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-The Project Gutenberg EBook of Vor Sonnenaufgang, by Gerhart Hauptmann
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Vor Sonnenaufgang
- Soziales Drama
-
-Author: Gerhart Hauptmann
-
-Release Date: June 2, 2016 [EBook #52218]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VOR SONNENAUFGANG ***
-
-
-
-
-Produced by Peter Becker, Jens Sadowski, and the Online
-Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This
-file was produced from images generously made available
-by The Internet Archive.
-
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-
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-
- Vor Sonnenaufgang
-
-
- Von Gerhart Hauptmann erschienen im gleichen Verlage:
-
- Vor Sonnenaufgang. Soziales Drama. 9. Auflage.
- Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe. 4.-5. Auflage.
- Einsame Menschen. Drama. 13.-14. Auflage.
- De Waber. Schauspiel aus den 40er Jahren. 2. Auflage.
- Originalausgabe.
- Die Weber. Schauspiel aus den 40er Jahren. 27.-28. Auflage.
- Übertragung.
- College Crampton. Komödie. 5.-6. Auflage.
- Bahnwärter Thiel. Der Apostel. Novellistische 5.-6. Auflage.
- Studien.
- Der Biberpelz. Eine Diebskomödie. 7.-8. Auflage.
- Hannele. Eine Traumdichtung. Illustriert
- (vergriffen).
- Hanneles Himmelfahrt. Eine Traumdichtung. 9.-10. Auflage.
- Florian Geyer. 5.-6. Auflage.
- Die versunkene Glocke. Ein deutsches Märchendrama. 49.-52. Auflage.
- Fuhrmann Henschel. Schauspiel. Originalausgabe. 13.-16. Auflage.
- Fuhrmann Henschel. Schauspiel. Übertragung. 9.-12. Auflage.
- Schluck und Jau. Spiel zu Scherz und Schimpf. 8.-10. Auflage.
- Michael Kramer. Drama. 9.-10. Auflage.
-
-
-
-
- Vor Sonnenaufgang
-
-
- Soziales Drama
- von
- Gerhart Hauptmann
-
- Neunte Auflage
-
- Berlin,
- S. Fischer, Verlag,
- 1902
-
-
-
-
- Sowohl Aufführungs- als Nachdrucks- und Uebersetzungsrecht
- vorbehalten.
-
-
- Den Bühnen gegenüber Manuskript.
-
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-
-
-Die Aufführung dieses Dramas fand am 20. Oktober statt in den Räumen des
-Lessing-Theaters, veranstaltet vom Verein »Freie Bühne«. Ich benutze den
-Anlaß der Herausgabe einer neuen Auflage, um aus vollem Herzen den
-Leitern dieses Vereins insgesammt, in Sonderheit aber den Herren Otto
-Brahm und Paul Schlenther zu danken. Möchte es die Zukunft erweisen, daß
-sie sich, indem sie, kleinlichen Bedenken zum Trotz, einem aus reinen
-Motiven heraus entstandenen Kunstwerk zum Leben verhalfen, um die
-_deutsche_ Kunst verdient gemacht haben.
-
-Charlottenburg, den 26. Oktober 1889.
-
- Gerhart Hauptmann.
-
-
-
-
- Handelnde Menschen.
-
-
- Besetzung bei der ersten
- Aufführung.
- Krause, Bauerngutsbesitzer Hans Pagay.
- Frau Krause, seine zweite Frau Louise v. Pöllnitz.
- Helene, } Elsa Lehmann.
- Martha, } Krause's Töchter erster Ehe ***
- Hoffmann, Ingenieur, verheirathet mit Martha Gustav Kadelburg.
- Wilhelm Kahl, Neffe der Frau Krause Carl Stallmann.
- Frau Spiller, Gesellschafterin der Frau Krause Ida Stägemann.
- Alfred Loth Theodor Brandt.
- Dr. Schimmelpfennig Franz Guthery.
- Beibst, Arbeitsmann auf Krause's Gut Paul Pauly.
- Guste, } Sophie Berg.
- Liese, } Mägde auf Krause's Gut Clara Hahn.
- Marie, } Antonie Ziegler.
- Baer, genannt Hopslabaer Ferdinand Meyer.
- Eduard, Hoffmann's Diener Edmund Schmasow.
- Miele, Hausmädchen bei Frau Krause Helene Schüle.
- Die Kuschenfrau Marie Gundra.
- Golisch, genannt Gosch. Kuhjunge Georg Baselt.
- Ein Packetträger ***
-
-
-
-
- Erster Akt.
-
-
- Das Zimmer ist niedrig; der Fußboden mit guten Teppichen belegt.
- Moderner Luxus auf bäuerische Dürftigkeit gepfropft. An der Wand
- hinter dem Eßtisch ein Gemälde, darstellend einen vierspännigen
- Frachtwagen, von einem Fuhrknecht in blauer Blouse geleitet.
-
- * * * * *
-
- Miele, eine robuste Bauernmagd mit rothem, etwas stumpfsinnigem
- Gesicht; sie öffnet die Mittelthür und läßt Alfred Loth
- eintreten. Loth ist mittelgroß, breitschultrig, untersetzt, in
- seinen Bewegungen bestimmt, doch ein wenig ungelenk; er hat
- blondes Haar, blaue Augen und ein dünnes, lichtblondes
- Schnurrbärtchen, sein ganzes Gesicht ist knochig und hat einen
- gleichmäßig ernsten Ausdruck. Er ist ordentlich, jedoch nichts
- weniger als modern gekleidet. Sommerpaletot, Umhängetäschchen,
- Stock.
-
-Miele. Bitte! Ich werde den Herrn Inschinnär glei ruffen. Wolln Sie nich
-Platz nehmen?!
-
- Die Glasthür zum Wintergarten wird heftig aufgestoßen; ein
- Bauernweib, im Gesicht blauroth vor Wuth, stürzt herein. Sie ist
- nicht viel besser als eine Waschfrau gekleidet. Nackte, rothe
- Arme, blauer Kattunrock und Mieder, rothes punktirtes Brusttuch.
- Alter: Anfang 40, Gesicht hart, sinnlich, bösartig. Die ganze
- Gestalt sonst gut conservirt.
-
-Frau Krause (schreit). Ihr Madel!! ... Richtig! ... Doas Loster vu
-Froovulk! ... Naus! mir gahn nischt! ... (Halb zu Miele, halb zu Loth.)
-A koan orbeita, a hoot Oarme. Naus! hier gibbt's nischt!
-
-Loth. Aber Frau ... Sie werden doch ... ich ... ich heiße Loth, bin ...
-wünsche zu ... habe auch nicht die Ab....
-
-Miele. A wull ock a Herr Inschinnär sprechen.
-
-Frau Krause. Beim Schwiegersuhne batteln: doas kenn' mer schunn. -- A
-hoot au nischt, a hoot's au ock vu ins, nischt iis seine! (Die Thür
-rechts wird aufgemacht. Hoffmann steckt den Kopf heraus.)
-
-Hoffmann. Schwiegermama! -- Ich muß doch bitten ... (Er tritt heraus,
-wendet sich an Loth.) Was steht zu ... Alfred! Kerl! Wahrhaftig 'n Gott,
-Du!? Das ist aber mal ... nein _das_ is doch mal 'n Gedanke!
-
- Hoffmann ist etwa dreiunddreißig alt, schlank, groß, hager. Er
- kleidet sich nach der neuesten Mode, ist elegant frisirt, trägt
- kostbare Ringe, Brillantknöpfe im Vorhemd und Berloques an der
- Uhrkette. Kopfhaar und Schnurrbart schwarz, der letztere sehr
- üppig, äußerst sorgfältig gepflegt. Gesicht spitz, vogelartig.
- Ausdruck verschwommen, Augen schwarz, lebhaft, zuweilen unruhig.
-
-Loth. Ich bin nämlich ganz zufällig ....
-
-Hoffmann (aufgeregt). Etwas Lieberes ... nun aber zunächst leg ab! (Er
-versucht ihm das Umhängetäschchen abzunehmen.) -- Etwas Lieberes und so
-Unerwartetes hätte mir jetzt -- (er hat ihm Hut und Stock abgenommen und
-legt beides auf einen Stuhl neben der Thür) -- hätte mir jetzt
-entschieden nicht passiren können, -- (indem er zurückkommt) --
-_entschieden_ nicht.
-
-Loth (sich selbst das Täschchen abnehmend). Ich bin nämlich -- nur so
-per Zufall auf Dich -- (er legt das Täschchen auf den Tisch im
-Vordergrund).
-
-Hoffmann. Setz' Dich! Du mußt müde sein, setz' Dich -- bitte. Weißt De
-noch? wenn Du mich besuchtest, da hatt'st Du so 'ne Manier, Dich lang
-auf das Sopha hinfallen zu lassen, daß die Federn krachten; mitunter
-sprangen sie nämlich auch. Also Du, höre! mach's wie damals.
-
- Frau Krause hat ein sehr erstauntes Gesicht gemacht und sich dann
- zurückgezogen. Loth läßt sich auf einen der Sessel nieder, welche
- rings um den Tisch im Vordergrunde stehen.
-
-Hoffmann. Trinkst Du was? Sag'! -- Bier? Wein? Cognac? Kaffee? Thee? Es
-ist alles im Hause.
-
- Helene kommt lesend aus dem Wintergarten; ihre große, ein wenig
- zu starke Gestalt, die Frisur ihres blonden, ganz ungewöhnlich
- reichen Haares, ihr Gesichtsausdruck, ihre moderne Kleidung, ihre
- Bewegungen, ihre ganze Erscheinung überhaupt verleugnen das
- Bauernmädchen nicht ganz.
-
-Helene. Schwager, Du könntest ... (Sie entdeckt Loth und zieht sich
-schnell zurück.) Ach! ich bitte um Verzeihung. (Ab.)
-
-Hoffmann. Bleib doch, bleib!
-
-Loth. Deine Frau?
-
-Hoffmann. Nein, ihre Schwester. Hörtest Du nicht, wie sie mich
-betitelte?
-
-Loth. Nein.
-
-Hoffmann. Hübsch! Wie? -- Nu aber erklär' Dich! Kaffee? Thee? Grog?
-
-Loth. Danke, danke für alles.
-
-Hoffmann (präsentirt ihm Cigarren). Aber _das_ ist was für Dich --
-nicht?! ... Auch nicht?!
-
-Loth. Nein, danke.
-
-Hoffmann. Beneidenswerthe Bedürfnißlosigkeit! (Er raucht sich selbst
-eine Cigarre an und spricht dabei.) Die A.. Asche, wollte sagen der ...
-der Tabak ... ä! Rauch natürlich ... der Rauch belästigt Dich doch wohl
-nicht?
-
-Loth. Nein.
-
-Hoffmann. Wenn ich _das_ nicht noch hätte ... ach Gott ja, das bischen
-Leben! -- Nu aber thu mir den Gefallen, erzähle was. -- Zehn Jahre --
-bist übrigens kaum sehr verändert -- zehn Jahre, 'n ekliger Fetzen Zeit
--- was macht Schn... Schnurz nannten wir ihn ja wohl? Fips, -- die ganze
-heitere Blase von damals? Hast du den einen oder anderen im Auge
-behalten?
-
-Loth. Sach mal, solltest Du das nicht wissen?
-
-Hoffmann. Was?
-
-Loth. Daß er sich erschossen hat.
-
-Hoffmann. Wer? -- hat sich wieder mal erschossen.
-
-Loth. Fips! Friedrich Hildebrandt.
-
-Hoffmann. I warum nich gar!
-
-Loth. Ja! er hat sich erschossen -- im Grunewald, an einer sehr schönen
-Stelle der Havelseeufer. Ich war dort, man hat den Blick auf Spandau.
-
-Hoffmann. Hm! -- Hätt ihm das nicht zugetraut, war doch sonst keine
-Heldennatur.
-
-Loth. Deswegen hat er sich eben erschossen. -- _Gewissenhaft_ war er,
-sehr gewissenhaft.
-
-Hoffmann. Gewissenhaft? Woso?
-
-Loth. Nun, darum eben ... sonst hätte er sich wohl nicht erschossen.
-
-Hoffmann. Versteh nicht recht.
-
-Loth. Na, die Farbe seiner politischen Anschauungen kennst Du doch?
-
-Hoffmann. Ja, grün.
-
-Loth. Du kannst sie gern so nennen. Er war, dies wirst Du ihm wohl
-lassen müssen, ein talentvoller Jung. -- Fünf Jahre hat er als
-Stuccateur arbeiten müssen, andere fünf Jahre dann, so zu sagen, auf
-eigene Faust durchgehungert und dazu kleine Statuetten modellirt.
-
-Hoffmann. Abstoßendes Zeug. Ich will von der Kunst erheitert sein ....
-Nee! diese Sorte Kunst war durchaus nicht mein Geschmack.
-
-Loth. Meiner war es auch nicht, aber er hatte sich nun doch einmal drauf
-versteift. Voriges Frühjahr schrieben sie da ein Denkmal aus; irgend ein
-Duodezfürstchen, glaub ich, sollte verewigt werden. Fips hatte sich
-betheiligt und gewonnen; kurz darauf schoß er sich todt.
-
-Hoffmann. Wo da die Gewissenhaftigkeit stecken soll, ist mir völlig
-schleierhaft. -- Für so was habe ich nur eine Benennung: Spahn -- auch
-Wurm -- Spleen -- so was.
-
-Loth. Das ist ja das allgemeine Urtheil.
-
-Hoffmann. Thut mir leid, kann aber nicht umhin mich ihm anzuschließen.
-
-Loth. Es ist ja für ihn auch ganz gleichgültig, was ...
-
-Hoffmann. Ach überhaupt, lassen wir das. Ich bedauere ihn im Grunde ganz
-ebenso sehr wie Du, aber -- nun ist er doch einmal todt, der gute Kerl;
--- erzähle mir lieber etwas von _Dir_, was Du getrieben hast, wie's Dir
-ergangen ist.
-
-Loth. Es ist mir so ergangen, wie ich's erwarten mußte. -- Hast Du gar
-nichts von mir gehört? -- durch die Zeitungen mein ich.
-
-Hoffmann (ein wenig befangen). Wüßte nicht.
-
-Loth. Nichts von der Leipziger Geschichte?
-
-Hoffmann. Ach so, _das_! -- Ja! -- Ich glaube .... nichts Genaues.
-
-Loth. Also, die Sache war folgende:
-
-Hoffmann (seine Hand auf Loth's Arm legend). Ehe Du anfängst: willst Du
-denn _gar_ nichts zu Dir nehmen?
-
-Loth. Später vielleicht.
-
-Hoffmann. Auch nicht ein Gläschen Cognac?
-
-Loth. Nein. Das am allerwenigsten.
-
-Hoffmann. Nun, dann werde ich ein Gläschen .... Nichts besser für den
-Magen. (Holt Flasche und zwei Gläschen vom Buffet, setzt alles auf den
-Tisch vor Loth.) _Grand Champagne_, feinste Nummer; ich kann ihn
-empfehlen. -- Möchtest Du nicht ....?
-
-Loth. Danke.
-
-Hoffmann (kippt das Gläschen in den Mund). Oah! -- na, nu bin ich ganz
-Ohr.
-
-Loth. Kurz und gut: da bin ich eben sehr stark hineingefallen.
-
-Hoffmann. Mit zwei Jahren, glaub ich?!
-
-Loth. Ganz recht! Du scheinst es ja doch also zu wissen. Zwei Jahre
-Gefängniß bekam ich, und nach dem haben sie mich noch von der
-Universität relegirt. Damals war ich -- einundzwanzig. Nun! in diesen
-zwei Gefängnißjahren habe ich mein erstes volkswirthschaftliches Buch
-geschrieben. Daß es gerade ein Vergnügen gewesen, zu brummen, müßte ich
-allerdings lügen.
-
-Hoffmann. Wie man doch einmal so sein konnte! Merkwürdig! So was hat man
-sich nun allen Ernstes in den Kopf gesetzt. Baare Kindereien sind es
-gewesen, kann mir nicht helfen, Du! -- nach Amerika auswandern 'n
-Dutzend Gelbschnäbel wie wir! -- _wir_ und Musterstaat gründen!
-Köstliche Vorstellung!
-
-Loth. Kindereien?! -- tjaa! In gewisser Beziehung sind es auch wirklich
-Kindereien gewesen! Wir unterschätzten die Schwierigkeiten eines solchen
-Unternehmens.
-
-Hoffmann. Und daß Du nun _wirk--lich hinaus_ gingst -- nach Amerika --
-all--len Ernstes mit leeren Händen .... Denk' doch mal an, was es heißt,
-Grund und Boden für einen Musterstaat mit leeren Händen erwerben zu
-wollen: das ist ja beinahe ver.... jedenfalls ist es einzig naiv.
-
-Loth. Ach, gerade mit dem Ergebniß meiner Amerikafahrt bin ich ganz
-zufrieden.
-
-Hoffmann (laut auflachend). Kaltwasserkur, vorzügliche Resultate, wenn
-Du es so meinst ...
-
-Loth. Kann sein, ich bin etwas abgekühlt worden; damit ist mir aber gar
-nichts _Besonderes_ geschehen. Jeder Mensch macht seinen
-Abkühlungsprozeß durch. Ich bin jedoch weit davon entfernt, den Werth
-der .... nun, sagen wir hitzigen Zeit zu verkennen. Sie war auch gar
-nicht so furchtbar naiv, wie Du sie hinstellst.
-
-Hoffmann. Na, ich weiß nicht?!
-
-Loth. Du brauchst nur an die Durchschnittskindereien unserer Tage
-denken: das Couleurwesen auf den Universitäten, das Saufen, das Pauken.
-Warum all der Lärm? Wie Fips zu sagen pflegte: um Hekuba!
-
-Um Hekuba drehte es sich bei uns doch wohl nicht; wir hatten die
-allerhöchsten menschheitlichen Ziele im Auge. Und abgesehen davon, diese
-naive Zeit hat bei mir gründlich mit Vorurtheilen aufgeräumt. Ich bin
-mit der Scheinreligion und Scheinmoral und mit noch manchem Anderen ....
-
-Hoffmann. Das kann ich Dir ja auch ohne Weiteres zugeben. Wenn ich jetzt
-doch immerhin ein vorurtheilsloser, aufgeklärter Mensch bin, dann
-verdanke ich das, wie ich _gar nicht_ leugne, den Tagen unseres Umgangs.
--- Natürlicherweise! -- Ich bin der letzte, das zu leugnen. -- Ich bin
-überhaupt in _keiner_ Beziehung Unmensch. Nur muß man nicht mit dem
-Kopfe durch die Wand rennen wollen. -- Man muß nicht die Uebel, an denen
-die gegenwärtige Generation, leider Gottes, krankt, durch noch größere
-verdrängen wollen; man muß -- alles ruhig seinen natürlichen Gang gehen
-lassen. Was kommen soll, kommt! _Praktisch_, praktisch muß man
-verfahren! Erinnere Dich! Ich habe das früher _gerade_ so betont, und
-dieser Grundsatz hat sich bezahlt gemacht. -- Das _ist_ es ja eben. Ihr
-alle -- Du mit eingerechnet -- Ihr verfahrt höchst _un_praktisch.
-
-Loth. Erklär' mir eben mal, wie Du das meinst.
-
-Hoffmann. _Ein_fach! Ihr nützt Eure Fähigkeiten nicht aus. Zum Beispiel
-Du: 'n Kerl wie Du, mit Kenntnissen, Energie etc., was hätte Dir nicht
-offen gestanden! Statt dessen, was machst Du? _Com--pro--mit--tirst
-Dich_ von vornherein _der_--art ... na, Hand auf's Herz! hast Du das
-nicht manchmal bereut?
-
-Loth. Ich konnte nicht gut bereuen, weil ich ohne Schuld verurtheilt
-worden bin.
-
-Hoffmann. Kann ich ja nicht beurtheilen, weißt Du.
-
-Loth. Du wirst das gleich können, wenn ich Dir sage: die Anklageschrift
-führte aus, ich hätte unseren Verein Vancouver-Island nur zum Zwecke
-parteilicher Agitation ins Leben gerufen; dann sollte ich auch Geld zu
-Parteizwecken gesammelt haben. Du weißt ja nun, daß es uns mit unseren
-colonialen Bestrebungen Ernst war, und was das Geldsammeln anlangt, so
-hast Du ja selbst gesagt, daß wir alle miteinander leere Hände hatten.
-Die Anklage enthält also kein wahres Wort, und als Mitglied solltest Du
-das doch ...
-
-Hoffmann. Na -- Mitglied war ich doch wohl eigentlich nicht so recht. --
-Uebrigens glaube ich Dir selbstredend. -- Die Richter sind halt immer
-nur Menschen, muß man nehmen. -- Jedenfalls hättest Du, um praktisch zu
-handeln, auch den _Schein_ meiden müssen. Ueberhaupt: ich habe mich in
-der Folge manchmal baß gewundert über Dich: Redacteur der
-Arbeiterkanzel, des obscursten aller Käseblättchen -- Reichstagscandidat
-des süßen Pöbels! Und was hast Du nu davon? -- versteh mich nicht
-falsch! Ich bin der letzte, der es an Mitleid mit dem armen Volke fehlen
-läßt, aber _wenn_ etwas geschieht, dann mag es von oben her_ab_
-geschehen! Es muß sogar von oben herab geschehen, das Volk weiß nun mal
-nicht, was ihm noth thut -- das »Von-unten-_herauf_,« siehst Du, _das_
-eben nenne ich das »Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-rennen.«
-
-Loth. Ich bin aus dem, was Du eben gesagt hast, nicht klug geworden.
-
-Hoffmann. Na, ich meine eben, sieh _mich_ an! Ich habe die Hände frei:
-ich könnte nu schon anfangen was für die Ideale zu thun. -- Ich kann
-wohl sagen, mein _praktisches_ Programm ist nahezu durchgeführt. Aber
-Ihr ... immer mit leeren Händen, was wollt denn _Ihr machen_?
-
-Loth. Ja, wie man so hört: Du segelst stark auf Bleichröder zu.
-
-Hoffmann (geschmeichelt). Zu viel Ehre -- vorläufig noch. Wer sagt das?
--- Man arbeitet eben seinen soliden Stiefel fort. Das belohnt sich
-naturgemäß -- wer sagt das übrigens?
-
-Loth. Ich hörte darüber in Jauer zwei Herren am Nebentisch reden.
-
-Hoffmann. Ä! Du! -- Ich habe Feinde! -- Was sagten die denn übrigens?
-
-Loth. Nichts Besonderes. Durch sie erfuhr ich, daß Du Dich zur Zeit eben
-hier auf das Gut Deiner Schwiegereltern zurückgezogen hast.
-
-Hoffmann. Was die Menschen nicht alles ausschnüffeln! Lieber Freund! Du
-glaubst nicht, wie ein Mann in meiner Stellung auf Schritt und Tritt
-beobachtet wird. Das ist auch so 'n Uebelstand des Reich.... -- Die
-Sache ist nämlich die: ich erwarte der größeren Ruhe und gesünderen Luft
-wegen die Niederkunft meiner Frau _hier_.
-
-Loth. Wie paßt denn das aber mit dem Arzt? Ein guter Arzt ist doch in
-solchen Fällen von allergrößter Wichtigkeit. Und hier auf dem Dorfe ....
-
-Hoffmann. Das ist es eben: der Arzt hier ist ganz besonders tüchtig;
-und, weißt Du, so viel habe ich bereits weg: Gewissenhaftigkeit geht
-beim Arzt über Genie.
-
-Loth. Vielleicht ist sie eine Begleiterscheinung des Genies im Arzt.
-
-Hoffmann. Mein'twegen, jedenfalls _hat_ unser Arzt Gewissen. Er ist
-nämlich auch so'n Stück Ideologe, halb und halb unser Schlag -- reussirt
-schauderhaft unter Bergleuten und auch unter dem Bauernvolk. Man
-vergöttert ihn geradezu. Zu Zeiten übrigens 'n recht unverdaulicher
-Patron, 'n Mischmasch von Härte und Sentimentalität. Aber, wie gesagt,
-Gewissenhaftigkeit weiß ich zu schätzen! -- Unbedingt! -- Eh ich's
-vergesse .... es ist mir nämlich darum zu thun .... man muß immer
-wissen, wessen man sich zu versehen hat .... Höre! .... sage mir doch
-.... ich seh Dir's an, die Herren am Nebentische haben nichts Gutes über
-mich gesprochen. -- Sag' mir doch, bitte, was sie gesprochen haben.
-
-Loth. Das sollte ich wohl nicht thun, denn ich will Dich nachher um
-zweihundert Mark bitten, geradezu _bitten_, denn ich werde sie Dir wohl
-kaum je wiedergeben können.
-
-Hoffmann (zieht ein Checbuch aus der Brusttasche, füllt einen Chec aus,
-übergiebt ihn Loth). Bei irgend einer Reichsbankfiliale .... Es ist mir
-'n Vergnügen ....
-
-Loth. Deine Fixigkeit übertrifft alle meine Erwartungen. -- Na! -- ich
-nehm es dankbar an und Du weißt ja: übel angewandt ist es auch nicht.
-
-Hoffmann (mit Anflug von Pathos). Ein Arbeiter ist seines Lohnes werth!
--- Doch jetzt, Loth, sei so gut, sag' mir, was die Herren am Nebentisch
-....
-
-Loth. Sie haben wohl Unsinn gesprochen.
-
-Hoffmann. Sag' mir's trotzdem, bitte! -- Es ist mir lediglich
-interessant, _ledig--lich_ interessant --
-
-Loth. Es war davon die Rede, daß Du hier einen anderen aus der Position
-verdrängt hättest, -- einen Bauunternehmer Müller.
-
-Hoffmann. Na--tür--lich! _diese_ Geschichte!
-
-Loth. Ich glaube, der Mann sollte mit Deiner jetzigen Frau verlobt
-gewesen sein.
-
-Hoffmann. War er auch. -- Und was weiter?
-
-Loth. Ich erzähle Dir alles, wie ich es hörte, weil ich annehme: es
-kommt Dir darauf an, die Verleumdung möglichst getreu kennen zu lernen.
-
-Hoffmann. Ganz recht! Also?
-
-Loth. So viel ich heraus hörte, soll dieser Müller den Bau einer Strecke
-der hiesigen Gebirgsbahn übernommen haben.
-
-Hoffmann. Ja! Mit lumpigen zehntausend Thalern Vermögen. Als er einsah,
-daß dieses Geld nicht zureichte, wollte er schnell eine Witzdorfer
-Bauerntochter fischen; meine jetzige Frau sollte _diejenige_ sein,
-_welche_.
-
-Loth. Er hätte es, sagten sie, mit der Tochter, Du mit dem Alten
-gemacht. -- Dann hat er sich ja wohl erschossen?! -- Auch seine Strecke
-hättest Du zu Ende gebaut und noch sehr viel Geld dabei verdient.
-
-Hoffmann. Darin ist einiges Wahre enthalten, doch -- ich könnte Dir eine
-Verknüpfung der Thatsachen geben ... Wußten sie am Ende noch mehr
-dergleichen erbauliche Dinge?
-
-Loth. Ganz besonders -- muß ich Dir sagen -- regten sie sich über
-_etwas_ auf: sie rechneten sich vor, welch ein enormes Geschäft in
-Kohlen Du jetzt machtest und nannten Dich einen .... na, schmeichelhaft
-war es eben nicht für Dich. Kurz gesagt, sie erzählten, Du hättest die
-hiesigen dummen Bauern beim Champagner überredet, einen Vertrag zu
-unterzeichnen, in welchem Dir der alleinige Verschleiß aller in ihren
-Gruben geförderten Kohle übertragen worden ist gegen eine Pachtsumme,
-die fabelhaft gering sein sollte.
-
-Hoffmann (sichtlich peinlich berührt, steht auf). Ich will Dir was
-sagen, Loth .... Ach, warum auch noch darin rühren? Ich schlage vor, wir
-denken an's Abendbrod, mein Hunger ist mörderisch. Mörderischen Hunger
-habe ich. (Er drückt auf den Knopf einer elektrischen Leitung, deren
-Draht in Form einer grünen Schnur auf das Sopha herunter hängt; man hört
-das Läuten einer elektrischen Klingel.)
-
-Loth. Nun, wenn Du mich hier behalten willst -- dann sei so gut .... ich
-möchte mich eben 'n bischen säubern.
-
-Hoffmann. Gleich sollst Du alles Nöthige .... (Eduard tritt ein, Diener
-in Livree.) Eduard! führen Sie den Herrn in's Gastzimmer.
-
-Eduard. Sehr wohl, gnädiger Herr.
-
-Hoffmann (Loth die Hand drückend). In spätestens fünfzehn Minuten möchte
-ich Dich bitten, zum Essen herunter zu kommen.
-
-Loth. Uebrig Zeit. Also Wiedersehen!
-
-Hoffmann. Wiedersehen!
-
- Eduard öffnet die Thür und läßt Loth vorangehen. Beide ab.
- Hoffmann kratzt sich den Hinterkopf, blickt nachdenklich auf den
- Fußboden, geht dann auf die Thür rechts zu, deren Klinke er
- bereits gefaßt hat, als Helene, welche hastig durch die Glasthür
- eingetreten ist, ihn anruft.
-
-Helene. Schwager! Wer war das?
-
-Hoffmann. Das war einer von meinen Gymnasialfreunden, der älteste sogar,
-Alfred Loth.
-
-Helene (schnell). Ist er schon wieder fort?
-
-Hoffmann. Nein! Er wird mit uns zu Abend essen. -- Womöglich .... ja,
-womöglich auch hier übernachten.
-
-Helene. Oh Jeses! Da komme ich nicht zum Abendessen.
-
-Hoffmann. Aber Helene!
-
-Helene. Was brauche ich auch unter gebildete Menschen zu kommen! Ich
-will nur ruhig weiter verbauern.
-
-Hoffmann. Ach, immer diese Schrullen! Du wirst mir sogar den großen
-Dienst erweisen und die Anordnungen für den Abendtisch treffen. Sei so
-gut! -- Wir machen's 'n bischen feierlich. Ich vermuthe nämlich, er
-führt irgend was im Schilde.
-
-Helene. Was meinst Du, im Schilde führen?
-
-Hoffmann. Maulwurfsarbeit -- wühlen, wühlen. -- Davon verstehst Du nun
-freilich nichts. -- Kann mich übrigens täuschen, denn ich habe bis jetzt
-vermieden auf diesen Gegenstand zu kommen. Jedenfalls mach alles recht
-einladend. Auf diese Weise ist den Leuten noch am leichtesten ...
-Champagner natürlich! Die Hummern von Hamburg sind angekommen?
-
-Helene. Ich glaube, sie sind heut früh angekommen.
-
-Hoffmann. Also, Hummern! (Es klopft sehr stark.) Herein!
-
-Postpacketträger. (Eine Kiste unter'm Arm, eintretend, spricht er in
-singendem Tone.) Eine _Kis--te_.
-
-Helene. Von wo?
-
-Packetträger. _Ber--lin._
-
-Hoffmann. Richtig. Es werden die Kindersachen von Hertzog sein. (Er
-besieht das Packet und nimmt den Abschnitt.) Ja, ja, es sind die Sachen
-von Hertzog.
-
-Helene. _Die--se_ Kiste voll? Du übertreibst.
-
-Hoffmann (lohnt den Packetträger ab).
-
-Packetträger (ebenso halb singend). Schö'n gn'n A--bend. (Ab.)
-
-Hoffmann. Wieso übertreiben?
-
-Helene. Nun, hiermit kann man doch wenigstens drei Kinder ausstatten.
-
-Hoffmann. Bist Du mit meiner Frau spazieren gegangen?
-
-Helene. Was soll ich machen, wenn sie immer gleich müde wird?
-
-Hoffmann. Ach was, immer gleich müde -- sie macht mich unglücklich! Ein
-und eine halbe Stunde ... sie soll doch um Gottes Willen thun, was der
-Arzt sagt. Zu was hat man denn den Arzt, wenn ...
-
-Helene. Dann greife Du ein, schaff' die Spillern fort! Was soll ich
-gegen so 'n altes Weib machen, die ihr immer nach dem Munde geht!
-
-Hoffmann. Was denn? ... ich als Mann ... was soll ich als Mann? ... und
-außerdem, Du kennst doch die Schwiegermama.
-
-Helene (bitter). Allerdings.
-
-Hoffmann. Wo ist sie denn jetzt?
-
-Helene. Die Spillern stutzt sie heraus, seit Herr Loth hier ist; sie
-wird wahrscheinlich zum Abendbrod wieder ihr Rad schlagen.
-
-Hoffmann (schon wieder in eigenen Gedanken, macht einen Gang durch's
-Zimmer; heftig). Es ist das letzte Mal, auf Ehre!, daß ich so etwas hier
-in diesem Hause abwarte. Auf Ehre!
-
-Helene. Ja, Du hast es eben gut, Du kannst gehen, wohin Du willst.
-
-Hoffmann. Bei mir zu Hause wäre der unglückliche Rückfall in dies
-schauderhafte Laster auch _sicher nicht_ vorgekommen.
-
-Helene. _Mich_ mache dafür nicht verantwortlich! Von _mir_ hat sie den
-Branntwein nicht bekommen. Schaff' Du nur die Spillern fort. Ich sollte
-bloß 'n Mann sein.
-
-Hoffmann (seufzend). Ach, wenn es nur erst wieder vorüber wär'! -- (In
-der Thür rechts.) Also Schwägerin, Du thust mir den Gefallen: einen
-recht appetitlichen Abendtisch! Ich erledige schnell noch eine
-Kleinigkeit.
-
-Helene (drückt auf den Klingelknopf, Miele kommt). Miele, decken Sie den
-Tisch! Eduard soll Sekt kalt stellen und vier Dutzend Austern öffnen.
-
-Miele (unterdrückt, batzig). Sie kinn'n 's 'm salber sagen, a nimmt
-nischt oa vu mir, a meent immer: a wär ok beim Inschinnär gemit't.
-
-Helene. Dann schick ihn wenigstens rein.
-
- Miele ab. Helene tritt vor den Spiegel, ordnet dies und das an
- ihrer Toilette; währenddeß tritt Eduard ein.
-
-Helene (immer noch vor dem Spiegel). Eduard, stellen Sie Sekt kalt und
-öffnen Sie Austern! Herr Hoffmann hat es befohlen.
-
-Eduard. Sehr wohl, Fräulein. (Eduard ab. Gleich darauf klopft es an die
-Mittelthür.)
-
-Helene (fährt zusammen). Großer Gott! -- (Zaghaft.) Herein! -- (lauter
-und fester) -- herein!
-
-Loth (tritt ein ohne Verbeugung). Ach, um Verzeihung! -- ich wollte
-nicht stören, -- mein Name ist Loth.
-
-Helene (verbeugt sich tanzstundenmäßig).
-
-Stimme Hoffmann's (durch die geschlossene Zimmerthür): Kinder! keine
-Umstände! -- Ich komme gleich heraus. Loth! es ist meine Schwägerin
-Helene Krause! Und Schwägerin! es ist mein Freund Alfred Loth!
-Betrachtet Euch als vorgestellt.
-
-Helene. Nein, über Dich aber auch!
-
-Loth. Ich nehme es ihm nicht übel, Fräulein! Bin selbst, wie man mir
-sehr oft gesagt hat, in Sachen des guten Tons ein halber Barbar. -- Aber
-wenn ich Sie gestört habe, so ...
-
-Helene. Bitte, -- Sie haben mich gar nicht gestört, -- durchaus nicht.
-(Befangenheitspause, hierauf:) Es ist ... es ist schön von Ihnen, daß --
-Sie meinen Schwager aufgesucht haben. Er beklagt sich immer von ... er
-bedauert immer, von seinen Jugendfreunden so ganz vergessen zu sein.
-
-Loth. Ja, es hat sich zufällig so getroffen. -- Ich war immer in Berlin
-und daherum -- wußte eigentlich nicht, wo Hoffmann steckte. Seit meiner
-Breslauer Studienzeit war ich nicht mehr in Schlesien.
-
-Helene. Also nur so zufällig sind Sie auf ihn gestoßen?
-
-Loth. Nur ganz zufällig -- und zwar gerade an dem Ort, wo ich meine
-Studien zu machen habe.
-
-Helene. Ach, Spaß! -- Witzdorf und Studien machen, nicht möglich! in
-diesem armseligen Neste?!
-
-Loth. Armselig nennen Sie es? -- Aber es liegt doch hier ein ganz
-außergewöhnlicher Reichthum.
-
-Helene. Ja doch! in der Hinsicht ...
-
-Loth. Ich habe nur immer gestaunt. Ich kann Sie versichern, solche
-Bauernhöfe giebt es nirgendwo anders; da guckt ja der Ueberfluß wirklich
-aus Thüren und Fenstern.
-
-Helene. Da haben Sie recht. In mehr als einem Stalle hier fressen Kühe
-und Pferde aus marmornen Krippen und neusilbernen Raufen! Das hat die
-Kohle gemacht, die unter unseren Feldern gemuthet worden ist, die hat
-die armen Bauern im Handumdrehen steinreich gemacht. (Sie weist auf das
-Bild an der Hinterwand.) Sehen Sie da -- mein Großvater war
-Frachtfuhrmann. Das Gütchen gehörte ihm, aber der geringe Boden ernährte
-ihn nicht, da mußte er Fuhren machen. -- Das dort ist er selbst in der
-blauen Blouse -- man trug damals noch solche blaue Blousen. -- Auch mein
-Vater als junger Mensch ist darin gegangen. -- Nein! -- so meinte ich es
-nicht -- mit dem »armselig«; nur ist es so öde hier. So ... gar nichts
-für den Geist giebt es. Zum Sterben langweilig ist es.
-
- Miele und Eduard ab- und zugehend decken den Tisch rechts im
- Hintergrunde.
-
-Loth. Giebt es denn nicht zuweilen Bälle oder Kränzchen?
-
-Helene. Nicht mal das giebt es. Die Bauern _spielen_, _jagen_, _trinken_
-... was sieht man den ganzen Tag? (Sie ist vor das Fenster getreten und
-weist mit der Hand hinaus.) Hauptsächlich solche Gestalten.
-
-Loth. Hm! Bergleute.
-
-Helene. _Welche_ gehen zur Grube, _welche_ kommen von der Grube: das
-hört nicht auf. -- Wenigstens ich sehe _immer_ Bergleute. Denken Sie,
-daß ich alleine auf die Straße mag? Höchstens auf die Felder, durch das
-Hinterthor. Es ist ein _zu_ rohes Pack! -- Und wie sie einen immer
-anglotzen, so schrecklich finster -- als ob man geradezu was verbrochen
-hätte.
-
-Im Winter, wenn wir so manchmal Schlitten gefahren sind und sie kommen
-dann in der Dunkelei in großen Trupps über die Berge, im Schneegestöber
-und sie sollen ausweichen, da gehen sie vor den Pferden her und weichen
-nicht aus. Da nehmen die Bauern manchmal den Peitschenstiel, anders
-kommen sie nicht durch. Ach, und dann schimpfen sie hinterher. Hu! ich
-habe mich manchmal so entsetzlich geängstigt.
-
-Loth. Und nun denken Sie an: gerade um dieser Menschen willen -- vor
-denen Sie sich so sehr fürchten, bin ich hierher gekommen.
-
-Helene. Nein aber ...
-
-Loth. Ganz im Ernst, sie interessiren mich hier mehr als alles Andere.
-
-Helene. Niemand ausgenommen?
-
-Loth. Nein.
-
-Helene. Auch mein Schwager nicht ausgenommen?
-
-Loth. Nein! -- Das Interesse für diese Menschen ist ein ganz anderes, --
-höheres ... verzeihen Sie, Fräulein! Sie können das am Ende doch wohl
-nicht verstehen.
