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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-14 19:53:36 -0700 |
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diff --git a/30331-0.txt b/30331-0.txt new file mode 100644 index 0000000..6f70a33 --- /dev/null +++ b/30331-0.txt @@ -0,0 +1,8699 @@ +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 30331 *** + +[Dieser Text benutzt die UTF-8-Kodierung (Unicode). Wenn die Apostrophe, +Anführungszeichen und die Umlaute in diesem Absatz als seltsame Zeichen +dargestellt werden, sollten Sie in Ihrem Text-Anzeigeprogramm +„Zeichensatz“ oder „Datei-Kodierung“ auf Unicode (UTF-8) einstellen. +Eventuell ist es auch nötig, die Standardschrift zu ändern. Wenn das +auch nichts hilft, nehmen Sie stattdessen die Latin-1 Version dieses +Textes. + +Zeichen _wie so_ bedeuten Gesperrt; +wie so+ bedeuten Antiqua +(nicht-Fraktur); =wie so= bedeuten Fettschrift.] + + + + + Thomas Babington Macaulay’s + + Geschichte von England + + + seit der + + Thronbesteigung Jakob’s des Zweiten. + + + Aus dem Englischen. + + + +Vollständige und wohlfeilste Stereotyp-Ausgabe.+ + + + Vierter Band. + + + Leipzig, 1854. + _G. H. Friedlein._ + + + * * * * * + * * * * + + + Siebentes Kapitel. + + Jakob II. + + + + + =Inhalt.= + + Seite + Wilhelm, Prinz von Oranien 5 + Sein Äußeres 5 + Sein früheres Leben und seine Erziehung 5 + Seine religiösen Ansichten 7 + Seine militairischen Talente 8 + Sein Vergnügen an Gefahren; seine schlechte Gesundheit 10 + Kälte seines Benehmens und Heftigkeit seiner Gemüthsregungen 10 + Seine Freundschaft für Bentinck 10 + Marie, Prinzessin von Oranien 12 + Gilbert Burnet 14 + Er vermittelt eine innigere Annäherung zwischen dem Prinzen + und der Prinzessin 17 + Beziehungen Wilhelm’s zu den englischen Parteien 18 + Seine Gesinnungen gegen England 18 + Seine Gesinnungen gegen Holland und Frankreich 19 + Seine Politik durchaus consequent 22 + Vertrag von Augsburg 24 + Wilhelm wird das Oberhaupt der englischen Opposition 25 + Mordaunt schlägt Wilhelm eine Landung in England vor 26 + Wilhelm verwirft den Rath 26 + Unzufriedenheit in England nach dem Sturze der Hyde 27 + Bekehrungen zum Papismus; Peterborough, Salisbury 27 + Wycherley, Tindal, Haines 28 + Dryden 29 + +„The Hind and Panther.“+ 30 + Änderung in dem Verfahren des Hofes gegen die Puritaner 32 + In Schottland theilweise Duldung gewährt 35 + Persönliche Bearbeitung Einzelner im königlichen Kabinet 36 + Erfolglosigkeit der persönlichen Bearbeitung 37 + Admiral Herbert 37 + Die Indulgenzerklärung 37 + Stimmung der protestantischen Dissenters 39 + Stimmung der anglikanischen Kirche 40 + Der Hof und die Kirche 40 + „Brief an einen Dissenter.“ 42 + Benehmen der Dissenters 43 + Einige von ihnen halten es mit dem Hofe. Care, Alsop, + Rosewell 45 + Lobb 46 + Penn 46 + Die Mehrzahl der Puritaner ist gegen den Hof. Baxter 46 + Howe 47 + Bunyan 47 + Kiffin 49 + Der Prinz und die Prinzessin von Oranien gegen die + Indulgenzerklärung 52 + Vertheidigung ihrer Ansichten bezüglich der englischen + Katholiken 53 + Jakob’s Feindschaft gegen Burnet 57 + Sendung Dykvelt’s nach England 59 + Unterhandlungen Dykvelt’s mit englischen Staatsmännern 59 + Danby 60 + Nottingham 60 + Halifax 61 + Devonshire 62 + Eduard Russel 64 + Compton. -- Herbert. -- Churchill 65 + Lady Churchill und die Prinzessin Anna 66 + Dykvelt kehrt mit Briefen von vielen angesehenen Engländern + nach dem Haag zurück 68 + Zulestein’s Sendung 69 + Zunehmende Feindschaft zwischen Jakob und Wilhelm 70 + Einfluß der holländischen Presse 71 + Stewart’s und Fagel’s Correspondenz 71 + Castelmaine’s Gesandtschaft in Rom 72 + + + + +[_Wilhelm, Prinz von Oranien._] Wilhelm Heinrich, Prinz von +Oranien-Nassau, nimmt in der Geschichte Englands und der gesammten +Menschheit eine so bedeutende Stelle ein, daß es wünschenswerth +erscheint, die markirten Züge seines Characters mit einiger +Ausführlichkeit zu zeichnen.[1] + + [Anmerkung 1: Die Hauptquellen, aus denen ich meine Schilderung + des Prinzen von Oranien geschöpft habe, sind Burnet’s Geschichte, + Temple’s und Gourville’s Memoiren, die Unterhandlungen der Grafen + Estrades und Avaux, Sir Georg Downing’s Briefe an den Lordkanzler + Clarendon, Wagenaar’s umfangreiches Geschichtswerk, Van Kampen’s + +Karakterkunde Vaderlandsche Geschiedenis+, und vor Allem + Wilhelm’s eigene vertrauliche Correspondenz, von welcher der + Herzog von Portland Sir Jakob Mackintosh eine Abschrift zu nehmen + erlaubte.] + + +[_Sein Äußeres._] Er stand jetzt in seinem siebenunddreißigsten +Lebensjahre, war aber körperlich und geistig älter als andere Leute in +diesen Jahren. Man könnte fast sagen, er sei niemals jung gewesen. Sein +Äußeres ist uns fast eben so gut bekannt, als seinen eigenen Heerführern +und Räthen. Bildhauer, Maler und Münzschneider haben ihre ganze +Geschicklichkeit aufgeboten, um seine Züge der Nachwelt zu überliefern, +und diese waren von der Art, daß kein Künstler sie verfehlen und daß, +wer sie einmal gesehen, sie nie vergessen konnte. Sein Name erinnert uns +sogleich an eine schmächtige und zarte Gestalt, an eine hohe und breite +Stirn, an eine wie der Schnabel eines Adlers gebogene Nase, an ein Paar +Augen, die an Glanz und Schärfe mit denen des Adler wetteiferten, an +eine gedankenvolle, etwas finstre Miene, einen festen und etwas +mürrischen Mund, an eine bleiche, eingefallene und durch Krankheit und +Sorgen tief gefurchte Wange. Dieses gedankenvolle, ernste und feierliche +Aussehen konnte kaum einem glücklichen und lebensfrohen Manne angehört +haben; aber es verräth in unverkennbarer Weise die Befähigung zu den +schwierigsten Unternehmungen und einen durch kein Mißgeschick und durch +keine Gefahren zu erschütternden Muth. + + +[_Sein früheres Leben und seine Erziehung._] Die Natur hatte Wilhelm mit +allen Eigenschaften eines großen Herrschers reich ausgestattet und die +Erziehung hatte diese Eigenschaften in nicht gewöhnlichem Grade +entwickelt. Mit einem scharfen natürlichen Verstande und einer seltenen +Willenskraft sah er sich, als sein Geist zu erwachen begann, als vater- +und mutterlose Waise, als das Oberhaupt einer großen, aber unterdrückten +und entmuthigten Partei und als den Erben ausgedehnter aber unbestimmter +Ansprüche, welche die Furcht und die Abneigung der damals in den +Niederlanden herrschenden Oligarchie erregten. Das gemeine Volk, das +seit einem Jahrhundert seinem Hause treu ergeben war, bewies so oft es +ihn sah, auf nicht zu verkennende Weise, daß es ihn als sein +rechtmäßiges Oberhaupt betrachtete. Die geschickten und erfahrenen +Minister der Republik, die seinen Namen tödtlich haßten, brachten ihm +täglich ihre erzwungene Huldigung dar und beobachteten dabei die +Fortschritte seines Geistes. Die ersten Regungen seines Ehrgeizes wurden +sorgfältig bewacht, jedes unüberlegte Wort, das ihm entschlüpfte, wurde +niedergeschrieben, und er besaß nicht einen einzigen Rathgeber, auf +dessen Ausspruch Vertrauen gesetzt werden konnte. Er war kaum funfzehn +Jahre alt, so wurden alle Diener, die seinem Interesse ergeben waren und +die sein Vertrauen genossen, von der mißtrauischen Regierung aus seinem +Hause entfernt. Er sträubte sich dagegen mit einer weit über seine Jahre +hinausgehenden Energie, aber vergebens. Aufmerksame Beobachter sahen +mehr als einmal Thränen in den Augen des jungen Staatsgefangenen. Seine +von Haus aus zarte Gesundheit war eine Zeit lang durch die +Gemüthsbewegungen, die seine traurige und vereinsamte Stellung erzeugte, +ernstlich erschüttert. Eine solche Lage macht den Schwachen muthlos und +bestürzt, dem Starken giebt sie eine verdoppelte Kraft. Von Schlingen +umgeben, in denen ein gewöhnlicher Jüngling umgekommen sein würde, +lernte Wilhelm vorsichtig und zu gleicher Zeit energisch auftreten. +Schon lange bevor er das Mannesalter erreicht, verstand er es, +Geheimnisse zu bewahren, die Neugierde durch trockene und wohlüberlegte +Antworten abzutrumpfen und alle Leidenschaften unter dem nämlichen +Scheine ernster Ruhe zu verbergen. In der feinen Weltbildung und in +literarischen Kenntnissen machte er dagegen nur geringe Fortschritte. +Dem Benehmen des holländischen Adels jener Zeit fehlte die +liebenswürdige Anmuth, welche bei den gebildeten Franzosen in höchster +Vollkommenheit zu finden war und in geringerem Grade auch den englischen +Hof zierte; seine Manieren waren durchaus holländisch. Selbst seine +eigenen Landsleute nannten ihn plump, und Ausländern erschien er oft +noch mehr als dies. In seinem Verkehr mit der Welt im Allgemeinen schien +er jene Fertigkeiten, welche den Werth einer Gunstbezeugung erhöhen und +einer Verweigerung die Spitze abbrechen, nicht zu kennen oder sie zu +verschmähen. Die Literatur und die Wissenschaften interessirten ihn +wenig; er wußte nichts von den Entdeckungen eines Newton und Leibnitz, +von den Poesien eines Dryden und Boileau; dramatische Darstellungen +langweilten ihn und er war froh, wenn er den Blick von der Bühne +abwenden und von öffentlichen Angelegenheiten sprechen konnte, während +Orestes raste oder Tartüffe der Elmira die Hand drückte. Er besaß zwar +einiges Talent zu Sarkasmen und entfaltete nicht selten ganz unbewußt +eine sonderbar klingende, aber kräftige und originelle natürliche +Redekunst, aber nach den Titel eines Schöngeistes oder eines Redners +strebte er nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf diejenigen Studien +gerichtet gewesen, welche einen tüchtigen und umsichtigen Geschäftsmann +bilden. Von Kindheit an hörte er mit Interesse zu, wenn wichtige Fragen +über Bündnisse, Finanzen und Krieg besprochen wurden. Von der Geometrie +lernte er soviel als zum Bau einer Schanze oder eines Hornwerks nöthig +war. Von fremden Sprachen lernte er mit Hülfe seines ausgezeichneten +Gedächtnisses soviel als er bedurfte, um Alles, was mit ihm gesprochen +wurde, und jeden Brief, den er empfing, verstehen und beantworten zu +können. Das Holländische war seine Umgangssprache. Er verstand +Lateinisch, Italienisch und Spanisch, sprach und schrieb Französisch, +Englisch und Deutsch, zwar nicht elegant und grammatisch richtig, aber +fließend und verständlich. Keine Fähigkeit konnte wichtiger sein für +einen Mann, der dazu bestimmt war, große Bündnisse zu organisiren und +Armeen zu commandiren, die aus verschiedenen Nationalitäten +zusammengesetzt waren. + + +[_Seine religiösen Ansichten._] Eine Klasse von philosophischen Fragen +war durch die Umstände seiner Aufmerksamkeit dringend empfohlen worden +und scheint ihn mehr interessirt zu haben, als man es von seinem +allgemeinen Character hätte erwarten sollen. Die Protestanten der +Vereinigten Provinzen bestanden wie die unsrer Insel aus zwei großen +religiösen Partein, welche zwei großen politischen Parteien fast genau +entsprachen. Die Oberhäupter der städtischen Oligarchie waren Arminianer +und wurden im Allgemeinen von der Menge als nicht viel besser denn +Papisten betrachtet. Die Prinzen von Oranien waren gewöhnlich die +Schutzpatrone der calvinistischen Theologie gewesen und verdankten +keinen geringen Theil ihrer Popularität ihrem Eifer für die Lehren von +der Gnadenwahl und dem endlichen Beharren, einem Eifer, der nicht immer +durch Kenntnisse erleuchtet oder durch Humanität gemäßigt war. Wilhelm +war von Kindheit auf in dem theologischen System, dem seine Familie +anhing, sorgfältig unterrichtet worden, und betrachtete dieses System +mit größerer Vorliebe, als man in der Regel für seinen ererbten Glauben +hegt. Er hatte über die großen Probleme, welche auf der Synode von +Dortrecht erörtert worden waren, nachgedacht und in der strengen, +unbeugsamen Logik der genfer Schule etwas gefunden, was seinem Verstande +und seinem Gemüth zusagte. Das Beispiel von Unduldsamkeit, das einige +seiner Vorgänger gegeben, ahmte er jedoch niemals nach; er empfand gegen +alle Verfolgung eine entschiedene Abneigung, die er nicht allein da +aussprach, wo ein solches Eingeständniß offenbar staatsklug war, sondern +auch in Fällen, wo es den Anschein hatte, daß sein Interesse durch +Verstellung oder Stillschweigen hätte gefördert werden können. +Gleichwohl waren seine theologischen Ansichten noch entschiedener als +die seiner Vorgänger. Die Lehre von der Prädestination war der +Grundstein seiner Religion. Er erklärte oft, daß wenn er diese Lehre +aufgeben müßte, er zugleich mit derselben allen Glauben an eine waltende +Vorsehung aufgeben und ein reiner Epikuräer werden müßte. Diesen +einzigen Punkt ausgenommen, wurde die ganze Fülle seines kräftigen +Geistes frühzeitig von dem Theoretischen ab und auf das Praktische +gelenkt. Die Fähigkeiten, deren es zur Leitung wichtiger Geschäfte +bedarf, gediehen bei ihm schon in einem Alter zur Reife, wo sie sich bei +gewöhnlichen Menschen kaum erst zu entfalten begonnen haben. Seit +Octavius hatte die Welt kein solches Beispiel frühzeitiger +staatsmännischer Befähigung gesehen. Erfahrene Diplomaten erstaunten +über die treffenden Bemerkungen, die der siebzehnjährige Prinz über +öffentliche Angelegenheiten machte, und mit noch weit größerem Erstaunen +sahen sie diesen Knaben in Lagen, wo man hätte erwarten sollen, daß er +starke Leidenschaften verrathen werde, eine eben so unerschütterliche +Ruhe bewahren, wie sie selbst. Mit achtzehn Jahren saß er bereits unter +den Vätern der Republik, ernst, besonnen und einsichtsvoll wie der +Älteste unter ihnen. Mit zweiundzwanzig Jahren ward er an einem Tage der +Trauer und des Schreckens an die Spitze der Verwaltung gestellt. Mit +dreiundzwanzig Jahren war er durch ganz Europa als Feldherr und +Staatsmann berühmt. Er hatte innere Factionen niedergeworfen, war die +Seele einer mächtigen Coalition und hatte im Felde gegen einige von den +größten Generälen seiner Zeit mit Ehren gefochten. + + +[_Seine militairischen Talente._] Seine persönlichen Neigungen waren +mehr die eines Kriegers als die eines Staatsmannes, aber wie sein +Urgroßvater, der schweigsame Prinz, der die batavische Republik +gründete, nimmt er unter den Staatsmännern einen viel höheren Rang ein +als unter den Feldherren. Der Verlauf der Schlachten ist allerdings kein +untrüglicher Prüfstein für die Talente eines Befehlshabers, und es würde +ganz besonders ungerecht sein, wollte man diesen Prüfstein bei Wilhelm +anwenden, denn das Schicksal wollte, daß er fast stets Feldherren, +welche vollendete Meister in ihrer Kunst, und Truppen gegenüberstand, +welche in der Disciplin den seinigen weit überlegen waren. Indessen läßt +sich mit gutem Grunde annehmen, daß er als General im offenen Felde +Manchem, der in geistiger Beziehung tief unter ihm stand, keineswegs +gleichkam. Mit Leuten, die sein Vertrauen besaßen, sprach er über diesen +Gegenstand mit der edlen Offenheit eines Mannes, der Großes vollbracht +hat und der recht wohl auch einige Mängel eingestehen kann. Er sagte, er +habe keine Lehrzeit für den militairischen Beruf bestanden; er sei schon +als Knabe an die Spitze einer Armee gestellt worden, unter seinen +Offizieren habe sich keiner befunden, der fähig gewesen wäre, ihn zu +unterweisen; nur aus seinen eigenen Fehlern und deren Folgen habe er +etwas lernen können. „Ich würde einen guten Theil meines Vermögens darum +geben,“ rief er einmal aus, „wenn ich einige Feldzüge unter dem Prinzen +von Condé mitgemacht hätte, ehe ich gegen ihn commandiren mußte.“ Es ist +nicht unwahrscheinlich, daß der Umstand, welcher Wilhelm verhinderte, +eine ausgezeichnete strategische Bildung zu erlangen, der allgemeinen +Entwickelung seiner Geisteskräfte zu Gute gekommen ist. Bewiesen seine +Schlachten auch nicht den großen Taktiker, so berechtigten sie ihn doch +zu dem Titel eines großen Mannes. Kein Mißgeschick konnte ihn nur einen +Augenblick seiner Festigkeit und des vollständigen Besitzes aller seiner +Fähigkeiten berauben. Seine Niederlagen wurden mit einer so wunderbaren +Schnelligkeit wieder gut gemacht, daß er, noch ehe seine Feinde das +Tedeum gesungen hatten, schon wieder zum Kampfe gerüstet war; auch +beeinträchtigten solche Schläge in keiner Weise die Achtung und das +Vertrauen, dessen er sich von Seiten seiner Soldaten erfreute. Diese +Achtung und dieses Vertrauen verdankte er in nicht geringem Maße seinem +persönlichen Muthe. Den Grad von Muth, dessen der Soldat bedarf, um +einen Feldzug ohne Schande zu bestehen, besitzen die meisten Menschen +oder wenigstens können sie denselben in einer guten Schule erlangen. Ein +Muth wie der des Prinzen Wilhelm aber ist in der That selten. Er wurde +auf jede nur mögliche Weise geprüft, durch Krieg, durch Wunden, durch +schmerzhafte und entnervende Krankheiten, durch Seestürme, durch die +beständig drohende Gefahr, ermordet zu werden, eine Gefahr, die schon +sehr starke Nerven erschüttert hat und durch welche selbst die eiserne +Tapferkeit Cromwell’s einen harten Stoß erhielt. Aber Niemand konnte je +etwas entdecken, was der Prinz von Oranien fürchtete. Seine Rathgeber +konnten ihn nur mit Mühe dazu bringen, daß er einige Vorsichtsmaßregeln +gegen die Pistolen und Dolche von Verschwörern ergriff.[2] Alte Seeleute +erstaunten über die kaltblütige Ruhe, die er inmitten tobender +Brandungen an einer gefahrvollen Küste bewahrte. In der Schlacht +zeichnete ihn seine Tapferkeit unter Zehntausenden tapferer Krieger aus, +erweckte die hochherzige Anerkennung selbst der feindlichen Heere und +wurde selbst von der Unbilligkeit feindlicher Factionen nie bestritten. +Während seiner ersten Feldzüge setzte er sich der Gefahr aus, als ob er +den Tod gesucht hätte, war beim Angriff stets der Erste, beim Rückzug +der Letzte, kämpfte mit dem Schwerte in der Hand im dichtesten Gewühl, +und mit einer Flintenkugel im Arm, den Harnisch von Blut überströmt, +hielt er noch immer Stand und schwenkte im furchtbarsten Feuer seinen +Hut. Seine Freunde beschworen ihn, er solle doch sein für das Vaterland +unschätzbares Leben mehr schonen. Sein berühmtester Gegner, der große +Condé, bemerkte nach der blutigen Schlacht von Seneff, der Prinz von +Oranien habe sich in jeder Beziehung wie ein alter General benommen, nur +in sofern nicht, als er sich wie ein junger Soldat ausgesetzt. Wilhelm +leugnete, daß er sich der Tollkühnheit schuldig gemacht habe. Er stelle +sich, meinte er, nur aus Pflichtgefühl und aus kalter Berechnung dessen, +was das öffentliche Interesse erheische, immer auf den Posten der +Gefahr. Die Truppen, die er befehlige, seien wenig an den Krieg gewöhnt +und fürchteten ein Handgemenge mit den französischen Veteranen; es sei +daher nöthig, daß ihr Anführer ihnen zeige, wie man Schlachten gewinnt. +Und in der That wurde auch mehr als eine Schlacht, welche rettungslos +verloren schien, noch durch die Kühnheit gewonnen, mit der er seine +zersprengten Bataillone sammelte und eigenhändig die Memmen niederhieb, +welche das Beispiel zur Flucht gaben. Zuweilen sah es jedoch ganz so +aus, als ob er ein eignes Vergnügen daran finde, sein Leben zu +gefährden. Es wurde bemerkt, daß er nie heiterer, freundlicher und +liebenswürdiger war, als im blutigen Getümmel der Schlacht. Selbst bei +seinen Zerstreuungen liebte er das Aufregende der Gefahr. Kartenspiele, +Schach und Billard machten ihm kein Vergnügen; seine Lieblingserholung +war die Jagd, und die gefährlichste war ihm die liebste. Er machte oft +Sätze, daß seine kühnsten Begleiter nicht Lust hatten, ihm zu folgen. +Selbst die verwegensten Sportvergnügungen Englands scheint er für +weibisch gehalten zu haben, und im großen Parke von Windsor sehnte er +sich nach dem Wilde, das er in den Forsten von Geldern zu jagen gewohnt +war, nach Wölfen, Ebern und riesigen Sechzehnendern.[3] + + [Anmerkung 2: Nach dem Frieden von Ryswick drangen die Freunde + Wilhelm’s in ihn, mit dem französischen Gesandten ganz ernstlich + über die Mordanschläge zu sprechen, welche die Jakobiten von St. + Germain beständig schmiedeten. Die kaltblütige Hochherzigkeit, + mit der er diese Warnungen vor Gefahr aufnahm, ist besonders + characteristisch. Dem Grafen Bentinck, der von Paris sehr + beunruhigende Nachrichten gemeldet hatte, antwortete er nur am + Schlusse eines langen Geschäftsbriefes: +„Pour les assasins je ne + luy en ay pas voulu parler, croiant que c’etoit au desous de + moy.+“ -- 2.(12.) Mai 1698. Ich habe die Orthographie des + Originals, wenn von einer solchen überhaupt die Rede sein kann, + beibehalten.] + + [Anmerkung 3: Von Windsor schrieb er an Bentinck, damals Gesandten + in Paris: +„J’ay pris avant hier un cerf dans la forest avec les + chains du Pr. de Denm. et ay fait un assez jolie chasse, autant, + que ce vilain paiis le permest.“+ -- 20. März (1. April) 1698. Die + Orthographie ist schlecht, aber nicht schlechter als die + Napoleon’s. In besserer Stimmung schrieb Wilhelm von Loo aus: + +„Nous avons pris deux cerfs, le premier dans Dorewaert, qui est + un des plus gros que je sache avoir jamais pris. Il porte seize.“+ + -- 25. Oct. (4. Nov.) 1697.] + + +[_Sein Vergnügen an Gefahren; seine schlechte Gesundheit._] Seine +Tollkühnheit war um so merkwürdiger, da er von ungemein zarter +Körperconstitution war. Er war von früher Jugend an schwächlich und +kränklich gewesen, und im ersten Mannesalter waren seine Leiden durch +einen heftigen Pockenanfall noch verschlimmert worden. Er war engbrüstig +und schwindsüchtig. Sein schwächlicher Körper wurde durch einen +beständigen heiseren Husten erschüttert. Er konnte nicht schlafen, wenn +sein Kopf nicht durch mehrere Kissen unterstützt wurde, und nur in der +reinsten Luft konnte er ohne Beschwerden athmen. Dabei quälten ihn oft +heftige Kopfschmerzen. Körperliche Anstrengungen ermüdeten ihn sehr +bald. Die Ärzte pflegten die Hoffnung seiner Feinde dadurch aufrecht zu +erhalten, daß sie einen Termin festsetzten, über den hinaus, wenn sich +überhaupt irgend etwas in der Wissenschaft mit Sicherheit bestimmen +lasse, sein zerrütteter Organismus unmöglich ausdauern könnte. Dennoch +verließ seinen Geist während seines ganzen Lebens, das nur eine lange +Krankheit war, bei keiner wichtigen Gelegenheit die nöthige Kraft, um +seinen leidenden und siechen Körper aufrecht zu erhalten. + + +[_Kälte seines Benehmens und Heftigkeit seiner Gemüthsregungen._] Er war +mit heftigen Leidenschaften und mit leichter Reizbarkeit geboren; aber +die Welt hatte keine Ahnung von der Stärke seiner Gemüthsaffecte. Vor +den Blicken der Menge verbarg er seine Freude und seinen Kummer, seine +Zuneigung und seinen Groll unter einer phlegmatischen Ruhe, die ihm den +Ruf des kaltblütigsten und gleichgültigsten Menschen verschaffte. Wer +ihm eine gute Nachricht brachte, konnte selten ein Zeichen von Freude +entdecken; wer ihn nach einer Niederlage sah, spähte umsonst nach einer +Spur von Unmuth. Er lobte und tadelte, belohnte und bestrafte mit der +kalten Gelassenheit eines Mohawkhäuptlings; aber wer ihn genauer kannte +und ihn näher betrachtete, der bemerkte wohl, daß unter dieser Eisrinde +beständig ein ungestümes Feuer brannte. Nur selten raubte der Zorn ihm +seine Selbstbeherrschung; wenn er aber einmal in Wuth gerieth, so war +der erste Ausbruch seiner Leidenschaft furchtbar. Es war dann in der +That nicht rathsam, ihm zu nahe zu kommen. In diesen seltenen Fällen +jedoch gab er, sobald er seine Selbstbeherrschung wieder erlangt hatte, +Denen, die er beleidigt, so vollständige Genugthuung, daß sie sich fast +zu dem Wunsche versucht fühlten, er möchte aufs neue in Wuth gerathen. +Seine Liebe war nicht minder stürmisch als sein Zorn. Wo er einmal +liebte, da liebte er mit der ganzen Kraft seiner starken Seele. Wenn der +Tod ihn von einem geliebten Wesen trennte, fürchteten die wenigen Zeugen +seiner Schmerzensausbrüche für seinen Verstand und für sein Leben. Einem +sehr kleinen Kreise intimer Freunde gegenüber, auf deren Treue und +Verschwiegenheit er sich unbedingt verlassen konnte, war er ein ganz +andrer Mensch als der verschlossene und stoische Wilhelm, dem die Menge +jedes menschliche Gefühl absprach. In ihrer Gesellschaft war er +freundlich, gemüthlich, offenherzig, selbst gesellig und witzig, konnte +Stunden lang bei Tische sitzen und vollen Antheil an einer heiteren +Unterhaltung nehmen. + + +[_Seine Freundschaft für Bentinck._] Am höchsten in seiner Gunst stand +ein Kavalier seines Hofstaates, Namens Bentinck, der aus einem edlen +batavischen Geschlecht stammte und der Gründer eines der großen +patrizischen Häuser Englands werden sollte. Bentinck’s Treue hatte sich +in nicht gewöhnlicher Weise erprobt. Zu der Zeit, als die Vereinigten +Provinzen gegen die Macht Frankreichs um ihre Existenz kämpften, wurde +der junge Prinz, auf dem alle ihr Hoffnungen ruhten, von den Pocken +befallen. Diese Krankheit hatte bei mehreren Mitgliedern seiner Familie +einen tödtlichen Ausgang genommen und zeigte auch bei ihm anfangs einen +sehr bösartigen Character. Die Bestürzung des Volks war groß. Von früh +bis Abends waren die Straßen im Haag mit Leuten angefüllt, die sich +ängstlich nach dem Befinden Seiner Hoheit erkundigten. Endlich nahm das +Übel eine günstige Wendung. Seine Genesung wurde zum Theil seinem eignen +Gleichmuth, zum Theil der unerschrockenen und unermüdlichen Freundschaft +Bentinck’s zugeschrieben. Nur aus seinen Händen nahm Wilhelm Speisen und +Arzneien an; er allein hob ihn aus dem Bette und legte ihn wieder +hinein. „Ich weiß nicht, ob Bentinck während meiner Krankheit geschlafen +hat oder nicht,“ sagte Wilhelm mit inniger Rührung zu Temple; „soviel +aber weiß ich, daß ich in den sechzehn Tagen und Nächten nicht ein +einziges Mal etwas verlangte, ohne daß Bentinck augenblicklich an meiner +Seite gewesen wäre.“ Bevor der treue Diener seine Aufgabe ganz vollendet +hatte, wurde er selbst angesteckt. Trotzdem überwand er noch immer +Müdigkeit und Fieberschauer, bis sein Gebieter als Reconvalescent +erklärt wurde. Jetzt endlich bat er um Erlaubniß, nach Hause gehen zu +dürfen. Es war die höchste Zeit, denn seine Füße wollten ihn nicht mehr +tragen. Er kam in die größte Gefahr, genas aber und eilte, sobald er das +Bett verlassen konnte, zur Armee, wo er in vielen heißen Feldzügen immer +dicht an Wilhelm’s Seite gefunden ward, wie er es in einer Gefahr andrer +Art gewesen. + +Dies war der Ursprung einer so innigen und reinen Freundschaft wie +irgend eine, von der uns die alte oder neue Geschichte erzählt. Die +Nachkommen Bentinck’s bewahren noch heute viele Briefe auf, die Wilhelm +an ihren Ahnherrn geschrieben, und es ist nicht zuviel gesagt, wenn man +behauptet, daß wer diese Briefe nicht gelesen hat, sich keinen richtigen +Begriff von dem Character des Prinzen bilden kann. Der Mann, den selbst +seine Verehrer in der Regel für den zurückhaltendsten und frostigsten +Menschen hielten, vergißt hier jeden Rangunterschied und schüttet alle +seine Gedanken mit der Offenherzigkeit eines Schulknaben aus. Ohne +Rückhalt theilt er Geheimnisse von der höchsten Wichtigkeit mit und legt +mit der größten Einfachheit umfassende Pläne vor, welche alle +Regierungen Europa’s berührten. Mit seinen Mittheilungen über solche +Dinge verbindet er Mittheilungen von ganz andrer, aber vielleicht nicht +weniger interessanter Art. Alle seine Abenteuer, alle seine persönlichen +Ansichten, seine langen Jagdritte nach gewaltigen Hirschen, seine Gelage +am St. Hubertustage, das Gedeihen seiner Anpflanzungen, das Mißrathen +seiner Melonen, der Zustand seines Gestüts, der Wunsch, einen frommen +Zelter für seine Gemahlin zu erlangen, sein Verdruß, als er erfährt, daß +einer seiner Kavaliere, nachdem er ein Mädchen aus guter Familie +unglücklich gemacht, sich weigert, sie zu heirathen, seine Anfälle von +Seekrankheit, sein Husten, seine Kopfschmerzen, seine andächtigen +Stimmungen, seine Dankbarkeit für den göttlichen Schutz nach Errettung +aus einer großen Gefahr, seine Anstrengungen, sich nach einem +Unglücksfalle dem göttlichen Willen zu unterwerfen, dies Alles ist darin +mit einer liebenswürdigen Redseligkeit geschildert, die man von dem +verschwiegensten und ernstesten Staatsmanne jener Zeit kaum erwarten +sollte. Noch auffallender sind die sorglosen Ergüsse seiner Zärtlichkeit +und die brüderliche Theilnahme, die er an seines Freundes häuslichem +Glücke nimmt. Als Bentinck ein Erbe geboren wurde, sagte Wilhelm: „Ich +hoffe, er wird ein so braver Mann werden als Sie einer sind, und sollte +ich einen Sohn bekommen, so werden unsere Kinder einander hoffentlich +ebenso lieben, wie wir uns geliebt haben.“[4] Während seines ganzen +Lebens blickte er mit väterlicher Liebe auf die kleinen Bentincks. Er +ruft sie bei den zärtlichsten Diminutiven, er sorgt für sie in ihres +Vaters Abwesenheit, und so schwer es ihm wird, ihnen ein Vergnügen zu +versagen, so will er sie doch nicht an einer Jagdpartie teilnehmen +lassen, wo ihnen die Gefahr droht, von einem Hirsche gestoßen zu werden, +noch ihnen erlauben, bei einem Abendschmause bis spät in die Nacht +hinein zu verweilen.[5] Als ihre Mutter während der Abwesenheit ihres +Gatten krank wird, findet Wilhelm inmitten der wichtigsten und +dringendsten Staatsgeschäfte noch soviel Zeit, um an einem Tage mehrere +expresse Boten mit kurzen Briefen abzuschicken, in denen er von ihrem +Zustande Nachricht giebt.[6] Einmal als sie nach einem heftigen Anfall +außer Gefahr erklärt wird, ergießt sich der Prinz in die wärmsten +Dankesbezeigungen gegen Gott. „Ich schreibe,“ sagt er, „mit Thränen der +Freude in den Augen.“[7] Es liegt ein eigner Reiz in diesen Briefen von +der Hand eines Mannes, dessen Alles überwältigende Energie und +unbeugsame Festigkeit selbst seinen Feinden Achtung abnöthigte, dessen +kaltes und unfreundliches Benehmen in den meisten seiner Anhänger keine +innigere Zuneigung aufkommen ließ und dessen Geist beständig mit +gigantischen Plänen beschäftigt war, welche die Gestalt der Welt +veränderten. + +Seine Güte ward keinem Unwürdigen zu Theil. Temple hatte frühzeitig +Bentinck für den besten und treuesten Diener erklärt, den je ein Fürst +zu besitzen das Glück hatte, und er verdiente diesen ehrenvollen Titel +sein ganzes Leben hindurch. Die beiden Freunde waren in der That wie für +einander geschaffen. Wilhelm bedurfte weder eines Führers noch eines +Schmeichlers. Da er ein festes und wohlbegründetes Vertrauen in sein +eignes Urtheil setzte, so war er kein Freund von Rathgebern, die ihn mit +Vorschlägen und Einwendungen überhäuften. Zu gleicher Zeit besaß er eine +zu scharfe Unterscheidungsgabe und einen zu edlen Sinn, als daß er an +Schmeicheleien hätte Vergnügen finden können. Der Vertraute eines +solchen Fürsten mußte ein Mann sein nicht von erfinderischem Genie oder +von gebieterischem Character, aber bieder und treu, im Stande, jeden +Befehl pünktlich zu vollziehen, Geheimnisse unverbrüchlich zu bewahren, +Ereignisse umsichtig zu beobachten und treulich zu berichten. Und ein +solcher Mann war Bentinck. + + [Anmerkung 4: 3. März 1679.] + + [Anmerkung 5: +„Voilà en peu de mot le détail de nostre St. + Hubert. Et j’ay en soin que M. Woodstoc+ (Bentinck’s ältester + Sohn) +n’a point esté à la chasse, bien moin au soupé, quoyqu’il + fut icy. Vous pouvez pourtant croire que de n’avoir pas chassé l’a + un peu mortifié, mais je ne l’ay pas ausé prendre sur moy, puisque + vous m’aviez dit que vous ne le souhaitiez pas.“+ -- Von Loo, 4. + Nov. 1697.] + + [Anmerkung 6: Am 15. Juni 1688.] + + [Anmerkung 7: 6. Sept. 1679.] + + +[_Marie, Prinzessin von Oranien._] Wilhelm war in der Ehe nicht weniger +glücklich als in der Freundschaft. Anfangs hatte jedoch seine Ehe kein +besonderes häusliches Glück versprochen. Seine Wahl war hauptsächlich +durch politische Rücksichten bestimmt worden, und es sah nicht +wahrscheinlich aus, daß zwischen einem hübschen sechzehnjährigen +Mädchen, die zwar ein sanftes Gemüth und natürlichen Verstand besaß, im +übrigen aber unwissend und einfach war, und einem Bräutigam, der, obwohl +noch nicht ganz achtundzwanzig Jahr alt, doch seinem körperlichen +Zustande nach älter war als ihr Vater, der ein kaltes, abstoßendes +Benehmen hatte und dessen Kopf beständig mit Staatsgeschäften und +Sportvergnügungen angefüllt war, eine innige Zuneigung würde entstehen +können. Eine Zeit lang vernachlässigte Wilhelm seine Gemahlin, indem er +durch andere Frauen von ihr abgezogen wurde, besonders durch eine ihrer +Hofdamen, Namens Elisabeth Villiers, welche Talente besaß, die sie wohl +geeignet machten, seine Sorgen zu theilen, obgleich sie aller +persönlichen Reize entbehrte und sogar durch ein häßliches Schielen +entstellt war.[8] Er schämte sich zwar seiner Fehler und bemühte sich +nach Kräften, sie zu verbergen, aber trotz aller Vorsicht wußte Marie +wohl, daß er ihr nicht ganz treu war. Spione und Ohrenbläser thaten auf +Anregen ihres Vaters ihr Möglichstes, um ihren Zorn zu entflammen. Ein +Mann von ganz andrem Character, der vortreffliche Ken, der mehrere +Monate lang im Haag ihr Kaplan war, wurde so aufgebracht durch die ihr +widerfahrenden Kränkungen, daß er mit mehr Eifer als Besonnenheit +drohte, ihren Gemahl ernstlich zur Rede zu setzen.[9] Sie selbst ertrug +jedoch alles Unrecht mit einer Sanftmuth und Geduld, welche ihr nach und +nach Wilhelm’s Achtung und Dankbarkeit erwarben. Indessen war auch noch +eine andre Ursache der Entfremdung vorhanden. Es kam ohne Zweifel eine +Zeit, wo die Prinzessin, welche nur zu Stickereiarbeiten, zum +Spinetspiel und zum Lesen der Bibel und der „Pflichten des Menschen“ +erzogen war, das Oberhaupt einer großen Monarchie wurde und das +Gleichgewicht Europa’s in ihrer Hand ruhte, während ihr ehrgeiziger, +geschäftskundiger und beständig auf große Unternehmungen sinnender +Gemahl bei der britischen Regierung keine vorausbestimmte Stelle für +sich fand und nur durch ihre Güte und so lange es ihr gefiel Macht +ausüben konnte. Es kann nicht befremden, daß ein Mann, der die Gewalt so +liebte wie Wilhelm, und der sich seines Herrschergenies so bewußt war, +in hohem Maße die Eifersucht empfand, die während eines Königthums von +wenigen Stunden zwischen Guildford Dudley und Lady Johanna Zwietracht +hervorrief und einen noch viel tragischeren Bruch zwischen Darnley und +der Königin von Schottland herbeiführte. Die Prinzessin von Oranien +hatte nicht die leiseste Ahnung von den Gefühlen ihres Gemahls. Ihr +Lehrer, der Bischof Compton, hatte sie in der Religion sorgfältig +unterrichtet und ihr Gemüth namentlich gegen die Künste der +römisch-katholischen Theologen gestählt, sie aber in völliger Unkenntniß +der englischen Verfassung und ihrer eignen Stellung gelassen. Sie wußte, +daß ihr eheliches Gelübde sie zum Gehorsam gegen ihren Gemahl +verpflichtete und es war ihr nie in den Sinn gekommen, daß dieses +gegenseitige Verhältniß einmal umgekehrt werden könnte. Sie war bereits +neun Jahre vermählt, ehe sie die Ursache von Wilhelm’s Verstimmung +entdeckte, und von ihm selbst würde sie dieselbe auch nie erfahren +haben. In Folge seiner ganzen Gemüthsart brütete er eher über die ihn +niederdrückenden Sorgen, als daß er denselben einen Ausdruck gab, und in +diesem speciellen Falle wurde sein Mund durch ein ganz natürliches +Zartgefühl versiegelt. Endlich aber kam durch die Vermittelung Gilbert +Burnet’s eine vollkommene Verständigung und Aussöhnung zu Stande. + + [Anmerkung 8: Siehe Swift’s Bericht über sie im +Journal to + Stella+.] + + [Anmerkung 9: Heinrich Sidney’s Tagebuch vom 31. März 1680 in Mr. + Blencowe’s interessanter Sammlung.] + + +[_Gilbert Burnet._] Burnet’s Ruf ist mit auffallender Böswilligkeit und +Hartnäckigkeit angegriffen worden. Der Angriff begann schon frühzeitig +in seinem Leben und wird noch jetzt mit unverminderter Heftigkeit +fortgesetzt, obgleich er bereits über ein und ein Viertel Jahrhundert im +Grabe liegt. Allerdings ist er auch für den Parteihaß und den +muthwilligen Spott eine Zielscheibe, wie sie sich keine bessere wünschen +können, denn die Mängel seines Verstandes und seines Characters liegen +klar am Tage und können Niemandem entgehen. Es waren jedoch nicht die +Fehler, welche man als seinen Landsleuten eigen zu betrachten pflegt. Er +allein unter den vielen Schotten, die sich in England zu Auszeichnung +und Wohlstand emporgeschwungen haben, hatte den Charakter, welchen +Satiriker, Romanschreiber und Schauspieldichter allgemein den irischen +Abenteurern zuschreiben. Seine physische Lebendigkeit, seine +Ruhmredigkeit, seine unverhohlene Eitelkeit, seine Faseleien, seine +herausfordernde Indiscretion und seine kecke Dreistigkeit boten den +Tories unerschöpflichen Stoff zu Spötteleien. Auch unterließen seine +Feinde nicht, ihm nebenbei über seine breiten Schultern, seine dicken +Waden und sein Glück in Heirathsspekulationen auf verliebte reiche +Wittwen mehr witzige als artige Complimente zu machen. Obwohl jedoch +Burnet in vieler Beziehung dem Spott und selbst dem Tadel Blößen darbot, +so verdiente er doch keineswegs eine solche Geringschätzung. Er besaß +einen regen Geist, einen unermüdlichen Fleiß und eine vielseitige, +ausgedehnte Belesenheit. Er war zu gleicher Zeit Geschichtsschreiber, +Alterthumsforscher, Theolog, Prediger, Tagesschriftsteller, Polemiker +und thätiger politischer Parteiführer, und in allen diesen +Eigenschaften zeichnete er sich unter vielen geschickten Mitbewerbern +vortheilhaft aus. Die vielen geistreichen Abhandlungen, die er über +Tagesbegebenheiten schrieb, sind jetzt nur noch Forschern bekannt; aber +seine +History of his own Times+, seine +History of the Reformation+, +seine +Exposition of the Articles+, sein +Discourse of Pastoral Care+, +sein +Life of Hale+ und sein +Life of Wilmot+ werden noch immer neu +aufgelegt und fehlen in keiner guten Privatbibliothek. Gegen eine solche +Thatsache vermögen alle Anstrengungen der Verleumder nichts. Ein +Schriftsteller, dessen umfangreiche Werke in verschiedenen Zweigen der +Literatur noch hundertdreißig Jahre nach seinem Tode zahlreiche Leser +finden, kann große Fehler gehabt haben, muß aber auch große Vorzüge +gehabt haben, und diese hatte Burnet: einen fruchtbaren und regen Geist +und einen Styl, der allerdings von tadelloser Reinheit weit entfernt, +doch stets klar, oft lebendig ist und sich zuweilen selbst zu +feierlicher und glühender Beredtsamkeit erhebt. Auf der Kanzel wurde die +Wirkung seiner ohne irgend welche schriftliche Notizen gehaltenen +Predigten noch erhöht durch eine edle Gestalt und einen imponirenden +Vortrag. Er wurde oft durch das Beifallsgemurmel seiner Zuhörer +unterbrochen, und wenn die Sanduhr, die sich damals auf jeder Kanzel +befand, abgelaufen war und er dieselbe emporhielt, forderte ihn die +Gemeinde durch lauten Zuruf auf fortzufahren, bis der Sand noch einmal +abgelaufen wäre.[10] Die großen Mängel seines sittlichen Characters und +seines Geistes wurden durch große Vorzüge mehr als ausgeglichen. +Obgleich durch Vorurtheil und Leidenschaft oft auf Irrwege geführt, war +er doch im strengsten Sinne des Worts ein Ehrenmann. Konnte er auch den +Versuchungen der Eitelkeit nicht immer widerstehen, so stand sein +Character doch hoch über den Einflüssen der Habsucht und der Furcht. Er +war von Gemüth leutselig, hochherzig, dankbar und nachsichtig.[11] Sein +Glaubenseifer, obwohl stetig und glühend, wurde im Allgemeinen durch +Humanität und durch Achtung der Gewissensfreiheit in Schranken gehalten. +Trotz seiner unerschütterlichen Anhänglichkeit an das was er als den +Geist des Christenthums betrachtete, war er doch gleichgültig gegen +Gebräuche, Namen und Formen der kirchlichen Verfassung und war selbst +gegen Ungläubige und Ketzer, deren Lebenswandel tadellos war und deren +Irrthümer mehr die Wirkung falscher Begriffe als eines verderbten +Characters zu sein schienen, durchaus nicht zur Strenge geneigt. Aber +gleich vielen anderen braven Männern jener Zeit betrachtete er die Sache +der römischen Kirche als eine Ausnahme von allen gewöhnlichen Regeln. + +Burnet genoß schon seit mehreren Jahren eines europäischen Rufes. Seine +Geschichte der Reformation war von allen Protestanten mit lautem Beifall +aufgenommen und von den römischen Katholiken als ein gewaltiger Schlag +gefühlt worden. Der größte Gelehrte, den die römische Kirche seit dem +Schisma des sechzehnten Jahrhunderts hervorgebracht, Bossuet, Bischof +von Meaux, war mit der Bearbeitung einer ausführlichen Erwiederung +beschäftigt. Burnet war von einem der glaubenseifrigen Parlamente, +welche während der durch das papistische Complot verursachten Aufregung +tagten, mit einem Dankvotum beehrt und im Namen der Gemeinen von England +ersucht worden, seine geschichtlichen Forschungen fortzusetzen. Er war +von Karl sowohl als von Jakob in deren engere Unterhaltungszirkel +gezogen worden, hatte mit mehreren ausgezeichneten Staatsmännern, +besonders mit Halifax auf sehr vertrautem Fuße gestanden und war der +Gewissensrath einiger sehr hochstehenden Personen gewesen. Er hatte +ferner einen der glänzendsten Wüstlinge jener Zeit, Johann Wilmot, Earl +von Rochester, von Atheismus und Ausschweifung zurückgebracht. Lord +Stafford, das Opfer des Oates, war, obgleich Katholik, in seinen letzten +Stunden durch Burnet’s geistlichen Zuspruch über diejenigen Punkte, in +denen alle Christen übereinstimmen, erbaut worden. Wenige Jahre später +begleitete Burnet einen noch erlauchteren Dulder, Lord Russell, vom +Tower auf das Schaffot in Lincoln’s Inn Fields. Der Hof hatte nichts +unversucht gelassen, um einen so thätigen und tüchtigen Theologen zu +gewinnen. Weder königliche Schmeicheleien, noch die Verheißung +einträglicher Stellen waren gespart worden. Aber Burnet war, obwohl in +früher Jugend von den servilen Lehren angesteckt, denen der damalige +Klerus durchgehends anhing, aus Überzeugung Whig geworden und er blieb +seinen Grundsätzen durch alle Wechselfälle des Lebens treu. Er hatte +jedoch keinen Antheil an der Verschwörung genommen, welche soviel +Schmach und Unheil über die Whigpartei brachte und verabscheuete nicht +nur die Mordpläne Goodenough’s und Ferguson’s, sondern war auch der +Meinung, daß selbst sein geliebter und verehrter Freund Russell gegen +die Regierung weiter gegangen sei, als es sich rechtfertigen ließ. +Endlich kam eine Zeit, wo die Unschuld kein hinreichender Schutz war. +Burnet wurde, obgleich er sich keiner Übertretung des Gesetzes schuldig +gemacht, von der Rache des Hofes verfolgt. Er begab sich auf den +Continent und nachdem er etwa ein Jahr auf jene Wanderungen durch die +Schweiz, durch Italien und Deutschland verwendet, von denen er uns eine +anziehende Beschreibung hinterlassen hat, ging er im Sommer 1686 nach +dem Haag, wo er mit Freundlichkeit und Achtung aufgenommen wurde. Er +unterhielt sich sehr freisinnig mit der Prinzessin über Politik und +Religion und wurde bald ihr geistlicher Beistand und vertrauter +Rathgeber. Wilhelm erwies sich als ein viel freundlicherer Wirth, als es +zu erwarten gewesen wäre. Denn von allen Fehlern waren ihm +Zudringlichkeit und Indiscretion am meisten verhaßt und Burnet war, wie +selbst seine Freunde und Verehrer zugestanden, der zudringlichste und +indiscreteste Mensch, den es geben konnte. Aber der scharfsichtige Prinz +bemerkte sehr wohl, daß dieser vorlaute und schwatzhafte Theolog, der +beständig Geheimnisse ausplauderte, naseweise Fragen stellte und +unerbetenen Rath aufdrängte, bei alledem ein freimüthiger, furchtloser +und kluger Mann war, der die Gesinnungen und Absichten der britischen +Secten und Factionen genau kannte. Auch war der Ruf von Burnet’s +Beredsamkeit und Gelehrsamkeit weit verbreitet. Wilhelm selbst war kein +Freund vom Lesen, aber er stand jetzt seit vielen Jahren an der Spitze +der holländischen Regierung zu einer Zeit, wo die holländische Presse +eines der gewaltigsten Werkzeuge war, durch welche die öffentliche +Meinung in Europa bearbeitet wurde, und obgleich er an literarischen +Genüssen kein Vergnügen fand, war er doch viel zu klug und +scharfsichtig, als daß er den Werth des literarischen Beistandes nicht +hätte erkennen sollen. Er wußte sehr wohl, daß eine populäre Flugschrift +zuweilen ebenso gute Dienste leistet als ein Sieg auf dem Schlachtfelde. +Auch sah er ein, wie wichtig es sei, daß er immer einen Mann um sich +hatte, der mit der bürgerlichen und kirchlichen Verfassung unsrer Insel +vertraut war, und Burnet eignete sich vortrefflich dazu, als lebende +Encyclopädie über britische Angelegenheiten benutzt zu werden, denn +seine Kenntnisse waren, wenn auch nicht immer ganz zuverlässig, doch von +erstaunlicher Vielseitigkeit und es gab in England wie in Schottland +wenige ausgezeichnete Männer irgend einer politischen oder religiösen +Partei, mit denen er nicht verkehrt hätte. Es wurde ihm daher die +nämliche Gunst und das nämliche Vertrauen gewährt wie nur irgend Einem +außer denen, welche den kleinen intimsten Kreis von Privatfreunden des +Prinzen bildeten. Nahm sich der Doctor Freiheiten heraus, was nicht +selten der Fall war, so wurde sein Gönner noch kälter und mürrischer als +gewöhnlich gegen ihn und äußerte zuweilen eine kurze, beißende +Bemerkung, die einem Menschen von gewöhnlicher Dreistigkeit für immer +den Mund geschlossen haben würde. Trotz solcher Vorfälle aber dauerte +die Freundschaft dieses sonderbaren Paares mit wenigen kurzen +Unterbrechungen so lange, bis sie durch den Tod aufgelöst wurde. Es war +in der That nicht leicht, Burnet zu kränken. Seine Selbstgefälligkeit, +seine heitere Sorglosigkeit und seine Taktlosigkeit waren so groß, daß +er wohl oft Anstoß gab, aber nie Anstoß nahm. + + [Anmerkung 10: Sprecher Onslow’s Note zu Burnet I. 596; +Johnson’s + Life of Sprat+.] + + [Anmerkung 11: Niemand hat Burnet häufiger und bitterer + widersprochen als Dartmouth. Und doch schrieb auch Dartmouth: „Ich + glaube nicht, daß er jemals vorsätzlich etwas veröffentlichte, was + er für falsch hielt.“ Zu einer späteren Zeit nahm er, durch einige + Bemerkungen über sich im zweiten Bande der Geschichte des Bischofs + gereizt, dieses Lob zurück; aber auf einen solchen Widerruf darf + man kein großes Gewicht legen. Selbst Swift war so gerecht zu + sagen: „Im Ganzen war er ein hochherziger und braver Mann.“ +Short + Remarks on Bishop Burnet’s History+. + + Burnet wird gewöhnlich als ein auffallend ungenauer + Geschichtsschreiber getadelt; aber ich halte diesen Vorwurf für + ungerecht. Er scheint nur deshalb ungenau zu sein, weil seine + Darstellung einer besonders strengen und unfreundlichen Kritik + unterzogen worden ist. Wenn ein Whig sich die Mühe nehmen wollte + +Reresby’s Memoirs, North’s Examen, Mulgrave’s Account of the + Revolution+ oder +Clarke’s Life of James the Second+ einer + ähnlichen Prüfung zu unterwerfen, so würde es sich bald zeigen, + daß Burnet keineswegs der ungenaueste Geschichtsschreiber seiner + Zeit war.] + + +[_Er vermittelt eine innigere Annäherung zwischen dem Prinzen und der +Prinzessin._] Alle Eigenthümlichkeiten seines Characters machten ihn +ganz dazu geeignet, der Friedensstifter zwischen Wilhelm und Marien zu +werden. Wenn Personen, die einander achten und lieben sollten, durch +eine Ursache von einander fern gehalten werden, welche drei freimüthig +gesprochene Worte beseitigen könnten, so ist es ein Glück für sie, wenn +sie einen indiscreten Freund haben, der mit der ganzen Wahrheit +herausplatzt. Burnet sagte der Prinzessin ganz offen, welches Gefühl an +dem Herzen ihres Gemahls nagte. Sie erfuhr jetzt zum ersten Male mit +nicht geringem Erstaunen, daß, wenn sie Königin von England würde, +Wilhelm ihren Thron nicht theilen sollte. Sie erklärte mit den innigsten +Worten, daß es keinen Beweis von ehelicher Unterwerfung und Liebe gebe, +zu dem sie nicht jeden Augenblick bereit wäre. Unter vielen +Entschuldigungen und feierlichen Versicherungen, daß kein andrer Mensch +ihm ein Wort in den Mund gelegt habe, sagte ihr Burnet nun, daß das +Heilmittel in ihrer Hand liege. Wenn die Krone ihr zugefallen sei, könne +sie leicht ihr Parlament dazu bewegen, daß es ihrem Gatten nicht nur den +Königstitel gewährte, sondern ihm sogar durch ein Gesetz die Zügel der +Regierung in die Hand gab. „Aber,“ setzte er hinzu, „Ihre königliche +Hoheit müssen wohl überlegen, ehe Sie einen solchen Entschluß +aussprechen, denn es ist ein Entschluß, dessen Zurücknahme weder rathsam +noch leicht sein würde, wenn er einmal angekündigt wäre.“ -- „Ich bedarf +keiner Zeit zur Überlegung,“ antwortete Marie. „Es ist genug, daß ich +eine Gelegenheit habe, um dem Prinzen meine Achtung zu beweisen. Theilen +Sie ihm mit was ich gesagt habe, und bringen Sie ihn zu mir, damit er es +aus meinem eigenen Munde höre.“ Burnet wollte den Prinzen sogleich +herbeiholen, aber er war viele Meilen weit entfernt auf einer +Hirschjagd. Erst am folgenden Tage konnte die entscheidende Unterredung +stattfinden. „Ich habe erst gestern erfahren,“ sagte Marie, „daß +zwischen den Gesetzen Englands und den Gesetzen Gottes ein solcher +Unterschied obwaltet. Aber ich verspreche Ihnen, daß Sie jederzeit der +Gebieter sein sollen, und ich verlange keinen andren Lohn dafür, als daß +Sie das Gebot, welches den Gatten vorschreibt, ihre Frauen zu lieben, +ebenso befolgen, wie ich das Gebot halte, welches den Frauen +vorschreibt, ihren Gatten zu gehorchen.“ Dieser Beweis von edelmüthiger +Zuneigung gewann ihr Wilhelm’s Herz vollständig. Von diesem Augenblicke +an bis zu dem traurigen Tage, an welchem er ohnmächtig von ihrem +Sterbebett hinweggetragen wurde, herrschte vollkommene Freundschaft und +unbegrenztes Vertrauen zwischen ihnen. Viele von ihren Briefen an ihn +sind noch vorhanden und sie enthalten zahlreiche Beweise, daß es diesem +Manne, der in den Augen der Menge für so unliebenswürdig galt, gelungen +war, einer schönen und tugendhaften Frau, welche in Hinsicht der Geburt +über ihm stand, eine bis zur abgöttischen Verehrung gehende Liebe +einzuflößen. + +Der Dienst, den Burnet seinem Vaterlande erzeigt, war von hoher +Bedeutung. Es war eine Zeit gekommen, wo es für das Wohl des Staates +sehr wichtig war, daß zwischen dem Prinzen und der Prinzessin +vollkommene Eintracht herrschte. + + +[_Beziehungen Wilhelm’s zu den englischen Parteien._] Bis nach der +Unterdrückung des Aufstandes im Westen hatten ernste Ursachen des +Zwiespaltes Wilhelm sowohl von den Tories als von den Whigs getrennt. Er +hatte mit großem Mißfallen die Versuche der Whigs beobachtet, der +ausübenden Gewalt einige Befugnisse zu entziehen, die er zur +Aufrechthaltung ihrer Wirksamkeit und ihrer Würde für nöthig hielt. Mit +noch größerem Mißfallen hatte er die Unterstützung gesehen, welche ein +großer Theil dieser Partei den Anmaßungen Monmouth’s angedeihen ließ. Es +schien als ob die Opposition zuerst die Krone Englands des Tragens nicht +mehr werth machen und sie dann einem Bastard und Betrüger aufs Haupt +setzen wollte. Zu gleicher Zeit war das religiöse System des Prinzen +weit verschieden von dem, welchem die Torypartei huldigte. Sie waren +Arminianer und Prälatisten. Sie sahen mit Verachtung auf die +protestantischen Kirchen des Continents herab und hielten jede Zeile +ihrer eignen Liturgie und Rubrica für kaum weniger geheiligt als die +Evangelien. Seine Ansichten über die metaphysischen Seiten der Theologie +waren calvinistisch. Seine Ansichten bezüglich der Kirchenverfassungen +und der gottesdienstlichen Formen waren latitudinarisch. Er gab zu, daß +das Episcopat eine gesetzliche und zweckmäßige Form des Kirchenregiments +sei; aber er sprach mit Bitterkeit und Hohn von der Bigotterie Derer, +welche die bischöfliche Ordination für ein wesentliches Erforderniß +einer christlichen Gesellschaft hielten. Gegen die durch die Liturgie +vorgeschriebenen Gewänder und Gesten hatte er keine Bedenken, aber er +gestand, daß ihm die Gebräuche der anglikanischen Kirche lieber sein +würden, wenn sie ihn weniger an die Gebräuche der römischen Kirche +erinnerten. Man hatte ihn ein ominöses Gemurmel von sich geben hören, +als er in der Privatkapelle seiner Gemahlin zum ersten Male einen Altar +nach anglikanischer Weise geschmückt sah, und es schien ihm nicht +sonderlich zu gefallen, als er Hooker’s +Ecclesiastical Policy+ in ihrer +Hand sah.[12] + + [Anmerkung 12: +Dr.+ Hooper’s handschriftliche Erzählung im + Anhange zu Lord Dungannon’s +Life of William+.] + + +[_Seine Gesinnungen gegen England._] Er verfolgte daher lange den Streit +zwischen den englischen Parteien mit Aufmerksamkeit, aber ohne eine +starke Vorliebe für die eine oder die andre Partei zu hegen. Er wurde +auch bis ans Ende seines Lebens in der That niemals weder ein Whig, noch +ein Tory. Es fehlte ihm das was die gemeinsame Grundlage beider +Charactere ist, denn er wurde nie ein Engländer. Er rettete zwar +England, liebte es aber nie und erlangte ebensowenig die Liebe der +Engländer. Für ihn war es nur ein Verbannungsort, den er mit Widerwillen +besuchte und mit Freuden verließ. Selbst als er dem Lande die Dienste +leistete, deren günstige Wirkungen wir bis auf den heutigen Tag fühlen, +war sein Hauptzweck nicht die Wohlfahrt desselben. + + +[_Seine Gesinnungen gegen Holland und Frankreich._] All’ sein +patriotisches Gefühl gehörte Holland. Hier befand sich das prächtige +Grabmal, in welchem der große Staatsmann ruhte, dessen Blut, dessen +Namen, dessen Character und dessen Genie er geerbt hatte. Hier war der +bloße Klang seines Namens schon ein Zauberspruch, welcher durch drei +Generationen die liebevolle Begeisterung der Landleute und Handwerker +erweckt hatte. Die holländische Sprache war die Sprache seiner +Kinderstube; unter dem holländischen Adel hatte er seine ersten Freunde +gewählt; die Vergnügungen, die Bauart und die Gegenden seines +Heimathlandes wurzelten tief in seinem Herzen. Zu ihm wendete er sich +immer wieder mit unveränderter Zärtlichkeit von einem stolzeren und +schöneren Nebenbuhler ab. In den Sälen von Whitehall sehnte er sich nach +dem traulichen Hause im Busche im Haag und er fühlte sich nie +glücklicher, als wenn er die Pracht von Windsor mit der bescheidenen +Einfachheit von Loo vertauschen konnte. Während seiner glänzenden +Verbannung fand er einigen Trost darin, daß er durch Bauen, Pflanzen und +Graben um sich her einen Schauplatz schaffen konnte, der ihn an die +regelmäßigen Gebäude von rothem Backstein, an die langen Kanäle und an +die symmetrischen Blumenbeete erinnerte, unter denen er seine Jugend +verlebt hatte. Doch selbst die Liebe zu seinem Vaterlande war einem +andren Gefühle untergeordnet, welches schon frühzeitig in seiner Seele +die Oberherrschaft gewann, das sich mit allen seinen Leidenschaften +vermischte, das ihn zu großartigen Unternehmungen anspornte, das ihn +aufrecht erhielt, wenn Kränkungen, Schmerzen, Krankheit und Sorgen ihn +zu Boden drücken wollten, das gegen das Ende seiner Laufbahn einmal +kurze Zeit erloschen zu sein schien, aber bald heftiger als je wieder +hervorbrach und ihn noch beseelte, als das Sterbegebet an seinem Lager +gesprochen wurde. Dieses Gefühl war der Haß gegen Frankreich und den +prachtliebenden König, der in mehr als einer Hinsicht Frankreich +repräsentirte und der mit seinen specifisch französischen Tugenden und +Vorzügen jenen unruhigen, gewissenlosen und dünkelhaften Ehrgeiz +verband, der zu wiederholten Malen den Zorn ganz Europa’s über +Frankreich gebracht hat. + +Es ist nicht schwer, die Fortschritte des Gefühls zu verfolgen, welches +nach und nach die Alleinherrschaft in Wilhelm’s Seele erlangte. Als er +kaum erst dem Knabenalter entwachsen, war sein Vaterland in +prahlerischem Trotze gegen Recht und Gerechtigkeit überfallen, verwüstet +und allen Excessen der Raubsucht, Ausschweifung und Grausamkeit +preisgegeben worden. Die Holländer hatten sich in ihrer Bedrängniß vor +dem Eroberer gedemüthigt und um Gnade gefleht. Darauf war ihnen der +Bescheid geworden, daß wenn sie Frieden wünschten, sie ihre +Selbstständigkeit aufgeben und alljährlich dem Hause Bourbon huldigen +müßten. Die schwer beleidigte Nation hatte, zur Verzweiflung getrieben, +ihre Deiche durchbrochen und das Meer als Bundesgenossen gegen die +französische Tyrannei zu Hülfe gerufen. Mitten in den Greueln dieses +Kampfes, während die Landleute entsetzt vor den Eroberern flohen, +während Hunderte von schönen Gärten und Lusthäusern in den Fluthen +begraben, während die Berathungen der Generalstaaten durch die +Ohnmachten und das laute Weinen alter Senatoren unterbrochen wurden, +welche den Gedanken nicht ertragen konnten, die Freiheit und den Ruhm +ihres Vaterlandes zu überleben, war Wilhelm an die Spitze der Geschäfte +berufen worden. Eine Zeit lang dünkte ihm jeder Widerstand hoffnungslos. +Er sah sich vergebens nach Hülfe um. Spanien war ausgesogen, Deutschland +zerrissen, England bestochen. Es schien dem jungen Statthalter, als ob +ihm nichts weiter übrig bliebe, als mit dem Schwerte in der Hand zu +fallen, oder der Aeneas einer großen Völkerwanderung zu werden und in +Gegenden, welche außer dem Bereiche der Tyrannei Frankreichs lagen, ein +neues Holland zu gründen. Dann wäre kein Hinderniß mehr vorhanden +gewesen, das die Fortschritte des Hauses Bourbon hätte hemmen können. +Noch wenige Jahre und dieses Haus würde seine Besitzungen durch +Lothringen und Flandern, Castilien und Arragonien, Neapel und Mailand, +Mexico und Peru vergrößert haben. Ludwig hätte sich dann die Kaiserkrone +aufsetzen, einen Prinzen seines Hauses auf den Thron Polens erheben und +der Alleinherrscher in Europa von den scythischen Wüsten bis zum +Atlantischen Ocean, sowie in Amerika von den Gegenden nördlich vom +Wendekreis des Krebses bis zu den Gegenden südlich vom Wendekreis des +Steinbocks werden können. Dies waren die Aussichten, die sich Wilhelm +darboten, als er in das öffentliche Leben eintrat und welche ihn bis zu +seinem letzten Tage unaufhörlich verfolgten. Die französische Monarchie +war für ihn das was die römische Republik für Hannibal, was das +ottomanische Reich für Scanderbeg, was die südliche Herrschaft für +Wallace war. Die Religion gab diesem glühenden und unverlöschlichen +Hasse ihre Weihe. Hunderte von calvinistischen Predigern verkündeten, +daß die nämliche Macht, welche Simson vom Mutterleibe an dazu bestimmt, +die Geißel der Philister zu werden, und welche Gideon von der +Dreschtenne abgerufen, um die Midianiter zu schlagen, Wilhelm von +Oranien zum Vorkämpfer aller freien Nationen und aller reinen Kirchen +erkoren habe, und diese Ansicht war nicht ohne Einfluß auf sein Gemüth +geblieben. Dem Vertrauen, welches dieser heldenmüthige Fatalist in seine +erhabene Bestimmung und in seine heilige Sache setzte, ist zum Theil +seine auffallende Gleichgültigkeit gegen jede Gefahr zuzuschreiben. Er +hatte ein großes Werk zu vollbringen und bis es vollbracht war, konnte +ihm nichts schaden. Daher kam es auch, daß er trotz der Prophezeiungen +der Ärzte von hoffnungslos scheinenden Krankheiten genas, daß Schaaren +von Mördern sich vergebens gegen sein Leben verschworen, daß der offene +Nachen, dem er sich in sternenloser Nacht auf einem tobenden Ocean an +einer verrätherischen Küste anvertraute, ihn wohlbehalten ans Land trug +und daß auf zwanzig Schlachtfeldern die Kanonenkugeln auf allen Seiten +an ihm vorübersausten. Die Begeisterung und Ausdauer, womit er sich +seiner Sendung widmete, haben kaum ein Beispiel in der Geschichte. +Seinem großen Ziele gegenüber achtete er das Leben Anderer ebenso gering +als sein eigenes. Selbst die menschlichsten und edelmüthigen Soldaten +jener Zeit waren zu sehr daran gewöhnt, das Blutvergießen und die +Verheerungen, welche von großen kriegerischen Unternehmungen +unzertrennlich sind, mit kalter Gleichgültigkeit zu betrachten, und +Wilhelm’s Herz war nicht allein durch berufsmäßige Unempfindlichkeit, +sondern auch durch die noch starrere Unempfindlichkeit gestählt, welche +die Wirkung des Pflichtgefühls ist. Drei große Coalitionen, drei lange +und blutige Kriege, in denen ganz Europa von der Weichsel bis zum +westlichen Ocean unter den Waffen stand, sind lediglich seiner +unbezwinglichen Energie zuzuschreiben. Als im Jahre 1678 die +Generalstaaten erschöpft und entmuthigt nach Ruhe verlangten, stimmte er +noch immer dagegen, das Schwert in die Scheide zu stecken, und der +Friede wurde nur geschlossen, weil er seinen wilden und entschlossenen +Geist nicht auch Anderen einhauchen konnte. Noch im letzten Augenblicke +schlug er in der Hoffnung, dadurch die Unterhandlungen abzubrechen, von +denen er wohl wußte, daß sie dem Abschlusse nahe waren, eine der +blutigsten und hartnäckigsten Schlachten jener Zeit. Von dem Tage an, wo +der Friede von Nymwegen unterzeichnet worden war, begann er auf eine +neue Coalition zu sinnen. Sein Streit mit Ludwig, der nun vom +Schlachtfelde in das Kabinet versetzt wurde, ward bald durch eine +Privatfehde noch erbitterter. Die beiden Rivalen waren einander in +Talenten, Character, Manieren und Ansichten gerade entgegengesetzt. +Ludwig, fein und würdevoll, verschwenderisch und ausschweifend, ein +Freund von Prunk und Feind von persönlicher Gefahr, ein freigebiger +Beschützer der Künste und Wissenschaften und ein grausamer Verfolger der +Calvinisten, bildete einen auffallenden Contrast mit Wilhelm, der +einfach in seinen Neigungen, unfreundlich in seinem Benehmen, +unermüdlich und unerschrocken im Kriege, gleichgültig gegen alle +Luxuszweige des Wissens und ein entschiedener Anhänger der genfer +Theologie war. Die beiden Feinde beobachteten nicht lange jene +Artigkeit, welche Männer ihres Ranges, selbst wenn sie einander an der +Spitze von Armeen gegenüberstehen, selten aus den Augen setzen. Wilhelm +gebrauchte zwar die Formalität, daß er Ludwig seine besten Dienste +anbot; aber diese Höflichkeit wurde nach ihrem wahren Werthe gewürdigt +und mit einer trocknen Zurückweisung vergolten. Der große König +verachtete den kleinen Prinzen, der der Diener eines Bundes von +Handelsstädten war und auf jedes Zeichen von Verachtung antwortete der +unerschrockene Statthalter mit einer neuen Herausforderung, Wilhelm +entlehnte seinen Namen, ein Name, den die Ereignisse des +vorhergegangenen Jahrhunderts zu einem der glänzendsten und berühmtesten +von ganz Europa gemacht hatten, von einer Stadt, welche nicht weit von +Avignon an den Ufern der Rhone liegt und die, wie Avignon, obgleich von +allen Seiten von französischem Gebiet umgeben, doch eigentlich nicht der +französischen, sondern der kaiserlichen Krone als Lehen gehörte. Ludwig +besetzte Orange mit der ihm eigenen übermüthigen Verachtung des +Völkerrechts, schleifte die Befestigungswerke und eignete sich die +Einkünfte der Stadt zu. Wilhelm erklärte laut bei Tische in Anwesenheit +vieler Personen, der allerchristlichste König solle diese Beleidigung +schwer bereuen, und als der Graf von Avaux ihn um eine nähere Erklärung +dieser Worte bat, weigerte er sich auf das Bestimmteste, sie zu +widerrufen oder wegzuerklären. Der Streit ging so weit, daß der +französische Gesandte es nicht wagen durfte, sich im Empfangzimmer der +Prinzessin blicken zu lassen, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen +wollte, öffentlich beleidigt zu werden.[13] + +Wilhelm’s Gesinnungen gegen Frankreich erklären zugleich seine ganze +Politik gegen England. Sein Gemeinsinn war ein europäischer. Der +Hauptgegenstand seiner Sorge war nicht unsre Insel, ja selbst sein +Geburtsland nicht, sondern die große Gemeinschaft der Nationen, der die +Unterjochung durch ein zu mächtiges Mitglied drohte. Wer in dem Irrthume +befangen ist, ihn als einen englischen Staatsmann zu betrachten, muß +nothwendig sein ganzes Leben in einem falschen Lichte erblicken und wird +nicht im Stande sein, irgend einen Grundsatz, sei es ein guter oder ein +schlechter, ein whiggistischer oder ein toryistischer, zu entdecken, auf +den sich seine wichtigsten Thaten zurückführen ließen. Betrachten wir +ihn aber als einen Mann, dessen besondere Aufgabe es war, eine Masse von +schwachen, zerrissenen und entmuthigten Staaten zu einem festen und +starken Bunde gegen den gemeinsamen Feind zu sammeln, betrachten wir ihn +als einen Mann, in dessen Augen England namentlich deshalb wichtig war, +weil ohne dasselbe die von ihm beabsichtigte große Coalition +unvollständig gewesen sein würde, so werden wir zugeben müssen, daß +keine langjährige Laufbahn, von der uns die Geschichte erzählt, von +Anfang bis zu Ende gleichmäßiger war als die dieses großen Fürsten.[14] + + [Anmerkung 13: +Avaux Negotiations+, Aug. 10.(20.), Sept. + 14.(24.), Sept. 28. (Oct. 8.), Dec. 7.(17.) 1682.] + + [Anmerkung 14: Ich kann mir das Vergnügen nicht versagen, + Massillon’s unfreundliche, aber scharfsinnige und edle + Characteristik Wilhelm’s hier anzuführen: +„Un prince profond dans + ses vues; habile à former des ligues et à reunir les esprits, plus + heureux à exciter les guerres qu’à combattre; plus encore à + craindre dans le secret du cabinet, qu’à la tête des armées; un + ennemi que la haine du nom Français avait rendu capable d’imaginer + de grandes choses et de les exécuter; un de ces génies qui + semblent être nés pour mouvoir à leur gré les peuples et les + souverains; un grand homme, s’il n’avoit jamais voulu être roi.