranz jetzt herrlicher wieder erkmpften. + Heiter sa er zu Pferd', und sprengte hinauf und hinunter + Vor den Reih'n, zu entflammen den Muth der schweigenden Krieger: + Denn sie schwiegen, beschmt von des Rckzugs qulendem Vorwurf. + Mnner, wohlan, so ermahnt' er sie laut, + steht heut' in dem Schlachtfeld + Fest zusammengedrngt -- euch tapfer zu wehren, entschlossen: + Denn bald drfte der Feind, noch stolz auf errungenen Vortheil, + Mit gesteigertem Muth vorstrmen zum blutigen Angriff! + Ha, schon seh' ich den Siegeskranz, mein edler Capellen, + Dir an der Stirn! Dir, Trautmansdorf, dem Vater der Helden, + Glhen die Wangen vor Gier, zu rchen im Blute des Feindes + Die, nur mit Uebermacht erschlagenen Shn' in dem Vorkampf. + Oestreichs Edelstein' und Demantberge, verdunkelt + Heute sogar den Ruhm der thatengewaltigen Ahnen: + Denket des Siegs! Doch, Lichtenstein, wie? Soll ich dich schelten? + Nicht die gewohnte Heiterkeit frbt mit Freude dein Antlitz + Heut': erbebst du dem Feind? Der Tapfere scheuet den Tod nicht. + So, vortummelnd das Ro, erregte der Kaiser die Helden. + Aber dem Eilenden rief der Lichtensteiner im Scherz nach: + Mit Vergunst! Ihr irrt, erlauchtester Kaiser! Den Feinden + Bebt kein Lichtenstein; doch, frhlicher Dinge zu scheinen + Noch, da uns Ottgar jngst des Turnmahls schnde beraubte, + Gestern nicht gnnte die Zeit, an dem trockenen Brot' uns zu letzen, + Auch den Schlaf uns stahl? Das mchte nicht allen genehm seyn! + Doch wir tischen ihm bald die Mahlzeit auf, und verhelfen + Ihm zu dem furchtbarn Schlaf, dem er gar freudig entrnne. + + Lchelnd hrte das Volk den Munteren. Aber der Kaiser + Flog zur Rechten hinauf, wo Schweizer, Tyroler, und Schwaben, + Muthbeseelt, sich eineten; schwang das Eisen, und rief dann + Laut zu dem Sohn, den jngst er jenen erwhlte zum Feldherrn: + Albrecht, halte dich wohl! Stets warst du im Schlachtengewitter, + Leuchtend, ein Stern; dir gleich der Burggraf Friedrich und Hochberg, + Und mein Mller dort, der redliche, treue Geselle! + Auf, ihr seyd mein Volk, ihr sollt mir Ehre gewinnen! + Dietrichstein, du Hort der Helden Tyrols, wie erhebt dich + Jetzo die Stelle, nach welcher mein Haug in der Veste sich sehnet! + Rief's; dann flog er zur Linken hinab, und ermahnte die Feldherrn: + Meinhard, trefflicher Held, nicht harrst du erregenden Aufrufs + Muthig zu steh'n im Kampf: denn immer wird dir im Schlachtfeld + Nur der herrlichste Lorber zu Theil; nun fhre die Krnthner, + Fhre die Krainer zum Sieg! Dir folgen die Tapferen: Heunburg, + Albert von Grz, und der Ortenburg auf der rhmlichen Bahn nach. + Und er entflammte zugleich mit mutherregenden Worten + Kaduschas Brust, und die Kraft des Trentschiner Helden Mathias. + D'rauf entsandt' er die Herolde, noch in der Stunde des Morgens + Aufzubiethen sein Volk: die heilige Shne zu feiern. + + Aber noch sumte daheim in dem Lager der Knig der Bhmen; + D'rob der Kaiser sich hoch verwunderte: denn nicht enthllt war + Ihm des Jnglings Tod, und der Gram des erschtterten Knigs, + Ottgars. Katwald fuhr um ihn her, und erregte das Herz ihm: + Jetzt auf des Siegs betretener Bahn mit gewaltiger Thatkraft + Vorzudringen. Umsonst! Er sa, hinstarrenden Blickes, + In dem Gezelt, und regte sich nicht -- wie ein Marmorgebild dort, + Wo an der Urne des Sohn's, des frhverblich'nen, der Vater, + Sitzt gesenketen Haupt's, und die Thrn' entlocket dem Wand'rer. + D'rauf entschwang sich der Geist, und rief den muthigen Feldherrn: + Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Herbot, + Heinrich, dem Hort der Baiern, und Pfeil, dem Gebiether der Sachsen, + Die zu erneuertem Kampfe bereit, des mchtigen Knigs + Harrten, schwebend umher von einem zum andern, ergrimmt, zu: + Eilt, und erweckt aus Gram und Verzweiflung euren Beherrscher: + Denn er brtet erstarrt fr sich hin, und verschlieet des Glckes + Stimme sein Ohr, das flchtig entweicht! O nichtige Hoffnung: + Als den geworfenen Feind nur die Nacht den vernichtenden Blitzen + Eures Arms entri, da flucht' er dem nchtlichen Dunkel + Laut, und ersehnte des Morgens Strahl; nun weilet er mig, + Und versumt des Schlachtengeschicks entscheidenden Zeitraum! + Also der Geist, und sie eilten sogleich nach dem Zelte des Knigs; + Doch, eintretend voll Hast, erbebten die Tapferen alle; + Allen erstarb der Laut in dem Mund: so schrecklich zu schauen + War die Gestalt, die jngst noch in jeglichem Busen den Muth hob. + Lange starreten sie, von Schauern ergriffen, dem Knig + In das entseelte Gesicht; doch jetzt erhob er sich. Pltzlich + Frbte glhendes Roth ihm die Wangen, und hell, wie im Nachtgrau'n + Flammt der Essen zerschmelzende Gluth, von mchtigen Blgen + Brausend emprt, ihm glnzten die zornausblitzenden Augen, + Als er den Helden genaht, mit geballter Faust, und, den Boden + Stampfend, das Kleid aufri, und die Brust voll rhmlicher Narben + Rasch entblend, rief: Habt ihr ihn getdtet, den Jngling + Voll gewaltiger Kraft, voll edelen Muthes und Sinnes? + Nein, ihr nicht: denn ihr seyd feig! Doch heimlich empret + Habt ihr das edle Gemth, da er frech des Kindes Gehorsam + Mir versagte, mich floh, und selbst mein schrecklichster Feind ward. + Aber er stie den Dolch, den ihr ihm gereicht, nicht dem Vater + Hier in die liebende Brust: er durchbohrte sein eigenes Herz nur. + Ha, was sumt ihr frder? Entblt -- dem meuchelnden Dolchsto + Offen seht ihr die Brust, in der ein tapferes Herz schlgt! + Wohl bekannt ist mir's, da ihr nach dem Leben mir strebet; + Auf, vollfhret es hier, eh' drauen noch tausende fallen, + Opfer des Kriegs, des furchtbarn, der mir nimmer zum Heil wird![3] + Dann verstummt' er, erblat, vor den Tapferen. Lobkowitz wiegte + Trauernd, das Haupt: erhob g'en Himmel den Blick, und begann so: + Welchen Jammer verhngt der Ewige ber die Vlker + Bheims! Herr, droht Krankheit dir? Ach, immer zum Herzleid + Deines getreuesten Volks geschh's -- doch jetzt zur Verzweiflung: + Wo der Sieg uns winkt, und die Feinde, vom Schrecken gebndigt, + Zitterten! Hab' ich, dem Streit abhold, nicht des segnenden Friedens + Worte gesprochen im Rath'? Umsonst: du wolltest den Krieg nur! + Nun vollfhr' es mit Muth, was du so krftig begonnen. + Ottgar wandte sich schnell zu Milota: Fhre, so sprach er, + Heute den Kern des Heers rasch vor zu des Kampfes Entscheidung. + Hast du die dunkele Brust mir jngst auf dem nchtlichen Irrpfad, + Hhnend, enthllt -- zerfleischt mit blutigen Krallen das Herz mir: + Traun, khn war's! so wirst du auch jetzt unbndigen Muthes + Stehen im Waffenfeld', und erringen den Sieg mit Gewiheit: + Denn erprobt bist du in des Feldherrn wichtiger Stelle. + Lobkowitz weile mit mir, der Thaten gewrtig, im Rckhalt. + Katwald hrt', erstaunt, die Rede des Knigs, und rief ihm + Angstvoll: Welch' entsetzliche Wuth verblendet dich vollends, + Da du den Kern des Heers dem heimlichen Gegner vertrau'n willst? + Immer lchelt er Hohn, und sinnt verderbliche Tcken. + Auf, ermunt're dich jetzt, und fhre das Heer in die Feldschlacht, + Selber, sogleich; wo nicht, so vertrau' es dem tapferen Helden + Lobkowitz, eh' denn ihm, der dir zum Jammer erseh'n ist! + Aber er ballte die Faust, und wankte nicht, eiserngesinnet. + Ihm sah Milota kalt in das Aug', und entgegnete trotzig: + Keinem Schwachen vertraust du den Stab, die Zierde des Feldherrn, + Ueber den Kern des Heers: ich werde mir Ehre gewinnen! + Zwar verbanntest du mich erst jngst auf dem nchtlichen Irrpfad + Ferne von dir: ich weilete heut', und in kommender Zeit noch + Gern in dem Nachhalt nur: den hatt' ich mir heimlich ersehnet! + Sprach's mit bedeutendem Blick', und eilte hinaus in der Dmm'rung + Schnell zu entbiethen des Vorderzugs beritt'ne Geschwader. + + Drauen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen nher, + Saen die Meiner und Thringer noch, erlesen zur Vorhuth, + An den Feuern umher, und verkrzten in frohen Gesprchen, + Oft aufjauchzend zugleich, sich die nchtlichen Stunden. + Nur, als jetzt + Milota, schaltend, vorberzog, verstummte des Kriegers + Lautes Geschrei. Auch Inguiomar kam, eilenden Fluges, + Nher, und rief dem Fhrer des Volks, dem tapferen Dietrich: + Ha, was sagte wohl jetzt der hochgesinnete Kaiser, + Heinrich, der Finkler genannt, der herrliche Vesten-Erbauer,[4] + Der auch Meien erbaute, die Burg, und der Eurigen Ahn ist, + So er euch sah' im Bund mit den Bhmen, als Deutsche den Deutschen + Feindlichentgegengestellt, und gehorchend dem Fremdling' als Sldner + Hier in dem Kampf, der euch nicht Ruhm gewhret, nicht Vortheil? + Jetzt soll Milota's Wink, der euch nie gnstig gesinnt war, + Gegen den Feind mit dem Kern des Heer's euch drngen, und treiben: + Denn hochwerth ist ihm, und noch mehr dem Knige selber, + Deutscher Muth, und der Arm, der stets in dem Schlachtengefild noch + Ihm den Sieg errang; doch bald vergit er des Schweies, + Und des Bluts, das ihr vergeudet, im eisernen Feld' euch + Mhend fr ihn, und ehrt, wie jetzt, nur die Seinen als Feldherrn. + Mnner, besteiget das Ro, und zieht in der Stille, des Lagers + Wall entlang, nach der Heimath fort, wo die einsame Gattinn + Eurer mit Sehnsucht harrt, im Kreis' umlrmender Kinder! + So nicht einet ihr euch, dem Eid' untreu, mit den Feinden + Ottgars; aber auch ihm nicht frhnet ihr mehr in dem Kriegszug. + Also der Geist. Da erhob sich schnell Herr Dietrich, und rief so: + Mnner, hrt, was dnkt euch? Ha, was sagte wohl jetzo + Unser erlauchter Ahn, der treffliche Vesten-Erbauer, + Heinrich, so er uns sah' im Bund mit den Bhmen, den Deutschen + Feindlichentgegenstellt? Wie, Ottgar soll uns zum Kampf hier + Drngen, da wir mit dem Muth, der deutsche Herzen beseelet, + Und noch stets ihm den Sieg errang in dem eisernen Schlachtfeld, + Enden den Krieg, der uns nicht Ruhm gewhret, nicht Vortheil? + Ha, er vergit nur zu bald des Bluts, und des strmenden Schweies, + Den wir unverzagt ihm spendeten! Lieblinge sind ihm + Nur die Slaven allein: denn Milota soll uns gebiethen. + Brder, sitzen wir auf, schnurstracks, und zieh'n in der Stille + Fort, nach der Heimath fort: g'en Thringen, Meien, wo, liebend, + Unser die Gattinn harrt im Kreis' umlrmender Kinder! + Zwar stamm' ich aus der Ostmark her[5]: denn wisset es, Leupolds + Tochter, des Herzogs, war's, die mich mit Schmerzen geboren, + Und mit Lieb' erzog, zur Freude des _sieghaften_ Vaters; + Doch nicht einen wir uns, dem Wort' untreu, mit den Feinden + Ottgars -- zieh'n nur heim, da wir nicht die Brder bekmpfen. + Lautumjauchzender Schrei verschlang ihm das Ende des Zurufs. + Zitternd vor freudiger Hast, aufzumte der Krieger sein Reitro; + Hing das Schwert mit dem Wehrgehng' um die Schulter, und schwang sich + Auf in den Sattel, den eilenden Ritt zu beginnen, unmerkbar + Milota's Falkenblick: denn als er wieder zur Rechten + Kehrte, ritten sie links Herrn Dietrich nach in der Stille, + Auer dem Rasenwall, thaleinwrts, bis sie den Heerweg + Wieder gewannen, entfernt dem Heer', und fr jetzo geborgen: + Denn hier whneten all': ein feindverderbender Zug sey's-- + Milota's Werk. Doch jen' enteilten, voll Hast, nach der Heimath.[6] + + Ottgar sa noch im Zelt vereint im Rath mit den Feldherrn. + Milder schlug sein strmisches Herz, und er sagte mit Sanftmuth + Manches freundliche Wort den Tapferen. Aber vor allen + Rhmt' er Czernin: ob des entschlossenen Zugs vor die Mauern + Wiens, des Ueberfalls, und des kluggeordneten Rckzugs + Nach dem rhmlichbestandenen Kampf mit unzhligen Gegnern. + Ha, rief Czernin jetzt mit zweifelndem Blick, noch entrann ich + Glcklich des Kaisers Gewalt: denn hatte der Vater des Sohns nicht, + Schonend, geharrt, der erst in nchtlicher Stunde die Festung, + Fr die sterbende Mutter besorgt, verlie: das Entrinnen + Wre nicht leicht, und sicher das Grab in dem Zug uns geworden. + Jetzt nur schnell in den Kampf! Nicht in dumpfeinengenden Mauern, + Und Spiebrgern vereint, behagt mir, zu streiten; in Freiheit, + Drauen im Feld mir nahe der Feind: ich werd' ihm begegnen! + Als er geendet das Wort, da hob sich zur Decke des Zeltes + Herbot von Fllenstein, der riesengestaltete Ritter, + Der den reussischen Scharen geboth, in feuriger Hast auf, + Blte sein mchtiges Schwert, und sagte mit donnernder Stimme: + Nehmt, o Knig, zum Unterpfand des khnen Versprechens, + Herbots eidliches Wort: nie zieht er hinfort in das Feld mehr, + So er nicht eueren Feind, der Kaiser sich nennet, gefangen, + Oder todt, euch schafft: dann mget ihr wrdig ihm's lohnen! + Dann, so hhnt' ihn Zierotin, dann werd' ihm als Siegspreis, + So er es khn vollfhrt, was er so muthig verheien, + Bhmens Hlfte zu Theil -- vielleicht verhie ich zu wenig! + Aber, wohlan, wir all' erringen gewi in dem Feld dir + Heut' unendlichen Ruhm, so uns dein gewaltiger Wink nur + Lenkt, und dein Siegesblick uns leuchtet + im furchtbaren Schlachtgrau'n! + Sprach's mit Kraft. So riefen zugleich der tapfere Heinrich, + Bayerns Herzog, und Pfeil, des Sachsen-Volkes Gebiether. + + Nun trat Zawi von Rosenberg, der blhende Ritter, + Hastig in's Zelt. Ihm sah wildstarrender Grimm aus den Augen, + Als er zu reden begann: Nicht Erfreuliches werdet ihr hren: + Fort ist Meiens und Thringens Volk, das reisige. Treulos + Zog es davon, und ihm liegt das Lager schon fern in dem Rcken, + Da es im Flug' enteilt, zu erreichen die Fluren der Heimath. + All' aufschrie'n, von Zorn g'en jen' empret; nur Ottgar + Hob sich, schweigend, vom Stuhl. Wie des Vollmonds zitternder Schimmer + Fern auf dem dunkelen Teich' erglnzt: so erhellt' ihm die Augen, + Welche die Trauer umfing, des Muths aufdmmernder Lichtstrahl. + Langsam trat er heraus vor das Zelt; ihm folgten die Feldherrn. + Dort ersah er das Heer in der rosigen Frhe. Geschftig, + Wie auf gehgeltem Laub' im Walde die Ameisen rastlos + Kommen, und geh'n: so regte sich schon, die Rosse besorgend, + Rings das reisige Volk; der Waffen Glanz und des Lagers + Dumpfauftosender Lrm erfllt' ihm die Brust mit Vertrauen. + Doch stets lauter ertnete jetzt des eisernen Hufes + Schmetternder Schlag. Ein Ritter kam in brausendem Eilflug + Nher, und hielt das Ro vor dem Knige, trotzigen Blicks, an. + Leutold, der Kunring, war's. Auch ihn emprte so eben + Inguiomar, da er stolz entsage dem Waffenverein hier + Mit dem Beherrscher des Bhmenvolks. Nun sprach er ergrimmt so: + Lang ersehnte mein Herz des furchtbarn Kampfes Entscheidung; + Aber umsonst: noch zauderst du stets, und versumest des Glckes + Schnellentfliehende Zeit. Erst sah ich hinaus aus dem Lager + Ziehen die Meiner zugleich, und die Thringer. Also bewhrt sich + Mir die Sage: du biethest die Hand zum schmhlichen Frieden, + Auf des Sohnes Verlobung bedacht, dem Grafen von Habsburg? + Sey's, ich tadle dich nicht: du magst verfahren nach Willkhr! + Aber ich ziehe g'en Drrenstein mit meinen Getreuen. + Kommt dann, beide, vereint! Gar viel' erblickt ihr der Euren + Liegen, entseelt, an dem Wall' umher, eh' Leutold, der Kunring, + Fllt: nicht besiegt durch euch -- von dem Schutt der Veste begraben. + Sthnend gab er dem Rosse den Sporn, und entschwand aus den Augen + Ottgars schnell. Er griff an die Stirn', um welche der Frhwind + Wiegte sein grauendes Haar, und sprach zu dem sinnenden Feldherrn + Lobkowitz: So ist des Menschen Geschick! In krftiger Jugend + Hpft der muntere Bach hervor aus grnenden Thlern; + Eilet dem freundlichen Land' und den schimmernden Stdten entgegen, + Stets gewinnend an Kraft, als sich unzhlige Flsse, + Huldigend, ihm anreih'n: er rauscht, ein mchtiger Strom, fort. + Doch nicht ferne dem Ziel', eh' er matt versinkt in des Meeres + Dunkelen Schoo, reit hier und dort sich in sandigen Eb'nen + Wieder ein Arm nach dem andern von ihm, und er endet verloren + Dann in dem allverschlingenden dort, auf immer die Laufbahn! + Aber, wohlan, nicht klage der Feind: mit unzhligen Scharen + Htt' ich errungen den Sieg! Die treu verharren, gengen + Mir noch, Oestreichs Thron zu erkmpfen im Felde der Ehren. + Auf, wir ziehen dahin! Die Dromet' erschalle; die Trommel + Rufe zur Schlacht, und im Wind entfalte sich winkend die Sturmfahn'! + Also geschah's: denn rasch vordrangen die muthigen Scharen. + + + + + Neunter Gesang. + + + Sanft verhallete jetzt der Gesang zu der heiligen Feier, + Die der Priester des Herrn vollendete, kreisendumgeben + Von des Heeres geordneten Reih'n. Im rumigen Lager + Stand der Altar erbaut vor dem Bild des erlsenden Kreuzes + Schnell, wie die Zeit es heischt', im Schmuck hellgrnender Reiser; + Aber im Augenblick, wo nahe des Lebens und Todes + Wrfel fallen, aufschwang sich das Herz in heierer Andacht + Mit dem Gesange zu Gott: gar feierlich schlug's in dem Busen! + Jetzt vom Staub, wo er bethend kniet', erhob sich der Kaiser. + Himmlische Ruh' erhellte sein Aug', und, heiteren Muthes + Pochte sein Heldenherz, da im Feld die kehrenden Scharen + Schnell sich ordneten: denn schon riefen zum Kampf die Drometen. + + Hell aufflammte des Morgens Strahl. Die freundliche Sonne, + Die den Abend zuvor in Westen ermdet hinabsank, + Hob sich in Osten jetzt, als unter dem kreisenden Erdball + Sie die heimliche Bahn vollendete, schneren Anblicks, + Wieder herauf, und erweckte die Welt zu erneuertem Leben. + Frischer grnte das Feld, und glnzender hpfte der Strom hin; + Voll war Himmel und Erde vom Laut der verjngeten Schpfung; + Nur aus dem Waffenschmuck des versammelten Heers in dem Lager, + Sog die Sonn', im Lauf, toddruenden Glanz, und erfllte + Rings die Vlker umher mit Angstgebilden der Zukunft. + Aber den Kaiser umgab ein Kranz erlesener Feldherrn; + Alle horchten auf ihn, und harrten freudig des Winkes, + Der zu Thaten sie rief. Da sprach er, finsteren Blicks, so: + Ottgar sumt, uns hier, wie er gestern gedroht, zu vernichten. + Schmach der That: nicht der Sitte gem, die aus grauender Vorzeit + Wir ererbten, uns both er den Kampf; nein, heimlich, im Dunkeln + Fiel er, dem Whrwolf gleich, der nchtlich die Hrde bestrmet, + Ueber uns her. Es gelang dem Khnen, zerstreute Geschwader + Niederzuwerfen: sie trugen die Schuld und hatten den Lohn hin, + Allen zum warnenden Wink, da nimmer ein Gleiches geschehe! + Aber vernehmt, was mir zuvor an heiliger Sttte + Mchtig die Seel' ergriff. Der entschwundenen Tage des Lebens + Dacht' ich im stillen Gemth: kein dauerndes Glck ist auf Erden. + Als ich Gutes und Schlimmes erwog, da fand ich, verwundert, + Da ich am Freitag, an dem der Welterlser fr uns starb, + Stets mit Vortheil focht, und den Sieg errang in der Feldschlacht. + D'rum, nicht aus Feigheit, nein, aus herzentspross'ner Verehrung + Fr das geheiligte Kreuz, will ich den Kampf der Entscheidung + Morgen kmpfen, am Tag des heiligen Bartholomus-- + Heute, gefat, nur khn abwehren den feindlichen Angriff + Ottgars, so er ihn wagt. Wir wollen sogar ihm vershnend + Nah'n vor des furchtbaren Kampfes Beginn. Hervor aus den Reihen, + Trautmansdorf! Zieh' hin zu dem Knige; bieth' ihm des Friedens + Oehlzweig noch einmal aus meiner vershnlichen Rechten. + Mgen auch dein' Erzeugten, wie sonst, dir folgen, da etwa + Solches den Trotz ihm beugt, und das Herz zur Milde beweget: + Denn tief rhrt uns die Schau des shn'umgebenen Helden! + Also geschah's. Hervor aus den Reihen der tapferen Ritter + Kam nun Trautmansdorf mit den zwlf ruhmdrstenden Shnen-- + Zwei entraffte der grimmige Tod schon gestern im Nachtgrau'n, + Als sie im Ueberfall dort Ottgars Rechter erlagen. + Ach, nicht lange, so fallen auch sie, auf dem eisernen Schlachtfeld + Kmpfend, und einsam kehrt der trauernde Vater zur Burg heim! + Jetzt entblt' er den Stahl, und sagte mit sinnigen Blicken: + Hart ertnet dem Vater der Ruf, da er nahe dem Gegner, + Dessen Rechte noch roth vom Blut der erschlagenen Shn' ist: + Denn er knnte den Streit, obgleich ein Bothe des Friedens, + Heier entflammen. Wohlan, wir wollen des Friedens gedenken! + Sagt' es, und sprengte davon, umringt von den tapferen Shnen. + + Siehe, nicht fern von Zwerndorf theilt, von trben Gewssern + Schwer, sich der Weidenbach, und eint sich nur wieder vor Marcheck. + Links hin streckt er im Augefild den schlngelnden Arm aus, + Whrend, die Stra' entlang, er rechts die tieferen Fluthen + Trg fortwlzt. In dem Eiland dort, Baumgarten vorber, + Traf nun Trautmansdorf auf die Reisigen, welche der Gegner + Sandt', umsphenden Blicks, zu erkunden die Nhe des Gegners: + Denn es erlies't auf der Kriegslaufbahn ein jeglicher Feldherr + Waghls' sich, die im Grau'n des feindbedroheten Vorschritts, + Als _Erleuchter_ ihm zieh'n, + und Sicherheit schaffen der Heersmacht.[1] + Schon von ferne die Schar, die Rudolph sandte, gewahrend, + Ritten sie, brausenden Flugs, zu den Mhnen gebeugt, und den Degen + Schwingend auf in die Lfte, heran: sie whnten, des Gegners + Vorhuth sey's, und brannten vor Gier, sie niederzuschmettern. + Laut schrie Trautmansdorf: Halt ein! Als Herolde nah'n wir: + Blutigen Kampf -- will's Gott, noch lieber den Frieden zu biethen! + Jen', unmuthigen Blicks (denn beutebegierig) ihm winkten + Stille zu halten am staubenden Weg', und sendeten alsbald + Zween der Reiter zurck, des Feldherrn Sinn zu erforschen, + Milota's; doch er that, des Herolds Worte bedenkend, + Solches dem Herrscher kund, und er sumte nicht: denn mit den Reitern + Seines Gefolgs und Milota's, kam er heran zu dem Vor-Zug; + Hemmte den Rappen, und hie, mit zorngertheten Augen, + Gegen ihn stolzausstreckend den Arm, den Redner beginnen: + Mein erlauchtester Kaiser und Herr, so sagte der Ritter, + Sendet dir freundlichen Gru, und thu't dir kund, und zu wissen: + Nicht nach edelem Brauch -- unritterlich hast du sein Volk ihm + Ueberfallen bei dunkeler Nacht, und zu weichen, gezwungen. + Dennoch biethet er jetzt, hier unter des wlbenden Himmels + Heiterem Blau, und im Angesicht des versammelten Heeres, + Dir an dem Fest des heiligen Bartholomus, auf morgen, + Offen die Feldschlacht an; obgleich gerstet, entschlossen + Heut' in dem Lager zu ruhn, und abzuwehren den Angriff + Deiner Gewaltigen, wenn -- doch, das sey ferne, sie strmten. + Aber er heit dich zugleich das Wohl und das Wehe bedenken + Tausender. Seyd vershnt! Du vernahmst des Friedens Bedingni. + + Ottgar schwieg erstaunt. Ihn erschtterte heimlich die Bothschaft. + Auch ergriff ihn mit Zaubergewalt ein flchtiger Anblick + Jener blhenden Schar, die um ihren Erzeuger zu Pferd sa. + Bald auf dem einen und bald auf dem anderen hing mit Gefallen + Sein gemilderter Blick: er dachte des Sohnes, und -- Wallsteins! + Schon gewahrete jetzt auch Lobkowitz, da ihm der Unmuth + Wich aus der Brust: er kam, des Friedens Ruf zu erneuern; + Aber da naht' ihm Katwald schnell, und haucht' ihm, vor allem, + Trotz in das Herz. Er sagte: Du sollst fr den blhenden Oehlzweig + Tauschen heute dein Schwert im furchtbarn Felde der Waffen, + Wo der Sieg dich erhht'? Ein Thor wr's, der es nicht she, + Da nur die Angst vor dir ihm solches gerathen; zerschmettr' ihn! + Also der Geist. Auch Milota rief ihm, verhhnend, entgegen: + Ha, du sollest vielleicht neu huldigen, wie auf dem Eiland + Kamberg? Steht das dunkle Gezelt, mit dem trglichen Vorhang, + Dich zu beschimpfen, bereit, da rings die Vlker dich schauen, + Dich, den Knig von Bheim, dort auf den Knie'n vor dem Kaiser? + Ottgar ballte die Faust; er sah mit grimmigen Augen + Um sich her, und begann voll Wuth: Wer wagt es, vom Frieden + Hier zu sprechen? Hinweg auf immer mit jeglicher Einung + Zwischen Habsburgs Grafen und mir, dem Knige! Weichet, + Zitternde Memmen, nur wieder zurck', und entbiethet von Ottgar + Ihm die Fehd' auf Leben und Tod! Zieht hurtig von hinnen, + Alle, da euch nicht ereile mein Zorn schon hier, vor dem Angriff. + + Rasche Bewegung erhob sich im Kreis' der gesendeten Helden: + Manchem zuckt' es im Arm, aus der Scheide sein blinkendes Eisen + Gegen den Knig zu zieh'n; doch schnell bezwang sie der Vater: + Denket, so rief er gefat, wir kamen als Herolde Rudolphs, + Unsers erhabenen Kaisers, gesandt: nicht ziemt es uns, jetzt hier + Rcher der Unbill zu seyn; doch bald, in dem Felde der Waffen + Lat uns gedenken der Schmach, und sie rchen im Blute mit Nachdruck. + Rief's, und jagte den Renner zurck'. Ihm folgten die Seinen + Zgernd, vor Ingrimm, nur, und wandten die flammenden Augen + Hufig zurck: denn ach, die raschnachstrmenden Reiter + Hhnten sie noch mit Geschrei und mit schallendem, lautem Gelchter! + Sieben gehorchten, und folgten ihm nach; doch lenkten die andern + Fnf', aus der Zahl der eigenen Shn', unbndiger Wuth voll, + Pltzlich die Rosse herum, und flogen zurck auf dem Heerweg. + Brder, so rief der lteste laut, kommt, lasset uns sterben, + Eh' wir dulden die Schmach, die uns also die Seele betrbet! + So mit emprendem Ruf' enteilete Hartwig, den Degen + Schwingend zur Luft. Ihm nach, mit Eckhard, Walther, und Siegfried, + Folgte sein Zwillingsbruder und Freund, der tapfere Dietbert, + Bis sie erreichten die Schar der Reisigen, die zu dem Angriff + Herbot von Fllenstein, der riesengestaltete, fhrte: + Denn er warb sie entlang die grnlichen Fluthen des Peltew, + Jngst: Klein-Reussens Volk, zu des Kriegs Beschwerden gesthlet, + Wie auch gebt in dem Schlachtengedrng, schnellfige Rosse + Spornend, vorzusenken den Speer aus der Rhre des Bgels; + Dann mit des Fues Druck' und dem Stoe der nervigen Rechten + Einzustrmen im sausenden Flug' in die feindlichen Reihen. + + Siehe, so weit ein Pfeil, von der Sehne geschnellt, in den Lften + Herfleugt, hemmte schon Hartwig das Ro, und harrte, dem Leu'n gleich, + Der in der Hetz', umringt von emporgereiheten Sitzen + Voll schaulustigen Volkes, allein, der entfesselten Rden + Heulender Schar, wie sie kommen, mit todandruenden Augen + Harrt, und vor Grimm dumpf murrt: so Hartwig, als ihm die Reiter + Naheten; doch er rief mit gewaltiger Stimme noch laut so: + Ha, ihr brstet euch wohl, auf die zierlichgestalteten Mtzen + Wie auf das wallende Kleid und die fhnleintragenden Lanzen + Stolz, in dem Vor-Zug oft, in vielumstrmender Mehrzahl, + Niederzustoen den einzelnen Mann? -- so gar nicht geachtet, + Weder dem Feinde noch Freund': denn bar all' edler Gesinnung, + Die des Kriegers Brust, des tapferen, fllet mit Gromuth! + Euere Zung' ist khn, die Helden zu schmhen; so kommt denn, + Zeiget den Muth, uns hier zu besiegen im rhmlichen Vorkampf! + Also drang er im Eilflug vor; ihm folgten die Brder + Alle, zur Wuth emprt. Den Schaft der feindlichen Lanzen + Jetzt aufschleudernd zugleich mit dem Schwert', erwrgten der Gegner + Dreizeh'n sie, voll Hast, und wandten dann fliehend den Rcken. + Fort nur ein Weniges noch, und sie waren entrckt dem Verderben: + Da fiel Dietberts Ro, und begrub mit dem Rcken den Reiter. + Hartwig ersah's, wie er lag in dem Staub: denn immer nach ihm hin + Wandt' er den lchelnden Blick; urpltzlich verscheuchte das Lcheln + Jetzo die Angst: er stieg nicht, er strzte vom Pferde herunter; + Lief, erhob ihn, und strebt', auf den Rcken des rasch und behend sich + Wieder erhebenden Thiers, ihm, lautermunternd, zu helfen. + + Doch schon nahten im Flug die erbitterten Feinde. Die Lanzen, + Lechzend nach Blut, voreileten weit, zugleich von der Rechten + Und vom krftigen Fue gedrngt, zum schrecklichen Mordsto. + Sieh', und, als den Zaum und die Mhn' erfassend, sich Dietbert + Auf in den Bgel schwang, da bohrten der feindlichen Reiter + Zween ihm die Lanz' in die Brust: er sank, und verhauchte das Leben, + Eh' aufschreiend vor Angst um den liebenden Bruder, ihm Hartwig + Hlfe geschafft, und Eckhard, fern mit Walther und Siegfried, + Sich des Jammers versah'n im lauterbrausenden Heimritt. + Zwar sie kehrten zurck'; auch Hartwig sa in dem Sattel + Wieder, und so wie der wthende Br, dem drben der Weidmann + Schon das zweite Gescho in die Seite getrieben, sich brllend, + Auf den hinteren Beinen erhebt, und rasch auf den Schtzen + Losstrmt: drang auch er, ergrimmt, auf die feindliche Schar ein. + Nur die Zween im Aug', die ihm erst erwrgten den Bruder, + Gab er dem Rosse den Sporn, und warf sich inmitten der beiden: + Einem im Flug zerschmetternd die Stirn', und dem andern die Scheitel + So, da sie lautlos jetzt, und auf einmal dem Sattel entstrzten! + Hoch aufflatterte noch, im Sturz, von dem Schafte das Fhnlein, + Das, gerthet vom Blut des erschlagenen Bruders, ihn reizte. + Lang' noch, htt' er zugleich mit den drei kampfmuthigen Brdern, + Sich, unbndiger Kraft, gewehrt, und noch manchen der Gegner + Hingewrgt; doch schrie, vor Wuth sich die Lippen zernagend, + Jaroslav, der Fhrer des Volks, mit entsetzlicher Stimme: + Schliet, ihr Memmen, den Kreis um die Rasenden; stoet sie nieder! + Also geschah's: denn jetzt, umringt von dichteren Haufen, + Sanken sie dort, mit nie zu erschtterndem Muthe sich wehrend, + Alle, vom Sattel herab, und verhauchten auf Leichen der Gegner, + Die sie im Kampf' erwrgten zuvor, die tapferen Seelen. + + Doch der unglckliche Vater flog auf dem schnaubenden Rosse + Nach dem Lager zurck. Den Herrscher zu treffen, verlangend, + Da er ihm knde sogleich das Nahen der feindlichen Heersmacht, + Sprengt' er, die Scharen entlang, dorthin, wo im Hauche des Windes + Sein Panier aufflatterte, schn und erhaben vor allen. + Eilig sprach er vor ihm, um die fnf gefhrdeten Kinder, + Die ihm nicht folgten, besorgt: Umsonst ersehnst du den Frieden + Jetzt mit dem Knige: denn nur des Kampfs und der Rache gedenkt er. + Wisse, dir nah't sein Heer; nicht fern mehr streifen die Reiter + Milota's. Ach, mir gnne die Huld, vor des Lagers Umwallung, + Kehrend in Eile, zu schau'n: ob mein' Erzeugten mir folgen? + Denn sie sanken vielleicht, emprt von unwrdiger Schmhung, + Die von dem Feind' uns ward, als Opfer unbndiger Rachgier! + Sagt' es, und eilete dann, von den tapferen Shnen umgeben, + Wieder hinaus vor des Lagers Wall, wo Lrm und Getmmel + Unter dem Volk sich erhob: denn Milota's furchtbare Reiter + Jagten herbei, wie am grau'numhlleten Morgen des Winters + Mit endlosem Geschrei unzhlige Krhen heranzieh'n; + Schwangen die Lanzen zur Luft, und bothen dem Heere des Kaisers + Kampf auf Leben und Tod, mit wildverhhnendem Trotz', an. + D'rauf nachbrausten sie wieder im Flug den Kriegesgefhrten, + Sich auf des Feldherrn Wink schnell aufzustellen im Saatfeld. + + Aber der Lrmruf scholl nun rings in dem Lager. Die Trommel + Wirbelte; stets emprender klangen die hellen Drometen; + Herolde flogen voll Hast umher; die Stimme der Fhrer + Rief gebiethend zur Schlacht; das Fuvolk schlo sich in Reihen; + Rasch auf das Pferd aufschwang sich der Reisige; schimmernden Anblicks + Zogen die Ritter allen voran, und herrlich geordnet + Ging jetzt Rudolphs Heer in festausdauernder Abwehr + Auer des Lagers Wall, dem Feinde die Spitze zu biethen. + Ach, dort starrete noch auf die fnf erschlagenen Brder + Trautmansdorf, der tapfere Held, mit erschtternder Fassung, + Schweigend, hinab! Es sandte zuvor der schreckliche Feldherr, + Milota, der auf dem Feld den angstergriffenen Landmann + Zwang, das gehrnete Rind, in Eil', an den Karren zu spannen, + Sie nach dem feindlichen Lager heran. Da enthoben die Krieger + Jenem die traurige Last, und legten sie dort auf den Boden. + Aber er trieb sein Gespann, schnell wieder zurck' auf dem Heerweg. + Siehe, schon wandte sich Trautmansdorf von den theueren Todten + Nach den Lebenden um, und gewahrte mit steigender Rhrung + Jetzt, da sie all', ihm gleich, bezwangen die Thrne. Nur Erdwin + Hielt sich nicht lnger, der jngst', + und der theuerst' ihm seiner Erzeugten: + Denn er sprang von dem Ro', und warf mit schallendem Wehruf + Sich auf die Brder hin: nun dem -- dann wieder dem andern + Kssend die blasse Stirn' und die toderstarreten Lippen. + Schnell umzog ein glnzender Thau die Augen des Vaters + Und der Shne zugleich; sie weineten, ber die Todten + Hingebeugt. Doch jetzo begann der tapfere Feldherr: + Keiner tadle den Schmerz, der uns bei den jammernden Tnen + Meines geliebtesten Sohnes ergriff. Vielleicht, da ihn auch bald + Grausam der Tod entrafft. Da mir doch solches geschhe, + Eh' denn ihm -- zu entsetzlich wr' des Getdteten Anblick! + Aber so will es des Kriegers Los: er sterbe der Pflicht treu! + Nur beschirmt, als Brder, ihn khn! Im Gemenge der Waffen + Mge der eine die Brust fr den andern biethen, und Rettung + Schaffen sich selber und ihm, der Wechselhlfe gedenkend! + Erdwin, auf! Gebieth', und schnell gehorchen die Krieger + Dir: nach Marchecks heiligem Grund die gefallenen Helden + Heimzutragen, da dort der Priester mit Grabesgesngen, + Segnend, vertraue dem Staube den Staub; du folge dem Zug' nach! + Erdwin winkte den Kriegern stumm: sie erhoben die Leichen + Auf langschaftige Speer', und trugen sie schnell nach den Mauern + Jener, unferne gelegenen Stadt, da Alles und Jedes + Nach dem Willen geschah des mildgesinneten Vaters. + Durch das geordnete Heer ging nun der trauernde Zug fort: + Denn nach dem Rasenwall, den gestern unzhliges Landvolk + Baute, und d'rauf mit dem Graben umzog, dem Lager zur Schutzwehr, + Kam es heran: in den blutigen Kampf mit dem Feinde zu treten. + + Aber, nicht rastete Katwald jetzt im hheren Luftraum: + Denn voll Muthes emprt' er die Kraft des nahenden Feldherrn, + Milota's. Sieh', als dieser die furchtbarn Reisigen Herbots + Eilen hie in dem Vorderzug, nach dem muthigen Fuvolk + Mhrens, dem er geboth, nachdrang ihm zur Rechten der Baiern + Treffliche Schar, gefhrt von Heinrich dem edelen Herzog, + Jetzt mit den Sachsen vereint, den tapferen, welche der Markgraf + Pfeil (ein Pfeil in der Schlacht!) im Sturmschritt lenkte: den beiden + Herrschte noch Czernin ob, als Feldherr. Aber zur Linken + Drang der Bhmen erlesenes Volk, gehorchend dem Helden + Lobkowitz, vor, und nach diesem kam das khne Geschwader, + Welches sich Ottgar heut' erlas, gleich loderndem Feuer, + Rasch aus dem Nachhalt vor, in die Reihen der Feinde zu strmen. + Katwald eilte, voll Hast, vom Einen zum Andern, und weckte + Mchtig in jeglicher Brust des Kampfs entsetzliche Sehnsucht. + Horch, schon tnt drometendes Erz; schon wirbelt die Trommel, + Schreit der Krieger, und wiehert das Ro; schon zittert der Boden + Unter dem stampfenden Huf; des Blachfelds Weite bewegt sich + Vorwrts. Doch, wie im Hauch zwei streitender Wind' an den Ufern + Wogen die Fluthen des See's herauf und hinunter: so trat auch + Rudolphs tapferes Heer vor dem Wall den Feinden entgegen, + Und, wie der thrmende Wald erkracht, den pltzlich aus Sden + Und aus Norden zugleich, Orkane zerschmettern im Sptherbst: + Zahllos liegen umher die unendlichen Stmme geworfen + Durcheinander hinab in den Staub: so lagen die Reiter + Dort mit den Rossen, erwrgt, und des Fuvolks Reihen vermenget. + Furchtbar wthete heut vor allen der tapfere Feldherr, + Milota, so da Ottgar selbst den gewaltigen Thaten + Staunte, die er vollbracht' in des Todes erkorenem Saatfeld. + Ach, er ahnete nicht, wie der Rachebrtende jetzt auch + Arges sann im Gemth -- da er ihm vertraue, die Scheingluth + Heuchelte, bald Verrath nur an ihm zu verben, entschlossen! + Herbot, so rief er hin, wo in keilgestalteter Ordnung + Oestreichs Heerschar naht -- die Ritter fr jetzo vermeidend, + Eile zuerst, und strm' im Flug' in die Seite des Volks ein! + Also geschah's: denn schmetternd erklangen die eh'rnen Drometen; + Schnell, wie das Wetter fleugt, vorbraus'ten die reussischen Reiter, + Und die gesenkte Lanz' aus der Rhre des eisernen Bgels + Festnachdrngend, erkor ein jeder von ferne den Mann schon, + Dem er die Brust zu durchbohren beschlo. Wohl sechzig erlagen + Also dem tdlichen Stahl der wildanprallenden Reiter, + Die in des oberen Oestreichs Gau'n der tapfere Hauptmann + Berchthold, warb, und lautes Geschrei auftobte zum Himmel. + Jene wichen zurck', um schnell zu erneuerndem Anlauf + Sich zu stellen im Feld', und die mordende Lanze zu senken; + Aber Capellen, der oberste Hort des Volks, wie des Ober- + Also des Unterlands, flog her, und emprte sie laut so: + Denket der Ehr' und des Vaterlands, streichische Mnner, + Jetzt in dem Kampf. Nur fest die Reihen geschlossen; die Lanzen + Khn dem Feind' entgegengesenkt, und, nah't er, zur Erd' euch + Hurtig gebeugt; dann auf, zu durchbohren dem schnaubenden Rosse, + Oder dem Reiter, die Brust! + Bald schaut ihr sie fliehen im Schlachtfeld. + Auch die Steyrer entflammt' er, und rief: + Heut sollt an dem Feind', ihr, + Krieger der Steyermark, euch rchen, der Schande gedenkend, + Wie ihr gewichen vor ihm mit Lrm und Gets' in dem Nachtgrau'n, + Fortgerissen durch Schuld des Pettau'r, der, von dem Kaiser + Heimgesandt, hinfort zur Flucht euch nimmer verlocket! + Jetzo nur khn an den Feind! Uns lohnt der herrlichste Sieg bald. + Sagt' es, und sprengte zurck: da braus'ten die furchtbaren Reiter + Herbots wieder heran, zu erneuen den muthigen Angriff. + Jene senkten das Haupt, ausbeugend, zum Knie' hin, und bohrten + Hier dem Reiter, und dort dem Ro den Stahl in die Brust ein, + Als weit ber ihr Haupt die feindliche Lanze dahinfuhr. + Aber der Boden, mit Leichen bedeckt, verwandelte ringsher + Sein erfreuendes Grn in die gruliche Farbe des Blutes. + + Milota sah den wankenden Sieg mit Staunen: er sandte + Schnell die Reiter zurck, und fhrte die mhrischen Krieger + Gegen das Fuvolk, das aus dem ober'n und unteren Oestreich + Kam, und den Steyrern vereint, ihm entgegen stand in dem Schlachtfeld. + Gleich den Wogen des Meers, die ein Sturm aus Sden daherrollt, + Eilten die Reih'n jetzt vor; doch so, wie jene zum Strand sich + Strzen mit lautem Gebrll', und im schumenden Zorne zerschellen: + Denn nicht wanket der Fels: so trafen sie auch an den Kriegern + Oestreichs ehernen Widerstand im Gemenge der Waffen. + Schrecklich ertnte der Schrei der Wrgenden, schrecklich der Lanzen + Kreischender Schlag, als sie den eisernen Helm und den Harnisch, + Oder das Panzerhemd zerschmetterten, wthend geschwungen. + Gleich dem Orkan, flog jetzt auch Milota hin, und, ersehend, + Wie die Fhrer des Volks: der Seldenhofen die Steyrer-- + Berchthold Oestreichs Krieger zum Kampf' empreten, schwur er + Beiden den Tod. Urschnell auf Berchthold drngt' er das Streitro, + Und als dieser, erhebend das Schwert, die muthigen Krieger + Oestreichs jetzt noch mehr vortummelte, siehe, da bohrt' er + Ihm den Stahl in den Hals, da alsbald ihm auf den Lippen + Starb das Wort, er taumelnd sank, und das Leben verhauchte! + Schmerz durchzuckte die Brust des Volks bei dem schrecklichen Anblick, + Da er, so mildgesinnt, ein Vater der Krieger genannt ward. + Doch mit erneuerter Wuth flog Milota hinter den Reihen + Seines Volkes hinab; drang wieder hervor, und durchrannte + Col von Seldenhofen das Herz, der weit vor den Seinen, + Die er entboth, hersprang, und nach ihm sein blutiges Eisen + Zuckte, die Stirn' ihm zu spalten, gesinnt. Nun brachen die Knie' ihm, + Schlotternd, ein, und er fiel, im Tod' erbleicht, auf das Eisen. + Ach, bald jammert daheim die alterserblindete Mutter, + Deren einziger Sohn und Trost er war in den Jahren + Trauerbelasteter Witwenzeit auf der einsamen Felsburg: + Denn nicht kehrt er zurck, wie ein tuschender Traum ihr verheien-- + Er, den Traum ihr deutend, verhie, die Gute zu trsten, + Als er zum letzten Mal' auszog von dem rhmlichen Stammhaus! + Hier erlag er zugleich mit fnf erlesenen Kriegern + Milota's Schwert, der furchtbarn Muths, umtobt' in dem Schlachtfeld. + Ottgar wandte sich jetzt nach Lobkowitz um, und begann so: + Nie war Milota's Seele mir hold: ich kenne der Menschen + Trugverhllende Brust; doch sieh', ein schrecklicher Krieger + Ist er im Feld': ich vertraute mit Recht ihm die rhmliche Stelle! + Jener entgegnete schnell: D'rum vor mit den Reitergeschwadern + Jetzt, wo die Feind' erbeben vor ihm, sie niederzuwerfen, + Und zu entscheiden den Kampf in der heiteren Stunde des Glckes. + Nein, so sagte der Knig ergrimmt, noch la uns verziehen, + Bis er noch mehr aufflammt, und wir ihn entscheiden fr immer! + + Also die beiden dahier. Capellen, der Edle, gewahrend + Drben im Feld den Tod der muthigen Scharengebiether, + Sandte den Oesterreichern den Meiauer hier, und den Steyrern + Dort den Lichtenstein, aus der Schar der Ritter, als Feldherrn. + Schnell gehorchten die zwei Feldobersten jetzo Capellens + Ruf; denn jener erkor, an Berchtholds Stelle, den Helden + Summerau, und Lichtenstein den furtbaren Ritter + Merenberg, an jene des Seldenhofen, zu Fhrern. + Hoch schwang Merenberg sein Schwert in die Luft, und er rief dann: + Ha, nun endlich dem Ziel, dem schrecklichen, nher und nher + Schreit' ich den dunkelen Pfad! Komm, Richard, und stehe dem Bruder + Treu zur Seite, mit ihm die entsetzliche That zu vollfhren, + Die sich der Merenberger ersehnt! O denke des Bruders: + Wie er am Galgen hing -- das Haupt zu den Fen gebunden, + Dreimal schreckliche Tage sich wand! Wie, leben soll Ottgar? + Alsbald einte sich ihm in dem Kampf sein finsterer Bruder. + Doch mit erneuetem Muth vorstrmten die beiden Geschwader, + Und ermordeten, was sich entgegenstemmt' in den Reihen. + Also gedrngt von den Strmenden, wich Morawia's Fuvolk + Langsam zurck', und stand, und wehrte sich wieder: nicht anders + Weicht der gewaltige Felsenblock, nach dauerndem Regen + Losgewhlt vom Gebirg', an des Bergs abgleitendem Rand hin; + Bis nachstrmend die Fluth ihn bewegt, und er in den Abgrund + Strzt im sausenden Sprung' und Gets', unhemmbaren Fluges. + + Doch der erhabene Kaiser sah mit Freude die Seinen + Ringen im Feld, die im Vorkampf schon die gesunkenen Lorbern + Ihrer Heldenstirn' jetzt herrlicher wieder erhhten. + Schnell entboth er zu sich Trentschins Gebiether, der Ungern + Muthigen Hort, und sprach: Noch ward dir, tapferer Feldherr, + Nicht erffnet das Thor an der siegsruhmbiethenden Laufbahn; + Aber ich kenne den Muth, der dich und die Deinen beseelet. + Zieh' g'en Schnfeld hin mit den furchtbarn Reitern, und harre + Drben des Winks: urschnell dem Feind' in die Seite zu fallen. + Aber der Wink sey dir: wenn, blutrothschimmernd, von Marchecks + Ragendem Thurm die Sturmfahn' weht, und die Glocken erschallen. + Also erringst du dir Ruhm, und mir den herrlichsten Vortheil. + Jenem erglnzten die Augen wie Gluth; er strich mit der Rechten + Sich den mchtigen Bart, und sprach: Glorwrdiger Kaiser, + Gleich dem Morgenthau, der schmachtende Fluren erquicket, + Hat dein ehrendes Wort das Herz mir gelabt, und des Unmuths + Wolken entflieh'n mir jetzt vor den lang'umdsterten Augen! + Tdtendem Blitz und verheerenden Strmen gleich ist im Schlachtfeld + Ungerns tapferes Volk: ich will sie dir lenken zum Vortheil, + Mir zum Ruhm: weil mich des edelsten Kaisers Vertrau'n ehrt. + Sagt' es, und ritt im Flug, + mit den jauchzenden Scharen nach Schnfelds + Auen hinab, ersehnend den Wink zu dem schrecklichen Angriff. + Aber der Kaiser entsendete links und rechts an die Feldherrn: + Albrecht hier, und Meinhard dort, die Herolde; stehen + Hie er sie noch vor dem Wall', und festabwehren des Gegners + Furchtbardrngende Wuth, bis, blutrothschimmernd, von Marchecks + Ragendem Thurm die Sturmfahn' weht, und die Glocken erschallen: + Denn er ordnete dort die zeichenersphenden Mnner. + + Marbod nahte heran. Er schwebte zuvor in dem Zeitraum + Eines entfliehenden Augenblicks nach den schimmernden Mauern + Drben der Wunderstadt, Venezia,[2] die aus des Meeres + Fluthen sich hebt, und des Fremdlings Brust erfllet mit Staunen, + Dort das ehrende Maal des Heldengreises zu schauen, + Dandolos, der mit den Franken im Bund', ersiegte die Hauptstadt + Constantins, erst jngst, mit nie zu erschtternder Thatkraft. + Doch nun kehrt' er zurck', und staunte der Menge der Leichen, + Die in der Mnnerschlacht schon weit bedeckten die Felder. + Wie den Wanderer Grau'n befllt, der pltzlich ereilet + Von dem sausenden Sturm', in den tiefergesunkenen Wolken + Weiherschimmernden Hagel ersieht, und drben im Wald' ihn + Wthen hrt, wo er bald, entstrzend mit lautem Geprassel, + Blhende Zweige zerschlgt, und zu Boden schmettert die Wipfel: + Also befiel ein Schauder auch ihn. Im Fluge vernahm er + Katwalds Ruf, wie er hier emprte den mchtigen Herbot. + Ha, so sprach er, du prahltest zuvor: du wollest lebendig, + Oder todt, aus der Schlacht heimfhren den Kaiser der Deutschen? + Eitler Schwtzer, wie werden dereinst dein spotten die Helden! + Reite zur Rechten hinab, und versuche denn quer in die Reihen + Einzudringen, wo Rudolph weilt, und keine Gefahr ahnt. + + Herbot besann sich schnell; fnfhundert Reisigen rief er: + Folgt mir! und jagte zur Rechten hinab, wo, nahe dem Herrscher, + Meinhards Heldenruf die Krieger zum Kampfe bewegte: + Denn schon maen im Waffengemeng' auch die Bayern und Sachsen + Sich mit den Tapferen Krains und Krnthens. Dicht, und unzhlbar + Lagen die Leichen im Gras'. Doch Czernin fhrte die Vlker + Gegen Meinhards Macht, der jetzt ihn nher gewahrend, + Schnell vordrang, und, genaht, ihm rief: Du hast dich vermessen, + Nchtlich, im Ueberfall, Vindobona, die herrliche Festung + Zu betreten; gehofft, als Sieger, herunter zu schauen, + Stolzen Blicks, aus der Kaiserburg: nun sollst du es ben, + Was du frevelnd gedacht, und gewollt, und nimmer erreicht hast. + Czernin schwieg, ergrimmt. Er senkte den Speer, und erreichte, + Sausenden Flugs, den Mann, der also ihn schalt vor den Scharen, + Ihm die Brust zu durchbohren, gesinnt; doch fehlt' er des Zieles, + Zitternd vor glhender Hast, und der blutgerthete Speerstahl + Streifte nur, zwischen dem Leib' und dem Arm, + durchfahrend, den Harnisch. + Meinhard sumte nicht, hob, und senkte das Schwert, und zerschlug ihm + Jetzo den Helm und die Stirne zugleich, da er rcklings vom Rosse + Sank, und, gestreckt lang hin, in Todesschauern erblate. + So vor den uersten Reih'n stritt auch der muthigen Sachsen + Feldherr, Pfeil, mit dem weitgefrchteten Grafen von Heunburg, + Der den Krnthnern geboth, und der Hort der krainischen Scharen, + Ortenburg, mit Bayerns gewaltigem Herzoge, Heinrich, + Jetzo auf Leben und Tod: da Scharen des einen und andern + Sich bekmpften, und rings nur Mord und Gewrge zu schau'n war. + Heunburgs blitzendem Stahl' erlag der tapfere Markgraf + Pfeil, nicht des Todes Pfeil, von des Gegners Rechte geschleudert, + Mehr vermeidend, nach schrecklichem Kampf', und hauchte den Geist aus. + Heinrich gelang's, den Ortenburg aus dem Sattel zu heben, + Ihm durchstoend den Arm, da er dort im knisternden Sandstaub + Blutete, kriegsgefangen sich sah, doch wieder gerettet + Heim in das Lager kam, und dem kundigen Arzte sich hingab. + + Sieh', als hier in dem Streit die erbitterten Vlker sich maen; + Schlachtruf scholl; Drometen schmetterten; Trommelgewirbel + Klang: der Wrger Geschrei und Verwundeter Aechzen ertnte, + Jagte Herbot von Fllenstein mit seinem Geschwader + Durch den sondernden Raum, der zwischen der mittleren Heersmacht + Und dem Flgel zur Linken sich fand, in Eile hinunter-- + Dann auf den Kaiser los, den Katwald ihm, wie der Gemsaar + Fernhin schauend, verrieth mit emprendem Geistergelispel. + Rudolph kam, im Gefolge der Trautmansdorfe (nur Erdwin + Weilte noch, frommbesorgt, in Marchecks schattigem Freythof) + Eben heran, gelockt von des raschvorstrmenden Meinhards + Lautem Siegesgeschrei, und ahnte die nahe Gefahr nicht; + Doch nun hemmt' er mit zweifelndem Blick das Ro, und erforschte + Gierig: ob Freund', ob Feind' ihm naheten? bis er des Ritters + Riesengestalt ersah, der kennbar im feindlichen Heer war. + Ha, so rief er, erlag mein Volk? Entsetzliches Unglck + Droht: denn, seht, uns kommt ein feindlich Geschwader entgegen! + Doch schon war er umringt. Laut schrie zu seinen Erzeugten + Trautmansdorf: Kommt, lat uns sterben fr unseren Kaiser: + Rettet ihn, kmpft, und ersiegt euch hier unsterblichen Nachruhm! + Alsbald kehrten die sechs untad'ligen Brder den Feinden + Kmpfend, entgegen die muthige Brust, vom rhmlichen Beispiel + Ihres Erzeugers entflammt, den edelsten Herrscher zu retten. + Aber auch Marbod sah die Gefahr, die jetzo dem Leben + Rudolphs droht'; er umfing mit heiumschlingenden Armen, + Flehend, Capellens Brust, und rief: Zur Linken hinber + Eil' im sausenden Flug', und errette den Kaiser vom Tod jetzt! + Jener staunte bei sich, wie ihn solche Gedanken bestrmten? + Gab dem Rosse den Sporn, und jagte herber im Blachfeld. + + Schon umhuften die Brderschar in Menge die Leichen; + Schon war Edelred mit Erhard gefallen: die andern + Bluteten; doch ermahnte sie laut ihr edeler Vater + Noch mit dem Schwert' in der Faust, zum Kampf fr den edelsten Kaiser. + Sie gehorchten ihm all', und erlagen nach schrecklichem Mord nur: + Kurd, Agilolf, und zuletzt mit Otto der heitere Winfried. + Jetzt drang Herbot schnell mit dem Speer, der hoch wie ein Mastbaum + Sich in die Lft' erhob, auf Rudolphs tapfere Brust ein. + Siehe, nicht traf er die Brust des kampferfahrenen Herrschers; + Doch dem steigenden Ro durchstie er die Stirn, da es sthnend + Sank, und zugleich in den Staub den trefflichen Reiter herabwarf! + Ha, wer rettet ihn mehr? Zwar nahte Capellen; die Ritter + Naheten; links und rechts herstrmten die muthigsten Krieger: + Dennoch war es um ihn gescheh'n, und die Hlfe vergeblich, + Wenn nicht hurtig er selbst, mit dem mordenden Speer in der Rechten, + Auf den schrecklichen Mann losfuhr; unbndigen Muthes + Ihn bekmpfte; den Streich nach seinem geschlossenen Schlachthelm + Fhrend, mit solcher Gewalt ihn traf, da die Augen ihm alsbald + Dunkelten -- Seh'n und Hren verging. Auch erhob er urpltzlich + Wieder den Speer: durchstach dicht unter dem Kinne den Riemen, + Der den Helm an das Haupt ihm festigte; drehte den Schaft noch + Hurtig herum, und ri blitzschnell ihn vom Sattel herunter. + Wie die Zinne der Burg, vom Orkan zur Erde geschleudert, + Fllt mit Gekrach, und der Grund weit hin erbebet: so fiel dort + Herbot zur Erde: sie bebte dem Fall', und Gerassel der Waffen + Scholl im Gefild' umher. Laut schnaubend vor Angst und Entsetzen + Jagte Capellen herbei. Er both, vom Pferde gesprungen, + Solches dem Kaiser, und half ihm hinauf in den Sattel, er selber + Schwingend das Schwert mit Trautmansdorf, dem tapferen Helden, + G'en die umdrngende Feindesschar sich zur Wehre zu stellen. + + Schon entfloh die Gefahr: ein Jauchzen erscholl um den Herrscher, + Als jetzt Herbots Volk sich ergab an die drngenden Scharen. + Aber er stand, und zitterte. Schnell, emprt von dem Anblick + Dieses Gewaltigen, der das Leben des Kaisers bedrohte, + Sprengten die zrnenden Krieger herbei, an ihm Rache zu ben; + Doch der Erhabene rief: Zurck, verschont ihn: er lebe! + Das sey ferne, da ich bestrafe den tapferen Ritter, + Der so khn sich erwies, nicht Tausende scheuend, im Angriff: + Heute noch komm' er nach Wien in ehrenvolle Gewahrsam. + Trautmansdorf, dir dank' ich das Leben, nach Gott! Nicht zum Boden + Wende den Blick jetzt mehr, noch einmal die Opfer zu sehen, + Die es dich kostete! Fort, zur Rechten hinab, und entbiethe + Albrecht schnell: er strm' in den Feind; du stehe zur Seit' ihm + Dann mit gewaltigem Arm, ein rettender Schild in Gefahren! + Eilt nun all' an's Werk! ich bin geborgen; erhebt euch! + Alle jagten davon; nur einer -- unglcklicher Vater, + Nur du allein verweiletest noch, und sah'st auf die Todten, + Uebergebogen, hinab; dann gabst du dem Rosse die Spornen! + Ach, und das Augenpaar des umschauenden Kaisers erglnzte, + Thrnenumhllt! Doch jetzt aufschwang er den Degen: von Marchecks + Thurm ertnten mit strmendem Ruf die Glocken, und blutroth + Flatterte dort in die Luft die thatengebiethende Sturmfahn'; + Bald erscholl ringsum Geschrei und verwirrtes Getmmel. + + Ottgar zgerte noch. Umsonst ermahnte der Greis ihn, + Jammernden Lauts, getuscht von Herbots Khnheit, und sagte: + Sieh', wie dort rechts hin die Reisigen strmen, das Fuvolk + Rasch vordringt! Nun gilt's: entscheide den schrecklichen Kampf du! + Aber der Knig begann: Frwahr, wir tauschten fr heut schon + Art und Gemth: du khltest die Gluth sonst mir in dem Busen, + Kaltvorschauend, und heut', emprt zu Feuer und Flammen, + Hast du nicht Ruhe, nicht Rast. Bald tnt der ersehnete Ruf dir. + Dann begann er noch leise fr sich in sinnender Schwermuth: + Wallstein, ach, ich schau' in des Sieges Gefilden dich nimmer! + Lobkowitz schwieg. Doch sieh', nun hemmte die strmenden Krieger + Milota's Feldherrnwink! Er dacht', ergrimmend im Geist, so: + Jetzo der Thaten genug, da mir vertraue der Knig. + Ist's nicht klar? Er sann mir heute den sicheren Tod nur, + Als er mich ehrend erkor: ich lebe noch, ihm zum Verderben. + Dacht' es, und zog alsbald, schwachkmpfend, mit zgernden Schritten + Sich auf des Nachhalts Reihen zurck. Ihn emprete Katwald, + Tapfer zu steh'n: umsonst, er wich! Doch, sausenden Flugs, war + Marbod den Vlkern genaht, die am rechten Flgel, gehorchend + Albrechts Stimme, voll Heldenmuths, nach dem Kampfe sich sehnten. + Hochberg, der den Zrchern geboth, ersah er, und rief ihm: + Schreie: Der Feind entflieht! Gar mchtig ertnet dein Ausruf. + Hochberg schrie: Der Feind entflieht mit gewaltiger Stimme, + Die zum Kern des Heers, und hinaus zum uersten Flgel + Donnerte. Bald erscholl's von tausenden Stimmen auf einmal: + Holla, die Feind' entflieh'n! + Sie flieh'n -- die Feinde, sie fliehen! + + Ottgar horchte dem Ruf mit kalthinstarrendem Blick' auf; + Wandte das Ro, und sprach zu Lobkowitz: Wahrlich, vermuthend + War ich des Unfalls mir: denn hre des Herzens Geheimni! + Jngst, in der furchtbarn Zeit des mitternchtlichen Grauens + Hie ich, im dunkelen Eichenhain, die Alrune,[3] des Schicksals + Hehre Verkndigerinn durch Bothen befragen; sie gab mir + Antwort: Ottgarn winkt an Stillfrieds Marken das Ziel schon! + Dort ist der Sieg mir gewi; wir wollen uns fechtend zurckzieh'n! + Herr, nicht der Hlle vertrau', so rief der jammernde Greis auf, + Gott vertraue -- dir selbst, und deinen gewaltigen Kriegern! + Noch steht Sachs und Bayer im Kampf; noch nichts ist verloren. + Wolle mit Ernst den Sieg, er ist dein: o komm', und erring' ihn! + Aber er trabte zurck. Ihm folgten am Fue die Scharen + Milota's, der in dem Nachzug noch voll tuschenden Eifers, + Selbst abwehrte, zum Schein, die raschnachrckenden Gegner. + + Bald erscholl auch drben Geschrei, wo Bayern und Sachsen + Kmpften im Waffengefild, gefhrt von dem tapferen Herzog + Heinrich, und Zierotin, dem kraftgersteten Helden: + Denn Matthias, der Hort magyarischer Krieger, ersehend + Oben am ragenden Thurm die blutrothflatternde Sturmfahn'-- + Hrend der Glocken Getn', erhob sich in Eile von Schnfeld, + Mit zermalmender Macht dem Feind' in die Seite zu fallen. + Vor zu des Rosses Mhne gebeugt, den blitzenden Sbel + Schwingend in krftiger Faust, hinbraus'ten die Reiter, und hieben + Links, rechts, ein: bald lagen die Leichen ges't in dem Blutfeld, + Wankten die Gegner, und floh'n, verfolgt von den Gegnern in Hast fort. + Rastlos eilte der Knig dahin im sinkenden Nachtgrau'n, + Bis er nach Drnkrut kam in das Lager, das er noch letzthin, + Stolz vor Siegeshoffnung, verlie -- nun trotzig begrte: + Denn er dachte des Siegs am nchstaufstrahlenden Morgen. + Doch bis Ebenthal, dem einsamen Schlo' an dem Waldthal, + Fhrte der Kaiser sein Heer, und ruht', umlagernd, im Feld dort. + Ganz verhallte des Tages Lrm, und vom nchtlichen Himmel + Sah'n die Sternenheer' auf die schlummernden Vlker herunter. + + + + + Zehnter Gesang. + + + Abendrthlich erglnzt der schnellentgleitende Rheinstrom; + Vllig verhallte der Sturm; nur liebliche Lftchen bewegen + Manchmal, leis'umsuselnden Flugs den ergossenen Spiegel + Seiner Gestade, wo links und rechts, von dunklen Gebschen, + Wldern, und Hh'n, nun hochaufragende Thrme der Burgen, + Nun hellschimmernde Stdt' und Gotteshuser sich heben, + Und ihr Bild in die spiegelnde Fluth von oben nach unten + Kehren, gewiegt von dem Zuge der raschforteilenden Wellen. + Wechselnd, von einem zum andern Gestad' durchkreuzen der Vgel + Singende Scharen die Luft, und ziehen dem schauernden Wald zu. + Abendglockengetn, vermengt dem Blcken der Heerden + Schallet die Ufer entlang, als jetzt an dem wlbenden Himmel + Auf sich schwingen die goldenen Stern'; umschattendes Dunkel + Ruh' auf die Welt umher verbreitet, und jeglicher Laut stirbt. + Von Schafhausen allein tnt Donnergets', in des Abends + Stille hrbarer noch dem Ohr: wo im schwindelnden Jhsturz + Sich von dem Klippendamm hinab zum versunkenen Strombett + Strzt die gewaltige Fluth, aufschumt an den Felsen, und dorther + Schauernden Nebelqualm in die Haine hinaus, und die Thler + Sendet im Windeshauch', unendlichen, ewigen Eilflugs. + + Sieh', ein Ritter kam aus fremden Landen gezogen! + Eilig trabt' er die Strae herab, und ihm folgte der Knappe + Fern, ermattet der Last der Wanderung. Aber den Ritter + Trieb herzinniges Leid und der Heimath glhende Sehnsucht. + Als er im Abendlicht, hervor aus dem dunkelen Eichwald + Kommend, vor sich das weitverbreitete Land, und inmitten + Fluthen sah den ersehneten Rhein, da hielt er das Ro an; + Sprang aus dem Sattel herab, warf sich, erschttert, zum Boden, + Netzt' ihn mit Thrnen, und stand, in des Anschau'ns Wonne versunken. + Hartmann war's, der jetzo dem Strom sich nhernd, und kehrend + Heim in das Vaterland, die trauten Gefilde begrte. + Drben am linken Gestad', ersah er das freundliche Stdtchen + Rheinau, welches der Rhein im kreisenden Lauf, sich nach Osten + Wendend, umfliet. Dort baute (so knden die Sagen der Vorzeit) + Sorglich das Gotteshaus Funtan, der Heilige,[1] Schottlands + Knigen blutsverwandt, den Brdern von Monte-Cassino, + Als er, ein Pilger, dort die Stelle, vom Geiste getrieben, + Endlich fand, wo allein der Strom nach Osten den Lauf kehrt. + Hartmann sah vom Gestad mit bewegtem Herzen hinber-- + Sah im Geist noch hinaus weit ber die Berge, des Aargau's + Liebliches Thal, und dort von dem Felsenhgel die Habsburg + Ragen aus dunkeln Tannen empor in die Luft, und herunter + Schau'n auf die Fluthen der Aar, + die ihr, eilenden Laufes vorbeirauscht. + Zwar vermite sie jetzt die trauten Gebiether: der Vater + Fern (er tauschte den Grafenhut mit der Krone der Kaiser) + Todt die Mutter -- von ihm die holden Geschwister geschieden. + Er, der Unglckliche, kehrt allein, in einsamer Stille + Dort zu erreichen das trstende Ziel der irdischen Wand'rung. + + Doch nun rief er, bewegt, dem sptnachfolgenden Knappen: + Mangold, fasse das Ro an dem Zaum', und fhr' es mit Vorsicht + Ueber die Brcke zur Stadt; bald folg' ich dir nach in die Herberg! + Mangold fate das Ro an dem Zaum, und fhrt' es mit Vorsicht + Nebenher, dem seinen gesellt, hinber nach Rheinau + So, da die Brck', entlang, erst laut, dann leiser und leiser + Unter dem eisernen Huf fortpolterte, bis zu dem Land hin. + Hartmann weilete noch. Er sa in Trauer versunken, + Dort auf dem Felsenriff, das sich auf die Fluthen hinber + Beugt; sah oft nach den Wellen hinab, wie sie rollten, und eilten + Rastlos fort in des ewigen Meers verschlingende Tiefen, + Und gedachte mit Trost der eilenden Tage des Lebens. + Sieh', nun hob sich vor ihm der Mond in des Himmels Gezelt auf; + Hellte die Nacht, und zog in grnlichen Goldes Gefunkel + Quer auf dem dunkelen Strom die flimmernde Strae hinunter, + Der er, bewegt, nachsah, bis dort zu dem uersten Rand hin, + Wo das Gestirn sich scheitelrecht in den helleren Fluthen + Spiegelte. Dort winkt' ihm (so ducht' es ihn) freundlichen Blickes, + Jenseits her aus therischem Glanz die liebende Mutter. + Ach, er streckte die Arme nach ihr mit sthnender Brust aus; + Beugte die Stirn', und ihm sank die heimliche Thrn' aus den Augen! + Jetzo fuhr ein Kahn rasch ber den schimmernden Mondpfad; + Muntere Stimmen erreichten sein Ohr. Herber von Rheinau + Kehrte nach Eglisau, der Vater mit seinem Erzeugten, + Der, ein Fischer, dahin die Beute der Netze getragen, + Und seit Jahren umher auf dem fischdurchwimmelten Rheinstrom + Ruderte. Nun verfehlt' er, getuscht, des Zieles: der Kahn schlug, + Von der Strmung gerafft, an dem Joch der gewaltigen Brck' um, + Barst entzwei, und die Zween verschlang, so mchtig sie kmpften, + Schrie'n, und riefen, die Fluth. + Nicht der lastenden Rstung gedenkend, + Nicht der grausen Gefahr, aufsprang der edele Ritter + Auf das Angstgeschrei nach Rettung jammernder Menschen; + Lief das Ufer entlang, und warf sich hinab in die Strmung, + Als der Junge hervor aus der Fluth die Rechte gehoben; + Aber nicht rettet' er ihn, und fand in dem brausenden Abgrund + Dort das Ziel des schwermuthvoll entschwundenen Lebens.[2] + + Ach, nicht ahnte des theueren Sohns unglckliches Schicksal + Rudolph noch, der fern im Zelt, von den Helden umgeben, + Sa beim erquickenden Mahl, nach unsglicher Mhe des Tages! + Drauen, von Lagerfeuern erhellt, verlor sich des Himmels + Nchtliches Grau'n; Geschrei und Gelrm erscholl mit dem Wehruf + Blckender Lmmer und Schaf', und des dumpfaufbrllenden Rindes: + Denn die Krieger besorgten das Mahl in geschftiger Sorgfalt: + Jetzo das Fleisch in der siedenden Fluth, die im rumigen Kessel + Brodelte, wohl mrbkochend, und jetzt es auf kreisenden Spieen + Bratend so, da der Wohlgeruch weit das Lager erfllte. + Auch ermangeln sie nicht des herzerfreuenden Weines, + Oder des Brots; nicht des Habers und Heu's die munteren Rosse: + Denn des Heers Marschalk, der Breuner, hatte gengend + Alles und Jedes zur Stelle geschafft fr die dauernde Kriegszeit, + Und stets lauter erscholl auftobende Freud' in dem Lager. + + Drinnen im hellerleuchteten Zelt, von den Helden umgeben, + Harrte der Kaiser zuvor des blhenden Knigs der Ungern, + Dem er den Herold gesandt, als dort vom Lager vor Marcheck + Sich das siegende Heer erhob, die geworfenen Scharen + Ueber den Weidenbach voll drngender Hast zu verfolgen. + An dem Gestade der March, wo, g'en Hochsttten, im Halbkreis + Sich hinwindet der Flu, aufragte die Kuppe des Felsens, + Der vor grau'n Jahrhunderten schon den Vlkern zum Markstein + Dienete, jetzt dem Zelt des lebensfreudigen Knigs + Khlenden Schatten both, und, ferne geseh'n, in der Umwelt + Alles dem sphenden Auge verrieth. Dort fand ihn der Herold + Sitzend im munteren Kreis' der Zitherspieler und Snger, + Die von dem Heldenzug der Ahnen herber nach Ungerns + Reichem Gefild' und der Thatenkraft gepriesener Fhrer + Sprachen im jubelnden Lied'; auch rhmten darauf: wie im Feld' erst, + Kmpfend mit nieu erschtterndem Muth, des verbndeten Kaisers + Macht die Feinde bestand, und, gleich dem brausenden Sturmwind, + Der auf der Heid' im Herbst die verdorrten Disteln dahinjagt, + Trentschins ruhmverherrlichter Held dann ihnen im Rcken + Lag mit mordendem Stahl, als all die Scharen zerstoben. + Aber so laut der Knig sich d'rob erfreute, so gnnt' er + Dennoch dem Kunen den Ruhm vor dem Unger im heimlichen Busen, + Und ergrimmte noch mehr, da ihm Kaduscha heute zurckstand. + Hastig nahet' ihm Meyenberg, der Herold, und sprach so: + Herr, dein Herz erfreue der Ruhm des herrlichsten Sieges, + Den dein tapferes Volk mit raschentscheidender Thatkraft + Uns erringen half. Zum Kriegsrath ruft dich der Kaiser, + Und zu dem frhlichen Mahl nach des Tags ermdender Arbeit. + Gern, erwiederte jener, voll Hast, hineil' ich in's Lager + Meines erlauchten Verbndeten, der so edel gesinnt ist. + Sagt' es, und schwang sich auf's Ro, im Gefolg kumanischer Reiter, + Ebenthal zu erreichen im Flug, wo im schimmernden Zeltraum + Rudolph, heldenumschart, sein harrete. Wie er dahinflog, + Fuhr der Staub zum Gewlk, erregt von den stampfenden Hufen. + + Alle gehorchten dem Ruf des erhabenen Kaisers: nur Einer-- + Kaduscha war nicht zu schau'n. Emprt von dem Glcke des Helden + Von Trentschin, entboth er zu sich zweitausend der Reiter: + Ha, so sprach er, was sollen wir hier, mit den Deutschen verbndet, + Nutzlos opfern das Blut, da jngst den lohnenden _Woldan_[3] + Wie er den Raubritt hie, uns grausam der Kaiser verwehrte? + Auf, wir zieh'n nach Gn, den tapferen Iwan[4] zu retten, + Den jetzt Bertholdsdorf, der Kammerer, strmend, bedrnget, + Innen im Raum der gewaltigen Burg! Wir entsetzen die Festung + Schnell mit wrgender Faust, und erlsen den tapferen Grafen: + Dann soll Oestreich bald, verheert, und geplndert, mit Schrecken + Schau'n von nah' und von fern aufflammende Drfer und Stdtchen; + Aber wir kehren, beschwert mit reichlicher Beute, zur Heimath. + Laut aufjauchzten sie ihm, nach Beute begierig, und zogen + Schnell g'en Heunburg fort, der Donau Fluthen hinber, + Ueber die Brcke, die Albrecht jngst erbaute mit Sorgfalt; + D'rauf gewahrten sie bald den Neusiedl-See, und die Mauern + Oedenburgs, und eileten rasch nach den Hhen von Gn hin. + + Doch schon hatte der Kaiser, vereint mit seinen Erwhlten, + Mit vorschauendem Blick des Angriffs Weisen erwogen; + Manchen erforscht, und dem Forschenden gern mit wrdiger Sanftmuth + Klaren Bescheid ertheilt: bis all', einmthig, ihm Beifall + Zollten; die Ordnungen, Zahl, + und die Stellung der Vlker im Schlachtfeld + Jeder gar trefflich fand, und jeglicher Zweifel entfloh'n war. + Siehe, nun scholl des Rosses Huf von der Strae herber. + Jene horchten erstaunt; da sprach, sanftlchelnd, der Kaiser: + Alle vermiet ihr hier nur ungern Hugo von Tauffers, + Jenen gewaltigen Greis, bei'm herzerheiternden Sptmahl. + Wahrlich, viel erduldet' er jetzt, in der engenden Festung + Mig zu steh'n, der stets im Gemenge der eisernen Waffen + Rasch vortummelt das Ro, und allwrts ist, wo Gefahr drut! + Ich entboth ihn in's Feld, dem jngst verwundeten Helden, + Ortenburg, vertrauend die Vest', und er folgte dem Ruf bald. + Als er's sprach, da trat der muntere Greis in das Zelt ein; + Grte den Kaiser zuvor, und den blhenden Knig der Ungern; + Dann die tapferen Helden umher mit feurigen Blicken, + Setzte sich hin, und begann: Frwahr, ich whnte: verrosten + Mte mein tchtiges Schwert in der dunkelen Scheide fr immer, + Und ich daheim Geschriebenes nur aus dem Munde des Mnchleins + Hren: von Thaten des Kriegs und euern errungenen Lorbern! + Aber als gtigen Herrn erwies dem alten Gesellen + Haug der Kaiser sich stets: sein dacht' er auch jetzo mit Huld nur. + Kaduscha sah ich zuvor an der Spitze des reisigen Volkes + Treulos flieh'n; er gab, hohnlachend, den kurzen Bescheid mir: + Iwan weih' er sein Schwert; euch wnsch' er Glck in dem Siegslauf. + + All' aufhorchten mit Staunen dem Wort; doch glhendes Roth fuhr + Jetzo mit wechselndem Wei in die Wangen des Knigs von Ungern, + Und ihm blitzte der Zorn aus den halbgeschlossenen Augen; + Dennoch besann er sich schnell; both dann die Rechte Matthias + Von Trentschin, und sprach: Du sey des Heeres Gebiether + Mir hinfort! Obgleich vom Geschlechte der Kunen geboren + Mir die Mutter ward; ich die Liebe des Kun's aus der Brust ihr + Sog als wimmerndes Kind, und, zum Jngling gereift auf dem Todbett + Noch ihr schwur auf die pochende Brust: so will ich den, Unger, + Reuig erwgend die Schuld der dauernden Geistesverblendung, + Vorzieh'n jetzt dem Treulosen, der mich verlie, und nicht schmhen + Frder das edlere Blut des throngebornen Erzeugers. + Jener erhob sich mit Wrde vor ihm, und beugte die Scheitel, + Schweigend, zum Dank. Doch, als im schlachtentscheidenden Kriegsrath + Fr den bald aufdmmernden Tag Alljedes besorgt war, + Sa der Kaiser im Heldenkreis' bei dem frhlichen Nachtmahl + Heiteren Blicks, und sprach, umschauend, zu Diesem und Jenem: + Lat euch Lagerkost, ihr Herrn, gengen: fr jetzt noch + Sind der Gerichte nicht viel', doch wrze die wenigen Frohsinn! + Lautes Gemurmel erscholl in dem Zelt. Geschftige Diener + Reichten die Speisen herum: das dampfende Mu, aus dem Vorrath + Zartesten Mehles gekocht; dann wildes und zahmes Geflgel, + Wohlgebraten am Spie mit dem Rcken des jhrigen Rindes, + Und, zum krftigen Brote zuletzt, der Sitte geziemend, + Goldenen Honigseim, wie solcher dem Deutschen ersehnt war. + Andere trugen die Fluth des kstlichen Weins in den Krgen + Freundlich herum, und fllten den Bauch der rumigen Humpen, + Die vor jeglichem Gast', aus schimmerndem Erze getrieben, + Standen, nach Herzenslust bei dem Nachtgelage zu trinken. + Lauter und feuriger ward das Gesprch, und bewegter das Kriegszelt. + + Aber der Kaiser sah mit lchelndem Wink nach dem Ritter + Mller, dem Zrcher, der im Kreise der Frhlichen, immer + Heiteren Scherzes gedacht', und jetzt zu Friedrich von Nrnberg + Also begann: Herr Burggraf, sprecht: wie war's denn vor Basel + Mit dem Gelehrten, da Ihr ihm Habsburgs Pfennig nicht gnntet? + Jener kndete nun mit hocherrthenden Wangen: + Wie in dem dauernden Kampf vor Basel dem edelen Ritter, + Rudolph, both sein Werk: Von den Kriegen der Rmer und Deutschen-- + So auch des Feldherrn Wissenschaft ein Gelehrter aus Straburg; + Jener ihm schnell ein Goldstck gab mit der goldenen Kette, + Die von dem Hals ihm hing, und d'rauf, voll Gier, in den Bchern + Bltterte; wie er -- der Schwester Sohn, ihm solches verwiesen, + Da viel Geldes das Volk ihn kostete, viel auch der Kriegszug + Fortan heischt'. Ach hrt, so erzhlt' er dann, wie mich Rudolph + Schalt! Der herrlichste Lohn, so sprach er, gebhrt dem Gelehrten, + Der hochrhmliche Thaten beschreibt, und im Herzen den Muth weckt, + Sie zu vollbringen dereinst. Er se wohl selber mit Freuden + Ueber den Bchern, so ihm nicht die Zeit ermangelte; lieber + Spendet' er auch sein Gold auf ihn, der, dauernden Mhens, + Solche Schtze gehuft, denn auf manchen untchtigen Krieger.[5] + Wahrlich, so fiel ihm Mller in's Wort, kein wankendes Schilfrohr, + Das sich im Hauche des Windes bewegt, gewahrten die Gegner + Jemals an ihm, denn hrt: der Regensberger vererbte + Auch an den Kraft von Toggenburg, der seines Geschlechts war, + Unvershnlichen Ha g'en Habsburg. Feindlich umringten + Wir mit erlesenem Volk dort Uznach, die ragende Felsburg, + Und ein Krachen begann alsbald: denn laut und unzhlbar + Flogen die Felsen nach ihr, von des _Antwerks_[6] mchtigem Wurfbaum + Hingeschnellt, das Ermel in Roth, der treffliche Meister, + Sinnig zu bauen, verstand. Auch die _Katzen_,[7] mit Erde bedecket, + Rasteten nicht, stets nher den Mauern gerckt, und die Krieger + Schirmend vor Feindesgescho, die im Sonnenlicht und im Nachtgrau'n + Schwangen die furchtbare Wucht des mauerzertrmmernden Balkens. + Hundert Fu aufragte der Stamm des mchtigen Eichbaums, + Den der Meister sich whlt', und mit Eisen die Stirn' ihm bewehrte. + Donnernd schlug er die Wand, von krftigen Kriegern geschwungen. + Endlich rckten wir auch mit dem _Ebenhoch_[8] an die Zinnen: + Schleudernd von ihm zermalmende Blck' in die Mitte der Felsburg-- + Auch mit Schwefel und Harz erfllete, brennende Kugeln. + Doch ereilt' uns d'rauf der grimmige Winter: verderbend + Hielt sich die Burg sechs Monden schon mit erlesenem Streitvolk. + Viele begruben wir dort der Unseren; viele vermiten + Wir an dem Morgen oft, die feig entwichen bei Nachtzeit; + Doch nie wankte noch Rudolphs Muth. Da warfen die Gegner + Lebende Fische heraus in das Lager, als spotteten sie noch + Seiner Gewalt. Er rief: Ermannt euch: unser ist Uznach! + Also geschah's. Er drang bei Nacht mit wenigem Volk nur + Ein durch den Mauerbruch, und erffnete herzhaft das Thor selbst. + Unserm wrgenden Schwert' erlagen die Gegner, und alsbald + Fiel auch die Burg, zerstrt, auf den Wink des Helden von Habsburg. + + Laut umtnt' ihn einhelliger Ruf: Hoch lebe der Held uns! + Doch nun sah ihn zugleich der blhende Knig der Ungern + Traulicher an, und sprach: Stets bist du wohl glcklich gewesen? + Denn ein heiterer Geist wohnt dir in den freundlichen Augen. + Jener begann: Nicht also: denn vieles erduldet' ich seither, + Ander'n Sterblichen gleich, im wechselnden Laufe des Lebens; + Leidengebt erkenn' ich das Ma auch der hrtesten Leiden + Anderer; doch, ich lernete dem, was ber uns waltet, + Frhe mich fgen; hab' treu an des Heilands Lehre gehalten, + Die uns gewi, denn einzig wahr, hienieden und jenseits + Leitet zum dauernden Glck. Mit Dank geno ich des Guten; + Setzte dem Schlimmen ein Ziel durch Geduld; + stets ehrt' ich die Wahrheit; + Meine Wege befahl ich dem Herrn, und schau' in des Grab's Nacht + Ruhigen Blicks: mir winket aus ihr das ewige Lichtreich. + Sagt' es, und sah, bewegt, nach Albrecht, seinem Erzeugten, + Der an den Lippen des Vaters hing, und weinte, hinber. + Stiller wurd' es im Zelt, da rief mit umschallender Stimme + Lichtenstein: Was soll uns der Ernst bei der frhlichen Mahlzeit? + Morgen ruft uns die Schlacht mit donnerndem Laut', und des Frohsinns + Jubel verhallt. Wer kehret, wer nicht? We' Sitz an dem Tisch hier + Leer ist bei'm knftigen Mahl: das steht uns zum Glck noch verborgen; + D'rum genieet des Augenblicks, eh' er schwindet auf immer! + Soll die herrliche Fest des Sngers ermangeln? Er harret + D'rauen nur eures Winks: der gemeinsamen Freude gedacht' ich. + Sage mir an, sprach Rudolph jetzt, we' Landes und Volkes + Rhmt sich dein Snger? Bekannt sind mir die Weisen der Meister: + Denn mir waren sie stets ersehnete Gste; so mancher + Wallte zur Habsburg hin, und geehrt ging jeder von dannen. + Gierig horcht mein Ohr den zaubergewaltigen Mnnern: + Denn mit frischerem Grn bekleidet ihr Sang in dem Winter + Selbst, den entbltterten Wald, und mit Frhlingsblumen die Matten, + Die der herbstliche Wind versengt': auf den nebligen Himmel + S't er glnzende Stern' umher, und weckt in des Menschen + Fhlender Brust, gar mchtig die Ahnung der schneren Zukunft, + Der hier unter dem Druck der Gegenwart, wie erstarret, + Ach, nach jener, so oft, mit inniger Liebe sich sehnet! + Eilt, und fhrt ihn herein den werthen Gast bei dem Mahl hier. + Jener eilte hinaus; dann kehrt' er, und sagte dem Herrscher: + Nicht unrhmlich bekannt ist Hornecks[9] Name, des Sngers, + Der aus der Steyermark entspro, und in blhender Jugend + Fort nach Deutschland zog an den Hof des wrdigen Bischofs, + Werner von Mainz, wo ihm Rotenburg zum Meister geworden. + Aber ihn drngte das Herz: ein redlicher Hirte der Schflein + Seines Heilands zu seyn, und er weidete solche mit Sorgfalt, + Jahrlang, bis ihm die Feder zugleich und das Siegel der Bischof + Wieder vertraut'. Er starb, und Horneck kehrt' in die Heimath: + Erst dem Snger des _Frauenbuch's_,[10] de' Sohn ich mich rhme, + Sich zum Frommen zu weih'n: dann mir, als jener gestorben: + Denn mit unsglichem Flei, in zierlichem Reim die Geschichten + Schreibend, folgt er mir treulich nach im Krieg' und im Frieden. + Doch nun trat im langen Talare der heilige Snger + Leise herein. Er trug die tnende Harfe mit Vorsicht + Unter dem Arm, und grte die Schar -- vor allen den Kaiser + Tief, und mit innigem Blick'. Erstaunt besann der Beherrscher + Deutschlands sich. Ihm schien: als htt' er ihn frher gesehen; + Nur vom lastenden Alter gebeugt, und ergrauet an Haaren + Stand er, ein Fremdling, vor ihm. Da lie er mit freundlichen Mienen + Auf den niedrigen Stuhl am Zelteingange sich nieder; + Langte die Harfe hervor, und fuhr mit flchtigen Fingern + Ueber die Saiten dahin, die herzerschtternden Lautes + Tneten. Still ward's d'rauf in dem Zelt, und es stockte der Odem + Allen umher in der Brust, da er jetzt den feierlichernsten, + Heiligen Sang begann im Klange der bebenden Saiten: + + Laut erbrauset der Sturm, und jagt tiefhangende Wolken + Ueber die finsteren Berge hinaus. Der laubige Hochwald + Trieft, der Giebach rauscht, vom dauernden Regen geschwollen. + Sieh', dort ruhete nun, aus dem Sattel gestiegen, ein Ritter, + Nach ermdendem Weidwerk aus. Von dem heiteren Antlitz + Strahlt ihm der Heldenmuth -- aus den blulichen Augen die Wahrheit, + Liebe, und Treu'. Er sah in die Fluthen: sie saus'ten, und braus'ten, + Eilten im Fluge dahin, und er dachte des fliehenden Lebens. + Aber der Rappe scharrt; laut winselt der gierige Schweihund: + Denn kein Wild auftrieb er im Forst, und der Ritter erhebt sich + Heim zu zieh'n in die Burg, wo sein die Liebenden harren. + Jetzt erreicht Geklingel sein Ohr. Von dem finsteren Wald her + Naht dem Ufer ein Priester des Herrn: im schimmernden Chorrock, + Und mit goldener Stol' an der Brust, nachschreitend dem Mener + Eilig, das Engelsbrot zu dem sterbenden Manne zu tragen. + Doch jetzt schaut er, voll Angst, umher: denn siehe, der Giebach + Schwemmte den Steg aus dem Grund', und drben aufjammert die Hausfrau: + Hrbar poche der Tod an der Thr', und es lechze der Gatte + Nach der Labung, die ihn auf die Reis' in die Ewigkeit strke. + Schnell entblt' er die F' an des Ufers felsigem Abhang, + Dort die rauschende Fluth khn durch zu waten, entschlossen. + Aber der Ritter kam in Eile herber, und both ihm-- + Erst anbethend den Heiland der Welt, das gesattelte Reitro + An zu heiligem Dienst, und kehrte, vergngt, zu den Seinen. + Als der Abend sank, und die Welt in rosigen Schimmer + Hllete, sieh', da fhrte der Priester das Ro an dem Zgel + Ueber den Burghof her, und sagt' es dem Ritter mit Dank heim! + Aber er sprach: Was dnkt dich? Nein, nicht diene die Reitpferd + Frder zu schndem Gebrauch, das meinen Erlser getragen: + Denn nun sey's der Kirche des Herrn mit dem Feld' an dem Weiher + Frei geschenkt, da hinfort kein Wildbach mehr auf den Pfaden + Jenes unwirthbaren Raums, in dem heiligsten Amte dich hemme! + D'rauf der Priester begann: So vergelt' es dir Gott, der Erbarmer, + Edeler Herr, was du mit erbarmendem Sinn an dem Diener + Seiner Kirche gethan: stets mg' es dir glcklich ergehen! + Ha, mir sagt es der Geist, und ich irre nicht -- sey die Geheimni + Dir in den Tiefen des Herzens bewahrt: dir zieret die Scheitel + Wrdig dereinst die Krone des heiligen, rmischen Reiches! + Herrschen wird dein Geschlecht auf dem herrlichsten Thron' + in die Zukunft + Endlos hin. Dein dauernder Ruhm erfllet den Erdkreis! + + Endete so: da sah'n zugleich die versammelten Helden + Staunend, dem Kaiser in's Aug', und erkannten des Grafen von Habsburg + Fromme That enthllt, die er stets verschwiegen voll Demuth. + Aber er strzte herbei, und drckte mit heier Umarmung + Lange den heiligen Greis an die Brust; dann rief er bewegt so: + Wahrlich, du bist's, Ehrwrdiger, der an dem rauschenden Giebach + Mir mit dem Herrn erschien, dort Glck und Segen zu spenden! + Mge die ewige Huld dir hier und dort ihn vergelten! + Jener beugte die Stirn' auf Rudolphs Hand, ihm die Thrnen + Bergend, und wankte hinaus in dem einsamen Zelte zu ruhen. + Auch die Helden, gesammt, enteileten: denn an des Morgens + Tod- und lebenentscheidende Schlacht ermahnte der Kaiser + Sie mit erglhendem Aug': O denket, so sprach er, des Morgens, + Der uns im eisernen Felde vereint. Im Sieg' ist die Freiheit, + Wohlfahrt, Ruhe und Glck viel Tausender: denket des Sieges! + Aber erschtternd braust' ein Ruf aus dem Munde der Helden: + Ha, wir gedenken mit Gott zu erringen den Sieg in dem Blutfeld! + + Tief verstummte das einsame Zelt. Mit sinnenden Blicken + Ging der Kaiser umher; dann sa er wieder, und dachte + Noch des wechselnden Glcks der Sterblichen -- sah mit Ergebung + Himmelempor, und entschlummert' im Schimmer der Lamp' + auf dem Lehnstuhl. + Aber nicht lang, da fuhr er, bewegt, zusammen (nicht wacht' er, + Schlummerte nicht) ihm stand, verklrt in himmlischer Schnheit, + Hartmann, der liebende Sohn, vor den nachtumhlleten Augen, + Blickte lchelnd ihn an, und sprach: In dsterem Zeitraum + Schieden wir, mein Vater! Mir ward auf dem irdischen Dornpfad + Jammer zu Theil, und ich weinete still: nicht gewahrend der Vorsicht + Mildumschlingende Hand, die allein zum lohnenden Ziel fhrt. + Ha, nun steh' ich am Ziel! Gels't, und in himmlischer Klarheit + Liegen des Lebens Rthsel vor mir; versiegt ist der Thrnen + Bitterer Quell', und es jauchzt die entfesselte Seele vor Wonn' auf. + Vater, traure nicht, wenn die Todesbothen dir knden: + Hartmann starb in den Fluthen des Rheins: im rhmlichen Streben, + Retter zu seyn Unglcklicher! Schon ist die sterbliche Hlle, + Die ihn umgab, in dem Baseler Dom zu Grabe getragen, + Wo ihm ein Denkstein wird, auf immer zum ehrenden Zeichen. + Traure nicht. Ich, und die Mutter -- wir harren dein in Gefilden + Ewigen Glcks, bis treuerfunden am Ziel, wo entscheidend + Sinket die Wag', und steigt, auch du, vor unsglicher Wonne + Jauchzend, die Deinen ersiehst in seliger Wiedervereinung. + Denke der Alpenhh'n, des Greises, und frommen Gelbdes, + Wenn in umdrngender Schlacht die Hoffnung des Sieges dir schwindet! + Rudolph fuhr von dem Stuhl'. Er whnte den fliehenden Schimmer + Noch an der Decke des Zeltes zu schau'n, und zitterte, starrend + Hin, den Gesichten der Nacht. + Dann rief er: Ein furchtbarer Traum war's: + Furchtbar und himmlisch zugleich! + Mein Hartmann lebt, und mich tuschte + Nur der Lamp' aufflimmerndes Licht. O Herr, du bewahr' ihn! + Sprach so; streckt' auf dem Lager sich aus, und entschlummerte wieder. + + Aber nicht herrschte die Ruh' und des Herzens Frieden in Ottgars + Zelt: denn eben kehrt' er zurck aus dem finsteren Eichwald + Gtzendorfs, und er whnete noch: die Schrecken der Hlle + Rauschten hinter ihm her, im Gezisch' unseliger Geister. + Furchtbar rollte sein Aug', und seine geffneten Lippen + Zitterten. Doch nun warf er das Schwert auf den drnenden Tisch hin, + Lie sich nieder, und starrte mit dsterem Blick' in des Oehldochts + Flimmernden Schein. Er eilte zuvor dem waldigen Thalgrund + Gtzendorfs, im Grauen der Nacht, allein, und dem Heerweg + Fern' auf dem schnaubenden Ro entgegen: des dunkelen Schicksals + Ruf noch einmal dort an dem schauerumflossenen Eichbaum, + Dem die Bewohner des Dorfs nur mit Angst und Schrecken vorber + Eileten: denn stets scholl Gezisch um ihn her, zu vernehmen. + Dorthin bannt' erst jngst Drahomira, voll hllischer Arglist, + Einen tuschenden Spuk, zu verlocken den finsteren Ottgar, + Der um die Mitternacht hinwanderte, Gott zu versuchen. + Als er rasch auf den Baum losdrang, da trat ihm sein Engel + Unsichtbar in den Weg, und rief an das Herz ihm die Warnung: + Wie, Verehrer des Herrn des Weltalls, Theuererls'ter, + Willst du dem Vater der Lge dich weih'n -- die unsterbliche Seel' ihm + Selbst verschreiben zum Pfand fr trugverhllende Zeichen? + Kehre zurck; bereue die Schuld des entflohenen Lebens. + Mild erbarmt sich der Herr des Reuigen: eil' ihn zu shnen! + Ottgar horchte bestrzt: denn zorngertheten Blickes, + Sah der Unsterbliche jetzt nach dem Baume hinber, und alsbald + Floh'n die finsteren Mchte davon. Ihr wildes Gezisch scholl + Laut um ihn her: er wandte das Ro, und im brausenden Eilflug + Kehrt' er heim in das Zelt, von Angst ergriffen, und Schauder. + Als er dort beim Scheine der mattaufflimmernden Lampen, + Sinnend, sa: da scholl ein Getrab anstrmender Rosse + Nher. Nicht lange, so stand Kunegunde, mit flammenden Blicken + Schauend, vor ihm, und sprach: Hast du die verhllete Neigung + Deiner so theuren Tochter dir, zu dem herrlichen Jngling, + Wallstein, frher gekannt, der jngst in's eigene Schwert sank, + Und ihr Herz verwundet im Zorn? Nie siehst du sie wieder. + Hedwig entfloh. Aus dem Kloster, ach, der ad'ligen Nonnen + Drben im Ungerland kam mir die Kunde gesendet: + Eine Braut des Herrn, will sie in erkorener Stille + Leben hinfort. Schon hllt ihr die liebliche Stirne der Schleier. + Schrecklicher, dein Werk ist's: gar viel des Schlimmen erlebst du! + + Ottgar beugte das Haupt, und barg die thrnenden Augen + Schnell mit den Hnden vor ihr: von dem leise geahneten Schicksal + Seines theuersten Kindes bewegt. Er bebte, verstummend. + Doch sie sprach von neuem mit Hohn: Im nchtlichen Grauen + Komm ich von Drsing heran: denn wer gewahrt' in des Tages- + Licht nicht die Scham und die heimliche Wuth mir im glhenden Antlitz + Ueber die Flucht des Bhmenheers -- des tapfersten Heeres, + Das sein Hort: weh mir, da ich Gattinn dem Feigen geworden, + Fliehen hie in dem Augenblick des entschiedenen Sieges! + Weib, halt ein! schrie laut der Emprete, khn und entschlossen + War ich mein Leben lang, und feig ertrug ich als Gatte + Nur, die Launen des Weibs, das mir zum Jammer zu Theil ward. + Ach, die unfriedliche Ehe gebiert die herbste der Qualen! + Doch fr jetzo hinweg mit eitlem Gezanke. Zu furchtbar + Drnget der Augenblick: nicht fern ist die Stunde der Schlacht mehr. + Fort noch heute g'en Prag! Ich sende dir muthige Scharen + Zum Geleit. Mit dir sey Gott! Kunegunde die Mutter + Meiner Kinder bist du! Erhabenes liegt in den Worten. + Halte sie wohl, die theuern! Gar viel ertrug ich des Schlimmen + Mit Geduld, um die Kindlein: denn mir fehlte der Sohn noch. + Ha, da vielleicht, so mir die Heimkehr wird aus dem Kriegszug, + Schnere Tag' uns blh'n! Nur als Sieger siehst du mich wieder. + Sagt' es, und stand, verwendeten Blicks. Ihr rollten die Thrnen + Ueber die Wangen herab: denn tief vorahnte sie's: nimmer + Werde sie ihn mehr seh'n; doch scholl kein freundliches Leb' wohl! + Ihr von den Lippen; sie ging, und schwang sich auf's Ro, + von den Reitern + Dicht umschart, bald Prag, die herrliche Stadt zu erreichen. + + Heftig bewegt, ging Ottgar jetzt im dmmernden Zeltraum + Auf und nieder, und sann. Schon lngstentflohene Zeiten + Kehreten ihm, nun lieblich und hell, nun nchtlich und furchtbar, + Wieder im Bilde zurck, und ach, unendliche Wehmuth + Fate sein Herz, als dort die dmmernde Helle des Nachtgrau'ns + Trauergewlk verschlang, und um ihn, verdet, die Welt lag! + Sthnend streckt' er zuweilen den Arm weit vor, und ersehnte + Hei, zu entreien dem Grab, was solches im Moder bedeckt hielt. + Seine Lippen bewegten sich dann, und lispelten Nahmen, + Ort, und Zeit umher in die Dmmerung. Willigen Herzens, + Wr' er mit flehendem Wort vor Dem, und vor Jenem gesunken + Auf die Knie', zu erringen den Wink ersehnter Verzeihung. + Doch, als Niemand war, der Antwort gab, und auf Erden + Alles, verstummt, und erstarrt, auf immer jegliches Mitleid + Ihm zu versagen schien: da hob er die furchtsamen Augen + Auf zu dem Himmel, und sah durch leis'aufquellende Zhren, + Zweifelnd, hin, bis jetzt, erschttert, die bebenden Hnd' er + Faltete; dann, gesunkenen Haupts, auf die Kniee sich werfend, + Also begann: O Herr, nicht geh' in's Gericht mit mir Armen! + Ringsum drngt mich die Schuld, + wie die Fluthen des schwellenden Bergstroms, + Und einstrzender Berge Gerll. Wo find' ich Errettung + Einst vor deinem Zorn, Allmchtiger, wo, so dem Schuldner + Nur vergeltendes Recht, nicht auch Erbarmen zu Theil wird? + Doch Erbarmen mit mir, das, hart- und eiserngesinnet, + Ich nicht bt' an den Menschen -- ein Mensch? Erhebe die Hand nur, + Furchtbarer, straf' mich: denn ich hab' es verschuldet, auf immer! + Dennoch nimmst du die Shne noch an; barmherzig und gndig + Bist du, o Herr, wenn reuig das Herz auf der irdischen Bahn noch, + Schmerzdurchdrungen, sie beut! Noch wandl' ich auf ihr. Im Bewutseyn + Schrecklichen Frevels, zu dem auf der schwindelnden Hhe des Thrones + Mich die gefhrliche Macht und der feiggesinneten Schmeichler + Zauberruf hinri, und des ungebndigten Herzens + Ehrgeiz, Stolz, und begierliche Gluth stets mchtiger drngte, + Will ich, lt du mich leben, o Herr, mit reuigem Herzen + Shnen die Schuld! Wie ich einst des Kreuzes heiliges Zeichen, + Siegend, zur Ostsee trug, und dort den verwilderten Heiden + Deines Nahmens Ruhm verkndigte, eifernd fr Wahrheit, + Tugend, und Recht; wie dort das Herz bei jeglichem Guten + Hher im Busen mir schlug, und ringsum die heitere Schpfung + Lchelte, weil in der Brust noch Frieden mir wohnte: so will ich, + Ein erneuerter Mensch, hinfort dir leben, und wrdig + Wandeln vor dir, geschirmt von deiner allmchtigen Rechten! + Ha, der Morgen graut! Ich stehe g'en ber den Feinden: + Jenem zumal, der mich verhhnete -- mir in dem Herzen + Glhenden Ha und Rachsucht weckt'. Ich verzeih' ihm: du heischest + Solches, mein Heiland, von mir zum Gehorsam. Im redlichen Kampf nur, + Den des Throns erworbenes Recht und die Liebe der Vlker + Heiliget, will ich ihm steh'n, und anheim dir stellen mein Schicksal. + Gieb mir den Sieg, Herr! Doch nicht mein -- dein Wille geschehe! + + Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht + Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglhte das Frhroth. + + + + + Eilfter Gesang. + + + Zweifelnd rang der Tag mit der Nacht, und im schauernden Zwielicht + Ruhte die Erde, noch rings vom holden Schlummer umfangen, + Als das schreckliche Paar der Meerenberger in's Lager + Kehrete. Dort an dem Pfad, der, lngs dem duftenden Weinberg, + Immer hher sich hebt, und erst an dem felsigen Hgel + Schwindet, von welchem der Rabenstein empor in die Luft ragt, + Standen die Rachebrder, vereint zu entsetzlichen Thaten, + Schon drei Stunden lang, und sah'n mit finsteren Blicken + Bald nach dem Hochgericht, bald einer in's Auge dem andern, + Das, wie der Blitz aufflammt in dem Nachtgrau'n, fters erglhte + Vor dem gewaltigen Drang des grimmgesttigten Herzens. + Aber da sprach der ltere so zu dem jngeren Bruder: + Siehe, der Morgen graut; schon bin ich gefat, und entschlossen! + Komm: die Vorhuth harrt, der wir uns entzogen. Und jener + Sagt', erweicht: Noch ist das Entsetzliche, dem ich erbebe, + Nicht gescheh'n; noch stehen wir fern dem gekrneten Gegner, + Den ich zu morden schwur in der offenen Schlacht, in des Tempels + Heiligthum, und in dem stillen Gemach, wie solches das Glck mir + Gnstig beut. Bereit ist die Rach', und der schndlichste Frevel + Heischt sie mit Recht, und doch -- ich knnt' ihm verzeihen! + Nicht zrne + Theurer, mir ob dem Wort', er sinkt: ich knnt' ihm verzeihen! + Wie, so entgegnete jener voll Wuth, das verhateste Wort kam + Dir von den Lippen: verzeih'n? Sieh' hin nach dem Baume des Fluches! + Ist er nicht jenem gleich -- vielleicht da die hllischen Mcht' ihn, + Mir zum Hohn, durch Zaubergewalt herfhrten im Luftraum, + Weh', auf dem der edelgesinnete Bruder, mein Seyfried, + Schuldlos litt; das Haupt zu den Fen gebunden, nach dreimal + Schrecklichen Tagen verblich? Verzeih'n? + Ich erwrge dich, thust du's! + Jener verstummte vor ihm, und sie kehrten mit eilenden Schritten + Wieder zurck zur Heldenschar der erlesenen Vorhuth. + + Drben in Osten entstieg des erd'umrandenden Himmels + Tiefen, gehllt in Rosengluth, die ersehnete Sonne; + Aber sie schwand dann bald, von dsteren Wolken verschlungen, + Wieder, und zeigt' auch heute nicht mehr ihr freundliches Antlitz, + Bis sie vom Abendthor erreicht das herrliche Ziel sah! + Schon war drngende Hast und dumpfes Gemurmel im Lager + Beider Gegner erwacht; schon sprengten die Herolde hierhin, + Dorthin fort: des Heers Aufstellung den schaltenden Amtnern[1] + Kund zu thun, wie solche zuvor der Herrscher gebothen. + Ottgars druende Macht hob weit an dem dunkelen Spannberg + Sich empor: ausdehnend rechts den mchtigen Flgel + Bis g'en Weidendorf, und links an die Marken von Drnkrut, + Also geordnet in sechs Heersulen, dem Feind zu begegnen: + Hier an das Bhmen-Volk der Sachs und der Bayer, und drben + Reu' und Pol' an jenes aus Mhren, gereiht, mit den Scharen, + Kunrings: denn ihm verharrete dort mit erlesenen Kriegern + Noch zu getreulichem Dienst Hadmar, der ltere; Leutold + Nur, aufflammenden Zorns, zog jngst mit den Seinen zur Burg heim. + + Aber wie gestern am Wall', zu drei Heersulen geordnet, + Standen des Kaisers Reih'n entgegen den Reihen der Gegner, + Und gedachten anjetzt vor dem Kampf, der Beicht und des Buwerks: + Denn manch tapferer Krieger sprach: Wo weilt in des Heeres + Ordnung der Seelenhirt, der von dem verirreten Schflein + Hre die Snden bekannt, und im Nahmen des Herrn es entlasse, + Ledig der Schuld? Ach, furchtbar wr's, in solcher zu scheiden! + Bald gewahrt' er den Wink, der ihm das ragende Zelt wies, + Wo in dem dmmernden Raum, mit niedergehefteten Augen, + Heiligen Mitleids voll, der Priester des Herrn zu Gericht sa. + Willig senkten vor ihm auch sonst unwillige Knie' sich + Jetzt in den Staub, und, segengestrkt, bekannten die Krieger, + Nicht durch Erdenmacht -- nein, nur von dem Herzen getrieben, + Was sie gefehlt, und bereut; sie hreten warnende Lehren; + Hrten erfreuenden Trost, und zuletzt den gttlichen Ausspruch, + Der sie ls'te, nicht band, auf dem Wege des Heils und Erbarmens, + Wie es der Meister gelehrt, der Menschen des Himmels Gewalt gab. + D'rauf, als dort vor jeder der drei Heersulen ein Priester + Wrdig die Feier des Abendmahls vollendete, traten + Sie zu dem Tische des Herrn, und empfingen die Speise der Seelen, + Klopfend die Brust dreimal mit des Kapernaonischen Hauptmanns + Demuthssinn, der sprach: O Herr, nicht wrdig erkenn' ich + Mich, da du einkehrst heute bei mir; doch, sprichst du ein Wort nur, + Wird die Seele gesund! Und mit Freudigkeit stellten die Scharen + Wieder sich auf in Reih'n, gestrkt in heiliger Andacht.[2] + + Jetzt erwacht' in dem Lager Gets'. Der edele Ritter + Rief den Knappen herbei, da er sh' nach dem Zaum' und dem Bgel-- + Nach dem Sattel und Gurt: ob jedes dem mchtigen Schlachtdrang + Haltbar sich wies'? da er selbst den Helm mit dem Riemen am Kinn sich + Festigte; dann sein gutes Schwert, aus der Scheide gezogen, + Prfte, die Schneid' entlang, mit sanfthingleitendem Daumen. + D'rauf noch einmal umwandelnd das Ro mit forschenden Blicken, + Fat' er hurtig den Zaum, und sagte zu seinem Getreuen: + Gr' mir den grauenden Vater daheim, so der Vater im Himmel + Mich in dem Waffengemeng, durchbohrt vom feindlichen Eisen, + Abruft: bald nachfolgt, vom Alter gebeugt, er in's Grab mir! + Aber ein Anderer sprach: Merk' auf! So ich niedergeworfen + Lieg' auf dem Feld', und du kehrst, so bringe der Gre viel tausend' + Dort der Schwester noch, der redlichen: denn in dem Leben + Theilten wir Freud' und Leid, vereint von der zartesten Jugend! + Wieder ein Anderer trat mit dem Knappen beiseit', und geboth ihm: + Kmmst du vorber die Burg, wo mir, holdselig, das Frulein + Treue Minne gelobt: oft hast du es selber gesehen, + Wie von dem Erker sie mir, dem Scheidenden, thrnenden Blickes, + Nachsah, dann noch fern mit dem schimmernden Tuche mir winkte: + O so sprich: Treu bis in den Tod ihr weiht' ich das Leben! + Doch der fromme Gemahl begann mit sinnendem Ernst so: + Redlicher, kehrst du, des Ritters beraubt, zur rhmlichen Heimath: + Gre die beste der Frau'n und die holdaufblhenden Kinder + Alle mit herzlichem Wort! Die so edelgesinnete Gattinn + Solle mir ja bewahren den Eid, und die munteren Jungen, + Sorgend mit Mutterhuld, zur Furcht des Herrn auf der Wahrheit + Hellem Pfad' erzieh'n, da sie Mnner in jeglichem Sinne + Werden, und wir vor Gott uns wiederfinden in Wonne! + + So bestelleten dort, voll Hast, die gersteten Ritter, + Vor dem Entscheidungskampf, des ergriffenen Herzens Geheimni. + Andere sprengten daher, und schttelten Diesem und Jenem + Freundlich die Hand, leb' wohl! auf immer vielleicht ihm zu rufen. + Doch die, bundesgesellt, in den schimmernden Reih'n sich erblickten, + Eineten sich mit betheuerndem Wort' und mit krftigem Handschlag: + Nahe zu seyn in Gefahr, und zu schtzen der eine den andern. + + Sieh', da ritt, umringt von seinen gewaltigen Feldherrn, + Nach vollendetem Mahle des Herrn, auch der Kaiser herber! + Hugo von Tauffers sah des Heers Aufstellung, und sagte: + Herr, nicht schweigt dein Haug: er kennt den gtigsten Herrscher! + Heie die Scharen in fnf, nicht in drei Heersulen geordnet, + Gegen den Feind vordringen im Feld, da die tapferen Krieger + Jeglichen Volks, entflammt von der rhmlichen Liebe der Heimath, + Streben den andern zuvor, zu erringen den herrlichen Siegspreis. + Klug hast du, sprach jener mit Huld, mir gerathen. Des Weisen + Rath ist besser denn Gold, und des Demants funkelnder Reichthum + Wiegt ihn nicht auf. So mge das Heer in gesonderten Haufen + Stehen: um mich die Ritter-Schar und die Vlker aus Deutschlands + Oberen Gau'n; dann rechts, in zwei Heersulen der Ostmark + Heldenshn' und der steyrischen Mark, und in zweien, zur Linken, + Jene von Krnthen und Krain, von muthigen Fhrern geordnet; + Aber das tapfere Volk der Ungern stehe zur Rechten-- + Jenes der Kunen zur Linken zurck: im entscheidenden Zeitraum + Vorzubrechen, und dort zu vernichten die fliehenden Scharen, + Da von der Warte von Ebenthal der mchtige Knig, + Schauend als Zeuge sein Volk, zum Sieg entflammet die beiden. + + Also geschah's. Noch war der volkvereinenden Fhnlein + Pracht im Heer nicht enthllt. Die Fahnenjunker entbanden + Solche dem ragenden Schaft', und sie flatterten jetzt in dem Wind hin, + Zahllos, buntvermengt, wie im Lenze die Blumen des Feldes. + Alsbald sprengten die Edeln heran, den Ruhm zu erringen: + Vor dem Kaiser im Kampf' einher zu tragen die Sturmfahn':[3] + Oestreichs Demantberg' und Edelgesteine mit Konrad + Haselau; dann Trautmansdorf mit seinem Erzeugten, + Ach, dem einzigen jetzt, und auch Capellen mit Heunburg! + Aber mit freudigem Stolz begann der erhabene Kaiser: + Werth seyd ihr des Ruhms, des herrlichsten, alle vor allen; + Doch mein Haselau, der achtzigjhrige Greis dort, + Heischt ihn mit Recht: d'rum werd' ihm heut die erlesene Stelle + Oestreichs Siegespanier fr Oestreichs ewige Herrschaft + In der entscheidenden Vlkerschlacht zu erhh'n, und es steh' ihm + Lichtenstein, so er dort ermattete, hlfegesellet. + Tritt, Markgraf von Hochberg, vor, und empfange die Reichsfahn'! + Albrecht, du, mein ltester, komm, mir die erste der Fahnen, + Die vor allen, geziert mit dem Bild des erlsenden Kreuzes, + Aufragt, heut zur ermunternden Schau, in dem Kampfe zu weisen: + Dicht vor mir in Gefahr und todverbreitendem Schlachtgrau'n, + Wie du es selber ersehntest jngst, im muthigen Herzen! + Hochberg hob nun zuerst des heiligen, rmischen Reiches + Fahne zur Luft, wo schwarz im gelbherschimmernden Feldraum + Sich der Doppel-Aar, mit Zepter und Krone geschmckt, wies; + Jene von Oestreich Haselau, ehrwrdigen Anseh'ns, + Weisend den schneeigen Streif in Leupolds rhmlichem Blutfeld. + Beide hielten, dem Kaiser nicht fern, zur Rechten und Linken; + Aber vor ihm hob dann sein Albrecht die heilige Fahn' auf, + Die in dem grnlichen Feld mit dem Bild des Erlsers geschmckt war. + Wieder begann er, und sprach vor dem Heere mit leuchtenden Augen: + Schwarzenberg, nun hin, zu erforschen den Knig von Bhmen: + Ob er gerstet im Feld' uns heut zu begegnen, gewillt sey? + Nahe der Vorderhuth, mit den Reisigen wirst du ihn treffen: + Denn er kennt in Gefahren des Kampfs die unmnnliche Furcht nicht! + Jener enteilete, wie der fernhinbrausende Sturmwind, + Der des Staubes Gewlk auf dem Heerweg, wirbelnd, emporhebt. + Bald annahte der Held dem nahenden Feind', und gewahrte + Dort an der Vorderhuth, im Kreis' erlesener Feldherrn, + Ottgars hohe Gestalt, der, herrlichgewaffnet, daherkam: + Denn er hllte das Haupt in den silbernen Helm, und es wand sich + Rings um selben, die Kron' aus strahlendem Golde, gezackt, auf; + Auch der Harnisch und Schild, und am Arm und dem Beine die Schienen, + Die er sich heute gewhlt, erglnzten von Silber, und druend, + Warf von des Degens Griff in der Rechten ein rthlicher Demant + Blitz' umher. So kam er, zum Kampf gerstet, herber. + Als er den Ritter ersah, da hemmt' er den schnaubenden Rappen + Rasch mit zorngerthetem Blick; doch jener begann so: + Herr, du hast den Frieden verschmht: so bieth' ich dir Krieg denn, + Ich, von Schwarzenberg, des Kaisers gesendeter Herold, + Krieg auf Leben und Tod, im Nahmen des Kaisers! Er fragt dich, + Edelgesinnet, zuvor, nach altherkmmlicher Sitte:[4] + Ob du, gerstet zum Kampf', ihn heut' erwartest im Schlachtfeld? + Also der tapfere Held. Grimmlchelnd erwiederte jener: + Bring' ihm die Kunde zurck: ich sey Streit's halber[5] gekommen! + Sagt' es, und wandte das Ro, im schnelleren Zuge die Krieger + Vorzufhren zur Schlacht, und zu schrecklichem Feindesgemetzel. + + Schon verkndete Schwarzenberg, der edele Herold, + Kehrend in Eile zurck, dem Kaiser, da ewige Feindschaft + Ihm der Knig gelobt, und bald vorstrme zum Angriff. + Sieh', und kaum entfuhr ihm das Wort, da jagten des Gegners + Vorderste Haufen herab von dem Hgel; viel tausende folgten + Bald den ersteren nach, und verdunkelten alle die Hhen! + Manchem der Krieger, der zum ersten Male des Feindes + Scharen ersah in dem Feld; noch nie der wrgenden Waffen + Furchtbaren Schlag vernahm, und empfand in dem Sturme des Angriffs, + Pochte das Herz in der Brust viel mchtiger: wechselnde Schauer + Liefen ihm fort und fort an dem Haupt und dem Rcken hinunter, + Und zu dem Helmdach hob sich oft sein starrendes Haar auf. + + Doch nun ritten im Flug' aus den Reih'n der mittleren Heerschar + Hundert Jnglinge vor, die aus Zrich, dem Stdtchen, gezogen; + Stellten dort vor dem Kaiser sich auf, und einer begann so: + Mchtest du jetzt, erhabener Herr, ruhmwrdiger Sitte + Denkend, ertheilen den Schlag, der uns den Edeln geselle! + Ha, nicht soll es dich reu'n, wenn wir vordringen im Schlachtfeld! + Freudig entblte der Kaiser sein Schwert, erhob es, und sagte: + Blhende Mnner, wohlan: da ihr edele Thaten verheiet, + So gescheh' euch nach Wunsch! Hart drngt uns die Stunde: wir schlagen + Darum euch nur auf den Helm und den Schild, nach edeler Sitte, + Jetzt im Nahmen des Ein-dreieinigen Gottes zu Rittern. + Und er fhrte den Streich kreuzweis nach den Helmen und Schilden + Aller umher. So wurden sie hier den Edeln gesellet.