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diff --git a/36693-h/36693-h.htm b/36693-h/36693-h.htm new file mode 100644 index 0000000..e9eec74 --- /dev/null +++ b/36693-h/36693-h.htm @@ -0,0 +1,3741 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> + <head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" /> + <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> + <title> + Grundgedanken über Krieg und Kriegführung, by Karl von Clausewitz, A Project Gutenberg eBook. + </title> + <style type="text/css"> + +body { + margin-left: 10%; + margin-right: 10%; +} + + h1,h2 { + text-align: center; +margin-bottom: 2em; +clear: both; +} + +/* Paragraph definitions */ + + +p { + margin-top: .75em; + text-align: justify; + margin-bottom: .75em; +text-indent:1em; +} + + +p.bottomspace { + + margin-top: 2em; +text-align: center; +margin-bottom: 4em; +text-indent: 0em; +} + +p.title { + + +text-align: center; + +text-indent: 0em; +} + +p.u1 { +font-size: 1.1em; +font-weight: bold; +text-align: center; +text-indent: 0em; +} + +p.noindent {text-indent: 0em;} + +p.right {text-align: right; } + + +/* Thoughtbreaks */ + +hr { + width: 33%; + margin-top: 2em; + margin-bottom: 2em; + margin-left: auto; + margin-right: auto; + clear: both; +} + +hr.inv { +margin-bottom: 0em; +visibility: hidden; +} + + +hr.hr65 { width: 65%; } + +/* Tables */ + + +table { +margin-left: auto; +margin-right: auto; +} + +td.wide {width: 90%;} + +td.short { + +width: 10%; +text-align: right; +} + + +/* Images */ +.figcenter { + margin-left: auto; +margin-right: auto; + text-align: center; +} + + + +/* Inline formatting */ + +em.gesperrt { + font-style: normal; + font-weight: normal; + letter-spacing: .2em; + padding-left: .2em; + } + +em.italic { + font-style: italic; + font-weight: normal; + padding-left: .2em; + } + + + +/* Transcriber's Note */ + +.tnote { +border: dashed 1px; +margin-left: 5%; +margin-right: 5%; +padding-bottom: .5em; +padding-top: .5em; +padding-left: .5em; +padding-right: .5em; +} + +/* Mouse-over text */ + +ins { +text-decoration:none; +border-bottom: thin dotted gray;} + + </style> + +<link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> + </head> +<body> + + +<pre> + +The Project Gutenberg EBook of Grundgedanken über Krieg und Kriegführung, by +Karl von Clausewitz + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Grundgedanken über Krieg und Kriegführung + +Author: Karl von Clausewitz + +Release Date: July 10, 2011 [EBook #36693] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GRUNDGEDANKEN ÜBER KRIEG UND *** + + + + +Produced by Norbert H. Langkau, Heike Leichsenring and the +Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net + + + + + + +</pre> + + + +<div class='tnote'> +<p class="u1">Anmerkungen zur Transkription</p> + +<p class="noindent">Die Originalausgabe ist in Fraktur gesetzt. In Antiqua gesetzt sind in ihr römische Zahlen und der Dr.-Titel +(in der elektronischen Fassung ohne Hervorhebung wiedergegeben) sowie einzelne Wörter und Wendungen aus fremden Sprachen (hier kursiv). +Gesperrt gesetzte Wörter oder Passagen sind in dieser Form übernommen.</p> + +<p class="noindent">Offensichtliche +Interpunktionsfehler wurden berichtigt. Im Übrigen wurden Inkonsistenzen +in der Schreibweise einzelner Wörter (ungeheuere/ungeheure und +Entwickelung/Entwicklung) belassen.</p> + +<p class="noindent">Die übrigen Korrekturen sind durch eine gepunktete Linie unter dem korrigierten Wort markiert und <ins title="Anmerkung zur Transkription: Im Original 'erschenen'">erscheinen</ins>, wenn Sie den Mauszeiger +auf das Wort richten.</p> + +<p class="noindent">Im Original sind Textabschnitte, die ein zusammenhängendes Zitat aus +dem Grundwerk "Vom Kriege" darstellen, voneinander mit einer (zusätzlichen) Leerzeile abgetrennt. +Dies wurde hier in Form eines größeren Abstands zwischen den Absätzen +nachgebildet.</p> + +</div> + +<hr class="inv" /> + +<p class="u1">General Karl von Clausewitz</p> + + +<h1>Grundgedanken über Krieg und Kriegführung</h1> + + + +<p class="figcenter title" style="width: 120px;"> +<img src="images/title1.png" alt="Verlagslogo" title="" /> +</p> + + +<p class="title">Erschienen im Insel-Verlag zu Leipzig</p> + +<p class="figcenter title" style="width: 50px;"> +<img src="images/title2.png" alt="Zensurstempel Völkerschlachtdenkmal" title="" /> +</p> + +<p class="title">21.-30. <em class="gesperrt">Tausend</em> +</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Inhaltsubersicht" id="Inhaltsubersicht">Inhaltsübersicht</a></h2> + +<table border="0" summary="Inhaltsübersicht"> + + +<tr> +<td class="wide"> </td> +<td class="short">Seite</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Geleitwort_des_Herausgebers">Geleitwort des Herausgebers</a></td> +<td class="short">3</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Wesen_und_Ziel_des_Krieges">Wesen und Ziel des Krieges</a></td> +<td class="short">6</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Kriegskunst_und_Theorie">Kriegskunst und Theorie</a></td> +<td class="short">10</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Kriegerische_Tugenden_Heer_und_Feldherr">Kriegerische Tugenden. Heer und Feldherr</a></td> +<td class="short">15</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Kriegsplan_Numerische_Uberlegenheit_Friktion_im">Kriegsplan. Numerische Überlegenheit. Friktion im Kriege. +Ungewißheit der Nachrichten</a></td> +<td class="short">31</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Operationsbasis_Marsche_Festungen_Gebirgskrieg">Operationsbasis. Märsche. Festungen. Gebirgskrieg</a></td> +<td class="short">37</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Das_Gefecht_Verluste_Reserven_Die_Hauptschlacht">Das Gefecht. Verluste. Reserven. Die Hauptschlacht. Sieg und Verfolgung</a></td> +<td class="short">43</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Die_verlorene_Schlacht_und_der_Ruckzug">Die verlorene Schlacht und der Rückzug</a></td> +<td class="short">62</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Verteidigung_und_Angriff">Verteidigung und Angriff</a></td> +<td class="short">68</td> +</tr> +<tr> +<td class="wide"><a href="#Betrachtungen_und_Ausblicke">Betrachtungen und Ausblicke</a></td> +<td class="short">81</td> +</tr> +</table> + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Geleitwort_des_Herausgebers" id="Geleitwort_des_Herausgebers">Geleitwort des Herausgebers</a></h2> + + +<p>Das Buch <em class="gesperrt">Vom Kriege</em>, das Buch aller Bücher über den +Krieg, dem die nachfolgenden Sätze in der Hauptsache entnommen +sind, ist im Jahre 1832 erschienen, also erst nach dem +– am 16. November 1831 erfolgten – Tode des Verfassers, +des preußischen Generalmajors Karl von Clausewitz. Wie so +viele Werke großer Geister ist auch dieses, das Hauptwerk des +größten Theoretikers der Kriegskunst, ein Fragment. Eine +Sammlung von Werkstücken, Hauptlineamente hat der Verfasser +selbst sie genannt. Zur letzten Durcharbeitung, Sichtung +und Zusammenfassung ist er nicht gekommen. Ursprünglich +hatte Clausewitz auch gar nicht die Absicht, ein vollständiges, +einheitliches Buch über den Lieblingsgegenstand der Gedankenarbeit +seines ganzen Lebens zu schreiben. Er wollte zunächst +nichts, als ihn »in ganz kurzen, präzisen, gedrungenen Sentenzen, +nach der Art Montesquieus« behandeln. Diese <em class="gesperrt">Körner</em> +– wie er sie einmal bezeichnet – sollten »schon mit der Sache bekannte +geistvolle Menschen anziehen, ebensosehr durch das, was +weiter aus ihnen entwickelt werden könnte, als durch das, was sie +feststellen«. Ein System ist erst allmählich, sozusagen gegen den +Willen des Schreibenden, in seine »Materialien« gekommen.</p> + +<p>Diese erste Absicht, in Aphorismen zu sprechen, gestattet es +ohne Zweifel, einmal die Grundgedanken als <em class="gesperrt">Körner</em> auf +einer besonderen Schale zu reichen. Der Berufssoldat, der +das ganze Werk kennt und liebt, wird durch sie gewiß von +neuem zu ihm hingezogen, während wohl mancher Nichtsoldat +zumal in einer Zeit, in der das Gesamtleben Deutschlands nur +noch die Achse des Krieges hat, es sich nun nicht länger versagen +wird, einem Geistesmonument nahezutreten, das er längst +hätte besitzen sollen, denn Clausewitz gehört zu den großen Erziehern +der Deutschen.</p> + +<p>Auf das Leben und die Persönlichkeit des Generals kann hier +aus Raummangel nicht eingegangen werden. Es müßte ausführlich +geschehen, und dies soll in der Inselausgabe des Buches +Vom Kriege erfolgen, die in Vorbereitung ist. Ebenda wird +über die Bedeutung und die Nachwirkung seiner Lehren das +Nötige dargelegt werden. Hier sei nur kurz berichtet, daß der +am 1. Juni 1780 in Burg bei Magdeburg geborene Karl +von Clausewitz als junger Soldat den Rheinfeldzug mitmachte. +Nach der Schlacht bei Jena geriet er dann als Bataillonsadjutant +in französische Gefangenschaft. Später wirkte er im +Sinne Scharnhorsts und Gneisenaus, vor allem aber als der +Theoretiker des meisterlichsten aller Praktiker, Napoleons, an +der Kriegsakademie zu Berlin. 1812 trat er in russische +Dienste, erlebte im Hauptquartier den Feldzug von 1812 und +kämpfte des weiteren während der Befreiungskriege im Stabe +Blüchers.</p> + +<p>Die Schicksale der Großen Armee in Rußland haben den +tiefsten Eindruck auf Clausewitz und seine strategischen Erkenntnisse +hinterlassen. Dem Mißerfolg des genialen Eroberers +wissenschaftlich nachzuspüren, ist er in den letzten zwanzig +Jahren seines Lebens nicht müde geworden, und es zeugt von +der hohen geistigen Überlegenheit dieses preußischen Offiziers, +daß er bei all seiner glühenden Vaterlandsliebe sein Leben lang +der gerechteste Verehrer Napoleons blieb. Unberührt vom +blinden Hasse der Zeit, lag es Clausewitz ob, weiter als die +Menschen von damals zu blicken und dadurch für die Zukunft +seines zu einem weltmächtigen Deutschen Kaiserreiche erweiterten +Vaterlandes Dauerndes zu schaffen.</p> + +<p>Kaum geht man wohl fehl, wenn man die berühmteste These +im Buche Vom Kriege: Die Verteidigung sei die an sich stärkere +Form der Kriegführung – vor allem auf die unmittelbaren +Erfahrungen des Generals im russischen Feldzuge zurückführt. +Dieser auffälligen Lehre gebühren selbst im Rahmen dieser +knappen Vorrede ein paar Worte. Jedermann in der Welt +weiß, daß unsere Armee den Geist der Offensive über alles +hochhält und bis ins kleinste zu betätigen strebt. Um so fremder +erscheint uns die Verherrlichung der Verteidigungstheorie +bei Clausewitz, der die Offensive erst aus vorheriger Defensive, +aus dem Abwarten heraus entwickelt. So sehr unsere +Heerführer bis auf den heutigen Tag von dem stählernen Kern +der Lehren des Generals von Clausewitz, dem Vernichtungsgedanken, +überzeugt sind: in dem einen Problem ist er vielumstritten +worden, noch kurz vor dem großen Kriege Englands +gegen unsere Daseinsberechtigung, durch den General v. Bernhardi, +den Verfasser des hervorragenden Buches »Vom heutigen +Kriege«, das zugleich als das bedeutendste Ergänzungswerk +zum alten Clausewitz neben den gelehrten »Studien nach +Clausewitz« des Generals Freiherrn v. Freytag-Loringhoven, +des jetzigen Generalquartiermeisters, hier zu nennen ist.</p> + +<p>Dresden, 1915 +<span style="float: right;">Hauptmann Dr. <em class="gesperrt">Arthur Schurig</em></span></p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Wesen_und_Ziel_des_Krieges" id="Wesen_und_Ziel_des_Krieges">Wesen und Ziel des Krieges</a></h2> + + +<p>Der Krieg ist nichts als die fortgesetzte Staatspolitik mit +anderen Mitteln.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Seit Napoleon Bonaparte hat sich der Krieg, indem er zuerst +auf der einen Seite, dann auch auf der anderen wieder +<em class="gesperrt">Sache des ganzen Volkes</em> wurde, seiner wahren Natur, +seiner absoluten Vollkommenheit sehr genähert.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Krieg ist ein erweiterter Zweikampf. Jeder sucht den +andern durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens +zu zwingen.</p> + +<p>Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung +der Gewalt keine Grenzen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Gewalt rüstet sich mit den Erfindungen der Wissenschaften +aus, um der Gewalt zu begegnen. Unmerkliche, kaum +nennenswerte Beschränkungen, die sie sich selbst setzt unter dem +Namen völkerrechtlicher Sitte, begleiten sie, ohne ihre Kraft +wesentlich zu schwächen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Menschenfreundliche Seelen könnten leicht denken, es gäbe +ein Entwaffnen oder Niederwerfen des Gegners, ohne zu viel +Wunden zu verursachen, und das sei die wahre Kriegskunst. +Wie gut sich das auch ausnimmt, so muß man diesen Irrtum +doch zerstören, denn in so gefährlichen Dingen, wie der Krieg +eins ist, sind <em class="gesperrt">die</em> Irrtümer, die aus Gutmütigkeit entstehen, +gerade die schlimmsten. Wer sich der Gewalt <em class="gesperrt">rücksichtslos</em> +bedient, bekommt ein Übergewicht, wenn der Gegner anders +handelt. So muß man die Sache ansehen, und es ist ein unnützes, +sogar verkehrtes Bestreben, aus Widerwillen gegen das rohe +Element die Natur des Krieges zu verkennen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Kampf zwischen Menschen besteht aus zwei verschiedenen +Elementen: dem feindseligen Gefühl und der feindseligen Absicht. +Bei wilden Völkern herrschen die dem Gemüt, bei gebildeten +die dem Verstande angehörigen Absichten vor. Allein +dieser Unterschied liegt nicht im Wesen von Roheit und Bildung +selbst, sondern in den sie begleitenden Umständen und +Einrichtungen. Er ist also nicht in jedem einzelnen Falle notwendig, +sondern er beherrscht nur die Mehrheit der Fälle. +Mit einem Worte: auch die gebildetsten Völker können gegeneinander +leidenschaftlich entbrennen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Gewalt, physische Gewalt ist das Mittel; dem Feinde unseren +Willen aufzudringen, der Zweck. Um diesen Zweck sicher zu +erreichen, müssen wir <em class="gesperrt">den Feind wehrlos machen</em>. Dies +ist dem Begriffe nach das eigentliche Ziel der kriegerischen +Handlung.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn der Gegner unseren Willen erfüllen soll, so müssen +wir ihn in eine Lage versetzen, die nachteiliger ist als das +Opfer, das wir von ihm fordern. Die Nachteile dieser Lage +dürfen aber natürlich, wenigstens dem Anscheine nach, nicht +vorübergängig sein, sonst würde der Gegner den besseren Zeitpunkt +abwarten und nicht nachgeben. Jede Veränderung dieser +Lage durch die fortgesetzte kriegerische Tätigkeit muß zu einer +noch nachteiligeren Lage führen, wenigstens in der Vorstellung. +Die schlimmste Lage, in die ein Kriegführender geraten kann, +ist die gänzliche Wehrlosigkeit.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Nun ist der Krieg nicht das Wirken einer lebendigen Kraft +auf eine tote Masse, sondern, weil ein reines Dulden auf der +einen Seite kein Krieg wäre, so ist er immer der Stoß zweier +<ins title="Anmerkung zur Transkription: Im Original 'lebendigen'">lebendiger</ins> Kräfte gegeneinander. Solange ich den Gegner +nicht niedergeworfen habe, muß ich befürchten, daß er mich +niederwirft. Ich bin also nicht Herr meiner selbst, sondern er +gibt mir das Gesetz, wie ich es ihm gebe.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wollen wir den Gegner niederwerfen, so müssen wir <em class="gesperrt">unsere</em> +Anstrengung nach <em class="gesperrt">seiner</em> Widerstandskraft bemessen. Diese +drückt sich durch ein Produkt aus, deren Faktoren sich nicht +trennen lassen, nämlich: die Größe der vorhandenen Mittel +und die Stärke der Willenskraft. Die Größe der vorhandenen +Mittel ließe sich bestimmen, da sie – wiewohl nicht ganz – auf +Zahlen beruht. Aber die Stärke der Willenskraft läßt sich viel +weniger bestimmen und nur etwa nach der Stärke des Beweggrunds +schätzen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das Gesetz des Äußersten, die Absicht, den Gegner wehrlos +zu machen, verschlingt gewissermaßen zunächst den politischen +Zweck des Krieges. So wie dieses Gesetz in seiner Kraft nachläßt, +diese Absicht von ihrem Ziele zurücktritt, muß der politische +Zweck wieder hervortreten. Je kleiner das Opfer ist, das wir +von unserm Gegner fordern, um so geringere Anstrengungen +dürfen wir von ihm erwarten. Je geringer aber diese sind, um +so kleiner dürfen die unsrigen bleiben. Ferner, je kleiner unser +politischer Zweck ist, um so geringer wird der Wert sein, den +wir auf ihn legen; um so eher werden wir uns gefallen lassen, +ihn aufzugeben: also um so kleiner werden auch unsere Anstrengungen +sein. So wird der politische Zweck als das ursprüngliche +Motiv des <ins title="Anmerkung zur Transkription: Im Original 'Kriegs'">Krieges</ins> das Maß sowohl für das Ziel, +das durch die Kriegführung erreicht werden muß, als auch für +die Anstrengungen, die erforderlich sind.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Je großartiger und stärker die Motive des Krieges sind, je +mehr sie das ganze Dasein der Völker umfassen, je gewaltsamer +die Spannung ist, die dem Kriege vorhergeht, um so mehr wird +der Krieg sich seiner abstrakten Gestalt nähern, um so mehr wird +es sich um das Niederwerfen des Feindes handeln, um so mehr +fallen das kriegerische Ziel und der politische Zweck zusammen, +um so reiner kriegerisch, weniger politisch scheint der Krieg zu +sein.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Krieg ist unter allen Umständen als kein selbständiges +Ding, sondern als ein politisches Instrument zu denken. Nur +mit dieser Vorstellungsart ist es möglich, nicht mit der sämtlichen +Kriegsgeschichte in Widerspruch zu geraten.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Krieg gehört nicht in das Gebiet der Künste und Wissenschaften, +sondern in das Gebiet des sozialen Lebens. Er ist ein +Konflikt großer Interessen, der sich blutig löst, und nur darin +ist er von den anderen verschieden. Besser als mit irgendeiner +Kunst ließe er sich mit dem Handel vergleichen, der auch ein +Konflikt menschlicher Interessen und Tätigkeiten ist, und viel +näher steht ihm die Politik, die ihrerseits wieder als eine Art +von Handel in größerem Maßstabe angesehen werden kann.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Krieg ist nicht nur ein wahres Chamäleon, weil er in +jedem konkreten Falle seine Natur etwas ändert, sondern er +ist auch seinen Gesamterscheinungen nach in Beziehung auf die +in ihm herrschenden Tendenzen eine wunderliche Dreifaltigkeit, +zusammengesetzt aus der ursprünglichen Gewaltsamkeit +seines Elements, dem Haß und der Feindschaft, die wie ein +blinder Naturtrieb anzusehen sind, aus dem Spiel der Wahrscheinlichkeiten +und des Zufalls, die ihn zu einer freien Seelentätigkeit +machen, und aus der untergeordneten Natur eines +politischen Werkzeugs, durch die er dem bloßen Verstande anheimfällt.</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Kriegskunst_und_Theorie" id="Kriegskunst_und_Theorie">Kriegskunst und Theorie</a></h2> + + +<p>Mit dem Bestreben, Grundsätze, Regeln oder gar Systeme +für die Kriegführung anzugeben, setzt man sich einen positiven +Zweck, ohne die unendlichen Schwierigkeiten gehörig ins Auge +zu fassen, die sie in dieser Beziehung hat.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Kriegführung verläuft fast nach allen Seiten hin in unbestimmte +Grenzen. Jedes System, jedes Lehrgebäude aber hat +die beschränkende Natur einer Synthesis, und damit ist ein nie +auszugleichender Widerspruch zwischen einer solchen Theorie +und der Praxis gegeben.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Unstreitig gehören die der Kriegskunst zugrunde liegenden +Kenntnisse zu den Erfahrungswissenschaften. Denn wenn sie +auch größtenteils aus der Natur der Dinge hervorgehen, so muß +man doch diese Natur selbst meistens erst durch die Erfahrung +kennen lernen. Außerdem aber wird die Anwendung durch so +viele Umstände modifiziert, daß die Wirkungen nie aus der bloßen +Natur des Mittels vollständig erkannt werden können.