“+ + Grabrede auf den Dauphin.] + + +[_Seine Politik durchaus consequent._] Der Leitfaden, den wir jetzt +besitzen, wird es uns möglich machen, ohne Schwierigkeit den wirklich +consequenten, obgleich anscheinend zuweilen gewundenen Gang zu +verfolgen, den er gegen unsere inneren Factionen beobachtete. Er +erkannte deutlich, was übrigens auch weit weniger scharfsichtigen Leuten +als er war, nicht entging, daß das Unternehmen, an dem er mit ganzer +Seele hing, wahrscheinlich gelingen würde, wenn England auf seiner Seite +wäre, daß der Ausgang ungewiß sein würde, wenn England neutral bliebe, +und daß es hoffnungslos sein würde, wenn England handelte, wie es in den +Tagen der Cabale gehandelt hätte. Nicht weniger deutlich sah er, daß +zwischen der äußeren und der inneren Politik Englands ein enger +Zusammenhang stattfand, daß der Regent dieses Landes, wenn er mit dem +gesetzgebenden Körper harmonirte, stets einen großen Einfluß auf die +Angelegenheiten der Christenheit ausüben und daß ihm offenbar daran +gelegen sein mußte, der ungebührlichen Machtvergrößerung irgend eines +festländischen Potentaten entgegenzuwirken; daß auf der andren Seite der +Souverain, wenn der gesetzgebende Körper ihm nicht traute und ihn in +seinen freien Bewegungen hemmte, in der europäischen Politik nur von +geringem Gewicht sein konnte und daß dieses ganze kleine Gewicht in die +falsche Wagschale fallen würde. Der erste Wunsch des Prinzen war daher: +Eintracht zwischen dem Throne und dem Parlamente. Wie diese Eintracht +herzustellen war und auf welcher Seite Zugeständnisse gemacht werden +mußten, dies waren seiner Ansicht nach Fragen von untergeordneter +Bedeutung. Allerdings würde es ihm am liebsten gewesen sein, wenn eine +vollständige Aussöhnung hätte bewirkt werden können, ohne einen +Buchstaben von der Prärogative zu opfern, denn er hatte an der +ungeschmälerten Aufrechthaltung derselben ein anwartschaftliches +Interesse, und war von Natur mindestens eben so herrschsüchtig und ein +eben so großer Feind von Beschränkung, als irgend ein Stuart. Aber es +gab kein Kleinod der Krone, das er nicht, selbst nachdem sie auf sein +eignes Haupt gesetzt worden, bereitwilligst zum Opfer gebracht hätte, +wenn er überzeugt sein konnte, daß ein solches Opfer zur Erreichung +seines großen Zieles unumgänglich nöthig war. Daher empfahl er auch der +Regierung in den Tagen des papistischen Complots Nachgiebigkeit, +obgleich er die Heftigkeit mißbilligte, mit der die Opposition die +königliche Autorität angriff. Das Verfahren der Gemeinen bezüglich der +inneren Angelegenheiten, sagte er, sei höchst unverständig, aber so +lange die Gemeinen unzufrieden seien, könnten die Freiheiten Europa’s +nicht sicher sein und dieser überwiegenden Rücksicht müsse jede andre +weichen. Nach diesen Grundsätzen handelte er, als die Ausschließungsbill +die ganze Nation erschütterte. Man hat keinen Grund zu der Annahme, daß +er die Opposition aufgemuntert habe, diese Bill einzubringen oder die +wiederholt gemachten Vergleichsvorschläge des Thrones zurückzuweisen. +Als es aber klar wurde, daß, wenn diese Bill nicht durchging, ein +ernster Bruch zwischen den Gemeinen und dem Hofe entstehen mußte, sprach +er deutlich, obwohl mit gebührender Mäßigung, seine Ansicht dahin aus, +daß man sich um jeden Preis mit den Vertretern des Volks versöhnen +müsse. Als ein heftiger und reißender Umschwung der öffentlichen Meinung +die Whigpartei eine Zeit lang völlig hilflos gelassen hatte, versuchte +er es sein großes Ziel auf einem andren Wege zu erreichen, der seiner +Natur vielleicht besser zusagte als der vorher betretene. Die veränderte +Stimmung der Nation bot wenig Aussicht dar, daß ein Parlament gewählt +werden würde, das geneigt war, die Wünsche des Souverains zu +durchkreuzen. Karl war eine Zeit lang Herr. Ihn zu gewinnen, war daher +des Prinzen erster Wunsch. Im Sommer 1683, fast in dem Augenblicke, als +die Entdeckung des Ryehousecomplots die Niederlage der Whigs und den +Sieg des Königs vollständig machte, traten anderwärts Ereignisse ein, +welche Wilhelm nicht ohne die größte Angst und Besorgniß mit ansehen +konnte. Die türkischen Heere rückten bis an die Vorstädte Wiens heran. +Die große österreichische Monarchie, auf deren Unterstützung der Prinz +gerechnet hatte, schien ihrem Untergange nahe zu sein. Bentinck wurde +daher schleunigst vom Haag nach London gesandt, mit dem Auftrage nichts +zu versäumen, was nöthig sein konnte, um den englischen Hof zu gewinnen, +und ganz besonders war er angewiesen, in den stärksten Ausdrücken den +Abscheu seines Gebieters gegen die Whigverschwörung zu versichern. + +Während der nächsten achtzehn Monate war einige Hoffnung, daß der Einfuß +Halifax’ überwiegen und daß der Hof von Whitehall zur Politik der +Tripleallianz zurückkehren werde. An diese Hoffnung klammerte sich +Wilhelm mit Vorliebe an und sparte keine Mühe, um Karl günstig zu +stimmen. Die gastliche Aufnahme, welche Monmouth im Haag fand, muß +hauptsächlich dem ernstlichen Bestreben des Prinzen, die wirklichen +Wünsche von Monmouth’s Vater zu erfüllen, zugeschrieben werden. Sobald +Karl gestorben war, schlug Wilhelm in unabänderlicher Verfolgung seines +Zieles wieder ein andres Verfahren ein. Er hatte Monmouth aufgenommen, +um dem verstorbenen Könige zu gefallen; damit nun der gegenwärtige König +keine Ursache zu Beschwerden haben sollte, wurde Monmouth fortgeschickt. +Wir haben gesehen, daß beim Ausbruche des Aufstandes im Westen die in +holländischen Diensten stehenden britischen Regimenter durch die +thätigen Bemühungen des Prinzen auf die erste Aufforderung in ihre +Heimath zurückgesandt wurden. Wilhelm erbot sich sogar, persönlich ein +Commando gegen die Rebellen zu übernehmen, und daß dieses Anerbieten +vollkommen aufrichtig gemeint war, kann von Niemandem, der seine +vertraulichen Briefe an Bentinck gelesen hat, bezweifelt werden.[15] + +Der Prinz gab sich zu dieser Zeit augenscheinlich der Hoffnung hin, daß +der große Plan, dem in seinem Geiste alles Andre untergeordnet war, den +Beifall und die Unterstützung seines Schwiegervaters erhalten werde. Der +hohe Ton, den Jakob damals gegen Frankreich annahm, die +Bereitwilligkeit, mit der er sich zu einem Defensivbündnisse mit den +Vereinigten Provinzen verstand, und seine Geneigtheit zu einer +Verbindung mit dem Hause Österreich bestärkten diese Erwartung. Aber +bald verfinsterte sich der Horizont. Die Entlassung Halifax’, der Bruch +zwischen Jakob und dem Parlamente, die Prorogation desselben und die +ausdrückliche Erklärung, welche der König den auswärtigen Gesandten gab, +daß die festländische Politik seine Aufmerksamkeit nicht länger von +inneren Maßregeln zur Befestigung seiner Hoheitsrechte und zur Förderung +der Interessen seiner Kirche ablenken sollte, machten der Täuschung ein +Ende. Es war klar, daß England, wenn Jakob sein Beherrscher war, im Fall +einer europäischen Krisis entweder unthätig bleiben oder im Einklange +mit Frankreich handeln würde. Und die europäische Krisis rückte immer +näher. Das Haus Österreich war durch eine Reihe von Siegen gegen fernere +Gefahr von Seiten der Türkei gesichert worden und hatte daher nicht mehr +nöthig, die Übergriffe und Beleidigungen Ludwig’s geduldig zu ertragen. + + [Anmerkung 15: Zum Beispiel: +„Je crois M. Feversham un très brave + et honeste homme. Mais je doute s’il a assez d’expérience à + diriger une si grande affaire qu’il a sur le bras. Dieu lui donne + un succès prompt et heureux. Mais je ne suis pas hors + d’inquiétude.“+ -- 7.(17.) Juli 1685. Als er die Nachricht von der + Schlacht von Sedgemoor erhalten hatte, schrieb er wieder: +„Dieu + soit loué du bon succès que les troupes du Roy ont eu contres les + rebelles. Je ne doute pas que cette affaire ne soit entièrement + assoupie, et que le règne du Roy sera heureux, ce que Dieu + veuille.“+ -- 10.(20.) Juli.] + + +[_Vertrag von Augsburg._] In Folge dessen wurde im Juli 1686 zu Augsburg +ein Vertrag unterzeichnet, durch den sich die Fürsten des Reichs zum +Zwecke gegenseitiger Vertheidigung eng verbanden. Die Könige von Spanien +und von Schweden waren diesem Bunde ebenfalls beigetreten, der König von +Spanien als Besitzer der im burgundischen Kreise liegenden Provinzen, +der König von Schweden als Herzog von Pommern. Die Verbündeten +erklärten, daß sie nicht die Absicht hätten irgend eine Macht +anzugreifen oder irgend eine zu beleidigen, daß sie aber entschlossen +seien, keine Verletzung der Rechte zu dulden, welche das deutsche Reich +unter Sanction des Völkerrechts und der öffentlichen Treue besitze. Sie +verpflichteten sich, einander im Falle der Noth beizustehen und +bestimmten das Truppencontingent, das jedes Mitglied des Bundes stellen +mußte, wenn es nöthig werden sollte, einen Angriff zurückzuweisen.[16] +Der Name Wilhelm’s war in dieser Urkunde nicht genannt aber Jedermann +wußte, daß sie sein Werk war und sah voraus, daß er in nicht langer Zeit +wieder an der Spitze einer Coalition gegen Frankreich stehen werde. +Zwischen ihm und dem Vasallen Frankreichs konnte unter solchen Umständen +kein herzliches Einvernehmen stattfinden. Es erfolgte zwar kein offener +Bruch und kein Austausch von Drohungen oder Vorwürfen; aber +Schwiegervater und Schwiegersohn waren vollständig und für immer +geschieden. + + [Anmerkung 16: Der Vertrag ist in dem +Recueil des Traités, IV. + No. 209+ zu finden.] + + +[_Wilhelm wird das Oberhaupt der englischen Opposition._] Gerade zu der +Zeit, als der Prinz so dem englischen Hofe entfremdet wurde, +verschwanden die Ursachen, welche bisher eine Kälte zwischen ihm und den +beiden großen Parteien des englischen Volks hervorgerufen hatten. Ein +großer Theil, der Zahl nach vielleicht die Mehrheit der Whigs, hatte die +Ansprüche Monmouth’s begünstigt, aber Monmouth existirte jetzt nicht +mehr. Die Tories auf der andren Seite hatten gefürchtet, die Interessen +der anglikanischen Kirche mochten unter der Leitung eines Mannes nicht +sicher sein, der unter holländischen Presbyterianern aufgewachsen und +dessen Ansichten über die Gewänder, die Ceremonien und die Bischöfe als +latitudinarisch wohl bekannt waren; seitdem aber jener geliebten Kirche +von einer ganz andren Seite weit furchtbarere Gefahren drohten, hatten +diese Befürchtungen fast ihre ganze Kraft verloren. So kam es, daß beide +große Parteien in dem nämlichen Augenblicke ihre Hoffnungen und ihre +Liebe auf den nämlichen Führer zu richten begannen. Alte Republikaner +konnten ihr Vertrauen einem Manne nicht versagen, der viele Jahre +hindurch das höchste Amt einer Republik würdig bekleidet hatte, und alte +Royalisten sahen ein, daß sie in Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen +handelten, wenn sie einem dem Throne so nahe gehenden Prinzen die +tiefste Ehrerbietung bezeigten. Unter diesen Umständen war es von +höchster Wichtigkeit, daß zwischen Wilhelm und Marien die vollkommenste +Einigkeit herrschte. Eine Mißhelligkeit zwischen der präsumtiven +Thronerbin und ihrem Gemahl hätte in der großen Masse, die sich von +allen Seiten her um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt schaarte, eine +Spaltung hervorbringen müssen. Zum Glück wurde jede Gefahr einer solchen +Mißhelligkeit im entscheidenden Augenblicke durch Burnet’s +Dazwischenkunft beseitigt und der Prinz wurde das unbestrittene Haupt +der ganzen Partei, welche der Regierung feindlich gegenüberstand, einer +Partei, welche fast die ganze Nation in sich begriff. + +Es ist nicht der mindeste Grund zu der Annahme vorhanden, daß er schon +um diese Zeit das große Unternehmen im Sinne hatte, zu dem ihn später +die gebieterische Nothwendigkeit trieb. Er wußte sehr gut, daß die +öffentliche Stimmung in England, wenn auch durch Kränkungen gereizt, +doch zu einer Revolution keineswegs reif war. Gewiß würde er gern das +Ärgerniß vermieden haben, das ein blutiger Streit zwischen Personen, +welche durch die engsten Bande der Blutsverwandtschaft und der +Verschwägerung an einander gekettet waren, nothwendig erregen mußte. +Auch sein Ehrgeiz ließ es ihm nicht wünschenswerth erscheinen, die +Größe, die im gewöhnlichen Laufe der Natur und des Rechts ihm zufallen +konnte, einer Gewaltthätigkeit zu verdanken, denn er wußte jetzt, daß, +wenn die Krone auf regelmäßigem Wege auf seine Gemahlin überging, +zugleich mit derselben auch alle ihre Vorrechte ungeschmälert auf ihn +selbst übergehen würden, daß sie aber, wenn sie durch eine Wahl erlangt +wurde, unter den Bedingungen angenommen werden mußte, welche die Wähler +zu stellen für gut fanden. Er schien daher geduldig den Tag erwarten zu +wollen, wo er mit unbestrittenem Rechte die Regierung antreten konnte, +und sich bis dahin darauf zu beschränken, als erster Prinz von Geblüt +und als Oberhaupt der Partei, welche in der Nation entschieden das +Übergewicht hatte, und die auch darauf rechnen konnte, in beiden Häusern +eines zu versammelnden Parlaments entschieden zu überwiegen, einen +großen Einfluß auf die englischen Angelegenheiten auszuüben. + + +[_Mordaunt schlägt Wilhelm eine Landung in England vor._] Indessen war +er bereits durch einen Rathgeber, der weniger scharfsichtig, aber +ungestümer war als er selbst, gedrängt worden, einen kühneren Weg +einzuschlagen. Dieser Rathgeber war der junge Lord Mordaunt. Das +damalige Zeitalter hat kein erfinderischeres Genie und keinen +verwegeneren Geist hervorgebracht. Aber wenn ein Plan nur glänzend war, +so fragte Mordaunt selten danach, ob er auch ausführbar sein würde, sein +ganzes Leben war ein wilder Roman, zusammengesetzt aus geheimnißvollen +Intriguen der Politik und der Liebe, aus heftigen und schnellen Wechseln +des Schauplatzes und des Glücks, und aus Siegen, welche mehr denen eines +Amadis und eines Lancelot, als denen eines Luxemburg und eines Eugen +glichen. Die Episoden, welche mit dieser seltsamen Lebensgeschichte +verflochten waren, entsprachen ganz der Hauptintrigue. Es waren darunter +nächtliche Kämpfe mit edelmüthigen Räubern und Befreiungen vornehmer und +schöner Damen aus den Händen von Entführern. Nachdem sich Mordaunt durch +die Beredtsamkeit und Kühnheit ausgezeichnet, mit der er im Hause der +Lords gegen den Hof aufgetreten war, zog er sich bald nach der +Prorogation nach dem Haag zurück und empfahl dringend eine unverzügliche +Landung in England. Er bildete sich ein, es sei eben so leicht, drei +große Königreiche zu überrumpeln, als es ihm lange nachher wurde, +Barcellona zu nehmen. + + +[_Wilhelm verwirft den Rath._] Wilhelm hörte ihn an, überlegte sich die +Sache und erwiederte endlich in allgemeinen Ausdrücken, er interessire +sich sehr für die englischen Angelegenheiten und werde dieselben scharf +im Auge behalten.[17] Was aber auch seine Absicht sein mochte, es ist +nicht anzunehmen, daß er einen voreiligen und hitzköpfigen fahrenden +Ritter zu seinem Vertrauten erwählt haben würde. Die beiden Männer +hatten nichts mit einander gemein als persönlichen Muth, der bei ihnen +bis zum fabelhaften Heroismus ging, Mordaunt wollte lediglich die +Aufregung des Kampfes genießen und die Menschen in Erstaunen setzen, +Wilhelm hatte beständig ein erhabenes Ziel vor Augen. Nach diesem Ziele +trieb ihn eine gewaltige Leidenschaft, die ihn im Gewande einer heiligen +Pflicht erschien. Auf dieses Ziel steuerte er mit einer Geduld hin, die, +wie er einmal sagte, der Geduld eines Bootsführers glich, den er auf +einem Kanale gegen eine widrige Strömung hatte ankämpfen sehen, der +immer wieder zurückgeworfen wurde, aber nicht aufhörte zu rudern und +zufrieden war, wenn er nach stundenlanger Arbeit um einige Yards +vorwärts gekommen war.[18] Heldenthaten, die ihn seinem Ziele nicht +näher brachten, mochten sie in den Augen des großen Haufens noch so +ruhmvoll sein, waren seiner Ansicht nach kindische Eitelkeiten, aber +kein Theil der wahren Aufgabe des Lebens. + +Er beschloß, Mordaunt’s Rath zu verwerfen und es kann keinem Zweifel +unterliegen, daß dies ein weiser Entschluß war. Hätte Wilhelm im Jahre +1686 oder selbst 1687 das versucht, was er 1688 mit so glänzendem +Erfolge unternahm, so würden zwar vielleicht auf seinen Ruf viele Whigs +zu den Waffen gegriffen haben, aber er würde bald gesehen haben, daß die +Nation noch nicht hinreichend vorbereitet war, um einen bewaffneten +Befreier aus fremdem Lande willkommen zu heißen, und daß die Kirche noch +nicht genugsam gereizt und beleidigt worden war, damit sie den +Grundsatz, der seit so langer Zeit ihr Losungswort war, schon hätte +vergessen haben können. Die alten Kavaliere würden sich um das +königliche Banner geschaart haben und es würde wahrscheinlich in allen +drei Königreichen ein eben so langer und heftiger Bürgerkrieg als der +unter der vorigen Generation ausgebrochen sein. Während dieser Krieg auf +den britischen Inseln wüthete, was konnte Ludwig inzwischen nicht Alles +auf dem Continent versuchen? Und welche Aussichten hätte dann Holland +gehabt, das von seinen Truppen entblößt und von seinem Statthalter +verlassen gewesen wäre? + + [Anmerkung 17: +Burnet I. 762.+] + + [Anmerkung 18: +Temple’s Memoirs.+] + + +[_Unzufriedenheit in England nach dem Sturze der Hyde._] Wilhelm +begnügte sich daher für jetzt, Maßregeln zu ergreifen, um der mächtigen +Opposition, deren Oberhaupt er geworden war, Einigkeit und Lebenskraft +einzuhauchen. Dies war nicht schwer. Der Fall der Hyde hatte durch ganz +England eine heftige Aufregung und Entrüstung hervorgerufen. Man fühlte, +daß es sich jetzt nicht mehr darum handelte, ob der Protestantismus +herrschen, sondern ob er geduldet werden sollte. An die Stelle des +Schatzmeisters war eine Commission getreten, deren Oberhaupt ein Papist +war. Das Geheimsiegel war einem Papisten anvertraut worden und der +Nachfolger des Lordlieutenants von Irland war ein Mann, der durchaus +keinen andren Anspruch auf einen so hohen Posten hatte, als daß er +Papist war. Tyrconnel wäre der Letzte gewesen, den eine Regierung, +welcher das allgemeine Wohl des Landes am Herzen lag, nach Dublin als +Stellvertreter geschickt hätte. Seine brutalen Manieren machten ihn +geradezu unfähig, die Majestät der Krone zu repräsentiren. Sein +beschränkter Verstand und sein heftiges Temperament machten ihn +untauglich, wichtige Staatsgeschäfte zu leiten. Sein unversöhnlicher Haß +gegen die Besitzer des größeren Theiles des irischen Grund und Bodens +machte ihn ganz untauglich, gerade dieses Land zu verwalten. Aber die +Maßlosigkeit seiner Bigotterie wurde als ein genügender Ersatz für die +Maßlosigkeit seiner anderen Leidenschaften betrachtet und aus Rücksicht +auf seinen Haß gegen den reformirten Glauben gestattete man ihm, seinem +Hasse gegen den englischen Namen freien Lauf zu lassen. Dies war also +der wirkliche Sinn der Achtung Seiner Majestät vor den Rechten der +Überzeugung! Er wollte, daß sein Parlament alle den Papisten auferlegte +Ausschließungen beseitigte, nur damit _er_ gleich drückende +Ausschließungen über die Protestanten verhängen konnte. Es war klar, daß +unter einem solchen Fürsten Glaubensabfall der einzige Weg zur Größe +sein konnte. Dennoch wagten es nur Wenige, diesen Weg einzuschlagen, +denn der Geist der Nation war furchtbar aufgeregt, und jeder Renegat +hatte ein solches Maß von Hohn und Verachtung zu ertragen, daß auch die +verhärtetsten Naturen nicht ganz unempfindlich dagegen bleiben konnten. + + +[_Bekehrungen zum Papismus; Peterborough, Salisbury._] Allerdings hatten +erst kürzlich mehrere bemerkenswerthe Übertritte stattgefunden; aber sie +waren von der Art, daß sie der römischen Kirche wenig Ehre machten. Zwei +vornehme Männer hatten sich in ihren Schooß aufnehmen lassen: Heinrich +Mordaunt, Earl von Peterborough und Jakob Cecil, Earl von Salisbury. +Aber Peterborough, früher ein thätiger Soldat, Hofmann und Diplomat, war +jetzt durch Alter und Krankheit gebeugt und wer ihn, auf einen Stock +gestützt und in Flanell und Pflaster eingehüllt, durch die Gallerien von +Whitehall hinken sah, tröstete sich über seinen Abfall damit, daß er +seinen Glauben erst gewechselt, nachdem er seine Körper- und +Geisteskräfte überlebt hatte.[19] Salisbury war sprüchwörtlich albern. +Sein Körper war in Folge sinnlicher Genüsse dermaßen aufgeschwollen, daß +er sich fast nicht mehr bewegen konnte, und dieser träge Körper war der +Wohnsitz eines eben so trägen Geistes. In populären Spottliedern war er +als ein Mensch dargestellt, der dazu geschaffen war, betrogen zu werden, +als ein Mensch, der bisher die Beute von Spielern gewesen und der eben +so gut die Beute von Mönchen werden konnte. Ein Pasquill, das zur Zeit +von Rochester’s Rücktritt an die Thür von Salisbury House am Strand +angeheftet wurde, schildert in starken Ausdrücken das Entsetzen, mit dem +der weise Robert Cecil, wenn er aus seinem Grabe auferstehen könnte, +sehen würde, auf was für ein Geschöpf seine Würden und Ehren gekommen +waren.[20] + + [Anmerkung 19: Siehe die beiden Gedichte, betitelt: +The Converts+ + und +The Delusion+.] + + [Anmerkung 20: Die Verse befinden sich in der +Collection of State + Poems+.] + + +[_Wycherley, Tindal, Haines._] Dies waren im Range die höchststehenden +von Jakob’s Proselyten. Außerdem gab es noch Renegaten ganz andrer Art, +unbemittelte Leute von Talent, die aber keine Grundsätze und keine Spur +von Ehrgefühl besaßen. Man hat Grund zu glauben, daß Wilhelm Wycherley, +der zügelloseste und hartherzigste Schriftsteller einer ganz besonders +zügellosen und hartherzigen Schule, zu diesen gehörte.[21] Gewiß ist, +daß Matthäus Tindal, der sich später durch seine Schriften gegen das +Christenthum einen Namen machte, um diese Zeit in den Schooß der +alleinseligmachenden Kirche aufgenommen wurde, ein Schritt, den, wie man +leicht denken kann, die Theologen, mit denen er nachmals polemisirte, +nicht vergessen hatten.[22] Ein noch ehrloserer Apostat war Joseph +Haines, dessen Name jetzt so gut wie vergessen ist, der aber damals als +ein Abenteurer von vielseitiger Begabung, als Gauner, Falschmünzer, +falscher Zeuge, falscher Bürge, Tanzmeister, Possenreißer, Dichter +und Schauspieler wohl bekannt war. Einige von seinen Prologen und +Epilogen wurden von seinen Zeitgenossen viel bewundert und sein +Schauspielertalent war allgemein anerkannt. Dieser Mann wurde Katholik, +ging im Gefolge Castelmaine’s mit nach Italien, wurde aber bald wegen +schlechter Aufführung wieder entlassen. Wenn man einer Tradition glauben +darf, die sich lange im Garderobezimmer erhalten hat, so hatte Haines +die Frechheit zu behaupten, daß ihm die Jungfrau Maria erschienen sei +und ihn zur Buße aufgefordert habe. Nach der Revolution versuchte er es +sich mit der Stadt durch eine Buße auszusöhnen, die noch skandalöser war +als sein Vergehen. Eines Abends, ehe er in einer Posse auftrat, erschien +er in ein weißes Betttuch gehüllt und mit einer Kerze in der Hand auf +der Bühne und trug einige gottlose, unanständige Knittelverse vor, die +er seinen Widerruf nannte.[23] + + [Anmerkung 21: Die Nachrichten, die wir über Wycherley haben, sind + äußerst dürftig; zweierlei aber ist gewiß: daß er sich in seinen + späteren Jahren einen Papisten nannte und daß er von Jakob Geld + erhielt. Ich zweifle kaum daran, daß er ein bezahlter Convertit + war.] + + [Anmerkung 22: Siehe den Artikel über ihn in der +Biographia + Britannica+.] + + [Anmerkung 23: Siehe Jakob Quin’s Bericht über Haines in +Davies’s + Miscellanies+; +Tom Brown’s Works+; +Lives of Sharpers+; Dryden’s + Epilog zu der +Secular Masque+.] + + +[_Dryden._] Mit dem Namen Haines wurde in vielen Libellen der Name eines +berühmteren Renegaten, Johann Dryden’s verbunden. Dryden näherte sich +jetzt dem Abend seines Lebens. Nach vielen Erfolgen und vielen +Enttäuschungen hatte er endlich mit allgemeiner Zustimmung die erste +Stelle unter den lebenden Dichtern Englands erhalten. Er hatte größere +Ansprüche auf den Dank Jakob’s als irgend ein andrer Schriftsteller des +Königreichs. Doch Jakob war an Versen wenig, sehr viel aber am Gelde +gelegen. Vom Tage seiner Thronbesteigung an bemühte er sich kleine +Ersparnisse zu machen, welche einer Regierung den Vorwurf der Knauserei +zuziehen, ohne die Finanzlast merklich zu erleichten. Zu den Opfern +seiner unverständigen Sparsamkeit gehörte auch der +Poeta Laureatus+. Es +wurde Befehl gegeben, daß in dem neuen Diplom, welches durch die +Erledigung der Krone nöthig geworden war, das jährlich gespendete Faß +Sect, das ursprünglich Jonson bewilligt und auch dessen Nachfolgern +zugestanden worden war, weggelassen werden sollte.[24] Dies war die +einzige Notiz, welche der König im ersten Jahre seiner Regierung von dem +gewaltigen Satiriker zu nehmen geruhte, der im kritischesten Augenblicke +des großen Kampfes wegen der Ausschließungsbill in den Reihen der Whigs +Schrecken verbreitet hatte. Dryden war arm und seine Armuth drückte ihn +nieder. Von Religion wußte er wenig und kümmerte sich auch nicht darum. +Wenn irgend ein Gefühl tief in seiner Brust wurzelte, so war es der +Widerwille gegen die Priester jeden Glaubens, gegen Leviten, Auguren, +Muftis, römisch-katholische Geistliche, presbyterianische und +anglikanische Geistliche. Er war von Natur kein hochherziger Mann, und +seine Bestrebungen waren nicht von der Art, daß sie seinem Sinne höhere +Würde und größeres Zartgefühl verleihen konnten. Er hatte viele Jahre +lang sich seinen Unterhalt dadurch erworben, daß er dem verderbten +Geschmacke des Publikums diente und reichen, adeligen Gönnern auf die +plumpste Manier schmeichelte. Selbstachtung und ein feines +Schicklichkeitsgefühl konnte man von einem Manne, der das Leben eines +Bettlers und Speichelleckers geführt hatte, nicht erwarten. Da er die +Bemerkung machte, daß seine Dienste unbeachtet bleiben würden, wenn er +fortführe sich einen Protestanten zu nennen, so erklärte er sich zum +Papisten. Augenblicklich ließ die Knauserei des Königs nach. Dryden +wurde mit einem Jahrgelde von hundert Pfund belohnt und dazu verwendet, +seine neue Religion in Prosa und in Versen zu vertheidigen. + +Zwei ausgezeichnete Männer, Samuel Johnson und Walter Scott, haben ihr +Möglichstes gethan, um sich selbst und Andere zu überreden, daß dieser +denkwürdige Glaubenswechsel aufrichtig war. Es war natürlich, daß sie +einen Schandfleck von dem Gedächtnisse eines Mannes verwischen +wollten, dessen Genie sie mit Recht bewunderten und mit dessen +politischen Ansichten sie stark sympathisirten; der unparteiische +Geschichtsschreiber aber muß ein ganz andres Urtheil aussprechen. Es +wird jederzeit starker Zweifel gegen die Aufrichtigkeit einer Bekehrung +erhoben werden, durch welche der Bekehrte unmittelbar gewinnt. Und in +Dryden’s Falle ist nichts vorhanden, was diesen Zweifel entkräften +konnte. Seine theologischen Schriften beweisen zur Genüge, daß er sich +nie fleißig und ernstlich bemüht hat, die Wahrheit zu ergründen, und daß +seine Kenntniß der Kirche, die er verließ, wie auch der, zu der er +übertrat, höchst oberflächlich war. Eben so wenig benahm er sich in der +Folge wie ein Mann, den ein starkes Pflichtgefühl zu einem Schritte von +so hochwichtiger Bedeutung bewogen hatte. Wäre er ein solcher Mann +gewesen, so würde die nämliche Überzeugung, die ihn in den Schooß der +römischen Kirche geführt hatte, ihn abgehalten haben, allgemeine Regeln, +welche diese Kirche in Übereinstimmung mit jeder andren christlichen +Gemeinschaft als bindend anerkennt, gröblich und gewohnheitsmäßig zu +verletzen. Es würde ein merklicher Unterschied zwischen seinen früheren +und seinen späteren Werken zu erkennen gewesen sein; er würde mit Reue +auf seine fast dreißigjährige literarische Laufbahn zurückgeblickt +haben, während welcher er seine seltenen Talente für die Diction und den +Versbau systematisch zur Verbreitung der Sittenverderbniß angewendet +hatte. Nicht eine Zeile, welche darauf hinzielte, die Tugend verächtlich +zu machen und unreine Begierden zu entzünden, würde von diesem +Augenblicke an mehr aus seiner Feder geflossen sein. Leider aber ist es +nur zu wahr, daß die Dramen, welche er nach seiner angeblichen Bekehrung +schrieb, in keiner Hinsicht weniger unrein und profan sind, als die +seiner Jugend. Selbst in seinen Übersetzungen wich er beständig von den +Originalen ab, um Bilder aufzusuchen, die er hätte übergehen müssen, +wenn er sie in den Originalen gefunden hätte. Das Schlechte wurde durch +seine Übertragungen noch schlechter, und das Unschuldige wurde durch die +Berührung mit seinem Geiste befleckt. Er machte die derbsten Satiren +Juvenal’s noch derber, schob in die Erzählungen Boccacio’s schlüpfrige +Schilderungen ein und befleckte die liebliche und reine Poesie der +Georgica mit Schmutz, der Vergil’s Ekel erregt haben würde. + +Dryden’s Beistand war denjenigen römisch-katholischen Theologen +willkommen, welche gegen die ausgezeichnetsten Männer der Staatskirche +mit Mühe einen Kampf unterhielten. Sie konnten es sich nicht verhehlen, +daß ihr durch ausländische, in Rom oder Douay aufgelesene Ausdrücke +entstellter Styl der Beredtsamkeit eines Tillotson und Sherlock +gegenüber eben in keinem vortheilhaften Lichte erschien. Man glaubte es +nicht gering anschlagen zu dürfen, daß man die Mitwirkung des größten +lebenden Meisters der englischen Sprache gewonnen hatte. Der erste +Dienst, der von ihm zum Dank für die bewilligte Pension verlangt wurde, +war eine in Prosa geschriebene Vertheidigung seiner Kirche gegen +Stillingfleet. Aber einem Manne, der nichts zu sagen weiß, hilft das +Talent, Alles gut sagen zu können, nichts, und in diesem Falle befand +sich Dryden. Er sah bald ein, daß er einem Gegner, dessen ganzes Leben +ein langes Studium der Polemik gewesen, nicht gewachsen war. Der +langgediente Gladiator entwaffnete den Neuling, versetzte ihm mit +Verachtung einige Hiebe und wendete sich dann von ihm ab, um +achtunggebietenderen Kämpfern entgegenzutreten. + + [Anmerkung 24: Diese Thatsache, welche den genauen Forschungen + Malone’s entging, ergiebt sich aus dem Briefbuche des Schatzamts + von 1685.] + + +[_+„The Hind and Panther.“+_] Jetzt griff Dryden zu einer Waffe, in der +er schwerlich einen ebenbürtigen Gegner zu fürchten hatte. Er zog sich +auf einige Zeit von dem Geräusch der Kaffeehäuser und Theater in einen +ruhigen Winkel von Huntingdonshire zurück und schrieb dort mit +ungewohnter Sorgfalt und Anstrengung sein berühmtes Gedicht über die +zwischen der römischen und anglikanischen Kirche obschwebenden +Streitpunkte. Die römische Kirche ist darin bildlich als eine milchweiße +Hindin dargestellt, die beständig in Lebensgefahr schwebt, aber dazu +bestimmt ist, nicht zu sterben. Die Thiere des Feldes sannen auf ihr +Verderben. Der zitternde (+quaking+) Hase beobachtete eine furchtsame +Neutralität, aber der socinianische Fuchs, der presbyterianische Wolf, +der independente Bär und der anabaptistische Eber schossen hämische +Blicke auf das makellose Geschöpf. Unter dem Schutze ihres Freundes, des +königlichen Löwen, konnte sie es indessen wagen, mit ihnen aus der +nämlichen Quelle zu trinken. Die anglikanische Kirche war als Panther +dargestellt, der zwar Flecken hat, aber schön, für ein Raubthier nur zu +schön ist. Hindin und Panther, von der blutdürstigen Bevölkerung des +Waldes in gleichem Grade gehaßt, beriethen sich im Stillen über ihre +gemeinsame Gefahr. Dann gingen sie zur Discussion der Punkte über, in +denen sie verschiedener Ansicht waren, und hielten, mit dem Schwanze +wedelnd und sich den Bart leckend, ein langes Zwiegespräch über die +wirkliche Anwesenheit Christi beim Abendmahl, über die Autorität der +Päpste und Concilien, über die Strafgesetze, die Testacte, die Meineide +des Oates, Buttler’s schlecht belohnte Dienste für die Kavalierpartei, +Stillingfleet’s Pamphlets und Burnet’s breiten Rücken und glückliche +Heirathsspekulationen. + +Das Unpassende dieses Planes springt in die Augen. Die Allegorie konnte +in der That nicht zehn Zeilen hintereinander ununterbrochen beibehalten +werden. Keine noch so kunstvolle Ausführung konnte die Fehler eines +solchen Planes verdecken. Dessenungeachtet ist die Fabel von der Hindin +und dem Panther unbestreitbar der werthvollste Beitrag zu der englischen +Literatur aus der kurzen und unruhigen Regierungszeit Jakob’s II. In +keinem andren Werke Dryden’s finden sich ergreifendere und erhabenere +Stellen, eine größere Biegsamkeit und Kraft der Sprache und ein +lieblicherer und abwechselnderer Wohllaut. + +Das Gedicht erschien mit allen Vortheilen ausgestattet, welche +königliche Gunst gewähren konnte. Eine Prachtausgabe für Schottland +wurde in der in Holyrood House errichteten Officin gedruckt. Aber die +Leute waren nicht in der Stimmung, um sich von dem durchsichtigen Style +und den melodischen Reimen des Apostaten bezaubern zu lassen. Der durch +seine Feilheit erregte Unwille, die durch die Politik, deren Lobhudler +er war, hervorgerufene Besorgniß ließen sich nicht in Schlaf singen. Die +gerechte Entrüstung des Publikums wurde von Vielen, die den Stachel +seines Spotts gefühlt, und von Vielen, die seinen Ruhm beneideten, +angeschürt. Trotz aller Beschränkungen, denen die Presse unterlag, +erschienen täglich Angriffe auf sein Leben und seine Schriften. Bald +hieß er Bayes, bald der Dichter Squab. Man erinnerte ihn daran, daß er +in seiner Jugend dem Hause Cromwell in der nämlichen knechtischen Weise +den Hof gemacht, wie jetzt dem Hause Stuart. Ein Theil seiner Gegner +druckte boshafterweise die sarkastischen Verse wieder ab, die er zu +einer Zeit, wo es ihm nichts eingebracht haben würde, wenn er Papist +geworden wäre, gegen den Papismus geschrieben hatte. Von den vielen +satirischen Arbeiten, welche bei dieser Gelegenheit erschienen, war die +gelungenste das gemeinsame Werk zweier junger Männer, welche kürzlich +ihre Studien in Cambridge vollendet hatten und als vielversprechende +Anfänger in den literarischen Kaffeehäusern Londons begrüßt worden +waren: Karl Montague und Matthäus Prior. Montague war von adeliger +Abkunft, Prior’s Ursprung aber war so dunkel, daß kein Biograph im +Stande gewesen ist, demselben auf die Spur zu kommen. Beide Abenteurer +waren arm und strebsam. Beide hatten einen scharfen Verstand und einen +lebendigen Geist, Beide schwangen sich später hoch empor. Beide +verbanden in nicht gewöhnlichem Grade mit der Liebe zu den +Wissenschaften Geschicklichkeit in denjenigen Gebieten des praktischen +Lebens, gegen welche die Schöngeister in der Regel einen entschiedenen +Widerwillen haben. Von den funfzig Dichtern, deren Lebenslauf Johnson +geschildert hat, waren Montague und Prior die beiden einzigen, die sich +durch eine gründliche Kenntniß des Handels und des Finanzwesens +auszeichneten. Ihre Wege gingen bald weit auseinander, und ihre +Jugendfreundschaft löste sich auf. Einer von ihnen wurde das Haupt der +Whigpartei und wurde von den Tories angeklagt; der Andre wurde in alle +Geheimnisse der toryistischen Diplomatie eingeweiht und von den Whigs +lange in strenger Haft gehalten. Endlich wurden die so lange getrennt +gewesenen Freunde nach vielen ereignißvollen Jahren in der +Westminster-Abtei wieder mit einander vereinigt. + + +[_Änderung in dem Verfahren des Hofes gegen die Puritaner._] Wer die +Fabel von der Hindin und dem Panther aufmerksam gelesen hat, muß bemerkt +haben, daß während der Bearbeitung dieses Werks in den Ansichten Derer, +welche Dryden als Dolmetscher benutzten, eine große Veränderung vorging. +Anfangs wird von der anglikanischen Kirche mit Liebe und Achtung +gesprochen und sie wird ermahnt, sich mit der römisch-katholischen gegen +die puritanischen Secten zu verbinden; am Schlusse des Gedichts aber und +in der Vorrede, welche nach Vollendung des Ganzen geschrieben wurde, +werden die protestantischen Dissenters aufgefordert, mit den Katholiken +gemeinschaftliche Sache gegen die anglikanische Kirche zu machen. + +Dieser Umschlag in der Sprache des Hofpoeten deutete auf einen großen +Umschlag in der Politik des Hofes hin. Der ursprüngliche Zweck Jakob’s +war gewesen, nicht allein vollständige Befreiung von allen Strafen und +bürgerlichen Ausschließungen, sondern auch einen großen Antheil an den +kirchlichen und akademischen Stiftungen für seine Kirche zu erlangen und +zu gleicher Zeit die Gesetze gegen die puritanischen Secten mit Strenge +auszuüben. Alle von ihm gewährten besonderen Dispensationen waren +römischen Katholiken gewährt worden. Alle Gesetze, welche auf den +Presbyterianern, Independenten und Baptisten am schwersten lasteten, +hatte er eine Zeit lang mit aller Strenge durchgeführt. Während Hales +ein Regiment commandirte, während Powis im Geheimen Rathe saß, während +Massey eine Dechanei bekleidete, während in Oxford mit königlicher +Genehmigung Breviarien und Meßbücher gedruckt wurden, während in London +die Hostie unter dem Schutze der Piken und Musketen der Fußgarde +öffentlich ausgestellt wurde, während Ordensbrüder und Mönche in ihren +Kutten in den Straßen von London einhergingen, saß Baxter im Gefängniß, +war Howe in der Verbannung, standen die Fünfmeilenacte und die +Conventikelacte in voller Kraft, mußten die puritanischen Schriftsteller +zur ausländischen oder geheimen Pressen ihre Zuflucht nehmen, konnten +puritanische Gemeinden sich nur des Nachts oder in abgelegenen Einöden +versammeln, mußten puritanische Geistliche in Kohlengräber- oder +Matrosenverkleidung predigen. In Schottland hatte der König neue Gesetze +von beispielloser Härte gegen die Presbyterianer von den Ständen +verlangt und erhalten, während er keine Anstrengung sparte, ihnen jede +Erleichterung für die Katholiken abzupressen. Sein Verfahren gegen die +verbannten Hugenotten hatte seine Gesinnungen nicht minder deutlich +verrathen. Wir haben gesehen, wie er, als die öffentliche Mildthätigkeit +eine große Summe zur Unterstützung dieser Unglücklichen in seine Hände +gelegt, allen Gesetzen der Gastfreundschaft und der Rechtschaffenheit +zum Hohn von ihnen verlangte, daß sie dem calvinistischen Ritual, dem +sie mit großer Liebe anhingen, entsagen und sich der anglikanischen +Kirche anschließen müßten, ehe er ihnen das Geringste von den seiner +Verwaltung anvertrauten Gaben spenden könnte. + +Dies war seine Politik gewesen, so lange er noch einigermaßen hoffen +konnte, daß die anglikanische Kirche einwilligen werde, die Herrschaft +mit der römischen Kirche zu theilen. Einmal stieg diese Hoffnung zur +festen Überzeugung. Die Begeisterung, mit der die Tories seinen +Regierungsantritt begrüßt hatten, die Wahlen, die demüthige Sprache und +die reichen Geldbewilligungen seines Parlaments, die Unterdrückung des +Aufstandes im Westen, die völlige Vernichtung der Partei, die ihn vom +Throne hatte ausschließen wollen, dies Alles steigerte seine Zuversicht +bis über die Grenzen der Vernunft. Er glaubte fest, daß seiner Macht und +seiner Entschlossenheit jedes Hinderniß weichen werde. Sein Parlament +leistete ihm Widerstand. Er versuchte die Wirkung von ungnädigen Blicken +und Drohungen, und da er mit diesen nichts erreichte, versuchte er es +mit der Prorogation. Aber von dem Augenblicke der Prorogation an wurde +der Widerstand gegen seine Pläne immer stärker und stärker. Es schien +klar, daß, wenn er seinen Willen durchsetzen wollte, er ihn im +Widerspruch mit der großen Partei durchsetzen mußte, die seinem Throne, +seinem Hause und seiner Person so glänzende Beweise von Treue gegeben +hatte. Die ganze anglikanische Geistlichkeit, die ganze Kavaliergentry +war gegen ihn. Vergebens hatte er kraft seines kirchlichen Supremats dem +Klerus anbefohlen, sich jeder Erörterung von Streitpunkten zu enthalten. +Jede Gemeinde der Nation wurde allsonntäglich gegen die Irrthümer Roms +gewarnt, und diese Warnungen waren um so wirksamer, weil sie stets mit +Versicherungen der Ehrerbietung gegen den König und des Entschlusses, +Alles mit Geduld zu ertragen, was ihm zu verhängen belieben werde, +verbunden waren. Die royalistischen Ritter und Squires, welche durch +fünfundvierzig Jahre des Kriegs und der Parteiwuth dem Throne mannhaft +zur Seite gestanden hatten, sprachen jetzt in sehr nachdrücklichen +Worten den Entschluß aus, daß sie eben so mannhaft zur Kirche halten +würden. Trotz seines beschränkten Verstandes und seines despotischen +Characters sah Jakob nun doch ein, daß er sein Verfahren ändern müsse. +Er konnte es ohne Gefahr nicht wagen, alle seine protestantischen +Unterthanen zugleich zu beleidigen. Wenn er es über sich gewinnen +konnte, der Partei, welche in beiden Häusern das Übergewicht hatte, +Zugeständnisse zu machen, wenn er sich entschließen konnte, der +Staatskirche alle ihre Würden, Einkünfte und Privilegien zu lassen, so +mochte er auch fernerhin presbyterianische Versammlungen verbieten und +die Gefängnisse mit baptistischen Predigern füllen. Blieb er aber dabei, +die Hierarchie zu plündern, so mußte er sich entschließen, dem +Vergnügen, die Dissenters zu verfolgen, zu entsagen. Wollte er von nun +an mit seinen alten Freunden in Fehde leben, so mußte er mit seinen +alten Feinden einen Waffenstillstand schließen. Er konnte die +anglikanische Kirche nur dadurch bezwingen, daß er eine umfassende +Coalition gegen sie bildete, welche Secten in sich schloß, die zwar in +Lehre und Verfassung von einander selbst viel stärker abwichen als von +ihr, aber doch durch ihre gemeinsame Eifersucht auf ihre Größe und durch +die gemeinsame Furcht vor ihrer Unduldsamkeit bewogen werden konnten, +ihre Feindseligkeiten so lange ruhen zu lassen, bis jene Kirche die +Macht verloren hatte, sie zu tyrannisiren. + +Ein Grund schien besonders für diesen Plan zu sprechen. Wenn es ihm nur +gelang, die protestantischen Nonconformisten zu gewinnen, so durfte er +sich mit der Hoffnung schmeicheln, vor jeder Rebellion sicher zu sein. +Nach der Ansicht der anglikanischen Geistlichen konnte keine Kränkung +irgend welcher Art einen Unterthanen berechtigen, den Gesalbten des +Herrn gewaltsamen Widerstand zu leisten. Die Theorie der puritanischen +Sectirer lautete ganz anders. Diese Sectirer trugen kein Bedenken, +Tyrannen mit dem Schwerte Gideon’s zu Boden zu schlagen, und manche von +ihnen scheuten sich auch nicht, den Dolch Ehud’s zu gebrauchen. +Wahrscheinlich sannen sie eben jetzt wieder auf einen neuen westlichen +Aufstand oder auf ein neues Ryehousecomplot. Jakob glaubte daher, daß er +getrost die Staatskirche verfolgen könnte, wenn es ihm nur gelang, die +Dissenters zu gewinnen. Die Partei, deren Grundsätze ihm keine +Sicherheit gewährten, war dann durch das Interesse an ihn gefesselt, und +die Partei, deren Interessen er angriff, erregte aus Grundsatz keinen +Aufruhr. + +Unter dem Einflusse solcher Erwägungen begann Jakob von dem Augenblicke +an, als er sich zornig von seinem Parlament trennte, auf eine Coalition +aller katholischen wie protestantischen Nonconformisten gegen die +Landeskirche zu denken. Schon um Weihnachten 1685 meldeten die Gesandten +der Vereinigten Provinzen den Generalstaaten, daß der Plan einer +allgemeinen Duldung entworfen sei und bald ans Licht treten werde.[25] +Indessen erwiesen sich die Nachrichten, welche der holländischen +Gesandtschaft zugekommen waren, als verfrüht. Die Separatisten scheinen +jedoch im Jahre 1686 schon viel milder behandelt worden zu sein, als +während des Jahres 1685. Aber nur ganz allmälig und nach vielen inneren +Kämpfen vermochte es der König über sich, mit Allem, was er am meisten +verabscheute, ein Bündniß zu schließen. Er hatte einen nicht +oberflächlichen und launenhaften, nicht erst kürzlich entstandenen oder +rasch aufgeschossenen, sondern in seiner Familie erblichen Groll zu +überwinden, welcher durch große, während hundertzwanzig ereignißvoller +Jahre zugefügte und erlittene Unbilden verstärkt worden und mit allen +seinen religiösen und politischen, häuslichen und persönlichen Gefühlen +verwachsen war. Vier Generationen von Stuarts hatten mit vier +Generationen von Puritanern einen Krieg auf Leben und Tod geführt, und +während dieses ganzen langen Krieges hatte kein Stuart die Puritaner so +stark gehaßt, und war so stark von ihnen gehaßt worden, als er. Sie +hatten es versucht, seine Ehre zu untergraben und ihn seines +Geburtsrechts zu berauben; sie hatten ihn einen Brandstifter, einen +Kehlabschneider und einen Giftmischer genannt; sie hatten ihn aus der +Admiralität und aus dem Staatsrathe verdrängt; sie hatten ihn zu +wiederholten Malen in die Verbannung getrieben, sie hatten einen +Mordanschlag auf ihn gemacht, und sie hatten sich zu Tausenden mit +bewaffneter Hand gegen ihn erhoben. Dafür hatte er sich an ihnen durch +ein Gemetzel gerächt, wie es England noch nie gesehen. Ihre Köpfe und +Glieder verwesten noch auf Pfählen auf allen öffentlichen Plätzen von +Somersetshire und Dorsetshire. Bejahrte Frauen, die wegen ihrer +Frömmigkeit und Mildthätigkeit von den Sectirern in hohen Ehren gehalten +wurden, waren um geringfügiger Vergehen willen, die kein guter Fürst nur +eines strengen Verweises werth gehalten haben würde, enthauptet oder +lebendig verbrannt worden. In einem solchen Verhältnisse hatte selbst in +England der König zu den Puritanern gestanden, und in Schottland hatte +die Tyrannei des Königs und die Wuth der Puritaner einen Grad erreicht, +von dem sich die Engländer kaum einen Begriff machen konnten. Einen so +langjährigen und so tödtlichen Haß zu vergessen, war für einen ganz +besonders harten und unversöhnlichen Character keine leichte Aufgabe. + +Der Kampf, der im Innern des Königs stattfand, entging dem Blicke +Barillon’s nicht. Ende Januar 1687 schrieb er einen interessanten Brief +nach Versailles. Der König -- dies war der wesentliche Inhalt des +Schreibens -- habe sich so ziemlich überzeugt, daß er nicht völlige +Freiheit für die römischen Katholiken erlangen und dabei doch die +Gesetze gegen die protestantischen Dissenters aufrecht erhalten könne. +Er neige sich daher zu einem Plane allgemeiner Indulgenz hin, im Herzen +aber würde es ihm weit lieber sein, wenn er auch jetzt noch seinen +Schutz und seine Gunst zwischen der römischen und der anglikanischen +Kirche, mit Ausschluß aller anderen religiösen Überzeugungen, theilen +könnte.[26] + + [Anmerkung 25: Leeuwen, 25. Dec. (4. Jan.) 1685/6.] + + [Anmerkung 26: Barillon, 31. Jan. (10. Febr.) 1686/7. +„Je crois + que, dans le fond, si on ne pouvoit laisser que la religion + Anglicane et la Catholique établies par les loix, le Roy + d’Angleterre en seroit bien plus content.“+] + + +[_In Schottland theilweise Duldung gewährt._] Wenige Tage nach dem +Abgang dieser Depesche that Jakob zögernd und widerstrebend den ersten +Schritt zur Annäherung an die Puritaner. Er hatte sich entschlossen, mit +Schottland zu beginnen, wo seine Befugniß, von Parlamentsacten zu +dispensiren, von den willfährigen Ständen anerkannt war. Demgemäß wurde +am 12. Februar in Edinburg eine Proklamation erlassen, welche +ängstlichen Gewissen eine Erleichterung gewährte.[27] Diese Proklamation +beweist vollkommen die Richtigkeit von Barillon’s Urtheil. Selbst in der +Acte, durch die er den Presbyterianern Zugeständnisse machte, konnte +Jakob seinen Widerwillen gegen sie nicht verhehlen. Die den Katholiken +gewährte Duldung war vollkommen. Auch die Quäker hatten wenig Ursache +sich zu beklagen. Aber die den Presbyterianern, welche die Hauptmasse +des schottischen Volks bildeten, bewilligte Indulgenz war durch +Bedingungen beschränkt, die sie fast werthlos machten. An die Stelle des +bisherigen Religionseides, der sowohl Katholiken als Presbyterianer von +Staatsämtern ausschloß, war ein neuer Religionseid gesetzt, der die +Katholiken zuließ, aber die meisten Presbyterianer ausschloß. Den +Katholiken war es erlaubt, Kapellen zu erbauen und sogar die Hostie +überall, mit Ausnahme der Straßen in königlichen Burgflecken, in +Prozession umherzutragen; den Quäkern war es gestattet, sich in +öffentlichen Gebäuden zu versammeln; die Presbyterianer aber durften nur +in Privatwohnungen Gottesdienst halten; es war ihnen streng verboten, +Bethäuser zu bauen, sie durften nicht einmal eine Scheune oder ein +Nebenhaus zu Andachtsübungen benutzen, und es ward ihnen nachdrücklich +eingeschärft, daß, wenn sie es wagten, Conventikel unter freiem Himmel +zu hatten, das Gesetz, welches sowohl den Predigern als den Zuhörern mit +dem Tode drohte, mit schonungsloser Strenge angewendet werden sollte. +Jeder katholische Priester durfte Messe lesen, jeder Quäker durfte vor +seinen Glaubensbrüdern Reden halten; aber der Geheime Rath war +angewiesen, darüber zu wachen, daß kein presbyterianischer Geistlicher +sich unterfange, ohne specielle Erlaubniß der Regierung zu predigen. +Jede Zeile dieses Dokuments und der dasselbe begleitenden Briefe +beweist, wie schwer es dem Könige wurde, nur einigermaßen die Härte zu +mildern, mit der er die alten Feinde seines Hauses von jeher behandelt +hatte.[28] + +Man hat wirklich Grund zu glauben, daß er bei Veröffentlichung dieser +Proklamation noch keineswegs zu einer Coalition mit den Puritanern fest +entschlossen war und daß er ihnen zuvörderst nur eben so viele +Begünstigungen gewähren wollte, als durchaus nöthig waren, um die +Anhänger der Landeskirche durch Einschüchterung zum Gehorsam zu bringen. +Er wartete daher einen Monat, um zu sehen, welchen Eindruck das in +Edinburg erlassene Edict in England machen werde. Diesen Monat +verwendete er auf Petre’s Rath eifrig zu dem, was man +closeting+[29] +nannte. + + [Anmerkung 27: Sie ist zu finden im Anfange zu Wodrow II. 129.] + + [Anmerkung 28: +Wodrow, Appendix, vol. II. Nos. 128, 129, 132.+] + + [Anmerkung 29: Persönliche Bearbeitung Einzelner im Privatkabinet + des Königs. D. Übers.] + + +[_Persönliche Bearbeitung Einzelner im königlichen Kabinet._] London war +voll von geeigneten Persönlichkeiten. Man erwartete die baldige +Zusammenberufung des Parlaments zur Erledigung von Geschäften, und viele +Mitglieder waren bereits in der Stadt. Der König nahm sich vor, sie Mann +für Mann zu werben. Er hoffte, daß die eifrigen Tories -- und aus +solchen bestand das Unterhaus mit wenigen Ausnahmen -- seinen dringenden +Bitten schwer würden widerstehen können, wenn er dieselben nicht an die +Gesammtheit, sondern an jeden Einzelnen, und nicht vom Thronsessel +herab, sondern im vertraulichen Gespräch an sie richtete. Die +Mitglieder, welche nach Whitehall kamen, um ihre Aufwartung zu machen, +wurden demnach auf die Seite genommen und mit langen Privatunterredungen +beehrt. Der König drang in sie, daß sie, als loyale Gentlemen, ihm nur +in dem einem Punkte, der ihm mehr als alles Andre am Herzen liege, den +Willen thun möchten. Er meinte, die Sache berühre seine persönliche +Ehre. Die unter der vorigen Regierung von factiösen Parlamenten gegen +die Katholiken erlassenen Verordnungen seien lediglich gegen ihn selbst +gerichtet gewesen; diese Gesetze hätten ihm ein Brandmal aufgedrückt, +ihn aus der Admiralität und aus dem Staatsrathe vertrieben, und er sei +berechtigt, zu erwarten, daß Alle, die ihn liebten und ehrten, sich zur +Abschaffung jener Gesetze vereinigen würden. Sah er, daß seine Zuhörer +gegen diese Ermahnungen taub blieben, so nahm er seine Zuflucht zu +Drohungen und Bestechungen. Denjenigen, die sich weigerten, ihm in +dieser Angelegenheit zu Willen zu sein, wurde geradezu gesagt, daß sie +keine Gunstbezeigung zu erwarten hätten. Trotz seiner Knauserei öffnete +und vertheilte er seine Schätze. Mehrere von Denen, die zu einer +Conferenz mit ihm eingeladen worden waren, nahmen aus seinem +Schlafzimmer Geld mit fort, das sie aus königlicher Hand empfangen +hatten. Die Richter, die sich gerade auf ihrer Frühjahrsrundreise +befanden, erhielten Befehl vom Könige, die noch in der Provinz +zurückgebliebenen Mitglieder zu besuchen und die Gesinnungen jedes +Einzelnen zu erforschen. + + +[_Erfolglosigkeit der persönlichen Bearbeitung._] Das Resultat aller +dieser Nachforschungen war, daß die große Majorität des Hauses der +Gemeinen entschlossen zu sein schien, sich den Maßregeln des Hofes zu +widersetzen.[30] Einer von Denjenigen, deren Festigkeit allgemeine +Bewunderung erregten, war Arthur Herbert, der Bruder des Oberrichters, +Parlamentsmitglied für Dover, Kammerherr und Contreadmiral von England. + + [Anmerkung 30: Barillon, 28. Febr. (10. März) 1686/7; Citters, + 15.(25.) Febr.; +Reresby’s Memoirs+; Bonrepaux, 25. Mai (4. Juni) + 1687.] + + +[_Admiral Herbert._] Arthur Herbert war bei den Seeleuten sehr beliebt +und galt für einen der tüchtigsten adeligen Marineoffiziere. Man hatte +allgemein vermuthet, daß er sich den Wünschen des Königs bereitwillig +fügen werde, denn er fragte wenig nach der Religion, war +vergnügungslustig und verschwenderisch, hatte kein Privatvermögen, bezog +aus seinen Stellen ein jährliches Einkommen von viertausend Pfund und +wurde seit langer Zeit zu den ergebensten persönlichen Anhängern Jakob’s +gerechnet. Als aber der Contreadmiral im Privatkabinet vorgenommen und +das Versprechen von ihm verlangt wurde, daß er für die Aufhebung der +Testacte stimmen wolle, antwortete er, seine Ehre und sein Gewissen +erlaubten ihm nicht, ein solches Versprechen zu geben. „Niemand zweifelt +an Ihrer Ehre“, sagte der König, „aber ein Mann, der so lebt wie Sie, +sollte nicht von seinem Gewissen sprechen.“ Auf diesen Vorwurf, einen +Vorwurf, der dem Geliebten der Katharine Sedley übel anstand, erwiederte +Herbert mit männlicher Offenheit: „Ich habe meine Fehler, Sire, aber ich +könnte Leute nennen, welche viel häufiger von ihrem Gewissen sprechen +als ich und dabei ein eben so lockeres Leben führen.“ Er wurde aller +seiner Stellen entsetzt und die Rechnung über seine Ausgaben und +Einnahmen als Kammerherr wurden mit großer und, wie er klagte, +ungerechter Strenge geprüft.[31] + +Es war jetzt augenscheinlich, daß jede Hoffnung auf ein Bündnis zwischen +der anglikanischen und römischen Kirche zu dem Zwecke, die Ämter und +Einnahmen unter sich zu theilen und die puritanischen Secten zu +unterdrücken, aufgegeben werden mußte. Es blieb weiter nichts übrig, als +der Versuch, eine Koalition zwischen der römischen Kirche und den +puritanischen Secten gegen die anglikanische Kirche zu Stande zu +bringen. + + [Anmerkung 31: Barillon, 14.(24.) März 1687; Lord Russell an +Dr.+ + Fitzwilliam, 1. April; +Burnet I. 671, 672+. In +Clarke’s Life of + James the Second, II. 204+ ist die Unterredung etwas anders + erzählt. Diese Stelle aber ist kein Theil der eigenen Memoiren des + Königs.] + + +[_Die Indulgenzerklärung._] Am 18. März kündigte der König dem Geheimen +Rathe an, daß er beschlossen habe, das Parlament bis Ende November zu +prorogiren und allen seinen Unterthanen aus eigner Machtvollkommenheit +völlige Gewissensfreiheit zu gewähren.[32] Am 4. April erschien die +denkwürdige Indulgenzerklärung. + +In dieser Erklärung sagte der König, es sei sein innigster Wunsch, seine +Unterthanen als Mitglieder derjenigen Kirche zu sehen, der er selbst +angehöre. Da dies aber nicht sein könne, erkläre er, daß es seine +Absicht sei, sie in der freien Ausübung ihrer Religion zu schützen. Er +wiederholte alle die schönen Redensarten, welche acht Jahre früher, als +er selbst ein Unterdrückter war, so oft aus seinem Munde kamen, die er +aber nicht mehr gebrauchte, seitdem ein Wechsel des Glücks ihm die Macht +verliehen hatte, selbst ein Unterdrücker zu werden. Er sei schon längst +überzeugt, sagte er, daß man dem Gewissen keinen Zwang anthun dürfe, daß +Verfolgungen der Zunahme der Bevölkerung und dem Handel nachtheilig +seien und nie zu dem Zwecke führten, den die Verfolger erreichen +wollten. Er wiederholte das schon oft gegebene und eben so oft +gebrochene Versprechen, daß er die Staatskirche im Genusse ihrer +gesetzlichen Rechte schützen wolle. Hierauf erklärte er, ebenfalls aus +eigner Machtvollkommenheit, eine lange Reihe von Gesetzen für null und +nichtig, hob alle Strafbestimmungen gegen alle Klassen von +Nonconformisten auf, ermächtigte die römischen Katholiken wie auch die +protestantischen Dissenters, ihren Gottesdienst öffentlich zu halten, +verbot seinen Unterthanen bei Strafe seines allerhöchsten Mißfallens, +irgend eine religiöse Versammlung zu stören, und schaffte auch alle +diejenigen Gesetze ab, welche die Befähigung zu bürgerlichen und +militairischen Ämtern von einem Religionseide abhängig machten.[33] + +Daß die Indulgenzerklärung verfassungswidrig war, darüber sind beide +große Parteien Englands zu allen Zeiten einig gewesen. Jeder, der in +politischen Fragen ein Urtheil hat, muß einsehen, daß ein Fürst, der +eine solche Erklärung erlassen darf, nichts Geringeres ist als ein +absoluter Monarch. Auch kann man zur Vertheidigung dieser Handlung +Jakob’s nicht die Gründe geltend machen, mit denen viele willkürliche +Maßregeln der Stuarts vertheidigt oder entschuldigt worden sind. Man +kann nicht sagen, daß er den Umfang seiner Prärogative verkannt habe, +weil sie nicht genau bestimmt gewesen sei, denn er überschritt die +Grenze angesichts einer ganz kürzlich erst festgestellten Grenzmarke. +Funfzehn Jahre früher hatte sein Bruder auf Anrathen der Cabale auch +eine Indulgenzerklärung erlassen, welche im Vergleich zu der Erklärung +Jakob’s gemäßigt und vorsichtig genannt werden konnte. Die Erklärung +Karl’s dispensirte nur von Strafgesetzen, die Erklärung Jakob’s +dispensirte auch von allen Religionseiden. Die Erklärung Karl’s +gestattete den Katholiken, nur in Privatwohnungen ihren Gottesdienst zu +halten, nach der Erklärung Jakob’s konnten sie Tempel bauen und +ausschmücken und sogar mit Kreuzen, Bildern und Rauchfässern in +Prozession durch Fleet Street ziehen. Dennoch war die Erklärung Karl’s +in alter Form für gesetzwidrig erklärt worden. Die Gemeinen hatten sich +dahin ausgesprochen, daß der König nicht befugt sei, in kirchlichen +Angelegenheiten von Gesetzen zu dispensiren. Karl hatte hierauf das +mißliebige Schriftstück vor seinen Augen vernichten lassen, hatte mit +eigner Hand das Siegel davon abgerissen und sowohl durch eine von ihm +eigenhändig unterschriebene Botschaft als auch mündlich vom Throne herab +in vollem Parlament beiden Häusern fest versprochen, daß der Schritt, +der so großen Anstoß gegeben, als nie geschehen betrachtet werden solle. +Die beiden Häuser hatten dann ohne eine einzige opponirende Stimme eine +gemeinschaftliche Dankadresse für diese Erfüllung ihrer Wünsche an ihn +gerichtet. Nie war eine Verfassungsfrage mit reiflicherer Erwägung, mit +unzweideutigerer Klarheit und mit vollkommnerer Einhelligkeit +entschieden worden. + +Jakob’s Vertheidiger haben zu seiner Entschuldigung häufig das +Erkenntniß anführt, welches der Gerichtshof der Kings Bench in der +abgekarteten Klage gegen Sir Eduard Hales abgab; aber dieser +Entschuldigungsgrund hat gar kein Gewicht. Jakob hatte diesen Ausspruch +notorisch durch Bitten, durch Drohungen, durch Entlassung gewissenhafter +Beamten und durch Besetzung der Richterbank mit anderen höfischer +gesinnten Richtern erlangt. Und obgleich dieses Erkenntniß von der +Advokatur wie von der Nation allgemein für verfassungswidrig erklärt +wurde, erstreckte es sich doch nur so weit, daß der König aus besonderen +Staatsgründen einzelnen Individuen Dispensationen von ausschließenden +Gesetzen bewilligen dürfe. Daß er durch ein Alles über den Haufen +werfendes Edict alle seine Unterthanen ermächtigen konnte, ganze Bände +von Gesetzen nicht mehr zu befolgen, dies hatte kein Gerichtshof +angesichts der feierlichen Entscheidung des Parlaments von 1673 zu +behaupten gewagt. + + [Anmerkung 32: +London Gazette, March 21, 1686/7.+] + + [Anmerkung 33: +London Gazette, April 7+. 1087.] + + +[_Stimmung der protestantischen Dissenters._] Die Stellung der Parteien +war jedoch von der Art, daß Jakob’s Indulgenzerklärung, obgleich der +kühnste von allen Angriffen der Stuarts auf die öffentliche Freiheit, +wohl geeignet war, gerade demjenigen Theile der Gesellschaft zu +gefallen, der allen anderen Angriffen der Stuarts auf die öffentliche +Freiheit den beharrlichsten Widerstand entgegengesetzt hatte. Es stand +kaum zu erwarten, daß der durch ein hartes und streng gehandhabtes +Gesetzbuch von seinen Landsleuten getrennte protestantische +Nonconformist geneigt sein werde, die Gültigkeit eines Erlasses zu +bestreiten, der ihn von unerträglichen Bedrückungen erlöste. Ein kalter +und philosophischer Beobachter würde ohne Zweifel erklärt haben, daß +alles Übel, das aus allen intoleranten Gesetzen, welche je von +Parlamenten erlassen wurden, hervorgehen könne, nicht zu vergleichen sei +mit dem Unheil, welches durch eine Übertragung der gesetzgebenden Gewalt +vom Parlament auf den Souverain entstehen würde. Aber eine so ruhige und +philosophische Überlegung kann man nicht von Leuten erwarten, die unter +einem vorhandenen Drucke seufzen und denen die lockende Aussicht auf +sofortige Erleichterung dargeboten wird. Ein puritanischer Theolog +konnte allerdings nicht leugnen, daß die jetzt von der Krone +beanspruchte Dispensationsgewalt mit den Grundprinzipien der +Verfassung unvereinbar war. Aber es war vielleicht zu entschuldigen, +wenn er fragte, was die Verfassung eigentlich für ihn sei. Die +Gleichförmigkeitsacte hatte ihn trotz königlicher Versprechungen von +einer Pfründe vertrieben, die sein rechtmäßiges Eigenthum war, und hatte +ihn in Armuth und Abhängigkeit zurückgeworfen. Die Fünfmeilenacte hatte +ihn von seiner Heimath, von seinen Verwandten, von seinen Freunden, von +fast jedem öffentlichen Zufluchtsorte verbannt. Kraft der +Conventikelacte war er seines Vermögens beraubt und aus einem +schmutzigen Kerker in den andren mitten unter Straßenräuber und Diebe +geworfen worden. Außerhalb des Gefängnisses wurde er beständig von den +Gerichtsdienern verfolgt; er hatte Angeber durch Geldgeschenke zum +Schweigen bringen, hatte sich in schimpflicher Verkleidung durch Fenster +und Fallthüren heimlich zu seiner Gemeinde schleichen müssen, und +während er das geweihte Wasser auf den Täufling sprengte oder das Brod +des heiligen Abendmahls austheilte, hatte er in beständiger Angst auf +das Zeichen horchen müssen, welches ihm sagte, daß die Sbirren der +Justiz sich näherten. War es nicht bitterer Hohn, einen so +ausgeplünderten und bedrückten Mann aufzufordern, daß er für das +Eigenthum und die Freiheit seiner Plünderer und Bedrücker zum Märtyrer +werden solle? Mochte die Indulgenzerklärung seinen glücklichen Nachbarn +noch so despotisch erscheinen, ihm brachte sie Erlösung. Er wurde +aufgefordert, nicht zwischen der Freiheit und der Knechtschaft, sondern +zwischen zwei Jochen zu wählen, und es wäre nicht unnatürlich gewesen, +wenn er das Joch des Königs für erträglicher gehalten hätte als das der +Kirche. + + +[_Stimmung der anglikanischen Kirche._] Während solche Gedanken die +Gemüther vieler Dissenters beschäftigten, war die anglikanische Partei +in Angst und Bestürzung. Diese neue Wendung der Dinge war in der That +beunruhigend. Das Haus Stuart im Bunde mit republikanischen und +königsmörderischen Secten gegen die alten Kavaliere Englands; der +Papismus im Bunde mit dem Puritanismus gegen ein kirchliches System, an +welchem die Puritaner nichts weiter auszusetzen hatten, als daß es +zuviel Papistisches beibehalten: das waren Zeichen und Wunder, welche +alle Berechnungen der Staatsmänner über den Haufen warfen. Die Kirche +sollte also mit einem Male von allen Seiten angegriffen werden, und zwar +unter der Leitung Dessen, der ihrer Verfassung nach ihr Oberhaupt war. +Es war kein Wunder, wenn sie von Erstaunen und Entsetzen ergriffen +wurde. Und zu dem Erstaunen und dem Entsetzen gesellten sich noch andere +bittere Gefühle: Groll gegen den meineidigen Fürsten, dem sie nur zu +treu gedient, und Reue über die Grausamkeiten, die sie in Gemeinschaft +mit ihm verübt hatte und für die er sie jetzt, wie es schien, bestrafen +wollte. Ihre Strafe war gerecht, sie erntete was sie gesäet hatte. Als +nach der Restauration ihre Macht den Höhepunkt erreicht, hatte sie nur +Rache geschnaubt. Sie hatte die Stuarts aufgefordert, gedrängt, fast +gezwungen, die kürzlich geleisteten Dienste der Presbyterianer mit +schnödem Undanke zu vergelten. Hätte sie sich in jener Zeit ihrer +höchsten Blüthe, wie es ihr geziemte, ihrer Feinde angenommen, so würde +sie jetzt, in der Zeit der Noth, Freunde in ihnen gefunden haben. +Vielleicht war es noch nicht zu spät, vielleicht konnte sie noch die +Taktik ihres Bedrückers gegen ihn selbst kehren. Es gab unter den +Anglikanern eine gemäßigte Partei, welche den protestantischen +Dissenters immer freundlich gesinnt gewesen war. Allerdings war diese +Partei nicht zahlreich, aber die Talente, Kenntnisse und Tugenden ihrer +Mitglieder machten sie achtunggebietend. Sie war von den höchsten +Würdenträgern der Kirche nicht mit günstigem Auge betrachtet und von den +Frömmlern aus der Schule Laud’s schonungslos verunglimpft worden; aber +von dem Tage, an welchem die Indulgenzerklärung erschien, bis zu dem +Tage, wo Jakob’s Macht aufhörte Schrecken einzuflößen, schien die ganze +Kirche von dem Geiste der verleumdeten Latitudinarier beseelt zu sein +und von ihren Rathschlägen geleitet zu werden. + + +[_Der Hof und die Kirche._] Nun folgte eine Art von Versteigerung, die +sonderbarste, von der uns die Geschichte erzählt. Der König auf der +einen, die Kirche auf der andren Seite begannen einander zu überbieten, +um die Gunst Derer zu erlangen, zu deren Unterdrückung sie bis dahin +verbündet gewesen waren. Die protestantischen Dissenters, die noch vor +wenigen Monaten eine verachtete und geächtete Klasse gewesen waren, +hielten jetzt die Wage der Macht in ihrer Hand. Die Härte, mit der sie +behandelt worden waren, wurde allgemein verdammt. Der Hof suchte die +ganze Schuld auf die Hierarchie zu wälzen, und die Hierarchie warf sie +zurück auf den Hof. Der König erklärte, daß er die Separatisten wider +Willen nur deshalb verfolgt habe, weil seine Angelegenheiten in einem +Zustande gewesen wären, bei dem er es nicht hatte wagen dürfen, dem +Klerus der Staatskirche zu nahe zu treten. Dieser versicherte, daß er +nur aus Ehrerbietung vor der Autorität des Königs an einer Strenge Theil +genommen habe, die seinen Gefühlen durchaus fremd sei. Der König brachte +eine Sammlung von Anekdoten von Rectoren und Vikaren zusammen, welche +durch Androhung von Verfolgung von protestantischen Dissenters Geld +erpreßt hatten. Er sprach häufig und öffentlich über diesen Gegenstand, +drohte mit einer Untersuchung, welche die Pfarrer der ganzen Welt in +ihrem wahren Character zeigen werde und erließ in der That mehrere +Verordnungen, durch welche Agenten, auf die er sich verlassen zu können +glaubte, ermächtigt wurden, den Betrag der Summen zu ermitteln, welche +in verschiedenen Landestheilen von Bekennern der herrschenden Religion +Sectirern abgepreßt worden waren. Die Vertheidiger der Landeskirche +führten dagegen Beispiele von rechtschaffenen Pfarrern an, welche vom +Hofe Verweise und Drohungen erhalten, weil sie auf der Kanzel +Duldsamkeit empfohlen und sich geweigert hatten, kleine Gemeinden von +Nonconformisten auszuspüren und zu Tode zu hetzen. Der König behauptete, +daß einige Mitglieder der Staatskirche, die er privatim vorgenommen, +sich erboten hatten, den Katholiken ausgedehnte Zugeständnisse zu +machen, unter der Bedingung, daß die Verfolgung gegen die Puritaner +ihren Fortgang behalte. Die angeklagten Anhänger der Staatskirche +leugneten heftig die Wahrheit dieser Beschuldigung und behaupteten, daß, +wenn sie sich mit dem, was der König für seine eigene Kirche verlangte, +einverstanden erklärt hätten, er ihnen sehr gern gestattet haben würde, +sich durch Verfolgung und Ausplünderung protestantischer Dissenters zu +entschädigen.[34] + +Der Hof hatte seine Physiognomie verändert. Die Schärpe und der +Priesterrock der anglikanischen Geistlichen konnten sich daselbst kaum +noch sehen lassen ohne spöttisches Lächeln und boshaftes Geflüster +hervorzurufen. Die Hofdamen erlaubten sich nicht mehr zu kichern und die +Kammerherren verbeugten sich bis zur Erde, wenn sich das puritanische +Gesicht und die puritanische Tracht, welche in den vornehmen Zirkeln so +lange Zeit Lieblingsgegenstände des Spotts gewesen waren, in den +Gallerien des Palastes zeigten. Taunton, das zwei Generationen hindurch +die Veste der Rundkopfpartei im Westen gewesen war, das die Armeen +Karl’s I. zweimal tapfer zurückgeschlagen, sich zur Unterstützung +Monmouth’s wie ein Mann erhoben hatte und von Kirke und Jeffreys in eine +Schlachtbank verwandelt worden war, schien plötzlich die Stelle erobert +zu haben, welche Oxford einst in der königlichen Gunst eingenommen.[35] +Der König gewann es über sich, ausgezeichneten Dissenters sogar mit +kriechender Höflichkeit zu begegnen. Einigen bot er Geld an, Anderen +städtische Ehrenämter, noch Anderen Begnadigung von Verwandten und +Freunden, die wegen Theilnahme an dem Ryehousecomplot oder wegen +Anschluß an die Fahne Monmouth’s auf dem Kontinent umherirrten oder in +den Zuckerplantagen von Barbados schwitzten. Er stellte sich sogar, als +ob er mit den freundlichen Gesinnungen der englischen Puritaner gegen +ihre auswärtigen Glaubensbrüder sympathisirte. Eine zweite und dritte +Proklamation erschien in Edinburg, welche die den Presbyterianern durch +das Februaredict gewährte nichtssagende Duldung bedeutend +erweiterten.[36] Die verbannten Hugenotten, die der König seit vielen +Monaten mit ungnädigem Auge angesehen und denen er die von der Nation +aufgebrachten milden Gaben vorenthalten hatte, wurden jetzt unterstützt +und gehätschelt. Es wurde ein Ministerialbefehl erlassen, der die +öffentliche Mildthätigkeit nochmals zu ihren Gunsten aufrief. Die +Vorschrift, welche von ihnen den Anschluß an die anglikanische +Gottesverehrung als Bedingung des Empfangs einer Unterstützung +verlangte, scheint zu dieser Zeit stillschweigend aufgehoben gewesen zu +sein, und die Vertheidiger der Politik des Königs hatten die Frechheit +zu behaupten, diese Vorschrift sei auf Andringen der Prälaten der +Staatskirche erlassen worden, während wir aus den sichersten Quellen +wissen, daß sie von ihm selbst im Einverständniß mit Barillon ersonnen +worden war.