[6] + Aber er sprengt' im Fluge hinaus vor die glnzenden Scharen; + Schwang das Eisen, und rief mit lautumschallender Stimme: + Tapfere, hrt: nun gilt's! Dort nah't in furchtbarer Mehrzahl, + Unvershnlichen Grolls, der Feind, uns die Lnder der Ostmark, + Ja, auch die Krone des Reichs, im entscheidenden Kampf zu entreien. + Aber nicht soll er de' sich erfreu'n. Allmchtig ist Gottes + Schtzender Arm: er fhrt uns mit allumfassender Vorsicht + Durch die sonnige Flur und die Nachtabgrnde des Lebens: + Fest ruht mein Vertrauen auf ihm. So werdet auch ihr jetzt, + Stark durch Gott, mit unbeugsamer Kraft des endlichen Kampfes + Schrecknisse siegend besteh'n; den eidverhhnenden Frevel + Strafen: erringen die langersehnete Ruhe fr Deutschland; + Grnden der Vlker Glck und euren unsterblichen Nachruhm. + Ha, und erliegen wir auch, so lat uns erliegen als Helden! + Eins sey mein, und euer Geschick: ich, Kaiser der Deutschen, + Leb', und sterbe mit euch auf dem winkenden Felde der Ehren. + Sieh', und die jauchzenden Scharen entlang aufblitzten die Waffen + Aller zugleich in die Luft: sie heischten urpltzlichen Angriff. + + Aber auch Ottgar rief entflammende Worte den Seinen: + Sehet, so sprach er mit grimmigem Blick, schon naht uns des Gegners + Heersmacht, der so frech uns hhnete, schndliche Tuschung + Uebend an mir, und an euch: noch bebt mir die Seele vor Schauder, + Denk' ich's! Doch er be dafr: denn ewige Schand' euch, + So ihr nicht rchet die Schmach, + die, gleich, dem Volk' und dem Herrscher + Bhmens galt. Gedenket der Zeltvorhnge von Kamberg, + Strafet des Frevlers Trotz. Er brste sich, da ihm die Kunen + Gestern erfochten den Sieg. Schaut hin nach den rhmlichen Feldern + Kressenbruns, wo ich Bela's Macht, vernichtend, in Staub warf. + Ha, noch bin ich der Held, der euch vom Siege zu Siegen + Fhrete! Fort -- greift an! Dem druenden Aare von Oestreich + Mge der bhmische Leu' nun weisen die furchtbaren Klauen. + + Also emprten ihr Volk die schlachtgebiethenden Herrscher. + D'rauf erscholl ringsher Geschrei und Getmmel; die Trommeln + Wirbelten; laut in dem Sturm erklangen die eh'rnen Drometen: + Hier die Reisigen, dort des Fuvolks Reihen zum Angriff + Drngend im Feld', und so, wie ein Lftchen die wogenden Aehren + Treibt im Kreise herauf und hinab: so bewegte sich hierher, + Dorthin, wimmelnd, das Heer. Staub flog empor, wie im Mrzmond, + Wenn der eisige Nord-, dann wieder der brausende Westwind + Noch den entfliehenden Winter hemmt, und am glnzenden Mittag + Rieselgewlk aufjagt: da hebt sich im wirbelnden Aufflug + Hoch in die Lfte der flimmernde Schnee; da schwindet des Himmels + Sonnige Blue; das Thal, und die ringsaufragenden Berghhn + Hllt das Gestber in Nacht: so erregte der feindlichen Scharen + Schlachtanlauf unendlichen Staub in den Saatengefilden, + Und das Entsetzen schnob aus dem Grau'n des umnachtenden Qualms her; + Aber nicht anders, wie dann, mit entfesselter Wuth, die emprten + Strzen aus Westen und Norden zugleich auf den wimmelnden Hafen, + Wo das Gewsser des Meers, aufbrandend, sich hebt; von den Ankern + Reisset das Seil, und jetzt, wild an einander geschleudert, + Mitten im furchtbarn Wogengeheul, am zerschmetterten Schiffsraum + Kracht der Raum, am Maste der Mast, und, berstend am Kiel hin, + Donnert das hohle Verdeck, da rings den umuferten Hafen + Grause Zertrmmerung hllt: so stieen die Heere zusammen. + Sieh', und seitwrts, weit vom Winde hinbergetragen, + Legte sich jetzo der Staub in dem Feld: da sah'n sich die Gegner + Nher in's Aug', und ha, bald traf das Eisen auf's Leben! + Doch, ach! mute der Kampf fr Rudolphs Helden so schrecklich, + Und am schrecklichsten noch, fr den einen der Helden beginnen? + + Zamor trieb aus der Vorderhuth die rstigen Schtzen + Reussens vor in die Schlacht. Sie hatten der tdlichen Armbrust + Sehne gespannt; den Pfeil in die Rhre des Schaftes geschoben; + Fest an die Wange gepret den krummgebogenen Kolben; + Dann im Lauf, nach dem Gegner zielend, das schnellende Znglein + Losgedrckt: urpltzlich ertnte die Sehn', und erbraus'te + Fort in der Luft der befiederte Pfeil, nach feindlichem Herzblut + Lechzend: er traf, und verwundete Ro und Mann in den Scharen, + Die aus der Steyermark herlenkte der tapfere Pfannberg, + Und jetzt Trautmansdorf beherrscht: da jener, verwundet, + Noch im luftigen Zelt des vielerfahrenen Arztes + Sorge sich fgt: voll Gier, in die Schlachtreih'n wiederzukehren. + Trautmansdorf ermahnete laut das treffliche Fuvolk + Und die Reiter zugleich, des vaterlndischen Ruhmes + Eingedenk', heut' in dem Feld' als mannhafte Streiter zu stehen. + Freudig gehorchte das Volk, + und im Sturmlauf ging's an den Feind jetzt, + Als, von der Armbrust her die befiederten Pfeile geschnellet, + Zischten. Dicht vorber dem Ohr des unglcklichen Vaters + Flog ein mordender hin, und verschont' ihn -- den zartesten Sprling, + Der ihm von zehn-und-vier noch blhete, niederzuwerfen. + Hinter ihm sank ein Reiter vom Ro'. Er hrt' es, und bebte; + Aber nicht sah er zurck, und rief des aufstrmenden Herzens + Angst bekmpfend, noch lauter sein Volk zum Kampf und Gewrg' auf. + Erdwin war's, der fiel, von dem Pfeil' im Halse getroffen, + Da in dem Sturmlauf jetzt die Halsberg' sich von der Schulter + Aufschob. Still, wie die Lilie sinkt, vom Hagel zerschmettert, + Sank er vom Ro', und, fallend, bath er mit sterbendem Blick noch, + Da kein Laut sein Geschick dem enteilenden Vater verrathe. + Trauernd gehorchten dem Wink die raschvorstrmenden Krieger. + Doch schon drang im beflgelten Ritt sein edler Erzeuger + Bis in die vordersten Feindesreih'n, + und schnell, wie der Blitz schlgt, + Warf sein schrecklicher Arm fnf Schtzen aus Reussen zu Boden. + Zamor, des Volkes Hort, ersah den Wrger, und alsbald + Jagt' er heran, den Tod der gefallenen Krieger zu rchen; + Aber ihm eilte nur muthiger noch der Ritter entgegen; + Fate noch fester den Griff in die Hand, und hieb mit des Schwertes + Tdlichem Stahl' ihm die hochgethrmete Mtz' und die Scheitel + Tief in die Stirn' entzwei, da er strzend vom Sattel hinunter + Taumelte, laut aufsthnt', und das blhende Leben verhauchte. + Ach, bald jammert die Gattinn daheim, die, heimlich im Busen + Ahnend ihr Trauergeschick, dem scheidenden Gatten den Sugling, + Schlummernd in lieblicher Unschuld wies, und die Knie' ihm umfate, + Flehend mit Thrnen im Blick, da er doch bei den Seinen verharre; + Aber umsonst! Ihn rief der ruhmverheiende Heerbann + Fort in das Feld, und er sank, erwrgt, + in dem schrecklichen Kampf jetzt. + Siehe, nicht rastete Trautmansdorf: er drngte die Schtzen, + Rasch fortkmpfend, zurck', und Blut bestrmte den Boden! + + Fern, vom gehgelten Sand', ersah der Fhrer der Kunen, + Suhol, der Eber genannt, dem Trentschins Gebiether den Herold + Sendete: da er ihm eine sein Volk, wie dort in dem Vortrab + Trautmansdorf vor allen zuerst vordrang mit den Reitern. + Das emprt' ihm die Brust, und, unbndigen Zorns, wie ihm stets noch + Jugendlichhei das Blut in dem leichtaufbrausenden Herzen + Kochte, schwang er sein Eisen zur Luft, und begann vor dem Volk so: + Seht, dort fechten sie schon, und trnken ihr Schwert mit des Feindes + Dampfendem Blut', -- erringen wohl auch sich die Beute vor andern, + Da wir, mig im Hinterhalt, des unsicheren Vortheils + Harren! Soll denn die Beut' und der Siegsruhm stets nur die Deutschen + Lohnen im Schlachtengefild? Stets sollen wir jenen zurcksteh'n, + Eng' in die Ordnung gebannt? Nicht also gefllt es dem Kunen: + Denn er schwrmt in dem Feld, wie ein brausendes Donnergewitter, + Frei umher, und erfllt es mit Angst, Verderben, und Jammer. + Auf, wir wollen hinaus, dem Feind' in die Seite zu fallen + Mit entsetzenverbreitender Hand! So holen wir Beut' uns + Selber, und Ruhm wird uns, die Sieger, nur herrlicher lohnen. + Alsbald gab er dem Rosse den Sporn, und es jagte sein Volk ihm + Dann im brausenden Flug rasch nach: umschwrmend das Huflein + Kunrings, und schnellend zugleich von dem weitgehrneten Bogen + Pfeile, so dicht, da rings sich in nchtliches Dunkel der Luftraum + Hllete. Bald traf hier, bald dort der befiederte Mordstahl + Reiter und Ro, und verwundete viel' in der nahenden Kriegsschar; + Doch als solches die Pfeile verscho, den entleereten Kcher + Und den Bogen, vereint, mit der Schnur auf den Rcken zurckwarf: + Da griff's rasch nach dem Sbel, + und hieb mit Gejauchz' in die Feind' ein. + Kunring hatte den Speer gesenkt; das unbndige Reitro + Links gespornt, und rechts, und die wildumschwrmenden Krieger + Niedergeworfen, bis ihm ihr Feldherr, Suhol, der Eber, + Seitwrts nahend im Flug, mit dem Sbel die Lenden durchrannte. + Alsbald sank er vom Sattel herab: die erschrockenen Krieger + Wichen zurck, und im Feld hin scholl Geschrei und Getmmel. + + Ottgar bebte vor Zorn, da er so, im beginnenden Kampf schon + Wieder die Gegner im Vortheil sah, und die Seinen im Feld hin + Flchteten. Sieh', da schwang sich, ergrimmt, der finstere Katwald + Aus den Lften herab, und rief im Geistergelispel: + Wehe, du schaust die Deinen besiegt, noch ehe die Gegner + All' ihr Schwert entblten, und eh' den ragenden Speer sie + Senkten zum Todessto'! Unglcklicher, willst du noch zaudern? + Whle sogleich die tapfersten dir aus des Heeres Geschwadern; + Fhre sie khn selbst vor, zu erwecken den Muth in dem Herzen + Aller umher: so erringst du vielleicht den herrlichsten Sieg noch! + Ottgar rief alsbald nach Lobkowitz, schreiend hinber: + Tapferer Greis, nun vor mit deinen geharnischten Reitern, + Hier den allentscheidenden Sieg mir heut zu erkmpfen! + Gro ist der Ruhm, den dieser mir beut; doch grer die Freundschaft + Noch, und die Liebe, die ich, dein Knig, dankbargesinnet, + Dir werkthtig bewies seit dreiig entflohenen Jahren. + Dessen gedenk' anjetzt, und vergilt mir mehr, als die Schuld war! + Dann entsendet' er dort an Zierotin, und den Herzog + Bayerns die Herolde: Muth und dauernde Kraft in dem Busen + Beider zu wecken, und hier entboth er, gewaltigen Ausrufs, + Selber die Khnsten im Heer', + und fhrte sie rasch in die Feldschlacht. + + Nicht entging es dem Blick des erhabenen Kaisers, wie tapfer + Trautmansdorf vordrang, und die strmenden Schtzen zurckwarf: + Freud' erfllte sein Herz; doch bald versiegte sie wieder, + Als der Kune so frech, der Willkhr frhnend, zum Angriff + Flog. Kein Sterblicher hemmte den Fels, der, rollend aus Alphh'n, + Schneller und schneller herab in das Thal + mit donnerndem Sprung fleugt: + D'rum geboth er auch jetzt, den edelen Rittern und Feldherrn, + Winkend, das Feldgeschrei. Urpltzlich ertnte der Aufruf: + Gott mit uns! im streichischen Heer', und Praga! zur Losung + Allentscheidender Schlacht, in dem bhmischen, lauter und lauter, + Durch drometenden Schall und den Lrm fortwirbelnder Trommeln, + Und in dem staubumwlkten Gefild traf Reiter und Fuvolk, + Ritter und Knappe zugleich in schrecklicher Eile zusammen. + Wie, herstrmend, der Donner rollt, da die Vesten des Erdballs + Zittern, ritt im Galopp mit den schwergeharnischten Reitern + Lobkowitz nher, und schlug der Kunen umschwrmende Scharen + Mordend zur Erd', als Suhol, ihr jngsterlesener Fhrer, + Sank vor seiner Gewalt, und, entmuthigt die andern entflohen. + Sieh', auch Trautmansdorf, von den Reitern entblt, und der Unzahl + Blogestellt, wich nun vor Lobkowitz! Aber dem Leu'n gleich, + Der, von unbndigen Rden verfolgt, noch hufig sich wendet, + Und noch manchen zerreit mit den schrecklichen Zhnen: so wies er + Ihm die muthige Stirn', da er fechtend die Scharen zurckzog. + + Meinhard warf sich zuvor rechts hin auf Heinrich, den Herzog + Bayerns: denn voll Kraft und verwegenen Muthes im Schlachtfeld, + Waren die Krieger aus Krnthen und Krain ihm gefolgt, und es strmten + Oestreichs Tapfere links, gefhrt von dem khnen Capellen, + Gegen die Sachsen vor, die Mansfeld, furchtbaren Grimmes + Wrgen heit. Da war, entlang die feindlichen Reihen, + Schrecklicher Mord, Wehklag', Aufjauchzen und Jammern zu hren: + Da zu schau'n das Entsetzliche: wie der erbitterten Gegner + Manche, schon nahe dem Tod, sich im Staub noch, wrgend, umfaten, + Und das Blut der Erschlagenen, gleich aufschumenden Bchen, + Wogte hinauf und herab in dem grau'numnachteten Schlachtfeld. + Bis an des Himmels Gewlb' empor die mittgliche Sonne + Sich erhob, die heut' ihr strahlendes Antlitz in Wolken + Hllete, wies die Vlkerschlacht, wie auf strmischer Meerfluth + Ein entmastetes Schiff, hinauf und hinunter im Kreis' treibt, + Sich im wechselnden Glck; doch jetzt gelang es dem Helden + Lobkowitz, rasch vorstrmend im Feld, der mittleren Heerschar + Obzusiegen. Sie wich nur langsam, und stellte sich wieder, + Gegen den Feind, erneut, die tdliche Waffe zu fhren; + Aber mit leuchtendem Blick und muthgertheten Wangen, + Sprengte der Knig das Ro von Reihen zu Reihen. Er schalt, bath, + Und bewegte sein Heer noch eilender vor in dem Blachfeld. + Jetzo hinan, so rief er, und schrie, da die Vlker erbebten, + Jetzo nur muthig hinan: denn Ottgar fhrt euch als Sieger! + Seht, wie Jene vor euch entflieh'n; fort, schmettert sie nieder! + Also braus'te das Wort, emprend, ihm von den Lippen. + Wie den nchtlich umwthenden Brand, der viele der Huser + Schon vernichtete, noch das Volk zu bewltigen hoffet: + Denn still ruhen die Lft' umher; doch pltzlich erhebt sich + Ein feindseliger Sturm, und unaufhaltsam hinunter + Wlzt sich von neuem der Strom des empreten Feuers: so strmten + Ottgars Vlker dahin, und drngten die Gegner im Blachfeld, + Immer rascher und rascher zurck. Ein Krnchen Gewichts mehr + Auf die Schale des Leu'n, und den himmelannahenden Rumen, + Seinem erkorenen Reich', entsank der Adler auf immer. + + Rudolph sah des Augenblicks kurzdauernden Zeitraum + Lang, bestrzt, umher, und ihm dunkelten nchtlich die Augen. + Deutschlands Ruh', und des Reiches Wohl, + dem, herrschend mit Thatkraft, + Er sich geweiht, ersah er von neuem gefhrdet, und allwrts + Wieder entfesselt die Wuth der grau'nverbreitenden Willkhr; + Doch bald schwang sich sein Geist aus der Erdennacht in des Himmels + Ewiges Lichtreich auf, wo ein mchtiger Helfer ihm lebte. + Schnell verlie er den Sattel, und lag auf den Knieen im Staub dort, + Laut aufrufend vor allem Volk mit gefalteten Hnden: + Ewiger, komm' uns, errettend, zu Hlf'! Ach, wende die Augen + Nicht von uns ab: denn nicht entzndeten, frevelnden Muthes, + Wir den blutigen Streit: nur unvershnlicher Rachgier, + Und zermalmender Wuth steh'n wir, abwehrend, entgegen! + Gib uns den Sieg! Ein Gelbd lebt mir, erhebend, im Herzen: + Denn ich schaue dein Heil, wie der erste der christlichen Kaiser, + Huldausstrahlend, vor mir: des weltvershnenden Kreuzes + Heiliges Zeichen, in dem ich den Sieg erringen, und dankbar + Ihm, zu verehrendem Dienst, fr immer und ewige Zeiten, + Stiften ein Gotteshaus, und zu ihm versammeln die Jungfrau'n + Werde zu Tulln, am Ufer der freihinrollenden Donau. + Sey dem Gelbd von dir, Allmchtiger, Huld und Erhrung! + Als er's rief, da fuhr ein leuchtender Strahl aus den Wolken, + Und erfllt' ihn mit Muth und Freudigkeit. Sieh', auf dem Lichtstrahl + Schwebt' ein Engel daher, und hie die Scharen der Geister, + Welche die Schlacht herab aus dem Uebersinnlichen lockte, + Flieh'n, da keiner im Kampf sich den Gegnern als Helfer erweise! + Alle gehorchten, und sah'n, umher in den Wolken sich lagernd, + Noch voll Gier auf die Streiter herab; nur einer aus allen, + Marbod, stand, und sann den Worten des bethenden Kaisers + Trauernd nach. Da erklang urpltzlich ein Ruf aus den Wolken. + Ha, sie rissen entzwei: Erwine, die liebende Gattinn, + Sank ihm, weinend vor Wonn', an die Brust. + Sie entschwebten des Erdballs + Dunkeln Gefilden, vereint, auf dem Sirius, der in dem Sternreich + Herrschet, im Lauf des vom Ewigen nur ermessenen Zeitraums, + Huldbeglckt, und des Erdenjammers vergessend, zu weilen. + + Aber mit leuchtendem Blick' erhob der Kaiser der Deutschen + Sich von dem Staub': ein Strahl der himmlischhohen Begeistrung + Glnzt' in ihm, und auf seinen gertheten Wangen. Betroffen + Staunten die Krieger ihn an; doch all' aufjauchzten mit einmal, + Als er das schnaubende Ro vortummelte, dann mit dem Schlachtschwert + Auf den nahenden Feind hinwies, und, ermuthigend, ausrief: + Gott ist mit uns! Eilt jetzt, gleich loderndem Feuer im Saatfeld, + Gegen den Feind; vertilgt ihm schnell die Haufen, und schafft mir + Heut' unendlichen Ruhm, da ich euerem Muthe vertraute. + Euer zugleich ist der Ruhm und der Dank noch sptester Nachwelt: + Denn wir kmpfen fr Deutschlands Glck, als Deutsche, der Ahnen + Werth, die, tapfergesinnt, sich nie im Joche des Fremdlings + Beugeten. Hrt, der Herr ist mit uns, und scheuet den Tod nicht, + Hier der heiligen Pflicht und des Vaterlandes gedenkend! + All' entflammte sein Wort: ein jeglicher Mann in den Reihen + Lechzte vor Gier, schnell vorzudringen im Feld', und zu sterben + Dort den Tod fr das Vaterland und die heilige Freiheit. + Aber nach Albrecht sah vor allen sein hoher Erzeuger + Mit bedeutendem Blick', und freudiger ging er im Schlachtfeld, + Hoch in der Linken die Kreuzesfahn', + in der Rechten das Schlachtschwert + Fhrend, ihm vor. Das Panier von Oestreich, als ihm des Greises + Arm ermattete, trug der hochgesinnete Kampfheld, + Lichtenstein, und die Reichsfahn' ihm der tapfere Markgraf + Hochberg vor in die Schlacht. D'rauf folgten die lteren Ritter + Ihm mit den Edeln aus Zrch, die, heute zu Rittern geschlagen, + Khn voreileten. Laut ermahnt' er sie noch mit den Worten: + Jnglinge, vor, und ahmt die Tapferen, die sich schon frher + Als die Meister im Feld' erprobten, jetzt in dem Kampf nach! + Jen' entgegneten jauchzenden Rufs: Wir halten dir Wort, Herr! + Und entfloh'n. Doch schnell vorstrmten die muthigen Scharen, + Die sein Erzeugter ihm warb in den rheinischen Landen, in Schwaben, + Und in dem Schweizerland, und die vor allen gewaltig, + Altgedient, und in jeder der Kriegsarbeiten erfahren, + Ihm auch heut' errangen den Sieg in dem Kampf der Entscheidung. + + So, wie der eiserne Keil, vom gewichtigen Hammer getrieben, + Den mit krftiger Hand im Gehlz aufschwinget der Lhner, + Krachend, entzwei den Stamm des hundertjhrigen Eichbaums + Spaltet, da rings umher die Splitter fliegen: so drang jetzt + Rudolphs raschgeordnete Macht in das feindliche Heer ein. + Kreischender rief die Dromete zum Sturm; die erregende Trommel + Scholl ergrimmter, und rings, und berall drngten die Fhrer + Mit gewaltigem Schrei den Krieger vor zu dem Angriff, + Da er noch heier entbrenne vor Gier: muthfest und entschlossen + Niederzuschmettern, was entgegen sich warf in der Feldschlacht, + Und entsetzlich war das Gewrg' in dem Waffengetmmel; + Doch, wie ein Felsendamm in dem waldumschatteten Weiher + Sich entgegenstemmt den Gewssern des thauenden Frhlings, + Unerschttert und fest: so stemmte sich, eiserngesinnet, + Ottgar hier dem strmenden Feind' entgegen, und wich nicht. + Stundenlang fortwhrete schon das tdliche Ringen + Tausender gegen einander im Feld! Den tapferen Bhmen, + Die in der Heerschar Lobkowitz lenkt', vereinte der Knig + Bayerns und Sachsens Macht, und fhrte sie selbst in die Schlacht vor. + Zahllos lag sein Volk, erwrgt, auf dem Boden; unzhlig + Warf auch er die Gegner, entseelt, in den Staub, und es ragten + Von den hundert, zuvor zu Rittern geschlagenen Zrchern, + Jetzo nur wenige mehr. Wie im hagelgetroffenen Saatfeld + Einzeln die Halme noch steh'n, die andern bedecken den Boden + Weit, zermalmt von dem sausenden Eis: so ragten auch hier nur + Einzeln die Helden noch auf, die aus Zrch gezogen; verwundet, + Oder todt, verlor sich im Feld das tapfere Huflein, + Niedergeworfen durch Ottgars Kraft und zerschmetterndes Eisen. + + Doch stets nher kam dem gewaltigen Knig des Todes + Dunkles Geschick. Bald sinkt er in Staub, all' irdischer Hoheit, + Macht, und Wrde beraubt, dem rmsten im Heere vergleichbar: + Denn zu entscheidender That aufboth der Edle von Tauffers + Nun die Schtzen Tyrols. Er drang im brausenden Schlachtfeld + Dort mit den khnen entsetzlicher vor, und, nimmer ermdend, + Spanneten sie die Sehn' an der Armbrust; legten den Pfeil an, + Zielten, und schnellten ihn fort in die Luft. Unhemmbaren Fluges, + Saus't er in Eile dahin, und traf stets sicher in's Leben: + Denn gewohnt ist das Aug' und die Hand tyrolischer Schtzen, + Mitten in Feindesbrust des Todes Geschoe zu senden. + Doch nun winkte der Held dem Gebtesten, der in den Gauen + Rings umher, im _Kreis_- so wie auch _Hauptschieen_ berhmt war: + Wenn Zielscheiben, erhht vor dem Thor' an festlichen Tagen, + Manchen des Schtzenvolks aufregeten, stets in der Mitte + Drben zu treffen, und stets zu erringen das Beste vor allen.[7] + Martin, so rief er ihm zu, sieh' hin, wie der Knig von Bhmen + Dort vortummelt das Ro in dem Feld', und unsere Vlker, + Jenem Unsterblichen gleich, der Pharao's Erstlinge tilgte, + Niederwirft! Versuche denn jetzt, ob, sausenden Flugs, nicht + Ein befiederter Pfeil, durch dich geschnellt von der Armbrust, + Ihn erreicht, und erlegt -- dir Lohn und auch Ehre gewinnet. + Jener entgegnet' ihm laut: Nicht geiz' ich nach Gold und nach Silber: + Zierlein nah', und nicht fern dem wunderlieblichen Innsbruck, + Ruht mein Haus an der Felsenwand, die hoch in die Wolken + Aufragt, reingezimmert erst jngst, und mit Habe gesegnet; + Doch so ich heute im Feld den blutgierathmenden Knig, + Oder sein Ro, mit dem tdlichen Pfeil durchbohrete: ha, da + Rhmt von der Martinswand mich noch die spteste Nachwelt! + D'rauf entsandt' er den Pfeil: er durchbohrte dem Rosse des Knigs, + Sausend, die Brust, da es auf in die Luft sich bumte, des Reiters + Ingrimm theilend; es sank auf den Rcken, und warf ihn herunter. + Wildes Getmmel erscholl um den Strzenden. Reisige schwangen + Alsbald sich vom Sattel herab, vor Gefahr ihn zu schirmen; + Doch erhob er sich schnell, und ermahnte, besteigend das Streitro, + Das ein Reiter ihm both, mit donnernder Stimme die Krieger: + Nimmer zu rasten vom Streit', und den herrlicherrungenen Vortheil + Rasch zu verfolgen: schon nahe dem Ziel des entscheidenden Sieges. + + Aber im Feld verhallte sein Ruf. Der furchtbare Keil drang + Vor mit zermalmender Kraft; vordrang, die Fahn' in der Linken, + Und in der Rechten das wrgende Schwert, des Kaisers Erzeugter, + Also auch Lichtenstein und Hochberg; also der Ritter + Glnzende Schar, und, vereint, der tapferen Schweizer und Schwaben + Siegsruhmdrstende Macht. Doch, als der erhabene Herrscher + Auch den Trentschiner entboth, mit den khnen, magyarischen Reitern + Einzubrechen im Sturm in die Seite des Feindes, und Meinhard + Dort, hier Otto von Meissau, gleich dem tapferen Helden + Trautmansdorf, ihr Volk vortummelten: siehe, da wankte + Ottgars Macht. Wie ein Wald an den schwer zu erklimmenden Hhen, + Losgewhlt aus dem Grund von innenaufschwellenden Wssern, + Erst nur langsam, nur zitternd sich regt; dann pltzlich zum Abgrund + Taumelt mit Erd' und Gestein, wild durcheinander geschleudert: + So, nach gewaltigem Kampf, dem entscheidenden, wankten, und strzten + Ottgars Vlker dahin; nachbraus'te der Feind, in dem Rcken + Rastlos wrgend, und st' ergrimmt die Leichen im Feld hin. + Allwrts war auch das blitzende Schwert des Kaisers zu schauen, + Und zu vernehmen sein Ruf, der vorwrts drngte die Scharen; + Dennoch verga er auch, mitten im Kampf, der verwundeten Krieger + Nicht; er hie mit gebiethendem Wink sie zurck, nach dem Rckhalt + Tragen, und dort der Sorgfalt kundiger Aerzte vertrauen. + Aber warum hlt er nun pltzlich sein feuriges Ro an? + Ach, ein Verwundeter streckt, mit lchelndsterbenden Augen, + Seine Rechte nach ihm empor, und ruft ihm ein Leb'wohl! + Matt, doch freundlich noch zu! Sein Mller, der tapfere Held war's. + Tief, zu den Mhnen des Rosses hinab, sank leise des Kaisers + Blsseres Antlitz: er sah mit starrendem Aug' in die Augen + Seines Getreu'n, bis, thrnenumhllt, ihm's dunkelte. Sthnend + Gab er dem Rosse den Sporn, und flog wie ein brausender Sturmwind + Dort nun wieder hinaus, wo am lautesten tnte der Schlachtruf. + + Wohlgeordnet, und schnell: denn Lobkowitz deckte des Heeres + Rcken, voll Heldenkraft mit den schwergeharnischten Reitern, + Zog sich Ottgar jetzt nach den mittleren Hhen von Spannberg + Aufwrts, dort dem Feind', erneu't die Spitze zu biethen: + Denn weit berwog an der Zahl, in dem Waffengemeng schon + Seine des Kaisers Macht, und siehe, noch stand in dem Rckhalt + Milota! Laut entboth er vor sich den muthigen Feldherrn, + Zierotin, und begann: Nicht kam uns zuvor in dem Schlachtfeld + Milota, selbstvorschauenden Blicks, zu Hlfe. Noch steht er, + Ungeschwcht, mit der Schar der tapferen Mhrer im Rckhalt; + Doch jetzt brech' er vor, und fall' in die Seite des Gegners, + Links anstrmend, da wir zugleich mit vereintem Vermgen, + Und unhemmbarer Kraft, auf den mittleren Haufen uns werfen. + Gro ist erst die Gefahr, so er sumt; ihm vertrau' ich: er eile! + Rief's, und im sausenden Flug fortsprengte der edele Feldherr. + Aber des Siegers Heer drang Ottgarn nher und nher. + Wie vom verwundeten Leu'n, so sehr er auch strebt, zu entkommen, + Sich die lautumbellende Schar gewaltiger Rden + Nicht mehr fernt; ihn, stets blutgieriger, treibt, und bedrnget, + Bis er, ermattet, sinkt auf den sandigen Hhen: so lie auch + Jetzt von dem Knig, im Kampf, nicht mehr der verfolgende Feind ab: + Denn mit flammendem Muth und unwiderstehlicher Thatkraft + Eilte, zum Siege gefhrt von dem tapferen Grafen von Nrnberg, + Schwabens Heldenvolk und der Schweiz gefrchtete Kriegsschar, + Rasch die Hhen herauf, und wthete dort in den Reihen + Khnabwehrender Gegner, vereint, mit gesenketen Lanzen, + Allvernichtend, umher. Entsetzlich erscholl das Getmmel. + + Ottgar sah im brausenden Feld den verhatesten Gegner, + Rudolph jetzt, voll Grimms, wie er schaltete: Reiter und Fuvolk + Drngend vor mit gewaltigem Wort', und das furchtbare Schlachtschwert, + De' Blitzglanz vom Blut nur tapferer Gegner verhllt war, + Aufschwang -- sah den Kaiser, und Wuth und unendliche Rachgier + Wandelte schnell sein Aug' in Feuer und Flammen. Er spornte, + Hemmte sein Ro dreimal, in dem wildumtobenden Schlachtgrau'n + Ihm die Spitze zu biethen, gesinnt; doch immer ergrimmter, + Brachen die Gegner heran (nur Lobkowitz stand in dem Kampf noch, + Gleich dem Felsen im Wogentumult) und zur Linken und Rechten + Wich sein Volk geworfen, zurck in dem stubenden Saatfeld. + Jetzo wandt' er das Ro, und forscht': ob Milota vordrang? + Denn nicht schien ihm verloren der Sieg, so er rasch in die Seiten + Strmte dem Feind. Doch, ach, was sah er, vor Staunen erstarret? + Staub flog auf im Gefild', und Milota jagte von dannen! + Ihm nachbraus'te die reisige Schar, und das mhrische Fuvolk, + Das er mit tuschendem Wort, dem Knig zum sichern Verderben, + Erst zu dem Rckhalt zog. Mit verhngtem Zgel, und fernher + Winkend, naht' auch Zierotin. Ihm folgten am Fu nur + Zween, der flchtigen Schar sich entreiende Brder: der Hanna + Fruchtbarem Land entsprossen die Edeln. Der Nahende sprach jetzt: + Herr, nicht knd' ich es, was dein Auge gesehen -- des Frevlers + Schnden Verrath! Hohnlachend vernahm der schndliche Mann erst + Dein gebiethendes Wort, dann rief er mit grimmigen Blicken: + Eile zurck zu dem Knige, sprich: so rche der Vater + Seine Tochter an ihm: er fahre denn, fluchend, zur Hlle! + Also der Rach' allein, nicht des Vaterlandes gedenkend, + Floh er mit jenen Verrthern davon, die er frher gewonnen. + Nur die beiden dahier mir eilten zum mchtigen Trost nach: + Zeigend, da noch in der Brust der Tapferen Ehr' und Gewissen + Herrlich sich eint, und dir die erlesensten Mnner noch treu sind. + + Ottgar sah nach den Zween mit bewegtem Gemth', und begann so: + La den Verrther flieh'n. Noch sind die erlesensten Mnner, + Also sprachst du mit Recht, mir treu. Nicht im dahlenden Frohsinn + Will das Groe gethan, das Gewaltige, spielend, vollbracht seyn: + Denn, ein leuchtender Blitz in des Lebens umnachteten Stunden, + Flammet es auf in der Brust, und wecket den Ernst und die Thatkraft. + Jetzt umnachtet auch uns die Gefahr; doch la uns, noch khner, + Dringen hinaus zu dem Tag', und so dort fallen im Licht nur! + Rief's, und spornte sein Ro, umschauend: ob er zur Linken, + Oder zur Rechten hinab es wende, die kmpfenden Scharen + Nun zu gewagter, die Schlacht urpltzlich entscheidender Kriegsthat + Anzufeuern, und so mit unwiderstehlicher Khnheit + Festzuhalten das wankende Glck, das sonst ihm getreu war. + Doch dort floh'n, gedrngt von den Shnen der Steyer- und Ostmark, + Bayern und Sachsen zurck; hier sank, an der Schulter verwundet, + Lobkowitz, er, der untad'lige Held, aus dem Sattel, und, schreiend, + Braus'te das reisige, gleich dem vorgedrungenen Fuvolk + Bhmens, herber im Feld, durch Meinhards Vlker geworfen, + Und gedrngt von dem Hort Trentschins, zur Flucht und Verwirrung: + Da in dem Kern des Heers ihn selbst der edelen Ritter + Glnzende Schar, und, vereint, die tapferen Schweizer und Schwaben + Nher und furchtbarer stets bedroheten, horchend des Kaisers + Schlachterregendem Ruf' in dem wildemprten Getmmel. + + Mansfeld erst, dann Zierotin, die Scharengebiether, + Jagten herber im Feld', und riefen dem Knig: Entfliehe! + Aber er sah, voll Wuth, nach den Rufenden; fate sein Schwert noch + Fester zur Hand, und begann: Wer sprach ein schmhliches Wort aus? + Nichts von Flucht mir gesagt! Ich lebt' als Knig, und sterben + Werd' ich als solcher, dem Feinde zum Trotz, auf dem Felde der Ehren. + Mir nach, wem sie noch werth im rhmlichen Leben und Tod' ist! + Wie der gewaltige Leu' sich wthenden Tigern entgegen + Wirft in des Abends Grau'n: die hochaufstrubenden Mhnen + Flattern mit Sturmes Weh'n um den Nacken ihm; dunkelgerthet + Funkeln hervor aus den tiefgesenketen Brau'n ihm die Augen, + Als er naht mit Gebrll, dem so, wie dem rollenden Donner, + Drnt das Gefild, und peitschend sich mit dem buschigen Schweifhaar + Beide Seiten, sich selbst entflammet zur Wuth: da erliegen + Links, rechts ihm, zerschmettert zugleich, die umdrngenden Gegner: + Also warf sich auch er vor allen den Rittern entgegen, + Da ihm noch ein', und der andere dort, streichischen Blutes, + Fiele durchbohrt: denn fest bewahrt' er den Ha noch im Busen. + Jene, erregt von dem stachelnden Wort, nachjagten ihm brausend. + + Sieh', ihm ritt, tollkhn, der jugendlich blhende Ritter + Falkenberg, in den Weg, den oft sein strenger Erzeuger + Heimlich und offen gestraft, ihn zu bndigen; aber vergebens: + Denn er qulte die Menschen und Thier', und beherrschte des Herzens + Unmuth nicht, der stets zu gewaltsamen Thaten ihn hinri. + Ottgar jagte das Ro dem Nahenden seitwrts vorber; + Schwang sein Eisen, und hieb im Flug mit unbndiger Kraft ihm, + Sausend, den Helm und die Scheitel entzwei: er strzte zum Boden. + D'rauf erreichte sein Schwert auf dem Todespfade den Helden, + Dietrichstein. So schnell, so kundig der Tapfere vordrang, + Ihn mit gesenktem Speer' aus dem Sattel zu heben, so kam ihm + Ottgar doch, verderbend, zuvor, und bohrte den Mordstahl + Ihm durch Harnisch und Wamms in das muthvollschlagende Herz ein + So, da er lautlos, bleich, entseelt, an dem Rosse herabsank. + Jammern werden daheim die zartaufblhenden Kinder + Da er, schon frhe der Gattinn beraubt, ein liebender Vater, + Oft auf den Armen sie trug, und so mild, so freundlich und gut war. + + Schnell, zu rchen das Blut der Erschlagenen, blitzten auf Ottgar + Jetzt unzhlige Speere heran. Da brausete pfeilschnell + Otto von Meissau vor, von dem Herrscher gesendet, und schrie laut: + Ritter, schont den Gesalbten des Herrn: so geboth es der Kaiser! + Rief's; doch jener ergrimmte noch mehr, und spornte sein Streitro + Mitten unter die Schar (zu sterben entschlossen) den heien, + Glhenden Durst nach Rach' im Blute der Feinde zu lschen. + Jetzt umgab ihn des Todes Grau'n. Die furchtbaren Ritter, + Merenberg, die, beide mit nie gesttigter Blutgier + Nher und nher herbei an die Seite des Knigs sich drngten, + Sorgend: er beuge sich dort, ein Gefangener, oder er falle + Andern, nicht ihren, durch Ha zur Rache bewaffneten Hnden, + Sprengten dicht vor ihn hin; erffneten, schnaubend vor Mordlust + Ihren geschlossenen Helm, und der ltere rief ihm noch laut zu: + Sieh', gleich Rachegeistern, vor dir die furchtbaren Brder, + Merenberg -- ein Nahme, der dich zur Hlle hinunter + Schleudert! So fahre denn hin, Unmenschlicher, stirb, und verzweifle! + Ha, und sie bohrten den schneidenden Speer mit wildem Gejauchz' ihm, + Beide zugleich, in das Herz (ihm fest in die sterbenden Augen + Schauend) und also, voll Hast, mit stets emprterem Ingrimm, + Zwlfmal noch in die tapfere Brust, in den Hals, und den Rcken, + Bis er, von Wunden bedeckt, hinsank, und das Leben verhauchte. + + Wthender flog in dem Feld dem Besiegten das siegende Heer nach; + Aber vor allen das reisige Volk der Magyaren und Kunen, + Heute zu einem vereint, und gehorchend dem tapferen Helden + Von Trentschin, der stets den Flchtenden, mordend, im Rcken + Lag, und das Land umher mit unzhligen Leichen bes'te. + Rastlos fort g'en Schrieck; dann weiter und weiter von Asparn + Bis g'en Laa, der ummauerten Stadt, nachjagten die Ungern + Ottgars fliehendem Heer', und, wo sie dann der Verfolgung + Endlich setzten ein Ziel, wird heute zu Tage das Dorf noch + Ungerndorf genannt: dem Heldenvolke zum Denkmaal. + Siehe, die Wolken entfloh'n; der Geister unzhlige Scharen + Brauseten, lautaufjubelnd, davon, und die scheidende Sonne + Sah von dem Abendthor, verklrt, auf des Sieges Gefild her! + + + + + Zwlfter Gesang. + + + Schauerlich irrt durch Nacht und Grau'n ein zitternder Lichtstrahl + Ueber das schweigende Schlachtfeld hin. Nicht lang', und es folgen + Ihm unzhlige nach; viel hundert Fackeln erhellen + Bald die Gegend umher: ihr Schimmer, vom Winde gefchelt, + Wogt (entsetzlich zu schau'n!) auf den bleicherstarreten Leichen + Tausender blitzschnell fort, und erfllet die Seele mit Wehmuth. + Doch wen suchen, voll emsiger Hast, die furchtbaren Mnner + Jetzo, schreitend umher, in den weiten Gefilden des Todes? + Ottgarn! Sieh', und bald verkndete drben ein Hgel + Rings um ihn her erschlagenen Volks, wo er muthig im Kampf sich + Wehrete, bis er, durchbohrt, den Rachebrdern dahinsank! + Dorthin wandelte, schweigend, der Zug; die leuchtende Flamme + Wies ihn: erkennbar leicht, obgleich entblt von des Heeres + Plnderndem Tro, wie er lag im finsteren Kreise der Leichen, + Mit den heruntergezogenen Brau'n, und den Lippen, zum Bogen + Eingekrmmt vor Zorn: denn selbst mit des schwindenden Lebens + Letztem Hauch, da ihm schon aus dreizehn Wunden das Blut rann, + Whnet' er noch: er habe gerecht bestraft den Verrther, + Den so feig, so unedel jetzt die schrecklichen Brder + Rchten: zur Wuth emprt von der langgenhreten Blutgier. + + Aber des Fhrers Ruf erscholl, und der stattliche Wagen, + Schon mit der Leiche des Knigs beschwert, + und verhllt mit dem Bahrtuch, + Folgte, rasselnd, dem Zug sechs glnzender, feuriger Rappen, + Die zum eng'gemessenen Schritt mit Mhe der Rowart + Bndigte. Sieh', da trug der weitgefeierte Snger, + Horneck, leise die Harfe herbei. Ihm rollten die Thrnen + Ueber den grauenden Bart in den Busen herunter, und schweigend + Starrt' er nach Ottgar hin; dann hob er den Klagegesang an: + Weh', da liegt er entseelt, der einst gewaltige Knig! + Tausende blickten auf ihn, und es drngte der eine den andern, + Glhend vor Hast, so er rief; nun ist er verlassen: es horcht ihm + Keiner der Emsigen mehr. Wie staunt', und bewundert' ihn Jeder + Sonst, da er noch zu dem Knigsthron, von Edelgesteinen + Schimmernd am gold'nen Gewand', aufschritt: + nun wandten sie, schaudernd, + Von dem Nackten sich ab, den kaum das krgliche Gras barg! + Ha, wo weilte der Arzt, dem Vergehenden Labsal zu reichen? + Waren nicht seidene Kissen zur Hand, nicht schimmernde Decken, + Ihn zu erwrmen, und ach! nicht scholl aus dem Munde der Gattinn, + Kinder, Verwandten und Freunde umher, ein trstendes Wrtchen, + Ihm zu erheben das Herz? Verlieen im Kampfe die Streiter + All' ihn? Wie, nicht einer der Tapferen kam, ihn zu schirmen? + Welt, Welt, so ist dein schnder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren, + Der dir, falschen, vertraut! Erst biethest du lieblichen Honig + Mit bethrenden Worten ihm dar; dann wandelst du pltzlich + Solchen in furchtbares Gift: er saugt Verderben und Tod ein. + Also erging es auch hier dem Knige. Frsten, bedenket + Sein Geschick! Handhabt die Gerechtigkeit, schtzet das Recht nur; + Seyd durch Tugenden gro, durch Wohlthun herrlich und geizet + Nach dem Lohne der Welt nicht allein: vor Gott ist er eitel! + Ottgar, ach, er geizte nach ihm! Die, prahlend, geschworen: + Auszuhalten bei ihm im Leben und Tode -- wo sind sie? + Einsam sinkt er jetzo hinab in des Todes Behausung. + Welt, Welt, so ist dein schnder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren, + Der dir, falschen, vertraut: + denn nichtig entschwebt ihm das Leben![1] + So wehklagte der edele Greis. Ihm horchten die Krieger + Alle mit pochender Brust, den Trauerwagen umstehend, + Und erhebend die Fackeln zur Luft, die, flatternden Schimmers, + Ottgars finstere Stirn' erhelleten. Jener entzog sich + Ihren Blicken, und wanderte dann auf dem nchtlichen Pfad fort. + Doch sie schlugen behend', als solches der Fhrer gebothen, + Ueber die Leiche das Bahrtuch her. Die schnaubenden Rappen + Trieb der Rowart an, und sie trabten, gehaltenen Schrittes, + Von den Kriegern umschart, g'en Wien, die herrliche Stadt, hin. + + Dort scholl freudiger Lrm dem kommenden Morgen entgegen, + Als, dem Sieger zum Ehrenempfang', in geschftiger Hast sie, + Durch die dunkele Nacht sich schmckte mit festlichen Krnzen: + Denn vor dem Thor, das sich nach Krnthen dem Wanderer ffnet, + Sollte von Laubgehlz' ein Siegesbogen sich heben, + Hochgewlbt, und geziert mit schimmernden Bndern, und oben + Rufen die goldene Schrift ein Lebehoch! dem Befreier, + Der von der Stadt und dem Land' abwehrt' unendlichen Jammer; + Oestreichs Herrscherthron fest grndete; dauernden Frieden + Deutschlands Gauen errang, und ein Ziel aufsteckte der Willkhr, + Die sich gefiel im Raub', und in all' den Grueln des Faustrechts! + Auch die Straen entlang, erhoben sich, dicht vor den Husern, + Lieblichgrnende Reiser zur Luft; buntschimmernde Blumen + Hauchten Wohlgeruch her auf die Bahn, die, erkoren dem Sieger, + Durch die Stadt sich wand, und zahllos wogten die Fahnen + Oestreichs rings von dem Wall' und den ragenden Thrmen im Wind hin. + Also schmckte sich jetzo die Stadt, wie die blhende Braut sich + Schmckt an dem Morgen des Tags, + der sie eint mit dem Lieben auf immer. + + Hinter des Ostens dmmerndem Thor' entfaltete jetzo, + Neuverjngt, der Tag die Fittige: weit sich erstreckend + Hoben sie fchelnd sich auf, und wehten den glhenden Schimmer, + Der sein Rosenlager umfing, empor an dem Himmel; + Doch sie weckten zugleich des sanftumschmeichelnden Frhwinds + Khligen Hauch. Er kam aus des suselnden Waldes Umlaubung + Ueber die blumigen Matten heran; verbreitete ringsum + Balsamduft, und erfllte mit Lust die erwachende Schpfung. + Zwitschernd regte die Schwalbe sich schon im Nest mit den Jungen, + Das sie im Lenz' erbaut' an dem Mauergesimse des Hauses; + Auch umgirrete laut die Taub' in dem Schlag', und der Hahn rief + Schmetternd darein, als drauen vom Feld, + von dem Hain', und dem Hochwald + Bis in die bluliche Luft empor das Getne sich mehrte. + Jetzt von des Himmels Rand, dem Rosenlager entschwebend, + Hob die herrliche Sonne sich auf; umhllte die Berghh'n, + Huser und Thrme der Stadt mit rthlichem Duft', und entflammte + Hier die Fenster zu Gold, und dort auf den blhenden Matten, + Unermelich umher, den Thau zu blitzenden Perlen. + Doch bald schwang sie, verklrt, sich empor: den wlbenden Himmel + Trbte kein Wlkchen, und rings auf dem lichtumflossenen Erdkreis + Scholl ein Wonnegejauchz, dem schnsten der Tage zur Feier. + Aber schon zogen den Weg nach dem Kreuze der Spinnerinn, eilig, + Krieger zu Fu und zu Pferd in gesonderten Haufen, und weithin + Blitzten im Sonnenschein die hellgegltteten Waffen-- + Blitzte der Harnisch und Helm der Tapferen, die, von dem Schlachtfeld + Kehrend, zum Siegseinzug' auf dem sanfterhobenen Berg sich + Sammelten, wie es der Herrscher geboth. Mit grnenden Reisern + Waren die Helme geschmckt, behangen mit Krnzen die Rosse; + Laut scholl Jubel die Scharen entlang: denn frhliche Weisen + Sang der Krieger; sein Ro ihm wieherte d'rein; die Drometen + Schmetterten, Zink' und Pauk' erklang, und die wirbelnde Trommel + Rief das verworr'ne Getn zum allerfreuenden Einklang. + + Sieh', und es lief unzhliges Volk aus der Stadt und vom Land her, + Nach der Strae hinaus, auf welcher die Tapferen kamen: + Alle mit Angst in der Brust, bis sie in den frhlichen Reihen + Ihre Lieben ersah'n! Da scholl (erschtternd zu hren!) + Jauchzen empor; da bog sich mancher vom Sattel herunter: + Einer umhalste den Freund, ein andrer den Sohn, und ein dritter + Reichte dem grauenden Vater die Hand, der grauenden Mutter, + Oder der Braut, die thrnenden Blicks, ihm lchelte, sprachlos! + Aber es trat nun hier, nun dort mit erblassendem Antlitz + Auch der unglckliche Mensch aus den lautaufjubelnden Scharen: + Denn nicht hatt' er die Lieben erseh'n, und dem Fragenden tnte + Schrecklich der kurze Bescheid: Er fiel, und kehret nicht wieder! + Feldeinwrts ging dort ein zartaufblhendes Mdchen, + Ringend die Hnde mit schwerem Gesthn; hier sa an des Grabens + Rand der Vater: er sah in die Tiefe hinab, und die Mutter + Prete den Arm mit der Stirn' an den Baum, + und schluchzte vor Herzleid. + Aber der schwellende Ruf des Entzckens dmpfte des Wehes + Schnellverhallenden Laut, und unendlich erscholl das Getmmel, + Als dem festlichen Kreuz der Spinnerinn jetzo der Kaiser + Nahte mit hehrem Gefolg: denn Ladislav, der Magyaren + Blhender Knig, ritt, hellschimmernd von Gold, ihm zur Rechten; + Ihm zur Linken sein tapferer Sohn, der jngst in der Feldschlacht, + Muthentflammt, vortrug der Erlsung heiliges Zeichen, + Und ihm folgten, erwhlt, des Heers siegstolze Geschwader + Nach auf den Wienerberg, der unter den Drngenden bebte, + Und in dem Waffengeblitz erschtternd dem Auge zu schau'n war. + Jetzt umgab er sich dort mit dem kaiserlichprangenden Mantel; + Setzte den Helm, an welchem umher der goldene Kronreif + Schimmerte, sich auf das Haupt; entblte den Degen, und hob ihn + Auf zum ersehneten Wink'. Alsbald bewegte das Heer sich + Im Geleite des Volks nach Wiens aufjubelnden Mauern. + Sieh', ihm eilten die Ritter vor mit den Reisigen Ungerns-- + Jenen der Ost- und der steyrischen Mark: von den Heldengebiethern + Angefhrt, und vereint um die ruhmgekrneten Fhnlein! + Aber ihm folgten dann die muthigen Schweizer und Schwaben + Und die Tapfern aus Krnthen und Krain mit den khnen Tyrolern. + Wie der Alpenbach, vom Regen geschwollen, sein Bette + Pltzlich verlt, und quer von des Bergs Abhange sich strzet, + Endlos ber die Matten hin die Fluthen ergieend: + So fortwlzte sich schnell das Heer; stets nher erscholl ihm + Festlicher Glocken Getn' und des Volks auftobender Jubel. + + Auer dem Krnthner Thor, wo ein Siegesbogen erhht war, + Standen die trefflichen Brger vereint. Ihr Meister, erkoren + Durch gemeinsame Wahl an Waldrams Stelle, des falschen, + Eilte heran, den Zug des erhabenen Kaisers zu hemmen; + Both auf dem Becken von schimmerndem Erz, die vergoldeten Schlssel + Wiens, ihm huldigend, dar, und begann die Rede mit Ehrfurcht: + Heil dir, Oestreichs Herrn, dir edelstem Kaiser der Deutschen! + Mgest du heut, wo dir, dem Retter, die jubelnde Stadt Wien, + Festlichgeschmckt, entgegeneilt mit verlangenden Armen, + Nicht gedenken der Schuld entflohener Tage -- des Herzens + Deiner Getreuen gewi! Nun herrsch' im Segen des Himmels + Ueber dein glckliches Volk, und vom Thron, den du auf dem Grundstein + Heiliger Religion, Gerechtigkeit, Tugend erhhtest, + Dein erhab'nes Geschlecht an der Zeiten entferntestem Ziel noch! + Sagt' es, bewegt; doch schnell entgegnete jetzo der Kaiser: + Ihr Getreu'n, habt Dank fr des Herzens enthllte Gesinnung! + Gndig willfahre mir Gott in dem Wunsch, da ich grnde die Wohlfahrt + Fern in die Zukunft noch der guten und trefflichen Vlker, + Die er mir anvertraut! Mein Glck ist das eure fr immer! + Pltzlich entstrzt' ein heller Strom von Thrnen den Augen + Aller umher: denn rings erscholl, von Tausender Lippen + Brausend, ein Lebehoch! und mehrte sich, jubelnden Lautes, + Dort die Straen entlang, die, erkoren dem festlichen Einzug, + Schimmerten. Jetzt durch's Thor und die Strae Karinthia's trug ihn, + Stolzvorschreitend, das Ro, und aus jeglichem Fenster ertnte + Huldigung, wo, bekrnzt, die zartaufblhenden Jungfrau'n-- + Frau'n im glnzenden Schmuck', ihr schneeiges Tuch in die Lft' auf + Schwangen, und jauchzten empor mit hellerklingender Stimme. + Doch, aus dem wimmelnden Volk vordrngten jetzt, wie verjngt sich + Wankende Greis', ihn zu seh'n, und zu segnen. Die Vter und Mtter + Hoben ihr lallendes Kind auf den Arm; sie falteten erst ihm + Freundlich die Hndchen, und zeigten ihm dann den Herrlichen drben, + Da es des Tages noch oft im sptesten Alter gedenke! + Sieh', und nicht trockneten mehr dem erhabenen Kaiser die Augen + All' die Straen entlang, da er links, und rechts, in dem Siegszug + Dankte dem jauchzenden Volk mit oft erhobener Rechten. + + Also im Freudengeschrei unzhliger Meng', in der Glocken + Festlichem Klang', und der Pauk' und Dromet' emprterem Jubel, + Zog er entgegen dem Rothenthurm, und lenkete jetzo + Ueber den schimmernden Hohenmarkt nach dem prchtigen Hof ein; + Dann nach der Freiung hinab, und, dem Schottenkloster vorber, + Durch die Herrngass' fort nach dem breitaufragenden Graben, + Bis er am Riesenthor des unendlichen Doms aus dem Sattel + Eilig zur Erde herab sich schwang. Sein mchtiger Gegner, + Ottgar, Oestreichs Herrscher vor ihm, vollbrachte des Domes + Herrlichen Bau, da er einst zerstrt von den Flammen, + im Schutt lag.[2] + Dort reicht' ihm der oberste Hirt der Gemeinde, vor allen, + Festlichgeschmckt, im Kreise der Priester geweihetes Wasser + Sanft mit dem Sprenger dar; dann schwang er das duftende Rauchfa + Dreimal ihm entgegen, und ging, beginnend der Lieder + Herrlichstes: Gott, dich preisen wir! zum erleuchteten Altar, + Singend, vor ihm einher, und Tausende sangen das Lied nach. + Aber, als in dem wlbenden Raum des unendlichen Domes + Rings umher des Gesangs allletztes Suseln verhallt war, + Knie'te der Kaiser noch hin, und bethete, heiliger Andacht + Voll, am Altar', im Kreise der ruhmgekrneten Feldherrn. + Staunend sah ihn das Volk; doch hingen mit inniger Wehmuth + Auch an Trautmansdorf, dem Helden, viel Tausender Augen, + Der, von dem schimmernden Kreis' entfernt, auf die Kniee gesunken, + Beugte das grauende Haupt mit gottergebenem Herzen. + Bald umhllten ein jegliches Aug' untad'lige Thrnen: + Dort den Mann mit dem schneeigen Haupt so einsam zu schauen, + Der noch jngst, umringt von blhenden Shnen einherging: + Froh der gewaltigen Schar! Nun stand er allein und verlassen, + Wie der verdorrete Stamm in dem Wald', um welchen die Windsbraut + All' die frischen umher mit lautem Gekrach' in den Staub warf. + + Thauenden Blicks, trat jetzt von den heiligen Hallen der Kaiser + Wieder heraus, vor dem Riesenthor zu beginnen den Heimzug + Nach der erhabenen Burg. Doch sieh', welch' tiefes Erstaunen + Unter dem Volk? Schnell theilt es sich links und rechts in den Straen + So, da der Bahre, von sechs lautschnaubenden Rossen gezogen, + Raum sey, frder zu zieh'n bis hin zur Pforte des Domes. + Schmerz ergriff die Brust des beseligten Siegers. Er starrte + Lang' nach dem Trauerflor, und dem leich'umhllenden Tuch hin, + Und erwog im Gemth: wie mchtig der Todte noch gestern + Gegen ihn stand, der heut', erstarrt, all' irdischer Hoheit, + Kraft, und Streitlust bar, dort unter der finsteren Hlle + Ruhete! Dann begann er fr sich mit rhrendem Laut so: + Ottgar, lebtest du noch, und herrschtest im Frieden, der Rachgier + Wthenden Sturm in der Brust besnftigend; heiteren Blickes + Wrdest du seh'n: nie hat' ich dich, und im redlichen Busen + Strebte die Herz, voll Liebe, dem deinen entgegen zu schlagen! + Ruhe denn jetzt im Schoo des Allerbarmers auf immer! + Sagt' es, und hie die Leich' auf dem trauerumhlleten Wagen + Fort nach dem Schottenkloster hinab mit Wrde geleiten, + Wo sie ruhe, bis ihr, nach der Seelenmess' und dem Bupsalm + Werd' ein Grab mit dem ehrenden Stein, an heiliger Sttte. + Doch wer drngt sich hier, voll Ungestmm, vor aus den Scharen? + Lobkowitz kam, erblat von der Wunde zugleich, und dem Herzleid + Ob des erschlagenen Knigs und Freunds, in Eile herber, + Fhrend an zitternder Hand das holdaufblhende Shnlein + Ottgars, Wenzeslav, der einsam in Drsing zurckblieb. + Ach, er harrete dort des Vaters, in frhlicher Unschuld; + Aber nicht kehrt' er ihm mehr, und, verwais't in der zartesten Jugend, + Mit er die krftige Hand, die ihn leitete, seines Erzeugers! + Groes beschlo alsbald der treffliche Greis, und, dem Kaiser + Jetzo genaht, vordrngt' er das Kind, und sprach in das Ohr ihm: + Geh', und umfass' ihm die Knie' mit festgeschlungenen Armen, + Da er dein sich erbarme mit Huld, und die Leiche des Vaters + Frei gewhre zum Trost den Unglcklichen, die er zurcklie; + Dir zum Ruhm, wenn einst auf vaterlndischem Boden + Du ihm erhhst das ehrende Maal, und zur Zierde dem Land dort, + De gewaltiger Held, und erhabenster Frst er gewesen! + Fasse nur Herz: nicht hartgesinnt erweis't sich der Kaiser + Dir: als Vater das dunkle Geschick der Kinder bedenkend. + Ottgars blhender Sohn gehorcht' ihm: er strzte zu Rudolphs + Fen; umfat' ihm die Knie', und rief erschtternden Lautes: + Mildgesinnt, so sprachen sie all', ist der mchtige Kaiser, + Dem ich hier auf den Knie'n, und mit thrnenerflleten Augen + Rufe: erbarme dich mein, des Verwaiseten; lasse des Vaters + Leich' uns frei, der dir erlag in der schrecklichen Feldschlacht! + Hast ja auch Kinder, und sie erfreu'n sich des liebenden Vaters + Noch, der, machtbegabt, sie schirmt, und zu Ehren erhebet. + Aber, o, mich Unglcklichen: denn des Vaters beraubet, + Welcher so hold mir war, vermiss' ich die mchtige Hand jetzt, + Die mich hatte gefhrt auf des Lebens unsicheren Pfaden! + Dennoch wird sein Grab im vaterlndischen Boden, + Der sein theures Gebein bedeckt, und der redende Denkstein + Mir erfllen die Brust mit Trost, und mit Strke sie waffnen; + Stillen den Schmerz der Mutter um ihn, und erheben des Volkes + Sinkenden Muth, das stets, in Treu' ergeben, ihm anhing. + Doch der erhabene Kaiser schwieg, mit sinnenden Blicken + Ueber den Jngling gebeugt, und das Volk dort weinete ringsum. + Hre des Sohnes Fleh'n, begann jetzt Lobkowitz finster, + Himmelan hebt sich dein Ruhm: nicht bedarf er des ehrenden Denksteins + Hier, der, rhmend, von Ottgars Grab verknde der Nachwelt, + Welchen Gegner du einst im Felde der Waffen erlegt hast. + Allwrts preis't dich die Welt gromthig und edel: als solchen + Sollst du auch ihm dich erweisen -- wo nicht? + so tuschte dein Ruf nur: + Denn unziemlicher Ha g'en Ottgar fllet dein Herz noch. + Rief's emprt, und bermannt von unbndigem Herzleid. + Alle staunten umher; doch zrnte dem eifernden Alten, + Welcher so edel gesinnt, und zugleich so tapfer im Feld war, + Rudolph nicht. Voll Rhrung erhob er nun den Erzeugten + Ottgars, der erneut ihm die Knie' umschlang, von dem Boden, + Herzt' ihn vor allem Volk', und begann mit erheitertem Antlitz: + Sey getrstet, mein Sohn! Nicht sann ich, vor Trauer verstummend, + Dir ein kostbares Unterpfand zu entreien: denn alsbald + Geb' ich es frei. Auch fhre zugleich mit dem tapferen Helden, + Lobkowitz, dich der Fllensteiner im Ehrengeleit heim. + Zieh' dann schnell g'en Prag mit der Leiche des theuern Erzeugers, + Sie zu bestatten mit wrdiger Pracht, und zu weihen ein Denkmaal + Ihm, der, herrschend mit Kraft und mit vielumfassender Weisheit, + Rastlos seines unzhligen Volks Gedeihen und Wohlfahrt + Frderte. Doch, nun komm'! Ich will ein Vater dir werden, + Wie ich's zuvor beschlo im Gemth', und im Segen des Himmels + Mge der sprossende Keim noch herrliche Frchte dir bringen. + Sagt' es mit freud'ausstrahlendem Blick', und als er, gewendet, + Fate des Rosses Zaum mit der Linken, hinauf in den Sattel + Sich zu schwingen, da both er zugleich dem staunenden Helden, + Lobkowitz, schnell die Rechte zum Gru mit den freundlichen Worten: + Khner, du stand'st mir zwar gar feindlich entgegen, und dennoch + Sagt mir das Herz: wir scheiden noch bald, als Freunde fr immer! + Jener dankt' ihm d'rauf mit thrnenumflossenen Wimpern, + Schweigend; aber es quillt ein Dank aus den schimmernden Thrnen, + Den im schwellenden Strom der Worte die Zunge nicht ausspricht. + Solches gewahrete nun der Kaiser, erfreuet, und schwang sich + Rasch auf das Ro, den Siegeszug in der Burg zu vollenden: + Denn mit jubelndem Ruf fortwogten von neuem die Scharen. + + Jetzt, in dem weitumschlossenen Raum der mchtigen Hofburg, + Wies sich dem Volk' ein Schaugerst, der Sichel des Mondes + Aehnlich an Bogengestalt, erhht, und mit Purpur behangen. + Vierzehn Stufen empor, in stets verengteren Kreisen + Hob sich der herrliche Bau, und zuhchst, auf dem oberen Feldraum + Stand, hellschimmernd, des Herrschers Thron, an welchem zur Linken, + Und zur Rechten, gar zierlich geschmckt, zwei Sthle von Purpur + Glnzten. In drngender Hast erfllte sich eilig die Hofburg. + Freudiger Lrm erscholl, als die Rosse, der Reiter entledigt, + Wieherten, heim durch die Menge gefhrt, und in stattlicher Hoheit + Rudolph nun mit Gefolg zu dem glnzenden Throne hinaufschritt; + Dort sich Ladislav, den Knig der Ungern, zur Rechten-- + Wenzel, den Sohn des getdteten Horts der Bhmen, zur Linken + Sitzen hie, und das Volk mit freundlichem Winke begrte; + Doch ein schmetternder Laut der Dromete geboth in dem Hofraum + Schweigen, und Stille ward, da der Hauch des athmenden Busens + Hrbar flog, und umher die Stimme des Kaisers vernehmlich + Tnete, da er die Recht' erhob, und also zum Volk sprach: + Seht uns am Ziele, mit Gott! Vollbracht ist die That, und das Opfer, + Das aus dankbarer Brust zu dem Ewigen heute sich aufschwang. + Ach, gar drftig erscheinet das Wort! Wie sollen wir wrdig + Danken dem Heer', das uns den Sieg errang in der Feldschlacht? + Wie dem erlauchtesten Knige, der als helfender Freund, uns + Einte sein tapferes Volk im allentscheidenden Zeitraum? + Nicht vermchten wir das! Doch ihn, den Knig der Ungern + Schlieen wir heut' an Sohnesstatt, wie er selbst es ersehnet,[3] + Freudig an's Herz, und geloben ihm Schutz und Freundschaft fr immer. + Wohl bezeugt uns der Herr: Wer hat, dem wird noch gegeben! + Also auch wir, von Gott mit Kindern gesegnet, erkiesen + Heute der Shne noch mehr -- denn hrt: den theuern Erzeugten + Ottgars einen wir auch, als solchen, in liebender Sorgfalt + Bald mit unserem Blut: ihm Gutha, die Tochter, verlobend, + Die uns die jngst' erblht aus den Tchtern, + voll lieblicher Unschuld! + Jetzo drckt' er zuerst den Knig, und d'rauf den Erzeugten + Ottgars rasch an die Brust, und unendlich jauchzte das Volk auf. + Aber der Knig erhob sich vom Stuhl', und sagte voll Feuer: + O, gesegnet fr immer der Tag, der, freundlichen Anblicks, + Dich als Bundesgenossen mir wies! Der brausenden Jugend + Jahr' umgaukelten mich noch jngst im verwirrenden Schimmer; + Aber du kamst: wohl nenn' ich dich Vater mit Recht, und ich fhle + Mich urpltzlich zum Manne gereift -- dein wrdig, als Sohn jetzt! + Lange lebe, beglckt, der edelste Kaiser der Deutschen! + Sprach's mit jubelndem Ruf', und umher ertnte des Volkes + Freudengeschrei, wie Donnersturm, wie strzender Wasser + Lautes Rauschen: Er lebe beglckt! Hoch lebe der Kaiser! + So, da jegliche Brust Entzcken ergriff, und der Thrnen + Strmische Fluth in das Aug' urschnell aufjagte vom Herzen. + Aber es winkte der Kaiser erneut: der eh'rnen Drometen + Ernstem Schall verstummte das Volk, und er sagte, bewegt, noch: + Hrt! Wir scheiden von euch nun bald, und auf lange. Gebiethend + Ruft uns Deutschlands Wohl nach den rheinischen Gau'n, und wir folgen + Freudig dem Ruf, da uns hier zu weilen hinfort nicht vergnnt ist. + Doch nicht bleibe darum die Land nach unserer Abfahrt + Hauptlos. Wichtiges reift im dunkeln Schooe der Zukunft + Ihm, und Hohes erringt es. Inmitten gewaltiger Lnder, + Hebt Haus-Oestreich hier, aus seinem unscheinbaren Umkreis + Eiserngegrndet, sich auf; gewhrt dann jenen die Herrscher; + Flicht in den Kranz nie welkender Macht die herrlichsten Kronen, + Die bald Knig' ihm biethen, und fhrt vielfltig durch Sitte, + Sprach', und Stamm gesonderte Vlker zu dauernder Einung. + Also, gerstet mit Kraft, soll's einst im Sturme der Zeiten + Fest wie ein Leuchtthurm steh'n, der rettend, Gefahrenbedrngten + Von dem Felsen die Flamme weis't auf dem nchtlichen Irrpfad. + Albrecht komme heran. Ihm, unserem theuern Erzeugten, + De' erhabener Sinn und Weisheit euch allen bekannt ist, + Wollen wir Oestreich hier zu Lehen ertheilen. Als Herzog + Werd' ihm der Thron, und in seinem Geschlecht + fortdaure die Herrschaft, + Endlos, segenbeglckt zum Wohl unzhliger Vlker. + Ha, und er dachte, bewegt, des Alp'bewohnenden Klausners! + + Doch schon ritt aus dem hallenden Thor der Erzeugte des Kaisers, + Albrecht, stattlich heran. Sein Ro, der tnenden Hauptzier-- + Also des Zaums und Geschirrs von blinkendem Silber sich freuend, + Beugte stolz das Haupt an die Brust. Doch herrlich geschmckt war + Er mit dem Frstenhut' und dem Purpurmantel: ihn deckte + Glnzender Hermelin; auch hielt er den goldenen Zepter + Fest in der Rechten erhht. Durch Schrift und Siegel ertheilte + Friedrich der Erste, von Hohenstauff, der mchtig als Kaiser + Ragte vor andern hervor, das Recht dem Herzog von Oestreich, + Also zu Pferd, und so herrlich geschmckt das Leh'n zu empfangen.[4] + Siehe, vor ihm trug Lichtenstein das Banner von Oestreich, + De' ruhmwrdiger Schild, mit dem schneeigen Streif in dem Blutfeld + Schimmerte, rasch einher; doch Albrecht hielt an des Thrones + Stufen, und beugte sich; d'rauf begann der erhabene Kaiser: + Albrecht, euch beschwren wir jetzt im Nahmen des einen, + Wahren, und ewigen Gott's, zu bekennen: ob ihr, als Herzog + Oestreichs, herrschen wollet nach Recht und Gerechtigkeit; ob ihr + Schirmen wollet die heilige Lehr' und den Glauben der Vter, + Und euch widmen dem Wohl des Landes mit Leib und mit Leben, + Das ihr heute zu Lehen empfaht aus unserer Vollmacht? + Jener rief: Ich will! und alsbald winkte der Kaiser + Lichtenstein, da er ihm darreichte die Fahn', und begann so: + Nun auch schwrt es zu Gott, und im Beiseyn eueres Volkes, + Eilig das Banner zugleich, und den goldenen Zepter erhebend + Hoch g'en Himmel empor. Und jener entgegnete muthig: + Ja, ich schwr' es zu Gott! und erhob den goldenen Zepter + Dann mit dem Banner zugleich in die Luft. Der Kaiser entstrzte + Jetzo dem Purpurpfhl', und flog in die Arme des Sohnes, + Der, sich schwingend vom Zelter herab, ihm entgegen geeilt war. + Lange hielt er den Sohn umfat, und sagte mit Rhrung: + Gottes Segen mit dir, und mit deinem Geschlechte! Der Nachwelt + Stell' ich es freudig anheim, was heut' allhier sich begeben. + Mge sie noch an der Zeiten entferntestem Ziele, des Glckes + Herrlichster Flle froh, laut Habsburg segnen und Oestreich! + + Siehe, da rief umher die Menge dem neuen Beherrscher, + Jauchzend, ihr Lebehoch! Doch sah nach dem Kaiser so mancher, + Innig betrbt, noch hin, der erst von Trennen und Scheiden + Sprach, und auf immer vielleicht den liebenden Herzen entrckt wird. + D'rauf hie er die Frsten bei sich willkommen, und sagte: + Kommt zum erquickenden Mahl', und ruht in der friedlichen Burg hier, + Heiteren Sinn's, jetzt aus von des Kriegs unzhligen Sorgen! + Aber verzeiht: ich eile zuvor nach der dsteren Kammer, + Wo die Gattinn mir starb, und nach ihr sich, in Trauergewanden, + Sehnen die Kinder vereint; ich gehe, die Lieben zu trsten. + Und er entzog sich den Blicken der lautaufjubelnden Scharen: + Thrnenden Blicks, aufschreitend allein zur Wohnung der Trauer. + + + + + Nachtrag + + zu dem + + Heldengedichte Rudolph von Habsburg. + + +Die Marchfelder Schlacht. Jahr 1278. + +Die merkwrdige Schlacht auf dem Marchfeld zwischen Rudolph I. von +Habsburg, Kaiser der Deutschen, und Przemisl Ottokar II., Knig von +Bhmen, in welcher letzterer besiegt fiel, und jener seinen Nachkommen +Oestreichs Herrscherthron erkmpfte, geschah am 24. August des Jahres +1278. Schon zwei Jahre vorher standen sich, eben daselbst, die beiden +Frsten feindlich entgegen. Ottokar, durch frheren Ehebund mit der +babenbergischen Margareth, der Herrscher geworden von Oestreich und +Steyermark, und, durch Kauf, von Krnthen und Krain, lie sich endlich +herbei, diesen Provinzen, als anheimgefallenen Reichslehen, zu entsagen; +worauf er, auf der Donau-Insel Kamberg, im Angesicht beider Heere, dem +Kaiser (19. November 1276) knieend gehuldigt, und dieser, angeblich, +durch Herabrollen der Zeltvorhnge, diese Handlung offenkundig gemacht +haben soll. Dem heimkehrenden Knig setzte seine ehrgeizige Gemahlin, +Kunegunde, durch Schmhungen so lange zu, bis er dem Kaiser neuerdings +den Kampf auf Tod und Leben both. Schon am 27. Juni brach er von Prag zu +seinem Heer' auf, das sich vor Brnn versammelt hatte, verlor aber auf +seinem Kriegszug in Oestreich, durch die Belagerung des befestigten +Stdtchens Drosendorf, den entscheidenden Augenblick, und setzte dadurch +den Kaiser in den Stand, Hlfsvlker zu sammeln, um welchen es sonst +durch schnelles Vordringen geschehen gewesen wre. Auf Rudolphs Seite +standen nebst den Schweizern und Elsassern, die ihm sein Sohn Albrecht +zufhrte, der Pfalzgraf Ludwig, sein Tochtermann; der Burggraf Friedrich +von Nrnberg; der Markgraf Heinrich von Hochberg: zu welchen noch die +Grafen von Henneberg, und Frstenberg stieen. Dann: Meinhard Graf von +Tyrol; Graf Albert von Grz; Friedrich, und Albert, die Grafen von +Ortenburg, und Ulrich von Heunburg mit den Tyrolern, Krnthnern und +Krainern; Pfannberg, und zugleich die Herren von Pettau, Lichtenstein, +und Colo von Seldenhofen, mit den Steyrern. Auch die Bischfe von +Salzburg und Basel fhrten ihm Krieger zu, deren ersterem er in der +Schlacht die Leitung der Oestreicher und Steyrer bergab. Endlich +erschien auch der Knig Ladislav IV., an welchen er den tapferen +tyrolischen Hauptmann, Hugo von Tauffers, abgeschickt hatte, mit mehr +denn zwanzigtausend kumanischen und ungrischen Reisigen, als sein +Verbndeter, auf dem Schlachtfeld. An Ottokars Vlker, die Bhmen, und +die Mhrer unter Milota's Leitung, reiheten sich: Bayern, welche der +Herzog Heinrich; Sachsen, welche Pfeil, der Markgraf von Magdeburg, und +Meiner und Thringer, welche der Markgraf Dietrich anfhrte. Die +Reussen sandte K. Leo, und die Polen und Schlesier K. Kasimir heran. +Auch einige streichische Ritter, unter diesen die beiden Brder +Heinrich und Leopold Kunring, ergriffen seine Parthei, so, da er dem +Kaiser an der Zahl der Krieger weit berlegen war. Das Feld, auf welchem +gestritten ward, erstreckte sich von Marcheck ber den Weidenbach, dann +weiter von Stillfried ber Drnkrut bis gegen Idungspeugen, hinauf, und +der Kampf endete wahrscheinlich, wie weiter unten erhellet, nahe vor dem +Stdtchen Laa. Rudolph setzte mit seinem Heere bei Hainburg ber die +Donau, seine Vereinigung mit dem Knig der Ungern zu bewirken, und dem +Feind in den Rcken zu kommen, und lagerte sich vor Marcheck. Die +Kumanier hatten bereits aus dem Hinterhalt die herumstreifenden Feinde +angefallen, ihnen ber 100 Mann getdtet, und nachdem sie ihnen die +Kpfe abgehauen, sandten sie selbe dem Kaiser als Geschenk entgegen, der +sich mit Schauder davon wegwendete, und sie begraben lie. Am 23. August +rckte er g'en Stillfried vor, und beschlo die Schlacht auf den +folgenden Tag, der mit dem Feste des heil. Bartholomus auf einen +Freitag fiel, an welchem er fters glcklich gekmpft hatte.[A] Der Tag +brach an: die Kaiserlichen standen in fnf Heerhaufen, den sechsen der +Bhmen, entgegen. Noch kurz vor dem Kampfe schlug der Kaiser, nebst +anderen, auch hundert Zrcher zu Rittern. In seinem Heer herrschte mehr +froher Muth, als in jenem Ottokars, da vor Tagesanbruch die Meiner und +Thringer aus dem Lager heimlich abzogen, und er zuvor im Zelt, mit +erregtem Mitrauen, die Feldherrn aufforderte: sie sollten ihm, wenn +sie Verrath an ihm snnen, lieber jetzt die Brust durchbohren, ehe +Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn wrden. Das unbndige +Pferd eines salzburgischen Reiters, Heinrich Schrlin, rannte, wie toll, +auf die Bhmen los, und ward so zum Zeichen des frheren Angriffs. +Ottokar brachte mit den schwergeharnischten Reitern die Oestreicher und +Steyrer zum Weichen, nachdem der Fhrer der letzteren, Pfannberg, +verwundet vom Pferde gefallen war. Als der Kaiser die wankende Schlacht +sah, da warf er sich aus dem Sattel im Staub auf die Knie', und bethete +laut zum Himmel, verheiend durch ein Gelbde, so er den Sieg gewnne, +ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu stiften; worauf seine Scharen +ermuthigt vordrangen. Doch schlug sich Herbot von Fllenstein, ein +polnischer Ritter, durch groe Verheiungen Ottokars bewogen, bis zu ihm +durch, erstach ihm das Pferd unter dem Leib, und brachte ihn in die +grte Gefahr, wenn nicht er selber, zu Fu ankmpfend, ihn mit dem +Speer von dem Sattel herabgerissen, und der herbeieilende tapfere Ritter +Ulrich Capellen ihm ein Pferd gebothen htte. Den gefangenen Ritter +Herbot hie der Kaiser schonen, seine Wunden verbinden, und warf sich +dann, wie ein erzrnter Lwe, neuerdings auf die Feinde. Auf dem rechten +Flgel, wo Hochberg stritt, erhob sich das Geschrei, die Feinde +fliehen! und bald verbreitete es sich durch alle Reihen Rudolphs. +Ottokar wankte einen Augenblick, hie aber Milota aus dem Nachhalt +vorgeh'n; und als dieser, langgenhrter Rache frhnend, mit den Mhrern +und einigen bhmischen Herren, die er gewann, eben jetzt von dem +Schlachtfeld abzog, strzte er sich in den letzten mrderischen Kampf, +und fiel auch hier, als ein Opfer der Rache, durch die Hand der beiden +Ritter von Meerenberg, mit dreizehn Wunden, ehe der Befehl des Kaisers, +der sein Leben zu schonen geboth, erfllt werden konnte. Worauf Flucht +und Verwirrung der Bhmen. Der Kaiser lie zum Rckzug blasen, allein +die Kumanier verfolgten sie, bis die sinkende Nacht dem Wrgen ein Ende +machte. Die Schlacht whrte nur fnf Stunden, und es sollen auf Ottokars +Seite ber 14,000 gefallen seyn. Rudolph hie seine Leiche sogleich +aufsuchen, nach dem Stdtchen Laa, und noch in der Nacht nach Wien +bringen, wo sie anfangs in dem Schotten-Kloster beigesetzt, und dann in +der Kirche der Barfer-Mnche ffentlich zur Schau ausgestellt blieb. +Allein, auf die in das Lager gelangte Bitte der Bhmen, stellte er sie +ihnen wieder zu; worauf sie ber Znaim nach Prag abgefhrt, und in dem, +von ihm erbauten Franciskaner-Kloster kniglich zur Erde bestattet ward. +Rudolph hielt in Wien, unter unendlichem Jubel des Volkes, seinen +feierlichen Einzug, und erfllte bald darauf sein Gelbde, indem er zu +Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes ein adeliges Frauenkloster erbauen +lie. + + [Fussnote A: Bei _+Arenpeck Chron. Austr. ad Annum+ 1278 heit es_: + +Conveniunt ambo Reges cum exercitibus suis in campis Austriae trans + Danubium apud Weidenbach feria sexta ante Bartholomaei etc.+ Viele + andere wollen, da die Schlacht sich am 26. August ereignet habe.] + + + + + Anmerkungen + + zu + + Rudolph von Habsburg. + + +Erster Gesang. + +[1] Vers 9. + +_Drahomira_ war die Gemahlinn Vratislavs, Herzogs von Bhmen, der die +Heidinn in der Hoffnung, da sie sich zum Christenthume bekehren wrde, +im Jahr 907 ehlichte. Sie gebar ihm zwei Shne, Wenzel und Boleslav, und +als er im Jahr 916 starb, und seine Mutter, die heil. Ludmilla, die +vormundschaftliche Regierung bernehmen wollte, stand sie in der +berufenen Stndeversammlung zu Prag dagegen auf, zog sich mit ihrem +jngeren Sohn, Boleslav, auf das feste Schlo Wischehrad zurck, und +wthete beinahe durch vier Jahre, mit Beihlfe des heidnischen +Stadtrichters Palhog, gegen die Christen mit Feuer und Schwert. Darauf +lie sie die Kirche zu Bunzlau zerstren, und endlich auch ihre +Schwiegermutter auf dem Schlosse Tetin hinrichten. Wenzel, obgleich nur +ein Jngling, kam hierauf nach Prag, berief die Stnde im Jahr 921, und +entsetzte sie der Regierung. Doch ruhte die unmenschliche Mutter nicht, +bis ihr jngerer Sohn den lteren im Jahr 938 auf ihr Anstiften durch +Brudermord auf die Seite schaffte. Nach der Sage soll sie auf dem +Hradschin die Erde lebendig verschlungen haben. S. +_Cosmas Pragensis_ +L. I. _Hist._ -- _Pulkawa Hist. Boh._ C. 13. _Dubrav. Hist. Boh._ L. 5. +_Sylvius_, _Hagek_ etc.+ + +[2] Vers 68. + +_Margareth_, die Tochter des babenbergischen Leopold des Glorreichen, +Herzogs von Oestreich, war die Wittwe Kaisers Heinrich VII., und bereits +an Jahren vorgerckt, als Ottokar, wohl nur in der Absicht, mit ihrer +Hand Oestreich und die Steyermark zu erlangen, sie im Jahr 1252 +heirathete, aber schon im Jahr 1261 sich von ihr, wegen beschuldigter +Unfruchtbarkeit, wieder scheiden lie. Sie starb zu Krems im Jahr 1267 +im Kloster, und zwar, wie Einige behaupten, durch Gift, mit welchem sie +Ottokar aus der Welt geschafft haben soll. Doch hat Hanthaler +_Fast. +Campilil._ T. I. P. II. Dec. VII. . I. C. XXXIV.+ diese Behauptung +widerlegt. Sie liegt in dem Kloster Lilienfeld, das ihr Vater stiftete, +ihm zur Linken, vor dem Hochaltar, begraben. + +[3] Vers 117. + +_Durnkrut._ Siehe den merkwrdigen Aufsatz Die Entscheidungsschlacht im +Marchfelde zwischen Rudolph und Ottokar 1278 im Archiv fr Geographie, +Historie &c. Nr. 1 und 2 des J. 1814. Der vortreffliche +Geschichtschreiber, Chorherr Kurz, sagt in seinem +Oestreich unter +Ottokar und Albrecht I.+: In Rcksicht des Schlachtfeldes stimmen die +Berichte nicht ganz berein, welches wohl nicht anders mglich ist, da +zwei Heere nothwendig eine groe Strecke einnehmen, und whrend einer so +entscheidenden Schlacht an mehreren Orten gestritten wird. Da an dem +Marchflu gekmpft ward, in welchem viele Bhmen den Tod fanden, +besttigen alle Chroniken. Der Bezirk von _Stillfried_ bis +_Idungspeugen_ hinauf, war der eigentliche Kampfplatz, _Chrutterfeld_, +das ebenfalls genannt wird, liegt in der Mitte. Die Schlacht mu sich +von Stillfried gegen den _Weidenbach_ und bis _Marcheck_ ausgedehnt +haben, da Rudolph in seinem Stiftsbrief sagt: Gott habe ihn nicht fern +der Kirche von Marcheck aus Todesgefahr errettet. +In loco ab ecclesia +eadem non longe distante nos quasi in angustiis mortis positos liberavit +ab hostibus: et prostratis eisdem liberavit gloria triumphali.+ ++_Bodmann_ cap. I. p. 100.+ Wahrscheinlich deutet er auf die Gefahr, die +ihm drohte, als ihm das Pferd unter dem Leib' erstochen ward. +_Calles_ +T. II.+ p. 552-562 hat alle hierher gehrigen Stellen gesammelt. + +[4] Vers 284. + +Siehe ber dieses Gesprch Hornecks Reim-Chronik, Cap. 132-136 + +[5] Vers 351. + +_Rdiger Waldram_ nennt _Fugger_, in seinem _Ehrenspiegel des Erzhauses +Oestreich_, den Brgermeister Wiens, der an Rudolph mit dem Knig der +Bhmen einverstanden, heimlichen Verrath sann. Bei andern +Schriftstellern heit er Paltram Vazo. Der Snger Rudolphs fand jenen +wohlklingender zu seinem Zwecke (S. auch +Wolf. Lazius Chron. Vienn. +Lib. IV.+ und +Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.+) + +[6] Vers 360. + +Die Erzhlung von der Huldigung Ottokars auf der Donau-Insel _Kamberg_, +wo er, nachdem die tuschenden Zeltvorhnge gefallen waren, auf den +Knieen vor dem Kaiser liegend, den beiden, durch die Donau geschiedenen +Heeren gewiesen ward, ist von vielen grndlichen Geschichtsforschern als +unstatthaft verworfen worden. + +[7] Vers 375. + +In einem der anmuthigsten Gebirgsthler Unter-Oestreichs, am Fue der +Alpen, und an dem Ufer des Traisenflusses, liegt das Cisterzienser-Stift +_Lilienfeld_, von dem babenbergischen Leopold VII., oder Glorreichen, im +Jahr 1202 gestiftet, dem der Snger Rudolphs durch acht und zwanzig +Jahre angehrte, und demselben in den letzten sieben Jahren als Abt, +k.k. Rath und niederstreichischer Landesstand, vorgesetzt war. + +[8] Vers 397. + +_Masovien_ (Masuren), eine Landschaft in Polen, welche an Preuen, an +Gro- und Klein-Polen und an Lithauen grnzte, frher durch eigene +Herzoge regiert, und unter Knig Sigismund I. mit Polen vereiniget ward. +Ihre vornehmsten Stdte waren Warschau und Plozk. (Hartknoch +de Republ. +Pol. L. I. c. 10.+) + +[9] Vers 403. + +_Knigsberg_, die zweite Residenzstadt Preuens an der Pregel, von mehr +als 60,000 Einwohnern, und einer Universitt, die in der neueren Zeit +durch Kant berhmt geworden ist, soll Ottokar im Jahr 1254 gegrndet +haben. + +[10] Vers 421. + +Da Rudolph in seinem sieben und dreiigsten Jahre an den Hof Ottokars, +der brigens als ein groer Feldherr jungen Frsten allerdings zum +Muster dienen knnte, berufen, und zu seinem Hofmarschalk ernannt worden +sey, da er dann mit ihm die, bei dem Einfall der Tartaren wieder +heidnisch gewordenen, Preuen bekmpfte, im Jahr 1260 einem Kriegszug +gegen die Ungern beigewohnt, und wegen ausgezeichneter Heldenthaten von +ihm den Ritterschlag erhalten habe, sind Erzhlungen aus seinem Leben, +deren Wahrheit hie und da bestritten worden ist. + +[11] Vers 484. + +_Tabor_. Ein an dem linken Ufer der Donau, Wien gegenber liegendes +Dorf. + + +Zweiter Gesang. + +[1] Vers 28. + +Die Veste _Mdling_, deren Ruinen ber dem Stdtchen gleiches Nahmens, +nicht fern von Wien, in dem Brhler Thal zu sehen sind, war das +Eigenthum mehrerer Frsten eines Zweigs des babenbergischen +Herrscherstammes, die sich Herzoge von Modeling nannten, und das zuletzt +auch Gertrud, die Tochter Heinrichs, Herzogs von Mdling, und Bruders +Friedrichs des Streitbaren, zu ihrem Antheil erhielt, nachdem ihr Gatte, +Herman, Markgraf von Baden, gestorben war. + +[2] Vers 35. + +In einem eng umschlossenen Thal', am Fue des Tannberges, welches der +Sattelbach durckfliet, stiftete Leopold der Heilige im Jahr 1135 das +Cisterzienser-Kloster Heiligen-Kreuz, welches nebst andern merkwrdigen +Grabmlern im Kreuzgang auch jenes von Friedrich dem Streitbaren, +letzten Sprossen des babenbergischen Stammes, zur Schau stellt. + +[3] Vers 91. + +Ueber _Jacob Mllers_, des Zrcher Kriegers, _lustige Mhre_ siehe ++_Alb. Argent. Cap._ 18+ und _Fuggers Spiegel der Ehren des Erzhauses +Oestreich_. Nrnberg, 1668, erstes Buch 7. Cap. S. 66. + +[4] Vers 110. + +Der _Traisen_-Flu in Unterstreich, der bei Traisenmauer in die Donau +fllt, entspringt hinter der Lilienfelder Alpenkette aus dem sogenannten +Traisenberg, und ergiet sich in zwei Bchen, wovon der eine hinter +Tirnitz aus der Sd- und der andere hinter Hohenberg aus der Nordseite +des Berges hervordringt, so, da beide erst oberhalb Lilienfeld sich +wieder vereinigen, und die eigentliche Traisen bilden. Wechselweise wird +der eine, und der andere Arm die _unechte Traisen_ genannt, je nachdem +der Bewohner des einen und des andern Bezirks Kunde darber geben soll. + +[5] Vers 115. + +_Lilienfeld_, das Cisterzienserkloster in Unterstreich, welches am Fue +der Alpen, in einem der reizendsten Thler, nicht weit von der, auf der +Hauptstrae nach Wien liegenden Stadt St. Plten entfernt liegt, wurde +durch den babenbergischen Leopold den Glorreichen, Herzog von Oestreich, +im Jahr 1202 gestiftet, erhielt, wie schon weiter oben im Gedichte +gesagt wird, die ersten Mitglieder aus dem Kloster Heiligen-Kreuz, und +besteht nun schon 640 Jahre. In dieses Kloster trat der Dichter Rudolphs +von Habsburg, in seinem zwanzigsten Lebensjahre, im Jahre 1792, und +hatte ihm gegen 28 Jahre lang angehrt, nach welchen er zu hhern +Stellen berufen ward; es ist ihm daher wohl zu guten zu halten, da er +es zu einem der Schaupltze seines Gedichtes gewhlt, und mit besonderer +Liebe und Ortskenntni beschrieben hat. + +[6] Vers 171. + +Ob Rudolph vor, oder whrend der Schlacht das Gelbde gemacht habe: so +er den Sieg gewnne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu erbauen, +ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht vllig erweisbar. So viel ist +gewi, da er, nach jenem erhaltenen Sieg ber seinen Gegner, das +adelige Frauenkloster zu Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes erbaut, und +auch seine, und seiner Gemahlinn aus Stein gehauene Statuen dahin +geschenkt habe, die leider zur Zeit der Aufhebung desselben, auf eine +unverantwortliche Weise, vernichtet worden sind! + +[7] Vers 176. + +Die hier bezeichneten Frsten sind: Albrecht I., Friedrich der Schne, +Maximilian I., Carl V., Maria Theresia, Joseph II., Leopold II., +FranzI. + +[8] Vers 320. + +Nach Fugger geschah diese Handlung zu Mainz, als Kaiser Rudolph das +Reich bereisete, im Jahr 1273. (_Siehe Spiegel der Ehren_. S. 84.) + +[9] Vers 372. + +_Wiener-Neustadt_ -- erhielt den Titel der _Allzeit Getreuen_ schon von +Herzog Friedrich dem Streitbaren, wie es aus einer ihr im Jahr 1242 +ertheilten Privilegien-Urkunde erhellet. Kaiser Leopold I. schenkte ihr +im J. 1708 eine Fahne mit der Aufschrift: +Semper fidelis civitas +Neostadiensis -- pro Caesare et Religione+ -- wie solches nebst andern +historisch merkwrdigen Seltenheiten in dem Rathhaus-Archive daselbst zu +ersehen ist. + +[10] Vers 410. + +Ein Meisterwerk der gothischen Baukunst, das alle Fremden durch seinen +majesttischen Umfang in Erstaunen setzte, das sogenannte Dormitorium, +oder Schlafhaus zu Lilienfeld, welches ursprnglich den Klosterbrdern +zur gemeinschaftlichen Wohn- und Schlafsttte diente, als noch, auer +dem Chorgebeth, das Ausruten und Urbarmachen der Wildni umher ihr +hauptschliches Geschft war, ging durch den groen Brand (13. September +1810) vllig zu Grunde, so da keine Spur mehr von seiner Herrlichkeit +brig blieb. + +[11] Vers 478. + +Der _Lasingfall_, in den Lilienfelder Gebirgen, ist seit dem Jahr 1815, +wo ihn der Verfasser des gegenwrtigen Gedichts, als damaliger +Stiftsvorsteher, zugnglich, und dadurch erst bekannt machte, der +Gegenstand der Aufmerksamkeit der Reisenden, die ihn jhrlich in groer +Anzahl besuchen. Seine Schnheit bertrifft jede Vorstellung. Die +Felsenschlucht, durch welche sich die Lasing herabstrzt, hat drei +Hauptabstze, die nach Wiener Ma: + + a = 107 Fu + b = 40 8" + c = 123 2" + ------------- + 270 ' 10" + +senkrechte Hhe, und + + a = 145 Fu 2" + b = 126 7" + c = 123 4" + ------------- + 395 ' 1" + +horizontale Lnge des Wasserfalls bewirken. Auch das Felsenthal am Fu +des Oetschers, durch welches sie sich ergiet, gewhrt einen +ergreifenden Anblick. + + +Dritter Gesang. + +[1] Vers 3. + +_Marbod_, +Marobodus+, wie ihn Tacitus nennt, Knig der Marcomannen, +eines schwbischen Stammes (Mark-Mannen, Hther der Grnze, oder wie +Andere wollen: _Marich_-Mannen, Rotummler, von dem alten deutschen Wort +_Marich_, Stute, Mhre, +equa+), lebte gleichzeitig mit Herman dem +Cherusker. Entschlossen, sich in einer entfernteren Stellung den Rmern +furchtbar zu machen, sammelte er ein Heer von mehr denn siebenzig +tausend Mann, zog immer weiter an der Donau herab, und nachdem er den +_Catualda_ (Gothwald oder Katwald), einen Anfhrer der Gothen, aus dem +Lande der Bojen, dem heutigen Bhmen, verjagt hatte, grndete er dort +den Sitz eines neuen Reichs, das sich von der uersten Spitze der +Ostmark, und der Grnze Pannoniens, bis an das Riesengebirge hin +erstreckte. _Inguiomar_ (wahrscheinlich Hinkmar), der Ohm Hermans, der +zu ihm flchtete, verwickelte ihn in einen heftigen Streit mit seinem +gewaltigen Neffen, und als nach einer unentschiedenen blutigen +Feldschlacht seine Krieger auf Hermans Seite traten, und Catuald mit +Hlfe rmischer Scharen seine Burg erstrmte, fate er den Entschlu, +sich in Roms Schutz zu begeben. Er wurde nach Ravenna verwiesen, wo er +nach einem zwei und zwanzigjhrigen Aufenthalt sein Leben -- das er, wie +Tacitus sagt, zu sehr liebte, in unrhmlicher Abgeschiedenheit endete. +Catuald hatte ein gleiches Schicksal, denn er wurde von den Rmern nach +Frejus in Frankreich verwiesen. + +[2] Vers 16. + +Das Schlo _Hainburg_ mit dem Stdtchen gleiches Nahmens, an der Grnze +Ungerns in Unter-Oestreich, soll, der Sage nach, von Attila, dem Knig +der Heunen, wie die Deutschen der Vorzeit die Hunnen nannten, erbaut +worden sein: daher Heunenburg, _Heunburg_, geheien haben. Was hier von +dem Umfang, und der Lage des markomannischen Reichs unter Marbod, und +weiter unten Vers 25 von der durch ihn gekmpften Schlacht auf dem +Marchfeld gesagt wird, grndet sich, nicht mit historischer Gewiheit, +sondern in poetisch genommener scheinbarer Mglichkeit, auf folgende +Stellen aus dem Werke: +Hist. opus in IV. T. divisum, quorum T. I. Germ. +ant. illust. continet. Basileae 1574 ed. Tencterus+. + ++Sub Martungis erant Curiones, inde Chetuari, et Parmecampi, ubi hodie +pars est Austriae Cis-Danubianae juxta _Krembs, Znaem et Niclaspurg_. +Inde habitabant Marcomanni; hodie regio illa Moravia est, quae se ad +Sudinos extendebat, et Danubium usque, ubi hodie civitas est +_Prespurgium_. -- Gessit haec gens maxima bella cum Romanis etc. etc. +_Bilibaldi Birkheimeri Locor. per German. explicatio pag. 209._+ + +Ferner: +Nariscos Marcomannos et Quados haud dubie ea loca tenuisse +putamus, ubi nunc agunt Moravi, _Merherlandt_. De Marcomannis nemo +dubitare potest, qui Vellejum legerit. _Henr. Clareani in P. C. Taciti +de Mor. Germ. comment._ p. 188.+ + +Und endlich: +Marcomanni sedes habuerunt in ea parte, quae spectat ortum +versus Moraviam et Austriam. Enituit autem virtus Marcomannorum in +multis asperrimis bellis, in quibus patriam adversus Romanos fortissime +defenderunt etc. _Philip. Melanchtonis Vocabula Regionum et Gent. quae +recens. in libello Taciti de mor. Germ._ p. 193.+ + +Da aber Rudolph aus Marbods Stamm entsprossen seyn soll (siehe unten V. +48) grndet sich in besagtem Sinn auf folgende Stelle: + ++Andreas Alciatus in suis annotationibus in Tacitum, etiam in Helvetiis +consedisse Marcomannos quadosque putat. Exstat enim, inquit, adhuc in +eis Vallis _Marcomanna_ nomine.+ + ++_Andreae Althameri Scholia in Cornel. Tacit. de Germ._ pag. 61+ +desselben Werks. + +[3] Vers 23. + +_Marobudum_ hie die Residenzstadt Marbods, des Knigs der Marcomannen, +die er sich in dem vormahligen Bojenheim erbaute, und die an der Stelle, +wo jetzt Prag -- nach Andern -- wo jezt Budweis, gestanden haben soll. + +[4] Vers 106. + +Das Wapen der Grafen von Habsburg enthielt im goldenen Felde einen +rothen Lwen mit einer blauen Krone auf dem Haupt. + +[5] Vers 107. + +Das bhmische Wapen zeigt einen weien gekrnten Lwen im rothen Feld. +Kaiser Friedrich I. ertheilte selbes, nach dem Mailnder Krieg, +Uladislav II. im Jahr 1159. + +[6] Vers 108. + +Kaiser Friedrich II. erhob Wien im Jahr 1237 zu einer freien +Reichsstadt, ertheilte ihr den doppelten Adler zum Wapen, und stiftete +eine hohe Schule daselbst. S. _Lazius_. Auch diesem wird widersprochen. + +[7] Vers 295. + +Der schmale Donau-Arm, der, unterhalb Nudorf von dem Hauptstrom +geschieden, die Stadt Wien von der Leopoldstadt trennet, und hiermit ein +groes Eyland bildet, auf welchem nebst besagter Vorstadt, auch die +anmuthigsten Spaziergnge in der Brigittenau, dem Augarten und dem +berhmten Prater sich befinden. + +[8] Vers 308. + +_Amtner_, dieses im Verlaufe des Gedichtes einigemal vorkommende Wort, +bezeichnet (wie Schaff-ner, Zll-ner u.s.w. geformt) ganz entsprechend +die franzsische Benennung _Offizier_; wo sodann _Offizier-Corps_, durch +_Amtnergilde_ gegeben werden knnte. + +[9] Vers 350. + +Die Kumanier (ein sarmatisches Volk), die aus ihrem Land, welches +zwischen den Alpen und der Donau, gegen die Tartarei zu, lag, von den +hinterhalb wohnenden Tartaren gedrngt, unter Bela IV. Jahr 1239 nach +Ungern kamen, und von diesem eine groe Strecke Lands zwischen der Donau +und der They eingerumt erhielten, vereinigten sich dann mit den bald +nachfolgenden Tataren, ber Ungern die schrecklichste Verwstung zu +bringen, wewegen sie dem Unger, der sie in seiner Sprache Kun nennt, +auch nachdem jene schon abgezogen waren, noch lange verhat blieben. +(+Bonfinii Decad. II. Lib. 8.+) + +[10] Vers 358. + +Dschengis Khan brachte durch die Grndung seines groen Reichs in Asien +auch die europische Tartarei, welche die Halbinsel Krimm, Bearabien +und das Land zwischen dem Dniester und Dnepr in sich fate, in Bewegung. +Seine Horden drngten die vor ihnen liegenden Kumanier, und als diese, +unter ihrem Knig Kuthen, sich nach Ungern zurck zogen, folgten sie +ihnen dahin nach, und verwsteten unter ihren beiden Anfhrern, Vathos, +der ber Reuen, Polen und Mhren, und Kadan, der aus der Moldau +hereinbrach, beinahe durch zwei Jahre das Land mit Feuer und Schwert. + +[11] Vers 517. + +Rudolphs Zug nach dem Gelobten-Lande; auch da er Hofmarschalk Knig +Ottokars gewesen (siehe weiter unten Vers 602) gehrt unter die +bestrittenen Ereignisse seines Lebens. + +[12] Vers 581. + +_Ueber das Faustrecht_ siehe Dr. Gerhards Abhandlung. Jena 1711. + +[13] Vers 595. + +_Fugger_ erzhlt: Auf dem Reichstag zu Nrnberg Jahr 1274 ist +beschlossen worden, da forthin alle Reichsabschiede, Freiheitsbriefe, +Befehle, Vertrge, letzte Willen, und dergleichen ffentliche Urkunden, +nicht mehr wie zuvor, in lateinischer, sondern in deutscher Sprache +sollten ausgefertigt werden, damit also die Ungelehrten, die das Latein +nicht verstnden, nicht ungefhrt bleiben, und die brgerlichen +Geschfte in mehrere Richtigkeit kommen mchten. Wiewohl es noch bei dem +damaligen Unform der Sprache (!!) mit der deutschen Rednerei etwas hart +herginge, so wre doch diese lbliche Sorgfalt K. Rudolph ein guter +Anfang, und eine krftige Anreizung zur Ausbung unserer Muttersprache +gewesen. (_Siehe Ehrenspiegel_ S. 87.) + + +Vierter Gesang. + +[1] Vers 58. + +_Lug_, _Lueg_ im Oberdeutschen eine Warte, +Specula+, welche demnach dem +franzsischen +Loge+ entspricht. Siehe Theuerd. Cap. 47. + +[2] Vers 131. + +Alles, was hier, und weiter unten von Turnier und Turniergebruchen +gesagt wird, mag in _Rxners Turnierbuche_; in +_Du Cange dissertations +sur l'histoire de St. Louis_+, und in +_Menestrier_ (Claude Fran.) +_Trait des Tournois_, _Joustes_ etc. Lyon 1669. IV.+ seine Belege +finden. + +[3] Vers 428. + +_Zawi von Rosenberg_, der Geliebte, und nachher Gemahl der Wittwe +Ottokars, Kunegunde, bte, whrend der Minderjhrigkeit Wenzels, +Herrschergewalt ber Bhmen aus. Dieser, nach ihrem Tod Knig geworden, +trug ihm tiefen Ha im Herzen, welchem zu entgehen, und sich zugleich an +dem feindseligen Herrscher zu rchen, Zawi, durch eine Heirath mit der +Base des Ungernknigs Ladislav, sich gegen ihn zu verbinden suchte. +--Doch, in dem Augenblick der Abfahrt ward er zu Prag durch List +festgenommen, und nach mehr als Jahresfrist im Kerker zu Budweis +enthauptet. + + +Fnfter Gesang. + +[1] Vers 131. + +Die Schlacht von Kressenbrunn (Kroissenbrunn) im Marchfeld, in welcher +Ottokar ber Bela IV. Knig der Ungern, einen entscheidenden Sieg davon +trug, ereignete sich im J. 1260. Siehe die hchst anziehende +Beschreibung derselben in _Hornecks Reim-Chronik_ vom 58. bis 64. Cap. + +[2] Vers 153. + +Nach jenem Sieg von Kroissenbrunn ber die Ungern, zog Ottokar mit +seinen Scharen, wie im Triumph, durch Krnthen und Krain. Als die Bhmen +an der Grnze von Italien die Steinwnde von Canale ersahen, fragten sie +den Knig: ob Rom nahe sey? denn sie htten fters von ihren Vorfahren +sagen gehrt, da sie durch eine solche Felsenpforte auf die Strae nach +Rom gekommen seyen. Ottokar antwortete ihnen, Bhm' und Pole sollen +sich einst hier wie zu Hause finden, denn, so er noch einige Zeit lebte, +wrde sich seine Gewalt noch viel weiter erstrecken. _Horneck +Reim-Chronik_ Cap. 90. + +[3] Vers 162. + +_Arpad_, der erste Anfhrer der Ungern (Magyaren), die, kommend von den +Ufern des Tanais her, im neunten Jahrhundert Pannonien in Besitz nahmen, +stand seinem Volk (nach +Anonym. Belae Not. 52. Cap.+) beilufig von 889 +bis 907 vor, und war der Stammvater einer Reihe von Knigen, unter +welchen der heil. Stephan zuerst, im J. 1000, diesen Titel annahm, bis +mit Andreas III. im J. 1301 sein Stamm ausstarb. Erst Ferdinand I. hat +dieses Reich auf immer mit Oestreich vereinigt, obschon dasselbe vor ihm +zwei Frsten seines Hauses, Albert II., und Ladislaus Posthumus, +besaen. + +[4] Vers 358. + +Das Schicksal beider frstlichen Jnglinge, Konradins von Schwaben (Sohn +Konrads IV.) und Friedrichs von Oestreich (Sohn Markgraf Hermans von +Baden, und Gertrud, Tochter Heinrichs, Herzogs von Mdling) die im Jahr +1268 zu Neapel durch das Bluturtheil Carls von Anjou hingerichtet +wurden, ist bekannt. Horneck beschuldigt Ottokarn an mehr denn einer +Stelle, da er, als Mitwerber um Oestreich und Steyermark, ihren Tod +befrdert habe. _S. Reim-Chronik_ Cap. 164. + +[5] Vers 361. + +Gertrud, die Mutter Friedrichs von Oestreich, lie Ottokar, nachdem er +Steyermark in seine Gewalt bekam, aus allen ihren Besitzungen, zuletzt +auch aus Judenburg und Feistritz, durch den grausam gesinnten Propst von +Brnn, vertreiben. Zur Nachtzeit, im Regen und Sturm, mute sie die +Reise antreten. Sie begab sich nach Meien. (_Horneck Reim-Chronik_ Cap. +55 und 56.) + +[6] Vers 364. + +Ueber Margarethens, der verstoenen Gemahlinn Ottokars, Schicksale, +siehe _oben Anmerkungen zum ersten Gesange [2] zum Vers_ 68. + +[7] Vers 365. + +Otto, Herrn von und zu Meiau, den Stolz des streichischen Adels, hatte +Ottokar, wegen geargwohnter Anhnglichkeit fr den Sohn der +babenbergischen Gertrud, im Schlo Eichhorn festsetzen, und dort Jahr +1265 im Hungerthurm verbrennen lassen. (+Chron. Austral. Neob. et Leob. +apud. Hieron. Pez T. I.+) + +[8] Vers 366. + +Der scheelschtige Ritter Friedrich von Pettau hatte Ottokars +argwhnisches Gemth gegen einige seiner Mitstnde in der Steyermark +aufgeregt, der dann mehrere von ihnen, als: Ulrich von Lichtenstein, +Hartneid von Wildon, Wlfing von Stubenberg, und Heinrich und Bernhard +von Pfannberg, auf verschiedene Vesten gefangen setzen, und sie aus +diesen nach einer zweijhrigen Haft nicht eher entlie, bis sie ihm ihre +Burgen ausgeliefert hatten. _Horneck_ Cap. 85 und 86. + +[9] Vers 372. + +Seyfried von Merenberg, der steyrische Ritter, versumte dem Knig +Ottokar, auf seinem Siegszug an der Drau mit den brigen Herrn entgegen +zu kommen, und fiel durch Einflsterung eines bsen Menschen bei ihm in +Verdacht. Er lie ihn in der Folge heimlich greifen, und gebunden nach +Prag abfhren. Als er vielfltig gemartert, Gott zum Zeugen seiner +Unschuld rief, und dem, nach Gestndnissen einer Verschwrung in +Krnthen und Krain gierigen Knig, keine Lge fr Wahrheit geben wollte, +wurde er durch ein Pferd zum Galgen geschleift, und dort, das Haupt zu +den Fen gebunden, aufgehenkt. Noch in der zweiten Nacht lebt' er in +diesem qualvollen Zustand, bis ihm endlich einer der bhmischen Szupane +die Scheitel mit einem Kolben einschlug, weil er, auf wiederholte +Aufforderungen, schon halbtodt, aber standhaft, der Wahrheit getreu +gewesen zu seyn betheuerte. (_Horneck_ Cap. 99.) + +[10] Vers 378. + +Ottokar lie den Bruder Milota's, Bene, Kmmerer von Mhren, dessen +Tochter er geschndet haben soll, zugleich mit Otto von Meiau im Jahr +1265 in dem Hungerthurm zu Eichhorn verbrennen. Milota's Ha gegen +Ottokar, und der Verrath, den er in der Marchfelder Schlacht 1278 an ihm +beging, soll dadurch veranlat worden seyn. (Siehe _Hanthalers_ +Fast. +Campil. Lib. I. Dec. VII. . 26.+ S. 1017 und _Fuggers Ehrenspiegel_ &c. +S. 104.) + + +Sechster Gesang. + +[1] Vers 96. + +_Odin_, der Gott der Gtter, nach der nordischen Mythologie. (Siehe +_Ryerups Wrterbuch der scandinavischen Mythologie von Sander_, +Copenhagen 1817.) + +[2] Vers 516. + +Die Gemahlinn Rudolphs, Anna, verschied zu Wien am 23. Hornung des Jahrs +1281, von wo ihre Leiche nach Basel abgefhrt, und in der Domkirche +beigesetzt worden ist. + +[3] Vers 538. + +Da sowohl Ottokar, als auch Rudolph schon zu ihrer Zeit eine Art +Pontonsbrcke ber Flsse zu schlagen verstanden, erhellet aus _Hornecks +Reim-Chronik_ Cap. 92., wo es heit: + + Chostleichen hiez er machen + Von Holczwerich ein Prukken + Dew waz von manigen stuckchen + Chluegleichen gevalten. + +und dann + + Bey der Tunawstaden + Do sich das Her vol gelait, + Do waz dew Prukken berait + Vber die Tunaw weit; + Die Prukken muesten alle Zeit + Wohl hundert Wegen tragen, + Wo des Kunigs Helfer lagen, + Da ward nach gesannt &c. &c. + +In diesem 92. Capitel ist von der Einnahme des Preburger Schlosses im +letzten Krieg Ottokars gegen Ungern die Rede. + + +Siebenter Gesang. + +[1] Vers 25. + +Ueber Hainburg, und ihre vermeintliche Erbauung durch Attila, siehe oben +_Anmerkungen zum dritten Gesang_[2] Vers 16. + +[2] Vers 110. + +Die Sage von der Burgfrau, welche grausam eitlen Sinnes das Blut der +Kinder vergo, zeigt auf die Ruinen des Schlosses * * *, an dem rechten +Waag-Ufer, nicht fern von Trentschin, welches sie bewohnt hat. + +[3] Vers 244. + +Die Waffe, eine Art kurzer Streitkolben, von welcher hier die Rede ist +nennt der Unger +Buzogny+, wo der Buchstabe +z+ wie beim italienischen ++zero+ ausgesprochen wird; das +y+ verliert sich aber im Druck der Zunge +an den Gaumen. + +[4] Vers 309. + +Die _Zips_ (Zip), lat. +Scepusium+, eine Gespannschaft in Ober-Ungern +am Fue der hchsten Karpathen gelegen, und wohl eines der hchsten +bewohnten Gebirgsthler der streichischen Monarchie, aus welchem nach +allen Welttheilen bedeutende Flsse sich ergieen: g'en Westen die Waag; +g'en Sden die Hernath; g'en Osten die Tarza; g'en Norden die Poprad, +die in dem angrnzenden Polen, mit der Dunajez vereint, in die +Weichsel fllt. Diese Gespannschaft zeichnet intellectuelle und +landwirthschaftliche Cultur vor mancher andern Ungerns aus, so, da viel +Wohlstand sowohl in den zwei kniglichen Stdten Leutschau und Kmark, +als auch in den XVI. Stdten, unter den munteren und fleiigen Bewohnern +zu sehen ist. Der Verfasser gegenwrtigen Gedichts trennte sich schwer +von diesem Lndchen, worinn ihm 1819 und 1820 eine ehrenvolle Bestimmung +geworden war. + +[5] Vers 312. + +Ueber Katwald und _Inguiomar_ siehe oben die _Anmerkungen zum dritten +Gesange_ [1] Vers 3. + +[6] Vers 474. + +Da die Knige von Ungern, zur Zeit _Hornecks_ wenigstens, in der +Schlacht nicht selber mitfochten, sondern von einer Anhhe nur Zeugen +derselben waren, erhellet aus Cap. 153, wo von der Marchfelder Schlacht +die Rede ist: + + Kunig Ladila den jungen + Sy furten von Streit dan + Auf den Perikch ob dem Plan + Da er wol hrt und sach + Alles daz, daz da geschach + Auf dem Veld prait. + Ez ist der Vnger Gewonhait + Vnd jehent auch offenbar: + Ir Kunig sey jn zu achpar + Darezu, daz er schull streiten &c. &c. + +Auch sagt _Haselbach_ +Chron. Austr. Lib. III. ap. Hier. Pez. T. II. +Ladislao+, juvene Ungariae, cuncta de monte prospectante; nam Ungarorum +mos habet, ut Rex propria persona bellum intrare non debeat. + +[7] Vers 536. + +Die Sitte, des Gegners Heer zum Kampf herauszufordern, und sogar von +beiden Seiten dazu Tag und Ort zu bestimmen, war den alten Deutschen +gemein. Ein Beispiel davon findet man auch bei _Horneck_ Cap. 60, wo +Ottokar den Knig Bela durch Otto von Meiau zum Kampf auffordert, und +bald darauf auch Bela den Gegnern sagen lt, sie sollen sich auf eine +bestimmte Strecke zurckziehen, damit die Ungern ber die March setzen, +sich aufstellen, und die Schlacht liefern mgen. + +[8] Vers 550. + +Sowohl bei Horneck, als auch bei den sptern Geschichtschreibern, wird +Schrlins und seines unbndigen Rosses erwhnt, welches das erste +Zeichen zur Marchfelder Schlacht gegeben habe. + + +Achter Gesang. + +[1] Vers 31. + +In der Jgersprache heit das Bluten des verwundeten Wildes: das +_Schweien_; daher die Benennung einer Gattung der Jagdhunde. + +[2] Vers 55. + +_Tyr_, nach der nordischen Mythologie, der Sohn Odins, des hchsten der +Gtter, und ein Beschtzer der muthigen Krieger, soll die einzige +Gottheit der scythischen Vlker gewesen seyn, die ohne Zweifel unter +einem andern Nahmen bei ihnen in Verehrung stand. Bei seinem Scheiden +von der Erde soll er sein Schwert in die Erde vergraben haben, welches +erst spter Attila auffand. + +[3] Vers 386. + +Vor der Schlacht sollen Einige aus dem streichischen Heere den Knig +Ottokar, aus alter Anhnglichkeit, schriftlich vor Untreue der Seinigen +gewarnt haben; da nun auch die Meiner und Thringer heimlich aus dem +Lager abzogen, so habe er sich wehrlos in die Mitte seiner Feldherrn +gestellt, und sie aufgefordert, ihm die Brust zu durchbohren, ehe noch +viele Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn wrden. (Siehe +_Hanthaler_ +Fast. Camp. T. I. Pars II. Dec. VIII. . 80.+ +Arenpeckii +Chron. Austr. ad An. 1278+.) + +[4] Vers 428. + +Heinrich I. der _Stdte-Erbauer_, hat ungefhr im J. 930 die Stadt, und +das Schlo Meien an der Elbe erbaut, und ihr von dem Flchen, das sie +eben dort aufnimmt, und Meie heit, den Nahmen gegeben. + +[5] Vers 459. + +Constanzia, Tochter des babenbergischen Leopold des _Glorreichen_, war +die Gemahlinn Markgrafs Heinrich von Meien, des Sieghaften, die ihm die +beiden Shne Dietrich und Albrecht gebar. Einen von diesen beiden +verlangten die Stnde von Oestreich, nach dem Erlschen des +babenbergischen Stammes, und der kurzen Regierung Hermanns von Baden, zu +ihrem Herrscher, und fertigten von Tuln, wo sie ihre Versammlung +hielten, Gesandte nach Meien ab, die hernach der Knig von Bhmen +unterwegs aufgehalten, von der Fortsetzung der Reise abgebracht, und +sich durch Hindeutung auf eine Heirath mit der verwittweten Herrscherinn +Margareth den Weg zur Erwerbung von Oestreich und der Steyermark +erffnet hat. + +[6] Vers 473. + +Da die Meiner und Thringer vor der Schlacht heimlich aus dem Lager +Ottokars abgezogen seyen, ist geschichtlich. (S. oben _Anmerkung_ [3] +zum 386 Vers.) Die Ursache dieses Abzugs ist unbekannt. + + +Neunter Gesang. + +[1] Vers 71. + +Die Krieger, gewhnlich leichte Reiterei, die vor einem feindlichen +Heere daherzieh'n, heien in der bestehenden Kriegssprache: ++Eclaireurs+. + +[2] Vers 436. + +_Venezia_. Ueber die merkwrdige Eroberung Constantinopels im Jahr 1202 +(also 76 Jahre vor der Marchfelder Schlacht) durch vorzgliche +Mitwirkung des 90jhrigen Greises, Heinrich Dandolo, Doge von Venedig, +siehe Raumers Geschichte der Hohenstaufen III. B. und Daru's Histoire de +Venise I. Der Snger Rudolphs von Habsburg wollte hier, jener herrlichen +Stadt, der einstigen Kniginn des adriatischen Meeres, deren Andenken +ihm auf immer theuer bleiben wird, dankbar erwhnen. + +[3] Vers 600. + +_Al-rune_. _Runen, Runenschrift_, ein den alten Germanen und +Scandinaviern eigenes Alphabet, nach welchem im nrdlichen Deutschland +noch einige Denksteine beschrieben gefunden werden. Wahrscheinlich +hatten sie selbes von den Phnikern erhalten, und was sich davon hie und +da auf verwittertem Gestein vorfand, diente in spterer Zeit zu manchen +vorgeblich zauberischen Knsten, das Schicksal der Menschen von den +Nornen, den Schicksalsgttinnen, zu erfragen. Diese drei schnen +Jungfrauen, heben sich stets aus Mimers Brunn, der himmlischen Quelle, +herauf bei welcher die Gtter Rath halten, und ihre Urtheile offenbaren, +und heien: Urda, Werandi, Skulda: _Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft_. +(_Ryerups scandinav. Mythol._ &c.) + + +Zehnter Gesang. + +[1] Vers 35. + +_Rheinau_, +Augia major+, ein kleines Stdtchen zwischen Schaffhausen +und Eglisau, wo eine Brcke ber den Rhein fhrt. Dort befand sich +vormals ein reiches Benedictiner-Stift, das Funtan der Heilige, aus dem +kniglichen Geblt Schottlands, erbaut haben soll, da er aus hherer +Eingebung einen Platz dazu suchen mute, wo der Rhein _nach Osten_ +fliet, und solcher an dieser Stelle allein gefunden wird. +Stumpf. +Schw. Chron. p. 360.+ + +[2] Vers 84. + +_Hartmann_, der jngste der Shne Rudolphs, ertrank, mit noch andern +dreizehn Jnglingen, adeligen Geschlechts, am 20. Dezember des Jahrs +1280, im achtzehnten seines Alters, als er mit selben den Rhein +hinabfuhr, und das Schiff bei Rheinau von dem Grundeis umgestrzt wurde. +-- Seine Leiche ward nach Basel gefhrt, und im dortigen Mnster +begraben. + +[3] Vers 138. + +_Woldan_ hie ein Raubritt, den fters der oberste Anfhrer eines im +Krieg begriffenen Volks, mit einer Schar Freiwilliger, in dem Lande des +Feindes, Beute zu holen, unternahm. Bei der Belagerung Peterlingens +forderte Rudolph sein Volk zu einem solchen Woldan auf; er streifte bis +gen Lausanne, und es heit da; + + Si namen da so viel + Daz Ich frwar sagen wil, + Daz in langer Zeit + Nahent, noch weit, + Nie wart geritten noch gethan + Ain so schedleicher Woldan. + + (Horneck R. Chr. C. 319.) + +[4] Vers 140. + +_Iwan von Gn_ (Sohn des Grafen Heinrich) emprte sich erst gegen +seinen eigenen Knig, fiel dann, hufig plndernd, auch in Oestreich und +Steyermark ein, und verbte unzhlige Grausamkeiten. Im Jahr 1286 schlug +er den gegen ihn gesandten Abt von Admont; spter auch Herman von +Landenberg, der sich ihm mit seinen streichischen und steyerischen +Kriegern ergeben mute. Herzog Albrecht, von Truppen entblt, verschlo +sich in Neustadt, und ging sogar den Vertrag von Hainburg ein, vermge +welchem die Gefangenen ausgewechselt, und in einem Krieg mit Ungern sie +sich beide gegenseitige Hlfe leisten sollten. Iwan setzte seine +Verheerungen in Oestreich bald wieder fort, bis endlich im Jahr 1280 ihn +Albrecht mit starker Macht bekriegte, ihm Oedenburg nebst vielen andern +Vesten, Burgen und Mrkten abnahm, und ihn endlich, nach einer +hartnckigen Belagerung, in Gn bezwang. Ueber diese Belagerung siehe +_Horneck R. Chron._ von Cap. 312 bis 315. + +[5] Vers 228. + +Ueber dieses historische Faktum siehe Fugger _Ehrenspiegel_ S. 75. Cap. +VIII. + +[6] Vers 236. + +_Antwerk_ war ein Wurfgeschtz, aus welchem Steine von bedeutender +Schwere, ja auch zuweilen Schwefelfeuer nach den Erkern, und auf die +Huser der Veste geworfen wurden. (Ueber diese und die folgenden +Kriegswerkzeuge des Mittelalters, siehe: _Schachts vortreffliches Werk +ber Hornecks Reim-Chronik_, Mainz 1821, S. 388.) + +[7] Vers 238. + +_Katzen_ nannte man die mit Erde gedeckten Werke, welche inwendig mit +Stobumen versehen, nach Ausfllung der Grben, bis an die Mauern +vorgeschoben wurden, und gegen welche man sich durch Minen, und +Geschosse von den Mauern herab, zu wehren suchte. S. oben. + +[8] Vers 245. + +_Ebenhoch_ hieen eine Art Thrme, die, wahrscheinlich auf Rdern, an +die Mauern geschoben, verschiedene Geschosse in die Veste zu schleudern, +dienten. Ihr Nahme zeigt, da sie hoch genug waren, um das Innere der +ummauerten Stdte und Vesten bersehen zu knnen. S. oben. + +[9] Vers 297. + +Dem Verfasser der berhmten _Reim-Chronik_, die zuerst von dem gelehrten +Benediktiner von Melk, _Hieronymus Pez_, im Jahre 1745 zum Druck +befrdert ward, hat Lazius +Comment. Geneal. p. Auster.+ 233 auer dem +Nahmen _Ottakcher_ (Ottokar), den er sich selber R. Chr. Cap. 177 +beilegt, unbekannt aus welcher Quelle, auch den von _Horneck_, +aufgefunden. Er lebte unter _Rudolphs_ I. und _Albrechts_ I. Zeiten; war +in Steyermark geboren; hatte den berhmten Meistersnger Kunrad von +Rotenberg, der vorher an Manfreds Hofe lebte, zum Lehrmeister; stand, +man wei nicht, in welcher Eigenschaft, im Gefolge Ulrich und Otto +Lichtensteins; wohnte der Marchfelder Schlacht 1278 bei, und starb erst +nach dem Jahr 1309, da er noch von dem Aufruhr einiger aus dem Adel, und +der Wiener Brger, gegen _Friedrich den Schnen_ spricht, und damit sein +Werk beschliet. Die _Reim-Chronik Hornecks_, die mit dem Tode +_Friedrichs_ II. rm. Kaisers beginnt, und um das Jahr 1309 der +Regierung _Friedrich des Schnen_ endet, enthlt ber 83,000 kurze +gereimte Verse in 830 Capiteln. + +Ein anderes noch ungedrucktes Werk Hornecks: _Von den Monarchen und +Kaisern der Welt bis auf Friedrich II. rm. Kaiser_, in hnlichen Versen +verfat, ist im Besitze der k. k. Hofbibliothek zu Wien. (Siehe die +Vorerinnerungen des Hieronymus Pez zu Hornecks Reim-Chronik in seinem +Werke: +Scriptores rerum Austriacarum III.