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Bei der Ungewißheit aller Daten im Kriege müssen wir uns +sagen, daß es eine reine Unmöglichkeit wäre, die Kriegskunst +durch ein positives Lehrgebäude wie mit einem Gerüste versehen +zu wollen, das dem Handelnden überall einen äußeren Anhalt +gewähren könnte. Der Handelnde würde sich in allen jenen +Fällen, wo er auf sein Talent angewiesen ist, außer diesem Lehrgebäude +und mit ihm in Widerspruch befinden, und es würde, +wie vielseitig dasselbe auch aufgefaßt sein möchte, immer dieselbe +Folge wieder eintreten, von der wir schon gesprochen haben: +daß das Talent und Genie außer dem Gesetze handelt und die +Theorie ein Gegensatz zur Wirklichkeit wird.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Historische Beispiele machen alles klar und haben nebenher +in Erfahrungswissenschaften die beste Beweiskraft.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn ein Sachverständiger sein halbes Leben darauf verwendet, +einen dunklen Gegenstand überall aufzuklären, so wird +er wohl weiter kommen als einer, der in kurzer Zeit damit vertraut +sein will. Daß also nicht jeder von neuem aufzuräumen +und sich durchzuarbeiten brauche, sondern die Sache geordnet +und gelichtet finde, dazu ist die Theorie vorhanden. Sie soll +den Geist des künftigen Führers im Kriege erziehen, oder vielmehr +ihn bei seiner Selbsterziehung leiten, nicht aber ihn auf +das Schlachtfeld begleiten.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Im Kriege sind die Ideen meist so einfach und naheliegend, +daß das Verdienst der Erfindung gar nicht das Talent des Feldherrn +ausmachen kann. Die Hauptsache ist die Schwierigkeit +der Ausführung. Im Kriege ist alles einfach, aber das Einfache +höchst schwierig. Das Kriegsinstrument gleicht einer Maschine +mit ungeheurer Friktion, die nicht wie in der Mechanik auf ein +paar Punkte zurückgeführt werden kann, sondern überall mit +einem Heere von Zufällen im Kontakt ist. Außerdem ist der +Krieg eine Tätigkeit im erschwerenden Mittel. Eine Bewegung, +die man in der Luft mit Leichtigkeit macht, wird im Wasser +sehr schwer. Gefahr und Anstrengung sind die Elemente, in denen +sich der Geist im Kriege bewegt. So kommt es denn, daß man +immer hinter <em class="gesperrt">der</em> Linie zurückbleibt, die man sich gezogen hat, +und daß schon keine gewöhnliche Kraft dazu gehört, um nur +nicht unter dem Niveau des Mittelmäßigen zu bleiben.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Beim Handeln folgen die meisten einem bloßen Takt des +Urteils, der mehr oder weniger gut trifft, je nachdem mehr oder +weniger Genie in ihnen ist. So haben alle großen Feldherren +gehandelt, und darin liegt zum Teil ihre Größe, daß sie mit +diesem Takt immer das Rechte trafen. So wird es für das Handeln +auch immer bleiben. Dieser Takt reicht dazu vollkommen +hin. Aber wenn es darauf ankommt, nicht selbst zu handeln, +sondern in einer Beratung andere zu überzeugen, dann kommt +es auf klare Vorstellungen, auf das Nachweisen des inneren +Zusammenhanges an.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Alles Handeln im Kriege ist nur auf <em class="gesperrt">wahrscheinliche</em>, +nicht auf <em class="gesperrt">gewisse</em> Erfolge gerichtet. Was an der Gewißheit +fehlt, muß überall dem Schicksal oder dem Glück – wie man +es nennen will – überlassen bleiben. Es gibt Fälle, wo das +höchste Wagen die höchste Weisheit ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Man hat früher behauptet, der Krieg sei ein Handwerk. +Damit war aber mehr verloren als gewonnen, denn ein Handwerk +ist nur eine niedrige Kunst und unterliegt als solche auch +bestimmteren und engeren Gesetzen. In der Tat hat sich die +Kriegskunst eine Zeitlang im Geiste des Handwerks bewegt, +nämlich zur Zeit der Condottieri. Aber diese Richtung hatte +sie nicht nach inneren, sondern nach äußeren Gründen, und wie +wenig sie in dieser Zeit naturgemäß und befriedigend war, +zeigt die Kriegsgeschichte.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn man auf der einen Seite sieht, wie das kriegerische +Handeln so höchst einfach erscheint; wenn man hört und sieht, wie +die größten Feldherren sich darüber gerade am einfachsten und +schlichtesten ausdrücken, wie das Regieren und Bewegen der +aus hunderttausend Gliedern zusammengesetzten schwerfälligen +Maschine in ihrem Munde sich nicht anders ausnimmt, als ob +von ihrer Person allein die Rede sei, so daß der ganze ungeheuere +Akt des Krieges zu einer Art von Zweikampf individualisiert +wird; wenn man dabei die Motive ihres Handelns bald +mit ein paar einfachen Vorstellungen, bald mit irgendeiner Regung +des Gemütes in Verbindung gebracht findet; wenn man +diese leichte, sichere, man möchte sagen leichtfertige Weise +sieht, wie sie den Gegenstand auffassen, – und nun von der +anderen Seite die große Anzahl von Verhältnissen, die für den +untersuchenden Verstand in Anregung kommen; die großen, oft +unbestimmten Entfernungen, in die die einzelnen Fäden auslaufen, +und die Menge von Kombinationen, die vor uns liegen; +wenn man dabei an die Verpflichtung denkt, die die Theorie +hat, dies alles systematisch, d. h. mit Klarheit und Vollständigkeit, +aufzufassen und das Handeln immer auf die Notwendigkeit +des zureichenden Grundes zurückzuführen, so überfällt uns +die Besorgnis mit unwiderstehlicher Gewalt, zu einem pedantischen +Schulmeistertum hinabgerissen zu werden, in den untersten +Räumen schwerfälliger Begriffe herumzukriechen und dem +großen Feldherrn in seinem leichten Überblick also niemals zu +begegnen. Wenn das Resultat theoretischer Bemühungen von +dieser Art sein sollte, so wäre es ebensogut, oder vielmehr besser, +sie gar nicht angestellt zu haben. Sie ziehen der Theorie die +Geringschätzung des Talentes zu und fallen bald in Vergessenheit. +Und von der andern Seite ist dieser leichte Überblick des +Feldherrn, diese einfache Vorstellungsart, diese Personifizierung +des ganzen kriegerischen Handelns so ganz und gar der Kern +jeder guten Kriegführung, daß sich nur bei dieser großartigen +Weise die Freiheit der Seele denken läßt, die nötig ist, wenn sie +über die Ereignisse herrschen und nicht von ihnen überwältigt +werden soll.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Kriegskunst im eigentlichen Sinne ist die Kunst, sich der +gegebenen Mittel im Kampfe zu bedienen. Wir können sie nicht +besser als mit dem Namen der <em class="gesperrt">Kriegführung</em> bezeichnen. +Dagegen werden allerdings zur Kriegskunst im weiteren Sinne +auch alle Tätigkeiten gehören, die um des Krieges willen da +sind, also die ganze Schöpfung der Streitkräfte, d. i. Aushebung, +Bewaffnung, Ausrüstung und Übung.</p> + +<p>Es ist für die Realität einer Theorie höchst wesentlich, diese +beiden Tätigkeiten zu trennen, denn es ist leicht einzusehen, +daß, wenn jede Kriegskunst mit der Einrichtung der Streitkräfte +anfangen und diese für die Kriegführung, sowie sie dieselben +angegeben, bedingen wollte, sie nur auf die wenigen Fälle anwendbar +sein könnte, wo die vorhandenen Streitkräfte dem +gerade entsprächen. Will man dagegen eine Theorie haben, die +für die große Mehrzahl der Fälle geeignet, für keinen aber +ganz unbrauchbar sei: so muß sie auf die große Mehrheit der +gewöhnlichen Streitmittel, und bei diesen auch nur auf die +wesentlichsten Resultate gebaut sein.</p> + +<p>Die Kriegführung ist also die Anordnung und Führung des +Kampfes. Wäre dieser Kampf ein einzelner Akt, so würde kein +Grund zu einer weiteren Einteilung sein. Allein der Kampf +besteht aus einer mehr oder weniger großen Zahl einzelner in +sich geschlossener Akte, die wir Gefechte nennen und die neue +Einheiten bilden. Daraus entspringt nun die ganz verschiedene +Tätigkeit, diese einzelnen Gefechte in sich anzuordnen und zu +führen, und sie unter sich zum Zweck des Krieges zu verbinden. +Das eine ist die <em class="gesperrt">Taktik</em>, das andere die <em class="gesperrt">Strategie</em> genannt +worden.</p> + +<p>Es ist also nach unserer Einteilung die Taktik die Lehre +vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht, die Strategie die +Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges.</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Kriegerische_Tugenden_Heer_und_Feldherr" id="Kriegerische_Tugenden_Heer_und_Feldherr">Kriegerische Tugenden. Heer und Feldherr</a></h2> + + +<p>Der Krieg ist ein bestimmtes Geschäft. Und wie allgemein +auch seine Beziehung sei, und wenn auch alle waffenfähigen +Männer eines Volkes dasselbe trieben, so bliebe es doch immer +ein solches: verschieden und getrennt von den übrigen Fähigkeiten, +die das Menschenleben in Anspruch nehmen.</p> + +<p>Vom Geiste und Wesen dieses Geschäfts durchdrungen sein, – +die Kräfte, die in ihm tätig sein sollen, in sich üben, erwecken +und aufnehmen, – das Geschäft mit dem Verstande ganz durchdringen, +– durch Übung Sicherheit und Leichtigkeit in ihm +gewinnen, – ganz darin aufgehen, – aus dem Menschen übergehen +in die Rolle, die uns darin angewiesen wird: das ist die +kriegerische Tugend des Heeres in jedem einzelnen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die kriegerische Tugend ist für die Teile überall, was das +Genie des Feldherrn für das Ganze ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Je mehr ein Feldherr gewohnt ist, von seinen Soldaten zu +fordern, um so sicherer ist er, daß die Forderung geleistet wird. +Der Soldat ist ebenso stolz auf überwundene Mühseligkeiten +als auf überstandene Gefahren. Aber nur im Boden einer beständigen +Tätigkeit und Anstrengung gedeiht dieser Keim, auch +nur im Sonnenlicht des Sieges.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn wir ein rohes Volk betrachten, so ist ein kriegerischer +Geist unter den einzelnen Menschen viel gewöhnlicher als +bei den gebildeten Völkern, denn bei jenen besitzt ihn fast jeder +einzelne Krieger, während bei den gebildeten eine ganze Masse +nur durch die Notwendigkeit und keineswegs durch inneren Trieb +mitfortgerissen wird. Aber unter rohen Völkern findet man +nie einen eigentlich großen Feldherrn und äußerst selten, was +man ein kriegerisches Genie nennen kann, weil dazu eine Entwicklung +der Verstandeskräfte erforderlich ist, die ein rohes Volk +nicht haben kann.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Krieg ist das Gebiet der Gefahr. Es ist also Mut vor +allen Dingen die erste Eigenschaft des Kriegers.</p> + +<p>Der Mut ist doppelter Art: einmal Mut gegen die persönliche +Gefahr, und dann Mut gegen die Verantwortlichkeit, sei +es vor dem Richterstuhl irgendeiner äußeren Macht, sei es vor +dem einer inneren, nämlich des Gewissens.</p> + +<p>Der Mut gegen die persönliche Gefahr ist wieder doppelter +Art. Erstens kann er Gleichgültigkeit gegen die Gefahr sein. +Sei es, daß sie aus dem Organismus des Individuums oder aus +Geringschätzung des Lebens oder aus Gewohnheit hervorgehe, +in diesen Fällen ist der Mut als ein bleibender Zustand anzusehen.</p> + +<p>Zweitens kann er aus positiven Motiven hervorgehen, wie +Ehrgeiz, Vaterlandsliebe, Begeisterung jeder Art. In diesem +Fall ist der Mut nicht sowohl ein Zustand als eine Gemütsbewegung, +ein Gefühl.</p> + +<p>Es ist begreiflich, daß beide Arten von verschiedener Wirkung +sind. Die erste Art ist sicherer, weil sie, zur zweiten Natur +geworden, den Menschen nie verläßt; die zweite führt oft weiter. +Der ersteren gehört mehr die Standhaftigkeit, der zweiten mehr +die Kühnheit an. Die erste läßt den Verstand nüchterner, die +zweite steigert ihn zuweilen, verblendet ihn aber auch oft. Beide +vereinigt geben die vollkommenste Art des Mutes.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Krieg ist das Gebiet körperlicher Anstrengungen und +Leiden. Um dadurch nicht zugrunde gerichtet zu werden, bedarf +es einer gewissen Kraft des Körpers und der Seele, die, angeboren +oder eingeübt, gleichgültig dagegen macht. Mit diesen +Eigenschaften, unter der bloßen Führung des gesunden Verstandes, +ist der Mensch schon ein tüchtiges Werkzeug für den Krieg, +und diese Eigenschaften sind es, die wir bei rohen und halbkultivierten +Völkern so allgemein verbreitet antreffen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Kühnheit ist vom Troßknecht bis zum Feldherrn hinauf +die edelste Tugend, der rechte Stahl, der der Waffe ihre Schärfe +und ihren Glanz gibt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Geist der Kühnheit kann in einem Heere zu Hause sein, +entweder weil er es im Volke ist oder weil er sich in einem glücklichen +Kriege unter kühnen Führern erzeugt hat.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Je höher wir unter den Führern hinaufsteigen, desto notwendiger +wird es, daß der Kühnheit ein überlegender Geist +zur Seite trete, daß sie nicht zwecklos, nicht ein blinder Stoß +der Leidenschaft sei. Denn immer weniger betrifft es die eigene +Aufopferung, immer mehr knüpft sich die Erhaltung anderer +und die Wohlfahrt eines großen Ganzen daran. Was also bei +dem großen Haufen die zur zweiten Natur gewordene Dienstordnung +regelt, das muß in dem Führer die Überlegung regeln, +und hier kann die Kühnheit einer einzelnen Handlung schon +leicht zum Fehler werden. Aber dennoch bleibt es ein schöner +Fehler, der nicht angesehen werden darf wie jeder andere. +Wohl dem Heere, wo sich unzeitige Kühnheit häufig zeigt! Es +ist ein üppiger Auswuchs, aber der Zeuge eines kräftigen Bodens. +Selbst die Tollkühnheit, d. h. die Kühnheit ohne allen +Zweck, ist nicht mit Geringschätzung anzusehen. Im Grunde +ist es dieselbe Kraft des Gemüts, nur ohne alles Zutun des +Geistes, in einer Art von Leidenschaft ausgeübt. Nur wo die +Kühnheit sich gegen den Gehorsam auflehnt, wo sie einen ausgesprochenen +höheren Willen geringschätzend verläßt: da muß +sie, nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen des Ungehorsams, +wie ein gefährliches Übel behandelt werden; denn nichts +geht im Kriege über den Gehorsam.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Mut ist immer das erste Element im Krieger, aber er +erhält sich in den höheren Regionen großer Verantwortlichkeit +nur dann, wenn ihn ein kräftiger Kopf unterstützt. Darum +gelangen von so vielen braven Soldaten so wenige dazu, mutige +und unternehmende Feldherren zu sein.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Kühnheit hat im Kriege eigene Vorrechte. Über den +Erfolg des Kalküls mit Raum, Zeit und Größe hinaus müssen +ihr noch gewisse Prozente zugestanden werden, die sie jedesmal, +wo sie sich überlegen zeigt, aus der Schwäche der anderen zieht. +Sie ist also eine wahrhaft schöpferische Kraft. Das ist selbst +philosophisch nicht schwer nachzuweisen. Sooft die Kühnheit +auf die Zaghaftigkeit trifft, hat sie notwendig die Wahrscheinlichkeit +des Erfolgs für sich, weil Zaghaftigkeit schon ein verlorenes +Gleichgewicht ist. Nur wo sie auf besonnene Vorsicht +trifft, die, man möchte sagen, ebenso kühn, in jedem Falle +ebenso stark und kräftig ist als sie selbst, muß sie im Nachteil +sein. Das sind aber die seltenen Fälle. In der ganzen Schar +der Vorsichtigen gibt es eine ansehnliche Mehrheit, die es aus +Furchtsamkeit ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Solange eine Truppe voll guten Muts mit Lustigkeit und +Leichtigkeit kämpft, ist für den Feldherrn selten Veranlassung +da, große Willenskraft in der Verfolgung seiner Zwecke zu zeigen. +Sowie aber die Umstände schwierig werden, und das kann, +wo Außerordentliches geleistet werden soll, nie ausbleiben, so +geht die Sache nicht mehr von selbst wie mit einer <ins title="Anmerkung zur Transkription: im Original 'guteingeölten'">gut eingeölten</ins> +Maschine, sondern die Maschine selbst fängt an, Widerstand +zu leisten, und diesen zu überwinden, dazu gehört die +große Willenskraft des Führers.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Kriegsgewohnheit kann kein Feldherr seinem Heere geben, +und schwach ist der Ersatz, den Friedensübungen gewähren, +schwach im Vergleich mit der wirklichen Kriegserfahrung, aber +nicht im Vergleich mit einem Heere, bei dem auch diese +Übungen nur auf mechanische Kunstfertigkeiten gerichtet sind. +Die Übungen des Friedens so einzurichten, daß ein Teil jener +Friktionsgegenstände darin vorkomme, daß das Urteil, die Umsicht, +selbst die Entschlossenheit der einzelnen Führer geübt +werde, dies ist von viel größerem Wert, als die glauben, die den +Gegenstand nicht aus Erfahrung kennen. Es ist unendlich wichtig, +daß der Soldat, hoch oder niedrig, auf welcher Stufe er +auch stehe, diejenigen Erscheinungen des Krieges, die ihn beim +erstenmal in Verwunderung und Verlegenheit setzen, nicht erst +im Kriege zum erstenmal sieht. Sind sie ihm früher nur ein +einziges Mal vorgekommen, so ist er schon halb damit vertraut. +Das bezieht sich selbst auf körperliche Anstrengungen. Sie müssen +geübt werden, weniger, daß sich die Natur, als daß sich der +Verstand daran gewöhne. Im Kriege ist der neue Soldat sehr +geneigt, ungewöhnliche Anstrengungen für Folgen großer Fehler, +Irrungen und Verlegenheiten in der Führung des Ganzen +zu halten und dadurch doppelt niedergedrückt zu werden. Dies +wird nicht geschehen, wenn er bei Friedensübungen darauf vorbereitet +wird.</p> + +<p>Ein anderes, weniger umfassendes, aber doch höchst wichtiges +Mittel, die Kriegsgewohnheit im Frieden zu gewinnen, +ist das Heranziehen kriegserfahrener Offiziere anderer Heere. +Selten ist in Europa überall Frieden, und nie geht der Krieg +in den anderen Weltteilen aus. Ein Staat, der lange im Frieden +ist, sollte also stets suchen, von diesen Kriegsschauplätzen sich +einzelne Offiziere, aber freilich nur solche, die gut gedient haben, +zu verschaffen, oder von den seinigen einige dahin zu schicken, +damit sie den Krieg kennen lernen.</p> + +<p>Wie gering auch die Anzahl solcher Offiziere zur Masse eines +Heeres erscheinen möge, so ist doch ihr Einfluß sehr fühlbar. +Ihre Erfahrungen, die Richtung ihres Geistes, die Ausbildung +des Charakters wirken auf ihre Untergebenen und Kameraden.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Nicht immer bringt es ein gewöhnlicher Mensch im Gefecht +bis zur völligen Unbefangenheit und zur natürlichen Elastizität +der Seele, und so mag man denn erkennen, daß mit Gewöhnlichem +hier wieder nicht auszureichen ist, was um so wahrer +wird, je größer der Wirkungskreis ist, der angeführt werden +soll. Enthusiastische, stoische, angeborene Bravour, gebieterischer +Ehrgeiz, auch lange Bekanntschaft mit der Gefahr, viel von +alledem muß da sein, wenn nicht alle Wirkung in diesem erschwerenden +Mittel hinter dem Maß zurückbleiben soll, das auf +dem Zimmer als ein gewöhnliches erscheinen mag.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wie sorgfältig man sich auch den Bürger neben dem +Krieger in einem und demselben Individuum ausgebildet denken, +wie sehr man sich die Kriege nationalisieren, und wie weit +man sie sich in eine Richtung hinausdenken möge, entgegengesetzt +derjenigen der ehemaligen Condottieri: niemals wird +man die Individualität des Geschäftsganges aufheben können, +und wenn man das nicht kann, so werden auch immer diejenigen, +die es treiben, und solange sie es treiben, sich als eine Art +von Innung ansehen, in deren Ordnungen, Gesetzen und Gewohnheiten +sich die Geister des Krieges vorzugsweise fixieren. +Und so wird es auch in der Tat sein. Man würde also bei der +entschiedensten Neigung, den Krieg vom höchsten Standpunkt +aus zu betrachten, sehr unrecht haben, den Innungsgeist mit +Geringschätzung anzusehen, der mehr oder weniger in einem +Heer vorhanden sein muß.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein gewisser schwerer Ernst und strenge Dienstordnungen +können die kriegerische Tugend einer Truppe länger erhalten, +aber sie erzeugen sie nicht. Sie behalten darum immer ihren +Wert, aber man soll sie nicht überschätzen. Ordnung, Fertigkeit, +guter Wille, auch ein gewisser Stolz und eine vorzügliche +Stimmung sind Eigenschaften eines im Frieden erzogenen Heeres, +die man schätzen muß, die aber keine Selbständigkeit haben. +Das Ganze hält das Ganze, und wie bei dem zu schnell erkalteten +Glase zerbröckelt ein einziger Riß die ganze Masse. Besonders +verwandelt sich die beste Stimmung von der Welt beim ersten +Unfall nur zu leicht in Kleinmut und, man möchte sagen, in +eine Art von Großsprecherei der Angst: das französische <em class="italic">sauve +qui peut</em>. Man hüte sich, Geist des Heeres und Stimmung +im Heere zu verwechseln!