[37] + +Während der König sich so die Gunst seiner alten Gegner zu erwerben +suchte, waren die Freunde der Landeskirche nicht weniger thätig. Von der +Bitterkeit und dem Hohne, mit dem die Prälaten und Priester seit der +Restauration die Sectirer zu behandeln pflegten, war kaum noch eine Spur +zu erkennen. Die, welche man ganz kürzlich noch Schismatiker und +Fanatiker genannt hatte, waren jetzt geliebte Mitprotestanten, +Glaubensbrüder, die vielleicht schwach sein mochten, aber deren +Gewissensskrupel immerhin zarte Rücksichtnahme verdienten. Wenn sie nur +in dieser Krisis der englischen Verfassung und dem reformirten Glauben +treu blieben, so sollte ihre Hochherzigkeit bald und reich belohnt +werden. Anstatt einer Indulgenz, welche keine gesetzliche Gültigkeit +hätte, sollten sie eine wirkliche, durch eine Parlamentsacte gesicherte +Indulgenz haben. Ja, viele Mitglieder der Staatskirche, die sich bisher +durch ihr starres Festhalten an jeder in der Liturgie vorgeschriebenen +Geberde und Formel ausgezeichnet hatten, erklärten sich jetzt nicht nur +zur Duldung, sondern sogar zur Gleichstellung geneigt. Der Streit um +Chorröcke und Stellungen, sagten sie, habe nur zu lange Christen von +einander getrennt, welche doch in den wesentlichen Glaubenspunkten +übereinstimmten. Wenn der Kampf auf Tod und Leben gegen den gemeinsamen +Feind vorüber wäre, dann würde man sehen, daß die anglikanische +Geistlichkeit zu jedem billigen Zugeständnisse bereit sei. Wenn die +Dissenters nur nicht unbescheiden wären, so würden ihnen nicht blos +bürgerliche, sondern auch geistliche Ämter offen stehen, und Baxter und +Howe würden ohne einen Flecken an ihrer Ehre oder ihrem Gewissen auf der +Bank der Bischöfe sitzen können. + + [Anmerkung 34: Verordnungen des Schatzamts. Siehe besonders die + Instructionen vom 8. März 1687/88; +Burnet, I. 715+; +Reflections + on His Majesty’s Proclamation for a Toleration in Scotland+; + +Letters containing some Reflections on His Majesty’s Declaration + for Liberty of Conscience+; +Apology for the Church of England + with relation to the spirit of Persecution for which she is + accused, 1687/88.+ Doch es ist mir unmöglich, alle Flugschriften + anzuführen, aus denen ich mein Urtheil über den damaligen Stand + der Parteien geschöpft habe.] + + [Anmerkung 35: +Letter to a Dissenter+.] + + [Anmerkung 36: +Wodrow, Appendix, vol. II. Nos. 132, 134.+] + + [Anmerkung 37: +London Gazette, April 21. 1687+; +Animadversions + on a late paper entituled a Letter to a Dissenter, by H. C. (Henry + Care), 1687.+] + + +[_„Brief an einen Dissenter.“_] Von den zahlreichen damaligen +Flugschriften, in denen die Sache des Hofes und die Sache der Kirche vor +dem Puritaner, der jetzt durch eine sonderbare Wendung des Geschicks das +Loos seiner Verfolger entscheiden sollte, eifrig und ängstlich +entwickelt wurde, ist jetzt nur noch eine in der Erinnerung, betitelt: ++Letter to a Dissenter+. In dieser meisterhaften kleinen Schrift waren +alle Argumente, die einen Nonconformisten überzeugen konnten, daß es +seine Pflicht und sein Interesse sei, ein Bündniß mit der Staatskirche +einem Bündnisse mit dem Hofe vorzuziehen, auf einem engen Raume in der +übersichtlichsten Ordnung zusammengestellt, mit geistreichem Witze +erörtert und mit einer zwar lebhaften, aber selbst in den Momenten der +leidenschaftlichsten Heftigkeit die Grenzen des Anstandes und der seinen +Bildung nie überschreitenden Beredtsamkeit zur Geltung gebracht. Die +Schrift machte einen ungeheuren Eindruck, denn da sie nur einen Bogen +stark war, wurden über zwanzigtausend Exemplare durch die Post versandt +und die Wirkung zeigte sich in jedem Winkel des Reichs. Es erschienen +vierundzwanzig Antworten darauf, aber die ganze Stadt erklärte sie für +schlecht und die von Lestrange für die schlechteste von allen +vierundzwanzig.[38] Die Regierung war sehr ärgerlich und sparte keine +Mühe, um den Verfasser des Briefs ausfindig zu machen; aber es war nicht +möglich, rechtskräftige Beweise gegen ihn aufzubringen. Einige meinten +die Denk- und Sprachweise Temple’s zu erkennen.[39] In Wirklichkeit aber +gehörte dieser umfassende und scharfe Verstand, diese lebhafte +Phantasie, dieser elegante und kräftige Styl, diese ruhige und edle, +halb hofmännische, halb philosophische Würde, welche die heftigste +Aufregung des Kampfes nicht einen Augenblick aus der Fassung bringen +konnte, keinem Andren als Halifax an. + + [Anmerkung 38: +Lestrange’s Answer to a Letter to a Dissenter+; + +Care’s Animadversions on a Letter to a Dissenter+; +Dialogue + between Harry and Roger+, nämlich Harry Care und Roger Lestrange.] + + [Anmerkung 39: Der Brief war mit T. W. unterzeichnet. Care sagt in + seinen +Animadversions+: „Dieser Herr Politiker T. W. oder W. T., + denn einige Kritiker halten dies für die richtigere Lesart.“] + + +[_Benehmen der Dissenters._] Die Dissenters schwankten und man darf +ihnen keinen Vorwurf daraus machen. Sie litten und der König hatte ihnen +Linderung verschafft. Einige ausgezeichnete Geistliche waren ihrer Haft +entlassen worden, andere hatten es gewagt, aus dem Exil zurückzukehren. +Gemeinden, die ihre Zusammenkünfte bisher nur heimlich und im Dunklen +hatten abhalten können, versammelten sich jetzt am hellen Tage und +sangen laut ihre Psalmen vor den Augen von Magistratsbeamten, +Kirchenvorstehern und Constablern. Bescheidene Gotteshäuser von +puritanischer Bauart begannen sich in allen Gegenden Englands zu +erheben. Der aufmerksame Reisende kann noch jetzt an einigen der +ältesten Bethäuser die Jahrzahl 1687 erkennen. Dessen ungeachtet waren +die Anerbietungen der Kirche für einen klugen Dissenter viel lockender +als die des Königs. Die Indulgenzerklärung war in den Augen des Gesetzes +null und nichtig. Sie suspendirte die Strafgesetze gegen Nonconformität +nur auf so lange, als die Grundprinzipien der Verfassung und die +rechtmäßige Autorität des gesetzgebenden Körpers aufgehoben blieben. +Welchen Werth hatten Privilegien, die auf einen so schmachvollen und +zugleich so unsicheren Besitztitel beruhten? Es konnte bald eine +Thronerledigung eintreten, ein der Landeskirche anhängender Souverain +konnte auf den Thron kommen und ein aus Mitgliedern der Landeskirche +bestehendes Parlament gebildet werden. Wie beklagenswerth mußte dann die +Lage der Dissenters werden, die sich mit Jesuiten gegen die Verfassung +verbündet hatten! Die Kirche bot eine Indulgenz ganz andrer Art als die +von Jakob gewährte dar, eine Indulgenz, die eben so rechtsgültig und +heilig war als die Magna Charta. Beide streitende Parteien versprachen +dem Separatisten Glaubensfreiheit; aber die eine Partei verlangte von +ihm, daß er sie durch Aufopferung der bürgerlichen Freiheit erkaufen +sollte, während die andre ihn zum Genuß der bürgerlichen und religiösen +zugleich einlud. + +Aus diesen Gründen konnte ein Dissenter sich wohl entschließen, sein +Loos mit dem der Staatskirche zu verknüpfen, selbst wenn er hätte +glauben können, daß der Hof es aufrichtig meinte. Aber wer garantirte +ihm für die Aufrichtigkeit des Hofes? Jedermann kannte das bisherige +Benehmen Jakob’s. Es war zwar nicht gerade unmöglich, daß ein Verfolger +durch Vernunftgründe und Erfahrungen von den Vortheilen der +Religionsduldung überzeugt werden konnte. Aber Jakob behauptete, nicht +erst neuerdings überzeugt worden zu sein; im Gegentheil, er versäumte +keine Gelegenheit, um zu versichern, daß er schon seit vielen Jahren aus +Grundsatz aller Unduldsamkeit feind gewesen sei. Dennoch hatte er noch +vor wenigen Monaten Männer, Frauen und junge Mädchen um ihrer Religion +willen bis zum Tode verfolgt. Hatte er damals gegen die bessere +Überzeugung seines Gewissens gehandelt? oder sagte er jetzt eine +wissentliche Unwahrheit? Aus diesem Dilemma gab es keinen Ausweg und +jede der beiden Annahmen war für den Ruf der Rechtschaffenheit des +Königs gleich verderblich. Außerdem war auch allbekannt, daß ihn die +Jesuiten ganz in ihrer Gewalt hatten. Erst wenige Tage vor der +Bekanntmachung der Indulgenz war dieser Orden dem wohlbekannten Willen +des heiligen Stuhles zum Trotz mit einem neuen Beweise seines Vertrauens +und seines Beifalls beehrt worden. Sein Beichtvater, Pater Mansuetus, +ein Franziskaner, dessen menschenfreundlicher Character und tadelloser +Lebenswandel die größte Achtung verdienten, den aber Tyrconnel und Petre +schon längst haßten, war entlassen worden. Den dadurch erledigten Posten +erhielt ein Engländer, Namens Warner, der von dem Glauben seines +Vaterlandes abgefallen und Jesuit geworden war. Den gemäßigten +Katholiken und dem Nuntius war dieser Wechsel nichts weniger als +angenehm, und jeder Protestant erblickte darin einen Beweis, daß die +Jesuiten eine unumschränkte Herrschaft über das Gemüth des Königs +ausübten.[40] So großes Lob auch diese Väter mit Recht beanspruchen +konnten, besondere Liberalität und Wahrheitsliebe konnte selbst die +Schmeichelei ihnen nicht beimessen. Daß sie, wenn es das Interesse ihres +Glaubens oder ihres Ordens galt, niemals Bedenken trugen, den Beistand +des weltlichen Schwerts anzurufen, oder die Gesetze der Wahrheit und +Treue zu verletzen, dies war der Welt nicht nur durch protestantische +Ankläger, sondern auch durch Männer verkündet worden, deren +Tugendhaftigkeit und Genie der Stolz der römischen Kirche war. Es war +unglaublich, daß ein ergebener Schüler der Jesuiten der +Gewissensfreiheit aus Grundsatz zugethan sein sollte; dagegen aber war +es weder unglaublich noch unwahrscheinlich, daß er es für gerechtfertigt +hielt, seine wahren Gesinnungen zu verbergen, um seiner Religion einen +Dienst zu erzeigen. Es war gewiß, daß dem Könige im Herzen die +Anglikaner lieber waren als die Puritaner; es war gewiß, daß, so lange +er noch Hoffnung hatte, die Anhänger der Staatskirche zu gewinnen, er +den Puritanern nie die geringste Freundlichkeit erwiesen hatte. Konnte +es also wohl einem Zweifel unterliegen, daß er selbst jetzt noch die +Puritaner willig aufopfern würde, wenn die Anglikaner sich seinen +Wünschen fügten? Sein wiederholt gegebenes Versprechen hatte ihn nicht +abgehalten, die gesetzlichen Rechte der Geistlichkeit anzutasten, welche +so viele sprechende Beweise von treuer Anhänglichkeit an sein Haus +gegeben hatte. Welche Sicherheit konnte sonach sein Wort Secten +gewähren, welche durch die Erinnerung an tausend geschlagene und +empfangene, nicht wieder gut zu machende Wunden von ihm geschieden +waren? + + [Anmerkung 40: Ellis’ Correspondenz, 15. März u. 27. Juli 1686; + Barillon, 28. Febr. (10. März), 3.(13.) März, 6.(16.) März 1687; + Ronquillo, 9.(19.) März 1687 in der Mackintosh-Sammlung.] + + +[_Einige von ihnen halten es mit dem Hofe. Care, Alsop, Rosewell._] Als +die durch Bekanntmachung der Indulgenz verursachte Aufregung sich ein +wenig gelegt hatte, zeigte es sich, daß in der puritanischen Partei eine +Spaltung eingetreten war. Die Minorität, mit einigen wenigen thätigen +Männern an der Spitze, deren Urtheil mangelhaft oder durch das Interesse +geleitet war, unterstützte den König. Heinrich Care, welcher lange Zeit +der heftigste und thätigste Pamphletist unter den Nonconformisten +gewesen war und der in den Tagen des papistischen Complots Jakob in +einer Schrift unter dem Titel +Packet of Advice from Rome+ +(Nachrichtenpacket von Rom) mit schrankenloser Wuth angegriffen hatte, +schmeichelte ihm jetzt eben so laut, als er ihn früher geschmäht und +verleumdet hatte.[41] Der Hauptagent, dessen sich die Regierung zur +Bearbeitung der Presbyterianer bedient hatte, war Vincenz Alsop, ein +Geistlicher, der als Prediger wie auch als Schriftsteller nicht +unbekannt war. Sein Sohn, der wegen Hochverraths bestraft worden war, +wurde begnadigt, und daher widmete der Vater seinen ganzen Einfluß dem +Hofe.[42] Mit Alsop verbunden war Thomas Rosewell. Rosewell war während +der durch die Entdeckung des Ryehousecomplots herbeigeführten Verfolgung +der Dissenters fälschlich angeklagt worden, daß er gegen die Regierung +gepredigt habe. Jeffreys hatte auf seine Verurtheilung zum Tode +angetragen und eine bestochene Jury hatte ihn den klarsten Beweisen von +seiner Unschuld zum Trotz für schuldig erklärt. Die Ungerechtigkeit des +Urtheils war so himmelschreiend, daß selbst die Höflinge sich darüber +empört zeigten. Ein angesehener Tory, der den Verhandlungen des +Prozesses beigewohnt hatte, ging augenblicklich zu Karl und erklärte, +daß der Hals des loyalsten Unterthanen in England nicht mehr sicher sein +würde, wenn man Rosewell hinrichtete. Die Geschwornen selbst wurden von +Reue ergriffen, als sie überlegten, was sie gethan hatten, und boten +Alles auf, um dem Gefangenen das Leben zu retten. Endlich wurde seine +Begnadigung bewilligt, aber Rosewell mußte drückende Bürgschaft für sein +ferneres Wohlverhalten stellen und zu bestimmten Zeiten persönlich vor +dem Gerichtshofe der Kings Bench erscheinen. Seine Bürgschaften wurden +jetzt auf königlichen Befehl erlassen und dadurch seine Dienste +gewonnen.[43] + + [Anmerkung 41: +Wood’s Athenae Oxonienses+; +Observator+; + +Heraclitus Ridens+ an mehreren Stellen. Doch Care’s eigene + Schriften sind das beste Material zur Würdigung seines + Characters.] + + [Anmerkung 42: +Calamy’s Account of the Ministers ejected or + silenced after the Restoration, Northamptonshire+; +Wood’s Athenae + Oxonienses+; +Biographia Britannica.+] + + [Anmerkung 43: +Collection of State Trials+; +Samuel Rosewell’s + Life of Thomas Rosewell, 1718+; +Calamy’s Account.+] + + +[_Lobb._] Das Geschäft, die Independenten zu gewinnen, war vornehmlich +einem ihrer Geistlichen, Namens Stephan Lobb, übertragen. Lobb war ein +schwacher, heftiger und ehrgeiziger Mann. Er hatte die Opposition gegen +die Regierung so weit getrieben, daß sein Name in mehreren +Proklamationen geächtet worden war, söhnte sich aber jetzt mit dem Hofe +aus und ging in der Servilität eben so weit als er je in der Opposition +gegangen war. Er schloß sich der jesuitischen Cabale an und rieth eifrig +zu Maßregeln, vor denen die verständigsten und ehrenwerthesten +Katholiken zurückschauderten. Man bemerkte, daß er fortwährend im +Palaste und häufig im Privatkabinet des Königs war, daß er in einem +Glanze lebte, an den die puritanischen Geistlichen nicht gewöhnt waren, +und daß er beständig von Bittstellern belagert war, denen er durch +seinen Einfluß Stellen und Begnadigungen verschaffen sollte.[44] + + [Anmerkung 44: +London Gazette, March 15. 1685/6+; +Nichols’s + Defence of the Church of England+; +Pierce’s Vindication of the + Dissenters.+] + + +[_Penn._] Mit Lobb eng befreundet war Wilhelm Penn. Penn war nie ein +characterfester Mann gewesen, das Leben, das er seit zwei Jahren führte, +hatte sein sittliches Zartgefühl nicht wenig verhärtet, und wenn sein +Gewissen ihm einmal Vorwürfe machte, so tröstete er sich immer wieder +mit dem Gedanken, daß er einen guten und edlen Zweck verfolge und daß +ihm seine Dienste nicht mit Geld bezahlt würden. + +Durch den Einfluß dieser und anderer weniger hervorragender Männer +wurden mehrere Dissentergemeinden bewogen, Dankadressen an den König zu +richten. Toryistische Schriftsteller haben mit Recht bemerkt, daß die +Sprache dieser Adressen so widerlich servil war wie nur in irgend einer +der überschwenglichsten Lobreden, welche den Stuarts von Bischöfen +gespendet worden sind. Bei genauer Untersuchung stellt es sich heraus, +daß die Schmach nur einem sehr kleinen Theile der puritanischen Partei +zur Last fällt. Es gab kaum einen Marktflecken in England, der nicht +wenigstens ein kleines Häuflein Separatisten gehabt hätte, und man +sparte keine Mühe, um sie zu einer Äußerung ihrer Dankbarkeit für die +Indulgenz zu bewegen. Rundschreiben, welche sie zur Unterzeichnung +aufforderten, wurden nach allen Gegenden des Landes in solchen Massen +geschickt, daß, wie man scherzweise sagte, die Postfelleisen den Pferden +zu schwer waren. Indessen belief sich die Gesammtzahl der Adressen, die +man von allen über ganz England zerstreuten Presbyterianern, +Independenten und Baptisten erlangen konnte, noch nicht auf sechzig; +auch ist kein Grund zu der Vermuthung vorhanden, daß diese Adressen +zahlreiche Unterschriften hatten.[45] + + [Anmerkung 45: Die Adressen sind in der London Gazette zu finden.] + + +[_Die Mehrzahl der Puritaner ist gegen den Hof. Baxter._] Die große +Masse der protestantischen Nonconformisten, welche fest an den +bürgerlichen Freiheiten hing und den Versprechungen des Königs und der +Jesuiten nicht traute, weigerte sich standhaft, für eine Begünstigung zu +danken, hinter der man mit gutem Grund eine Schlinge argwöhnen durfte. +Dies war die Stimmung aller angesehensten Oberhäupter der Partei. Zu +ihnen gehörte Baxter. Er war, wie wir gesehen haben, bald nach Jakob’s +Thronbesteigung in Untersuchung gezogen, von Jeffreys gröblich insultirt +und von einer Jury, wie die höfischen Sheriffs der damaligen Zeit sie zu +wählen pflegten, für schuldig erklärt worden. Baxter befand sich seit +ungefähr anderthalb Jahren im Gefängniß, als der Hof ernstlich darauf zu +denken begann, die Nonconformisten zu gewinnen. Er wurde nicht allein in +Freiheit gesetzt, sondern auch bedeutet, daß er, wenn er sonst wollte, +seinen Aufenthalt in London nehmen könnte, ohne die Anwendung der +Fünfmeilenacte gegen sich zu fürchten. Die Regierung hoffte +wahrscheinlich, daß die Erinnerung an vergangene Leiden und das Gefühl +der gegenwärtigen Erlösung auf ihn die nämliche Wirkung äußern werde, +wie auf Rosewell und Lobb. Diese Hoffnung erwies sich jedoch als irrig. +Baxter war weder zu bestechen, noch zu täuschen; er weigerte sich, +irgend eine Dankadresse für die Indulgenz zu unterzeichnen und +verwendete seinen ganzen Einfluß zur Herbeiführung eines guten +Vernehmens zwischen der Staatskirche und den Presbyterianern.[46] + + [Anmerkung 46: +Calamy’s Life of Baxter.+] + + +[_Howe._] Wenn es irgend einen Mann gab, der in der Achtung der +protestantischen Dissenters noch höher stand als Baxter, so war dies +Johann Howe. Howe hatte, wie Baxter, durch den neuerlichen Umschwung der +Politik persönlich gewonnen. Die nämliche Tyrannei, welche Baxter ins +Gefängniß warf, hatte ihn in die Verbannung getrieben und bald nach +Baxter’s Entlassung aus dem Gefängnisse der Kings Bench kehrte Howe von +Utrecht nach England zurück. Man erwartete in Whitehall, daß Howe den +ganzen Einfluß, den er auf seine Glaubensgenossen ausübte, zu Gunsten +des Hofes verwenden werde. Der König selbst ließ sich herab, den +Unterthan, den er unterdrückt hatte, um seinen Beistand zu bitten. Howe +scheint geschwankt zu haben; der Einfuß Hampden’s aber, mit dem er intim +befreundet war, vermochte ihn, der Sache der Verfassung treu zu bleiben. +Eine Versammlung presbyterianischer Geistlichen wurde in seinem Hause +gehalten, um über die Lage der Dinge zu berathen und über den +einzuschlagenden Weg einen Beschluß zu fassen. Im Palaste erwartete man +mit ängstlicher Spannung das Ergebniß. Zwei königliche Abgesandte +wohnten der Verhandlung bei, und sie kamen mit der unwillkommnen +Nachricht zurück, daß Howe sich entschieden gegen das Dispensationsrecht +erklärt und nach langer Debatte die Majorität der Versammlung für sich +gewonnen habe.[47] + + [Anmerkung 47: +Calamy’s Life of Howe+. Den Antheil, den die + Familie Hampden an dieser Angelegenheit gehabt, habe ich aus einem + Briefe von Johnstone an Waristoun vom 13. Juni 1688 erfahren.] + + +[_Bunyan._] Neben Baxter und Howe muß noch ein andrer Mann genannt +werden, der nach seiner Stellung und Gelehrsamkeit tief unter ihnen, an +Tugend aber ihnen gleich, und an Genie hoch über ihnen stand, Johann +Bunyan. Bunyan war ursprünglich Kesselflicker gewesen und hatte als +gemeiner Soldat in der Parlamentsarmee gedient. Schon in seinen früheren +Jahren hatten ihn furchtbare Gewissensbisse wegen seiner Jugendsünden +gequält, von denen jedoch die schlimmsten solche gewesen zu sein +scheinen, welche die Welt für verzeihlich hält. Seine große Reizbarkeit +und seine glühende Phantasie machten seine inneren Kämpfe ganz besonders +qualvoll. Er bildete sich ein, daß ein Verdammungsurtheil über ihn +verhängt sei, daß er den heiligen Geist gelästert, daß er Christum +verkauft habe und daß er thatsächlich von einem bösen Geiste besessen +sei. Bald vernahm er laute Warnungsstimmen vom Himmel, bald versuchte +ihn der Teufel durch gottlose Einflüsterungen. Er hatte Visionen von +entfernten Berggipfeln, welche die Sonne glänzend beleuchtete, von denen +er aber durch eine Schneewüste getrennt war. Er fühlte wie der Teufel +ihn an den Kleidern zupfte; er glaubte, das Kainszeichen sei ihm +aufgedrückt; er fürchtete daß er zerbersten werde, wie Judas. Diese +Seelenkämpfe zerrütteten seine Gesundheit. Den einen Tag zitterte er wie +ein vom Schlage Getroffener; ein andermal brannte es ihn wie Feuer in +der Brust. Es ist kaum zu begreifen, daß er so entsetzlichen und +andauernden Qualen nicht unterlag. Endlich zertheilten sich die Wolken. +Aus dem Abgrunde der Verzweiflung erhob sich der Büßende in einen +Zustand heiterer Glückseligkeit. Ein unwiderstehlicher Drang trieb ihn +an, auch Andere des Segens theilhaftig werden zu lassen, dessen er +selbst genoß.[48] Er schloß sich den Baptisten an und wurde Prediger und +Schriftsteller. Seine Erziehung war die eines Handwerkers gewesen und er +verstand keine andre Sprache als die englische, wie sie von dem niederen +Volke gesprochen wird. Er hatte kein großes Musterwerk studirt, mit der +einzigen, allerdings sehr bedeutenden Ausnahme unsrer herrlichen +Bibelübersetzung. Seine Orthographie war schlecht; er machte häufige +Verstöße gegen die Regeln der Grammatik. Doch sein angebornes Genie und +seine durch eigene Erfahrung erworbene Kenntniß aller religiösen +Gefühle, von der Verzweiflung bis zur Verzückung, ersetzten in ihm +reichlich den Mangel an Gelehrsamkeit. Seine natürliche Beredtsamkeit +erhob und rührte Zuhörer, welche bei den fleißig ausgearbeiteten +Vorträgen großer Dialektiker und Hebraisten kalt blieben. Seine Werke +waren unter den niederen Klassen weit verbreitet. Eines davon, des +Pilgers Reise, wurde schon zu seinen Lebzeiten in mehrere fremde +Sprachen übersetzt. Den Gelehrten und höher Gebildeten war es jedoch +kaum bekannt, und die frommen Hüttenbewohner und Handwerker hatten sich +bereits seit einem Jahrhundert daran erfreut, als es endlich von einem +in der Literatur sehr hochstehenden Manne öffentlich empfohlen wurde. +Die Kritik ließ sich nun herab, das Geheimniß einer so ausgedehnten und +dauernden Popularität zu erforschen. Sie mußte gestehen, daß die +unwissende Menge richtiger geurtheilt hatte als die Gelehrten und daß +das verachtete Büchlein wirklich ein Meisterwerk war. Bunyan ist in der +That ebenso gewiß der erste Allegoriker, wie Demosthenes der erste +Redner und Shakespeare der erste Dramatiker ist. Zwar haben andere +Allegoriker eine gleiche Erfindungsgabe gezeigt; aber kein andrer ist je +im Stande gewesen, das Herz zu rühren und abstracte Begriffe zu +Gegenständen des Entsetzens, des Mitleids und der Liebe zu machen.[49] + +Es dürfte zu bezweifeln sein, ob irgend ein englischer Dissenter die +Last der Strafgesetze schwerer empfunden hat als Johann Bunyan. Von den +siebenundzwanzig Jahren, welche seit der Restauration verstrichen waren, +hatte er zwölf im Gefängniß zugebracht. Dennoch fuhr er fort zu +predigen, aber um dies zu können, mußte er sich als Fuhrmann verkleiden. +Oft wurde er, im Fuhrmannskittel und mit der Peitsche in der Hand, durch +eine Hinterthür in die Versammlung eingeführt. Hätte er nur an seine +eigene Ruhe und Sicherheit gedacht, so würde er die Indulgenzerklärung +freudig begrüßt haben. Jetzt durfte er endlich am hellen Tage predigen +und ermahnen. Seine Gemeinde wuchs mit reißender Schnelligkeit. Tausende +hingen an seinen Lippen und in Bedford, wo er sich größtentheils +aufhielt, gingen reiche Beisteuern zum Bau eines Bethauses für ihn ein. +Er stand in so hohem Ansehen bei dem gemeinen Volke, daß die Regierung +ihm gern ein städtisches Amt übertragen hätte; aber sein scharfer +Verstand und sein treues englisches Herz widerstanden siegreich allen +Versuchungen und Täuschungen. Er war fest überzeugt, daß die angebotene +Duldung nur ein Köder sei, um die puritanische Partei damit ins +Verderben zu locken; auch wollte er nicht durch Annahme einer Stelle, zu +der er nicht gesetzlich qualificirt war, die Gültigkeit der +Dispensationsgewalt anerkennen. Eine der letzten edlen Handlungen seines +tugendreichen Lebens war die Ablehnung einer Unterredung, zu der er +durch einen Agenten der Regierung eingeladen wurde.[50] + + [Anmerkung 48: +Bunyan’s Grace Abounding.+] + + [Anmerkung 49: Young stellt Bunyan’s Prosa auf gleiche Stufe mit + Durfey’s Poesie. Die fashionablen Leute im +Spiritual Quixote+ + stellen den +Pilgrim’s Progress+ mit +Jack the Giantkiller+ + zusammen. Spät im achtzehnten Jahrhundert wagte Cowper nur eine + Anspielung auf den großen Allegoriker: + + Nicht nennen will ich dich, damit Dein Name + Statt wohlverdienten Ruhm nicht Hohn Dir bringe.] + + [Anmerkung 50: Fortsetzung von Bunyan’s Biographie im Anhang zu + seiner „Überströmenden Gnade.“] + + +[_Kiffin._] So groß Bunyan’s Ansehen bei den Baptisten war, Wilhelm +Kiffin’s Ansehen war noch größer. Kiffin war in Bezug auf Rang und +Reichthum der Erste unter ihnen. Er pflegte seine geistlichen Talente +bei ihren Versammlungen auszuüben, erwarb sich aber nicht durch Predigen +seinen Unterhalt. Er machte große Handelsgeschäfte, stand an der Börse +in hohem Ansehen und hatte sich ein bedeutendes Vermögen gesammelt. +Niemand hätte vielleicht unter den dermaligen Verhältnissen dem Hofe +werthvollere Dienste leisten können als er. Aber zwischen ihm und dem +Hofe stand die Erinnerung an ein entsetzliches Ereigniß. Er war der +Großvater der Gebrüder Hewling, der beiden muthigen Jünglinge, welche +von allen Opfern der blutigen Assisen vielleicht am allgemeinsten +bedauert worden waren. Für das traurige Loos des einen von ihnen war +Jakob ganz besonders verantwortlich. Jeffreys hatte dem jüngeren Bruder +einen Aufschub bewilligt. Churchill hatte der Schwester der beiden +jungen Männer eine Audienz beim Könige verschafft, und sie hatte um +Gnade gefleht; aber des Königs Herz war unerbittlich gewesen. Es war für +die ganze Familie ein harter Schlag; am meisten aber war Kiffin zu +bedauern. Er war siebzig Jahr alt, als er vereinsamt dastand. Diejenigen +überlebend, die ihn hatten überleben sollen. Die herzlosen und feilen +Schmarotzer von Whitehall glaubten, indem sie nach sich selbst +urtheilten, der alte Mann werde durch einen Aldermansmantel und durch +eine Geldentschädigung für das verwirkte Vermögen seiner Enkel leicht +wieder zu gewinnen sein. Penn wurde zu dem Verführungswerke ausersehen; +aber seine Bemühungen waren vergebens. Der König beschloß hierauf, die +Wirkung seiner persönlichen Artigkeit zu versuchen. Kiffin wurde in den +Palast beschieden. Er fand einen glänzenden Kreis von Kavalieren und +Gentlemen versammelt. Jakob kam ihm sogleich entgegen, redete ihn sehr +freundlich an und schloß mit den Worten: „Ich habe Sie zu einem der +Aldermen von London bestimmt, Herr Kiffin.“ Der alte Mann sah den König +fest an, brach in Thränen aus und antwortete: „Sire, ich bin abgenutzt, +ich bin nicht mehr fähig, Eurer Majestät oder der Hauptstadt zu dienen. +Und überdies, Sire, hat der Tod meiner armen Jungen mir das Herz +gebrochen. Diese Wunde ist noch heute so frisch wie jemals, und ich +werde sie mit ins Grab nehmen.“ Der König schwieg einige Augenblicke +sichtlich bewegt und sagte dann: „Ich werde einen Balsam für diese Wunde +finden, Herr Kiffin.“ Es war gewiß nicht Jakob’s Absicht, etwas +Kränkendes oder Übermüthiges zu sagen, im Gegentheil, er scheint sich in +einer ungewöhnlich weichen Stimmung befunden zu haben. Dennoch wirft +keine Äußerung die uns von ihm berichtet wird, ein so nachtheiliges +Licht auf seinen Character als diese wenigen Worte. Es sind die Worte +eines hartherzigen, niedrig denkenden Mannes, der sich keine Verwundung +des Gefühls denken kann, welche durch eine Stelle oder durch eine +Pension nicht vollkommen zu heilen wäre.[51] + +Der Theil der Dissenters, der sich der neuen Politik des Königs günstig +zeigte, war von Anfang an klein gewesen und begann bald noch mehr +zusammenzuschmelzen. Denn die Nonconformisten erkannten in nicht langer +Zeit, daß ihre geistlichen Privilegien durch die Indulgenz eher +geschmälert als erweitert worden waren. Der characteristische Zug des +Puritaners war Abscheu gegen die Eigenthümlichkeiten der römischen +Kirche. Er hatte sich nur deshalb von der anglikanischen Kirche +losgetrennt, weil er meinte, daß sie ihrer hochmüthigen und üppigen +Schwester, der Zauberin mit dem goldenen Becher und dem Purpurgewande, +zu ähnlich sähe. Jetzt fand er, daß eine von den stillschweigenden +Bedingungen des Bündnisses, welches einige seiner Seelenhirten mit dem +Hofe geschlossen hatten, die war, daß die Religion des Hofes mit Achtung +und Schonung behandelt werden sollte. Er begann bald sich nach den Tagen +der Verfolgung zurückzusehnen. So lange die Strafgesetze noch angewendet +wurden, hatte er die Worte des Lebens zwar im Geheimen und mit +persönlicher Gefahr angehört, aber er hatte sie doch gehört. Wenn die +Brüder in ihrer Stube versammelt waren, wenn die Schildwachen +ausgestellt und die Thüren verschlossen waren, wenn der Prediger in der +Kleidung eines Metzgers oder Fuhrmanns über das Dach hereingekommen war, +dann wurde wenigstens ein wirklicher Gottesdienst gehalten. Kein Theil +der göttlichen Wahrheit ward aus weltlichen Rücksichten unterdrückt oder +verstümmelt, alle unterscheidenden Lehren der puritanischen Theologie +wurden vollständig und sogar in ihrer ungeschminktesten Form +dargestellt. Der römischen Kirche ward kein Pardon gegeben. Das Thier, +der Antichrist, der Mensch der Sünde, die mystische Isabel, das +mystische Babylon waren die Ausdrücke, mit denen man jenen hehren und +bezaubernden Aberglauben zu bezeichnen pflegte. Dies war einst die +Sprache Alsop’s, Lobb’s, Rosewell’s und anderer Geistlichen gewesen, +welche kürzlich im Palast wohl aufgenommen worden waren; aber so +sprachen sie jetzt nicht mehr. Geistliche, die nach einer hohen Stufe in +der Gunst und dem Vertrauen des Königs strebten, durften es nicht wagen, +in harten Worten von der Religion des Königs zu sprechen. Die Gemeinden +beklagten sich daher laut, daß sie seit dem Erscheinen der +Indulgenzerklärung, welche ihnen dem Wortlaute nach doch völlige +Gewissensfreiheit gewähren wollte, das Evangelium nie mehr kühn und rein +hätten verkünden hören. Früher hatten sie ihre geistliche Nahrung +verstohlen erhaschen müssen, aber wenn sie sie erhascht hatten, so +fanden sie sie wenigstens ganz nach ihrem Geschmacke zubereitet. Jetzt +konnten sie sie öffentlich und in aller Bequemlichkeit zu sich nehmen, +aber sie hatte ihren ganzen Wohlgeschmack verloren. Sie versammelten +sich bei Tage und in geräumigen Lokalen; aber sie hörten Predigten, die +ihnen bei weitem nicht so gefielen, als die, welche der Rector ihnen +gehalten haben würde. In der Pfarrkirche wurde der selbstgeschaffene +Gottesdienst und die Abgötterei Roms jeden Sonntag energisch +angegriffen; im Versammlungshause aber hütete sich der Pastor, der noch +vor wenigen Monaten die Geistlichen der Landeskirche für nicht viel +besser als die Papisten erklärt hatte, jetzt sorgfältig, den Papismus zu +tadeln, oder kleidete seinen Tadel wenigstens in ein so mildes Gewand, +daß er selbst das Ohr eines Pater Petre nicht beleidigt haben würde. +Auch war es nicht möglich, für diesen Wechsel einen stichhaltigen Grund +aufzufinden. Die römisch-katholischen Lehren hatten sich nicht +verändert; seit Menschengedenken waren die katholischen Priester noch +nie so eifrig im Proselytenmachen gewesen; noch nie waren so viele +katholische Schriften aus der Presse hervorgegangen; noch nie hatten +Alle, die sich um die Religion kümmerten, den Streit zwischen Katholiken +und Protestanten mit so gespannter Aufmerksamkeit verfolgt. Was konnte +man also von der Aufrichtigkeit von Theologen halten, welche nicht müde +geworden waren, den Papismus zu schmähen, so lange derselbe +vergleichsweise harmlos und wehrlos war, und die jetzt, wo eine Zeit +wirklicher Gefahr für den reformirten Glauben gekommen, sorgfaltig jedes +Wort vermieden, das einem Jesuiten Anstoß geben konnte? Ihr Benehmen war +in der That nicht schwer zu erklären. Es war bekannt, daß einige von +ihnen Begnadigungen erlangt, es wurde vermuthet, daß andere Geld +bekommen hatten. Ihr Vorbild war der schwache Apostel, der aus Angst den +Herrn verleugnete, dem er prahlerisch die unverbrüchlichste Treue gelobt +hatte, oder der noch schlechtere Apostel, der seinen Herrn um eine +Handvoll Silberlinge verkaufte.[52] + +So verloren die vom Hofe gewonnenen Dissentergeistlichen rasch den +Einfluß, den sie einst auf ihre Glaubensbrüder besessen hatten. Auf der +andren Seite fühlten sich die Sektirer durch eine starke religiöse +Sympathie zu den anglikanischen Prälaten und Priestern hingezogen, +welche trotz königlicher Befehle, Drohungen und Versprechungen einen +heftigen Krieg gegen die römische Kirche unterhielten. Die so lange +durch tödtliche Feindschaft getrennt gewesenen Anglikaner und Puritaner, +näherten sich einander mit jedem Tage mehr und mehr und jeder Schritt +zur Einigung vermehrte den Einfluß des Mannes, der ihr gemeinsames +Oberhaupt war. Wilhelm eignete sich in jeder Beziehung zum Vermittler +zwischen diesen beiden großen Parteien der englischen Nation. Man konnte +nicht sagen, daß er einer von beiden angehöre; aber keine von beiden +konnte sich bei ruhiger Überlegung weigern, ihn als einen Freund zu +betrachten. Sein theologisches System stimmte mit dem der Puritaner +überein. Zu gleicher Zeit betrachtete er das Episcopat wenn auch nicht +als eine göttliche Einrichtung, doch als eine vollkommen rechtmäßige und +höchst nützliche Form des Kirchenregiments. Fragen über Stellungen, +Gewänder, Festtage und Liturgien waren in seinen Augen keine +Lebensfragen. Ein einfacher Gottesdienst wie der, an den er von jeher +gewöhnt war, würde seinem persönlichen Geschmacke am meisten zugesagt +haben, aber er war dabei gern bereit, sich jedem Ritual zu fügen, das +der Nation angenehm war, und bestand nur darauf, daß man ihm nicht +zumuthete, diejenigen seiner protestantischen Brüder zu verfolgen, denen +ihr Gewissen es nicht zuließ, seinem Beispiele zu folgen. Zwei Jahre +früher würde er von zahlreichen Bigotten auf beiden Seiten für einen +bloßen Laodicäer erklärt, worden sein, der weder kalt noch warm war und +zu nichts taugte als ausgestoßen zu werden. Aber der Eifer, der +Anglikaner gegen Dissenters und Dissenters gegen Anglikaner entflammt +hatte, war durch gemeinsame Widerwärtigkeiten und Gefahren so gedämpft +worden, daß die Lauheit, die man ihm früher als Verbrechen angerechnet, +jetzt als eine seiner Haupttugenden betrachtet wurde. + + [Anmerkung 51: +Kiffin’s Memoirs+; Luson’s Brief an Brooke vom 11. + Mai 1773 in der Hughes-Correspondenz.] + + [Anmerkung 52: Man sehe unter anderen zeitgenössischen + Flugschriften eine mit dem Titel: +A Representation of the + threatening Dangers impending over Protestants.+] + + +[_Der Prinz und die Prinzessin von Oranien gegen die +Indulgenzerklärung._] Jedermann war gespannt auf seine Ansicht über die +Indulgenzerklärung. Eine Zeit lang nährte man in Whitehall die Hoffnung, +daß seine bekannte Achtung vor den Rechten des Gewissens ihn wenigstens +abhalten werde, öffentlich seine Mißbilligung einer Politik +auszusprechen, die einen unleugbaren Anstrich von Freisinnigkeit hatte. +Penn schickte zahlreiche Auseinandersetzungen nach dem Haag und begab +sich sogar persönlich dahin, in der Hoffnung daß seine Beredtsamkeit, +von der er eine hohe Meinung hatte, sich als unwiderstehlich erweisen +werde. Aber obgleich er sein Lieblingsthema mit einer Redseligkeit +entwickelte, die seine Zuhörer ermüdete und obgleich er sie versicherte, +daß ein Mann, der mit den Engeln verkehre, ihm das Herannahen eines +goldenen Zeitalters der Religionsfreiheit geoffenbart habe, so machte er +doch keinen Eindruck auf den Prinzen.[53] „Ihr verlangt von mir,“ sagte +er zu einem der Agenten des Königs, „daß ich einen Angriff auf meine +eigne Religion unterstützen soll. Das kann ich mit gutem Gewissen nicht +thun, und ich werde es nicht thun, nein, nicht um die Krone Englands, +nicht um die Herrschaft der Welt!“ Diese Worte wurden dem Könige +mitgetheilt und sie beunruhigten ihn nicht wenig.[54] Er schrieb mit +eigner Hand eindringliche Briefe. Zuweilen nahm er den Ton des +Beleidigten an. Er sei das Oberhaupt der königlichen Familie, als +solches sei er berechtigt, von den jüngeren Mitgliedern Gehorsam zu +erwarten, und es sei sehr hart, daß er in einer Angelegenheit, die ihm +über Alles am Herzen liege, auf Widerstand stoße. Andere Male wurde ihm +ein Köder vorgehalten, den man für unwiderstehlich hielt. Wenn Wilhelm +nur in diesem einen Punkte nachgäbe, so würde die englische Regierung +ihm dafür kräftigen Beistand gegen Frankreich leisten. Er ließ sich aber +nicht bethören. Er wußte, daß Jakob selbst beim besten Willen ohne die +Unterstützung eines Parlaments nicht im Stande sein würde, der +gemeinschaftlichen Sache Europa’s einen wirksamen Dienst zu leisten, und +es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß wenn ein Parlament +zusammenkam, die erste Forderung beider Häuser die Cassirung der +Indulgenzerklärung sein würde. + +Die Prinzessin stimmte allen Meinungsäußerungen ihres Gemahls bei, und +ihre gemeinschaftliche Ansicht wurde dem Könige in entschiedenen aber +gemäßigten Ausdrücken mitgetheilt. Sie erklärten, daß sie das von Seiner +Majestät eingeschlagene Verfahren lebhaft bedauerten. Sie seien +überzeugt, daß er sich ein Hoheitsrecht angemaßt habe, das ihm +gesetzlich nicht zustehe. Gegen diese Anmaßung protestirten sie, nicht +nur als Freunde der bürgerlichen Freiheit, sondern auch als Mitglieder +des königlichen Hauses, als welche sie ein hohes Interesse an der +Erhaltung der Rechte dieser Krone hätten, die sie einst tragen könnten. +Denn die Erfahrung habe gelehrt, daß Willkürherrschaft in England +unfehlbar eine Reaction nach sich ziehe, die noch verderblicher sei als +jene selbst, und man müsse mit Grund befürchten, daß die durch die +Aussicht auf Despotismus beunruhigte und entrüstete Nation selbst gegen +die constitutionelle Monarchie einen Widerwillen fassen würde. Sie gäben +daher dem Könige den Rath, daß er in allen Dingen streng nach dem +Gesetze regieren möge. Sie geständen sehr gern zu, daß das Gesetz mit +Nutzen durch die competente Autorität abgeändert werden könne und daß +ein Theil seiner Erklärung es wohl verdiene, einer Parlamentsacte +einverleibt zu werden. Sie seien keine Verfolger, sie würden mit +Vergnügen römische Katholiken so gut als protestantische Dissenters in +geeigneter Weise von allen Strafgesetzen befreit, und ebenso gern +protestantische Dissenters in zweckmäßiger Weise zu bürgerlichen Ämtern +zugelassen sehen. Weiter aber könnten Ihre Hoheiten nicht gehen. Sie +könnten sich der ernsten Besorgniß nicht enthalten, daß die Zulassung +römischer Katholiken zu Staatsämtern große Nachtheile hervorrufen +würden, und es war nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß der Grund +zu dieser Besorgniß namentlich in Jakob’s Handlungsweise liege.[55] + + [Anmerkung 53: +Burnet I. 693, 694.+] + + [Anmerkung 54: +„Le Prince d’Orange, qui avoit éludé jusqu’alors + de faire une réponse positive dit ... qu’il ne consentira jamaia à + la suppression de ces lois qui avoient été établies pour le + maintien et la sureté de la religion Protestante, et que sa + conscience ne lui permettoit point, non seulement pour la + succession du royaume d’Angleterre, mais même pour l’empire du + monde; en sorte que le roi d’Angleterre est plus aigri contre lui + qu’il n’a jamais été.“+ -- Bonrepaux, 11.(21.) Juni 1687.] + + [Anmerkung 55: +Burnet, I. 710+; Bonrepaux, 24. Mai (4. Juni) + 1687.] + + +[_Vertheidigung ihrer Ansichten bezüglich der englischen Katholiken._] +Die ausgesprochene Ansicht des Prinzen und der Prinzessin über die +Ausschließungen, denen die römischen Katholiken unterworfen waren, +theilten fast alle Staatsmänner und Philosophen, welche damals der +politischen und religiösen Freiheit eifrig das Wort redeten. In unsrer +Zeit dagegen haben erleuchtete Männer oft mit Bedauern sich dahin +geäußert, daß Wilhelm in diesem einen Punkte gegen seinen Schwiegervater +im Nachtheil stehe. Das Wahre ist, daß einige Erwägungen, welche +nothwendig sind, wenn man sich ein richtiges Urtheil bilden will, von +vielen Schriftstellern des neunzehnten Jahrhunderts nicht berücksichtigt +worden zu sein scheinen. + +Es sind zwei einander entgegengesetzte Irrthümer, in welche Diejenigen, +die sich mit dem Studium unsrer vaterländischen Geschichte beschäftigen, +in steter Gefahr sind zu verfallen: der Irrthum, daß sie die Gegenwart +nach der Vergangenheit, und der Irrthum, daß sie die Vergangenheit nach +der Gegenwart beurtheilen. Dem ersteren sind Diejenigen unterworfen, +welche geneigt sind alles Alte zu verehren, dem zweiten Diejenigen, +welche von allem Neuen angezogen werden. Auf den ersteren stößt man +beständig in den Raisonnements conservativer Politiker über die Fragen +ihrer Zeit, der zweite findet sich immer in den Betrachtungen von +Schriftstellern der liberalen Richtung, wenn sie die Ereignisse einer +früheren Zeit besprechen. Der erstere ist bei einem Staatsmanne, der +andre bei einem Geschichtsschreiber verderblicher. + +Es ist für Niemanden, der es in Unsrer Zeit unternimmt, über die +Revolution zu schreiben, welche die Stuarts stürzte, so leicht, die +rechte Mittelstraße zwischen diesen beiden Extremen stetig einzuhalten. +Die Frage, ob es gerathen sei, Mitglieder der katholischen Kirche zum +Parlament und zu Staatsämtern zuzulassen, erschütterte unser Vaterland +während der Regierung Jakob’s II., durch seinen Sturz wurde sie in den +Hintergrund zurückgedrängt, und nachdem sie über ein Jahrhundert lang +geruht hatte, kam sie in Folge der großen Aufregung der Gemüther, welche +dem Zusammentritt der französischen Nationalversammlung folgte, wieder +zur Sprache. Dreißig Jahre währte der Streit in beiden Häusern des +Parlaments, in jedem Wahlkörper, in jedem Kreise der Gesellschaft. Er +stürzte Ministerien, zerriß Parteien, machte in einem Theile des Landes +jede Regierung unmöglich und brachte uns zuletzt an den Rand des +Bürgerkrieges. Selbst nach Beendigung des Kampfes gohren die +Leidenschaften, die er aufgeregt hatte, noch immer fort. Ein Mann, +dessen Geist unter dem Einflusse dieser Leidenschaften stand, konnte +fast unmöglich die Ereignisse der Jahre 1687 und 1688 in einem +vollkommen richtigen Lichte erblicken. + +Eine Klasse von Politikern, welche von dem richtigen Vordersatze +ausging, daß die Revolution eine große Wohlthat für unser Land gewesen +sei, gelangte zu dem irrigen Schlusse, daß keine Bürgschaft, die von den +Staatsmännern der Revolution zum Schutze unsrer Religion und unsrer +Freiheit für nöthig erachtet worden war, ohne Gefahr abgeschafft werden +könnte. Eine andre Klasse, die von dem ebenfalls richtigen Vordersatze +ausging, daß die über die Katholiken verhängten Ausschließungen lange +Zeit nichts als Unheil verursacht hätten, kam zu dem falschen Schlusse, +daß diese Ausschließungen zu keiner Zeit nützlich und nothwendig gewesen +sein könnten. Der erste Trugschluß durchdrang die Reden des geistreichen +und gelehrten Eldon, der andre blieb selbst auf einen so ruhigen und +philosophischen Kopf wie Mackintosh nicht ganz ohne Einfluß. + +Bei näherer Prüfung wird es sich jedoch vielleicht zeigen, daß wir das +von allen großen englischen Staatsmännern des siebzehnten Jahrhunderts +einstimmig gebilligte Verfahren rechtfertigen können, ohne die Weisheit +des von allen großen englischen Staatsmännern unsrer Zeit eben so +einstimmig gebilligten Verfahrens in Zweifel zu ziehen. + +Es ist unbestreitbar ein Übel, wenn ein Bürger seiner religiösen Meinung +halber vom Staatsdienste ausgeschlossen sein soll; aber der menschlichen +Weisheit bleibt zuweilen nichts andres übrig als die Wahl zwischen zwei +Übeln. Eine Nation kann in eine Lage kommen, in der die Mehrheit +entweder Ausschließungen verhängen oder sich solche gefallen lassen +muß und wo das was unter gewöhnlichen Verhältnissen mit Recht als +Verfolgung verdammt werden würde, noch innerhalb der Grenzen der +Selbstvertheidigung liegt. In einer solchen Situation befand sich +England im Jahre 1687. + +Nach der Verfassung des Reichs hatte Jakob das Recht, fast alle +öffentlichen Beamten, bei der Regierung, bei den Gerichten, in der +Kirche, beim Militair und bei der Flotte zu ernennen. Bei der Ausübung +dieses Rechts war er nicht, wie unsere gegenwärtigen Souveraine, +genöthigt, in Übereinstimmung mit dem Rathe von Ministern, die das Haus +der Gemeinen billigte, zu handeln. Es lag also auf der Hand, daß es, +wenn er durch das Gesetz nicht streng verbunden war, nur Protestanten +anzustellen, ihm frei stand, lauter Katholiken anzustellen. Die Anzahl +der römischen Katholiken war unbedeutend, und es gab nicht einen +einzigen Mann unter ihnen, dessen Dienste der Staat ernstlich vermißt +haben würde. Das Verhältniß, in dem ihre Zahl zur Gesammtbevölkerung +stand, war noch viel geringer als es gegenwärtig ist, denn gegenwärtig +ergießt sich ein ununterbrochener Auswanderungsstrom von Irland in +unsere großen Städte, während es im siebzehnten Jahrhunderte noch nicht +einmal in London eine irische Colonie gab. Neunundvierzig Funfzigstel +der Bewohner des Königreichs, neunundvierzig Funfzigstel des Vermögens +des Königreichs, fast alle politischen, juristischen und militairischen +Talente und Kenntnisse, die das Land besaß, waren protestantisch. +Trotzdem hatte der König in thörichter Verblendung sich vorgenommen, +sein unbegrenztes Ernennungsrecht als Mittel zum Proselytenmachen zu +benutzen. Seiner Kirche angehören war in seinen Augen der erste +Befähigungstitel für ein Amt. Der Landeskirche angehören war entschieden +ein Grund der Nichtbefähigung. Er verwarf zwar in einer Sprache, welche +den Beifall einiger leichtgläubigen Freunde der Glaubensfreiheit fand, +die monströse Ungerechtigkeit des Religionseides, der eine kleine +Minderheit der Nation von öffentlichen Ämtern ausschloß; zu gleicher +Zeit aber führte er einen andren Religionseid ein, der die Mehrheit +ausschloß. Es schien ihm hart, daß ein guter Finanzmann und loyaler +Unterthan lediglich deshalb weil er ein Papist war, von dem Posten eines +Lordschatzmeisters ausgeschlossen sein sollte; aber er selbst hatte +einen Lordschatzmeister, den er als einen tüchtigen Finanzmann und +loyalen Unterthan anerkannt, bloß deshalb abgesetzt, weil er Protestant +war. Er hatte wiederholt und bestimmt erklärt, er sei fest entschlossen, +den weißen Stab niemals in die Hände eines Ketzers zu geben. Mit vielen +anderen hohen Staatsämtern war er ebenso verfahren. Bereits waren der +Lordpräsident, der Geheimsiegelbewahrer, der Oberkammerherr, der +Garderobeaufseher, der erste Lord des Schatzes, ein Staatssekretär, der +Lordobercommissar von Schottland, der Kanzler von Schottland und der +Sekretär von Schottland Katholiken oder gaben sich wenigstens dafür aus. +Die meisten von diesen Beamten waren von Haus aus Anglikaner und hatten +sich des offenen oder geheimen Abfalls schuldig gemacht, um ihre hohen +Stellen zu erlangen oder zu behalten. Jeder Protestant, der noch einen +wichtigen Staatsposten bekleidete, bekleidete ihn in beständiger +Ungewißheit und Angst. Wir würden nicht fertig werden, wollten wir +die untergeordneteren Stellen anführen, welche von Mitgliedern der +begünstigten Klasse besetzt waren. In jedem Zweige der Verwaltung +wimmelte es schon von Katholiken. Sie waren Lordlieutenants, +stellvertretende Lieutenants, Richter, Friedensrichter, Zollcommissare, +Gesandte an fremden Höfen, Regimentsobersten und Festungscommandanten. +Der Antheil, den sie binnen wenigen Monaten von den durch die Krone zu +besetzenden weltlichen Ämtern erlangt hatten, war weit über zehnmal so +groß, als er unter einem unparteiischen Systeme gewesen sein würde. +Dies war indessen noch nicht das Schlimmste. Man hatte sie auch zu +Beherrschern der anglikanischen Kirche gemacht. Männer, die den König +versichert hatten, daß sie seines Glaubens seien, saßen in der Hohen +Commission und übten die höchste geistliche Gerichtsbarkeit über alle +Prälaten und Priester der Landeskirche aus. Kirchliche Pfründen von +hohem Ansehen waren theils erklärten, theils verkappten Papisten +verliehen worden. Und dies Alles war geschehen, während die Gesetze +gegen den Papismus noch in Kraft waren und Jakob noch gegründete Ursache +hatte, Achtung vor den Rechten des Gewissens zu heucheln. Was war also +von ihm zu erwarten, wenn seine Unterthanen einwilligten, ihn durch ein +Gesetz von jedem Schatten der Beschränkung vollends zu befreien? Kann +man wohl daran zweifeln, daß Protestanten durch eine streng gesetzmäßige +Anwendung der königlichen Prärogative eben so wirksam von Anstellungen +ausgeschlossen worden wären, als jemals römische Katholiken durch eine +Parlamentsacte ausgeschlossen worden sind? + +Wie hartnäckig Jakob entschlossen war, den Mitgliedern seiner Kirche +einen Antheil an den öffentlichen Ämtern zu gewähren, der zu ihrer Zahl +und zu ihrer Bedeutung außer allem Verhältniß stand, geht aus den +Instructionen hervor, die er im Exil und im hohen Alter als Leitfaden +für seinen Sohn aufzeichnete. Es ist unmöglich, diese Ergüsse eines +Mannes, an dem alle Lehren der Erfahrung und des Unglücks spurlos +vorübergegangen waren, ohne ein Gemisch von Mitleid und Verachtung zu +lesen. Dem Prätendenten wird anempfohlen, wenn er einmal zur Regierung +in England gelangen sollte, die Ämter zu theilen und den Mitgliedern der +römischen Kirche einen Antheil zu reserviren, der groß genug für sie +gewesen sein würde, wenn sie die Hälfte, anstatt ein Funfzigstel der +Nation gebildet hätten. Ein Staatssekretär, ein Schatzcommissar, der +Kriegssekretär, die Mehrheit der Großwürdenträger des Hofstaates und die +Mehrzahl der Offiziere der Armee müßten immer Katholiken sein. Dies +waren Jakob’s Ansichten selbst dann noch, als seine thörichte Bigotterie +ihm eine Strafe zugezogen hatte, über welche die ganze Welt erschrocken +war. Kann man also wohl in Zweifel darüber sein, wie er gehandelt haben +würde, wenn sein Volk, durch den leeren Namen der religiösen Freiheit +geblendet, ihn ohne Zügel hätte fortregieren lassen? + +Selbst Penn scheint trotz seiner blinden und maßlosen Begeisterung für +die Indulgenzerklärung eingesehen zu haben, daß man sich nicht wundern +durfte, wenn die Parteilichkeit, mit der römische Katholiken mit +Ehrenstellen und Einkünften überschüttet wurden, die Eifersucht der +Nation erregte. Er gab zu, daß die Protestanten im Fall der Aufhebung +der Testacte Anspruch auf ein Äquivalent hätten, und ging sogar so weit, +daß er verschiedene Äquivalente vorschlug. Schon seit mehreren Wochen +war das Wort Äquivalent, damals erst kürzlich aus Frankreich eingeführt, +im Munde aller Kaffeehausredner; endlich aber machten einige Seiten +scharfsinniger Logik und feiner Sarkasmen aus Halifax’ Feder diesen +hohlen Projecten ein Ende. Einer von Penn’s Plänen bestand darin, daß +ein Gesetz erlassen werden sollte, welches die von der Krone zu +verleihenden Ämter in drei gleiche Theile theilte, von denen nur einer +den Mitgliedern der katholischen Kirche zufallen sollte. Selbst unter +einem solchen System würden die Katholiken noch immer zwanzigmal den +ihnen eigentlich zustehenden Antheil erhalten haben, und doch kann man +nicht annehmen, daß der König selbst in eine solche Anordnung gewilligt +haben würde. Hätte er aber auch darein gewilligt, welche Garantie konnte +er bieten, daß er auch wirklich an diesem Übereinkommen festhielt? Man +hatte keine Antwort auf das von Halifax aufgestellte Dilemma: wenn +Gesetze für Euch bindend sind, so beobachtet das jetzt bestehende +Gesetz; sind sie nicht bindend für Euch, so ist es auch nutzlos, uns ein +Gesetz als Bürgschaft zu bieten.[56] + +Es ist sonach klar, daß es sich gar nicht darum handelte, ob weltliche +Ämter allen Religionsparteien ohne Unterschied offen stehen sollten. So +lange Jakob König war, war Ausschließung unvermeidlich, und es fragte +sich nur, wer ausgeschlossen werden sollte, ob Papisten oder +Protestanten, die Wenigen oder die Vielen, hunderttausend Engländer oder +fünf Millionen. + +Dies sind die gewichtigen Gründe, durch welche das Verfahren des Prinzen +von Oranien gegen die englischen Katholiken mit den Grundsätzen der +Glaubensfreiheit in Einklang gebracht werden kann. Diese Gründe haben, +wie man bemerken wird, mit keinem Theile der katholischen Theologie +etwas zu thun. Ebenso wird man einsehen, daß sie ihr ganzes Gewicht +verlieren mußten, als die Krone an ein protestantisches Herrscherhaus +gekommen und die Macht des Unterhauses im Staate ein so entschiedenes +Übergewicht erlangt hatte, daß kein Souverain, mochten seine Ansichten +oder Neigungen sein, welche sie wollten, das Beispiel Jakob’s +nachahmen konnte. Die Nation befand sich indessen nach ihren Schrecken, +ihren Kämpfen und ihrer mit genauer Noth erlangten Rettung in +einer mißtrauischen und rachsüchtigen Stimmung. Daher wurden +Vertheidigungsmittel, welche die Nothwendigkeit gerechtfertigt hatte, +die aber auch nur die Nothwendigkeit rechtfertigen konnte, noch lange, +nachdem die Nothwendigkeit nicht mehr vorhanden war, hartnäckig +beibehalten, und erst aufgegeben, nachdem das herrschende Vorurtheil +einen langjährigen Kampf gegen die Vernunft bestanden hatte. Zu den +Zeiten Jakob’s aber standen Vernunft und herrschendes Vorurtheil auf der +nämlichen Seite. Der Fanatiker und Ignorant wollte den Katholiken vom +Staatsdienste ausschließen, weil er Klötze und Steine anbetete, weil er +das Zeichen des Thieres an sich trug, weil er London angezündet und Sir +Edmondsbury Godfrey erwürgt hatte, und der einsichtsvollste und +toleranteste Staatsmann wurde, während er über den Irrwahn lächelte, in +dem das gemeine Volk befangen war, auf einem ganz andren Wege zu dem +nämlichen Schlusse geführt. + +Wilhelm’s großer Plan war jetzt, die zahlreichen Theile des großen +Körpers, der ihn als sein gemeinschaftliches Oberhaupt betrachtete, zu +einem Ganzen zu vereinigen. Bei diesem Werke hatte er mehrere geschickte +und zuverlässige Mitarbeiter, von denen zwei, Burnet und Dykvelt, ihm +ganz besonders nützlich waren. + + [Anmerkung 56: Johnstone, 13. Jan. 1688; +Halifax’s Anatomy of an + Equivalent+.] + + +[_Jakob’s Feindschaft gegen Burnet._] Burnet’s Dienste mußten allerdings +mit einiger Vorsicht angewendet werden. Die freundliche Aufnahme, die er +im Haag gefunden, hatte Jakob heftig aufgebracht, und Marie erhielt von +ihrem Vater zwei Briefe voll Invectiven gegen den frechen und +wühlerischen Theologen, den sie beschützte. Diese Beschuldigungen aber +machten einen so geringen Eindruck auf sie, daß sie Antworten darauf +zurücksandte, welche Burnet selbst dictirt hatte. Im Januar 1687 endlich +schritt der König zu energischeren Maßregeln. Skelton, der die englische +Regierung bei den Vereinigten Provinzen vertreten hatte, wurde nach +Paris versetzt und erhielt Albeville, das schwächste und gemeinste +Mitglied der ganzen jesuitischen Cabale, zum Nachfolger. Geld war +Albeville’s einziger Lebenszweck, und er nahm es von Jedem, der es ihm +anbot. Er wurde zu gleicher Zeit von Frankreich und von Holland bezahlt. +Er verschmähte sogar den erbärmlichen Anstand, den auch die +Bestechlichkeit zu beobachten pflegt, und nahm so kleine Geschenke an, +wie sie eher einem Lastträger oder einem Bedienten zukommen als einem +Gesandten, der mit einer englischen Baronie und einem ausländischen +Marquisate beehrt worden war. Einmal steckte er mit der größten +Gemüthsruhe ein Trinkgeld von fünfzig Pistolen für einen Dienst ein, den +er den Generalstaaten geleistet hatte. Dieser Mann war beauftragt, zu +verlangen, daß Burnet im Haag nicht länger begünstigt werde. Wilhelm, +der keine Lust hatte, sich von einem so werthvollen Freunde zu trennen, +antwortete zuerst mit seiner gewohnten Kälte: „Ich wüßte nicht, Sir, daß +der Doctor seit seinem Hiersein etwas gethan oder gesagt hätte, worüber +Seine Majestät sich mit Grund beklagen könnte.“ Jakob aber bestand +entschieden auf seiner Forderung, und da die geeignete Zeit zu einem +offenen Bruche noch nicht gekommen war, so mußte Wilhelm nachgeben. Über +anderthalb Jahr lang kam Burnet weder mit dem Prinzen, noch mit der +Prinzessin in persönliche Berührung; aber er wohnte in ihrer Nähe, wurde +von Allem, was vorging, genau unterrichtet, sein Rath ward beständig in +Anspruch genommen, seine Feder bei jedem wichtigen Anlasse benutzt und +viele der schärfsten und wirksamsten Aufsätze und Flugschriften, welche +damals in London erschienen, wurden ihm mit Recht zugeschrieben. + +Jakob’s Wuth entbrannte. Er war von jeher für zornige Leidenschaften nur +zu empfänglich gewesen, aber noch keinen seiner Feinde, selbst die +nicht, welche sich gegen sein Leben verschworen oder es versucht hatten, +ihm durch Meineid die Schuld des Verraths und des Mordes aufzubürden, +hatte er mit einer solchen Erbitterung gehaßt, als er jetzt Burnet +haßte. Seine Majestät schimpfte täglich in höchst unköniglicher Sprache +auf den Doctor und sann auf ungesetzliche Rache. Selbst Blut genügte +diesem wüthenden Hasse nicht; der unverschämte Theolog mußte gefoltert +werden, ehe er sterben durfte. Zum Glück war er ein Schotte von Geburt, +und in Schottland konnten seine Beine erst in den spanischen Stiefeln +zerquetscht werden, bevor er auf dem Grasmarkte gehängt wurde. Zu dem +Ende wurde in Edinburg der Prozeß gegen ihn eingeleitet; aber er war in +Holland naturalisirt, hatte eine vermögende Frau aus dieser Provinz +geheirathet und es war gewiß, daß sein Adoptivvaterland ihn nicht +ausliefern würde. Man beschloß daher, ihn wegfangen zu lassen. Mit +großen Summen wurden einige Bösewichter für diesen gefährlichen und +schändlichen Dienst gedungen; im Staatssekretariat wurde zu diesem +Zwecke eine Anweisung auf dreitausend Pfund Sterling ausgestellt. Ludwig +wurde von dem Plane unterrichtet und interessirte sich außerordentlich +dafür; er sicherte seinen kräftigen Beistand zu, damit der Schurke nach +England gebracht werde, und versprach, daß die Werkzeuge der Rache +Jakob’s in Frankreich eine Freistätte finden sollten. Burnet kannte die +ihm drohende Gefahr wohl, aber Furcht gehörte nicht zu seinen Fehlern. +Er veröffentlichte eine beherzte Antwort auf die in Edinburg gegen ihn +erhobenen Anschuldigungen. Er wisse, sagte er, daß man ihn ohne Prozeß +hinzurichten gedenke, aber er vertraue auf den König aller Könige, zu +dem unschuldiges Blut selbst gegen die mächtigsten Fürsten der Erde +nicht vergebens schreien werde. Er gab einigen Freunden ein +Abschiedsmahl, und nach demselben nahm er als ein Mann, der dem Tode +verfallen sei und mit dem sie ohne Gefahr nicht mehr umgehen könnten, +feierlich Abschied von ihnen. Dessenungeachtet zeigte er sich nach wie +vor so furchtlos auf allen öffentlichen Plätzen im Haag, daß seine +Freunde ihm wegen seiner Tollkühnheit bittere Vorwürfe machten.[57] + + [Anmerkung 57: +Burnet I. 726--731+; +Answer to the Criminal + Letters issued out against Dr. Burnet+; +Avaux Neg., July 7.(17.), + 14.(24.) July 28. (Aug. 7.) 1687, Jan. 19.(29.) 1688+; Ludwig an + Barillon, 30. Dec. 1687 (9. Jan. 1688); Johnstone an Waristoun, + 21. Febr. 1688; Lady Russel an +Dr.+ Fitzwilliam, 5. Oct. 1687. + Da man vermuthet hat, daß Burnet, der seine persönliche + Wichtigkeit nicht zu unterschätzen pflegte, die ihm drohende + Gefahr übertrieben habe, so will ich hier die Worte Ludwig’s und + Johnstone’s anführen: +„Qui que ce soit“+, sagt Ludwig, +„qui + entreprenne de l’enlever en Hollande trouvera non seulement une + retraite assurée et une entière protection dans mes états, mais + aussi toute l’assistance qu’il pourra désirer pour faire conduire + surement ce scélérat en Angleterre.“+ -- „Mit Bamfield (Burnet) + ist es ganz bestimmt so“, sagt Johnstone. „Niemand zweifelt hier + daran, und Einige, die dabei betheiligt sind, leugnen es nicht. + Seine Freunde sagen, sie hätten gehört, daß er nicht vorsichtig + sei, sondern aus Eitelkeit, um seinen Muth zu zeigen, mit + thörichter Verwegenheit handle, so daß Jedermann ihn auslachen + werde, wenn ihm ein Unglück zustoßen sollte. Ich bitte ihm dies + von Seiten Jones’ (Johnstone) zu sagen. Wenn Einige abgefaßt + werden könnten, während sie ihren +coup d’essai+ auf ihn machen, + so wäre das sehr gut, weil sie dadurch abgeschreckt würden, etwas + gegen Ogle (den Prinzen) zu unternehmen.“] + + +[_Sendung Dykvelt’s nach England._] Während Burnet Wilhelm’s Sekretär +für die englischen Angelegenheiten in Holland war, wurde Dykvelt mit +nicht geringerem Nutzen in London verwendet. Dykvelt war einer von den +ausgezeichneten Staatsmännern, welche in der edlen Schule des Johann de +Witt ihre politische Bildung erhalten hatten und nach dem Falle dieses +großen Ministers ihre Pflichten gegen die Republik dadurch am besten zu +erfüllen glaubten, daß sie sich um den Prinzen von Oranien schaarten. +Keiner von den Diplomaten im Dienste der Vereinigten Provinzen stand in +Bezug auf Gewandtheit, Character und Manieren über Dykvelt, und ebenso +scheint keiner ihm in der Kenntniß der englischen Verhältnisse +gleichgekommen zu sein. Es fand sich ein Vorwand, um ihn zu Anfang des +Jahres 1687 mit Beglaubigungsschreiben von den Generalstaaten in einer +besonderen Mission nach England zu senden. Eigentlich aber galt seine +Sendung nicht der Regierung, sondern der Opposition, und er handelte +nach Privatinstructionen, welche von Burnet entworfen und von Wilhelm +genehmigt waren.[58] + + [Anmerkung 58: +Burnet, I. 708+; +Avaux Neg., Jan. 3.(13.), Feb. + 6.(16.) 1687+; +Van Kampen, Karakterkunde der Vaderlandsche + Geschiedenis.+] + + +[_Unterhandlungen Dykvelt’s mit englischen Staatsmännern._] Dykvelt +berichtete, daß Jakob sich durch das Benehmen des Prinzen und der +Prinzessin tief gekränkt fühle. „Die Pflicht meines Neffen ist, meine +Hand zu stärken“, sagte der König, „aber es hat ihm von jeher Vergnügen +gemacht, wenn er mir hat hinderlich sein können.“ Dykvelt antwortete, in +Privatangelegenheiten habe Seine Hoheit stets die Wünsche des Königs +berücksichtigt und werde dies auch in Zukunft jederzeit thun, aber es +sei doch kaum recht und billig, die Unterstützung eines protestantischen +Fürsten gegen die protestantische Kirche zu erwarten.[59] Der König war +zum Schweigen gebracht, aber nicht besänftigt. Mit einem Verdrusse, den +er nicht verhehlen konnte, sah er, daß Dykvelt alle die verschiedenen +Abteilungen der Opposition mit einer Geschicklichkeit musterte und +einschulte, welche dem gewandtesten englischen Staatsmanne zur Ehre +gereicht haben würde und die bei einem Ausländer bewundernswürdig war. +Der Geistlichkeit wurde gesagt, daß sie in dem Prinzen einen Freund des +Episcopats und der Liturgie finden werde. Den Nonconformisten wurde +Hoffnung gemacht, daß sie von ihm nicht nur Duldung, sondern sogar +Gleichstellung zu erwarten hätten. Selbst die römischen Katholiken +wurden versöhnt und einige der Angesehensten unter ihnen sagten dem +Könige ins Gesicht, daß sie mit dem, was Dykvelt ihnen biete, zufrieden +seien und daß sie eine durch das Gesetz verbürgte Duldung einem +gesetzwidrigen und unsicheren Übergewichte vorzögen.[60] + + [Anmerkung 59: +Burnet I. 711+. Dykvelt’s Depeschen an die + Generalstaaten enthalten, so weit ich es habe ersehen oder + erfahren können, kein Wort über den wirklichen Zweck seiner + Sendung. Seine Correspondenz mit dem Prinzen von Oranien war + streng privater Natur.] + + [Anmerkung 60: Bonrepaux, 12.(22.) Sept. 1687.] + + +[_Danby._] Die Oberhäupter aller wichtigen Parteien der Nation hielten +häufige Besprechungen in Gegenwart des geschickten Gesandten. Die +Ansicht der Torypartei war bei diesen Zusammenkünften hauptsächlich +durch die Earls von Danby und von Nottingham vertreten. Obgleich seit +Danby’s Sturze bereits über acht Jahre vergangen waren, so stand sein +Name doch bei den alten Kavalieren Englands noch in hohem Ansehen, und +selbst viele von denjenigen Whigs, die ihn früher verfolgt hatten, gaben +jetzt bereitwillig zu, daß er für die Sünden Anderer habe büßen müssen +und daß sein Eifer für die Hoheitsrechte ihn zwar oft irre geleitet +habe, aber bei alledem durch zwei ehrenwerthe Gefühle gemildert worden +sei: durch Eifer für die Staatsreligion und durch Eifer für die Würde +und Unabhängigkeit seines Vaterlandes. Auch im Haag wurde er hoch +geschätzt, denn man vergaß es ihm dort nie, daß er es gewesen war, der +Karl trotz des Einflusses Frankreichs und der Papisten bewogen hatte, +die Hand der Prinzessin Marie ihrem Vetter zu geben. + + +[_Nottingham._] Daniel Finch, Earl von Nottingham, ein Edelmann, dessen +Name in der Geschichte dreier ereignißvoller Regierungen häufig genannt +werden wird, stammte aus einer Familie von unvergleichlicher +juristischer Auszeichnung. Einer seiner Verwandten hatte das Siegel +Karl’s I. geführt, hatte seine eminenten Talente und Kenntnisse zu +schlechten Zwecken gemißbraucht und war von der Rache der Gemeinen +Englands, mit Falkland an der Spitze, verfolgt worden. Einen +ehrenvolleren Ruf erlangte unter der folgenden Generation Heneage +Finche. Er war unmittelbar nach der Restauration zum Staatsprokurator +ernannt worden und war nacheinander zum Lordsiegelbewahrer, zum +Lordkanzler, zum Baron Finch und Earl von Nottingham emporgestiegen. +Während dieser ganzen glänzenden Laufbahn hatte er die Hoheitsrechte +stets so hoch gehalten, als er es mit Ehren und Anstand konnte; nie aber +war er bei irgend einer Machination gegen die Grundgesetze des Reichs +betheiligt gewesen. Inmitten eines verderbten Hofes hatte er seine +persönliche Rechtschaffenheit unbefleckt zu erhalten gewußt. Auch als +Redner genoß er eines hohen Rufes, obwohl seine nach Mustern aus der +Zeit vor dem Bürgerkriege gebildete Diction gegen das Ende seines Lebens +von den Schöngeistern der heranwachsenden Generation steif und +pedantisch genannt wurde. In Westminsterhall wird er noch immer mit +Achtung als der Mann erwähnt, welcher aus dem Chaos, dem man in alter +Zeit den Namen der Billigkeit gab, zuerst ein neues juristisches System +bildete, das ebenso geregelt und vollständig ist wie das nach welchem +die Richter des gemeinen Rechts verfahren.[61] Ein wesentlicher Theil +der sittlichen und geistigen Eigenschaften dieses großen Staatsmannes +ging mit dem Titel Nottingham auf seinen ältesten Sohn über. Dieser +Sohn, der Earl Daniel, war ein rechtschaffener und tugendhafter Mann. +Obwohl er in einigen abgeschmackten Vorurtheilen befangen und +sonderbaren Anfällen von Launenhaftigkeit unterworfen war, kann man ihn +doch nicht beschuldigen, daß er um unredlichen Gewinns oder strafbaren +Genusses willen vom Pfade des Rechts abgewichen wäre. Er war, wie sein +Vater, ein ausgezeichneter Redner und sprach eindringlich, aber +weitschweifig und mit zu monotoner Gemessenheit. Seine Persönlichkeit +entsprach ganz seiner Rede. Seine Haltung war steif, seine Gesichtsfarbe +so dunkel, daß man ihn für den Eingebornen eines wärmeren Himmelstrichs +hätte halten können, und seine scharf markirten Gesichtszüge hatten +einen Ausdruck, welcher dem des Hauptleidtragenden bei einem Begräbnisse +glich. Man pflegte von ihm zu sagen, daß er eher wie ein spanischer +Grande als wie ein englischer Gentleman aussähe. Spottvögel gaben ihm +die Spitznamen Dismal (Trübselig), Don Dismallo und Don Diego, welche +noch heute nicht vergessen sind. Er hatte auf das Studium der +Wissenschaft, durch die seine Familie sich so hoch emporgeschwungen, +großen Fleiß verwendet und war für einen vornehm und reich gebornen Mann +in den Gesetzen seines Vaterlandes erstaunlich bewandert. Er war ein +treuer Sohn der Hochkirche und bewies seine Achtung vor derselben auf +zwei Wegen, welche bei den Lords, die sich zu seiner Zeit als ihre +besonderen Freunde gerirten, nicht gewöhnlich war, nämlich dadurch, daß +er Schriften zur Vertheidigung ihrer Glaubenssätze herausgab und daß er +sich in seinem Privatleben nach ihren Gebeten richtete. Wie viele andre +eifrige Anglikaner hatte er bis vor Kurzem die monarchische +Regierungsform kräftig unterstützt. Die Politik aber, welche seit der +Unterdrückung des Aufstandes im Westen befolgt wurde, empörte ihn auf +das heftigste, und zwar deshalb nicht weniger, weil sein jüngerer Bruder +Heneage in Folge seiner Weigerung, die Dispensationsgewalt des Königs zu +vertheidigen, seines Amtes als Generalprokurator entsetzt worden +war.