+ Band; und obiges treffliche +Werk: _Aus- und ber Ottokars von Horneck Reim-Chronik_, von Th. +Schacht, Mainz 1821.) + +[10] Vers 305. + +Ulrich von Lichtenstein, aus der steyerischen Linie der Lichtensteine -- +ein trefflicher Ritter und Minnesnger zugleich, der die beiden +merkwrdigen Gedichte: _Frauendienst_, und: _Ytwitz oder der Frauen +Puech_, verfate, mag kurz vor der Marchfelder Entscheidungsschlacht +gestorben seyn. Das erstere Werk enthlt ein prchtiger Codex in +Mnchen, und wurde herausgegeben durch Ludwig Tieck. Stuttgart und +Tbingen in der J.G. Cotta'schen Buchhandlung 1812. Das zweite befindet +sich in der Ambraser Sammlung zu Wien, Bl. 220-225 noch ungedruckt. (S. +die Beschreibung Primiers -- Seite 279.) + + +Eilfter Gesang. + +[1] Vers 38. + +_Siehe oben Anmerkungen_ zum _dritten Gesang_ [8] Vers 308. + +[2] Vers 73. + +Was hier von den Vorbereitungen zur Schlacht, als: von der Feier des +Abendmahls im Lager; von der Beicht' und Communion, und weiter unten: +von dem Mustern der Gurt' und Steigbgel; von den Auftrgen, welche die +Ritter im Fall, da sie dem Feinde erlgen, an ihre Daheimgebliebenen +den Knappen ertheilen; von dem Zusammenhalten der Freunde in der +Schlacht u.s.w. gesagt wird, ist durchaus der damaligen Rittersitte +gem, und in Hornecks _Reim-Chronik_ Cap. 147, 329, 330 und 530 +begrndet. + +[3] Vers 135. + +Die ausgezeichnetsten Ritter wetteiferten um den Vorzug, das +Hauptbanner, oder die Sturmfahn, dem Herrscher selber in der Schlacht +vorzutragen. Horneck _Reim-Chronik_ C. 148. + +[4] Vers 181. + +Ueber die Sitte, sich gegenseitig die Schlacht anzukndigen, und dazu +Tag und Stunde zu bestimmen, siehe oben _Anmerkung zum siebenten +Gesange_ Vers 536. [[Anm. 7.7.]] + +[5] Vers 184. + +Im Jahr 1289 berzog Kaiser Rudolph den Herzog von Burgund mit Krieg, +eroberte Mmpelgard, und zwang ihn zum Frieden. Vor der Schlacht sandte +er einen Bothen mit der Frage an ihn: ob er zum Streiten bereit sey? +und der Herzog lie ihm sagen: er seye darum hergekommen. (Siehe +_Horneck Reim-Chronik_ C. 329.) + +[6] Vers 211. + +Den Ritterschlag auf Schild und Schwert ertheilte Rudolph also vor der +Schlacht: S. _Horneck_ R. Chr. C. 149. + +[7] Vers 542. + +In den Gebirgsthlern Tirols, Steyermarks und Oestreichs, ist das +sogenannte _Scheibenschieen_ eine beliebte und mitunter ntzliche +Unterhaltung des Volks. _Zu Hauptschieen_ werden von nahe und ferne die +Schtzen geladen: das _Kreisschieen_ ist das gewhnliche an Sonn- und +Festtagen; das _Beste_, ist der Preis dessen der den besten Schu +gethan. + + +Zwlfter Gesang. + +[1] Vers 54. + +Ueber diesen Klaggesang Hornecks siehe dessen _Reim-Chronik_ Cap. 163 +und 164. Hier nur Einiges aus demselben: + + Sieh Welt aller Untrew Chron, + Daz ist auch ainer deiner Lon! + -- -- -- -- -- -- + Auf der Erden lag er par + Sein eigen Pluts naz. + Wo waren die Matra, + Und die gulter Seydein, + Darauf er sollt gelegen sein? + Wo waren die ihn sollten chlagen? + Von Mannen und von Magen, (Anverwandte) + Pelieb er Trostes frey. + Wo waren Erzt und Erzeney, + Damit man seine Wunden + Solt han gepunden? + -- -- -- -- -- + Er hat so viel Guts, + Wer er gewesen des Muts, + Daz er tegleich wolt + Von edlem Gestain und Gold + Haben tragen Kleider an, + Daz hiet er wol getan. + Dez liez er ihm so gar zerrinnen + Daz man im muest gewinnen + Ain Graz, da man ihn mit pedackt, + So gar pelieb er nakht. + -- -- -- -- -- -- + Ungetrev Welt, die spielt + Du von im so gar, + Daz aus dainer Schar + Im Niempt volgt nach. + -- -- -- -- -- -- + Sieh Welt daz ist dein Sold. + We im! der dir ist hold + Und We im den du trewtest. + Mit dem Mund du im pewtest + Honig an dem Anwang, + Und hechst als ein Gift-Slang + An dem End -- -- + -- -- -- -- -- -- + Wer nicht will Gottes Haz + Und seinen Zorn leiden, + Der mu die Welt vermeiden. + Dann die Werich, die sy geert + Die sind vor Gott unwert. + Dez vermaid nit der wakcher + Von Pehaim Kunig Ottakher: + Wann er vollfurt mit Gelust + Der Welt Achust, (unordl. Begierden und Laster.) + Und rang hier also ser + Nach der zergenklichen Er, + Daz er sich dez nicht liez befillen + Damit er nach irm Willen + Mcht gewerben, und geleben, + Daz sol im Gott vergeben! + +[2] Vers 209. + +Die Stephanskirche, nachdem sie vorher zweimal abgebrannt war, hat +Ottokar beinahe in derselben Gestalt, wie sie noch heut' zu Tage zu +sehen ist, whrend er ber Oestreich herrschte, hergestellt. + +[3] Vers 347. + +Da Rudolph den Knig Ladislav adoptirt habe, meldet auch Fugger I. Buch +12. Cap. S. 101. + +[4] Vers 401. + +Die Belehnung Albrechts mit Oestreich, Steyer, Krain, der Windischmark +und Portenau geschah eigentlich zu Augsburg whrend des Reichstags +daselbst im Jahr 1282, wo, im sogenannten _Frohnhof_, ein kaiserlicher +Thron, umgeben von den Churfrsten und Frstenshnen, zu sehen war, und +die Feierlichkeit nach denen, von Friedrich I., Heinrich IV. Friedrich +II. ertheilten Privilegien geschah. + + + * * * * * + * * * * + * * * * * + + +Druckfehler: + +Rechtschreibeformen in -lll- (_allletzter_, _hellleuchtend_) sind +ungendert. + + 1. Gesang + Des Friedens erwhnst du? [ererwhnst] + da es also gescheh'n wird! [_ aus 1827 Auflage ergnzt_] + + 2. Gesang + Manches Helden Gebein', auch Friedrichs ... [Fiedrichs] + stets in deinem Geschlechte noch dauern.[7] [_ 1827_] + und waldumsumtes Gehftland; [waldumsaumtes] + + 3. Gesang + ein trefflicher Strmer! [_ 1827_] + + 4. Gesang + und nahten ihm, grend mit Ehrfurcht. [gruend] + Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden. + [_hier und anderswo fehlt das zweite _] + hoben den Helm von dem Haupt', und empfiengen [_ungendert_] + Euch entbiethet zuvor [_,Euch mit einfaches Anfhrungszeichen_] + der letzte der Kmpfe gewhret! [gewahret] + + 8. Gesang + Heinrich, dem Hort der Baiern [_ungendert: anderswo Bayern_] + Drauen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen nher + [_naher; aber vielleicht nahe wie in 1827_] + + 9. Gesang + Drben der Wunderstadt, Venezia,[2] [_[1] statt [2]_] + die Feinde, sie fliehen! [_ 1827_] + die Alrune,[3] [_[4] statt [3]_] + + 10. Gesang + Sie zu vollbringen dereinst. [_ fehlt hier?_] + Retter zu seyn Unglcklicher! [_ 1827_] + + 11. Gesang + O so sprich: Treu bis in den Tod ihr weiht' ich das Leben! + [_zweites fehlt_] + Nun die Schtzen Tyrols [Schtzens] + den schwer zu erklimmenden Hhen [erglimmenden] + + + Anmerkungen: + + [Einige Anmerkungen, wie 2.5, 3.8, 9.2, und das Dicht in 12.1, sind + scheinbar nach Pyrkers Tod eingefgt.] + + 1. + Gerard. Roo Hist. Austr. Lib. I.) [_) fehlt_] + [_eigentlich Gerard de Roo_] + von dem babenbergischen Leopold VII. [_. fehlt_] + + 2. + gewhrt einen ergreifenden Anblick. [_. fehlt_] + + 3. + Uladislav II. [_ungendert_] + + 5. + noch viel weiter erstrecken. [_ fehlt_] + (Siehe _Hanthalers_ ... [_( fehlt_] + + 6. + Wohl hundert Wegen tragen, [_hunbert; 1827 hundert_] + + 7. + [8] Vers 550. [_[5] statt [8]_] + + 12. + Privilegien geschah. [_. fehlt_] + + + + + +End of Project Gutenberg's Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. *** + +***** This file should be named 29465-8.txt or 29465-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/2/9/4/6/29465/ + +Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Rudolph von Habsburg. + Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen. + +Author: Ladislav Pyrker + +Release Date: July 20, 2009 [EBook #29465] + +Language: German + +Character set encoding: UTF-8 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. *** + + + + +Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + + + + + +</pre> + + +<div class = "mynote"> + +<p><a name = "start" id = "start">Dieser Text</a> benutzt die +UTF-8-Kodierung (Unicode). Wenn die Apostrophe, Anführungszeichen und +die Umlaute in diesem Absatz als seltsame Zeichen dargestellt werden, +könnte es auch an Ihrem inkompatiblen Browser oder an fehlenden Fonts +(Zeichensätzen) liegen. Stellen Sie zunächst sicher, dass der +„Zeichensatz“ oder „Datei-Kodierung“ auf Unicode (UTF-8) eingestellt +ist. Eventuell ist es auch nötig, die Standardschrift Ihres Browser zu +ändern.</p> + +<p>Einige Druckfehler sind korrigiert und mit <ins class = "correction" +title = "wie so">popups</ins> notiert. Manche davon sind aus der 1827 +Auflage verbessert. Rechtschreibeformen in <b>-lll-</b> +(<i>allletzter</i>, <i>hellleuchtend</i>) sind ungeändert. Einige +Anmerkungen, wie <a href = "#note2_5">2<sup>5</sup></a>, <a href = +"#note3_8">3<sup>8</sup></a>, <a href = "#note9_2">9<sup>2</sup></a>, +und das Dicht in <a href = "#note12_1">12<sup>1</sup></a>, sind +scheinbar nach Pyrkers Tod eingefügt.</p> + +<p>Die Schreibeform <b>&c.</b> (»usw.«) war als Frakturzeichen +<img src = "images/etc.gif" width = "26" height = "17" +alt = "usw. zeichen"> gedruckt. Antiqua (nicht-fraktur) ist <span class += "latin">wie so</span> gedeutet.</p> + +<p class = "center"> +<a href = "#inhalt">Inhalt</a><br> +<a href = "#gesang1">Rudolph von Habsburg</a><br> +<a href = "#nachtrag">Nachtrag</a><br> +<a href = "#anmerkungen">Anmerkungen</a></p> + +</div> + +<p class = "illustration"> +<img src = "images/frontis.jpg" width = "329" height = "531" +alt = "Pyrker. Rudolph von Habsburg." +title = "Pyrker. Rudolph von Habsburg."></p> + +<hr class = "mid"> + +<div class = "titlepage"> + +<h4>Johann Ladislav Pyrker’s</h4> + +<h1>sämmtliche Werke.</h1> + +<h6>Neue durchaus verbesserte Ausgabe.</h6> + +<h4>Zweiter Band.</h4> + +<hr class = "tiny"> + +<h5><b>Stuttgart und Tübingen.</b></h5> + +<h5>J.<em> G</em>.<em> Cotta’scher Verlag</em>.</h5> + +<h5>1855.</h5> + +</div> + +<hr class = "mid"> + +<!-- --> + +<h6>Buchdruckerei der J. G. <em>Cotta</em>’schen Buchhandlung in +Stuttgart<br> +und Augsburg.</h6> + +<hr class = "mid"> + +<span class = "pagenum">1</span> + +<div class = "titlepage"> + +<h2>Rudolph von Habsburg.</h2> + +<h5><b>Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen.</b></h5> + +</div> + +<hr class = "mid"> + +<!-- page 2 --> + +<div class = "maintext"> + +<span class = "pagenum">3</span> + +<div class = "contents"> + +<h3><a name = "inhalt" id = "inhalt">Inhalt der zwölf Gesänge.</a></h3> + +<hr class = "micro"> + +<h5><a href = "#gesang1">Erster Gesang.</a></h5> + +<p>Eingang. Drahomira entfährt der Hölle, sich an Ottgar zu rächen. Er +lagert vor Dürnkrut. Aufzählung der böhmischen Völker. Ottgar im +Kriegsrath mit seinen Feldherrn. Kunegunde, von Drahomira empört, +erfüllt ihn mit unversöhnlicher Rachgier. Meinhard von Görz, und +Lichtenstein, die Gesandten Rudolphs, kommen, ihm Frieden zu biethen, +und zugleich, als sie ihn zum Turniere laden, um die Hand seiner Tochter +für Rudolphs Sohn zu frei’n. Wallstein, Ottgars Liebling, trägt +heimliche Liebe zu ihr. Ottgar entläßt die Gesandten mit zweifelhaften +Worten. Beschließt den Kampf. Gesichte der Zukunft.</p> + + +<h5><a href = "#gesang2">Zweiter Gesang.</a></h5> + +<p>Rudolph zieht seinem Sohn Albrecht bis Lilienfeld entgegen. Besteigt +die Alpenhöhen, wo ein frommer Klausner ihm seines Hauses künftige Größe +verkündet. Schlägt Müller, den Zürcher, zum Ritter. Sonnenaufgang, und +herrliche Aussicht. Albrecht nah’t von Zell heran, und stellt dem +Kehrenden die Schweizer- und die schwäbischen Scharen vor. Er zieht mit +ihnen g’en Wien. Hedwig.</p> + + +<h5><a href = "#gesang3">Dritter Gesang.</a></h5> + +<p>Marbod, einst König der Markmannen, und ein jetzt dem Kaiser +gewogener Geist, eröffnet dem Feldherrn Hugo von Tauffers, in einem +Traum, den Verrath, den Waldram, Bürgermeister zu Wien, an dem Kaiser +sinnt. Rudolph kommt mit seinen Scharen heran, und nimmt an der Wien von +seiner Gemahlinn Abschied. Sendet Hugo von Tauffers an den König der +Ungern, Ladislav. Ernennt an dessen Stelle seinen Sohn, Hartman, zum +Festungs­gebiether, und eilt in das Lager am Tabor. Aufzählung +seiner Völker. Hugo von Tauffers im Lager der Kumanier und Ungern. Diese +setzen die March herüber.</p> + + +<span class = "pagenum">4</span> +<h5><a href = "#gesang4">Vierter Gesang.</a></h5> + +<p>Morgen. Turnier am Tabor. Von Drahomira erregt, höhnt Wallstein +Hartman, Rudolphs Sohn; kommt unerkannt in schwarzer Rüstung Ottgar +heran; widersteht ihrer Einflüsterung, den Kaiser zu morden; ersticht +Hartmans Roß; wirft den Fehdehandschuh Rudolph, zum Kampf auf Tod und +Leben, hin, und entflieht im schrecklichen Donnergewitter.</p> + + +<h5><a href = "#gesang5">Fünfter Gesang.</a></h5> + +<p>Ottgar gebiethet in der Nacht dem Heere den Aufbruch, dem er mit +schwachem Geleit folgt. Aus dem Hinterhalt fallen ihn die Kumanier an. +Er schlägt sich mit Wallstein durch. Milota führt ihn auf Irrwegen von +dem Heer ab, und quält ihn mit Rück­erinnerungen verübter +Frevelthaten. Von Drahomira bethört, hält Wallstein um die Hand seiner +Tochter an. Er mißhandelt ihn.</p> + + +<h5><a href = "#gesang6">Sechster Gesang.</a></h5> + +<p>Czernin dringt, mit Waldram verstanden, in der Mitternachtsstunde, an +der Spitze einer Schar Böhmen in die Veste Wien ein, als Hartman eben +wegen der schwerkranken Mutter sich nach dem Kahlenberg begab. Ihm, und +den Aufrührern, setzen sich die Schweizer standhaft entgegen. Der Kaiser +zieht, auf Marbods Wink, mit Hugo von Tauffers vor die Thore. Hartman +sprengt herbei, und tödtet Waldram; worauf die Böhmen sich eilig wieder +über die Donau zurückzieh’n. Hugo abermals zum Festungs­gebiether +ernannt. Tod der Kaiserinn. Todtenfeier und Begräbniß. Der Kaiser sendet +Albrecht nach Heunburg, eine Brücke über die Donau zu erbauen. Hartman +eilt nach dem Rhein fort.</p> + + +<h5><a href = "#gesang7">Siebenter Gesang.</a></h5> + +<p>Der Kaiser setzt mit dem Heere bei Heunburg über die Donau, und rückt +g’en Marcheck vor. Wallstein, dem Wahnsinn nahe, tödtet einen seiner +Krieger. Der Kaiser entläßt ihn schonend. Kaduscha, ein Führer der +Kurmanier meldet ihm die Nähe des Königs, und die Sendung des Geschenks +mit den Köpfen der, im nächtlichen Ueberfall, getödteten Böhmen. Der +Kaiser sendet Schwarzenberg dem König entgegen, und heißt ihn, jene +begraben zu lassen. Die Geister: Marbod und Inguiomar auf Rudolphs, und +Katwald auf Ottgars Seite. Zusammenkunft Rudolphs mit dem König +Ladislav. Ottgar rückt mit dem Heer’ an. Der Kaiser stellt seine Völker +in Schlachtordnung. Marbod treibt Schörlins Roß gegen die Böhmen. Der +Kampf beginnt. Ottgar tödtet in der Vorhuth zwei Trautmansdorfe. +Pfannberg wird verwundet. Die Steyrer weichen. Der Kaiser hält die +Flüchtenden vor Marcheck auf.</p> + + +<span class = "pagenum">5</span> +<h5><a href = "#gesang8">Achter Gesang.</a></h5> + +<p>Nacht. Von Drahomira verleitet, setzt Wallstein, mit kumanischen +Kriegern vereint, ein Städtchen in Mähren in Brand, und tödtet einige +böhmische Reiter. Kommt zu sich. Eilt in das Lager Rudolphs, und +erbiethet sich, Ottgarn heimlich zu tödten. Der Kaiser heißt ihn reuig +zu Jenem zurückkehren. Drahomira drängt ihn umsonst, den schlummernden +König zu morden. Er fällt in sein eigenes Schwert. Drahomira fährt zur +Hölle. Wallsteins Grab. Der Kaiser stellt in der Morgendämmerung sein +Heer in Schlachtordnung. Ottgar, in Gram versunken, säumt. Ernennt +Milota zum Anführer des Haupttreffens. Worauf die Meißner und Thüringer +von seinem Heer heimlich abziehen; so auch Kunring. Doch Ottgar +gebiethet den Angriff.</p> + + +<h5><a href = "#gesang9">Neunter Gesang.</a></h5> + +<p>Morgen. Der Kaiser verschiebt die Hauptschlacht auf den folgenden +Tag. Sendet Trautmansdorf mit seinen Söhnen, es Ottgarn kund zu thun, +und ihm nochmals Frieden zu biethen. Dieser wird von ihm schnöde +abgefertigt. Von den feindlichen Reitern gehöhnt, kehren fünf seiner +Söhne, kämpfen, und fallen. Der Kaiser stellt sein Heer dem anstürmenden +Feind, vor des Lagers Wall, entgegen. Angriff, und hartnäckiger Kampf. +Milota tödtet die beiden Führer Berchtold und Col von Seldenhofen. +Capellen entflammt die Oestreicher. Die Mährer weichen. Katwald +ermuntert den Herbot von Füllenstein, daß er vor Allen auf den Kaiser +eindringe. Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, ringt gegen die Bayern und +Sachsen, und erlegt den Feldherrn Czernin; Heunburg den Markgrafen +Pfeil, Feldherrn der Sachsen. Da dringt Herbot von Füllenstein auf den +Kaiser los, und ersticht ihm das Pferd unter dem Leib. Sechs +Trautmansdorfe kämpfen um ihn herum, und fallen. Der Kaiser reißt Herbot +mit dem Speere von dem Pferd herunter, und macht ihn gefangen. Heißt +dort Albrecht mit den Schweizern vordringen, hier Matthias von +Trentschin mit den Ungern dem Feind’ in die Seite stürmen. Lobkowitz +ruft Ottgar auf, daß er mit ganzer Macht sich auf den Feind werfe. Er +gibt ihm kein Gehör. Auf den Ruf „die Feinde fliehen!“ weichen seine +Völker, und er führt sie bis Dürnkrut zurück. Der Kaiser lagert vor +Ebenthal. Nacht.</p> + + +<h5><a href = "#gesang10">Zehnter Gesang.</a></h5> + +<p>Hartman ertrinkt in dem Rhein. Der Kaiser hält mit seinen Feldherrn +erst Kriegsrath; dann die Abendmahlzeit. Horneck der Sänger tritt ein, +und singt die fromme Handlung des Kaisers, als er dem Priester sein Roß +<span class = "pagenum">6</span> +both. Entläßt die Feldherrn. Dem Entschlummerten erscheint sein Sohn +Hartman. Ottgars Abschied von Kunegunden.</p> + + +<h5><a href = "#gesang11">Eilfter Gesang.</a></h5> + +<p>Morgen. Schlachtordnung der Böhmen. Der Kaiserlichen. Gottesdienst. +Vorbereitung zur Schlacht. Die Ritter buhlen um die Ehre, die Sturmfahne +zu tragen. Ottgar, von Katwald erregt, nah’t mit seinem Heer. Hundert +Zürcher erhalten vom Kaiser den Ritterschlag. Trautmansdorfs letzter +Sohn fällt. Die Kumanier stürmen sonder Ordnung. Lobkowitz bringt sie +und die Steyrer, zum Weichen. Verstärkter Angriff. Die Kaiserlichen +allenthalben zurückgedrängt. Der Kaiser steigt vom Pferd, bethet zum +Himmel, und macht ein Gelübde. Ein Unsterblicher stärkt ihn, und heißt +die Geister entflieh’n. Erneuerter Kampf. Albrecht, sein Sohn, trägt ihm +die Kreuzesfahne vor. Nach schrecklichem Gewürg’, wo, mit den Rittern, +die Schweizer und Schwaben entscheidend vordringen, weicht Ottgar auf +den Spannberg zurück. Heißt Milota mit dem Nachhalt vorgeh’n. Allein +dieser flieht, ihn höhnend, mit seinen Scharen vom Schlachtfeld. Letzter +mörderischer Kampf. Ottgar von den Merenbergern vom Pferde gestochen. +Sein zerstreutes Heer bis g’en Laa verfolgt.</p> + + +<h5><a href = "#gesang12">Zwölfter Gesang.</a></h5> + +<p>Ottgars Leiche wird in der Nacht auf einen Trauerwagen gehoben. +Hornecks Klaggesang. Des Kaisers Einzug in Wien. Dankgebeth. Der Wagen +mit Ottgars Leiche nah’t. Lobkowitz führt dessen Sohn Wenzel herbei, daß +er um selbe flehe. Der Kaiser entläßt sie. Endet seinen Siegeseinzug in +die Burg. Nimmt den König Ladislav, und Wenzel an Sohnes statt an, und +verheißt diesem seine jüngste Tochter Gutha. Belehnt seinen Sohn +Albrecht mit Oestreich, und zieht sich dann in das Trauergemach, wo die +Kaiserinn starb, zurück.</p> + +</div> + +<hr class = "small"> + +<span class = "pagenum">7</span> +<div class = "verse"> +<!-- here for entire text --> + +<h3><a name = "gesang1" id = "gesang1">Erster Gesang.</a></h3> + + +<p>Tön’, o Heldengesang, von den schmetternden Kriegesdrometen</p> +<p>Wieder geweckt, von Rudolph nun, dem Kaiser der Deutschen,</p> +<p>Der obsiegend der Macht des Böhmenköniges, Ottgar,</p> +<p>Wahrte die Rechte des Reich’s, und, kehrend vom blutigen +Schlachtfeld,</p> +<p>Gründete Habsburgs Thron an den Ufern der mächtigen Donau,</p> +<p>Seinem Geschlechte zum Ruhm, und unzähligen Völkern zum Segen!</p> + +<p class = "stanza"> +Wer empörte sofort, nach dem jüngsterrungenen Frieden,</p> +<p>Wieder die Fehd’ und das Grau’n der menschen­vertilgenden +Feldschlacht?</p> +<p>Ein unseliger Geist, <em>Drahomira</em>.<a class = "tag" name = +"tag1_1" id = "tag1_1" href = "#note1_1">1</a> Die Herrscherinn +Böhmens</p> +<p>War sie, und noch ist ihr Nahme mit Schauder genannt in dem Land +dort:</p> +<p>Denn Wratislav, dem christlichen Fürsten, vermählet als Heidinn,</p> +<span class = "pagenum">8</span> +<p>Trug sie den Christen Haß in der schrecklichen Brust, und +verfolgte</p> +<p>Sie mit Feuer und Schwert. Sie waffnete selbst den Erzeugten,</p> +<p>Boleslav, daß er Wenzel ermorde, den eigenen Bruder,</p> +<p>Weil er dem Heiland getreu, festhielt an dem heiligen Glauben,</p> +<p>Und verübt’ auch sonst an dem Volk’ entsetzliche Frevel:</p> +<p>Zaubergewaltig, ergeben dem Trug der Hölle — der +Schwarzkunst;</p> +<p>Bis urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie,</p> +<p>Lebend, verschlang. Noch jüngst ausspie der klaffende Felsen</p> +<p>Dort bald finsteren Rauch, bald bläuliche Flammen: denn oft kam</p> +<p>Noch in der Neumondsnacht (so heischt’ es die Sag’) ihr zu +opfern,</p> +<p>Mancher, vom Wege des Heils Verirrter, dahin, und Verdammniß</p> +<p>Ward ihm zu Theil. D’rum hieß, als früher geweihetes Wasser</p> +<p>Sprengte der Priester umher, und stehende Worte zu Gott rief,</p> +<p>Ottgar füllen den Zauberschlund mit dem lastenden Felsblock</p> +<p>So, daß auf immer verhüllt die Spur des unseligen Raum’s sey.</p> + +<p class = "stanza"> +Unten im Höllenpfuhl, der außer des kreisenden Weltalls</p> +<p>Gränzen sich noch unendlich erstreckt, erhob Drahomira</p> +<span class = "pagenum">9</span> +<p>Jetzt, verwundert, ihr Haupt, und sprach wuthfunkelnden Blickes:</p> +<p>„Ha! wie kommt es, daß heut der betäubende Rauch, und die Flamme,</p> +<p>Die ich genährt in dem Schlund’, in welchem ich schrecklichen Tod +fand,</p> +<p>Qualmend herab sich wälzt, und keiner der Sterblichen seither,</p> +<p>Opfernd vor ihm, die Schar der Unseligen mehrt in dem Pfuhl hier?</p> +<p>Meister, ist dir’s genehm, daß ich eile hinauf nach des Erdballs</p> +<p>Fluren, und forsche, wie solches gescheh’n? Bald öffnet +Verführten</p> +<p>Wieder der Schlund sich weit; ich sende sie, dir zu Gefallen!“</p> +<p>Sagt’ es, und blickte nach Satan hin, der, riesengestaltet</p> +<p>Saß auf dem glühenden Thron’, und die furchtbarn Augen zum Boden</p> +<p>Heftete, so die unendliche Qual des zerrissenen Herzens</p> +<p>Durch empörenden Trotz und erheuchelte Ruhe zu bergen;</p> +<p>Aber umsonst: denn nimmer birgt er das innere Weh’ mehr,</p> +<p>Das von der finsteren Stirn’ und den zuckenden Wangen sich kund +thut.</p> +<p>Nicht erhob er auch jetzt den Blick von dem Boden: er winkte</p> +<p>Nur mit dem Haupt, daß die Höll’ erzitterte, jener den Beifall:</p> +<p>Alsbald fuhr sie in brausender Hast von dem schrecklichen +Wohnsitz</p> +<p>All der Unseligen auf, und nahte dem Lande der Böhmen.</p> + +<span class = "pagenum">10</span> +<p class = "stanza"> +Kaltverachtenden Blicks gewahrte sie dort auf den Fluren</p> +<p>Reiches Gedeih’n, und rings die freundlichen Städt’ und die +Dörfer;</p> +<p>Aber vor allen, am Moldaustrom’ erglänzend die Hauptstadt,</p> +<p>Praga, im lieblichen Reiz erst jüngstentfalteter Blüthen.</p> +<p>Sieh’, und ein Pilger kam vom Gelobten-Lande gezogen,</p> +<p>Der vor Jahren die Heimath verließ! Er blickte mit Staunen</p> +<p>Lang’ um sich her: da naht’ ihm, lächelnd, ein Greis, und im +Beiseyn</p> +<p>Jener Verworf’nen zugleich, die ihm leis’ aufhorchte, begann er:</p> +<p>„Fremdling, suchst du den Mann, der hier ein Eden erschaffend,</p> +<p>Wie durch Wundergewalt das Leben der Menschen verschönt hat?</p> +<p>Nun ist er fern: denn wiss’ es, der Held und erhabene König,</p> +<p>Ottgar, streute mit Liebe die Saat, und ihm reifte zum Segen</p> +<p>Wohlstand unter dem Volk’ in des Landes erfreuender Schönheit.</p> +<p>Auch erlagen die Gegner ihm stets, und es kündiget allwärts</p> +<p>Seines Nahmens Unsterblichkeit der herrlichste Siegsruhm.</p> +<p>Dennoch hielt er so gern in der dunkelen Scheide das Eisen,</p> +<p>Frieden ersehnend, zurück, und entblößt’ es auch jetzt, nur +gezwungen,</p> +<p>Gegen des streitbarn Rudolphs Macht. Er wird sie für immer</p> +<span class = "pagenum">11</span> +<p>Bändigen: denn er zog, gar furchtbargerüstet, zum Kampf’ aus.</p> +<p>Ach, ihn drängte zum Friedensbruch Kunegunde, die Gattinn!</p> +<p>Grimmvoll ist ihr Gemüth, und ihr Herz verwildert durch +Herrschsucht,</p> +<p>Die ihm das Böse vergilt, das er Margarethen, der frommen,<a class = +"tag" name = "tag1_2" id = "tag1_2" href = "#note1_2">2</a></p> +<p>Einst als Gatt’ erwies! Dieß Eine verdunkelt den Hochglanz</p> +<p>Seines Ruhms: ihn lenket ein Weib, das, Böhmen zum Jammer,</p> +<p>Selbst Drahomiren gleich, der Unheilstifterinn, wüthet,</p> +<p>Die für den schnöden Gewinn: zu gebiethen des Himmels Gewittern;</p> +<p>Auf den Flügeln des Sturms einher zu fahren im Luftraum,</p> +<p>Oder unsichtbar Menschen zu nah’n — zu schau’n, und zu +horchen</p> +<p>Dort in dem traulichen Kreis’ der Versammelten, und zu verderben</p> +<p>Alle, die auch mit lispelndem Laut, mit umschauendem Blick nur</p> +<p>Ihrer gedacht, und tadelnde Worte gesprochen: für solches</p> +<p>Hatt’ einst diese verkauft die unsterbliche Seele der Hölle;</p> +<p>D’rauf noch Schuld gehäufet auf Schuld, bis schrecklicher Tod ihr</p> +<p>Macht und Leben entriß, und die Böse dem Bösen gesellte,</p> +<p>Als urplötzlich die berstend’ Erde zu Prag, am Hradschin, sie,</p> +<p>Brausend, verschlang: zur Strafe der wildumtobenden Blutgier,</p> +<span class = "pagenum">12</span> +<p>Frevelnden Götzendienst’s, und schrecklicher Christenverfolgung.</p> +<p>Aus dem furchtbarn Schlund aufquoll noch in unseren Tagen</p> +<p>Finsterer Rauch; doch Ottgar barg ihn, den Menschen zur Rettung,</p> +<p>Die, vom Satan bethört, leichtgläubigen Sinnes, ihr nächtlich</p> +<p>Opferten, dort ihr Geschick in kommender Zeit, zu erfragen,</p> +<p>Oder sich trüglichen Glücks zu erfreu’n zu unendlichem Jammer.“</p> +<p>Sagt’ es, und ging. Da flog, von der Schmähung empört, Drahomira</p> +<p>Ihm auf dem Heerweg nach, und haucht’ ihm Gift in das Antlitz:</p> +<p>Alsbald stand er, erbleicht, und sank, vergehend, +zusammen —</p> +<p>Lag, und stöhnte vor Schmerz, bis endlich der Zauber entfloh’n +war.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber sie starrete jetzt, tiefsinnend, und sonder Bewegung</p> +<p>Wie der Aar, der erst die mächtigen Flügel geschlagen,</p> +<p>Regungslos hinschwebt in der bläulichen Luft, in des Schlundes</p> +<p>Grauen hinab. Das Aug’ ihr rollete wild in den Kreisen;</p> +<p>Knisternd sträubt’ ihr Rabenhaar sich empor von der Scheitel,</p> +<p>Und voll Grimms erzitterten ihr die Lippen; sie sagte:</p> +<p>„Ottgar, Fluch sey dir! Du vernichtest des felsigen Schlundes</p> +<p>Zaubergewalt, die Viele nach mir in’s Verderben hinabriß?</p> +<p>Gläubig nahten ihm oft die Verblendeten, welche, des Schicksals</p> +<span class = "pagenum">13</span> +<p>Dunkeln Pfad zu erkunden, auf ihm, des dräuenden Himmels</p> +<p>Warnung zum Trotz, der drückenden Last des Lebens entledigt,</p> +<p>Gerne für trügliches Erdenglück das ewige böthen.</p> +<p>Aber von diesem verbannt durch eisernrichtenden Machtspruch,</p> +<p>Sollt’ ich den glühenden Durst nach Rache, durch Trug und +Verblendung,</p> +<p>Ich nicht löschen am Volk, das, gläubig, der Täuschung sich +hingab?</p> +<p>Trost ist’s, wenn in der Brust der Unseligen solchem noch Raum +blieb,</p> +<p>Mit in dem ähnlichen Jammergeschick die Gefährten zu sehen.</p> +<p>Wie, du entziehst, ein Thor, durch höhnenden Frevel auch die mir?</p> +<p>Ha, dir sey jetzt Rache geschworen! Nicht will ich mehr rasten,</p> +<p>Bis dein Heldenweib — ihr werde der Thron und die +Herrschaft,</p> +<p>Ja, sie herrsche nach dir, mir ähnlich an Kraft und Gesinnung,</p> +<p>Gegen den Feind dich reizt, und du in dem Kampfe, besiegt, +fällst;</p> +<p>Also büße den Ruhm, der dir Drahomiren empörte.“</p> +<p>Und sie flog nun hin, wo im weitverbreiteten Marchfeld</p> +<p>Ottgars furchtbares Heer von Dürnkruts<a class = "tag" name = +"tag1_3" id = "tag1_3" href = "#note1_3">3</a> Hügeln hinunter,</p> +<p>Lagerte, dort mit höllischer Lust ihm, verderbend, zu nahen.</p> + +<span class = "pagenum">14</span> +<p class = "stanza"> +Leise schwebte die Nacht auf den ringsverstummenden Erdkreis</p> +<p>Nieder. Aus Süden erbraus’te der Sturm, und jagte die Wolken</p> +<p>Auf an des Himmels Zelt. Sie rissen im eilenden Zug’ oft</p> +<p>Weit entzwei: da blickte der volle Mond aus des Himmels</p> +<p>Bläue so düster herab, und die Stern’, in Nebel sich hüllend,</p> +<p>Trauerten: denn ein Unhold naht’ auf den Flügeln der Windsbraut.</p> +<p>Jetzt, wie die ragenden Wäll’ und die Häuser der mächtigen +Hauptstadt,</p> +<p>Meilenlang bedecken den Plan, und oben zum Bergrand</p> +<p>Aus der Tiefe herauf dem Wanderer, düsteren Schimmers</p> +<p>Glänzet der Lampen Schein in der Nacht, unzählig und endlos:</p> +<p>Also erschien ihr das Heer des Königes, das er erst gestern,</p> +<p>Nach der Eroberung Drosendorfs, des trotzenden Städtchens,</p> +<p>Am Gestade der March, auf Dürnkruts Fluren vereinte.</p> + +<p class = "stanza"> +Bald erspähte sie dort in des Lagers Mitte, vor allen,</p> +<p>Ottgars hochgewölbetes Zelt, das schimmernde Leinwand</p> +<p>Außen umhüllte; von innen hing, zur Erde herunter,</p> +<p>Scharlachgeröthetes Tuch, verbramt mit goldenen Fransen.</p> +<p>Sieh’, in dem grasumwucherten Raum’, ihm zur Linken und Rechten,</p> +<p>Ragten die Zelt’, erhöht, der Kunring’, tapferer Ritter,</p> +<p>Die in dem Kreis’ östreichischer Herrn, wie der Mond in der +Sternflur,</p> +<span class = "pagenum">15</span> +<p>Glänzten an ad’liger Macht und weitverbreitetem Eigen:</p> +<p>Denn Hadmar, und Leutold, die Zwillinge, haus’ten zu Dürnstein</p> +<p>Bald, und bald zu Weitra und Horn; in des rollenden Jahres</p> +<p>Monden wechselnd die Burg; doch immer in trauter Gemeinschaft:</p> +<p>Sonder Gattinn und Kind, des Waffengemenges sich freuend.</p> +<p>Aber mit feindlichem Sinn, von dem Kaiser gewendet, vereinten</p> +<p>Sie mit des Königs Panier jetzt zwanzig flatternde Fähnlein.</p> +<p>Jeglichem folgte die Zahl von fünfzig bepanzerten Reitern,</p> +<p>Die mit dem Schild’ und dem Helme bewehrt, und der Lanze +bewaffnet,</p> +<p>Feurige Rosse zum Kampf vortummelten, siegenden Muths voll.</p> + +<p class = "stanza"> +D’rauf g’en Idungsbeug, auf dem sandumhülleten Blachfeld,</p> +<p>Welchen die schwellende Fluth der March seit Jahren gehäuft hat,</p> +<p>War des Fußvolks Macht, zehntausend tapferer Männer —</p> +<p>Waren die Reiter gestellt, an der Zahl zweitausend und fünfzig,</p> +<p>Die sich der König in Böhmen erlas, und mit trefflichen Waffen</p> +<p>So, wie jene, versah. Die muthigen, löwenbeherzten,</p> +<p>Lenkten die Rosse mit Kraft und Geschick, die, feurigen Blutes,</p> +<span class = "pagenum">16</span> +<p>Wild umtobten im Kampf’, und die Reihen der Feinde zerstampften.</p> +<p>Lobkowitz führte sie an, der ruhmgekrönete Feldherr.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber vor Ebenthal, der freundlichen Burg, an des Hügels</p> +<p>Abhang, lagerten sich des vielbevölkerten Mährens</p> +<p>Tapfere Söhn’: an der Zahl achttausend erlesenes Fußvolk,</p> +<p>Die, mit dem Panzerhemd’ und der eisernen Haube bewehret,</p> +<p>Führten im Kampfe den Speer und den breitgehämmerten Säbel.</p> +<p>Milota rief sie in’s Feld, ein Ritter, der Ersten des Landes.</p> +<p>Sonst zur Freude gestimmt, als liebender Vater und Gatte,</p> +<p>Sah er des Lebens Blüthenjahr’ und die reifere Mannszeit</p> +<p>Schwinden im Glück. Nur als ihm die zarteste Tochter, Ludwinen,</p> +<p>Sie mit täuschender Huld in den Schimmer des Hofes verlockend,</p> +<p>Ottgar schnöde verführt’, und der Schmach die gefallene Preis +gab:</p> +<p>Da verscheuchte der Menschenhaß und die brütende Rachgier</p> +<p>Jegliche Freude vor ihm. Nur Weniges sprach er, und das noch</p> +<p>Sprach er mit bitterem Hohn’ und wildauflachendem Ingrimm;</p> +<p>Aber nicht mied er des Herrschers Näh’, und harrte des Tages,</p> +<p>Der ihm den Durst nach Rach’ einst kühlete schrecklich und +furchtbar.</p> + +<span class = "pagenum">17</span> +<p class = "stanza"> +Dort dem König zur Linken, hinab sich dehnend bis Stillfried,</p> +<p>Stand Klein-Reussens Volk, das jüngst an den Ufern des Peltew,</p> +<p>Lembergs Mauern nicht fern, zu Fuß und zu Pferd sich vereinte:</p> +<p>Jenes, geübt, von der Armbrust, schnell­vorschreitend im +Schlachtfeld,</p> +<p>Mitten in Feindes Brust den schwirrenden Pfeil zu entsenden;</p> +<p>Dieses, im Waffengemeng’ schnellfußige, hurtige Rosse</p> +<p>Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels:</p> +<p>Dann mit des Fußes Druck und dem Stoße der nervigen Rechten</p> +<p>Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen.</p> +<p>Beide, gleich an der Zahl, dreitausend tapfere Mannen,</p> +<p>Folgeten Herbot von Füllenstein, der riesengestaltet,</p> +<p>Ragte vor allen hervor in dem Heer’, und rühmlich bekannt war</p> +<p>Ob des unbändigen Muths, und der ritterlichsiegenden Thatkraft.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch auch der Meißner kam und der Thüringer jüngst aus der Heimath,</p> +<p>Ottgars Recht zu verfechten im Kampf’, als Bundesgenoß her!</p> +<p>Muth in der Brust, und Kraft in der Rechten, die Lanze zu +schwingen</p> +<p>Brachten sie mit, und beiden geboth der tapfere Markgraf</p> +<span class = "pagenum">18</span> +<p>Dietrich, Heinrichs Sohn, des Erleuchteten, mächtigen Ansehn’s.</p> +<p>Jenen vereint, stand auch des korngesegneten Bayerns,</p> +<p>Also auch Sachsens Volk in dem Vorderzuge geordnet:</p> +<p>Gierig des Kampfs, und geübt, die tödlichen Lanzen zu schwingen.</p> +<p>Heinrichs schaltendem Wink, des Herzogs, folgten die Bayern;</p> +<p>Markgraf Pfeils die Sachsen mit Lust in die furchtbare +Feldschlacht.</p> +<p>Gegen den Weidenbach, in des weitgedehneten Thalbrunns</p> +<p>Niederung hin, erhöht auf vierzig ragenden Schaften,</p> +<p>Flatterten hoch in der Luft, verschieden an Farb’ und an Zeichen,</p> +<p>All des erlesenen Vorderzugs kampfdrohende Fähnlein.</p> +<p>Jeglichem waren gesellt fünfhundert tapfere Krieger,</p> +<p>Welche das Panzerhemd, und der Helm im Felde beschirmte.</p> +<p>Aber im Rücken des Heers, nicht ferne dem schimmernden Marchfluß,</p> +<p>War noch die Wagenburg, Feldzeug, und Geräthe des Lagers</p> +<p>Aufgehäuft, wie auch Mundvorrath für die dauernde Kriegszeit.</p> +<p>Also lagerten dort des Königs versammelte Scharen.</p> + +<p class = "stanza"> +All’ umhüllete jetzt der Schlaf mit bleiernem Fittig</p> +<p>Schon. Sie errangen zuvor, nach schrecklichem Kampfe, die Mauern</p> +<p>Drosendorfs, von dem Hohenberger, dem tapferen Feldherrn</p> +<p>Rudolphs, der sie mit Macht und entflammendem Muthe beschirmte.</p> +<span class = "pagenum">19</span> +<p>Aber noch wacht’ im Gezelt der König der Böhmen. Zum Kriegsrath</p> +<p>Rief er um Mitternacht die Feldherrn: denn von dem Kaiser</p> +<p>Waren die Friedensbothen zu ihm, in das Lager gesendet:</p> +<p>Meinhard, Graf von Tyrol, und Lichtenstein: in den Waffen</p> +<p>Beide berühmt. Nicht dacht’ er zwar, den friedlichen Oehlzweig,</p> +<p>Den sein Gegner ihm both, mit versöhnlicher Rechten zu fassen:</p> +<p>Denn er sann nur blutigen Kampf, nur Tod, und Verderben</p> +<p>Ueber Rudolphs Haupt zu wälzen im Felde der Waffen;</p> +<p>Aber es sollte der Helden Verein, was er in dem Busen</p> +<p>Heimlich beschloß, nun künden mit lautentscheidendem Ausspruch.</p> +<p>Siehe, vor allen kam der Führer des reisigen Volkes,</p> +<p>Lobkowitz, ein gewaltiger Greis, deß’ leuchtender Aarblick</p> +<p>Unter den buschigen Brau’n den Muth im Herzen verkündet,</p> +<p>Der auf die Waffenbahn ihn schon als blühenden Jüngling</p> +<p>Trieb, und das Herz ihm gewann des schlachtruhm­dürstenden +Königs!</p> +<p>Doch umwölkt war jetzt ihm die Stirne von inniger Trauer,</p> +<p>Und zur Erde geheftet sein Aug’, da er dort vor dem Herrscher,</p> +<p>Schweigend, stand. Alsbald, obgleich von heimlichem Unmuth</p> +<p>Selber gebeugt, begann, mit erzwungenem Lächeln der König:</p> +<p>„Wahrlich, nicht wirst du den Feldherrn heut, mit dem Gram in den +Augen,</p> +<p>Muth einflößen im Rath! Hat dir das treffliche Streitroß,</p> +<span class = "pagenum">20</span> +<p>Das zum Siege dich schon in zwanzig Schlachten getragen,</p> +<p>Und aus Feindes Gedräng’ oft rettete, heute das Futter,</p> +<p>Aechzend, verschmäht, und du sorgest vielleicht um den Liebling im +Herzen?</p> +<p>Wie, verfehlte der Spürer im Wald des flüchtigen Rehbocks,</p> +<p>Oder des Hirsches Spur, mit dem sechzehnendigen Hauptschmuck?</p> +<p>Fasse dich, tapferer Greis! Bald wird der Braune genesen;</p> +<p>Bald erfreut uns der Fried’, und du streckst in fröhlichen +Stunden,</p> +<p>Draußen am Rasengrund der waldumränderten Hügel,</p> +<p>Wieder im Hörnerklang’ und Gebell verfolgender Spürer</p> +<p>Raschanstürmendes Wild mit sausenden Lanzen zu Boden.</p> +<p>Denke des Worts: bald sind wir heimisch im Lande von Oestreich.“</p> +<p>„Herr,“ sprach jener bewegt, „gewartet mit emsiger Sorgfalt</p> +<p>Wiehert das Roß, das mich in zwanzig Schlachten getragen,</p> +<p>Und aus dräuender Todesgefahr oft rettete, muthig</p> +<p>Drüben im Zelt! Nicht denk’ ich des Weidwerks jetzt in den Tagen</p> +<p>Ernsten Kriegs, deß’ Bild uns jenes, im sanfteren Frieden</p> +<p>Oft ergetzt, und die Kraft uns stählt in erhöhter Gesundheit.</p> +<p>Ja, du sprachst es im Scherz nur, o Herr! Doch dünkt es mich +selber:</p> +<p>Nicht wohnt Heiterkeit dir in den tieferglühenden Augen.</p> +<p>Möge die dunkle Nacht verborgenen Strebens enthüllen</p> +<p>Jetzo der Wahrheit leuchtender Strahl! Zum wichtigen Kriegsrath</p> +<span class = "pagenum">21</span> +<p>Riefst du die Feldherrn: denn die Friedensbothen des Kaisers</p> +<p>Harren der Antwort im fernen Gezelt. Des Friedens <ins class = +"correction" title = "Original: ererwähnst">erwähnst</ins> du?</p> +<p>Heischest Rath, und ach, beschlossen im heimlichen Busen</p> +<p>Hast du den Krieg auf Leben und Tod! O, möchte des Friedens</p> +<p>Freundlicher Ruf den Haß aus deinem empöreten Herzen</p> +<p>Nun verscheuchen, und dir und dem Volk die Fülle des Segens</p> +<p>Schaffen hinfort! Erfüllt hast du mit unendlichem Kriegsruhm</p> +<p>Weithin die Erd’ umher; allüberall preisen die Völker</p> +<p>Deine Weisheit und Kraft. Zieh’ heim nach dem herrlichen +Erbreich,</p> +<p>Das dir gehorcht — nach Böhmen und Mähren: die trefflichsten +Völker</p> +<p>Nährt es im blühenden Schooß. Dort lebe dem Glücke der Deinen,</p> +<p>Und unsterblicher Ruhm harrt dein, in der spätesten Zeit noch.</p> +<p>Hast du nicht jüngst mit Siegel und Schrift und mit heiligem +Eidschwur,</p> +<p>Oestreich, Kärnthen, und Krain, als Lehen, entsagt vor dem Kaiser</p> +<p>Selber, auf Glauben und Treu’, und im Treubruch hoffst du zu +siegen?</p> +<p>Bebe der That: schwer rächte den Bruch geschworenen Eides</p> +<p>Stets an den Sterblichen noch die ewigwaltende Vorsicht.“</p> + +<span class = "pagenum">22</span> +<p class = "stanza"> +Ottgar stand, erschüttert im Geist vor dem Schreckensgedanken;</p> +<p>Sprechen wollt’ er schnell, und es bebten die Lippen ihm leis’ +nur.</p> +<p>Doch nun drang ihm das Wort aus den festgeklammerten Zähnen:</p> +<p>„Ha, sey nun, und auf immerhin, der Leib und die Seel’ auch</p> +<p>Mit in dem Spiele gewagt! Nicht kann ich mehr weichen: die +Gattinn —</p> +<p>Ja, das schreckliche Weib, hat mich zu dem Schritte gezwungen.</p> +<p>Da ist kein Rückgang mehr: ich folg’, ein Opfer des Schicksals!“</p> +<p>„Wie,“ so sprach, ihm freundlicher nahend, der Greis, „um die +Herrschaft</p> +<p>Stritten des Reiches Hort und der König von Böhmen; im Frieden</p> +<p>Schieden sie erst, und die rach’empörende Zunge der Gattinn</p> +<p>Drängte sie wieder zum Würgen zurück? Nicht mühen die Frau’n sich</p> +<p>Ab in dem Feld. Wenn wir erlagen, erkiesen sie wieder</p> +<p>Sich den neuen Gemahl, und erfreu’n sich im Kreise des Lebens;</p> +<p>Doch uns lass’ das Wohl und das Wehe des Landes bedenken.</p> +<p>Ottgar, stolz und tapfergesinnt, gehorchte dem Weib’ nun?“<a class = +"tag" name = "tag1_4" id = "tag1_4" href = "#note1_4">4</a></p> + +<p class = "stanza"> +Also der Greis; doch, da er es sprach, entflammte des Königs</p> +<p>Niedergeheftetes Auge sich stets zu größerer Wuth noch.</p> +<span class = "pagenum">23</span> +<p>Wie der Drache mit glühendem Blick von dem finsteren Felsschlund</p> +<p>Aufschaut, wenn ein Ruf ihn empört; dann zischend dem Eingang</p> +<p>Nah’t, und, das Haupt zum Boden krümmend, den furchtbaren Rachen</p> +<p>Weit vorstreckt, den Feind zu verschlingen, begierig: so sah er</p> +<p>Jetzo dem Greis’ in das Aug’, und stöhnte vor heimlichem Ingrimm.</p> +<p>Endlich rief er, bewegt: „Halt ein! O tadle den Gatten</p> +<p>Nicht, der solchem Weibe gehorcht: Margarethen, der Frauen</p> +<p>Sanfteste, stieß ich von mir: da sandte der Rächer im Himmel</p> +<p>Mir Kunegunde. Sie hat, ja, bebe dem schrecklichen Wort nur,</p> +<p>Ueber mich Macht und Gewalt. Wie ein Geist des ewigen Abgrunds</p> +<p>Steht sie vor mir ... mich schrecken entsetzliche Träume. +Verschließe</p> +<p>Das in der redlichen Brust. Sieh’, hätt’ ich auch tausend und +tausend</p> +<p>Eide geschworen: umsonst! Nicht kann ich zurück in dem Kampf mehr</p> +<p>Weichen: ich muß ihn mit Habsburgs Leu’n nun enden für immer.“</p> +<p>Jetzo winkt’ er dem Greis’: denn, eilenden Schrittes, genahet</p> +<p>Waren die Feldherrn all’, und einten sich ihm in dem Kriegsrath.</p> +<span class = "pagenum">24</span> +<p>Neben ihm saß zur Rechten der Hort und Gebiether der Bayern,</p> +<p>Heinrich; zur Linken ihm Pfeil, der Markgraf; d’rauf um den Tisch +her,</p> +<p>Der, nach Lagers Gebrauch, von niederen Bänken umstellt war,</p> +<p>Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Dietrich,</p> +<p>Herbot von Füllenstein, und die Kunring’, tapfere Helden.</p> +<p>Doch von der Mitte herab des hochgespannten Gezeltes</p> +<p>Hing die flammende Lamp’, endlos vom Oehle genähret,</p> +<p>Und erhellte den Tisch in des Zeltraums düsterem Schimmer.</p> + +<p class = "stanza"> +Eben hatt’ er die Helden begrüßt, und wollte beginnen:</p> +<p>Sieh’, da scholl’s von Hufen der Roß’ in der nächtlichen Stille</p> +<p>Näher und näher, und jetzt absaßen die Reiter am Zeltthor.</p> +<p>Ottgar winkte sogleich dem blühenden Jünglinge, Wallstein,</p> +<p>Der ein Liebling ihm war, schon seit der zartesten Kindheit.</p> +<p>Alsbald eilt’ er hinaus, und faßte vom niederen Gluthherd</p> +<p>Einen leuchtenden Span, den dort ein Krieger entflammte:</p> +<p>Schürend die Gluth, und häufend zugleich das harzige Kienholz.</p> +<p>Mächtiger flammte der Span, da ihn über dem Haupt in die +Graunnacht</p> +<p>Wallstein hob, und schauete: wer die Versammelten störe?</p> +<p>Staunend, sah er die Königinn selbst, Kunegunde, sich schwingen</p> +<p>Aus dem Sattel, im Kreis’ erlesenen Reitergefolges;</p> +<p>D’rauf durcheilte sie rasch den Zelteingang, und, den Vorhang</p> +<span class = "pagenum">25</span> +<p>Schleudernd entzwei, schritt sie, mit stolzer Geberde, zum Sitz +hin,</p> +<p>Den der Jüngling verließ, an der Seite des Königes selber.</p> + +<p class = "stanza"> +Ueber ihr schwebte mit grimmerfülletem Blick Drahomira</p> +<p>Leise herein. Sie trieb die Königinn eilig von Drösing</p> +<p>Her in der dunkelen Nacht, daß sie erst durch schmähende Reden</p> +<p>Reize den Gatten, und dann entflamme zur Gier nach des Krieges</p> +<p>Schrecknissen, mehr denn je, in des Raths entscheidendem +Zeitraum.</p> +<p>Wehe, sie forscht’, auf Arges bedacht, im Kreise der Helden</p> +<p>Gierig herum, wie die Schlange verhüllt in dem laubigen Zweig +lauscht:</p> +<p>Ob ein Vögelchen ihr zur Beute sich bieth’? — und sie fand +noch</p> +<p>Dort den Ersehneten nicht; doch, als der blühende Jüngling</p> +<p>Eintrat, dachte sie schnell dieß Herz zu berücken durch Ehrsucht,</p> +<p>Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher!</p> + +<p class = "stanza"> +Als der König die Gattinn ersah, da erblaßten die Wangen</p> +<p>Ihm vor Zorn; doch schwieg er, und ließ die Stolze gewähren,</p> +<p>Auf daß keiner im Rath’ ihn verachtete — jeglicher dachte:</p> +<p>Jetzt erschiene sie hier, ersehnet von ihm, und gerufen.</p> +<p>Rasch war ihr Drahomira genaht: in dem Hauche des Unholds</p> +<p>Ward ihr Busen empört, und alsbald rief sie verhöhnend:</p> +<span class = "pagenum">26</span> +<p>„Ha! welch’ Wunder geschah? Schon heut erfreuen die Böhmen</p> +<p>Sich der Eroberung Drosendorfs, der mächtigen Festung,</p> +<p>Nach den Tagen unendlichen Müh’ns? O, schändliche Thorheit</p> +<p>War es: vor ihr die goldene Zeit zu vergeuden — zu harren,</p> +<p>Bis der klügere Feind, noch arm an Kriegern und Waffen,</p> +<p>Sich verstärket’, und euch des Eisens Spitze wohl biethet!</p> +<p>Schnell, mit würgender Hand euch bahnend den Weg in die +Hauptstadt,</p> +<p>Mußtet ihr folgen der Stimme des Ruhms, und dem dringenden Aufruf</p> +<p>Rüdiger Waldrams<a class = "tag" name = "tag1_5" id = "tag1_5" href = +"#note1_5">5</a> dort, des muthigen Meisters der Bürger,</p> +<p>Der nun bald, ein schmähliches Opfer, dem Feinde verrathen,</p> +<p>Fällt durch euere Schuld, durch eure Verblendung, und Feigheit.“</p> +<p>Siehe, da grins’te vor Lust Drahomira den Helden in’s Antlitz;</p> +<p>Doch jetzt fuhren empor von dem Sitz die Versammelten alle;</p> +<p>Ballten die Faust vor Zorn, und wollten enteilen: nur einer,</p> +<p>Milota, regte sich nicht, und lächelt’ unheimlich für sich hin.</p> +<p>„Faßt euch,“ rief der König, bewegt, „die Königinn duldet</p> +<p>Schon seit jenem unseligen Tag, der uns, und die Völker</p> +<p>Böhmens beschimpft — dem Tage der Huldigung,<a class = "tag" +name = "tag1_6" id = "tag1_6" href = "#note1_6">6</a> nagenden +Kummer</p> +<p>Und zerrüttendes Weh’ in den Tiefen des Herzens. Ihr Helden,</p> +<p>Dessen gedenkt, und achtet den Schmerz des unglücklichen Weibes:</p> +<p>Denn nicht wägt er genau das raschverwundende Wort oft,</p> +<span class = "pagenum">27</span> +<p>Das der Zung’ entflieh’t im Sturm der empörten Empfindung.</p> +<p>Aber vernehmt es, was ihr in der Stille der nächtlichen Stunden</p> +<p>Jetzo mit uns erwägen soll’t nach euerer Weisheit:</p> +<p>Rudolph sandte zuvor zwei tapfere Ritter in’s Lager</p> +<p>Her, uns dringender noch als jüngst, die Hand zur Versöhnung</p> +<p>Biethend. Erneuend sodann den Wunsch: durch unserer Kinder</p> +<p>Wechselheirath das Band der Freundschaft für immer zu gründen,</p> +<p>Ladet er uns g’en Wien, zu turnei’n; die Speere zum Scherz nur,</p> +<p>Nicht zum Ernst zu versuchen, und dann die ersehnte Verlobung</p> +<p>Durch ein gastlich Mahl zu feiern im schimmernden Prunksaal.</p> +<p>Solches verkündete heut’ in geheim uns Rüdiger Waldram;</p> +<p>Aber zugleich: g’en Lilienfeld<a class = "tag" name = "tag1_7" id = +"tag1_7" href = "#note1_7">7</a> hin ziehe der Kaiser</p> +<p>Albrecht, seinem Erzeugten, mit hundert Reitern entgegen,</p> +<p>Der in den schwäbischen Gau’n die Krieger ihm warb, und vom +Aargau</p> +<p>Her die tapfersten führt, die ihm oft errangen den Lorber,</p> +<p>Altgedient, und versucht im Grau’n der eisernen Feldschlacht.</p> +<p>Soll mein Volk vorstürmen bis Wien, daß unser Vertrauter,</p> +<p>Waldram, ihm eröffne das Thor in der nächtlichen Stille,</p> +<p>Wie er es eben verhieß, mit den treuen Bürgern verstanden?</p> +<p>Ist’s wohl räthlicher noch, mit Kunrings Reitergeschwadern</p> +<p>Ueberzusetzen in Fähren den Strom der mächtigen Donau,</p> +<span class = "pagenum">28</span> +<p>Und aus dem Hinterhalt den Kaiser zu fah’n in der Waldschlucht,</p> +<p>Welche sich links und rechts an dem Kaumberg, trüglich +herumschlingt?</p> +<p>Nie versagt’ ich das Ohr dem Rathe der Männer: was dünkt euch?“</p> +<p>Herbot schrie zugleich mit dem Kunring, lärmend, und laut auf:</p> +<p>„Fort nach Wien! Bald sinkt mit der kühnerrungenen Hauptstadt</p> +<p>Rudolphs Macht in den Staub: wir bürgen für herrlichen Sieg dir!“</p> + +<p class = "stanza"> +Lobkowitz fuhr von dem Sitz’, des Friedens Ruf zu erneuern;</p> +<p>Aber ihm kam Kunegunde zuvor, und sagte dem König:</p> +<p>„Wie, du spähest noch jetzt nach schlauverhülleten Pfaden,</p> +<p>Thöricht verlassend die kühnere Bahn, die schnell zu dem Ziel +führt?</p> +<p>Ist denn völlig gewichen von dir der Muth und die Kühnheit,</p> +<p>Die von Siegen zum Sieg dich leitete, Schlachtenberühmten?</p> +<p>Zahllos warben die Freier um mich. Masowiens<a class = "tag" name = +"tag1_8" id = "tag1_8" href = "#note1_8">8</a> Herzog</p> +<p>Ließ auf dem glänzenden Thron mir Macht und Reichthum zur +Erbschaft;</p> +<p>Aber ich achtete keinen Mann, im stolzen Bewußtseyn</p> +<p>Herrschender Geisteskraft, und lautgepriesener Schönheit.</p> +<p>Auch du bothst mir die Hand. Der Ruf erscholl in den Ländern:</p> +<span class = "pagenum">29</span> +<p>Ottgar trug des Sieges Panier zu dem Belt hin; erbaute</p> +<p>Dort noch Königsberg,<a class = "tag" name = "tag1_9" id = "tag1_9" +href = "#note1_9">9</a> und schlug, heimkehrend, die Scharen</p> +<p>Ungerns im Feld auf das Haupt. Er einte die Steyer- und Ostmark</p> +<p>Dann, als Sieger, mit Kärnthen und Krain dem böhmischen Erbreich,</p> +<p>Und errang die Bewunderung so der entlegensten Völker.</p> +<p>Ha, da sank mein Stolz, beschämt, vor dem Helden! Ich gab mich</p> +<p>Eiteler Täuschung dahin: mit der königlichsieghaften Rechten</p> +<p>Würd’ er auch mich erheben im Glanz’ unsterblichen Ruhmes.</p> +<p>Weh’, nun steh’ ich gebeugt, entehrt, und fruchtlos geopfert!</p> +<p>Aber, denkst du der Ehre nicht mehr, so gedenke der Schmach doch!</p> +<p>Soll ich den Mann, den König, und ach, den Gatten noch mahnen</p> +<p>Dort an den graunerregenden Tag, wo gegen den Eidschwur,</p> +<p>Der dich bewog, dem Kaiser zu huldigen heimlich im Zeltraum,</p> +<p>Er, o schreckliche Schau! auf des Eilands ragendem Hügel,</p> +<p>Das die Donau umschlingt mit weitgedehneten Armen,</p> +<p>Plötzlich am listiggestalteten Zelt den rauschenden Vorhang</p> +<p>Fallen hieß, und dich vor den Augen unzähliger Krieger,</p> +<p>Die an dem Strom sich dieß- und jenseits, feindlichgesondert,</p> +<p>Lagerten, wies zum Hohn’ — auf die Kniee gesunken, o +schändlich,</p> +<p>Ottgar, dich, dem er an dem Hof’ einst dienet’, als Marschalk,<a +class = "tag" name = "tag1_10" id = "tag1_10" href = +"#note1_10">10</a></p> +<span class = "pagenum">30</span> +<p>Huldigend dort, in dem Staub’! O, könntest du solches vergessen?“</p> +<p>Ottgar preßte die Stirn’ in die Fläche der Linken, und glühend</p> +<p>Rann ihm die Thrän’ an der Wange herab. Er sucht’, es zu bergen;</p> +<p>Blickte grimmiger auf, und rief: „Nicht werd’ ich’s vergessen!“</p> +<p>Doch nun drang Drahomira noch mehr in die Fürstinn. Sie hob sich</p> +<p>Eilig vom Stuhl’ empor, und sagte mit leuchtenden Augen:</p> +<p>„Ha, die Dromet’ erklinge dem Volk’, und gebiethe den Aufbruch</p> +<p>Nach den Mauern von Wien; in die Luft hoch flatt’re die +Sturmfahn’</p> +<p>Vor den Scharen einher, und leite sie glücklich zum Sieg’ hin!“</p> +<p>Rief’s; doch Ottgar sprach nun so zu dem tapferen Helden,</p> +<p>Lobkowitz: „Wie, du schweigst mein sieggekröneter Feldherr?</p> +<p>Nie ermangelt’ ich deines Raths, und deiner Erfahrung,</p> +<p>Weisheit, Treue und Kraft verdank’ ich, was rühmlich gescheh’n +ist.“</p> +<p>Lobkowitz wiegte das Haupt, und sprach eintönig und trocken:</p> +<p>„Haben doch and’re vor mir, dem wankenden Greise, gesprochen,</p> +<p>Die das heißere Blut, wie im Sturm, fortreißt auf des Ruhmes</p> +<p>Glänzender Bahn — weit blieb ich zurück’, und bin es +zufrieden.</p> +<span class = "pagenum">31</span> +<p>Sieh’, ich wähnte, wir lieh’n ein Ohr des Kaisers Gesandten?</p> +<p>Doch vor dem zürnenden Blick der Königinn? Sey es denn morgen!“</p> +<p>Also der Held. Da sprach Kunegunde voll Wuth zu dem König:</p> +<p>„Wohl, ich weiche zurück bis Drösing. Sinnst du auf Frieden</p> +<p>Noch mit dem Kaiser, so sey’s; doch nimmer siehst du mich lebend</p> +<p>Wieder: nur mord’ ich zuvor mit Freuden die blühende Tochter,</p> +<p>Eh’ ein schmählicher Bund dem verhaßtesten Feind sie vereine.“</p> +<p>Rief’s hinschreitend; erhob sich auf’s Roß, und eilte nach +Drösing,</p> +<p>Das sie den Abend zuvor mit ihren Erzeugten bezogen.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt ließ Ottgar schnell die Gesandten des Kaisers entbiethen,</p> +<p>Die schon lange voll Gier in dem fernen Gezelte des Rufes</p> +<p>Harrten. Meinhard, Graf von Tyrol, erschien, und zur Seit’ ihm</p> +<p>Nahete Lichtenstein: des Heer’s erlesene Zierden.</p> +<p>Stattlich traten sie ein, und setzten sich würdig zum Tisch hin,</p> +<p>Grüßend den König zuvor, und d’rauf, die versammelten Feldherrn.</p> +<p>Meinhard neigte das Haupt, und begann mit edelem Anstand:</p> +<p>„Rudolph, mein erlauchtester Herr, und Kaiser der Deutschen,</p> +<span class = "pagenum">32</span> +<p>Sendet uns, Meinhard und Lichtenstein, nicht unwürdige Bothen,</p> +<p>Freundlich zu dir, erhabener Herr, und König der Böhmen!</p> +<p>Wollest darum uns hören mit Huld, und unsere Reden</p> +<p>Nicht verachten, da wir, nur arm an zierlichen Worten,</p> +<p>Stets mit dem rauheren so, wie mit unserem blinkenden Eisen,</p> +<p>Das wir zu führen gelernt, zum Ziel vorstreben, und treffen.</p> +<p>Frieden beut er dir mit leichtversöhnlichem Herzen;</p> +<p>Doch er beut ihn im Augenblick, wo er völlig gerüstet,</p> +<p>Nicht, wie jüngst in dem Land’, entblößt von Kriegern und Waffen,</p> +<p>Sollte schon fast ihn erflehen von dir — nein, wo er im +Kriegsbund,</p> +<p>Mächtige Völker vereint, und der Treue der Völker gewiß ist.</p> +<p>Daß du, als Kaiser ihn anerkenn’st; ihm Böhmen und Mähren</p> +<p>Tragest zu Leh’n; auf die ost- und die steyrische Mark, so auf +Kärnthen,</p> +<p>Krain, entsag’st: das ist des Friedens enthüllte Bedingniß.</p> +<p>Drei gewaltige Vesten im Land: hier Drösing im Marchfeld,</p> +<p>Dort Pöchlarn, und Enns sollst du mit starker Besatzung</p> +<p>Halten zum Unterpfand durch drei der Jahre, von heut’ an.</p> +<p>Ha! du erstaunest? So ist’s; ihr sollt euch finden in +Freundschaft.</p> +<p>Heilig ist Rudolphs Wort, du kannst ihm sicher vertrauen.“</p> + +<p class = "stanza"> +Als er die Rede voll Kraft jetzt endete, herrscht’ in dem Zeltraum</p> +<span class = "pagenum">33</span> +<p>Stille umher: doch Lichtenstein, gewahrend den Vortheil,</p> +<p>Grüßte den König zuvor, und begann mit heiterem Blick so:</p> +<p>„Ernstes sagte der Graf. Mit Gott und eurem Gewissen</p> +<p>Werdet ihr solches erwägen zum Glück und zum Segen der Völker,</p> +<p>Die ihr beherrscht; doch leiht auch mir ein günstiges Ohr noch.</p> +<p>Nicht vom blutigen Kampf: von der Minne ersehneten Freuden,</p> +<p>Von Turnei’n, und dem festlichen Mahl gedenk’ ich, zu sprechen.</p> +<p>Allwärts ist es bekannt, daß Herr Rudolphus, der Kaiser,</p> +<p>Ein Turnei, bei’m Tabor,<a class = "tag" name = "tag1_11" id = +"tag1_11" href = "#note1_11">11</a> am kommenden Donnererstag schon,</p> +<p>Der Sanct Rochus geheiliget wird, zu halten, gesinnt ist:</p> +<p>Denn nach Frieden verlangt sein Herz, und er hat dich geladen.</p> +<p>Solcher Ehre Gewinn verschmäht kein tapferer Mann je.</p> +<p>Sieh’, d’rum harret er dein und deines so edeln Gefolges,</p> +<p>Das den Herrscher umglänzt, wie die Stern’ umglänzen den +Vollmond!</p> +<p>Aber noch höhere Freuden gedenkt, nach vollendetem Festmahl,</p> +<p>Oben im prunkenden Saal der Kaiser mit dir zu bestellen:</p> +<p>Lieblich erblüheten dir die schönsten der Töchter — in +Söhnen</p> +<p>Ihm sein Glück: zum Bund der Einigung beut er die Hand dar:</p> +<p>Hartmann führ’ als Braut sich Hedwig, voll siegender Schönheit,</p> +<p>Thekla, voll zartester Huld, sein Rudolph heim. So ersehnt er’s.“</p> + +<span class = "pagenum">34</span> +<p class = "stanza"> +Als er gesprochen das Wort, und noch weiter gedachte zu reden:</p> +<p>Sieh’, da warf sich in brausender Hast der muthige Jüngling,</p> +<p>Wallstein vor! Er stand, und hielt sich die Brust mit der +Rechten;</p> +<p>Athmete tiefer, begann zu sprechen, vermocht’s nicht; er stürzte</p> +<p>Dann zum Gezelte hinaus, und verschwand im nächtlichen Dunkel.</p> +<p>Ottgar blickt’ ihm, erstaunt, jetzt nach. Er wähnte: sein +Liebling</p> +<p>Sey urplötzlich erkrankt, und von wüthenden Schmerzen befallen;</p> +<p>Doch Drahomira durchschaute sein Herz; sie lächelte grimmig;</p> +<p>Jubelte dann laut auf, und folgte dem fliehenden Jüngling:</p> +<p>Ihm für Hedwig die liebende Brust noch mehr zu entflammen,</p> +<p>Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher.</p> + +<p class = "stanza"> +Im erleuchteten Zelt verstummten von neuem die Helden;</p> +<p>Gar nicht wollten von Ottgars Mund’ die Worte sich lösen.</p> +<p>Endlich hob er sich auf, und sagte den Beiden zum Abschied:</p> +<p>„Wahrlich, nicht ahnete mir’s, so glühend verlange der Kaiser</p> +<p>Uns bei festlichem Turnkampf, Tanz, und Gelagen zu sehen!</p> +<p>Aber wohlan — das kündet ihm nur, so er etwa daheim ist:</p> +<p>Ottgar werdet ihr schau’n im Gefolge der Edeln, und hören,</p> +<p>Was er vom Frieden gedacht, und der Kinder ersehnter Verlobung!</p> +<span class = "pagenum">35</span> +<p>Aber, ihr Herrn, gehabt euch wohl; der Himmel geleit’ euch!“</p> +<p>Beid’ erstaunten der Red’, und eilten unmuthig von dannen.</p> +<p>Draußen sagte zu Lichtenstein der tapfere Meinhard:</p> +<p>„Ritter, sprecht, was dünkt euch? Nicht einmal die Krume zum +Imbis,</p> +<p>Nicht des Weines so viel, das unsere Lippen benetzte,</p> +<p>Reicht’ er zum Trunk’ uns dar. Ich meine: von Heirathsgedanken</p> +<p>Ist er so fern, wie dort von mir Veiths glänzender Wagen,</p> +<p>Der an des Himmels Rand zum eisigen Norden hinabsinkt.</p> +<p>Ha! und merktet ihr nicht, wie schnell der arge Verräther</p> +<p>Rudolphs nächtlichen Ritt g’en Lilienfeld ihm enthüllte?</p> +<p>Ach, er zog nur mit schwachem Geleit! Kommt: gut ist die +Vorsicht!“</p> +<p>Rasch aufschwangen sie sich in den Sattel, und flogen nach Wien +hin.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber der König entließ die Versammelten. Jetzo noch einmal</p> +<p>Blickt’ er Jedem in’s Aug’, und sagte mit rauherer Stimme:</p> +<p>„Mir zerwühlet die Wuth das Herz. Wie kecklich die Ritter</p> +<p>Sprachen, als sey ich im Feld nicht fürder zu scheu’n, und, dem Ball +gleich,</p> +<p>Nun rechts hin, dann links im schwebenden Fluge zu wenden;</p> +<p>Aber es zehr’ ihr Hort sich zu Tod’ an seinen Gelüsten.</p> +<p>Mein Entschluß ist gefaßt: am Morgen gebiethet den Aufbruch</p> +<p>Euerem Volk. Wir ziehen entlang den schlängelnden Marchfluß</p> +<span class = "pagenum">36</span> +<p>Bis an den Weidenbach, wo, erhöht, des räumigen Lagers</p> +<p>Wall uns schirmt g’en List und Gewalt. Verstanden mit Waldram,</p> +<p>Sey in dem Ueberfall nur „Rache“ der Würgenden Schlachtruf!</p> +<p>Ruhet ein Weniges noch: bald rufen euch laut die Drometen.“</p> +<p>Jene gehorchten dem Wort’, und eilten nach ihren Gezelten.</p> +<p>Aber der König ging noch lang’ im Schimmer des Nachtlichts,</p> +<p>Sinnend umher. Oft seufzt’ er laut; er ballte die Faust oft</p> +<p>Vor Erbitterung; stand, ging wieder, und hatte nicht Frieden.</p> +<p>Endlich warf er sich hin auf das Lager, und schlummerte leis’ +ein.</p> + +<p class = "stanza"> +Ueber dem Haupt des Schlummernden hing sein schützender Engel,</p> +<p>Trauernd. Verglommen war sein Glanz. Wie auf thürmender Alpen</p> +<p>Ewigbeschneiten Höh’n der rosigglühende Schimmer</p> +<p>In ätherischer Bläue verglimmt in der sinkenden Dämm’rung:</p> +<p>Also auch er, den Schwermuthsblick auf den armen gerichtet,</p> +<p>Den ein furchtbarer Traum umfing. Margarethe, die Gattinn,</p> +<p>Welch’ er schnöde verstieß, naht’ ihm, und sah ihn so trauernd</p> +<span class = "pagenum">37</span> +<p>An, aus dem hüllenden Leichentuch: er wandte sich, schaudernd,</p> +<p>Weg, und hieß sie entflieh’n. Nicht lang’, und in hoher +Verklärung</p> +<p>Schwebt’ auf schimmernden Au’n, und bekränzt mit himmlischen +Rosen,</p> +<p>Sie vor ihm hin. Er folgte — sie floh; doch jetzt, an dem +Ufer</p> +<p>Eines unendlichen Stroms hielt sie den eilenden Flug an;</p> +<p>Sah, huldflehenden Blicks, zu dem Himmel empor, und entschwand +ihm,</p> +<p>Schatten gleich, wenn Nebelgewölk umhüllet die Sonne.</p> +<p>Wieder umfing ihn des Todes Nacht. Um sich her auf dem +Schlachtfeld</p> +<p>Sah er unzählige Leichen gehäuft: bis endlich ihm selber</p> +<p>Dort zwei Würger genah’t, mit rach’ausblitzenden Augen,</p> +<p>Tief in die Brust einstürmten den Speer, und höhnten im Tod noch.</p> +<p>Stöhnend wand er sich dann im Schlaf, und in mächtigen Tropfen</p> +<p>Stand ihm der Schweiß auf der Stirn’ und den hochgerötheten +Wangen.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch nicht völlig verhüllt den Augen des Himmelsbewohners</p> +<p>War des schlummernden Königs Geschick. Er sah Drahomira</p> +<p>Walten um ihn, und Gefahr ihm bereiten auf schlüpfrigem Pfad +hier,</p> +<span class = "pagenum">38</span> +<p>Der zum Verderben führt, und zu nieversiegendem Jammer.</p> +<p>Flehend faltet’ er jetzo die Händ’, und blickte mit Ehrfurcht</p> +<p>Auf zu dem Thron des Ewigen, der in des kreisenden Weltalls</p> +<p>Hehrstem Raum’, auf lichtausströmenden Sonnen erhöht steht.</p> +<p>Dorthin drang sein Blick, wo Cherub- und Seraphim selber</p> +<p>Sich in der Nähe des Throns mit den Fittigen hüllen die Augen,</p> +<p>Dreimal Heilig singend dem Herrn, der herrscht von dem Thron +dort,</p> +<p>Hehr, allmächtig, weis’, und gerecht, barmherzig und gnädig!</p> +<p>Ueber die Himmel hinauf erhebt er das Haupt; auf dem Abgrund</p> +<p>Ruht sein Fuß, und sein Arm umfaßt das kreisende Weltall.</p> +<p>Als er gewürdigt ward, die Blicke zum Thron zu erheben,</p> +<p>Sah er, schauernd vor Ehrfurcht, dort enthüllet die Zukunft:</p> +<p>„Ottgar, der nun bald mit reuigem Sinn um Erbarmen</p> +<p>Fleh’n wird, büßet die Schuld vergangener Jahre: den Feinden</p> +<p>Fällt er besiegt in dem Kampf’, und verlieret das Reich und das +Leben;</p> +<p>Aber sein Gegner wird ein Vater des Herrscher­geschlechtes,</p> +<p>Das in die fernste Zukunft hinab unzähliger Völker</p> +<p>Glück zu fördern, erwählt, im Segen der Erde genannt sey.“</p> +<p>D’rauf gewahrt’ er den Wink des Herrn: „daß es also gescheh’n +wird<ins class = "correction" +title = "fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">!“ </ins></p> +<p>Sieh’, da flammten, und floh’n, und kehrten in Eile die Sonnen</p> +<span class = "pagenum">39</span> +<p>Wieder zur Bahn! Der Donner rollte hinunter am Weltrand,</p> +<p>Kreisende Monden und Sterne vorbei; die Vesten des Erdballs</p> +<p>Zitterten; hoch aufrauschte das Meer, und die Ström’ und die +Flüsse</p> +<p>Braus’ten wirbelnd zurück, und schäumten empor in den Luftraum.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht</p> +<p>Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.</p> + + + + +<span class = "pagenum">40</span> +<h3><a name = "gesang2" id = "gesang2">Zweiter Gesang.</a></h3> + + +<p>Siehe, wer reitet den Wald entlang? Vom felsigen Boden</p> +<p>Tönet der eiserne Huf. Wer zieht im Schatten der Thäler</p> +<p>Fort im eilenden Trab? Doch dort, wo am lichteren Waldsaum</p> +<p>Weitgesondert, die Tannen steh’n, und der sonnige Bergpfad</p> +<p>Schlängelnd sich hebt, erblitzt es von hellgeglätteten Waffen</p> +<p>Quer in die Eb’ne herab. Jetzt näher und näher erschallet</p> +<p>Munterer Reiter Gespräch, und das Schnauben und Wiehern der +Rosse.</p> +<p>Doch wer ist’s, der allen voran den feurigen Rappen</p> +<p>Reitet, so freundlich und mild, so bar all’ prunkenden Schmuckes?</p> +<p>Zwar erhellt die, in Rosengluth versinkende Sonne</p> +<p>Kein’ unedele Stirn’, und Ehrfurcht heischen die Augen</p> +<p>Dieses Gewaltigen, der ein Fürst, ein Kaiser von Anseh’n</p> +<p>Scheinet? Er ist’s — ha, Rudolph ist’s, der Kaiser der +Deutschen!</p> + +<p class = "stanza"> +Gestern zog er im Abendlicht mit hundert Erwählten</p> +<p>Eilig zum Kärnthnerthore hinaus nach dem herrschenden Hügel,</p> +<span class = "pagenum">41</span> +<p>Wo (so kündet die Sag’) in grau’numhülleter Vorzeit</p> +<p>Eine Spinnerinn saß, und bettelte, reichliche Spenden</p> +<p>Sammelnd: ein Kreuz zu erbau’n von zartdurchlichtetem Stein dort,</p> +<p>Wo das hölzerne, morsch, zerfiel, an welchem sie lebte.</p> +<p>Aber es wurde zugleich ihr Grab, von dem Fremdling bewundert:</p> +<p>Denn erblickt er die Stadt, die weit auf Erden gerühmt wird,</p> +<p>Vor sich in schimmernder Pracht der Thürm’ und unzähliger Häuser,</p> +<p>Zollt er vor allem der sinnigen Wahl der Spinnerinn Beifall,</p> +<p>Und erquickt sein Aug’ an dem wunderherrlichen Anblick.</p> +<p>D’rauf einlenkt’ er zum Fuß’ der traubengesegneten Hügel:</p> +<p>Petersdorf, und Brunn am Gebirg, wo der emsige Winzer</p> +<p>Keltert den kräftigen Most für die spätnachfolgende Zeit noch,</p> +<p>Und durchtrabte die Stadt von Mödeling.<a class = "tag" name = +"tag2_1" id = "tag2_1" href = "#note2_1">1</a> Mächtigen Anseh’ns,</p> +<p>Schaut in das düstere Felsenthal, durch welches der Waldbach,</p> +<p>Eingezwängt, sich windet, und rauscht, die ragende Felsburg,</p> +<p>Mödling herab (ein Eigen des babenbergischen Herzogs,</p> +<p>Heinrich) und lieh auch zugleich dem Städtchen den Nahmen. Die Nacht +hing</p> +<p>Dunkel herab; nicht erspähte der Wart von dem ragenden Wartthurm</p> +<p>Rudolphs hohe Gestalt: d’rum scholl die Dromete zum Gruß nicht.</p> +<span class = "pagenum">42</span> +<p>Doch jetzt zog er am Tannberg fort,<a class = "tag" name = "tag2_2" +id = "tag2_2" href = "#note2_2">2</a> wo im ruhigen Thalgrund</p> +<p>Schimmert das Gotteshaus zum Heiligen-Kreuz mit dem Kloster.</p> +<p>Herzog Leopold baut’ es, der Heilige. Mönche von Cisterz</p> +<p>Rief er dahin, daß dies’ in Saatengefilde die Wildniß</p> +<p>Wandelten, und im Gesange des Chors lobpriesen den Schöpfer.</p> +<p>Manches Helden Gebein’, auch <ins class = "correction" title = +"Original: Fiedrichs">Friedrichs</ins>, des streitbaren Herzogs,</p> +<p>Letzten seines Geschlechts, deckt dort der ehrende Denkstein.</p> +<p>Aber es sandte darauf vom Heiligen-Kreuze der Stiftsabt</p> +<p>Auch nach Lilienfeld die Brüder: so wollt’ es der Herzog</p> +<p>Leupold, der Glorreiche, selbst, als er an dem Fuße der Alpen</p> +<p>Im bezaubernden Thal das Gotteshaus und das Kloster</p> +<p>Stiftete, dem jetzt Rudolph naht’. Schon ließ er auch Kaumbergs</p> +<p>Marken zurück, und als die Sonne im rosigen Schimmer</p> +<p>Sich in Osten erhob, da zog er durch’s liebliche Hainthal,</p> +<p>Und erkor’s in des Mittags Stunde zur Rast. An dem Göls’bach</p> +<p>Weideten frei die Rosse hinab. Die tapferen Krieger</p> +<p>Saßen im Kreise herum: sie sättigten sich an des Weizens</p> +<p>Goldener Frucht, zum nährenden Brote gebacken, und löschten</p> +<p>Dann an der Quelle den Durst. Inmitten der fröhlichen Männer</p> +<p>Saß der Kaiser im Gras’; er rief den Einen und Andern</p> +<p>Auf zu ergetzlichem Schwank’, und zuletzt den redlichen Knappen</p> +<span class = "pagenum">43</span> +<p>Müller, den Zürcher, der ihm das Leben gerettet, und seither</p> +<p>Stets zu getreulichem Dienst’ ihm stand, im Krieg’ und im +Frieden.</p> +<p>„Künde“, so sprach er zu ihm, „den Kriegern das lustige Mährchen:</p> +<p>Wie du mich, den Zürnenden, einst auf der Straße begegnend,</p> +<p>Sühntest, listengeübt: denn manchen von meinen Getreuen</p> +<p>Hast du niedergeworfen zuvor, ein frevelnder Raufbold.“</p> +<p>„Mit Vergunst, Herr Kaiser,“ begann der fröhliche Kriegsmann,</p> +<p>Schlaugewendeten Blicks, „so ich ruhmbegierig, und eitel,</p> +<p>Meinen Gefährten des Zugs verkünde zuvor, daß ich Habsburgs</p> +<p>Grafen im Kampf mit dem Regensberg das Leben gerettet!</p> +<p>Edle von Toggenburg, und Homburg; jene von Nidov,</p> +<p>Palm, und Warth mit Eschenbach vereinten dem Ritter</p> +<p>Regensberg, den er gewaltig bedrängte, die Scharen;</p> +<p>Doch er dachte der List, kriegskundig, dem Feinde zu schaden.</p> +<p>Oft ritt Regensberg mit zwölf weißschimmernden Rossen,</p> +<p>Welchen voran mit lautem Gebell zwölf ähnliche Doggen</p> +<p>Sprangen, zur Jagd, von dem Uttliberg, stolzirend, herunter.</p> +<p>Rudolph lag in dem Hinterhalt: die Ross’ und die Doggen</p> +<p>Hatt’ er, wie jener gewählt. Mein Volk, die muthigen Zürcher</p> +<p>Brachen hervor, mit ihm in dem Handel verstanden, und als er</p> +<p>Nahte der Burg in verstellter Flucht, da meinte der Wächter,</p> +<p>Oeffnend das Thor voll Hast, sein feindbedroheter Herr sey’s</p> +<span class = "pagenum">44</span> +<p>Alsbald ward erobert die Burg, und zerstöret von Grund aus.</p> +<p>Ist’s nicht also gescheh’n, mein hocherlauchter Gebiether?</p> +<p>Aber da stellten sie euch, auf offnen und heimlichen Wegen</p> +<p>Nach. So geschah’s, daß einst, auf einsamer Fährt’ in dem Wald +ihr,</p> +<p>Nur mit schwachem Geleit dem Feind’ in die Hände gefallen,</p> +<p>Rang’t auf Leben und Tod, als bügellos in den Staub euch</p> +<p>Warf das getödtete Roß. Ihr waret erlegen der Mehrzahl;</p> +<p>Doch der Seinen gedenket der Herr: er sandte den Müller</p> +<p>Euch zu Hülf’. Er kam auf dem Pfade geritten, und sah euch</p> +<p>Kämpfen, ähnlich dem Leu’n, den wüthende Tiger umringen;</p> +<p>Naht’ im Flug, und ihr, in den Sattel gehoben, entrannet</p> +<p>So der Gefahr. Doch Müller ist euer getreuester Jünger</p> +<p>Seitdem — rühmt sich denn auch des edelsten Meisters auf +Erden.</p> +<p>Ihr erlaßt mir vielleicht für heute das lustige Mährchen:<a class = +"tag" name = "tag2_3" id = "tag2_3" href = "#note2_3">3</a></p> +<p>Denn, mich dünkt, es entfielen, wie Perlen gestaltete Tropfen</p> +<p>Eueren Wangen. Mich drängte früher die Noth, und euch später:</p> +<p>Alles auf Erden eint der Liebe geschäftige Sorgfalt.“</p> +<p>Innig gerührt ergriff ihm der Kaiser die Hand, und begann so:</p> +<p>„Edel hast gehandelt an mir, mein trefflicher Jünger!</p> +<p>Doch die Capelle winkt auf den Alphöh’n: heute noch sollst du</p> +<p>Ernten herrlichen Lohn, der Heldenthaten gebühret.</p> +<p>Jetzt rasch auf, ihr Reisigen: rasch zu dem winkenden Ziel hin!“</p> +<span class = "pagenum">45</span> +<p>All’ erhoben sich nun voll Muths; sie zäumten die Rosse,</p> +<p>Jauchzend, auf, und es ging dann weiter der fröhliche Zug fort.</p> + +<p class = "stanza"> +Siehe, nicht lang’, und sie sah’n jetzt schon die bläulichen +Alphöh’n</p> +<p>Oben, und tiefer den <em>Kulm</em> und den kegelgestalteten +<em>Spitzbrand</em>,</p> +<p>Freudigen Blicks, als unter dem Huf der gewaltigen Rosse,</p> +<p>Drönend, die Brück’ erscholl, die, stets von den Fluthen der +Traisen</p> +<p>Unten durchrauscht, im Grund die rasche Forelle beschattet.</p> +<p>Weit gerühmt ist die Traisen im Land (daß beide den Ursprung</p> +<p>Sich bestreiten, die Hohenberg-, und die Lilienfelder)</p> +<p>Sprudelnd hervor aus dem Schooß des Traisenberges im Waldthal,</p> +<p>Und enteilend voll Hast, sich dem Donaustrome zu einen.<a class = +"tag" name = "tag2_4" id = "tag2_4" href = "#note2_4">4</a></p> +<p>Freundlich blickten die Sterne bereits vom Gewölbe des Himmels,</p> +<p>Wieder zur Erde herab; schon hauchten die würzigen Matten</p> +<p>Kühlung umher; es verglommen die ragenden Höh’n, und die Fluthen</p> +<p>Dampften im Thal, als jetzt mit seinem Gefolge der Kaiser</p> +<p>Nahe vorüber an Lilienfeld, dem herrlichen Kloster,<a class = "tag" +name = "tag2_5" id = "tag2_5" href = "#note2_5">5</a></p> +<p>Eilete: denn zum Abendgebeth’ ertönte das Glöckchen</p> +<p>Schon von dem Thurm’; es lud zu des Chors Vollendung die Brüder,</p> +<span class = "pagenum">46</span> +<p>Und erweckte zugleich, mildklagend, die Wonne der Wehmuth</p> +<p>Tief in der fühlenden Brust, die leise nach Ruhe sich sehnet</p> +<p>Nach den verschollenen Stürmen des Tags, auf irdischer Wand’rung.</p> + +<p class = "stanza"> +Nahend dem Ziele, durch’s <em>Thal</em>, geboth der Herrscher den +Reitern,</p> +<p>Längs dem Bach zu erringen den Kulm, auf dem breiteren Saumpfad;</p> +<p>Aber er selber klomm, des Weg’s wohlkundig, mit Müllern</p> +<p>Dort, wo ein lieblicher Wasserfall, von schroffer Gebirgswand</p> +<p>Plätschernd herab, zerstäubt die silbernblinkenden Fluthen,</p> +<p>Schweigend, die Höhen empor. Er sah nach den lichten Gefilden</p> +<p>Ferner Ebenen, jetzt aus der nächtlichdämmernden Waldung,</p> +<p>Jetzt vom schwindligen Fels mit thauendem Blick’, und errang so</p> +<p>Früher den Kulm; doch dort, vereint mit seinen Erwählten</p> +<p>Wieder, rastet’ er nicht, und stieg, stets höher und höher,</p> +<p>Bis er, den dunkelen Wald entlang, auf blühenden Matten</p> +<p>Wandelnd, schimmern sah im Schooße der luftigen Alphöh’n,</p> +<p>Aus dem Gezweig umhüllender Tannen der kleinen Capelle</p> +<p>Heiligthum, wo das Licht, in der Lampe genährt von dem Klausner,</p> +<p>Sandte die fächelnde Flamm’ empor aus goldenem Oehlduft.</p> +<p>Dorthin wies ein Gesicht, im mitternächtlichen Grauen</p> +<p>Ihm aufsträubend das Haar vor Furcht und Erstaunen, ihn heut’ +erst.</p> +<span class = "pagenum">47</span> +<p>Wichtiges sollt’ ihm, dort enthüllt nach des Ewigen Rathschluß,</p> +<p>Mächtig erheben das Herz in der Stunde des nahenden Kampfes.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt verließen auf seinen Wink die Reiter den Sattel,</p> +<p>Daß, freiweidend im Feld, die Pferde sich letzten. Des Zaumes</p> +<p>Ledig, sprangen sie wiehernd davon, und wälzten im Gras’ sich</p> +<p>Links und rechts, die Gluth des gepreßten Rückens zu kühlen.</p> +<p>Auch die Reiter gesammt ausruheten dort von der Wand’rung.</p> +<p>Aber der Klausner, ein Greis, von neunzig entflohenen Jahren,</p> +<p>Trat aus der Hütt’, im barnen Gewand’, und führte den Kaiser,</p> +<p>Schweigender Ehrfurcht voll, zur Capelle. Der silberne Bart floß</p> +<p>Ihm zu dem hanfenen Gürtel herab. Von den lastenden Jahren</p> +<p>Wenig gebeugt, sah noch aus seinen erglühenden Augen</p> +<p>Jugendkraft, die manchmal in sinnender Trauer am Boden</p> +<p>Hafteten. Doch jetzt traten sie ein, und beugten die Knie’ dort,</p> +<p>Wo gesegnetes Brot, der Seelen Speise, verwahrt war;</p> +<p>Wo das Bild des Gekreuzigten stand, und die Mutter das Kindlein</p> +<p>Wies in dem hehren Gemähld’, voll Lieb’ an den Busen es drückend,</p> +<span class = "pagenum">48</span> +<p>Und, den wonn’ausstrahlenden Blick auf die Menschen gerichtet,</p> +<p>Allen zu rufen schien: „O liebt den Liebenden mir gleich!“</p> +<p>Aber der Greis, als wär’ es zum legten Male hienieden,</p> +<p>Sah zu ihr lang’ empor, und wandte sich dann zu dem Pilger:</p> +<p>„Herr“, sprach er, „blick’ auf zu der Himmlischen! Früh in des +Lebens</p> +<p>Blüthenzeit hast du die Verehrung der seligsten Jungfrau</p> +<p>Dir erkoren zum wahrenden Schild’, und dem Schiffer nicht +ungleich,</p> +<p>Der in der Sturmnacht fest aufschaut zu dem rettenden +Leuchtthurm,</p> +<p>Dadurch bewahrt im reinen Gemüth Vertrauen und Demuth:</p> +<p>Jenes zu Gott und auf Menschenwerth, und dies’ auch im Glück’ +noch.</p> +<p>Also wandeltest du, ein Seliger, fort auf des Lebens</p> +<p>Dornenpfad mit heiterem Muth: der göttliche Sohn hört</p> +<p>Gerne der Mutter Fleh’n, in ihrem Schutze geborgen.</p> +<p>Jetzt auch wirst du gewiß, in dem furchtbarn Kampf der +Entscheidung,</p> +<p>Huldbeglückt, erringen den Sieg, wenn dir auf dem Schlachtfeld,</p> +<p>In umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt:</p> +<p>„Fromme Jungfrau’n einst zu versammeln zum Zeichen des Kreuzes.“<a +class = "tag" name = "tag2_6" id = "tag2_6" href = "#note2_6">6</a></p> +<p>Höre, demnach was mir mein Meister und Herr in Gesichten</p> +<span class = "pagenum">49</span> +<p>Dunkeler Zukunft wies: Ein Vater unzähliger Fürsten</p> +<p>Wirst du seyn, und so oft auch hier auf irdischer Laufbahn</p> +<p>Wechselt des Menschen Geschick vom Guten zum Schlimmen: so wird +doch</p> +<p>Treu’, und Redlichkeit stets in deinem Geschlechte noch dauern<ins +class = "correction" title = +"fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">.“</ins><a class = "tag" +name = "tag2_7" id = "tag2_7" href = "#note2_7">7</a></p> + +<p class = "stanza"> +„Ernsten Gemüths, herrscht einst dein ältester über die Völker,</p> +<p>Die dein heitres gewann, und fesselte. Ob er auch mannhaft</p> +<p>Steht in der Männerschlacht, und vor ihm die Feinde, besiegt, +flieh’n;</p> +<p>Ob er auch ehret das Recht, und Gerechtigkeit übet als Richter,</p> +<p>So auch die Wissenschaften, die Kunst’, und den frohen +Gewerbsfleiß</p> +<p>Blühen heißt mit dem Ackerbau, ein sorgsamer Herrscher:</p> +<p>Dennoch mißt er die Liebe. Die Hand der ewigen Vorsicht</p> +<p>Waltet über des Menschen Geschick’. In Dunkel gehüllet</p> +<p>Möge sein Ende dir seyn. Ihn rächen entsetzlich die Seinen.“</p> + +<p class = "stanza"> +„Schön an Gemüth und Körper, die Lust des Menschen­geschlechtes,</p> +<p>Faßt mit unstraflicher Hand die Kaiserkrone dein Enkel.</p> +<p>Aber, ihm gleich, ein Held, vom feindlichen Schicksal zum Feind’ +ihm</p> +<p>Auserkoren, entwindet sie ihr auf dem rauchenden Blutfeld</p> +<p>Mühldorfs; doch entreißt er, erst nur der Rache gedenkend,</p> +<span class = "pagenum">50</span> +<p>Auch in der Kerkerluft der Trausnitz dem edelsten Manne</p> +<p>Nicht den unsterblichen Kranz, der, lohnend, dem Guten zu Theil +wird.</p> +<p>Sieh’, er steht, erschütternd, vor ihm, da er Ehre viel höher,</p> +<p>Denn des Lebens erlesenstes Glück, die goldene Freiheit,</p> +<p>Achtet, und wiedergekehrt, die Hände noch selber den Fesseln</p> +<p>Beut: ein Muster der deutschen Treu’ auf Wort und auf Handschlag!</p> +<p>Innig ehrt er ihn d’rauf, und theilt das nächtliche Lager,</p> +<p>Ja, auch den Purpurthron mit dem Freund, der Erde zum Staunen.“</p> + +<p class = "stanza"> +„Ha, schon winket des Theuerdanks unsterblicher Held mir</p> +<p>Aus dem strahlenden Licht des thaten­verherrlichten Lebens!</p> +<p>Sein erbarmt sich der Herr, und rettet ihn, wunderbar oft so,</p> +<p>Wie auf der Martinswand, aus unsäglicher Noth und Gefahren,</p> +<p>Welch’ ihm fortan drau’n auf des Herrschers dornigen Pfaden.</p> +<p>Hoch erhebt er den Ruhm von Oestreich: kühn auf dem Schlachtfeld,</p> +<p>Weis’ im Rath; ein Liedergewaltiger, Held, und Beherrscher.“</p> + +<p class = "stanza"> +„Aber ihm folgt, o Habsburgs Stolz, sein größerer Enkel!</p> +<p>Sein Zeitalter leuchtet in wunderherrlichem Glanz’ auf.</p> +<p>Jugendlich regt sich die Erd’, und treibt den erfreuenden Keim +schon</p> +<span class = "pagenum">51</span> +<p>Jedes Großen und Schönen hervor. Erhabene Geister</p> +<p>Wandeln auf ihr zum Ziel — der Höchst’ er unter den Hohen!</p> +<p>Ha, wie würdig er herrscht, wie kraftvoll! Fern in die Zukunft</p> +<p>Schaut sein Blick: er sinnt auf Deutschlands Größe durch Einung,</p> +<p>Auf Hispania’s Macht, und Italia’s, daß er die Rettung</p> +<p>Schaffe dem Christenvolk g’en wildempörter Osmanen</p> +<p>Allverheerende Wuth, die er tapfer bekämpft, und besieget.</p> +<p>Auch jenseits dem unendlichen Meer’ erbeben die Völker</p> +<p>Seiner Gewalt: nie geht die freundlich­leuchtende Sonne</p> +<p>Unter in seines umuferten Reichs endlosen Bezirken.</p> +<p>Also die alt’ und die jüngere Welt im Segen zu einen,</p> +<p>Strebt sein hohes Gemüth. Wie dunkel die Wege der Vorsicht!</p> +<p>Deutschlands Gau’n durchtobt die Neuerung. Feindlichgeschieden,</p> +<p>Schaut urplötzlich der Mensch dem Menschen in’s Aug: ihn +verwildert</p> +<p>Schrecklicher Sectenhaß: denn Mord, und Brand, und Empörung</p> +<p>Würgt Jahrhunderte fort, und verscheucht bald jegliche Hoffnung,</p> +<p>Die so herrliche Früchte verhieß. Vergeblich versucht er,</p> +<p>Heimzuführen den scheuentflohenen Frieden: auf immer</p> +<p>Scheint er entfloh’n. Ihn ergreift unendlicher Schmerz, und er +endet,</p> +<p>Freientsagend dem Thron, in einsamer Zelle sein Leben.“</p> + +<span class = "pagenum">52</span> +<p class = "stanza"> +„Ha, nach neun, durch Weisheit, Mild’, und Gerechtigkeit ruhmvoll</p> +<p>Herrschenden Männern deines Stamms, erseh’ ich im Thronsaal</p> +<p>Eine gewaltige Frau, die im Sturm umdrauender Nöthen,</p> +<p>Gottvertrauenden Muths, die Lieb’ und Bewunderung aller,</p> +<p>Eintritt dort, mit dem Sohn’ auf dem Arm, in die hohe Versammlung</p> +<p>Eines edelen Volks, und tausend Stimmen erschallen,</p> +<p>Als der ehernen Scheid’ entrissen der blitzende Stahl fleugt:</p> +<p>„Laßt uns sterben für Sie, die, als Königinn, uns ist ein König!“</p> +<p>Glücklich als Gattinn und Mutter zugleich, und als Herrscherinn +würdig</p> +<p>Ewigen Ruhms, entschlummert sie sanft in den Armen des Todes.“</p> + +<p class = "stanza"> +„Lange zum Manne gereift, nachfolgt ihr spät ihr Erzeugter:</p> +<p>Herrschend des Volks Abgott, dem er nur Gutes gewillt ist.</p> +<p>Aber ihm stürmts in der Brust: was kommenden Zeiten noch dau’re,</p> +<p>Müsse sorgsam gepflegt, und festgegründet der Bau seyn,</p> +<p>Das bedenket er nicht, und sieht noch sterbend, verwelket</p> +<p>Was er gepflanzt, und im Sand, sturzdrohend, was er gebaut hat;</p> +<p>Dennoch beut ihm die Liebe den Kranz niewelkenden Nachruhms.“</p> + +<span class = "pagenum">53</span> +<p class = "stanza"> +„Siehe den Weisen, in dessen Hand dann erglänzet der Zepter,</p> +<p>Reißt des Todes Geschick aus der Zahl der Lebenden schnell fort!</p> +<p>Wohl ihm: denn früher erringt er das Ziel der herrlichsten +Laufbahn</p> +<p>Auf hesperischer Flur, wo er Glück ausspendet, und Segen!“</p> + +<p class = "stanza"> +„Jetzt entschwinden die hehren Gesichte vor mir wie in Nebeln.</p> +<p>Furchtbar steigt Geschrei in die Luft. Des alternden Erdballs</p> +<p>Vesten wanken; es scheint, als sollt’ ein neues Geschlecht sich</p> +<p>Heben empor aus dem gährenden Grund, doch früher die alten</p> +<p>Ganz hinschwinden in Nichts: so entsetzlich schwelgt die Empörung</p> +<p>Fort an den Strömen vergossenen Bluts. Der tauschenden Gleichheit</p> +<p>Mordruf schallt: hinschwindelt das Volk, und reißt mit des +Thrones</p> +<p>Stürzendem Heiligthum’ auch sich selber hinunter zum Abgrund,</p> +<p>Wo in dem nächtlichen Grau’n sein Wuthgestöhne verhallet.</p> +<p>Aber ich sehe den Schiffer im Sturm, der, blickend zum Himmel,</p> +<p>Unerschütterten Muths, durchfleugt die empörten Gewässer;</p> +<p>Sehe den Sohn vor mir des Verblichenen, wie er im Nachtgrau’n</p> +<span class = "pagenum">54</span> +<p>Fortgewogt auf der Fluth, nun sinkt, nun steigt, bis er endlich,</p> +<p>Lautumjauchzt, einfährt in den volkerfülleten Hafen,</p> +<p>Und noch höher als erst, nach zwei Jahrzehenden aufragt:</p> +<p>Denn ihn lenkt in den Tagen der Noth stets sicher der Tugend</p> +<p>Heiliger Wink, und sein ist die Lieb’ und die Treue der Völker,</p> +<p>Die er, ein Vater, beherrscht mit mildvorsorgender Weisheit.</p> +<p>Heißt auch mancher Gewaltige „Groß“ in Geschichten der Menschen,</p> +<p>Ihn wird einst die Nachwelt laut den <em>Edelsten</em> nennen.“</p> + +<p class = "stanza"> +„Dunkler ward’s ... mir schwand in verworrenen Bildern die Zukunft.</p> +<p>Doch nun hast du vernommen, was mir, unwürdigem Diener</p> +<p>Heute der Herr enthüllt’. Leb’ wohl! Vollbracht ist des Lebens</p> +<p>Weitumirrender Lauf — er endete, deiner gewärtig.</p> +<p>Denk’ auch mein im Gebeth. Stets sey der Himmel dir gnädig!“</p> +<p>Sagt’ es, und wankte hinaus, der Klaus’ entgegen. Er warf sich</p> +<p>Dort auf die Knie’, und bethete leis’ mit erblassenden Wangen.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber auch Rudolph lag mit tiefgesunkenem Antlitz</p> +<p>So, daß die stürzende Thrän’ auf die Marmorstufe hinunter</p> +<p>Ihm aus den Wimpern sank, mit hörbarem Laut in der Stille,</p> +<span class = "pagenum">55</span> +<p>Vor dem Altar auf den Knie’n. Sein Dank auf den Fittigen tiefer,</p> +<p>Inniger Andacht flog empor zu dem Vater im Himmel.</p> +<p>Als er den Blick zu dem Bild’ erhob, und das Aug’ auf die Augen</p> +<p>Heftete, die so mild den frommhinwandernden Pilger</p> +<p>Wecken zur Liebe des Sohn’s, da erblaßt’ er betroffen. Ihn +dauchte:</p> +<p>Daß sie in himmlischem Glanz’ erglühten, und schaudernder Angst +voll,</p> +<p>Wich er zurück vom Altar — bis jetzt in der Lampe der +Lichtdocht</p> +<p>Hell aufflammt’, und sanft, wie zuvor, die Mutter ihn ansah.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzo rief er Müllern herbei, der draußen im Vorhof</p> +<p>Harrte; legte die Hand ihm fest auf die Schulter, und sagt’ ihm:</p> +<p>„Hole die Waffen schnell: den Degen, den Helm, und den Harnisch;</p> +<p>Auch die Spor’n, die wir mitführeten: leg’ sie in Demuth</p> +<p>Auf den Altar; dann fasse den Speer, die Wache zu halten,</p> +<p>Bis zum Morgen. Ich geh’, ein Weniges draußen zu schlummern.“</p> +<p>Also geschah’s. Der Knappe ging, und holte, verwundert,</p> +<p>Alles und Jedes herbei; dann faßt’ er den Speer, und erging sich</p> +<p>Dort, gemessenen Schritts, die Wach’ an dem Heiligthum haltend.</p> +<span class = "pagenum">56</span> +<p>Doch als jetzt an des Himmels Rand der erwachende Morgen</p> +<p>Wie der purpurne Kelch der frischentfalteten Rosen</p> +<p>Glühete, hieß der Kaiser sein Volk der kleinen Capelle</p> +<p>Nahen, und dort im Kreis’ umgeben den heiligen Altar.</p> +<p>Anbethend stand er selber vor ihm; dann wandt’ er sich freundlich</p> +<p>Gegen den Kreis; rief laut dem Knappen Müller, und winkt’ ihm,</p> +<p>Niederzuknieen vor Gott auf die Marmorstufe. Den Wammsrock</p> +<p>Nahm er ihm erst von dem Leib’, und umgab mit dem glänzenden +Harnisch</p> +<p>Ihm die Brust: er reicht’ ihm die Sporn’ und den trefflichen +Degen</p> +<p>Dar mit dem Wehrgehang; bedeckte sein Haupt mit dem Festhelm,</p> +<p>Riß dann schnell das Eisen hervor aus der Scheid’, und begann so:</p> +<p>„Weil du, tapfergesinnt, obgleich als Bürger geboren,</p> +<p>Habsburgs Herrn, der jetzt des heiligen, römischen Reiches</p> +<p>Kaiser sich rühmt, das Leben gerettet, und stets auf dem +Schlachtfeld</p> +<p>Ritterlich’ Ehre gewannst durch heldenmütige Thaten:</p> +<p>Will ich dich hier, vor Gottes Altare, den Edeln gesellen.</p> +<p>Aber bedenke denn auch, daß dir hinfort auf des Ritters</p> +<p>Ehrenbahn gezieme, zu schirmen das Recht und die Unschuld;</p> +<p>Schützer zu seyn des zarten Geschlechts in Zucht und in Ehren;</p> +<span class = "pagenum">57</span> +<p>Nie zu meiden den Kampf, in die Schranken durch Edle gefordert;</p> +<p>Nie zu dulden die Schmach, und zu rächen erlittenes Unrecht,</p> +<p>Kräftig und ohne Verzug, so dir’s nicht wehrt das Bewußtseyn:</p> +<p>Hierauf schlag’ ich dich Gott, und Maria, der heiligen Jungfrau,</p> +<p>Auch Sanct Görgen, des Ritters Patron, zu Ehren, zum Ritter.“<a class += "tag" name = "tag2_8" id = "tag2_8" href = "#note2_8">8</a></p> +<p>Sagt’ es, und führte den Streich kreuzweis mit dem tönenden +Schwertstahl</p> +<p>Ihm die Schulter hinab, erhob den Edeln, und küßt’ ihn.</p> +<p>Laut aufschrie die Schar der Versammelten. Jeglicher staunte,</p> +<p>Forschte zuvor, wohin sich wende das ernste Beginnen?</p> +<p>Doch, nun schüttelt’ ihm jeder die Hand, und lächelt’ ihm +Beifall.</p> + +<p class = "stanza"> +Schon erglühte das zarte Gewölk im lichteren Osten,</p> +<p>Das dem erwachenden Tag das Nahen der herrlichen Sonne</p> +<p>Kündete: sieh’, da führte sein treues Gefolge der Kaiser</p> +<p>Schnell zum ersehneten Alpenrand, wo jetzo die Aussicht</p> +<p>Unermeßlich groß, vor den Augen der Männer sich aufthat!</p> +<p>Aber sie bebten zurück vor freudigem Schreck und Erstaunen:</p> +<p>Erst zur Tiefe hinab, wo auf duftigen Schwingen die Nebel,</p> +<p>Zögernden Flugs, bald hier, bald dort nach entfernteren Thälern</p> +<p>Flatterten, sank ihr Blick. Wie staunt’ er: gewaltige Berghöh’n</p> +<span class = "pagenum">58</span> +<p>Nun zu Hügeln versunken, zu schau’n, und auf jeglichem ringsher</p> +<p>Wiesen, und Ackergründ’, und <ins class = "correction" title = +"Original: waldumsaumtes">waldumsäumtes</ins> Gehöftland;</p> +<p>Unten am hellen Teich das Gotteshaus, und des Klosters</p> +<p>Riesengebäude; das Thal entlang, an der schimmernden Traisen</p> +<p>Hin, aufwirbelnden Rauch von den Eisenhämmern und Hütten — +Dann</p> +<p>unendlich hinaus vom Gebirg verbreitet die Fluren;</p> +<p>Doch als jetzt aus dem Nebelmeer ihr breiteres Antlitz,</p> +<p>Dunkelgeröthet, die Sonn’ erhob, und ringsum der Erdkreis</p> +<p>Jubelte: reich mit Perlen geschmückt, und begrüßt von den Scharen</p> +<p>Zahlloser Vögel im Wald’, in den Thälern, und hoch in den Lüften,</p> +<p>Wo sich empor unsichtbar schwangen die wirbelnden Lerchen:</p> +<p>Ha, da erglühte die Brust der Männer vor tiefem Entzücken!</p> +<p>Mancher faltete, bethend, die Händ’, und blickte hinunter,</p> +<p>Rings umher, dann himmelwärts, mit Thränen der Wonne.</p> +<p>Keiner hatte zuvor erstiegen die Höh’n, und gesehen</p> +<p>Dorther tausendfaltig besä’t mit schimmernden Städten,</p> +<p>Dörfern, und Klöstern das Land, und hochaufragenden Burgen;</p> +<p>Nur der erhabene Kaiser allein erlabte schon oft sich</p> +<p>Dort an der seligen Schau, und begann jetzt freudigen Blickes:</p> +<p>„Seht, wo nördlich hinaus sich die Straße, wie schimmernde +Leinwand,</p> +<p>Dehnt, Sanct-Pölten, die Stadt voll trefflicher Bürger und +d’rüben</p> +<span class = "pagenum">59</span> +<p>Herzogburg mit dem Gotteshaus’ im lieblichen Aufeld.</p> +<p>Seht dort links, erbaut auf dem weitgesehenen Berggrath,</p> +<p>Göttweih herrschen im Donauthal, das herrliche Kloster;</p> +<p>Doch, nicht ferne der Burg des Hoheneckers am Wald dort,</p> +<p>Herrlicher Mölk: bewohnt von Benedicts Söhnen die beiden;</p> +<p>D’rauf die Stadt’ auch: Krems, Und, Stein, von Traubengebirgen</p> +<p>Rings umgrünt, an dem Ufer der hellerglänzenden Donau.</p> +<p>Doch, o! wer erspäht’, auch schärferen Blickes, noch jenseits,</p> +<p>Bis zu dem bläulichen Kranz der Karpathen hin, und den Marken</p> +<p>Mährens der Menschen Wohnungen all’ in unendlicher Landschaft?</p> +<p>Seh’t, g’en Westen, den Traunstein dort: er senket den Felsfuß</p> +<p>Tief in den Gmundner See: die Zierde des Oberen-Oestreichs.</p> +<p>Näher erglänzet die Tillisburg, die im ruhigen Thalgrund</p> +<p>Birgt Sanct Florians Stift, das Haus ruhmwürdiger Chorherrn.</p> +<p>Dann erhebt der mächtige Briel, und drüben der Oetscher</p> +<p>Noch das Haupt zum Gewölk, und rings bis zum östlichen +Schneeberg,</p> +<p>Der nach der Wiener-Neustadt schaut, der <em>Immer-Getreuen</em>,<a +class = "tag" name = "tag2_9" id = "tag2_9" href = "#note2_9">9</a></p> +<p>Sehet ihr Berg’ auf Berge gethürmt, erschütternden Anblicks.</p> +<p>Nur verhüllt uns der Kahlenberg mit seiner Karthause</p> +<p>Wien, die Kaiserstadt, und das weitverbreitete Marchfeld,</p> +<span class = "pagenum">60</span> +<p>Wo jetzt Ottgar lagert, und dort auf blutigen Kampf sinnt;</p> +<p>Doch wir biethen ihm lieber die Hand mit dem friedlichen +Oehlzweig,</p> +<p>Als daß er fühle den Schlag der eisernen, niedergeschmettert.</p> +<p>Ha, dieß Bild entschwind’ euch nie, das heute so wonnig</p> +<p>Uns enthüllten die Höh’n des Lilienfelder-Gebirges!“</p> + +<p class = "stanza"> +Eiliger wandt’ er jetzt die Schritte zurück, in der Hütte</p> +<p>Noch dem frommen Klausner zu nah’n — zu vernehmen des +Segens</p> +<p>Laute von ihm, und ach, wie ergriff ihn Angst und Entsetzen,</p> +<p>Als er geöffnet die Thür’, und ihn, vor dem Bild des Erlösers</p> +<p>Auf den Knie’n, im Gebeth, mit gesunkenem Haupt und zum Boden</p> +<p>Starrendem Aug’, ersah — doch stumm, und erblasset im Tod +schon!</p> +<p>Lange staunt’ er, bewegt, den Verblichenen an, und enteilte</p> +<p>Dann der Hütt’. In des Augenblicks entschwindendem Zeitraum</p> +<p>Schwangen die Reiter sich all’ in den Sattel, und trabten ihm, +schweigend,</p> +<p>Nach, zum Kloster hinab, wo er, tieferschüttert im Geist noch,</p> +<p>Anbethend, weilt in dem Gotteshaus’, und dann in dem Kreuzgang</p> +<p>Wandelnd, hinauf in das Schlafhaus stieg in der Stunde des +Mittags.</p> +<span class = "pagenum">61</span> +<p>Hundert Schritt’ entlang, auf mächtige Säulen gegründet,</p> +<p>Wölbete dreifach die Halle sich auf: nur dämmerndes Zwielicht</p> +<p>Brach durch farbiges Glas der zierlichgestalteten Fenster.</p> +<p>Ernst ergriff ihn das Bild der Vergänglichkeit, als er mit +Ehrfurcht</p> +<p>Staunte dem Bau. „Du sollst“, so lispelt’ er leise für sich hin,</p> +<p>„Eiserngefügt, mit Stolz auf die wechselnden Zeiten herabschau’n;</p> +<p>Aber vielleicht, daß nach sechs Jahrhunderten, oder nach sieben</p> +<p>Du in dem Schutte versinkst, wenn dort die prasselnde Flamme</p> +<p>Ueber dir braust, und vergeblich des Wanderers Auge dich suchet!“<a +class = "tag" name = "tag2_10" id = "tag2_10" href = +"#note2_10">10</a></p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, da nahte des Klosters Abt mit den Brüdern, und sagte:</p> +<p>„Herr, du zürnest uns wohl? Wir säumten den Herrscher zu grüßen!“</p> +<p>Doch der Kaiser begann: „Nicht euere Schuld ist es, wahrlich:</p> +<p>Denn ich schlich gar leise herein, als käm’ ich, ein Späher.</p> +<p>Jetzo gedenkt, Herr Abt, mit sorglicher Liebe zu einen</p> +<p>Staub dem Staub’, aus welchem er kam: die Leiche des Klausners,</p> +<p>Der in dem Herrn entschlief, in der einsamen Hütte der Alphöh’n.“</p> +<p>„Weh’,“ entgegnete jener bestürzt, „so schwand auch der Segen</p> +<span class = "pagenum">62</span> +<p>Von den Alpen mit ihm: denn seinen erhörten Gebethen</p> +<p>Dankten sie ihr Gedeih’n, und des Segens Fülle die Hirten!</p> +<p>Aber nicht zeitlichen nur, auch ewigen wußt’ er zu spenden.</p> +<p>Liebend brach er das Brot den Großen und Kleinen — versteht +mich</p> +<p>Wohl, erlauchtester Herr: das Brot des göttlichen Wortes,</p> +<p>Das die Seel’ ernährt, und stärket für immer und ewig!</p> +<p>Aber woher er kam; weß’ Landes und Stamm’s er gewesen,</p> +<p>Hat noch keiner enthüllt. Versenkt in düstere Schwermuth,</p> +<p>Kam er in frühester Jugendzeit auf die Alp’, und erbaute</p> +<p>Dort die Capelle, geweiht dem Dienste der seligsten Jungfrau.</p> +<p>Weniges sprach er nur, mit den Worten geizend — mit Werken</p> +<p>Himmlischen Wohlthuns nicht: ein Heiliger allen verehret.</p> +<p>Morgen wollen wir ihn mit der Seelenmeß’ und dem Bußpsalm</p> +<p>Würdig zur Erde bestatten, und ihm erhöhen den Denkstein.“</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzo erscholl mit freudigem Ruf Drometengeschmetter</p> +<p>Von dem Wege heran, der Zell’ entgegen — der Jungfrau</p> +<p>Gnaden-Zelle, führt, wohin, wie der Hirsch nach dem Bronnen</p> +<p>Schmachtet, unzählige Pilger zieh’n mit sehnendem Herzen</p> +<p>Nach dem Segens-Born der göttlichen Huld und Erbarmung.</p> +<p>Hell erglänzte das Aug’ und die Wange des Kaisers. Er eilte</p> +<p>Rasch die Stufen herab: denn Albrecht, sein ältester, kam jetzt</p> +<p>Her aus den rheinischen Gau’n mit tapferen Scharen gezogen.</p> +<p>Laut begrüßt’ er den nahenden Sohn, und both ihm die Hand dar,</p> +<p>Freundlich und mild; doch warm erwiedert’ es dieser, und innig,</p> +<span class = "pagenum">63</span> +<p>Obschon er düstern Gemüths nie lächelte. Siehe, zur Heerschau</p> +<p>Hatt’ er die Krieger in Reihen gestellt! Mit stolzem Vertrauen</p> +<p>Wies er ihm erst fünfhundert aus Zürch, die im Kampfe der +Markgraf</p> +<p>Hochberg lenkt; dann jene von Kyburg, Salm und Luzern her:</p> +<p>Dreimal so viel’ an der Zahl, die Nürnbergs tapferer Burggraf,</p> +<p>Friedrich, erkiesend, im Felde beherrscht, und wies ihm dann +endlich</p> +<p>Jene, den ersteren gleich an der Zahl, die er selber in Schwabens</p> +<p>Heiteren Gau’n jüngst warb, und jetzo zum Kampf und zum Sieg +führt:</p> +<p>Lanzengewaltiges Volk, mit Helmen bewehrt und mit Schilden.</p> +<p>Aber hinab und herauf vor den Reih’n erging sich der Kaiser</p> +<p>Dort mit zögerndem Schritt’. Er sah mit freundlichen Blicken</p> +<p>Jedem Krieger in’s Aug’; erzwang ihm ein Lächeln, und fragt’ ihn:</p> +<p>Wie’s ihm erging seither? — bei’m Nahmen die Tapferen +rufend.</p> +<p>Manchem strich er das rauhe Gesicht mit der Rechten; dem andern</p> +<p>Faßt’ er die Hand, und verhieß ihm des Kampfs Arbeiten die Fülle:</p> +<p>Da er schon alle zuvor im furchtbarn Felde der Waffen</p> +<p>Sah, und erprobte den Muth und die Kraft des einen und andern.</p> + +<span class = "pagenum">64</span> +<p class = "stanza"> +Jetzo begann der Sohn dem herrschenden Vater zu künden:</p> +<p>Wie er das Kriegsvolk warb in der Heimath — d’rauf an den +Marken</p> +<p>Schwabens vereinte zum Heer’; wie er schnell g’en Ulm an der +Donau</p> +<p>Zog, wo zuerst der Strom den breiteren Rücken zur Fahrt beut;</p> +<p>Dann’ in Schiffen herab, durch Bayerns gesegnete Fluren,</p> +<p>Also durch Oestreichs obere Gau’n nach Enns, und gelandet,</p> +<p>Nach Stadt-Steyer geeilt, die am hellerglänzenden Waldstrom</p> +<p>Vielfach den Wand’rer ergetzt durch eisengestaltender Meister</p> +<p>Sinnigen Fleiß, und jetzt unwegsame Schluchten durchirrend,</p> +<p>Kam nach Zell, wo sich an der Gnadenquelle die Krieger</p> +<p>Alle reinten von Schuld, und des himmlischen Brotes genossen.</p> +<p>„Doch,“ so erzählt’ er fort, „wie erhob mich, nicht ferne dem Ziel +mehr,</p> +<p>Heut’ in dem dunkeln Oetscherthal’ ein Wunder der Allmacht!</p> +<p>Vor mir sprang ein flüchtiger Gemsbock fort in des Weges</p> +<p>Krümmungen. Ich, von Jagdlust heiß, verfolgte den Kühnen</p> +<p>Seitab, bis er vom Rand der steilabgleitenden Felswand</p> +<p>Stürzte zur Tiefe hinab, und zerschmetterte dort die Gebein’ +all’.</p> +<p>Aber der Rückgang schien auch mir versagt, und ich wand mich</p> +<p>Mühesam nur, die Schluchten entlang, zu lichteren Stellen.</p> +<p>Plötzlich ergriff mein Ohr ein Donnergetümmel: die Felsen</p> +<p>Drönten umher; stets furchtbarer scholl aus der Schlucht, wie ich +nahte,</p> +<p>Stürzender Fluthen Gerausch’, und erfüllte die Thäler mit +Schauder.</p> +<span class = "pagenum">65</span> +<p>Doch nun war errungen der Stand. Von des schwindligen Felsens</p> +<p>Schmalvorragendem Riff’ ersah ich, vor freudigem Schrecken</p> +<p>Selber zum Stein erstarrt, des Waldstroms Fall in den Abgrund:</p> +<p>Denn vor mir aufthürmte sich hoch der gespaltene Felsberg</p> +<p>Oben am Rand nur sanft zur Rechten gebogen, und dorther</p> +<p>Stürzt, ein raschvorstürmendes Ungethüm, nieder die Lasing.<a class = +"tag" name = "tag2_11" id = "tag2_11" href = "#note2_11">11</a></p> +<p>Ha, wie Fluth auf Fluth und Wog’ auf Woge sich dränget,</p> +<p>Rastlos; dann, erbebend dem Sturz’, aufheult, und die Stimme</p> +<p>Aller, vereint, zum furchtbarn, schrecklichen Donnergetös’ wird!</p> +<p>Wie sie sich fassen im Flug, mit eh’rnem Geprassel die Klippen</p> +<p>Schlagen, und schäumen vor Wuth; wie sie von dem Felsen herunter</p> +<p>Fort und fort, den jähabrollenden Schnee-Lawinen</p> +<p>Gleich, im kreisenden Schwung sich wälzen, und stürzen, und ewig</p> +<p>Rauschen, und brausen, daß rings die waldigen Höhen erzittern.</p> +<p>Ueber die Berg’ empor, in die hehren Gefilde der Wolken</p> +<p>Fleugt der glänzende Staub zerschellter Gewässer, und dreht sich,</p> +<p>Wirbelnd, im eisigen Hauch des stromgeborenen Windes.</p> +<p>Doch als dort in die Felsenschlucht, am glänzenden Mittag,</p> +<p>Freundlich die Sonne schaut, da haucht sie in vielfacher Wölbung</p> +<p>Hin auf das wirbelnde Naß den siebenfarbigen Bogen,</p> +<p>Der die stürmende Brust mild sänftiget: so wie er Noah</p> +<span class = "pagenum">66</span> +<p>Einst erquickte das Herz, ein Zeichen der hohen Verheißung.</p> +<p>Wahrlich, entzückend schön, und erhebend dem fühlenden Menschen,</p> +<p>Pranget der Lasingfall in Oestreichs hehrem Gebirgsthal!“</p> +<p>Aber er horchte den Worten des Sohn’s mit Lust, und geboth dann,</p> +<p>Laut, dem Volke zu Fuß und den Reitern den eiligen Aufbruch.</p> + +<p class = "stanza"> +Staunend ersah’n die Krieger zuvor, an der Seite des Kaisers</p> +<p>Müllern im Ritterschmuck — den ebenbürtigen Bürger</p> +<p>Zürcher Stadt; sie sah’n es, und lispelten, wiegend das Haupt +noch,</p> +<p>Einer dem andern die Frag’ in’s Ohr: „was solches bedeute?“</p> +<p>Jener gewahrt’ es, und, sich im kreisenden Schwung in den Sattel</p> +<p>Hebend, lenkte den Rappen herbei; dann heischt’ er von Diesem,</p> +<p>Jenem die Rechte zum Gruß, und preßte sie, heiß in der seinen.</p> +<p>Aber da kam, erglühenden Blicks, der Kaiser, und sagte:</p> +<p>„Staunt nicht fürder, daß ihr im Ritterschmucke den Bürger</p> +<p>Euerer Stadt erblickt. Allmänniglich ist es bekannt ja,</p> +<p>Wie er in großer Gefahr mit tapferem Muth mir das Leben</p> +<p>Rettete: d’rum auch werth und würdig des Standes der Edeln;</p> +<p>Aber nicht Müllern nur, auch jeglichem steh’ ich als Schuldner,</p> +<p>Der so, wie er dem Kaiser und Reich sich verdingte: Rudolphus,</p> +<p>Kaiser des Reichs, wird ihm die Schuld mit Wucher bezahlen.“</p> +<span class = "pagenum">67</span> +<p>Sagt’ es, und schwang sich auf’s wiehernde Roß. Zum freudigen +Aufbruch</p> +<p>Scholl die Dromet’, und schnell g’en Wien bewegte der Zug sich.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, in des Abends Grau’n, gewiegt von gaukelnden Lüftchen,</p> +<p>Rauschte das Laub in dem Weidenhain, der nahe den Mauern</p> +<p>Drösings, am Hügel empor sich hob, und im schlängelnden Waldbach,</p> +<p>Längs dem duftenden Thal sich spiegelte! Völlig verhallt war</p> +<p>Nun des Kampfes Getös’ — erstürmt die Veste. Die Gegner</p> +<p>Wichen, bezwungen, zurück, und Ottgars furchtbare Gattinn</p> +<p>Sah schon stolz auf das Land, das bald (so wähnte sie thöricht)</p> +<p>Oestreichs Aar’ entrissen, dem Leu’n von Böhmen zu Theil wird.</p> +<p>Doch wer ist die holde Gestalt, die, zögernden Schrittes,</p> +<p>Drüben, den Bach entlang, hinwandelt in sinniger Schwermuth?</p> +<p>Hedwig, ihr’ Erzeugte, die Wonne des herrschenden Vaters,</p> +<p>Und der Liebling des Volks, geliebt, und bewundert von allen.