</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein Heer, das im zerstörendsten Feuer seine gewohnten +Ordnungen behält, das niemals von einer eingebildeten Furcht +geschreckt wird und der begründeten den Raum Fuß für Fuß +streitig macht, das, stolz im Gefühl seiner Siege, auch mitten im +Verderben der Niederlage die Kraft zum Gehorsam nicht verliert, +nicht die Achtung und das Zutrauen zu seinen Führern, +dessen körperliche Kräfte in der Übung von Entbehrung und +Anstrengung gestärkt sind wie die Muskeln eines Athleten, das +diese Anstrengungen ansieht als ein Mittel zum Siege, nicht als +einen Fluch, der auf seinen Fahnen ruht, und das an alle diese +Pflichten und Tugenden durch den kurzen Katechismus einer +einzigen Vorstellung erinnert wird, nämlich der Ehre seiner +Waffen: ein solches Heer ist vom kriegerischen Geiste durchdrungen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wieviel Großes dieser Geist, diese Gediegenheit des Heeres, +diese Veredelung des Erzes zum strahlenden Metall schon +geleistet, sehen wir an den Makedoniern unter Alexander, den +römischen Legionen unter Cäsar, an der spanischen Infanterie +unter Alexander Farnese, den Schweden unter Gustav Adolf +und Karl XII., den Preußen unter Friedrich dem Großen und +den Franzosen unter Bonaparte. Man müßte absichtlich die +Augen verschließen gegen alle historischen Beweise, wenn man +nicht zugeben wollte, daß die wunderbaren Erfolge dieser Feldherren +und ihre Größe in den schwierigsten Lagen nur bei einem +so potenzierten Heere möglich waren.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Soll der Feldherr den beständigen Streit mit dem Unerwarteten +glücklich bestehen, so sind ihm zwei Eigenschaften unentbehrlich, +einmal ein Verstand, der auch in dieser gesteigerten +Dunkelheit nicht ohne einige Spuren des inneren Lichtes ist, +die ihn zur Wahrheit führen, und dann Mut, diesem schwachen +Lichte zu folgen. Der erstere ist bildlich mit dem französischen +Ausdruck <em class="italic">coup d'oeil</em> bezeichnet worden, der andere ist die Entschlossenheit.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wir glauben, daß die Entschlossenheit einer eigentümlichen +Richtung des Verstandes ihr Dasein verdankt, und zwar einer, +die mehr kräftigen als glänzenden Köpfen angehört. Wir +können diese Genealogie der Entschlossenheit dadurch belegen, +daß es eine große Anzahl von Beispielen gibt, wo Männer, +die in niederen Regionen die größte Entschlossenheit gezeigt +hatten, diese in den höheren verloren. Obgleich sie das Bedürfnis +haben, sich zu entschließen, so sehen sie doch die Gefahren +ein, die in einem falschen Entschluß liegen, und da sie +mit den Dingen, die ihnen vorliegen, nicht vertraut sind, so +verliert ihr Verstand seine ursprüngliche Kraft, und sie werden +nur um so zaghafter, je mehr sie die Gefahr der Unentschlossenheit, +in die sie gebannt sind, kennen, und je mehr sie gewohnt +waren, frisch von der Faust weg zu handeln.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Bei dem <em class="italic">coup d'oeil</em> und der Entschlossenheit liegt es uns +ganz nahe, von der damit verwandten Geistesgegenwart zu +reden, die in einem Gebiete des Unerwarteten, wie der Krieg +es ist, eine große Rolle spielen muß; denn sie ist ja nichts als +eine gesteigerte Besiegung des Unerwarteten. Man bewundert +die Geistesgegenwart in einer treffenden Antwort auf eine +unerwartete Anrede, wie man sie bewundert in der schnell gefundenen +Aushilfe bei plötzlicher Gefahr. Beide, diese Antwort +und diese Aushilfe, brauchen nicht ungewöhnlich zu sein, wenn +sie nur treffen; denn was nach reiflicher und ruhiger Überlegung +nichts Ungewöhnliches, also in seinem Eindruck auf +uns etwas Gleichgültiges wäre, kann als ein schneller Akt des +Verstandes Vergnügen machen. Der Ausdruck Geistesgegenwart +bezeichnet gewiß sehr passend die Nähe und Schnelligkeit +der vom Verstande dargereichten Hilfe.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Man ist gewöhnt, sich den einfachen, tüchtigen Soldaten +als Gegensatz zu denken zu den überlegsamen oder an Erfindungen +und guten Einfällen reichen Köpfen und den im +Bildungsschmuck aller Art glänzenden Geistern. Nun ist dieser +Gegensatz keineswegs ohne wirklichen Rückhalt, aber er beweist +nur nicht, daß die Tüchtigkeit des Soldaten bloß in seinem +Mute bestehe, und daß es nicht auch einer gewissen eigentümlichen +Tätigkeit und Tüchtigkeit des Kopfes bedarf, um nur +das zu sein, was man einen guten Degen nennt. Wir müssen +immer wieder darauf zurückkommen, daß nichts gewöhnlicher ist +als das Beispiel von Männern, die ihre Tüchtigkeit verlieren, +sobald sie zu höheren Stellen gelangen, denen ihre Einsichten +nicht mehr gewachsen sind. Wir müssen aber auch immer wieder +daran erinnern, daß wir von <em class="gesperrt">vorzüglichen</em> Leistungen reden, +von solchen, die Ruf in der Art von Tätigkeit geben, der sie +angehören. Es bildet daher jede Stufe des Befehls im Kriege +ihre eigene Schicht von erforderlichen Geisteskräften, von +Ruhm und Ehre.</p> + +<p>Eine sehr große Kluft liegt zwischen einem Feldherrn, d. h. +einem entweder an der Spitze eines ganzen Krieges oder eines +Kriegstheaters stehenden General und der nächsten Befehlshaberstufe +unter ihm, aus dem einfachen Grunde, weil dieser +einer viel näheren Leitung und Aufsicht unterworfen ist, folglich +der eigenen Geistestätigkeit einen viel kleineren Kreis +bietet. Dies hat denn veranlaßt, daß die gewöhnliche Meinung +eine ausgezeichnete Verstandestätigkeit nur in jener höchsten +Stelle sieht und bis dahin den gemeinen Verstand für ausreichend +erachtet. Ja, man ist nicht abgeneigt, in einem unter den Waffen +ergrauten Unterfeldherrn, den seine einseitige Tätigkeit zu einer +unverkennbaren Geistesarmut geführt hat, eine gewisse Verdummung +zu erblicken, und bei aller Verehrung für seinen +Mut über seine Einfalt zu lächeln. Es ist nicht unser Vorsatz, +diesen braven Leuten ein besseres Los zu erkämpfen. Dies +würde nichts zu ihrer Wirksamkeit und wenig zu ihrem Glück +beitragen, sondern wir wollen nur die Sachen zeigen, wie sie +sind, und vor dem Irrtum warnen, daß im Kriege ein bloßer +Bravo ohne Verstand Vorzügliches leisten könne.</p> + +<p>Wenn wir schon in den niedrigsten Führerstellen für den, +der ausgezeichnet sein soll, auch ausgezeichnete Geisteskräfte +fordern und diese mit jeder Stufe steigern, so folgt daraus von +selbst, daß wir eine ganz andere Ansicht von den Leuten haben, +die die zweiten Stellen in einem Heere mit Ruhm bekleiden; +und ihre scheinbare Einfalt neben dem Polyhistor, dem federtätigen +Geschäftsmann, dem konferierenden Staatsmann soll +uns nicht irre machen an der ausgezeichneten Natur ihres +werktätigen Verstandes. Freilich geschieht es zuweilen, daß +Männer den Ruhm, den sie sich in niederen Stellen erworben +haben, in die höheren mit hinüberbringen, ohne ihn +dort wirklich zu verdienen. Werden sie nun in diesen nicht +viel gebraucht, kommen sie also nicht in die Gefahr, sich Blößen +zu geben, so unterscheidet das Urteil nicht so genau, welche +Art von Ruf ihnen zukommt; und so tragen solche Männer +oft dazu bei, daß man einen geringeren Begriff von der Persönlichkeit +faßt, die in gewissen Stellen noch zu glänzen vermag.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die ausgezeichneten Feldherren sind niemals aus der Klasse +der vielwissenden oder gar gelehrten Offiziere hervorgegangen. +Meistens konnten sie ihrer ganzen Lage nach auf keine große +Summe des Wissens eingerichtet sein. Darum sind auch die +immer als lächerliche Pedanten verspottet worden, die es für die +Erziehung eines künftigen Feldherrn nötig oder auch nur nützlich +halten, mit der Erkenntnis aller Details anzufangen. Es +läßt sich ohne große Mühe beweisen, daß sie ihm schaden wird, +weil der menschliche Geist durch die ihm mitgeteilten Kenntnisse +und Ideenrichtungen erzogen wird. Nur das Große kann +ihn großartig, das Kleine nur kleinlich machen, wenn er es +nicht wie etwas ganz Fremdes ganz von sich stößt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Je höher wir in den Führerstellen hinaufsteigen, um so +mehr wird Geist, Verstand und Einsicht in der Tätigkeit vorherrschend, +um so mehr wird also die Kühnheit, die eine Eigenschaft +des Gemüts ist, zurückgedrängt, und darum finden wir +sie in den höchsten Stellen so selten, aber um so bewunderungswürdiger +ist sie auch dann. Eine durch vorherrschenden Geist +geleitete Kühnheit ist der Stempel des Helden. Diese Kühnheit +besteht nicht im Wagen gegen die Natur der Dinge, in +einer plumpen Verletzung des Wahrscheinlichkeitsgesetzes, sondern +in der kräftigen Unterstützung jenes höheren Kalküls, den +das Genie, der Takt des Urteils in Blitzesschnelle und nur +halb bewußt durchlaufen hat, wenn er seine Wahl trifft. Je +mehr die Kühnheit den Geist und die Einsicht beflügelt, um so +weiter reichen diese mit ihrem Flug, um so umfassender wird +der Blick, um so richtiger das Resultat. Aber freilich immer +nur in dem Sinne, daß mit den größeren Zwecken auch die +größeren Gefahren verbunden bleiben. Der gewöhnliche +Mensch, um nicht von den schwachen und unentschlossenen zu +reden, kommt höchstens bei einer eingebildeten Wirksamkeit +auf seinem Zimmer, entfernt von Gefahr und Verantwortlichkeit, +zu einem richtigen Resultat, soweit nämlich ein solches +ohne lebendige Anschauung möglich ist. Treten ihm aber Gefahr +und Verantwortlichkeit überall nahe, so verliert er den +Überblick, und bliebe ihm dieser etwa durch den Einfluß anderer, +so würde er den Entschluß verlieren, weil da kein anderer +aushelfen kann.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Es ist eine sehr hervorstechende Eigentümlichkeit großer Feldherren, +im Unglück und in der Bedrängnis so wenig als möglich +aufzugeben, sich und dem Glücke zu vertrauen und es darauf +ankommen zu lassen, ob bessere Zeiten ohne große Verluste +zu erreichen sind. Gelingt es, so sind wir geneigt, jedesmal +alles für sichere Rechnung und klares Bewußtsein zu halten, +was erst bloß dunkles Wagen war.</p> + +<p>Je hervorstechender diese Eigentümlichkeit ist und je mehr +wir die innere Zuversicht bewundern, auf die alles gegründet +gewesen zu sein scheint, um so geneigter ist man, dieses hartnäckige +Verweilen auf einer Station der Laufbahn als eine +notwendige Bedingung, als ein unfehlbares Zeichen der Größe +im Unglück zu betrachten. Hätte Napoleon im Jahre 1812 im +Oktober jenseits Moskau durch irgendeinen Ministerwechsel +in Petersburg noch einen vorteilhaften Frieden erhalten, so +spräche man mit der höchsten Bewunderung von der Ausdauer, +die man jetzt für eine Art Raserei ansieht.</p> + +<p>Daß sich unser Urteil so sehr nach dem Erfolge richtet, ist +nichts weniger als unvernünftig, denn in den meisten Fällen +bleibt uns doch nicht viel anderes übrig. Der Erfolg einer +Unternehmung ist gewissermaßen die Rechenprobe, und es ist +sehr natürlich, daß man sich an sie hält.</p> + +<p>Dieser natürlichen, instinktartigen Richtung entgegen sieht +man oft, daß sich eine dünkelvolle Kritik darin gefällt: in den +bestgelungensten Unternehmungen gerade die größten Fehler +zu entdecken. In den meisten Fällen sind diese Urteile wirklich +nicht viel besser, als wenn ein Arzt behaupten wollte, ein Kranker, +dem er das Leben abgesprochen, lebe zu Unrecht weiter.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wer sich in einem Elemente bewegen will, wie der Krieg +es ist, darf durchaus aus seinen Büchern nichts mitbringen als +die Erziehung seines Geistes. Bringt er fertige Ideen mit, die +ihm nicht der Stoß des Augenblicks eingegeben, die er nicht +aus seinem eigenen Fleisch und Blut erzeugt hat, so wirft ihm +der Strom der Begebenheiten sein Gebäude nieder, ehe es +fertig ist. Es wird den anderen, den Naturmenschen, niemals +verständlich sein und wird gerade unter den ausgezeichnetsten +von ihnen, die selbst wissen, was sie wollen, das wenigste Vertrauen +genießen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der vollkommenste Generalstab mit den richtigsten Ansichten +und Grundsätzen reicht nicht hin, die ausgezeichnete Führung +einer Armee zu bedingen, wenn die Seele eines großen Feldherrn +fehlt. Die einer großen Feldherrnnatur angeborene Richtung +des Blickes und des Willens aber ist auch da ein vortreffliches +Korrektiv gegen die sich in ihre eigenen Pläne verwickelnde +Generalstabsgelehrsamkeit, wo sie dieser übrigens als Instrument +nicht entbehren kann.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Da der Krieg kein reines Produkt notwendiger Beziehungen +von Zweck und Mittel ist, sondern immer etwas von der Natur +des Glückspiels behält, so kann auch die Kriegführung jenes +Elements durchaus nicht entbehren, und der Feldherr, der zu +wenig Neigung zu diesem Spiel hat, wird, ohne es zu ahnen, +hinter der Linie zurückbleiben und im großen Kontobuche der +kriegerischen Erfolge in eine tiefere Schuld geraten, als er +denkt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Führer im Kriege muß das Werk seiner Tätigkeit einem +mitwirkenden Raume übergeben, den seine Augen nicht überblicken, +den der regste Eifer nicht immer erforschen kann, und +mit dem er bei dem beständigen Wechsel auch selten in eigentliche +Bekanntschaft kommt. Diese höchst eigentümliche Schwierigkeit +muß er durch eine eigentümliche Geistesanlage besiegen, +die, mit einem zu beschränkten Ausdruck, der Ortssinn genannt +wird. Es ist das Vermögen, sich von jeder Gegend schnell eine +richtige geometrische Vorstellung zu machen und als Folge davon +sich in ihr jedesmal leicht zurechtzufinden. Offenbar ist dies +ein Akt der Phantasie. Zwar geschieht das Auffassen dabei teils +durch das körperliche Auge, teils durch den Verstand, der mit +seinen aus Wissenschaft und Erfahrung geschöpften Einsichten +das Fehlende ergänzt und aus den Bruchstücken des körperlichen +Blicks ein Ganzes macht. Aber daß dies Ganze nun lebhaft +vor die Seele trete, ein Bild, eine innerlich gezeichnete Karte +werde, daß dies Bild bleibend sei, die einzelnen Züge nicht +immer wieder auseinanderfallen, das vermag nur die Geisteskraft +zu bewirken, die wir Phantasie nennen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Es ist natürlich, daß auch die Anwendungen dieses Talents +sich nach obenhin erweitern. Müssen sich Husar und Jäger +auf einer Patrouille in Weg und Steg leicht zurechtfinden, +und bedarf es dafür immer nur weniger Kennzeichen, einer +beschränkten Auffassungs- und Vorstellungsgabe, so muß der +Feldherr sich bis zu den allgemeinen geographischen Gegenständen +einer Provinz und eines Landes erheben, den Zug der +Straßen, Ströme und Gebirge immer lebhaft vor Augen haben, +ohne darum den beschränkten Ortssinn entbehren zu können. +Zwar sind ihm für die allgemeinen Gegenstände Nachrichten +aller Art, Karten, Bücher, Memoiren, und für die Einzelheiten +der Beistand seiner Umgebungen eine große Hilfe, aber gewiß +ist es dennoch, daß ein großes Talent in schneller und klarer +Auffassung der Gegend seinem ganzen Handeln einen leichteren +und festeren Schritt verleiht, ihn vor einer gewissen inneren +Unbeholfenheit schützt und weniger abhängig von andern macht.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die sehr große Masse von Kenntnissen und Fertigkeiten, +die der kriegerischen Tätigkeit im allgemeinen dienen, und die +nötig werden, ehe ein ausgerüstetes Heer ins Feld rücken kann, +drängen sich in wenige große Resultate zusammen, ehe sie dazu +kommen, im Kriege den endlichen Zweck ihrer Tätigkeit zu erreichen, +so wie die Gewässer des Landes sich in Ströme vereinigen, +ehe sie ins Meer kommen. Nur diese sich unmittelbar +ins Meer des Krieges ergießenden Tätigkeiten hat der kennen +zu lernen, der sie leiten will.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Feldherr braucht weder ein gelehrter Geschichtsforscher, +noch Publizist zu sein, aber er muß mit dem höheren Staatsleben +vertraut sein, die eingewohnten Richtungen, die aufgeregten +Interessen, die vorliegenden Fragen, die handelnden +Personen kennen und richtig ansehen. Er braucht kein feiner +Menschenbeobachter, kein haarscharfer Zergliederer des menschlichen +Charakters zu sein, aber er muß den Charakter, die +Denkungsart und Sitte, die eigentümlichen Fehler und Vorzüge +derer kennen, denen er befehlen soll. Er braucht nichts +von der Einrichtung eines Fuhrwerks, der Anspannung der +Pferde eines Geschützes zu verstehen, aber er muß den Marsch +einer Kolonne seiner Dauer nach unter den verschiedenen +Umständen richtig zu schätzen wissen. Alle diese Kenntnisse +lassen sich nicht durch den Apparat wissenschaftlicher Formeln +und Maschinerien erzwingen, sondern sie erwerben sich nur, +wenn in der Betrachtung der Dinge und im Leben ein treffendes +Urteil, wenn ein nach dieser Auffassung hin gerichtetes +Talent tätig ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das einer hochgestellten kriegerischen Tätigkeit nötige +Wissen zeichnet sich durchaus aus, daß es in der Betrachtung, +also im Studium und Nachdenken, nur durch ein eigentümliches +Talent erworben werden kann, das, wie die Biene den Honig +aus der Blume, als ein geistiger Instinkt aus den Erscheinungen +des Lebens nur den Geist zu ziehen versteht, und daß es neben +Betrachtung und Studium auch durch das Leben zu erwerben +ist. Das Leben mit seiner reichen Belehrung wird niemals +einen Newton oder Euler hervorbringen, wohl aber den +höheren Kalkül eines Condé oder Friedrichs des Großen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Irgendein großes Gefühl muß die großen Kräfte des Feldherrn +beleben, sei es der Ehrgeiz wie in Cäsar, der Haß des +Feindes wie in Hannibal, der Stolz eines glorreichen Unterganges +wie in Friedrich dem Großen.</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Kriegsplan_Numerische_Uberlegenheit_Friktion_im" id="Kriegsplan_Numerische_Uberlegenheit_Friktion_im">Kriegsplan. Numerische Überlegenheit. Friktion im +Kriege. Ungewißheit der Nachrichten</a></h2> + + +<p>Der Kriegsplan faßt den ganzen kriegerischen Akt zusammen. +Durch ihn wird er zur einzelnen Handlung, die einen letzten +endlichen Zweck haben muß, in dem sich alle besonderen Zwecke +ausgeglichen haben. Man fängt keinen Krieg an, oder man sollte +vernünftigerweise keinen anfangen, ohne sich zu sagen, was +man mit und was man in ihm erreichen will. Das erstere ist +der Zweck, das andere das Ziel. Durch diesen Hauptgedanken +werden alle Richtungen gegeben, der Umfang der Mittel, das +Maß der Energie bestimmt. Er äußert seinen Einfluß bis in die +kleinsten Glieder der Handlung hinab.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Zwei Hauptgrundsätze umfassen den ganzen Kriegsplan und +dienen allen übrigen zur Richtung.</p> + +<p>Der erste ist: das Gewicht der feindlichen Macht auf so wenige +Schwerpunkte als möglich zurückzuführen, wenn es sein kann, +auf einen; wiederum den Stoß gegen diese Schwerpunkte auf +so wenige Haupthandlungen als möglich zu beschränken, wenn +es sein kann, auf eine; endlich alle untergeordneten Handlungen +so untergeordnet als möglich zu halten. Mit einem Wort, der +erste Grundsatz ist: so konzentriert als möglich zu handeln.</p> + +<p>Der zweite Grundsatz lautet: so schnell als möglich zu handeln, +also keinen Aufenthalt und keinen Umweg ohne hinreichenden +Grund stattfinden zu lassen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Jeder Plan zu einem Feldzuge ist die Auswahl <em class="gesperrt">eines</em> Weges +unter tausend denkbaren. Je größer die kriegführenden Staaten +sind und die Massen, die sie in Bewegung setzen, um so größer +ist die Zahl der möglichen Kombinationen, und es ist ganz unmöglich, +alle zu erschöpfen. Darum bleibt man auch mehr oder +weniger immer dabei stehen, <em class="gesperrt">einen</em> fertigen Plan hinzustellen +und es dem Takt des Urteils zu überlassen, das Treffende wie +das Fehlerhafte daran herauszufühlen. Einem geraden, d. h. +unverdrehten Verstande wird die Wahrheit und das Richtige +ohne weitere Entwickelung der Gründe schon in der bloßen Aufstellung +im Augenblicke klar. Ein solcher Verstand hat für die +Wahrheit eine Art musikalisches Gefühl, das unreine Verhältnisse +wie Mißtöne leicht unterscheidet.