-
-Helene. Wieso nicht? Ich verstehe Sie sehr gut, Sie ... (Sie läßt einen
-Brief aus der Tasche gleiten, Loth bückt sich darnach.) Ach, lassen Sie
-... es ist nicht wichtig, nur eine gleichgültige Pensionskorrespondenz.
-
-Loth. Sie sind in Pension gewesen?
-
-Helene. Ja, in Herrnhut. Sie müssen nicht denken, daß ich ... nein,
-nein, ich verstehe Sie schon.
-
-Loth. Ich meine, die Arbeiter interessieren mich um ihrer selbst willen.
-
-Helene. Ja, freilich, -- es ist ja sehr interessant ... so ein Bergmann
-... wenn man's so nehmen will ... Es giebt ja Gegenden, wo man gar keine
-findet, aber wenn man sie so täglich ...
-
-Loth. Auch wenn man sie täglich sieht, Fräulein ... Man muß sie sogar
-täglich sehen, um das Interessante an ihnen herauszufinden.
-
-Helene. Nun, wenn es _so schwer_ herauszufinden ... was ist es denn
-dann? das Interessante mein ich.
-
-Loth. Es ist zum Beispiel interessant, daß diese Menschen, wie Sie
-sagen, immer so gehässig oder finster blicken.
-
-Helene. Wieso meinen Sie, daß das besonders interessant ist?
-
-Loth. Weil es nicht das Gewöhnliche ist. Wir anderen pflegen doch nur
-zeitweilig und keineswegs immer so zu blicken.
-
-Helene. Ja, weshalb _blicken_ sie denn nur immer so ... so gehässig, so
-mürrisch? Es muß doch einen Grund haben.
-
-Loth. Ganz recht! und _den_ möchte ich gern herausfinden.
-
-Helene. Ach _Sie_ sind! Sie lügen mir was vor. Was hätten Sie denn
-davon, wenn Sie das auch wüßten?
-
-Loth. Man könnte vielleicht Mittel finden, den Grund, warum diese Leute
-immer so freudlos und gehässig sein müssen, wegzuräumen; -- man könnte
-sie vielleicht glücklicher machen.
-
-Helene (ein wenig verwirrt). Ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß ... aber
-gerade jetzt verstehe ich Sie doch vielleicht ein ganz klein wenig. --
-Es ist mir nur ... nur so ganz _neu_, _so -- ganz_ -- neu!
-
-Hoffmann (durch die Thüre rechts eintretend. Er hat eine Anzahl Briefe
-in der Hand). So! da bin ich wieder. -- Eduard! daß die Briefe noch vor
-8 auf der Post sind. (Er händigt dem Diener die Briefe ein, der Diener
-ab.)
-
-So, Kinder! jetzt können wir speisen. -- Unerlaubte Hitze hier!
-September und solche Hitze! (Er hebt den Champagner aus dem Eiskübel.)
-Veuve Cliquot: Eduard kennt meine stille Liebe. (Zu Loth gewendet.) Habt
-ja furchtbar eifrig disputirt. (Tritt an den fertig gedeckten, mit
-Delicatessen überladenen Abendtisch, reibt sich die Hände.) Na! das
-sieht ja recht gut aus! (Mit einem verschmitzten Blick zu Loth hinüber.)
-Meinst Du nicht auch? -- Uebrigens, Schwägerin! wir bekommen Besuch:
-Kahl-Wilhelm. Er war auf dem Hof.
-
-Helene (macht eine ungezogene Geberde).
-
-Hoffmann. Aber Beste! Du thust fast, als ob ich ihn ... was kann denn
-ich dafür? Hab ich ihn etwa _gerufen_? (Man hört schwere Schritte
-draußen im Hausflur.) Ach! das Unheil schreitet schnelle.
-
- Kahl tritt ein, ohne vorher angeklopft zu haben. Er ist ein
- vierundzwanzigjähriger, plumper Bauernbursch, dem man es ansieht,
- daß er, so weit möglich, gern den feinen, noch mehr aber den
- reichen Mann herausstecken möchte. Seine Gesichtszüge sind grob,
- der Gesichtsausdruck vorwiegend dumm-pfiffig. Er ist bekleidet
- mit einem grünen Jaquet, bunter Sammtweste, dunklen Beinkleidern
- und Glanzlack-Schaftstiefeln. Als Kopfbedeckung dient ihm ein
- grüner Jägerhut mit Spielhahnfeder. Das Jaquet hat
- Hirschhornknöpfe, an der Uhrkette Hirschzähne etc. Stottert.
-
-Kahl. Gun'n Abend mi'nander! (Er erblickt Loth, wird sehr verlegen und
-macht stillstehend eine ziemlich klägliche Figur.)
-
-Hoffmann (tritt zu ihm und reicht ihm die Hand aufmunternd). Guten
-Abend, Herr Kahl!
-
-Helene (unfreundlich). Guten Abend.
-
-Kahl (geht mit schweren Schritten quer durch das ganze Zimmer auf Helene
-zu und giebt ihr die Hand). 'n Abend och, Lene.
-
-Hoffmann (zu Loth). Ich stelle Dir hiermit Herrn Kahl vor, unseren
-Nachbarssohn.
-
-Kahl (grinst und dreht den Hut. Verlegenheitsstille.)
-
-Hoffmann. Zu Tisch Kinder! Fehlt noch Jemand? Ach, die Schwiegermama.
-Miele! bitten Sie Frau Krause zu Tische.
-
- Miele ab durch die Mittelthür.
-
-Miele (draußen im Hausflur schreiend): Frau!! -- Frau!! Assa kumma! Sie
-sill'n assa kumma!
-
- Helene und Hoffmann blicken einander an und lachen verständnißinnig,
- dann blicken sie vereint auf Loth.
-
-Hoffmann (zu Loth). Ländlich, sittlich!
-
- Frau Krause erscheint, furchtbar aufgedonnert. Seide und
- kostbarer Schmuck. Haltung und Kleidung verrathen Hoffahrt,
- Dummstolz, unsinnige Eitelkeit.
-
-Hoffmann. Ah! da ist Mama! -- Du gestattest, daß ich Dir meinen Freund
-Dr. Loth vorstelle.
-
-Frau Krause (macht einen undefinirbaren Knix). Ich bin so frei! (Nach
-einer kleinen Pause.) Nein, aber auch, Herr Doktor, nahmen Sie mir's ock
-bei Leibe nicht ibel! Ich muß mich zuerscht muß ich mich vor Ihn'n
-vertefentiren, -- (sie spricht je länger, um so schneller) --
-vertefentiren wegen meiner vorhinigten Benehmigung. Wissen Se, verstihn
-Se, es komm' ein der Drehe bei uns eine so ane grußmächtige Menge
-Stremer .... Se kinn's ni gleba, ma hoot mit dan Battelvulke seine liebe
-Noth. A su enner, dar maust akrat wie a Ilster. Uf da Pfennig kimmt's
-ins ne ernt oa, ne ock ne, ma braucht a ni dreimol rimzudrehn, an ken'n
-Thoaler nich, ebb ma'n ausgibbt. De Krausa-Ludwig'n, _die_ iis geizig,
-schlimmer wie a Homster egelganz, di ginnt ke'm Luder nischt. Ihrer is
-gesturba aus Arjer, weil a lumpigte zwetausend ei Brassel verloern hoot.
-Ne, ne! a su sein mir dorchaus nicht. Sahn Se, doas Buffett kust't mich
-zwehundert Thoaler, a Transpurt ni gerechnet; na, d'r Beron Klinkow
-keans au ne andersch honn.
-
- _Frau Spiller_ ist kurz nach Frau Krause ebenfalls eingetreten.
- Sie ist klein, schief und mit den zurückgelegten Sachen der Frau
- Krause herausgestutzt. Während Frau Krause spricht, hält sie mit
- einer gewissen Andacht die Augen zu ihr aufgeschlagen. Sie ist
- etwa fünfundfünfzig Jahre alt; ihr Ausathmen geschieht jedesmal
- mit einem leisen Stöhnen, welches auch, wenn sie redet,
- regelmäßig wie--m--hörbar wird.
-
-Frau Spiller (mit unterwürfigem, wehmüthig geziertem _moll_-Ton, sehr
-leise). Der Baron Klinkow haben genau dasselbe Buffet--m--.
-
-Helene (zu Frau Krause). Mama! wollen wir uns nicht erst setzen, dann
-.....
-
-Frau Krause (wendet sich blitzschnell und trifft Helene mit einem
-vernichtenden Blick; kurz und herrisch). _Schickt sich doas?_ (Frau
-Krause, im Begriff sich zu setzen, erinnert sich, daß das Tischgebet
-noch nicht gesprochen ist und faltet mechanisch, doch ohne ihrer Bosheit
-im Uebrigen Herr zu sein, die Hände.)
-
-Frau Spiller (spricht das Tischgebet).
-
- Komm, Herr Jesu, sei unser Gast.
- Segne, was du uns bescheeret hast.
- Amen.
-
- Alle setzen sich mit Geräusch. Mit dem Zulangen und Zureichen,
- welches einige Zeit in Anspruch nimmt, kommt man über die
- peinliche Situation hinweg.
-
-Hoffmann (zu Loth). Lieber Freund, Du bedienst Dich wohl?! Austern?
-
-Loth. Nun, will probiren. Es sind die ersten Austern, die ich esse.
-
-Frau Krause (hat soeben eine Auster geschlürft. Mit vollem Mund.) In dar
-Seisong, mein'n Se woll?
-
-Loth. Ich meine _überhaupt_.
-
- Frau Krause und Frau Spiller wechseln Blicke.
-
-Hoffmann (zu Kahl, der eine Citrone mit den Zähnen auspreßt). Zwei Tage
-nicht gesehen, Herr Kahl! Tüchtig Mäuse gejagt in der Zeit?
-
-Kahl. N... n.. ne!
-
-Hoffmann (zu Loth). Herr Kahl ist nämlich ein leidenschaftlicher Jäger.
-
-Kahl. D.. d. die M.. mm.. maus, das ist 'n in... in.. infamtes Am.. am..
-amf ff.. fibium.
-
-Helene (platzt heraus). Zu lächerlich ist das, alles schießt er todt,
-Zahmes und Wildes.
-
-Kahl. N.. nächten hab ich d.. d.. die alte Szss.. sau vu ins t.. todt
-g.. g.. geschossen.
-
-Loth. Da ist wohl schießen Ihre Hauptbeschäftigung?
-
-Frau Krause. Herr Kahl thut's ock bloßig zum Prifatvergnigen.
-
-Frau Spiller. Wald, Wild, Weib pflegten Seine Exellenz der Herr Minister
-von Schadendorf oftmals zu sagen.
-
-Kahl. I.. i.. iberm.. m.. murne hab'n mer T.. t.. tau.. t..
-taubenschießen.
-
-Loth. Was ist denn das: Taubenschießen?
-
-Helene. Ach, ich kann so was nicht leiden; es ist doch nichts als eine
-recht unbarmherzige Spielerei. Ungezogene Jungens, die mit Steinen nach
-Fensterscheiben zielen, thun etwas Besseres.
-
-Hoffmann. Du gehst zu weit, Helene.
-
-Helene. Ich weiß nicht --, meinem Gefühl nach hat es weit mehr Sinn,
-Fenster einzuschmeißen, als Tauben an einem Pfahl festzubinden und dann
-mit Kugeln nach ihnen zu schießen.
-
-Hoffmann. Na, Helene, -- man muß doch aber bedenken ....
-
-Loth (irgend etwas mit Messer und Gabel schneidend). Es ist ein
-schandhafter Unfug.
-
-Kahl. Um die p. poar Tauba ....!
-
-Frau Spiller (zu Loth). Der Herr Kahl -- m --, müssen Sie wissen, haben
-zweihundert Stück im Schlage.
-
-Loth. Die ganze Jagd ist ein Unfug.
-
-Hoffmann. Aber ein unausrottbarer. Da werden zum Beispiel eben jetzt
-wieder fünfhundert lebende Füchse gesucht; alle Förster hier herum und
-auch sonst in Deutschland verlegen sich aufs Fuchsgraben.
-
-Loth. Was macht man denn mit den vielen Füchsen?
-
-Hoffmann. Sie kommen nach England, wo sie die Ehre haben, von Lord und
-Ladys gleich vom Käfig weg zu Tode gehetzt zu werden.
-
-Loth. Muhamedaner oder Christ, Bestie bleibt Bestie.
-
-Hoffmann. Darf ich Dir Hummer reichen, Mama?
-
-Frau Krause. Meinswegen, ei dieser Seisong sind se sehr gutt!
-
-Frau Spiller. Gnädige Frau haben eine so feine Zunge -- m --!
-
-Frau Krause (zu Loth). Hummer ha'n Sie woll auch noch nich gegassen.
-Herr Dukter?
-
-Loth. Ja, Hummer habe ich schon hin und wieder gegessen --, an der See
-oben, in Warnemünde, wo ich geboren bin.
-
-Frau Krause (zu Kahl). Gell, Wilhelm, ma weeß wirklich'n Gott manchmal
-nich mee, was ma assen sull?
-
-Kahl. J.. j.. ja, w.. w.. weeß ... weeß G.. Gott, Muhme.
-
-Eduard (will Loth Champagner eingießen). Champagner.
-
-Loth (hält sein Glas zu). Nein! ... danke!
-
-Hoffmann. -- Mach' keinen Unsinn.
-
-Helene. Wie, Sie trinken nicht?
-
-Loth. Nein, Fräulein.
-
-Hoffmann. Na, _hör'_ mal an: das ist aber doch ... das ist _lang_weilig.
-
-Loth. Wenn ich tränke, würde ich noch langweiliger werden.
-
-Helene. Das ist interessant, Herr Doktor.
-
-Loth (ohne Tact). Daß ich langweiliger werde, wenn ich Wein trinke?
-
-Helene (etwas betreten). Nein, ach nein, daß .... daß Sie nicht trinken
-...., daß Sie überhaupt nicht trinken, meine ich.
-
-Loth. Warum soll das interessant sein?
-
-Helene (sehr roth werdend). Es ist .... ist nicht das Gewöhnliche. (Wird
-noch röther und sehr verlegen.)
-
-Loth (tollpatschig). Da haben Sie recht, leider.
-
-Frau Krause (zu Loth). De Flasche kust uns fufza Mark, Sie kinn' a
-dreiste trink'n. Direct vu Rheims iis a, mir satz'n Ihn gewiß nischt
-Schlechtes vier, mir mieja salber nischt Schlechtes.
-
-Frau Spiller. Ach, glauben Sie mich, -- m --, Herr Doktor, wenn Seine
-Exellenz der Herr Minister von Schadendorf -- m -- so eine Tafel geführt
-hätten ....
-
-Kahl. Ohne men'n Wein kennt ich nich laben.
-
-Helene (zu Loth). Sagen Sie uns doch, warum Sie nicht trinken!
-
-Loth. Das kann gerne geschehen, ich ....
-
-Hoffmann. Ae, was! alter Freund! (Er nimmt dem Diener die Flasche ab, um
-nun seinerseits Loth zu bedrängen.) Denk' dran, wie manche hochfidele
-Stunde wir früher mit einander ...
-
-Loth. Nein, bitte bemühe Dich nicht, es ...
-
-Hoffmann. Trink _heut_ mal!
-
-Loth. Es ist alles vergebens.
-
-Hoffmann. Mir zu Liebe!
-
- Hoffmann will eingießen, Loth wehrt ab; es entsteht ein kleines
- Handgemenge.
-
-Loth. Nein! ... nein, wie gesagt ... nein! ... nein, danke.
-
-Hoffmann. Aber _nimm_ mir's nicht übel ... das ist eine Marotte.
-
-Kahl (zu Fr. Spiller). Wer nich will, dar hat schunn.
-
-Frau Spiller (nickt ergeben).
-
-Hoffmann. Uebrigens, des Menschen Wille ... und so weiter. So viel sage
-ich nur: ohne ein Glas Wein bei Tisch ...
-
-Loth. Ein Glas Bier zum Frühstück ...
-
-Hoffmann. Nun ja, warum nicht? Ein Glas Bier ist was sehr gesundes.
-
-Loth. Ein Cognac hie und da ...
-
-Hoffmann. Na, wenn man das nicht mal haben sollte ... zum Asceten machst
-Du mich nun und nimmer. Das heißt ja dem Leben allen Reiz nehmen.
-
-Loth. Das kann ich nicht sagen. Ich bin mit den _normalen_ Reizen, die
-mein Nervensystem treffen, durchaus zufrieden.
-
-Hoffmann. Eine Gesellschaft, die trockenen Gaumens beisammen hockt, ist
-und bleibt eine verzweifelt öde und langweilige --, für die ich mich im
-Allgemeinen bedanke.
-
-Frau Krause. Bei a Adlijen wird doch auch a so viel getrunk'n.
-
-Frau Spiller (durch eine Verbeugung des Oberkörpers ergebenst
-bestätigend). Es ist Schentelmen leicht viel Wein zu trinken.
-
-Loth (zu Hoffmann). Mir geht es umgekehrt; mich _langweilt_ im
-Allgemeinen eine Tafel, an der _viel_ getrunken wird.
-
-Hoffmann. Es muß natürlich mäßig geschehen.
-
-Loth. Was nennst Du mäßig?
-
-Hoffmann. Nun, ... daß man noch immer bei Besinnung bleibt.
-
-Loth. Aaah! ... also Du giebst zu: die Besinnung ist im Allgemeinen
-durch den Alkohol-Genuß sehr gefährdet. -- Siehst Du! deshalb sind mir
-Kneiptafeln -- langweilig.
-
-Hoffmann. Fürchtest Du denn, so leicht Deine Besinnung zu verlieren?
-
-Kahl. Iiii..... i.. ich habe n. n. neulich ene Flasche Rrr... r... rü..
-rüd.. desheimer, ene Flasche Sssssekt get.. t.. trunken. Oben drauf d..
-d.. d.. dann nnoch eine Flasche B.. b... bordeaux, aber besuffen woar
-ich no n.. nich.
-
-Loth (zu Hoffmann). Ach nein, Du weißt ja wohl, daß ich es war, der Euch
-nach Hause brachte, wenn Ihr Euch übernommen hattet. Ich hab immer noch
-die alte Bärennatur: nein, _deshalb_ bin ich nicht so ängstlich.
-
-Hoffmann. Weshalb denn sonst?
-
-Helene. Ja, warum trinken Sie denn eigentlich nicht? Bitte, sagen Sie es
-doch.
-
-Loth (zu Hoffmann). Damit Du doch beruhigt bist: ich trinke heut schon
-deshalb nicht, weil ich mich ehrenwörtlich verpflichtet habe, geistige
-Getränke zu meiden.
-
-Hoffmann. Mit anderen Worten, Du bist glücklich bis zum
-Mäßigkeitsvereinshelden herabgesunken.
-
-Loth. Ich bin völliger Abstinent.
-
-Hoffmann. Und auf wie lange, wenn man fragen darf, machst Du diese ....
-
-Loth. Auf Lebenszeit.
-
-Hoffmann (wirft Gabel und Messer weg und fährt halb vom Stuhle auf). Pf!
-gerechter Strohsack!! (Er setzt sich wieder.) Offen gesagt, für so
-kindisch ... verzeih das harte Wort.
-
-Loth. Du kannst es gerne so benennen.
-
-Hoffmann. Wie in aller Welt bist Du nur _darauf gekommen_?
-
-Helene. Für so etwas müssen Sie einen sehr gewichtigen Grund haben --
-denke ich mir wenigstens.
-
-Loth. Der existirt allerdings. Sie, Fräulein! -- und Du, Hoffmann! weißt
-wahrscheinlich nicht, welche furchtbare Rolle der Alkohol in unserem
-modernen Leben spielt ... Lies _Bunge_, wenn Du Dir einen Begriff davon
-machen willst. -- Mir ist noch gerade in Erinnerung, was ein gewisser
-Everett über die Bedeutung des Alkohols für die Vereinigten Staaten
-gesagt hat. -- Notabene, es bezieht sich auf einen Zeitraum von zehn
-Jahren. Er meint also: der Alkohol hat direct eine Summe von 3
-Milliarden und indirect von 600 Millionen Dollars verschlungen. Er hat
-300000 Menschen getödtet, 100000 Kinder in die Armenhäuser geschickt,
-weitere Tausende in die Gefängnisse und Arbeitshäuser getrieben, er hat
-mindestens 2000 Selbstmorde verursacht. Er hat den Verlust von
-mindestens 10 Millionen Dollars durch Brand und gewaltsame Zerstörung
-verursacht, er hat 20000 Wittwen und schließlich nicht weniger als 1
-Million Waisen geschaffen. Die Wirkung des Alkohols, das ist das
-Schlimmste, äußert sich so zu sagen bis in's dritte und vierte Glied. --
-Hätte ich nun das ehrenwörtliche Versprechen abgelegt, nicht zu
-heirathen, dann könnte ich schon eher trinken, so aber ... meine
-Vorfahren sind alle gesunde, kernige und wie ich weiß, äußerst mäßige
-Menschen gewesen. Jede Bewegung, die ich mache, jede Strapaze, die ich
-überstehe, jeder Athemzug gleichsam führt mir zu Gemüth, was ich ihnen
-verdanke. Und dies, siehst Du, ist der Punkt: _ich bin absolut fest
-entschlossen die Erbschaft, die ich gemacht habe, ganz ungeschmälert auf
-meine Nachkommen zu bringen_.
-
-Frau Krause. Du! -- Schwiegersuhn! -- inse Bargleute saufen woarhaftig
-zu viel: doas muuß woar sein.
-
-Kahl. Die saufen wie d' Schweine.
-
-Helene. Ach, so was vererbt sich?
-
-Loth. Es giebt Familien, die daran zu Grunde gehen, Trinkerfamilien.
-
-Kahl (halb zu Frau Krause, halb zu Helene). Euer Aaler, dar treibt's au
-a wing zu tull.
-
-Helene (weiß wie ein Tuch im Gesicht, heftig). Ach, schwatzen Sie keinen
-Unsinn!
-
-Frau Krause. Ne, doch hier enner a su ein patziges Froovulk oa; a su ne
-Prinzessen. Hängst de wieder a mol die Gnädige raus, wie? -- A su fährt
-se a Zukinftigen oa. (Zu Loth, auf Kahl deutend.) 's is nämlich d'r
-Zukinftige, missen Sie nahmen, Herr Dukter, 's is alles eim Renen.
-
-Helene (aufspringend). Hör auf! oder ... _hör auf_, Mutter! oder ...
-
-Frau Krause. Do hiert doch aber werklich ... na, do sprecha Se, Herr
-Dukter, iis das wull Bildung, hä? Weeß Gott, ich hal' se wie mei egnes
-Kind, aber die treib's reen zu tull.
-
-Hoffmann (beschwichtigend). Ach, Mama! thu mir doch den Gefallen ....
-
-Frau Krause. Neee! _groade_ -- iich sah doas nich ein -- a su ane Goans
-wie die iis ... do hiert olle Gerechtigkeit uff ... su ane Titte!
-
-Hoffmann. Mama, ich muß Dich aber wirklich doch jetzt bitten, Dich ...
-
-Frau Krause (immer wüthender). Stats doaß doas Froovulk ei der
-Wertschoft woas oagreft ... bewoare ne! Doa zeucht se an Flunsch biis
-hinger beede Leffel. -- Oaber da Schillerich, oaber a Gethemoan, a sune
-tummn Scheißkarle, die de nischt kinn'n als lieja: vu dan'e läßt sie
-sich a Kupp verdrehn. Urnar zum Kränke krieja iis doas. (Schweigt bebend
-vor Wuth.)
-
-Hoffmann (begütigend). Nun -- sie wird ja nun wieder .... es war ja
-vielleicht -- nicht ganz recht ... es ... (Giebt Helenen, die in
-Erregung abseits getreten ist, einen Wink, auf den hin sich das Mädchen,
-die Thränen gewaltsam zurückhaltend, wieder auf seinen Platz begiebt.)
-
-Hoffmann (das nunmehr eingetretene peinliche Schweigen unterbrechend zu
-Loth). Ja .. von was sprachen wir doch? ... Richtig! -- vom biederen
-Alkohol. (Er hebt sein Glas.) Nun, Mama: Frieden! -- Komm, stoßen wir
-an, -- seien wir friedlich, -- machen wir dem Alkohol Ehre, indem wir
-friedlich sind. (Frau Krause, wenn auch etwas widerwillig, stößt doch
-mit ihm an. Hoffmann, zu Helene gewendet.) Was, Helene?! -- Dein Glas
-ist leer? ... Ei der Tausend, Loth! Du hast Schule gemacht.
-
-Helene. Ach ... nein ... ich ...
-
-Frau Spiller. Mein gnädiges Fräulein, so etwas läßt tief ....
-
-Hoffmann. Aber Du warst doch sonst keine von den Zimperlichen.
-
-Helene (batzig). Ich hab eben heut keine Neigung zum Trinken, _einfach_!
-
-Hoffmann. Bitte, bitte, bitte _seeehr_ um Verzeihung ... Ja, von was
-sprachen wir doch?
-
-Loth. Wir sprachen davon, daß es Trinkerfamilien gäbe.
-
-Hoffmann (aufs Neue betreten). Schon recht, schon recht, aber ...
-
- Man bemerkt zunehmenden Aerger in dem Benehmen der Frau Krause,
- während Herr Kahl sichtlich Mühe hat, das Lachen über etwas, das
- ihn innerlich furchtbar zu amüsiren scheint, zurückzuhalten.
- Helene beobachtet Kahl ihrerseits mit brennenden Augen und
- bereits mehrmals hat sie durch einen drohenden Blick Kahl davon
- zurückgehalten etwas auszusprechen, was ihm so zu sagen auf der
- Zunge liegt. Loth, ziemlich gleichmüthig, mit Schälen eines
- Apfels beschäftigt, bemerkt von alledem nichts.
-
-Loth. Ihr scheint übrigens hier ziemlich damit gesegnet zu sein.
-
-Hoffmann (nahezu fassungslos). Wieso ... mit ... mit was gesegnet?
-
-Loth. Mit Trinkern natürlicherweise.
-
-Hoffmann. Hm! ... meinst Du? ... ach ... jaja ..., allerdings, die
-Bergleute .....
-
-Loth. Nicht nur die Bergleute. Zum Beispiel hier in dem Wirthshaus, wo
-ich abstieg, bevor ich zu Dir kam, da saß ein Kerl so: (Er stützt beide
-Ellenbogen auf den Tisch, nimmt den Kopf in die Hände und stiert auf die
-Tischplatte.)
-
-Hoffmann. Wirklich? (Seine Verlegenheit hat den höchsten Grad erreicht;
-Frau Krause hustet, Helene starrt noch immer auf Kahl, welcher jetzt am
-ganzen Körper vor innerlichem Lachen bebt, sich aber doch noch so weit
-bändigt, nicht laut herauszuplatzen.)
-
-Loth. Es wundert mich, daß Du dieses -- Original -- könnte man beinahe
-sagen, noch nicht kennst. Das Wirthshaus ist ja gleich hier nebenan das.
-Mir wurde gesagt, es sei ein hiesiger steinreicher Bauer, der seine Tage
-und Jahre buchstäblich in diesem selben Gastzimmer mit Schnapstrinken
-zubrächte. Das reine Thier ist er natürlich. Diese furchtbar öden,
-versoffenen Augen, mit denen er mich anstierte.
-
- Kahl, der bis hierher sich zurückgehalten hat, bricht in ein
- rohes, lautes, unaufhaltsames Gelächter aus, so daß Loth und
- Hoffmann, starr vor Staunen, ihn anblicken.
-
-Kahl (unter dem Lachen hervorstammelnd). Woahrhaftig! das is ja ... das
-is ja woahrhaftig der ... der Alte gewesen.
-
-Helene (ist entsetzt und empört aufgesprungen. Zerknüllt die Serviette
-und schleudert sie auf den Tisch. Bricht aus.) Sie sind ... -- (macht
-die Bewegung des Ausspeiens) -- _pfui_! (Sie geht schnell ab.)
-
-Kahl (die aus dem Bewußtsein eine große Dummheit gemacht zu haben,
-entstandene Verlegenheit gewaltsam abreißend). Ach woas! ... Unsinn! 's
-iis ju zu tumm! -- Iich gieh menner Wege. (Er setzt seinen Hut auf und
-sagt, indem er abgeht, ohne sich noch einmal umzuwenden:) 'n Obend!
-
-Frau Krause (ruft ihm nach). Koan Der'sch nich verdenken, Willem! (Sie
-legt die Serviette zusammen und ruft dabei.) Miele! (Miele kommt.) Räum
-ab! (Für sich, aber doch laut.) Su ane Gans.
-
-Hoffmann (etwas aufgebracht). Ich muß aber doch ehrlich sagen, Mama! ..
-
-Frau Krause. Mahr Dich aus. (Steht auf, schnell ab.)
-
-Frau Spiller. Die gnädige Frau -- m -- haben heut manches häusliche
-Aergerniß gehabt -- m --. Ich empfehle mich ganz ergebenst. (Sie steht
-auf und betet still, unter Augenaufschlag, dann ab.)
-
- Miele und Eduard decken den Tisch ab. Hoffmann ist aufgestanden
- und kommt mit einem Zahnstocher im Mund nach dem Vordergrund,
- Loth folgt ihm.
-
-Hoffmann. Ja, siehst Du, so sind die Weiber!
-
-Loth. Ich begreife gar nichts von alledem.
-
-Hoffmann. Ist auch nicht der Rede werth. -- So etwas kommt wie bekannt
-in den allerfeinsten Familien vor. Das darf Dich nicht abhalten ein paar
-Tage bei uns ...
-
-Loth. Hätte gern Deine Frau kennen gelernt, warum läßt sie sich denn
-nicht blicken?
-
-Hoffmann (die Spitze einer frischen Cigarre abschneidend). Du begreifst,
-in ihrem Zustand ... die Frauen lassen nun mal nicht von der Eitelkeit.
-Komm! wollen uns draußen im Garten bischen ergehen. -- Eduard! den
-Kaffee in die Laube.
-
-Eduard. Sehr wohl.
-
- Hoffmann und Loth ab durch den Wintergarten. Eduard ab durch die
- Mittelthür, hierauf Miele, ein Brett voll Geschirr tragend,
- ebenfalls ab durch die Mittelthür. Einige Augenblicke bleibt das
- Zimmer leer, dann erscheint
-
-Helene (erregt, mit verweinten Augen, das Taschentuch vor den Mund
-haltend. Von der Mittelthür, durch welche sie eingetreten ist, macht sie
-hastig ein paar Schritte nach links und lauscht an der Thür von
-Hoffmann's Zimmer.) Oh! nicht fort! (Da sie hier nichts vernimmt, fliegt
-sie zur Thür des Wintergartens hinüber, wo sie ebenfalls mit gespanntem
-Ausdruck einige Secunden lauscht. Bittend und mit gefalteten Händen
-inbrünstig.) Oh! nicht fort, geh nicht fort!
-
- Der Vorhang fällt.
-
-
-
-
- Zweiter Akt.
-
-
- Morgens gegen vier Uhr.
-
- Im Wirthshaus sind die Fenster erleuchtet, ein grau-fahler
- Morgenschein durch den Thorweg, der sich ganz allmählich im Laufe
- des Vorgangs zu einer dunklen Röthe entwickelt, die sich dann,
- eben so allmählich, in helles Tageslicht auflöst. Unter dem
- Thorweg, auf der Erde sitzt _Beibst_ (etwa 60jährig) und dengelt
- seine Sense. Wie der Vorhang aufgeht, sieht man kaum mehr als
- seine Silhouette, die gegen den grauen Morgenhimmel absticht,
- vernimmt aber das eintönige, ununterbrochene, regelmäßige
- Aufschlagen des Dengelhammers auf den Dengelambos. Dieses
- Geräusch bleibt während einiger Minuten allein hörbar, hierauf
- die feierliche Morgenstille, unterbrochen durch das Geschrei aus
- dem Wirthshaus abziehender Gäste. Die Wirthshausthür fliegt
- krachend ins Schloß. Die Lichter in den Fenstern verlöschen.
- Hundebellen fern, Hähne krähen laut durcheinander. Auf dem Gange
- vom Wirthshaus her wird eine dunkle Gestalt bemerklich, dieselbe
- bewegt sich in Zickzacklinien dem Hofe zu; es ist der Bauer
- Krause, welcher wie immer als letzter Gast das Wirthshaus
- verlassen hat.
-
-Bauer Krause (ist gegen den Gartenzaun getaumelt, klammert sich mit den
-Händen daran fest und brüllt mit einer etwas näselnden, betrunkenen
-Stimme nach dem Wirthshaus zurück). 's Gaartla iis _mei_--ne! ... d'r
-Kratsch'm iis _mei_--ne ... du Gostwerthlops! Dohie hä! (Er macht sich,
-nachdem er noch einiges Unverständliche gemurmelt und geknurrt hat, vom
-Zaune los und stürzt in den Hof, wo er glücklich den Sterzen eines
-Pfluges zu fassen bekommt.) 's 'Gittla iis _mei_--ne. (Er quasselt halb
-singend.) Trink ... ei ... Briderla, trink ... ei ... 'iderla,
-Branntw... wwein ... 'acht Kurasche. Dohie hä -- (laut brüllend) -- bien
-iich nee a hibscher Moan? .... Hoa iich nee a hibsch Weibla dohie hä?
-... Hoa iich nee a poar hibsche Madel?
-
-Helene (kommt hastig aus dem Hause. Man sieht, sie hat an Kleidern nur
-umgenommen, soviel in aller Eile ihr möglich gewesen war.) Papa! ...
-lieber Papa!! so komm doch schon. (Sie faßt ihn unterm Arm, versucht ihn
-zu stützen und ins Haus zu ziehen.) K--omm doch ... nur ... schn--ell
-in's Haus, komm doch n--ur schn--ell! Ach!
-
-Bauer Krause (hat sich aufgerichtet, versucht gerade zu stehen, bringt
-mit einiger Mühe und unter Zuhilfenahme beider Hände einen ledernen,
-strotzenden Geldbeutel aus der Tasche seiner Hose. In dem ein wenig
-helleren Morgenlichte erkennt man die sehr schäbige Bekleidung des etwa
-50jährigen Mannes, die um nichts besser ist, als die des allergeringsten
-Landarbeiters. Er ist im bloßen Kopf, sein graues, spärliches Haar
-ungekämmt und struppig. Das schmutzige Hemd steht bis auf den Nabel
-herab weit offen; an einem einzigen gestickten Hosenträger hängt die
-ehemals gelbe, jetzt schmutzig glänzende, an den Knöcheln zugebundene
-Lederhose; die nackten Füße stecken in einem Paar gestickter
-Schlafschuhe, deren Stickerei noch sehr neu zu sein scheint. Jacke und
-Weste trägt der Bauer nicht, die Hemdärmel sind nicht zugeknöpft.
-Nachdem er den Geldbeutel glücklich herausgebracht hat, setzt er ihn mit
-der rechten mehrmals auf die Handfläche der linken Hand, so daß das Geld
-darin laut klimpert und klingt, dabei fixirt er seine Tochter mit
-lascivem Blicke.) Dohie hä! 's Gald iis _mei_--neee! hä? Mech'st a poar
-Thoalerla?
-
-Helene. Ach, gr--oßer Gott! (Sie versucht mehrmals vergebens, ihn
-mitzuziehen. Bei einem dieser Versuche umarmt er sie mit der Plumpheit
-eines Gorillas und macht einige unzüchtige Griffe. Helene stößt
-unterdrückte Hilfeschreie aus.) Gl--eich läßt Du l--os! Laß l--os!
-bitte, Papa, ach! (Sie weint, schreit dann, plötzlich in äußerster
-Angst, Abscheu und Wuth:) Thier, Schwein!
-
- Sie stößt ihn von sich. Der Bauer fällt langhin auf die Erde.
- Beibst kommt von seinem Platz unter dem Thorweg herbeigehinkt.
- Helene und Beibst machen sich daran, den Bauer aufzuheben.
-
-Bauer Krause (lallt). Tr--ink mei Bri'erla, tr-- ...
-
- Der Bauer wird aufgehoben und stürzt, Beibst und Helene mit sich
- reißend, in das Haus. Einen Augenblick bleibt die Bühne leer. Im
- Hause hört man Lärm, Thürenschlagen. In einem Fenster wird Licht,
- hierauf kommt Beibst wieder aus dem Hause. Er reißt an seiner
- Lederhose ein Schwefelholz an, um die kurze Pfeife, welche ihm
- fast nie aus dem Munde kommt, damit in Brand zu stecken. Als er
- damit noch beschäftigt ist, schleicht _Kahl_ aus der Hausthüre.
- Er ist in Strümpfen, hat sein Jaquet über dem linken Arm hängen
- und trägt mit der linken Hand seine Schlafschuhe. Mit der rechten
- hält er seinen Hut, mit dem Munde seinen Hemdkragen. Etwa bis in
- die Mitte des Hofes gelangt, wendet er sich und sieht das Gesicht
- des Beibst auf sich gerichtet. Einen Augenblick scheint er
- unschlüssig, dann bringt er Hut und Hemdkragen in der Linken
- unter, greift in die Hosentasche und geht auf Beibst zu, dem er
- etwas in die Hand drückt.
-
-Kahl. Do hot 'r an Thoaler .... oaber halt't Eure Gusche! (Er geht
-eiligst über den Hof und steigt über den Staketenzaun rechts. Ab.)
-
- _Beibst_ hat mittels eines neuen Streichholzes seine Pfeife
- angezündet, hinkt bis unter den Thorweg, läßt sich nieder und
- nimmt seine Dengelarbeit von Neuem auf. Wieder eine Zeit lang
- nichts als das eintönige Aufschlagen des Dengelhammers und das
- Aechzen des alten Mannes, von kurzen Flüchen unterbrochen, wenn
- ihm etwas bei seiner Arbeit nicht nach Wunsch geht. Es ist um ein
- Beträchtliches heller geworden.
-
-Loth (tritt aus der Hausthür, steht still, dehnt sich, thut mehrere
-tiefe Athemzüge). H! .. h! .. Morgenluft! (Er geht langsam nach dem
-Hintergrunde zu bis unter den Thorweg. Zu Beibst.) Guten Morgen! Schon
-so früh wach?
-
-Beibst (mißtrauisch aufschielend, unfreundlich). 'Murja! (Kleine Pause,
-hierauf Beibst, ohne Loth's Anwesenheit weiter zu beachten, gleichsam im
-Zwiegespräch mit seiner Sense, die er mehrmals aufgebracht hin und
-herreißt.) Krummes Oos! na, werd's glei?! Ekch! Himmeldunnerschlag ja!
-(Er dengelt weiter.)
-
-Loth (hat sich zwischen die Sterzen eines Exstirpators niedergelassen).
-Es giebt wohl Heuernte heut?
-
-Beibst (grob). De Äsel gihn ei's Hä itzunder.
-
-Loth. Nun, Ihr dengelt doch aber die Sense ...?
-
-Beibst (zur Sense). Ekch! tumme Dare.
-
- Kleine Pause, hierauf.
-
-Loth. Wollt Ihr mir nicht sagen, wozu Ihr die Sense scharf macht, wenn
-doch nicht Heuernte ist?
-
-Beibst. Na, -- braucht ma ernt keene Sahnse zum Futter macha?
-
-Loth. Ach so! Futter soll also geschnitten werden.
-
-Beibst. Woas d'n suste?
-
-Loth. Wird das alle Morgen geschnitten?
-
-Beibst. Na! -- sool's Viech derhingern?
