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+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 30331 ***
+
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+(nicht-Fraktur); =wie so= bedeuten Fettschrift.]
+
+
+
+
+ Thomas Babington Macaulay’s
+
+ Geschichte von England
+
+
+ seit der
+
+ Thronbesteigung Jakob’s des Zweiten.
+
+
+ Aus dem Englischen.
+
+
+ +Vollständige und wohlfeilste Stereotyp-Ausgabe.+
+
+
+ Vierter Band.
+
+
+ Leipzig, 1854.
+ _G. H. Friedlein._
+
+
+ * * * * *
+ * * * *
+
+
+ Siebentes Kapitel.
+
+ Jakob II.
+
+
+
+
+ =Inhalt.=
+
+ Seite
+ Wilhelm, Prinz von Oranien 5
+ Sein Äußeres 5
+ Sein früheres Leben und seine Erziehung 5
+ Seine religiösen Ansichten 7
+ Seine militairischen Talente 8
+ Sein Vergnügen an Gefahren; seine schlechte Gesundheit 10
+ Kälte seines Benehmens und Heftigkeit seiner Gemüthsregungen 10
+ Seine Freundschaft für Bentinck 10
+ Marie, Prinzessin von Oranien 12
+ Gilbert Burnet 14
+ Er vermittelt eine innigere Annäherung zwischen dem Prinzen
+ und der Prinzessin 17
+ Beziehungen Wilhelm’s zu den englischen Parteien 18
+ Seine Gesinnungen gegen England 18
+ Seine Gesinnungen gegen Holland und Frankreich 19
+ Seine Politik durchaus consequent 22
+ Vertrag von Augsburg 24
+ Wilhelm wird das Oberhaupt der englischen Opposition 25
+ Mordaunt schlägt Wilhelm eine Landung in England vor 26
+ Wilhelm verwirft den Rath 26
+ Unzufriedenheit in England nach dem Sturze der Hyde 27
+ Bekehrungen zum Papismus; Peterborough, Salisbury 27
+ Wycherley, Tindal, Haines 28
+ Dryden 29
+ +„The Hind and Panther.“+ 30
+ Änderung in dem Verfahren des Hofes gegen die Puritaner 32
+ In Schottland theilweise Duldung gewährt 35
+ Persönliche Bearbeitung Einzelner im königlichen Kabinet 36
+ Erfolglosigkeit der persönlichen Bearbeitung 37
+ Admiral Herbert 37
+ Die Indulgenzerklärung 37
+ Stimmung der protestantischen Dissenters 39
+ Stimmung der anglikanischen Kirche 40
+ Der Hof und die Kirche 40
+ „Brief an einen Dissenter.“ 42
+ Benehmen der Dissenters 43
+ Einige von ihnen halten es mit dem Hofe. Care, Alsop,
+ Rosewell 45
+ Lobb 46
+ Penn 46
+ Die Mehrzahl der Puritaner ist gegen den Hof. Baxter 46
+ Howe 47
+ Bunyan 47
+ Kiffin 49
+ Der Prinz und die Prinzessin von Oranien gegen die
+ Indulgenzerklärung 52
+ Vertheidigung ihrer Ansichten bezüglich der englischen
+ Katholiken 53
+ Jakob’s Feindschaft gegen Burnet 57
+ Sendung Dykvelt’s nach England 59
+ Unterhandlungen Dykvelt’s mit englischen Staatsmännern 59
+ Danby 60
+ Nottingham 60
+ Halifax 61
+ Devonshire 62
+ Eduard Russel 64
+ Compton. -- Herbert. -- Churchill 65
+ Lady Churchill und die Prinzessin Anna 66
+ Dykvelt kehrt mit Briefen von vielen angesehenen Engländern
+ nach dem Haag zurück 68
+ Zulestein’s Sendung 69
+ Zunehmende Feindschaft zwischen Jakob und Wilhelm 70
+ Einfluß der holländischen Presse 71
+ Stewart’s und Fagel’s Correspondenz 71
+ Castelmaine’s Gesandtschaft in Rom 72
+
+
+
+
+[_Wilhelm, Prinz von Oranien._] Wilhelm Heinrich, Prinz von
+Oranien-Nassau, nimmt in der Geschichte Englands und der gesammten
+Menschheit eine so bedeutende Stelle ein, daß es wünschenswerth
+erscheint, die markirten Züge seines Characters mit einiger
+Ausführlichkeit zu zeichnen.[1]
+
+ [Anmerkung 1: Die Hauptquellen, aus denen ich meine Schilderung
+ des Prinzen von Oranien geschöpft habe, sind Burnet’s Geschichte,
+ Temple’s und Gourville’s Memoiren, die Unterhandlungen der Grafen
+ Estrades und Avaux, Sir Georg Downing’s Briefe an den Lordkanzler
+ Clarendon, Wagenaar’s umfangreiches Geschichtswerk, Van Kampen’s
+ +Karakterkunde Vaderlandsche Geschiedenis+, und vor Allem
+ Wilhelm’s eigene vertrauliche Correspondenz, von welcher der
+ Herzog von Portland Sir Jakob Mackintosh eine Abschrift zu nehmen
+ erlaubte.]
+
+
+[_Sein Äußeres._] Er stand jetzt in seinem siebenunddreißigsten
+Lebensjahre, war aber körperlich und geistig älter als andere Leute in
+diesen Jahren. Man könnte fast sagen, er sei niemals jung gewesen. Sein
+Äußeres ist uns fast eben so gut bekannt, als seinen eigenen Heerführern
+und Räthen. Bildhauer, Maler und Münzschneider haben ihre ganze
+Geschicklichkeit aufgeboten, um seine Züge der Nachwelt zu überliefern,
+und diese waren von der Art, daß kein Künstler sie verfehlen und daß,
+wer sie einmal gesehen, sie nie vergessen konnte. Sein Name erinnert uns
+sogleich an eine schmächtige und zarte Gestalt, an eine hohe und breite
+Stirn, an eine wie der Schnabel eines Adlers gebogene Nase, an ein Paar
+Augen, die an Glanz und Schärfe mit denen des Adler wetteiferten, an
+eine gedankenvolle, etwas finstre Miene, einen festen und etwas
+mürrischen Mund, an eine bleiche, eingefallene und durch Krankheit und
+Sorgen tief gefurchte Wange. Dieses gedankenvolle, ernste und feierliche
+Aussehen konnte kaum einem glücklichen und lebensfrohen Manne angehört
+haben; aber es verräth in unverkennbarer Weise die Befähigung zu den
+schwierigsten Unternehmungen und einen durch kein Mißgeschick und durch
+keine Gefahren zu erschütternden Muth.
+
+
+[_Sein früheres Leben und seine Erziehung._] Die Natur hatte Wilhelm mit
+allen Eigenschaften eines großen Herrschers reich ausgestattet und die
+Erziehung hatte diese Eigenschaften in nicht gewöhnlichem Grade
+entwickelt. Mit einem scharfen natürlichen Verstande und einer seltenen
+Willenskraft sah er sich, als sein Geist zu erwachen begann, als vater-
+und mutterlose Waise, als das Oberhaupt einer großen, aber unterdrückten
+und entmuthigten Partei und als den Erben ausgedehnter aber unbestimmter
+Ansprüche, welche die Furcht und die Abneigung der damals in den
+Niederlanden herrschenden Oligarchie erregten. Das gemeine Volk, das
+seit einem Jahrhundert seinem Hause treu ergeben war, bewies so oft es
+ihn sah, auf nicht zu verkennende Weise, daß es ihn als sein
+rechtmäßiges Oberhaupt betrachtete. Die geschickten und erfahrenen
+Minister der Republik, die seinen Namen tödtlich haßten, brachten ihm
+täglich ihre erzwungene Huldigung dar und beobachteten dabei die
+Fortschritte seines Geistes. Die ersten Regungen seines Ehrgeizes wurden
+sorgfältig bewacht, jedes unüberlegte Wort, das ihm entschlüpfte, wurde
+niedergeschrieben, und er besaß nicht einen einzigen Rathgeber, auf
+dessen Ausspruch Vertrauen gesetzt werden konnte. Er war kaum funfzehn
+Jahre alt, so wurden alle Diener, die seinem Interesse ergeben waren und
+die sein Vertrauen genossen, von der mißtrauischen Regierung aus seinem
+Hause entfernt. Er sträubte sich dagegen mit einer weit über seine Jahre
+hinausgehenden Energie, aber vergebens. Aufmerksame Beobachter sahen
+mehr als einmal Thränen in den Augen des jungen Staatsgefangenen. Seine
+von Haus aus zarte Gesundheit war eine Zeit lang durch die
+Gemüthsbewegungen, die seine traurige und vereinsamte Stellung erzeugte,
+ernstlich erschüttert. Eine solche Lage macht den Schwachen muthlos und
+bestürzt, dem Starken giebt sie eine verdoppelte Kraft. Von Schlingen
+umgeben, in denen ein gewöhnlicher Jüngling umgekommen sein würde,
+lernte Wilhelm vorsichtig und zu gleicher Zeit energisch auftreten.
+Schon lange bevor er das Mannesalter erreicht, verstand er es,
+Geheimnisse zu bewahren, die Neugierde durch trockene und wohlüberlegte
+Antworten abzutrumpfen und alle Leidenschaften unter dem nämlichen
+Scheine ernster Ruhe zu verbergen. In der feinen Weltbildung und in
+literarischen Kenntnissen machte er dagegen nur geringe Fortschritte.
+Dem Benehmen des holländischen Adels jener Zeit fehlte die
+liebenswürdige Anmuth, welche bei den gebildeten Franzosen in höchster
+Vollkommenheit zu finden war und in geringerem Grade auch den englischen
+Hof zierte; seine Manieren waren durchaus holländisch. Selbst seine
+eigenen Landsleute nannten ihn plump, und Ausländern erschien er oft
+noch mehr als dies. In seinem Verkehr mit der Welt im Allgemeinen schien
+er jene Fertigkeiten, welche den Werth einer Gunstbezeugung erhöhen und
+einer Verweigerung die Spitze abbrechen, nicht zu kennen oder sie zu
+verschmähen. Die Literatur und die Wissenschaften interessirten ihn
+wenig; er wußte nichts von den Entdeckungen eines Newton und Leibnitz,
+von den Poesien eines Dryden und Boileau; dramatische Darstellungen
+langweilten ihn und er war froh, wenn er den Blick von der Bühne
+abwenden und von öffentlichen Angelegenheiten sprechen konnte, während
+Orestes raste oder Tartüffe der Elmira die Hand drückte. Er besaß zwar
+einiges Talent zu Sarkasmen und entfaltete nicht selten ganz unbewußt
+eine sonderbar klingende, aber kräftige und originelle natürliche
+Redekunst, aber nach den Titel eines Schöngeistes oder eines Redners
+strebte er nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf diejenigen Studien
+gerichtet gewesen, welche einen tüchtigen und umsichtigen Geschäftsmann
+bilden. Von Kindheit an hörte er mit Interesse zu, wenn wichtige Fragen
+über Bündnisse, Finanzen und Krieg besprochen wurden. Von der Geometrie
+lernte er soviel als zum Bau einer Schanze oder eines Hornwerks nöthig
+war. Von fremden Sprachen lernte er mit Hülfe seines ausgezeichneten
+Gedächtnisses soviel als er bedurfte, um Alles, was mit ihm gesprochen
+wurde, und jeden Brief, den er empfing, verstehen und beantworten zu
+können. Das Holländische war seine Umgangssprache. Er verstand
+Lateinisch, Italienisch und Spanisch, sprach und schrieb Französisch,
+Englisch und Deutsch, zwar nicht elegant und grammatisch richtig, aber
+fließend und verständlich. Keine Fähigkeit konnte wichtiger sein für
+einen Mann, der dazu bestimmt war, große Bündnisse zu organisiren und
+Armeen zu commandiren, die aus verschiedenen Nationalitäten
+zusammengesetzt waren.
+
+
+[_Seine religiösen Ansichten._] Eine Klasse von philosophischen Fragen
+war durch die Umstände seiner Aufmerksamkeit dringend empfohlen worden
+und scheint ihn mehr interessirt zu haben, als man es von seinem
+allgemeinen Character hätte erwarten sollen. Die Protestanten der
+Vereinigten Provinzen bestanden wie die unsrer Insel aus zwei großen
+religiösen Partein, welche zwei großen politischen Parteien fast genau
+entsprachen. Die Oberhäupter der städtischen Oligarchie waren Arminianer
+und wurden im Allgemeinen von der Menge als nicht viel besser denn
+Papisten betrachtet. Die Prinzen von Oranien waren gewöhnlich die
+Schutzpatrone der calvinistischen Theologie gewesen und verdankten
+keinen geringen Theil ihrer Popularität ihrem Eifer für die Lehren von
+der Gnadenwahl und dem endlichen Beharren, einem Eifer, der nicht immer
+durch Kenntnisse erleuchtet oder durch Humanität gemäßigt war. Wilhelm
+war von Kindheit auf in dem theologischen System, dem seine Familie
+anhing, sorgfältig unterrichtet worden, und betrachtete dieses System
+mit größerer Vorliebe, als man in der Regel für seinen ererbten Glauben
+hegt. Er hatte über die großen Probleme, welche auf der Synode von
+Dortrecht erörtert worden waren, nachgedacht und in der strengen,
+unbeugsamen Logik der genfer Schule etwas gefunden, was seinem Verstande
+und seinem Gemüth zusagte. Das Beispiel von Unduldsamkeit, das einige
+seiner Vorgänger gegeben, ahmte er jedoch niemals nach; er empfand gegen
+alle Verfolgung eine entschiedene Abneigung, die er nicht allein da
+aussprach, wo ein solches Eingeständniß offenbar staatsklug war, sondern
+auch in Fällen, wo es den Anschein hatte, daß sein Interesse durch
+Verstellung oder Stillschweigen hätte gefördert werden können.
+Gleichwohl waren seine theologischen Ansichten noch entschiedener als
+die seiner Vorgänger. Die Lehre von der Prädestination war der
+Grundstein seiner Religion. Er erklärte oft, daß wenn er diese Lehre
+aufgeben müßte, er zugleich mit derselben allen Glauben an eine waltende
+Vorsehung aufgeben und ein reiner Epikuräer werden müßte. Diesen
+einzigen Punkt ausgenommen, wurde die ganze Fülle seines kräftigen
+Geistes frühzeitig von dem Theoretischen ab und auf das Praktische
+gelenkt. Die Fähigkeiten, deren es zur Leitung wichtiger Geschäfte
+bedarf, gediehen bei ihm schon in einem Alter zur Reife, wo sie sich bei
+gewöhnlichen Menschen kaum erst zu entfalten begonnen haben. Seit
+Octavius hatte die Welt kein solches Beispiel frühzeitiger
+staatsmännischer Befähigung gesehen. Erfahrene Diplomaten erstaunten
+über die treffenden Bemerkungen, die der siebzehnjährige Prinz über
+öffentliche Angelegenheiten machte, und mit noch weit größerem Erstaunen
+sahen sie diesen Knaben in Lagen, wo man hätte erwarten sollen, daß er
+starke Leidenschaften verrathen werde, eine eben so unerschütterliche
+Ruhe bewahren, wie sie selbst. Mit achtzehn Jahren saß er bereits unter
+den Vätern der Republik, ernst, besonnen und einsichtsvoll wie der
+Älteste unter ihnen. Mit zweiundzwanzig Jahren ward er an einem Tage der
+Trauer und des Schreckens an die Spitze der Verwaltung gestellt. Mit
+dreiundzwanzig Jahren war er durch ganz Europa als Feldherr und
+Staatsmann berühmt. Er hatte innere Factionen niedergeworfen, war die
+Seele einer mächtigen Coalition und hatte im Felde gegen einige von den
+größten Generälen seiner Zeit mit Ehren gefochten.
+
+
+[_Seine militairischen Talente._] Seine persönlichen Neigungen waren
+mehr die eines Kriegers als die eines Staatsmannes, aber wie sein
+Urgroßvater, der schweigsame Prinz, der die batavische Republik
+gründete, nimmt er unter den Staatsmännern einen viel höheren Rang ein
+als unter den Feldherren. Der Verlauf der Schlachten ist allerdings kein
+untrüglicher Prüfstein für die Talente eines Befehlshabers, und es würde
+ganz besonders ungerecht sein, wollte man diesen Prüfstein bei Wilhelm
+anwenden, denn das Schicksal wollte, daß er fast stets Feldherren,
+welche vollendete Meister in ihrer Kunst, und Truppen gegenüberstand,
+welche in der Disciplin den seinigen weit überlegen waren. Indessen läßt
+sich mit gutem Grunde annehmen, daß er als General im offenen Felde
+Manchem, der in geistiger Beziehung tief unter ihm stand, keineswegs
+gleichkam. Mit Leuten, die sein Vertrauen besaßen, sprach er über diesen
+Gegenstand mit der edlen Offenheit eines Mannes, der Großes vollbracht
+hat und der recht wohl auch einige Mängel eingestehen kann. Er sagte, er
+habe keine Lehrzeit für den militairischen Beruf bestanden; er sei schon
+als Knabe an die Spitze einer Armee gestellt worden, unter seinen
+Offizieren habe sich keiner befunden, der fähig gewesen wäre, ihn zu
+unterweisen; nur aus seinen eigenen Fehlern und deren Folgen habe er
+etwas lernen können. „Ich würde einen guten Theil meines Vermögens darum
+geben,“ rief er einmal aus, „wenn ich einige Feldzüge unter dem Prinzen
+von Condé mitgemacht hätte, ehe ich gegen ihn commandiren mußte.“ Es ist
+nicht unwahrscheinlich, daß der Umstand, welcher Wilhelm verhinderte,
+eine ausgezeichnete strategische Bildung zu erlangen, der allgemeinen
+Entwickelung seiner Geisteskräfte zu Gute gekommen ist. Bewiesen seine
+Schlachten auch nicht den großen Taktiker, so berechtigten sie ihn doch
+zu dem Titel eines großen Mannes. Kein Mißgeschick konnte ihn nur einen
+Augenblick seiner Festigkeit und des vollständigen Besitzes aller seiner
+Fähigkeiten berauben. Seine Niederlagen wurden mit einer so wunderbaren
+Schnelligkeit wieder gut gemacht, daß er, noch ehe seine Feinde das
+Tedeum gesungen hatten, schon wieder zum Kampfe gerüstet war; auch
+beeinträchtigten solche Schläge in keiner Weise die Achtung und das
+Vertrauen, dessen er sich von Seiten seiner Soldaten erfreute. Diese
+Achtung und dieses Vertrauen verdankte er in nicht geringem Maße seinem
+persönlichen Muthe. Den Grad von Muth, dessen der Soldat bedarf, um
+einen Feldzug ohne Schande zu bestehen, besitzen die meisten Menschen
+oder wenigstens können sie denselben in einer guten Schule erlangen. Ein
+Muth wie der des Prinzen Wilhelm aber ist in der That selten. Er wurde
+auf jede nur mögliche Weise geprüft, durch Krieg, durch Wunden, durch
+schmerzhafte und entnervende Krankheiten, durch Seestürme, durch die
+beständig drohende Gefahr, ermordet zu werden, eine Gefahr, die schon
+sehr starke Nerven erschüttert hat und durch welche selbst die eiserne
+Tapferkeit Cromwell’s einen harten Stoß erhielt. Aber Niemand konnte je
+etwas entdecken, was der Prinz von Oranien fürchtete. Seine Rathgeber
+konnten ihn nur mit Mühe dazu bringen, daß er einige Vorsichtsmaßregeln
+gegen die Pistolen und Dolche von Verschwörern ergriff.[2] Alte Seeleute
+erstaunten über die kaltblütige Ruhe, die er inmitten tobender
+Brandungen an einer gefahrvollen Küste bewahrte. In der Schlacht
+zeichnete ihn seine Tapferkeit unter Zehntausenden tapferer Krieger aus,
+erweckte die hochherzige Anerkennung selbst der feindlichen Heere und
+wurde selbst von der Unbilligkeit feindlicher Factionen nie bestritten.
+Während seiner ersten Feldzüge setzte er sich der Gefahr aus, als ob er
+den Tod gesucht hätte, war beim Angriff stets der Erste, beim Rückzug
+der Letzte, kämpfte mit dem Schwerte in der Hand im dichtesten Gewühl,
+und mit einer Flintenkugel im Arm, den Harnisch von Blut überströmt,
+hielt er noch immer Stand und schwenkte im furchtbarsten Feuer seinen
+Hut. Seine Freunde beschworen ihn, er solle doch sein für das Vaterland
+unschätzbares Leben mehr schonen. Sein berühmtester Gegner, der große
+Condé, bemerkte nach der blutigen Schlacht von Seneff, der Prinz von
+Oranien habe sich in jeder Beziehung wie ein alter General benommen, nur
+in sofern nicht, als er sich wie ein junger Soldat ausgesetzt. Wilhelm
+leugnete, daß er sich der Tollkühnheit schuldig gemacht habe. Er stelle
+sich, meinte er, nur aus Pflichtgefühl und aus kalter Berechnung dessen,
+was das öffentliche Interesse erheische, immer auf den Posten der
+Gefahr. Die Truppen, die er befehlige, seien wenig an den Krieg gewöhnt
+und fürchteten ein Handgemenge mit den französischen Veteranen; es sei
+daher nöthig, daß ihr Anführer ihnen zeige, wie man Schlachten gewinnt.
+Und in der That wurde auch mehr als eine Schlacht, welche rettungslos
+verloren schien, noch durch die Kühnheit gewonnen, mit der er seine
+zersprengten Bataillone sammelte und eigenhändig die Memmen niederhieb,
+welche das Beispiel zur Flucht gaben. Zuweilen sah es jedoch ganz so
+aus, als ob er ein eignes Vergnügen daran finde, sein Leben zu
+gefährden. Es wurde bemerkt, daß er nie heiterer, freundlicher und
+liebenswürdiger war, als im blutigen Getümmel der Schlacht. Selbst bei
+seinen Zerstreuungen liebte er das Aufregende der Gefahr. Kartenspiele,
+Schach und Billard machten ihm kein Vergnügen; seine Lieblingserholung
+war die Jagd, und die gefährlichste war ihm die liebste. Er machte oft
+Sätze, daß seine kühnsten Begleiter nicht Lust hatten, ihm zu folgen.
+Selbst die verwegensten Sportvergnügungen Englands scheint er für
+weibisch gehalten zu haben, und im großen Parke von Windsor sehnte er
+sich nach dem Wilde, das er in den Forsten von Geldern zu jagen gewohnt
+war, nach Wölfen, Ebern und riesigen Sechzehnendern.[3]
+
+ [Anmerkung 2: Nach dem Frieden von Ryswick drangen die Freunde
+ Wilhelm’s in ihn, mit dem französischen Gesandten ganz ernstlich
+ über die Mordanschläge zu sprechen, welche die Jakobiten von St.
+ Germain beständig schmiedeten. Die kaltblütige Hochherzigkeit,
+ mit der er diese Warnungen vor Gefahr aufnahm, ist besonders
+ characteristisch. Dem Grafen Bentinck, der von Paris sehr
+ beunruhigende Nachrichten gemeldet hatte, antwortete er nur am
+ Schlusse eines langen Geschäftsbriefes: +„Pour les assasins je ne
+ luy en ay pas voulu parler, croiant que c’etoit au desous de
+ moy.+“ -- 2.(12.) Mai 1698. Ich habe die Orthographie des
+ Originals, wenn von einer solchen überhaupt die Rede sein kann,
+ beibehalten.]
+
+ [Anmerkung 3: Von Windsor schrieb er an Bentinck, damals Gesandten
+ in Paris: +„J’ay pris avant hier un cerf dans la forest avec les
+ chains du Pr. de Denm. et ay fait un assez jolie chasse, autant,
+ que ce vilain paiis le permest.“+ -- 20. März (1. April) 1698. Die
+ Orthographie ist schlecht, aber nicht schlechter als die
+ Napoleon’s. In besserer Stimmung schrieb Wilhelm von Loo aus:
+ +„Nous avons pris deux cerfs, le premier dans Dorewaert, qui est
+ un des plus gros que je sache avoir jamais pris. Il porte seize.“+
+ -- 25. Oct. (4. Nov.) 1697.]
+
+
+[_Sein Vergnügen an Gefahren; seine schlechte Gesundheit._] Seine
+Tollkühnheit war um so merkwürdiger, da er von ungemein zarter
+Körperconstitution war. Er war von früher Jugend an schwächlich und
+kränklich gewesen, und im ersten Mannesalter waren seine Leiden durch
+einen heftigen Pockenanfall noch verschlimmert worden. Er war engbrüstig
+und schwindsüchtig. Sein schwächlicher Körper wurde durch einen
+beständigen heiseren Husten erschüttert. Er konnte nicht schlafen, wenn
+sein Kopf nicht durch mehrere Kissen unterstützt wurde, und nur in der
+reinsten Luft konnte er ohne Beschwerden athmen. Dabei quälten ihn oft
+heftige Kopfschmerzen. Körperliche Anstrengungen ermüdeten ihn sehr
+bald. Die Ärzte pflegten die Hoffnung seiner Feinde dadurch aufrecht zu
+erhalten, daß sie einen Termin festsetzten, über den hinaus, wenn sich
+überhaupt irgend etwas in der Wissenschaft mit Sicherheit bestimmen
+lasse, sein zerrütteter Organismus unmöglich ausdauern könnte. Dennoch
+verließ seinen Geist während seines ganzen Lebens, das nur eine lange
+Krankheit war, bei keiner wichtigen Gelegenheit die nöthige Kraft, um
+seinen leidenden und siechen Körper aufrecht zu erhalten.
+
+
+[_Kälte seines Benehmens und Heftigkeit seiner Gemüthsregungen._] Er war
+mit heftigen Leidenschaften und mit leichter Reizbarkeit geboren; aber
+die Welt hatte keine Ahnung von der Stärke seiner Gemüthsaffecte. Vor
+den Blicken der Menge verbarg er seine Freude und seinen Kummer, seine
+Zuneigung und seinen Groll unter einer phlegmatischen Ruhe, die ihm den
+Ruf des kaltblütigsten und gleichgültigsten Menschen verschaffte. Wer
+ihm eine gute Nachricht brachte, konnte selten ein Zeichen von Freude
+entdecken; wer ihn nach einer Niederlage sah, spähte umsonst nach einer
+Spur von Unmuth. Er lobte und tadelte, belohnte und bestrafte mit der
+kalten Gelassenheit eines Mohawkhäuptlings; aber wer ihn genauer kannte
+und ihn näher betrachtete, der bemerkte wohl, daß unter dieser Eisrinde
+beständig ein ungestümes Feuer brannte. Nur selten raubte der Zorn ihm
+seine Selbstbeherrschung; wenn er aber einmal in Wuth gerieth, so war
+der erste Ausbruch seiner Leidenschaft furchtbar. Es war dann in der
+That nicht rathsam, ihm zu nahe zu kommen. In diesen seltenen Fällen
+jedoch gab er, sobald er seine Selbstbeherrschung wieder erlangt hatte,
+Denen, die er beleidigt, so vollständige Genugthuung, daß sie sich fast
+zu dem Wunsche versucht fühlten, er möchte aufs neue in Wuth gerathen.
+Seine Liebe war nicht minder stürmisch als sein Zorn. Wo er einmal
+liebte, da liebte er mit der ganzen Kraft seiner starken Seele. Wenn der
+Tod ihn von einem geliebten Wesen trennte, fürchteten die wenigen Zeugen
+seiner Schmerzensausbrüche für seinen Verstand und für sein Leben. Einem
+sehr kleinen Kreise intimer Freunde gegenüber, auf deren Treue und
+Verschwiegenheit er sich unbedingt verlassen konnte, war er ein ganz
+andrer Mensch als der verschlossene und stoische Wilhelm, dem die Menge
+jedes menschliche Gefühl absprach. In ihrer Gesellschaft war er
+freundlich, gemüthlich, offenherzig, selbst gesellig und witzig, konnte
+Stunden lang bei Tische sitzen und vollen Antheil an einer heiteren
+Unterhaltung nehmen.
+
+
+[_Seine Freundschaft für Bentinck._] Am höchsten in seiner Gunst stand
+ein Kavalier seines Hofstaates, Namens Bentinck, der aus einem edlen
+batavischen Geschlecht stammte und der Gründer eines der großen
+patrizischen Häuser Englands werden sollte. Bentinck’s Treue hatte sich
+in nicht gewöhnlicher Weise erprobt. Zu der Zeit, als die Vereinigten
+Provinzen gegen die Macht Frankreichs um ihre Existenz kämpften, wurde
+der junge Prinz, auf dem alle ihr Hoffnungen ruhten, von den Pocken
+befallen. Diese Krankheit hatte bei mehreren Mitgliedern seiner Familie
+einen tödtlichen Ausgang genommen und zeigte auch bei ihm anfangs einen
+sehr bösartigen Character. Die Bestürzung des Volks war groß. Von früh
+bis Abends waren die Straßen im Haag mit Leuten angefüllt, die sich
+ängstlich nach dem Befinden Seiner Hoheit erkundigten. Endlich nahm das
+Übel eine günstige Wendung. Seine Genesung wurde zum Theil seinem eignen
+Gleichmuth, zum Theil der unerschrockenen und unermüdlichen Freundschaft
+Bentinck’s zugeschrieben. Nur aus seinen Händen nahm Wilhelm Speisen und
+Arzneien an; er allein hob ihn aus dem Bette und legte ihn wieder
+hinein. „Ich weiß nicht, ob Bentinck während meiner Krankheit geschlafen
+hat oder nicht,“ sagte Wilhelm mit inniger Rührung zu Temple; „soviel
+aber weiß ich, daß ich in den sechzehn Tagen und Nächten nicht ein
+einziges Mal etwas verlangte, ohne daß Bentinck augenblicklich an meiner
+Seite gewesen wäre.“ Bevor der treue Diener seine Aufgabe ganz vollendet
+hatte, wurde er selbst angesteckt. Trotzdem überwand er noch immer
+Müdigkeit und Fieberschauer, bis sein Gebieter als Reconvalescent
+erklärt wurde. Jetzt endlich bat er um Erlaubniß, nach Hause gehen zu
+dürfen. Es war die höchste Zeit, denn seine Füße wollten ihn nicht mehr
+tragen. Er kam in die größte Gefahr, genas aber und eilte, sobald er das
+Bett verlassen konnte, zur Armee, wo er in vielen heißen Feldzügen immer
+dicht an Wilhelm’s Seite gefunden ward, wie er es in einer Gefahr andrer
+Art gewesen.
+
+Dies war der Ursprung einer so innigen und reinen Freundschaft wie
+irgend eine, von der uns die alte oder neue Geschichte erzählt. Die
+Nachkommen Bentinck’s bewahren noch heute viele Briefe auf, die Wilhelm
+an ihren Ahnherrn geschrieben, und es ist nicht zuviel gesagt, wenn man
+behauptet, daß wer diese Briefe nicht gelesen hat, sich keinen richtigen
+Begriff von dem Character des Prinzen bilden kann. Der Mann, den selbst
+seine Verehrer in der Regel für den zurückhaltendsten und frostigsten
+Menschen hielten, vergißt hier jeden Rangunterschied und schüttet alle
+seine Gedanken mit der Offenherzigkeit eines Schulknaben aus. Ohne
+Rückhalt theilt er Geheimnisse von der höchsten Wichtigkeit mit und legt
+mit der größten Einfachheit umfassende Pläne vor, welche alle
+Regierungen Europa’s berührten. Mit seinen Mittheilungen über solche
+Dinge verbindet er Mittheilungen von ganz andrer, aber vielleicht nicht
+weniger interessanter Art. Alle seine Abenteuer, alle seine persönlichen
+Ansichten, seine langen Jagdritte nach gewaltigen Hirschen, seine Gelage
+am St. Hubertustage, das Gedeihen seiner Anpflanzungen, das Mißrathen
+seiner Melonen, der Zustand seines Gestüts, der Wunsch, einen frommen
+Zelter für seine Gemahlin zu erlangen, sein Verdruß, als er erfährt, daß
+einer seiner Kavaliere, nachdem er ein Mädchen aus guter Familie
+unglücklich gemacht, sich weigert, sie zu heirathen, seine Anfälle von
+Seekrankheit, sein Husten, seine Kopfschmerzen, seine andächtigen
+Stimmungen, seine Dankbarkeit für den göttlichen Schutz nach Errettung
+aus einer großen Gefahr, seine Anstrengungen, sich nach einem
+Unglücksfalle dem göttlichen Willen zu unterwerfen, dies Alles ist darin
+mit einer liebenswürdigen Redseligkeit geschildert, die man von dem
+verschwiegensten und ernstesten Staatsmanne jener Zeit kaum erwarten
+sollte. Noch auffallender sind die sorglosen Ergüsse seiner Zärtlichkeit
+und die brüderliche Theilnahme, die er an seines Freundes häuslichem
+Glücke nimmt. Als Bentinck ein Erbe geboren wurde, sagte Wilhelm: „Ich
+hoffe, er wird ein so braver Mann werden als Sie einer sind, und sollte
+ich einen Sohn bekommen, so werden unsere Kinder einander hoffentlich
+ebenso lieben, wie wir uns geliebt haben.“[4] Während seines ganzen
+Lebens blickte er mit väterlicher Liebe auf die kleinen Bentincks. Er
+ruft sie bei den zärtlichsten Diminutiven, er sorgt für sie in ihres
+Vaters Abwesenheit, und so schwer es ihm wird, ihnen ein Vergnügen zu
+versagen, so will er sie doch nicht an einer Jagdpartie teilnehmen
+lassen, wo ihnen die Gefahr droht, von einem Hirsche gestoßen zu werden,
+noch ihnen erlauben, bei einem Abendschmause bis spät in die Nacht
+hinein zu verweilen.[5] Als ihre Mutter während der Abwesenheit ihres
+Gatten krank wird, findet Wilhelm inmitten der wichtigsten und
+dringendsten Staatsgeschäfte noch soviel Zeit, um an einem Tage mehrere
+expresse Boten mit kurzen Briefen abzuschicken, in denen er von ihrem
+Zustande Nachricht giebt.[6] Einmal als sie nach einem heftigen Anfall
+außer Gefahr erklärt wird, ergießt sich der Prinz in die wärmsten
+Dankesbezeigungen gegen Gott. „Ich schreibe,“ sagt er, „mit Thränen der
+Freude in den Augen.“[7] Es liegt ein eigner Reiz in diesen Briefen von
+der Hand eines Mannes, dessen Alles überwältigende Energie und
+unbeugsame Festigkeit selbst seinen Feinden Achtung abnöthigte, dessen
+kaltes und unfreundliches Benehmen in den meisten seiner Anhänger keine
+innigere Zuneigung aufkommen ließ und dessen Geist beständig mit
+gigantischen Plänen beschäftigt war, welche die Gestalt der Welt
+veränderten.
+
+Seine Güte ward keinem Unwürdigen zu Theil. Temple hatte frühzeitig
+Bentinck für den besten und treuesten Diener erklärt, den je ein Fürst
+zu besitzen das Glück hatte, und er verdiente diesen ehrenvollen Titel
+sein ganzes Leben hindurch. Die beiden Freunde waren in der That wie für
+einander geschaffen. Wilhelm bedurfte weder eines Führers noch eines
+Schmeichlers. Da er ein festes und wohlbegründetes Vertrauen in sein
+eignes Urtheil setzte, so war er kein Freund von Rathgebern, die ihn mit
+Vorschlägen und Einwendungen überhäuften. Zu gleicher Zeit besaß er eine
+zu scharfe Unterscheidungsgabe und einen zu edlen Sinn, als daß er an
+Schmeicheleien hätte Vergnügen finden können. Der Vertraute eines
+solchen Fürsten mußte ein Mann sein nicht von erfinderischem Genie oder
+von gebieterischem Character, aber bieder und treu, im Stande, jeden
+Befehl pünktlich zu vollziehen, Geheimnisse unverbrüchlich zu bewahren,
+Ereignisse umsichtig zu beobachten und treulich zu berichten. Und ein
+solcher Mann war Bentinck.
+
+ [Anmerkung 4: 3. März 1679.]
+
+ [Anmerkung 5: +„Voilà en peu de mot le détail de nostre St.
+ Hubert. Et j’ay en soin que M. Woodstoc+ (Bentinck’s ältester
+ Sohn) +n’a point esté à la chasse, bien moin au soupé, quoyqu’il
+ fut icy. Vous pouvez pourtant croire que de n’avoir pas chassé l’a
+ un peu mortifié, mais je ne l’ay pas ausé prendre sur moy, puisque
+ vous m’aviez dit que vous ne le souhaitiez pas.“+ -- Von Loo, 4.
+ Nov. 1697.]
+
+ [Anmerkung 6: Am 15. Juni 1688.]
+
+ [Anmerkung 7: 6. Sept. 1679.]
+
+
+[_Marie, Prinzessin von Oranien._] Wilhelm war in der Ehe nicht weniger
+glücklich als in der Freundschaft. Anfangs hatte jedoch seine Ehe kein
+besonderes häusliches Glück versprochen. Seine Wahl war hauptsächlich
+durch politische Rücksichten bestimmt worden, und es sah nicht
+wahrscheinlich aus, daß zwischen einem hübschen sechzehnjährigen
+Mädchen, die zwar ein sanftes Gemüth und natürlichen Verstand besaß, im
+übrigen aber unwissend und einfach war, und einem Bräutigam, der, obwohl
+noch nicht ganz achtundzwanzig Jahr alt, doch seinem körperlichen
+Zustande nach älter war als ihr Vater, der ein kaltes, abstoßendes
+Benehmen hatte und dessen Kopf beständig mit Staatsgeschäften und
+Sportvergnügungen angefüllt war, eine innige Zuneigung würde entstehen
+können. Eine Zeit lang vernachlässigte Wilhelm seine Gemahlin, indem er
+durch andere Frauen von ihr abgezogen wurde, besonders durch eine ihrer
+Hofdamen, Namens Elisabeth Villiers, welche Talente besaß, die sie wohl
+geeignet machten, seine Sorgen zu theilen, obgleich sie aller
+persönlichen Reize entbehrte und sogar durch ein häßliches Schielen
+entstellt war.[8] Er schämte sich zwar seiner Fehler und bemühte sich
+nach Kräften, sie zu verbergen, aber trotz aller Vorsicht wußte Marie
+wohl, daß er ihr nicht ganz treu war. Spione und Ohrenbläser thaten auf
+Anregen ihres Vaters ihr Möglichstes, um ihren Zorn zu entflammen. Ein
+Mann von ganz andrem Character, der vortreffliche Ken, der mehrere
+Monate lang im Haag ihr Kaplan war, wurde so aufgebracht durch die ihr
+widerfahrenden Kränkungen, daß er mit mehr Eifer als Besonnenheit
+drohte, ihren Gemahl ernstlich zur Rede zu setzen.[9] Sie selbst ertrug
+jedoch alles Unrecht mit einer Sanftmuth und Geduld, welche ihr nach und
+nach Wilhelm’s Achtung und Dankbarkeit erwarben. Indessen war auch noch
+eine andre Ursache der Entfremdung vorhanden. Es kam ohne Zweifel eine
+Zeit, wo die Prinzessin, welche nur zu Stickereiarbeiten, zum
+Spinetspiel und zum Lesen der Bibel und der „Pflichten des Menschen“
+erzogen war, das Oberhaupt einer großen Monarchie wurde und das
+Gleichgewicht Europa’s in ihrer Hand ruhte, während ihr ehrgeiziger,
+geschäftskundiger und beständig auf große Unternehmungen sinnender
+Gemahl bei der britischen Regierung keine vorausbestimmte Stelle für
+sich fand und nur durch ihre Güte und so lange es ihr gefiel Macht
+ausüben konnte. Es kann nicht befremden, daß ein Mann, der die Gewalt so
+liebte wie Wilhelm, und der sich seines Herrschergenies so bewußt war,
+in hohem Maße die Eifersucht empfand, die während eines Königthums von
+wenigen Stunden zwischen Guildford Dudley und Lady Johanna Zwietracht
+hervorrief und einen noch viel tragischeren Bruch zwischen Darnley und
+der Königin von Schottland herbeiführte. Die Prinzessin von Oranien
+hatte nicht die leiseste Ahnung von den Gefühlen ihres Gemahls. Ihr
+Lehrer, der Bischof Compton, hatte sie in der Religion sorgfältig
+unterrichtet und ihr Gemüth namentlich gegen die Künste der
+römisch-katholischen Theologen gestählt, sie aber in völliger Unkenntniß
+der englischen Verfassung und ihrer eignen Stellung gelassen. Sie wußte,
+daß ihr eheliches Gelübde sie zum Gehorsam gegen ihren Gemahl
+verpflichtete und es war ihr nie in den Sinn gekommen, daß dieses
+gegenseitige Verhältniß einmal umgekehrt werden könnte. Sie war bereits
+neun Jahre vermählt, ehe sie die Ursache von Wilhelm’s Verstimmung
+entdeckte, und von ihm selbst würde sie dieselbe auch nie erfahren
+haben. In Folge seiner ganzen Gemüthsart brütete er eher über die ihn
+niederdrückenden Sorgen, als daß er denselben einen Ausdruck gab, und in
+diesem speciellen Falle wurde sein Mund durch ein ganz natürliches
+Zartgefühl versiegelt. Endlich aber kam durch die Vermittelung Gilbert
+Burnet’s eine vollkommene Verständigung und Aussöhnung zu Stande.
+
+ [Anmerkung 8: Siehe Swift’s Bericht über sie im +Journal to
+ Stella+.]
+
+ [Anmerkung 9: Heinrich Sidney’s Tagebuch vom 31. März 1680 in Mr.
+ Blencowe’s interessanter Sammlung.]
+
+
+[_Gilbert Burnet._] Burnet’s Ruf ist mit auffallender Böswilligkeit und
+Hartnäckigkeit angegriffen worden. Der Angriff begann schon frühzeitig
+in seinem Leben und wird noch jetzt mit unverminderter Heftigkeit
+fortgesetzt, obgleich er bereits über ein und ein Viertel Jahrhundert im
+Grabe liegt. Allerdings ist er auch für den Parteihaß und den
+muthwilligen Spott eine Zielscheibe, wie sie sich keine bessere wünschen
+können, denn die Mängel seines Verstandes und seines Characters liegen
+klar am Tage und können Niemandem entgehen. Es waren jedoch nicht die
+Fehler, welche man als seinen Landsleuten eigen zu betrachten pflegt. Er
+allein unter den vielen Schotten, die sich in England zu Auszeichnung
+und Wohlstand emporgeschwungen haben, hatte den Charakter, welchen
+Satiriker, Romanschreiber und Schauspieldichter allgemein den irischen
+Abenteurern zuschreiben. Seine physische Lebendigkeit, seine
+Ruhmredigkeit, seine unverhohlene Eitelkeit, seine Faseleien, seine
+herausfordernde Indiscretion und seine kecke Dreistigkeit boten den
+Tories unerschöpflichen Stoff zu Spötteleien. Auch unterließen seine
+Feinde nicht, ihm nebenbei über seine breiten Schultern, seine dicken
+Waden und sein Glück in Heirathsspekulationen auf verliebte reiche
+Wittwen mehr witzige als artige Complimente zu machen. Obwohl jedoch
+Burnet in vieler Beziehung dem Spott und selbst dem Tadel Blößen darbot,
+so verdiente er doch keineswegs eine solche Geringschätzung. Er besaß
+einen regen Geist, einen unermüdlichen Fleiß und eine vielseitige,
+ausgedehnte Belesenheit. Er war zu gleicher Zeit Geschichtsschreiber,
+Alterthumsforscher, Theolog, Prediger, Tagesschriftsteller, Polemiker
+und thätiger politischer Parteiführer, und in allen diesen
+Eigenschaften zeichnete er sich unter vielen geschickten Mitbewerbern
+vortheilhaft aus. Die vielen geistreichen Abhandlungen, die er über
+Tagesbegebenheiten schrieb, sind jetzt nur noch Forschern bekannt; aber
+seine +History of his own Times+, seine +History of the Reformation+,
+seine +Exposition of the Articles+, sein +Discourse of Pastoral Care+,
+sein +Life of Hale+ und sein +Life of Wilmot+ werden noch immer neu
+aufgelegt und fehlen in keiner guten Privatbibliothek. Gegen eine solche
+Thatsache vermögen alle Anstrengungen der Verleumder nichts. Ein
+Schriftsteller, dessen umfangreiche Werke in verschiedenen Zweigen der
+Literatur noch hundertdreißig Jahre nach seinem Tode zahlreiche Leser
+finden, kann große Fehler gehabt haben, muß aber auch große Vorzüge
+gehabt haben, und diese hatte Burnet: einen fruchtbaren und regen Geist
+und einen Styl, der allerdings von tadelloser Reinheit weit entfernt,
+doch stets klar, oft lebendig ist und sich zuweilen selbst zu
+feierlicher und glühender Beredtsamkeit erhebt. Auf der Kanzel wurde die
+Wirkung seiner ohne irgend welche schriftliche Notizen gehaltenen
+Predigten noch erhöht durch eine edle Gestalt und einen imponirenden
+Vortrag. Er wurde oft durch das Beifallsgemurmel seiner Zuhörer
+unterbrochen, und wenn die Sanduhr, die sich damals auf jeder Kanzel
+befand, abgelaufen war und er dieselbe emporhielt, forderte ihn die
+Gemeinde durch lauten Zuruf auf fortzufahren, bis der Sand noch einmal
+abgelaufen wäre.[10] Die großen Mängel seines sittlichen Characters und
+seines Geistes wurden durch große Vorzüge mehr als ausgeglichen.
+Obgleich durch Vorurtheil und Leidenschaft oft auf Irrwege geführt, war
+er doch im strengsten Sinne des Worts ein Ehrenmann. Konnte er auch den
+Versuchungen der Eitelkeit nicht immer widerstehen, so stand sein
+Character doch hoch über den Einflüssen der Habsucht und der Furcht. Er
+war von Gemüth leutselig, hochherzig, dankbar und nachsichtig.[11] Sein
+Glaubenseifer, obwohl stetig und glühend, wurde im Allgemeinen durch
+Humanität und durch Achtung der Gewissensfreiheit in Schranken gehalten.
+Trotz seiner unerschütterlichen Anhänglichkeit an das was er als den
+Geist des Christenthums betrachtete, war er doch gleichgültig gegen
+Gebräuche, Namen und Formen der kirchlichen Verfassung und war selbst
+gegen Ungläubige und Ketzer, deren Lebenswandel tadellos war und deren
+Irrthümer mehr die Wirkung falscher Begriffe als eines verderbten
+Characters zu sein schienen, durchaus nicht zur Strenge geneigt. Aber
+gleich vielen anderen braven Männern jener Zeit betrachtete er die Sache
+der römischen Kirche als eine Ausnahme von allen gewöhnlichen Regeln.
+
+Burnet genoß schon seit mehreren Jahren eines europäischen Rufes. Seine
+Geschichte der Reformation war von allen Protestanten mit lautem Beifall
+aufgenommen und von den römischen Katholiken als ein gewaltiger Schlag
+gefühlt worden. Der größte Gelehrte, den die römische Kirche seit dem
+Schisma des sechzehnten Jahrhunderts hervorgebracht, Bossuet, Bischof
+von Meaux, war mit der Bearbeitung einer ausführlichen Erwiederung
+beschäftigt. Burnet war von einem der glaubenseifrigen Parlamente,
+welche während der durch das papistische Complot verursachten Aufregung
+tagten, mit einem Dankvotum beehrt und im Namen der Gemeinen von England
+ersucht worden, seine geschichtlichen Forschungen fortzusetzen. Er war
+von Karl sowohl als von Jakob in deren engere Unterhaltungszirkel
+gezogen worden, hatte mit mehreren ausgezeichneten Staatsmännern,
+besonders mit Halifax auf sehr vertrautem Fuße gestanden und war der
+Gewissensrath einiger sehr hochstehenden Personen gewesen. Er hatte
+ferner einen der glänzendsten Wüstlinge jener Zeit, Johann Wilmot, Earl
+von Rochester, von Atheismus und Ausschweifung zurückgebracht. Lord
+Stafford, das Opfer des Oates, war, obgleich Katholik, in seinen letzten
+Stunden durch Burnet’s geistlichen Zuspruch über diejenigen Punkte, in
+denen alle Christen übereinstimmen, erbaut worden. Wenige Jahre später
+begleitete Burnet einen noch erlauchteren Dulder, Lord Russell, vom
+Tower auf das Schaffot in Lincoln’s Inn Fields. Der Hof hatte nichts
+unversucht gelassen, um einen so thätigen und tüchtigen Theologen zu
+gewinnen. Weder königliche Schmeicheleien, noch die Verheißung
+einträglicher Stellen waren gespart worden. Aber Burnet war, obwohl in
+früher Jugend von den servilen Lehren angesteckt, denen der damalige
+Klerus durchgehends anhing, aus Überzeugung Whig geworden und er blieb
+seinen Grundsätzen durch alle Wechselfälle des Lebens treu. Er hatte
+jedoch keinen Antheil an der Verschwörung genommen, welche soviel
+Schmach und Unheil über die Whigpartei brachte und verabscheuete nicht
+nur die Mordpläne Goodenough’s und Ferguson’s, sondern war auch der
+Meinung, daß selbst sein geliebter und verehrter Freund Russell gegen
+die Regierung weiter gegangen sei, als es sich rechtfertigen ließ.
+Endlich kam eine Zeit, wo die Unschuld kein hinreichender Schutz war.
+Burnet wurde, obgleich er sich keiner Übertretung des Gesetzes schuldig
+gemacht, von der Rache des Hofes verfolgt. Er begab sich auf den
+Continent und nachdem er etwa ein Jahr auf jene Wanderungen durch die
+Schweiz, durch Italien und Deutschland verwendet, von denen er uns eine
+anziehende Beschreibung hinterlassen hat, ging er im Sommer 1686 nach
+dem Haag, wo er mit Freundlichkeit und Achtung aufgenommen wurde. Er
+unterhielt sich sehr freisinnig mit der Prinzessin über Politik und
+Religion und wurde bald ihr geistlicher Beistand und vertrauter
+Rathgeber. Wilhelm erwies sich als ein viel freundlicherer Wirth, als es
+zu erwarten gewesen wäre. Denn von allen Fehlern waren ihm
+Zudringlichkeit und Indiscretion am meisten verhaßt und Burnet war, wie
+selbst seine Freunde und Verehrer zugestanden, der zudringlichste und
+indiscreteste Mensch, den es geben konnte. Aber der scharfsichtige Prinz
+bemerkte sehr wohl, daß dieser vorlaute und schwatzhafte Theolog, der
+beständig Geheimnisse ausplauderte, naseweise Fragen stellte und
+unerbetenen Rath aufdrängte, bei alledem ein freimüthiger, furchtloser
+und kluger Mann war, der die Gesinnungen und Absichten der britischen
+Secten und Factionen genau kannte. Auch war der Ruf von Burnet’s
+Beredsamkeit und Gelehrsamkeit weit verbreitet. Wilhelm selbst war kein
+Freund vom Lesen, aber er stand jetzt seit vielen Jahren an der Spitze
+der holländischen Regierung zu einer Zeit, wo die holländische Presse
+eines der gewaltigsten Werkzeuge war, durch welche die öffentliche
+Meinung in Europa bearbeitet wurde, und obgleich er an literarischen
+Genüssen kein Vergnügen fand, war er doch viel zu klug und
+scharfsichtig, als daß er den Werth des literarischen Beistandes nicht
+hätte erkennen sollen. Er wußte sehr wohl, daß eine populäre Flugschrift
+zuweilen ebenso gute Dienste leistet als ein Sieg auf dem Schlachtfelde.
+Auch sah er ein, wie wichtig es sei, daß er immer einen Mann um sich
+hatte, der mit der bürgerlichen und kirchlichen Verfassung unsrer Insel
+vertraut war, und Burnet eignete sich vortrefflich dazu, als lebende
+Encyclopädie über britische Angelegenheiten benutzt zu werden, denn
+seine Kenntnisse waren, wenn auch nicht immer ganz zuverlässig, doch von
+erstaunlicher Vielseitigkeit und es gab in England wie in Schottland
+wenige ausgezeichnete Männer irgend einer politischen oder religiösen
+Partei, mit denen er nicht verkehrt hätte. Es wurde ihm daher die
+nämliche Gunst und das nämliche Vertrauen gewährt wie nur irgend Einem
+außer denen, welche den kleinen intimsten Kreis von Privatfreunden des
+Prinzen bildeten. Nahm sich der Doctor Freiheiten heraus, was nicht
+selten der Fall war, so wurde sein Gönner noch kälter und mürrischer als
+gewöhnlich gegen ihn und äußerte zuweilen eine kurze, beißende
+Bemerkung, die einem Menschen von gewöhnlicher Dreistigkeit für immer
+den Mund geschlossen haben würde. Trotz solcher Vorfälle aber dauerte
+die Freundschaft dieses sonderbaren Paares mit wenigen kurzen
+Unterbrechungen so lange, bis sie durch den Tod aufgelöst wurde. Es war
+in der That nicht leicht, Burnet zu kränken. Seine Selbstgefälligkeit,
+seine heitere Sorglosigkeit und seine Taktlosigkeit waren so groß, daß
+er wohl oft Anstoß gab, aber nie Anstoß nahm.
+
+ [Anmerkung 10: Sprecher Onslow’s Note zu Burnet I. 596; +Johnson’s
+ Life of Sprat+.]
+
+ [Anmerkung 11: Niemand hat Burnet häufiger und bitterer
+ widersprochen als Dartmouth. Und doch schrieb auch Dartmouth: „Ich
+ glaube nicht, daß er jemals vorsätzlich etwas veröffentlichte, was
+ er für falsch hielt.“ Zu einer späteren Zeit nahm er, durch einige
+ Bemerkungen über sich im zweiten Bande der Geschichte des Bischofs
+ gereizt, dieses Lob zurück; aber auf einen solchen Widerruf darf
+ man kein großes Gewicht legen. Selbst Swift war so gerecht zu
+ sagen: „Im Ganzen war er ein hochherziger und braver Mann.“ +Short
+ Remarks on Bishop Burnet’s History+.
+
+ Burnet wird gewöhnlich als ein auffallend ungenauer
+ Geschichtsschreiber getadelt; aber ich halte diesen Vorwurf für
+ ungerecht. Er scheint nur deshalb ungenau zu sein, weil seine
+ Darstellung einer besonders strengen und unfreundlichen Kritik
+ unterzogen worden ist. Wenn ein Whig sich die Mühe nehmen wollte
+ +Reresby’s Memoirs, North’s Examen, Mulgrave’s Account of the
+ Revolution+ oder +Clarke’s Life of James the Second+ einer
+ ähnlichen Prüfung zu unterwerfen, so würde es sich bald zeigen,
+ daß Burnet keineswegs der ungenaueste Geschichtsschreiber seiner
+ Zeit war.]
+
+
+[_Er vermittelt eine innigere Annäherung zwischen dem Prinzen und der
+Prinzessin._] Alle Eigenthümlichkeiten seines Characters machten ihn
+ganz dazu geeignet, der Friedensstifter zwischen Wilhelm und Marien zu
+werden. Wenn Personen, die einander achten und lieben sollten, durch
+eine Ursache von einander fern gehalten werden, welche drei freimüthig
+gesprochene Worte beseitigen könnten, so ist es ein Glück für sie, wenn
+sie einen indiscreten Freund haben, der mit der ganzen Wahrheit
+herausplatzt. Burnet sagte der Prinzessin ganz offen, welches Gefühl an
+dem Herzen ihres Gemahls nagte. Sie erfuhr jetzt zum ersten Male mit
+nicht geringem Erstaunen, daß, wenn sie Königin von England würde,
+Wilhelm ihren Thron nicht theilen sollte. Sie erklärte mit den innigsten
+Worten, daß es keinen Beweis von ehelicher Unterwerfung und Liebe gebe,
+zu dem sie nicht jeden Augenblick bereit wäre. Unter vielen
+Entschuldigungen und feierlichen Versicherungen, daß kein andrer Mensch
+ihm ein Wort in den Mund gelegt habe, sagte ihr Burnet nun, daß das
+Heilmittel in ihrer Hand liege. Wenn die Krone ihr zugefallen sei, könne
+sie leicht ihr Parlament dazu bewegen, daß es ihrem Gatten nicht nur den
+Königstitel gewährte, sondern ihm sogar durch ein Gesetz die Zügel der
+Regierung in die Hand gab. „Aber,“ setzte er hinzu, „Ihre königliche
+Hoheit müssen wohl überlegen, ehe Sie einen solchen Entschluß
+aussprechen, denn es ist ein Entschluß, dessen Zurücknahme weder rathsam
+noch leicht sein würde, wenn er einmal angekündigt wäre.“ -- „Ich bedarf
+keiner Zeit zur Überlegung,“ antwortete Marie. „Es ist genug, daß ich
+eine Gelegenheit habe, um dem Prinzen meine Achtung zu beweisen. Theilen
+Sie ihm mit was ich gesagt habe, und bringen Sie ihn zu mir, damit er es
+aus meinem eigenen Munde höre.“ Burnet wollte den Prinzen sogleich
+herbeiholen, aber er war viele Meilen weit entfernt auf einer
+Hirschjagd. Erst am folgenden Tage konnte die entscheidende Unterredung
+stattfinden. „Ich habe erst gestern erfahren,“ sagte Marie, „daß
+zwischen den Gesetzen Englands und den Gesetzen Gottes ein solcher
+Unterschied obwaltet. Aber ich verspreche Ihnen, daß Sie jederzeit der
+Gebieter sein sollen, und ich verlange keinen andren Lohn dafür, als daß
+Sie das Gebot, welches den Gatten vorschreibt, ihre Frauen zu lieben,
+ebenso befolgen, wie ich das Gebot halte, welches den Frauen
+vorschreibt, ihren Gatten zu gehorchen.“ Dieser Beweis von edelmüthiger
+Zuneigung gewann ihr Wilhelm’s Herz vollständig. Von diesem Augenblicke
+an bis zu dem traurigen Tage, an welchem er ohnmächtig von ihrem
+Sterbebett hinweggetragen wurde, herrschte vollkommene Freundschaft und
+unbegrenztes Vertrauen zwischen ihnen. Viele von ihren Briefen an ihn
+sind noch vorhanden und sie enthalten zahlreiche Beweise, daß es diesem
+Manne, der in den Augen der Menge für so unliebenswürdig galt, gelungen
+war, einer schönen und tugendhaften Frau, welche in Hinsicht der Geburt
+über ihm stand, eine bis zur abgöttischen Verehrung gehende Liebe
+einzuflößen.
+
+Der Dienst, den Burnet seinem Vaterlande erzeigt, war von hoher
+Bedeutung. Es war eine Zeit gekommen, wo es für das Wohl des Staates
+sehr wichtig war, daß zwischen dem Prinzen und der Prinzessin
+vollkommene Eintracht herrschte.
+
+
+[_Beziehungen Wilhelm’s zu den englischen Parteien._] Bis nach der
+Unterdrückung des Aufstandes im Westen hatten ernste Ursachen des
+Zwiespaltes Wilhelm sowohl von den Tories als von den Whigs getrennt. Er
+hatte mit großem Mißfallen die Versuche der Whigs beobachtet, der
+ausübenden Gewalt einige Befugnisse zu entziehen, die er zur
+Aufrechthaltung ihrer Wirksamkeit und ihrer Würde für nöthig hielt. Mit
+noch größerem Mißfallen hatte er die Unterstützung gesehen, welche ein
+großer Theil dieser Partei den Anmaßungen Monmouth’s angedeihen ließ. Es
+schien als ob die Opposition zuerst die Krone Englands des Tragens nicht
+mehr werth machen und sie dann einem Bastard und Betrüger aufs Haupt
+setzen wollte. Zu gleicher Zeit war das religiöse System des Prinzen
+weit verschieden von dem, welchem die Torypartei huldigte. Sie waren
+Arminianer und Prälatisten. Sie sahen mit Verachtung auf die
+protestantischen Kirchen des Continents herab und hielten jede Zeile
+ihrer eignen Liturgie und Rubrica für kaum weniger geheiligt als die
+Evangelien. Seine Ansichten über die metaphysischen Seiten der Theologie
+waren calvinistisch. Seine Ansichten bezüglich der Kirchenverfassungen
+und der gottesdienstlichen Formen waren latitudinarisch. Er gab zu, daß
+das Episcopat eine gesetzliche und zweckmäßige Form des Kirchenregiments
+sei; aber er sprach mit Bitterkeit und Hohn von der Bigotterie Derer,
+welche die bischöfliche Ordination für ein wesentliches Erforderniß
+einer christlichen Gesellschaft hielten. Gegen die durch die Liturgie
+vorgeschriebenen Gewänder und Gesten hatte er keine Bedenken, aber er
+gestand, daß ihm die Gebräuche der anglikanischen Kirche lieber sein
+würden, wenn sie ihn weniger an die Gebräuche der römischen Kirche
+erinnerten. Man hatte ihn ein ominöses Gemurmel von sich geben hören,
+als er in der Privatkapelle seiner Gemahlin zum ersten Male einen Altar
+nach anglikanischer Weise geschmückt sah, und es schien ihm nicht
+sonderlich zu gefallen, als er Hooker’s +Ecclesiastical Policy+ in ihrer
+Hand sah.[12]
+
+ [Anmerkung 12: +Dr.+ Hooper’s handschriftliche Erzählung im
+ Anhange zu Lord Dungannon’s +Life of William+.]
+
+
+[_Seine Gesinnungen gegen England._] Er verfolgte daher lange den Streit
+zwischen den englischen Parteien mit Aufmerksamkeit, aber ohne eine
+starke Vorliebe für die eine oder die andre Partei zu hegen. Er wurde
+auch bis ans Ende seines Lebens in der That niemals weder ein Whig, noch
+ein Tory. Es fehlte ihm das was die gemeinsame Grundlage beider
+Charactere ist, denn er wurde nie ein Engländer. Er rettete zwar
+England, liebte es aber nie und erlangte ebensowenig die Liebe der
+Engländer. Für ihn war es nur ein Verbannungsort, den er mit Widerwillen
+besuchte und mit Freuden verließ. Selbst als er dem Lande die Dienste
+leistete, deren günstige Wirkungen wir bis auf den heutigen Tag fühlen,
+war sein Hauptzweck nicht die Wohlfahrt desselben.
+
+
+[_Seine Gesinnungen gegen Holland und Frankreich._] All’ sein
+patriotisches Gefühl gehörte Holland. Hier befand sich das prächtige
+Grabmal, in welchem der große Staatsmann ruhte, dessen Blut, dessen
+Namen, dessen Character und dessen Genie er geerbt hatte. Hier war der
+bloße Klang seines Namens schon ein Zauberspruch, welcher durch drei
+Generationen die liebevolle Begeisterung der Landleute und Handwerker
+erweckt hatte. Die holländische Sprache war die Sprache seiner
+Kinderstube; unter dem holländischen Adel hatte er seine ersten Freunde
+gewählt; die Vergnügungen, die Bauart und die Gegenden seines
+Heimathlandes wurzelten tief in seinem Herzen. Zu ihm wendete er sich
+immer wieder mit unveränderter Zärtlichkeit von einem stolzeren und
+schöneren Nebenbuhler ab. In den Sälen von Whitehall sehnte er sich nach
+dem traulichen Hause im Busche im Haag und er fühlte sich nie
+glücklicher, als wenn er die Pracht von Windsor mit der bescheidenen
+Einfachheit von Loo vertauschen konnte. Während seiner glänzenden
+Verbannung fand er einigen Trost darin, daß er durch Bauen, Pflanzen und
+Graben um sich her einen Schauplatz schaffen konnte, der ihn an die
+regelmäßigen Gebäude von rothem Backstein, an die langen Kanäle und an
+die symmetrischen Blumenbeete erinnerte, unter denen er seine Jugend
+verlebt hatte. Doch selbst die Liebe zu seinem Vaterlande war einem
+andren Gefühle untergeordnet, welches schon frühzeitig in seiner Seele
+die Oberherrschaft gewann, das sich mit allen seinen Leidenschaften
+vermischte, das ihn zu großartigen Unternehmungen anspornte, das ihn
+aufrecht erhielt, wenn Kränkungen, Schmerzen, Krankheit und Sorgen ihn
+zu Boden drücken wollten, das gegen das Ende seiner Laufbahn einmal
+kurze Zeit erloschen zu sein schien, aber bald heftiger als je wieder
+hervorbrach und ihn noch beseelte, als das Sterbegebet an seinem Lager
+gesprochen wurde. Dieses Gefühl war der Haß gegen Frankreich und den
+prachtliebenden König, der in mehr als einer Hinsicht Frankreich
+repräsentirte und der mit seinen specifisch französischen Tugenden und
+Vorzügen jenen unruhigen, gewissenlosen und dünkelhaften Ehrgeiz
+verband, der zu wiederholten Malen den Zorn ganz Europa’s über
+Frankreich gebracht hat.
+
+Es ist nicht schwer, die Fortschritte des Gefühls zu verfolgen, welches
+nach und nach die Alleinherrschaft in Wilhelm’s Seele erlangte. Als er
+kaum erst dem Knabenalter entwachsen, war sein Vaterland in
+prahlerischem Trotze gegen Recht und Gerechtigkeit überfallen, verwüstet
+und allen Excessen der Raubsucht, Ausschweifung und Grausamkeit
+preisgegeben worden. Die Holländer hatten sich in ihrer Bedrängniß vor
+dem Eroberer gedemüthigt und um Gnade gefleht. Darauf war ihnen der
+Bescheid geworden, daß wenn sie Frieden wünschten, sie ihre
+Selbstständigkeit aufgeben und alljährlich dem Hause Bourbon huldigen
+müßten. Die schwer beleidigte Nation hatte, zur Verzweiflung getrieben,
+ihre Deiche durchbrochen und das Meer als Bundesgenossen gegen die
+französische Tyrannei zu Hülfe gerufen. Mitten in den Greueln dieses
+Kampfes, während die Landleute entsetzt vor den Eroberern flohen,
+während Hunderte von schönen Gärten und Lusthäusern in den Fluthen
+begraben, während die Berathungen der Generalstaaten durch die
+Ohnmachten und das laute Weinen alter Senatoren unterbrochen wurden,
+welche den Gedanken nicht ertragen konnten, die Freiheit und den Ruhm
+ihres Vaterlandes zu überleben, war Wilhelm an die Spitze der Geschäfte
+berufen worden. Eine Zeit lang dünkte ihm jeder Widerstand hoffnungslos.
+Er sah sich vergebens nach Hülfe um. Spanien war ausgesogen, Deutschland
+zerrissen, England bestochen. Es schien dem jungen Statthalter, als ob
+ihm nichts weiter übrig bliebe, als mit dem Schwerte in der Hand zu
+fallen, oder der Aeneas einer großen Völkerwanderung zu werden und in
+Gegenden, welche außer dem Bereiche der Tyrannei Frankreichs lagen, ein
+neues Holland zu gründen. Dann wäre kein Hinderniß mehr vorhanden
+gewesen, das die Fortschritte des Hauses Bourbon hätte hemmen können.
+Noch wenige Jahre und dieses Haus würde seine Besitzungen durch
+Lothringen und Flandern, Castilien und Arragonien, Neapel und Mailand,
+Mexico und Peru vergrößert haben. Ludwig hätte sich dann die Kaiserkrone
+aufsetzen, einen Prinzen seines Hauses auf den Thron Polens erheben und
+der Alleinherrscher in Europa von den scythischen Wüsten bis zum
+Atlantischen Ocean, sowie in Amerika von den Gegenden nördlich vom
+Wendekreis des Krebses bis zu den Gegenden südlich vom Wendekreis des
+Steinbocks werden können. Dies waren die Aussichten, die sich Wilhelm
+darboten, als er in das öffentliche Leben eintrat und welche ihn bis zu
+seinem letzten Tage unaufhörlich verfolgten. Die französische Monarchie
+war für ihn das was die römische Republik für Hannibal, was das
+ottomanische Reich für Scanderbeg, was die südliche Herrschaft für
+Wallace war. Die Religion gab diesem glühenden und unverlöschlichen
+Hasse ihre Weihe. Hunderte von calvinistischen Predigern verkündeten,
+daß die nämliche Macht, welche Simson vom Mutterleibe an dazu bestimmt,
+die Geißel der Philister zu werden, und welche Gideon von der
+Dreschtenne abgerufen, um die Midianiter zu schlagen, Wilhelm von
+Oranien zum Vorkämpfer aller freien Nationen und aller reinen Kirchen
+erkoren habe, und diese Ansicht war nicht ohne Einfluß auf sein Gemüth
+geblieben. Dem Vertrauen, welches dieser heldenmüthige Fatalist in seine
+erhabene Bestimmung und in seine heilige Sache setzte, ist zum Theil
+seine auffallende Gleichgültigkeit gegen jede Gefahr zuzuschreiben. Er
+hatte ein großes Werk zu vollbringen und bis es vollbracht war, konnte
+ihm nichts schaden. Daher kam es auch, daß er trotz der Prophezeiungen
+der Ärzte von hoffnungslos scheinenden Krankheiten genas, daß Schaaren
+von Mördern sich vergebens gegen sein Leben verschworen, daß der offene
+Nachen, dem er sich in sternenloser Nacht auf einem tobenden Ocean an
+einer verrätherischen Küste anvertraute, ihn wohlbehalten ans Land trug
+und daß auf zwanzig Schlachtfeldern die Kanonenkugeln auf allen Seiten
+an ihm vorübersausten. Die Begeisterung und Ausdauer, womit er sich
+seiner Sendung widmete, haben kaum ein Beispiel in der Geschichte.
+Seinem großen Ziele gegenüber achtete er das Leben Anderer ebenso gering
+als sein eigenes. Selbst die menschlichsten und edelmüthigen Soldaten
+jener Zeit waren zu sehr daran gewöhnt, das Blutvergießen und die
+Verheerungen, welche von großen kriegerischen Unternehmungen
+unzertrennlich sind, mit kalter Gleichgültigkeit zu betrachten, und
+Wilhelm’s Herz war nicht allein durch berufsmäßige Unempfindlichkeit,
+sondern auch durch die noch starrere Unempfindlichkeit gestählt, welche
+die Wirkung des Pflichtgefühls ist. Drei große Coalitionen, drei lange
+und blutige Kriege, in denen ganz Europa von der Weichsel bis zum
+westlichen Ocean unter den Waffen stand, sind lediglich seiner
+unbezwinglichen Energie zuzuschreiben. Als im Jahre 1678 die
+Generalstaaten erschöpft und entmuthigt nach Ruhe verlangten, stimmte er
+noch immer dagegen, das Schwert in die Scheide zu stecken, und der
+Friede wurde nur geschlossen, weil er seinen wilden und entschlossenen
+Geist nicht auch Anderen einhauchen konnte. Noch im letzten Augenblicke
+schlug er in der Hoffnung, dadurch die Unterhandlungen abzubrechen, von
+denen er wohl wußte, daß sie dem Abschlusse nahe waren, eine der
+blutigsten und hartnäckigsten Schlachten jener Zeit. Von dem Tage an, wo
+der Friede von Nymwegen unterzeichnet worden war, begann er auf eine
+neue Coalition zu sinnen. Sein Streit mit Ludwig, der nun vom
+Schlachtfelde in das Kabinet versetzt wurde, ward bald durch eine
+Privatfehde noch erbitterter. Die beiden Rivalen waren einander in
+Talenten, Character, Manieren und Ansichten gerade entgegengesetzt.
+Ludwig, fein und würdevoll, verschwenderisch und ausschweifend, ein
+Freund von Prunk und Feind von persönlicher Gefahr, ein freigebiger
+Beschützer der Künste und Wissenschaften und ein grausamer Verfolger der
+Calvinisten, bildete einen auffallenden Contrast mit Wilhelm, der
+einfach in seinen Neigungen, unfreundlich in seinem Benehmen,
+unermüdlich und unerschrocken im Kriege, gleichgültig gegen alle
+Luxuszweige des Wissens und ein entschiedener Anhänger der genfer
+Theologie war. Die beiden Feinde beobachteten nicht lange jene
+Artigkeit, welche Männer ihres Ranges, selbst wenn sie einander an der
+Spitze von Armeen gegenüberstehen, selten aus den Augen setzen. Wilhelm
+gebrauchte zwar die Formalität, daß er Ludwig seine besten Dienste
+anbot; aber diese Höflichkeit wurde nach ihrem wahren Werthe gewürdigt
+und mit einer trocknen Zurückweisung vergolten. Der große König
+verachtete den kleinen Prinzen, der der Diener eines Bundes von
+Handelsstädten war und auf jedes Zeichen von Verachtung antwortete der
+unerschrockene Statthalter mit einer neuen Herausforderung, Wilhelm
+entlehnte seinen Namen, ein Name, den die Ereignisse des
+vorhergegangenen Jahrhunderts zu einem der glänzendsten und berühmtesten
+von ganz Europa gemacht hatten, von einer Stadt, welche nicht weit von
+Avignon an den Ufern der Rhone liegt und die, wie Avignon, obgleich von
+allen Seiten von französischem Gebiet umgeben, doch eigentlich nicht der
+französischen, sondern der kaiserlichen Krone als Lehen gehörte. Ludwig
+besetzte Orange mit der ihm eigenen übermüthigen Verachtung des
+Völkerrechts, schleifte die Befestigungswerke und eignete sich die
+Einkünfte der Stadt zu. Wilhelm erklärte laut bei Tische in Anwesenheit
+vieler Personen, der allerchristlichste König solle diese Beleidigung
+schwer bereuen, und als der Graf von Avaux ihn um eine nähere Erklärung
+dieser Worte bat, weigerte er sich auf das Bestimmteste, sie zu
+widerrufen oder wegzuerklären. Der Streit ging so weit, daß der
+französische Gesandte es nicht wagen durfte, sich im Empfangzimmer der
+Prinzessin blicken zu lassen, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen
+wollte, öffentlich beleidigt zu werden.[13]
+
+Wilhelm’s Gesinnungen gegen Frankreich erklären zugleich seine ganze
+Politik gegen England. Sein Gemeinsinn war ein europäischer. Der
+Hauptgegenstand seiner Sorge war nicht unsre Insel, ja selbst sein
+Geburtsland nicht, sondern die große Gemeinschaft der Nationen, der die
+Unterjochung durch ein zu mächtiges Mitglied drohte. Wer in dem Irrthume
+befangen ist, ihn als einen englischen Staatsmann zu betrachten, muß
+nothwendig sein ganzes Leben in einem falschen Lichte erblicken und wird
+nicht im Stande sein, irgend einen Grundsatz, sei es ein guter oder ein
+schlechter, ein whiggistischer oder ein toryistischer, zu entdecken, auf
+den sich seine wichtigsten Thaten zurückführen ließen. Betrachten wir
+ihn aber als einen Mann, dessen besondere Aufgabe es war, eine Masse von
+schwachen, zerrissenen und entmuthigten Staaten zu einem festen und
+starken Bunde gegen den gemeinsamen Feind zu sammeln, betrachten wir ihn
+als einen Mann, in dessen Augen England namentlich deshalb wichtig war,
+weil ohne dasselbe die von ihm beabsichtigte große Coalition
+unvollständig gewesen sein würde, so werden wir zugeben müssen, daß
+keine langjährige Laufbahn, von der uns die Geschichte erzählt, von
+Anfang bis zu Ende gleichmäßiger war als die dieses großen Fürsten.[14]
+
+ [Anmerkung 13: +Avaux Negotiations+, Aug. 10.(20.), Sept.
+ 14.(24.), Sept. 28. (Oct. 8.), Dec. 7.(17.) 1682.]
+
+ [Anmerkung 14: Ich kann mir das Vergnügen nicht versagen,
+ Massillon’s unfreundliche, aber scharfsinnige und edle
+ Characteristik Wilhelm’s hier anzuführen: +„Un prince profond dans
+ ses vues; habile à former des ligues et à reunir les esprits, plus
+ heureux à exciter les guerres qu’à combattre; plus encore à
+ craindre dans le secret du cabinet, qu’à la tête des armées; un
+ ennemi que la haine du nom Français avait rendu capable d’imaginer
+ de grandes choses et de les exécuter; un de ces génies qui
+ semblent être nés pour mouvoir à leur gré les peuples et les
+ souverains; un grand homme, s’il n’avoit jamais voulu être roi.“+
+ Grabrede auf den Dauphin.]
+
+
+[_Seine Politik durchaus consequent._] Der Leitfaden, den wir jetzt
+besitzen, wird es uns möglich machen, ohne Schwierigkeit den wirklich
+consequenten, obgleich anscheinend zuweilen gewundenen Gang zu
+verfolgen, den er gegen unsere inneren Factionen beobachtete. Er
+erkannte deutlich, was übrigens auch weit weniger scharfsichtigen Leuten
+als er war, nicht entging, daß das Unternehmen, an dem er mit ganzer
+Seele hing, wahrscheinlich gelingen würde, wenn England auf seiner Seite
+wäre, daß der Ausgang ungewiß sein würde, wenn England neutral bliebe,
+und daß es hoffnungslos sein würde, wenn England handelte, wie es in den
+Tagen der Cabale gehandelt hätte. Nicht weniger deutlich sah er, daß
+zwischen der äußeren und der inneren Politik Englands ein enger
+Zusammenhang stattfand, daß der Regent dieses Landes, wenn er mit dem
+gesetzgebenden Körper harmonirte, stets einen großen Einfluß auf die
+Angelegenheiten der Christenheit ausüben und daß ihm offenbar daran
+gelegen sein mußte, der ungebührlichen Machtvergrößerung irgend eines
+festländischen Potentaten entgegenzuwirken; daß auf der andren Seite der
+Souverain, wenn der gesetzgebende Körper ihm nicht traute und ihn in
+seinen freien Bewegungen hemmte, in der europäischen Politik nur von
+geringem Gewicht sein konnte und daß dieses ganze kleine Gewicht in die
+falsche Wagschale fallen würde. Der erste Wunsch des Prinzen war daher:
+Eintracht zwischen dem Throne und dem Parlamente. Wie diese Eintracht
+herzustellen war und auf welcher Seite Zugeständnisse gemacht werden
+mußten, dies waren seiner Ansicht nach Fragen von untergeordneter
+Bedeutung. Allerdings würde es ihm am liebsten gewesen sein, wenn eine
+vollständige Aussöhnung hätte bewirkt werden können, ohne einen
+Buchstaben von der Prärogative zu opfern, denn er hatte an der
+ungeschmälerten Aufrechthaltung derselben ein anwartschaftliches
+Interesse, und war von Natur mindestens eben so herrschsüchtig und ein
+eben so großer Feind von Beschränkung, als irgend ein Stuart. Aber es
+gab kein Kleinod der Krone, das er nicht, selbst nachdem sie auf sein
+eignes Haupt gesetzt worden, bereitwilligst zum Opfer gebracht hätte,
+wenn er überzeugt sein konnte, daß ein solches Opfer zur Erreichung
+seines großen Zieles unumgänglich nöthig war. Daher empfahl er auch der
+Regierung in den Tagen des papistischen Complots Nachgiebigkeit,
+obgleich er die Heftigkeit mißbilligte, mit der die Opposition die
+königliche Autorität angriff. Das Verfahren der Gemeinen bezüglich der
+inneren Angelegenheiten, sagte er, sei höchst unverständig, aber so
+lange die Gemeinen unzufrieden seien, könnten die Freiheiten Europa’s
+nicht sicher sein und dieser überwiegenden Rücksicht müsse jede andre
+weichen. Nach diesen Grundsätzen handelte er, als die Ausschließungsbill
+die ganze Nation erschütterte. Man hat keinen Grund zu der Annahme, daß
+er die Opposition aufgemuntert habe, diese Bill einzubringen oder die
+wiederholt gemachten Vergleichsvorschläge des Thrones zurückzuweisen.