[62] + + [Anmerkung 61: Siehe seine Biographie von Lord Campbell.] + + [Anmerkung 62: Johnstone’s Correspondenz; +Mackay’s Memoirs+; + +Arbuthnot’s John Bull+; Swift’s Schriften von 1710 bis 1714 an + mehreren Stellen; Whiston’s Brief an den Earl von Nottingham und + des Letzteren Antwort darauf.] + + +[_Halifax._] Mit diesen beiden großen toryistischen Earls war jetzt +Halifax, das ausgezeichnete Oberhaupt der Trimmers, verbunden. Auf +Nottingham’s Gesinnungen scheint Halifax damals in der That einen +entschiedenen Einfluß ausgeübt zu haben. Zwischen Halifax und Danby +bestand eine Feindschaft, welche am Hofe Karl’s begonnen hatte und +nachher auch den Hof Wilhelm’s beunruhigte, während der Tyrannei Jakob’s +aber wie viele andere Feindschaften ruhte. Die beiden Gegner trafen +häufig in den von Dykvelt veranstalteten Conferenzen zusammen und +stimmten in dem Ausdrucke des Mißfallens an der Politik der Regierung +und der Verehrung für den Prinzen von Oranien überein. In ihrem Verkehr +mit den holländischen Gesandten trat die Characterverschiedenheit der +beiden Staatsmänner stark hervor. Halifax zeigte ein bewundernswürdiges +Talent für Auseinandersetzungen, scheute sich aber vor kühnen und +unwiderruflichen Entschlüssen. Danby war minder fein und beredt, besaß +aber mehr Energie, Entschlossenheit und praktischen Scharfblick. + + +[_Devonshire._] Mehrere ausgezeichnete Whigs waren mit Dykvelt in +fortwährender Verbindung; aber die Oberhäupter der großen Häuser +Cavendish und Russel konnten keinen so thätigen und vorwiegenden +Antheil an den Unterhandlungen nehmen, als man nach ihrer Stellung und +ihren Ansichten hätte erwarten dürfen. Der Ruhm und das Glück +Devonshire’s wurden im Augenblicke durch eine Wolke verdunkelt. Er hatte +einen beklagenswerthen Streit mit dem Hofe, der nicht aus einer +öffentlichen und ehrenvollen Angelegenheit, sondern aus einem +Privatzwist entsprungen war, in welchem selbst seine wärmsten Freunde +ihn nicht von aller Schuld freisprechen konnten. Als er einmal nach +Whitehall kam, um seine Aufwartung zu machen, war er von einem gewissen +Colepepper insultirt worden, einem jener Raufbolde, welche die +Umgebungen des Hofes unsicher machten und die sich durch Beleidigung von +Mitgliedern der Opposition bei der Regierung in Gunst zu setzen suchten. +Der König selbst äußerte seine Entrüstung über die einem seiner +ausgezeichneten Peers unter dem königlichen Dache widerfahrene +Behandlung und Devonshire wurde durch die Versicherung besänftigt, daß +der Beleidiger den Palast nie wieder betreten solle. Dieses Verbot wurde +jedoch bald wieder aufgehoben und der Groll des Earls erwachte von +neuem. Seine Diener nahmen sich der Sache an und die Straßen von +Westminster wurden durch Händel beunruhigt, die in ein roheres Zeitalter +gehörten. Die Zeit des Geheimen Raths ward durch Anklagen und +Gegenanklagen der streitenden Parteien in Anspruch genommen. +Colepepper’s Frau erklärte: sie und ihr Gatte seien ihres Leben nicht +sicher und ihr Haus sei beständig von Banditen in der Livree der +Cavendish belagert; Devonshire erwiederte, es sei aus Colepepper’s +Fenstern auf ihn geschossen worden. Dies wurde heftig geleugnet. Es +wurde zwar eingeräumt, daß ein blind geladenes Pistol abgefeuert worden +sei, aber dies sei nur in einem Augenblicke des Schreckens geschehen, um +die Wache zu alarmiren. Wahrend diese Fehde ihren Höhepunkt erreicht +hatte, traf der Earl im Empfangzimmer zu Whitehall mit Colepepper +zusammen und er glaubte in den Mienen des Raufboldes triumphirenden +Übermuth zu erkennen. Vor den Augen des Königs geschah nichts +Unziemliches; sobald aber die beiden Gegner das Audienzzimmer verlassen +hatten, machte Devonshire den Vorschlag, den Streit auf der Stelle mit +dem Degen zu entscheiden. Die Herausforderung wurde zurückgewiesen. Da +vergaß der stolze Peer die Achtung, die er dem Orte an dem er sich +befand, und seiner eignen Würde schuldig war, und schlug Colepepper mit +einem Stocke ins Gesicht. Diese Handlung wurde allgemein als übereilt +und unschicklich getadelt und Devonshire selbst konnte, nachdem sein +Blut sich abgekühlt hatte, nicht ohne Verdruß und Beschämung daran +denken. Die Regierung aber verfuhr mit gewohntem Unverstande so streng +gegen ihn, daß das Publikum bald ganz auf seine Seite trat. Es wurde +eine Criminalanklage bei der Kings Bench anhängig gemacht. Der +Angeklagte berief sich auf seine Vorrechte als Peer des Königsreichs; +dieser Punkt aber wurde sogleich zu seinem Nachtheile entschieden, und +es läßt sich auch nicht leugnen, daß diese Entscheidung, mochte sie den +technischen Regeln der englischen Gesetzgebung entsprechen oder nicht, +in vollkommenem Einklange mit den großen Prinzipien stand, welche die +Grundlage jeder Gesetzgebung sein sollen. Es blieb ihm somit nichts +übrig, als sich dem Erkenntnisse zu unterwerfen. Der Gerichtshof war +durch eine Reihe von Entlassungen zu so vollständigem Gehorsam gebracht +worden, daß die Regierung, welche die Untersuchung eingeleitet hatte, +die Strafe selbst vorschreiben konnte. Die Richter machten Jeffreys +in +pleno+ ihre Aufwartung und dieser bestand auf der Zuerkennung einer +Geldbuße von dreißigtausend Pfund. Dreißigtausend Pfund waren im +Verhältniß zu den damaligen Einkünften der englischen Großen ungefähr +soviel als hundertfunfzigtausend im neunzehnten Jahrhundert. In +Anwesenheit des Kanzlers wurde kein Wort der Mißbilligung geäußert; als +aber die Richter sich entfernt hatten, bemerkte Sir Johann Powell, in +welchem sich das wenige Rechtsgefühl des ganzen Collegiums concentrirte, +daß die beantragte Strafsumme übermäßig hoch und ein Zehntel derselben +vollauf genug sei. Seine Collegen waren nicht dieser Meinung und er +zeigte in diesem Falle nicht den Muth, durch den er einige Monate später +an einem denkwürdigen Tage seinen Ruf glänzend wiederherstellte. Der +Earl wurde demnach in eine Geldbuße von dreißigtausend Pfund und bis zur +Bezahlung dieses Betrags zu persönlicher Haft verurtheilt. Eine solche +Summe konnte damals auch der reichste Edelmann nicht in einem Tage +aufbringen. Indessen war das Hafturtel leichter gesprochen, als +vollzogen. Devonshire hatte sich nach Chatsworth zurückgezogen, wo er +eben damit beschäftigt war, das alte gothische Stammschloß seiner +Familie in ein Gebäude umzuwandeln, das Palladio’s würdig war. Der Peak +war damals ein fast ebenso unwirthbarer Bezirk als gegenwärtig +Connemara, und der Sheriff erkannte oder behauptete wenigstens, daß es +schwer sein dürfte, den Lord in einer so wilden Gegend und inmitten treu +ergebener Diener und Pächter zu verhaften. Darüber vergingen einige +Tage, endlich aber wurde nicht nur der Earl, sondern auch der Sheriff +zur Haft gebracht. Inzwischen verwendeten sich eine Menge Fürsprecher +mit ihrem ganzen Einflusse. Es hieß die verwittwete Gräfin von +Devonshire habe eine Privataudienz beim Könige erlangt, sie habe ihn +daran erinnert, daß ihr Schwager, der tapfere Karl Cavendish, im Kampfe +für die Krone bei Gainsborough gefallen sei, und ihm schriftliche +Empfangsbescheinigungen von Karl I. und Karl II. über bedeutende Summen +vorgelegt, die ihr Gemahl während der bürgerlichen Unruhen beiden +Monarchen geliehen hatte. Diese Darlehen waren nie zurück gezahlt worden +und sollten angeblich mehr betragen als die ungeheure Geldstrafe, welche +die Kings Bench über den Earl verhängt hatte. Dazu kam noch ein andrer +Punkt, der beim Könige noch mehr Gewicht gehabt zu haben scheint als die +Erinnerung an früher geleistete Dienste. Es konnte nothwendig werden ein +Parlament einzuberufen, und man glaubte, daß Devonshire in diesem Falle +sofort eine Cassationsklage einreichen werde. Der Punkt, auf den er +seine Appellation gegen das Erkenntniß der Kings Bench zu stützen +gedachte, waren seine Privilegien als Peer, und das Tribunal, vor das +die Appellation kommen mußte, war das Haus der Peers. In einem solchen +Falle konnte der Hof nicht einmal auf die Unterstützung der ihm +ergebensten Adeligen mit Gewißheit rechnen. Es stand kaum zu bezweifeln, +daß das Urtel cassirt werde, und daß die Regierung dadurch, daß sie zu +viel haben wollte, Alles verlieren würde. Jakob war daher zu einem +Vergleiche geneigt. Es wurde dem Earl angekündigt, daß, wenn er eine +Schuldverschreibung über die ganze Summe geben und sich des möglichen +Vortheils einer Cassationsklage begeben wolle, er in Freiheit gesetzt +werden solle. Ob er zur Bezahlung der Summe angehalten werden würde oder +nicht, sollte von seinem ferneren Benehmen abhängen. Wenn er das +Dispensationsrecht unterstützte, solle er nicht dafür in Anspruch +genommen werden; trachte er aber nach Popularität, so müsse er die +dreißigtausend Pfund bezahlen. Er weigerte sich eine Zeit lang, auf +diese Bedingungen einzugehen; aber die Haft war ihm unerträglich. Er +stellte die Verschreibung aus und wurde aus den Gefängnis entlassen; +aber obgleich er sich dazu verstand seinem Vermögen diese drückende +Schuldlast aufzubürden, konnte ihn doch nichts zu dem Versprechen +bestimmen, daß er seinen Grundsätzen und seiner Partei untreu werden +wolle. Er wurde nach wie vor in alle Geheimnisse der Opposition +eingeweiht, aber einige Monate lang hielten seine politischen Freunde es +um seiner selbst wie um ihrer Sache willen für gerathen, daß er im +Hintergrunde blieb.[63] + + [Anmerkung 63: Kennet’s Grabrede auf den Herzog von Devonshire und + Memoiren der Familie Cavendish; +Collection of State Trials+; + +Privy Council Book, March 5. 1685/6+; Barillon, 30. Juni (10. + Juli) 1687.; Johnstone, 8.(18.) Dec. 1687.; +Lords’ Journals May + 6. 1689+. +„Ses amis et ses proches,“+ sagt Barillon, +„lui + conseillent de prendre le bon parti, mais il persiste jusqu’à + présent à ne se point soumettre. S’il vouloit se bien conduire et + renoncer à être populaire, il ne payeroit pas l’amende, mais s’il + opiniâtre, il lui en coutera trente mille pièces, et il demeurera + prisonnier jusqu’à l’actuel payement.“+] + + +[_Eduard Russell._] Der Earl von Bedford hatte sich von dem harten +Schlage, der ihm vor vier Jahren fast das Herz gebrochen, nie wieder +erholen können. Seine persönlichen wie auch seine öffentlichen Gefühle +machten ihn zum Gegner des Hofes; aber an der Verabredung von Maßregeln +gegen denselben nahm er keinen thätigen Antheil. Seine Stelle in den +Versammlungen der Mißvergnügten vertrat sein Neffe. Dies war der +berühmte Eduard Russell, ein Mann von unbezweifeltem Muth und Talent, +aber von lockeren Grundsätzen und ruhelosem Geiste. Er war Seemann, +hatte sich in seinem Berufe ausgezeichnet und hatte unter der vorigen +Regierung ein Hofamt bekleidet; aber durch den Tod seines Vetters +Wilhelm Russell waren alle Bande, die ihn an den Hof ketteten, zerrissen +worden. Der verwegene, unruhige und racheschnaubende Seemann saß jetzt +in den von dem holländischen Gesandten berufenen Versammlungen als +Vertreter des kühnsten und heftigsten Theiles der Opposition, der +Männer, welche unter den Namen Rundköpfe, Exclusionisten und Whigs einen +fünfundvierzigjährigen Kampf gegen drei aufeinanderfolgende Könige mit +wechselndem Glück unterhalten hatten. Diese Partei, welche vor Kurzem +niedergeworfen und fast vernichtet gewesen war, sich jetzt aber mit +voller Lebenskraft rasch zu Ansehen und Einfluß erhob, wurde durch keine +von den Bedenklichkeiten behindert, welche die Bewegungen der Tories und +der Trimmers noch immer hemmten, und war bereit, das Schwert gegen den +Tyrannen zu ziehen, sobald es mit gegründeter Aussicht auf den Sieg +gezogen werden konnte. + + +[_Compton. -- Herbert. -- Churchill._] Drei Männer sind noch zu +erwähnen, mit denen Dykvelt in vertrauter Verbindung stand und mit deren +Hülfe er sich die Mitwirkung von drei großen Ständen zu sichern hoffte. +Bischof Compton war der Agent, der die Geistlichkeit zu bearbeiten +hatte, Admiral Herbert übernahm es, seinen ganzen Einfluß bei der Flotte +zu verwenden und durch Churchill suchte man die Armee zu gewinnen. + +Das Benehmen Compton’s und Herbert’s bedarf keiner Erklärung. Nachdem +sie der Krone in allen weltlichen Dingen mit Treue und Eifer gedient, +hatten sie sich durch ihre Weigerung, als Werkzeuge der Zerstörung ihrer +eignen Religion zu dienen, das Mißfallen des Königs zugezogen. Beiden +hatte die Erfahrung gelehrt, wie bald Jakob eingegangene Verpflichtungen +vergaß und mit welchem bitteren Groll er sich dessen erinnerte, was er +als Beleidigung anzusehen für gut fand. Der Bischof war durch einen +ungesetzlichen Richterspruch seiner bischöflichen Functionen enthoben, +der Admiral in einer Stunde aus Reichthum in Armuth gestürzt worden. +Ganz anders war die Lage Churchill’s. Er war durch königliche Gunst aus +der Dunkelheit zu hohem Ansehen, aus der Dürftigkeit zum Reichthum +erhoben worden. Als armer Fähndrich hatte er seine Laufbahn begonnen und +jetzt war er, in seinem siebenunddreißigsten Jahre, Generalmajor, Peer +von Schottland und Peer von England, befehligte eine Abtheilung der +Leibgarde, bekleidete mehrere ehrenvolle und einträgliche Stellen und +bis jetzt verrieth noch nichts, daß er den geringsten Theil von der +Gunst verloren hatte, der er so viel verdankte. Er war nicht nur durch +die allgemeine Pflicht der Unterthanentreue, sondern auch durch +militairische Ehren, durch persönliche Dankbarkeit und, wie es +oberflächlichen Beobachtern schien, durch die stärksten Bande des +Interesses an Jakob gebunden. Aber Churchill selbst war kein +oberflächlicher Beobachter, er wußte genau, worin sein wirkliches +Interesse bestand. Er war überzeugt, daß, wenn sein Gebieter einmal +volle Freiheit erhielt Papisten anzustellen, er nicht einen einzigen +Protestanten mehr anstellen würde. Eine Zeit lang wurden vielleicht +einige hochbegünstigte Diener der Krone noch von der allgemeinen +Proscription ausgenommen, in der Hoffnung, daß sie sich dadurch +bestimmen ließen, ihren Glauben zu wechseln, aber selbst diese mußten +nach einer kurzen Frist Einer nach dem Andren fallen, wie Rochester +schon gefallen war. Churchill konnte sich allerdings durch Übertritt zur +katholischen Kirche gegen diese Gefahr sicher stellen und noch höher in +der königlichen Gunst steigen; auch hätte man glauben können, daß ein +Mann, der sich eben so sehr durch Habsucht und Characterlosigkeit, wie +durch Talent und Tapferkeit auszeichnete, schwerlich an dem Gedanken, +eine Messe anhören zu müssen, Anstoß nehmen würde. Aber die menschliche +Natur ist so reich an Widersprüchen, daß selbst abgestumpfte Gewissen +eine empfindliche Stelle haben. So hatte dieser Mann, der seine +Erhebung der Schande seiner Schwester verdankte, der von der +verschwenderischesten, herrschsüchtigsten und schamlosesten Buhlerin +unterhalten worden war und dessen öffentliches Leben Jedem, der mit +unbefangenem Blicke den schimmernden Glanz des Genies und des Ruhms zu +durchdringen vermag, als ein Abgrund von Schändlichkeit erscheinen muß, +einen blinden Glauben an die Religion, die ihm als Kind eingelernt +worden war, und schauderte bei dem Gedanken, sie förmlich abzuschwören. +Es stand ihm eine furchtbare Alternative bevor. Das irdische Übel, das +er am meisten fürchtete, war die Armuth, das einzige Verbrechen, vor dem +sein Herz zurückbebte, war der Glaubensabfall, und wenn die Pläne des +Hofes gelangen, konnte er nicht zweifeln, daß er bald zwischen Armuth +und Abfall wählen mußte. Daher entschloß er sich, diese Pläne zu +durchkreuzen, und es zeigte sich bald, daß er bereit war, jede Schuld +und jede Schmach auf sich zu laden, wenn er nur der Nothwendigkeit +entging, entweder seine Stellen oder seine Religion aufgeben zu +müssen.[64] + + [Anmerkung 64: Der Beweggrund, welcher das Verfahren der Churchill + bestimmte, ist kurz und bündig in +The Duchess of Marlborough’s + Vindication+ dargelegt. „Jedermann erkannte deutlich,“ sagt sie, + „daß bei dem Systeme, das König Jakob angenommen hatte, Jeder der + nicht Katholik werden wollte, früher oder später zu Grunde gehen + mußte. Diese Überzeugung ließ mich das Unternehmen des Prinzen von + Oranien, uns aus solcher Knechtschaft zu erlösen, mit Wohlgefallen + betrachten.“] + + +[_Lady Churchill und die Prinzessin Anna._] Nicht bloß als +militairischer Befehlshaber von hohem Range und ausgezeichnetem Geschick +und Muth konnte Churchill der Opposition Dienste leisten. Es war für das +Gelingen der Pläne Wilhelm’s wenn nicht absolut nothwendig, doch höchst +wichtig, daß seine Schwägerin, welche nach der englischen +Thronfolgeordnung zwischen ihm und seiner Gemahlin stand, in +vollkommener Übereinstimmung mit ihm handelte. Alle ihm +entgegenstehenden Schwierigkeiten würden bedeutend vergrößert worden +sein, wenn Anna sich günstig für die Indulgenz ausgesprochen hätte. Auf +welche Seite sie treten würde, hing von dem Willen Anderer ab, denn ihr +Verstand war träge, und obgleich in ihrem Character ein erblicher +Eigenwille und Starrsinn verborgen lag, welche viele Jahre später durch +große Macht und heftige Provocationen zum Vorschein gebracht wurden, so +war sie doch zur Zeit die willige Sklavin einer Frau von viel +lebhafterem und herrschsüchtigerem Character als der ihrige war. Diese +Frau, welche sie völlig beherrschte, war Churchill’s Gattin, ein Weib, +die nachmals auf die Geschicke England’s und Europa’s einen großen +Einfluß ausübte. + +Der Name dieser berühmten Günstlingin war Sara Jennings. Ihre ältere +Schwester Franziska hatte sich durch Schönheit und Leichtfertigkeit +selbst unter der Masse von schönen Gesichtern und leichtfertigen +Characteren ausgezeichnet, welche Whitehall während des wilden Carnevals +der Restauration zierten und schändeten. Einmal verkleidete sie sich +als Apfelsinenmädchen und rief in den Straßen ihre Früchte aus.[65] +Gesetzte Leute meinten, daß ein Mädchen von so wenig Takt- und +Schicklichkeitsgefühl nicht leicht einen Gatten finden werde. Sie war +indessen zweimal verheirathet und jetzt die Gattin Tyrconnel’s. Sara +war nicht so regelmäßig schön als ihre Schwester, aber vielleicht noch +anziehender. Ihr Gesicht war ausdrucksvoll, ihre Gestalt entbehrte +keines weiblichen Reizes, und die Fülle ihrer schönen Haare, welche noch +nicht nach der barbarischen Mode, deren Einführung sie noch erlebte, +durch Puder verunziert waren, erfüllten ihre zahlreichen Bewunderer mit +Entzücken. Von den Freiern, die sich um ihre Hand bewarben, erhielt der +junge, schöne, liebenswürdige, einschmeichelnde, beredte und tapfere +Oberst Churchill den Vorzug. Er mußte sie wirklich lieben, denn außer +der Leibrente, die er sich für den von der Herzogin von Cleveland +erhaltenen schmachvollen Lohn gekauft hatte, besaß er wenig Vermögen, +war unersättlich in seiner Gier nach Schätzen, Sara war arm, und es war +ihm ein einfaches Mädchen mit einem großen Vermögen angetragen worden. +Nach einem kurzen Kampfe trug die Liebe den Sieg über die Habsucht +davon, die Ehe verstärkte nur noch seine Leidenschaft, und Sara genoß +bis zum letzten Augenblicke seines Lebens das Vergnügen und die +Auszeichnung, das einzige menschliche Wesen zu sein, das im Stande war, +diesen weitsehenden und sicheren Blick auf sich zu fesseln, das von +diesem kalten Herzen heiß geliebt und von diesem unerschrockenen Geiste +knechtisch gefürchtet wurde. + +Im weltlichen Sinne ward Churchill’s treue Liebe reich belohnt. Bei +aller Dürftigkeit brachte seine Braut ihm doch ein Heirathsgut zu, das +klug verwendet ihn endlich zum englischen Herzog, zum deutschen +Reichsfürsten, zum Oberfeldherrn einer großen Coalition, zum +Schiedsrichter zwischen mächtigen Fürsten und was in seinen Augen noch +viel mehr werth war, zum reichsten Privatmann von ganz Europa machte. +Sie war von früher Kindheit an mit der Prinzessin Anna aufgewachsen und +es hatte sich eine innige Freundschaft zwischen den beiden Mädchen +gebildet. Im Character glichen sie einander nur wenig. Anna war +phlegmatisch und schweigsam. Gegen Diejenigen, die sie liebte, war sie +sanft; ihr Zorn äußerte sich nur durch ein mürrisches Schmollen. Sie +hatte einen starken religiösen Sinn und war den Gebräuchen und der +Verfassung der anglikanischen Kirche mit wahrer Bigotterie zugethan. +Sara war lebhaft und redselig, dominirte selbst Diejenigen, die sie am +meisten liebte, und wenn sie gekränkt wurde, äußerte sich ihre Wuth +durch Thränen und heftige Vorwürfe. Auf Frömmigkeit machte sie keinen +Anspruch, ja sie entging sogar kaum der Beschuldigung der +Irreligiosität. Sie war jetzt noch nicht das was sie später wurde, +nachdem das Glück _eine_ Klasse von Fehlern, das Unglück eine andre +vollkommen entwickelt, als Siege und Huldigungen ihr den Kopf verrückt +und Mißgeschick und Kränkungen ihren Character verbittert hatten. Sie +wurde in ihren späteren Lebensjahren das verächtlichste und +erbärmlichste Geschöpf: ein altes Weib, die in beständigem Hader lebte +mit ihrem ganzen Geschlecht, mit ihren eigenen Kindern und Enkeln, zwar +vornehm und reich, aber Vornehmheit und Reichthum hauptsächlich nur +deshalb schätzend, weil dieselben sie in den Stand setzten, der +öffentlichen Meinung Hohn zu sprechen und rückhaltlos ihrem Hasse gegen +Lebende und Todte zu fröhnen. Unter der Regierung Jakob’s II. galt sie +für nichts Schlimmeres als eine schöne, stolze junge Frau, die wohl +zuweilen launenhaft und eigensinnig sein konnte, der man aber in +Berücksichtigung ihrer Reize ihre Launen gern verzieh. + +Es ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung, daß Verschiedenheit der +Neigungen und Geistesfähigkeiten keine Hindernisse der Freundschaft sind +und daß gerade zwei Herzen, die sich gegenseitig ergänzen, das Band der +innigsten Zuneigung umschlingt. Lady Churchill wurde von der Prinzessin +Anna geliebt, ja fast angebetet. Die Prinzessin konnte ohne den +Gegenstand ihrer romanhaften Zärtlichkeit nicht leben. Sie vermählte +sich und wurde eine treue, sogar liebevolle Gattin; aber Prinz Georg, +ein beschränkter Mann, dessen Hauptgenüsse die Freuden der Tafel und der +Flasche waren, erlangte keinen Einfluß auf sie, der sich mit dem ihrer +Freundin vergleichen ließ, und gab sich bald mit stupider Geduld der +Herrschaft des heftigen und gebieterischen Geistes hin, von dem seine +Gemahlin sich leiten ließ. Das königliche Paar bekam Kinder und Anna +entbehrte keineswegs der Gefühle einer Mutter; aber die Liebe zu ihren +Kindern war lau im Vergleich mit ihrer hingebenden Zärtlichkeit für ihre +Jugendfreundin. Endlich wurde die Prinzessin des Zwanges müde, den die +Etikette ihr auferlegte, es war ihr unerträglich, die Worte Madame und +Königliche Hoheit aus dem Munde einer Frau zu hören, die ihr mehr war +als eine Schwester. In der Gallerie und im Empfangzimmer waren diese +Worte nicht zu umgehen, aber im Boudoir wurden sie abgeschafft. Hier +hieß Anna Mrs. Morley, Lady Churchill Mrs. Freeman, und unter diesen +kindlichen Namen bestand zwanzig Jahre hindurch ein intimer Verkehr +zwischen den beiden Freundinnen, von dem schließlich das Schicksal von +Regierungen und Dynastien abhing. Bis jetzt hatte jedoch Anna noch keine +politische Macht und nur geringen persönlichen Einfluß. Ihre Freundin +bekleidete in ihrem Hausstaate das Amt der ersten Kammerdame mit nur +vierhundert Pfund Sterling Gehalt. Gleichwohl hat man Grund zu glauben, +daß es Churchill schon zu dieser Zeit möglich war, seine vorherrschende +Leidenschaft durch den Einfluß seiner Gattin zu befriedigen. Obgleich +die Prinzessin ein hohes Einkommen hatte und sehr einfach lebte, so +machte sie doch Schulden, die ihr Vater mit einigem Unwillen bezahlte, +und man sagte, daß der Grund ihrer finanziellen Verlegenheiten in ihrer +verschwenderischen Freigebigkeit gegen ihren Liebling zu suchen sei.[66] + +Endlich war die Zeit gekommen, wo diese sonderbare Freundschaft einen +großen Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten ausüben sollte. Man +war äußerst gespannt darauf, welche Rolle Anna in dem Kampfe, der +England erschütterte, spielen werde. Auf der einen Seite stand die +Kindespflicht, auf der andren die Interessen der Religion, der sie +aufrichtig zugethan war. Ein minder phlegmatischer Character würde +zwischen so starken und wichtigen Beweggründen, die ihn nach +entgegengesetzten Richtungen hinzogen, gewiß lange geschwankt haben. Der +Einfluß der Churchill aber entschied die Frage und ihre Gönnerin wurde +ein wichtiges Mitglied des umfassenden Bundes, dessen Oberhaupt der +Prinz von Oranien war. + + [Anmerkung 65: +Mémoires de Grammont+; +Pepys’s Diary, Feb. 21. + 1684/5.+] + + [Anmerkung 66: Es würde mich zu weit führen, wollte ich alle die + Werke aufzählen, aus denen ich mein Urtheil über den Character der + Herzogin geschöpft habe. Meine Hauptquellen sind ihre eigenen + Briefe, ihre „Rechtfertigung“ und die Entgegnungen, welche diese + veranlaßte.] + + +[_Dykvelt kehrt mit Briefen von vielen angesehenen Engländern nach dem +Haag zurück._] Im Juni 1687 kehrte Dykvelt nach dem Haag zurück. Er +überreichte den Generalstaaten ein königliches Schreiben voll +Lobeserhebungen über sein Benehmen während seines Aufenthalts in London. +Diese Lobeserhebungen waren jedoch nur eine Formalität. In +Privatmittheilungen von seiner eigenen Hand beschwerte Jakob sich bitter +darüber, daß der Gesandte einen so vertrauten Umgang mit den heftigsten +Oppositionsmännern seines Reiches gepflogen und sie in allen ihren +Umsturzplänen bestärkt habe. Außerdem brachte Dykvelt auch eine Anzahl +Briefe von den ausgezeichnetsten derjenigen Männer mit, mit denen er +sich während seines Aufenthalts in London berathen hatte. Die Schreiber +dieser Briefe versicherten den Prinzen allgemein ihrer unbegrenzten +Verehrung und Hingebung und verwiesen ihn wegen der näheren Darlegung +ihrer Ansichten an den Überbringer. Halifax erörterte den Zustand und +die Aussichten des Landes mit gewohnter Schärfe und Lebendigkeit, hütete +sich aber sorgfältig, für irgend ein gefährliches Verfahren die +Verantwortung zu übernehmen. Danby schrieb in einem kühneren und +entschlosseneren Tone und konnte sich nicht enthalten, über die +Besorgnisse und Bedenklichkeiten seines genialen Nebenbuhlers zu +spötteln. Der interessanteste Brief aber war der von Churchill. Er war +mit der natürlichen Beredtsamkeit, an der es ihm trotz seines Mangels an +höherer Bildung bei wichtigen Anlässen nie fehlte, und mit einem +Anstrich von Hochherzigkeit geschrieben, den er sich, so perfid er auch +war, mit seltener Geschicklichkeit zu geben verstand. Die Prinzessin +Anna, sagte er, habe ihm befohlen, ihre erlauchten Verwandten im Haag zu +versichern, daß sie mit Gottes Hülfe fest entschlossen sei, eher ihr +Leben zu lassen, als sich eines Glaubensabfalls schuldig zu machen. Was +seine Person betreffe, so lege er auf seine Stellen und auf die +königliche Gunst einen weit geringeren Werth als auf seine Religion. Er +schloß mit der hochtrabenden Erklärung, daß man ihn, obgleich er keinen +Anspruch darauf mache, wie ein Heiliger gelebt zu haben, doch +vorkommenden Falls bereit finden werde, den Märtyrertod zu sterben.[67] + + [Anmerkung 67: Das Formalitätsschreiben, welches Dykvelt den + Generalstaaten überbrachte, befindet sich in den Archiven des + Haags. Die anderen in diesem Paragraphen erwähnten Briefe giebt + Dalrymple im Anhange zu Buch +V.+] + + +[_Zulestein’s Sendung._] Dykvelt’s Sendung hatte einen so glänzenden +Erfolg gehabt, daß bald ein neuer Vorwand gefunden war, um einen andren +Agenten abzusenden, der das so glücklich begonnene Werk fortsetzen +sollte. Der neue Gesandte, nachmals der Gründer eines jetzt erloschenen +englischen Adelshauses, war ein illegitimer leiblicher Vetter Wilhelm’s +und führte einen der Herrschaft Zulestein entlehnten Namen. Seine +Verwandtschaft mit dem Hause Oranien gab Zulestein in den Augen des +Publikums ein bedeutendes Ansehen. Sein Benehmen war das eines tapferen +Soldaten. In diplomatischen Talenten und Kenntnissen stand er Dykvelt +weit nach, aber gerade diese Inferiorität hatte ihre Vortheile. Ein +Militair, der sich anscheinend nie um die Politik gekümmert hatte, +konnte ohne Verdacht zu erregen mit der englischen Aristokratie einen +Verkehr unterhalten, der mit argwöhnischem Auge bewacht worden sein +würde, wenn er ein bekannter Meister in der Staatskunst gewesen wäre. +Nach kurzer Abwesenheit kehrte Zulestein mit nicht minder wichtigen +Briefen und mündlichen Botschaften, als die welche seinem Vorgänger +anvertraut worden waren, in sein Vaterland zurück. Von diesem +Augenblicke an trat der Prinz mit der Opposition in einen regelmäßigen +Briefwechsel. Geschäftsträger verschiedenen Ranges reisten beständig +zwischen der Themse und dem Haag hin und her. Der nützlichste von diesen +war ein Schotte von einigem Talent und großer Thätigkeit, Namens +Johnstone. Er war Burnet’s Vetter und der Sohn eines angesehenen +Covenanters, der bald nach der Restauration wegen Hochverraths +hingerichtet worden war und von seiner Partei als Märtyrer verehrt +wurde. + + +[_Zunehmende Feindschaft zwischen Jakob und Wilhelm._] Die Entfremdung +zwischen dem Könige von England und dem Prinzen von Oranien wurde mit +jedem Tage vollkommener. Es hatte sich ein ernsthafter Streit in Betreff +der sechs britischen Regimenter erhoben, welche im Solde der Vereinigten +Provinzen standen. Der König wollte diese Regimenter unter das Commando +römisch-katholischer Offiziere stellen, und der Prinz widersetzte sich +diesem Ansinnen entschieden. Der König nahm seine Zuflucht zu seinen +Lieblingsgemeinplätzen von der Duldung; der Prinz erwiederte daß er nur +das Beispiel Seiner Majestät nachahme. Es sei notorisch erwiesen, daß +loyale und tüchtige Männer in England lediglich deshalb, weil sie +Protestanten waren, aus dem Staatsdienste entlassen worden seien, und +dies berechtige den Statthalter und die Generalstaaten doch gewiß dazu, +die Papisten von hohen öffentlichen Ämtern auszuschließen. Diese Antwort +erbitterte Jakob dermaßen, daß er in seiner Wuth die Wahrhaftigkeit und +den gesunden Verstand völlig aus den Augen verlor. Es sei nicht wahr, +behauptete er mit Heftigkeit, daß er irgend Jemanden jemals aus +religiösen Gründen abgesetzt habe. Und wenn er es wirklich gethan hätte, +was ginge es dann dem Prinzen oder die Generalstaaten an? Wären sie etwa +seine Herren? wären sie befugt, sich zu Richtern über die Handlungen +fremder Fürsten aufzuwerfen? Von jetzt an wünschte er seine in +holländischen Diensten stehenden Unterthanen zurückzuberufen, denn er +glaubte durch diese Maßregel sich selbst zu verstärken und seine +schlimmsten Feinde zu schwächen. Es traten ihm jedoch finanzielle +Schwierigkeiten entgegen, die er unmöglich übersehen konnte. Die Zahl +der bereits von ihm unterhaltenen Truppen war schon so groß, als es +seine Einkünfte nur irgend zuließen, obgleich dieselben die aller seiner +Vorgänger weit überstiegen und mit großer Sparsamkeit verwaltet wurden. +Wenn aber die jetzt in Holland stehenden Bataillone noch zu dem +vorhandenen Etat kamen, so war die Staatskasse bankerott. Vielleicht +ließ Ludwig sich bewegen, sie in seinen Dienst zu nehmen. In diesem +Falle wurden sie aus einem Lande entfernt, wo sie dem verderblichen +Einflusse einer republikanischen Regierung und einer calvinistischen +Kirchenverfassung ausgesetzt waren, und kamen in ein Land, wo Niemand +die Autorität des Monarchen und die Lehren der wahren Kirche zu +bestreiten wagte. Die Soldaten würden dann bald alle politische und +religiöse Ketzerei wieder verlernen, ihr Landesfürst konnte zu jeder +Zeit binnen kurzer Frist über ihre Hülfe verfügen und sich unter allen +Umständen auf ihre Treue verlassen. + +Es wurden zwischen Whitehall und Versailles Unterhandlungen in dieser +Angelegenheit eröffnet. Ludwig hatte soviel Soldaten als er brauchte, +und wäre es auch anders gewesen, so würde er dennoch keine Lust gehabt +haben, englische Truppen in Dienst zu nehmen, da der englische Sold, so +niedrig er unsrer Generation erscheinen muß, doch viel höher war als der +französische. Auf der andren Seite aber hätte er Wilhelm sehr gern um +eine so schöne Brigade geschwächt. Nach einer mehrwöchentlichen +Correspondenz wurde Barillon zu der Erklärung ermächtigt, daß, wenn +Jakob die britischen Truppen aus Holland zurückriefe, Ludwig die +Unterhaltungskosten für zweitausend Mann in England übernehmen wolle. +Jakob nahm dieses Anerbieten mit dem wärmsten Danke an. In Folge des +getroffenen Arrangements ersuchte er die Generalstaaten um Rücksendung +der sechs Regimenter. Die Generalstaaten aber, welche Wilhelm ganz nach +seinem Willen leitete, antworteten, daß ein solches Verlangen unter den +obwaltenden Umständen durch die bestehenden Verträge nicht +gerechtfertigt werde, und weigerten sich entschieden, demselben zu +entsprechen. Es ist bemerkenswerth, daß Amsterdam, welches für +Zurückhaltung dieser Truppen in Holland gestimmt hatte, als Jakob ihrer +gegen die Insurgenten im Westen bedurfte, jetzt heftig für die Erfüllung +seines Verlangens stritt. In beiden Fällen beabsichtigten die Behörden +dieser großen Stadt nichts weiter, als dem Prinzen von Oranien zu +opponiren.[68] + + [Anmerkung 68: Sunderland an Wilhelm, 24. Aug. 1686; Wilhelm an + Sunderland, 2.(12.) Sept. 1686; Barillon, 6.(16.) Mai, 26. Mai (5. + Juni), 3.(13.) Oct., 28. Nov. (8. Dec.) 1687; Ludwig an Barillon, + 14.(24.) Oct. 1687; Memorial von Albeville, 15.(25.) Dec. 1687; + Jakob an Wilhelm, 17. Jan., 16. Feb., 2. u. 13. März 1688: Avaux, + 1.(11.), 6.(16.), 8.(18.) März, 22. März (1. April) 1688.] + + +[_Einfluß der holländischen Presse._] Die holländischen Waffen waren +jedoch für Jakob kaum so gefährlich als die holländische Presse. Fast +täglich erschienen im Haag englische Bücher und Flugschriften gegen die +Regierung, und keine Wachsamkeit konnte es verhindern, daß viele +Tausende von Exemplaren in die an der Nordsee gelegenen Grafschaften +eingeschmuggelt wurden. Unter diesen Schriften zeichnete sich besonders +eine durch ihre Wichtigkeit und durch den Eindruck, den sie machte, aus. +Jedermann, der mit den öffentlichen Angelegenheiten vertraut war, kannte +die Ansicht des Prinzen und der Prinzessin von Oranien in Betreff der +Indulgenz; da aber keine officielle Erklärung dieser Ansicht erschienen +war, so wurden Viele, denen gute Privatquellen nicht zugänglich waren, +durch die Zuversicht, mit der die Anhänger des Hofes behaupteten, daß +Ihre Hoheiten die letzten Maßregeln des Hofes billigten, getäuscht oder +verwirrt gemacht. Es würde ein sehr einfacher und naheliegender Weg +gewesen sein, diese Behauptungen öffentlich zu widerlegen, wenn Wilhelm +keinen andren Zweck gehabt hätte, als seinen Einfluß in England zu +befestigen. Allein er betrachtete England hauptsächlich als das zur +Ausführung seines großen europäischen Planes nöthige Werkzeug. Er hoffte +für diesen Plan die Mitwirkung der beiden Linien des Hauses Österreich, +der italienischen Fürsten und selbst des Papstes zu gewinnen, und er +hatte Grund zu der Befürchtung, daß jede die britischen Protestanten +befriedigende Erklärung in Madrid, Wien, Turin und Rom Besorgniß und +Unwillen erregen könnte. Deshalb enthielt sich der Prinz lange jeder +officiellen Äußerung seiner Gesinnungen. Endlich aber wurde er darauf +aufmerksam gemacht, daß sein beharrliches Stillschweigen unter den ihm +Wohlwollenden viel Besorgniß und Mißtrauen erweckt habe und daß es hohe +Zeit sei, sich offen auszusprechen. Er beschloß daher, sich zu erklären. + + +[_Stewart’s und Fagel’s Correspondenz._] Ein schottischer Whig, Namens +Jakob Stewart, war vor einigen Jahren nach Holland geflüchtet, um dem +spanischen Stiefel und dem Galgen zu entgehen, und er war mit dem +Großpensionär Fagel befreundet worden, der das Vertrauen und die Gunst +des Statthalters in hohem Grade besaß. Stewart war der Verfasser des +heftigen und gehässigen Manifestes von Argyle. Als die Indulgenz +erschien, erkannte Stewart, daß sich ihm die Gelegenheit darbot, nicht +nur Begnadigung, sondern noch obendrein eine Belohnung zu erlangen. Er +bot der Regierung, deren Feind er gewesen war, seine Dienste an, diese +wurden angenommen und er schrieb an Fagel einen Brief, zu dem er +angeblich von Jakob selbst beauftragt war. In diesem Briefe wurde der +Großpensionär dringend aufgefordert, seinen ganzen Einfluß bei dem +Prinzen und der Prinzessin aufzubieten, um sie zur Unterstützung der +Politik ihres Vaters zu bewegen. Nach einiger Zeit schickte Fagel eine +tief durchdachte und ausgezeichnet geschriebene Erwiederung ein. Wer +dieses interessante Dokument liest, muß bemerken, daß es zwar in einer +Weise abgefaßt ist, welche geeignet war, die englischen Protestanten zu +beruhigen und ihnen zu gefallen, dennoch aber kein Wort enthält, das +selbst dem Vatikan Anstoß hätte geben können. Es war darin gesagt, daß +Wilhelm und Marie mit Vergnügen zur Abschaffung jedes Gesetzes mitwirken +würden, welches über irgend einen Engländer seiner religiösen +Überzeugung wegen Strafe verhänge. Aber zwischen Strafen und +Ausschließungen war ein Unterschied gemacht. Katholiken zu Staatsämtern +zuzulassen, könne nach der Ansicht Ihrer Hoheiten weder im allgemeinen +Interesse Englands, noch im Interesse der Katholiken selbst liegen. +Dieses Manifest wurde in mehrere Sprachen übersetzt und war auf dem +Continent weit verbreitet. Von der durch Burnet besorgten englischen +Ausgabe wurden nahe an funfzigtausend Exemplare in die östlichen +Grafschaften eingeführt und rasch über das ganze Land verbreitet. +Nie hat eine Staatsschrift einen vollständigeren Erfolg gehabt. Die +Protestanten unsrer Insel priesen die männliche Entschiedenheit, mit der +Wilhelm erklärte, daß er es nicht gutheißen könne, die Papisten Antheil +an der Regierung nehmen zu lassen. Den katholischen Fürsten auf der +andren Seite gefiel der milde und gemäßigte Ton, in welchem diese +Erklärung gehalten war, sowie die ihnen eröffnete Aussicht, daß unter +seiner Regierung kein Mitglied ihrer Kirche um seines Glaubens willen +belästigt werden würde. + + +[_Castelmaine’s Gesandtschaft in Rom._] Es ist wahrscheinlich, daß der +Papst selbst einer von Denen war, die den berühmten Brief mit Vergnügen +lasen. Einige Monate zuvor hatte er Castelmaine auf eine Art entlassen, +welche wenig Rücksicht auf die Gesinnungen des Königs zeigte. Innocenz +war mit der ganzen inneren und äußeren Politik der englischen Regierung +durchaus nicht zufrieden. Er sah, daß die ungerechten und unklugen +Maßregeln der jesuitischen Cabale viel eher dazu beitrugen, das +Fortbestehen der Strafgesetze als die Abschaffung des Testes zu +bewirken. Sein Streit mit dem Hofe von Versailles wurde mit jedem Tage +ernsthafter, und er konnte weder als weltlicher Fürst, noch als +Oberhaupt der katholischen Kirche für einen Vasallen dieses Hofes eine +herzliche Freundschaft fühlen. Castelmaine war nicht geeignet, diesen +Widerwillen zu beseitigen. Er kannte zwar für einen Laien Rom ziemlich +gut und war auch in der theologischen Polemik gründlich bewandert,[69] +besaß aber durchaus nicht das Geschick, welches sein Posten erforderte, +und wenn er auch der talentvollste Diplomat gewesen wäre, so würde doch +ein Umstand ihn für die besondere Mission, mit der er betraut war, +untauglich gemacht haben. Er war in ganz Europa als der Gatte des +schamlosesten Weibes bekannt, und als weiter nichts. Man konnte +unmöglich mit ihm oder von ihm sprechen, ohne daran zu denken, wie er zu +dem Titel gekommen war, bei dem er genannt wurde. Dieser Umstand würde +wenig auf sich gehabt haben, wenn er an einem sittenlosen Hofe +accreditirt gewesen wäre, wie zum Beispiel bei dem, an welchem unlängst +die Herzogin von Montespan das Regiment geführt hatte. Aber es war +offenbar ein grober Mißgriff, ihn mit einem Auftrage mehr geistlichen +als weltlichen Characters an einen Papst von patriarchalischer +Sittenstrenge zu senden. Die Protestanten von ganz Europa spöttelten +darüber, und Innocenz, der ohnehin schon gegen die englische Regierung +eingenommen war, betrachtete die ihm mit so großer Gefahr und so großen +Kosten erzeigte Aufmerksamkeit als nicht viel besser denn eine +Beleidigung. Der Gehalt des Gesandten war auf hundert Pfund die Woche +festgesetzt. Castelmaine klagte, daß dies zu wenig sei und daß das +Dreifache dieses Betrags kaum ausreichen werde. Denn in Rom bemühten +sich die Gesandten aller großen Continentalmächte einander vor den Augen +eines Volks, das durch den beständigen Anblick prächtiger Gebäude, +Decorationen und Ceremonien verwöhnt war, im Glanz zu überbieten. Er +erklärte stets, daß er bei seiner Gesandtschaft Geld zusetzen müsse. Es +waren ihm mehrere junge Adelige aus den vornehmsten katholischen +Familien Englands, wie die Ratcliffe, die Arundell und Tichborne, +beigegeben, und er bewohnte in Rom den Palast der Familie Pamfili an dem +prächtigen Navonaplatze. Eine Privatunterredung mit Innocenz wurde ihm +bald bewilligt, die officielle Audienz aber wurde lange hinausgeschoben. +Castelmaine’s Vorbereitungen zu diesem wichtigen Acte waren so +prachtvoll, daß sie, obgleich schon zu Ostern 1686 begonnen, im +darauffolgenden November noch nicht beendigt waren, und im November +bekam der Papst einen wirklichen oder angeblichen Gichtanfall, der einen +weiteren Aufschub verursachte. Im Januar 1687 endlich fand die +feierliche Vorstellung und Aufwartung mit ungewöhnlichem Pompe statt. +Die Staatswagen, welche zu der Auffahrt in Rom gebaut wurden, waren so +prächtig, daß man sie für werth hielt, der Nachwelt in schönen +Abbildungen überliefert und von Dichtern in mehreren Sprachen besungen +zu werden.[70] Die Façade des Gesandtschaftspalastes wurde an diesem +hochwichtigen Tage mit geschmacklosen allegorischen Gemälden von +riesenhafter Größe decorirt. Man sah hier den heiligen Georg mit dem +Fuße auf dem Nacken des Titus Oates, und Herkules, wie er mit seiner +Keule den protestantischen Tischler College zu Boden schlägt, der sich +vergebens mit seinem Flegel zu vertheidigen sucht. Nach dieser +öffentlichen Schaustellung lud Castelmaine alle damals in Rom anwesenden +Notabilitäten zu einem Bankett in dem freundlichen und prächtigen Saale +ein, den Peter von Cortona mit Gemälden von Scenen aus der Aeneide +geschmückt hat. Die ganze Stadt drängte sich zu dem Schauspiele und nur +mit Mühe konnte eine Compagnie der Schweizergarde die Ordnung unter den +Zuschauern aufrechterhalten. Die Kavaliere des päpstlichen Hofstaates +gaben hierauf ihrerseits dem Gesandten glänzende Gastmähler, und Dichter +und Literaten überhäuften seinen Gebieter mit abgeschmackten und +hyperbolischen Schmeicheleien, wie sie da am meisten floriren, wo Genie +und Geschmack am tiefsten gesunken sind. An der Spitze der Schmeichler +stand ein gekröntes Haupt. Mehr als dreißig Jahre waren verflossen, seit +Christine, die Tochter des großen Gustav Adolph, freiwillig vom +schwedischen Throne herabgestieqen war. Nach langen Wanderungen, während +denen sie viele Thorheiten und Verbrechen begangen, hatte sie endlich in +Rom ihren bleibenden Aufenthalt genommen, wo sie sich mit astrologischen +Berechnungen und mit den Intriguen des Conclave beschäftigte und sich +nebenbei mit Gemälden, Gemmen, Handschriften und Münzen die Zeit +vertrieb. Jetzt dichtete sie einige italienische Stanzen zu Ehren des +englischen Fürsten, der, wie sie selbst, einem Geschlecht von Königen +entsprossen, welche zu ihrer Zeit als die Vorkämpfer der Reformation +betrachtet wurden, sich, gleich ihr, mit der alten Kirche wieder +ausgesöhnt hatte. Sie gab eine glänzende Gesellschaft in ihrem Palaste. +Ihre in Musik gesetzten Verse wurden unter allgemeinem Beifalle +vorgetragen und einer ihrer literarischen Günstlinge hielt über +denselben Gegenstand eine Rede in so blühendem Style, daß er den +Geschmack der englischen Zuhörer beleidigt zu haben scheint. Die dem +Papste feindlich gesinnten, den Interessen Frankreichs ergebenen +Jesuiten, denen jede Gelegenheit, Jakob Ehre zu erzeigen, willkommen +war, empfingen den englischen Gesandten mit möglichstem Gepränge in dem +fürstlichen Hause, wo die Überreste des Ignatius Loyola in einem Schrein +von Lasurstein und Gold aufbewahrt werden. Bildhauerkunst, Malerei, +Poesie und Beredtsamkeit wurden aufgeboten, um den Fremden zu +bewillkommnen; aber alle diese Künste lagen tief im Argen. Es wurde viel +schwülstige und unedle Latinität entfaltet, die eines so gelehrten +Ordens unwürdig war, und einige von den die Wände zierenden Inschriften +zeigten noch schlimmere Fehler als schlechten Styl. An einer Stelle war +gesagt, daß Jakob seinen Bruder als Boten zum Himmel gesandt habe, an +einer andren, daß Jakob die Schwingen geliefert, welche seinen Bruder in +eine höhere Region emporgetragen. Außerdem gab es ein noch viel +unglücklicheres Distichon, welches damals wenig beachtet wurde, dessen +man aber einige Monate später mit boshaften Auslegungen gedachte. +„O König,“ sagte der Dichter, „seufze nicht länger nach einem Sohne. Mag +auch die Natur Deinen Wunsch nicht erfüllen, die Sterne werden Mittel +finden, um ihn zu befriedigen.“ + +Inmitten dieser Festlichkeiten erfuhr Castelmaine schwere Kränkungen und +Demüthigungen. Der Papst behandelte ihn mit äußerster Kälte und +Zurückhaltung. So oft der Gesandte ihn um eine Antwort auf das zu +Gunsten Petre’s gestellte Anliegen bat, bekam Innocenz einen heftigen +Hustenanfall, der dem Gespräch ein Ende machte. Ganz Rom unterhielt sich +von diesen sonderbaren Audienzen. Pasquino schwieg nicht und die ganze +neugierige und geschwätzige Bevölkerung der müßigsten aller Städte, mit +alleiniger Ausnahme der Jesuiten und der Prälaten der französischen +Faction, lachte über Castelmaine’s verunglückte Mission. Sein von Natur +unfreundlicher Character wurde bald auf’s Heftigste erbittert und er +verbreitete eine Denkschrift mit Betrachtungen über den Papst. Dadurch +gerieth er in eine schiefe Stellung, der kluge Italiener hatte einen +Vortheil gewonnen und er ließ sich denselben nicht wieder entreißen. Er +erklärte gerade heraus, die Regel, welche die Jesuiten von kirchlichen +Würden ausschließe, dürfe zu Gunsten Petre’s nicht übertreten werden. +Der immer mehr gereizte Castelmaine drohte jetzt Rom zu verlassen. +Innocenz erwiederte ihm mit sanfter Impertinenz, die um so kränkender +war, weil sie sich kaum von treuherziger Einfalt unterscheiden ließ. +Seine Excellenz könne gehen, wenn es ihm beliebe. „Wenn wir ihn aber +verlieren müssen,“ setzte der ehrwürdige Pontifex hinzu, „so hoffe ich +wenigstens, daß er unterwegs seine Gesundheit schonen wird. Ein +Engländer weiß nicht, wie gefährlich es ist, hier zu Lande während der +Tageshitze zu reisen. Man thut am besten, wenn man vor Tagesanbruch +aufbricht und zu Mittag Rast macht.“ Mit diesem wohlmeinenden Rathe und +einem Rosenkranze wurde der unglückliche Gesandte entlassen. Wenige +Monate darauf erschien eine pomphafte Geschichte seiner Sendung in einer +prachtvollen Folioausgabe mit Kupferstichen in italienischer und +englischer Sprache. Das Titelkupfer zeigte zum großen Ärgerniß aller +Protestanten Castelmaine in der Peersrobe und mit der Adelskrone in der +Hand, wie er Innocenz den Fuß küßt.[71] + + [Anmerkung 69: Adda, 9.(19.) Nov. 1685.] + + [Anmerkung 70: Der Professor der griechischen Sprache am Kollegium + +De Propaganda Fide+ machte seiner Bewunderung in einigen + abscheulichen Hexametern und Pentametern Luft, von denen folgende + Probe genügen mag: + + Ρωγερίου δὴ σκεψόμενος λαμπροῖο θρίαμβον, + Ὦκα μάλ’ ἤϊσσεν καὶ θέεν ὄχλος ἅπας· + Θαυμάζουσα δὲ τὴν πομπὴν, παγχρύσεά τ’ αὐτοῦ + Ἅρματα, τοὺς θ’ ἵππους, τοίαδε Ῥώμη ἔψη. + + Die lateinischen Verse sind etwas besser. Nahum Tate stimmte auf + Englisch ein: + + Um etwas von dem Prachtzug zu erspähen, + Wie selbst in Rom noch Niemand ihn gesehen, + Drängt Alt und Jung sich nach der Thürme Zinnen + Und über jede Wange Freudenthränen rinnen.] + + [Anmerkung 71: Correspondenz Jakob’s und Innocenz’ im Britischen + Museum; +Burnet, I. 703--705+; +Welwood’s Memoirs+; +Commons’ + Journals, Oct. 28. 1689+; +An Account of his Excellency Roger Earl + of Castelmaine’s Embassy, by Michael Wright, chief steward of his + Excellency’s house at Rome, 1688.+] + + + * * * * * + * * * * + + + Achtes Kapitel. + + Jakob II. + + + + + =Inhalt.= + + Seite + Consecration des Nuntius im St. Jamespalaste 5 + Sein officieller Empfang. -- Der Herzog von Somerset 5 + Auflösung des Parlaments 6 + Gesetzwidrige Bestrafung militairischer Vergehen 7 + Verfahren der Hohen Commission 8 + Die Universitäten 9 + Verfahren gegen die Universität Cambridge 10 + Der Earl von Mulgrave 11 + Zustand Oxford’s 13 + Das Magdalenen-Collegium in Oxford 15 + Anton Farmer, vom Könige als Präsident empfohlen 17 + Wahl des Präsidenten 18 + Die Mitglieder des Magdalenen-Collegiums werden vor die + Hohe Commission geladen 18 + Parker zum Präsidenten empfohlen 19 + Die Karthause 19 + Rundreise des Königs 20 + Der König in Oxford 21 + Er giebt den Collegiaten des Magdalenenstifts einen Verweis 22 + Penn sucht zu vermitteln 22 + Eine kirchliche Specialcommission wird nach Oxford gesandt 24 + Hough’s Protest 24 + Einsetzung Parker’s 25 + Vertreibung der Collegiaten 26 + Das Magdalenen-Collegium in ein papistisches Seminar + verwandelt 27 + Groll der Geistlichkeit 28 + Pläne der jesuitischen Cabale in Bezug auf die Thronfolge 29 + Jakob’s und Tyrconnel’s Plan, die Prinzessin von Oranien + von der Erbfolge im Königreich Irland auszuschließen 30 + Schwangerschaft der Königin 31 + Allgemeiner Zweifel 31 + Stimmung der Wahlkörper und der Peers 33 + Jakob beschließt, ein bestochenes Parlament zusammenzusetzen 34 + Die Regulatoren 36 + Entlassung vieler Lordlieutenants 36 + Der Earl von Oxford 36 + Der Earl von Shrewsbury 37 + Der Earl von Dorset 38 + An die Obrigkeiten gerichtete Fragen, und Antworten darauf 41 + Scheitern der Pläne des Königs 42 + Liste der Sheriffs 45 + Character der katholischen Landgentlemen 45 + Stimmung der Dissenters 47 + Regulirung der Corporationen 47 + Untersuchung in allen öffentlichen Verwaltungszweigen 50 + Entlassung Sawyer’s 51 + Williams Generalprokurator 52 + Zweite Indulgenzerklärung 53 + Die Geistlichkeit erhält Befehl, sie von der Kanzel + zu verlesen 53 + Die Geistlichkeit ist unschlüssig 54 + Patriotismus der protestantischen Nonconformisten Londons 54 + Berathung der londoner Geistlichkeit 55 + Berathung im Palast zu Lambeth 57 + Die Petition der sieben Bischöfe dem Könige überreicht 57 + Die londoner Geistlichkeit gehorcht dem königlichen + Befehle nicht 60 + Unschlüssigkeit der Regierung 61 + Es wird eine gerichtliche Verfolgung der Bischöfe wegen + Libells beschlossen 63 + Sie werden im Geheimen Rathe verhört 63 + Geburt des Prätendenten 65 + Man hält ihn allgemein für untergeschoben 65 + Die Bischöfe werden vor die Kings Bench gestellt und + müssen Bürgschaft leisten 69 + Aufregung der Gemüther 70 + Sunderland’s Angst 71 + Er erklärt sich für einen Katholiken 72 + Prozeß der Bischöfe 72 + Das Verdict der Geschwornen; Freude des Volks 80 + Eigenthümlicher Zustand der öffentlichen Meinung + zu jener Zeit 84 + + + + +[_Consecration des Nuntius im St. Jamespalaste._] Die auffallende +Unhöflichkeit des Papstes hätte wohl den sanftmüthigsten Fürsten reizen +müssen. Auf Jakob aber machte sie keinen andren Eindruck, als daß er mit +Schmeicheleien und Komplimenten noch verschwenderischer wurde. Während +Castelmaine, das Herz von Zorn und Unwillen erfüllt, auf der Rückreise +nach England begriffen war, wurde der Nuntius mit Ehrenbezeigungen +überhäuft, die sein eigner Verstand verwerfen mußte. Er war in Folge +einer bei der römischen Kirche häufig in Anwendung kommenden Fiction +unlängst zur Bischofswürde ohne Bischofssitz erhoben worden. Jetzt wurde +er zum Erzbischof von Amasia, einer Stadt am Pontus, dem Geburtsorte +Strabo’s und Mithridates’, erhoben. Jakob bestand darauf, daß die +Ceremonie der Consecration in der Kapelle des St. Jamespalastes +stattfinden sollte. Der apostolische Vikar Leyburn und zwei irische +Prälaten versahen den Dienst. Die Thüren wurden dem Publikum geöffnet +und man bemerkte unter den Zuschauern einige von den Puritanern, die +sich neuerdings dem Hofe angeschlossen hatten. Am Abend erschien Adda in +seiner neuen Amtstracht im Gesellschaftszirkel der Königin. Jakob fiel +angesichts des ganzen Hofes auf die Knie und bat um seinen Segen. Trotz +aller Vorschriften der Etikette konnten die Umstehenden ihr Erstaunen +und ihren Widerwillen nicht unterdrücken.[1] Es hatte in der That seit +langer Zeit kein englischer Souverain vor einem Sterblichen gekniet und +wer das sonderbare Schauspiel mit ansah, erinnerte sich unwillkürlich +des schmachvollen Tages, an welchem Johann sich seine Krone von Pandolph +aufs Haupt setzen ließ. + + [Anmerkung 1: Barillon, 2.(12.) Mai 1687.] + + +[_Sein officieller Empfang. -- Der Herzog von Somerset._] Bald darauf +fand eine noch prächtigere Schaustellung zu Ehren des Heiligen Stuhles +statt. Es wurde beschlossen, daß der Nuntius sich in feierlicher +Prozession an den Hof begeben sollte. Bei dieser Gelegenheit zeigten +mehrere Personen, auf deren Gehorsam der König gerechnet hatte, zum +ersten Male eine Neigung zur Widersetzlichkeit. Der Hervorragendste +unter ihnen war der zweite Peer des Königreichs, Karl Seymour, +gewöhnlich der stolze Herzog von Somerset genannt. Er war in der That +ein Mann, bei dem Geburts- und Rangstolz fast zu einer krankhaften Manie +geworden war. Sein ererbtes Vermögen war der hohen Stelle, die er unter +dem englischen Adel einnahm, nicht angemessen; aber durch seine +Vermählung mit der Tochter und Erbin des letzten Percy, der die alte +Krone von Northumberland trug, war er in den Besitz des größten +Vermögens in England gelangt. Somerset war erst fünfundzwanzig Jahre alt +und im Publikum noch wenig bekannt. Er war Kammerherr des Königs und +Oberst eines der Regimenter, welche zur Zeit des Aufstandes im Westen +neu errichtet worden waren. Er hatte kein Bedenken dagegen erhoben, bei +feierlichen Gelegenheiten das Staatsschwert in die königliche Kapelle zu +tragen; diesmal aber weigerte er sich entschieden, an dem Festzuge zu +Ehren des Nuntius Theil zu nehmen. Einige Mitglieder seiner Familie +baten ihn dringend, sich das königliche Mißfallen nicht zuzuziehen; aber +ihr Bitten war fruchtlos. Der König setzte ihn nun selbst zur Rede. „Ich +hätte geglaubt, Mylord,“ sagte er, „daß ich Ihnen eine große Ehre +erzeigte, indem ich Sie dazu ausersah, den Gesandten des ersten aller +gekrönten Häupter zu begleiten.“ -- „Sire,“ entgegnete der Herzog, „ich +bin darauf aufmerksam gemacht worden, daß ich Eurer Majestät nicht +gehorchen kann, ohne das Gesetz zu verletzen.“ -- „Ich will Sie lehren, +mich ebenso zu achten wie das Gesetz,“ erwiederte der König in +hochfahrendem Tone. „Wissen Sie noch nicht, daß ich über dem Gesetz +stehe?“ -- „Eure Majestät mögen über dem Gesetz stehen, ich aber nicht, +und wenn ich dem Gesetz gehorche, fürchte ich nichts.“ Der König +entfernte sich höchlich erzürnt und Somerset wurde augenblicklich seiner +Stellen im Hofstaate und in der Armee entsetzt.[2] + +In einem Punkte zeigte jedoch der König einige Klugheit. Er wagte es +nicht, den päpstlichen Gesandten in feierlichem Aufzuge der ganzen +Bevölkerung der Hauptstadt vorzuführen. Die Ceremonie fand am 3. Juli +1687 in Windsor statt. Eine große Menschenmenge strömte nach dem +Städtchen. Der Schaulustigen waren so viele, daß sie weder Speise und +Trank noch ein Unterkommen fanden und eine Menge vornehmer Leute den +ganzen Tag in ihrem Wagen zubringen mußten, um das Schauspiel mit +anzusehen. Spät am Nachmittag endlich erschienen die Leute des +Hofmarschalls zu Pferde. Hierauf folgte ein langer Zug von Läufern und +dann in einem königlichen Staatswagen Adda im Purpurmantel und mit einem +Brillantenkreuze auf der Brust. Hinter ihm fuhren die Equipagen der +vornehmsten Hofkavaliere und der Staatsminister. Mit großem Mißfallen +bemerkte das Volk in dem Zuge die Wappen und Livreen Crewe’s, Bischofs +von Durham, und Cartwright’s, Bischofs von Chester.[3] + + [Anmerkung 2: +Memoirs of the Duke of Somerset+; Citters, 5.(15.) + Juli 1687; +Eachard’s History of the Revolution+; +Clarke’s Life + of James the Second, II. 116, 117, 118+; +Lord Lonsdale’s + Memoirs.+] + + [Anmerkung 3: +London Gazette, July 7. 1687+; Citters, 7.(17.) + Juli; Bericht über die Ceremonie in den Somers’schen Schriften.] + + +[_Auflösung des Parlaments._] Am folgenden Tage erschien in der Gazette +eine Proklamation, welche das Parlament auflöste, das von allen durch +die Stuarts einberufenen Parlamenten das fügsamste gewesen war.[4] + +Mittlerweile hatten sich neue Schwierigkeiten in Westminsterhall +gezeigt. Erst vor wenigen Monaten waren mehrere Richter entlassen und +andere an deren Stelle gesetzt worden, um in dem Prozesse gegen Sir +Eduard Hales ein Erkenntniß zu Gunsten der Krone zu erlangen, und schon +waren neue Änderungen nöthig. + + [Anmerkung 4: +London Gazette, July, 4. 1687.+] + + +[_Gesetzwidrige Bestrafung militairischer Vergehen._] Der König hatte +kaum die Armee gebildet, auf die er zur Ausführung seiner Pläne +namentlich rechnete, so erkannte er auch schon, daß er sie selbst nicht +regieren konnte. Wenn ein Krieg im Lande wüthete, so konnte ein Meuterer +oder Deserteur vor ein Kriegsgericht gestellt und das Urtel durch den +Generalprofoß vollzogen werden. Aber man war jetzt im tiefsten Frieden. +Das englische Landrecht, das aus einem Zeitalter herrührte, wo +erforderlichenfalls Jedermann, Niemand aber beständig die Waffen trug, +machte in Friedenszeiten keinen Unterschied zwischen einem Soldaten und +jedem andren Unterthan, und es gab kein Gesetz ähnlich dem, durch +welches heutzutage dem Souverain alljährlich die zum Oberbefehl über die +reguläre Truppenmacht nöthige Autorität verliehen wird. Zwar erklärten +einige alte Verordnungen die Desertion in gewissen angeführten Fällen +für Felonie; aber diese Verordnungen galten nur für die Soldaten, welche +dem Könige im wirklichen Kriege dienten und konnten nicht ohne die +arglistigste Willkür so weit ausgedehnt werden, daß sie auch auf einen +Mann Anwendung fanden, der in einer Zeit der vollständigsten inneren und +äußeren Ruhe des Lagers von Hounslow überdrüssig wurde und daher in sein +heimathliches Dorf zurückkehrte. Die Regierung hatte offenbar über einen +solchen Mann keine andre Macht, als die, welche ein Bäcker- oder +Schneidermeister über seine Gesellen hat. Er und seine Offiziere standen +vor dem Gesetz auf gleicher Stufe. Fluchte er gegen sie, so konnte er +wegen Schwörens mit einer Geldstrafe belegt werden; schlug er sie, so +konnte er wegen thätlicher Mißhandlung verklagt werden. Das stehende +Heer stand factisch unter einer milderen Disciplin als die Miliz, denn +die Miliz war durch eine Parlamentsacte errichtet worden, in welcher +zugleich bestimmt war, daß Disciplinarvergehen summarisch mit leichten +Strafen geahndet werden könnten. + +Es scheint nicht, daß die aus diesem Zustande des Gesetzes +entspringenden praktischen Nachtheile sich unter der Regierung Karl’s +II. sehr fühlbar gemacht hatten, was sich vielleicht dadurch erklären +läßt, weil bis zum letzten Jahre seiner Regierung die Streitmacht, die +er in England unterhielt, hauptsächlich aus Haustruppen bestand, welche +einen so hohen Sold bekamen, daß die Entlassung aus dem Dienste von den +Meisten sehr schmerzlich empfunden worden wäre. Eine Anstellung als +Gemeiner in der Leibgarde war für den jüngeren Sohn eines Gentleman eine +gute Versorgung; selbst die Fußgarden wurden so gut bezahlt als +Fabrikarbeiter unter besonders günstigen Verhältnissen, und sie befanden +sich daher in einer Lage, um die sie die große Masse der arbeitenden +Bevölkerung wohl beneiden konnte. Die Rückkehr der Garnison von Tanger +und die Errichtung der neuen Regimenter hatte eine große Veränderung +herbeigeführt. Es gab jetzt in England viele Tausend Soldaten, welche +nur acht Pence den Tag erhielten. Die Furcht vor der Verabschiedung war +nicht mehr hinreichend, um sie der Dienstpflicht treu zu erhalten, und +körperliche Strafen durften die Offiziere gesetzlich nicht zuerkennen. +Jakob hatte daher nur die Wahl, entweder die Armee ihrer Auflösung +entgegengehen zu lassen oder die Richter zu der Erklärung zu bewegen, +daß das Gesetz das sei, was es, wie jeder Student wußte, nicht war. + +Es war besonders wichtig, die Mitwirkung zweier Gerichtshöfe zu +gewinnen: der Kings Bench, welche der erste Criminalgerichtshof des +Landes war, und des Gerichtshofs für Leerung der Gefängnisse, der in der +Old Bailey saß und über die in der Hauptstadt begangenen Vergehen +abzuurtheilen hatte. In beiden Gerichtshöfen aber stieß man auf große +Schwierigkeiten. Herbert, der Oberrichter der Kings Bench, wollte trotz +aller bis dahin bewiesenen Servilität nicht weiter gehen. Ein noch +entschiedenerer Widerstand war von Sir Johann Holt zu erwarten, der als +Syndikus der City von London auf der Bank der Old Bailey saß. Holt war +ein ausgezeichnet gelehrter und aufgeklärter Jurist, dabei ein +rechtschaffener und muthiger Mann und seine politische Meinung hatte +eine whiggistische Färbung, obgleich er sich von allem Parteitreiben +stets fern hielt. Dem Willen des Königs mußten jedoch alle Hindernisse +weichen. Holt wurde seines Syndikats entsetzt. Herbert und ein andrer +Richter von der Kings Bench entfernt, und die erledigten Stellen mit +Männern besetzt, auf die sich die Regierung verlassen konnte. Allerdings +mußte man in ziemlich niedere juristische Regionen hinabsteigen, ehe man +Leute fand, welche zu Dienstleistungen, wie man sie jetzt brauchte, +bereit waren. Der neue Oberrichter, Sir Robert Wright, war +sprichwörtlich ein Ignorant, und die Unwissenheit war noch nicht sein +ärgster Fehler. Seine Laster hatten ihn zu Grunde gerichtet. Um sich +Geld zu verschaffen, hatte er zu unredlichen Mitteln seine Zuflucht +genommen und einmal einen falschen Eid abgelegt, um in den Besitz von +fünfhundert Pfund zu gelangen. Arm, ausschweifend und schamlos war er +einer von den Schmarotzern Jeffreys’ geworden, der ihn beförderte und +verächtlich behandelte. Dies war der Mann, den Jakob zum Lord +Oberrichter von England erkor. Ein gewisser Allibone, der in der +Rechtskunde noch unwissender war als Wright und als Katholik eigentlich +gar nicht fähig war, ein öffentliches Amt zu bekleiden, wurde zum +Unterrichter der Kings Bench ernannt. Sir Bartholomäus Shower, als +serviler Tory und langweiliger Redner gleich bekannt, wurde Syndikus von +London. Nachdem diese Veränderungen bewirkt waren, wurden mehrere +Deserteurs zur Untersuchung gezogen und dem Wortlaute und dem Geiste des +Gesetzes zum Hohn für schuldig befunden. Einige von ihnen vernahmen ihr +Todesurtheil vor den Schranken der Kings Bench, Andere vor den Schranken +der Old Bailey. Sie wurden vor den Augen der Regimenter, denen sie +angehört hatten, gehängt und dafür Sorge getragen, daß diese +Hinrichtungen durch die London Gazette, welche derartige Vorgänge nur +selten berichtete, zur Öffentlichkeit gelangten.[5] + + [Anmerkung 5: Siehe +Statutes 18 Henry 6. c. 19; 2 & 3 Ed. 6. c. + 2.+; +Eachard’s History of the Revolution+; +Kennet, III. 468+; + +North’s Life of Guildford, 247.+; + London Gazette, April 18. & + May 23. 1687+; +Vindication of the E. of R. (Earl of Rochester.)+] + + +[_Verfahren der Hohen Commission._] Man kann wohl denken, daß das +Gesetz, das so gröblich von denjenigen Gerichtshöfen verletzt wurde, +deren ganze Autorität sich auf dasselbe gründete und die es als +Richtschnur zu betrachten pflegten, von einem durch tyrannische Willkür +errichteten Tribunale eben so wenig geachtet wurde. Während der ersten +Monate ihres Bestehens hatte die neue Hohe Commission Geistlichen nur +die Ausübung ihrer Amtshandlungen verboten; die Eigenthumsrechte waren +noch unangetastet geblieben. Zu Anfang des Jahres 1687 aber beschloß man +auch gegen die Pfründeneinkünfte einen Schlag zu führen und jedem +anglikanischen Priester und Prälaten die Überzeugung beizubringen, daß, +wenn er seine Beihülfe zur Vernichtung der Kirche, deren Diener er war, +verweigerte, er in einer Stunde zum Bettler gemacht werden würde. + + +[_Die Universitäten._] Es würde der Klugheit angemessen gewesen sein, +das erste Exempel an einem unbekannten Individuum zu statuiren. Die +Regierung aber war in einer so unseligen Verblendung befangen, daß man +dieselbe in einem naiveren Zeitalter als eine göttliche Strafe +betrachtet haben würde. Es wurde daher ohne weiteres gleich von Anfang +an den beiden ehrwürdigsten Korporationen des Reichs, den Universitäten +Oxford und Cambridge, der Krieg erklärt. + +Die Macht dieser beiden Körperschaften war schon seit vielen +Jahrhunderten groß; in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts +aber hatte sie ihren Höhepunkt erreicht. Kein Nachbarland konnte sich so +glänzender und reicher Sitze der Wissenschaft rühmen. Die Hochschulen +von Edinburg und Glasgow, von Leyden und Utrecht, von Löwen und Leipzig, +von Padua und Bologna kamen Gelehrten, welche in den prächtigen +Stiftungen Wykeham’s und Wolsey’s, Heinrich’s VI. und Heinrich’s VIII. +gebildet waren, ärmlich vor. Literatur und Wissenschaft waren in dem +akademischen Systeme Englands mit Gepränge umgeben, mit obrigkeitlicher +Gewalt bekleidet und mit den vornehmsten Institutionen des Landes eng +verbunden. Kanzler einer Universität zu werden, war eine Auszeichnung, +nach der die Magnaten des Reichs eifrig strebten; eine Universität im +Parlament zu vertreten, war das Lieblingsziel des Ehrgeizes von +Staatsmännern. Edelleute und selbst Fürsten waren stolz darauf, wenn +eine Universität ihnen das Recht verlieh, den Scharlach der Doctorwürde +zu tragen. Die Neugierigen wurden von den Universitäten angezogen durch +alte, mit mittelalterlichen Verzierungen reich ausgestattete Gebäude, +durch neuere Gebäude, welche glänzendes Zeugniß von dem künstlerischen +Genie eines Jones und Wren gaben, durch imposante Hallen und Kapellen, +durch Museen, durch botanische Gärten und durch die einzigen +öffentlichen Bibliotheken, welche das Königreich damals besaß. Der +Prunk, den namentlich Oxford bei feierlichen Gelegenheiten entfaltete, +wetteiferte mit dem souverainer Fürsten. Wenn der Kanzler, der +ehrwürdige Herzog von Ormond, in seinem geflickten Mantel auf seinem +Throne unter der gemalten Decke der Sheldon’schen Tribüne saß, umgeben +von vielen hundert Graduirten in der ihrem verschiedenen Range +entsprechenden Kleidung, während die vornehmsten Jünglinge Englands ihm +als Bewerber um akademische Ehren feierlich vorgeführt wurden, spielte +er eine kaum minder königliche Figur als sein Gebieter im Bankethause zu +Whitehall. Auf den Universitäten waren fast alle ausgezeichneten +Geistlichen, Rechtsgelehrten, Ärzte, Schriftsteller, Dichter und Redner +des Landes und zum großen Theil auch der hohe Adel und die reiche Gentry +gebildet. Auch ist zu bemerken, daß die Verbindung zwischen dem Schüler +und der Schule durch seinen Abgang nicht aufgelöst wurde. Er blieb oft +während seines ganzen Lebens Mitglied des akademischen Körpers und +behielt bei allen wichtigen Wahlen eine Stimme. Er hing daher an seinem +alten Lieblingsaufenthalte am Cam und Isis mit weit größerer Zuneigung, +als gebildete Leute sie in der Regel zu ihren Bildungsstätten empfinden. +Es gab in England keinen Winkel, wo nicht beide Universitäten dankbare +und treuergebene Söhne gehabt hätten. Jeder Angriff auf die Ehre oder +die Interessen von Cambridge oder Oxford mußte nothwendig den Unwillen +einer mächtigen, thätigen und intelligenten Klasse erregen, die über +alle Grafschaften, von Northumberland bis Cornwall, zerstreut war. + +Die seßhaften Graduirten waren vielleicht im Ganzen genommen den +seßhaften Graduirten unsrer Zeit nicht überlegen, aber im Vergleich zu +den anderen Gesellschaftskreisen standen sie damals auf einer viel +höheren Stufe; denn Cambridge und Oxford waren die beiden einzigen +Provinzialstädte im ganzen Königreiche, wo man eine bedeutende Anzahl +hochgebildeter Männer fand. Selbst die Hauptstadt hatte große Achtung +vor der Autorität der Universitäten, nicht nur in Fragen der Theologie, +der Naturwissenschaften und des klassischen Alterthums, sondern auch in +solchen Angelegenheiten, in denen die Hauptstädte in der Regel für die +höchsten Instanzen gelten wollen. Von Will’s Kaffeehaus und dem Parterre +des Drurylanetheaters appellirte man noch an die beiden großen +Nationalsitze des Geschmacks und der Gelehrsamkeit. Schauspiele, die in +London mit enthusiastischem Beifalle aufgenommen worden waren, galten +erst dann für außer Gefahr, wenn sie die strenge Prüfung eines mit +Sophokles und Terenz vertrauten Zuhörerkreises bestanden hatten.