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Besonders zu berücksichtigen beim Eindringen in ein Land +ist die Hauptstadt. Jede Hauptstadt hat ein großes strategisches +Gewicht, die eine mehr als die andre: diejenige mehr, die den +Begriff der Hauptstadt stärker in sich vereinigt, und <em class="gesperrt">die</em> am +meisten, die der Knoten politischer Parteiungen ist. Letzteres +ist der Fall mit Paris.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Schwerpunkt des französischen Reiches liegt in seiner +Kriegsmacht und in Paris. Jene in einer Hauptschlacht besiegen, +Paris erobern, die Überreste des feindlichen Heeres +über die Loire zurückwerfen, muß unser Ziel sein. Die Herzgrube +Frankreichs liegt zwischen Paris und Brüssel. Dort ist +die Grenze von der Hauptstadt nur dreißig Meilen entfernt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Auch als Nebenunternehmung ist ein Angriff auf das südliche +Frankreich verwerflich, denn er weckt nur neue Kräfte +gegen uns. Jedesmal, wenn man eine entfernte Provinz angreift, +rührt man Interessen und Tätigkeiten auf, die sonst geschlummert +hätten.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Theorie fordert die kürzesten Wege zum Ziel und schließt +die Erörterung über rechts und links, hierhin oder dorthin, von +der Betrachtung ganz aus. Napoleon hat niemals anders gehandelt. +Die <em class="gesperrt">nächste</em> Hauptstraße von Heer zu Heer oder von +Hauptstadt zu Hauptstadt war ihm immer der <em class="gesperrt">liebste</em> Weg.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Es war einer der allerbesten Grundsätze des Meisters (Bonaparte) +in den Feldzügen von 1796 und 1797: sich auf den untergeordneten +Punkten mit so wenig Truppen als möglich zu behelfen, +um auf dem Hauptpunkte recht stark zu sein.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die <em class="italic">Centra gravitatis</em> in der feindlichen Kriegsmacht zu +unterscheiden, ihre Wirkungsweise zu erkennen, ist ein Hauptakt +des strategischen Urteils. Man wird sich nämlich jedesmal +fragen müssen, welche Wirkungen das Vorgehen und Zurückgehen +des einen Teils der gegenseitigen Streitkräfte auf die +übrigen hervorbringen wird.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn wir die neueste Kriegsgeschichte ohne Vorurteil betrachten, +so müssen wir uns gestehen, daß die Überlegenheit +in der Zahl mit jedem Tag entscheidender wird. Wir müssen +also den Grundsatz, möglichst stark im entscheidenden Gefecht +zu sein, allerdings jetzt etwas höher stellen, als er vielleicht +ehemals gestellt worden ist.</p> + +<p>Mut und Geist des Heeres haben zu allen Zeiten die physischen +Kräfte gesteigert und werden es auch ferner tun. Aber +wir finden in der Geschichte Zeiten, wo eine große Überlegenheit +in der Einrichtung und Ausrüstung der Heere, andere, wo +eine solche Überlegenheit in der Beweglichkeit ein bedeutendes +moralisches Übergewicht gab.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Heere sind in unseren Tagen einander an Bewaffnung, +Ausrüstung und Übung so ähnlich, daß zwischen den besten und +den schlechtesten kein sehr merklicher Unterschied in diesen +Dingen besteht. Die einen sind die Erfinder und Anführer in +den besseren Einrichtungen, und die anderen die schnell folgenden +Nachahmer. Selbst die Unterfeldherren, die Führer der +Korps und Divisionen, haben überall, was ihr Handwerk betrifft, +ziemlich dieselben Ansichten und Methoden, so daß außer +dem Talent des obersten Feldherrn, das schwerlich in einem +konstanten Verhältnis zu der Bildung des Volkes und Heeres +zu denken, sondern ganz dem Zufall überlassen ist, nur noch die +Kriegsgewohnheit ein merkliches Übergewicht geben kann. Je +mehr das Gleichgewicht in allen jenen Dingen besteht, um so +entscheidender wird das Machtverhältnis.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die absolute Stärke ist in der Strategie meist ein Gegebenes, +an dem der Feldherr nichts mehr ändern kann. Hieraus kann +aber nicht gefolgert werden, daß der Krieg mit einem merklich +schwächeren Heer unmöglich sei. Der Krieg ist nicht immer +ein freier Entschluß der Politik, und am wenigsten ist er es da, +wo die Kräfte sehr ungleich sind. Folglich läßt sich jedes Machtverhältnis +im Kriege denken, und es wäre eine sonderbare +Kriegstheorie, die sich da ganz lossagen wollte, wo sie am meisten +gebraucht wird.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das sukzessive Heranziehen der Kräfte zu nachhaltigen +wiederholten Stößen, das in der Taktik eine so unendlich wichtige +Sache ist, ist in der Strategie ganz gegen die Natur der +Dinge. Es ist einer der Hauptgrundsätze der Strategie, <em class="gesperrt">alle</em> +vorhandenen Streitkräfte <em class="gesperrt">gleichzeitig</em> in den Kampf zu führen, +oder, im Falle sie nicht alle gebraucht werden, so viel als zur +Sicherung des Erfolgs notwendig sind. Nur das, was zum +Augenblicke, da das Handeln eintreten <em class="gesperrt">muß</em>, durchaus nicht +beschafft werden <em class="gesperrt">kann</em>, nur das darf zur Reserve und zum nachhaltigen +Gebrauch verwendet werden.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Theoretisch klingt es ganz gut: Der Bataillonskommandeur +ist verantwortlich für die Ausführung des gegebenen Befehls, +und da das Bataillon durch die Disziplin zu einem Stück zusammengeschweißt +ist, sein Führer aber ein Mann von anerkanntem +Eifer sein muß, so dreht sich der Balken um einen +eisernen Zapfen mit wenig Friktion. So ist es aber in Wirklichkeit +nicht. Das Bataillon bleibt immer aus einer Anzahl +Menschen zusammengesetzt, von denen, wenn es der Zufall +will, der unbedeutendste imstande ist, einen Aufenthalt oder +sonst eine Unregelmäßigkeit zu bewirken.</p> + +<p>Diese entsetzliche Friktion, die sich nicht wie in der Mechanik +auf wenige Punkte konzentrieren läßt, ist überall im Kontakt +mit dem Zufall und bringt Erscheinungen hervor, die sich gar +nicht berechnen lassen, eben weil sie zum großen Teil dem Zufall +angehören.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein großer Teil der Nachrichten, die man im Kriege bekommt, +ist widersprechend, ein noch größerer ist falsch und bei +weitem der größte einer ziemlichen Ungewißheit unterworfen. +Was man hier vom Offizier fordern kann, ist ein gewisses Unterscheiden, +das nur Sach- und Menschenkenntnis und Urteil geben +können. Das Gesetz des Wahrscheinlichen muß ihn leiten. Diese +Schwierigkeit ist nicht unbedeutend bei den ersten Entwürfen, +die auf dem Zimmer und noch außerhalb der eigentlichen +Kriegssphäre gemacht werden, aber unendlich größer ist sie da, +wo im Getümmel des Krieges selbst eine Nachricht die andere +drängt. Die meisten Nachrichten sind falsch, und die Furchtsamkeit +der Menschen vermehrt die Kraft der Lüge und Unwahrheit. +In der Regel ist jeder geneigt, das Schlimme eher +zu glauben als das Gute. Jeder ist geneigt, das Schlimme +etwas zu vergrößern, und die Gefährlichkeiten, die auf +diese Weise berichtet werden, obgleich sie wie die Wellen des +Meeres in sich selbst zusammensinken, kehren doch wie jene +ohne sichtbare Veranlassung immer von neuem zurück. Fest im +Vertrauen auf sein besseres inneres Wissen muß der Führer +dastehen wie der Fels, an dem sich die Welle bricht. Die Rolle +ist nicht leicht. Wer nicht von Natur mit leichtem Blute begabt +oder durch kriegerische Erfahrungen geübt und im Urteil gestärkt +ist, mag es sich eine Regel sein lassen, sich gewaltsam, +d. h. gegen das innere Niveau seiner eigenen Überzeugung, +von der Seite der Befürchtungen ab auf die Seite der Hoffnungen +hinzuneigen. Er wird nur dadurch das wahre Gleichgewicht +erhalten können. Diese Schwierigkeit, richtig zu sehen, +die eine der allergrößten Friktionen im Kriege ausmacht, +läßt die Dinge ganz anders erscheinen, als man sie gedacht +hat. Der Eindruck der Sinne ist stärker als die Vorstellungen +des überlegenden Kalküls, und dies geht so weit, daß wohl +noch nie eine einigermaßen wichtige Unternehmung ausgeführt +worden ist, wo der Befehlshaber nicht in den ersten Momenten +der Ausführung neue Zweifel bei sich zu besiegen gehabt hätte. +Gewöhnliche Menschen, die fremden Eingebungen folgen, +werden daher meistens an Ort und Stelle unschlüssig; sie glauben +die Umstände anders gefunden zu haben, als sie solche +vorausgesetzt hatten, und zwar um so mehr, da sie auch hier +sich wieder fremden Eingebungen überlassen. Aber auch der, +der selbst entwarf und jetzt mit eigenen Augen sieht, wird +leicht an seiner vorigen Meinung irre. Festes Vertrauen zu +sich selbst muß ihn gegen den scheinbaren Drang des Augenblicks +waffnen. Seine frühere Überzeugung wird sich bei der +Entwicklung bewähren, wenn die vorderen Kulissen, die das +Schicksal in die Kriegsszenen einschiebt, mit ihren dick aufgetragenen +Gestalten der Gefahr weggezogen, und der Horizont +erweitert ist. Dies ist eine der großen Klüfte zwischen +Entwerfen und Ausführen.</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Operationsbasis_Marsche_Festungen_Gebirgskrieg" id="Operationsbasis_Marsche_Festungen_Gebirgskrieg">Operationsbasis. Märsche. Festungen. Gebirgskrieg</a></h2> + + +<p>Das Heer gleicht einem Baume. Aus dem Boden, auf dem +er wächst, zieht er seine Lebenskräfte. Ist er klein, so kann er +leicht verpflanzt werden; dies wird aber schwieriger, je größer +er wird. Ein kleiner Haufe hat auch seine Lebenskanäle, aber +er schlägt leicht Wurzeln, wo er sich befindet; nicht so ein zahlreiches +Heer. Wenn also von dem Einfluß der Basis auf die +Unternehmungen die Rede ist, so muß allen Vorstellungen immer +der Maßstab zugrunde liegen, den die Größe des Heeres bedingt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Stets hat <em class="gesperrt">die Schweiz</em> ängstliche Neutralität beobachtet. +Seit Jahrhunderten ist sie allen europäischen Händeln fremd +geblieben. Es gehört also ein viel größerer Übermut, eine entschiedene +Geringschätzung aller alten Verhältnisse dazu, sich zu +einem Einbruche in die Schweiz zu entschließen, als zur Überwältigung +anderer Staaten, obgleich die Schweiz einen hohen +Wert als Angriffsstation hat, weil man durch ihren Besitz +imstande ist, das Innere Frankreichs mit einer Invasion zu +bedrohen, ohne vor den französischen Festungen stehen bleiben +zu müssen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn ein Heer zu einer Unternehmung vorschreitet, sei es, +um den Feind und sein Kriegstheater anzugreifen oder sich an +den Grenzen des eigenen aufzustellen, so bleibt es von den Quellen +seiner Verpflegung und Ergänzung in einer notwendigen +Abhängigkeit und muß die Verbindung mit ihnen unterhalten, +denn sie sind die Bedingungen seines Daseins und Bestehens. +Diese Abhängigkeit wächst intensiv und extensiv mit der Größe +des Heeres. Nun ist es aber weder immer möglich noch erforderlich, +daß das Heer mit dem ganzen Lande in unmittelbarer +Verbindung bleibt, sondern nur mit dem Stück, das sich gerade +hinter ihm befindet und folglich durch seine Stellung gedeckt +ist. In diesem Teile des Landes werden dann, soweit es +nötig ist, besondere Anlagen von Vorräten gemacht und Veranstaltungen +zur regelmäßigen Fortschaffung der Ergänzungskräfte +getroffen. Dieses Stück des Landes ist also die Grundlage +des Heeres und aller seiner Unternehmungen; es muß als +ein Ganzes mit demselben betrachtet werden. Sind die Vorräte +zu ihrer größeren Sicherheit in befestigten Orten angelegt, +so wird der Begriff einer Basis dadurch verstärkt, aber er entsteht +nicht erst dadurch, denn in einer Menge von Fällen findet +dies nicht statt.</p> + +<p>Aber auch ein Stück des feindlichen Landes kann die Grundlage +eines Heeres bilden, oder wenigstens mit dazu gehören. +Denn wenn ein Heer im feindlichen Lande vorgerückt ist, werden +eine Menge Bedürfnisse aus dem eingenommenen Teile gezogen. +Die Bedingung ist in diesem Fall, daß man wirklich +Herr dieses Landstrichs, d. h. der Befolgung der Anordnungen +gewiß ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Bedürfnisse eines Heeres muß man in zwei Klassen +teilen, nämlich die, die jede angebaute Gegend gibt, und +andere, die es nur aus den Quellen seiner Entstehung ziehen +kann. Die ersten sind hauptsächlich Unterhalts- und die zweiten +Ergänzungsmittel. Die ersteren kann auch das feindliche +Land, die letzteren in der Regel nur das eigene liefern, z. B. +Menschen, Waffen und meistens auch Munition.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Sind einmal die Anstalten zur Ergänzung und Ernährung +des Heeres in einem gewissen Bezirk und für eine gewisse Richtung +getroffen, so ist selbst im eigenen Lande nur dieser Bezirk +als die Basis des Heeres zu betrachten, und da eine Veränderung +hierin immer Zeit und Kraftaufwand erfordert, so kann auch +im eigenen Lande das Heer seine Basis nicht von einem Tage +zum andern verlegen, und darum ist es auch in der Richtung +seiner Unternehmungen immer mehr oder weniger beschränkt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Verpflegung der Truppen bietet, wie sie auch geschehen +möge (durch Magazine oder Beitreibungen), immer solche +Schwierigkeiten, daß sie eine sehr entscheidende Stimme bei +der Wahl der Maßregeln hat. Sie ist oft der wirksamsten Kombination +entgegen und nötigt, der Nahrung nachzugehen, wo +man dem Siege, dem glänzenden Erfolge nachgehen möchte. +Durch sie vorzüglich bekommt die ganze Maschine die Schwerfälligkeit, +durch die ihre Wirkungen so weit hinter dem Fluge +großer Entwürfe zurückbleiben.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wo aus irgendeinem Grunde der Gang der Begebenheiten +weniger reißend ist, wo mehr ein gleichgewichtiges Schweben +und Abwägen der Kräfte stattfindet, da ist das Unterbringen +der Truppen unter Dach und Fach ein Hauptgegenstand der +Aufmerksamkeit des Feldherrn.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ohne in Bonaparte den leidenschaftlichen Spieler zu verkennen, +der sich oft in ein tolles Extrem wagte, kann man doch +wohl sagen, daß er und die ihm vorangegangenen Revolutionsfeldherren +in Rücksicht auf die Verpflegung ein mächtiges Vorurteil +beiseite geschafft und gezeigt haben, daß diese nie anders als +unter dem Gesichtspunkt einer Bedingung, also niemals als +Zweck betrachtet werden müsse.</p> + +<p>Übrigens verhält es sich mit der Entbehrung im Kriege wie +mit der körperlichen Anstrengung und der Gefahr. Die Forderungen, +die der Feldherr an sein Heer machen kann, sind +durch keine bestimmten Linien begrenzt. Ein starker Charakter +fordert mehr als ein weichlicher Gefühlsmensch. Auch die +Leistungen des Heeres sind verschieden, je nachdem Gewohnheit, +kriegerischer Geist, Vertrauen und Liebe zum Feldherrn oder +Enthusiasmus für die Sache des Vaterlandes den Willen und +die Kräfte des Soldaten unterstützen. Aber das sollte man +wohl als Grundsatz aufstellen können, daß Entbehrung und +Not, wie hoch sie auch gesteigert werden mögen, immer nur als +vorübergehende Zustände betrachtet werden und daß sie zu +reichlichem Unterhalt, ja wohl auch einmal zum Überfluß führen +müssen. Gibt es etwas Rührenderes als den Gedanken an so +viele tausend Soldaten, die, schlecht gekleidet, mit einem Gepäck +von dreißig bis vierzig Pfund belastet, sich auf tagelangen +Märschen in jedem Wetter und Wege mühsam fortschleppen, +Gesundheit und Leben unaufhörlich auf das Spiel setzen und +sich dafür nicht einmal in trockenem Brote sättigen können. +Wenn man weiß, wie oft dies im Kriege vorkommt, so begreift +man in der Tat kaum, wie es nicht öfter zum Versagen des +Willens und der Kräfte führt, und wie eine bloße Richtung +der Vorstellungen im Menschen fähig ist, durch ihr nachhaltiges +Wirken solche Anstrengungen hervorzurufen und zu unterstützen.</p> + +<p>Wer also dem Soldaten große Entbehrungen auferlegt, +weil große Zwecke es fordern, der wird, sei es aus Gefühl +oder aus Klugheit, auch die Entschädigung im Auge haben, +die er ihm dafür zu andern Zeiten schuldig ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Über das Maß eines Marsches und die dazu erforderliche +Zeit ist es natürlich, sich an die allgemeinen Erfahrungssätze +zu halten.</p> + +<p>Für unsere neueren Heere steht es längst fest, daß ein Marsch +von drei Meilen (21 Kilometer) das gewöhnliche Tagewerk +ist, das bei langen Zügen sogar auf zwei Meilen (14 Kilometer) +heruntergesetzt werden muß, um die nötigen Rasttage einschalten +zu können, die für die Herstellung alles schadhaft Gewordenen +bestimmt sind.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein einzelner mäßiger Marsch nutzt das Instrument nicht +ab, aber eine Reihe von mäßigen tut es schon, und eine Reihe +von schwierigen natürlich viel mehr.</p> + +<p>Auf der Kriegsbühne selbst sind Mangel an Verpflegung +und Unterkommen, schlechte, ausgefahrene Wege und die Notwendigkeit +beständiger Schlagfertigkeit die Ursachen der unverhältnismäßigen +Kraftanstrengungen, durch die Menschen, +Vieh, Fuhrwerk und Bekleidung zugrunde gerichtet werden.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Man muß sich auf eine große Zerstörung seiner eigenen +Kräfte gefaßt machen, wenn man einen bewegungsreichen Krieg +führen will, danach seinen übrigen Plan errichten und vor +allem die Verstärkungen, die nachrücken sollen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Entfernung (eines Heeres) von der Quelle, aus der +die unaufhörlich sich schwächende Streitkraft ebenso unaufhörlich +erzeugt werden muß, nimmt mit dem Vorrücken zu. Eine +erobernde Armee gleicht hierin dem Licht einer Lampe. Je +weiter sich das nährende Öl heruntersenkt, um so kleiner wird +die Flamme.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Festungen sind ein eigentlicher Schild gegen den feindlichen +Angriff, dessen Strom sich an ihnen bricht wie an Eisblöcken.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein Verteidigungsheer ohne Festungen hat hundert verwundbare +Stellen. Es ist ein Körper ohne Harnisch.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Offenbar ist die Wirksamkeit einer Festung aus zwei verschiedenen +Elementen zusammengesetzt, dem passiven und dem +aktiven. Durch das erste schützt sie den Ort und alles, was in +ihm enthalten ist; durch das andere übt sie einen gewissen Einfluß +auf die auch über ihre Kanonenschußweite hinaus liegende +Umgegend.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Unternehmungen, die die Besatzung einer Festung sich +erlauben darf, sind immer ziemlich beschränkt. Selbst bei +großen Festungen und starken Besatzungen sind die Haufen, +die dazu ausgesandt werden können, in Beziehung auf die im +Felde stehenden Streitkräfte meistens nicht beträchtlich, und +der Durchmesser ihres Wirkungskreises beträgt selten über ein +paar Märsche. Ist die Festung aber klein, so werden die Haufen +ganz unbedeutend, und ihr Wirkungskreis wird meist auf die +nächsten Dörfer beschränkt sein. Solche Korps aber, die nicht +zur Besatzung gehören, also nicht notwendig in die Festung +zurückkehren müssen, sind dadurch viel weniger gebunden, und +so kann durch sie die aktive Wirkungssphäre einer Festung, +wenn die übrigen Umstände dazu günstig sind, außerordentlich +erweitert werden.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Erzherzog Karl hat als erster aller Theoretiker den Satz ausgesprochen, +daß das Gebirge dem Verteidiger nachteilig sei, +wobei wir hinzufügen: insofern eine große Entscheidung gesucht +wird oder zu befürchten ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Mit der Hauptmacht ist das Gebirge womöglich zu vermeiden +und seitwärts liegen zu lassen oder vor oder hinter +sich zu behalten. Im übrigen ist das Gebirge im allgemeinen +sowohl in der Taktik wie in der Strategie der Verteidigung +ungünstig. Es raubt die Übersicht und hindert die Bewegungen +nach allen Richtungen. Es zwingt zur Passivität.