+Als es aber klar wurde, daß, wenn diese Bill nicht durchging, ein
+ernster Bruch zwischen den Gemeinen und dem Hofe entstehen mußte, sprach
+er deutlich, obwohl mit gebührender Mäßigung, seine Ansicht dahin aus,
+daß man sich um jeden Preis mit den Vertretern des Volks versöhnen
+müsse. Als ein heftiger und reißender Umschwung der öffentlichen Meinung
+die Whigpartei eine Zeit lang völlig hilflos gelassen hatte, versuchte
+er es sein großes Ziel auf einem andren Wege zu erreichen, der seiner
+Natur vielleicht besser zusagte als der vorher betretene. Die veränderte
+Stimmung der Nation bot wenig Aussicht dar, daß ein Parlament gewählt
+werden würde, das geneigt war, die Wünsche des Souverains zu
+durchkreuzen. Karl war eine Zeit lang Herr. Ihn zu gewinnen, war daher
+des Prinzen erster Wunsch. Im Sommer 1683, fast in dem Augenblicke, als
+die Entdeckung des Ryehousecomplots die Niederlage der Whigs und den
+Sieg des Königs vollständig machte, traten anderwärts Ereignisse ein,
+welche Wilhelm nicht ohne die größte Angst und Besorgniß mit ansehen
+konnte. Die türkischen Heere rückten bis an die Vorstädte Wiens heran.
+Die große österreichische Monarchie, auf deren Unterstützung der Prinz
+gerechnet hatte, schien ihrem Untergange nahe zu sein. Bentinck wurde
+daher schleunigst vom Haag nach London gesandt, mit dem Auftrage nichts
+zu versäumen, was nöthig sein konnte, um den englischen Hof zu gewinnen,
+und ganz besonders war er angewiesen, in den stärksten Ausdrücken den
+Abscheu seines Gebieters gegen die Whigverschwörung zu versichern.
+
+Während der nächsten achtzehn Monate war einige Hoffnung, daß der Einfuß
+Halifax’ überwiegen und daß der Hof von Whitehall zur Politik der
+Tripleallianz zurückkehren werde. An diese Hoffnung klammerte sich
+Wilhelm mit Vorliebe an und sparte keine Mühe, um Karl günstig zu
+stimmen. Die gastliche Aufnahme, welche Monmouth im Haag fand, muß
+hauptsächlich dem ernstlichen Bestreben des Prinzen, die wirklichen
+Wünsche von Monmouth’s Vater zu erfüllen, zugeschrieben werden. Sobald
+Karl gestorben war, schlug Wilhelm in unabänderlicher Verfolgung seines
+Zieles wieder ein andres Verfahren ein. Er hatte Monmouth aufgenommen,
+um dem verstorbenen Könige zu gefallen; damit nun der gegenwärtige König
+keine Ursache zu Beschwerden haben sollte, wurde Monmouth fortgeschickt.
+Wir haben gesehen, daß beim Ausbruche des Aufstandes im Westen die in
+holländischen Diensten stehenden britischen Regimenter durch die
+thätigen Bemühungen des Prinzen auf die erste Aufforderung in ihre
+Heimath zurückgesandt wurden. Wilhelm erbot sich sogar, persönlich ein
+Commando gegen die Rebellen zu übernehmen, und daß dieses Anerbieten
+vollkommen aufrichtig gemeint war, kann von Niemandem, der seine
+vertraulichen Briefe an Bentinck gelesen hat, bezweifelt werden.[15]
+
+Der Prinz gab sich zu dieser Zeit augenscheinlich der Hoffnung hin, daß
+der große Plan, dem in seinem Geiste alles Andre untergeordnet war, den
+Beifall und die Unterstützung seines Schwiegervaters erhalten werde. Der
+hohe Ton, den Jakob damals gegen Frankreich annahm, die
+Bereitwilligkeit, mit der er sich zu einem Defensivbündnisse mit den
+Vereinigten Provinzen verstand, und seine Geneigtheit zu einer
+Verbindung mit dem Hause Österreich bestärkten diese Erwartung. Aber
+bald verfinsterte sich der Horizont. Die Entlassung Halifax’, der Bruch
+zwischen Jakob und dem Parlamente, die Prorogation desselben und die
+ausdrückliche Erklärung, welche der König den auswärtigen Gesandten gab,
+daß die festländische Politik seine Aufmerksamkeit nicht länger von
+inneren Maßregeln zur Befestigung seiner Hoheitsrechte und zur Förderung
+der Interessen seiner Kirche ablenken sollte, machten der Täuschung ein
+Ende. Es war klar, daß England, wenn Jakob sein Beherrscher war, im Fall
+einer europäischen Krisis entweder unthätig bleiben oder im Einklange
+mit Frankreich handeln würde. Und die europäische Krisis rückte immer
+näher. Das Haus Österreich war durch eine Reihe von Siegen gegen fernere
+Gefahr von Seiten der Türkei gesichert worden und hatte daher nicht mehr
+nöthig, die Übergriffe und Beleidigungen Ludwig’s geduldig zu ertragen.
+
+ [Anmerkung 15: Zum Beispiel: +„Je crois M. Feversham un très brave
+ et honeste homme. Mais je doute s’il a assez d’expérience à
+ diriger une si grande affaire qu’il a sur le bras. Dieu lui donne
+ un succès prompt et heureux. Mais je ne suis pas hors
+ d’inquiétude.“+ -- 7.(17.) Juli 1685. Als er die Nachricht von der
+ Schlacht von Sedgemoor erhalten hatte, schrieb er wieder: +„Dieu
+ soit loué du bon succès que les troupes du Roy ont eu contres les
+ rebelles. Je ne doute pas que cette affaire ne soit entièrement
+ assoupie, et que le règne du Roy sera heureux, ce que Dieu
+ veuille.“+ -- 10.(20.) Juli.]
+
+
+[_Vertrag von Augsburg._] In Folge dessen wurde im Juli 1686 zu Augsburg
+ein Vertrag unterzeichnet, durch den sich die Fürsten des Reichs zum
+Zwecke gegenseitiger Vertheidigung eng verbanden. Die Könige von Spanien
+und von Schweden waren diesem Bunde ebenfalls beigetreten, der König von
+Spanien als Besitzer der im burgundischen Kreise liegenden Provinzen,
+der König von Schweden als Herzog von Pommern. Die Verbündeten
+erklärten, daß sie nicht die Absicht hätten irgend eine Macht
+anzugreifen oder irgend eine zu beleidigen, daß sie aber entschlossen
+seien, keine Verletzung der Rechte zu dulden, welche das deutsche Reich
+unter Sanction des Völkerrechts und der öffentlichen Treue besitze. Sie
+verpflichteten sich, einander im Falle der Noth beizustehen und
+bestimmten das Truppencontingent, das jedes Mitglied des Bundes stellen
+mußte, wenn es nöthig werden sollte, einen Angriff zurückzuweisen.[16]
+Der Name Wilhelm’s war in dieser Urkunde nicht genannt aber Jedermann
+wußte, daß sie sein Werk war und sah voraus, daß er in nicht langer Zeit
+wieder an der Spitze einer Coalition gegen Frankreich stehen werde.
+Zwischen ihm und dem Vasallen Frankreichs konnte unter solchen Umständen
+kein herzliches Einvernehmen stattfinden. Es erfolgte zwar kein offener
+Bruch und kein Austausch von Drohungen oder Vorwürfen; aber
+Schwiegervater und Schwiegersohn waren vollständig und für immer
+geschieden.
+
+ [Anmerkung 16: Der Vertrag ist in dem +Recueil des Traités, IV.
+ No. 209+ zu finden.]
+
+
+[_Wilhelm wird das Oberhaupt der englischen Opposition._] Gerade zu der
+Zeit, als der Prinz so dem englischen Hofe entfremdet wurde,
+verschwanden die Ursachen, welche bisher eine Kälte zwischen ihm und den
+beiden großen Parteien des englischen Volks hervorgerufen hatten. Ein
+großer Theil, der Zahl nach vielleicht die Mehrheit der Whigs, hatte die
+Ansprüche Monmouth’s begünstigt, aber Monmouth existirte jetzt nicht
+mehr. Die Tories auf der andren Seite hatten gefürchtet, die Interessen
+der anglikanischen Kirche mochten unter der Leitung eines Mannes nicht
+sicher sein, der unter holländischen Presbyterianern aufgewachsen und
+dessen Ansichten über die Gewänder, die Ceremonien und die Bischöfe als
+latitudinarisch wohl bekannt waren; seitdem aber jener geliebten Kirche
+von einer ganz andren Seite weit furchtbarere Gefahren drohten, hatten
+diese Befürchtungen fast ihre ganze Kraft verloren. So kam es, daß beide
+große Parteien in dem nämlichen Augenblicke ihre Hoffnungen und ihre
+Liebe auf den nämlichen Führer zu richten begannen. Alte Republikaner
+konnten ihr Vertrauen einem Manne nicht versagen, der viele Jahre
+hindurch das höchste Amt einer Republik würdig bekleidet hatte, und alte
+Royalisten sahen ein, daß sie in Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen
+handelten, wenn sie einem dem Throne so nahe gehenden Prinzen die
+tiefste Ehrerbietung bezeigten. Unter diesen Umständen war es von
+höchster Wichtigkeit, daß zwischen Wilhelm und Marien die vollkommenste
+Einigkeit herrschte. Eine Mißhelligkeit zwischen der präsumtiven
+Thronerbin und ihrem Gemahl hätte in der großen Masse, die sich von
+allen Seiten her um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt schaarte, eine
+Spaltung hervorbringen müssen. Zum Glück wurde jede Gefahr einer solchen
+Mißhelligkeit im entscheidenden Augenblicke durch Burnet’s
+Dazwischenkunft beseitigt und der Prinz wurde das unbestrittene Haupt
+der ganzen Partei, welche der Regierung feindlich gegenüberstand, einer
+Partei, welche fast die ganze Nation in sich begriff.
+
+Es ist nicht der mindeste Grund zu der Annahme vorhanden, daß er schon
+um diese Zeit das große Unternehmen im Sinne hatte, zu dem ihn später
+die gebieterische Nothwendigkeit trieb. Er wußte sehr gut, daß die
+öffentliche Stimmung in England, wenn auch durch Kränkungen gereizt,
+doch zu einer Revolution keineswegs reif war. Gewiß würde er gern das
+Ärgerniß vermieden haben, das ein blutiger Streit zwischen Personen,
+welche durch die engsten Bande der Blutsverwandtschaft und der
+Verschwägerung an einander gekettet waren, nothwendig erregen mußte.
+Auch sein Ehrgeiz ließ es ihm nicht wünschenswerth erscheinen, die
+Größe, die im gewöhnlichen Laufe der Natur und des Rechts ihm zufallen
+konnte, einer Gewaltthätigkeit zu verdanken, denn er wußte jetzt, daß,
+wenn die Krone auf regelmäßigem Wege auf seine Gemahlin überging,
+zugleich mit derselben auch alle ihre Vorrechte ungeschmälert auf ihn
+selbst übergehen würden, daß sie aber, wenn sie durch eine Wahl erlangt
+wurde, unter den Bedingungen angenommen werden mußte, welche die Wähler
+zu stellen für gut fanden. Er schien daher geduldig den Tag erwarten zu
+wollen, wo er mit unbestrittenem Rechte die Regierung antreten konnte,
+und sich bis dahin darauf zu beschränken, als erster Prinz von Geblüt
+und als Oberhaupt der Partei, welche in der Nation entschieden das
+Übergewicht hatte, und die auch darauf rechnen konnte, in beiden Häusern
+eines zu versammelnden Parlaments entschieden zu überwiegen, einen
+großen Einfluß auf die englischen Angelegenheiten auszuüben.
+
+
+[_Mordaunt schlägt Wilhelm eine Landung in England vor._] Indessen war
+er bereits durch einen Rathgeber, der weniger scharfsichtig, aber
+ungestümer war als er selbst, gedrängt worden, einen kühneren Weg
+einzuschlagen. Dieser Rathgeber war der junge Lord Mordaunt. Das
+damalige Zeitalter hat kein erfinderischeres Genie und keinen
+verwegeneren Geist hervorgebracht. Aber wenn ein Plan nur glänzend war,
+so fragte Mordaunt selten danach, ob er auch ausführbar sein würde, sein
+ganzes Leben war ein wilder Roman, zusammengesetzt aus geheimnißvollen
+Intriguen der Politik und der Liebe, aus heftigen und schnellen Wechseln
+des Schauplatzes und des Glücks, und aus Siegen, welche mehr denen eines
+Amadis und eines Lancelot, als denen eines Luxemburg und eines Eugen
+glichen. Die Episoden, welche mit dieser seltsamen Lebensgeschichte
+verflochten waren, entsprachen ganz der Hauptintrigue. Es waren darunter
+nächtliche Kämpfe mit edelmüthigen Räubern und Befreiungen vornehmer und
+schöner Damen aus den Händen von Entführern. Nachdem sich Mordaunt durch
+die Beredtsamkeit und Kühnheit ausgezeichnet, mit der er im Hause der
+Lords gegen den Hof aufgetreten war, zog er sich bald nach der
+Prorogation nach dem Haag zurück und empfahl dringend eine unverzügliche
+Landung in England. Er bildete sich ein, es sei eben so leicht, drei
+große Königreiche zu überrumpeln, als es ihm lange nachher wurde,
+Barcellona zu nehmen.
+
+
+[_Wilhelm verwirft den Rath._] Wilhelm hörte ihn an, überlegte sich die
+Sache und erwiederte endlich in allgemeinen Ausdrücken, er interessire
+sich sehr für die englischen Angelegenheiten und werde dieselben scharf
+im Auge behalten.[17] Was aber auch seine Absicht sein mochte, es ist
+nicht anzunehmen, daß er einen voreiligen und hitzköpfigen fahrenden
+Ritter zu seinem Vertrauten erwählt haben würde. Die beiden Männer
+hatten nichts mit einander gemein als persönlichen Muth, der bei ihnen
+bis zum fabelhaften Heroismus ging, Mordaunt wollte lediglich die
+Aufregung des Kampfes genießen und die Menschen in Erstaunen setzen,
+Wilhelm hatte beständig ein erhabenes Ziel vor Augen. Nach diesem Ziele
+trieb ihn eine gewaltige Leidenschaft, die ihn im Gewande einer heiligen
+Pflicht erschien. Auf dieses Ziel steuerte er mit einer Geduld hin, die,
+wie er einmal sagte, der Geduld eines Bootsführers glich, den er auf
+einem Kanale gegen eine widrige Strömung hatte ankämpfen sehen, der
+immer wieder zurückgeworfen wurde, aber nicht aufhörte zu rudern und
+zufrieden war, wenn er nach stundenlanger Arbeit um einige Yards
+vorwärts gekommen war.[18] Heldenthaten, die ihn seinem Ziele nicht
+näher brachten, mochten sie in den Augen des großen Haufens noch so
+ruhmvoll sein, waren seiner Ansicht nach kindische Eitelkeiten, aber
+kein Theil der wahren Aufgabe des Lebens.
+
+Er beschloß, Mordaunt’s Rath zu verwerfen und es kann keinem Zweifel
+unterliegen, daß dies ein weiser Entschluß war. Hätte Wilhelm im Jahre
+1686 oder selbst 1687 das versucht, was er 1688 mit so glänzendem
+Erfolge unternahm, so würden zwar vielleicht auf seinen Ruf viele Whigs
+zu den Waffen gegriffen haben, aber er würde bald gesehen haben, daß die
+Nation noch nicht hinreichend vorbereitet war, um einen bewaffneten
+Befreier aus fremdem Lande willkommen zu heißen, und daß die Kirche noch
+nicht genugsam gereizt und beleidigt worden war, damit sie den
+Grundsatz, der seit so langer Zeit ihr Losungswort war, schon hätte
+vergessen haben können. Die alten Kavaliere würden sich um das
+königliche Banner geschaart haben und es würde wahrscheinlich in allen
+drei Königreichen ein eben so langer und heftiger Bürgerkrieg als der
+unter der vorigen Generation ausgebrochen sein. Während dieser Krieg auf
+den britischen Inseln wüthete, was konnte Ludwig inzwischen nicht Alles
+auf dem Continent versuchen? Und welche Aussichten hätte dann Holland
+gehabt, das von seinen Truppen entblößt und von seinem Statthalter
+verlassen gewesen wäre?
+
+ [Anmerkung 17: +Burnet I. 762.+]
+
+ [Anmerkung 18: +Temple’s Memoirs.+]
+
+
+[_Unzufriedenheit in England nach dem Sturze der Hyde._] Wilhelm
+begnügte sich daher für jetzt, Maßregeln zu ergreifen, um der mächtigen
+Opposition, deren Oberhaupt er geworden war, Einigkeit und Lebenskraft
+einzuhauchen. Dies war nicht schwer. Der Fall der Hyde hatte durch ganz
+England eine heftige Aufregung und Entrüstung hervorgerufen. Man fühlte,
+daß es sich jetzt nicht mehr darum handelte, ob der Protestantismus
+herrschen, sondern ob er geduldet werden sollte. An die Stelle des
+Schatzmeisters war eine Commission getreten, deren Oberhaupt ein Papist
+war. Das Geheimsiegel war einem Papisten anvertraut worden und der
+Nachfolger des Lordlieutenants von Irland war ein Mann, der durchaus
+keinen andren Anspruch auf einen so hohen Posten hatte, als daß er
+Papist war. Tyrconnel wäre der Letzte gewesen, den eine Regierung,
+welcher das allgemeine Wohl des Landes am Herzen lag, nach Dublin als
+Stellvertreter geschickt hätte. Seine brutalen Manieren machten ihn
+geradezu unfähig, die Majestät der Krone zu repräsentiren. Sein
+beschränkter Verstand und sein heftiges Temperament machten ihn
+untauglich, wichtige Staatsgeschäfte zu leiten. Sein unversöhnlicher Haß
+gegen die Besitzer des größeren Theiles des irischen Grund und Bodens
+machte ihn ganz untauglich, gerade dieses Land zu verwalten. Aber die
+Maßlosigkeit seiner Bigotterie wurde als ein genügender Ersatz für die
+Maßlosigkeit seiner anderen Leidenschaften betrachtet und aus Rücksicht
+auf seinen Haß gegen den reformirten Glauben gestattete man ihm, seinem
+Hasse gegen den englischen Namen freien Lauf zu lassen. Dies war also
+der wirkliche Sinn der Achtung Seiner Majestät vor den Rechten der
+Überzeugung! Er wollte, daß sein Parlament alle den Papisten auferlegte
+Ausschließungen beseitigte, nur damit _er_ gleich drückende
+Ausschließungen über die Protestanten verhängen konnte. Es war klar, daß
+unter einem solchen Fürsten Glaubensabfall der einzige Weg zur Größe
+sein konnte. Dennoch wagten es nur Wenige, diesen Weg einzuschlagen,
+denn der Geist der Nation war furchtbar aufgeregt, und jeder Renegat
+hatte ein solches Maß von Hohn und Verachtung zu ertragen, daß auch die
+verhärtetsten Naturen nicht ganz unempfindlich dagegen bleiben konnten.
+
+
+[_Bekehrungen zum Papismus; Peterborough, Salisbury._] Allerdings hatten
+erst kürzlich mehrere bemerkenswerthe Übertritte stattgefunden; aber sie
+waren von der Art, daß sie der römischen Kirche wenig Ehre machten. Zwei
+vornehme Männer hatten sich in ihren Schooß aufnehmen lassen: Heinrich
+Mordaunt, Earl von Peterborough und Jakob Cecil, Earl von Salisbury.
+Aber Peterborough, früher ein thätiger Soldat, Hofmann und Diplomat, war
+jetzt durch Alter und Krankheit gebeugt und wer ihn, auf einen Stock
+gestützt und in Flanell und Pflaster eingehüllt, durch die Gallerien von
+Whitehall hinken sah, tröstete sich über seinen Abfall damit, daß er
+seinen Glauben erst gewechselt, nachdem er seine Körper- und
+Geisteskräfte überlebt hatte.[19] Salisbury war sprüchwörtlich albern.
+Sein Körper war in Folge sinnlicher Genüsse dermaßen aufgeschwollen, daß
+er sich fast nicht mehr bewegen konnte, und dieser träge Körper war der
+Wohnsitz eines eben so trägen Geistes. In populären Spottliedern war er
+als ein Mensch dargestellt, der dazu geschaffen war, betrogen zu werden,
+als ein Mensch, der bisher die Beute von Spielern gewesen und der eben
+so gut die Beute von Mönchen werden konnte. Ein Pasquill, das zur Zeit
+von Rochester’s Rücktritt an die Thür von Salisbury House am Strand
+angeheftet wurde, schildert in starken Ausdrücken das Entsetzen, mit dem
+der weise Robert Cecil, wenn er aus seinem Grabe auferstehen könnte,
+sehen würde, auf was für ein Geschöpf seine Würden und Ehren gekommen
+waren.[20]
+
+ [Anmerkung 19: Siehe die beiden Gedichte, betitelt: +The Converts+
+ und +The Delusion+.]
+
+ [Anmerkung 20: Die Verse befinden sich in der +Collection of State
+ Poems+.]
+
+
+[_Wycherley, Tindal, Haines._] Dies waren im Range die höchststehenden
+von Jakob’s Proselyten. Außerdem gab es noch Renegaten ganz andrer Art,
+unbemittelte Leute von Talent, die aber keine Grundsätze und keine Spur
+von Ehrgefühl besaßen. Man hat Grund zu glauben, daß Wilhelm Wycherley,
+der zügelloseste und hartherzigste Schriftsteller einer ganz besonders
+zügellosen und hartherzigen Schule, zu diesen gehörte.[21] Gewiß ist,
+daß Matthäus Tindal, der sich später durch seine Schriften gegen das
+Christenthum einen Namen machte, um diese Zeit in den Schooß der
+alleinseligmachenden Kirche aufgenommen wurde, ein Schritt, den, wie man
+leicht denken kann, die Theologen, mit denen er nachmals polemisirte,
+nicht vergessen hatten.[22] Ein noch ehrloserer Apostat war Joseph
+Haines, dessen Name jetzt so gut wie vergessen ist, der aber damals als
+ein Abenteurer von vielseitiger Begabung, als Gauner, Falschmünzer,
+falscher Zeuge, falscher Bürge, Tanzmeister, Possenreißer, Dichter
+und Schauspieler wohl bekannt war. Einige von seinen Prologen und
+Epilogen wurden von seinen Zeitgenossen viel bewundert und sein
+Schauspielertalent war allgemein anerkannt. Dieser Mann wurde Katholik,
+ging im Gefolge Castelmaine’s mit nach Italien, wurde aber bald wegen
+schlechter Aufführung wieder entlassen. Wenn man einer Tradition glauben
+darf, die sich lange im Garderobezimmer erhalten hat, so hatte Haines
+die Frechheit zu behaupten, daß ihm die Jungfrau Maria erschienen sei
+und ihn zur Buße aufgefordert habe. Nach der Revolution versuchte er es
+sich mit der Stadt durch eine Buße auszusöhnen, die noch skandalöser war
+als sein Vergehen. Eines Abends, ehe er in einer Posse auftrat, erschien
+er in ein weißes Betttuch gehüllt und mit einer Kerze in der Hand auf
+der Bühne und trug einige gottlose, unanständige Knittelverse vor, die
+er seinen Widerruf nannte.[23]
+
+ [Anmerkung 21: Die Nachrichten, die wir über Wycherley haben, sind
+ äußerst dürftig; zweierlei aber ist gewiß: daß er sich in seinen
+ späteren Jahren einen Papisten nannte und daß er von Jakob Geld
+ erhielt. Ich zweifle kaum daran, daß er ein bezahlter Convertit
+ war.]
+
+ [Anmerkung 22: Siehe den Artikel über ihn in der +Biographia
+ Britannica+.]
+
+ [Anmerkung 23: Siehe Jakob Quin’s Bericht über Haines in +Davies’s
+ Miscellanies+; +Tom Brown’s Works+; +Lives of Sharpers+; Dryden’s
+ Epilog zu der +Secular Masque+.]
+
+
+[_Dryden._] Mit dem Namen Haines wurde in vielen Libellen der Name eines
+berühmteren Renegaten, Johann Dryden’s verbunden. Dryden näherte sich
+jetzt dem Abend seines Lebens. Nach vielen Erfolgen und vielen
+Enttäuschungen hatte er endlich mit allgemeiner Zustimmung die erste
+Stelle unter den lebenden Dichtern Englands erhalten. Er hatte größere
+Ansprüche auf den Dank Jakob’s als irgend ein andrer Schriftsteller des
+Königreichs. Doch Jakob war an Versen wenig, sehr viel aber am Gelde
+gelegen. Vom Tage seiner Thronbesteigung an bemühte er sich kleine
+Ersparnisse zu machen, welche einer Regierung den Vorwurf der Knauserei
+zuziehen, ohne die Finanzlast merklich zu erleichten. Zu den Opfern
+seiner unverständigen Sparsamkeit gehörte auch der +Poeta Laureatus+. Es
+wurde Befehl gegeben, daß in dem neuen Diplom, welches durch die
+Erledigung der Krone nöthig geworden war, das jährlich gespendete Faß
+Sect, das ursprünglich Jonson bewilligt und auch dessen Nachfolgern
+zugestanden worden war, weggelassen werden sollte.[24] Dies war die
+einzige Notiz, welche der König im ersten Jahre seiner Regierung von dem
+gewaltigen Satiriker zu nehmen geruhte, der im kritischesten Augenblicke
+des großen Kampfes wegen der Ausschließungsbill in den Reihen der Whigs
+Schrecken verbreitet hatte. Dryden war arm und seine Armuth drückte ihn
+nieder. Von Religion wußte er wenig und kümmerte sich auch nicht darum.
+Wenn irgend ein Gefühl tief in seiner Brust wurzelte, so war es der
+Widerwille gegen die Priester jeden Glaubens, gegen Leviten, Auguren,
+Muftis, römisch-katholische Geistliche, presbyterianische und
+anglikanische Geistliche. Er war von Natur kein hochherziger Mann, und
+seine Bestrebungen waren nicht von der Art, daß sie seinem Sinne höhere
+Würde und größeres Zartgefühl verleihen konnten. Er hatte viele Jahre
+lang sich seinen Unterhalt dadurch erworben, daß er dem verderbten
+Geschmacke des Publikums diente und reichen, adeligen Gönnern auf die
+plumpste Manier schmeichelte. Selbstachtung und ein feines
+Schicklichkeitsgefühl konnte man von einem Manne, der das Leben eines
+Bettlers und Speichelleckers geführt hatte, nicht erwarten. Da er die
+Bemerkung machte, daß seine Dienste unbeachtet bleiben würden, wenn er
+fortführe sich einen Protestanten zu nennen, so erklärte er sich zum
+Papisten. Augenblicklich ließ die Knauserei des Königs nach. Dryden
+wurde mit einem Jahrgelde von hundert Pfund belohnt und dazu verwendet,
+seine neue Religion in Prosa und in Versen zu vertheidigen.
+
+Zwei ausgezeichnete Männer, Samuel Johnson und Walter Scott, haben ihr
+Möglichstes gethan, um sich selbst und Andere zu überreden, daß dieser
+denkwürdige Glaubenswechsel aufrichtig war. Es war natürlich, daß sie
+einen Schandfleck von dem Gedächtnisse eines Mannes verwischen
+wollten, dessen Genie sie mit Recht bewunderten und mit dessen
+politischen Ansichten sie stark sympathisirten; der unparteiische
+Geschichtsschreiber aber muß ein ganz andres Urtheil aussprechen. Es
+wird jederzeit starker Zweifel gegen die Aufrichtigkeit einer Bekehrung
+erhoben werden, durch welche der Bekehrte unmittelbar gewinnt. Und in
+Dryden’s Falle ist nichts vorhanden, was diesen Zweifel entkräften
+konnte. Seine theologischen Schriften beweisen zur Genüge, daß er sich
+nie fleißig und ernstlich bemüht hat, die Wahrheit zu ergründen, und daß
+seine Kenntniß der Kirche, die er verließ, wie auch der, zu der er
+übertrat, höchst oberflächlich war. Eben so wenig benahm er sich in der
+Folge wie ein Mann, den ein starkes Pflichtgefühl zu einem Schritte von
+so hochwichtiger Bedeutung bewogen hatte. Wäre er ein solcher Mann
+gewesen, so würde die nämliche Überzeugung, die ihn in den Schooß der
+römischen Kirche geführt hatte, ihn abgehalten haben, allgemeine Regeln,
+welche diese Kirche in Übereinstimmung mit jeder andren christlichen
+Gemeinschaft als bindend anerkennt, gröblich und gewohnheitsmäßig zu
+verletzen. Es würde ein merklicher Unterschied zwischen seinen früheren
+und seinen späteren Werken zu erkennen gewesen sein; er würde mit Reue
+auf seine fast dreißigjährige literarische Laufbahn zurückgeblickt
+haben, während welcher er seine seltenen Talente für die Diction und den
+Versbau systematisch zur Verbreitung der Sittenverderbniß angewendet
+hatte. Nicht eine Zeile, welche darauf hinzielte, die Tugend verächtlich
+zu machen und unreine Begierden zu entzünden, würde von diesem
+Augenblicke an mehr aus seiner Feder geflossen sein. Leider aber ist es
+nur zu wahr, daß die Dramen, welche er nach seiner angeblichen Bekehrung
+schrieb, in keiner Hinsicht weniger unrein und profan sind, als die
+seiner Jugend. Selbst in seinen Übersetzungen wich er beständig von den
+Originalen ab, um Bilder aufzusuchen, die er hätte übergehen müssen,
+wenn er sie in den Originalen gefunden hätte. Das Schlechte wurde durch
+seine Übertragungen noch schlechter, und das Unschuldige wurde durch die
+Berührung mit seinem Geiste befleckt. Er machte die derbsten Satiren
+Juvenal’s noch derber, schob in die Erzählungen Boccacio’s schlüpfrige
+Schilderungen ein und befleckte die liebliche und reine Poesie der
+Georgica mit Schmutz, der Vergil’s Ekel erregt haben würde.
+
+Dryden’s Beistand war denjenigen römisch-katholischen Theologen
+willkommen, welche gegen die ausgezeichnetsten Männer der Staatskirche
+mit Mühe einen Kampf unterhielten. Sie konnten es sich nicht verhehlen,
+daß ihr durch ausländische, in Rom oder Douay aufgelesene Ausdrücke
+entstellter Styl der Beredtsamkeit eines Tillotson und Sherlock
+gegenüber eben in keinem vortheilhaften Lichte erschien. Man glaubte es
+nicht gering anschlagen zu dürfen, daß man die Mitwirkung des größten
+lebenden Meisters der englischen Sprache gewonnen hatte. Der erste
+Dienst, der von ihm zum Dank für die bewilligte Pension verlangt wurde,
+war eine in Prosa geschriebene Vertheidigung seiner Kirche gegen
+Stillingfleet. Aber einem Manne, der nichts zu sagen weiß, hilft das
+Talent, Alles gut sagen zu können, nichts, und in diesem Falle befand
+sich Dryden. Er sah bald ein, daß er einem Gegner, dessen ganzes Leben
+ein langes Studium der Polemik gewesen, nicht gewachsen war. Der
+langgediente Gladiator entwaffnete den Neuling, versetzte ihm mit
+Verachtung einige Hiebe und wendete sich dann von ihm ab, um
+achtunggebietenderen Kämpfern entgegenzutreten.
+
+ [Anmerkung 24: Diese Thatsache, welche den genauen Forschungen
+ Malone’s entging, ergiebt sich aus dem Briefbuche des Schatzamts
+ von 1685.]
+
+
+[_+„The Hind and Panther.“+_] Jetzt griff Dryden zu einer Waffe, in der
+er schwerlich einen ebenbürtigen Gegner zu fürchten hatte. Er zog sich
+auf einige Zeit von dem Geräusch der Kaffeehäuser und Theater in einen
+ruhigen Winkel von Huntingdonshire zurück und schrieb dort mit
+ungewohnter Sorgfalt und Anstrengung sein berühmtes Gedicht über die
+zwischen der römischen und anglikanischen Kirche obschwebenden
+Streitpunkte. Die römische Kirche ist darin bildlich als eine milchweiße
+Hindin dargestellt, die beständig in Lebensgefahr schwebt, aber dazu
+bestimmt ist, nicht zu sterben. Die Thiere des Feldes sannen auf ihr
+Verderben. Der zitternde (+quaking+) Hase beobachtete eine furchtsame
+Neutralität, aber der socinianische Fuchs, der presbyterianische Wolf,
+der independente Bär und der anabaptistische Eber schossen hämische
+Blicke auf das makellose Geschöpf. Unter dem Schutze ihres Freundes, des
+königlichen Löwen, konnte sie es indessen wagen, mit ihnen aus der
+nämlichen Quelle zu trinken. Die anglikanische Kirche war als Panther
+dargestellt, der zwar Flecken hat, aber schön, für ein Raubthier nur zu
+schön ist. Hindin und Panther, von der blutdürstigen Bevölkerung des
+Waldes in gleichem Grade gehaßt, beriethen sich im Stillen über ihre
+gemeinsame Gefahr. Dann gingen sie zur Discussion der Punkte über, in
+denen sie verschiedener Ansicht waren, und hielten, mit dem Schwanze
+wedelnd und sich den Bart leckend, ein langes Zwiegespräch über die
+wirkliche Anwesenheit Christi beim Abendmahl, über die Autorität der
+Päpste und Concilien, über die Strafgesetze, die Testacte, die Meineide
+des Oates, Buttler’s schlecht belohnte Dienste für die Kavalierpartei,
+Stillingfleet’s Pamphlets und Burnet’s breiten Rücken und glückliche
+Heirathsspekulationen.
+
+Das Unpassende dieses Planes springt in die Augen. Die Allegorie konnte
+in der That nicht zehn Zeilen hintereinander ununterbrochen beibehalten
+werden. Keine noch so kunstvolle Ausführung konnte die Fehler eines
+solchen Planes verdecken. Dessenungeachtet ist die Fabel von der Hindin
+und dem Panther unbestreitbar der werthvollste Beitrag zu der englischen
+Literatur aus der kurzen und unruhigen Regierungszeit Jakob’s II. In
+keinem andren Werke Dryden’s finden sich ergreifendere und erhabenere
+Stellen, eine größere Biegsamkeit und Kraft der Sprache und ein
+lieblicherer und abwechselnderer Wohllaut.
+
+Das Gedicht erschien mit allen Vortheilen ausgestattet, welche
+königliche Gunst gewähren konnte. Eine Prachtausgabe für Schottland
+wurde in der in Holyrood House errichteten Officin gedruckt. Aber die
+Leute waren nicht in der Stimmung, um sich von dem durchsichtigen Style
+und den melodischen Reimen des Apostaten bezaubern zu lassen. Der durch
+seine Feilheit erregte Unwille, die durch die Politik, deren Lobhudler
+er war, hervorgerufene Besorgniß ließen sich nicht in Schlaf singen. Die
+gerechte Entrüstung des Publikums wurde von Vielen, die den Stachel
+seines Spotts gefühlt, und von Vielen, die seinen Ruhm beneideten,
+angeschürt. Trotz aller Beschränkungen, denen die Presse unterlag,
+erschienen täglich Angriffe auf sein Leben und seine Schriften. Bald
+hieß er Bayes, bald der Dichter Squab. Man erinnerte ihn daran, daß er
+in seiner Jugend dem Hause Cromwell in der nämlichen knechtischen Weise
+den Hof gemacht, wie jetzt dem Hause Stuart. Ein Theil seiner Gegner
+druckte boshafterweise die sarkastischen Verse wieder ab, die er zu
+einer Zeit, wo es ihm nichts eingebracht haben würde, wenn er Papist
+geworden wäre, gegen den Papismus geschrieben hatte. Von den vielen
+satirischen Arbeiten, welche bei dieser Gelegenheit erschienen, war die
+gelungenste das gemeinsame Werk zweier junger Männer, welche kürzlich
+ihre Studien in Cambridge vollendet hatten und als vielversprechende
+Anfänger in den literarischen Kaffeehäusern Londons begrüßt worden
+waren: Karl Montague und Matthäus Prior. Montague war von adeliger
+Abkunft, Prior’s Ursprung aber war so dunkel, daß kein Biograph im
+Stande gewesen ist, demselben auf die Spur zu kommen. Beide Abenteurer
+waren arm und strebsam. Beide hatten einen scharfen Verstand und einen
+lebendigen Geist, Beide schwangen sich später hoch empor. Beide
+verbanden in nicht gewöhnlichem Grade mit der Liebe zu den
+Wissenschaften Geschicklichkeit in denjenigen Gebieten des praktischen
+Lebens, gegen welche die Schöngeister in der Regel einen entschiedenen
+Widerwillen haben. Von den funfzig Dichtern, deren Lebenslauf Johnson
+geschildert hat, waren Montague und Prior die beiden einzigen, die sich
+durch eine gründliche Kenntniß des Handels und des Finanzwesens
+auszeichneten. Ihre Wege gingen bald weit auseinander, und ihre
+Jugendfreundschaft löste sich auf. Einer von ihnen wurde das Haupt der
+Whigpartei und wurde von den Tories angeklagt; der Andre wurde in alle
+Geheimnisse der toryistischen Diplomatie eingeweiht und von den Whigs
+lange in strenger Haft gehalten. Endlich wurden die so lange getrennt
+gewesenen Freunde nach vielen ereignißvollen Jahren in der
+Westminster-Abtei wieder mit einander vereinigt.
+
+
+[_Änderung in dem Verfahren des Hofes gegen die Puritaner._] Wer die
+Fabel von der Hindin und dem Panther aufmerksam gelesen hat, muß bemerkt
+haben, daß während der Bearbeitung dieses Werks in den Ansichten Derer,
+welche Dryden als Dolmetscher benutzten, eine große Veränderung vorging.
+Anfangs wird von der anglikanischen Kirche mit Liebe und Achtung
+gesprochen und sie wird ermahnt, sich mit der römisch-katholischen gegen
+die puritanischen Secten zu verbinden; am Schlusse des Gedichts aber und
+in der Vorrede, welche nach Vollendung des Ganzen geschrieben wurde,
+werden die protestantischen Dissenters aufgefordert, mit den Katholiken
+gemeinschaftliche Sache gegen die anglikanische Kirche zu machen.
+
+Dieser Umschlag in der Sprache des Hofpoeten deutete auf einen großen
+Umschlag in der Politik des Hofes hin. Der ursprüngliche Zweck Jakob’s
+war gewesen, nicht allein vollständige Befreiung von allen Strafen und
+bürgerlichen Ausschließungen, sondern auch einen großen Antheil an den
+kirchlichen und akademischen Stiftungen für seine Kirche zu erlangen und
+zu gleicher Zeit die Gesetze gegen die puritanischen Secten mit Strenge
+auszuüben. Alle von ihm gewährten besonderen Dispensationen waren
+römischen Katholiken gewährt worden. Alle Gesetze, welche auf den
+Presbyterianern, Independenten und Baptisten am schwersten lasteten,
+hatte er eine Zeit lang mit aller Strenge durchgeführt. Während Hales
+ein Regiment commandirte, während Powis im Geheimen Rathe saß, während
+Massey eine Dechanei bekleidete, während in Oxford mit königlicher
+Genehmigung Breviarien und Meßbücher gedruckt wurden, während in London
+die Hostie unter dem Schutze der Piken und Musketen der Fußgarde
+öffentlich ausgestellt wurde, während Ordensbrüder und Mönche in ihren
+Kutten in den Straßen von London einhergingen, saß Baxter im Gefängniß,
+war Howe in der Verbannung, standen die Fünfmeilenacte und die
+Conventikelacte in voller Kraft, mußten die puritanischen Schriftsteller
+zur ausländischen oder geheimen Pressen ihre Zuflucht nehmen, konnten
+puritanische Gemeinden sich nur des Nachts oder in abgelegenen Einöden
+versammeln, mußten puritanische Geistliche in Kohlengräber- oder
+Matrosenverkleidung predigen. In Schottland hatte der König neue Gesetze
+von beispielloser Härte gegen die Presbyterianer von den Ständen
+verlangt und erhalten, während er keine Anstrengung sparte, ihnen jede
+Erleichterung für die Katholiken abzupressen. Sein Verfahren gegen die
+verbannten Hugenotten hatte seine Gesinnungen nicht minder deutlich
+verrathen. Wir haben gesehen, wie er, als die öffentliche Mildthätigkeit
+eine große Summe zur Unterstützung dieser Unglücklichen in seine Hände
+gelegt, allen Gesetzen der Gastfreundschaft und der Rechtschaffenheit
+zum Hohn von ihnen verlangte, daß sie dem calvinistischen Ritual, dem
+sie mit großer Liebe anhingen, entsagen und sich der anglikanischen
+Kirche anschließen müßten, ehe er ihnen das Geringste von den seiner
+Verwaltung anvertrauten Gaben spenden könnte.
+
+Dies war seine Politik gewesen, so lange er noch einigermaßen hoffen
+konnte, daß die anglikanische Kirche einwilligen werde, die Herrschaft
+mit der römischen Kirche zu theilen. Einmal stieg diese Hoffnung zur
+festen Überzeugung. Die Begeisterung, mit der die Tories seinen
+Regierungsantritt begrüßt hatten, die Wahlen, die demüthige Sprache und
+die reichen Geldbewilligungen seines Parlaments, die Unterdrückung des
+Aufstandes im Westen, die völlige Vernichtung der Partei, die ihn vom
+Throne hatte ausschließen wollen, dies Alles steigerte seine Zuversicht
+bis über die Grenzen der Vernunft. Er glaubte fest, daß seiner Macht und
+seiner Entschlossenheit jedes Hinderniß weichen werde. Sein Parlament
+leistete ihm Widerstand. Er versuchte die Wirkung von ungnädigen Blicken
+und Drohungen, und da er mit diesen nichts erreichte, versuchte er es
+mit der Prorogation. Aber von dem Augenblicke der Prorogation an wurde
+der Widerstand gegen seine Pläne immer stärker und stärker. Es schien
+klar, daß, wenn er seinen Willen durchsetzen wollte, er ihn im
+Widerspruch mit der großen Partei durchsetzen mußte, die seinem Throne,
+seinem Hause und seiner Person so glänzende Beweise von Treue gegeben
+hatte. Die ganze anglikanische Geistlichkeit, die ganze Kavaliergentry
+war gegen ihn. Vergebens hatte er kraft seines kirchlichen Supremats dem
+Klerus anbefohlen, sich jeder Erörterung von Streitpunkten zu enthalten.
+Jede Gemeinde der Nation wurde allsonntäglich gegen die Irrthümer Roms
+gewarnt, und diese Warnungen waren um so wirksamer, weil sie stets mit
+Versicherungen der Ehrerbietung gegen den König und des Entschlusses,
+Alles mit Geduld zu ertragen, was ihm zu verhängen belieben werde,
+verbunden waren. Die royalistischen Ritter und Squires, welche durch
+fünfundvierzig Jahre des Kriegs und der Parteiwuth dem Throne mannhaft
+zur Seite gestanden hatten, sprachen jetzt in sehr nachdrücklichen
+Worten den Entschluß aus, daß sie eben so mannhaft zur Kirche halten
+würden. Trotz seines beschränkten Verstandes und seines despotischen
+Characters sah Jakob nun doch ein, daß er sein Verfahren ändern müsse.
+Er konnte es ohne Gefahr nicht wagen, alle seine protestantischen
+Unterthanen zugleich zu beleidigen. Wenn er es über sich gewinnen
+konnte, der Partei, welche in beiden Häusern das Übergewicht hatte,
+Zugeständnisse zu machen, wenn er sich entschließen konnte, der
+Staatskirche alle ihre Würden, Einkünfte und Privilegien zu lassen, so
+mochte er auch fernerhin presbyterianische Versammlungen verbieten und
+die Gefängnisse mit baptistischen Predigern füllen. Blieb er aber dabei,
+die Hierarchie zu plündern, so mußte er sich entschließen, dem
+Vergnügen, die Dissenters zu verfolgen, zu entsagen. Wollte er von nun
+an mit seinen alten Freunden in Fehde leben, so mußte er mit seinen
+alten Feinden einen Waffenstillstand schließen. Er konnte die
+anglikanische Kirche nur dadurch bezwingen, daß er eine umfassende
+Coalition gegen sie bildete, welche Secten in sich schloß, die zwar in
+Lehre und Verfassung von einander selbst viel stärker abwichen als von
+ihr, aber doch durch ihre gemeinsame Eifersucht auf ihre Größe und durch
+die gemeinsame Furcht vor ihrer Unduldsamkeit bewogen werden konnten,
+ihre Feindseligkeiten so lange ruhen zu lassen, bis jene Kirche die
+Macht verloren hatte, sie zu tyrannisiren.
+
+Ein Grund schien besonders für diesen Plan zu sprechen. Wenn es ihm nur
+gelang, die protestantischen Nonconformisten zu gewinnen, so durfte er
+sich mit der Hoffnung schmeicheln, vor jeder Rebellion sicher zu sein.
+Nach der Ansicht der anglikanischen Geistlichen konnte keine Kränkung
+irgend welcher Art einen Unterthanen berechtigen, den Gesalbten des
+Herrn gewaltsamen Widerstand zu leisten. Die Theorie der puritanischen
+Sectirer lautete ganz anders. Diese Sectirer trugen kein Bedenken,
+Tyrannen mit dem Schwerte Gideon’s zu Boden zu schlagen, und manche von
+ihnen scheuten sich auch nicht, den Dolch Ehud’s zu gebrauchen.
+Wahrscheinlich sannen sie eben jetzt wieder auf einen neuen westlichen
+Aufstand oder auf ein neues Ryehousecomplot. Jakob glaubte daher, daß er
+getrost die Staatskirche verfolgen könnte, wenn es ihm nur gelang, die
+Dissenters zu gewinnen. Die Partei, deren Grundsätze ihm keine
+Sicherheit gewährten, war dann durch das Interesse an ihn gefesselt, und
+die Partei, deren Interessen er angriff, erregte aus Grundsatz keinen
+Aufruhr.
+
+Unter dem Einflusse solcher Erwägungen begann Jakob von dem Augenblicke
+an, als er sich zornig von seinem Parlament trennte, auf eine Coalition
+aller katholischen wie protestantischen Nonconformisten gegen die
+Landeskirche zu denken. Schon um Weihnachten 1685 meldeten die Gesandten
+der Vereinigten Provinzen den Generalstaaten, daß der Plan einer
+allgemeinen Duldung entworfen sei und bald ans Licht treten werde.[25]
+Indessen erwiesen sich die Nachrichten, welche der holländischen
+Gesandtschaft zugekommen waren, als verfrüht. Die Separatisten scheinen
+jedoch im Jahre 1686 schon viel milder behandelt worden zu sein, als
+während des Jahres 1685. Aber nur ganz allmälig und nach vielen inneren
+Kämpfen vermochte es der König über sich, mit Allem, was er am meisten
+verabscheute, ein Bündniß zu schließen. Er hatte einen nicht
+oberflächlichen und launenhaften, nicht erst kürzlich entstandenen oder
+rasch aufgeschossenen, sondern in seiner Familie erblichen Groll zu
+überwinden, welcher durch große, während hundertzwanzig ereignißvoller
+Jahre zugefügte und erlittene Unbilden verstärkt worden und mit allen
+seinen religiösen und politischen, häuslichen und persönlichen Gefühlen
+verwachsen war. Vier Generationen von Stuarts hatten mit vier
+Generationen von Puritanern einen Krieg auf Leben und Tod geführt, und
+während dieses ganzen langen Krieges hatte kein Stuart die Puritaner so
+stark gehaßt, und war so stark von ihnen gehaßt worden, als er. Sie
+hatten es versucht, seine Ehre zu untergraben und ihn seines
+Geburtsrechts zu berauben; sie hatten ihn einen Brandstifter, einen
+Kehlabschneider und einen Giftmischer genannt; sie hatten ihn aus der
+Admiralität und aus dem Staatsrathe verdrängt; sie hatten ihn zu
+wiederholten Malen in die Verbannung getrieben, sie hatten einen
+Mordanschlag auf ihn gemacht, und sie hatten sich zu Tausenden mit
+bewaffneter Hand gegen ihn erhoben. Dafür hatte er sich an ihnen durch
+ein Gemetzel gerächt, wie es England noch nie gesehen. Ihre Köpfe und
+Glieder verwesten noch auf Pfählen auf allen öffentlichen Plätzen von
+Somersetshire und Dorsetshire. Bejahrte Frauen, die wegen ihrer
+Frömmigkeit und Mildthätigkeit von den Sectirern in hohen Ehren gehalten
+wurden, waren um geringfügiger Vergehen willen, die kein guter Fürst nur
+eines strengen Verweises werth gehalten haben würde, enthauptet oder
+lebendig verbrannt worden. In einem solchen Verhältnisse hatte selbst in
+England der König zu den Puritanern gestanden, und in Schottland hatte
+die Tyrannei des Königs und die Wuth der Puritaner einen Grad erreicht,
+von dem sich die Engländer kaum einen Begriff machen konnten. Einen so
+langjährigen und so tödtlichen Haß zu vergessen, war für einen ganz
+besonders harten und unversöhnlichen Character keine leichte Aufgabe.
+
+Der Kampf, der im Innern des Königs stattfand, entging dem Blicke
+Barillon’s nicht. Ende Januar 1687 schrieb er einen interessanten Brief
+nach Versailles. Der König -- dies war der wesentliche Inhalt des
+Schreibens -- habe sich so ziemlich überzeugt, daß er nicht völlige
+Freiheit für die römischen Katholiken erlangen und dabei doch die
+Gesetze gegen die protestantischen Dissenters aufrecht erhalten könne.
+Er neige sich daher zu einem Plane allgemeiner Indulgenz hin, im Herzen
+aber würde es ihm weit lieber sein, wenn er auch jetzt noch seinen
+Schutz und seine Gunst zwischen der römischen und der anglikanischen
+Kirche, mit Ausschluß aller anderen religiösen Überzeugungen, theilen
+könnte.[26]
+
+ [Anmerkung 25: Leeuwen, 25. Dec. (4. Jan.) 1685/6.]
+
+ [Anmerkung 26: Barillon, 31. Jan. (10. Febr.) 1686/7. +„Je crois
+ que, dans le fond, si on ne pouvoit laisser que la religion
+ Anglicane et la Catholique établies par les loix, le Roy
+ d’Angleterre en seroit bien plus content.“+]
+
+
+[_In Schottland theilweise Duldung gewährt._] Wenige Tage nach dem
+Abgang dieser Depesche that Jakob zögernd und widerstrebend den ersten
+Schritt zur Annäherung an die Puritaner. Er hatte sich entschlossen, mit
+Schottland zu beginnen, wo seine Befugniß, von Parlamentsacten zu
+dispensiren, von den willfährigen Ständen anerkannt war. Demgemäß wurde
+am 12. Februar in Edinburg eine Proklamation erlassen, welche
+ängstlichen Gewissen eine Erleichterung gewährte.[27] Diese Proklamation
+beweist vollkommen die Richtigkeit von Barillon’s Urtheil. Selbst in der
+Acte, durch die er den Presbyterianern Zugeständnisse machte, konnte
+Jakob seinen Widerwillen gegen sie nicht verhehlen. Die den Katholiken
+gewährte Duldung war vollkommen. Auch die Quäker hatten wenig Ursache
+sich zu beklagen. Aber die den Presbyterianern, welche die Hauptmasse
+des schottischen Volks bildeten, bewilligte Indulgenz war durch
+Bedingungen beschränkt, die sie fast werthlos machten. An die Stelle des
+bisherigen Religionseides, der sowohl Katholiken als Presbyterianer von
+Staatsämtern ausschloß, war ein neuer Religionseid gesetzt, der die
+Katholiken zuließ, aber die meisten Presbyterianer ausschloß. Den
+Katholiken war es erlaubt, Kapellen zu erbauen und sogar die Hostie
+überall, mit Ausnahme der Straßen in königlichen Burgflecken, in
+Prozession umherzutragen; den Quäkern war es gestattet, sich in
+öffentlichen Gebäuden zu versammeln; die Presbyterianer aber durften nur
+in Privatwohnungen Gottesdienst halten; es war ihnen streng verboten,
+Bethäuser zu bauen, sie durften nicht einmal eine Scheune oder ein
+Nebenhaus zu Andachtsübungen benutzen, und es ward ihnen nachdrücklich
+eingeschärft, daß, wenn sie es wagten, Conventikel unter freiem Himmel
+zu hatten, das Gesetz, welches sowohl den Predigern als den Zuhörern mit
+dem Tode drohte, mit schonungsloser Strenge angewendet werden sollte.
+Jeder katholische Priester durfte Messe lesen, jeder Quäker durfte vor
+seinen Glaubensbrüdern Reden halten; aber der Geheime Rath war
+angewiesen, darüber zu wachen, daß kein presbyterianischer Geistlicher
+sich unterfange, ohne specielle Erlaubniß der Regierung zu predigen.
+Jede Zeile dieses Dokuments und der dasselbe begleitenden Briefe
+beweist, wie schwer es dem Könige wurde, nur einigermaßen die Härte zu
+mildern, mit der er die alten Feinde seines Hauses von jeher behandelt
+hatte.[28]
+
+Man hat wirklich Grund zu glauben, daß er bei Veröffentlichung dieser
+Proklamation noch keineswegs zu einer Coalition mit den Puritanern fest
+entschlossen war und daß er ihnen zuvörderst nur eben so viele
+Begünstigungen gewähren wollte, als durchaus nöthig waren, um die
+Anhänger der Landeskirche durch Einschüchterung zum Gehorsam zu bringen.
+Er wartete daher einen Monat, um zu sehen, welchen Eindruck das in
+Edinburg erlassene Edict in England machen werde. Diesen Monat
+verwendete er auf Petre’s Rath eifrig zu dem, was man +closeting+[29]
+nannte.
+
+ [Anmerkung 27: Sie ist zu finden im Anfange zu Wodrow II. 129.]
+
+ [Anmerkung 28: +Wodrow, Appendix, vol. II. Nos. 128, 129, 132.+]
+
+ [Anmerkung 29: Persönliche Bearbeitung Einzelner im Privatkabinet
+ des Königs. D. Übers.]
+
+
+[_Persönliche Bearbeitung Einzelner im königlichen Kabinet._] London war
+voll von geeigneten Persönlichkeiten. Man erwartete die baldige
+Zusammenberufung des Parlaments zur Erledigung von Geschäften, und viele
+Mitglieder waren bereits in der Stadt. Der König nahm sich vor, sie Mann
+für Mann zu werben. Er hoffte, daß die eifrigen Tories -- und aus
+solchen bestand das Unterhaus mit wenigen Ausnahmen -- seinen dringenden
+Bitten schwer würden widerstehen können, wenn er dieselben nicht an die
+Gesammtheit, sondern an jeden Einzelnen, und nicht vom Thronsessel
+herab, sondern im vertraulichen Gespräch an sie richtete. Die
+Mitglieder, welche nach Whitehall kamen, um ihre Aufwartung zu machen,
+wurden demnach auf die Seite genommen und mit langen Privatunterredungen
+beehrt. Der König drang in sie, daß sie, als loyale Gentlemen, ihm nur
+in dem einem Punkte, der ihm mehr als alles Andre am Herzen liege, den
+Willen thun möchten. Er meinte, die Sache berühre seine persönliche
+Ehre. Die unter der vorigen Regierung von factiösen Parlamenten gegen
+die Katholiken erlassenen Verordnungen seien lediglich gegen ihn selbst
+gerichtet gewesen; diese Gesetze hätten ihm ein Brandmal aufgedrückt,
+ihn aus der Admiralität und aus dem Staatsrathe vertrieben, und er sei
+berechtigt, zu erwarten, daß Alle, die ihn liebten und ehrten, sich zur
+Abschaffung jener Gesetze vereinigen würden. Sah er, daß seine Zuhörer
+gegen diese Ermahnungen taub blieben, so nahm er seine Zuflucht zu
+Drohungen und Bestechungen. Denjenigen, die sich weigerten, ihm in
+dieser Angelegenheit zu Willen zu sein, wurde geradezu gesagt, daß sie
+keine Gunstbezeigung zu erwarten hätten. Trotz seiner Knauserei öffnete
+und vertheilte er seine Schätze. Mehrere von Denen, die zu einer
+Conferenz mit ihm eingeladen worden waren, nahmen aus seinem
+Schlafzimmer Geld mit fort, das sie aus königlicher Hand empfangen
+hatten. Die Richter, die sich gerade auf ihrer Frühjahrsrundreise
+befanden, erhielten Befehl vom Könige, die noch in der Provinz
+zurückgebliebenen Mitglieder zu besuchen und die Gesinnungen jedes
+Einzelnen zu erforschen.
+
+
+[_Erfolglosigkeit der persönlichen Bearbeitung._] Das Resultat aller
+dieser Nachforschungen war, daß die große Majorität des Hauses der
+Gemeinen entschlossen zu sein schien, sich den Maßregeln des Hofes zu
+widersetzen.[30] Einer von Denjenigen, deren Festigkeit allgemeine
+Bewunderung erregten, war Arthur Herbert, der Bruder des Oberrichters,
+Parlamentsmitglied für Dover, Kammerherr und Contreadmiral von England.
+
+ [Anmerkung 30: Barillon, 28. Febr. (10. März) 1686/7; Citters,
+ 15.(25.) Febr.; +Reresby’s Memoirs+; Bonrepaux, 25. Mai (4. Juni)
+ 1687.]
+
+
+[_Admiral Herbert._] Arthur Herbert war bei den Seeleuten sehr beliebt
+und galt für einen der tüchtigsten adeligen Marineoffiziere. Man hatte
+allgemein vermuthet, daß er sich den Wünschen des Königs bereitwillig
+fügen werde, denn er fragte wenig nach der Religion, war
+vergnügungslustig und verschwenderisch, hatte kein Privatvermögen, bezog
+aus seinen Stellen ein jährliches Einkommen von viertausend Pfund und
+wurde seit langer Zeit zu den ergebensten persönlichen Anhängern Jakob’s
+gerechnet. Als aber der Contreadmiral im Privatkabinet vorgenommen und
+das Versprechen von ihm verlangt wurde, daß er für die Aufhebung der
+Testacte stimmen wolle, antwortete er, seine Ehre und sein Gewissen
+erlaubten ihm nicht, ein solches Versprechen zu geben. „Niemand zweifelt
+an Ihrer Ehre“, sagte der König, „aber ein Mann, der so lebt wie Sie,
+sollte nicht von seinem Gewissen sprechen.“ Auf diesen Vorwurf, einen
+Vorwurf, der dem Geliebten der Katharine Sedley übel anstand, erwiederte
+Herbert mit männlicher Offenheit: „Ich habe meine Fehler, Sire, aber ich
+könnte Leute nennen, welche viel häufiger von ihrem Gewissen sprechen
+als ich und dabei ein eben so lockeres Leben führen.“ Er wurde aller
+seiner Stellen entsetzt und die Rechnung über seine Ausgaben und
+Einnahmen als Kammerherr wurden mit großer und, wie er klagte,
+ungerechter Strenge geprüft.[31]
+
+Es war jetzt augenscheinlich, daß jede Hoffnung auf ein Bündnis zwischen
+der anglikanischen und römischen Kirche zu dem Zwecke, die Ämter und
+Einnahmen unter sich zu theilen und die puritanischen Secten zu
+unterdrücken, aufgegeben werden mußte. Es blieb weiter nichts übrig, als
+der Versuch, eine Koalition zwischen der römischen Kirche und den
+puritanischen Secten gegen die anglikanische Kirche zu Stande zu
+bringen.
+
+ [Anmerkung 31: Barillon, 14.(24.) März 1687; Lord Russell an +Dr.+
+ Fitzwilliam, 1. April; +Burnet I. 671, 672+. In +Clarke’s Life of
+ James the Second, II. 204+ ist die Unterredung etwas anders
+ erzählt. Diese Stelle aber ist kein Theil der eigenen Memoiren des
+ Königs.]
+
+
+[_Die Indulgenzerklärung._] Am 18. März kündigte der König dem Geheimen
+Rathe an, daß er beschlossen habe, das Parlament bis Ende November zu
+prorogiren und allen seinen Unterthanen aus eigner Machtvollkommenheit
+völlige Gewissensfreiheit zu gewähren.[32] Am 4. April erschien die
+denkwürdige Indulgenzerklärung.
+
+In dieser Erklärung sagte der König, es sei sein innigster Wunsch, seine
+Unterthanen als Mitglieder derjenigen Kirche zu sehen, der er selbst
+angehöre. Da dies aber nicht sein könne, erkläre er, daß es seine
+Absicht sei, sie in der freien Ausübung ihrer Religion zu schützen. Er
+wiederholte alle die schönen Redensarten, welche acht Jahre früher, als
+er selbst ein Unterdrückter war, so oft aus seinem Munde kamen, die er
+aber nicht mehr gebrauchte, seitdem ein Wechsel des Glücks ihm die Macht
+verliehen hatte, selbst ein Unterdrücker zu werden. Er sei schon längst
+überzeugt, sagte er, daß man dem Gewissen keinen Zwang anthun dürfe, daß
+Verfolgungen der Zunahme der Bevölkerung und dem Handel nachtheilig
+seien und nie zu dem Zwecke führten, den die Verfolger erreichen
+wollten. Er wiederholte das schon oft gegebene und eben so oft
+gebrochene Versprechen, daß er die Staatskirche im Genusse ihrer
+gesetzlichen Rechte schützen wolle. Hierauf erklärte er, ebenfalls aus
+eigner Machtvollkommenheit, eine lange Reihe von Gesetzen für null und
+nichtig, hob alle Strafbestimmungen gegen alle Klassen von
+Nonconformisten auf, ermächtigte die römischen Katholiken wie auch die
+protestantischen Dissenters, ihren Gottesdienst öffentlich zu halten,
+verbot seinen Unterthanen bei Strafe seines allerhöchsten Mißfallens,
+irgend eine religiöse Versammlung zu stören, und schaffte auch alle
+diejenigen Gesetze ab, welche die Befähigung zu bürgerlichen und
+militairischen Ämtern von einem Religionseide abhängig machten.[33]
+
+Daß die Indulgenzerklärung verfassungswidrig war, darüber sind beide
+große Parteien Englands zu allen Zeiten einig gewesen. Jeder, der in
+politischen Fragen ein Urtheil hat, muß einsehen, daß ein Fürst, der
+eine solche Erklärung erlassen darf, nichts Geringeres ist als ein
+absoluter Monarch. Auch kann man zur Vertheidigung dieser Handlung
+Jakob’s nicht die Gründe geltend machen, mit denen viele willkürliche
+Maßregeln der Stuarts vertheidigt oder entschuldigt worden sind. Man
+kann nicht sagen, daß er den Umfang seiner Prärogative verkannt habe,
+weil sie nicht genau bestimmt gewesen sei, denn er überschritt die
+Grenze angesichts einer ganz kürzlich erst festgestellten Grenzmarke.
+Funfzehn Jahre früher hatte sein Bruder auf Anrathen der Cabale auch
+eine Indulgenzerklärung erlassen, welche im Vergleich zu der Erklärung
+Jakob’s gemäßigt und vorsichtig genannt werden konnte. Die Erklärung
+Karl’s dispensirte nur von Strafgesetzen, die Erklärung Jakob’s
+dispensirte auch von allen Religionseiden. Die Erklärung Karl’s
+gestattete den Katholiken, nur in Privatwohnungen ihren Gottesdienst zu
+halten, nach der Erklärung Jakob’s konnten sie Tempel bauen und
+ausschmücken und sogar mit Kreuzen, Bildern und Rauchfässern in
+Prozession durch Fleet Street ziehen. Dennoch war die Erklärung Karl’s
+in alter Form für gesetzwidrig erklärt worden. Die Gemeinen hatten sich
+dahin ausgesprochen, daß der König nicht befugt sei, in kirchlichen
+Angelegenheiten von Gesetzen zu dispensiren. Karl hatte hierauf das
+mißliebige Schriftstück vor seinen Augen vernichten lassen, hatte mit
+eigner Hand das Siegel davon abgerissen und sowohl durch eine von ihm
+eigenhändig unterschriebene Botschaft als auch mündlich vom Throne herab
+in vollem Parlament beiden Häusern fest versprochen, daß der Schritt,
+der so großen Anstoß gegeben, als nie geschehen betrachtet werden solle.
+Die beiden Häuser hatten dann ohne eine einzige opponirende Stimme eine
+gemeinschaftliche Dankadresse für diese Erfüllung ihrer Wünsche an ihn
+gerichtet. Nie war eine Verfassungsfrage mit reiflicherer Erwägung, mit
+unzweideutigerer Klarheit und mit vollkommnerer Einhelligkeit
+entschieden worden.
+
+Jakob’s Vertheidiger haben zu seiner Entschuldigung häufig das
+Erkenntniß anführt, welches der Gerichtshof der Kings Bench in der
+abgekarteten Klage gegen Sir Eduard Hales abgab; aber dieser
+Entschuldigungsgrund hat gar kein Gewicht. Jakob hatte diesen Ausspruch
+notorisch durch Bitten, durch Drohungen, durch Entlassung gewissenhafter
+Beamten und durch Besetzung der Richterbank mit anderen höfischer
+gesinnten Richtern erlangt. Und obgleich dieses Erkenntniß von der
+Advokatur wie von der Nation allgemein für verfassungswidrig erklärt
+wurde, erstreckte es sich doch nur so weit, daß der König aus besonderen
+Staatsgründen einzelnen Individuen Dispensationen von ausschließenden
+Gesetzen bewilligen dürfe. Daß er durch ein Alles über den Haufen
+werfendes Edict alle seine Unterthanen ermächtigen konnte, ganze Bände
+von Gesetzen nicht mehr zu befolgen, dies hatte kein Gerichtshof
+angesichts der feierlichen Entscheidung des Parlaments von 1673 zu
+behaupten gewagt.
+
+ [Anmerkung 32: +London Gazette, March 21, 1686/7.+]
+
+ [Anmerkung 33: +London Gazette, April 7+. 1087.]
+
+
+[_Stimmung der protestantischen Dissenters._] Die Stellung der Parteien
+war jedoch von der Art, daß Jakob’s Indulgenzerklärung, obgleich der
+kühnste von allen Angriffen der Stuarts auf die öffentliche Freiheit,
+wohl geeignet war, gerade demjenigen Theile der Gesellschaft zu
+gefallen, der allen anderen Angriffen der Stuarts auf die öffentliche
+Freiheit den beharrlichsten Widerstand entgegengesetzt hatte. Es stand
+kaum zu erwarten, daß der durch ein hartes und streng gehandhabtes
+Gesetzbuch von seinen Landsleuten getrennte protestantische
+Nonconformist geneigt sein werde, die Gültigkeit eines Erlasses zu
+bestreiten, der ihn von unerträglichen Bedrückungen erlöste. Ein kalter
+und philosophischer Beobachter würde ohne Zweifel erklärt haben, daß
+alles Übel, das aus allen intoleranten Gesetzen, welche je von
+Parlamenten erlassen wurden, hervorgehen könne, nicht zu vergleichen sei
+mit dem Unheil, welches durch eine Übertragung der gesetzgebenden Gewalt
+vom Parlament auf den Souverain entstehen würde. Aber eine so ruhige und
+philosophische Überlegung kann man nicht von Leuten erwarten, die unter
+einem vorhandenen Drucke seufzen und denen die lockende Aussicht auf
+sofortige Erleichterung dargeboten wird. Ein puritanischer Theolog
+konnte allerdings nicht leugnen, daß die jetzt von der Krone
+beanspruchte Dispensationsgewalt mit den Grundprinzipien der
+Verfassung unvereinbar war. Aber es war vielleicht zu entschuldigen,
+wenn er fragte, was die Verfassung eigentlich für ihn sei. Die
+Gleichförmigkeitsacte hatte ihn trotz königlicher Versprechungen von
+einer Pfründe vertrieben, die sein rechtmäßiges Eigenthum war, und hatte
+ihn in Armuth und Abhängigkeit zurückgeworfen. Die Fünfmeilenacte hatte
+ihn von seiner Heimath, von seinen Verwandten, von seinen Freunden, von
+fast jedem öffentlichen Zufluchtsorte verbannt. Kraft der
+Conventikelacte war er seines Vermögens beraubt und aus einem
+schmutzigen Kerker in den andren mitten unter Straßenräuber und Diebe
+geworfen worden. Außerhalb des Gefängnisses wurde er beständig von den
+Gerichtsdienern verfolgt; er hatte Angeber durch Geldgeschenke zum
+Schweigen bringen, hatte sich in schimpflicher Verkleidung durch Fenster
+und Fallthüren heimlich zu seiner Gemeinde schleichen müssen, und
+während er das geweihte Wasser auf den Täufling sprengte oder das Brod
+des heiligen Abendmahls austheilte, hatte er in beständiger Angst auf
+das Zeichen horchen müssen, welches ihm sagte, daß die Sbirren der
+Justiz sich näherten. War es nicht bitterer Hohn, einen so
+ausgeplünderten und bedrückten Mann aufzufordern, daß er für das
+Eigenthum und die Freiheit seiner Plünderer und Bedrücker zum Märtyrer
+werden solle? Mochte die Indulgenzerklärung seinen glücklichen Nachbarn
+noch so despotisch erscheinen, ihm brachte sie Erlösung. Er wurde
+aufgefordert, nicht zwischen der Freiheit und der Knechtschaft, sondern
+zwischen zwei Jochen zu wählen, und es wäre nicht unnatürlich gewesen,
+wenn er das Joch des Königs für erträglicher gehalten hätte als das der
+Kirche.
+
+
+[_Stimmung der anglikanischen Kirche._] Während solche Gedanken die
+Gemüther vieler Dissenters beschäftigten, war die anglikanische Partei
+in Angst und Bestürzung. Diese neue Wendung der Dinge war in der That
+beunruhigend. Das Haus Stuart im Bunde mit republikanischen und
+königsmörderischen Secten gegen die alten Kavaliere Englands; der
+Papismus im Bunde mit dem Puritanismus gegen ein kirchliches System, an
+welchem die Puritaner nichts weiter auszusetzen hatten, als daß es
+zuviel Papistisches beibehalten: das waren Zeichen und Wunder, welche
+alle Berechnungen der Staatsmänner über den Haufen warfen. Die Kirche
+sollte also mit einem Male von allen Seiten angegriffen werden, und zwar
+unter der Leitung Dessen, der ihrer Verfassung nach ihr Oberhaupt war.
+Es war kein Wunder, wenn sie von Erstaunen und Entsetzen ergriffen
+wurde. Und zu dem Erstaunen und dem Entsetzen gesellten sich noch andere
+bittere Gefühle: Groll gegen den meineidigen Fürsten, dem sie nur zu
+treu gedient, und Reue über die Grausamkeiten, die sie in Gemeinschaft
+mit ihm verübt hatte und für die er sie jetzt, wie es schien, bestrafen
+wollte. Ihre Strafe war gerecht, sie erntete was sie gesäet hatte. Als
+nach der Restauration ihre Macht den Höhepunkt erreicht, hatte sie nur
+Rache geschnaubt. Sie hatte die Stuarts aufgefordert, gedrängt, fast
+gezwungen, die kürzlich geleisteten Dienste der Presbyterianer mit
+schnödem Undanke zu vergelten. Hätte sie sich in jener Zeit ihrer
+höchsten Blüthe, wie es ihr geziemte, ihrer Feinde angenommen, so würde
+sie jetzt, in der Zeit der Noth, Freunde in ihnen gefunden haben.
+Vielleicht war es noch nicht zu spät, vielleicht konnte sie noch die
+Taktik ihres Bedrückers gegen ihn selbst kehren. Es gab unter den
+Anglikanern eine gemäßigte Partei, welche den protestantischen
+Dissenters immer freundlich gesinnt gewesen war. Allerdings war diese
+Partei nicht zahlreich, aber die Talente, Kenntnisse und Tugenden ihrer
+Mitglieder machten sie achtunggebietend. Sie war von den höchsten
+Würdenträgern der Kirche nicht mit günstigem Auge betrachtet und von den
+Frömmlern aus der Schule Laud’s schonungslos verunglimpft worden; aber
+von dem Tage, an welchem die Indulgenzerklärung erschien, bis zu dem
+Tage, wo Jakob’s Macht aufhörte Schrecken einzuflößen, schien die ganze
+Kirche von dem Geiste der verleumdeten Latitudinarier beseelt zu sein
+und von ihren Rathschlägen geleitet zu werden.
+
+
+[_Der Hof und die Kirche._] Nun folgte eine Art von Versteigerung, die
+sonderbarste, von der uns die Geschichte erzählt. Der König auf der
+einen, die Kirche auf der andren Seite begannen einander zu überbieten,
+um die Gunst Derer zu erlangen, zu deren Unterdrückung sie bis dahin
+verbündet gewesen waren. Die protestantischen Dissenters, die noch vor
+wenigen Monaten eine verachtete und geächtete Klasse gewesen waren,
+hielten jetzt die Wage der Macht in ihrer Hand. Die Härte, mit der sie
+behandelt worden waren, wurde allgemein verdammt. Der Hof suchte die
+ganze Schuld auf die Hierarchie zu wälzen, und die Hierarchie warf sie
+zurück auf den Hof. Der König erklärte, daß er die Separatisten wider
+Willen nur deshalb verfolgt habe, weil seine Angelegenheiten in einem
+Zustande gewesen wären, bei dem er es nicht hatte wagen dürfen, dem
+Klerus der Staatskirche zu nahe zu treten. Dieser versicherte, daß er
+nur aus Ehrerbietung vor der Autorität des Königs an einer Strenge Theil
+genommen habe, die seinen Gefühlen durchaus fremd sei. Der König brachte
+eine Sammlung von Anekdoten von Rectoren und Vikaren zusammen, welche
+durch Androhung von Verfolgung von protestantischen Dissenters Geld
+erpreßt hatten. Er sprach häufig und öffentlich über diesen Gegenstand,
+drohte mit einer Untersuchung, welche die Pfarrer der ganzen Welt in
+ihrem wahren Character zeigen werde und erließ in der That mehrere
+Verordnungen, durch welche Agenten, auf die er sich verlassen zu können
+glaubte, ermächtigt wurden, den Betrag der Summen zu ermitteln, welche
+in verschiedenen Landestheilen von Bekennern der herrschenden Religion
+Sectirern abgepreßt worden waren. Die Vertheidiger der Landeskirche
+führten dagegen Beispiele von rechtschaffenen Pfarrern an, welche vom
+Hofe Verweise und Drohungen erhalten, weil sie auf der Kanzel
+Duldsamkeit empfohlen und sich geweigert hatten, kleine Gemeinden von
+Nonconformisten auszuspüren und zu Tode zu hetzen. Der König behauptete,
+daß einige Mitglieder der Staatskirche, die er privatim vorgenommen,
+sich erboten hatten, den Katholiken ausgedehnte Zugeständnisse zu
+machen, unter der Bedingung, daß die Verfolgung gegen die Puritaner
+ihren Fortgang behalte. Die angeklagten Anhänger der Staatskirche
+leugneten heftig die Wahrheit dieser Beschuldigung und behaupteten, daß,
+wenn sie sich mit dem, was der König für seine eigene Kirche verlangte,
+einverstanden erklärt hätten, er ihnen sehr gern gestattet haben würde,
+sich durch Verfolgung und Ausplünderung protestantischer Dissenters zu
+entschädigen.[34]
+
+Der Hof hatte seine Physiognomie verändert. Die Schärpe und der
+Priesterrock der anglikanischen Geistlichen konnten sich daselbst kaum
+noch sehen lassen ohne spöttisches Lächeln und boshaftes Geflüster
+hervorzurufen. Die Hofdamen erlaubten sich nicht mehr zu kichern und die
+Kammerherren verbeugten sich bis zur Erde, wenn sich das puritanische
+Gesicht und die puritanische Tracht, welche in den vornehmen Zirkeln so
+lange Zeit Lieblingsgegenstände des Spotts gewesen waren, in den
+Gallerien des Palastes zeigten. Taunton, das zwei Generationen hindurch
+die Veste der Rundkopfpartei im Westen gewesen war, das die Armeen
+Karl’s I. zweimal tapfer zurückgeschlagen, sich zur Unterstützung
+Monmouth’s wie ein Mann erhoben hatte und von Kirke und Jeffreys in eine
+Schlachtbank verwandelt worden war, schien plötzlich die Stelle erobert
+zu haben, welche Oxford einst in der königlichen Gunst eingenommen.[35]
+Der König gewann es über sich, ausgezeichneten Dissenters sogar mit
+kriechender Höflichkeit zu begegnen. Einigen bot er Geld an, Anderen
+städtische Ehrenämter, noch Anderen Begnadigung von Verwandten und
+Freunden, die wegen Theilnahme an dem Ryehousecomplot oder wegen
+Anschluß an die Fahne Monmouth’s auf dem Kontinent umherirrten oder in
+den Zuckerplantagen von Barbados schwitzten. Er stellte sich sogar, als
+ob er mit den freundlichen Gesinnungen der englischen Puritaner gegen
+ihre auswärtigen Glaubensbrüder sympathisirte. Eine zweite und dritte
+Proklamation erschien in Edinburg, welche die den Presbyterianern durch
+das Februaredict gewährte nichtssagende Duldung bedeutend
+erweiterten.[36] Die verbannten Hugenotten, die der König seit vielen
+Monaten mit ungnädigem Auge angesehen und denen er die von der Nation
+aufgebrachten milden Gaben vorenthalten hatte, wurden jetzt unterstützt
+und gehätschelt. Es wurde ein Ministerialbefehl erlassen, der die
+öffentliche Mildthätigkeit nochmals zu ihren Gunsten aufrief. Die
+Vorschrift, welche von ihnen den Anschluß an die anglikanische
+Gottesverehrung als Bedingung des Empfangs einer Unterstützung
+verlangte, scheint zu dieser Zeit stillschweigend aufgehoben gewesen zu
+sein, und die Vertheidiger der Politik des Königs hatten die Frechheit
+zu behaupten, diese Vorschrift sei auf Andringen der Prälaten der
+Staatskirche erlassen worden, während wir aus den sichersten Quellen
+wissen, daß sie von ihm selbst im Einverständniß mit Barillon ersonnen
+worden war.[37]
+
+Während der König sich so die Gunst seiner alten Gegner zu erwerben
+suchte, waren die Freunde der Landeskirche nicht weniger thätig. Von der
+Bitterkeit und dem Hohne, mit dem die Prälaten und Priester seit der
+Restauration die Sectirer zu behandeln pflegten, war kaum noch eine Spur
+zu erkennen. Die, welche man ganz kürzlich noch Schismatiker und
+Fanatiker genannt hatte, waren jetzt geliebte Mitprotestanten,
+Glaubensbrüder, die vielleicht schwach sein mochten, aber deren
+Gewissensskrupel immerhin zarte Rücksichtnahme verdienten. Wenn sie nur
+in dieser Krisis der englischen Verfassung und dem reformirten Glauben
+treu blieben, so sollte ihre Hochherzigkeit bald und reich belohnt
+werden. Anstatt einer Indulgenz, welche keine gesetzliche Gültigkeit
+hätte, sollten sie eine wirkliche, durch eine Parlamentsacte gesicherte
+Indulgenz haben. Ja, viele Mitglieder der Staatskirche, die sich bisher
+durch ihr starres Festhalten an jeder in der Liturgie vorgeschriebenen
+Geberde und Formel ausgezeichnet hatten, erklärten sich jetzt nicht nur
+zur Duldung, sondern sogar zur Gleichstellung geneigt. Der Streit um
+Chorröcke und Stellungen, sagten sie, habe nur zu lange Christen von
+einander getrennt, welche doch in den wesentlichen Glaubenspunkten
+übereinstimmten. Wenn der Kampf auf Tod und Leben gegen den gemeinsamen
+Feind vorüber wäre, dann würde man sehen, daß die anglikanische
+Geistlichkeit zu jedem billigen Zugeständnisse bereit sei. Wenn die
+Dissenters nur nicht unbescheiden wären, so würden ihnen nicht blos
+bürgerliche, sondern auch geistliche Ämter offen stehen, und Baxter und
+Howe würden ohne einen Flecken an ihrer Ehre oder ihrem Gewissen auf der
+Bank der Bischöfe sitzen können.