[6] + +Die englischen Universitäten hatten ihren großen moralischen und +intellectuellen Einfluß energisch zu Gunsten der Krone angewendet. Das +Hauptquartier Karl’s I. war in Oxford gewesen und die silbernen Krüge +und Teller sämmtlicher Collegien waren zur Unterstützung seiner +Kriegskasse eingeschmolzen worden. Cambridge war nicht weniger loyal +gesinnt. Es hatte ebenfalls einen großen Theil seines Silbergeräths in’s +königliche Lager gesandt, und der Rest würde auch nachgefolgt sein, wäre +die Stadt nicht von den Parlamentstruppen genommen worden. Beide +Universitäten waren von den siegreichen Puritanern mit der äußersten +Strenge behandelt worden, beide hatten die Restauration mit Freuden +begrüßt, beide hatten sich der Ausschließungsbill standhaft widersetzt +und ihren tiefsten Abscheu über das Ryehousecomplot ausgesprochen. +Cambridge hatte nicht nur seinen Kanzler Monmouth abgesetzt, sondern +seinen Unwillen über den Verrath des Herzogs sogar in einer eines Sitzes +der Gelehrsamkeit unwürdigen Weise zu erkennen gegeben, indem es die +Leinwand, auf der Kneller seine einnehmende Physiognomie und Gestalt mit +künstlerischer Vollendung dargestellt hatte, den Flammen übergab.[7] +Oxford, das dem Herde des westlichen Aufstandes näher lag, hatte noch +stärkere Beweise von Loyalität gegeben. Die Studenten hatten mit +Bewilligung ihrer Professoren zu Hunderten die Waffen zur Vertheidigung +der erblichen Thronrechte ergriffen. Und diese Körperschaften beschloß +Jakob jetzt in offenem Widerspruch mit den Gesetzen und mit seinem +verpfändeten Worte zu beschimpfen und zu berauben. + + [Anmerkung 6: Dryden’s Prologe und Cibber’s Memoiren enthalten + zahlreiche Beweise von dem Ansehen, welches der Geschmack der + Oxforder bei den gefeiertsten Dichtern und Schauspielern genoß.] + + [Anmerkung 7: Siehe das Gedicht: +Advice to the Painter upon the + Defeat of the Rebels in the West+, sowie noch ein andres ganz + abscheuliches Gedicht über den nämlichen Gegenstand von Stepney, + welcher damals am Trinity-Collegium studirte.] + + +[_Verfahren gegen die Universität Cambridge._] Mehrere Parlamentsacte, +die so klar waren als nur irgend eine Verordnung des Gesetzbuches, +hatten vorgeschrieben, daß auf beiden Universitäten Niemand zu irgend +einem Grade zugelassen werden sollte, ohne den Suprematseid und einen +andren ähnlichen Eid, der Gehorsamseid genannt, abgelegt zu haben. +Dessenungeachtet wurde im Februar 1687 ein königliches Schreiben nach +Cambridge gesandt, worin die Aufnahme eines Benedictinermönches, Namens +Alban Francis, als Magister der freien Künste anbefohlen wurde. + +Die akademischen Würdenträger, zwischen der Ehrerbietung gegen den König +und der Achtung vor dem Gesetz schwankend, waren in großer Verlegenheit. +Es wurden in aller Eile Boten an den Herzog von Albemarle gesandt, der +Monmouth’s Nachfolger als Kanzler der Universität war, und er wurde +dringend ersucht, dem Könige die Sache in geeigneter Weise vorzustellen. +Unterdessen begaben sich der Registrator und die Pedelle zu Francis und +erklärten ihm, daß er sogleich aufgenommen werden solle, wenn er die +gesetzlich vorgeschriebenen Eide leiste. Er weigerte sich dessen, machte +den Beamten Vorwürfe wegen ihrer Nichtachtung des königlichen Befehls, +und da sie nicht nachgaben, reiste er auf der Stelle wieder ab, um sich +in Whitehall zu beschweren. + +Die Vorsteher der Collegien versammelten sich zu einer Berathung. Die +Gutachten der ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten wurden abgehört und sie +sprachen sich entschieden zu Gunsten des beobachteten Verfahrens aus. +Aber schon war ein zweites hochmüthiges und drohendes Schreiben von +Sunderland unterwegs. Albemarle antwortete der Universität unter vielen +Versicherungen seiner Theilnahme und seines Bedauerns, daß er alles +Mögliche gethan habe, aber vom Könige sehr kalt und unfreundlich +aufgenommen worden sei. Der akademische Körper, durch die königliche +Ungnade erschreckt und von dem aufrichtigen Willen beseelt, den Wünschen +Seiner Majestät nachzukommen, dabei aber auch fest entschlossen, das +klare Gesetz des Landes nicht zu verletzen, unterbreitete die +bescheidensten und ehrerbietigsten Auseinandersetzungen, aber ohne +Erfolg. Bald darauf kam eine Vorladung, welche den Vicekanzler und den +Senat auf den 24. April vor die Hohe Commission nach Westminster +beschied. Der Vicekanzler sollte in Person erscheinen, der Senat, der +aus allen Doctoren und Magistern der Universität besteht, eine +Deputation senden. + + +[_Der Earl von Mulgrave._] Als der festgesetzte Tag erschien, füllte +sich der Sitzungssaal mit einer großen Zuschauermenge. Jeffreys fungirte +als Präsident der Commission. Rochester war, seit ihm der weiße Stab +abgenommen worden, nicht mehr Mitglied, anstatt seiner erschien der +Lordkammerherr Johann Sheffield, Earl von Mulgrave. Das Schicksal dieses +Edelmanns glich in einer Beziehung dem seines Collegen Sprat. Mulgrave +schrieb Verse, die sich kaum über die absolute Mittelmäßigkeit erhoben, +da er aber ein in den politischen und vornehmen Kreisen hochangesehener +Mann war, so fanden seine Verse doch Bewunderer. Die Zeit zerstörte den +Zauber, zu seinem Unglücke aber erst nachdem seine Gedichte bereits ein +unveräußerliches Recht auf eine Stelle in allen Sammlungen englischer +Dichtungswerke erlangt hatten. Dennoch werden bis auf den heutigen Tag +seine, abgeschmackten Reimereien und seine jämmerlichen Lieder an +Amoretta und Gloriana in Gesellschaft des „Comus“ und des „Festes +Alexander’s“ immer wieder gedruckt. Die Folge davon ist, daß unsre +Generation Mulgrave hauptsächlich als einen Dichterling kennt und ihn +als solchen verachtet. Er war jedoch, wie selbst Diejenigen zugaben, die +ihn weder liebten noch achteten, ein durch schöne Talente +ausgezeichneter Mann und in der parlamentarischen Beredtsamkeit stand er +kaum einem Redner seiner Zeit nach. Dagegen verdiente sein moralischer +Character keine Achtung. Er war ein Wüstling, aber ohne jene Offenheit +des Herzens und der Hand, welche zuweilen auch die Ausschweifung +liebenswürdig, und ein stolzer Aristokrat ohne jene Hoheit der +Denkungsart, welche zuweilen den aristokratischen Hochmuth achtungswerth +macht. Die damaligen Satiriker gaben ihm den Spottnamen Lord Allpride +(Ganzstolz). Sein Stolz vertrug sich indessen mit allen schmachvollen +Lastern. Viele wunderten sich darüber, wie ein Mann, der ein so +übertriebenes Gefühl seiner Würde zur Schau trug, in Geldangelegenheiten +so zäh und knauserig sein konnte. Er hatte der königlichen Familie +großes Ägerniß dadurch gegeben, daß er den Gedanken zu hegen wagte, das +Herz und die Hand der Prinzessin Anna zu erobern. In dieser Hoffnung +getäuscht, hatte er sich bemüht, durch kriechende Gemeinheit die durch +Anmaßung verwirkte Gunst wieder zu gewinnen. Seine von ihm selbst +verfaßte Grabschrift sagt noch heute jedem Besucher der +Westminsterabtei, daß er in religiösen Dingen als Zweifler lebte und +starb, und aus seinen hinterlassenen Memoiren ersehen wir, daß der +römische Aberglaube ein Lieblingsthema seines Spottes war. Dennoch +begann er unmittelbar nach Jakob’s Regierungsantritt eine starke +Hinneigung zum Papismus zu zeigen und gerirte sich endlich privatim als +Convertit. Der Lohn für diese verworfene Heuchelei war seine Anstellung +bei der Hohen Commission.[8] + +Vor diesem gefürchteten Tribunal erschien jetzt der Vicekanzler der +Universität Cambridge, Doctor Johann Pechell. Er selbst war kein Mann +von ausgezeichneter Befähigung und Energie, aber es begleiteten ihn acht +vom Senat gewählte vorzügliche Akademiker. Einer davon war Isaak Newton, +Fellow des Trinity-Collegiums und Professor der Mathematik. Sein Genie +stand damals in seiner vollsten Kraft. Das große Werk, welches ihm die +erste Stelle unter den Geometern und Naturforschern aller Zeiten und +aller Nationen sichert, wurde seit einiger Zeit unter der Sanction der +Königlichen Societät gedruckt und war seiner Vollendung nahe. Er war der +entschiedenste Freund der bürgerlichen Freiheit und der protestantischen +Religion, aber seine Gewohnheiten machten ihn für die Kämpfe des +praktischen Lebens durchaus nicht geeignet. Er verharrte daher in +bescheidenem Stillschweigen unter den Delegirten und überließ anderen +Männern, welche im Geschäftsleben mehr bewandert waren, die Aufgabe, +seine geliebte Universität zu vertheidigen. + +Es konnte keinen klareren Rechtsfall geben. Das Gesetz ließ keinen +Zweifel zu und die Praxis hatte fast stets im Einklang mit dem Gesetz +gestanden. Es konnte vielleicht schon vorgekommen sein, daß an einem +besonders feierlichen Tage, wo viele Ehrengrade verliehen wurden, in der +Menge Einer durchgeschlüpft war, der die Eide nicht abgelegt hatte; aber +eine solche Unregelmäßigkeit, lediglich die Folge der Eil und +Unachtsamkeit, konnte nicht als Vorgang geltend gemacht werden. Fremde +Gesandte verschiedener Glaubensrichtungen, insbesondere ein Muselmann, +waren ohne die Eide aufgenommen worden. Aber es war eine große Frage, ob +solche Fälle im Bereiche der Ansicht und des Geistes der betreffenden +Parlamentsverordnungen lagen. Es war nicht einmal behauptet worden, daß +schon einmal Jemand, dem die Eide angesonnen wurden und der sie nicht +leisten wollte, einen akademischen Grad erlangt habe, und in dieser Lage +befand sich Francis. Die Delegirten erboten sich zu beweisen, daß unter +der vorigen Regierung mehrere königliche Befehle unberücksichtigt +geblieben waren, weil die empfohlenen Personen sich dem Gesetz nicht +hatten fügen wollen, und daß die Regierung sich in solchen Fällen stets +bei dem Verfahren der Universität beruhigt habe, da sie es als das +richtige anerkennen mußte. Jeffreys aber wollte von nichts hören. Er kam +bald dahinter, daß der Vicekanzler ein schwacher, unerfahrener und +schüchterner Mann war und ließ daher der ganzen Unverschämtheit, welche +so lange der Schrecken der Old Bailey gewesen war, freien Lauf. Der +unglückliche Doctor, der an ein solches Auditorium und an eine solche +Behandlung nicht gewöhnt war, wurde bald so eingeschüchtert, daß er +gänzlich die Fassung verlor. Sobald andere zur Verfechtung ihrer Sache +besser befähigte Akademiker das Wort ergreifen wollten, wurden sie auf +die unsanfteste Weise zum Schweigen gebracht. „Sie sind nicht +Vicekanzler; wenn Sie es einmal sein werden, dann mögen Sie sprechen, +bis dahin aber geziemt es Ihnen, den Mund zu halten.“ Die Angeklagten +wurden, ohne gehört worden zu sein aus dem Gerichtssaale gewiesen. Nach +einer Weile wurden sie wieder hereingerufen und ihnen kundgethan, daß +die Commission beschlossen habe, Pechell seiner Würde als Vicekanzler zu +entheben und ihm alle Einkünfte vorzuenthalten, die er als Vorsteher +eines Collegiums bezog und welche ganz den Character eines unantastbaren +Eigenthums hatten. „Sie, meine Herren,“ sagte Jeffreys zu den +Delegirten, „sind größtentheils Theologen, und ich will Sie daher mit +einer Stelle aus der Schrift heimschicken: „Gehet hin und sündigt fortan +nicht mehr, damit Euch nicht etwas Ärgeres widerfahre.“[9] + + [Anmerkung 8: +Mackay’s Character of Sheffield+ nebst Swift’s + Note; +Satire on the Deponents, 1688+; +Life of John, Duke of + Buckinghamshire, 1729+; Barillon, 30. Aug. 1687. Ich besitze ein + handschriftliches Spottgedicht aus Mulgrave von 1690, das nicht + ohne Witz ist. Die bemerkenswerthesten Zeilen sind diese: + + Heut’ schmeichelt er dem Peters (Petre), morgen dem Burnet. + Fragt nicht nach Glauben und Partei, denn alle sind ihm gleich.] + + [Anmerkung 9: Siehe den Prozeß gegen die Universität Cambridge in + der +Collection of State Trials+.] + + +[_Zustand Oxford’s._] Man sollte meinen, daß dieses Verfahren ungerecht +und willkürlich genug war. Aber der König hatte schon angefangen, Oxford +mit einer Strenge zu behandeln, im Vergleich zu welcher die gegen +Cambridge bewiesene Milde genannt werden konnte. Schon war das +University-Collegium durch Obadja Walker in ein römisch-katholisches +Seminar verwandelt, schon stand das Christchurch-Collegium unter der +Leitung eines römisch-katholischen Dechanten, schon wurde in diesen +beiden Collegien täglich Messe gelesen. Die ruhige, majestätische Stadt, +so lange das Bollwerk des monarchischen Prinzips, war von Leidenschaften +aufgeregt, die sie bisher nie gekannt hatte. Die Untergraduirten +verhöhnten mit stillschweigender Erlaubniß ihrer Vorgesetzten die +Mitglieder von Walker’s Gemeinde und sangen Spottlieder unter ihren +Fenstern. Einige Bruchstücke von den Serenaden, welche damals in High +Street die Ruhe störten, sind der Nachwelt erhalten worden; der Refrain +einer Ballade lautet: + + „Der alte Obadja + singt Ave Maria.“ + +Als die Schauspieler nach Oxford kamen, äußerte sich die öffentliche +Meinung noch stärker. Es wurde Howard’s „Comité“ gegeben. Dieses bald +nach der Restauration geschriebene Stück stellte die Puritaner in einem +gehässigen und verächtlichen Lichte dar und war deshalb seit einem +Vierteljahrhundert ein Lieblingsstück des oxforder Publikums. Jetzt war +es beliebter als je zuvor, denn ein glücklicher Zufall wollte, daß eine +der Hauptrollen ein alter Heuchler Namens Obadja war. Das Publikum brach +in einen Beifallsjubel aus, als Obadja in der letzten Scene mit einem +Strick um den Hals hereingeschleppt wurde, und der Applaus nahm zu, als +einer der Schauspieler, von dem vorgeschriebenen Texte abweichend, +ankündigte, daß Obadja wegen Glaubenabfalls gehängt werden solle. Der +König war höchlich entrüstet über diesen Hohn. Die Stimmung der +Universität war so rebellisch, daß eines der neu errichteten Regimenter, +das welches gegenwärtig das zweite Gardedragonerregiment heißt, nach +Oxford versetzt wurde, um einen Aufstand zu verhindern.[10] + +Diese Vorgänge hätten Jakob überzeugen können, daß er einen Weg +eingeschlagen hatte, der ihn ins Verderben führen mußte. An das Geschrei +der Londoner war er schon längst gewöhnt. Es war zuweilen +ungerechterweise, zuweilen vergebens gegen ihn erhoben worden; er hatte +demselben wiederholt getrotzt und konnte ihm auch fernerhin trotzen. Daß +aber Oxford, der Sitz der Loyalität, das Hauptquartier der +Kavalierarmee, der Ort, wohin sein Vater und sein Bruder ihren Hof +verlegten, wenn sie sich in ihrer stürmisch bewegten Hauptstadt nicht +mehr sicher glaubten, der Ort, wo die Schriften der großen +republikanischen Lehrer unlängst den Flammen überliefert worden waren, +daß diese Stadt sich jetzt in einer unzufriedenen Gährung befand und die +muthigen Jünglinge, die sich vor wenigen Monaten so eifrig als +Freiwillige gemeldet hatten, um gegen die Insurgenten im Westen zu +marschiren, jetzt nur mit Mühe durch Säbel und Karabiner im Schach +gehalten wurden: das waren Zeichen von schlimmer Vorbedeutung für das +Haus Stuart. Doch der abgestumpfte, starrsinnige und eigenwillige Tyrann +beachtete den Warnungsruf nicht. Er hatte sich einmal vorgenommen, +seiner Kirche die reichsten und glänzendsten Stiftungen Englands zu +verschaffen. Umsonst machten ihm die besseren und verständigeren seiner +römisch-katholischen Rathgeber Vorstellungen. Sie erklärten ihm, daß er +der Sache seiner Religion viel nützen könne, ohne die Eigenthumsrechte +zu verletzen. Eine Bewilligung von jährlich zweitausend Pfund aus seiner +Privatchatulle würde hinreichen, um ein Jesuitencollegium in Oxford zu +unterhalten, und diese Summe könne er leicht verschmerzen. Ein solches +Collegium, mit tüchtigen, gelehrten und eifrigen Lehrern ausgestattet, +würde ein gefährlicher Nebenbuhler für die alten akademischen Anstalten +werden, welche nur zu deutliche Symptome einer von Reichthum und +Sicherheit unzertrennlichen Erschlaffung zeigten. König Jakob’s +Collegium würde bald selbst von den Protestanten hinsichtlich der +Wissenschaften sowohl als auch der moralischen Zucht als die erste +Bildungsanstalt der Insel anerkannt werden. Dies würde der wirksamste +und zugleich glimpflichste Weg sein, um die anglikanische Kirche zu +demüthigen und die römische zu Ansehen zu bringen. Der Earl von +Ailesbury, einer der ergebensten Diener des königlichen Hauses, +erklärte, daß er, obgleich Protestant und nicht reich, lieber selbst +einen Beitrag von tausend Pfund zu diesem Zwecke hergeben wolle, als daß +sein Gebieter die Eigenthumsrechte verletze und sein der Staatskirche +gegebenes Wort breche.[11] Der Plan fand jedoch keinen Beifall in den +Augen des Königs. Allerdings entsprach er auch in mehr als einer +Beziehung seinem unfreundlichen Character nicht. Denn es machte ihm +Vergnügen, den Sinn der Menschen zu beugen und zu brechen, und von +seinem Gelde konnte er sich nur schwer trennen. Was er auf seine Kosten +zu unternehmen nicht hochherzig genug war, das beschloß er auf Kosten +Anderer durchzuführen. Wenn er einmal etwas begonnen hatte, so hielt +sein Stolz und sein Starrsinn ihn ab, wieder zurückzutreten, und er ließ +sich endlich Schritt für Schritt zu Handlungen türkischer Tyrannei +verleiten, zu Handlungen, welche die Nation zu der Überzeugung bringen +mußten, daß das Vermögen eines protestantischen Freisassen Englands +unter einem römisch-katholischen König ebenso unsicher war, wie das +eines Griechen unter der Herrschaft eines Moslem. + + [Anmerkung 10: +Wood’s Athenae Oxonienses+; +Apology for the Life + of Colley Cibber+; Citters, 2.(12.) März 1686.] + + [Anmerkung 11: +Burnet, I.+ 697; Brief von Lord Ailesbury, + abgedruckt im +European Magazine+, April 1795.] + + +[_Das Magdalenen-Collegium in Oxford._] Das Magdalenen-Collegium, +gegründet im funfzehnten Jahrhundert von Wilhelm von Waynflete, Bischof +von Winchester und Lordgroßkanzler, war eine der hervorragendsten +unserer akademischen Institute. Ein schlanker Thurm, auf dessen Zinnen +alljährlich am Morgen des ersten Mai von Choristen eine lateinische +Hymne gesungen wurde, fesselte schon von weitem die Aufmerksamkeit des +von London her kommenden Reisenden. Wenn er sich näherte, bemerkte er, +daß dieser Thurm sich von einem mit Zinnen versehenen, zwar niedrigen +und unregelmäßigen, aber doch sehr ehrwürdig aussehenden Gebäude erhob, +das von Bäumen beschattet und von den trägen Fluthen des Chervell +bespült wurde. Er trat durch einen Thorweg,[12] über dem eine stattliche +Gallerie hinlief, in einen geräumigen Kreuzgang, der mit Emblemen der +Tugenden und Laster, von den Bildhauern des funfzehnten Jahrhunderts roh +in grauen Stein gemeißelt, verziert war. Der Tisch der Gesellschaft +wurde in einem mit Gemälden und phantastischem Schnitzwerk reich +ausgestatteten Refectorium gedeckt. Der Gottesdienst wurde früh und +Abends in einer Kapelle gehalten, die von den Reformers und den +Puritanern viel zu leiden gehabt hatte, aber trotz alledem ein +wunderschönes Bauwerk war, das in unseren Tagen mit seltenem Geschmack +und Geschick restaurirt worden ist. Die großen Gartenanlagen am Ufer des +Flusses zeichneten sich durch hohe Bäume aus, unter denen ein Wunder der +Pflanzenwelt unsrer Insel emporragte, eine riesige Eiche, welche hundert +Jahre älter sein sollte, als das älteste Collegium der Universität. + +Die Statuten der Gesellschaften bestimmten, daß die Könige von England +und die Prinzen von Wales in dem Hause aufgenommen werden sollten, wie +in ihrem eignen Palaste. Eduard IV. hatte das Gebäude bewohnt, als es +noch nicht vollendet war. Richard III. hatte darin sein Hoflager +gehalten, im großen Saale Disputationen mit angehört, war königlich +bewirthet worden und hatte die Küche seiner Wirthe mit einem Geschenk +von fetten Rehböcken aus seinen Forsten beehrt. Zwei muthmaßliche +Thronerben, welche frühzeitig hinweggerafft wurden, Arthur, der ältere +Bruder Heinrich’s VIII., und Heinrich, der ältere Bruder Karl’s I., +hatten in dem Collegium studirt; ebenso auch ein andrer Prinz von +Geblüt, der letzte und beste der römisch-katholischen Erzbischöfe von +Canterbury, der menschenfreundliche Reginald Pole. Zur Zeit des +Bürgerkriegs war das Collegium der Sache der Krone treu geblieben. +Ruprecht hatte dort sein Hauptquartier aufgeschlagen, und ehe er zu +einigen seiner kühnsten Unternehmungen auszog, hatte man in den stillen +Kreuzgängen seine Trompeter zum Aufbruch blasen hören. Die Mehrzahl der +Fellows waren Theologen und konnten den König nur mit Gebeten und +Geldspenden unterstützen. Doch einer von den Mitgliedern der +Gesellschaft, ein Doctor des Civilrechts, warb eine Truppe +Untergraduirter und fiel an ihrer Spitze im tapferen Kampfe gegen die +Soldaten von Essex. Als die Feindseligkeiten beendigt und die Rundköpfe +Herren von England waren, verweigerten sechs Siebentel der Mitglieder +der usurpirten Gewalt ihre Unterwerfung. In Folge dessen wurden sie aus +ihren Wohnungen vertrieben und ihrer Einkünfte beraubt. Nach der +Restauration kehrten die noch Lebenden an ihren lieblichen Wohnsitz +zurück. Eine neue Generation war auf sie gefolgt, die ihre Ansichten und +ihren Muth geerbt hatte. Zur Zeit des Aufstandes im Westen hatten +diejenigen Collegiaten, welche nicht durch Alter oder Beruf zum +Gebrauche der Waffen unfähig waren, sich bereitwilligst erboten, für die +Krone zu kämpfen. Es dürfte schwerlich im ganzen Königreiche irgend eine +Korporation zu finden sein, welche gerechteren Anspruch auf die +Dankbarkeit des Hauses Stuart gehabt hätte.[13] + +Die Gesellschaft bestand aus einem Präsidenten, vierzig Fellow’s, +dreißig Studenten (+Demies+, Halbe genannt) und einer Anzahl von +Kaplanen, Schreibern und Chorsängern. Zur Zeit der Generalvisitation +unter Heinrich VIII. waren die Einkünfte viel bedeutender als die jeder +andren ähnlichen Stiftung des Landes, fast um die Hälfte größer als die +der reichen Stiftung Heinrich’s VI. in Cambridge und über noch einmal so +groß als die, welche Wilhelm von Wykeham seinem Collegium in Oxford +vermacht hatte. In den Tagen Jakob’s II. war der Reichthum des +Magdalenen-Collegiums enorm und wurde durch das Gerücht noch +übertrieben. Das Collegium wurde allgemein für reicher als die reichsten +Abteien des Continents gehalten. Wenn die Pachtgelder alle eingingen, +hieß es unter dem Volke, so beliefen sich die jährlichen Einkünfte auf +die ungeheure Summe von vierzigtausend Pfund Sterling.[14] + +Die Collegiaten waren durch die von dem Begründer festgesetzten Statuten +ermächtigt, sich ihren Präsidenten unter Personen, welche Mitglieder +ihrer Gesellschaft oder des Neuen Collegiums waren oder gewesen waren, +selbst zu wählen. Dieses Recht war in der Regel mit völliger Freiheit +ausgeübt worden. Nur in einzelnen Fällen waren königliche Zuschriften +gekommen, welche dem Collegium befähigte Personen anempfahlen, die bei +Hofe in Gunst standen, und es war in solchen Fällen Sitte gewesen, auf +die Wünsche des Souverains gebührende Rücksicht zu nehmen. + +Im März 1687 starb der Präsident des Collegiums. Einer der Fellows, +Doctor Thomas Smith, vom Volke spottweise Rabbi Smith genannt, ein +ausgezeichneter Reisender, Büchersammler, Alterthumsforscher und +Orientalist, der Kaplan bei der Gesandtschaft in Konstantinopel gewesen +und mit der Vergleichung der alexandrinischen Handschriften beauftragt +worden war, bewarb sich um den erledigten Posten. Er meinte als +Gelehrter und als eifriger Tory einigen Anspruch auf die Begünstigung +von Seiten der Regierung zu haben. Seine Loyalität war auch in der That +so glühend und so unwandelbar, wie man sie in der ganzer englischen +Kirche nur finden konnte. Er war lange mit dem Bischof Parker von Oxford +intim befreundet gewesen und hoffte durch die Verwendung dieses Prälaten +ein königliches Empfehlungsschreiben an das Collegium zu erhalten. +Parker versprach sein Möglichstes zu thun, berichtete aber bald, daß er +auf Schwierigkeiten gestoßen sei. „Der König,“ sagte er, „mag Niemanden +empfehlen, der nicht ein Freund seiner Religion ist. Was können Sie in +dieser Beziehung thun, um ihn zufrieden zu stellen?“ Smith antwortete, +daß, wenn er Präsident werden sollte, er sich bemühen würde, +Gelehrsamkeit, wahres Christenthum und Loyalität zu fördern. „Das wird +nicht genügen,“ sagte der Bischof. „Nun so mag Präsident werden wer da +will,“ versetzte Smith mannhaft; „ich kann nicht mehr versprechen.“ + + [Anmerkung 12: Dieser Thorweg ist jetzt verschlossen.] + + [Anmerkung 13: +Wood’s Athenae Oxonienses+; +Walker’s Sufferings + of the Clergy.+] + + [Anmerkung 14: +Burnet, I. 697+; +Tanner’s Notitia Monastica.+ Bei + der Visitation im sechsundzwanzigsten Regierungsjahre Heinrich’s + VIII. ergab es sich, daß die Einkünfte des Kings-Collegiums 751 + Pfd. St., die des Neuen Collegiums 487 Pfd. St. und die des + Magdalenen-Collegiums 1076 Pfd. St. betrugen.] + + +[_Anton Farmer vom Könige als Präsident empfohlen._] Die Wahl wurde auf +den dreizehnten April festgesetzt und die Fellows aufgefordert, +derselben beizuwohnen. Es ging die Rede, daß ein königliches Schreiben +einlaufen werde, das einen gewissen Anton Farmer für die erledigte +Stelle empfehle. Das Leben dieses Mannes war eine Reihenfolge ehrloser +Handlungen. Er war Mitglied der Universität Cambridge gewesen und der +Ausstoßung nur durch rechtzeitige freiwillige Entfernung entgangen. Dann +hatte er sich den Dissenters angeschlossen und hierauf war er nach +Oxford gegangen, um in das Magdalenen-Collegium einzutreten, wo er sich +bald durch alle möglichen Laster auszeichnete. In der Regel taumelte er +spät in der Nacht so betrunken, daß er nicht sprechen konnte, seinem +Collegium zu. Es war allbekannt, daß er an der Spitze eines +unehrenvollen Aufruhrs in Abingdon gestanden hatte, und er war ein +regelmäßiger Gast bekannter Lieblingsorte von Wüstlingen gewesen. +Endlich war er Kuppler geworden, hatte sogar die gewöhnliche Gemeinheit +seines abscheulichen Gewerbes noch übertroffen und hatte von +liederlichen jungen Leuten für Dienste, welche die Geschichte nicht gut +erzählen kann, Geld genommen. Dieser erbärmliche Mensch war jetzt zum +Papismus übergetreten. Sein Abfall sühnte alle seine Laster, und +obgleich noch sehr jung, wurde er zum Vorsteher einer ernsten religiösen +Gesellschaft empfohlen, in welcher das Ärgerniß, das er durch seine +Lasterhaftigkeit gegeben, noch im frischen Andenken war. + +Durch das allgemeine Landesgesetz war er als römischer Katholik von +allen akademischen Ämtern ausgeschlossen, und da er niemals Fellow des +Magdalenen-Collegiums noch des Neuen Collegiums gewesen, so hatte er der +besonderen Verordnung Wilhelm’s von Waynflete gemäß gar kein Recht, sich +um die erledigte Präsidentenstelle zu bewerben. Überdies hatte Waynflete +den Mitgliedern seiner Stiftung noch ausdrücklich eingeschärft, daß sie +bei der Wahl ihres Vorstehers namentlich auf seinen moralischen +Character Rücksicht nehmen sollten, und hätte er auch keine derartige +Weisung hinterlassen, so konnte eine meist aus Theologen bestehende +Gesellschaft einem Mann wie Farmer schicklicherweise nicht die Leitung +einer Bildungsanstalt übertragen. + +Die Collegiaten stellten dem Könige ehrerbietigst vor, in welche +Verlegenheit sie kommen würden, wenn das Gerücht, daß Farmer ihnen +empfohlen werden sollte, sich als begründet erwies, und baten darum, daß +Seine Majestät, wenn es ihm beliebe, sich in die Wahl einzumischen, +ihnen einen Mann vorschlagen möchte, für den sie gesetzlicherweise und +mit gutem Gewissen stimmen könnten. Von dieser ergebenen Bitte wurde +keine Notiz genommen. Das königliche Schreiben lief ein. Der Überbringer +desselben war ein Fellow des Collegiums, der unlängst Papist geworden +war, Namens Robert Charnock, ein Mann von Talent und Geist, aber von +heftigem und ruhelosem Temperament, das ihn einige Jahre später zu einem +abscheulichen Verbrechen und zu einem entsetzlichen Schicksale trieb. +Das Collegium versammelte sich am 13. April in der Kapelle. Man hatte +noch immer einige Hoffnung, daß der König sich durch die an ihn +gerichteten Vorstellungen werde bewegen lassen, und die Versammlung +vertagte sich deshalb bis auf den 15. April, als den letzten Termin, an +welchem die Wahl nach den Statuten des Collegiums stattfinden mußte. + + +[_Wahl des Präsidenten._] Der 15. April erschien und die Collegiaten +versammelten sich wieder in ihrer Kapelle. Von Whitehall war keine +Antwort gekommen. Einige der älteren Mitglieder, darunter Smith, waren +der Meinung, die Wahl lieber noch einmal zu verschieben, als einen +Schritt zu thun, der den König möglicherweise beleidigen konnte. Aber +die Sprache der Statuten war klar und die Mitglieder des Collegiums +hatten sich eidlich verpflichtet, dieselben zu befolgen. Die Ansicht der +Mehrheit war daher, daß kein weiterer Aufschub stattfinden dürfe. Es +erfolgte eine heftige Debatte. Die Wähler waren zu aufgeregt, als daß +sie hätten auf ihren Plätzen bleiben können; die ganze Kapelle war in +Aufruhr. Diejenigen, welche für die Vornahme der Wahl stimmten, beriefen +sich auf ihre Eide und auf die Verordnungen des Stifters, dessen Brot +sie aßen. Sie behaupteten ganz richtig, der König habe nicht das Recht, +ihnen selbst einen geeigneten Candidaten aufzudringen. In der Hitze des +Streits fielen einige für toryistische Ohren anstößige Äußerungen und +Smith ließ sich zu der Bemerkung verleiten, der Geist Ferguson’s habe +sich seiner Collegen bemächtigt. Mit großer Stimmenmehrheit wurde +endlich der Beschluß gefaßt, die Wahl unverzüglich vorzunehmen. Charnock +verließ die Kapelle. Die übrigen Fellows gaben, nachdem sie vorher das +Sakrament empfangen, ihre Stimmen ab. Die Wahl fiel auf Johann Hough, +einen Mann von seltener Tugend und Besonnenheit, der, nachdem er +Verfolgungen mit hohem Muthe und das Glück mit ernster Würde ertragen, +zu hohen Ehren emporgestiegen und noch höhere bescheiden abgelehnt +hatte, mehr als sechsundfünfzig Jahre nach diesem ereignißvollen Tage in +hohem Alter, aber noch in voller Kraft des Geistes starb. + +Die Gesellschaft beeilte sich, dem Könige die Umstände +auseinanderzusetzen, welche es nothwendig gemacht hatten, ohne weiteren +Verzug zur Wahl eines Präsidenten zu schreiten, und ersuchte den Herzog +von Ormond als Kanzler der ganzen Universität, und den Bischof von +Winchester als Visitator des Magdalenen-Collegiums, das Amt der +Vermittelung zu übernehmen. Der König aber war viel zu aufgebracht und +viel zu befangen, als daß er auf derartige Verstellungen hätte hören +können. + + +[_Die Mitglieder des Magdalenen-Collegiums werden vor die Hohe +Commission geladen._] Anfangs Juni wurden die Collegiaten vor die Hohe +Commission nach Whitehall beschieden. Fünf von ihnen kamen als Deputirte +der Korporation der Aufforderung nach. Jeffreys behandelte sie nach +seiner gewohnten Manier. Als einer von ihnen, ein ehrwürdiger Doctor, +Namens Fairfax, einigen Zweifel an der Rechtsgültigkeit der Commission +äußerte, begann er zu brüllen wie ein wildes Thier: „Wer ist der Mann? +Wer giebt ihm das Recht, hier unverschämt zu sein? Ergreift ihn und +steckt ihn in ein finstres Zimmer! Wie kann man ihn ohne Wächter lassen? +Er steht als Wahnsinniger unter meiner Aufsicht. Es wundert mich, daß +noch Niemand bei mir darauf angetragen hat, daß er in sicheres Gewahrsam +gebracht werde.“ Als aber der Sturm ausgetobt hatte und die Aussagen +über den sittlichen Charakter des vom Könige empfohlenen Kandidaten +verlesen waren, hatte keiner der Commissare die Frechheit zu behaupten, +daß ein solcher Mensch sich zum Präsidenten eines großen Collegiums +eigne. Obadja Walker und die übrigen oxforder Papisten, die sich +eingefunden hatten, um ihren Proselyten zu unterstützen, waren nicht +wenig bestürzt. Die Commission erklärte Hough’s Wahl für ungültig und +suspendirte Fairfax von seiner Collegiatur; von Farmer aber war keine +Rede mehr und im August kam ein königliches Schreiben an, welches dem +Collegium den Bischof von Oxford, Parker, empfahl. + + +[_Parker zum Präsidenten empfohlen._] Parker war kein erklärter Papist. +Es lag jedoch ein Umstand gegen ihn vor, der, selbst wenn die +Präsidentur erledigt gewesen wäre, hätte entscheidend sein müssen: er +hatte weder dem Neuen Collegium noch dem Magdalenen-Collegium jemals +angehört. Aber die Präsidentur war gar nicht erledigt, denn Hough war +rechtskräftig gewählt und sämmtliche Mitglieder des Collegiums waren +eidlich verpflichtet, ihn in seinem Amte zu erhalten. Sie entschuldigten +sich daher mit vielen Versicherungen ihrer Loyalität und ihres +Bedauerns, daß sie dem Befehle des Königs nicht Folge leisten könnten. + + +[_Die Karthause._] Während Oxford so der Tyrannei energisch entgegen +trat, leistete man an einem andren Orte nicht weniger tapferen +Widerstand. Jakob hatte vor einiger Zeit den Administratoren der +Karthause, Männern von hohem Rang und Ansehen im Königreiche, den Befehl +gegeben, einen römischen Katholiken, Namens Popham, in das unter ihrer +Verwaltung stehende Hospital aufzunehmen. Der Vorsteher der Anstalt, +Thomas Burnet, ein durch Genie, Gelehrsamkeit und Tugend ausgezeichneter +Geistlicher, hatte, obgleich der wilde Jeffreys im Collegium saß, den +Muth, sie darauf aufmerksam zu machen, daß jene Zumuthung dem Willen des +Stifters sowohl als einer Parlamentsacte zuwiderlaufe. „Was thut dies +zur Sache?“ fragte ein dem Vorstande angehörender Höfling. „Ich meine, +es thut sehr viel zur Sache,“ antwortete eine von Alter und Sorgen +geschwächte Stimme, die aber in keiner Versammlung ohne Achtung gehört +wurde, die Stimme des ehrwürdigen Ormond. „Eine Parlamentsacte,“ fuhr +der Patriarch der Kavalierpartei fort, „ist meiner Ansicht nach keine +Kleinigkeit.“ Es wurde die Frage gestellt, ob Popham zugelassen werden +solle, und der Beschluß lautete auf seine Zurückweisung. Da der Kanzler +seinem Grolle nicht wohl durch Fluchen und Verwünschungen gegen Ormond +Luft machen konnte, so lief er in voller Wuth fort und mehrere von der +Minorität folgten ihm. In Folge dessen blieb keine beschlußfähige Anzahl +übrig und es konnte daher auf den königlichen Befehl keine formelle +Antwort gegeben werden. + +Die nächste Sitzung fand nur zwei Tage, nachdem die Commission +Hough’s Wahl für ungültig erklärt und Fairfax suspendirt hatte, +statt. Die Administratoren erhielten einen zweiten Befehl mit dem +großen Staatssiegel; aber das tyrannische Verfahren gegen das +Magdalenen-Collegium hatte ihren Muth noch erhöht, anstatt ihn zu +schwächen. Sie setzten ein Schreiben an Sunderland auf, durch welches er +ersucht wurde, dem Könige mitzutheilen, daß sie im vorliegenden Falle +Seiner Majestät nicht gehorchen könnten, ohne das Gesetz und ihre +Amtspflicht zu verletzen. + +Es dürfte kaum zu bezweifeln sein, daß, wenn diese Zuschrift nur von +unbedeutenden Männern unterzeichnet gewesen wäre, der König irgend einen +Gewaltschritt gethan haben würde. Aber selbst er erschrak beim Anblick +der großen Namen Ormond, Halifax, Danby und Nottingham, der Oberhäupter +aller Farben der großen Partei, der er seine Krone verdankte. Er +begnügte sich deshalb, Jeffreys zu bedeuten, daß er das weiter +einzuschlagende Verfahren in Erwägung ziehen solle. Einmal hieß es, es +werde ein Prozeß bei der Kings Bench anhängig gemacht werden, ein +andermal, die Kirchliche Commission werde den Fall in die Hand nehmen, +aber diese Drohungen verstummten nach und nach wieder.[15] + + [Anmerkung 15: +A Relation of the Proceedings at the Charterhouse, + 1689.+] + + +[_Rundreise des Königs._] Der Sommer war jetzt weit vorgerückt und der +König trat eine Reise an, die längste und glänzendste, die man seit +vielen Jahren gesehen hatte. Am 16. August begab er sich von Windsor +nach Portsmouth, besichtigte die Festungswerke, berührte einige mit +Kröpfen Behaftete und fuhr dann in einer seiner Yachten nach +Southampton. Von hier reiste er nach Bath, wo er sich einige Tage +aufhielt und die Königin zurückließ. Als er wieder abreiste, begleiteten +ihn der Obersheriff von Somersetshire und eine große Anzahl Gentlemen +bis an die Grenze der Grafschaft, wo ihn der Obersheriff von +Gloucestershire mit einem nicht minder glänzenden Gefolge erwartete. Der +Herzog von Beaufort kam bald darauf den königlichen Equipagen entgegen +und geleitete dieselben nach Badminton, wo ein des Rufes, den sich der +Herzog durch seinen glänzenden Haushalt erworben hatte, würdiges Mahl +für ihn angerichtet war. Am Nachmittag ging der Zug weiter nach +Gloucester. Zwei Meilen vor der Stadt wurde er vom Bischofe und der +Geistlichkeit bewillkommnet. Am Südthore erwartete ihn der Mayor mit den +Schlüsseln. Die Glocken gingen und aus allen Röhrtrögen floß Wein, +während der König durch die Straßen nach dem Platze zog, der die +ehrwürdige Kathedrale umgiebt. Er übernachtete in der Dechanei und brach +am folgenden Morgen nach Worcester auf. Von Worcester ging er nach +Ludlow, Shrewsbury und Chester, und wurde überall mit äußeren Zeichen +der Freude und Ehrerbietung empfangen, die er schwach genug war, als +Beweise zu betrachten, daß die durch seine Maßregeln hervorgerufene +Unzufriedenheit gedämpft sei und ihm ein leichter Sieg bevorstehe. Der +scharfblickendere Barillon benachrichtigte Ludwig, daß der König in +einer Täuschung befangen sei, daß die Reise keinen wirklichen Nutzen +gebracht habe und daß die nämlichen Gentlemen von Worcestershire und +Shropshire, die es für ihre Pflicht gehalten, ihren Souverain und Gast +mit allen Ehrenbezeigungen zu empfangen, sich so widerspenstig als je +zeigen würden, wenn die Testangelegenheit zur Sprache käme.[16] + +Unterwegs schlossen sich dem königlichen Zuge zwei Höflinge an, die in +Character und Meinungen weit von einander verschieden waren. Penn war +auf einer geistlichen Hirtenreise in Chester. Seine Popularität und sein +Ansehen waren unter seinen Glaubensbrüdern tief gesunken, seitdem er ein +Werkzeug des Königs und der Jesuiten geworden war.[17] Jakob aber nahm +ihn sehr freundlich auf und er durfte am Sonntage im Ballhause einen +Vortrag halten, während Cartwright in der Kathedrale predigte und der +König an einem in der Grafschaftshalle errichteten Altare die Messe +hörte. Man sagt sogar, Seine Majestät habe geruht, einen Augenblick in +das Ballhaus einzutreten und der melodischen Beredtsamkeit seines +Freundes mit Anstand zuzuhören.[18] + +Der wüthende Tyrconnel war von Dublin über den Kanal gekommen, um von +seiner Verwaltung Bericht zu erstatten. Alle achtungswertheren +englischen Katholiken behandelten ihn als einen Feind ihres Stammes und +als eine Schande ihrer Religion mit Kälte. Sein Gebieter aber hieß ihn +herzlich willkommen und entließ ihn mit Versicherungen seines +ungeschwächten Vertrauens und seiner steten Unterstützung. Jakob vernahm +mit großer Freude, daß bald die ganze Verwaltung Irlands in +römisch-katholischen Händen sein werde. Die englischen Ansiedler waren +schon ihrer ganzen politischen Macht beraubt, es blieb nur noch übrig, +sie auch ihres Eigenthums zu berauben, und diese letzte Gewaltthat wurde +so lange aufgeschoben, bis man sich die Mitwirkung eines irischen +Parlaments gesichert haben würde.[19] + +Von Cheshire wendete sich der König nach dem Süden und in der festen +Überzeugung, daß die Fellows des Magdalenen-Collegiums es trotz ihres +widerspenstigen Geistes nicht wagen würden, einem ihnen mündlich +gegebenen Befehle den Gehorsam zu verweigern, reiste er nach Oxford. Auf +dem Wege dahin machte er einige kleine Abstecher nach Orten, die ihn als +König, als Bruder und als Sohn besonders interessirten. Er besuchte das +gastliche Dach von Boscobel und die Überreste der Eiche, die in der +Geschichte seines Hauses eine so wichtige Rolle spielt. Er fuhr über das +Schlachtfeld von Edgehill, wo die Kavaliere zuerst mit den Soldaten des +Parlaments die Schwerter kreuzten. Am 3. September speiste er mit großem +Gepränge im Palast von Woodstock, einem alten berühmten Schlosse, von +dem kein Stein mehr vorhanden ist, dessen Lage aber noch heute auf der +Wiese des Blenheimparks durch zwei unweit der stattlichen Brücke +stehende Platanen bezeichnet wird. + + [Anmerkung 16: London Gazette vom 18. Aug. bis 1. Sept. 1687; + Barillon, 19.(29.) Sept.] + + [Anmerkung 17: +„Penn, chef des Quakers, qu’on sait être dans les + intérêts du Roi d’Angleterre, est si fort décrié parmi ceux de son + parti qu’il n’ont plus aucune confiance en lui.“+ -- Bonrepaux an + Seignelay, 12.(22.) Sept. 1687. Gerhard Croese’s Zeugniß lautet + ganz ebenso: +„Etiam Quakeri Pennum non amplius, ut ante ita + amabant ac magnifaciebant, quidam aversabantur ac fugiebant.“ -- + Historia Quakeriana, lib. II. 1695.+] + + [Anmerkung 18: +Cartwright’s Diary, Aug. 30. 1687+; +Clarkson’s + Life of William Penn.+] + + [Anmerkung 19: +London Gazette, Sept. 5.+; +Sheridan MS.+; + Barillon 6.(16.) Sept. 1687. +„Le Roi son maître,“+ sagt Barillon, + +„a témoigné une grande satisfaction des mesures qu’il a prises, + et a autorisé ce qu’il a fait en faveur des Catholiques. Il les + établit dans les emplois et les charges, en sorte que l’autorité + se trouvera bientôt entre leurs mains. Il reste encore beaucoup de + choses à faire en ce pays là pour retirer les biens injustement + ôtés aux Catholiques. Mais cela ne peut s’exécuter qu’avec le + temps et dans l’assemblée d’un parlement en Irlande.“+] + + +[_Der König in Oxford._] Am Abend erreichte er Oxford, wo er mit den +gewohnten Ehrenbezeigungen empfangen wurde. Die Studenten hatten sich in +ihrer akademischen Tracht vom Stadtthore bis an den Haupteingang des +Christchurch-Collegiums in einer Doppelreihe aufgestellt. Er stieg in +der Dechanei ab, wo er unter anderen Bequemlichkeiten eine zum Meßdienst +eingerichtete Kapelle vorfand.[20] + + [Anmerkung 20: +London Gazette, Sept. 5, 8. 1687+.] + + +[_Er giebt den Collegiaten des Magdalenenstifts einen Verweis._] Den Tag +nach seiner Ankunft erhielten die Fellows des Magdalenen-Collegiums +Befehl, ihm ihre Aufwartung zu machen. Als sie vor ihm erschienen, +behandelte er sie mit einem Übermuth, wie ihn die puritanischen +Visitatoren gegen ihre Vorgänger nie bewiesen hatten. „Sie haben Sich +nicht wie Gentlemen gegen mich benommen,“ rief er aus; „Sie haben Sich +eben so unschicklich als ungehorsam gezeigt.“ Sie fielen auf die Knie +und überreichten ihm eine Petition. Er wollte sie nicht ansehen. „Ist +das die Loyalität Ihrer englischen Kirche? Ich hätte nicht gedacht, daß +so viele Geistliche der Kirche Englands sich bei einer solchen Sache +betheiligen könnten. Gehen Sie nach Hause, gehen Sie. Ich bin König und +ich verlange Gehorsam. Gehen Sie augenblicklich in Ihre Kapelle und +nehmen Sie den Bischof von Oxford auf. Und wehe Denen, die sich weigern, +sie sollen das ganze Gewicht meiner Hand fühlen, sie sollen erfahren, +was es heißt, sich die Ungnade seines Souverains zuziehen!“ Die noch +immer vor ihm knieenden Collegiaten reichten ihm wiederholt ihre +Petition dar. Er warf sie zornig zu Boden. „Gehen Sie, sage ich, ich +nehme nichts von Ihnen an, bis Sie den Bischof aufgenommen haben!“ + +Sie gingen und versammelten sich augenblicklich in ihrer Kapelle. Es +wurde die Frage gestellt, ob sie sich dem Befehle Seiner Majestät fügen +sollten. Smith war abwesend, nur Charnock antwortete mit Ja. Alle +übrigen Collegiaten erklärten, daß sie in allen gesetzlichen Dingen dem +Könige bereitwilligst gehorchen, ihre Statuten und ihre Eide aber nicht +verletzen würden. + +Voll Zorn und Ärger über seine Niederlage verließ der König Oxford und +kehrte nach Bath zur Königin zurück. Seine Hartnäckigkeit und Willkür +hatte ihn in eine sehr schwierige Lage versetzt. Er hatte zu fest auf +die Wirkung seiner finstren Miene und seiner gebieterischen Rede +gerechnet und unbesonnenerweise nicht nur das Ansehen seiner Regierung, +sondern auch seine persönliche Würde aufs Spiel gesetzt. Konnte er +Unterthanen nachgeben, denen er mit erhobener Stimme und zornigen +Geberden gedroht hatte? Konnte er es auf der andren Seite wagen, an +einem Tage eine Anzahl achtungswerther Geistlicher aus ihrer Heimath zu +vertreiben, weil sie eine in den Augen der ganzen Nation heilige Pflicht +gethan hatten? Vielleicht gab es noch einen Ausweg aus dieser +Verlegenheit, vielleicht konnte das Collegium doch noch durch Drohungen, +durch Zureden oder durch Bestechung zur Unterwerfung gebracht werden. + + +[_Penn sucht zu vermitteln._] Man bediente sich Penn’s als Vermittler. +Er hatte zuviel Rechtsgefühl, als daß er das gewaltsame und ungerechte +Verfahren der Regierung hätte billigen können und er wagte es sogar, +einem Theile seiner Gedanken Worte zu geben. Jakob beharrte wie +gewöhnlich auf seinem Vorsatze, und der höfische Quäker that daher sein +Möglichstes, um das Collegium vom Pfade des Rechts abzuziehen. Zuerst +versuchte er es mit Einschüchterungen. Er sagte, der Gesellschaft drohe +der Untergang, denn der König sei im höchsten Grade aufgebracht. Es sei +allerdings ein schwerer Schritt für sie, das sahen die meisten Leute +ein; aber jedes Kind wisse auch, daß Seine Majestät seinen Willen gern +durchsetze und daß er Widerspruch nicht vertragen könne. Penn ermahnte +daher die Collegiaten, nicht auf die Gerechtigkeit ihrer Sache zu +pochen, sondern sich zu fügen oder wenigstens zu temporisiren. Ein +solcher Rath klang sonderbar aus dem Munde eines Mannes, der selbst von +der Universität vertrieben worden war, weil er wegen des Chorhemds einen +Tumult hervorgerufen, der sich lieber der Gefahr der Enterbung +ausgesetzt hatte, als daß er sich entschloß, vor einem königlichen +Prinzen den Hut abzunehmen und der wegen seiner in Conventikeln +gehaltenen Reden mehr als einmal in’s Gefängniß geschickt worden war. Es +gelang ihm jedoch nicht, die Magdalenen-Collegiaten zu schrecken. In +Antwort auf seine drohenden Winke wurde er daran erinnert, daß unter der +vorigen Generation vierunddreißig von den vierzig Collegiaten lieber mit +Freuden ihre geliebten Kreuzgänge und Gärten, ihre Halle und ihre +Kapelle verlassen hätten und fortgegangen seien, ohne zu wissen wo sie +ein Mahl oder ein Nachtlager finden würden, als daß sie ihren +Unterthaneneid gebrochen hätten. Jetzt verlange der König die Verletzung +eines andren Eides von ihnen, aber er solle erfahren, daß der alte Geist +noch nicht erstorben sei. + +Penn zog nun gelindere Saiten auf. Er hatte eine Besprechung mit Hough +und einigen Collegiaten und begann endlich nach vielen Versicherungen +von Theilnahme und Freundschaft die Möglichkeit eines Vergleichs in +Aussicht zu stellen. Der König vertrage nun einmal keinen Widerspruch, +sagte er, das Collegium müsse nachgeben und Parker annehmen. Aber seine +Gesundheit sei schwankend und alle seine Ämter würden voraussichtlich +bald erledigt sein. „Doctor Hough,“ setzte er hinzu, „kann dann Bischof +von Oxford werden. Wie würde Ihnen das gefallen, meine Herren?“ Penn +hatte während seines ganzen Lebens gegen eine Miethlingsgeistlichkeit +gepredigt. Er hielt sich für verpflichtet, die Entrichtung von Zehnten +zu verweigern, und dies selbst als er mit Zehnten belastete Ländereien +gekauft hatte und ihm der Betrag der Zehnten von der Kaufsumme +nachgelassen worden war. Nach seinen eigenen Grundsätzen würde er eine +große Sünde begangen haben, wenn er sich dabei betheiligt hätte, dem +frömmsten Geistlichen selbst unter den ehrenvollsten Bedingungen eine +Pfründe zu verschaffen. Aber sein Character war durch schlechte +Gesellschaft so verdorben und sein Verstand durch übermäßigen Eifer für +einen einseitigen Zweck so verdunkelt, daß er keinen Anstand nahm, bei +einer Simonie von ganz besonders unehrenhafter Art den Unterhändler +abzugeben und ein Bisthum als Köder zu benutzen, um einen Geistlichen +zum Eidbruche zu verführen. Hough erwiederte mit höflicher +Geringschätzung, daß er von der Krone nichts weiter verlange als +einfache Gerechtigkeit. „Wir sind an unsere Statuten und unsere Eide +gebunden,“ sagte er; „aber auch ganz abgesehen von unseren Statuten und +unseren Eiden fühlen wir uns verpflichtet, unsren Glauben zu +vertheidigen. Die Papisten haben uns schon das University-Collegium und +das Christchurch-Collegium geraubt, jetzt greifen sie auch das +Magdalenen-Collegium an. Sie werden bald Alles haben.“ + +Penn war so unbesonnen, hierauf zu antworten, daß er ernstlich glaube, +die Papisten würden nun zufrieden sein. „Das University-Collegium,“ +sagte er, „ist ein schönes Collegium, Christchurch ein vortrefflicher +Platz und Magdalenen ein herrliches Gebäude. Die Lage ist angenehm, die +Gartenanlagen am Flusse reizend. Wenn die Katholiken vernünftig sind, +werden sie sich damit begnügen.“ Diese alberne Erklärung würde allein +schon Hough und seine Collegen in die Unmöglichkeit versetzt haben, +nachzugeben. Die Unterhandlung wurde abgebrochen, und der König beeilte +sich, seiner Drohung gemäß die Ungehorsamen fühlen zu lassen, was es +hieß, sich seine Ungnade zuziehen. + + +[_Eine kirchliche Specialcommission wird nach Oxford gesandt._] +Cartwright, Bischof von Chester, Wright, Oberrichter der Kings Bench, +und Sir Thomas Jenner, ein Baron des Schatzkammergerichts, erhielten +eine Specialvollmacht zur Visitation des Collegiums. Am 20. October +kamen sie in Oxford an, begleitet von drei Schwadronen Kavalerie mit +gezogenen Säbeln. Am folgenden Morgen nahmen die Commissare im Hörsaale +des Magdalenen-Collegiums ihre Sitze ein und Cartwright hielt eine +loyale Rede, welche noch vor wenigen Jahren von den Oxfordern mit lautem +Beifall aufgenommen worden wäre, die aber jetzt mit stummem Unwillen +angehört wurde. Es erfolgte hierauf eine lange Debatte. Der Präsident +vertheidigte seine Rechte mit Geschick, Mäßigung und Entschiedenheit. Er +versicherte seine hohe Achtung vor der königlichen Autorität, behauptete +aber fest, daß er nach den Gesetzen Englands ein Eigenthumsrecht an das +Haus und an die mit der Präsidentur verbundenen Einkünfte habe. Dieses +Rechts könne ihn ein Machtspruch des Landesherrn nicht berauben. „Wollen +Sie sich unsrer Visitation unterwerfen?“ fragte der Bischof. „Ich +unterwerfe mich derselben,“ antwortete Hough mit weiser Vorsicht, „in so +weit sie mit dem Gesetz im Einklange steht, weiter nicht.“ -- „Wollen +Sie den Schlüssel zu Ihrer Wohnung ausliefern?“ fragte Cartwright. Hough +schwieg. Die Frage wurde wiederholt, und Hough antwortete nun mild aber +entschieden, daß er dies nicht thun werde. Die Commissare nannten ihn +einen unberufenen Eindringling und forderten die Collegiaten auf, seine +Autorität nicht mehr anzuerkennen und für die Aufnahme des Bischofs von +Oxford zu stimmen. Charnock versprach bereitwilligst Gehorsam, Smith gab +eine ausweichende Antwort, die Hauptmasse der Collegiaten aber erklärte +auf das Bestimmteste, daß sie Hough noch immer als ihren rechtmäßigen +Präsidenten betrachteten. + + +[_Hough’s Protest._] Jetzt bat Hough um die Erlaubniß, selbst noch +einige Worte an die Commissare richten zu dürfen. Sie bewilligten ihm +dies sehr artig, vielleicht weil sie nach seinem ruhigen und gelassenen +Benehmen erwarteten, daß er ein Zugeständniß machen werde. „Mylords,“ +sprach er, „Sie haben mich heute meines freien Eigenthums beraubt; ich +protestire hiermit gegen Ihr ganzes Verfahren als gesetzwidrig, +ungerecht und nichtig und appellire an unsren erlauchten Gebieter, den +König, in seinen Gerichtshöfen.“ Ein lautes beifälliges Gemurmel erhob +sich unter den Studirenden, welche den Saal füllten. Die Commissare +waren wüthend. Man suchte die Verbrecher, welche applaudirt hatten, +herauszufinden, aber vergebens. Der ganze Zorn der Commission richtete +sich nun gegen Hough. „Glauben Sie nicht, daß Sie uns trotzen können,“ +rief Jenner mit einem Wortspiel auf den Namen des Präsidenten.[21] „Ich +werde die Autorität Seiner Majestät aufrecht erhalten, so lange ich +Athem in meiner Brust habe,“ setzte Wright hinzu. „Das Alles kommt von +Ihrem nach Popularität haschenden Protest. Sie haben den Landfrieden +gebrochen und sollen sich dafür vor der Kings Bench verantworten. Ich +verpflichte Sie bei Strafe von tausend Pfund, beim nächsten Termine zu +erscheinen. Wir wollen sehen, ob die Civilgewalt Sie nicht bändigen +wird. Reicht sie nicht aus, so sollen Sie auch die militairische haben.“ +Oxford befand sich in der That in einer Stimmung, welche die Commissare +nicht wenig beunruhigte. Die Soldaten erhielten Befehl, ihre Carabiner +zu laden, und man sagte, es sei ein expresser Bote nach London geschickt +worden, um schleunige Nachsendung von Verstärkungen zu verlangen. Es +fand jedoch keine Ruhestörung statt. + + [Anmerkung 21: Im Deutschen läßt sich das Wortspiel nicht + wiedergeben. +Hough+ und +huff+ (trotzen) wird im Englischen + ziemlich gleich ausgesprochen. D. Übers.] + + +[_Einsetzung Parker’s._] Der Bischof von Oxford wurde mittelst Vollmacht +ruhig eingesetzt, aber nur zwei Mitglieder des Magdalenen-Collegiums +wohnten der Feierlichkeit bei. Mancherlei Anzeichen bewiesen, daß der +Geist des Widerstandes sich auch des Volks bemächtigt hatte. Der +Thürsteher des Collegiums warf seinen Schlüssel weg. Der Kellermeister +weigerte sich, den Namen Hough’s aus dem Wirthschaftsbuche zu streichen. +In der ganzen Stadt war kein Schlosser aufzutreiben, der die Thür der +Präsidentenwohnung aufsprengen wollte. Die eigenen Diener der Commissare +mußten die Thür mit eisernen Stangen erbrechen. Die Predigten, welche am +nächstfolgenden Sonntage in der Universitätskirche gehalten wurden, +waren voll von Bemerkungen, welche Cartwright tief kränkten; aber sie +waren so gehalten, daß er nichts dagegen thun konnte. + +Wäre Jakob nicht ganz verblendet gewesen, so würde er hier innegehalten +haben. Die Collegiaten waren im Ganzen genommen nicht geneigt, den +Widerstand noch weiter zu treiben. Sie waren der Meinung, daß sie ihre +Achtung vor ihren Statuten und Eiden hinreichend bewiesen hätten, indem +sie ihre Mitwirkung bei der Einsetzung eines Unberufenen verweigerten, +und daß sie sich ihm jetzt, da er im factischen Besitze des Amtes war, +als ihrem Oberhaupte unterwerfen könnten, ohne einen Vorwurf auf sich zu +laden, bis er durch den Ausspruch eines competenten Gerichts entfernt +wurde. Nur ein Collegiat, Doctor Fairfax, weigerte sich, auch nur soweit +nachzugeben. Die Commissare würden zu einer solchen Verständigung gern +die Hand geboten haben und einige Stunden lang herrschte eine +Waffenruhe, von der Viele glaubten, daß sie zu einem gütlichen Vergleich +führen werde. Aber bald war Alles wieder in Aufregung. Die Collegiaten +sahen, daß die öffentliche Meinung sie offen der Kleinmüthigkeit +beschuldigte; in der Stadt sprach man schon ironisch von einem +Magdalenengewissen und sagte, der tapfere Hough und der brave Fairfax +seien verrathen und verlassen worden. Noch ärgerlicher waren die +Spötteleien Obadja Walker’s und seiner Renegatensippschaft. Das also, +sagten diese Apostaten, sei das Ende von all den hochtrabenden Worten, +in denen die Gesellschaft ihren Entschluß erklärt habe, treu zu ihrem +rechtmäßigen Präsidenten und zu ihrem protestantischen Glauben zu +stehen! Während die Collegiaten, tief gekränkt durch den öffentlichen +Tadel, ihre bedingte Unterwerfung bereueten, erfuhren sie, daß diese den +König noch keineswegs zufriedengestellt habe. Es sei nicht genug, sagte +er, daß sie sich erboten hätten, dem Bischof von Oxford als factischem +Präsidenten zu gehorchen; sie müßten auch die Commission und Alles was +dieselbe gethan habe, als gesetzlich anerkennen. Sie müßten eingestehen, +daß sie pflichtvergessen gehandelt hätten, müßten ihr Benehmen bereuen +und versprechen, daß sie sich in Zukunft besser betragen wollten, müßten +Seine Majestät um Verzeihung bitten und ihm zu Füßen fallen. Nur zwei +Collegiaten, Charnock und Smith, über welche der König nicht zu klagen +hatte, wurden von der Verpflichtung, diese erniedrigenden +Entschuldigungen zu machen, ausgenommen. + +Nie that Jakob einen thörichteren Fehlgriff. Die Collegiaten, schon mit +sich selbst unzufrieden, weil sie so weit nachgegeben hatten, und durch +den Tadel des Publikums gereizt, ergriffen eifrig die ihnen jetzt +gebotene Gelegenheit, die öffentliche Achtung wieder zu gewinnen. Sie +erklärten einstimmig, sie würden niemals deshalb, daß sie in ihrem +Rechte gewesen seien, um Verzeihung bitten, und eben so wenig +anerkennen, daß die Visitation ihres Collegiums und die Beraubung ihres +Präsidenten gesetzlich gewesen sei. + + +[_Vertreibung der Collegiaten._] Jetzt ließ sie der König das angedrohte +ganze Gewicht seiner Hand fühlen. Durch ein summarisches Edict wurden +sie zur Vertreibung verurtheilt. Diese Strafe wurde indessen noch nicht +für genügend erachtet. Man wußte, daß viele Edelleute und Gentlemen, +welche ein kirchliches Patronatrecht hatten, sich bemühen würden, für +Männer zu sorgen, welche für die Gesetze Englands und für den +protestantischen Glauben so viel gelitten. Deshalb erklärte die Hohe +Commission die Vertriebenen für unfähig, irgend ein geistliches Amt +wieder zu bekleiden, und Diejenigen, welche noch nicht ordinirt waren, +wurden für unfähig erklärt, die geistliche Ordination zu empfangen. So +hatte Jakob die Genugthuung, Viele von ihnen aus einer Lage, in der sie +alle möglichen Annehmlichkeiten des Lebens genossen und die schönsten +Aussichten auf zukünftige Anstellungen hatten, in hoffnungslose +Dürftigkeit zurückgeworfen zu haben. + +Aber all’ diese Strenge hatte gerade die entgegengesetzte Wirkung als er +erwartete. Der Geist der Engländer, dieser trotzige Geist, den kein +König aus dem Hause Stuart jemals durch Erfahrung erkennen lernte, +empörte sich heftig gegen die Ungerechtigkeit. Oxford, der friedliche +Sitz der Gelehrsamkeit und Loyalität, war in einem Zustande, ähnlich +dem, in welchem sich London am Morgen nach dem Versuche Karl’s I., die +fünf Parlamentsmitglieder festnehmen zu lassen, befunden hatte. Der +Vicekanzler war am Tage der Vertreibung von den Commissaren zu Tische +eingeladen worden. Er lehnte die Einladung ab. „Mein Geschmack,“ sagte +er, „ist verschieden von dem des Obersten Kirke; ich kann unter dem +Galgen nicht mit Appetit essen.“ Die Studenten weigerten sich, den neuen +Vorsteher des Magdalenen-Collegiums zu grüßen. Smith erhielt den +Spottnamen +Dr.+ Schuft und wurde in einem Kaffeehause öffentlich +insultirt. Als Charnock die Demies aufforderte, in seiner Gegenwart ihre +akademischen Übungen vorzunehmen, antworteten sie ihm, daß sie ihrer +rechtmäßigen Vorsteher beraubt seien und sich keiner widerrechtlichen +Autorität unterwerfen würden. Sie versammelten sich zum Studiren wie zum +Gottesdienst auf eigne Hand. Man versuchte es, sie durch das Anerbieten +der einträglichen Collegiaturen, welche eben für erledigt erklärt worden +waren, zu verführen, aber ein Untergraduirter nach dem andren antwortete +mit männlichem Freimuth, daß sein Gewissen ihm nicht gestatte, aus einem +Unrecht für sich Nutzen zu ziehen. Ein Student, der sich zur Annahme +einer Collegiatur überreden ließ, wurde von seinen Comiletonen aus dem +Saale gestoßen. Es wurden junge Leute aus anderen Collegien eingeladen, +aber mit geringem Erfolg; die reichste Stiftung des Landes schien selbst +für arme Studenten alle Anziehungskraft verloren zu haben. Inzwischen +wurde in London und im ganzen Lande Geld zur Unterstützung der +vertriebenen Collegiaten gesammelt. Die Prinzessin von Oranien zeichnete +zur großen Freude aller Protestanten zweihundert Pfund. Der König, +beharrte nichtsdestoweniger bei dem eingeschlagenen Verfahren. Auf die +Vertreibung der Collegiaten folgte bald die Ausstoßung einer Menge +Demies. Währenddem nahmen die körperlichen und geistigen Kräfte des +neuen Präsidenten mehr und mehr ab. Er hatte zu der Zeit, als sein +Kollegium sich in offener Empörung gegen seine Autorität befand, noch +einen schwachen Versuch gemacht, der Regierung einen Dienst zu leisten, +indem er eine Vertheidigung der Indulgenzerklärung oder vielmehr der +Lehre von der Transsubstantiation erscheinen ließ. Diese Schrift rief +viele Entgegnungen hervor, namentlich eine von Burnet, die mit +außerordentlicher Kraft und Schärfe geschrieben war. Wenige Wochen nach +der Vertreibung der Demies starb Parker in dem Hause, von dem er +gewaltsam Besitz ergriffen hatte. Man sagte damals, Reue und Scham +hätten sein Ende beschleunigt. Er ruht in der schönen Vorkapelle des +Collegiums, aber kein Denkstein bezeichnet sein Grab. + + +[_Das Magdalenen-Collegium in ein papistisches Seminar verwandelt._] Der +ganze Plan des Königs wurde nun vollends ausgeführt: das Collegium wurde +zu einem papistischen Seminar umgestaltet. Bonaventura Giffard, der +katholische Bischof von Madura, ward Präsident. In der Kapelle wurde +katholischer Gottesdienst gehalten und an einem Tage zwölf Katholiken +als Collegiaten aufgenommen. Einige servile Protestanten bewarben sich +um die Aufnahme, wurden aber abschläglich beschieden. Smith, der loyal +bis zur Begeisterung, aber noch immer ein aufrichtiges Mitglied der +anglikanischen Kirche war, konnte das veränderte Aussehen des Hauses +nicht ertragen. Er entfernte sich, kam der Aufforderung zur Rückkehr in +seine Wohnung nicht nach, und wurde daher abgesetzt. So war das +Beraubungswerk vollendet.[22] + +Das Universitätssystem Englands ist von der Art, daß jedes Ereigniß, das +die Interessen oder die Ehre irgend einer Universität berührt, im ganzen +Lande nothwendig einen starken Eindruck machen muß. Jeder neue Schlag +gegen das Magdalenen-Collegium wurde daher bis an die äußersten +Endpunkte des Königreichs gefühlt. In den londoner Kaffeehäusern, in den +juristischen Hochschulen, unter den Geistlichen aller Domkapitel, in +Pfarrwohnungen und Landschlössern selbst der entferntesten Grafschaften +war das Mitleid mit den Duldern und der Unwille gegen die Regierung +beständig im Zunehmen. Hough’s Protest fand überall Beifall, das +Aufsprengen seiner Thür wurde überall mit Abscheu erzählt und das über +die Collegiaten verhängte Beraubungs- und Vertreibungsurtheil zerriß +endlich die einst so engen und theuren Bande, welche die anglikanische +Kirche mit dem Hause Stuart verknüpften. + + [Anmerkung 22: Prozeßverfahren gegen das Magdalenen-Collegium zu + Oxford wegen Nichterwählung Anton Farmer’s zum Präsidenten, in der + +Collection of State Trials+, Ausgabe von Howell; +Luttrell’s + Diary, June 15., 17., Oct. 24., Dec. 10. 1687+; +Smith’s + Narrative+; Brief von Doctor Richard Rawlinson vom 31. Oct. 1687; + +Reresby’s Memoirs+; +Burnet, I. 699+; +Cartwright’s Diary+; + Citters, 25. Oct. (4. Nov.), 28. Oct. (7. Nov.), 8.(18.) u. + 18.(28.) Nov. 1687.] + + +[_Groll der Geistlichkeit._] Bitterer Groll und schlimme Befürchtungen +traten an die Stelle der Liebe und des Vertrauens. Es gab keinen +Pfründner, keinen Rector und keinen Vikar, der nicht von der Angst +gequält worden wäre, daß er, so friedlich sein Character und so +unbedeutend seine Stelle sein mochte, vielleicht in wenigen Monaten +durch einen willkürlichen Machtspruch aus seinem Hause vertrieben werden +könne, um im zerrissenen Priesterrocke mit Frau und Kindern zu betteln, +während sein durch uralte Gesetze und durch das königliche Wort +gesichertes Eigenthum von einem Apostaten in Besitz genommen wurde. Das +war also der Lohn für die heldenmüthige Loyalität, die sich in allen +Wechselfällen fünfzig stürmischer Jahre nicht ein einziges Mal +verleugnet hatte! Deshalb also hatte die Geistlichkeit für Karl I. +Plünderung und Verfolgung ertragen, deshalb hatte sie Karl II. in seinem +harten Kampfe mit der whiggistischen Opposition unterstützt, deshalb +hatte sie in der vordersten Reihe gegen Diejenigen gestanden, welche +Jakob seines Geburtsrechtes berauben wollten! Ihrer Treue allein +verdankte ihr Unterdrücker die Macht, die er jetzt zu ihrem Verderben +anwendete. Lange genug hatten sie mit bitterem Schmerze die Leiden +aufgezählt, die sie von den Puritanern in den Tagen ihrer Macht hatten +erdulden müssen. Der Puritaner war indessen einigermaßen zu +entschuldigen. Er war ein erklärter Feind, er hatte sich für erlittenes +Unrecht zu rächen und selbst er war nicht ganz ohne Mitleid gewesen, als +er die Kirchenverfassung des Landes umgestaltete und Alle, die seinen +Covenant nicht unterschreiben wollten, absetzte. Er hatte denen, die er +ihrer Pfründen beraubte, wenigstens so viel davon gelassen, als sie zu +ihrem Lebensunterhalte nothwendig brauchten. Aber des Königs Haß gegen +die Kirche, die ihn vor der Verbannung bewahrt und auf den Thron erhoben +hatte, war nicht so leicht zu sättigen. Nur der völlige Ruin seiner +Opfer konnte ihn zufrieden stellen. Nicht genug, daß sie aus ihren +Wohnungen vertrieben und ihres Einkommens beraubt wurden, auch jede +andre Laufbahn, auf der Männer ihrer Art ihren Unterhalt suchen konnten, +war ihnen mit raffinirter Böswilligkeit verschlossen und es blieb ihnen +nichts Andres übrig, als die unsichere und beschämende Hülfsquelle der +öffentlichen Mildthätigkeit. + +Die anglikanische Geistlichkeit und diejenigen Laien, welche dem +protestantischen Episcopat mit Liebe zugethan waren, betrachteten daher +jetzt den König mit Gefühlen, wie sie eine durch Undank noch +verschlimmerte Ungerechtigkeit nothwendig, erregen muß. Indessen hatte +der Anglikaner noch immer viele Bedenken des Gewissens und der Ehre zu +überwinden, ehe er sich zum gewaltsamen Widerstande gegen die Regierung +entschließen konnte. Man hatte ihn gelehrt, daß das göttliche Gesetz +passiven Gehorsam ohne Bedingung oder Ausnahme vorschreibe. Diese +Ansicht hatte er laut und offen ausgesprochen und die Insinuation, daß +extreme Fälle eintreten könnten, welche dem Volke das Recht gäben, gegen +königliche Tyrannei das Schwert zu ziehen, mit Verachtung +zurückgewiesen. Sowohl Grundsatz als Scham hielten ihn demnach ab, das +Beispiel der rebellischen Rundköpfe nachzuahmen, so lange noch einige +Hoffnung auf friedliche und gesetzmäßige Befreiung vorhanden war, und +eine solche Hoffnung konnte man vernünftigerweise wohl hegen, so lange +die Prinzessin von Oranien die nächste Thronerbin war. Wenn er diese +Glaubensprüfung geduldig überstand, so würden die Gesetze der Natur bald +das für ihn thun, was er ohne Sünde und Schande nicht selbst für sich +thun konnte. Die Bedrückungen der Kirche wurden dann abgestellt, ihr +Eigenthum und ihre Würde durch neue Bürgschaften gesichert und die +schändlichen Minister, die sie in Zeiten der Bedrängniß gekränkt und +verhöhnt hatten, wurden exemplarisch bestraft. + + +[_Pläne der jesuitischen Cabale in Bezug auf die Thronfolge._] An das +Ereigniß, von dem die anglikanische Kirche eine ehrenvolle und +friedliche Erlösung von ihren Leiden erwartete, konnten auch die +sorglosesten Mitglieder der jesuitischen Cabale nicht ohne quälende +Besorgnisse denken. Wenn ihr Gebieter starb, ohne ihnen eine größere +Sicherheit gegen die Strafgesetze zu hinterlassen als eine +Indulgenzerklärung, welche die ganze Nation einstimmig für null und +nichtig erklärt hatte, wenn ein von dem nämlichen Geiste, welcher in den +Parlamenten Karl’s II. vorgeherrscht, beseeltes Parlament sich um den +Thron eines protestantischen Landesoberhauptes versammelte, war dann +nicht vorauszusehen, daß eine furchtbare Vergeltung ausgeübt, daß die +alten Gesetze gegen den Papismus mit schonungsloser Strenge gehandhabt +und daß noch härtere neue Gesetze dem Gesetzbuche einverleibt werden +würden? Von diesen schlimmen Befürchtungen wurden die bösen Rathgeber +der Krone schon seit langer Zeit gequält, und einige von ihnen hatten +sonderbare und verzweifelte Schutzmittel ersonnen. Jakob hatte den Thron +kaum bestiegen, so begann man sich in Whitehall schon zuzuflüstern, daß, +wenn die Prinzessin Anna katholisch werden wollte, es mit Hülfe Ludwig’s +vielleicht nicht unmöglich sein würde, das Geburtsrecht ihrer älteren +Schwester auf sie zu übertragen. Bei der französischen Gesandtschaft +fand diese Idee großen Beifall und Bonrepaux war der Meinung, daß +Jakob’s Einwilligung nicht schwer zu erlangen sein werde.