</p> +<p>Aber warum erbebt ihr hochgesinnetes Herz nun</p> +<p>Unter der sanftvorwölbenden Brust? Entlockte der Thränen</p> +<p>Hellerglänzendes Paar, das über die rosige Wang’ ihr</p> +<p>Träufelte, tiefverborgener Gram, und die Einsame geht nun</p> +<p>Solches dem spähenden Blick der furchtbarn Mutter zu bergen?</p> +<p>Ach, nicht der Mutter allein — auch allen den Sterblichen +ringsum,</p> +<p>Ja, sich selbst, und sogar dem Allerforscher im Himmel,</p> +<span class = "pagenum">68</span> +<p>Bärge sie gerne den Gram, dem heute die Thränen geflossen!</p> +<p>Doch nun hemmt sie den Schritt. An den Stamm des schattenden +Baumes</p> +<p>Stützend den Arm, und pressend die Wang’ in die Höhle der Linken,</p> +<p>Hebt sie das Aug’, voll Himmelsbläu’, empor zu den Sternen.</p> +<p>Seitwärts sank von der hellen Stirn’ ihr des bräunlichen +Haupthaars</p> +<p>Ringelnde Meng’, und hing von den Schultern zugleich, und des +Nackens</p> +<p>Schöner Säul’ an dem schneeigen Faltengewande hinunter,</p> +<p>Das dicht unter der schwebenden Brust der goldene Gürtel</p> +<p>Lieblich umfing. Nicht kam von den funkelnden Sternen ein +Lichtstrahl</p> +<p>Ihr in die grau’numnachtete Brust. Sie starrte, verstummend,</p> +<p>Lange vergeblich empor; doch jetzt mit lispelndem Laut nur,</p> +<p>Und umschauend mit Angst, begann das jammernde Fräulein:</p> +<p>„Ha, vernichtendes Bild — entsetzlich, und furchtbar, und +dennoch</p> +<p>Himmlisch zugleich aufschwebst du vor mir, umgaukelst mich +rastlos,</p> +<p>Und bethörst mir den Geist mit tiefverwirrendem Schwindel!</p> +<p>Wallstein — Gott! Wen nannt’ ich? Sein Nahm’ entriß sich den +Lippen</p> +<p>Mir, der Unglücklichen jetzt, und ach, der holdeste Laut wär’s;</p> +<p>Süßer als Harfengetön’ in des Mondlichts freundlichem Schimmer,</p> +<p>Klang’ er mir in dem Ohr’, dürft’ ich ihn nennen — ich darf +nicht!</p> +<span class = "pagenum">69</span> +<p>Glückliche Menschen ihr, die ihr dort in der niedrigen Hütte</p> +<p>Wohnt, wo des Throns augblendender Glanz nicht das Herz von dem +Herzen</p> +<p>Trennt, dem ihr’s auf immer geweiht: wie zög ich so freudig</p> +<p>Hin den dunkeln Pfad, der euch beglückend zum Ziel führt!</p> +<p>Weh’, wie sprach ich? Wohin entschwand mir jede Besinnung!</p> +<p>Grünende Matten, du murmelnder Bach, und ihr Sterne da oben</p> +<p>Sagt es nicht, was ihr gehört. Du Mutter des Heiligsten, Besten,</p> +<p>Huldvolle Maid, nah’ mir, der armen Verirrten, zur Rettung!</p> +<p>Billig haßt’ ich ihn. Ha, wie verwegen er jüngst zu den Knie’n +mir</p> +<p>Sank — ich bebte vor Angst, in des Gartens umschattendem +Laubgang;</p> +<p>Wie er mir faßte die Hand, an die glühenden Lippen sie pressend,</p> +<p>Bleich aufstarrte zu mir! Nicht soll er fürder mir nahen.</p> +<p>Doch wer eilt im Dunkel daher? Ich stürbe vor ihm jetzt.“</p> + +<p class = "stanza"> +Sagt’ es, und wollt’ entflieh’n: da trat ein edeler Ritter,</p> +<p>Schimmernd im tönenden Waffenschmuck’, in der Stille des Abends</p> +<p>Ihr in den Weg, und sprach: „Gönnt mir, holdseliges Fräulein,</p> +<p>Freundlich Gehör! Von Eginhards Geschlechte geboren,</p> +<p>Folg’ ich, ein Rittersmann, der Fahne des Königs von Böhmen,</p> +<span class = "pagenum">70</span> +<p>Eures Erzeugers, und doch, erschrecket nicht, steh’ ich, ein +Anwald</p> +<p>Seines Gegners, vor euch. Ich komme, gesendet von Hartmann,</p> +<p>Rudolphs Sohn’, der euch schon lange zum Gatten erwählt ist:</p> +<p>Denn in dem rosigdämmernden Licht unschuldiger Kindheit</p> +<p>Wollten zu eh’lichem Bund’ euch die liebenden Aeltern vereinen,</p> +<p>Ehe des schrecklichen Jammers Grund, die Krone der Kaiser,</p> +<p>Feindlich die Fürsten schied, und her auf das eiserne +Schlachtfeld</p> +<p>Zog. Doch hört: mich hob er zuvor mit dem Speer’ aus dem Sattel,</p> +<p>Als ich die flüchtende Schar aus den kühneroberten Mauern</p> +<p>Drosendorfs verfolgt’, und ihn selber bestand auf dem Heerweg.</p> +<p>Aber er schenkte das Leben mir, und die Freiheit — auf +Ritters</p> +<p>Redliches Wort d’rob heischend die Pflicht: daß ich brächte die +Bothschaft</p> +<p>Her, und zurück, wie es euch Bescheid zu geben, genehm ist.</p> +<p>Ach, er hat euch jüngst, so sprach er mit leuchtenden Augen,</p> +<p>Wiedergeseh’n nach Jahren voll Grams, und nimmer entschwindet</p> +<p>Mehr ihm das Bild der holderblüheten Jugendgefährtinn!</p> +<p>Nicht entfloh ihm die Hoffnung noch des ersehneten Friedens.</p> +<p>Mild schlägt Rudolphs Herz: er biethet dem tapferen Ottgar</p> +<p>Freundlich die Hand. Vielleicht, daß bald die gesonderten +Krieger,</p> +<span class = "pagenum">71</span> +<p>Die jetzt noch, blutdürstenden Blicks, nach den Lagern hinüber</p> +<p>Schau’n, und, geballt, erheben die Faust: voll dräuenden Ingrimms</p> +<p>Gegen einander zu wüthen bereit, vernehmend des Friedens</p> +<p>Fröhlichdrometenden Ruf, in die Scheid’ ihr blitzendes Eisen</p> +<p>Bergen, und mitten im Feld mit lautem Gejauchz’ sich die Rechten</p> +<p>Schütteln, und ganz vergessen des Grimms in froher Umarmung.</p> +<p>D’rauf zerstreuen sich all’. Auf den stäubenden Straßen +erschallet</p> +<p>Sang und Klang. Bekränzt mit grünenden Reisern, enteilen</p> +<p>Sie zur heimischen Flur, um dort in den Blicken der Lieben</p> +<p>Jetzo des Wiedersehn’s erschütternde Wonne zu lesen.</p> +<p>Dann aufdämmert auch ihm, dem euch die liebenden Aeltern</p> +<p>Einst verlobten, der Tag ersehnter, unendlicher Wonne.</p> +<p>Doch so ihn tröge der Hoffnungs-Strahl, und die waltenden +Herrscher</p> +<p>Sich bekämpften mit eisernem Trotz’ — o, hört ihn! Er frägt +euch:</p> +<p>Wollt ihr auch dann noch treu dem geschlossenen Bund euch +erweisen?</p> +<p>Fromm, und gut ist des Kaisers Erzeugter gesinnt: auf dem +Schlachtfeld</p> +<p>Hob sich sein Ruhm, und Deutschlands throngeborene Jungfrau’n</p> +<p>Schau’n mit sehnlichem Blick nach dem herrlichgestalteten Mann +hin.</p> +<span class = "pagenum">72</span> +<p>Nur kargt er mit den Worten: es wohnt stets düstere Schwermuth</p> +<p>Ihm auf der Stirn’ — und im Herzen nach euch unendliche +Sehnsucht.“</p> +<p>Also sprach er, und harrte, bewegt, der entscheidenden Antwort.</p> + +<p class = "stanza"> +Hedwig sann für sich hin; nach dauerndem Schweigen begann sie:</p> +<p>„Wohl ist Rudolphs trefflicher Sohn, der tapfere Hartmann,</p> +<p>Mir bekannt — ich ehre den edelgesinnten Jüngling;</p> +<p>Aber getrennt hat uns des Schicksals eherner Rathschluß,</p> +<p>Wandelnd in Haß, und nieversöhnliche Feindschaft der Aeltern</p> +<p>Herzen um uns: ich steh’, entledigt der frühen Verlobung.</p> +<p>Ach, und sollt’ in dem Kampf auch mein Erzeuger dem seinen</p> +<p>Unterliegen, und ich, die Tochter des mächtigen Ottgar,</p> +<p>Dem Europa’s Völker umher sich beugen, voll Ehrfurcht,</p> +<p>Stürzen hinab in den Staub der schmachbelasteten Armuth:</p> +<p>Dennoch würd’ ich nicht Rudolphs Sohn zum Gatten mir kiesen!</p> +<p>Und, da nur ein einziges Wort entscheidet für immer,</p> +<p>Künd’ ihm: ich hätte gewählt — für den Einen gelobt’ ich zu +leben.“</p> +<p>Also floh ihr das Wort von den zitternden Lippen. Sie wandte</p> +<p>Heim nach der Stadt die furchtbeflügelten Schritt’, und der +Ritter</p> +<p>Eilte davon, beschwert mit der trauererregenden Bothschaft.</p> + + + + +<span class = "pagenum">73</span> +<h3><a name = "gesang3" id = "gesang3">Dritter Gesang.</a></h3> + + +<p>Ha, schon lockte der Kampf des Geisterreiches Bewohner</p> +<p>Aus dem übersinnlichen Raum’, und den Tiefen des Erdballs,</p> +<p>Mächtigen Zaubers herbei! Auch <em>Marbod</em>,<a class = "tag" name += "tag3_1" id = "tag3_1" href = "#note3_1">1</a> der edele Markmann,</p> +<p>Kam. Nicht im übersinnlichen Raum ergetzte das Licht ihn</p> +<p>Seither: denn er saß, versunken in düstere Schwermuth,</p> +<p>Dort in des Erdballs Schooß wohl zwölf Jahrhunderte lang schon,</p> +<p>Seit er getrennt sich sah von der liebenden Gattinn, Erwine,</p> +<p>Die, in dem Todeskampf’, ihm die Hände mit weinenden Blicken</p> +<p>Reichte zum letzten Mal’, und dann, viel reineren Herzens</p> +<p>Denn ihr Gemahl, empor zu glänzenden Räumen sich aufschwang.</p> + +<p class = "stanza"> +Marbod herrschte, von Kraft und glühendem Muthe beseelet,</p> +<p>Ueber ein tapferes Volk: Markmannen genannt in den Reihen</p> +<span class = "pagenum">74</span> +<p>Mächtiger Stämme des deutschen Vereins. Von Schwabens Gefilden</p> +<p>Her, die norischen Alpen entlang, Pannonien nahend,</p> +<p>Wo in der Ostmark sich am Ufer der mächtigen Donau</p> +<p>Vindobona erhebt, bis hin zu den Höhen der Heünburg<a class = "tag" +name = "tag3_2" id = "tag3_2" href = "#note3_2">2</a></p> +<p>Schirmten gegen den Feind, im Rücken der Berge, die Marken,</p> +<p>Sie des gemeinsamen Vaterlands, als mannhafte Streiter.</p> +<p>Aber dem schrecklichsten dort, der allzermalmenden Roma,</p> +<p>Ferne zu stehen, und ihm einst kühn zu begegnen im Schlachtfeld,</p> +<p>Zog er nach Bojenheim; verjagte den Gothen-Beherrscher</p> +<p>Katwald; gründete sich ein Reich und die Stadt an der Moldau,</p> +<p>Marobud,<a class = "tag" name = "tag3_3" id = "tag3_3" href = +"#note3_3">3</a> und ward gefürchtet umher in den Ländern.</p> +<p>Inguiomar, der Ohm des tapfern, cheruskischen Hermann,</p> +<p>Floh, von diesem gehaßt, zu Marbod. Sie kämpften im Marchfeld</p> +<p>Lange die blutige Schlacht, und es rühmten sich beide des Sieges.</p> +<p>Aber an Hermanns Macht, des glücklichen, schlossen die Scharen</p> +<p>Marbods sich an. Da entriß, mit den Römern verbündet, ihm +Katwald,</p> +<p>Stürmend, die Burg Mar’bud, und entthront’ ihn. Ach, er vertraute</p> +<p>Roma’s täuschender Huld, und starb in den Mauern Ravenna’s</p> +<p>Arm — ein Zeuge des wechselnden Glücks auf irdischer +Laufbahn!</p> +<span class = "pagenum">75</span> +<p>Doch nun kam er herauf, und wandte sich rasch nach den Fluren</p> +<p>Oestreichs, das er mit Bojenheim sein nannt’ in der Vorzeit.</p> +<p>Bald gewahrte sein Aug’ auf des Lilienfelder Gebirgs Höh’n</p> +<p>Drüben die Ritterschar blondhaariger Deutschen. Er schwebte</p> +<p>Jetzt in sausender Eile dahin, und so, wie der Geier</p> +<p>Schnell von dem Felsenhorst nach dem dunkeln Thale herabfährt,</p> +<p>Weil er im Laub hellschwirrende Vögel erspähte: so blitzschnell</p> +<p>Fuhr er herab. Er staunte: wie hier die ermüdeten Krieger</p> +<p>Schlummerten; dort, zu dem Bild des Gekreuzigten, einer der +Helden</p> +<p>Flehend rang, und ein Greis ihm naht’ in erschütternder Hoheit;</p> +<p>Hörte: wie jenem der Greis der tiefverborgenen Zukunft</p> +<p>Dunkel enthüllt’, und Habsburgs Ruhm mit unzähliger Völker</p> +<p>Glück in seinem Geschlecht verkündete: schauend im Geist dort</p> +<p>Oestreichs Größ’, und in Wonn’ erbebend den hehren Gesichten.</p> +<p>Aber vor allem ergriff des stattlichragenden Herrschers</p> +<p>Näh’ ihn, der, entsprossen aus seinem Stamm’, in des Aargau’s</p> +<p>Thälern die Burge der Ahnen bewohnt’, und von allen gepriesen</p> +<p>Als der Schirmer des Rechts, zum erhabenen Kaiser der Deutschen</p> +<p>Jauchzenden Rufes erwählet ward. „Doch biethet ihm jetzo,“</p> +<p>Also sagte zuvor der Greis auf den luftigen Alphöh’n,</p> +<span class = "pagenum">76</span> +<p>„Ottgar furchtbarn Kampf, und er soll in dem Waffengefild nur</p> +<p>Dann erringen den Sieg, wenn ihm“ — welch’ dunkele Reden! +— „In</p> +<p>umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd’ tönt?“</p> +<p>Dacht’ es, und eilte, die Heeresmacht des gewaltigen Königs</p> +<p>Drüben am Ufer der March, durchdringenden Blick’s, zu erforschen;</p> +<p>Rudolph helfend zur Seite zu steh’n; in dem Seelenverein ihm</p> +<p>Stets zu erregen das Herz zu ruhmverherrlichten Thaten,</p> +<p>Und zu enthüllen die List auflauernder Feind’ in dem Feldzug.</p> + +<p class = "stanza"> +Dort, wo im schimmernden Zelt’, umfangen von nächtlichen Schatten,</p> +<p>Ottgar eben, vereint mit den tapferen Helden, zu Rath saß,</p> +<p>Hielt er, schwebend, und sank, wie der Aar, der hoch aus dem +Luftraum</p> +<p>Auf die kreischenden Jungen sich senkt, vor dem Zelte herunter;</p> +<p>Doch wie erwachte sein Zorn, als jetzt Drahomira die Recht’ ihm</p> +<p>Lächelnd both, im Wahn: er nah’ als Verbündeter Freund ihr.</p> +<p>Grimmig sah er sie an; sie lächelte wieder, und sagte:</p> +<p>„Ha, nicht hast du die Knie’ vor des Menschen-Sohne gebeugt +einst,</p> +<p>Du, in dem Lande der Frei’n Geborener: hast in des Eichwalds</p> +<p>Schauriger Nacht, noch triefend von Blut, geopfert den +Göttern —</p> +<span class = "pagenum">77</span> +<p>Zwar erschuf sie der Wahn, doch hatten wir Schuld an dem Irrwahn</p> +<p>Dort? Jetzt nähr’ ich ihn kühn — will nie dem stolzen +Gewaltspruch</p> +<p>Huldigen. Komm, und stehe mit mir im Bund des Verderbens.</p> +<p>Stark ist mein unbändig Gemüth: dir will ich auf immer</p> +<p>Thatengenossinn seyn auf der Bahn, die Empörung genannt wird</p> +<p>Von dem Beherrscher des All’s. Wir wandeln sie muthig und kühn +fort,</p> +<p>Wie er es will, uns fern von des Lichtreichs Gränze verbannend.</p> +<p>Uns vereine das gleiche Geschick und die gleiche Gesinnung:</p> +<p>Ottgar falle besiegt; Kunegund’ sey Herrscherinn! Mir gleich</p> +<p>Trägt sie im Busen ein Herz, voll Kraft, und unbändiger +Kühnheit.“</p> +<p>Aber sie lockt’ ihn umsonst: aus der Bläue der trotzigen Augen,</p> +<p>Die, vom röthlichen Haar umwallt, einst, Gegnern zum Schrecken,</p> +<p>Glüheten, sah er, verachtenden Blicks, auf die Zauberinn nieder;</p> +<p>Wandt’ ihr den Rücken, und fuhr in den Raum des Zeltes herunter:</p> +<p>Denn ihm schwebt’ Erwinens Bild vor den Augen, und Thränen</p> +<p>Trübten sie schnell, da er jetzo, bewegt, der Sanften gedachte.</p> +<p>Doch als sie in dem Kreis’ der Versammelten hier Kunegundens</p> +<p>Herz mit verblendendem Zorn und Haß zu erfüllen bedacht war;</p> +<span class = "pagenum">78</span> +<p>Ottgar selbst, von dem Weib’ empört, dem Herrscher der Deutschen</p> +<p>Grause Vernichtung sann; Verrath in den Mauern der Hauptstadt</p> +<p>Gegen ihn dräuend sich hob, und, „Rache,“ die Losung des Heers +war:</p> +<p>Ha, da flog der entrüstete Geist in Eile von dannen!</p> +<p>Eben erglühte das Morgenroth, erneut, wie der Hoffnung</p> +<p>Herzerheiternder Strahl, an dem östlichen Himmel. Er fühlte</p> +<p>Ruh’ in der stürmischen Brust, und schwebte hinan zu den Zinnen</p> +<p>Wiens, wo er bald mit ringsumspähendem Blick im Gebein-Haus,</p> +<p>Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen,</p> +<p>Rüdiger Waldram fand, der dort mit den Bürgern zu Rath saß:</p> +<p>Rudolphs Feinden die Veste noch heut zu verrathen, entschlossen.</p> +<p>„Seht,“ so sprach er, „uns frommt’s des ruhmverherrlichten +Ottgars</p> +<p>Herrscherthron zu erhöhen in Oestreichs blühender Hauptstadt.</p> +<p>Wir sind Bürger der Stadt, und erfuhren es all’ in der Wahrheit,</p> +<p>Daß uns Rudolphs Macht, des stolzaufstrebenden Fremdlings,</p> +<p>Schon in dem früheren Völkerkampf nicht zu schirmen vermochte.</p> +<p>Seine Heimath ist fern — ein Aargau’r bleibt er noch immer.</p> +<p>Flieht den Leu’n im güldenen Feld: <em>roth</em> glüht er vor +Ingrimm;<a class = "tag" name = "tag3_4" id = "tag3_4" href = +"#note3_4">4</a></p> +<span class = "pagenum">79</span> +<p>Aber euch sey in dem Purpurfeld der <em>weiße</em><a class = "tag" +name = "tag3_5" id = "tag3_5" href = "#note3_5">5</a> willkommen,</p> +<p>Selbst vor dem Doppelaar, den Kaiser Friedrich, der And’re,<a class = +"tag" name = "tag3_6" id = "tag3_6" href = "#note3_6">6</a></p> +<p>Hier zum Wapen uns gab. Nun hört’, ihr Getreuen! Erschallen</p> +<p>Wird vor dem Stubenthor im mitternächtlichen Grauen</p> +<p>Dreimal ein Glöckchen. Es ruft uns zur That: denn kühne Gesellen,</p> +<p>Von dem König der Böhmen gesandt, durcheilen den Wehr-Gang</p> +<p>Außer der Veste, wo ich in Menge die tödlichen Waffen</p> +<p>Heute gehäuft. Wir öffnen das Thor, und, wißt es: verrathen,</p> +<p>Oder errungen im Blut — uns gleich! wir biethen die Stadt +ihm</p> +<p>Morgen zum Unterpfand des jüngstbeschworenen Bundes.</p> +<p>Eilt nun heim, und gedenket des Muths, und des herrlichsten Lohn’s +nur!“</p> +<p>Schweigend reichten ihm jene die Hand, und eilten von dannen.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber mit Schrecken vernahm den schnöden Verrath an dem Kaiser</p> +<p>Marbod im schwebenden Flug’, und sann, wie er solchen vereitle.</p> +<p>Jetzt entschloß er sich rasch, zu nah’n im warnenden Traumbild</p> +<p>Hugo von Tauffers, dem Greis’ unbändigen Muthes im Schlachtfeld,</p> +<p>Dessen gewaltiger Feldherrnkraft die Veste vertraut war.</p> +<p>Wie sich ein Nebelgewölk hersenkt auf die dämmernden Berghöh’n:</p> +<span class = "pagenum">80</span> +<p>Also nahet’ er ihm, und wies in der Tiefe des Grabens,</p> +<p>Außer dem Stubenthor’, ein Heer von Wölfen: sie folgten</p> +<p>Eilig dem Weidmann nach, der wildanlockenden Köder</p> +<p>Trug in der Hand, und Waldram glich, voll triegender Arglist.</p> +<p>D’rauf durchstürmten sie das eröffnete Thor, und erwürgten</p> +<p>Ringsum Kinder und Greis’, und lautaufheulende Mütter</p> +<p>So, daß das Blut durchwogte die Stadt, wie ein brausender +Gießbach,</p> +<p>Der im regnigen Herbst mit schäumenden Fluthen daherfleugt.</p> +<p>Stöhnend entwand sich der Held dem Traum’, und sagte, verwundert:</p> +<p>„Wahrlich, mir führte die Nacht noch nie so klar und lebendig</p> +<p>Gaukelgebilde des Schlafs an der Seele vorüber. Mich dünket,</p> +<p>So ich es recht erwäg’ im Gemüth: ein warnender Traum seys!“</p> +<p>Und er erhob sich behend’, um die Veste besorgt in dem Herzen.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt erscholl ringsher von den hochaufragenden Wällen,</p> +<p>Mächtiger stets Drometengetön’, und unzählige Glocken</p> +<p>Weckten mit ehernem Schall des Volks unendlichen Jubel:</p> +<p>Denn von des Berges Höh’n, wo die Spinnerinn saß an dem +Kreuzbild,</p> +<p>Kam Kriegsvolk, und vor ihm der erhabene Kaiser. Die Sonne,</p> +<p>Die sich im rosigen Osten erhob, sog blitzende Strahlen</p> +<p>Aus dem stählernen Kleid der Gewaffneten, herrlich zu schauen!</p> +<p>Rührend zugleich, und herrlicher noch: wie, inmitten des Volkes,</p> +<p>Das entgegen ihm zog, im Geleit zwo lieblicher Töchter,</p> +<span class = "pagenum">81</span> +<p>Agnes und Adelheid, und Hartmann, ihres Erzeugten,</p> +<p>Man die Kaiserinn trug in der Sänfte. Die Mutter der Armen</p> +<p>Hieß sie dem Volk’, und hieß die trefflichste Mutter und Gattinn:</p> +<p>Mild sich bewährend an allen zugleich, ein Engel an Sanftmuth;</p> +<p>Doch sie naht’, abzehrend, des Lebens Ziel’, und auf einmal</p> +<p>Welket sie hin wie die Blume, versengt vom giftigen Mehlthau.</p> + +<p class = "stanza"> +Draußen in Matzleinsdorf, wo fromme Verehrer ein Standbild</p> +<p>Weihten dem Sankt Florian, dort hob Jahrhunderte lang schon</p> +<p>Eine Linde sich auf, die mächtigen Zweige verbreitend</p> +<p>Rings, und biethend in Sommers Zeit umschattende Kühlung</p> +<p>So dem Pilger zugleich, wie dem schwerarbeitenden Löhner.</p> +<p>Dort geboth er die Rast, und grüßte die nahende Volksschar</p> +<p>Freundlichen Blicks. Doch jetzt, die treffliche Gattinn +gewahrend,</p> +<p>Trat er zu ihr, und führte sie sanft zum beschatteten Sitz hin.</p> +<p>Wie ihm die liebende Brust auch blutete, sie an des Lebens</p> +<p>Kraft so erschöpft, und ach, dem Tode verfallen zu schauen;</p> +<p>Dennoch bezwang er den Schmerz, und sah ihr noch heiter in’s +Antlitz!</p> +<p>Aber das liebliche Paar der Töchterchen legt’ ihr das Kissen,</p> +<p>Unter den Füßen zurecht, und wand das Tuch ihr mit Sorgfalt,</p> +<p>Um die erschütterte Brust: der dräuenden Kühle gedenkend.</p> +<span class = "pagenum">82</span> +<p>Doch sie sprach zu dem trauten Gemahl, verweisend mit Sanftmuth:</p> +<p>„Gar nicht erwägest du, ach, wie des Vaters die Kinder +bedürfen —</p> +<p>Meiner, der Mutter, nicht mehr: denn schon gewahr’ ich sie mündig</p> +<p>Alle vor mir, und bewahrt, mit Gott, in jeglichem Guten!</p> +<p>Rastlos sucht dein Geist nur Müh’ und Arbeit: die Tag all’</p> +<p>Schwinden dir hin, und die Nächte, gesammt, in ewigem Streben</p> +<p>Nach dem erkorenen Ziel’, und die Ruh’ erquicket dich nimmer.</p> +<p>Auch bestehst du zu oft und zu kühn die Gefahren, als Herrscher;</p> +<p>Zogst auch jetzo hinauf g’en Lilienfeld in dem Waldthal</p> +<p>Nur mit schwachem Geleit, und leicht wohl hätte die Heimkehr</p> +<p>Dir der Böhme verwehrt, so ein arger Verräther es kund that.</p> +<p>Weh’, und neu entflammt sich der Krieg! Von neuem beginnst du</p> +<p>Wieder den blutigen Lauf, und, ob auch die liebende Gattinn,</p> +<p>Ob die Mutter vergehe vor Angst, und die Kinder, verwaiset,</p> +<p>Schreien nach dir — umsonst: du kennst, Tollkühner, die Furcht +nicht!</p> +<p>Ach, erhob dich die Huld der ewigwaltenden Vorsicht</p> +<p>Nicht auf den Thron, daß du beglückest unzählige Völker;</p> +<p>Führest den Frieden zurück’ in die sturmerschütterten Gauen</p> +<p>Deutschlands, unseres Vaterlands, und erhebest die Ostmark,</p> +<p>Deinem Geschlechte zum Ruhm — zum Sitz’ unendlichen +Segens?“</p> +<span class = "pagenum">83</span> +<p>Jener entgegnet’ ihr sanft: „Nicht also gedacht, und gesprochen</p> +<p>Hast du, Theure, zuvor in den blühendentfalteten Jahren,</p> +<p>Als in den Kampf dein Held auszog. Du reichtest die Waffen</p> +<p>Selber ihm dort, vom Staub sie reinigend, oder vom Blutrost</p> +<p>Oft mit dem Hauche des Mund’s und den zartgestalteten Fingern,</p> +<p>Und umgürtetest ihn mit dem Schwert, nach ad’liger Sitte.</p> +<p>Zwar dir pochte die Brust, und die rosigerglühenden Lippen</p> +<p>Zitterten ob den Gefahren des Kampfs; doch immer bezwangst du,</p> +<p>Schweigend, die Angst, und theiltest die Freude des kehrenden +Siegers:</p> +<p>Denn nicht eitelen Ruhm, nicht schnöden Besitz zu erjagen,</p> +<p>Lag ich draußen im Feld; nie schaffte mein Eisen das Eigen</p> +<p>Armer und Waisen mir heim: nur diese zu schirmen — zu +rächen</p> +<p>Unterdrückung und Schmach der Unschuldigen, zog ich mit Macht +aus,</p> +<p>Wie es die Ritterehre geboth. Auch jetzo, gezwungen</p> +<p>Nur, entreiß’ ich das Schwert der rostenden Scheide. Des Friedens</p> +<p>Bothen, erhaben an Rang und Verdienst, entsandt’ ich in’s Lager</p> +<p>Ottgars erst: wohl mir, so er beiden ein günstiges Ohr leiht!</p> +<p>Doch so er taub verschmäht den ein- und den anderen: dann sey</p> +<p>Gott befohlen mein Haupt. Ich muß ja leben, und sterben,</p> +<p>Wie es der Völker Wohl und des Herrschers heilige Pflicht +heischt.</p> +<span class = "pagenum">84</span> +<p>Mög’ er Tröster dir seyn, und das Leben noch lange dir fristen</p> +<p>Mir zur Freud’, und den Kindern zum Glück’, auf immer und ewig!“</p> +<p>Jetzo erhob er sich rasch von der steinernen Bank mit der +Gattinn;</p> +<p>Winkt’, und reicht’ ihr, zum Scheiden, die Hand. Durch quellende +Zähren</p> +<p>Sah’n sie lang’ einander in’s Aug’: die Zitternde sank ihm</p> +<p>Dann, voll Hast, an die Brust, und küßte das pochende Herz ihm.</p> +<p>Angst ergriff das Volk, und ihr’ Erzeugten verhüllten,</p> +<p>Weinend, das Aug’: sie kehrete heim nach der einsamen Hofburg.</p> +<p>Ach, nicht sieht er sie mehr, die holde Geliebte der Jugend,</p> +<p>Nicht die erlesenste Gattinn mehr, nicht die beste der Mütter:</p> +<p>Denn ihr Lebenslicht soll nun, wie die Lampe verlöschen,</p> +<p>Die, des Oehles beraubt, nur matt aufflimmert noch einmal!</p> + +<p class = "stanza"> +D’rauf an der Wien, die träg in den buschigen Ufern sich fortwälzt,</p> +<p>Führt’ er die Heerschar schnell den Mauern der Veste vorüber:</p> +<p>Denn nicht wollt’ er die Burg in den Tagen des Kampfes +beschreiten,</p> +<p>Wählend das Zelt zur Wohnung im Kreise der tapferen Krieger.</p> +<p>Außer dem Stubenthor naht’ ihm mit eilenden Schritten</p> +<p>Hugo von Tauffers, er, des treuen, tyrolischen Berglands</p> +<span class = "pagenum">85</span> +<p>Heldensohn, der, jüngst erkoren zum Schirmer der Festung</p> +<p>Tausend trefflichen Schützen geboth, die er warb in der Heimath.</p> +<p>„Herr,“ so sprach er ihm leis’ in das Ohr, „nicht wollest du +Hugo’s,</p> +<p>Deines Getreu’n, der lange, fürwahr, den Schuhen des Jünglings</p> +<p>Schon entwuchs, jetzt höhnen, als aberwitzigen Träumers!</p> +<p>Wohl ist des Menschen Geschick, zu spielen als Kind an dem +Morgen;</p> +<p>D’rauf an dem Mittag ernst zu wandeln als Mann, — wie ein Kind +fast</p> +<p>Sich zu geberden als Greis, an dem Abend des wechselnden Lebens;</p> +<p>Doch, getrost: noch sitzet das Haupt mir fest auf den Schultern;</p> +<p>Schaue noch scharf in die Fern’, und mir entgehet der Laut nicht,</p> +<p>Der zu Thaten mich ruft im rühmlichen Felde der Waffen!</p> +<p>So verkünd’ ich dir jetzt, wie heute am dämmernden Morgen</p> +<p>Mir ein Wundertraum das Geheimniß enthüllte, daß Gegner</p> +<p>Drinnen im Schooße der Stadt gehägt, gleich giftigen Nattern,</p> +<p>Sinnen auf Mord und Verrath. Ich sah an dem heimlichen Wehr-Gang,</p> +<p>Der, verborgen im dichten Gesträuch, vom Ufer der Donau,</p> +<p>Vielverschlungenen Zugs, zu dem inneren Graben heraufführt,</p> +<p>Listigeröffnet die Thür’, und gehäuft unzählig die Waffen:</p> +<p>Sie zu vertrau’n der würgenden Faust verruchter Gesellen.</p> +<p>Auch entnahm ich zuvor aus dunkelen Zeilen, daß Waldram,</p> +<span class = "pagenum">86</span> +<p>Gestern um Mitternacht Rath hielt im grausen Gebeinhaus</p> +<p>Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen.</p> +<p>Solches erwäg’, o Herr, und begegne dem schnöden Verrath jetzt!“</p> +<p>„Horch,“ so gab ihm der Kaiser zurück, „der Huth in der Festung</p> +<p>Eine sich hier die Schar zweitausend gewaltiger Schweizer</p> +<p>Heute noch, die, so heiß’ es, erschlaffte die dauernde +Heersfahrt!</p> +<p>Hartmanns Muthe vertraut sey dann die Vest’ und die Hofburg;</p> +<p>Doch du schwinge dich hurtig auf’s Roß, und reite g’en Theben,</p> +<p>Wo schon Ladislav, mit der Krone des heiligen Königs</p> +<p>Jüngst geschmückt, als Freund und verbündeter Kriegesgenosse,</p> +<p>Unser mit Sehnsucht harrt im Kreise der tapfer’n Magyaren.</p> +<p>Ihm entbiethe denn unsern Gruß: er solle bereit steh’n,</p> +<p>Bis von dem Kahlenberg’, in dem mitternächtlichen Grauen</p> +<p>Hoch die Lohe sich hebt: des Kampfs bedeutender Wink; dann</p> +<p>Eil’ er herüber die March mit den schrecklichen Reitern, und +berge</p> +<p>Sie in dem trocknen Geröhr’, an dem Weidenbache vor Marchek.</p> +<p>Auch ich werde nicht fern mehr seyn, und ihm einen die Scharen</p> +<p>Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“</p> +<p>Hugo vernahm das Wort — nicht zweimal braucht’ er’s zu +hören:</p> +<p>Denn er hob sich, behend’, im kreisenden Schwung in den Sattel,</p> +<span class = "pagenum">87</span> +<p>Jagte davon — ihm nach der rüstige Knapp’, und in Säulen</p> +<p>Hob sich der Staub empor in die Luft vom schimmernden Heerweg.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch nun theilten die Schützen Tyrols mit den tapferen Schweizern</p> +<p>Wiens ruhmwürdige Huth, wie solches der Kaiser gebothen,</p> +<p>Der das Schwert von der Hüfte sich nahm, und dem tapferen +Hartmann,</p> +<p>Seinem Erzeugten, es gab mit sanftermahnenden Worten:</p> +<p>„Deinem Muthe vertraut sey jetzo die Burg und die Festung</p> +<p>Wiens, der herrlichen Stadt. Ein rettender Schild der Bedrängten</p> +<p>Mögest du seyn, und den Ruhm von deinem Geschlechte bewahren,</p> +<p>Das von der Habsburg kam, und Oestreich, liebend, zur Heimath</p> +<p>Sich erkor: ihr Glück auf immer zu gründen, entschlossen!“</p> +<p>Sagt’ es, und Hartmann trat mit schweigendem Ernst in die Vest’ +ein,</p> +<p>Dort zu gebiethen der Schar wallschirmender, muthiger Völker.</p> +<p>Trauer umwölkte sein stilles Gemüth. Von den Sterblichen einer,</p> +<p>Die, durch Prüfung bewährt, des Herrn verborgener Rathschluß</p> +<p>Wandeln heißt auf der Dornenbahn in die ewige Heimath,</p> +<p>Wuchs er in Schwermuth auf. Den Gegnern gefürchtet im +Schlachtfeld,</p> +<span class = "pagenum">88</span> +<p>Und von Jeglichem ob des Wissens Reichthum bewundert,</p> +<p>War er der Aeltern Stolz, und die Freude der edelsten Menschen;</p> +<p>Doch mißlang ihm oft sein Müh’n und Streben, und ach, erst</p> +<p>Kündet’ ihm Eginhard des stolzgesinneten Fräuleins</p> +<p>Liebeverschmähendes Wort. Er hielt sich die Brust mit der +Rechten,</p> +<p>Wo das Herz empörter ihm schlug, und sah zu dem Himmel</p> +<p>Düsteren Blicks, empor; doch bald bezwang er sich wieder:</p> +<p>Mit Ergebung vor Gott, und den Menschen zu wandeln, entschlossen.</p> +<p>Jetzt, so hoch ihn der Ruf des Heldenvaters auch ehrte,</p> +<p>Inner den ragenden Mauern Wiens dem Feinde zu trotzen,</p> +<p>Und zu entreißen den Sieg, nicht weckt’ er ihm Freud’ in dem +Herzen:</p> +<p>Denn ihn hieß auf den Kahlenberg zur stillen Karthause</p> +<p>Pilgern ein frommes Gelübd’, und, wie es nun lösen? — nicht +wußt’ er’s.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber es zog auf der Brücke dort, die, einigend Leupold’s</p> +<p>Außen- und Inselstadt<a class = "tag" name = "tag3_7" id = "tag3_7" +href = "#note3_7">7</a> mit dem Land’ und der Vest’, in dem Grund +fußt,</p> +<p>Eilig der stattliche Kaiser einher vor den muthigen Scharen.</p> +<p>Schmal, und getrennt von dem Riesenarm der herrschenden Donau,</p> +<p>Wogt in der Tiefe der Strom, und umfaßt ein mächtiges Eiland,</p> +<p>Das im Schooße die Außenstadt und umschattende Auen</p> +<span class = "pagenum">89</span> +<p>Lieblich vereint, zur Lust des wandelnden Städtebewohners.</p> +<p>D’rauf im Eilschritt ritt er hinaus auf den schwankenden Bohlen,</p> +<p>Wo auf dem Riesenstrom sich die Fähren an Fähren, im Halbkreis</p> +<p>Reihten, dem wachsenden Mond’ an dem Sternenhimmel nicht +ungleich,</p> +<p>Wenn er auf dunkeles Nebelgewölk im Westen hinabsinkt.</p> +<p>Angelangt an der Spitze, vom Tabor hinaus, wo im Aufeld</p> +<p>Links an der Straß’, und rechts sein Heer das Lager bezogen,</p> +<p>Sah er zum Ehrenempfang die Scharen geordnet, und winkte</p> +<p>Beifall den Amtnern<a class = "tag" name = "tag3_8" id = "tag3_8" +href = "#note3_8">8</a> zugleich, und den muth­begeisterten +Kriegern:</p> +<p>Denn schon hob sich ihr Freuden-Geschrei die Reihen hinunter,</p> +<p>Endlosdauernd im Ruf: „Hoch lebe der Kaiser Rudolphus!“</p> + +<p class = "stanza"> +Allen voran stand dort der Hauf’ östreichischer Krieger,</p> +<p>Ober’n und unteren Lands; die letzteren führte Capellen,</p> +<p>Jene Dietrichstein in das Feld: zehntausend der Männer,</p> +<p>Die mit dem Panzerhemd, mit dem Helm’, und dem Schilde bewehret,</p> +<p>Kämpfend zu Fuß, aufschwangen im Feld die tödlichen Lanzen.</p> +<p>Aber das muthige Volk der Steyrer, der Krainer, und Kärnthner</p> +<p>Stand an jene gereiht, und, wahrt’ auch der Helm nicht das Haupt +ihm,</p> +<p>Nicht der eiserne Harnisch die Brust; doch würd’ es, den Degen</p> +<span class = "pagenum">90</span> +<p>Schwingend, durchbrechen im Sturm, und erringen den blutigen +Kampfpreis.</p> +<p>Pfannberg, Meinhard, und Ortenburg die untad’ligen Feldherrn,</p> +<p>Riefen die Völker in’s Feld: dreitausend erlesene Reiter.</p> +<p>Auch der Schweizer gewaltiges Volk, und der heiteren Schwaben</p> +<p>Heldenschar stand dort, gesellet der lagernden Heersmacht;</p> +<p>Dies’ empörte zur Schlacht der Burggraf, Friedrich von Nürnberg,</p> +<p>Rudolphs Schwestersohn, und ein tapferer Degen im Schlachtfeld,</p> +<p>Albrecht jene, der edele Sohn des edelsten Kaisers;</p> +<p>Doch den beiden vereinten sich noch tyrolische Schützen,</p> +<p>Die, gerufen erst jüngst aus den Thälern der Heimath, die +Armbrust</p> +<p>Auf der Schulter — die Pfeil’, im Bündel geschnürt, auf dem +Rücken</p> +<p>Trugen; umspähenden Blicks, wie dem Wild’ auf der Fährte die +Jäger,</p> +<p>Fernhin sah’n, und, kühn, nicht in Stahl und Eisen sich hüllten.</p> +<p>Tauffers war ihr Hort im Gewühle der Schlachten. Er flog jetzt</p> +<p>Unaufhaltsam dahin, des Kaisers erlesener Herold.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, und schon gewahrt’ er das Ziel! Die sinkende Sonne</p> +<p>Stand an dem Abendthor’, umhüllt von rosigem Schimmer.</p> +<span class = "pagenum">91</span> +<p>Heller glüht’ ihr scheidender Blick; ihr goldenes Haupthaar</p> +<p>Flammt’ empor, da in hehrem Glanz sie noch einmal herüber</p> +<p>Winkt’ ihr Lebewohl! dem sanft entschlummerten Erdkreis.</p> +<p>Aber die Kühlung sank auf den Fittigen schmeichelnder Lüftchen</p> +<p>Leise herab, und erquickte die schweraufathmende Schöpfung.</p> +<p>Jetzt vollbrachte den Ritt sein feuriger Renner; es flogen</p> +<p>Dampfend und triefend von Schweiß ihm die Seiten; der Hals und der +Rücken</p> +<p>Schäumt’, und ihm wankten die Füß’, da er stand vor dem Zelte des +Königs.</p> + +<p class = "stanza"> +Dort den Hügel empor, wo jetzt nur Trümmer des Schlosses</p> +<p>Weitumkreisenden Hof bezeichneten, das in der Vorzeit</p> +<p>Herrschend hinuntersah auf das Land, aus dem in die Donau</p> +<p>Drüben die March sich ergießt, und, von ihren gewaltigen Fluthen</p> +<p>Stolz zurückgedrängt, seegleich bedecket die Fluren:</p> +<p>Dort, auf Pfähle gespannt, erhoben sich tausend und tausend</p> +<p>Schimmernde Zelte des Volks der Kumanier und der Magyaren.<a class = +"tag" name = "tag3_9" id = "tag3_9" href = "#note3_9">9</a></p> +<p>Jene rühmten sich gleichen Geschlechts und Ursprungs mit diesen;</p> +<p>Doch der edlere Stamm der ahnenstolzen Magyaren</p> +<p>Hielt Jahrhunderte schon, aus Scythiens grasiger Steppe</p> +<p>Kommend (Tanfu, Zuard, Lehel, und der tapfere Almus,</p> +<p>Waren die Führer des Volks) Pannoniens herrliche Fluren</p> +<p>Im Besitz’, errungen im Sieg ruhmdürstender Ahnen.</p> +<span class = "pagenum">92</span> +<p>Jüngst erst kam der Kune heran, dem wilden Tartaren</p> +<p>Folgend im Schreckenszug, und, als er, verwilderter heimzog,<a class += "tag" name = "tag3_10" id = "tag3_10" href = "#note3_10">10</a></p> +<p>Nach entsetzlichem Mord’ und Gewürg’ unzähliger Christen,</p> +<p>Blieb er im Lande zurück: inmitten der Theyß und der Donau,</p> +<p>Sich erwählend ein Sandgefild zum dauernden Wohnsitz,</p> +<p>Welches der Steppe gleich, unendlicher Fläche sich ausdehnt,</p> +<p>Und Kumanien heißt. Ihn nennt der Unger den Kun nur.</p> +<p>Eisern hielt er noch fest an der Sitte der Heimath; auch Götzen</p> +<p>Dienet’ er, so vermengend das Wort der ewigen Wahrheit</p> +<p>Mit entehrendem Wahn: denn kaum erkannte des Heilands</p> +<p>Rettenden Weg sein Geist, und roh bewahrt’ er das Herz noch.</p> +<p>Aber entsetzlich wüthet der grimmige Kun’ in der Feldschlacht.</p> +<p>Ordnungslos, bald links, bald rechts sich wendend, im Eilflug,</p> +<p>Braus’t er heran wie der Sturm. Er schnellt von dem tönenden +Bogen</p> +<p>Durch die heulende Luft den befiederten Pfeil, und verfehlt nie,</p> +<p>So er den Gegner in’s Auge gefaßt, in die Brust ihn zu treffen.</p> +<p>Aber von diesem bedrängt, entflieht, und kehret er wieder,</p> +<p>Listengeübt; läßt oft dem fliehenden Rosse den Zügel;</p> +<p>Wendet sich hurtig im Sattel herum, und schleudert des Tschakans</p> +<p>Eisengewichtige Last dem Nahenden mächtig entgegen.</p> +<p>Sieh’, und hatt’ er ihn etwa verfehlt, da setzt er sich wieder</p> +<p>Rasch, im Schwunge, zurecht in dem Sattel; ergreifet die Zügel;</p> +<p>Lenkt im kreisenden Lauf mit eisernem Drucke der Schenkel</p> +<span class = "pagenum">93</span> +<p>Eilig den Renner heran, und so der entflogenen Waffe</p> +<p>Nahend, schwebt er mit einem Fuß noch im Riemen des Bügels;</p> +<p>Beugt sich nieder im Flug’, und hebt sie empor von dem Boden,</p> +<p>Ehe der Feind sich gestellt, und des Fliehenden Jauchzen +vernommen.</p> + +<p class = "stanza"> +Dort schwang Hugo sich jetzt mit forschendem Blick’ aus dem Sattel,</p> +<p>Und vertraute das Roß dem redlichen Knappen zur Pfleg’ an.</p> +<p>Fernher scholl an sein Ohr des Lagers Getöse: dem Meersturm</p> +<p>Gleich, der himmelan braus’t, erfüllt’ ein dumpfes Gemurmel</p> +<p>Drüben die Nacht. Stets glühender schien der wolkige Himmel</p> +<p>Ueber dem Lager, erhellt von unzählbarlodernden Feuern.</p> +<p>Dorther kam auftobender Männer Geschrei, und der Weiber</p> +<p>Lautes Kreischen, vermengt dem Gebrüll’ und dem Wiehern des +Lastthiers:</p> +<p>Denn von den Zelten hinaus umgrasete rings in dem Blachfeld</p> +<p>Breitgehörnetes Rind und der Ross’ unendliche Mehrzahl,</p> +<p>Die nur klein von Gestalt, und unscheinbar dünken dem Fremdling,</p> +<p>Aber, von feurigem Muth’ erfüllt, und dauernder Kraft voll,</p> +<p>Tragen den Reiter so schnell wie der Blitz an den Feind, und +erretten</p> +<p>Oft ihn im Schlachtengemeng, schnellfüßig zum Sprung und zum +Laufen.</p> +<p>Also lagerten hier die Kumanier. Doch in des Heeres</p> +<span class = "pagenum">94</span> +<p>Rücken ruhte das Reitervolk der edelen Ungern,</p> +<p>Kummererfüllt: denn Ladislav, der König, erkor sich</p> +<p>Jene zu Lieblingen, so der Ahnenehre vergessend.</p> + +<p class = "stanza"> +Als nun Hugo dem Zelt des Königes nahte, vermeint’ er,</p> +<p>Zithergetöne zu hören; ihm schien: kumanische Mädchen</p> +<p>Sangen dazu, nach Heidenbrauch, unziemliche Weisen.</p> +<p>Ach, und so war’s! Doch bald verstummte der Sang und die Zither,</p> +<p>Als der Fremdling, in Eisen gehüllt, ihm näher getreten.</p> +<p>All’ erhoben sich schnell von dem Boden — die bärtigen +Männer</p> +<p>Und die rosigen Mädchen, und jetzt der fürstliche Jüngling,</p> +<p>Anmuthstrahlenden Blicks, an dem Haupte von bräunlichen Haaren</p> +<p>Lieblich umlockt, voll Jugendkraft und blühender Schönheit.</p> +<p>Aber er stand verwirrt, und wußte nicht, wie er beginne,</p> +<p>Bis er sich wieder ermannt’, und d’rauf mit kräftigem Laut rief:</p> +<p>„Sprich: weß’ Landes du bist, o Fremdling? Triegt uns die Ahnung</p> +<p>Nicht, so kommst du gesandt von dem Kaiser der Deutschen, +Rudolphus,</p> +<p>Der uns vielleicht des Saumsals zeiht, und unrühmlicher Trägheit,</p> +<p>Weil wir ruhen dahier, bei Saitenspiel und Gesängen</p> +<p>Uns ergetzend, und sein’, des feindbedrängten nicht achten?</p> +<p>Doch wir harreten nur des Winks, den er uns verheißen,</p> +<p>Und gedenken, ihm treu und redlich zu Hülfe zu stehen!“</p> +<span class = "pagenum">95</span> +<p>Hugo beugte das Haupt, und sagte mit edelem Anstand:</p> +<p>„Herr, du ahnetest recht! Hier steht des Kaisers Gesandter,</p> +<p>Hugo von Tauffers genannt, vor dir, und, wahrlich, ein Krieger,</p> +<p>Seit er der Schul’ entlief: ein Taug’nichts ist er am +Schreibtisch!</p> +<p>Aber nicht rostete noch in der Scheide sein trefflicher Degen;</p> +<p>Gerne stellt er sich ein, wo es gilt ihm Ruhm zu gewinnen,</p> +<p>Und hoch ehrt ihn die Sendung auch jetzt: denn Wichtiges soll er</p> +<p>Dir kund thun; doch, Herr, verzeih’ — in dieser +Gesellschaft?“</p> +<p>Sagt’ es, und lächelte fast; der König entgegnete leiser:</p> +<p>„Ritter, mir scheint dein lächelndstrafendes Auge zu sagen,</p> +<p>Was dem Könige ziemt, was nicht! Erfahrenes Alter</p> +<p>Richtet streng; doch sieh’, noch blüht mir der fröhlichen Jugend</p> +<p>Rosenhain, und ich wandle in ihm mit heiterem Sinn fort;</p> +<p>Weile so gerne dahier im Kreis’ des unschuldigen Volkes,</p> +<p>Das, von der Urzeit her die ererbeten Sitten bewahrend,</p> +<p>Frei, die Fessel nicht kennt, die uns engt im verfeinerten Leben!</p> +<p>Aber tritt in mein Zelt, und vergnüge dein Herz an dem Spätmahl,</p> +<p>Das ich dir biethe nach Lagers Brauch; dann will ich dich hören.“</p> + +<p class = "stanza"> +Eilig traten sie ein. Die finsteren Scharengebiether</p> +<p>Folgten dem Könige nach, und setzten sich rings um den Tisch her,</p> +<span class = "pagenum">96</span> +<p>Sonder Ordnung, noch Wahl. In zottige Pelze gehüllet,</p> +<p>Sah’n sie stolz aus den tiefvergrabenen Augen dem Fremdling</p> +<p>Jetzt in das heitre Gesicht, und strichen den Bart an der Lippe.</p> +<p>Bald erschienen im Zelt’ auch die rosigblühenden Mädchen,</p> +<p>Tragend in Körben Pferdfleisch auf, das unter dem Sattel</p> +<p>Barg der Reiter, und dann hinflog, bis solches im Ritte</p> +<p>Heiß geworden, und mürb’, des Volks ersehntes Gericht war;</p> +<p>Auch gebratenes Fleisch vließtragender Lämmer, mit Knoblauch</p> +<p>Vielgewürzt; dann Brot aus dem feinsten Mehle gebacken,</p> +<p>Hochgewölbet und weiß, nach Art magyarischer Backkunst,</p> +<p>Und die mächtigen Krüge, gefüllt mit den edelsten Weinen.</p> +<p>Alle schmaus’ten nach Lust; doch Hugo verschmähte des Kunen</p> +<p>Lieblingsgericht — nicht des Weins, des trefflichen, schonend: +unendlich</p> +<p>Gab er bei Humpen Bescheid, und blieb stets seiner noch Meister.</p> + +<p class = "stanza"> +Siehe, von neuem erscholl der Zither Getön’, und der Herrscher</p> +<p>Mahnte die Männer und Mädchen zum Tanz’, dem Gaste zu Ehren!</p> +<p>Jene stellten sich ernsten Blicks, dem König gehorchend,</p> +<p>Draußen in Doppelreih’n, und hoben den werbenden Tanz an,</p> +<p>Der in das Feld den Jüngling ruft, und Gefühle der Wehmuth,</p> +<p>Ihm in der Brust aufregt, an die Zeiten der Väter ihn mahnend,</p> +<p>Mit wehklagenden, tief das Herz bestürmenden Weisen.</p> +<span class = "pagenum">97</span> +<p>Aber sie schlugen die Hand an die Hand, und die Sporn’ an die +Spornen;</p> +<p>Stampften zugleich, rasch hin und daher sich wendend, den Boden;</p> +<p>Stöhnend vor Lust, und ihr Aug’ erfüllten oft schimmernde +Thränen,</p> +<p>Plötzlich geweckt von dem Sturm der empörten Herzensempfindung.</p> +<p>Doch als d’rauf zu dem Wechseltanz der erfahrene Künstler</p> +<p>Rasch in die Saiten griff, mit dem Fuße der schnelleren Weisen</p> +<p>Zeitmaß schlug: da faßte die Tänzerinn jeglicher Tänzer</p> +<p>Um den blühenden Leib, und schwang sie umher an der Stelle,</p> +<p>Bald mit dem linken, und bald mit dem rechten Arme sie drehend</p> +<p>Fort im verengenden Kreis’. Dann riß er sich wieder von ihr los;</p> +<p>Hüpfte schnell vor ihr hin, und schlug die klingenden Spornen,</p> +<p>Jauchzend, zusammen, und schlug die Wade mit wechselnden Händen.</p> +<p>Aber sie folgt’ ihm entfernt. Die Recht’ an die Seite sich +stemmend,</p> +<p>Hielt sie die Schürze am Saum’ sich stolz vom Leib’ mit der +Linken,</p> +<p>Wandte sich links und rechts, mit niedlichen Sprüngen, und mied +ihn</p> +<p>Scheinbar, bis sie, ersehnt, urschnell in die Arme des Tänzers</p> +<span class = "pagenum">98</span> +<p>Flog, und von neuem das Paar in schwindelnden Kreisen sich +drehte.</p> +<p>Doch nun winkte der König zum Schluß: die Saiten verstummten;</p> +<p>Hoch erhob der Tänzer die Tänzerinn noch, und entließ sie;</p> +<p>Kam dann, triefend von Schweiß, und setzte sich wieder zum Tisch +hin.</p> +<p>Jene entfloh’n, und der König sprach, mildlächelnd, zu Hugo:</p> +<p>„Ritter, du hast magyarische Tänze geseh’n, und ergetzet</p> +<p>Dich bei’m fröhlichen Mahl’, obgleich du ein nüchterner Gast +bist!</p> +<p>Nun ersehnte mein Geist zu vernehmen, wie Kaiser Rudolphus,</p> +<p>Unser Bundesgenoß’ und Freund, zum Throne gelangt +ist —</p> +<p>Er, einst Habsburgs Graf? Doch künde zuvor uns die Abkunft</p> +<p>Und die muthigen Thaten des huldbeseligten Herrschers,</p> +<p>Die mit unsterblichem Ruhm’ ihm zieren die Stirne. Der Morgen</p> +<p>Graut: bald steht ihm Ungerns Macht zu Geboth’ in der +Feldschlacht.“</p> +<p>„Zwar verweigerst du noch,“ so entgegnete jener, „des Kaisers</p> +<p>Herold’ ein willig Gehör, und lullst ihn bei Tänzen und Mahlen,</p> +<p>Zaubernd, ein, daß er ganz vergesse der wichtigen Sendung.</p> +<p>Aber, weil dich verlangt, von meines erlauchten Gebiethers</p> +<p>Abkunft, Muth und Heldenkraft, die Carol des Großen</p> +<p>Glänzenden Thron ihm errang, zu hören, so will ich mich fügen</p> +<p>In Geduld, und harren: es gilt ja die Ehre des Kaisers!“</p> + +<span class = "pagenum">99</span> +<p class = "stanza"> +„Wisse demnach! Stolz hebt sich vom Fels die mächtige Habsburg</p> +<p>Aus umdämmerndem Wald, an der Aar in die bläuliche Luft auf.</p> +<p>Dort, so kündet die Sag’, erschien in grauender Vorzeit</p> +<p>Rudolphs edles Geschlecht, aus fränkischem Stamm, und erbaute</p> +<p>Jene, wie auch Aarburg, und Brugg, die gewaltigen Vesten.</p> +<p>Aber vor allen hieß die „Herrliche“ jene von Habsburg:</p> +<p>Denn mildherzige That an den Dürftigen, eisernes Schirmrecht</p> +<p>Gegen die freche Gewalt des Unterdrückers der Schwachen,</p> +<p>Uebten aus ihr, gebührend, die weitgerühmten Gebiether.</p> +<p>Dort erwuchs, entflammt von dem Ruhm gefeierter Ahnen,</p> +<p>Rudolph, Albrechts Sohn, des Weisen, und Hedwig, der Frommen,</p> +<p>Lernend durch Gottesfurcht und Weisheit frühe des Lebens</p> +<p>Höchstes Glück in der eigenen Brust zu gründen für immer.</p> +<p>Doch wo wäre Beginn und Ende? so Alles und Jedes</p> +<p>Ich dir kündete: wie an den Hof ihn Friedrich, der Kaiser,</p> +<p>Der zu der heiligen Tauf’, als Path’ ihn führte, gerufen,</p> +<p>Daß er ihn lehrte mit Rittersmuth nach rühmlichen Thaten</p> +<p>Streben; wie er im sicilischen Krieg’, und in jenem von +Oestreich,</p> +<p>Gegen den Streitbar’n focht, und miterstürmte die Stadt Wien,</p> +<p>Die, vor allen beglückt, ihn einst als Herrscher begrüßet;</p> +<p>D’rauf in der Ahnen-Burg<a class = "tag" name = "tag3_11" id = +"tag3_11" href = "#note3_11">11</a> zugleich mit dem Vater das Kreuz +nahm;</p> +<p>Nach dem Gelobten-Land, die Feinde des Kreuzes bekämpfend,</p> +<span class = "pagenum">100</span> +<p>Wallete; dort den Vater begrub, und, als er zur Habsburg</p> +<p>Heimzog, freudig zu eh’lichem Bund sich Annen erkies’te,</p> +<p>Hochbergs Kind, voll Huld, und die tugendreichste der +Frauen —</p> +<p>Auch, allmänniglich werth, ein trefflicher Ritter und Herr war.</p> +<p>Wohl gebräch’ es mir auch an der Zeit und an Odem, geziemend</p> +<p>Nun zu schildern die sieg- und ruhmverherrlichten Krieg’ all’,</p> +<p>Die er geführt in den zweimal eilf unseligen Jahren,</p> +<p>Wo das verwaisete Reich nach Friedrichs Tode, des Kaisers,</p> +<p>Voll von Mord und Plünderung war, da in grauser Verwild’rung</p> +<p>Aus der thürmenden Burg ein jeglicher Ritter, nach Willkühr</p> +<p>Schaltend, Sitten, Gesetz’, und allem Heiligen Hohn sprach;</p> +<p>Wie er beschirmte das Recht und die Unschuld stets, und das +Banner</p> +<p>Habsburgs ward dem Schwachen zum Trost’, und den Räubern zum +Schrecken.</p> +<p>Aber vernimm dieß einzige nur, wie kühn, wie entschlossen,</p> +<p>Und wie edel er ist! Ihm stand der Abt zu Sanct-Gallen,</p> +<p>Der, ein Falkensteiner, das Schwert und den hirtlichen Krummstab</p> +<p>Kundig zu führen gelernt, gar feindlich entgegen; sie quälten</p> +<p>Tapfer sich ab. Da brach sein Zorn auf die Baseler Bürger</p> +<p>Los, die ihm, wildempört, erschlugen die Freund’ und Verwandten:</p> +<p>Denn mit wenigen Reisigen hielt er still vor den Thoren</p> +<p>Wyls, des Städtchens, und heischte noch Einlaß dort zu dem +Stiftsabt,</p> +<span class = "pagenum">101</span> +<p>Der bei dem nächtlichen Imbiß saß, und, erstaunet, ihn ansah.</p> +<p>Aber er both ihm die Hand, und sprach: „Daß ich also zu dir kam,</p> +<p>Diene zum Zeichen dir: ich achte dich, redlichgesinnet,</p> +<p>Wie ich es bin, und vertraue dir kühn so Leben und Freiheit.</p> +<p>Höre, viel besser wär’s, daß wir uns in Rechten vertrügen,</p> +<p>Heute noch; dann die Waffen vereint, nach den Baselern kehrten,</p> +<p>Die mir erschlugen die Freund’, und erwürgten die theuern +Verwandten!“</p> +<p>Also geschah’s: sie schmaus’ten versöhnt. Am kommenden Abend</p> +<p>Zogen sie rasch auf die Baseler los, und fürchterlich brannt’ es</p> +<p>Bald von der Stadt auf; bald versöhnete Blut die Erschlag’nen,</p> +<p>Und die Gegner umfing der Friede mit traulichen Armen.</p> +<p>D’rauf durchschwamm er die Furt, die noch „habsburger“ im Land +dort</p> +<p>Heißet, des mächtigen Rheins mit reisigem Volk’, und erstürmte</p> +<p>Breisach kühn, mit dem Stahl in der Faust, ein trefflicher +Stürmer<ins class = "correction" +title = "fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">!“ </ins></p> + +<p class = "stanza"> +Laut aufjubelten jetzt die Kumanier, preisend des Ritters</p> +<p>Heldenmuth, und, ergreifend, voll Hast, den irdenen Weinkrug,</p> +<p>Der vor jeglichem stand, mit edelem Moste gefüllet,</p> +<span class = "pagenum">102</span> +<p>Leerten sie ihn bis zum Boden hinab auf seine Gesundheit</p> +<p>Aus, auf einen Zug: daß ihr Haupt mit dem steigenden Weinkrug</p> +<p>Weit zurücke sich bog, und stellten ihn dann auf den Tisch dort</p> +<p>Nieder mit ohrerschütterndem Schlag. Doch wieder begann er:</p> +<p>„Also erscholl sein Ruhm zu den fernentlegensten Ländern</p> +<p>So, daß der Böhmen-König sogar, der jetzt in dem Feld uns</p> +<p>Biethet die Fehd’ auf Leben und Tod, mit schimmernder Goldschrift</p> +<p>Ihn an den Hof zu sich lud, und zum Marschalk, ehrend, ernannte.</p> +<p>Ha, nicht reut’ ihn die Wahl! Er focht ihm zur Seite mit +Siegsruhm,</p> +<p>Gegen die Heiden im Preußenland’, und errang ihm den Lorber</p> +<p>Auch im Vernichtungskampf g’en Bela’s schreckliche Heersmacht.</p> +<p>D’rum kein Wunder, daß er, nach dem Wink der erbarmenden +Vorsicht,</p> +<p>Die des gemeinsamen Vaterlands unendlichem Jammer</p> +<p>Setzen wollt’ ein Ziel, von den <em>sieben</em> glänzenden +Sternen</p> +<p>Unser’s heiligen Reichs zur herrschenden Sonne gewählt ward:</p> +<p>Daß er im goldenen Schmuck der Kaiserkrone des Segens</p> +<p>Strahlen über die Gau’n des deutschen Landes versende.</p> +<p>Sieh’ er lag vor Basel mit Macht; da brachte die Bothschaft</p> +<p>Ihm der Pappenheimer! Er stand, und wankt’, und besann sich;</p> +<p>Aber, auf Gott vertrauend, geboth ihm das Herz in dem Busen</p> +<span class = "pagenum">103</span> +<p>Freudigen Muth. Er ging, und bald vereinte der Krönung</p> +<p>Allerfreuendes Fest die Völker der Deutschen zu Aachen.</p> +<p>Dort heischt’ er, im Dome gekrönt, den Eid von den Fürsten:</p> +<p>Daß sie verschafften nach <em>Recht</em> dem heiligen, römischen +Reich’ jetzt,</p> +<p>Was ihm die Faust entriß.<a class = "tag" name = "tag3_12" id = +"tag3_12" href = "#note3_12">12</a> Sie ersannen, zaudernd, die +Ausflucht:</p> +<p>„Noch vermiss’ er zum Königseid’ den Zepter der Ahnen.“</p> +<p>Doch er wandte sich schnell; hob selbst das Kreuz von dem Altar;</p> +<p>Hielt es empor, und rief: „Wer kennt ein schöneres Zeichen,</p> +<p>Kraft zu verleihen dem Eid’, denn dieses, woran der Erlöser</p> +<p>Sterbend hing, und uns errettete, heilig und wahrhaft?“</p> +<p>Und sie schwuren darauf: erbebend dem herrschenden Manne,</p> +<p>Der so kräftig gesprochen — so fest- und so muthiggesinnt +war.</p> +<p>Dir, und manniglich ist es bekannt, wie der Kaiser, Rudolphus,</p> +<p>Redlich gehalten sein Wort, und treu gelöset den Schwur hat:</p> +<p>Bannend den Uebermuth, und des Faustrechts wildes Gewaltreich</p> +<p>Muthig aus Deutschlands Gau’n — an Leib und an Seel’, er, ein +Deutscher,</p> +<p>Der bald unserer geist- und herzerhebenden Sprach’ auch</p> +<p>Sinnig zu Ehren half: in den Kanzeleien den Vorzug</p> +<p>Ihr vor dem todten Latein, dem schwer­verständlichen, gönnend.<a +class = "tag" name = "tag3_13" id = "tag3_13" href = +"#note3_13">13</a></p> +<p>Also geschah es, daß, dankerfüllt, ein jegliches Herz ihm</p> +<p>Huldigte: denn ihm zürnet allein der König der Böhmen,</p> +<p>Weil er, thörichten Sinns, die Kaiserkrone verschmähend,</p> +<span class = "pagenum">104</span> +<p>Sie auf dem Haupte des Mannes sah, der einst ihm als Marschalk</p> +<p>Dienete. Doch umsonst bestürmt er die Erd’ und den Himmel,</p> +<p>Sie zu entreißen dem Haupt, dem Gott sie gegeben, zum Segen</p> +<p>Gegenwärtiger Zeit und endlos dauernder Zukunft.</p> +<p>Ha, schon winket das Morgenroth! So höre mit Huld nun,</p> +<p>Was mein Kaiser und Herr zum freundlichen Gruß dir entbiethet:</p> +<p>Wenn von dem Kahlenberg in dem mitternächtlichen Grauen</p> +<p>Hoch die Loh’ auffleugt: dann eil’ aus dem schirmenden Lager</p> +<p>Schnell hinüber die March mit den schrecklichen Reitern, und +berge</p> +<p>Sie in dem trocknen Geröhr’ an dem Weidenbache bei Marcheck:</p> +<p>Denn auch er wird also dir nah’n, und die Hände dir reichen</p> +<p>Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.“</p> +<p>Und er erhob sich nun, schnell heimzukehren, entschlossen.</p> + +<p class = "stanza"> +Glühenden Blickes sah aus dem schimmernden Thore des Morgens</p> +<p>Nach dem Zelteingang die Sonne herüber, und hauchte</p> +<p>Hüpfende Funken in’s bleiche Gesicht der schläfrigen Krieger,</p> +<p>Die um den König herum sich lagerten. Aber er hob jetzt,</p> +<p>Stillhinbrütend, vom Stuhle sich auf. Zur glänzenden Heerschau</p> +<p>Dacht’ er zu wecken sein Volk, dem scheidenden Fremdling zum +Staunen.</p> +<p>„Gern,“ so entgegnet’ er, „will ich mich ganz dem Winke des +Kaisers</p> +<span class = "pagenum">105</span> +<p>Fügen, und eilen in’s Feld, sein redlicher Bundesgenosse;</p> +<p>Aber nicht wollest du scheiden zuvor, eh’ dir nicht zur Heerschau</p> +<p>Draußen mein Volk sich wies: nicht soll sich’s lange verziehen.“</p> +<p>Sagt’ es; riß sich das Schwert von der Hüft’, und schlug in die +Tafel</p> +<p>Dann mit der Klinge so stark, daß die ird’nen Gefäße zum Boden</p> +<p>Taumelten: ein’s das and’re im Flug zu Scherben zerschmetternd.</p> +<p>Wunder zu schau’n! Da fuhr in brausender Eile der Feldherrn</p> +<p>Leise zum Schlaf hinnickende Schar von den Sitzen, und leer war’s</p> +<p>Bald in dem weiten Gezelt. Dem Könige folgte der Ritter</p> +<p>Staunend nach. Doch jetzt erschollen von grausem Gebrülle</p> +<p>Tausend Hörner, die einst die mächtige Stirne des Pflugstiers</p> +<p>Ziereten, breitgestellt, daß kaum der größte der Männer</p> +<p>Sie mit den Armen ermaß von einer Spitze zur andern.</p> +<p>Schon erhob sich Geschrei und Getös’, und das Wiehern der Rosse</p> +<p>Rings in dem Lager, und füllte mit Angst und Entsetzen die +Umwelt.</p> +<p>Hoch auf fuhr der finstere Staub, und dicht, wie der Krähen</p> +<p>Wimmelnde Schar durchstürmt den nebligen Himmel, so flogen,</p> +<p>Schnell gewahrend den Wink des Königs, unzählige Haufen,</p> +<p>Sich in den Sattel schwingend, voll Hast, nach dem Ufer der March +hin.</p> + +<span class = "pagenum">106</span> +<p class = "stanza"> +Dort, auf dem sandigen Feld’, in fernhinschwindenden langen,</p> +<p>Drei Mann tief, geordneten-Reih’n aufritten die Kunen:</p> +<p>Lenkend hurtige Rosse vor und zurück mit des Schenkels</p> +<p>Mächtigem Druck, den, weitumflatternd, das leinene Beinkleid</p> +<p>Hüllete bis zu der Ferse hinab, und den ledernen Bundschuh’n.</p> +<p>Sonst ihr Kleid: ein Pelz von dem zottigen Vließe des Widders,</p> +<p>Ueber dem kürzeren Hemd’, das halb des Niedergebeugten</p> +<p>Rücken entblößt — doch weit die Arme umwallt, und, der +Scheitel</p> +<p>Zur Bedeckung, die Mütze von Filz, mit der wallenden Feder.</p> +<p>Zehnmal tausend’ erhoben zur Luft den blitzenden Säbel,</p> +<p>Der der Sichel des Neumonds glich in der Krümm’, und es führten,</p> +<p>Eben so viele den Bogen und Pfeil mit dem hämmernden Tschakan.</p> +<p>Diese lenkte Suhol, der Eber genannt von den Seinen,</p> +<p>Ob des unbändigen Muths, und der Blitzstrahl, Kaduscha, jene:</p> +<p>Denn er flog so schnell wie der Blitz im Sturme der Schlacht hin.</p> +<p>Aber der Ungern edeles Volk beherrschte Matthias</p> +<p>Von Trentschin, der schlachterfahrene, tapfere Feldherr,</p> +<p>Dessen gewaltige Burg an den schimmernden Fluthen des Waagstroms,</p> +<p>Dräuend, in’s Waag-Thal schaut, und Schrecken gebiethet den +Feinden.</p> +<span class = "pagenum">107</span> +<p>Auch er führte heran zehntausend muthige Reiter,</p> +<p>Welchen der Kalpag zierte das Haupt mit des Reihers Gefieder;</p> +<p>Aber der Pelz, am Rücken hinab an goldenen Schnüren</p> +<p>Hängend, von hellblau’m Tuch, verbrämt mit schwärzlichem +Lammsfell,</p> +<p>Und gelbschimmernden Knöpfen besetzt; dann, ähnlich, der Dolman,</p> +<p>Schimmernd von Gold an der Brust, vom seidenen Gürtel umfangen,</p> +<p>Ziert’ ihm den Leib, und der Bein’ anschmiegende, gleiche +Bekleidung</p> +<p>Zierte die Füße zugleich mit den spornenbewaffneten Tschismen.</p> +<p>Jeglicher hielt in der Faust, an die Schulter gelehnet, des +Säbels</p> +<p>Krummgehämmerten Stahl, der, sausend, die Feinde zerschmettert.</p> + +<p class = "stanza"> +Als nun Hugo die Völker geseh’n, da sprach zu Matthias</p> +<p>Von Trentschin der König, ihm selbst und den Seinen zur Trauer:</p> +<p>„Tapferer, weile dahier mit deinen Geschwadern, des Lagers</p> +<p>Mächtiger Hort: denn bald, erbaut auf schwankende Fähren,</p> +<p>Einet die Brücke des Flusses Gestad’, und all das Geräth hier</p> +<p>Schaffest du dann noch heute hinüber, dem Heere zum Vortheil!</p> +<p>Aber, o freundlicher Greis, du, Hugo von Tauffers, der Ritter</p> +<p>Edelster, folg’ mir nach, und künde dem mächtigen Herrscher,</p> +<span class = "pagenum">108</span> +<p>Heimgekehrt in die Kaiserburg, was du an der March hier,</p> +<p>Staunend, gewahren wirst; künd’ ihm: wir stehen den Feinden</p> +<p>Jenseits nahe genug; zum würgenden Kampfe gerüstet!“</p> +<p>Sagt’ es, und sprengte voraus: ihm nach die Kumanier alle,</p> +<p>Mitten hinein in den Fluß, hinüber zu schwimmen, entschlossen.</p> +<p>Hochaufspritzte die Fluth dem gewaltigen Drange; die Wässer</p> +<p>Brauseten laut von unzähligen Hufen der Rosse geschlagen;</p> +<p>Brandend flogen die Wellen zum Land’, und schäumten, und zischten</p> +<p>Endlos. Wie in dem eisigen Belt keckmuthige Fischer,</p> +<p>Eilend zum Wallfischfang’ in schaukelnden Booten, auf einmal</p> +<p>Nahe des Unthiers Riesengestalt, das Heere der Fischchen</p> +<p>Vor sich jagt, erseh’n: da werfen sie schnell die Harpun’ aus,</p> +<p>Die zweizackig gespitzt, einstürmt in die Weiche des Bauches,</p> +<p>Oder in’s breite Genick des riesigen Fisches, und Blut färbt</p> +<p>Alsbald ringsum das Meer: denn eilig hinunter zum Abgrund</p> +<p>Fährt er, und eilig herauf, und peitscht mit dem Schweife die +Meerfluth,</p> +<p>Daß sie himmelan fleugt, und röchelt mit dumpfem Gebrülle</p> +<p>Durch den schrecklichen Sturm der empörten Gewässer: so wogte,</p> +<p>Schäumt’, und braus’te die March, als jetzo die Kunen hinüber</p> +<p>Mit gewaltigem Lärm und Geschrei, die wiehernden Rosse</p> +<p>Spornten, und all’ das Heer errang, durchschwimmend, das Ufer.</p> +<span class = "pagenum">109</span> +<p class = "stanza"> +Hugo saß in dem Sattel, und schwieg; doch jetzo besann er</p> +<p>Sich nicht lang’, und schwamm (ihm folgte der redliche Knappe)</p> +<p>Eisenbewehrt, wie er war, auf dem mächtigen Gaule hinüber;</p> +<p>Schwang das Schwert in die Luft, und flog entgegen der +Hauptstadt.</p> + + + + +<span class = "pagenum">110</span> +<h3><a name = "gesang4" id = "gesang4">Vierter Gesang.</a></h3> + + +<p>Leis’ entschwebte die Nacht; aus dem hehren Gewölbe des Himmels</p> +<p>Schwanden die Sternenheere dahin, und auf gaukelnden Lüftchen</p> +<p>Schien ein freundlicher Tag sich herab auf die Fluren zu senken:</p> +<p>Doch, es erhob vor dem Morgenroth am östlichen Erdrand</p> +<p>Sich ein Nebelgewölk, das, eiligen Flugs, sich verbreitend,</p> +<p>Mehr und mehr den hochaufwölbenden Himmel befleckte.</p> +<p>Sieh’, als jetzo dem Saum der lichtergewordenen Höhen</p> +<p>Näher die Sonne kam: da erglühten im bläulichen Luftraum</p> +<p>Rings die zerrissenen Wolken umher, blutröthlichen Schimmers.</p> +<p>Jetzt erhob sie das Haupt; nur sparsam scholl aus den Lüften</p> +<p>Und aus dem Wald, der Morgengruß der befiederten Sänger</p> +<p>Ihr entgegen: sie sah mit trauerndem Blicke herüber.</p> +<p>Schwül umwogte die Luft; erboßter quälten die Fliegen</p> +<p>Menschen und Thiere zugleich; dumpf klang der wechselnde Windstoß</p> +<span class = "pagenum">111</span> +<p>Ueber die Heid’: er kräuselte weit den Rücken des Stroms hin,</p> +<p>Und erhob in Wirbeln den Staub. Kein kühlender Nachtthau</p> +<p>Hatte die Fluren erquickt, und die Schöpfung trauerte ringsum:</p> +<p>Zeichen all’ annähernden Sturms und gewaltigen Regens.</p> +<p>Aber im Zelteingang, verlassend das nächtliche Lager,</p> +<p>Saß der Kaiser, und sah mit düsterem Blick’ in des Morgens</p> +<p>Dräuende Gluth. Er dacht’ im Geiste das dunkele Schicksal</p> +<p>Tausender, bis zu dem Abendlicht’ entschieden zum Leben,</p> +<p>Oder zum Tode, mit Angst! Bald sollten die Lose, so grau’nvoll,</p> +<p>Fallen des blutigen Kriegs — des holdumlächelnden Friedens,</p> +<p>Wie es dem mächtigen Feinde gefiel, dem er ihn gebothen.</p> +<p>Ach, der Jammer des Volks durchdrang ihm die Seele! Zum Himmel</p> +<p>Hob er den Blick, und lispelte so mit gefalteten Händen:</p> +<p>„Laß den Frieden, o Herr, ihm mild erscheinen im Frühroth,</p> +<p>Und erwärmen sein Herz mit den huldausspendenden Strahlen,</p> +<p>Daß er erkenne die eigene Schuld, entsage der Rachgier,</p> +<p>Und, als Herrscher versöhnt, heimkehre den Seinen zum Segen!“</p> +<p>Aber mit Staunen vernahm’s der, einst kampfdürstende Marbod,</p> +<p>Als er umschwebte das Haupt des Bethenden, wie er dem Gegner</p> +<p>Frieden gelobte, versöhnlich und mild, und konnt’ es nicht +fassen —</p> +<p>Er, der stets nur Schlachten ersehnt’, und glühenden Muths voll,</p> +<span class = "pagenum">112</span> +<p>Selber aufreizte den Feind auf den Pfaden des irdischen Lebens.</p> +<p>Zweifelnd stand er lange vor ihm. Er wähnte, bekümmert:</p> +<p>Ihm gebrech’ es an Kraft und an raschvordringender Kühnheit</p> +<p>(Nicht begreifend sein Herz, ein Irrender, Lichtesberaubter)</p> +<p>Wiegte das Haupt, und fuhr, verstört, zu dem Morgengewölk auf.</p> + +<p class = "stanza"> +Siehe, der Kaiser trat alsbald erheiterten Blickes</p> +<p>Aus dem Gezelt, und hörte mit Lust, unferne dem Lager,</p> +<p>Walten geschäftig das Volk der Zimmerer, Schmied’, und der +Schreiner.</p> +<p>All’ die Nacht forthämmerten sie bei dem Scheine der Kesseln,</p> +<p>Die mit schwärzlichem Pech und duftendem Harze genähret,</p> +<p>Weit erhellten die Au an des Heerwegs schlängelndem Zug hin.</p> +<p>Draußen bei Floridsdorf am Donaustrande, wo dreifach,</p> +<p>Strahlen gleich, fortzieh’n die länderverbindenden Straßen:</p> +<p>Diese nach Ungerland — nach Böhmen und Mähren die andern,</p> +<p>Eileten sie, zu erbau’n die Gerüst’ und die Schranken der +Turnbahn.</p> +<p>Hundert Schritte, die Straß’ entlang, und der Breite nach +fünfzig,</p> +<p>Ebneten sie den Grund schnurgleich, und bestreuten ihn zolltief</p> +<p>Dann mit dem schimmernden Sand, der drüben am Ufer gehäuft lag;</p> +<p>Fügten auf Säulen die Balken umher, und trennten mit Absicht</p> +<span class = "pagenum">113</span> +<p>So von dem Wiesengrund das langgedehnete Viereck.</p> +<p>Aber es wich an dem unteren Rand des umschrankten Gebiethes</p> +<p>Quer ein Balken zurück, so er Einlaß both den Erwählten,</p> +<p>Und an dem oberen stand, gar herrlich gestaltet, die Prachtlug<a +class = "tag" name = "tag4_1" id = "tag4_1" href = "#note4_1">1</a></p> +<p>Oben verziert mit dem Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter,</p> +<p>Und von Innen geschmückt mit Sammtvorhängen von Purpur,</p> +<p>Die an dem Saum’ umher von goldnen Blumen erglänzten.</p> +<p>Dort dem Herrscher und seinem Gefolg’, erles’nen Geschlechtes,</p> +<p>Standen die Sitz’ erhöht, und emporgereihet im Halbkreis’;</p> +<p>Doch ein breites Gerüst, entlang die Schranken der Turnbahn,</p> +<p>Bauten sie auch; versahn’s mit emporgereiheten Sitzen</p> +<p>Für schaulustiges Volk aus den nahen und fernen Gefilden,</p> +<p>Und erhöhten die luftigen Zelt’, entgegen der Prachtlug:</p> +<p>Tapferen Rittern zur Rast, die her zu turneien gekommen.</p> +<p>Als der Krieger dem Zelt’ enteilete, stand er, vor Staunen,</p> +<p>Plötzlich verstummt; er rieb sich die Augen im dämmernden +Frühroth;</p> +<p>Sann: ob Träume der Nacht ihn äfften, oder von fern her</p> +<p>Irgend ein Zauberer kam, und die Luftgebilde zur Schau gab?</p> +<p>Doch bald lacht’ er des eitelen Wahns: hochrühmend die Meister</p> +<p>Des, mit Geschick und regsamer Kraft geförderten Werkes;</p> +<p>Eilte hinaus, sein Roß an dem Standpfahl, wo es die Nacht durch</p> +<span class = "pagenum">114</span> +<p>Ruhete, jetzt mit sorglicher Treue zu warten, und klopft’ erst</p> +<p>Selbes am mähnigen Hals’ mit der Hand, im freundlichen Zuruf;</p> +<p>Aber es scharrt’ in dem Grund’, und wieherte, gierig des Futters.</p> +<p>Rings erwachte Getös’ und unendlicher Lärm in dem Lager.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzo erscholl Getrab anstürmender Rosse, den Ohren</p> +<p>Hörbarer stets; dann sah das Aug’, umspähend, von fern her</p> +<p>Blitzen die Harnisch und Helm’, und endlich erkannte der Kaiser</p> +<p>Meinhard, und Lichtenstein, die er, Frieden zu biethen, gesendet.</p> +<p>Angelangt im Gewölk’ umwirbelnden Staubs vor dem Herrscher</p> +<p>Rissen die beiden das Roß am Zügel zurücke. Sie sprangen</p> +<p>Aus dem Sattel behend’, und nahten ihm, <ins class = "correction" +title = "Original: grußend">grüßend</ins> mit Ehrfurcht.</p> +<p>Aber er rief erstaunt: „Wie, Meinhard kehrt uns, empört heim?</p> +<p>Lichtenstein, was bringt ihr zurück aus dem böhmischen Lager?</p> +<p>Sanft ist des Friedens Hand: sie streut in des Lebens Gefilden</p> +<p>Blumen umher — die in Eisen gehüllete Rechte des Krieges</p> +<p>Trieft vom Blut der Erschlagenen; doch, wenn eben dem Unhold</p> +<p>Heiliges Recht das Schwert vertraut, da bringt er vom +Schlachtfeld</p> +<span class = "pagenum">115</span> +<p>Muth, selbstständige Kraft, und Sicherheit unter die Völker:</p> +<p>D’rum auch der Krieg erwünscht, wenn nur das Recht ihn gebiethet.</p> +<p>Jetzt, fürwahr ersehnte mein Herz den Frieden, und wohl mir,</p> +<p>Wenn der König, versöhnt, zum gebothenen selber die Hand reicht!“</p> +<p>Meinhard sagte darauf: „Nicht hat uns der König von Böhmen</p> +<p>Ritterlich’ Ehre gewährt — gastfreundlich das Herz uns +erheitert:</p> +<p>Grimm bewölkte sein Aug’, da er sprach, und finster uns ansah.</p> +<p>Wie der furchtbare Leu’ mit glühenden Blicken des Gegners</p> +<p>Harrt auf dem Plan, daß er ihm zermalme die Knochen: so dünkt +mich</p> +<p>Sah der König uns an, und schwerlich sinnt er auf Frieden.</p> +<p>Aber vielleicht, daß Lichtenstein, der glückliche Freier,</p> +<p>Frohere Kunde gebracht: deß’ will ich mich gerne bescheiden.“</p> +<p>„Zwar,“ so begann jetzt Lichtenstein, „versprach uns des Königs</p> +<p>Zornumwölketer Blick des Guten nicht viel, und ich bürgte</p> +<p>Für den Frieden nicht mehr mit dem Kopf: er möchte nicht fest +steh’n;</p> +<p>Aber noch stehet das Spiel, und es fällt der entscheidende Würfel</p> +<p>Heute noch nicht. Ich sehe dahier mit unsäglicher Hochlust</p> +<p>Schon die Schranken gefügt zum Turnei, und bald, in dem +Prunksaal,</p> +<span class = "pagenum">116</span> +<p>Den von der Decke herab unzählige Kerzen erleuchten,</p> +<p>Minniglich schöne Frau’n und Fräulein, an gastlichen Tafeln</p> +<p>Würdiggepaart umher mit den sieggekröneten Rittern.</p> +<p>Welche Beseligung, mich in dem lärmenden Kreise zu treffen:</p> +<p>Denn auch trägere Zungen bewegt die fröhliche Mahlzeit!</p> +<p>Höre mich Jung und Alt; nicht spricht ein faselnder Seher!</p> +<p>Daß des Königs verdüsterter Geist noch heute sich aufhellt,</p> +<p>Künd’ ich zuvor: denn wißt es, er kommt, und nah’ ist die Zeit +schon,</p> +<p>Zum dankbiethenden Turnkampf her, mit erlesenen Rittern.</p> +<p>„Dort,“ so sprach er vor uns, „soll’s bald allmänniglich kund +seyn,</p> +<p>Was er vom Krieg und Frieden gedacht, und der Kinder Verlobung.“</p> +<p>„Gott befohlen das Ein’ und das Andere!“ sagte, gen Himmel</p> +<p>Schauend, der Kaiser, und wandte sich; dann begann er von neuem</p> +<p>Wieder, mit sorglichem Blick: „Wo weilt mein tapferer Hugo?</p> +<p>Das sey ferne, daß ihm was Leides geschehen: mir bräche</p> +<p>Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden<ins class = +"correction" title = "zweites „ fehlt">.“</ins></p> + +<p class = "stanza"> +Kaum entfloh ihm das Wort, da tönte von ferne der Hufschlag</p> +<p>Brausender Rosse die Straße heran, die entgegen den Marken</p> +<p>Ungerns führt am linken Gestad der mächtigen Donau.</p> +<p>Hugo war’s, der kam (weit hinter ihm folgte der Knappe,</p> +<p>Schlechter beritten, denn er) die stäubende Straße herüber;</p> +<span class = "pagenum">117</span> +<p>Doch nun hemmt’ er das Roß, und die Wange, wie Flammen geröthet,</p> +<p>Lächelt’ ihm, als er gegrüßt. Er schwang sich vom Sattel, und +sagte:</p> +<p>„Herr, nicht hast du umsonst die Gäste geladen: erhellt sind</p> +<p>Weit die Straßen hinaus von schimmernden Kleidern und Waffen.</p> +<p>Trog nicht der Schein, so trabt von dem Bisamberg an der Donau,</p> +<p>Deß’ unendlicher Ruhm an köstlichem Moste bewährt ist,</p> +<p>Ein gar stattlicher Haufe heran: die flatternden Fähnlein,</p> +<p>Weiß, wie des Schneebergs Haupt, verkünden uns böhmische Kämpen.</p> +<p>Aber, als sie dahier zum Scherz nur brechen die Lanzen,</p> +<p>Harren ihrer im Hinterhalt gar ernste Gesellen,</p> +<p>Und ersehnen den Kampf. Der Ungern blühender König —</p> +<p>Blühend, und jung fürwahr! verhieß dir Hülf’, und gewährt sie:</p> +<p>Denn vor mir durchschwamm sein furchtbares Reitergeschwader,</p> +<p>Jauchzend, die March, und steht auf Oestreichs Erde, vor Marcheck</p> +<p>In dem Geröhr’, längs hin dem Weidenbache, verborgen.</p> +<p>Zürne nicht, daß ich zu kommen verzog. Viel hatt’ ich zu +reden, —</p> +<p>Von dem Kaiser zumal, und dem Greif’, wenn alles ihm abstirbt,</p> +<p>Wird die Zung’ allein stets rühriger noch mit den Jahren.</p> +<p>Auch gebrach’s nicht an köstlichem Trank’, an magyarischer Tänzer</p> +<span class = "pagenum">118</span> +<p>Fröhlichem Lärm, und du weißt, dein Haug ist freudig gestimmet,</p> +<p>Sieht er die Humpen gefüllt, und um ihn lebendig die Jugend:</p> +<p>Dennoch stellt er sich ein, wo es gilt, und die Klingen +entscheiden.“</p> +<p>„Ruhe,“ so sprach mit lächelndem Blick der erhabene Kaiser,</p> +<p>„Raschvorstürmender Greis, in dem Zelt’ auf das Lager gesunken!</p> +<p>Aber euch beid’, obgleich ermüdet vom dauernden Ritte,</p> +<p>Lockt, deß’ bin ich gewiß, Drometengeschmetter zur Turnbahn,</p> +<p>Rüstet euch denn. Mir ziemt, hausväterlich sorgend, im Lugsaal</p> +<p>Fertig zu stehen, und dort die Gäste mit Huld zu begrüßen.</p> +<p>Meinhard, zieh’ im festlichen Schmuck, mit flatternden Fähnlein,</p> +<p>Zinken, und Paukengetön’, und hundert erlesenen Reitern</p> +<p>Bis zu des Lagers Rand’ entgegen dem Herrscher von Böhmen:</p> +<p>Ihn zu begrüßen nach Würd’, und des Turnspiels Sitte geziemend!“</p> + +<p class = "stanza"> +Also entließ er mit heiterem Muth die gewaltigen Helden.</p> +<p>Aber er stieg die Stufen empor in die herrliche Prachtlug,</p> +<p>Eilete vor, und sieh’, ihm nahten die theuren Erzeugten</p> +<p>Albrecht, Hartmann, und Adelheid: nur blieb in der Hofburg</p> +<p>Agnes, die holde, daheim, die leidende Mutter zu pflegen.</p> +<p>Alsbald scholl aufjubelnder Pauken Getön’, und Drometen</p> +<span class = "pagenum">119</span> +<p>Schmetterten laut in des wimmelnden Volks unendliches Jauchzen:</p> +<p>Denn, wie der Bienen unzähliger Schwarm in des kehrenden +Frühlings</p> +<p>Milderem Hauch, fortzieht in die lieblichduftenden Fluren,</p> +<p>Gierig des Honigseims, und rings umsummet die Blüthen:</p> +<p>Also zog aus der Stadt, von dem nahen und fernen Gebieth her,</p> +<p>Zahllos, Jung und Alt, im Schmucke der festlichen Kleider,</p> +<p>Und erfüllte die hohen Gerüst’, augblendenden Schimmers.</p> +<p>Mitten im dichten Gedräng’ erglänzten, vor allen, die Edeln,</p> +<p>Die im glühenden Muth vortummelten feurige Rosse:</p> +<p>Herrlich geschmückt der Reiter zugleich, und das wiehernde +Schlachtroß.</p> +<p>Doch wer könnte die Zahl, und den Ruhm der Tapferen künden?</p> + +<p class = "stanza"> +Otto von Meißau kam: Feldoberster war er des Kaisers,</p> +<p>Reich in dem Land umher an Gütern und Mannen, und reicher</p> +<p>Noch an errungenem Ruhm’ im dräuenden Felde der Waffen.</p> +<p>Blau, wie des Himmels Zelt, mit Gold umrändert, und seiden,</p> +<p>Floß ihm der Mantel am Rücken hinab von dem Harnisch, und blau +war</p> +<p>Auch sein Wehrgehäng mit der seidenen Schärp’ und dem Helmbusch;</p> +<p>Also des Rosses Hauptzier, Zaum, und die schuppigen Decken</p> +<span class = "pagenum">120</span> +<p>Vorn an der Brust und den Seiten herum, von Eisen gefüget.</p> +<p>Aber das Einhorn wies sein Schild im goldenen Feldraum,</p> +<p>Wie es zum muthigen Kampf von dem schroffen Felsen sich aufbäumt.</p> +<p>Solchen trug ein Knapp ihm nach, und der andere folgt’ ihm,</p> +<p>Haltend die zween hochragenden Speer’ in der nervigen Rechten.</p> +<p>Pauk’ und Dromet’ erklang, da er jetzt vor den rühmlichen +Schranken</p> +<p>Hemmte sein feuriges Roß, absaß, und in’s dunkele Zelt ging.</p> + +<p class = "stanza"> +Bald nachfolgte dem Helden zuerst der kühne Capellen:</p> +<p>Oberster Führer auch er im Heere des Kaisers, und werth ihm</p> +<p>Ob der beständigen Treu’, und des nie zu erschütternden Muthes.</p> +<p>Meergrün hatt’ er zur Farbe gewählt, und verzieret mit Silber</p> +<p>Seine Rüstung zugleich, und des Rosses herrliches Reitzeug.</p> +<p>Aber den Schild, wo ein Wehrgehäng den silbernen Feldraum</p> +<p>Dreimal durchschlingt, und vom Helm sich des Adlers Fittig +erhebet,</p> +<p>Trug ihm der Knappe nach, und ein anderer brachte die Waffen.</p> +<p>Freudig ersah ihn das Volk, und als er mit edelem Anstand</p> +<p>Sich vor dem Schrankenthor von dem schnaubenden Rosse +herabschwang,</p> +<p>Rief erneueten Gruß der Klang der Drometen und Pauken.</p> + +<span class = "pagenum">121</span> +<p class = "stanza"> +Nun kam Trautmansdorf, von acht selbst-eigenen Söhnen —</p> +<p>Angeeigneten sechs, umringt, vor die Schranken. Des Bruders</p> +<p>Ehrenreich, den einst ein wüthender Eber zerrissen,</p> +<p>Als er im Walde des Weidwerks pflog, verlassene Waisen</p> +<p>Waren die sechs, und er, ein liebender Vater den einen,</p> +<p>Wie den andern; doch sie lohnten ihm herrlich die Sorgfalt:</p> +<p>Wohlgesittet, fromm, und im blühendentfalteten Leben</p> +<p>Alle, voll Heldenmuths, nachfolgend dem edelsten Vater.</p> +<p>Nicht entbehrt’ er im Krieg, nicht daheim, nicht an heiliger +Stätte</p> +<p>Selber ihres Gefolg’s, und lächelte, stolz in dem Herzen</p> +<p>Seines Glücks, das höher denn all’ sein Reichthum ihn dünkte,</p> +<p>Wenn ihm das Volk, erstaunt, nachsah, und den Segen ihm zurief.</p> +<p>Aber nicht lang’, da sinkt, wie, vom sausenden Hagel +zerschmettert,</p> +<p>Halmfrucht draußen im Feld, die herrliche Schar in das Grab +hin —</p> +<p>All’, erschlagen vom Feind, und einsam kehret der Vater</p> +<p>Heim in die Ahnen-Burg: ihn tröstet ihr rühmlicher Tod nur.</p> +<p>Doch jetzt naht’ er vor seinen, ihm gleich gerüsteten Söhnen:</p> +<p>Denn von Silber blank war Harnisch, und Helm, und der Helmbusch;</p> +<p>Also das Wehrgehäng, die Schärpe, der seidene Mantel,</p> +<p>Und der glänzende Schild, (den, goldengehörnet, ein Widder</p> +<span class = "pagenum">122</span> +<p>Zierete) weiß wie der Schnee, mit der Wehre des stattlichen +Rosses.</p> +<p>Jubelnd im Paukenklang’, erschollen die eh’rnen Drometen.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch jetzt naht’ ein Paar der Edelgestein’ in dem Adel</p> +<p>Oestreichs: Lichten- und Dietrichstein. Aus der steyrischen Mark +stammt</p> +<p>Jener (Ulrichs Sohn, des trefflichen Ritters und Sängers,</p> +<p>Der sein Leben der <em>Frauen-Ehr’</em> und dem Degen verschrieben)<a +class = "tag" name = "tag4_2" id = "tag4_2" href = "#note4_2">2</a></p> +<p>Dieser aus Oesterreich, ein Sohn ruhmwürdiger Aeltern:</p> +<p>Er, stets düstern Gemüths, da jener des heiteren Vaters</p> +<p>Frohsinn geerbt; doch einte schon frühe der trautesten +Freundschaft</p> +<p>Unauflösliches Band die Herzen der tapferen Ritter.</p> +<p>Hochroth zierte des Lichtenstein, und seines Gefährten</p> +<p>Waffengeschmeid Kornblumenblau. Im grünlichen Feldraum</p> +<p>Wies des Winzers Messer sein Schild, und im goldenen zeigte</p> +<p>Jener des Lichtenstein zwei schrägablaufende Balken.</p> +<p>Schmetternd klang die Dromet’, und die Pauken donnerten laut auf.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’ auch die beiden Demantberg’, auf welche sich Oestreich</p> +<p>Ruhig stützt: der Schwarzen- und Stahrenberg (in des Ruhmes</p> +<p>Ehernen Tafeln genannt, und hochgepriesen für immer)</p> +<span class = "pagenum">123</span> +<p>Sprengten eilig heran! In des Schildes goldenem Feldraum</p> +<p>Führete jener den Aar und das Hüfthorn; dieser im lichtblau’n</p> +<p>Einen geschnabelten Wolf, und kor sich zur Farbe der Ehren</p> +<p>Blaßgelb, silbergeschmückt, da jener mit goldenem Zierrath</p> +<p>Wählte das dunkele Kirschenroth, erfreulich zu schauen.</p> +<p>Mächtiger hob sich zur Luft der Pauk’ und Dromete Getön’ auf.</p> + +<p class = "stanza"> +Kurd von Haselau, der achtzigjährige Ritter,</p> +<p>Naht’ im Fluge heran. Noch rüstig und Kampfes begierig,</p> +<p>Stieg er vom Roß, und ging, den ehrenden Sitz an der Prachtlug</p> +<p>Einzunehmen: erwählt zum Turnvogt heut von dem Kaiser.</p> +<p>Ihm nachfolgten zugleich der Seldenhofer, der Pfannberg,</p> +<p>Hardeg, Hohenberg, und der Wildon: treffliche Kämpen!</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt anlangten im Ehrengeleit die böhmischen Ritter:</p> +<p>Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Wallstein,</p> +<p>Dann auch Herbot von Füllenstein, der reußische Kampfheld,</p> +<p>Riesengestaltet, im Trotz allbeugender Stärke sich rühmend,</p> +<p>Den sich Ottgar jüngst zum Feldherrn kor, und als Herrscher</p> +<p>Einst in der steyrischen Mark dem Volk aufstellte zum Zwingherrn.</p> +<p>Sieh’, gar herrlich geschmückt erschienen die Ritter, als sollte</p> +<p>Oestreichs ad’ligen Glanz heut jener von Böhmen verdunkeln!</p> +<p>Tausende wandten den Blick nach den Fremdlingen, alle voll +Sehnsucht:</p> +<p>Ottgarn dort zu schau’n, als Freund: er säumte zu kommen.</p> +<span class = "pagenum">124</span> +<p>Dreimal, und lauter stets erhob sich der donnernden Pauken</p> +<p>Und Drometen Getön, den nahenden Fremden zu Ehren.</p> +<p>Doch, vernehmend den jubelnden Schall, enteilten die Helden</p> +<p>Oestreichs hurtig dem Zelt’, und schwangen sich auf in den +Sattel.</p> + +<p class = "stanza"> +Meinhard, führend die Böhmen heran, verlangte vom Thorwart,</p> +<p>Da er den Degen erhob, Einlaß in die rühmlichen Schranken.</p> +<p>Alsbald wich der Riegel zurück, und in Reihen geordnet</p> +<p>(Jene zuerst, und drauf die Heldensöhne des Landes)</p> +<p>Ritten entlang die Turnbahn all’, in der nervigen Rechten</p> +<p>Hebend den Speer in die Luft, mit zögerndem Schritt nach der +Prachtlug,</p> +<p>Wo der erhabene Kaiser saß, und der Kommenden harrte.</p> +<p>Als sie gegrüßt — er gedankt, da sprach der tapfere +Meinhard:</p> +<p>„Mein durchlauchtigster Kaiser, und Herr! Des böhmischen Reiches</p> +<p>König entbiethet dir Gruß und Freundschaft zuvor, und erkläret:</p> +<p>Ihm selbst wehrt es ein böses Geschick des fröhlichen Turnspiels</p> +<p>Zeuge zu seyn; doch sendet er dir die tapfersten Ritter,</p> +<p>Hier den Ruhm des Vaterlands zu erhöhen als Sieger!“</p> +<p>„Wahrlich,“ so rief der Kaiser ihm zu, „nicht dacht’ ich: +entrissen</p> +<p>Werde mir heut’ ein Glück, das ich ersehnt’ in dem Herzen</p> +<span class = "pagenum">125</span> +<p>Aber wohlan: werth seyen uns auch die tapferen Ritter,</p> +<p>Die uns der König gesandt! Der Kampf beginne. Turneivogt,</p> +<p>Handle dein Amt! Der Herold rufe, der Sitte geziemend.</p> +<p>Grieswart sey für heut der edle Wildonier, Berchtold,</p> +<p>Breuner, und Pottendorf, die Kämpfer zu schirmen vor Unbill,</p> +<p>Ordnungbedacht: ihr Wink sey heilig geachtet von allen.“</p> +<p>Sagt’ es, und setzte sich dann auf den schwellenden Pfühl. Da erhob +sich</p> +<p>Haselau, der Greis, und ging nach der räumigen Halle,</p> +<p>Die sich unter der Lug aufwölbte, mit Purpur behangen,</p> +<p>Dort zu beginnen die Waffenschau. Die erlesenen Ritter</p> +<p>Legten sogleich den Speer und das Schwert, kampfgierigen Muths, +hin.</p> +<p>Sorgsam prüfte der Greis die gebothenen: stumpf und gefahrlos</p> +<p>Sollten sie seyn — zum Scherz, nicht zum Ernst gebraucht in dem +Turnkampf.</p> +<p>Zween der Grieswärt’ hoben den Helm von dem Haupt’, und <ins class = +"correction" title = "ungeändert">empfiengen</ins>,</p> +<p>Schreitend umher links, rechts, ein bezeichnendes Los von den +Rittern:</p> +<p>Jeglicher gab’s, mit dem Nahmen verseh’n. D’rauf schüttelten +mehrmal</p> +<p>Jene die Zeichen umher in dem Helm’, und bothen (die Ordnung</p> +<p>Wechselnd) sie dar: der rechts, wo links der and’re gefordert,</p> +<p>Also wählte sich dort ein jeglicher Kämpe den Gegner.</p> + +<span class = "pagenum">126</span> +<p class = "stanza"> +Jetzt erhob der Herold den Stab, und Tausende schwiegen;</p> +<p>Zog ein Blatt aus dem Busen heraus, das, rauschendentfaltet,</p> +<p>Glänzte von goldener Schrift, und las mit gewaltiger Stimme,</p> +<p>Allen verständlich, vor: „Wie der mächtigste Kaiser, Rudolphus,</p> +<p>Jüngst auf den heiligen Rochus Tag, des Jahrs der Erlösung:</p> +<p>Tausend zweihundert und siebenzig-acht, der heute gezählt wird,</p> +<p>Alle die Edeln, von Nah’ und von Fern, zu turneien am Tabor</p> +<p>Aufboth, die nach dem Recht’ und nach Rittersitte gemeint sind.</p> +<p>Weiche darum von hier, der bar ist der ad’ligen Ahnen-</p> +<p>Reih’ erhärtender Zahl, und der unehlich geboren;</p> +<p>Der in den Kirchenbann, in die Acht des Kaisers und Reiches</p> +<p>Fiel ob schändlicher That, ob Mord und Gottesverläugnung;</p> +<p>Der die Wittwen und Waisen bedrückt’, und das zarte Geschlecht +nicht</p> +<p>Schirmt’ in Gefahr, nicht rächt’, als Mann, g’en schnöde +Verläumdung;</p> +<p>Der Meineides und Trugs, und unedlen Gewerbs sich bewußt ist,</p> +<p>So er dem Schild und dem Schwerte zur Schmach, einst Handel +getrieben:</p> +<p>Ferne mögen sie stehen, sie all’, und ermangeln des Vorzugs,</p> +<p>Der nur Edeln gebührt, in des Turnkampfs rühmlichem Feld hier!“</p> +<p>Rief’s; dann faltet’ er wieder das Blatt, und barg’s in dem +Busen.</p> +<span class = "pagenum">127</span> +<p>Jetzt aufpflanzten, voll Hast, die hurtigen Knappen die Fähnlein</p> +<p>Ihrer Ritter so hier, als drüben, die Schranken hinunter,</p> +<p>Und die Grieswärt’ theilten sich links und rechts an der Bahn +hin,</p> +<p>Tragend den Stab in der Hand, zum Zeichen des heiligen +Gastrechts.</p> +<p>Doch nun kehrten zugleich, im zögernden Schritte, die Kämpen</p> +<p>Wieder zurück, vor dem Schrankenthor sich fertig zu stellen.</p> + +<p class = "stanza"> +Als der Kaiser die Kehrenden sah — dann vor sich das Volk +dort,</p> +<p>Dann im Rücken die Bänke gedrängt voll grauender Ritter,</p> +<p>Edeler Herrn, und Frau’n, und zartaufblühender Fräulein:</p> +<p>Ach, da füllten sich fast ihm die Augen mit Thränen! Er wandte</p> +<p>Halb nach den Kindern sich um, und sprach mit inniger Rührung:</p> +<p>„Welch unzähliges Volk: nur die Ein’ ersehen wir hier +nicht —</p> +<p>Euere Mutter ist fern, und Agnes, als Pflegerinn wechselnd</p> +<p>Heute mit euch! Auch wir entbehreten freudig des +Schauspiels —</p> +<p>Weilten so gerne daheim bei der Leidenden; aber die Pflicht ruft</p> +<p>Ehernen Lauts, und heißt all’ and’re im Herzen verstummen.</p> +<p>Weh’, daß ich auch die Kunringe hier vermiß’, und der Helden</p> +<p>Einige, die verlockt auf trugverhülleten Pfaden</p> +<p>Sich zu den Feinden gesellt, und im Schooße der eigenen Mutter,</p> +<p>Jenen gleich mit der grimmigen Faust zu wühlen bereit steh’n;</p> +<span class = "pagenum">128</span> +<p>Aber vielleicht gelingt es mir noch die Verirrten zu sammeln!“</p> +<p>Jene schwiegen, und hielten die Hand vor die thränenden Augen:</p> +<p>Ob der Mutter betrübt; doch Hartmann vor allen: ein Liebling</p> +<p>War der Trauernde stets der holden Mutter gewesen.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, nun schwebt’ auf dem Wettergewölk des umnachteten Himmels</p> +<p>Marbod daher! Er sah Drahomira vorüber im Eilflug</p> +<p>Ziehen, und folgen der Spur des schwarzgerüsteten Ritters,</p> +<p>Der mit geschlossenem Helm’ aus dem böhmischen Lager herüber</p> +<p>Spornte den Rappen im Donnergalopp’, an die Schranken der +Turnbahn.</p> +<p>Nicht wie den Sterblichen war dem Geiste der Ritter verhüllet:</p> +<p>D’rum erbangt’ ihm die Brust vor Angst ob seinem Erwählten,</p> +<p>Rudolph, dem er sich liebend geweiht: denn siegenden Hohn sah</p> +<p>Er in dem Blick Dahomira’s, und kam, ihm rettend zu nahen,</p> +<p>Wenn sie, höllischen Trugs, Gefahr ihm sann, und Verderben.</p> +<p>Immer schneller verschlang des Tages Heit’re der Wolken</p> +<p>Finstere Nacht. An dem Himmel herauf, und hinunter zum Erdrand</p> +<p>Zuckte der röthliche Blitz, und von fern her murrte der Donner:</p> +<p>Kommend auf Flügeln des Sturms, vom dräuenden Süden herüber.</p> + +<span class = "pagenum">129</span> +<p class = "stanza"> +Jetzt erscholl drometender Ruf, dreimaligen Stillstands,</p> +<p>Tief, eintönig, gedehnt: des Kampfs ersehnetes Zeichen.</p> +<p>Alsbald braus’te der Riegel zurück: in die rühmlichen Schranken</p> +<p>Ritt, gemessenen Schritts, hellstrahlend von Purpur und +Goldschmuck,</p> +<p>Lobkowitz ein; den Schild ihm ziert’ ein fliegender Adler.</p> +<p>Ganz durchmaß er die Bahn bis vor in die Nähe der Prachtlug;</p> +<p>Wandte das Roß, und harrete dort des würdigen Gegners,</p> +<p>Den das Los ihm beschied, und sieh’, ihm nahte Capellen,</p> +<p>Muthigen Blicks! Da rief ihm Lobkowitz freundlich entgegen:</p> +<p>„Nun geschlossen den Helm, und fest in dem Sattel gesessen!</p> +<p>Schon viel Rühmens hört’ ich von euch, Capellen! So laßt uns</p> +<p>Heut’ erseh’n: ob mir, ob euch die Krone bestimmt sey,</p> +<p>Welche zum Dank uns beut die Erzeugte des edelsten Kaisers,</p> +<p>Adelheid, voll Engelshuld und himmlischer Schönheit.“</p> +<p>„Wohl,“ entgegnete jener mit Trotz, „das laßt uns erproben,</p> +<p>Lobkowitz! Rasch seyd ihr, böheimische Kämpen, und dennoch</p> +<p>Sollt ihr Oestreichs Söhnen den Kranz nicht rauben im Turnkampf.“</p> +<p>Aber sie schlossen den Helm, und setzten sich fest in dem Sattel.</p> +<p>D’rauf, mit gewaltiger Faust vorsenkend den Speer aus des Bügels</p> +<p>Röhr’, und den ehernen Schild vorhaltend dem Feinde zur Abwehr,</p> +<p>Spornten beide das Roß, das, weitvorgreifenden Sprunges,</p> +<p>Schnell, wie der Blitz, auf dem Plan mit tönendem Hufe dahinflog,</p> +<span class = "pagenum">130</span> +<p>Bis inmitten der Bahn, urplötzlich, ein jeder der Gegner</p> +<p>Traf des anderen Schild mit des Speers abprallendem Eisen</p> +<p>So, daß der mächtige Schaft, in tausende Splitter zertrümmert,</p> +<p>Hoch empor in die Luft und umher auf dem zischenden Sand flog,</p> +<p>Und die Rosse, zurück’ auf die Hinterfüße gesunken,</p> +<p>Noch dem gewaltigen Stoß’ erzitterten, schreckenerfüllet.</p> +<p>Lautaufjauchzte den Kämpen das Volk; unzählige Stimmen</p> +<p>Zollten im tausendfältigen Ruf den Trefflichen Beifall.</p> +<p>Jetzt gedachten sie schon, aus dem Sattel sich schwingend, zu +zeigen</p> +<p>Auch in dem zweiten Gang mit dem blinkenden Schwert die +Gewandtheit,</p> +<p>Schnelle, und Kraft; doch laut rief dort der herrschende +Turnvogt:</p> +<p>„Helden, es ist euch Siegesruhm die Fülle geworden!</p> +<p>Ruht von dem Scheinkampf jetzt! Vielleicht, so Gott es nicht +wendet,</p> +<p>Werdet ihr bald zum Ernst, nicht zum Scherz, in schrecklicher +Feldschlacht</p> +<p>Richten das blitzende Schwert auf die Brust anstürmender Gegner!</p> +<p>Ihr brach’t zierlich den Speer: aus der Hand der holden Erzeugten</p> +<p>Rudolphs, wird euch herrlicher Lohn noch heut’ in dem Turn-Dank!“</p> +<p>Jene kehrten zurück, in dem hohen Gezelte zu ruhen.</p> + +<span class = "pagenum">131</span> +<p class = "stanza"> +Stille wurd’ es umher, und es faßt’ ein heimlicher Schauder</p> +<p>Manchem die Brust bei’m ernsteren Wort des prophetischen Greises.</p> +<p>Doch nun braust’ im Sturm der schwarzgerüstete Ritter</p> +<p>Näher, und riß den Rappen zurück’ an dem leitenden Zügel,</p> +<p>Sonst durchbrach er im Sprung die hemmenden Schranken. Er nagte,</p> +<p>Wüthenden Grimms, am Gebiß’, und schnob, und streute den +Schneeschaum</p> +<p>Hin auf den Sand, den er mit den scharrenden Hufen umherwarf.</p> +<p>Edelem Stamm’ entsprossen schien der gewaltige Reiter;</p> +<p>Aber noch barg der geschlossene Helm ihn den Augen des Volkes.</p> +<p>Stolz erhob er die Hand, und hieß mit stummen Geberden</p> +<p>Milota nah’n. D’rauf zog er ein Blatt aus den Fugen des Panzers,</p> +<p>Reicht’ es ihm dar, und wies nach des Turnvogts herrschendem Sitz +hin.</p> +<p>Milota lächelte Hohn, da er, spornend sein Roß, an den Schranken</p> +<p>Hinflog, und darreichte das Blatt dem staunenden Alten.</p> +<p>Dieser entfaltet’ es schnell, und las mit vernehmlicher Stimme:</p> +<p><ins class = "correction" title = "Original: ,Euch">„Euch</ins> +entbiethet zuvor, ihr edelen Herren und Ritter,</p> +<p>Ihren freundlichen Gruß Kunegunde, des böhmischen Reiches</p> +<p>Königinn! Dann verlangt sie, daß ihr den Ritter in Trauer</p> +<span class = "pagenum">132</span> +<p>Nicht verschmäht, der glänzenden Stamms sich rühmt, und im +Turnkampf</p> +<p>Heute, vor euch, ihr herrlichen Ruhm zu ersiegen, bereit ist.</p> +<p>Aber ihm werde nach Wunsch der letzte der Kämpfe <ins class = +"correction" title = "Original: gewahret">gewähret</ins>!“</p> +<p>Stumm verneigte der Greis sein Haupt, und Milota kehrte</p> +<p>Wieder zurück. Da lispelte leis’ in die Ohren des Nachbars</p> +<p>Ein Barfüßermönch, der jüngst aus Böhmen gekommen,</p> +<p>Und auf dem volkerfüllten Gerüst schaulustig sich einfand:</p> +<p>„Seh’ ich den Ritter dort, gehüllt in die finstere Rüstung,</p> +<p>Will es mich fast bedünken: er sey der Königinn Liebling,</p> +<p>Zawiß von Rosenberg,<a class = "tag" name = "tag4_3" id = "tag4_3" +href = "#note4_3">3</a> der weitgepriesener Anmuth,</p> +<p>Blühender Jugendkraft, und tapferen Muthes, ihr Herz schon</p> +<p>Völlig gewann, das leis’ in heimlichen Flammen sich abzehrt.</p> +<p>Also rächt sich die Schuld! Ein Gleiches mit Gleichem vergolten</p> +<p>Wird dem Könige, der Margarethen verstieß, und den Unhold</p> +<p>Sich beilegte zum Weib: Kunegund’ ersehnt sich den Buhlen.“</p> +<p>Also das Mönchlein sprach. Doch feuriger stets, und entflammter,</p> +<p>Zuckten die Blitz’ umher im Gewölk’, und auf ehernen Rädern</p> +<p>Sank stets tiefer herab des Donners rollender Wagen</p> +<p>So, daß die Menge mit Angst aufsah, und, des strömenden Regens</p> +<p>Denkend, nur an dem Leinendach des Gerüstes noch Trost fand.</p> + +<p class = "stanza"> +Wieder erscholl gar feierlich ernst die Dromete. Zum Turnkampf</p> +<p>Rief sie ein Heldenpaar: da flog der muthige Wallstein,</p> +<span class = "pagenum">133</span> +<p>Herrlich glänzend von Gold auf dem perlen-farbigen Sammttuch,</p> +<p>Ueber die Pläne hinab, und wandte sich, harrend des Gegners.</p> +<p>Sieh’, ihm fiel das Los, mit dem Stahrenberg in den Schranken</p> +<p>Heute zum erstenmal, sich zu messen: zum Ritter geschlagen</p> +<p>Jüngst durch Ottgar selbst, der ihn vor jeglichem liebte!</p> +<p>Jugendlich hüpfte das Blut in den Adern des feurigen Helden</p> +<p>Noch. Er lechzte nach Ruhm; doch wüthete jetzt in der Brust ihm</p> +<p>Furchtbare Liebesgluth, seit er vernommen, daß +Hedwig —</p> +<p>Sie, die Zierde der Welt, für welch’ er thöricht entbrannt war,</p> +<p>Reichen sollte die Hand zum eh’lichen Bund dem Erzeugten</p> +<p>Rudolphs, Hartmann, und ach, Verzweiflung faßt’ ihn erneut an!</p> +<p>Ungeheueres sann er empört im Gemüth, und nicht wußt’ er</p> +<p>Wie er’s vollbringe dereinst. Da sprach ihm jetzt Drahomira,</p> +<p>Die, nur auf Arges bedacht, auflauerte, leis’ an das Ohr so:</p> +<p>„Denke des Muths: vielleicht gelingt es dir heut, den Verhaßten</p> +<p>Dort mit höhnendem Blick zu reizen, und Rache zu üben!“</p> +<p>Alsbald wandt’ er das Haupt, und sah mit höhnenden Blicken,</p> +<p>Lang’ nach dem tapferen Hartmann hin, als hätt’ er gefrevelt.</p> +<p>Zorngluth schoß in das bleiche Gesicht des Edeln: er hob sich</p> +<p>Hastig vom Sitz, ihn laut zur Rede zu stellen, entschlossen.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch schon nahete Stahrenberg, im feurigen Vorschritt</p> +<p>Zügelnd das Roß, und rief dem Gegner, lächelnd, entgegen:</p> +<span class = "pagenum">134</span> +<p>„Erst so beweglich, und nun säumst du den Kampf zu beginnen?“</p> +<p>„Nein, ich säume nicht!“ sprach alsbald der Zürnende, wähnend:</p> +<p>Jener zeihe der Feigheit ihn. Er ahnte nicht, wer ihm</p> +<p>Also empörte die Brust durch dunkle Gebilde der Rachgier.</p> +<p>Trotzig schloß er den Helm; ließ sinken den Speer in der Rechten;</p> +<p>Gab dem Rosse den Sporn, und flog dem Ritter entgegen,</p> +<p>Der nicht müßig geharrt: denn sieh’, jetzt trafen die beiden</p> +<p>Sich inmitten des Plans, an dem Schilde die Speere zu brechen,</p> +<p>Wie es der Turnbahn Sitte geboth, und trefflich erzielte</p> +<p>Stahrenberg den Gewinn: sein Speer zerbrach an dem Turnschild</p> +<p>Wallsteins, den ein glänzender Stern erhellete, krachend;</p> +<p>Schlug auch den Stern entzwei, und zerstob in unzählige Trümmer!</p> +<p>Aber nicht so sein Gegenpart. Von stachelnder Rachgier</p> +<p>Glühend, nahm er das Abseh’n hoch nach dem Helm’, und er stieß +ihm</p> +<p>Solchen vom Haupt mit festnachstürmender Rechten, daß alsbald</p> +<p>Ihm an dem Kinn der Riemen zerriß, und im Sande der Helm hin</p> +<p>Kollerte. Zornerfüllt gewahrten die älteren Ritter</p> +<p>Wallsteins Frevelthat, und murreten. Aber dem Turnvogt</p> +<p>Schien gleichmäßig des Kampfes Gewinn: weil jener den Schild ihm,</p> +<span class = "pagenum">135</span> +<p>Schmetternd, zerbrach, und dieser den Helm von dem Haupt ihm +gehoben.</p> +<p>Stille herrscht’ umher; kein Beifall krönte die Kämpen.</p> +<p>Stahrenberg ritt eilig zurück; doch zögerte Wallstein</p> +<p>Noch auf dem Plan, und sah von neuem mit höhnendem Ingrimm</p> +<p>Nach der Lug empor, wo Hartmann im glänzenden Harnisch,</p> +<p>Lieben Geschwistern vereint, sich fand an der Seite des Kaisers.</p> +<p>Ihn verhöhnet’ er frech, und begann mit stachelnden Worten:</p> +<p>„Kühlere Lüftchen umweh’n dich dort; hier fühlt es sich heißer:</p> +<p>Komm, und versuch’s! Der Jugend Kraft zu erproben, ist rühmlich.“</p> +<p>Stöhnend vor edelem Zorn erhob sich der Jüngling, und forschte</p> +<p>Einen Augenblick in dem Antlitz des herrschenden Vaters.</p> +<p>Aber er saß in erschütternder Hoheit dort in der Mitte</p> +<p>Seiner Erwählten, und sah, verstummend, hinab auf den Ritter.</p> +<p>Jenem genug: er sprang die Stufen herunter, und warf sich</p> +<p>Schnell auf das wiehernde Roß, das draußen der Knappe gehalten;</p> +<p>Faßte, zitternd vor Hast, den Speer, und flog auf die Turnbahn.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch schon hatte zuvor von dem trugverblendeten Wallstein</p> +<p>Sich Drahomira gewendet, und hing mit flammenden Blicken</p> +<p>Ueber Ottgars Haupt. Er war’s, der heute des Nachtgrau’ns</p> +<span class = "pagenum">136</span> +<p>Farbe zur Rüstung sich wählt’, als jene, voll höllischer Arglist,</p> +<p>Ihn zu dem Kampf hertrieb: nur Jammer zu schaffen, entschlossen.</p> +<p>Wie auf dem trüglichen Netz die giftige Spinne dahinfährt,</p> +<p>Wo die Beute sich fing, und diese mit klebrigen Fäden</p> +<p>Dicht umstrickt, daß kein’ Errettung mehr von dem Tod ist:</p> +<p>Also ließ sie nicht ab von dem unglückseligen Herrscher,</p> +<p>Deß’, sonst edele, Heldenbrust in wilder Empörung</p> +<p>Schrecklicher Ehrsucht gohr, und allein nach Rache sich sehnte.</p> +<p>Siehe, wie zween geschweifte Kometen am nächtlichen Himmel</p> +<p>Glüh’n, und in blutiger Kriegeszeit den zagenden Völkern</p> +<p>Dräu’n Pest, Hungersnoth, und Theurung: also erglühten</p> +<p>Jetzt Drahomira’s zur Wuth empörete Blicke; sie hauchte</p> +<p>Ottgars horchendem Ohr den seelenverderbenden Rath ein:</p> +<p>„Pfeilschnell naht, und entfliehet das Glück: d’rum hasch’ es im Flug +jetzt,</p> +<p>Eh’ es auf immer entweicht, und nicht wiederkehret dem Trägen:</p> +<p>Tritt mit Hartmann du in den Kampf; dir weiche dein Liebling</p> +<p>Wallstein. Thöricht vergaß der waffenbeschauende Turnvogt</p> +<p>Deine zu prüfen: du führst verderbliche. Schleudre den Jüngling</p> +<p>Erst in den Staub; dann wende dich, nah’ ist der Kaiser, durchbohr’ +ihm</p> +<p>Kühn die verräth’rische Brust, und entflieh’. Dein schreckliches +Reitroß</p> +<span class = "pagenum">137</span> +<p>Trägt dich schnell aus umdrängender Noth: denn höllische Macht +tobt</p> +<p>Ihm in den Adern. Auf, und räche dich jetzt an dem Gegner.“</p> + +<p class = "stanza"> +Wild aufbäumte sich Ottgars Rapp’, als jene gesprochen;</p> +<p>Scharrt’ in dem Sand, und schnob, und drehte sich, wüthend, im +Halbkreis’:</p> +<p>Denn sie erregte das Thier durch Gaukelgebilde der Hölle.</p> +<p>Heimlicher Schauder ergriff das Volk und die edelen Ritter.</p> +<p>Ottgars Aug’ umdüsterte Nacht: gleich Meeresorkanen,</p> +<p>Wühlten in seiner Brust die Empfindungen streitender Rachgier,</p> +<p>Ehre, und Pflicht. Doch jetzt besann er sich; sprengte den Rappen</p> +<p>Ueber die Schranken, und rief dem kampfbeginnenden Helden</p> +<p>Laut, im Brausen des nahenden Sturms und Donnergewitters:</p> +<p>„Wallstein, halt! Zieh’ hin zu dem Schrankenthor’, und vergönne</p> +<p>Mir in des Kampfs Entscheidung den Sieg. Kunegunde geboth mir</p> +<p>Sie zu rächen, und dich an dem schmähungliebenden Buben</p> +<p>Deß’, der Kaiser sich nennt des heiligen, römischen Reiches.“</p> +<p>Wallstein eilte zurück; doch Hartmann rief ihm entgegen:</p> +<p>„Ha, du lügst! Nie hat mein Mund Kunegunden, noch jenen,</p> +<p>Der so frech sich erweis’t, so unritterlich handelt, geschmähet,</p> +<p>Weder heimlich, noch offenbar: das sollst du mir büßen.“</p> +<p>Rief’s, und senkte den Speer, nicht erwägend, daß solchen der +Knappe,</p> +<span class = "pagenum">138</span> +<p>Nicht zum Kampf auf Leben und Tod — nur zum rühmlichen +Scheinkampf</p> +<p>Ihm darreichte zuvor, in drängender Hast und Verwirrung.</p> +<p>Zwar erhob den Stab und die herrschende Stimme der Turnvogt;</p> +<p>Zwar abmahnten vom Streit die Grieswart’ dieß und auch jenseits;</p> +<p>Aber sie achteten’s nicht. Von dem lautaufheulenden Sturmwind</p> +<p>Ward verschlungen ihr Ruf, und die rachebefeuerten Gegner</p> +<p>Bringt zur Ruhe kein Stab jetzt mehr, noch zu klarer Besinnung.</p> +<p>Aber schon war, voll sorglicher Hast, dem erhabenen Kaiser</p> +<p>Marbod genaht. Nicht entging dem liebenden Geist Drahomira’s</p> +<p>Unheilschwangerer Blick, die, beiden: dem Kaiser und Böhmens</p> +<p>Könige, Tod und Verderben sann, und in wilder Verwirrung</p> +<p>Leichen auf Leichen gehäuft, der Hölle zur frevelnden Lust, sah.</p> +<p>Jetzt umfaßt’ er ihn heiß, und rief im Geistergelispel:</p> +<p>„Auf, und ziehe dein blinkendes Schwert, zur Wehre dich stellend!</p> +<p>Dir droht Mord und Verrath, und deinem Sohne Verderben</p> +<p>Von dem Fremdlinge. Horch, und verschmähe des Warnenden Rath +nicht!“</p> +<p>Alsbald hob, von dem Geist erregt, der gewaltige Herrscher</p> +<p>Von dem Stuhle sich auf; entblößte das Eisen, und eilte</p> +<p>Schnell die Treppe herab auf die Plane, den theuern Erzeugten</p> +<span class = "pagenum">139</span> +<p>Gegen die Wuth des rascheindringenden Gegners zu schirmen,</p> +<p>Der so frech verhöhnte den Ruf des heiligen Gastrechts.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzo sporneten, laut mit Geschrei, die erbitterten Helden</p> +<p>Gegen einander die Ross’ auf dem Plan; doch, brausenden Fluges,</p> +<p>Trieb in dem Augenblick das entsetzliche Donnergewitter</p> +<p>Näher, und stäubte den Sand in wirbelnden Säulen vom Grund auf.</p> +<p>Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag urplötzlichen Donners</p> +<p>Flammt’, und krachte herab aus dem finsteren Schooße der Wolken,</p> +<p>Die, gewitterschwer, tiefhangend, zum Boden gesunken,</p> +<p>Jetzo des Mittags Hell’ in Nacht verwandelten ringsum.</p> +<p>Angst ergriff das versammelte Volk. Dem Schreckensgedanken</p> +<p>Bebte das Herz, als sey der Tag’ allletzter gekommen.</p> +<p>Wie, und dennoch ruhten die zween erbitterten Gegner</p> +<p>Von dem Kampfe noch nicht? Sie sprengten die Läufer im Flug fort.</p> +<p>Jetzo, wo Ottgars Speer mit tödlicher Spitze dem Turnschild,</p> +<p>Harnisch, und Herzen zugleich des harmloskämpfenden Hartmann</p> +<p>Nahete, fuhr ein Blitz, an der Breite dem stürzenden Waldstrom</p> +<p>Aehnlich, zwischen die beiden herab, und entsetzlicher Donner</p> +<p>Rollte, betäubenden Schlags, erschütternd ringsum die Gegend,</p> +<p>Plötzlich ihm nach; doch Marbod sprang urschnell in den Blitz +hin.</p> +<span class = "pagenum">140</span> +<p>Sein entrüsteter Blick entflammte sich hell, und er schreckte</p> +<p>Hartmanns wildanstürmendes Roß vor dem Rosse des Gegners.</p> +<p>Bäumend hob es sich auf: da drang ihm der Speer so gewaltig</p> +<p>Ein in die Brust, daß der Schaft, erkrachend, sich bog, und entzwei +brach.</p> +<p>Stöhnend sank das Roß auf den Rücken. Der Reiter entzog ihm</p> +<p>Schnell das Bein, und stand, ergriffen von inniger Wehmuth:</p> +<p>Schauend sein treues Thier, das jetzt mit den vorderen Hufen,</p> +<p>Jetzt mit den hinteren scharrt’ in dem Sand — dann todt, und +erstarrt lag.</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar saß, geblendet vom Blitz’, und schnaubend vor Ingrimm</p> +<p>Ob des gebrochenen Speers. Er hörte den schrecklichen Donner,</p> +<p>Hörte die lärmenden Ritter nicht mehr, die, empört von dem +Frevel,</p> +<p>Naheten; doch er sann im schnell­hinschwindenden Zeitraum</p> +<p>Eines Augenblicks. Drahomira empörte zur Wuth ihn,</p> +<p>Als der Kaiser zur Rettung des Sohns in Eile dahersprang;</p> +<p>Aber umsonst: denn stolz- und tapfergesinnet war Ottgar;</p> +<p>Feig ihm dünkte der Mord. Er riß von der Rechten den Handschuh,</p> +<p>Warf ihn entgegen dem Feind’, entblößte das Eisen, und rief ihm:</p> +<p>„Rudolph, heb’ ihn nur auf: denn es biethet auf Tod und auf Leben</p> +<p>Ottgar, zitt’re vor ihm, dir Fehde für jetzt, und für immer!</p> +<span class = "pagenum">141</span> +<p>Nichts von Frieden darum, und nichts von der Kinder Verlobung:</p> +<p>Rach’ allein ist die Losung hinfort: das soll ich dir kund thun!