+
+ [Anmerkung 34: Verordnungen des Schatzamts. Siehe besonders die
+ Instructionen vom 8. März 1687/88; +Burnet, I. 715+; +Reflections
+ on His Majesty’s Proclamation for a Toleration in Scotland+;
+ +Letters containing some Reflections on His Majesty’s Declaration
+ for Liberty of Conscience+; +Apology for the Church of England
+ with relation to the spirit of Persecution for which she is
+ accused, 1687/88.+ Doch es ist mir unmöglich, alle Flugschriften
+ anzuführen, aus denen ich mein Urtheil über den damaligen Stand
+ der Parteien geschöpft habe.]
+
+ [Anmerkung 35: +Letter to a Dissenter+.]
+
+ [Anmerkung 36: +Wodrow, Appendix, vol. II. Nos. 132, 134.+]
+
+ [Anmerkung 37: +London Gazette, April 21. 1687+; +Animadversions
+ on a late paper entituled a Letter to a Dissenter, by H. C. (Henry
+ Care), 1687.+]
+
+
+[_„Brief an einen Dissenter.“_] Von den zahlreichen damaligen
+Flugschriften, in denen die Sache des Hofes und die Sache der Kirche vor
+dem Puritaner, der jetzt durch eine sonderbare Wendung des Geschicks das
+Loos seiner Verfolger entscheiden sollte, eifrig und ängstlich
+entwickelt wurde, ist jetzt nur noch eine in der Erinnerung, betitelt:
++Letter to a Dissenter+. In dieser meisterhaften kleinen Schrift waren
+alle Argumente, die einen Nonconformisten überzeugen konnten, daß es
+seine Pflicht und sein Interesse sei, ein Bündniß mit der Staatskirche
+einem Bündnisse mit dem Hofe vorzuziehen, auf einem engen Raume in der
+übersichtlichsten Ordnung zusammengestellt, mit geistreichem Witze
+erörtert und mit einer zwar lebhaften, aber selbst in den Momenten der
+leidenschaftlichsten Heftigkeit die Grenzen des Anstandes und der seinen
+Bildung nie überschreitenden Beredtsamkeit zur Geltung gebracht. Die
+Schrift machte einen ungeheuren Eindruck, denn da sie nur einen Bogen
+stark war, wurden über zwanzigtausend Exemplare durch die Post versandt
+und die Wirkung zeigte sich in jedem Winkel des Reichs. Es erschienen
+vierundzwanzig Antworten darauf, aber die ganze Stadt erklärte sie für
+schlecht und die von Lestrange für die schlechteste von allen
+vierundzwanzig.[38] Die Regierung war sehr ärgerlich und sparte keine
+Mühe, um den Verfasser des Briefs ausfindig zu machen; aber es war nicht
+möglich, rechtskräftige Beweise gegen ihn aufzubringen. Einige meinten
+die Denk- und Sprachweise Temple’s zu erkennen.[39] In Wirklichkeit aber
+gehörte dieser umfassende und scharfe Verstand, diese lebhafte
+Phantasie, dieser elegante und kräftige Styl, diese ruhige und edle,
+halb hofmännische, halb philosophische Würde, welche die heftigste
+Aufregung des Kampfes nicht einen Augenblick aus der Fassung bringen
+konnte, keinem Andren als Halifax an.
+
+ [Anmerkung 38: +Lestrange’s Answer to a Letter to a Dissenter+;
+ +Care’s Animadversions on a Letter to a Dissenter+; +Dialogue
+ between Harry and Roger+, nämlich Harry Care und Roger Lestrange.]
+
+ [Anmerkung 39: Der Brief war mit T. W. unterzeichnet. Care sagt in
+ seinen +Animadversions+: „Dieser Herr Politiker T. W. oder W. T.,
+ denn einige Kritiker halten dies für die richtigere Lesart.“]
+
+
+[_Benehmen der Dissenters._] Die Dissenters schwankten und man darf
+ihnen keinen Vorwurf daraus machen. Sie litten und der König hatte ihnen
+Linderung verschafft. Einige ausgezeichnete Geistliche waren ihrer Haft
+entlassen worden, andere hatten es gewagt, aus dem Exil zurückzukehren.
+Gemeinden, die ihre Zusammenkünfte bisher nur heimlich und im Dunklen
+hatten abhalten können, versammelten sich jetzt am hellen Tage und
+sangen laut ihre Psalmen vor den Augen von Magistratsbeamten,
+Kirchenvorstehern und Constablern. Bescheidene Gotteshäuser von
+puritanischer Bauart begannen sich in allen Gegenden Englands zu
+erheben. Der aufmerksame Reisende kann noch jetzt an einigen der
+ältesten Bethäuser die Jahrzahl 1687 erkennen. Dessen ungeachtet waren
+die Anerbietungen der Kirche für einen klugen Dissenter viel lockender
+als die des Königs. Die Indulgenzerklärung war in den Augen des Gesetzes
+null und nichtig. Sie suspendirte die Strafgesetze gegen Nonconformität
+nur auf so lange, als die Grundprinzipien der Verfassung und die
+rechtmäßige Autorität des gesetzgebenden Körpers aufgehoben blieben.
+Welchen Werth hatten Privilegien, die auf einen so schmachvollen und
+zugleich so unsicheren Besitztitel beruhten? Es konnte bald eine
+Thronerledigung eintreten, ein der Landeskirche anhängender Souverain
+konnte auf den Thron kommen und ein aus Mitgliedern der Landeskirche
+bestehendes Parlament gebildet werden. Wie beklagenswerth mußte dann die
+Lage der Dissenters werden, die sich mit Jesuiten gegen die Verfassung
+verbündet hatten! Die Kirche bot eine Indulgenz ganz andrer Art als die
+von Jakob gewährte dar, eine Indulgenz, die eben so rechtsgültig und
+heilig war als die Magna Charta. Beide streitende Parteien versprachen
+dem Separatisten Glaubensfreiheit; aber die eine Partei verlangte von
+ihm, daß er sie durch Aufopferung der bürgerlichen Freiheit erkaufen
+sollte, während die andre ihn zum Genuß der bürgerlichen und religiösen
+zugleich einlud.
+
+Aus diesen Gründen konnte ein Dissenter sich wohl entschließen, sein
+Loos mit dem der Staatskirche zu verknüpfen, selbst wenn er hätte
+glauben können, daß der Hof es aufrichtig meinte. Aber wer garantirte
+ihm für die Aufrichtigkeit des Hofes? Jedermann kannte das bisherige
+Benehmen Jakob’s. Es war zwar nicht gerade unmöglich, daß ein Verfolger
+durch Vernunftgründe und Erfahrungen von den Vortheilen der
+Religionsduldung überzeugt werden konnte. Aber Jakob behauptete, nicht
+erst neuerdings überzeugt worden zu sein; im Gegentheil, er versäumte
+keine Gelegenheit, um zu versichern, daß er schon seit vielen Jahren aus
+Grundsatz aller Unduldsamkeit feind gewesen sei. Dennoch hatte er noch
+vor wenigen Monaten Männer, Frauen und junge Mädchen um ihrer Religion
+willen bis zum Tode verfolgt. Hatte er damals gegen die bessere
+Überzeugung seines Gewissens gehandelt? oder sagte er jetzt eine
+wissentliche Unwahrheit? Aus diesem Dilemma gab es keinen Ausweg und
+jede der beiden Annahmen war für den Ruf der Rechtschaffenheit des
+Königs gleich verderblich. Außerdem war auch allbekannt, daß ihn die
+Jesuiten ganz in ihrer Gewalt hatten. Erst wenige Tage vor der
+Bekanntmachung der Indulgenz war dieser Orden dem wohlbekannten Willen
+des heiligen Stuhles zum Trotz mit einem neuen Beweise seines Vertrauens
+und seines Beifalls beehrt worden. Sein Beichtvater, Pater Mansuetus,
+ein Franziskaner, dessen menschenfreundlicher Character und tadelloser
+Lebenswandel die größte Achtung verdienten, den aber Tyrconnel und Petre
+schon längst haßten, war entlassen worden. Den dadurch erledigten Posten
+erhielt ein Engländer, Namens Warner, der von dem Glauben seines
+Vaterlandes abgefallen und Jesuit geworden war. Den gemäßigten
+Katholiken und dem Nuntius war dieser Wechsel nichts weniger als
+angenehm, und jeder Protestant erblickte darin einen Beweis, daß die
+Jesuiten eine unumschränkte Herrschaft über das Gemüth des Königs
+ausübten.[40] So großes Lob auch diese Väter mit Recht beanspruchen
+konnten, besondere Liberalität und Wahrheitsliebe konnte selbst die
+Schmeichelei ihnen nicht beimessen. Daß sie, wenn es das Interesse ihres
+Glaubens oder ihres Ordens galt, niemals Bedenken trugen, den Beistand
+des weltlichen Schwerts anzurufen, oder die Gesetze der Wahrheit und
+Treue zu verletzen, dies war der Welt nicht nur durch protestantische
+Ankläger, sondern auch durch Männer verkündet worden, deren
+Tugendhaftigkeit und Genie der Stolz der römischen Kirche war. Es war
+unglaublich, daß ein ergebener Schüler der Jesuiten der
+Gewissensfreiheit aus Grundsatz zugethan sein sollte; dagegen aber war
+es weder unglaublich noch unwahrscheinlich, daß er es für gerechtfertigt
+hielt, seine wahren Gesinnungen zu verbergen, um seiner Religion einen
+Dienst zu erzeigen. Es war gewiß, daß dem Könige im Herzen die
+Anglikaner lieber waren als die Puritaner; es war gewiß, daß, so lange
+er noch Hoffnung hatte, die Anhänger der Staatskirche zu gewinnen, er
+den Puritanern nie die geringste Freundlichkeit erwiesen hatte. Konnte
+es also wohl einem Zweifel unterliegen, daß er selbst jetzt noch die
+Puritaner willig aufopfern würde, wenn die Anglikaner sich seinen
+Wünschen fügten? Sein wiederholt gegebenes Versprechen hatte ihn nicht
+abgehalten, die gesetzlichen Rechte der Geistlichkeit anzutasten, welche
+so viele sprechende Beweise von treuer Anhänglichkeit an sein Haus
+gegeben hatte. Welche Sicherheit konnte sonach sein Wort Secten
+gewähren, welche durch die Erinnerung an tausend geschlagene und
+empfangene, nicht wieder gut zu machende Wunden von ihm geschieden
+waren?
+
+ [Anmerkung 40: Ellis’ Correspondenz, 15. März u. 27. Juli 1686;
+ Barillon, 28. Febr. (10. März), 3.(13.) März, 6.(16.) März 1687;
+ Ronquillo, 9.(19.) März 1687 in der Mackintosh-Sammlung.]
+
+
+[_Einige von ihnen halten es mit dem Hofe. Care, Alsop, Rosewell._] Als
+die durch Bekanntmachung der Indulgenz verursachte Aufregung sich ein
+wenig gelegt hatte, zeigte es sich, daß in der puritanischen Partei eine
+Spaltung eingetreten war. Die Minorität, mit einigen wenigen thätigen
+Männern an der Spitze, deren Urtheil mangelhaft oder durch das Interesse
+geleitet war, unterstützte den König. Heinrich Care, welcher lange Zeit
+der heftigste und thätigste Pamphletist unter den Nonconformisten
+gewesen war und der in den Tagen des papistischen Complots Jakob in
+einer Schrift unter dem Titel +Packet of Advice from Rome+
+(Nachrichtenpacket von Rom) mit schrankenloser Wuth angegriffen hatte,
+schmeichelte ihm jetzt eben so laut, als er ihn früher geschmäht und
+verleumdet hatte.[41] Der Hauptagent, dessen sich die Regierung zur
+Bearbeitung der Presbyterianer bedient hatte, war Vincenz Alsop, ein
+Geistlicher, der als Prediger wie auch als Schriftsteller nicht
+unbekannt war. Sein Sohn, der wegen Hochverraths bestraft worden war,
+wurde begnadigt, und daher widmete der Vater seinen ganzen Einfluß dem
+Hofe.[42] Mit Alsop verbunden war Thomas Rosewell. Rosewell war während
+der durch die Entdeckung des Ryehousecomplots herbeigeführten Verfolgung
+der Dissenters fälschlich angeklagt worden, daß er gegen die Regierung
+gepredigt habe. Jeffreys hatte auf seine Verurtheilung zum Tode
+angetragen und eine bestochene Jury hatte ihn den klarsten Beweisen von
+seiner Unschuld zum Trotz für schuldig erklärt. Die Ungerechtigkeit des
+Urtheils war so himmelschreiend, daß selbst die Höflinge sich darüber
+empört zeigten. Ein angesehener Tory, der den Verhandlungen des
+Prozesses beigewohnt hatte, ging augenblicklich zu Karl und erklärte,
+daß der Hals des loyalsten Unterthanen in England nicht mehr sicher sein
+würde, wenn man Rosewell hinrichtete. Die Geschwornen selbst wurden von
+Reue ergriffen, als sie überlegten, was sie gethan hatten, und boten
+Alles auf, um dem Gefangenen das Leben zu retten. Endlich wurde seine
+Begnadigung bewilligt, aber Rosewell mußte drückende Bürgschaft für sein
+ferneres Wohlverhalten stellen und zu bestimmten Zeiten persönlich vor
+dem Gerichtshofe der Kings Bench erscheinen. Seine Bürgschaften wurden
+jetzt auf königlichen Befehl erlassen und dadurch seine Dienste
+gewonnen.[43]
+
+ [Anmerkung 41: +Wood’s Athenae Oxonienses+; +Observator+;
+ +Heraclitus Ridens+ an mehreren Stellen. Doch Care’s eigene
+ Schriften sind das beste Material zur Würdigung seines
+ Characters.]
+
+ [Anmerkung 42: +Calamy’s Account of the Ministers ejected or
+ silenced after the Restoration, Northamptonshire+; +Wood’s Athenae
+ Oxonienses+; +Biographia Britannica.+]
+
+ [Anmerkung 43: +Collection of State Trials+; +Samuel Rosewell’s
+ Life of Thomas Rosewell, 1718+; +Calamy’s Account.+]
+
+
+[_Lobb._] Das Geschäft, die Independenten zu gewinnen, war vornehmlich
+einem ihrer Geistlichen, Namens Stephan Lobb, übertragen. Lobb war ein
+schwacher, heftiger und ehrgeiziger Mann. Er hatte die Opposition gegen
+die Regierung so weit getrieben, daß sein Name in mehreren
+Proklamationen geächtet worden war, söhnte sich aber jetzt mit dem Hofe
+aus und ging in der Servilität eben so weit als er je in der Opposition
+gegangen war. Er schloß sich der jesuitischen Cabale an und rieth eifrig
+zu Maßregeln, vor denen die verständigsten und ehrenwerthesten
+Katholiken zurückschauderten. Man bemerkte, daß er fortwährend im
+Palaste und häufig im Privatkabinet des Königs war, daß er in einem
+Glanze lebte, an den die puritanischen Geistlichen nicht gewöhnt waren,
+und daß er beständig von Bittstellern belagert war, denen er durch
+seinen Einfluß Stellen und Begnadigungen verschaffen sollte.[44]
+
+ [Anmerkung 44: +London Gazette, March 15. 1685/6+; +Nichols’s
+ Defence of the Church of England+; +Pierce’s Vindication of the
+ Dissenters.+]
+
+
+[_Penn._] Mit Lobb eng befreundet war Wilhelm Penn. Penn war nie ein
+characterfester Mann gewesen, das Leben, das er seit zwei Jahren führte,
+hatte sein sittliches Zartgefühl nicht wenig verhärtet, und wenn sein
+Gewissen ihm einmal Vorwürfe machte, so tröstete er sich immer wieder
+mit dem Gedanken, daß er einen guten und edlen Zweck verfolge und daß
+ihm seine Dienste nicht mit Geld bezahlt würden.
+
+Durch den Einfluß dieser und anderer weniger hervorragender Männer
+wurden mehrere Dissentergemeinden bewogen, Dankadressen an den König zu
+richten. Toryistische Schriftsteller haben mit Recht bemerkt, daß die
+Sprache dieser Adressen so widerlich servil war wie nur in irgend einer
+der überschwenglichsten Lobreden, welche den Stuarts von Bischöfen
+gespendet worden sind. Bei genauer Untersuchung stellt es sich heraus,
+daß die Schmach nur einem sehr kleinen Theile der puritanischen Partei
+zur Last fällt. Es gab kaum einen Marktflecken in England, der nicht
+wenigstens ein kleines Häuflein Separatisten gehabt hätte, und man
+sparte keine Mühe, um sie zu einer Äußerung ihrer Dankbarkeit für die
+Indulgenz zu bewegen. Rundschreiben, welche sie zur Unterzeichnung
+aufforderten, wurden nach allen Gegenden des Landes in solchen Massen
+geschickt, daß, wie man scherzweise sagte, die Postfelleisen den Pferden
+zu schwer waren. Indessen belief sich die Gesammtzahl der Adressen, die
+man von allen über ganz England zerstreuten Presbyterianern,
+Independenten und Baptisten erlangen konnte, noch nicht auf sechzig;
+auch ist kein Grund zu der Vermuthung vorhanden, daß diese Adressen
+zahlreiche Unterschriften hatten.[45]
+
+ [Anmerkung 45: Die Adressen sind in der London Gazette zu finden.]
+
+
+[_Die Mehrzahl der Puritaner ist gegen den Hof. Baxter._] Die große
+Masse der protestantischen Nonconformisten, welche fest an den
+bürgerlichen Freiheiten hing und den Versprechungen des Königs und der
+Jesuiten nicht traute, weigerte sich standhaft, für eine Begünstigung zu
+danken, hinter der man mit gutem Grund eine Schlinge argwöhnen durfte.
+Dies war die Stimmung aller angesehensten Oberhäupter der Partei. Zu
+ihnen gehörte Baxter. Er war, wie wir gesehen haben, bald nach Jakob’s
+Thronbesteigung in Untersuchung gezogen, von Jeffreys gröblich insultirt
+und von einer Jury, wie die höfischen Sheriffs der damaligen Zeit sie zu
+wählen pflegten, für schuldig erklärt worden. Baxter befand sich seit
+ungefähr anderthalb Jahren im Gefängniß, als der Hof ernstlich darauf zu
+denken begann, die Nonconformisten zu gewinnen. Er wurde nicht allein in
+Freiheit gesetzt, sondern auch bedeutet, daß er, wenn er sonst wollte,
+seinen Aufenthalt in London nehmen könnte, ohne die Anwendung der
+Fünfmeilenacte gegen sich zu fürchten. Die Regierung hoffte
+wahrscheinlich, daß die Erinnerung an vergangene Leiden und das Gefühl
+der gegenwärtigen Erlösung auf ihn die nämliche Wirkung äußern werde,
+wie auf Rosewell und Lobb. Diese Hoffnung erwies sich jedoch als irrig.
+Baxter war weder zu bestechen, noch zu täuschen; er weigerte sich,
+irgend eine Dankadresse für die Indulgenz zu unterzeichnen und
+verwendete seinen ganzen Einfluß zur Herbeiführung eines guten
+Vernehmens zwischen der Staatskirche und den Presbyterianern.[46]
+
+ [Anmerkung 46: +Calamy’s Life of Baxter.+]
+
+
+[_Howe._] Wenn es irgend einen Mann gab, der in der Achtung der
+protestantischen Dissenters noch höher stand als Baxter, so war dies
+Johann Howe. Howe hatte, wie Baxter, durch den neuerlichen Umschwung der
+Politik persönlich gewonnen. Die nämliche Tyrannei, welche Baxter ins
+Gefängniß warf, hatte ihn in die Verbannung getrieben und bald nach
+Baxter’s Entlassung aus dem Gefängnisse der Kings Bench kehrte Howe von
+Utrecht nach England zurück. Man erwartete in Whitehall, daß Howe den
+ganzen Einfluß, den er auf seine Glaubensgenossen ausübte, zu Gunsten
+des Hofes verwenden werde. Der König selbst ließ sich herab, den
+Unterthan, den er unterdrückt hatte, um seinen Beistand zu bitten. Howe
+scheint geschwankt zu haben; der Einfuß Hampden’s aber, mit dem er intim
+befreundet war, vermochte ihn, der Sache der Verfassung treu zu bleiben.
+Eine Versammlung presbyterianischer Geistlichen wurde in seinem Hause
+gehalten, um über die Lage der Dinge zu berathen und über den
+einzuschlagenden Weg einen Beschluß zu fassen. Im Palaste erwartete man
+mit ängstlicher Spannung das Ergebniß. Zwei königliche Abgesandte
+wohnten der Verhandlung bei, und sie kamen mit der unwillkommnen
+Nachricht zurück, daß Howe sich entschieden gegen das Dispensationsrecht
+erklärt und nach langer Debatte die Majorität der Versammlung für sich
+gewonnen habe.[47]
+
+ [Anmerkung 47: +Calamy’s Life of Howe+. Den Antheil, den die
+ Familie Hampden an dieser Angelegenheit gehabt, habe ich aus einem
+ Briefe von Johnstone an Waristoun vom 13. Juni 1688 erfahren.]
+
+
+[_Bunyan._] Neben Baxter und Howe muß noch ein andrer Mann genannt
+werden, der nach seiner Stellung und Gelehrsamkeit tief unter ihnen, an
+Tugend aber ihnen gleich, und an Genie hoch über ihnen stand, Johann
+Bunyan. Bunyan war ursprünglich Kesselflicker gewesen und hatte als
+gemeiner Soldat in der Parlamentsarmee gedient. Schon in seinen früheren
+Jahren hatten ihn furchtbare Gewissensbisse wegen seiner Jugendsünden
+gequält, von denen jedoch die schlimmsten solche gewesen zu sein
+scheinen, welche die Welt für verzeihlich hält. Seine große Reizbarkeit
+und seine glühende Phantasie machten seine inneren Kämpfe ganz besonders
+qualvoll. Er bildete sich ein, daß ein Verdammungsurtheil über ihn
+verhängt sei, daß er den heiligen Geist gelästert, daß er Christum
+verkauft habe und daß er thatsächlich von einem bösen Geiste besessen
+sei. Bald vernahm er laute Warnungsstimmen vom Himmel, bald versuchte
+ihn der Teufel durch gottlose Einflüsterungen. Er hatte Visionen von
+entfernten Berggipfeln, welche die Sonne glänzend beleuchtete, von denen
+er aber durch eine Schneewüste getrennt war. Er fühlte wie der Teufel
+ihn an den Kleidern zupfte; er glaubte, das Kainszeichen sei ihm
+aufgedrückt; er fürchtete daß er zerbersten werde, wie Judas. Diese
+Seelenkämpfe zerrütteten seine Gesundheit. Den einen Tag zitterte er wie
+ein vom Schlage Getroffener; ein andermal brannte es ihn wie Feuer in
+der Brust. Es ist kaum zu begreifen, daß er so entsetzlichen und
+andauernden Qualen nicht unterlag. Endlich zertheilten sich die Wolken.
+Aus dem Abgrunde der Verzweiflung erhob sich der Büßende in einen
+Zustand heiterer Glückseligkeit. Ein unwiderstehlicher Drang trieb ihn
+an, auch Andere des Segens theilhaftig werden zu lassen, dessen er
+selbst genoß.[48] Er schloß sich den Baptisten an und wurde Prediger und
+Schriftsteller. Seine Erziehung war die eines Handwerkers gewesen und er
+verstand keine andre Sprache als die englische, wie sie von dem niederen
+Volke gesprochen wird. Er hatte kein großes Musterwerk studirt, mit der
+einzigen, allerdings sehr bedeutenden Ausnahme unsrer herrlichen
+Bibelübersetzung. Seine Orthographie war schlecht; er machte häufige
+Verstöße gegen die Regeln der Grammatik. Doch sein angebornes Genie und
+seine durch eigene Erfahrung erworbene Kenntniß aller religiösen
+Gefühle, von der Verzweiflung bis zur Verzückung, ersetzten in ihm
+reichlich den Mangel an Gelehrsamkeit. Seine natürliche Beredtsamkeit
+erhob und rührte Zuhörer, welche bei den fleißig ausgearbeiteten
+Vorträgen großer Dialektiker und Hebraisten kalt blieben. Seine Werke
+waren unter den niederen Klassen weit verbreitet. Eines davon, des
+Pilgers Reise, wurde schon zu seinen Lebzeiten in mehrere fremde
+Sprachen übersetzt. Den Gelehrten und höher Gebildeten war es jedoch
+kaum bekannt, und die frommen Hüttenbewohner und Handwerker hatten sich
+bereits seit einem Jahrhundert daran erfreut, als es endlich von einem
+in der Literatur sehr hochstehenden Manne öffentlich empfohlen wurde.
+Die Kritik ließ sich nun herab, das Geheimniß einer so ausgedehnten und
+dauernden Popularität zu erforschen. Sie mußte gestehen, daß die
+unwissende Menge richtiger geurtheilt hatte als die Gelehrten und daß
+das verachtete Büchlein wirklich ein Meisterwerk war. Bunyan ist in der
+That ebenso gewiß der erste Allegoriker, wie Demosthenes der erste
+Redner und Shakespeare der erste Dramatiker ist. Zwar haben andere
+Allegoriker eine gleiche Erfindungsgabe gezeigt; aber kein andrer ist je
+im Stande gewesen, das Herz zu rühren und abstracte Begriffe zu
+Gegenständen des Entsetzens, des Mitleids und der Liebe zu machen.[49]
+
+Es dürfte zu bezweifeln sein, ob irgend ein englischer Dissenter die
+Last der Strafgesetze schwerer empfunden hat als Johann Bunyan. Von den
+siebenundzwanzig Jahren, welche seit der Restauration verstrichen waren,
+hatte er zwölf im Gefängniß zugebracht. Dennoch fuhr er fort zu
+predigen, aber um dies zu können, mußte er sich als Fuhrmann verkleiden.
+Oft wurde er, im Fuhrmannskittel und mit der Peitsche in der Hand, durch
+eine Hinterthür in die Versammlung eingeführt. Hätte er nur an seine
+eigene Ruhe und Sicherheit gedacht, so würde er die Indulgenzerklärung
+freudig begrüßt haben. Jetzt durfte er endlich am hellen Tage predigen
+und ermahnen. Seine Gemeinde wuchs mit reißender Schnelligkeit. Tausende
+hingen an seinen Lippen und in Bedford, wo er sich größtentheils
+aufhielt, gingen reiche Beisteuern zum Bau eines Bethauses für ihn ein.
+Er stand in so hohem Ansehen bei dem gemeinen Volke, daß die Regierung
+ihm gern ein städtisches Amt übertragen hätte; aber sein scharfer
+Verstand und sein treues englisches Herz widerstanden siegreich allen
+Versuchungen und Täuschungen. Er war fest überzeugt, daß die angebotene
+Duldung nur ein Köder sei, um die puritanische Partei damit ins
+Verderben zu locken; auch wollte er nicht durch Annahme einer Stelle, zu
+der er nicht gesetzlich qualificirt war, die Gültigkeit der
+Dispensationsgewalt anerkennen. Eine der letzten edlen Handlungen seines
+tugendreichen Lebens war die Ablehnung einer Unterredung, zu der er
+durch einen Agenten der Regierung eingeladen wurde.[50]
+
+ [Anmerkung 48: +Bunyan’s Grace Abounding.+]
+
+ [Anmerkung 49: Young stellt Bunyan’s Prosa auf gleiche Stufe mit
+ Durfey’s Poesie. Die fashionablen Leute im +Spiritual Quixote+
+ stellen den +Pilgrim’s Progress+ mit +Jack the Giantkiller+
+ zusammen. Spät im achtzehnten Jahrhundert wagte Cowper nur eine
+ Anspielung auf den großen Allegoriker:
+
+ Nicht nennen will ich dich, damit Dein Name
+ Statt wohlverdienten Ruhm nicht Hohn Dir bringe.]
+
+ [Anmerkung 50: Fortsetzung von Bunyan’s Biographie im Anhang zu
+ seiner „Überströmenden Gnade.“]
+
+
+[_Kiffin._] So groß Bunyan’s Ansehen bei den Baptisten war, Wilhelm
+Kiffin’s Ansehen war noch größer. Kiffin war in Bezug auf Rang und
+Reichthum der Erste unter ihnen. Er pflegte seine geistlichen Talente
+bei ihren Versammlungen auszuüben, erwarb sich aber nicht durch Predigen
+seinen Unterhalt. Er machte große Handelsgeschäfte, stand an der Börse
+in hohem Ansehen und hatte sich ein bedeutendes Vermögen gesammelt.
+Niemand hätte vielleicht unter den dermaligen Verhältnissen dem Hofe
+werthvollere Dienste leisten können als er. Aber zwischen ihm und dem
+Hofe stand die Erinnerung an ein entsetzliches Ereigniß. Er war der
+Großvater der Gebrüder Hewling, der beiden muthigen Jünglinge, welche
+von allen Opfern der blutigen Assisen vielleicht am allgemeinsten
+bedauert worden waren. Für das traurige Loos des einen von ihnen war
+Jakob ganz besonders verantwortlich. Jeffreys hatte dem jüngeren Bruder
+einen Aufschub bewilligt. Churchill hatte der Schwester der beiden
+jungen Männer eine Audienz beim Könige verschafft, und sie hatte um
+Gnade gefleht; aber des Königs Herz war unerbittlich gewesen. Es war für
+die ganze Familie ein harter Schlag; am meisten aber war Kiffin zu
+bedauern. Er war siebzig Jahr alt, als er vereinsamt dastand. Diejenigen
+überlebend, die ihn hatten überleben sollen. Die herzlosen und feilen
+Schmarotzer von Whitehall glaubten, indem sie nach sich selbst
+urtheilten, der alte Mann werde durch einen Aldermansmantel und durch
+eine Geldentschädigung für das verwirkte Vermögen seiner Enkel leicht
+wieder zu gewinnen sein. Penn wurde zu dem Verführungswerke ausersehen;
+aber seine Bemühungen waren vergebens. Der König beschloß hierauf, die
+Wirkung seiner persönlichen Artigkeit zu versuchen. Kiffin wurde in den
+Palast beschieden. Er fand einen glänzenden Kreis von Kavalieren und
+Gentlemen versammelt. Jakob kam ihm sogleich entgegen, redete ihn sehr
+freundlich an und schloß mit den Worten: „Ich habe Sie zu einem der
+Aldermen von London bestimmt, Herr Kiffin.“ Der alte Mann sah den König
+fest an, brach in Thränen aus und antwortete: „Sire, ich bin abgenutzt,
+ich bin nicht mehr fähig, Eurer Majestät oder der Hauptstadt zu dienen.
+Und überdies, Sire, hat der Tod meiner armen Jungen mir das Herz
+gebrochen. Diese Wunde ist noch heute so frisch wie jemals, und ich
+werde sie mit ins Grab nehmen.“ Der König schwieg einige Augenblicke
+sichtlich bewegt und sagte dann: „Ich werde einen Balsam für diese Wunde
+finden, Herr Kiffin.“ Es war gewiß nicht Jakob’s Absicht, etwas
+Kränkendes oder Übermüthiges zu sagen, im Gegentheil, er scheint sich in
+einer ungewöhnlich weichen Stimmung befunden zu haben. Dennoch wirft
+keine Äußerung die uns von ihm berichtet wird, ein so nachtheiliges
+Licht auf seinen Character als diese wenigen Worte. Es sind die Worte
+eines hartherzigen, niedrig denkenden Mannes, der sich keine Verwundung
+des Gefühls denken kann, welche durch eine Stelle oder durch eine
+Pension nicht vollkommen zu heilen wäre.[51]
+
+Der Theil der Dissenters, der sich der neuen Politik des Königs günstig
+zeigte, war von Anfang an klein gewesen und begann bald noch mehr
+zusammenzuschmelzen. Denn die Nonconformisten erkannten in nicht langer
+Zeit, daß ihre geistlichen Privilegien durch die Indulgenz eher
+geschmälert als erweitert worden waren. Der characteristische Zug des
+Puritaners war Abscheu gegen die Eigenthümlichkeiten der römischen
+Kirche. Er hatte sich nur deshalb von der anglikanischen Kirche
+losgetrennt, weil er meinte, daß sie ihrer hochmüthigen und üppigen
+Schwester, der Zauberin mit dem goldenen Becher und dem Purpurgewande,
+zu ähnlich sähe. Jetzt fand er, daß eine von den stillschweigenden
+Bedingungen des Bündnisses, welches einige seiner Seelenhirten mit dem
+Hofe geschlossen hatten, die war, daß die Religion des Hofes mit Achtung
+und Schonung behandelt werden sollte. Er begann bald sich nach den Tagen
+der Verfolgung zurückzusehnen. So lange die Strafgesetze noch angewendet
+wurden, hatte er die Worte des Lebens zwar im Geheimen und mit
+persönlicher Gefahr angehört, aber er hatte sie doch gehört. Wenn die
+Brüder in ihrer Stube versammelt waren, wenn die Schildwachen
+ausgestellt und die Thüren verschlossen waren, wenn der Prediger in der
+Kleidung eines Metzgers oder Fuhrmanns über das Dach hereingekommen war,
+dann wurde wenigstens ein wirklicher Gottesdienst gehalten. Kein Theil
+der göttlichen Wahrheit ward aus weltlichen Rücksichten unterdrückt oder
+verstümmelt, alle unterscheidenden Lehren der puritanischen Theologie
+wurden vollständig und sogar in ihrer ungeschminktesten Form
+dargestellt. Der römischen Kirche ward kein Pardon gegeben. Das Thier,
+der Antichrist, der Mensch der Sünde, die mystische Isabel, das
+mystische Babylon waren die Ausdrücke, mit denen man jenen hehren und
+bezaubernden Aberglauben zu bezeichnen pflegte. Dies war einst die
+Sprache Alsop’s, Lobb’s, Rosewell’s und anderer Geistlichen gewesen,
+welche kürzlich im Palast wohl aufgenommen worden waren; aber so
+sprachen sie jetzt nicht mehr. Geistliche, die nach einer hohen Stufe in
+der Gunst und dem Vertrauen des Königs strebten, durften es nicht wagen,
+in harten Worten von der Religion des Königs zu sprechen. Die Gemeinden
+beklagten sich daher laut, daß sie seit dem Erscheinen der
+Indulgenzerklärung, welche ihnen dem Wortlaute nach doch völlige
+Gewissensfreiheit gewähren wollte, das Evangelium nie mehr kühn und rein
+hätten verkünden hören. Früher hatten sie ihre geistliche Nahrung
+verstohlen erhaschen müssen, aber wenn sie sie erhascht hatten, so
+fanden sie sie wenigstens ganz nach ihrem Geschmacke zubereitet. Jetzt
+konnten sie sie öffentlich und in aller Bequemlichkeit zu sich nehmen,
+aber sie hatte ihren ganzen Wohlgeschmack verloren. Sie versammelten
+sich bei Tage und in geräumigen Lokalen; aber sie hörten Predigten, die
+ihnen bei weitem nicht so gefielen, als die, welche der Rector ihnen
+gehalten haben würde. In der Pfarrkirche wurde der selbstgeschaffene
+Gottesdienst und die Abgötterei Roms jeden Sonntag energisch
+angegriffen; im Versammlungshause aber hütete sich der Pastor, der noch
+vor wenigen Monaten die Geistlichen der Landeskirche für nicht viel
+besser als die Papisten erklärt hatte, jetzt sorgfältig, den Papismus zu
+tadeln, oder kleidete seinen Tadel wenigstens in ein so mildes Gewand,
+daß er selbst das Ohr eines Pater Petre nicht beleidigt haben würde.
+Auch war es nicht möglich, für diesen Wechsel einen stichhaltigen Grund
+aufzufinden. Die römisch-katholischen Lehren hatten sich nicht
+verändert; seit Menschengedenken waren die katholischen Priester noch
+nie so eifrig im Proselytenmachen gewesen; noch nie waren so viele
+katholische Schriften aus der Presse hervorgegangen; noch nie hatten
+Alle, die sich um die Religion kümmerten, den Streit zwischen Katholiken
+und Protestanten mit so gespannter Aufmerksamkeit verfolgt. Was konnte
+man also von der Aufrichtigkeit von Theologen halten, welche nicht müde
+geworden waren, den Papismus zu schmähen, so lange derselbe
+vergleichsweise harmlos und wehrlos war, und die jetzt, wo eine Zeit
+wirklicher Gefahr für den reformirten Glauben gekommen, sorgfaltig jedes
+Wort vermieden, das einem Jesuiten Anstoß geben konnte? Ihr Benehmen war
+in der That nicht schwer zu erklären. Es war bekannt, daß einige von
+ihnen Begnadigungen erlangt, es wurde vermuthet, daß andere Geld
+bekommen hatten. Ihr Vorbild war der schwache Apostel, der aus Angst den
+Herrn verleugnete, dem er prahlerisch die unverbrüchlichste Treue gelobt
+hatte, oder der noch schlechtere Apostel, der seinen Herrn um eine
+Handvoll Silberlinge verkaufte.[52]
+
+So verloren die vom Hofe gewonnenen Dissentergeistlichen rasch den
+Einfluß, den sie einst auf ihre Glaubensbrüder besessen hatten. Auf der
+andren Seite fühlten sich die Sektirer durch eine starke religiöse
+Sympathie zu den anglikanischen Prälaten und Priestern hingezogen,
+welche trotz königlicher Befehle, Drohungen und Versprechungen einen
+heftigen Krieg gegen die römische Kirche unterhielten. Die so lange
+durch tödtliche Feindschaft getrennt gewesenen Anglikaner und Puritaner,
+näherten sich einander mit jedem Tage mehr und mehr und jeder Schritt
+zur Einigung vermehrte den Einfluß des Mannes, der ihr gemeinsames
+Oberhaupt war. Wilhelm eignete sich in jeder Beziehung zum Vermittler
+zwischen diesen beiden großen Parteien der englischen Nation. Man konnte
+nicht sagen, daß er einer von beiden angehöre; aber keine von beiden
+konnte sich bei ruhiger Überlegung weigern, ihn als einen Freund zu
+betrachten. Sein theologisches System stimmte mit dem der Puritaner
+überein. Zu gleicher Zeit betrachtete er das Episcopat wenn auch nicht
+als eine göttliche Einrichtung, doch als eine vollkommen rechtmäßige und
+höchst nützliche Form des Kirchenregiments. Fragen über Stellungen,
+Gewänder, Festtage und Liturgien waren in seinen Augen keine
+Lebensfragen. Ein einfacher Gottesdienst wie der, an den er von jeher
+gewöhnt war, würde seinem persönlichen Geschmacke am meisten zugesagt
+haben, aber er war dabei gern bereit, sich jedem Ritual zu fügen, das
+der Nation angenehm war, und bestand nur darauf, daß man ihm nicht
+zumuthete, diejenigen seiner protestantischen Brüder zu verfolgen, denen
+ihr Gewissen es nicht zuließ, seinem Beispiele zu folgen. Zwei Jahre
+früher würde er von zahlreichen Bigotten auf beiden Seiten für einen
+bloßen Laodicäer erklärt, worden sein, der weder kalt noch warm war und
+zu nichts taugte als ausgestoßen zu werden. Aber der Eifer, der
+Anglikaner gegen Dissenters und Dissenters gegen Anglikaner entflammt
+hatte, war durch gemeinsame Widerwärtigkeiten und Gefahren so gedämpft
+worden, daß die Lauheit, die man ihm früher als Verbrechen angerechnet,
+jetzt als eine seiner Haupttugenden betrachtet wurde.
+
+ [Anmerkung 51: +Kiffin’s Memoirs+; Luson’s Brief an Brooke vom 11.
+ Mai 1773 in der Hughes-Correspondenz.]
+
+ [Anmerkung 52: Man sehe unter anderen zeitgenössischen
+ Flugschriften eine mit dem Titel: +A Representation of the
+ threatening Dangers impending over Protestants.+]
+
+
+[_Der Prinz und die Prinzessin von Oranien gegen die
+Indulgenzerklärung._] Jedermann war gespannt auf seine Ansicht über die
+Indulgenzerklärung. Eine Zeit lang nährte man in Whitehall die Hoffnung,
+daß seine bekannte Achtung vor den Rechten des Gewissens ihn wenigstens
+abhalten werde, öffentlich seine Mißbilligung einer Politik
+auszusprechen, die einen unleugbaren Anstrich von Freisinnigkeit hatte.
+Penn schickte zahlreiche Auseinandersetzungen nach dem Haag und begab
+sich sogar persönlich dahin, in der Hoffnung daß seine Beredtsamkeit,
+von der er eine hohe Meinung hatte, sich als unwiderstehlich erweisen
+werde. Aber obgleich er sein Lieblingsthema mit einer Redseligkeit
+entwickelte, die seine Zuhörer ermüdete und obgleich er sie versicherte,
+daß ein Mann, der mit den Engeln verkehre, ihm das Herannahen eines
+goldenen Zeitalters der Religionsfreiheit geoffenbart habe, so machte er
+doch keinen Eindruck auf den Prinzen.[53] „Ihr verlangt von mir,“ sagte
+er zu einem der Agenten des Königs, „daß ich einen Angriff auf meine
+eigne Religion unterstützen soll. Das kann ich mit gutem Gewissen nicht
+thun, und ich werde es nicht thun, nein, nicht um die Krone Englands,
+nicht um die Herrschaft der Welt!“ Diese Worte wurden dem Könige
+mitgetheilt und sie beunruhigten ihn nicht wenig.[54] Er schrieb mit
+eigner Hand eindringliche Briefe. Zuweilen nahm er den Ton des
+Beleidigten an. Er sei das Oberhaupt der königlichen Familie, als
+solches sei er berechtigt, von den jüngeren Mitgliedern Gehorsam zu
+erwarten, und es sei sehr hart, daß er in einer Angelegenheit, die ihm
+über Alles am Herzen liege, auf Widerstand stoße. Andere Male wurde ihm
+ein Köder vorgehalten, den man für unwiderstehlich hielt. Wenn Wilhelm
+nur in diesem einen Punkte nachgäbe, so würde die englische Regierung
+ihm dafür kräftigen Beistand gegen Frankreich leisten. Er ließ sich aber
+nicht bethören. Er wußte, daß Jakob selbst beim besten Willen ohne die
+Unterstützung eines Parlaments nicht im Stande sein würde, der
+gemeinschaftlichen Sache Europa’s einen wirksamen Dienst zu leisten, und
+es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß wenn ein Parlament
+zusammenkam, die erste Forderung beider Häuser die Cassirung der
+Indulgenzerklärung sein würde.
+
+Die Prinzessin stimmte allen Meinungsäußerungen ihres Gemahls bei, und
+ihre gemeinschaftliche Ansicht wurde dem Könige in entschiedenen aber
+gemäßigten Ausdrücken mitgetheilt. Sie erklärten, daß sie das von Seiner
+Majestät eingeschlagene Verfahren lebhaft bedauerten. Sie seien
+überzeugt, daß er sich ein Hoheitsrecht angemaßt habe, das ihm
+gesetzlich nicht zustehe. Gegen diese Anmaßung protestirten sie, nicht
+nur als Freunde der bürgerlichen Freiheit, sondern auch als Mitglieder
+des königlichen Hauses, als welche sie ein hohes Interesse an der
+Erhaltung der Rechte dieser Krone hätten, die sie einst tragen könnten.
+Denn die Erfahrung habe gelehrt, daß Willkürherrschaft in England
+unfehlbar eine Reaction nach sich ziehe, die noch verderblicher sei als
+jene selbst, und man müsse mit Grund befürchten, daß die durch die
+Aussicht auf Despotismus beunruhigte und entrüstete Nation selbst gegen
+die constitutionelle Monarchie einen Widerwillen fassen würde. Sie gäben
+daher dem Könige den Rath, daß er in allen Dingen streng nach dem
+Gesetze regieren möge. Sie geständen sehr gern zu, daß das Gesetz mit
+Nutzen durch die competente Autorität abgeändert werden könne und daß
+ein Theil seiner Erklärung es wohl verdiene, einer Parlamentsacte
+einverleibt zu werden. Sie seien keine Verfolger, sie würden mit
+Vergnügen römische Katholiken so gut als protestantische Dissenters in
+geeigneter Weise von allen Strafgesetzen befreit, und ebenso gern
+protestantische Dissenters in zweckmäßiger Weise zu bürgerlichen Ämtern
+zugelassen sehen. Weiter aber könnten Ihre Hoheiten nicht gehen. Sie
+könnten sich der ernsten Besorgniß nicht enthalten, daß die Zulassung
+römischer Katholiken zu Staatsämtern große Nachtheile hervorrufen
+würden, und es war nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß der Grund
+zu dieser Besorgniß namentlich in Jakob’s Handlungsweise liege.[55]
+
+ [Anmerkung 53: +Burnet I. 693, 694.+]
+
+ [Anmerkung 54: +„Le Prince d’Orange, qui avoit éludé jusqu’alors
+ de faire une réponse positive dit ... qu’il ne consentira jamaia à
+ la suppression de ces lois qui avoient été établies pour le
+ maintien et la sureté de la religion Protestante, et que sa
+ conscience ne lui permettoit point, non seulement pour la
+ succession du royaume d’Angleterre, mais même pour l’empire du
+ monde; en sorte que le roi d’Angleterre est plus aigri contre lui
+ qu’il n’a jamais été.“+ -- Bonrepaux, 11.(21.) Juni 1687.]
+
+ [Anmerkung 55: +Burnet, I. 710+; Bonrepaux, 24. Mai (4. Juni)
+ 1687.]
+
+
+[_Vertheidigung ihrer Ansichten bezüglich der englischen Katholiken._]
+Die ausgesprochene Ansicht des Prinzen und der Prinzessin über die
+Ausschließungen, denen die römischen Katholiken unterworfen waren,
+theilten fast alle Staatsmänner und Philosophen, welche damals der
+politischen und religiösen Freiheit eifrig das Wort redeten. In unsrer
+Zeit dagegen haben erleuchtete Männer oft mit Bedauern sich dahin
+geäußert, daß Wilhelm in diesem einen Punkte gegen seinen Schwiegervater
+im Nachtheil stehe. Das Wahre ist, daß einige Erwägungen, welche
+nothwendig sind, wenn man sich ein richtiges Urtheil bilden will, von
+vielen Schriftstellern des neunzehnten Jahrhunderts nicht berücksichtigt
+worden zu sein scheinen.
+
+Es sind zwei einander entgegengesetzte Irrthümer, in welche Diejenigen,
+die sich mit dem Studium unsrer vaterländischen Geschichte beschäftigen,
+in steter Gefahr sind zu verfallen: der Irrthum, daß sie die Gegenwart
+nach der Vergangenheit, und der Irrthum, daß sie die Vergangenheit nach
+der Gegenwart beurtheilen. Dem ersteren sind Diejenigen unterworfen,
+welche geneigt sind alles Alte zu verehren, dem zweiten Diejenigen,
+welche von allem Neuen angezogen werden. Auf den ersteren stößt man
+beständig in den Raisonnements conservativer Politiker über die Fragen
+ihrer Zeit, der zweite findet sich immer in den Betrachtungen von
+Schriftstellern der liberalen Richtung, wenn sie die Ereignisse einer
+früheren Zeit besprechen. Der erstere ist bei einem Staatsmanne, der
+andre bei einem Geschichtsschreiber verderblicher.
+
+Es ist für Niemanden, der es in Unsrer Zeit unternimmt, über die
+Revolution zu schreiben, welche die Stuarts stürzte, so leicht, die
+rechte Mittelstraße zwischen diesen beiden Extremen stetig einzuhalten.
+Die Frage, ob es gerathen sei, Mitglieder der katholischen Kirche zum
+Parlament und zu Staatsämtern zuzulassen, erschütterte unser Vaterland
+während der Regierung Jakob’s II., durch seinen Sturz wurde sie in den
+Hintergrund zurückgedrängt, und nachdem sie über ein Jahrhundert lang
+geruht hatte, kam sie in Folge der großen Aufregung der Gemüther, welche
+dem Zusammentritt der französischen Nationalversammlung folgte, wieder
+zur Sprache. Dreißig Jahre währte der Streit in beiden Häusern des
+Parlaments, in jedem Wahlkörper, in jedem Kreise der Gesellschaft. Er
+stürzte Ministerien, zerriß Parteien, machte in einem Theile des Landes
+jede Regierung unmöglich und brachte uns zuletzt an den Rand des
+Bürgerkrieges. Selbst nach Beendigung des Kampfes gohren die
+Leidenschaften, die er aufgeregt hatte, noch immer fort. Ein Mann,
+dessen Geist unter dem Einflusse dieser Leidenschaften stand, konnte
+fast unmöglich die Ereignisse der Jahre 1687 und 1688 in einem
+vollkommen richtigen Lichte erblicken.
+
+Eine Klasse von Politikern, welche von dem richtigen Vordersatze
+ausging, daß die Revolution eine große Wohlthat für unser Land gewesen
+sei, gelangte zu dem irrigen Schlusse, daß keine Bürgschaft, die von den
+Staatsmännern der Revolution zum Schutze unsrer Religion und unsrer
+Freiheit für nöthig erachtet worden war, ohne Gefahr abgeschafft werden
+könnte. Eine andre Klasse, die von dem ebenfalls richtigen Vordersatze
+ausging, daß die über die Katholiken verhängten Ausschließungen lange
+Zeit nichts als Unheil verursacht hätten, kam zu dem falschen Schlusse,
+daß diese Ausschließungen zu keiner Zeit nützlich und nothwendig gewesen
+sein könnten. Der erste Trugschluß durchdrang die Reden des geistreichen
+und gelehrten Eldon, der andre blieb selbst auf einen so ruhigen und
+philosophischen Kopf wie Mackintosh nicht ganz ohne Einfluß.
+
+Bei näherer Prüfung wird es sich jedoch vielleicht zeigen, daß wir das
+von allen großen englischen Staatsmännern des siebzehnten Jahrhunderts
+einstimmig gebilligte Verfahren rechtfertigen können, ohne die Weisheit
+des von allen großen englischen Staatsmännern unsrer Zeit eben so
+einstimmig gebilligten Verfahrens in Zweifel zu ziehen.
+
+Es ist unbestreitbar ein Übel, wenn ein Bürger seiner religiösen Meinung
+halber vom Staatsdienste ausgeschlossen sein soll; aber der menschlichen
+Weisheit bleibt zuweilen nichts andres übrig als die Wahl zwischen zwei
+Übeln. Eine Nation kann in eine Lage kommen, in der die Mehrheit
+entweder Ausschließungen verhängen oder sich solche gefallen lassen
+muß und wo das was unter gewöhnlichen Verhältnissen mit Recht als
+Verfolgung verdammt werden würde, noch innerhalb der Grenzen der
+Selbstvertheidigung liegt. In einer solchen Situation befand sich
+England im Jahre 1687.
+
+Nach der Verfassung des Reichs hatte Jakob das Recht, fast alle
+öffentlichen Beamten, bei der Regierung, bei den Gerichten, in der
+Kirche, beim Militair und bei der Flotte zu ernennen. Bei der Ausübung
+dieses Rechts war er nicht, wie unsere gegenwärtigen Souveraine,
+genöthigt, in Übereinstimmung mit dem Rathe von Ministern, die das Haus
+der Gemeinen billigte, zu handeln. Es lag also auf der Hand, daß es,
+wenn er durch das Gesetz nicht streng verbunden war, nur Protestanten
+anzustellen, ihm frei stand, lauter Katholiken anzustellen. Die Anzahl
+der römischen Katholiken war unbedeutend, und es gab nicht einen
+einzigen Mann unter ihnen, dessen Dienste der Staat ernstlich vermißt
+haben würde. Das Verhältniß, in dem ihre Zahl zur Gesammtbevölkerung
+stand, war noch viel geringer als es gegenwärtig ist, denn gegenwärtig
+ergießt sich ein ununterbrochener Auswanderungsstrom von Irland in
+unsere großen Städte, während es im siebzehnten Jahrhunderte noch nicht
+einmal in London eine irische Colonie gab. Neunundvierzig Funfzigstel
+der Bewohner des Königreichs, neunundvierzig Funfzigstel des Vermögens
+des Königreichs, fast alle politischen, juristischen und militairischen
+Talente und Kenntnisse, die das Land besaß, waren protestantisch.
+Trotzdem hatte der König in thörichter Verblendung sich vorgenommen,
+sein unbegrenztes Ernennungsrecht als Mittel zum Proselytenmachen zu
+benutzen. Seiner Kirche angehören war in seinen Augen der erste
+Befähigungstitel für ein Amt. Der Landeskirche angehören war entschieden
+ein Grund der Nichtbefähigung. Er verwarf zwar in einer Sprache, welche
+den Beifall einiger leichtgläubigen Freunde der Glaubensfreiheit fand,
+die monströse Ungerechtigkeit des Religionseides, der eine kleine
+Minderheit der Nation von öffentlichen Ämtern ausschloß; zu gleicher
+Zeit aber führte er einen andren Religionseid ein, der die Mehrheit
+ausschloß. Es schien ihm hart, daß ein guter Finanzmann und loyaler
+Unterthan lediglich deshalb weil er ein Papist war, von dem Posten eines
+Lordschatzmeisters ausgeschlossen sein sollte; aber er selbst hatte
+einen Lordschatzmeister, den er als einen tüchtigen Finanzmann und
+loyalen Unterthan anerkannt, bloß deshalb abgesetzt, weil er Protestant
+war. Er hatte wiederholt und bestimmt erklärt, er sei fest entschlossen,
+den weißen Stab niemals in die Hände eines Ketzers zu geben. Mit vielen
+anderen hohen Staatsämtern war er ebenso verfahren. Bereits waren der
+Lordpräsident, der Geheimsiegelbewahrer, der Oberkammerherr, der
+Garderobeaufseher, der erste Lord des Schatzes, ein Staatssekretär, der
+Lordobercommissar von Schottland, der Kanzler von Schottland und der
+Sekretär von Schottland Katholiken oder gaben sich wenigstens dafür aus.
+Die meisten von diesen Beamten waren von Haus aus Anglikaner und hatten
+sich des offenen oder geheimen Abfalls schuldig gemacht, um ihre hohen
+Stellen zu erlangen oder zu behalten. Jeder Protestant, der noch einen
+wichtigen Staatsposten bekleidete, bekleidete ihn in beständiger
+Ungewißheit und Angst. Wir würden nicht fertig werden, wollten wir
+die untergeordneteren Stellen anführen, welche von Mitgliedern der
+begünstigten Klasse besetzt waren. In jedem Zweige der Verwaltung
+wimmelte es schon von Katholiken. Sie waren Lordlieutenants,
+stellvertretende Lieutenants, Richter, Friedensrichter, Zollcommissare,
+Gesandte an fremden Höfen, Regimentsobersten und Festungscommandanten.
+Der Antheil, den sie binnen wenigen Monaten von den durch die Krone zu
+besetzenden weltlichen Ämtern erlangt hatten, war weit über zehnmal so
+groß, als er unter einem unparteiischen Systeme gewesen sein würde.
+Dies war indessen noch nicht das Schlimmste. Man hatte sie auch zu
+Beherrschern der anglikanischen Kirche gemacht. Männer, die den König
+versichert hatten, daß sie seines Glaubens seien, saßen in der Hohen
+Commission und übten die höchste geistliche Gerichtsbarkeit über alle
+Prälaten und Priester der Landeskirche aus. Kirchliche Pfründen von
+hohem Ansehen waren theils erklärten, theils verkappten Papisten
+verliehen worden. Und dies Alles war geschehen, während die Gesetze
+gegen den Papismus noch in Kraft waren und Jakob noch gegründete Ursache
+hatte, Achtung vor den Rechten des Gewissens zu heucheln. Was war also
+von ihm zu erwarten, wenn seine Unterthanen einwilligten, ihn durch ein
+Gesetz von jedem Schatten der Beschränkung vollends zu befreien? Kann
+man wohl daran zweifeln, daß Protestanten durch eine streng gesetzmäßige
+Anwendung der königlichen Prärogative eben so wirksam von Anstellungen
+ausgeschlossen worden wären, als jemals römische Katholiken durch eine
+Parlamentsacte ausgeschlossen worden sind?
+
+Wie hartnäckig Jakob entschlossen war, den Mitgliedern seiner Kirche
+einen Antheil an den öffentlichen Ämtern zu gewähren, der zu ihrer Zahl
+und zu ihrer Bedeutung außer allem Verhältniß stand, geht aus den
+Instructionen hervor, die er im Exil und im hohen Alter als Leitfaden
+für seinen Sohn aufzeichnete. Es ist unmöglich, diese Ergüsse eines
+Mannes, an dem alle Lehren der Erfahrung und des Unglücks spurlos
+vorübergegangen waren, ohne ein Gemisch von Mitleid und Verachtung zu
+lesen. Dem Prätendenten wird anempfohlen, wenn er einmal zur Regierung
+in England gelangen sollte, die Ämter zu theilen und den Mitgliedern der
+römischen Kirche einen Antheil zu reserviren, der groß genug für sie
+gewesen sein würde, wenn sie die Hälfte, anstatt ein Funfzigstel der
+Nation gebildet hätten. Ein Staatssekretär, ein Schatzcommissar, der
+Kriegssekretär, die Mehrheit der Großwürdenträger des Hofstaates und die
+Mehrzahl der Offiziere der Armee müßten immer Katholiken sein. Dies
+waren Jakob’s Ansichten selbst dann noch, als seine thörichte Bigotterie
+ihm eine Strafe zugezogen hatte, über welche die ganze Welt erschrocken
+war. Kann man also wohl in Zweifel darüber sein, wie er gehandelt haben
+würde, wenn sein Volk, durch den leeren Namen der religiösen Freiheit
+geblendet, ihn ohne Zügel hätte fortregieren lassen?
+
+Selbst Penn scheint trotz seiner blinden und maßlosen Begeisterung für
+die Indulgenzerklärung eingesehen zu haben, daß man sich nicht wundern
+durfte, wenn die Parteilichkeit, mit der römische Katholiken mit
+Ehrenstellen und Einkünften überschüttet wurden, die Eifersucht der
+Nation erregte. Er gab zu, daß die Protestanten im Fall der Aufhebung
+der Testacte Anspruch auf ein Äquivalent hätten, und ging sogar so weit,
+daß er verschiedene Äquivalente vorschlug. Schon seit mehreren Wochen
+war das Wort Äquivalent, damals erst kürzlich aus Frankreich eingeführt,
+im Munde aller Kaffeehausredner; endlich aber machten einige Seiten
+scharfsinniger Logik und feiner Sarkasmen aus Halifax’ Feder diesen
+hohlen Projecten ein Ende. Einer von Penn’s Plänen bestand darin, daß
+ein Gesetz erlassen werden sollte, welches die von der Krone zu
+verleihenden Ämter in drei gleiche Theile theilte, von denen nur einer
+den Mitgliedern der katholischen Kirche zufallen sollte. Selbst unter
+einem solchen System würden die Katholiken noch immer zwanzigmal den
+ihnen eigentlich zustehenden Antheil erhalten haben, und doch kann man
+nicht annehmen, daß der König selbst in eine solche Anordnung gewilligt
+haben würde. Hätte er aber auch darein gewilligt, welche Garantie konnte
+er bieten, daß er auch wirklich an diesem Übereinkommen festhielt? Man
+hatte keine Antwort auf das von Halifax aufgestellte Dilemma: wenn
+Gesetze für Euch bindend sind, so beobachtet das jetzt bestehende
+Gesetz; sind sie nicht bindend für Euch, so ist es auch nutzlos, uns ein
+Gesetz als Bürgschaft zu bieten.[56]
+
+Es ist sonach klar, daß es sich gar nicht darum handelte, ob weltliche
+Ämter allen Religionsparteien ohne Unterschied offen stehen sollten. So
+lange Jakob König war, war Ausschließung unvermeidlich, und es fragte
+sich nur, wer ausgeschlossen werden sollte, ob Papisten oder
+Protestanten, die Wenigen oder die Vielen, hunderttausend Engländer oder
+fünf Millionen.
+
+Dies sind die gewichtigen Gründe, durch welche das Verfahren des Prinzen
+von Oranien gegen die englischen Katholiken mit den Grundsätzen der
+Glaubensfreiheit in Einklang gebracht werden kann. Diese Gründe haben,
+wie man bemerken wird, mit keinem Theile der katholischen Theologie
+etwas zu thun. Ebenso wird man einsehen, daß sie ihr ganzes Gewicht
+verlieren mußten, als die Krone an ein protestantisches Herrscherhaus
+gekommen und die Macht des Unterhauses im Staate ein so entschiedenes
+Übergewicht erlangt hatte, daß kein Souverain, mochten seine Ansichten
+oder Neigungen sein, welche sie wollten, das Beispiel Jakob’s
+nachahmen konnte. Die Nation befand sich indessen nach ihren Schrecken,
+ihren Kämpfen und ihrer mit genauer Noth erlangten Rettung in
+einer mißtrauischen und rachsüchtigen Stimmung. Daher wurden
+Vertheidigungsmittel, welche die Nothwendigkeit gerechtfertigt hatte,
+die aber auch nur die Nothwendigkeit rechtfertigen konnte, noch lange,
+nachdem die Nothwendigkeit nicht mehr vorhanden war, hartnäckig
+beibehalten, und erst aufgegeben, nachdem das herrschende Vorurtheil
+einen langjährigen Kampf gegen die Vernunft bestanden hatte. Zu den
+Zeiten Jakob’s aber standen Vernunft und herrschendes Vorurtheil auf der
+nämlichen Seite. Der Fanatiker und Ignorant wollte den Katholiken vom
+Staatsdienste ausschließen, weil er Klötze und Steine anbetete, weil er
+das Zeichen des Thieres an sich trug, weil er London angezündet und Sir
+Edmondsbury Godfrey erwürgt hatte, und der einsichtsvollste und
+toleranteste Staatsmann wurde, während er über den Irrwahn lächelte, in
+dem das gemeine Volk befangen war, auf einem ganz andren Wege zu dem
+nämlichen Schlusse geführt.
+
+Wilhelm’s großer Plan war jetzt, die zahlreichen Theile des großen
+Körpers, der ihn als sein gemeinschaftliches Oberhaupt betrachtete, zu
+einem Ganzen zu vereinigen. Bei diesem Werke hatte er mehrere geschickte
+und zuverlässige Mitarbeiter, von denen zwei, Burnet und Dykvelt, ihm
+ganz besonders nützlich waren.
+
+ [Anmerkung 56: Johnstone, 13. Jan. 1688; +Halifax’s Anatomy of an
+ Equivalent+.]
+
+
+[_Jakob’s Feindschaft gegen Burnet._] Burnet’s Dienste mußten allerdings
+mit einiger Vorsicht angewendet werden. Die freundliche Aufnahme, die er
+im Haag gefunden, hatte Jakob heftig aufgebracht, und Marie erhielt von
+ihrem Vater zwei Briefe voll Invectiven gegen den frechen und
+wühlerischen Theologen, den sie beschützte. Diese Beschuldigungen aber
+machten einen so geringen Eindruck auf sie, daß sie Antworten darauf
+zurücksandte, welche Burnet selbst dictirt hatte. Im Januar 1687 endlich
+schritt der König zu energischeren Maßregeln. Skelton, der die englische
+Regierung bei den Vereinigten Provinzen vertreten hatte, wurde nach
+Paris versetzt und erhielt Albeville, das schwächste und gemeinste
+Mitglied der ganzen jesuitischen Cabale, zum Nachfolger. Geld war
+Albeville’s einziger Lebenszweck, und er nahm es von Jedem, der es ihm
+anbot. Er wurde zu gleicher Zeit von Frankreich und von Holland bezahlt.
+Er verschmähte sogar den erbärmlichen Anstand, den auch die
+Bestechlichkeit zu beobachten pflegt, und nahm so kleine Geschenke an,
+wie sie eher einem Lastträger oder einem Bedienten zukommen als einem
+Gesandten, der mit einer englischen Baronie und einem ausländischen
+Marquisate beehrt worden war. Einmal steckte er mit der größten
+Gemüthsruhe ein Trinkgeld von fünfzig Pistolen für einen Dienst ein, den
+er den Generalstaaten geleistet hatte. Dieser Mann war beauftragt, zu
+verlangen, daß Burnet im Haag nicht länger begünstigt werde. Wilhelm,
+der keine Lust hatte, sich von einem so werthvollen Freunde zu trennen,
+antwortete zuerst mit seiner gewohnten Kälte: „Ich wüßte nicht, Sir, daß
+der Doctor seit seinem Hiersein etwas gethan oder gesagt hätte, worüber
+Seine Majestät sich mit Grund beklagen könnte.“ Jakob aber bestand
+entschieden auf seiner Forderung, und da die geeignete Zeit zu einem
+offenen Bruche noch nicht gekommen war, so mußte Wilhelm nachgeben. Über
+anderthalb Jahr lang kam Burnet weder mit dem Prinzen, noch mit der
+Prinzessin in persönliche Berührung; aber er wohnte in ihrer Nähe, wurde
+von Allem, was vorging, genau unterrichtet, sein Rath ward beständig in
+Anspruch genommen, seine Feder bei jedem wichtigen Anlasse benutzt und
+viele der schärfsten und wirksamsten Aufsätze und Flugschriften, welche
+damals in London erschienen, wurden ihm mit Recht zugeschrieben.
+
+Jakob’s Wuth entbrannte. Er war von jeher für zornige Leidenschaften nur
+zu empfänglich gewesen, aber noch keinen seiner Feinde, selbst die
+nicht, welche sich gegen sein Leben verschworen oder es versucht hatten,
+ihm durch Meineid die Schuld des Verraths und des Mordes aufzubürden,
+hatte er mit einer solchen Erbitterung gehaßt, als er jetzt Burnet
+haßte. Seine Majestät schimpfte täglich in höchst unköniglicher Sprache
+auf den Doctor und sann auf ungesetzliche Rache. Selbst Blut genügte
+diesem wüthenden Hasse nicht; der unverschämte Theolog mußte gefoltert
+werden, ehe er sterben durfte. Zum Glück war er ein Schotte von Geburt,
+und in Schottland konnten seine Beine erst in den spanischen Stiefeln
+zerquetscht werden, bevor er auf dem Grasmarkte gehängt wurde. Zu dem
+Ende wurde in Edinburg der Prozeß gegen ihn eingeleitet; aber er war in
+Holland naturalisirt, hatte eine vermögende Frau aus dieser Provinz
+geheirathet und es war gewiß, daß sein Adoptivvaterland ihn nicht
+ausliefern würde. Man beschloß daher, ihn wegfangen zu lassen. Mit
+großen Summen wurden einige Bösewichter für diesen gefährlichen und
+schändlichen Dienst gedungen; im Staatssekretariat wurde zu diesem
+Zwecke eine Anweisung auf dreitausend Pfund Sterling ausgestellt. Ludwig
+wurde von dem Plane unterrichtet und interessirte sich außerordentlich
+dafür; er sicherte seinen kräftigen Beistand zu, damit der Schurke nach
+England gebracht werde, und versprach, daß die Werkzeuge der Rache
+Jakob’s in Frankreich eine Freistätte finden sollten. Burnet kannte die
+ihm drohende Gefahr wohl, aber Furcht gehörte nicht zu seinen Fehlern.
+Er veröffentlichte eine beherzte Antwort auf die in Edinburg gegen ihn
+erhobenen Anschuldigungen. Er wisse, sagte er, daß man ihn ohne Prozeß
+hinzurichten gedenke, aber er vertraue auf den König aller Könige, zu
+dem unschuldiges Blut selbst gegen die mächtigsten Fürsten der Erde
+nicht vergebens schreien werde. Er gab einigen Freunden ein
+Abschiedsmahl, und nach demselben nahm er als ein Mann, der dem Tode
+verfallen sei und mit dem sie ohne Gefahr nicht mehr umgehen könnten,
+feierlich Abschied von ihnen. Dessenungeachtet zeigte er sich nach wie
+vor so furchtlos auf allen öffentlichen Plätzen im Haag, daß seine
+Freunde ihm wegen seiner Tollkühnheit bittere Vorwürfe machten.[57]
+
+ [Anmerkung 57: +Burnet I. 726--731+; +Answer to the Criminal
+ Letters issued out against Dr. Burnet+; +Avaux Neg., July 7.(17.),
+ 14.(24.) July 28. (Aug. 7.) 1687, Jan. 19.(29.) 1688+; Ludwig an
+ Barillon, 30. Dec. 1687 (9. Jan. 1688); Johnstone an Waristoun,
+ 21. Febr. 1688; Lady Russel an +Dr.+ Fitzwilliam, 5. Oct. 1687.
+ Da man vermuthet hat, daß Burnet, der seine persönliche
+ Wichtigkeit nicht zu unterschätzen pflegte, die ihm drohende
+ Gefahr übertrieben habe, so will ich hier die Worte Ludwig’s und
+ Johnstone’s anführen: +„Qui que ce soit“+, sagt Ludwig, +„qui
+ entreprenne de l’enlever en Hollande trouvera non seulement une
+ retraite assurée et une entière protection dans mes états, mais
+ aussi toute l’assistance qu’il pourra désirer pour faire conduire
+ surement ce scélérat en Angleterre.“+ -- „Mit Bamfield (Burnet)
+ ist es ganz bestimmt so“, sagt Johnstone. „Niemand zweifelt hier
+ daran, und Einige, die dabei betheiligt sind, leugnen es nicht.
+ Seine Freunde sagen, sie hätten gehört, daß er nicht vorsichtig
+ sei, sondern aus Eitelkeit, um seinen Muth zu zeigen, mit
+ thörichter Verwegenheit handle, so daß Jedermann ihn auslachen
+ werde, wenn ihm ein Unglück zustoßen sollte. Ich bitte ihm dies
+ von Seiten Jones’ (Johnstone) zu sagen. Wenn Einige abgefaßt
+ werden könnten, während sie ihren +coup d’essai+ auf ihn machen,
+ so wäre das sehr gut, weil sie dadurch abgeschreckt würden, etwas
+ gegen Ogle (den Prinzen) zu unternehmen.“]
+
+
+[_Sendung Dykvelt’s nach England._] Während Burnet Wilhelm’s Sekretär
+für die englischen Angelegenheiten in Holland war, wurde Dykvelt mit
+nicht geringerem Nutzen in London verwendet. Dykvelt war einer von den
+ausgezeichneten Staatsmännern, welche in der edlen Schule des Johann de
+Witt ihre politische Bildung erhalten hatten und nach dem Falle dieses
+großen Ministers ihre Pflichten gegen die Republik dadurch am besten zu
+erfüllen glaubten, daß sie sich um den Prinzen von Oranien schaarten.
+Keiner von den Diplomaten im Dienste der Vereinigten Provinzen stand in
+Bezug auf Gewandtheit, Character und Manieren über Dykvelt, und ebenso
+scheint keiner ihm in der Kenntniß der englischen Verhältnisse
+gleichgekommen zu sein. Es fand sich ein Vorwand, um ihn zu Anfang des
+Jahres 1687 mit Beglaubigungsschreiben von den Generalstaaten in einer
+besonderen Mission nach England zu senden. Eigentlich aber galt seine
+Sendung nicht der Regierung, sondern der Opposition, und er handelte
+nach Privatinstructionen, welche von Burnet entworfen und von Wilhelm
+genehmigt waren.[58]
+
+ [Anmerkung 58: +Burnet, I. 708+; +Avaux Neg., Jan. 3.(13.), Feb.
+ 6.(16.) 1687+; +Van Kampen, Karakterkunde der Vaderlandsche
+ Geschiedenis.+]
+
+
+[_Unterhandlungen Dykvelt’s mit englischen Staatsmännern._] Dykvelt
+berichtete, daß Jakob sich durch das Benehmen des Prinzen und der
+Prinzessin tief gekränkt fühle. „Die Pflicht meines Neffen ist, meine
+Hand zu stärken“, sagte der König, „aber es hat ihm von jeher Vergnügen
+gemacht, wenn er mir hat hinderlich sein können.“ Dykvelt antwortete, in
+Privatangelegenheiten habe Seine Hoheit stets die Wünsche des Königs
+berücksichtigt und werde dies auch in Zukunft jederzeit thun, aber es
+sei doch kaum recht und billig, die Unterstützung eines protestantischen
+Fürsten gegen die protestantische Kirche zu erwarten.[59] Der König war
+zum Schweigen gebracht, aber nicht besänftigt. Mit einem Verdrusse, den
+er nicht verhehlen konnte, sah er, daß Dykvelt alle die verschiedenen
+Abteilungen der Opposition mit einer Geschicklichkeit musterte und
+einschulte, welche dem gewandtesten englischen Staatsmanne zur Ehre
+gereicht haben würde und die bei einem Ausländer bewundernswürdig war.
+Der Geistlichkeit wurde gesagt, daß sie in dem Prinzen einen Freund des
+Episcopats und der Liturgie finden werde. Den Nonconformisten wurde
+Hoffnung gemacht, daß sie von ihm nicht nur Duldung, sondern sogar
+Gleichstellung zu erwarten hätten. Selbst die römischen Katholiken
+wurden versöhnt und einige der Angesehensten unter ihnen sagten dem
+Könige ins Gesicht, daß sie mit dem, was Dykvelt ihnen biete, zufrieden
+seien und daß sie eine durch das Gesetz verbürgte Duldung einem
+gesetzwidrigen und unsicheren Übergewichte vorzögen.[60]
+
+ [Anmerkung 59: +Burnet I. 711+. Dykvelt’s Depeschen an die
+ Generalstaaten enthalten, so weit ich es habe ersehen oder
+ erfahren können, kein Wort über den wirklichen Zweck seiner
+ Sendung. Seine Correspondenz mit dem Prinzen von Oranien war
+ streng privater Natur.]
+
+ [Anmerkung 60: Bonrepaux, 12.(22.) Sept. 1687.]
+
+
+[_Danby._] Die Oberhäupter aller wichtigen Parteien der Nation hielten
+häufige Besprechungen in Gegenwart des geschickten Gesandten. Die
+Ansicht der Torypartei war bei diesen Zusammenkünften hauptsächlich
+durch die Earls von Danby und von Nottingham vertreten. Obgleich seit
+Danby’s Sturze bereits über acht Jahre vergangen waren, so stand sein
+Name doch bei den alten Kavalieren Englands noch in hohem Ansehen, und
+selbst viele von denjenigen Whigs, die ihn früher verfolgt hatten, gaben
+jetzt bereitwillig zu, daß er für die Sünden Anderer habe büßen müssen
+und daß sein Eifer für die Hoheitsrechte ihn zwar oft irre geleitet
+habe, aber bei alledem durch zwei ehrenwerthe Gefühle gemildert worden
+sei: durch Eifer für die Staatsreligion und durch Eifer für die Würde
+und Unabhängigkeit seines Vaterlandes. Auch im Haag wurde er hoch
+geschätzt, denn man vergaß es ihm dort nie, daß er es gewesen war, der
+Karl trotz des Einflusses Frankreichs und der Papisten bewogen hatte,
+die Hand der Prinzessin Marie ihrem Vetter zu geben.
+
+
+[_Nottingham._] Daniel Finch, Earl von Nottingham, ein Edelmann, dessen
+Name in der Geschichte dreier ereignißvoller Regierungen häufig genannt
+werden wird, stammte aus einer Familie von unvergleichlicher
+juristischer Auszeichnung. Einer seiner Verwandten hatte das Siegel
+Karl’s I. geführt, hatte seine eminenten Talente und Kenntnisse zu
+schlechten Zwecken gemißbraucht und war von der Rache der Gemeinen
+Englands, mit Falkland an der Spitze, verfolgt worden. Einen
+ehrenvolleren Ruf erlangte unter der folgenden Generation Heneage
+Finche. Er war unmittelbar nach der Restauration zum Staatsprokurator
+ernannt worden und war nacheinander zum Lordsiegelbewahrer, zum
+Lordkanzler, zum Baron Finch und Earl von Nottingham emporgestiegen.
+Während dieser ganzen glänzenden Laufbahn hatte er die Hoheitsrechte
+stets so hoch gehalten, als er es mit Ehren und Anstand konnte; nie aber
+war er bei irgend einer Machination gegen die Grundgesetze des Reichs
+betheiligt gewesen. Inmitten eines verderbten Hofes hatte er seine
+persönliche Rechtschaffenheit unbefleckt zu erhalten gewußt. Auch als
+Redner genoß er eines hohen Rufes, obwohl seine nach Mustern aus der
+Zeit vor dem Bürgerkriege gebildete Diction gegen das Ende seines Lebens
+von den Schöngeistern der heranwachsenden Generation steif und
+pedantisch genannt wurde. In Westminsterhall wird er noch immer mit
+Achtung als der Mann erwähnt, welcher aus dem Chaos, dem man in alter
+Zeit den Namen der Billigkeit gab, zuerst ein neues juristisches System
+bildete, das ebenso geregelt und vollständig ist wie das nach welchem
+die Richter des gemeinen Rechts verfahren.[61] Ein wesentlicher Theil
+der sittlichen und geistigen Eigenschaften dieses großen Staatsmannes
+ging mit dem Titel Nottingham auf seinen ältesten Sohn über. Dieser
+Sohn, der Earl Daniel, war ein rechtschaffener und tugendhafter Mann.
+Obwohl er in einigen abgeschmackten Vorurtheilen befangen und
+sonderbaren Anfällen von Launenhaftigkeit unterworfen war, kann man ihn
+doch nicht beschuldigen, daß er um unredlichen Gewinns oder strafbaren
+Genusses willen vom Pfade des Rechts abgewichen wäre. Er war, wie sein
+Vater, ein ausgezeichneter Redner und sprach eindringlich, aber
+weitschweifig und mit zu monotoner Gemessenheit. Seine Persönlichkeit
+entsprach ganz seiner Rede. Seine Haltung war steif, seine Gesichtsfarbe
+so dunkel, daß man ihn für den Eingebornen eines wärmeren Himmelstrichs
+hätte halten können, und seine scharf markirten Gesichtszüge hatten
+einen Ausdruck, welcher dem des Hauptleidtragenden bei einem Begräbnisse
+glich. Man pflegte von ihm zu sagen, daß er eher wie ein spanischer
+Grande als wie ein englischer Gentleman aussähe. Spottvögel gaben ihm
+die Spitznamen Dismal (Trübselig), Don Dismallo und Don Diego, welche
+noch heute nicht vergessen sind. Er hatte auf das Studium der
+Wissenschaft, durch die seine Familie sich so hoch emporgeschwungen,
+großen Fleiß verwendet und war für einen vornehm und reich gebornen Mann
+in den Gesetzen seines Vaterlandes erstaunlich bewandert. Er war ein
+treuer Sohn der Hochkirche und bewies seine Achtung vor derselben auf
+zwei Wegen, welche bei den Lords, die sich zu seiner Zeit als ihre
+besonderen Freunde gerirten, nicht gewöhnlich war, nämlich dadurch, daß
+er Schriften zur Vertheidigung ihrer Glaubenssätze herausgab und daß er
+sich in seinem Privatleben nach ihren Gebeten richtete. Wie viele andre
+eifrige Anglikaner hatte er bis vor Kurzem die monarchische
+Regierungsform kräftig unterstützt. Die Politik aber, welche seit der
+Unterdrückung des Aufstandes im Westen befolgt wurde, empörte ihn auf
+das heftigste, und zwar deshalb nicht weniger, weil sein jüngerer Bruder
+Heneage in Folge seiner Weigerung, die Dispensationsgewalt des Königs zu
+vertheidigen, seines Amtes als Generalprokurator entsetzt worden
+war.[62]
+
+ [Anmerkung 61: Siehe seine Biographie von Lord Campbell.]
+
+ [Anmerkung 62: Johnstone’s Correspondenz; +Mackay’s Memoirs+;
+ +Arbuthnot’s John Bull+; Swift’s Schriften von 1710 bis 1714 an
+ mehreren Stellen; Whiston’s Brief an den Earl von Nottingham und
+ des Letzteren Antwort darauf.]