[23] Bald +jedoch zeigte es sich deutlich, daß Anna der Landeskirche +unerschütterlich treu war. Der Gedanke, sie zur Königin zu machen, wurde +daher wieder aufgegeben. Dessenungeachtet nährte ein kleines Häuflein +Fanatiker noch immer die kühne Hoffnung, daß es ihnen gelingen könne, +die Thronfolgeordnung zu ändern. Der Plan dieser Männer wurde in einem +Entwurfe dargelegt, von dem noch eine schlechte französische Übersetzung +vorhanden ist. Es sei zu hoffen, sagten sie, daß der König im Stande +sein werde, den wahren Glauben zu befestigen, ohne zu extremen Mitteln +zu greifen; im schlimmsten Fall aber könne er die Verfügung über seine +Krone Ludwig anheimstellen. Es sei für die Engländer immer noch besser, +wenn sie Vasallen Frankreichs wären, als Sklaven des Teufels.[24] Dieses +höchst merkwürdige Actenstück ging unter den Jesuiten und Höflingen von +Hand zu Hand, bis endlich einige ausgezeichnete Katholiken, in denen die +Bigotterie noch nicht allen Patriotismus erstickt hatte, dem +holländischen Gesandten eine Abschrift anfertigten. Dieser zeigte den +Aufsatz dem Könige, und Jakob erklärte denselben für eine erbärmliche +Fälschung, die von einem holländischen Pamphletschmierer ersonnen sein +müsse. Der holländische Gesandte antwortete mit Entschiedenheit, daß er +durch das Zeugniß mehrerer ausgezeichneter Mitglieder der eigenen Kirche +Seiner Majestät das Gegentheil beweisen könne, ja daß es sogar nicht +schwer sein werde, den Verfasser ausfindig zu machen, welcher im Grunde +nur das niedergeschrieben habe, wovon viele Priester und geschäftige +Politiker täglich in den Gallerien des Palastes sprächen. Der König +hielt es nicht für rathsam, nach dem Verfasser zu forschen, nahm den +Vorwurf der Fälschung zurück und versicherte mit großer Heftigkeit und +Feierlichkeit, daß es ihm nie in den Sinn gekommen sei, seine älteste +Tochter zu enterben. „Niemand,“ sagte er, „hat es je gewagt, eine solche +Idee gegen mich zu äußern, und ich würde auch nie darauf hören. Gott +befiehlt uns nicht, die wahre Religion durch Ungerechtigkeit zu +verbreiten, und dies würde die empörendste, widernatürlichste +Ungerechtigkeit sein“.[25] Trotz aller dieser Betheuerungen meldete +Barillon wenige Tage später seinem Hofe, daß Jakob angefangen habe, auf +Einflüsterungen in Betreff einer Änderung der Thronfolgeordnung zu +hören, daß die Sache zwar sehr kitzlich sei, daß man aber gegründete +Hoffnung habe, mit der Zeit und durch vorsichtiges Verfahren einen Weg +zu finden, um die Krone mit Ausschließung der beiden Prinzessinnen auf +ein römisch-katholisches Haupt zu bringen.[26] Dieser Plan wurde noch +viele Monate von den heftigsten und überspanntesten Papisten am Hofe +besprochen, und es wurden wirklich Candidaten für den Königsthron +genannt.[27] + + [Anmerkung 23: +„Quand on connoit le dedans de cette cour aussi + intimement que je la connois, on peut croire que Sa Majesté + Britannique donnera volontiers dans ces sortes de projets.“+ + Bonrepaux an Seignelay, 18.(28.) März 1686.] + + [Anmerkung 24: +„Que, quand pour établir la religion Catholique et + pour la confirmer icy, il+ (Jakob) +devroit se rendre en quelque + façon dépendant de la France, et mettre la décision de la + succession à la couronne entre les mains de ce monarque là, qu’il + seroit obligé de le faire, parcequ’il vaudroit mieux pour ses + sujets qu’ils devinssent vassaux du Roy de France, étant + Catholiques, que de demeurer comme esclaves du Diable.“+ -- Dieses + Schriftstück befindet sich sowohl im französischen als auch im + holländischen Archive.] + + [Anmerkung 25: Citters, 6.(16.) u. 17.(27.) Aug.; Barillon, + 19.(29.) Aug.] + + [Anmerkung 26: Barillon, 13.(23.) Sept. 1686. +„La succession est + une matière fort délicate à traiter. Je sais pourtant qu’on en + parle au Roy d’Angleterre et qu’on ne désespère pas avec le temps + de trouver des moyens pour faire passer la couronne sur la tête + d’un héritier Catholique.“+] + + [Anmerkung 27: Bonrepaux, 11.(21.) Juli 1687.] + + +[_Jakob’s und Tyrconnel’s Plan, die Prinzessin von Oranien von der +Erbfolge im Königreich Irland auszuschließen._] Es ist jedoch nicht +wahrscheinlich, daß Jakob jemals einen so unsinnigen Schritt zu thun +beabsichtigte. Er mußte wissen, daß England nicht einen einzigen Tag das +Joch eines Usurpators ertragen hätte, der noch obendrein Papist war, und +daß sowohl Diejenigen, welche die Ausschließungsbill unterstützt, als +auch Die, welche sich ihr widersetzt hatten, jeden Versuch, die +Prinzessin Marie bei Seite zu schieben, auf Leben und Tod bekämpft haben +würden. Dagegen unterliegt es keinem Zweifel, daß der König bei einem +minder unsinnigen, aber eben so unverantwortlichen Anschlage auf die +Rechte seiner Kinder die Hand im Spiele hatte. Tyrconnel hatte im +Einverständniß mit seinem Gebieter Anstalten getroffen, um Irland von +dem Königreiche zu trennen und es unter Ludwig’s Protection zu stellen, +sobald die Krone einem protestantischen Oberhaupte zufallen würde. +Bonrepaux war zu Rathe gezogen worden, hatte seinem Hofe den Plan +mitgetheilt und die Weisung erhalten, Tyrconnel zu versichern, daß +Frankreich zur Ausführung dieser großartigen Idee kräftigen Beistand +leisten werde.[28] Diese Unterhandlungen, welche im Haag vielleicht +nicht in ihrem ganzen Umfange genau bekannt waren, aber doch stark +vermuthet wurden, dürfen nicht außer Acht gelassen werden, wenn man sich +ein richtiges Urtheil über das Verfahren bilden will, das die Prinzessin +von Oranien wenige Monate später einschlug. Wer sie einer Verletzung der +Kindespflicht beschuldigt, muß zugeben, daß ihr Fehler durch das ihr +zugefügte Unrecht wenigstens sehr gemildert wird. Wenn sie im Interesse +ihres Glaubens die heiligsten Bande der Blutsverwandtschaft zerriß, so +folgte sie nur dem Beispiele ihres Vaters. Sie lieh erst dann die Hand +zu seiner Absetzung, als er einen Anschlag zu ihrer Enterbung +geschmiedet hatte. + + [Anmerkung 28: Bonrepaux an Seignelay, 25. Aug. (4. Sept.) 1687. + Ich will eine Stelle aus dieser wichtigen Depesche hier anführen. + +„Je sçay bien certainement que l’intention du Roy d’Angleterre + est de faire perdre ce royaume+ (Irland) +à son successeur, et de + le fortifier en sorte que tous ses sujets Catholiques y puissent + avoir un asile assuré. Son projet est de mettre les choses en cet + estat dans le cours de cinq années.“+ -- In den +Secret Consults + of the Romish Party in Ireland, 1690+, findet sich eine Stelle, + aus welcher hervorgeht, daß diese Unterhandlung nicht streng + geheim gehalten wurde. „Obgleich der König es selbst vor seinen + Räthen verschwieg, so ist es doch gewiß, daß er dem französischen + König die Verfügung über jene Regierung und jenes Königreich + versprochen hat, sobald die Dinge so weit gediehen sein würden, + daß es sich thun ließe.“] + + +[_Schwangerschaft der Königin._] Bonrepaux war kaum davon +benachrichtigt, daß Ludwig beschlossen habe, Tyrconnel’s Vorhaben zu +unterstützen, so wurde jeder Gedanke an diesen Plan wieder aufgegeben. +Jakob erblickte den ersten Schimmer einer Hoffnung, die ihn mit Stolz +und Entzücken erfüllte: die Königin war schwanger. + + +[_Allgemeiner Zweifel._] Gegen Ende October 1687 begann sich die große +Neuigkeit gerüchtweise zu verbreiten. Man hatte bemerkt, daß Ihre +Majestät sich unter dem Vorwande der Unpäßlichkeit von mehreren +öffentlichen Feierlichkeiten fern gehalten. Es hieß, daß ihr eine Menge +Reliquien, denen man eine außerordentliche Wirkung zuschrieb, umgehängt +worden seien. Die Geschichte fand bald ihren Weg aus dem Palaste in die +Kaffeehäuser und verbreitete sich rasch durch das ganze Land. Nur sehr +Wenige begrüßten das Gerücht mit Freuden, der bei weitem größte Theil +der Nation vernahm es mit einem Gemisch von Zweifel und Besorgniß. Die +Sache war jedoch keineswegs so unglaublich. Der König hatte eben erst +sein vierundfünfzigstes Jahr vollendet und die Königin stand im Sommer +ihres Lebens. Sie hatte vier Kinder geboren, welche jung starben, und +lange nachher wurde sie von einem fünften entbunden, das Niemand ein +Interesse hatte als untergeschoben zu betrachten und das daher auch nie +für ein solches erklärt wurde. Da indessen seit dieser letzten +Schwangerschaft fünf Jahre verstrichen waren, so hatte das Volk unter +dem Einflusse der Täuschung, welche die Menschen so leicht verleitet, +das zu glauben was sie wünschen, jede Besorgniß, daß sie noch einen +Thronerben zur Welt bringen werde, aufgegeben. Auf der andren Seite +schien nichts natürlicher und wahrscheinlicher, als daß die Jesuiten +einen frommen Betrug ersonnen haben könnten. Es unterlag keinem Zweifel, +daß sie die Thronbesteigung der Prinzessin von Oranien als einen der +härtesten Schläge betrachten mußten, der ihre Kirche treffen konnte. +Eben so gewiß war es, daß sie nicht sehr gewissenhaft in der Wahl der +Mittel sein würden, mit deren Hülfe sie ein so großes Unglück von ihrer +Kirche abwenden konnten. In Werken von ausgezeichneten Mitgliedern ihrer +Gesellschaft, welche von ihren Oberen sanctionirt waren, war es deutlich +ausgesprochen, daß selbst Mittel, welche allen Begriffen von +Gerechtigkeit und Humanität noch viel ärger Hohn sprachen, als die +Einschmuggelung eines unächten Erben in eine Familie, mit Fug und Recht +zu minder wichtigen Zwecken angewendet werden dürften, als die Bekehrung +eines ketzerischen Königreichs war. Es war ruchbar geworden, daß einige +Räthe des Königs und sogar der König selbst Pläne geschmiedet hätten, um +die Prinzessin Marie ganz oder theilweis um ihr rechtmäßiges Erbe zu +betrügen. Es bemächtigte sich der öffentlichen Meinung ein Verdacht, der +zwar nicht wohl begründet, aber keineswegs so abgeschmackt war, als man +gewöhnlich glaubt, und die Unbesonnenheit einiger Katholiken bestärkte +das allgemeine Vorurtheil. Sie sprachen von dem glücklichen Ereignisse +wie von etwas Außerordentlichem und Wunderbaren, wie von einem Zeichen +derselben göttlichen Allmacht, welche Sara durch Isaak stolz und +glücklich machte und die Gebete Hanna’s mit Samuel belohnte. Marien’s +Mütter, die Herzogin von Modena, war unlängst gestorben. Kurz vor ihrem +Tode sollte sie mit inbrünstigen Gebeten und reichen Opfergaben die +heilige Jungfrau von Loretto angefleht haben, daß sie Jakob einen Sohn +schenken möge. Der König selbst hatte im vergangenen August auf seiner +Reise einen Abstecher nach der sogenannten heiligen Quelle gemacht und +dort die heilige Winifreda gebeten, daß sie ihm das Geschenk verschaffen +möge, ohne welches seine großen Pläne zur Verbreitung des wahren +Glaubens nur unvollkommen ausgeführt werden könnten. Die unbesonnenen +Zeloten, die auf solche Geschichten ein großes Gewicht legten, +prophezeiten mit Zuversicht, daß das ungeborne Kind ein Knabe sein werde +und boten darauf eine Wette von zwanzig Guineen gegen eine an. Sie +meinten, der Himmel werde sich nicht in’s Mittel gelegt haben, wenn er +nicht einen großen Zweck dabei hätte. Ein Fanatiker verkündete sogar, +die Königin werde Zwillinge gebären, von denen der ältere König von +England, der jüngere Papst werden würde. Marie konnte das Vergnügen, mit +dem sie diese Prophezeiungen anhörte, nicht verbergen, und ihre Hofdamen +sahen, daß sie sich nicht besser bei ihr insinuiren könnten, als wenn +sie davon sprachen. Die Katholiken würden klüger gethan haben, wenn sie +von der Schwangerschaft als von einem ganz natürlichen Ereignisse +gesprochen und ihr unverhofftes Glück mit mehr Mäßigung getragen hätten. +Ihr übermüthiger Triumph erregte nur den Unwillen des Volks und ihre +Prophezeiungen bestärkten es in seinem Verdacht. Von dem Prinzen und der +Prinzessin von Dänemark herab bis zu den Lastträgern und Waschweibern +erwähnte Niemand die verheißene Geburt ohne ein höhnisches Lächeln. Die +londoner Spottvögel beschrieben das neue Wunder in Reimen, die, wie man +leicht denken kann, nicht eben die zartesten waren. Die ungeschliffenen +Landsquires brachen in ein schallendes Gelächter aus, wenn sie mit +Jemandem zusammentrafen, der so einfältig war zu glauben, daß die +Königin wirklich noch einmal Mutter werden würde. Es erschien eine +königliche Verordnung, welche der Geistlichkeit befahl, ein von Crewe +und Sprat für dieses freudige Ereigniß besonders verfaßtes Bitt- und +Dankgebet zu verlesen. Die Geistlichen gehorchten, aber man bemerkte, +daß die Gemeinden nicht respondirten und kein Zeichen von Ehrerbietung +äußerten. Bald circulirte in allen Kaffeehäusern ein rohes Spottgedicht +auf die höfischen Prälaten, deren Feder sich der König bedient hatte. +Mutter East (Ost) war darin ebenfalls reichlich mit Schmähungen bedacht. +Zu diesem einheimischen einsilbigen Wörtchen hatten unsere Vorfahren den +Namen des großen Hauses Este, welches in Modena regierte, +verstümmelt.[29] + +Die neue Hoffnung, welche den Muth des Königs so sehr hob, war indessen +mit mancherlei Besorgnissen vermischt. Es bedurfte noch etwas mehr als +die Geburt eines Prinzen von Wales zum Gelingen der von der +Jesuitenpartei entworfenen Pläne. Es war nicht anzunehmen, daß Jakob so +lange lebte, bis sein Sohn das zur Ausübung der königlichen Functionen +erforderliche Alter erreicht hatte. Das Gesetz hatte den Fall eines +minderjährigen Thronerben nicht vorgesehen, und der regierende +Landesherr war nicht berechtigt, für diesen Fall eine testamentarische +Verfügung zu treffen. Die gesetzgebende Versammlung allein konnte die +Lücke ausfüllen. Starb Jakob, bevor Letzteres geschehen war, und +hinterließ er einen Nachfolger von zarter Jugend, so mußte die höchste +Gewalt unfehlbar protestantischen Händen zufallen. Selbst diejenigen +Tories, welche am festesten an dem Grundsatze hingen, daß nichts sie zum +Widerstande gegen ihren Lehnsherrn berechtigen könne, würden gewiß kein +Bedenken getragen haben, das Schwert gegen ein papistisches Weib zu +ziehen, die es gewagt hätte, sich die Vormundschaft über das Reich und +über den jugendlichen Souverain anzumaßen. Der Ausgang eines Kampfes +konnte kaum zweifelhaft sein. Der Prinz von Oranien oder seine Gemahlin +wurde Regent und der junge König kam in die Hände ketzerischer Lehrer, +deren Kunstgriffe die Eindrücke, welche sein Gemüth in der Kinderstube +empfangen hatte, jedenfalls bald verwischten. Er konnte ein zweiter +Eduard VI. werden und der durch die Fürsprache der Mutter Gottes und der +heiligen Winifreda erlangte Segen konnte sich in Fluch verwandeln.[30] +Gegen eine solche Gefahr konnte nur eine Parlamentsacte schützen, und +eine solche Acte war nicht leicht zu erlangen. + + [Anmerkung 29: Citters, 28. Oct. (7. Nov.), 22. Nov. (2. Dec.) + 1687; die Prinzessin Anna an die Prinzessin von Oranien, 14. u. + 20. März 1687/8; Barillon, 1.(11.) Dec. 1687; +Revolution + Politics+; das Gedicht: +„Two Toms and a Nat“+; Johnstone, 4. + April 1688; +Secret Consults of the Romish Party in Ireland, + 1690+.] + + [Anmerkung 30: Die Besorgnisse des Königs über diesen Punkt werden + von Ronquillo in einer Depesche vom 12.(22.) Dec. 1688 mit starken + Farben geschildert: +„Un Principe de Vales y un Dogue de York y + otro di Lochaosterna+ (vermuthlich Lancaster), +no bastan, a + reducir la gente; porque el Rey tiene 54 años, y vendrá á morir, + dejando los hijos pequeños, y que entonces el reyno se apoderará + dellos, y los nombrará tutor, y los educará en la religion + protestante, contra la disposicion que dejare el Rey, y la + autoridad de la Reyna.“+] + + +[_Stimmung der Wahlkörper und der Peers._] Es schien Alles anzudeuten, +daß, wenn die Häuser einberufen werden sollten, sie von dem Geiste von +1640 beseelt nach Westminster kommen würden. Das Resultat der +Grafschaftswahlen konnte kaum zweifelhaft sein. Die ganze Masse der +Grundeigenthümer, hohe und niedere, geistlichen und weltlichen Standes, +waren gegen die Regierung heftig aufgebracht. In der großen Mehrzahl +derjenigen Städte, wo das Stimmrecht von der Entrichtung örtlicher +Steuern oder von dem Besitze eines Grundstücks abhängig war, hätte sich +kein höfisch gesinnter Kandidat blicken lassen dürfen. Ein sehr großer +Theil des Unterhauses wurde von Mitgliedern von Municipalcorporationen +gewählt. Diese Corporationen waren unlängst reorganisirt worden, um den +Einfluß der Whigs und der Dissenters zu zerstören, mehr als hundert +Wahlkörper waren durch der Krone ergebene Gerichtshöfe ihrer Freibriefe +beraubt oder doch veranlaßt worden, einer gewaltsamen Entziehung ihrer +Privilegien durch freiwilliges Aufgeben derselben zuvorzukommen. Jeder +Mayor, jeder Alderman, jeder Stadtschreiber von Berwick bis Helstone war +Tory und Anglikaner; aber Tories und Anglikaner waren jetzt dem +Souverain nicht mehr ergeben. Die neuen Municipalbehörden waren noch +unlenksamer als die früheren je gewesen waren, und sie wählten ohne +allen Zweifel solche Abgeordnete, deren erster parlamentarischer Act +eine Anklage gegen alle papistischen Geheimräthe und gegen alle +Mitglieder der Hohen Commission war. + +Bei den Lords waren die Aussichten fast eben so trübe als bei den +Gemeinen. Es unterlag keinem Zweifel, daß die große Mehrzahl der +weltlichen Peers gegen die Maßregeln des Königs sein würden, und auf der +Bischofsbank, welche ihn vor sieben Jahren einstimmig gegen Diejenigen +unterstützt hatte, die ihn seines Geburtsrechtes berauben wollten, +konnte er nur auf den Beistand von vier oder fünf servilen Schmeichlern +rechnen, die von ihren Berufsgenossen wie von der ganzen Nation +verachtet wurden.[31] + +Jedem, den die Leidenschaft nicht gänzlich verblendete, mußten diese +Hindernisse unübersteiglich erscheinen. Die gewissenlosesten Sklaven der +Gewalt ließen Zeichen von Besorgniß laut werden. Dryden äußerte, der +König werde durch seinen Versuch, die Sache besser zu machen, sie nur +verschlimmern, und er sehnte sich zurück nach den goldenen Tagen des +sorglosen und gutmüthigen Karl.[32] Selbst Jeffreys wurde schwankend. So +lange er arm war, war er stets bereit gewesen, um des Gewinns willen dem +bösen Leumunde und dem öffentlichen Hasse zu trotzen; aber er hatte sich +jetzt durch Bestechlichkeit und Erpressungen große Reichthümer erworben, +und es lag ihm mehr daran, sich den Besitz derselben zu sichern, als sie +noch zu vermehren. Seine Lauheit zog ihm einen strengen Verweis aus +königlichem Munde zu. Aus Furcht, das große Siegel zu verlieren, +versprach er Alles was von ihm verlangt wurde; Barillon aber bemerkte in +seinem hierauf bezüglichen Berichte an Ludwig, daß der König von England +sich selbst auf Diejenigen, die etwas zu verlieren hätten, nicht mehr +verlassen könne.[33] + + [Anmerkung 31: Drei damals entworfene Stimmlisten sind noch + vorhanden; eine befindet sich in den französischen Archiven, die + beiden anderen in den Archiven der Familie Portland. In diese + Listen sind die Peers unter drei Rubriken eingetragen: Für + Aufhebung des Testes, gegen die Aufhebung, und zweifelhaft. Nach + der einen Liste waren 31 für, 86 gegen und 20 zweifelhaft; nach + der zweiten 33 für, 87 gegen und 19 zweifelhaft; nach der dritten + 35 für, 92 gegen und 10 zweifelhaft. Abschriften der drei Listen + befinden sich unter den Mackintosh-Manuscripten.] + + [Anmerkung 32: Im Britischen Museum befindet sich ein Brief von + Dryden an Etherege vom Februar 1688. Ich entsinne mich nicht, ihn + gedruckt gesehen zu haben. „Ach,“ sagt Dryden, „möchte doch unser + König durch sein eignes Beispiel zu edler Muße aufmuntern, wie + sein Vorgänger hochseligen Andenkens es that. Mich dünkt er wird + mit all’ seinem Geschäftseifer die Angelegenheiten nicht + fördern.“] + + [Anmerkung 33: Barillon, 29. Aug. (8. Sept.) 1687.] + + +[_Jakob beschließt, ein bestochenes Parlament zusammenzusetzen._] Trotz +alledem beschloß Jakob, seinen Weg beharrlich zu verfolgen. Die +Zustimmung eines freien und gesetzlichen Parlaments zu erlangen, war +offenbar unmöglich; aber nicht ganz unmöglich war es, durch Bestechung, +Einschüchterung, gewaltthätige Anwendung der Prärogative und +betrügerische Rechtsverdrehungen eine Versammlung zu Stande zu bringen, +die sich ein Parlament nennen konnte und bereit war, jeden Befehl des +Souverains als Gesetz zu registriren. Es mußten Wahlbeamte ernannt +werden, die den geringsten Vorwand benutzten, um Freunde des Königs für +rechtsgültig gewählt zu erklären. Jedem Angestellten, von den höchsten +bis zu den niedrigsten, mußte zu verstehen gegeben werden, daß, wenn er +sein Amt behalten wolle, er diesmal den Thron durch seine Stimme und +seinen Einfluß unterstützen müsse. Zu gleicher Zeit mußte die Hohe +Commission ein scharfes Auge auf die Geistlichkeit haben. Die Wahlorte, +welche erst kürzlich reorganisirt worden waren, um dem einen Zwecke zu +dienen, konnten noch einmal umgestaltet werden, um einem andren zu +dienen. Auf diese Weise hoffte der König im Hause der Gemeinen eine +Majorität zu erlangen. Das Oberhaus war dann ganz in seiner Gewalt, denn +er hatte das unbestrittene gesetzliche Recht, Peers nach seinem +Gutdünken zu ernennen, und er war fest entschlossen, von diesem Rechte +Gebrauch zu machen. Er wünschte zwar nicht, was auch kein Souverain +wünschen kann, die höchste Ehrenbezeigung, welche die Krone zu verleihen +vermag, werthlos zu machen; aber er schmeichelte sich mit der Hoffnung, +daß es ihm durch Einberufung einiger nächster Erben in die Versammlung, +in der sie doch früher oder später einmal ihren Sitz einnehmen mußten, +und durch Verleihung englischer Adelstitel an schottische und irische +Lords gelingen werde, sich eine Majorität zu sichern; ohne so viele +Leute in den Adelsstand erheben zu müssen, daß dadurch die Adelskrone +und der Hermelin an Ansehen verloren. Indessen hatte er sich +vorgenommen, im Nothfall auch zu den äußersten Mitteln zu greifen. Als +in einer zahlreichen Gesellschaft einmal die Meinung ausgesprochen +wurde, daß sich die Peers unfügsam zeigen würden, sagte Sunderland zu +Churchill: „Wie einfältig! Ihre Garde wird vor dem Hause der Lords +stehen.“[34] + +Nachdem Jakob beschlossen hatte, ein corrumpirtes Parlament +zusammenzubringen, ging er energisch und planmäßig an die Ausführung. Es +erschien in der Gazette eine Proklamation, welche ankündigte, daß der +König sich entschlossen habe, die Bestallungen der Friedensrichter und +der Grafschaftsstatthalter einer Revision zu unterwerfen und daß nur +diejenigen Gentlemen im Staatsdienste bleiben sollten, welche geneigt +waren, seine Politik zu unterstützen[35]. Ein Ausschuß von sieben +Geheimräthen saß in Whitehall, um, wie man sich ausdrückte, die +Municipalkörperschaften zu reguliren. In diesem Ausschusse vertrat +Jeffreys allein das protestantische, Powis das gemäßigte katholische +Interesse. Alle anderen Mitglieder gehörten der jesuitischen Faction an. +Unter ihnen befand sich auch Petre, der in den Geheimen Rath vereidigt +worden war. Seine Ernennung war bis zum factischen Antritt dieser +Function vor Jedermann, mit alleiniger Ausnahme Sunderland’s, sorgfältig +geheim gehalten worden. Der öffentliche Unwille über diese abermalige +Verletzung des Gesetzes äußerte sich laut, und man bemerkte, daß die +Katholiken sie noch rücksichtsloser tadelten als die Protestanten. Der +eitle und ehrgeizige Jesuit war jetzt beauftragt, die Hälfte der +Wahlkörper des Reichs aufzulösen und neu zu organisiren. + + [Anmerkung 34: Lord Bradford, welcher anwesend war, erzählte dies + Dartmouth; Note zu Burnet I. 755.] + + [Anmerkung 35: +London Gazette, Dec. 12, 1687+.] + + +[_Die Regulatoren._] Unter der Oberleitung des Ausschusses der +Geheimräthe stand ein aus thätigen Agenten untergeordneten Ranges +gebildeter Unterausschuß, der die Einzelheiten des Geschäfts zu +besorgen hatte, und im ganzen Lande waren örtliche Ausschüsse von +Regulatoren errichtet, welche mit dem Centralcomité in Westminster +correspondirten.[36] + +Die Personen, auf deren Unterstützung Jakob bei diesem neuen +und schwierigen Unternehmen hauptsächlich rechnete, waren die +Lordlieutenants. Sie erhielten sämmtlich den schriftlichen Befehl, sich +unverweilt in ihre respectiven Grafschaften zu begeben. Dort sollten sie +alle ihre Stellvertreter und Friedensrichter vor sich laden und ihnen +eine Reihe Fragen vorlegen, um zu erfahren, wie sie sich bei einer +allgemeinen Wahl verhalten würden. Die Antworten sollten sie +niederschreiben und der Regierung einsenden. Ferner sollten sie ein +Verzeichniß derjenigen Katholiken und protestantischen Dissenters +anfertigen, welche für die Richterbank und für die Commandos in der +Miliz am geeignetsten erschienen. Auch sollten sie die Stimmung aller +Wahlorte der Grafschaft untersuchen und Berichte darüber einsenden, +welche den Regulatoren bei ihrer Arbeit als Leitfaden dienen konnten. +Schließlich war ihnen bedeutet, daß sie alle diese Pflichten in Person +zu vollziehen hätten und keine Stellvertreter mit der Ausführung +beauftragen dürften.[37] + + [Anmerkung 36: Bonrepaux an Seignelay, 14.(24.) Nov.; Citters, + 15.(25.) Nov.; +Lords’ Journals, Dec. 20. 1689+.] + + [Anmerkung 37: Citters, 28. Oct. (7. Nov.) 1687.] + + +[_Entlassung vieler Lordlieutenants._] Der erste Eindruck, den diese +Befehle machten, würde einen weniger verblendeten Fürsten als Jakob +sofort zur Besinnung gebracht haben. Die Hälfte der Lordlieutenants von +England verweigerten auf das Bestimmteste den gehässigen Dienst, den man +von ihnen verlangte. Sie wurden auf der Stelle entlassen. Alle, welche +diese ihnen zum Ruhme gereichende Ungnade traf, waren hochangesehene +Peers, welche bisher als feste Stützen der Monarchie gegolten hatten. +Einige Namen der Liste verdienen besondere Erwähnung. + + +[_Der Earl von Oxford._] Der vornehmste Unterthan von England und, wie +die Engländer gern sagten, von ganz Europa, war Aubray de Vere, der +zwanzigste und letzte der alten Earls von Oxford. Sein Adelstitel +schrieb sich durch eine ununterbrochene Reihenfolge männlicher Ahnen aus +einer Zeit her, wo die Familien Howard und Seymour noch unbekannt waren, +wo die Nevilles und die Percy erst eine provinzielle Berühmtheit hatten +und wo selbst der große Name Plantagenet in England noch nicht gehört +worden war. Ein Oberhaupt des Hauses de Vere hatte bei Hastings ein +hohes Commando bekleidet, ein Andrer war mit Gottfried und Tancred über +Haufen erschlagener Moslems nach dem Grabe Jesu Christi gezogen. Der +erste Earl von Oxford war Minister Heinrich Beauclerc’s gewesen; der +dritte hatte sich unter den Lords ausgezeichnet, welche von Johann die +Magna Charta erpreßten; der siebente hatte bei Cressy und Poitiers +tapfer gefochten; der dreizehnte war unter vielen Glückswechseln das +Oberhaupt der Partei der Rothen Rose gewesen und hatte in der +entscheidenden Schlacht von Bosworth die Vorhut angeführt; der +siebzehnte hatte am Hofe der Königin Elisabeth geglänzt und sich einen +ehrenvollen Platz unter den älteren Meistern der englischen Dichtkunst +erworben; der neunzehnte war im Kampfe für den protestantischen Glauben +und für die Freiheit Europa’s unter den Mauern von Mastricht gefallen. +Sein Sohn Aubray, mit welchem der älteste und erlauchteste Adelsstamm, +den England je gesehen, erlosch, ein Mann von lockeren Sitten, aber von +harmlosem Charakter und artigen Manieren, war Lordlieutenant von Essex +und Oberst der Blauen. Er war von Natur nicht widersetzlich und es lag +in seinem Interesse, einen Bruch mit dem Hofe zu vermeiden, denn seine +Güter waren mit Schulden belastet und sein Commando ein sehr +einträgliches. Er wurde in das königliche Kabinet beschieden und eine +bündige Erklärung über seine Gesinnungen von ihm verlangt. „Sire,“ +antwortete Oxford, „ich werde bis zum letzten Blutstropfen gegen alle +Feinde zu Eurer Majestät stehen; aber dies ist eine Gewissenssache, in +der ich Ihnen nicht willfahren kann.“ Er wurde augenblicklich seiner +Statthalterschaft und seines Commando’s entsetzt.[38] + + [Anmerkung 38: +Halstead’s Succinct Genealogy of the Family of + Vere, 1685+; +Collins’s Historical Collections+. Siehe auch in den + +Lords’ Journals+ und in +Jones’s Reports+ den Prozeß wegen des + Earlthums Oxford im März und April 1625/26. Die Einleitung der + Rede des Lordoberrichters Crew gehört zu den glänzendsten Proben + der altenglischen Beredtsamkeit. Citters, 7.(17.) Febr. 1688.] + + +[_Der Earl von Shrewsbury._] Dem Hause de Vere, aber auch nur diesem, +stand an Alter und Glanz das Haus Talbot nach. Seit der Regierung +Eduard’s III. hatten die Talbot stets unter den Peers des Reichs +gesessen. Das Earlthum Shrewsbury war im funfzehnten Jahrhundert Johann +Talbot, dem Gegner der Jungfrau von Orleans, verliehen worden. Seine +Landsleute hatten seiner noch lange in Liebe und Verehrung als eines der +berühmtesten Krieger gedacht, welche auf dem europäischen Festlande ein +großes englisches Reich zu gründen versuchten. Der unerschütterliche +Muth, den er im Unglück gezeigt, hatten ihn zum Gegenstande einer +größeren Theilnahme gemacht als glücklichere Feldherren sie erweckt +haben, und sein Tod lieferte unsrer älteren Bühne den Stoff zu einer +ungemein ergreifenden Scene. Seine Nachkommen waren zwei Jahrhunderte +lang ein blühendes und ehrenvolles Geschlecht. Zur Zeit der Restauration +war Franz, der elfte Earl, ein Katholik, das Oberhaupt der Familie. Sein +Tod war von Umständen begleitet gewesen, die selbst in jenen zügellosen +Zeiten, welche unmittelbar auf den Sturz der puritanischen Partei +folgten, Abscheu und Mitleid erweckt hatten. Der Herzog von Buckingham +war im Laufe seiner leichtfertigen Liebeshändel einen Augenblick von der +Gräfin von Shrewsbury angezogen worden. Sie wurde leicht erobert. Ihr +Gemahl forderte den Verführer zum Zweikampfe und fiel. Einige sagten, +das pflichtvergessene Weib habe den Zweikampf in männlicher Verkleidung +mit angesehen. Andere wollten sogar wissen, sie habe den siegreichen +Geliebten ans Herz gedrückt, während sein Hemd noch vom Blute ihres +Gatten geröthet war. Die Titel des Ermordeten gingen auf seinen +unmündigen Sohn Karl über. Als der verwaiste Jüngling zum Manne +heranwuchs, ward es allgemein anerkannt, daß kein andrer junger Adeliger +Englands von der Natur so reich begabt sei. Er besaß ein einnehmendes +Äußere, einen ungemein sanften Character und einen solchen Schatz von +Talenten, daß er, selbst wenn er in einem niederen Stande geboren +gewesen wäre, sich ohne Zweifel zu einer hohen Stellung im Staate +emporgeschwungen haben würde. Alle diese natürlichen Vorzüge hatte er so +gut angewendet, daß er schon vor seiner Volljährigkeit für einen der +feinsten und kenntnißreichsten Gentlemen seiner Zeit galt. Für seine +Gelehrsamkeit sprechen die noch vorhandenen eigenhändigen Anmerkungen +von ihm zu Werken aus fast allen Zweigen der Literatur. Er sprach +Französisch wie ein Kammerherr des Königs Ludwig und Italienisch wie ein +Florentiner. Es war wohl natürlich, daß ein Jüngling von solchen Gaben +nach den Gründen forschte, aus denen seine Familie sich der +Staatsreligion nicht angeschlossen hatte. Er studirte sorgfältig die +Streitpunkte, theilte seine Zweifel Priestern seines eignen Glaubens +mit, legte deren Antworten Tillotson vor, erwog lange und aufmerksam die +beiderseitigen Gründe und erklärte sich nach einer zweijährigen genauen +Untersuchung zum Protestanten. Die anglikanische Kirche nahm den +erlauchten Convertiten freudig in ihren Schooß auf. Er genoß einer +großen Popularität, und diese nahm zu, als man erfuhr, daß der König +umsonst Bitten und Versprechungen an ihn verschwendet hatte, um ihn zu +dem Irrglauben zurückzuführen, den er abgeschworen. Der Character des +jungen Mannes entwickelte sich jedoch nicht in einer Weise, welche +Diejenigen, die an seiner Bekehrung den hauptsächlichsten Antheil +hatten, vollkommen befriedigte. Seine Sittlichkeit entging der +allgemeinen Ansteckung der modischen Ausschweifungen nicht. Der Stoß, +der seine Jugendvorurtheile zerstört, hatte zu gleicher Zeit alle seine +Überzeugungen erschüttert und ihn der schwankenden Leitung seiner +Gefühle preisgegeben. Aber wenn auch seine Grundsätze ihren Halt +verloren hatten, so waren doch die Triebfedern seines Handelns so edel, +sein Gemüth so sanft, sein Benehmen so freundlich und gewinnend, daß es +unmöglich war, ihn nicht zu lieben. Er wurde schon frühzeitig der König +der Herzen genannt und verlor in seinem langen, ereignißvollen und +bewegten Leben nie das Recht auf diese Bezeichnung.[39] + +Shrewsbury war Lordlieutenant von Staffordshire und Oberst eines der +Kavallerieregimenter, die in Folge des Aufstandes im Westen errichtet +worden waren. Er weigerte sich jetzt, seine Thätigkeit durch die +Regulatoren bestimmen zu lassen und wurde deshalb seiner beiden Stellen +entsetzt. + + [Anmerkung 39: +Coxe’s Shrewsbury Correspondence+; +Mackay’s + Memoirs+; +Life of Charles Duke of Shrewsbury, 1718+; +Burnet, I. + 762+; +Birch’s Life of Tillotson.+ In letzterem Werke findet der + Leser einen Brief von Tillotson an Shrewsbury, der meiner Ansicht + nach ein Muster von ernstem, freundschaftlichem und + rücksichtvollem Tadel ist.] + + +[_Der Earl von Dorset._] Kein englischer Adeliger erfreute sich der +Volksgunst in einem reicheren Maße als Karl Sackville, Earl von Dorset. +Er war in der That ein merkwürdiger Mann. In seiner Jugend war er einer +der bekanntesten Wüstlinge der zügellosen Zeit gewesen, welche auf die +Restauration folgte. Er war der Schrecken der londoner Nachtwächter, +hatte manche Nacht auf der Wache zubringen müssen und zum mindesten +einmal eine Zelle in Newgate bewohnt. Seine Liebe zu Betty Morrice und +zu Lorchen Gwynn, die ihn ihren Karl I. zu nennen pflegte, hatte der +Stadt nicht wenig Stoff zur Unterhaltung und zum Ärgerniß gegeben.[40] +Doch bei all’ seinen Thorheiten und Lastern hatte er sich durch +hochherzigen Muth, durch scharfen Verstand und durch natürliche +Herzensgüte ausgezeichnet. Die Leute meinten, die Ausschweifungen, denen +er sich hingäbe, theile er mit dem ganzen Geschlechte der lebenslustigen +jungen Kavaliere, aber sein Mitgefühl für die Leiden der Menschheit und +die Großmuth, mit der er diejenigen, welche durch seine muthwilligen +Streiche verletzt wurden, zu entschädigen suchte, sei nur ihm allein +eigen. Seine Freunde wunderten sich darüber, daß das Publikum zwischen +ihm und ihnen einen Unterschied machte. „Der kann thun was er will,“ +sagte Wilmot; „ihm geschieht nie etwas.“ Das Urtheil der Welt über +Dorset gestaltete sich noch günstiger, als er mit den Jahren und in der +Ehe gesetzter wurde. Jedermann pries seine herablassenden Manieren, +seine geistreiche Unterhaltung, sein weiches Gemüth und seine +Freigebigkeit. Man sagte es vergehe kein Tag, ohne daß eine bedrängte +Familie Ursache habe, seinen Namen zu segnen. Und doch war bei aller +seiner Herzensgüte sein Witz so beißend, daß Spötter, deren Sarkasmus +die ganze Stadt fürchtete, vor dem Sarkasmus Dorset’s zitterten. Alle +politischen Parteien achteten und liebten ihn; ihm selbst aber behagte +die Politik überhaupt nicht sonderlich. Hätte ihn die Nothwendigkeit zu +Anstrengungen gespornt, so würde er wahrscheinlich zu den höchsten +Posten im Staate gestiegen sein; aber er nahm schon durch seine Geburt +einen so hohen Rang ein und war dabei so reich, daß ihm viele +Beweggründe fehlten, welche die Menschen antreiben, sich mit den +öffentlichen Angelegenheiten zu befassen. Er nahm gerade nur so viel +Theil an parlamentarischen und diplomatischen Geschäften, als +hinreichte, um zu beweisen, daß ihm nichts weiter fehlte als die Lust +dazu, um mit Danby und Sunderland zu rivalisiren, und richtete seine +Thätigkeit auf Bestrebungen, die ihm besser zusagten. Gleich vielen +anderen Männern, welche mit großen natürlichen Fähigkeiten eine +angeborne und gewohnheitsmäßige Indolenz verbinden, wurde er ein +geistiger Genußmensch und ein Meister in allen unterhaltenden Zweigen +des Wissens, die man sich ohne ernstes Studium aneignen kann. Er war +anerkanntermaßen der beste Richter in der Malerei, der Sculptur, der +Baukunst und der Schauspielerkunst, den der Hof aufzuweisen hatte. In +Angelegenheiten der schönen Künste und Wissenschaften galt sein Urtheil +in allen Kaffeehäusern für unwiderruflich maßgebend. Mehr als ein +hübsches Theaterstück, das bei der ersten Aufführung durchfiel, wurde +lediglich durch seine Autorität gegen das Geschrei des ganzen Parterres +siegreich vertheidigt und bestand mit glücklichem Erfolge die zweite +Probe. St. Evremond und Lafontaine rühmten die feine Eleganz seines +französischen Styls. Noch nie hatte England einen solchen Gönner der +Literatur gehabt. Er übte seine Freigebigkeit mit eben so richtiger +Einsicht als liberaler Unparteilichkeit, keine Secte oder Faction wurde +dabei von ihm bevorzugt. Geniale Männer, welche durch literarische +Eifersucht oder durch Verschiedenheit ihrer politischen Meinung einander +entfremdet waren, stimmten in der Anerkennung seiner unparteiischen Güte +überein. Dryden gestand, daß Dorset’s fürstliche Freigebigkeit ihn vom +Untergange gerettet habe. Und dennoch wurden Montague und Prior, welche +Dryden durch beißende Satiren getadelt hatten, von Dorset ins +öffentliche Leben eingeführt, und das beste Lustspiel von Dryden’s +Todfeind, Shadwell, war auf Dorset’s Landsitze geschrieben. Hätte der +freigebige Earl sonst gewollt, so hätte er sehr gut mit Denen +rivalisiren können, deren Wohlthäter er zu sein sich begnügte, denn die +Verse, die er gelegentlich dichtete, zeigen bei aller unkünstlerischen +Form Spuren eines angebornen Genies, das bei sorgfältiger Pflege Großes +hätte schaffen können. In dem kleinen Bande seiner Werke finden sich +Lieder, welche die ungezwungene Lebendigkeit Suckling’s besitzen, und +kleine Satiren, deren glänzender Humor dem eines Butler nicht +nachsteht.[41] + +Dorset war Lordlieutenant von Sussex und auf Sussex blickten die +Regulatoren mit besonders ängstlicher Spannung, denn in keiner andren +Grafschaft, Cornwall und Wiltshire ausgenommen, befanden sich so viele +kleine Wahlorte. Er erhielt Befehl, sich auf seinen Posten zu begeben. +Keiner von Denen, die ihn kannten, erwartete, daß er gehorchen werde. Er +gab eine Antwort, wie sie sich für ihn ziemte, und wurde bedeutet, daß +man seiner Dienste nicht mehr bedürfe. Das allgemeine Interesse, das er +seinen vielen edlen und liebenswürdigen Eigenschaften verdankte, wurde +nicht wenig erhöht, als man erfuhr, daß er durch die Post einen anonymen +Brief erhalten hatte, worin ihm angekündigt wurde, daß, wenn er sich +nicht sofort den Wünschen des Königs füge, ihn all’ sein Geist und seine +Popularität nicht vor der Ermordung schützen werde. Eine ähnliche +Warnung erhielt auch Shrewsbury. Drohbriefe waren damals viel seltener +als sie es späterhin geworden sind, und man kann sich daher nicht +darüber wundern, daß das ohnehin schon aufgeregte Volk zu dem Glauben +geneigt war, die besten und edelsten Engländer seien wirklich für +papistische Dolche ausersehen.[42] Gerade zu der Zeit, als diese Briefe +in ganz London das Tagesgespräch bildeten, wurde der verstümmelte +Leichnam eines angesehenen Puritaners auf der Straße gefunden. Es zeigte +sich indessen bald, daß der Mörder die That nicht aus religiösen oder +politischen Beweggründen verübt hatte. Aber der erste Verdacht des +gemeinen Volkes fiel auf die Papisten. Die verstümmelten Überreste des +Ermordeten wurden in feierlicher Prozession nach dem Jesuitencollegium +im Savoy getragen und einige Stunden lang war die Furcht und Wuth der +Menge kaum weniger heftig als an dem Tage, wo Godfrey zu Grabe getragen +ward.[43] + +Mit den übrigen Entlassungen muß ich mich kürzer fassen. Der Herzog von +Somerset, dem vor einigen Monaten schon sein Regiment wieder abgenommen +worden war, wurde nun auch seiner Stelle als Lordlieutenant des +Ostbezirks[44] von Yorkshire enthoben. Die Statthalterschaft des +Nordbezirks verlor der Viscount Fauconberg, die von Shropshire der +Viscount Newark und die von Lancashire der Earl von Derby, der Enkel des +tapferen Kavaliers, der auf dem Schlachtfelde sowohl als auf dem +Schaffot für das Haus Stuart dem Tode so muthig ins Auge geblickt hatte. +Der Earl von Pembroke, der unlängst der Krone gegen Monmouth treu und +tapfer gedient hatte, wurde in Wiltshire, der Earl von Rutland in +Leicestershire, der Earl von Bridgewater in Buckinghamshire, der Earl +von Thanet in Cumberland, der Earl von Northampton in Warwickshire, der +Earl von Abingdon in Oxfordshire, der Earl von Scarsdale in Derbyshire +abgesetzt. Scarsdale verlor außerdem auch sein Reiterregiment und seine +Stelle im Hofstaate der Prinzessin von Dänemark. Diese weigerte sich, +ihn aus ihren Diensten zu entlassen und gab nur einem peremptorischen +Befehle ihres Vaters nach. Der Earl von Gainsborough wurde nicht nur der +Statthalterschaft von Hampshire, sondern auch des Gouverneurpostens von +Portsmouth und des Wildmeisteramts im Neuen Forste entsetzt, zwei +Stellen, die er erst vor wenigen Monaten für fünftausend Pfund gekauft +hatte.[45] + +Der König konnte keine angesehenen Lords und namentlich gar keine +protestantischen auftreiben, welche die erledigten Stellen anzunehmen +bereit waren. Man mußte zwei Grafschaften Jeffreys, einem Manne von sehr +jungem Adel und von geringem Grundbesitz, und zwei andere Preston, der +nicht einmal Peer von England war, zuertheilen. Die übrigen ihrer +Statthalter beraubten Grafschaften wurden fast ohne Ausnahme bekannten +Katholiken oder solchen Höflingen überwiesen, welche dem Könige im +Geheimen versprochen hatten, zur römisch-katholischen Kirche +überzutreten, sobald die Klugheit es ihnen gestatten würde. + + [Anmerkung 40: Der König war nur Lorchen’s Karl III. Ob Dorset + oder Major Hart die Ehre hatte ihr Karl I. zu sein, ist eine + streitige Frage. Meines Bedünkens scheint Dorset gegründeteren + Anspruch auf diesen Vorzug zu haben. Siehe die gestrichene Stelle + in Burnet I. 263, und Pepys’ Tagebuch vom 26. Oct. 1667.] + + [Anmerkung 41: +Pepys’s Diary+; Prior’s Widmung seiner Gedichte an + den Herzog von Dorset; +Johnson’s Life of Dorset+; +Dryden’s Essay + on Satire+ und seine Widmung des +Essay on Dramatic Poesy+. + Dorset’s Liebe zu seiner Gattin und seine strenge eheliche Treue + wird von dem ausschweifenden Narren Sir Georg Etherege in seinen + Briefen aus Regensburg vom 9.(19.) Dec. 1687 und 16.(26.) Jan. + 1688 mit höhnender Geringschätzung erwähnt; Shadwell’s Widmung + zu seinem +Squire of Alsatia+; +Burnet I. 264+; +Mackay’s + Characters.+ Einige Seiten von Dorset’s Character werden in + seiner von Pope verfassten Grabschrift treffend angedeutet: + + Doch sanft war sein Herz, wenn auch streng sein Lied; + + und weiterhin: + + Ein glücklicher Hofmann, von Fürst und Land geliebt, + Und dennoch treu der Freundschaft und der Muße.] + + [Anmerkung 42: Barillon, 9.(19.) Jan. 1688; Citters, Jan. 31. + (Febr. 10.)] + + [Anmerkung 43: Adda, 3.(13.) u. 10.(20.) Febr. 1688.] + + [Anmerkung 44: Die Grafschaft York, die größte von England, wird + in drei Bezirke (+Ridings+) eingetheilt. D. Übers.] + + [Anmerkung 45: Barillon, 5.(15.), 8.(18.) u. 12.(22.) Dec. 1687; + Citters, 29. Nov. (9. Dec.) u. 2.(12.) Dec.] + + +[_An die Obrigkeiten gerichtete Fragen, und Antworten darauf._] Endlich +wurde die neue Maschinerie in Bewegung gesetzt und bald kam aus allen +Gegenden des Landes die Nachricht von der vollständigen und +hoffnungslosen Niederlage. Der Katechismus, nach welchem die +Lordlieutenants die Gesinnungen der Landgentry erforschen sollten, +bestand aus drei Fragen. Jeder Magistratsbeamte und jeder Stellvertreter +des Lordlieutenants mußte gefragt werden, erstens ob er, im Fall er +gewählt würde, um im Parlamente zu dienen, für eine im Sinne der +Indulgenzerklärung gefaßte Bill stimmen wolle; zweitens ob er als Wähler +seine Stimme solchen Candidaten geben wolle, die sich verpflichteten, +für eine derartige Bill zu stimmen; und drittens ob er als Privatmann +die wohlwollenden Zwecke des Königs fördern wolle, indem er mit Leuten +jeder religiösen Überzeugung in Frieden lebte.[46] + +Sobald diese Fragen bekannt geworden waren, wurde ein mit seltener +Geschicklichkeit entworfenes Antwortformular im ganzen Lande verbreitet +und allgemein angenommen. Es lautete folgendermaßen: „Im Fall mir die +Ehre zu Theil werden sollte, einen Sitz im Hause der Gemeinen +einzunehmen, werde ich als Mitglied dieses Hauses es für meine Pflicht +halten, die Gründe, welche für und gegen eine Indulgenzbill im Laufe der +Debatte geltend gemacht werden, sorgfältig zu erwägen, und dann nach +meiner gewissenhaften Überzeugung zu stimmen. Als Wähler werde ich meine +Stimme solchen Candidaten geben, deren Begriffe von den Pflichten eines +Volksvertreters mit meinen eigenen übereinstimmen. Als Privatmann hege +ich den Wunsch, mit Jedermann in Frieden und Eintracht zu leben.“ + + [Anmerkung 46: Citters, 28. Oct. (7. Nov.) 1687; +Lonsdale’s + Memoirs.+] + + +[_Scheitern der Pläne des Königs._] Diese Antwort, die noch viel +trotziger war als eine förmliche Weigerung, weil sie einen leichten +Anflug von milder und anständiger Ironie hatte, über die man sich nicht +wohl gereizt zeigen konnte, war Alles was die Emissäre des Hofes von den +meisten Landgentlemen erlangen konnten. Gegenvorstellungen, +Versprechungen und Drohungen wurden vergebens angewendet. Der Herzog von +Norfolk, obgleich Protestant und mit dem Verfahren der Regierung +unzufrieden, hatte sich zu ihrem Werkzeuge in zwei Grafschaften +hergegeben. Er begab sich zuerst nach Surrey, wo er aber bald sah, daß +er nichts ausrichten konnte.[47] Dann ging er nach Norfolk, von wo er +ebenfalls bald zurückkehrte, um dem Könige zu melden, daß ihm von +siebzig Gentlemen, welche in dieser großen Provinz öffentliche Ämter +bekleideten, nur sechs Hoffnung gemacht hätten, die Politik des Hofes zu +unterstützen.[48] Der Herzog von Beaufort, dessen Autorität sich über +vier englische Grafschaften und über das ganze Fürstenthum Wales +erstreckte, kam mit einem nicht minder niederschlagenden Berichte nach +Whitehall.[49] Rochester war Lordlieutenant von Hertfordshire. Sein +ganzer kleiner Schatz von Tugend war in dem Kampfe gegen die starke +Versuchung, seine Religion für Geld zu verkaufen, aufgezehrt worden; er +war noch durch einen Jahrgehalt von viertausend Pfund an den Hof +gebunden, und zum Dank dafür war er zu jedem wenn auch noch so +ungesetzlichen und erniedrigenden Dienste bereit, vorausgesetzt, daß man +nicht die Formalität einer Aussöhnung mit Rom von ihm verlangte. Er +hatte sich bereitwilligst der Aufgabe unterzogen, seine Grafschaft zu +bearbeiten, und er ging dabei, wie immer, mit übereilter Heftigkeit und +Gewaltthätigkeit zu Werke. Aber er verschwendete seinen Eifer vergebens +an die starrsinnigen Squires, mit denen er es zu thun hatte. Sie +erklärten ihm einstimmig, daß sie keinen Mann ins Parlament schicken +wollten, der für die Beseitigung der Schutzwehren des protestantischen +Glaubens stimmen würde.[50] Dieselbe Antwort erhielt der Kanzler auch in +Buckinghamshire.[51] Die Gentry von Shropshire weigerte sich in einer zu +Ludlow veranstalteten Zusammenkunft einhellig, sich durch das von dem +Könige verlangte Versprechen zu binden.[52] Der Earl von Yarmouth +berichtete aus Wiltshire, daß von sechzig Magistratsbeamten und +Statthaltersubstituten, mit denen er gesprochen, nur sieben eine +günstige Antwort gegeben hätten und daß man selbst diesen nicht trauen +könne.[53] Der Renegat Peterborough richtete eben so wenig in +Northamptonshire aus.[54] Nicht glücklicher war sein Genosse Dover in +Cambridgeshire.[55] Auch Preston brachte schlechte Nachrichten aus +Cumberland und Westmoreland; Dorsetshire und Huntingdonshire waren von +dem nämlichen Geiste beseelt. Der Earl von Bath kehrte nach langem +Stimmenwerben mit trostlosen Nachrichten aus dem Westen zurück. Er war +ermächtigt worden, den Bewohnern dieser Gegenden die verführerischesten +Anerbietungen zu machen. Insbesondere hatte er versprochen, daß, wenn +die Wünsche des Königs gebührend berücksichtigt würden, der Zinnhandel +von den auf ihm lastenden drückenden Beschränkungen befreit werden +solle. Aber dieser Köder, dem man zu einer andren Zeit nicht +widerstanden haben würde, wurde jetzt mit Verachtung zurückgewiesen. +Alle Friedensrichter und Statthaltersubstituten von Devonshire und +Cornwall erklärten ohne eine einzige Ausnahme, daß sie Gut und Blut für +den König opfern würden, daß aber die protestantische Religion ihnen +noch theurer sei als Gut und Blut. „Und,“ setzte Bath hinzu, „wenn Eure +Majestät alle diese Gentlemen absetzte, so würden ihre Nachfolger ganz +die nämliche Antwort geben“.[56] Wenn es irgend einen Bezirk gab, in +welchem die Regierung auf einen günstigen Erfolg hoffen durfte, so war +es Lancashire. Man hatte starke Zweifel gehegt, ob das Resultat in +dieser Provinz mit dem der meisten anderen Grafschaften übereinstimmen +werde. In keinem Theile des Landes gab es so viele reiche und angesehene +Familien, welche dem alten Glauben anhingen, und die Oberhäupter vieler +dieser Familien waren kraft der Dispensationsgewalt zu Friedensrichtern +und Commandanten der Miliz ernannt worden. Doch auch von dort meldete +der neue Lordstatthalter, selbst ein Katholik, daß zwei Drittel seiner +Substituten und der Magistratsbeamten dem Hofe feindlich gesinnt +seien.[57] Noch viel schmerzlicher verletzte das Ergebniß in Hampshire +den Stolz des Königs. Arabella Churchill hatte ihm vor mehr als zwanzig +Jahren einen Sohn geboren, der späterhin als einer der geschicktesten +Generäle Europa’s weit und breit berühmt wurde. Der junge Mann hieß +Jakob Fitzjames und bis dahin hatte noch nichts in ihm vermuthen lassen, +daß er sich einst zu hoher Auszeichnung emporschwingen würde; aber sein +Character und sein Benehmen waren so sanft und herzgewinnend, daß er +keinen Feind hatte, außer Marien von Modena, welche den Sohn der +Concubine schon seit langer Zeit mit dem bitteren Ingrimm einer +kinderlosen Gattin haßte. Ein kleiner Theil der jesuitischen Faction +hatte, bevor die Schwangerschaft der Königin angekündigt wurde, ganz +ernstlich daran gedacht, ihn als Kronprätendenten neben der Prinzessin +von Oranien aufzustellen.[58] Wenn man bedenkt, wie vollständig dem +Herzoge von Monmouth, obgleich das niedere Volk ihn für legitim hielt +und obgleich er der Vorkämpfer des nationalen Glaubens war, ein +ähnlicher Versuch mißlang, so muß es unbegreiflich erscheinen, wie ein +Mann durch den Fanatismus so ganz verblendet sein konnte, daß er nur auf +die Idee kam, einen jungen Menschen, der allgemein als ein papistischer +Bastard bekannt war, auf den Thron erheben zu wollen. Es läßt sich nicht +mit Gewißheit sagen, ob der König diesem albernen Plane seinen Beifall +zollte. Der junge Mann war übrigens als Prinz anerkannt und wurde mit +allen Auszeichnungen überschüttet, welche ein nicht aus königlichem +Blute entsprossener Unterthan nur irgend zu erlangen hoffen konnte. Er +war zum Herzog von Berwick erhoben worden und bekleidete jetzt mehrere +ehrenvolle und einträgliche Stellen, welche Edelleuten, die sich den +königlichen Befehlen nicht hatten fügen wollen, abgenommen worden waren. +Er war der Nachfolger des Earls von Oxford als Oberst der Blauen und des +Earls von Gainsborough als Lordlieutenant von Hampshire, Wildmeister des +Neuen Forstes und Gouverneur von Portsmouth. Berwick erwartete, daß ihn +an der Grenze von Hampshire, der Sitte gemäß, ein langer Zug von +Baronets, Rittern und Squires empfangen werde; aber nicht eine einzige +angesehene Person hatte sich zu seiner Begrüßung eingefunden. Er sendete +Schreiben aus, durch welche er die Gentry zu sich entbot, aber nur fünf +oder sechs beachteten diese Einladung. Die Übrigen warteten ihre +Entlassung gar nicht ab; sie erklärten im voraus, daß sie keinen Theil +an der Civil- oder Militairverwaltung ihrer Grafschaft haben möchten, so +lange der König daselbst durch einen Papisten vertreten sei, und legten +ihre Stellen freiwillig nieder.[59] + +Sunderland, der an die Stelle des Earls von Northampton zum +Lordlieutenant von Warwickshire ernannt worden war, fand eine Ausflucht, +um nicht in diese Grafschaft zu gehen und die Entrüstung und Verachtung +der dortigen Gentry auf sich zu laden, und seine Entschuldigung wurde um +so bereitwilliger angenommen, da der König endlich einzusehen begann, +daß sich der Sinn der Landgentry nicht beugen ließ.[60] + +Es muß bemerkt werden, daß Diejenigen, welche diesen trotzigen Sinn an +den Tag legten, nicht die alten Feinde des Hauses Stuart waren. Die +Listen der Friedensrichter und Statthaltersubstituten waren schon längst +von allen republikanischen Namen sorgfältig gesäubert. Die Männer, denen +die Regierung vergebens das Versprechen der Unterstützung abzuzwingen +versucht hatte, waren fast ohne Ausnahme Tories. Die älteren von ihnen +konnten noch Narben, welche von den Schwertern der Rundköpfe herrührten, +und Empfangsbescheinigungen über Silbergeschirr aufweisen, das sie +Karl I. in seiner Noth geschickt hatten. Die Jüngeren hatten gegen +Shaftesbury und Monmouth fest zu Jakob gehalten. Dies waren die Männer, +welche jetzt von dem nämlichen Fürsten, dem sie so glänzende Beweise von +treuer Anhänglichkeit gegeben hatten, in Masse ihrer Ämter entsetzt +wurden. Die Entlassung machte sie aber nur noch entschlossener; es war +bei ihnen zu einer heiligen Ehrensache geworden, in dieser Krisis fest +zusammenzuhalten. Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn bei +der Stimmenzählung ehrlich zu Werke gegangen wurde, nicht ein einziger +der Regierungspolitik günstiger Grafschaftsabgeordneter gewählt werden +würde. Die Leute fragten einander daher mit nicht geringer Besorgniß, ob +man wohl erwarten könne, daß bei der Stimmenzählung ehrlich zu Werke +gegangen werden würde. + + [Anmerkung 47: Citters, 22. Nov. (2. Dec.) 1687.] + + [Anmerkung 48: Citters, 27. Dez. (6. Jan.) 1687/88.] + + [Anmerkung 49: +Ibid.+] + + [Anmerkung 50: Johnstone erwähnt zweimal, unterm 25. Nov. und + unterm 8. Dec. 1687, den beleidigenden Eifer, den Rochester bei + dieser Gelegenheit zeigte. Das Mißlingen seiner Bemühungen erwähnt + Citters unterm 6.(16.) Dec.] + + [Anmerkung 51: Citters, 6.(16.) Dec. 1687.] + + [Anmerkung 52: +Ibid.+ 20.(30.) Dec. 1687.] + + [Anmerkung 53: Citters, 30. März (9. April) 1687.] + + [Anmerkung 54: +Ibid.+ 22. Nov. (2. Dec.) 1687.] + + [Anmerkung 55: +Ibid.+ 15.(25.) Nov. 1687.] + + [Anmerkung 56: +Ibid.+ 10.(20.) April 1688.] + + [Anmerkung 57: Die ängstliche Spannung wegen Lancashire erwähnt + Citters in einer Depesche vom 18.(28.) Nov. 1687, das Resultat in + einer vier Tage später datirten.] + + [Anmerkung 58: Bonrepaux, 11.(21.) Juli 1687.] + + [Anmerkung 59: Citters, 3.(13.) Febr. 1688.] + + [Anmerkung 60: Citters, 5.(15.) April 1688.] + + +[_Liste der Sheriffs._] Mit Ungeduld sah man der Liste der Sheriffs für +das neue Jahr entgegen. Sie erschien, während die Lordlieutenants noch +auf ihrer Werbungsreise begriffen waren, und wurde mit einem allgemeinen +Schrei des Zornes und Unwillens aufgenommen. Die Mehrzahl dieser +Beamten, welche bei den Grafschaftswahlen die Oberleitung hatten, waren +entweder Katholiken oder protestantische Dissenters, die ihre Zustimmung +zur Indulgenzerklärung ausgesprochen hatten.[61] Eine Zeit lang hegte +man die schlimmsten Befürchtungen, die aber bald wieder schwanden. Man +hatte guten Grund, anzunehmen, daß über einen gewissen Punkt hinaus der +König auch nicht auf die Unterstützung der seiner eigenen Kirche +angehörenden Sheriffs rechnen könne. + + [Anmerkung 61: +London Gazette, Dec. 5. 1687+; Citters, 6.(16.) + Dec.] + + +[_Character der katholischen Landgentlemen._] Zwischen dem katholischen +Höflinge und dem katholischen Landgentleman herrschte nur sehr geringe +Sympathie. Die in Whitehall dominirende Cabale bestand theils aus +Fanatikern, welche zum Zwecke der Verbreitung ihres Glaubens bereit +waren, alle Gesetze der Moral über den Haufen zu werfen und die ganze +Welt in eine heillose Verwirrung zu stürzen, theils aus Heuchlern, +welche um des Gewinnes willen von dem Glauben, in dem sie erzogen +worden, abgefallen waren und die jetzt den allen Neubekehrten eigenen +Eifer auf die Spitze trieben. Sowohl die Fanatiker als auch die Heuchler +am Hofe hatten zum größten Theil keine Spur von englischer +Anschauungsweise. In einigen von ihnen hatte die unbedingte Hingebung +für ihre Kirche alles Nationalgefühl erstickt; andere waren Irländer, +deren Patriotismus in einem tödtlichen Hasse gegen die sächsischen +Eroberer Irlands bestand; noch andere waren Verräther, die von einer +auswärtigen Macht einen regelmäßigen Sold bezogen, und wieder andere +hatten einen großen Theil ihres Lebens im Auslande zugebracht, und waren +entweder bloße Kosmopoliten oder hegten einen positiven Widerwillen +gegen die Sitten und Staatseinrichtungen des Landes, das sie jetzt zu +regieren hatten. Diese Leute hatten mit einem noch der alten Kirche +anhängenden Gutsbesitzer von Cheshire oder Staffordshire kaum irgend +etwas gemein. Er war weder Fanatiker noch Heuchler, er war Katholik, +weil sein Vater und Großvater Katholiken gewesen waren, und er hing an +seinem ererbten Glauben, wie die Menschen in der Regel an demselben +hängen, aufrichtig aber ohne sonderliche Begeisterung. In jeder andren +Beziehung war er nichts weiter als eben ein englischer Squire, der sich +von den benachbarten Squires höchstens dadurch unterschied, daß er noch +etwas ungebildeter und bäuerischer war als sie. Die auf ihm lastenden +Ausschließungen hatten ihn verhindert, sich bis zu der allerdings selbst +nur mäßig hohen Bildungsstufe zu erheben, auf der die meisten +protestantischen Landgentlemen standen. Als Knabe von Eton und +Westminster, als Jüngling von Oxford und Cambridge, als Mann vom +Parlament und von der Richterbank ausgeschlossen, vegetirte er still und +ruhig hin, wie die Ulmen der Allee, die zu dem ererbten Meierhofe seiner +Vorfahren führte. Seine Kornfelder, seine Milchwirthschaft, seine +Ciderpresse, seine Jagdhunde, seine Angelruthe und seine Flinte, sein +Bier und sein Tabak beschäftigten fast allein seine Gedanken. Mit seinen +Nachbarn stand er trotz der Glaubensverschiedenheit in der Regel auf +gutem Fuße. Sie kannten ihn als einen harmlosen Mann ohne Ehrgeiz, er +stammte fast durchgängig aus einer guten und alten Familie und war immer +ein Kavalier. Er drang Niemandem seine persönlichen Ansichten auf und +wurde Niemandem lästig damit, er quälte nicht, wie ein Puritaner, sich +selbst und Andere mit Gewissensskrupeln über alle Genüsse des Lebens; im +Gegentheil, er war ein eben so leidenschaftlicher Jagdliebhaber und ein +eben so heiterer Gesellschafter als irgend Einer, der den Suprematseid +und die Erklärung gegen die Transsubstantiation angenommen hatte. Er +ging mit seinen Nachbarsquires auf die Jagd, hielt bis zum Hallali bei +ihnen aus und nahm sie nach beendeter Jagd mit sich nach Hause zu einer +Wildpretpastete und zu einem Kruge Octoberbier, das seine vier Jahre auf +Flaschen lag. Die Bedrückungen, die er erduldet, waren nicht so arg, daß +sie ihn zu einem verzweifelten Entschlusse hätten treiben können; selbst +als seine Kirche schonungslos verfolgt wurde, waren sein Leben und sein +Eigenthum nicht in großer Gefahr. Der schamloseste falsche Zeuge würde +es schwerlich gewagt haben, der Wahrheit so frech ins Gesicht zu +schlagen, daß er ihn beschuldigt hätte, ein Verschwörer zu sein. Die +Papisten, welche Oates zu seinen Angriffen auswählte, waren Peers, +Prälaten, Jesuiten, Benedictiner, thätige politische Agenten, Juristen +mit ausgedehnter Praxis und Hofärzte. Der katholische Landgentlemen +konnte unter dem Schutze seiner Verborgenheit, seines leutseligen Wesens +und der Zuneigung seiner Umgebungen unbelästigt seine Ernte einbringen +und seine Waidtasche mit Wild füllen, während Coleman und Langhorne, +Whitbread und Pickering, Erzbischof Plunkett und Lord Stafford durch den +Strick oder durch das Beil starben. Eine Bande elender Schurken machte +zwar den Versuch, gegen Sir Thomas Gascoigne, einen bejahrten +katholischen Baronet in Yorkshire, eine Anklage auf Hochverrath zu +erheben, aber zwölf der besten Gentlemen des Westbezirks, die seinen +Lebenswandel kannten, hielten es nicht für möglich, daß ihr ehrenwerther +alter Bekannter Banditen zur Ermordung des Königs gedungen haben sollte, +und sprachen trotz mancherlei der Richterbank eben nicht zur Ehre +gereichender Versuche ein „Nichtschuldig“ aus. Wohl mochte es für das +Oberhaupt einer alten, angesehenen Familie in der Provinz ein +schmerzlicher Gedanke sein, daß er seines Glaubens wegen von ehrenvollen +Stellen und Ämtern ausgeschlossen war, zu deren Bekleidung Männer von +niedererer Herkunft und geringerem Vermögen für berechtigt gehalten +wurden; aber er hatte nicht Lust, Land und Leben im Kampfe gegen eine +erdrückende Übermacht auf’s Spiel zu setzen, und sein gerader, ächt +englischer Character würde, vor Mitteln, wie ein Petre und Tyrconnel sie +anwendeten, mit Abscheu zurückgebebt sein. Deshalb würde er jedoch eben +so bereitwillig, als irgend einer seiner protestantischen Nachbarn zur +Vertheidigung seines Vaterlandes gegen einen Einfall der Franzosen oder +irischen Papisten das Schwert um die Lenden gegürtet und die Pistolen in +die Halfter gesteckt haben. Dies war der allgemeine Character der +Männer, in denen Jakob jetzt die sichersten Werkzeuge zur Leitung der +Grafschaftswahlen zu erblicken glaubte. Er überzeugte sich jedoch bald, +daß sie nicht geneigt waren, sich durch einen ihm zu leistenden +schimpflichen und strafbaren Dienst die Achtung ihrer Nachbarn zu +verscherzen und Leben und Vermögen zu gefährden. Mehrere von ihnen +weigerten sich, Sheriffs zu werden, und von denen, welche die Ernennung +annahmen, erklärten viele, daß sie eben so gewissenhaft, als wenn sie +Mitglieder der Staatskirche wären, ihre Pflicht erfüllen, und keinen +Wahlcandidaten, der nicht eine wirkliche Stimmenmehrheit hätte, in’s +Parlament schicken würden.[62] + + [Anmerkung 62: Etwa zwanzig Jahre vor dieser Zeit sprach sich ein + Jesuit über die eingezogene Lebensweise der katholischen Gentry + Englands folgendermaßen aus: +„La nobilità Inglese, senon se + legata in serviglio di Corte ò in opera di maestrato, vive, e godo + il più dell’ anno a la campagna, ne’ suoi palagi e poderi, dove + son liberi e padroni; è ciò tanto più sollecitamente i Cattolici + quanto più utilmente, si come meno osservati colà.“ -- + L’Inghilterra descritta dal P. Daniello Bartoli. Roma, 1667.+ + + „Viele von den papistischen Sheriffs,“ schrieb Johnstone, „sind + begütert und erklären, daß man sich sehr irren würde, wenn man + gefälschte Wahlen von ihnen erwartete. Die papistische Gentry, + welche auf ihren Landgütern lebt, ist von der städtischen weit + verschieden. Mehrere von ihnen haben es abgelehnt, Sheriffs oder + Statthaltersubstituten zu werden.“ -- 8. Dec. 1687. + + Ronquillo sagt das Nämliche: +„Algunos Catolicos que fueron + nombrados por sherifes se han excusado.“+ -- 9.(19.) Jan. 1688. + Einige Monate später versichert er seinem Hof, daß die + katholischen Landgentlemen gern zu einer Verständigung die Hand + bieten würden, deren Grundbedingungen die Abschaffung der + Strafgesetze und die Beibehaltung des Religionseides wären. + +„Estoy informado,“+ sagt er, +„que los Catolicos de las + provincias no lo reprueban, pues no pretendiendo oficios, y siendo + solo algunos de la Corte los provechosos, les parece que mejoran + su estado, quedando seguros ellos y sus descendientes en la + religion, en la quietud, y en la seguridad de sus haciendas.“+ -- + 23. Juli (2. Aug.) 1688.] + + +[_Stimmung der Dissenters._] Konnte der König schon auf seine +katholischen Sheriffs wenig rechnen, so konnte er sich noch viel weniger +auf die puritanischen verlassen. Seit dem Erscheinen der +Indulgenzerklärung waren mehrere Monate verflossen, Monate voll +wichtiger Ereignisse und fortwährender Streitigkeiten. Die öffentliche +Besprechung der Angelegenheiten hatte vielen Dissenters die Augen +geöffnet, aber die Maßregeln der Regierung, und vorzugsweise das strenge +Verfahren gegen das Magdalenen-Collegium, hatte mehr als selbst die +Feder eines Halifax dazu beigetragen, alle Klassen der Protestanten +aufzurütteln und zu vereinigen. Die meisten von den Sectirern, die sich +hatten verleiten lassen, ihren Dank für die Indulgenz auszudrücken, +schämten sich jetzt ihres Irrthums und wünschten sehnlichst, ihn dadurch +wieder gut zu machen, daß sie sich der großen Masse ihrer Landsleute +anschlossen. + + +[_Regulirung der Corporationen._] In Folge dieses Umschwungs in den +Gesinnungen der Nonconformisten stieß die Regierung in den Städten auf +fast eben so große Schwierigkeiten, wie auf dem platten Lande. Als die +Regulatoren ihre Arbeit begannen, hatten sie fest darauf gerechnet, daß +jeder Dissenter, der sich zu Gunsten der Indulgenz ausgesprochen hatte, +auch die Politik des Königs unterstützen werde. Sie waren daher +überzeugt, daß sie im Stande sein würden, alle Municipalämter des +Königreichs mit zuverlässigen Freunden zu besetzen. In den neuen +Städteordnungen hatte sich die Krone das Recht vorbehalten, +Magistratsbeamte nach ihrem Belieben zu entlassen. Dieses Recht wurde +jetzt ohne alle Beschränkung ausgeübt. Durchaus nicht so klar war es +jedoch, daß Jakob auch das Recht hatte, neue Magistratsbeamte zu +ernennen; aber mochte es ihm nun zustehen oder nicht, er beschloß, es +sich zu nehmen. Allenthalben, vom Tweed bis Landsend, wurden +toryistische Beamte abgesetzt und Presbyterianer, Independenten und +Baptisten an ihrer Stelle ernannt. In dem neuen Freibriefe der +Hauptstadt hatte sich die Krone das Recht vorbehalten, alle Vorsteher, +Pfleger und Beisitzer der Innungen zu entlassen. In Folge dessen wurden +über achthundert angesehene Bürger, sämmtlich Mitglieder der Partei, die +sich der Ausschließungsbill widergesetzt hatte, durch einen einzigen +Erlaß ihrer Ämter enthoben. Bald darauf erschien ein Nachtrag zu dieser +langen Liste.