-
-Loth. Ihr müßt schon 'n bischen Nachsicht mit mir haben! Ich bin eben
-ein Städter; da kann man nicht alles so genau wissen von der
-Landwirthschaft.
-
-Beibst. Die Staadter glee -- ekch! -- de Staadter, die wissa doo glee
-oals besser wie de Mensche vum Lande, hä?
-
-Loth. Das trifft bei mir nicht zu. -- Könnt Ihr mir vielleicht nicht
-erklären, was das für ein Instrument ist? Ich hab's wohl schon mal wo
-gesehen, aber der Name ...
-
-Beibst. Doasjenigte, uf dan Se sitza?! Woas ma su soat Extrabater nennt
-ma doas.
-
-Loth. Richtig, ein Exstirpator; wird der hier auch gebraucht?
-
-Beibst. Leeder Goott's, nee. -- A läßt a verludern ... a ganza Acker,
-reen verludern läßt a'n, d'r Pauer. A Oarmes mecht a Flecka hoa'nn -- ei
-insa Bärta wächst kee Getreide -- oaber nee, lieberscht läßt a'n
-verludern! -- Nischt thit wachsa, ok blußig Seide und Quecka.
-
-Loth. Ja, die kriegt man schon damit heraus. Ich weiß, bei den Ikariern
-hatte man auch solche Exstirpatoren, um das urbar gemachte Land vollends
-zu reinigen.
-
-Beibst. Wu sein denn die I..., wie Se glei soa'n, I...
-
-Loth. Die Ikarier? In Amerika.
-
-Beibst. Doo gibbts an schunn a sune Dinger?
-
-Loth. Ja freilich.
-
-Beibst. Woas iis denn doas fer a Vulk: die I... I...
-
-Loth. Die Ikarier? -- Es ist gar kein besonderes Volk; es sind Leute aus
-allen Nationen, die sich zusammen gethan haben; sie besitzen in Amerika
-ein hübsches Stück Land, das sie gemeinsam bewirthschaften; alle Arbeit
-und allen Verdienst theilen sie gleichmäßig. Keiner ist arm, es giebt
-keine Armen unter ihnen.
-
-Beibst, (dessen Gesichtsausdruck ein wenig freundlicher geworden war,
-nimmt bei den letzten Worten Loth's wieder das alte mißtrauisch
-feindselige Gepräge an; ohne Loth weiter zu beachten, hat er sich
-neuerdings wieder ganz seiner Arbeit zugewendet und zwar mit den
-Eingangsworten): Oost vu enner Sahnse!
-
-Loth, (immer noch sitzend, betrachtet den Alten zuerst mit einem ruhigen
-Lächeln und blickt dann hinaus in den erwachenden Morgen. Durch den
-Thorweg erblickt man weitgedehnte Kleefelder und Wiesenflächen;
-zwischendurch schlängelt sich ein Bach, dessen Lauf durch Erlen und
-Weiden verrathen wird. Am Horizonte ein einzelner Bergkegel. Allerorten
-haben die Lerchen eingesetzt, und ihr ununterbrochenes Getriller schallt
-bald näher, bald ferner her bis in den Gutshof herein. Jetzt erhebt sich
-Loth mit den Worten:) Man muß spazieren geh'n, der Morgen ist zu
-prächtig. (Er geht durch den Thorweg hinaus. -- Man hört das Klappen von
-Holzpantinen. Jemand kommt sehr schnell über die Bodentreppe des
-Stallgebäudes herunter: es ist _Guste_.)
-
-Guste, (eine ziemlich dicke Magd: bloßes Mieder, nackte Arme und Waden,
-die bloßen Füße in Holzpantinen. Sie trägt eine brennende Laterne.) Guda
-Murja, Voater Beibst.
-
-Beibst (brummt).
-
-Guste (blickt, die Augen mit der Hand beschattend, durch das Thor Loth
-nach). Woas iis denn doas fer enner?
-
-Beibst (verärgert). Dar koan Battelleute zum Noarr'n hoa'nn ... dar
-leugt egelganz wie a Forr... vu dan luuß der de Hucke vuul liega.
-(Beibst steht auf.) Macht enk de Roawer zerecht, Madel.
-
-Guste, (welche dabei war, ihre Waden am Brunnen abzuwaschen, ist damit
-fertig und sagt, bevor sie im Innern des Kuhstalls verschwindet): Glei,
-glei! Voater Beibst.
-
-Loth (kommt zurück, giebt Beibst Geld). Da ist 'ne Kleinigkeit. Geld
-kann man immer brauchen.
-
-Beibst (aufthauend, wie umgewandelt, mit aufrichtiger Gemüthlichkeit).
-Ju, ju! do ha'n Se au recht ... na da dank ich au vielmools. -- Se sein
-wull d'r Besuch zum Schwiegersuhne? (Auf einmal sehr gesprächig.) Wissa
-Se: wenn Se, und Se wull'n da naus gihn auf a Barch zu, wissa Se, do
-haal'n Se siich links, wissa Se, zängst 'nunder links, rechts gibt's
-Risse. Mei Suhn meente, 's käm do dervoone, meent' a, weil se zu
-schlecht verzimmern thäten, meent' a, de Barchmoanne, 's soatzt zu wing
-Luhn, meent' a, und do giht's ok a su: woas hust'de, woas koanst'de, ei
-a Gruba, verstiehn Se. -- Sahn Se! -- doo! -- immer links, rechts gibt's
-Lecher. Vurigtes Johr erscht iis a Putterweib, wie se ging und stoand
-iis se ei's Ardreich versunka, iich wiß nee amool, _wie_ viel Kloaftern
-tief. Kee Mensch wußte wuhie -- wie gesoa't, links, immer links, doo
-gihn Se sicher. (Ein Schuß fällt, Beibst, wie electrisirt, hinkt einige
-Schritt in's Freie.)
-
-Loth. Wer schießt denn da schon so frühe?
-
-Beibst. Na, war denn suste? -- d'r Junge, dar meschante Junge.
-
-Loth. Welcher Junge denn?
-
-Beibst. Na, Kahl-Willem -- d'r Nupperschsuhn ... Na woart ok blußig due!
-Ich hoa's gesahn, a schißt meiner Gitte de Lärcha.
-
-Loth. Ihr hinkt ja.
-
-Beibst. Doaß 's Goot erbarm', ja. (Droht mit der Faust nach dem Felde.)
-Na woart' Du! woart' Du! ...
-
-Loth. Was habt Ihr denn mit dem Bein gemacht?
-
-Beibst. Iich?
-
-Loth. Ja.
-
-Beibst. 's iis a su 'nei kumma.
-
-Loth. Habt Ihr Schmerzen?
-
-Beibst (nach dem Bein greifend). 'S zerrt a su, 's zerrt infamt.
-
-Loth. Habt Ihr keinen Arzt?
-
-Beibst. Wissa Se, -- de Dukter, doas sein Oaffa, enner wie d'r andere!
--- Blußig inse Dukter, doas iis a ticht'er Moan.
-
-Loth. Hat er Ihnen was genützt?
-
-Beibst. Na -- verlecht a klee wing wull au oam Ende. A hoot mer'sch Been
-geknet't: sahn Se, a su geknutscht und gehackt un ... oaber nee!!
-derwegen nich! -- A iis ... na kurz un gutt, a hoot mit'n aarma Mensche
-a Mitleed. -- A keeft'n de Med'zin und a verlangt nischt. A kimmt zu
-jeder Zeet ...
-
-Loth. Sie müssen sich das doch aber irgendwo zugezogen haben?! Haben Sie
-immer so gehinkt?
-
-Beibst. Nich die Oahnung!
-
-Loth. Dann verstehe ich nicht recht, es muß doch eine Ursache ...
-
-Beibst. Weeß iich's? (Er droht wieder mit der Faust.) Woart ok Due!
-woart ok mit dem Geknackse.
-
-Kahl (erscheint innerhalb seines Gartens. Er trägt in der rechten eine
-Flinte am Lauf, seine linke Hand ist geschlossen. Ruft herüber.) Guten
-Morjen ooch, Herr Dukter!
-
- Loth geht quer durch den Hof auf ihn zu. Inzwischen hat Guste
- sowie eine andere Magd mit Namen Liese je eine Radwer zurecht
- gemacht, worauf Harke und Dunggabel liegen. Damit fahren sie
- durch den Thorweg hinaus auf's Feld, an Beibst vorüber, der nach
- einigen grimmigen Blicken und verstohlenen Zornesgesten zu Kahl
- hinüber seine Sense schultert und ihnen nachhumpelt. Beibst und
- die Mägde ab.
-
-Loth (zu Kahl). Guten Morgen!
-
-Kahl. Wull'n 'S amol was hibsches sah'n? (Er streckt den Arm mit der
-geschlossenen Hand über den Zaun.)
-
-Loth (nähergehend). Was haben Sie denn da?
-
-Kahl. Rootha See! (Er öffnet gleich darauf seine Hand.)
-
-Loth. Waas?! -- es ist also wirklich wahr: Sie schießen Lerchen! Nun für
-diesen Unfug, Sie nichtsnutziger Bursche, verdienten Sie geohrfeigt zu
-werden, verstehen Sie mich! (Er kehrt ihm den Rücken zu und geht quer
-durch den Hof zurück, Beibst und den Mädchen nach. Ab.)
-
-Kahl (starrt Loth einige Augenblicke dumm verblüfft nach, dann ballt er
-die Faust verstohlen, sagt): Dukterluder! (wendet sich und verschwindet
-rechts. -- Während einiger Augenblicke bleibt der Hof leer.)
-
- _Helene_, aus der Hausthür tretend, helles Sommerkleid, großer
- Gartenhut. Sie blickt sich ringsum, thut dann einige Schritte auf
- den Thorweg zu, steht still und späht hinaus. Hierauf schlendert
- sie rechts durch den Hof und biegt in den Weg ein, welcher nach
- dem Wirthshause führt. Große Packete von allerhand Thee hängen
- zum Trocknen über dem Zaune: daran riecht sie im Vorübergehen.
- Sie biegt auch Zweige von den Obstbäumen und betrachtet die sehr
- niedrig hängenden, rothwangigen Aepfel. Als sie bemerkt, daß Loth
- vom Wirthshaus her ihr entgegen kommt, bemächtigt sich ihrer eine
- noch stärkere Unruhe, so daß sie sich schließlich umwendet und
- vor Loth her in den Hof zurückgeht. Hier bemerkt sie, daß der
- Taubenschlag noch geschlossen ist und begiebt sich dorthin durch
- das kleine Zaunpförtchen des Obstgartens. Noch damit beschäftigt,
- die Leine, welche, vom Winde getrieben, irgendwo festgehakt ist,
- herunter zu ziehen, wird sie von Loth, der inzwischen
- herangekommen ist angeredet.
-
-Loth. Guten Morgen, Fräulein!
-
-Helene. Guten Morgen! -- Der Wind hat die Schnur hinaufgejagt.
-
-Loth. Erlauben Sie! (Geht ebenfalls durch das Pförtchen, bringt die
-Schnur herunter und zieht den Schlag auf. Die Tauben fliegen aus.)
-
-Helene. Ich danke sehr.
-
-Loth (ist durch das Pförtchen wieder herausgetreten, bleibt aber
-außerhalb des Zaunes und an diesen gelehnt stehen. Helene innerhalb
-desselben. Nach einer kleinen Pause.) Pflegen Sie immer so früh auf zu
-sein, Fräulein?
-
-Helene. _Das_ eben -- wollte ich Sie auch fragen.
-
-Loth. Ich --? nein! Die erste Nacht in einem fremden Hause passirt es
-mir jedoch gewöhnlich.
-
-Helene. Wie ... kommt das?
-
-Loth. Ich habe darüber noch nicht nachgedacht, es hat keinen Zweck.
-
-Helene. Ach, wieso denn nicht?
-
-Loth. Wenigstens keinen ersichtlichen, praktischen Zweck.
-
-Helene. Also wenn Sie irgend etwas thun oder denken, muß es einem
-praktischen Zweck dienen?
-
-Loth. Ganz recht? Uebrigens ...
-
-Helene. Das hätte ich von Ihnen nicht gedacht.
-
-Loth. Was, Fräulein?
-
-Helene. Genau das meinte die Stiefmutter, als sie mir vorgestern den
-Werther aus der Hand riß.
-
-Loth. Das ist ein dummes Buch.
-
-Helene. Sagen Sie das nicht.
-
-Loth. Das sage ich nochmal, Fräulein. Es ist ein Buch für Schwächlinge.
-
-Helene. _Das_ -- kann wohl möglich sein.
-
-Loth. Wie kommen Sie gerade auf _dieses_ Buch? Ist es Ihnen denn
-verständlich?
-
-Helene. Ich hoffe, ich ... zum Theil ganz gewiß. Es beruhigt so, darin
-zu lesen. (Nach einer Pause.) Wenn's ein dummes Buch ist, wie Sie sagen,
-könnten Sie mir etwas Besseres empfehlen?
-
-Loth. Le... lesen Sie ... noa! ... kennen Sie den Kampf um Rom von Dahn?
-
-Helene. Nein! Das Buch werde ich mir aber nun kaufen. Dient es einem
-praktischen Zweck?
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-Loth. Einem vernünftigen Zweck überhaupt. Es malt die Menschen nicht wie
-sie sind, sondern wie sie einmal werden sollen. Es wirkt vorbildlich.
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-Helene (mit Ueberzeugung). _Das ist schön._ (Kleine Pause, dann.)
-Vielleicht geben Sie mir Auskunft, man redet so viel von Zola und Ibsen
-in den Zeitungen: sind das große Dichter?
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-Loth. Es sind gar keine Dichter, sondern nothwendige Uebel, Fräulein.
-Ich bin ehrlich durstig und verlange von der Dichtkunst einen klaren,
-erfrischenden Trunk. -- Ich bin nicht krank. Was Zola und Ibsen bieten,
-ist Medizin.
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-Helene (gleichsam unwillkürlich). Ach, dann wäre es doch vielleicht für
-mich etwas.
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-Loth (bisher theilweise, jetzt ausschließlich in den Anblick des
-thauigen Obstgartens vertieft). Es ist prächtig hier. Sehen Sie, wie die
-Sonne über der Bergkuppe herauskommt. -- Viel Aepfel giebt es in Ihrem
-Garten: eine schöne Ernte.
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-Helene. Drei Viertel davon wird auch dies Jahr wieder gestohlen werden.
-Die Armuth hier herum ist zu groß.
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-Loth. Sie glauben gar nicht, wie sehr ich das Land liebe! Leider wächst
-mein Weizen zum größten Theile in der Stadt. Aber nun will ich's mal
-durchgenießen, das Landleben. Unsereiner hat so 'n bischen Sonne und
-Frische mehr nöthig als sonst Jemand.
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-Helene (seufzend). Mehr nöthig, als .... inwiefern?
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-Loth. Weil man in einem harten Kampfe steht, dessen Ende man nicht
-erleben kann.
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-Helene. Stehen wir anderen _nicht_ in einem solchen Kampfe?
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-Loth. Nein.
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-Helene. Aber -- in einem Kampfe -- stehen wir doch auch?!
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-Loth. Natürlicherweise! aber der kann enden.
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-Helene. _Kann_ -- da haben Sie recht! -- und wieso kann der nicht
-endigen -- der, den Sie kämpfen, Herr Loth?
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-Loth. Ihr Kampf, das kann nur ein Kampf sein um persönliches
-Wohlergehen. Der Einzelne kann dies, so weit menschenmöglich, erreichen.
-Mein Kampf ist ein Kampf um das Glück aller; sollte ich glücklich sein,
-so müßten es erst alle anderen Menschen um mich herum sein; ich müßte um
-mich herum weder Krankheit noch Armuth, weder Knechtschaft noch
-Gemeinheit sehen. Ich könnte mich so zu sagen nur als letzter an die
-Tafel setzen.
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-Helene (mit Ueberzeugung). _Dann sind Sie ja ein sehr, sehr guter
-Mensch!_
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-Loth (ein wenig betreten). Verdienst ist weiter nicht dabei, Fräulein,
-ich bin so veranlagt. Ich muß übrigens sagen, daß mir der Kampf im
-Interesse des Fortschritts doch große Befriedigung gewährt. Eine Art
-Glück, die ich weit höher anschlage, als die, mit der sich der gemeine
-Egoist zufrieden giebt.
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-Helene. Es giebt wohl nur sehr wenige Menschen, die so veranlagt sind.
--- Es muß ein Glück sein, mit solcher Veranlagung geboren zu sein.
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-Loth. Geboren wird man wohl auch nicht damit. Man kommt dazu durch die
-Verkehrtheit unserer Verhältnisse, scheint mir; -- nur muß man für das
-Verkehrte einen Sinn haben: _das_ ist es! Hat man den und leidet man so
-bewußt unter den verkehrten Verhältnissen, dann wird man mit
-Nothwendigkeit zu dem, was ich bin.
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-Helene. Wenn ich Sie nur besser .... welche Verhältnisse nennen Sie zum
-Beispiel verkehrt?
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-Loth. Es ist zum Beispiel verkehrt, wenn der im Schweiße seines
-Angesichts Arbeitende hungert und der Faule im Ueberflusse leben darf.
--- Es ist verkehrt, den Mord im Frieden zu bestrafen und den Mord im
-Krieg zu belohnen. Es ist verkehrt, den Henker zu verachten und selbst,
-wie es die Soldaten thun, mit einem Menschenabschlachtungs-Instrument,
-wie es der Degen oder der Säbel ist, an der Seite stolz herumzulaufen.
-Den Henker, der das mit dem Beile thäte, würde man zweifelsohne
-steinigen. Verkehrt ist es dann, die Religion Christi, diese Religion
-der Duldung, Vergebung und Liebe, als Staatsreligion zu haben und dabei
-ganze Völker zu vollendeten Menschenschlächtern heranzubilden. Dies sind
-einige unter Millionen, müssen Sie bedenken. Es kostet Mühe, sich durch
-alle diese Verkehrtheiten hindurchzuringen; man muß früh anfangen.
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-Helene. Wie sind Sie denn nur so auf alles dies gekommen? Es ist so
-einfach und doch kommt man nicht darauf.
-
-Loth. Ich mag wohl durch meinen Entwickelungsgang darauf gekommen sein,
-durch Gespräche mit Freunden, durch Lecture, durch eigenes Denken.
-Hinter die erste Verkehrtheit kam ich als kleiner Junge. Ich log mal
-sehr stark und bekam dafür die schrecklichsten Prügel von meinem Vater.
-Kurz darauf fuhr ich mit ihm auf der Eisenbahn, und da merkte ich, daß
-mein Vater auch log und es für ganz selbstverständlich hielt, zu lügen;
-ich war damals fünf Jahre und mein Vater sagte dem Schaffner, ich sei
-noch nicht vier, der freien Fahrt halber, welche Kinder unter vier
-Jahren genießen. Dann sagte der Lehrer auch mal: sei fleißig, halt Dich
-brav, dann wird es Dir auch unfehlbar gut gehen im Leben. Der Mann
-lehrte uns eine Verkehrtheit, dahinter kam ich sehr bald. Mein Vater war
-brav, ehrlich, durch und durch bieder, und ein Schuft, der noch jetzt
-als reicher Mann lebt, betrog ihn um seine paar Tausend Thaler. Bei eben
-diesem Schuft, der eine große Seifenfabrik besaß, mußte mein Vater
-sogar, durch die Noth getrieben, in Stellung treten.
-
-Helene. Unsereins wagt es gar nicht -- wagt es gar nicht, so etwas für
-verkehrt anzusehen, höchstens ganz im Stillen empfindet man es. Man
-empfindet es oft sogar, und dann -- wird einem ganz verzweifelt zu Muth.
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-Loth. Ich erinnere mich einer Verkehrtheit, die mir ganz besonders klar
-als solche vor Augen trat. Bis dahin glaubte ich: der Mord werde unter
-allen Umständen als ein Verbrechen bestraft; danach wurde mir jedoch
-klar, daß nur die milderen Formen des Mordes ungesetzlich sind.
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-Helene. Wie wäre das wohl ....
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-Loth. Mein Vater war Siedemeister, wir wohnten dicht an der Fabrik,
-unsere Fenster gingen auf den Fabrikhof. Da sah ich auch noch manches
-außerdem. Es war ein Arbeiter, der fünf Jahre in der Fabrik gearbeitet
-hatte. Er fing an stark zu husten und abzumagern ... ich weiß, wie uns
-mein Vater bei Tisch erzählte: Burmeister -- so hieß der Arbeiter --
-bekommt die Lungenschwindsucht, wenn er noch länger bei der
-Seifenfabrikation bleibt. Der Doktor hat es ihm gesagt. -- Der Mann
-hatte acht Kinder, und ausgemergelt wie er war, konnte er nirgends mehr
-Arbeit finden. Er _mußte_ also in der Seifenfabrik bleiben, und der
-Prinzipal that sich viel darauf zu gute, daß er ihn beibehielt. Er kam
-sich unbedingt äußerst human vor. -- Eines Nachmittags, im August, es
-war eine furchtbare Hitze, da quälte er sich mit einer Karre Kalk über
-den Fabrikhof. -- Ich sah gerade aus dem Fenster, da merke ich, wie er
-still steht -- wieder still steht und schließlich schlägt er lang auf
-die Steine. -- Ich lief hinzu -- mein Vater kam, andere Arbeiter kamen,
-aber er röchelte nur noch, und sein ganzer Mund war voll Blut. Ich half
-ihn ins Haus tragen. Ein Haufe kalkiger, nach allerhand Chemikalien
-stinkender Lumpen war er; bevor wir ihn im Hause hatten, war er schon
-gestorben.
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-Helene. Ach, schrecklich ist das.
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-Loth. Kaum acht Tage später zogen wir seine Frau aus dem Fluß, in den
-die verbrauchte Lauge unserer Fabrik abfloß. -- Ja, Fräulein! wenn man
-dies alles kennt, wie ich es _jetzt_ kenne -- glauben Sie mir! -- dann
-läßt es einem keine Ruhe mehr. Ein einfaches Stückchen Seife, bei dem
-sich in der Welt sonst Niemand etwas denkt, ja, ein paar rein
-gewaschene, gepflegte Hände schon können einen in die bitterste Laune
-versetzen.
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-Helene. Ich hab auch mal so was gesehen. Hu! schrecklich war das,
-_schrecklich_!
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-Loth. Was?
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-Helene. Der Sohn von einem Arbeitsmann wurde halbtodt hier
-hereingetragen. Es ist nun ... drei Jahre vielleicht ist es her.
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-Loth. War er verunglückt?
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-Helene. Ja, drüben im Bärenstollen.
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-Loth. Ein Bergmann also?
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-Helene. Ja, die meisten jungen Leute hier herum gehen auf die Grube. --
-Ein zweiter Sohn desselben Vaters war auch Schlepper und ist auch
-verunglückt.
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-Loth. Beide todt?
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-Helene. Beide todt .... Einmal riß etwas an der Fahrkunst, das andere
-Mal waren es schlagende Wetter. -- Der alte Beibst hat aber noch einen
-dritten Sohn, der fährt auch seit Ostern ein.
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-Loth. Was Sie sagen! -- hat er nichts dawider?
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-Helene. Gar nichts, nein! Er ist nur jetzt noch weit mürrischer als
-früher. Haben Sie ihn nicht schon gesehen?
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-Loth. Wieso ich?
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-Helene. Er saß ja heut früh nebenan, unter der Durchfahrt.
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-Loth. Ach! -- wie? .. Er arbeitet hier im Hofe?
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-Helene. Schon seit Jahren.
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-Loth. Er hinkt?
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-Helene. Ziemlich stark sogar.
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-Loth. Soosoo. -- Was ist ihm denn da passirt, mit dem Bein?
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-Helene. Das ist 'ne heikle Geschichte. Sie kennen doch den Herrn Kahl?
-... da muß ich Ihnen aber ganz nahe kommen. Sein Vater, müssen Sie
-wissen, war genau so ein Jagdnarr wie er. Er schoß hinter den
-Handwerksburschen her, die auf den Hof kamen, wenn auch nur in die Luft,
-um ihnen Schrecken einzujagen. Er war auch sehr jähzornig, wissen Sie;
-wenn er getrunken hatte, erst recht. Nu hat wohl der Beibst mal
-gemuckscht -- er muckscht gern, wissen Sie, -- und da hat der Bauer die
-Flinte zu packen gekriegt und ihm eine Ladung gegeben. Beibst, wissen
-Sie, war nämlich früher beim Nachbar Kahl für Kutscher.
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-Loth. Frevel über Frevel, wohin man hört.
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-Helene (immer unsicherer und erregter). Ich hab auch schon manchmal so
-bei mir gedacht .... sie haben mir alle mitunter schon so furchtbar leid
-gethan --: der alte Beibst und ..... Wenn die Bauern so roh und dumm
-sind wie der -- wie der Streckmann, der -- läßt seine Knechte hungern
-und füttert die Hunde mit Conditorzeug. Hier bin ich wie dumm, seit ich
-aus der Pension zurück bin ... Ich hab auch mein Päckchen! -- aber ich
-rede ja wohl Unsinn, -- es interessirt Sie ja gar nicht -- Sie lachen
-mich im Stillen bloß aus.
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-Loth. Aber Fräulein, wie können Sie nur .... weshalb sollte ich Sie denn
-....
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-Helene. Nun, etwa nicht? Sie denken doch: die ist auch nicht besser wie
-die Anderen hier.
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-Loth. Ich denke von Niemand schlecht, Fräulein!
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-Helene. Das machen Sie mir nicht weis .... nein, nein!
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-Loth. Aber Fräulein! wann hatte ich Ihnen Veranlassung ...
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-Helene (nahe am Weinen). Ach, reden Sie doch nicht! Sie verachten uns,
-verlassen Sie sich d'rauf -- Sie müssen uns ja doch verachten, --
-(weinerlich) -- den Schwager mit, _mich_ mit. _Mich_ vor allen Dingen
-und dazu, da -- zu haben Sie wahr... wahrhaftig auch Grund. (Sie wendet
-Loth schnell den Rücken und geht, ihrer Bewegung nicht mehr Herr, durch
-den Obstgarten nach dem Hintergrunde zu ab. Loth tritt durch das
-Pförtchen und folgt ihr langsam.)
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-Frau Krause (in überladener Morgentoilette, puterroth im Gesicht, aus
-der Hausthür, schreit). Doas Loaster vu Froovulk! Marie! Ma--rie!! unter
-men'n Dache? Weg muß doas Froovulk! (Sie rennt über den Hof und
-verschwindet in der Stallthür. _Frau Spiller_, mit Häkelarbeit,
-erscheint in der Hausthür. Im Stalle hört man Schimpfen und Heulen.)
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-Frau Krause (die heulende Magd vor sich hertreibend, aus dem Stall). Du
-Hurenfroovulk Du! -- (Die Magd heult stärker) -- uuf der Stelle 'naus!
-Sich Deine sieba Sacha z'samma und dann 'naus! (Helene, mit rothen Augen
-kommt durch den Thorweg, bemerkt die Scene und steht abwartend still.)
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-Die Magd (entdeckt Frau Spiller, wirft Schemel und Milchgelte weg und
-geht wüthend auf sie zu). Doas biin iich Ihn'n schuldig! Doas war iich
-Ihn'n eitränka!! (Sie rennt schluchzend davon, die Bodentreppe hinauf.
-Ab.)
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-Helene (zu Frau Krause tretend). Was hat sie denn gemacht?
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-Frau Krause (grob). Gieht's Diich oan, Goans?
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-Helene (heftig, fast weinend). Ja, mich geht's an.
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-Frau Spiller (schnell hinzutretend). Mein gnädiges Fräulein, so etwas
-ist nicht für das Ohr eines jungen Mädchens wie ...
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-Frau Krause. Worum ok ne goar, Spillern! die iis au ne vu Marzepane.
-Mit'n Grußknecht zusoamma gelah'n hot se ei en Bette. Do wißt de's.
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-Helene (in befehlendem Tone). Die Magd wird aber _doch_ bleiben.
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-Frau Krause. Weibsstück!
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-Helene. Gut! dann will ich dem Vater erzählen, daß Du mit Kahl Wilhelm
-die Nächte ebenso verbringst.
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-Frau Krause (schlägt ihr eine Maulschelle). Du hust' an' Denkzettel!
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-Helene (todtbleich, aber noch fester). Die Magd bleibt aber _doch_,
-sonst ... sonst bring ich's herum! Mit Kahl Wilhelm, Du! Dein Vetter ...
-mein Bräut'jam ... Ich bring's herum.
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-Frau Krause (mit wankender Fassung). Wer koan doas soa'n?
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-Helene. Ich! Denn ich hab ihn heut Morgen aus Deinem Schlafzimmer .....
-(Schnell ab ins Haus.)
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- Frau Krause, taumelnd, nahe einer Ohnmacht. Frau Spiller mit
- Riechfläschchen zu ihr.
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-Frau Spiller. Gnädige Frau, gnädige Frau!
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-Frau Krause. Sp...illern, die Moa'd sss... sool dooblei'n.
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- Der Vorhang fällt schnell.
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-
-
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- Dritter Akt.
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- Zeit: wenige Minuten nach dem Vorfall zwischen Helene und ihrer
- Stiefmutter im Hofe. Der Schauplatz ist der des ersten Vorgangs.
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- _Dr. Schimmelpfennig_ sitzt, ein Recept schreibend, Schlapphut,
- Zwirnhandschuhe und Stock vor sich auf der Tischplatte, an dem
- Tisch links im Vordergrunde. Er ist von Gestalt klein und
- gedrungen, hat schwarzes Wollhaar und einen ziemlich starken
- Schnurrbart. Schwarzer Rock im Schnitt der Jägerschen
- Normalröcke. Die Kleidung im Ganzen solid, aber nicht elegant.
- Hat die Gewohnheit, fast ununterbrochen seinen Schnurrbart zu
- streichen oder zu drehen, um so stärker, je erregter er innerlich
- wird. Sein Gesichtsausdruck, wenn er mit Hoffmann redet, ist
- gezwungen ruhig, ein Zug von Sarkasmus liegt um seine Mundwinkel.
- Seine Bewegungen sind lebhaft, fest und eckig, durchaus
- natürlich. Hoffmann, in seidenem Schlafrock und Pantoffeln, geht
- umher. Der Tisch rechts im Hintergrunde ist zum Frühstück
- hergerichtet. Feines Porzellan. Gebäck. Rumcaraffe etc.
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-Hoffmann. Herr Doktor, sind Sie mit dem Aussehen meiner Frau zufrieden?
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-Dr. Schimmelpfennig. Sie sieht ja ganz gut aus, warum nicht.
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-Hoffmann. Denken Sie, daß alles gut vorüber gehen wird?
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-Dr. Schimmelpfennig. Ich hoffe.
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-Hoffmann (nach einer Pause, zögernd). Herr Doktor, ich habe mir
-vorgenommen -- schon seit Wochen -- Sie, sobald ich hierher käme, in
-einer ganz bestimmten Sache um Ihren Rath zu bitten.
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-Dr. Schimmelpfennig, (der bis jetzt unter dem Schreiben geantwortet hat,
-legt die Feder beiseite, steht auf und übergiebt Hoffmann das
-geschriebene Recept). So! ... das lassen Sie wohl bald machen; -- (indem
-er Hut, Handschuhe und Stock nimmt) -- über Kopfschmerz klagt Ihre Frau,
--- (in seinen Hut blickend, geschäftsmäßig) -- ehe ich es vergesse:
-suchen Sie doch Ihrer Frau begreiflich zu machen, daß sie für das
-kommende Lebewesen einigermaßen verantwortlich ist. Ich habe ihr bereits
-selbst einiges gesagt -- über die Folgen des Schnürens.
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-Hoffmann. Ganz gewiß, Herr Doktor ... ich will ganz gewiß mein
-Möglichstes thun, ihr ...
-
-Dr. Schimmelpfennig (sich ein wenig linkisch verbeugend). Empfehle mich.
-(Geht, bleibt wieder stehen.) Ach so! ... Sie wollten ja meinen Rath
-hören. (Er blickt Hoffmann kalt an.)
-
-Hoffmann. Ja, wenn Sie noch einen Augenblick Zeit hätten ... (Nicht ohne
-Affectirtheit.) Sie kennen das entsetzliche Ende meines ersten Jungen.
-Sie haben es ja ganz aus der Nähe gesehen. Wie weit _ich_ damals war,
-wissen Sie ja wohl auch. -- Man glaubt es nicht, dennoch: die Zeit
-mildert! ... Schließlich habe ich sogar noch Grund zur Dankbarkeit, mein
-sehnlichster Wunsch soll, wie es scheint, erfüllt werden. Sie werden
-begreifen, daß ich alles thun muß ... Es hat mich schlaflose Nächte
-genug gekostet und doch weiß ich noch nicht, noch _immer_ nicht, wie ich
-es anstellen soll, um das jetzt noch ungeborene Geschöpf vor dem
-furchtbaren Schicksale seines Brüderchens zu bewahren. Und das ist es,
-weshalb ich Sie ...
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-Dr. Schimmelpfennig (trocken und geschäftsmäßig). Von seiner Mutter
-trennen: Grundbedingung einer gedeihlichen Entwickelung.
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-Hoffmann. Also doch?! -- Meinen Sie, völlig trennen? ... Soll es auch
-nicht in demselben Hause mit ihr ...?
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-Dr. Schimmelpfennig. Nein, wenn es Ihnen ernst ist um die Erhaltung
-Ihres Kindes, dann nicht. Ihr Vermögen gestattet Ihnen ja in dieser
-Beziehung die freieste Bewegung.
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-Hoffmann. Gott sei Dank, ja! Ich habe auch schon in der Nähe von
-Hirschberg eine Villa mit sehr großem Park angekauft. Nur wollte ich
-auch meine Frau ...
-
-Dr. Schimmelpfennig (dreht seinen Bart und starrt auf die Erde. Unter
-Nachdenken.) Kaufen Sie doch Ihrer Frau irgend wo anders eine Villa ...
-
-Hoffmann (zuckt die Achseln).
-
-Dr. Schimmelpfennig (wie vorher). Können Sie nicht -- Ihre Schwägerin --
-für die Aufgabe, dieses Kind zu erziehen, interessiren?
-
-Hoffmann. Wenn Sie wüßten, Herr Doktor, was für Hindernisse ...
-außerdem: ein unerfahrenes, junges Ding ... Mutter ist doch Mutter.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Sie wissen meine Meinung. Empfehle mich.
-
-Hoffmann (mit Ueberfreundlichkeit um ihn herum complimentirend).
-Empfehle mich ebenfalls! Ich bin Ihnen äußerst dankbar ...
-
- Beide ab durch die Mittelthür.
-
- _Helene_, das Taschentuch vor den Mund gepreßt, schluchzend,
- außer sich, kommt herein und läßt sich auf das Sopha links vorn
- hinfallen. Nach einigen Augenblicken tritt Hoffmann,
- Zeitungsblätter in den Händen haltend, abermals ein.
-
-Hoffmann. Was ist denn _das_ --? Sag' mal, Schwägerin! soll denn das
-noch lange so fort gehen? -- Seit ich hier bin, vergeht nicht ein Tag,
-an dem ich Dich nicht weinen sehe.
-
-Helene. Ach! -- was weißt Du!? -- Wenn Du überhaupt Sinn für so was
-hätt'st, dann würd'st Du Dich vielmehr wundern, wenn ich mal nicht
-weinte.
-
-Hoffmann. -- Das leuchtet mir nicht ein, Schwägerin!
-
-Helene. Mir um so mehr!
-
-Hoffmann. ... Es muß doch wieder was passirt sein, hör' mal!
-
-Helene (springt auf, stampft mit dem Fuße). Pfui! Pfui! ... und ich
-mag's nicht mehr leiden ... Das hört auf! Ich lasse mir das nicht mehr
-bieten! Ich sehe nicht ein warum ... ich ... (im Weinen erstickend).
-
-Hoffmann. Willst Du mir denn nicht wenigstens sagen, worum sich's
-handelt, damit ...
-
-Helene (auf's Neue heftig ausbrechend). Alles ist mir egal! Schlimmer
-kann's nicht kommen: -- einen Trunkenbold von Vater hat man, ein Thier
--- vor dem die .... die eigene Tochter nicht sicher ist. -- Eine
-ehebrecherische Stiefmutter, die mich an ihren Galan verkuppeln möchte
-.. Dieses ganze Dasein überhaupt. -- Nein --! ich sehe nicht ein, wer
-mich zwingen kann, durchaus schlecht zu werden. Ich gehe fort! Ich renne
-fort -- und wenn Ihr mich nicht loslaßt, dann .... Strick, Messer,
-Revolver! .... mir egal! -- ich will nicht auch zum Branntwein greifen
-wie meine Schwester.
-
-Hoffmann (erschrocken, packt sie am Arm). Lene! .... Ich sag' Dir,
-still! ... davon still!
-
-Helene. Mir egal! .... mir ganz egal! -- Man ist ... man muß sich
-schämen bis in die Seele 'nein. -- Man möchte was wissen, was sein, was
-sein können -- und was ist man nu?
-
-Hoffmann, (der ihren Arm noch nicht wieder losgelassen, fängt an, das
-Mädchen allmählich nach dem Sopha hinzudrängen. Im Tone seiner Stimme
-liegt nun plötzlich eine weichliche, übertriebene, gleichsam vibrirende
-Milde.) _Lenchen_ --! Ich weiß ja recht gut, daß Du hier manches
-auszustehen hast. Sei nur ruhig ...! Brauchst es mir gar nicht zu sagen.
-(Er legt die Rechte liebkosend auf ihre Schulter, bringt sein Gesicht
-nahe dem ihren.) Ich kann Dich gar nicht weinen sehen. Wahrhaftig! -- 's
-thut mir weh. Sieh doch nur aber die Verhältnisse nicht schwärzer, als
-sie sind --; und dann: -- hast Du vergessen, daß wir beide -- Du und ich
--- so zu sagen in der gleichen Lage sind? -- Ich bin in diese
-Bauernatmosphäre hinein gekommen .... passe ich hinein? Genau so wenig
-wie Du hoffentlich.
-
-Helene (immer noch weinend). Hätte mein -- gutes -- M -- Muttelchen das
-geahnt -- als sie .... als sie bestimmte -- daß ich in Herrnhut --
-erzogen .... erzogen werden sollte. Hätte sie -- mich lieber ... mich
-lieber zu Hause gelassen, dann hätte ich ... hätte ich wenigstens --
-nichts Anderes kennen gelernt, wäre in dem Sumpf hier auf....
-aufgewachsen --. Aber so ...
-
-Hoffmann (hat Helene sanft auf das Sopha gezwungen und sitzt nun, eng an
-sie gedrängt, neben ihr. Immer auffälliger verräth sich in seinen
-Tröstungen das sinnliche Element.) Lenchen --! Sieh mich an, laß das gut
-sein, tröste Dich mit mir. -- Ich brauch' Dir von Deiner Schwester nicht
-zu sprechen. (Heiß und mit Innigkeit, indem er sie enger umschlingt.)
-Ja, wäre sie wie _Du_ bist! ... So aber ... sag' selbst: was kann _sie_
-mir sein? -- Wo lebt ein Mann, Lenchen, ein gebildeter Mann, -- (leiser)
--- dessen Frau von einer so unglückseligen Leidenschaft befallen ist? --
-Man darf es gar nicht laut sagen: eine Frau -- und -- Branntwein ...
-Nun, sprich, bin ich glücklicher? .... Denk an mein Fritzchen! -- Nun?
-... bin ich am Ende besser dran, wie? ... (Immer leidenschaftlicher.)
-Siehst Du: so hat's das Schicksal schließlich noch gut gemeint. Es hat
-uns zu einander gebracht. -- Wir gehören für einander! Wir sind zu
-Freunden voraus bestimmt, mit unsren gleichen Leiden. Nicht, Lenchen?