“</p> +<p>Rief’s, und gab dem Rosse den Sporn. Die Schranken hinüber</p> +<p>Trug es ihn fort im Sprung; dann, sausend, im Donnergaloppe</p> +<p>Weiter und weiter hinaus auf der staubenden Straße nach +Stillfried,</p> +<p>Und ihm sprengte sein Ehrengefolg’ im eiligen Flug nach.</p> +<p>Aber in wilder Verwirrung schrie’n, und entstürzten die ander’n</p> +<p>Rings den Sitzen, und floh’n durch Sturm und Gewitter voll Angst +heim.</p> + + + + +<span class = "pagenum">142</span> +<h3><a name = "gesang5" id = "gesang5">Fünfter Gesang.</a></h3> + + +<p>Schüttelnd die triefenden Schwingen, erhob nach unendlichem Regen</p> +<p>Sich der Abendwind, und warf von dem rauschenden Hochwald</p> +<p>Und dem ersäuselnden Hain’ gewichtige Tropfen zum Boden.</p> +<p>Trauernd senkten den lastenden Kelch in dem Felde die Blumen</p> +<p>Noch, und das blinkende Gras bewegte sich langsam und schwer nur.</p> +<p>Kein Gesang der Vögel erscholl; nur fern in dem Sumpfrohr</p> +<p>Quackte der Frosch, und die finstere Luft durchkrächzten die +Raben:</p> +<p>Denn noch deckte Gewölk des Himmels Bogen; der Donner</p> +<p>Rollte noch fort, und der leuchtende Blitzstrahl fuhr noch im +Süden</p> +<p>Flatternd umher: als droht’ er entsetzlicher wiederzukehren.</p> +<p>Da gelangte, von Wuth und gährender Rache getrieben,</p> +<p>Ottgar heim vor das Lagerzelt, und schwang sich vom Sattel</p> +<p>Hastig herab. Ihm kam der Kunring, Leutold, entgegen,</p> +<span class = "pagenum">143</span> +<p>Der mit Schmerzen daheim sein harrete. Jetzo begann er:</p> +<p>„Wahrlich, du kommst ersehnt, und glühender noch, als am Abend</p> +<p>Unsers mit Blut gefertigten Bund’s: an dem Kaiser — an +Rudolph,</p> +<p>Rache zu üben — an ihm, der nach den geheiligten Rechten</p> +<p>Altehrwürdiger Ritterzeit im empörenden Hochmuth</p> +<p>Greift mit gewaffneter Hand; der Deutschlands Edeln der +Knechtschaft</p> +<p>Fesseln beut, da er schon gar viele der Vesten zu Boden</p> +<p>Schmettert’, und allen ein Gleiches droht: daß nimmer die Freien</p> +<p>Uebten ihr Recht an dem Volk, dem niedriggebornen, nach Willkühr.</p> +<p>Nicht so wurden wir einst lehnpflichtig dem König. Der Leh’nsherr</p> +<p>Rang um sein Eigen im Feld; sein ist’s, was dort ihm zu Theil +ward —</p> +<p>König auch er: ihm huldigt zur Frohne der Hold und der Sasse.</p> +<p>Wie, mir würd’ es verwehrt zu erbauen die Burg auf dem Felsen,</p> +<p>Der aus dunkelem Wald’ aufragt, und zum schwindelnden Abgrund,</p> +<p>Senkrecht bis zu dem Wildbach hin die Wände hinabsenkt,</p> +<p>Unnahbar dem Feind? Nicht sollt’ ich dort von den Zinnen,</p> +<p>Oder des Wartthurms Höh’n mit herrschendem Blick in des Abends</p> +<span class = "pagenum">144</span> +<p>Goldenem Schein’ erforschen die Gau’n: ob, lauernd, der Gegner</p> +<p>Nahe den Thalweg her? Nicht sein, des ohnmächtigen, spotten,</p> +<p>Der, mit blutigen Köpfen zurück von der Veste gewiesen,</p> +<p>Schamroth flieht? Nicht von ihr zum Kampf mit den Reisigen +auszieh’n,</p> +<p>Kennend der Mauern Gefüg’, und in selben geschirmt nach dem +Heimzug?</p> +<p>Rechte nur immerhin der Unfreie mit mir, daß ich, Freier,</p> +<p>Niederwerfe nach Lust auf der Straße den wandernden Kaufmann,</p> +<p>Der, ein Bürger der Stadt, dem Juden zugleich und dem Wechsler</p> +<p>Treuverbündet, mein Volk betriegt, deß’ Habe doch mein ist?</p> +<p>Nur in der Ritterburg, der Wieg’ erhebender Thatkraft,</p> +<p>Heldensinnes, und Muths wohnt auch das häusliche Glück noch.</p> +<p>Wenn ich schaue die Hausfrau dort, wie sie schaltet mit Sanftmuth</p> +<p>Ueber das rohe Gesind’, und die züchtigen Töchter, den Rosen</p> +<p>Gleich aufblühend, erwerben die Huld und die Würde der Mutter;</p> +<p>Wenn ich vom Fenster hinab an des Hofraums rasigem Abhang</p> +<p>Ringen sehe den Sohn mit den Knappen: wie diesem den Bart er,</p> +<p>Lachend, zerrauft, und den anderen schlägt mit den winzigen +Fäustchen,</p> +<span class = "pagenum">145</span> +<p>So vorübend die Kraft auf die herrlichsten Jahre des Lebens:</p> +<p>Nicht für die goldene Kron’ eintauscht’ ich die goldene Freiheit.</p> +<p>Sieh’, auch der Sänger spricht dort ein, und läßt in dem Hofraum,</p> +<p>Nachtumhüllt, gar mild ertönen die lieblichen Saiten,</p> +<p>Eh’ er beginnet sein Lied; doch sitzen wir bald in des Saales</p> +<p>Schimmerndem Licht um ihn her, und horchen den zaub’rischen Tönen</p> +<p>Von der Minne Leiden und Glück; von den Wundergeschichten</p> +<p>Grauender Heldenzeit, und den Thaten gewaltiger Ahnen</p> +<p>So, daß in wonniger Lust, wie im Flug’, uns die Stunden +entschwinden!</p> +<p>Ha, und dessen gedenkt der Habsburg uns zu berauben?</p> +<p>Künftig sollen wir feig, erschlafft, und völlig verweichlicht,</p> +<p>Wohnen in dumpfiger Stadt, und der Ritterehre vergessend,</p> +<p>Höflingen gleich, uns bücken vor ihm? Doch, König, verzeihe,</p> +<p>Wenn vor dir nicht Gefälliges spricht ein wackerer Deutscher!</p> +<p>Wie habt ihr turneit? Ward Habsburgs Löwe gebändigt?</p> +<p>Hast du Rache geübt? — denn Schreckliches kündet dein Aug’ +an.“</p> +<p>Sagt’ es, erstaunt; doch Ottgar sah mit den flammenden Augen</p> +<p>Ihn noch schrecklicher an, und rief: „Ja, Rache geübet</p> +<p>Offen vor allem Volk! Wohl sagt’ ein höllischer Geist mir</p> +<p>Heimlich in’s Ohr: „Durchbohr’ ihn!“ doch mich dünkt’ es zu +niedrig:</p> +<p>Morden! Ein Leichtes war’s, auf dem Plan das blinkende Schwert +ihm</p> +<span class = "pagenum">146</span> +<p>In die verräth’rische Brust — er zitterte! heute zu +tauchen;</p> +<p>Doch nur in offener Schlacht, das Aug’ auf das Auge geheftet,</p> +<p>Soll er mir steh’n, und, fallend, im Staub’ aushauchen das +Leben.“</p> +<p>Vor, aus seinem Gefolg trat Milota jetzt, und begann so:</p> +<p>„König, verzeih’: er zitterte nicht! Dich täuschte der Rachgier</p> +<p>Seelenverwirrende Gluth. Wohl staunt’ ich, als er so muthvoll</p> +<p>Dir entgegen trat auf dem Plan: du sporntest den Rappen</p> +<p>Weise davon. Gut war’s: nicht wehrlos falle der Gegner,</p> +<p>Tapferen Herzens, dem tapferen Mann; das hast du erwogen:</p> +<p>Selber beut sich ja oft nur klügeren Seelen das Glück an.“</p> +<p>Sprach so, kaum bekämpfend die Wuth, die ihm heimlich des Herzens</p> +<p>Tiefen zerriß, und er lächelte nur. Doch jener zernagte,</p> +<p>Schweigend, die Lippen vor Zorn: denn Spott verriethen die Augen</p> +<p>Milota’s. Jetzt entblößt’ er das Schwert, und flehte zum Himmel:</p> +<p>„Ewiger, der du schirmst das Recht, und bestrafest das Unrecht;</p> +<p>Auch in der Vorzeit oft in die Hände der Führer des Volkes</p> +<p>Gabst dein Rächerschwert, zu vertilgen Israels Gegner,</p> +<p>Höre mein Fleh’n, und laß’ mich jetzt vergelten im Vollmaß</p> +<p>Dem, der, frevelnd an mir, verletzte die Treu’ und die Wahrheit,</p> +<p>Mich beschimpfend vor allem Volk, da er laut es gebilligt:</p> +<span class = "pagenum">147</span> +<p>Heimlich im Zelt sollt’ ich ihm huldigen — schändlicher Trug +war’s!</p> +<p>Mich verachtet das Volk seitdem, und die jammernde Mutter</p> +<p>Meiner Erzeugten weis’t die unschuldigen Opfer des Truges</p> +<p>Mir, im verzweifelnden Schmerz. O, gib mir den Sieg in dem Kampf +jetzt!“</p> +<p>„Ihr,“ so rief er den Feldherrn laut, „erhebet die Banner</p> +<p>Eurer geordneten Schar! Wir ziehen noch heute nach Thalsbrunn:</p> +<p>Dort von dem Weidenbach g’en Wien zu dringen, entschlossen.“</p> + +<p class = "stanza"> +Jene gehorchten sogleich, und gebothen dem Heere den Aufbruch.</p> +<p>All’ die geordneten Reihen hinab ertönte das Rufen</p> +<p>Tausender: „Auf! In den Kampf! Wir geh’n den Feinden entgegen.“</p> +<p>Trommeln rasselten dumpf, und das Schmettern eh’rner Drometen</p> +<p>Scholl aus dem Waffen-Geklirr mit dem Wiehern unbändiger Rosse.</p> +<p>Bald schwand rings die wandernde Stadt der Gezelt’ aus den +Fluren,</p> +<p>Und die unendliche Wagenburg nachfolgte der Heer’smacht</p> +<p>Langsamen Schritts, von dem Lastvieh fort auf der Straße gezogen.</p> +<p>Siehe, in drei Heersäulen ging des gewaltigen Königs</p> +<p>Furchtbare Macht jetzt vor! Er hemmte sein Roß an dem Heerweg;</p> +<span class = "pagenum">148</span> +<p>Sah die Tausende zieh’n, und heischte von Diesem und Jenem,</p> +<p>Schnelleren Gang mit erhobener, oft schrittweisender Rechten.</p> +<p>Lobkowitz führt’ in dem Vorderzug die böhmischen Reiter;</p> +<p>Mährens Volk, das muthig zu Fuß anstürmt in der Feldschlacht,</p> +<p>Milota, der in der Mitt’ einher vor den Reussen, den Meißnern,</p> +<p>Und den Thüringern zog. Doch Czernin lenkt’ in dem Nachzug</p> +<p>Sachsens reisiges Volk, dem rasch die Mannen der Kunring’,</p> +<p>Und die Bayern zugleich voreileten, fröhlichen Muthes.</p> +<p>Als das geordnete Heer aufbrach, da schloß mit Gefolg auch</p> +<p>Ottgar sich, hinbrütend, ihm an. Der tapfere Wallstein</p> +<p>Ritt ihm zur Seit’ — auch er versunken in düstere +Schwermuth:</p> +<p>Denn nicht brachte der Tag ihm Gewinn; nicht die schönere +Hoffnung</p> +<p>Blüht’ ihm darum, weil er sie dem Gegner entriß auf der Turnbahn.</p> +<p>Ach, sie stand ihm zu hoch, des Königs Erzeugte! Nicht wagt’ er,</p> +<p>Ihm zu eröffnen das Herz, obgleich er liebend an ihm hing.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzo schwand das hüg’lige Matz zur Rechten, und Angerns</p> +<p>Weidenreiches Gefild zur Linken dem Heere vorüber.</p> +<p>Ottgars Blick hing starr an der March, die rauschend hinunter,</p> +<p>G’en Marcheck und Kressenbrunn die dunkelen Fluthen</p> +<p>Wälzte. Der herrlichen Zeit errungenen Ruhmes gedacht’ er</p> +<span class = "pagenum">149</span> +<p>Jetzo mit pochender Brust, und sprach zu dem sinnenden Jüngling:</p> +<p>„Eilt nicht der Strom, wie die Zeit, in ewigwechselndem Lauf +fort?</p> +<p>Bald erglänzt er im sonnigen Licht, bald wogt er im Sturmhauch,</p> +<p>Trübaufschäumend, umher: sein voriger Reiz ist entschwunden.</p> +<p>Siehe, wie düster die March jetzt fließt, und wie herrlich erschien +sie</p> +<p>Dort an dem Tage von Kressenbrunn,<a class = "tag" name = "tag5_1" id += "tag5_1" href = "#note5_1">1</a> wo im Siegesgefild mir</p> +<p>Ungerns Macht erlag, die Bela, der tapfere König,</p> +<p>Zahllos, wie der Heuschrecken Heer’, uns entgegengeführt hat!</p> +<p>Jenem Siegestag zur Erinnerung gründet’ ich dankbar</p> +<p>Dann Marcheck, die blühende Stadt, am Gestade des Flusses.</p> +<p>Ha, dort scholl mir die Stimme des Glücks in dem Sieges-Gefild +noch,</p> +<p>Und ich folgt’ ihr beherzt! Vielleicht erschallt sie mir nimmer.</p> +<p>So ist des Menschen Geschick, des sterblichen, hier auf des +Lebens</p> +<p>Pilgerpfad’ empor zu schießen, voll üppigen Wuchses;</p> +<p>Doch gestellt ist das Maß, und er schrumpft dann wieder zusammen,</p> +<p>Wie die thürmend’ Eich’, die ihr Haupt in die Lüfte gehoben,</p> +<p>Nun zu Moder zerfällt: die, ach, Jahrhunderten trotzte,</p> +<p>Liegt in dem Staub! So schreiten auch Reich’ und gewaltige Völker</p> +<p>Plötzlich wieder zurück von den kaum errungenen Höhen,</p> +<span class = "pagenum">150</span> +<p>Und mir ahnet es fast, ich hab’ sie errungen: zum Abend</p> +<p>Neigt sich mein Strahlengestirn, und bald versinkt es in +Nachtgrau’n.“</p> +<p>„Das sey ferne,“ so rief den schwärmerischtrüben Gedanken</p> +<p>Sich entreißend mit Macht, der feurige Jüngling, „das Dunkel</p> +<p>Kennt dein Glücksgestirn nicht mehr: erst jetzo beginne</p> +<p>Solches den schöneren Lauf zu des Ruhms hellleuchtender Sonne!</p> +<p>Fällt der Kaiser besiegt, und das soll er! dann ist die Welt dir</p> +<p>Unterthan. Wie dort nach dem herrlichen Sieg’ im Triumphzug</p> +<p>Du hinführtest dein Volk an Italiens Gränze:<a class = "tag" name = +"tag5_2" id = "tag5_2" href = "#note5_2">2</a> so winkt jetzt,</p> +<p>Ueber sie hin dein Siegespfad. Weltherrschend, eröffnet</p> +<p>Roma dir die Thor’, und erblickt die Krone der Kaiser</p> +<p>Schimmernd auf deinem Haupt, die Carol der Große getragen.</p> +<p>Stark bist du, und noch stärker, so dir ein tapferer +Eidam —</p> +<p>Doch nicht aus Rudolphs Stamm, den du geziemend verschmähtest,</p> +<p>Sich in dem Schlachtfeld eint, als Gatte der himmlischen Hedwig!“</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar schwieg, und das Heer zog weiter in täuschender Stille,</p> +<p>Wie er gebothen zuvor. Doch sieh’, aus den nächtlichen Wolken</p> +<p>Senkte sich Arpad<a class = "tag" name = "tag5_3" id = "tag5_3" href += "#note5_3">3</a> jetzt in Eile herunter! Ein Vater</p> +<p>Ward er genannt dem Magyaren-Volk’, und aus seinem Geschlecht her</p> +<span class = "pagenum">151</span> +<p>Sproßte der Segenszweig: der erste, der heilige König</p> +<p>Ungerns, der, sein Volk auf des Heilands Pfade geleitend,</p> +<p>Ihm der Menschlichkeit beglückende Recht’, und der Sitten</p> +<p>Mildere Form kund gab, auch Gesetz’ ihm schenkte zur Wohlfahrt.</p> +<p>Arpad, schauend den Kun, im Rohrgefilde verborgen,</p> +<p>Sann alsbald nur Thaten des Muths, und er nahete pfeilschnell</p> +<p>Ladislav, dem Könige, der, entschlummert im Zeltraum</p> +<p>Lag auf dem Bärenfell’ im grasumwucherten Aufeld;</p> +<p>Beugte sich über ihn hin, und preßte den Mund auf den Mund ihm</p> +<p>So, daß er ängstlich sich wand, und stöhnete, bis er die Augen</p> +<p>Aufschlug, schrie, und im finsteren Zelt’, entrüstet, umher sah.</p> +<p>Arpad haucht’ ihm Muth in die Brust mit dem Seelengelispel:</p> +<p>„Also bezwungen vom Schlaf, dehnst du die blühenden Glieder,</p> +<p>Eingelullt vom Gesang kumanischer Frau’n und der Zither</p> +<p>Sanftem Getön? Wach’ auf, du Weichlicher! Denke der Ahnen</p> +<p>Weitgefeierten Heldenruhms, und des feurigen Muthes,</p> +<p>Der sie beseelte beim Klang des furchtbarbrüllenden Rindhorns,</p> +<p>Wenn die Feinde sich trafen im Feld’, und der Würgenden Ruf +scholl.</p> +<p>Wachen muß dort stets für alle der Herrscher, und rastlos</p> +<p>Walten bei Tag und bei Nacht, in gefahrumdräuender Kriegszeit.</p> +<span class = "pagenum">152</span> +<p>Horch dem Gewirr! Schon zieht der Böhm’ in täuschender Stille</p> +<p>Eilig die Straße hinab g’en Thalsbrunn, dort in des Lagers</p> +<p>Weitumkreisendem Raum, von dem Rasenwall’ und dem Graben</p> +<p>Mächtig geschirmt, dem Feinde sich rasch entgegen zu werfen.</p> +<p>Zahllos regten sich dort viel’ Tag’ und Nächte die Gräber,</p> +<p>Die er entboth in dem Land’ umher voll schrecklicher Drohung;</p> +<p>Doch im Rücken des eilenden Heers, nichts Arges vermuthend,</p> +<p>Kommt mit schwachem Gefolg’ auch der König vorüber, und langsam</p> +<p>Folgt ihm die Wagenburg: d’rum schnell an das muthige Werk jetzt!</p> +<p>Sende hinaus in den Hinterhalt der bewährtesten Reiter</p> +<p>Tausend, die, verborgen im trocknen Geröhr’, an dem Heerweg</p> +<p>Harren, bis Ottgar naht: gleich weit entfernt von den Scharen</p> +<p>Und von der Wagenburg; dann all’, im sausenden Eilflug,</p> +<p>All’ auf ihn los, und erhascht ihr ihn, schnell in Geschrei und +Getümmel</p> +<p>Wieder zurück in das Lager gejagt mit dem werthen Gefang’nen.</p> +<p>So beginne den Kampf, ein Sieger, zur Freude dem +Kaiser —</p> +<p>Dir, und dem Vaterlande zum Ruhm, dem Lande der Helden!“</p> +<p>Sagt’ es mit lispelndem Laut. Da trat ein Kun in das Zelt ein,</p> +<p>Athemberaubt vor Hast, und verkündete: daß auf dem Heerweg</p> +<p>Zahllos, Schar auf Schar, der Böhme vorübergezogen.</p> +<p>Feuriger hauchte der Geist, da er sprach, dem horchenden König</p> +<span class = "pagenum">153</span> +<p>Noch in die Seele den kühnen Entschluß. Sieh’, eilig erhob er</p> +<p>D’rauf sich vom Lager, und rief nach dem tapferen Führer der +Kunen,</p> +<p>Kaduscha, der, von Gestalt nur klein, und häßlich von Anseh’n,</p> +<p>Doch unbändiger Kraft, und flammenschnaubenden Muths war.</p> +<p>„Eile,“ so sprach er zu ihm, „mit tausend erlesenen Reitern</p> +<p>Bis an den Rand des Geröhres hinaus, und harre mit Vorsicht</p> +<p>Dort in dem Hinterhalt, bis Ottgar selber dir nah’ ist:</p> +<p>Weit getrennt von der Wagenburg, und den eilenden Scharen;</p> +<p>Dann im Fluge hinaus, zu erhaschen den Herrscher der Böhmen!</p> +<p>Fünfzig Rosse sind dein, und zehn goldschimmernde Sättel,</p> +<p>Auch der Waffenschmuck des Königes, kehrst du als Sieger.“</p> +<p>„Ich vernahm es,“ entgegnete stolz der muthige Feldherr,</p> +<p>Als er das Roß bestieg. Er jagte mit tausend Erwählten</p> +<p>Bis an den Saum des Geröhres hinaus, und warf sich, des Königs</p> +<p>Harrend, in’s Gras. Wie in dunkeler Nacht der schreckliche +Rohrwolf</p> +<p>Lauscht an der Trift, und dort auf die Hinterfüße gesunken,</p> +<p>Winselnd vor Gier nach Blut, mit glühenden Augen umherschaut:</p> +<p>Ob nicht der Rinder Schar vorüber wandere, grasend?</p> +<p>So der Kune dahier. Doch sieh’, bald wogten des Feindes</p> +<p>Reihen vorbei, und im Zwischenraum, nichts Arges vermuthend,</p> +<p>Naht’ auch Ottgar jetzt, als Kaduscha, sich in den Sattel</p> +<span class = "pagenum">154</span> +<p>Hebend, den Kunen zu stürmen geboth. Vor dem wilden Getümmel</p> +<p>Klirrender Waffen, und brausender Ross’, und der stürmenden +Krieger</p> +<p>Lautem Gejauchz’ erbebte die Nacht, und des Königs Geleitschar</p> +<p>Starrte vor Angst: denn schnell, weit vorgebeugt aus dem Sattel,</p> +<p>Schwingend mit wildem Gebrüll den krummgehämmerten Säbel,</p> +<p>Jagten die Kunen heran, und drohten ihm Tod und Verderben.</p> +<p>Wallstein rief alsbald dem Gefolg’: „O, schließt um den Herrscher</p> +<p>Einen ehernen Kreis mit der Brust, und fielen im Kampf wir</p> +<p>Alle zugleich, nur sey des Herrn Gesalbter errettet!“</p> +<p>Aber nicht säumten die Tapferen: denn dreihundert aus Böhmen,</p> +<p>Bayern, und Sachsen, erwählt zum Geleit’, umringten den König</p> +<p>Schirmend, und kehrten die Brust nach dem Feind, der, ähnlich dem +Sturmwind,</p> +<p>Naher und naher im Flug, herbraust’ auf dem staubenden Heerweg.</p> + +<p class = "stanza"> +Kaduscha hieb der erst’ in den Kreis des kühnen Gefolgs ein.</p> +<p>Er zerschmetterte schnell zwei muthigen Bayern, von Törings</p> +<span class = "pagenum">155</span> +<p>Mannen, die Stirn’, und erhob sein Eisen, noch fürder zu wüthen.</p> +<p>Töring, der edele Ritter, der, ausziehend aus Seefelds</p> +<p>Ragender Burg, dort sieben unmündige Kinder zurückließ:</p> +<p>Denn ihm raubte der Tod erst jüngst die treffliche Hausfrau,</p> +<p>Senkte den Speer auf den Wüthenden; ritt rasch an, und durchstieß +ihm</p> +<p>Also die Rechte, daß ihr alsbald entschlüpfte der Säbel.</p> +<p>Jetzo hatt’ er gerächt die Ermordeten; aber es barg sich</p> +<p>Jener sogleich im Gedräng’, und rief nach dem Führer des Volkes,</p> +<p>Zobor, ihm vertrauend des Kampfs entscheidende +Leitung —</p> +<p>Ihm, dem Riesen an Kraft: er lockte den grimmigen Bären</p> +<p>Aus der Höhle heraus, und erwürgte ihn, ringend, am Boden.</p> +<p>Seitwärts drang er auf Töring ein, der, schnaubend vor Rachgier</p> +<p>Reiter auf Reiter herab aus dem Sattel warf mit dem Speerschaft.</p> +<p>Vier’ erwürgt’ er schon: da stieß ihm die Spitze des Eisens</p> +<p>Zobor tief in’s Genick’, als er nach dem Gegner sich beugte.</p> +<p>Töring sank in den Staub, und hauchte den muthigen Geist aus.</p> +<p>Ach, und die Amme führt, wie die liebvollsorgende Mutter,</p> +<p>Jeglichen Morgen die Kinder heraus auf die Zinnen der Felsburg;</p> +<p>Zeigt dort allen den Weg, den jüngst der Vater gezogen,</p> +<p>„Und euch allen,“ so sprach sie, „ein schönes Geschenk aus der +Hauptstadt</p> +<span class = "pagenum">156</span> +<p>Heimbringt, so ihr euch fromm und gut, wie er’s heischte, +benehmet.“</p> +<p>Doch nicht kehret er heim; sein harren die Kinder vergeblich:</p> +<p>Denn er liegt getödtet im Staub! So fielen noch hundert,</p> +<p>Unter der würgenden Faust der Kunen, gebändigte Krieger,</p> +<p>Und Verderben umgab stets näher und näher den König.</p> +<p>Wie wenn nächtlich im Wald’ ein wandernder Fleischer, von Räubern</p> +<p>Angefallen, mit tapferem Muth’ sich wehrt, und der Gegner</p> +<p>Manchen erlegt; doch wäre noch all sein Mühen vergeblich,</p> +<p>So das menschengetreueste Thier ihm nicht fest an den Seiten</p> +<p>Kämpfte: sein mächtiger Hund, der rasch im Kreise sich wendend,</p> +<p>Diesem die Kehle durchhaut mit den tödlichen Zähnen; den andern</p> +<p>Niederreißt am Genick’, und, würgend, nicht ruhet, nicht rastet,</p> +<p>Bis er errettet schaut den Gebiether: so stritt für das Leben</p> +<p>Ottgars, häufend die Leichen umher, der tapfere Wallstein.</p> +<p>Doch, als jetzt die Gefahr ihm noch gewaltiger drohte,</p> +<p>Schrie er ihm zu: „Mir nach, mein König und Herr!“ und er bahnte</p> +<p>Sich mit dem sausenden Stahl durch Feindeshaufen den Blutpfad.</p> +<p>Ottgar folgt’ ihm beherzt, und hieb die Umstürmenden nieder.</p> +<p>Ha, nach entsetzlichem Mord und Gewürg, durchhau’n, und gesprengt +war</p> +<p>Endlich der Todesring, und ihm entrannen die beiden,</p> +<span class = "pagenum">157</span> +<p>Brausenden Flugs, auf dem Heerweg fort! Im nächtlichen Dunkel</p> +<p>Schwanden sie bald aus den Augen der weitnachfolgenden Gegner;</p> +<p>Doch die kehrten zurück’, und des Königs treue Geleitschar</p> +<p>Fiel nach tapferer Gegenwehr (denn Keiner ergab sich)</p> +<p>Hier erschlagen im Kampf mit den herzblutdürstenden Kunen.</p> +<p>Ach, wie grausam wütheten jetzt die Schrecklichen: hauend</p> +<p>Allen das Haupt von dem Rumpf’, und es dann auf die Spitze des +Säbels</p> +<p>Pflanzend, zogen sie heim, siegtrunken und rachegesättigt:</p> +<p>Denn sie sahen zuvor wohl doppelt die Zahl der Gefährten</p> +<p>Hingestreckt im Staub’, und erwürgt von den tapferen Feinden.</p> + +<p class = "stanza"> +Fort, und fort im Galopp war Ottgar schon in des Heeres</p> +<p>Nähe gelangt; nur die Höh’n von Prottes, dem ruhigen Dörfchen,</p> +<p>Lagen noch, trennend, vor ihm, und hinter den eilenden Scharen.</p> +<p>Milota trabte die Höhen herab. Mit ängstlicher Sorgfalt</p> +<p>Forschte sein Auge zuvor nach dem König: er hatt’ ihn dem Tod +schon</p> +<p>Lange geweiht, und harrete nur des ersehneten Tages,</p> +<p>Wo er nach Rache die Gier an ihm sättigte, schrecklich und +furchtbar!</p> +<p>D’rum verlor er ihn nie aus den Augen, und so, wie der Kater,</p> +<p>Grausamer Lust, freigibt das erst gefangene Mäuschen:</p> +<span class = "pagenum">158</span> +<p>Da folgt ihm sein glühender Blick, und will es entrinnen,</p> +<p>Streckt er sogleich ihm nach die klau’nbewaffneten +Pfoten —</p> +<p>Reißt es zurück in den Todes-Kreis, und weidet die Augen</p> +<p>So an dem armen, voll Grimms: nicht anders verfolgten die Augen</p> +<p>Milota’s Ottgarn stets, der Rach’ ihn zu opfern, entschlossen.</p> +<p>Jetzo gewahrend: er sey’s, begann er von weitem zu rufen:</p> +<p>„Wahrlich, du wagtest viel, mein König, so fern dich zu halten</p> +<p>Von dem schnellvoreilenden Heer! Wer so die Gefahr sucht,</p> +<p>Wandelt auf glattem Geröll’, an des Abgrunds schwindligem Rand +hin:</p> +<p>Denn in den Auen der March droht uns der schrecklichen Kunen</p> +<p>Leis’umspähendes Volk: du warst die erwünschteste Beut’ ihm,</p> +<p>So es dich traf. Doch sprich, wo weilt dein Reitergefolg noch?“</p> +<p>„Mein Gefolg ist todt,“ entgegnete jener, „gefallen</p> +<p>Unter des Feindes würgender Faust. Dem tapferen Jüngling</p> +<p>Hier verdank’ ich das Leben allein; stets hielt er im Leben</p> +<p>Treulich an mir; er sey, wie ein Sohn, mir geliebt in der +Zukunft.“</p> +<p>D’rauf hinbeugt’ er nach Wallstein sich von dem Sattel; er küßt’ +ihn</p> +<p>Auf die glühende Stirn, und drückt’ ihm die Rechte noch +freundlich.</p> +<p>Jener, mit Freudenthränen im Blick’, erwiederte, hebend</p> +<p>Ottgars Hand an den Mund, der Liebe beglückendes Zeichen.</p> +<span class = "pagenum">159</span> +<p>Plötzlich sah er im Geist der wahnsinngenähreten Hoffnung</p> +<p>Truggestalt in der Wirklichkeit, hellschimmernden Glanzes,</p> +<p>Ihm genaht, und gestillt des Herzens unendliche Sehnsucht.</p> +<p>Wehe, daß Drahomira so nah’ ihm war in des Nachtgrau’ns</p> +<p>Schrecklicher Stund’, und stets auflauerte, daß sie, verderbend</p> +<p>Ihn, sich räche zugleich an Ottgarn, höllischer Lust voll!</p> +<p>Hufesgerassel erscholl: denn Milota’s Reitergeschwader</p> +<p>Jagte heran. Sie schrie ihm ins Ohr: „Der Feind ist im Anzug!“</p> +<p>„Ha, der Feind!“ rief Milota laut, und in wilder Verwirrung</p> +<p>Jagt’ er nach Ebenthal, woher sie gekommen, das Roß hin.</p> +<p>Ottgar folgt’ ihm schnell; nur Wallstein hemmte den Läufer</p> +<p>Oft: um den König besorgt, und für ihn zu sterben, entschlossen.</p> +<p>Aber ihm däuchte das nahe Gebirg, und drüben das Blachfeld</p> +<p>Jenes von Ebenthal an der freundlichen Burg, wo er seicher</p> +<p>Oft sich erging, des Weidwerks Lust ergeben im Feld’ auch.</p> +<p>Ottgar hörete jetzt den Ruf des warnenden Jünglings;</p> +<p>Tobte vor Zorn, und sprach zu Milota grimmigen Blickes:</p> +<p>„Hat dich mein böses Geschick mir entgegengeführt an dem +Kreuzweg,</p> +<p>Wo in dem nächtlichen Grau’n nur menschenfeindliche Geister</p> +<p>Hausen, daß du dem Heer mich entrückst, und verleitest zum +Irrgang?</p> +<p>Wahrlich, der Himmel straft heut Nacht die Vergehungen alle,</p> +<p>Die mich erniedrigten einst auf des Lebens verlockenden Bahnen!</p> +<span class = "pagenum">160</span> +<p>Fort, g’en Stillfried jetzt, wo die Wagenburg und der Nachhuth</p> +<p>Tapfere Schar mich schirmt, bis wir dem Heere vereint sind!“</p> + +<p class = "stanza"> +Finster umhüllete noch das Gewölk den nächtlichen Himmel;</p> +<p>Noch aufriß der entfliehende Blitz zuweilen die Lieder,</p> +<p>Zürnend, und sah mit feurigem Blick aus Osten herüber.</p> +<p>Bergan hob sich der Weg, und Milota sagte, verhöhnend,</p> +<p>Als die Ross’, oft zögernden Gang’s, aufschritten den Bergpfad:</p> +<p>„Hoffst du, Herr! vor des Ewigen Richterstuhle so leicht dich</p> +<p>Abzufinden dereinst mit dem schreckengerüsteten Engel,</p> +<p>Der dein Blatt dir weis’t in dem Buche des Lebens und Todes?</p> +<p>Wähnst noch gar, du habest gebüßt für Alles und Jedes,</p> +<p>Was du verübt seither, schon heut’ im nächtlichen Irr-Ritt?</p> +<p>Grauses vernahm mein Ohr. Ist’s Wahrheit, oder nur Täuschung,</p> +<p>Was die Sag’ uns gab von dem blutbesudelten Handel</p> +<p>Dort? Daß die Ost- und die steyrische-Mark dir bleibe zu Eigen,</p> +<p>Hast du Schätze gesandt nach Wälschland — heimlich +verbündet</p> +<p>Rom und Neapel dir, und Konradin, Friedrich von Oestreich<a class = +"tag" name = "tag5_4" id = "tag5_4" href = "#note5_4">4</a></p> +<p>Hingeopfert des Henkers Schwert, die blühenden Fürsten?</p> +<p>Hast nicht Erbarmen geübt, als d’rauf die Mutter des letztern,</p> +<p>Gertrud,<a class = "tag" name = "tag5_5" id = "tag5_5" href = +"#note5_5">5</a> sanften Gemüths, aus dem Erbe der Väter vertrieben,</p> +<p>Fliehen hieß dein Wüthrich fort in stürmischer Nachtzeit?</p> +<span class = "pagenum">161</span> +<p>Bist du rein von Schuld an dem Tod der verstoßenen Gattinn,</p> +<p>Margareth?<a class = "tag" name = "tag5_6" id = "tag5_6" href = +"#note5_6">6</a> Ward der edele Herr und Ritter von Meißau</p> +<p>Nicht in unwürdiger Haft von dir verbrannt in dem Schloßthurm?<a +class = "tag" name = "tag5_7" id = "tag5_7" href = "#note5_7">7</a></p> +<p>Nicht die Heldenschar, von dem Pettau’r,<a class = "tag" name = +"tag5_8" id = "tag5_8" href = "#note5_8">8</a> niedrigen Herzens,</p> +<p>Angeschwärzt, jahrlang’ in schmählichen Banden +gehalten —</p> +<p>Ihrer gewaltigen Vesten beraubt? Sieh’ dort auf dem Hügel</p> +<p>Drüben den Rabenstein: wie im Wind sich die dürren Gerippe</p> +<p>Dreh’n nun hin, nun her, und im Schwung lautächzen die Ketten!</p> +<p>Hu, aufsträubt sich mein Haar — und dennoch lieber gehenkt +dort,</p> +<p>Als daß ich übte, wie du, an dem Merenberger<a class = "tag" name = +"tag5_9" id = "tag5_9" href = "#note5_9">9</a> den Frevel!</p> +<p>Aber horch! Da er nun, das Haupt an die Füße gebunden,</p> +<p>Zweimal den Morgen und Abend sah, in schrecklichen Qualen</p> +<p>Hängend am Rabenstein, war nur der geschändeten Schwester</p> +<p>Bild — geschändet von dir, vor seinem Gemüthe! Dir flucht’ +er,</p> +<p>Eh’ er starb, durchbohrt von einem der wilden Szupanen.</p> +<p>Wie, du erschrickst? Nein, fürchte nichts, Herr! Daß ich jetzo der +Tochter,<a class = "tag" name = "tag5_10" id = "tag5_10" href = +"#note5_10">10</a></p> +<p>Meines geliebtesten Kindes, gedacht, nicht verdenk’ es dem Vater,</p> +<p>Der nicht weinen mehr kann um sie, die schändlich verführt ward.</p> +<p>Ihre die Schuld, der Metze: sie gab sich wohl selber der Schmach +hin!“</p> + +<span class = "pagenum">162</span> +<p class = "stanza"> +Ottgar schlug sich die Brust, und wimmerte: „Vater, Verzeihung;</p> +<p>Mein ist die Schuld allein: den Himmlischen glich sie an +Reinheit!“</p> +<p>„So?“ — sprach dann mit gedehnetem Laut der entsetzliche +Vater.</p> +<p>Ottgar stöhnte vor Angst, daß es jener vernahm; mit den Zähnen</p> +<p>Knirscht’ er; sah empor, und rief mit ersterbender Stimme:</p> +<p>„Milota, sieh’, wie es über den armen Sündern erblitzet!“</p> +<p>Sagt’ es, und stützte das Haupt, vergehend, auf Milota’s +Schulter.</p> +<p>Jetzt in der geistverzückenden Zeit todähnlicher Ohnmacht</p> +<p>Sah, wie entkörpert, er dort an dem Rabenstein, Drahomira</p> +<p>Schweben umher, und oft hellstrahlen von röthlichen Flammen.</p> +<p>Ihr nachfolgten zum Dienst drei Mißgestalten der Hölle</p> +<p>So, daß der Halbentseelte noch zuckt’, und bebte vor Schrecken,</p> +<p>Als er die Furchtbar’n sah. Aus schwarzumhüllendem Schleier</p> +<p>Starrten mit weitgeöffnetem Aug’ todblasse Gesichter,</p> +<p>Und ihr Leib, durchblinkt von der Flammengestalt Drahomira’s,</p> +<p>Floß, wie ein Trauerflor, hinaus in das finstere Nachtgrau’n.</p> +<p>Doch, nach dem Wink der Gebietherinn, auf, und hinunter sich +schwingend</p> +<p>Dicht an dem Rabenstein, wie der Mauerspecht am Gemäuer,</p> +<p>Der mit kläglichem Ruf nach Gewürm’ und Käferchen spähet,</p> +<p>Nagten sie dort ein Giftgewächs und das Moos mit den Zähnen</p> +<p>Ab von dem Stein und Gehölz, und schwebten hinab auf den Heerweg.</p> +<span class = "pagenum">163</span> +<p>(Zwischen Ottgar hier, und Milota — aber vor Wallstein</p> +<p>Dort, der zögernd folgt’: in täuschende Träume versunken</p> +<p>Künftigen Glücks) und hauchten zugleich auf die Erde den Unrath.</p> +<p>Doch Drahomira kam, vorhaltend in glühender Rechten</p> +<p>Einen Becher, in dem verderbliche Säfte von Kräutern</p> +<p>Gähreten: erst entpreßt dem Eisenhütchen und Schierling,</p> +<p>Dann Tollkirschensäfte vermengt, der plötzlich des Menschen</p> +<p>Sinne verwirrt. Sie goß mit zaubergewaltigen Worten,</p> +<p>Vor den Drei’n, die sie nachmurmelten, wie aus der Felskluft</p> +<p>Grimmvoll murrt ein Drach’, das Gift auf den furchtbaren Unrath</p> +<p>Aus; zertrümmerte schnell den Becher auf ihm, und erhob sich</p> +<p>Dann im Weh’ausruf des Höllengefolg’s in den Luftraum.</p> +<p>Alsbald schwamm ein bläulicher Duft, des giftigen Pfuhles</p> +<p>Nebel gleich, umher: dem nahenden Jüngling zum Falle</p> +<p>Hingebannt von der Macht Drahomira’s, des schrecklichen Weibes.</p> + +<p class = "stanza"> +Ha, schon naht’ er heran! Noch brannte der glühende Kuß ihm</p> +<p>Auf der Stirn’; noch scholl in das Ohr ihm der schmeichelnde +Zuruf</p> +<p>Ottgars: „Daß er ein Sohn ihm sey — dem liebenden Vater.“</p> +<p>„Wie, ein Sohn? Dann ... ja, wenn Hedwig die Rechte mir reichet!</p> +<p>Himmlische Hoffnung!“ Rief’s; da bäumte schnaubend sein Reitroß</p> +<span class = "pagenum">164</span> +<p>Dort an der furchtbarn Stelle sich auf. Ihn däuchte der Wehruf,</p> +<p>Den er jetzo vernahm, aufhorchend mit pochendem Herzen,</p> +<p>Hedwigs Stimm’: alsbald vorspornend den hurtigen Läufer,</p> +<p>Stand er gebannt in dem Zauberkreis’, und urplötzlich, so wähnt’ +er,</p> +<p>Ward ihm zur Gegenwart die nimmergeahnete Zukunft.</p> +<p>Hochbeglückt hielt er die Ersehnete jetzt in den Armen:</p> +<p>Ihm schwand Himmel und Erde dahin! Doch flatterte blitzschnell</p> +<p>Weiter der täuschende Spuk, da, schnaubend vor Angst und +Entsetzen,</p> +<p>Nun das Roß fortsprang aus dem Zauberkreise der Hölle.</p> +<p>Stöhnend sah er zurück, und die Blässe des Todes bedeckte</p> +<p>Seine Wangen: ein Traum, so schien es ihm, flüchtig entronnen,</p> +<p>Wies ihm des Erdenglücks Erwünschtestes. Wehe, nicht schwand +jetzt</p> +<p>Mehr des Gesehenen Bild aus seinem Gemüth’. In den Adern</p> +<p>Kocht’ ihm das Blut, und im kreisenden Schwung’ umgaukelte jenes</p> +<p>Rastlos ihn, da er flog, getrieben von höllischem Zauber,</p> +<p>Abzufordern die Hand der Königstochter dem Vater;</p> +<p>So zu empören des Herrschers Stolz, und, von diesem gehöhnet,</p> +<p>Racherfüllt, sich selber und ihn zu verderben auf immer.</p> + +<span class = "pagenum">165</span> +<p class = "stanza"> +Siehe, voll Himmelshuld war ihm sein schützender Engel</p> +<p>Wieder genaht, und rief in sanftverweisenden Lauten:</p> +<p>„Wie, umsonst ertönte dir erst mein warnender Zuruf?</p> +<p>Wehe dir, Jüngling, ach, wenn Schuld verdunkelt die Reinheit</p> +<p>Deines Gemüths! Wie ein Spiegel, noch erst im herrlichsten +Lichtglanz</p> +<p>Schimmernd, schnell abstirbt, so ihn feuchtannahender Hauch +deckt:</p> +<p>Also umwölkt es die Schuld. Bald scheint die blühende Schöpfung</p> +<p>Dir verwelkt, und erstarrt ringsum das regsame Leben:</p> +<p>Nichts des Hohen vollführest du mehr, von irdischen Banden</p> +<p>Niedergehalten. Verzieh’; o denke des Ewigen, reuig;</p> +<p>Kehre zurück, und beherrsche mit Kraft die Gelüste des Herzens,</p> +<p>Daß du nicht Schmach dir jetzt durch thörichte Worte bereitest!“</p> + +<p class = "stanza"> +Sagt’ es, und schwang sich empor zu dem Vater im Himmel, deß’ +Antlitz</p> +<p>Er mit dem Seraph und Cherub schaut für immer und ewig.</p> +<p>Aber der Jüngling rief: „Ward erst der Seligen Wonne</p> +<p>Mir von dem Himmel gewährt? Vernahm ich jetzo der Hölle</p> +<p>Täuschenden Ruf? Nicht weiß ich’s — will es nicht wissen; es +dreht sich</p> +<p>Schwindelnd die Welt um mich her; sie reiße mich mit in den +Abgrund!“</p> +<span class = "pagenum">166</span> +<p>Sieh, und er hieb in den Bauch des ächzenden Läufers den Sporn +ein:</p> +<p>Brausenden Sprung’s trug fort ihn das Thier, bis er’s vor dem +Herrscher,</p> +<p>Der mit dem Feldherrn, ernst und schweigend die nächtliche Bahn +zog,</p> +<p>Jetzt festhielt, nach gewaltigem Müh’n: denn wüthenden Ingrimms</p> +<p>Flog es dahin! Nun sprach mit sanfterheitertem Antlitz,</p> +<p>Nach dem Jüngling gekehrt, der weitgefürchtete König:</p> +<p>„Wallstein, ha, wo weilst du? Komm, und rette den Vater</p> +<p>Dir, dem liebenden Sohn, von diesem entsetzlichen Manne!</p> +<p>Milota, fort! Entfleuch! Du warst mir treulich ergeben,</p> +<p>Du, des Herrschers Vasall; doch hast du mit blutiger Faust ihm</p> +<p>Heut’ in dem Herzen gewühlt — frechlautende Worte +gesprochen.</p> +<p>Gott ist gerecht. Die Schuld, vergrößert von feindlicher +Mißgunst,</p> +<p>Mindert vor ihm ein reuiges Herz: er wird’s nicht verschmähen!</p> +<p>Halte dich künftig entfernt von mir — auch jetzt in dem +Feldzug,</p> +<p>Daß nicht mein Zorn, erwacht, dich noch verderbend ereile.“</p> +<p>Jener lächelte grimmig, und rief: „Recht hast du gesprochen:</p> +<p>Weichen will ich — im Kampf’ entfernt dir stehen; der +Tochter</p> +<p>Stets gedenken, und flieh’n die Nähe des dräuenden Herrschers.“</p> +<p>D’rauf entschwand er im Feld; doch Ottgar sagte dem Jüngling:</p> +<span class = "pagenum">167</span> +<p>„Wallstein, höre mich nun! Stets warst du mir theuer vor Allen</p> +<p>Ob des Heldenmuths und der Treue, mit welcher du, liebend,</p> +<p>Hingest an mir: doch heut, wie lohn’ ich geziemend die Thaten</p> +<p>Ewigen Ruhms? Erst rächtest du mich an Rudolphs Erzeugtem;</p> +<p>D’rauf hast du mich entrissen der Wuth umdrängender Gegner.</p> +<p>Sieh’, am kommenden Tag sollst du durch würdigen Lobspruch</p> +<p>Hochverherrlichet steh’n vor meiner versammelten Heersmacht;</p> +<p>Auch den Feldherrn dort, als Führer des böhmischen Fußvolks,</p> +<p>Beigesellt, ein Zeuge der Huld und des Glückes erscheinen!“</p> + +<p class = "stanza"> +Jener entgegnete schnell, von dem Höllenzauber getrieben:</p> +<p>„Herr! du nanntest mich Sohn zuvor, und ein liebender Vater</p> +<p>Willst du mir seyn? Wohlan! Ich rühme mich edlen Geschlechtes,</p> +<p>Ja, des edelsten, das in dem Vaterlande genannt ist:</p> +<p>Reich an Schätzen und Land, gleich Fürstensöhnen geachtet!</p> +<p>Vater, mein höchstes, mein einziges Glück harrt deiner +Entscheidung!</p> +<p>Gib mir Hedwigs Hand, des angebetheten Fräuleins:</p> +<p>Dann wird überschwenglicher Lohn mir zu Theil, und ein Eidam</p> +<p>Steht dir dankbar bereit — für dich zu sterben, +entschlossen,</p> +<p>Tapferen Muth’s im Feld’, ein mächtiger Schirmer des Thrones,</p> +<p>Den du zierest, und Wenzeslav, dem Erzeugten, vererbest.</p> +<span class = "pagenum">168</span> +<p>Hörst du mich nicht: dann fort an die fernsten Gränzen des +Weltmeers;</p> +<p>Dann aus dem Leben fort, dann wähle dir treuere Diener!“</p> +<p>„Tod und Hölle!“ so rief entrüstet der König, „wie ward mir</p> +<p>Heut das Geschick, Wahnsinnigen hier zum Spotte zu dienen?</p> +<p>O Verblendeter! Wie? so täuschest du frech und verwegen,</p> +<p>Meine Hoffnungen all’, auf dich gegründet, und trotzest</p> +<p>Auf die erworbene Herrscherhuld? Du erkühnst dich um Ottgars</p> +<p>Tochter zu frei’n — um Hedwig, nach welcher sich Könige +sehnten?</p> +<p>Schwind’ aus dem Glanz der Sonn’, aufdämmernder Stern, und +durchlaufe</p> +<p>Fern mit jenen die dunkele Bahn, die selber dir gleichen!</p> +<p>Ehren sollte des Königs Ruf dich am kommenden Morgen?</p> +<p>Sieh’, ich schlage dich jetzt — doch, wiss’ es, Bube, zur +Schmach nur:</p> +<p>Daß du gedenkest hinfort, wie frech du ihn eben gehöhnt hast!“</p> +<p>Rief’s, von der Hüfte sich reißend das Schwert. Er schlug mit der +Kling’ ihn,</p> +<p>Wüthend, über den Helm, und jagte hinüber zur Heersmacht,</p> +<p>Der er genaht, in des Morgenroths erglühendem Lichtstrahl.</p> +<p>Wallstein zog bei dem Schlag schon halb aus der Scheide das +Eisen,</p> +<p>Hielt’s so, fest umspannt, hinbrütend, die Augen zum Boden</p> +<p>Heftend, erblaßt, und starrete noch mit entsetzlichen Blicken</p> +<p>Lang’ um sich her; dann stieß er das Eisen zurück, und verlor +sich</p> +<p>Von dem Pfad seitab, in des Hains umschattendem Dunkel.</p> + + + + +<span class = "pagenum">169</span> +<h3><a name = "gesang6" id = "gesang6">Sechster Gesang.</a></h3> + + +<p>Sieh’, im rosigen Duft versank die glühende Sonne</p> +<p>Hinter dem fernen Gebirg; die Nacht umschleierte ringsum</p> +<p>Schon die Gefild’, als jetzo von Neuburg her an der Donau,</p> +<p>Czernin kühn vordrang mit tausend tapferen Böhmen,</p> +<p>Die er, unferne dem Bisamberg, in räumigen Fähren</p> +<p>Uebergesetzt, nach Waldrams Wink, des frechen Empörers.</p> +<p>Dort in verengender Schlucht, die am Fuße des Kahlen- und +Leupold-</p> +<p>Berges ein Dörfchen birgt in gebüschumhüllender Bergschlucht,</p> +<p>Lagen die Böhmen im schlauen Versteck, sich Reiter von Oestreich</p> +<p>Rühmend, und hielten das Volk in den Hütten fest, nach des +Krieges</p> +<p>Eisernem Brauch, daß kein Verräther dem Feinde zum Dienst sey.</p> +<p>Doch als jetzo der Mitternacht ersehneter Zeitraum</p> +<p>Nah’ war, brachen sie auf, und schlichen am Ufer der Donau</p> +<p>Leise hinab, den Füchsen gleich, die so den Gehöften</p> +<span class = "pagenum">170</span> +<p>Nah’n, aus den Ställen umher, raschwürgend, die Beute zu holen.</p> +<p>Als sie Nußdorf links, durch freundliche Traubengeländer</p> +<p>Wandernd, und d’rauf rechts Heiligenstadt, und Döbling +erblickten,</p> +<p>Lenkten sie wieder behend zu dem lautaufrauschenden Strom ein,</p> +<p>Bis sie erreichten den Weidenhain unferne der Steinwehr,</p> +<p>Welche das Neuthor schirmt, und harrten, im Dickicht verborgen,</p> +<p>Dort des verheißenen Winks, durch List zu erringen die Festung.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch nun klirrten des Thors gewaltige Riegel, und Czernin</p> +<p>Wähnte: verrathen sey dem Feinde sein kühnes Beginnen.</p> +<p>Weniges sprach er nur: der Schweigende hieß er den Kriegern;</p> +<p>Aber das Wenige sprach er mit Kraft; so rief er auch jetzo:</p> +<p>„Männer, fasset das Schwert! Wir wollen dem Feinde das Leben</p> +<p>Theuer verkaufen im Handgemeng’: ein schrecklicher Kampf sey’s!“</p> +<p>Siehe, da ritt aus dem Thor, das aufflog, brausend ein Ritter</p> +<p>Näher, und jagte dem Haine vorbei. Ihm folgte der Knappe.</p> +<p>Hartmann, Wiens erlesener Hort, verließ mit dem Treuen</p> +<p>Eben die Mauern der Burg: er war’s, der näher gesprengt kam.</p> +<p>Alsbald wäre der Feind ihm hier in den Rücken gefallen:</p> +<p>Ihn, der Rettung bedacht, zu erlegen zugleich mit dem Knappen;</p> +<span class = "pagenum">171</span> +<p>Aber es schwang sich Marbod jetzt aus dem finsteren Luftraum,</p> +<p>Hastig an Czernins Seit’, und hemmt’ ihn mit täuschenden Worten:</p> +<p>„Czernin, halte die Krieger zurück, nicht siehst du den Feind +hier,</p> +<p>Sondern die Freund’, entsandt durch Rüdiger, daß sie im Rundgang</p> +<p>Zieh’n an der Vest’ umher, und erforschen: ob nicht die Gegner</p> +<p>Euerer Macht, auflauernden Blicks, entgegen sich stellen?</p> +<p>Bald ist die Runde vollbracht, euch öffnet sich leise das +Neuthor.“</p> +<p>Sagt’ es, voll Hast; dann flog er dem Jünglinge nach, und begann +so:</p> +<p>„Hartmann, kehre zurück! In dem Hinterhalte verborgen,</p> +<p>Lauert dir, mit Verräthern im Bund, der listige Feind auf.</p> +<p>Kehre durchs Schottenthor in die Burg, und beschirme die Festung,</p> +<p>Dir von dem Herrscher vertraut mit wichtigem Worte: gehorch’ +ihm!“</p> +<p>Aber der Eilende sprach: „Mich däucht, ein Höllengeflister</p> +<p>Hält von der Wallerfahrt mich zurück? Ich gehe, zu bethen</p> +<p>Auf dem Kahlenberg für die schwachaufathmende Mutter:</p> +<p>Ob nicht Gott sich erbarmt; mein Fleh’n die heilige +Jungfrau —</p> +<p>Mutter auch sie! voll Huld, dem liebenden Sohn’ an das Herz legt,</p> +<p>Und das erfüllte Gelübd’ erringt der Mutter Genesung?“</p> +<span class = "pagenum">172</span> +<p>Als er es rief, da gab er dem Pferde die Spornen, und brausend</p> +<p>Trug es ihn fort im Galopp’ auf die Höh’n des umnachteten Berges.</p> +<p>Dort, zu dem Kloster gelangt, vertraut’ er dem Knappen den +Renner;</p> +<p>Zog an dem ehernen Pfortenring, und klingelte. Dreimal</p> +<p>Scholl in der einsamen Nacht, entlang den finsteren Kreuzgang</p> +<p>Hin, der Glocke Getön. Bald klirrte der eiserne Riegel,</p> +<p>Von dem Pförtner getrieben, im Schloß’, und in schweigender +Ehrfurcht</p> +<p>Ließ er den Ritter, der „Gelobt sey Jesus!“ ihm rief, ein.</p> +<p>„Ewig!“ gab er zurück’, und verschloß die Thüre mit Sorgfalt:</p> +<p>Denn nicht war er ihm fremd; er kannte des Kaisers Erzeugten.</p> +<p>Aber er schritt entlang die weitgesonderten Zellen,</p> +<p>Die ein freundliches Gärtchen schied, die Reihe hinunter,</p> +<p>Bis zu dem Fenster des Bruders Ernst, und klopfte, nur halblaut</p> +<p>Rufend: „Vater, komm! Schon floh die zwölfte der Stunden,</p> +<p>Komm, und lese die Messe sogleich in der heiligen Halle,</p> +<p>Wo vor dem Kreuz-Bild schon unzählige Kranke genasen.</p> +<p>O, daß dein frommes Gebeth uns erflehte die liebende Mutter!“</p> +<p>„Jüngling!“ so rief der Erwachende jetzt, „was treibest du +rastlos</p> +<p>Durch die dunkele Nacht? Der Himmel erhöret das Flehen</p> +<p>Sterblicher mild bei Tag und Nacht, wenn solches der Seelen</p> +<span class = "pagenum">173</span> +<p>Heil’ entspricht: stell’s heim, wie es kömmt, der ewigen +Vorsicht.“</p> +<p>Sagt’ es, erhob sich, und trat aus der nächtlichen Kammer. Er schlief +dort</p> +<p>Immer im härnen Gewand’: um das Grab sein Lager zu tauschen</p> +<p>Jeglichen Augenblick, mit gottergebenem Herzen.</p> + +<p class = "stanza"> +Schauer durchfuhr den Geist, der schnell dem Ritter gefolgt war,</p> +<p>Als er des Bruders bleiches Gesicht, und das Auge, voll Demuth</p> +<p>Stets zur Erde geheftet, ersah; die himmlische Weisheit</p> +<p>Klar an der Stirn’ ihm las, und, vereint abtödtendem Bußsinn</p> +<p>Seelenfrieden und Ruh’ in seinen erhelleten Zügen</p> +<p>Wahrnahm. Dennoch wagt’ er es nicht, ihm zu folgen in Gottes</p> +<p>Heiligthum; nur entfernt und schüchtern sah er hinüber,</p> +<p>Als er dort vor dem Bild des Gekreuzigten, würdigbekleidet,</p> +<p>Stand in dem hellen Schein sechs strahlender Kerzen: sie ragten</p> +<p>Aus den silbernen Leuchtern, geteilt, vom Marmor-Altar auf;</p> +<p>Sah, wie ihm diente der Ritter selbst, auf die Kniee gesunken:</p> +<p>Jetzt ihm brachte das Buch, und er bethete; jetzo, die Gaben</p> +<p>Opfernd, Brot und Wein darreicht’; er Worte des Segens</p> +<p>Ueber sie sprach, dann auf zur Anbethung hob, und, in Demuth</p> +<span class = "pagenum">174</span> +<p>Klopfend die Brust vorher, genoß: ein hehres Geheimniß</p> +<p>Feiernd. Er staunte noch mehr: wie dort der muthige Jüngling</p> +<p>Ganz in heiliger Gluth und in herzdurch­schauernder Andacht</p> +<p>Aufgelös’t, mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen</p> +<p>Bethete; auch den thränenden Blick von der Erde nicht aufhob,</p> +<p>Bis das Opfer vollbracht, und gestillt das sehnende Herz war.</p> +<p>Graunvoll stand ihm Odins<a class = "tag" name = "tag6_1" id = +"tag6_1" href = "#note6_1">1</a> Altar vor den Augen, und Sclaven</p> +<p>Blutend darauf, die, im Kampf gefangen, als Opfer ihm büßten.</p> +<p>Ach, er preßte sie fest in die Fläche der Hände, nicht wagend,</p> +<p>Sie jetzt himmelempor zu dem furchtbarn Richter zu heben!</p> +<p>Doch schon führte der Mönch den Ritter zur Pforte hinüber,</p> +<p>Schüttelt’ ihm traulich die Hand, und sagte beklommen zum +Abschied:</p> +<p>„Gottes Friede mit dir! Vollbracht ist die heilige Handlung,</p> +<p>Wie du gewünscht. In dem Wink des Ewigen liegt die Genesung,</p> +<p>Liegt das Leben, der Tod, und seine Gerichte sind dunkel.</p> +<p>Laß nur walten die Huld: die hier Getrennten vereint sie</p> +<p>Jenseits wieder im Glück’, im ewigen, wahren, und einen!“</p> + +<p class = "stanza"> +Als er sich wandte, zu geh’n, da ergriff ihm Hartmann die Hand noch,</p> +<p>Drückte sie glühend an’s Herz, und rief mit thauenden Wimpern:</p> +<span class = "pagenum">175</span> +<p>„Ernst, nicht lebt dir der Vater mehr, nicht die Mutter: zur +Kriegszeit</p> +<p>Haben die grausamen Feind’, unmenschlich vor Wuth, in der Kammer</p> +<p>Beid’ erwürgt vor dir, dem scheuverkrochenen Knaben!</p> +<p>Nimmer wurdest du froh seitdem, und wohnst in des Klosters</p> +<p>Einsamer Zell’. Ach, komm, und sey mir ein Stab auf des Lebens</p> +<p>Dunkelem Pfad, mein Lehrer und Freund, und mit dankbarem Herzen</p> +<p>Will ich die Freundesliebe dir treu durch Liebe vergelten!“</p> +<p>Ernst fuhr, schaudernd, zusammen, und rief: „Der Freundschaft +erwähnst du?</p> +<p>Ja, mir ward ein Freund von treuem und redlichem Herzen;</p> +<p>Aber er wanderte fort, weit über das Meer, und nach Jahren</p> +<p>Schmerzlicher Trennung — sieh’, drei Schritte von hier, an der +Mauer</p> +<p>Dort, erkannt’ ich den Kehrenden schon: da zuckte der Blitzstrahl</p> +<p>Her aus dem Wettergewölk’, und todt, und erstarrt in den Armen</p> +<p>Hielt ich ihn! Ach, nicht färbten sich mehr, und färben sich +nimmer</p> +<p>Meine Wangen, vom Schrecken erbleicht, und entsetzlichem Jammer!</p> +<p>Laß mich im Frieden dahier. Geschürzt zur endlichen Wand’rung</p> +<p>Hab’ ich mein Kleid, und ich halte den Stab bereit in der +Rechten,</p> +<span class = "pagenum">176</span> +<p>Wann, und wie es dem Himmel gefällt: du thue deßgleichen</p> +<p>Hartmann, eile hinab in die Burg: ich höre der Glocken</p> +<p>Stürmenden Ruf im Geschrei und Getös’ lauttobender Menschen!“</p> +<p>Jener horchte, bestürzt; dann warf er sich schnell in den Sattel;</p> +<p>Spornte sein Roß, und flog, lautathmend, den Wällen entgegen.</p> + +<p class = "stanza"> +Dort gebar einstweilen die Nacht entsetzliche Thaten.</p> +<p>Rüdigers horchendem Ohr’ entging das warnende Wort nicht,</p> +<p>Das erst Hugo zuvor dem Kaiser vertraute. Die Sohlen</p> +<p>Fremder Männer gewahrete bald sein spähender Scharfblick</p> +<p>Unten im Felsengang, wo er häuft’ in Menge die Waffen,</p> +<p>Und er sandte den Bothen sogleich an den König von Böhmen,</p> +<p>Daß er ihm eine die Macht. Den Schirmern der Veste zur Täuschung,</p> +<p>Wandt’ er den Blick von dem Stubenthor nach dem stilleren +Neuthor,</p> +<p>Wo nur selten erscholl der Fußtritt wandelnder Menschen,</p> +<p>Nie des rollenden Wagens Getös’: nur jenen zum Frommen</p> +<p>Früher erbaut. Dort sah er das Werk der frechen Empörung</p> +<p>Schon gelungen, und harrete nur der verheißenen Hülfsschar.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt erscholl die Glock’ aus den Fenstern des ragenden Kirchthurms,</p> +<p>Zwölfmal dumpferdrönend dem Schlag des gewichtigen Hammers,</p> +<p>Und ummurrend lang’ in dem leis’entschlummerten Luftraum.</p> +<span class = "pagenum">177</span> +<p>Alsbald regten im Weidenhain sich die Krieger aus +Böhmen —</p> +<p>Traten, in Eisen gehüllt, und mit schneidenden Lanzen bewaffnet,</p> +<p>Aus den Häusern hervor die Verschworenen (siebenmal hundert</p> +<p>An der Zahl) und entlang den Tiefengraben zum Neuthor</p> +<p>Standen die frechen geschart, des Wink’s von Rüdiger Waldram</p> +<p>Harrend. Er zögerte nicht, und kam, und sprach zu dem Amtner:</p> +<p>„Günther, muthig an’s Werk! Mit Hundert deiner Erwählten</p> +<p>Hin zu der Burg: dort stoßt mit würgender Rechte die Wachen</p> +<p>Nieder, und wahret das Thor an der Kaiserstiege mit Sorgfalt!</p> +<p>Hundert send’ ich sogleich in die Runde mit tapferen Führern,</p> +<p>Die auf den Wällen erwürgen die Huth. Ist solches geschehen,</p> +<p>Dann ertöne Geschrei; dann reißt an den Strängen; der Glocken</p> +<p>Sturmruf schalle; das Schlangenhaar aufsträubend, die Augen</p> +<p>Drehend vor blutiger Gier, und schwingend die flammende Fackel,</p> +<p>Tobe der Aufruhr fort in den Straßen, und brülle die Menschen</p> +<p>Wach aus dem Schlaf’ zum Kampf g’en Rudolphs bebende Söldner!</p> +<p>Ottgars harren wir dann: bald kömmt er, und wird ihn zermalmen;</p> +<p>Doch, so er siegt’? — ein Unterpfand ist unser: die Mutter,</p> +<span class = "pagenum">178</span> +<p>Und die Töchter zugleich: denn Hartmann eilte von hinnen,</p> +<p>Das euch sichere Bürgschaft sey ersehnter Verzeihung.</p> +<p>Nur mir werde sie nicht. Ha, lieber zum eisigen Nordpol</p> +<p>Will ich, ein Bettler zieh’n, als Rudolphs Zepter gehorchen!</p> +<p>Kommt; viel lieber den Tod, als solch’ unwürdiges Leben!“</p> +<p>Rief’s, empört, und alsbald eileten jene dem Amtner</p> +<p>Nach. So wäre die Huth auf den ragenden Mauern erlegen;</p> +<p>Doch auf dem Rasenwall an der Burg, wo im Süden des Schneebergs</p> +<p>Heitere Stirn’ der Wandelnde stets mit Freuden gewahret:</p> +<p>Da er ihm so viel sonn’erhellete Tage vorhersagt,</p> +<p>Ging, gemessenen Schritts, Bertrand, der tapfere Schweizer,</p> +<p>Hüthend umher. Als jetzt zum zwölften Mal von dem Kirchthurm</p> +<p>Dumpf die Glock’ ausklang, von dem eisernen Hammer geschlagen,</p> +<p>Sieh’, da stand er erstarrt! Ein Schrei — doch schrecklich zu +hören,</p> +<p>Scholl ihm vom Mund; sein Haar aufsträubte sich; laut, wie im +Fieber,</p> +<p>Klapperten ihm die Zähn’. Er sah zwölf Schattengestalten:</p> +<p>Häßliche Weiber der Stimm’, und wankende Greise dem Gang’ nach,</p> +<p>Kommen, in Leichentücher gehüllt, todbleich und den Nacken</p> +<p>Altersschwer gebeugt: die <em>Klag’</em> genannt von dem Volk +dort,</p> +<p>Welche, vereint (sechs hie, und drüben so viel’) auf der Schulter</p> +<p>Trugen die Bahre heran, und stöhneten. Aber sie zogen,</p> +<span class = "pagenum">179</span> +<p>Sein nicht achtend, vorbei; dann fort, an der Mauer der Hofburg</p> +<p>Steilrecht schwebend empor — fort über das Dach, und +verschwanden</p> +<p>Fern in der finsteren Luft mit kläglichem, leisem Gewimmer.</p> +<p>Weiber, so sagt sich das Volk mit schaudernder Angst in die +Ohren,</p> +<p>Die auf der irdischen Bahn sich unnennbarem Frevel ergaben,</p> +<p>Gingen im mitternächtlichen Zug einher auf dem Erdkreis;</p> +<p>Klagten, und ächzten, und trügen die Bahr’ an der Kammer vorüber,</p> +<p>Wo, zumal bei den Fürsten des Volks — bei den Mächtigen, +Hohen,</p> +<p>Bald anklopfet der Tod: sie sterben, und Weinen erschallet.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt vernahmen den Schrei die Gefährten des Kriegers. Sie blößten</p> +<p>Hurtig das Schwert; erkletterten schnell die ragende Mauer;</p> +<p>Schrie’n von fern: „Wer da?“ und fragten zugleich um die Losung.</p> +<p>Zwar nicht kam aus dem Mund des Kriegers das heimliche Wort +jetzt:</p> +<p>Denn noch stand er verstört, und zitterte; aber sein Hauptmann</p> +<p>Sah die nahende Schar bewaffneter Bürger: ihm ahnte</p> +<p>Schnöder Verrath. Alsbald erhob er die mächtige Stimme;</p> +<p>Schrie an die Nachbarhuth, und diese der nächsten, und nächsten</p> +<span class = "pagenum">180</span> +<p>So, daß der Lärmruf rings umtönte die Veste: den Kriegern</p> +<p>Nun zum Glück’ erregt von dem angstergriffenen Mann dort.</p> + +<p class = "stanza"> +Als der Ueberfall dem Hort der empöreten Bürger,</p> +<p>Günther, mißlang: da mahnt’ er sogleich die Seinen zur Rückkehr,</p> +<p>Sich mit Rüdiger Waldrams Macht zu vereinen am Neuthor.</p> +<p>Schon begann er den Kampf. In des weitgewölbeten Thorwegs</p> +<p>Mauern sah er die Stub’ erhellt, und die Krieger entschlummert.</p> +<p>Nur die Wach’ allein ging inner dem Thore den gleichen,</p> +<p>Ernstgemessenen Schritt herauf und hinab. An die Schulter</p> +<p>Hatt’ er die Lanze gelehnt, und summte zuweilen ein Liedchen.</p> +<p>Schnell, wie der Blitz, flog Rüdiger vor, und setzte dem Krieger,</p> +<p>Dräuend, das Schwert auf die Brust, so er schrie, ihn zu tödten, +entschlossen.</p> +<p>Ach, an dem Zürcher-See ließ Wolf in der reinlichen Hütte</p> +<p>Gattinn und Söhnchen zurück: denn kaum entschwand ihm ein Jahr +erst</p> +<p>Glücklicher Ehe, als ihn zu den Waffen der tapfere Herzog,</p> +<p>Albrecht, rief! Er sann, des Kind’s und der Gattinn gedenkend,</p> +<p>Einen Augenblick; dann dacht’ er der Pflicht und der Rettung</p> +<p>Seiner Gefährten: er schrie — der edelmüthige Krieger</p> +<p>Schrie, und sank, von Rüdigers Schwert durchbohrt, auf den Sand +hin.</p> + +<span class = "pagenum">181</span> +<p class = "stanza"> +Wildes Getümmel erscholl. Hervor aus der dämmernden Wachtstub’</p> +<p>Stürmten Wolfs Gefährten, voll Hast, und Rüdiger Waldram</p> +<p>Hob das blutige Schwert mit gellendem Ruf in die Luft auf.</p> +<p>Alsbald trafen sich, im Gemeng, die empöreten Bürger</p> +<p>Und die Krieger zugleich. Wie Nachts von der eichenen Tenne</p> +<p>Lautes Gepolter erschallt, wenn emsige Löhner des Weizens</p> +<p>Goldene Frucht entdreschen dem Halm: so tönte der Waffen</p> +<p>Hämmernder Schlag von dem Schild’ und dem Helm der kämpfenden +Männer.</p> +<p>Nur Gestöhne der Wuth erscholl in den Hallen, und Blut floß</p> +<p>Rings in Strömen umher. Die Krieger des Kampfes geübter,</p> +<p>Würgten die größere Zahl; doch so, wie die Stier’ auf dem +Schauplatz</p> +<p>Von unzähligen Rüden umstürmt, mit furchtbaren Hörnern</p> +<p>Manchen der Feinde, durchbohrt, hinstrecken, und wüthend sich +wehren,</p> +<p>Bis sie zuletzt erliegen der stets ergrimmteren Mehrzahl:</p> +<p>Also, nach tapferer Gegenwehr, erlag an dem Neuthor,</p> +<p>Ueberwältigt, die Huth von fünfzig tapferen Kriegern.</p> +<p>Ha, da flogen sogleich des Thors gewaltige Flügel,</p> +<p>Heulend, auf eisernen Angeln entzwei! Mit traulichem Handschlag,</p> +<p>Grüßte die böhmische Schar, die draußen, mit steigender +Kampfgier,</p> +<p>Harrete, hier das verbündete Volk, und stürzte, dem Mühlbach</p> +<p>Gleich, der schäumender Hast, durch weiteröffnete Schleußen</p> +<span class = "pagenum">182</span> +<p>Wild herrauscht, in die Stadt, und Rüdiger jauchzete laut auf:</p> +<p>„Eilt zum Kampf, Gefährten des Siegs! Schon seh’ ich erfüllet,</p> +<p>Was wir sehnlich gehofft: den Sturz des verhaßten Geschlechtes.</p> +<p>Unser die Stadt, das Volk empört. Auf, laßt uns die Söldner</p> +<p>All’ erwürgen im Schlaf, die jetzt auch des Führers beraubt +sind —</p> +<p>Hartmanns: denn er floh, feig bebend, zuvor aus der Festung!</p> +<p>Schließet die Flügel sogleich des festeinfugenden Thores,</p> +<p>Und erweckt die Bewohner der Stadt zum Kampf der Errettung.“</p> + +<p class = "stanza"> +Czernin jubelte nicht. „Fürwahr,“ so sprach er bedeutsam,</p> +<p>„Viel ist gescheh’n, und mehr, als die Hoffnung verhieß zum +Beginne:</p> +<p>Nahe der Kaiserburg erblitzen die böhmischen Waffen;</p> +<p>Aber ich scheue des Glücks und des leicht zu bethörenden Volkes</p> +<p>Wankelmuth! Gar mächtig bewegt des herrschenden Stammes</p> +<p>Fromme Liebe die Brust: der Zauber, welchem die Herzen</p> +<p>Huldigen, kalt vom Erob’rer gekehrt — nicht selten auf +immer.</p> +<p>Zwar verheißt uns die Schreckensnacht in dem Kampfe den Vortheil;</p> +<p>Doch uns bleibe dieß Thor. Des Rückzugs denke der Feldherr</p> +<p>Auch in dem Sieg, sonst gleitet sein Fuß auf schlüpfrigem Pfad’ +aus.“</p> +<span class = "pagenum">183</span> +<p>Sagt’ es, und ließ an dem Thor zweihundert tapfere Krieger,</p> +<p>Sorgend, zurück: Bolest, dem Amtner, die Kühnen vertrauend,</p> +<p>Der, in dem Felde bewährt, mit festausdauerndem Kampfmuth</p> +<p>Schirmer ihm sey, und dereinst, so es also des Krieges Geschick +will,</p> +<p>Seinem Volk’ es eröffne zur heißersehneten Rettung.</p> +<p>D’rauf vordrang er zugleich mit Rüdigers jauchzenden Scharen:</p> +<p>Denn schon hob aus der Stadt unendlicher Lärm und Getümmel</p> +<p>Sich in die Luft. Von den Thürmen umher ertönten die Glocken</p> +<p>Stürmenden Rufs; unzählige Feuer, mit hastigen Händen,</p> +<p>Rings auf den Zinnen entflammt, erleuchteten schrecklich die +Umwelt,</p> +<p>Und Gebrülle der Wuth, unsinniger, frecher Empörung,</p> +<p>Scholl die drönenden Straßen hinab. Da fuhren die Mütter</p> +<p>Auf aus dem ruhigen Schlaf’, und stürzten herbei an das Fenster,</p> +<p>Weinten, und rangen die Händ’, umschart von heulenden Kindern.</p> +<p>Zitternd stand der Greis an der Thür: sein silbernes Haupthaar</p> +<p>Schlug ihm der Wind um die Stirn’ und die toderblasseten +Wangen —</p> +<p>Sah den eilenden Sohn, und schrie, daß er kehre, vergeblich.</p> +<p>Aber es mehrte die Schar der Verblendeten weniges Volk nur,</p> +<p>Das, unstät und heimathlos, in die Veste gekommen</p> +<p>Ehedem: treu verharrt’ in der Pflicht die bessere Mehrzahl.</p> + +<span class = "pagenum">184</span> +<p class = "stanza"> +Doch schon trafen, voll Wuth, die Empörer und ihre Genossen</p> +<p>Auf das muthige Schweizervolk, das kühn im Verein stand.</p> +<p>„Hartmann!“ scholl’s in der Burg, und „Hartmann!“ rings in den +Straßen</p> +<p>Aengstlich und laut — umsonst: er weilte noch fern auf den +Berghöh’n.</p> +<p>Da gedachten der Gegenwehr die Obersten: Arnold,</p> +<p>Flüe, und Hohenried, und stellten die Scharen im Halbmond,</p> +<p>Der sein Horn hier rechts, dort links in die Straßen hinausschob,</p> +<p>Gegen den wildempöreten Feind, vor der ragenden Burg auf:</p> +<p>Also vor ihr in dem Kampf, pflichttreu, zu sterben entschlossen.</p> +<p>Rüdiger stürmt’ auf Hohenried, der vorne die Scharen</p> +<p>Ordnete, los, und schrie: „Dich, Rudolphs treuen Gesellen,</p> +<p>Will ich allen zuvor, als heulenden Bothen, zur Hölle</p> +<p>Senden: verkünd’ es nur dort, daß sie folgen, und keiner entrinnt +mehr!“</p> +<p>Rief’s, vorschreitend, und jener begann: „Gewaltiger Prahler,</p> +<p>Wärst du so tapfer, als frech mit der tönenden Zunge: mir würde,</p> +<p>Trau’n, erbangen die Brust; doch komm, und büße den Frevel,</p> +<p>Den du verübst g’en Treu’, und Pflicht, und den heiligen +Eidschwur!“</p> +<p>So wortwechselten sie in dem Augenblick der Entscheidung.</p> +<p>Allen zuvor kam Hohenried, den blinkenden Degen</p> +<p>Schwingend, und drang grad’ aus auf Rüdigers pochende Brust ein.</p> +<span class = "pagenum">185</span> +<p>Aber er hielt ihm entgegen den Leun, von Silber gestaltet,</p> +<p>(Ottgars Löwen zum Ruhm’) auf dem Schild von mächtiger Wölbung:</p> +<p>Dieser wehrte dem Stoß’, und der sprödere Stahl, auf des Leu’n +Haupt</p> +<p>Treffend, brach, wie unbeugsames Glas, mit kreischendem Mißlaut</p> +<p>Mitten entzwei. Da stieß, in des Gegners erschütterndem Unfall</p> +<p>Kühner geworden, ihm Waldram schnell die Spitze des Degens</p> +<p>Durch die erhobene Hand, daß ihr auch das umklammerte Heft noch,</p> +<p>Blutumhüllt, entsank — er wehrlos stand vor dem Gegner.</p> +<p>Sieh’, er hätt’ ihn durchbohrt: doch rissen hurtige Krieger</p> +<p>Ihn aus umdrängender Todesnoth, und führten ihn sorglich</p> +<p>Hinter die Reih’n, wo ihm Hülf’ und erquickende Pflege zu Theil +ward.</p> + +<p class = "stanza"> +Waldram schrie: „Getreue, nun vor! Des Führers beraubet,</p> +<p>Wanken die Feinde. Hinauf in die Burg, wo, sehnend, die Gattinn</p> +<p>Rudolphs harrt mit den Töchtern des Siegs und der fröhlichen +Heimkehr</p> +<p>Ihres Gemahls. Vergeblich harre sie. Eilt, und geleitet</p> +<p>Sie in das Kloster Sanct Dorothe’; doch führet sie sanft hin:</p> +<p>Denn sie that uns kein Leid, und nah’t, abzehrend, dem Grab +schon.</p> +<span class = "pagenum">186</span> +<p>Nur dem Herrscher allein, der seither Kaiser sich nannte,</p> +<p>Zeiget euch unversöhnlich, und schont ihn selbst in dem Tod +nicht!“</p> +<p>Also rasete Waldram hier. Die frechen Empörer</p> +<p>Griffen wüthender an, und drängten die mittlere Kriegsschar,</p> +<p>Ihres Gebiethers beraubt, stets weiter zurück in den Burghof.</p> +<p>Czernin spornte sein Roß nun links, nun rechts, und entflammte</p> +<p>Laut mit Geschrei sein Volk, in die Feinde zu stürmen. Es +kämpften</p> +<p>Flüe dahier, und Arnold dort, voll eisernen Muthes,</p> +<p>Gegen ihn an, und zu schwach, der Menge die Spitze zu biethen,</p> +<p>Zog sich Flüe, im schräggedehneten Zuge, vom rechten</p> +<p>Eilig zum linken Horn, um, vereint dem kühnen Gefährten,</p> +<p>Arnold, dort zu steh’n, und zu fallen im rühmlichen Kampf nur.</p> +<p>Dichtgedrängt in Reih’n, vorhielten die Schweizer die Lanzen</p> +<p>Hier dem stürmenden, reisigen Volk; die verwundeten Rosse</p> +<p>Wütheten — d’rauf noch mehr mit dem würgenden Eisen die +Reiter</p> +<p>So, daß das Blut aufwogt’, und die starrenden Leichen bewegte:</p> +<p>Dennoch wichen nicht hier, nicht dort die erbitterten Gegner.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch von dem Kahlenberg, voreilend dem fürstlichen Jüngling,</p> +<p>Nahete Marbod erst, und sah mit Schrecken des Kaisers</p> +<span class = "pagenum">187</span> +<p>Schirmende Burg von der Macht des argen Verräthers gefährdet.</p> +<p>Nicht besann er sich lang’, und eilte hinaus nach dem Tabor,</p> +<p>Wo der Kaiser im Zelt sanft schlummerte, mitten im Lager</p> +<p>Seines erlesenen Heers. Dort fand er auch nahe das Schlafzelt</p> +<p>Hugo’s, den er erst gestern warnt’. Ihn dacht’ er zu wecken,</p> +<p>Senkte den Flug rasch hin, und begann im Geistergelispel:</p> +<p>„Auf, erhebe dich, Greis! Bald schaust du die Flamme des Aufruhrs</p> +<p>Leuchten heran von den Thürmen der Stadt, und hörest von dorther</p> +<p>Stürmenden Glocken-Klang und Gebrüll empörter Gesellen.</p> +<p>Wie, so schnell vergaßest du nun des warnenden Traumes:</p> +<p>Lachtest wohl fein? Auf, säume nicht hier zu erwecken den +Herrscher!“</p> +<p>Eben rief auch die Vorhuth schon an dem Rande des Lagers</p> +<p>All’ das entschlummerte Volk stets lärmender auf zu den Waffen.</p> +<p>Aber der Greis erhob sich, voll Hast, und sah in der Wahrheit</p> +<p>Jenes erfüllt, was ach, nur ein Traum noch gestern ihn dünkte!</p> +<p>Eilig trat er sofort zu dem Herrscher, und sagte beklommen:</p> +<p>„Herr! unglaublich erschien dir vielleicht des träumenden Greises</p> +<p>Warnung? Tritt vor das Zelt, und vernimm mit Staunen des Aufruhrs</p> +<p>Wuthgeschrei in der Stadt, empört durch Rüdiger Waldram.</p> +<span class = "pagenum">188</span> +<p>Willst du’s, Herr, so eil’ ich mit reisigem Volk vor das +Burgthor,</p> +<p>Einlaß heischend, und dämpfe die Gluth, eh’ ihr Flammen +entfahren!“</p> +<p>„Nein, ich fürchte sie nicht,“ so entgegnete jener, „den Auswurf</p> +<p>Meines Volks empörte der Rasende nur, und die Bessern</p> +<p>Hängen noch redlich an mir. Und wie, ist mein tapferer Sohn nicht</p> +<p>Wiens Besatzung ein schirmender Hort? Sind Mutter und Schwestern</p> +<p>Ihm nicht ein heiliges Pfand, und es wagten die frechen Empörer,</p> +<p>Ungestraft, mit frevelnder Hand an die Theuern zu tasten?</p> +<p>Hundert Reiter allein genügen mir, sie zu vernichten.</p> +<p>Komm, wir zertreten die Gluth gar leicht im niedrigen Staub noch:</p> +<p>Denn ich bau’ auf die Hülfe des Herrn und die Liebe des Volkes.“</p> +<p>Heiter schwang er sich jetzt auf das Roß, und flog mit dem Helden</p> +<p>Hugo, im sicher’n Geleit erlesener Reiter zur Stadt hin;</p> +<p>Dann an dem Walle herum, bis er endlich des finsteren Burgthors</p> +<p>Graben ersah. Dort hemmt’ er das Roß, und winkt’: ein Drometer</p> +<p>Stieß in das schmetternde Rohr, und sieh’, bald riefen die +Krieger,</p> +<span class = "pagenum">189</span> +<p>Kletternd herauf an dem Wall’: „Ist’s Hartmann, unser Gebiether?</p> +<p>Kommt er, ein Retter, heran in der Stund’ entsetzlicher Nothwehr?</p> +<p>Laßt uns vernehmen des Freundes Ruf, und wir senken das +Fallthor!“</p> +<p>„Gott, und das Vaterland!“ so gab mit gewaltiger Stimme</p> +<p>Hugo zurück, „ist Freundesruf in dem Lager von Oestreich:</p> +<p>Aber nicht Hartmann — nein, den Kaiser gewahrt ihr als +Retter!“</p> + +<p class = "stanza"> +Laut erhob sich ihr Jubelgeschrei; doch näher und nähere</p> +<p>Scholl von der Roß-Au her, wo sonst die Rosse der Krieger</p> +<p>Weideten, schon das Getrab und das Klirren des Waffengeschmeides</p> +<p>Auf in der Nacht. Ach, Hartmann war’s! Ihn erkannte der +Vater —</p> +<p>Ihn, den Vater, der Sohn. Verwirrung, Angst und Entsetzen</p> +<p>Faßten wechselnd ihn an; nur leis’ und furchtsam begann er:</p> +<p>„Vater, ich ging, auf dem heiligen Berg für die Mutter zu bethen,</p> +<p>Wie ich es jüngst verhieß der Flehenden: denn nicht entfernt mehr</p> +<p>Scheint ihr des Lebens Ziel; doch ach, entsetzlichen Frevel</p> +<p>Seh’ ich indessen verübt von den Meuterern hier, in dem Zeitraum</p> +<p>Einer entflohenen Stund’! Ich räch’ ihn, und sollt’ ich auch +fallen.“</p> +<span class = "pagenum">190</span> +<p>Aber der Vater schwieg. Erschütternd zu schau’n, wie er vor sich</p> +<p>Hinsah, schweigend und ernst. Da flog der unglückliche Jüngling</p> +<p>Ueber das Thor, das erst mit Getös’, auf den Graben gesenkt, +fiel,</p> +<p>Durch die finsterumwölbende Halle hinaus auf des Burghofs</p> +<p>Räumigen Platz. Er sah, wie auf Leichen erschlagener Brüder,</p> +<p>Rüdiger Waldrams siegender Macht, ein tapferes Häuflein</p> +<p>Muthig entgegenrang, der jetzt, Entsetzliches sinnend,</p> +<p>Ueber die Stufen hinauf in die Kammer zu dringen gedachte,</p> +<p>Wo die Fürstinn sich fand mit den lieblichen Töchtern: +entschlossen,</p> +<p>Sie mit frevelnder Hand in des Klosters Gewahrsam zu bringen:</p> +<p>Denn er wähnt’ errungen die Burg, und dem böhmischen Löwen</p> +<p>Unterthan die Stadt mit Oestreichs herrlichen Fluren.</p> + +<p class = "stanza"> +„Halt, Verruchter!“ so rief, aus dem Sattel gestiegen, ihm Hartmann</p> +<p>Donnernd zu. Er entblößte das Schwert, und kam wie ein Rohrwolf,</p> +<p>Der in des Winters Frost, vom Hunger getrieben, voll Blutgier,</p> +<p>Ein in die nächtlichen Hürden stürmt, und die blöckenden Lämmer</p> +<p>Würgt mit zerfleischendem Zahn: so kam er in Eile gesprungen.</p> +<span class = "pagenum">191</span> +<p>Flammen sprühte sein Aug’, und aus seiner erhobenen Rechten</p> +<p>Zuckte der Blitz gen Waldram hin; doch als er ihm nahte,</p> +<p>Wandte sich dieser, und rief: „Ha, du, Verhaßter vor Allen;</p> +<p>Jetzo nur muthig heran: euch all’ entsend’ ich zur Hölle!“</p> +<p>Flog, so rufend, ergrimmt, dem Feind’ entgegen, und strebte,</p> +<p>Stöhnend vor Hast, das Schwert in die tapfere Brust ihm zu +stoßen;</p> +<p>Aber er schlug, vorschauenden Blicks, den nahenden Mordstahl</p> +<p>Seitwärts; führte den Todesstreich; zerschmetterte Waldrams</p> +<p>Helmdach tief in die Stirne hinab, und warf ihn entseelt hin.</p> +<p>Doch nicht rastet’ er noch: er saß blitzschnell in dem Sattel</p> +<p>Wieder: erhob das blutige Schwert; ritt glühend vor Mordgier</p> +<p>Mitten hinein in die Schar der Empörer, und wüthete links, rechts</p> +<p>Dort mit würgender Faust, daß Leichen auf Leichen sich häuften.</p> +<p>Ihres Gebiethers beraubt, und entmuthiget, warfen die andern,</p> +<p>Schnell die Waffen von sich, und floh’n, im Verborgenen Rettung</p> +<p>Suchend, davon. Die Burg ward frei durch den tapferen Jüngling.</p> + +<p class = "stanza"> +Czernin drängte zuvor die hauptverwaiseten Scharen</p> +<p>Arnolds: ihm wichen die Krieger nur Schritt für Schritt in dem +Wuthkampf,</p> +<p>Bis zu dem Schottenthore hinab. Sie schlossen sich eng’ an</p> +<p>Dort vor dem Gotteshaus’, und wehrten sich: alle für Einen,</p> +<p>Einer für alle zu sterben bereit, im rühmlichen Tod nur.</p> +<span class = "pagenum">192</span> +<p>Keiner wär’ ihm entfloh’n, wenn jetzo nicht, keuchend im Eilflug,</p> +<p>Näher der Reisige kam, und schrie: „Erschlagen ist Waldram:</p> +<p>Denket der Flucht! Er fiel in dem Kampf mit des Kaisers +Erzeugtem;</p> +<p>Aber er selber, so jubelt das Volk, hält draußen am Burgthor.“</p> +<p>„Freunde,“ so rief ihr Hort den Reisigen, „Rüdiger Waldram</p> +<p>Hat uns schnöde getäuscht; nicht des Kampfes Gefahren — der +Festung</p> +<p>Leichten Besitz verhieß er uns jüngst, da er stolz sich des +Antheils</p> +<p>Aller Bewohner vermaß! Mit Recht wohl büßt’ er den Frevel.</p> +<p>Unser, zum Glück, das Thor: nun laßt uns gedenken der Rückkehr!“</p> +<p>Rief’s, und den Tiefengraben entlang, zu dem stilleren Neuthor</p> +<p>Jagt’ er das Roß: ihm nach die Reisigen alle. Die Flügel</p> +<p>Theilten sich heulend entzwei, und nicht rastet’ er, bis er die +Fähren</p> +<p>Wieder ersah an dem Ufer der weithinrollenden Donau.</p> +<p>Doch nicht füllte den Raum der schwankenden jetzo die Last mehr,</p> +<p>Wie zuvor: erwürgt in den Straßen der mächtigen Festung</p> +<p>Lag die Hälfte des reisigen Volks, das gestern herankam.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber mit Trauer im Blick, obgleich ein Sieger, und Retter</p> +<p>In der Gefahr, kam Hartmann jetzt aus dem finsteren Burgthor,</p> +<span class = "pagenum">193</span> +<p>Langsam geritten heraus, wo sein der liebende Vater</p> +<p>Harrte; trauernd auch er, ob solchem Vergehen des Sohnes.</p> +<p>Dieser begann: „Verhallt ist der Sturm unsinnigen Aufruhrs:</p> +<p>Waldram büßte die Schuld: von meinem vernichtenden Eisen</p> +<p>Liegt er, durchbohrt, an der Treppe der Burg, die er, frevelnden +Fußes,</p> +<p>Erst zu betreten gewagt; die Verbündeten schützte die Flucht nur.</p> +<p>Dennoch steh’ ich vor dir, ein Schuldiger. Soll ich auch +büßen —</p> +<p>Denke des dunkeln Geschicks, das oft auf irdischer Laufbahn</p> +<p>Auch die Besseren feindlich ereilt! Nie mög’ es dich treffen!“</p> +<p>Und er senkte das Haupt. Doch Rudolph sah ihn, bewegt, an,</p> +<p>Hob die Rechte empor, und sagte mit rührender Stimme:</p> +<p>„Treu erfülltest du dein Wort, als edeler Ritter,</p> +<p>Mildgesinnet, und fromm, der sterbenden Mutter gehorsam;</p> +<p>Aber dich sollte die Pflicht mit eiserner Macht an die Festung</p> +<p>Bannen: ihr solltest du steh’n ein Hort in dräuender Kriegszeit,</p> +<p>Und ein wehrsamer Schild in der Noth. Wer darf sich erkühnen,</p> +<p>Das, was höher ihm schien, vor jener zu wählen nach Willkühr?</p> +<p>Herrndienst rief dich hier zu dem Dienste des Herrn, und du +fehltest</p> +<p>Gegen das göttliche Wort des welterleuchtenden Lehrers.</p> +<p>Dein Vergeh’n, unglücklicher Sohn, soll keinem der Krieger</p> +<p>Künftig zum Beispiel seyn, zur Ermunterung, Gleiches zu wagen!</p> +<span class = "pagenum">194</span> +<p>So wie ich jüngst, der Veste zum Schirm, das Schwert dir +vertraute,</p> +<p>Stellst du’s wieder zurück’, in die Hände des Helden von +Tauffers.“</p> +<p>Jener reichte das Schwert ihm dar, erblassend, und schweigend.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, jetzt kam aus dem Thor’ ein Jüngling gelaufen, und rief so:</p> +<p>„Herr, voll Angst erschein’ ich, ein Both’ aus des Jammers +Behausung.</p> +<p>Deine Gattinn verschied in den Armen der liebenden Töchter</p> +<p>Sanft und ruhig um Mitternacht, noch ehe der Hammer</p> +<p>Zwölf’ ausschlug; o komm, und sey den armen ein Tröster!“</p> +<p>Hartmann warf sich vom Roß, und flog — ihm folgte der +Vater,</p> +<p>Langsam und wankend vor Schmerz, die Stufen hinauf in die Kammer,</p> +<p>Wo die Heilige sanft entschlummerte: schnell zu erwachen</p> +<p>Wieder zum ewigen Glück’ und nie vergänglicher Wonne.</p> +<p>Ihr zu dem Haupt’ und den Füßen, die Stirn’ in die Hände +geheftet,</p> +<p>Saßen die Töchter umher: gleich Marmorgestalten am Grabmaal,</p> +<p>Die zur herzerschütternden Schau der Künstler gebildet.</p> +<p>Hartmann beugte sich über sie hin; er küßte, noch stöhnend,</p> +<p>Ihr die erkaltete Hand, und der leis’aufweinende Vater</p> +<p>Warf sich im stillen Gebeth’ auf die Knie’. Nur Seufzer +erschollen;</p> +<p>Thränen regten sich nur an den schmerzerstarreten Wangen.</p> + +<span class = "pagenum">195</span> +<p class = "stanza"> +Aber am Morgen wie dumpf und bang ertönen die Glocken</p> +<p>Von den Thürmen der Stadt! Was läuft, und drängt sich das Volk +jetzt,</p> +<p>Thränenumflossenen Blicks, in die heiligen Hallen des Domes,</p> +<p>Den, wie im Dunkel der Nacht, unzählige Kerzen erhellen?</p> +<p>Feierlich schallt ein Wehe-Getön’ aus der Orgel: Posaunen</p> +<p>Heulen, gedämpft, in den Sterbegesang vielstimmigen Chores,</p> +<p>Der von dem Tage des Zorns, von dem unerbittlichen Richter,</p> +<p>Von dem Gericht und dem Ende der Welt in Feuer und Flammen,</p> +<p>Spricht mit erschütterndem Laut. Doch jetzt gewahren die Augen</p> +<p>Mitten das Trauergerüst, auf drei, sich verjüngenden Stufen</p> +<p>Sinnig erbaut, und umher mit schwarzem Tuche behangen.</p> +<p>Ueber den Stufen gesammt ruht dort die sterbliche Hülle</p> +<p>Jener Verewigten schon, mit der Stirn’ zum Altare gewendet,</p> +<p>In dem geräumigen, sammt- und goldbekleideten Bleisarg.</p> +<p>Oben ziert ihn die Krone von Gold; die schimmernden Wapen</p> +<p>Sind an dem Trauergerüst ringsher auf Säulen geheftet,</p> +<p>Und auf silbernen Leuchtern erhöht die flammenden Kerzen.</p> +<p>Weihrauch wallt empor in die heiligen Hallen; die Priester</p> +<p>Feiern das Seelen-Amt am Altar, und die bethende Volksschar</p> +<p>Liegt auf den Knieen, und schluchzt: um die Beste der Fürstinnen +trauernd,</p> +<p>Die nur zum Segen gelebt, als Mutter der Armen und Waisen.</p> +<p>Aber, erschütternd zu schau’n: nicht fern dem heiligen Altar,</p> +<p>Knie’t, von den Seinen umringt, und im Trauergewand auch der +Kaiser:</p> +<span class = "pagenum">196</span> +<p>Alle zugleich vor Schmerz erblaßt — wie gealtert seit +gestern!</p> +<p>Ach, sie starren zuweilen mit rothgeweineten Augen</p> +<p>Nach dem Sarg’, und sehnen sich, ihr, der selig Erhöhten,</p> +<p>Wieder vereinet zu seyn schon dort auf immer und ewig!</p> +<p>Als nun alles erfüllt, und die heilige Handlung vollbracht war,</p> +<p>Schwebte der Sarg, vom Gerüst’ auf kräftige Schultern gehoben,</p> +<p>Langsam hinab in die Fürstengruft. Zu Paaren geordnet,</p> +<p>Gingen die Priester ihm vor, und beteten leise den Bußpsalm;</p> +<p>Ihm nachfolgten die Ihren mit wankendem Schritt. Und so ward dort</p> +<p>Beigesetzt in der Gruft die Leiche der edelsten Fürstinn.<a class = +"tag" name = "tag6_2" id = "tag6_2" href = "#note6_2">2</a></p> + +<p class = "stanza"> +Aber der Kaiser sprach zu dem ältesten seiner Erzeugten,</p> +<p>Albrecht: „Glühender Schmerz nagt tief in dem Herzen des Vaters</p> +<p>Und der Erzeugten zugleich, die jetzo der Mutter beraubt sind.</p> +<p>Ach, mich zög’ es wohl hin, in der einsamen Kammer zu trauern,</p> +<p>Jahrlang: denn nicht sehe ich mehr die holde Genossinn</p> +<p>Meines Lebens vor mir; nicht hör’ ich die Worte des Trostes</p> +<p>Aus dem Munde der Gattinn hinfort, wenn Tage des Kummers</p> +<p>Nah’n! So lösen sich hier die trautesten Bande des Lebens,</p> +<p>Die uns umfingen mit Lieb’, und wir steh’n am errungenen Ziel +oft,</p> +<p>Wie der pilgernde Fremdling, allein. Doch sey es, wie Gott will!</p> +<span class = "pagenum">197</span> +<p>Jetzt, wo das Glück der Völker, der Ruhm, und das Beste des +Landes,</p> +<p>Uns’rer Ehre vereint, von des blutigen Kampfes Entscheidung</p> +<p>Abhängt, laß uns das Leid, das eigene, tief in des Herzens</p> +<p>Unterstem Grund verschließen, und stark und kräftig einhergeh’n,</p> +<p>Wie es dem Manne geziemt, der würdig zu handeln, bestimmt ist.</p> +<p>Höre denn, was ich zuvor erwog im Gemüth’, und getreulich</p> +<p>Dann zu erfüllen beschloß! Jüngst wüstete weit in dem Marchfeld,</p> +<p>Wege und Stege gesammt, das entsetzliche Donnergewitter</p> +<p>So, daß dem Heereszug Gefahren entgegen sich thürmen</p> +<p>Sonder Zahl, die ein Feldherr nie hochmüthig verachte.</p> +<p>Ich geleite das Heer gen Heunburg heute noch, morgen</p> +<p>Ueberzusetzen, gesinnt, den Strom auf künstlichen Brücken,<a class = +"tag" name = "tag6_3" id = "tag6_3" href = "#note6_3">3</a></p> +<p>Die uns, auf Flöß’ erbaut, und mit lastenden Ankern gefesselt,</p> +<p>Dienen zur Bahn. Schon sah ich am Ufer unzählige Stämme,</p> +<p>Wohl behau’n, und gefügt von den werkbeflissenen Löhnern.</p> +<p>Eile mir vor im Gefolg fünfhundert erlesener Krieger,</p> +<p>Dort zu gebiethen den Bau, mit kundiger Sorgfalt. Ich folge</p> +<p>Rasch mit dem Heere dir nach, und steh’ an dem kommenden Morgen</p> +<p>Drüben am Ufer der March, vereint mit des Königs von Ungern</p> +<p>Tapferem Volk, im Rücken des Feind’s, und im mächtigen Vortheil.</p> +<p>Rühmt er der Menge sich gleich, doch siege die Treu’ und das Recht +nur.“</p> + +<span class = "pagenum">198</span> +<p class = "stanza"> +Jener begann alsbald: „Mit Freuden gehorch’ ich dir, Vater!</p> +<p>Aber, o sieh’, da sprengt dein Hartmann, eilenden Fluges,</p> +<p>Mit dem getreuen Kurd, der einst in den Jahren der Kindheit</p> +<p>Ihn auf den Armen trug, und den blühenden Jüngling das Reitroß</p> +<p>Bändigen lehrt’ auf der Ritterburg, ein tapferer Degen,</p> +<p>Näher; mich dünkt: zu weiterer Fahrt, mit dem Treuen, gerüstet!“</p> +<p>Hartmann hemmte den Lauf, und sagte, herüber gewendet:</p> +<p>Denn schon stand sein Roß auf dem Sprung, zu den Staunenden also:</p> +<p>„Leb’ wohl, Vater, und ihr, Geschwister mein, auch ihr alle,</p> +<p>Lebet auf lange denn wohl! Gar viele der Wege hienieden</p> +<p>Sind’s, die Gott die Seinigen führt; doch bringt er uns einst +dann</p> +<p>Wieder zusammen im Glück von unvergänglicher Dauer!</p> +<p>Fort an den vaterländischen Rhein — hinüber nach Aargau,</p> +<p>Führt mich der Weg: denkt mein, des Entfernten, mit Liebe +zuweilen!“</p> +<p>Rief’s; dann gab er dem Pferde den Sporn, und schwand auf dem +Heerweg</p> +<p>Plötzlich dahin: ihm sah’n die Beiden mit thränendem Blick nach.</p> + + + + +<span class = "pagenum">199</span> +<h3><a name = "gesang7" id = "gesang7">Siebenter Gesang.</a></h3> + + +<p>Marbod sah aus den Wolkenhöh’n, verglommenen Blickes,</p> +<p>Wie der Mond, umflort von herbstlichen Nebeln am Morgen,</p> +<p>Lang’ auf die dämmernden Fluren herab. Er dachte des Bruders</p> +<p>Ernst auf dem Kahlenberg, der kriegrische Thaten verschmähend,</p> +<p>Froh in der Einsamkeit verharrete: selbst, da ihm Hartmann</p> +<p>Ehre und Vortheil both in des Throns hellschimmerndem Umkreis.</p> +<p>Völlig fremd erschien ihm die Erd’, und verändert der Menschen</p> +<p>Leben und Geist. Nur Feindes-Gewürg im Schlachtengetümmel</p> +<p>Sann er sein Lebenlang; nur Kampfmuth heisch’t er vom Manne,</p> +<p>Und, ergrimmt, so ihm einst das heiß Ersehnte versagt war,</p> +<p>Schlug er den Stein mit dem Schwert’, und spaltete Bäume des +Waldes —</p> +<p>Ja, was jetzt ihn zermalm’t, unschuldigen Menschen die Scheitel:</p> +<span class = "pagenum">200</span> +<p>Denn jetzt hört’ er von Liebe des Feinds, versöhnender Sanftmuth,</p> +<p>Schonung, und froher Geduld, und des Friedens sanften Gebothen.</p> +<p>Feig und entnervt erschien ihm fürwahr dieß Volk, so er seither</p> +<p>Nicht mit staunendem Blick sein Heldenleben gewahrte:</p> +<p>Seinen Muth in dem Kampf’ und im Tod, der Helden zu Theil wird.</p> +<p>Doch nun horcht’ er, erstaunt: im lauten Getöse der Waffen</p> +<p>Kam des Kaisers gewaltige Macht auf dem stäubenden Heerweg</p> +<p>Näher. So, wie der Sturm, empört, hersaust, und die Blätter,</p> +<p>Tausendfältig bewegt, aufrauschen im finsteren Waldthal:</p> +<p>Also klang in sein Ohr des kommenden Heeres Getümmel.</p> +<p>Alsbald schwebt’ er vom Morgengewölk nach den Zinnen der Heunburg</p> +<p>Hin: einst Attila’s Burg, der sich, als König der Heunen,</p> +<p>Furchtbarn Ruhm gewann, da er Gottes Geißel genannt ward;<a class = +"tag" name = "tag7_1" id = "tag7_1" href = "#note7_1">1</a></p> +<p>Doch verödet aufragte die Burg in die Lüfte; der Epheu</p> +<p>Kroch an der Mauer umher, und durch weitgehöhlete Fenster</p> +<p>Sah der bläuliche Himmel herab in den grasigen Hofraum,</p> +<p>Wo vom zerschlag’nen Gesims’ ureinst verfallener Bögen</p> +<p>Sich der Dornstrauch hob, und im Windesgesäusel sich wiegte.</p> +<p>Dort von des Wartthurms schwindliger Höh’ ersah er des Kaisers</p> +<p>Nahende Macht, und ihn selbst inmitten der tapferen Scharen:</p> +<span class = "pagenum">201</span> +<p>Wie auf dem feurigen Roß er schaltete, hin und herüber</p> +<p>Eilend, sie in geordneten Reih’n zum Ziele zu leiten.</p> +<p>Unabsehlich hinab auf der Straße war reges Gewimmel,</p> +<p>Lärm, und Getös’. Im Lichte der hellaufstrahlenden Sonne</p> +<p>Lachten die Fluren rings, und sie sog aus den blanken Gewehren,</p> +<p>Aus dem Harnisch und Helm, wie der Blitz augblendend, die Funken.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt, wo am Fuße des Bergs sich weit hinüber, im Halbkreis</p> +<p>Windet der Donaustrom, anlangten des Heeres Geschwader.</p> +<p>Zweifach theilt er sich dort, und streckt ein liebliches Eiland,</p> +<p>Gegen die breiteinmündende March zum linken Gestad hin.</p> +<p>Sieh’, und all’ die Nacht anschwammen die mächtigen Stämme</p> +<p>Wolkengethürmter Fichten, gesandt aus dem südlichen Forstland</p> +<p>Oestreichs, das im Gebirg, unendlicher Fülle, sich ausdehnt!</p> +<p>Dort, gehorchend dem Wink des hohen Erzeugers, erbaute</p> +<p>Albrecht nun die Brücke dem Heer’. Der Stämme je sechzehn</p> +<p>Hatt’ er zu Flößen vereint, und über des eilenden Stromes</p> +<p>Rücken, im kiesigen Grund mit lastenden Ankern gefesselt:</p> +<p>D’rauf erhöht das Säulengebälk’; unendliche Stämme</p> +<p>Ueber ihn hin gefügt, und sie in die Quere mit Bohlen</p> +<p>Dicht bedeckt: dem Mann’ und dem Rosse zum sicheren Heerweg,</p> +<p>Den an jeglichem Rand’ ein leichtes Geländer begränzte.</p> +<p>Doch vom Gestade, wohin mit duftenden Matten das Eiland</p> +<span class = "pagenum">202</span> +<p>Sich erstreckt, hieß Albrecht dann die Brücke noch schneller</p> +<p>Ueber den schmälern Arm erbau’n: denn längliche Fähren</p> +<p>Reihten, über der Fluth von gewichtigen Ankern gehalten,</p> +<p>Sich hinüber den Strom, und einten die ragenden Ufer:</p> +<p>Sicheren Uebergang dem eilenden Heere zu bahnen.</p> +<p>„Trefflich hast du, mein Sohn,“ so rief ihm der Kaiser entgegen,</p> +<p>„Alles und Jedes vollbracht, und bezwungen die Fluthen des +Stromes</p> +<p>So, daß wir hinziehn auf ihm, und, des furchtbaren Abgrunds</p> +<p>Achtlos, freudig zum Ziel, dem ersehneten, fördern die Schritte:</p> +<p>Drüben dem stolzvertrauenden Feind’ in den Rücken zu stürmen.</p> +<p>Dein gedenken mit Ruhm noch kommende Menschen­geschlechter.“</p> +<p>„Vater,“ so sagte darauf der Tapfere, „nimmer geahnet</p> +<p>Hättest du wohl: ich sey jetzt eigennützig, und harre</p> +<p>Gierig des Lohnes? So ist’s: mir wollest du solchen gewähren</p> +<p>Bald in der Schlacht: daß ich dort das Zeichen des Sieges vor dir +her</p> +<p>Tragend, kämpfe zugleich für den edelsten Herrscher und Vater!“</p> + +<p class = "stanza"> +Rudolph legte die Hand ihm sanft auf die Schulter, und sah ihm,</p> +<p>Beifalllächelnd in’s Aug’: ein zartgesinneter Vater!</p> +<span class = "pagenum">203</span> +<p>D’rauf erhob er das Schwert, und ritt, der erste vor allen</p> +<p>Ueber die Brücke, das Roß kurz haltend am Zaum’, und ihm folgten</p> +<p>So im gehalt’nen Schritt die Reisigen — folgte das Fußvolk</p> +<p>Rastlos nach. Sie donnerte laut, von unzähligen Hufen</p> +<p>Wiehernder Rosse gestampft; doch unter des eilenden Fußvolks</p> +<p>Ehernem Schritt’, erdrönte sie dumpf nur, und schwankte der Last +nach.</p> +<p>Also zog er den breiteren Arm, des grünenden Eilands</p> +<p>Augefild’, und den schmäleren Arm der mächtigen Donau</p> +<p>Freudig hinüber zum linken Gestad’, am unendlichen Marchfeld.</p> +<p>Dort aufstellt’ er das Heer, und rief dem kühnen Capellen:</p> +<p>„Tapferer, sey mit der Schar fünfhundert erlesener Reiter</p> +<p>Heute der Führer des Vorderzugs, schlagfertig und wachsam</p> +<p>Jeglichen Augenblick, so Gefahr uns drohte vom Gegner!</p> +<p>Otto von Meißau lenkt die Reisigen; doch vor dem Fußvolk</p> +<p>Ziehe nun Meinhard, herrschend, einher; ich gebiethe dem Nachzug.</p> +<p>Rastlos wollen wir bald des Feindes Lager uns nähern.“</p> +<p>Also geschah’s: Capellen ging an der Spitze der Reiter</p> +<p>Vorwärts. Hoch in der Luft, vom säuselnden Winde gehoben,</p> +<p>Flatterte, grün, sein Fähnlein vor in der Farbe der Hoffnung.</p> +<p>Otto’s Fähnlein, blau, die Farb’ ausdauernder Thatkraft,</p> +<p>Folgte mit neun- und zwanzigen noch, die im Lichte des Morgens</p> +<p>Schimmerten, vielfach an Farb’, wie solche dem Ritter genehm war,</p> +<span class = "pagenum">204</span> +<p>Der sie gewählt, ihm nach, und mit jeglichem kamen der Reiter</p> +<p>Hundert. D’rauf erschien, blutroth, des unbändigen Muthes</p> +<p>Farbe verrathend, die Fahne der görz- und tyrolischen Herrschaft:</p> +<p>Meinhards Siegespanier! Ihr reihten der schimmernden Fähnlein</p> +<p>Fünfzig sich an, und nach jeglichem eileten hundert der Krieger:</p> +<p>Alle mit Helmen und Schilden bewehrt, und mit Lanzen bewaffnet.</p> +<p>Aber nach ihm, umringt von der Schar der edelen Ritter,</p> +<p>Führte der Kaiser selbst in dem Nachzug jene zum Kampf vor,</p> +<p>Die aus den rheinischen Gau’n nach Oestreichs Fluren gekommen,</p> +<p>Und ihm folgte das Kriegs-Gezeug’ im unendlichen Zug nach.</p> + +<p class = "stanza"> +Schnell g’en Hof an der March vordrangen die muthigen Völker,</p> +<p>Sonder Trommelgetön und Drometengeschmetter: dem Gegner</p> +<p>Weislich zu bergen die Macht, die ihn bald umstürmet im +Schlachtfeld;</p> +<p>Naheten dann Schloß-Hof, wo empor aus den düsteren Mauern</p> +<p>Einer verödeten Burg der Wartthurm sich in die Luft auf,</p> +<p>Dräuenden Anseh’ns, hob.<a class = "tag" name = "tag7_2" id = +"tag7_2" href = "#note7_2">2</a> Nur Molch’ und giftige Nattern</p> +<p>Haus’ten in ihrem unheimlichen Raum. Mit rieselndem Schauder</p> +<span class = "pagenum">205</span> +<p>Eilte der Wand’rer vorbei, und der Hirt hielt ferne die Heerden</p> +<p>Von den Mauern, wo einst (so kündet die Sage) die Hausfrau,</p> +<p>Eitelen Sinnes, der Wangen Paar in dauernder Schönheit</p> +<p>Sich zu bewahren, in’s Burgverließ die Kinder verlockte,</p> +<p>Schlachtete, dann mit dem Blute sich wusch, unmenschlichen +Herzens;</p> +<p>Aber sie starb durchs Schwert, und die Burg vermieden im Land +dort</p> +<p>Rings die Bewohner umher — zumal in den Stunden des Abends,</p> +<p>Wo, so kündeten sie, ein Werfen mit Steinen im Hofraum,</p> +<p>Lautes Zischen vom Wartthurm her, und ein Stöhnen und Aechzen</p> +<p>Aus dem Verließ erscholl. Doch sieh’, als jetzo vorüber</p> +<p>Eilte das Heer, da gewahrete Jörg, der muthige Reiter</p> +<p>Steyrischen Oberlands, auf den Zinnen des ragenden Wartthurms</p> +<p>Sitzend ein Wesen von Menschengestalt, von Bewegung, und Leben!</p> +<p>Alsbald sprang er vom Sattel, und rief, verhöhnend: „Nicht +furchtbar</p> +<p>Sind die Geister bei Tageslicht; ich wette, die Böhmen</p> +<p>Sandten den Späher heran: ich will es ihm tapfer gesegnen!“</p> +<p>Rasch enteilt’ er, und klomm an der Mauer, der Gemse nicht +ungleich,</p> +<p>Die an der Felswand schwebt, empor, bis über dem Fallthor</p> +<p>Er die Stufen gewann, und schnell zu den Zinnen hinaufstieg.</p> +<span class = "pagenum">206</span> +<p>Schon entfuhr ihm ein höhnender Ruf, da wankt’ er voll Schrecken</p> +<p>Wieder zurück: so grausenhaft erwies sich der Fremdling,</p> +<p>Der ein Jüngling ihm schien. Sein losgewühletes Haupthaar</p> +<p>Flog ihm wild um die Stirn’; an dem blutigen Wamms und den +Schenkeln</p> +<p>Hingen nur Trümmer des Riemwerks noch vom zerschmetterten Panzer,</p> +<p>Wie auch der Schienen am Bein’. Er zitterte: Wuth und +Verzweiflung,</p> +<p>Rach’ und Schmerz verrieth sein tieferglühendes Antlitz,</p> +<p>Als er, den Degengriff mit krampfhaftzuckender Rechten</p> +<p>Haltend, nach Jörg umsah, der jetzt ihm wieder genaht war.</p> +<p>Aber dem dräuenden faßt’ er die Brust, und warf, mit des Riesen</p> +<p>Kraft gestählt, von des Wartthurms Rand’ ihn hinab in den +Abgrund:</p> +<p>Seinem Volke zur Schau, das eben voll Muthes heran kam.</p> +<p>Siehe, da liefen sogleich die Gefährten des sterbenden Kriegers</p> +<p>Hin nach dem Thurm, voll Gier, den schrecklichen Frevel zu +rächen;</p> +<p>Doch schon eilt’ er die Stufen herab, und sprang wie der +Steinbock,</p> +<p>Den der Schütze verfolgt von Klippe zu Klippe hinunter,</p> +<p>Mit erhobenem Schwert, von der Mauer der Burg auf den Vorgrund,</p> +<p>Gegen die Rächerschar, sich wüthend zu wehren, entschlossen!</p> +<p>Aber es sprengte der Kaiser das Roß in Eile herüber,</p> +<span class = "pagenum">207</span> +<p>Und, vernehmend die That des grimmerfülleten Jünglings,</p> +<p>Hemmt’ er die Krieger, und rief dem Nahenden: „Halt, ich gebieth’ +es!“</p> +<p>Jenem sank der dräuende Arm bei den Worten des Herrschers</p> +<p>Plötzlich hinab, daß am Stein die Spitze des funkelnden Eisens</p> +<p>Klirrete: denn er besann, die Augen erhebend, sich jetzo:</p> +<p>Ob er die Stimme gekannt, die ihm also gerufen? Er starrte</p> +<p>Schweigend ihn an; die Wuth entschwand, wie schneeige Flocken</p> +<p>Vor dem mächtigen Strahl der wolkenenthülleten Sonne</p> +<p>Schwinden, aus feinem Gesicht’, und im Kreise der zuckenden +Wimpern</p> +<p>Wies sich nun herzinniges Leid, das nahe der Thränen</p> +<p>Leis’aufstrebenden Quell verkündete. Mild, und versöhnend</p> +<p>Sagte der Kaiser: „Verschonet ihn doch: nicht mit hellem +Bewußtseyn</p> +<p>Hat er Arges verübt. Kein größerer Jammer auf Erden,</p> +<p>Denn des Unglücklichen Schau, deß’ edelster Vorzug: des Geistes</p> +<p>Licht, verdunkelt ward; der unter den Lebenden weilet,</p> +<p>Aber, entfremdet dem holden Verkehr’ und der trauten Gemeinschaft</p> +<p>Seiner Lieben, zum Grab fortwankt im finsteren Wahnsinn.</p> +<p>Wahrlich mich däucht, als hätt’ ich ihn jüngst gesehen: ein +Zerrbild</p> +<p>Jenes Ritters, der so feindlich am Tabor turneyte!“</p> +<p>Pferdegetrab erscholl jetzt laut in der Nähe: des Reiters</p> +<span class = "pagenum">208</span> +<p>Ledig, kam mit verhängtem Zaum der Braune gesprungen;</p> +<p>Lief dem erkannten Jünglinge zu, und fuhr mit dem Hals’ ihm,</p> +<p>Wiehernd, unter den Arm, daß er über den Mähnen herabhing.</p> +<p>Alsbald faßt’ er dies’, auf des treu erfundenen Thieres</p> +<p>Rücken sich schwingend in Hast, und flog nach dem Ufer der March +hin.</p> +<p>Nicht besann er sich dort: er schwamm die Fluthen hinüber,</p> +<p>Und entschwand den Augen der stummnachstarrenden Krieger.</p> + +<p class = "stanza"> +Ach, und der Jüngling war’s, der jüngst so feindlich turneyte:</p> +<p>Wallstein! Als in der Schreckensnacht, vernichtet von Ottgars</p> +<p>Wüthendem Zorn, er, allein, gehöhnt, und urplötzlich aus Edens</p> +<p>Rosenau’n, wohin ihn Hedwigs Engelgestalt rief,</p> +<p>Rauhverstoßen sich sah: da warf er die Blicke, mit Ingrimm,</p> +<p>Schweigend noch, um sich her; erhob sie g’en Himmel; zerwühlte</p> +<p>Sich mit der Rechten das lockige Haar an der Stirn’, und besann +sich:</p> +<p>Was ihm gescheh’n? Jetzt trieb er das Roß mit schrecklichem Ruf’ +an;</p> +<p>Riß aus der Scheide den Stahl, und schlug, und bohrte dem armen,</p> +<p>Immer tiefer den Sporn in den Leib, daß er blutet’ im Lauf hin.</p> +<p>Also wohl Stunden lang, fort über die Hügel und Thäler</p> +<p>Trieb er hinaus und herein, voll Wuth, bis athemberaubet,</p> +<span class = "pagenum">209</span> +<p>Endlich das Roß hinsank am hainumränderten Blachfeld.</p> +<p>Lange stand er dort, wie erstarrt. Der nahenden Sonne</p> +<p>Rosiger Strahl, nach welchem er sonst mit Liebe sich sehnend,</p> +<p>Rasch die Höhen erklomm, und dort aufjubelte, wenn er</p> +<p>Ihm die Stirn’, die umliegende Flur, und der wirbelnden Lerchen</p> +<p>Zartes Gefieder beschien, die hoch vom Gewölk’ ihn +begrüßten —</p> +<p>Ha, wie trüb erglüht’ er ihm jetzt! Wie schrecklich ertönt’ ihm</p> +<p>Heut der sonst entzückende Ruf der befiederten Sänger</p> +<p>Drüben im schauernden Wald, und wie schal erschien ihm das Leben</p> +<p>Ringsum! Furchtbar schwoll ihm die Brust von unsäglichen Qualen:</p> +<p>Lichtleer dünkt’ ihn der Tag, und die Sonne verloschen. Er warf +sich</p> +<p>Dann auf die Erde; verbarg im thauenden Grase das Antlitz;</p> +<p>Lag schwerathmend noch, und weinte mit leisem Gestöhn’ fort.</p> +<p>Doch nun fuhr er empor (ihn faßt’ unbändige Zornwuth)</p> +<p>Riß sich vom Haupte den Helm, den Panzer vom Leib’, und die +Schienen,</p> +<p>Hastig, von Arm und Bein’, und verstreute sie, schmetternd, im Staub +dort,</p> +<p>Weil ihn solche nicht schirmten, zuvor, g’en Schmach und +Entehrung.</p> +<p>Jetzt mit dem Schwert in der Faust, und dem einen Gedanken im +Herzen:</p> +<span class = "pagenum">210</span> +<p>„Ottgars Tod!“ hinbraus’t’ er im Feld’, ihm zu nahen, +entschlossen.</p> +<p>Also den Tag und die Nacht fortras’t’ er, und kam an dem Morgen,</p> +<p>Wutherschöpft, g’en Hof an der March zu dem einsamen Schloß her;</p> +<p>Klomm den Thurm empor, und forschte herum in der Dämm’rung.</p> +<p>Stille herrscht’. Er sah hinab in den schwindelnden Abgrund:</p> +<p>Einen Schritt von dem Rand — kopflangs hinunter, und stumm +war</p> +<p>Plötzlich der schreiende Schmerz in der Brust, und verschollen der +Menschen</p> +<p>Liebehöhnender Ruf. Doch Ottgar lebend auf Erden</p> +<p>Noch? Nur jenen erwürgt zuvor: dann sterben wie immer!</p> +<p>Nun, vor den Kaiser geführt, und dort nur Worte der Sanftmuth</p> +<p>Hörend von ihm, den er erst jüngst, ein eifernder Ritter</p> +<p>Ottgars, offen gehöhnt: das brach ihm das Herz, und mit Thränen</p> +<p>Hätt’ er, liegend im Staub’, ein Reuiger, jetzt ihn gesöhnet;</p> +<p>Doch ihm folgte sein treues Thier, und er jagte von dannen.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, und rastlos fort g’en Marcheck zogen die Scharen</p> +<p>Weiter im fröhlichen Muth, nicht achtend des sengenden Mittags,</p> +<p>Noch des qualmenden Staubs, entlang den unendlichen Heerweg!</p> +<p>Aber vor Marcheck kam ein Häuflein kumanischer Reiter</p> +<span class = "pagenum">211</span> +<p>Näher gesprengt: wohl fünfzig Mann, und der Führer des Volks war</p> +<p>Kaduscha. Ihm ertönte der Gruß der Kampfesgenossen.</p> +<p>Auch er schwang den blitzenden Stahl, den Freunden zum Dank, auf,</p> +<p>Und erkundet’ im Flug: wo er treffe den mächtigen Kaiser?</p> +<p>Aber ihn führte das Volk stets weiter zurück’ in den Reihen,</p> +<p>Bis er im Waffenschmuck die Schar der erlesenen Ritter</p> +<p>Drüben ersah, und gerad’ dorthin den schnaubenden Läufer</p> +<p>Spornte. Umforschend im Kreis’, begann er, und sagte, verwundert:</p> +<p>„Traun, ich schaue vor mir vereint gewaltige Männer;</p> +<p>Doch nach dem Herrscher des deutschen Volks, dem Kaiser +Rudolphus,</p> +<p>Forsch’ ich umsonst! Erkennbar leicht ist der König der Ungern</p> +<p>Schon an dem Purpurpelz, der, rings mit Zobel verbrämet,</p> +<p>Ihm von den Schultern fließt; an dem Stern, voll Edelgeschmeides,</p> +<p>Der an der Brust den Pelz festschlingt mit der goldenen Kette;</p> +<p>Auch an dem Reiher, des Kalpags Zier, entschwebend des Demants</p> +<p>Funkelnder Ros’, und dem Stab, den er in der Rechten, zum Zeichen</p> +<p>Heerebewegender Macht, und erhabener Herrschergewalt führt:</p> +<p>Denn nur kurz ist der Stab, von Golde getrieben, und oben</p> +<p>Noch mit der Kugel verseh’n: ein Abbild furchtbarer Waffe,</p> +<p>Die in des Ungern Faust zerschmettert dem Feinde die Scheitel;<a +class = "tag" name = "tag7_3" id = "tag7_3" href = "#note7_3">3</a></p> +<span class = "pagenum">212</span> +<p>Doch wen grüß’ ich als Herrscher hier mit meines Gebiethers</p> +<p>Freundlichem Wort? Verzeiht, so ich irre! Mich dünket, der Ritter</p> +<p>Dort in der einfachen Wehr’, ob seines erhabenen Anseh’ns</p> +<p>Und der Macht in dem Blick’, ist der Herrscher, zu dem ich gesandt +bin.“</p> +<p>„Wohl, er ist’s,“ entgegnete jener, „du hast ihn gefunden!</p> +<p>Aber verkünde nur schnell: was uns der tapfere König,</p> +<p>Unser Freund und Bundesgenoß’, Erfreuliches darbringt?“</p> +<p>„Heil und Segen zum Gruß,“ sprach Kaduscha, heimlich erschüttert,</p> +<p>„Sendend zugleich mit der Siegesbothschaft Zeichen des Glückes</p> +<p>Dir zum Geschenk! Den Kampf begann der Kune mit Ruhm schon.</p> +<p>Längs dem Ufer der March, im Hinterhalte verborgen,</p> +<p>Lag mein Volk: da zog des Weges vorüber der Böhmen</p> +<p>Streitgerüstetes Heer. Wir harrten, lauernd im Dunkel,</p> +<p>Bis der größere Hauf’ hinschwand, und die Beute so herrlich</p> +<p>Dar sich both. Fürwahr, ein blutiger, schrecklicher Kampf war’s!</p> +<p>Dennoch entkamen der Feinde nur zween aus hunderten: alle</p> +<p>Lagen erwürgt. Wir hieben sogleich von dem Rumpfe die Häupter,</p> +<p>Sie, auf die Säbel gespießt, nach dem Lager zu tragen, und eben</p> +<p>Bringt in Körben von Schilf dir solche mein Volk zum Geschenk +her,</p> +<span class = "pagenum">213</span> +<p>Drüben am schlängelnden Weidenbach, wo dein der Beherrscher</p> +<p>Ungerns harrt mit gewaltiger Macht. Das soll ich dir künden.“</p> +<p>Heimlicher Schauder ergriff, bei der Red’ entsetzlichem Inhalt,</p> +<p>Rudolphs mildgesinnetes Herz, er wandte sich seitab,</p> +<p>Barg die Stirn’ in die Hand, und rief nach erschütterndem +Schweigen:</p> +<p>„Furchtbar habt ihr gesiegt, und dem Feinde Verderben bereitet,</p> +<p>Uns voreilend sogar. O möchte die Liebe des Heilands,</p> +<p>Möchte sein hohes Gesetz in euren verwilderten Herzen</p> +<p>Eingang finden, daß ihr entsagtet für immer der Ahnen</p> +<p>Schmählichem Götzendienst: nicht würd’ unmenschlicher +Kriegsbrauch</p> +<p>Schänden den Sieg, den ihr mit tapferem Muthe gewonnen!</p> +<p>Biethet der Krieg nicht genug des Furchtbaren dar, und ein +Jammer,</p> +<p>Schrecklich, wie der, soll ihn noch entsetzlicher, wilder +gestalten?</p> +<p>Wehe, daß oft nur aus Blut des Friedens lieblicher Oehlzweig</p> +<p>Keimt, und, mit glühenden Thränen benetzt, die Blüthen entfaltet!</p> +<p>Schwarzenberg, gib jetzo Geleit den muthigen Kunen;</p> +<p>Zieh’ uns voran, und verkünde mit Huld, wie es Rittern geziemet,</p> +<p>Unsern Freundesgruß dem Könige! Aber ich folge,</p> +<p>Tapferer, dir auf dem Fuß, mit dem muthbegeisterten Heer nach!“</p> +<span class = "pagenum">214</span> +<p>D’rauf noch sagt’ er ihm leis’: „O schaffe die Reste der Todten</p> +<p>Schnell bei Seite, daß solch’ ein frommer Priester begrabe,</p> +<p>Würdig, nach Christenbrauch: denn unsere Brüder begräbt er!</p> +<p>Hohn, an den Todten verübt, erfüllet die Seele mit Schauder.“</p> +<p>Sagt’ es, und jen’ entschwanden im Flug auf dem stäubenden +Heerweg.</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar rückte mit Heer’smacht an. Nur das Auge der Geister</p> +<p>Dringt in die weiteste Fern’: entflohen der sterblichen Hülle</p> +<p>Schau’n sie vom Nord- zu dem Südpol hin des kreisenden Erdballs</p> +<p>Vielbevölkerten Raum; sie schau’n des unendlichen Weltmeers</p> +<p>Schwankende Wüsten, und dort, wohin kein segelndes Fahrzeug</p> +<p>Je noch Sterbliche trug, auf weitentlegenen Inseln,</p> +<p>Sonder Zahl, gar seltsamgestaltete Thier’ und auch Menschen.</p> +<p>Marbod sah aus den Wolkenhöh’n des entrüsteten Ottgars</p> +<p>Nahende Heeresmacht mit heimlichem Schauder: unzählbar</p> +<p>Schien sie ihm gegen des Kaisers Heer an Mannen und Rossen;</p> +<p>Auch nicht ferne zugleich der wildumwüthende Kampf mehr.</p> +<p>Alsbald sann er besorgt, ob einer der Lüftebewohner</p> +<p>Nahe sich fände, mit ihm vereint, in blutiger Feldschlacht</p> +<p>Beizustehen dem Hort der edelmüthigen Deutschen?</p> +<p>Schauend umher vom Gewölk nach den fernentlegensten Ländern,</p> +<span class = "pagenum">215</span> +<p>Drang sein forschender Blick von dem Rücken des sanften Gebirges,</p> +<p>Wo, beginnend vom Donaustrom’, an dem freundlichen Preßburg</p> +<p>Höher und höher empor sich hebt, und thürmt der Karpathen</p> +<p>Mächtige Kett’ (entlang die silesisch- und polnischen Länder,</p> +<p>Eine schirmende Mark für die reichen Gefilde von Ungern)</p> +<p>Bis zu dem Riesen der Lomnitz hinauf, der, schneeigen Hauptes,</p> +<p>Hoch aus den Wolkenhöh’n in die lieblichen Thäler der Zips schaut:<a +class = "tag" name = "tag7_4" id = "tag7_4" href = "#note7_4">4</a></p> +<p>Dorthin drang sein Blick. Auf der Scheitel des Riesen gewahrt’ er</p> +<p>Jetzo, erstaunt, den, einst gewaltigen Führer der Gothen,</p> +<p>Katwald, hingestreckt mit Inguiomar, dem Cherusker,<a class = "tag" +name = "tag7_5" id = "tag7_5" href = "#note7_5">5</a></p> +<p>Hermanns Ohm, der, zürnend dem heftigen Varus-Besieger,</p> +<p>Ihn zum Bundesgenossen erkor in den Tagen der Nothwehr.