</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Das_Gefecht_Verluste_Reserven_Die_Hauptschlacht" id="Das_Gefecht_Verluste_Reserven_Die_Hauptschlacht">Das Gefecht. Verluste. Reserven. Die Hauptschlacht. +Sieg und Verfolgung</a></h2> + + +<p>Der Mittel gibt es im Kriege nur ein einziges. Es ist der +Kampf. Wie mannigfaltig dieser auch gestaltet sei, wie weit +er sich von der rohen Entledigung des Hasses und der Feindschaft +im Faustkampfe entfernen möge, wie viel Dinge sich einschieben +mögen, die nicht selbst Kampf sind: immer liegt es im +Begriff des Krieges, daß alle in ihm erscheinenden Wirkungen +ursprünglich vom Kampf ausgehen müssen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Es bezieht sich also alle kriegerische Tätigkeit notwendig auf +das Gefecht, entweder unmittelbar oder mittelbar. Der Soldat +wird ausgehoben, gekleidet, bewaffnet, geübt, er schläft, ißt, trinkt +und marschiert, alles nur, um an rechter Stelle und zu rechter +Zeit zu fechten.</p> + +<p>Endigen somit im Gefecht alle Fäden kriegerischer Tätigkeit, +so werden wir sie auch alle auffassen, indem wir die Anordnung +der Gefechte bestimmen. Nur von dieser Anordnung und ihrer +Vollziehung gehen die Wirkungen aus, niemals unmittelbar +von den ihnen vorhergehenden Bedingungen. Nun ist im +Gefecht alle Tätigkeit auf die Vernichtung des Gegners oder +vielmehr seiner Streitfähigkeit gerichtet, denn dies liegt in +seinem Begriff. Die Vernichtung der feindlichen Streitkraft +ist also immer das Mittel, um den Zweck des Gefechts zu erreichen.</p> + +<p>Dieser Zweck kann ebenfalls die bloße Vernichtung der feindlichen +Streitmacht sein, aber dies ist keineswegs notwendig, +sondern es kann auch etwas ganz anderes sein. Sobald nämlich +das Niederwerfen des Gegners nicht das einzige Mittel ist, den +politischen Zweck zu erreichen, sobald es andre Gegenstände gibt, +die man als Ziel im Kriege verfolgen kann: so folgt von selbst, +daß diese Gegenstände der Zweck einzelner kriegerischer Akte +werden können, also auch der Zweck von Gefechten.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wäre die Schlacht auch nicht das kräftigste, das gewöhnlichste +und wirksamste Mittel der Entscheidung, so würde es doch hinreichen, +daß sie überhaupt zu den Mitteln der Entscheidung gehört, +um die stärkste Vereinigung der Kräfte zu fordern, die die +Umstände irgend gestatten. Eine Hauptschlacht auf dem Kriegstheater +ist der Stoß des Schwerpunktes gegen den Schwerpunkt. +Je mehr Kräfte man in dem einen oder andern versammeln +kann, um so sicherer und größer wird die Wirkung sein. Also +jede Teilung der Kräfte, die nicht durch einen Zweck hervorgerufen +wird (der entweder selbst durch eine glückliche Schlacht +nicht erreicht werden kann, oder der den glücklichen Ausgang +der Schlacht selbst bedingt), ist verwerflich.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das Gefecht ist die eigentliche kriegerische Tätigkeit; alles +übrige ist nur Träger. Gefecht ist Kampf, und in ihm ist die +Vernichtung oder Überwindung des Gegners der Zweck.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Was ist die Überwindung des Gegners? Immer nur die +Vernichtung seiner Streitkraft, sei es durch Tod oder Wunden +oder auf was für eine andere Art, sei es ganz und gar, oder +nur in einem solchen Maße, daß er den Kampf nicht mehr fortsetzen +will. Wir können also, solange wir von allen besonderen +Zwecken der Gefechte absehen, die gänzliche oder teilweise Vernichtung +des Gegners als den einzigen Zweck aller Gefechte +betrachten.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die unmittelbare Vernichtung der feindlichen Streitkräfte +ist überall das Vorherrschende. Wir stellen also das Vernichtungsprinzip +auf. Indessen befinden wir uns in der +Strategie und nicht in der Taktik und dürfen also nicht von +den Mitteln sprechen, die jene haben mag, mit wenig Kraftaufwand +viel feindliche Streitkräfte zu vernichten, sondern +müssen daran erinnern, daß wir unter unmittelbarer Vernichtung +die taktischen Erfolge verstehen. Unsere Behauptung +lautet also, daß nur große taktische Erfolge zu großen strategischen +führen können, oder, bestimmter ausgedrückt, daß die +taktischen Erfolge von vorherrschender Wichtigkeit in der Kriegführung +sind.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Frage, ob ein einfacher Stoß oder ein mehr zusammengesetzter, +kunstvoller größere Wirkung hervorbringt, mag unzweifelhaft +für den letzteren entschieden werden, solange der +Gegner als ein leidender Gegenstand gedacht wird. Allein +jeder zusammengesetzte Stoß erfordert mehr Zeit, und diese +Zeit muß ihm gegönnt werden, ohne daß durch einen Gegenstoß +auf einen der Teile das Ganze in den Vorbereitungen zu +seiner Wirkung gestört wird. Entscheidet sich nun der Gegner +zu einem einfacheren Stoß, der in kurzer Zeit ausgeführt ist, +so gewinnt er den Vorsprung und stört die Wirkung des großen +Plans. Man muß also bei dem Werte des zusammengesetzten +Stoßes alle Gefahren in Betracht bringen, die man während +seiner Vorbereitung läuft, und kann ihn nur anwenden, wenn +man vom Gegner nicht zu fürchten braucht, durch einen kürzeren +gestört zu werden. Sooft dies der Fall ist, muß man selber +den kürzeren wählen und in diesem Sinne so weit hinuntersteigen, +als es der Charakter, die Verhältnisse des Gegners und +andere Umstände nötig machen. Verlassen wir die schwachen +Eindrücke abstrakter Begriffe und steigen wir ins wirkliche +Leben hinab, so wird ein rascher, mutiger, entschlossener +Gegner uns nicht Zeit zu weitaussehenden künstlichen Zusammensetzungen +lassen, und gerade gegen einen solchen bedürfen +wir der Kunst am meisten. Hiermit, scheint es uns, +ist das Vorherrschen der einfachen und unmittelbaren Erfolge +vor den zusammengesetzten schon gegeben.</p> + +<p>Unsere Meinung ist also nicht, daß der einfache Stoß der +beste sei, sondern daß man nicht weiter ausholen dürfe, als der +Spielraum erlaubt, und daß dies immer mehr zum unmittelbaren +Kampf hinführen wird, je kriegerischer der Gegner ist. Also +weit entfernt, den Gegner nach der Richtung zusammengesetzter +Stöße hin überbieten zu dürfen, muß man vielmehr suchen, +ihm nach der entgegengesetzten Richtung hin immer voran +zu sein.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Was ist nun unter Vernichtung der feindlichen Streitkraft +zu verstehen? Eine Verminderung derselben, die verhältnismäßig +größer ist als die unsrer eigenen. Wenn wir eine große +Überlegenheit der Zahl über den Feind haben, so wird natürlich +diese absolute Größe des Verlustes für uns kleiner sein als +für ihn und folglich schon als ein Vorteil betrachtet werden +können. Nur der unmittelbare Gewinn, den wir im gegenseitigen +Zerstörungsprozeß machen, kann als Zweck des Gefechts +betrachtet werden, denn dieser Gewinn ist ein absoluter, der +die Rechnung des ganzen Feldzugs durchläuft und sich am +Schluß immer als reiner Gewinn erweist. Jede andere Art +des Sieges über unseren Gegner aber würde entweder ihren +Grund in anderen Zwecken haben, von denen wir hier ganz absehen, +oder nur einen einstweiligen relativen Vorteil geben. +Ein Beispiel soll uns dies klarmachen.</p> + +<p>Wenn wir unsern Gegner durch eine geschickte Anordnung +in eine so nachteilige Lage versetzt haben, daß er das Gefecht +ohne Gefahr nicht fortsetzen kann und er sich nach einigem +Widerstande zurückzieht, so können wir sagen, daß wir ihn auf +diesem Punkt überwunden haben. Haben wir aber bei dieser +Überwindung gerade in demselben Verhältnis an Streitkräften +eingebüßt als er, so wird bei der Schlußrechnung des Feldzugs +von diesem Siege, wenn man einen solchen Erfolg so nennen +könnte, nichts übrigbleiben. Es kommt also das Überwinden +des Gegners, d. h. die Versetzung desselben in einen solchen +Zustand, daß er das Gefecht aufgeben muß, an und für sich +nicht in Betracht und kann deshalb auch nicht in die Definition +des Zweckes aufgenommen werden, und so bleibt denn, wie gesagt, +nichts übrig als der unmittelbare Gewinn, den wir im +Zerstörungsprozeß gemacht haben. Es gehören aber dahin +nicht bloß die Verluste, die im Verlauf des Gefechts vorkommen, +sondern auch die, die nach dem Abzug des besiegten +Teils als unmittelbare Folge eintreten.</p> + +<p>Nun ist es eine bekannte Erfahrung, daß die Verluste an +physischen Streitkräften im Laufe des Gefechts selten eine große +Verschiedenheit zwischen Sieger und Besiegtem zeigen, oft gar +keine, zuweilen auch wohl eine sich umgekehrt verhaltende, und +daß die entscheidendsten Verluste für den Besiegten erst mit +dem Abzug eintreten, nämlich die, die der Sieger nicht mit ihm +teilt.</p> + +<p>Der Verlust an physischen Streitkräften ist nicht der einzige, +den beide Teile im Verlauf des Gefechts erleiden, sondern +auch die moralischen werden erschüttert, gebrochen und gehen +zugrunde. Es ist nicht bloß der Verlust an Menschen, Pferden +und Geschützen, sondern an Ordnung, Mut, Vertrauen, Zusammenhang +und Plan, der bei der Frage in Betracht kommt, +ob das Gefecht noch fortgesetzt werden kann oder nicht. Die +moralischen Kräfte sind es vorzugsweise, die hier entscheiden, +und sie waren es allein in allen Fällen, wo der Sieger ebensoviel +verloren hatte wie der Besiegte.</p> + +<p>Das Verhältnis des physischen Verlustes ist ohnehin im +Laufe des Gefechts schwer zu schätzen, aber das Verhältnis des +moralischen nicht. Zwei Dinge geben ihn hauptsächlich kund. +Das erste ist der Verlust des Bodens, auf dem man gefochten, +das andere das Übergewicht der feindlichen Reserven. Je +stärker unsere Reserven im Verhältnis zu den feindlichen zusammenschwinden, +um so mehr Kräfte haben wir gebraucht, +das Gleichgewicht zu erhalten. Schon darin tut sich ein fühlbarer +Beweis der moralischen Überlegenheit des Gegners kund, +der auch selten verfehlt, im Gemüt des Feldherrn eine gewisse +Bitterkeit und Geringschätzung seiner eigenen Truppen +zu erzeugen. Aber die Hauptsache ist, daß alle Truppen, die +schon anhaltend gefochten haben, mehr oder weniger wie eine +ausgebrannte Schlacke erscheinen. Sie haben sich verschossen, +sind zusammengeschmolzen; ihre physische und moralische Kraft +ist erschöpft, auch wohl ihr Mut gebrochen. Eine solche Truppe +ist somit auch, abgesehen von der Verminderung ihrer Zahl, als +ein organisches Ganze betrachtet, bei weitem nicht mehr, was +sie vor dem Gefecht war, und daher kommt es, daß sich der +Verlust an moralischen Kräften an dem Maß verbrauchter +Reserven wie an einem Zollstock kundtut.</p> + +<p>Jedes Gefecht ist also die blutige und zerstörende Ausgleichung +der Kräfte, der physischen und moralischen. Wer +am Schluß die größte Summe von beiden übrig hat, ist der +Sieger.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Im Gefecht war der Verlust der moralischen Kräfte die +vorherrschende Ursache der Entscheidung. Nachdem diese gefallen, +bleibt jener Verlust im Steigen und erreicht erst am +Schluß des ganzen Aktes seinen Höhepunkt. Es wird also +auch das Mittel, den Gewinn in der Zerstörung der physischen +Streitkräfte zu machen, was der eigentliche Zweck des Gefechts +war.</p> + +<p>Die verlorene Ordnung und Einheit macht oft sogar den +Widerstand einzelner verderblich. Der Mut des Ganzen ist +gebrochen. Die ursprüngliche Spannung über Verlust und +Gewinn, in der die Gefahr vergessen wurde, ist aufgelöst; und +den meisten erscheint die Gefahr nun nicht mehr wie eine Herausforderung +des Mutes, sondern wie das Erleiden einer +harten Züchtigung. So ist das Instrument im ersten Augenblick +des Sieges geschwächt und abgestumpft und darum nicht +mehr geeignet, Gefahr mit Gefahr zu vergelten.</p> + +<p>Diese Zeit muß der Sieger benutzen, um den eigentlichen +Gewinn an der physischen Kraftzerstörung zu machen. Nur +was er hierin erreicht, bleibt ihm gewiß. Denn die moralischen +Kräfte kehren im Gegner nach und nach zurück; die Ordnung +wird wieder hergestellt, sein Mut wieder gehoben, und es bleibt +in der Mehrheit der Fälle nur ein sehr geringer Teil vom errungenen +Übergewicht zurück, oft gar keins. Und in einzelnen, +obgleich seltenen Fällen entsteht wohl gar durch Rache und +stärkeres Anfachen der Feindschaft eine umgekehrte Wirkung. +Dagegen kann, was an Toten, Verwundeten, Gefangenen und +an erobertem Geschütz und sonstigem Kriegsgerät gewonnen +ist, niemals aus der Rechnung verschwinden.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Verluste <em class="gesperrt">in</em> der Schlacht bestehen mehr in Toten und +Verwundeten, die <em class="gesperrt">nach</em> der Schlacht mehr in verlorenem Geschütz +und Gefangenen. Die ersteren teilt der Sieger mehr oder +weniger mit dem Besiegten; die letzteren nicht, und deshalb +finden sie sich gewöhnlich nur auf der einen Seite des Kampfes +oder wenigstens dort in bedeutender Überzahl.</p> + +<p>Geschütze und Gefangene sind darum jederzeit als die wahren +Trophäen des Sieges betrachtet worden und zugleich als sein +Maßstab, weil sich an ihnen sein Umfang unzweifelhaft kundtut.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Daß sich die in dem Gefecht und seinen ersten Folgen zugrundegerichteten +moralischen Kräfte nach und nach wiederherstellen +und oft keine Spur ihrer Zerstörung lassen, ist zumeist +der Fall bei kleinen Abteilungen des Ganzen, seltener +bei großen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wir dürfen das verlorene Gleichgewicht der moralischen +Kräfte nicht darum gering achten, weil es keinen absoluten +Wert hat und nicht unfehlbar in der endlichen Summe der Erfolge +erscheint. Es kann von einem so überwiegenden Gewicht +werden, daß es mit unwiderstehlicher Gewalt alles niederwirft.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Über den Verlust an Toten und Verwundeten sind die gegenseitigen +Berichte nie genau, selten wahrhaft und in den meisten +Fällen voll absichtlicher Entstellung. Selbst die Zahl der +Trophäen wird selten ganz zuverlässig gegeben, und wo sie +nicht sehr bedeutend ist, kann auch sie noch Zweifel an dem +Siege übriglassen. Vom Verlust an moralischen Kräften läßt +sich außer den Trophäen gar kein gültiges Maß angeben. +Es bleibt also in vielen Fällen das Aufgeben des Kampfes als +der einzige wahre Beweis des Sieges allein übrig. Es ist mithin +als Bekenntnis der Schuld, als das Senken des Paniers +zu betrachten, durch das dem Gegner Recht und Überlegenheit +in diesem einzelnen Falle eingeräumt wird, und diese Seite +der Demütigung und Scham, die von allen übrigen moralischen +Folgen des umschlagenden Gleichgewichts noch zu unterscheiden +bleibt, ist ein wesentliches Stück des Sieges. Dieser +Teil allein ist es, der auf die öffentliche Meinung außerhalb +des Heeres wirkt, auf Volk und Regierung in beiden kriegführenden +Staaten und in allen beteiligten anderen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das Aufgeben der Absicht ist nicht gerade identisch mit dem +Abzug vom Schlachtfeld, selbst da, wo der Kampf hartnäckig +und anhaltend geführt worden ist. Niemand wird von Vorposten, +die sich nach einem hartnäckigen Widerstande zurückziehen, +sagen, sie hätten ihre Absicht aufgegeben. Selbst in Gefechten, +die die Vernichtung der feindlichen Streitkraft zur +Absicht haben, kann der Abzug vom Schlachtfelde nicht immer +als ein Aufgeben der Absicht angesehen werden, z. B. bei vorher +beabsichtigten Rückzügen, bei denen das Land Fuß für +Fuß streitig gemacht wird. In den meisten Fällen ist das Aufgeben +der Absicht von dem Abzuge vom Schlachtfelde schwer +zu unterscheiden, und der Eindruck, den jenes in und außer +dem Heere hervorbringt, ist nicht geringzuschätzen.</p> + +<p>Für Feldherren und Heere, die keinen ausgemachten Ruf +haben, ist dies eine eigene, schwierige Seite mancher sonst in +den Umständen begründeten Verfahrungsarten, wo eine Reihe +mit Rückzug endigender Gefechte als eine Reihe von Niederlagen +erscheinen kann, ohne es zu sein, und wo dieses Erscheinen +von sehr nachteiligem Einfluß werden kann. Es ist dem Ausweichenden +in diesem Falle nicht möglich, durch die Darlegung +seiner eigentlichen Absicht dem moralischen Eindruck überall +vorzubeugen, denn um das mit Wirksamkeit zu tun, müßte er +seinen Plan vollständig bekanntmachen, was, wie sich versteht, +seinem Hauptinteresse zu sehr entgegenliefe.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Dauer eines Gefechts ist gewissermaßen als ein zweiter, +untergeordneter Erfolg zu betrachten. Dem Sieger kann ein +Gefecht niemals schnell genug entschieden sein, dem Besiegten +niemals lange genug dauern. Der schnelle Sieg ist eine höhere +Potenz des Sieges, die späte Entscheidung bei der Niederlage +ein Ersatz für den Verlust.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Kein Gefecht entscheidet sich in einem einzelnen Moment, +obwohl es in jedem Gefechte Momente von großer Wichtigkeit +gibt, die die Entscheidung hauptsächlich bewirken. Der +Verlust eines Gefechts ist ein stufenweises Niedersinken der +Wage. Es gibt aber bei jedem Gefecht einen Zeitpunkt, wo +man es als entschieden ansehen kann, so daß der Wiederanfang +ein neues Gefecht und nicht die Fortsetzung des alten +wäre. Über diesen Zeitpunkt eine klare Vorstellung zu haben, +ist sehr wichtig, um sich entscheiden zu können, ob ein Gefecht +von einer herbeieilenden Hilfe noch mit Nutzen wieder aufgenommen +werden kann.</p> + +<p>Oft werden in Gefechten, die nicht wiederherzustellen sind, +neue Kräfte vergeblich geopfert. Oft wird versäumt, die Entscheidung +zu wenden, wo dies noch füglich geschehen könnte.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Jedes Gefecht ist ein ganzes, in dem sich die Teilgefechte +zu einem Gesamterfolge vereinigen. In diesem Gesamterfolg +liegt die Entscheidung des Gefechts.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Je kleiner der Teil der Streitkraft ist, der wirklich gefochten, +je größer der ist, der als Reserve durch sein bloßes Dasein mitentschieden +hat, um so weniger kann uns eine neue Streitkraft +des Gegners den Sieg wieder aus den Händen winden. <em class="gesperrt">Der</em> +Feldherr wie <em class="gesperrt">das</em> Heer, die es am weitesten darin gebracht +haben, das Gefecht mit der größten Ökonomie der Kräfte zu +führen und überall die moralische Wirkung starker Reserven +geltend zu machen, gehen den sichersten Weg zum Siege. Man +muß den Franzosen, besonders wenn Bonaparte sie führte, eine +große Meisterschaft darin einräumen.</p> + +<p>Ferner wird der Augenblick, wo beim Sieger der Zustand der +Gefechtskrisis aufhört und die alte Tüchtigkeit zurückkehrt, um +so früher eintreten, je kleiner das Ganze ist. Eine Reiterfeldwache, +die ihren Gegner spornstreichs verfolgt, wird in wenig Minuten +wieder die alte Ordnung gewinnen, und länger dauert auch +die Krisis nicht. Ein ganzes Regiment Reiterei braucht dazu +schon mehr Zeit. Noch länger dauert es beim Fußvolk, wenn +es sich in einzelne Schützenlinien aufgelöst hat, und wieder +länger bei Abteilungen von allen Waffen, wenn ein Teil diese, +der andre jene zufällige Richtung eingeschlagen und dies eine +Störung der Ordnung veranlaßt hat, die gewöhnlich dadurch +erst schlimmer wird, daß kein Teil recht weiß, wo der andre ist.</p> + +<p>Wieder später tritt dieser Augenblick ein, wenn die Nacht +den Sieger in der Krisis überrascht; und endlich tritt er später +ein, wenn die Gegend durchschnitten und verdeckt ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Gefahr, sich auf zwei Seiten schlagen zu müssen, und +die noch drohendere, keinen Rückzug zu behalten, lähmen die +Bewegungen und die Kraft des Widerstandes und wirken auf +die Alternative von Sieg und Niederlage; ferner steigern sie +bei der Niederlage den Verlust und treiben ihn oft bis an die +äußerste Grenze, d. h. bis zur Vernichtung. Der bedrohte +Rücken macht also die Niederlage zugleich wahrscheinlicher und +entscheidender.</p> + +<p>Hieraus entsteht ein wahrer Instinkt für die ganze Kriegführung +und besonders für die großen und kleinen Gefechte: +nämlich die Sicherung des eigenen Rückens und die Gewinnung +des feindlichen. Er folgt aus dem Begriff des Sieges, +der, wie wir gesehen haben, noch etwas anderes als bloßes +Totschlagen ist.