-(Er umschlingt sie ganz. Sie läßt es geschehen, aber mit einem Ausdruck,
-der besagt, daß sie sich zum Dulden zwingt. Sie ist still geworden und
-scheint mit zitternder Spannung etwas zu erwarten, irgend eine
-Gewißheit, eine Erfüllung, die unfehlbar herankommt.)
-
-Hoffmann (zärtlich). Du solltest meinem Vorschlag folgen, solltest dies
-Haus verlassen, bei uns wohnen. -- Das Kindchen, das kommt, braucht eine
-Mutter. -- Komm! sei Du ihm das; -- (leidenschaftlich gerührt,
-sentimental) -- sonst hat es eben keine Mutter. Und dann: -- bring ein
-wenig, nur ein ganz, ganz klein wenig Licht in mein Leben. _Thuu's! --
-thu -- 's!_ (Er will seinen Kopf an ihre Brust lehnen. Sie springt auf,
-empört. In ihren Mienen verräth sich Verachtung, Ueberraschung, Ekel,
-Haß.)
-
-Helene. Schwager! Du bist, Du bist ... Jetzt kenn ich Dich durch und
-durch. Bisher hab ich's nur so dunkel gefühlt. Jetzt weiß ich's ganz
-gewiß.
-
-Hoffmann (überrascht, fassungslos). Was ...? Helene ... -- einzig,
-wirklich.
-
-Helene. Jetzt weiß ich ganz gewiß, daß Du nicht um ein Haar besser bist
-.... was denn! schlechter bist Du, der schlecht'ste von allen hier!
-
-Hoffmann (steht auf, mit angenommener Kälte). Dein Betragen heut ist
-sehr eigenthümlich, weißt Du!
-
-Helene (tritt nahe zu ihm). Du gehst doch nur auf das eine Ziel los.
-(Halblaut in sein Ohr.) Aber Du hast ganz andere Waffen als Vater und
-Stiefmutter oder der ehrenfeste Herr Bräutigam, ganz andere. Gegen Dich
-gehalten sind sie Lämmer, alle mit 'nander. Jetzt, jetzt auf einmal,
-jetzt eben ist mir das sonnenklar geworden.
-
-Hoffmann (in erheuchelter Entrüstung). Lene! Du bist .... Du bist nicht
-bei Trost, das ist ja heller Wahn.... (Er unterbricht sich, schlägt sich
-vor den Kopf.) Gott, wie wird mir denn auf einmal, natürlich! ... Du
-hast .... es ist freilich noch sehr früh am Tage, aber ich wette, Du
-hast .... Helene, Du hast heut früh schon mit Alfred Loth geredet.
-
-Helene. Weshalb sollte ich denn nicht mit ihm geredet haben? Es ist ein
-Mann, vor dem wir uns alle verstecken müßten vor Scham, wenn es mit
-rechten Dingen zuginge.
-
-Hoffmann. Also wirklich! ... Ach sooo! .... na jaaa! .. allerdings ...
-da darf ich mich weiter nicht wundern -- So, so, so, hat also die
-Gelegenheit benützt, über seinen Wohlthäter 'n bischen herzuziehen. Man
-sollte immer auf dergleichen gefaßt sein, freilich!
-
-Helene. Schwager! das ist nun geradezu _gemein_.
-
-Hoffmann. Finde ich beinah auch!
-
-Helene. Kein Sterbenswort, nicht ein Sterbenswort hat er gesagt über
-Dich.
-
-Hoffmann (ohne darauf einzugehen). Wenn die Sachen _so_ liegen, dann ist
-es geradezu meine Pflicht, ich sage, meine Pflicht, als Verwandter,
-einem so unerfahrenen Mädchen gegenüber wie Du bist .....
-
-Helene. Unerfahrenes Mädchen --? Wie Du mir vorkommst!
-
-Hoffmann (aufgebracht). Auf meine Verantwortung ist Loth hier in's Haus
-gekommen. Nun mußt Du wissen: -- er ist -- gelinde gesprochen -- ein
-höchst ge--fähr--licher Schwärmer, dieser Herr Loth.
-
-Helene. Daß Du das von Herrn Loth sagst, hat für mich so etwas --
-Verkehrtes -- etwas lächerlich Verkehrtes.
-
-Hoffmann. Ein Schwärmer, der die Gabe hat, nicht nur Weibern, sondern
-auch _vernünftigen_ Leuten die Köpfe zu verwirren.
-
-Helene. Siehst Du: _wieder_ so eine Verkehrtheit! Mir ist es nach den
-wenigen Worten, die ich mit Herrn Loth geredet habe, so wohlthuend klar
-im Kopfe ....
-
-Hoffmann (im Tone eines Verweises). Was ich Dir sage, ist durchaus
-nichts Verkehrtes.
-
-Helene. Man muß für das Verkehrte einen Sinn haben, und den hast Du eben
-nicht.
-
-Hoffmann (wie vorher). Davon ist jetzt nicht die Rede. Ich erkläre Dir
-nochmals, daß ich Dir nichts Verkehrtes sage, sondern etwas, was ich
-Dich bitten muß, als thatsächlich wahr hinzunehmen .... Ich habe es an
-mir erfahren: er benebelt einem den Kopf, und dann schwärmt man von
-Völkerverbrüderung, von Freiheit und Gleichheit, setzt sich über Sitte
-und Moral hinweg .... Wir wären damals um dieser Hirngespinste willen --
-weiß der Himmel -- über die Leichen unserer Eltern hinweggeschritten, um
-zum Ziele zu gelangen. Und er, sage ich Dir, würde erforderlichen Falls
-noch heute dasselbe thun.
-
-Helene. Wie viele Eltern mögen wohl alljährlich über die Leichen ihrer
-Kinder schreiten, ohne daß Jemand ....
-
-Hoffmann (ihr in die Rede fallend). Das ist Unsinn! Da hört _alles_ auf!
-... Ich sage Dir, nimm Dich vor ihm in Acht, in jeder .... ich sage ganz
-ausdrücklich, in _jeder_ Beziehung. -- Von moralischen Skrupeln ist da
-keine Spur.
-
-Helene. Ne, wie verkehrt dies nun wieder ist. Glaub' mir, Schwager,
-fängt man erst mal an d'rauf zu achten .... es ist so schrecklich
-interessant .....
-
-Hoffmann. Sag' doch, was Du willst, gewarnt bist Du nun. Ich will Dir
-nur noch ganz im Vertrauen mittheilen: ein Haar, und ich wäre damals
-durch ihn und mit ihm greulich in die Tinte gerathen.
-
-Helene. Wenn dieser Mensch so gefährlich ist, warum freutest Du Dich
-denn gestern so aufrichtig, als ....
-
-Hoffmann. Gott ja, er ist eben ein Jugendbekannter! Weißt Du denn, ob
-nicht ganz bestimmte Gründe vorlagen ....
-
-Helene. Gründe? Wie denn?
-
-Hoffmann. Nur so. -- Käme er allerdings heut und wüßte ich, was ich
-jetzt weiß --
-
-Helene. Was weißt Du denn nur? Ich sagte Dir doch bereits, er hat kein
-Sterbenswort über Dich verlauten lassen.
-
-Hoffmann. -- Verlaß Dich d'rauf! Ich hätte mir's zweimal überlegt und
-mich wahrscheinlich sehr in Acht genommen, ihn hier zu behalten. Loth
-ist und bleibt 'n Mensch, dessen Umgang compromittirt. Die Behörden
-haben ihn im Auge.
-
-Helene. Ja, hat er denn ein Verbrechen begangen?
-
-Hoffmann. Sprechen wir lieber darüber nicht. Laß es Dir genug sein,
-Schwägerin, wenn ich Dir die Versicherung gebe: mit Ansichten, wie er
-sie hat, in der Welt umherzulaufen, ist heutzutage weit schlimmer und
-vor allem gefährlicher als stehlen.
-
-Helene. Ich will's mir merken. -- Nun aber -- Schwager! hörst Du? Frag'
-mich nicht -- wie ich nach Deinen Reden über Herrn Loth noch von _Dir_
-denke. -- Hörst Du?
-
-Hoffmann (cynisch kalt). Denkst Du denn wirklich, daß mir so ganz
-besonders viel daran liegt das zu wissen? (Er drückt den Klingelknopf.)
-Uebrigens höre ich ihn da eben hereinkommen.
-
- Loth tritt ein.
-
-Hoffmann. Nun --? gut geschlafen, alter Freund?
-
-Loth. Gut, aber nicht lange. Sag' doch mal: ich sah da vorhin Jemand aus
-dem Haus kommen, einen Herrn.
-
-Hoffmann. Vermuthlich der Doktor, der soeben hier war. Ich erzählte Dir
-ja ... dieser eigenthümliche Mischmasch von Härte und Sentimentalität.
-
- Helene verhandelt mit Eduard, der eben eingetreten ist. Er geht
- ab und servirt kurz darauf Thee und Kaffee.
-
-Loth. Dieser Mischmasch, wie Du Dich ausdrückst, sah nämlich einem alten
-Universitätsfreunde von mir furchtbar ähnlich -- ich hätte schwören
-können, daß er es sei -- einem gewissen Schimmelpfennig.
-
-Hoffmann (sich am Frühstückstisch niederlassend). Nu ja, ganz recht:
-Schimmelpfennig!
-
-Loth. Ganz recht? Was?
-
-Hoffmann. Er heißt in der That Schimmelpfennig.
-
-Loth. Wer? Der Doktor hier?
-
-Hoffmann. Du sagtest es doch eben. Ja, der Doktor.
-
-Loth. Dann .... das ist aber auch wirklich wunderlich! Unbedingt ist
-er's dann.
-
-Hoffmann. Siehst Du wohl, schöne Seelen finden sich zu Wasser und zu
-Lande. Du nimmst mir's nicht übel, wenn ich anfange; wir wollten uns
-nämlich gerade zum Frühstück setzen. Bitte, nimm Platz! Du hast doch
-wohl nicht schon irgendwo gefrühstückt?
-
-Loth. Nein!
-
-Hoffmann. Nun dann, also. (Er rückt, selbst sitzend, Loth einen Stuhl
-zurecht. Hierauf zu Eduard, der mit Thee und Kaffee kommt.) Ae! wird ..
-e .. meine Frau Schwiegermama nicht kommen?
-
-Eduard. Die gnädige Frau und Frau Spiller werden auf ihrem Zimmer
-frühstücken.
-
-Hoffmann. Das ist aber doch noch nie ....
-
-Helene (das Service zurechtrückend). Laß nur! Es hat seinen Grund.
-
-Hoffmann. Ach so .. Loth! lang' zu .... ein Ei? Thee?
-
-Loth. Könnte ich vielleicht lieber ein Glas Milch bekommen?
-
-Hoffmann. Mit dem größten Vergnügen.
-
-Helene. Eduard! Miele soll frisch einmelken.
-
-Hoffmann (schält ein Ei ab). Milch -- brrr! mich schüttelt's. (Salz und
-Pfeffer nehmend.) Sag' mal, Loth, was führt Dich eigentlich in unsre
-Gegend? Ich hab' bisher ganz vergessen, Dich danach zu fragen.
-
-Loth (bestreicht eine Semmel mit Butter). Ich möchte die hiesigen
-Verhältnisse studiren.
-
-Hoffmann (mit einem Aufblick). Bitte ...? ... was für Verhältnisse?
-
-Loth. Präcise gesprochen: ich will die Lage der hiesigen Bergleute
-studiren.
-
-Hoffmann. Ach, die ist im Allgemeinen doch eine sehr gute.
-
-Loth. Glaubst Du? -- Das wäre ja übrigens recht schön .... Doch eh ich's
-vergesse: Du mußt mir dabei einen Dienst leisten. Du kannst Dich um die
-Volkswirthschaft sehr verdient machen, wenn ....
-
-Hoffmann. Ich? I! wieso ich?
-
-Loth. Nun, Du hast doch den Verschleiß der hiesigen Gruben?
-
-Hoffmann. Ja! und was dann?
-
-Loth. Dann wird es Dir auch ein Leichtes sein, mir die Erlaubniß zur
-Besichtigung der Gruben auszuwirken. Das heißt: ich will mindestens vier
-Wochen lang täglich einfahren, damit ich den Betrieb einigermaßen kennen
-lerne.
-
-Hoffmann (leichthin). Was Du da unten zu sehen bekommst, willst Du dann
-wohl schildern?
-
-Loth. Ja. Meine Arbeit soll vorzugsweise eine descriptive werden.
-
-Hoffmann. Das thut mir nun wirklich leid, mit der Sache habe ich gar
-nichts zu thun. -- Du willst bloß über die Bergleute schreiben, wie?
-
-Loth. Aus dieser Frage hört man, daß Du kein Volkswirthschaftler bist.
-
-Hoffmann (in seinem Dünkel gekränkt). Bitte _sehr_ um Entschuldigung! Du
-wirst mir wohl zutrauen ..... Warum? Ich sehe nicht ein, wieso man diese
-Frage nicht thun kann? -- und schließlich: es wäre kein Wunder ....
-Alles kann man nicht wissen.
-
-Loth. Na, beruhige Dich nur, die Sache ist einfach die: wenn ich die
-Lage der hiesigen Bergarbeiter studiren will, so ist es unumgänglich,
-auch alle die Verhältnisse, welche diese Lage bedingen, zu berühren.
-
-Hoffmann. In solchen Schriften wird mitunter schauderhaft übertrieben.
-
-Loth. Von diesem Fehler gedenke ich mich frei zu halten.
-
-Hoffmann. Das wird sehr löblich sein. (Er hat bereits mehrmals und jetzt
-wiederum mit einem kurzen und prüfenden Blick Helenen gestreift, die mit
-naiver Andacht an Loth's Lippen hängt, und fährt nun fort.) Doch .... es
-ist urkomisch, wie einem so was ganz urplötzlich in den Sinn kommt. Wie
-so was im Gehirn nur vor sich gehen mag?
-
-Loth. Was ist Dir denn auf einmal in den Sinn gekommen?
-
-Hoffmann. Es betrifft Dich. -- Ich dachte an Deine Ver..... nein, es ist
-am Ende tactlos, in Gegenwart von einer jungen Dame von Deinen
-Herzensgeheimnissen zu reden.
-
-Helene. Ja, dann will ich doch lieber ....
-
-Loth. Bitte sehr, Fräulein! .. _bleiben_ Sie ruhig, meinetwegen
-wenigstens -- ich merke längst, worauf er hinaus will. Ist auch durchaus
-nichts Gefährliches. (Zu Hoffmann.) Meine Verlobung, nicht wahr?
-
-Hoffmann. Wenn Du selbst darauf kommst, ja! -- Ich dachte in der That an
-Deine Verlobung mit Anna Faber.
-
-Loth. Die ging auseinander -- naturgemäß -- als ich damals in's
-Gefängniß mußte.
-
-Hoffmann. Das war aber nicht hübsch von Deiner .....
-
-Loth. Es war jedenfalls ehrlich von ihr! Ihr Absagebrief enthielt ihr
-wahres Gesicht; hätte sie mir dies Gesicht früher gezeigt, dann hätte
-sie sich selbst und auch mir manches ersparen können.
-
-Hoffmann. Und seither hat Dein Herz nicht irgendwo festgehakt?
-
-Loth. Nein.
-
-Hoffmann. Natürlich! Nun: Büchse in's Korn geworfen -- heirathen
-verschworen! verschworen wie den Alkohol! Was? Uebrigens _chacun à son
-goût_.
-
-Loth. Mein Geschmack ist es eben nicht, aber vielleicht mein Schicksal.
-Auch habe ich Dir, soviel ich weiß, bereits einmal gesagt, daß ich in
-Bezug auf das Heirathen nichts verschworen habe; was ich fürchte, ist:
-daß es keine Frau geben wird, die sich für mich eignet.
-
-Hoffmann. Ein großes Wort, Lothchen!
-
-Loth. Im Ernst! -- Mag sein, daß man mit den Jahren zu kritisch wird und
-zu wenig gesunden Instinkt besitzt. Ich halte den Instinkt für die beste
-Garantie einer geeigneten Wahl.
-
-Hoffmann (frivol). Der wird sich schon noch mal wiederfinden --
-(lachend) -- der Instinkt nämlich.
-
-Loth. -- Schließlich, was kann ich einer Frau bieten? Ich werde immer
-mehr zweifelhaft, ob ich einer Frau zumuthen darf, mit dem kleinen
-Theile meiner Persönlichkeit vorlieb zu nehmen, der nicht meiner
-Lebensarbeit gehört -- dann fürchte ich mich auch vor der Sorge um die
-Familie.
-
-Hoffmann. Wa... was? -- vor der Sorge um die Familie? Kerl! hast Du denn
-nicht Kopf, Arme, he?
-
-Loth. Wie Du siehst. Aber ich sagte Dir ja schon, meine Arbeitskraft
-gehört zum größten Theil meiner Lebensaufgabe und wird ihr immer zum
-größten Theil gehören: sie ist also nicht mehr mein. Ich hätte außerdem
-mit ganz besonderen Schwierigkeiten ....
-
-Hoffmann. Pst! klingelt da nicht Jemand?
-
-Loth. Du hältst das für Phrasengebimmel?
-
-Hoffmann. Ehrlich gesprochen, es klingt etwas hohl! Unser einer ist
-schließlich auch kein Buschmann, trotzdem man verheirathet ist. Gewisse
-Menschen geberden sich immer, als ob sie ein Privilegium auf alle in der
-Welt zu vollbringenden guten Thaten hätten.
-
-Loth (heftig). Gar nicht! -- denk ich gar nicht d'ran! -- Wenn Du von
-Deiner Lebensaufgabe nicht abgekommen wärst, so würde das an Deiner
-glücklichen materiellen Lebenslage mitliegen.
-
-Hoffmann (mit Ironie). Dann wäre das wohl auch eine Deiner Forderungen.
-
-Loth. Wie? Forderungen? was?
-
-Hoffmann. Ich meine: Du würdest bei einer Heirath auf Geld sehen.
-
-Loth. Unbedingt.
-
-Hoffmann. Und dann giebt es -- wie ich Dich kenne -- noch eine lange
-Zaspel anderer Forderungen.
-
-Loth. Sind vorhanden! Leibliche und geistige Gesundheit der Braut zum
-Beispiel ist _conditio sine qua non_.
-
-Hoffmann (lachend). Vorzüglich! Dann wird ja wohl vorher eine ärztliche
-Untersuchung der Braut nothwendig werden. -- Göttlicher Hecht!
-
-Loth (immer ernst). Ich stelle aber auch an mich Forderungen, mußt Du
-nehmen.
-
-Hoffmann (immer heiterer). Ich weiß, weiß! ... wie Du mal die Literatur
-über Liebe durchgingst, um auf das Gewissenhafteste festzustellen ob
-das, was Du damals für irgend eine Dame empfandest, auch wirklich Liebe
-sei. Also sag' doch mal noch einige Deiner Forderungen.
-
-Loth. Meine Frau müßte zum Beispiel entsagen können.
-
-Helene. -- Wenn ... wenn .... Ach! ich will lieber nicht reden ... ich
-wollte nur sagen: die Frau ist doch im Allgemeinen an's Entsagen
-gewöhnt.
-
-Loth. Um's Himmels willen! Sie verstehen mich durchaus falsch. So ist
-das Entsagen nicht gemeint. Nur in sofern verlange ich Entsagung, oder
-besser, nur auf den Theil meines Wesens, der meiner Lebensaufgabe
-gehört, müßte sie freiwillig und mit Freuden verzichten. Nein, nein! im
-Übrigen soll meine Frau fordern und immer fordern -- alles was ihr
-Geschlecht im Laufe der Jahrtausende eingebüßt hat.
-
-Hoffmann. Au! au! au! ... Frauenemancipation! -- wirklich Deine
-Schwenkung war bewunderungswürdig -- nun bist Du im rechten Fahrwasser.
-Fritz Loth, oder der Agitator in der Westentasche! ... Wie würdest Du
-denn hierin Deine Forderungen formuliren, oder besser: wie weit müßte
-Deine Frau emancipirt sein? -- Es amüsirt mich wirklich Dich anzuhören
--- Cigarren rauchen? Hosen tragen?
-
-Loth. Das nun weniger -- aber -- sie müßte allerdings über gewisse
-gesellschaftliche Vorurtheile hinaus sein. Sie müßte zum Beispiel nicht
-davor zurückschrecken zuerst -- falls sie nämlich wirklich Liebe zu mir
-empfände -- das bewußte Bekenntniß abzulegen.
-
-Hoffmann (ist mit frühstücken zu Ende. Springt auf, in halb ernster,
-halb komischer Entrüstung.) Weißt Du? das ... das ist ... eine geradezu
-_unverschämte_ Forderung! mit der Du allerdings auch -- wie ich Dir
-hiermit prophezeihe -- wenn Du nicht etwa vorziehst sie fallen zu
-lassen, bis an Dein Lebensende herumlaufen wirst.
-
-Helene (mit schwer bewältigter, innerer Erregung). Ich bitte die Herren
-mich jetzt zu entschuldigen -- die Wirthschaft ... Du weißt, Schwager:
-Mama ist in der Stube und da ...
-
-Hoffmann. Laß Dich nicht abhalten.
-
- Helene verbeugt sich; ab.
-
-Hoffmann (mit dem Streichholzetui nach dem Cigarrenkistchen, das auf dem
-Buffet steht, zuschreitend). Das muß wahr sein ... Du bringst einen in
-Hitze, ... ordentlich unheimlich. (Nimmt eine Cigarre aus der Kiste und
-läßt sich dann auf das Sopha links vorn nieder. Er schneidet die Spitze
-der Cigarre ab und hält während des Folgenden die Cigarre in der linken,
-das abgetrennte Spitzchen zwischen den Fingern der rechten Hand.) Bei
-alledem ... es amüsirt doch. Und dann: Du glaubst nicht, wie wohl es
-thut, so'n paar Tage auf dem Lande, abseit von den Geschäften,
-zuzubringen. Wenn nur nicht heute dies verwünschte ... wie spät ist es
-denn eigentlich? Ich muß nämlich leider Gottes heute zu einem Essen nach
-der Stadt. -- Es war unumgänglich: dies Diner mußte ich geben. Was soll
-man machen als Geschäftsmann? -- Eine Hand wäscht die andere. Die
-Bergbeamten sind nun mal d'ran gewöhnt. -- Na! eine Cigarre kann man
-noch rauchen -- in aller Gemüthsruhe. (Er trägt das Spitzchen nach dem
-Spucknapf, läßt sich dann abermals auf das Sopha nieder und setzt seine
-Cigarre in Brand.)
-
-Loth (am Tisch; blättert stehend in einem Prachtwerk). Die Abenteuer des
-Grafen Sandor.
-
-Hoffmann. Diesen Unsinn findest Du hier bei den meisten Bauern
-aufliegen.
-
-Loth (unter dem Blättern). Wie alt ist eigentlich Deine Schwägerin?
-
-Hoffmann. Im August einundzwanzig gewesen.
-
-Loth. Ist sie leidend?
-
-Hoffmann. Weiß nicht. - Glaube übrigens nicht -- macht sie Dir den
-Eindruck? --
-
-Loth. Sie sieht allerdings mehr verhärmt als krank aus.
-
-Hoffmann. Na ja! die Scheerereien mit der Stiefmutter ...
-
-Loth. Auch ziemlich reizbar scheint sie zu sein!?
-
-Hoffmann. Unter solchen Verhältnissen ...... Ich möchte den sehen, der
-unter solchen Verhältnissen nicht reizbar werden würde ...
-
-Loth. Viel Energie scheint sie zu besitzen.
-
-Hoffmann. Eigensinn!
-
-Loth. Auch Gemüth, nicht?
-
-Hoffmann. Zu viel mitunter .......
-
-Loth. Wenn die Verhältnisse hier so mißlich für sie sind -- warum lebt
-Deine Schwägerin dann nicht in _Deiner_ Familie?
-
-Hoffmann. Frag' sie, warum! -- Oft genug hab ich ihr's angeboten.
-Frauenzimmer haben eben ihre Schrullen. (Die Cigarre im Munde, zieht
-Hoffmann ein Notizbuch und summirt einige Posten.) Du nimmst es mir doch
-wohl nicht übel, wenn ich ... wenn ich Dich dann allein lassen muß?
-
-Loth. Nein, gar nicht.
-
-Hoffmann. Wie lange gedenkst Du denn noch ...?
-
-Loth. Ich werde mir bald nachher eine Wohnung suchen. Wo wohnt denn
-eigentlich Schimmelpfennig? Am besten, ich gehe zu ihm. Der wird mir
-gewiß etwas vermitteln können. Hoffentlich findet sich bald etwas
-Geeignetes, sonst würde ich die nächste Nacht im Gasthaus nebenan
-zubringen.
-
-Hoffmann. Wieso denn? Natürlich bleibst Du dann bis morgen bei uns.
-Freilich, ich bin selbst nur Gast in diesem Hause -- sonst würde ich
-Dich natürlich auffordern ... Du begreifst ...!
-
-Loth. Vollkommen! ...
-
-Hoffmann. Aber sag' doch mal -- sollte das wirklich Dein Ernst gewesen
-sein ....?
-
-Loth. Daß ich die nächste Nacht im Gast....?
-
-Hoffmann. Unsinn! ... Bewahre! Was Du vorhin sagtest, meine ich. Die
-Geschichte da -- mit Deiner vertrackten descriptiven Arbeit?
-
-Loth. Weshalb nicht?
-
-Hoffmann. Ich muß Dir gestehen, ich hielt es für Scherz. (Er erhebt
-sich, vertraulich, halb und halb im Scherz.) Wie? Du solltest wirklich
-fähig sein, hier ... gerade hier, wo ein Freund von Dir glücklich festen
-Fuß gefaßt hat, den Boden zu unterwühlen?
-
-Loth. Mein Ehrenwort, Hoffmann! Ich hatte keine Ahnung davon, daß Du
-Dich hier befändest. Hätte ich das gewußt ....
-
-Hoffmann (springt auf, hocherfreut). Schon gut! schon gut! Wenn die
-Sachen _so_ liegen .... siehst Du, das freut mich _aufrichtig_, daß ich
-mich nicht in Dir getäuscht habe. Also, Du weißt es nun, und
-selbstredend erhältst Du die Kosten der Reise und alles, was drum und
-dran baumelt, von mir vergütet. Ziere Dich nicht! Es ist einfach meine
-Freundespflicht .... Daran erkenne ich meinen alten, biederen Loth!
-Denke mal an: ich hatte Dich wirklich eine Zeit lang ernstlich im
-Verdacht .... Aber nun muß ich Dir auch ehrlich sagen, so schlecht, wie
-ich mich zuweilen hinstelle, bin ich keineswegs. Ich habe Dich immer
-hochgeschätzt, Dich und Dein ehrliches, consequentes Streben. Ich bin
-der letzte, der gewisse, -- leider, leider mehr als berechtigte
-Ansprüche der ausgebeuteten, unterdrückten Massen nicht gelten läßt. --
-Ja, lächle nur, ich gehe sogar so weit zu bekennen, daß es im Reichstag
-nur _eine_ Partei giebt, die Ideale hat: und das ist dieselbe, der Du
-angehörst! .... Nur -- wie gesagt -- langsam! langsam! -- nichts
-überstürzen. Es kommt alles, kommt alles, wie es kommen soll. Nur
-Geduld! Geduld ....
-
-Loth. Geduld muß man allerdings haben. Deshalb ist man aber noch nicht
-berechtigt, die Hände in den Schooß zu legen!
-
-Hoffmann. Ganz meine Ansicht! -- Ich hab' Dir überhaupt in Gedanken weit
-öfter zugestimmt als mit Worten. Es ist 'ne Unsitte, ich geb's zu. Ich
-hab' mir's angewöhnt, im Verkehr mit Leuten, die ich nicht gern in meine
-Karten sehen lasse .... Auch in der Frauenfrage .... Du hast manches
-sehr treffend geäußert. (Er ist inzwischen an's Telephon getreten, weckt
-und spricht theils in's Telephon, theils zu Loth.) Die kleine Schwägerin
-war übrigens ganz Ohr ... (In's Telephon.) Franz! In zehn Minuten muß
-angespannt sein ... (Zu Loth.) Es hat ihr Eindruck gemacht ... (In's
-Telephon.) Was? -- ach was, Unsinn! -- Na, da hört doch aber ..... Dann
-schirren Sie schleunigst die Rappen an ..... (Zu Loth.) Warum sollte es
-ihr keinen Eindruck machen? ... (In's Telephon.) Gerechter Strohsack,
-zur Putzmacherin sagen Sie? Die gnädige Frau .... die gnä... Ja -- na
-ja! aber sofort -- na ja! -- ja! -- schön! Schluß! (Nachdem er darauf
-den Knopf der Hausklingel gedrückt, zu Loth.) Wart' nur ab, Du! Laß mich
-nur erst den entsprechenden Monetenberg aufgeschichtet haben, vielleicht
-geschieht dann etwas ... (Eduard ist eingetreten.) Eduard! Meine
-Gamaschen, meinen Gehrock! (Eduard ab.) Vielleicht geschieht dann etwas,
-was Ihr mir alle jetzt nicht zutraut .... Wenn Du in zwei oder drei
-Tagen -- bis dahin wohnst Du unbedingt bei uns -- ich müßte es sonst als
-eine grobe Beleidigung ansehen -- (er legt den Schlafrock ab) -- in zwei
-bis drei Tagen also, wenn Du abzureisen gedenkst, bringe ich Dich mit
-meiner Kutsche zur Bahn.
-
- Eduard mit Gehrock und Gamaschen tritt ein.
-
-Hoffmann (indem er sich den Rock überziehen läßt). So! (Auf einen Stuhl
-niedersitzend.) Nun die Stiefel! (Nachdem er einen derselben angezogen.)
-Das wäre einer!
-
-Loth. Du hast mich doch wohl nicht ganz verstanden.
-
-Hoffmann. Ach ja! das ist leicht möglich. Man ist so raus aus all den
-Sachen. Nur immer lederne Geschäftsangelegenheiten. Eduard! ist denn
-noch keine Post gekommen? Warten Sie mal! -- Gehen Sie doch mal in mein
-Zimmer! Auf dem Pult links liegt ein Schriftstück mit blauem Deckel,
-bringen Sie's raus in die Wagentasche. (Eduard ab in die Thür rechts,
-dann zurück und ab durch die Mittelthür.)
-
-Loth. Ich meine ja nur: Du hast mich in _einer Beziehung_ nicht
-verstanden.
-
-Hoffmann (sich immer noch mit dem zweiten Schuh herumquälend). Upsa!
-.... So! (Er steht auf und tritt die Schuhe ein.) Da wären wir. Nichts
-ist unangenehmer als enge Schuhe ..... Was meintest Du eben?
-
-Loth. Du sprachst von meiner Abreise .....
-
-Hoffmann. Nun?
-
-Loth. Ich habe Dir doch bereits gesagt, daß ich um eines ganz bestimmten
-Zweckes willen hier am Ort bleiben muß.
-
-Hoffmann (auf's Äußerste verblüfft und entrüstet zugleich). Hör' mal
-....! Das ist aber beinahe _nichts_würdig! -- Weißt Du denn nicht, was
-Du mir als Freund schuldest?
-
-Loth. Doch wohl nicht den Verrath meiner Sache!?
-
-Hoffmann (außer sich). Nun, dann ... dann habe ich auch nicht die
-kleinste Veranlassung, Dir gegenüber als Freund zu verfahren. Ich sage
-Dir also: daß ich Dein Auftreten hier -- gelinde gesprochen -- für
-_fabelhaft_ dreist halte.
-
-Loth (sehr ruhig). Vielleicht erklärst Du mir, was Dich berechtigt, mich
-mit dergleichen Epitheta .....
-
-Hoffmann. Das soll ich Dir auch noch erklären? Da hört eben
-_verschiedenes_ auf! Um so was nicht zu fühlen, muß man Rhinoceroshaut
-auf dem Leibe haben! Du kommst hierher, genieß'st meine
-Gastfreundschaft, drisch'st mir ein paar Schock Deiner abgegriffnen
-Phrasen vor, verdrehst meiner Schwägerin den Kopf, schwatzest von alter
-Freundschaft und so was gut's und dann erzählst Du ganz naiv: Du
-wolltest eine descriptive Arbeit über hiesige Verhältnisse verfertigen.
-Ja, für was _hältst_ Du mich denn eigentlich? Meinst Du vielleicht, ich
-wüßte nicht, daß solche sogenannte Arbeiten nichts als schamlose
-Pamphlete sind? ... Solch eine Schmähschrift willst Du schreiben und
-zwar über unseren Kohlendistrict. Solltest Du denn wirklich nicht
-begreifen, wen diese Schmähschrift am allerschärfsten schädigen müßte?
-Doch nur _mich_! -- Ich sage: man sollte Euch das Handwerk noch
-gründlicher legen, als es bisher geschehen ist, Volksverführer! die Ihr
-seid! Was thut Ihr? Ihr macht den Bergmann unzufrieden, anspruchsvoll,
-reizt ihn auf, erbittert ihn, macht ihn aufsässig, ungehorsam,
-unglücklich, spiegelt ihm goldene Berge vor und grapscht ihm unter der
-Hand seine _paar_ Hungerpfennige aus der Tasche.
-
-Loth. Erachtest Du Dich nun als demaskirt?
-
-Hoffmann (roh). Ach was! Du lächerlicher, gespreizter Tugendmeier! Was
-mir das wohl ausmacht, vor Dir demaskirt zu sein! -- Arbeite lieber! Laß
-Deine albernen Faseleien! -- Thu was! Komm zu was! Ich brauche Niemand
-um zweihundert Mark anzupumpen. (Schnell ab durch die Mittelthür.)
-
- Loth sieht ihm einige Augenblicke ruhig nach, dann greift er,
- nicht minder ruhig, in seine Brusttasche, zieht ein Portefeuille
- und entnimmt ihm ein Stück Papier (den Chec Hoffmann's), das er
- mehrmals durchreißt, um die Schnitzel dann langsam in den
- Kohlenkasten fallen zu lassen. Hierauf nimmt er Hut und Stock und
- wendet sich zum Gehen. Jetzt erscheint _Helene_ auf der Schwelle
- des Wintergartens.
-
-Helene (leise). Herr Loth!
-
-Loth (zuckt zusammen, wendet sich). Ah! Sie sind es. -- Nun -- dann --
-kann ich _Ihnen_ doch wenigstens ein Lebewohl sagen.
-
-Helene (unwillkürlich). War Ihnen das Bedürfniß?
-
-Loth. Ja! -- es war mir Bedürfniß --! Vermuthlich -- wenn Sie da drin
-gewesen sind -- haben Sie den Auftritt hier mit angehört -- und dann
-.....
-
-Helene. Ich habe alles mit angehört.
-
-Loth. Nun -- dann -- wird es Sie nicht in Erstaunen setzen, wenn ich
-dieses Haus so ohne Sang und Klang verlasse.
-
-Helene. N -- nein! -- ich begreife --! ..... Vielleicht kann's Sie
-milder gegen ihn stimmen ... mein Schwager bereut immer sehr schnell.
-Ich hab's oft ...
-
-Loth. Ganz möglich --! Vielleicht gerade deshalb aber ist das, was er
-über mich sagte, seine wahre Meinung von mir. -- Es ist sogar unbedingt
-seine wahre Meinung.
-
-Helene. Glauben Sie das im Ernst?
-
-Loth. Ja! -- im Ernst! Also .... (Er geht auf sie zu und giebt ihr die
-Hand.) Leben Sie recht glücklich! (Er wendet sich und steht sogleich
-wieder still.) Ich weiß nicht ....! oder besser: -- (Helenen klar und
-ruhig ins Gesicht blickend) -- ich weiß, weiß erst seit ... seit diesem
-Augenblick, daß es mir nicht ganz leicht ist, von hier fortzugehen ....
-und .... ja ... und ... na ja!
-
-Helene. Wenn ich Sie aber -- recht schön bäte .... recht sehr ... noch
-weiter hier zu bleiben --?
-
-Loth. Sie theilen also nicht die Meinung Ihres Schwagers?
-
-Helene. Nein! -- und das -- wollte ich Ihnen unbedingt ... unbedingt
-noch sagen, bevor ... bevor -- Sie -- gingen.
-
-Loth (ergreift abermals ihre Hand). Das thut mir _wirklich_ wohl.
-
-Helene (mit sich kämpfend. In einer sich schnell bis zur Bewußtlosigkeit
-steigernden Erregung. Mühsam hervorstammelnd.) Auch noch mehr w--ollte
-ich Ihnen ... Ihnen sagen, nämlich ... näm--lich, daß -- ich Sie sehr
-hoch--achte und -- verehre -- wie ich bis jetzt .... bis jetzt noch --
-keinen Mann ...., daß ich Ihnen -- vertraue, -- daß ich be--reit bin,
-das ..... das zu beweisen -- daß ich -- etwas für -- Dich, Sie fühle ...
-(Sinkt ohnmächtig in seine Arme.)
-
-Loth. Helene!
-
- Vorhang fällt schnell.
-
-
-
-
- Vierter Akt.
-
-
- Wie im zweiten Akt: der Gutshof. Zeit: eine Viertelstunde nach
- Helenens Liebeserklärung.
-
- _Marie_ und _Golisch_, der Kuhjunge, schleppen sich mit einer
- hölzernen Lade die Bodentreppe herunter. Loth kommt reisefertig
- aus dem Hause und geht langsam und nachdenklich quer über den
- Hof. Bevor er in den Wirthshaussteg einbiegt, stößt er auf
- _Hoffmann_, der mit ziemlicher Eile durch den Hofeingang ihm
- entgegenkommt.
-
-Hoffmann, (Cylinder, Glacéhandschuhe). Sei mir nicht böse. (Er verstellt
-Loth den Weg und faßt seine beiden Hände.) Ich nehme hiermit alles
-zurück! ... Nenne mir eine Genugthuung! ... Ich bin zu jeder Genugthuung
-bereit! .... Ich bereue, bereue alles aufrichtig.
-
-Loth. Das hilft Dir und mir wenig.
-
-Hoffmann. Ach! -- wenn Du doch ... sieh mal ....! Mehr kann man doch
-eigentlich nicht thun. Ich sage Dir: mein Gewissen hat mir keine Ruhe
-gelassen! Dicht vor Jauer bin ich umgekehrt, .... daran solltest Du doch
-schon erkennen, daß es mir Ernst ist. -- Wo wolltest Du hin ....?
-
-Loth. In's Wirthshaus -- einstweilen.
-
-Hoffmann. Ach, das darfst Du mir nicht anthun ...! Das thu mir nur nicht
-an! Ich glaube ja, daß es Dich tief kränken mußte. 'S ist ja auch
-vielleicht nicht so -- mit ein paar Worten wieder gut zu machen. Nur
-nimm mir nicht jede Gelegenheit .... jede Möglichkeit, Dir zu beweisen
-.... hörst Du? Kehr um! .... Bleib wenigstens bis ... bis morgen. Oder
-bis ... bis ich zurückkomme. Ich muß mich noch einmal in Muße mit Dir
-aussprechen darüber; -- das kannst Du mir nicht abschlagen.
-
-Loth. Wenn Dir daran besonders viel gelegen ist ....
-
-Hoffmann. Alles! ... auf Ehre! -- ist mir daran gelegen, alles! ....
-Also komm! ... komm!! Kneif ja nicht aus! -- komm! (Er führt Loth, der
-sich nun nicht mehr sträubt, in das Haus zurück. Beide ab.)