</p> +<p>Schüchtern naht’ er den Höh’n: denn Katwald, finstern Gemüthes,</p> +<p>Trug ihm Haß in der Brust. Er hatt’ ihn vertrieben aus Böheim;</p> +<p>Jener rächte sich d’rauf, mit den Römern im Bund’, und vertrieb +ihn</p> +<p>Wieder aus Marobud, der Stadt, die er gründete, machtvoll</p> +<p>So, daß er dann ein Flüchtling starb in den Mauern Ravenna’s.</p> +<p>Dennoch bezwang er sein sträubendes Herz, und schwang sich +hinüber</p> +<span class = "pagenum">216</span> +<p>Von dem Gewölk. So lang’, als hier, aus der Schleuder geworfen,</p> +<p>Fleugt der sausende Stein, und fern zur Erde herabsinkt,</p> +<p>Währte sein Eilflug nur, und er stand vor den Beiden, und sagte:</p> +<p>„Ha, ihr weilet dahier, entzückt von der reizenden Ansicht,</p> +<p>Die dieß Land gewährt im Schooß’ umragender Berghöh’n?</p> +<p>Schön ist es: wie nach den vier Weltgegenden, mächtige Flüsse,</p> +<p>Ewig genährt von dem sprudelnden Quell, aus dem hohen Gebirgsthal</p> +<p>Wälzen die silberne Fluth; wie solches, mit Städtchen und Dörfern</p> +<p>Rings besäet, die blühende Flur dem Auge zur Lust beut!</p> +<p>Aber ein wichtiger Streit entzweit die mächtigsten Fürsten:</p> +<p>Welchem die östliche Mark, die ich einst beherrschte, zum Eigen</p> +<p>Werde noch heut’: denn nah’ ist der Kampf, dem Kaiser der +Deutschen,</p> +<p>Oder dem König des Lands, das ach, von Rache getrieben,</p> +<p>Katwald, du, mir entrissest im Kampf — dem König von +Böhmen?</p> +<p>Habt ihr völlig vergessen des Muths, der schnell in dem Busen</p> +<p>Aufflammt, wenn die Dromet’ erschallt, das wiehernde Schlachtroß</p> +<p>Steigt, und der blitzende Stahl in der Rechten des Helden +umhersaus’t?</p> +<span class = "pagenum">217</span> +<p>Kommt, mit thatenerregendem Wort’ und stachelndem Zuruf</p> +<p>Anzufeuern die Kraft der, uns abstammenden Deutschen,</p> +<p>Und zu verherrlichen heut’ in dem Feld den erhabensten Kaiser!“</p> +<p>Inguiomar erhob bei den Worten sich schnell von des Felsens</p> +<p>Schneeigem Kulm, wo er saß (er ragte noch höher denn Marbod,</p> +<p>Riesengestaltet, auf), ergriff ihm die Hand, und begann so:</p> +<p>„Trauter, nicht sah dich mein Aug’ seitdem, als, flüchtig des +Landes,</p> +<p>Du nach dem herrlichen Wälschland zogst: mehr Jahre, denn +tausend,</p> +<p>Sind den Menschen entfloh’n, seit solches geschehen! Ich weilte</p> +<p>Unten im Schooße der Erd’, in düstere Träume versunken;</p> +<p>Plötzlich rief es mich fort. Wer rief? nicht wußt’ ich es — +folgte.</p> +<p>Doch nun zieh’ ich mit dir: ein Freund der Söhne von +Deutschland!“</p> +<p>Also gesellt’ er sich ihm; doch Katwald starrt’ in den Abgrund</p> +<p>Finster hinab, und verschloß den mildversöhnenden Worten</p> +<p>Marbods feindlich das Ohr: da entschwanden die beiden Vereinten,</p> +<p>Arm in Arm. Er hob mit Grimm in den bläulichen Augen —</p> +<p>Trotz in dem blassen Gesicht’, um welches der säuselnde Westwind</p> +<p>Wiegte das röthliche Haar, sich vom Boden, und folgte nur zögernd</p> +<p>Jenen nach, die rasch nach Oestreichs Fluren enteilen.</p> + +<span class = "pagenum">218</span> +<p class = "stanza"> +Aber auch Marcheck lag im Rücken des ziehenden Heers schon.</p> +<p>Von Baumgarten herab, in der Au feldlagerte weithin</p> +<p>Ungerns Macht, verhüllt von schattenden Weidengebüschen.</p> +<p>Dorther jagt’ im Gefolg der Reisigen jetzt auf dem Heerweg</p> +<p>Ladislav, der König, heran: er dachte dem Kaiser</p> +<p>Würdig zu nahen, und hielt, als Staub aufwallte zum Himmel.</p> +<p>Schwarzenberg mit Kaduscha war’s, der eilig daherkam.</p> +<p>Jener entblößte den Stahl, und senkt’ ihn zum Zeichen der +Ehrfurcht,</p> +<p>Vor dem Könige; d’rauf erhob er ihn wieder, und sprach so:</p> +<p>„Mein erhabener Kaiser und Herr entbiethet dir, Hoheit,</p> +<p>Seinen Gruß! Er kommt, dein redlicher Bundesgenosse,</p> +<p>Dich an die sehnende Brust vor dem Heere zu drücken. Nicht fern +mir</p> +<p>Folgte der Vorderzug: bald siehst du ihn schalten im Nachzug.“</p> +<p>„Herr,“ sprach Kaduscha jetzt, „erblickst du sein Heldengefolg +dort,</p> +<p>Forsche mit Fleiß, daß vor Allen sogleich dein Aug’ ihn erspähe:</p> +<p>Denn nicht glänzt er im Waffenschmuck; nur magst du ihn kennen</p> +<p>An der erhabenen Stirn’, der wölbenden Nase des Adlers,</p> +<p>Und an dem Herrscherblick in der Himmelsbläue der Augen!</p> +<p>Fremd ist die Furcht dem Kaduscha, doch erbebt’ er, ihm nahend.“</p> +<span class = "pagenum">219</span> +<p>„Freude mit ihm,“ entgegnete schnell der König, „und Glück uns</p> +<p>Beiden Verbündeten, da sich Ottgars furchtbare Heersmacht</p> +<p>Gegen uns wälzt wie die Fluth, die aus ihren Gestaden getreten!</p> +<p>Aber er komme nur: bald begegnen wir ihm in den Feldern</p> +<p>Ewigen Ruhms, vereint mit Rudolphs tapferen Scharen.</p> +<p>Unser Stahl ist geschärft, und die Rechte gar mächtig zum +Einhau’n.“</p> +<p>Sieh’, da hob sich erneut von der Straße der wirbelnde Staub auf,</p> +<p>Und der Rosse Getrab ertönete näher und näher!</p> +<p>Rudolph jagte heran im Gefolg’ erlesener Ritter:</p> +<p>Denn ihn drängte das Herz, den verbündeten König zu grüßen!</p> +<p>Aber noch standen die Ross’ an dem Weg, tiefhangenden Hauptes</p> +<p>Tragend den Siegespreis unmenschlicher Krieger. Nicht säumte</p> +<p>Schwarzenberg, und begann mit eiferndem Laut vor dem König:</p> +<p>„Schnell g’en Zwerndorf hin, da es also dem Kaiser genehm ist,</p> +<p>Trage die Last der wohlverhülleten Körbe das Saumthier:</p> +<p>Ihm ein werthes Geschenk, weil dort der redliche Priester</p> +<p>Solche nach heiligem Christenbrauch der Erde vertrau’n wird.“</p> +<p>Sagt’ es, und rief Luitold, dem muthigen Knappen. Er nahte</p> +<span class = "pagenum">220</span> +<p>Folgsam, und führte die Schar der Treiber zurück mit den Rossen.</p> +<p>Ringsum staunte das Volk, und sah bald seinen Beherrscher,</p> +<p>Bald den Fremdling an; doch, tieferglühenden Blickes,</p> +<p>Saß der König im Sattel, und schwieg, und ließ ihn gewähren.</p> + +<p class = "stanza"> +Allen zuvor kam jetzt der Kaiser gesprengt, daß ihn alsbald</p> +<p>Ladislav erkenne, der Hort der tapfern Magyaren.</p> +<p>Beide sprangen behend’ aus dem Sattel. Sie streckten die Rechten,</p> +<p>Einer dem andern im schnelleren Gang, begrüßend, entgegen;</p> +<p>Hielten mit heißem Druck die verschlungenen; standen, und +blickten</p> +<p>Lange, staunend sich an. Dem Auge des einen entstrahlte</p> +<p>Feuriger Muth; entscheidende Kraft, und Würde des andern.</p> +<p>Als sie jetzo gesättigt das Herz in freundlicher Anschau,</p> +<p>Schweigend, begann voll Hast der jugendlichblühende König:</p> +<p>„Werth sey mir der heutige Tag, und theuer vor allen,</p> +<p>Wo ich, Erhabener, dir, deß’ Ruhm erfüllet den Erdkreis,</p> +<p>Nahete, bund’svereint: denn lang ersehnt’ es mein Herz schon!</p> +<p>Siehe, nicht riefst du umsonst: ich zog aus den unteren Landen</p> +<p>Meines Reichs mit Heeresmacht dir zu Hülfe! Des Ungern</p> +<p>Flammenden Muth kennst du, wie er einstürmt rasch in die +Schlachtreih’n;</p> +<span class = "pagenum">221</span> +<p>Aber der Kun’ ist schrecklicher: denn ihm wohnet die Wildheit</p> +<p>Seiner, erst jüngst verlassenen Stepp’ an des Tanais Ufern,</p> +<p>Ungezähmt in der Brust; du sollst uns loben im Schlachtfeld.</p> +<p>Ha, dort fleugt Staub auf! Fürwahr der Feind ist im Anzug;</p> +<p>Solches verkündeten mir zuvor Eilbothen, aus Weiden</p> +<p>Kommend, voll Angst: das Volk ersehnet den Retter Rudolphus!“</p> + +<p class = "stanza"> +Als der Kaiser die Worte vernahm, da wandt’ er die Augen</p> +<p>Schnell g’en Oberweiden zurück, das über den Sandhöh’n</p> +<p>Einsam liegt: ein hainumsäuseltes Dörfchen. Von dorther</p> +<p>Hob sich der Staub zum Gewölk. Wie nach glühenden Tagen des +Sommers,</p> +<p>Hinter dem fernen Gebirg’, empor die schwärzlichen Wölkchen,</p> +<p>Gleich dem, gebläht, in die Lüft’ aufsteigenden Balle sich heben,</p> +<p>Bis sie im höheren Raum mit den weitgedehneten, lichten,</p> +<p>Aestigen plötzlich vereint, den wetterleuchtenden Schleier</p> +<p>Auf an den heiteren Himmel zieh’n: so flog auf dem Heerweg</p> +<p>Sparsamer erst, dann häufiger, hoch der qualmende Staub auf,</p> +<p>Der, von der Abendsonne durchblinkt, wie vom Blute geröthet,</p> +<p>Ottgars nahende Macht verkündete. Jener begann so:</p> +<p>„Ha, Beherrscher der Ungern, du bist zur Stunde des Glückes</p> +<p>Jetzt mit dem Heldenheer’ als Bundesgenoß mir erschienen!</p> +<span class = "pagenum">222</span> +<p>Säumen wir nicht. Nur einmal beut auf entscheidender Bahn dir</p> +<p>Freundlich die Hand das Geschick: ergreifst du sie nicht, so entzieht +es</p> +<p>Selbe für immer vielleicht. D’rum sey in gebiethender Hast nun</p> +<p>Unsere Macht zum Wohl unzähliger Menschen vereinigt.</p> +<p>Frisch an die That! Wir ordnen das Heer sogleich in dem Feld +hier.“</p> +<p>Alsbald schwang er sich rüstiger auf in den Sattel, und sprengte</p> +<p>Hin, und herüber im Flug, mit des Feldherrn Auge die Gegend</p> +<p>Rings erforschend, zum Kampf den günstigen Raum zu erlesen.</p> +<p>D’rauf entboth er vor sich die Herolde: hieß von des Heeres</p> +<p>Rechtem Horn, g’en Zwerndorf hin Oestreicher und Steyrer</p> +<p>Zieh’n; von dem linken die Macht der Kärnthner und Krainer, nach +Marchecks</p> +<p>Fluren hinab. Capellen geboth den ersteren; diesen</p> +<p>Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, als oberster Feldherr.</p> +<p>Aber im mittleren Raum, Baumgarten nicht ferne, des Dörfchens</p> +<p>Früchtegesegneter Flur, vereinte sein Wink die Tyroler,</p> +<p>Schwaben, und Schweizer zugleich, gar tapfere Scharen im +Schlachtfeld.</p> +<p>Also in fünf Heersäulen stand des gewaltigen Kaisers</p> +<p>Macht zu dem Kampfe bereit. Vor jeglicher wehten die Fähnlein</p> +<span class = "pagenum">223</span> +<p>Edeler Ritter empor in die Luft, und die sinkende Sonne</p> +<p>Leuchtete hell aus den Helmen und Harnischen, furchtbar zu +schauen!</p> +<p>Reisige folgten den Rittern nach, und, diesen im Rücken,</p> +<p>Trefflich geordnet, die Reih’n des lanzentragenden Fußvolks,</p> +<p>Wo vor jeglicher, schimmernd im Licht, ein mächtiges Banner</p> +<p>Flatterte, dort den Kriegern Verein in dem Kampfe gebiethend.</p> +<p>Aber vor allen empor, aus dem Kern des stattlichen Heeres</p> +<p>Hob sich die Reichsfahn’ auf: wie des Meerschiffs mittleres +Segel,</p> +<p>Flatternd umher im Hauch des leis’umschmeichelnden Westwinds,</p> +<p>Und enthüllend den Doppelaar, mit der Kron’ und dem Zepter</p> +<p>Herrlich geziert, nun rechts, nun links auf dem goldenen +Feldraum;</p> +<p>Immer wies sie dem Heer’ die Nähe des waltenden Herrschers.</p> +<p>Aber er sagte darauf zu dem Könige, schnell und entschlossen:</p> +<p>„Sey dort hinter Capellens Macht, zur Rechten, der Kunen</p> +<p>Furchtbare Schar gestellt, die Kaduscha’s Winken gehorchet;</p> +<p>Aber zur Linken, verhüllt von der schattenden Au’, und des +Meinhards</p> +<p>Völkern zur Stütze gespart, erwarte die tapfere Heerschar,</p> +<p>Die Trentschins Gebiether beherrscht, den ehrenden Aufruf:</p> +<p>Loszubrechen mit Macht auf die wildanstürmenden Gegner;</p> +<p>Doch du weiche zurück: denn also gebiethet die Sitte</p> +<p>Deines Landes dem Könige — fern von dem blutigen, +Schlachtfeld</p> +<span class = "pagenum">224</span> +<p>Sitzend auf einer der ragenden Höh’n, auf dem rollenden Wagen,</p> +<p>Oder dem feurigen Roß, des Kampfmuths seiner Erwählten</p> +<p>Zeuge zu seyn!<a class = "tag" name = "tag7_6" id = "tag7_6" href = +"#note7_6">6</a> Schon neigt sich der Tag. Nicht wird uns der Feind +mehr</p> +<p>Heute begegnen im Feld; doch sey’s: er komme! Mit Freuden</p> +<p>Wollen wir entgegen ihm zieh’n, und der Ehre gedenken.“</p> +<p>Sagt’ es, und bald stand jegliche Schar, in Reihen geordnet,</p> +<p>Nach dem schaltenden Wink des erhabenen Kaisers. Der König</p> +<p>Ungerns gewann mit Gefolg die aufragende Wart’ auf dem Hügel,</p> +<p>Die in der Vorzeit einst zur Gränzmark diente den Völkern.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch g’en Westen hinab, nach des Abends goldenen Fluren</p> +<p>Senkte die Sonne den Flug, und sah vom Rande des Himmels</p> +<p>In das erhellete Nebelgewölk, das, duftigem Schleier</p> +<p>Gleich, empor sich hob, sie in lieblicher Ruh zu umfangen;</p> +<p>Rosig die Brust erhellt von ihren verglühenden Strahlen,</p> +<p>Wanderten hoch in dem Wolkenreich nach entfernteren Zonen</p> +<p>Singende Schwäne dahin; im Saatfeld zirpten die Heimchen;</p> +<p>Leise verhallte des Tages Geräusch, und das Leben verstummte.</p> +<p>Aber die Höhen entlang, die rechts von Weiden nach Marcheck,</p> +<p>Weitgedehnt, sich zieh’n, und des Marchthals Fluren beherrschen,</p> +<p>Tönete jetzt Getrab anstürmender Rosse, der Waffen</p> +<span class = "pagenum">225</span> +<p>Helles Geklirr, und das Schrei’n und Rufen unzähliger Krieger.</p> +<p>D’rauf erschien, dem Gewittergewölk’ im Sommer nicht ungleich,</p> +<p>Das, von gährendem Donner schwer, am Himmel heraufschwebt,</p> +<p>Drüben am Rande der Höh’n die schlachtgerüstete Heersmacht</p> +<p>Ottgars: gierig des Kampfs, und zu muthigen Thaten entschlossen.</p> +<p>Noch empört’ ihn der Zorn ob jenes verwegenen Jünglings</p> +<p>Frechenthülleter Gluth zu seiner Erzeugten, und dennoch</p> +<p>Sehnt’ er sich herzinnig nach ihm, in dem einsamen Kriegszelt</p> +<p>Sitzend, und schlug sich die Stirn’, und jammerte laut um den +Liebling.</p> +<p>Also kam er heran, und hoffte, des lechzenden Herzens</p> +<p>Heißen Durst im Blut’ und Gewürge der Feinde zu stillen.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch nicht rastete jetzt Drahomira, die schreckliche Feindinn</p> +<p>Ottgars: denn sie sah, wie Marbod und Inguiomar erst</p> +<p>Sich vereinten, im Kampf zu entflammen die Deutschen. Sie nagte</p> +<p>Heimlich vor Wuth an den Lippen, und hätte mit schmähenden Worten</p> +<p>Jene gehöhnt; doch schwang sich nun, verdüsterten Blickes,</p> +<p>Katwald her in der Luft, und sah nach der Erde herunter.</p> +<p>Alsbald hob sie zu ihm sich empor, und rief, ihn erforschend:</p> +<p>„Ha, du sahst es, wie Marbod, der schrecklichste dir in des +Lebens</p> +<span class = "pagenum">226</span> +<p>Langentschwundener Zeit, auch Inguiomar zum Gehülfen</p> +<p>Sich erkor, heut’ Oestreichs Volk zu entflammen im Schlachtfeld!</p> +<p>Komm, und eine dich mir! Erst will ich den König der Böhmen,</p> +<p>Stürzen: denn mir zur Schmach verübt’ er entsetzlichen Frevel;</p> +<p>Aber erliegt er im Kampf, dann sey Kunegunde, des Zepters</p> +<p>Würdig, erhöht auf den Thron; ihr laß uns erringen den Vortheil.</p> +<p>Hoch erhebe sich Böhmens Ruhm, des trefflichen Landes,</p> +<p>Das dir gehorcht’, eh’ Marbod dir’s mit den Waffen geraubt hat.“</p> +<p>Sagt’ es mit stachelndem Wort; doch jener entgegnete zürnend:</p> +<p>„Weiche von mir, du fluchbeladene, daß nicht dein Odem</p> +<p>Noch verpeste die Luft, die mir umsäuselt die Wangen!</p> +<p>Kein Verein, Drahomira, mit dir! So willst du mit Marbod</p> +<p>Und mit Inguiomar, des Kaisers verbündeten Freunden,</p> +<p>Ottgars Haupt gefährden im Kampf’? Ich nah’ ihm, als Helfer,</p> +<p>Schon dem Lande zum Ruhm, wo ich herrschend lebt’ in der Vorzeit,</p> +<p>Ha, und lache des Zorns, der, so wie zum Strande die Meersfluth</p> +<p>Brausend fleugt, und zurück, der Ohnmacht eiteles Bild, sinkt,</p> +<p>Dir empöret die Brust, und dräuet in nichtiger Ohnmacht!“</p> +<p>Rief’s, und stürzte herab vom Gewölk’ an die Seite des Königs,</p> +<span class = "pagenum">227</span> +<p>Der das Roß anhielt, und des Kaisers geordnete Völker</p> +<p>Staunend ersah, wie solche den Plan erfülleten weithin.</p> +<p>Jetzo noch einmal, quer von dem Saum der Erde herüber,</p> +<p>Blickte die Sonn’, und verschwand; die Dämmerung zog von dem Thal +her.</p> +<p>Nicht gedacht’ er des Kampfs für heut’; an dem kommenden Morgen</p> +<p>Wollt’ er dem Feind’ ihn biethen auf Tod und Leben, den Herold</p> +<p>Sendend zuvor, nach des Kriegs herkömmlicher, edeler Sitte.<a class = +"tag" name = "tag7_7" id = "tag7_7" href = "#note7_7">7</a></p> +<p>Katwald war ihm genaht, und haucht’ ihm vor allem den Rath ein:</p> +<p>„Ottgar, wie, du willst, nachtlagernd, des dämmernden Morgens</p> +<p>Harren dahier? Schnell vor, eh’ dunkel die Nacht sich herabsenkt:</p> +<p>Schleudre die feindlichen Reihen entzwei! So machst du dir heut’ +noch,</p> +<p>Schrecken verbreitend, Bahn zu des Siegs erhellten Gefilden:</p> +<p>Denn der erste Gewinn in dem eisernen Feld ist ein Hagel,</p> +<p>Der die Halmen der Hoffnung zerschlägt; ein brausender Sturmwind,</p> +<p>Der des Athems beraubt den Wanderer, und ihn ermattet.</p> +<p>Alsbald biethet der Feind dir selbst ein Zeichen des Angriffs.“</p> + +<p class = "stanza"> +Jener verschloß ihm das Ohr. Doch wer entflammt’ an dem Abend</p> +<p>Schon den noch nicht ersehneten Streit im tosenden Schlachtfeld?</p> +<span class = "pagenum">228</span> +<p>Marbod, der muthige that’s. In den Reih’n der stürmischen Reiter</p> +<p>Spornt’ ein munterer Held bischöflicher Leute von Salzburg,</p> +<p>Schörlin, ein unbändiges Roß heran in dem Kriegszug.<a class = "tag" +name = "tag7_8" id = "tag7_8" href = "#note7_8">8</a></p> +<p>Ihm nicht fern, ersah das Nest pferdstachelnder Bremsen</p> +<p>Marbods spähendes Aug’: er eilte dahin, und empörte</p> +<p>Mit gewaltigem Geisterhauch die entschlummerten Quäler:</p> +<p>Denn er brannte vor Gier des Kampfs Arbeiten zu schauen.</p> +<p>Sieh’, und, also geweckt, im heulenden, wilden Gesumme</p> +<p>Fuhr der Schwarm empor; er flog dem muthigen Rosse</p> +<p>Schörlins unter den Bauch, und stachelte solches, erboßt, wund.</p> +<p>Schrecklich tobt’ es umher, schlug aus, bog, stöhnend, die Ohren</p> +<p>Gegen die Brust, und rannte dahin: nicht achtend des Rufens,</p> +<p>Nicht des Schrei’ns, das Schörlin erhob, da er, rücklings +gebogen,</p> +<p>Zog an dem Zügel, es noch im wüthenden Laufe zu hemmen.</p> +<p>Schnurgerad auf Ottgar hin losrannte das Thier jetzt.</p> +<p>Zorn erfüllte sein Herz; er rief den staunenden Feldherrn:</p> +<p>„Wahrlich, nicht dacht’ ich mehr den Stahl an dem heutigen Abend</p> +<p>Feindlich zu zieh’n; doch seht, die Unsinnigen stürzen sich +selber</p> +<p>Ihm entgegen, voll Wuth! Sie sollen mir büßen die Kühnheit.</p> +<p>Fort! Wir greifen sie an mit den schwergeharnischten Reitern,</p> +<span class = "pagenum">229</span> +<p>Welch’ uns Böhmen gesandt, den tapfersten Männern auf Erden,</p> +<p>Und im gemessenen Schritt’ uns folge das Heer auf dem Fuß nach.“</p> +<p>Alsbald gab er dem Pferde den Sporn, und jagte die Höhen</p> +<p>Brausend herab. Ihm nach, mit dem kampferfahrenen Helden</p> +<p>Lobkowitz, flog die Schar zweitausend geharnischter Reiter.</p> +<p>Wie, wenn unterirdische Gluth aus den Tiefen des Erdballs</p> +<p>Aufwärts braus’t, und gehemmt, weithin erschüttert die Gegend</p> +<p>So, daß vom stürzenden Felsengebirg’ unzählige Trümmer</p> +<p>Schnell in’s drönende Thal herrollen mit wildem Getümmel,</p> +<p>Krachend der Wald entsinkt, und Staub auffleugt in die Wolken:</p> +<p>Also stürmt’ auch hier der König mit seinen Erwählten</p> +<p>Von den Höhen herab. Vor den Kommenden stürzte das Reitroß</p> +<p>Schörlins zusammen. Kein Leid ihm geschah: die furchtbaren Reiter</p> +<p>Setzten über ihn hin; er lag, listsinnend, im Scheintod</p> +<p>Dort bis Mitternacht, und kehrete heim zu den Seinen.</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar nahete schon den äußersten Wachen der Steyrer.</p> +<p>„Auf, zu den Waffen!“ so schrie Wildon, der tapfere Hauptmann</p> +<p>(Pfannberg weilte noch fern bei Capellen, dem obersten Feldherrn,</p> +<p>Drüben im luftigen Zelt, des Kriegs Arbeiten erwägend,</p> +<span class = "pagenum">230</span> +<p>Die der Morgen verhieß) und das Fußvolk eilt’ aus dem Lager:</p> +<p>Denn nicht dachten des Streites mehr die erlesenen Ritter</p> +<p>Jetzt, in der sinkenden Nacht. Wohl mancher saß in dem Gras’ +noch,</p> +<p>Haltend das Roß an dem Zaum’, und beredete Dieses, und Jenes;</p> +<p>Doch nun fuhren sie all’ empor, von dem feurigen Marbod</p> +<p>Aufgestürmt mit empörendem Ruf. Bald schwang in den Sattel</p> +<p>Jeder sich auf, erhob den Speer in der Rechten, und senkte</p> +<p>Sein Helmgitter herab, das Roß zu dem Kampfe bewegend.</p> +<p>Ha, und der Kampf begann! In dem Vorderzuge, des Feindes</p> +<p>Dräuende List zu erspähen gesandt von dem sinnigen Feldherrn,</p> +<p>Stand ein Brüderpaar der Trantmannsdorfe beisammen:</p> +<p>Heinrich, und Götz, von der Schar der Verwaiseten. Laut, und mit +Nachdruck</p> +<p>Hieß sie des Hauptmanns Ruf in die Reih’n der Versammelten +kehren:</p> +<p>Aber sie hörten ihn nicht, von glühendem Muthe getrieben.</p> +<p>Ottgar fuhr auf den älteren los, und, ob er den Speer schon</p> +<p>Ihm entgegen streckt’, und des Kampfs wohl kundig sich zeigte,</p> +<p>Schlug er ihm doch mit dem Heldenschwert den nahenden Speerschaft</p> +<p>Seitwärts, und durchstieß ihm den Hals, wo, gleitend, vom +Harnisch</p> +<span class = "pagenum">231</span> +<p>Sich der Helm verschob: er sank, und verhauchte das Leben.</p> +<p>Götz drang muthig auf Lobkowitz ein; verwundete, jauchzend,</p> +<p>Sein aufbäumendes Roß, und stürmte noch feuriger vorwärts;</p> +<p>Aber ihm bohrte, von jenem gekehrt, der empörete König</p> +<p>Sein, von des Bruders Blut geröthetes Schwert in die Brust ein</p> +<p>So, daß er rücklings vom Sattel sank, und dicht an dem Bruder</p> +<p>Ruhete, langgestreckt, und erblassend im Tode. Sie lagen</p> +<p>Dort wie jährige Leu’n im Staub, die, grausam, ein Tiger</p> +<p>Eben erwürgt’ im Gebüsch’, als Beut’ aufsuchte die Mutter.</p> +<p>Doch der feurige Katwald sprach, umschwebend, in’s Ohr ihm:</p> +<p>„Ottgar, flüchtig enteilet das Glück: erhasch’ es im Flug jetzt!</p> +<p>Werfe den Feind, eh’ Rudolphs Schwert dir nah’t. Ich gewahrte</p> +<p>Helfende Geister um ihn, die ihn warneten: eile, zu siegen!“</p> +<p>„Ha, wer drängt mich so muthig, und kühn?“ sprach zürnend der +König,</p> +<p>„Muthig, und feig zugleich, mit Rudolphs Schwert mir zu drohen:</p> +<p>Denn er komme nur, bald entreißt ihm das meine das Leben!“</p> +<p>Rief’s, und jagte dahin wie der brausende Sturm auf den Heiden.</p> + +<p class = "stanza"> +Welchen erlegt’ er zuerst aus den Reih’n der tapferen Ritter?</p> +<p>Sieh’, ihm warf sich Stubenberg vor allen entgegen:</p> +<span class = "pagenum">232</span> +<p>Weit vorhaltend den Schild, deß’ Zier, im Ringe der Anker,</p> +<p>Schlangenumwunden, sich wies, und strebte, das muthige Herz ihm</p> +<p>Durchzubohren im Wuthanlauf mit dem blinkenden Speerstahl;</p> +<p>Doch in des Rosses Bauch stieß Ottgar, stachelnd, den Sporn ein</p> +<p>So, daß es seitwärts sprang, und er drängte dem Gegner den Degen</p> +<p>Tief in die Brust, als ihm die entblößte Höhle der Schulter</p> +<p>Räumigen Eingang both: er sank, und athmete nicht mehr.</p> +<p>D’rauf erwürgt’ er auch noch urschnell den redlichen Knappen</p> +<p>Edelred, der jetzt dem Ritter zu Hülfe geeilt war.</p> +<p>Czernin stellte sich g’en Wildon zur Wehre: sie kämpften</p> +<p>Lange mit wechselndem Glück; verwundeten: jener des Gegners</p> +<p>Bein, und dieser den Arm, und schieden mit dräuendem Ingrimm</p> +<p>Mitten im Kampf: denn schon herstürmten im Felde die Reiter</p> +<p>Ottgars, welchen das Fußvolk rasch nachdrang, und urplötzlich</p> +<p>Hob sich der schwellende Ruf mit dem Waffengetöse der Würger</p> +<p>Himmelempor, und erfüllte die Welt mit Entsetzen und Schauder.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzo vernahm in der zweiten der fünf Heersäulen Capellen</p> +<p>Kämpfender Krieger Geschrei, das drüben, am Rande der ersten,</p> +<span class = "pagenum">233</span> +<p>Stets vernehmlicher scholl in der Dämmerung. Eifernd besprach er</p> +<p>Eben mit Pfannberg dort, dem Führer des steyrischen Volkes,</p> +<p>Für den kommenden Tag des Angriffs muthige Weisen;</p> +<p>Auch die verstellete Flucht: den wechselnden Kampf, und den +Rückzug,</p> +<p>So des Krieges Geschick ihn gebeut: da verstummt’ er auf einmal,</p> +<p>Horchte dem Lärm, und sprach, voll Hast, zu dem Scharengebiether:</p> +<p>„Pfannberg, eile zurück! Der Feind, so sagt uns der Lärm dort,</p> +<p>Wagte den Ueberfall in der Dämmerung; eile zur Rettung</p> +<p>Deines Volks: ich folge dir schnell mit erlesenen Scharen.“</p> +<p>Also geschah’s. Im Flug’ erreichte der tapfere Feldherr</p> +<p>Sein gefährdetes Volk, und warf, mit dem Schwert’ in der Faust, +sich,</p> +<p>Allen voran, als sie nachbraus’ten im stäubenden Saatfeld,</p> +<p>Rasch auf die furchtbare Macht der Geharnischten, die zu dem +Angriff</p> +<p>Ottgar selber geführt, und jetzt umtobte, voll Mordwuth.</p> +<p>Ihm selbst hätt’ er die Brust durchbohrt, so plötzlich erschien +er</p> +<p>Mitten im Waffengemeng; doch schlug ihm der muthige Ritter,</p> +<p>Zawiß von Rosenberg, der schönste der Männer im Kriegsheer</p> +<p>Böheims, sein erhobenes Schwert aus der Faust, und durchstieß ihm</p> +<p>Schnell mit dem Speere den Arm, daß er, stöhnend, vom Sattel +herabsank.</p> +<span class = "pagenum">234</span> +<p>Ottgar rühmte gerührt den Tapferen; doch Drahomira</p> +<p>Lächelte Hohn aus den Lüften herab: sie erspähte die Neigung</p> +<p>Schon, die verborgene, jüngst in der Brust Kunegundens für Zawiß,</p> +<p>Und gedachte mit Lust der unheilschwangeren Zukunft.</p> + +<p class = "stanza"> +Pfannbergs Volk, den Sturz des tapferen Führers gewahrend,</p> +<p>Drang jetzt eilender vor, und kämpfte, der Löwinn nicht ungleich,</p> +<p>Die vor der Höhle die Jungen, umringt von Pardeln erblicket,</p> +<p>Um den Verwundeten dort, und es hätte gesiegt mit den Scharen</p> +<p>Oestreichs, die Capellen zu Hülfe geführet, und jenen,</p> +<p>Die aus dem Hinterhalt’ auch Kaduscha, hörend im Nachtgrau’n</p> +<p>Feindlicher Waffen Getös’, ihm, lautaufjauchzend, vereinte:</p> +<p>Hemmt’ es nicht Katwalds List. Er sah in der Reihe der Edeln</p> +<p>Einen, mit bleichem Gesicht’ und scheuumirrenden Augen,</p> +<p>Träg vorschreiten im Kampf: den Pettauer, der vor dem König</p> +<p>Ottgar, einst die Ritter der steyrischen Mark des Verrathes</p> +<p>Zieh, und dieser verhängte sogleich entsetzliche Strafen;</p> +<p>Aber er hatte nicht Ruhe noch Rast seitdem, und im Herzen</p> +<p>Trug er die Strafe der Schuld, da er jeglichen Trostes beraubt +war.</p> +<span class = "pagenum">235</span> +<p>Diesem nahete Katwald jetzt, und schrie in das Ohr ihm:</p> +<p>„Horch, dir drohet Verrath und Mord! Unseliger, fliehe!“</p> +<p>Schauer durchlief ihm die Haut, da er solches im Geiste +vernommen:</p> +<p>Alsbald wandt’ er das Roß, und rief, entfliehend: „Verrath! +Mord!“</p> +<p>Wilde Verwirrung begann: das vorgedrungene Fußvolk</p> +<p>Wankte zuerst; ihm folgten die Reisigen — dann auch die +Ritter.</p> +<p>Tausendzüngig erhob sich der Ruf: „Entflieht dem Verrath! Fort!“</p> +<p>Aus den flüchtenden Reih’n. Auch Kaduscha wich mit den Seinen</p> +<p>Lärmend zurück, und entsetzlich erscholl in der Nacht das +Getümmel.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch in dem fernen Gezelt vernahm der erhabene Kaiser</p> +<p>Jetzo den Lärm, und geboth den Mannen die Rosse zu zäumen:</p> +<p>Denn schon lagerten sich die Tapfern ruhig im Saatfeld,</p> +<p>Reichend den Rossen das Futter zuvor, und stillten den Hunger</p> +<p>Dann mit Brot, und den Durst mit des Quellbachs kühlenden +Fluthen:</p> +<p>Alsbald waren die Pferde gezäumt, und die Muthigen saßen</p> +<p>Sattelfest. Da kam vor allen, gesprengt, auf dem Pfad her</p> +<p>Oestreichs Reiterschar. Mit zürnendem Ernst in den Blicken</p> +<span class = "pagenum">236</span> +<p>Ritt ihr der Kaiser entgegen. Sie stand von Schauer ergriffen:</p> +<p>Denn kein Vorwurf kam aus dem Mund des erhabenen Herrschers.</p> +<p>Also gehemmt, wuchs stets zu dichteren Haufen die Heersmacht,</p> +<p>Und er kehrte mit ihr g’en Marchecks sandige Fluren.</p> + + + + +<span class = "pagenum">237</span> +<h3><a name = "gesang8" id = "gesang8">Achter Gesang.</a></h3> + + +<p>„Ha, was röthet den Himmel fern im nächtlichen Dunkel?</p> +<p>Welch’ Geschrei erfüllt urplötzlich mit Angst und Entsetzen</p> +<p>Drüben die Stadt? Ein Jüngling sitzt, verwilderten Ansehn’s,</p> +<p>Dort auf des Felsens Höh’n, und schaut auf die schreckliche +Brandstätt’</p> +<p>Grinsend herab, wo ruhig noch erst unschuldige Menschen</p> +<p>Schlummerten, jetzt Gewürg’ erschallt, und in Strömen das Blut +fließt?</p> +<p>Furchtbare Schau! Darf also der sterbliche Mensch an dem Menschen</p> +<p>Wüthen, daß sanfterer Art der grausame Tiger erscheinet?</p> +<p>Wehe, wie fiel er so tief! Wie entwürdigt ihn Laster und +Thorheit!</p> +<p>Doch ich nah’ ihm schnell, zu erkunden, wie solches geschehen?“</p> +<p>So sprach Inguiomar, das gluthverheerete Städtchen</p> +<p>Schauend, und eilt’ im Fluge dahin, wo, schrecklichen Blickes</p> +<p>Jener hinuntersah nach der Stätte des Jammers. Er saß dort</p> +<span class = "pagenum">238</span> +<p>Schauerlich in sich gekehrt, und ihm zuckten die schneeigen +Wangen</p> +<p>Leise vor ungesättigtem Grimm, da er, vorwärtsgebogen,</p> +<p>Stützend das Kinn auf die krampfhaft­geschlossene Faust, in die +Flammen</p> +<p>Starrete. Doch es stockte das Wort in dem Munde des Geistes,</p> +<p>Als er ihn näher geseh’n. Er bebte dem Jammer, und eilte</p> +<p>Fort nach den Ufern der March, wo heut’, unferne dem Städtchen</p> +<p>Marcheck, nach unrühmlicher Flucht sich die Krieger vereinten.</p> + +<p class = "stanza"> +Wallstein war’s, der dort auf dem Felsriff saß, und hinunter</p> +<p>Starrte, voll Grimms. Sein war die entsetzliche That, und der +Hölle</p> +<p>Jüngstentlaufene Brut, Drahomira, hauchte die Wuth ihm</p> +<p>In die empfängliche Brust, aus welcher des warnenden Engels</p> +<p>Bild entfloh, da er sich der Sinneschmeichlerinn hingab.</p> +<p>Sieh’, er eilte zuvor aus der Nähe des Kaisers, und setzte,</p> +<p>Schwimmend, die Fluthen der March mit dem schnaubenden Rosse +hinüber;</p> +<p>Flog dann, Auen und Wälder entlang, an Moravia’s Marken</p> +<p>Rastlos fort, bis endlich das Roß am dämmernden Abend</p> +<p>Stöhnend zu Boden sank. Er entschlummerte neben dem Thier dort;</p> +<span class = "pagenum">239</span> +<p>Aber ihm war Drahomira gefolgt. Wie der feurige Schweißhund<a class = +"tag" name = "tag8_1" id = "tag8_1" href = "#note8_1">1</a></p> +<p>Angeschossenes Wild, so heiß es auch strebt, zu entkommen,</p> +<p>Durch des umschattenden Waldes Nacht verfolgt auf den Fährten,</p> +<p>Rastlos, bis es ermattet ihm fällt: so ließ Drahomira</p> +<p>Ihn aus den Augen nicht mehr: denn Ottgar sollte getödtet</p> +<p>Fallen durch ihn, und ihr Herz sich ersättigen dort an des +Jammers</p> +<p>Grau’nerregender Schau — an dem Fall des unglücklichen +Jünglings.</p> +<p>Einen täuschenden Traum ersann, und bannte sie, zaubernd,</p> +<p>Vor den Entschlummerten hin. Er sah im Geiste das Städtchen,</p> +<p>Kostel in Mähren, vor sich, und dort sein Alles auf Erden,</p> +<p>Hedwig, gefesselt im Thurm, weil sie nicht verhüllte die Neigung,</p> +<p>Die sie ihm still genährt in dem treuergebenen Herzen;</p> +<p>Sah, wie sie, jammernd, ihm mit den kettenbelasteten Händen</p> +<p>Winkt’, und so bleich her sah von des Fensters eisernen Stäben,</p> +<p>„Hülfe!“ schreiend, und „Rach’ an Ottgar!“ Aber er stöhnte</p> +<p>Laut in dem Schlaf’, und schlug sich die Brust vor unsäglichem +Herzleid.</p> +<p>Bald erweckt’ ihn Geschrei anstürmender Krieger. Der Kunen</p> +<p>Tausend, vereinten sich erst: Weglagerer, Räuber, und Mörder,</p> +<p>Von dem Heere getrennt, auf Raub zu ziehen, entschlossen,</p> +<p>Die Drahomira noch mehr empörte zu schrecklichen Thaten.</p> + +<span class = "pagenum">240</span> +<p class = "stanza"> +Als sie jetzt den Schlummernden sahn, der, blühender Jugend,</p> +<p>Noch im Schlafe das Schwert umklammert hielt mit der Rechten;</p> +<p>Durch die gesenkten Brau’n Wuth kündet’, und, stöhnend, von +Rachgier</p> +<p>Mit den verzerreten Lippen sprach, da riefen sie freudig:</p> +<p>„Seht, den sandt’ uns Tyr,<a class = "tag" name = "tag8_2" id = +"tag8_2" href = "#note8_2">2</a> der Gott des Kriegs und Verderbens:</p> +<p>Ihm gleich, hält er das Schwert umfaßt, und drohet im Schlaf noch</p> +<p>Schrecken dem Feind’. Er sey uns Führer im nächtlichen Raubzug!“</p> +<p>Also erweckt’ ihn ihr wildes Geschrei; sie faßten, und hoben</p> +<p>Ihn von der Erd’ empor; umhingen in Eile die Schulter</p> +<p>Ihm mit dem Pelz, der, marderumbrämt, zur Ferse hinabhing;</p> +<p>Setzten die Mütz’ auf sein Haupt, mit dem schwebenden Reiher, und +bothen</p> +<p>Ihm das erlesenste Pferd. D’rauf sagte noch Sikra, der Hauptmann:</p> +<p>„Komm, und führ’ uns im sausenden Ritt nach Kostel, dem Städtchen</p> +<p>Drüben im Mährenland, voll reichthumstolzer Bewohner,</p> +<p>Die, dem Böhmenkönig getreu, zum Kampfe sich rüsten.</p> +<p>Unser König bekriegt ihn selbst auf den Feldern von Oestreich:</p> +<p>Wir erhoben uns hier, ihm Schaden zu thun, und zu rächen</p> +<p>Plünderung, Mord, und Brand, mit welchen er Ungern vor Jahren</p> +<span class = "pagenum">241</span> +<p>Wüstete: ha, nun Rache dafür an dem grausamen Ottgar!“</p> +<p>Also tobten sie fort. Der Jüngling ließ sie gewähren,</p> +<p>Stand verstört, und wußte nicht, wie ihm geschehen? Er sann +jetzt:</p> +<p>Ottgar ward ihm genannt — der Grausame hieß er den Räubern</p> +<p>Selbst? Da jauchzet’ er laut; entblößte das Eisen; erhob sich</p> +<p>Schnell in den Sattel, und rief: „Mir nach, wir rächen die +Unthat!“</p> +<p>D’rauf ging’s fort, im sausenden Ritt nach Kostel in Mähren.</p> +<p>Vor ihm flog Drahomira einher, und lächelte grimmig:</p> +<p>Denn sie sah das Entsetzliche dort vollbracht, und Verderben</p> +<p>Ueber des Jünglings Haupt, und Ottgars schweben im Vollmaß.</p> + +<p class = "stanza"> +Tief entschlummerten schon des ummauerten Städtchens Bewohner.</p> +<p>Ach, oft ahnet der Sterbliche nicht, der ruhig dem Schlaf sich</p> +<p>Noch an dem Abend ergibt, welch’ Jammer ihn weckt vor dem Morgen!</p> +<p>Früher erspähten die Räuber schon des friedlichen Städtchens</p> +<p>Schwachverriegeltes Thor und die leichtersteigbare Mauer,</p> +<p>Die sie, keuchend vor Hast, erkletterten. Aber das Reitroß</p> +<p>Spornte Wallstein rasch umher: denn hoch in die Nacht auf</p> +<p>Ragte der Thurm, der dort die holde Geliebte (so wähnt’ er</p> +<p>Noch, getäuscht von dem Traum) von ihm für immer getrennt hielt.</p> +<p>Wehe, und bald aufflammte die Gluth, an die breternen Dächer</p> +<span class = "pagenum">242</span> +<p>Durch die entsetzlichen Kunen gelegt, und erhellete weithin</p> +<p>Rings die schweigende Nacht! Nicht säumte der lauernde Nachtwind,</p> +<p>Lauterbrausenden Flug’s annahend, die Flamme zu wälzen</p> +<p>Hin und daher, an den Häusern der engverschlungenen Straßen.</p> +<p>Wildes Geheul erscholl: aus den Stuben hervor auf den Marktplatz</p> +<p>Flüchteten jetzt die Bewohner, um dort die Väter, und Mütter,</p> +<p>Kinder, und Greise zu seh’n, wie sie bluteten unter dem +Schwerthieb</p> +<p>Wüthender Räuber, und bald, erwürgt mit den andern, zu fallen</p> +<p>Rettungslos: denn Niemand war, der half in dem Jammer.</p> +<p>Wohl anlangten den Abend zuvor zwölf muthige Reiter</p> +<p>Ottgars, über die March, von Drösing herüber gesendet:</p> +<p>Mundvorrath aus dem Städtchen hier, in das Lager der Böhmen</p> +<p>Heut noch zu schaffen mit Waffenmacht: denn schreckengerüstet</p> +<p>Herrscht in des Krieges Zeit die Gewalt: nur Laute des Ingrimms</p> +<p>Treffen das Ohr, das sonst des Friedens sanfte gewohnt war.</p> +<p>Als der feindliche Lärmruf scholl, da schwangen die Reiter</p> +<p>Sich auf das Roß, zu entflieh’n der wuthempöreten Mehrzahl;</p> +<p>Doch sie waren umringt, und nun, mit dem Schwert’ in der Rechten,</p> +<span class = "pagenum">243</span> +<p>Kämpfend, zu sterben bereit. Sie stellten sich fest und +entschlossen,</p> +<p>Vor dem Thurm dort auf, und harrten des nahenden Feindes.</p> + +<p class = "stanza"> +Allen zuvor kam Wallstein, jauchzt’, und hieb in den Haufen,</p> +<p>Blindumwüthend, ein: denn Ottgars kenntliche Reiter</p> +<p>Sah er vor sich, und schnob nur Rache, nur flammende Sehnsucht</p> +<p>Hedwigs Retter zu seyn aus den Händen unmenschlicher Krieger.</p> +<p>Jetzt auflachte voll Hohn Drahomira, und hob sich von dannen:</p> +<p>Denn jetzt klebte das Blut des eigenen Volks an dem +Schlachtschwert,</p> +<p>Das ihm Ottgars Rechte vertraut’, und sie dachte: nicht fern mehr</p> +<p>Sey ihm das Ziel, zu fallen mit ihm, unrühmlich, und furchtbar!</p> +<p>Siehe, die Reiterschar, umstürmt von den wüthenden Räubern,</p> +<p>Fiel nach tapferer Gegenwehr auf die Leichen des Feindes,</p> +<p>Die sie gehäuft! Doch Veith, der jetzt aus dem Sattel geworfen,</p> +<p>Sank, rief sterbend ihm noch: „Ha, Wallstein: bist du ein Gegner</p> +<p>Deines eigenen Vaterlands? Du ermordest die Böhmen?“</p> +<p>Wallstein horchte bestürzt: er erkannte den redlichen Krieger,</p> +<p>Der in der Ahnen-Burg gedient, und in zartester Kindheit</p> +<span class = "pagenum">244</span> +<p>Oft ihm Mährchen erzählt’: ein treugesinneter Reiter;</p> +<p>Hob die Blick’ empor, und sah, durch des ragenden, leeren,</p> +<p>Halbverfallenen Thurms verwitterte Fenster den Himmel,</p> +<p>Sternenhell, herab auf das Blut der Reisigen starren;</p> +<p>Sah, erstaunt, um sich her die Leichen der Greis’ und der Kinder</p> +<p>Schwimmen im Blut’ — all’ überall Blut, und die wüthenden +Kunen</p> +<p>Nur erpicht auf Raub und Plünderung. Plötzlich ergriff ihn</p> +<p>Seelenangst: er gab dem Rosse die Sporen, und jagte</p> +<p>Durch das offene Thor hinaus auf den einsamen Heerweg;</p> +<p>Dann seitab den Hügel empor, der, nahe dem Städtchen,</p> +<p>Jäh sich erhebt. Dort saß er am Rand’, aus dem Sattel gestiegen,</p> +<p>Haltend das Roß am Zaum’, und sah nach dem schrecklichen Jammer</p> +<p>Drüben hinab. Bald wühlt’ er, ergrimmt, sich die Brust mit den +Nägeln</p> +<p>Wund; bald stützt’ er das Kinn auf die Recht’, und starrte +hinunter,</p> +<p>Starrte hinauf zu dem tiefverstummenden Himmel, und rang nur</p> +<p>Einem Schreckensbild zu entflieh’n, das fieb’risch die Brust ihm</p> +<p>Schüttelte: denn er dachte, wie frech er die freundliche Warnung</p> +<p>Von sich stieß in der Nacht, welch’ über ihn schrecklich +entschieden.</p> +<p>Doch als jetzt ihm ein Thränenpaar heiß über die Wangen</p> +<span class = "pagenum">245</span> +<p>Träufelte, hob er sich auf von dem Boden, und plötzlich +verscheuchte</p> +<p>All die Bilder ein kühner Entschluß. Er sagte für sich hin:</p> +<p>„Ottgar, kein Verein ist zwischen uns mehr! Ich gehöre</p> +<p>Deinem Gegner hinfort: denn sieh’, ich erwürgte die +Böhmen —</p> +<p>Ach, mein Volk, mit den Kunen im Bund! Dieß blutige Schwert +lechzt</p> +<p>Jetzo nach deiner Brust, und nach meiner: wir fallen zugleich — +bald!“</p> +<p>Stöhnend schwang er sich dann auf’s Roß, und jagte herüber</p> +<p>Immer den Fluß entlang, im Galopp, die lagernde Heersmacht</p> +<p>Rudolphs noch vor dem Morgenroth zu erreichen vor Marcheck.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, und es rief in der Stadt, in den weitgetrennten Gehöften,</p> +<p>Und in den Dörfern umher der Hahn, des dämmernden Morgens</p> +<p>Muthiger Herold, sein „wach’ auf“ das andere Mal schon,</p> +<p>Als er die seichtere Furt durchwatete; d’rauf vor dem Lager,</p> +<p>Laufend, erschien, das Kunenroß heimjagend vom Ufer.</p> +<p>„Wer da?“ rief ihm die Huth vom Wall’ entgegen, und zielte</p> +<p>Dann mit der Lanze zugleich nach der Brust des nahenden +Jünglings:</p> +<p>Aber er sprach ergrimmt: „Zu Rudolph, eurem Gebiether</p> +<p>Führet mich schnell! Hochwichtiges muß ich sogleich ihm +enthüllen.“</p> +<p>Jener sah ihn zuvor mit Staunen vom Kopf bis zum Fuß’ an,</p> +<span class = "pagenum">246</span> +<p>Eh’ er die Freund’ entboth, ihm sich’res Geleite zu geben:</p> +<p>Denn unglücklich nur — nicht verdächtig erschien er von +Anseh’n,</p> +<p>Und sie führten ihn jetzt nach des Kaisers ragendem Zelt hin.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber der liebliche Schlaf (ein Balsam für blutende Herzen,</p> +<p>Welcher so mild den Schmerz beschwinget, der in des Lebens</p> +<p>Dornengefilden sie grausam zerriß) war eben auf Rudolphs</p> +<p>Lieder gesunken, und er floh vor dem Fußtritt nahender Krieger</p> +<p>Wieder hinweg. Oft wacht’ er im Feld mit heiterem Antlitz</p> +<p>Tag’ und Nächte hindurch, zu des Kriegs Beschwerden gestählet.</p> +<p>Als in das einsame Zelt der Jüngling getreten, da däucht’ ihn:</p> +<p>Jener Unglückliche sey’s, der jüngst den muthigen Reiter</p> +<p>Von dem Thurm in den Abgrund warf, und nicht irrte sein +Scharfblick.</p> +<p>Freundlich winkt’ er ihm jetzt mit der Hand, und jener begann so:</p> +<p>„Meine Rede sey kurz! Der Sterbende muß sich beeilen,</p> +<p>Daß er enthülle das Wort, das lastend die Brust ihm beschweret.</p> +<p>Höre mich, Herr! Ich war dein Feind, und hätte den Sohn dir</p> +<p>Gern durchbohrt auf dem Plan, vom wüthenden Hasse getrieben;</p> +<p>Aber es zieht das Geschick gar wunderbar oft in des Lebens</p> +<span class = "pagenum">247</span> +<p>Irre den Pfad: mich führt es als Freund dir zurück. Mit den Kunen</p> +<p>Hab’ ich, dein Dienstmann, erst gesengt, und gebrannt in dem +Städtchen</p> +<p>Drüben im Mährenland’, und die Bürger zugleich mit den Kriegern</p> +<p>Muthig erwürgt: all’ Ottgars Schuld, des grausamen Wüthrichs,</p> +<p>Der auch dir nach dem Leben strebt, und die Mörder bereit hält.</p> +<p>Aber ich eil’ ihm zuvor, willst du’s, und raub’ ihm das Leben</p> +<p>Heut’ noch. Dir ist dieß Schwert geweiht; nicht soll es ihn +fehlen:</p> +<p>Denn er verübt’ an mir Entsetzliches. Sprich, und ich mord’ ihn!“</p> +<p>„Wie,“ so begann, aufjammernd, der Kaiser, „Unselige, habt ihr</p> +<p>Ruhige Menschen erwürgt, und gesengt, und gebrannt in dem +Städtchen</p> +<p>Drüben nach schrecklichem Kriegsbrauch? O, der Völkerbeherrscher</p> +<p>Trauriges Los, daß ihr Streit auch Räuberhände bewaffnet,</p> +<p>Ungezügelt und frech, dem Gesetz hohnsprechend, zu wüthen!</p> +<p>Herr, nicht gehe mit mir in’s Gericht: denn mein ist die Schuld +nicht!</p> +<p>Doch du kehre zurück, Unglücklicher! Kehre zu Ottgar,</p> +<p>Der ein liebender Vater dir war, nun zurück, ihn zu söhnen,</p> +<p>Ihn mit reuigem Sinn um den Segen zu fleh’n — zu erwiedern</p> +<span class = "pagenum">248</span> +<p>Ihm verzeihende Huld, so er dich einst kränkte mit Unrecht!</p> +<p>Also hat es der Herr uns gelehrt: er möge dir helfen!“</p> + +<p class = "stanza"> +Wallstein stürzte hinaus, und flog nach dem feindlichen Lager,</p> +<p>Rastlos, bis er erreichte die Huth der böhmischen Reiter.</p> +<p>Schnell erkannten sie ihn, der oft im Gewühle der Schlachten</p> +<p>Sie zum Siege geführt, und jubelten laut in die Nacht auf.</p> +<p>Einer begann: „Kehrst du zur Freude des Heers und des Königs</p> +<p>Wieder zurück, der, wisse es nur, mit unsäglicher Sehnsucht</p> +<p>Nach dem verlorenen Sohn sich abhärmete? Wahrlich, er nannte</p> +<p>Heute dich so, und verhieß allmanniglich reiche Belohnung,</p> +<p>Der dich führte zurück in die Arme des liebenden Vaters!“</p> +<p>Doch, es erwiederte Wallstein ihm den freundlichen Gruß nicht;</p> +<p>Eilete vor, und erreichte das Zelt des entschlummerten Königs.</p> +<p>Jetzo murrete Greif, der mächtige Hund, vor dem Eingang:</p> +<p>Ottgars Liebling, ein Schrecken des Volks, das nächtlicher Stund’ +ihm</p> +<p>Nahete, wo er, der Kette los, umwandelte wachsam:</p> +<p>Denn er bewältigte leicht den stärksten der Reisigen; hielt ihn</p> +<p>Nieder, und bellete, bis ein Hausgenosse daherkam.</p> +<p>Wallstein zischte nur leis’, und rief ihn bei’m Nahmen: da sprang +er,</p> +<p>Heulend, herbei; erhob sich mit freudigem, lautem Gewinsel</p> +<p>Ihm auf die Schulter, lang wie er war, und leckt’ ihm die Wangen;</p> +<span class = "pagenum">249</span> +<p>Lief dann kreisend umher, und kehrete wieder, vor Freuden</p> +<p>Bellend, und heulend zugleich: denn Wallstein war ihm seit Jahren</p> +<p>Hold, und quälet’ ihn einst im jugendfröhlichen Muth’ oft.</p> +<p>Doch er streichelte jetzt den Treu’n mit unwilliger Hand nur;</p> +<p>Trat in das Zelt, wo im Lampenschein, auf das Lager gesunken,</p> +<p>Ottgar schlummerte: ganz in die Waffen gehüllt, und zu kämpfen</p> +<p>Wieder am Morgen bereit, und schauderte, wie er den Mann dort</p> +<p>Schlummern sah, der einst ihm vor allen Sterblichen werth +war —</p> +<p>Jetzt, ohnmächtig im Schlaf’, ihm Preis gegeben zur Willkühr.</p> +<p>Grauer schien ihm sein grauendes Haupt seit Tagen geworden,</p> +<p>Blässer sein blasses Gesicht. Er stöhnete laut vor dem Traum’ +auf,</p> +<p>Der ihn umfing, und wand sich, und rief, fast wimmernd, nach +Wallstein.</p> +<p>Dieser entblößte das Schwert. Noch einmal stand ihm des Jammers</p> +<p>Grau’ngestalt, den Ottgar schuf, vor den Augen; er eilte</p> +<p>Vorwärts, schwang das Eisen, und sann. Drahomira durchschwebte</p> +<p>Jetzo den Zelteingang; umflog in furchtbaren Kreisen</p> +<p>Schneller und schneller des Jünglings Haupt, und hauchte des +Abgrunds</p> +<p>Gifte umher, daß er, schwindelnd, den Mord verübt’ an dem König;</p> +<span class = "pagenum">250</span> +<p>Aber er hatte zuvor, vom Kaiser, mit Schrecken, des Heilands</p> +<p>Worte gehört. Wie dort im Fiebertraum sich ein Kranker</p> +<p>Freut, da ein Freund ihm naht, und nachsinnt: ob er ihn kenne?</p> +<p>Also nur dunkel vernahm der zerrüttete Jüngling die Warnung;</p> +<p>Dennoch bezwang er sich jetzt, trat näher, und stampfte den +Boden.</p> +<p>Auffuhr Ottgar schnell, und starrte dem Starrenden, schweigend,</p> +<p>In das Gesicht. Ein ganzes, im Glück’ entschwundenes Leben</p> +<p>Eilete schnell, wie der Blitz, den Beiden noch einmal vorüber,</p> +<p>Und die Vergangenheit warf, hellleuchtend, viel grausere Schatten</p> +<p>Noch auf die dunkele Gegenwart. Doch jetzo begann er:</p> +<p>„Wallstein, kommst du zurück’? Ich wußt’ es: ein edeles Herz +schlägt</p> +<p>Dir in der Brust. O, schwer hast du mich betrübt, und des +Abgrunds</p> +<p>Seelenverwirrende Macht empörte die Wuth mir im Busen</p> +<p>So, daß ich, nicht durch eigene Schuld — von der Hölle betäubt +nur,</p> +<p>Dir das liebende Herz verwundete! Wohl sind die Menschen</p> +<p>Sich zu betrüben, geneigt; doch Reue versöhnt, und Verzeihung</p> +<p>Windet den schöneren Kranz um die friedenbiethenden Herzen.</p> +<p>Du nun wieder mein Sohn, und ich — dein liebender Vater +...“</p> + +<span class = "pagenum">251</span> +<p class = "stanza"> +Jener naht’ ihm, und rief ergrimmt: „Halt ein, und erhebe</p> +<p>Nicht den Vorhang mehr, der zwischen uns dunkel herabsank!</p> +<p>Was du ersehntest — es sey: ich verzeihe dir! Aber dem +Bogen</p> +<p>Furchtbarer Rach’ entschwirrte der Pfeil; nicht reißt ihn des +Schützen</p> +<p>Hand mehr zurück. Weh’ dir, Unglücklichem: denn ich entsandt’ +ihn!</p> +<p>Böhmisches Blut benetzte dieß Schwert: mit den Kunen verbunden,</p> +<p>Hab’ ich zuvor dein Volk erwürgt, wie ein Söldner des Kaisers.</p> +<p>Du hast ihm nach dem Leben gestrebt: ich both mich, als Rächer,</p> +<p>Dir zu durchbohren die Brust; doch, sieh’, dein edeler Gegner</p> +<p>Achtet dein Haupt, und gab mir sanftversöhnende Lehren:</p> +<p>Solchem fällst du besiegt — ich meinem unglücklichen +Schicksal!“</p> +<p>Sagt’ es, und kehrte das Schwert urplötzlich von unten nach oben</p> +<p>Gegen die Brust, und sank in den Stahl, der, zischenden Lautes,</p> +<p>Ihm das pochende Herz durchfuhr. Er verhauchte das Leben</p> +<p>Lautlos. Jammernd erhob sich jetzt, ihn zu retten, der König:</p> +<p>Aber umsonst: er lag entseelt, und regte sich nicht mehr!</p> +<p>Schon aufjauchzte vor Lust Drahomira, der That sich zu rühmen:</p> +<span class = "pagenum">252</span> +<p>Da durchblitzt’ ein Glanz den Raum des Gezeltes; ein Flehen</p> +<p>Nach erbarmender Huld erscholl. Von Schauder ergriffen</p> +<p>Wollte sie flieh’n, um fern in den übersinnlichen Räumen</p> +<p>Noch zu entgeh’n dem Zorn der Himmlischen; aber unendlich</p> +<p>Rauscht’ Entsetzen ihr vor — ihr nach: sie sank in den +Abgrund</p> +<p>Außer den Gränzen der Welt, betäubt vom Schrecken, hinunter,</p> +<p>Und erkannte sich erst in den Jammergefilden der Hölle.</p> + +<p class = "stanza"> +Draußen im Schattenkreis’ des hochaufragenden Eichbaums</p> +<p>Gruben die Krieger ein Grab. Der Entseelte lag auf dem Rasen</p> +<p>Dort in den Lagermantel gehüllt: da hinkte sein Reitroß,</p> +<p>Völlig des Anseh’ns bar, aus der Au herüber, und senkte,</p> +<p>Leise genaht, das Haupt zu ihm hin, daß die wallende Mähn’ ihm</p> +<p>Dann mit dem Zaum nachsank, und des Todten Antlitz bedeckte.</p> +<p>Jahr’ entfloh’n: da hieß es, am Grabe des böhmischen Kriegers</p> +<p>Liege das bleiche Geripp von seinem verschmachteten Roß noch!</p> + +<p class = "stanza"> +Als aus Osten der Hauch des hellaufdämmernden Morgens</p> +<p>Ueber die frischbethauete Flur den kühleren Frühwind</p> +<p>Sendete; rings im Gefild sich die wiedererwachten Geschlechter</p> +<p>Regten, mit gleichgeschäftigem Drang zu durchlaufen des Tages</p> +<span class = "pagenum">253</span> +<p>Kreisende Bahn, bis ihr Ziel, nun bald, nun später erreicht ist;</p> +<p>Als in den Städten und Dörfern umher, in den Hainen und Wäldern</p> +<p>Munterer Laut sich erhob: da hatte der Kaiser im Lager</p> +<p>Schon die Scharen vereint, und zu drei Heersäulen geordnet,</p> +<p>Sie in geschlossenen Reih’n dem Feind’ entgegen zu stellen.</p> +<p>Aber der Ost- und der Steyer-Mark geworfene Scharen</p> +<p>Schob er den andern vor in der Mitte, daß sie in dem Schlachtfeld</p> +<p>Sich den entwundenen Kranz jetzt herrlicher wieder erkämpften.</p> +<p>Heiter saß er zu Pferd’, und sprengte hinauf und hinunter</p> +<p>Vor den Reih’n, zu entflammen den Muth der schweigenden Krieger:</p> +<p>Denn sie schwiegen, beschämt von des Rückzugs quälendem Vorwurf.</p> +<p>„Männer, wohlan,“ so ermahnt’ er sie laut, „steht heut’ in dem +Schlachtfeld</p> +<p>Fest zusammengedrängt — euch tapfer zu wehren, +entschlossen:</p> +<p>Denn bald dürfte der Feind, noch stolz auf errungenen Vortheil,</p> +<p>Mit gesteigertem Muth vorstürmen zum blutigen Angriff!</p> +<p>Ha, schon seh’ ich den Siegeskranz, mein edler Capellen,</p> +<p>Dir an der Stirn! Dir, Trautmansdorf, dem Vater der Helden,</p> +<p>Glühen die Wangen vor Gier, zu rächen im Blute des Feindes</p> +<span class = "pagenum">254</span> +<p>Die, nur mit Uebermacht erschlagenen Söhn’ in dem Vorkampf.</p> +<p>Oestreichs Edelstein’ und Demantberge, verdunkelt</p> +<p>Heute sogar den Ruhm der thatengewaltigen Ahnen:</p> +<p>Denket des Siegs! Doch, Lichtenstein, wie? Soll ich dich +schelten?</p> +<p>Nicht die gewohnte Heiterkeit färbt mit Freude dein Antlitz</p> +<p>Heut’: erbebst du dem Feind? Der Tapfere scheuet den Tod nicht.“</p> +<p>So, vortummelnd das Roß, erregte der Kaiser die Helden.</p> +<p>Aber dem Eilenden rief der Lichtensteiner im Scherz nach:</p> +<p>„Mit Vergunst! Ihr irrt, erlauchtester Kaiser! Den Feinden</p> +<p>Bebt kein Lichtenstein; doch, fröhlicher Dinge zu scheinen</p> +<p>Noch, da uns Ottgar jüngst des Turnmahls schnöde beraubte,</p> +<p>Gestern nicht gönnte die Zeit, an dem trockenen Brot’ uns zu +letzen,</p> +<p>Auch den Schlaf uns stahl? Das möchte nicht allen genehm seyn!</p> +<p>Doch wir tischen ihm bald die Mahlzeit auf, und verhelfen</p> +<p>Ihm zu dem furchtbarn Schlaf, dem er gar freudig entrönne.“</p> + +<p class = "stanza"> +Lächelnd hörte das Volk den Munteren. Aber der Kaiser</p> +<p>Flog zur Rechten hinauf, wo Schweizer, Tyroler, und Schwaben,</p> +<p>Muthbeseelt, sich eineten; schwang das Eisen, und rief dann</p> +<p>Laut zu dem Sohn, den jüngst er jenen erwählte zum Feldherrn:</p> +<p>„Albrecht, halte dich wohl! Stets warst du im Schlachtengewitter,</p> +<span class = "pagenum">255</span> +<p>Leuchtend, ein Stern; dir gleich der Burggraf Friedrich und +Hochberg,</p> +<p>Und mein Müller dort, der redliche, treue Geselle!</p> +<p>Auf, ihr seyd mein Volk, ihr sollt mir Ehre gewinnen!</p> +<p>Dietrichstein, du Hort der Helden Tyrols, wie erhebt dich</p> +<p>Jetzo die Stelle, nach welcher mein Haug in der Veste sich +sehnet!“</p> +<p>Rief’s; dann flog er zur Linken hinab, und ermahnte die +Feldherrn:</p> +<p>„Meinhard, trefflicher Held, nicht harrst du erregenden Aufrufs</p> +<p>Muthig zu steh’n im Kampf: denn immer wird dir im Schlachtfeld</p> +<p>Nur der herrlichste Lorber zu Theil; nun führe die Kärnthner,</p> +<p>Führe die Krainer zum Sieg! Dir folgen die Tapferen: Heunburg,</p> +<p>Albert von Görz, und der Ortenburg auf der rühmlichen Bahn nach.“</p> +<p>Und er entflammte zugleich mit mutherregenden Worten</p> +<p>Kaduschas Brust, und die Kraft des Trentschiner Helden Mathias.</p> +<p>D’rauf entsandt’ er die Herolde, noch in der Stunde des Morgens</p> +<p>Aufzubiethen sein Volk: die heilige Sühne zu feiern.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber noch säumte daheim in dem Lager der König der Böhmen;</p> +<p>D’rob der Kaiser sich hoch verwunderte: denn nicht enthüllt war</p> +<span class = "pagenum">256</span> +<p>Ihm des Jünglings Tod, und der Gram des erschütterten Königs,</p> +<p>Ottgars. Katwald fuhr um ihn her, und erregte das Herz ihm:</p> +<p>Jetzt auf des Siegs betretener Bahn mit gewaltiger Thatkraft</p> +<p>Vorzudringen. Umsonst! Er saß, hinstarrenden Blickes,</p> +<p>In dem Gezelt, und regte sich nicht — wie ein Marmorgebild +dort,</p> +<p>Wo an der Urne des Sohn’s, des frühverblich’nen, der Vater,</p> +<p>Sitzt gesenketen Haupt’s, und die Thrän’ entlocket dem Wand’rer.</p> +<p>D’rauf entschwang sich der Geist, und rief den muthigen +Feldherrn:</p> +<p>Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Herbot,</p> +<p>Heinrich, dem Hort der <ins class = "correction" +title = "ungeändert: anderswo und 1827 »Bayern«">Baiern</ins>, +und Pfeil, dem Gebiether der Sachsen,</p> +<p>Die zu erneuertem Kampfe bereit, des mächtigen Königs</p> +<p>Harrten, schwebend umher von einem zum andern, ergrimmt, zu:</p> +<p>„Eilt, und erweckt aus Gram und Verzweiflung euren Beherrscher:</p> +<p>Denn er brütet erstarrt für sich hin, und verschließet des +Glückes</p> +<p>Stimme sein Ohr, das flüchtig entweicht! O nichtige Hoffnung:</p> +<p>Als den geworfenen Feind nur die Nacht den vernichtenden Blitzen</p> +<p>Eures Arms entriß, da flucht’ er dem nächtlichen Dunkel</p> +<span class = "pagenum">257</span> +<p>Laut, und ersehnte des Morgens Strahl; nun weilet er müßig,</p> +<p>Und versäumt des Schlachtengeschicks entscheidenden Zeitraum!“</p> +<p>Also der Geist, und sie eilten sogleich nach dem Zelte des +Königs;</p> +<p>Doch, eintretend voll Hast, erbebten die Tapferen alle;</p> +<p>Allen erstarb der Laut in dem Mund: so schrecklich zu schauen</p> +<p>War die Gestalt, die jüngst noch in jeglichem Busen den Muth hob.</p> +<p>Lange starreten sie, von Schauern ergriffen, dem König</p> +<p>In das entseelte Gesicht; doch jetzt erhob er sich. Plötzlich</p> +<p>Färbte glühendes Roth ihm die Wangen, und hell, wie im +Nachtgrau’n</p> +<p>Flammt der Essen zerschmelzende Gluth, von mächtigen Bälgen</p> +<p>Brausend empört, ihm glänzten die zornausblitzenden Augen,</p> +<p>Als er den Helden genaht, mit geballter Faust, und, den Boden</p> +<p>Stampfend, das Kleid aufriß, und die Brust voll rühmlicher Narben</p> +<p>Rasch entblößend, rief: „Habt ihr ihn getödtet, den Jüngling</p> +<p>Voll gewaltiger Kraft, voll edelen Muthes und Sinnes?</p> +<p>Nein, ihr nicht: denn ihr seyd feig! Doch heimlich empöret</p> +<p>Habt ihr das edle Gemüth, daß er frech des Kindes Gehorsam</p> +<p>Mir versagte, mich floh, und selbst mein schrecklichster Feind +ward.</p> +<p>Aber er stieß den Dolch, den ihr ihm gereicht, nicht dem Vater</p> +<span class = "pagenum">258</span> +<p>Hier in die liebende Brust: er durchbohrte sein eigenes Herz nur.</p> +<p>Ha, was säumt ihr fürder? Entblößt — dem meuchelnden +Dolchstoß</p> +<p>Offen seht ihr die Brust, in der ein tapferes Herz schlägt!</p> +<p>Wohl bekannt ist mir’s, daß ihr nach dem Leben mir strebet;</p> +<p>Auf, vollführet es hier, eh’ draußen noch tausende fallen,</p> +<p>Opfer des Kriegs, des furchtbarn, der mir nimmer zum Heil wird!“<a +class = "tag" name = "tag8_3" id = "tag8_3" href = "#note8_3">3</a></p> +<p>Dann verstummt’ er, erblaßt, vor den Tapferen. Lobkowitz wiegte</p> +<p>Trauernd, das Haupt: erhob g’en Himmel den Blick, und begann so:</p> +<p>„Welchen Jammer verhängt der Ewige über die Völker</p> +<p>Böheims! Herr, droht Krankheit dir? Ach, immer zum Herzleid</p> +<p>Deines getreuesten Volks geschäh’s — doch jetzt zur +Verzweiflung:</p> +<p>Wo der Sieg uns winkt, und die Feinde, vom Schrecken gebändigt,</p> +<p>Zitterten! Hab’ ich, dem Streit abhold, nicht des segnenden +Friedens</p> +<p>Worte gesprochen im Rath’? Umsonst: du wolltest den Krieg nur!</p> +<p>Nun vollführ’ es mit Muth, was du so kräftig begonnen.“</p> +<p>Ottgar wandte sich schnell zu Milota: „Führe,“ so sprach er,</p> +<p>„Heute den Kern des Heers rasch vor zu des Kampfes Entscheidung.</p> +<span class = "pagenum">259</span> +<p>Hast du die dunkele Brust mir jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad,</p> +<p>Höhnend, enthüllt — zerfleischt mit blutigen Krallen das Herz +mir:</p> +<p>Traun, kühn war’s! so wirst du auch jetzt unbändigen Muthes</p> +<p>Stehen im Waffenfeld’, und erringen den Sieg mit Gewißheit:</p> +<p>Denn erprobt bist du in des Feldherrn wichtiger Stelle.</p> +<p>Lobkowitz weile mit mir, der Thaten gewärtig, im Rückhalt.“</p> +<p>Katwald hört’, erstaunt, die Rede des Königs, und rief ihm</p> +<p>Angstvoll: „Welch’ entsetzliche Wuth verblendet dich vollends,</p> +<p>Daß du den Kern des Heers dem heimlichen Gegner vertrau’n willst?</p> +<p>Immer lächelt er Hohn, und sinnt verderbliche Tücken.</p> +<p>Auf, ermunt’re dich jetzt, und führe das Heer in die +Feldschlacht,</p> +<p>Selber, sogleich; wo nicht, so vertrau’ es dem tapferen Helden</p> +<p>Lobkowitz, eh’ denn ihm, der dir zum Jammer erseh’n ist!“</p> +<p>Aber er ballte die Faust, und wankte nicht, eiserngesinnet.</p> +<p>Ihm sah Milota kalt in das Aug’, und entgegnete trotzig:</p> +<p>„Keinem Schwachen vertraust du den Stab, die Zierde des +Feldherrn,</p> +<p>Ueber den Kern des Heers: ich werde mir Ehre gewinnen!</p> +<p>Zwar verbanntest du mich erst jüngst auf dem nächtlichen Irrpfad</p> +<p>Ferne von dir: ich weilete heut’, und in kommender Zeit noch</p> +<p>Gern in dem Nachhalt nur: den hatt’ ich mir heimlich ersehnet!“</p> +<span class = "pagenum">260</span> +<p>Sprach’s mit bedeutendem Blick’, und eilte hinaus in der +Dämm’rung</p> +<p>Schnell zu entbiethen des Vorderzugs beritt’ne Geschwader.</p> + +<p class = "stanza"> +Draußen am Lagerrand, vor allen dem feindlichen <ins class = +"correction" title = "Original »naher«, 1827 »nahe«">näher</ins>,</p> +<p>Saßen die Meißner und Thüringer noch, erlesen zur Vorhuth,</p> +<p>An den Feuern umher, und verkürzten in frohen Gesprächen,</p> +<p>Oft aufjauchzend zugleich, sich die nächtlichen Stunden. Nur, als +jetzt</p> +<p>Milota, schaltend, vorüberzog, verstummte des Kriegers</p> +<p>Lautes Geschrei. Auch Inguiomar kam, eilenden Fluges,</p> +<p>Näher, und rief dem Führer des Volks, dem tapferen Dietrich:</p> +<p>„Ha, was sagte wohl jetzt der hochgesinnete Kaiser,</p> +<p>Heinrich, der Finkler genannt, der herrliche Vesten-Erbauer,<a class += "tag" name = "tag8_4" id = "tag8_4" href = "#note8_4">4</a></p> +<p>Der auch Meißen erbaute, die Burg, und der Eurigen Ahn ist,</p> +<p>So er euch sah’ im Bund mit den Böhmen, als Deutsche den +Deutschen</p> +<p>Feindlichentgegengestellt, und gehorchend dem Fremdling’ als +Söldner</p> +<p>Hier in dem Kampf, der euch nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil?</p> +<p>Jetzt soll Milota’s Wink, der euch nie günstig gesinnt war,</p> +<p>Gegen den Feind mit dem Kern des Heer’s euch drängen, und +treiben:</p> +<p>Denn hochwerth ist ihm, und noch mehr dem Könige selber,</p> +<span class = "pagenum">261</span> +<p>Deutscher Muth, und der Arm, der stets in dem Schlachtengefild +noch</p> +<p>Ihm den Sieg errang; doch bald vergißt er des Schweißes,</p> +<p>Und des Bluts, das ihr vergeudet, im eisernen Feld’ euch</p> +<p>Mühend für ihn, und ehrt, wie jetzt, nur die Seinen als +Feldherrn.</p> +<p>Männer, besteiget das Roß, und zieht in der Stille, des Lagers</p> +<p>Wall entlang, nach der Heimath fort, wo die einsame Gattinn</p> +<p>Eurer mit Sehnsucht harrt, im Kreis’ umlärmender Kinder!</p> +<p>So nicht einet ihr euch, dem Eid’ untreu, mit den Feinden</p> +<p>Ottgars; aber auch ihm nicht fröhnet ihr mehr in dem Kriegszug.“</p> +<p>Also der Geist. Da erhob sich schnell Herr Dietrich, und rief so:</p> +<p>„Männer, hört, was dünkt euch? Ha, was sagte wohl jetzo</p> +<p>Unser erlauchter Ahn, der treffliche Vesten-Erbauer,</p> +<p>Heinrich, so er uns sah’ im Bund mit den Böhmen, den Deutschen</p> +<p>Feindlichentgegenstellt? Wie, Ottgar soll uns zum Kampf hier</p> +<p>Drängen, daß wir mit dem Muth, der deutsche Herzen beseelet,</p> +<p>Und noch stets ihm den Sieg errang in dem eisernen Schlachtfeld,</p> +<p>Enden den Krieg, der uns nicht Ruhm gewähret, nicht Vortheil?</p> +<p>Ha, er vergißt nur zu bald des Bluts, und des strömenden +Schweißes,</p> +<span class = "pagenum">262</span> +<p>Den wir unverzagt ihm spendeten! Lieblinge sind ihm</p> +<p>Nur die Slaven allein: denn Milota soll uns gebiethen.</p> +<p>Brüder, sitzen wir auf, schnurstracks, und zieh’n in der Stille</p> +<p>Fort, nach der Heimath fort: g’en Thüringen, Meißen, wo, liebend,</p> +<p>Unser die Gattinn harrt im Kreis’ umlärmender Kinder!</p> +<p>Zwar stamm’ ich aus der Ostmark her<a class = "tag" name = "tag8_5" +id = "tag8_5" href = "#note8_5">5</a>: denn wisset es, Leupolds</p> +<p>Tochter, des Herzogs, war’s, die mich mit Schmerzen geboren,</p> +<p>Und mit Lieb’ erzog, zur Freude des <em>sieghaften</em> Vaters;</p> +<p>Doch nicht einen wir uns, dem Wort’ untreu, mit den Feinden</p> +<p>Ottgars — zieh’n nur heim, daß wir nicht die Brüder +bekämpfen.“</p> +<p>Lautumjauchzender Schrei verschlang ihm das Ende des Zurufs.</p> +<p>Zitternd vor freudiger Hast, aufzäumte der Krieger sein Reitroß;</p> +<p>Hing das Schwert mit dem Wehrgehäng’ um die Schulter, und schwang +sich</p> +<p>Auf in den Sattel, den eilenden Ritt zu beginnen, unmerkbar</p> +<p>Milota’s Falkenblick: denn als er wieder zur Rechten</p> +<p>Kehrte, ritten sie links Herrn Dietrich nach in der Stille,</p> +<p>Außer dem Rasenwall, thaleinwärts, bis sie den Heerweg</p> +<p>Wieder gewannen, entfernt dem Heer’, und für jetzo geborgen:</p> +<p>Denn hier wähneten all’: ein feindverderbender Zug +sey’s —</p> +<p>Milota’s Werk. Doch jen’ enteilten, voll Hast, nach der Heimath.<a +class = "tag" name = "tag8_6" id = "tag8_6" href = "#note8_6">6</a></p> + +<span class = "pagenum">263</span> +<p class = "stanza"> +Ottgar saß noch im Zelt vereint im Rath mit den Feldherrn.</p> +<p>Milder schlug sein stürmisches Herz, und er sagte mit Sanftmuth</p> +<p>Manches freundliche Wort den Tapferen. Aber vor allen</p> +<p>Rühmt’ er Czernin: ob des entschlossenen Zugs vor die Mauern</p> +<p>Wiens, des Ueberfalls, und des kluggeordneten Rückzugs</p> +<p>Nach dem rühmlichbestandenen Kampf mit unzähligen Gegnern.</p> +<p>„Ha,“ rief Czernin jetzt mit zweifelndem Blick, „noch entrann ich</p> +<p>Glücklich des Kaisers Gewalt: denn hatte der Vater des Sohns +nicht,</p> +<p>Schonend, geharrt, der erst in nächtlicher Stunde die Festung,</p> +<p>Für die sterbende Mutter besorgt, verließ: das Entrinnen</p> +<p>Wäre nicht leicht, und sicher das Grab in dem Zug uns geworden.</p> +<p>Jetzt nur schnell in den Kampf! Nicht in dumpfeinengenden Mauern,</p> +<p>Und Spießbürgern vereint, behagt mir, zu streiten; in Freiheit,</p> +<p>Draußen im Feld mir nahe der Feind: ich werd’ ihm begegnen!“</p> +<p>Als er geendet das Wort, da hob sich zur Decke des Zeltes</p> +<p>Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete Ritter,</p> +<p>Der den reussischen Scharen geboth, in feuriger Hast auf,</p> +<p>Blößte sein mächtiges Schwert, und sagte mit donnernder Stimme:</p> +<span class = "pagenum">264</span> +<p>„Nehmt, o König, zum Unterpfand des kühnen Versprechens,</p> +<p>Herbots eidliches Wort: nie zieht er hinfort in das Feld mehr,</p> +<p>So er nicht eueren Feind, der Kaiser sich nennet, gefangen,</p> +<p>Oder todt, euch schafft: dann möget ihr würdig ihm’s lohnen!“</p> +<p>„Dann,“ so höhnt’ ihn Zierotin, „dann werd’ ihm als Siegspreis,</p> +<p>So er es kühn vollführt, was er so muthig verheißen,</p> +<p>Böhmens Hälfte zu Theil — vielleicht verhieß ich zu wenig!</p> +<p>Aber, wohlan, wir all’ erringen gewiß in dem Feld dir</p> +<p>Heut’ unendlichen Ruhm, so uns dein gewaltiger Wink nur</p> +<p>Lenkt, und dein Siegesblick uns leuchtet im furchtbaren +Schlachtgrau’n!“</p> +<p>Sprach’s mit Kraft. So riefen zugleich der tapfere Heinrich,</p> +<p>Bayerns Herzog, und Pfeil, des Sachsen-Volkes Gebiether.</p> + +<p class = "stanza"> +Nun trat Zawiß von Rosenberg, der blühende Ritter,</p> +<p>Hastig in’s Zelt. Ihm sah wildstarrender Grimm aus den Augen,</p> +<p>Als er zu reden begann: „Nicht Erfreuliches werdet ihr hören:</p> +<p>Fort ist Meißens und Thüringens Volk, das reisige. Treulos</p> +<p>Zog es davon, und ihm liegt das Lager schon fern in dem Rücken,</p> +<p>Da es im Flug’ enteilt, zu erreichen die Fluren der Heimath.“</p> +<p>All’ aufschrie’n, von Zorn g’en jen’ empöret; nur Ottgar</p> +<p>Hob sich, schweigend, vom Stuhl. Wie des Vollmonds zitternder +Schimmer</p> +<p>Fern auf dem dunkelen Teich’ erglänzt: so erhellt’ ihm die Augen,</p> +<span class = "pagenum">265</span> +<p>Welche die Trauer umfing, des Muths aufdämmernder Lichtstrahl.</p> +<p>Langsam trat er heraus vor das Zelt; ihm folgten die Feldherrn.</p> +<p>Dort ersah er das Heer in der rosigen Frühe. Geschäftig,</p> +<p>Wie auf gehügeltem Laub’ im Walde die Ameisen rastlos</p> +<p>Kommen, und geh’n: so regte sich schon, die Rosse besorgend,</p> +<p>Rings das reisige Volk; der Waffen Glanz und des Lagers</p> +<p>Dumpfauftosender Lärm erfüllt’ ihm die Brust mit Vertrauen.</p> +<p>Doch stets lauter ertönete jetzt des eisernen Hufes</p> +<p>Schmetternder Schlag. Ein Ritter kam in brausendem Eilflug</p> +<p>Näher, und hielt das Roß vor dem Könige, trotzigen Blicks, an.</p> +<p>Leutold, der Kunring, war’s. Auch ihn empörte so eben</p> +<p>Inguiomar, daß er stolz entsage dem Waffenverein hier</p> +<p>Mit dem Beherrscher des Böhmenvolks. Nun sprach er ergrimmt so:</p> +<p>„Lang ersehnte mein Herz des furchtbarn Kampfes Entscheidung;</p> +<p>Aber umsonst: noch zauderst du stets, und versäumest des Glückes</p> +<p>Schnellentfliehende Zeit. Erst sah ich hinaus aus dem Lager</p> +<p>Ziehen die Meißner zugleich, und die Thüringer. Also bewährt sich</p> +<p>Mir die Sage: du biethest die Hand zum schmählichen Frieden,</p> +<p>Auf des Sohnes Verlobung bedacht, dem Grafen von Habsburg?</p> +<span class = "pagenum">266</span> +<p>Sey’s, ich tadle dich nicht: du magst verfahren nach Willkühr!</p> +<p>Aber ich ziehe g’en Dürrenstein mit meinen Getreuen.</p> +<p>Kommt dann, beide, vereint! Gar viel’ erblickt ihr der Euren</p> +<p>Liegen, entseelt, an dem Wall’ umher, eh’ Leutold, der Kunring,</p> +<p>Fällt: nicht besiegt durch euch — von dem Schutt der Veste +begraben.“</p> +<p>Stöhnend gab er dem Rosse den Sporn, und entschwand aus den Augen</p> +<p>Ottgars schnell. Er griff an die Stirn’, um welche der Frühwind</p> +<p>Wiegte sein grauendes Haar, und sprach zu dem sinnenden Feldherrn</p> +<p>Lobkowitz: „So ist des Menschen Geschick! In kräftiger Jugend</p> +<p>Hüpft der muntere Bach hervor aus grünenden Thälern;</p> +<p>Eilet dem freundlichen Land’ und den schimmernden Städten +entgegen,</p> +<p>Stets gewinnend an Kraft, als sich unzählige Flüsse,</p> +<p>Huldigend, ihm anreih’n: er rauscht, ein mächtiger Strom, fort.</p> +<p>Doch nicht ferne dem Ziel’, eh’ er matt versinkt in des Meeres</p> +<p>Dunkelen Schooß, reißt hier und dort sich in sandigen Eb’nen</p> +<p>Wieder ein Arm nach dem andern von ihm, und er endet verloren</p> +<p>Dann in dem allverschlingenden dort, auf immer die Laufbahn!</p> +<p>Aber, wohlan, nicht klage der Feind: mit unzähligen Scharen</p> +<span class = "pagenum">267</span> +<p>Hätt’ ich errungen den Sieg! Die treu verharren, genügen</p> +<p>Mir noch, Oestreichs Thron zu erkämpfen im Felde der Ehren.</p> +<p>Auf, wir ziehen dahin! Die Dromet’ erschalle; die Trommel</p> +<p>Rufe zur Schlacht, und im Wind entfalte sich winkend die +Sturmfahn’!“</p> +<p>Also geschah’s: denn rasch vordrangen die muthigen Scharen.</p> + + + + +<span class = "pagenum">268</span> +<h3><a name = "gesang9" id = "gesang9">Neunter Gesang.</a></h3> + + +<p>Sanft verhallete jetzt der Gesang zu der heiligen Feier,</p> +<p>Die der Priester des Herrn vollendete, kreisendumgeben</p> +<p>Von des Heeres geordneten Reih’n. Im räumigen Lager</p> +<p>Stand der Altar erbaut vor dem Bild des erlösenden Kreuzes</p> +<p>Schnell, wie die Zeit es heischt’, im Schmuck hellgrünender +Reiser;</p> +<p>Aber im Augenblick, wo nahe des Lebens und Todes</p> +<p>Würfel fallen, aufschwang sich das Herz in heißerer Andacht</p> +<p>Mit dem Gesange zu Gott: gar feierlich schlug’s in dem Busen!</p> +<p>Jetzt vom Staub, wo er bethend kniet’, erhob sich der Kaiser.</p> +<p>Himmlische Ruh’ erhellte sein Aug’, und, heiteren Muthes</p> +<p>Pochte sein Heldenherz, da im Feld die kehrenden Scharen</p> +<p>Schnell sich ordneten: denn schon riefen zum Kampf die Drometen.</p> + +<p class = "stanza"> +Hell aufflammte des Morgens Strahl. Die freundliche Sonne,</p> +<p>Die den Abend zuvor in Westen ermüdet hinabsank,</p> +<span class = "pagenum">269</span> +<p>Hob sich in Osten jetzt, als unter dem kreisenden Erdball</p> +<p>Sie die heimliche Bahn vollendete, schöneren Anblicks,</p> +<p>Wieder herauf, und erweckte die Welt zu erneuertem Leben.</p> +<p>Frischer grünte das Feld, und glänzender hüpfte der Strom hin;</p> +<p>Voll war Himmel und Erde vom Laut der verjüngeten Schöpfung;</p> +<p>Nur aus dem Waffenschmuck des versammelten Heers in dem Lager,</p> +<p>Sog die Sonn’, im Lauf, toddräuenden Glanz, und erfüllte</p> +<p>Rings die Völker umher mit Angstgebilden der Zukunft.</p> +<p>Aber den Kaiser umgab ein Kranz erlesener Feldherrn;</p> +<p>Alle horchten auf ihn, und harrten freudig des Winkes,</p> +<p>Der zu Thaten sie rief. Da sprach er, finsteren Blicks, so:</p> +<p>„Ottgar säumt, uns hier, wie er gestern gedroht, zu vernichten.</p> +<p>Schmach der That: nicht der Sitte gemäß, die aus grauender +Vorzeit</p> +<p>Wir ererbten, uns both er den Kampf; nein, heimlich, im Dunkeln</p> +<p>Fiel er, dem Währwolf gleich, der nächtlich die Hürde bestürmet,</p> +<p>Ueber uns her. Es gelang dem Kühnen, zerstreute Geschwader</p> +<p>Niederzuwerfen: sie trugen die Schuld und hatten den Lohn hin,</p> +<p>Allen zum warnenden Wink, daß nimmer ein Gleiches geschehe!</p> +<p>Aber vernehmt, was mir zuvor an heiliger Stätte</p> +<span class = "pagenum">270</span> +<p>Mächtig die Seel’ ergriff. Der entschwundenen Tage des Lebens</p> +<p>Dacht’ ich im stillen Gemüth: kein dauerndes Glück ist auf Erden.</p> +<p>Als ich Gutes und Schlimmes erwog, da fand ich, verwundert,</p> +<p>Daß ich am Freitag, an dem der Welterlöser für uns starb,</p> +<p>Stets mit Vortheil focht, und den Sieg errang in der +Feldschlacht.</p> +<p>D’rum, nicht aus Feigheit, nein, aus herzentspross’ner Verehrung</p> +<p>Für das geheiligte Kreuz, will ich den Kampf der Entscheidung</p> +<p>Morgen kämpfen, am Tag des heiligen Bartholomäus —</p> +<p>Heute, gefaßt, nur kühn abwehren den feindlichen Angriff</p> +<p>Ottgars, so er ihn wagt. Wir wollen sogar ihm versöhnend</p> +<p>Nah’n vor des furchtbaren Kampfes Beginn. Hervor aus den Reihen,</p> +<p>Trautmansdorf! Zieh’ hin zu dem Könige; bieth’ ihm des Friedens</p> +<p>Oehlzweig noch einmal aus meiner versöhnlichen Rechten.</p> +<p>Mögen auch dein’ Erzeugten, wie sonst, dir folgen, daß etwa</p> +<p>Solches den Trotz ihm beugt, und das Herz zur Milde beweget:</p> +<p>Denn tief rührt uns die Schau des söhn’umgebenen Helden!“</p> +<p>Also geschah’s. Hervor aus den Reihen der tapferen Ritter</p> +<p>Kam nun Trautmansdorf mit den zwölf ruhmdürstenden +Söhnen —</p> +<p>Zwei entraffte der grimmige Tod schon gestern im Nachtgrau’n,</p> +<p>Als sie im Ueberfall dort Ottgars Rechter erlagen.</p> +<span class = "pagenum">271</span> +<p>Ach, nicht lange, so fallen auch sie, auf dem eisernen +Schlachtfeld</p> +<p>Kämpfend, und einsam kehrt der trauernde Vater zur Burg heim!</p> +<p>Jetzt entblößt’ er den Stahl, und sagte mit sinnigen Blicken:</p> +<p>„Hart ertönet dem Vater der Ruf, daß er nahe dem Gegner,</p> +<p>Dessen Rechte noch roth vom Blut der erschlagenen Söhn’ ist:</p> +<p>Denn er könnte den Streit, obgleich ein Bothe des Friedens,</p> +<p>Heißer entflammen. Wohlan, wir wollen des Friedens gedenken!“</p> +<p>Sagt’ es, und sprengte davon, umringt von den tapferen Söhnen.</p> + +<p class = "stanza"> +Siehe, nicht fern von Zwerndorf theilt, von trüben Gewässern</p> +<p>Schwer, sich der Weidenbach, und eint sich nur wieder vor +Marcheck.</p> +<p>Links hin streckt er im Augefild den schlängelnden Arm aus,</p> +<p>Während, die Straß’ entlang, er rechts die tieferen Fluthen</p> +<p>Träg fortwälzt. In dem Eiland dort, Baumgarten vorüber,</p> +<p>Traf nun Trautmansdorf auf die Reisigen, welche der Gegner</p> +<p>Sandt’, umspähenden Blicks, zu erkunden die Nähe des Gegners:</p> +<p>Denn es erlies’t auf der Kriegslaufbahn ein jeglicher Feldherr</p> +<p>Waghäls’ sich, die im Grau’n des feindbedroheten Vorschritts,</p> +<p>Als <em>Erleuchter</em> ihm zieh’n, und Sicherheit schaffen der +Heersmacht.<a class = "tag" name = "tag9_1" id = "tag9_1" href = +"#note9_1">1</a></p> +<p>Schon von ferne die Schar, die Rudolph sandte, gewahrend,</p> +<span class = "pagenum">272</span> +<p>Ritten sie, brausenden Flugs, zu den Mähnen gebeugt, und den +Degen</p> +<p>Schwingend auf in die Lüfte, heran: sie wähnten, des Gegners</p> +<p>Vorhuth sey’s, und brannten vor Gier, sie niederzuschmettern.</p> +<p>Laut schrie Trautmansdorf: „Halt ein! Als Herolde nah’n wir:</p> +<p>Blutigen Kampf — will’s Gott, noch lieber den Frieden zu +biethen!“</p> +<p>Jen’, unmuthigen Blicks (denn beutebegierig) ihm winkten</p> +<p>Stille zu halten am staubenden Weg’, und sendeten alsbald</p> +<p>Zween der Reiter zurück, des Feldherrn Sinn zu erforschen,</p> +<p>Milota’s; doch er that, des Herolds Worte bedenkend,</p> +<p>Solches dem Herrscher kund, und er säumte nicht: denn mit den +Reitern</p> +<p>Seines Gefolgs und Milota’s, kam er heran zu dem Vor-Zug;</p> +<p>Hemmte den Rappen, und hieß, mit zorngerötheten Augen,</p> +<p>Gegen ihn stolzausstreckend den Arm, den Redner beginnen:</p> +<p>„Mein erlauchtester Kaiser und Herr,“ so sagte der Ritter,</p> +<p>„Sendet dir freundlichen Gruß, und thu’t dir kund, und zu wissen:</p> +<p>Nicht nach edelem Brauch — unritterlich hast du sein Volk +ihm</p> +<p>Ueberfallen bei dunkeler Nacht, und zu weichen, gezwungen.</p> +<p>Dennoch biethet er jetzt, hier unter des wölbenden Himmels</p> +<p>Heiterem Blau, und im Angesicht des versammelten Heeres,</p> +<p>Dir an dem Fest des heiligen Bartholomäus, auf morgen,</p> +<p>Offen die Feldschlacht an; obgleich gerüstet, entschlossen</p> +<p>Heut’ in dem Lager zu ruhn, und abzuwehren den Angriff</p> +<span class = "pagenum">273</span> +<p>Deiner Gewaltigen, wenn — doch, das sey ferne, sie +stürmten.</p> +<p>Aber er heißt dich zugleich das Wohl und das Wehe bedenken</p> +<p>Tausender. Seyd versöhnt! Du vernahmst des Friedens Bedingniß.“</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar schwieg erstaunt. Ihn erschütterte heimlich die Bothschaft.</p> +<p>Auch ergriff ihn mit Zaubergewalt ein flüchtiger Anblick</p> +<p>Jener blühenden Schar, die um ihren Erzeuger zu Pferd saß.</p> +<p>Bald auf dem einen und bald auf dem anderen hing mit Gefallen</p> +<p>Sein gemilderter Blick: er dachte des Sohnes, und — +Wallsteins!</p> +<p>Schon gewahrete jetzt auch Lobkowitz, daß ihm der Unmuth</p> +<p>Wich aus der Brust: er kam, des Friedens Ruf zu erneuern;</p> +<p>Aber da naht’ ihm Katwald schnell, und haucht’ ihm, vor allem,</p> +<p>Trotz in das Herz. Er sagte: „Du sollst für den blühenden +Oehlzweig</p> +<p>Tauschen heute dein Schwert im furchtbarn Felde der Waffen,</p> +<p>Wo der Sieg dich erhöht’? Ein Thor wär’s, der es nicht sähe,</p> +<p>Daß nur die Angst vor dir ihm solches gerathen; zerschmettr’ +ihn!“</p> +<p>Also der Geist. Auch Milota rief ihm, verhöhnend, entgegen:</p> +<p>„Ha, du sollest vielleicht neu huldigen, wie auf dem Eiland</p> +<span class = "pagenum">274</span> +<p>Kamberg? Steht das dunkle Gezelt, mit dem trüglichen Vorhang,</p> +<p>Dich zu beschimpfen, bereit, daß rings die Völker dich schauen,</p> +<p>Dich, den König von Böheim, dort auf den Knie’n vor dem Kaiser?“</p> +<p>Ottgar ballte die Faust; er sah mit grimmigen Augen</p> +<p>Um sich her, und begann voll Wuth: „Wer wagt es, vom Frieden</p> +<p>Hier zu sprechen? Hinweg auf immer mit jeglicher Einung</p> +<p>Zwischen Habsburgs Grafen und mir, dem Könige! Weichet,</p> +<p>Zitternde Memmen, nur wieder zurück’, und entbiethet von Ottgar</p> +<p>Ihm die Fehd’ auf Leben und Tod! Zieht hurtig von hinnen,</p> +<p>Alle, daß euch nicht ereile mein Zorn schon hier, vor dem +Angriff.“</p> + +<p class = "stanza"> +Rasche Bewegung erhob sich im Kreis’ der gesendeten Helden:</p> +<p>Manchem zuckt’ es im Arm, aus der Scheide sein blinkendes Eisen</p> +<p>Gegen den König zu zieh’n; doch schnell bezwang sie der Vater:</p> +<p>„Denket,“ so rief er gefaßt, „wir kamen als Herolde Rudolphs,</p> +<p>Unsers erhabenen Kaisers, gesandt: nicht ziemt es uns, jetzt hier</p> +<p>Rächer der Unbill zu seyn; doch bald, in dem Felde der Waffen</p> +<span class = "pagenum">275</span> +<p>Laßt uns gedenken der Schmach, und sie rächen im Blute mit +Nachdruck.“</p> +<p>Rief’s, und jagte den Renner zurück’. Ihm folgten die Seinen</p> +<p>Zögernd, vor Ingrimm, nur, und wandten die flammenden Augen</p> +<p>Häufig zurück: denn ach, die raschnachstürmenden Reiter</p> +<p>Höhnten sie noch mit Geschrei und mit schallendem, lautem +Gelächter!</p> +<p>Sieben gehorchten, und folgten ihm nach; doch lenkten die andern</p> +<p>Fünf’, aus der Zahl der eigenen Söhn’, unbändiger Wuth voll,</p> +<p>Plötzlich die Rosse herum, und flogen zurück auf dem Heerweg.</p> +<p>„Brüder,“ so rief der älteste laut, „kommt, lasset uns sterben,</p> +<p>Eh’ wir dulden die Schmach, die uns also die Seele betrübet!“</p> +<p>So mit empörendem Ruf’ enteilete Hartwig, den Degen</p> +<p>Schwingend zur Luft. Ihm nach, mit Eckhard, Walther, und +Siegfried,</p> +<p>Folgte sein Zwillingsbruder und Freund, der tapfere Dietbert,</p> +<p>Bis sie erreichten die Schar der Reisigen, die zu dem Angriff</p> +<p>Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete, führte:</p> +<p>Denn er warb sie entlang die grünlichen Fluthen des Peltew,</p> +<p>Jüngst: Klein-Reussens Volk, zu des Kriegs Beschwerden gestählet,</p> +<p>Wie auch geübt in dem Schlachtengedräng, schnellfüßige Rosse</p> +<p>Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels;</p> +<p>Dann mit des Fußes Druck’ und dem Stoße der nervigen Rechten</p> +<p>Einzustürmen im sausenden Flug’ in die feindlichen Reihen.</p> + +<span class = "pagenum">276</span> +<p class = "stanza"> +Siehe, so weit ein Pfeil, von der Sehne geschnellt, in den Lüften</p> +<p>Herfleugt, hemmte schon Hartwig das Roß, und harrte, dem Leu’n +gleich,</p> +<p>Der in der Hetz’, umringt von emporgereiheten Sitzen</p> +<p>Voll schaulustigen Volkes, allein, der entfesselten Rüden</p> +<p>Heulender Schar, wie sie kommen, mit todandräuenden Augen</p> +<p>Harrt, und vor Grimm dumpf murrt: so Hartwig, als ihm die Reiter</p> +<p>Naheten; doch er rief mit gewaltiger Stimme noch laut so:</p> +<p>„Ha, ihr brüstet euch wohl, auf die zierlichgestalteten Mützen</p> +<p>Wie auf das wallende Kleid und die fähnleintragenden Lanzen</p> +<p>Stolz, in dem Vor-Zug oft, in vielumstürmender Mehrzahl,</p> +<p>Niederzustoßen den einzelnen Mann? — so gar nicht geachtet,</p> +<p>Weder dem Feinde noch Freund’: denn bar all’ edler Gesinnung,</p> +<p>Die des Kriegers Brust, des tapferen, füllet mit Großmuth!</p> +<p>Euere Zung’ ist kühn, die Helden zu schmähen; so kommt denn,</p> +<p>Zeiget den Muth, uns hier zu besiegen im rühmlichen Vorkampf!“</p> +<p>Also drang er im Eilflug vor; ihm folgten die Brüder</p> +<p>Alle, zur Wuth empört. Den Schaft der feindlichen Lanzen</p> +<p>Jetzt aufschleudernd zugleich mit dem Schwert’, erwürgten der +Gegner</p> +<p>Dreizeh’n sie, voll Hast, und wandten dann fliehend den Rücken.</p> +<p>Fort nur ein Weniges noch, und sie waren entrückt dem Verderben:</p> +<span class = "pagenum">277</span> +<p>Da fiel Dietberts Roß, und begrub mit dem Rücken den Reiter.</p> +<p>Hartwig ersah’s, wie er lag in dem Staub: denn immer nach ihm hin</p> +<p>Wandt’ er den lächelnden Blick; urplötzlich verscheuchte das +Lächeln</p> +<p>Jetzo die Angst: er stieg nicht, er stürzte vom Pferde herunter;</p> +<p>Lief, erhob ihn, und strebt’, auf den Rücken des rasch und behend +sich</p> +<p>Wieder erhebenden Thiers, ihm, lautermunternd, zu helfen.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch schon nahten im Flug die erbitterten Feinde. Die Lanzen,</p> +<p>Lechzend nach Blut, voreileten weit, zugleich von der Rechten</p> +<p>Und vom kräftigen Fuße gedrängt, zum schrecklichen Mordstoß.</p> +<p>Sieh’, und, als den Zaum und die Mähn’ erfassend, sich Dietbert</p> +<p>Auf in den Bügel schwang, da bohrten der feindlichen Reiter</p> +<p>Zween ihm die Lanz’ in die Brust: er sank, und verhauchte das +Leben,</p> +<p>Eh’ aufschreiend vor Angst um den liebenden Bruder, ihm Hartwig</p> +<p>Hülfe geschafft, und Eckhard, fern mit Walther und Siegfried,</p> +<p>Sich des Jammers versah’n im lauterbrausenden Heimritt.</p> +<p>Zwar sie kehrten zurück’; auch Hartwig saß in dem Sattel</p> +<p>Wieder, und so wie der wüthende Bär, dem drüben der Weidmann</p> +<span class = "pagenum">278</span> +<p>Schon das zweite Geschoß in die Seite getrieben, sich brüllend,</p> +<p>Auf den hinteren Beinen erhebt, und rasch auf den Schützen</p> +<p>Losstürmt: drang auch er, ergrimmt, auf die feindliche Schar ein.</p> +<p>Nur die Zween im Aug’, die ihm erst erwürgten den Bruder,</p> +<p>Gab er dem Rosse den Sporn, und warf sich inmitten der beiden:</p> +<p>Einem im Flug zerschmetternd die Stirn’, und dem andern die +Scheitel</p> +<p>So, daß sie lautlos jetzt, und auf einmal dem Sattel entstürzten!</p> +<p>Hoch aufflatterte noch, im Sturz, von dem Schafte das Fähnlein,</p> +<p>Das, geröthet vom Blut des erschlagenen Bruders, ihn reizte.</p> +<p>Lang’ noch, hätt’ er zugleich mit den drei kampfmuthigen Brüdern,</p> +<p>Sich, unbändiger Kraft, gewehrt, und noch manchen der Gegner</p> +<p>Hingewürgt; doch schrie, vor Wuth sich die Lippen zernagend,</p> +<p>Jaroslav, der Führer des Volks, mit entsetzlicher Stimme:</p> +<p>„Schließt, ihr Memmen, den Kreis um die Rasenden; stoßet sie +nieder!“</p> +<p>Also geschah’s: denn jetzt, umringt von dichteren Haufen,</p> +<p>Sanken sie dort, mit nie zu erschütterndem Muthe sich wehrend,</p> +<span class = "pagenum">279</span> +<p>Alle, vom Sattel herab, und verhauchten auf Leichen der Gegner,</p> +<p>Die sie im Kampf’ erwürgten zuvor, die tapferen Seelen.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch der unglückliche Vater flog auf dem schnaubenden Rosse</p> +<p>Nach dem Lager zurück. Den Herrscher zu treffen, verlangend,</p> +<p>Daß er ihm künde sogleich das Nahen der feindlichen Heersmacht,</p> +<p>Sprengt’ er, die Scharen entlang, dorthin, wo im Hauche des +Windes</p> +<p>Sein Panier aufflatterte, schön und erhaben vor allen.</p> +<p>Eilig sprach er vor ihm, um die fünf gefährdeten Kinder,</p> +<p>Die ihm nicht folgten, besorgt: „Umsonst ersehnst du den Frieden</p> +<p>Jetzt mit dem Könige: denn nur des Kampfs und der Rache gedenkt +er.</p> +<p>Wisse, dir nah’t sein Heer; nicht fern mehr streifen die Reiter</p> +<p>Milota’s. Ach, mir gönne die Huld, vor des Lagers Umwallung,</p> +<p>Kehrend in Eile, zu schau’n: ob mein’ Erzeugten mir folgen?</p> +<p>Denn sie sanken vielleicht, empört von unwürdiger Schmähung,</p> +<p>Die von dem Feind’ uns ward, als Opfer unbändiger Rachgier!“</p> +<p>Sagt’ es, und eilete dann, von den tapferen Söhnen umgeben,</p> +<span class = "pagenum">280</span> +<p>Wieder hinaus vor des Lagers Wall, wo Lärm und Getümmel</p> +<p>Unter dem Volk sich erhob: denn Milota’s furchtbare Reiter</p> +<p>Jagten herbei, wie am grau’numhülleten Morgen des Winters</p> +<p>Mit endlosem Geschrei unzählige Krähen heranzieh’n;</p> +<p>Schwangen die Lanzen zur Luft, und bothen dem Heere des Kaisers</p> +<p>Kampf auf Leben und Tod, mit wildverhöhnendem Trotz’, an.</p> +<p>D’rauf nachbrausten sie wieder im Flug den Kriegesgefährten,</p> +<p>Sich auf des Feldherrn Wink schnell aufzustellen im Saatfeld.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber der Lärmruf scholl nun rings in dem Lager. Die Trommel</p> +<p>Wirbelte; stets empörender klangen die hellen Drometen;</p> +<p>Herolde flogen voll Hast umher; die Stimme der Führer</p> +<p>Rief gebiethend zur Schlacht; das Fußvolk schloß sich in Reihen;</p> +<p>Rasch auf das Pferd aufschwang sich der Reisige; schimmernden +Anblicks</p> +<p>Zogen die Ritter allen voran, und herrlich geordnet</p> +<p>Ging jetzt Rudolphs Heer in festausdauernder Abwehr</p> +<p>Außer des Lagers Wall, dem Feinde die Spitze zu biethen.</p> +<p>Ach, dort starrete noch auf die fünf erschlagenen Brüder</p> +<p>Trautmansdorf, der tapfere Held, mit erschütternder Fassung,</p> +<p>Schweigend, hinab! Es sandte zuvor der schreckliche Feldherr,</p> +<span class = "pagenum">281</span> +<p>Milota, der auf dem Feld den angstergriffenen Landmann</p> +<p>Zwang, das gehörnete Rind, in Eil’, an den Karren zu spannen,</p> +<p>Sie nach dem feindlichen Lager heran. Da enthoben die Krieger</p> +<p>Jenem die traurige Last, und legten sie dort auf den Boden.</p> +<p>Aber er trieb sein Gespann, schnell wieder zurück’ auf dem +Heerweg.</p> +<p>Siehe, schon wandte sich Trautmansdorf von den theueren Todten</p> +<p>Nach den Lebenden um, und gewahrte mit steigender Rührung</p> +<p>Jetzt, daß sie all’, ihm gleich, bezwangen die Thräne. Nur Erdwin</p> +<p>Hielt sich nicht länger, der jüngst’, und der theuerst’ ihm seiner +Erzeugten:</p> +<p>Denn er sprang von dem Roß’, und warf mit schallendem Wehruf</p> +<p>Sich auf die Brüder hin: nun dem — dann wieder dem andern</p> +<p>Küssend die blasse Stirn’ und die toderstarreten Lippen.</p> +<p>Schnell umzog ein glänzender Thau die Augen des Vaters</p> +<p>Und der Söhne zugleich; sie weineten, über die Todten</p> +<p>Hingebeugt. Doch jetzo begann der tapfere Feldherr:</p> +<p>„Keiner tadle den Schmerz, der uns bei den jammernden Tönen</p> +<p>Meines geliebtesten Sohnes ergriff. Vielleicht, daß ihn auch bald</p> +<span class = "pagenum">282</span> +<p>Grausam der Tod entrafft. Daß mir doch solches geschähe,</p> +<p>Eh’ denn ihm — zu entsetzlich wär’ des Getödteten Anblick!</p> +<p>Aber so will es des Kriegers Los: er sterbe der Pflicht treu!</p> +<p>Nur beschirmt, als Brüder, ihn kühn! Im Gemenge der Waffen</p> +<p>Möge der eine die Brust für den andern biethen, und Rettung</p> +<p>Schaffen sich selber und ihm, der Wechselhülfe gedenkend!</p> +<p>Erdwin, auf! Gebieth’, und schnell gehorchen die Krieger</p> +<p>Dir: nach Marchecks heiligem Grund die gefallenen Helden</p> +<p>Heimzutragen, daß dort der Priester mit Grabesgesängen,</p> +<p>Segnend, vertraue dem Staube den Staub; du folge dem Zug’ nach!“</p> +<p>Erdwin winkte den Kriegern stumm: sie erhoben die Leichen</p> +<p>Auf langschaftige Speer’, und trugen sie schnell nach den Mauern</p> +<p>Jener, unferne gelegenen Stadt, daß Alles und Jedes</p> +<p>Nach dem Willen geschah des mildgesinneten Vaters.</p> +<p>Durch das geordnete Heer ging nun der trauernde Zug fort:</p> +<p>Denn nach dem Rasenwall, den gestern unzähliges Landvolk</p> +<p>Baute, und d’rauf mit dem Graben umzog, dem Lager zur Schutzwehr,</p> +<p>Kam es heran: in den blutigen Kampf mit dem Feinde zu treten.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber, nicht rastete Katwald jetzt im höheren Luftraum:</p> +<p>Denn voll Muthes empört’ er die Kraft des nahenden Feldherrn,</p> +<span class = "pagenum">283</span> +<p>Milota’s. Sieh’, als dieser die furchtbarn Reisigen Herbots</p> +<p>Eilen hieß in dem Vorderzug, nach dem muthigen Fußvolk</p> +<p>Mährens, dem er geboth, nachdrang ihm zur Rechten der Baiern</p> +<p>Treffliche Schar, geführt von Heinrich dem edelen Herzog,</p> +<p>Jetzt mit den Sachsen vereint, den tapferen, welche der Markgraf</p> +<p>Pfeil (ein Pfeil in der Schlacht!) im Sturmschritt lenkte: den +beiden</p> +<p>Herrschte noch Czernin ob, als Feldherr. Aber zur Linken</p> +<p>Drang der Böhmen erlesenes Volk, gehorchend dem Helden</p> +<p>Lobkowitz, vor, und nach diesem kam das kühne Geschwader,</p> +<p>Welches sich Ottgar heut’ erlas, gleich loderndem Feuer,</p> +<p>Rasch aus dem Nachhalt vor, in die Reihen der Feinde zu stürmen.</p> +<p>Katwald eilte, voll Hast, vom Einen zum Andern, und weckte</p> +<p>Mächtig in jeglicher Brust des Kampfs entsetzliche Sehnsucht.</p> +<p>Horch, schon tönt drometendes Erz; schon wirbelt die Trommel,</p> +<p>Schreit der Krieger, und wiehert das Roß; schon zittert der Boden</p> +<p>Unter dem stampfenden Huf; des Blachfelds Weite bewegt sich</p> +<p>Vorwärts. Doch, wie im Hauch zwei streitender Wind’ an den Ufern</p> +<p>Wogen die Fluthen des See’s herauf und hinunter: so trat auch</p> +<p>Rudolphs tapferes Heer vor dem Wall den Feinden entgegen,</p> +<span class = "pagenum">284</span> +<p>Und, wie der thürmende Wald erkracht, den plötzlich aus Süden</p> +<p>Und aus Norden zugleich, Orkane zerschmettern im Spätherbst:</p> +<p>Zahllos liegen umher die unendlichen Stämme geworfen</p> +<p>Durcheinander hinab in den Staub: so lagen die Reiter</p> +<p>Dort mit den Rossen, erwürgt, und des Fußvolks Reihen vermenget.</p> +<p>Furchtbar wüthete heut vor allen der tapfere Feldherr,</p> +<p>Milota, so daß Ottgar selbst den gewaltigen Thaten</p> +<p>Staunte, die er vollbracht’ in des Todes erkorenem Saatfeld.</p> +<p>Ach, er ahnete nicht, wie der Rachebrütende jetzt auch</p> +<p>Arges sann im Gemüth — daß er ihm vertraue, die Scheingluth</p> +<p>Heuchelte, bald Verrath nur an ihm zu verüben, entschlossen!</p> +<p>„Herbot,“ so rief er „hin, wo in keilgestalteter Ordnung</p> +<p>Oestreichs Heerschar naht — die Ritter für jetzo +vermeidend,</p> +<p>Eile zuerst, und stürm’ im Flug’ in die Seite des Volks ein!“</p> +<p>Also geschah’s: denn schmetternd erklangen die eh’rnen Drometen;</p> +<p>Schnell, wie das Wetter fleugt, vorbraus’ten die reussischen +Reiter,</p> +<p>Und die gesenkte Lanz’ aus der Röhre des eisernen Bügels</p> +<p>Festnachdrängend, erkor ein jeder von ferne den Mann schon,</p> +<p>Dem er die Brust zu durchbohren beschloß. Wohl sechzig erlagen</p> +<p>Also dem tödlichen Stahl der wildanprallenden Reiter,</p> +<span class = "pagenum">285</span> +<p>Die in des oberen Oestreichs Gau’n der tapfere Hauptmann</p> +<p>Berchthold, warb, und lautes Geschrei auftobte zum Himmel.</p> +<p>Jene wichen zurück’, um schnell zu erneuerndem Anlauf</p> +<p>Sich zu stellen im Feld’, und die mordende Lanze zu senken;</p> +<p>Aber Capellen, der oberste Hort des Volks, wie des Ober-</p> +<p>Also des Unterlands, flog her, und empörte sie laut so:</p> +<p>„Denket der Ehr’ und des Vaterlands, östreichische Männer,</p> +<p>Jetzt in dem Kampf. Nur fest die Reihen geschlossen; die Lanzen</p> +<p>Kühn dem Feind’ entgegengesenkt, und, nah’t er, zur Erd’ euch</p> +<p>Hurtig gebeugt; dann auf, zu durchbohren dem schnaubenden Rosse,</p> +<p>Oder dem Reiter, die Brust! Bald schaut ihr sie fliehen im +Schlachtfeld.“</p> +<p>Auch die Steyrer entflammt’ er, und rief: „Heut sollt an dem Feind’, +ihr,</p> +<p>Krieger der Steyermark, euch rächen, der Schande gedenkend,</p> +<p>Wie ihr gewichen vor ihm mit Lärm und Getös’ in dem Nachtgrau’n,</p> +<p>Fortgerissen durch Schuld des Pettau’r, der, von dem Kaiser</p> +<p>Heimgesandt, hinfort zur Flucht euch nimmer verlocket!</p> +<p>Jetzo nur kühn an den Feind! Uns lohnt der herrlichste Sieg +bald.“</p> +<p>Sagt’ es, und sprengte zurück: da braus’ten die furchtbaren +Reiter</p> +<p>Herbots wieder heran, zu erneuen den muthigen Angriff.</p> +<p>Jene senkten das Haupt, ausbeugend, zum Knie’ hin, und bohrten</p> +<span class = "pagenum">286</span> +<p>Hier dem Reiter, und dort dem Roß den Stahl in die Brust ein,</p> +<p>Als weit über ihr Haupt die feindliche Lanze dahinfuhr.</p> +<p>Aber der Boden, mit Leichen bedeckt, verwandelte ringsher</p> +<p>Sein erfreuendes Grün in die gräuliche Farbe des Blutes.</p> + +<p class = "stanza"> +Milota sah den wankenden Sieg mit Staunen: er sandte</p> +<p>Schnell die Reiter zurück, und führte die mährischen Krieger</p> +<p>Gegen das Fußvolk, das aus dem ober’n und unteren Oestreich</p> +<p>Kam, und den Steyrern vereint, ihm entgegen stand in dem +Schlachtfeld.</p> +<p>Gleich den Wogen des Meers, die ein Sturm aus Süden daherrollt,</p> +<p>Eilten die Reih’n jetzt vor; doch so, wie jene zum Strand sich</p> +<p>Stürzen mit lautem Gebrüll’, und im schäumenden Zorne +zerschellen:</p> +<p>Denn nicht wanket der Fels: so trafen sie auch an den Kriegern</p> +<p>Oestreichs ehernen Widerstand im Gemenge der Waffen.</p> +<p>Schrecklich ertönte der Schrei der Würgenden, schrecklich der +Lanzen</p> +<p>Kreischender Schlag, als sie den eisernen Helm und den Harnisch,</p> +<p>Oder das Panzerhemd zerschmetterten, wüthend geschwungen.</p> +<p>Gleich dem Orkan, flog jetzt auch Milota hin, und, ersehend,</p> +<p>Wie die Führer des Volks: der Seldenhofen die +Steyrer —</p> +<p>Berchthold Oestreichs Krieger zum Kampf’ empöreten, schwur er</p> +<span class = "pagenum">287</span> +<p>Beiden den Tod. Urschnell auf Berchthold drängt’ er das +Streitroß,</p> +<p>Und als dieser, erhebend das Schwert, die muthigen Krieger</p> +<p>Oestreichs jetzt noch mehr vortummelte, siehe, da bohrt’ er</p> +<p>Ihm den Stahl in den Hals, daß alsbald ihm auf den Lippen</p> +<p>Starb das Wort, er taumelnd sank, und das Leben verhauchte!</p> +<p>Schmerz durchzuckte die Brust des Volks bei dem schrecklichen +Anblick,</p> +<p>Da er, so mildgesinnt, ein Vater der Krieger genannt ward.</p> +<p>Doch mit erneuerter Wuth flog Milota hinter den Reihen</p> +<p>Seines Volkes hinab; drang wieder hervor, und durchrannte</p> +<p>Col von Seldenhofen das Herz, der weit vor den Seinen,</p> +<p>Die er entboth, hersprang, und nach ihm sein blutiges Eisen</p> +<p>Zuckte, die Stirn’ ihm zu spalten, gesinnt. Nun brachen die Knie’ +ihm,</p> +<p>Schlotternd, ein, und er fiel, im Tod’ erbleicht, auf das Eisen.</p> +<p>Ach, bald jammert daheim die alterserblindete Mutter,</p> +<p>Deren einziger Sohn und Trost er war in den Jahren</p> +<p>Trauerbelasteter Witwenzeit auf der einsamen Felsburg:</p> +<p>Denn nicht kehrt er zurück, wie ein täuschender Traum ihr +verheißen —</p> +<p>Er, den Traum ihr deutend, verhieß, die Gute zu trösten,</p> +<p>Als er zum letzten Mal’ auszog von dem rühmlichen Stammhaus!</p> +<span class = "pagenum">288</span> +<p>Hier erlag er zugleich mit fünf erlesenen Kriegern</p> +<p>Milota’s Schwert, der furchtbarn Muths, umtobt’ in dem +Schlachtfeld.</p> +<p>Ottgar wandte sich jetzt nach Lobkowitz um, und begann so:</p> +<p>„Nie war Milota’s Seele mir hold: ich kenne der Menschen</p> +<p>Trugverhüllende Brust; doch sieh’, ein schrecklicher Krieger</p> +<p>Ist er im Feld’: ich vertraute mit Recht ihm die rühmliche +Stelle!“</p> +<p>Jener entgegnete schnell: „D’rum vor mit den Reitergeschwadern</p> +<p>Jetzt, wo die Feind’ erbeben vor ihm, sie niederzuwerfen,</p> +<p>Und zu entscheiden den Kampf in der heiteren Stunde des Glückes.“</p> +<p>„Nein,“ so sagte der König ergrimmt, „noch laß uns verziehen,</p> +<p>Bis er noch mehr aufflammt, und wir ihn entscheiden für immer!“</p> + +<p class = "stanza"> +Also die beiden dahier. Capellen, der Edle, gewahrend</p> +<p>Drüben im Feld den Tod der muthigen Scharengebiether,</p> +<p>Sandte den Oesterreichern den Meißauer hier, und den Steyrern</p> +<p>Dort den Lichtenstein, aus der Schar der Ritter, als Feldherrn.</p> +<p>Schnell gehorchten die zwei Feldobersten jetzo Capellens</p> +<p>Ruf; denn jener erkor, an Berchtholds Stelle, den Helden</p> +<p>Summerau, und Lichtenstein den furtbaren Ritter</p> +<p>Merenberg, an jene des Seldenhofen, zu Führern.</p> +<span class = "pagenum">289</span> +<p>Hoch schwang Merenberg sein Schwert in die Luft, und er rief +dann:</p> +<p>„Ha, nun endlich dem Ziel, dem schrecklichen, näher und näher</p> +<p>Schreit’ ich den dunkelen Pfad! Komm, Richard, und stehe dem +Bruder</p> +<p>Treu zur Seite, mit ihm die entsetzliche That zu vollführen,</p> +<p>Die sich der Merenberger ersehnt! O denke des Bruders:</p> +<p>Wie er am Galgen hing — das Haupt zu den Füßen gebunden,</p> +<p>Dreimal schreckliche Tage sich wand! Wie, leben soll Ottgar?“</p> +<p>Alsbald einte sich ihm in dem Kampf sein finsterer Bruder.</p> +<p>Doch mit erneuetem Muth vorstürmten die beiden Geschwader,</p> +<p>Und ermordeten, was sich entgegenstemmt’ in den Reihen.</p> +<p>Also gedrängt von den Stürmenden, wich Morawia’s Fußvolk</p> +<p>Langsam zurück’, und stand, und wehrte sich wieder: nicht anders</p> +<p>Weicht der gewaltige Felsenblock, nach dauerndem Regen</p> +<p>Losgewühlt vom Gebirg’, an des Bergs abgleitendem Rand hin;</p> +<p>Bis nachströmend die Fluth ihn bewegt, und er in den Abgrund</p> +<p>Stürzt im sausenden Sprung’ und Getös’, unhemmbaren Fluges.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch der erhabene Kaiser sah mit Freude die Seinen</p> +<p>Ringen im Feld, die im Vorkampf schon die gesunkenen Lorbern</p> +<span class = "pagenum">290</span> +<p>Ihrer Heldenstirn’ jetzt herrlicher wieder erhöhten.</p> +<p>Schnell entboth er zu sich Trentschins Gebiether, der Ungern</p> +<p>Muthigen Hort, und sprach: „Noch ward dir, tapferer Feldherr,</p> +<p>Nicht eröffnet das Thor an der siegsruhmbiethenden Laufbahn;</p> +<p>Aber ich kenne den Muth, der dich und die Deinen beseelet.</p> +<p>Zieh’ g’en Schönfeld hin mit den furchtbarn Reitern, und harre</p> +<p>Drüben des Winks: urschnell dem Feind’ in die Seite zu fallen.</p> +<p>Aber der Wink sey dir: wenn, blutrothschimmernd, von Marchecks</p> +<p>Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen.</p> +<p>Also erringst du dir Ruhm, und mir den herrlichsten Vortheil.“</p> +<p>Jenem erglänzten die Augen wie Gluth; er strich mit der Rechten</p> +<p>Sich den mächtigen Bart, und sprach: „Glorwürdiger Kaiser,</p> +<p>Gleich dem Morgenthau, der schmachtende Fluren erquicket,</p> +<p>Hat dein ehrendes Wort das Herz mir gelabt, und des Unmuths</p> +<p>Wolken entflieh’n mir jetzt vor den lang’umdüsterten Augen!</p> +<p>Tödtendem Blitz und verheerenden Stürmen gleich ist im +Schlachtfeld</p> +<p>Ungerns tapferes Volk: ich will sie dir lenken zum Vortheil,</p> +<span class = "pagenum">291</span> +<p>Mir zum Ruhm: weil mich des edelsten Kaisers Vertrau’n ehrt.“</p> +<p>Sagt’ es, und ritt im Flug, mit den jauchzenden Scharen nach +Schönfelds</p> +<p>Auen hinab, ersehnend den Wink zu dem schrecklichen Angriff.</p> +<p>Aber der Kaiser entsendete links und rechts an die Feldherrn:</p> +<p>Albrecht hier, und Meinhard dort, die Herolde; stehen</p> +<p>Hieß er sie noch vor dem Wall’, und festabwehren des Gegners</p> +<p>Furchtbardrängende Wuth, bis, blutrothschimmernd, von Marchecks</p> +<p>Ragendem Thurm die Sturmfahn’ weht, und die Glocken erschallen:</p> +<p>Denn er ordnete dort die zeichenerspähenden Männer.</p> + +<p class = "stanza"> +Marbod nahte heran. Er schwebte zuvor in dem Zeitraum</p> +<p>Eines entfliehenden Augenblicks nach den schimmernden Mauern</p> +<p>Drüben der Wunderstadt, Venezia,<ins class = "correction" title = "Original: »1«"><a class = "tag" name = "tag9_2" id = +"tag9_2" href = "#note9_2">2</a></ins> die aus des Meeres</p> +<p>Fluthen sich hebt, und des Fremdlings Brust erfüllet mit Staunen,</p> +<p>Dort das ehrende Maal des Heldengreises zu schauen,</p> +<p>Dandolos, der mit den Franken im Bund’, ersiegte die Hauptstadt</p> +<p>Constantins, erst jüngst, mit nie zu erschütternder Thatkraft.</p> +<span class = "pagenum">292</span> +<p>Doch nun kehrt’ er zurück’, und staunte der Menge der Leichen,</p> +<p>Die in der Männerschlacht schon weit bedeckten die Felder.</p> +<p>Wie den Wanderer Grau’n befällt, der plötzlich ereilet</p> +<p>Von dem sausenden Sturm’, in den tiefergesunkenen Wolken</p> +<p>Weißherschimmernden Hagel ersieht, und drüben im Wald’ ihn</p> +<p>Wüthen hört, wo er bald, entstürzend mit lautem Geprassel,</p> +<p>Blühende Zweige zerschlägt, und zu Boden schmettert die Wipfel:</p> +<p>Also befiel ein Schauder auch ihn. Im Fluge vernahm er</p> +<p>Katwalds Ruf, wie er hier empörte den mächtigen Herbot.</p> +<p>„Ha,“ so sprach er, „du prahltest zuvor: du wollest lebendig,</p> +<p>Oder todt, aus der Schlacht heimführen den Kaiser der Deutschen?</p> +<p>Eitler Schwätzer, wie werden dereinst dein spotten die Helden!</p> +<p>Reite zur Rechten hinab, und versuche denn quer in die Reihen</p> +<p>Einzudringen, wo Rudolph weilt, und keine Gefahr ahnt.“</p> + +<p class = "stanza"> +Herbot besann sich schnell; fünfhundert Reisigen rief er:</p> +<p>„Folgt mir!“ und jagte zur Rechten hinab, wo, nahe dem Herrscher,</p> +<p>Meinhards Heldenruf die Krieger zum Kampfe bewegte:</p> +<p>Denn schon maßen im Waffengemeng’ auch die Bayern und Sachsen</p> +<p>Sich mit den Tapferen Krains und Kärnthens. Dicht, und unzählbar</p> +<p>Lagen die Leichen im Gras’. Doch Czernin führte die Völker</p> +<span class = "pagenum">293</span> +<p>Gegen Meinhards Macht, der jetzt ihn näher gewahrend,</p> +<p>Schnell vordrang, und, genaht, ihm rief: „Du hast dich vermessen,</p> +<p>Nächtlich, im Ueberfall, Vindobona, die herrliche Festung</p> +<p>Zu betreten; gehofft, als Sieger, herunter zu schauen,</p> +<p>Stolzen Blicks, aus der Kaiserburg: nun sollst du es büßen,</p> +<p>Was du frevelnd gedacht, und gewollt, und nimmer erreicht hast.