+
+
+[_Halifax._] Mit diesen beiden großen toryistischen Earls war jetzt
+Halifax, das ausgezeichnete Oberhaupt der Trimmers, verbunden. Auf
+Nottingham’s Gesinnungen scheint Halifax damals in der That einen
+entschiedenen Einfluß ausgeübt zu haben. Zwischen Halifax und Danby
+bestand eine Feindschaft, welche am Hofe Karl’s begonnen hatte und
+nachher auch den Hof Wilhelm’s beunruhigte, während der Tyrannei Jakob’s
+aber wie viele andere Feindschaften ruhte. Die beiden Gegner trafen
+häufig in den von Dykvelt veranstalteten Conferenzen zusammen und
+stimmten in dem Ausdrucke des Mißfallens an der Politik der Regierung
+und der Verehrung für den Prinzen von Oranien überein. In ihrem Verkehr
+mit den holländischen Gesandten trat die Characterverschiedenheit der
+beiden Staatsmänner stark hervor. Halifax zeigte ein bewundernswürdiges
+Talent für Auseinandersetzungen, scheute sich aber vor kühnen und
+unwiderruflichen Entschlüssen. Danby war minder fein und beredt, besaß
+aber mehr Energie, Entschlossenheit und praktischen Scharfblick.
+
+
+[_Devonshire._] Mehrere ausgezeichnete Whigs waren mit Dykvelt in
+fortwährender Verbindung; aber die Oberhäupter der großen Häuser
+Cavendish und Russel konnten keinen so thätigen und vorwiegenden
+Antheil an den Unterhandlungen nehmen, als man nach ihrer Stellung und
+ihren Ansichten hätte erwarten dürfen. Der Ruhm und das Glück
+Devonshire’s wurden im Augenblicke durch eine Wolke verdunkelt. Er hatte
+einen beklagenswerthen Streit mit dem Hofe, der nicht aus einer
+öffentlichen und ehrenvollen Angelegenheit, sondern aus einem
+Privatzwist entsprungen war, in welchem selbst seine wärmsten Freunde
+ihn nicht von aller Schuld freisprechen konnten. Als er einmal nach
+Whitehall kam, um seine Aufwartung zu machen, war er von einem gewissen
+Colepepper insultirt worden, einem jener Raufbolde, welche die
+Umgebungen des Hofes unsicher machten und die sich durch Beleidigung von
+Mitgliedern der Opposition bei der Regierung in Gunst zu setzen suchten.
+Der König selbst äußerte seine Entrüstung über die einem seiner
+ausgezeichneten Peers unter dem königlichen Dache widerfahrene
+Behandlung und Devonshire wurde durch die Versicherung besänftigt, daß
+der Beleidiger den Palast nie wieder betreten solle. Dieses Verbot wurde
+jedoch bald wieder aufgehoben und der Groll des Earls erwachte von
+neuem. Seine Diener nahmen sich der Sache an und die Straßen von
+Westminster wurden durch Händel beunruhigt, die in ein roheres Zeitalter
+gehörten. Die Zeit des Geheimen Raths ward durch Anklagen und
+Gegenanklagen der streitenden Parteien in Anspruch genommen.
+Colepepper’s Frau erklärte: sie und ihr Gatte seien ihres Leben nicht
+sicher und ihr Haus sei beständig von Banditen in der Livree der
+Cavendish belagert; Devonshire erwiederte, es sei aus Colepepper’s
+Fenstern auf ihn geschossen worden. Dies wurde heftig geleugnet. Es
+wurde zwar eingeräumt, daß ein blind geladenes Pistol abgefeuert worden
+sei, aber dies sei nur in einem Augenblicke des Schreckens geschehen, um
+die Wache zu alarmiren. Wahrend diese Fehde ihren Höhepunkt erreicht
+hatte, traf der Earl im Empfangzimmer zu Whitehall mit Colepepper
+zusammen und er glaubte in den Mienen des Raufboldes triumphirenden
+Übermuth zu erkennen. Vor den Augen des Königs geschah nichts
+Unziemliches; sobald aber die beiden Gegner das Audienzzimmer verlassen
+hatten, machte Devonshire den Vorschlag, den Streit auf der Stelle mit
+dem Degen zu entscheiden. Die Herausforderung wurde zurückgewiesen. Da
+vergaß der stolze Peer die Achtung, die er dem Orte an dem er sich
+befand, und seiner eignen Würde schuldig war, und schlug Colepepper mit
+einem Stocke ins Gesicht. Diese Handlung wurde allgemein als übereilt
+und unschicklich getadelt und Devonshire selbst konnte, nachdem sein
+Blut sich abgekühlt hatte, nicht ohne Verdruß und Beschämung daran
+denken. Die Regierung aber verfuhr mit gewohntem Unverstande so streng
+gegen ihn, daß das Publikum bald ganz auf seine Seite trat. Es wurde
+eine Criminalanklage bei der Kings Bench anhängig gemacht. Der
+Angeklagte berief sich auf seine Vorrechte als Peer des Königsreichs;
+dieser Punkt aber wurde sogleich zu seinem Nachtheile entschieden, und
+es läßt sich auch nicht leugnen, daß diese Entscheidung, mochte sie den
+technischen Regeln der englischen Gesetzgebung entsprechen oder nicht,
+in vollkommenem Einklange mit den großen Prinzipien stand, welche die
+Grundlage jeder Gesetzgebung sein sollen. Es blieb ihm somit nichts
+übrig, als sich dem Erkenntnisse zu unterwerfen. Der Gerichtshof war
+durch eine Reihe von Entlassungen zu so vollständigem Gehorsam gebracht
+worden, daß die Regierung, welche die Untersuchung eingeleitet hatte,
+die Strafe selbst vorschreiben konnte. Die Richter machten Jeffreys +in
+pleno+ ihre Aufwartung und dieser bestand auf der Zuerkennung einer
+Geldbuße von dreißigtausend Pfund. Dreißigtausend Pfund waren im
+Verhältniß zu den damaligen Einkünften der englischen Großen ungefähr
+soviel als hundertfunfzigtausend im neunzehnten Jahrhundert. In
+Anwesenheit des Kanzlers wurde kein Wort der Mißbilligung geäußert; als
+aber die Richter sich entfernt hatten, bemerkte Sir Johann Powell, in
+welchem sich das wenige Rechtsgefühl des ganzen Collegiums concentrirte,
+daß die beantragte Strafsumme übermäßig hoch und ein Zehntel derselben
+vollauf genug sei. Seine Collegen waren nicht dieser Meinung und er
+zeigte in diesem Falle nicht den Muth, durch den er einige Monate später
+an einem denkwürdigen Tage seinen Ruf glänzend wiederherstellte. Der
+Earl wurde demnach in eine Geldbuße von dreißigtausend Pfund und bis zur
+Bezahlung dieses Betrags zu persönlicher Haft verurtheilt. Eine solche
+Summe konnte damals auch der reichste Edelmann nicht in einem Tage
+aufbringen. Indessen war das Hafturtel leichter gesprochen, als
+vollzogen. Devonshire hatte sich nach Chatsworth zurückgezogen, wo er
+eben damit beschäftigt war, das alte gothische Stammschloß seiner
+Familie in ein Gebäude umzuwandeln, das Palladio’s würdig war. Der Peak
+war damals ein fast ebenso unwirthbarer Bezirk als gegenwärtig
+Connemara, und der Sheriff erkannte oder behauptete wenigstens, daß es
+schwer sein dürfte, den Lord in einer so wilden Gegend und inmitten treu
+ergebener Diener und Pächter zu verhaften. Darüber vergingen einige
+Tage, endlich aber wurde nicht nur der Earl, sondern auch der Sheriff
+zur Haft gebracht. Inzwischen verwendeten sich eine Menge Fürsprecher
+mit ihrem ganzen Einflusse. Es hieß die verwittwete Gräfin von
+Devonshire habe eine Privataudienz beim Könige erlangt, sie habe ihn
+daran erinnert, daß ihr Schwager, der tapfere Karl Cavendish, im Kampfe
+für die Krone bei Gainsborough gefallen sei, und ihm schriftliche
+Empfangsbescheinigungen von Karl I. und Karl II. über bedeutende Summen
+vorgelegt, die ihr Gemahl während der bürgerlichen Unruhen beiden
+Monarchen geliehen hatte. Diese Darlehen waren nie zurück gezahlt worden
+und sollten angeblich mehr betragen als die ungeheure Geldstrafe, welche
+die Kings Bench über den Earl verhängt hatte. Dazu kam noch ein andrer
+Punkt, der beim Könige noch mehr Gewicht gehabt zu haben scheint als die
+Erinnerung an früher geleistete Dienste. Es konnte nothwendig werden ein
+Parlament einzuberufen, und man glaubte, daß Devonshire in diesem Falle
+sofort eine Cassationsklage einreichen werde. Der Punkt, auf den er
+seine Appellation gegen das Erkenntniß der Kings Bench zu stützen
+gedachte, waren seine Privilegien als Peer, und das Tribunal, vor das
+die Appellation kommen mußte, war das Haus der Peers. In einem solchen
+Falle konnte der Hof nicht einmal auf die Unterstützung der ihm
+ergebensten Adeligen mit Gewißheit rechnen. Es stand kaum zu bezweifeln,
+daß das Urtel cassirt werde, und daß die Regierung dadurch, daß sie zu
+viel haben wollte, Alles verlieren würde. Jakob war daher zu einem
+Vergleiche geneigt. Es wurde dem Earl angekündigt, daß, wenn er eine
+Schuldverschreibung über die ganze Summe geben und sich des möglichen
+Vortheils einer Cassationsklage begeben wolle, er in Freiheit gesetzt
+werden solle. Ob er zur Bezahlung der Summe angehalten werden würde oder
+nicht, sollte von seinem ferneren Benehmen abhängen. Wenn er das
+Dispensationsrecht unterstützte, solle er nicht dafür in Anspruch
+genommen werden; trachte er aber nach Popularität, so müsse er die
+dreißigtausend Pfund bezahlen. Er weigerte sich eine Zeit lang, auf
+diese Bedingungen einzugehen; aber die Haft war ihm unerträglich. Er
+stellte die Verschreibung aus und wurde aus den Gefängnis entlassen;
+aber obgleich er sich dazu verstand seinem Vermögen diese drückende
+Schuldlast aufzubürden, konnte ihn doch nichts zu dem Versprechen
+bestimmen, daß er seinen Grundsätzen und seiner Partei untreu werden
+wolle. Er wurde nach wie vor in alle Geheimnisse der Opposition
+eingeweiht, aber einige Monate lang hielten seine politischen Freunde es
+um seiner selbst wie um ihrer Sache willen für gerathen, daß er im
+Hintergrunde blieb.[63]
+
+ [Anmerkung 63: Kennet’s Grabrede auf den Herzog von Devonshire und
+ Memoiren der Familie Cavendish; +Collection of State Trials+;
+ +Privy Council Book, March 5. 1685/6+; Barillon, 30. Juni (10.
+ Juli) 1687.; Johnstone, 8.(18.) Dec. 1687.; +Lords’ Journals May
+ 6. 1689+. +„Ses amis et ses proches,“+ sagt Barillon, +„lui
+ conseillent de prendre le bon parti, mais il persiste jusqu’à
+ présent à ne se point soumettre. S’il vouloit se bien conduire et
+ renoncer à être populaire, il ne payeroit pas l’amende, mais s’il
+ opiniâtre, il lui en coutera trente mille pièces, et il demeurera
+ prisonnier jusqu’à l’actuel payement.“+]
+
+
+[_Eduard Russell._] Der Earl von Bedford hatte sich von dem harten
+Schlage, der ihm vor vier Jahren fast das Herz gebrochen, nie wieder
+erholen können. Seine persönlichen wie auch seine öffentlichen Gefühle
+machten ihn zum Gegner des Hofes; aber an der Verabredung von Maßregeln
+gegen denselben nahm er keinen thätigen Antheil. Seine Stelle in den
+Versammlungen der Mißvergnügten vertrat sein Neffe. Dies war der
+berühmte Eduard Russell, ein Mann von unbezweifeltem Muth und Talent,
+aber von lockeren Grundsätzen und ruhelosem Geiste. Er war Seemann,
+hatte sich in seinem Berufe ausgezeichnet und hatte unter der vorigen
+Regierung ein Hofamt bekleidet; aber durch den Tod seines Vetters
+Wilhelm Russell waren alle Bande, die ihn an den Hof ketteten, zerrissen
+worden. Der verwegene, unruhige und racheschnaubende Seemann saß jetzt
+in den von dem holländischen Gesandten berufenen Versammlungen als
+Vertreter des kühnsten und heftigsten Theiles der Opposition, der
+Männer, welche unter den Namen Rundköpfe, Exclusionisten und Whigs einen
+fünfundvierzigjährigen Kampf gegen drei aufeinanderfolgende Könige mit
+wechselndem Glück unterhalten hatten. Diese Partei, welche vor Kurzem
+niedergeworfen und fast vernichtet gewesen war, sich jetzt aber mit
+voller Lebenskraft rasch zu Ansehen und Einfluß erhob, wurde durch keine
+von den Bedenklichkeiten behindert, welche die Bewegungen der Tories und
+der Trimmers noch immer hemmten, und war bereit, das Schwert gegen den
+Tyrannen zu ziehen, sobald es mit gegründeter Aussicht auf den Sieg
+gezogen werden konnte.
+
+
+[_Compton. -- Herbert. -- Churchill._] Drei Männer sind noch zu
+erwähnen, mit denen Dykvelt in vertrauter Verbindung stand und mit deren
+Hülfe er sich die Mitwirkung von drei großen Ständen zu sichern hoffte.
+Bischof Compton war der Agent, der die Geistlichkeit zu bearbeiten
+hatte, Admiral Herbert übernahm es, seinen ganzen Einfluß bei der Flotte
+zu verwenden und durch Churchill suchte man die Armee zu gewinnen.
+
+Das Benehmen Compton’s und Herbert’s bedarf keiner Erklärung. Nachdem
+sie der Krone in allen weltlichen Dingen mit Treue und Eifer gedient,
+hatten sie sich durch ihre Weigerung, als Werkzeuge der Zerstörung ihrer
+eignen Religion zu dienen, das Mißfallen des Königs zugezogen. Beiden
+hatte die Erfahrung gelehrt, wie bald Jakob eingegangene Verpflichtungen
+vergaß und mit welchem bitteren Groll er sich dessen erinnerte, was er
+als Beleidigung anzusehen für gut fand. Der Bischof war durch einen
+ungesetzlichen Richterspruch seiner bischöflichen Functionen enthoben,
+der Admiral in einer Stunde aus Reichthum in Armuth gestürzt worden.
+Ganz anders war die Lage Churchill’s. Er war durch königliche Gunst aus
+der Dunkelheit zu hohem Ansehen, aus der Dürftigkeit zum Reichthum
+erhoben worden. Als armer Fähndrich hatte er seine Laufbahn begonnen und
+jetzt war er, in seinem siebenunddreißigsten Jahre, Generalmajor, Peer
+von Schottland und Peer von England, befehligte eine Abtheilung der
+Leibgarde, bekleidete mehrere ehrenvolle und einträgliche Stellen und
+bis jetzt verrieth noch nichts, daß er den geringsten Theil von der
+Gunst verloren hatte, der er so viel verdankte. Er war nicht nur durch
+die allgemeine Pflicht der Unterthanentreue, sondern auch durch
+militairische Ehren, durch persönliche Dankbarkeit und, wie es
+oberflächlichen Beobachtern schien, durch die stärksten Bande des
+Interesses an Jakob gebunden. Aber Churchill selbst war kein
+oberflächlicher Beobachter, er wußte genau, worin sein wirkliches
+Interesse bestand. Er war überzeugt, daß, wenn sein Gebieter einmal
+volle Freiheit erhielt Papisten anzustellen, er nicht einen einzigen
+Protestanten mehr anstellen würde. Eine Zeit lang wurden vielleicht
+einige hochbegünstigte Diener der Krone noch von der allgemeinen
+Proscription ausgenommen, in der Hoffnung, daß sie sich dadurch
+bestimmen ließen, ihren Glauben zu wechseln, aber selbst diese mußten
+nach einer kurzen Frist Einer nach dem Andren fallen, wie Rochester
+schon gefallen war. Churchill konnte sich allerdings durch Übertritt zur
+katholischen Kirche gegen diese Gefahr sicher stellen und noch höher in
+der königlichen Gunst steigen; auch hätte man glauben können, daß ein
+Mann, der sich eben so sehr durch Habsucht und Characterlosigkeit, wie
+durch Talent und Tapferkeit auszeichnete, schwerlich an dem Gedanken,
+eine Messe anhören zu müssen, Anstoß nehmen würde. Aber die menschliche
+Natur ist so reich an Widersprüchen, daß selbst abgestumpfte Gewissen
+eine empfindliche Stelle haben. So hatte dieser Mann, der seine
+Erhebung der Schande seiner Schwester verdankte, der von der
+verschwenderischesten, herrschsüchtigsten und schamlosesten Buhlerin
+unterhalten worden war und dessen öffentliches Leben Jedem, der mit
+unbefangenem Blicke den schimmernden Glanz des Genies und des Ruhms zu
+durchdringen vermag, als ein Abgrund von Schändlichkeit erscheinen muß,
+einen blinden Glauben an die Religion, die ihm als Kind eingelernt
+worden war, und schauderte bei dem Gedanken, sie förmlich abzuschwören.
+Es stand ihm eine furchtbare Alternative bevor. Das irdische Übel, das
+er am meisten fürchtete, war die Armuth, das einzige Verbrechen, vor dem
+sein Herz zurückbebte, war der Glaubensabfall, und wenn die Pläne des
+Hofes gelangen, konnte er nicht zweifeln, daß er bald zwischen Armuth
+und Abfall wählen mußte. Daher entschloß er sich, diese Pläne zu
+durchkreuzen, und es zeigte sich bald, daß er bereit war, jede Schuld
+und jede Schmach auf sich zu laden, wenn er nur der Nothwendigkeit
+entging, entweder seine Stellen oder seine Religion aufgeben zu
+müssen.[64]
+
+ [Anmerkung 64: Der Beweggrund, welcher das Verfahren der Churchill
+ bestimmte, ist kurz und bündig in +The Duchess of Marlborough’s
+ Vindication+ dargelegt. „Jedermann erkannte deutlich,“ sagt sie,
+ „daß bei dem Systeme, das König Jakob angenommen hatte, Jeder der
+ nicht Katholik werden wollte, früher oder später zu Grunde gehen
+ mußte. Diese Überzeugung ließ mich das Unternehmen des Prinzen von
+ Oranien, uns aus solcher Knechtschaft zu erlösen, mit Wohlgefallen
+ betrachten.“]
+
+
+[_Lady Churchill und die Prinzessin Anna._] Nicht bloß als
+militairischer Befehlshaber von hohem Range und ausgezeichnetem Geschick
+und Muth konnte Churchill der Opposition Dienste leisten. Es war für das
+Gelingen der Pläne Wilhelm’s wenn nicht absolut nothwendig, doch höchst
+wichtig, daß seine Schwägerin, welche nach der englischen
+Thronfolgeordnung zwischen ihm und seiner Gemahlin stand, in
+vollkommener Übereinstimmung mit ihm handelte. Alle ihm
+entgegenstehenden Schwierigkeiten würden bedeutend vergrößert worden
+sein, wenn Anna sich günstig für die Indulgenz ausgesprochen hätte. Auf
+welche Seite sie treten würde, hing von dem Willen Anderer ab, denn ihr
+Verstand war träge, und obgleich in ihrem Character ein erblicher
+Eigenwille und Starrsinn verborgen lag, welche viele Jahre später durch
+große Macht und heftige Provocationen zum Vorschein gebracht wurden, so
+war sie doch zur Zeit die willige Sklavin einer Frau von viel
+lebhafterem und herrschsüchtigerem Character als der ihrige war. Diese
+Frau, welche sie völlig beherrschte, war Churchill’s Gattin, ein Weib,
+die nachmals auf die Geschicke England’s und Europa’s einen großen
+Einfluß ausübte.
+
+Der Name dieser berühmten Günstlingin war Sara Jennings. Ihre ältere
+Schwester Franziska hatte sich durch Schönheit und Leichtfertigkeit
+selbst unter der Masse von schönen Gesichtern und leichtfertigen
+Characteren ausgezeichnet, welche Whitehall während des wilden Carnevals
+der Restauration zierten und schändeten. Einmal verkleidete sie sich
+als Apfelsinenmädchen und rief in den Straßen ihre Früchte aus.[65]
+Gesetzte Leute meinten, daß ein Mädchen von so wenig Takt- und
+Schicklichkeitsgefühl nicht leicht einen Gatten finden werde. Sie war
+indessen zweimal verheirathet und jetzt die Gattin Tyrconnel’s. Sara
+war nicht so regelmäßig schön als ihre Schwester, aber vielleicht noch
+anziehender. Ihr Gesicht war ausdrucksvoll, ihre Gestalt entbehrte
+keines weiblichen Reizes, und die Fülle ihrer schönen Haare, welche noch
+nicht nach der barbarischen Mode, deren Einführung sie noch erlebte,
+durch Puder verunziert waren, erfüllten ihre zahlreichen Bewunderer mit
+Entzücken. Von den Freiern, die sich um ihre Hand bewarben, erhielt der
+junge, schöne, liebenswürdige, einschmeichelnde, beredte und tapfere
+Oberst Churchill den Vorzug. Er mußte sie wirklich lieben, denn außer
+der Leibrente, die er sich für den von der Herzogin von Cleveland
+erhaltenen schmachvollen Lohn gekauft hatte, besaß er wenig Vermögen,
+war unersättlich in seiner Gier nach Schätzen, Sara war arm, und es war
+ihm ein einfaches Mädchen mit einem großen Vermögen angetragen worden.
+Nach einem kurzen Kampfe trug die Liebe den Sieg über die Habsucht
+davon, die Ehe verstärkte nur noch seine Leidenschaft, und Sara genoß
+bis zum letzten Augenblicke seines Lebens das Vergnügen und die
+Auszeichnung, das einzige menschliche Wesen zu sein, das im Stande war,
+diesen weitsehenden und sicheren Blick auf sich zu fesseln, das von
+diesem kalten Herzen heiß geliebt und von diesem unerschrockenen Geiste
+knechtisch gefürchtet wurde.
+
+Im weltlichen Sinne ward Churchill’s treue Liebe reich belohnt. Bei
+aller Dürftigkeit brachte seine Braut ihm doch ein Heirathsgut zu, das
+klug verwendet ihn endlich zum englischen Herzog, zum deutschen
+Reichsfürsten, zum Oberfeldherrn einer großen Coalition, zum
+Schiedsrichter zwischen mächtigen Fürsten und was in seinen Augen noch
+viel mehr werth war, zum reichsten Privatmann von ganz Europa machte.
+Sie war von früher Kindheit an mit der Prinzessin Anna aufgewachsen und
+es hatte sich eine innige Freundschaft zwischen den beiden Mädchen
+gebildet. Im Character glichen sie einander nur wenig. Anna war
+phlegmatisch und schweigsam. Gegen Diejenigen, die sie liebte, war sie
+sanft; ihr Zorn äußerte sich nur durch ein mürrisches Schmollen. Sie
+hatte einen starken religiösen Sinn und war den Gebräuchen und der
+Verfassung der anglikanischen Kirche mit wahrer Bigotterie zugethan.
+Sara war lebhaft und redselig, dominirte selbst Diejenigen, die sie am
+meisten liebte, und wenn sie gekränkt wurde, äußerte sich ihre Wuth
+durch Thränen und heftige Vorwürfe. Auf Frömmigkeit machte sie keinen
+Anspruch, ja sie entging sogar kaum der Beschuldigung der
+Irreligiosität. Sie war jetzt noch nicht das was sie später wurde,
+nachdem das Glück _eine_ Klasse von Fehlern, das Unglück eine andre
+vollkommen entwickelt, als Siege und Huldigungen ihr den Kopf verrückt
+und Mißgeschick und Kränkungen ihren Character verbittert hatten. Sie
+wurde in ihren späteren Lebensjahren das verächtlichste und
+erbärmlichste Geschöpf: ein altes Weib, die in beständigem Hader lebte
+mit ihrem ganzen Geschlecht, mit ihren eigenen Kindern und Enkeln, zwar
+vornehm und reich, aber Vornehmheit und Reichthum hauptsächlich nur
+deshalb schätzend, weil dieselben sie in den Stand setzten, der
+öffentlichen Meinung Hohn zu sprechen und rückhaltlos ihrem Hasse gegen
+Lebende und Todte zu fröhnen. Unter der Regierung Jakob’s II. galt sie
+für nichts Schlimmeres als eine schöne, stolze junge Frau, die wohl
+zuweilen launenhaft und eigensinnig sein konnte, der man aber in
+Berücksichtigung ihrer Reize ihre Launen gern verzieh.
+
+Es ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung, daß Verschiedenheit der
+Neigungen und Geistesfähigkeiten keine Hindernisse der Freundschaft sind
+und daß gerade zwei Herzen, die sich gegenseitig ergänzen, das Band der
+innigsten Zuneigung umschlingt. Lady Churchill wurde von der Prinzessin
+Anna geliebt, ja fast angebetet. Die Prinzessin konnte ohne den
+Gegenstand ihrer romanhaften Zärtlichkeit nicht leben. Sie vermählte
+sich und wurde eine treue, sogar liebevolle Gattin; aber Prinz Georg,
+ein beschränkter Mann, dessen Hauptgenüsse die Freuden der Tafel und der
+Flasche waren, erlangte keinen Einfluß auf sie, der sich mit dem ihrer
+Freundin vergleichen ließ, und gab sich bald mit stupider Geduld der
+Herrschaft des heftigen und gebieterischen Geistes hin, von dem seine
+Gemahlin sich leiten ließ. Das königliche Paar bekam Kinder und Anna
+entbehrte keineswegs der Gefühle einer Mutter; aber die Liebe zu ihren
+Kindern war lau im Vergleich mit ihrer hingebenden Zärtlichkeit für ihre
+Jugendfreundin. Endlich wurde die Prinzessin des Zwanges müde, den die
+Etikette ihr auferlegte, es war ihr unerträglich, die Worte Madame und
+Königliche Hoheit aus dem Munde einer Frau zu hören, die ihr mehr war
+als eine Schwester. In der Gallerie und im Empfangzimmer waren diese
+Worte nicht zu umgehen, aber im Boudoir wurden sie abgeschafft. Hier
+hieß Anna Mrs. Morley, Lady Churchill Mrs. Freeman, und unter diesen
+kindlichen Namen bestand zwanzig Jahre hindurch ein intimer Verkehr
+zwischen den beiden Freundinnen, von dem schließlich das Schicksal von
+Regierungen und Dynastien abhing. Bis jetzt hatte jedoch Anna noch keine
+politische Macht und nur geringen persönlichen Einfluß. Ihre Freundin
+bekleidete in ihrem Hausstaate das Amt der ersten Kammerdame mit nur
+vierhundert Pfund Sterling Gehalt. Gleichwohl hat man Grund zu glauben,
+daß es Churchill schon zu dieser Zeit möglich war, seine vorherrschende
+Leidenschaft durch den Einfluß seiner Gattin zu befriedigen. Obgleich
+die Prinzessin ein hohes Einkommen hatte und sehr einfach lebte, so
+machte sie doch Schulden, die ihr Vater mit einigem Unwillen bezahlte,
+und man sagte, daß der Grund ihrer finanziellen Verlegenheiten in ihrer
+verschwenderischen Freigebigkeit gegen ihren Liebling zu suchen sei.[66]
+
+Endlich war die Zeit gekommen, wo diese sonderbare Freundschaft einen
+großen Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten ausüben sollte. Man
+war äußerst gespannt darauf, welche Rolle Anna in dem Kampfe, der
+England erschütterte, spielen werde. Auf der einen Seite stand die
+Kindespflicht, auf der andren die Interessen der Religion, der sie
+aufrichtig zugethan war. Ein minder phlegmatischer Character würde
+zwischen so starken und wichtigen Beweggründen, die ihn nach
+entgegengesetzten Richtungen hinzogen, gewiß lange geschwankt haben. Der
+Einfluß der Churchill aber entschied die Frage und ihre Gönnerin wurde
+ein wichtiges Mitglied des umfassenden Bundes, dessen Oberhaupt der
+Prinz von Oranien war.
+
+ [Anmerkung 65: +Mémoires de Grammont+; +Pepys’s Diary, Feb. 21.
+ 1684/5.+]
+
+ [Anmerkung 66: Es würde mich zu weit führen, wollte ich alle die
+ Werke aufzählen, aus denen ich mein Urtheil über den Character der
+ Herzogin geschöpft habe. Meine Hauptquellen sind ihre eigenen
+ Briefe, ihre „Rechtfertigung“ und die Entgegnungen, welche diese
+ veranlaßte.]
+
+
+[_Dykvelt kehrt mit Briefen von vielen angesehenen Engländern nach dem
+Haag zurück._] Im Juni 1687 kehrte Dykvelt nach dem Haag zurück. Er
+überreichte den Generalstaaten ein königliches Schreiben voll
+Lobeserhebungen über sein Benehmen während seines Aufenthalts in London.
+Diese Lobeserhebungen waren jedoch nur eine Formalität. In
+Privatmittheilungen von seiner eigenen Hand beschwerte Jakob sich bitter
+darüber, daß der Gesandte einen so vertrauten Umgang mit den heftigsten
+Oppositionsmännern seines Reiches gepflogen und sie in allen ihren
+Umsturzplänen bestärkt habe. Außerdem brachte Dykvelt auch eine Anzahl
+Briefe von den ausgezeichnetsten derjenigen Männer mit, mit denen er
+sich während seines Aufenthalts in London berathen hatte. Die Schreiber
+dieser Briefe versicherten den Prinzen allgemein ihrer unbegrenzten
+Verehrung und Hingebung und verwiesen ihn wegen der näheren Darlegung
+ihrer Ansichten an den Überbringer. Halifax erörterte den Zustand und
+die Aussichten des Landes mit gewohnter Schärfe und Lebendigkeit, hütete
+sich aber sorgfältig, für irgend ein gefährliches Verfahren die
+Verantwortung zu übernehmen. Danby schrieb in einem kühneren und
+entschlosseneren Tone und konnte sich nicht enthalten, über die
+Besorgnisse und Bedenklichkeiten seines genialen Nebenbuhlers zu
+spötteln. Der interessanteste Brief aber war der von Churchill. Er war
+mit der natürlichen Beredtsamkeit, an der es ihm trotz seines Mangels an
+höherer Bildung bei wichtigen Anlässen nie fehlte, und mit einem
+Anstrich von Hochherzigkeit geschrieben, den er sich, so perfid er auch
+war, mit seltener Geschicklichkeit zu geben verstand. Die Prinzessin
+Anna, sagte er, habe ihm befohlen, ihre erlauchten Verwandten im Haag zu
+versichern, daß sie mit Gottes Hülfe fest entschlossen sei, eher ihr
+Leben zu lassen, als sich eines Glaubensabfalls schuldig zu machen. Was
+seine Person betreffe, so lege er auf seine Stellen und auf die
+königliche Gunst einen weit geringeren Werth als auf seine Religion. Er
+schloß mit der hochtrabenden Erklärung, daß man ihn, obgleich er keinen
+Anspruch darauf mache, wie ein Heiliger gelebt zu haben, doch
+vorkommenden Falls bereit finden werde, den Märtyrertod zu sterben.[67]
+
+ [Anmerkung 67: Das Formalitätsschreiben, welches Dykvelt den
+ Generalstaaten überbrachte, befindet sich in den Archiven des
+ Haags. Die anderen in diesem Paragraphen erwähnten Briefe giebt
+ Dalrymple im Anhange zu Buch +V.+]
+
+
+[_Zulestein’s Sendung._] Dykvelt’s Sendung hatte einen so glänzenden
+Erfolg gehabt, daß bald ein neuer Vorwand gefunden war, um einen andren
+Agenten abzusenden, der das so glücklich begonnene Werk fortsetzen
+sollte. Der neue Gesandte, nachmals der Gründer eines jetzt erloschenen
+englischen Adelshauses, war ein illegitimer leiblicher Vetter Wilhelm’s
+und führte einen der Herrschaft Zulestein entlehnten Namen. Seine
+Verwandtschaft mit dem Hause Oranien gab Zulestein in den Augen des
+Publikums ein bedeutendes Ansehen. Sein Benehmen war das eines tapferen
+Soldaten. In diplomatischen Talenten und Kenntnissen stand er Dykvelt
+weit nach, aber gerade diese Inferiorität hatte ihre Vortheile. Ein
+Militair, der sich anscheinend nie um die Politik gekümmert hatte,
+konnte ohne Verdacht zu erregen mit der englischen Aristokratie einen
+Verkehr unterhalten, der mit argwöhnischem Auge bewacht worden sein
+würde, wenn er ein bekannter Meister in der Staatskunst gewesen wäre.
+Nach kurzer Abwesenheit kehrte Zulestein mit nicht minder wichtigen
+Briefen und mündlichen Botschaften, als die welche seinem Vorgänger
+anvertraut worden waren, in sein Vaterland zurück. Von diesem
+Augenblicke an trat der Prinz mit der Opposition in einen regelmäßigen
+Briefwechsel. Geschäftsträger verschiedenen Ranges reisten beständig
+zwischen der Themse und dem Haag hin und her. Der nützlichste von diesen
+war ein Schotte von einigem Talent und großer Thätigkeit, Namens
+Johnstone. Er war Burnet’s Vetter und der Sohn eines angesehenen
+Covenanters, der bald nach der Restauration wegen Hochverraths
+hingerichtet worden war und von seiner Partei als Märtyrer verehrt
+wurde.
+
+
+[_Zunehmende Feindschaft zwischen Jakob und Wilhelm._] Die Entfremdung
+zwischen dem Könige von England und dem Prinzen von Oranien wurde mit
+jedem Tage vollkommener. Es hatte sich ein ernsthafter Streit in Betreff
+der sechs britischen Regimenter erhoben, welche im Solde der Vereinigten
+Provinzen standen. Der König wollte diese Regimenter unter das Commando
+römisch-katholischer Offiziere stellen, und der Prinz widersetzte sich
+diesem Ansinnen entschieden. Der König nahm seine Zuflucht zu seinen
+Lieblingsgemeinplätzen von der Duldung; der Prinz erwiederte daß er nur
+das Beispiel Seiner Majestät nachahme. Es sei notorisch erwiesen, daß
+loyale und tüchtige Männer in England lediglich deshalb, weil sie
+Protestanten waren, aus dem Staatsdienste entlassen worden seien, und
+dies berechtige den Statthalter und die Generalstaaten doch gewiß dazu,
+die Papisten von hohen öffentlichen Ämtern auszuschließen. Diese Antwort
+erbitterte Jakob dermaßen, daß er in seiner Wuth die Wahrhaftigkeit und
+den gesunden Verstand völlig aus den Augen verlor. Es sei nicht wahr,
+behauptete er mit Heftigkeit, daß er irgend Jemanden jemals aus
+religiösen Gründen abgesetzt habe. Und wenn er es wirklich gethan hätte,
+was ginge es dann dem Prinzen oder die Generalstaaten an? Wären sie etwa
+seine Herren? wären sie befugt, sich zu Richtern über die Handlungen
+fremder Fürsten aufzuwerfen? Von jetzt an wünschte er seine in
+holländischen Diensten stehenden Unterthanen zurückzuberufen, denn er
+glaubte durch diese Maßregel sich selbst zu verstärken und seine
+schlimmsten Feinde zu schwächen. Es traten ihm jedoch finanzielle
+Schwierigkeiten entgegen, die er unmöglich übersehen konnte. Die Zahl
+der bereits von ihm unterhaltenen Truppen war schon so groß, als es
+seine Einkünfte nur irgend zuließen, obgleich dieselben die aller seiner
+Vorgänger weit überstiegen und mit großer Sparsamkeit verwaltet wurden.
+Wenn aber die jetzt in Holland stehenden Bataillone noch zu dem
+vorhandenen Etat kamen, so war die Staatskasse bankerott. Vielleicht
+ließ Ludwig sich bewegen, sie in seinen Dienst zu nehmen. In diesem
+Falle wurden sie aus einem Lande entfernt, wo sie dem verderblichen
+Einflusse einer republikanischen Regierung und einer calvinistischen
+Kirchenverfassung ausgesetzt waren, und kamen in ein Land, wo Niemand
+die Autorität des Monarchen und die Lehren der wahren Kirche zu
+bestreiten wagte. Die Soldaten würden dann bald alle politische und
+religiöse Ketzerei wieder verlernen, ihr Landesfürst konnte zu jeder
+Zeit binnen kurzer Frist über ihre Hülfe verfügen und sich unter allen
+Umständen auf ihre Treue verlassen.
+
+Es wurden zwischen Whitehall und Versailles Unterhandlungen in dieser
+Angelegenheit eröffnet. Ludwig hatte soviel Soldaten als er brauchte,
+und wäre es auch anders gewesen, so würde er dennoch keine Lust gehabt
+haben, englische Truppen in Dienst zu nehmen, da der englische Sold, so
+niedrig er unsrer Generation erscheinen muß, doch viel höher war als der
+französische. Auf der andren Seite aber hätte er Wilhelm sehr gern um
+eine so schöne Brigade geschwächt. Nach einer mehrwöchentlichen
+Correspondenz wurde Barillon zu der Erklärung ermächtigt, daß, wenn
+Jakob die britischen Truppen aus Holland zurückriefe, Ludwig die
+Unterhaltungskosten für zweitausend Mann in England übernehmen wolle.
+Jakob nahm dieses Anerbieten mit dem wärmsten Danke an. In Folge des
+getroffenen Arrangements ersuchte er die Generalstaaten um Rücksendung
+der sechs Regimenter. Die Generalstaaten aber, welche Wilhelm ganz nach
+seinem Willen leitete, antworteten, daß ein solches Verlangen unter den
+obwaltenden Umständen durch die bestehenden Verträge nicht
+gerechtfertigt werde, und weigerten sich entschieden, demselben zu
+entsprechen. Es ist bemerkenswerth, daß Amsterdam, welches für
+Zurückhaltung dieser Truppen in Holland gestimmt hatte, als Jakob ihrer
+gegen die Insurgenten im Westen bedurfte, jetzt heftig für die Erfüllung
+seines Verlangens stritt. In beiden Fällen beabsichtigten die Behörden
+dieser großen Stadt nichts weiter, als dem Prinzen von Oranien zu
+opponiren.[68]
+
+ [Anmerkung 68: Sunderland an Wilhelm, 24. Aug. 1686; Wilhelm an
+ Sunderland, 2.(12.) Sept. 1686; Barillon, 6.(16.) Mai, 26. Mai (5.
+ Juni), 3.(13.) Oct., 28. Nov. (8. Dec.) 1687; Ludwig an Barillon,
+ 14.(24.) Oct. 1687; Memorial von Albeville, 15.(25.) Dec. 1687;
+ Jakob an Wilhelm, 17. Jan., 16. Feb., 2. u. 13. März 1688: Avaux,
+ 1.(11.), 6.(16.), 8.(18.) März, 22. März (1. April) 1688.]
+
+
+[_Einfluß der holländischen Presse._] Die holländischen Waffen waren
+jedoch für Jakob kaum so gefährlich als die holländische Presse. Fast
+täglich erschienen im Haag englische Bücher und Flugschriften gegen die
+Regierung, und keine Wachsamkeit konnte es verhindern, daß viele
+Tausende von Exemplaren in die an der Nordsee gelegenen Grafschaften
+eingeschmuggelt wurden. Unter diesen Schriften zeichnete sich besonders
+eine durch ihre Wichtigkeit und durch den Eindruck, den sie machte, aus.
+Jedermann, der mit den öffentlichen Angelegenheiten vertraut war, kannte
+die Ansicht des Prinzen und der Prinzessin von Oranien in Betreff der
+Indulgenz; da aber keine officielle Erklärung dieser Ansicht erschienen
+war, so wurden Viele, denen gute Privatquellen nicht zugänglich waren,
+durch die Zuversicht, mit der die Anhänger des Hofes behaupteten, daß
+Ihre Hoheiten die letzten Maßregeln des Hofes billigten, getäuscht oder
+verwirrt gemacht. Es würde ein sehr einfacher und naheliegender Weg
+gewesen sein, diese Behauptungen öffentlich zu widerlegen, wenn Wilhelm
+keinen andren Zweck gehabt hätte, als seinen Einfluß in England zu
+befestigen. Allein er betrachtete England hauptsächlich als das zur
+Ausführung seines großen europäischen Planes nöthige Werkzeug. Er hoffte
+für diesen Plan die Mitwirkung der beiden Linien des Hauses Österreich,
+der italienischen Fürsten und selbst des Papstes zu gewinnen, und er
+hatte Grund zu der Befürchtung, daß jede die britischen Protestanten
+befriedigende Erklärung in Madrid, Wien, Turin und Rom Besorgniß und
+Unwillen erregen könnte. Deshalb enthielt sich der Prinz lange jeder
+officiellen Äußerung seiner Gesinnungen. Endlich aber wurde er darauf
+aufmerksam gemacht, daß sein beharrliches Stillschweigen unter den ihm
+Wohlwollenden viel Besorgniß und Mißtrauen erweckt habe und daß es hohe
+Zeit sei, sich offen auszusprechen. Er beschloß daher, sich zu erklären.
+
+
+[_Stewart’s und Fagel’s Correspondenz._] Ein schottischer Whig, Namens
+Jakob Stewart, war vor einigen Jahren nach Holland geflüchtet, um dem
+spanischen Stiefel und dem Galgen zu entgehen, und er war mit dem
+Großpensionär Fagel befreundet worden, der das Vertrauen und die Gunst
+des Statthalters in hohem Grade besaß. Stewart war der Verfasser des
+heftigen und gehässigen Manifestes von Argyle. Als die Indulgenz
+erschien, erkannte Stewart, daß sich ihm die Gelegenheit darbot, nicht
+nur Begnadigung, sondern noch obendrein eine Belohnung zu erlangen. Er
+bot der Regierung, deren Feind er gewesen war, seine Dienste an, diese
+wurden angenommen und er schrieb an Fagel einen Brief, zu dem er
+angeblich von Jakob selbst beauftragt war. In diesem Briefe wurde der
+Großpensionär dringend aufgefordert, seinen ganzen Einfluß bei dem
+Prinzen und der Prinzessin aufzubieten, um sie zur Unterstützung der
+Politik ihres Vaters zu bewegen. Nach einiger Zeit schickte Fagel eine
+tief durchdachte und ausgezeichnet geschriebene Erwiederung ein. Wer
+dieses interessante Dokument liest, muß bemerken, daß es zwar in einer
+Weise abgefaßt ist, welche geeignet war, die englischen Protestanten zu
+beruhigen und ihnen zu gefallen, dennoch aber kein Wort enthält, das
+selbst dem Vatikan Anstoß hätte geben können. Es war darin gesagt, daß
+Wilhelm und Marie mit Vergnügen zur Abschaffung jedes Gesetzes mitwirken
+würden, welches über irgend einen Engländer seiner religiösen
+Überzeugung wegen Strafe verhänge. Aber zwischen Strafen und
+Ausschließungen war ein Unterschied gemacht. Katholiken zu Staatsämtern
+zuzulassen, könne nach der Ansicht Ihrer Hoheiten weder im allgemeinen
+Interesse Englands, noch im Interesse der Katholiken selbst liegen.
+Dieses Manifest wurde in mehrere Sprachen übersetzt und war auf dem
+Continent weit verbreitet. Von der durch Burnet besorgten englischen
+Ausgabe wurden nahe an funfzigtausend Exemplare in die östlichen
+Grafschaften eingeführt und rasch über das ganze Land verbreitet.
+Nie hat eine Staatsschrift einen vollständigeren Erfolg gehabt. Die
+Protestanten unsrer Insel priesen die männliche Entschiedenheit, mit der
+Wilhelm erklärte, daß er es nicht gutheißen könne, die Papisten Antheil
+an der Regierung nehmen zu lassen. Den katholischen Fürsten auf der
+andren Seite gefiel der milde und gemäßigte Ton, in welchem diese
+Erklärung gehalten war, sowie die ihnen eröffnete Aussicht, daß unter
+seiner Regierung kein Mitglied ihrer Kirche um seines Glaubens willen
+belästigt werden würde.
+
+
+[_Castelmaine’s Gesandtschaft in Rom._] Es ist wahrscheinlich, daß der
+Papst selbst einer von Denen war, die den berühmten Brief mit Vergnügen
+lasen. Einige Monate zuvor hatte er Castelmaine auf eine Art entlassen,
+welche wenig Rücksicht auf die Gesinnungen des Königs zeigte. Innocenz
+war mit der ganzen inneren und äußeren Politik der englischen Regierung
+durchaus nicht zufrieden. Er sah, daß die ungerechten und unklugen
+Maßregeln der jesuitischen Cabale viel eher dazu beitrugen, das
+Fortbestehen der Strafgesetze als die Abschaffung des Testes zu
+bewirken. Sein Streit mit dem Hofe von Versailles wurde mit jedem Tage
+ernsthafter, und er konnte weder als weltlicher Fürst, noch als
+Oberhaupt der katholischen Kirche für einen Vasallen dieses Hofes eine
+herzliche Freundschaft fühlen. Castelmaine war nicht geeignet, diesen
+Widerwillen zu beseitigen. Er kannte zwar für einen Laien Rom ziemlich
+gut und war auch in der theologischen Polemik gründlich bewandert,[69]
+besaß aber durchaus nicht das Geschick, welches sein Posten erforderte,
+und wenn er auch der talentvollste Diplomat gewesen wäre, so würde doch
+ein Umstand ihn für die besondere Mission, mit der er betraut war,
+untauglich gemacht haben. Er war in ganz Europa als der Gatte des
+schamlosesten Weibes bekannt, und als weiter nichts. Man konnte
+unmöglich mit ihm oder von ihm sprechen, ohne daran zu denken, wie er zu
+dem Titel gekommen war, bei dem er genannt wurde. Dieser Umstand würde
+wenig auf sich gehabt haben, wenn er an einem sittenlosen Hofe
+accreditirt gewesen wäre, wie zum Beispiel bei dem, an welchem unlängst
+die Herzogin von Montespan das Regiment geführt hatte. Aber es war
+offenbar ein grober Mißgriff, ihn mit einem Auftrage mehr geistlichen
+als weltlichen Characters an einen Papst von patriarchalischer
+Sittenstrenge zu senden. Die Protestanten von ganz Europa spöttelten
+darüber, und Innocenz, der ohnehin schon gegen die englische Regierung
+eingenommen war, betrachtete die ihm mit so großer Gefahr und so großen
+Kosten erzeigte Aufmerksamkeit als nicht viel besser denn eine
+Beleidigung. Der Gehalt des Gesandten war auf hundert Pfund die Woche
+festgesetzt. Castelmaine klagte, daß dies zu wenig sei und daß das
+Dreifache dieses Betrags kaum ausreichen werde. Denn in Rom bemühten
+sich die Gesandten aller großen Continentalmächte einander vor den Augen
+eines Volks, das durch den beständigen Anblick prächtiger Gebäude,
+Decorationen und Ceremonien verwöhnt war, im Glanz zu überbieten. Er
+erklärte stets, daß er bei seiner Gesandtschaft Geld zusetzen müsse. Es
+waren ihm mehrere junge Adelige aus den vornehmsten katholischen
+Familien Englands, wie die Ratcliffe, die Arundell und Tichborne,
+beigegeben, und er bewohnte in Rom den Palast der Familie Pamfili an dem
+prächtigen Navonaplatze. Eine Privatunterredung mit Innocenz wurde ihm
+bald bewilligt, die officielle Audienz aber wurde lange hinausgeschoben.
+Castelmaine’s Vorbereitungen zu diesem wichtigen Acte waren so
+prachtvoll, daß sie, obgleich schon zu Ostern 1686 begonnen, im
+darauffolgenden November noch nicht beendigt waren, und im November
+bekam der Papst einen wirklichen oder angeblichen Gichtanfall, der einen
+weiteren Aufschub verursachte. Im Januar 1687 endlich fand die
+feierliche Vorstellung und Aufwartung mit ungewöhnlichem Pompe statt.
+Die Staatswagen, welche zu der Auffahrt in Rom gebaut wurden, waren so
+prächtig, daß man sie für werth hielt, der Nachwelt in schönen
+Abbildungen überliefert und von Dichtern in mehreren Sprachen besungen
+zu werden.[70] Die Façade des Gesandtschaftspalastes wurde an diesem
+hochwichtigen Tage mit geschmacklosen allegorischen Gemälden von
+riesenhafter Größe decorirt. Man sah hier den heiligen Georg mit dem
+Fuße auf dem Nacken des Titus Oates, und Herkules, wie er mit seiner
+Keule den protestantischen Tischler College zu Boden schlägt, der sich
+vergebens mit seinem Flegel zu vertheidigen sucht. Nach dieser
+öffentlichen Schaustellung lud Castelmaine alle damals in Rom anwesenden
+Notabilitäten zu einem Bankett in dem freundlichen und prächtigen Saale
+ein, den Peter von Cortona mit Gemälden von Scenen aus der Aeneide
+geschmückt hat. Die ganze Stadt drängte sich zu dem Schauspiele und nur
+mit Mühe konnte eine Compagnie der Schweizergarde die Ordnung unter den
+Zuschauern aufrechterhalten. Die Kavaliere des päpstlichen Hofstaates
+gaben hierauf ihrerseits dem Gesandten glänzende Gastmähler, und Dichter
+und Literaten überhäuften seinen Gebieter mit abgeschmackten und
+hyperbolischen Schmeicheleien, wie sie da am meisten floriren, wo Genie
+und Geschmack am tiefsten gesunken sind. An der Spitze der Schmeichler
+stand ein gekröntes Haupt. Mehr als dreißig Jahre waren verflossen, seit
+Christine, die Tochter des großen Gustav Adolph, freiwillig vom
+schwedischen Throne herabgestieqen war. Nach langen Wanderungen, während
+denen sie viele Thorheiten und Verbrechen begangen, hatte sie endlich in
+Rom ihren bleibenden Aufenthalt genommen, wo sie sich mit astrologischen
+Berechnungen und mit den Intriguen des Conclave beschäftigte und sich
+nebenbei mit Gemälden, Gemmen, Handschriften und Münzen die Zeit
+vertrieb. Jetzt dichtete sie einige italienische Stanzen zu Ehren des
+englischen Fürsten, der, wie sie selbst, einem Geschlecht von Königen
+entsprossen, welche zu ihrer Zeit als die Vorkämpfer der Reformation
+betrachtet wurden, sich, gleich ihr, mit der alten Kirche wieder
+ausgesöhnt hatte. Sie gab eine glänzende Gesellschaft in ihrem Palaste.
+Ihre in Musik gesetzten Verse wurden unter allgemeinem Beifalle
+vorgetragen und einer ihrer literarischen Günstlinge hielt über
+denselben Gegenstand eine Rede in so blühendem Style, daß er den
+Geschmack der englischen Zuhörer beleidigt zu haben scheint. Die dem
+Papste feindlich gesinnten, den Interessen Frankreichs ergebenen
+Jesuiten, denen jede Gelegenheit, Jakob Ehre zu erzeigen, willkommen
+war, empfingen den englischen Gesandten mit möglichstem Gepränge in dem
+fürstlichen Hause, wo die Überreste des Ignatius Loyola in einem Schrein
+von Lasurstein und Gold aufbewahrt werden. Bildhauerkunst, Malerei,
+Poesie und Beredtsamkeit wurden aufgeboten, um den Fremden zu
+bewillkommnen; aber alle diese Künste lagen tief im Argen. Es wurde viel
+schwülstige und unedle Latinität entfaltet, die eines so gelehrten
+Ordens unwürdig war, und einige von den die Wände zierenden Inschriften
+zeigten noch schlimmere Fehler als schlechten Styl. An einer Stelle war
+gesagt, daß Jakob seinen Bruder als Boten zum Himmel gesandt habe, an
+einer andren, daß Jakob die Schwingen geliefert, welche seinen Bruder in
+eine höhere Region emporgetragen. Außerdem gab es ein noch viel
+unglücklicheres Distichon, welches damals wenig beachtet wurde, dessen
+man aber einige Monate später mit boshaften Auslegungen gedachte.
+„O König,“ sagte der Dichter, „seufze nicht länger nach einem Sohne. Mag
+auch die Natur Deinen Wunsch nicht erfüllen, die Sterne werden Mittel
+finden, um ihn zu befriedigen.“
+
+Inmitten dieser Festlichkeiten erfuhr Castelmaine schwere Kränkungen und
+Demüthigungen. Der Papst behandelte ihn mit äußerster Kälte und
+Zurückhaltung. So oft der Gesandte ihn um eine Antwort auf das zu
+Gunsten Petre’s gestellte Anliegen bat, bekam Innocenz einen heftigen
+Hustenanfall, der dem Gespräch ein Ende machte. Ganz Rom unterhielt sich
+von diesen sonderbaren Audienzen. Pasquino schwieg nicht und die ganze
+neugierige und geschwätzige Bevölkerung der müßigsten aller Städte, mit
+alleiniger Ausnahme der Jesuiten und der Prälaten der französischen
+Faction, lachte über Castelmaine’s verunglückte Mission. Sein von Natur
+unfreundlicher Character wurde bald auf’s Heftigste erbittert und er
+verbreitete eine Denkschrift mit Betrachtungen über den Papst. Dadurch
+gerieth er in eine schiefe Stellung, der kluge Italiener hatte einen
+Vortheil gewonnen und er ließ sich denselben nicht wieder entreißen. Er
+erklärte gerade heraus, die Regel, welche die Jesuiten von kirchlichen
+Würden ausschließe, dürfe zu Gunsten Petre’s nicht übertreten werden.
+Der immer mehr gereizte Castelmaine drohte jetzt Rom zu verlassen.
+Innocenz erwiederte ihm mit sanfter Impertinenz, die um so kränkender
+war, weil sie sich kaum von treuherziger Einfalt unterscheiden ließ.
+Seine Excellenz könne gehen, wenn es ihm beliebe. „Wenn wir ihn aber
+verlieren müssen,“ setzte der ehrwürdige Pontifex hinzu, „so hoffe ich
+wenigstens, daß er unterwegs seine Gesundheit schonen wird. Ein
+Engländer weiß nicht, wie gefährlich es ist, hier zu Lande während der
+Tageshitze zu reisen. Man thut am besten, wenn man vor Tagesanbruch
+aufbricht und zu Mittag Rast macht.“ Mit diesem wohlmeinenden Rathe und
+einem Rosenkranze wurde der unglückliche Gesandte entlassen. Wenige
+Monate darauf erschien eine pomphafte Geschichte seiner Sendung in einer
+prachtvollen Folioausgabe mit Kupferstichen in italienischer und
+englischer Sprache. Das Titelkupfer zeigte zum großen Ärgerniß aller
+Protestanten Castelmaine in der Peersrobe und mit der Adelskrone in der
+Hand, wie er Innocenz den Fuß küßt.[71]
+
+ [Anmerkung 69: Adda, 9.(19.) Nov. 1685.]
+
+ [Anmerkung 70: Der Professor der griechischen Sprache am Kollegium
+ +De Propaganda Fide+ machte seiner Bewunderung in einigen
+ abscheulichen Hexametern und Pentametern Luft, von denen folgende
+ Probe genügen mag:
+
+ Ρωγερίου δὴ σκεψόμενος λαμπροῖο θρίαμβον,
+ Ὦκα μάλ’ ἤϊσσεν καὶ θέεν ὄχλος ἅπας·
+ Θαυμάζουσα δὲ τὴν πομπὴν, παγχρύσεά τ’ αὐτοῦ
+ Ἅρματα, τοὺς θ’ ἵππους, τοίαδε Ῥώμη ἔψη.
+
+ Die lateinischen Verse sind etwas besser. Nahum Tate stimmte auf
+ Englisch ein:
+
+ Um etwas von dem Prachtzug zu erspähen,
+ Wie selbst in Rom noch Niemand ihn gesehen,
+ Drängt Alt und Jung sich nach der Thürme Zinnen
+ Und über jede Wange Freudenthränen rinnen.]
+
+ [Anmerkung 71: Correspondenz Jakob’s und Innocenz’ im Britischen
+ Museum; +Burnet, I. 703--705+; +Welwood’s Memoirs+; +Commons’
+ Journals, Oct. 28. 1689+; +An Account of his Excellency Roger Earl
+ of Castelmaine’s Embassy, by Michael Wright, chief steward of his
+ Excellency’s house at Rome, 1688.+]
+
+
+ * * * * *
+ * * * *
+
+
+ Achtes Kapitel.
+
+ Jakob II.
+
+
+
+
+ =Inhalt.=
+
+ Seite
+ Consecration des Nuntius im St. Jamespalaste 5
+ Sein officieller Empfang. -- Der Herzog von Somerset 5
+ Auflösung des Parlaments 6
+ Gesetzwidrige Bestrafung militairischer Vergehen 7
+ Verfahren der Hohen Commission 8
+ Die Universitäten 9
+ Verfahren gegen die Universität Cambridge 10
+ Der Earl von Mulgrave 11
+ Zustand Oxford’s 13
+ Das Magdalenen-Collegium in Oxford 15
+ Anton Farmer, vom Könige als Präsident empfohlen 17
+ Wahl des Präsidenten 18
+ Die Mitglieder des Magdalenen-Collegiums werden vor die
+ Hohe Commission geladen 18
+ Parker zum Präsidenten empfohlen 19
+ Die Karthause 19
+ Rundreise des Königs 20
+ Der König in Oxford 21
+ Er giebt den Collegiaten des Magdalenenstifts einen Verweis 22
+ Penn sucht zu vermitteln 22
+ Eine kirchliche Specialcommission wird nach Oxford gesandt 24
+ Hough’s Protest 24
+ Einsetzung Parker’s 25
+ Vertreibung der Collegiaten 26
+ Das Magdalenen-Collegium in ein papistisches Seminar
+ verwandelt 27
+ Groll der Geistlichkeit 28
+ Pläne der jesuitischen Cabale in Bezug auf die Thronfolge 29
+ Jakob’s und Tyrconnel’s Plan, die Prinzessin von Oranien
+ von der Erbfolge im Königreich Irland auszuschließen 30
+ Schwangerschaft der Königin 31
+ Allgemeiner Zweifel 31
+ Stimmung der Wahlkörper und der Peers 33
+ Jakob beschließt, ein bestochenes Parlament zusammenzusetzen 34
+ Die Regulatoren 36
+ Entlassung vieler Lordlieutenants 36
+ Der Earl von Oxford 36
+ Der Earl von Shrewsbury 37
+ Der Earl von Dorset 38
+ An die Obrigkeiten gerichtete Fragen, und Antworten darauf 41
+ Scheitern der Pläne des Königs 42
+ Liste der Sheriffs 45
+ Character der katholischen Landgentlemen 45
+ Stimmung der Dissenters 47
+ Regulirung der Corporationen 47
+ Untersuchung in allen öffentlichen Verwaltungszweigen 50
+ Entlassung Sawyer’s 51
+ Williams Generalprokurator 52
+ Zweite Indulgenzerklärung 53
+ Die Geistlichkeit erhält Befehl, sie von der Kanzel
+ zu verlesen 53
+ Die Geistlichkeit ist unschlüssig 54
+ Patriotismus der protestantischen Nonconformisten Londons 54
+ Berathung der londoner Geistlichkeit 55
+ Berathung im Palast zu Lambeth 57
+ Die Petition der sieben Bischöfe dem Könige überreicht 57
+ Die londoner Geistlichkeit gehorcht dem königlichen
+ Befehle nicht 60
+ Unschlüssigkeit der Regierung 61
+ Es wird eine gerichtliche Verfolgung der Bischöfe wegen
+ Libells beschlossen 63
+ Sie werden im Geheimen Rathe verhört 63
+ Geburt des Prätendenten 65
+ Man hält ihn allgemein für untergeschoben 65
+ Die Bischöfe werden vor die Kings Bench gestellt und
+ müssen Bürgschaft leisten 69
+ Aufregung der Gemüther 70
+ Sunderland’s Angst 71
+ Er erklärt sich für einen Katholiken 72
+ Prozeß der Bischöfe 72
+ Das Verdict der Geschwornen; Freude des Volks 80
+ Eigenthümlicher Zustand der öffentlichen Meinung
+ zu jener Zeit 84
+
+
+
+
+[_Consecration des Nuntius im St. Jamespalaste._] Die auffallende
+Unhöflichkeit des Papstes hätte wohl den sanftmüthigsten Fürsten reizen
+müssen. Auf Jakob aber machte sie keinen andren Eindruck, als daß er mit
+Schmeicheleien und Komplimenten noch verschwenderischer wurde. Während
+Castelmaine, das Herz von Zorn und Unwillen erfüllt, auf der Rückreise
+nach England begriffen war, wurde der Nuntius mit Ehrenbezeigungen
+überhäuft, die sein eigner Verstand verwerfen mußte. Er war in Folge
+einer bei der römischen Kirche häufig in Anwendung kommenden Fiction
+unlängst zur Bischofswürde ohne Bischofssitz erhoben worden. Jetzt wurde
+er zum Erzbischof von Amasia, einer Stadt am Pontus, dem Geburtsorte
+Strabo’s und Mithridates’, erhoben. Jakob bestand darauf, daß die
+Ceremonie der Consecration in der Kapelle des St. Jamespalastes
+stattfinden sollte. Der apostolische Vikar Leyburn und zwei irische
+Prälaten versahen den Dienst. Die Thüren wurden dem Publikum geöffnet
+und man bemerkte unter den Zuschauern einige von den Puritanern, die
+sich neuerdings dem Hofe angeschlossen hatten. Am Abend erschien Adda in
+seiner neuen Amtstracht im Gesellschaftszirkel der Königin. Jakob fiel
+angesichts des ganzen Hofes auf die Knie und bat um seinen Segen. Trotz
+aller Vorschriften der Etikette konnten die Umstehenden ihr Erstaunen
+und ihren Widerwillen nicht unterdrücken.[1] Es hatte in der That seit
+langer Zeit kein englischer Souverain vor einem Sterblichen gekniet und
+wer das sonderbare Schauspiel mit ansah, erinnerte sich unwillkürlich
+des schmachvollen Tages, an welchem Johann sich seine Krone von Pandolph
+aufs Haupt setzen ließ.
+
+ [Anmerkung 1: Barillon, 2.(12.) Mai 1687.]
+
+
+[_Sein officieller Empfang. -- Der Herzog von Somerset._] Bald darauf
+fand eine noch prächtigere Schaustellung zu Ehren des Heiligen Stuhles
+statt. Es wurde beschlossen, daß der Nuntius sich in feierlicher
+Prozession an den Hof begeben sollte. Bei dieser Gelegenheit zeigten
+mehrere Personen, auf deren Gehorsam der König gerechnet hatte, zum
+ersten Male eine Neigung zur Widersetzlichkeit. Der Hervorragendste
+unter ihnen war der zweite Peer des Königreichs, Karl Seymour,
+gewöhnlich der stolze Herzog von Somerset genannt. Er war in der That
+ein Mann, bei dem Geburts- und Rangstolz fast zu einer krankhaften Manie
+geworden war. Sein ererbtes Vermögen war der hohen Stelle, die er unter
+dem englischen Adel einnahm, nicht angemessen; aber durch seine
+Vermählung mit der Tochter und Erbin des letzten Percy, der die alte
+Krone von Northumberland trug, war er in den Besitz des größten
+Vermögens in England gelangt. Somerset war erst fünfundzwanzig Jahre alt
+und im Publikum noch wenig bekannt. Er war Kammerherr des Königs und
+Oberst eines der Regimenter, welche zur Zeit des Aufstandes im Westen
+neu errichtet worden waren. Er hatte kein Bedenken dagegen erhoben, bei
+feierlichen Gelegenheiten das Staatsschwert in die königliche Kapelle zu
+tragen; diesmal aber weigerte er sich entschieden, an dem Festzuge zu
+Ehren des Nuntius Theil zu nehmen. Einige Mitglieder seiner Familie
+baten ihn dringend, sich das königliche Mißfallen nicht zuzuziehen; aber
+ihr Bitten war fruchtlos. Der König setzte ihn nun selbst zur Rede. „Ich
+hätte geglaubt, Mylord,“ sagte er, „daß ich Ihnen eine große Ehre
+erzeigte, indem ich Sie dazu ausersah, den Gesandten des ersten aller
+gekrönten Häupter zu begleiten.“ -- „Sire,“ entgegnete der Herzog, „ich
+bin darauf aufmerksam gemacht worden, daß ich Eurer Majestät nicht
+gehorchen kann, ohne das Gesetz zu verletzen.“ -- „Ich will Sie lehren,
+mich ebenso zu achten wie das Gesetz,“ erwiederte der König in
+hochfahrendem Tone. „Wissen Sie noch nicht, daß ich über dem Gesetz
+stehe?“ -- „Eure Majestät mögen über dem Gesetz stehen, ich aber nicht,
+und wenn ich dem Gesetz gehorche, fürchte ich nichts.“ Der König
+entfernte sich höchlich erzürnt und Somerset wurde augenblicklich seiner
+Stellen im Hofstaate und in der Armee entsetzt.[2]
+
+In einem Punkte zeigte jedoch der König einige Klugheit. Er wagte es
+nicht, den päpstlichen Gesandten in feierlichem Aufzuge der ganzen
+Bevölkerung der Hauptstadt vorzuführen. Die Ceremonie fand am 3. Juli
+1687 in Windsor statt. Eine große Menschenmenge strömte nach dem
+Städtchen. Der Schaulustigen waren so viele, daß sie weder Speise und
+Trank noch ein Unterkommen fanden und eine Menge vornehmer Leute den
+ganzen Tag in ihrem Wagen zubringen mußten, um das Schauspiel mit
+anzusehen. Spät am Nachmittag endlich erschienen die Leute des
+Hofmarschalls zu Pferde. Hierauf folgte ein langer Zug von Läufern und
+dann in einem königlichen Staatswagen Adda im Purpurmantel und mit einem
+Brillantenkreuze auf der Brust. Hinter ihm fuhren die Equipagen der
+vornehmsten Hofkavaliere und der Staatsminister. Mit großem Mißfallen
+bemerkte das Volk in dem Zuge die Wappen und Livreen Crewe’s, Bischofs
+von Durham, und Cartwright’s, Bischofs von Chester.[3]
+
+ [Anmerkung 2: +Memoirs of the Duke of Somerset+; Citters, 5.(15.)
+ Juli 1687; +Eachard’s History of the Revolution+; +Clarke’s Life
+ of James the Second, II. 116, 117, 118+; +Lord Lonsdale’s
+ Memoirs.+]
+
+ [Anmerkung 3: +London Gazette, July 7. 1687+; Citters, 7.(17.)
+ Juli; Bericht über die Ceremonie in den Somers’schen Schriften.]
+
+
+[_Auflösung des Parlaments._] Am folgenden Tage erschien in der Gazette
+eine Proklamation, welche das Parlament auflöste, das von allen durch
+die Stuarts einberufenen Parlamenten das fügsamste gewesen war.[4]
+
+Mittlerweile hatten sich neue Schwierigkeiten in Westminsterhall
+gezeigt. Erst vor wenigen Monaten waren mehrere Richter entlassen und
+andere an deren Stelle gesetzt worden, um in dem Prozesse gegen Sir
+Eduard Hales ein Erkenntniß zu Gunsten der Krone zu erlangen, und schon
+waren neue Änderungen nöthig.
+
+ [Anmerkung 4: +London Gazette, July, 4. 1687.+]
+
+
+[_Gesetzwidrige Bestrafung militairischer Vergehen._] Der König hatte
+kaum die Armee gebildet, auf die er zur Ausführung seiner Pläne
+namentlich rechnete, so erkannte er auch schon, daß er sie selbst nicht
+regieren konnte. Wenn ein Krieg im Lande wüthete, so konnte ein Meuterer
+oder Deserteur vor ein Kriegsgericht gestellt und das Urtel durch den
+Generalprofoß vollzogen werden. Aber man war jetzt im tiefsten Frieden.
+Das englische Landrecht, das aus einem Zeitalter herrührte, wo
+erforderlichenfalls Jedermann, Niemand aber beständig die Waffen trug,
+machte in Friedenszeiten keinen Unterschied zwischen einem Soldaten und
+jedem andren Unterthan, und es gab kein Gesetz ähnlich dem, durch
+welches heutzutage dem Souverain alljährlich die zum Oberbefehl über die
+reguläre Truppenmacht nöthige Autorität verliehen wird. Zwar erklärten
+einige alte Verordnungen die Desertion in gewissen angeführten Fällen
+für Felonie; aber diese Verordnungen galten nur für die Soldaten, welche
+dem Könige im wirklichen Kriege dienten und konnten nicht ohne die
+arglistigste Willkür so weit ausgedehnt werden, daß sie auch auf einen
+Mann Anwendung fanden, der in einer Zeit der vollständigsten inneren und
+äußeren Ruhe des Lagers von Hounslow überdrüssig wurde und daher in sein
+heimathliches Dorf zurückkehrte. Die Regierung hatte offenbar über einen
+solchen Mann keine andre Macht, als die, welche ein Bäcker- oder
+Schneidermeister über seine Gesellen hat. Er und seine Offiziere standen
+vor dem Gesetz auf gleicher Stufe. Fluchte er gegen sie, so konnte er
+wegen Schwörens mit einer Geldstrafe belegt werden; schlug er sie, so
+konnte er wegen thätlicher Mißhandlung verklagt werden. Das stehende
+Heer stand factisch unter einer milderen Disciplin als die Miliz, denn
+die Miliz war durch eine Parlamentsacte errichtet worden, in welcher
+zugleich bestimmt war, daß Disciplinarvergehen summarisch mit leichten
+Strafen geahndet werden könnten.
+
+Es scheint nicht, daß die aus diesem Zustande des Gesetzes
+entspringenden praktischen Nachtheile sich unter der Regierung Karl’s
+II. sehr fühlbar gemacht hatten, was sich vielleicht dadurch erklären
+läßt, weil bis zum letzten Jahre seiner Regierung die Streitmacht, die
+er in England unterhielt, hauptsächlich aus Haustruppen bestand, welche
+einen so hohen Sold bekamen, daß die Entlassung aus dem Dienste von den
+Meisten sehr schmerzlich empfunden worden wäre. Eine Anstellung als
+Gemeiner in der Leibgarde war für den jüngeren Sohn eines Gentleman eine
+gute Versorgung; selbst die Fußgarden wurden so gut bezahlt als
+Fabrikarbeiter unter besonders günstigen Verhältnissen, und sie befanden
+sich daher in einer Lage, um die sie die große Masse der arbeitenden
+Bevölkerung wohl beneiden konnte. Die Rückkehr der Garnison von Tanger
+und die Errichtung der neuen Regimenter hatte eine große Veränderung
+herbeigeführt. Es gab jetzt in England viele Tausend Soldaten, welche
+nur acht Pence den Tag erhielten. Die Furcht vor der Verabschiedung war
+nicht mehr hinreichend, um sie der Dienstpflicht treu zu erhalten, und
+körperliche Strafen durften die Offiziere gesetzlich nicht zuerkennen.
+Jakob hatte daher nur die Wahl, entweder die Armee ihrer Auflösung
+entgegengehen zu lassen oder die Richter zu der Erklärung zu bewegen,
+daß das Gesetz das sei, was es, wie jeder Student wußte, nicht war.
+
+Es war besonders wichtig, die Mitwirkung zweier Gerichtshöfe zu
+gewinnen: der Kings Bench, welche der erste Criminalgerichtshof des
+Landes war, und des Gerichtshofs für Leerung der Gefängnisse, der in der
+Old Bailey saß und über die in der Hauptstadt begangenen Vergehen
+abzuurtheilen hatte. In beiden Gerichtshöfen aber stieß man auf große
+Schwierigkeiten. Herbert, der Oberrichter der Kings Bench, wollte trotz
+aller bis dahin bewiesenen Servilität nicht weiter gehen. Ein noch
+entschiedenerer Widerstand war von Sir Johann Holt zu erwarten, der als
+Syndikus der City von London auf der Bank der Old Bailey saß. Holt war
+ein ausgezeichnet gelehrter und aufgeklärter Jurist, dabei ein
+rechtschaffener und muthiger Mann und seine politische Meinung hatte
+eine whiggistische Färbung, obgleich er sich von allem Parteitreiben
+stets fern hielt. Dem Willen des Königs mußten jedoch alle Hindernisse
+weichen. Holt wurde seines Syndikats entsetzt. Herbert und ein andrer
+Richter von der Kings Bench entfernt, und die erledigten Stellen mit
+Männern besetzt, auf die sich die Regierung verlassen konnte. Allerdings
+mußte man in ziemlich niedere juristische Regionen hinabsteigen, ehe man
+Leute fand, welche zu Dienstleistungen, wie man sie jetzt brauchte,
+bereit waren. Der neue Oberrichter, Sir Robert Wright, war
+sprichwörtlich ein Ignorant, und die Unwissenheit war noch nicht sein
+ärgster Fehler. Seine Laster hatten ihn zu Grunde gerichtet. Um sich
+Geld zu verschaffen, hatte er zu unredlichen Mitteln seine Zuflucht
+genommen und einmal einen falschen Eid abgelegt, um in den Besitz von
+fünfhundert Pfund zu gelangen. Arm, ausschweifend und schamlos war er
+einer von den Schmarotzern Jeffreys’ geworden, der ihn beförderte und
+verächtlich behandelte. Dies war der Mann, den Jakob zum Lord
+Oberrichter von England erkor. Ein gewisser Allibone, der in der
+Rechtskunde noch unwissender war als Wright und als Katholik eigentlich
+gar nicht fähig war, ein öffentliches Amt zu bekleiden, wurde zum
+Unterrichter der Kings Bench ernannt. Sir Bartholomäus Shower, als
+serviler Tory und langweiliger Redner gleich bekannt, wurde Syndikus von
+London. Nachdem diese Veränderungen bewirkt waren, wurden mehrere
+Deserteurs zur Untersuchung gezogen und dem Wortlaute und dem Geiste des
+Gesetzes zum Hohn für schuldig befunden. Einige von ihnen vernahmen ihr
+Todesurtheil vor den Schranken der Kings Bench, Andere vor den Schranken
+der Old Bailey. Sie wurden vor den Augen der Regimenter, denen sie
+angehört hatten, gehängt und dafür Sorge getragen, daß diese
+Hinrichtungen durch die London Gazette, welche derartige Vorgänge nur
+selten berichtete, zur Öffentlichkeit gelangten.[5]
+
+ [Anmerkung 5: Siehe +Statutes 18 Henry 6. c. 19; 2 & 3 Ed. 6. c.
+ 2.+; +Eachard’s History of the Revolution+; +Kennet, III. 468+;
+ +North’s Life of Guildford, 247.+; + London Gazette, April 18. &
+ May 23. 1687+; +Vindication of the E. of R. (Earl of Rochester.)+]
+
+
+[_Verfahren der Hohen Commission._] Man kann wohl denken, daß das
+Gesetz, das so gröblich von denjenigen Gerichtshöfen verletzt wurde,
+deren ganze Autorität sich auf dasselbe gründete und die es als
+Richtschnur zu betrachten pflegten, von einem durch tyrannische Willkür
+errichteten Tribunale eben so wenig geachtet wurde. Während der ersten
+Monate ihres Bestehens hatte die neue Hohe Commission Geistlichen nur
+die Ausübung ihrer Amtshandlungen verboten; die Eigenthumsrechte waren
+noch unangetastet geblieben. Zu Anfang des Jahres 1687 aber beschloß man
+auch gegen die Pfründeneinkünfte einen Schlag zu führen und jedem
+anglikanischen Priester und Prälaten die Überzeugung beizubringen, daß,
+wenn er seine Beihülfe zur Vernichtung der Kirche, deren Diener er war,
+verweigerte, er in einer Stunde zum Bettler gemacht werden würde.
+
+
+[_Die Universitäten._] Es würde der Klugheit angemessen gewesen sein,
+das erste Exempel an einem unbekannten Individuum zu statuiren. Die
+Regierung aber war in einer so unseligen Verblendung befangen, daß man
+dieselbe in einem naiveren Zeitalter als eine göttliche Strafe
+betrachtet haben würde. Es wurde daher ohne weiteres gleich von Anfang
+an den beiden ehrwürdigsten Korporationen des Reichs, den Universitäten
+Oxford und Cambridge, der Krieg erklärt.
+
+Die Macht dieser beiden Körperschaften war schon seit vielen
+Jahrhunderten groß; in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts
+aber hatte sie ihren Höhepunkt erreicht. Kein Nachbarland konnte sich so
+glänzender und reicher Sitze der Wissenschaft rühmen. Die Hochschulen
+von Edinburg und Glasgow, von Leyden und Utrecht, von Löwen und Leipzig,
+von Padua und Bologna kamen Gelehrten, welche in den prächtigen
+Stiftungen Wykeham’s und Wolsey’s, Heinrich’s VI. und Heinrich’s VIII.
+gebildet waren, ärmlich vor. Literatur und Wissenschaft waren in dem
+akademischen Systeme Englands mit Gepränge umgeben, mit obrigkeitlicher
+Gewalt bekleidet und mit den vornehmsten Institutionen des Landes eng
+verbunden. Kanzler einer Universität zu werden, war eine Auszeichnung,
+nach der die Magnaten des Reichs eifrig strebten; eine Universität im
+Parlament zu vertreten, war das Lieblingsziel des Ehrgeizes von
+Staatsmännern. Edelleute und selbst Fürsten waren stolz darauf, wenn
+eine Universität ihnen das Recht verlieh, den Scharlach der Doctorwürde
+zu tragen. Die Neugierigen wurden von den Universitäten angezogen durch
+alte, mit mittelalterlichen Verzierungen reich ausgestattete Gebäude,
+durch neuere Gebäude, welche glänzendes Zeugniß von dem künstlerischen
+Genie eines Jones und Wren gaben, durch imposante Hallen und Kapellen,
+durch Museen, durch botanische Gärten und durch die einzigen
+öffentlichen Bibliotheken, welche das Königreich damals besaß. Der
+Prunk, den namentlich Oxford bei feierlichen Gelegenheiten entfaltete,
+wetteiferte mit dem souverainer Fürsten. Wenn der Kanzler, der
+ehrwürdige Herzog von Ormond, in seinem geflickten Mantel auf seinem
+Throne unter der gemalten Decke der Sheldon’schen Tribüne saß, umgeben
+von vielen hundert Graduirten in der ihrem verschiedenen Range
+entsprechenden Kleidung, während die vornehmsten Jünglinge Englands ihm
+als Bewerber um akademische Ehren feierlich vorgeführt wurden, spielte
+er eine kaum minder königliche Figur als sein Gebieter im Bankethause zu
+Whitehall. Auf den Universitäten waren fast alle ausgezeichneten
+Geistlichen, Rechtsgelehrten, Ärzte, Schriftsteller, Dichter und Redner
+des Landes und zum großen Theil auch der hohe Adel und die reiche Gentry
+gebildet. Auch ist zu bemerken, daß die Verbindung zwischen dem Schüler
+und der Schule durch seinen Abgang nicht aufgelöst wurde. Er blieb oft
+während seines ganzen Lebens Mitglied des akademischen Körpers und
+behielt bei allen wichtigen Wahlen eine Stimme. Er hing daher an seinem
+alten Lieblingsaufenthalte am Cam und Isis mit weit größerer Zuneigung,
+als gebildete Leute sie in der Regel zu ihren Bildungsstätten empfinden.
+Es gab in England keinen Winkel, wo nicht beide Universitäten dankbare
+und treuergebene Söhne gehabt hätten. Jeder Angriff auf die Ehre oder
+die Interessen von Cambridge oder Oxford mußte nothwendig den Unwillen
+einer mächtigen, thätigen und intelligenten Klasse erregen, die über
+alle Grafschaften, von Northumberland bis Cornwall, zerstreut war.