-
- Die entlassene Magd und der Kuhjunge haben inzwischen die Lade
- auf den Schubkarren gesetzt, Golisch hat die Traggurte
- umgenommen.
-
-Marie, (während sie Golisch etwas in die Hand drückt). Doo! Gooschla!
-hust a woas!
-
-Der Junge (weist es ab). Behaal' Den'n Biema!
-
-Marie. Ae! tumme Dare!
-
-Der Junge. Na, wegen menner. (Er nimmt das Geld und thut es in seinen
-ledernen Geldbeutel.)
-
-Frau Spiller (von einem der Wohnhausfenster aus, ruft): Marie!
-
-Marie. Woas wullt Er noo?
-
-Frau Spiller (nach einer Minute aus der Hausthür tretend). Die gnädige
-Frau will Dich behalten, wenn Du versprichst ....
-
-Marie. Dreck! war ich er versprecha! -- Foahr zu, Goosch!
-
-Frau Spiller (näher tretend). Die gnädige Frau will Dir auch etwas am
-Lohn zulegen, wenn Du ..... (Plötzlich flüsternd.) Mach Der nischt
-draus, Moad! se werd ok manchmal so'n bisken kullerig.
-
-Marie (wüthend). Se maag siich ihre poar Greschla fer sich behahl'n! --
-(Weinerlich.) Ehnder derhingern! (Sie folgt Gosch, der mit dem
-Schubkarren vorangefahren ist.) Nee, a su woas oaber oo! -- Do sool eens
-do glei' ... (Ab. Frau Spiller ihr nach. Ab.)
-
- Durch den Haupteingang kommt _Baer_, genannt Hopslabaer. Ein
- langer Mensch mit einem Geierhalse und Kropfe dran. Er geht
- barfuß und ohne Kopfbedeckung; die Beinkleider reichen, unten
- stark ausgefranst, bis wenig unter die Knie herab. Er hat eine
- Glatze; das vorhandene braune, verstaubte und verklebte Haar
- reicht ihm bis über die Schulter. Sein Gang ist straußenartig. An
- einer Schnur führt er ein Kinderwägelchen voll Sand mit sich.
- Sein Gesicht ist bartlos, die ganze Erscheinung deutet auf einen
- einige Zwanzig alten verwahrlosten Bauernburschen.
-
-Baer (mit merkwürdig blökender Stimme). Saaa--a--and! Saa--and!
-
- Er geht durch den Hof und verschwindet zwischen Wohnhaus und
- Stallgebäude. _Hoffmann_ und _Helene_ aus dem Wohnhaus. Helene
- sieht bleich aus und trägt ein leeres Wasserglas in der Hand.
-
-Hoffmann (zu Helene). Unterhalt ihn bissel! verstehst Du? -- Laß ihn
-nicht fort -- es liegt mir sehr viel daran. -- So'n beleidigter Ehrgeiz
-.... Adieu! -- Ach! Soll ich am Ende nicht fahren? -- Wie geht's mit
-Martha? -- Ich hab so'n eigenthümliches Gefühl, als ob's bald .....
-Unsinn! -- Adieu! ... höchste Eile! (Ruft.) Franz! Was die Pferde laufen
-können! (Schnell ab durch den Haupteingang.)
-
- _Helene_ geht zur Pumpe, pumpt das leere Glas voll und leert es
- auf einen Zug. Ein zweites Glas Wasser leert sie zur Hälfte. Das
- Glas setzt sie dann auf das Pumpenrohr und schlendert langsam,
- von Zeit zu Zeit rückwärts schauend, durch den Thorweg hinaus.
- _Baer_ kommt zwischen Wohnhaus und Stallung hervor und hält mit
- seinem Wagen vor der Wohnhausthür still, wo Miele ihm Sand
- abnimmt. Indeß ist _Kahl_ von rechts innerhalb des Grenzzaunes
- sichtbar geworden, im Gespräch mit _Frau Spiller_, die außerhalb
- des Zaunes, also auf dem Terrain des Hofeingangs, sich befindet.
- Beide bewegen sich im Gespräch langsam längs des Zaunes hin.
-
-Frau Spiller (leidend). Ach ja -- m -- gnädiger Herr Kahl! Ich hab -- m
--- manchmal so an Sie -- m -- gedacht -- m -- wenn ... wenn das gnädige
-Freilein ... Sie ist doch nun mal -- m -- so zu sagen -- m -- mit Sie
-verlobt, und da .... ach! -- m -- zu meiner Zeit ...!
-
-Kahl (steigt auf die Bank unter der Eiche und befestigt einen
-Meisekasten auf dem untersten Ast). W -- wenn werd denn d.. dd.. doas
-D... d... d... dukterluder amol sssenner W... wwwege gihn? hä?
-
-Frau Spiller. Ach, Herr Kahl! ich glaube -- m -- nicht so bald. -- A..
-ach, Herr -- m -- Kahl, ich bin zwar so zu sagen -- m -- etwas -- m --
-herabjekommen, aber ich weiß so zu sagen -- m --, was Bildung ist. In
-dieser Hinsicht, Herr Kahl ...., das Freilein -- m -- das gnädige
-Freilein ...., das handeln nicht gut gegen Ihnen -- nein! -- m -- darin,
-so zu sagen -- m -- habe ich mir nie etwas zu Schulden kommen lassen --
-m -- mein Gewissen -- m -- gnädiger Herr Kahl, ist darin so rein ... so
-zu sagen, wie reiner Schnee.
-
- Baer hat sein Sandgeschäft abgewickelt und verläßt in diesem
- Augenblick, an Kahl vorübergehend, den Hof.
-
-Kahl (entdeckt Baer und ruft). Hopslabaer, hops amool!
-
- Baer macht einen riesigen Luftsprung.
-
-Kahl (vor Lachen wiehernd, ruft ein zweites Mal). Hopslabaer, hops
-amool!
-
-Frau Spiller. Nun da -- m -- ja, Herr Kahl! ...... ich meine es nur gut
-mit Sie. Sie müssen Obacht geben -- m -- gnädiger Herr! Es -- m -- es
-ist was im Gange mit dem gnädigen Fräulein und -- m -- m --
-
-Kahl. D.. doas Dukterluder ... ok bbbblußig emool vor a Hunden -- blußig
-e.. e.. e.. emool!
-
-Frau Spiller (geheimnißvoll). Und was das nun noch -- m -- für ein
-Indifidium ist. Ach -- m -- das gnädige Freilein thut mir auch _soo_
-leid. Die Frau -- m -- vom Polizeidiener, die hat's vom Amte, glaub ich.
-Es soll ein ganz -- m -- gefährlicher Mensch sein. Ihr Mann -- m -- soll
-ihn so zu sagen -- m -- denken Sie nur, soll ihn -- m -- geradezu im
-Auge behalten.
-
- _Loth_ aus dem Hause. Sieht sich um.
-
-Frau Spiller. Seh'n Sie, nun jeht er dem gnädigen Freilein nach -- m --.
-Aa... ach, _zuu_ leid thut es einem.
-
-Kahl. Na wart'! (Ab.)
-
- _Frau Spiller_ geht nach der Hausthüre. Als sie an Loth
- vorbeikommt, macht sie eine tiefe Verbeugung. Ab in das Haus.
-
- _Loth_ langsam durch den Thorweg ab. Die _Kutschenfrau_, eine
- magere, abgehärmte und ausgehungerte Frauensperson, kommt
- zwischen Stallgebäude und Wohnhaus hervor. Sie trägt einen großen
- Topf unter ihrer Schürze versteckt und schleicht damit, sich
- überall ängstlich umblickend, nach dem Kuhstall. Ab in die
- Kuhstallthür. Die beiden _Mägde_, jede eine Schubkarre, hoch mit
- Klee beladen, vor sich herstoßend, kommen durch den Thorweg
- herein. _Beibst_, die Sense über der Schulter, die kurze Pfeife
- im Munde, folgt ihnen nach. Liese hat ihre Schubkarre vor die
- linke, Auguste vor die rechte Stallthür gefahren, und beide
- Mädchen beginnen große Arme voll Klee in den Stall hinein zu
- schaffen.
-
-Liese (leer aus dem Stalle herauskommend). Du, Guste! de Marie iis furt.
-
-Auguste. Joa wull doch?!
-
-Liese. Gih nei! freu' die Kutscha-Franzen, se milkt er an Truppen Milch
-ei.
-
-Beibst (hängt seine Sense an der Wand auf). Na! doa lußt ok de Spillern
-nee ernt derzune kumma.
-
-Auguste. Oh jechtich! nee ok nee! bei Leibe nich!
-
-Liese. A su a oarm Weib miit achta.
-
-Auguste. Acht kleene Bälge! -- die wull'n laba.
-
-Liese. Ne amool an Truppen Milch thun s' er ginn'n ... meschant iis
-doas.
-
-Auguste. Wu milkt sie denn?
-
-Liese. Ganz derhinga, de neumalke Fenus!
-
-Beibst (stopft seine Pfeife; den Tabaksbeutel mit den Zähnen
-festhaltend, nuschelt er). De Marie wär' weg?
-
-Liese. Ju, ju, 's iis fer gewiß! -- der Pfaarknecht hot gle bein er
-geschloofa.
-
-Beibst (den Tabaksbeutel in die Tasche steckend). Amool wiil jedes! --
-au' de Frau. (Er zündet sich die Pfeife an, darauf durch den
-Haupteingang ab. Im Abgehen.) Ich gih a wing frihsticka!
-
-Die Kutschenfrau (den Topf voll Milch vorsichtig unter der Schürze,
-guckt aus der Stallthür heraus). Sitt ma Jemanda?
-
-Liese. Koanst kumma, Kutschen, ma sitt ken'n. Kumm! kumm schnell!
-
-Kutschenfrau (im Vorübergehen zu den Mägden). Ok fersch Pappekindla!
-
-Liese (ihr nachrufend). Schnell! S' kimmt Jemand. (_Kutschenfrau_
-zwischen Wohnhaus und Stallung ab.)
-
-Auguste. Blußig ok inse Frele.
-
- Die Mägde räumen nun weiter die Schubkarren ab und schieben sie,
- wenn sie leer sind, unter den Thorweg, hierauf beide ab in den
- Kuhstall.
-
- Loth und Helene kommen zum Thorweg herein.
-
-Loth. Widerlicher Mensch! dieser Kahl, -- frecher Spion!
-
-Helene. In der Laube vorn, glaub ich ... (Sie gehen durch das Pförtchen
-in das Gartenstückchen links vorn und in die Laube daselbst.) Es ist
-mein Lieblingsplatz. -- Hier bin ich noch am ungestörtesten, wenn ich
-mal was lesen will.
-
-Loth. Ein hübscher Platz hier. -- Wirklich! (Beide setzen sich, ein
-wenig von einander getrennt, in der Laube nieder. Schweigen. Darauf
-Loth.) Sie haben so sehr schönes und reiches Haar, Fräulein!
-
-Helene. Ach ja, mein Schwager sagt das auch. Er meinte, er hätte es kaum
-so gesehen -- auch in der Stadt nicht ... Der Zopf ist oben so dick wie
-mein Handgelenk ... Wenn ich es losmache, dann reicht es mir bis zu den
-Knien. Fühlen Sie mal --! Es fühlt sich wie Seide an, gelt?
-
-Loth. Ganz wie Seide. (Ein Zittern durchläuft ihn, er beugt sich und
-küßt das Haar.)
-
-Helene (erschreckt). Ach nicht doch! Wenn ...
-
-Loth. Helene --! War das vorhin nicht Dein Ernst?
-
-Helene. Ach! -- ich schäme mich so schrecklich. Was habe ich nur
-gemacht? -- Dir ... Ihnen an den Hals geworfen habe ich mich. -- Für was
-müssen Sie mich halten ...!
-
-Loth (rückt ihr näher, nimmt ihre Hand in die seine). Wenn Sie sich doch
-_da_rüber beruhigen wollten!
-
-Helene (seufzend). Ach, das müßte Schwester Schmittgen wissen .... ich
-sehe gar nicht hin!
-
-Loth. Wer ist Schwester Schmittgen?
-
-Helene. Eine Lehrerin aus der Pension.
-
-Loth. Wie können Sie sich nur über Schwester Schmittgen Gedanken machen!
-
-Helene. Sie war sehr gut ....! (Sie lacht plötzlich heftig in sich
-hinein.)
-
-Loth. Warum lachst Du denn so auf einmal?
-
-Helene (zwischen Pietät und Laune). Ach! .. Wenn sie auf dem Chor stand
-und sang ... Sie hatte nur noch einen einzigen, langen Zahn .... da
-sollte es immer heißen: Tröste, tröste mein Volk! und es kam immer
-heraus: 'Röste, 'röste mein Volk! Das war zu drollig .... da mußten wir
-immer so lachen .... wenn sie so durch den Saal .... 'röste! 'röste!
-(Sie kann sich vor Lachen nicht lassen, Loth ist von ihrer Heiterkeit
-angesteckt. Sie kommt ihm dabei so lieblich vor, daß er den Augenblick
-benutzen will, den Arm um sie zu legen. Helene wehrt es ab.) Ach nein
-doch ....! Ich habe mich Dir .... Ihnen an den Hals geworfen.
-
-Loth. Ach! sagen Sie doch nicht so etwas.
-
-Helene. Aber ich bin nicht schuld, Sie haben sich's selbst
-zuzuschreiben. Warum verlangen Sie .....
-
- Loth legt nochmals seinen Arm um sie, zieht sie fester an sich.
- Anfangs sträubt sie sich ein wenig, dann giebt sie sich drein und
- blickt nun mit freier Glückseligkeit in Loth's glücktrunkenes
- Gesicht, das sich über das ihre beugt. Unversehens, aus einer
- gewissen Schüchternheit heraus küßt sie ihn zuerst auf den Mund.
- Beide werden roth, dann giebt Loth ihr den Kuß zurück; lang,
- innig, fest drückt sich sein Mund auf den ihren. Ein Geben und
- Nehmen von Küssen ist eine Zeit hindurch die einzige Unterhaltung
- -- stumm und beredt zugleich -- der beiden. Loth spricht dann
- zuerst.
-
-Loth. Lene, nicht? Lene heißt Du hier so?
-
-Helene (küßt ihn) ... Nenne mich anders ... Nenne mich, wie Du gern
-möcht'st.
-
-Loth. Liebste! ............
-
- Das Spiel mit dem Küssetauschen und sich gegenseitig Betrachten
- wiederholt sich.
-
-Helene (von Loth's Armen fest umschlungen, ihren Kopf an seiner Brust
-mit verschleierten, glückseligen Augen, flüstert im Ueberschwang). Ach!
--- wie schön! Wie schön --!
-
-Loth. So mit Dir sterben!
-
-Helene (mit Inbrunst). Leben! ... (Sie löst sich aus seinen Armen.)
-Warum denn jetzt sterben? .... jetzt ...
-
-Loth. Das mußt Du nicht falsch auffassen. Von jeher berausche ich mich
-... besonders in glücklichen Momenten berausche ich mich in dem
-Bewußtsein, es in der Hand zu haben, weißt Du!
-
-Helene. Den Tod in der Hand zu haben?
-
-Loth (ohne jede Sentimentalität). Ja! und so hat er gar nichts
-Grausiges, im Gegentheil, so etwas Freundschaftliches hat er für mich.
-Man ruft und weiß bestimmt, daß er kommt. Man kann sich dadurch über
-alles Mögliche hinwegheben, Vergangenes -- und Zukünftiges ....
-(Helenen's Hand betrachtend.) Du hast eine so wunderhübsche Hand. (Er
-streichelt sie.)
-
-Helene. Ach ja! -- so ..... (Sie drückt sich auf's Neue in seine Arme.)
-
-Loth. Nein, weißt Du! ich hab' nicht gelebt! ... bisher nicht!
-
-Helene. Denkst Du ich? ... Mir ist fast taumelig ..... taumelig bin ich
-vor Glück. Gott! wie ist das -- nur so auf einmal .....
-
-Loth. Ja, so auf _ein--mal_ ...
-
-Helene. Hör' mal! so ist mir: die ganze Zeit meines Lebens -- ein Tag!
--- gestern und heut -- ein Jahr! gelt?
-
-Loth. Erst gestern bin ich gekommen?
-
-Helene. Ganz gewiß! -- eben! -- natürlich! .... Ach, ach! Du weißt es
-nicht mal!
-
-Loth. Es kommt mir wahrhaftig auch vor .......
-
-Helene. Nicht --? Wie 'n ganzes, geschlagnes Jahr! -- Nicht --? (Halb
-aufspringend.) Wart' ....! -- Kommt -- da nicht .... (Sie rücken aus
-einander.) .... Ach! es ist mir auch -- egal. Ich bin jetzt -- so
-muthig. (Sie bleibt sitzen und muntert Loth mit einem Blick auf näher zu
-rücken, was dieser sogleich thut.)
-
-Helene (in Loth's Armen). ... Du! -- Was thun wir denn nu zuerst?
-
-Loth. Deine Stiefmutter würde mich wohl -- abweisen.
-
-Helene. Ach, meine Stiefmutter .... das wird wohl gar nicht .... gar
-nichts geht's die an! Ich mache, was ich will ..... Ich hab mein
-mütterliches Erbtheil, mußt Du wissen.
-
-Loth. Deshalb meinst Du .....
-
-Helene. Ich bin majorenn. Vater muß mir's auszahlen.
-
-Loth. Du stehst wohl nicht gut -- mit allen hier? -- Wohin ist denn Dein
-Vater verreist?
-
-Helene. Verr... Du hast ...? Ach, Du hast Vater noch nicht gesehen?
-
-Loth. Nein! Hoffmann sagte mir ....
-
-Helene. Doch! ... hast Du ihn schon einmal gesehen.
-
-Loth. Ich wüßte nicht! ... Wo denn, Liebste?
-
-Helene. Ich ... (Sie bricht in Thränen aus.) Nein, ich kann -- kann
-Dir's noch nicht sagen .... zu furchtbar schrecklich ist das.
-
-Loth. Furchtbar schrecklich? Aber Helene! ist denn Deinem Vater etwas
-...
-
-Helene. Ach! -- frag' mich nicht! Jetzt nicht! Später!
-
-Loth. Was Du mir nicht freiwillig sagen willst, danach werde ich Dich
-auch gewiß nicht mehr fragen ... Sieh mal, was das Geld anlangt ... im
-schlimmsten Falle .... ich verdiene ja mit dem Artikelschreiben nicht
-gerade überflüssig viel, aber ich denke, es müßte am Ende für uns beide
-ganz leidlich hinreichen.
-
-Helene. Und ich würde doch auch nicht müßig sein. Aber besser ist
-besser. Das Erbtheil ist vollauf genug -- Und Du sollst Deine Aufgabe
-.... nein, die sollst Du unter keiner Bedingung aufgeben, jetzt erst
-recht ....! jetzt sollst Du erst recht die Hände frei bekommen.
-
-Loth (sie innig küssend). Liebes, edles Geschöpf! ......
-
-Helene. Hast Du mich wirklich lieb ...? ... Wirklich? ... wirklich?
-
-Loth. Wirklich.
-
-Helene. Sag hundert Mal wirklich?
-
-Loth. Wirklich, wirklich und wahrhaftig.
-
-Helene. Ach, weißt Du! Du schummelst!
-
-Loth. Das wahrhaftig gilt hundert wirklich.
-
-Helene. So!? wohl in Berlin?
-
-Loth. Nein, eben in Witzdorf.
-
-Helene. Ach, Du! ... Sieh meinen kleinen Finger und lache nicht.
-
-Loth. Gern.
-
-Helene. Hast Du au--ßer Dei--ner er--sten Braut noch andere ge....? Du!
-Du lachst.
-
-Loth. Ich will Dir was im Ernst sagen, Liebste, ich halte es für meine
-Pflicht .... Ich habe mit einer großen Anzahl Frauen ...
-
-Helene (schnell und heftig auffahrend, drückt ihm den Mund zu). Um Gott
-...! sag' mir das einmal -- später -- wenn wir alt sind .... nach Jahren
--- wenn ich Dir sagen werde: jetzt -- hörst Du! nicht eher.
-
-Loth. Gut! wie Du willst.
-
-Helene. Lieber was Schönes jetzt! ... Paß auf: sprich mir mal das nach:
-
-Loth. Was?
-
-Helene. »Ich hab' Dich --
-
-Loth. »Ich hab' Dich --
-
-Helene. »und nur immer Dich --
-
-Loth. »und nur immer Dich --
-
-Helene. »geliebt -- geliebt Zeit meines Lebens --
-
-Loth. »geliebt -- geliebt Zeit meines Lebens --
-
-Helene. »und werde nur Dich allein Zeit meines Lebens lieben.«
-
-Loth. »und werde nur Dich allein Zeit meines Lebens lieben,« und das ist
-wahr, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin.
-
-Helene (freudig). Das hab ich nicht gesagt.
-
-Loth. Aber ich. (Küsse.) ...
-
-Helene (summt ganz leise). Du, Du liegst mir im Her--zen ....
-
-Loth. Jetzt sollst Du auch beichten.
-
-Helene. Alles, was Du willst.
-
-Loth. Beichte! Bin ich der erste?
-
-Helene. Nein.
-
-Loth. Wer?
-
-Helene (übermüthig herauslachend). Koahl-Willem.
-
-Loth (lachend). Wer noch?
-
-Helene. Ach nein! weiter ist es wirklich Keiner. Du mußt mir glauben ...
-Wirklich nicht. Warum sollte ich denn lügen ...?
-
-Loth. Also doch noch Jemand?
-
-Helene (heftig). Bitte, bitte, bitte, bitte, frag' mich jetzt nicht
-darum. (Versteckt das Gesicht in den Händen, weint scheinbar ganz
-unvermittelt.)
-
-Loth. Aber ..... aber Lenchen! ich dringe ja durchaus nicht in Dich.
-
-Helene. Später! alles, alles später.
-
-Loth. Wie gesagt, Liebste ....
-
-Helene. S' war Jemand -- mußt Du wissen -- den ich, ... weil ... weil er
-unter schlechten mir weniger schlecht vorkam. Jetzt ist das ganz anders.
-(Weinend an Loth's Halse, stürmisch.) Ach, wenn ich doch gar nicht mehr
-von Dir fort müßte! Am liebsten ginge ich gleich auf der Stelle mit Dir.
-
-Loth. Du hast es wohl sehr schlimm hier im Hause?
-
-Helene. Ach, Du! -- Es ist ganz entsetzlich, wie es hier zugeht; ein
-Leben wie -- das ..... wie das liebe Vieh, -- ich wäre darin umgekommen
-ohne Dich -- mich schaudert's!
-
-Loth. Ich glaube, es würde dich beruhigen, wenn Du mir alles offen
-sagtest, Liebste!
-
-Helene. Ja freilich! aber -- ich bring's nicht über mich. Jetzt nicht
-..... jetzt noch nicht! -- Ich fürcht' mich förmlich.
-
-Loth. Du warst in der Pension?
-
-Helene. Die Mutter hat es bestimmt -- auf dem Sterbebett noch.
-
-Loth. Auch Deine Schwester war ....?
-
-Helene. Nein! -- die war immer zu Hause ... Und als ich dann nun vor
-vier Jahren wiederkam, da fand ich -- einen Vater -- der .... eine
-Stiefmutter -- die .... eine Schwester ... rath mal, was ich meine!
-
-Loth. Deine Stiefmutter ist zänkisch. -- Nicht? -- Vielleicht
-eifersüchtig? -- lieblos?
-
-Helene. Der Vater ....?
-
-Loth. Nun! -- der wird aller Wahrscheinlichkeit nach in ihr Horn blasen.
--- Tyrannisirt sie ihn vielleicht?
-
-Helene. Wenn's _weiter_ nichts wär ... Nein! ... es ist zu entsetzlich!
--- Du kannst nicht darauf kommen -- daß .... daß _der_ -- mein Vater
-.... daß es mein Vater war -- den -- Du ....
-
-Loth. Weine nur nicht, Lenchen! .... siehst Du -- nun möcht ich beinah
-ernstlich darauf dringen, daß Du mir ...
-
-Helene. Nein! es geht nicht! Ich habe noch nicht die Kraft -- es -- Dir
-....
-
-Loth. Du reibst Dich auf, so.
-
-Helene. Ich schäme mich zu bodenlos! -- Du ... Du wirst mich fortstoßen,
-fortjagen ....! Es ist über alle Begriffe .... Ekelhaft ist es!
-
-Loth. Lenchen, Du kennst mich nicht -- sonst würd'st Du mir so etwas
-nicht zutrauen. -- Fortstoßen! fortjagen! Komme ich Dir denn wirklich so
-brutal vor?
-
-Helene. Schwager Hoffmann sagte: Du würdest -- kaltblütig .... Ach nein!
-nein! nein! das thust Du doch nicht! gelt? -- Du schreitest nicht über
-mich weg? thu es nicht!! -- Ich weiß nicht -- was -- dann noch aus --
-mir werden sollte.
-
-Loth. Ja, aber das ist ja Unsinn! Ich hätte ja gar keinen Grund dazu.
-
-Helene. Also Du hältst es doch für möglich?!
-
-Loth. Nein! -- eben _nicht_.
-
-Helene. Aber wenn Du Dir einen Grund ausdenken kannst.
-
-Loth. Es gäbe allerdings Gründe, aber -- die stehen nicht in Frage.
-
-Helene. Und solche Gründe?
-
-Loth. Nur, wer mich zum Verräther meiner selbst machen wollte, über den
-müßte ich hinweggehen.
-
-Helene. Das will ich gewiß nicht -- aber ich werde halt das Gefühl nicht
-los.
-
-Loth. Was für ein Gefühl, Liebste?
-
-Helene. Es kommt vielleicht daher: ich bin so dumm! -- Ich hab' gar
-nichts in mir. Ich weiß nicht mal, was das ist, Grundsätze. -- Gelt? das
-ist doch schrecklich. Ich lieb' Dich nur so einfach! -- aber Du bist so
-gut, so groß -- und hast so viel in Dir. Ich habe solche Angst, Du
-könntest doch noch mal merken -- wenn ich was Dummes sage -- oder mache
--- daß es doch nicht geht, .... daß ich doch viel zu einfältig für Dich
-bin .... Ich bin wirklich schlecht und dumm wie Bohnenstroh.
-
-Loth. Was soll ich dazu sagen?! Du bist mir alles in allem! Alles in
-allem bist Du mir! Mehr weiß ich nicht.
-
-Helene. Und gesund bin ich ja auch .....
-
-Loth. Sag' mal! sind Deine Eltern gesund?
-
-Helene. Ja, das wohl! das heißt: die Mutter ist am Kindbettfieber
-gestorben. Vater ist noch gesund; er muß sogar eine sehr starke Natur
-haben. Aber ....
-
-Loth. Na! -- siehst Du; also ...
-
-Helene. Und wenn die Eltern nun nicht gesund wären --?
-
-Loth (küßt Helene). Sie sind's ja doch, Lenchen.
-
-Helene. Aber wenn sie es nicht wären --?
-
- _Frau Krause_ stößt ein Wohnhausfenster auf und ruft in den Hof.
-
-Frau Krause. Ihr Madel! Ihr Maa..del!!
-
-Liese (aus dem Kuhstall). Frau Krausen!?
-
-Frau Krause. Renn' zur Müllern! S' giht luus!
-
-Liese. Wa--a, zur Hebomme Millern, meen' Se?
-
-Frau Krause. Na? lei'st uff a Uhr'n? (Sie schlägt das Fenster zu.)
-
- Liese rennt in den Stall und dann mit einem Tüchelchen um den
- Kopf zum Hofe hinaus. Frau Spiller erscheint in der Hausthür.
-
-Frau Spiller (ruft). Fräulein Helene! ... Gnädiges Fräulein Helene!
-
-Helene. Was nur da los sein mag?
-
-Frau Spiller (sich der Laube nähernd). Fräulein Helene.
-
-Helene. Ach! das wird's sein! -- die Schwester. Geh fort! da herum.
-(Loth schnell links vorn ab. Helene tritt aus der Laube.)
-
-Frau Spiller. Fräulein .....! Ach da sind Sie endlich.
-
-Helene. Was is denn?
-
-Frau Spiller. Aach -- m -- bei Frau Schwester (flüstert ihr etwas in's
-Ohr) -- m -- m --
-
-Helene. Mein Schwager hat anbefohlen, für den Fall sofort nach dem Arzt
-zu schicken.
-
-Frau Spiller. Gnädiges Fräulein -- m -- sie will doch aber -- m -- will
-doch aber keinen Arzt -- m -- Die Aerzte, aach die -- m -- Aerzte! -- m
--- mit Gottes Beistand ...
-
- Miele kommt aus dem Hause.
-
-Helene. Miele! gehen Sie augenblicklich zum Dr. Schimmelpfennig.
-
-Frau Spiller. Aber Fräulein ...
-
-Frau Krause (aus dem Fenster, gebieterisch). Miele! Du kimmst ruff!
-
-Helene (ebenso). Sie gehen zum Arzt, Miele. (Miele zieht sich in's Haus
-zurück.) Nun, dann will ich selbst .... (Sie geht in's Haus und kommt,
-den Strohhut am Arm, sogleich zurück.)
-
-Frau Spiller. Dann -- m -- wird es schlimm. Wenn Sie den Arzt holen -- m
--- gnädiges Fräulein, dann -- m -- wird es gewiß schlimm.
-
- Helene geht an ihr vorüber. _Frau Spiller_ zieht sich
- kopfschüttelnd ins Haus zurück. Als Helene in die Hofeinfahrt
- biegt steht Kahl am Grenzzaun.
-
-Kahl (ruft Helenen zu). Woas iis denn bei Eich luus?
-
-(Helene hält im Lauf nicht inne, noch würdigt sie Kahl eines Blickes
-oder einer Antwort.)
-
-Kahl (lachend). Ihr ha't wull Schweinschlachta?
-
-
-
-
- Fünfter Akt.
-
-
- Das Zimmer wie im ersten Akt. Zeit: gegen 2 Uhr Nachts. Im Zimmer
- herrscht Dunkelheit. Durch die offene Mittelthür dringt Licht aus
- dem erleuchteten Hausflur. Deutlich beleuchtet ist auch noch die
- Holztreppe in dem ersten Stock. Alles in diesem Akt -- bis auf
- wenige Ausnahmen -- wird in einem gedämpften Tone gesprochen.
-
- Eduard mit Licht tritt durch die Mittelthür ein. Er entzündet die
- Hängelampe über dem Ecktisch (Gasbeleuchtung). Als er damit
- beschäftigt ist, kommt Loth ebenfalls durch die Mittelthür.
-
-Eduard. Ja ja! -- bei _die_ Zucht ... 't muß reen unmenschen meglich
-sint, een Oge zuzuthun.
-
-Loth. Ich wollte nicht mal schlafen. Ich habe geschrieben.
-
-Eduard. Ach wat! (Er steckt an.) So! -- na jewiß! -- et mag ja woll
-schwer jenug sin .... Wünschen der Herr Doktor vielleicht Dinte und
-Feder?
-
-Loth. Am Ende ... wenn Sie so freundlich sein wollen, Herr Eduard.
-
-Eduard, (indem er Dinte und Feder auf den Tisch setzt). Ick menn all
-immer, was 'n ehrlicher Mann is, der muß Haut und Knochen dransetzen um
-jeden lumpichten Jroschen. Nich mal det bisken Nachtruhe hat man. --
-(Immer vertraulicher.) Aber _die_ Nation hier, die duht reen jar nischt;
-so'n faules, nichtsnutziges Pack, so'n ... Der Herr Doktor mussen jewiß
-ooch all dichtig in't Zeuch jehn, um det bisken Lebens_unterhalt_ wie
-alle ehrlichen Leute.
-
-Loth. Wünschte, ich brauchte es nicht!
-
-Eduard. Na, wat meen' Se woll! ick ooch!
-
-Loth. Fräulein Helene ist wohl bei ihrer Schwester?
-
-Eduard. Allet wat wahr is: d' is 'n jutes Mä'chen! jeht ihr nich von der
-Seite.
-
-Loth (sieht auf die Uhr). Um 11 Uhr früh begannen die Wehen. Sie dauern
-also ... fünfzehn Stunden dauern sie jetzt bereits. -- Fünfzehn lange
-Stunden --!
-
-Eduard. Weeß Jott! -- und det benimen se nu 't schwache Jeschlecht --
-sie jappt aber ooch man nur noch so.
-
-Loth. Herr Hoffmann ist auch oben!?
-
-Eduard. Und ick sag Ihnen, 't reene Weib.
-
-Loth. Das mit anzusehen ist wohl auch keine Kleinigkeit.
-
-Eduard. I! nu! det will ick meenen! Na! eben is Doktor Schimmelpfennig
-zujekommen. Det is 'n Mann, sag ick Ihnen: jrob wie 'ne Sackstrippe,
-aber -- Zucker is 'n dummer Junge dajejen. Sagen Sie man bloß, wat it
-aus det olle Berlin .... (Er unterbricht sich mit einem) Jott Strambach!
-(da Hoffmann und der Doktor die Treppe herunter kommen).
-
- _Hoffmann_ und _Doktor Schimmelpfennig_ treten ein.
-
-Hoffmann. Jetzt -- bleiben Sie doch wohl bei uns.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ja! jetzt werde ich hier bleiben.
-
-Hoffmann. Das ist mir eine große, große Beruhigung. -- Ein Glas Wein
-...? Sie trinken doch ein Glas Wein, Herr Doktor!?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Wenn Sie etwas thun wollen, dann lassen Sie mir
-schon lieber eine Tasse Kaffee brauen.
-
-Hoffmann. Mit Vergnügen. -- Eduard! Kaffee für Herrn Doktor! (Eduard
-ab.) Sie sind .....? Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf?
-
-Dr. Schimmelpfennig. So lange Ihre Frau Kraft behält, ist jedenfalls
-directe Gefahr nicht vorhanden. Warum haben Sie übrigens die junge
-Hebamme nicht zugezogen? Ich hatte Ihnen doch eine empfohlen, so viel
-ich weiß.
-
-Hoffmann. Meine Schwiegermama ... was soll man machen? Wenn ich ehrlich
-sein soll: auch meine Frau hatte kein Vertrauen zu der jungen Person.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Und zu diesem fossilen Gespenst haben Ihre Damen
-Vertrauen?! Wohl bekomms! -- Sie möchten gern wieder hinauf?
-
-Hoffmann. Ehrlich gesagt: ich habe nicht viel Ruhe hier unten.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Besser wär's freilich, Sie gingen irgend wohin, aus
-dem Hause.
-
-Hoffmann. Beim besten Willen das .... ach, Loth! da bist Du ja auch
-noch. (Loth erhebt sich von dem Sopha im dunklen Vordergrunde und geht
-auf die beiden zu.)
-
-Dr. Schimmelpfennig (aufs Aeußerste überrascht). Donnerwetter!
-
-Loth. Ich hörte schon, daß Du hier seist. Morgen hätte ich Dich
-unbedingt aufgesucht.
-
- Beide schütteln sich tüchtig die Hände. Hoffmann benutzt den
- Augenblick, am Buffet schnell ein Glas Cognac hinunterzuspülen,
- darauf dann sich auf den Zehen hinaus und die Holztreppe hinauf
- zu schleichen.
-
- Das Gespräch der beiden Freunde steht am Anfang unverkennbar
- unter dem Einfluß einer gewissen leisen Zurückhaltung.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Du hast also wohl ... hahaha die alte, dumme
-Geschichte vergessen? (Er legt Hut und Stock bei Seite.)
-
-Loth. Längst vergessen, Schimmel!
-
-Dr. Schimmelpfennig. Na, ich auch! das kannst Du Dir denken. -- (Sie
-schütteln sich nochmals die Hände.) Ich habe in dem Nest hier so wenig
-freudige Ueberraschungen gehabt, daß mir die Sache ganz curios vorkommt.
-Merkwürdig! Gerade hier treffen wir uns. -- Merkwürdig!
-
-Loth. Rein verschollen bist Du ja, Schimmel! Hätte Dich sonst längst mal
-umgestoßen.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Unter Wasser gegangen wie ein Seehund.
-Tiefseeforschungen gemacht. In anderthalb Jahren etwa hoffe ich wieder
-aufzutauchen. Man muß materiell unabhängig sein, wissen Sie ... weißt
-Du! wenn man etwas Brauchbares leisten will.
-
-Loth. Also Du machst _auch_ Geld hier?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Natürlicherweise und zwar so viel als möglich. Was
-sollte man hier auch anderes thun?
-
-Loth. Du hätt'st doch mal was von Dir hören lassen sollen.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Erlauben Sie ... erlaube, hätte ich von mir was
-hören lassen, dann hätte ich von Euch was wieder gehört, und ich wollte
-durchaus nichts hören. Nichts, -- gar nichts, das hätte mich höchstens
-von meiner Goldwäscherei abhalten können.
-
- Beide gehen langsamen Schritts auf und ab im Zimmer.
-
-Loth. Na ja -- Du kannst Dich dann aber auch nicht wundern, daß sie ...
-nämlich ich muß Dir sagen, sie haben Dich eigentlich alle, durch die
-Bank, aufgegeben.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Sieht ihnen ähnlich. -- Bande! -- sollen schon was
-merken.
-
-Loth. Schimmel, genannt: das Rauhbein!
-
-Dr. Schimmelpfennig. Du solltest nur sechs Jahre unter diesen Bauern
-gelebt haben. Himmelhunde alle miteinander.
-
-Loth. Das kann ich mir denken. -- Wie bist Du denn gerade nach Witzdorf
-gekommen?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Wie's so geht. Damals mußte ich doch auskneifen,
-von Jena weg.
-
-Loth. War das vor meinem Reinfall?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ja wohl. Kurze Zeit nachdem wir unser Zusammenleben
-aufgesteckt hatten. In Zürich legte ich mich dann auf die Medicinerei,
-zunächst um etwas für den Nothfall zu haben; dann fing aber die Sache an
-mich zu interessiren, und jetzt bin ich mit Leib und Seele Medicus.
-
-Loth. Und hierher ...? Wie kamst Du hier her?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ach so! -- einfach! Als ich fertig war, da sagte
-ich mir: nun vor allen Dingen einen hinreichenden Haufen Kies. Ich
-dachte an Amerika, Süd- und Nord-Amerika, an Afrika, Australien, die
-Sundainseln .... am Ende fiel mir ein, daß mein Knabenstreich ja
-mittlerweile verjährt war; da habe ich mich denn entschlossen in die
-Mausefalle zurückzukriechen.
-
-Loth. Und Dein Schweizer-Examen?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ich mußte eben die Geschichte hier noch mal über
-mich ergehen lassen.
-
-Loth. Du hast also das Staatsexamen zwei Mal gemacht, Kerl!?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ja! -- Schließlich habe ich dann glücklicherweise
-diese fette Weide hier ausfindig gemacht.
-
-Loth. Du bist zähe, zum Beneiden.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Wenn man nur nicht plötzlich mal zusammenklappt. --
-Na! schließlich ist's auch kein Unglück.
-
-Loth. Hast Du denn 'ne große Praxis?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ja! Mitunter komme ich erst um fünf Uhr früh zu
-Bett. Um sieben Uhr fängt dann bereits wieder meine Sprechstunde an.
-
- Eduard kommt und bringt Kaffee.
-
-Dr. Schimmelpfennig, (indem er sich am Tisch niederläßt, zu Eduard).
-Danke Eduard! -- (Zu Loth.) Kaffee saufe ich ... unheimlich.
-
-Loth. Du solltest das lieber lassen mit dem Kaffee.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Was soll man machen?! (Er nimmt kleine Schlucke.)
-Wie gesagt -- ein Jahr noch, dann -- hört's auf ... hoffentlich
-wenigstens.