“</p> +<p>Czernin schwieg, ergrimmt. Er senkte den Speer, und erreichte,</p> +<p>Sausenden Flugs, den Mann, der also ihn schalt vor den Scharen,</p> +<p>Ihm die Brust zu durchbohren, gesinnt; doch fehlt’ er des Zieles,</p> +<p>Zitternd vor glühender Hast, und der blutgeröthete Speerstahl</p> +<p>Streifte nur, zwischen dem Leib’ und dem Arm, durchfahrend, den +Harnisch.</p> +<p>Meinhard säumte nicht, hob, und senkte das Schwert, und zerschlug +ihm</p> +<p>Jetzo den Helm und die Stirne zugleich, daß er rücklings vom +Rosse</p> +<p>Sank, und, gestreckt lang hin, in Todesschauern erblaßte.</p> +<p>So vor den äußersten Reih’n stritt auch der muthigen Sachsen</p> +<p>Feldherr, Pfeil, mit dem weitgefürchteten Grafen von Heunburg,</p> +<p>Der den Kärnthnern geboth, und der Hort der krainischen Scharen,</p> +<span class = "pagenum">294</span> +<p>Ortenburg, mit Bayerns gewaltigem Herzoge, Heinrich,</p> +<p>Jetzo auf Leben und Tod: da Scharen des einen und andern</p> +<p>Sich bekämpften, und rings nur Mord und Gewürge zu schau’n war.</p> +<p>Heunburgs blitzendem Stahl’ erlag der tapfere Markgraf</p> +<p>Pfeil, nicht des Todes Pfeil, von des Gegners Rechte +geschleudert,</p> +<p>Mehr vermeidend, nach schrecklichem Kampf’, und hauchte den Geist +aus.</p> +<p>Heinrich gelang’s, den Ortenburg aus dem Sattel zu heben,</p> +<p>Ihm durchstoßend den Arm, daß er dort im knisternden Sandstaub</p> +<p>Blutete, kriegsgefangen sich sah, doch wieder gerettet</p> +<p>Heim in das Lager kam, und dem kundigen Arzte sich hingab.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, als hier in dem Streit die erbitterten Völker sich maßen;</p> +<p>Schlachtruf scholl; Drometen schmetterten; Trommelgewirbel</p> +<p>Klang: der Würger Geschrei und Verwundeter Aechzen ertönte,</p> +<p>Jagte Herbot von Füllenstein mit seinem Geschwader</p> +<p>Durch den sondernden Raum, der zwischen der mittleren Heersmacht</p> +<p>Und dem Flügel zur Linken sich fand, in Eile +hinunter —</p> +<p>Dann auf den Kaiser los, den Katwald ihm, wie der Gemsaar</p> +<p>Fernhin schauend, verrieth mit empörendem Geistergelispel.</p> +<p>Rudolph kam, im Gefolge der Trautmansdorfe (nur Erdwin</p> +<span class = "pagenum">295</span> +<p>Weilte noch, frommbesorgt, in Marchecks schattigem Freythof)</p> +<p>Eben heran, gelockt von des raschvorstürmenden Meinhards</p> +<p>Lautem Siegesgeschrei, und ahnte die nahe Gefahr nicht;</p> +<p>Doch nun hemmt’ er mit zweifelndem Blick das Roß, und erforschte</p> +<p>Gierig: ob Freund’, ob Feind’ ihm naheten? bis er des Ritters</p> +<p>Riesengestalt ersah, der kennbar im feindlichen Heer war.</p> +<p>„Ha,“ so rief er, „erlag mein Volk? Entsetzliches Unglück</p> +<p>Droht: denn, seht, uns kommt ein feindlich Geschwader entgegen!“</p> +<p>Doch schon war er umringt. Laut schrie zu seinen Erzeugten</p> +<p>Trautmansdorf: „Kommt, laßt uns sterben für unseren Kaiser:</p> +<p>Rettet ihn, kämpft, und ersiegt euch hier unsterblichen +Nachruhm!“</p> +<p>Alsbald kehrten die sechs untad’ligen Brüder den Feinden</p> +<p>Kämpfend, entgegen die muthige Brust, vom rühmlichen Beispiel</p> +<p>Ihres Erzeugers entflammt, den edelsten Herrscher zu retten.</p> +<p>Aber auch Marbod sah die Gefahr, die jetzo dem Leben</p> +<p>Rudolphs droht’; er umfing mit heißumschlingenden Armen,</p> +<p>Flehend, Capellens Brust, und rief: „Zur Linken hinüber</p> +<p>Eil’ im sausenden Flug’, und errette den Kaiser vom Tod jetzt!“</p> +<p>Jener staunte bei sich, wie ihn solche Gedanken bestürmten?</p> +<p>Gab dem Rosse den Sporn, und jagte herüber im Blachfeld.</p> + +<span class = "pagenum">296</span> +<p class = "stanza"> +Schon umhäuften die Brüderschar in Menge die Leichen;</p> +<p>Schon war Edelred mit Erhard gefallen: die andern</p> +<p>Bluteten; doch ermahnte sie laut ihr edeler Vater</p> +<p>Noch mit dem Schwert’ in der Faust, zum Kampf für den edelsten +Kaiser.</p> +<p>Sie gehorchten ihm all’, und erlagen nach schrecklichem Mord nur:</p> +<p>Kurd, Agilolf, und zuletzt mit Otto der heitere Winfried.</p> +<p>Jetzt drang Herbot schnell mit dem Speer, der hoch wie ein +Mastbaum</p> +<p>Sich in die Lüft’ erhob, auf Rudolphs tapfere Brust ein.</p> +<p>Siehe, nicht traf er die Brust des kampferfahrenen Herrschers;</p> +<p>Doch dem steigenden Roß durchstieß er die Stirn, daß es stöhnend</p> +<p>Sank, und zugleich in den Staub den trefflichen Reiter herabwarf!</p> +<p>Ha, wer rettet ihn mehr? Zwar nahte Capellen; die Ritter</p> +<p>Naheten; links und rechts herstürmten die muthigsten Krieger:</p> +<p>Dennoch war es um ihn gescheh’n, und die Hülfe vergeblich,</p> +<p>Wenn nicht hurtig er selbst, mit dem mordenden Speer in der +Rechten,</p> +<p>Auf den schrecklichen Mann losfuhr; unbändigen Muthes</p> +<p>Ihn bekämpfte; den Streich nach seinem geschlossenen Schlachthelm</p> +<p>Führend, mit solcher Gewalt ihn traf, daß die Augen ihm alsbald</p> +<span class = "pagenum">297</span> +<p>Dunkelten — Seh’n und Hören verging. Auch erhob er +urplötzlich</p> +<p>Wieder den Speer: durchstach dicht unter dem Kinne den Riemen,</p> +<p>Der den Helm an das Haupt ihm festigte; drehte den Schaft noch</p> +<p>Hurtig herum, und riß blitzschnell ihn vom Sattel herunter.</p> +<p>Wie die Zinne der Burg, vom Orkan zur Erde geschleudert,</p> +<p>Fällt mit Gekrach, und der Grund weit hin erbebet: so fiel dort</p> +<p>Herbot zur Erde: sie bebte dem Fall’, und Gerassel der Waffen</p> +<p>Scholl im Gefild’ umher. Laut schnaubend vor Angst und Entsetzen</p> +<p>Jagte Capellen herbei. Er both, vom Pferde gesprungen,</p> +<p>Solches dem Kaiser, und half ihm hinauf in den Sattel, er selber</p> +<p>Schwingend das Schwert mit Trautmansdorf, dem tapferen Helden,</p> +<p>G’en die umdrängende Feindesschar sich zur Wehre zu stellen.</p> + +<p class = "stanza"> +Schon entfloh die Gefahr: ein Jauchzen erscholl um den Herrscher,</p> +<p>Als jetzt Herbots Volk sich ergab an die drängenden Scharen.</p> +<p>Aber er stand, und zitterte. Schnell, empört von dem Anblick</p> +<p>Dieses Gewaltigen, der das Leben des Kaisers bedrohte,</p> +<p>Sprengten die zürnenden Krieger herbei, an ihm Rache zu üben;</p> +<span class = "pagenum">298</span> +<p>Doch der Erhabene rief: „Zurück, verschont ihn: er lebe!</p> +<p>Das sey ferne, daß ich bestrafe den tapferen Ritter,</p> +<p>Der so kühn sich erwies, nicht Tausende scheuend, im Angriff:</p> +<p>Heute noch komm’ er nach Wien in ehrenvolle Gewahrsam.</p> +<p>Trautmansdorf, dir dank’ ich das Leben, nach Gott! Nicht zum +Boden</p> +<p>Wende den Blick jetzt mehr, noch einmal die Opfer zu sehen,</p> +<p>Die es dich kostete! Fort, zur Rechten hinab, und entbiethe</p> +<p>Albrecht schnell: er stürm’ in den Feind; du stehe zur Seit’ ihm</p> +<p>Dann mit gewaltigem Arm, ein rettender Schild in Gefahren!</p> +<p>Eilt nun all’ an’s Werk! ich bin geborgen; erhebt euch!“</p> +<p>Alle jagten davon; nur einer — unglücklicher Vater,</p> +<p>Nur du allein verweiletest noch, und sah’st auf die Todten,</p> +<p>Uebergebogen, hinab; dann gabst du dem Rosse die Spornen!</p> +<p>Ach, und das Augenpaar des umschauenden Kaisers erglänzte,</p> +<p>Thränenumhüllt! Doch jetzt aufschwang er den Degen: von Marchecks</p> +<p>Thurm ertönten mit stürmendem Ruf die Glocken, und blutroth</p> +<p>Flatterte dort in die Luft die thatengebiethende Sturmfahn’;</p> +<p>Bald erscholl ringsum Geschrei und verwirrtes Getümmel.</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar zögerte noch. Umsonst ermahnte der Greis ihn,</p> +<p>Jammernden Lauts, getäuscht von Herbots Kühnheit, und sagte:</p> +<p>„Sieh’, wie dort rechts hin die Reisigen stürmen, das Fußvolk</p> +<p>Rasch vordringt! Nun gilt’s: entscheide den schrecklichen Kampf +du!“</p> +<p>Aber der König begann: „Fürwahr, wir tauschten für heut schon</p> +<span class = "pagenum">299</span> +<p>Art und Gemüth: du kühltest die Gluth sonst mir in dem Busen,</p> +<p>Kaltvorschauend, und heut’, empört zu Feuer und Flammen,</p> +<p>Hast du nicht Ruhe, nicht Rast. Bald tönt der ersehnete Ruf dir.“</p> +<p>Dann begann er noch leise für sich in sinnender Schwermuth:</p> +<p>„Wallstein, ach, ich schau’ in des Sieges Gefilden dich nimmer!“</p> +<p>Lobkowitz schwieg. Doch sieh’, nun hemmte die stürmenden Krieger</p> +<p>Milota’s Feldherrnwink! Er dacht’, ergrimmend im Geist, so:</p> +<p>„Jetzo der Thaten genug, daß mir vertraue der König.</p> +<p>Ist’s nicht klar? Er sann mir heute den sicheren Tod nur,</p> +<p>Als er mich ehrend erkor: ich lebe noch, ihm zum Verderben.“</p> +<p>Dacht’ es, und zog alsbald, schwachkämpfend, mit zögernden +Schritten</p> +<p>Sich auf des Nachhalts Reihen zurück. Ihn empörete Katwald,</p> +<p>Tapfer zu steh’n: umsonst, er wich! Doch, sausenden Flugs, war</p> +<p>Marbod den Völkern genaht, die am rechten Flügel, gehorchend</p> +<p>Albrechts Stimme, voll Heldenmuths, nach dem Kampfe sich sehnten.</p> +<p>Hochberg, der den Zürchern geboth, ersah er, und rief ihm:</p> +<p>„Schreie: „Der Feind entflieht!“ Gar mächtig ertönet dein +Ausruf.“</p> +<p>Hochberg schrie: „Der Feind entflieht“ mit gewaltiger Stimme,</p> +<p>Die zum Kern des Heers, und hinaus zum äußersten Flügel</p> +<span class = "pagenum">300</span> +<p>Donnerte. Bald erscholl’s von tausenden Stimmen auf einmal:</p> +<p>„Holla, die Feind’ entflieh’n! Sie flieh’n — die Feinde, sie +fliehen<ins class = "correction" +title = "fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">!“ </ins></p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar horchte dem Ruf mit kalthinstarrendem Blick’ auf;</p> +<p>Wandte das Roß, und sprach zu Lobkowitz: „Wahrlich, vermuthend</p> +<p>War ich des Unfalls mir: denn höre des Herzens Geheimniß!</p> +<p>Jüngst, in der furchtbarn Zeit des mitternächtlichen Grauens</p> +<p>Hieß ich, im dunkelen Eichenhain, die Alrune,<ins class = "correction" title = "Original: »4«"><a class = "tag" name = +"tag9_3" id = "tag9_3" href = "#note9_3">3</a></ins> des Schicksals</p> +<p>Hehre Verkündigerinn durch Bothen befragen; sie gab mir</p> +<p>Antwort: Ottgarn winkt an Stillfrieds Marken das Ziel schon!</p> +<p>Dort ist der Sieg mir gewiß; wir wollen uns fechtend +zurückzieh’n!“</p> +<p>„Herr, nicht der Hölle vertrau’,“ so rief der jammernde Greis +auf,</p> +<p>„Gott vertraue — dir selbst, und deinen gewaltigen +Kriegern!</p> +<p>Noch steht Sachs und Bayer im Kampf; noch nichts ist verloren.</p> +<p>Wolle mit Ernst den Sieg, er ist dein: o komm’, und erring’ ihn!“</p> +<p>Aber er trabte zurück. Ihm folgten am Fuße die Scharen</p> +<p>Milota’s, der in dem Nachzug noch voll täuschenden Eifers,</p> +<p>Selbst abwehrte, zum Schein, die raschnachrückenden Gegner.</p> + +<span class = "pagenum">301</span> +<p class = "stanza"> +Bald erscholl auch drüben Geschrei, wo Bayern und Sachsen</p> +<p>Kämpften im Waffengefild, geführt von dem tapferen Herzog</p> +<p>Heinrich, und Zierotin, dem kraftgerüsteten Helden:</p> +<p>Denn Matthias, der Hort magyarischer Krieger, ersehend</p> +<p>Oben am ragenden Thurm die blutrothflatternde +Sturmfahn’ —</p> +<p>Hörend der Glocken Getön’, erhob sich in Eile von Schönfeld,</p> +<p>Mit zermalmender Macht dem Feind’ in die Seite zu fallen.</p> +<p>Vor zu des Rosses Mähne gebeugt, den blitzenden Säbel</p> +<p>Schwingend in kräftiger Faust, hinbraus’ten die Reiter, und +hieben</p> +<p>Links, rechts, ein: bald lagen die Leichen gesä’t in dem +Blutfeld,</p> +<p>Wankten die Gegner, und floh’n, verfolgt von den Gegnern in Hast +fort.</p> +<p>Rastlos eilte der König dahin im sinkenden Nachtgrau’n,</p> +<p>Bis er nach Dürnkrut kam in das Lager, das er noch letzthin,</p> +<p>Stolz vor Siegeshoffnung, verließ — nun trotzig begrüßte:</p> +<p>Denn er dachte des Siegs am nächst­aufstrahlenden Morgen.</p> +<p>Doch bis Ebenthal, dem einsamen Schloß’ an dem Waldthal,</p> +<p>Führte der Kaiser sein Heer, und ruht’, umlagernd, im Feld dort.</p> +<p>Ganz verhallte des Tages Lärm, und vom nächtlichen Himmel</p> +<p>Sah’n die Sternenheer’ auf die schlummernden Völker herunter.</p> + + + + +<span class = "pagenum">302</span> +<h3><a name = "gesang10" id = "gesang10">Zehnter Gesang.</a></h3> + + +<p>Abendröthlich erglänzt der schnellentgleitende Rheinstrom;</p> +<p>Völlig verhallte der Sturm; nur liebliche Lüftchen bewegen</p> +<p>Manchmal, leis’umsäuselnden Flugs den ergossenen Spiegel</p> +<p>Seiner Gestade, wo links und rechts, von dunklen Gebüschen,</p> +<p>Wäldern, und Höh’n, nun hochaufragende Thürme der Burgen,</p> +<p>Nun hellschimmernde Städt’ und Gotteshäuser sich heben,</p> +<p>Und ihr Bild in die spiegelnde Fluth von oben nach unten</p> +<p>Kehren, gewiegt von dem Zuge der raschforteilenden Wellen.</p> +<p>Wechselnd, von einem zum andern Gestad’ durchkreuzen der Vögel</p> +<p>Singende Scharen die Luft, und ziehen dem schauernden Wald zu.</p> +<p>Abendglockengetön, vermengt dem Blöcken der Heerden</p> +<p>Schallet die Ufer entlang, als jetzt an dem wölbenden Himmel</p> +<p>Auf sich schwingen die goldenen Stern’; umschattendes Dunkel</p> +<p>Ruh’ auf die Welt umher verbreitet, und jeglicher Laut stirbt.</p> +<p>Von Schafhausen allein tönt Donnergetös’, in des Abends</p> +<p>Stille hörbarer noch dem Ohr: wo im schwindelnden Jähsturz</p> +<span class = "pagenum">303</span> +<p>Sich von dem Klippendamm hinab zum versunkenen Strombett</p> +<p>Stürzt die gewaltige Fluth, aufschäumt an den Felsen, und dorther</p> +<p>Schauernden Nebelqualm in die Haine hinaus, und die Thäler</p> +<p>Sendet im Windeshauch’, unendlichen, ewigen Eilflugs.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, ein Ritter kam aus fremden Landen gezogen!</p> +<p>Eilig trabt’ er die Straße herab, und ihm folgte der Knappe</p> +<p>Fern, ermattet der Last der Wanderung. Aber den Ritter</p> +<p>Trieb herzinniges Leid und der Heimath glühende Sehnsucht.</p> +<p>Als er im Abendlicht, hervor aus dem dunkelen Eichwald</p> +<p>Kommend, vor sich das weitverbreitete Land, und inmitten</p> +<p>Fluthen sah den ersehneten Rhein, da hielt er das Roß an;</p> +<p>Sprang aus dem Sattel herab, warf sich, erschüttert, zum Boden,</p> +<p>Netzt’ ihn mit Thränen, und stand, in des Anschau’ns Wonne +versunken.</p> +<p>Hartmann war’s, der jetzo dem Strom sich nähernd, und kehrend</p> +<p>Heim in das Vaterland, die trauten Gefilde begrüßte.</p> +<p>Drüben am linken Gestad’, ersah er das freundliche Städtchen</p> +<p>Rheinau, welches der Rhein im kreisenden Lauf, sich nach Osten</p> +<p>Wendend, umfließt. Dort baute (so künden die Sagen der Vorzeit)</p> +<p>Sorglich das Gotteshaus Funtan, der Heilige,<a class = "tag" name = +"tag10_1" id = "tag10_1" href = "#note10_1">1</a> Schottlands</p> +<p>Königen blutsverwandt, den Brüdern von Monte-Cassino,</p> +<p>Als er, ein Pilger, dort die Stelle, vom Geiste getrieben,</p> +<span class = "pagenum">304</span> +<p>Endlich fand, wo allein der Strom nach Osten den Lauf kehrt.</p> +<p>Hartmann sah vom Gestad mit bewegtem Herzen hinüber —</p> +<p>Sah im Geist noch hinaus weit über die Berge, des Aargau’s</p> +<p>Liebliches Thal, und dort von dem Felsenhügel die Habsburg</p> +<p>Ragen aus dunkeln Tannen empor in die Luft, und herunter</p> +<p>Schau’n auf die Fluthen der Aar, die ihr, eilenden Laufes +vorbeirauscht.</p> +<p>Zwar vermißte sie jetzt die trauten Gebiether: der Vater</p> +<p>Fern (er tauschte den Grafenhut mit der Krone der Kaiser)</p> +<p>Todt die Mutter — von ihm die holden Geschwister +geschieden.</p> +<p>Er, der Unglückliche, kehrt allein, in einsamer Stille</p> +<p>Dort zu erreichen das tröstende Ziel der irdischen Wand’rung.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch nun rief er, bewegt, dem spätnachfolgenden Knappen:</p> +<p>„Mangold, fasse das Roß an dem Zaum’, und führ’ es mit Vorsicht</p> +<p>Ueber die Brücke zur Stadt; bald folg’ ich dir nach in die +Herberg!“</p> +<p>Mangold faßte das Roß an dem Zaum, und führt’ es mit Vorsicht</p> +<p>Nebenher, dem seinen gesellt, hinüber nach Rheinau</p> +<p>So, daß die Brück’, entlang, erst laut, dann leiser und leiser</p> +<p>Unter dem eisernen Huf fortpolterte, bis zu dem Land hin.</p> +<p>Hartmann weilete noch. Er saß in Trauer versunken,</p> +<p>Dort auf dem Felsenriff, das sich auf die Fluthen hinüber</p> +<p>Beugt; sah oft nach den Wellen hinab, wie sie rollten, und eilten</p> +<span class = "pagenum">305</span> +<p>Rastlos fort in des ewigen Meers verschlingende Tiefen,</p> +<p>Und gedachte mit Trost der eilenden Tage des Lebens.</p> +<p>Sieh’, nun hob sich vor ihm der Mond in des Himmels Gezelt auf;</p> +<p>Hellte die Nacht, und zog in grünlichen Goldes Gefunkel</p> +<p>Quer auf dem dunkelen Strom die flimmernde Straße hinunter,</p> +<p>Der er, bewegt, nachsah, bis dort zu dem äußersten Rand hin,</p> +<p>Wo das Gestirn sich scheitelrecht in den helleren Fluthen</p> +<p>Spiegelte. Dort winkt’ ihm (so däucht’ es ihn) freundlichen +Blickes,</p> +<p>Jenseits her aus ätherischem Glanz die liebende Mutter.</p> +<p>Ach, er streckte die Arme nach ihr mit stöhnender Brust aus;</p> +<p>Beugte die Stirn’, und ihm sank die heimliche Thrän’ aus den +Augen!</p> +<p>Jetzo fuhr ein Kahn rasch über den schimmernden Mondpfad;</p> +<p>Muntere Stimmen erreichten sein Ohr. Herüber von Rheinau</p> +<p>Kehrte nach Eglisau, der Vater mit seinem Erzeugten,</p> +<p>Der, ein Fischer, dahin die Beute der Netze getragen,</p> +<p>Und seit Jahren umher auf dem fischdurchwimmelten Rheinstrom</p> +<p>Ruderte. Nun verfehlt’ er, getäuscht, des Zieles: der Kahn +schlug,</p> +<p>Von der Strömung gerafft, an dem Joch der gewaltigen Brück’ um,</p> +<p>Barst entzwei, und die Zween verschlang, so mächtig sie kämpften,</p> +<span class = "pagenum">306</span> +<p>Schrie’n, und riefen, die Fluth. Nicht der lastenden Rüstung +gedenkend,</p> +<p>Nicht der grausen Gefahr, aufsprang der edele Ritter</p> +<p>Auf das Angstgeschrei nach Rettung jammernder Menschen;</p> +<p>Lief das Ufer entlang, und warf sich hinab in die Strömung,</p> +<p>Als der Junge hervor aus der Fluth die Rechte gehoben;</p> +<p>Aber nicht rettet’ er ihn, und fand in dem brausenden Abgrund</p> +<p>Dort das Ziel des schwermuthvoll entschwundenen Lebens.<a class = +"tag" name = "tag10_2" id = "tag10_2" href = "#note10_2">2</a></p> + +<p class = "stanza"> +Ach, nicht ahnte des theueren Sohns unglückliches Schicksal</p> +<p>Rudolph noch, der fern im Zelt, von den Helden umgeben,</p> +<p>Saß beim erquickenden Mahl, nach unsäglicher Mühe des Tages!</p> +<p>Draußen, von Lagerfeuern erhellt, verlor sich des Himmels</p> +<p>Nächtliches Grau’n; Geschrei und Gelärm erscholl mit dem Wehruf</p> +<p>Blöckender Lämmer und Schaf’, und des dumpfaufbrüllenden Rindes:</p> +<p>Denn die Krieger besorgten das Mahl in geschäftiger Sorgfalt:</p> +<p>Jetzo das Fleisch in der siedenden Fluth, die im räumigen Kessel</p> +<p>Brodelte, wohl mürbkochend, und jetzt es auf kreisenden Spießen</p> +<p>Bratend so, daß der Wohlgeruch weit das Lager erfüllte.</p> +<p>Auch ermangeln sie nicht des herzerfreuenden Weines,</p> +<span class = "pagenum">307</span> +<p>Oder des Brots; nicht des Habers und Heu’s die munteren Rosse:</p> +<p>Denn des Heers Marschalk, der Breuner, hatte genügend</p> +<p>Alles und Jedes zur Stelle geschafft für die dauernde Kriegszeit,</p> +<p>Und stets lauter erscholl auftobende Freud’ in dem Lager.</p> + +<p class = "stanza"> +Drinnen im hellerleuchteten Zelt, von den Helden umgeben,</p> +<p>Harrte der Kaiser zuvor des blühenden Königs der Ungern,</p> +<p>Dem er den Herold gesandt, als dort vom Lager vor Marcheck</p> +<p>Sich das siegende Heer erhob, die geworfenen Scharen</p> +<p>Ueber den Weidenbach voll drängender Hast zu verfolgen.</p> +<p>An dem Gestade der March, wo, g’en Hochstätten, im Halbkreis</p> +<p>Sich hinwindet der Fluß, aufragte die Kuppe des Felsens,</p> +<p>Der vor grau’n Jahrhunderten schon den Völkern zum Markstein</p> +<p>Dienete, jetzt dem Zelt des lebensfreudigen Königs</p> +<p>Kühlenden Schatten both, und, ferne geseh’n, in der Umwelt</p> +<p>Alles dem spähenden Auge verrieth. Dort fand ihn der Herold</p> +<p>Sitzend im munteren Kreis’ der Zitherspieler und Sänger,</p> +<p>Die von dem Heldenzug der Ahnen herüber nach Ungerns</p> +<p>Reichem Gefild’ und der Thatenkraft gepriesener Führer</p> +<p>Sprachen im jubelnden Lied’; auch rühmten darauf: wie im Feld’ +erst,</p> +<p>Kämpfend mit nieu erschütterndem Muth, des verbündeten Kaisers</p> +<span class = "pagenum">308</span> +<p>Macht die Feinde bestand, und, gleich dem brausenden Sturmwind,</p> +<p>Der auf der Heid’ im Herbst die verdorrten Disteln dahinjagt,</p> +<p>Trentschins ruhmverherrlichter Held dann ihnen im Rücken</p> +<p>Lag mit mordendem Stahl, als all die Scharen zerstoben.</p> +<p>Aber so laut der König sich d’rob erfreute, so gönnt’ er</p> +<p>Dennoch dem Kunen den Ruhm vor dem Unger im heimlichen Busen,</p> +<p>Und ergrimmte noch mehr, daß ihm Kaduscha heute zurückstand.</p> +<p>Hastig nahet’ ihm Meyenberg, der Herold, und sprach so:</p> +<p>„Herr, dein Herz erfreue der Ruhm des herrlichsten Sieges,</p> +<p>Den dein tapferes Volk mit raschentscheidender Thatkraft</p> +<p>Uns erringen half. Zum Kriegsrath ruft dich der Kaiser,</p> +<p>Und zu dem fröhlichen Mahl nach des Tags ermüdender Arbeit.“</p> +<p>„Gern,“ erwiederte jener, voll Hast, „hineil’ ich in’s Lager</p> +<p>Meines erlauchten Verbündeten, der so edel gesinnt ist.“</p> +<p>Sagt’ es, und schwang sich auf’s Roß, im Gefolg kumanischer +Reiter,</p> +<p>Ebenthal zu erreichen im Flug, wo im schimmernden Zeltraum</p> +<p>Rudolph, heldenumschart, sein harrete. Wie er dahinflog,</p> +<p>Fuhr der Staub zum Gewölk, erregt von den stampfenden Hufen.</p> + +<p class = "stanza"> +Alle gehorchten dem Ruf des erhabenen Kaisers: nur +Einer —</p> +<p>Kaduscha war nicht zu schau’n. Empört von dem Glücke des Helden</p> +<span class = "pagenum">309</span> +<p>Von Trentschin, entboth er zu sich zweitausend der Reiter:</p> +<p>„Ha,“ so sprach er, „was sollen wir hier, mit den Deutschen +verbündet,</p> +<p>Nutzlos opfern das Blut, da jüngst den lohnenden <em>Woldan</em><a +class = "tag" name = "tag10_3" id = "tag10_3" href = +"#note10_3">3</a></p> +<p>Wie er den Raubritt hieß, uns grausam der Kaiser verwehrte?</p> +<p>Auf, wir zieh’n nach Günß, den tapferen Iwan<a class = "tag" name = +"tag10_4" id = "tag10_4" href = "#note10_4">4</a> zu retten,</p> +<p>Den jetzt Bertholdsdorf, der Kammerer, stürmend, bedränget,</p> +<p>Innen im Raum der gewaltigen Burg! Wir entsetzen die Festung</p> +<p>Schnell mit würgender Faust, und erlösen den tapferen Grafen:</p> +<p>Dann soll Oestreich bald, verheert, und geplündert, mit Schrecken</p> +<p>Schau’n von nah’ und von fern aufflammende Dörfer und Städtchen;</p> +<p>Aber wir kehren, beschwert mit reichlicher Beute, zur Heimath.“</p> +<p>Laut aufjauchzten sie ihm, nach Beute begierig, und zogen</p> +<p>Schnell g’en Heunburg fort, der Donau Fluthen hinüber,</p> +<p>Ueber die Brücke, die Albrecht jüngst erbaute mit Sorgfalt;</p> +<p>D’rauf gewahrten sie bald den Neusiedl-See, und die Mauern</p> +<p>Oedenburgs, und eileten rasch nach den Höhen von Günß hin.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch schon hatte der Kaiser, vereint mit seinen Erwählten,</p> +<p>Mit vorschauendem Blick des Angriffs Weisen erwogen;</p> +<p>Manchen erforscht, und dem Forschenden gern mit würdiger +Sanftmuth</p> +<span class = "pagenum">310</span> +<p>Klaren Bescheid ertheilt: bis all’, einmüthig, ihm Beifall</p> +<p>Zollten; die Ordnungen, Zahl, und die Stellung der Völker im +Schlachtfeld</p> +<p>Jeder gar trefflich fand, und jeglicher Zweifel entfloh’n war.</p> +<p>Siehe, nun scholl des Rosses Huf von der Straße herüber.</p> +<p>Jene horchten erstaunt; da sprach, sanftlächelnd, der Kaiser:</p> +<p>„Alle vermißet ihr hier nur ungern Hugo von Tauffers,</p> +<p>Jenen gewaltigen Greis, bei’m herzerheiternden Spätmahl.</p> +<p>Wahrlich, viel erduldet’ er jetzt, in der engenden Festung</p> +<p>Müßig zu steh’n, der stets im Gemenge der eisernen Waffen</p> +<p>Rasch vortummelt das Roß, und allwärts ist, wo Gefahr dräut!</p> +<p>Ich entboth ihn in’s Feld, dem jüngst verwundeten Helden,</p> +<p>Ortenburg, vertrauend die Vest’, und er folgte dem Ruf bald.“</p> +<p>Als er’s sprach, da trat der muntere Greis in das Zelt ein;</p> +<p>Grüßte den Kaiser zuvor, und den blühenden König der Ungern;</p> +<p>Dann die tapferen Helden umher mit feurigen Blicken,</p> +<p>Setzte sich hin, und begann: „Fürwahr, ich wähnte: verrosten</p> +<p>Müßte mein tüchtiges Schwert in der dunkelen Scheide für immer,</p> +<p>Und ich daheim Geschriebenes nur aus dem Munde des Mönchleins</p> +<p>Hören: von Thaten des Kriegs und euern errungenen Lorbern!</p> +<p>Aber als gütigen Herrn erwies dem alten Gesellen</p> +<p>Haug der Kaiser sich stets: sein dacht’ er auch jetzo mit Huld +nur.</p> +<span class = "pagenum">311</span> +<p>Kaduscha sah ich zuvor an der Spitze des reisigen Volkes</p> +<p>Treulos flieh’n; er gab, hohnlachend, den kurzen Bescheid mir:</p> +<p>Iwan weih’ er sein Schwert; euch wünsch’ er Glück in dem +Siegslauf.“</p> + +<p class = "stanza"> +All’ aufhorchten mit Staunen dem Wort; doch glühendes Roth fuhr</p> +<p>Jetzo mit wechselndem Weiß in die Wangen des Königs von Ungern,</p> +<p>Und ihm blitzte der Zorn aus den halbgeschlossenen Augen;</p> +<p>Dennoch besann er sich schnell; both dann die Rechte Matthias</p> +<p>Von Trentschin, und sprach: „Du sey des Heeres Gebiether</p> +<p>Mir hinfort! Obgleich vom Geschlechte der Kunen geboren</p> +<p>Mir die Mutter ward; ich die Liebe des Kun’s aus der Brust ihr</p> +<p>Sog als wimmerndes Kind, und, zum Jüngling gereift auf dem +Todbett</p> +<p>Noch ihr schwur auf die pochende Brust: so will ich den, Unger,</p> +<p>Reuig erwägend die Schuld der dauernden Geistesverblendung,</p> +<p>Vorzieh’n jetzt dem Treulosen, der mich verließ, und nicht +schmähen</p> +<p>Fürder das edlere Blut des throngebornen Erzeugers.“</p> +<p>Jener erhob sich mit Würde vor ihm, und beugte die Scheitel,</p> +<p>Schweigend, zum Dank. Doch, als im schlacht­entscheidenden +Kriegsrath</p> +<p>Für den bald aufdämmernden Tag Alljedes besorgt war,</p> +<span class = "pagenum">312</span> +<p>Saß der Kaiser im Heldenkreis’ bei dem fröhlichen Nachtmahl</p> +<p>Heiteren Blicks, und sprach, umschauend, zu Diesem und Jenem:</p> +<p>„Laßt euch Lagerkost, ihr Herrn, genügen: für jetzt noch</p> +<p>Sind der Gerichte nicht viel’, doch würze die wenigen Frohsinn!“</p> +<p>Lautes Gemurmel erscholl in dem Zelt. Geschäftige Diener</p> +<p>Reichten die Speisen herum: das dampfende Muß, aus dem Vorrath</p> +<p>Zartesten Mehles gekocht; dann wildes und zahmes Geflügel,</p> +<p>Wohlgebraten am Spieß mit dem Rücken des jährigen Rindes,</p> +<p>Und, zum kräftigen Brote zuletzt, der Sitte geziemend,</p> +<p>Goldenen Honigseim, wie solcher dem Deutschen ersehnt war.</p> +<p>Andere trugen die Fluth des köstlichen Weins in den Krügen</p> +<p>Freundlich herum, und füllten den Bauch der räumigen Humpen,</p> +<p>Die vor jeglichem Gast’, aus schimmerndem Erze getrieben,</p> +<p>Standen, nach Herzenslust bei dem Nachtgelage zu trinken.</p> +<p>Lauter und feuriger ward das Gespräch, und bewegter das +Kriegszelt.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber der Kaiser sah mit lächelndem Wink nach dem Ritter</p> +<p>Müller, dem Zürcher, der im Kreise der Fröhlichen, immer</p> +<p>Heiteren Scherzes gedacht’, und jetzt zu Friedrich von Nürnberg</p> +<p>Also begann: „Herr Burggraf, sprecht: wie war’s denn vor Basel</p> +<p>Mit dem Gelehrten, da Ihr ihm Habsburgs Pfennig nicht gönntet?“</p> +<span class = "pagenum">313</span> +<p>Jener kündete nun mit hocherröthenden Wangen:</p> +<p>Wie in dem dauernden Kampf vor Basel dem edelen Ritter,</p> +<p>Rudolph, both sein Werk: „Von den Kriegen der Römer und +Deutschen —</p> +<p>So auch des Feldherrn Wissenschaft“ ein Gelehrter aus Straßburg;</p> +<p>Jener ihm schnell ein Goldstück gab mit der goldenen Kette,</p> +<p>Die von dem Hals ihm hing, und d’rauf, voll Gier, in den Büchern</p> +<p>Blätterte; wie er — der Schwester Sohn, ihm solches +verwiesen,</p> +<p>Da viel Geldes das Volk ihn kostete, viel auch der Kriegszug</p> +<p>Fortan heischt’. „Ach hört,“ so erzählt’ er dann, „wie mich +Rudolph</p> +<p>Schalt! „Der herrlichste Lohn,“ so sprach er, „gebührt dem +Gelehrten,</p> +<p>Der hochrühmliche Thaten beschreibt, und im Herzen den Muth +weckt,</p> +<p>Sie zu vollbringen dereinst<ins class = "correction" +title = "“ fehlt">.“</ins> Er säße wohl selber mit Freuden</p> +<p>Ueber den Büchern, so ihm nicht die Zeit ermangelte; lieber</p> +<p>Spendet’ er auch sein Gold auf ihn, der, dauernden Mühens,</p> +<p>Solche Schätze gehäuft, denn auf manchen untüchtigen Krieger.“<a +class = "tag" name = "tag10_5" id = "tag10_5" href = +"#note10_5">5</a></p> +<p>„Wahrlich,“ so fiel ihm Müller in’s Wort, „kein wankendes +Schilfrohr,</p> +<p>Das sich im Hauche des Windes bewegt, gewahrten die Gegner</p> +<p>Jemals an ihm, denn hört: der Regensberger vererbte</p> +<span class = "pagenum">314</span> +<p>Auch an den Kraft von Toggenburg, der seines Geschlechts war,</p> +<p>Unversöhnlichen Haß g’en Habsburg. Feindlich umringten</p> +<p>Wir mit erlesenem Volk dort Uznach, die ragende Felsburg,</p> +<p>Und ein Krachen begann alsbald: denn laut und unzählbar</p> +<p>Flogen die Felsen nach ihr, von des <em>Antwerks</em><a class = "tag" +name = "tag10_6" id = "tag10_6" href = "#note10_6">6</a> mächtigem +Wurfbaum</p> +<p>Hingeschnellt, das Ermel in Roth, der treffliche Meister,</p> +<p>Sinnig zu bauen, verstand. Auch die <em>Katzen</em>,<a class = "tag" +name = "tag10_7" id = "tag10_7" href = "#note10_7">7</a> mit Erde +bedecket,</p> +<p>Rasteten nicht, stets näher den Mauern gerückt, und die Krieger</p> +<p>Schirmend vor Feindesgeschoß, die im Sonnenlicht und im +Nachtgrau’n</p> +<p>Schwangen die furchtbare Wucht des mauerzertrümmernden Balkens.</p> +<p>Hundert Fuß aufragte der Stamm des mächtigen Eichbaums,</p> +<p>Den der Meister sich wählt’, und mit Eisen die Stirn’ ihm +bewehrte.</p> +<p>Donnernd schlug er die Wand, von kräftigen Kriegern geschwungen.</p> +<p>Endlich rückten wir auch mit dem <em>Ebenhoch</em><a class = "tag" +name = "tag10_8" id = "tag10_8" href = "#note10_8">8</a> an die +Zinnen:</p> +<p>Schleudernd von ihm zermalmende Blöck’ in die Mitte der +Felsburg —</p> +<p>Auch mit Schwefel und Harz erfüllete, brennende Kugeln.</p> +<p>Doch ereilt’ uns d’rauf der grimmige Winter: verderbend</p> +<p>Hielt sich die Burg sechs Monden schon mit erlesenem Streitvolk.</p> +<span class = "pagenum">315</span> +<p>Viele begruben wir dort der Unseren; viele vermißten</p> +<p>Wir an dem Morgen oft, die feig entwichen bei Nachtzeit;</p> +<p>Doch nie wankte noch Rudolphs Muth. Da warfen die Gegner</p> +<p>Lebende Fische heraus in das Lager, als spotteten sie noch</p> +<p>Seiner Gewalt. Er rief: „Ermannt euch: unser ist Uznach!“</p> +<p>Also geschah’s. Er drang bei Nacht mit wenigem Volk nur</p> +<p>Ein durch den Mauerbruch, und eröffnete herzhaft das Thor selbst.</p> +<p>Unserm würgenden Schwert’ erlagen die Gegner, und alsbald</p> +<p>Fiel auch die Burg, zerstört, auf den Wink des Helden von +Habsburg.“</p> + +<p class = "stanza"> +Laut umtönt’ ihn einhelliger Ruf: „Hoch lebe der Held uns!“</p> +<p>Doch nun sah ihn zugleich der blühende König der Ungern</p> +<p>Traulicher an, und sprach: „Stets bist du wohl glücklich gewesen?</p> +<p>Denn ein heiterer Geist wohnt dir in den freundlichen Augen.“</p> +<p>Jener begann: „Nicht also: denn vieles erduldet’ ich seither,</p> +<p>Ander’n Sterblichen gleich, im wechselnden Laufe des Lebens;</p> +<p>Leidengeübt erkenn’ ich das Maß auch der härtesten Leiden</p> +<p>Anderer; doch, ich lernete dem, was über uns waltet,</p> +<p>Frühe mich fügen; hab’ treu an des Heilands Lehre gehalten,</p> +<p>Die uns gewiß, denn einzig wahr, hienieden und jenseits</p> +<p>Leitet zum dauernden Glück. Mit Dank genoß ich des Guten;</p> +<p>Setzte dem Schlimmen ein Ziel durch Geduld; stets ehrt’ ich die +Wahrheit;</p> +<span class = "pagenum">316</span> +<p>Meine Wege befahl ich dem Herrn, und schau’ in des Grab’s Nacht</p> +<p>Ruhigen Blicks: mir winket aus ihr das ewige Lichtreich.“</p> +<p>Sagt’ es, und sah, bewegt, nach Albrecht, seinem Erzeugten,</p> +<p>Der an den Lippen des Vaters hing, und weinte, hinüber.</p> +<p>Stiller wurd’ es im Zelt, da rief mit umschallender Stimme</p> +<p>Lichtenstein: „Was soll uns der Ernst bei der fröhlichen +Mahlzeit?</p> +<p>Morgen ruft uns die Schlacht mit donnerndem Laut’, und des +Frohsinns</p> +<p>Jubel verhallt. Wer kehret, wer nicht? Weß’ Sitz an dem Tisch +hier</p> +<p>Leer ist bei’m künftigen Mahl: das steht uns zum Glück noch +verborgen;</p> +<p>D’rum genießet des Augenblicks, eh’ er schwindet auf immer!</p> +<p>Soll dieß herrliche Fest des Sängers ermangeln? Er harret</p> +<p>D’raußen nur eures Winks: der gemeinsamen Freude gedacht’ ich.“</p> +<p>„Sage mir an,“ sprach Rudolph jetzt, „weß’ Landes und Volkes</p> +<p>Rühmt sich dein Sänger? Bekannt sind mir die Weisen der Meister:</p> +<p>Denn mir waren sie stets ersehnete Gäste; so mancher</p> +<p>Wallte zur Habsburg hin, und geehrt ging jeder von dannen.</p> +<p>Gierig horcht mein Ohr den zaubergewaltigen Männern:</p> +<p>Denn mit frischerem Grün bekleidet ihr Sang in dem Winter</p> +<p>Selbst, den entblätterten Wald, und mit Frühlingsblumen die +Matten,</p> +<span class = "pagenum">317</span> +<p>Die der herbstliche Wind versengt’: auf den nebligen Himmel</p> +<p>Sä’t er glänzende Stern’ umher, und weckt in des Menschen</p> +<p>Fühlender Brust, gar mächtig die Ahnung der schöneren Zukunft,</p> +<p>Der hier unter dem Druck der Gegenwart, wie erstarret,</p> +<p>Ach, nach jener, so oft, mit inniger Liebe sich sehnet!</p> +<p>Eilt, und führt ihn herein den werthen Gast bei dem Mahl hier.“</p> +<p>Jener eilte hinaus; dann kehrt’ er, und sagte dem Herrscher:</p> +<p>„Nicht unrühmlich bekannt ist Hornecks<a class = "tag" name = +"tag10_9" id = "tag10_9" href = "#note10_9">9</a> Name, des Sängers,</p> +<p>Der aus der Steyermark entsproß, und in blühender Jugend</p> +<p>Fort nach Deutschland zog an den Hof des würdigen Bischofs,</p> +<p>Werner von Mainz, wo ihm Rotenburg zum Meister geworden.</p> +<p>Aber ihn drängte das Herz: ein redlicher Hirte der Schäflein</p> +<p>Seines Heilands zu seyn, und er weidete solche mit Sorgfalt,</p> +<p>Jahrlang, bis ihm die Feder zugleich und das Siegel der Bischof</p> +<p>Wieder vertraut’. Er starb, und Horneck kehrt’ in die Heimath:</p> +<p>Erst dem Sänger des <em>Frauenbuch’s</em>,<a class = "tag" name = +"tag10_10" id = "tag10_10" href = "#note10_10">10</a> deß’ Sohn ich mich +rühme,</p> +<p>Sich zum Frommen zu weih’n: dann mir, als jener gestorben:</p> +<p>Denn mit unsäglichem Fleiß, in zierlichem Reim die Geschichten</p> +<p>Schreibend, folgt er mir treulich nach im Krieg’ und im Frieden.“</p> +<span class = "pagenum">318</span> +<p>Doch nun trat im langen Talare der heilige Sänger</p> +<p>Leise herein. Er trug die tönende Harfe mit Vorsicht</p> +<p>Unter dem Arm, und grüßte die Schar — vor allen den Kaiser</p> +<p>Tief, und mit innigem Blick’. Erstaunt besann der Beherrscher</p> +<p>Deutschlands sich. Ihm schien: als hätt’ er ihn früher gesehen;</p> +<p>Nur vom lastenden Alter gebeugt, und ergrauet an Haaren</p> +<p>Stand er, ein Fremdling, vor ihm. Da ließ er mit freundlichen +Mienen</p> +<p>Auf den niedrigen Stuhl am Zelteingange sich nieder;</p> +<p>Langte die Harfe hervor, und fuhr mit flüchtigen Fingern</p> +<p>Ueber die Saiten dahin, die herzerschütternden Lautes</p> +<p>Töneten. Still ward’s d’rauf in dem Zelt, und es stockte der Odem</p> +<p>Allen umher in der Brust, da er jetzt den feierlichernsten,</p> +<p>Heiligen Sang begann im Klange der bebenden Saiten:</p> + +<p class = "stanza"> +„Laut erbrauset der Sturm, und jagt tiefhangende Wolken</p> +<p>Ueber die finsteren Berge hinaus. Der laubige Hochwald</p> +<p>Trieft, der Gießbach rauscht, vom dauernden Regen geschwollen.</p> +<p>Sieh’, dort ruhete nun, aus dem Sattel gestiegen, ein Ritter,</p> +<p>Nach ermüdendem Weidwerk aus. Von dem heiteren Antlitz</p> +<p>Strahlt ihm der Heldenmuth — aus den bläulichen Augen die +Wahrheit,</p> +<p>Liebe, und Treu’. Er sah in die Fluthen: sie saus’ten, und +braus’ten,</p> +<span class = "pagenum">319</span> +<p>Eilten im Fluge dahin, und er dachte des fliehenden Lebens.</p> +<p>Aber der Rappe scharrt; laut winselt der gierige Schweißhund:</p> +<p>Denn kein Wild auftrieb er im Forst, und der Ritter erhebt sich</p> +<p>Heim zu zieh’n in die Burg, wo sein die Liebenden harren.</p> +<p>Jetzt erreicht Geklingel sein Ohr. Von dem finsteren Wald her</p> +<p>Naht dem Ufer ein Priester des Herrn: im schimmernden Chorrock,</p> +<p>Und mit goldener Stol’ an der Brust, nachschreitend dem Meßner</p> +<p>Eilig, das Engelsbrot zu dem sterbenden Manne zu tragen.</p> +<p>Doch jetzt schaut er, voll Angst, umher: denn siehe, der Gießbach</p> +<p>Schwemmte den Steg aus dem Grund’, und drüben aufjammert die +Hausfrau:</p> +<p>Hörbar poche der Tod an der Thür’, und es lechze der Gatte</p> +<p>Nach der Labung, die ihn auf die Reis’ in die Ewigkeit stärke.</p> +<p>Schnell entblößt’ er die Füß’ an des Ufers felsigem Abhang,</p> +<p>Dort die rauschende Fluth kühn durch zu waten, entschlossen.</p> +<p>Aber der Ritter kam in Eile herüber, und both ihm —</p> +<p>Erst anbethend den Heiland der Welt, das gesattelte Reitroß</p> +<p>An zu heiligem Dienst, und kehrte, vergnügt, zu den Seinen.</p> +<p>Als der Abend sank, und die Welt in rosigen Schimmer</p> +<p>Hüllete, sieh’, da führte der Priester das Roß an dem Zügel</p> +<p>Ueber den Burghof her, und sagt’ es dem Ritter mit Dank heim!</p> +<p>Aber er sprach: „Was dünkt dich? Nein, nicht diene dieß Reitpferd</p> +<span class = "pagenum">320</span> +<p>Fürder zu schnödem Gebrauch, das meinen Erlöser getragen:</p> +<p>Denn nun sey’s der Kirche des Herrn mit dem Feld’ an dem Weiher</p> +<p>Frei geschenkt, daß hinfort kein Wildbach mehr auf den Pfaden</p> +<p>Jenes unwirthbaren Raums, in dem heiligsten Amte dich hemme!“</p> +<p>D’rauf der Priester begann: „So vergelt’ es dir Gott, der +Erbarmer,</p> +<p>Edeler Herr, was du mit erbarmendem Sinn an dem Diener</p> +<p>Seiner Kirche gethan: stets mög’ es dir glücklich ergehen!</p> +<p>Ha, mir sagt es der Geist, und ich irre nicht — sey dieß +Geheimniß</p> +<p>Dir in den Tiefen des Herzens bewahrt: dir zieret die Scheitel</p> +<p>Würdig dereinst die Krone des heiligen, römischen Reiches!</p> +<p>Herrschen wird dein Geschlecht auf dem herrlichsten Thron’ in die +Zukunft</p> +<p>Endlos hin. Dein dauernder Ruhm erfüllet den Erdkreis!“</p> + +<p class = "stanza"> +Endete so: da sah’n zugleich die versammelten Helden</p> +<p>Staunend, dem Kaiser in’s Aug’, und erkannten des Grafen von +Habsburg</p> +<p>Fromme That enthüllt, die er stets verschwiegen voll Demuth.</p> +<p>Aber er stürzte herbei, und drückte mit heißer Umarmung</p> +<p>Lange den heiligen Greis an die Brust; dann rief er bewegt so:</p> +<p>„Wahrlich, du bist’s, Ehrwürdiger, der an dem rauschenden +Gießbach</p> +<span class = "pagenum">321</span> +<p>Mir mit dem Herrn erschien, dort Glück und Segen zu spenden!</p> +<p>Möge die ewige Huld dir hier und dort ihn vergelten!“</p> +<p>Jener beugte die Stirn’ auf Rudolphs Hand, ihm die Thränen</p> +<p>Bergend, und wankte hinaus in dem einsamen Zelte zu ruhen.</p> +<p>Auch die Helden, gesammt, enteileten: denn an des Morgens</p> +<p>Tod- und lebenentscheidende Schlacht ermahnte der Kaiser</p> +<p>Sie mit erglühendem Aug’: „O denket,“ so sprach er, „des Morgens,</p> +<p>Der uns im eisernen Felde vereint. Im Sieg’ ist die Freiheit,</p> +<p>Wohlfahrt, Ruhe und Glück viel Tausender: denket des Sieges!“</p> +<p>Aber erschütternd braust’ ein Ruf aus dem Munde der Helden:</p> +<p>„Ha, wir gedenken mit Gott zu erringen den Sieg in dem Blutfeld!“</p> + +<p class = "stanza"> +Tief verstummte das einsame Zelt. Mit sinnenden Blicken</p> +<p>Ging der Kaiser umher; dann saß er wieder, und dachte</p> +<p>Noch des wechselnden Glücks der Sterblichen — sah mit +Ergebung</p> +<p>Himmelempor, und entschlummert’ im Schimmer der Lamp’ auf dem +Lehnstuhl.</p> +<p>Aber nicht lang, da fuhr er, bewegt, zusammen (nicht wacht’ er,</p> +<p>Schlummerte nicht) ihm stand, verklärt in himmlischer Schönheit,</p> +<span class = "pagenum">322</span> +<p>Hartmann, der liebende Sohn, vor den nachtumhülleten Augen,</p> +<p>Blickte lächelnd ihn an, und sprach: „In düsterem Zeitraum</p> +<p>Schieden wir, mein Vater! Mir ward auf dem irdischen Dornpfad</p> +<p>Jammer zu Theil, und ich weinete still: nicht gewahrend der +Vorsicht</p> +<p>Mildumschlingende Hand, die allein zum lohnenden Ziel führt.</p> +<p>Ha, nun steh’ ich am Ziel! Gelös’t, und in himmlischer Klarheit</p> +<p>Liegen des Lebens Räthsel vor mir; versiegt ist der Thränen</p> +<p>Bitterer Quell’, und es jauchzt die entfesselte Seele vor Wonn’ +auf.</p> +<p>Vater, traure nicht, wenn die Todesbothen dir künden:</p> +<p>„Hartmann starb in den Fluthen des Rheins: im rühmlichen Streben,</p> +<p>Retter zu seyn Unglücklicher<ins class = "correction" title = +"fehlendes “ von 1827 Auflage korrigiert">!“ </ins>Schon ist die +sterbliche Hülle,</p> +<p>Die ihn umgab, in dem Baseler Dom zu Grabe getragen,</p> +<p>Wo ihm ein Denkstein wird, auf immer zum ehrenden Zeichen.</p> +<p>Traure nicht. Ich, und die Mutter — wir harren dein in +Gefilden</p> +<p>Ewigen Glücks, bis treuerfunden am Ziel, wo entscheidend</p> +<p>Sinket die Wag’, und steigt, auch du, vor unsäglicher Wonne</p> +<p>Jauchzend, die Deinen ersiehst in seliger Wiedervereinung.</p> +<p>Denke der Alpenhöh’n, des Greises, und frommen Gelübdes,</p> +<p>Wenn in umdrängender Schlacht die Hoffnung des Sieges dir +schwindet!“</p> +<span class = "pagenum">323</span> +<p>Rudolph fuhr von dem Stuhl’. Er wähnte den fliehenden Schimmer</p> +<p>Noch an der Decke des Zeltes zu schau’n, und zitterte, starrend</p> +<p>Hin, den Gesichten der Nacht. Dann rief er: „Ein furchtbarer Traum +war’s:</p> +<p>Furchtbar und himmlisch zugleich! Mein Hartmann lebt, und mich +täuschte</p> +<p>Nur der Lamp’ aufflimmerndes Licht. O Herr, du bewahr’ ihn!“</p> +<p>Sprach so; streckt’ auf dem Lager sich aus, und entschlummerte +wieder.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber nicht herrschte die Ruh’ und des Herzens Frieden in Ottgars</p> +<p>Zelt: denn eben kehrt’ er zurück aus dem finsteren Eichwald</p> +<p>Götzendorfs, und er wähnete noch: die Schrecken der Hölle</p> +<p>Rauschten hinter ihm her, im Gezisch’ unseliger Geister.</p> +<p>Furchtbar rollte sein Aug’, und seine geöffneten Lippen</p> +<p>Zitterten. Doch nun warf er das Schwert auf den drönenden Tisch +hin,</p> +<p>Ließ sich nieder, und starrte mit düsterem Blick’ in des +Oehldochts</p> +<p>Flimmernden Schein. Er eilte zuvor dem waldigen Thalgrund</p> +<p>Götzendorfs, im Grauen der Nacht, allein, und dem Heerweg</p> +<p>Fern’ auf dem schnaubenden Roß entgegen: des dunkelen Schicksals</p> +<p>Ruf noch einmal dort an dem schauerumflossenen Eichbaum,</p> +<p>Dem die Bewohner des Dorfs nur mit Angst und Schrecken vorüber</p> +<span class = "pagenum">324</span> +<p>Eileten: denn stets scholl Gezisch um ihn her, zu vernehmen.</p> +<p>Dorthin bannt’ erst jüngst Drahomira, voll höllischer Arglist,</p> +<p>Einen täuschenden Spuk, zu verlocken den finsteren Ottgar,</p> +<p>Der um die Mitternacht hinwanderte, Gott zu versuchen.</p> +<p>Als er rasch auf den Baum losdrang, da trat ihm sein Engel</p> +<p>Unsichtbar in den Weg, und rief an das Herz ihm die Warnung:</p> +<p>„Wie, Verehrer des Herrn des Weltalls, Theuererlös’ter,</p> +<p>Willst du dem Vater der Lüge dich weih’n — die unsterbliche +Seel’ ihm</p> +<p>Selbst verschreiben zum Pfand für trugverhüllende Zeichen?</p> +<p>Kehre zurück; bereue die Schuld des entflohenen Lebens.</p> +<p>Mild erbarmt sich der Herr des Reuigen: eil’ ihn zu söhnen!“</p> +<p>Ottgar horchte bestürzt: denn zorngerötheten Blickes,</p> +<p>Sah der Unsterbliche jetzt nach dem Baume hinüber, und alsbald</p> +<p>Floh’n die finsteren Mächte davon. Ihr wildes Gezisch scholl</p> +<p>Laut um ihn her: er wandte das Roß, und im brausenden Eilflug</p> +<p>Kehrt’ er heim in das Zelt, von Angst ergriffen, und Schauder.</p> +<p>Als er dort beim Scheine der mattaufflimmernden Lampen,</p> +<p>Sinnend, saß: da scholl ein Getrab anstürmender Rosse</p> +<p>Näher. Nicht lange, so stand Kunegunde, mit flammenden Blicken</p> +<p>Schauend, vor ihm, und sprach: „Hast du die verhüllete Neigung</p> +<p>Deiner so theuren Tochter dir, zu dem herrlichen Jüngling,</p> +<span class = "pagenum">325</span> +<p>Wallstein, früher gekannt, der jüngst in’s eigene Schwert sank,</p> +<p>Und ihr Herz verwundet im Zorn? Nie siehst du sie wieder.</p> +<p>Hedwig entfloh. Aus dem Kloster, ach, der ad’ligen Nonnen</p> +<p>Drüben im Ungerland kam mir die Kunde gesendet:</p> +<p>Eine Braut des Herrn, will sie in erkorener Stille</p> +<p>Leben hinfort. Schon hüllt ihr die liebliche Stirne der Schleier.</p> +<p>Schrecklicher, dein Werk ist’s: gar viel des Schlimmen erlebst +du!“</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar beugte das Haupt, und barg die thränenden Augen</p> +<p>Schnell mit den Händen vor ihr: von dem leise geahneten Schicksal</p> +<p>Seines theuersten Kindes bewegt. Er bebte, verstummend.</p> +<p>Doch sie sprach von neuem mit Hohn: „Im nächtlichen Grauen</p> +<p>Komm ich von Drösing heran: denn wer gewahrt’ in des Tages-</p> +<p>Licht nicht die Scham und die heimliche Wuth mir im glühenden +Antlitz</p> +<p>Ueber die Flucht des Böhmenheers — des tapfersten Heeres,</p> +<p>Das sein Hort: weh mir, daß ich Gattinn dem Feigen geworden,</p> +<p>Fliehen hieß in dem Augenblick des entschiedenen Sieges!“</p> +<p>„Weib, halt ein!“ schrie laut der Empörete, „kühn und +entschlossen</p> +<p>War ich mein Leben lang, und feig ertrug ich als Gatte</p> +<span class = "pagenum">326</span> +<p>Nur, die Launen des Weibs, das mir zum Jammer zu Theil ward.</p> +<p>Ach, die unfriedliche Ehe gebiert die herbste der Qualen!</p> +<p>Doch für jetzo hinweg mit eitlem Gezanke. Zu furchtbar</p> +<p>Dränget der Augenblick: nicht fern ist die Stunde der Schlacht +mehr.</p> +<p>Fort noch heute g’en Prag! Ich sende dir muthige Scharen</p> +<p>Zum Geleit. Mit dir sey Gott! Kunegunde die Mutter</p> +<p>Meiner Kinder bist du! Erhabenes liegt in den Worten.</p> +<p>Halte sie wohl, die theuern! Gar viel ertrug ich des Schlimmen</p> +<p>Mit Geduld, um die Kindlein: denn mir fehlte der Sohn noch.</p> +<p>Ha, daß vielleicht, so mir die Heimkehr wird aus dem Kriegszug,</p> +<p>Schönere Tag’ uns blüh’n! Nur als Sieger siehst du mich wieder.“</p> +<p>Sagt’ es, und stand, verwendeten Blicks. Ihr rollten die Thränen</p> +<p>Ueber die Wangen herab: denn tief vorahnte sie’s: nimmer</p> +<p>Werde sie ihn mehr seh’n; doch scholl kein freundliches „Leb’ +wohl!“</p> +<p>Ihr von den Lippen; sie ging, und schwang sich auf’s Roß, von den +Reitern</p> +<p>Dicht umschart, bald Prag, die herrliche Stadt zu erreichen.</p> + +<p class = "stanza"> +Heftig bewegt, ging Ottgar jetzt im dämmernden Zeltraum</p> +<p>Auf und nieder, und sann. Schon längstentflohene Zeiten</p> +<span class = "pagenum">327</span> +<p>Kehreten ihm, nun lieblich und hell, nun nächtlich und furchtbar,</p> +<p>Wieder im Bilde zurück, und ach, unendliche Wehmuth</p> +<p>Faßte sein Herz, als dort die dämmernde Helle des Nachtgrau’ns</p> +<p>Trauergewölk verschlang, und um ihn, verödet, die Welt lag!</p> +<p>Stöhnend streckt’ er zuweilen den Arm weit vor, und ersehnte</p> +<p>Heiß, zu entreißen dem Grab, was solches im Moder bedeckt hielt.</p> +<p>Seine Lippen bewegten sich dann, und lispelten Nahmen,</p> +<p>Ort, und Zeit umher in die Dämmerung. Willigen Herzens,</p> +<p>Wär’ er mit flehendem Wort vor Dem, und vor Jenem gesunken</p> +<p>Auf die Knie’, zu erringen den Wink ersehnter Verzeihung.</p> +<p>Doch, als Niemand war, der Antwort gab, und auf Erden</p> +<p>Alles, verstummt, und erstarrt, auf immer jegliches Mitleid</p> +<p>Ihm zu versagen schien: da hob er die furchtsamen Augen</p> +<p>Auf zu dem Himmel, und sah durch leis’aufquellende Zähren,</p> +<p>Zweifelnd, hin, bis jetzt, erschüttert, die bebenden Händ’ er</p> +<p>Faltete; dann, gesunkenen Haupts, auf die Kniee sich werfend,</p> +<p>Also begann: „O Herr, nicht geh’ in’s Gericht mit mir Armen!</p> +<p>Ringsum drängt mich die Schuld, wie die Fluthen des schwellenden +Bergstroms,</p> +<p>Und einstürzender Berge Geröll. Wo find’ ich Errettung</p> +<p>Einst vor deinem Zorn, Allmächtiger, wo, so dem Schuldner</p> +<p>Nur vergeltendes Recht, nicht auch Erbarmen zu Theil wird?</p> +<p>Doch Erbarmen mit mir, das, hart- und eiserngesinnet,</p> +<span class = "pagenum">328</span> +<p>Ich nicht übt’ an den Menschen — ein Mensch? Erhebe die Hand +nur,</p> +<p>Furchtbarer, straf’ mich: denn ich hab’ es verschuldet, auf +immer!</p> +<p>Dennoch nimmst du die Sühne noch an; barmherzig und gnädig</p> +<p>Bist du, o Herr, wenn reuig das Herz auf der irdischen Bahn noch,</p> +<p>Schmerzdurchdrungen, sie beut! Noch wandl’ ich auf ihr. Im +Bewußtseyn</p> +<p>Schrecklichen Frevels, zu dem auf der schwindelnden Höhe des +Thrones</p> +<p>Mich die gefährliche Macht und der feiggesinneten Schmeichler</p> +<p>Zauberruf hinriß, und des ungebändigten Herzens</p> +<p>Ehrgeiz, Stolz, und begierliche Gluth stets mächtiger drängte,</p> +<p>Will ich, läßt du mich leben, o Herr, mit reuigem Herzen</p> +<p>Sühnen die Schuld! Wie ich einst des Kreuzes heiliges Zeichen,</p> +<p>Siegend, zur Ostsee trug, und dort den verwilderten Heiden</p> +<p>Deines Nahmens Ruhm verkündigte, eifernd für Wahrheit,</p> +<p>Tugend, und Recht; wie dort das Herz bei jeglichem Guten</p> +<p>Höher im Busen mir schlug, und ringsum die heitere Schöpfung</p> +<p>Lächelte, weil in der Brust noch Frieden mir wohnte: so will ich,</p> +<p>Ein erneuerter Mensch, hinfort dir leben, und würdig</p> +<p>Wandeln vor dir, geschirmt von deiner allmächtigen Rechten!</p> +<p>Ha, der Morgen graut! Ich stehe g’en über den Feinden:</p> +<span class = "pagenum">329</span> +<p>Jenem zumal, der mich verhöhnete — mir in dem Herzen</p> +<p>Glühenden Haß und Rachsucht weckt’. Ich verzeih’ ihm: du +heischest</p> +<p>Solches, mein Heiland, von mir zum Gehorsam. Im redlichen Kampf +nur,</p> +<p>Den des Throns erworbenes Recht und die Liebe der Völker</p> +<p>Heiliget, will ich ihm steh’n, und anheim dir stellen mein +Schicksal.</p> +<p>Gieb mir den Sieg, Herr! Doch nicht mein — dein Wille +geschehe!“</p> + +<p class = "stanza"> +Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht</p> +<p>Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.</p> + + + + +<span class = "pagenum">330</span> +<h3><a name = "gesang11" id = "gesang11">Eilfter Gesang.</a></h3> + + +<p>Zweifelnd rang der Tag mit der Nacht, und im schauernden +Zwielicht</p> +<p>Ruhte die Erde, noch rings vom holden Schlummer umfangen,</p> +<p>Als das schreckliche Paar der Meerenberger in’s Lager</p> +<p>Kehrete. Dort an dem Pfad, der, längs dem duftenden Weinberg,</p> +<p>Immer höher sich hebt, und erst an dem felsigen Hügel</p> +<p>Schwindet, von welchem der Rabenstein empor in die Luft ragt,</p> +<p>Standen die Rachebrüder, vereint zu entsetzlichen Thaten,</p> +<p>Schon drei Stunden lang, und sah’n mit finsteren Blicken</p> +<p>Bald nach dem Hochgericht, bald einer in’s Auge dem andern,</p> +<p>Das, wie der Blitz aufflammt in dem Nachtgrau’n, öfters erglühte</p> +<p>Vor dem gewaltigen Drang des grimmgesättigten Herzens.</p> +<p>Aber da sprach der ältere so zu dem jüngeren Bruder:</p> +<p>„Siehe, der Morgen graut; schon bin ich gefaßt, und entschlossen!</p> +<p>Komm: die Vorhuth harrt, der wir uns entzogen.“ Und jener</p> +<span class = "pagenum">331</span> +<p>Sagt’, erweicht: „Noch ist das Entsetzliche, dem ich erbebe,</p> +<p>Nicht gescheh’n; noch stehen wir fern dem gekröneten Gegner,</p> +<p>Den ich zu morden schwur in der offenen Schlacht, in des Tempels</p> +<p>Heiligthum, und in dem stillen Gemach, wie solches das Glück mir</p> +<p>Günstig beut. Bereit ist die Rach’, und der schändlichste Frevel</p> +<p>Heischt sie mit Recht, und doch — ich könnt’ ihm verzeihen! +Nicht zürne</p> +<p>Theurer, mir ob dem Wort’, er sinkt: ich könnt’ ihm verzeihen!“</p> +<p>„Wie,“ so entgegnete jener voll Wuth, „das verhaßteste Wort kam</p> +<p>Dir von den Lippen: verzeih’n? Sieh’ hin nach dem Baume des +Fluches!</p> +<p>Ist er nicht jenem gleich — vielleicht daß die höllischen +Mächt’ ihn,</p> +<p>Mir zum Hohn, durch Zaubergewalt herführten im Luftraum,</p> +<p>Weh’, auf dem der edelgesinnete Bruder, mein Seyfried,</p> +<p>Schuldlos litt; das Haupt zu den Füßen gebunden, nach dreimal</p> +<p>Schrecklichen Tagen verblich? Verzeih’n? Ich erwürge dich, thust +du’s!“</p> +<p>Jener verstummte vor ihm, und sie kehrten mit eilenden Schritten</p> +<p>Wieder zurück zur Heldenschar der erlesenen Vorhuth.</p> + +<span class = "pagenum">332</span> +<p class = "stanza"> +Drüben in Osten entstieg des erd’umrandenden Himmels</p> +<p>Tiefen, gehüllt in Rosengluth, die ersehnete Sonne;</p> +<p>Aber sie schwand dann bald, von düsteren Wolken verschlungen,</p> +<p>Wieder, und zeigt’ auch heute nicht mehr ihr freundliches +Antlitz,</p> +<p>Bis sie vom Abendthor erreicht das herrliche Ziel sah!</p> +<p>Schon war drängende Hast und dumpfes Gemurmel im Lager</p> +<p>Beider Gegner erwacht; schon sprengten die Herolde hierhin,</p> +<p>Dorthin fort: des Heers Aufstellung den schaltenden Amtnern<a class = +"tag" name = "tag11_1" id = "tag11_1" href = "#note11_1">1</a></p> +<p>Kund zu thun, wie solche zuvor der Herrscher gebothen.</p> +<p>Ottgars dräuende Macht hob weit an dem dunkelen Spannberg</p> +<p>Sich empor: ausdehnend rechts den mächtigen Flügel</p> +<p>Bis g’en Weidendorf, und links an die Marken von Dürnkrut,</p> +<p>Also geordnet in sechs Heersäulen, dem Feind zu begegnen:</p> +<p>Hier an das Böhmen-Volk der Sachs und der Bayer, und drüben</p> +<p>Reuß’ und Pol’ an jenes aus Mähren, gereiht, mit den Scharen,</p> +<p>Kunrings: denn ihm verharrete dort mit erlesenen Kriegern</p> +<p>Noch zu getreulichem Dienst Hadmar, der ältere; Leutold</p> +<p>Nur, aufflammenden Zorns, zog jüngst mit den Seinen zur Burg +heim.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber wie gestern am Wall’, zu drei Heersäulen geordnet,</p> +<p>Standen des Kaisers Reih’n entgegen den Reihen der Gegner,</p> +<p>Und gedachten anjetzt vor dem Kampf, der Beicht und des Bußwerks:</p> +<span class = "pagenum">333</span> +<p>Denn manch tapferer Krieger sprach: „Wo weilt in des Heeres</p> +<p>Ordnung der Seelenhirt, der von dem verirreten Schäflein</p> +<p>Höre die Sünden bekannt, und im Nahmen des Herrn es entlasse,</p> +<p>Ledig der Schuld? Ach, furchtbar wär’s, in solcher zu scheiden!“</p> +<p>Bald gewahrt’ er den Wink, der ihm das ragende Zelt wies,</p> +<p>Wo in dem dämmernden Raum, mit niedergehefteten Augen,</p> +<p>Heiligen Mitleids voll, der Priester des Herrn zu Gericht saß.</p> +<p>Willig senkten vor ihm auch sonst unwillige Knie’ sich</p> +<p>Jetzt in den Staub, und, segengestärkt, bekannten die Krieger,</p> +<p>Nicht durch Erdenmacht — nein, nur von dem Herzen +getrieben,</p> +<p>Was sie gefehlt, und bereut; sie höreten warnende Lehren;</p> +<p>Hörten erfreuenden Trost, und zuletzt den göttlichen Ausspruch,</p> +<p>Der sie lös’te, nicht band, auf dem Wege des Heils und Erbarmens,</p> +<p>Wie es der Meister gelehrt, der Menschen des Himmels Gewalt gab.</p> +<p>D’rauf, als dort vor jeder der drei Heersäulen ein Priester</p> +<p>Würdig die Feier des Abendmahls vollendete, traten</p> +<p>Sie zu dem Tische des Herrn, und empfingen die Speise der Seelen,</p> +<p>Klopfend die Brust dreimal mit des Kapernaonischen Hauptmanns</p> +<p>Demuthssinn, der sprach: „O Herr, nicht würdig erkenn’ ich</p> +<span class = "pagenum">334</span> +<p>Mich, daß du einkehrst heute bei mir; doch, sprichst du ein Wort +nur,</p> +<p>Wird die Seele gesund!“ Und mit Freudigkeit stellten die Scharen</p> +<p>Wieder sich auf in Reih’n, gestärkt in heiliger Andacht.<a class = +"tag" name = "tag11_2" id = "tag11_2" href = "#note11_2">2</a></p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt erwacht’ in dem Lager Getös’. Der edele Ritter</p> +<p>Rief den Knappen herbei, daß er säh’ nach dem Zaum’ und dem +Bügel —</p> +<p>Nach dem Sattel und Gurt: ob jedes dem mächtigen Schlachtdrang</p> +<p>Haltbar sich wies’? da er selbst den Helm mit dem Riemen am Kinn +sich</p> +<p>Festigte; dann sein gutes Schwert, aus der Scheide gezogen,</p> +<p>Prüfte, die Schneid’ entlang, mit sanfthingleitendem Daumen.</p> +<p>D’rauf noch einmal umwandelnd das Roß mit forschenden Blicken,</p> +<p>Faßt’ er hurtig den Zaum, und sagte zu seinem Getreuen:</p> +<p>„Grüß’ mir den grauenden Vater daheim, so der Vater im Himmel</p> +<p>Mich in dem Waffengemeng, durchbohrt vom feindlichen Eisen,</p> +<p>Abruft: bald nachfolgt, vom Alter gebeugt, er in’s Grab mir!“</p> +<p>Aber ein Anderer sprach: „Merk’ auf! So ich niedergeworfen</p> +<p>Lieg’ auf dem Feld’, und du kehrst, so bringe der Grüße viel +tausend’</p> +<p>Dort der Schwester noch, der redlichen: denn in dem Leben</p> +<span class = "pagenum">335</span> +<p>Theilten wir Freud’ und Leid, vereint von der zartesten Jugend!“</p> +<p>Wieder ein Anderer trat mit dem Knappen beiseit’, und geboth ihm:</p> +<p>„Kömmst du vorüber die Burg, wo mir, holdselig, das Fräulein</p> +<p>Treue Minne gelobt: oft hast du es selber gesehen,</p> +<p>Wie von dem Erker sie mir, dem Scheidenden, thränenden Blickes,</p> +<p>Nachsah, dann noch fern mit dem schimmernden Tuche mir winkte:</p> +<p>O so sprich: „Treu bis in den Tod ihr weiht’ ich das Leben<ins class += "correction" title = "zweites „ fehlt">!“</ins></p> +<p>Doch der fromme Gemahl begann mit sinnendem Ernst so:</p> +<p>„Redlicher, kehrst du, des Ritters beraubt, zur rühmlichen +Heimath:</p> +<p>Grüße die beste der Frau’n und die holdaufblühenden Kinder</p> +<p>Alle mit herzlichem Wort! Die so edelgesinnete Gattinn</p> +<p>Solle mir ja bewahren den Eid, und die munteren Jungen,</p> +<p>Sorgend mit Mutterhuld, zur Furcht des Herrn auf der Wahrheit</p> +<p>Hellem Pfad’ erzieh’n, daß sie Männer in jeglichem Sinne</p> +<p>Werden, und wir vor Gott uns wiederfinden in Wonne!“</p> + +<p class = "stanza"> +So bestelleten dort, voll Hast, die gerüsteten Ritter,</p> +<p>Vor dem Entscheidungskampf, des ergriffenen Herzens Geheimniß.</p> +<p>Andere sprengten daher, und schüttelten Diesem und Jenem</p> +<span class = "pagenum">336</span> +<p>Freundlich die Hand, „leb’ wohl!“ auf immer vielleicht ihm zu +rufen.</p> +<p>Doch die, bundesgesellt, in den schimmernden Reih’n sich +erblickten,</p> +<p>Eineten sich mit betheuerndem Wort’ und mit kräftigem Handschlag:</p> +<p>Nahe zu seyn in Gefahr, und zu schützen der eine den andern.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, da ritt, umringt von seinen gewaltigen Feldherrn,</p> +<p>Nach vollendetem Mahle des Herrn, auch der Kaiser herüber!</p> +<p>Hugo von Tauffers sah des Heers Aufstellung, und sagte:</p> +<p>„Herr, nicht schweigt dein Haug: er kennt den gütigsten +Herrscher!</p> +<p>Heiße die Scharen in fünf, nicht in drei Heersäulen geordnet,</p> +<p>Gegen den Feind vordringen im Feld, daß die tapferen Krieger</p> +<p>Jeglichen Volks, entflammt von der rühmlichen Liebe der Heimath,</p> +<p>Streben den andern zuvor, zu erringen den herrlichen Siegspreis.“</p> +<p>„Klug hast du,“ sprach jener mit Huld, „mir gerathen. Des Weisen</p> +<p>Rath ist besser denn Gold, und des Demants funkelnder Reichthum</p> +<p>Wiegt ihn nicht auf. So möge das Heer in gesonderten Haufen</p> +<span class = "pagenum">337</span> +<p>Stehen: um mich die Ritter-Schar und die Völker aus Deutschlands</p> +<p>Oberen Gau’n; dann rechts, in zwei Heersäulen der Ostmark</p> +<p>Heldensöhn’ und der steyrischen Mark, und in zweien, zur Linken,</p> +<p>Jene von Kärnthen und Krain, von muthigen Führern geordnet;</p> +<p>Aber das tapfere Volk der Ungern stehe zur Rechten —</p> +<p>Jenes der Kunen zur Linken zurück: im entscheidenden Zeitraum</p> +<p>Vorzubrechen, und dort zu vernichten die fliehenden Scharen,</p> +<p>Da von der Warte von Ebenthal der mächtige König,</p> +<p>Schauend als Zeuge sein Volk, zum Sieg entflammet die beiden.“</p> + +<p class = "stanza"> +Also geschah’s. Noch war der volkvereinenden Fähnlein</p> +<p>Pracht im Heer nicht enthüllt. Die Fahnenjunker entbanden</p> +<p>Solche dem ragenden Schaft’, und sie flatterten jetzt in dem Wind +hin,</p> +<p>Zahllos, buntvermengt, wie im Lenze die Blumen des Feldes.</p> +<p>Alsbald sprengten die Edeln heran, den Ruhm zu erringen:</p> +<p>Vor dem Kaiser im Kampf’ einher zu tragen die Sturmfahn’:<a class = +"tag" name = "tag11_3" id = "tag11_3" href = "#note11_3">3</a></p> +<p>Oestreichs Demantberg’ und Edelgesteine mit Konrad</p> +<p>Haselau; dann Trautmansdorf mit seinem Erzeugten,</p> +<p>Ach, dem einzigen jetzt, und auch Capellen mit Heunburg!</p> +<span class = "pagenum">338</span> +<p>Aber mit freudigem Stolz begann der erhabene Kaiser:</p> +<p>„Werth seyd ihr des Ruhms, des herrlichsten, alle vor allen;</p> +<p>Doch mein Haselau, der achtzigjährige Greis dort,</p> +<p>Heischt ihn mit Recht: d’rum werd’ ihm heut die erlesene Stelle</p> +<p>Oestreichs Siegespanier für Oestreichs ewige Herrschaft</p> +<p>In der entscheidenden Völkerschlacht zu erhöh’n, und es steh’ ihm</p> +<p>Lichtenstein, so er dort ermattete, hülfegesellet.</p> +<p>Tritt, Markgraf von Hochberg, vor, und empfange die Reichsfahn’!</p> +<p>Albrecht, du, mein ältester, komm, mir die erste der Fahnen,</p> +<p>Die vor allen, geziert mit dem Bild des erlösenden Kreuzes,</p> +<p>Aufragt, heut zur ermunternden Schau, in dem Kampfe zu weisen:</p> +<p>Dicht vor mir in Gefahr und todverbreitendem Schlachtgrau’n,</p> +<p>Wie du es selber ersehntest jüngst, im muthigen Herzen!“</p> +<p>Hochberg hob nun zuerst des heiligen, römischen Reiches</p> +<p>Fahne zur Luft, wo schwarz im gelbherschimmernden Feldraum</p> +<p>Sich der Doppel-Aar, mit Zepter und Krone geschmückt, wies;</p> +<p>Jene von Oestreich Haselau, ehrwürdigen Anseh’ns,</p> +<p>Weisend den schneeigen Streif in Leupolds rühmlichem Blutfeld.</p> +<p>Beide hielten, dem Kaiser nicht fern, zur Rechten und Linken;</p> +<span class = "pagenum">339</span> +<p>Aber vor ihm hob dann sein Albrecht die heilige Fahn’ auf,</p> +<p>Die in dem grünlichen Feld mit dem Bild des Erlösers geschmückt +war.</p> +<p>Wieder begann er, und sprach vor dem Heere mit leuchtenden Augen:</p> +<p>„Schwarzenberg, nun hin, zu erforschen den König von Böhmen:</p> +<p>Ob er gerüstet im Feld’ uns heut zu begegnen, gewillt sey?</p> +<p>Nahe der Vorderhuth, mit den Reisigen wirst du ihn treffen:</p> +<p>Denn er kennt in Gefahren des Kampfs die unmännliche Furcht +nicht!“</p> +<p>Jener enteilete, wie der fernhinbrausende Sturmwind,</p> +<p>Der des Staubes Gewölk auf dem Heerweg, wirbelnd, emporhebt.</p> +<p>Bald annahte der Held dem nahenden Feind’, und gewahrte</p> +<p>Dort an der Vorderhuth, im Kreis’ erlesener Feldherrn,</p> +<p>Ottgars hohe Gestalt, der, herrlichgewaffnet, daherkam:</p> +<p>Denn er hüllte das Haupt in den silbernen Helm, und es wand sich</p> +<p>Rings um selben, die Kron’ aus strahlendem Golde, gezackt, auf;</p> +<p>Auch der Harnisch und Schild, und am Arm und dem Beine die +Schienen,</p> +<p>Die er sich heute gewählt, erglänzten von Silber, und dräuend,</p> +<p>Warf von des Degens Griff in der Rechten ein röthlicher Demant</p> +<p>Blitz’ umher. So kam er, zum Kampf gerüstet, herüber.</p> +<span class = "pagenum">340</span> +<p>Als er den Ritter ersah, da hemmt’ er den schnaubenden Rappen</p> +<p>Rasch mit zorngeröthetem Blick; doch jener begann so:</p> +<p>„Herr, du hast den Frieden verschmäht: so bieth’ ich dir Krieg +denn,</p> +<p>Ich, von Schwarzenberg, des Kaisers gesendeter Herold,</p> +<p>Krieg auf Leben und Tod, im Nahmen des Kaisers! Er fragt dich,</p> +<p>Edelgesinnet, zuvor, nach altherkömmlicher Sitte:<a class = "tag" +name = "tag11_4" id = "tag11_4" href = "#note11_4">4</a></p> +<p>Ob du, gerüstet zum Kampf’, ihn heut’ erwartest im Schlachtfeld?“</p> +<p>Also der tapfere Held. Grimmlächelnd erwiederte jener:</p> +<p>„Bring’ ihm die Kunde zurück: ich sey Streit’s halber<a class = "tag" +name = "tag11_5" id = "tag11_5" href = "#note11_5">5</a> gekommen!“</p> +<p>Sagt’ es, und wandte das Roß, im schnelleren Zuge die Krieger</p> +<p>Vorzuführen zur Schlacht, und zu schrecklichem Feindesgemetzel.</p> + +<p class = "stanza"> +Schon verkündete Schwarzenberg, der edele Herold,</p> +<p>Kehrend in Eile zurück, dem Kaiser, daß ewige Feindschaft</p> +<p>Ihm der König gelobt, und bald vorstürme zum Angriff.</p> +<p>Sieh’, und kaum entfuhr ihm das Wort, da jagten des Gegners</p> +<p>Vorderste Haufen herab von dem Hügel; viel tausende folgten</p> +<p>Bald den ersteren nach, und verdunkelten alle die Höhen!</p> +<p>Manchem der Krieger, der zum ersten Male des Feindes</p> +<span class = "pagenum">341</span> +<p>Scharen ersah in dem Feld; noch nie der würgenden Waffen</p> +<p>Furchtbaren Schlag vernahm, und empfand in dem Sturme des +Angriffs,</p> +<p>Pochte das Herz in der Brust viel mächtiger: wechselnde Schauer</p> +<p>Liefen ihm fort und fort an dem Haupt und dem Rücken hinunter,</p> +<p>Und zu dem Helmdach hob sich oft sein starrendes Haar auf.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch nun ritten im Flug’ aus den Reih’n der mittleren Heerschar</p> +<p>Hundert Jünglinge vor, die aus Zürich, dem Städtchen, gezogen;</p> +<p>Stellten dort vor dem Kaiser sich auf, und einer begann so:</p> +<p>„Möchtest du jetzt, erhabener Herr, ruhmwürdiger Sitte</p> +<p>Denkend, ertheilen den Schlag, der uns den Edeln geselle!</p> +<p>Ha, nicht soll es dich reu’n, wenn wir vordringen im +Schlachtfeld!“</p> +<p>Freudig entblößte der Kaiser sein Schwert, erhob es, und sagte:</p> +<p>„Blühende Männer, wohlan: da ihr edele Thaten verheißet,</p> +<p>So gescheh’ euch nach Wunsch! Hart drängt uns die Stunde: wir +schlagen</p> +<p>Darum euch nur auf den Helm und den Schild, nach edeler Sitte,</p> +<p>Jetzt im Nahmen des Ein-dreieinigen Gottes zu Rittern.“</p> +<p>Und er führte den Streich kreuzweis nach den Helmen und Schilden</p> +<span class = "pagenum">342</span> +<p>Aller umher. So wurden sie hier den Edeln gesellet.<a class = "tag" +name = "tag11_6" id = "tag11_6" href = "#note11_6">6</a></p> +<p>Aber er sprengt’ im Fluge hinaus vor die glänzenden Scharen;</p> +<p>Schwang das Eisen, und rief mit lautumschallender Stimme:</p> +<p>„Tapfere, hört: nun gilt’s! Dort nah’t in furchtbarer Mehrzahl,</p> +<p>Unversöhnlichen Grolls, der Feind, uns die Länder der Ostmark,</p> +<p>Ja, auch die Krone des Reichs, im entscheidenden Kampf zu +entreißen.</p> +<p>Aber nicht soll er deß’ sich erfreu’n. Allmächtig ist Gottes</p> +<p>Schützender Arm: er führt uns mit allumfassender Vorsicht</p> +<p>Durch die sonnige Flur und die Nachtabgründe des Lebens:</p> +<p>Fest ruht mein Vertrauen auf ihm. So werdet auch ihr jetzt,</p> +<p>Stark durch Gott, mit unbeugsamer Kraft des endlichen Kampfes</p> +<p>Schrecknisse siegend besteh’n; den eidverhöhnenden Frevel</p> +<p>Strafen: erringen die langersehnete Ruhe für Deutschland;</p> +<p>Gründen der Völker Glück und euren unsterblichen Nachruhm.</p> +<p>Ha, und erliegen wir auch, so laßt uns erliegen als Helden!</p> +<p>Eins sey mein, und euer Geschick: ich, Kaiser der Deutschen,</p> +<p>Leb’, und sterbe mit euch auf dem winkenden Felde der Ehren.“</p> +<p>Sieh’, und die jauchzenden Scharen entlang aufblitzten die Waffen</p> +<p>Aller zugleich in die Luft: sie heischten urplötzlichen Angriff.</p> + +<span class = "pagenum">343</span> +<p class = "stanza"> +Aber auch Ottgar rief entflammende Worte den Seinen:</p> +<p>„Sehet,“ so sprach er mit grimmigem Blick, „schon naht uns des +Gegners</p> +<p>Heersmacht, der so frech uns höhnete, schändliche Täuschung</p> +<p>Uebend an mir, und an euch: noch bebt mir die Seele vor Schauder,</p> +<p>Denk’ ich’s! Doch er büße dafür: denn ewige Schand’ euch,</p> +<p>So ihr nicht rächet die Schmach, die, gleich, dem Volk’ und dem +Herrscher</p> +<p>Böhmens galt. Gedenket der Zeltvorhänge von Kamberg,</p> +<p>Strafet des Frevlers Trotz. Er brüste sich, daß ihm die Kunen</p> +<p>Gestern erfochten den Sieg. Schaut hin nach den rühmlichen +Feldern</p> +<p>Kressenbruns, wo ich Bela’s Macht, vernichtend, in Staub warf.</p> +<p>Ha, noch bin ich der Held, der euch vom Siege zu Siegen</p> +<p>Führete! Fort — greift an! Dem dräuenden Aare von Oestreich</p> +<p>Möge der böhmische Leu’ nun weisen die furchtbaren Klauen.“</p> + +<p class = "stanza"> +Also empörten ihr Volk die schlachtgebiethenden Herrscher.</p> +<p>D’rauf erscholl ringsher Geschrei und Getümmel; die Trommeln</p> +<p>Wirbelten; laut in dem Sturm erklangen die eh’rnen Drometen:</p> +<p>Hier die Reisigen, dort des Fußvolks Reihen zum Angriff</p> +<p>Drängend im Feld’, und so, wie ein Lüftchen die wogenden Aehren</p> +<span class = "pagenum">344</span> +<p>Treibt im Kreise herauf und hinab: so bewegte sich hierher,</p> +<p>Dorthin, wimmelnd, das Heer. Staub flog empor, wie im Märzmond,</p> +<p>Wenn der eisige Nord-, dann wieder der brausende Westwind</p> +<p>Noch den entfliehenden Winter hemmt, und am glänzenden Mittag</p> +<p>Rieselgewölk aufjagt: da hebt sich im wirbelnden Aufflug</p> +<p>Hoch in die Lüfte der flimmernde Schnee; da schwindet des Himmels</p> +<p>Sonnige Bläue; das Thal, und die ringsaufragenden Berghöhn</p> +<p>Hüllt das Gestöber in Nacht: so erregte der feindlichen Scharen</p> +<p>Schlachtanlauf unendlichen Staub in den Saatengefilden,</p> +<p>Und das Entsetzen schnob aus dem Grau’n des umnachtenden Qualms +her;</p> +<p>Aber nicht anders, wie dann, mit entfesselter Wuth, die empörten</p> +<p>Stürzen aus Westen und Norden zugleich auf den wimmelnden Hafen,</p> +<p>Wo das Gewässer des Meers, aufbrandend, sich hebt; von den Ankern</p> +<p>Reisset das Seil, und jetzt, wild an einander geschleudert,</p> +<p>Mitten im furchtbarn Wogengeheul, am zerschmetterten Schiffsraum</p> +<p>Kracht der Raum, am Maste der Mast, und, berstend am Kiel hin,</p> +<p>Donnert das hohle Verdeck, daß rings den umuferten Hafen</p> +<span class = "pagenum">345</span> +<p>Grause Zertrümmerung hüllt: so stießen die Heere zusammen.</p> +<p>Sieh’, und seitwärts, weit vom Winde hinübergetragen,</p> +<p>Legte sich jetzo der Staub in dem Feld: da sah’n sich die Gegner</p> +<p>Näher in’s Aug’, und ha, bald traf das Eisen auf’s Leben!</p> +<p>Doch, ach! mußte der Kampf für Rudolphs Helden so schrecklich,</p> +<p>Und am schrecklichsten noch, für den einen der Helden beginnen?</p> + +<p class = "stanza"> +Zamor trieb aus der Vorderhuth die rüstigen Schützen</p> +<p>Reussens vor in die Schlacht. Sie hatten der tödlichen Armbrust</p> +<p>Sehne gespannt; den Pfeil in die Röhre des Schaftes geschoben;</p> +<p>Fest an die Wange gepreßt den krummgebogenen Kolben;</p> +<p>Dann im Lauf, nach dem Gegner zielend, das schnellende Zünglein</p> +<p>Losgedrückt: urplötzlich ertönte die Sehn’, und erbraus’te</p> +<p>Fort in der Luft der befiederte Pfeil, nach feindlichem Herzblut</p> +<p>Lechzend: er traf, und verwundete Roß und Mann in den Scharen,</p> +<p>Die aus der Steyermark herlenkte der tapfere Pfannberg,</p> +<p>Und jetzt Trautmansdorf beherrscht: da jener, verwundet,</p> +<p>Noch im luftigen Zelt des vielerfahrenen Arztes</p> +<p>Sorge sich fügt: voll Gier, in die Schlachtreih’n wiederzukehren.</p> +<span class = "pagenum">346</span> +<p>Trautmansdorf ermahnete laut das treffliche Fußvolk</p> +<p>Und die Reiter zugleich, des vaterländischen Ruhmes</p> +<p>Eingedenk’, heut’ in dem Feld’ als mannhafte Streiter zu stehen.</p> +<p>Freudig gehorchte das Volk, und im Sturmlauf ging’s an den Feind +jetzt,</p> +<p>Als, von der Armbrust her die befiederten Pfeile geschnellet,</p> +<p>Zischten. Dicht vorüber dem Ohr des unglücklichen Vaters</p> +<p>Flog ein mordender hin, und verschont’ ihn — den zartesten +Sprößling,</p> +<p>Der ihm von zehn-und-vier noch blühete, niederzuwerfen.</p> +<p>Hinter ihm sank ein Reiter vom Roß’. Er hört’ es, und bebte;</p> +<p>Aber nicht sah er zurück, und rief des aufstürmenden Herzens</p> +<p>Angst bekämpfend, noch lauter sein Volk zum Kampf und Gewürg’ +auf.</p> +<p>Erdwin war’s, der fiel, von dem Pfeil’ im Halse getroffen,</p> +<p>Da in dem Sturmlauf jetzt die Halsberg’ sich von der Schulter</p> +<p>Aufschob. Still, wie die Lilie sinkt, vom Hagel zerschmettert,</p> +<p>Sank er vom Roß’, und, fallend, bath er mit sterbendem Blick +noch,</p> +<p>Daß kein Laut sein Geschick dem enteilenden Vater verrathe.</p> +<p>Trauernd gehorchten dem Wink die raschvorstürmenden Krieger.</p> +<p>Doch schon drang im beflügelten Ritt sein edler Erzeuger</p> +<p>Bis in die vordersten Feindesreih’n, und schnell, wie der Blitz +schlägt,</p> +<span class = "pagenum">347</span> +<p>Warf sein schrecklicher Arm fünf Schützen aus Reussen zu Boden.</p> +<p>Zamor, des Volkes Hort, ersah den Würger, und alsbald</p> +<p>Jagt’ er heran, den Tod der gefallenen Krieger zu rächen;</p> +<p>Aber ihm eilte nur muthiger noch der Ritter entgegen;</p> +<p>Faßte noch fester den Griff in die Hand, und hieb mit des +Schwertes</p> +<p>Tödlichem Stahl’ ihm die hochgethürmete Mütz’ und die Scheitel</p> +<p>Tief in die Stirn’ entzwei, daß er stürzend vom Sattel hinunter</p> +<p>Taumelte, laut aufstöhnt’, und das blühende Leben verhauchte.</p> +<p>Ach, bald jammert die Gattinn daheim, die, heimlich im Busen</p> +<p>Ahnend ihr Trauergeschick, dem scheidenden Gatten den Säugling,</p> +<p>Schlummernd in lieblicher Unschuld wies, und die Knie’ ihm +umfaßte,</p> +<p>Flehend mit Thränen im Blick, daß er doch bei den Seinen +verharre;</p> +<p>Aber umsonst! Ihn rief der ruhmverheißende Heerbann</p> +<p>Fort in das Feld, und er sank, erwürgt, in dem schrecklichen Kampf +jetzt.</p> +<p>Siehe, nicht rastete Trautmansdorf: er drängte die Schützen,</p> +<p>Rasch fortkämpfend, zurück’, und Blut beströmte den Boden!</p> + +<p class = "stanza"> +Fern, vom gehügelten Sand’, ersah der Führer der Kunen,</p> +<span class = "pagenum">348</span> +<p>Suhol, der Eber genannt, dem Trentschins Gebiether den Herold</p> +<p>Sendete: daß er ihm eine sein Volk, wie dort in dem Vortrab</p> +<p>Trautmansdorf vor allen zuerst vordrang mit den Reitern.</p> +<p>Das empört’ ihm die Brust, und, unbändigen Zorns, wie ihm stets +noch</p> +<p>Jugendlichheiß das Blut in dem leichtaufbrausenden Herzen</p> +<p>Kochte, schwang er sein Eisen zur Luft, und begann vor dem Volk +so:</p> +<p>„Seht, dort fechten sie schon, und tränken ihr Schwert mit des +Feindes</p> +<p>Dampfendem Blut’, — erringen wohl auch sich die Beute vor +andern,</p> +<p>Da wir, müßig im Hinterhalt, des unsicheren Vortheils</p> +<p>Harren! Soll denn die Beut’ und der Siegsruhm stets nur die +Deutschen</p> +<p>Lohnen im Schlachtengefild? Stets sollen wir jenen zurücksteh’n,</p> +<p>Eng’ in die Ordnung gebannt? Nicht also gefällt es dem Kunen:</p> +<p>Denn er schwärmt in dem Feld, wie ein brausendes Donnergewitter,</p> +<p>Frei umher, und erfüllt es mit Angst, Verderben, und Jammer.</p> +<p>Auf, wir wollen hinaus, dem Feind’ in die Seite zu fallen</p> +<p>Mit entsetzenverbreitender Hand! So holen wir Beut’ uns</p> +<p>Selber, und Ruhm wird uns, die Sieger, nur herrlicher lohnen.“</p> +<span class = "pagenum">349</span> +<p>Alsbald gab er dem Rosse den Sporn, und es jagte sein Volk ihm</p> +<p>Dann im brausenden Flug rasch nach: umschwärmend das Häuflein</p> +<p>Kunrings, und schnellend zugleich von dem weitgehörneten Bogen</p> +<p>Pfeile, so dicht, daß rings sich in nächtliches Dunkel der +Luftraum</p> +<p>Hüllete. Bald traf hier, bald dort der befiederte Mordstahl</p> +<p>Reiter und Roß, und verwundete viel’ in der nahenden Kriegsschar;</p> +<p>Doch als solches die Pfeile verschoß, den entleereten Köcher</p> +<p>Und den Bogen, vereint, mit der Schnur auf den Rücken zurückwarf:</p> +<p>Da griff’s rasch nach dem Säbel, und hieb mit Gejauchz’ in die Feind’ +ein.</p> +<p>Kunring hatte den Speer gesenkt; das unbändige Reitroß</p> +<p>Links gespornt, und rechts, und die wildumschwärmenden Krieger</p> +<p>Niedergeworfen, bis ihm ihr Feldherr, Suhol, der Eber,</p> +<p>Seitwärts nahend im Flug, mit dem Säbel die Lenden durchrannte.</p> +<p>Alsbald sank er vom Sattel herab: die erschrockenen Krieger</p> +<p>Wichen zurück, und im Feld hin scholl Geschrei und Getümmel.</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar bebte vor Zorn, da er so, im beginnenden Kampf schon</p> +<span class = "pagenum">350</span> +<p>Wieder die Gegner im Vortheil sah, und die Seinen im Feld hin</p> +<p>Flüchteten. Sieh’, da schwang sich, ergrimmt, der finstere +Katwald</p> +<p>Aus den Lüften herab, und rief im Geistergelispel:</p> +<p>„Wehe, du schaust die Deinen besiegt, noch ehe die Gegner</p> +<p>All’ ihr Schwert entblößten, und eh’ den ragenden Speer sie</p> +<p>Senkten zum Todesstoß’! Unglücklicher, willst du noch zaudern?</p> +<p>Wähle sogleich die tapfersten dir aus des Heeres Geschwadern;</p> +<p>Führe sie kühn selbst vor, zu erwecken den Muth in dem Herzen</p> +<p>Aller umher: so erringst du vielleicht den herrlichsten Sieg +noch!“</p> +<p>Ottgar rief alsbald nach Lobkowitz, schreiend hinüber:</p> +<p>„Tapferer Greis, nun vor mit deinen geharnischten Reitern,</p> +<p>Hier den allentscheidenden Sieg mir heut zu erkämpfen!</p> +<p>Groß ist der Ruhm, den dieser mir beut; doch größer die +Freundschaft</p> +<p>Noch, und die Liebe, die ich, dein König, dankbargesinnet,</p> +<p>Dir werkthätig bewies seit dreißig entflohenen Jahren.</p> +<p>Dessen gedenk’ anjetzt, und vergilt mir mehr, als die Schuld +war!“</p> +<p>Dann entsendet’ er dort an Zierotin, und den Herzog</p> +<p>Bayerns die Herolde: Muth und dauernde Kraft in dem Busen</p> +<span class = "pagenum">351</span> +<p>Beider zu wecken, und hier entboth er, gewaltigen Ausrufs,</p> +<p>Selber die Kühnsten im Heer’, und führte sie rasch in die +Feldschlacht.</p> + +<p class = "stanza"> +Nicht entging es dem Blick des erhabenen Kaisers, wie tapfer</p> +<p>Trautmansdorf vordrang, und die stürmenden Schützen zurückwarf:</p> +<p>Freud’ erfüllte sein Herz; doch bald versiegte sie wieder,</p> +<p>Als der Kune so frech, der Willkühr fröhnend, zum Angriff</p> +<p>Flog. Kein Sterblicher hemmte den Fels, der, rollend aus +Alphöh’n,</p> +<p>Schneller und schneller herab in das Thal mit donnerndem Sprung +fleugt:</p> +<p>D’rum geboth er auch jetzt, den edelen Rittern und Feldherrn,</p> +<p>Winkend, das Feldgeschrei. Urplötzlich ertönte der Aufruf:</p> +<p>„Gott mit uns!“ im östreichischen Heer’, und „Praga!“ zur Losung</p> +<p>Allentscheidender Schlacht, in dem böhmischen, lauter und lauter,</p> +<p>Durch drometenden Schall und den Lärm fortwirbelnder Trommeln,</p> +<p>Und in dem staubumwölkten Gefild traf Reiter und Fußvolk,</p> +<p>Ritter und Knappe zugleich in schrecklicher Eile zusammen.</p> +<p>Wie, herstürmend, der Donner rollt, daß die Vesten des Erdballs</p> +<span class = "pagenum">352</span> +<p>Zittern, ritt im Galopp mit den schwergeharnischten Reitern</p> +<p>Lobkowitz näher, und schlug der Kunen umschwärmende Scharen</p> +<p>Mordend zur Erd’, als Suhol, ihr jüngsterlesener Führer,</p> +<p>Sank vor seiner Gewalt, und, entmuthigt die andern entflohen.</p> +<p>Sieh’, auch Trautmansdorf, von den Reitern entblößt, und der +Unzahl</p> +<p>Bloßgestellt, wich nun vor Lobkowitz! Aber dem Leu’n gleich,</p> +<p>Der, von unbändigen Rüden verfolgt, noch häufig sich wendet,</p> +<p>Und noch manchen zerreißt mit den schrecklichen Zähnen: so wies +er</p> +<p>Ihm die muthige Stirn’, da er fechtend die Scharen zurückzog.</p> + +<p class = "stanza"> +Meinhard warf sich zuvor rechts hin auf Heinrich, den Herzog</p> +<p>Bayerns: denn voll Kraft und verwegenen Muthes im Schlachtfeld,</p> +<p>Waren die Krieger aus Kärnthen und Krain ihm gefolgt, und es +stürmten</p> +<p>Oestreichs Tapfere links, geführt von dem kühnen Capellen,</p> +<p>Gegen die Sachsen vor, die Mansfeld, furchtbaren Grimmes</p> +<p>Würgen heißt. Da war, entlang die feindlichen Reihen,</p> +<p>Schrecklicher Mord, Wehklag’, Aufjauchzen und Jammern zu hören:</p> +<p>Da zu schau’n das Entsetzliche: wie der erbitterten Gegner</p> +<p>Manche, schon nahe dem Tod, sich im Staub noch, würgend, +umfaßten,</p> +<span class = "pagenum">353</span> +<p>Und das Blut der Erschlagenen, gleich aufschäumenden Bächen,</p> +<p>Wogte hinauf und herab in dem grau’numnachteten Schlachtfeld.</p> +<p>Bis an des Himmels Gewölb’ empor die mittägliche Sonne</p> +<p>Sich erhob, die heut’ ihr strahlendes Antlitz in Wolken</p> +<p>Hüllete, wies die Völkerschlacht, wie auf stürmischer Meerfluth</p> +<p>Ein entmastetes Schiff, hinauf und hinunter im Kreis’ treibt,</p> +<p>Sich im wechselnden Glück; doch jetzt gelang es dem Helden</p> +<p>Lobkowitz, rasch vorstürmend im Feld, der mittleren Heerschar</p> +<p>Obzusiegen. Sie wich nur langsam, und stellte sich wieder,</p> +<p>Gegen den Feind, erneut, die tödliche Waffe zu führen;</p> +<p>Aber mit leuchtendem Blick und muthgerötheten Wangen,</p> +<p>Sprengte der König das Roß von Reihen zu Reihen. Er schalt, bath,</p> +<p>Und bewegte sein Heer noch eilender vor in dem Blachfeld.</p> +<p>„Jetzo hinan,“ so rief er, und schrie, daß die Völker erbebten,</p> +<p>„Jetzo nur muthig hinan: denn Ottgar führt euch als Sieger!</p> +<p>Seht, wie Jene vor euch entflieh’n; fort, schmettert sie nieder!“</p> +<p>Also braus’te das Wort, empörend, ihm von den Lippen.</p> +<p>Wie den nächtlich umwüthenden Brand, der viele der Häuser</p> +<p>Schon vernichtete, noch das Volk zu bewältigen hoffet:</p> +<p>Denn still ruhen die Lüft’ umher; doch plötzlich erhebt sich</p> +<span class = "pagenum">354</span> +<p>Ein feindseliger Sturm, und unaufhaltsam hinunter</p> +<p>Wälzt sich von neuem der Strom des empöreten Feuers: so stürmten</p> +<p>Ottgars Völker dahin, und drängten die Gegner im Blachfeld,</p> +<p>Immer rascher und rascher zurück. Ein Körnchen Gewichts mehr</p> +<p>Auf die Schale des Leu’n, und den himmelannahenden Räumen,</p> +<p>Seinem erkorenen Reich’, entsank der Adler auf immer.</p> + +<p class = "stanza"> +Rudolph sah des Augenblicks kurzdauernden Zeitraum</p> +<p>Lang, bestürzt, umher, und ihm dunkelten nächtlich die Augen.</p> +<p>Deutschlands Ruh’, und des Reiches Wohl, dem, herrschend mit +Thatkraft,</p> +<p>Er sich geweiht, ersah er von neuem gefährdet, und allwärts</p> +<p>Wieder entfesselt die Wuth der grau’nverbreitenden Willkühr;</p> +<p>Doch bald schwang sich sein Geist aus der Erdennacht in des +Himmels</p> +<p>Ewiges Lichtreich auf, wo ein mächtiger Helfer ihm lebte.</p> +<p>Schnell verließ er den Sattel, und lag auf den Knieen im Staub +dort,</p> +<p>Laut aufrufend vor allem Volk mit gefalteten Händen:</p> +<p>„Ewiger, komm’ uns, errettend, zu Hülf’! Ach, wende die Augen</p> +<p>Nicht von uns ab: denn nicht entzündeten, frevelnden Muthes,</p> +<span class = "pagenum">355</span> +<p>Wir den blutigen Streit: nur unversöhnlicher Rachgier,</p> +<p>Und zermalmender Wuth steh’n wir, abwehrend, entgegen!</p> +<p>Gib uns den Sieg! Ein Gelübd lebt mir, erhebend, im Herzen:</p> +<p>Denn ich schaue dein Heil, wie der erste der christlichen Kaiser,</p> +<p>Huldausstrahlend, vor mir: des weltversöhnenden Kreuzes</p> +<p>Heiliges Zeichen, in dem ich den Sieg erringen, und dankbar</p> +<p>Ihm, zu verehrendem Dienst, für immer und ewige Zeiten,</p> +<p>Stiften ein Gotteshaus, und zu ihm versammeln die Jungfrau’n</p> +<p>Werde zu Tulln, am Ufer der freihinrollenden Donau.</p> +<p>Sey dem Gelübd von dir, Allmächtiger, Huld und Erhörung!“</p> +<p>Als er’s rief, da fuhr ein leuchtender Strahl aus den Wolken,</p> +<p>Und erfüllt’ ihn mit Muth und Freudigkeit. Sieh’, auf dem +Lichtstrahl</p> +<p>Schwebt’ ein Engel daher, und hieß die Scharen der Geister,</p> +<p>Welche die Schlacht herab aus dem Uebersinnlichen lockte,</p> +<p>Flieh’n, daß keiner im Kampf sich den Gegnern als Helfer erweise!</p> +<p>Alle gehorchten, und sah’n, umher in den Wolken sich lagernd,</p> +<p>Noch voll Gier auf die Streiter herab; nur einer aus allen,</p> +<p>Marbod, stand, und sann den Worten des bethenden Kaisers</p> +<p>Trauernd nach. Da erklang urplötzlich ein Ruf aus den Wolken.</p> +<p>Ha, sie rissen entzwei: Erwine, die liebende Gattinn,</p> +<p>Sank ihm, weinend vor Wonn’, an die Brust. Sie entschwebten des +Erdballs</p> +<span class = "pagenum">356</span> +<p>Dunkeln Gefilden, vereint, auf dem Sirius, der in dem Sternreich</p> +<p>Herrschet, im Lauf des vom Ewigen nur ermessenen Zeitraums,</p> +<p>Huldbeglückt, und des Erdenjammers vergessend, zu weilen.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber mit leuchtendem Blick’ erhob der Kaiser der Deutschen</p> +<p>Sich von dem Staub’: ein Strahl der himmlischhohen Begeistrung</p> +<p>Glänzt’ in ihm, und auf seinen gerötheten Wangen. Betroffen</p> +<p>Staunten die Krieger ihn an; doch all’ aufjauchzten mit einmal,</p> +<p>Als er das schnaubende Roß vortummelte, dann mit dem +Schlachtschwert</p> +<p>Auf den nahenden Feind hinwies, und, ermuthigend, ausrief:</p> +<p>„Gott ist mit uns! Eilt jetzt, gleich loderndem Feuer im +Saatfeld,</p> +<p>Gegen den Feind; vertilgt ihm schnell die Haufen, und schafft mir</p> +<p>Heut’ unendlichen Ruhm, da ich euerem Muthe vertraute.</p> +<p>Euer zugleich ist der Ruhm und der Dank noch spätester Nachwelt:</p> +<p>Denn wir kämpfen für Deutschlands Glück, als Deutsche, der Ahnen</p> +<p>Werth, die, tapfergesinnt, sich nie im Joche des Fremdlings</p> +<span class = "pagenum">357</span> +<p>Beugeten. Hört, der Herr ist mit uns, und scheuet den Tod nicht,</p> +<p>Hier der heiligen Pflicht und des Vaterlandes gedenkend!“</p> +<p>All’ entflammte sein Wort: ein jeglicher Mann in den Reihen</p> +<p>Lechzte vor Gier, schnell vorzudringen im Feld’, und zu sterben</p> +<p>Dort den Tod für das Vaterland und die heilige Freiheit.</p> +<p>Aber nach Albrecht sah vor allen sein hoher Erzeuger</p> +<p>Mit bedeutendem Blick’, und freudiger ging er im Schlachtfeld,</p> +<p>Hoch in der Linken die Kreuzesfahn’, in der Rechten das +Schlachtschwert</p> +<p>Führend, ihm vor. Das Panier von Oestreich, als ihm des Greises</p> +<p>Arm ermattete, trug der hochgesinnete Kampfheld,</p> +<p>Lichtenstein, und die Reichsfahn’ ihm der tapfere Markgraf</p> +<p>Hochberg vor in die Schlacht. D’rauf folgten die älteren Ritter</p> +<p>Ihm mit den Edeln aus Zürch, die, heute zu Rittern geschlagen,</p> +<p>Kühn voreileten. Laut ermahnt’ er sie noch mit den Worten:</p> +<p>„Jünglinge, vor, und ahmt die Tapferen, die sich schon früher</p> +<p>Als die Meister im Feld’ erprobten, jetzt in dem Kampf nach!“</p> +<p>Jen’ entgegneten jauchzenden Rufs: „Wir halten dir Wort, Herr!“</p> +<p>Und entfloh’n. Doch schnell vorstürmten die muthigen Scharen,</p> +<span class = "pagenum">358</span> +<p>Die sein Erzeugter ihm warb in den rheinischen Landen, in +Schwaben,</p> +<p>Und in dem Schweizerland, und die vor allen gewaltig,</p> +<p>Altgedient, und in jeder der Kriegsarbeiten erfahren,</p> +<p>Ihm auch heut’ errangen den Sieg in dem Kampf der Entscheidung.</p> + +<p class = "stanza"> +So, wie der eiserne Keil, vom gewichtigen Hammer getrieben,</p> +<p>Den mit kräftiger Hand im Gehölz aufschwinget der Löhner,</p> +<p>Krachend, entzwei den Stamm des hundertjährigen Eichbaums</p> +<p>Spaltet, daß rings umher die Splitter fliegen: so drang jetzt</p> +<p>Rudolphs raschgeordnete Macht in das feindliche Heer ein.</p> +<p>Kreischender rief die Dromete zum Sturm; die erregende Trommel</p> +<p>Scholl ergrimmter, und rings, und überall drängten die Führer</p> +<p>Mit gewaltigem Schrei den Krieger vor zu dem Angriff,</p> +<p>Daß er noch heißer entbrenne vor Gier: muthfest und entschlossen</p> +<p>Niederzuschmettern, was entgegen sich warf in der Feldschlacht,</p> +<p>Und entsetzlich war das Gewürg’ in dem Waffengetümmel;</p> +<p>Doch, wie ein Felsendamm in dem waldumschatteten Weiher</p> +<p>Sich entgegenstemmt den Gewässern des thauenden Frühlings,</p> +<p>Unerschüttert und fest: so stemmte sich, eiserngesinnet,</p> +<p>Ottgar hier dem stürmenden Feind’ entgegen, und wich nicht.</p> +<p>Stundenlang fortwährete schon das tödliche Ringen</p> +<span class = "pagenum">359</span> +<p>Tausender gegen einander im Feld! Den tapferen Böhmen,</p> +<p>Die in der Heerschar Lobkowitz lenkt’, vereinte der König</p> +<p>Bayerns und Sachsens Macht, und führte sie selbst in die Schlacht +vor.</p> +<p>Zahllos lag sein Volk, erwürgt, auf dem Boden; unzählig</p> +<p>Warf auch er die Gegner, entseelt, in den Staub, und es ragten</p> +<p>Von den hundert, zuvor zu Rittern geschlagenen Zürchern,</p> +<p>Jetzo nur wenige mehr. Wie im hagelgetroffenen Saatfeld</p> +<p>Einzeln die Halme noch steh’n, die andern bedecken den Boden</p> +<p>Weit, zermalmt von dem sausenden Eis: so ragten auch hier nur</p> +<p>Einzeln die Helden noch auf, die aus Zürch gezogen; verwundet,</p> +<p>Oder todt, verlor sich im Feld das tapfere Häuflein,</p> +<p>Niedergeworfen durch Ottgars Kraft und zerschmetterndes Eisen.</p> + +<p class = "stanza"> +Doch stets näher kam dem gewaltigen König des Todes</p> +<p>Dunkles Geschick. Bald sinkt er in Staub, all’ irdischer Hoheit,</p> +<p>Macht, und Würde beraubt, dem ärmsten im Heere vergleichbar:</p> +<p>Denn zu entscheidender That aufboth der Edle von Tauffers</p> +<p>Nun die <ins class = "correction" title = "Original: Schützens">Schützen</ins> +Tyrols. Er drang im brausenden Schlachtfeld</p> +<p>Dort mit den kühnen entsetzlicher vor, und, nimmer ermüdend,</p> +<span class = "pagenum">360</span> +<p>Spanneten sie die Sehn’ an der Armbrust; legten den Pfeil an,</p> +<p>Zielten, und schnellten ihn fort in die Luft. Unhemmbaren Fluges,</p> +<p>Saus’t er in Eile dahin, und traf stets sicher in’s Leben:</p> +<p>Denn gewohnt ist das Aug’ und die Hand tyrolischer Schützen,</p> +<p>Mitten in Feindesbrust des Todes Geschoße zu senden.</p> +<p>Doch nun winkte der Held dem Geübtesten, der in den Gauen</p> +<p>Rings umher, im <em>Kreis</em>- so wie auch <em>Hauptschießen</em> +berühmt war:</p> +<p>Wenn Zielscheiben, erhöht vor dem Thor’ an festlichen Tagen,</p> +<p>Manchen des Schützenvolks aufregeten, stets in der Mitte</p> +<p>Drüben zu treffen, und stets zu erringen das Beste vor allen.<a class += "tag" name = "tag11_7" id = "tag11_7" href = "#note11_7">7</a></p> +<p>„Martin,“ so rief er ihm zu, „sieh’ hin, wie der König von Böhmen</p> +<p>Dort vortummelt das Roß in dem Feld’, und unsere Völker,</p> +<p>Jenem Unsterblichen gleich, der Pharao’s Erstlinge tilgte,</p> +<p>Niederwirft! Versuche denn jetzt, ob, sausenden Flugs, nicht</p> +<p>Ein befiederter Pfeil, durch dich geschnellt von der Armbrust,</p> +<p>Ihn erreicht, und erlegt — dir Lohn und auch Ehre +gewinnet.“</p> +<p>Jener entgegnet’ ihm laut: „Nicht geiz’ ich nach Gold und nach +Silber:</p> +<p>Zierlein nah’, und nicht fern dem wunderlieblichen Innsbruck,</p> +<p>Ruht mein Haus an der Felsenwand, die hoch in die Wolken</p> +<p>Aufragt, reingezimmert erst jüngst, und mit Habe gesegnet;</p> +<span class = "pagenum">361</span> +<p>Doch so ich heute im Feld den blutgierathmenden König,</p> +<p>Oder sein Roß, mit dem tödlichen Pfeil durchbohrete: ha, da</p> +<p>Rühmt von der Martinswand mich noch die späteste Nachwelt!“</p> +<p>D’rauf entsandt’ er den Pfeil: er durchbohrte dem Rosse des +Königs,</p> +<p>Sausend, die Brust, da es auf in die Luft sich bäumte, des +Reiters</p> +<p>Ingrimm theilend; es sank auf den Rücken, und warf ihn herunter.</p> +<p>Wildes Getümmel erscholl um den Stürzenden. Reisige schwangen</p> +<p>Alsbald sich vom Sattel herab, vor Gefahr ihn zu schirmen;</p> +<p>Doch erhob er sich schnell, und ermahnte, besteigend das +Streitroß,</p> +<p>Das ein Reiter ihm both, mit donnernder Stimme die Krieger:</p> +<p>Nimmer zu rasten vom Streit’, und den herrlicherrungenen Vortheil</p> +<p>Rasch zu verfolgen: schon nahe dem Ziel des entscheidenden +Sieges.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber im Feld verhallte sein Ruf. Der furchtbare Keil drang</p> +<p>Vor mit zermalmender Kraft; vordrang, die Fahn’ in der Linken,</p> +<p>Und in der Rechten das würgende Schwert, des Kaisers Erzeugter,</p> +<span class = "pagenum">362</span> +<p>Also auch Lichtenstein und Hochberg; also der Ritter</p> +<p>Glänzende Schar, und, vereint, der tapferen Schweizer und +Schwaben</p> +<p>Siegsruhmdürstende Macht. Doch, als der erhabene Herrscher</p> +<p>Auch den Trentschiner entboth, mit den kühnen, magyarischen +Reitern</p> +<p>Einzubrechen im Sturm in die Seite des Feindes, und Meinhard</p> +<p>Dort, hier Otto von Meissau, gleich dem tapferen Helden</p> +<p>Trautmansdorf, ihr Volk vortummelten: siehe, da wankte</p> +<p>Ottgars Macht. Wie ein Wald an den schwer zu <ins class = +"correction" title = "Original: erglimmenden">erklimmenden</ins> +Höhen,</p> +<p>Losgewühlt aus dem Grund von innen­aufschwellenden Wässern,</p> +<p>Erst nur langsam, nur zitternd sich regt; dann plötzlich zum +Abgrund</p> +<p>Taumelt mit Erd’ und Gestein, wild durcheinander geschleudert:</p> +<p>So, nach gewaltigem Kampf, dem entscheidenden, wankten, und +stürzten</p> +<p>Ottgars Völker dahin; nachbraus’te der Feind, in dem Rücken</p> +<p>Rastlos würgend, und sät’ ergrimmt die Leichen im Feld hin.</p> +<p>Allwärts war auch das blitzende Schwert des Kaisers zu schauen,</p> +<p>Und zu vernehmen sein Ruf, der vorwärts drängte die Scharen;</p> +<p>Dennoch vergaß er auch, mitten im Kampf, der verwundeten Krieger</p> +<span class = "pagenum">363</span> +<p>Nicht; er hieß mit gebiethendem Wink sie zurück, nach dem +Rückhalt</p> +<p>Tragen, und dort der Sorgfalt kundiger Aerzte vertrauen.</p> +<p>Aber warum hält er nun plötzlich sein feuriges Roß an?</p> +<p>Ach, ein Verwundeter streckt, mit lächelndsterbenden Augen,</p> +<p>Seine Rechte nach ihm empor, und ruft ihm ein „Leb’wohl!“</p> +<p>Matt, doch freundlich noch zu! Sein Müller, der tapfere Held +war’s.</p> +<p>Tief, zu den Mähnen des Rosses hinab, sank leise des Kaisers</p> +<p>Blässeres Antlitz: er sah mit starrendem Aug’ in die Augen</p> +<p>Seines Getreu’n, bis, thränenumhüllt, ihm’s dunkelte. Stöhnend</p> +<p>Gab er dem Rosse den Sporn, und flog wie ein brausender Sturmwind</p> +<p>Dort nun wieder hinaus, wo am lautesten tönte der Schlachtruf.</p> + +<p class = "stanza"> +Wohlgeordnet, und schnell: denn Lobkowitz deckte des Heeres</p> +<p>Rücken, voll Heldenkraft mit den schwergeharnischten Reitern,</p> +<p>Zog sich Ottgar jetzt nach den mittleren Höhen von Spannberg</p> +<p>Aufwärts, dort dem Feind’, erneu’t die Spitze zu biethen:</p> +<p>Denn weit überwog an der Zahl, in dem Waffengemeng schon</p> +<p>Seine des Kaisers Macht, und siehe, noch stand in dem Rückhalt</p> +<p>Milota! Laut entboth er vor sich den muthigen Feldherrn,</p> +<p>Zierotin, und begann: „Nicht kam uns zuvor in dem Schlachtfeld</p> +<span class = "pagenum">364</span> +<p>Milota, selbstvorschauenden Blicks, zu Hülfe. Noch steht er,</p> +<p>Ungeschwächt, mit der Schar der tapferen Mährer im Rückhalt;</p> +<p>Doch jetzt brech’ er vor, und fall’ in die Seite des Gegners,</p> +<p>Links anstürmend, da wir zugleich mit vereintem Vermögen,</p> +<p>Und unhemmbarer Kraft, auf den mittleren Haufen uns werfen.</p> +<p>Groß ist erst die Gefahr, so er säumt; ihm vertrau’ ich: er +eile!“</p> +<p>Rief’s, und im sausenden Flug fortsprengte der edele Feldherr.</p> +<p>Aber des Siegers Heer drang Ottgarn näher und näher.</p> +<p>Wie vom verwundeten Leu’n, so sehr er auch strebt, zu entkommen,</p> +<p>Sich die lautumbellende Schar gewaltiger Rüden</p> +<p>Nicht mehr fernt; ihn, stets blutgieriger, treibt, und bedränget,</p> +<p>Bis er, ermattet, sinkt auf den sandigen Höhen: so ließ auch</p> +<p>Jetzt von dem König, im Kampf, nicht mehr der verfolgende Feind +ab:</p> +<p>Denn mit flammendem Muth und unwiderstehlicher Thatkraft</p> +<p>Eilte, zum Siege geführt von dem tapferen Grafen von Nürnberg,</p> +<p>Schwabens Heldenvolk und der Schweiz gefürchtete Kriegsschar,</p> +<p>Rasch die Höhen herauf, und wüthete dort in den Reihen</p> +<p>Kühnabwehrender Gegner, vereint, mit gesenketen Lanzen,</p> +<p>Allvernichtend, umher. Entsetzlich erscholl das Getümmel.</p> + +<span class = "pagenum">365</span> +<p class = "stanza"> +Ottgar sah im brausenden Feld den verhaßtesten Gegner,</p> +<p>Rudolph jetzt, voll Grimms, wie er schaltete: Reiter und Fußvolk</p> +<p>Drängend vor mit gewaltigem Wort’, und das furchtbare +Schlachtschwert,</p> +<p>Deß’ Blitzglanz vom Blut nur tapferer Gegner verhüllt war,</p> +<p>Aufschwang — sah den Kaiser, und Wuth und unendliche +Rachgier</p> +<p>Wandelte schnell sein Aug’ in Feuer und Flammen. Er spornte,</p> +<p>Hemmte sein Roß dreimal, in dem wildumtobenden Schlachtgrau’n</p> +<p>Ihm die Spitze zu biethen, gesinnt; doch immer ergrimmter,</p> +<p>Brachen die Gegner heran (nur Lobkowitz stand in dem Kampf noch,</p> +<p>Gleich dem Felsen im Wogentumult) und zur Linken und Rechten</p> +<p>Wich sein Volk geworfen, zurück in dem stäubenden Saatfeld.</p> +<p>Jetzo wandt’ er das Roß, und forscht’: ob Milota vordrang?</p> +<p>Denn nicht schien ihm verloren der Sieg, so er rasch in die +Seiten</p> +<p>Stürmte dem Feind. Doch, ach, was sah er, vor Staunen erstarret?</p> +<p>Staub flog auf im Gefild’, und Milota jagte von dannen!</p> +<p>Ihm nachbraus’te die reisige Schar, und das mährische Fußvolk,</p> +<p>Das er mit täuschendem Wort, dem König zum sichern Verderben,</p> +<span class = "pagenum">366</span> +<p>Erst zu dem Rückhalt zog. Mit verhängtem Zügel, und fernher</p> +<p>Winkend, naht’ auch Zierotin. Ihm folgten am Fuß nur</p> +<p>Zween, der flüchtigen Schar sich entreißende Brüder: der Hanna</p> +<p>Fruchtbarem Land entsprossen die Edeln. Der Nahende sprach jetzt:</p> +<p>„Herr, nicht künd’ ich es, was dein Auge gesehen — des +Frevlers</p> +<p>Schnöden Verrath! Hohnlachend vernahm der schändliche Mann erst</p> +<p>Dein gebiethendes Wort, dann rief er mit grimmigen Blicken:</p> +<p>„Eile zurück zu dem Könige, sprich: so räche der Vater</p> +<p>Seine Tochter an ihm: er fahre denn, fluchend, zur Hölle!“</p> +<p>Also der Rach’ allein, nicht des Vaterlandes gedenkend,</p> +<p>Floh er mit jenen Verräthern davon, die er früher gewonnen.</p> +<p>Nur die beiden dahier mir eilten zum mächtigen Trost nach:</p> +<p>Zeigend, daß noch in der Brust der Tapferen Ehr’ und Gewissen</p> +<p>Herrlich sich eint, und dir die erlesensten Männer noch treu +sind.“</p> + +<p class = "stanza"> +Ottgar sah nach den Zween mit bewegtem Gemüth’, und begann so:</p> +<p>„Laß den Verräther flieh’n. Noch sind die erlesensten Männer,</p> +<p>Also sprachst du mit Recht, mir treu. Nicht im dahlenden Frohsinn</p> +<span class = "pagenum">367</span> +<p>Will das Große gethan, das Gewaltige, spielend, vollbracht seyn:</p> +<p>Denn, ein leuchtender Blitz in des Lebens umnachteten Stunden,</p> +<p>Flammet es auf in der Brust, und wecket den Ernst und die +Thatkraft.</p> +<p>Jetzt umnachtet auch uns die Gefahr; doch laß uns, noch kühner,</p> +<p>Dringen hinaus zu dem Tag’, und so dort fallen im Licht nur!“</p> +<p>Rief’s, und spornte sein Roß, umschauend: ob er zur Linken,</p> +<p>Oder zur Rechten hinab es wende, die kämpfenden Scharen</p> +<p>Nun zu gewagter, die Schlacht urplötzlich entscheidender +Kriegsthat</p> +<p>Anzufeuern, und so mit unwiderstehlicher Kühnheit</p> +<p>Festzuhalten das wankende Glück, das sonst ihm getreu war.</p> +<p>Doch dort floh’n, gedrängt von den Söhnen der Steyer- und +Ostmark,</p> +<p>Bayern und Sachsen zurück; hier sank, an der Schulter verwundet,</p> +<p>Lobkowitz, er, der untad’lige Held, aus dem Sattel, und, +schreiend,</p> +<p>Braus’te das reisige, gleich dem vorgedrungenen Fußvolk</p> +<p>Böhmens, herüber im Feld, durch Meinhards Völker geworfen,</p> +<p>Und gedrängt von dem Hort Trentschins, zur Flucht und Verwirrung:</p> +<p>Da in dem Kern des Heers ihn selbst der edelen Ritter</p> +<span class = "pagenum">368</span> +<p>Glänzende Schar, und, vereint, die tapferen Schweizer und +Schwaben</p> +<p>Näher und furchtbarer stets bedroheten, horchend des Kaisers</p> +<p>Schlachterregendem Ruf’ in dem wildempörten Getümmel.</p> + +<p class = "stanza"> +Mansfeld erst, dann Zierotin, die Scharengebiether,</p> +<p>Jagten herüber im Feld’, und riefen dem König: „Entfliehe!“</p> +<p>Aber er sah, voll Wuth, nach den Rufenden; faßte sein Schwert +noch</p> +<p>Fester zur Hand, und begann: „Wer sprach ein schmähliches Wort +aus?</p> +<p>Nichts von Flucht mir gesagt! Ich lebt’ als König, und sterben</p> +<p>Werd’ ich als solcher, dem Feinde zum Trotz, auf dem Felde der +Ehren.</p> +<p>Mir nach, wem sie noch werth im rühmlichen Leben und Tod’ ist!“</p> +<p>Wie der gewaltige Leu’ sich wüthenden Tigern entgegen</p> +<p>Wirft in des Abends Grau’n: die hochaufsträubenden Mähnen</p> +<p>Flattern mit Sturmes Weh’n um den Nacken ihm; dunkelgeröthet</p> +<p>Funkeln hervor aus den tiefgesenketen Brau’n ihm die Augen,</p> +<p>Als er naht mit Gebrüll, dem so, wie dem rollenden Donner,</p> +<p>Drönt das Gefild, und peitschend sich mit dem buschigen +Schweifhaar</p> +<p>Beide Seiten, sich selbst entflammet zur Wuth: da erliegen</p> +<p>Links, rechts ihm, zerschmettert zugleich, die umdrängenden +Gegner:</p> +<span class = "pagenum">369</span> +<p>Also warf sich auch er vor allen den Rittern entgegen,</p> +<p>Daß ihm noch ein’, und der andere dort, östreichischen Blutes,</p> +<p>Fiele durchbohrt: denn fest bewahrt’ er den Haß noch im Busen.</p> +<p>Jene, erregt von dem stachelnden Wort, nachjagten ihm brausend.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, ihm ritt, tollkühn, der jugendlich blühende Ritter</p> +<p>Falkenberg, in den Weg, den oft sein strenger Erzeuger</p> +<p>Heimlich und offen gestraft, ihn zu bändigen; aber vergebens:</p> +<p>Denn er quälte die Menschen und Thier’, und beherrschte des +Herzens</p> +<p>Unmuth nicht, der stets zu gewaltsamen Thaten ihn hinriß.