[63] Aber die neuen Angestellten waren kaum vereidigt, so +zeigte es sich, daß sie eben so unfügsam waren, als ihre Vorgänger. In +Newcastle am Tyne ernannten die Regulatoren einen katholischen Mayor und +puritanische Aldermen. Man zweifelte keinen Augenblick, daß die so +umgestaltete Municipalbehörde eine Adresse beschließen werde, in der sie +die Maßregeln des Königs zu unterstützen versprach. Die Adresse wurde +jedoch verweigert. Der Mayor reiste wüthend nach London und sagte dem +Könige, die Dissenters seien alle Schurken und Rebellen und die +Regierung könne in der ganzen Corporation auf nicht mehr als vier +Stimmen rechnen.[64] In Reading wurden vierundzwanzig toryistische +Aldermen entlassen und vierundzwanzig neue ernannt. Von diesen erklärten +sich dreiundzwanzig sofort gegen die Indulgenz und wurden deshalb +ebenfalls wieder entlassen.[65] Im Laufe weniger Tage wurde der +Stadtbezirk von Yarmouth nacheinander durch drei verschiedene +Magistratskörper verwaltet, welche sämmtlich dem Hofe gleich feindlich +gesinnt waren.[66] Dies sind nur einzelne Beispiele von dem was im +ganzen Lande geschah. Der holländische Gesandte berichtete an die +Generalstaaten, daß in manchen Städten die Magistratsbeamten in einem +Monate zwei und selbst dreimal, aber dennoch vergebens gewechselt worden +seien.[67] Aus den Acten des Geheimen Raths geht hervor, daß die Zahl +der Regulationen, wie sie genannt wurden, zweihundert überstieg.[68] Die +Regulatoren fanden in der That, daß in nicht wenigen Städten die +Veränderung eine Verschlimmerung war. Die mißvergnügten Tories hatten, +wenn sie auch über die Politik des Königs murrten; doch wenigstens stets +Achtung für seine Person und seinen Thron an den Tag gelegt und jeden +Gedanken an Widerstand verworfen. Ganz anders war die Sprache einiger +neuen Mitglieder der Corporationen. Man sagte, daß alte Soldaten der +Republik, welche zu ihrem eignen wie zum Erstaunen des Publikums zu +Aldermen ernannt worden waren, den Agenten des Hofes deutlich zu +verstehen gäben, es müsse erst Blut fließen, bevor Papismus und +Willkürgewalt in England zur Herrschaft gelangten.[69] + +Die Regulatoren sahen, daß mit dem was sie bis jetzt gethan hatten, +wenig oder nichts gewonnen war. Es gab indessen noch ein Mittel, aber +auch nur dieses eine, durch das sie hoffen konnten ihren Zweck zu +erreichen. Die Gemeindeordnungen der Wahlflecken mußten zurückgezogen +und durch neue ersetzt werden, welche das Wahlrecht auf sehr kleine, vom +König zu ernennende Wahlkörper beschränkten.[70] + +Aber wie war dieser Plan auszuführen? In einigen der neuen Freibriefe +hatte sich die Krone zwar das Recht der Wiederentziehung vorbehalten, +aber die übrigen konnte Jakob nur durch freiwillige Zurückgabe von +Seiten der Corporationen oder durch einen Ausspruch der Kings Bench +wieder in die Hand bekommen. Aber nur wenige Corporationen waren jetzt +geneigt, ihre Gemeindeordnungen freiwillig aufzugeben, und ein +Richterspruch, wie er den Zwecken des Hofes diente, war selbst von einem +Sklaven wie Wright nicht zu erwarten. Die Quo-Warranto-Erlasse,[71] +welche vor einigen Jahren erschienen waren, um die Whigpartei zu +vernichten, waren von allen Unparteiischen einhellig verdammt worden. +Doch hatten diese Erlasse wenigstens einen Anschein von Recht für sich, +denn sie waren gegen alte Municipalkörper gerichtet, und unter diesen +gab es wenige, in denen im Laufe der Zeit nicht Mißbrauche eingerissen +waren, welche genügenden Anhalt zu einem Prozeßverfahren darboten. Die +Corporationen aber, welche jetzt angegriffen wurden, befanden sich noch +im Alter der kindlichen Unschuld, die ältesten von ihnen hatten kaum ihr +fünftes Lebensjahr erreicht, und es war unmöglich, daß viele von ihnen +schon so schwer gesündigt haben sollten, daß sie eine Zurücknahme ihrer +Privilegien verdienten. Den Richtern selbst war nicht wohl zu Muthe. Sie +gaben zu bedenken, daß das, was man von ihnen verlange, den einfachsten +und klarsten Grundsätzen des Rechts und der Gerechtigkeit schnurstracks +zuwiderlaufe; aber alle Vorstellungen waren umsonst. Die Wahlorte wurden +zur Rücksendung ihrer Freibriefe aufgefordert. Einige wenige kamen der +Aufforderung nach; aber das Verfahren, welches der König gegen diese +wenigen einschlug, war eben nicht geeignet, bei den anderen Vertrauen zu +erwecken. In mehreren Städten wurde der Gesammtbürgerschaft das +Wahlrecht entzogen und auf eine kleine Anzahl Personen beschränkt und +diese mußten sich eidlich verpflichten, die von der Regierung +empfohlenen Candidaten zu unterstützen. In Tewkesbury zum Beispiel wurde +das Wahlrecht dreizehn Personen übertragen. Doch selbst diese Anzahl war +noch zu groß. Haß und Furcht hatten sich so weit verbreitet, daß es kaum +möglich war, auch durch die unredlichsten Mittel nur dreizehn Männer zu +finden, auf die sich der Hof unbedingt verlassen konnte. Es hieß, daß +die Mehrheit des neuen Wahlkörpers von Tewkesbury von dem nämlichen +Sinne beseelt sei, welcher in der ganzen Nation überwiege, und daß +derselbe an dem entscheidenden Tage zuverlässige Protestanten in’s +Parlament schicken werde. Die Regulatoren drohten in heftigem Zorne, die +Zahl der Wähler auf drei zu reduciren.[72] Inzwischen weigerte sich die +große Mehrzahl der Wahlorte entschieden, ihre Privilegien aufzugeben. +Barnstaple, Winchester und Buckingham zeichneten sich durch die Kühnheit +ihres Widerstandes besonders aus. In Oxford wurde der Antrag, daß die +Stadt ihr Wahlrecht dem Könige zurückgeben solle, mit achtzig gegen zwei +Stimmen verworfen.[73] Der Tempel und Westminsterhall kamen durch die +plötzliche Häufung von Aufträgen aus allen Theilen des Landes in +ungewohnte Bewegung. Jeder Advokat von bedeutender Praxis erhielt +Vollmachten über Vollmachten von den städtischen Corporationen, und die +gewöhnlichen Clienten beklagten sich, daß ihre Angelegenheiten +vernachlässigt würden.[74] Es lag auf der Hand, daß eine geraume Zeit +darüber hingehen mußte, ehe eine so große Anzahl Prozesse entschieden +werden konnten. Diese Verzögerung war der Tyrannei unerträglich. Es +wurde nichts unterlassen, um die widerspenstigen Wahlkörper durch +Drohungen zur Unterwerfung zu bringen. In Buckingham hatten einige +Municipalbeamten sich in nicht eben lobender Weise ausgesprochen. Man +machte ihnen den Prozeß und kündigte ihnen an, daß mit schonungsloser +Strenge gegen sie verfahren werden würde, wenn sie sich nicht durch +Herausgabe ihres Freibriefs loskauften.[75] In Winchester griff man zu +noch strengeren Gewaltmaßregeln. Eine bedeutende Truppenabtheilung wurde +in die Stadt gelegt, einzig und allein zu dem Zwecke, die Einwohner zu +belästigen und zu quälen.[76] Die Stadt blieb fest und die öffentliche +Stimme beschuldigte den König laut, daß er die schlimmsten Verbrechen +seines Bruders von Frankreich nachahme; die Dragonaden hätten begonnen, +sagte man. Man hatte auch wirklich Grund zu ernsten Besorgnissen. Jakob +war auf den Einfall gekommen, daß er den Widerstandsgeist einer +hartnäckigen Stadt nicht wirksamer brechen könne, als indem er den +Einwohnern Soldaten in’s Quartier legte. Er mußte wissen, daß diese +Maßregel sechzig Jahre früher heftigen Unwillen erregt und durch die +Bitte um Recht, ein Gesetz, das von den Engländern kaum weniger verehrt +wurde, als die Magna Charta, feierlichst für gesetzwidrig erklärt worden +war. Aber er hoffte von den Gerichtshöfen eine Erklärung zu erlangen, +daß selbst die Bitte um Recht die Prärogative nicht beschränken könne. +Er fragte in der That den Oberrichter der Kings Bench über diesen +Gegenstand um Rath;[77] aber das Resultat der Besprechung wurde geheim +gehalten, und in einigen Wochen gestalteten sich die Dinge so, daß eine +Furcht, welche noch stärker war, als selbst die vor der königlichen +Ungnade, sogar einen so servilen Mann wie Wright bewog, ein wenig +einzuhalten. + + [Anmerkung 63: +Privy Council Book, Sept. 25. 1687, Febr. 21, + 1687/88+.] + + [Anmerkung 64: Acten der Corporation, angeführt in +Brand’s + History of Newcastle+; Johnstone, 21. Febr. 1687/88.] + + [Anmerkung 65: Johnstone, 21. Febr. 1687/88.] + + [Anmerkung 66: Citters, 14.(24.) Febr. 1688.] + + [Anmerkung 67: Citters, 1.(11.) Mai 1688.] + + [Anmerkung 68: Am Rande der Geheimrathsacten findet man die + Bemerkung „Zweite Regulation“ und „Dritte Regulation“, wenn ein + Wahlkörper mehr als einmal umgestaltet worden war.] + + [Anmerkung 69: Johnstone, 23. Mai 1688.] + + [Anmerkung 70: Johnstone, 21. Febr. 1688.] + + [Anmerkung 71: Diese Erlasse, so genannt nach den beiden + Anfangsworten +Quo warranto+, ordneten eine Untersuchung über die + Rechtsbefugnisse an, auf welche sich die Privilegien einer + Corporation gründeten, und wenn sich eine Unregelmäßigkeit fand, + wurde der Freibrief entzogen. D. Übers.] + + [Anmerkung 72: Johnstone, 21. Febr. 1688.] + + [Anmerkung 73: Citters, 20.(30.) März 1688.] + + [Anmerkung 74: +Ibid.+ 1.(11.) Mai 1688.] + + [Anmerkung 75: +Ibid.+ 22. Mai (1. Jun.) 1688.] + + [Anmerkung 76: +Ibid.+ 1.(11.) Mai 1688.] + + [Anmerkung 77: +Ibid.+ 18.(28.) Mai 1688.] + + +[_Untersuchung in allen öffentlichen Verwaltungszweigen._] Während die +Lordlieutenants die Friedensrichter ausforschten und die Regulatoren die +Wahlkörper umgestalteten, wurden alle Zweige des Staatsdienstes einer +strengen Untersuchung unterworfen. Zuerst wurde der Palast gesäubert. +Jeder mit Narben bedeckte alte Kavalier, der zum Ersatz für das der +Sache des Königs geopferte Blut und Grundeigenthum ein Ämtchen in der +königlichen Garderobe oder im Marstalle erhalten hatte, wurde +aufgefordert, zwischen dem Könige und der Kirche zu wählen. Die Zoll- +und Steuercommissare wurden zu Seiner Majestät ins Schatzamt beschieden, +hier das Versprechen von ihnen verlangt, daß sie seine Politik +unterstützen wollten, und ihnen bedeutet, daß sie allen ihren +Unterbeamten ein ähnliches Versprechen abzunehmen hätten.[78] Ein +Zollbeamter motivirte seine Unterwerfung unter den Willen des Königs in +einer Weise, welche Heiterkeit und zugleich Mitleid erregte. „Ich habe,“ +sagte er, „vierzehn Gründe, die mich bestimmen, Seiner Majestät Befehlen +zu gehorchen: eine Frau und dreizehn unerzogene Kinder“.[79] Gegen +solche Gründe ließ sich allerdings nichts einwenden; dennoch aber kamen +nicht wenig Fälle vor, wo die religiösen und patriotischen Gefühle +selbst solche Gründe überwogen. + +Man hat Grund zu der Vermuthung, daß die Regierung um diese Zeit +ernstlich mit dem Plane umging, einen Schlag zu führen, der viele +tausend Familien an den Bettelstab gebracht und auf die socialen +Zustände aller Landestheile störend eingewirkt haben würde. Niemand +durfte Wein, Bier oder Kaffee ohne Concession verkaufen. Es hieß nun, +daß jeder Inhaber einer solchen Concession demnächst aufgefordert werden +sollte, entweder dieselben Verpflichtungen einzugehen, welche den +öffentlichen Beamten auferlegt worden waren, oder sein Geschäft +aufzugeben.[80] Wäre ein solcher Schritt gethan worden, so würden ohne +allen Zweifel die Wirthshäuser und öffentlichen Vergnügungsorte im +ganzen Lande zu Hunderten geschlossen worden sein. Welche Wirkung ein +solcher Eingriff in die Lebensgenüsse aller Stände hervorgebracht haben +würde, läßt sich nur muthmaßen. Der durch Übel erzeugte Unwille steht +nicht immer im Verhältnisse mit der Wichtigkeit derselben, und es ist +durchaus nicht unwahrscheinlich, daß die Einziehung von +Schankconcessionen das bewirkt haben würde, was die Entziehung von +Freibriefen nicht bewirkt hatte. Die Vornehmeren würden ihr +Chokoladenhaus in St. James Street, die Geschäftsmänner ihre +Kaffeekanne, bei der sie in Change Alley zu rauchen und zu politisiren +pflegten, schmerzlich vermißt haben. Die Hälfte der Clubs hätte sich +neue Versammlungslokale suchen müssen. Der Reisende würde des Nachts den +Gasthof, in welchem er gewohnt war abzusteigen und seine Abendmahlzeit +einzunehmen, verödet gefunden haben. Der Landmann würde die Bierschenke +vermißt haben, wo er im Sommer auf der Bank vor der Thür, im Winter am +Kamin seinen Krug zu trinken gewohnt war. Es war leicht möglich, daß die +auf solche Art gereizte Nation sich zu einem allgemeinen Aufstande +erhob, ohne auf die Hülfe fremder Verbündeter zu warten. + + [Anmerkung 78: Citters, 6.(16.) April 1688; +Treasury Letter Book. + March 14. 1687/88+; Ronquillo, 16.(26.) April.] + + [Anmerkung 79: Citters, 18.(28.) Mai 1688.] + + [Anmerkung 80: +Ibid.+ 18.(28.) Mai 1688.] + + +[_Entlassung Sawyer’s._] Es war nicht zu erwarten, daß ein Fürst, der +von allen niederen Dienern der Regierung bei Strafe der Entlassung +Unterstützung seiner Politik verlangte, einen Generalfiskal behalten +würde, dessen Abneigung gegen diese Politik kein Geheimniß war. Sawyer +hatte noch über anderthalb Jahr in seiner Stellung bleiben dürfen, +nachdem er sich gegen die Dispensationsgewalt erklärt hatte. Diese +ungewöhnliche Nachsicht verdankte er nur der außerordentlichen +Schwierigkeit, die es der Regierung machte, einen Nachfolger für ihn zu +finden. Es war um der pekuniären Interessen der Krone willen nothwendig, +daß wenigstens einer der beiden ersten Staatsanwälte ein talentvoller +und kenntnißreicher Mann war, und es war keineswegs leicht, einen diesen +Anforderungen genügenden Juristen zu bewegen, daß er sich durch das +tägliche Begehen von Handlungen, welche das nächste Parlament +wahrscheinlich als schwere Übertretungen und Verbrechen betrachtete, +sehr ernster Gefahr aussetzte. Es war nicht möglich gewesen, einen +besseren Generalprokurator als Powis aufzutreiben, ein Mann, der sich +zwar aus nichts ein Gewissen machte, der aber auch nicht einmal den +gewöhnlichsten Pflichten seines Postens gewachsen war. Unter diesen +Umständen hielt man es für wünschenswerth, die Arbeit zu theilen. Ein +Fiskal, dessen Berufstüchtigkeit durch Gewissensskrupel bedeutend +beeinträchtigt wurde, hatte einen Prokurator zur Seite, dessen +Gewissenlosigkeit seinen Mangel an Befähigung einigermaßen ersetzte. +Wenn es der Regierung um energische Durchführung des Gesetzes zu thun +war, so wendete sie sich an Sawyer; wollte sie das Gesetz mit Füßen +treten, so hielt sie sich an Powis. Dieses Arrangement wurde so lange +beibehalten, bis der König die Dienste eines Anwalts erlangte, der zu +gleicher Zeit noch gewissenloser als Powis und geschickter als Sawyer +war. + + +[_Williams Generalprokurator._] Keiner der damals lebenden Advokaten +hatte der Regierung giftiger opponirt als Wilhelm Williams. Er hatte +sich unter der vorigen Regierung als Whig und Exclusionist hervorgethan. +Als die Parteiwuth den höchsten Grad erreicht hatte, war er zum Sprecher +des Unterhauses erwählt worden. Nach der Prorogation des oxforder +Parlaments war er der gewöhnliche Rechtsbeistand der heftigsten +Demagogen gewesen, die des Aufruhrs angeklagt wurden. Er besaß +anerkanntermaßen bedeutende juristische Gewandtheit und Kenntnisse. +Unbesonnene Überstürzung und Parteigeist hielt man für seine +Hauptfehler; daß er noch andere Fehler hatte, in Vergleich mit denen die +genannten als Tugenden gelten konnten, ahnete man damals noch nicht. Die +Regierung suchte eine Gelegenheit, um ihm etwas anzuhaben, und es wurde +ihr nicht schwer, eine solche zu finden. Er hatte auf Befehl des Hauses +der Gemeinen einen von Dangerfield verfaßten erzählenden Bericht +herausgegeben. Hätte ein Privatmann diese Schrift veröffentlicht, so +würde sie unbestreitbar als ein aufrührerisches Libell zu betrachten +gewesen sein. Es wurde bei der Kings Bench eine Criminaluntersuchung +gegen Williams eingeleitet; er berief sich umsonst auf die Privilegien +des Parlaments und wurde zu einer Geldbuße von zehntausend Pfund +verurtheilt. Einen großen Theil dieser Summe bezahlte er baar und über +den Rest gab er eine Schuldverschreibung. Der Earl von Peterborough, der +in Dangerfield’s Erzählung in beleidigender Weise erwähnt war, wurde +durch den Erfolg der Criminaluntersuchung ermuthigt, eine Civilklage auf +eine bedeutende Entschädigungssumme anhängig zu machen. Williams gerieth +dadurch in die größte Verlegenheit. Da bot sich ihm ein rettender Ausweg +dar. Allerdings war es ein Ausweg, der einem Manne von festen +Grundsätzen und edlem Character noch schrecklicher gewesen sein würde, +als Armuth, Gefängniß und selbst Tod. Er konnte sich der Regierung +verkaufen, deren Feind und Opfer er gewesen war; er konnte sich +erbieten, bei jedem Angriffe auf die Freiheiten und die Religion, für +welche er einen maßlosen Eifer gezeigt hatte, den gefährlichsten Posten +zu übernehmen; er konnte seinen Whiggismus durch Dienste wieder gut +machen, vor denen selbst die eingefleischtesten Tories, an deren Händen +das Blut Russell’s und Sidney’s klebte, mit Abscheu zurückbebten. Der +Handel wurde abgeschlossen. Der noch schuldige Rest der Strafsumme wurde +erlassen und Peterborough durch Vermittelung des Königs zu einem +Vergleich bewogen. Sawyer wurde abgesetzt, Powis wurde Generalfiskal, +Williams wurde zum Generalprokurator ernannt, in den Adelstand erhoben +und war bald ein Günstling des Königs. Obgleich im Range nur der zweite +Kronjurist, gelang es ihm doch sehr bald, durch seine Gewandtheit, +Gelehrsamkeit und Energie seinen Vorgesetzten völlig in den Schatten zu +stellen[81]. + +Williams war noch nicht lange im Amte, als er aufgefordert wurde, in dem +denkwürdigsten Staatsprozesse, von dem die Annalen der britischen Justiz +berichten, eine Hauptrolle zu übernehmen. + + [Anmerkung 81: +London Gazette, Dec. 15. 1687+. Siehe den Prozeß + gegen Williams in der +Collection of State Trials+. +„Ha hecho,“+ + sagt Ronquillo, +„grande susto el haber nombrado el abogado + Williams, que fue el orador y el mas arrabiade de toda la casa des + comunes en los ultimos terribles parlamentos del Rey difunto.“+ + 27. Nov. (7. Dec.) 1687.] + + +[_Zweite Indulgenzerklärung._] Am 27. April 1688 erließ der König eine +zweite Indulgenzerklärung. In diesem Schriftstücke führte er die +Erklärung vom vorjährigen April in ihrer ganzen Länge auf. Sein +bisheriges Leben, sagte er dann, habe sein Volk überzeugen können, daß +er nicht der Mann sei, der sich von einem einmal gefaßten Beschlusse so +leicht abbringen lasse. Da aber heimtückische Menschen es versucht +hätten, die Welt glauben zu machen, daß man ihn doch noch zum Nachgeben +in dieser Angelegenheit werde bestimmen können, halte er es für nöthig, +zu erklären, daß sein Vorsatz unwiderruflich fest stehe, daß er +entschlossen sei, nur solche Männer anzustellen, welche bereit wären, +ihn bei der Ausführung seiner Pläne zu unterstützen, und daß er in +Gemäßheit dieses Entschlusses viele seiner ungehorsamen Diener von +Civil- und Militairämtern habe entheben müssen. Schließlich zeigte er +an, daß er spätestens im November ein Parlament einzuberufen gedenke, +und ermahnte seine Unterthanen, solche Vertreter in dasselbe zu wählen, +die ihn bei dem begonnenen großen Werke zu unterstützen geneigt +wären[82]. + + [Anmerkung 82: +London Gazette, April 30. 1688+; Barillon, 26. + April (6. Mai).] + + +[_Die Geistlichkeit erhält Befehl, sie von der Kanzel zu verlesen._] +Diese Erklärung machte anfangs nur wenig Sensation. Sie enthielt nichts +Neues und die Leute wunderten sich, daß der König es für nöthig hielt, +ein feierliches Manifest zu erlassen, blos um ihnen zu sagen, daß er +seinen Sinn nicht geändert habe[83]. Die Gleichgültigkeit, mit der die +Ankündigung seines festen Entschlusses vom Publikum aufgenommen wurde, +verdroß ihn wahrscheinlich und er glaubte ohne Zweifel, daß seine Würde +und Autorität leiden könnten, wenn er nicht unverzüglich etwas Neues und +Auffallendes thue. In Folge dessen verfügte er unterm 4. Mai durch einen +Geheimrathsbefehl, daß seine Erklärung von vergangener Woche an zwei +aufeinanderfolgenden Sonntagen beim öffentlichen Gottesdienste von den +dienstthuenden Geistlichen aller Kirchen und Kapellen des Reiches +verlesen werden solle. In London und seinen Vorstädten sollte die +Verlesung am 20. und 27. Mai, in den anderen Landestheilen am 3. und 10. +Juni stattfinden. Die Bischöfe waren angewiesen, Exemplare der Erklärung +in ihren respectiven Diöcesen zu vertheilen[84]. + +Wenn man berücksichtigt, daß die Geistlichen der anglikanischen Kirche +fast ohne Ausnahme die Indulgenzerklärung als eine Verletzung der +Landesgesetze, als einen Wortbruch des Königs und als einen +verderblichen Gewaltstreich gegen die Interessen und die Würde ihres +Standes betrachteten, so wird man schwerlich daran zweifeln können, daß +der Geheimrathsbefehl darauf berechnet war, als eine tiefe Kränkung von +ihnen empfunden zu werden. Man glaubte im Volke, daß Petre diese Absicht +durch ein der orientalischen Redeweise entlehntes rohes Gleichniß +ausgesprochen habe. Er sollte gesagt haben, er wolle sie Koth essen +lassen und zwar den abscheulichsten und ekelhaftesten Koth. Aber konnte +man annehmen, daß die anglikanische Geistlichkeit diesem tyrannischen +und gehässigen Befehle den Gehorsam verweigern werde? Der Character des +Königs war willkürlich und streng und das Verfahren der kirchlichen +Commission eben so summarisch wie das eines Kriegsgerichts. Wer sich +aufzulehnen wagte, konnte in Zeit von acht Tagen seiner Stelle entsetzt, +seines ganzen Einkommens beraubt, der ferneren Bekleidung jedes +geistlichen Amts unfähig erklärt und in die Nothwendigkeit versetzt +werden, von Haus zu Haus sein Brot zu erbetteln. Wenn der ganze Stand +sich einmüthig dem königlichen Willen widersetzte, dann war es +allerdings wahrscheinlich, daß selbst Jakob nicht den Muth haben würde, +zehntausend Schuldige auf einmal zu bestrafen. Aber zu einer allgemeinen +Verständigung in dieser Angelegenheit war keine Zeit. Am 7. Mai erschien +der Befehl in der Gazette und schon am 20. sollte die Erklärung von +allen Kanzeln Londons und dessen Umgegend verlesen werden. Er wäre +damals mit der größten Anstrengung nicht möglich gewesen, binnen +vierzehn Tagen die Ansichten nur des zehnten Theiles der im ganzen Lande +zerstreuten Pfarrgeistlichen einzuholen, ja nur die Stimmen der Bischöfe +hätten nicht leicht in so kurzer Zeit gesammelt werden können. Auch +stand zu befürchten, daß, wenn die Geistlichkeit das Verlesen der +Erklärung verweigerte, die protestantischen Dissenters die Weigerung +falsch auslegen, die Hoffnung, von den Mitgliedern der anglikanischen +Kirche Duldung zu erlangen, aufgeben und ihr ganzes Gewicht in die +Wagschale des Hofes werfen würden. + + [Anmerkung 83: Citters, 1.(11.) Mai 1688.] + + [Anmerkung 84: +London Gazette, Mai 7. 1688.+] + + +[_Die Geistlichkeit ist unschlüssig._] Die Geistlichkeit war daher +unschlüssig und diese Unschlüssigkeit läßt sich wohl entschuldigen, denn +einige hochgestellte Laien, welche das öffentliche Vertrauen in hohem +Maße genossen, waren geneigt, zur Unterwerfung zu rathen. Sie waren der +Meinung, ein allgemeiner Widerstand stehe kaum zu erwarten und ein +theilweiser werde für die Einzelnen verderblich und für die Kirche und +die Nation im Allgemeinen nur von geringem Nutzen sein. Dies war die +ausgesprochene Ansicht von Halifax und Nottingham. Der Tag rückte heran +und noch war keine Verständigung und kein bestimmter Entschluß +erzielt.[85] + + [Anmerkung 85: Johnstone, 27. Mai 1688.] + + +[_Patriotismus der protestantischen Nonconformisten Londons._] In diesem +Augenblicke erwarben sich die protestantischen Dissenters der Hauptstadt +einen Anspruch auf die ewige Dankbarkeit ihres Vaterlandes. Die +Regierung hatte sie bisher als einen Theil ihrer Stärke betrachtet. +Einige von ihren thätigsten und lautesten Predigern hatten, durch die +Gnadenbezeigungen des Hofes bestochen, Adressen zu Gunsten der Politik +des Königs zu Stande gebracht. Andere, welche durch die Erinnerung an +viele schwere Unbilden sowohl der anglikanischen Kirche als dem Hause +Stuart entfremdet waren, hatten mit boshafter Schadenfreude gesehen, wie +der tyrannische Fürst und die tyrannische Hierarchie durch bittere +Feindschaft von einander getrennt waren und sich gegenseitig überboten, +um den Beistand von Secten zu erlangen, die sie noch unlängst verfolgt +und verachtet hatten. Aber so natürlich dieses Gefühl auch sein mochte, +man hatte sich demselben lange genug hingegeben. Die Zeit war gekommen, +wo man eine Wahl treffen mußte, und die Nonconformisten traten in einer +hochherzigen Regung auf die Seite der Anglikaner, um gemeinschaftlich +mit ihnen die Grundgesetze des Reichs zu vertheidigen. Baxter, Bates und +Howe zeichneten sich durch ihre Anstrengungen, dieses Bündniß zu Stande +zu bringen, besonders aus; aber die edle Begeisterung, welche die +Gesammtheit der Puritaner beseelte, erleichterte ihnen die Aufgabe. Der +Eifer der Pfarrer wurde von dem ihrer Gemeinden noch übertroffen. +Diejenigen Presbyterianer- und Independentenprediger, welche Lust +zeigten, mit dem Könige Partei gegen die Landeskirche zu nehmen, wurden +nachdrücklich bedeutet, daß, wenn sie ihr Verfahren nicht änderten, ihre +Gemeinden sie fernerhin weder hören noch bezahlen würden. Alsop, der +sich mit der Hoffnung geschmeichelt hatte, daß er im Stande sein werde, +einen großen Theil seiner Anhänger dem Könige zuzuführen, sah sich +plötzlich von Denen, die ihn kurz zuvor noch als ihren geistlichen +Führer verehrt hatten, verachtet und verabscheut, verfiel darüber in +eine tiefe Schwermuth und verbarg sich vor den Blicken der Welt. Bei +mehreren londoner Geistlichen erschienen Deputationen, um sie zu bitten, +daß sie die Masse der Dissenters nicht nach den kriechenden +Schmeicheleien beurtheilen möchten, welche kürzlich die Spalten der +Gazette gefüllt hätten, und forderten sie, als bei dem großen Kampfe in +vorderster Reihe stehend, auf, mit männlicher Tapferkeit für die +Freiheiten Englands und den den Heiligen überlieferten Glauben zu +streiten. Diese Versicherungen wurden freudig und dankend aufgenommen. +Unter Denen aber, die sich zu entscheiden hatten, ob sie am nächsten +Sonntage, den 20. Mai, dem Befehl des Königs nachkommen wollten +oder nicht, herrschte noch immer große Ängstlichkeit und +Meinungsverschiedenheit. + + +[_Berathung der londoner Geistlichkeit._] Die londoner Geistlichkeit, +welche damals allgemein als die Elite ihres Standes anerkannt war, +veranstaltete eine berathende Versammlung. Funfzehn Doctoren der +Theologie waren anwesend. Tillotson, Dechant von Canterbury, der +berühmteste Kanzelredner der damaligen Zeit, kam vom Krankenlager dahin. +Sherlock, Vorsteher des Tempels, Patrick, Dechant von Peterborough und +Oberpfarrer des wichtigen Kirchspiels St. Paul in Coventgarden, sowie +auch Stillingfleet, Archidiakonus von London und Dechant der St. +Pauls-Kathedrale, nahmen daran Theil. Die Versammlung im Allgemeinen +schien der Ansicht zu sein, daß es im Grunde doch gerathen sei, dem +Geheimrathsbefehl zu gehorchen. Der Streit begann hitzig zu werden und +hätte vielleicht schlimme Folgen haben können, wäre er nicht durch die +Festigkeit und Einsicht des Unterpfarrers von St. Giles, Cripplegate, +Doctor Eduard Fowler, beendigt worden. Dieser Mann gehörte zu der +kleinen aber ausgezeichneten Klasse von Theologen, welche die der Schule +Calvin’s eigene Liebe zur bürgerlichen Freiheit mit der Theologie der +Schule des Arminius verbanden[86]. Er erhob sich und sprach: „Ich will +offen meine Meinung sagen. Die Sache ist so klar und einfach, daß lange +Erörterungen kein neues Licht auf sie werfen können, sondern nur die +Leidenschaften aufregen müssen. Lassen Sie einem Jeden blos Ja oder Nein +sagen. Ich für meine Person kann mich durch das Votum der Majorität +nicht binden lassen. Es würde mir leid thun, wenn dadurch unsre +Einigkeit gestört werden sollte, aber mein Gewissen erlaubt mir nicht, +diese Erklärung zu verlesen.“ Tillotson, Patrick, Sherlock und +Stillingfleet erklärten, daß sie der nämlichen Meinung seien, und die +Majorität fügte sich einer so achtbaren Minorität. Es wurde ein Beschluß +schriftlich ausgefertigt, durch den sich alle Anwesenden gegen einander +verpflichteten, die Erklärung nicht zu verlesen. Patrick war der Erste, +der seinen Namen unterschrieb, Fowler der Zweite. Das Papier wurde dann +in der Stadt herumgeschickt und war bald von fünfundachtzig +Pfründeninhabern unterzeichnet[87]. + +Unterdessen beriethen sich mehrere Bischöfe in banger Sorge über das +einzuschlagende Verfahren. Am 12. Mai war ein ernster und gelehrter +Kreis um den Tisch des Primas zu Lambeth versammelt. Compton, Bischof +von London, Turner, Bischof von Ely, White, Bischof von Peterborough, +und Tenison, Oberpfarrer des Kirchspiels St. Martin, befanden +sich unter den Anwesenden. Der Earl von Clarendon, ein warmer und +unerschütterlicher Freund der Kirche, war ebenfalls eingeladen worden. +Cartwright, Bischof von Chester, drängte sich, wahrscheinlich als Spion, +in die Versammlung. So lange er anwesend war, konnten vertrauliche +Mittheilungen nicht stattfinden; nach seinem Weggange aber wurde die +große Frage, welche alle Gemüther erfüllte, zur Sprache gebracht und +erörtert. Die allgemeine Ansicht war, daß die Erklärung nicht verlesen +werden solle. An mehrere der achtbarsten Prälaten der Provinz Canterbury +wurden sogleich Briefe geschrieben, durch welche dieselben aufgefordert +wurden, unverzüglich nach London zu kommen, um ihren Metropoliten in +dieser Angelegenheit zu unterstützen[88]. Da man kaum zweifeln konnte, +daß diese Briefe geöffnet werden würden, wenn sie durch das Postamt in +Lombard Street gingen, so wurden sie bis zu den nächsten Poststationen +in den verschiedenen Richtungen durch reitende Boten befördert. Der +Bischof von Winchester, dessen Loyalität sich bei Sedgemoor so glänzend +erprobt hatte, beschloß trotz eines ernstlichen Unwohlseins der +Aufforderung nachzukommen und sofort abzureisen, sah aber, daß er die +Erschütterung des Fahrens nicht vertragen konnte. Der an Wilhelm Lloyd, +Bischof von Norwich, gerichtete Brief wurde ungeachtet aller +Vorsichtsmaßregeln von einem Postmeister zurückgehalten, und dieser +Prälat, welcher keinem seiner Amtsbrüder in Muth und Eifer für die +gemeinsame Sache seines Berufs nachstand, kam zu spät in London an[89]. +Sein Namensvetter, Wilhelm Lloyd, Bischof von St. Asaph, ein frommer, +rechtschaffener und gelehrter Mann, aber von schwacher Urtheilskraft und +halb aufgerieben durch seine beharrlichen Anstrengungen, aus Daniel und +der Offenbarung einige Aufschlüsse über den Papst und den König von +Frankreich zu gewinnen, eilte nach der Hauptstadt und traf am +Sechzehnten ein[90]. Am nächstfolgenden Tage kamen auch der treffliche +Ken, Bischof von Bath und Wells, Lake, Bischof von Chichester, und Sir +Johann Trelawney, Bischof von Bristol, ein Baronet aus einer alten und +angesehenen Familie in Cornwall. + + [Anmerkung 86: Der verstorbene Alexander Knox, dieser + ausgezeichnete Mann, dessen beredte Conversation und vortrefflich + ausgearbeitete Briefe einen großen Einfluß auf die Gemüther seiner + Landsleute ausübten, hat, wie ich vermuthe, vieles von seinem + theologischen System und Fowler’s Schriften gelernt. Fowler’s Werk + über den Zweck des Christenthums wurde von Johann Bunyan mit einer + durch nichts zu rechtfertigenden Heftigkeit angegriffen, die sich + nur durch die Herkunft und mangelhafte Erziehung des ehrlichen + Kesselflickers einigermaßen entschuldigen läßt.] + + [Anmerkung 87: Johnstone, 23. Mai 1688. Es existirt ein + satirisches Gedicht auf diese Versammlung betitelt: „Die + geistliche Cabale.“] + + [Anmerkung 88: +Clarendon’s Diary, May 22. 1688.+] + + [Anmerkung 89: Auszug aus Tanner’s Handschriften in +Howell’s + State Trials+; +Life of Prideaux+; +Clarendon’s Diary, May 16. + 1688+.] + + [Anmerkung 90: +Clarendon’s Diary, May 16 & 17. 1688+.] + + +[_Berathung im Palast zu Lambeth._] Am Achtzehnten wurde im Palast des +Primas zu Lambeth eine Versammlung von Prälaten und anderen +ausgezeichneten Theologen gehalten. Tillotson, Tenison, Stillingfleet, +Patrick und Sherlock waren dabei anwesend. Vor dem Beginn der Berathung +wurde eine feierliche Betstunde gehalten. Nach einer langen Besprechung +setzte der Erzbischof eigenhändig eine Petition auf, in der die +allgemeine Ansicht ausgesprochen war. Sie war nicht im elegantesten +Style abgefaßt. Sancroft zog sich durch den schwülstigen und unschönen +Periodenbau sogar spöttelnden Tadel zu, den er mit weniger Geduld +ertrug, als er bei viel härteren Prüfungen gezeigt hatte. Dem Inhalte +nach aber konnte nichts geschickter entworfen sein, als dieses +denkwürdige Actenstück. Man verwahrte sich entschieden gegen alle +Illoyalität und Intoleranz, versicherte dem König, daß die Kirche noch +immer, wie von jeher, dem Throne treu ergeben sei und daß die Bischöfe +seiner Zeit am geeigneten Orte als Lords des Parlaments und als +Mitglieder des Oberhauses der Convocation beweisen wurden, wie es ihnen +keineswegs an humaner Rücksicht auf die Gewissensbedenken der Dissenters +fehle. Aber das Parlament habe sowohl unter der vorigen wie unter der +gegenwärtigen Regierung ausgesprochen, daß der Souverain nach der +Verfassung nicht berechtigt sei, in kirchlichen Angelegenheiten von +Gesetzen zu dispensiren. Deshalb sei die Erklärung gesetzwidrig und +Klugheit, Ehre und Gewissen gestatte den Petenten nicht, sich bei der +feierlichen Veröffentlichung einer ungesetzlichen Erklärung im Hause +Gottes und während der Zeit des Gottesdienstes zu betheiligen. + +Diese Petition wurde von dem Erzbischof und sechs seiner Suffraganen, +Lloyd von St. Asaph, Turner von Ely, Lake von Chichester, Ken von Bath +und Wells, White von Peterborough und Trelawney von Bristol, +unterzeichnet. Der Bischof von London unterzeichnete nicht mit, weil er +suspendirt war. + + +[_Die Petition der sieben Bischöfe dem Könige überreicht._] Es war spät +am Freitag Abend, und am Sonntag Morgen sollte die Erklärung in den +Kirchen von London verlesen werden. Die Petition mußte daher dem Könige +unverweilt überreicht werden. Die sechs Bischöfe brachen sofort nach +Whitehall auf; der Erzbischof, dem schon seit geraumer Zeit der Zutritt +bei Hofe untersagt war, begleitete sie nicht. Lloyd ließ seine fünf +Collegen im Hause des Lord Dartmouth in der Nähe des Palastes zurück, +begab sich zu Sunderland und bat den Minister, die Petition zu lesen und +sich zu erkundigen, wann der König geneigt sein werde, sie in Empfang zu +nehmen. Sunderland wollte, aus Furcht sich zu compromittiren, die +Petition gar nicht ansehen, begab sich aber sogleich ins königliche +Kabinet. Jakob befahl, die Bischöfe vorzulassen. Er hatte von seinem +Spion Cartwright erfahren, daß sie wohl geneigt wären, dem königlichen +Befehle zu gehorchen, aber einige kleine Änderungen in der Form +wünschten und eine unterthänige Bitte in diesem Sinne vorlegen wollten. +Seine Majestät war daher sehr gut gelaunt. Als die Prälaten vor ihm +knieten, bat er sie freundlich, aufzustehen, nahm das Papier, aus +Lloyd’s Händen und sagte: „Das ist Mylord Canterbury’s Hand.“ -- „Ja, +Sire, seine eigene Hand,“ war die Antwort. Jakob las die Petition, brach +sie dann zusammen und sprach, während seine Stirn sich verfinsterte: +„Dies ist eine große Überraschung für mich. Ich hätte dies von Ihrer +Kirche, insbesondere von einigen unter Ihnen, nicht erwartet. Das heißt +die Fahne des Aufruhrs aufpflanzen.“ Die Bischöfe ergossen sich in die +wärmsten Versicherungen ihrer Loyalität; der König aber wiederholte +seiner Gewohnheit nach die gesprochenen Worte von Anfang bis zu Ende. +„Ich sage Ihnen, es ist eine Fahne des Aufruhrs!“ -- „Des Aufruhrs?“ +rief Trelawney auf die Knie fallend. „Um des Himmels willen, Sire, +sprechen Sie nicht so hart von uns. Ein Trelawney kann nie ein Rebell +werden. Erinnern Sie Sich, daß meine Familie für die Krone gekämpft hat, +erinnern Sie Sich, wie ich Eurer Majestät gedient habe, als Monmouth im +Westen war.“ -- „Wir haben den letzten Aufstand unterdrückt,“ sagte +Lake, „und wollen gewiß nicht einen neuen hervorrufen.“ -- „Wir, +Rebellen!“ rief Turner; „wir sind bereit, zu den Füßen Eurer Majestät zu +sterben.“ -- „Sire,“ hob jetzt Ken in einem männlicheren Tone an, „ich +hoffe, Sie werden uns die Gewissensfreiheit zugestehen, die Sie +Jedermann gewähren.“ Jakob aber wiederholte abermals: „Das ist Aufruhr! +das ist eine Fahne des Aufruhrs! Hat jemals ein guter Diener der +Staatskirche das Dispensationsrecht in Frage gestellt? Haben nicht +einige von Ihnen zu Gunsten desselben gepredigt und geschrieben? Ich +will durchaus, daß meine Erklärung verlesen werde!“ -- „Wir haben zwei +Pflichten zu erfüllen,“ erwiederte Ken, „unsre Pflicht gegen Gott und +unsre Pflicht gegen Eure Majestät. Wir ehren Sie, aber wir fürchten +Gott.“ -- „Habe ich das um Sie verdient?“ versetzte der König mit +wachsendem Zorne; „bin ich nicht stets ein Freund Ihrer Kirche gewesen? +Ich hätte dies nicht von Ihnen erwartet. Aber ich verlange Gehorsam. +Meine Erklärung muß verlesen werden. Sie sind die Trompeter des +Aufruhrs. Was wollen Sie hier? Gehen Sie in Ihre Diöcesen und sorgen Sie +dafür, daß meinen Befehlen gehorcht wird. Dieses Papier will ich +behalten. Sie bekommen es nicht zurück. Ich werde Sie, die +Unterzeichner, nicht vergessen.“ -- „Gottes Wille geschehe,“ sagte Ken. +-- „Gott hat mir die Dispensationsgewalt verliehen,“ fuhr der König +fort, „und ich werde sie zu behaupten wissen. Ich sage Ihnen, es sind +noch Siebentausend in Ihrer Kirche, die das Knie nicht vor dem Baal +gebeugt haben.“ Die Bischöfe entfernten sich ehrerbietig[91]. Noch den +nämlichen Abend erschien die Petition, die sie dem Könige überreicht +hatten, Wort für Wort, in Druck und wurde in allen Kaffeehäusern +ausgelegt und in den Straßen zum Verkauf ausgeboten. Allenthalben +standen die Leute aus den Betten wieder auf und gingen hinunter auf die +Straße, um zu sehen, was es gab. Man sagte, daß der Drucker binnen +wenigen Stunden durch dieses Pennyblatt tausend Pfund verdient habe. +Dies mag übertrieben sein, aber es beweist wenigstens, daß der Absatz +ungeheuer war. Wie die Petition in die Öffentlichkeit kam, ist noch +heute ein Geheimniß. Sancroft versicherte, daß er jede erdenkliche +Vorsicht beobachtet habe und von keinem andren Exemplare wisse, als von +dem, welches er selbst geschrieben und das der König aus Lloyd’s Händen +entgegengenommen hatte. Die Wahrhaftigkeit des Erzbischofs ist über alle +Zweifel erhaben. Nicht unwahrscheinlich aber ist es, daß einige von den +anwesenden Geistlichen das kurze Schriftstück ihrem Gedächtniß genau +eingeprägt und es zum Druck befördert hatten. Die vorherrschende Meinung +war jedoch, daß eine Person aus der nächsten Umgebung des Königs eine +Indiscretion oder einen Verrath begangen habe[92]. Kaum weniger Aufsehen +machte ein kurzer, mit großer logischer Schärfe und in kräftiger Sprache +geschriebener Brief, der im Geheimen gedruckt und an dem nämlichen Tage +durch die Post und durch die gewöhnlichen Botenfuhrleute verbreitet +wurde. Jedem Geistlichen im ganzen Lande wurde ein Exemplar zugesandt. +Der Verfasser versuchte es nicht, die Gefahr zu verhehlen, der sich +Diejenigen aussetzten, welche dem königlichen Befehle nicht gehorchten; +aber er schilderte mit lebhaften Farben die noch größere Gefahr der +Unterwerfung. „Wenn wir die Erklärung verlesen,“ sagte er, „so fallen +wir, um uns nicht wieder zu erheben. Und wir werden nicht bedauert, +sondern nur verachtet werden; wir fallen unter den Verwünschungen einer +Nation, die unsre Willfährigkeit ins Verderben gestürzt hat.“ Einige +waren der Meinung, die Schrift sei aus Holland herübergekommen, Andere +schrieben sie Sherlock zu. Aber Prideaux, Dechant von Norwich, der bei +der Verbreitung besonders thätig war, hielt sie für das Werk Halifax’. + +Das Verfahren der Prälaten fand allgemeinen und lebhaften Beifall; aber +hier und da ließ sich auch ein Murren vornehmen. Man sagte, daß so +ernste Männer, wenn ihr Gewissen ihnen geboten hätte, beim Könige zu +remonstriren, dies früher hätten thun sollen. Wäre es recht gegen ihn +gehandelt, daß sie ihn bis sechsunddreißig Stunden vor der zur Verlesung +der Erklärung festgesetzten Zeit im Dunkeln ließen? Selbst wenn er den +Geheimrathsbefehl hätte zurücknehmen wollen, wäre es dazu zu spät +gewesen. Aus dem Allen scheine hervorzugehen, daß die Petition nicht den +Zweck gehabt habe, den König andren Sinnes zu machen, sondern nur die +Unzufriedenheit des Volks zu erregen[93]. Diese Beschwerden waren jedoch +völlig grundlos. Der König hatte den Bischöfen einen neuen, unerwarteten +und in Verlegenheit setzenden Befehl gegeben. Es war ihre Pflicht, mit +einander in Vernehmen zu treten und so weit als möglich die Ansicht des +Standes, dessen Oberhäupter sie waren, einzuholen, ehe sie irgend einen +Schritt thaten. Die Mitglieder waren im ganzen Lande zerstreut, einige +waren eine volle Tagereise von einander entfernt. Jakob hatte ihnen nur +vierzehn Tage Zeit gelassen, um sich zu erkundigen, zu berathschlagen +und einen Entschluß zu fassen, und er konnte sich gewiß nicht darüber +beklagen, daß diese vierzehn Tage zu Ende gingen, bevor er ihren +Entschluß erfuhr. Ebenso ist es auch nicht wahr, daß sie ihm nicht Zeit +ließen, seinen Befehl zurückzunehmen, wenn er hätte so klug sein wollen, +dies zu thun. Er hätte am Samstag Morgen den Geheimen Rath +zusammenberufen können und vor dem Abend konnte es in ganz London und +dessen Vorstädten bekannt sein, daß er den Bitten der Väter der Kirche +nachgegeben. Der Samstag ging jedoch ohne ein Zeichen von Sinnesänderung +seitens der Regierung vorüber und der Sonntag kam heran, ein Tag, dessen +man sich noch lange erinnerte. + + [Anmerkung 91: Sancroft’s Bericht aus Tanner’s Handschriften + abgedruckt; Citters, 22. Mai (1. Juni) 1688.] + + [Anmerkung 92: +Burnet, I. 741+; +Revolution Politics+; +Higgins’s + Short View.+] + + [Anmerkung 93: +Clarke’s Life of James the Second, II. 155.+] + + +[_Die londoner Geistlichkeit gehorcht dem königlichen Befehle nicht._] +In der City und den Vorstädten Londons gab es ungefähr hundert +Pfarrkirchen. Nur in vier derselben wurde der Geheimrathsbefehl befolgt. +In der St. Gregorskirche wurde die Erklärung von einem Geistlichen, +Namens Martin, verlesen. Sobald er die ersten Worte sprach, stand die +ganze Gemeinde auf und entfernte sich. In der St. Matthäuskirche in +Friday Street wurde ein Elender, Namens Timotheus Hall, der seinen +Priesterrock geschändet, indem er der Herzogin von Portsmouth bei dem +Handel mit Begnadigungen als Zwischenträger gedient und der jetzt +Hoffnung auf das erledigte Bisthum Oxford hatte, ebenfalls von seiner +Gemeinde in der Kirche allein gelassen. In Serjeant’s Inn, in Chancery +Lane, gab der Geistliche vor, er habe vergessen, ein Exemplar der +Erklärung mitzubringen, und der Oberrichter der Kings Bench, welcher +anwesend war, um darauf zu sehen, daß dem königlichen Befehle gehorcht +werde, mußte sich mit dieser Entschuldigung begnügen. Samuel Wesley, der +Vater Johann’s und Karl’s Wesley, Pfarrer in London, wählte an diesem +Sonntage zum Text seiner Predigt die edle Antwort, welche die drei Juden +dem chaldäischen Tyrannen gaben: „So sollst Du nun wissen, o König, daß +wir Deine Götter nicht ehren, noch das güldene Bild, das Du hast setzen +lassen, anbeten wollen.“ Selbst in der Kapelle des St. Jamespalastes +hatte der dienstthuende Geistliche den Muth, dem Befehle nicht zu +gehorchen. Die Knaben von Westminster erinnerten sich noch lange dessen, +was an jenem Tage in der Abtei vorging. Sprat, Bischof von Rochester, +fungirte hier als Dechant. Sobald er die Erklärung zu verlesen begann, +übertäubte das Murren und das Geräusch des sich aus der Kirche +drängenden Volks seine Stimme. Er zitterte so heftig, daß man das Papier +in seiner Hand sich bewegen sah. Lange bevor er geendet hatte, war die +Kirche von Allen verlassen, bis auf Diejenigen, die ihre Stellung zum +Bleiben nöthigte.[94] + +Noch nie war die Kirche der Nation so theuer gewesen, als an jenem +Nachmittage. Der Geist der Zwietracht schien erloschen zu sein. Baxter +hielt auf der Kanzel eine Lobrede auf die Bischöfe und die Pfarrer. +Wenige Stunden später schrieb der holländische Gesandte an die +Generalstaaten, daß die anglikanische Geistlichkeit in der Achtung des +Publikums unglaublich gestiegen sei. Die Nonconformisten, sagte er, +sprächen sich allgemein dahin aus, daß sie lieber unter dem Drucke der +Strafgesetze bleiben, als ihre Sache von der der Prälaten trennen +wollten.[95] + +So verging noch eine Woche ängstlicher Aufregung, und der zweite Sonntag +kam heran. Abermals waren die Kirchen der Hauptstadt mit +Hunderttausenden gefüllt. Die Erklärung wurde nirgends anderwärts +verlesen, als an den wenigen Orten, wo sie vor acht Tagen verlesen +worden war. Der Geistliche, der in der Kapelle des St. Jamespalastes +gepredigt hatte, war seines Amtes entsetzt worden und es erschien ein +servilerer Geistlicher mit dem Papier in der Hand; aber er war so +befangen, daß er nicht vernehmlich sprechen konnte. Die Stimmung der +ganzen Nation hatte sich in der That so gestaltet, daß nur die besten +und hochherzigsten, oder die schlechtesten und characterlosesten +Menschen ihr ohne große Angst die Stirn bieten konnten.[96] + + [Anmerkung 94: Citters; 22. Mai (1. Juni) 1688; +Burnet+, I. 740 + und Lord Dartmouth’s Note; +Southey’s Life of Wesley+.] + + [Anmerkung 95: Citters, 22. Mai (1. Juni) 1688.] + + [Anmerkung 96: +Ibid.+ 29. Mai (8. Juni) 1688.] + + +[_Unschlüssigkeit der Regierung._] Selbst der König war einen Augenblick +bestürzt über die Heftigkeit des von ihm heraufbeschworenen Sturmes. Was +sollte er nun zunächst thun? Er mußte entweder vorwärts oder rückwärts +gehen, und ersteres konnte er nicht ohne Gefahr, letzteres nicht ohne +Demüthigung. Einmal nahm er sich vor, einen neuen Befehl zu erlassen, +durch den er der Geistlichkeit in hochmüthigem und zornigem Tone gebot, +seine Erklärung zu verlesen, und jedem Widerspenstigen mit +augenblicklicher Amtsentsetzung drohte. Dieser Befehl wurde zu Papier +gebracht und in die Druckerei geschickt, dann zurückgeholt, dann zum +zweitenmal in die Druckerei geschickt und noch einmal zurückgeholt.[97] +Zu einem andren Plane riethen einige von Denen, welche für strenge +Maßregeln waren. Sie meinten, die Prälaten, welche die Petition +unterzeichnet hatten, könnten ja vor die kirchliche Commission citirt +und ihrer Bischofssitze beraubt werden. Gegen dieses Verfahren aber +wurden im Staatsrathe energische Einwendungen erhoben. Man habe +angekündigt, daß die Kammern noch vor Ende des Jahres einberufen werden +sollten und die Lords würden das Absetzungsurtel unzweifelhaft für null +und nichtig erklären, auf der Einberufung Sancroft’s und seiner +Mitpetenten bestehen und sich weigern, einen neuen Erzbischof von +Canterbury oder einen neuen Bischof von Bath und Wells anzuerkennen. So +würde die Session, die aller Wahrscheinlichkeit nach im günstigen Falle +immer noch sehr stürmisch werden würde, sogleich mit einem erbitterten +Streite zwischen der Krone und den Peers beginnen. Wenn daher eine +Bestrafung der Bischöfe für nöthig gehalten würde, so müßte dieselbe +nach dem bekannten Gange des englischen Rechtsverfahrens über sie +verhängt werden. Sunderland hatte sich von Anfang an, soweit er es ohne +Gefahr wagen konnte, dem Geheimrathsbefehl widersetzt. Jetzt rieth er zu +einem Verfahren, das zwar nicht frei von Nachtheilen, aber doch das +klügste und würdigste war, welches der Regierung nach einer Reihe von +Fehlgriffen noch offen stand. Der König solle mit Huld und Majestät der +Welt ankündigen, daß das ungehorsame Benehmen der anglikanischen Kirche +ihn tief verletzt habe, daß er aber die vielen Dienste nicht vergessen +könne, die diese Kirche in schweren Prüfungszeiten seinem Vater, seinem +Bruder und ihm selbst geleistet; daß er als Freund der Gewissensfreiheit +nicht streng gegen Männer verfahren wolle, deren allerdings +irregeleitetes und über alle Maßen bedenkliches Gewissen ihnen nicht +erlaubt habe, seinen Befehlen zu gehorchen, und daß er daher die +Schuldigen der Strafe überlassen werde, die ihre eigne Überzeugung ihnen +zuerkennen müsse, wenn sie ihre neuesten Schritte mit den loyalen +Grundsätzen verglichen, deren sie sich so laut gerühmt hätten. Nicht +allein Powis und Bellasyse, welche stets für gemäßigte Beschlüsse waren, +sondern selbst Dover und Arundell neigten sich zu diesem Vorschlage hin. +Jeffreys dagegen behauptete, daß die Regierung entehrt sein würde, wenn +sie solche Verbrecher, wie die sieben Bischöfe, mit einem bloßen +Verweise davon kommen ließe. Er wünschte jedoch nicht, daß sie vor die +Hohe Commission, in welcher er als erster oder vielmehr einziger Richter +saß, geladen würden, denn die Last des öffentlichen Hasses, die er +bereits zu tragen hatte, war selbst für seine schamlose Stirn und sein +verknöchertes Herz zu groß, und er erschrak vor der Verantwortlichkeit, +die er durch eine gesetzwidrige Verurtheilung der Oberhäupter der +Staatskirche und der Lieblinge des Volkes auf sich geladen haben würde. + + [Anmerkung 97: +Ibid.+] + + +[_Es wird eine gerichtliche Verfolgung der Bischöfe wegen Libells +beschlossen._] Jeffreys empfahl deshalb einen Criminalprozeß gegen sie +anhängig zu machen. In Folge dessen wurde beschlossen, den Erzbischof +und die sechs anderen Bittsteller unter der Anklage auf Abfassung eines +aufrührerischen Libells vor den Gerichtshof der Kings Bench zu stellen. +Daß sie für schuldig befunden werden würden, daran war kaum zu zweifeln, +denn die Richter und ihre Unterbeamten waren Werkzeuge des Hofes. +Seitdem der Hauptstadt ihr alter Freibrief entzogen worden, war kaum ein +Gefangener, den die Regierung bestraft wissen wollte, von einer Jury +freigesprochen worden. Die widerspenstigen Prälaten wurden höchst +wahrscheinlich zu unerschwinglichen Geldbußen und langer Haft +verurtheilt und waren dann froh, wenn sie sich dadurch loskaufen +konnten, daß sie in und außer dem Parlament den Absichten des Königs +dienten.[98] + +Am 27. Mai wurde den Bischöfen angekündigt, daß sie am 8. Juni vor dem +Könige im Geheimen Rathe erscheinen sollten. Warum eine so lange Frist +gestattet wurde, ist uns nicht bekannt. Vielleicht hoffte Jakob, daß +einige der Schuldigen sich aus Furcht vor seiner Ungnade bis zu dem zum +Verlesen der Erklärung bestimmten Tage noch fügen und, um sich mit ihm +auszusöhnen, die Geistlichen ihrer Diöcesen zum Gehorsam überreden +würden. Wenn dies wirklich seine Hoffnung war, so wurde sie vollständig +getäuscht. Der 3. Juni kam und alle Theile Englands folgten dem +Beispiele der Hauptstadt. Die Bischöfe von Norwich, Gloucester, +Salisbury, Winchester und Exeter hatten bereits Abschriften der Petition +zum Beweis ihrer Zustimmung unterzeichnet; der Bischof von Worcester +hatte sich geweigert, die Erklärung unter seine Geistlichen zu +vertheilen; der Bischof von Hereford hatte sie vertheilt, wurde aber, +wie allgemein bekannt war, deshalb von Reue und Scham gequält. Von +fünfzig Pfarrern fügte sich noch nicht einer dem Geheimrathsbefehl. In +der großen Diöcese Chester, welche die Grafschaft Lancaster umfaßt, +konnte Cartwright nicht mehr als drei Geistliche zum Gehorsam gegen den +König bewegen. Die Diöcese Norwich enthält viele hundert Pfarreien, und +nur in vieren davon wurde die Erklärung verlesen. Dem höfischen Bischof +von Rochester gelang es nicht, die Gewissensscrupel des +Gefängnißpredigers von Chatham, der von der Regierung besoldet wurde, zu +heben. Es existirt noch ein rührender Brief, den dieser wackere +Geistliche an den Sekretär der Admiralität schrieb. „Ich kann wohl nicht +erwarten,“ schrieb er darin, „daß Euer Ehren sich für mich verwenden. +Der Wille Gottes geschehe. Ich will lieber leiden, als sündigen“[99]. + + [Anmerkung 98: Barillon, 24. Mai (3. Juni), 31. Mai (10. Juni) + 1688; Citters, 1.(11.) Juli; Adda 25. Mai (4. Juni), 30. Mai (9. + Juni), 1.(11.) Juni; +Clarke’s Life of James the Second, II. + 158+.] + + [Anmerkung 99: +Burnet, I. 740+; +Life of Prideaux+; Citters, + 12.(22.), 15.(25.) Juni 1688; +Tanner MS.+; +Life and + Correspondence of Pepys+.] + + +[_Sie werden im Geheimen Rathe verhört._] Am Abend des 8. Juni begaben +sich die sieben Prälaten, von den ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten +Englands gehörig instruirt, in den Palast, wo sie alsbald in das +Geheimrathszimmer gerufen wurden. Ihre Petition lag auf dem Tische. Der +Kanzler nahm das Papier, zeigte es dem Erzbischofe und sagte: „Ist dies +die Schrift, die Euer Gnaden aufgesetzt und welche die hier anwesenden +Bischöfe Seiner Majestät überreicht haben?“ Sancroft warf einen Blick +auf das Papier und sagte dann zum Könige: „Sire, ich stehe hier als +Angeklagter. Ich war dies noch nie und hätte früher nicht geglaubt, daß +ich es je einmal werden könnte. Am allerwenigsten aber habe ich daran +gedacht, daß mir ein Vergehen gegen meinen König zur Last gelegt werden +könnte. Da ich aber das Unglück habe, in diese Lage gekommen zu sein, so +wird Eure Majestät es mir nicht übel nehmen, wenn ich von dem mir +gesetzlich zustehenden Rechte Gebrauch mache, nichts zu sagen, was mich +als schuldig erscheinen lassen könnte.“ -- „Dies ist bloße Chikane,“ +erwiederte der König. „Euer Gnaden werden hoffentlich nicht so +gewissenlos sein, daß Sie Ihre eigne Hand verleugnen?“ -- „Sire,“ sagte +Lloyd, der die Casuistik gründlich studirt hatte, „alle Theologen +stimmen darin überein, daß Jemand, der sich in unsrer Lage befindet, die +Antwort auf eine solche Frage verweigern darf.“ Der König, der eben so +beschränkten Verstandes, als heftigen Temperamentes war, wußte nicht +sogleich was der Prälat meinte. Er beharrte jedoch auf seinem Verlangen +und gerieth in sichtbaren Zorn. „Sire,“ hob der Erzbischof wieder an, +„ich bin nicht verpflichtet, mich selbst anzuklagen. Dessenungeachtet +will ich, wenn Eure Majestät es durchaus befiehlt, eine Antwort geben, +in dem Vertrauen, daß ein gerechter und edelsinniger Fürst das was ich +lediglich aus Gehorsam gegen Höchstdessen Befehl thue, nicht als +Rechtsbeweis gegen mich anwenden lassen wird.“ -- „Sie dürfen mit Ihrem +Souverain nicht kapituliren,“ sagte der Kanzler. „Nein,“ setzte der +König hinzu, „ich werde einen solchen Befehl nicht geben. Wenn Sie es +vorziehen, Ihre eigenen Handschriften abzuleugnen, so habe ich Ihnen +nichts mehr zu sagen.“ + +Die Bischöfe wurden zu wiederholten Malen ins Vorzimmer hinausgeschickt +und eben so oft wieder hereingerufen. Endlich gab ihnen Jakob den +bestimmten Befehl, auf die Frage zu antworten. Er verpflichtete sich +allerdings nicht ausdrücklich dazu, daß ihr Geständniß nicht gegen sie +angewendet werden sollte; aber nach dem was vorausgegangen war, mußten +sie natürlich annehmen, daß diese Zusage selbstverständlich mit in dem +Befehle enthalten sei. Sancroft erkannte seine Handschrift an, und seine +Collegen folgten seinem Beispiele. Hierauf wurden sie über den Sinn +einiger in der Petition vorkommenden Worte und über den Brief befragt, +der im ganzen Lande verbreitet worden war und so großes Aufsehen gemacht +hatte; aber ihre Antworten waren so vorsichtig, daß durch das Verhör +nichts gewonnen wurde. Der Kanzler sagte ihnen nun, daß eine +Criminaluntersuchung bei der Kings Bench gegen sie eingeleitet werden +würde und forderte sie auf, sich wegen ihres Erscheinens jeder für seine +eigne Person zu verpflichten. Dies lehnten sie aber ab. Sie seien Peers +des Reiches, sagten sie, die besten Rechtsgelehrten von Westminster Hall +hätten ihnen gesagt, daß keinem Peer in einer Untersuchung wegen Libells +persönliche Bürgschaft angesonnen werden könne, und sie hielten sich +nicht für berechtigt, auf eines ihrer Standesvorrechte zu verzichten. +Der König war einfältig genug, es als eine persönliche Beleidigung gegen +sich zu betrachten, daß die Bischöfe in einer Rechtsfrage sich durch +juristischen Rath leiten ließen. „Sie glauben ja auch jedem Andren eher +als mir,“ sagte er. Er fühlte sich ernstlich gedemüthigt und beunruhigt, +denn er war so weit gegangen, daß ihm, wenn sie auf ihrem Vorsatze +beharrten, nichts Andres übrig blieb, als sie in’s Gefängniß zu +schicken, und wenn er auch keineswegs _alle_ Folgen eines solchen +Schrittes voraussah, so sah er doch so viel davon voraus, daß ihm bange +wurde. Sie blieben fest. Es wurde daher wirklich ein Befehl +ausgefertigt, welcher den Gouverneur des Tower anwies, sie in sicherem +Gewahrsam zu halten und eine Barke brachte sie den Fluß hinunter nach +dem Staatsgefängnisse.[100] + +Ganz London wußte, daß die Bischöfe vor dem Geheimen Rathe standen. Das +Publikum war in gespannter Erwartung. Eine große Menschenmenge füllte +die Höfe von Whitehall und alle umliegenden Straßen. Viele Leute +pflegten sich damals an Sommerabenden an der kühlen Themseluft zu +erlaben; an diesem Abend aber war der ganze Fluß mit Böten bedeckt. Als +die sieben Bischöfe in Begleitung einer Wache erschienen, konnte das +Volk seine Gefühle nicht mehr beherrschen. Tausende fielen auf die Knie +und beteten laut für die Männer, welche mit dem christlichen Muthe eines +Ridley und Latimer einem von der ganzen Bigotterie der Maria erfüllten +Tyrannen Trotz geboten hatten. Viele sprangen in den Fluß und riefen, +bis über den Hüften in Schlamm und Wasser stehend, die heiligen Väter um +ihren Segen an. Auf der ganzen Strecke von Whitehall bis zur +London-Brücke fuhr die königliche Barke zwischen Reihen von Böten, aus +denen beständig der Ruf: „Gott segne Eure Lordschaften!“ ertönte. Der +König gab in seiner Angst Befehl, daß die Besatzung des Tower verstärkt, +die Garden zum Feuern bereit gehalten und zwei Compagnien von jedem +Regiment im ganzen Reiche unverzüglich nach London berufen werden +sollten. Die Militairmacht aber, die er als das zuverlässigste Werkzeug +zur Bändigung des Volkes ansah, theilte alle Gefühle desselben. Selbst +die Schildwachen, welche am Verrätherthore unter Waffen standen, baten +die Märtyrer, die sie bewachen sollten, um ihren Segen. Der Gouverneur +des Tower war Sir Eduard Hales. Er war nicht eben geneigt, seine +Gefangenen freundlich zu behandeln, denn er war von der Kirche, für die +sie litten, abgefallen und bekleidete kraft der Dispensationsgewalt, +gegen die sie protestirt hatten, mehrere einträgliche Stellen. Mit +Entrüstung vernahm er, daß seine Soldaten auf das Wohl der Bischöfe +tranken, und er befahl seinen Offizieren, dies ein für allemal zu +verbieten; aber diese brachten ihm die Meldung, daß es sich nicht mehr +verhindern lasse und daß in der ganzen Besatzung keine andre Gesundheit +mehr ausgebracht werde. Übrigens bewiesen die Truppen ihre Verehrung für +die Väter der Kirche nicht allein durch Toaste. Im ganzen Tower +herrschte eine so andächtige Stimmung, daß fromme Geistliche dem Himmel +dankten, daß er aus Bösem Gutes hervorgehen ließe und die Verfolgung +seiner treuen Diener zum Rettungsmittel für viele Seelen machte. Tag für +Tag sah man die Equipagen und Livreen der vornehmsten Kavaliere Englands +vor den Eingängen des Gefängnisses, und Tausende von Zuschauern aus den +bürgerlichen Klassen bedeckten fortwährend Towerhill.[101] Von den +verschiedenen Zeichen der öffentlichen Verehrung und Theilnahme für die +Prälaten erfüllte aber namentlich eines mehr als alle anderen den König +mit Zorn und Besorgniß. Er erfuhr, daß eine Deputation von zehn +nonconformistischen Geistlichen die Bischöfe im Tower besucht hatte. Er +ließ vier von ihnen zu sich entbieten und machte ihnen persönlich +heftige Vorwürfe; sie aber antworteten ihm muthig, daß sie es für ihre +Pflicht hielten, vergangene Streitigkeiten zu vergessen und zu den +Männern zu stehen, welche die Träger des protestantischen Glaubens +seien.[102] + + [Anmerkung 100: Sancroft’s Bericht, abgedruckt aus Tanner’s + Handschriften.] + + [Anmerkung 101: +Burnet, I. 741+; Citters, 8.(18.), 12.(22.) Juni + 1688; +Luttrell’s Diary, June 8+; +Evelyn’s Diary+, Brief von + +Dr.+ Ralson an seine Gattin vom 14. Juni abgedruckt aus Tanner’s + Handschriften; +Reresby’s Memoirs+.] + + [Anmerkung 102: +Reresby’s Memoirs+.] + + +[_Geburt des Prätendenten._] Kaum hatten sich die Thore des Tower hinter +den Gefangenen geschlossen, so trat ein Ereigniß ein, welches die +allgemeine Aufregung noch vermehrte. Es war angekündigt worden, daß die +Königin erst im Juli ihre Entbindung erwarte. Den Tag nach dem Verhöre +der Bischöfe aber bemerkte man, daß der König sich angelegentlich nach +ihrem Befinden erkundigte. Sie saß jedoch diesen Abend noch bis gegen +Mitternacht in Whitehall am Spieltisch. Dann aber wurde sie in einer +Sänfte in den St. Jamespalast gebracht, wo in aller Eil Zimmer für sie +eingerichtet worden waren. Bald darauf eilten Boten nach allen +Richtungen hin, um Ärzte und Priester, Staatsräthe und Kammerdamen +herbeizuholen. Binnen wenigen Stunden waren eine Menge Staatsbeamte und +vornehme Damen im Zimmer der Königin versammelt, und hier wurde am +Morgen des 10. Juni, einem Sonntage, der von den allzutreuen Freunden +einer schlechten Sache lange in Ehren gehalten wurde, der unglücklichste +aller Fürsten geboren, bestimmt zu siebenundsiebzig Jahren der +Verbannung und des Umherirrens, zu einem Leben voll eitler Pläne, voll +Ehrenbezeigungen, welche kränkender sind als offene Beleidigungen, und +voll Hoffnungen, die das Herz vor Gram vergehen lassen. + + +[_Man hält ihn allgemein für untergeschoben._] Die traurigen Schicksale +des armen Kindes begannen schon vor seiner Geburt. Die Nation über +welche er nach der gewöhnlichen Erbfolgeordnung einst regiert haben +würde, war fest überzeugt, daß seine Mutter gar nicht schwanger sei. +Wäre seine Geburt auch durch noch so viele Zeugen bewiesen worden, +ein großer Theil des Volks würde trotzdem wahrscheinlich bei der +Behauptung geblieben sein, daß die Jesuiten ein geschicktes +Taschenspielerkunststück ausgeführt hätten; der Beweis für die Thatsache +ließ aber, theils durch Zufall, theils durch grobe Versehen manchen +Einwürfen und Zweifeln Raum. Es waren zwar viele Personen beiderlei +Geschlechts im königlichen Schlafgemache anwesend, als das Kind das +Licht der Welt erblickte, aber keine von ihnen erfreute sich des +öffentlichen Vertrauens im besonderen Grade. Von den anwesenden +Geheimräthen waren die Hälfte Katholiken und die, welche sich +Protestanten nannten, galten allgemein für Verräther an Gott und +Vaterland. Unter den Kammerdamen befanden sich viele Französinnen, +Italienerinnen und Portugiesinnen, und von den englischen Damen waren +einige selbst Papistinnen, andere die Gattinnen von Papisten. Mehrere +Personen, welche vorzugsweise hätten anwesend sein sollen, und deren +Zeugniß allen Verständigen genügt haben würde, fehlten und man legte die +Schuld an ihrer Abwesenheit dem Könige zur Last. Die Prinzessin Anna war +von allen Bewohnern der ganzen Insel am meisten bei der Sache +interessirt. Ihr Geschlecht und ihre Erfahrung berechtigte sie, als +Wächterin des Geburtsrechts ihrer Schwester und ihres eigenen +aufzutreten. Sie hatte starken Verdacht geschöpft, in welchem sie +täglich durch geringfügige oder imaginäre Umstände bestärkt wurde. Es +schien ihr, als ob die Königin geflissentlich ihren Fragen auswiche und +sie schrieb diese Zurückhaltung, welche vielleicht im Zartgefühl ihren +Grund hatte, dem Schuldbewußtsein zu.[103] In Folge dessen hatte Anna +sich vorgenommen, an dem entscheidenden Tage anwesend zu sein und ein +scharfes Auge zu haben. Sie hatte es aber nicht für nöthig gehalten, +schon einen Monat vor diesem Tage auf ihrem Posten zu sein, sondern war +mit Bewilligung und angeblich auf Anrathen ihres Vaters nach Bath +gereist, um dort eine Brunnenkur zu gebrauchen. Sancroft, dessen hohe +Stellung ihm die Pflicht auferlegte, anwesend zu sein, und in dessen +Rechtschaffenheit die Nation volles Vertrauen setzte, war einige Stunden +vorher von Jakob in den Tower geschickt worden. Die Hyde waren die +geeigneten Beschützer der Rechte beider Prinzessinnen. Der holländische +Gesandte konnte als der Vertreter Wilhelm’s betrachtet werden, der als +der erste Prinz von Geblüt und als Gemahl der ältesten Tochter des +Königs das größte Interesse an dem Ereignisse hatte. Jakob aber dachte +nicht daran, ein männliches oder weibliches Mitglied der Familie Hyde +herbeizurufen und eben so wenig wurde der holländische Gesandte +zugezogen. + +Die Nachwelt hat den König von dem Betrug, dessen sein Volk ihn +beschuldigte, vollkommen freigesprochen. Unmöglich aber kann man ihn von +der Thorheit und Verkehrtheit freisprechen, welche den Irrthum seiner +Zeitgenossen erklären und entschuldigen. Er wußte recht gut, welche +argwöhnischen Vermuthungen man im Publikum hegte,[104] und er hätte eben +so gut wissen können, daß dieser Argwohn nicht durch das Zeugniß von +Mitgliedern der römischen Kirche oder solchen Personen zerstreut werden +konnte, die sich zwar Mitglieder der anglikanischen Kirche nannten, aber +sich ganz bereit gezeigt hatten, die Interessen dieser Kirche zu opfern, +um seine Gunst zu gewinnen. Daß der Eintritt des Ereignisses ihn vor der +erwarteten Zeit überraschte, ist wahr, aber er hatte immerhin zwölf +Stunden vor sich, um seine Anordnungen zu treffen. So gut als er den St. +Jamespalast mit Bigotten und Schmarotzern füllen konnte, deren Wort die +Nation nicht traute, eben so gut hätte er auch für die Anwesenheit +einiger angesehenen Personen sorgen können, deren treue Anhänglichkeit +an die Prinzessinnen und an die Landeskirche außer Zweifel stand. + +Zu einer späteren Zeit, als er für seine tollkühne Verachtung der +öffentlichen Meinung schwer gebüßt hatte, pflegte man in Saint-Germain +ihn dadurch zu entschuldigen, daß man die Schuld auf Andere wälzte. +Einige Jakobiten behaupteten, Anna habe sich absichtlich fern gehalten, +ja sie scheuten sich nicht zu sagen, Sancroft habe den König +herausgefordert, ihn in den Tower zu schicken, damit das Zeugniß, +welches die Verleumdungen der Unzufriedenen widerlegen konnte, +mangelhaft wäre.[105] Die Abgeschmacktheit dieser Beschuldigung ist +handgreiflich. Konnte Anna oder Sancroft vermuthen, daß die Königin sich +in ihrer Berechnung um einen ganzen Monat geirrt hatte? Wäre ihre +Berechnung richtig gewesen, so würde Anna gewiß, um der Entbindung +beiwohnen zu können, zur rechten Zeit von Bath zurückgekehrt und +Sancroft nicht im Tower gewesen sein. Jedenfalls aber waren die +mütterlichen Oheime der Tochter des Königs weder von London entfernt +noch im Gefängniß. Die nämlichen Boten, welche die ganze Schaar der +Renegaten, Dover, Peterborough, Murray, Sunderland und Mulgrave, +herbeiholten, hätten ganz eben so leicht auch Clarendon herbeirufen +können. Er war so gut Geheimer Rath als sie, und seine Wohnung befand +sich in Jermyn Street, keine zweihundert Schritt von den Gemächern der +Königin. Dennoch ließ man es ihn erst in der St. Jameskirche durch die +Bewegung und das Geflüster der Gemeinde erfahren, daß seine Nichte +aufgehört hatte, die präsumtive Thronerbin zu sein.