-
-Loth. Willst Du dann gar nicht mehr practiciren?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Glaube nicht. Nein ... nicht mehr. (Er schiebt das
-Tablette mit dem Kaffeegeschirr zurück, wischt sich den Mund.) Uebrigens
--- zeig' mal Deine Hand. (Loth hält ihm beide Hände hin.) Nein? -- keine
-Dalekarlierin heimgeführt? -- Keine gefunden, wie? .... Wolltest doch
-immer so 'n Ur- und Kernweib von wegen des gesunden Blutes. Hast
-übrigens recht: wenn schon, denn schon ... oder nimmst Du's in dieser
-Beziehung etwa nicht mehr so genau?
-
-Loth. Na ob ...! und wie!
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ach, wenn die Bauern hier doch auch solche Ideen
-hätten. Damit sieht's aber jämmerlich aus, sage ich Dir, Degeneration
-auf der ganzen ... (Er hat seine Cigarrentasche halb aus der Brusttasche
-gezogen, läßt sie aber wieder zurückgleiten und steht auf, als irgend
-ein Laut durch die nur angelehnte Hausflurthür hereindringt.) Wart' mal!
-(Er geht auf den Zehen bis zur Hausflurthür und horcht. Eine Thür geht
-draußen, man hört einige Augenblicke deutlich das Wimmern der Wöchnerin.
-Der Doktor sagt, zu Loth gewandt, leise:) Entschuldige! (und geht
-hinaus).
-
- Einige Augenblicke durchmißt Loth, während draußen Thüren
- schlagen, Menschen die Treppe auf- und ablaufen, das Zimmer; dann
- setzt er sich in den Lehnsessel rechts vorn. Helene huscht herein
- und umschlingt Loth, der ihr Kommen nicht bemerkt hat, von
- rückwärts.
-
-Loth (sich umblickend, sie ebenfalls umfassend). Lenchen!! (Er zieht sie
-zu sich herunter und trotz gelinden Sträubens auf sein Knie. Helene
-weint unter den Küssen, die er ihr giebt.) Ach, weine doch nicht,
-Lenchen! Warum weinst Du denn so sehr?
-
-Helene. Warum? weiß ich's?! .... Ich denk immer, ich treff' Dich nicht
-mehr. Vorhin habe ich mich so erschrocken ....
-
-Loth. Weshalb denn?
-
-Helene. Weil ich Dich aus Deinem Zimmer treten hörte -- Ach! ... und die
-Schwester -- wir armen, armen Weiber! -- die muß zu sehr ausstehen.
-
-Loth. Der Schmerz vergißt sich schnell und auf den Tod geht's ja nicht.
-
-Helene. Ach, Du! sie wünscht sich ihn ja ... sie jammert nur immer so:
-laß mich doch sterben ... Der Doktor! (Sie springt auf und huscht in den
-Wintergarten.)
-
-Dr. Schimmelpfennig (im Hereintreten). Nun wünschte ich wirklich, daß
-sich das Frauchen da oben 'n bissel beeilte! (Er läßt sich am Tisch
-nieder, zieht neuerdings die Cigarrentasche, entnimmt ihr eine Cigarre
-und legt diese neben sich.) Du kommst mit zu mir dann, wie? -- hab'
-draußen so 'n nothwendiges Uebel mit zwei Gäulen davor, da können wir
-drin zu mir fahren. (Seine Cigarre an der Tischkante klopfend.) Der süße
-Ehestand! ja, ja! (Ein Zündholz anstreichend.) Also noch frisch, frei,
-fromm, froh?
-
-Loth. Hättest noch gut ein Paar Tage warten können mit Deiner Frage.
-
-Dr. Schimmelpfennig (bereits mit brennender Cigarre). Wie? ... ach ...
-ach so! -- (lachend) -- also endlich doch auf meine Sprünge gekommen.
-
-Loth. Bist Du wirklich noch so entsetzlich pessimistisch in Bezug auf
-Weiber?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ent--setzlich!! (Dem Rauch seiner Cigarre
-nachblickend.) Früher war ich Pessimist -- so zu sagen ahnungsweise ...
-
-Loth. Hast Du denn inzwischen so besondere Erfahrungen gemacht?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ja, allerdings! -- Auf meinem Schilde steht
-nämlich: Specialist für Frauenkrankheiten. -- Die medicinische Praxis
-macht nämlich furchtbar klug ... furchtbar -- gesund, ... ist Specificum
-gegen ... allerlei Staupen!
-
-Loth (lacht). Na, da könnten wir ja gleich wieder in der alten Tonart
-anfangen. Ich hab' nämlich ... ich bin nämlich keineswegs auf Deine
-Sprünge gekommen. Jetzt weniger als je! ... Auf diese Weise hast Du wohl
-auch Dein Steckenpferd vertauscht?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Steckenpferd?
-
-Loth. Die Frauenfrage war doch zu damaliger Zeit gewissermaßen Dein
-Steckenpferd!
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ach so! -- Warum sollte ich es vertauscht haben?
-
-Loth. Wenn Du über die Weiber noch schlechter denkst, als ...
-
-Dr. Schimmelpfennig (ein wenig in Harnisch, erhebt sich und geht hin und
-her, dabei spricht er). Ich -- denke nicht schlecht von den Weibern. --
-Kein Bein! -- Nur über das Heirathen denke ich schlecht ... über die Ehe
-... über die Ehe, und dann höchstens noch über die Männer denke ich
-schlecht ... Die Frauenfrage soll mich nicht mehr interessiren? Ja,
-weshalb hätte ich denn sonst sechs lange Jahre hier wie 'n Lastpferd
-gearbeitet? Doch nur um alle meine verfügbaren Kräfte endlich mal ganz
-der Lösung dieser Frage zu widmen. Wußtest Du denn das nicht von Anfang
-an?
-
-Loth. Wo hätte ich's denn _her_ wissen sollen?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Na, wie gesagt ... ich hab auch schon ein ziemlich
-ausgiebiges Material gesammelt, das mir gute Dienste leisten ... bsst!
-ich hab' mir das Schreien so angewöhnt. (Er schweigt, horcht, geht zur
-Thür und kommt zurück.) Was hat _Dich_ denn eigentlich unter die
-Goldbauern geführt?
-
-Loth. Ich möchte die hiesigen Verhältnisse studiren.
-
-Dr. Schimmelpfennig (mit gedämpfter Stimme). Idee! (Noch leiser.) Da
-kannst Du bei mir auch Material bekommen.
-
-Loth. Freilich, Du mußt ja sehr unterrichtet sein über die Zustände
-hier. Wie sieht es denn so in den Familien aus?
-
-Dr. Schimmelpfennig. E--lend! ..... durchgängig ... Suff! Völlerei,
-Inzucht und in Folge davon -- Degenerationen auf der ganzen Linie.
-
-Loth. Mit Ausnahmen doch!?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Kaum!
-
-Loth (unruhig). Bist Du denn nicht zuweilen in ... in Versuchung
-gerathen eine ... eine Witzdorfer Goldtochter zu heirathen?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Pfui Teufel! Kerl, für was hältst Du mich? --
-Ebenso könntest Du mich fragen, ob ich ...
-
-Loth (sehr bleich). Wie... wieso?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Weil ... Ist Dir was? (Er fixirt ihn einige
-Augenblicke.)
-
-Loth. Gar nichts! Was soll mir denn sein?
-
-Dr. Schimmelpfennig (ist plötzlich sehr nachdenklich, geht und steht jäh
-und mit einem leisen Pfiff still, blickt Loth abermals flüchtig an und
-sagt dann halblaut zu sich selbst). Schlimm!
-
-Loth. Du bist ja so sonderbar plötzlich.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Still! (Er horcht auf und verläßt dann schnell das
-Zimmer durch die Mittelthür.)
-
-Helene (nach einigen Augenblicken durch die Mittelthür; sie ruft).
-Alfred! -- Alfred! ... Ach da bist Du -- Gott sei Dank!
-
-Loth. Nun, ich sollte wohl am Ende gar fortgelaufen sein? (Umarmung.)
-
-Helene (biegt sich zurück. Mit unverkennbarem Schrecken im Ausdruck.)
-Alfred!
-
-Loth. Was denn, Liebste?
-
-Helene. Nichts, nichts!
-
-Loth. Aber Du mußt doch was haben?
-
-Helene. Du kamst mir so ... so kalt ... Ach, ich hab' solche schrecklich
-dumme Einbildungen.
-
-Loth. Wie stehts's denn oben?
-
-Helene. Der Doktor zankt mit der Hebamme.
-
-Loth. Wird's nicht bald zu Ende gehen?
-
-Helene. Weiß ich's? -- Aber wenn's ... wenn's zu Ende ist, meine ich,
-dann ...
-
-Loth. Was dann? .... Sag' doch, bitte! was wolltest Du sagen?
-
-Helene. Dann sollten wir bald von hier fortgehen. Gleich! Auf der
-Stelle!
-
-Loth. Wenn Du das wirklich für das Beste hältst, Lenchen --
-
-Helene. Ja, ja! wir dürfen nicht warten! Es ist das Beste -- für Dich
-und mich. Wenn Du mich nicht jetzt bald nimmst, dann läßt Du mich heilig
-noch sitzen, und dann ... dann ... muß ich doch noch zu Grunde gehen.
-
-Loth. Wie Du doch mißtrauisch bist, Lenchen!
-
-Helene. Sag' das nicht, Liebster! Dir traut man, Dir muß man trauen!
-.... Wenn ich erst Dein bin, dann ... Du verläßt mich dann ganz gewiß
-nicht mehr. (Wie außer sich.) Ich beschwöre Dich! geh nicht fort! Verlaß
-mich doch nur nicht. Geh -- nicht fort, Alfred! Alles ist aus, alles,
-wenn Du einmal ohne mich von hier fortgehst.
-
-Loth. Merkwürdig bist Du doch! .... Und da willst Du nicht mißtrauisch
-sein? ... Oder sie plagen Dich, martern Dich hier ganz entsetzlich, mehr
-als ich mir je .... Jedenfalls gehen wir aber noch diese Nacht. Ich bin
-bereit. Sobald Du willst, gehen wir also.
-
-Helene (gleichsam mit aufjauchzendem Dank ihm um den Hals fallend).
-Geliebter! (Sie küßt ihn wie rasend und eilt schnell davon.)
-
- Dr. Schimmelpfennig tritt durch die Mitte ein, er bemerkt noch, wie
- Helene in der Wintergartenthür verschwindet.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Wer war das? -- Ach so! (In sich hinein.) Armes
-Ding! (Er läßt sich mit einem Seufzer am Tisch nieder, findet die alte
-Cigarre, wirft sie bei Seite, entnimmt dem Etui eine frische Cigarre und
-fängt an, sie an der Tischkante zu klopfen, wobei er nachdenklich
-darüber hinausstarrt.)
-
-Loth, (der ihm zuschaut). Genau so pflegtest Du vor acht Jahren jede
-Cigarre abzuklopfen, eh' Du zu rauchen anfingst.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Möglich --! (Als er mit Anrauchen fertig ist.) Hör'
-mal, Du!
-
-Loth. Ja, was denn?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Du wirst doch -- so bald die Geschichte oben
-vorüber ist, mit zu mir kommen?
-
-Loth. Das geht wirklich nicht! Leider.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Man hat so das Bedürfniß, sich mal wieder gründlich
-von der Leber weg zu äußern.
-
-Loth. Das hab ich so genau wie Du. Aber gerade daraus kannst Du sehen,
-daß es heut absolut nicht in meiner Macht steht, mit Dir ....
-
-Dr. Schimmelpfennig. Wenn ich Dir nun aber ausdrücklich und --
-gewissermaßen feierlich erkläre: es ist eine bestimmte, äußerst wichtige
-Angelegenheit, die ich mit Dir noch diese Nacht besprechen möchte ....
-besprechen muß sogar, Loth!
-
-Loth. Curios! Für blutigen Ernst soll ich doch das nicht etwa
-hinnehmen?! Doch wohl nicht? -- So viel Jahre hätt'st Du damit gewartet
-und nun hätte es nicht einen Tag mehr Zeit damit? -- Du kannst Dir doch
-wohl denken, daß ich Dir keine Flausen vormache.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Also hat's doch seine Richtigkeit! (Er steht auf
-und geht umher.)
-
-Loth. Was hat seine Richtigkeit?
-
-Dr. Schimmelpfennig, (vor Loth still stehend, mit einem geraden Blick in
-seine Augen). Es ist also wirklich etwas im Gange zwischen Dir und
-Helene Krause?
-
-Loth. Ich? -- Wer hat Dir denn ...?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Wie bist Du nur in diese Familie ....?
-
-Loth. Woher -- weißt Du denn das, Mensch?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Das war ja doch nicht schwer zu errathen.
-
-Loth. Na, dann halt um Gottes Willen den Mund, daß nicht ....
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ihr seid also richtig verlobt?!
-
-Loth. Wie man's nimmt. Jedenfalls sind wir beide einig.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Hm --! wie bist Du denn hier herein gerathen,
-gerade in _diese_ Familie?
-
-Loth. Hoffmann ist ja doch mein Schulfreund. Er war auch Mitglied --
-auswärtiges allerdings -- Mitglied meines Colonial-Vereins.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Von der Sache hörte ich in Zürich. -- Also mit Dir
-ist er umgegangen! Auf diese Weise wird mir der traurige Zwitter
-erklärlich.
-
-Loth. Ein Zwitter ist er allerdings.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Eigentlich nicht mal _das_. -- Ehrlich, Du! -- Ist
-das wirklich Dein Ernst? -- die Geschichte mit der Krause?
-
-Loth. Na, selbstverständlich! -- Zweifelst Du daran? Du wirst mich doch
-nicht etwa für einen Schuft ...
-
-Dr. Schimmelpfennig. Schon gut! Ereifere Dich nur nicht. Hättst Dich ja
-verändert haben können während der langen Zeit. Warum nicht? Wär auch
-gar kein Nachtheil! N' bissel Humor könnte Dir gar nicht schaden! Ich
-seh' nicht ein, warum man alles so verflucht ernsthaft nehmen sollte.
-
-Loth. Ernst ist es mir mehr als je. (Er erhebt sich und geht, immer ein
-wenig zurück, neben Schimmelpfennig her.) Du kannst es ja nicht wissen,
-auch sagen kann ich Dir's nicht mal, was dieses Verhältniß für mich
-bedeutet.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Hm!
-
-Loth. Kerl, Du hast keine Idee, was das für ein Zustand ist. Man kennt
-ihn nicht, wenn man sich danach sehnt. Kennte man ihn, dann, dann müßte
-man geradezu unsinnig werden vor Sehnsucht.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Das begreife der Teufel, wie Ihr zu dieser
-unsinnigen Sehnsucht kommt.
-
-Loth. Du bist auch noch nicht sicher davor.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Das möcht ich mal sehen.
-
-Loth. Du redst wie der Blinde von der Farbe.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Was ich mir für das bischen Rausch koofe!
-Lächerlich. Daraus eine lebenslängliche Ehe zu bauen .... da baut man
-noch nicht mal so sicher als auf'n Sandhaufen.
-
-Loth. Rausch -- Rausch -- wer von einem Rausch redet, -- na! der kennt
-die Sache eben nicht. 'N Rausch ist flüchtig. Solche Räusche hab ich
-schon gehabt, ich geb's zu. Aber _das_ ist was ganz Anderes.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Hm!
-
-Loth. Ich bin dabei vollständig nüchtern. Denkst Du, daß ich meine
-Liebste so -- na, wie soll ich sagen?! -- so mit 'ner -- na, wie soll
-ich sagen?! mit ner großen Glorie sehe? Gar nicht! -- Sie hat Fehler,
-ist auch nicht besonders schön, wenigstens -- na, häßlich ist sie auch
-gerade nicht. Ganz objectiv geurtheilt, ich -- das ist ja schließlich
-Geschmackssache -- ich hab' so'n hübsches Mädel noch nicht gesehen.
-Also, Rausch -- Unsinn! Ich bin ja so nüchtern wie nur möglich. Aber,
-siehst Du! _das_ ist eben das Merkwürdige: ich kann mich gar nicht mehr
-ohne sie denken -- das kommt mir so vor wie 'ne Legirung, weißt Du, wie
-wenn zwei Metalle so recht innig legirt sind, daß man gar nicht mehr
-sagen kann, das ist _das_, das ist _das_. Und alles so furchtbar
-selbstverständlich -- kurzum, ich quatsche vielleicht Unsinn -- oder was
-ich sage, ist vielleicht in Deinen Augen Unsinn, aber so viel steht
-fest: wer das nicht kennt, ist 'n erbärmlicher Frosch. Und so'n Frosch
-war ich bisher -- und so'n Jammerfrosch bist Du noch.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Das ist ja richtig der ganze Symptomen-Complex. --
-Daß Ihr Kerls doch immer bis über die Ohren in Dinge hineingerathet, die
-Ihr theoretisch längst verworfen habt, wie zum Beispiel Du die Ehe. So
-lange ich Dich kenne, laborirst Du an dieser unglückseligen Ehemanie.
-
-Loth. Es ist Trieb bei mir, geradezu Trieb. Weiß Gott! mag ich mich
-wenden, wie ich will.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Man kann schließlich auch einen Trieb
-niederkämpfen.
-
-Loth. Ja, wenn's 'n Zweck hat, warum nicht?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Hat's Heirathen etwa Zweck?
-
-Loth. Das will ich meinen. Das hat Zweck! Bei mir hat es Zweck. Du weißt
-nicht, wie ich mich durchgefressen hab' bis hierher. Ich mag nicht
-sentimental werden. Ich hab's auch vielleicht nicht so gefühlt, es ist
-mir vielleicht nicht ganz so klar bewußt geworden wie jetzt, daß ich in
-meinem Streben etwas entsetzlich Ödes, gleichsam Maschinenmäßiges
-angenommen hatte. Kein Geist, kein Temperament, kein Leben, ja wer weiß,
-war noch Glauben in mir? Das alles kommt seit ... seit heut wieder in
-mich gezogen. So merkwürdig voll, so ursprünglich, so fröhlich ...
-Unsinn, Du capirst's ja doch nicht.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Was Ihr da alles nöthig habt, um flott zu bleiben,
-Glaube, Liebe, Hoffnung. Für mich ist das Kram. Es ist eine ganz simple
-Sache: die Menschheit liegt in der Agonie, und unser einer macht ihr mit
-Narkoticis die Sache so erträglich als möglich.
-
-Loth. Dein neuester Standpunkt?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Schon fünf bis sechs Jahre alt und immer derselbe.
-
-Loth. Gratulire!
-
-Dr. Schimmelpfennig. Danke!
-
- Eine lange Pause.
-
-Dr. Schimmelpfennig (nach einigen unruhigen Anläufen). Die Geschichte
-ist leider die: ich halte mich für verpflichtet ... ich schulde Dir
-unbedingt eine Aufklärung. Du wirst Helene Krause, glaub ich, nicht
-heirathen können.
-
-Loth (kalt). So, glaubst Du?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ja, ich bin der Meinung. Es sind da Hindernisse
-vorhanden, die gerade Dir ...
-
-Loth. Hör' mal Du: mach' Dir darüber um Gottes Willen keine Scrupel. Die
-Verhältnisse liegen auch gar nicht mal so complicirt, sind im Grunde
-sogar furchtbar einfach.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Einfach _furchtbar_ solltest Du eher sagen.
-
-Loth. Ich meine, was die Hindernisse anbetrifft.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ich auch zum Theil. Aber auch überhaupt: ich kann
-mir nicht denken, daß Du diese Verhältnisse hier kennen solltest.
-
-Loth. Ich kenne sie aber doch ziemlich genau.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Dann mußt Du nothwendigerweise Deine Grundsätze
-geändert haben.
-
-Loth. Bitte, Schimmel, drück' Dich etwas deutlicher aus.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Du mußt unbedingt Deine Hauptforderung in Bezug auf
-die Ehe fallen gelassen haben, obgleich Du vorhin durchblicken ließt, es
-käme Dir nach wie vor darauf an, ein an Leib und Seele gesundes
-Geschlecht in die Welt zu setzen.
-
-Loth. Fallen gelassen? ... fallen gelassen? Wie soll ich denn das ...
-
-Dr. Schimmelpfennig. Dann bleibt nichts übrig ... dann kennst Du eben
-doch die Verhältnisse nicht. Dann weißt Du zum Beispiel nicht, daß
-Hoffmann einen Sohn hatte, der mit drei Jahren bereits am Alkoholismus
-zu Grunde ging.
-
-Loth. Wa... was -- sagst Du?
-
-Dr. Schimmelpfennig. S' thut mir leid, Loth, aber sagen muß ich Dir's
-doch. Du kannst ja dann noch machen, was Du willst. Die Sache war kein
-Spaß. Sie waren gerade wie jetzt zum Besuch hier. Sie ließen mich holen,
-eine halbe Stunde zu spät. Der kleine Kerl hatte längst verblutet.
-
- Loth mit den Zeichen tiefer, furchtbarer Erschütterung an des
- Doktors Munde hängend.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Nach der Essigflasche hatte das dumme Kerlchen
-gelangt in der Meinung, sein geliebter Fusel sei darin. Die Flasche war
-herunter- und das Kind in die Scherben gefallen. Hier unten, siehst Du,
-die _vena saphena_, die hatte es sich vollständig durchschnitten.
-
-Loth. W... w...essen Kind sagst Du ...?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Hoffmann's und eben derselben Frau Kind, die da
-oben wieder ... Und auch die trinkt, trinkt bis zur Besinnungslosigkeit,
-trinkt, soviel sie bekommen kann.
-
-Loth. Also von Hoffmann ... Hoffmann geht es nicht aus?!
-
-Dr. Schimmelpfennig. Bewahre! Das ist tragisch an dem Menschen; er
-leidet darunter, so viel er überhaupt leiden kann. Im Übrigen hat er's
-gewußt, daß er in eine Potatorenfamilie hinein kam. Der Bauer nämlich
-kommt überhaupt gar nicht mehr aus dem Wirthshaus.
-
-Loth. Dann freilich -- begreife ich manches -- nein! Alles begreife ich
--- alles. (Nach einem dumpfen Schweigen.) Dann ist ihr Leben hier ...
-Helenens Leben -- ein ... ein -- wie soll ich sagen?! mir fehlt der
-Ausdruck dafür -- ... nicht?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Horrend geradezu! Das kann ich beurtheilen. Daß Du
-bei ihr hängen bliebst, war mir auch von Anfang an sehr begreiflich.
-Aber wie ges...
-
-Loth. Schon gut! -- verstehe ... Thut denn ...? Könnte man nicht
-vielleicht ... vielleicht könnte man Hoffmann bewegen etwas ... etwas zu
-thun? Könntest Du nicht vielleicht -- ihn zu etwas bewegen? Man müßte
-sie fortbringen aus dieser Sumpfluft.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Hoffmann?
-
-Loth. Ja, Hoffmann.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Du kennst ihn schlecht ... Ich glaube zwar nicht,
-daß er sie schon verdorben hat. Aber ihren Ruf hat er sicherlich _jetzt_
-schon verdorben.
-
-Loth (aufbrausend). Wenn das ist: ich schlag ihn ... Glaubst Du wirklich
-...? hältst Du Hoffmann wirklich für fähig ...?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Zu allem, zu allem halte ich ihn fähig, wenn für
-ihn ein Vergnügen dabei heraus springt.
-
-Loth. Dann ist sie -- das keuscheste Geschöpf, was es giebt ...
-
- Loth nimmt langsam Hut und Stock und hängt sich ein Täschchen um.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Was gedenkst Du zu thun, Loth?
-
-Loth. ... Nicht begegnen ...!
-
-Dr. Schimmelpfennig. Du bist also entschlossen?
-
-Loth. Wozu entschlossen?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Euer Verhältniß aufzulösen.
-
-Loth. Wie sollt ich wohl dazu nicht entschlossen sein?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ich kann Dir als Arzt noch sagen, daß Fälle bekannt
-sind, wo solche vererbte Uebel unterdrückt worden sind, und Du würdest
-ja gewiß Deinen Kindern eine rationelle Erziehung geben.
-
-Loth. Es mögen solche Fälle vorkommen.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Und die Wahrscheinlichkeit ist vielleicht nicht so
-gering, daß ...
-
-Loth. Das kann uns nichts helfen, Schimmel. So steht es: es giebt drei
-Möglichkeiten! Entweder ich heirathe sie, und dann ... nein, dieser
-Ausweg existirt überhaupt nicht. Oder -- die bewußte Kugel. Na ja, dann
-hätte man wenigstens Ruhe. Aber nein! So weit sind wir noch nicht, so
-was kann man sich einstweilen noch nicht leisten -- also: leben!
-kämpfen! -- Weiter, immer weiter. (Sein Blick fällt auf den Tisch, er
-bemerkt das von Eduard zurecht gestellte Schreibzeug, setzt sich,
-ergreift die Feder, zaudert, und sagt:) Oder am Ende ...?
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ich verspreche Dir, ihr die Lage so deutlich als
-möglich vorzustellen.
-
-Loth. Ja, ja! -- nur eben ... ich kann nicht anders. (Er schreibt,
-adressirt und couvertirt. Er steht auf und reicht Schimmelpfennig die
-Hand.) Im Übrigen verlasse ich mich -- auf Dich.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Du gehst zu mir, wie? Mein Kutscher soll Dich zu
-mir fahren.
-
-Loth. Sag' mal, sollte man denn nicht wenigstens versuchen -- sie aus
-den Händen dieses ... dieses Menschen zu ziehen? ... Auf diese Weise
-wird sie doch unfehlbar noch seine Beute.
-
-Dr. Schimmelpfennig. Guter, bedauernswürdiger Kerl! Soll ich Dir was
-rathen? Nimm ihr nicht das ... Wenige, was Du ihr noch übrig läßt.
-
-Loth (tiefer Seufzer). Qual über ... hast vielleicht -- recht -- ja
-wohl, unbedingt sogar.
-
- Man hört Jemand hastig die Treppe herunter kommen. Im nächsten
- Augenblick stürzt Hoffmann herein.
-
-Hoffmann. Herr Doktor, ich bitte Sie um Gottes Willen ... sie ist
-ohnmächtig ... die Wehen setzen aus ... wollen Sie nicht endlich ...
-
-Dr. Schimmelpfennig. Ich komme hinauf. (Zu Loth bedeutungsvoll.) Auf
-Wiedersehen! (Zu Hoffmann, der ihm nachfolgen will.) Herr Hoffmann, ich
-muß Sie bitten ... eine Ablenkung oder Störung könnte verhängnißvoll ...
-am liebsten wäre es mir, Sie blieben hier unten.
-
-Hoffmann. Sie verlangen sehr viel, aber ... na!
-
-Dr. Schimmelpfennig. Nicht mehr als billig. (Ab.)
-
- Hoffmann bleibt zurück.
-
-Hoffmann (bemerkt Loth). Ich zittere, die Aufregung steckt mir in allen
-Gliedern. Sag' mal, Du willst fort?
-
-Loth. Ja.
-
-Hoffmann. Jetzt mitten in der Nacht?
-
-Loth. Nur bis zu Schimmelpfennig.
-
-Hoffmann. Ach so! Nun ... wie die Verhältnisse sich gestaltet haben, ist
-es am Ende kein Vergnügen mehr bei uns ... Also leb' recht ...
-
-Loth. Ich danke für die Gastfreundschaft.
-
-Hoffmann. Und mit Deinem Plan, wie steht es da?
-
-Loth. Plan?
-
-Hoffmann. Deine Arbeit, Deine volkswirthschaftliche Arbeit über unseren
-District, meine ich. Ich muß Dir sagen ... ich möchte Dich sogar als
-Freund inständig und herzlich bitten ...
-
-Loth. Beunruhige Dich weiter nicht. Morgen schon bin ich über alle
-Berge.
-
-Hoffmann. Das ist wirklich -- (unterbricht sich). --
-
-Loth. Schön von Dir, wollt'st Du wohl sagen?
-
-Hoffmann. Das heißt -- ja -- in gewisser Hinsicht; übrigens Du
-entschuldigst mich, ich bin so entsetzlich aufgeregt. Zähle auf mich!
-Die alten Freunde sind immer noch die besten. Adieu, Adieu.
-
- Ab durch die Mitte.
-
-Loth (wendet sich, bevor er zur Thür hinaustritt, noch einmal nach
-rückwärts und nimmt mit den Augen noch einmal den ganzen Raum in sein
-Gedächtniß auf. Hierauf zu sich.) Da könnt ich ja nun wohl -- gehen.
-(Nach einem letzten Blick ab.)
-
- Das Zimmer bleibt für einige Augenblicke leer. Man vernimmt
- gedämpfte Rufe und das Geräusch von Schritten, dann erscheint
- Hoffmann. Er zieht, sobald er die Thür hinter sich geschlossen
- hat, unverhältnißmäßig ruhig sein Notizbuch und rechnet etwas;
- hierbei unterbricht er sich und lauscht, wird unruhig, schreitet
- zur Thür und lauscht wieder. Plötzlich rennt Jemand die Treppe
- herunter und herein stürzt Helene.
-
-Helene (noch außen). Schwager! (In der Thür.) Schwager!
-
-Hoffmann. Was ist denn -- los?
-
-Helene. Mach Dich gefaßt: todtgeboren!
-
-Hoffmann. Jesus Christus! (Er stürzt davon.)
-
- Helene allein.
-
-Sie sieht sich um und ruft leise: _Alfred! Alfred!_ und dann, als sie
-keine Antwort erhält, in schneller Folge: _Alfred! Alfred!_ Dabei ist
-sie bis zur Thür des Wintergartens geeilt, durch die sie spähend blickt.
-Dann ab in den Wintergarten. Nach einer Weile erscheint sie wieder.
-_Alfred!_ Immer unruhiger werdend, am Fenster, durch das sie
-hinausblickt: _Alfred!_ Sie öffnet das Fenster und steigt auf einen
-davor stehenden Stuhl. In diesem Augenblick klingt deutlich vom Hofe
-herein das Geschrei des betrunkenen, aus dem Wirtshaus heimkehrenden
-Bauern, ihres Vaters. _Dohie hä! biin iich nee a hibscher Moan? Hoa'
-iich nee a hibsch Weib? Hoa' iich nee a poar hibsche Tächter dohie hä?_
-Helene stößt einen kurzen Schrei aus und rennt wie gejagt nach der
-Mittelthür. Von dort aus entdeckt sie den Brief, welchen Loth auf dem
-Tisch zurückgelassen. Sie stürzt sich darauf, reißt ihn auf und
-durchfliegt ihn, einzelne Worte aus seinem Inhalt laut hervorstoßend:
-»_Unübersteiglich!_« ... »_Niemals wieder!_« Sie läßt den Brief fallen,
-wankt. Zu Ende! Rafft sich auf, hält sich den Kopf mit beiden Händen,
-kurz und scharf schreiend. _Zu En--de!_ Stürzt ab durch die Mitte. Der
-Bauer draußen, schon aus geringerer Entfernung: _Dohie hä? iis ernt's
-Gittla ne mei--ne? Hoa' iich ne a hibsch Weib? Bin iich nee a hibscher
-Moan?_ Helene, immer noch suchend, wie eine halb Irrsinnige aus dem
-Wintergarten hereinkommend, trifft auf Eduard, der etwas aus Hoffmann's
-Zimmer zu holen geht. Sie redet ihn an. _Eduard!_ Er antwortet.
-_Gnädiges Fräulein?_ Darauf sie: _Ich möchte ... möchte den Herrn Dr.
-Loth_ ... Eduard antwortet: _Herr Dr. Loth sind in des Herrn Dr.
-Schimmelpfennig's Wagen fortgefahren!_
-
-Damit verschwindet er im Zimmer Hoffmann's. _Wahr!_ stößt Helene hervor
-und hat einen Augenblick Mühe aufrecht zu stehen. Im nächsten durchfährt
-sie eine verzweifelte Energie. Sie rennt nach dem Vordergrunde und
-ergreift den Hirschfänger sammt Gehänge, der an dem Hirschgeweih über
-dem Sopha befestigt ist. Sie verbirgt ihn und hält sich still im dunklen
-Vordergrund, bis Eduard, aus Hoffmanns Zimmer kommend, zur Mittelthür
-hinaus ist. Die Stimme des Bauern, immer deutlicher: _Dohie hä, biin
-iich nee a hibscher Moan?_ Auf diese Laute, wie auf ein Signal hin,
-springt Helene auf und verschwindet ihrerseits in Hoffmanns Zimmer. Das
-Hauptzimmer ist leer, und man hört fortgesetzt die Stimme des Bauern:
-Dohie hä, hoa' iich nee die schinsten Zähne, hä? Hoa' iich ne a hibsch
-Gittla? _Miele_ kommt durch die Mittelthür. Sie blickt suchend umher und
-ruft: _Freilein Helene!_ und wieder _Freilein Helene!_ Dazwischen die
-Stimme des Bauern: _'s Gald iis mei--ne!_ Jetzt ist Miele ohne weiteres
-Zögern in Hoffmanns Zimmer verschwunden, dessen Thüre sie offen läßt. Im
-nächsten Augenblick stürzt sie heraus mit den Zeichen eines wahnsinnigen
-Schrecks; schreiend dreht sie sich zwei -- dreimal um sich selber,
-schreiend jagt sie durch die Mittelthür. Ihr ununterbrochenes Schreien,
-mit der Entfernung immer schwächer werdend, ist noch einige weitere
-Sekunden vernehmlich. Man hört nun die schwere Hausthüre aufgehen und
-dröhnend in's Schloß fallen, das Schrittegeräusch des im Hausflur
-herumtaumelnden Bauern, schließlich eine rohe, näselnde, lallende
-Trinkerstimme ganz aus der Nähe durch den Raum gellen: Dohie hä! Hoa'
-iich nee a poar hibsche Tächter?
-
-
-
-
- Herrosé & Ziemsen, Wittenberg.
-
-
-
-
-
-Anmerkungen zur Transkription
-
-
-Regieanweisungen im Dialogtext wurden in Klammern eingeschlossen.
-Hervorhebungen wurden mit _Unterstrichen_ gekennzeichnet.
-
-Die Schreibweise und Zeichensetzung des Originales wurden weitgehend
-beibehalten. Nur offensichtliche Fehler wurden korrigiert wie hier
-aufgeführt (vorher/nachher):
-
- [S. 15]:
- ... vom Buffet, setzt alles auf den Tisch vor Loth. Grand
- Champague, ...
- ... vom Buffet, setzt alles auf den Tisch vor Loth. Grand
- Champagne, ...
-
- [S. 18]:
- ... Vancover-Island nur zum Zwecke parteilicher Agitation ...
- ... Vancouver-Island nur zum Zwecke parteilicher Agitation ...
-
- [S. 42]:
- ... auf seinen Patz begiebt. ...
- ... auf seinen Platz begiebt. ...
-
- [S. 49]:
- ... Loth trit aus der Hausthür, steht still, dehnt sich, thut
- mehrere ...
- ... Loth tritt aus der Hausthür, steht still, dehnt sich, thut
- mehrere ...
-
- [S. 112]:
- ... beleuchtet ist auch noch die Holztreppe in dem erstem Stock. ...
- ... beleuchtet ist auch noch die Holztreppe in dem ersten Stock. ...
-
- [S. 112]:
- ... Nich mal det bisken Nachtruhe hat man. -- Immer verraulicher. ...
- ... Nich mal det bisken Nachtruhe hat man. -- Immer
- vertraulicher. ...
-
- [S. 117]:
- ... Süd- nnd Nord-Amerika, an Afrika, Australien, die ...
- ... Süd- und Nord-Amerika, an Afrika, Australien, die ...
-
- [S. 122]:
- ... Loth. Wird's nicht bald zn Ende gehen? ...
- ... Loth. Wird's nicht bald zu Ende gehen? ...
-
- [S. 135]:
- ... Wintergarten hereinkommend, trifft aus Eduard, der etwas aus ...
- ... Wintergarten hereinkommend, trifft auf Eduard, der etwas aus ...
-
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Vor Sonnenaufgang, by Gerhart Hauptmann
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VOR SONNENAUFGANG ***
-
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-<title>The Project Gutenberg eBook of Vor Sonnenaufgang, by Gerhart Hauptmann</title>
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- <!-- TITLE="Vor Sonnenaufgang" -->
- <!-- AUTHOR="Gerhart Hauptmann" -->
- <!-- LANGUAGE="de" -->
- <!-- PUBLISHER="S. Fischer, Berlin" -->
- <!-- DATE="1902" -->
- <!-- COVER="images/cover-page.jpg" -->
-
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-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Vor Sonnenaufgang, by Gerhart Hauptmann
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
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-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
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-
-Title: Vor Sonnenaufgang
- Soziales Drama
-
-Author: Gerhart Hauptmann
-
-Release Date: June 2, 2016 [EBook #52218]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VOR SONNENAUFGANG ***
-
-
-
-
-Produced by Peter Becker, Jens Sadowski, and the Online
-Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This
-file was produced from images generously made available
-by The Internet Archive.
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="frontmatter">
-<p class="half">
-Vor Sonnenaufgang
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="frontmatter">
-<p class="hdr">
-Von Gerhart Hauptmann erschienen im gleichen Verlage:
-</p>
-
- <div class="table">
-<table class="works" summary="Table-1">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Vor Sonnenaufgang.</span> Soziales Drama.</td>
- <td class="col2">9. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Das Friedensfest.</span> Eine Familienkatastrophe.</td>
- <td class="col2">4.-5. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Einsame Menschen.</span> Drama.</td>
- <td class="col2">13.-14. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">De Waber.</span> Schauspiel aus den 40er Jahren. Originalausgabe.</td>
- <td class="col2">2. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Die Weber.</span> Schauspiel aus den 40er Jahren. Übertragung.</td>
- <td class="col2">27.-28. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">College Crampton.</span> Komödie.</td>
- <td class="col2">5.-6. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Bahnwärter Thiel.</span> Der Apostel. Novellistische Studien.</td>
- <td class="col2">5.-6. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Der Biberpelz.</span> Eine Diebskomödie.</td>
- <td class="col2">7.-8. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Hannele.</span> Eine Traumdichtung. Illustriert (vergriffen).</td>
- <td class="col2">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Hanneles Himmelfahrt.</span> Eine Traumdichtung.</td>
- <td class="col2">9.-10. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Florian Geyer.</span></td>
- <td class="col2">5.-6. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Die versunkene Glocke.</span> Ein deutsches Märchendrama.</td>
- <td class="col2">49.-52. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Fuhrmann Henschel.</span> Schauspiel. Originalausgabe.</td>
- <td class="col2">13.-16. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Fuhrmann Henschel.</span> Schauspiel. Übertragung.</td>
- <td class="col2">9.-12. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Schluck und Jau.</span> Spiel zu Scherz und Schimpf.</td>
- <td class="col2">8.-10. Auflage.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="larger">Michael Kramer.</span> Drama.</td>
- <td class="col2">9.-10. Auflage.</td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
- </div>
-</div>
-
-<div class="frontmatter">
-<h1 class="title">
-Vor Sonnenaufgang
-</h1>
-
-<p class="aut">
-<span class="line1">Soziales Drama</span><br />
-<span class="line2">von</span><br />
-<span class="line3">Gerhart Hauptmann</span>
-</p>
-
-<p class="run">
-Neunte Auflage
-</p>
-
-<p class="pub">
-Berlin,<br />
-S. Fischer, Verlag,<br />
-1902
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="frontmatter">
-<p class="cop">
-Sowohl Aufführungs- als Nachdrucks- und Uebersetzungsrecht
-vorbehalten.
-</p>
-
-<p class="manus">
-Den Bühnen gegenüber Manuskript.