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Wirkung einer Überraschung in Seite und Rücken ist +immer gesteigert, und ein in der Krisis des Sieges Begriffener +ist in seinem ausgereckten und zerstreuten Zustande weniger imstande, +ihr entgegenzuwirken. Wer fühlt es nicht, daß ein +Seiten- und Rückenanfall, der im Anfang des Gefechts, wo die +Kraft gesammelt und für solche Fälle immer vorgesehen ist, +wenig bedeuten würde, ein ganz anderes Gewicht im letzten +Augenblick des Gefechtes bekommt.</p> + +<p>In den meisten Fällen wird eine von der Seite oder im +Rücken des Gegners herbeikommende Hilfe viel wirksamer sein, +sich wie dasselbe Gewicht an einem längeren Hebelarm verhalten, +so daß man also unter solchen Umständen die Herstellung +eines Gefechts mit derselben Kraft unternehmen kann, die auf +dem geraden Wege nicht zugereicht hätte. Hier, wo die Wirkungen +fast jeder Berechnung ausweichen, weil die moralischen +Kräfte ganz das Übergewicht gewinnen, ist das rechte +Feld der Kühnheit und des Wagens.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der alte, auch von Napoleon betonte Grundsatz, daß der +Befehlshaber einer abgesonderten Kolonne immer seine Richtung +dahin zu nehmen habe, wo heftiger Kanonendonner die +Krise einer Entscheidung andeutet, kann nur für solche Fälle +gelten, wo der Befehlshaber einer abgesonderten Kolonne durch +die Umstände in eine <em class="gesperrt">zweifelhafte</em> Lage gesetzt worden ist, in +der sich die frühere Klarheit und Bestimmtheit seiner Aufgabe +in die Ungewißheit und die Widersprüche der Entscheidung +verliert, die in der Wirklichkeit des Krieges so häufig sind. +Anstatt untätig stehenzubleiben oder ohne bestimmten Zweck +umherzuirren, wird ein solcher Befehlshaber freilich besser tun, +seinem Nachbar zu Hilfe zu eilen, wenn ein heftiges Feuer +dessen Not andeutet.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte ist das Hauptprinzip +der Kriegführung und für die ganze Seite des positiven +Handelns der Hauptweg zum Ziel.</p> + +<p>Diese Vernichtung der Streitkräfte findet hauptsächlich im +Gefecht statt.</p> + +<p>Nur große und allgemeine Gefechte geben große Erfolge.</p> + +<p>Am größten werden die Erfolge, wenn sich die Gefechte in +eine große Schlacht vereinigen.</p> + +<p>Nur in einer Hauptschlacht regiert der Feldherr mit eigenen +Händen.</p> + +<p>Aus diesen Wahrheiten ergibt sich ein Doppelgesetz, dessen +Teile sich gegenseitig tragen, nämlich, daß die Vernichtung der +feindlichen Streitkräfte hauptsächlich in großen Schlachten +und ihren Erfolgen zu suchen ist, und daß der Hauptzweck großer +Schlachten die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte sein +muß.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Hauptschlacht ist als der konzentrierte Krieg, als der +Schwerpunkt des ganzen Krieges oder Feldzuges anzusehen. +Wie sich die Strahlen der Sonne im Brennpunkt des Hohlspiegels +zu ihrem vollkommenen Bilde und zur höchsten Glut vereinigen, +so vereinigen sich Kräfte und Umstände des Krieges +in der Hauptschlacht zu einer zusammengedrängten höchsten +Wirkung.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Nicht bloß der Begriff des Krieges führt uns dahin, eine +große Entscheidung nur in einer großen Schlacht zu suchen, +sondern auch die Erfahrung. Von jeher haben nur große Siege +zu großen Erfolgen geführt, bei dem Angreifenden unbedingt, +bei dem Verteidiger mehr oder weniger. Selbst Bonaparte +würde das in seiner Art einzige Ulm nicht erlebt haben, wenn +er das Blutvergießen gescheut hätte. Vielmehr ist es nur als +eine Nachmahd der Siegesfälle seiner früheren Feldzüge anzusehen. +Es sind nicht bloß die kühnen Feldherren, die verwegenen, +die trotzigen, die ihr Werk mit dem großen Wagstück +entscheidender Schlachten zu vollbringen gesucht haben, es sind +die glücklichen insgesamt. Und von diesen können wir uns bei +einer so umfassenden Frage die Antwort gefallen lassen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Hauptschlacht im Kriege ist nichts an Wichtigkeit zu +vergleichen, und die höchste Weisheit der Strategie offenbart +sich in der Beschaffung der Mittel zu ihr, in ihrer geschickten +Feststellung nach Ort, Zeit und Richtung der Kräfte und in der +Ausnutzung ihres Erfolges.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Impuls zur Hauptschlacht, die freie sichere Bewegung +zu ihr, muß von dem Gefühl eigener Kraft und dem klaren Bewußtsein +der Notwendigkeit, mit anderen Worten: er muß von +dem angeborenen Mut und von dem durch große Lebensverhältnisse +geschärften Blick ausgehen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Größe eines Sieges steigt nicht bloß in dem Maße, als +die besiegten Streitkräfte an Umfang zunehmen, sondern in +höheren Graden. Die moralischen Wirkungen, die der Ausgang +eines großen Gefechts hat, sind größer beim Besiegten als +beim Sieger; sie werden Veranlassung zu größeren Verlusten +an physischen Kräften, die dann wieder auf die moralischen +zurückwirken und so sich gegenseitig tragen und steigern. Auf +diese moralische Wirkung muß man daher ein besonderes +Gewicht legen. Sie findet in entgegengesetzter Richtung bei +beiden Teilen statt. Wie sie die Kräfte des Besiegten untergräbt, +so erhöht sie die Kräfte und die Tätigkeit des Siegers. Aber +die Hauptwirkung liegt doch im Besiegten, denn hier wird +sie die unmittelbare Ursache zu neuen Verlusten, und außerdem +ist sie mit der Gefahr, den Anstrengungen und Mühseligkeiten, +überhaupt mit allen erschwerenden Umständen, zwischen denen +sich der Krieg bewegt, homogener Natur, tritt also mit ihnen +in Bund und wächst durch ihren Beistand, während beim +Sieger sich alle diese Dinge wie Gewichte an den höheren +Schwung seines Mutes legen. Man findet also, daß der Besiegte +sich viel tiefer unter die Linie des ursprünglichen Gleichgewichts +hinuntersenkt, als der Sieger sich über sie erhebt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Hauptschlacht ist um ihrer selbst willen da, um des +Sieges willen, den sie geben soll und der in ihr mit der höchsten +Anstrengung gesucht wird. Dies ist die Geistesspannung, +nicht bloß des Feldherrn, sondern seines ganzen Heeres bis +zum letzten Troßknecht hinab. Zu allen Zeiten und nach der +Natur der Dinge waren Hauptschlachten niemals unvorbereitete, +unerwartete, blinde Dienstverrichtungen, sondern ein großartiger +Akt, der aus der Masse der gewöhnlichen Tätigkeiten +teils von selbst, teils nach der Absicht der Führer hinreichend +hervortritt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Gewöhnlich kommen beide Teile mit sehr geschwächten +körperlichen Kräften in die Schlacht, denn die Bewegungen, +die unmittelbar vorhergehen, haben mindestens den Charakter +dringender Umstände. Die Anstrengungen, die das Ausringen +eines langen Kampfes kostet, vollenden die Erschöpfung. Dazu +kommt, daß der siegende Teil nicht viel weniger durcheinandergekommen +und aus seinen ursprünglichen Ordnungsfugen gewichen +ist als der Besiegte und somit das Bedürfnis hat, sich +zu ordnen und mit frischer Munition zu versehen. Alle diese +Umstände versetzen den Sieger selbst in einen Zustand der +Krisis. Es ist zwar ein Entreißen des Sieges nicht zu befürchten, +aber nachteilige Gefechte bleiben doch möglich. Außerdem +hängt sich nun das volle Gewicht des sinnlichen Menschen mit +seinen Bedürfnissen und Schwächen an den Willen des Feldherrn. +Alle die Tausende, die unter seinem Befehl stehen, haben +das Bedürfnis nach Ruhe und Stärkung, haben das Verlangen, +die Schranken der Gefahr und Arbeit vorderhand geschlossen +zu sehen. Nur wenige, die man als Ausnahmen betrachten +kann, sehen und fühlen über den gegenwärtigen Augenblick +hinaus. Nur in diesen wenigen ist, nachdem das Notwendige +vollbracht ist, noch so viel freies Spiel des Mutes, um noch an +<em class="gesperrt">die</em> Erfolge zu denken, die in solchem Augenblick als eine bloße +Verschönerung des Sieges, als ein Luxus des Triumphes erscheinen. +Alle jene Tausende aber haben ihre Stimme im Rate des +Feldherrn, denn durch die ganze Stufenfolge der übereinandergestellten +Führer haben diese Interessen des sinnlichen Menschen +ihren sicheren Leiter bis ins Herz des Feldherrn. Dieser selbst +ist mehr oder weniger durch geistige und körperliche Anstrengung +in seiner inneren Tätigkeit geschwächt, und so geschieht es denn, +daß meistens aus diesem rein menschlichen Grunde weniger +geschieht, als geschehen könnte, und daß überhaupt, was geschieht, +nur vom Ruhmdurst, der Energie und wohl auch der +Härte des obersten Feldherrn abhängt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ist der große Sieg erfochten, so soll von keiner Rast, von +keinem Atemholen, von keinem Besinnen, von keinem Feststellen +usw. die Rede sein, sondern nur von der Verfolgung, von neuen +Stößen, wo sie nötig sind, von der Einnahme der feindlichen +Hauptstadt, vom Angriff auf die feindlichen Hilfsheere, oder +was sonst als Stützpunkt des feindlichen Staates erscheint.</p> + +<p>Führt uns der Strom des Sieges an feindlichen Festungen +vorbei, so hängt es von unserer Stärke ab, ob sie belagert werden +sollen oder nicht. Bei großer Überlegenheit wäre es ein Zeitverlust, +sich ihrer nicht so früh als möglich zu bemächtigen. Sind +wir aber des ferneren Erfolges an der Spitze nicht sicher, so +müssen wir uns vor den Festungen mit so wenigem als möglich +behelfen, und das schließt ihre gründliche Belagerung aus. +Von dem Augenblick an, wo die Belagerung einer Festung +uns zwingt, mit dem Vorschreiten des Angriffs innezuhalten, +hat dieser in der Regel seinen Kulminationspunkt erreicht. Wir +fordern also ein schnelles, rastloses Vordringen und Nachdringen +der Hauptmacht. Wir haben es schon verworfen, daß sich dieses +Vorschreiten auf dem Hauptpunkte nach dem Erfolg auf den +Nebenpunkten richtet. Solange der Feldherr seinen Gegner +noch nicht niedergeworfen hat, solange er glaubt, stark genug +zu sein, um das Ziel zu gewinnen, so lange muß er es auch verfolgen. +Er tut es vielleicht mit steigender Gefahr, aber auch +mit steigender Größe des Erfolgs. Kommt ein Punkt, wo er es +nicht wagt, weiterzugehen, wo er glaubt, für seinen Rücken +sorgen, sich rechts und links ausbreiten zu müssen, – wohlan, +so ist dies höchstwahrscheinlich sein Kulminationspunkt. Die +Flugkraft ist dann zu Ende, und wenn der Gegner nicht niedergeworfen +ist, wird es höchstwahrscheinlich nicht mehr geschehen.</p> + +<p>Alles, was der Feldherr zur intensiven Ausbildung seines +Angriffs durch Eroberung von Festungen, Pässen, Provinzen +tut, ist zwar noch ein langsames Vorschreiten, aber nur ein +relatives, kein absolutes mehr.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Jeder Zwischenraum von einem Erfolg zum andern gibt dem +Feinde neue Aussichten. Die Wirkungen des früheren Erfolges +haben auf den späteren einen sehr geringen Einfluß, oft keinen, +oft einen negativen, weil sich der Feind erholt oder gar zu +größerem Widerstand entflammt wird oder neue Hilfe von außen +bekommt, während da, wo alles in einem Zuge geschieht, der +gestrige Erfolg den heutigen mit sich fortreißt, der Brand sich +am Brande entzündet.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Einer der wichtigsten und wirksamsten Grundsätze in der +Strategie ist es: einen Erfolg, den man irgendwo erfochten hat, +auf der Stelle so weit auszunutzen, als es die Umstände gestatten.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Energie, mit der das Verfolgen geschieht, bestimmt hauptsächlich +den Wert des Sieges. Die Verfolgung ist ein zweiter +Akt des Sieges, in vielen Fällen sogar wichtiger als der erste. +Indem sich die Strategie hier der Taktik nähert, um von ihr +das rollende Werk in Empfang zu nehmen, läßt sie den ersten +Akt ihrer Autorität darin bestehen, diese Vervollständigung des +Sieges zu fordern.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das erste Verfolgen hat verschiedene natürliche Grade.</p> + +<p>Der erste ist, wenn es mit bloßer Reiterei geschieht. Dann +ist es im Grunde mehr ein Schrecken und Beobachten als ein +wahrhaftes Drängen, weil der kleinste Bodenabschnitt gewöhnlich +hinreicht, den Verfolgenden aufzuhalten. Soviel die Reiterei +bei einer erschütterten und geschwächten Truppe gegen den einzelnen +Haufen vermag, so ist sie doch gegen das Ganze immer +nur die Hilfswaffe, weil der Abziehende seine frischen Reserven +zur Deckung seines Rückzugs verwenden und so beim nächsten, +unbedeutendsten Bodenabschnitt durch die Verbindung aller +Waffen mit Erfolg widerstehen kann. Nur ein in wahrer Flucht +und gänzlicher Auflösung befindliches Heer macht hier eine Ausnahme.</p> + +<p>Der zweite Grad ist, wenn die Verfolgung durch eine starke +Vorhut von allen Waffen geschieht, bei der sich natürlich der +größte Teil der Reiterei befindet. Ein solches Verfolgen drängt +den Gegner bis zur nächsten starken Stellung seiner Nachhut +oder bis zur nächsten Aufstellung seines Heeres.</p> + +<p>Der dritte und stärkste Grad ist, wenn das siegreiche Heer +selbst im Vorgehen bleibt, soweit die Kräfte reichen. In diesem +Fall wird der Geschlagene die meisten Aufstellungen, zu denen +ihm die Gegend einige Gelegenheit bietet, auf die bloßen Anstalten +eines Angriffs oder einer Umgehung wieder verlassen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Aber auch bei diesem ersten Verfolgen bleibt die Wirksamkeit +des Sieges in den seltensten Fällen stehen, und es fängt +nun erst die eigentliche Bahn an, zu der der Sieg die Schnellkraft +verliehen hat. Dabei kann man wieder drei Grade unterscheiden: +ein bloßes Nachrücken, ein eigentliches Drängen und +einen Parallelmarsch zum Abschneiden.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der wirksamste Grad der (weiteren) Verfolgung ist der +Parallelmarsch nach dem nächsten Ziel des feindlichen Rückzuges. +Jedes geschlagene Heer wird hinter sich, näher oder entfernter, +einen Punkt haben, dessen Erreichung ihm zunächst stark am +Herzen liegt, sei es, daß sein fernerer Rückzug dadurch gefährdet +werden kann, wie bei Straßenengen, oder daß es für den Punkt +sehr wichtig ist, ihn <em class="gesperrt">vor</em> dem Feinde zu erreichen, wie bei +Hauptstädten, Magazinen usw., oder endlich, daß das Heer auf diesem +Punkte neue Widerstandsfähigkeit gewinnen kann, wie bei +festen Stellungen, Vereinigung mit anderen Korps usw.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Bei der absoluten Gestalt des Krieges, wo alles aus notwendigen +Gründen geschieht, alles rasch ineinandergreift, kein, +wenn ich so sagen darf, wesenloser neutraler Zwischenraum +entsteht, gibt es wegen der vielfältigen Wechselwirkungen, die +der Krieg in sich schließt, wegen des Zusammenhanges, in dem, +streng genommen, die ganze Reihe der aufeinanderfolgenden +Gefechte steht, wegen des Kulminationspunktes, den jeder Sieg +hat, über den hinaus das Gebiet der Verluste und Niederlagen +beginnt – wegen aller dieser natürlichen Verhältnisse des +Krieges, sage ich, gibt es nur <em class="gesperrt">einen</em> Erfolg, nämlich den +<em class="gesperrt">Enderfolg</em>. Bis dahin ist nichts entschieden: nichts +gewonnen, nichts verloren. Hier muß man sich beständig sagen: +das Ende krönt das Werk.</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Die_verlorene_Schlacht_und_der_Ruckzug" id="Die_verlorene_Schlacht_und_der_Ruckzug">Die verlorene Schlacht und der Rückzug</a></h2> + + +<p>Der Entschluß, das Gefecht aufzugeben, entspringt in der +Hauptschlacht mehr als in irgendeinem andern Gefechte aus +dem Verhältnis der übrigbleibenden frischen Reserven. Denn +nur diese haben noch alle moralischen Kräfte, und die vom +Zerstörungselement bereits ausgeglühten Schlacken zusammengeschossener +und geworfener Bataillone können nicht auf gleiche +Linie mit ihnen gestellt werden. Auch der verlorene Boden ist +ein Maßstab verlorener moralischer Kräfte, wie wir anderswo +gesagt haben. Er kommt wohl mit in Betracht, doch mehr als +ein Zeichen eines erlittenen Verlustes denn als der Verlust +selbst, und immer bleibt die Zahl der frischen Reserven das +Hauptaugenmerk beider Feldherren.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Gewöhnlich nimmt eine Schlacht ihre Richtung schon von +vornherein, wiewohl auf eine wenig merkliche Art. Oft ist sogar +diese Richtung schon durch die Anordnungen, die für sie +getroffen sind, auf eine sehr entschiedene Weise gegeben, und +dann ist es Mangel an Einsicht desjenigen Feldherrn, der +die Schlacht unter so schlimmen Bedingungen eröffnet, ohne +sich ihrer bewußt zu werden. Allein wo dieser Fall auch nicht +stattfindet, liegt es in der Natur der Dinge, daß der Verlauf +der Schlachten mehr ein langsames Umschlagen des Gleichgewichts +ist, das bald, aber, wie gesagt, anfangs nicht merklich, +eintritt und dann mit jedem neuen Zeitmoment stärker und +sichtlicher wird, als ein oszillierendes Hin- und Herschwanken, +wie man sie sich, durch unwahre Schlachtenbeschreibungen verführt, +gewöhnlich denkt.</p> + +<p>In den meisten Fällen wird der Feldherr den Verlust des +Gleichgewichts lange schon vor dem Abzug gewahr, und die +Fälle, wo irgendeine Einzelheit unvermutet stark auf den Hergang +des Ganzen einwirkt, haben ihr Dasein meistens nur in +der Beschönigung, mit der jeder seine verlorene Schlacht erzählt.</p> + +<p>Der besiegte Feldherr sieht den schlimmen Ausgang gewöhnlich +schon eine geraume Zeit vorher, ehe er sich zum Aufgeben +der Schlacht entschließt. Allerdings gibt es Fälle, wo eine +Schlacht schon eine sehr entschiedene Richtung nach einer Seite +genommen hatte und doch eine Entscheidung nach der anderen +Seite hin bekommen hat, aber sie sind nicht die gewöhnlichen, +sondern selten. Indes auf diese seltenen Fälle rechnet jeder +Feldherr, gegen den sich das Glück erklärt, und er <em class="gesperrt">muß</em> darauf +rechnen, solange ihm irgendeine Möglichkeit der Wendung bleibt. +Er hofft, durch stärkere Anstrengungen, durch eine Erhöhung +der übrigbleibenden moralischen Kräfte, durch ein Sichselbstübertreffen +oder auch durch einen glücklichen Zufall den Augenblick +noch gewendet zu sehen, und treibt dies so weit, wie Mut +und Einsicht es in ihm miteinander abmachen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das Verhältnis der übrig bleibenden frischen Reserven +gibt meistens den Hauptgrund zur völligen Entscheidung ab. +Der Feldherr, der seinen Gegner darin von entschiedener +Überlegenheit sieht, entschließt sich zum Rückzug. Es ist gerade +die Eigentümlichkeit der neueren Schlachten, daß alle Unglücksfälle +und Verluste, die in ihrem Verlauf stattgehabt haben, +durch frische Kräfte gutgemacht werden können, weil die +neuere Art, wie die Truppen ins Gefecht geführt werden, ihren +Gebrauch fast überall und in jeder Lage gestatten. Solange +also der Feldherr, gegen den der Ausgang sich zu erklären +scheint, noch eine Überlegenheit an Reserve hat, wird er die +Sache nicht aufgeben. Aber von dem Zeitpunkt an, wo seine +Reserven anfangen schwächer zu werden als die feindlichen, +ist die Entscheidung als gegeben zu betrachten, und was er nun +noch tut, hängt teils von besonderen Umständen, teils von +dem Grade des Mutes und der Ausdauer ab, die ihm gegeben +sind und die auch wohl in unweisen Starrsinn ausarten können.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn auf der einen Seite der gebieterische Stolz eines +siegreichen Eroberers, wenn der unbeugsame Wille eines angeborenen +Starrsinns, wenn das krampfhafte Widerstreben +einer edlen Begeisterung nicht vom Schlachtfelde weichen wollen, +wo sie ihre Ehre zurücklassen sollen, – so rät auf der anderen +Seite die Einsicht, nicht alles auszugeben, nicht das Letzte aufs +Spiel zu setzen, sondern so viel übrig zu behalten, als zu einem +geordneten Rückzuge nötig ist.</p> + +<p>Wie hoch auch der Wert des Mutes und der Standhaftigkeit +im Kriege angeschlagen werden muß und wie wenig Aussicht +<em class="gesperrt">der</em> auf den Sieg hat, der sich nicht entschließen kann, ihn mit +der ganzen Kraftanstrengung zu suchen, so gibt es doch einen +Punkt, über den hinaus das Verharren nur eine verzweiflungsvolle +Torheit genannt werden kann.