[106] Gehörte er etwa +deshalb nicht in das Entbindungszimmer, weil er ein naher Verwandter der +Prinzessinnen von Oranien und von Dänemark war, oder weil er +unerschütterlich treu an der anglikanischen Kirche hing? + +Die ganze Nation sprach es laut und offen aus, daß ein Betrug gespielt +worden sei. Mehre Monate lang hätten die Papisten auf der Kanzel und +durch die Presse, in Prosa und in Versen, in englischer und in +lateinischer Sprache prophezeit, daß die Bitten der Kirche erhört und +ein Prinz von Wales geboren werden würde, und sie hätten jetzt selbst +ihre Prophezeiung erfüllt. Jeder nicht zu bestechende oder zu +hintergehende Zeuge sei sorgfältig ausgeschlossen worden. Anna habe man +arglistigerweise zu einer Reise nach Bath überredet. Der Primas sei +gerade am Tage vor dem zur Ausführung des Betrugs bestimmten den +Vorschriften des Gesetzes und der Privilegien der Peers zum Trotz ins +Gefängniß geworfen worden. Nicht eine einzige männliche oder weibliche +Person, die das geringste Interesse an der Enthüllung des Betrugs haben +konnte, sei zugezogen worden. Man habe die Königin plötzlich mitten in +der Nacht in den St. Jamespalast gebracht, weil dieses Gebäude, für +unehrliche Zwecke passender eingerichtet als Whitehall, einige für die +Absichten der Jesuiten vortrefflich geeignete Zimmer und Gänge enthalte. +Hier sei inmitten eines Kreises von Zeloten, denen nichts, was die +Interessen ihrer Kirche fördern konnte, ein Verbrechen dünkte, und von +Höflingen, welche nichts, was zu ihrer Bereicherung und Erhebung +beitragen konnte, für Sünde hielten, ein neugeborenes Kind ins Bett der +Königin practicirt und dann triumphirend als Erbe dreier Königreiche +herumgegeben worden. Durch diesen zwar unbegründeten, aber nicht ganz +unnatürlichen Verdacht aufgeregt, drängten sich die Leute nur um so +eifriger danach, den frommen Opfern des Tyrannen zu huldigen, der, +nachdem er lange seinem Volke das empörendste Unrecht zugefügt, das Maß +seiner Schändlichkeit voll machte, indem er sich noch empörender an +seinen eigenen Kindern verging[107]. + +Der Prinz von Oranien, der selbst keinen Betrug argwöhnte und den +Zustand der Volksstimmung in England nicht kannte, ordnete Dankgebete +für seinen kleinen Schwager unter seinem eigenen Dache an und schickte +Zulestein mit einem förmlichen Beglückwünschungsschreiben nach London. +Zulestein hörte zu seinem großen Erstaunen Jedermann ganz offen von dem +schändlichen Betruge sprechen, den die Jesuiten eben begangen haben +sollten, und erblickte jede Stunde ein neues Pasquill auf die +Schwangerschaft und die Entbindung der Königin. Er schrieb sehr bald +nach dem Haag, von zehn Personen glaube nicht eine, daß die Königin +dieses Kind geboren habe[108]. + +Das Benehmen der gefangenen Prälaten erhöhte inzwischen die allgemeine +Theilnahme, die ihre Lage erweckte. Am Abend des „schwarzen Freitags“, +wie man den Tag ihrer Einkerkerung nannte, kamen sie gerade zur Stunde +des Gottesdienstes in ihrem Gefängnisse an. Sie begaben sich sogleich in +die Kapelle. Der Zufall wollte, daß im zweiten Vorlesestück die Worte +vorkamen: „In allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes in +großer Geduld und Trübsalen, in Nöthen und Ängsten, in Schlägen, in +Gefängnissen.“ Alle eifrigen Anhänger der Staatskirche freuten sich +dieses Zusammentreffens und erinnerten sich, wie ein ganz ähnliches vor +fast vierzig Jahren Karl I. in seiner Todesstunde getröstet und erhoben +hatte. + +Am Abend des folgenden Tages, Samstag den 9. Juni, kam ein Schreiben von +Sunderland, welcher dem Kaplan des Tower befahl, am nächsten Morgen beim +Gottesdienste die Erklärung zu verlesen. Da die in dem Geheimrathsbefehl +zur Verlesung in London bestimmte Zeit längst verstrichen war, so konnte +dieses Verfahren der Regierung nur als eine ganz gemeine und kindische +persönliche Insulte gegen die ehrwürdigen Gefangenen betrachtet werden. +Der Kaplan weigerte sich zu gehorchen; er wurde sofort entlassen und die +Kapelle geschlossen[109]. + + [Anmerkung 103: Correspondenz zwischen Anna und Marie in + Dalrymple; +Clarendon’s Diary Oct. 31. 1688+.] + + [Anmerkung 104: Dies geht aus Clarendon’s Tagebuche vom 31. Oct. + 1688 klar hervor.] + + [Anmerkung 105: +Clarke’s Life of James the Second, II. 159. + 160.+] + + [Anmerkung 106: +Clarendon’s Diary, June 10. 1688.+] + + [Anmerkung 107: Johnstone giebt in kurzen Worten eine treffliche + Übersicht der gegen den König erhobenen Beschuldigungen. „Die + große Masse des Volks ist der Meinung, daß Alles ein Betrug sei, + denn, sagen sie, die Berechnung treffe nicht zu, die Prinzessin + sei entfernt und weder Jemand von der Familie Clarendon noch der + holländische Gesandte herbeigerufen worden; dazu komme noch der + plötzliche Eintritt des Ereignisses, die Predigten, die Zuversicht + der Priester und die Eil.“ -- 13. Juni 1688.] + + [Anmerkung 108: Ronquillo, 26. Juli (5. Aug.). Ronquillo setzt + hinzu, daß Zulestein’s Bericht über den Zustand der öffentlichen + Meinung vollkommen wahr sei.] + + [Anmerkung 109: Citters, 12.(22.) Juni 1688; +Luttrell’s Diary, + June 18.+] + + +[_Die Bischöfe werden vor die Kings Bench gestellt und müssen Bürgschaft +leisten._] Die Bischöfe erbauten Alle, die sich ihnen näherten, durch +die Standhaftigkeit und Freudigkeit, mit der sie ihre Haft ertrugen, +durch die Bescheidenheit und Demuth, mit der sie die Beifallsbezeigungen +und Segenswünsche der ganzen Nation aufnahmen, und durch die loyale +Anhänglichkeit, die sie für den Tyrannen, der sie in’s Verderben stürzen +wollte, an den Tag legten. Am Freitag den 15. Juni, dem ersten +Sitzungstage der Kings Bench, wurden sie vor diesen Gerichtshof +gestellt. Eine ungeheure Menschenmenge erwartete ihre Ankunft. Vom +Landungsplatze bis zur Court of Requests gingen sie durch eine +Doppelreihe von Zuschauern, welche ihnen Segenswünsche und Beifall +zuriefen. „Lieben Freunde,“ sagten die Gefangenen im Vorübergehen, +„ehret den König und gedenket unserer in Euren Gebeten.“ Diese +demüthigen und frommen Worte rührten Viele bis zu Thränen. Als sich der +Zug endlich durch das Gedränge einen Weg gebahnt hatte und vor den +Richtern angekommen war, verlas der Generalfiskal die Anklage, welche er +auf hohen Befehl ausgearbeitet hatte und stellte den Antrag, daß die +Beklagten aufgefordert werden sollten, auf die Klage einzugehen. Der +Vertheidiger wendete dagegen ein, die Bischöfe seien gesetzwidrig +verhaftet worden, und ihr Erscheinen vor dem Gerichtshofe sei daher +nicht ordnungsgemäß. Die Frage, ob ein Peer unter einer Anklage wegen +Libells sein Erscheinen vor Gericht gehörig zu verbürgen habe, wurde +ausführlich erörtert und endlich von der Mehrheit der Richter zu Gunsten +der Krone entschieden. Die Gefangenen erklärten sich nun für +nichtschuldig. Der vierzehnte Tag darauf, der 29. Juni, wurde zur +Verhandlung ihres Prozesses anberaumt. Bis dahin wurden sie gegen das +persönliche Versprechen, sich zu stellen, in Freiheit gesetzt. Die +Kronanwälte thaten sehr weise daran, aß sie keine fremde Bürgschaft +verlangten, denn Halifax hatte dafür gesorgt, daß einundzwanzig +weltliche Peers vom höchsten Ansehen, je drei für einen Angeklagten, zur +Bürgschaftleistung bereit waren, und eine solche Gesinnungsäußerung des +hohen Adels würde für die Regierung ein harter Schlag gewesen sein. Eben +so wußte man, daß einer der reichsten, Dissenters der Hauptstadt um die +Ehre nachgesucht hatte, für Ken Bürgschaft leisten zu dürfen. + +Die Bischöfe durften nun in ihre Heimath zurückkehren. Das niedere Volk, +welches von dem bei der Kings Bench beobachteten Gerichtsverfahren +nichts wußte und nur sah, daß ihre Lieblinge, nachdem sie unter +Bedeckung nach Westminster Hall gebracht worden waren, jetzt sich in +voller Freiheit wieder entfernen durften, glaubte, die gute Sache habe +gesiegt, und brach in lauten Beifallsjubel aus, während zugleich +fröhliches Glockengeläute von allen Thürmen ertönte. Sprat erstaunte +nicht wenig, als er die Glocken seiner eigenen Abtei lustig erklingen +hörte. Er brachte sie sofort zum Schweigen, aber seine Einmischung +erregte viel unwilliges Murren. Die Bischöfe wußten gar nicht, wie sie +sich vor der zudringlichen Masse ihrer Freunde retten sollten. Lloyd +wurde im Palasthofe von Verehrern zurückgehalten, die sich um die Gunst +stritten, seine Hände zu berühren und den Saum seines Rockes zu küssen, +bis endlich Clarendon ihn nicht ohne Anstrengung befreite und ihn durch +eine Seitengasse nach Hause führte. Man sagte, Cartwright sei so +unvorsichtig gewesen, sich unter das Volk zu mischen. Jemand, der ihn an +seinem Bischofsgewand erkannte, erbat sich und erhielt seinen Segen. +„Wißt Ihr, von wem Ihr Euch eben habt segnen lassen?“ rief einer der +Umstehenden. „Nun, es war doch gewiß einer von den Sieben?“ versetzte +Der, welcher eben mit dem Segen beehrt worden war. „Nein,“ entgegnete +der Andere, „es war der papistische Bischof von Chester.“ -- +„Papistischer Hund!“ rief der Protestant wüthend, „nimm Deinen Segen +zurück!“ + +Der Zusammenlauf und die Aufregung waren so groß, daß der holländische +Gesandte sich wunderte, den Tag ohne einen Aufstand enden zu sehen. Dem +Könige war durchaus nicht wohl zu Muthe gewesen. Um jede Ruhestörung +sogleich unterdrücken zu können, hatte er am Morgen in Hydepark mehrere +Bataillone Infanterie gemustert. Es ist jedoch keineswegs ausgemacht, +daß diese Truppen zu ihm gehalten haben würden, wenn er ihrer Dienste +bedurft hätte. Als Sancroft am Nachmittag in Lambeth ankam, fand er die +in dieser Vorstadt liegenden Grenadiergarden vor dem Eingange seines +Palastes versammelt. Sie stellten sich in einer Doppelreihe auf und +während er zwischen ihnen hinschritt, baten sie ihn um seinen Segen. Nur +mit Mühe hielt er sie davon ab, daß sie zur Feier seiner Rückkehr in +seine Wohnung ein Freudenfeuer anzündeten. Es brannten übrigens an jenem +Abend mehrere Freudenfeuer in der Hauptstadt. Zwei Katholiken, welche so +unbesonnen waren, einige Knaben zu schlagen, weil sie an diesen +öffentlichen Freudenbezeigungen Theil nahmen, wurden vom Pöbel +ergriffen, nackt ausgezogen und schimpflich gebrandmarkt[110]. + +Jetzt forderte Sir Eduard Hales seine Gebühren von den Bischöfen, die +seine Gefangenen gewesen waren. Sie weigerten sich, einem Beamten, +dessen Bestallung sie nach ihren Grundsätzen für null und nichtig +ansahen, etwas für eine in ihren Augen gesetzwidrige Haft zu bezahlen. +Hierauf gab ihnen der Gouverneur sehr deutlich zu verstehen, daß, wenn +sie noch einmal in seine Hände kämen, er sie in schwere Eisen legen und +auf die nackten Steine betten werde. „Wir haben uns die Ungnade unsres +Königs zugezogen,“ war ihre Antwort, „und wir empfinden dies sehr +schmerzlich; ein Mitunterthan aber, der uns droht, strengt nutzlos seine +Lunge an.“ Man kann leicht denken, mit welchem Unwillen das ohnehin +schon gereizte Volk erfuhr, daß ein vom protestantischen Glauben +Abgefallener, der den Grundgesetzen Englands zum Hohn einen +Commandoposten bekleidete, es gewagt hatte, ehrwürdigen Geistlichen mit +allen Barbareien von Lollard’s Tower zu drohen[111]. + + [Anmerkung 110: Über die Ereignisse dieses Tages sehe man die + +Collection of State Trials+; +Clarendon’s Diary+; +Luttrell’s + Diary+; Citters, 15.(25.) Juni; Johnstone, 18. Juni und + +Revolution Politics.+] + + [Anmerkung 111: Johnstone, 18. Juni 1688; +Evelyn’s Diary, June + 29.+] + + +[_Aufregung der Gemüther._] Bis zu dem Tage des Prozesses hatte sich die +Aufregung nach den entferntesten Winkeln der Insel verbreitet. Aus +Schottland erhielten die Bischöfe Zuschriften, in denen sie der +Sympathie aller Presbyterianer dieses dem Prälatenthum so lange und so +bitter Feind gewesenen Landes versichert wurden[112]. Die Bevölkerung +von Cornwall, ein trotziges, kühnes und herkulisches Geschlecht, das ein +stärkeres Provinzialgefühl hatte, als man es in irgend einem andren +Theile des Landes fand, nahm großen Antheil an der Gefahr, in welcher +Trelawney schwebte, den sie weniger als einen Leiter der Kirche, denn +als das Oberhaupt eines angesehenen Hauses und als den Erben von zwanzig +Ahnen verehrten, welche schon in hohem Ansehen standen, ehe die +Normannen den Fuß auf englischen Boden gesetzt hatten. In der ganzen +Grafschaft sang das Landvolk eine Ballade, deren Refrain noch nicht +vergessen ist: + + „Und bringt man Trelawney um, bringt man Trelawney um, + Wollen dreißigtausend cornische Burschen wissen warum?“ + +Die Bergleute sangen das Lied mit einer kleinen Variation: + + „Wollen Zwanzigtausend unter der Erde wissen warum.“[113] + +In manchen Theilen des Landes sprachen die Bauern laut eine sonderbare +Hoffnung aus, welche nie aufgehört hat, in ihren Herzen fortzuleben. Sie +meinten, ihr protestantischer Herzog, ihr geliebter Monmouth, werde +plötzlich wieder erscheinen, sie zum Siege führen und den König wie die +Jesuiten unter seinen Füßen zertreten[114]. + +Die Minister waren in der größten Angst; selbst Jeffreys würde gern +seine Maßregeln zurückgenommen haben. Er beauftragte Clarendon mit +freundlichen Botschaften an die Bischöfe und wälzte die Schuld an der +Verfolgung, zu der er selbst gerathen hatte, auf Andere. Sunderland +wagte es noch einmal, Zugeständnisse anzuempfehlen. Die glückliche +Geburt eines Prinzen, sagte er, biete dem Könige eine vortreffliche +Gelegenheit, eine gefährliche und nachtheilige Stellung aufzugeben, ohne +sich den Vorwurf der Zaghaftigkeit oder der Launenhaftigkeit zuzuziehen. +Bei so erfreulichen Anlässen sei es stets Sitte gewesen, daß der Fürst +die Herzen seiner Unterthanen durch Gnadenacte erfreue, und nichts könne +dem Prinzen von Wales mehr zum Vortheile gereichen, als wenn er schon in +der Wiege der Friedensstifter zwischen seinem Vater und der +aufgebrachten Nation würde. Aber des Königs Entschluß stand fest. „Ich +werde fortfahren,“ sagte er, „ich bin nur zu nachsichtig gewesen. Die +Nachsicht war meines Vaters Verderben“[115]. + + [Anmerkung 112: +Tanner MS.+] + + [Anmerkung 113: Diese Thatsache wurde mir freundlichst von dem + Rev. R. S. Hawker von Morwenstow in Cornwall mitgetheilt.] + + [Anmerkung 114: Johnstone, 18. Juni 1688.] + + [Anmerkung 115: Adda, 29. Juni (9. Juli) 1688.] + + +[_Sunderland’s Angst._] Der schlaue Minister kam dahinter, daß sein Rath +früher nur deshalb angenommen worden war, weil er denselben jederzeit +nach dem Willen des Königs eingerichtet hatte, daß er aber von dem +Augenblicke an, wo er wirklich guten ertheilte, kein Gehör mehr finden +würde. Bei dem Verfahren gegen das Magdalenen-Collegium hatte er einige +Lauheit gezeigt. Er hatte ferner ganz neuerdings den König zu überzeugen +gesucht, daß Tyrconnel’s Plan zur Confiscirung des Eigenthums der +englischen Colonisten in Irland höchst gefährlich sei, und er hatte es +mit Hülfe Powis’ und Bellasyse’s wenigstens dahingebracht, daß die +Ausführung des Planes noch um ein Jahr aufgeschoben wurde. Aber diese +zaghafte Bedenklichkeit hatte den Keim des Widerwillens und Mißtrauens +ins Herz des Königs gelegt[116]. Der Tag der Vergeltung war jetzt +gekommen. Sunderland war in der nämlichen Lage, in der sich einige +Monate früher sein Nebenbuhler Rochester befunden hatte. Beide +Staatsmänner lernten die Angst eines Menschen kennen, der sich +krampfhaft an eine Stütze anklammert, die seinen Händen mehr und mehr +entschlüpft. Beide sahen ihre Rathschläge verächtlich zurückgewiesen. +Beide erlitten die Qual, in den Mienen und dem Benehmen ihres Gebieters +Unzufriedenheit und Mißtrauen zu lesen, und doch wurden Beide von ihrem +Vaterlande für die Verbrechen und Irrthümer, von denen sie ihn vergebens +zurückzubringen versucht hatten, verantwortlich gemacht. Während er sie +in dem Verdacht hatte, daß sie auf Kosten seiner Autorität und seiner +Würde sich populär machen wollten, beschuldigte die öffentliche Stimme +sie laut des Versuchs, auf Kosten ihrer eigenen Ehre und des Gemeinwohls +die königliche Gunst zu gewinnen. Doch trotz aller Kränkungen und +Demüthigungen hielten Beide ihren Ministerposten mit der verzweifelten +Kraft Ertrinkender umklammert. Beide versuchten es, den König wieder +günstig zu stimmen, indem sie sich stellten, als ob sie zum Anschluß an +seine Kirche geneigt wären. Es gab aber eine Grenze, welche Rochester +entschlossen war nicht zu überschreiten. Er ging bis an den Rand des +Glaubensabfalls; hier aber blieb er stehen und in Berücksichtigung der +Standhaftigkeit, mit der er sich weigerte, den letzten Schritt zu thun, +verzieh ihm die Welt großmüthig seine frühere Willfährigkeit. + + [Anmerkung 116: Sunderland’s eigner Erzählung darf man natürlich + nicht unbedingten Glauben beimessen. Aber er führte Godolphin zum + Zeugen für das an, was in Betreff der irischen Ansiedlungsacte + vorgegangen war.] + + +[_Er erklärt sich für einen Katholiken._] Der weniger gewissenhafte und +für das Schamgefühl weniger empfängliche Sunderland beschloß durch einen +Schritt, der jedem von der Wichtigkeit der religiösen Überzeugung +durchdrungenen Gemüth als eines der schändlichsten Verbrechen erscheinen +mußte und den selbst weltlich gesinnte Menschen als das Übermaß von +Verworfenheit betrachten, seine bisherige Mäßigung wieder gut zu machen +und das Vertrauen des Königs wieder zu gewinnen. Ungefähr eine Woche vor +dem zur Verhandlung des Prozesses anberaumten Tage erschien die +öffentliche Ankündigung, daß er Papist geworden sei. Der König sprach +mit Entzücken von diesem Siege der göttlichen Gnade. Die Höflinge und +auswärtigen Gesandten bemühten sich nach Kräften ernsthaft zu bleiben, +als der Renegat versicherte, daß er schon lange von der Unmöglichkeit +überzeugt sei, außerhalb des Schooßes der römischen Kirche selig werden +zu können, und daß sein Gewissen ihm keine Ruhe gelassen, bis er sich +von dem Ketzerglauben losgesagt habe, in dem er erzogen worden. Die +Neuigkeit verbreitete sich schnell. In allen Kaffeehäusern erzählte man +sich, wie der Premierminister von England barfuß und mit einer Kerze in +der Hand sich nach der königlichen Kapelle begeben und demüthig um +Einlaß gebeten, wie die Stimme eines Priesters drinnen gefragt habe, wer +da sei, wie Sunderland zur Antwort gegeben, ein armer Sünder, der lange +fern von der wahren Kirche umherirre, flehe um Aufnahme und Absolution, +wie hierauf die Thüren geöffnet worden seien und der Neubekehrte an den +heiligen Mysterien habe Theil nehmen dürfen[117]. + + [Anmerkung 117: Barillon, 21. Juni (1. Juli) 1688; Adda, 29. Juni + (9. Juli); Citters, 26. Juni (6. Juli); Johnstone, 2. Juli 1688; + +The Converts, a poem+.] + + +[_Prozeß der Bischöfe._] Dieser schmachvolle Abfall konnte das Interesse +nur erhöhen, mit dem die Nation dem Tage entgegensah, an welchem das +Schicksal der sieben muthigen Bekenner der anglikanischen Kirche +entschieden werden sollte. Eine willfährige Jury zusammenzubringen war +jetzt das Hauptziel des Königs. Die Kronanwälte erhielten Befehl, die +Gesinnung der Männer, welche in das Verzeichniß der Freisassen +eingetragen waren, genau zu erforschen. Sir Samuel Astry, Sekretär der +Krone, dem die Auswählung der Namen in solchen Fällen oblag, wurde in +den Palast beschieden und hatte eine Unterredung mit Jakob, an welcher +der Kanzler Theil nahm[118]. Sir Samuel scheint sein Möglichstes gethan +zu haben, denn es befanden sich, wie es hieß, unter den achtundvierzig +Personen, die er auswählte, mehrere Diener des Königs und mehrere +Katholiken[119]. Da aber der Vertheidiger der Bischöfe das Recht hatte, +zwölf davon zu streichen, so waren diese natürlich die gestrichenen. Die +Kronanwälte strichen ebenfalls zwölf und die Liste reducirte sich +dadurch auf vierundzwanzig. Die ersten zwölf, welche aufgerufen wurden, +hatten dann den Ausspruch zu thun. + +Am neunundzwanzigsten Juni waren Westminsterhall, der alte und der neue +Palasthof und alle benachbarten Straßen weithin mit einer dicht +gedrängten Volksmasse angefüllt. Ein so zahlreiches Auditorium war nie +zuvor und ist auch seitdem nie wieder im Gerichtssaale der Kings Bench +versammelt gewesen. Man zählte fünfunddreißig weltliche Peers unter der +Menge[120]. + +Sämmtliche vier Richter des Gerichtshofes waren anwesend. Wright, der +den Vorsitz führte, war einzig und allein wegen seiner gewissenlosen +Servilität vielen tüchtigeren und gelehrteren Männern bei Besetzung +seines hohen Postens vorgezogen worden. Allibone war Papist und +verdankte seine Stellung der Dispensationsgewalt, deren Gesetzlichkeit +eben in Frage stand. Holloway war seither ein willenloses Werkzeug der +Regierung gewesen. Selbst Powell, der sich des Rufes strenger +Rechtschaffenheit erfreute, hatte bei einigen Vorgängen eine Rolle +gespielt, die sich nicht vertheidigen läßt. Er hatte in dem wichtigen +Prozesse Sir Eduard Hales’, allerdings mit einigem Bedenken und nach +einigem Zögern, mit der Mehrheit der Richter gestimmt und dadurch auf +seinen Character einen Flecken geworfen, der aber durch sein +ehrenwerthes Benehmen an diesem Tage völlig verwischt wurde. + +Die beiderseitigen Rechtsanwälte waren einander durchaus nicht +ebenbürtig. Die Regierung hatte von ihren Kronjuristen so gehässige und +entehrende Dienste verlangt, daß die ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten +und Advokaten der Torypartei nach einander ihre Mitwirkung verweigert +hatten und ihrer Ämter entsetzt worden waren. Sir Thomas Powis, +der Generalfiskal, war kaum ein Jurist dritten Ranges. Der +Generalprokurator, Sir Wilhelm Williams, besaß zwar einen scharfen +Verstand und einen unbeugsamen Muth, aber es fehlte ihm an der nöthigen +Ruhe und Bedächtigkeit; er war streitsüchtig, konnte sein Temperament +nicht beherrschen und wurde von allen politischen Parteien gehaßt und +verachtet. Die hervorragendsten Beistände des Fiskals und des +Prokurators waren Serjeant Trinder, ein Katholik, und Sir Bartholomäus +Shower, Syndikus von London, der einige juristische Kenntnisse besaß, +aber wegen seiner oft den Anstand verletzenden Vertheidigungen und +seiner endlosen Wiederholungen das Gespött von ganz Westminsterhall war. +Gern hätte die Regierung Maynard’s Dienste gewonnen; aber er hatte +geradezu erklärt, daß er sich auf das, was man von ihm verlangte, mit +gutem Gewissen nicht einlassen könne[121]. + +Auf der andren Seite hingegen standen fast alle ausgezeichneten +juristischen Talente der damaligen Zeit. Sawyer und Finch, welche beim +Regierungsantritt Jakob’s Fiskal und Prokurator gewesen waren, und die +während der Verfolgung der Whigs unter der vorigen Regierung der Krone +mit nur zu großem Eifer und zu glücklichem Erfolge gedient hatten, +befanden sich unter den Vertheidigern der Angeklagten. Ihnen zur Seite +standen zwei Männer, welche, seit Maynard’s Thätigkeit durch sein +vorgerücktes Alter vermindert worden war, für die beiden besten Juristen +galten: Pemberton, der zur Zeit Karl’s II. Oberrichter der Kings Bench +gewesen, wegen seiner Menschlichkeit und Mäßigung aber dieses hohen +Postens entsetzt worden und deshalb wieder zur advokatorischen Praxis +zurückgekehrt war, und Pollexfen, der lange die Assisen im Westen +geleitet und von dem man, obgleich er sich bei den blutigen Assisen +durch Annahme von Aufträgen für die Krone und besonders durch sein +Auftreten gegen Alice Lisle sehr unpopulär gemacht hatte, dennoch wußte, +daß er im Herzen ein Whig, wenn nicht gar ein Republikaner war. Ferner +war dabei Sir Creswell Levinz, ein Mann von gründlichen Kenntnissen und +reichen Erfahrungen, aber von auffallend ängstlichem Wesen. Er war +einige Jahre vorher von der Richterbank entfernt worden, weil er sich +nicht hatte entschließen können, den Zwecken der Regierung zu dienen. +Jetzt scheute er sich wieder, als Vertheidiger der Bischöfe aufzutreten +und hatte sich zuerst geweigert, ihnen seine Dienste zu widmen; aber die +ganze Corporation der Gerichtsadvokaten, die ihn beschäftigten, hatten +ihm erklärt, daß wenn er diesen Auftrag zurückwiese, er nie wieder einen +erhalten sollte[122]. + +Sir Georg Treby, ein reichbegabter und eifriger Whig, der unter der +alten städtischen Verfassung Syndikus von London gewesen war, stand auf +der nämlichen Seite. Sir Johann Holt, ein noch ausgezeichneterer +whiggistischer Advokat, wurde wahrscheinlich deshalb, weil Sancroft +gegen ihn eingenommen war, nicht mit zur Vertheidigung berufen, war aber +vom Bischof von London privatim um Rath gefragt worden[123]. Der jüngste +Rechtsbeistand der Bischöfe war ein junger Advokat, Namens Johann +Somers. Er war weder durch hohe Geburt noch durch Vermögen begünstigt +und hatte auch noch keine Gelegenheit gehabt, sich öffentlich +auszuzeichnen, aber sein Genie, sein Fleiß und sein vielseitiges großes +Talent waren einem kleinen Kreise von Freunden wohl bekannt, und sein +gründliches, klares System der Beweisführung, sowie sein jederzeit +taktvolles Benehmen hatten ihm trotz seiner whiggistischen Ansichten die +Aufmerksamkeit des Gerichtshofes der Kings Bench bereits gesichert. +Johnstone hatte den Bischöfen eindringlich vorgestellt, wie wichtig es +sei, seinen Beistand zu gewinnen, und Pollexfen sollte erklärt haben, +daß Niemand in Westminsterhall zur Behandlung einer geschichtlichen und +die Verfassung berührenden Frage so befähigt sei, als Somers. + +Die Jury wurde vereidigt; sie bestand aus Männern, welche sehr geachtete +Stellungen in der Gesellschaft einnahmen. Der Vormann war Sir Roger +Langley, ein Baronet von alter und angesehener Familie. Ihm zur Seite +stand ein Ritter und zehn Esquires, von denen mehrere sehr vermögend +waren. Es befanden sich einige Nonconformisten unter ihnen, denn die +Bischöfe hatten wohlweislich beschlossen, kein Mißtrauen gegen die +protestantischen Dissenters zu zeigen. Ein Name jedoch erregte große +Besorgniß, der Name Michael Arnold’s. Er war Hofbrauer und man +fürchtete, daß die Regierung auf seine Stimme rechnen könne. Es wird +erzählt, daß er sich bitter über die Stellung beklagt habe, in die er +versetzt war. „Was ich auch thun mag,“ soll er geäußert haben, „so habe +ich die Gewißheit, halb ruinirt zu werden. Sage ich Nichtschuldig, so +werde ich nicht mehr für den König brauen; sage ich Schuldig, so werde +ich für niemand Andren mehr brauen“.[124] + +So begann denn die gerichtliche Verhandlung, die, selbst wenn man sie +nach Verlauf von mehr als anderthalb Jahrhunderten mit kaltem Blute +liest, das ganze Interesse eines Drama’s hat. Die Advokaten stritten auf +beiden Seiten mit einer mehr als berufsmäßigen Schärfe und Heftigkeit, +das anwesende Publikum hörte mit so gespannter Aufmerksamkeit zu, als +hätte das Schicksal jedes Einzelnen von dem Ausspruche der Geschwornen +abgehangen, und die Aussichten auf den Sieg wechselten so plötzlich und +so ergreifend, daß die Menge zu wiederholten Malen in der nämlichen +Minute von der größten Angst zur lebhaftesten Freude und umgekehrt von +der lebhaftesten Freude zu noch größerer Angst übersprang. + +Die Anklage beschuldigte die Bischöfe, in der Grafschaft Middlesex ein +falsches, böswilliges und aufrührerisches Libell geschrieben oder +veröffentlicht zu haben. Der Generalfiskal und der Staatsprokurator +versuchten zuvörderst den Beweis zu führen, daß die Angeklagten das +Libell unterschrieben hatten. Zu dem Ende wurden mehrere Personen +aufgefordert, die Handschriften der Bischöfe zu recognosciren. Aber die +Zeugen thaten dies mit solcher Unlust, daß kaum einem von ihnen eine +klare und deutliche Antwort zu entlocken war. Pemberton, Pollexfen und +Levinz behaupteten, daß keine genügenden Beweise vorhanden seien, die +der Jury vorgelegt werden könnten; zwei von den Richtern, Holloway und +Powell, traten dieser Ansicht bei, und die Hoffnung der Zuschauer stieg +bedeutend. Da erklärten plötzlich die Kronanwälte, daß sie einen andren +Weg einzuschlagen gedächten. Powis führte mit unverkennbarer Beschämung +und Widerstreben einen Sekretär des Geheimen Raths, Namens Blathwayt, +der zugegen gewesen war, als der König die Bischöfe verhörte, in die +Zeugenloge ein. Blathwayt versicherte eidlich, daß er gehört habe, wie +sie ihre Unterschriften selbst anerkannt hätten. Dieses Zeugniß war +entscheidend. „Warum haben Sie,“ sagte der Richter Holloway zu dem +Fiskal, „da Sie einen solchen Zeugen hatten, ihn nicht sogleich +vorgeführt? es wäre dadurch viel unnöthiger Zeitverlust erspart worden.“ +Es ergab sich bald, warum der Kronanwalt sich nur höchst ungern durch +die dringendste Nothwendigkeit hatte bestimmen lassen, zu diesem +Beweismittel zu greifen. Pemberton hielt Blathwayt zurück, unterwarf ihn +einem umständlichen Verhör und verlangte eine genaue Erzählung alles +dessen, was zwischen dem Könige und den Angeklagten vorgegangen sei. +„Das wäre etwas ganz Neues!“ rief Williams. „Glauben Sie,“ sagte Powis, +„daß Sie ein Recht dazu haben, an unsere Zeugen jede impertinente Frage +zu richten, die Ihnen in den Sinn kommt?“ Die Advokaten der Bischöfe +waren jedoch nicht die Männer, die sich so leicht werfen ließen. „Er ist +darauf vereidigt,“ sagte Pollexfen, „die Wahrheit, die ganze Wahrheit zu +sagen; wir wollen und müssen eine Antwort haben.“ Der Zeuge wurde +verlegen, gab ausweichende Antworten, wollte die Fragen nicht richtig +verstanden haben und bat um den Schutz des Gerichtshofes; aber er war in +Händen, aus denen nicht leicht wieder loszukommen war. Endlich schlug +der Generalfiskal sich wieder ins Mittel. „Wenn Sie durchaus auf Ihrer +Forderung bestehen,“ hob er an, „so sagen Sie uns wenigstens, welchen +Gebrauch Sie von der Antwort zu machen gedenken.“ Pemberton, der während +der ganzen Verhandlung seine Pflicht muthig und geschickt erfüllte, +erwiederte ohne Besinnen: „Mylords, ich will dem Herrn Generalfiskal +antworten, ich will offen mit dem Gerichtshofe reden. Wenn die Bischöfe +sich unter dem Versprechen von Seiten Seiner Majestät, daß ihr +Geständniß nicht gegen sie angewendet werden solle, zu dieser Schrift +bekannten, so wird man sich hoffentlich nicht eines unredlichen +Vortheils gegen sie bedienen.“ -- „Sie erheben eine Beschuldigung gegen +Seine Majestät, die ich kaum auszusprechen wage,“ sagte Williams; „da +Sie es so genau nehmen, dann verlange ich auch für den König, daß die +Frage zu Protokoll genommen wird.“ -- „Was meinen Sie damit?“ fragte +jetzt Sawyer. „Ich weiß, was ich meine,“ antwortete der Apostat, „ich +verlange, daß die Frage vor Gericht zu Protokoll genommen wird.“ -- +„Nehmen Sie zu Protokoll, was Sie wollen, Herr Prokurator, ich fürchte +Sie nicht,“ sagte Pemberton. Es folgte nun ein lauter und heftiger +Wortwechsel, den der Oberrichter nur mit Mühe beschwichtigen konnte. In +jedem andren Falle hätte er die Frage ohne Zweifel zu Protokoll nehmen +und Pemberton verhaften lassen. Aber an diesem wichtigen Tage wagte er +dies nicht. Er warf oft einen Seitenblick auf die dichten Reihen der +Earls und Barone, die ihn scharf beobachteten und die ihn beim nächsten +Parlamente zur Rechenschaft ziehen konnten. Ein Anwesender meinte +nachher, es habe ausgesehen, als ob alle zuhörenden Peers Stricke in der +Tasche gehabt hätten.[125] Blathwayt wurde endlich gezwungen, über den +ganzen Vorgang einen ausführlichen Bericht zu erstatten. Es stellte sich +heraus, daß der König den Bischöfen gegenüber keine ausdrückliche +Verpflichtung eingegangen war; ebenso aber ergab es sich auch, daß die +Bischöfe wohl Grund hatten, eine stillschweigende Zusage anzunehmen. Aus +dem Widerstreben, mit dem die Kronanwälte den Sekretär des Geheimraths +in die Zeugenloge einführten und aus der Heftigkeit, mit der sie sich +Pemberton’s Kreuzfragen widersetzten, geht klar hervor, daß sie der +nämlichen Ansicht waren. + +Die Handschrift war jedoch bewiesen. Aber jetzt wurde ein neuer und +ernster Einwand erhoben. Der Beweis, daß die Bischöfe das gesetzwidrige +Libell geschrieben hatten, war nicht genügend; es mußte auch bewiesen +werden, daß sie es in der Grafschaft Middlesex geschrieben hatten. +Allein dies konnten der Fiskal und der Prokurator nicht nur nicht +beweisen, sondern die Angeklagten waren sogar im Stande, das Gegentheil +zu beweisen, denn Sancroft hatte von dem Augenblicke an, wo der +Geheimrathsbefehl erschien, bis zu dem Augenblicke, wo die Petition dem +Könige überreicht wurde, seinen Palast in Lambeth nicht verlassen. Die +ganze Anklage fiel daher in sich selbst zusammen und das Publikum +erwartete mit großer Freude eine vollständige Freisprechung. + +Die Kronjuristen änderten nun abermals ihre Taktik, ließen die Anklage +auf Abfassung eines Libells ganz fallen und unternahmen es, zu beweisen, +daß die Bischöfe in Middlesex ein Libell _veröffentlicht_ hätten. Das +war nicht leicht. Die Überreichung der Petition an den König war in den +Augen des Gesetzes unzweifelhaft eine Veröffentlichung. Aber wie war +diese Überreichung zu beweisen? Es war bei der Audienz im königlichen +Kabinet außer dem Könige und den Angeklagten Niemand zugegen gewesen. +Den König konnte man nicht wohl als Zeugen vereidigen. Das Factum der +Veröffentlichung konnte also nur durch das Eingeständniß der Angeklagten +constatirt werden. Blathwayt wurde noch einmal vernommen, aber +vergebens. Er sagte, er erinnere sich wohl, daß die Bischöfe ihre +Unterschriften anerkannt, nicht aber, daß sie das auf dem Tische des +Geheimen Raths liegende Papier als das nämliche anerkannt hätten, +welches sie dem Könige überreichten, noch daß sie überhaupt über diesen +Punkt befragt worden waren. Mehrere andere Beamte, die im +Geheimrathszimmer zugegen gewesen waren, wurden aufgerufen, unter ihnen +Samuel Pepys, Sekretär der Admiralität; aber keinem von ihnen war es +erinnerlich, daß von der Überreichung irgend die Rede gewesen sei. +Williams bemühte sich vergebens, sie durch verfängliche Fragen zu dem +gewünschten Zeugnisse zu verleiten, bis endlich die Rechtsanwälte der +Gegenpartei erklärten, daß ein solches Drehen und Wenden noch an keinem +Gerichtshofe vorgekommen sei, und Wright selbst zugestehen mußte, daß +die Vernehmungsweise des Generalprokurators allen Regeln zuwider sei. Da +ein Zeuge nach dem andren verneinend antwortete, wiederhallte der ganze +Saal von lautem Gelächter und triumphirendem Jubel, welche zum Schweigen +zu bringen die Richter gar nicht versuchten. + +Der harte Kampf schien endlich gewonnen zu sein; für die Krone war +nichts mehr vorzubringen. Hätten die Anwälte der Bischöfe nun +geschwiegen, so war die Freisprechung gewiß, denn es war nichts +ausgesagt worden, was auch der parteiischeste und gewissenloseste +Richter einen rechtskräftigen Beweis für die Veröffentlichung hätte +nennen kennen. Der Oberrichter schickte sich bereits an, den Geschwornen +das Resumé vorzulegen und er würde sie ohne Zweifel angewiesen haben, +die Angeklagten freizusprechen, als Finch, der zu aufgeregt war, um mit +gehöriger Besonnenheit handeln zu können, noch auftrat und gehört zu +werden verlangte. „Wenn Sie gehört sein wollen,“ sagte Wright, „so +können wir Sie nicht hindern zu sprechen; aber ich muß Ihnen bemerken, +daß Sie Ihren eigenen Vortheil nicht erkennen.“ Die anderen Vertheidiger +bewogen Finch, sich wieder niederzusetzen und baten den Oberrichter +fortzufahren. Eben wollte er dies auch thun, da kam ein Bote an den +Generalprokurator mit der Nachricht, daß Lord Sunderland die +Veröffentlichung beweisen könne und sogleich im Gerichtssaal erscheinen +werde. Wright bemerkte den Vertheidigern in ziemlich spitzigem Tone, daß +sie sich diese neue Wendung der Dinge lediglich selbst zuzuschreiben +hätten. Die Gesichtszüge der versammelten Zuschauer verfinsterten sich; +Finch war einige Stunden lang der unpopulärste Mann im ganzen Lande. +Warum konnte er nicht ruhig sitzen bleiben wie seine verständigeren +Collegen Sawyer, Pemberton und Pollexfen? Seine Sucht, auch etwas zu +sagen, der Wunsch eine schöne Rede zu halten, hatte Alles verdorben. + +Inzwischen wurde der Lordpräsident in einer Sänfte durch die Halle +getragen. Nicht ein einziger Hut wurde gelüftet und viele Stimmen +riefen: „Papistischer Hund!“ Bleich und zitternd, mit zu Boden gesenktem +Blicke trat er vor die Schranken und gab mit unsicherer Stimme seine +Zeugenaussage ab. Er versicherte eidlich, daß ihm die Bischöfe ihre +Absicht, dem Könige eine Petition zu überreichen, mitgetheilt hätten und +daß sie zu dem Ende in das königliche Kabinet eingelassen worden seien. +Dieser Umstand in Verbindung mit dem, daß sich, nachdem sie das Kabinet +verlassen, eine von ihnen unterzeichnete Petition in den Händen des +Königs befand, war für das Factum der Veröffentlichung ein Beweis, der +einer Jury wohl genügen konnte. + +Die Veröffentlichung in Middlesex war also ebenfalls bewiesen. Aber war +das veröffentlichte Schriftstück ein falsches, böswilliges und +aufrührerisches Libell? Bis jetzt hatte es sich nur darum gehandelt, ob +eine Thatsache, die Jedermann als wirklich geschehen kannte, nach den +technischen Regeln des Beweises constatirt werden konnte; jetzt aber +erhielt der Streit ein höheres Interesse. Man mußte die Grenzen der +königlichen Hoheitsrechte und der bürgerlichen Freiheit, das Recht des +Königs, von Gesetzen zu dispensiren, und das Recht der Unterthanen um +Abstellung von Mißständen zu petitioniren, untersuchen. Drei Stunden +lang vertheidigten die Anwälte der Petenten mit energischem Nachdrucke +die Grundprinzipien der Verfassung und bewiesen aus den Protokollen des +Hauses der Gemeinen, daß die Bischöfe nur etwas Wahres behauptet hätten, +indem sie dem Könige vorstellten, daß die von ihm beanspruchte +Dispensationsgewalt mehr als einmal vom Parlament für ungesetzlich +erklärt worden sei. Somers erhob sich zuletzt. Er sprach wenig über fünf +Minuten lang, aber jedes seiner Worte war gewichtigen Inhalts, und als +er seinen Platz wieder einnahm, war sein Ruf als Redner und als +constitutioneller Jurist fest begründet. Er untersuchte die Ausdrücke +der Anklage, in welcher das den Bischöfen zur Last gelegte Vergehen +dargestellt war, und bewies, daß jedes Wort, Adjectiv oder Substantiv, +durchaus unangemessen sei. Die Anklage laute auf ein falsches, +böswilliges und aufrührerisches Libell. Falsch sei das Schriftstück +nicht, denn jede darin behauptete Thatsache sei durch die +Parlamentsprotokolle als wahr bewiesen. Auch böswillig sei das +Schriftstück nicht, denn die Angeklagten hätten nicht Streit gesucht, +sondern die Regierung habe sie in eine Lage versetzt, in der sie sich +entweder dem königlichen Willen widersetzen oder die heiligsten +Pflichten des Gewissens und der Ehre verletzen mußten. Aufrührerisch sei +das Schriftstück eben so wenig, denn die Verfasser hätten es nicht unter +dem Volke vertheilt, sondern es privatim den Händen des Königs allein +übergeben; auch sei es kein Libell, sondern eine anständige Petition, +wie sie nach den Gesetzen Englands, ja nach den Gesetzen des römischen +Kaiserreichs und nach den Gesetzen aller civilisirten Staaten jeder +Unterthan, welcher glaubt, daß ihm Unrecht geschehen, mit Fug und Recht +dem Souverain überreichen dürfe. + +Der Fiskal replicirte kurz und schwach. Der Prokurator sprach sehr +ausführlich und mit großer Bitterkeit, so daß er oft durch Zurufe und +Zischen des Publikums unterbrochen wurde. Er ging so weit zu behaupten, +daß kein einzelner Unterthan und keine Gemeinschaft von Unterthanen, +außer die Parlamentshäuser, berechtigt sei, eine Petition an den König +zu richten. Die Zuschauer waren wüthend und selbst der Oberrichter war +ganz betroffen über die Frechheit dieses feilen Achselträgers. + +Wright schritt endlich zum Resumé. Seine Rede bewies, daß seine Furcht +vor der Regierung durch die Furcht vor dieser zahlreichen, glänzenden +und heftig aufgeregten Versammlung gemäßigt wurde. Er sagte, er wolle +nicht seine Ansicht über die Dispensationsfrage abgeben, er habe dies +nicht nöthig, er könne dem Staatsprokurator in vielen Punkten seiner +Rede nicht beistimmen, ein Unterthan habe allerdings das Recht, zu +petitioniren, aber die dem Gerichtshofe vorliegende specielle Petition, +sei ungebührlich abgefaßt und daher in den Augen des Gesetzes ein +Libell. Allibone sprach die nämliche Ansicht aus, bewies aber in seinem +Vortrag eine so gänzliche Unkenntniß des Rechts und der Geschichte, daß +er sich die Verachtung Aller zuzog, die ihn anhörten. Holloway umging +die Dispensationsfrage, sagte aber, ihm scheine die Petition so gefaßt, +wie sie Unterthanen, die sich in ihrem Rechte gekränkt glaubten, wohl zu +überreichen befugt seien, und sie sei daher kein Libell. Powell trat +noch kühner auf. Er erklärte geradezu, daß seiner Ansicht nach die +Indulgenzerklärung null und nichtig und die Dispensationsgewalt, wie sie +neuerdings ausgeübt worden, mit allen Gesetzen durchaus unvereinbar sei. +Wenn man solche Übergriffe der Prärogative dulden wolle, so seien die +Parlamente ganz überflüssig, die ganze gesetzgebende Gewalt liege dann +in den Händen des Königs. „Diese Entscheidung, meine Herren,“ sagte er, +„stelle ich Gott und Ihrem Gewissen anheim“.[126] + +Es war dunkel geworden, als die Jury sich zurückzog, um über ihren +Schiedsspruch zu berathen. Diese Nacht war eine Nacht voll ängstlicher +Spannung. Es existiren noch einige Briefe, welche während jener Stunden +der Ungewißheit abgesendet wurden und die daher ein ganz besonderes +Interesse haben. „Es ist sehr spät,“ schrieb der päpstliche Nuntius, +„und noch ist die Entscheidung nicht bekannt. Die Richter und die +Angeklagten haben sich nach Hause begeben, die Geschwornen aber bleiben +beisammen. Morgen werden wir den Ausgang dieses wichtigen Kampfes +erfahren.“ + +Der Prokurator der Bischöfe brachte mit einer Anzahl Bedienten die ganze +Nacht auf der Treppe zu, welche nach dem Berathungszimmer der +Geschwornen führte. Es war durchaus nothwendig, die an den Thüren Wache +haltenden Beamten scharf zu beobachten, denn man vermuthete, daß sie von +der Regierung gewonnen waren, und sie konnten daher, wenn sie nicht +sorgfältig bewacht wurden, einen höfisch gesinnten Geschwornen mit +Speise und Trank versehen, so daß er dann im Stande war, seine elf +Collegen auszuhungern. Es wurde daher strenge Wache gehalten und nicht +einmal ein Licht, um eine Pfeife anzuzünden, eingelassen. Gegen vier Uhr +Morgens ließ man einige Becken mit Wasser zum Waschen passiren. Die vor +Durst verschmachtenden Geschwornen tranken gierig die Gefäße aus. Die +umliegenden Straßen waren bis zum Morgen von einer großen Volksmenge +angefüllt. Von Stunde zu Stunde kam ein Bote von Whitehall um sich nach +dem Stande der Sache zu erkundigen. Verschiedene Male hörte man drinnen +im Zimmer einen heftigen Wortstreit; aber etwas Gewisses erfuhr man +nicht.[127] + +Zuerst waren neun für die Freisprechung und drei für die Verurtheilung. +Zwei von der Minorität gaben bald nach; Arnold aber beharrte auf seinem +Ausspruche. Thomas Austin, ein reichbegüterter Landgentleman, der die +Zeugenaussagen und Reden aufmerksam verfolgt und sich ausführliche +Notizen gemacht hatte, wollte die Sache mit ihm speciell erörtern. +Arnold aber lehnte dies ab, indem er ärgerlich sagte, er sei nicht +gewöhnt zu raisonniren und zu debattiren, sein Gewissen gestatte ihm +nicht, die Bischöfe freizusprechen. „Wenn Sie dabei beharren,“ sagte +Austin, „so sehen Sie mich an. Ich bin der Größte und Stärkste von uns +Zwölfen; ehe ich aber eine Petition wie diese als ein Libell anerkenne, +bleibe ich hier, bis ich nicht mehr dicker bin als ein Pfeifenrohr.“ Es +war sechs Uhr Morgens, als Arnold endlich nachgab. Es wurde bald +bekannt, daß die Geschwornen einig waren; wie aber ihr Ausspruch +lautete, war noch ein Geheimniß.[128] + +Um zehn Uhr versammelte sich der Gerichtshof wieder. Das Gedränge war +noch ärger als am vorigen Tage. Die Geschwornen erschienen in ihrer Loge +und es trat eine lautlose Stille ein. + + [Anmerkung 118: +Clarendon’s Diary, June+ 21. 1688.] + + [Anmerkung 119: Gitters, 26. Juni (6. Juli) 1688.] + + [Anmerkung 120: Johnstone, 2. Juli 1688.] + + [Anmerkung 121: Johnstone, 2. Juli 1688.] + + [Anmerkung 122: Johnstone, 2. Juli 1688. Der Herausgeber von + +Levinz’s Reports+ drückt seine große Verwunderung darüber aus, + daß Levinz nach der Revolution nicht wieder in sein Richteramt + eingesetzt wurde. Die von Johnstone erzählten Thatsachen können + dies anscheinende Ungerechtigkeit vielleicht erklären.] + + [Anmerkung 123: Ich schließe dies aus einem Briefe von Compton an + Sancroft vom 12. Juni.] + + [Anmerkung 124: +Revolution Politics.+] + + [Anmerkung 125: Der Ausdruck eines Augenzeugen. Er findet sich in + einem Neuigkeitsbriefe in der Mackintosh-Sammlung.] + + [Anmerkung 126: Siehe den Prozeß in der +Collection of State + Trials+. Einiges habe ich auch von Johnstone und Citters + entlehnt.] + + [Anmerkung 127: Johnstone, 2. Juli 1688; Brief von Mr. Ince an den + Erzbischof, datirt von sechs Uhr Morgens; +Tanner MS.+; + +Revolution Politics+.] + + [Anmerkung 128: Johnstone, 2. Juli 1688.] + + +[_Das Verdict der Geschwornen; Freude des Volks._] Sir Samuel Astry +sprach: „Finden Sie die Angeklagten oder einen von ihnen des Vergehens, +dessen sie angeklagt sind, schuldig oder nicht schuldig?“ Sir Roger +Langley antwortete: „Nicht schuldig.“ Sobald diese Worte über seine +Lippen waren, sprang Halifax auf und schwenkte seinen Hut. Auf dieses +Zeichen brachen alle Bänke und Gallerien in donnernden Beifallsjubel +aus. Im nächsten Augenblick stimmten die zehntausend Menschen, welche +die große Halle füllten, mit noch lauterem Jubel ein, von dem die alte +eichene Decke erdröhnte, und noch einen Augenblick, so ließ die draußen +versammelte Menge ein drittes Hurrah erschallen, das man in Templebar +hören konnte. Die Böte, welche den Fluß bedeckten, antworteten mit +gleicher Begeisterung, ein Kanonenschlag knallte auf dem Wasser, dann +wieder einer und wieder einer, und so flog die frohe Nachricht binnen +wenigen Augenblicken über den Savoy und über die Friars hinaus bis zur +Londonbrücke und zu dem Mastenwalde der jenseit derselben liegenden +Schiffe. Wohin die Botschaft kam, brachen Straßen und Squares, +Marktplätze und Kaffeehäuser in Freudenjubel aus. Der Jubel aber war +minder auffallend, als die Thränen. Denn die Gefühle der Leute waren so +angespannt worden, daß selbst die kalte, an Äußerungen von +Gemüthsbewegung wenig gewöhnte englische Natur überwältigt wurde und +Tausende vor lauter Freude schluchzten. Inzwischen sprengten von den +Endpunkten der Menge Reiter fort, um die Kunde von dem Siege der Kirche +und der Nation durch alle Hauptstraßen zu verbreiten. Aber selbst dieser +gewaltige Ausbruch der Freude vermochte den hämischen und furchtlosen +Sinn des Staatsprokurators nicht zu erschüttern. Er versuchte es, sich +in dem betäubenden Lärme Gehör zu verschaffen und forderte die Richter +auf, Diejenigen, welche durch ihr Geschrei die Würde des Gerichtshofes +verletzt hatten, verhaften zu lassen. Einer aus der jubelnden Menge +wurde wirklich festgenommen. Indessen sah das Tribunal doch ein, daß es +geradezu lächerlich gewesen wäre einen Einzelnen für eine Übertretung zu +bestrafen, welche Hunderttausende begangen hatten, und entließ ihn daher +wieder mit einem leichten Verweis.[129] + +Es war jetzt nicht daran zu denken, etwas Andres vorzunehmen, denn das +Getöse der Menge war so arg, daß man eine halbe Stunde lang im +Gerichtssaale kein Wort verstehen konnte. Williams stieg unter einem +Sturme von Zischen und Verwünschungen in seinen Wagen. Cartwright, der +eine unbezähmbare Neugierde besaß, hatte die Thorheit und +Unschicklichkeit begangen, nach Westminster zu kommen, um zu hören, wie +das Urtel ausfallen würde. Man erkannte ihn an seiner Priestertracht und +seiner Korpulenz und verfolgte ihn durch die ganze Halle mit Geschrei. +„Nehmt Euch vor dem Wolfe in Schafskleidern in Acht,“ sagte Einer. +„Platz für den Mann mit dem Papst im Bauche!“ rief ein Andrer.[130] + +Die freigesprochenen Prälaten flüchteten sich vor der Menge, die sie um +ihren Segen bat, in die nächste Kapelle, wo eben Gottesdienst gehalten +wurde. Viele Kirchen der Hauptstadt waren an diesem Morgen geöffnet und +wurden von vielen Andächtigen besucht. In allen Kirchspielen der City +und der Vorstädte gingen die Glocken. Unterdessen konnten sich die +Geschwornen kaum einen Weg aus der Halle bahnen. Von Hunderten mußten +sie sich die Hand drücken lassen. „Gott segne Euch,“ rief das Volk; +„Gott segne Eure Familien! Ihr habt wie brave Gentlemen gehandelt und +uns Alle heute gerettet.“ Während die Peers, welche zur Unterstützung +der guten Sache herbeigekommen waren, fortfuhren, warfen sie Hände voll +Geld unter die Menge und hießen sie auf das Wohl des Königs, der +Bischöfe und der Geschwornen trinken.[131] + +Der Generalfiskal überbrachte die Nachricht Sunderland, der sich gerade +mit dem Nuntius unterhielt. „Seit Menschengedenken,“ sagte Powis, „hat +man nicht einen solchen Jubel und so viel Freudenthränen gesehen wie +heute“.[132] Der König hatte am Morgen das Lager auf der Hounslowhaide +besucht. Sunderland schickte sofort einen Courier mit der Botschaft an +ihn ab. Jakob befand sich in Feversham’s Zelte, als der Expresse ankam. +Er war sehr ärgerlich über die Nachricht und rief auf Französisch aus: +„Sie sollen es bereuen!“ Er brach sogleich nach London auf. So lange er +anwesend war, hielt der Respekt die Soldaten ab, ihren Gefühlen freien +Lauf zu lassen; kaum aber hatte er das Lager verlassen, so hörte er +hinter sich ein lautes Jubelgeschrei. Er wunderte sich darüber und +fragte, was das bedeute. „Es ist nichts,“ erhielt er zur Antwort, „die +Soldaten freuen sich nur über die Freisprechung der Bischöfe.“ -- „Das +nennen Sie nichts?“ sagte der König und wiederholte dann noch einmal: +„Sie sollen es bereuen!“[133] + +Er hatte in der That Ursache, verstimmt zu sein, denn seine Niederlage +war vollständig und im höchsten Grade demüthigend. Wären die Prälaten +auf Grund mangelhaften Beweises freigesprochen worden, etwa weil sie die +Petition nicht in Middlesex geschrieben hatten, oder weil es ihnen +streng nach den Regeln des Gesetzes nicht bewiesen werden konnte, daß +sie dem Könige die Petition, um dessentwillen sie in Untersuchung waren, +überreicht hatten, so würde die Prärogative keinen Stoß erhalten haben. +Zum Glück für das Land aber war die Thatsache der Veröffentlichung +vollkommen festgestellt worden und die Vertheidiger der Angeklagten +hatten daher das Dispensationsrecht angreifen müssen. Dies hatten sie +mit großer Gelehrsamkeit, Beredtsamkeit und Kühnheit gethan. Die Anwälte +der Krone waren, wie allgemein anerkannt wurde, in dem Kampfe +unterlegen. Nicht ein einziger Richter hatte die Indulgenzerklärung für +gesetzlich zu erklären gewagt, einer hatte sie sogar in den stärksten +Ausdrücken als ungesetzlich bezeichnet. Die ganze Stadt sprach davon, +daß die Dispensationsgewalt den Todesstoß bekommen habe. Finch, der den +Tag vorher allgemein geschmäht worden war, wurde jetzt allgemein +gepriesen. Man sagte, er habe die Sache nicht in einer Weise entschieden +sehen wollen, wobei die große Verfassungsfrage auf immer zweifelhaft +geblieben wäre. Er habe eingesehen, daß die Freisprechung seiner +Klienten ohne Verdammung der Indulgenzerklärung nur ein halber Sieg +gewesen sein würde. Es ist gewiß, daß Finch weder die Vorwürfe +verdiente, mit denen er überhäuft wurde, so lange der Ausgang noch +zweifelhaft war, noch die Lobpreisungen, die ihm gespendet wurden, +nachdem derselbe so günstig ausgefallen. Es war thöricht, ihn zu tadeln, +weil die Kronanwälte während des von ihm veranlaßten kurzen Verzugs +unerwartet einen neuen Zeugen fanden. Eben so thöricht war die Annahme, +daß er seine Klienten absichtlich einer Gefahr ausgesetzt habe, um ein +allgemeines Prinzip festzustellen, und noch thörichter war es, ihn wegen +etwas zu loben, was eine grobe Verletzung seiner Berufspflichten gewesen +sein würde. + +Dem freudigen Tage folgte eine nicht minder freudige Nacht. Die Bischöfe +und einige ihrer achtungswerthen Freunde bemühten sich vergebens, +tumultuarische Freudenbezeigungen zu verhindern. Die ältesten Leute +erinnerten sich nicht, jemals, selbst nicht an dem Abende, als es in +London bekannt wurde, daß die schottische Armee sich für ein freies +Parlament erklärt hatte, die Straßen von so zahlreichen Freudenfeuern +erhellt gesehen zu haben. Um jedes Feuer hatte sich ein Haufe gelagert, +der auf das Wohl der Bischöfe und auf den Untergang der Papisten trank. +Die Fenster waren ebenfalls glänzend erleuchtet, jedes gewöhnlich durch +sieben Lichter, von denen das mittelste und längste den Primas +vorstellte. Dazu hörte man fortwährend das Knallen von Schwärmern, +Raketen und Gewehrschüssen. Ein ungeheurer Holzstoß brannte gerade dem +Haupteingange von Whitehall gegenüber; andere wurden vor den Thüren +katholischer Peers angezündet. Lord Arundell von Wardour beschwichtigte +wohlweislich den Pöbel mit ein wenig Geld; im Palast Salisbury am Strand +aber wurde ein Widerstandsversuch gemacht. Die Dienerschaft Lord +Salisbury’s machte einen Ausfall und feuerte; aber nur der unglückliche +Büttel des Bezirks fiel, der gerade gekommen war, um das Feuer +auszulöschen, und die Schaar wurde bald in den Palast zurückgetrieben. +Kein Schauspiel jener Nacht amüsirte das gemeine Volk so sehr, als +eines, das ihnen vor mehreren Jahren wohl bekannt gewesen war, und das +ihnen jetzt nach einer langen Pause wieder gegeben wurde: die +Verbrennung des Papstes. Dieses vor Zeiten sehr beliebte Schauspiel +kennt unsere Generation nur aus Beschreibungen und Abbildungen. Eine +Figur, die aber keineswegs jenen plumpen Conterfeyen von Guy Fawx glich, +welche noch jetzt am 5. November zur Schau umhergetragen werden, sondern +die mit einiger Geschicklichkeit von Wachs verfertigt und mit nicht +geringen Kosten mit Gewändern und einer Tiara geschmückt war, wurde auf +einen Stuhl gesetzt, ähnlich dem, auf welchem noch heute an einigen +hohen Festtagen die römischen Bischöfe durch die Peterskirche zum +Hochaltare getragen werden. Seine Heiligkeit war gewöhnlich umgeben von +einem Gefolge von Cardinälen und Jesuiten, und ihm zur Seite stand ein +als Teufel mit Schweif und Hörnern verkleideter Hanswurst. Kein reicher +und eifriger Protestant sah bei dieser Gelegenheit eine Guinee an, und +wenn man der Sage glauben darf, betrugen die Kosten einer solchen +Prozession zuweilen nicht weniger als tausend Pfund. Nachdem der Papst +eine Zeit lang über den Köpfen der Menge zur Schau umhergetragen worden +war, wurde er unter lautem Jubel den Flammen überliefert. Zur Zeit der +Popularität Oates’ und Shaftesbury’s wurde das Schauspiel alljährlich am +Geburtstage der Königin Elisabeth in Fleet Street unter den Fenstern des +Whig-Clubs aufgeführt. Der groteske Gebrauch war so berühmt, daß +Barillon sich einmal in Lebensgefahr begab, um aus einem Versteck +zuzusehen.[134] Seit der Entdeckung des Ryehousecomplots war die +Ceremonie bis zu dem Tage der Freisprechung der Bischöfe unterblieben. +An diesem Abende aber tauchten in verschiedenen Stadttheilen Londons +mehrere Päpste auf. Der Nuntius war höchlich entrüstet und der König +fühlte sich durch diese Verhöhnung seiner Kirche schwerer gekränkt als +durch irgend eine andre ihm zugefügte Beleidigung. Die Behörden konnten +jedoch nichts thun. Der Sonntagmorgen graute bereits und die Glocken der +Pfarrkirchen riefen zum Frühgebet, ehe die Feuer zu erlöschen und die +Volksmassen sich zu verlaufen begannen. Es erschien nun alsbald eine +Proklamation gegen die Ruhestörer. Viele von ihnen, meist Lehrlinge, +wurden verhaftet: aber die Anklagen gegen sie wurden von den Gerichten +von Middlesex nicht angenommen. Die Magistratsbeamten, von denen viele +Katholiken waren, geriethen mit der großen Jury in Streit und schickten +sie mehrere Male zurück, aber ohne Erfolg.[135] + + [Anmerkung 129: +Collection of State Trials+; +Oldmixon, 739+; + +Clarendon’s Diary, June 25. 1688+; Johnstone, 2. Juli; Citters, + 3.(13.) Juli; Adda, 6.(10.) Juli; +Luttrell’s Diary+; Barillon, + 2.(12.) Juli.] + + [Anmerkung 130: Citters, 3.(13.) Juli. Der würdevolle Ernst, mit + dem er die Geschichte erzählt, macht einen komischen Eindruck: + +„Den Bisschop van Chester, wie seer de partie van het hof houdt, + om te voldoen aan syne gewoone nieusgierigheyt, hem op dien tyt in + Westminster Hall mede hebbende laten vinden, in het uytgaan + doorgaans was uytgekreten voor een grypende wolf in schaaps + kleederen; en hy synde een heer van hooge stature en vollyvig, + spotsgewyse allomme geroepen was dat men voor hem plaats moeste + maken, om te laten passen, gelyck ook geschiede, om dat soo sy + uytschreeuwden en hem in het aansigt seyden, hy den Paus in syn + buyck hadde.“+] + + [Anmerkung 131: Luttrell; Citters, 3.(13.) Juli 1688. +„Soo syn in + tegendeel gedagte jurys met de uyterste acclamatie en alle + teyckenen van genegenheyt en danckbaarheyt in het door passeren + van de gemeente ontvangen. Honderden vielen haar om den hals met + alle bedenckelycke wewensch van segen en geluck over hare + persoonen en familien, om dat sy haar so heusch en eerlyck buyten + verwagtinge als het ware in desen gedragen hadden. Veele van de + grooten en kleynen adel wierpen in het wegryden handen vol gelt + under de armen luyten, om op de gesontheyt van den Coning, der + Heeren Prelaten, on de Jurys te drincken.“+] + + [Anmerkung 132: +„Mi trovava con Milord Sunderland la stessa + mattina, quando venne l’Avvocato Generale a rendergli conto del + successo, e disse, che mai piu a memoria d’huomini si era sentito + un applauso, mescolato di voce e lagrime di giubilo, egual a + quello che veniva egli di vedere in quest’ occasione.“+ Adda, + 6.(16.) Juli 1688.] + + [Anmerkung 133: +Burnet, I. 744+; Citters, 3.(13.) Juli 1688.] + + [Anmerkung 134: Siehe eine interessante Erzählung, welche Danby, + damals Herzog von Leeds, zugleich mit anderen Papieren im Jahre + 1710 veröffentlichte. Eine anziehende Beschreibung der Ceremonie + der Papstverbrennung findet sich auch in North’s +Examen, 570+. + Ferner sehe man die Note zum Epilog des Trauerspiels „Ödipus“ in + Scott’s Ausgabe von Dryden.] + + [Anmerkung 135: +Reresby’s Memoirs+; Citters, 3.(13.) Juli 1688; + Adda, 6.(16.) Juli; Barillon 2.(12.) Juli; +Luttrell’s Diary+; + Neuigkeitsbrief vom 4. Juli; +Oldmixon, 739+; Ellis’ + Correspondenz.] + + +[_Eigenthümlicher Zustand der öffentlichen Meinung zu jener Zeit._] +Inzwischen verbreitete sich die frohe Nachricht durch das ganze Land und +wurde allenthalben mit Jubel aufgenommen. Gloucester, Bedford und +Lichfield gehörten zu den Städten, die sich durch besonderen Eifer +auszeichneten; Bristol und Norwich aber, welche nach Bevölkerung und +Reichthum London am nächsten standen, kamen bei diesem freudigen Anlasse +auch in der Begeisterung der Hauptstadt am nächsten. + +Die gerichtliche Verfolgung der sieben Bischöfe ist ein Ereigniß, das in +unsrer Geschichte einzig dasteht. Es war der erste und letzte Fall, wo +zwei mächtige in der Regel einander entgegengesetzte Gefühle, von denen +jedes für sich allein bei heftiger Erregung hinreichend war, um den +Staat zu erschüttern, in vollkommener Eintracht verbündet waren. Diese +Gefühle waren die Liebe zur Kirche und die Liebe zur Freiheit. Während +vieler Generationen war jeder heftige Ausbruch des kirchlichen Gefühls, +mit einer einzigen Ausnahme, der bürgerlichen Freiheit nachtheilig +gewesen; und ebenso war jeder heftige Ausbruch des Freiheitsgefühls, mit +einer einzigen Ausnahme, dem Ansehen und Einflusse des Prälatenthums und +der Priesterschaft verderblich. Im Jahre 1688 war die Sache der +Hierarchie einen Augenblick die Sache der Volkspartei. Mehr als +neuntausend Geistliche, mit dem Primas und seinen ehrenwerthesten +Suffraganen an der Spitze, erklärten sich bereit, Haft und +Eigenthumsberaubung für das große Grundprinzip unsrer freien Verfassung +zu erdulden. Die Folge war eine Coalition, welche die eifrigsten +Kavaliere, die eifrigsten Republikaner und alle zwischeninne liegenden +Parteien der Gesammtheit umfaßte. Der Geist, welcher Hampden unter der +vergangenen Generation aufrecht erhalten hatte, verband sich mit dem +Geiste, welcher Sacheverell unter der folgenden aufrecht erhielt, um den +Erzbischof, der ein Hampden und ein Sacheverell zugleich war, aufrecht +zu erhalten. Diejenigen Klassen der Gesellschaft, denen an der Erhaltung +der Ruhe am meisten gelegen ist, welche in stürmischen Zeiten gewöhnlich +am ersten bei der Hand sind, die Regierung zu unterstützen, und welche +einen natürlichen Widerwillen gegen Aufwiegler hegen, folgten ohne +Bedenken der Leitung eines ehrwürdigen Mannes, des ersten Peers des +Reiches, des ersten Dieners der Kirche, eines Tory’s in der Politik, +eines Heiligen in seinem Privatleben, den die Tyrannei wider seinen +Willen in einen Demagogen verwandelt hatte. Auf der andren Seite flehten +jetzt selbst Diejenigen, welche das Episcopat als einen Überrest des +Papismus und als ein Werkzeug der Willkürherrschaft stets verabscheut +hatten, auf den Knien um den Segen eines Prälaten, der bereit war, eher +Ketten zu tragen und seine alterschwachen Glieder auf die nackten Steine +eines Kerkers zu legen, als daß er die Interessen des protestantischen +Glaubens verrathen und die Hoheitsrechte der Krone über das Gesetz +gestellt hätte. Mit der Liebe zur Kirche und der Liebe zur Freiheit +verband sich in dieser wichtigen Krisis noch ein drittes Gefühl, das zu +den achtungswerthesten Zügen unsres Nationalcharacters gehört. Ein durch +Willkürgewalt unterdrückter Mensch findet bei uns, hätte er sonst auch +nicht den mindesten Anspruch auf Achtung und Dankbarkeit, gewöhnlich +eine rege Theilnahme. So wurde zu den Zeiten unserer Großväter die +Gesellschaft durch Wilkes’ Verfolgung heftig aufgeregt. Wir selbst sahen +die Nation durch die gegen die Königin Karoline geübte Härte fast bis +zum Wahnsinn gereizt. Daher wurde England, selbst wenn von dem Ausgange +des Prozesses gegen die Bischöfe keine wichtigen politischen oder +religiösen Interessen abgehangen hätten, es wahrscheinlich nicht ohne +starke Regungen von Mitleid und Unwillen mit angesehen haben, wie einige +Greise von makelloser Tugend von der Rache eines jähzornigen und +unerbittlichen Fürsten verfolgt wurden, der ihrer Treue seine Krone +verdankte. + +Von diesen Gefühlen angetrieben, stellten sich unsere Vorfahren in einer +ungeheuren und compacten Masse der Regierung entgegen. Die mächtige +Phalanx war aus allen Ständen, allen Parteien, allen protestantischen +Seelen gebildet. Im Vordertreffen standen die geistlichen und weltlichen +Lords, dann kamen die begüterte Gentry und der Klerus, beide +Universitäten, alle Gerichtshöfe, Großhändler, Krämer und Pächter, die +Lastträger, die sich in den Straßen der großen Städte plagten, und die +Landleute, welche das Feld bebauten. Die Koalition gegen den König +umfaßte selbst die Matrosen, die seine Schiffe bemannten, selbst die +Schildwachen, die seinen Palast bewachten. Die Namen Whig und Tory waren +einen Augenblick vergessen. Der alte Ausschließungsmann reichte dem +alten Verabscheuer die Hand; Episcopalen, Presbyterianer, Independenten +und Baptisten vergaßen ihre langjährigen Fehden, um nur an ihren +gemeinsamen Protestantismus und an ihre gemeinsame Gefahr zu denken; +Theologen, die in der Schule Laud’s gebildet waren, sprachen nicht nur +von Duldung, sondern sogar von Einigung. Der Erzbischof erließ bald nach +seiner Freisprechung einen Hirtenbrief, der eines der merkwürdigsten +Schriftstücke jener Zeit ist. Er hatte von Jugend auf mit den +Nonconformisten in Streit gelegen und sie mehrmals mit ungerechter und +unchristlicher Heftigkeit angegriffen. Sein Hauptwerk war eine häßliche +Karrikatur auf die Calvinistische Theologie.[136] Er hatte für den 30. +Januar, den Jahrestag der Hinrichtung Karl’s I., und für den 29. Mai, +den Jahrestag der Rückkehr Karl’s II., Gebetsformulare abgefaßt, welche +so heftige Schmähungen gegen die Puritaner enthielten, daß die Regierung +es für nöthig erachtet hatte, dieselben zu mildern. Jetzt aber war sein +Herz erweicht und geöffnet. Er ermahnte die Bischöfe und die Geistlichen +feierlich und eindringlich, ihren Brüdern, den protestantischen +Dissenters, mit zarter Rücksicht zu begegnen, sie oft zu besuchen, sie +gastlich zu bewirthen, sich freundlich mit ihnen zu unterhalten und sie +womöglich zum Anschluß an die Kirche zu bewegen, sich aber, wenn ihnen +dies nicht gelänge, in ihrem Wirken für die segensreiche Sache der +Reformation herzlich und liebreich zu verbinden.[137] + +Viele fromme Leute dachten in späteren Jahren mit schmerzlicher +Sehnsucht an jene Zeit zurück. Sie schilderten dieselbe als den +flüchtigen Schimmer eines goldenen Zeitalters zwischen zwei eisernen +Zeitaltern. Waren solche Klagen auch natürlich, so waren sie doch nicht +begründet. Die Coalition von 1688 war und konnte nur das Erzeugniß einer +an Wahnsinn grenzenden Tyrannei und einer alle großen Institutionen des +Landes gleichzeitig bedrohenden Gefahr sein. Daß eine solche Coalition +seitdem nicht wieder vorgekommen, hat seinen Grund darin, weil noch nie +wieder so schlecht und verkehrt regiert worden ist. Man darf nicht +vergessen, daß, wenn auch Eintracht an sich besser ist als Zwietracht, +doch Zwietracht das Zeichen besserer Zustände sein kann als Eintracht +sie andeutet. Unglück und Gefahr zwingen die Menschen oft, sich zu +verbinden. Glück und Sicherheit bestimmen sie oft, sich zu trennen. + + [Anmerkung 136: Der +Fur Praedestinatus+.] + + [Anmerkung 137: Dieser Hirtenbrief findet sich in der ersten der + zwölf Sammlungen von Urkunden über die englischen Angelegenheiten, + die zu Ende des Jahres 1688 und zu Anfang des Jahres 1689 gedruckt + wurden. Er wurde am 26. Juli, nicht ganz einen Monat nach dem + Prozesse erlassen. Um die nämliche Zeit äußerte Lloyd von St. + Asaph gegen Heinrich Wharton, daß die Bischöfe ein ganz neues + Verfahren gegen die protestantischen Dissenters einzuschlagen + gedächten: +„Omni modo curaturos, ut ecclesia sordibus et + corruptelis penitus exueretur; ut sectariis reformatis reditus in + ecclesiae sinum exoptati occasio ac ratio concederetur, si qui + sobrii et pii essent; ut pertinacibus interim jugum levaretur, + extinctis penitus legibus mulctatoriis.“ -- Excerpta ex Vita H. + Wharton.+] + + + + + Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig. + + + * * * * * + * * * * + * * * * * + + +Druckfehler und Unregelmässigkeiten + +Rechtschreibungsformen wie »funfzig« : »fünfzig«, »Urtel« : »Urtheil« +und »Partein« : »Parteien« sind ungeändert. Die Namen »Russel« und +»Russell« sind ebenso ungeändert (auch wenn es um die selbe Person +handelt). Einige doppelte Punkte wie + + [_Sir Patrick Hume und Sir Johann Cochrane._]. + +sind leise korrigiert. + +VII. Kapitel + + [Inhalt] + Wycherley, Tindal, Haines [Tintal] + Compton. -- Herbert. -- Churchill [Compten] + [Anm. VII.1] ... Van Kampen’s ... Sir Jakob Mackintosh + [Van Kamper’s, Makintosh] + Zeugen seiner Schmerzensausbrüche [Schmerzensausbbrüche] + [Anm. VII.5] ... j’ay en soin que M. Woodstoc + [_ungeändert: Namen ist »Woodstock«_] + [Anm. VII.57] +Burnet I. 726--731+ [I.,] + [Anm. VII.63] ... jusqu’à l’actuel payement. [j’usqu’à] + Namens Johnstone [Johnestone] + die Überreste des Ignatius Loyola [Loyla] + +VIII. Kapitel + + Heinrich’s VI. und Heinrich’s VIII. gebildet waren [Heinrichs VIII.] + „Sie ... sind ... aus der Schrift heimschicken: „Gehet hin ... + widerfahre.“ + [_anführungsszeichen ungeändert_] + vierzig Fellow’s [_’ im Original_] + Von Whitehall war keine Antwort gekommen. [Withehall] + von Windsor nach Portsmouth [Portsmuth] + [Anm. VIII.34] ... Note zu Burnet I. 755 [I, 755] + [Anm. VIII.41] ... +Burnet I. 264+ [I, 264] + [Anm. VIII.45] ... 2.(12.) Dec. [2.(12. Dec.).] + [Anm. VIII.127] ... +Tanner MS.+ [Ms.] + durch Wilkes’ Verfolgung [Wilke’s] + + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Geschichte von England seit der +Thronbesteigung Jakob's des Zwe, by Thomas Babington Macaulay + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 30331 *** |