+
+Die seßhaften Graduirten waren vielleicht im Ganzen genommen den
+seßhaften Graduirten unsrer Zeit nicht überlegen, aber im Vergleich zu
+den anderen Gesellschaftskreisen standen sie damals auf einer viel
+höheren Stufe; denn Cambridge und Oxford waren die beiden einzigen
+Provinzialstädte im ganzen Königreiche, wo man eine bedeutende Anzahl
+hochgebildeter Männer fand. Selbst die Hauptstadt hatte große Achtung
+vor der Autorität der Universitäten, nicht nur in Fragen der Theologie,
+der Naturwissenschaften und des klassischen Alterthums, sondern auch in
+solchen Angelegenheiten, in denen die Hauptstädte in der Regel für die
+höchsten Instanzen gelten wollen. Von Will’s Kaffeehaus und dem Parterre
+des Drurylanetheaters appellirte man noch an die beiden großen
+Nationalsitze des Geschmacks und der Gelehrsamkeit. Schauspiele, die in
+London mit enthusiastischem Beifalle aufgenommen worden waren, galten
+erst dann für außer Gefahr, wenn sie die strenge Prüfung eines mit
+Sophokles und Terenz vertrauten Zuhörerkreises bestanden hatten.[6]
+
+Die englischen Universitäten hatten ihren großen moralischen und
+intellectuellen Einfluß energisch zu Gunsten der Krone angewendet. Das
+Hauptquartier Karl’s I. war in Oxford gewesen und die silbernen Krüge
+und Teller sämmtlicher Collegien waren zur Unterstützung seiner
+Kriegskasse eingeschmolzen worden. Cambridge war nicht weniger loyal
+gesinnt. Es hatte ebenfalls einen großen Theil seines Silbergeräths in’s
+königliche Lager gesandt, und der Rest würde auch nachgefolgt sein, wäre
+die Stadt nicht von den Parlamentstruppen genommen worden. Beide
+Universitäten waren von den siegreichen Puritanern mit der äußersten
+Strenge behandelt worden, beide hatten die Restauration mit Freuden
+begrüßt, beide hatten sich der Ausschließungsbill standhaft widersetzt
+und ihren tiefsten Abscheu über das Ryehousecomplot ausgesprochen.
+Cambridge hatte nicht nur seinen Kanzler Monmouth abgesetzt, sondern
+seinen Unwillen über den Verrath des Herzogs sogar in einer eines Sitzes
+der Gelehrsamkeit unwürdigen Weise zu erkennen gegeben, indem es die
+Leinwand, auf der Kneller seine einnehmende Physiognomie und Gestalt mit
+künstlerischer Vollendung dargestellt hatte, den Flammen übergab.[7]
+Oxford, das dem Herde des westlichen Aufstandes näher lag, hatte noch
+stärkere Beweise von Loyalität gegeben. Die Studenten hatten mit
+Bewilligung ihrer Professoren zu Hunderten die Waffen zur Vertheidigung
+der erblichen Thronrechte ergriffen. Und diese Körperschaften beschloß
+Jakob jetzt in offenem Widerspruch mit den Gesetzen und mit seinem
+verpfändeten Worte zu beschimpfen und zu berauben.
+
+ [Anmerkung 6: Dryden’s Prologe und Cibber’s Memoiren enthalten
+ zahlreiche Beweise von dem Ansehen, welches der Geschmack der
+ Oxforder bei den gefeiertsten Dichtern und Schauspielern genoß.]
+
+ [Anmerkung 7: Siehe das Gedicht: +Advice to the Painter upon the
+ Defeat of the Rebels in the West+, sowie noch ein andres ganz
+ abscheuliches Gedicht über den nämlichen Gegenstand von Stepney,
+ welcher damals am Trinity-Collegium studirte.]
+
+
+[_Verfahren gegen die Universität Cambridge._] Mehrere Parlamentsacte,
+die so klar waren als nur irgend eine Verordnung des Gesetzbuches,
+hatten vorgeschrieben, daß auf beiden Universitäten Niemand zu irgend
+einem Grade zugelassen werden sollte, ohne den Suprematseid und einen
+andren ähnlichen Eid, der Gehorsamseid genannt, abgelegt zu haben.
+Dessenungeachtet wurde im Februar 1687 ein königliches Schreiben nach
+Cambridge gesandt, worin die Aufnahme eines Benedictinermönches, Namens
+Alban Francis, als Magister der freien Künste anbefohlen wurde.
+
+Die akademischen Würdenträger, zwischen der Ehrerbietung gegen den König
+und der Achtung vor dem Gesetz schwankend, waren in großer Verlegenheit.
+Es wurden in aller Eile Boten an den Herzog von Albemarle gesandt, der
+Monmouth’s Nachfolger als Kanzler der Universität war, und er wurde
+dringend ersucht, dem Könige die Sache in geeigneter Weise vorzustellen.
+Unterdessen begaben sich der Registrator und die Pedelle zu Francis und
+erklärten ihm, daß er sogleich aufgenommen werden solle, wenn er die
+gesetzlich vorgeschriebenen Eide leiste. Er weigerte sich dessen, machte
+den Beamten Vorwürfe wegen ihrer Nichtachtung des königlichen Befehls,
+und da sie nicht nachgaben, reiste er auf der Stelle wieder ab, um sich
+in Whitehall zu beschweren.
+
+Die Vorsteher der Collegien versammelten sich zu einer Berathung. Die
+Gutachten der ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten wurden abgehört und sie
+sprachen sich entschieden zu Gunsten des beobachteten Verfahrens aus.
+Aber schon war ein zweites hochmüthiges und drohendes Schreiben von
+Sunderland unterwegs. Albemarle antwortete der Universität unter vielen
+Versicherungen seiner Theilnahme und seines Bedauerns, daß er alles
+Mögliche gethan habe, aber vom Könige sehr kalt und unfreundlich
+aufgenommen worden sei. Der akademische Körper, durch die königliche
+Ungnade erschreckt und von dem aufrichtigen Willen beseelt, den Wünschen
+Seiner Majestät nachzukommen, dabei aber auch fest entschlossen, das
+klare Gesetz des Landes nicht zu verletzen, unterbreitete die
+bescheidensten und ehrerbietigsten Auseinandersetzungen, aber ohne
+Erfolg. Bald darauf kam eine Vorladung, welche den Vicekanzler und den
+Senat auf den 24. April vor die Hohe Commission nach Westminster
+beschied. Der Vicekanzler sollte in Person erscheinen, der Senat, der
+aus allen Doctoren und Magistern der Universität besteht, eine
+Deputation senden.
+
+
+[_Der Earl von Mulgrave._] Als der festgesetzte Tag erschien, füllte
+sich der Sitzungssaal mit einer großen Zuschauermenge. Jeffreys fungirte
+als Präsident der Commission. Rochester war, seit ihm der weiße Stab
+abgenommen worden, nicht mehr Mitglied, anstatt seiner erschien der
+Lordkammerherr Johann Sheffield, Earl von Mulgrave. Das Schicksal dieses
+Edelmanns glich in einer Beziehung dem seines Collegen Sprat. Mulgrave
+schrieb Verse, die sich kaum über die absolute Mittelmäßigkeit erhoben,
+da er aber ein in den politischen und vornehmen Kreisen hochangesehener
+Mann war, so fanden seine Verse doch Bewunderer. Die Zeit zerstörte den
+Zauber, zu seinem Unglücke aber erst nachdem seine Gedichte bereits ein
+unveräußerliches Recht auf eine Stelle in allen Sammlungen englischer
+Dichtungswerke erlangt hatten. Dennoch werden bis auf den heutigen Tag
+seine, abgeschmackten Reimereien und seine jämmerlichen Lieder an
+Amoretta und Gloriana in Gesellschaft des „Comus“ und des „Festes
+Alexander’s“ immer wieder gedruckt. Die Folge davon ist, daß unsre
+Generation Mulgrave hauptsächlich als einen Dichterling kennt und ihn
+als solchen verachtet. Er war jedoch, wie selbst Diejenigen zugaben, die
+ihn weder liebten noch achteten, ein durch schöne Talente
+ausgezeichneter Mann und in der parlamentarischen Beredtsamkeit stand er
+kaum einem Redner seiner Zeit nach. Dagegen verdiente sein moralischer
+Character keine Achtung. Er war ein Wüstling, aber ohne jene Offenheit
+des Herzens und der Hand, welche zuweilen auch die Ausschweifung
+liebenswürdig, und ein stolzer Aristokrat ohne jene Hoheit der
+Denkungsart, welche zuweilen den aristokratischen Hochmuth achtungswerth
+macht. Die damaligen Satiriker gaben ihm den Spottnamen Lord Allpride
+(Ganzstolz). Sein Stolz vertrug sich indessen mit allen schmachvollen
+Lastern. Viele wunderten sich darüber, wie ein Mann, der ein so
+übertriebenes Gefühl seiner Würde zur Schau trug, in Geldangelegenheiten
+so zäh und knauserig sein konnte. Er hatte der königlichen Familie
+großes Ägerniß dadurch gegeben, daß er den Gedanken zu hegen wagte, das
+Herz und die Hand der Prinzessin Anna zu erobern. In dieser Hoffnung
+getäuscht, hatte er sich bemüht, durch kriechende Gemeinheit die durch
+Anmaßung verwirkte Gunst wieder zu gewinnen. Seine von ihm selbst
+verfaßte Grabschrift sagt noch heute jedem Besucher der
+Westminsterabtei, daß er in religiösen Dingen als Zweifler lebte und
+starb, und aus seinen hinterlassenen Memoiren ersehen wir, daß der
+römische Aberglaube ein Lieblingsthema seines Spottes war. Dennoch
+begann er unmittelbar nach Jakob’s Regierungsantritt eine starke
+Hinneigung zum Papismus zu zeigen und gerirte sich endlich privatim als
+Convertit. Der Lohn für diese verworfene Heuchelei war seine Anstellung
+bei der Hohen Commission.[8]
+
+Vor diesem gefürchteten Tribunal erschien jetzt der Vicekanzler der
+Universität Cambridge, Doctor Johann Pechell. Er selbst war kein Mann
+von ausgezeichneter Befähigung und Energie, aber es begleiteten ihn acht
+vom Senat gewählte vorzügliche Akademiker. Einer davon war Isaak Newton,
+Fellow des Trinity-Collegiums und Professor der Mathematik. Sein Genie
+stand damals in seiner vollsten Kraft. Das große Werk, welches ihm die
+erste Stelle unter den Geometern und Naturforschern aller Zeiten und
+aller Nationen sichert, wurde seit einiger Zeit unter der Sanction der
+Königlichen Societät gedruckt und war seiner Vollendung nahe. Er war der
+entschiedenste Freund der bürgerlichen Freiheit und der protestantischen
+Religion, aber seine Gewohnheiten machten ihn für die Kämpfe des
+praktischen Lebens durchaus nicht geeignet. Er verharrte daher in
+bescheidenem Stillschweigen unter den Delegirten und überließ anderen
+Männern, welche im Geschäftsleben mehr bewandert waren, die Aufgabe,
+seine geliebte Universität zu vertheidigen.
+
+Es konnte keinen klareren Rechtsfall geben. Das Gesetz ließ keinen
+Zweifel zu und die Praxis hatte fast stets im Einklang mit dem Gesetz
+gestanden. Es konnte vielleicht schon vorgekommen sein, daß an einem
+besonders feierlichen Tage, wo viele Ehrengrade verliehen wurden, in der
+Menge Einer durchgeschlüpft war, der die Eide nicht abgelegt hatte; aber
+eine solche Unregelmäßigkeit, lediglich die Folge der Eil und
+Unachtsamkeit, konnte nicht als Vorgang geltend gemacht werden. Fremde
+Gesandte verschiedener Glaubensrichtungen, insbesondere ein Muselmann,
+waren ohne die Eide aufgenommen worden. Aber es war eine große Frage, ob
+solche Fälle im Bereiche der Ansicht und des Geistes der betreffenden
+Parlamentsverordnungen lagen. Es war nicht einmal behauptet worden, daß
+schon einmal Jemand, dem die Eide angesonnen wurden und der sie nicht
+leisten wollte, einen akademischen Grad erlangt habe, und in dieser Lage
+befand sich Francis. Die Delegirten erboten sich zu beweisen, daß unter
+der vorigen Regierung mehrere königliche Befehle unberücksichtigt
+geblieben waren, weil die empfohlenen Personen sich dem Gesetz nicht
+hatten fügen wollen, und daß die Regierung sich in solchen Fällen stets
+bei dem Verfahren der Universität beruhigt habe, da sie es als das
+richtige anerkennen mußte. Jeffreys aber wollte von nichts hören. Er kam
+bald dahinter, daß der Vicekanzler ein schwacher, unerfahrener und
+schüchterner Mann war und ließ daher der ganzen Unverschämtheit, welche
+so lange der Schrecken der Old Bailey gewesen war, freien Lauf. Der
+unglückliche Doctor, der an ein solches Auditorium und an eine solche
+Behandlung nicht gewöhnt war, wurde bald so eingeschüchtert, daß er
+gänzlich die Fassung verlor. Sobald andere zur Verfechtung ihrer Sache
+besser befähigte Akademiker das Wort ergreifen wollten, wurden sie auf
+die unsanfteste Weise zum Schweigen gebracht. „Sie sind nicht
+Vicekanzler; wenn Sie es einmal sein werden, dann mögen Sie sprechen,
+bis dahin aber geziemt es Ihnen, den Mund zu halten.“ Die Angeklagten
+wurden, ohne gehört worden zu sein aus dem Gerichtssaale gewiesen. Nach
+einer Weile wurden sie wieder hereingerufen und ihnen kundgethan, daß
+die Commission beschlossen habe, Pechell seiner Würde als Vicekanzler zu
+entheben und ihm alle Einkünfte vorzuenthalten, die er als Vorsteher
+eines Collegiums bezog und welche ganz den Character eines unantastbaren
+Eigenthums hatten. „Sie, meine Herren,“ sagte Jeffreys zu den
+Delegirten, „sind größtentheils Theologen, und ich will Sie daher mit
+einer Stelle aus der Schrift heimschicken: „Gehet hin und sündigt fortan
+nicht mehr, damit Euch nicht etwas Ärgeres widerfahre.“[9]
+
+ [Anmerkung 8: +Mackay’s Character of Sheffield+ nebst Swift’s
+ Note; +Satire on the Deponents, 1688+; +Life of John, Duke of
+ Buckinghamshire, 1729+; Barillon, 30. Aug. 1687. Ich besitze ein
+ handschriftliches Spottgedicht aus Mulgrave von 1690, das nicht
+ ohne Witz ist. Die bemerkenswerthesten Zeilen sind diese:
+
+ Heut’ schmeichelt er dem Peters (Petre), morgen dem Burnet.
+ Fragt nicht nach Glauben und Partei, denn alle sind ihm gleich.]
+
+ [Anmerkung 9: Siehe den Prozeß gegen die Universität Cambridge in
+ der +Collection of State Trials+.]
+
+
+[_Zustand Oxford’s._] Man sollte meinen, daß dieses Verfahren ungerecht
+und willkürlich genug war. Aber der König hatte schon angefangen, Oxford
+mit einer Strenge zu behandeln, im Vergleich zu welcher die gegen
+Cambridge bewiesene Milde genannt werden konnte. Schon war das
+University-Collegium durch Obadja Walker in ein römisch-katholisches
+Seminar verwandelt, schon stand das Christchurch-Collegium unter der
+Leitung eines römisch-katholischen Dechanten, schon wurde in diesen
+beiden Collegien täglich Messe gelesen. Die ruhige, majestätische Stadt,
+so lange das Bollwerk des monarchischen Prinzips, war von Leidenschaften
+aufgeregt, die sie bisher nie gekannt hatte. Die Untergraduirten
+verhöhnten mit stillschweigender Erlaubniß ihrer Vorgesetzten die
+Mitglieder von Walker’s Gemeinde und sangen Spottlieder unter ihren
+Fenstern. Einige Bruchstücke von den Serenaden, welche damals in High
+Street die Ruhe störten, sind der Nachwelt erhalten worden; der Refrain
+einer Ballade lautet:
+
+ „Der alte Obadja
+ singt Ave Maria.“
+
+Als die Schauspieler nach Oxford kamen, äußerte sich die öffentliche
+Meinung noch stärker. Es wurde Howard’s „Comité“ gegeben. Dieses bald
+nach der Restauration geschriebene Stück stellte die Puritaner in einem
+gehässigen und verächtlichen Lichte dar und war deshalb seit einem
+Vierteljahrhundert ein Lieblingsstück des oxforder Publikums. Jetzt war
+es beliebter als je zuvor, denn ein glücklicher Zufall wollte, daß eine
+der Hauptrollen ein alter Heuchler Namens Obadja war. Das Publikum brach
+in einen Beifallsjubel aus, als Obadja in der letzten Scene mit einem
+Strick um den Hals hereingeschleppt wurde, und der Applaus nahm zu, als
+einer der Schauspieler, von dem vorgeschriebenen Texte abweichend,
+ankündigte, daß Obadja wegen Glaubenabfalls gehängt werden solle. Der
+König war höchlich entrüstet über diesen Hohn. Die Stimmung der
+Universität war so rebellisch, daß eines der neu errichteten Regimenter,
+das welches gegenwärtig das zweite Gardedragonerregiment heißt, nach
+Oxford versetzt wurde, um einen Aufstand zu verhindern.[10]
+
+Diese Vorgänge hätten Jakob überzeugen können, daß er einen Weg
+eingeschlagen hatte, der ihn ins Verderben führen mußte. An das Geschrei
+der Londoner war er schon längst gewöhnt. Es war zuweilen
+ungerechterweise, zuweilen vergebens gegen ihn erhoben worden; er hatte
+demselben wiederholt getrotzt und konnte ihm auch fernerhin trotzen. Daß
+aber Oxford, der Sitz der Loyalität, das Hauptquartier der
+Kavalierarmee, der Ort, wohin sein Vater und sein Bruder ihren Hof
+verlegten, wenn sie sich in ihrer stürmisch bewegten Hauptstadt nicht
+mehr sicher glaubten, der Ort, wo die Schriften der großen
+republikanischen Lehrer unlängst den Flammen überliefert worden waren,
+daß diese Stadt sich jetzt in einer unzufriedenen Gährung befand und die
+muthigen Jünglinge, die sich vor wenigen Monaten so eifrig als
+Freiwillige gemeldet hatten, um gegen die Insurgenten im Westen zu
+marschiren, jetzt nur mit Mühe durch Säbel und Karabiner im Schach
+gehalten wurden: das waren Zeichen von schlimmer Vorbedeutung für das
+Haus Stuart. Doch der abgestumpfte, starrsinnige und eigenwillige Tyrann
+beachtete den Warnungsruf nicht. Er hatte sich einmal vorgenommen,
+seiner Kirche die reichsten und glänzendsten Stiftungen Englands zu
+verschaffen. Umsonst machten ihm die besseren und verständigeren seiner
+römisch-katholischen Rathgeber Vorstellungen. Sie erklärten ihm, daß er
+der Sache seiner Religion viel nützen könne, ohne die Eigenthumsrechte
+zu verletzen. Eine Bewilligung von jährlich zweitausend Pfund aus seiner
+Privatchatulle würde hinreichen, um ein Jesuitencollegium in Oxford zu
+unterhalten, und diese Summe könne er leicht verschmerzen. Ein solches
+Collegium, mit tüchtigen, gelehrten und eifrigen Lehrern ausgestattet,
+würde ein gefährlicher Nebenbuhler für die alten akademischen Anstalten
+werden, welche nur zu deutliche Symptome einer von Reichthum und
+Sicherheit unzertrennlichen Erschlaffung zeigten. König Jakob’s
+Collegium würde bald selbst von den Protestanten hinsichtlich der
+Wissenschaften sowohl als auch der moralischen Zucht als die erste
+Bildungsanstalt der Insel anerkannt werden. Dies würde der wirksamste
+und zugleich glimpflichste Weg sein, um die anglikanische Kirche zu
+demüthigen und die römische zu Ansehen zu bringen. Der Earl von
+Ailesbury, einer der ergebensten Diener des königlichen Hauses,
+erklärte, daß er, obgleich Protestant und nicht reich, lieber selbst
+einen Beitrag von tausend Pfund zu diesem Zwecke hergeben wolle, als daß
+sein Gebieter die Eigenthumsrechte verletze und sein der Staatskirche
+gegebenes Wort breche.[11] Der Plan fand jedoch keinen Beifall in den
+Augen des Königs. Allerdings entsprach er auch in mehr als einer
+Beziehung seinem unfreundlichen Character nicht. Denn es machte ihm
+Vergnügen, den Sinn der Menschen zu beugen und zu brechen, und von
+seinem Gelde konnte er sich nur schwer trennen. Was er auf seine Kosten
+zu unternehmen nicht hochherzig genug war, das beschloß er auf Kosten
+Anderer durchzuführen. Wenn er einmal etwas begonnen hatte, so hielt
+sein Stolz und sein Starrsinn ihn ab, wieder zurückzutreten, und er ließ
+sich endlich Schritt für Schritt zu Handlungen türkischer Tyrannei
+verleiten, zu Handlungen, welche die Nation zu der Überzeugung bringen
+mußten, daß das Vermögen eines protestantischen Freisassen Englands
+unter einem römisch-katholischen König ebenso unsicher war, wie das
+eines Griechen unter der Herrschaft eines Moslem.
+
+ [Anmerkung 10: +Wood’s Athenae Oxonienses+; +Apology for the Life
+ of Colley Cibber+; Citters, 2.(12.) März 1686.]
+
+ [Anmerkung 11: +Burnet, I.+ 697; Brief von Lord Ailesbury,
+ abgedruckt im +European Magazine+, April 1795.]
+
+
+[_Das Magdalenen-Collegium in Oxford._] Das Magdalenen-Collegium,
+gegründet im funfzehnten Jahrhundert von Wilhelm von Waynflete, Bischof
+von Winchester und Lordgroßkanzler, war eine der hervorragendsten
+unserer akademischen Institute. Ein schlanker Thurm, auf dessen Zinnen
+alljährlich am Morgen des ersten Mai von Choristen eine lateinische
+Hymne gesungen wurde, fesselte schon von weitem die Aufmerksamkeit des
+von London her kommenden Reisenden. Wenn er sich näherte, bemerkte er,
+daß dieser Thurm sich von einem mit Zinnen versehenen, zwar niedrigen
+und unregelmäßigen, aber doch sehr ehrwürdig aussehenden Gebäude erhob,
+das von Bäumen beschattet und von den trägen Fluthen des Chervell
+bespült wurde. Er trat durch einen Thorweg,[12] über dem eine stattliche
+Gallerie hinlief, in einen geräumigen Kreuzgang, der mit Emblemen der
+Tugenden und Laster, von den Bildhauern des funfzehnten Jahrhunderts roh
+in grauen Stein gemeißelt, verziert war. Der Tisch der Gesellschaft
+wurde in einem mit Gemälden und phantastischem Schnitzwerk reich
+ausgestatteten Refectorium gedeckt. Der Gottesdienst wurde früh und
+Abends in einer Kapelle gehalten, die von den Reformers und den
+Puritanern viel zu leiden gehabt hatte, aber trotz alledem ein
+wunderschönes Bauwerk war, das in unseren Tagen mit seltenem Geschmack
+und Geschick restaurirt worden ist. Die großen Gartenanlagen am Ufer des
+Flusses zeichneten sich durch hohe Bäume aus, unter denen ein Wunder der
+Pflanzenwelt unsrer Insel emporragte, eine riesige Eiche, welche hundert
+Jahre älter sein sollte, als das älteste Collegium der Universität.
+
+Die Statuten der Gesellschaften bestimmten, daß die Könige von England
+und die Prinzen von Wales in dem Hause aufgenommen werden sollten, wie
+in ihrem eignen Palaste. Eduard IV. hatte das Gebäude bewohnt, als es
+noch nicht vollendet war. Richard III. hatte darin sein Hoflager
+gehalten, im großen Saale Disputationen mit angehört, war königlich
+bewirthet worden und hatte die Küche seiner Wirthe mit einem Geschenk
+von fetten Rehböcken aus seinen Forsten beehrt. Zwei muthmaßliche
+Thronerben, welche frühzeitig hinweggerafft wurden, Arthur, der ältere
+Bruder Heinrich’s VIII., und Heinrich, der ältere Bruder Karl’s I.,
+hatten in dem Collegium studirt; ebenso auch ein andrer Prinz von
+Geblüt, der letzte und beste der römisch-katholischen Erzbischöfe von
+Canterbury, der menschenfreundliche Reginald Pole. Zur Zeit des
+Bürgerkriegs war das Collegium der Sache der Krone treu geblieben.
+Ruprecht hatte dort sein Hauptquartier aufgeschlagen, und ehe er zu
+einigen seiner kühnsten Unternehmungen auszog, hatte man in den stillen
+Kreuzgängen seine Trompeter zum Aufbruch blasen hören. Die Mehrzahl der
+Fellows waren Theologen und konnten den König nur mit Gebeten und
+Geldspenden unterstützen. Doch einer von den Mitgliedern der
+Gesellschaft, ein Doctor des Civilrechts, warb eine Truppe
+Untergraduirter und fiel an ihrer Spitze im tapferen Kampfe gegen die
+Soldaten von Essex. Als die Feindseligkeiten beendigt und die Rundköpfe
+Herren von England waren, verweigerten sechs Siebentel der Mitglieder
+der usurpirten Gewalt ihre Unterwerfung. In Folge dessen wurden sie aus
+ihren Wohnungen vertrieben und ihrer Einkünfte beraubt. Nach der
+Restauration kehrten die noch Lebenden an ihren lieblichen Wohnsitz
+zurück. Eine neue Generation war auf sie gefolgt, die ihre Ansichten und
+ihren Muth geerbt hatte. Zur Zeit des Aufstandes im Westen hatten
+diejenigen Collegiaten, welche nicht durch Alter oder Beruf zum
+Gebrauche der Waffen unfähig waren, sich bereitwilligst erboten, für die
+Krone zu kämpfen. Es dürfte schwerlich im ganzen Königreiche irgend eine
+Korporation zu finden sein, welche gerechteren Anspruch auf die
+Dankbarkeit des Hauses Stuart gehabt hätte.[13]
+
+Die Gesellschaft bestand aus einem Präsidenten, vierzig Fellow’s,
+dreißig Studenten (+Demies+, Halbe genannt) und einer Anzahl von
+Kaplanen, Schreibern und Chorsängern. Zur Zeit der Generalvisitation
+unter Heinrich VIII. waren die Einkünfte viel bedeutender als die jeder
+andren ähnlichen Stiftung des Landes, fast um die Hälfte größer als die
+der reichen Stiftung Heinrich’s VI. in Cambridge und über noch einmal so
+groß als die, welche Wilhelm von Wykeham seinem Collegium in Oxford
+vermacht hatte. In den Tagen Jakob’s II. war der Reichthum des
+Magdalenen-Collegiums enorm und wurde durch das Gerücht noch
+übertrieben. Das Collegium wurde allgemein für reicher als die reichsten
+Abteien des Continents gehalten. Wenn die Pachtgelder alle eingingen,
+hieß es unter dem Volke, so beliefen sich die jährlichen Einkünfte auf
+die ungeheure Summe von vierzigtausend Pfund Sterling.[14]
+
+Die Collegiaten waren durch die von dem Begründer festgesetzten Statuten
+ermächtigt, sich ihren Präsidenten unter Personen, welche Mitglieder
+ihrer Gesellschaft oder des Neuen Collegiums waren oder gewesen waren,
+selbst zu wählen. Dieses Recht war in der Regel mit völliger Freiheit
+ausgeübt worden. Nur in einzelnen Fällen waren königliche Zuschriften
+gekommen, welche dem Collegium befähigte Personen anempfahlen, die bei
+Hofe in Gunst standen, und es war in solchen Fällen Sitte gewesen, auf
+die Wünsche des Souverains gebührende Rücksicht zu nehmen.
+
+Im März 1687 starb der Präsident des Collegiums. Einer der Fellows,
+Doctor Thomas Smith, vom Volke spottweise Rabbi Smith genannt, ein
+ausgezeichneter Reisender, Büchersammler, Alterthumsforscher und
+Orientalist, der Kaplan bei der Gesandtschaft in Konstantinopel gewesen
+und mit der Vergleichung der alexandrinischen Handschriften beauftragt
+worden war, bewarb sich um den erledigten Posten. Er meinte als
+Gelehrter und als eifriger Tory einigen Anspruch auf die Begünstigung
+von Seiten der Regierung zu haben. Seine Loyalität war auch in der That
+so glühend und so unwandelbar, wie man sie in der ganzer englischen
+Kirche nur finden konnte. Er war lange mit dem Bischof Parker von Oxford
+intim befreundet gewesen und hoffte durch die Verwendung dieses Prälaten
+ein königliches Empfehlungsschreiben an das Collegium zu erhalten.
+Parker versprach sein Möglichstes zu thun, berichtete aber bald, daß er
+auf Schwierigkeiten gestoßen sei. „Der König,“ sagte er, „mag Niemanden
+empfehlen, der nicht ein Freund seiner Religion ist. Was können Sie in
+dieser Beziehung thun, um ihn zufrieden zu stellen?“ Smith antwortete,
+daß, wenn er Präsident werden sollte, er sich bemühen würde,
+Gelehrsamkeit, wahres Christenthum und Loyalität zu fördern. „Das wird
+nicht genügen,“ sagte der Bischof. „Nun so mag Präsident werden wer da
+will,“ versetzte Smith mannhaft; „ich kann nicht mehr versprechen.“
+
+ [Anmerkung 12: Dieser Thorweg ist jetzt verschlossen.]
+
+ [Anmerkung 13: +Wood’s Athenae Oxonienses+; +Walker’s Sufferings
+ of the Clergy.+]
+
+ [Anmerkung 14: +Burnet, I. 697+; +Tanner’s Notitia Monastica.+ Bei
+ der Visitation im sechsundzwanzigsten Regierungsjahre Heinrich’s
+ VIII. ergab es sich, daß die Einkünfte des Kings-Collegiums 751
+ Pfd. St., die des Neuen Collegiums 487 Pfd. St. und die des
+ Magdalenen-Collegiums 1076 Pfd. St. betrugen.]
+
+
+[_Anton Farmer vom Könige als Präsident empfohlen._] Die Wahl wurde auf
+den dreizehnten April festgesetzt und die Fellows aufgefordert,
+derselben beizuwohnen. Es ging die Rede, daß ein königliches Schreiben
+einlaufen werde, das einen gewissen Anton Farmer für die erledigte
+Stelle empfehle. Das Leben dieses Mannes war eine Reihenfolge ehrloser
+Handlungen. Er war Mitglied der Universität Cambridge gewesen und der
+Ausstoßung nur durch rechtzeitige freiwillige Entfernung entgangen. Dann
+hatte er sich den Dissenters angeschlossen und hierauf war er nach
+Oxford gegangen, um in das Magdalenen-Collegium einzutreten, wo er sich
+bald durch alle möglichen Laster auszeichnete. In der Regel taumelte er
+spät in der Nacht so betrunken, daß er nicht sprechen konnte, seinem
+Collegium zu. Es war allbekannt, daß er an der Spitze eines
+unehrenvollen Aufruhrs in Abingdon gestanden hatte, und er war ein
+regelmäßiger Gast bekannter Lieblingsorte von Wüstlingen gewesen.
+Endlich war er Kuppler geworden, hatte sogar die gewöhnliche Gemeinheit
+seines abscheulichen Gewerbes noch übertroffen und hatte von
+liederlichen jungen Leuten für Dienste, welche die Geschichte nicht gut
+erzählen kann, Geld genommen. Dieser erbärmliche Mensch war jetzt zum
+Papismus übergetreten. Sein Abfall sühnte alle seine Laster, und
+obgleich noch sehr jung, wurde er zum Vorsteher einer ernsten religiösen
+Gesellschaft empfohlen, in welcher das Ärgerniß, das er durch seine
+Lasterhaftigkeit gegeben, noch im frischen Andenken war.
+
+Durch das allgemeine Landesgesetz war er als römischer Katholik von
+allen akademischen Ämtern ausgeschlossen, und da er niemals Fellow des
+Magdalenen-Collegiums noch des Neuen Collegiums gewesen, so hatte er der
+besonderen Verordnung Wilhelm’s von Waynflete gemäß gar kein Recht, sich
+um die erledigte Präsidentenstelle zu bewerben. Überdies hatte Waynflete
+den Mitgliedern seiner Stiftung noch ausdrücklich eingeschärft, daß sie
+bei der Wahl ihres Vorstehers namentlich auf seinen moralischen
+Character Rücksicht nehmen sollten, und hätte er auch keine derartige
+Weisung hinterlassen, so konnte eine meist aus Theologen bestehende
+Gesellschaft einem Mann wie Farmer schicklicherweise nicht die Leitung
+einer Bildungsanstalt übertragen.
+
+Die Collegiaten stellten dem Könige ehrerbietigst vor, in welche
+Verlegenheit sie kommen würden, wenn das Gerücht, daß Farmer ihnen
+empfohlen werden sollte, sich als begründet erwies, und baten darum, daß
+Seine Majestät, wenn es ihm beliebe, sich in die Wahl einzumischen,
+ihnen einen Mann vorschlagen möchte, für den sie gesetzlicherweise und
+mit gutem Gewissen stimmen könnten. Von dieser ergebenen Bitte wurde
+keine Notiz genommen. Das königliche Schreiben lief ein. Der Überbringer
+desselben war ein Fellow des Collegiums, der unlängst Papist geworden
+war, Namens Robert Charnock, ein Mann von Talent und Geist, aber von
+heftigem und ruhelosem Temperament, das ihn einige Jahre später zu einem
+abscheulichen Verbrechen und zu einem entsetzlichen Schicksale trieb.
+Das Collegium versammelte sich am 13. April in der Kapelle. Man hatte
+noch immer einige Hoffnung, daß der König sich durch die an ihn
+gerichteten Vorstellungen werde bewegen lassen, und die Versammlung
+vertagte sich deshalb bis auf den 15. April, als den letzten Termin, an
+welchem die Wahl nach den Statuten des Collegiums stattfinden mußte.
+
+
+[_Wahl des Präsidenten._] Der 15. April erschien und die Collegiaten
+versammelten sich wieder in ihrer Kapelle. Von Whitehall war keine
+Antwort gekommen. Einige der älteren Mitglieder, darunter Smith, waren
+der Meinung, die Wahl lieber noch einmal zu verschieben, als einen
+Schritt zu thun, der den König möglicherweise beleidigen konnte. Aber
+die Sprache der Statuten war klar und die Mitglieder des Collegiums
+hatten sich eidlich verpflichtet, dieselben zu befolgen. Die Ansicht der
+Mehrheit war daher, daß kein weiterer Aufschub stattfinden dürfe. Es
+erfolgte eine heftige Debatte. Die Wähler waren zu aufgeregt, als daß
+sie hätten auf ihren Plätzen bleiben können; die ganze Kapelle war in
+Aufruhr. Diejenigen, welche für die Vornahme der Wahl stimmten, beriefen
+sich auf ihre Eide und auf die Verordnungen des Stifters, dessen Brot
+sie aßen. Sie behaupteten ganz richtig, der König habe nicht das Recht,
+ihnen selbst einen geeigneten Candidaten aufzudringen. In der Hitze des
+Streits fielen einige für toryistische Ohren anstößige Äußerungen und
+Smith ließ sich zu der Bemerkung verleiten, der Geist Ferguson’s habe
+sich seiner Collegen bemächtigt. Mit großer Stimmenmehrheit wurde
+endlich der Beschluß gefaßt, die Wahl unverzüglich vorzunehmen. Charnock
+verließ die Kapelle. Die übrigen Fellows gaben, nachdem sie vorher das
+Sakrament empfangen, ihre Stimmen ab. Die Wahl fiel auf Johann Hough,
+einen Mann von seltener Tugend und Besonnenheit, der, nachdem er
+Verfolgungen mit hohem Muthe und das Glück mit ernster Würde ertragen,
+zu hohen Ehren emporgestiegen und noch höhere bescheiden abgelehnt
+hatte, mehr als sechsundfünfzig Jahre nach diesem ereignißvollen Tage in
+hohem Alter, aber noch in voller Kraft des Geistes starb.
+
+Die Gesellschaft beeilte sich, dem Könige die Umstände
+auseinanderzusetzen, welche es nothwendig gemacht hatten, ohne weiteren
+Verzug zur Wahl eines Präsidenten zu schreiten, und ersuchte den Herzog
+von Ormond als Kanzler der ganzen Universität, und den Bischof von
+Winchester als Visitator des Magdalenen-Collegiums, das Amt der
+Vermittelung zu übernehmen. Der König aber war viel zu aufgebracht und
+viel zu befangen, als daß er auf derartige Verstellungen hätte hören
+können.
+
+
+[_Die Mitglieder des Magdalenen-Collegiums werden vor die Hohe
+Commission geladen._] Anfangs Juni wurden die Collegiaten vor die Hohe
+Commission nach Whitehall beschieden. Fünf von ihnen kamen als Deputirte
+der Korporation der Aufforderung nach. Jeffreys behandelte sie nach
+seiner gewohnten Manier. Als einer von ihnen, ein ehrwürdiger Doctor,
+Namens Fairfax, einigen Zweifel an der Rechtsgültigkeit der Commission
+äußerte, begann er zu brüllen wie ein wildes Thier: „Wer ist der Mann?
+Wer giebt ihm das Recht, hier unverschämt zu sein? Ergreift ihn und
+steckt ihn in ein finstres Zimmer! Wie kann man ihn ohne Wächter lassen?
+Er steht als Wahnsinniger unter meiner Aufsicht. Es wundert mich, daß
+noch Niemand bei mir darauf angetragen hat, daß er in sicheres Gewahrsam
+gebracht werde.“ Als aber der Sturm ausgetobt hatte und die Aussagen
+über den sittlichen Charakter des vom Könige empfohlenen Kandidaten
+verlesen waren, hatte keiner der Commissare die Frechheit zu behaupten,
+daß ein solcher Mensch sich zum Präsidenten eines großen Collegiums
+eigne. Obadja Walker und die übrigen oxforder Papisten, die sich
+eingefunden hatten, um ihren Proselyten zu unterstützen, waren nicht
+wenig bestürzt. Die Commission erklärte Hough’s Wahl für ungültig und
+suspendirte Fairfax von seiner Collegiatur; von Farmer aber war keine
+Rede mehr und im August kam ein königliches Schreiben an, welches dem
+Collegium den Bischof von Oxford, Parker, empfahl.
+
+
+[_Parker zum Präsidenten empfohlen._] Parker war kein erklärter Papist.
+Es lag jedoch ein Umstand gegen ihn vor, der, selbst wenn die
+Präsidentur erledigt gewesen wäre, hätte entscheidend sein müssen: er
+hatte weder dem Neuen Collegium noch dem Magdalenen-Collegium jemals
+angehört. Aber die Präsidentur war gar nicht erledigt, denn Hough war
+rechtskräftig gewählt und sämmtliche Mitglieder des Collegiums waren
+eidlich verpflichtet, ihn in seinem Amte zu erhalten. Sie entschuldigten
+sich daher mit vielen Versicherungen ihrer Loyalität und ihres
+Bedauerns, daß sie dem Befehle des Königs nicht Folge leisten könnten.
+
+
+[_Die Karthause._] Während Oxford so der Tyrannei energisch entgegen
+trat, leistete man an einem andren Orte nicht weniger tapferen
+Widerstand. Jakob hatte vor einiger Zeit den Administratoren der
+Karthause, Männern von hohem Rang und Ansehen im Königreiche, den Befehl
+gegeben, einen römischen Katholiken, Namens Popham, in das unter ihrer
+Verwaltung stehende Hospital aufzunehmen. Der Vorsteher der Anstalt,
+Thomas Burnet, ein durch Genie, Gelehrsamkeit und Tugend ausgezeichneter
+Geistlicher, hatte, obgleich der wilde Jeffreys im Collegium saß, den
+Muth, sie darauf aufmerksam zu machen, daß jene Zumuthung dem Willen des
+Stifters sowohl als einer Parlamentsacte zuwiderlaufe. „Was thut dies
+zur Sache?“ fragte ein dem Vorstande angehörender Höfling. „Ich meine,
+es thut sehr viel zur Sache,“ antwortete eine von Alter und Sorgen
+geschwächte Stimme, die aber in keiner Versammlung ohne Achtung gehört
+wurde, die Stimme des ehrwürdigen Ormond. „Eine Parlamentsacte,“ fuhr
+der Patriarch der Kavalierpartei fort, „ist meiner Ansicht nach keine
+Kleinigkeit.“ Es wurde die Frage gestellt, ob Popham zugelassen werden
+solle, und der Beschluß lautete auf seine Zurückweisung. Da der Kanzler
+seinem Grolle nicht wohl durch Fluchen und Verwünschungen gegen Ormond
+Luft machen konnte, so lief er in voller Wuth fort und mehrere von der
+Minorität folgten ihm. In Folge dessen blieb keine beschlußfähige Anzahl
+übrig und es konnte daher auf den königlichen Befehl keine formelle
+Antwort gegeben werden.
+
+Die nächste Sitzung fand nur zwei Tage, nachdem die Commission
+Hough’s Wahl für ungültig erklärt und Fairfax suspendirt hatte,
+statt. Die Administratoren erhielten einen zweiten Befehl mit dem
+großen Staatssiegel; aber das tyrannische Verfahren gegen das
+Magdalenen-Collegium hatte ihren Muth noch erhöht, anstatt ihn zu
+schwächen. Sie setzten ein Schreiben an Sunderland auf, durch welches er
+ersucht wurde, dem Könige mitzutheilen, daß sie im vorliegenden Falle
+Seiner Majestät nicht gehorchen könnten, ohne das Gesetz und ihre
+Amtspflicht zu verletzen.
+
+Es dürfte kaum zu bezweifeln sein, daß, wenn diese Zuschrift nur von
+unbedeutenden Männern unterzeichnet gewesen wäre, der König irgend einen
+Gewaltschritt gethan haben würde. Aber selbst er erschrak beim Anblick
+der großen Namen Ormond, Halifax, Danby und Nottingham, der Oberhäupter
+aller Farben der großen Partei, der er seine Krone verdankte. Er
+begnügte sich deshalb, Jeffreys zu bedeuten, daß er das weiter
+einzuschlagende Verfahren in Erwägung ziehen solle. Einmal hieß es, es
+werde ein Prozeß bei der Kings Bench anhängig gemacht werden, ein
+andermal, die Kirchliche Commission werde den Fall in die Hand nehmen,
+aber diese Drohungen verstummten nach und nach wieder.[15]
+
+ [Anmerkung 15: +A Relation of the Proceedings at the Charterhouse,
+ 1689.+]
+
+
+[_Rundreise des Königs._] Der Sommer war jetzt weit vorgerückt und der
+König trat eine Reise an, die längste und glänzendste, die man seit
+vielen Jahren gesehen hatte. Am 16. August begab er sich von Windsor
+nach Portsmouth, besichtigte die Festungswerke, berührte einige mit
+Kröpfen Behaftete und fuhr dann in einer seiner Yachten nach
+Southampton. Von hier reiste er nach Bath, wo er sich einige Tage
+aufhielt und die Königin zurückließ. Als er wieder abreiste, begleiteten
+ihn der Obersheriff von Somersetshire und eine große Anzahl Gentlemen
+bis an die Grenze der Grafschaft, wo ihn der Obersheriff von
+Gloucestershire mit einem nicht minder glänzenden Gefolge erwartete. Der
+Herzog von Beaufort kam bald darauf den königlichen Equipagen entgegen
+und geleitete dieselben nach Badminton, wo ein des Rufes, den sich der
+Herzog durch seinen glänzenden Haushalt erworben hatte, würdiges Mahl
+für ihn angerichtet war. Am Nachmittag ging der Zug weiter nach
+Gloucester. Zwei Meilen vor der Stadt wurde er vom Bischofe und der
+Geistlichkeit bewillkommnet. Am Südthore erwartete ihn der Mayor mit den
+Schlüsseln. Die Glocken gingen und aus allen Röhrtrögen floß Wein,
+während der König durch die Straßen nach dem Platze zog, der die
+ehrwürdige Kathedrale umgiebt. Er übernachtete in der Dechanei und brach
+am folgenden Morgen nach Worcester auf. Von Worcester ging er nach
+Ludlow, Shrewsbury und Chester, und wurde überall mit äußeren Zeichen
+der Freude und Ehrerbietung empfangen, die er schwach genug war, als
+Beweise zu betrachten, daß die durch seine Maßregeln hervorgerufene
+Unzufriedenheit gedämpft sei und ihm ein leichter Sieg bevorstehe. Der
+scharfblickendere Barillon benachrichtigte Ludwig, daß der König in
+einer Täuschung befangen sei, daß die Reise keinen wirklichen Nutzen
+gebracht habe und daß die nämlichen Gentlemen von Worcestershire und
+Shropshire, die es für ihre Pflicht gehalten, ihren Souverain und Gast
+mit allen Ehrenbezeigungen zu empfangen, sich so widerspenstig als je
+zeigen würden, wenn die Testangelegenheit zur Sprache käme.[16]
+
+Unterwegs schlossen sich dem königlichen Zuge zwei Höflinge an, die in
+Character und Meinungen weit von einander verschieden waren. Penn war
+auf einer geistlichen Hirtenreise in Chester. Seine Popularität und sein
+Ansehen waren unter seinen Glaubensbrüdern tief gesunken, seitdem er ein
+Werkzeug des Königs und der Jesuiten geworden war.[17] Jakob aber nahm
+ihn sehr freundlich auf und er durfte am Sonntage im Ballhause einen
+Vortrag halten, während Cartwright in der Kathedrale predigte und der
+König an einem in der Grafschaftshalle errichteten Altare die Messe
+hörte. Man sagt sogar, Seine Majestät habe geruht, einen Augenblick in
+das Ballhaus einzutreten und der melodischen Beredtsamkeit seines
+Freundes mit Anstand zuzuhören.[18]
+
+Der wüthende Tyrconnel war von Dublin über den Kanal gekommen, um von
+seiner Verwaltung Bericht zu erstatten. Alle achtungswertheren
+englischen Katholiken behandelten ihn als einen Feind ihres Stammes und
+als eine Schande ihrer Religion mit Kälte. Sein Gebieter aber hieß ihn
+herzlich willkommen und entließ ihn mit Versicherungen seines
+ungeschwächten Vertrauens und seiner steten Unterstützung. Jakob vernahm
+mit großer Freude, daß bald die ganze Verwaltung Irlands in
+römisch-katholischen Händen sein werde. Die englischen Ansiedler waren
+schon ihrer ganzen politischen Macht beraubt, es blieb nur noch übrig,
+sie auch ihres Eigenthums zu berauben, und diese letzte Gewaltthat wurde
+so lange aufgeschoben, bis man sich die Mitwirkung eines irischen
+Parlaments gesichert haben würde.[19]
+
+Von Cheshire wendete sich der König nach dem Süden und in der festen
+Überzeugung, daß die Fellows des Magdalenen-Collegiums es trotz ihres
+widerspenstigen Geistes nicht wagen würden, einem ihnen mündlich
+gegebenen Befehle den Gehorsam zu verweigern, reiste er nach Oxford. Auf
+dem Wege dahin machte er einige kleine Abstecher nach Orten, die ihn als
+König, als Bruder und als Sohn besonders interessirten. Er besuchte das
+gastliche Dach von Boscobel und die Überreste der Eiche, die in der
+Geschichte seines Hauses eine so wichtige Rolle spielt. Er fuhr über das
+Schlachtfeld von Edgehill, wo die Kavaliere zuerst mit den Soldaten des
+Parlaments die Schwerter kreuzten. Am 3. September speiste er mit großem
+Gepränge im Palast von Woodstock, einem alten berühmten Schlosse, von
+dem kein Stein mehr vorhanden ist, dessen Lage aber noch heute auf der
+Wiese des Blenheimparks durch zwei unweit der stattlichen Brücke
+stehende Platanen bezeichnet wird.
+
+ [Anmerkung 16: London Gazette vom 18. Aug. bis 1. Sept. 1687;
+ Barillon, 19.(29.) Sept.]
+
+ [Anmerkung 17: +„Penn, chef des Quakers, qu’on sait être dans les
+ intérêts du Roi d’Angleterre, est si fort décrié parmi ceux de son
+ parti qu’il n’ont plus aucune confiance en lui.“+ -- Bonrepaux an
+ Seignelay, 12.(22.) Sept. 1687. Gerhard Croese’s Zeugniß lautet
+ ganz ebenso: +„Etiam Quakeri Pennum non amplius, ut ante ita
+ amabant ac magnifaciebant, quidam aversabantur ac fugiebant.“ --
+ Historia Quakeriana, lib. II. 1695.+]
+
+ [Anmerkung 18: +Cartwright’s Diary, Aug. 30. 1687+; +Clarkson’s
+ Life of William Penn.+]
+
+ [Anmerkung 19: +London Gazette, Sept. 5.+; +Sheridan MS.+;
+ Barillon 6.(16.) Sept. 1687. +„Le Roi son maître,“+ sagt Barillon,
+ +„a témoigné une grande satisfaction des mesures qu’il a prises,
+ et a autorisé ce qu’il a fait en faveur des Catholiques. Il les
+ établit dans les emplois et les charges, en sorte que l’autorité
+ se trouvera bientôt entre leurs mains. Il reste encore beaucoup de
+ choses à faire en ce pays là pour retirer les biens injustement
+ ôtés aux Catholiques. Mais cela ne peut s’exécuter qu’avec le
+ temps et dans l’assemblée d’un parlement en Irlande.“+]
+
+
+[_Der König in Oxford._] Am Abend erreichte er Oxford, wo er mit den
+gewohnten Ehrenbezeigungen empfangen wurde. Die Studenten hatten sich in
+ihrer akademischen Tracht vom Stadtthore bis an den Haupteingang des
+Christchurch-Collegiums in einer Doppelreihe aufgestellt. Er stieg in
+der Dechanei ab, wo er unter anderen Bequemlichkeiten eine zum Meßdienst
+eingerichtete Kapelle vorfand.[20]
+
+ [Anmerkung 20: +London Gazette, Sept. 5, 8. 1687+.]
+
+
+[_Er giebt den Collegiaten des Magdalenenstifts einen Verweis._] Den Tag
+nach seiner Ankunft erhielten die Fellows des Magdalenen-Collegiums
+Befehl, ihm ihre Aufwartung zu machen. Als sie vor ihm erschienen,
+behandelte er sie mit einem Übermuth, wie ihn die puritanischen
+Visitatoren gegen ihre Vorgänger nie bewiesen hatten. „Sie haben Sich
+nicht wie Gentlemen gegen mich benommen,“ rief er aus; „Sie haben Sich
+eben so unschicklich als ungehorsam gezeigt.“ Sie fielen auf die Knie
+und überreichten ihm eine Petition. Er wollte sie nicht ansehen. „Ist
+das die Loyalität Ihrer englischen Kirche? Ich hätte nicht gedacht, daß
+so viele Geistliche der Kirche Englands sich bei einer solchen Sache
+betheiligen könnten. Gehen Sie nach Hause, gehen Sie. Ich bin König und
+ich verlange Gehorsam. Gehen Sie augenblicklich in Ihre Kapelle und
+nehmen Sie den Bischof von Oxford auf. Und wehe Denen, die sich weigern,
+sie sollen das ganze Gewicht meiner Hand fühlen, sie sollen erfahren,
+was es heißt, sich die Ungnade seines Souverains zuziehen!“ Die noch
+immer vor ihm knieenden Collegiaten reichten ihm wiederholt ihre
+Petition dar. Er warf sie zornig zu Boden. „Gehen Sie, sage ich, ich
+nehme nichts von Ihnen an, bis Sie den Bischof aufgenommen haben!“
+
+Sie gingen und versammelten sich augenblicklich in ihrer Kapelle. Es
+wurde die Frage gestellt, ob sie sich dem Befehle Seiner Majestät fügen
+sollten. Smith war abwesend, nur Charnock antwortete mit Ja. Alle
+übrigen Collegiaten erklärten, daß sie in allen gesetzlichen Dingen dem
+Könige bereitwilligst gehorchen, ihre Statuten und ihre Eide aber nicht
+verletzen würden.
+
+Voll Zorn und Ärger über seine Niederlage verließ der König Oxford und
+kehrte nach Bath zur Königin zurück. Seine Hartnäckigkeit und Willkür
+hatte ihn in eine sehr schwierige Lage versetzt. Er hatte zu fest auf
+die Wirkung seiner finstren Miene und seiner gebieterischen Rede
+gerechnet und unbesonnenerweise nicht nur das Ansehen seiner Regierung,
+sondern auch seine persönliche Würde aufs Spiel gesetzt. Konnte er
+Unterthanen nachgeben, denen er mit erhobener Stimme und zornigen
+Geberden gedroht hatte? Konnte er es auf der andren Seite wagen, an
+einem Tage eine Anzahl achtungswerther Geistlicher aus ihrer Heimath zu
+vertreiben, weil sie eine in den Augen der ganzen Nation heilige Pflicht
+gethan hatten? Vielleicht gab es noch einen Ausweg aus dieser
+Verlegenheit, vielleicht konnte das Collegium doch noch durch Drohungen,
+durch Zureden oder durch Bestechung zur Unterwerfung gebracht werden.
+
+
+[_Penn sucht zu vermitteln._] Man bediente sich Penn’s als Vermittler.
+Er hatte zuviel Rechtsgefühl, als daß er das gewaltsame und ungerechte
+Verfahren der Regierung hätte billigen können und er wagte es sogar,
+einem Theile seiner Gedanken Worte zu geben. Jakob beharrte wie
+gewöhnlich auf seinem Vorsatze, und der höfische Quäker that daher sein
+Möglichstes, um das Collegium vom Pfade des Rechts abzuziehen. Zuerst
+versuchte er es mit Einschüchterungen. Er sagte, der Gesellschaft drohe
+der Untergang, denn der König sei im höchsten Grade aufgebracht. Es sei
+allerdings ein schwerer Schritt für sie, das sahen die meisten Leute
+ein; aber jedes Kind wisse auch, daß Seine Majestät seinen Willen gern
+durchsetze und daß er Widerspruch nicht vertragen könne. Penn ermahnte
+daher die Collegiaten, nicht auf die Gerechtigkeit ihrer Sache zu
+pochen, sondern sich zu fügen oder wenigstens zu temporisiren. Ein
+solcher Rath klang sonderbar aus dem Munde eines Mannes, der selbst von
+der Universität vertrieben worden war, weil er wegen des Chorhemds einen
+Tumult hervorgerufen, der sich lieber der Gefahr der Enterbung
+ausgesetzt hatte, als daß er sich entschloß, vor einem königlichen
+Prinzen den Hut abzunehmen und der wegen seiner in Conventikeln
+gehaltenen Reden mehr als einmal in’s Gefängniß geschickt worden war. Es
+gelang ihm jedoch nicht, die Magdalenen-Collegiaten zu schrecken. In
+Antwort auf seine drohenden Winke wurde er daran erinnert, daß unter der
+vorigen Generation vierunddreißig von den vierzig Collegiaten lieber mit
+Freuden ihre geliebten Kreuzgänge und Gärten, ihre Halle und ihre
+Kapelle verlassen hätten und fortgegangen seien, ohne zu wissen wo sie
+ein Mahl oder ein Nachtlager finden würden, als daß sie ihren
+Unterthaneneid gebrochen hätten. Jetzt verlange der König die Verletzung
+eines andren Eides von ihnen, aber er solle erfahren, daß der alte Geist
+noch nicht erstorben sei.
+
+Penn zog nun gelindere Saiten auf. Er hatte eine Besprechung mit Hough
+und einigen Collegiaten und begann endlich nach vielen Versicherungen
+von Theilnahme und Freundschaft die Möglichkeit eines Vergleichs in
+Aussicht zu stellen. Der König vertrage nun einmal keinen Widerspruch,
+sagte er, das Collegium müsse nachgeben und Parker annehmen. Aber seine
+Gesundheit sei schwankend und alle seine Ämter würden voraussichtlich
+bald erledigt sein. „Doctor Hough,“ setzte er hinzu, „kann dann Bischof
+von Oxford werden. Wie würde Ihnen das gefallen, meine Herren?“ Penn
+hatte während seines ganzen Lebens gegen eine Miethlingsgeistlichkeit
+gepredigt. Er hielt sich für verpflichtet, die Entrichtung von Zehnten
+zu verweigern, und dies selbst als er mit Zehnten belastete Ländereien
+gekauft hatte und ihm der Betrag der Zehnten von der Kaufsumme
+nachgelassen worden war. Nach seinen eigenen Grundsätzen würde er eine
+große Sünde begangen haben, wenn er sich dabei betheiligt hätte, dem
+frömmsten Geistlichen selbst unter den ehrenvollsten Bedingungen eine
+Pfründe zu verschaffen. Aber sein Character war durch schlechte
+Gesellschaft so verdorben und sein Verstand durch übermäßigen Eifer für
+einen einseitigen Zweck so verdunkelt, daß er keinen Anstand nahm, bei
+einer Simonie von ganz besonders unehrenhafter Art den Unterhändler
+abzugeben und ein Bisthum als Köder zu benutzen, um einen Geistlichen
+zum Eidbruche zu verführen. Hough erwiederte mit höflicher
+Geringschätzung, daß er von der Krone nichts weiter verlange als
+einfache Gerechtigkeit. „Wir sind an unsere Statuten und unsere Eide
+gebunden,“ sagte er; „aber auch ganz abgesehen von unseren Statuten und
+unseren Eiden fühlen wir uns verpflichtet, unsren Glauben zu
+vertheidigen. Die Papisten haben uns schon das University-Collegium und
+das Christchurch-Collegium geraubt, jetzt greifen sie auch das
+Magdalenen-Collegium an. Sie werden bald Alles haben.“
+
+Penn war so unbesonnen, hierauf zu antworten, daß er ernstlich glaube,
+die Papisten würden nun zufrieden sein. „Das University-Collegium,“
+sagte er, „ist ein schönes Collegium, Christchurch ein vortrefflicher
+Platz und Magdalenen ein herrliches Gebäude. Die Lage ist angenehm, die
+Gartenanlagen am Flusse reizend. Wenn die Katholiken vernünftig sind,
+werden sie sich damit begnügen.“ Diese alberne Erklärung würde allein
+schon Hough und seine Collegen in die Unmöglichkeit versetzt haben,
+nachzugeben. Die Unterhandlung wurde abgebrochen, und der König beeilte
+sich, seiner Drohung gemäß die Ungehorsamen fühlen zu lassen, was es
+hieß, sich seine Ungnade zuziehen.
+
+
+[_Eine kirchliche Specialcommission wird nach Oxford gesandt._]
+Cartwright, Bischof von Chester, Wright, Oberrichter der Kings Bench,
+und Sir Thomas Jenner, ein Baron des Schatzkammergerichts, erhielten
+eine Specialvollmacht zur Visitation des Collegiums. Am 20. October
+kamen sie in Oxford an, begleitet von drei Schwadronen Kavalerie mit
+gezogenen Säbeln. Am folgenden Morgen nahmen die Commissare im Hörsaale
+des Magdalenen-Collegiums ihre Sitze ein und Cartwright hielt eine
+loyale Rede, welche noch vor wenigen Jahren von den Oxfordern mit lautem
+Beifall aufgenommen worden wäre, die aber jetzt mit stummem Unwillen
+angehört wurde. Es erfolgte hierauf eine lange Debatte. Der Präsident
+vertheidigte seine Rechte mit Geschick, Mäßigung und Entschiedenheit. Er
+versicherte seine hohe Achtung vor der königlichen Autorität, behauptete
+aber fest, daß er nach den Gesetzen Englands ein Eigenthumsrecht an das
+Haus und an die mit der Präsidentur verbundenen Einkünfte habe. Dieses
+Rechts könne ihn ein Machtspruch des Landesherrn nicht berauben. „Wollen
+Sie sich unsrer Visitation unterwerfen?“ fragte der Bischof. „Ich
+unterwerfe mich derselben,“ antwortete Hough mit weiser Vorsicht, „in so
+weit sie mit dem Gesetz im Einklange steht, weiter nicht.“ -- „Wollen
+Sie den Schlüssel zu Ihrer Wohnung ausliefern?“ fragte Cartwright. Hough
+schwieg. Die Frage wurde wiederholt, und Hough antwortete nun mild aber
+entschieden, daß er dies nicht thun werde. Die Commissare nannten ihn
+einen unberufenen Eindringling und forderten die Collegiaten auf, seine
+Autorität nicht mehr anzuerkennen und für die Aufnahme des Bischofs von
+Oxford zu stimmen. Charnock versprach bereitwilligst Gehorsam, Smith gab
+eine ausweichende Antwort, die Hauptmasse der Collegiaten aber erklärte
+auf das Bestimmteste, daß sie Hough noch immer als ihren rechtmäßigen
+Präsidenten betrachteten.
+
+
+[_Hough’s Protest._] Jetzt bat Hough um die Erlaubniß, selbst noch
+einige Worte an die Commissare richten zu dürfen. Sie bewilligten ihm
+dies sehr artig, vielleicht weil sie nach seinem ruhigen und gelassenen
+Benehmen erwarteten, daß er ein Zugeständniß machen werde. „Mylords,“
+sprach er, „Sie haben mich heute meines freien Eigenthums beraubt; ich
+protestire hiermit gegen Ihr ganzes Verfahren als gesetzwidrig,
+ungerecht und nichtig und appellire an unsren erlauchten Gebieter, den
+König, in seinen Gerichtshöfen.“ Ein lautes beifälliges Gemurmel erhob
+sich unter den Studirenden, welche den Saal füllten. Die Commissare
+waren wüthend. Man suchte die Verbrecher, welche applaudirt hatten,
+herauszufinden, aber vergebens. Der ganze Zorn der Commission richtete
+sich nun gegen Hough. „Glauben Sie nicht, daß Sie uns trotzen können,“
+rief Jenner mit einem Wortspiel auf den Namen des Präsidenten.[21] „Ich
+werde die Autorität Seiner Majestät aufrecht erhalten, so lange ich
+Athem in meiner Brust habe,“ setzte Wright hinzu. „Das Alles kommt von
+Ihrem nach Popularität haschenden Protest. Sie haben den Landfrieden
+gebrochen und sollen sich dafür vor der Kings Bench verantworten. Ich
+verpflichte Sie bei Strafe von tausend Pfund, beim nächsten Termine zu
+erscheinen. Wir wollen sehen, ob die Civilgewalt Sie nicht bändigen
+wird. Reicht sie nicht aus, so sollen Sie auch die militairische haben.“
+Oxford befand sich in der That in einer Stimmung, welche die Commissare
+nicht wenig beunruhigte. Die Soldaten erhielten Befehl, ihre Carabiner
+zu laden, und man sagte, es sei ein expresser Bote nach London geschickt
+worden, um schleunige Nachsendung von Verstärkungen zu verlangen. Es
+fand jedoch keine Ruhestörung statt.
+
+ [Anmerkung 21: Im Deutschen läßt sich das Wortspiel nicht
+ wiedergeben. +Hough+ und +huff+ (trotzen) wird im Englischen
+ ziemlich gleich ausgesprochen. D. Übers.]
+
+
+[_Einsetzung Parker’s._] Der Bischof von Oxford wurde mittelst Vollmacht
+ruhig eingesetzt, aber nur zwei Mitglieder des Magdalenen-Collegiums
+wohnten der Feierlichkeit bei. Mancherlei Anzeichen bewiesen, daß der
+Geist des Widerstandes sich auch des Volks bemächtigt hatte. Der
+Thürsteher des Collegiums warf seinen Schlüssel weg. Der Kellermeister
+weigerte sich, den Namen Hough’s aus dem Wirthschaftsbuche zu streichen.
+In der ganzen Stadt war kein Schlosser aufzutreiben, der die Thür der
+Präsidentenwohnung aufsprengen wollte. Die eigenen Diener der Commissare
+mußten die Thür mit eisernen Stangen erbrechen. Die Predigten, welche am
+nächstfolgenden Sonntage in der Universitätskirche gehalten wurden,
+waren voll von Bemerkungen, welche Cartwright tief kränkten; aber sie
+waren so gehalten, daß er nichts dagegen thun konnte.
+
+Wäre Jakob nicht ganz verblendet gewesen, so würde er hier innegehalten
+haben. Die Collegiaten waren im Ganzen genommen nicht geneigt, den
+Widerstand noch weiter zu treiben. Sie waren der Meinung, daß sie ihre
+Achtung vor ihren Statuten und Eiden hinreichend bewiesen hätten, indem
+sie ihre Mitwirkung bei der Einsetzung eines Unberufenen verweigerten,
+und daß sie sich ihm jetzt, da er im factischen Besitze des Amtes war,
+als ihrem Oberhaupte unterwerfen könnten, ohne einen Vorwurf auf sich zu
+laden, bis er durch den Ausspruch eines competenten Gerichts entfernt
+wurde. Nur ein Collegiat, Doctor Fairfax, weigerte sich, auch nur soweit
+nachzugeben. Die Commissare würden zu einer solchen Verständigung gern
+die Hand geboten haben und einige Stunden lang herrschte eine
+Waffenruhe, von der Viele glaubten, daß sie zu einem gütlichen Vergleich
+führen werde. Aber bald war Alles wieder in Aufregung. Die Collegiaten
+sahen, daß die öffentliche Meinung sie offen der Kleinmüthigkeit
+beschuldigte; in der Stadt sprach man schon ironisch von einem
+Magdalenengewissen und sagte, der tapfere Hough und der brave Fairfax
+seien verrathen und verlassen worden. Noch ärgerlicher waren die
+Spötteleien Obadja Walker’s und seiner Renegatensippschaft. Das also,
+sagten diese Apostaten, sei das Ende von all den hochtrabenden Worten,
+in denen die Gesellschaft ihren Entschluß erklärt habe, treu zu ihrem
+rechtmäßigen Präsidenten und zu ihrem protestantischen Glauben zu
+stehen! Während die Collegiaten, tief gekränkt durch den öffentlichen
+Tadel, ihre bedingte Unterwerfung bereueten, erfuhren sie, daß diese den
+König noch keineswegs zufriedengestellt habe. Es sei nicht genug, sagte
+er, daß sie sich erboten hätten, dem Bischof von Oxford als factischem
+Präsidenten zu gehorchen; sie müßten auch die Commission und Alles was
+dieselbe gethan habe, als gesetzlich anerkennen. Sie müßten eingestehen,
+daß sie pflichtvergessen gehandelt hätten, müßten ihr Benehmen bereuen
+und versprechen, daß sie sich in Zukunft besser betragen wollten, müßten
+Seine Majestät um Verzeihung bitten und ihm zu Füßen fallen. Nur zwei
+Collegiaten, Charnock und Smith, über welche der König nicht zu klagen
+hatte, wurden von der Verpflichtung, diese erniedrigenden
+Entschuldigungen zu machen, ausgenommen.
+
+Nie that Jakob einen thörichteren Fehlgriff. Die Collegiaten, schon mit
+sich selbst unzufrieden, weil sie so weit nachgegeben hatten, und durch
+den Tadel des Publikums gereizt, ergriffen eifrig die ihnen jetzt
+gebotene Gelegenheit, die öffentliche Achtung wieder zu gewinnen. Sie
+erklärten einstimmig, sie würden niemals deshalb, daß sie in ihrem
+Rechte gewesen seien, um Verzeihung bitten, und eben so wenig
+anerkennen, daß die Visitation ihres Collegiums und die Beraubung ihres
+Präsidenten gesetzlich gewesen sei.
+
+
+[_Vertreibung der Collegiaten._] Jetzt ließ sie der König das angedrohte
+ganze Gewicht seiner Hand fühlen. Durch ein summarisches Edict wurden
+sie zur Vertreibung verurtheilt. Diese Strafe wurde indessen noch nicht
+für genügend erachtet. Man wußte, daß viele Edelleute und Gentlemen,
+welche ein kirchliches Patronatrecht hatten, sich bemühen würden, für
+Männer zu sorgen, welche für die Gesetze Englands und für den
+protestantischen Glauben so viel gelitten. Deshalb erklärte die Hohe
+Commission die Vertriebenen für unfähig, irgend ein geistliches Amt
+wieder zu bekleiden, und Diejenigen, welche noch nicht ordinirt waren,
+wurden für unfähig erklärt, die geistliche Ordination zu empfangen. So
+hatte Jakob die Genugthuung, Viele von ihnen aus einer Lage, in der sie
+alle möglichen Annehmlichkeiten des Lebens genossen und die schönsten
+Aussichten auf zukünftige Anstellungen hatten, in hoffnungslose
+Dürftigkeit zurückgeworfen zu haben.
+
+Aber all’ diese Strenge hatte gerade die entgegengesetzte Wirkung als er
+erwartete. Der Geist der Engländer, dieser trotzige Geist, den kein
+König aus dem Hause Stuart jemals durch Erfahrung erkennen lernte,
+empörte sich heftig gegen die Ungerechtigkeit. Oxford, der friedliche
+Sitz der Gelehrsamkeit und Loyalität, war in einem Zustande, ähnlich
+dem, in welchem sich London am Morgen nach dem Versuche Karl’s I., die
+fünf Parlamentsmitglieder festnehmen zu lassen, befunden hatte. Der
+Vicekanzler war am Tage der Vertreibung von den Commissaren zu Tische
+eingeladen worden. Er lehnte die Einladung ab. „Mein Geschmack,“ sagte
+er, „ist verschieden von dem des Obersten Kirke; ich kann unter dem
+Galgen nicht mit Appetit essen.“ Die Studenten weigerten sich, den neuen
+Vorsteher des Magdalenen-Collegiums zu grüßen. Smith erhielt den
+Spottnamen +Dr.+ Schuft und wurde in einem Kaffeehause öffentlich
+insultirt. Als Charnock die Demies aufforderte, in seiner Gegenwart ihre
+akademischen Übungen vorzunehmen, antworteten sie ihm, daß sie ihrer
+rechtmäßigen Vorsteher beraubt seien und sich keiner widerrechtlichen
+Autorität unterwerfen würden. Sie versammelten sich zum Studiren wie zum
+Gottesdienst auf eigne Hand. Man versuchte es, sie durch das Anerbieten
+der einträglichen Collegiaturen, welche eben für erledigt erklärt worden
+waren, zu verführen, aber ein Untergraduirter nach dem andren antwortete
+mit männlichem Freimuth, daß sein Gewissen ihm nicht gestatte, aus einem
+Unrecht für sich Nutzen zu ziehen. Ein Student, der sich zur Annahme
+einer Collegiatur überreden ließ, wurde von seinen Comiletonen aus dem
+Saale gestoßen. Es wurden junge Leute aus anderen Collegien eingeladen,
+aber mit geringem Erfolg; die reichste Stiftung des Landes schien selbst
+für arme Studenten alle Anziehungskraft verloren zu haben. Inzwischen
+wurde in London und im ganzen Lande Geld zur Unterstützung der
+vertriebenen Collegiaten gesammelt. Die Prinzessin von Oranien zeichnete
+zur großen Freude aller Protestanten zweihundert Pfund. Der König,
+beharrte nichtsdestoweniger bei dem eingeschlagenen Verfahren. Auf die
+Vertreibung der Collegiaten folgte bald die Ausstoßung einer Menge
+Demies. Währenddem nahmen die körperlichen und geistigen Kräfte des
+neuen Präsidenten mehr und mehr ab. Er hatte zu der Zeit, als sein
+Kollegium sich in offener Empörung gegen seine Autorität befand, noch
+einen schwachen Versuch gemacht, der Regierung einen Dienst zu leisten,
+indem er eine Vertheidigung der Indulgenzerklärung oder vielmehr der
+Lehre von der Transsubstantiation erscheinen ließ. Diese Schrift rief
+viele Entgegnungen hervor, namentlich eine von Burnet, die mit
+außerordentlicher Kraft und Schärfe geschrieben war. Wenige Wochen nach
+der Vertreibung der Demies starb Parker in dem Hause, von dem er
+gewaltsam Besitz ergriffen hatte. Man sagte damals, Reue und Scham
+hätten sein Ende beschleunigt. Er ruht in der schönen Vorkapelle des
+Collegiums, aber kein Denkstein bezeichnet sein Grab.
+
+
+[_Das Magdalenen-Collegium in ein papistisches Seminar verwandelt._] Der
+ganze Plan des Königs wurde nun vollends ausgeführt: das Collegium wurde
+zu einem papistischen Seminar umgestaltet. Bonaventura Giffard, der
+katholische Bischof von Madura, ward Präsident. In der Kapelle wurde
+katholischer Gottesdienst gehalten und an einem Tage zwölf Katholiken
+als Collegiaten aufgenommen. Einige servile Protestanten bewarben sich
+um die Aufnahme, wurden aber abschläglich beschieden. Smith, der loyal
+bis zur Begeisterung, aber noch immer ein aufrichtiges Mitglied der
+anglikanischen Kirche war, konnte das veränderte Aussehen des Hauses
+nicht ertragen. Er entfernte sich, kam der Aufforderung zur Rückkehr in
+seine Wohnung nicht nach, und wurde daher abgesetzt. So war das
+Beraubungswerk vollendet.[22]
+
+Das Universitätssystem Englands ist von der Art, daß jedes Ereigniß, das
+die Interessen oder die Ehre irgend einer Universität berührt, im ganzen
+Lande nothwendig einen starken Eindruck machen muß. Jeder neue Schlag
+gegen das Magdalenen-Collegium wurde daher bis an die äußersten
+Endpunkte des Königreichs gefühlt. In den londoner Kaffeehäusern, in den
+juristischen Hochschulen, unter den Geistlichen aller Domkapitel, in
+Pfarrwohnungen und Landschlössern selbst der entferntesten Grafschaften
+war das Mitleid mit den Duldern und der Unwille gegen die Regierung
+beständig im Zunehmen. Hough’s Protest fand überall Beifall, das
+Aufsprengen seiner Thür wurde überall mit Abscheu erzählt und das über
+die Collegiaten verhängte Beraubungs- und Vertreibungsurtheil zerriß
+endlich die einst so engen und theuren Bande, welche die anglikanische
+Kirche mit dem Hause Stuart verknüpften.
+
+ [Anmerkung 22: Prozeßverfahren gegen das Magdalenen-Collegium zu
+ Oxford wegen Nichterwählung Anton Farmer’s zum Präsidenten, in der
+ +Collection of State Trials+, Ausgabe von Howell; +Luttrell’s
+ Diary, June 15., 17., Oct. 24., Dec. 10. 1687+; +Smith’s
+ Narrative+; Brief von Doctor Richard Rawlinson vom 31. Oct. 1687;
+ +Reresby’s Memoirs+; +Burnet, I. 699+; +Cartwright’s Diary+;
+ Citters, 25. Oct. (4. Nov.), 28. Oct. (7. Nov.), 8.(18.) u.
+ 18.(28.) Nov. 1687.]
+
+
+[_Groll der Geistlichkeit._] Bitterer Groll und schlimme Befürchtungen
+traten an die Stelle der Liebe und des Vertrauens. Es gab keinen
+Pfründner, keinen Rector und keinen Vikar, der nicht von der Angst
+gequält worden wäre, daß er, so friedlich sein Character und so
+unbedeutend seine Stelle sein mochte, vielleicht in wenigen Monaten
+durch einen willkürlichen Machtspruch aus seinem Hause vertrieben werden
+könne, um im zerrissenen Priesterrocke mit Frau und Kindern zu betteln,
+während sein durch uralte Gesetze und durch das königliche Wort
+gesichertes Eigenthum von einem Apostaten in Besitz genommen wurde. Das
+war also der Lohn für die heldenmüthige Loyalität, die sich in allen
+Wechselfällen fünfzig stürmischer Jahre nicht ein einziges Mal
+verleugnet hatte! Deshalb also hatte die Geistlichkeit für Karl I.
+Plünderung und Verfolgung ertragen, deshalb hatte sie Karl II. in seinem
+harten Kampfe mit der whiggistischen Opposition unterstützt, deshalb
+hatte sie in der vordersten Reihe gegen Diejenigen gestanden, welche
+Jakob seines Geburtsrechtes berauben wollten! Ihrer Treue allein
+verdankte ihr Unterdrücker die Macht, die er jetzt zu ihrem Verderben
+anwendete. Lange genug hatten sie mit bitterem Schmerze die Leiden
+aufgezählt, die sie von den Puritanern in den Tagen ihrer Macht hatten
+erdulden müssen. Der Puritaner war indessen einigermaßen zu
+entschuldigen. Er war ein erklärter Feind, er hatte sich für erlittenes
+Unrecht zu rächen und selbst er war nicht ganz ohne Mitleid gewesen, als
+er die Kirchenverfassung des Landes umgestaltete und Alle, die seinen
+Covenant nicht unterschreiben wollten, absetzte. Er hatte denen, die er
+ihrer Pfründen beraubte, wenigstens so viel davon gelassen, als sie zu
+ihrem Lebensunterhalte nothwendig brauchten. Aber des Königs Haß gegen
+die Kirche, die ihn vor der Verbannung bewahrt und auf den Thron erhoben
+hatte, war nicht so leicht zu sättigen. Nur der völlige Ruin seiner
+Opfer konnte ihn zufrieden stellen. Nicht genug, daß sie aus ihren
+Wohnungen vertrieben und ihres Einkommens beraubt wurden, auch jede
+andre Laufbahn, auf der Männer ihrer Art ihren Unterhalt suchen konnten,
+war ihnen mit raffinirter Böswilligkeit verschlossen und es blieb ihnen
+nichts Andres übrig, als die unsichere und beschämende Hülfsquelle der
+öffentlichen Mildthätigkeit.
+
+Die anglikanische Geistlichkeit und diejenigen Laien, welche dem
+protestantischen Episcopat mit Liebe zugethan waren, betrachteten daher
+jetzt den König mit Gefühlen, wie sie eine durch Undank noch
+verschlimmerte Ungerechtigkeit nothwendig, erregen muß. Indessen hatte
+der Anglikaner noch immer viele Bedenken des Gewissens und der Ehre zu
+überwinden, ehe er sich zum gewaltsamen Widerstande gegen die Regierung
+entschließen konnte. Man hatte ihn gelehrt, daß das göttliche Gesetz
+passiven Gehorsam ohne Bedingung oder Ausnahme vorschreibe. Diese
+Ansicht hatte er laut und offen ausgesprochen und die Insinuation, daß
+extreme Fälle eintreten könnten, welche dem Volke das Recht gäben, gegen
+königliche Tyrannei das Schwert zu ziehen, mit Verachtung
+zurückgewiesen. Sowohl Grundsatz als Scham hielten ihn demnach ab, das
+Beispiel der rebellischen Rundköpfe nachzuahmen, so lange noch einige
+Hoffnung auf friedliche und gesetzmäßige Befreiung vorhanden war, und
+eine solche Hoffnung konnte man vernünftigerweise wohl hegen, so lange
+die Prinzessin von Oranien die nächste Thronerbin war. Wenn er diese
+Glaubensprüfung geduldig überstand, so würden die Gesetze der Natur bald
+das für ihn thun, was er ohne Sünde und Schande nicht selbst für sich
+thun konnte. Die Bedrückungen der Kirche wurden dann abgestellt, ihr
+Eigenthum und ihre Würde durch neue Bürgschaften gesichert und die
+schändlichen Minister, die sie in Zeiten der Bedrängniß gekränkt und
+verhöhnt hatten, wurden exemplarisch bestraft.