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein in Feindesland Zurückgehender bedarf in der Regel +einer vorbereiteten Straße. Einer, der unter sehr schlimmen +Verhältnissen zurückgeht, bedarf ihrer doppelt. Einer, der in +Rußland 120 Meilen weit zurück will, braucht sie dreifach. Unter +vorbereiteter Straße verstehen wir eine, die von seinen Etappentruppen +besetzt war und auf der er Magazine findet.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>In der verlorenen Schlacht ist die Macht des Heeres gebrochen +worden, noch mehr die moralische als die physische. +Eine zweite, ohne daß neue vorteilhafte Umstände ins Spiel +kommen, würde zur gänzlichen Niederlage, vielleicht zum +Untergange führen. Das ist ein militärisches Axiom. Nach +der Natur der Sache geht der Rückzug bis zu dem Punkt, wo +sich das Gleichgewicht der Kräfte wiederhergestellt haben wird, +sei es durch Verstärkung oder durch den Schutz bedeutender +Festungen, oder durch große Abschnitte des Bodens oder durch +die Ausdehnung der feindlichen Macht. Der Grad des Verlustes, +die Größe der Niederlage wird diesen Moment des +Gleichgewichtes nähern oder entfernen, noch mehr aber der +Charakter des Gegners. Wie viele Beispiele gibt es nicht, daß +das geschlagene Heer sich in einer geringen Entfernung wieder +aufgestellt hat, ohne daß seine Verhältnisse seit der Schlacht +sich im mindesten verändert hätten. Der Grund davon liegt +entweder in der moralischen Schwäche des Gegners oder darin, +daß das in der Schlacht gewonnene Übergewicht nicht groß +genug ist, um zu einem nachdrücklichen Stoße zu führen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das erste, was sich der Einbildungskraft – und man kann +auch wohl sagen: des Verstandes – in einer unglücklichen Schlacht +bemächtigt, ist das Zusammenschmelzen der Massen, dann der +Verlust des Bodens, der mehr oder weniger immer, und also +auch beim Angreifenden, eintritt, wenn er nicht glücklich +ist. Dann die zerstörte ursprüngliche Ordnung, das Durcheinandergeraten +der Teile, die Gefahren des Rückzugs, die mit +wenig Ausnahmen immer, bald schwächer, bald stärker, eintreten. +Nun der Rückzug, der meist in der Nacht angetreten oder wenigstens +die Nacht hindurch fortgesetzt wird. Gleich bei diesem ersten +Marsch müssen wir eine Menge von Ermatteten und Verstreuten +zurücklassen, oft gerade die Bravsten, die sich am weitesten vorgewagt, +die am längsten ausgeharrt haben. Das Gefühl, besiegt +zu sein, das auf dem Schlachtfelde nur die höheren Offiziere +ergriff, geht nun auf alle Klassen bis zum Gemeinen über, verstärkt +durch den abscheulichen Eindruck, so viel brave Gefährten, +die gerade in der Schlacht uns erst recht wert geworden sind, +in Feindeshänden zurücklassen zu müssen, und verstärkt durch das +erwachende Mißtrauen gegen die Führung, der mehr oder weniger +jeder Untergebene die Schuld seiner vergeblich gemachten +Anstrengung beimißt. Und dieses Gefühl, besiegt zu sein, ist +keine bloße Einbildung, über die man Herr werden könnte. Es +ist die offenkundige Wahrheit, daß der Gegner uns überlegen ist, +eine Wahrheit, die in den Ursachen so versteckt sein konnte, daß +sie vorher nicht zu ersehen war, die aber beim Ausgang immer +klar und bündig hervortritt, die man auch vielleicht vorher erkannt +hat, der man aber in Ermangelung von etwas Handgreiflicherem +Hoffnung auf den Zufall, Vertrauen auf Glück +und Vorsehung, mutiges Wagen entgegenstellen mußte. Nun +hat sich dies alles als unzulänglich erwiesen, und die ernste +Wahrheit tritt uns streng und gebieterisch entgegen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wer auf dem allgemeinen Rückzuge nach verlorener Schlacht +glaubt, durch einige schnelle Märsche einen Vorsprung zu gewinnen +und leichter einen festen Stand zu bekommen, begeht +einen großen Irrtum. Die ersten Bewegungen müssen so klein +als möglich, und im allgemeinen muß es Grundsatz sein, sich +nicht das Gesetz des Feindes aufdringen zu lassen. Diesen +Grundsatz kann man nicht befolgen ohne blutige Gefechte mit +dem nachdringenden Feind, aber der Grundsatz ist dieses Opfers +wert. Ohne ihn kommt man in eine beschleunigte Bewegung, +die bald ein Stürzen wird und dann an bloßen Nachzüglern +mehr Menschen kostet, als die Schlachten der Nachhut gekostet +hätten, außerdem aber die letzten Überreste des Mutes vernichtet.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Eine starke Nachhut, von den besten Truppen gebildet, vom +tapfersten General geführt und in den wichtigsten Augenblicken +von der ganzen Armee unterstützt, eine sorgfältige Benutzung +der Gegend, starke Hinterhalte, sooft die Kühnheit +der feindlichen Vorhut und die Gegend Gelegenheit dazu +geben, kurz die Einleitung und der Plan zu förmlichen kleinen +Schlachten: das sind die Mittel zur Befolgung jenes Grundsatzes.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Schwierigkeiten des Rückzuges sind natürlich größer +oder kleiner, je nachdem die Schlacht unter mehr oder weniger +günstigen Verhältnissen gefochten, und je nachdem sie mehr +oder weniger ausgehalten worden ist. Wie man aus allem +ordnungsmäßigen Rückzuge kommen kann, wenn man sich gegen +einen überlegenen Gegner bis auf den letzten Mann wehrt, +zeigen die Schlachten von Jena und Belle-Alliance.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Um die Schwächen oder Fehler des Gegners zu benutzen, +nicht einen Zollbreit weiter zurückzugehen, als die Gewalt der +Umstände erfordert, hauptsächlich aber, um das Verhältnis der +moralischen Kräfte auf einem so vorteilhaften Punkt als möglich +zu erhalten, ist ein langsamer, immer widerstrebender Rückzug, +ein kühnes, mutiges Entgegentreten, sooft der Verfolgende +seine Vorteile im Übermaß benutzen will, durchaus nötig. Die +Rückzüge großer Feldherren und kriegsgeübter Heere gleichen +stets dem Abgehen eines verwundeten Löwen, und dies ist unstreitig +auch die beste Theorie.</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Verteidigung_und_Angriff" id="Verteidigung_und_Angriff">Verteidigung und Angriff</a></h2> + + +<p>Was ist der Begriff der Verteidigung? Das Abwehren eines +Stoßes. Was ist also ihr Merkmal? Das Abwarten dieses +Stoßes. Dieses Merkmal macht jedesmal die Handlung zu einer +verteidigenden, und durch dieses Merkmal allein kann im Kriege +die Verteidigung vom Angriff unterschieden werden. Da aber +eine absolute Verteidigung dem Begriff des Krieges völlig widerspricht, +weil bei ihr nur der eine Teil Krieg führen würde, so +kann auch im Kriege die Verteidigung nur relativ sein, und jenes +Merkmal muß also nur auf den Gesamtbegriff angewendet, +nicht auf alle Teile von ihm ausgedehnt werden. Ein einzelnes +Gefecht ist verteidigend, wenn wir den Anlauf, den Sturm des +Feindes abwarten. Eine Schlacht, wenn wir den Angriff, d. h. +das Erscheinen vor unserer Stellung, in unserem Feuer, abwarten. +Ein Feldzug, wenn wir das Betreten unseres Kriegstheaters +abwarten. In allen diesen Fällen kommt dem Gesamtbegriff das +Merkmal des Abwartens und Abwehrens zu, ohne daß daraus ein +Widerspruch mit dem Begriff des Krieges folgt, denn wir können +unsern Vorteil darin finden, den Anlauf gegen unsere Bajonette, +den Angriff auf unsere Stellung und auf unser Kriegstheater +abzuwarten. Da man aber, um wirklich auch seinerseits Krieg +zu führen, dem Feinde seine Stöße zurückgeben muß, so geschieht +dieser Akt des Angriffs im Verteidigungskriege gewissermaßen +unter dem Haupttitel der Verteidigung; d. h. die Offensive, deren +wir uns bedienen, fällt innerhalb der Begriffe von Stellung +oder Kriegstheater. Man kann also in einem verteidigenden Feldzuge +angriffsweise schlagen, in einer verteidigenden Schlacht +angriffsweise seine einzelnen Korps und Divisionen gebrauchen, +endlich in einer einfachen Stellung gegen den feindlichen +Sturm schickt man ihm sogar noch die offensiven Kugeln +entgegen. Die verteidigende Form des Kriegführens ist also +kein unmittelbarer Schild, sondern ein Schild, gebildet durch +geschickte Streiche.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Was ist der Zweck der Verteidigung? Erhalten. Erhalten +ist leichter als gewinnen. Schon daraus folgt, daß die Verteidigung +bei vorausgesetzt gleichen Mitteln leichter ist als +der Angriff. Worin liegt aber die größere Leichtigkeit des Erhaltens +oder Bewahrens? Darin, daß alle Zeit, die unbenutzt +verstreicht, in die Wagschale des Verteidigers fällt. Er +erntet, wo er nicht gesät hat. Jedes Unterlassen des Angriffs +aus falscher Ansicht, aus Furcht, aus Trägheit, kommt dem Verteidiger +zugute. Dieser Vorteil hat den Preußischen Staat im +Siebenjährigen Kriege mehr als einmal vom Untergang gerettet.</p> + +<p>Dieser sich aus Begriff und Zweck ergebende Vorteil der +Verteidigung liegt in der Natur aller Verteidigung. <em class="italic">Beati +sunt possidentes.</em> Ein anderer, der aus der Natur des Krieges +hinzukommt, ist der Beistand der örtlichen Lage, den die +Verteidigung vorzugsweise genießt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Verteidigung hat einen negativen Zweck: das Erhalten; +der Angriff einen positiven: das Erobern. Und da dieses die +eigenen Kriegsmittel vermehrt, das Erhalten aber nicht, so +muß man sagen: die verteidigende Form des Kriegführens ist +an sich stärker als die angreifende.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ist die Verteidigung eine stärkere Form des Kriegführens, +die aber einen negativen Zweck hat, so folgt von selbst, daß +man sich ihrer nur so lange bedienen muß, als man ihrer der +Schwäche wegen bedarf, und sie verlassen muß, sobald man +stark genug ist, sich den positiven Zweck vorzusetzen. Da man +nun, indem man unter ihrem Beistand Sieger wird, gewöhnlich +ein günstigeres Verhältnis der Kräfte herbeiführt, so ist +auch der natürliche Gang im Kriege, mit der Verteidigung anzufangen +und mit der Offensive zu enden. Es ist also ebensogut +im Widerspruch mit dem Begriff des Krieges, den letzten +Zweck die Verteidigung sein zu lassen, als es Widerspruch +war, die Passivität der Verteidigung nicht bloß vom Ganzen, +sondern von allen seinen Teilen zu verstehen. Mit andern +Worten: ein Krieg, bei dem man seine Siege bloß zum Abwehren +benutzen und gar nicht widerstoßen wollte, wäre ebenso +widersinnig wie eine Schlacht, in der die absoluteste Verteidigung +(Passivität) in allen Maßregeln herrschen sollte.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wie der Vorteil der Gegend zum Siege beiträgt, ist an sich +verständlich genug, und es ist nur das eine zu bemerken, daß +hier nicht bloß von den Hindernissen die Rede ist, die dem +Angreifenden bei seinem Vorrücken aufstoßen, wie: steile Gründe, +hohe Berge, sumpfige Bäche, Hecken usw., sondern daß es +auch ein Vorteil der Gegend ist, wenn sie Gelegenheit gibt, +uns verdeckt darin aufzustellen. Selbst von einer ganz gleichgültigen +Gegend kann man sagen, daß der ihren Beistand genießt, +der sie kennt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Verteidiger hat den Vorteil der Gegend, der Angreifende +den des Überfalls in der Strategie wie in der Taktik. +Vom Überfall ist aber zu bemerken, daß er in der Strategie ein +unendlich wirksameres und wichtigeres Mittel ist als in der +Taktik. In dieser wird man einen Überfall selten bis zum großen +Sieg ausdehnen können, wogegen ein Überfall in der +Strategie nicht selten den ganzen Krieg mit einem Streich geendigt +hat. Dagegen ist zu bemerken, daß der Gebrauch dieses +Mittels große, entschiedene, seltene Fehler beim Gegner voraussetzt, +es daher in die Wagschale des Angriffs kein sehr großes +Gewicht legen kann.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Hat die Verteidigung einmal das Prinzip der Bewegung in +sich aufgenommen (einer Bewegung, die zwar später anfängt +als die des Angreifenden, aber immer zeitig genug, um die +Fesseln der erstarrenden Passivität zu lösen), so wird der Vorteil +der größeren Vereinigung und der inneren Linien ein sehr +entscheidender und meistens wirksamerer zum Siege, als die +konzentrische Figur des Angriffs. Sieg aber muß dem Erfolg +vorhergehen. Erst muß man überwinden, ehe man an das Abschneiden +denken kann. Kurz, man sieht: es besteht hier ein ähnliches +Verhältnis, wie das zwischen Angriff und Verteidigung +überhaupt. Die konzentrische Form führt zu glänzenden Erfolgen, +die exzentrische gewährt die ihrigen sicherer; jenes ist die +schwächere Form mit dem positiveren, dieses die stärkere Form +mit dem negativen Zweck. Dadurch, scheint uns, sind diese beiden +Formen schon in ein gewisses schwebendes Gleichgewicht +gebracht. Fügt man nun hinzu, daß sich die Verteidigung, weil +sie nicht überall eine absolute ist, auch nicht immer in der Unmöglichkeit +befindet, sich der konzentrischen Kräfte zu bedienen, +so wird man mindestens kein Recht mehr haben, zu glauben, +daß diese Wirkungsart allein hinreichend sei, dem Angriff ein +ganz allgemeines Übergewicht über die Verteidigung zu gewähren, +und so wird man sich von dem Einflusse befreien, den +diese Vorstellungsart bei jeder Gelegenheit auf das Urteil auszuüben +pflegt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Vorteil der inneren Linien wächst mit den Räumen, +auf die sich diese Linien beziehen. Bei Entfernungen von einigen +tausend Schritten oder einer halben Meile kann natürlich die +Zeit, die man gewinnt, nicht so groß sein, wie bei Entfernungen +von mehreren Tagesmärschen oder gar von zwanzig +bis dreißig Meilen; die ersteren, nämlich die kleinen Räume, +gehören der Taktik an, die größeren der Strategie. Wenn +man nun freilich in der Strategie auch mehr Zeit zur Erreichung +des Zwecks braucht als in der Taktik, und eine Armee +nicht so schnell überwunden ist wie ein Bataillon, so nehmen +doch diese Zeiten in der Strategie auch nur bis zu einem gewissen +Punkt zu, nämlich bis zur Dauer einer Schlacht, und +allenfalls der paar Tage, um die sich eine Schlacht ohne entscheidende +Opfer vermeiden läßt. Ferner findet ein noch viel +größerer Unterschied in dem eigentlichen Vorsprung statt, den +man in dem einen und dem andern Fall gewinnt. Bei den +kleinen Entfernungen in der Taktik: in der Schlacht, geschehen +die Bewegungen des einen fast unter den Augen des andern; +der auf der äußeren Linie Stehende wird also die seines Gegners +meistens schnell gewahr. Bei den größeren Entfernungen der +Strategie geschieht es wohl höchst selten, daß eine Bewegung +des einen nicht wenigstens einen Tag dem andern verborgen +bleibt, und es gibt Fälle genug, in denen, besonders wenn die +Bewegung nur einen Teil betraf und in einer beträchtlichen +Entsendung bestand, dies wochenlang verborgen geblieben ist. +Wie groß der Vorteil des Verbergens für denjenigen ist, der +durch die Natur seiner Lage am meisten imstande ist, davon Gebrauch +zu machen, läßt sich leicht einsehen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein schneller, kräftiger Übergang zum Angriff – das blitzende +Vergeltungsschwert – ist der glänzendste Punkt der Verteidigung. +Wer sich ihn nicht gleich hinzudenkt, oder vielmehr, +wer ihn nicht gleich in den Begriff der Verteidigung aufnimmt, +dem wird nimmermehr die Überlegenheit der Verteidigung einleuchten; +er wird immer nur an die Mittel denken, die man +durch den Angriff dem Feinde zerstört und sich erwirbt, welche +Mittel aber nicht von der Weise abhängen, den Knoten zu schürzen, +sondern ihn aufzulösen. Ferner ist es eine grobe Verwechselung, +wenn man unter Angriff immer einen Überfall versteht +und sich folglich unter Verteidigung nichts als Not und Verwirrung +denkt.</p> + +<p>Freilich faßt der Eroberer seinen Entschluß zum Kriege +früher als der harmlose Verteidiger, und wenn er seine Maßregeln +gehörig geheimzuhalten weiß, wird er diesen wohl auch +überraschen können. Aber das ist etwas dem Kriege Fremdes. +Der Krieg ist mehr für den Verteidiger als für den Eroberer +da, denn der Einbruch hat erst die Verteidigung hervorgerufen +und mit ihr den Krieg. Der Eroberer ist immer friedliebend, +wie Bonaparte auch stets von sich behauptet hat. Er zöge ganz +gern ruhig in unsern Staat ein. Damit er dies aber nicht könne, +darum müssen wir den Krieg wollen, und also auch vorbereiten, +d. h. mit andern Worten: es sollen gerade die Schwachen, der +Verteidigung Unterworfenen immer gerüstet sein, um nicht +überfallen zu werden. So will es die Kriegskunst.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das frühere Erscheinen auf dem Kriegstheater hängt in den +meisten Fällen von ganz andern Dingen ab, als von der Angriffs- +oder Verteidigungsabsicht. Diese sind also nicht die +Ursache, aber oft die Folge davon. Wer früher fertig wird, geht, +wenn der Vorteil des Überfalls groß genug ist, aus <em class="gesperrt">diesem</em> +Grunde angriffsweise zu Werke, und der, welcher später +fertig wird, kann den Nachteil, der ihn bedroht, allein durch +die Vorteile der Verteidigung noch einigermaßen ausgleichen.</p> + +<p>Indessen muß es im allgemeinen als ein Vorteil des Angriffs +angesehen werden, von der früheren Bereitschaft diesen +schönen Gebrauch machen zu können; nur ist dieser allgemeine +Vorteil keine unabtrennbare Notwendigkeit für jeden einzelnen +Fall.</p> + +<p>Wie kein Verteidigungsfeldzug aus bloßen Verteidigungselementen +zusammengesetzt ist, so besteht auch kein Angriffsfeldzug +aus lauter Angriffselementen, weil außer den kurzen +Zwischenperioden eines jeden Feldzugs, in denen sich beide +Heere in der Verteidigung befinden, jeder Angriff, der nicht +bis zum Frieden reicht, notwendig mit einer Verteidigung +enden muß.</p> + +<p>Auf diese Weise ist es die Verteidigung selbst, die zur +Schwächung des Angriffs beiträgt. Dies ist so wenig eine +müßige Spitzfindigkeit, daß wir es vielmehr als den hauptsächlichsten +Nachteil des Angriffs betrachten, dadurch später +in eine ganz unvorteilhafte Verteidigung versetzt zu werden.</p> + +<p>Und hiermit ist denn erklärt, wie der Unterschied, der +in der Stärke der offensiven und defensiven Kriegsform ursprünglich +besteht, nach und nach geringer wird.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Der Zweck des Angriffs ist: in den Besitz unseres Kriegstheaters +oder wenigstens eines bedeutenden Teils davon zu +gelangen, denn unter dem Begriff des Ganzen muß wenigstens +die größere Masse desselben verstanden werden, da der Besitz +eines Landstrichs von wenigen Meilen in der Strategie in der +Regel keine selbständige Wichtigkeit hat. Solange also der +Angreifende in diesem Besitz noch nicht ist, d. h. solange er, +weil er sich vor unserer Macht fürchtet, entweder noch gar +nicht zum Angriff des Kriegstheaters vorgeschritten ist, oder +uns in unserer Stellung noch nicht aufgesucht hat, oder der +Schlacht, die wir ihm liefern wollten, ausgewichen ist, so +lange ist der Zweck der Verteidigung erfüllt, und die Wirkungen +der Verteidigungsmaßregeln sind also erfolgreich gewesen. +Aber freilich ist dieser Erfolg ein bloß negativer, der zu +einem eigentlichen Rückstoß zwar nicht unmittelbar die Kräfte +geben kann. Er kann sie aber mittelbar geben, d. h. er ist auf +dem Wege dazu, denn die Zeit, die verstreicht, verliert der +Angreifende, und jeder Zeitverlust ist ein Nachteil und muß auf +irgendeine Art den schwächen, der ihn erleidet.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Selten, oder wenigstens nicht immer, schreibt sich der Feldherr +genau vor, was er erobern will, sondern er läßt es von +den Ereignissen abhängen. Sein Angriff führt ihn oft weiter, +als er gedacht hat.