</p> +<p>Ottgar jagte das Roß dem Nahenden seitwärts vorüber;</p> +<p>Schwang sein Eisen, und hieb im Flug mit unbändiger Kraft ihm,</p> +<p>Sausend, den Helm und die Scheitel entzwei: er stürzte zum Boden.</p> +<p>D’rauf erreichte sein Schwert auf dem Todespfade den Helden,</p> +<p>Dietrichstein. So schnell, so kundig der Tapfere vordrang,</p> +<p>Ihn mit gesenktem Speer’ aus dem Sattel zu heben, so kam ihm</p> +<p>Ottgar doch, verderbend, zuvor, und bohrte den Mordstahl</p> +<p>Ihm durch Harnisch und Wamms in das muthvollschlagende Herz ein</p> +<p>So, daß er lautlos, bleich, entseelt, an dem Rosse herabsank.</p> +<p>Jammern werden daheim die zartaufblühenden Kinder</p> +<span class = "pagenum">370</span> +<p>Da er, schon frühe der Gattinn beraubt, ein liebender Vater,</p> +<p>Oft auf den Armen sie trug, und so mild, so freundlich und gut +war.</p> + +<p class = "stanza"> +Schnell, zu rächen das Blut der Erschlagenen, blitzten auf Ottgar</p> +<p>Jetzt unzählige Speere heran. Da brausete pfeilschnell</p> +<p>Otto von Meissau vor, von dem Herrscher gesendet, und schrie +laut:</p> +<p>„Ritter, schont den Gesalbten des Herrn: so geboth es der +Kaiser!“</p> +<p>Rief’s; doch jener ergrimmte noch mehr, und spornte sein +Streitroß</p> +<p>Mitten unter die Schar (zu sterben entschlossen) den heißen,</p> +<p>Glühenden Durst nach Rach’ im Blute der Feinde zu löschen.</p> +<p>Jetzt umgab ihn des Todes Grau’n. Die furchtbaren Ritter,</p> +<p>Merenberg, die, beide mit nie gesättigter Blutgier</p> +<p>Näher und näher herbei an die Seite des Königs sich drängten,</p> +<p>Sorgend: er beuge sich dort, ein Gefangener, oder er falle</p> +<p>Andern, nicht ihren, durch Haß zur Rache bewaffneten Händen,</p> +<p>Sprengten dicht vor ihn hin; eröffneten, schnaubend vor Mordlust</p> +<p>Ihren geschlossenen Helm, und der ältere rief ihm noch laut zu:</p> +<p>„Sieh’, gleich Rachegeistern, vor dir die furchtbaren Brüder,</p> +<p>Merenberg — ein Nahme, der dich zur Hölle hinunter</p> +<span class = "pagenum">371</span> +<p>Schleudert! So fahre denn hin, Unmenschlicher, stirb, und +verzweifle!“</p> +<p>Ha, und sie bohrten den schneidenden Speer mit wildem Gejauchz’ +ihm,</p> +<p>Beide zugleich, in das Herz (ihm fest in die sterbenden Augen</p> +<p>Schauend) und also, voll Hast, mit stets empörterem Ingrimm,</p> +<p>Zwölfmal noch in die tapfere Brust, in den Hals, und den Rücken,</p> +<p>Bis er, von Wunden bedeckt, hinsank, und das Leben verhauchte.</p> + +<p class = "stanza"> +Wüthender flog in dem Feld dem Besiegten das siegende Heer nach;</p> +<p>Aber vor allen das reisige Volk der Magyaren und Kunen,</p> +<p>Heute zu einem vereint, und gehorchend dem tapferen Helden</p> +<p>Von Trentschin, der stets den Flüchtenden, mordend, im Rücken</p> +<p>Lag, und das Land umher mit unzähligen Leichen besä’te.</p> +<p>Rastlos fort g’en Schrieck; dann weiter und weiter von Asparn</p> +<p>Bis g’en Laa, der ummauerten Stadt, nachjagten die Ungern</p> +<p>Ottgars fliehendem Heer’, und, wo sie dann der Verfolgung</p> +<p>Endlich setzten ein Ziel, wird heute zu Tage das Dorf noch</p> +<p>„Ungerndorf“ genannt: dem Heldenvolke zum Denkmaal.</p> +<p>Siehe, die Wolken entfloh’n; der Geister unzählige Scharen</p> +<p>Brauseten, lautaufjubelnd, davon, und die scheidende Sonne</p> +<p>Sah von dem Abendthor, verklärt, auf des Sieges Gefild her!</p> + + + + +<span class = "pagenum">372</span> +<h3><a name = "gesang12" id = "gesang12">Zwölfter Gesang.</a></h3> + + +<p>Schauerlich irrt durch Nacht und Grau’n ein zitternder +Lichtstrahl</p> +<p>Ueber das schweigende Schlachtfeld hin. Nicht lang’, und es +folgen</p> +<p>Ihm unzählige nach; viel hundert Fackeln erhellen</p> +<p>Bald die Gegend umher: ihr Schimmer, vom Winde gefächelt,</p> +<p>Wogt (entsetzlich zu schau’n!) auf den bleicherstarreten Leichen</p> +<p>Tausender blitzschnell fort, und erfüllet die Seele mit Wehmuth.</p> +<p>Doch wen suchen, voll emsiger Hast, die furchtbaren Männer</p> +<p>Jetzo, schreitend umher, in den weiten Gefilden des Todes?</p> +<p>Ottgarn! Sieh’, und bald verkündete drüben ein Hügel</p> +<p>Rings um ihn her erschlagenen Volks, wo er muthig im Kampf sich</p> +<p>Wehrete, bis er, durchbohrt, den Rachebrüdern dahinsank!</p> +<p>Dorthin wandelte, schweigend, der Zug; die leuchtende Flamme</p> +<p>Wies ihn: erkennbar leicht, obgleich entblößt von des Heeres</p> +<p>Plünderndem Troß, wie er lag im finsteren Kreise der Leichen,</p> +<span class = "pagenum">373</span> +<p>Mit den heruntergezogenen Brau’n, und den Lippen, zum Bogen</p> +<p>Eingekrümmt vor Zorn: denn selbst mit des schwindenden Lebens</p> +<p>Letztem Hauch, da ihm schon aus dreizehn Wunden das Blut rann,</p> +<p>Wähnet’ er noch: er habe gerecht bestraft den Verräther,</p> +<p>Den so feig, so unedel jetzt die schrecklichen Brüder</p> +<p>Rächten: zur Wuth empört von der langgenähreten Blutgier.</p> + +<p class = "stanza"> +Aber des Führers Ruf erscholl, und der stattliche Wagen,</p> +<p>Schon mit der Leiche des Königs beschwert, und verhüllt mit dem +Bahrtuch,</p> +<p>Folgte, rasselnd, dem Zug sechs glänzender, feuriger Rappen,</p> +<p>Die zum eng’gemessenen Schritt mit Mühe der Roßwart</p> +<p>Bändigte. Sieh’, da trug der weitgefeierte Sänger,</p> +<p>Horneck, leise die Harfe herbei. Ihm rollten die Thränen</p> +<p>Ueber den grauenden Bart in den Busen herunter, und schweigend</p> +<p>Starrt’ er nach Ottgar hin; dann hob er den Klagegesang an:</p> +<p>„Weh’, da liegt er entseelt, der einst gewaltige König!</p> +<p>Tausende blickten auf ihn, und es drängte der eine den andern,</p> +<p>Glühend vor Hast, so er rief; nun ist er verlassen: es horcht ihm</p> +<p>Keiner der Emsigen mehr. Wie staunt’, und bewundert’ ihn Jeder</p> +<p>Sonst, da er noch zu dem Königsthron, von Edelgesteinen</p> +<span class = "pagenum">374</span> +<p>Schimmernd am gold’nen Gewand’, aufschritt: nun wandten sie, +schaudernd,</p> +<p>Von dem Nackten sich ab, den kaum das kärgliche Gras barg!</p> +<p>Ha, wo weilte der Arzt, dem Vergehenden Labsal zu reichen?</p> +<p>Waren nicht seidene Kissen zur Hand, nicht schimmernde Decken,</p> +<p>Ihn zu erwärmen, und ach! nicht scholl aus dem Munde der Gattinn,</p> +<p>Kinder, Verwandten und Freunde umher, ein tröstendes Wörtchen,</p> +<p>Ihm zu erheben das Herz? Verließen im Kampfe die Streiter</p> +<p>All’ ihn? Wie, nicht einer der Tapferen kam, ihn zu schirmen?</p> +<p>Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,</p> +<p>Der dir, falschen, vertraut! Erst biethest du lieblichen Honig</p> +<p>Mit bethörenden Worten ihm dar; dann wandelst du plötzlich</p> +<p>Solchen in furchtbares Gift: er saugt Verderben und Tod ein.</p> +<p>Also erging es auch hier dem Könige. Fürsten, bedenket</p> +<p>Sein Geschick! Handhabt die Gerechtigkeit, schützet das Recht +nur;</p> +<p>Seyd durch Tugenden groß, durch Wohlthun herrlich und geizet</p> +<p>Nach dem Lohne der Welt nicht allein: vor Gott ist er eitel!</p> +<p>Ottgar, ach, er geizte nach ihm! Die, prahlend, geschworen:</p> +<p>Auszuhalten bei ihm im Leben und Tode — wo sind sie?</p> +<span class = "pagenum">375</span> +<p>Einsam sinkt er jetzo hinab in des Todes Behausung.</p> +<p>Welt, Welt, so ist dein schnöder Gewinn! Ach, wehe dem Thoren,</p> +<p>Der dir, falschen, vertraut: denn nichtig entschwebt ihm das +Leben!“<a class = "tag" name = "tag12_1" id = "tag12_1" href = +"#note12_1">1</a></p> +<p>So wehklagte der edele Greis. Ihm horchten die Krieger</p> +<p>Alle mit pochender Brust, den Trauerwagen umstehend,</p> +<p>Und erhebend die Fackeln zur Luft, die, flatternden Schimmers,</p> +<p>Ottgars finstere Stirn’ erhelleten. Jener entzog sich</p> +<p>Ihren Blicken, und wanderte dann auf dem nächtlichen Pfad fort.</p> +<p>Doch sie schlugen behend’, als solches der Führer gebothen,</p> +<p>Ueber die Leiche das Bahrtuch her. Die schnaubenden Rappen</p> +<p>Trieb der Roßwart an, und sie trabten, gehaltenen Schrittes,</p> +<p>Von den Kriegern umschart, g’en Wien, die herrliche Stadt, hin.</p> + +<p class = "stanza"> +Dort scholl freudiger Lärm dem kommenden Morgen entgegen,</p> +<p>Als, dem Sieger zum Ehrenempfang’, in geschäftiger Hast sie,</p> +<p>Durch die dunkele Nacht sich schmückte mit festlichen Kränzen:</p> +<p>Denn vor dem Thor, das sich nach Kärnthen dem Wanderer öffnet,</p> +<p>Sollte von Laubgehölz’ ein Siegesbogen sich heben,</p> +<p>Hochgewölbt, und geziert mit schimmernden Bändern, und oben</p> +<span class = "pagenum">376</span> +<p>Rufen die goldene Schrift ein „Lebehoch!“ dem Befreier,</p> +<p>Der von der Stadt und dem Land’ abwehrt’ unendlichen Jammer;</p> +<p>Oestreichs Herrscherthron fest gründete; dauernden Frieden</p> +<p>Deutschlands Gauen errang, und ein Ziel aufsteckte der Willkühr,</p> +<p>Die sich gefiel im Raub’, und in all’ den Gräueln des +Faustrechts!</p> +<p>Auch die Straßen entlang, erhoben sich, dicht vor den Häusern,</p> +<p>Lieblichgrünende Reiser zur Luft; buntschimmernde Blumen</p> +<p>Hauchten Wohlgeruch her auf die Bahn, die, erkoren dem Sieger,</p> +<p>Durch die Stadt sich wand, und zahllos wogten die Fahnen</p> +<p>Oestreichs rings von dem Wall’ und den ragenden Thürmen im Wind +hin.</p> +<p>Also schmückte sich jetzo die Stadt, wie die blühende Braut sich</p> +<p>Schmückt an dem Morgen des Tags, der sie eint mit dem Lieben auf +immer.</p> + +<p class = "stanza"> +Hinter des Ostens dämmerndem Thor’ entfaltete jetzo,</p> +<p>Neuverjüngt, der Tag die Fittige: weit sich erstreckend</p> +<p>Hoben sie fächelnd sich auf, und wehten den glühenden Schimmer,</p> +<p>Der sein Rosenlager umfing, empor an dem Himmel;</p> +<p>Doch sie weckten zugleich des sanft­umschmeichelnden +Frühwinds</p> +<p>Kühligen Hauch. Er kam aus des säuselnden Waldes Umlaubung</p> +<span class = "pagenum">377</span> +<p>Ueber die blumigen Matten heran; verbreitete ringsum</p> +<p>Balsamduft, und erfüllte mit Lust die erwachende Schöpfung.</p> +<p>Zwitschernd regte die Schwalbe sich schon im Nest mit den Jungen,</p> +<p>Das sie im Lenz’ erbaut’ an dem Mauergesimse des Hauses;</p> +<p>Auch umgirrete laut die Taub’ in dem Schlag’, und der Hahn rief</p> +<p>Schmetternd darein, als draußen vom Feld, von dem Hain’, und dem +Hochwald</p> +<p>Bis in die bläuliche Luft empor das Getöne sich mehrte.</p> +<p>Jetzt von des Himmels Rand, dem Rosenlager entschwebend,</p> +<p>Hob die herrliche Sonne sich auf; umhüllte die Berghöh’n,</p> +<p>Häuser und Thürme der Stadt mit röthlichem Duft’, und entflammte</p> +<p>Hier die Fenster zu Gold, und dort auf den blühenden Matten,</p> +<p>Unermeßlich umher, den Thau zu blitzenden Perlen.</p> +<p>Doch bald schwang sie, verklärt, sich empor: den wölbenden Himmel</p> +<p>Trübte kein Wölkchen, und rings auf dem lichtumflossenen Erdkreis</p> +<p>Scholl ein Wonnegejauchz, dem schönsten der Tage zur Feier.</p> +<p>Aber schon zogen den Weg nach dem Kreuze der Spinnerinn, eilig,</p> +<p>Krieger zu Fuß und zu Pferd in gesonderten Haufen, und weithin</p> +<p>Blitzten im Sonnenschein die hellgeglätteten Waffen —</p> +<span class = "pagenum">378</span> +<p>Blitzte der Harnisch und Helm der Tapferen, die, von dem +Schlachtfeld</p> +<p>Kehrend, zum Siegseinzug’ auf dem sanfterhobenen Berg sich</p> +<p>Sammelten, wie es der Herrscher geboth. Mit grünenden Reisern</p> +<p>Waren die Helme geschmückt, behangen mit Kränzen die Rosse;</p> +<p>Laut scholl Jubel die Scharen entlang: denn fröhliche Weisen</p> +<p>Sang der Krieger; sein Roß ihm wieherte d’rein; die Drometen</p> +<p>Schmetterten, Zink’ und Pauk’ erklang, und die wirbelnde Trommel</p> +<p>Rief das verworr’ne Getön zum allerfreuenden Einklang.</p> + +<p class = "stanza"> +Sieh’, und es lief unzähliges Volk aus der Stadt und vom Land her,</p> +<p>Nach der Straße hinaus, auf welcher die Tapferen kamen:</p> +<p>Alle mit Angst in der Brust, bis sie in den fröhlichen Reihen</p> +<p>Ihre Lieben ersah’n! Da scholl (erschütternd zu hören!)</p> +<p>Jauchzen empor; da bog sich mancher vom Sattel herunter:</p> +<p>Einer umhalste den Freund, ein andrer den Sohn, und ein dritter</p> +<p>Reichte dem grauenden Vater die Hand, der grauenden Mutter,</p> +<p>Oder der Braut, die thränenden Blicks, ihm lächelte, sprachlos!</p> +<p>Aber es trat nun hier, nun dort mit erblassendem Antlitz</p> +<span class = "pagenum">379</span> +<p>Auch der unglückliche Mensch aus den lautaufjubelnden Scharen:</p> +<p>Denn nicht hatt’ er die Lieben erseh’n, und dem Fragenden tönte</p> +<p>Schrecklich der kurze Bescheid: „Er fiel, und kehret nicht +wieder!“</p> +<p>Feldeinwärts ging dort ein zartaufblühendes Mädchen,</p> +<p>Ringend die Hände mit schwerem Gestöhn; hier saß an des Grabens</p> +<p>Rand der Vater: er sah in die Tiefe hinab, und die Mutter</p> +<p>Preßte den Arm mit der Stirn’ an den Baum, und schluchzte vor +Herzleid.</p> +<p>Aber der schwellende Ruf des Entzückens dämpfte des Wehes</p> +<p>Schnellverhallenden Laut, und unendlich erscholl das Getümmel,</p> +<p>Als dem festlichen Kreuz der Spinnerinn jetzo der Kaiser</p> +<p>Nahte mit hehrem Gefolg: denn Ladislav, der Magyaren</p> +<p>Blühender König, ritt, hellschimmernd von Gold, ihm zur Rechten;</p> +<p>Ihm zur Linken sein tapferer Sohn, der jüngst in der +Feldschlacht,</p> +<p>Muthentflammt, vortrug der Erlösung heiliges Zeichen,</p> +<p>Und ihm folgten, erwählt, des Heers siegstolze Geschwader</p> +<p>Nach auf den Wienerberg, der unter den Drängenden bebte,</p> +<p>Und in dem Waffengeblitz erschütternd dem Auge zu schau’n war.</p> +<p>Jetzt umgab er sich dort mit dem kaiserlich­prangenden +Mantel;</p> +<span class = "pagenum">380</span> +<p>Setzte den Helm, an welchem umher der goldene Kronreif</p> +<p>Schimmerte, sich auf das Haupt; entblößte den Degen, und hob ihn</p> +<p>Auf zum ersehneten Wink’. Alsbald bewegte das Heer sich</p> +<p>Im Geleite des Volks nach Wiens aufjubelnden Mauern.</p> +<p>Sieh’, ihm eilten die Ritter vor mit den Reisigen +Ungerns —</p> +<p>Jenen der Ost- und der steyrischen Mark: von den Heldengebiethern</p> +<p>Angeführt, und vereint um die ruhmgekröneten Fähnlein!</p> +<p>Aber ihm folgten dann die muthigen Schweizer und Schwaben</p> +<p>Und die Tapfern aus Kärnthen und Krain mit den kühnen Tyrolern.</p> +<p>Wie der Alpenbach, vom Regen geschwollen, sein Bette</p> +<p>Plötzlich verläßt, und quer von des Bergs Abhange sich stürzet,</p> +<p>Endlos über die Matten hin die Fluthen ergießend:</p> +<p>So fortwälzte sich schnell das Heer; stets näher erscholl ihm</p> +<p>Festlicher Glocken Getön’ und des Volks auftobender Jubel.</p> + +<p class = "stanza"> +Außer dem Kärnthner Thor, wo ein Siegesbogen erhöht war,</p> +<p>Standen die trefflichen Bürger vereint. Ihr Meister, erkoren</p> +<p>Durch gemeinsame Wahl an Waldrams Stelle, des falschen,</p> +<p>Eilte heran, den Zug des erhabenen Kaisers zu hemmen;</p> +<p>Both auf dem Becken von schimmerndem Erz, die vergoldeten +Schlüssel</p> +<p>Wiens, ihm huldigend, dar, und begann die Rede mit Ehrfurcht:</p> +<span class = "pagenum">381</span> +<p>„Heil dir, Oestreichs Herrn, dir edelstem Kaiser der Deutschen!</p> +<p>Mögest du heut, wo dir, dem Retter, die jubelnde Stadt Wien,</p> +<p>Festlichgeschmückt, entgegeneilt mit verlangenden Armen,</p> +<p>Nicht gedenken der Schuld entflohener Tage — des Herzens</p> +<p>Deiner Getreuen gewiß! Nun herrsch’ im Segen des Himmels</p> +<p>Ueber dein glückliches Volk, und vom Thron, den du auf dem +Grundstein</p> +<p>Heiliger Religion, Gerechtigkeit, Tugend erhöhtest,</p> +<p>Dein erhab’nes Geschlecht an der Zeiten entferntestem Ziel noch!“</p> +<p>Sagt’ es, bewegt; doch schnell entgegnete jetzo der Kaiser:</p> +<p>„Ihr Getreu’n, habt Dank für des Herzens enthüllte Gesinnung!</p> +<p>Gnädig willfahre mir Gott in dem Wunsch, daß ich gründe die +Wohlfahrt</p> +<p>Fern in die Zukunft noch der guten und trefflichen Völker,</p> +<p>Die er mir anvertraut! Mein Glück ist das eure für immer!“</p> +<p>Plötzlich entstürzt’ ein heller Strom von Thränen den Augen</p> +<p>Aller umher: denn rings erscholl, von Tausender Lippen</p> +<p>Brausend, ein „Lebehoch!“ und mehrte sich, jubelnden Lautes,</p> +<p>Dort die Straßen entlang, die, erkoren dem festlichen Einzug,</p> +<p>Schimmerten. Jetzt durch’s Thor und die Straße Karinthia’s trug +ihn,</p> +<p>Stolzvorschreitend, das Roß, und aus jeglichem Fenster ertönte</p> +<span class = "pagenum">382</span> +<p>Huldigung, wo, bekränzt, die zartaufblühenden +Jungfrau’n —</p> +<p>Frau’n im glänzenden Schmuck’, ihr schneeiges Tuch in die Lüft’ +auf</p> +<p>Schwangen, und jauchzten empor mit hellerklingender Stimme.</p> +<p>Doch, aus dem wimmelnden Volk vordrängten jetzt, wie verjüngt +sich</p> +<p>Wankende Greis’, ihn zu seh’n, und zu segnen. Die Väter und +Mütter</p> +<p>Hoben ihr lallendes Kind auf den Arm; sie falteten erst ihm</p> +<p>Freundlich die Händchen, und zeigten ihm dann den Herrlichen +drüben,</p> +<p>Daß es des Tages noch oft im spätesten Alter gedenke!</p> +<p>Sieh’, und nicht trockneten mehr dem erhabenen Kaiser die Augen</p> +<p>All’ die Straßen entlang, da er links, und rechts, in dem +Siegszug</p> +<p>Dankte dem jauchzenden Volk mit oft erhobener Rechten.</p> + +<p class = "stanza"> +Also im Freudengeschrei unzähliger Meng’, in der Glocken</p> +<p>Festlichem Klang’, und der Pauk’ und Dromet’ empörterem Jubel,</p> +<p>Zog er entgegen dem Rothenthurm, und lenkete jetzo</p> +<p>Ueber den schimmernden Hohenmarkt nach dem prächtigen Hof ein;</p> +<p>Dann nach der Freiung hinab, und, dem Schottenkloster vorüber,</p> +<p>Durch die Herrngass’ fort nach dem breitaufragenden Graben,</p> +<span class = "pagenum">383</span> +<p>Bis er am Riesenthor des unendlichen Doms aus dem Sattel</p> +<p>Eilig zur Erde herab sich schwang. Sein mächtiger Gegner,</p> +<p>Ottgar, Oestreichs Herrscher vor ihm, vollbrachte des Domes</p> +<p>Herrlichen Bau, da er einst zerstört von den Flammen, im Schutt +lag.<a class = "tag" name = "tag12_2" id = "tag12_2" href = +"#note12_2">2</a></p> +<p>Dort reicht’ ihm der oberste Hirt der Gemeinde, vor allen,</p> +<p>Festlichgeschmückt, im Kreise der Priester geweihetes Wasser</p> +<p>Sanft mit dem Sprenger dar; dann schwang er das duftende Rauchfaß</p> +<p>Dreimal ihm entgegen, und ging, beginnend der Lieder</p> +<p>Herrlichstes: „Gott, dich preisen wir!“ zum erleuchteten Altar,</p> +<p>Singend, vor ihm einher, und Tausende sangen das Lied nach.</p> +<p>Aber, als in dem wölbenden Raum des unendlichen Domes</p> +<p>Rings umher des Gesangs allletztes Säuseln verhallt war,</p> +<p>Knie’te der Kaiser noch hin, und bethete, heiliger Andacht</p> +<p>Voll, am Altar’, im Kreise der ruhmgekröneten Feldherrn.</p> +<p>Staunend sah ihn das Volk; doch hingen mit inniger Wehmuth</p> +<p>Auch an Trautmansdorf, dem Helden, viel Tausender Augen,</p> +<p>Der, von dem schimmernden Kreis’ entfernt, auf die Kniee +gesunken,</p> +<p>Beugte das grauende Haupt mit gottergebenem Herzen.</p> +<p>Bald umhüllten ein jegliches Aug’ untad’lige Thränen:</p> +<p>Dort den Mann mit dem schneeigen Haupt so einsam zu schauen,</p> +<p>Der noch jüngst, umringt von blühenden Söhnen einherging:</p> +<span class = "pagenum">384</span> +<p>Froh der gewaltigen Schar! Nun stand er allein und verlassen,</p> +<p>Wie der verdorrete Stamm in dem Wald’, um welchen die Windsbraut</p> +<p>All’ die frischen umher mit lautem Gekrach’ in den Staub warf.</p> + +<p class = "stanza"> +Thauenden Blicks, trat jetzt von den heiligen Hallen der Kaiser</p> +<p>Wieder heraus, vor dem Riesenthor zu beginnen den Heimzug</p> +<p>Nach der erhabenen Burg. Doch sieh’, welch’ tiefes Erstaunen</p> +<p>Unter dem Volk? Schnell theilt es sich links und rechts in den +Straßen</p> +<p>So, daß der Bahre, von sechs lautschnaubenden Rossen gezogen,</p> +<p>Raum sey, fürder zu zieh’n bis hin zur Pforte des Domes.</p> +<p>Schmerz ergriff die Brust des beseligten Siegers. Er starrte</p> +<p>Lang’ nach dem Trauerflor, und dem leich’umhüllenden Tuch hin,</p> +<p>Und erwog im Gemüth: wie mächtig der Todte noch gestern</p> +<p>Gegen ihn stand, der heut’, erstarrt, all’ irdischer Hoheit,</p> +<p>Kraft, und Streitlust bar, dort unter der finsteren Hülle</p> +<p>Ruhete! Dann begann er für sich mit rührendem Laut so:</p> +<p>„Ottgar, lebtest du noch, und herrschtest im Frieden, der +Rachgier</p> +<p>Wüthenden Sturm in der Brust besänftigend; heiteren Blickes</p> +<span class = "pagenum">385</span> +<p>Würdest du seh’n: nie haßt’ ich dich, und im redlichen Busen</p> +<p>Strebte dieß Herz, voll Liebe, dem deinen entgegen zu schlagen!</p> +<p>Ruhe denn jetzt im Schooß des Allerbarmers auf immer!“</p> +<p>Sagt’ es, und hieß die Leich’ auf dem trauerumhülleten Wagen</p> +<p>Fort nach dem Schottenkloster hinab mit Würde geleiten,</p> +<p>Wo sie ruhe, bis ihr, nach der Seelenmess’ und dem Bußpsalm</p> +<p>Werd’ ein Grab mit dem ehrenden Stein, an heiliger Stätte.</p> +<p>Doch wer drängt sich hier, voll Ungestümm, vor aus den Scharen?</p> +<p>Lobkowitz kam, erblaßt von der Wunde zugleich, und dem Herzleid</p> +<p>Ob des erschlagenen Königs und Freunds, in Eile herüber,</p> +<p>Führend an zitternder Hand das holdaufblühende Söhnlein</p> +<p>Ottgars, Wenzeslav, der einsam in Drösing zurückblieb.</p> +<p>Ach, er harrete dort des Vaters, in fröhlicher Unschuld;</p> +<p>Aber nicht kehrt’ er ihm mehr, und, verwais’t in der zartesten +Jugend,</p> +<p>Mißt er die kräftige Hand, die ihn leitete, seines Erzeugers!</p> +<p>Großes beschloß alsbald der treffliche Greis, und, dem Kaiser</p> +<p>Jetzo genaht, vordrängt’ er das Kind, und sprach in das Ohr ihm:</p> +<p>„Geh’, und umfass’ ihm die Knie’ mit festgeschlungenen Armen,</p> +<span class = "pagenum">386</span> +<p>Daß er dein sich erbarme mit Huld, und die Leiche des Vaters</p> +<p>Frei gewähre zum Trost den Unglücklichen, die er zurückließ;</p> +<p>Dir zum Ruhm, wenn einst auf vaterländischem Boden</p> +<p>Du ihm erhöhst das ehrende Maal, und zur Zierde dem Land dort,</p> +<p>Deß gewaltiger Held, und erhabenster Fürst er gewesen!</p> +<p>Fasse nur Herz: nicht hartgesinnt erweis’t sich der Kaiser</p> +<p>Dir: als Vater das dunkle Geschick der Kinder bedenkend.“</p> +<p>Ottgars blühender Sohn gehorcht’ ihm: er stürzte zu Rudolphs</p> +<p>Füßen; umfaßt’ ihm die Knie’, und rief erschütternden Lautes:</p> +<p>„Mildgesinnt, so sprachen sie all’, ist der mächtige Kaiser,</p> +<p>Dem ich hier auf den Knie’n, und mit thränenerfülleten Augen</p> +<p>Rufe: erbarme dich mein, des Verwaiseten; lasse des Vaters</p> +<p>Leich’ uns frei, der dir erlag in der schrecklichen Feldschlacht!</p> +<p>Hast ja auch Kinder, und sie erfreu’n sich des liebenden Vaters</p> +<p>Noch, der, machtbegabt, sie schirmt, und zu Ehren erhebet.</p> +<p>Aber, o, mich Unglücklichen: denn des Vaters beraubet,</p> +<p>Welcher so hold mir war, vermiss’ ich die mächtige Hand jetzt,</p> +<p>Die mich hatte geführt auf des Lebens unsicheren Pfaden!</p> +<p>Dennoch wird sein Grab im vaterländischen Boden,</p> +<p>Der sein theures Gebein bedeckt, und der redende Denkstein</p> +<span class = "pagenum">387</span> +<p>Mir erfüllen die Brust mit Trost, und mit Stärke sie waffnen;</p> +<p>Stillen den Schmerz der Mutter um ihn, und erheben des Volkes</p> +<p>Sinkenden Muth, das stets, in Treu’ ergeben, ihm anhing.“</p> +<p>Doch der erhabene Kaiser schwieg, mit sinnenden Blicken</p> +<p>Ueber den Jüngling gebeugt, und das Volk dort weinete ringsum.</p> +<p>„Höre des Sohnes Fleh’n,“ begann jetzt Lobkowitz finster,</p> +<p>„Himmelan hebt sich dein Ruhm: nicht bedarf er des ehrenden +Denksteins</p> +<p>Hier, der, rühmend, von Ottgars Grab verkünde der Nachwelt,</p> +<p>Welchen Gegner du einst im Felde der Waffen erlegt hast.</p> +<p>Allwärts preis’t dich die Welt großmüthig und edel: als solchen</p> +<p>Sollst du auch ihm dich erweisen — wo nicht? so täuschte dein +Ruf nur:</p> +<p>Denn unziemlicher Haß g’en Ottgar füllet dein Herz noch.“</p> +<p>Rief’s empört, und übermannt von unbändigem Herzleid.</p> +<p>Alle staunten umher; doch zürnte dem eifernden Alten,</p> +<p>Welcher so edel gesinnt, und zugleich so tapfer im Feld war,</p> +<p>Rudolph nicht. Voll Rührung erhob er nun den Erzeugten</p> +<p>Ottgars, der erneut ihm die Knie’ umschlang, von dem Boden,</p> +<p>Herzt’ ihn vor allem Volk’, und begann mit erheitertem Antlitz:</p> +<p>„Sey getröstet, mein Sohn! Nicht sann ich, vor Trauer +verstummend,</p> +<span class = "pagenum">388</span> +<p>Dir ein kostbares Unterpfand zu entreißen: denn alsbald</p> +<p>Geb’ ich es frei. Auch führe zugleich mit dem tapferen Helden,</p> +<p>Lobkowitz, dich der Füllensteiner im Ehrengeleit heim.</p> +<p>Zieh’ dann schnell g’en Prag mit der Leiche des theuern +Erzeugers,</p> +<p>Sie zu bestatten mit würdiger Pracht, und zu weihen ein Denkmaal</p> +<p>Ihm, der, herrschend mit Kraft und mit vielumfassender Weisheit,</p> +<p>Rastlos seines unzähligen Volks Gedeihen und Wohlfahrt</p> +<p>Förderte. Doch, nun komm’! Ich will ein Vater dir werden,</p> +<p>Wie ich’s zuvor beschloß im Gemüth’, und im Segen des Himmels</p> +<p>Möge der sprossende Keim noch herrliche Früchte dir bringen.“</p> +<p>Sagt’ es mit freud’ausstrahlendem Blick’, und als er, gewendet,</p> +<p>Faßte des Rosses Zaum mit der Linken, hinauf in den Sattel</p> +<p>Sich zu schwingen, da both er zugleich dem staunenden Helden,</p> +<p>Lobkowitz, schnell die Rechte zum Gruß mit den freundlichen +Worten:</p> +<p>„Kühner, du stand’st mir zwar gar feindlich entgegen, und dennoch</p> +<p>Sagt mir das Herz: wir scheiden noch bald, als Freunde für +immer!“</p> +<p>Jener dankt’ ihm d’rauf mit thränenumflossenen Wimpern,</p> +<span class = "pagenum">389</span> +<p>Schweigend; aber es quillt ein Dank aus den schimmernden Thränen,</p> +<p>Den im schwellenden Strom der Worte die Zunge nicht ausspricht.</p> +<p>Solches gewahrete nun der Kaiser, erfreuet, und schwang sich</p> +<p>Rasch auf das Roß, den Siegeszug in der Burg zu vollenden:</p> +<p>Denn mit jubelndem Ruf fortwogten von neuem die Scharen.</p> + +<p class = "stanza"> +Jetzt, in dem weitumschlossenen Raum der mächtigen Hofburg,</p> +<p>Wies sich dem Volk’ ein Schaugerüst, der Sichel des Mondes</p> +<p>Aehnlich an Bogengestalt, erhöht, und mit Purpur behangen.</p> +<p>Vierzehn Stufen empor, in stets verengteren Kreisen</p> +<p>Hob sich der herrliche Bau, und zuhöchst, auf dem oberen Feldraum</p> +<p>Stand, hellschimmernd, des Herrschers Thron, an welchem zur +Linken,</p> +<p>Und zur Rechten, gar zierlich geschmückt, zwei Stühle von Purpur</p> +<p>Glänzten. In drängender Hast erfüllte sich eilig die Hofburg.</p> +<p>Freudiger Lärm erscholl, als die Rosse, der Reiter entledigt,</p> +<p>Wieherten, heim durch die Menge geführt, und in stattlicher +Hoheit</p> +<p>Rudolph nun mit Gefolg zu dem glänzenden Throne hinaufschritt;</p> +<p>Dort sich Ladislav, den König der Ungern, zur +Rechten —</p> +<p>Wenzel, den Sohn des getödteten Horts der Böhmen, zur Linken</p> +<span class = "pagenum">390</span> +<p>Sitzen hieß, und das Volk mit freundlichem Winke begrüßte;</p> +<p>Doch ein schmetternder Laut der Dromete geboth in dem Hofraum</p> +<p>Schweigen, und Stille ward, daß der Hauch des athmenden Busens</p> +<p>Hörbar flog, und umher die Stimme des Kaisers vernehmlich</p> +<p>Tönete, da er die Recht’ erhob, und also zum Volk sprach:</p> +<p>„Seht uns am Ziele, mit Gott! Vollbracht ist die That, und das +Opfer,</p> +<p>Das aus dankbarer Brust zu dem Ewigen heute sich aufschwang.</p> +<p>Ach, gar dürftig erscheinet das Wort! Wie sollen wir würdig</p> +<p>Danken dem Heer’, das uns den Sieg errang in der Feldschlacht?</p> +<p>Wie dem erlauchtesten Könige, der als helfender Freund, uns</p> +<p>Einte sein tapferes Volk im allentscheidenden Zeitraum?</p> +<p>Nicht vermöchten wir das! Doch ihn, den König der Ungern</p> +<p>Schließen wir heut’ an Sohnesstatt, wie er selbst es ersehnet,<a +class = "tag" name = "tag12_3" id = "tag12_3" href = +"#note12_3">3</a></p> +<p>Freudig an’s Herz, und geloben ihm Schutz und Freundschaft für +immer.</p> +<p>Wohl bezeugt uns der Herr: „Wer hat, dem wird noch gegeben!“</p> +<p>Also auch wir, von Gott mit Kindern gesegnet, erkiesen</p> +<p>Heute der Söhne noch mehr — denn hört: den theuern +Erzeugten</p> +<p>Ottgars einen wir auch, als solchen, in liebender Sorgfalt</p> +<p>Bald mit unserem Blut: ihm Gutha, die Tochter, verlobend,</p> +<span class = "pagenum">391</span> +<p>Die uns die jüngst’ erblüht aus den Töchtern, voll lieblicher +Unschuld!“</p> +<p>Jetzo drückt’ er zuerst den König, und d’rauf den Erzeugten</p> +<p>Ottgars rasch an die Brust, und unendlich jauchzte das Volk auf.</p> +<p>Aber der König erhob sich vom Stuhl’, und sagte voll Feuer:</p> +<p>„O, gesegnet für immer der Tag, der, freundlichen Anblicks,</p> +<p>Dich als Bundesgenossen mir wies! Der brausenden Jugend</p> +<p>Jahr’ umgaukelten mich noch jüngst im verwirrenden Schimmer;</p> +<p>Aber du kamst: wohl nenn’ ich dich „Vater“ mit Recht, und ich +fühle</p> +<p>Mich urplötzlich zum Manne gereift — dein würdig, als Sohn +jetzt!</p> +<p>Lange lebe, beglückt, der edelste Kaiser der Deutschen!“</p> +<p>Sprach’s mit jubelndem Ruf’, und umher ertönte des Volkes</p> +<p>Freudengeschrei, wie Donnersturm, wie stürzender Wasser</p> +<p>Lautes Rauschen: „Er lebe beglückt! Hoch lebe der Kaiser!“</p> +<p>So, daß jegliche Brust Entzücken ergriff, und der Thränen</p> +<p>Stürmische Fluth in das Aug’ urschnell aufjagte vom Herzen.</p> +<p>Aber es winkte der Kaiser erneut: der eh’rnen Drometen</p> +<p>Ernstem Schall verstummte das Volk, und er sagte, bewegt, noch:</p> +<p>„Hört! Wir scheiden von euch nun bald, und auf lange. Gebiethend</p> +<p>Ruft uns Deutschlands Wohl nach den rheinischen Gau’n, und wir +folgen</p> +<p>Freudig dem Ruf, da uns hier zu weilen hinfort nicht vergönnt +ist.</p> +<p>Doch nicht bleibe darum dieß Land nach unserer Abfahrt</p> +<span class = "pagenum">392</span> +<p>Hauptlos. Wichtiges reift im dunkeln Schooße der Zukunft</p> +<p>Ihm, und Hohes erringt es. Inmitten gewaltiger Länder,</p> +<p>Hebt Haus-Oestreich hier, aus seinem unscheinbaren Umkreis</p> +<p>Eiserngegründet, sich auf; gewährt dann jenen die Herrscher;</p> +<p>Flicht in den Kranz nie welkender Macht die herrlichsten Kronen,</p> +<p>Die bald König’ ihm biethen, und führt vielfältig durch Sitte,</p> +<p>Sprach’, und Stamm gesonderte Völker zu dauernder Einung.</p> +<p>Also, gerüstet mit Kraft, soll’s einst im Sturme der Zeiten</p> +<p>Fest wie ein Leuchtthurm steh’n, der rettend, Gefahrenbedrängten</p> +<p>Von dem Felsen die Flamme weis’t auf dem nächtlichen Irrpfad.</p> +<p>Albrecht komme heran. Ihm, unserem theuern Erzeugten,</p> +<p>Deß’ erhabener Sinn und Weisheit euch allen bekannt ist,</p> +<p>Wollen wir Oestreich hier zu Lehen ertheilen. Als Herzog</p> +<p>Werd’ ihm der Thron, und in seinem Geschlecht fortdaure die +Herrschaft,</p> +<p>Endlos, segenbeglückt zum Wohl unzähliger Völker.“</p> +<p>Ha, und er dachte, bewegt, des Alp’bewohnenden Klausners!</p> + +<p class = "stanza"> +Doch schon ritt aus dem hallenden Thor der Erzeugte des Kaisers,</p> +<p>Albrecht, stattlich heran. Sein Roß, der tönenden +Hauptzier —</p> +<p>Also des Zaums und Geschirrs von blinkendem Silber sich freuend,</p> +<p>Beugte stolz das Haupt an die Brust. Doch herrlich geschmückt war</p> +<p>Er mit dem Fürstenhut’ und dem Purpurmantel: ihn deckte</p> +<span class = "pagenum">393</span> +<p>Glänzender Hermelin; auch hielt er den goldenen Zepter</p> +<p>Fest in der Rechten erhöht. Durch Schrift und Siegel ertheilte</p> +<p>Friedrich der Erste, von Hohenstauff, der mächtig als Kaiser</p> +<p>Ragte vor andern hervor, das Recht dem Herzog von Oestreich,</p> +<p>Also zu Pferd, und so herrlich geschmückt das Leh’n zu empfangen.<a +class = "tag" name = "tag12_4" id = "tag12_4" href = +"#note12_4">4</a></p> +<p>Siehe, vor ihm trug Lichtenstein das Banner von Oestreich,</p> +<p>Deß’ ruhmwürdiger Schild, mit dem schneeigen Streif in dem +Blutfeld</p> +<p>Schimmerte, rasch einher; doch Albrecht hielt an des Thrones</p> +<p>Stufen, und beugte sich; d’rauf begann der erhabene Kaiser:</p> +<p>„Albrecht, euch beschwören wir jetzt im Nahmen des einen,</p> +<p>Wahren, und ewigen Gott’s, zu bekennen: ob ihr, als Herzog</p> +<p>Oestreichs, herrschen wollet nach Recht und Gerechtigkeit; ob ihr</p> +<p>Schirmen wollet die heilige Lehr’ und den Glauben der Väter,</p> +<p>Und euch widmen dem Wohl des Landes mit Leib und mit Leben,</p> +<p>Das ihr heute zu Lehen empfaht aus unserer Vollmacht?“</p> +<p>Jener rief: „Ich will!“ und alsbald winkte der Kaiser</p> +<p>Lichtenstein, daß er ihm darreichte die Fahn’, und begann so:</p> +<p>„Nun auch schwört es zu Gott, und im Beiseyn eueres Volkes,</p> +<p>Eilig das Banner zugleich, und den goldenen Zepter erhebend</p> +<p>Hoch g’en Himmel empor.“ Und jener entgegnete muthig:</p> +<p>„Ja, ich schwör’ es zu Gott!“ und erhob den goldenen Zepter</p> +<p>Dann mit dem Banner zugleich in die Luft. Der Kaiser entstürzte</p> +<span class = "pagenum">394</span> +<p>Jetzo dem Purpurpfühl’, und flog in die Arme des Sohnes,</p> +<p>Der, sich schwingend vom Zelter herab, ihm entgegen geeilt war.</p> +<p>Lange hielt er den Sohn umfaßt, und sagte mit Rührung:</p> +<p>„Gottes Segen mit dir, und mit deinem Geschlechte! Der Nachwelt</p> +<p>Stell’ ich es freudig anheim, was heut’ allhier sich begeben.</p> +<p>Möge sie noch an der Zeiten entferntestem Ziele, des Glückes</p> +<p>Herrlichster Fülle froh, laut Habsburg segnen und Oestreich!“</p> + +<p class = "stanza"> +Siehe, da rief umher die Menge dem neuen Beherrscher,</p> +<p>Jauchzend, ihr „Lebehoch!“ Doch sah nach dem Kaiser so mancher,</p> +<p>Innig betrübt, noch hin, der erst von Trennen und Scheiden</p> +<p>Sprach, und auf immer vielleicht den liebenden Herzen entrückt +wird.</p> +<p>D’rauf hieß er die Fürsten bei sich willkommen, und sagte:</p> +<p>„Kommt zum erquickenden Mahl’, und ruht in der friedlichen Burg +hier,</p> +<p>Heiteren Sinn’s, jetzt aus von des Kriegs unzähligen Sorgen!</p> +<p>Aber verzeiht: ich eile zuvor nach der düsteren Kammer,</p> +<p>Wo die Gattinn mir starb, und nach ihr sich, in Trauergewanden,</p> +<p>Sehnen die Kinder vereint; ich gehe, die Lieben zu trösten.“</p> +<p>Und er entzog sich den Blicken der lautaufjubelnden Scharen:</p> +<p>Thränenden Blicks, aufschreitend allein zur Wohnung der Trauer.</p> + +</div> +<!-- end div verse --> + +</div> +<!-- end div maintext --> + +<hr class = "small"> + +<span class = "pagenum">395</span> + +<div class = "notes"> + +<h3><a name = "nachtrag" id = "nachtrag">Nachtrag</a></h3> + +<h6>zu dem</h6> + +<h4>Heldengedichte Rudolph von Habsburg.</h4> + +<hr class = "micro"> + +<h5>Die Marchfelder Schlacht. Jahr 1278.</h5> + +<p><span class = "firstletter">D</span>ie merkwürdige Schlacht auf dem +Marchfeld zwischen Rudolph <span class = "latin">I.</span> von +Habsburg, Kaiser der Deutschen, und Przemisl Ottokar <span class = +"latin">II.</span>, König von Böhmen, in welcher letzterer besiegt fiel, +und jener seinen Nachkommen Oestreichs Herrscherthron erkämpfte, geschah +am 24. August des Jahres 1278. Schon zwei Jahre vorher standen sich, +eben daselbst, die beiden Fürsten feindlich entgegen. Ottokar, durch +früheren Ehebund mit der babenbergischen Margareth, der Herrscher +geworden von Oestreich und Steyermark, und, durch Kauf, von Kärnthen und +Krain, ließ sich endlich herbei, diesen Provinzen, als +anheim­gefallenen Reichslehen, zu entsagen; worauf er, auf der +Donau-Insel Kamberg, im Angesicht beider Heere, dem Kaiser (19. November +1276) knieend gehuldigt, und dieser, angeblich, durch Herabrollen der +Zeltvorhänge, diese Handlung offenkundig gemacht haben soll. Dem +heimkehrenden König setzte seine ehrgeizige Gemahlin, Kunegunde, durch +Schmähungen so lange zu, bis er dem Kaiser neuerdings den Kampf auf Tod +und Leben both. Schon am 27. Juni brach er von Prag zu seinem Heer’ auf, +das sich vor Brünn versammelt hatte, verlor aber auf seinem Kriegszug in +Oestreich, durch die Belagerung des befestigten Städtchens Drosendorf, +den entscheidenden Augenblick, und setzte dadurch den Kaiser in den +Stand, +<span class = "pagenum">396</span> +Hülfsvölker zu sammeln, um welchen es sonst durch schnelles Vordringen +geschehen gewesen wäre. Auf Rudolphs Seite standen nebst den Schweizern +und Elsassern, die ihm sein Sohn Albrecht zuführte, der Pfalzgraf +Ludwig, sein Tochtermann; der Burggraf Friedrich von Nürnberg; der +Markgraf Heinrich von Hochberg: zu welchen noch die Grafen von +Henneberg, und Fürstenberg stießen. Dann: Meinhard Graf von Tyrol; Graf +Albert von Görz; Friedrich, und Albert, die Grafen von Ortenburg, und +Ulrich von Heunburg mit den Tyrolern, Kärnthnern und Krainern; +Pfannberg, und zugleich die Herren von Pettau, Lichtenstein, und Colo +von Seldenhofen, mit den Steyrern. Auch die Bischöfe von Salzburg und +Basel führten ihm Krieger zu, deren ersterem er in der Schlacht die +Leitung der Oestreicher und Steyrer übergab. Endlich erschien auch der +König Ladislav <span class = "latin">IV.</span>, an welchen er den +tapferen tyrolischen Hauptmann, Hugo von Tauffers, abgeschickt hatte, +mit mehr denn zwanzigtausend kumanischen und ungrischen Reisigen, als +sein Verbündeter, auf dem Schlachtfeld. An Ottokars Völker, die Böhmen, +und die Mährer unter Milota’s Leitung, reiheten sich: Bayern, welche der +Herzog Heinrich; Sachsen, welche Pfeil, der Markgraf von Magdeburg, und +Meißner und Thüringer, welche der Markgraf Dietrich anführte. Die +Reussen sandte K. Leo, und die Polen und Schlesier K. Kasimir +heran. Auch einige östreichische Ritter, unter diesen die beiden Brüder +Heinrich und Leopold Kunring, ergriffen seine Parthei, so, daß er dem +Kaiser an der Zahl der Krieger weit überlegen war. Das Feld, auf welchem +gestritten ward, erstreckte sich von Marcheck über den Weidenbach, dann +weiter von Stillfried über Dürnkrut bis gegen Idungspeugen, hinauf, und +der Kampf endete wahrscheinlich, wie weiter unten erhellet, nahe vor dem +Städtchen Laa. Rudolph setzte mit seinem Heere bei Hainburg über die +Donau, seine Vereinigung mit dem König der Ungern zu bewirken, und dem +Feind in den Rücken zu kommen, und lagerte sich vor Marcheck. Die +<span class = "pagenum">397</span> +Kumanier hatten bereits aus dem Hinterhalt die herumstreifenden Feinde +angefallen, ihnen über 100 Mann getödtet, und nachdem sie ihnen die +Köpfe abgehauen, sandten sie selbe dem Kaiser als Geschenk entgegen, der +sich mit Schauder davon wegwendete, und sie begraben ließ. Am 23. August +rückte er g’en Stillfried vor, und beschloß die Schlacht auf den +folgenden Tag, der mit dem Feste des heil. Bartholomäus auf einen +Freitag fiel, an welchem er öfters glücklich gekämpft hatte.<a class = +"tag" name = "endtagA" id = "endtagA" href = "#endnoteA">*</a> Der Tag +brach an: die Kaiserlichen standen in fünf Heerhaufen, den sechsen der +Böhmen, entgegen. Noch kurz vor dem Kampfe schlug der Kaiser, nebst +anderen, auch hundert Zürcher zu Rittern. In seinem Heer herrschte mehr +froher Muth, als in jenem Ottokars, da vor Tagesanbruch die Meißner und +Thüringer aus dem Lager heimlich abzogen, und er zuvor im Zelt, mit +erregtem Mißtrauen, die Feldherrn aufforderte: „sie sollten ihm, wenn +sie Verrath an ihm sännen, lieber jetzt die Brust durchbohren, ehe +Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden.“ Das unbändige +Pferd eines salzburgischen Reiters, Heinrich Schörlin, rannte, wie toll, +auf die Böhmen los, und ward so zum Zeichen des früheren Angriffs. +Ottokar brachte mit den schwer­geharnischten Reitern die Oestreicher +und Steyrer zum Weichen, nachdem der Führer der letzteren, Pfannberg, +verwundet vom Pferde gefallen war. Als der Kaiser die wankende Schlacht +sah, da warf er sich aus dem Sattel im Staub auf die Knie’, und bethete +laut zum Himmel, verheißend durch ein Gelübde, so er den Sieg gewänne, +ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu stiften; worauf seine Scharen +ermuthigt vordrangen. Doch schlug sich Herbot von Füllenstein, ein +polnischer Ritter, durch große Verheißungen Ottokars bewogen, bis zu ihm +durch, +<span class = "pagenum">398</span> +erstach ihm das Pferd unter dem Leib, und brachte ihn in die größte +Gefahr, wenn nicht er selber, zu Fuß ankämpfend, ihn mit dem Speer von +dem Sattel herabgerissen, und der herbeieilende tapfere Ritter Ulrich +Capellen ihm ein Pferd gebothen hätte. Den gefangenen Ritter Herbot hieß +der Kaiser schonen, seine Wunden verbinden, und warf sich dann, wie ein +erzürnter Löwe, neuerdings auf die Feinde. Auf dem rechten Flügel, wo +Hochberg stritt, erhob sich das Geschrei, „die Feinde fliehen!“ und bald +verbreitete es sich durch alle Reihen Rudolphs. Ottokar wankte einen +Augenblick, hieß aber Milota aus dem Nachhalt vorgeh’n; und als dieser, +langgenährter Rache fröhnend, mit den Mährern und einigen böhmischen +Herren, die er gewann, eben jetzt von dem Schlachtfeld abzog, stürzte er +sich in den letzten mörderischen Kampf, und fiel auch hier, als ein +Opfer der Rache, durch die Hand der beiden Ritter von Meerenberg, mit +dreizehn Wunden, ehe der Befehl des Kaisers, der sein Leben zu schonen +geboth, erfüllt werden konnte. Worauf Flucht und Verwirrung der Böhmen. +Der Kaiser ließ zum Rückzug blasen, allein die Kumanier verfolgten sie, +bis die sinkende Nacht dem Würgen ein Ende machte. Die Schlacht währte +nur fünf Stunden, und es sollen auf Ottokars Seite über 14,000 gefallen +seyn. Rudolph hieß seine Leiche sogleich aufsuchen, nach dem Städtchen +Laa, und noch in der Nacht nach Wien bringen, wo sie anfangs in dem +Schotten-Kloster beigesetzt, und dann in der Kirche der Barfüßer-Mönche +öffentlich zur Schau ausgestellt blieb. Allein, auf die in das Lager +gelangte Bitte der Böhmen, stellte er sie ihnen wieder zu; worauf sie +über Znaim nach Prag abgeführt, und in dem, von ihm erbauten +Franciskaner-Kloster königlich zur Erde bestattet ward. Rudolph hielt in +Wien, unter unendlichem Jubel des Volkes, seinen feierlichen Einzug, und +erfüllte bald darauf sein Gelübde, indem er zu Tuln, zu Ehren des heil. +Kreuzes ein adeliges Frauenkloster erbauen ließ.</p> + +<p class = "footnote"> +<a name = "endnoteA" id = "endnoteA" href = "#endtagA">*)</a> +Bei <em><span class = "latin">Arenpeck Chron. Austr. ad Annum</span> +1278 heißt es</em>: <span class = "latin">Conveniunt ambo Reges cum +exercitibus suis in campis Austriae trans Danubium apud Weidenbach feria +sexta ante Bartholomaei etc.</span> Viele andere wollen, daß die +Schlacht sich am 26. August ereignet habe.</p> + +</div> + +<hr class = "small"> + +<div class = "notes"> + +<span class = "pagenum">399</span> +<h3><a name = "anmerkungen" id = "anmerkungen">Anmerkungen</a></h3> + +<h6>zu</h6> + +<h2>Rudolph von Habsburg.</h2> + +<hr class = "tiny"> + + +<h4><a name = "ges1_notes" id = "ges1_notes">Erster Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_1" id = "note1_1" href = +"#tag1_1">1</a> Vers 9.</h5> + +<p><em>Drahomira</em> war die Gemahlinn Vratislavs, Herzogs von Böhmen, +der die Heidinn in der Hoffnung, daß sie sich zum Christenthume bekehren +würde, im Jahr 907 ehlichte. Sie gebar ihm zwei Söhne, Wenzel und +Boleslav, und als er im Jahr 916 starb, und seine Mutter, die heil. +Ludmilla, die vormund­schaftliche Regierung übernehmen wollte, stand +sie in der berufenen Stände­versammlung zu Prag dagegen auf, zog +sich mit ihrem jüngeren Sohn, Boleslav, auf das feste Schloß Wischehrad +zurück, und wüthete beinahe durch vier Jahre, mit Beihülfe des +heidnischen Stadtrichters Palhog, gegen die Christen mit Feuer und +Schwert. Darauf ließ sie die Kirche zu Bunzlau zerstören, und endlich +auch ihre Schwiegermutter auf dem Schlosse Tetin hinrichten. Wenzel, +obgleich nur ein Jüngling, kam hierauf nach Prag, berief die Stände im +Jahr 921, und entsetzte sie der Regierung. Doch ruhte die unmenschliche +Mutter nicht, bis ihr jüngerer Sohn den älteren im Jahr 938 auf ihr +Anstiften durch Brudermord auf die Seite schaffte. Nach der Sage soll +sie auf dem Hradschin die Erde lebendig verschlungen haben. +S. <span class = "latin"><em>Cosmas Pragensis</em> L. I. +<em>Hist.</em> — <em>Pulkawa Hist. Boh.</em> C. 13. +<em>Dubrav. Hist. Boh.</em> L. 5. <em>Sylvius</em>, <em>Hagek</em> +etc.</span> + + +<span class = "pagenum">400</span></p> +<h5><a class = "tag" name = "note1_2" id = "note1_2" href = +"#tag1_2">2</a> Vers 68.</h5> + +<p><em>Margareth</em>, die Tochter des babenbergischen Leopold des +Glorreichen, Herzogs von Oestreich, war die Wittwe Kaisers Heinrich +<span class = "latin">VII</span>, und bereits an Jahren vorgerückt, als +Ottokar, wohl nur in der Absicht, mit ihrer Hand Oestreich und die +Steyermark zu erlangen, sie im Jahr 1252 heirathete, aber schon im Jahr +1261 sich von ihr, wegen beschuldigter Unfruchtbarkeit, wieder scheiden +ließ. Sie starb zu Krems im Jahr 1267 im Kloster, und zwar, wie Einige +behaupten, durch Gift, mit welchem sie Ottokar aus der Welt geschafft +haben soll. Doch hat Hanthaler <span class = "latin"><em>Fast. +Campilil.</em> T. I. P. II. Dec. VII. §. I. +C. XXXIV.</span> diese Behauptung widerlegt. Sie liegt in dem +Kloster Lilienfeld, das ihr Vater stiftete, ihm zur Linken, vor dem +Hochaltar, begraben.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_3" id = "note1_3" href = +"#tag1_3">3</a> Vers 117.</h5> + +<p><em>Durnkrut.</em> Siehe den merkwürdigen Aufsatz „Die +Entscheidungs­schlacht im Marchfelde zwischen Rudolph und Ottokar +1278“ im Archiv für Geographie, Historie &c. Nr. 1 und 2 des +J. 1814. Der vortreffliche Geschicht­schreiber, Chorherr Kurz, +sagt in seinem <span class = "latin">Oestreich unter Ottokar und +Albrecht I.</span>: „In Rücksicht des Schlachtfeldes stimmen die +Berichte nicht ganz überein, welches wohl nicht anders möglich ist, da +zwei Heere nothwendig eine große Strecke einnehmen, und während einer so +entscheidenden Schlacht an mehreren Orten gestritten wird. Daß an dem +Marchfluß gekämpft ward, in welchem viele Böhmen den Tod fanden, +bestätigen alle Chroniken. Der Bezirk von <em>Stillfried</em> bis +<em>Idungspeugen</em> hinauf, war der eigentliche Kampfplatz, +<em>Chrutterfeld</em>, das ebenfalls genannt wird, liegt in der Mitte. +Die Schlacht muß sich von Stillfried gegen den <em>Weidenbach</em> und +bis <em>Marcheck</em> ausgedehnt haben, da Rudolph in seinem Stiftsbrief +sagt: „Gott habe ihn nicht fern der Kirche von Marcheck aus Todesgefahr +errettet“. <span class = "latin">In loco ab ecclesia eadem non longe +distante nos quasi in angustiis mortis positos liberavit ab hostibus: et +prostratis eisdem liberavit gloria triumphali.</span> <span class = +"latin"><em>Bodmann</em> cap. I. p. 100.</span> Wahrscheinlich +deutet er auf die Gefahr, die ihm drohte, als ihm das Pferd unter dem +Leib’ erstochen ward. <span class = "latin"><em>Calles</em> +T. II.</span> p. 552-562 hat alle hierher gehörigen Stellen +gesammelt“.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_4" id = "note1_4" href = +"#tag1_4">4</a> Vers 284.</h5> + +<p>Siehe über dieses Gespräch Hornecks Reim-Chronik, Cap. 132-136</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_5" id = "note1_5" href = +"#tag1_5">5</a> Vers 351.</h5> + +<p><em>Rüdiger Waldram</em> nennt <em>Fugger</em>, in seinem +<em>Ehrenspiegel des Erzhauses Oestreich</em>, den Bürgermeister Wiens, +der an Rudolph +<span class = "pagenum">401</span> +mit dem König der Böhmen einverstanden, heimlichen Verrath sann. Bei +andern Schriftstellern heißt er Paltram Vazo. Der Sänger Rudolphs fand +jenen wohlklingender zu seinem Zwecke (S. auch <span class = +"latin">Wolf. Lazius Chron. Vienn. Lib. IV.</span> und <span class = +"latin"><ins class = "correction" title = "eigentlich Gerard de Roo">Gerard. +Roo</ins> Hist. Austr. Lib. I.</span><ins class = +"correction" title = ") fehlt">) </ins></p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_6" id = "note1_6" href = +"#tag1_6">6</a> Vers 360.</h5> + +<p>Die Erzählung von der Huldigung Ottokars auf der Donau-Insel +<em>Kamberg</em>, wo er, nachdem die täuschenden Zeltvorhänge gefallen +waren, auf den Knieen vor dem Kaiser liegend, den beiden, durch die +Donau geschiedenen Heeren gewiesen ward, ist von vielen gründlichen +Geschichts­forschern als unstatthaft verworfen worden.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_7" id = "note1_7" href = +"#tag1_7">7</a> Vers 375.</h5> + +<p>In einem der anmuthigsten Gebirgsthäler Unter-Oestreichs, am Fuße der +Alpen, und an dem Ufer des Traisenflusses, liegt das Cisterzienser-Stift +<em>Lilienfeld</em>, von dem babenbergischen Leopold <span class = +"latin"><ins class = "correction" title = ". unsichtbar">VII.</ins></span>, +oder Glorreichen, im Jahr 1202 gestiftet, +dem der Sänger Rudolphs durch acht und zwanzig Jahre angehörte, und +demselben in den letzten sieben Jahren als Abt, k. k. Rath und +nieder­östreichischer Landesstand, vorgesetzt war.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_8" id = "note1_8" href = +"#tag1_8">8</a> Vers 397.</h5> + +<p><em>Masovien</em> (Masuren), eine Landschaft in Polen, welche an +Preußen, an Groß- und Klein-Polen und an Lithauen gränzte, früher durch +eigene Herzoge regiert, und unter König Sigismund <span class = +"latin">I.</span> mit Polen vereiniget ward. Ihre vornehmsten Städte +waren Warschau und Plozk. (Hartknoch <span class = "latin">de Republ. +Pol. L. I. c. 10.</span>)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_9" id = "note1_9" href = +"#tag1_9">9</a> Vers 403.</h5> + +<p><em>Königsberg</em>, die zweite Residenzstadt Preußens an der Pregel, +von mehr als 60,000 Einwohnern, und einer Universität, die in der +neueren Zeit durch Kant berühmt geworden ist, soll Ottokar im Jahr 1254 +gegründet haben.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_10" id = "note1_10" href = +"#tag1_10">10</a> Vers 421.</h5> + +<p>Daß Rudolph in seinem sieben und dreißigsten Jahre an den Hof +Ottokars, der übrigens als ein großer Feldherr jungen Fürsten allerdings +zum Muster dienen könnte, berufen, und zu seinem Hofmarschalk ernannt +worden sey, daß er dann mit ihm die, bei dem Einfall der Tartaren wieder +heidnisch gewordenen, Preußen bekämpfte, im Jahr 1260 einem Kriegszug +gegen die Ungern beigewohnt, und wegen ausgezeichneter Heldenthaten von +<span class = "pagenum">402</span> +ihm den Ritterschlag erhalten habe, sind Erzählungen aus seinem Leben, +deren Wahrheit hie und da bestritten worden ist.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note1_11" id = "note1_11" href = +"#tag1_11">11</a> Vers 484.</h5> + +<p><em>Tabor</em>. Ein an dem linken Ufer der Donau, Wien gegenüber +liegendes Dorf.</p> + + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges2_notes" id = "ges2_notes">Zweiter Gesang.</a></h4> + +<h5><a class = "tag" name = "note2_1" id = "note2_1" href = +"#tag2_1">1</a> Vers 28.</h5> + + +<p>Die Veste <em>Mödling</em>, deren Ruinen über dem Städtchen gleiches +Nahmens, nicht fern von Wien, in dem Brühler Thal zu sehen sind, war das +Eigenthum mehrerer Fürsten eines Zweigs des babenbergischen +Herrscher­stammes, die sich Herzoge von Modeling nannten, und das +zuletzt auch Gertrud, die Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling, und +Bruders Friedrichs des Streitbaren, zu ihrem Antheil erhielt, nachdem +ihr Gatte, Herman, Markgraf von Baden, gestorben war.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_2" id = "note2_2" href = +"#tag2_2">2</a> Vers 35.</h5> + +<p>In einem eng umschlossenen Thal’, am Fuße des Tannberges, welches der +Sattelbach durckfließt, stiftete Leopold der Heilige im Jahr 1135 das +Cisterzienser-Kloster Heiligen-Kreuz, welches nebst andern merkwürdigen +Grabmäälern im Kreuzgang auch jenes von Friedrich dem Streitbaren, +letzten Sprossen des babenbergischen Stammes, zur Schau stellt.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_3" id = "note2_3" href = +"#tag2_3">3</a> Vers 91.</h5> + +<p>Ueber <em>Jacob Müllers</em>, des Zürcher Kriegers, <em>lustige +Mähre</em> siehe <span class = "latin"><em>Alb. Argent. Cap.</em> +18</span> und <em>Fuggers Spiegel der Ehren des Erzhauses +Oestreich</em>. Nürnberg, 1668, erstes Buch 7. Cap. S. 66.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_4" id = "note2_4" href = +"#tag2_4">4</a> Vers 110.</h5> + +<p>Der <em>Traisen</em>-Fluß in Unteröstreich, der bei Traisenmauer in +die Donau fällt, entspringt hinter der Lilienfelder Alpenkette aus dem +sogenannten Traisenberg, und ergießt sich in zwei Bächen, wovon der eine +hinter Tirnitz aus der Süd- und der andere hinter Hohenberg aus der +Nordseite des Berges hervordringt, so, daß beide erst oberhalb +Lilienfeld sich wieder vereinigen, und die eigentliche Traisen bilden. +Wechselweise wird +<span class = "pagenum">403</span> +der eine, und der andere Arm die <em>unechte Traisen</em> genannt, je +nachdem der Bewohner des einen und des andern Bezirks Kunde darüber +geben soll.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_5" id = "note2_5" href = +"#tag2_5">5</a> Vers 115.</h5> + +<p><em>Lilienfeld</em>, das Cisterzienserkloster in Unteröstreich, +welches am Fuße der Alpen, in einem der reizendsten Thäler, nicht weit +von der, auf der Hauptstraße nach Wien liegenden Stadt St. Pölten +entfernt liegt, wurde durch den babenbergischen Leopold den Glorreichen, +Herzog von Oestreich, im Jahr 1202 gestiftet, erhielt, wie schon weiter +oben im Gedichte gesagt wird, die ersten Mitglieder aus dem Kloster +Heiligen-Kreuz, und besteht nun schon 640 Jahre. In dieses Kloster trat +der Dichter Rudolphs von Habsburg, in seinem zwanzigsten Lebensjahre, im +Jahre 1792, und hatte ihm gegen 28 Jahre lang angehört, nach welchen er +zu höhern Stellen berufen ward; es ist ihm daher wohl zu guten zu +halten, daß er es zu einem der Schauplätze seines Gedichtes gewählt, und +mit besonderer Liebe und Ortskenntniß beschrieben hat.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_6" id = "note2_6" href = +"#tag2_6">6</a> Vers 171.</h5> + +<p>Ob Rudolph vor, oder während der Schlacht das Gelübde gemacht habe: +so er den Sieg gewänne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu +erbauen, ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht völlig erweisbar. So +viel ist gewiß, daß er, nach jenem erhaltenen Sieg über seinen Gegner, +das adelige Frauenkloster zu Tuln, zu Ehren des heil. Kreuzes erbaut, +und auch seine, und seiner Gemahlinn aus Stein gehauene Statuen dahin +geschenkt habe, die leider zur Zeit der Aufhebung desselben, auf eine +unverant­wortliche Weise, vernichtet worden sind!</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_7" id = "note2_7" href = +"#tag2_7">7</a> Vers 176.</h5> + +<p>Die hier bezeichneten Fürsten sind: Albrecht <span class = +"latin">I.</span>, Friedrich der Schöne, Maximilian <span class = +"latin">I.</span>, Carl <span class = "latin">V.</span>, Maria +Theresia, Joseph <span class = "latin">II.</span>, +Leopold <span class = "latin">II.</span>, Franz <span class = +"latin">I.</span></p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_8" id = "note2_8" href = +"#tag2_8">8</a> Vers 320.</h5> + +<p>Nach Fugger geschah diese Handlung zu Mainz, als Kaiser Rudolph das +Reich bereisete, im Jahr 1273. (<em>Siehe Spiegel der Ehren</em>. +S. 84.)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_9" id = "note2_9" href = +"#tag2_9">9</a> Vers 372.</h5> + +<p><em>Wiener-Neustadt</em> — erhielt den Titel der <em>Allzeit +Getreuen</em> schon von Herzog Friedrich dem Streitbaren, wie es aus +einer ihr im Jahr +<span class = "pagenum">404</span> +1242 ertheilten Privilegien-Urkunde erhellet. Kaiser Leopold <span +class = "latin">I.</span> schenkte ihr im J. 1708 eine Fahne mit +der Aufschrift: <span class = "latin">Semper fidelis civitas +Neostadiensis — pro Caesare et Religione</span> — wie +solches nebst andern historisch merk­würdigen Selten­heiten in +dem Rathhaus-Archive daselbst zu ersehen ist.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_10" id = "note2_10" href = +"#tag2_10">10</a> Vers 410.</h5> + +<p>Ein Meisterwerk der gothischen Baukunst, das alle Fremden durch +seinen majestätischen Umfang in Erstaunen setzte, das sogenannte +Dormitorium, oder Schlafhaus zu Lilienfeld, welches ursprünglich den +Klosterbrüdern zur gemeinschaft­lichen Wohn- und Schlafstätte +diente, als noch, außer dem Chorgebeth, das Ausräuten und Urbarmachen +der Wildniß umher ihr hauptsächliches Geschäft war, ging durch den +großen Brand (13. September 1810) völlig zu Grunde, so daß keine Spur +mehr von seiner Herrlichkeit übrig blieb.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note2_11" id = "note2_11" href = +"#tag2_11">11</a> Vers 478.</h5> + +<p>Der <em>Lasingfall</em>, in den Lilienfelder Gebirgen, ist seit dem +Jahr 1815, wo ihn der Verfasser des gegenwärtigen Gedichts, als +damaliger Stiftsvorsteher, zugänglich, und dadurch erst bekannt machte, +der Gegenstand der Aufmerksamkeit der Reisenden, die ihn jährlich in +großer Anzahl besuchen. Seine Schönheit übertrifft jede Vorstellung. Die +Felsenschlucht, durch welche sich die Lasing herabstürzt, hat drei +Hauptabsätze, die nach Wiener Maß:</p> + +<table class = "fall" summary = "Lasingfall senkrecht"> +<tr> +<td><span class = "latin">a</span> =</td> +<td class = "number">107</td> +<td>Fuß</td> +<td></td> +</tr> +<tr> +<td><span class = "latin">b</span> =</td> +<td class = "number">40</td> +<td> „</td> +<td class = "number">8”</td> +</tr> +<tr class = "bottompad"> +<td><span class = "latin">c</span> =</td> +<td class = "number">123</td> +<td> „</td> +<td class = "number">2”</td> +</tr> +<tr> +<td></td> +<td class = "number topline">270</td> +<td class = "topline"> ’</td> +<td class = "number topline">10”</td> +</tr> +</table> + +<p>senkrechte Höhe, und</p> + +<table class = "fall" summary = "Lasingfall horizontal"> +<tr> +<td><span class = "latin">a</span> =</td> +<td class = "number">145</td> +<td>Fuß</td> +<td class = "number"> 2”</td> +</tr> +<tr> +<td><span class = "latin">b</span> =</td> +<td class = "number">126</td> +<td> „</td> +<td class = "number">7”</td> +</tr> +<tr class = "bottompad"> +<td><span class = "latin">c</span> =</td> +<td class = "number">123</td> +<td> „</td> +<td class = "number">4”</td> +</tr> +<tr class = "topline"> +<td></td> +<td class = "number topline">395</td> +<td class = "topline"> ’</td> +<td class = "number topline">1”</td> +</tr> +</table> + +<p>horizontale Länge des Wasserfalls bewirken. Auch das Felsenthal am +Fuß des Oetschers, durch welches sie sich ergießt, gewährt einen +ergreifenden Anblick<ins class = "correction" title = ". fehlt">. </ins></p> + +<hr class = "tiny"> + +<span class = "pagenum">405</span> +<h4><a name = "ges3_notes" id = "ges3_notes">Dritter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_1" id = "note3_1" href = +"#tag3_1">1</a> Vers 3.</h5> + +<p><em>Marbod</em>, <span class = "latin">Marobodus</span>, wie ihn +Tacitus nennt, König der Marcomannen, eines schwäbischen Stammes +(Mark-Mannen, Hüther der Gränze, oder wie Andere wollen: +<em>Marich</em>-Mannen, Roßtummler, von dem alten deutschen Wort +<em>Marich</em>, Stute, Mähre, <span class = "latin">equa</span>), lebte +gleichzeitig mit Herman dem Cherusker. Entschlossen, sich in einer +entfernteren Stellung den Römern furchtbar zu machen, sammelte er ein +Heer von mehr denn siebenzig tausend Mann, zog immer weiter an der Donau +herab, und nachdem er den <em>Catualda</em> (Gothwald oder Katwald), +einen Anführer der Gothen, aus dem Lande der Bojen, dem heutigen Böhmen, +verjagt hatte, gründete er dort den Sitz eines neuen Reichs, das sich +von der äußersten Spitze der Ostmark, und der Gränze Pannoniens, bis an +das Riesengebirge hin erstreckte. <em>Inguiomar</em> (wahrscheinlich +Hinkmar), der Ohm Hermans, der zu ihm flüchtete, verwickelte ihn in +einen heftigen Streit mit seinem gewaltigen Neffen, und als nach einer +unentschiedenen blutigen Feldschlacht seine Krieger auf Hermans Seite +traten, und Catuald mit Hülfe römischer Scharen seine Burg erstürmte, +faßte er den Entschluß, sich in Roms Schutz zu begeben. Er wurde nach +Ravenna verwiesen, wo er nach einem zwei und zwanzigjährigen Aufenthalt +sein Leben — das er, wie Tacitus sagt, zu sehr liebte, in +unrühmlicher Abge­schiedenheit endete. Catuald hatte ein gleiches +Schicksal, denn er wurde von den Römern nach Frejus in Frankreich +verwiesen.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_2" id = "note3_2" href = +"#tag3_2">2</a> Vers 16.</h5> + +<p>Das Schloß <em>Hainburg</em> mit dem Städtchen gleiches Nahmens, an +der Gränze Ungerns in Unter-Oestreich, soll, der Sage nach, von Attila, +dem König der Heunen, wie die Deutschen der Vorzeit die Hunnen nannten, +erbaut worden sein: daher Heunenburg, <em>Heunburg</em>, geheißen haben. +Was hier von dem Umfang, und der Lage des markomannischen Reichs unter +Marbod, und weiter unten Vers 25 von der durch ihn gekämpften Schlacht +auf dem Marchfeld gesagt wird, gründet sich, nicht mit historischer +Gewißheit, sondern in poetisch genommener scheinbarer Möglichkeit, auf +folgende Stellen aus dem Werke: <span class = "latin">Hist. opus in IV. +T. divisum, quorum T. I. Germ. ant. illust. continet. Basileae 1574 +ed. Tencterus</span>.</p> + +<span class = "pagenum">406</span> +<p><span class = "latin">Sub Martungis erant Curiones, inde Chetuari, et +Parmecampi, ubi hodie pars est Austriae Cis-Danubianae juxta <em>Krembs, +Znaem et Niclaspurg</em>. Inde habitabant Marcomanni; hodie regio illa +Moravia est, quae se ad Sudinos extendebat, et Danubium usque, ubi hodie +civitas est <em>Prespurgium</em>. — Gessit haec gens maxima bella +cum Romanis etc. etc. <em>Bilibaldi Birkheimeri Locor. per German. +explicatio pag. 209.</em></span></p> + +<p>Ferner: <span class = "latin">Nariscos Marcomannos et Quados haud +dubie ea loca tenuisse putamus, ubi nunc agunt Moravi, +<em>Merherlandt</em>. De Marcomannis nemo dubitare potest, qui Vellejum +legerit. <em>Henr. Clareani in P. C. Taciti de Mor. Germ. +comment.</em> p. 188.</span></p> + +<p>Und endlich: <span class = "latin">Marcomanni sedes habuerunt in ea +parte, quae spectat ortum versus Moraviam et Austriam. Enituit autem +virtus Marcomannorum in multis asperrimis bellis, in quibus patriam +adversus Romanos fortissime defenderunt etc. <em>Philip. Melanchtonis +Vocabula Regionum et Gent. quae recens. in libello Taciti de mor. +Germ.</em> p. 193.</span></p> + +<p>Daß aber Rudolph aus Marbods Stamm entsprossen seyn soll (siehe unten +V. 48) gründet sich in besagtem Sinn auf folgende Stelle:</p> + +<p><span class = "latin">Andreas Alciatus in suis annotationibus in +Tacitum, etiam in Helvetiis consedisse Marcomannos quadosque putat. +Exstat enim, inquit, adhuc in eis Vallis <em>Marcomanna</em> +nomine.</span></p> + +<p><span class = "latin"><em>Andreae Althameri Scholia in Cornel. Tacit. +de Germ.</em> pag. 61</span> desselben Werks.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_3" id = "note3_3" href = +"#tag3_3">3</a> Vers 23.</h5> + +<p><em>Marobudum</em> hieß die Residenzstadt Marbods, des Königs der +Marcomannen, die er sich in dem vormahligen Bojenheim erbaute, und die +an der Stelle, wo jetzt Prag — nach Andern — wo jezt +Budweis, gestanden haben soll.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_4" id = "note3_4" href = +"#tag3_4">4</a> Vers 106.</h5> + +<p>Das Wapen der Grafen von Habsburg enthielt im goldenen Felde einen +rothen Löwen mit einer blauen Krone auf dem Haupt.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_5" id = "note3_5" href = +"#tag3_5">5</a> Vers 107.</h5> + +<p>Das böhmische Wapen zeigt einen weißen gekrönten Löwen im rothen +Feld. Kaiser Friedrich <span class = "latin">I.</span> ertheilte +selbes, nach dem Mailänder Krieg, <ins class = "correction" title = +"ungeändert, auch in 1827">Uladislav</ins> <span class = +"latin">II.</span> im Jahr 1159.</p> + + +<span class = "pagenum">407</span> +<h5><a class = "tag" name = "note3_6" id = "note3_6" href = +"#tag3_6">6</a> Vers 108.</h5> + +<p>Kaiser Friedrich <span class = "latin">II.</span> erhob Wien im Jahr +1237 zu einer freien Reichsstadt, ertheilte ihr den doppelten Adler zum +Wapen, und stiftete eine hohe Schule daselbst. S. <em>Lazius</em>. +Auch diesem wird widersprochen.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_7" id = "note3_7" href = +"#tag3_7">7</a> Vers 295.</h5> + +<p>Der schmale Donau-Arm, der, unterhalb Nußdorf von dem Hauptstrom +geschieden, die Stadt Wien von der Leopoldstadt trennet, und hiermit ein +großes Eyland bildet, auf welchem nebst besagter Vorstadt, auch die +anmuthigsten Spaziergänge in der Brigittenau, dem Augarten und dem +berühmten Prater sich befinden.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_8" id = "note3_8" href = +"#tag3_8">8</a> Vers 308.</h5> + +<p><em>Amtner</em>, dieses im Verlaufe des Gedichtes einigemal +vorkommende Wort, bezeichnet (wie Schaff-ner, Zöll-ner +u. s. w. geformt) ganz entsprechend die französische Benennung +<em>Offizier</em>; wo sodann <em>Offizier-Corps</em>, durch +<em>Amtnergilde</em> gegeben werden könnte.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_9" id = "note3_9" href = +"#tag3_9">9</a> Vers 350.</h5> + +<p>Die Kumanier (ein sarmatisches Volk), die aus ihrem Land, welches +zwischen den Alpen und der Donau, gegen die Tartarei zu, lag, von den +hinterhalb wohnenden Tartaren gedrängt, unter Bela <span class = +"latin">IV.</span> Jahr 1239 nach Ungern kamen, und von diesem eine +große Strecke Lands zwischen der Donau und der Theyß eingeräumt +erhielten, vereinigten sich dann mit den bald nachfolgenden Tataren, +über Ungern die schrecklichste Verwüstung zu bringen, weßwegen sie dem +Unger, der sie in seiner Sprache Kun nennt, auch nachdem jene schon +abgezogen waren, noch lange verhaßt blieben. (<span class = +"latin">Bonfinii Decad. II. Lib. 8.</span>)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_10" id = "note3_10" href = +"#tag3_10">10</a> Vers 358.</h5> + +<p>Dschengis Khan brachte durch die Gründung seines großen Reichs in +Asien auch die europäische Tartarei, welche die Halbinsel Krimm, +Beßarabien und das Land zwischen dem Dniester und Dnepr in sich faßte, +in Bewegung. Seine Horden drängten die vor ihnen liegenden Kumanier, und +als diese, unter ihrem König Kuthen, sich nach Ungern zurück zogen, +folgten sie ihnen dahin nach, und verwüsteten unter ihren beiden +Anführern, Vathos, der über Reußen, Polen und Mähren, und Kadan, der aus +der Moldau hereinbrach, beinahe durch zwei Jahre das Land mit Feuer und +Schwert.</p> + + +<span class = "pagenum">408</span> +<h5><a class = "tag" name = "note3_11" id = "note3_11" href = +"#tag3_11">11</a> Vers 517.</h5> + +<p>Rudolphs Zug nach dem Gelobten-Lande; auch daß er Hofmarschalk König +Ottokars gewesen (siehe weiter unten Vers 602) gehört unter die +bestrittenen Ereignisse seines Lebens.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_12" id = "note3_12" href = +"#tag3_12">12</a> Vers 581.</h5> + +<p><em>Ueber das Faustrecht</em> siehe <span class = "latin">Dr.</span> +Gerhards Abhandlung. Jena 1711.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note3_13" id = "note3_13" href = +"#tag3_13">13</a> Vers 595.</h5> + +<p><em>Fugger</em> erzählt: „Auf dem Reichstag zu Nürnberg Jahr 1274 ist +beschlossen worden, daß forthin alle Reichsabschiede, Freiheitsbriefe, +Befehle, Verträge, letzte Willen, und dergleichen öffentliche Urkunden, +nicht mehr wie zuvor, in lateinischer, sondern in deutscher Sprache +sollten ausgefertigt werden, damit also die Ungelehrten, die das Latein +nicht verständen, nicht ungefährt bleiben, und die bürgerlichen +Geschäfte in mehrere Richtigkeit kommen möchten. Wiewohl es noch bei dem +damaligen Unform der Sprache (!!) mit der deutschen Rednerei etwas hart +herginge, so wäre doch diese löbliche Sorgfalt K. Rudolph ein guter +Anfang, und eine kräftige Anreizung zur Ausübung unserer Muttersprache +gewesen.“ (<em>Siehe Ehrenspiegel</em> S. 87.)</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges4_notes" id = "ges4_notes">Vierter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note4_1" id = "note4_1" href = +"#tag4_1">1</a> Vers 58.</h5> + +<p><em>Lug</em>, <em>Lueg</em> im Oberdeutschen eine Warte, <span class += "latin">Specula</span>, welche demnach dem französischen <span class = +"latin">Loge</span> entspricht. Siehe Theuerd. Cap. 47.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note4_2" id = "note4_2" href = +"#tag4_2">2</a> Vers 131.</h5> + +<p>Alles, was hier, und weiter unten von Turnier und Turniergebräuchen +gesagt wird, mag in <em>Rüxners Turnierbuche</em>; in <span class = +"latin"><em>Du Cange dissertations sur l’histoire de St. +Louis</em></span>, und in <span class = "latin"><em>Menestrier</em> +(Claude Franç.) <em>Traité des Tournois</em>, <em>Joustes</em> etc. Lyon +1669. IV.</span> seine Belege finden.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note4_3" id = "note4_3" href = +"#tag4_3">3</a> Vers 428.</h5> + +<p><em>Zawiß von Rosenberg</em>, der Geliebte, und nachher Gemahl der +Wittwe Ottokars, Kunegunde, übte, während der Minder­jährigkeit +Wenzels, +<span class = "pagenum">409</span> +Herrscher­gewalt über Böhmen aus. Dieser, nach ihrem Tod König +geworden, trug ihm tiefen Haß im Herzen, welchem zu entgehen, und sich +zugleich an dem feindseligen Herrscher zu rächen, Zawiß, durch eine +Heirath mit der Base des Ungernkönigs Ladislav, sich gegen ihn zu +verbinden suchte. — Doch, in dem Augenblick der Abfahrt ward er zu +Prag durch List festgenommen, und nach mehr als Jahresfrist im Kerker zu +Budweis enthauptet.</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges5_notes" id = "ges5_notes">Fünfter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_1" id = "note5_1" href = +"#tag5_1">1</a> Vers 131.</h5> + +<p>Die Schlacht von Kressenbrunn (Kroissenbrunn) im Marchfeld, in +welcher Ottokar über Bela <span class = "latin">IV.</span> König +der Ungern, einen entscheidenden Sieg davon trug, ereignete sich im +J. 1260. Siehe die höchst anziehende Beschreibung derselben in +<em>Hornecks Reim-Chronik</em> vom 58. bis 64. Cap.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_2" id = "note5_2" href = +"#tag5_2">2</a> Vers 153.</h5> + +<p>Nach jenem Sieg von Kroissenbrunn über die Ungern, zog Ottokar mit +seinen Scharen, wie im Triumph, durch Kärnthen und Krain. Als die Böhmen +an der Gränze von Italien die Steinwände von Canale ersahen, fragten sie +den König: „ob Rom nahe sey? denn sie hätten öfters von ihren Vorfahren +sagen gehört, daß sie durch eine solche Felsenpforte auf die Straße nach +Rom gekommen seyen.“ Ottokar antwortete ihnen, „Böhm’ und Pole sollen +sich einst hier wie zu Hause finden, denn, so er noch einige Zeit lebte, +würde sich seine Gewalt noch viel weiter erstrecken<ins class = +"correction" title = "“ fehlt">.“</ins> <em>Horneck Reim-Chronik</em> +Cap. 90.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_3" id = "note5_3" href = +"#tag5_3">3</a> Vers 162.</h5> + +<p><em>Arpad</em>, der erste Anführer der Ungern (Magyaren), die, +kommend von den Ufern des Tanais her, im neunten Jahrhundert Pannonien +in Besitz nahmen, stand seinem Volk (nach <span class = "latin">Anonym. +Belae Not. 52. Cap.</span>) beiläufig von 889 bis 907 vor, und war der +Stammvater einer Reihe von Königen, unter welchen der heil. Stephan +zuerst, im J. 1000, diesen Titel annahm, bis mit Andreas <span +class = "latin">III.</span> im J. 1301 sein Stamm ausstarb. Erst +Ferdinand <span class = "latin">I.</span> hat dieses Reich auf +immer mit Oestreich vereinigt, obschon +<span class = "pagenum">410</span> +dasselbe vor ihm zwei Fürsten seines Hauses, Albert <span class = +"latin">II.</span>, und Ladislaus Posthumus, besaßen.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_4" id = "note5_4" href = +"#tag5_4">4</a> Vers 358.</h5> + +<p>Das Schicksal beider fürstlichen Jünglinge, Konradins von Schwaben +(Sohn Konrads <span class = "latin">IV.</span>) und Friedrichs von +Oestreich (Sohn Markgraf Hermans von Baden, und Gertrud, Tochter +Heinrichs, Herzogs von Mödling) die im Jahr 1268 zu Neapel durch das +Bluturtheil Carls von Anjou hingerichtet wurden, ist bekannt. Horneck +beschuldigt Ottokarn an mehr denn einer Stelle, daß er, als Mitwerber um +Oestreich und Steyermark, ihren Tod befördert habe. +<em>S. Reim-Chronik</em> Cap. 164.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_5" id = "note5_5" href = +"#tag5_5">5</a> Vers 361.</h5> + +<p>Gertrud, die Mutter Friedrichs von Oestreich, ließ Ottokar, nachdem +er Steyermark in seine Gewalt bekam, aus allen ihren Besitzungen, +zuletzt auch aus Judenburg und Feistritz, durch den grausam gesinnten +Propst von Brünn, vertreiben. Zur Nachtzeit, im Regen und Sturm, mußte +sie die Reise antreten. Sie begab sich nach Meißen. (<em>Horneck +Reim-Chronik</em> Cap. 55 und 56.)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_6" id = "note5_6" href = +"#tag5_6">6</a> Vers 364.</h5> + +<p>Ueber Margarethens, der verstoßenen Gemahlinn Ottokars, Schicksale, +siehe <em>oben Anmerkungen zum ersten Gesange <a class = "tag" href = "#note1_2">2</a> zum Vers</em> 68.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_7" id = "note5_7" href = +"#tag5_7">7</a> Vers 365.</h5> + +<p>Otto, Herrn von und zu Meißau, den Stolz des östreichischen Adels, +hatte Ottokar, wegen geargwohnter Anhänglichkeit für den Sohn der +babenbergischen Gertrud, im Schloß Eichhorn festsetzen, und dort Jahr +1265 im Hungerthurm verbrennen lassen. (<span class = "latin">Chron. +Austral. Neob. et Leob. apud. Hieron. Pez T. I.</span>)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_8" id = "note5_8" href = +"#tag5_8">8</a> Vers 366.</h5> + +<p>Der scheelsüchtige Ritter Friedrich von Pettau hatte Ottokars +argwöhnisches Gemüth gegen einige seiner Mitstände in der Steyermark +aufgeregt, der dann mehrere von ihnen, als: Ulrich von Lichtenstein, +Hartneid von Wildon, Wülfing von Stubenberg, und Heinrich und Bernhard +von Pfannberg, auf verschiedene Vesten gefangen setzen, und sie aus +diesen nach einer zweijährigen Haft nicht eher entließ, bis sie ihm ihre +Burgen ausgeliefert hatten. <em>Horneck</em> Cap. 85 und 86.</p> + + +<span class = "pagenum">411</span> +<h5><a class = "tag" name = "note5_9" id = "note5_9" href = +"#tag5_9">9</a> Vers 372.</h5> + +<p>Seyfried von Merenberg, der steyrische Ritter, versäumte dem König +Ottokar, auf seinem Siegszug an der Drau mit den übrigen Herrn entgegen +zu kommen, und fiel durch Einflüsterung eines bösen Menschen bei ihm in +Verdacht. Er ließ ihn in der Folge heimlich greifen, und gebunden nach +Prag abführen. Als er vielfältig gemartert, Gott zum Zeugen seiner +Unschuld rief, und dem, nach Geständnissen einer Verschwörung in +Kärnthen und Krain gierigen König, keine Lüge für Wahrheit geben wollte, +wurde er durch ein Pferd zum Galgen geschleift, und dort, das Haupt zu +den Füßen gebunden, aufgehenkt. Noch in der zweiten Nacht lebt’ er in +diesem qualvollen Zustand, bis ihm endlich einer der böhmischen Szupane +die Scheitel mit einem Kolben einschlug, weil er, auf wiederholte +Aufforderungen, schon halbtodt, aber standhaft, der Wahrheit getreu +gewesen zu seyn betheuerte. (<em>Horneck</em> Cap. 99.)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note5_10" id = "note5_10" href = +"#tag5_10">10</a> Vers 378.</h5> + +<p>Ottokar ließ den Bruder Milota’s, Beneß, Kämmerer von Mähren, dessen +Tochter er geschändet haben soll, zugleich mit Otto von Meißau im Jahr +1265 in dem Hungerthurm zu Eichhorn verbrennen. Milota’s Haß gegen +Ottokar, und der Verrath, den er in der Marchfelder Schlacht 1278 an ihm +beging, soll dadurch veranlaßt worden seyn. <ins class = "correction" +title = "( fehlt">(Siehe</ins> <em>Hanthalers</em> <span class = +"latin">Fast. Campil. Lib. I. Dec. VII. §. 26.</span> S. 1017 +und <em>Fuggers Ehrenspiegel</em> &c. S. 104.)</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges6_notes" id = "ges6_notes">Sechster Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note6_1" id = "note6_1" href = +"#tag6_1">1</a> Vers 96.</h5> + +<p><em>Odin</em>, der Gott der Götter, nach der nordischen Mythologie. +(Siehe <em>Ryerups Wörterbuch der scandinavischen Mythologie von +Sander</em>, Copenhagen 1817.)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note6_2" id = "note6_2" href = +"#tag6_2">2</a> Vers 516.</h5> + +<p>Die Gemahlinn Rudolphs, Anna, verschied zu Wien am 23. Hornung des +Jahrs 1281, von wo ihre Leiche nach Basel abgeführt, und in der +Domkirche beigesetzt worden ist.</p> + + +<span class = "pagenum">412</span> +<h5><a class = "tag" name = "note6_3" id = "note6_3" href = +"#tag6_3">3</a> Vers 538.</h5> + +<p>Daß sowohl Ottokar, als auch Rudolph schon zu ihrer Zeit eine Art +Pontonsbrücke über Flüsse zu schlagen verstanden, erhellet aus +<em>Hornecks Reim-Chronik</em> Cap. 92., wo es heißt:</p> + +<div class = "verse"> +<p>Chostleichen hiez er machen</p> +<p>Von Holczwerich ein Prukken</p> +<p>Dew waz von manigen stuckchen</p> +<p>Chluegleichen gevalten.</p> +</div> + +<p>und dann</p> + +<div class = "verse"> +<p>Bey der Tunawstaden</p> +<p>Do sich das Her vol gelait,</p> +<p>Do waz dew Prukken berait</p> +<p>Vber die Tunaw weit;</p> +<p>Die Prukken muesten alle Zeit</p> +<p>Wohl <ins class = "correction" title = "Original »hunbert«, 1827 »hundert«">hundert</ins> Wegen tragen,</p> +<p>Wo des Kunigs Helfer lagen,</p> +<p>Da ward nach gesannt &c. &c.</p> +</div> + +<p>In diesem 92. Capitel ist von der Einnahme des Preßburger Schlosses +im letzten Krieg Ottokars gegen Ungern die Rede.</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges7_notes" id = "ges7_notes">Siebenter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note7_1" id = "note7_1" href = +"#tag7_1">1</a> Vers 25.</h5> + +<p>Ueber Hainburg, und ihre vermeintliche Erbauung durch Attila, siehe +oben <em>Anmerkungen zum dritten Gesang</em> <a class = "tag" href = +"#note3_2">2</a> Vers 16.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note7_2" id = "note7_2" href = +"#tag7_2">2</a> Vers 110.</h5> + +<p>Die Sage von der Burgfrau, welche grausam eitlen Sinnes das Blut der +Kinder vergoß, zeigt auf die Ruinen des Schlosses * * *, an dem +rechten Waag-Ufer, nicht fern von Trentschin, welches sie bewohnt +hat.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note7_3" id = "note7_3" href = +"#tag7_3">3</a> Vers 244.</h5> + +<p>Die Waffe, eine Art kurzer Streitkolben, von welcher hier die Rede +ist nennt der Unger <span class = "latin">Buzogány</span>, wo der +Buchstabe <span class = "latin">z</span> wie beim italienischen <span +class = "latin">zero</span> ausgesprochen wird; das <span class = +"latin">y</span> verliert sich aber im Druck der Zunge an den +Gaumen.</p> + + +<span class = "pagenum">413</span> +<h5><a class = "tag" name = "note7_4" id = "note7_4" href = +"#tag7_4">4</a> Vers 309.</h5> + +<p>Die <em>Zips</em> (Zipß), lat. <span class = +"latin">Scepusium</span>, eine Gespannschaft in Ober-Ungern am Fuße der +höchsten Karpathen gelegen, und wohl eines der höchsten bewohnten +Gebirgsthäler der östreichischen Monarchie, aus welchem nach allen +Welttheilen bedeutende Flüsse sich ergießen: g’en Westen die Waag; g’en +Süden die Hernath; g’en Osten die Tarza; g’en Norden die Poprad, die in +dem angränzenden Polen, mit der Dunajez vereint, in die Weichsel fällt. +Diese Gespannschaft zeichnet intellectuelle und +landwirth­schaft­liche Cultur vor mancher andern Ungerns aus, +so, daß viel Wohlstand sowohl in den zwei königlichen Städten Leutschau +und Käßmark, als auch in den <span class = "latin">XVI.</span> Städten, +unter den munteren und fleißigen Bewohnern zu sehen ist. Der Verfasser +gegenwärtigen Gedichts trennte sich schwer von diesem Ländchen, worinn +ihm 1819 und 1820 eine ehrenvolle Bestimmung geworden war.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note7_5" id = "note7_5" href = +"#tag7_5">5</a> Vers 312.</h5> + +<p>Ueber Katwald und <em>Inguiomar</em> siehe oben die <em>Anmerkungen +zum dritten Gesange</em> <a class = "tag" href = "#note3_1">1</a> +Vers 3.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note7_6" id = "note7_6" href = +"#tag7_6">6</a> Vers 474.</h5> + +<p>Daß die Könige von Ungern, zur Zeit <em>Hornecks</em> wenigstens, in +der Schlacht nicht selber mitfochten, sondern von einer Anhöhe nur +Zeugen derselben waren, erhellet aus Cap. 153, wo von der Marchfelder +Schlacht die Rede ist:</p> + +<div class= "verse"> +<p>Kunig Ladißla den jungen</p> +<p>Sy furten von Streit dan</p> +<p>Auf den Perikch ob dem Plan</p> +<p>Da er wol hört und sach</p> +<p>Alles daz, daz da geschach</p> +<p>Auf dem Veld prait.</p> +<p>Ez ist der Vnger Gewonhait</p> +<p>Vnd jehent auch offenbar:</p> +<p>Ir Kunig sey jn zu achpar</p> +<p>Darezu, daz er schull streiten &c. &c.</p> +</div> + +<p>Auch sagt <em>Haselbach</em> <span class = "latin">Chron. Austr. Lib. +III. ap. Hier. Pez. T. II. Ladislao</span>, juvene Ungariae, cuncta +de monte prospectante; nam Ungarorum mos habet, ut Rex propria persona +bellum intrare non debeat.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note7_7" id = "note7_7" href = +"#tag7_7">7</a> Vers 536.</h5> + +<p>Die Sitte, des Gegners Heer zum Kampf herauszufordern, und sogar von +beiden Seiten dazu Tag und Ort zu bestimmen, war den alten Deutschen +<span class = "pagenum">414</span> +gemein. Ein Beispiel davon findet man auch bei <em>Horneck</em> Cap. 60, +wo Ottokar den König Bela durch Otto von Meißau zum Kampf auffordert, +und bald darauf auch Bela den Gegnern sagen läßt, sie sollen sich auf +eine bestimmte Strecke zurückziehen, damit die Ungern über die March +setzen, sich aufstellen, und die Schlacht liefern mögen.</p> + + +<h5><ins class = "correction" title = "Original »5«"><a class = "tag" +name = "note7_8" id = "note7_8" href = "#tag7_8">8</a></ins> Vers +550.</h5> + +<p>Sowohl bei Horneck, als auch bei den spätern Geschichtschreibern, +wird Schörlins und seines unbändigen Rosses erwähnt, welches das erste +Zeichen zur Marchfelder Schlacht gegeben habe.</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges8_notes" id = "ges8_notes">Achter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note8_1" id = "note8_1" href = +"#tag8_1">1</a> Vers 31.</h5> + +<p>In der Jägersprache heißt das Bluten des verwundeten Wildes: das +<em>Schweißen</em>; daher die Benennung einer Gattung der Jagdhunde.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note8_2" id = "note8_2" href = +"#tag8_2">2</a> Vers 55.</h5> + +<p><em>Tyr</em>, nach der nordischen Mythologie, der Sohn Odins, des +höchsten der Götter, und ein Beschützer der muthigen Krieger, soll die +einzige Gottheit der scythischen Völker gewesen seyn, die ohne Zweifel +unter einem andern Nahmen bei ihnen in Verehrung stand. Bei seinem +Scheiden von der Erde soll er sein Schwert in die Erde vergraben haben, +welches erst später Attila auffand.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note8_3" id = "note8_3" href = +"#tag8_3">3</a> Vers 386.</h5> + +<p>Vor der Schlacht sollen Einige aus dem östreichischen Heere den König +Ottokar, aus alter Anhänglichkeit, schriftlich vor Untreue der Seinigen +gewarnt haben; da nun auch die Meißner und Thüringer heimlich aus dem +Lager abzogen, so habe er sich wehrlos in die Mitte seiner Feldherrn +gestellt, und sie aufgefordert, ihm die Brust zu durchbohren, ehe noch +viele Tausende auf dem Schlachtfelde gefallen seyn würden. (Siehe +<em>Hanthaler</em> <span class = "latin">Fast. Camp. T. I. Pars II. +Dec. VIII. §. 80.</span> <span class = "latin">Arenpeckii Chron. Austr. +ad An. 1278</span>.)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note8_4" id = "note8_4" href = +"#tag8_4">4</a> Vers 428.</h5> + +<p>Heinrich <span class = "latin">I.</span> der <em>Städte-Erbauer</em>, +hat ungefähr im J. 930 die Stadt, und das Schloß Meißen an der Elbe +erbaut, und ihr von dem Flüßchen, das sie eben dort aufnimmt, und Meiße +heißt, den Nahmen gegeben.</p> + + +<span class = "pagenum">415</span> +<h5><a class = "tag" name = "note8_5" id = "note8_5" href = +"#tag8_5">5</a> Vers 459.</h5> + +<p>Constanzia, Tochter des babenbergischen Leopold des +<em>Glorreichen</em>, war die Gemahlinn Markgrafs Heinrich von Meißen, +des Sieghaften, die ihm die beiden Söhne Dietrich und Albrecht gebar. +Einen von diesen beiden verlangten die Stände von Oestreich, nach dem +Erlöschen des babenbergischen Stammes, und der kurzen Regierung Hermanns +von Baden, zu ihrem Herrscher, und fertigten von Tuln, wo sie ihre +Versammlung hielten, Gesandte nach Meißen ab, die hernach der König von +Böhmen unterwegs aufgehalten, von der Fortsetzung der Reise abgebracht, +und sich durch Hindeutung auf eine Heirath mit der verwittweten +Herrscherinn Margareth den Weg zur Erwerbung von Oestreich und der +Steyermark eröffnet hat.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note8_6" id = "note8_6" href = +"#tag8_6">6</a> Vers 473.</h5> + +<p>Daß die Meißner und Thüringer vor der Schlacht heimlich aus dem Lager +Ottokars abgezogen seyen, ist geschichtlich. (S. oben +<em>Anmerkung</em> <a class = "tag" href = "#note8_3">3</a> zum 386 +Vers.) Die Ursache dieses Abzugs ist unbekannt.</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges9_notes" id = "ges9_notes">Neunter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note9_1" id = "note9_1" href = +"#tag9_1">1</a> Vers 71.</h5> + +<p>Die Krieger, gewöhnlich leichte Reiterei, die vor einem feindlichen +Heere daherzieh’n, heißen in der bestehenden Kriegssprache: <span class += "latin">Eclaireurs</span>.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note9_2" id = "note9_2" href = +"#tag9_2">2</a> Vers 436.</h5> + +<p><em>Venezia</em>. Ueber die merkwürdige Eroberung Constantinopels im +Jahr 1202 (also 76 Jahre vor der Marchfelder Schlacht) durch vorzügliche +Mitwirkung des 90jährigen Greises, Heinrich Dandolo, Doge von Venedig, +siehe Raumers Geschichte der Hohenstaufen <span class = +"latin">III.</span> B. und Daru’s Histoire de Venise <span +class = "latin">I.</span> Der Sänger Rudolphs von Habsburg wollte hier, +jener herrlichen Stadt, der einstigen Königinn des adriatischen Meeres, +deren Andenken ihm auf immer theuer bleiben wird, dankbar erwähnen.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note9_3" id = "note9_3" href = +"#tag9_3">3</a> Vers 600.</h5> + +<p><em>Al-rune</em>. <em>Runen, Runenschrift</em>, ein den alten +Germanen und Scandinaviern eigenes Alphabet, nach welchem im nördlichen +Deutschland noch einige Denksteine beschrieben gefunden werden. +Wahrscheinlich hatten +<span class = "pagenum">416</span> +sie selbes von den Phönikern erhalten, und was sich davon hie und da auf +verwittertem Gestein vorfand, diente in späterer Zeit zu manchen +vorgeblich zauberischen Künsten, das Schicksal der Menschen von den +Nornen, den Schicksals­göttinnen, zu erfragen. Diese drei schönen +Jungfrauen, heben sich stets aus Mimers Brunn, der himmlischen Quelle, +herauf bei welcher die Götter Rath halten, und ihre Urtheile offenbaren, +und heißen: Urda, Werandi, Skulda: <em>Vergangenheit, Gegenwart, +Zukunft</em>. (<em>Ryerups scandinav. Mythol.</em> &c.)</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges10_notes" id = "ges10_notes">Zehnter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note10_1" id = "note10_1" href = +"#tag10_1">1</a> Vers 35.</h5> + +<p><em>Rheinau</em>, <span class = "latin">Augia major</span>, ein +kleines Städtchen zwischen Schaffhausen und Eglisau, wo eine Brücke über +den Rhein führt. Dort befand sich vormals ein reiches +Benedictiner-Stift, das Funtan der Heilige, aus dem königlichen Geblüt +Schottlands, erbaut haben soll, da er aus höherer Eingebung einen Platz +dazu suchen mußte, wo der Rhein <em>nach Osten</em> fließt, und solcher +an dieser Stelle allein gefunden wird. <span class = "latin">Stumpf. +Schw. Chron. p. 360.</span></p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note10_2" id = "note10_2" href = +"#tag10_2">2</a> Vers 84.</h5> + +<p><em>Hartmann</em>, der jüngste der Söhne Rudolphs, ertrank, mit noch +andern dreizehn Jünglingen, adeligen Geschlechts, am 20. Dezember des +Jahrs 1280, im achtzehnten seines Alters, als er mit selben den Rhein +hinabfuhr, und das Schiff bei Rheinau von dem Grundeis umgestürzt wurde. +— Seine Leiche ward nach Basel geführt, und im dortigen Münster +begraben.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note10_3" id = "note10_3" href = +"#tag10_3">3</a> Vers 138.</h5> + +<p><em>Woldan</em> hieß ein Raubritt, den öfters der oberste Anführer +eines im Krieg begriffenen Volks, mit einer Schar Freiwilliger, in dem +Lande des Feindes, Beute zu holen, unternahm. Bei der Belagerung +Peterlingens forderte Rudolph sein Volk zu einem solchen Woldan auf; er +streifte bis gen Lausanne, und es heißt da;</p> + +<div class = "verse"> +<p>Si namen da so viel</p> +<p>Daz Ich fürwar sagen wil,</p> +<p><span class = "pagenum">417</span> +<p>Daz in langer Zeit</p> +<p>Nahent, noch weit,</p> +<p>Nie wart geritten noch gethan</p> +<p>Ain so schedleicher Woldan.</p> + +<p class = "author">(Horneck R. Chr. C. 319.)</p> +</div> + +<h5><a class = "tag" name = "note10_4" id = "note10_4" href = +"#tag10_4">4</a> Vers 140.</h5> + +<p><em>Iwan von Günß</em> (Sohn des Grafen Heinrich) empörte sich erst +gegen seinen eigenen König, fiel dann, häufig plündernd, auch in +Oestreich und Steyermark ein, und verübte unzählige Grausamkeiten. Im +Jahr 1286 schlug er den gegen ihn gesandten Abt von Admont; später auch +Herman von Landenberg, der sich ihm mit seinen östreichischen und +steyerischen Kriegern ergeben mußte. Herzog Albrecht, von Truppen +entblößt, verschloß sich in Neustadt, und ging sogar den Vertrag von +Hainburg ein, vermöge welchem die Gefangenen ausgewechselt, und in einem +Krieg mit Ungern sie sich beide gegenseitige Hülfe leisten sollten. Iwan +setzte seine Verheerungen in Oestreich bald wieder fort, bis endlich im +Jahr 1280 ihn Albrecht mit starker Macht bekriegte, ihm Oedenburg nebst +vielen andern Vesten, Burgen und Märkten abnahm, und ihn endlich, nach +einer hartnäckigen Belagerung, in Günß bezwang. Ueber diese Belagerung +siehe <em>Horneck R. Chron.</em> von Cap. 312 bis 315.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note10_5" id = "note10_5" href = +"#tag10_5">5</a> Vers 228.</h5> + +<p>Ueber dieses historische Faktum siehe Fugger <em>Ehrenspiegel</em> +S. 75. Cap. <span class = "latin">VIII.</span></p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note10_6" id = "note10_6" href = +"#tag10_6">6</a> Vers 236.</h5> + +<p><em>Antwerk</em> war ein Wurfgeschütz, aus welchem Steine von +bedeutender Schwere, ja auch zuweilen Schwefelfeuer nach den Erkern, und +auf die Häuser der Veste geworfen wurden. (Ueber diese und die folgenden +Kriegswerkzeuge des Mittelalters, siehe: <em>Schachts vortreffliches +Werk über Hornecks Reim-Chronik</em>, Mainz 1821, S. 388.)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note10_7" id = "note10_7" href = +"#tag10_7">7</a> Vers 238.</h5> + +<p><em>Katzen</em> nannte man die mit Erde gedeckten Werke, welche +inwendig mit Stoßbäumen versehen, nach Ausfüllung der Gräben, bis an die +Mauern vorgeschoben wurden, und gegen welche man sich durch Minen, und +Geschosse von den Mauern herab, zu wehren suchte. S. oben.</p> + + +<span class = "pagenum">418</span> +<h5><a class = "tag" name = "note10_8" id = "note10_8" href = +"#tag10_8">8</a> Vers 245.</h5> + +<p><em>Ebenhoch</em> hießen eine Art Thürme, die, wahrscheinlich auf +Rädern, an die Mauern geschoben, verschiedene Geschosse in die Veste zu +schleudern, dienten. Ihr Nahme zeigt, daß sie hoch genug waren, um das +Innere der ummauerten Städte und Vesten übersehen zu können. +S. oben.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note10_9" id = "note10_9" href = +"#tag10_9">9</a> Vers 297.</h5> + +<p>Dem Verfasser der berühmten <em>Reim-Chronik</em>, die zuerst von dem +gelehrten Benediktiner von Melk, <em>Hieronymus Pez</em>, im Jahre 1745 +zum Druck befördert ward, hat Lazius <span class = "latin">Comment. +Geneal. p. Auster.</span> 233 außer dem Nahmen <em>Ottakcher</em> +(Ottokar), den er sich selber R. Chr. Cap. 177 beilegt, unbekannt +aus welcher Quelle, auch den von <em>Horneck</em>, aufgefunden. Er lebte +unter <em>Rudolphs</em> <span class = "latin">I.</span> und +<em>Albrechts</em> <span class = "latin">I.</span> Zeiten; war in +Steyermark geboren; hatte den berühmten Meistersänger Kunrad von +Rotenberg, der vorher an Manfreds Hofe lebte, zum Lehrmeister; stand, +man weiß nicht, in welcher Eigenschaft, im Gefolge Ulrich und Otto +Lichtensteins; wohnte der Marchfelder Schlacht 1278 bei, und starb erst +nach dem Jahr 1309, da er noch von dem Aufruhr einiger aus dem Adel, und +der Wiener Bürger, gegen <em>Friedrich den Schönen</em> spricht, und +damit sein Werk beschließt. Die <em>Reim-Chronik Hornecks</em>, die mit +dem Tode <em>Friedrichs</em> <span class = "latin">II.</span> röm. +Kaisers beginnt, und um das Jahr 1309 der Regierung <em>Friedrich des +Schönen</em> endet, enthält über 83,000 kurze gereimte Verse in 830 +Capiteln.</p> + +<p>Ein anderes noch ungedrucktes Werk Hornecks: <em>Von den Monarchen +und Kaisern der Welt bis auf Friedrich <span class = +"latin">II.</span> röm. Kaiser</em>, in ähnlichen Versen verfaßt, ist im +Besitze der k. k. Hofbibliothek zu Wien. (Siehe die Vorerinnerungen +des Hieronymus Pez zu Hornecks Reim-Chronik in seinem Werke: <span class += "latin">Scriptores rerum Austriacarum III.</span> Band; und obiges +treffliche Werk: <em>Aus- und über Ottokars von Horneck +Reim-Chronik</em>, von Th. Schacht, Mainz 1821.)</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note10_10" id = "note10_10" href = +"#tag10_10">10</a> Vers 305.</h5> + +<p>Ulrich von Lichtenstein, aus der steyerischen Linie der Lichtensteine +— ein trefflicher Ritter und Minnesänger zugleich, der die beiden +merkwürdigen Gedichte: <em>Frauendienst</em>, und: <em>Ytwitz oder der +Frauen Puech</em>, verfaßte, mag kurz vor der Marchfelder +Entscheidungs­schlacht gestorben seyn. Das erstere Werk enthält ein +prächtiger Codex in München, und wurde herausgegeben durch Ludwig Tieck. +Stuttgart und Tübingen +<span class = "pagenum">419</span> +in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung 1812. Das zweite befindet +sich in der Ambraser Sammlung zu Wien, Bl. 220-225 noch ungedruckt. (S. +die Beschreibung Primißers — Seite 279.)</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges11_notes" id = "ges11_notes">Eilfter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note11_1" id = "note11_1" href = +"#tag11_1">1</a> Vers 38.</h5> + +<p><em>Siehe oben Anmerkungen</em> zum <em>dritten Gesang</em> <a class += "tag" href = "#note3_8">8</a> Vers 308.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note11_2" id = "note11_2" href = +"#tag11_2">2</a> Vers 73.</h5> + +<p>Was hier von den Vorbereitungen zur Schlacht, als: von der Feier des +Abendmahls im Lager; von der Beicht’ und Communion, und weiter unten: +von dem Mustern der Gurt’ und Steigbügel; von den Aufträgen, welche die +Ritter im Fall, daß sie dem Feinde erlägen, an ihre +Daheim­gebliebenen den Knappen ertheilen; von dem Zusammenhalten der +Freunde in der Schlacht u. s. w. gesagt wird, ist durchaus der +damaligen Rittersitte gemäß, und in Hornecks <em>Reim-Chronik</em> Cap. +147, 329, 330 und 530 begründet.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note11_3" id = "note11_3" href = +"#tag11_3">3</a> Vers 135.</h5> + +<p>Die ausgezeichnetsten Ritter wetteiferten um den Vorzug, das +Hauptbanner, oder die Sturmfahn, dem Herrscher selber in der Schlacht +vorzutragen. Horneck <em>Reim-Chronik</em> C. 148.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note11_4" id = "note11_4" href = +"#tag11_4">4</a> Vers 181.</h5> + +<p>Ueber die Sitte, sich gegenseitig die Schlacht anzukündigen, und dazu +Tag und Stunde zu bestimmen, siehe oben <em>Anmerkung zum siebenten +Gesange</em> <a href = "#note7_7">Vers 536</a>.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note11_5" id = "note11_5" href = +"#tag11_5">5</a> Vers 184.</h5> + +<p>Im Jahr 1289 überzog Kaiser Rudolph den Herzog von Burgund mit Krieg, +eroberte Mömpelgard, und zwang ihn zum Frieden. Vor der Schlacht sandte +er einen Bothen mit der Frage an ihn: „ob er zum Streiten bereit sey?“ +und der Herzog ließ ihm sagen: „er seye darum hergekommen.“ (Siehe +<em>Horneck Reim-Chronik</em> C. 329.) + + +<span class = "pagenum">420</span></p> +<h5><a class = "tag" name = "note11_6" id = "note11_6" href = +"#tag11_6">6</a> Vers 211.</h5> + +<p>Den Ritterschlag auf Schild und Schwert ertheilte Rudolph also vor +der Schlacht: S. <em>Horneck</em> R. Chr. C. 149.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note11_7" id = "note11_7" href = +"#tag11_7">7</a> Vers 542.</h5> + +<p>In den Gebirgsthälern Tirols, Steyermarks und Oestreichs, ist das +sogenannte <em>Scheiben­schießen</em> eine beliebte und mitunter +nützliche Unterhaltung des Volks. <em>Zu Hauptschießen</em> werden von +nahe und ferne die Schützen geladen: das <em>Kreisschießen</em> ist das +gewöhnliche an Sonn- und Festtagen; das <em>Beste</em>, ist der Preis +dessen der den besten Schuß gethan.</p> + +<hr class = "tiny"> + +<h4><a name = "ges12_notes" id = "ges12_notes">Zwölfter Gesang.</a></h4> + + +<h5><a class = "tag" name = "note12_1" id = "note12_1" href = +"#tag12_1">1</a> Vers 54.</h5> + +<p>Ueber diesen Klaggesang Hornecks siehe dessen <em>Reim-Chronik</em> +Cap. 163 und 164. Hier nur Einiges aus demselben:</p> + +<div class = "verse"> +<p>Sieh Welt aller Untrew Chron,</p> +<p>Daz ist auch ainer deiner Lon!</p> + +<p class = "gap"> +— — — — — —</p> + +<p>Auf der Erden lag er par</p> +<p>Sein eigen Pluts naz.</p> +<p>Wo waren die Matraß,</p> +<p>Und die gulter Seydein,</p> +<p>Darauf er sollt gelegen sein?</p> +<p>Wo waren die ihn sollten chlagen?</p> +<p>Von Mannen und von Magen, (Anverwandte)</p> +<p>Pelieb er Trostes frey.</p> +<p>Wo waren Erzt und Erzeney,</p> +<p>Damit man seine Wunden</p> +<p>Solt han gepunden?</p> + +<p class = "gap"> +— — — — —</p> + +<p>Er hat so viel Guts,</p> +<p>Wer er gewesen des Muts,</p> +<p>Daz er tegleich wolt</p> +<p>Von edlem Gestain und Gold</p> +<p>Haben tragen Kleider an,</p> +<p>Daz hiet er wol getan.</p> +<span class = "pagenum">421</span> +<p>Dez liez er ihm so gar zerrinnen</p> +<p>Daz man im muest gewinnen</p> +<p>Ain Graz, daß man ihn mit pedackt,</p> +<p>So gar pelieb er nakht.</p> + +<p class = "gap"> +— — — — — —</p> + +<p>Ungetrev Welt, die spielt</p> +<p>Du von im so gar,</p> +<p>Daz aus dainer Schar</p> +<p>Im Niempt volgt nach.</p> + +<p class = "gap"> +— — — — — —</p> + +<p>Sieh Welt daz ist dein Sold.</p> +<p>We im! der dir ist hold</p> +<p>Und We im den du trewtest.</p> +<p>Mit dem Mund du im pewtest</p> +<p>Honig an dem Anwang,</p> +<p>Und hechst als ein Gift-Slang</p> +<p>An dem End<span class = "gap">— —</span></p> + +<p class = "gap"> +— — — — — —</p> + +<p>Wer nicht will Gottes Haz</p> +<p>Und seinen Zorn leiden,</p> +<p>Der muß die Welt vermeiden.</p> +<p>Dann die Werich, die sy geert</p> +<p>Die sind vor Gott unwert.</p> +<p>Dez vermaid nit der wakcher</p> +<p>Von Pehaim Kunig Ottakher:</p> +<p>Wann er vollfurt mit Gelust</p> +<p>Der Welt Achust, (unordl. Begierden und Laster.)</p> +<p>Und rang hier also ser</p> +<p>Nach der zergenklichen Er,</p> +<p>Daz er sich dez nicht liez befillen</p> +<p>Damit er nach irm Willen</p> +<p>Möcht gewerben, und geleben,</p> +<p>Daz sol im Gott vergeben!</p> +</div> + +<h5><a class = "tag" name = "note12_2" id = "note12_2" href = +"#tag12_2">2</a> Vers 209.</h5> + +<p>Die Stephanskirche, nachdem sie vorher zweimal abgebrannt war, hat +Ottokar beinahe in derselben Gestalt, wie sie noch heut’ zu Tage zu +sehen ist, während er über Oestreich herrschte, hergestellt.</p> + + +<span class = "pagenum">422</span> +<h5><a class = "tag" name = "note12_3" id = "note12_3" href = +"#tag12_3">3</a> Vers 347.</h5> + +<p>Daß Rudolph den König Ladislav adoptirt habe, meldet auch Fugger +<span class = "latin">I.</span> Buch 12. Cap. S. 101.</p> + + +<h5><a class = "tag" name = "note12_4" id = "note12_4" href = +"#tag12_4">4</a> Vers 401.</h5> + +<p>Die Belehnung Albrechts mit Oestreich, Steyer, Krain, der +Windischmark und Portenau geschah eigentlich zu Augsburg während des +Reichstags daselbst im Jahr 1282, wo, im sogenannten <em>Frohnhof</em>, +ein kaiserlicher Thron, umgeben von den Churfürsten und Fürstensöhnen, +zu sehen war, und die Feierlichkeit nach denen, von Friedrich <span +class = "latin">I.</span>, Heinrich <span class = +"latin">IV.</span> Friedrich <span class = "latin">II.</span> +ertheilten Privilegien geschah<ins class = "correction" +title = ". fehlt">. </ins></p> + +</div> + + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of Project Gutenberg's Rudolph von Habsburg., by Ladislav Pyrker + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK RUDOLPH VON HABSBURG. *** + +***** This file should be named 29465-h.htm or 29465-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/2/9/4/6/29465/ + +Produced by Louise Hope, richyfourtytwo and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact +information can be found at the Foundation's web site and official +page at http://pglaf.org + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + http://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. + + +</pre> + +</body> +</html> diff --git a/29465-h/images/etc.gif b/29465-h/images/etc.gif Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..76f6171 --- /dev/null +++ b/29465-h/images/etc.gif diff --git a/29465-h/images/frontis.jpg b/29465-h/images/frontis.jpg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..32d1b22 --- /dev/null +++ b/29465-h/images/frontis.jpg diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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