+
+
+[_Pläne der jesuitischen Cabale in Bezug auf die Thronfolge._] An das
+Ereigniß, von dem die anglikanische Kirche eine ehrenvolle und
+friedliche Erlösung von ihren Leiden erwartete, konnten auch die
+sorglosesten Mitglieder der jesuitischen Cabale nicht ohne quälende
+Besorgnisse denken. Wenn ihr Gebieter starb, ohne ihnen eine größere
+Sicherheit gegen die Strafgesetze zu hinterlassen als eine
+Indulgenzerklärung, welche die ganze Nation einstimmig für null und
+nichtig erklärt hatte, wenn ein von dem nämlichen Geiste, welcher in den
+Parlamenten Karl’s II. vorgeherrscht, beseeltes Parlament sich um den
+Thron eines protestantischen Landesoberhauptes versammelte, war dann
+nicht vorauszusehen, daß eine furchtbare Vergeltung ausgeübt, daß die
+alten Gesetze gegen den Papismus mit schonungsloser Strenge gehandhabt
+und daß noch härtere neue Gesetze dem Gesetzbuche einverleibt werden
+würden? Von diesen schlimmen Befürchtungen wurden die bösen Rathgeber
+der Krone schon seit langer Zeit gequält, und einige von ihnen hatten
+sonderbare und verzweifelte Schutzmittel ersonnen. Jakob hatte den Thron
+kaum bestiegen, so begann man sich in Whitehall schon zuzuflüstern, daß,
+wenn die Prinzessin Anna katholisch werden wollte, es mit Hülfe Ludwig’s
+vielleicht nicht unmöglich sein würde, das Geburtsrecht ihrer älteren
+Schwester auf sie zu übertragen. Bei der französischen Gesandtschaft
+fand diese Idee großen Beifall und Bonrepaux war der Meinung, daß
+Jakob’s Einwilligung nicht schwer zu erlangen sein werde.[23] Bald
+jedoch zeigte es sich deutlich, daß Anna der Landeskirche
+unerschütterlich treu war. Der Gedanke, sie zur Königin zu machen, wurde
+daher wieder aufgegeben. Dessenungeachtet nährte ein kleines Häuflein
+Fanatiker noch immer die kühne Hoffnung, daß es ihnen gelingen könne,
+die Thronfolgeordnung zu ändern. Der Plan dieser Männer wurde in einem
+Entwurfe dargelegt, von dem noch eine schlechte französische Übersetzung
+vorhanden ist. Es sei zu hoffen, sagten sie, daß der König im Stande
+sein werde, den wahren Glauben zu befestigen, ohne zu extremen Mitteln
+zu greifen; im schlimmsten Fall aber könne er die Verfügung über seine
+Krone Ludwig anheimstellen. Es sei für die Engländer immer noch besser,
+wenn sie Vasallen Frankreichs wären, als Sklaven des Teufels.[24] Dieses
+höchst merkwürdige Actenstück ging unter den Jesuiten und Höflingen von
+Hand zu Hand, bis endlich einige ausgezeichnete Katholiken, in denen die
+Bigotterie noch nicht allen Patriotismus erstickt hatte, dem
+holländischen Gesandten eine Abschrift anfertigten. Dieser zeigte den
+Aufsatz dem Könige, und Jakob erklärte denselben für eine erbärmliche
+Fälschung, die von einem holländischen Pamphletschmierer ersonnen sein
+müsse. Der holländische Gesandte antwortete mit Entschiedenheit, daß er
+durch das Zeugniß mehrerer ausgezeichneter Mitglieder der eigenen Kirche
+Seiner Majestät das Gegentheil beweisen könne, ja daß es sogar nicht
+schwer sein werde, den Verfasser ausfindig zu machen, welcher im Grunde
+nur das niedergeschrieben habe, wovon viele Priester und geschäftige
+Politiker täglich in den Gallerien des Palastes sprächen. Der König
+hielt es nicht für rathsam, nach dem Verfasser zu forschen, nahm den
+Vorwurf der Fälschung zurück und versicherte mit großer Heftigkeit und
+Feierlichkeit, daß es ihm nie in den Sinn gekommen sei, seine älteste
+Tochter zu enterben. „Niemand,“ sagte er, „hat es je gewagt, eine solche
+Idee gegen mich zu äußern, und ich würde auch nie darauf hören. Gott
+befiehlt uns nicht, die wahre Religion durch Ungerechtigkeit zu
+verbreiten, und dies würde die empörendste, widernatürlichste
+Ungerechtigkeit sein“.[25] Trotz aller dieser Betheuerungen meldete
+Barillon wenige Tage später seinem Hofe, daß Jakob angefangen habe, auf
+Einflüsterungen in Betreff einer Änderung der Thronfolgeordnung zu
+hören, daß die Sache zwar sehr kitzlich sei, daß man aber gegründete
+Hoffnung habe, mit der Zeit und durch vorsichtiges Verfahren einen Weg
+zu finden, um die Krone mit Ausschließung der beiden Prinzessinnen auf
+ein römisch-katholisches Haupt zu bringen.[26] Dieser Plan wurde noch
+viele Monate von den heftigsten und überspanntesten Papisten am Hofe
+besprochen, und es wurden wirklich Candidaten für den Königsthron
+genannt.[27]
+
+ [Anmerkung 23: +„Quand on connoit le dedans de cette cour aussi
+ intimement que je la connois, on peut croire que Sa Majesté
+ Britannique donnera volontiers dans ces sortes de projets.“+
+ Bonrepaux an Seignelay, 18.(28.) März 1686.]
+
+ [Anmerkung 24: +„Que, quand pour établir la religion Catholique et
+ pour la confirmer icy, il+ (Jakob) +devroit se rendre en quelque
+ façon dépendant de la France, et mettre la décision de la
+ succession à la couronne entre les mains de ce monarque là, qu’il
+ seroit obligé de le faire, parcequ’il vaudroit mieux pour ses
+ sujets qu’ils devinssent vassaux du Roy de France, étant
+ Catholiques, que de demeurer comme esclaves du Diable.“+ -- Dieses
+ Schriftstück befindet sich sowohl im französischen als auch im
+ holländischen Archive.]
+
+ [Anmerkung 25: Citters, 6.(16.) u. 17.(27.) Aug.; Barillon,
+ 19.(29.) Aug.]
+
+ [Anmerkung 26: Barillon, 13.(23.) Sept. 1686. +„La succession est
+ une matière fort délicate à traiter. Je sais pourtant qu’on en
+ parle au Roy d’Angleterre et qu’on ne désespère pas avec le temps
+ de trouver des moyens pour faire passer la couronne sur la tête
+ d’un héritier Catholique.“+]
+
+ [Anmerkung 27: Bonrepaux, 11.(21.) Juli 1687.]
+
+
+[_Jakob’s und Tyrconnel’s Plan, die Prinzessin von Oranien von der
+Erbfolge im Königreich Irland auszuschließen._] Es ist jedoch nicht
+wahrscheinlich, daß Jakob jemals einen so unsinnigen Schritt zu thun
+beabsichtigte. Er mußte wissen, daß England nicht einen einzigen Tag das
+Joch eines Usurpators ertragen hätte, der noch obendrein Papist war, und
+daß sowohl Diejenigen, welche die Ausschließungsbill unterstützt, als
+auch Die, welche sich ihr widersetzt hatten, jeden Versuch, die
+Prinzessin Marie bei Seite zu schieben, auf Leben und Tod bekämpft haben
+würden. Dagegen unterliegt es keinem Zweifel, daß der König bei einem
+minder unsinnigen, aber eben so unverantwortlichen Anschlage auf die
+Rechte seiner Kinder die Hand im Spiele hatte. Tyrconnel hatte im
+Einverständniß mit seinem Gebieter Anstalten getroffen, um Irland von
+dem Königreiche zu trennen und es unter Ludwig’s Protection zu stellen,
+sobald die Krone einem protestantischen Oberhaupte zufallen würde.
+Bonrepaux war zu Rathe gezogen worden, hatte seinem Hofe den Plan
+mitgetheilt und die Weisung erhalten, Tyrconnel zu versichern, daß
+Frankreich zur Ausführung dieser großartigen Idee kräftigen Beistand
+leisten werde.[28] Diese Unterhandlungen, welche im Haag vielleicht
+nicht in ihrem ganzen Umfange genau bekannt waren, aber doch stark
+vermuthet wurden, dürfen nicht außer Acht gelassen werden, wenn man sich
+ein richtiges Urtheil über das Verfahren bilden will, das die Prinzessin
+von Oranien wenige Monate später einschlug. Wer sie einer Verletzung der
+Kindespflicht beschuldigt, muß zugeben, daß ihr Fehler durch das ihr
+zugefügte Unrecht wenigstens sehr gemildert wird. Wenn sie im Interesse
+ihres Glaubens die heiligsten Bande der Blutsverwandtschaft zerriß, so
+folgte sie nur dem Beispiele ihres Vaters. Sie lieh erst dann die Hand
+zu seiner Absetzung, als er einen Anschlag zu ihrer Enterbung
+geschmiedet hatte.
+
+ [Anmerkung 28: Bonrepaux an Seignelay, 25. Aug. (4. Sept.) 1687.
+ Ich will eine Stelle aus dieser wichtigen Depesche hier anführen.
+ +„Je sçay bien certainement que l’intention du Roy d’Angleterre
+ est de faire perdre ce royaume+ (Irland) +à son successeur, et de
+ le fortifier en sorte que tous ses sujets Catholiques y puissent
+ avoir un asile assuré. Son projet est de mettre les choses en cet
+ estat dans le cours de cinq années.“+ -- In den +Secret Consults
+ of the Romish Party in Ireland, 1690+, findet sich eine Stelle,
+ aus welcher hervorgeht, daß diese Unterhandlung nicht streng
+ geheim gehalten wurde. „Obgleich der König es selbst vor seinen
+ Räthen verschwieg, so ist es doch gewiß, daß er dem französischen
+ König die Verfügung über jene Regierung und jenes Königreich
+ versprochen hat, sobald die Dinge so weit gediehen sein würden,
+ daß es sich thun ließe.“]
+
+
+[_Schwangerschaft der Königin._] Bonrepaux war kaum davon
+benachrichtigt, daß Ludwig beschlossen habe, Tyrconnel’s Vorhaben zu
+unterstützen, so wurde jeder Gedanke an diesen Plan wieder aufgegeben.
+Jakob erblickte den ersten Schimmer einer Hoffnung, die ihn mit Stolz
+und Entzücken erfüllte: die Königin war schwanger.
+
+
+[_Allgemeiner Zweifel._] Gegen Ende October 1687 begann sich die große
+Neuigkeit gerüchtweise zu verbreiten. Man hatte bemerkt, daß Ihre
+Majestät sich unter dem Vorwande der Unpäßlichkeit von mehreren
+öffentlichen Feierlichkeiten fern gehalten. Es hieß, daß ihr eine Menge
+Reliquien, denen man eine außerordentliche Wirkung zuschrieb, umgehängt
+worden seien. Die Geschichte fand bald ihren Weg aus dem Palaste in die
+Kaffeehäuser und verbreitete sich rasch durch das ganze Land. Nur sehr
+Wenige begrüßten das Gerücht mit Freuden, der bei weitem größte Theil
+der Nation vernahm es mit einem Gemisch von Zweifel und Besorgniß. Die
+Sache war jedoch keineswegs so unglaublich. Der König hatte eben erst
+sein vierundfünfzigstes Jahr vollendet und die Königin stand im Sommer
+ihres Lebens. Sie hatte vier Kinder geboren, welche jung starben, und
+lange nachher wurde sie von einem fünften entbunden, das Niemand ein
+Interesse hatte als untergeschoben zu betrachten und das daher auch nie
+für ein solches erklärt wurde. Da indessen seit dieser letzten
+Schwangerschaft fünf Jahre verstrichen waren, so hatte das Volk unter
+dem Einflusse der Täuschung, welche die Menschen so leicht verleitet,
+das zu glauben was sie wünschen, jede Besorgniß, daß sie noch einen
+Thronerben zur Welt bringen werde, aufgegeben. Auf der andren Seite
+schien nichts natürlicher und wahrscheinlicher, als daß die Jesuiten
+einen frommen Betrug ersonnen haben könnten. Es unterlag keinem Zweifel,
+daß sie die Thronbesteigung der Prinzessin von Oranien als einen der
+härtesten Schläge betrachten mußten, der ihre Kirche treffen konnte.
+Eben so gewiß war es, daß sie nicht sehr gewissenhaft in der Wahl der
+Mittel sein würden, mit deren Hülfe sie ein so großes Unglück von ihrer
+Kirche abwenden konnten. In Werken von ausgezeichneten Mitgliedern ihrer
+Gesellschaft, welche von ihren Oberen sanctionirt waren, war es deutlich
+ausgesprochen, daß selbst Mittel, welche allen Begriffen von
+Gerechtigkeit und Humanität noch viel ärger Hohn sprachen, als die
+Einschmuggelung eines unächten Erben in eine Familie, mit Fug und Recht
+zu minder wichtigen Zwecken angewendet werden dürften, als die Bekehrung
+eines ketzerischen Königreichs war. Es war ruchbar geworden, daß einige
+Räthe des Königs und sogar der König selbst Pläne geschmiedet hätten, um
+die Prinzessin Marie ganz oder theilweis um ihr rechtmäßiges Erbe zu
+betrügen. Es bemächtigte sich der öffentlichen Meinung ein Verdacht, der
+zwar nicht wohl begründet, aber keineswegs so abgeschmackt war, als man
+gewöhnlich glaubt, und die Unbesonnenheit einiger Katholiken bestärkte
+das allgemeine Vorurtheil. Sie sprachen von dem glücklichen Ereignisse
+wie von etwas Außerordentlichem und Wunderbaren, wie von einem Zeichen
+derselben göttlichen Allmacht, welche Sara durch Isaak stolz und
+glücklich machte und die Gebete Hanna’s mit Samuel belohnte. Marien’s
+Mütter, die Herzogin von Modena, war unlängst gestorben. Kurz vor ihrem
+Tode sollte sie mit inbrünstigen Gebeten und reichen Opfergaben die
+heilige Jungfrau von Loretto angefleht haben, daß sie Jakob einen Sohn
+schenken möge. Der König selbst hatte im vergangenen August auf seiner
+Reise einen Abstecher nach der sogenannten heiligen Quelle gemacht und
+dort die heilige Winifreda gebeten, daß sie ihm das Geschenk verschaffen
+möge, ohne welches seine großen Pläne zur Verbreitung des wahren
+Glaubens nur unvollkommen ausgeführt werden könnten. Die unbesonnenen
+Zeloten, die auf solche Geschichten ein großes Gewicht legten,
+prophezeiten mit Zuversicht, daß das ungeborne Kind ein Knabe sein werde
+und boten darauf eine Wette von zwanzig Guineen gegen eine an. Sie
+meinten, der Himmel werde sich nicht in’s Mittel gelegt haben, wenn er
+nicht einen großen Zweck dabei hätte. Ein Fanatiker verkündete sogar,
+die Königin werde Zwillinge gebären, von denen der ältere König von
+England, der jüngere Papst werden würde. Marie konnte das Vergnügen, mit
+dem sie diese Prophezeiungen anhörte, nicht verbergen, und ihre Hofdamen
+sahen, daß sie sich nicht besser bei ihr insinuiren könnten, als wenn
+sie davon sprachen. Die Katholiken würden klüger gethan haben, wenn sie
+von der Schwangerschaft als von einem ganz natürlichen Ereignisse
+gesprochen und ihr unverhofftes Glück mit mehr Mäßigung getragen hätten.
+Ihr übermüthiger Triumph erregte nur den Unwillen des Volks und ihre
+Prophezeiungen bestärkten es in seinem Verdacht. Von dem Prinzen und der
+Prinzessin von Dänemark herab bis zu den Lastträgern und Waschweibern
+erwähnte Niemand die verheißene Geburt ohne ein höhnisches Lächeln. Die
+londoner Spottvögel beschrieben das neue Wunder in Reimen, die, wie man
+leicht denken kann, nicht eben die zartesten waren. Die ungeschliffenen
+Landsquires brachen in ein schallendes Gelächter aus, wenn sie mit
+Jemandem zusammentrafen, der so einfältig war zu glauben, daß die
+Königin wirklich noch einmal Mutter werden würde. Es erschien eine
+königliche Verordnung, welche der Geistlichkeit befahl, ein von Crewe
+und Sprat für dieses freudige Ereigniß besonders verfaßtes Bitt- und
+Dankgebet zu verlesen. Die Geistlichen gehorchten, aber man bemerkte,
+daß die Gemeinden nicht respondirten und kein Zeichen von Ehrerbietung
+äußerten. Bald circulirte in allen Kaffeehäusern ein rohes Spottgedicht
+auf die höfischen Prälaten, deren Feder sich der König bedient hatte.
+Mutter East (Ost) war darin ebenfalls reichlich mit Schmähungen bedacht.
+Zu diesem einheimischen einsilbigen Wörtchen hatten unsere Vorfahren den
+Namen des großen Hauses Este, welches in Modena regierte,
+verstümmelt.[29]
+
+Die neue Hoffnung, welche den Muth des Königs so sehr hob, war indessen
+mit mancherlei Besorgnissen vermischt. Es bedurfte noch etwas mehr als
+die Geburt eines Prinzen von Wales zum Gelingen der von der
+Jesuitenpartei entworfenen Pläne. Es war nicht anzunehmen, daß Jakob so
+lange lebte, bis sein Sohn das zur Ausübung der königlichen Functionen
+erforderliche Alter erreicht hatte. Das Gesetz hatte den Fall eines
+minderjährigen Thronerben nicht vorgesehen, und der regierende
+Landesherr war nicht berechtigt, für diesen Fall eine testamentarische
+Verfügung zu treffen. Die gesetzgebende Versammlung allein konnte die
+Lücke ausfüllen. Starb Jakob, bevor Letzteres geschehen war, und
+hinterließ er einen Nachfolger von zarter Jugend, so mußte die höchste
+Gewalt unfehlbar protestantischen Händen zufallen. Selbst diejenigen
+Tories, welche am festesten an dem Grundsatze hingen, daß nichts sie zum
+Widerstande gegen ihren Lehnsherrn berechtigen könne, würden gewiß kein
+Bedenken getragen haben, das Schwert gegen ein papistisches Weib zu
+ziehen, die es gewagt hätte, sich die Vormundschaft über das Reich und
+über den jugendlichen Souverain anzumaßen. Der Ausgang eines Kampfes
+konnte kaum zweifelhaft sein. Der Prinz von Oranien oder seine Gemahlin
+wurde Regent und der junge König kam in die Hände ketzerischer Lehrer,
+deren Kunstgriffe die Eindrücke, welche sein Gemüth in der Kinderstube
+empfangen hatte, jedenfalls bald verwischten. Er konnte ein zweiter
+Eduard VI. werden und der durch die Fürsprache der Mutter Gottes und der
+heiligen Winifreda erlangte Segen konnte sich in Fluch verwandeln.[30]
+Gegen eine solche Gefahr konnte nur eine Parlamentsacte schützen, und
+eine solche Acte war nicht leicht zu erlangen.
+
+ [Anmerkung 29: Citters, 28. Oct. (7. Nov.), 22. Nov. (2. Dec.)
+ 1687; die Prinzessin Anna an die Prinzessin von Oranien, 14. u.
+ 20. März 1687/8; Barillon, 1.(11.) Dec. 1687; +Revolution
+ Politics+; das Gedicht: +„Two Toms and a Nat“+; Johnstone, 4.
+ April 1688; +Secret Consults of the Romish Party in Ireland,
+ 1690+.]
+
+ [Anmerkung 30: Die Besorgnisse des Königs über diesen Punkt werden
+ von Ronquillo in einer Depesche vom 12.(22.) Dec. 1688 mit starken
+ Farben geschildert: +„Un Principe de Vales y un Dogue de York y
+ otro di Lochaosterna+ (vermuthlich Lancaster), +no bastan, a
+ reducir la gente; porque el Rey tiene 54 años, y vendrá á morir,
+ dejando los hijos pequeños, y que entonces el reyno se apoderará
+ dellos, y los nombrará tutor, y los educará en la religion
+ protestante, contra la disposicion que dejare el Rey, y la
+ autoridad de la Reyna.“+]
+
+
+[_Stimmung der Wahlkörper und der Peers._] Es schien Alles anzudeuten,
+daß, wenn die Häuser einberufen werden sollten, sie von dem Geiste von
+1640 beseelt nach Westminster kommen würden. Das Resultat der
+Grafschaftswahlen konnte kaum zweifelhaft sein. Die ganze Masse der
+Grundeigenthümer, hohe und niedere, geistlichen und weltlichen Standes,
+waren gegen die Regierung heftig aufgebracht. In der großen Mehrzahl
+derjenigen Städte, wo das Stimmrecht von der Entrichtung örtlicher
+Steuern oder von dem Besitze eines Grundstücks abhängig war, hätte sich
+kein höfisch gesinnter Kandidat blicken lassen dürfen. Ein sehr großer
+Theil des Unterhauses wurde von Mitgliedern von Municipalcorporationen
+gewählt. Diese Corporationen waren unlängst reorganisirt worden, um den
+Einfluß der Whigs und der Dissenters zu zerstören, mehr als hundert
+Wahlkörper waren durch der Krone ergebene Gerichtshöfe ihrer Freibriefe
+beraubt oder doch veranlaßt worden, einer gewaltsamen Entziehung ihrer
+Privilegien durch freiwilliges Aufgeben derselben zuvorzukommen. Jeder
+Mayor, jeder Alderman, jeder Stadtschreiber von Berwick bis Helstone war
+Tory und Anglikaner; aber Tories und Anglikaner waren jetzt dem
+Souverain nicht mehr ergeben. Die neuen Municipalbehörden waren noch
+unlenksamer als die früheren je gewesen waren, und sie wählten ohne
+allen Zweifel solche Abgeordnete, deren erster parlamentarischer Act
+eine Anklage gegen alle papistischen Geheimräthe und gegen alle
+Mitglieder der Hohen Commission war.
+
+Bei den Lords waren die Aussichten fast eben so trübe als bei den
+Gemeinen. Es unterlag keinem Zweifel, daß die große Mehrzahl der
+weltlichen Peers gegen die Maßregeln des Königs sein würden, und auf der
+Bischofsbank, welche ihn vor sieben Jahren einstimmig gegen Diejenigen
+unterstützt hatte, die ihn seines Geburtsrechtes berauben wollten,
+konnte er nur auf den Beistand von vier oder fünf servilen Schmeichlern
+rechnen, die von ihren Berufsgenossen wie von der ganzen Nation
+verachtet wurden.[31]
+
+Jedem, den die Leidenschaft nicht gänzlich verblendete, mußten diese
+Hindernisse unübersteiglich erscheinen. Die gewissenlosesten Sklaven der
+Gewalt ließen Zeichen von Besorgniß laut werden. Dryden äußerte, der
+König werde durch seinen Versuch, die Sache besser zu machen, sie nur
+verschlimmern, und er sehnte sich zurück nach den goldenen Tagen des
+sorglosen und gutmüthigen Karl.[32] Selbst Jeffreys wurde schwankend. So
+lange er arm war, war er stets bereit gewesen, um des Gewinns willen dem
+bösen Leumunde und dem öffentlichen Hasse zu trotzen; aber er hatte sich
+jetzt durch Bestechlichkeit und Erpressungen große Reichthümer erworben,
+und es lag ihm mehr daran, sich den Besitz derselben zu sichern, als sie
+noch zu vermehren. Seine Lauheit zog ihm einen strengen Verweis aus
+königlichem Munde zu. Aus Furcht, das große Siegel zu verlieren,
+versprach er Alles was von ihm verlangt wurde; Barillon aber bemerkte in
+seinem hierauf bezüglichen Berichte an Ludwig, daß der König von England
+sich selbst auf Diejenigen, die etwas zu verlieren hätten, nicht mehr
+verlassen könne.[33]
+
+ [Anmerkung 31: Drei damals entworfene Stimmlisten sind noch
+ vorhanden; eine befindet sich in den französischen Archiven, die
+ beiden anderen in den Archiven der Familie Portland. In diese
+ Listen sind die Peers unter drei Rubriken eingetragen: Für
+ Aufhebung des Testes, gegen die Aufhebung, und zweifelhaft. Nach
+ der einen Liste waren 31 für, 86 gegen und 20 zweifelhaft; nach
+ der zweiten 33 für, 87 gegen und 19 zweifelhaft; nach der dritten
+ 35 für, 92 gegen und 10 zweifelhaft. Abschriften der drei Listen
+ befinden sich unter den Mackintosh-Manuscripten.]
+
+ [Anmerkung 32: Im Britischen Museum befindet sich ein Brief von
+ Dryden an Etherege vom Februar 1688. Ich entsinne mich nicht, ihn
+ gedruckt gesehen zu haben. „Ach,“ sagt Dryden, „möchte doch unser
+ König durch sein eignes Beispiel zu edler Muße aufmuntern, wie
+ sein Vorgänger hochseligen Andenkens es that. Mich dünkt er wird
+ mit all’ seinem Geschäftseifer die Angelegenheiten nicht
+ fördern.“]
+
+ [Anmerkung 33: Barillon, 29. Aug. (8. Sept.) 1687.]
+
+
+[_Jakob beschließt, ein bestochenes Parlament zusammenzusetzen._] Trotz
+alledem beschloß Jakob, seinen Weg beharrlich zu verfolgen. Die
+Zustimmung eines freien und gesetzlichen Parlaments zu erlangen, war
+offenbar unmöglich; aber nicht ganz unmöglich war es, durch Bestechung,
+Einschüchterung, gewaltthätige Anwendung der Prärogative und
+betrügerische Rechtsverdrehungen eine Versammlung zu Stande zu bringen,
+die sich ein Parlament nennen konnte und bereit war, jeden Befehl des
+Souverains als Gesetz zu registriren. Es mußten Wahlbeamte ernannt
+werden, die den geringsten Vorwand benutzten, um Freunde des Königs für
+rechtsgültig gewählt zu erklären. Jedem Angestellten, von den höchsten
+bis zu den niedrigsten, mußte zu verstehen gegeben werden, daß, wenn er
+sein Amt behalten wolle, er diesmal den Thron durch seine Stimme und
+seinen Einfluß unterstützen müsse. Zu gleicher Zeit mußte die Hohe
+Commission ein scharfes Auge auf die Geistlichkeit haben. Die Wahlorte,
+welche erst kürzlich reorganisirt worden waren, um dem einen Zwecke zu
+dienen, konnten noch einmal umgestaltet werden, um einem andren zu
+dienen. Auf diese Weise hoffte der König im Hause der Gemeinen eine
+Majorität zu erlangen. Das Oberhaus war dann ganz in seiner Gewalt, denn
+er hatte das unbestrittene gesetzliche Recht, Peers nach seinem
+Gutdünken zu ernennen, und er war fest entschlossen, von diesem Rechte
+Gebrauch zu machen. Er wünschte zwar nicht, was auch kein Souverain
+wünschen kann, die höchste Ehrenbezeigung, welche die Krone zu verleihen
+vermag, werthlos zu machen; aber er schmeichelte sich mit der Hoffnung,
+daß es ihm durch Einberufung einiger nächster Erben in die Versammlung,
+in der sie doch früher oder später einmal ihren Sitz einnehmen mußten,
+und durch Verleihung englischer Adelstitel an schottische und irische
+Lords gelingen werde, sich eine Majorität zu sichern; ohne so viele
+Leute in den Adelsstand erheben zu müssen, daß dadurch die Adelskrone
+und der Hermelin an Ansehen verloren. Indessen hatte er sich
+vorgenommen, im Nothfall auch zu den äußersten Mitteln zu greifen. Als
+in einer zahlreichen Gesellschaft einmal die Meinung ausgesprochen
+wurde, daß sich die Peers unfügsam zeigen würden, sagte Sunderland zu
+Churchill: „Wie einfältig! Ihre Garde wird vor dem Hause der Lords
+stehen.“[34]
+
+Nachdem Jakob beschlossen hatte, ein corrumpirtes Parlament
+zusammenzubringen, ging er energisch und planmäßig an die Ausführung. Es
+erschien in der Gazette eine Proklamation, welche ankündigte, daß der
+König sich entschlossen habe, die Bestallungen der Friedensrichter und
+der Grafschaftsstatthalter einer Revision zu unterwerfen und daß nur
+diejenigen Gentlemen im Staatsdienste bleiben sollten, welche geneigt
+waren, seine Politik zu unterstützen[35]. Ein Ausschuß von sieben
+Geheimräthen saß in Whitehall, um, wie man sich ausdrückte, die
+Municipalkörperschaften zu reguliren. In diesem Ausschusse vertrat
+Jeffreys allein das protestantische, Powis das gemäßigte katholische
+Interesse. Alle anderen Mitglieder gehörten der jesuitischen Faction an.
+Unter ihnen befand sich auch Petre, der in den Geheimen Rath vereidigt
+worden war. Seine Ernennung war bis zum factischen Antritt dieser
+Function vor Jedermann, mit alleiniger Ausnahme Sunderland’s, sorgfältig
+geheim gehalten worden. Der öffentliche Unwille über diese abermalige
+Verletzung des Gesetzes äußerte sich laut, und man bemerkte, daß die
+Katholiken sie noch rücksichtsloser tadelten als die Protestanten. Der
+eitle und ehrgeizige Jesuit war jetzt beauftragt, die Hälfte der
+Wahlkörper des Reichs aufzulösen und neu zu organisiren.
+
+ [Anmerkung 34: Lord Bradford, welcher anwesend war, erzählte dies
+ Dartmouth; Note zu Burnet I. 755.]
+
+ [Anmerkung 35: +London Gazette, Dec. 12, 1687+.]
+
+
+[_Die Regulatoren._] Unter der Oberleitung des Ausschusses der
+Geheimräthe stand ein aus thätigen Agenten untergeordneten Ranges
+gebildeter Unterausschuß, der die Einzelheiten des Geschäfts zu
+besorgen hatte, und im ganzen Lande waren örtliche Ausschüsse von
+Regulatoren errichtet, welche mit dem Centralcomité in Westminster
+correspondirten.[36]
+
+Die Personen, auf deren Unterstützung Jakob bei diesem neuen
+und schwierigen Unternehmen hauptsächlich rechnete, waren die
+Lordlieutenants. Sie erhielten sämmtlich den schriftlichen Befehl, sich
+unverweilt in ihre respectiven Grafschaften zu begeben. Dort sollten sie
+alle ihre Stellvertreter und Friedensrichter vor sich laden und ihnen
+eine Reihe Fragen vorlegen, um zu erfahren, wie sie sich bei einer
+allgemeinen Wahl verhalten würden. Die Antworten sollten sie
+niederschreiben und der Regierung einsenden. Ferner sollten sie ein
+Verzeichniß derjenigen Katholiken und protestantischen Dissenters
+anfertigen, welche für die Richterbank und für die Commandos in der
+Miliz am geeignetsten erschienen. Auch sollten sie die Stimmung aller
+Wahlorte der Grafschaft untersuchen und Berichte darüber einsenden,
+welche den Regulatoren bei ihrer Arbeit als Leitfaden dienen konnten.
+Schließlich war ihnen bedeutet, daß sie alle diese Pflichten in Person
+zu vollziehen hätten und keine Stellvertreter mit der Ausführung
+beauftragen dürften.[37]
+
+ [Anmerkung 36: Bonrepaux an Seignelay, 14.(24.) Nov.; Citters,
+ 15.(25.) Nov.; +Lords’ Journals, Dec. 20. 1689+.]
+
+ [Anmerkung 37: Citters, 28. Oct. (7. Nov.) 1687.]
+
+
+[_Entlassung vieler Lordlieutenants._] Der erste Eindruck, den diese
+Befehle machten, würde einen weniger verblendeten Fürsten als Jakob
+sofort zur Besinnung gebracht haben. Die Hälfte der Lordlieutenants von
+England verweigerten auf das Bestimmteste den gehässigen Dienst, den man
+von ihnen verlangte. Sie wurden auf der Stelle entlassen. Alle, welche
+diese ihnen zum Ruhme gereichende Ungnade traf, waren hochangesehene
+Peers, welche bisher als feste Stützen der Monarchie gegolten hatten.
+Einige Namen der Liste verdienen besondere Erwähnung.
+
+
+[_Der Earl von Oxford._] Der vornehmste Unterthan von England und, wie
+die Engländer gern sagten, von ganz Europa, war Aubray de Vere, der
+zwanzigste und letzte der alten Earls von Oxford. Sein Adelstitel
+schrieb sich durch eine ununterbrochene Reihenfolge männlicher Ahnen aus
+einer Zeit her, wo die Familien Howard und Seymour noch unbekannt waren,
+wo die Nevilles und die Percy erst eine provinzielle Berühmtheit hatten
+und wo selbst der große Name Plantagenet in England noch nicht gehört
+worden war. Ein Oberhaupt des Hauses de Vere hatte bei Hastings ein
+hohes Commando bekleidet, ein Andrer war mit Gottfried und Tancred über
+Haufen erschlagener Moslems nach dem Grabe Jesu Christi gezogen. Der
+erste Earl von Oxford war Minister Heinrich Beauclerc’s gewesen; der
+dritte hatte sich unter den Lords ausgezeichnet, welche von Johann die
+Magna Charta erpreßten; der siebente hatte bei Cressy und Poitiers
+tapfer gefochten; der dreizehnte war unter vielen Glückswechseln das
+Oberhaupt der Partei der Rothen Rose gewesen und hatte in der
+entscheidenden Schlacht von Bosworth die Vorhut angeführt; der
+siebzehnte hatte am Hofe der Königin Elisabeth geglänzt und sich einen
+ehrenvollen Platz unter den älteren Meistern der englischen Dichtkunst
+erworben; der neunzehnte war im Kampfe für den protestantischen Glauben
+und für die Freiheit Europa’s unter den Mauern von Mastricht gefallen.
+Sein Sohn Aubray, mit welchem der älteste und erlauchteste Adelsstamm,
+den England je gesehen, erlosch, ein Mann von lockeren Sitten, aber von
+harmlosem Charakter und artigen Manieren, war Lordlieutenant von Essex
+und Oberst der Blauen. Er war von Natur nicht widersetzlich und es lag
+in seinem Interesse, einen Bruch mit dem Hofe zu vermeiden, denn seine
+Güter waren mit Schulden belastet und sein Commando ein sehr
+einträgliches. Er wurde in das königliche Kabinet beschieden und eine
+bündige Erklärung über seine Gesinnungen von ihm verlangt. „Sire,“
+antwortete Oxford, „ich werde bis zum letzten Blutstropfen gegen alle
+Feinde zu Eurer Majestät stehen; aber dies ist eine Gewissenssache, in
+der ich Ihnen nicht willfahren kann.“ Er wurde augenblicklich seiner
+Statthalterschaft und seines Commando’s entsetzt.[38]
+
+ [Anmerkung 38: +Halstead’s Succinct Genealogy of the Family of
+ Vere, 1685+; +Collins’s Historical Collections+. Siehe auch in den
+ +Lords’ Journals+ und in +Jones’s Reports+ den Prozeß wegen des
+ Earlthums Oxford im März und April 1625/26. Die Einleitung der
+ Rede des Lordoberrichters Crew gehört zu den glänzendsten Proben
+ der altenglischen Beredtsamkeit. Citters, 7.(17.) Febr. 1688.]
+
+
+[_Der Earl von Shrewsbury._] Dem Hause de Vere, aber auch nur diesem,
+stand an Alter und Glanz das Haus Talbot nach. Seit der Regierung
+Eduard’s III. hatten die Talbot stets unter den Peers des Reichs
+gesessen. Das Earlthum Shrewsbury war im funfzehnten Jahrhundert Johann
+Talbot, dem Gegner der Jungfrau von Orleans, verliehen worden. Seine
+Landsleute hatten seiner noch lange in Liebe und Verehrung als eines der
+berühmtesten Krieger gedacht, welche auf dem europäischen Festlande ein
+großes englisches Reich zu gründen versuchten. Der unerschütterliche
+Muth, den er im Unglück gezeigt, hatten ihn zum Gegenstande einer
+größeren Theilnahme gemacht als glücklichere Feldherren sie erweckt
+haben, und sein Tod lieferte unsrer älteren Bühne den Stoff zu einer
+ungemein ergreifenden Scene. Seine Nachkommen waren zwei Jahrhunderte
+lang ein blühendes und ehrenvolles Geschlecht. Zur Zeit der Restauration
+war Franz, der elfte Earl, ein Katholik, das Oberhaupt der Familie. Sein
+Tod war von Umständen begleitet gewesen, die selbst in jenen zügellosen
+Zeiten, welche unmittelbar auf den Sturz der puritanischen Partei
+folgten, Abscheu und Mitleid erweckt hatten. Der Herzog von Buckingham
+war im Laufe seiner leichtfertigen Liebeshändel einen Augenblick von der
+Gräfin von Shrewsbury angezogen worden. Sie wurde leicht erobert. Ihr
+Gemahl forderte den Verführer zum Zweikampfe und fiel. Einige sagten,
+das pflichtvergessene Weib habe den Zweikampf in männlicher Verkleidung
+mit angesehen. Andere wollten sogar wissen, sie habe den siegreichen
+Geliebten ans Herz gedrückt, während sein Hemd noch vom Blute ihres
+Gatten geröthet war. Die Titel des Ermordeten gingen auf seinen
+unmündigen Sohn Karl über. Als der verwaiste Jüngling zum Manne
+heranwuchs, ward es allgemein anerkannt, daß kein andrer junger Adeliger
+Englands von der Natur so reich begabt sei. Er besaß ein einnehmendes
+Äußere, einen ungemein sanften Character und einen solchen Schatz von
+Talenten, daß er, selbst wenn er in einem niederen Stande geboren
+gewesen wäre, sich ohne Zweifel zu einer hohen Stellung im Staate
+emporgeschwungen haben würde. Alle diese natürlichen Vorzüge hatte er so
+gut angewendet, daß er schon vor seiner Volljährigkeit für einen der
+feinsten und kenntnißreichsten Gentlemen seiner Zeit galt. Für seine
+Gelehrsamkeit sprechen die noch vorhandenen eigenhändigen Anmerkungen
+von ihm zu Werken aus fast allen Zweigen der Literatur. Er sprach
+Französisch wie ein Kammerherr des Königs Ludwig und Italienisch wie ein
+Florentiner. Es war wohl natürlich, daß ein Jüngling von solchen Gaben
+nach den Gründen forschte, aus denen seine Familie sich der
+Staatsreligion nicht angeschlossen hatte. Er studirte sorgfältig die
+Streitpunkte, theilte seine Zweifel Priestern seines eignen Glaubens
+mit, legte deren Antworten Tillotson vor, erwog lange und aufmerksam die
+beiderseitigen Gründe und erklärte sich nach einer zweijährigen genauen
+Untersuchung zum Protestanten. Die anglikanische Kirche nahm den
+erlauchten Convertiten freudig in ihren Schooß auf. Er genoß einer
+großen Popularität, und diese nahm zu, als man erfuhr, daß der König
+umsonst Bitten und Versprechungen an ihn verschwendet hatte, um ihn zu
+dem Irrglauben zurückzuführen, den er abgeschworen. Der Character des
+jungen Mannes entwickelte sich jedoch nicht in einer Weise, welche
+Diejenigen, die an seiner Bekehrung den hauptsächlichsten Antheil
+hatten, vollkommen befriedigte. Seine Sittlichkeit entging der
+allgemeinen Ansteckung der modischen Ausschweifungen nicht. Der Stoß,
+der seine Jugendvorurtheile zerstört, hatte zu gleicher Zeit alle seine
+Überzeugungen erschüttert und ihn der schwankenden Leitung seiner
+Gefühle preisgegeben. Aber wenn auch seine Grundsätze ihren Halt
+verloren hatten, so waren doch die Triebfedern seines Handelns so edel,
+sein Gemüth so sanft, sein Benehmen so freundlich und gewinnend, daß es
+unmöglich war, ihn nicht zu lieben. Er wurde schon frühzeitig der König
+der Herzen genannt und verlor in seinem langen, ereignißvollen und
+bewegten Leben nie das Recht auf diese Bezeichnung.[39]
+
+Shrewsbury war Lordlieutenant von Staffordshire und Oberst eines der
+Kavallerieregimenter, die in Folge des Aufstandes im Westen errichtet
+worden waren. Er weigerte sich jetzt, seine Thätigkeit durch die
+Regulatoren bestimmen zu lassen und wurde deshalb seiner beiden Stellen
+entsetzt.
+
+ [Anmerkung 39: +Coxe’s Shrewsbury Correspondence+; +Mackay’s
+ Memoirs+; +Life of Charles Duke of Shrewsbury, 1718+; +Burnet, I.
+ 762+; +Birch’s Life of Tillotson.+ In letzterem Werke findet der
+ Leser einen Brief von Tillotson an Shrewsbury, der meiner Ansicht
+ nach ein Muster von ernstem, freundschaftlichem und
+ rücksichtvollem Tadel ist.]
+
+
+[_Der Earl von Dorset._] Kein englischer Adeliger erfreute sich der
+Volksgunst in einem reicheren Maße als Karl Sackville, Earl von Dorset.
+Er war in der That ein merkwürdiger Mann. In seiner Jugend war er einer
+der bekanntesten Wüstlinge der zügellosen Zeit gewesen, welche auf die
+Restauration folgte. Er war der Schrecken der londoner Nachtwächter,
+hatte manche Nacht auf der Wache zubringen müssen und zum mindesten
+einmal eine Zelle in Newgate bewohnt. Seine Liebe zu Betty Morrice und
+zu Lorchen Gwynn, die ihn ihren Karl I. zu nennen pflegte, hatte der
+Stadt nicht wenig Stoff zur Unterhaltung und zum Ärgerniß gegeben.[40]
+Doch bei all’ seinen Thorheiten und Lastern hatte er sich durch
+hochherzigen Muth, durch scharfen Verstand und durch natürliche
+Herzensgüte ausgezeichnet. Die Leute meinten, die Ausschweifungen, denen
+er sich hingäbe, theile er mit dem ganzen Geschlechte der lebenslustigen
+jungen Kavaliere, aber sein Mitgefühl für die Leiden der Menschheit und
+die Großmuth, mit der er diejenigen, welche durch seine muthwilligen
+Streiche verletzt wurden, zu entschädigen suchte, sei nur ihm allein
+eigen. Seine Freunde wunderten sich darüber, daß das Publikum zwischen
+ihm und ihnen einen Unterschied machte. „Der kann thun was er will,“
+sagte Wilmot; „ihm geschieht nie etwas.“ Das Urtheil der Welt über
+Dorset gestaltete sich noch günstiger, als er mit den Jahren und in der
+Ehe gesetzter wurde. Jedermann pries seine herablassenden Manieren,
+seine geistreiche Unterhaltung, sein weiches Gemüth und seine
+Freigebigkeit. Man sagte es vergehe kein Tag, ohne daß eine bedrängte
+Familie Ursache habe, seinen Namen zu segnen. Und doch war bei aller
+seiner Herzensgüte sein Witz so beißend, daß Spötter, deren Sarkasmus
+die ganze Stadt fürchtete, vor dem Sarkasmus Dorset’s zitterten. Alle
+politischen Parteien achteten und liebten ihn; ihm selbst aber behagte
+die Politik überhaupt nicht sonderlich. Hätte ihn die Nothwendigkeit zu
+Anstrengungen gespornt, so würde er wahrscheinlich zu den höchsten
+Posten im Staate gestiegen sein; aber er nahm schon durch seine Geburt
+einen so hohen Rang ein und war dabei so reich, daß ihm viele
+Beweggründe fehlten, welche die Menschen antreiben, sich mit den
+öffentlichen Angelegenheiten zu befassen. Er nahm gerade nur so viel
+Theil an parlamentarischen und diplomatischen Geschäften, als
+hinreichte, um zu beweisen, daß ihm nichts weiter fehlte als die Lust
+dazu, um mit Danby und Sunderland zu rivalisiren, und richtete seine
+Thätigkeit auf Bestrebungen, die ihm besser zusagten. Gleich vielen
+anderen Männern, welche mit großen natürlichen Fähigkeiten eine
+angeborne und gewohnheitsmäßige Indolenz verbinden, wurde er ein
+geistiger Genußmensch und ein Meister in allen unterhaltenden Zweigen
+des Wissens, die man sich ohne ernstes Studium aneignen kann. Er war
+anerkanntermaßen der beste Richter in der Malerei, der Sculptur, der
+Baukunst und der Schauspielerkunst, den der Hof aufzuweisen hatte. In
+Angelegenheiten der schönen Künste und Wissenschaften galt sein Urtheil
+in allen Kaffeehäusern für unwiderruflich maßgebend. Mehr als ein
+hübsches Theaterstück, das bei der ersten Aufführung durchfiel, wurde
+lediglich durch seine Autorität gegen das Geschrei des ganzen Parterres
+siegreich vertheidigt und bestand mit glücklichem Erfolge die zweite
+Probe. St. Evremond und Lafontaine rühmten die feine Eleganz seines
+französischen Styls. Noch nie hatte England einen solchen Gönner der
+Literatur gehabt. Er übte seine Freigebigkeit mit eben so richtiger
+Einsicht als liberaler Unparteilichkeit, keine Secte oder Faction wurde
+dabei von ihm bevorzugt. Geniale Männer, welche durch literarische
+Eifersucht oder durch Verschiedenheit ihrer politischen Meinung einander
+entfremdet waren, stimmten in der Anerkennung seiner unparteiischen Güte
+überein. Dryden gestand, daß Dorset’s fürstliche Freigebigkeit ihn vom
+Untergange gerettet habe. Und dennoch wurden Montague und Prior, welche
+Dryden durch beißende Satiren getadelt hatten, von Dorset ins
+öffentliche Leben eingeführt, und das beste Lustspiel von Dryden’s
+Todfeind, Shadwell, war auf Dorset’s Landsitze geschrieben. Hätte der
+freigebige Earl sonst gewollt, so hätte er sehr gut mit Denen
+rivalisiren können, deren Wohlthäter er zu sein sich begnügte, denn die
+Verse, die er gelegentlich dichtete, zeigen bei aller unkünstlerischen
+Form Spuren eines angebornen Genies, das bei sorgfältiger Pflege Großes
+hätte schaffen können. In dem kleinen Bande seiner Werke finden sich
+Lieder, welche die ungezwungene Lebendigkeit Suckling’s besitzen, und
+kleine Satiren, deren glänzender Humor dem eines Butler nicht
+nachsteht.[41]
+
+Dorset war Lordlieutenant von Sussex und auf Sussex blickten die
+Regulatoren mit besonders ängstlicher Spannung, denn in keiner andren
+Grafschaft, Cornwall und Wiltshire ausgenommen, befanden sich so viele
+kleine Wahlorte. Er erhielt Befehl, sich auf seinen Posten zu begeben.
+Keiner von Denen, die ihn kannten, erwartete, daß er gehorchen werde. Er
+gab eine Antwort, wie sie sich für ihn ziemte, und wurde bedeutet, daß
+man seiner Dienste nicht mehr bedürfe. Das allgemeine Interesse, das er
+seinen vielen edlen und liebenswürdigen Eigenschaften verdankte, wurde
+nicht wenig erhöht, als man erfuhr, daß er durch die Post einen anonymen
+Brief erhalten hatte, worin ihm angekündigt wurde, daß, wenn er sich
+nicht sofort den Wünschen des Königs füge, ihn all’ sein Geist und seine
+Popularität nicht vor der Ermordung schützen werde. Eine ähnliche
+Warnung erhielt auch Shrewsbury. Drohbriefe waren damals viel seltener
+als sie es späterhin geworden sind, und man kann sich daher nicht
+darüber wundern, daß das ohnehin schon aufgeregte Volk zu dem Glauben
+geneigt war, die besten und edelsten Engländer seien wirklich für
+papistische Dolche ausersehen.[42] Gerade zu der Zeit, als diese Briefe
+in ganz London das Tagesgespräch bildeten, wurde der verstümmelte
+Leichnam eines angesehenen Puritaners auf der Straße gefunden. Es zeigte
+sich indessen bald, daß der Mörder die That nicht aus religiösen oder
+politischen Beweggründen verübt hatte. Aber der erste Verdacht des
+gemeinen Volkes fiel auf die Papisten. Die verstümmelten Überreste des
+Ermordeten wurden in feierlicher Prozession nach dem Jesuitencollegium
+im Savoy getragen und einige Stunden lang war die Furcht und Wuth der
+Menge kaum weniger heftig als an dem Tage, wo Godfrey zu Grabe getragen
+ward.[43]
+
+Mit den übrigen Entlassungen muß ich mich kürzer fassen. Der Herzog von
+Somerset, dem vor einigen Monaten schon sein Regiment wieder abgenommen
+worden war, wurde nun auch seiner Stelle als Lordlieutenant des
+Ostbezirks[44] von Yorkshire enthoben. Die Statthalterschaft des
+Nordbezirks verlor der Viscount Fauconberg, die von Shropshire der
+Viscount Newark und die von Lancashire der Earl von Derby, der Enkel des
+tapferen Kavaliers, der auf dem Schlachtfelde sowohl als auf dem
+Schaffot für das Haus Stuart dem Tode so muthig ins Auge geblickt hatte.
+Der Earl von Pembroke, der unlängst der Krone gegen Monmouth treu und
+tapfer gedient hatte, wurde in Wiltshire, der Earl von Rutland in
+Leicestershire, der Earl von Bridgewater in Buckinghamshire, der Earl
+von Thanet in Cumberland, der Earl von Northampton in Warwickshire, der
+Earl von Abingdon in Oxfordshire, der Earl von Scarsdale in Derbyshire
+abgesetzt. Scarsdale verlor außerdem auch sein Reiterregiment und seine
+Stelle im Hofstaate der Prinzessin von Dänemark. Diese weigerte sich,
+ihn aus ihren Diensten zu entlassen und gab nur einem peremptorischen
+Befehle ihres Vaters nach. Der Earl von Gainsborough wurde nicht nur der
+Statthalterschaft von Hampshire, sondern auch des Gouverneurpostens von
+Portsmouth und des Wildmeisteramts im Neuen Forste entsetzt, zwei
+Stellen, die er erst vor wenigen Monaten für fünftausend Pfund gekauft
+hatte.[45]
+
+Der König konnte keine angesehenen Lords und namentlich gar keine
+protestantischen auftreiben, welche die erledigten Stellen anzunehmen
+bereit waren. Man mußte zwei Grafschaften Jeffreys, einem Manne von sehr
+jungem Adel und von geringem Grundbesitz, und zwei andere Preston, der
+nicht einmal Peer von England war, zuertheilen. Die übrigen ihrer
+Statthalter beraubten Grafschaften wurden fast ohne Ausnahme bekannten
+Katholiken oder solchen Höflingen überwiesen, welche dem Könige im
+Geheimen versprochen hatten, zur römisch-katholischen Kirche
+überzutreten, sobald die Klugheit es ihnen gestatten würde.
+
+ [Anmerkung 40: Der König war nur Lorchen’s Karl III. Ob Dorset
+ oder Major Hart die Ehre hatte ihr Karl I. zu sein, ist eine
+ streitige Frage. Meines Bedünkens scheint Dorset gegründeteren
+ Anspruch auf diesen Vorzug zu haben. Siehe die gestrichene Stelle
+ in Burnet I. 263, und Pepys’ Tagebuch vom 26. Oct. 1667.]
+
+ [Anmerkung 41: +Pepys’s Diary+; Prior’s Widmung seiner Gedichte an
+ den Herzog von Dorset; +Johnson’s Life of Dorset+; +Dryden’s Essay
+ on Satire+ und seine Widmung des +Essay on Dramatic Poesy+.
+ Dorset’s Liebe zu seiner Gattin und seine strenge eheliche Treue
+ wird von dem ausschweifenden Narren Sir Georg Etherege in seinen
+ Briefen aus Regensburg vom 9.(19.) Dec. 1687 und 16.(26.) Jan.
+ 1688 mit höhnender Geringschätzung erwähnt; Shadwell’s Widmung
+ zu seinem +Squire of Alsatia+; +Burnet I. 264+; +Mackay’s
+ Characters.+ Einige Seiten von Dorset’s Character werden in
+ seiner von Pope verfassten Grabschrift treffend angedeutet:
+
+ Doch sanft war sein Herz, wenn auch streng sein Lied;
+
+ und weiterhin:
+
+ Ein glücklicher Hofmann, von Fürst und Land geliebt,
+ Und dennoch treu der Freundschaft und der Muße.]
+
+ [Anmerkung 42: Barillon, 9.(19.) Jan. 1688; Citters, Jan. 31.
+ (Febr. 10.)]
+
+ [Anmerkung 43: Adda, 3.(13.) u. 10.(20.) Febr. 1688.]
+
+ [Anmerkung 44: Die Grafschaft York, die größte von England, wird
+ in drei Bezirke (+Ridings+) eingetheilt. D. Übers.]
+
+ [Anmerkung 45: Barillon, 5.(15.), 8.(18.) u. 12.(22.) Dec. 1687;
+ Citters, 29. Nov. (9. Dec.) u. 2.(12.) Dec.]
+
+
+[_An die Obrigkeiten gerichtete Fragen, und Antworten darauf._] Endlich
+wurde die neue Maschinerie in Bewegung gesetzt und bald kam aus allen
+Gegenden des Landes die Nachricht von der vollständigen und
+hoffnungslosen Niederlage. Der Katechismus, nach welchem die
+Lordlieutenants die Gesinnungen der Landgentry erforschen sollten,
+bestand aus drei Fragen. Jeder Magistratsbeamte und jeder Stellvertreter
+des Lordlieutenants mußte gefragt werden, erstens ob er, im Fall er
+gewählt würde, um im Parlamente zu dienen, für eine im Sinne der
+Indulgenzerklärung gefaßte Bill stimmen wolle; zweitens ob er als Wähler
+seine Stimme solchen Candidaten geben wolle, die sich verpflichteten,
+für eine derartige Bill zu stimmen; und drittens ob er als Privatmann
+die wohlwollenden Zwecke des Königs fördern wolle, indem er mit Leuten
+jeder religiösen Überzeugung in Frieden lebte.[46]
+
+Sobald diese Fragen bekannt geworden waren, wurde ein mit seltener
+Geschicklichkeit entworfenes Antwortformular im ganzen Lande verbreitet
+und allgemein angenommen. Es lautete folgendermaßen: „Im Fall mir die
+Ehre zu Theil werden sollte, einen Sitz im Hause der Gemeinen
+einzunehmen, werde ich als Mitglied dieses Hauses es für meine Pflicht
+halten, die Gründe, welche für und gegen eine Indulgenzbill im Laufe der
+Debatte geltend gemacht werden, sorgfältig zu erwägen, und dann nach
+meiner gewissenhaften Überzeugung zu stimmen. Als Wähler werde ich meine
+Stimme solchen Candidaten geben, deren Begriffe von den Pflichten eines
+Volksvertreters mit meinen eigenen übereinstimmen. Als Privatmann hege
+ich den Wunsch, mit Jedermann in Frieden und Eintracht zu leben.“
+
+ [Anmerkung 46: Citters, 28. Oct. (7. Nov.) 1687; +Lonsdale’s
+ Memoirs.+]
+
+
+[_Scheitern der Pläne des Königs._] Diese Antwort, die noch viel
+trotziger war als eine förmliche Weigerung, weil sie einen leichten
+Anflug von milder und anständiger Ironie hatte, über die man sich nicht
+wohl gereizt zeigen konnte, war Alles was die Emissäre des Hofes von den
+meisten Landgentlemen erlangen konnten. Gegenvorstellungen,
+Versprechungen und Drohungen wurden vergebens angewendet. Der Herzog von
+Norfolk, obgleich Protestant und mit dem Verfahren der Regierung
+unzufrieden, hatte sich zu ihrem Werkzeuge in zwei Grafschaften
+hergegeben. Er begab sich zuerst nach Surrey, wo er aber bald sah, daß
+er nichts ausrichten konnte.[47] Dann ging er nach Norfolk, von wo er
+ebenfalls bald zurückkehrte, um dem Könige zu melden, daß ihm von
+siebzig Gentlemen, welche in dieser großen Provinz öffentliche Ämter
+bekleideten, nur sechs Hoffnung gemacht hätten, die Politik des Hofes zu
+unterstützen.[48] Der Herzog von Beaufort, dessen Autorität sich über
+vier englische Grafschaften und über das ganze Fürstenthum Wales
+erstreckte, kam mit einem nicht minder niederschlagenden Berichte nach
+Whitehall.[49] Rochester war Lordlieutenant von Hertfordshire. Sein
+ganzer kleiner Schatz von Tugend war in dem Kampfe gegen die starke
+Versuchung, seine Religion für Geld zu verkaufen, aufgezehrt worden; er
+war noch durch einen Jahrgehalt von viertausend Pfund an den Hof
+gebunden, und zum Dank dafür war er zu jedem wenn auch noch so
+ungesetzlichen und erniedrigenden Dienste bereit, vorausgesetzt, daß man
+nicht die Formalität einer Aussöhnung mit Rom von ihm verlangte. Er
+hatte sich bereitwilligst der Aufgabe unterzogen, seine Grafschaft zu
+bearbeiten, und er ging dabei, wie immer, mit übereilter Heftigkeit und
+Gewaltthätigkeit zu Werke. Aber er verschwendete seinen Eifer vergebens
+an die starrsinnigen Squires, mit denen er es zu thun hatte. Sie
+erklärten ihm einstimmig, daß sie keinen Mann ins Parlament schicken
+wollten, der für die Beseitigung der Schutzwehren des protestantischen
+Glaubens stimmen würde.[50] Dieselbe Antwort erhielt der Kanzler auch in
+Buckinghamshire.[51] Die Gentry von Shropshire weigerte sich in einer zu
+Ludlow veranstalteten Zusammenkunft einhellig, sich durch das von dem
+Könige verlangte Versprechen zu binden.[52] Der Earl von Yarmouth
+berichtete aus Wiltshire, daß von sechzig Magistratsbeamten und
+Statthaltersubstituten, mit denen er gesprochen, nur sieben eine
+günstige Antwort gegeben hätten und daß man selbst diesen nicht trauen
+könne.[53] Der Renegat Peterborough richtete eben so wenig in
+Northamptonshire aus.[54] Nicht glücklicher war sein Genosse Dover in
+Cambridgeshire.[55] Auch Preston brachte schlechte Nachrichten aus
+Cumberland und Westmoreland; Dorsetshire und Huntingdonshire waren von
+dem nämlichen Geiste beseelt. Der Earl von Bath kehrte nach langem
+Stimmenwerben mit trostlosen Nachrichten aus dem Westen zurück. Er war
+ermächtigt worden, den Bewohnern dieser Gegenden die verführerischesten
+Anerbietungen zu machen. Insbesondere hatte er versprochen, daß, wenn
+die Wünsche des Königs gebührend berücksichtigt würden, der Zinnhandel
+von den auf ihm lastenden drückenden Beschränkungen befreit werden
+solle. Aber dieser Köder, dem man zu einer andren Zeit nicht
+widerstanden haben würde, wurde jetzt mit Verachtung zurückgewiesen.
+Alle Friedensrichter und Statthaltersubstituten von Devonshire und
+Cornwall erklärten ohne eine einzige Ausnahme, daß sie Gut und Blut für
+den König opfern würden, daß aber die protestantische Religion ihnen
+noch theurer sei als Gut und Blut. „Und,“ setzte Bath hinzu, „wenn Eure
+Majestät alle diese Gentlemen absetzte, so würden ihre Nachfolger ganz
+die nämliche Antwort geben“.[56] Wenn es irgend einen Bezirk gab, in
+welchem die Regierung auf einen günstigen Erfolg hoffen durfte, so war
+es Lancashire. Man hatte starke Zweifel gehegt, ob das Resultat in
+dieser Provinz mit dem der meisten anderen Grafschaften übereinstimmen
+werde. In keinem Theile des Landes gab es so viele reiche und angesehene
+Familien, welche dem alten Glauben anhingen, und die Oberhäupter vieler
+dieser Familien waren kraft der Dispensationsgewalt zu Friedensrichtern
+und Commandanten der Miliz ernannt worden. Doch auch von dort meldete
+der neue Lordstatthalter, selbst ein Katholik, daß zwei Drittel seiner
+Substituten und der Magistratsbeamten dem Hofe feindlich gesinnt
+seien.[57] Noch viel schmerzlicher verletzte das Ergebniß in Hampshire
+den Stolz des Königs. Arabella Churchill hatte ihm vor mehr als zwanzig
+Jahren einen Sohn geboren, der späterhin als einer der geschicktesten
+Generäle Europa’s weit und breit berühmt wurde. Der junge Mann hieß
+Jakob Fitzjames und bis dahin hatte noch nichts in ihm vermuthen lassen,
+daß er sich einst zu hoher Auszeichnung emporschwingen würde; aber sein
+Character und sein Benehmen waren so sanft und herzgewinnend, daß er
+keinen Feind hatte, außer Marien von Modena, welche den Sohn der
+Concubine schon seit langer Zeit mit dem bitteren Ingrimm einer
+kinderlosen Gattin haßte. Ein kleiner Theil der jesuitischen Faction
+hatte, bevor die Schwangerschaft der Königin angekündigt wurde, ganz
+ernstlich daran gedacht, ihn als Kronprätendenten neben der Prinzessin
+von Oranien aufzustellen.[58] Wenn man bedenkt, wie vollständig dem
+Herzoge von Monmouth, obgleich das niedere Volk ihn für legitim hielt
+und obgleich er der Vorkämpfer des nationalen Glaubens war, ein
+ähnlicher Versuch mißlang, so muß es unbegreiflich erscheinen, wie ein
+Mann durch den Fanatismus so ganz verblendet sein konnte, daß er nur auf
+die Idee kam, einen jungen Menschen, der allgemein als ein papistischer
+Bastard bekannt war, auf den Thron erheben zu wollen. Es läßt sich nicht
+mit Gewißheit sagen, ob der König diesem albernen Plane seinen Beifall
+zollte. Der junge Mann war übrigens als Prinz anerkannt und wurde mit
+allen Auszeichnungen überschüttet, welche ein nicht aus königlichem
+Blute entsprossener Unterthan nur irgend zu erlangen hoffen konnte. Er
+war zum Herzog von Berwick erhoben worden und bekleidete jetzt mehrere
+ehrenvolle und einträgliche Stellen, welche Edelleuten, die sich den
+königlichen Befehlen nicht hatten fügen wollen, abgenommen worden waren.
+Er war der Nachfolger des Earls von Oxford als Oberst der Blauen und des
+Earls von Gainsborough als Lordlieutenant von Hampshire, Wildmeister des
+Neuen Forstes und Gouverneur von Portsmouth. Berwick erwartete, daß ihn
+an der Grenze von Hampshire, der Sitte gemäß, ein langer Zug von
+Baronets, Rittern und Squires empfangen werde; aber nicht eine einzige
+angesehene Person hatte sich zu seiner Begrüßung eingefunden. Er sendete
+Schreiben aus, durch welche er die Gentry zu sich entbot, aber nur fünf
+oder sechs beachteten diese Einladung. Die Übrigen warteten ihre
+Entlassung gar nicht ab; sie erklärten im voraus, daß sie keinen Theil
+an der Civil- oder Militairverwaltung ihrer Grafschaft haben möchten, so
+lange der König daselbst durch einen Papisten vertreten sei, und legten
+ihre Stellen freiwillig nieder.[59]
+
+Sunderland, der an die Stelle des Earls von Northampton zum
+Lordlieutenant von Warwickshire ernannt worden war, fand eine Ausflucht,
+um nicht in diese Grafschaft zu gehen und die Entrüstung und Verachtung
+der dortigen Gentry auf sich zu laden, und seine Entschuldigung wurde um
+so bereitwilliger angenommen, da der König endlich einzusehen begann,
+daß sich der Sinn der Landgentry nicht beugen ließ.[60]
+
+Es muß bemerkt werden, daß Diejenigen, welche diesen trotzigen Sinn an
+den Tag legten, nicht die alten Feinde des Hauses Stuart waren. Die
+Listen der Friedensrichter und Statthaltersubstituten waren schon längst
+von allen republikanischen Namen sorgfältig gesäubert. Die Männer, denen
+die Regierung vergebens das Versprechen der Unterstützung abzuzwingen
+versucht hatte, waren fast ohne Ausnahme Tories. Die älteren von ihnen
+konnten noch Narben, welche von den Schwertern der Rundköpfe herrührten,
+und Empfangsbescheinigungen über Silbergeschirr aufweisen, das sie
+Karl I. in seiner Noth geschickt hatten. Die Jüngeren hatten gegen
+Shaftesbury und Monmouth fest zu Jakob gehalten. Dies waren die Männer,
+welche jetzt von dem nämlichen Fürsten, dem sie so glänzende Beweise von
+treuer Anhänglichkeit gegeben hatten, in Masse ihrer Ämter entsetzt
+wurden. Die Entlassung machte sie aber nur noch entschlossener; es war
+bei ihnen zu einer heiligen Ehrensache geworden, in dieser Krisis fest
+zusammenzuhalten. Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn bei
+der Stimmenzählung ehrlich zu Werke gegangen wurde, nicht ein einziger
+der Regierungspolitik günstiger Grafschaftsabgeordneter gewählt werden
+würde. Die Leute fragten einander daher mit nicht geringer Besorgniß, ob
+man wohl erwarten könne, daß bei der Stimmenzählung ehrlich zu Werke
+gegangen werden würde.
+
+ [Anmerkung 47: Citters, 22. Nov. (2. Dec.) 1687.]
+
+ [Anmerkung 48: Citters, 27. Dez. (6. Jan.) 1687/88.]
+
+ [Anmerkung 49: +Ibid.+]
+
+ [Anmerkung 50: Johnstone erwähnt zweimal, unterm 25. Nov. und
+ unterm 8. Dec. 1687, den beleidigenden Eifer, den Rochester bei
+ dieser Gelegenheit zeigte. Das Mißlingen seiner Bemühungen erwähnt
+ Citters unterm 6.(16.) Dec.]
+
+ [Anmerkung 51: Citters, 6.(16.) Dec. 1687.]
+
+ [Anmerkung 52: +Ibid.+ 20.(30.) Dec. 1687.]
+
+ [Anmerkung 53: Citters, 30. März (9. April) 1687.]
+
+ [Anmerkung 54: +Ibid.+ 22. Nov. (2. Dec.) 1687.]
+
+ [Anmerkung 55: +Ibid.+ 15.(25.) Nov. 1687.]
+
+ [Anmerkung 56: +Ibid.+ 10.(20.) April 1688.]
+
+ [Anmerkung 57: Die ängstliche Spannung wegen Lancashire erwähnt
+ Citters in einer Depesche vom 18.(28.) Nov. 1687, das Resultat in
+ einer vier Tage später datirten.]
+
+ [Anmerkung 58: Bonrepaux, 11.(21.) Juli 1687.]
+
+ [Anmerkung 59: Citters, 3.(13.) Febr. 1688.]
+
+ [Anmerkung 60: Citters, 5.(15.) April 1688.]
+
+
+[_Liste der Sheriffs._] Mit Ungeduld sah man der Liste der Sheriffs für
+das neue Jahr entgegen. Sie erschien, während die Lordlieutenants noch
+auf ihrer Werbungsreise begriffen waren, und wurde mit einem allgemeinen
+Schrei des Zornes und Unwillens aufgenommen. Die Mehrzahl dieser
+Beamten, welche bei den Grafschaftswahlen die Oberleitung hatten, waren
+entweder Katholiken oder protestantische Dissenters, die ihre Zustimmung
+zur Indulgenzerklärung ausgesprochen hatten.[61] Eine Zeit lang hegte
+man die schlimmsten Befürchtungen, die aber bald wieder schwanden. Man
+hatte guten Grund, anzunehmen, daß über einen gewissen Punkt hinaus der
+König auch nicht auf die Unterstützung der seiner eigenen Kirche
+angehörenden Sheriffs rechnen könne.
+
+ [Anmerkung 61: +London Gazette, Dec. 5. 1687+; Citters, 6.(16.)
+ Dec.]
+
+
+[_Character der katholischen Landgentlemen._] Zwischen dem katholischen
+Höflinge und dem katholischen Landgentleman herrschte nur sehr geringe
+Sympathie. Die in Whitehall dominirende Cabale bestand theils aus
+Fanatikern, welche zum Zwecke der Verbreitung ihres Glaubens bereit
+waren, alle Gesetze der Moral über den Haufen zu werfen und die ganze
+Welt in eine heillose Verwirrung zu stürzen, theils aus Heuchlern,
+welche um des Gewinnes willen von dem Glauben, in dem sie erzogen
+worden, abgefallen waren und die jetzt den allen Neubekehrten eigenen
+Eifer auf die Spitze trieben. Sowohl die Fanatiker als auch die Heuchler
+am Hofe hatten zum größten Theil keine Spur von englischer
+Anschauungsweise. In einigen von ihnen hatte die unbedingte Hingebung
+für ihre Kirche alles Nationalgefühl erstickt; andere waren Irländer,
+deren Patriotismus in einem tödtlichen Hasse gegen die sächsischen
+Eroberer Irlands bestand; noch andere waren Verräther, die von einer
+auswärtigen Macht einen regelmäßigen Sold bezogen, und wieder andere
+hatten einen großen Theil ihres Lebens im Auslande zugebracht, und waren
+entweder bloße Kosmopoliten oder hegten einen positiven Widerwillen
+gegen die Sitten und Staatseinrichtungen des Landes, das sie jetzt zu
+regieren hatten. Diese Leute hatten mit einem noch der alten Kirche
+anhängenden Gutsbesitzer von Cheshire oder Staffordshire kaum irgend
+etwas gemein. Er war weder Fanatiker noch Heuchler, er war Katholik,
+weil sein Vater und Großvater Katholiken gewesen waren, und er hing an
+seinem ererbten Glauben, wie die Menschen in der Regel an demselben
+hängen, aufrichtig aber ohne sonderliche Begeisterung. In jeder andren
+Beziehung war er nichts weiter als eben ein englischer Squire, der sich
+von den benachbarten Squires höchstens dadurch unterschied, daß er noch
+etwas ungebildeter und bäuerischer war als sie. Die auf ihm lastenden
+Ausschließungen hatten ihn verhindert, sich bis zu der allerdings selbst
+nur mäßig hohen Bildungsstufe zu erheben, auf der die meisten
+protestantischen Landgentlemen standen. Als Knabe von Eton und
+Westminster, als Jüngling von Oxford und Cambridge, als Mann vom
+Parlament und von der Richterbank ausgeschlossen, vegetirte er still und
+ruhig hin, wie die Ulmen der Allee, die zu dem ererbten Meierhofe seiner
+Vorfahren führte. Seine Kornfelder, seine Milchwirthschaft, seine
+Ciderpresse, seine Jagdhunde, seine Angelruthe und seine Flinte, sein
+Bier und sein Tabak beschäftigten fast allein seine Gedanken. Mit seinen
+Nachbarn stand er trotz der Glaubensverschiedenheit in der Regel auf
+gutem Fuße. Sie kannten ihn als einen harmlosen Mann ohne Ehrgeiz, er
+stammte fast durchgängig aus einer guten und alten Familie und war immer
+ein Kavalier. Er drang Niemandem seine persönlichen Ansichten auf und
+wurde Niemandem lästig damit, er quälte nicht, wie ein Puritaner, sich
+selbst und Andere mit Gewissensskrupeln über alle Genüsse des Lebens; im
+Gegentheil, er war ein eben so leidenschaftlicher Jagdliebhaber und ein
+eben so heiterer Gesellschafter als irgend Einer, der den Suprematseid
+und die Erklärung gegen die Transsubstantiation angenommen hatte. Er
+ging mit seinen Nachbarsquires auf die Jagd, hielt bis zum Hallali bei
+ihnen aus und nahm sie nach beendeter Jagd mit sich nach Hause zu einer
+Wildpretpastete und zu einem Kruge Octoberbier, das seine vier Jahre auf
+Flaschen lag. Die Bedrückungen, die er erduldet, waren nicht so arg, daß
+sie ihn zu einem verzweifelten Entschlusse hätten treiben können; selbst
+als seine Kirche schonungslos verfolgt wurde, waren sein Leben und sein
+Eigenthum nicht in großer Gefahr. Der schamloseste falsche Zeuge würde
+es schwerlich gewagt haben, der Wahrheit so frech ins Gesicht zu
+schlagen, daß er ihn beschuldigt hätte, ein Verschwörer zu sein. Die
+Papisten, welche Oates zu seinen Angriffen auswählte, waren Peers,
+Prälaten, Jesuiten, Benedictiner, thätige politische Agenten, Juristen
+mit ausgedehnter Praxis und Hofärzte. Der katholische Landgentlemen
+konnte unter dem Schutze seiner Verborgenheit, seines leutseligen Wesens
+und der Zuneigung seiner Umgebungen unbelästigt seine Ernte einbringen
+und seine Waidtasche mit Wild füllen, während Coleman und Langhorne,
+Whitbread und Pickering, Erzbischof Plunkett und Lord Stafford durch den
+Strick oder durch das Beil starben. Eine Bande elender Schurken machte
+zwar den Versuch, gegen Sir Thomas Gascoigne, einen bejahrten
+katholischen Baronet in Yorkshire, eine Anklage auf Hochverrath zu
+erheben, aber zwölf der besten Gentlemen des Westbezirks, die seinen
+Lebenswandel kannten, hielten es nicht für möglich, daß ihr ehrenwerther
+alter Bekannter Banditen zur Ermordung des Königs gedungen haben sollte,
+und sprachen trotz mancherlei der Richterbank eben nicht zur Ehre
+gereichender Versuche ein „Nichtschuldig“ aus. Wohl mochte es für das
+Oberhaupt einer alten, angesehenen Familie in der Provinz ein
+schmerzlicher Gedanke sein, daß er seines Glaubens wegen von ehrenvollen
+Stellen und Ämtern ausgeschlossen war, zu deren Bekleidung Männer von
+niedererer Herkunft und geringerem Vermögen für berechtigt gehalten
+wurden; aber er hatte nicht Lust, Land und Leben im Kampfe gegen eine
+erdrückende Übermacht auf’s Spiel zu setzen, und sein gerader, ächt
+englischer Character würde, vor Mitteln, wie ein Petre und Tyrconnel sie
+anwendeten, mit Abscheu zurückgebebt sein. Deshalb würde er jedoch eben
+so bereitwillig, als irgend einer seiner protestantischen Nachbarn zur
+Vertheidigung seines Vaterlandes gegen einen Einfall der Franzosen oder
+irischen Papisten das Schwert um die Lenden gegürtet und die Pistolen in
+die Halfter gesteckt haben. Dies war der allgemeine Character der
+Männer, in denen Jakob jetzt die sichersten Werkzeuge zur Leitung der
+Grafschaftswahlen zu erblicken glaubte. Er überzeugte sich jedoch bald,
+daß sie nicht geneigt waren, sich durch einen ihm zu leistenden
+schimpflichen und strafbaren Dienst die Achtung ihrer Nachbarn zu
+verscherzen und Leben und Vermögen zu gefährden. Mehrere von ihnen
+weigerten sich, Sheriffs zu werden, und von denen, welche die Ernennung
+annahmen, erklärten viele, daß sie eben so gewissenhaft, als wenn sie
+Mitglieder der Staatskirche wären, ihre Pflicht erfüllen, und keinen
+Wahlcandidaten, der nicht eine wirkliche Stimmenmehrheit hätte, in’s
+Parlament schicken würden.[62]
+
+ [Anmerkung 62: Etwa zwanzig Jahre vor dieser Zeit sprach sich ein
+ Jesuit über die eingezogene Lebensweise der katholischen Gentry
+ Englands folgendermaßen aus: +„La nobilità Inglese, senon se
+ legata in serviglio di Corte ò in opera di maestrato, vive, e godo
+ il più dell’ anno a la campagna, ne’ suoi palagi e poderi, dove
+ son liberi e padroni; è ciò tanto più sollecitamente i Cattolici
+ quanto più utilmente, si come meno osservati colà.“ --
+ L’Inghilterra descritta dal P. Daniello Bartoli. Roma, 1667.+
+
+ „Viele von den papistischen Sheriffs,“ schrieb Johnstone, „sind
+ begütert und erklären, daß man sich sehr irren würde, wenn man
+ gefälschte Wahlen von ihnen erwartete. Die papistische Gentry,
+ welche auf ihren Landgütern lebt, ist von der städtischen weit
+ verschieden. Mehrere von ihnen haben es abgelehnt, Sheriffs oder
+ Statthaltersubstituten zu werden.“ -- 8. Dec. 1687.
+
+ Ronquillo sagt das Nämliche: +„Algunos Catolicos que fueron
+ nombrados por sherifes se han excusado.“+ -- 9.(19.) Jan. 1688.
+ Einige Monate später versichert er seinem Hof, daß die
+ katholischen Landgentlemen gern zu einer Verständigung die Hand
+ bieten würden, deren Grundbedingungen die Abschaffung der
+ Strafgesetze und die Beibehaltung des Religionseides wären.
+ +„Estoy informado,“+ sagt er, +„que los Catolicos de las
+ provincias no lo reprueban, pues no pretendiendo oficios, y siendo
+ solo algunos de la Corte los provechosos, les parece que mejoran
+ su estado, quedando seguros ellos y sus descendientes en la
+ religion, en la quietud, y en la seguridad de sus haciendas.“+ --
+ 23. Juli (2. Aug.) 1688.]
+
+
+[_Stimmung der Dissenters._] Konnte der König schon auf seine
+katholischen Sheriffs wenig rechnen, so konnte er sich noch viel weniger
+auf die puritanischen verlassen. Seit dem Erscheinen der
+Indulgenzerklärung waren mehrere Monate verflossen, Monate voll
+wichtiger Ereignisse und fortwährender Streitigkeiten. Die öffentliche
+Besprechung der Angelegenheiten hatte vielen Dissenters die Augen
+geöffnet, aber die Maßregeln der Regierung, und vorzugsweise das strenge
+Verfahren gegen das Magdalenen-Collegium, hatte mehr als selbst die
+Feder eines Halifax dazu beigetragen, alle Klassen der Protestanten
+aufzurütteln und zu vereinigen. Die meisten von den Sectirern, die sich
+hatten verleiten lassen, ihren Dank für die Indulgenz auszudrücken,
+schämten sich jetzt ihres Irrthums und wünschten sehnlichst, ihn dadurch
+wieder gut zu machen, daß sie sich der großen Masse ihrer Landsleute
+anschlossen.
+
+
+[_Regulirung der Corporationen._] In Folge dieses Umschwungs in den
+Gesinnungen der Nonconformisten stieß die Regierung in den Städten auf
+fast eben so große Schwierigkeiten, wie auf dem platten Lande. Als die
+Regulatoren ihre Arbeit begannen, hatten sie fest darauf gerechnet, daß
+jeder Dissenter, der sich zu Gunsten der Indulgenz ausgesprochen hatte,
+auch die Politik des Königs unterstützen werde. Sie waren daher
+überzeugt, daß sie im Stande sein würden, alle Municipalämter des
+Königreichs mit zuverlässigen Freunden zu besetzen. In den neuen
+Städteordnungen hatte sich die Krone das Recht vorbehalten,
+Magistratsbeamte nach ihrem Belieben zu entlassen. Dieses Recht wurde
+jetzt ohne alle Beschränkung ausgeübt. Durchaus nicht so klar war es
+jedoch, daß Jakob auch das Recht hatte, neue Magistratsbeamte zu
+ernennen; aber mochte es ihm nun zustehen oder nicht, er beschloß, es
+sich zu nehmen. Allenthalben, vom Tweed bis Landsend, wurden
+toryistische Beamte abgesetzt und Presbyterianer, Independenten und
+Baptisten an ihrer Stelle ernannt. In dem neuen Freibriefe der
+Hauptstadt hatte sich die Krone das Recht vorbehalten, alle Vorsteher,
+Pfleger und Beisitzer der Innungen zu entlassen. In Folge dessen wurden
+über achthundert angesehene Bürger, sämmtlich Mitglieder der Partei, die
+sich der Ausschließungsbill widergesetzt hatte, durch einen einzigen
+Erlaß ihrer Ämter enthoben. Bald darauf erschien ein Nachtrag zu dieser
+langen Liste.[63] Aber die neuen Angestellten waren kaum vereidigt, so
+zeigte es sich, daß sie eben so unfügsam waren, als ihre Vorgänger. In
+Newcastle am Tyne ernannten die Regulatoren einen katholischen Mayor und
+puritanische Aldermen. Man zweifelte keinen Augenblick, daß die so
+umgestaltete Municipalbehörde eine Adresse beschließen werde, in der sie
+die Maßregeln des Königs zu unterstützen versprach. Die Adresse wurde
+jedoch verweigert. Der Mayor reiste wüthend nach London und sagte dem
+Könige, die Dissenters seien alle Schurken und Rebellen und die
+Regierung könne in der ganzen Corporation auf nicht mehr als vier
+Stimmen rechnen.[64] In Reading wurden vierundzwanzig toryistische
+Aldermen entlassen und vierundzwanzig neue ernannt. Von diesen erklärten
+sich dreiundzwanzig sofort gegen die Indulgenz und wurden deshalb
+ebenfalls wieder entlassen.[65] Im Laufe weniger Tage wurde der
+Stadtbezirk von Yarmouth nacheinander durch drei verschiedene
+Magistratskörper verwaltet, welche sämmtlich dem Hofe gleich feindlich
+gesinnt waren.[66] Dies sind nur einzelne Beispiele von dem was im
+ganzen Lande geschah. Der holländische Gesandte berichtete an die
+Generalstaaten, daß in manchen Städten die Magistratsbeamten in einem
+Monate zwei und selbst dreimal, aber dennoch vergebens gewechselt worden
+seien.[67] Aus den Acten des Geheimen Raths geht hervor, daß die Zahl
+der Regulationen, wie sie genannt wurden, zweihundert überstieg.[68] Die
+Regulatoren fanden in der That, daß in nicht wenigen Städten die
+Veränderung eine Verschlimmerung war. Die mißvergnügten Tories hatten,
+wenn sie auch über die Politik des Königs murrten; doch wenigstens stets
+Achtung für seine Person und seinen Thron an den Tag gelegt und jeden
+Gedanken an Widerstand verworfen. Ganz anders war die Sprache einiger
+neuen Mitglieder der Corporationen. Man sagte, daß alte Soldaten der
+Republik, welche zu ihrem eignen wie zum Erstaunen des Publikums zu
+Aldermen ernannt worden waren, den Agenten des Hofes deutlich zu
+verstehen gäben, es müsse erst Blut fließen, bevor Papismus und
+Willkürgewalt in England zur Herrschaft gelangten.[69]
+
+Die Regulatoren sahen, daß mit dem was sie bis jetzt gethan hatten,
+wenig oder nichts gewonnen war. Es gab indessen noch ein Mittel, aber
+auch nur dieses eine, durch das sie hoffen konnten ihren Zweck zu
+erreichen. Die Gemeindeordnungen der Wahlflecken mußten zurückgezogen
+und durch neue ersetzt werden, welche das Wahlrecht auf sehr kleine, vom
+König zu ernennende Wahlkörper beschränkten.[70]
+
+Aber wie war dieser Plan auszuführen? In einigen der neuen Freibriefe
+hatte sich die Krone zwar das Recht der Wiederentziehung vorbehalten,
+aber die übrigen konnte Jakob nur durch freiwillige Zurückgabe von
+Seiten der Corporationen oder durch einen Ausspruch der Kings Bench
+wieder in die Hand bekommen. Aber nur wenige Corporationen waren jetzt
+geneigt, ihre Gemeindeordnungen freiwillig aufzugeben, und ein
+Richterspruch, wie er den Zwecken des Hofes diente, war selbst von einem
+Sklaven wie Wright nicht zu erwarten. Die Quo-Warranto-Erlasse,[71]
+welche vor einigen Jahren erschienen waren, um die Whigpartei zu
+vernichten, waren von allen Unparteiischen einhellig verdammt worden.