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wir haben gesehen, daß die Verteidigung im Kriege überhaupt, +also auch die strategische, kein absolutes Abwarten und +Abwehren, also kein vollkommenes Leiden ist, sondern ein relatives, +folglich von mehr oder weniger offensiven Prinzipien +durchdrungen. Ebenso ist der Angriff kein homogenes Ganze, +sondern mit der Verteidigung unaufhörlich vermischt. Zwischen +beiden findet aber der Unterschied statt, daß die Verteidigung +ohne offensiven Rückstoß gar nicht gedacht werden kann, daß +dieser ein notwendiger Bestandteil der Verteidigung ist, während +beim Angriff der Stoß oder Akt an sich ein vollständiger +Begriff ist. Die Verteidigung ist ihm an sich nicht nötig, aber +Zeit und Raum, an die er gebunden ist, führen ihm die Verteidigung +als ein notwendiges Übel zu. Denn erstens kann er nicht +in einer stetigen Folge bis zur Vollendung fortgeführt werden, +sondern erfordert Ruhepunkte, und in dieser Zeit der Ruhe, wo +er selbst neutralisiert ist, tritt der Zustand der Verteidigung +von selbst ein. Zweitens ist der Raum, den die vorschreitende +Streitkraft hinter sich läßt und den sie zu ihrem Bestehen notwendig +braucht, nicht immer durch den Angriff an sich gedeckt, +sondern muß besonders geschützt werden.</p> + +<p>Es ist also der Akt des Angriffs im Kriege, vorzugsweise +aber in der Strategie, ein beständiges Wechseln und Verbinden +von Angriff und Verteidigung, wobei aber letztere nicht als eine +wirksame Vorbereitung zum Angriffe, nicht als eine Steigerung +desselben anzusehen ist, also nicht als ein tätiges Prinzip, +sondern als ein bloßes notwendiges Übel, als das retardierende +Gewicht, das die bloße Schwere der Masse hervorbringt. +Sie ist seine Erbsünde, sein Todesprinzip. Wir sagen: ein +retardierendes Gewicht, weil, wenn die Verteidigung nichts +zur Verstärkung des Angriffs beiträgt, sie schon durch den +bloßen Zeitverlust, den sie darstellt, seine Wirkung vermindern +muß.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Jeder Angriff muß mit einem Verteidigen enden. Wie dies +beschaffen sein wird, hängt von Umständen ab. Sie können sehr +günstig sein, wenn die feindlichen Streitkräfte zerstört sind, +aber auch sehr schwierig, wenn dies nicht der Fall ist. Bei +jedem Angriffe muß daher auf die ihm notwendig anhängende +Verteidigung Rücksicht genommen werden, um sich auf die +Nachteile, denen er unterworfen ist, gefaßt zu machen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wo der Sieg gesucht wird, darf der offensive Teil in der +Verteidigungsschlacht niemals fehlen, und von diesem offensiven +Teile aus können alle Wirkungen eines entscheidenden +Sieges hervorgehen, so gut wie aus einer reinen Offensivschlacht, +so daß für die strategische Kombination im Grunde +zwischen Angriffs- und Verteidigungsschlacht gar kein Unterschied +besteht.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Was wir von der Defensivschlacht gesagt haben, wirft schon +ein großes Licht auf die Offensivschlacht.</p> + +<p>Wir haben dort die Schlacht im Auge gehabt, in der die +Verteidigung am stärksten ausgesprochen ist, um ihr Wesen +fühlbar zu machen. Die wenigsten Schlachten sind aber von +dieser Art; die meisten sind halbe Renkontres, in denen der +Defensivcharakter sehr verloren geht. Anders verhält es sich +mit der Offensivschlacht. Sie behält ihren Charakter unter +allen Umständen. Die Haupteigentümlichkeit der Offensivschlacht +ist das Umfassen oder Umgehen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Das Gefecht mit umfassenden Linien gewährt an sich ganz +offenbar große Vorteile. Es ist indes ein Gegenstand der Taktik. +Diese Vorteile kann der Angriff nicht aufgeben, weil die +Verteidigung ein Mittel dagegen hat. Denn dieses Mittel +kann er selbst nicht anwenden, insofern es mit den übrigen +Verhältnissen der Verteidigung zu eng zusammenhängt. Um +den umfassenden Feind mit Erfolg wieder umfassen zu können, +muß man sich in einer ausgesuchten und wohleingerichteten +Stellung befinden. Aber was viel wichtiger ist, nicht alle Vorteile, +die die Verteidigung darbietet, kommen wirklich zur Anwendung. +Die meisten Verteidigungen sind dürftige Notbehelfe; +die Mehrzahl der Verteidiger befindet sich in einer sehr +bedrängten und bedrohten Lage, in der sie, das Schlimmste erwartend, +dem Angriff auf halbem Wege entgegenkommen. Die +Folge davon ist, daß Schlachten mit umfassenden Linien oder +gar mit verwandter Front, die eigentlich die Folge eines vorteilhaften +Verhältnisses der Verbindungslinien sein sollten, +gewöhnlich die Folge der moralischen und physischen Überlegenheit +sind.</p> + +<p>So wie in der Verteidigungsschlacht der Feldherr das Bedürfnis +hat, die Entscheidung möglichst lange hinzuhalten und +Zeit zu gewinnen, weil eine unentschiedene Verteidigungsschlacht +gewöhnlich eine gewonnene ist, so hat der Feldherr in +der Angriffsschlacht das Bedürfnis, die Entscheidung zu beschleunigen; +aber andrerseits ist mit der Übereilung große Gefahr +verbunden, weil sie zur Verschwendung der Kräfte führt.</p> + +<p>Eine Eigentümlichkeit der Angriffsschlacht ist in den meisten +Fällen die Ungewißheit über die Lage des Gegners. Sie ist +ein wirkliches Hineintappen in unbekannte Verhältnisse. Je +mehr sie das ist, um so mehr ist Vereinigung der Kräfte geboten; +um so mehr ist Umgehen dem Umfassen vorzuziehen.</p> + +<p>Daß die Hauptfrüchte des Sieges erst im Verfolgen errungen +werden, ist an anderer Stelle hervorgehoben. Der +Natur der Sache nach ist bei der Offensivschlacht die Verfolgung +in höherem Maße ein unerläßlicher Teil der ganzen +Handlung als in der Verteidigungsschlacht.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein Stillstand im kriegerischen Akt ist streng genommen ein +Widerspruch mit der Natur der Sache, weil beide Heere wie +zwei feindliche Elemente einander unausgesetzt vertilgen müssen, +so wie Feuer und Wasser sich nie ins Gleichgewicht setzen, +sondern so lange aufeinander einwirken, bis eines ganz verschwunden +ist. Was würde man von zwei Ringern sagen, die +sich stundenlang umfaßt halten, ohne eine Bewegung zu +machen? Der kriegerische Akt sollte also wie ein aufgezogenes +Uhrwerk in stetiger Bewegung ablaufen. Aber so wild die +Natur des Krieges ist, so liegt sie doch an der Kette der menschlichen +Schwächen.</p> + +<p>Richten wir einen Blick auf die Kriegsgeschichte, so finden +wir so sehr das Gegenteil von einem unaufhaltsamen Fortschreiten +zum Ziel, daß ganz offenbar Stillstehen und Nichtstun +der Grundzustand der Heere mitten im Kriege ist und das +Handeln die Ausnahme. Es sind dabei drei Ursachen zu bemerken.</p> + +<p>Die erste, die einen beständigen Hang zum Aufenthalt +hervorbringt und dadurch ein retardierendes Prinzip wird, +ist die natürliche Furchtsamkeit und Unentschlossenheit des +menschlichen Geistes, eine Art von Schwere in der seelischen +Welt.</p> + +<p>Im Flammenelement des Krieges müssen die gewöhnlichen +Naturen schwerer erscheinen. Die Anstöße müssen also stärker +und wiederholter sein, wenn die Bewegung eine dauernde +werden soll. Wenn nicht ein kriegerischer, unternehmender +Geist an der Spitze steht, der sich im Kriege wie der Fisch im +Wasser in seinem rechten Element befindet, oder wenn nicht +große Verantwortlichkeit von oben drückt: wird Stillstand zur +Tagesordnung und das Vorschreiten zu den Ausnahmen gehören.</p> + +<p>Die zweite Ursache ist die Unvollkommenheit menschlicher +Einsicht und Beurteilung, die im Kriege größer ist als +irgendwo, weil man kaum die eigene Lage in jedem Augenblick +genau kennt, die des Gegners aber, weil sie verschleiert ist, aus +wenigem erraten muß. Dies bringt denn oft den Fall hervor, +daß <em class="gesperrt">beide</em> Teile auch da einen und denselben Gegenstand für +<em class="gesperrt">ihren</em> Vorteil ansehen, wo das Interesse des einen überwiegend +ist.</p> + +<p>Die dritte Ursache, die wie ein Sperrad in das Uhrwerk eingreift +und von Zeit zu Zeit gänzlichen Stillstand hervorbringt, +ist die größere Stärke der Verteidigung. Es kann vorkommen, +daß beide Teile zugleich zum Angriff sich nicht bloß zu schwach +fühlen, sondern es wirklich sind.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Jeder Angreifende, der an seinem Gegner vorbeigehen will, +ist in zwei ganz entgegengesetzte Bestrebungen verwickelt. Ursprünglich +will er vorwärts, um den Gegenstand des Angriffs +zu erreichen. Die Möglichkeit aber, jeden Augenblick von +der Seite angefallen zu werden, erzeugt das Bedürfnis, nach +dieser Seite hin in jedem Augenblick einen Stoß, und zwar +einen Stoß mit vereinter Macht, zu richten. Diese beiden Bestrebungen +widersprechen sich und erzeugen eine solche Verwickelung +der inneren Verhältnisse, eine solche Schwierigkeit +der Maßregeln, wenn sie für alle Fälle passen sollen, daß es +strategisch kaum eine schlimmere Lage geben kann. Wüßte der +Angreifende mit Gewißheit den Augenblick, wo er angefallen +werden wird, so könnte er mit Kunst und Geschick alles dazu +vorbereiten, aber in der Ungewißheit darüber und bei der Notwendigkeit +des Vorschreitens kann es kaum fehlen, daß, wenn +die Schlacht erfolgt, sie ihn in höchst dürftig zusammengerafften +und also gewiß nicht vorteilhaften Verhältnissen findet.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Eine strategische Umgehung mit der Absicht einer Gefechtsentscheidung +hat, verglichen mit einem gewöhnlichen Angriff, +den Charakter einer größeren Entscheidung, denn die Größe +der Erfolge wird gesteigert, ihre Wahrscheinlichkeit aber vermindert. +Eine solche Unternehmung ziemt also an sich dem +Stärkeren, der durch seine Überzahl die Sicherheit des Erfolgs +schon in einem gewissen Grade hat und dem es um einen recht +großen Erfolg zu tun sein muß. Aber freilich kann man im +Kriege niemals feststellen wollen, wie hoch der Feldherr seine +eigene Kraft, d. h. sein Talent und sein Glück, in Anschlag bringen +darf. Dies muß ihm schlechterdings überlassen bleiben: also +der Grad der Kühnheit, womit er seinen Weg verfolgt. Die +Theorie kann nur fordern, daß er die objektiven Verhältnisse +alle kennt und richtig beurteilt, also nicht wagt, ohne es zu wissen.</p> + + + +<hr class="hr65" /> +<h2><a name="Betrachtungen_und_Ausblicke" id="Betrachtungen_und_Ausblicke">Betrachtungen und Ausblicke</a></h2> + + +<p>Niemals wird man sehen, daß der Staat, der in der Sache +eines andern auftritt, diese so ernsthaft nimmt wie seine eigene. +Eine mäßige Hilfsarmee wird abgesandt. Ist sie nicht glücklich, +so sieht man die Sache ziemlich als abgemacht an und sucht so +wohlfeil als möglich herauszukommen.</p> + +<p>Aber selbst dann, wenn zwei Staaten wirklich gegen einen +dritten Krieg führen, so betrachten sie diesen doch nicht immer +gleichmäßig als einen Feind, den sie vernichten müssen, damit +er sie nicht vernichte, sondern die Angelegenheit wird oft wie +ein Handelsgeschäft abgemacht; ein jeder legt nach Verhältnis +der Gefahr, die er zu bestehen, und der Vorteile, die er zu erwarten +hat, eine Aktie von soundsoviel hunderttausend Mann +ein und tut, als könne er dabei nichts als diese verlieren.</p> + +<p>Die Sache würde eine Art von innerem Zusammenhang +haben, und die Theorie des Krieges dabei weniger in Verlegenheit +kommen, wenn diese zugesagte Hilfe dem im Kriege begriffenen +Staate völlig überlassen würde, so daß er sie nach +seinem Bedürfnis brauchen könnte. Alsdann wäre sie wie eine +gemietete Truppe zu betrachten. Allein davon ist der Gebrauch +weit entfernt. Gewöhnlich haben die Hilfstruppen ihren eigenen +Feldherrn, der nur von seiner Regierung abhängt und dem +diese ein Ziel steckt, wie es sich mit der Halbheit ihrer Absichten +am besten verträgt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Es ist eine Eigentümlichkeit der Kriegführung Verbündeter, +die nicht von der äußersten Gefahr zur Einheit und Konsequenz +gedrängt wird, daß die geteilten politischen Interessen ihr +Spiel treiben, Uneinigkeit, Widersprüche und zuletzt völligen +Unsinn hervorbringen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn eine Macht allein Krieg führt, mag sie Zeit und +Kräfte nach Gefallen verschwenden. Es entsteht wenigstens +kein zweiter Nachteil daraus. Aber bei einem Bündniskriege +kann es nie fehlen, daß auffallende Untätigkeit des einen den +andern entweder zu ebensolcher veranlaßt oder so empört, daß +ein baldiger Bruch des Bündnisses erfolgt.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Schon die Führung einer Armee, von der drei Viertel einem +fremden Monarchen gehört, ist ein Auftrag ganz andrer Art +als die Führung einer Armee entweder als Landesherr oder +wenigstens mit der Autorität einer nach und nach in ihr erworbenen +Feldherrnwürde. Wer fühlt nicht, daß man in +seinem eigenen Hause ein ganz anderer Herr ist als in einem +fremden, trotz aller übertragenen Machtvollkommenheit?</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Man kann ganz allgemein sagen, daß alle die unglücklichen +Kriegsunternehmungen, die durch <em class="gesperrt">eine Reihe</em> von Fehlern +hervorgebracht sind, niemals in ihrem inneren Zusammenhang +so beschaffen sind, wie die Allgemeinheit glaubt. Die Leute, +die handeln, wenn sie auch zu den schlechtesten Feldherren gehören, +sind doch nicht ohne gesunden Menschenverstand und +würden nimmermehr solche Torheiten begehen, wie der Laie +und die historischen Kritiker ihnen in Bausch und Bogen anrechnen. +Die meisten Beurteiler wären erstaunt, wenn sie alle +die näheren Motive des Handelns kennen lernten, und höchstwahrscheinlich +ebensogut verleitet worden wie der Feldherr, +der jetzt wie ein halber Schwachkopf vor uns steht. Fehler +müssen allerdings vorhanden sein; nur liegen sie gewöhnlich +tiefer, in Fehlern der Ansicht und in Schwächen des Charakters, +die nicht auf den ersten Blick als solche erscheinen, sondern die +man erst auffindet und deutlich erkennt, wenn man alle Gründe, +die den Besiegten zu seinem Handeln bestimmt haben, mit dem +Erfolg vergleicht. Dieses Finden des Wahren hinterher ist der +Kritik gestattet; es kann ihr nicht höhnisch vorgeworfen werden, +sondern ist ihr eigentliches Geschäft, das aber allerdings viel +leichter ist als das Treffen des Rechten im Augenblick des +Handelns.</p> + +<p>Es ist darum in der Tat eine Torheit, wenn wir fast sämtliche +Armeen den Grundsatz befolgen sehen, über unglückliche +Kriegsereignisse so wenig als möglich bekanntzumachen. +Die Dinge, bis ins einzelne bekanntgemacht, werden sich +immer viel besser ausnehmen als in Bausch und Bogen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>So wie das Schlachtfeld strategisch nur ein Punkt ist, so ist +die Zeit einer Schlacht strategisch nur ein Moment, und nicht +der Verlauf, sondern das Ende und Ergebnis einer Schlacht ist +eine strategische Größe.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>In der Strategie gibt es keinen Sieg. Der strategische Erfolg +ist von der einen Seite die günstige Vorbereitung des taktischen +Sieges. Je größer dieser strategische Erfolg ist, um so +wahrscheinlicher wird der Sieg im Gefecht. Von der anderen +Seite liegt der strategische Erfolg in der Ausnutzung des erfochtenen +Sieges. Je mehr Ereignisse die Strategie durch ihre +Kombinationen <em class="gesperrt">nach</em> einer gewonnenen Schlacht in die Folgen +derselben hineinzuziehen, je mehr sie von den nachfallenden +Trümmern, deren Grundfeste durch die Schlacht erschüttert worden, +an sich zu reißen vermag, je mehr sie in großen Zügen eintreibt, +was in der Schlacht selbst mühevoll einzeln errungen +werden mußte, um so großartiger sind ihre Erfolge.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Kriegskunst auf ihrem höchsten Standpunkte wird zur +Politik, aber freilich einer Politik, die statt Noten zu schreiben, +Schlachten liefert.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Man sagt eigentlich etwas ganz anderes, als man sagen will, +wenn man, was häufig geschieht, vom schädlichen Einfluß der +Politik auf die Führung des Krieges spricht. Es ist nicht dieser +Einfluß, sondern die Politik selbst, die man tadeln sollte. Ist +die Politik richtig, d. h. trifft sie ihr Ziel, so kann sie auf den +Krieg in ihrem Sinne auch nur vorteilhaft wirken; und wo diese +Einwirkung vom Ziel entfernt, ist die Quelle nur in der verkehrten +Politik zu suchen.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die Aufgabe und das Recht der Kriegskunst der Politik +gegenüber ist es hauptsächlich, zu verhüten, daß die Politik +Dinge fordere, die gegen die Natur des Krieges sind, daß sie +aus Unkenntnis über die Wirkungen des Instruments Fehler +begehe im Gebrauche desselben.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Nichts ist im Leben so wichtig, als genau den Standpunkt +zu ermitteln, von dem die Dinge aufgefaßt und beurteilt werden +müssen, und dann an ihm festzuhalten. Denn nur von +<em class="gesperrt">einem</em> Standpunkt aus können wir die Masse der Erscheinungen +in ihrer Einheit auffassen, und nur die Einheit des +Standpunkts kann uns vor Widersprüchen sichern.</p> + +<p>Gehört der Krieg der Politik an, so wird er ihren Charakter +annehmen. Ist sie großartig und kräftig, so wird es auch +der Krieg. Nur durch diese Vorstellungsart wird der Krieg +zur Einheit, nur mit ihr kann man alle Kriege als Dinge <em class="gesperrt">einer</em> +Art betrachten, und nur durch sie wird dem Urteil der rechte +und genaue Stand- und Gesichtspunkt gegeben.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Die ungeheuren Wirkungen der Französischen Revolution +nach außen sind offenbar viel weniger in neuen Mitteln und +Ansichten der französischen Kriegführung zu suchen, als in der +ganz veränderten Staats- und Verwaltungskunst, im Charakter +der Regierung, im Zustande des Volkes usw. Daß die anderen +Regierungen alle diese Dinge unrichtig ansahen, – daß sie mit +gewöhnlichen Mitteln Kräften die Wage halten wollten, die +neu und überwältigend waren: das alles sind Fehler der Politik. +Man kann sagen: die zwanzigjährigen Siege der Revolution +sind hauptsächlich die Folge der fehlerhaften Politik der ihr +gegenüberstehenden Regierungen gewesen, wenn auch der eigentliche +Überfall, von dem sich die Intelligenz getroffen fühlte, +innerhalb der Kriegführung stattfand.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Wenn blutige Schlachten ein schreckliches Schauspiel sind, +so muß dies eine Veranlassung sein, den Krieg mehr zu würdigen, +aber nicht die Waffen, die man führt, nach und nach aus +Menschlichkeit stumpfer zu machen, bis einmal wieder einer +dazwischenkommt mit einem scharfen Schwerte und uns die +Arme vom Leibe weghaut.</p> + +<hr class="inv" /> + +<p>Ein Fürst oder Feldherr, der seinen Krieg genau nach seinen +Zwecken und Mitteln einzurichten weiß, nicht zu viel und nicht +zu wenig tut, gibt dadurch den größten Beweis seines Genies. +Aber die Wirkungen dieser Genialität zeigen sich nicht sowohl +in neuerfundenen Formen des Handelns, die sogleich in die +Augen fallen, als im glücklichen Endergebnis des Ganzen. Es +ist das richtige Zutreffen der stillen Voraussetzungen, es ist die +geräuschlose Harmonie des ganzen Handelns, die wir bewundern +sollten und die sich erst im Gesamterfolge verkündet.</p> + + + +<p class="bottomspace"> +<em class="gesperrt">Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig</em><br /> +</p> + + + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Grundgedanken über Krieg und +Kriegführung, by Karl von Clausewitz + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GRUNDGEDANKEN ÜBER KRIEG UND *** + +***** This file should be named 36693-h.htm or 36693-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/3/6/6/9/36693/ + +Produced by Norbert H. Langkau, Heike Leichsenring and the +Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you +do not charge anything for copies of this eBook, complying with the +rules is very easy. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact +information can be found at the Foundation's web site and official +page at https://pglaf.org + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + https://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. + + +</pre> + +</body> +</html> diff --git a/36693-h/images/cover.jpg b/36693-h/images/cover.jpg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..df9fad2 --- /dev/null +++ b/36693-h/images/cover.jpg diff --git a/36693-h/images/title1.png b/36693-h/images/title1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..97a4111 --- /dev/null +++ b/36693-h/images/title1.png diff --git a/36693-h/images/title2.png b/36693-h/images/title2.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..7603153 --- /dev/null +++ b/36693-h/images/title2.png |