-</p>
-
-</div>
-
-<h2 class="intro chapter" id="chapter-0-1" title="Vorrede">
-<a id="page-5" class="pagenum" title="5"></a>
-&nbsp;
-</h2>
-
-<p>
-Die Aufführung dieses Dramas fand am 20. Oktober
-statt in den Räumen des Lessing-Theaters, veranstaltet
-vom Verein &bdquo;Freie Bühne&ldquo;. Ich benutze den
-Anlaß der Herausgabe einer neuen Auflage, um aus
-vollem Herzen den Leitern dieses Vereins insgesammt,
-in Sonderheit aber den Herren Otto Brahm und Paul
-Schlenther zu danken. Möchte es die Zukunft erweisen,
-daß sie sich, indem sie, kleinlichen Bedenken zum Trotz,
-einem aus reinen Motiven heraus entstandenen Kunstwerk
-zum Leben verhalfen, um die <em>deutsche</em> Kunst
-verdient gemacht haben.
-</p>
-
-<p class="date">
-<b>Charlottenburg</b>, den 26. Oktober 1889.
-</p>
-
-<p class="sign">
-<b>Gerhart Hauptmann.</b>
-</p>
-
-<h2 class="dpers chapter" id="chapter-0-2">
-<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a>
-Handelnde Menschen.
-</h2>
-
-
-<div class="table">
-<table class="dpers" summary="Table-1">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2">&nbsp;</td>
- <td class="col2 c2 s2">Besetzung bei der ersten<br />Aufführung.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Krause</span>, <span class="dir">Bauerngutsbesitzer</span></td>
- <td class="col2">Hans Pagay.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Frau Krause</span>, <span class="dir">seine zweite Frau</span></td>
- <td class="col2">Louise v. Pöllnitz.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="speaker">Helene</span>,</td>
- <td class="x" rowspan="2"><span class="x2">}</span> <span class="dir">Krause&rsquo;s Töchter erster Ehe</span></td>
- <td class="col2">Elsa Lehmann.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="speaker">Martha</span>,</td>
- <td class="col2 c2">* * *</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Hoffmann</span>, <span class="dir">Ingenieur, verheirathet mit Martha</span></td>
- <td class="col2">Gustav Kadelburg.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Wilhelm Kahl</span>, <span class="dir">Neffe der Frau Krause</span></td>
- <td class="col2">Carl Stallmann.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Frau Spiller</span>, <span class="dir">Gesellschafterin der Frau Krause</span></td>
- <td class="col2">Ida Stägemann.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Alfred Loth</span></td>
- <td class="col2">Theodor Brandt.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span></td>
- <td class="col2">Franz Guthery.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Beibst</span>, <span class="dir">Arbeitsmann auf Krause&rsquo;s Gut</span></td>
- <td class="col2">Paul Pauly.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="speaker">Guste</span>,</td>
- <td class="x" rowspan="3"><span class="x3">}</span> <span class="dir">Mägde auf Krause&rsquo;s Gut</span></td>
- <td class="col2">Sophie Berg.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="speaker">Liese</span>,</td>
- <td class="col2">Clara Hahn.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><span class="speaker">Marie</span>,</td>
- <td class="col2">Antonie Ziegler.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Baer</span>, <span class="dir">genannt Hopslabaer</span></td>
- <td class="col2">Ferdinand Meyer.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Eduard</span>, <span class="dir">Hoffmann&rsquo;s Diener</span></td>
- <td class="col2">Edmund Schmasow.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Miele</span>, <span class="dir">Hausmädchen bei Frau Krause</span></td>
- <td class="col2">Helene Schüle.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Die Kuschenfrau</span></td>
- <td class="col2">Marie Gundra.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Golisch</span>, <span class="dir">genannt Gosch. Kuhjunge</span></td>
- <td class="col2">Georg Baselt.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1" colspan="2"><span class="speaker">Ein Packetträger</span></td>
- <td class="col2 c2">* * *</td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-<hr class="tb" />
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-3">
-<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a>
-Erster Akt.
-</h2>
-
-<div class="centerpic" id="img-009">
-<img src="images/009.jpg" alt="" /></div>
-
-<div class="dir scene">
-<p>
-Das Zimmer ist niedrig; der Fußboden mit guten Teppichen
-belegt. Moderner Luxus auf bäuerische Dürftigkeit gepfropft.
-An der Wand hinter dem Eßtisch ein Gemälde, darstellend einen
-vierspännigen Frachtwagen, von einem Fuhrknecht in blauer
-Blouse geleitet.
-</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>
-Miele, eine robuste Bauernmagd mit rothem, etwas stumpfsinnigem
-Gesicht; sie öffnet die Mittelthür und läßt Alfred Loth
-<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a>
-eintreten. Loth ist mittelgroß, breitschultrig, untersetzt, in seinen
-Bewegungen bestimmt, doch ein wenig ungelenk; er hat blondes
-Haar, blaue Augen und ein dünnes, lichtblondes Schnurrbärtchen,
-sein ganzes Gesicht ist knochig und hat einen gleichmäßig
-ernsten Ausdruck. Er ist ordentlich, jedoch nichts weniger
-als modern gekleidet. Sommerpaletot, Umhängetäschchen, Stock.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Miele.</span> Bitte! Ich werde den Herrn Inschinnär
-glei ruffen. Wolln Sie nich Platz nehmen?!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Die Glasthür zum Wintergarten wird heftig aufgestoßen;
-ein Bauernweib, im Gesicht blauroth vor Wuth, stürzt herein.
-Sie ist nicht viel besser als eine Waschfrau gekleidet. Nackte,
-rothe Arme, blauer Kattunrock und Mieder, rothes punktirtes
-Brusttuch. Alter: Anfang 40, Gesicht hart, sinnlich, bösartig.
-Die ganze Gestalt sonst gut conservirt.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">schreit</span>. Ihr Madel!! ... Richtig! ...
-Doas Loster vu Froovulk! ... Naus! mir gahn nischt! ...
-<span class="dir">Halb zu Miele, halb zu Loth.</span> A koan orbeita, a hoot Oarme.
-Naus! hier gibbt&rsquo;s nischt!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Aber Frau ... Sie werden doch ... ich ...
-ich heiße Loth, bin ... wünsche zu ... habe auch nicht
-die Ab....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Miele.</span> A wull ock a Herr Inschinnär sprechen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Beim Schwiegersuhne batteln: doas
-kenn&rsquo; mer schunn. &mdash; A hoot au nischt, a hoot&rsquo;s au ock
-vu ins, nischt iis seine! <span class="dir">Die Thür rechts wird aufgemacht. Hoffmann
-steckt den Kopf heraus.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Schwiegermama! &mdash; Ich muß doch
-bitten ... <span class="dir">Er tritt heraus, wendet sich an Loth.</span> Was steht zu ...
-Alfred! Kerl! Wahrhaftig &rsquo;n Gott, Du!? Das ist aber
-mal ... nein <em>das</em> is doch mal &rsquo;n Gedanke!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a>
-Hoffmann ist etwa dreiunddreißig alt, schlank, groß, hager.
-Er kleidet sich nach der neuesten Mode, ist elegant frisirt, trägt
-kostbare Ringe, Brillantknöpfe im Vorhemd und Berloques an
-der Uhrkette. Kopfhaar und Schnurrbart schwarz, der letztere
-sehr üppig, äußerst sorgfältig gepflegt. Gesicht spitz, vogelartig.
-Ausdruck verschwommen, Augen schwarz, lebhaft, zuweilen
-unruhig.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich bin nämlich ganz zufällig ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">aufgeregt</span>. Etwas Lieberes ... nun aber
-zunächst leg ab! <span class="dir">Er versucht ihm das Umhängetäschchen abzunehmen.</span>
-&mdash; Etwas Lieberes und so Unerwartetes hätte mir jetzt
-&mdash; <span class="dir">er hat ihm Hut und Stock abgenommen und legt beides auf einen Stuhl
-neben der Thür</span> &mdash; hätte mir jetzt entschieden nicht passiren
-können, &mdash; <span class="dir">indem er zurückkommt</span> &mdash; <em>entschieden</em> nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">sich selbst das Täschchen abnehmend</span>. Ich bin nämlich
-&mdash; nur so per Zufall auf Dich &mdash; <span class="dir">er legt das Täschchen auf den
-Tisch im Vordergrund</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Setz&rsquo; Dich! Du mußt müde sein, setz&rsquo;
-Dich &mdash; bitte. Weißt De noch? wenn Du mich besuchtest,
-da hatt&rsquo;st Du so &rsquo;ne Manier, Dich lang auf das
-Sopha hinfallen zu lassen, daß die Federn krachten; mitunter
-sprangen sie nämlich auch. Also Du, höre! mach&rsquo;s
-wie damals.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Frau Krause hat ein sehr erstauntes Gesicht gemacht und
-sich dann zurückgezogen. Loth läßt sich auf einen der Sessel
-nieder, welche rings um den Tisch im Vordergrunde stehen.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Trinkst Du was? Sag&rsquo;! &mdash; Bier?
-Wein? Cognac? Kaffee? Thee? Es ist alles im Hause.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Helene kommt lesend aus dem Wintergarten; ihre große,
-ein wenig zu starke Gestalt, die Frisur ihres blonden, ganz
-<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a>
-ungewöhnlich reichen Haares, ihr Gesichtsausdruck, ihre moderne
-Kleidung, ihre Bewegungen, ihre ganze Erscheinung überhaupt
-verleugnen das Bauernmädchen nicht ganz.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Schwager, Du könntest ... <span class="dir">Sie entdeckt Loth
-und zieht sich schnell zurück.</span> Ach! ich bitte um Verzeihung. <span class="dir">Ab.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Bleib doch, bleib!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Deine Frau?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nein, ihre Schwester. Hörtest Du nicht,
-wie sie mich betitelte?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Hübsch! Wie? &mdash; Nu aber erklär&rsquo; Dich!
-Kaffee? Thee? Grog?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Danke, danke für alles.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">präsentirt ihm Cigarren</span>. Aber <em>das</em> ist was für
-Dich &mdash; nicht?! ... Auch nicht?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein, danke.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Beneidenswerthe Bedürfnißlosigkeit! <span class="dir">Er
-raucht sich selbst eine Cigarre an und spricht dabei.</span> Die A.. Asche,
-wollte sagen der ... der Tabak ... ä! Rauch natürlich ...
-der Rauch belästigt Dich doch wohl nicht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wenn ich <em>das</em> nicht noch hätte ... ach
-Gott ja, das bischen Leben! &mdash; Nu aber thu mir den
-Gefallen, erzähle was. &mdash; Zehn Jahre &mdash; bist übrigens
-kaum sehr verändert &mdash; zehn Jahre, &rsquo;n ekliger Fetzen
-Zeit &mdash; was macht Schn... Schnurz nannten wir ihn
-ja wohl? Fips, &mdash; die ganze heitere Blase von
-damals? Hast du den einen oder anderen im Auge
-behalten?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sach mal, solltest Du das nicht wissen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Was?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Daß er sich erschossen hat.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wer? &mdash; hat sich wieder mal erschossen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Fips! Friedrich Hildebrandt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> I warum nich gar!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja! er hat sich erschossen &mdash; im Grunewald,
-an einer sehr schönen Stelle der Havelseeufer. Ich
-war dort, man hat den Blick auf Spandau.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Hm! &mdash; Hätt ihm das nicht zugetraut,
-war doch sonst keine Heldennatur.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Deswegen hat er sich eben erschossen. &mdash;
-<em>Gewissenhaft</em> war er, sehr gewissenhaft.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Gewissenhaft? Woso?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nun, darum eben ... sonst hätte er sich
-wohl nicht erschossen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Versteh nicht recht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Na, die Farbe seiner politischen Anschauungen
-kennst Du doch?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ja, grün.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du kannst sie gern so nennen. Er war,
-dies wirst Du ihm wohl lassen müssen, ein talentvoller
-Jung. &mdash; Fünf Jahre hat er als Stuccateur arbeiten
-müssen, andere fünf Jahre dann, so zu sagen, auf eigene
-Faust durchgehungert und dazu kleine Statuetten modellirt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Abstoßendes Zeug. Ich will von der
-Kunst erheitert sein .... Nee! diese Sorte Kunst war
-durchaus nicht mein Geschmack.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-14" class="pagenum" title="14"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Meiner war es auch nicht, aber er hatte
-sich nun doch einmal drauf versteift. Voriges Frühjahr
-schrieben sie da ein Denkmal aus; irgend ein Duodezfürstchen,
-glaub ich, sollte verewigt werden. Fips hatte
-sich betheiligt und gewonnen; kurz darauf schoß er sich todt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wo da die Gewissenhaftigkeit stecken
-soll, ist mir völlig schleierhaft. &mdash; Für so was habe ich
-nur eine Benennung: Spahn &mdash; auch Wurm &mdash; Spleen
-&mdash; so was.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das ist ja das allgemeine Urtheil.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Thut mir leid, kann aber nicht umhin
-mich ihm anzuschließen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es ist ja für ihn auch ganz gleichgültig,
-was ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach überhaupt, lassen wir das. Ich
-bedauere ihn im Grunde ganz ebenso sehr wie Du, aber
-&mdash; nun ist er doch einmal todt, der gute Kerl; &mdash; erzähle
-mir lieber etwas von <em>Dir</em>, was Du getrieben hast,
-wie&rsquo;s Dir ergangen ist.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es ist mir so ergangen, wie ich&rsquo;s erwarten
-mußte. &mdash; Hast Du gar nichts von mir gehört? &mdash; durch
-die Zeitungen mein ich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">ein wenig befangen</span>. Wüßte nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nichts von der Leipziger Geschichte?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach so, <em>das</em>! &mdash; Ja! &mdash; Ich glaube ....
-nichts Genaues.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Also, die Sache war folgende:
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">seine Hand auf Loth&rsquo;s Arm legend</span>. Ehe Du anfängst:
-willst Du denn <em>gar</em> nichts zu Dir nehmen?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Später vielleicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Auch nicht ein Gläschen Cognac?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein. Das am allerwenigsten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nun, dann werde ich ein Gläschen ....
-Nichts besser für den Magen. <span class="dir">Holt Flasche und zwei Gläschen
-vom Buffet, setzt alles auf den Tisch vor Loth.</span> <span class="antiqua">Grand <a id="corr-0"></a>Champagne</span>,
-feinste Nummer; ich kann ihn empfehlen. &mdash; Möchtest Du
-nicht ....?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Danke.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">kippt das Gläschen in den Mund</span>. Oah! &mdash; na,
-nu bin ich ganz Ohr.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Kurz und gut: da bin ich eben sehr stark
-hineingefallen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Mit zwei Jahren, glaub ich?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ganz recht! Du scheinst es ja doch also zu
-wissen. Zwei Jahre Gefängniß bekam ich, und nach dem
-haben sie mich noch von der Universität relegirt. Damals
-war ich &mdash; einundzwanzig. Nun! in diesen zwei
-Gefängnißjahren habe ich mein erstes volkswirthschaftliches
-Buch geschrieben. Daß es gerade ein Vergnügen gewesen,
-zu brummen, müßte ich allerdings lügen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wie man doch einmal so sein konnte!
-Merkwürdig! So was hat man sich nun allen Ernstes in
-den Kopf gesetzt. Baare Kindereien sind es gewesen, kann
-mir nicht helfen, Du! &mdash; nach Amerika auswandern &rsquo;n
-Dutzend Gelbschnäbel wie wir! &mdash; <em>wir</em> und Musterstaat
-gründen! Köstliche Vorstellung!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Kindereien?! &mdash; tjaa! In gewisser Beziehung
-sind es auch wirklich Kindereien gewesen! Wir
-<a id="page-16" class="pagenum" title="16"></a>
-unterschätzten die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Und daß Du nun <em>wirk&mdash;lich hinaus</em>
-gingst &mdash; nach Amerika &mdash; all&mdash;len Ernstes mit leeren
-Händen .... Denk&rsquo; doch mal an, was es heißt, Grund
-und Boden für einen Musterstaat mit leeren Händen erwerben
-zu wollen: das ist ja beinahe ver.... jedenfalls
-ist es einzig naiv.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ach, gerade mit dem Ergebniß meiner Amerikafahrt
-bin ich ganz zufrieden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">laut auflachend</span>. Kaltwasserkur, vorzügliche
-Resultate, wenn Du es so meinst ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Kann sein, ich bin etwas abgekühlt worden;
-damit ist mir aber gar nichts <em>Besonderes</em> geschehen.
-Jeder Mensch macht seinen Abkühlungsprozeß durch. Ich
-bin jedoch weit davon entfernt, den Werth der .... nun,
-sagen wir hitzigen Zeit zu verkennen. Sie war auch gar
-nicht so furchtbar naiv, wie Du sie hinstellst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Na, ich weiß nicht?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du brauchst nur an die Durchschnittskindereien
-unserer Tage denken: das Couleurwesen auf den Universitäten,
-das Saufen, das Pauken. Warum all der
-Lärm? Wie Fips zu sagen pflegte: um Hekuba!
-</p>
-
-<p>
-Um Hekuba drehte es sich bei uns doch wohl nicht;
-wir hatten die allerhöchsten menschheitlichen Ziele im
-Auge. Und abgesehen davon, diese naive Zeit hat bei
-mir gründlich mit Vorurtheilen aufgeräumt. Ich bin mit
-der Scheinreligion und Scheinmoral und mit noch manchem
-Anderen ....
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das kann ich Dir ja auch ohne Weiteres
-zugeben. Wenn ich jetzt doch immerhin ein vorurtheilsloser,
-aufgeklärter Mensch bin, dann verdanke ich das,
-wie ich <em>gar nicht</em> leugne, den Tagen unseres Umgangs.
-&mdash; Natürlicherweise! &mdash; Ich bin der letzte, das zu
-leugnen. &mdash; Ich bin überhaupt in <em>keiner</em> Beziehung
-Unmensch. Nur muß man nicht mit dem Kopfe durch
-die Wand rennen wollen. &mdash; Man muß nicht die Uebel,
-an denen die gegenwärtige Generation, leider Gottes,
-krankt, durch noch größere verdrängen wollen; man muß
-&mdash; alles ruhig seinen natürlichen Gang gehen lassen.
-Was kommen soll, kommt! <em>Praktisch</em>, praktisch muß
-man verfahren! Erinnere Dich! Ich habe das früher
-<em>gerade</em> so betont, und dieser Grundsatz hat sich bezahlt
-gemacht. &mdash; Das <em>ist</em> es ja eben. Ihr alle &mdash; Du mit
-eingerechnet &mdash; Ihr verfahrt höchst <em>un</em>praktisch.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Erklär&rsquo; mir eben mal, wie Du das meinst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> <em>Ein</em>fach! Ihr nützt Eure Fähigkeiten
-nicht aus. Zum Beispiel Du: &rsquo;n Kerl wie
-Du, mit Kenntnissen, Energie etc., was hätte Dir
-nicht offen gestanden! Statt dessen, was machst Du?
-<em>Com&mdash;pro&mdash;mit&mdash;tirst Dich</em> von vornherein
-<em>der</em>&mdash;art ... na, Hand auf&rsquo;s Herz! hast Du das nicht
-manchmal bereut?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich konnte nicht gut bereuen, weil ich ohne
-Schuld verurtheilt worden bin.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Kann ich ja nicht beurtheilen, weißt Du.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du wirst das gleich können, wenn ich Dir
-sage: die Anklageschrift führte aus, ich hätte unseren Verein
-<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a>
-<a id="corr-1"></a>Vancouver-Island nur zum Zwecke parteilicher Agitation
-ins Leben gerufen; dann sollte ich auch Geld zu Parteizwecken
-gesammelt haben. Du weißt ja nun, daß es uns
-mit unseren colonialen Bestrebungen Ernst war, und was
-das Geldsammeln anlangt, so hast Du ja selbst gesagt,
-daß wir alle miteinander leere Hände hatten. Die Anklage
-enthält also kein wahres Wort, und als Mitglied
-solltest Du das doch ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Na &mdash; Mitglied war ich doch wohl
-eigentlich nicht so recht. &mdash; Uebrigens glaube ich Dir
-selbstredend. &mdash; Die Richter sind halt immer nur Menschen,
-muß man nehmen. &mdash; Jedenfalls hättest Du, um praktisch
-zu handeln, auch den <em>Schein</em> meiden müssen. Ueberhaupt:
-ich habe mich in der Folge manchmal baß gewundert
-über Dich: Redacteur der Arbeiterkanzel, des
-obscursten aller Käseblättchen &mdash; Reichstagscandidat des
-süßen Pöbels! Und was hast Du nu davon? &mdash; versteh
-mich nicht falsch! Ich bin der letzte, der es an Mitleid
-mit dem armen Volke fehlen läßt, aber <em>wenn</em> etwas
-geschieht, dann mag es von oben her<em>ab</em> geschehen! Es
-muß sogar von oben herab geschehen, das Volk weiß nun
-mal nicht, was ihm noth thut &mdash; das &bdquo;Von-unten-<em>herauf</em>,&ldquo;
-siehst Du, <em>das</em> eben nenne ich das &bdquo;Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-rennen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich bin aus dem, was Du eben gesagt hast,
-nicht klug geworden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Na, ich meine eben, sieh <em>mich</em> an! Ich
-habe die Hände frei: ich könnte nu schon anfangen was
-für die Ideale zu thun. &mdash; Ich kann wohl sagen, mein
-<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a>
-<em>praktisches</em> Programm ist nahezu durchgeführt. Aber
-Ihr ... immer mit leeren Händen, was wollt denn
-<em>Ihr machen</em>?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, wie man so hört: Du segelst stark auf
-Bleichröder zu.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">geschmeichelt</span>. Zu viel Ehre &mdash; vorläufig
-noch. Wer sagt das? &mdash; Man arbeitet eben seinen
-soliden Stiefel fort. Das belohnt sich naturgemäß &mdash; wer
-sagt das übrigens?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich hörte darüber in Jauer zwei Herren am
-Nebentisch reden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ä! Du! &mdash; Ich habe Feinde! &mdash; Was
-sagten die denn übrigens?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nichts Besonderes. Durch sie erfuhr ich,
-daß Du Dich zur Zeit eben hier auf das Gut Deiner
-Schwiegereltern zurückgezogen hast.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Was die Menschen nicht alles ausschnüffeln!
-Lieber Freund! Du glaubst nicht, wie ein
-Mann in meiner Stellung auf Schritt und Tritt beobachtet
-wird. Das ist auch so &rsquo;n Uebelstand des
-Reich.... &mdash; Die Sache ist nämlich die: ich erwarte der
-größeren Ruhe und gesünderen Luft wegen die Niederkunft
-meiner Frau <em>hier</em>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie paßt denn das aber mit dem Arzt?
-Ein guter Arzt ist doch in solchen Fällen von allergrößter
-Wichtigkeit. Und hier auf dem Dorfe ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das ist es eben: der Arzt hier ist ganz
-besonders tüchtig; und, weißt Du, so viel habe ich bereits
-weg: Gewissenhaftigkeit geht beim Arzt über Genie.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-20" class="pagenum" title="20"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Vielleicht ist sie eine Begleiterscheinung des
-Genies im Arzt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Mein&rsquo;twegen, jedenfalls <em>hat</em> unser Arzt
-Gewissen. Er ist nämlich auch so&rsquo;n Stück Ideologe, halb
-und halb unser Schlag &mdash; reussirt schauderhaft unter
-Bergleuten und auch unter dem Bauernvolk. Man vergöttert
-ihn geradezu. Zu Zeiten übrigens &rsquo;n recht unverdaulicher
-Patron, &rsquo;n Mischmasch von Härte und
-Sentimentalität. Aber, wie gesagt, Gewissenhaftigkeit weiß
-ich zu schätzen! &mdash; Unbedingt! &mdash; Eh ich&rsquo;s vergesse ....
-es ist mir nämlich darum zu thun .... man muß immer
-wissen, wessen man sich zu versehen hat .... Höre! ....
-sage mir doch .... ich seh Dir&rsquo;s an, die Herren am Nebentische
-haben nichts Gutes über mich gesprochen. &mdash; Sag&rsquo;
-mir doch, bitte, was sie gesprochen haben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das sollte ich wohl nicht thun, denn ich will
-Dich nachher um zweihundert Mark bitten, geradezu
-<em>bitten</em>, denn ich werde sie Dir wohl kaum je wiedergeben
-können.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zieht ein Checbuch aus der Brusttasche, füllt einen Chec
-aus, übergiebt ihn Loth</span>. Bei irgend einer Reichsbankfiliale ....
-Es ist mir &rsquo;n Vergnügen ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Deine Fixigkeit übertrifft alle meine Erwartungen.
-&mdash; Na! &mdash; ich nehm es dankbar an und Du
-weißt ja: übel angewandt ist es auch nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">mit Anflug von Pathos</span>. Ein Arbeiter ist seines
-Lohnes werth! &mdash; Doch jetzt, Loth, sei so gut, sag&rsquo; mir,
-was die Herren am Nebentisch ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sie haben wohl Unsinn gesprochen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Sag&rsquo; mir&rsquo;s trotzdem, bitte! &mdash; Es ist
-mir lediglich interessant, <em>ledig&mdash;lich</em> interessant &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es war davon die Rede, daß Du hier einen
-anderen aus der Position verdrängt hättest, &mdash; einen
-Bauunternehmer Müller.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Na&mdash;tür&mdash;lich! <em>diese</em> Geschichte!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich glaube, der Mann sollte mit Deiner
-jetzigen Frau verlobt gewesen sein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> War er auch. &mdash; Und was weiter?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich erzähle Dir alles, wie ich es hörte, weil
-ich annehme: es kommt Dir darauf an, die Verleumdung
-möglichst getreu kennen zu lernen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ganz recht! Also?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> So viel ich heraus hörte, soll dieser Müller
-den Bau einer Strecke der hiesigen Gebirgsbahn übernommen
-haben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ja! Mit lumpigen zehntausend Thalern
-Vermögen. Als er einsah, daß dieses Geld nicht zureichte,
-wollte er schnell eine Witzdorfer Bauerntochter fischen;
-meine jetzige Frau sollte <em>diejenige</em> sein, <em>welche</em>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Er hätte es, sagten sie, mit der Tochter, Du
-mit dem Alten gemacht. &mdash; Dann hat er sich ja wohl
-erschossen?! &mdash; Auch seine Strecke hättest Du zu Ende
-gebaut und noch sehr viel Geld dabei verdient.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Darin ist einiges Wahre enthalten, doch &mdash;
-ich könnte Dir eine Verknüpfung der Thatsachen
-geben ... Wußten sie am Ende noch mehr dergleichen
-erbauliche Dinge?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ganz besonders &mdash; muß ich Dir sagen &mdash;
-<a id="page-22" class="pagenum" title="22"></a>
-regten sie sich über <em>etwas</em> auf: sie rechneten sich vor,
-welch ein enormes Geschäft in Kohlen Du jetzt machtest
-und nannten Dich einen .... na, schmeichelhaft war es
-eben nicht für Dich. Kurz gesagt, sie erzählten, Du
-hättest die hiesigen dummen Bauern beim Champagner
-überredet, einen Vertrag zu unterzeichnen, in welchem Dir
-der alleinige Verschleiß aller in ihren Gruben geförderten
-Kohle übertragen worden ist gegen eine Pachtsumme, die
-fabelhaft gering sein sollte.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">sichtlich peinlich berührt, steht auf</span>. Ich will Dir
-was sagen, Loth .... Ach, warum auch noch darin rühren?
-Ich schlage vor, wir denken an&rsquo;s Abendbrod, mein Hunger
-ist mörderisch. Mörderischen Hunger habe ich. <span class="dir">Er
-drückt auf den Knopf einer elektrischen Leitung, deren Draht in Form einer
-grünen Schnur auf das Sopha herunter hängt; man hört das Läuten einer
-elektrischen Klingel.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nun, wenn Du mich hier behalten willst &mdash;
-dann sei so gut .... ich möchte mich eben &rsquo;n bischen
-säubern.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Gleich sollst Du alles Nöthige ....
-<span class="dir">Eduard tritt ein, Diener in Livree.</span> Eduard! führen Sie den
-Herrn in&rsquo;s Gastzimmer.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Sehr wohl, gnädiger Herr.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">Loth die Hand drückend</span>. In spätestens fünfzehn
-Minuten möchte ich Dich bitten, zum Essen herunter
-zu kommen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Uebrig Zeit. Also Wiedersehen!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wiedersehen!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Eduard öffnet die Thür und läßt Loth vorangehen. Beide
-ab. Hoffmann kratzt sich den Hinterkopf, blickt nachdenklich auf
-<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a>
-den Fußboden, geht dann auf die Thür rechts zu, deren Klinke
-er bereits gefaßt hat, als Helene, welche hastig durch die Glasthür
-eingetreten ist, ihn anruft.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Schwager! Wer war das?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das war einer von meinen Gymnasialfreunden,
-der älteste sogar, Alfred Loth.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">schnell</span>. Ist er schon wieder fort?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nein! Er wird mit uns zu Abend
-essen. &mdash; Womöglich .... ja, womöglich auch hier übernachten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Oh Jeses! Da komme ich nicht zum
-Abendessen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Aber Helene!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Was brauche ich auch unter gebildete
-Menschen zu kommen! Ich will nur ruhig weiter verbauern.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach, immer diese Schrullen! Du wirst
-mir sogar den großen Dienst erweisen und die Anordnungen
-für den Abendtisch treffen. Sei so gut! &mdash;
-Wir machen&rsquo;s &rsquo;n bischen feierlich. Ich vermuthe nämlich,
-er führt irgend was im Schilde.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Was meinst Du, im Schilde führen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Maulwurfsarbeit &mdash; wühlen, wühlen. &mdash;
-Davon verstehst Du nun freilich nichts. &mdash; Kann mich
-übrigens täuschen, denn ich habe bis jetzt vermieden auf
-diesen Gegenstand zu kommen. Jedenfalls mach alles
-recht einladend. Auf diese Weise ist den Leuten noch am
-leichtesten ... Champagner natürlich! Die Hummern von
-Hamburg sind angekommen?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-24" class="pagenum" title="24"></a>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich glaube, sie sind heut früh angekommen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Also, Hummern! <span class="dir">Es klopft sehr stark.</span> Herein!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Postpacketträger.</span> <span class="dir">Eine Kiste unter&rsquo;m Arm, eintretend, spricht
-er in singendem Tone.</span> Eine <em>Kis&mdash;te</em>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Von wo?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Packetträger.</span> <em>Ber&mdash;lin.</em>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Richtig. Es werden die Kindersachen von
-Hertzog sein. <span class="dir">Er besieht das Packet und nimmt den Abschnitt.</span> Ja,
-ja, es sind die Sachen von Hertzog.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> <em>Die&mdash;se</em> Kiste voll? Du übertreibst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">lohnt den Packetträger ab</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Packetträger</span> <span class="dir">ebenso halb singend</span>. Schö&rsquo;n gn&rsquo;n A&mdash;bend. <span class="dir">Ab.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wieso übertreiben?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nun, hiermit kann man doch wenigstens
-drei Kinder ausstatten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Bist Du mit meiner Frau spazieren
-gegangen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Was soll ich machen, wenn sie immer
-gleich müde wird?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach was, immer gleich müde &mdash; sie
-macht mich unglücklich! Ein und eine halbe Stunde ...
-sie soll doch um Gottes Willen thun, was der Arzt sagt.
-Zu was hat man denn den Arzt, wenn ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Dann greife Du ein, schaff&rsquo; die Spillern
-fort! Was soll ich gegen so &rsquo;n altes Weib machen, die
-ihr immer nach dem Munde geht!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Was denn? ... ich als Mann ...
-was soll ich als Mann? ... und außerdem, Du kennst
-doch die Schwiegermama.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-25" class="pagenum" title="25"></a>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">bitter</span>. Allerdings.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wo ist sie denn jetzt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Die Spillern stutzt sie heraus, seit Herr
-Loth hier ist; sie wird wahrscheinlich zum Abendbrod
-wieder ihr Rad schlagen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">schon wieder in eigenen Gedanken, macht einen Gang
-durch&rsquo;s Zimmer; heftig</span>. Es ist das letzte Mal, auf Ehre!,
-daß ich so etwas hier in diesem Hause abwarte. Auf
-Ehre!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, Du hast es eben gut, Du kannst gehen,
-wohin Du willst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Bei mir zu Hause wäre der unglückliche
-Rückfall in dies schauderhafte Laster auch <em>sicher
-nicht</em> vorgekommen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> <em>Mich</em> mache dafür nicht verantwortlich!
-Von <em>mir</em> hat sie den Branntwein nicht bekommen.
-Schaff&rsquo; Du nur die Spillern fort. Ich sollte bloß &rsquo;n
-Mann sein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">seufzend</span>. Ach, wenn es nur erst wieder
-vorüber wär&rsquo;! &mdash; <span class="dir">In der Thür rechts.</span> Also Schwägerin,
-Du thust mir den Gefallen: einen recht appetitlichen
-Abendtisch! Ich erledige schnell noch eine Kleinigkeit.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">drückt auf den Klingelknopf, Miele kommt</span>. Miele,
-decken Sie den Tisch! Eduard soll Sekt kalt stellen und
-vier Dutzend Austern öffnen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Miele</span> <span class="dir">unterdrückt, batzig</span>. Sie kinn&rsquo;n &rsquo;s &rsquo;m salber sagen,
-a nimmt nischt oa vu mir, a meent immer: a wär ok
-beim Inschinnär gemit&rsquo;t.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Dann schick ihn wenigstens rein.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a>
-Miele ab. Helene tritt vor den Spiegel, ordnet dies und
-das an ihrer Toilette; währenddeß tritt Eduard ein.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">immer noch vor dem Spiegel</span>. Eduard, stellen Sie
-Sekt kalt und öffnen Sie Austern! Herr Hoffmann hat
-es befohlen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard</span>. Sehr wohl, Fräulein. <span class="dir">Eduard ab. Gleich
-darauf klopft es an die Mittelthür.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">fährt zusammen</span>. Großer Gott! &mdash; <span class="dir">Zaghaft.</span>
-Herein! &mdash; <span class="dir">lauter und fester</span> &mdash; herein!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">tritt ein ohne Verbeugung</span>. Ach, um Verzeihung!
-&mdash; ich wollte nicht stören, &mdash; mein Name ist Loth.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">verbeugt sich tanzstundenmäßig</span>.
-</p>
-
-<p>
-Stimme <span class="speaker">Hoffmann&rsquo;s</span> <span class="dir">durch die geschlossene Zimmerthür</span>:
-Kinder! keine Umstände! &mdash; Ich komme gleich heraus. Loth!
-es ist meine Schwägerin Helene Krause! Und Schwägerin!
-es ist mein Freund Alfred Loth! Betrachtet Euch als
-vorgestellt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nein, über Dich aber auch!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich nehme es ihm nicht übel, Fräulein! Bin
-selbst, wie man mir sehr oft gesagt hat, in Sachen des
-guten Tons ein halber Barbar. &mdash; Aber wenn ich Sie
-gestört habe, so ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Bitte, &mdash; Sie haben mich gar nicht gestört, &mdash;
-durchaus nicht. <span class="dir">Befangenheitspause, hierauf:</span> Es ist ... es ist
-schön von Ihnen, daß &mdash; Sie meinen Schwager aufgesucht
-haben. Er beklagt sich immer von ... er bedauert immer,
-von seinen Jugendfreunden so ganz vergessen zu sein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, es hat sich zufällig so getroffen. &mdash; Ich
-war immer in Berlin und daherum &mdash; wußte eigentlich
-<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a>
-nicht, wo Hoffmann steckte. Seit meiner Breslauer
-Studienzeit war ich nicht mehr in Schlesien.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Also nur so zufällig sind Sie auf ihn gestoßen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nur ganz zufällig &mdash; und zwar gerade an
-dem Ort, wo ich meine Studien zu machen habe.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, Spaß! &mdash; Witzdorf und Studien
-machen, nicht möglich! in diesem armseligen Neste?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Armselig nennen Sie es? &mdash; Aber es liegt
-doch hier ein ganz außergewöhnlicher Reichthum.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja doch! in der Hinsicht ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich habe nur immer gestaunt. Ich kann
-Sie versichern, solche Bauernhöfe giebt es nirgendwo
-anders; da guckt ja der Ueberfluß wirklich aus Thüren
-und Fenstern.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Da haben Sie recht. In mehr als einem
-Stalle hier fressen Kühe und Pferde aus marmornen
-Krippen und neusilbernen Raufen! Das hat die Kohle
-gemacht, die unter unseren Feldern gemuthet worden ist,
-die hat die armen Bauern im Handumdrehen steinreich
-gemacht. <span class="dir">Sie weist auf das Bild an der Hinterwand.</span> Sehen Sie
-da &mdash; mein Großvater war Frachtfuhrmann. Das Gütchen
-gehörte ihm, aber der geringe Boden ernährte ihn nicht,
-da mußte er Fuhren machen. &mdash; Das dort ist er selbst
-in der blauen Blouse &mdash; man trug damals noch solche
-blaue Blousen. &mdash; Auch mein Vater als junger Mensch
-ist darin gegangen. &mdash; Nein! &mdash; so meinte ich es nicht &mdash;
-mit dem &bdquo;armselig&ldquo;; nur ist es so öde hier. So ...
-gar nichts für den Geist giebt es. Zum Sterben langweilig
-ist es.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<a id="page-28" class="pagenum" title="28"></a>
-Miele und Eduard ab- und zugehend decken den Tisch rechts
-im Hintergrunde.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Giebt es denn nicht zuweilen Bälle oder Kränzchen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nicht mal das giebt es. Die Bauern
-<em>spielen</em>, <em>jagen</em>, <em>trinken</em> ... was sieht man den
-ganzen Tag? <span class="dir">Sie ist vor das Fenster getreten und weist mit der
-Hand hinaus.</span> Hauptsächlich solche Gestalten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Hm! Bergleute.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> <em>Welche</em> gehen zur Grube, <em>welche</em> kommen
-von der Grube: das hört nicht auf. &mdash; Wenigstens ich
-sehe <em>immer</em> Bergleute. Denken Sie, daß ich alleine
-auf die Straße mag? Höchstens auf die Felder, durch
-das Hinterthor. Es ist ein <em>zu</em> rohes Pack! &mdash; Und wie
-sie einen immer anglotzen, so schrecklich finster &mdash; als ob
-man geradezu was verbrochen hätte.