+Doch hatten diese Erlasse wenigstens einen Anschein von Recht für sich,
+denn sie waren gegen alte Municipalkörper gerichtet, und unter diesen
+gab es wenige, in denen im Laufe der Zeit nicht Mißbrauche eingerissen
+waren, welche genügenden Anhalt zu einem Prozeßverfahren darboten. Die
+Corporationen aber, welche jetzt angegriffen wurden, befanden sich noch
+im Alter der kindlichen Unschuld, die ältesten von ihnen hatten kaum ihr
+fünftes Lebensjahr erreicht, und es war unmöglich, daß viele von ihnen
+schon so schwer gesündigt haben sollten, daß sie eine Zurücknahme ihrer
+Privilegien verdienten. Den Richtern selbst war nicht wohl zu Muthe. Sie
+gaben zu bedenken, daß das, was man von ihnen verlange, den einfachsten
+und klarsten Grundsätzen des Rechts und der Gerechtigkeit schnurstracks
+zuwiderlaufe; aber alle Vorstellungen waren umsonst. Die Wahlorte wurden
+zur Rücksendung ihrer Freibriefe aufgefordert. Einige wenige kamen der
+Aufforderung nach; aber das Verfahren, welches der König gegen diese
+wenigen einschlug, war eben nicht geeignet, bei den anderen Vertrauen zu
+erwecken. In mehreren Städten wurde der Gesammtbürgerschaft das
+Wahlrecht entzogen und auf eine kleine Anzahl Personen beschränkt und
+diese mußten sich eidlich verpflichten, die von der Regierung
+empfohlenen Candidaten zu unterstützen. In Tewkesbury zum Beispiel wurde
+das Wahlrecht dreizehn Personen übertragen. Doch selbst diese Anzahl war
+noch zu groß. Haß und Furcht hatten sich so weit verbreitet, daß es kaum
+möglich war, auch durch die unredlichsten Mittel nur dreizehn Männer zu
+finden, auf die sich der Hof unbedingt verlassen konnte. Es hieß, daß
+die Mehrheit des neuen Wahlkörpers von Tewkesbury von dem nämlichen
+Sinne beseelt sei, welcher in der ganzen Nation überwiege, und daß
+derselbe an dem entscheidenden Tage zuverlässige Protestanten in’s
+Parlament schicken werde. Die Regulatoren drohten in heftigem Zorne, die
+Zahl der Wähler auf drei zu reduciren.[72] Inzwischen weigerte sich die
+große Mehrzahl der Wahlorte entschieden, ihre Privilegien aufzugeben.
+Barnstaple, Winchester und Buckingham zeichneten sich durch die Kühnheit
+ihres Widerstandes besonders aus. In Oxford wurde der Antrag, daß die
+Stadt ihr Wahlrecht dem Könige zurückgeben solle, mit achtzig gegen zwei
+Stimmen verworfen.[73] Der Tempel und Westminsterhall kamen durch die
+plötzliche Häufung von Aufträgen aus allen Theilen des Landes in
+ungewohnte Bewegung. Jeder Advokat von bedeutender Praxis erhielt
+Vollmachten über Vollmachten von den städtischen Corporationen, und die
+gewöhnlichen Clienten beklagten sich, daß ihre Angelegenheiten
+vernachlässigt würden.[74] Es lag auf der Hand, daß eine geraume Zeit
+darüber hingehen mußte, ehe eine so große Anzahl Prozesse entschieden
+werden konnten. Diese Verzögerung war der Tyrannei unerträglich. Es
+wurde nichts unterlassen, um die widerspenstigen Wahlkörper durch
+Drohungen zur Unterwerfung zu bringen. In Buckingham hatten einige
+Municipalbeamten sich in nicht eben lobender Weise ausgesprochen. Man
+machte ihnen den Prozeß und kündigte ihnen an, daß mit schonungsloser
+Strenge gegen sie verfahren werden würde, wenn sie sich nicht durch
+Herausgabe ihres Freibriefs loskauften.[75] In Winchester griff man zu
+noch strengeren Gewaltmaßregeln. Eine bedeutende Truppenabtheilung wurde
+in die Stadt gelegt, einzig und allein zu dem Zwecke, die Einwohner zu
+belästigen und zu quälen.[76] Die Stadt blieb fest und die öffentliche
+Stimme beschuldigte den König laut, daß er die schlimmsten Verbrechen
+seines Bruders von Frankreich nachahme; die Dragonaden hätten begonnen,
+sagte man. Man hatte auch wirklich Grund zu ernsten Besorgnissen. Jakob
+war auf den Einfall gekommen, daß er den Widerstandsgeist einer
+hartnäckigen Stadt nicht wirksamer brechen könne, als indem er den
+Einwohnern Soldaten in’s Quartier legte. Er mußte wissen, daß diese
+Maßregel sechzig Jahre früher heftigen Unwillen erregt und durch die
+Bitte um Recht, ein Gesetz, das von den Engländern kaum weniger verehrt
+wurde, als die Magna Charta, feierlichst für gesetzwidrig erklärt worden
+war. Aber er hoffte von den Gerichtshöfen eine Erklärung zu erlangen,
+daß selbst die Bitte um Recht die Prärogative nicht beschränken könne.
+Er fragte in der That den Oberrichter der Kings Bench über diesen
+Gegenstand um Rath;[77] aber das Resultat der Besprechung wurde geheim
+gehalten, und in einigen Wochen gestalteten sich die Dinge so, daß eine
+Furcht, welche noch stärker war, als selbst die vor der königlichen
+Ungnade, sogar einen so servilen Mann wie Wright bewog, ein wenig
+einzuhalten.
+
+ [Anmerkung 63: +Privy Council Book, Sept. 25. 1687, Febr. 21,
+ 1687/88+.]
+
+ [Anmerkung 64: Acten der Corporation, angeführt in +Brand’s
+ History of Newcastle+; Johnstone, 21. Febr. 1687/88.]
+
+ [Anmerkung 65: Johnstone, 21. Febr. 1687/88.]
+
+ [Anmerkung 66: Citters, 14.(24.) Febr. 1688.]
+
+ [Anmerkung 67: Citters, 1.(11.) Mai 1688.]
+
+ [Anmerkung 68: Am Rande der Geheimrathsacten findet man die
+ Bemerkung „Zweite Regulation“ und „Dritte Regulation“, wenn ein
+ Wahlkörper mehr als einmal umgestaltet worden war.]
+
+ [Anmerkung 69: Johnstone, 23. Mai 1688.]
+
+ [Anmerkung 70: Johnstone, 21. Febr. 1688.]
+
+ [Anmerkung 71: Diese Erlasse, so genannt nach den beiden
+ Anfangsworten +Quo warranto+, ordneten eine Untersuchung über die
+ Rechtsbefugnisse an, auf welche sich die Privilegien einer
+ Corporation gründeten, und wenn sich eine Unregelmäßigkeit fand,
+ wurde der Freibrief entzogen. D. Übers.]
+
+ [Anmerkung 72: Johnstone, 21. Febr. 1688.]
+
+ [Anmerkung 73: Citters, 20.(30.) März 1688.]
+
+ [Anmerkung 74: +Ibid.+ 1.(11.) Mai 1688.]
+
+ [Anmerkung 75: +Ibid.+ 22. Mai (1. Jun.) 1688.]
+
+ [Anmerkung 76: +Ibid.+ 1.(11.) Mai 1688.]
+
+ [Anmerkung 77: +Ibid.+ 18.(28.) Mai 1688.]
+
+
+[_Untersuchung in allen öffentlichen Verwaltungszweigen._] Während die
+Lordlieutenants die Friedensrichter ausforschten und die Regulatoren die
+Wahlkörper umgestalteten, wurden alle Zweige des Staatsdienstes einer
+strengen Untersuchung unterworfen. Zuerst wurde der Palast gesäubert.
+Jeder mit Narben bedeckte alte Kavalier, der zum Ersatz für das der
+Sache des Königs geopferte Blut und Grundeigenthum ein Ämtchen in der
+königlichen Garderobe oder im Marstalle erhalten hatte, wurde
+aufgefordert, zwischen dem Könige und der Kirche zu wählen. Die Zoll-
+und Steuercommissare wurden zu Seiner Majestät ins Schatzamt beschieden,
+hier das Versprechen von ihnen verlangt, daß sie seine Politik
+unterstützen wollten, und ihnen bedeutet, daß sie allen ihren
+Unterbeamten ein ähnliches Versprechen abzunehmen hätten.[78] Ein
+Zollbeamter motivirte seine Unterwerfung unter den Willen des Königs in
+einer Weise, welche Heiterkeit und zugleich Mitleid erregte. „Ich habe,“
+sagte er, „vierzehn Gründe, die mich bestimmen, Seiner Majestät Befehlen
+zu gehorchen: eine Frau und dreizehn unerzogene Kinder“.[79] Gegen
+solche Gründe ließ sich allerdings nichts einwenden; dennoch aber kamen
+nicht wenig Fälle vor, wo die religiösen und patriotischen Gefühle
+selbst solche Gründe überwogen.
+
+Man hat Grund zu der Vermuthung, daß die Regierung um diese Zeit
+ernstlich mit dem Plane umging, einen Schlag zu führen, der viele
+tausend Familien an den Bettelstab gebracht und auf die socialen
+Zustände aller Landestheile störend eingewirkt haben würde. Niemand
+durfte Wein, Bier oder Kaffee ohne Concession verkaufen. Es hieß nun,
+daß jeder Inhaber einer solchen Concession demnächst aufgefordert werden
+sollte, entweder dieselben Verpflichtungen einzugehen, welche den
+öffentlichen Beamten auferlegt worden waren, oder sein Geschäft
+aufzugeben.[80] Wäre ein solcher Schritt gethan worden, so würden ohne
+allen Zweifel die Wirthshäuser und öffentlichen Vergnügungsorte im
+ganzen Lande zu Hunderten geschlossen worden sein. Welche Wirkung ein
+solcher Eingriff in die Lebensgenüsse aller Stände hervorgebracht haben
+würde, läßt sich nur muthmaßen. Der durch Übel erzeugte Unwille steht
+nicht immer im Verhältnisse mit der Wichtigkeit derselben, und es ist
+durchaus nicht unwahrscheinlich, daß die Einziehung von
+Schankconcessionen das bewirkt haben würde, was die Entziehung von
+Freibriefen nicht bewirkt hatte. Die Vornehmeren würden ihr
+Chokoladenhaus in St. James Street, die Geschäftsmänner ihre
+Kaffeekanne, bei der sie in Change Alley zu rauchen und zu politisiren
+pflegten, schmerzlich vermißt haben. Die Hälfte der Clubs hätte sich
+neue Versammlungslokale suchen müssen. Der Reisende würde des Nachts den
+Gasthof, in welchem er gewohnt war abzusteigen und seine Abendmahlzeit
+einzunehmen, verödet gefunden haben. Der Landmann würde die Bierschenke
+vermißt haben, wo er im Sommer auf der Bank vor der Thür, im Winter am
+Kamin seinen Krug zu trinken gewohnt war. Es war leicht möglich, daß die
+auf solche Art gereizte Nation sich zu einem allgemeinen Aufstande
+erhob, ohne auf die Hülfe fremder Verbündeter zu warten.
+
+ [Anmerkung 78: Citters, 6.(16.) April 1688; +Treasury Letter Book.
+ March 14. 1687/88+; Ronquillo, 16.(26.) April.]
+
+ [Anmerkung 79: Citters, 18.(28.) Mai 1688.]
+
+ [Anmerkung 80: +Ibid.+ 18.(28.) Mai 1688.]
+
+
+[_Entlassung Sawyer’s._] Es war nicht zu erwarten, daß ein Fürst, der
+von allen niederen Dienern der Regierung bei Strafe der Entlassung
+Unterstützung seiner Politik verlangte, einen Generalfiskal behalten
+würde, dessen Abneigung gegen diese Politik kein Geheimniß war. Sawyer
+hatte noch über anderthalb Jahr in seiner Stellung bleiben dürfen,
+nachdem er sich gegen die Dispensationsgewalt erklärt hatte. Diese
+ungewöhnliche Nachsicht verdankte er nur der außerordentlichen
+Schwierigkeit, die es der Regierung machte, einen Nachfolger für ihn zu
+finden. Es war um der pekuniären Interessen der Krone willen nothwendig,
+daß wenigstens einer der beiden ersten Staatsanwälte ein talentvoller
+und kenntnißreicher Mann war, und es war keineswegs leicht, einen diesen
+Anforderungen genügenden Juristen zu bewegen, daß er sich durch das
+tägliche Begehen von Handlungen, welche das nächste Parlament
+wahrscheinlich als schwere Übertretungen und Verbrechen betrachtete,
+sehr ernster Gefahr aussetzte. Es war nicht möglich gewesen, einen
+besseren Generalprokurator als Powis aufzutreiben, ein Mann, der sich
+zwar aus nichts ein Gewissen machte, der aber auch nicht einmal den
+gewöhnlichsten Pflichten seines Postens gewachsen war. Unter diesen
+Umständen hielt man es für wünschenswerth, die Arbeit zu theilen. Ein
+Fiskal, dessen Berufstüchtigkeit durch Gewissensskrupel bedeutend
+beeinträchtigt wurde, hatte einen Prokurator zur Seite, dessen
+Gewissenlosigkeit seinen Mangel an Befähigung einigermaßen ersetzte.
+Wenn es der Regierung um energische Durchführung des Gesetzes zu thun
+war, so wendete sie sich an Sawyer; wollte sie das Gesetz mit Füßen
+treten, so hielt sie sich an Powis. Dieses Arrangement wurde so lange
+beibehalten, bis der König die Dienste eines Anwalts erlangte, der zu
+gleicher Zeit noch gewissenloser als Powis und geschickter als Sawyer
+war.
+
+
+[_Williams Generalprokurator._] Keiner der damals lebenden Advokaten
+hatte der Regierung giftiger opponirt als Wilhelm Williams. Er hatte
+sich unter der vorigen Regierung als Whig und Exclusionist hervorgethan.
+Als die Parteiwuth den höchsten Grad erreicht hatte, war er zum Sprecher
+des Unterhauses erwählt worden. Nach der Prorogation des oxforder
+Parlaments war er der gewöhnliche Rechtsbeistand der heftigsten
+Demagogen gewesen, die des Aufruhrs angeklagt wurden. Er besaß
+anerkanntermaßen bedeutende juristische Gewandtheit und Kenntnisse.
+Unbesonnene Überstürzung und Parteigeist hielt man für seine
+Hauptfehler; daß er noch andere Fehler hatte, in Vergleich mit denen die
+genannten als Tugenden gelten konnten, ahnete man damals noch nicht. Die
+Regierung suchte eine Gelegenheit, um ihm etwas anzuhaben, und es wurde
+ihr nicht schwer, eine solche zu finden. Er hatte auf Befehl des Hauses
+der Gemeinen einen von Dangerfield verfaßten erzählenden Bericht
+herausgegeben. Hätte ein Privatmann diese Schrift veröffentlicht, so
+würde sie unbestreitbar als ein aufrührerisches Libell zu betrachten
+gewesen sein. Es wurde bei der Kings Bench eine Criminaluntersuchung
+gegen Williams eingeleitet; er berief sich umsonst auf die Privilegien
+des Parlaments und wurde zu einer Geldbuße von zehntausend Pfund
+verurtheilt. Einen großen Theil dieser Summe bezahlte er baar und über
+den Rest gab er eine Schuldverschreibung. Der Earl von Peterborough, der
+in Dangerfield’s Erzählung in beleidigender Weise erwähnt war, wurde
+durch den Erfolg der Criminaluntersuchung ermuthigt, eine Civilklage auf
+eine bedeutende Entschädigungssumme anhängig zu machen. Williams gerieth
+dadurch in die größte Verlegenheit. Da bot sich ihm ein rettender Ausweg
+dar. Allerdings war es ein Ausweg, der einem Manne von festen
+Grundsätzen und edlem Character noch schrecklicher gewesen sein würde,
+als Armuth, Gefängniß und selbst Tod. Er konnte sich der Regierung
+verkaufen, deren Feind und Opfer er gewesen war; er konnte sich
+erbieten, bei jedem Angriffe auf die Freiheiten und die Religion, für
+welche er einen maßlosen Eifer gezeigt hatte, den gefährlichsten Posten
+zu übernehmen; er konnte seinen Whiggismus durch Dienste wieder gut
+machen, vor denen selbst die eingefleischtesten Tories, an deren Händen
+das Blut Russell’s und Sidney’s klebte, mit Abscheu zurückbebten. Der
+Handel wurde abgeschlossen. Der noch schuldige Rest der Strafsumme wurde
+erlassen und Peterborough durch Vermittelung des Königs zu einem
+Vergleich bewogen. Sawyer wurde abgesetzt, Powis wurde Generalfiskal,
+Williams wurde zum Generalprokurator ernannt, in den Adelstand erhoben
+und war bald ein Günstling des Königs. Obgleich im Range nur der zweite
+Kronjurist, gelang es ihm doch sehr bald, durch seine Gewandtheit,
+Gelehrsamkeit und Energie seinen Vorgesetzten völlig in den Schatten zu
+stellen[81].
+
+Williams war noch nicht lange im Amte, als er aufgefordert wurde, in dem
+denkwürdigsten Staatsprozesse, von dem die Annalen der britischen Justiz
+berichten, eine Hauptrolle zu übernehmen.
+
+ [Anmerkung 81: +London Gazette, Dec. 15. 1687+. Siehe den Prozeß
+ gegen Williams in der +Collection of State Trials+. +„Ha hecho,“+
+ sagt Ronquillo, +„grande susto el haber nombrado el abogado
+ Williams, que fue el orador y el mas arrabiade de toda la casa des
+ comunes en los ultimos terribles parlamentos del Rey difunto.“+
+ 27. Nov. (7. Dec.) 1687.]
+
+
+[_Zweite Indulgenzerklärung._] Am 27. April 1688 erließ der König eine
+zweite Indulgenzerklärung. In diesem Schriftstücke führte er die
+Erklärung vom vorjährigen April in ihrer ganzen Länge auf. Sein
+bisheriges Leben, sagte er dann, habe sein Volk überzeugen können, daß
+er nicht der Mann sei, der sich von einem einmal gefaßten Beschlusse so
+leicht abbringen lasse. Da aber heimtückische Menschen es versucht
+hätten, die Welt glauben zu machen, daß man ihn doch noch zum Nachgeben
+in dieser Angelegenheit werde bestimmen können, halte er es für nöthig,
+zu erklären, daß sein Vorsatz unwiderruflich fest stehe, daß er
+entschlossen sei, nur solche Männer anzustellen, welche bereit wären,
+ihn bei der Ausführung seiner Pläne zu unterstützen, und daß er in
+Gemäßheit dieses Entschlusses viele seiner ungehorsamen Diener von
+Civil- und Militairämtern habe entheben müssen. Schließlich zeigte er
+an, daß er spätestens im November ein Parlament einzuberufen gedenke,
+und ermahnte seine Unterthanen, solche Vertreter in dasselbe zu wählen,
+die ihn bei dem begonnenen großen Werke zu unterstützen geneigt
+wären[82].
+
+ [Anmerkung 82: +London Gazette, April 30. 1688+; Barillon, 26.
+ April (6. Mai).]
+
+
+[_Die Geistlichkeit erhält Befehl, sie von der Kanzel zu verlesen._]
+Diese Erklärung machte anfangs nur wenig Sensation. Sie enthielt nichts
+Neues und die Leute wunderten sich, daß der König es für nöthig hielt,
+ein feierliches Manifest zu erlassen, blos um ihnen zu sagen, daß er
+seinen Sinn nicht geändert habe[83]. Die Gleichgültigkeit, mit der die
+Ankündigung seines festen Entschlusses vom Publikum aufgenommen wurde,
+verdroß ihn wahrscheinlich und er glaubte ohne Zweifel, daß seine Würde
+und Autorität leiden könnten, wenn er nicht unverzüglich etwas Neues und
+Auffallendes thue. In Folge dessen verfügte er unterm 4. Mai durch einen
+Geheimrathsbefehl, daß seine Erklärung von vergangener Woche an zwei
+aufeinanderfolgenden Sonntagen beim öffentlichen Gottesdienste von den
+dienstthuenden Geistlichen aller Kirchen und Kapellen des Reiches
+verlesen werden solle. In London und seinen Vorstädten sollte die
+Verlesung am 20. und 27. Mai, in den anderen Landestheilen am 3. und 10.
+Juni stattfinden. Die Bischöfe waren angewiesen, Exemplare der Erklärung
+in ihren respectiven Diöcesen zu vertheilen[84].
+
+Wenn man berücksichtigt, daß die Geistlichen der anglikanischen Kirche
+fast ohne Ausnahme die Indulgenzerklärung als eine Verletzung der
+Landesgesetze, als einen Wortbruch des Königs und als einen
+verderblichen Gewaltstreich gegen die Interessen und die Würde ihres
+Standes betrachteten, so wird man schwerlich daran zweifeln können, daß
+der Geheimrathsbefehl darauf berechnet war, als eine tiefe Kränkung von
+ihnen empfunden zu werden. Man glaubte im Volke, daß Petre diese Absicht
+durch ein der orientalischen Redeweise entlehntes rohes Gleichniß
+ausgesprochen habe. Er sollte gesagt haben, er wolle sie Koth essen
+lassen und zwar den abscheulichsten und ekelhaftesten Koth. Aber konnte
+man annehmen, daß die anglikanische Geistlichkeit diesem tyrannischen
+und gehässigen Befehle den Gehorsam verweigern werde? Der Character des
+Königs war willkürlich und streng und das Verfahren der kirchlichen
+Commission eben so summarisch wie das eines Kriegsgerichts. Wer sich
+aufzulehnen wagte, konnte in Zeit von acht Tagen seiner Stelle entsetzt,
+seines ganzen Einkommens beraubt, der ferneren Bekleidung jedes
+geistlichen Amts unfähig erklärt und in die Nothwendigkeit versetzt
+werden, von Haus zu Haus sein Brot zu erbetteln. Wenn der ganze Stand
+sich einmüthig dem königlichen Willen widersetzte, dann war es
+allerdings wahrscheinlich, daß selbst Jakob nicht den Muth haben würde,
+zehntausend Schuldige auf einmal zu bestrafen. Aber zu einer allgemeinen
+Verständigung in dieser Angelegenheit war keine Zeit. Am 7. Mai erschien
+der Befehl in der Gazette und schon am 20. sollte die Erklärung von
+allen Kanzeln Londons und dessen Umgegend verlesen werden. Er wäre
+damals mit der größten Anstrengung nicht möglich gewesen, binnen
+vierzehn Tagen die Ansichten nur des zehnten Theiles der im ganzen Lande
+zerstreuten Pfarrgeistlichen einzuholen, ja nur die Stimmen der Bischöfe
+hätten nicht leicht in so kurzer Zeit gesammelt werden können. Auch
+stand zu befürchten, daß, wenn die Geistlichkeit das Verlesen der
+Erklärung verweigerte, die protestantischen Dissenters die Weigerung
+falsch auslegen, die Hoffnung, von den Mitgliedern der anglikanischen
+Kirche Duldung zu erlangen, aufgeben und ihr ganzes Gewicht in die
+Wagschale des Hofes werfen würden.
+
+ [Anmerkung 83: Citters, 1.(11.) Mai 1688.]
+
+ [Anmerkung 84: +London Gazette, Mai 7. 1688.+]
+
+
+[_Die Geistlichkeit ist unschlüssig._] Die Geistlichkeit war daher
+unschlüssig und diese Unschlüssigkeit läßt sich wohl entschuldigen, denn
+einige hochgestellte Laien, welche das öffentliche Vertrauen in hohem
+Maße genossen, waren geneigt, zur Unterwerfung zu rathen. Sie waren der
+Meinung, ein allgemeiner Widerstand stehe kaum zu erwarten und ein
+theilweiser werde für die Einzelnen verderblich und für die Kirche und
+die Nation im Allgemeinen nur von geringem Nutzen sein. Dies war die
+ausgesprochene Ansicht von Halifax und Nottingham. Der Tag rückte heran
+und noch war keine Verständigung und kein bestimmter Entschluß
+erzielt.[85]
+
+ [Anmerkung 85: Johnstone, 27. Mai 1688.]
+
+
+[_Patriotismus der protestantischen Nonconformisten Londons._] In diesem
+Augenblicke erwarben sich die protestantischen Dissenters der Hauptstadt
+einen Anspruch auf die ewige Dankbarkeit ihres Vaterlandes. Die
+Regierung hatte sie bisher als einen Theil ihrer Stärke betrachtet.
+Einige von ihren thätigsten und lautesten Predigern hatten, durch die
+Gnadenbezeigungen des Hofes bestochen, Adressen zu Gunsten der Politik
+des Königs zu Stande gebracht. Andere, welche durch die Erinnerung an
+viele schwere Unbilden sowohl der anglikanischen Kirche als dem Hause
+Stuart entfremdet waren, hatten mit boshafter Schadenfreude gesehen, wie
+der tyrannische Fürst und die tyrannische Hierarchie durch bittere
+Feindschaft von einander getrennt waren und sich gegenseitig überboten,
+um den Beistand von Secten zu erlangen, die sie noch unlängst verfolgt
+und verachtet hatten. Aber so natürlich dieses Gefühl auch sein mochte,
+man hatte sich demselben lange genug hingegeben. Die Zeit war gekommen,
+wo man eine Wahl treffen mußte, und die Nonconformisten traten in einer
+hochherzigen Regung auf die Seite der Anglikaner, um gemeinschaftlich
+mit ihnen die Grundgesetze des Reichs zu vertheidigen. Baxter, Bates und
+Howe zeichneten sich durch ihre Anstrengungen, dieses Bündniß zu Stande
+zu bringen, besonders aus; aber die edle Begeisterung, welche die
+Gesammtheit der Puritaner beseelte, erleichterte ihnen die Aufgabe. Der
+Eifer der Pfarrer wurde von dem ihrer Gemeinden noch übertroffen.
+Diejenigen Presbyterianer- und Independentenprediger, welche Lust
+zeigten, mit dem Könige Partei gegen die Landeskirche zu nehmen, wurden
+nachdrücklich bedeutet, daß, wenn sie ihr Verfahren nicht änderten, ihre
+Gemeinden sie fernerhin weder hören noch bezahlen würden. Alsop, der
+sich mit der Hoffnung geschmeichelt hatte, daß er im Stande sein werde,
+einen großen Theil seiner Anhänger dem Könige zuzuführen, sah sich
+plötzlich von Denen, die ihn kurz zuvor noch als ihren geistlichen
+Führer verehrt hatten, verachtet und verabscheut, verfiel darüber in
+eine tiefe Schwermuth und verbarg sich vor den Blicken der Welt. Bei
+mehreren londoner Geistlichen erschienen Deputationen, um sie zu bitten,
+daß sie die Masse der Dissenters nicht nach den kriechenden
+Schmeicheleien beurtheilen möchten, welche kürzlich die Spalten der
+Gazette gefüllt hätten, und forderten sie, als bei dem großen Kampfe in
+vorderster Reihe stehend, auf, mit männlicher Tapferkeit für die
+Freiheiten Englands und den den Heiligen überlieferten Glauben zu
+streiten. Diese Versicherungen wurden freudig und dankend aufgenommen.
+Unter Denen aber, die sich zu entscheiden hatten, ob sie am nächsten
+Sonntage, den 20. Mai, dem Befehl des Königs nachkommen wollten
+oder nicht, herrschte noch immer große Ängstlichkeit und
+Meinungsverschiedenheit.
+
+
+[_Berathung der londoner Geistlichkeit._] Die londoner Geistlichkeit,
+welche damals allgemein als die Elite ihres Standes anerkannt war,
+veranstaltete eine berathende Versammlung. Funfzehn Doctoren der
+Theologie waren anwesend. Tillotson, Dechant von Canterbury, der
+berühmteste Kanzelredner der damaligen Zeit, kam vom Krankenlager dahin.
+Sherlock, Vorsteher des Tempels, Patrick, Dechant von Peterborough und
+Oberpfarrer des wichtigen Kirchspiels St. Paul in Coventgarden, sowie
+auch Stillingfleet, Archidiakonus von London und Dechant der St.
+Pauls-Kathedrale, nahmen daran Theil. Die Versammlung im Allgemeinen
+schien der Ansicht zu sein, daß es im Grunde doch gerathen sei, dem
+Geheimrathsbefehl zu gehorchen. Der Streit begann hitzig zu werden und
+hätte vielleicht schlimme Folgen haben können, wäre er nicht durch die
+Festigkeit und Einsicht des Unterpfarrers von St. Giles, Cripplegate,
+Doctor Eduard Fowler, beendigt worden. Dieser Mann gehörte zu der
+kleinen aber ausgezeichneten Klasse von Theologen, welche die der Schule
+Calvin’s eigene Liebe zur bürgerlichen Freiheit mit der Theologie der
+Schule des Arminius verbanden[86]. Er erhob sich und sprach: „Ich will
+offen meine Meinung sagen. Die Sache ist so klar und einfach, daß lange
+Erörterungen kein neues Licht auf sie werfen können, sondern nur die
+Leidenschaften aufregen müssen. Lassen Sie einem Jeden blos Ja oder Nein
+sagen. Ich für meine Person kann mich durch das Votum der Majorität
+nicht binden lassen. Es würde mir leid thun, wenn dadurch unsre
+Einigkeit gestört werden sollte, aber mein Gewissen erlaubt mir nicht,
+diese Erklärung zu verlesen.“ Tillotson, Patrick, Sherlock und
+Stillingfleet erklärten, daß sie der nämlichen Meinung seien, und die
+Majorität fügte sich einer so achtbaren Minorität. Es wurde ein Beschluß
+schriftlich ausgefertigt, durch den sich alle Anwesenden gegen einander
+verpflichteten, die Erklärung nicht zu verlesen. Patrick war der Erste,
+der seinen Namen unterschrieb, Fowler der Zweite. Das Papier wurde dann
+in der Stadt herumgeschickt und war bald von fünfundachtzig
+Pfründeninhabern unterzeichnet[87].
+
+Unterdessen beriethen sich mehrere Bischöfe in banger Sorge über das
+einzuschlagende Verfahren. Am 12. Mai war ein ernster und gelehrter
+Kreis um den Tisch des Primas zu Lambeth versammelt. Compton, Bischof
+von London, Turner, Bischof von Ely, White, Bischof von Peterborough,
+und Tenison, Oberpfarrer des Kirchspiels St. Martin, befanden
+sich unter den Anwesenden. Der Earl von Clarendon, ein warmer und
+unerschütterlicher Freund der Kirche, war ebenfalls eingeladen worden.
+Cartwright, Bischof von Chester, drängte sich, wahrscheinlich als Spion,
+in die Versammlung. So lange er anwesend war, konnten vertrauliche
+Mittheilungen nicht stattfinden; nach seinem Weggange aber wurde die
+große Frage, welche alle Gemüther erfüllte, zur Sprache gebracht und
+erörtert. Die allgemeine Ansicht war, daß die Erklärung nicht verlesen
+werden solle. An mehrere der achtbarsten Prälaten der Provinz Canterbury
+wurden sogleich Briefe geschrieben, durch welche dieselben aufgefordert
+wurden, unverzüglich nach London zu kommen, um ihren Metropoliten in
+dieser Angelegenheit zu unterstützen[88]. Da man kaum zweifeln konnte,
+daß diese Briefe geöffnet werden würden, wenn sie durch das Postamt in
+Lombard Street gingen, so wurden sie bis zu den nächsten Poststationen
+in den verschiedenen Richtungen durch reitende Boten befördert. Der
+Bischof von Winchester, dessen Loyalität sich bei Sedgemoor so glänzend
+erprobt hatte, beschloß trotz eines ernstlichen Unwohlseins der
+Aufforderung nachzukommen und sofort abzureisen, sah aber, daß er die
+Erschütterung des Fahrens nicht vertragen konnte. Der an Wilhelm Lloyd,
+Bischof von Norwich, gerichtete Brief wurde ungeachtet aller
+Vorsichtsmaßregeln von einem Postmeister zurückgehalten, und dieser
+Prälat, welcher keinem seiner Amtsbrüder in Muth und Eifer für die
+gemeinsame Sache seines Berufs nachstand, kam zu spät in London an[89].
+Sein Namensvetter, Wilhelm Lloyd, Bischof von St. Asaph, ein frommer,
+rechtschaffener und gelehrter Mann, aber von schwacher Urtheilskraft und
+halb aufgerieben durch seine beharrlichen Anstrengungen, aus Daniel und
+der Offenbarung einige Aufschlüsse über den Papst und den König von
+Frankreich zu gewinnen, eilte nach der Hauptstadt und traf am
+Sechzehnten ein[90]. Am nächstfolgenden Tage kamen auch der treffliche
+Ken, Bischof von Bath und Wells, Lake, Bischof von Chichester, und Sir
+Johann Trelawney, Bischof von Bristol, ein Baronet aus einer alten und
+angesehenen Familie in Cornwall.
+
+ [Anmerkung 86: Der verstorbene Alexander Knox, dieser
+ ausgezeichnete Mann, dessen beredte Conversation und vortrefflich
+ ausgearbeitete Briefe einen großen Einfluß auf die Gemüther seiner
+ Landsleute ausübten, hat, wie ich vermuthe, vieles von seinem
+ theologischen System und Fowler’s Schriften gelernt. Fowler’s Werk
+ über den Zweck des Christenthums wurde von Johann Bunyan mit einer
+ durch nichts zu rechtfertigenden Heftigkeit angegriffen, die sich
+ nur durch die Herkunft und mangelhafte Erziehung des ehrlichen
+ Kesselflickers einigermaßen entschuldigen läßt.]
+
+ [Anmerkung 87: Johnstone, 23. Mai 1688. Es existirt ein
+ satirisches Gedicht auf diese Versammlung betitelt: „Die
+ geistliche Cabale.“]
+
+ [Anmerkung 88: +Clarendon’s Diary, May 22. 1688.+]
+
+ [Anmerkung 89: Auszug aus Tanner’s Handschriften in +Howell’s
+ State Trials+; +Life of Prideaux+; +Clarendon’s Diary, May 16.
+ 1688+.]
+
+ [Anmerkung 90: +Clarendon’s Diary, May 16 & 17. 1688+.]
+
+
+[_Berathung im Palast zu Lambeth._] Am Achtzehnten wurde im Palast des
+Primas zu Lambeth eine Versammlung von Prälaten und anderen
+ausgezeichneten Theologen gehalten. Tillotson, Tenison, Stillingfleet,
+Patrick und Sherlock waren dabei anwesend. Vor dem Beginn der Berathung
+wurde eine feierliche Betstunde gehalten. Nach einer langen Besprechung
+setzte der Erzbischof eigenhändig eine Petition auf, in der die
+allgemeine Ansicht ausgesprochen war. Sie war nicht im elegantesten
+Style abgefaßt. Sancroft zog sich durch den schwülstigen und unschönen
+Periodenbau sogar spöttelnden Tadel zu, den er mit weniger Geduld
+ertrug, als er bei viel härteren Prüfungen gezeigt hatte. Dem Inhalte
+nach aber konnte nichts geschickter entworfen sein, als dieses
+denkwürdige Actenstück. Man verwahrte sich entschieden gegen alle
+Illoyalität und Intoleranz, versicherte dem König, daß die Kirche noch
+immer, wie von jeher, dem Throne treu ergeben sei und daß die Bischöfe
+seiner Zeit am geeigneten Orte als Lords des Parlaments und als
+Mitglieder des Oberhauses der Convocation beweisen wurden, wie es ihnen
+keineswegs an humaner Rücksicht auf die Gewissensbedenken der Dissenters
+fehle. Aber das Parlament habe sowohl unter der vorigen wie unter der
+gegenwärtigen Regierung ausgesprochen, daß der Souverain nach der
+Verfassung nicht berechtigt sei, in kirchlichen Angelegenheiten von
+Gesetzen zu dispensiren. Deshalb sei die Erklärung gesetzwidrig und
+Klugheit, Ehre und Gewissen gestatte den Petenten nicht, sich bei der
+feierlichen Veröffentlichung einer ungesetzlichen Erklärung im Hause
+Gottes und während der Zeit des Gottesdienstes zu betheiligen.
+
+Diese Petition wurde von dem Erzbischof und sechs seiner Suffraganen,
+Lloyd von St. Asaph, Turner von Ely, Lake von Chichester, Ken von Bath
+und Wells, White von Peterborough und Trelawney von Bristol,
+unterzeichnet. Der Bischof von London unterzeichnete nicht mit, weil er
+suspendirt war.
+
+
+[_Die Petition der sieben Bischöfe dem Könige überreicht._] Es war spät
+am Freitag Abend, und am Sonntag Morgen sollte die Erklärung in den
+Kirchen von London verlesen werden. Die Petition mußte daher dem Könige
+unverweilt überreicht werden. Die sechs Bischöfe brachen sofort nach
+Whitehall auf; der Erzbischof, dem schon seit geraumer Zeit der Zutritt
+bei Hofe untersagt war, begleitete sie nicht. Lloyd ließ seine fünf
+Collegen im Hause des Lord Dartmouth in der Nähe des Palastes zurück,
+begab sich zu Sunderland und bat den Minister, die Petition zu lesen und
+sich zu erkundigen, wann der König geneigt sein werde, sie in Empfang zu
+nehmen. Sunderland wollte, aus Furcht sich zu compromittiren, die
+Petition gar nicht ansehen, begab sich aber sogleich ins königliche
+Kabinet. Jakob befahl, die Bischöfe vorzulassen. Er hatte von seinem
+Spion Cartwright erfahren, daß sie wohl geneigt wären, dem königlichen
+Befehle zu gehorchen, aber einige kleine Änderungen in der Form
+wünschten und eine unterthänige Bitte in diesem Sinne vorlegen wollten.
+Seine Majestät war daher sehr gut gelaunt. Als die Prälaten vor ihm
+knieten, bat er sie freundlich, aufzustehen, nahm das Papier, aus
+Lloyd’s Händen und sagte: „Das ist Mylord Canterbury’s Hand.“ -- „Ja,
+Sire, seine eigene Hand,“ war die Antwort. Jakob las die Petition, brach
+sie dann zusammen und sprach, während seine Stirn sich verfinsterte:
+„Dies ist eine große Überraschung für mich. Ich hätte dies von Ihrer
+Kirche, insbesondere von einigen unter Ihnen, nicht erwartet. Das heißt
+die Fahne des Aufruhrs aufpflanzen.“ Die Bischöfe ergossen sich in die
+wärmsten Versicherungen ihrer Loyalität; der König aber wiederholte
+seiner Gewohnheit nach die gesprochenen Worte von Anfang bis zu Ende.
+„Ich sage Ihnen, es ist eine Fahne des Aufruhrs!“ -- „Des Aufruhrs?“
+rief Trelawney auf die Knie fallend. „Um des Himmels willen, Sire,
+sprechen Sie nicht so hart von uns. Ein Trelawney kann nie ein Rebell
+werden. Erinnern Sie Sich, daß meine Familie für die Krone gekämpft hat,
+erinnern Sie Sich, wie ich Eurer Majestät gedient habe, als Monmouth im
+Westen war.“ -- „Wir haben den letzten Aufstand unterdrückt,“ sagte
+Lake, „und wollen gewiß nicht einen neuen hervorrufen.“ -- „Wir,
+Rebellen!“ rief Turner; „wir sind bereit, zu den Füßen Eurer Majestät zu
+sterben.“ -- „Sire,“ hob jetzt Ken in einem männlicheren Tone an, „ich
+hoffe, Sie werden uns die Gewissensfreiheit zugestehen, die Sie
+Jedermann gewähren.“ Jakob aber wiederholte abermals: „Das ist Aufruhr!
+das ist eine Fahne des Aufruhrs! Hat jemals ein guter Diener der
+Staatskirche das Dispensationsrecht in Frage gestellt? Haben nicht
+einige von Ihnen zu Gunsten desselben gepredigt und geschrieben? Ich
+will durchaus, daß meine Erklärung verlesen werde!“ -- „Wir haben zwei
+Pflichten zu erfüllen,“ erwiederte Ken, „unsre Pflicht gegen Gott und
+unsre Pflicht gegen Eure Majestät. Wir ehren Sie, aber wir fürchten
+Gott.“ -- „Habe ich das um Sie verdient?“ versetzte der König mit
+wachsendem Zorne; „bin ich nicht stets ein Freund Ihrer Kirche gewesen?
+Ich hätte dies nicht von Ihnen erwartet. Aber ich verlange Gehorsam.
+Meine Erklärung muß verlesen werden. Sie sind die Trompeter des
+Aufruhrs. Was wollen Sie hier? Gehen Sie in Ihre Diöcesen und sorgen Sie
+dafür, daß meinen Befehlen gehorcht wird. Dieses Papier will ich
+behalten. Sie bekommen es nicht zurück. Ich werde Sie, die
+Unterzeichner, nicht vergessen.“ -- „Gottes Wille geschehe,“ sagte Ken.
+-- „Gott hat mir die Dispensationsgewalt verliehen,“ fuhr der König
+fort, „und ich werde sie zu behaupten wissen. Ich sage Ihnen, es sind
+noch Siebentausend in Ihrer Kirche, die das Knie nicht vor dem Baal
+gebeugt haben.“ Die Bischöfe entfernten sich ehrerbietig[91]. Noch den
+nämlichen Abend erschien die Petition, die sie dem Könige überreicht
+hatten, Wort für Wort, in Druck und wurde in allen Kaffeehäusern
+ausgelegt und in den Straßen zum Verkauf ausgeboten. Allenthalben
+standen die Leute aus den Betten wieder auf und gingen hinunter auf die
+Straße, um zu sehen, was es gab. Man sagte, daß der Drucker binnen
+wenigen Stunden durch dieses Pennyblatt tausend Pfund verdient habe.
+Dies mag übertrieben sein, aber es beweist wenigstens, daß der Absatz
+ungeheuer war. Wie die Petition in die Öffentlichkeit kam, ist noch
+heute ein Geheimniß. Sancroft versicherte, daß er jede erdenkliche
+Vorsicht beobachtet habe und von keinem andren Exemplare wisse, als von
+dem, welches er selbst geschrieben und das der König aus Lloyd’s Händen
+entgegengenommen hatte. Die Wahrhaftigkeit des Erzbischofs ist über alle
+Zweifel erhaben. Nicht unwahrscheinlich aber ist es, daß einige von den
+anwesenden Geistlichen das kurze Schriftstück ihrem Gedächtniß genau
+eingeprägt und es zum Druck befördert hatten. Die vorherrschende Meinung
+war jedoch, daß eine Person aus der nächsten Umgebung des Königs eine
+Indiscretion oder einen Verrath begangen habe[92]. Kaum weniger Aufsehen
+machte ein kurzer, mit großer logischer Schärfe und in kräftiger Sprache
+geschriebener Brief, der im Geheimen gedruckt und an dem nämlichen Tage
+durch die Post und durch die gewöhnlichen Botenfuhrleute verbreitet
+wurde. Jedem Geistlichen im ganzen Lande wurde ein Exemplar zugesandt.
+Der Verfasser versuchte es nicht, die Gefahr zu verhehlen, der sich
+Diejenigen aussetzten, welche dem königlichen Befehle nicht gehorchten;
+aber er schilderte mit lebhaften Farben die noch größere Gefahr der
+Unterwerfung. „Wenn wir die Erklärung verlesen,“ sagte er, „so fallen
+wir, um uns nicht wieder zu erheben. Und wir werden nicht bedauert,
+sondern nur verachtet werden; wir fallen unter den Verwünschungen einer
+Nation, die unsre Willfährigkeit ins Verderben gestürzt hat.“ Einige
+waren der Meinung, die Schrift sei aus Holland herübergekommen, Andere
+schrieben sie Sherlock zu. Aber Prideaux, Dechant von Norwich, der bei
+der Verbreitung besonders thätig war, hielt sie für das Werk Halifax’.
+
+Das Verfahren der Prälaten fand allgemeinen und lebhaften Beifall; aber
+hier und da ließ sich auch ein Murren vornehmen. Man sagte, daß so
+ernste Männer, wenn ihr Gewissen ihnen geboten hätte, beim Könige zu
+remonstriren, dies früher hätten thun sollen. Wäre es recht gegen ihn
+gehandelt, daß sie ihn bis sechsunddreißig Stunden vor der zur Verlesung
+der Erklärung festgesetzten Zeit im Dunkeln ließen? Selbst wenn er den
+Geheimrathsbefehl hätte zurücknehmen wollen, wäre es dazu zu spät
+gewesen. Aus dem Allen scheine hervorzugehen, daß die Petition nicht den
+Zweck gehabt habe, den König andren Sinnes zu machen, sondern nur die
+Unzufriedenheit des Volks zu erregen[93]. Diese Beschwerden waren jedoch
+völlig grundlos. Der König hatte den Bischöfen einen neuen, unerwarteten
+und in Verlegenheit setzenden Befehl gegeben. Es war ihre Pflicht, mit
+einander in Vernehmen zu treten und so weit als möglich die Ansicht des
+Standes, dessen Oberhäupter sie waren, einzuholen, ehe sie irgend einen
+Schritt thaten. Die Mitglieder waren im ganzen Lande zerstreut, einige
+waren eine volle Tagereise von einander entfernt. Jakob hatte ihnen nur
+vierzehn Tage Zeit gelassen, um sich zu erkundigen, zu berathschlagen
+und einen Entschluß zu fassen, und er konnte sich gewiß nicht darüber
+beklagen, daß diese vierzehn Tage zu Ende gingen, bevor er ihren
+Entschluß erfuhr. Ebenso ist es auch nicht wahr, daß sie ihm nicht Zeit
+ließen, seinen Befehl zurückzunehmen, wenn er hätte so klug sein wollen,
+dies zu thun. Er hätte am Samstag Morgen den Geheimen Rath
+zusammenberufen können und vor dem Abend konnte es in ganz London und
+dessen Vorstädten bekannt sein, daß er den Bitten der Väter der Kirche
+nachgegeben. Der Samstag ging jedoch ohne ein Zeichen von Sinnesänderung
+seitens der Regierung vorüber und der Sonntag kam heran, ein Tag, dessen
+man sich noch lange erinnerte.
+
+ [Anmerkung 91: Sancroft’s Bericht aus Tanner’s Handschriften
+ abgedruckt; Citters, 22. Mai (1. Juni) 1688.]
+
+ [Anmerkung 92: +Burnet, I. 741+; +Revolution Politics+; +Higgins’s
+ Short View.+]
+
+ [Anmerkung 93: +Clarke’s Life of James the Second, II. 155.+]
+
+
+[_Die londoner Geistlichkeit gehorcht dem königlichen Befehle nicht._]
+In der City und den Vorstädten Londons gab es ungefähr hundert
+Pfarrkirchen. Nur in vier derselben wurde der Geheimrathsbefehl befolgt.
+In der St. Gregorskirche wurde die Erklärung von einem Geistlichen,
+Namens Martin, verlesen. Sobald er die ersten Worte sprach, stand die
+ganze Gemeinde auf und entfernte sich. In der St. Matthäuskirche in
+Friday Street wurde ein Elender, Namens Timotheus Hall, der seinen
+Priesterrock geschändet, indem er der Herzogin von Portsmouth bei dem
+Handel mit Begnadigungen als Zwischenträger gedient und der jetzt
+Hoffnung auf das erledigte Bisthum Oxford hatte, ebenfalls von seiner
+Gemeinde in der Kirche allein gelassen. In Serjeant’s Inn, in Chancery
+Lane, gab der Geistliche vor, er habe vergessen, ein Exemplar der
+Erklärung mitzubringen, und der Oberrichter der Kings Bench, welcher
+anwesend war, um darauf zu sehen, daß dem königlichen Befehle gehorcht
+werde, mußte sich mit dieser Entschuldigung begnügen. Samuel Wesley, der
+Vater Johann’s und Karl’s Wesley, Pfarrer in London, wählte an diesem
+Sonntage zum Text seiner Predigt die edle Antwort, welche die drei Juden
+dem chaldäischen Tyrannen gaben: „So sollst Du nun wissen, o König, daß
+wir Deine Götter nicht ehren, noch das güldene Bild, das Du hast setzen
+lassen, anbeten wollen.“ Selbst in der Kapelle des St. Jamespalastes
+hatte der dienstthuende Geistliche den Muth, dem Befehle nicht zu
+gehorchen. Die Knaben von Westminster erinnerten sich noch lange dessen,
+was an jenem Tage in der Abtei vorging. Sprat, Bischof von Rochester,
+fungirte hier als Dechant. Sobald er die Erklärung zu verlesen begann,
+übertäubte das Murren und das Geräusch des sich aus der Kirche
+drängenden Volks seine Stimme. Er zitterte so heftig, daß man das Papier
+in seiner Hand sich bewegen sah. Lange bevor er geendet hatte, war die
+Kirche von Allen verlassen, bis auf Diejenigen, die ihre Stellung zum
+Bleiben nöthigte.[94]
+
+Noch nie war die Kirche der Nation so theuer gewesen, als an jenem
+Nachmittage. Der Geist der Zwietracht schien erloschen zu sein. Baxter
+hielt auf der Kanzel eine Lobrede auf die Bischöfe und die Pfarrer.
+Wenige Stunden später schrieb der holländische Gesandte an die
+Generalstaaten, daß die anglikanische Geistlichkeit in der Achtung des
+Publikums unglaublich gestiegen sei. Die Nonconformisten, sagte er,
+sprächen sich allgemein dahin aus, daß sie lieber unter dem Drucke der
+Strafgesetze bleiben, als ihre Sache von der der Prälaten trennen
+wollten.[95]
+
+So verging noch eine Woche ängstlicher Aufregung, und der zweite Sonntag
+kam heran. Abermals waren die Kirchen der Hauptstadt mit
+Hunderttausenden gefüllt. Die Erklärung wurde nirgends anderwärts
+verlesen, als an den wenigen Orten, wo sie vor acht Tagen verlesen
+worden war. Der Geistliche, der in der Kapelle des St. Jamespalastes
+gepredigt hatte, war seines Amtes entsetzt worden und es erschien ein
+servilerer Geistlicher mit dem Papier in der Hand; aber er war so
+befangen, daß er nicht vernehmlich sprechen konnte. Die Stimmung der
+ganzen Nation hatte sich in der That so gestaltet, daß nur die besten
+und hochherzigsten, oder die schlechtesten und characterlosesten
+Menschen ihr ohne große Angst die Stirn bieten konnten.[96]
+
+ [Anmerkung 94: Citters; 22. Mai (1. Juni) 1688; +Burnet+, I. 740
+ und Lord Dartmouth’s Note; +Southey’s Life of Wesley+.]
+
+ [Anmerkung 95: Citters, 22. Mai (1. Juni) 1688.]
+
+ [Anmerkung 96: +Ibid.+ 29. Mai (8. Juni) 1688.]
+
+
+[_Unschlüssigkeit der Regierung._] Selbst der König war einen Augenblick
+bestürzt über die Heftigkeit des von ihm heraufbeschworenen Sturmes. Was
+sollte er nun zunächst thun? Er mußte entweder vorwärts oder rückwärts
+gehen, und ersteres konnte er nicht ohne Gefahr, letzteres nicht ohne
+Demüthigung. Einmal nahm er sich vor, einen neuen Befehl zu erlassen,
+durch den er der Geistlichkeit in hochmüthigem und zornigem Tone gebot,
+seine Erklärung zu verlesen, und jedem Widerspenstigen mit
+augenblicklicher Amtsentsetzung drohte. Dieser Befehl wurde zu Papier
+gebracht und in die Druckerei geschickt, dann zurückgeholt, dann zum
+zweitenmal in die Druckerei geschickt und noch einmal zurückgeholt.[97]
+Zu einem andren Plane riethen einige von Denen, welche für strenge
+Maßregeln waren. Sie meinten, die Prälaten, welche die Petition
+unterzeichnet hatten, könnten ja vor die kirchliche Commission citirt
+und ihrer Bischofssitze beraubt werden. Gegen dieses Verfahren aber
+wurden im Staatsrathe energische Einwendungen erhoben. Man habe
+angekündigt, daß die Kammern noch vor Ende des Jahres einberufen werden
+sollten und die Lords würden das Absetzungsurtel unzweifelhaft für null
+und nichtig erklären, auf der Einberufung Sancroft’s und seiner
+Mitpetenten bestehen und sich weigern, einen neuen Erzbischof von
+Canterbury oder einen neuen Bischof von Bath und Wells anzuerkennen. So
+würde die Session, die aller Wahrscheinlichkeit nach im günstigen Falle
+immer noch sehr stürmisch werden würde, sogleich mit einem erbitterten
+Streite zwischen der Krone und den Peers beginnen. Wenn daher eine
+Bestrafung der Bischöfe für nöthig gehalten würde, so müßte dieselbe
+nach dem bekannten Gange des englischen Rechtsverfahrens über sie
+verhängt werden. Sunderland hatte sich von Anfang an, soweit er es ohne
+Gefahr wagen konnte, dem Geheimrathsbefehl widersetzt. Jetzt rieth er zu
+einem Verfahren, das zwar nicht frei von Nachtheilen, aber doch das
+klügste und würdigste war, welches der Regierung nach einer Reihe von
+Fehlgriffen noch offen stand. Der König solle mit Huld und Majestät der
+Welt ankündigen, daß das ungehorsame Benehmen der anglikanischen Kirche
+ihn tief verletzt habe, daß er aber die vielen Dienste nicht vergessen
+könne, die diese Kirche in schweren Prüfungszeiten seinem Vater, seinem
+Bruder und ihm selbst geleistet; daß er als Freund der Gewissensfreiheit
+nicht streng gegen Männer verfahren wolle, deren allerdings
+irregeleitetes und über alle Maßen bedenkliches Gewissen ihnen nicht
+erlaubt habe, seinen Befehlen zu gehorchen, und daß er daher die
+Schuldigen der Strafe überlassen werde, die ihre eigne Überzeugung ihnen
+zuerkennen müsse, wenn sie ihre neuesten Schritte mit den loyalen
+Grundsätzen verglichen, deren sie sich so laut gerühmt hätten. Nicht
+allein Powis und Bellasyse, welche stets für gemäßigte Beschlüsse waren,
+sondern selbst Dover und Arundell neigten sich zu diesem Vorschlage hin.
+Jeffreys dagegen behauptete, daß die Regierung entehrt sein würde, wenn
+sie solche Verbrecher, wie die sieben Bischöfe, mit einem bloßen
+Verweise davon kommen ließe. Er wünschte jedoch nicht, daß sie vor die
+Hohe Commission, in welcher er als erster oder vielmehr einziger Richter
+saß, geladen würden, denn die Last des öffentlichen Hasses, die er
+bereits zu tragen hatte, war selbst für seine schamlose Stirn und sein
+verknöchertes Herz zu groß, und er erschrak vor der Verantwortlichkeit,
+die er durch eine gesetzwidrige Verurtheilung der Oberhäupter der
+Staatskirche und der Lieblinge des Volkes auf sich geladen haben würde.
+
+ [Anmerkung 97: +Ibid.+]
+
+
+[_Es wird eine gerichtliche Verfolgung der Bischöfe wegen Libells
+beschlossen._] Jeffreys empfahl deshalb einen Criminalprozeß gegen sie
+anhängig zu machen. In Folge dessen wurde beschlossen, den Erzbischof
+und die sechs anderen Bittsteller unter der Anklage auf Abfassung eines
+aufrührerischen Libells vor den Gerichtshof der Kings Bench zu stellen.
+Daß sie für schuldig befunden werden würden, daran war kaum zu zweifeln,
+denn die Richter und ihre Unterbeamten waren Werkzeuge des Hofes.
+Seitdem der Hauptstadt ihr alter Freibrief entzogen worden, war kaum ein
+Gefangener, den die Regierung bestraft wissen wollte, von einer Jury
+freigesprochen worden. Die widerspenstigen Prälaten wurden höchst
+wahrscheinlich zu unerschwinglichen Geldbußen und langer Haft
+verurtheilt und waren dann froh, wenn sie sich dadurch loskaufen
+konnten, daß sie in und außer dem Parlament den Absichten des Königs
+dienten.[98]
+
+Am 27. Mai wurde den Bischöfen angekündigt, daß sie am 8. Juni vor dem
+Könige im Geheimen Rathe erscheinen sollten. Warum eine so lange Frist
+gestattet wurde, ist uns nicht bekannt. Vielleicht hoffte Jakob, daß
+einige der Schuldigen sich aus Furcht vor seiner Ungnade bis zu dem zum
+Verlesen der Erklärung bestimmten Tage noch fügen und, um sich mit ihm
+auszusöhnen, die Geistlichen ihrer Diöcesen zum Gehorsam überreden
+würden. Wenn dies wirklich seine Hoffnung war, so wurde sie vollständig
+getäuscht. Der 3. Juni kam und alle Theile Englands folgten dem
+Beispiele der Hauptstadt. Die Bischöfe von Norwich, Gloucester,
+Salisbury, Winchester und Exeter hatten bereits Abschriften der Petition
+zum Beweis ihrer Zustimmung unterzeichnet; der Bischof von Worcester
+hatte sich geweigert, die Erklärung unter seine Geistlichen zu
+vertheilen; der Bischof von Hereford hatte sie vertheilt, wurde aber,
+wie allgemein bekannt war, deshalb von Reue und Scham gequält. Von
+fünfzig Pfarrern fügte sich noch nicht einer dem Geheimrathsbefehl. In
+der großen Diöcese Chester, welche die Grafschaft Lancaster umfaßt,
+konnte Cartwright nicht mehr als drei Geistliche zum Gehorsam gegen den
+König bewegen. Die Diöcese Norwich enthält viele hundert Pfarreien, und
+nur in vieren davon wurde die Erklärung verlesen. Dem höfischen Bischof
+von Rochester gelang es nicht, die Gewissensscrupel des
+Gefängnißpredigers von Chatham, der von der Regierung besoldet wurde, zu
+heben. Es existirt noch ein rührender Brief, den dieser wackere
+Geistliche an den Sekretär der Admiralität schrieb. „Ich kann wohl nicht
+erwarten,“ schrieb er darin, „daß Euer Ehren sich für mich verwenden.
+Der Wille Gottes geschehe. Ich will lieber leiden, als sündigen“[99].
+
+ [Anmerkung 98: Barillon, 24. Mai (3. Juni), 31. Mai (10. Juni)
+ 1688; Citters, 1.(11.) Juli; Adda 25. Mai (4. Juni), 30. Mai (9.
+ Juni), 1.(11.) Juni; +Clarke’s Life of James the Second, II.
+ 158+.]
+
+ [Anmerkung 99: +Burnet, I. 740+; +Life of Prideaux+; Citters,
+ 12.(22.), 15.(25.) Juni 1688; +Tanner MS.+; +Life and
+ Correspondence of Pepys+.]
+
+
+[_Sie werden im Geheimen Rathe verhört._] Am Abend des 8. Juni begaben
+sich die sieben Prälaten, von den ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten
+Englands gehörig instruirt, in den Palast, wo sie alsbald in das
+Geheimrathszimmer gerufen wurden. Ihre Petition lag auf dem Tische. Der
+Kanzler nahm das Papier, zeigte es dem Erzbischofe und sagte: „Ist dies
+die Schrift, die Euer Gnaden aufgesetzt und welche die hier anwesenden
+Bischöfe Seiner Majestät überreicht haben?“ Sancroft warf einen Blick
+auf das Papier und sagte dann zum Könige: „Sire, ich stehe hier als
+Angeklagter. Ich war dies noch nie und hätte früher nicht geglaubt, daß
+ich es je einmal werden könnte. Am allerwenigsten aber habe ich daran
+gedacht, daß mir ein Vergehen gegen meinen König zur Last gelegt werden
+könnte. Da ich aber das Unglück habe, in diese Lage gekommen zu sein, so
+wird Eure Majestät es mir nicht übel nehmen, wenn ich von dem mir
+gesetzlich zustehenden Rechte Gebrauch mache, nichts zu sagen, was mich
+als schuldig erscheinen lassen könnte.“ -- „Dies ist bloße Chikane,“
+erwiederte der König. „Euer Gnaden werden hoffentlich nicht so
+gewissenlos sein, daß Sie Ihre eigne Hand verleugnen?“ -- „Sire,“ sagte
+Lloyd, der die Casuistik gründlich studirt hatte, „alle Theologen
+stimmen darin überein, daß Jemand, der sich in unsrer Lage befindet, die
+Antwort auf eine solche Frage verweigern darf.“ Der König, der eben so
+beschränkten Verstandes, als heftigen Temperamentes war, wußte nicht
+sogleich was der Prälat meinte. Er beharrte jedoch auf seinem Verlangen
+und gerieth in sichtbaren Zorn. „Sire,“ hob der Erzbischof wieder an,
+„ich bin nicht verpflichtet, mich selbst anzuklagen. Dessenungeachtet
+will ich, wenn Eure Majestät es durchaus befiehlt, eine Antwort geben,
+in dem Vertrauen, daß ein gerechter und edelsinniger Fürst das was ich
+lediglich aus Gehorsam gegen Höchstdessen Befehl thue, nicht als
+Rechtsbeweis gegen mich anwenden lassen wird.“ -- „Sie dürfen mit Ihrem
+Souverain nicht kapituliren,“ sagte der Kanzler. „Nein,“ setzte der
+König hinzu, „ich werde einen solchen Befehl nicht geben. Wenn Sie es
+vorziehen, Ihre eigenen Handschriften abzuleugnen, so habe ich Ihnen
+nichts mehr zu sagen.“
+
+Die Bischöfe wurden zu wiederholten Malen ins Vorzimmer hinausgeschickt
+und eben so oft wieder hereingerufen. Endlich gab ihnen Jakob den
+bestimmten Befehl, auf die Frage zu antworten. Er verpflichtete sich
+allerdings nicht ausdrücklich dazu, daß ihr Geständniß nicht gegen sie
+angewendet werden sollte; aber nach dem was vorausgegangen war, mußten
+sie natürlich annehmen, daß diese Zusage selbstverständlich mit in dem
+Befehle enthalten sei. Sancroft erkannte seine Handschrift an, und seine
+Collegen folgten seinem Beispiele. Hierauf wurden sie über den Sinn
+einiger in der Petition vorkommenden Worte und über den Brief befragt,
+der im ganzen Lande verbreitet worden war und so großes Aufsehen gemacht
+hatte; aber ihre Antworten waren so vorsichtig, daß durch das Verhör
+nichts gewonnen wurde. Der Kanzler sagte ihnen nun, daß eine
+Criminaluntersuchung bei der Kings Bench gegen sie eingeleitet werden
+würde und forderte sie auf, sich wegen ihres Erscheinens jeder für seine
+eigne Person zu verpflichten. Dies lehnten sie aber ab. Sie seien Peers
+des Reiches, sagten sie, die besten Rechtsgelehrten von Westminster Hall
+hätten ihnen gesagt, daß keinem Peer in einer Untersuchung wegen Libells
+persönliche Bürgschaft angesonnen werden könne, und sie hielten sich
+nicht für berechtigt, auf eines ihrer Standesvorrechte zu verzichten.
+Der König war einfältig genug, es als eine persönliche Beleidigung gegen
+sich zu betrachten, daß die Bischöfe in einer Rechtsfrage sich durch
+juristischen Rath leiten ließen. „Sie glauben ja auch jedem Andren eher
+als mir,“ sagte er. Er fühlte sich ernstlich gedemüthigt und beunruhigt,
+denn er war so weit gegangen, daß ihm, wenn sie auf ihrem Vorsatze
+beharrten, nichts Andres übrig blieb, als sie in’s Gefängniß zu
+schicken, und wenn er auch keineswegs _alle_ Folgen eines solchen
+Schrittes voraussah, so sah er doch so viel davon voraus, daß ihm bange
+wurde. Sie blieben fest. Es wurde daher wirklich ein Befehl
+ausgefertigt, welcher den Gouverneur des Tower anwies, sie in sicherem
+Gewahrsam zu halten und eine Barke brachte sie den Fluß hinunter nach
+dem Staatsgefängnisse.[100]
+
+Ganz London wußte, daß die Bischöfe vor dem Geheimen Rathe standen. Das
+Publikum war in gespannter Erwartung. Eine große Menschenmenge füllte
+die Höfe von Whitehall und alle umliegenden Straßen. Viele Leute
+pflegten sich damals an Sommerabenden an der kühlen Themseluft zu
+erlaben; an diesem Abend aber war der ganze Fluß mit Böten bedeckt. Als
+die sieben Bischöfe in Begleitung einer Wache erschienen, konnte das
+Volk seine Gefühle nicht mehr beherrschen. Tausende fielen auf die Knie
+und beteten laut für die Männer, welche mit dem christlichen Muthe eines
+Ridley und Latimer einem von der ganzen Bigotterie der Maria erfüllten
+Tyrannen Trotz geboten hatten. Viele sprangen in den Fluß und riefen,
+bis über den Hüften in Schlamm und Wasser stehend, die heiligen Väter um
+ihren Segen an. Auf der ganzen Strecke von Whitehall bis zur
+London-Brücke fuhr die königliche Barke zwischen Reihen von Böten, aus
+denen beständig der Ruf: „Gott segne Eure Lordschaften!“ ertönte. Der
+König gab in seiner Angst Befehl, daß die Besatzung des Tower verstärkt,
+die Garden zum Feuern bereit gehalten und zwei Compagnien von jedem
+Regiment im ganzen Reiche unverzüglich nach London berufen werden
+sollten. Die Militairmacht aber, die er als das zuverlässigste Werkzeug
+zur Bändigung des Volkes ansah, theilte alle Gefühle desselben. Selbst
+die Schildwachen, welche am Verrätherthore unter Waffen standen, baten
+die Märtyrer, die sie bewachen sollten, um ihren Segen. Der Gouverneur
+des Tower war Sir Eduard Hales. Er war nicht eben geneigt, seine
+Gefangenen freundlich zu behandeln, denn er war von der Kirche, für die
+sie litten, abgefallen und bekleidete kraft der Dispensationsgewalt,
+gegen die sie protestirt hatten, mehrere einträgliche Stellen. Mit
+Entrüstung vernahm er, daß seine Soldaten auf das Wohl der Bischöfe
+tranken, und er befahl seinen Offizieren, dies ein für allemal zu
+verbieten; aber diese brachten ihm die Meldung, daß es sich nicht mehr
+verhindern lasse und daß in der ganzen Besatzung keine andre Gesundheit
+mehr ausgebracht werde. Übrigens bewiesen die Truppen ihre Verehrung für
+die Väter der Kirche nicht allein durch Toaste. Im ganzen Tower
+herrschte eine so andächtige Stimmung, daß fromme Geistliche dem Himmel
+dankten, daß er aus Bösem Gutes hervorgehen ließe und die Verfolgung
+seiner treuen Diener zum Rettungsmittel für viele Seelen machte. Tag für
+Tag sah man die Equipagen und Livreen der vornehmsten Kavaliere Englands
+vor den Eingängen des Gefängnisses, und Tausende von Zuschauern aus den
+bürgerlichen Klassen bedeckten fortwährend Towerhill.[101] Von den
+verschiedenen Zeichen der öffentlichen Verehrung und Theilnahme für die
+Prälaten erfüllte aber namentlich eines mehr als alle anderen den König
+mit Zorn und Besorgniß. Er erfuhr, daß eine Deputation von zehn
+nonconformistischen Geistlichen die Bischöfe im Tower besucht hatte. Er
+ließ vier von ihnen zu sich entbieten und machte ihnen persönlich
+heftige Vorwürfe; sie aber antworteten ihm muthig, daß sie es für ihre
+Pflicht hielten, vergangene Streitigkeiten zu vergessen und zu den
+Männern zu stehen, welche die Träger des protestantischen Glaubens
+seien.[102]
+
+ [Anmerkung 100: Sancroft’s Bericht, abgedruckt aus Tanner’s
+ Handschriften.]
+
+ [Anmerkung 101: +Burnet, I. 741+; Citters, 8.(18.), 12.(22.) Juni
+ 1688; +Luttrell’s Diary, June 8+; +Evelyn’s Diary+, Brief von
+ +Dr.+ Ralson an seine Gattin vom 14. Juni abgedruckt aus Tanner’s
+ Handschriften; +Reresby’s Memoirs+.]
+
+ [Anmerkung 102: +Reresby’s Memoirs+.]
+
+
+[_Geburt des Prätendenten._] Kaum hatten sich die Thore des Tower hinter
+den Gefangenen geschlossen, so trat ein Ereigniß ein, welches die
+allgemeine Aufregung noch vermehrte. Es war angekündigt worden, daß die
+Königin erst im Juli ihre Entbindung erwarte. Den Tag nach dem Verhöre
+der Bischöfe aber bemerkte man, daß der König sich angelegentlich nach
+ihrem Befinden erkundigte. Sie saß jedoch diesen Abend noch bis gegen
+Mitternacht in Whitehall am Spieltisch. Dann aber wurde sie in einer
+Sänfte in den St. Jamespalast gebracht, wo in aller Eil Zimmer für sie
+eingerichtet worden waren. Bald darauf eilten Boten nach allen
+Richtungen hin, um Ärzte und Priester, Staatsräthe und Kammerdamen
+herbeizuholen. Binnen wenigen Stunden waren eine Menge Staatsbeamte und
+vornehme Damen im Zimmer der Königin versammelt, und hier wurde am
+Morgen des 10. Juni, einem Sonntage, der von den allzutreuen Freunden
+einer schlechten Sache lange in Ehren gehalten wurde, der unglücklichste
+aller Fürsten geboren, bestimmt zu siebenundsiebzig Jahren der
+Verbannung und des Umherirrens, zu einem Leben voll eitler Pläne, voll
+Ehrenbezeigungen, welche kränkender sind als offene Beleidigungen, und
+voll Hoffnungen, die das Herz vor Gram vergehen lassen.
+
+
+[_Man hält ihn allgemein für untergeschoben._] Die traurigen Schicksale
+des armen Kindes begannen schon vor seiner Geburt. Die Nation über
+welche er nach der gewöhnlichen Erbfolgeordnung einst regiert haben
+würde, war fest überzeugt, daß seine Mutter gar nicht schwanger sei.
+Wäre seine Geburt auch durch noch so viele Zeugen bewiesen worden,
+ein großer Theil des Volks würde trotzdem wahrscheinlich bei der
+Behauptung geblieben sein, daß die Jesuiten ein geschicktes
+Taschenspielerkunststück ausgeführt hätten; der Beweis für die Thatsache
+ließ aber, theils durch Zufall, theils durch grobe Versehen manchen
+Einwürfen und Zweifeln Raum. Es waren zwar viele Personen beiderlei
+Geschlechts im königlichen Schlafgemache anwesend, als das Kind das
+Licht der Welt erblickte, aber keine von ihnen erfreute sich des
+öffentlichen Vertrauens im besonderen Grade. Von den anwesenden
+Geheimräthen waren die Hälfte Katholiken und die, welche sich
+Protestanten nannten, galten allgemein für Verräther an Gott und
+Vaterland. Unter den Kammerdamen befanden sich viele Französinnen,
+Italienerinnen und Portugiesinnen, und von den englischen Damen waren
+einige selbst Papistinnen, andere die Gattinnen von Papisten. Mehrere
+Personen, welche vorzugsweise hätten anwesend sein sollen, und deren
+Zeugniß allen Verständigen genügt haben würde, fehlten und man legte die
+Schuld an ihrer Abwesenheit dem Könige zur Last. Die Prinzessin Anna war
+von allen Bewohnern der ganzen Insel am meisten bei der Sache
+interessirt. Ihr Geschlecht und ihre Erfahrung berechtigte sie, als
+Wächterin des Geburtsrechts ihrer Schwester und ihres eigenen
+aufzutreten. Sie hatte starken Verdacht geschöpft, in welchem sie
+täglich durch geringfügige oder imaginäre Umstände bestärkt wurde. Es
+schien ihr, als ob die Königin geflissentlich ihren Fragen auswiche und
+sie schrieb diese Zurückhaltung, welche vielleicht im Zartgefühl ihren
+Grund hatte, dem Schuldbewußtsein zu.[103] In Folge dessen hatte Anna
+sich vorgenommen, an dem entscheidenden Tage anwesend zu sein und ein
+scharfes Auge zu haben. Sie hatte es aber nicht für nöthig gehalten,
+schon einen Monat vor diesem Tage auf ihrem Posten zu sein, sondern war
+mit Bewilligung und angeblich auf Anrathen ihres Vaters nach Bath
+gereist, um dort eine Brunnenkur zu gebrauchen. Sancroft, dessen hohe
+Stellung ihm die Pflicht auferlegte, anwesend zu sein, und in dessen
+Rechtschaffenheit die Nation volles Vertrauen setzte, war einige Stunden
+vorher von Jakob in den Tower geschickt worden. Die Hyde waren die
+geeigneten Beschützer der Rechte beider Prinzessinnen. Der holländische
+Gesandte konnte als der Vertreter Wilhelm’s betrachtet werden, der als
+der erste Prinz von Geblüt und als Gemahl der ältesten Tochter des
+Königs das größte Interesse an dem Ereignisse hatte. Jakob aber dachte
+nicht daran, ein männliches oder weibliches Mitglied der Familie Hyde
+herbeizurufen und eben so wenig wurde der holländische Gesandte
+zugezogen.
+
+Die Nachwelt hat den König von dem Betrug, dessen sein Volk ihn
+beschuldigte, vollkommen freigesprochen. Unmöglich aber kann man ihn von
+der Thorheit und Verkehrtheit freisprechen, welche den Irrthum seiner
+Zeitgenossen erklären und entschuldigen. Er wußte recht gut, welche
+argwöhnischen Vermuthungen man im Publikum hegte,[104] und er hätte eben
+so gut wissen können, daß dieser Argwohn nicht durch das Zeugniß von
+Mitgliedern der römischen Kirche oder solchen Personen zerstreut werden
+konnte, die sich zwar Mitglieder der anglikanischen Kirche nannten, aber
+sich ganz bereit gezeigt hatten, die Interessen dieser Kirche zu opfern,
+um seine Gunst zu gewinnen. Daß der Eintritt des Ereignisses ihn vor der
+erwarteten Zeit überraschte, ist wahr, aber er hatte immerhin zwölf
+Stunden vor sich, um seine Anordnungen zu treffen. So gut als er den St.
+Jamespalast mit Bigotten und Schmarotzern füllen konnte, deren Wort die
+Nation nicht traute, eben so gut hätte er auch für die Anwesenheit
+einiger angesehenen Personen sorgen können, deren treue Anhänglichkeit
+an die Prinzessinnen und an die Landeskirche außer Zweifel stand.
+
+Zu einer späteren Zeit, als er für seine tollkühne Verachtung der
+öffentlichen Meinung schwer gebüßt hatte, pflegte man in Saint-Germain
+ihn dadurch zu entschuldigen, daß man die Schuld auf Andere wälzte.
+Einige Jakobiten behaupteten, Anna habe sich absichtlich fern gehalten,
+ja sie scheuten sich nicht zu sagen, Sancroft habe den König
+herausgefordert, ihn in den Tower zu schicken, damit das Zeugniß,
+welches die Verleumdungen der Unzufriedenen widerlegen konnte,
+mangelhaft wäre.[105] Die Abgeschmacktheit dieser Beschuldigung ist
+handgreiflich. Konnte Anna oder Sancroft vermuthen, daß die Königin sich
+in ihrer Berechnung um einen ganzen Monat geirrt hatte? Wäre ihre
+Berechnung richtig gewesen, so würde Anna gewiß, um der Entbindung
+beiwohnen zu können, zur rechten Zeit von Bath zurückgekehrt und
+Sancroft nicht im Tower gewesen sein. Jedenfalls aber waren die
+mütterlichen Oheime der Tochter des Königs weder von London entfernt
+noch im Gefängniß. Die nämlichen Boten, welche die ganze Schaar der
+Renegaten, Dover, Peterborough, Murray, Sunderland und Mulgrave,
+herbeiholten, hätten ganz eben so leicht auch Clarendon herbeirufen
+können. Er war so gut Geheimer Rath als sie, und seine Wohnung befand
+sich in Jermyn Street, keine zweihundert Schritt von den Gemächern der
+Königin. Dennoch ließ man es ihn erst in der St. Jameskirche durch die
+Bewegung und das Geflüster der Gemeinde erfahren, daß seine Nichte
+aufgehört hatte, die präsumtive Thronerbin zu sein.[106] Gehörte er etwa
+deshalb nicht in das Entbindungszimmer, weil er ein naher Verwandter der
+Prinzessinnen von Oranien und von Dänemark war, oder weil er
+unerschütterlich treu an der anglikanischen Kirche hing?
+
+Die ganze Nation sprach es laut und offen aus, daß ein Betrug gespielt
+worden sei. Mehre Monate lang hätten die Papisten auf der Kanzel und
+durch die Presse, in Prosa und in Versen, in englischer und in
+lateinischer Sprache prophezeit, daß die Bitten der Kirche erhört und
+ein Prinz von Wales geboren werden würde, und sie hätten jetzt selbst
+ihre Prophezeiung erfüllt. Jeder nicht zu bestechende oder zu
+hintergehende Zeuge sei sorgfältig ausgeschlossen worden. Anna habe man
+arglistigerweise zu einer Reise nach Bath überredet. Der Primas sei
+gerade am Tage vor dem zur Ausführung des Betrugs bestimmten den
+Vorschriften des Gesetzes und der Privilegien der Peers zum Trotz ins
+Gefängniß geworfen worden. Nicht eine einzige männliche oder weibliche
+Person, die das geringste Interesse an der Enthüllung des Betrugs haben
+konnte, sei zugezogen worden. Man habe die Königin plötzlich mitten in
+der Nacht in den St. Jamespalast gebracht, weil dieses Gebäude, für
+unehrliche Zwecke passender eingerichtet als Whitehall, einige für die
+Absichten der Jesuiten vortrefflich geeignete Zimmer und Gänge enthalte.
+Hier sei inmitten eines Kreises von Zeloten, denen nichts, was die
+Interessen ihrer Kirche fördern konnte, ein Verbrechen dünkte, und von
+Höflingen, welche nichts, was zu ihrer Bereicherung und Erhebung
+beitragen konnte, für Sünde hielten, ein neugeborenes Kind ins Bett der
+Königin practicirt und dann triumphirend als Erbe dreier Königreiche
+herumgegeben worden. Durch diesen zwar unbegründeten, aber nicht ganz
+unnatürlichen Verdacht aufgeregt, drängten sich die Leute nur um so
+eifriger danach, den frommen Opfern des Tyrannen zu huldigen, der,
+nachdem er lange seinem Volke das empörendste Unrecht zugefügt, das Maß
+seiner Schändlichkeit voll machte, indem er sich noch empörender an
+seinen eigenen Kindern verging[107].
+
+Der Prinz von Oranien, der selbst keinen Betrug argwöhnte und den
+Zustand der Volksstimmung in England nicht kannte, ordnete Dankgebete
+für seinen kleinen Schwager unter seinem eigenen Dache an und schickte
+Zulestein mit einem förmlichen Beglückwünschungsschreiben nach London.
+Zulestein hörte zu seinem großen Erstaunen Jedermann ganz offen von dem
+schändlichen Betruge sprechen, den die Jesuiten eben begangen haben
+sollten, und erblickte jede Stunde ein neues Pasquill auf die
+Schwangerschaft und die Entbindung der Königin. Er schrieb sehr bald
+nach dem Haag, von zehn Personen glaube nicht eine, daß die Königin
+dieses Kind geboren habe[108].
+
+Das Benehmen der gefangenen Prälaten erhöhte inzwischen die allgemeine
+Theilnahme, die ihre Lage erweckte. Am Abend des „schwarzen Freitags“,
+wie man den Tag ihrer Einkerkerung nannte, kamen sie gerade zur Stunde
+des Gottesdienstes in ihrem Gefängnisse an. Sie begaben sich sogleich in
+die Kapelle. Der Zufall wollte, daß im zweiten Vorlesestück die Worte
+vorkamen: „In allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes in
+großer Geduld und Trübsalen, in Nöthen und Ängsten, in Schlägen, in
+Gefängnissen.“ Alle eifrigen Anhänger der Staatskirche freuten sich
+dieses Zusammentreffens und erinnerten sich, wie ein ganz ähnliches vor
+fast vierzig Jahren Karl I. in seiner Todesstunde getröstet und erhoben
+hatte.
+
+Am Abend des folgenden Tages, Samstag den 9. Juni, kam ein Schreiben von
+Sunderland, welcher dem Kaplan des Tower befahl, am nächsten Morgen beim
+Gottesdienste die Erklärung zu verlesen. Da die in dem Geheimrathsbefehl
+zur Verlesung in London bestimmte Zeit längst verstrichen war, so konnte
+dieses Verfahren der Regierung nur als eine ganz gemeine und kindische
+persönliche Insulte gegen die ehrwürdigen Gefangenen betrachtet werden.
+Der Kaplan weigerte sich zu gehorchen; er wurde sofort entlassen und die
+Kapelle geschlossen[109].
+
+ [Anmerkung 103: Correspondenz zwischen Anna und Marie in
+ Dalrymple; +Clarendon’s Diary Oct. 31. 1688+.]
+
+ [Anmerkung 104: Dies geht aus Clarendon’s Tagebuche vom 31. Oct.
+ 1688 klar hervor.]
+
+ [Anmerkung 105: +Clarke’s Life of James the Second, II. 159.
+ 160.+]
+
+ [Anmerkung 106: +Clarendon’s Diary, June 10. 1688.+]
+
+ [Anmerkung 107: Johnstone giebt in kurzen Worten eine treffliche
+ Übersicht der gegen den König erhobenen Beschuldigungen. „Die
+ große Masse des Volks ist der Meinung, daß Alles ein Betrug sei,
+ denn, sagen sie, die Berechnung treffe nicht zu, die Prinzessin
+ sei entfernt und weder Jemand von der Familie Clarendon noch der
+ holländische Gesandte herbeigerufen worden; dazu komme noch der
+ plötzliche Eintritt des Ereignisses, die Predigten, die Zuversicht
+ der Priester und die Eil.“ -- 13. Juni 1688.]
+
+ [Anmerkung 108: Ronquillo, 26. Juli (5. Aug.). Ronquillo setzt
+ hinzu, daß Zulestein’s Bericht über den Zustand der öffentlichen
+ Meinung vollkommen wahr sei.]
+
+ [Anmerkung 109: Citters, 12.(22.) Juni 1688; +Luttrell’s Diary,
+ June 18.+]
+
+
+[_Die Bischöfe werden vor die Kings Bench gestellt und müssen Bürgschaft
+leisten._] Die Bischöfe erbauten Alle, die sich ihnen näherten, durch
+die Standhaftigkeit und Freudigkeit, mit der sie ihre Haft ertrugen,
+durch die Bescheidenheit und Demuth, mit der sie die Beifallsbezeigungen
+und Segenswünsche der ganzen Nation aufnahmen, und durch die loyale
+Anhänglichkeit, die sie für den Tyrannen, der sie in’s Verderben stürzen
+wollte, an den Tag legten. Am Freitag den 15. Juni, dem ersten
+Sitzungstage der Kings Bench, wurden sie vor diesen Gerichtshof
+gestellt. Eine ungeheure Menschenmenge erwartete ihre Ankunft. Vom
+Landungsplatze bis zur Court of Requests gingen sie durch eine
+Doppelreihe von Zuschauern, welche ihnen Segenswünsche und Beifall
+zuriefen. „Lieben Freunde,“ sagten die Gefangenen im Vorübergehen,
+„ehret den König und gedenket unserer in Euren Gebeten.“ Diese
+demüthigen und frommen Worte rührten Viele bis zu Thränen. Als sich der
+Zug endlich durch das Gedränge einen Weg gebahnt hatte und vor den
+Richtern angekommen war, verlas der Generalfiskal die Anklage, welche er
+auf hohen Befehl ausgearbeitet hatte und stellte den Antrag, daß die
+Beklagten aufgefordert werden sollten, auf die Klage einzugehen. Der
+Vertheidiger wendete dagegen ein, die Bischöfe seien gesetzwidrig
+verhaftet worden, und ihr Erscheinen vor dem Gerichtshofe sei daher
+nicht ordnungsgemäß. Die Frage, ob ein Peer unter einer Anklage wegen
+Libells sein Erscheinen vor Gericht gehörig zu verbürgen habe, wurde
+ausführlich erörtert und endlich von der Mehrheit der Richter zu Gunsten
+der Krone entschieden. Die Gefangenen erklärten sich nun für
+nichtschuldig. Der vierzehnte Tag darauf, der 29. Juni, wurde zur
+Verhandlung ihres Prozesses anberaumt. Bis dahin wurden sie gegen das
+persönliche Versprechen, sich zu stellen, in Freiheit gesetzt. Die
+Kronanwälte thaten sehr weise daran, aß sie keine fremde Bürgschaft
+verlangten, denn Halifax hatte dafür gesorgt, daß einundzwanzig
+weltliche Peers vom höchsten Ansehen, je drei für einen Angeklagten, zur
+Bürgschaftleistung bereit waren, und eine solche Gesinnungsäußerung des
+hohen Adels würde für die Regierung ein harter Schlag gewesen sein. Eben
+so wußte man, daß einer der reichsten, Dissenters der Hauptstadt um die
+Ehre nachgesucht hatte, für Ken Bürgschaft leisten zu dürfen.
+
+Die Bischöfe durften nun in ihre Heimath zurückkehren. Das niedere Volk,
+welches von dem bei der Kings Bench beobachteten Gerichtsverfahren
+nichts wußte und nur sah, daß ihre Lieblinge, nachdem sie unter
+Bedeckung nach Westminster Hall gebracht worden waren, jetzt sich in
+voller Freiheit wieder entfernen durften, glaubte, die gute Sache habe
+gesiegt, und brach in lauten Beifallsjubel aus, während zugleich
+fröhliches Glockengeläute von allen Thürmen ertönte. Sprat erstaunte
+nicht wenig, als er die Glocken seiner eigenen Abtei lustig erklingen
+hörte. Er brachte sie sofort zum Schweigen, aber seine Einmischung
+erregte viel unwilliges Murren. Die Bischöfe wußten gar nicht, wie sie
+sich vor der zudringlichen Masse ihrer Freunde retten sollten. Lloyd
+wurde im Palasthofe von Verehrern zurückgehalten, die sich um die Gunst
+stritten, seine Hände zu berühren und den Saum seines Rockes zu küssen,
+bis endlich Clarendon ihn nicht ohne Anstrengung befreite und ihn durch
+eine Seitengasse nach Hause führte. Man sagte, Cartwright sei so
+unvorsichtig gewesen, sich unter das Volk zu mischen. Jemand, der ihn an
+seinem Bischofsgewand erkannte, erbat sich und erhielt seinen Segen.
+„Wißt Ihr, von wem Ihr Euch eben habt segnen lassen?“ rief einer der
+Umstehenden. „Nun, es war doch gewiß einer von den Sieben?“ versetzte
+Der, welcher eben mit dem Segen beehrt worden war. „Nein,“ entgegnete
+der Andere, „es war der papistische Bischof von Chester.“ --
+„Papistischer Hund!“ rief der Protestant wüthend, „nimm Deinen Segen
+zurück!“
+
+Der Zusammenlauf und die Aufregung waren so groß, daß der holländische
+Gesandte sich wunderte, den Tag ohne einen Aufstand enden zu sehen. Dem
+Könige war durchaus nicht wohl zu Muthe gewesen. Um jede Ruhestörung
+sogleich unterdrücken zu können, hatte er am Morgen in Hydepark mehrere
+Bataillone Infanterie gemustert. Es ist jedoch keineswegs ausgemacht,
+daß diese Truppen zu ihm gehalten haben würden, wenn er ihrer Dienste
+bedurft hätte. Als Sancroft am Nachmittag in Lambeth ankam, fand er die
+in dieser Vorstadt liegenden Grenadiergarden vor dem Eingange seines
+Palastes versammelt. Sie stellten sich in einer Doppelreihe auf und
+während er zwischen ihnen hinschritt, baten sie ihn um seinen Segen. Nur
+mit Mühe hielt er sie davon ab, daß sie zur Feier seiner Rückkehr in
+seine Wohnung ein Freudenfeuer anzündeten. Es brannten übrigens an jenem
+Abend mehrere Freudenfeuer in der Hauptstadt. Zwei Katholiken, welche so
+unbesonnen waren, einige Knaben zu schlagen, weil sie an diesen
+öffentlichen Freudenbezeigungen Theil nahmen, wurden vom Pöbel
+ergriffen, nackt ausgezogen und schimpflich gebrandmarkt[110].
+
+Jetzt forderte Sir Eduard Hales seine Gebühren von den Bischöfen, die
+seine Gefangenen gewesen waren. Sie weigerten sich, einem Beamten,
+dessen Bestallung sie nach ihren Grundsätzen für null und nichtig
+ansahen, etwas für eine in ihren Augen gesetzwidrige Haft zu bezahlen.
+Hierauf gab ihnen der Gouverneur sehr deutlich zu verstehen, daß, wenn
+sie noch einmal in seine Hände kämen, er sie in schwere Eisen legen und
+auf die nackten Steine betten werde. „Wir haben uns die Ungnade unsres
+Königs zugezogen,“ war ihre Antwort, „und wir empfinden dies sehr
+schmerzlich; ein Mitunterthan aber, der uns droht, strengt nutzlos seine
+Lunge an.“ Man kann leicht denken, mit welchem Unwillen das ohnehin
+schon gereizte Volk erfuhr, daß ein vom protestantischen Glauben
+Abgefallener, der den Grundgesetzen Englands zum Hohn einen
+Commandoposten bekleidete, es gewagt hatte, ehrwürdigen Geistlichen mit
+allen Barbareien von Lollard’s Tower zu drohen[111].
+
+ [Anmerkung 110: Über die Ereignisse dieses Tages sehe man die
+ +Collection of State Trials+; +Clarendon’s Diary+; +Luttrell’s
+ Diary+; Citters, 15.(25.) Juni; Johnstone, 18. Juni und
+ +Revolution Politics.+]
+
+ [Anmerkung 111: Johnstone, 18. Juni 1688; +Evelyn’s Diary, June
+ 29.+]
+
+
+[_Aufregung der Gemüther._] Bis zu dem Tage des Prozesses hatte sich die
+Aufregung nach den entferntesten Winkeln der Insel verbreitet. Aus
+Schottland erhielten die Bischöfe Zuschriften, in denen sie der
+Sympathie aller Presbyterianer dieses dem Prälatenthum so lange und so
+bitter Feind gewesenen Landes versichert wurden[112]. Die Bevölkerung
+von Cornwall, ein trotziges, kühnes und herkulisches Geschlecht, das ein
+stärkeres Provinzialgefühl hatte, als man es in irgend einem andren
+Theile des Landes fand, nahm großen Antheil an der Gefahr, in welcher
+Trelawney schwebte, den sie weniger als einen Leiter der Kirche, denn
+als das Oberhaupt eines angesehenen Hauses und als den Erben von zwanzig
+Ahnen verehrten, welche schon in hohem Ansehen standen, ehe die
+Normannen den Fuß auf englischen Boden gesetzt hatten. In der ganzen
+Grafschaft sang das Landvolk eine Ballade, deren Refrain noch nicht
+vergessen ist:
+
+ „Und bringt man Trelawney um, bringt man Trelawney um,
+ Wollen dreißigtausend cornische Burschen wissen warum?“
+
+Die Bergleute sangen das Lied mit einer kleinen Variation:
+
+ „Wollen Zwanzigtausend unter der Erde wissen warum.“[113]
+
+In manchen Theilen des Landes sprachen die Bauern laut eine sonderbare
+Hoffnung aus, welche nie aufgehört hat, in ihren Herzen fortzuleben. Sie
+meinten, ihr protestantischer Herzog, ihr geliebter Monmouth, werde
+plötzlich wieder erscheinen, sie zum Siege führen und den König wie die
+Jesuiten unter seinen Füßen zertreten[114].
+
+Die Minister waren in der größten Angst; selbst Jeffreys würde gern
+seine Maßregeln zurückgenommen haben. Er beauftragte Clarendon mit
+freundlichen Botschaften an die Bischöfe und wälzte die Schuld an der
+Verfolgung, zu der er selbst gerathen hatte, auf Andere. Sunderland
+wagte es noch einmal, Zugeständnisse anzuempfehlen. Die glückliche
+Geburt eines Prinzen, sagte er, biete dem Könige eine vortreffliche
+Gelegenheit, eine gefährliche und nachtheilige Stellung aufzugeben, ohne
+sich den Vorwurf der Zaghaftigkeit oder der Launenhaftigkeit zuzuziehen.
+Bei so erfreulichen Anlässen sei es stets Sitte gewesen, daß der Fürst
+die Herzen seiner Unterthanen durch Gnadenacte erfreue, und nichts könne
+dem Prinzen von Wales mehr zum Vortheile gereichen, als wenn er schon in
+der Wiege der Friedensstifter zwischen seinem Vater und der
+aufgebrachten Nation würde. Aber des Königs Entschluß stand fest. „Ich
+werde fortfahren,“ sagte er, „ich bin nur zu nachsichtig gewesen. Die
+Nachsicht war meines Vaters Verderben“[115].
+
+ [Anmerkung 112: +Tanner MS.+]
+
+ [Anmerkung 113: Diese Thatsache wurde mir freundlichst von dem
+ Rev. R. S. Hawker von Morwenstow in Cornwall mitgetheilt.]
+
+ [Anmerkung 114: Johnstone, 18. Juni 1688.]
+
+ [Anmerkung 115: Adda, 29. Juni (9. Juli) 1688.]
+
+
+[_Sunderland’s Angst._] Der schlaue Minister kam dahinter, daß sein Rath
+früher nur deshalb angenommen worden war, weil er denselben jederzeit
+nach dem Willen des Königs eingerichtet hatte, daß er aber von dem
+Augenblicke an, wo er wirklich guten ertheilte, kein Gehör mehr finden
+würde. Bei dem Verfahren gegen das Magdalenen-Collegium hatte er einige
+Lauheit gezeigt. Er hatte ferner ganz neuerdings den König zu überzeugen
+gesucht, daß Tyrconnel’s Plan zur Confiscirung des Eigenthums der
+englischen Colonisten in Irland höchst gefährlich sei, und er hatte es
+mit Hülfe Powis’ und Bellasyse’s wenigstens dahingebracht, daß die
+Ausführung des Planes noch um ein Jahr aufgeschoben wurde. Aber diese
+zaghafte Bedenklichkeit hatte den Keim des Widerwillens und Mißtrauens
+ins Herz des Königs gelegt[116]. Der Tag der Vergeltung war jetzt
+gekommen. Sunderland war in der nämlichen Lage, in der sich einige
+Monate früher sein Nebenbuhler Rochester befunden hatte. Beide
+Staatsmänner lernten die Angst eines Menschen kennen, der sich
+krampfhaft an eine Stütze anklammert, die seinen Händen mehr und mehr
+entschlüpft. Beide sahen ihre Rathschläge verächtlich zurückgewiesen.
+Beide erlitten die Qual, in den Mienen und dem Benehmen ihres Gebieters
+Unzufriedenheit und Mißtrauen zu lesen, und doch wurden Beide von ihrem
+Vaterlande für die Verbrechen und Irrthümer, von denen sie ihn vergebens
+zurückzubringen versucht hatten, verantwortlich gemacht. Während er sie
+in dem Verdacht hatte, daß sie auf Kosten seiner Autorität und seiner
+Würde sich populär machen wollten, beschuldigte die öffentliche Stimme
+sie laut des Versuchs, auf Kosten ihrer eigenen Ehre und des Gemeinwohls
+die königliche Gunst zu gewinnen. Doch trotz aller Kränkungen und
+Demüthigungen hielten Beide ihren Ministerposten mit der verzweifelten
+Kraft Ertrinkender umklammert. Beide versuchten es, den König wieder
+günstig zu stimmen, indem sie sich stellten, als ob sie zum Anschluß an
+seine Kirche geneigt wären. Es gab aber eine Grenze, welche Rochester
+entschlossen war nicht zu überschreiten. Er ging bis an den Rand des
+Glaubensabfalls; hier aber blieb er stehen und in Berücksichtigung der
+Standhaftigkeit, mit der er sich weigerte, den letzten Schritt zu thun,
+verzieh ihm die Welt großmüthig seine frühere Willfährigkeit.
+
+ [Anmerkung 116: Sunderland’s eigner Erzählung darf man natürlich
+ nicht unbedingten Glauben beimessen. Aber er führte Godolphin zum
+ Zeugen für das an, was in Betreff der irischen Ansiedlungsacte
+ vorgegangen war.]
+
+
+[_Er erklärt sich für einen Katholiken._] Der weniger gewissenhafte und
+für das Schamgefühl weniger empfängliche Sunderland beschloß durch einen
+Schritt, der jedem von der Wichtigkeit der religiösen Überzeugung
+durchdrungenen Gemüth als eines der schändlichsten Verbrechen erscheinen
+mußte und den selbst weltlich gesinnte Menschen als das Übermaß von
+Verworfenheit betrachten, seine bisherige Mäßigung wieder gut zu machen
+und das Vertrauen des Königs wieder zu gewinnen. Ungefähr eine Woche vor
+dem zur Verhandlung des Prozesses anberaumten Tage erschien die
+öffentliche Ankündigung, daß er Papist geworden sei. Der König sprach
+mit Entzücken von diesem Siege der göttlichen Gnade. Die Höflinge und
+auswärtigen Gesandten bemühten sich nach Kräften ernsthaft zu bleiben,
+als der Renegat versicherte, daß er schon lange von der Unmöglichkeit
+überzeugt sei, außerhalb des Schooßes der römischen Kirche selig werden
+zu können, und daß sein Gewissen ihm keine Ruhe gelassen, bis er sich
+von dem Ketzerglauben losgesagt habe, in dem er erzogen worden. Die
+Neuigkeit verbreitete sich schnell. In allen Kaffeehäusern erzählte man
+sich, wie der Premierminister von England barfuß und mit einer Kerze in
+der Hand sich nach der königlichen Kapelle begeben und demüthig um
+Einlaß gebeten, wie die Stimme eines Priesters drinnen gefragt habe, wer
+da sei, wie Sunderland zur Antwort gegeben, ein armer Sünder, der lange
+fern von der wahren Kirche umherirre, flehe um Aufnahme und Absolution,
+wie hierauf die Thüren geöffnet worden seien und der Neubekehrte an den
+heiligen Mysterien habe Theil nehmen dürfen[117].
+
+ [Anmerkung 117: Barillon, 21. Juni (1. Juli) 1688; Adda, 29. Juni
+ (9. Juli); Citters, 26. Juni (6. Juli); Johnstone, 2. Juli 1688;
+ +The Converts, a poem+.]
+
+
+[_Prozeß der Bischöfe._] Dieser schmachvolle Abfall konnte das Interesse
+nur erhöhen, mit dem die Nation dem Tage entgegensah, an welchem das
+Schicksal der sieben muthigen Bekenner der anglikanischen Kirche
+entschieden werden sollte. Eine willfährige Jury zusammenzubringen war
+jetzt das Hauptziel des Königs. Die Kronanwälte erhielten Befehl, die
+Gesinnung der Männer, welche in das Verzeichniß der Freisassen
+eingetragen waren, genau zu erforschen. Sir Samuel Astry, Sekretär der
+Krone, dem die Auswählung der Namen in solchen Fällen oblag, wurde in
+den Palast beschieden und hatte eine Unterredung mit Jakob, an welcher
+der Kanzler Theil nahm[118]. Sir Samuel scheint sein Möglichstes gethan
+zu haben, denn es befanden sich, wie es hieß, unter den achtundvierzig
+Personen, die er auswählte, mehrere Diener des Königs und mehrere
+Katholiken[119]. Da aber der Vertheidiger der Bischöfe das Recht hatte,
+zwölf davon zu streichen, so waren diese natürlich die gestrichenen. Die
+Kronanwälte strichen ebenfalls zwölf und die Liste reducirte sich
+dadurch auf vierundzwanzig. Die ersten zwölf, welche aufgerufen wurden,
+hatten dann den Ausspruch zu thun.
+
+Am neunundzwanzigsten Juni waren Westminsterhall, der alte und der neue
+Palasthof und alle benachbarten Straßen weithin mit einer dicht
+gedrängten Volksmasse angefüllt. Ein so zahlreiches Auditorium war nie
+zuvor und ist auch seitdem nie wieder im Gerichtssaale der Kings Bench
+versammelt gewesen. Man zählte fünfunddreißig weltliche Peers unter der
+Menge[120].
+
+Sämmtliche vier Richter des Gerichtshofes waren anwesend. Wright, der
+den Vorsitz führte, war einzig und allein wegen seiner gewissenlosen
+Servilität vielen tüchtigeren und gelehrteren Männern bei Besetzung
+seines hohen Postens vorgezogen worden. Allibone war Papist und
+verdankte seine Stellung der Dispensationsgewalt, deren Gesetzlichkeit
+eben in Frage stand. Holloway war seither ein willenloses Werkzeug der
+Regierung gewesen. Selbst Powell, der sich des Rufes strenger
+Rechtschaffenheit erfreute, hatte bei einigen Vorgängen eine Rolle
+gespielt, die sich nicht vertheidigen läßt. Er hatte in dem wichtigen
+Prozesse Sir Eduard Hales’, allerdings mit einigem Bedenken und nach
+einigem Zögern, mit der Mehrheit der Richter gestimmt und dadurch auf
+seinen Character einen Flecken geworfen, der aber durch sein
+ehrenwerthes Benehmen an diesem Tage völlig verwischt wurde.
+
+Die beiderseitigen Rechtsanwälte waren einander durchaus nicht
+ebenbürtig. Die Regierung hatte von ihren Kronjuristen so gehässige und
+entehrende Dienste verlangt, daß die ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten
+und Advokaten der Torypartei nach einander ihre Mitwirkung verweigert
+hatten und ihrer Ämter entsetzt worden waren. Sir Thomas Powis,
+der Generalfiskal, war kaum ein Jurist dritten Ranges. Der
+Generalprokurator, Sir Wilhelm Williams, besaß zwar einen scharfen
+Verstand und einen unbeugsamen Muth, aber es fehlte ihm an der nöthigen
+Ruhe und Bedächtigkeit; er war streitsüchtig, konnte sein Temperament
+nicht beherrschen und wurde von allen politischen Parteien gehaßt und
+verachtet. Die hervorragendsten Beistände des Fiskals und des
+Prokurators waren Serjeant Trinder, ein Katholik, und Sir Bartholomäus
+Shower, Syndikus von London, der einige juristische Kenntnisse besaß,
+aber wegen seiner oft den Anstand verletzenden Vertheidigungen und
+seiner endlosen Wiederholungen das Gespött von ganz Westminsterhall war.
+Gern hätte die Regierung Maynard’s Dienste gewonnen; aber er hatte
+geradezu erklärt, daß er sich auf das, was man von ihm verlangte, mit
+gutem Gewissen nicht einlassen könne[121].
+
+Auf der andren Seite hingegen standen fast alle ausgezeichneten
+juristischen Talente der damaligen Zeit. Sawyer und Finch, welche beim
+Regierungsantritt Jakob’s Fiskal und Prokurator gewesen waren, und die
+während der Verfolgung der Whigs unter der vorigen Regierung der Krone
+mit nur zu großem Eifer und zu glücklichem Erfolge gedient hatten,
+befanden sich unter den Vertheidigern der Angeklagten. Ihnen zur Seite
+standen zwei Männer, welche, seit Maynard’s Thätigkeit durch sein
+vorgerücktes Alter vermindert worden war, für die beiden besten Juristen
+galten: Pemberton, der zur Zeit Karl’s II. Oberrichter der Kings Bench
+gewesen, wegen seiner Menschlichkeit und Mäßigung aber dieses hohen
+Postens entsetzt worden und deshalb wieder zur advokatorischen Praxis
+zurückgekehrt war, und Pollexfen, der lange die Assisen im Westen
+geleitet und von dem man, obgleich er sich bei den blutigen Assisen
+durch Annahme von Aufträgen für die Krone und besonders durch sein
+Auftreten gegen Alice Lisle sehr unpopulär gemacht hatte, dennoch wußte,
+daß er im Herzen ein Whig, wenn nicht gar ein Republikaner war. Ferner
+war dabei Sir Creswell Levinz, ein Mann von gründlichen Kenntnissen und
+reichen Erfahrungen, aber von auffallend ängstlichem Wesen. Er war
+einige Jahre vorher von der Richterbank entfernt worden, weil er sich
+nicht hatte entschließen können, den Zwecken der Regierung zu dienen.
+Jetzt scheute er sich wieder, als Vertheidiger der Bischöfe aufzutreten
+und hatte sich zuerst geweigert, ihnen seine Dienste zu widmen; aber die
+ganze Corporation der Gerichtsadvokaten, die ihn beschäftigten, hatten
+ihm erklärt, daß wenn er diesen Auftrag zurückwiese, er nie wieder einen
+erhalten sollte[122].
+
+Sir Georg Treby, ein reichbegabter und eifriger Whig, der unter der
+alten städtischen Verfassung Syndikus von London gewesen war, stand auf
+der nämlichen Seite. Sir Johann Holt, ein noch ausgezeichneterer
+whiggistischer Advokat, wurde wahrscheinlich deshalb, weil Sancroft
+gegen ihn eingenommen war, nicht mit zur Vertheidigung berufen, war aber
+vom Bischof von London privatim um Rath gefragt worden[123]. Der jüngste
+Rechtsbeistand der Bischöfe war ein junger Advokat, Namens Johann
+Somers. Er war weder durch hohe Geburt noch durch Vermögen begünstigt
+und hatte auch noch keine Gelegenheit gehabt, sich öffentlich
+auszuzeichnen, aber sein Genie, sein Fleiß und sein vielseitiges großes
+Talent waren einem kleinen Kreise von Freunden wohl bekannt, und sein
+gründliches, klares System der Beweisführung, sowie sein jederzeit
+taktvolles Benehmen hatten ihm trotz seiner whiggistischen Ansichten die
+Aufmerksamkeit des Gerichtshofes der Kings Bench bereits gesichert.
+Johnstone hatte den Bischöfen eindringlich vorgestellt, wie wichtig es
+sei, seinen Beistand zu gewinnen, und Pollexfen sollte erklärt haben,
+daß Niemand in Westminsterhall zur Behandlung einer geschichtlichen und
+die Verfassung berührenden Frage so befähigt sei, als Somers.
+
+Die Jury wurde vereidigt; sie bestand aus Männern, welche sehr geachtete
+Stellungen in der Gesellschaft einnahmen. Der Vormann war Sir Roger
+Langley, ein Baronet von alter und angesehener Familie. Ihm zur Seite
+stand ein Ritter und zehn Esquires, von denen mehrere sehr vermögend
+waren. Es befanden sich einige Nonconformisten unter ihnen, denn die
+Bischöfe hatten wohlweislich beschlossen, kein Mißtrauen gegen die
+protestantischen Dissenters zu zeigen. Ein Name jedoch erregte große
+Besorgniß, der Name Michael Arnold’s. Er war Hofbrauer und man
+fürchtete, daß die Regierung auf seine Stimme rechnen könne. Es wird
+erzählt, daß er sich bitter über die Stellung beklagt habe, in die er
+versetzt war. „Was ich auch thun mag,“ soll er geäußert haben, „so habe
+ich die Gewißheit, halb ruinirt zu werden. Sage ich Nichtschuldig, so
+werde ich nicht mehr für den König brauen; sage ich Schuldig, so werde
+ich für niemand Andren mehr brauen“.[124]
+
+So begann denn die gerichtliche Verhandlung, die, selbst wenn man sie
+nach Verlauf von mehr als anderthalb Jahrhunderten mit kaltem Blute
+liest, das ganze Interesse eines Drama’s hat. Die Advokaten stritten auf
+beiden Seiten mit einer mehr als berufsmäßigen Schärfe und Heftigkeit,
+das anwesende Publikum hörte mit so gespannter Aufmerksamkeit zu, als
+hätte das Schicksal jedes Einzelnen von dem Ausspruche der Geschwornen
+abgehangen, und die Aussichten auf den Sieg wechselten so plötzlich und
+so ergreifend, daß die Menge zu wiederholten Malen in der nämlichen
+Minute von der größten Angst zur lebhaftesten Freude und umgekehrt von
+der lebhaftesten Freude zu noch größerer Angst übersprang.
+
+Die Anklage beschuldigte die Bischöfe, in der Grafschaft Middlesex ein
+falsches, böswilliges und aufrührerisches Libell geschrieben oder
+veröffentlicht zu haben. Der Generalfiskal und der Staatsprokurator
+versuchten zuvörderst den Beweis zu führen, daß die Angeklagten das
+Libell unterschrieben hatten. Zu dem Ende wurden mehrere Personen
+aufgefordert, die Handschriften der Bischöfe zu recognosciren. Aber die
+Zeugen thaten dies mit solcher Unlust, daß kaum einem von ihnen eine
+klare und deutliche Antwort zu entlocken war. Pemberton, Pollexfen und
+Levinz behaupteten, daß keine genügenden Beweise vorhanden seien, die
+der Jury vorgelegt werden könnten; zwei von den Richtern, Holloway und
+Powell, traten dieser Ansicht bei, und die Hoffnung der Zuschauer stieg
+bedeutend. Da erklärten plötzlich die Kronanwälte, daß sie einen andren
+Weg einzuschlagen gedächten. Powis führte mit unverkennbarer Beschämung
+und Widerstreben einen Sekretär des Geheimen Raths, Namens Blathwayt,
+der zugegen gewesen war, als der König die Bischöfe verhörte, in die
+Zeugenloge ein. Blathwayt versicherte eidlich, daß er gehört habe, wie
+sie ihre Unterschriften selbst anerkannt hätten. Dieses Zeugniß war
+entscheidend. „Warum haben Sie,“ sagte der Richter Holloway zu dem
+Fiskal, „da Sie einen solchen Zeugen hatten, ihn nicht sogleich
+vorgeführt? es wäre dadurch viel unnöthiger Zeitverlust erspart worden.“
+Es ergab sich bald, warum der Kronanwalt sich nur höchst ungern durch
+die dringendste Nothwendigkeit hatte bestimmen lassen, zu diesem
+Beweismittel zu greifen. Pemberton hielt Blathwayt zurück, unterwarf ihn
+einem umständlichen Verhör und verlangte eine genaue Erzählung alles
+dessen, was zwischen dem Könige und den Angeklagten vorgegangen sei.
+„Das wäre etwas ganz Neues!“ rief Williams. „Glauben Sie,“ sagte Powis,
+„daß Sie ein Recht dazu haben, an unsere Zeugen jede impertinente Frage
+zu richten, die Ihnen in den Sinn kommt?“ Die Advokaten der Bischöfe
+waren jedoch nicht die Männer, die sich so leicht werfen ließen. „Er ist
+darauf vereidigt,“ sagte Pollexfen, „die Wahrheit, die ganze Wahrheit zu
+sagen; wir wollen und müssen eine Antwort haben.“ Der Zeuge wurde
+verlegen, gab ausweichende Antworten, wollte die Fragen nicht richtig
+verstanden haben und bat um den Schutz des Gerichtshofes; aber er war in
+Händen, aus denen nicht leicht wieder loszukommen war. Endlich schlug
+der Generalfiskal sich wieder ins Mittel. „Wenn Sie durchaus auf Ihrer
+Forderung bestehen,“ hob er an, „so sagen Sie uns wenigstens, welchen
+Gebrauch Sie von der Antwort zu machen gedenken.“ Pemberton, der während
+der ganzen Verhandlung seine Pflicht muthig und geschickt erfüllte,
+erwiederte ohne Besinnen: „Mylords, ich will dem Herrn Generalfiskal
+antworten, ich will offen mit dem Gerichtshofe reden. Wenn die Bischöfe
+sich unter dem Versprechen von Seiten Seiner Majestät, daß ihr
+Geständniß nicht gegen sie angewendet werden solle, zu dieser Schrift
+bekannten, so wird man sich hoffentlich nicht eines unredlichen
+Vortheils gegen sie bedienen.“ -- „Sie erheben eine Beschuldigung gegen
+Seine Majestät, die ich kaum auszusprechen wage,“ sagte Williams; „da
+Sie es so genau nehmen, dann verlange ich auch für den König, daß die
+Frage zu Protokoll genommen wird.“ -- „Was meinen Sie damit?“ fragte
+jetzt Sawyer. „Ich weiß, was ich meine,“ antwortete der Apostat, „ich
+verlange, daß die Frage vor Gericht zu Protokoll genommen wird.“ --
+„Nehmen Sie zu Protokoll, was Sie wollen, Herr Prokurator, ich fürchte
+Sie nicht,“ sagte Pemberton. Es folgte nun ein lauter und heftiger
+Wortwechsel, den der Oberrichter nur mit Mühe beschwichtigen konnte. In
+jedem andren Falle hätte er die Frage ohne Zweifel zu Protokoll nehmen
+und Pemberton verhaften lassen. Aber an diesem wichtigen Tage wagte er
+dies nicht. Er warf oft einen Seitenblick auf die dichten Reihen der
+Earls und Barone, die ihn scharf beobachteten und die ihn beim nächsten
+Parlamente zur Rechenschaft ziehen konnten. Ein Anwesender meinte
+nachher, es habe ausgesehen, als ob alle zuhörenden Peers Stricke in der
+Tasche gehabt hätten.[125] Blathwayt wurde endlich gezwungen, über den
+ganzen Vorgang einen ausführlichen Bericht zu erstatten. Es stellte sich
+heraus, daß der König den Bischöfen gegenüber keine ausdrückliche
+Verpflichtung eingegangen war; ebenso aber ergab es sich auch, daß die
+Bischöfe wohl Grund hatten, eine stillschweigende Zusage anzunehmen. Aus
+dem Widerstreben, mit dem die Kronanwälte den Sekretär des Geheimraths
+in die Zeugenloge einführten und aus der Heftigkeit, mit der sie sich
+Pemberton’s Kreuzfragen widersetzten, geht klar hervor, daß sie der
+nämlichen Ansicht waren.
+
+Die Handschrift war jedoch bewiesen. Aber jetzt wurde ein neuer und
+ernster Einwand erhoben. Der Beweis, daß die Bischöfe das gesetzwidrige
+Libell geschrieben hatten, war nicht genügend; es mußte auch bewiesen
+werden, daß sie es in der Grafschaft Middlesex geschrieben hatten.
+Allein dies konnten der Fiskal und der Prokurator nicht nur nicht
+beweisen, sondern die Angeklagten waren sogar im Stande, das Gegentheil
+zu beweisen, denn Sancroft hatte von dem Augenblicke an, wo der
+Geheimrathsbefehl erschien, bis zu dem Augenblicke, wo die Petition dem
+Könige überreicht wurde, seinen Palast in Lambeth nicht verlassen. Die
+ganze Anklage fiel daher in sich selbst zusammen und das Publikum
+erwartete mit großer Freude eine vollständige Freisprechung.
+
+Die Kronjuristen änderten nun abermals ihre Taktik, ließen die Anklage
+auf Abfassung eines Libells ganz fallen und unternahmen es, zu beweisen,
+daß die Bischöfe in Middlesex ein Libell _veröffentlicht_ hätten. Das
+war nicht leicht. Die Überreichung der Petition an den König war in den
+Augen des Gesetzes unzweifelhaft eine Veröffentlichung. Aber wie war
+diese Überreichung zu beweisen? Es war bei der Audienz im königlichen
+Kabinet außer dem Könige und den Angeklagten Niemand zugegen gewesen.
+Den König konnte man nicht wohl als Zeugen vereidigen. Das Factum der
+Veröffentlichung konnte also nur durch das Eingeständniß der Angeklagten
+constatirt werden. Blathwayt wurde noch einmal vernommen, aber
+vergebens. Er sagte, er erinnere sich wohl, daß die Bischöfe ihre
+Unterschriften anerkannt, nicht aber, daß sie das auf dem Tische des
+Geheimen Raths liegende Papier als das nämliche anerkannt hätten,
+welches sie dem Könige überreichten, noch daß sie überhaupt über diesen
+Punkt befragt worden waren. Mehrere andere Beamte, die im
+Geheimrathszimmer zugegen gewesen waren, wurden aufgerufen, unter ihnen
+Samuel Pepys, Sekretär der Admiralität; aber keinem von ihnen war es
+erinnerlich, daß von der Überreichung irgend die Rede gewesen sei.
+Williams bemühte sich vergebens, sie durch verfängliche Fragen zu dem
+gewünschten Zeugnisse zu verleiten, bis endlich die Rechtsanwälte der
+Gegenpartei erklärten, daß ein solches Drehen und Wenden noch an keinem
+Gerichtshofe vorgekommen sei, und Wright selbst zugestehen mußte, daß
+die Vernehmungsweise des Generalprokurators allen Regeln zuwider sei. Da
+ein Zeuge nach dem andren verneinend antwortete, wiederhallte der ganze
+Saal von lautem Gelächter und triumphirendem Jubel, welche zum Schweigen
+zu bringen die Richter gar nicht versuchten.
+
+Der harte Kampf schien endlich gewonnen zu sein; für die Krone war
+nichts mehr vorzubringen. Hätten die Anwälte der Bischöfe nun
+geschwiegen, so war die Freisprechung gewiß, denn es war nichts
+ausgesagt worden, was auch der parteiischeste und gewissenloseste
+Richter einen rechtskräftigen Beweis für die Veröffentlichung hätte
+nennen kennen. Der Oberrichter schickte sich bereits an, den Geschwornen
+das Resumé vorzulegen und er würde sie ohne Zweifel angewiesen haben,
+die Angeklagten freizusprechen, als Finch, der zu aufgeregt war, um mit
+gehöriger Besonnenheit handeln zu können, noch auftrat und gehört zu
+werden verlangte. „Wenn Sie gehört sein wollen,“ sagte Wright, „so
+können wir Sie nicht hindern zu sprechen; aber ich muß Ihnen bemerken,
+daß Sie Ihren eigenen Vortheil nicht erkennen.“ Die anderen Vertheidiger
+bewogen Finch, sich wieder niederzusetzen und baten den Oberrichter
+fortzufahren. Eben wollte er dies auch thun, da kam ein Bote an den
+Generalprokurator mit der Nachricht, daß Lord Sunderland die
+Veröffentlichung beweisen könne und sogleich im Gerichtssaal erscheinen
+werde. Wright bemerkte den Vertheidigern in ziemlich spitzigem Tone, daß
+sie sich diese neue Wendung der Dinge lediglich selbst zuzuschreiben
+hätten. Die Gesichtszüge der versammelten Zuschauer verfinsterten sich;
+Finch war einige Stunden lang der unpopulärste Mann im ganzen Lande.
+Warum konnte er nicht ruhig sitzen bleiben wie seine verständigeren
+Collegen Sawyer, Pemberton und Pollexfen? Seine Sucht, auch etwas zu
+sagen, der Wunsch eine schöne Rede zu halten, hatte Alles verdorben.
+
+Inzwischen wurde der Lordpräsident in einer Sänfte durch die Halle
+getragen. Nicht ein einziger Hut wurde gelüftet und viele Stimmen
+riefen: „Papistischer Hund!“ Bleich und zitternd, mit zu Boden gesenktem
+Blicke trat er vor die Schranken und gab mit unsicherer Stimme seine
+Zeugenaussage ab. Er versicherte eidlich, daß ihm die Bischöfe ihre
+Absicht, dem Könige eine Petition zu überreichen, mitgetheilt hätten und
+daß sie zu dem Ende in das königliche Kabinet eingelassen worden seien.
+Dieser Umstand in Verbindung mit dem, daß sich, nachdem sie das Kabinet
+verlassen, eine von ihnen unterzeichnete Petition in den Händen des
+Königs befand, war für das Factum der Veröffentlichung ein Beweis, der
+einer Jury wohl genügen konnte.
+
+Die Veröffentlichung in Middlesex war also ebenfalls bewiesen. Aber war
+das veröffentlichte Schriftstück ein falsches, böswilliges und
+aufrührerisches Libell? Bis jetzt hatte es sich nur darum gehandelt, ob
+eine Thatsache, die Jedermann als wirklich geschehen kannte, nach den
+technischen Regeln des Beweises constatirt werden konnte; jetzt aber
+erhielt der Streit ein höheres Interesse. Man mußte die Grenzen der
+königlichen Hoheitsrechte und der bürgerlichen Freiheit, das Recht des
+Königs, von Gesetzen zu dispensiren, und das Recht der Unterthanen um
+Abstellung von Mißständen zu petitioniren, untersuchen. Drei Stunden
+lang vertheidigten die Anwälte der Petenten mit energischem Nachdrucke
+die Grundprinzipien der Verfassung und bewiesen aus den Protokollen des
+Hauses der Gemeinen, daß die Bischöfe nur etwas Wahres behauptet hätten,
+indem sie dem Könige vorstellten, daß die von ihm beanspruchte
+Dispensationsgewalt mehr als einmal vom Parlament für ungesetzlich
+erklärt worden sei. Somers erhob sich zuletzt. Er sprach wenig über fünf
+Minuten lang, aber jedes seiner Worte war gewichtigen Inhalts, und als
+er seinen Platz wieder einnahm, war sein Ruf als Redner und als
+constitutioneller Jurist fest begründet. Er untersuchte die Ausdrücke
+der Anklage, in welcher das den Bischöfen zur Last gelegte Vergehen
+dargestellt war, und bewies, daß jedes Wort, Adjectiv oder Substantiv,
+durchaus unangemessen sei. Die Anklage laute auf ein falsches,
+böswilliges und aufrührerisches Libell. Falsch sei das Schriftstück
+nicht, denn jede darin behauptete Thatsache sei durch die
+Parlamentsprotokolle als wahr bewiesen. Auch böswillig sei das
+Schriftstück nicht, denn die Angeklagten hätten nicht Streit gesucht,
+sondern die Regierung habe sie in eine Lage versetzt, in der sie sich
+entweder dem königlichen Willen widersetzen oder die heiligsten
+Pflichten des Gewissens und der Ehre verletzen mußten. Aufrührerisch sei
+das Schriftstück eben so wenig, denn die Verfasser hätten es nicht unter
+dem Volke vertheilt, sondern es privatim den Händen des Königs allein
+übergeben; auch sei es kein Libell, sondern eine anständige Petition,
+wie sie nach den Gesetzen Englands, ja nach den Gesetzen des römischen
+Kaiserreichs und nach den Gesetzen aller civilisirten Staaten jeder
+Unterthan, welcher glaubt, daß ihm Unrecht geschehen, mit Fug und Recht
+dem Souverain überreichen dürfe.
+
+Der Fiskal replicirte kurz und schwach. Der Prokurator sprach sehr
+ausführlich und mit großer Bitterkeit, so daß er oft durch Zurufe und
+Zischen des Publikums unterbrochen wurde. Er ging so weit zu behaupten,
+daß kein einzelner Unterthan und keine Gemeinschaft von Unterthanen,
+außer die Parlamentshäuser, berechtigt sei, eine Petition an den König
+zu richten. Die Zuschauer waren wüthend und selbst der Oberrichter war
+ganz betroffen über die Frechheit dieses feilen Achselträgers.
+
+Wright schritt endlich zum Resumé. Seine Rede bewies, daß seine Furcht
+vor der Regierung durch die Furcht vor dieser zahlreichen, glänzenden
+und heftig aufgeregten Versammlung gemäßigt wurde. Er sagte, er wolle
+nicht seine Ansicht über die Dispensationsfrage abgeben, er habe dies
+nicht nöthig, er könne dem Staatsprokurator in vielen Punkten seiner
+Rede nicht beistimmen, ein Unterthan habe allerdings das Recht, zu
+petitioniren, aber die dem Gerichtshofe vorliegende specielle Petition,
+sei ungebührlich abgefaßt und daher in den Augen des Gesetzes ein
+Libell. Allibone sprach die nämliche Ansicht aus, bewies aber in seinem
+Vortrag eine so gänzliche Unkenntniß des Rechts und der Geschichte, daß
+er sich die Verachtung Aller zuzog, die ihn anhörten. Holloway umging
+die Dispensationsfrage, sagte aber, ihm scheine die Petition so gefaßt,
+wie sie Unterthanen, die sich in ihrem Rechte gekränkt glaubten, wohl zu
+überreichen befugt seien, und sie sei daher kein Libell. Powell trat
+noch kühner auf. Er erklärte geradezu, daß seiner Ansicht nach die
+Indulgenzerklärung null und nichtig und die Dispensationsgewalt, wie sie
+neuerdings ausgeübt worden, mit allen Gesetzen durchaus unvereinbar sei.
+Wenn man solche Übergriffe der Prärogative dulden wolle, so seien die
+Parlamente ganz überflüssig, die ganze gesetzgebende Gewalt liege dann
+in den Händen des Königs. „Diese Entscheidung, meine Herren,“ sagte er,
+„stelle ich Gott und Ihrem Gewissen anheim“.[126]
+
+Es war dunkel geworden, als die Jury sich zurückzog, um über ihren
+Schiedsspruch zu berathen. Diese Nacht war eine Nacht voll ängstlicher
+Spannung. Es existiren noch einige Briefe, welche während jener Stunden
+der Ungewißheit abgesendet wurden und die daher ein ganz besonderes
+Interesse haben. „Es ist sehr spät,“ schrieb der päpstliche Nuntius,
+„und noch ist die Entscheidung nicht bekannt. Die Richter und die
+Angeklagten haben sich nach Hause begeben, die Geschwornen aber bleiben
+beisammen. Morgen werden wir den Ausgang dieses wichtigen Kampfes
+erfahren.“
+
+Der Prokurator der Bischöfe brachte mit einer Anzahl Bedienten die ganze
+Nacht auf der Treppe zu, welche nach dem Berathungszimmer der
+Geschwornen führte. Es war durchaus nothwendig, die an den Thüren Wache
+haltenden Beamten scharf zu beobachten, denn man vermuthete, daß sie von
+der Regierung gewonnen waren, und sie konnten daher, wenn sie nicht
+sorgfältig bewacht wurden, einen höfisch gesinnten Geschwornen mit
+Speise und Trank versehen, so daß er dann im Stande war, seine elf
+Collegen auszuhungern. Es wurde daher strenge Wache gehalten und nicht
+einmal ein Licht, um eine Pfeife anzuzünden, eingelassen. Gegen vier Uhr
+Morgens ließ man einige Becken mit Wasser zum Waschen passiren. Die vor
+Durst verschmachtenden Geschwornen tranken gierig die Gefäße aus. Die
+umliegenden Straßen waren bis zum Morgen von einer großen Volksmenge
+angefüllt. Von Stunde zu Stunde kam ein Bote von Whitehall um sich nach
+dem Stande der Sache zu erkundigen. Verschiedene Male hörte man drinnen
+im Zimmer einen heftigen Wortstreit; aber etwas Gewisses erfuhr man
+nicht.[127]
+
+Zuerst waren neun für die Freisprechung und drei für die Verurtheilung.
+Zwei von der Minorität gaben bald nach; Arnold aber beharrte auf seinem
+Ausspruche. Thomas Austin, ein reichbegüterter Landgentleman, der die
+Zeugenaussagen und Reden aufmerksam verfolgt und sich ausführliche
+Notizen gemacht hatte, wollte die Sache mit ihm speciell erörtern.
+Arnold aber lehnte dies ab, indem er ärgerlich sagte, er sei nicht
+gewöhnt zu raisonniren und zu debattiren, sein Gewissen gestatte ihm
+nicht, die Bischöfe freizusprechen. „Wenn Sie dabei beharren,“ sagte
+Austin, „so sehen Sie mich an. Ich bin der Größte und Stärkste von uns
+Zwölfen; ehe ich aber eine Petition wie diese als ein Libell anerkenne,
+bleibe ich hier, bis ich nicht mehr dicker bin als ein Pfeifenrohr.“ Es
+war sechs Uhr Morgens, als Arnold endlich nachgab. Es wurde bald
+bekannt, daß die Geschwornen einig waren; wie aber ihr Ausspruch
+lautete, war noch ein Geheimniß.[128]
+
+Um zehn Uhr versammelte sich der Gerichtshof wieder. Das Gedränge war
+noch ärger als am vorigen Tage. Die Geschwornen erschienen in ihrer Loge
+und es trat eine lautlose Stille ein.
+
+ [Anmerkung 118: +Clarendon’s Diary, June+ 21. 1688.]
+
+ [Anmerkung 119: Gitters, 26. Juni (6. Juli) 1688.]
+
+ [Anmerkung 120: Johnstone, 2. Juli 1688.]
+
+ [Anmerkung 121: Johnstone, 2. Juli 1688.]
+
+ [Anmerkung 122: Johnstone, 2. Juli 1688. Der Herausgeber von
+ +Levinz’s Reports+ drückt seine große Verwunderung darüber aus,
+ daß Levinz nach der Revolution nicht wieder in sein Richteramt
+ eingesetzt wurde. Die von Johnstone erzählten Thatsachen können
+ dies anscheinende Ungerechtigkeit vielleicht erklären.]
+
+ [Anmerkung 123: Ich schließe dies aus einem Briefe von Compton an
+ Sancroft vom 12. Juni.]
+
+ [Anmerkung 124: +Revolution Politics.+]
+
+ [Anmerkung 125: Der Ausdruck eines Augenzeugen. Er findet sich in
+ einem Neuigkeitsbriefe in der Mackintosh-Sammlung.]
+
+ [Anmerkung 126: Siehe den Prozeß in der +Collection of State
+ Trials+. Einiges habe ich auch von Johnstone und Citters
+ entlehnt.]
+
+ [Anmerkung 127: Johnstone, 2. Juli 1688; Brief von Mr. Ince an den
+ Erzbischof, datirt von sechs Uhr Morgens; +Tanner MS.+;
+ +Revolution Politics+.]
+
+ [Anmerkung 128: Johnstone, 2. Juli 1688.]
+
+
+[_Das Verdict der Geschwornen; Freude des Volks._] Sir Samuel Astry
+sprach: „Finden Sie die Angeklagten oder einen von ihnen des Vergehens,
+dessen sie angeklagt sind, schuldig oder nicht schuldig?“ Sir Roger
+Langley antwortete: „Nicht schuldig.“ Sobald diese Worte über seine
+Lippen waren, sprang Halifax auf und schwenkte seinen Hut. Auf dieses
+Zeichen brachen alle Bänke und Gallerien in donnernden Beifallsjubel
+aus. Im nächsten Augenblick stimmten die zehntausend Menschen, welche
+die große Halle füllten, mit noch lauterem Jubel ein, von dem die alte
+eichene Decke erdröhnte, und noch einen Augenblick, so ließ die draußen
+versammelte Menge ein drittes Hurrah erschallen, das man in Templebar
+hören konnte. Die Böte, welche den Fluß bedeckten, antworteten mit
+gleicher Begeisterung, ein Kanonenschlag knallte auf dem Wasser, dann
+wieder einer und wieder einer, und so flog die frohe Nachricht binnen
+wenigen Augenblicken über den Savoy und über die Friars hinaus bis zur
+Londonbrücke und zu dem Mastenwalde der jenseit derselben liegenden
+Schiffe. Wohin die Botschaft kam, brachen Straßen und Squares,
+Marktplätze und Kaffeehäuser in Freudenjubel aus. Der Jubel aber war
+minder auffallend, als die Thränen. Denn die Gefühle der Leute waren so
+angespannt worden, daß selbst die kalte, an Äußerungen von
+Gemüthsbewegung wenig gewöhnte englische Natur überwältigt wurde und
+Tausende vor lauter Freude schluchzten. Inzwischen sprengten von den
+Endpunkten der Menge Reiter fort, um die Kunde von dem Siege der Kirche
+und der Nation durch alle Hauptstraßen zu verbreiten. Aber selbst dieser
+gewaltige Ausbruch der Freude vermochte den hämischen und furchtlosen
+Sinn des Staatsprokurators nicht zu erschüttern. Er versuchte es, sich
+in dem betäubenden Lärme Gehör zu verschaffen und forderte die Richter
+auf, Diejenigen, welche durch ihr Geschrei die Würde des Gerichtshofes
+verletzt hatten, verhaften zu lassen. Einer aus der jubelnden Menge
+wurde wirklich festgenommen. Indessen sah das Tribunal doch ein, daß es
+geradezu lächerlich gewesen wäre einen Einzelnen für eine Übertretung zu
+bestrafen, welche Hunderttausende begangen hatten, und entließ ihn daher
+wieder mit einem leichten Verweis.[129]
+
+Es war jetzt nicht daran zu denken, etwas Andres vorzunehmen, denn das
+Getöse der Menge war so arg, daß man eine halbe Stunde lang im
+Gerichtssaale kein Wort verstehen konnte. Williams stieg unter einem
+Sturme von Zischen und Verwünschungen in seinen Wagen. Cartwright, der
+eine unbezähmbare Neugierde besaß, hatte die Thorheit und
+Unschicklichkeit begangen, nach Westminster zu kommen, um zu hören, wie
+das Urtel ausfallen würde. Man erkannte ihn an seiner Priestertracht und
+seiner Korpulenz und verfolgte ihn durch die ganze Halle mit Geschrei.
+„Nehmt Euch vor dem Wolfe in Schafskleidern in Acht,“ sagte Einer.
+„Platz für den Mann mit dem Papst im Bauche!“ rief ein Andrer.[130]
+
+Die freigesprochenen Prälaten flüchteten sich vor der Menge, die sie um
+ihren Segen bat, in die nächste Kapelle, wo eben Gottesdienst gehalten
+wurde. Viele Kirchen der Hauptstadt waren an diesem Morgen geöffnet und
+wurden von vielen Andächtigen besucht. In allen Kirchspielen der City
+und der Vorstädte gingen die Glocken. Unterdessen konnten sich die
+Geschwornen kaum einen Weg aus der Halle bahnen. Von Hunderten mußten
+sie sich die Hand drücken lassen. „Gott segne Euch,“ rief das Volk;
+„Gott segne Eure Familien! Ihr habt wie brave Gentlemen gehandelt und
+uns Alle heute gerettet.“ Während die Peers, welche zur Unterstützung
+der guten Sache herbeigekommen waren, fortfuhren, warfen sie Hände voll
+Geld unter die Menge und hießen sie auf das Wohl des Königs, der
+Bischöfe und der Geschwornen trinken.[131]
+
+Der Generalfiskal überbrachte die Nachricht Sunderland, der sich gerade
+mit dem Nuntius unterhielt. „Seit Menschengedenken,“ sagte Powis, „hat
+man nicht einen solchen Jubel und so viel Freudenthränen gesehen wie
+heute“.[132] Der König hatte am Morgen das Lager auf der Hounslowhaide
+besucht. Sunderland schickte sofort einen Courier mit der Botschaft an
+ihn ab. Jakob befand sich in Feversham’s Zelte, als der Expresse ankam.
+Er war sehr ärgerlich über die Nachricht und rief auf Französisch aus:
+„Sie sollen es bereuen!“ Er brach sogleich nach London auf. So lange er
+anwesend war, hielt der Respekt die Soldaten ab, ihren Gefühlen freien
+Lauf zu lassen; kaum aber hatte er das Lager verlassen, so hörte er
+hinter sich ein lautes Jubelgeschrei. Er wunderte sich darüber und
+fragte, was das bedeute. „Es ist nichts,“ erhielt er zur Antwort, „die
+Soldaten freuen sich nur über die Freisprechung der Bischöfe.“ -- „Das
+nennen Sie nichts?“ sagte der König und wiederholte dann noch einmal:
+„Sie sollen es bereuen!“[133]
+
+Er hatte in der That Ursache, verstimmt zu sein, denn seine Niederlage
+war vollständig und im höchsten Grade demüthigend. Wären die Prälaten
+auf Grund mangelhaften Beweises freigesprochen worden, etwa weil sie die
+Petition nicht in Middlesex geschrieben hatten, oder weil es ihnen
+streng nach den Regeln des Gesetzes nicht bewiesen werden konnte, daß
+sie dem Könige die Petition, um dessentwillen sie in Untersuchung waren,
+überreicht hatten, so würde die Prärogative keinen Stoß erhalten haben.
+Zum Glück für das Land aber war die Thatsache der Veröffentlichung
+vollkommen festgestellt worden und die Vertheidiger der Angeklagten
+hatten daher das Dispensationsrecht angreifen müssen. Dies hatten sie
+mit großer Gelehrsamkeit, Beredtsamkeit und Kühnheit gethan. Die Anwälte
+der Krone waren, wie allgemein anerkannt wurde, in dem Kampfe
+unterlegen. Nicht ein einziger Richter hatte die Indulgenzerklärung für
+gesetzlich zu erklären gewagt, einer hatte sie sogar in den stärksten
+Ausdrücken als ungesetzlich bezeichnet. Die ganze Stadt sprach davon,
+daß die Dispensationsgewalt den Todesstoß bekommen habe. Finch, der den
+Tag vorher allgemein geschmäht worden war, wurde jetzt allgemein
+gepriesen. Man sagte, er habe die Sache nicht in einer Weise entschieden
+sehen wollen, wobei die große Verfassungsfrage auf immer zweifelhaft
+geblieben wäre. Er habe eingesehen, daß die Freisprechung seiner
+Klienten ohne Verdammung der Indulgenzerklärung nur ein halber Sieg
+gewesen sein würde. Es ist gewiß, daß Finch weder die Vorwürfe
+verdiente, mit denen er überhäuft wurde, so lange der Ausgang noch
+zweifelhaft war, noch die Lobpreisungen, die ihm gespendet wurden,
+nachdem derselbe so günstig ausgefallen. Es war thöricht, ihn zu tadeln,
+weil die Kronanwälte während des von ihm veranlaßten kurzen Verzugs
+unerwartet einen neuen Zeugen fanden. Eben so thöricht war die Annahme,
+daß er seine Klienten absichtlich einer Gefahr ausgesetzt habe, um ein
+allgemeines Prinzip festzustellen, und noch thörichter war es, ihn wegen
+etwas zu loben, was eine grobe Verletzung seiner Berufspflichten gewesen
+sein würde.
+
+Dem freudigen Tage folgte eine nicht minder freudige Nacht. Die Bischöfe
+und einige ihrer achtungswerthen Freunde bemühten sich vergebens,
+tumultuarische Freudenbezeigungen zu verhindern. Die ältesten Leute
+erinnerten sich nicht, jemals, selbst nicht an dem Abende, als es in
+London bekannt wurde, daß die schottische Armee sich für ein freies
+Parlament erklärt hatte, die Straßen von so zahlreichen Freudenfeuern
+erhellt gesehen zu haben. Um jedes Feuer hatte sich ein Haufe gelagert,
+der auf das Wohl der Bischöfe und auf den Untergang der Papisten trank.
+Die Fenster waren ebenfalls glänzend erleuchtet, jedes gewöhnlich durch
+sieben Lichter, von denen das mittelste und längste den Primas
+vorstellte. Dazu hörte man fortwährend das Knallen von Schwärmern,
+Raketen und Gewehrschüssen. Ein ungeheurer Holzstoß brannte gerade dem
+Haupteingange von Whitehall gegenüber; andere wurden vor den Thüren
+katholischer Peers angezündet. Lord Arundell von Wardour beschwichtigte
+wohlweislich den Pöbel mit ein wenig Geld; im Palast Salisbury am Strand
+aber wurde ein Widerstandsversuch gemacht. Die Dienerschaft Lord
+Salisbury’s machte einen Ausfall und feuerte; aber nur der unglückliche
+Büttel des Bezirks fiel, der gerade gekommen war, um das Feuer
+auszulöschen, und die Schaar wurde bald in den Palast zurückgetrieben.
+Kein Schauspiel jener Nacht amüsirte das gemeine Volk so sehr, als
+eines, das ihnen vor mehreren Jahren wohl bekannt gewesen war, und das
+ihnen jetzt nach einer langen Pause wieder gegeben wurde: die
+Verbrennung des Papstes. Dieses vor Zeiten sehr beliebte Schauspiel
+kennt unsere Generation nur aus Beschreibungen und Abbildungen. Eine
+Figur, die aber keineswegs jenen plumpen Conterfeyen von Guy Fawx glich,
+welche noch jetzt am 5. November zur Schau umhergetragen werden, sondern
+die mit einiger Geschicklichkeit von Wachs verfertigt und mit nicht
+geringen Kosten mit Gewändern und einer Tiara geschmückt war, wurde auf
+einen Stuhl gesetzt, ähnlich dem, auf welchem noch heute an einigen
+hohen Festtagen die römischen Bischöfe durch die Peterskirche zum
+Hochaltare getragen werden. Seine Heiligkeit war gewöhnlich umgeben von
+einem Gefolge von Cardinälen und Jesuiten, und ihm zur Seite stand ein
+als Teufel mit Schweif und Hörnern verkleideter Hanswurst. Kein reicher
+und eifriger Protestant sah bei dieser Gelegenheit eine Guinee an, und
+wenn man der Sage glauben darf, betrugen die Kosten einer solchen
+Prozession zuweilen nicht weniger als tausend Pfund. Nachdem der Papst
+eine Zeit lang über den Köpfen der Menge zur Schau umhergetragen worden
+war, wurde er unter lautem Jubel den Flammen überliefert. Zur Zeit der
+Popularität Oates’ und Shaftesbury’s wurde das Schauspiel alljährlich am
+Geburtstage der Königin Elisabeth in Fleet Street unter den Fenstern des
+Whig-Clubs aufgeführt. Der groteske Gebrauch war so berühmt, daß
+Barillon sich einmal in Lebensgefahr begab, um aus einem Versteck
+zuzusehen.[134] Seit der Entdeckung des Ryehousecomplots war die
+Ceremonie bis zu dem Tage der Freisprechung der Bischöfe unterblieben.
+An diesem Abende aber tauchten in verschiedenen Stadttheilen Londons
+mehrere Päpste auf. Der Nuntius war höchlich entrüstet und der König
+fühlte sich durch diese Verhöhnung seiner Kirche schwerer gekränkt als
+durch irgend eine andre ihm zugefügte Beleidigung. Die Behörden konnten
+jedoch nichts thun. Der Sonntagmorgen graute bereits und die Glocken der
+Pfarrkirchen riefen zum Frühgebet, ehe die Feuer zu erlöschen und die
+Volksmassen sich zu verlaufen begannen. Es erschien nun alsbald eine
+Proklamation gegen die Ruhestörer. Viele von ihnen, meist Lehrlinge,
+wurden verhaftet: aber die Anklagen gegen sie wurden von den Gerichten
+von Middlesex nicht angenommen. Die Magistratsbeamten, von denen viele
+Katholiken waren, geriethen mit der großen Jury in Streit und schickten
+sie mehrere Male zurück, aber ohne Erfolg.[135]
+
+ [Anmerkung 129: +Collection of State Trials+; +Oldmixon, 739+;
+ +Clarendon’s Diary, June 25. 1688+; Johnstone, 2. Juli; Citters,
+ 3.(13.) Juli; Adda, 6.(10.) Juli; +Luttrell’s Diary+; Barillon,
+ 2.(12.) Juli.]
+
+ [Anmerkung 130: Citters, 3.(13.) Juli. Der würdevolle Ernst, mit
+ dem er die Geschichte erzählt, macht einen komischen Eindruck:
+ +„Den Bisschop van Chester, wie seer de partie van het hof houdt,
+ om te voldoen aan syne gewoone nieusgierigheyt, hem op dien tyt in
+ Westminster Hall mede hebbende laten vinden, in het uytgaan
+ doorgaans was uytgekreten voor een grypende wolf in schaaps
+ kleederen; en hy synde een heer van hooge stature en vollyvig,
+ spotsgewyse allomme geroepen was dat men voor hem plaats moeste
+ maken, om te laten passen, gelyck ook geschiede, om dat soo sy
+ uytschreeuwden en hem in het aansigt seyden, hy den Paus in syn
+ buyck hadde.“+]
+
+ [Anmerkung 131: Luttrell; Citters, 3.(13.) Juli 1688. +„Soo syn in
+ tegendeel gedagte jurys met de uyterste acclamatie en alle
+ teyckenen van genegenheyt en danckbaarheyt in het door passeren
+ van de gemeente ontvangen. Honderden vielen haar om den hals met
+ alle bedenckelycke wewensch van segen en geluck over hare
+ persoonen en familien, om dat sy haar so heusch en eerlyck buyten
+ verwagtinge als het ware in desen gedragen hadden. Veele van de
+ grooten en kleynen adel wierpen in het wegryden handen vol gelt
+ under de armen luyten, om op de gesontheyt van den Coning, der
+ Heeren Prelaten, on de Jurys te drincken.“+]
+
+ [Anmerkung 132: +„Mi trovava con Milord Sunderland la stessa
+ mattina, quando venne l’Avvocato Generale a rendergli conto del
+ successo, e disse, che mai piu a memoria d’huomini si era sentito
+ un applauso, mescolato di voce e lagrime di giubilo, egual a
+ quello che veniva egli di vedere in quest’ occasione.“+ Adda,
+ 6.(16.) Juli 1688.]
+
+ [Anmerkung 133: +Burnet, I. 744+; Citters, 3.(13.) Juli 1688.]
+
+ [Anmerkung 134: Siehe eine interessante Erzählung, welche Danby,
+ damals Herzog von Leeds, zugleich mit anderen Papieren im Jahre
+ 1710 veröffentlichte. Eine anziehende Beschreibung der Ceremonie
+ der Papstverbrennung findet sich auch in North’s +Examen, 570+.
+ Ferner sehe man die Note zum Epilog des Trauerspiels „Ödipus“ in
+ Scott’s Ausgabe von Dryden.]
+
+ [Anmerkung 135: +Reresby’s Memoirs+; Citters, 3.(13.) Juli 1688;
+ Adda, 6.(16.) Juli; Barillon 2.(12.) Juli; +Luttrell’s Diary+;
+ Neuigkeitsbrief vom 4. Juli; +Oldmixon, 739+; Ellis’
+ Correspondenz.]
+
+
+[_Eigenthümlicher Zustand der öffentlichen Meinung zu jener Zeit._]
+Inzwischen verbreitete sich die frohe Nachricht durch das ganze Land und
+wurde allenthalben mit Jubel aufgenommen. Gloucester, Bedford und
+Lichfield gehörten zu den Städten, die sich durch besonderen Eifer
+auszeichneten; Bristol und Norwich aber, welche nach Bevölkerung und
+Reichthum London am nächsten standen, kamen bei diesem freudigen Anlasse
+auch in der Begeisterung der Hauptstadt am nächsten.
+
+Die gerichtliche Verfolgung der sieben Bischöfe ist ein Ereigniß, das in
+unsrer Geschichte einzig dasteht. Es war der erste und letzte Fall, wo
+zwei mächtige in der Regel einander entgegengesetzte Gefühle, von denen
+jedes für sich allein bei heftiger Erregung hinreichend war, um den
+Staat zu erschüttern, in vollkommener Eintracht verbündet waren. Diese
+Gefühle waren die Liebe zur Kirche und die Liebe zur Freiheit. Während
+vieler Generationen war jeder heftige Ausbruch des kirchlichen Gefühls,
+mit einer einzigen Ausnahme, der bürgerlichen Freiheit nachtheilig
+gewesen; und ebenso war jeder heftige Ausbruch des Freiheitsgefühls, mit
+einer einzigen Ausnahme, dem Ansehen und Einflusse des Prälatenthums und
+der Priesterschaft verderblich. Im Jahre 1688 war die Sache der
+Hierarchie einen Augenblick die Sache der Volkspartei. Mehr als
+neuntausend Geistliche, mit dem Primas und seinen ehrenwerthesten
+Suffraganen an der Spitze, erklärten sich bereit, Haft und
+Eigenthumsberaubung für das große Grundprinzip unsrer freien Verfassung
+zu erdulden. Die Folge war eine Coalition, welche die eifrigsten
+Kavaliere, die eifrigsten Republikaner und alle zwischeninne liegenden
+Parteien der Gesammtheit umfaßte. Der Geist, welcher Hampden unter der
+vergangenen Generation aufrecht erhalten hatte, verband sich mit dem
+Geiste, welcher Sacheverell unter der folgenden aufrecht erhielt, um den
+Erzbischof, der ein Hampden und ein Sacheverell zugleich war, aufrecht
+zu erhalten. Diejenigen Klassen der Gesellschaft, denen an der Erhaltung
+der Ruhe am meisten gelegen ist, welche in stürmischen Zeiten gewöhnlich
+am ersten bei der Hand sind, die Regierung zu unterstützen, und welche
+einen natürlichen Widerwillen gegen Aufwiegler hegen, folgten ohne
+Bedenken der Leitung eines ehrwürdigen Mannes, des ersten Peers des
+Reiches, des ersten Dieners der Kirche, eines Tory’s in der Politik,
+eines Heiligen in seinem Privatleben, den die Tyrannei wider seinen
+Willen in einen Demagogen verwandelt hatte. Auf der andren Seite flehten
+jetzt selbst Diejenigen, welche das Episcopat als einen Überrest des
+Papismus und als ein Werkzeug der Willkürherrschaft stets verabscheut
+hatten, auf den Knien um den Segen eines Prälaten, der bereit war, eher
+Ketten zu tragen und seine alterschwachen Glieder auf die nackten Steine
+eines Kerkers zu legen, als daß er die Interessen des protestantischen
+Glaubens verrathen und die Hoheitsrechte der Krone über das Gesetz
+gestellt hätte. Mit der Liebe zur Kirche und der Liebe zur Freiheit
+verband sich in dieser wichtigen Krisis noch ein drittes Gefühl, das zu
+den achtungswerthesten Zügen unsres Nationalcharacters gehört. Ein durch
+Willkürgewalt unterdrückter Mensch findet bei uns, hätte er sonst auch
+nicht den mindesten Anspruch auf Achtung und Dankbarkeit, gewöhnlich
+eine rege Theilnahme. So wurde zu den Zeiten unserer Großväter die
+Gesellschaft durch Wilkes’ Verfolgung heftig aufgeregt. Wir selbst sahen
+die Nation durch die gegen die Königin Karoline geübte Härte fast bis
+zum Wahnsinn gereizt. Daher wurde England, selbst wenn von dem Ausgange
+des Prozesses gegen die Bischöfe keine wichtigen politischen oder
+religiösen Interessen abgehangen hätten, es wahrscheinlich nicht ohne
+starke Regungen von Mitleid und Unwillen mit angesehen haben, wie einige
+Greise von makelloser Tugend von der Rache eines jähzornigen und
+unerbittlichen Fürsten verfolgt wurden, der ihrer Treue seine Krone
+verdankte.
+
+Von diesen Gefühlen angetrieben, stellten sich unsere Vorfahren in einer
+ungeheuren und compacten Masse der Regierung entgegen. Die mächtige
+Phalanx war aus allen Ständen, allen Parteien, allen protestantischen
+Seelen gebildet. Im Vordertreffen standen die geistlichen und weltlichen
+Lords, dann kamen die begüterte Gentry und der Klerus, beide
+Universitäten, alle Gerichtshöfe, Großhändler, Krämer und Pächter, die
+Lastträger, die sich in den Straßen der großen Städte plagten, und die
+Landleute, welche das Feld bebauten. Die Koalition gegen den König
+umfaßte selbst die Matrosen, die seine Schiffe bemannten, selbst die
+Schildwachen, die seinen Palast bewachten. Die Namen Whig und Tory waren
+einen Augenblick vergessen. Der alte Ausschließungsmann reichte dem
+alten Verabscheuer die Hand; Episcopalen, Presbyterianer, Independenten
+und Baptisten vergaßen ihre langjährigen Fehden, um nur an ihren
+gemeinsamen Protestantismus und an ihre gemeinsame Gefahr zu denken;
+Theologen, die in der Schule Laud’s gebildet waren, sprachen nicht nur
+von Duldung, sondern sogar von Einigung. Der Erzbischof erließ bald nach
+seiner Freisprechung einen Hirtenbrief, der eines der merkwürdigsten
+Schriftstücke jener Zeit ist. Er hatte von Jugend auf mit den
+Nonconformisten in Streit gelegen und sie mehrmals mit ungerechter und
+unchristlicher Heftigkeit angegriffen. Sein Hauptwerk war eine häßliche
+Karrikatur auf die Calvinistische Theologie.[136] Er hatte für den 30.
+Januar, den Jahrestag der Hinrichtung Karl’s I., und für den 29. Mai,
+den Jahrestag der Rückkehr Karl’s II., Gebetsformulare abgefaßt, welche
+so heftige Schmähungen gegen die Puritaner enthielten, daß die Regierung
+es für nöthig erachtet hatte, dieselben zu mildern. Jetzt aber war sein
+Herz erweicht und geöffnet. Er ermahnte die Bischöfe und die Geistlichen
+feierlich und eindringlich, ihren Brüdern, den protestantischen
+Dissenters, mit zarter Rücksicht zu begegnen, sie oft zu besuchen, sie
+gastlich zu bewirthen, sich freundlich mit ihnen zu unterhalten und sie
+womöglich zum Anschluß an die Kirche zu bewegen, sich aber, wenn ihnen
+dies nicht gelänge, in ihrem Wirken für die segensreiche Sache der
+Reformation herzlich und liebreich zu verbinden.[137]
+
+Viele fromme Leute dachten in späteren Jahren mit schmerzlicher
+Sehnsucht an jene Zeit zurück. Sie schilderten dieselbe als den
+flüchtigen Schimmer eines goldenen Zeitalters zwischen zwei eisernen
+Zeitaltern. Waren solche Klagen auch natürlich, so waren sie doch nicht
+begründet. Die Coalition von 1688 war und konnte nur das Erzeugniß einer
+an Wahnsinn grenzenden Tyrannei und einer alle großen Institutionen des
+Landes gleichzeitig bedrohenden Gefahr sein. Daß eine solche Coalition
+seitdem nicht wieder vorgekommen, hat seinen Grund darin, weil noch nie
+wieder so schlecht und verkehrt regiert worden ist. Man darf nicht
+vergessen, daß, wenn auch Eintracht an sich besser ist als Zwietracht,
+doch Zwietracht das Zeichen besserer Zustände sein kann als Eintracht
+sie andeutet. Unglück und Gefahr zwingen die Menschen oft, sich zu
+verbinden. Glück und Sicherheit bestimmen sie oft, sich zu trennen.
+
+ [Anmerkung 136: Der +Fur Praedestinatus+.]
+
+ [Anmerkung 137: Dieser Hirtenbrief findet sich in der ersten der
+ zwölf Sammlungen von Urkunden über die englischen Angelegenheiten,
+ die zu Ende des Jahres 1688 und zu Anfang des Jahres 1689 gedruckt
+ wurden. Er wurde am 26. Juli, nicht ganz einen Monat nach dem
+ Prozesse erlassen. Um die nämliche Zeit äußerte Lloyd von St.
+ Asaph gegen Heinrich Wharton, daß die Bischöfe ein ganz neues
+ Verfahren gegen die protestantischen Dissenters einzuschlagen
+ gedächten: +„Omni modo curaturos, ut ecclesia sordibus et
+ corruptelis penitus exueretur; ut sectariis reformatis reditus in
+ ecclesiae sinum exoptati occasio ac ratio concederetur, si qui
+ sobrii et pii essent; ut pertinacibus interim jugum levaretur,
+ extinctis penitus legibus mulctatoriis.“ -- Excerpta ex Vita H.
+ Wharton.+]
+
+
+
+
+ Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig.
+
+
+ * * * * *
+ * * * *
+ * * * * *
+
+
+Druckfehler und Unregelmässigkeiten
+
+Rechtschreibungsformen wie »funfzig« : »fünfzig«, »Urtel« : »Urtheil«
+und »Partein« : »Parteien« sind ungeändert. Die Namen »Russel« und
+»Russell« sind ebenso ungeändert (auch wenn es um die selbe Person
+handelt). Einige doppelte Punkte wie
+
+ [_Sir Patrick Hume und Sir Johann Cochrane._].
+
+sind leise korrigiert.
+
+VII. Kapitel
+
+ [Inhalt]
+ Wycherley, Tindal, Haines [Tintal]
+ Compton. -- Herbert. -- Churchill [Compten]
+ [Anm. VII.1] ... Van Kampen’s ... Sir Jakob Mackintosh
+ [Van Kamper’s, Makintosh]
+ Zeugen seiner Schmerzensausbrüche [Schmerzensausbbrüche]
+ [Anm. VII.5] ... j’ay en soin que M. Woodstoc
+ [_ungeändert: Namen ist »Woodstock«_]
+ [Anm. VII.57] +Burnet I. 726--731+ [I.,]
+ [Anm. VII.63] ... jusqu’à l’actuel payement. [j’usqu’à]
+ Namens Johnstone [Johnestone]
+ die Überreste des Ignatius Loyola [Loyla]
+
+VIII. Kapitel
+
+ Heinrich’s VI. und Heinrich’s VIII. gebildet waren [Heinrichs VIII.]
+ „Sie ... sind ... aus der Schrift heimschicken: „Gehet hin ...
+ widerfahre.“
+ [_anführungsszeichen ungeändert_]
+ vierzig Fellow’s [_’ im Original_]
+ Von Whitehall war keine Antwort gekommen. [Withehall]
+ von Windsor nach Portsmouth [Portsmuth]
+ [Anm. VIII.34] ... Note zu Burnet I. 755 [I, 755]
+ [Anm. VIII.41] ... +Burnet I. 264+ [I, 264]
+ [Anm. VIII.45] ... 2.(12.) Dec. [2.(12. Dec.).]
+ [Anm. VIII.127] ... +Tanner MS.+ [Ms.]
+ durch Wilkes’ Verfolgung [Wilke’s]
+
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Geschichte von England seit der
+Thronbesteigung Jakob's des Zwe, by Thomas Babington Macaulay
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 30331 ***