-</p>
-
-<p>
-Im Winter, wenn wir so manchmal Schlitten gefahren
-sind und sie kommen dann in der Dunkelei in großen
-Trupps über die Berge, im Schneegestöber und sie sollen
-ausweichen, da gehen sie vor den Pferden her und
-weichen nicht aus. Da nehmen die Bauern manchmal
-den Peitschenstiel, anders kommen sie nicht durch. Ach,
-und dann schimpfen sie hinterher. Hu! ich habe mich
-manchmal so entsetzlich geängstigt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Und nun denken Sie an: gerade um dieser
-Menschen willen &mdash; vor denen Sie sich so sehr fürchten,
-bin ich hierher gekommen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nein aber ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ganz im Ernst, sie interessiren mich hier
-mehr als alles Andere.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a>
-<span class="speaker">Helene.</span> Niemand ausgenommen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Auch mein Schwager nicht ausgenommen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein! &mdash; Das Interesse für diese Menschen
-ist ein ganz anderes, &mdash; höheres ... verzeihen Sie,
-Fräulein! Sie können das am Ende doch wohl nicht verstehen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wieso nicht? Ich verstehe Sie sehr gut,
-Sie ... <span class="dir">Sie läßt einen Brief aus der Tasche gleiten, Loth bückt sich
-darnach.</span> Ach, lassen Sie ... es ist nicht wichtig, nur eine
-gleichgültige Pensionskorrespondenz.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sie sind in Pension gewesen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, in Herrnhut. Sie müssen nicht denken,
-daß ich ... nein, nein, ich verstehe Sie schon.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich meine, die Arbeiter interessieren mich um
-ihrer selbst willen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, freilich, &mdash; es ist ja sehr interessant
-... so ein Bergmann ... wenn man&rsquo;s so nehmen will
-... Es giebt ja Gegenden, wo man gar keine findet, aber
-wenn man sie so täglich ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Auch wenn man sie täglich sieht, Fräulein
-... Man muß sie sogar täglich sehen, um das Interessante
-an ihnen herauszufinden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nun, wenn es <em>so schwer</em> herauszufinden
-... was ist es denn dann? das Interessante mein ich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es ist zum Beispiel interessant, daß diese
-Menschen, wie Sie sagen, immer so gehässig oder finster
-blicken.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wieso meinen Sie, daß das besonders
-interessant ist?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-30" class="pagenum" title="30"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Weil es nicht das Gewöhnliche ist. Wir
-anderen pflegen doch nur zeitweilig und keineswegs
-immer so zu blicken.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, weshalb <em>blicken</em> sie denn nur immer
-so ... so gehässig, so mürrisch? Es muß doch einen
-Grund haben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ganz recht! und <em>den</em> möchte ich gern herausfinden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach <em>Sie</em> sind! Sie lügen mir was vor.
-Was hätten Sie denn davon, wenn Sie das auch wüßten?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Man könnte vielleicht Mittel finden, den
-Grund, warum diese Leute immer so freudlos und gehässig
-sein müssen, wegzuräumen; &mdash; man könnte sie vielleicht
-glücklicher machen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">ein wenig verwirrt</span>. Ich muß Ihnen ehrlich
-sagen, daß ... aber gerade jetzt verstehe ich Sie doch vielleicht
-ein ganz klein wenig. &mdash; Es ist mir nur ... nur
-so ganz <em>neu</em>, <em>so &mdash; ganz</em> &mdash; neu!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">durch die Thüre rechts eintretend. Er hat eine Anzahl
-Briefe in der Hand</span>. So! da bin ich wieder. &mdash; Eduard! daß die
-Briefe noch vor 8 auf der Post sind. <span class="dir">Er händigt dem Diener
-die Briefe ein, der Diener ab.</span>
-</p>
-
-<p>
-So, Kinder! jetzt können wir speisen. &mdash; Unerlaubte
-Hitze hier! September und solche Hitze! <span class="dir">Er hebt den Champagner
-aus dem Eiskübel.</span> Veuve Cliquot: Eduard kennt meine
-stille Liebe. <span class="dir">Zu Loth gewendet.</span> Habt ja furchtbar eifrig disputirt.
-<span class="dir">Tritt an den fertig gedeckten, mit Delicatessen überladenen Abendtisch,
-reibt sich die Hände.</span> Na! das sieht ja recht gut aus!
-<span class="dir">Mit einem verschmitzten Blick zu Loth hinüber.</span> Meinst Du nicht auch?
-<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a>
-&mdash; Uebrigens, Schwägerin! wir bekommen Besuch: Kahl-Wilhelm.
-Er war auf dem Hof.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">macht eine ungezogene Geberde</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Aber Beste! Du thust fast, als ob ich
-ihn ... was kann denn ich dafür? Hab ich ihn etwa
-<em>gerufen</em>? <span class="dir">Man hört schwere Schritte draußen im Hausflur.</span> Ach!
-das Unheil schreitet schnelle.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Kahl tritt ein, ohne vorher angeklopft zu haben. Er ist ein
-vierundzwanzigjähriger, plumper Bauernbursch, dem man es ansieht,
-daß er, so weit möglich, gern den feinen, noch mehr aber
-den reichen Mann herausstecken möchte. Seine Gesichtszüge sind
-grob, der Gesichtsausdruck vorwiegend dumm-pfiffig. Er ist bekleidet
-mit einem grünen Jaquet, bunter Sammtweste, dunklen Beinkleidern
-und Glanzlack-Schaftstiefeln. Als Kopfbedeckung dient
-ihm ein grüner Jägerhut mit Spielhahnfeder. Das Jaquet hat
-Hirschhornknöpfe, an der Uhrkette Hirschzähne etc. Stottert.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Gun&rsquo;n Abend mi&rsquo;nander! <span class="dir">Er erblickt Loth, wird
-sehr verlegen und macht stillstehend eine ziemlich klägliche Figur.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">tritt zu ihm und reicht ihm die Hand aufmunternd</span>.
-Guten Abend, Herr Kahl!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">unfreundlich</span>. Guten Abend.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">geht mit schweren Schritten quer durch das ganze Zimmer
-auf Helene zu und giebt ihr die Hand</span>. &rsquo;n Abend och, Lene.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zu Loth</span>. Ich stelle Dir hiermit Herrn Kahl
-vor, unseren Nachbarssohn.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">grinst und dreht den Hut. Verlegenheitsstille.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Zu Tisch Kinder! Fehlt noch Jemand?
-Ach, die Schwiegermama. Miele! bitten Sie Frau Krause
-zu Tische.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Miele ab durch die Mittelthür.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a>
-<span class="speaker">Miele</span> <span class="dir">draußen im Hausflur schreiend</span>: Frau!! &mdash; Frau!!
-Assa kumma! Sie sill&rsquo;n assa kumma!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Helene und Hoffmann blicken einander an und lachen verständnißinnig,
-dann blicken sie vereint auf Loth.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zu Loth</span>. Ländlich, sittlich!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Frau Krause erscheint, furchtbar aufgedonnert. Seide
-und kostbarer Schmuck. Haltung und Kleidung verrathen
-Hoffahrt, Dummstolz, unsinnige Eitelkeit.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ah! da ist Mama! &mdash; Du gestattest,
-daß ich Dir meinen Freund <span class="antiqua-optional">Dr.</span> Loth vorstelle.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">macht einen undefinirbaren Knix</span>. Ich bin so
-frei! <span class="dir">Nach einer kleinen Pause.</span> Nein, aber auch, Herr Doktor,
-nahmen Sie mir&rsquo;s ock bei Leibe nicht ibel! Ich muß
-mich zuerscht muß ich mich vor Ihn&rsquo;n vertefentiren, &mdash;
-<span class="dir">sie spricht je länger, um so schneller</span> &mdash; vertefentiren wegen meiner
-vorhinigten Benehmigung. Wissen Se, verstihn Se, es
-komm&rsquo; ein der Drehe bei uns eine so ane grußmächtige
-Menge Stremer .... Se kinn&rsquo;s ni gleba, ma hoot
-mit dan Battelvulke seine liebe Noth. A su enner, dar
-maust akrat wie a Ilster. Uf da Pfennig kimmt&rsquo;s ins
-ne ernt oa, ne ock ne, ma braucht a ni dreimol rimzudrehn,
-an ken&rsquo;n Thoaler nich, ebb ma&rsquo;n ausgibbt. De
-Krausa-Ludwig&rsquo;n, <em>die</em> iis geizig, schlimmer wie a Homster
-egelganz, di ginnt ke&rsquo;m Luder nischt. Ihrer is gesturba
-aus Arjer, weil a lumpigte zwetausend ei Brassel verloern
-hoot. Ne, ne! a su sein mir dorchaus nicht. Sahn
-Se, doas Buffett kust&rsquo;t mich zwehundert Thoaler, a Transpurt
-ni gerechnet; na, d&rsquo;r Beron Klinkow keans au ne
-andersch honn.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a>
-<em>Frau Spiller</em> ist kurz nach Frau Krause ebenfalls eingetreten.
-Sie ist klein, schief und mit den zurückgelegten Sachen
-der Frau Krause herausgestutzt. Während Frau Krause spricht,
-hält sie mit einer gewissen Andacht die Augen zu ihr aufgeschlagen.
-Sie ist etwa fünfundfünfzig Jahre alt; ihr Ausathmen geschieht
-jedesmal mit einem leisen Stöhnen, welches auch, wenn sie
-redet, regelmäßig wie&mdash;m&mdash;hörbar wird.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">mit unterwürfigem, wehmüthig geziertem <span class="antiqua">moll</span>-Ton,
-sehr leise</span>. Der Baron Klinkow haben genau dasselbe
-Buffet&mdash;m&mdash;.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">zu Frau Krause</span>. Mama! wollen wir uns nicht
-erst setzen, dann .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">wendet sich blitzschnell und trifft Helene mit einem
-vernichtenden Blick; kurz und herrisch</span>. <em>Schickt sich doas?</em> <span class="dir">Frau
-Krause, im Begriff sich zu setzen, erinnert sich, daß das Tischgebet noch nicht
-gesprochen ist und faltet mechanisch, doch ohne ihrer Bosheit im Uebrigen
-Herr zu sein, die Hände.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">spricht das Tischgebet</span>.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Komm, Herr Jesu, sei unser Gast.</p>
- <p class="verse">Segne, was du uns bescheeret hast.</p>
- <p class="verse">Amen.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Alle setzen sich mit Geräusch. Mit dem Zulangen und
-Zureichen, welches einige Zeit in Anspruch nimmt, kommt man
-über die peinliche Situation hinweg.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zu Loth</span>. Lieber Freund, Du bedienst Dich
-wohl?! Austern?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nun, will probiren. Es sind die ersten
-Austern, die ich esse.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">hat soeben eine Auster geschlürft. Mit vollem
-Mund.</span> In dar Seisong, mein&rsquo;n Se woll?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-34" class="pagenum" title="34"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich meine <em>überhaupt</em>.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Frau Krause und Frau Spiller wechseln Blicke.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zu Kahl, der eine Citrone mit den Zähnen auspreßt</span>.
-Zwei Tage nicht gesehen, Herr Kahl! Tüchtig Mäuse gejagt
-in der Zeit?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> N... n.. ne!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zu Loth</span>. Herr Kahl ist nämlich ein leidenschaftlicher
-Jäger.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> D.. d. die M.. mm.. maus, das ist
-&rsquo;n in... in.. infamtes Am.. am.. amf ff..
-fibium.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">platzt heraus</span>. Zu lächerlich ist das, alles schießt
-er todt, Zahmes und Wildes.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> N.. nächten hab ich d.. d.. die alte
-Szss.. sau vu ins t.. todt g.. g.. geschossen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Da ist wohl schießen Ihre Hauptbeschäftigung?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Herr Kahl thut&rsquo;s ock bloßig zum
-Prifatvergnigen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Wald, Wild, Weib pflegten Seine
-Exellenz der Herr Minister von Schadendorf oftmals zu
-sagen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> I.. i.. iberm.. m.. murne hab&rsquo;n mer
-T.. t.. tau.. t.. taubenschießen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was ist denn das: Taubenschießen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, ich kann so was nicht leiden; es ist
-doch nichts als eine recht unbarmherzige Spielerei. Ungezogene
-Jungens, die mit Steinen nach Fensterscheiben
-zielen, thun etwas Besseres.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Du gehst zu weit, Helene.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich weiß nicht &mdash;, meinem Gefühl nach
-hat es weit mehr Sinn, Fenster einzuschmeißen, als Tauben
-an einem Pfahl festzubinden und dann mit Kugeln nach
-ihnen zu schießen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Na, Helene, &mdash; man muß doch aber
-bedenken ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">irgend etwas mit Messer und Gabel schneidend</span>. Es ist
-ein schandhafter Unfug.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Um die p. poar Tauba ....!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">zu Loth</span>. Der Herr Kahl &mdash; m &mdash;,
-müssen Sie wissen, haben zweihundert Stück im Schlage.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Die ganze Jagd ist ein Unfug.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Aber ein unausrottbarer. Da werden
-zum Beispiel eben jetzt wieder fünfhundert lebende Füchse
-gesucht; alle Förster hier herum und auch sonst in Deutschland
-verlegen sich aufs Fuchsgraben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was macht man denn mit den vielen
-Füchsen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Sie kommen nach England, wo sie die
-Ehre haben, von Lord und Ladys gleich vom Käfig weg
-zu Tode gehetzt zu werden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Muhamedaner oder Christ, Bestie bleibt Bestie.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Darf ich Dir Hummer reichen, Mama?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Meinswegen, ei dieser Seisong sind
-se sehr gutt!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Gnädige Frau haben eine so feine
-Zunge &mdash; m &mdash;!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">zu Loth</span>. Hummer ha&rsquo;n Sie woll auch
-noch nich gegassen. Herr Dukter?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-36" class="pagenum" title="36"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, Hummer habe ich schon hin und wieder
-gegessen &mdash;, an der See oben, in Warnemünde, wo ich
-geboren bin.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">zu Kahl</span>. Gell, Wilhelm, ma weeß wirklich&rsquo;n
-Gott manchmal nich mee, was ma assen sull?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> J.. j.. ja, w.. w.. weeß ... weeß G.. Gott,
-Muhme.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard</span> <span class="dir">will Loth Champagner eingießen</span>. Champagner.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">hält sein Glas zu</span>. Nein! ... danke!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> &mdash; Mach&rsquo; keinen Unsinn.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wie, Sie trinken nicht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein, Fräulein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Na, <em>hör&rsquo;</em> mal an: das ist aber doch ...
-das ist <em>lang</em>weilig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wenn ich tränke, würde ich noch langweiliger
-werden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Das ist interessant, Herr Doktor.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">ohne Tact</span>. Daß ich langweiliger werde, wenn
-ich Wein trinke?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">etwas betreten</span>. Nein, ach nein, daß .... daß
-Sie nicht trinken ...., daß Sie überhaupt nicht trinken,
-meine ich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Warum soll das interessant sein?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">sehr roth werdend</span>. Es ist .... ist nicht das
-Gewöhnliche. <span class="dir">Wird noch röther und sehr verlegen.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">tollpatschig</span>. Da haben Sie recht, leider.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">zu Loth</span>. De Flasche kust uns fufza
-Mark, Sie kinn&rsquo; a dreiste trink&rsquo;n. Direct vu Rheims iis
-<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a>
-a, mir satz&rsquo;n Ihn gewiß nischt Schlechtes vier, mir mieja
-salber nischt Schlechtes.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Ach, glauben Sie mich, &mdash; m &mdash;,
-Herr Doktor, wenn Seine Exellenz der Herr Minister
-von Schadendorf &mdash; m &mdash; so eine Tafel geführt hätten ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Ohne men&rsquo;n Wein kennt ich nich laben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">zu Loth</span>. Sagen Sie uns doch, warum Sie
-nicht trinken!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das kann gerne geschehen, ich ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ae, was! alter Freund! <span class="dir">Er nimmt dem
-Diener die Flasche ab, um nun seinerseits Loth zu bedrängen.</span> Denk&rsquo;
-dran, wie manche hochfidele Stunde wir früher mit einander
-...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein, bitte bemühe Dich nicht, es ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Trink <em>heut</em> mal!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es ist alles vergebens.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Mir zu Liebe!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Hoffmann will eingießen, Loth wehrt ab; es entsteht ein
-kleines Handgemenge.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein! ... nein, wie gesagt ... nein! ... nein,
-danke.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Aber <em>nimm</em> mir&rsquo;s nicht übel ... das
-ist eine Marotte.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">zu Fr. Spiller</span>. Wer nich will, dar hat schunn.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">nickt ergeben</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Uebrigens, des Menschen Wille ... und
-so weiter. So viel sage ich nur: ohne ein Glas Wein
-bei Tisch ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ein Glas Bier zum Frühstück ...
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-38" class="pagenum" title="38"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nun ja, warum nicht? Ein Glas Bier
-ist was sehr gesundes.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ein Cognac hie und da ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Na, wenn man das nicht mal haben
-sollte ... zum Asceten machst Du mich nun und nimmer.
-Das heißt ja dem Leben allen Reiz nehmen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das kann ich nicht sagen. Ich bin mit den
-<em>normalen</em> Reizen, die mein Nervensystem treffen, durchaus
-zufrieden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Eine Gesellschaft, die trockenen Gaumens
-beisammen hockt, ist und bleibt eine verzweifelt öde und
-langweilige &mdash;, für die ich mich im Allgemeinen bedanke.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Bei a Adlijen wird doch auch a so
-viel getrunk&rsquo;n.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">durch eine Verbeugung des Oberkörpers ergebenst
-bestätigend</span>. Es ist Schentelmen leicht viel Wein zu trinken.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">zu Hoffmann</span>. Mir geht es umgekehrt; mich
-<em>langweilt</em> im Allgemeinen eine Tafel, an der <em>viel</em>
-getrunken wird.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Es muß natürlich mäßig geschehen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was nennst Du mäßig?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nun, ... daß man noch immer bei
-Besinnung bleibt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Aaah! ... also Du giebst zu: die Besinnung
-ist im Allgemeinen durch den Alkohol-Genuß sehr gefährdet.
-&mdash; Siehst Du! deshalb sind mir Kneiptafeln &mdash; langweilig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Fürchtest Du denn, so leicht Deine Besinnung
-zu verlieren?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Iiii..... i.. ich habe n. n. neulich ene
-<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a>
-Flasche Rrr... r... rü.. rüd.. desheimer, ene Flasche
-Sssssekt get.. t.. trunken. Oben drauf d.. d.. d..
-dann nnoch eine Flasche B.. b... bordeaux, aber besuffen
-woar ich no n.. nich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">zu Hoffmann</span>. Ach nein, Du weißt ja wohl, daß
-ich es war, der Euch nach Hause brachte, wenn Ihr Euch
-übernommen hattet. Ich hab immer noch die alte Bärennatur:
-nein, <em>deshalb</em> bin ich nicht so ängstlich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Weshalb denn sonst?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, warum trinken Sie denn eigentlich
-nicht? Bitte, sagen Sie es doch.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">zu Hoffmann</span>. Damit Du doch beruhigt bist: ich
-trinke heut schon deshalb nicht, weil ich mich ehrenwörtlich
-verpflichtet habe, geistige Getränke zu meiden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Mit anderen Worten, Du bist glücklich
-bis zum Mäßigkeitsvereinshelden herabgesunken.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich bin völliger Abstinent.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Und auf wie lange, wenn man fragen
-darf, machst Du diese ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Auf Lebenszeit.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">wirft Gabel und Messer weg und fährt halb vom
-Stuhle auf</span>. Pf! gerechter Strohsack!! <span class="dir">Er setzt sich wieder.</span> Offen
-gesagt, für so kindisch ... verzeih das harte Wort.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du kannst es gerne so benennen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wie in aller Welt bist Du nur <em>darauf
-gekommen</em>?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Für so etwas müssen Sie einen sehr gewichtigen
-Grund haben &mdash; denke ich mir wenigstens.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Der existirt allerdings. Sie, Fräulein!
-<a id="page-40" class="pagenum" title="40"></a>
-&mdash; und Du, Hoffmann! weißt wahrscheinlich nicht, welche
-furchtbare Rolle der Alkohol in unserem modernen
-Leben spielt ... Lies <em>Bunge</em>, wenn Du Dir einen
-Begriff davon machen willst. &mdash; Mir ist noch gerade in
-Erinnerung, was ein gewisser Everett über die Bedeutung
-des Alkohols für die Vereinigten Staaten gesagt
-hat. &mdash; Notabene, es bezieht sich auf einen Zeitraum
-von zehn Jahren. Er meint also: der Alkohol
-hat direct eine Summe von 3 Milliarden und indirect
-von 600 Millionen Dollars verschlungen. Er hat
-300000 Menschen getödtet, 100000 Kinder in die
-Armenhäuser geschickt, weitere Tausende in die Gefängnisse
-und Arbeitshäuser getrieben, er hat mindestens
-2000 Selbstmorde verursacht. Er hat den Verlust von
-mindestens 10 Millionen Dollars durch Brand und gewaltsame
-Zerstörung verursacht, er hat 20000 Wittwen
-und schließlich nicht weniger als 1 Million Waisen geschaffen.
-Die Wirkung des Alkohols, das ist das Schlimmste,
-äußert sich so zu sagen bis in&rsquo;s dritte und vierte Glied.
-&mdash; Hätte ich nun das ehrenwörtliche Versprechen abgelegt,
-nicht zu heirathen, dann könnte ich schon eher trinken, so
-aber ... meine Vorfahren sind alle gesunde, kernige
-und wie ich weiß, äußerst mäßige Menschen gewesen.
-Jede Bewegung, die ich mache, jede Strapaze, die ich
-überstehe, jeder Athemzug gleichsam führt mir zu Gemüth,
-was ich ihnen verdanke. Und dies, siehst Du, ist
-der Punkt: <em>ich bin absolut fest entschlossen die
-Erbschaft, die ich gemacht habe, ganz ungeschmälert
-auf meine Nachkommen zu bringen</em>.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Du! &mdash; Schwiegersuhn! &mdash; inse
-Bargleute saufen woarhaftig zu viel: doas muuß woar sein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Die saufen wie d&rsquo; Schweine.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, so was vererbt sich?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es giebt Familien, die daran zu Grunde
-gehen, Trinkerfamilien.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">halb zu Frau Krause, halb zu Helene</span>. Euer Aaler, dar
-treibt&rsquo;s au a wing zu tull.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">weiß wie ein Tuch im Gesicht, heftig</span>. Ach, schwatzen
-Sie keinen Unsinn!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Ne, doch hier enner a su ein patziges
-Froovulk oa; a su ne Prinzessen. Hängst de wieder a
-mol die Gnädige raus, wie? &mdash; A su fährt se a Zukinftigen
-oa. <span class="dir">Zu Loth, auf Kahl deutend.</span> &rsquo;s is nämlich d&rsquo;r
-Zukinftige, missen Sie nahmen, Herr Dukter, &rsquo;s is alles
-eim Renen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">aufspringend</span>. Hör auf! oder ... <em>hör auf</em>,
-Mutter! oder ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Do hiert doch aber werklich ...
-na, do sprecha Se, Herr Dukter, iis das wull Bildung,
-hä? Weeß Gott, ich hal&rsquo; se wie mei egnes Kind, aber
-die treib&rsquo;s reen zu tull.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">beschwichtigend</span>. Ach, Mama! thu mir doch
-den Gefallen ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Neee! <em>groade</em> &mdash; iich sah doas nich
-ein &mdash; a su ane Goans wie die iis ... do hiert olle
-Gerechtigkeit uff ... su ane Titte!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Mama, ich muß Dich aber wirklich doch
-jetzt bitten, Dich ...
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">immer wüthender</span>. Stats doaß doas Froovulk
-ei der Wertschoft woas oagreft ... bewoare ne!
-Doa zeucht se an Flunsch biis hinger beede Leffel. &mdash;
-Oaber da Schillerich, oaber a Gethemoan, a sune tummn
-Scheißkarle, die de nischt kinn&rsquo;n als lieja: vu dan&rsquo;e läßt
-sie sich a Kupp verdrehn. Urnar zum Kränke krieja iis
-doas. <span class="dir">Schweigt bebend vor Wuth.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">begütigend</span>. Nun &mdash; sie wird ja nun
-wieder .... es war ja vielleicht &mdash; nicht ganz recht ...
-es ... <span class="dir">Giebt Helenen, die in Erregung abseits getreten ist, einen Wink,
-auf den hin sich das Mädchen, die Thränen gewaltsam zurückhaltend, wieder
-auf seinen <a id="corr-2"></a>Platz begiebt.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">das nunmehr eingetretene peinliche Schweigen unterbrechend
-zu Loth</span>. Ja .. von was sprachen wir doch? ...
-Richtig! &mdash; vom biederen Alkohol. <span class="dir">Er hebt sein Glas.</span> Nun,
-Mama: Frieden! &mdash; Komm, stoßen wir an, &mdash; seien
-wir friedlich, &mdash; machen wir dem Alkohol Ehre, indem
-wir friedlich sind. <span class="dir">Frau Krause, wenn auch etwas widerwillig, stößt
-doch mit ihm an. Hoffmann, zu Helene gewendet.</span> Was, Helene?!
-&mdash; Dein Glas ist leer? ... Ei der Tausend, Loth!
-Du hast Schule gemacht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach ... nein ... ich ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Mein gnädiges Fräulein, so etwas
-läßt tief ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Aber Du warst doch sonst keine von
-den Zimperlichen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">batzig</span>. Ich hab eben heut keine Neigung zum
-Trinken, <em>einfach</em>!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Bitte, bitte, bitte <em>seeehr</em> um Verzeihung
-... Ja, von was sprachen wir doch?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wir sprachen davon, daß es Trinkerfamilien
-gäbe.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">aufs Neue betreten</span>. Schon recht, schon recht,
-aber ...
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Man bemerkt zunehmenden Aerger in dem Benehmen
-der Frau Krause, während Herr Kahl sichtlich Mühe hat, das
-Lachen über etwas, das ihn innerlich furchtbar zu amüsiren
-scheint, zurückzuhalten. Helene beobachtet Kahl ihrerseits mit
-brennenden Augen und bereits mehrmals hat sie durch einen
-drohenden Blick Kahl davon zurückgehalten etwas auszusprechen,
-was ihm so zu sagen auf der Zunge liegt. Loth, ziemlich
-gleichmüthig, mit Schälen eines Apfels beschäftigt, bemerkt von
-alledem nichts.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ihr scheint übrigens hier ziemlich damit gesegnet
-zu sein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">nahezu fassungslos</span>. Wieso ... mit ... mit
-was gesegnet?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Mit Trinkern natürlicherweise.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Hm! ... meinst Du? ... ach ...
-jaja ..., allerdings, die Bergleute .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nicht nur die Bergleute. Zum Beispiel
-hier in dem Wirthshaus, wo ich abstieg, bevor ich zu
-Dir kam, da saß ein Kerl so: <span class="dir">Er stützt beide Ellenbogen auf den
-Tisch, nimmt den Kopf in die Hände und stiert auf die Tischplatte.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wirklich? <span class="dir">Seine Verlegenheit hat den höchsten
-Grad erreicht; Frau Krause hustet, Helene starrt noch immer auf Kahl,
-welcher jetzt am ganzen Körper vor innerlichem Lachen bebt, sich aber doch
-noch so weit bändigt, nicht laut herauszuplatzen.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es wundert mich, daß Du dieses &mdash; Original
-&mdash; könnte man beinahe sagen, noch nicht kennst.
-<a id="page-44" class="pagenum" title="44"></a>
-Das Wirthshaus ist ja gleich hier nebenan das. Mir
-wurde gesagt, es sei ein hiesiger steinreicher Bauer, der
-seine Tage und Jahre buchstäblich in diesem selben Gastzimmer
-mit Schnapstrinken zubrächte. Das reine Thier
-ist er natürlich. Diese furchtbar öden, versoffenen Augen,
-mit denen er mich anstierte.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Kahl, der bis hierher sich zurückgehalten hat, bricht in ein
-rohes, lautes, unaufhaltsames Gelächter aus, so daß Loth und
-Hoffmann, starr vor Staunen, ihn anblicken.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">unter dem Lachen hervorstammelnd</span>. Woahrhaftig! das
-is ja ... das is ja woahrhaftig der ... der Alte gewesen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">ist entsetzt und empört aufgesprungen. Zerknüllt die Serviette
-und schleudert sie auf den Tisch. Bricht aus.</span> Sie sind ...
-&mdash; <span class="dir">macht die Bewegung des Ausspeiens</span> &mdash; <em>pfui</em>! <span class="dir">Sie geht schnell ab.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">die aus dem Bewußtsein eine große Dummheit gemacht zu
-haben, entstandene Verlegenheit gewaltsam abreißend</span>. Ach woas! ...
-Unsinn! &rsquo;s iis ju zu tumm! &mdash; Iich gieh menner Wege.
-<span class="dir">Er setzt seinen Hut auf und sagt, indem er abgeht, ohne sich noch einmal
-umzuwenden:</span> &rsquo;n Obend!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">ruft ihm nach</span>. Koan Der&rsquo;sch nich verdenken,
-Willem! <span class="dir">Sie legt die Serviette zusammen und ruft dabei.</span> Miele!
-<span class="dir">Miele kommt.</span> Räum ab! <span class="dir">Für sich, aber doch laut.</span> Su ane
-Gans.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">etwas aufgebracht</span>. Ich muß aber doch ehrlich
-sagen, Mama! ..
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Mahr Dich aus. <span class="dir">Steht auf, schnell ab.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Die gnädige Frau &mdash; m &mdash; haben
-heut manches häusliche Aergerniß gehabt &mdash; m &mdash;. Ich
-<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a>
-empfehle mich ganz ergebenst. <span class="dir">Sie steht auf und betet still, unter
-Augenaufschlag, dann ab.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Miele und Eduard decken den Tisch ab. Hoffmann ist aufgestanden
-und kommt mit einem Zahnstocher im Mund nach dem
-Vordergrund, Loth folgt ihm.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ja, siehst Du, so sind die Weiber!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich begreife gar nichts von alledem.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ist auch nicht der Rede werth. &mdash; So
-etwas kommt wie bekannt in den allerfeinsten Familien
-vor. Das darf Dich nicht abhalten ein paar Tage bei uns ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Hätte gern Deine Frau kennen gelernt, warum
-läßt sie sich denn nicht blicken?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">die Spitze einer frischen Cigarre abschneidend</span>. Du
-begreifst, in ihrem Zustand ... die Frauen lassen nun
-mal nicht von der Eitelkeit. Komm! wollen uns draußen
-im Garten bischen ergehen. &mdash; Eduard! den Kaffee in
-die Laube.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Sehr wohl.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Hoffmann und Loth ab durch den Wintergarten. Eduard
-ab durch die Mittelthür, hierauf Miele, ein Brett voll Geschirr
-tragend, ebenfalls ab durch die Mittelthür. Einige Augenblicke
-bleibt das Zimmer leer, dann erscheint
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">erregt, mit verweinten Augen, das Taschentuch vor den
-Mund haltend. Von der Mittelthür, durch welche sie eingetreten ist, macht
-sie hastig ein paar Schritte nach links und lauscht an der Thür von Hoffmann&rsquo;s
-Zimmer.</span> Oh! nicht fort! <span class="dir">Da sie hier nichts vernimmt,
-fliegt sie zur Thür des Wintergartens hinüber, wo sie ebenfalls mit gespanntem
-Ausdruck einige Secunden lauscht. Bittend und mit gefalteten
-Händen inbrünstig.</span> Oh! nicht fort, geh nicht fort!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Der Vorhang fällt.
-</p>
-
-</div>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-4">
-<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a>
-Zweiter Akt.
-</h2>
-
-<div class="centerpic" id="img-046">
-<img src="images/046.jpg" alt="" /></div>
-
-<div class="dir scene">
-<p class="center">
-Morgens gegen vier Uhr.
-</p>
-
-<p>
-Im Wirthshaus sind die Fenster erleuchtet, ein grau-fahler
-Morgenschein durch den Thorweg, der sich ganz allmählich im
-Laufe des Vorgangs zu einer dunklen Röthe entwickelt, die sich
-dann, eben so allmählich, in helles Tageslicht auflöst. Unter dem
-Thorweg, auf der Erde sitzt <em>Beibst</em> (etwa 60jährig) und dengelt
-seine Sense. Wie der Vorhang aufgeht, sieht man kaum mehr als
-<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a>
-seine Silhouette, die gegen den grauen Morgenhimmel absticht,
-vernimmt aber das eintönige, ununterbrochene, regelmäßige Aufschlagen
-des Dengelhammers auf den Dengelambos. Dieses Geräusch
-bleibt während einiger Minuten allein hörbar, hierauf die
-feierliche Morgenstille, unterbrochen durch das Geschrei aus dem
-Wirthshaus abziehender Gäste. Die Wirthshausthür fliegt
-krachend ins Schloß. Die Lichter in den Fenstern verlöschen.
-Hundebellen fern, Hähne krähen laut durcheinander. Auf dem
-Gange vom Wirthshaus her wird eine dunkle Gestalt bemerklich,
-dieselbe bewegt sich in Zickzacklinien dem Hofe zu; es ist der
-Bauer Krause, welcher wie immer als letzter Gast das Wirthshaus
-verlassen hat.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Bauer Krause</span> <span class="dir">ist gegen den Gartenzaun getaumelt, klammert
-sich mit den Händen daran fest und brüllt mit einer etwas näselnden, betrunkenen
-Stimme nach dem Wirthshaus zurück</span>. &rsquo;s Gaartla iis <em>mei</em>&mdash;ne!
-... d&rsquo;r Kratsch&rsquo;m iis <em>mei</em>&mdash;ne ... du Gostwerthlops!
-Dohie hä! <span class="dir">Er macht sich, nachdem er noch einiges Unverständliche
-gemurmelt und geknurrt hat, vom Zaune los und stürzt in den Hof,
-wo er glücklich den Sterzen eines Pfluges zu fassen bekommt.</span> &rsquo;s &rsquo;Gittla
-iis <em>mei</em>&mdash;ne. <span class="dir">Er quasselt halb singend.</span> Trink ... ei ... Briderla,
-trink ... ei ... &rsquo;iderla, Branntw... wwein ...
-&rsquo;acht Kurasche. Dohie hä &mdash; <span class="dir">laut brüllend</span> &mdash; bien iich nee a
-hibscher Moan? .... Hoa iich nee a hibsch Weibla
-dohie hä? ... Hoa iich nee a poar hibsche Madel?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">kommt hastig aus dem Hause. Man sieht, sie hat an
-Kleidern nur umgenommen, soviel in aller Eile ihr möglich gewesen war.</span>
-Papa! ... lieber Papa!! so komm doch schon. <span class="dir">Sie faßt
-ihn unterm Arm, versucht ihn zu stützen und ins Haus zu ziehen.</span> K&mdash;omm
-doch ... nur ... schn&mdash;ell in&rsquo;s Haus, komm doch n&mdash;ur
-schn&mdash;ell! Ach!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Bauer Krause</span> <span class="dir">hat sich aufgerichtet, versucht gerade zu stehen,
-<a id="page-48" class="pagenum" title="48"></a>
-bringt mit einiger Mühe und unter Zuhilfenahme beider Hände einen
-ledernen, strotzenden Geldbeutel aus der Tasche seiner Hose. In dem ein
-wenig helleren Morgenlichte erkennt man die sehr schäbige Bekleidung des
-etwa 50jährigen Mannes, die um nichts besser ist, als die des allergeringsten
-Landarbeiters. Er ist im bloßen Kopf, sein graues, spärliches Haar ungekämmt
-und struppig. Das schmutzige Hemd steht bis auf den Nabel herab
-weit offen; an einem einzigen gestickten Hosenträger hängt die ehemals gelbe,
-jetzt schmutzig glänzende, an den Knöcheln zugebundene Lederhose; die nackten
-Füße stecken in einem Paar gestickter Schlafschuhe, deren Stickerei noch sehr
-neu zu sein scheint. Jacke und Weste trägt der Bauer nicht, die Hemdärmel
-sind nicht zugeknöpft. Nachdem er den Geldbeutel glücklich herausgebracht
-hat, setzt er ihn mit der rechten mehrmals auf die Handfläche der linken
-Hand, so daß das Geld darin laut klimpert und klingt, dabei fixirt er seine
-Tochter mit lascivem Blicke.</span> Dohie hä! &rsquo;s Gald iis <em>mei</em>&mdash;neee!
-hä? Mech&rsquo;st a poar Thoalerla?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, gr&mdash;oßer Gott! <span class="dir">Sie versucht mehrmals
-vergebens, ihn mitzuziehen. Bei einem dieser Versuche umarmt er sie mit
-der Plumpheit eines Gorillas und macht einige unzüchtige Griffe. Helene
-stößt unterdrückte Hilfeschreie aus.</span> Gl&mdash;eich läßt Du l&mdash;os! Laß
-l&mdash;os! bitte, Papa, ach! <span class="dir">Sie weint, schreit dann, plötzlich in äußerster
-Angst, Abscheu und Wuth:</span> Thier, Schwein!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Sie stößt ihn von sich. Der Bauer fällt langhin auf die
-Erde. Beibst kommt von seinem Platz unter dem Thorweg herbeigehinkt.
-Helene und Beibst machen sich daran, den Bauer aufzuheben.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Bauer Krause</span> <span class="dir">lallt</span>. Tr&mdash;ink mei Bri&rsquo;erla, tr&mdash; ...
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Der Bauer wird aufgehoben und stürzt, Beibst und Helene
-mit sich reißend, in das Haus. Einen Augenblick bleibt die
-Bühne leer. Im Hause hört man Lärm, Thürenschlagen. In
-einem Fenster wird Licht, hierauf kommt Beibst wieder aus dem
-Hause. Er reißt an seiner Lederhose ein Schwefelholz an, um
-die kurze Pfeife, welche ihm fast nie aus dem Munde kommt,
-<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a>
-damit in Brand zu stecken. Als er damit noch beschäftigt ist,
-schleicht <em>Kahl</em> aus der Hausthüre. Er ist in Strümpfen, hat
-sein Jaquet über dem linken Arm hängen und trägt mit der
-linken Hand seine Schlafschuhe. Mit der rechten hält er seinen
-Hut, mit dem Munde seinen Hemdkragen. Etwa bis in die
-Mitte des Hofes gelangt, wendet er sich und sieht das Gesicht
-des Beibst auf sich gerichtet. Einen Augenblick scheint er unschlüssig,
-dann bringt er Hut und Hemdkragen in der Linken
-unter, greift in die Hosentasche und geht auf Beibst zu, dem er
-etwas in die Hand drückt.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Do hot &rsquo;r an Thoaler .... oaber halt&rsquo;t
-Eure Gusche! <span class="dir">Er geht eiligst über den Hof und steigt über den
-Staketenzaun rechts. Ab.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<em>Beibst</em> hat mittels eines neuen Streichholzes seine Pfeife
-angezündet, hinkt bis unter den Thorweg, läßt sich nieder und
-nimmt seine Dengelarbeit von Neuem auf. Wieder eine Zeit
-lang nichts als das eintönige Aufschlagen des Dengelhammers
-und das Aechzen des alten Mannes, von kurzen Flüchen unterbrochen,
-wenn ihm etwas bei seiner Arbeit nicht nach Wunsch
-geht. Es ist um ein Beträchtliches heller geworden.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir"><a id="corr-3"></a>tritt aus der Hausthür, steht still, dehnt sich, thut mehrere
-tiefe Athemzüge</span>. H! .. h! .. Morgenluft! <span class="dir">Er geht langsam nach dem
-Hintergrunde zu bis unter den Thorweg. Zu Beibst.</span> Guten Morgen!
-Schon so früh wach?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">mißtrauisch aufschielend, unfreundlich</span>. &rsquo;Murja! <span class="dir">Kleine
-Pause, hierauf Beibst, ohne Loth&rsquo;s Anwesenheit weiter zu beachten, gleichsam
-im Zwiegespräch mit seiner Sense, die er mehrmals aufgebracht hin und herreißt.</span>
-Krummes Oos! na, werd&rsquo;s glei?! Ekch! Himmeldunnerschlag
-ja! <span class="dir">Er dengelt weiter.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">hat sich zwischen die Sterzen eines Exstirpators niedergelassen</span>.
-Es giebt wohl Heuernte heut?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-50" class="pagenum" title="50"></a>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">grob</span>. De Äsel gihn ei&rsquo;s Hä itzunder.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nun, Ihr dengelt doch aber die Sense ...?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">zur Sense</span>. Ekch! tumme Dare.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Kleine Pause, hierauf.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wollt Ihr mir nicht sagen, wozu Ihr die
-Sense scharf macht, wenn doch nicht Heuernte ist?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Na, &mdash; braucht ma ernt keene Sahnse
-zum Futter macha?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ach so! Futter soll also geschnitten werden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Woas d&rsquo;n suste?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wird das alle Morgen geschnitten?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Na! &mdash; sool&rsquo;s Viech derhingern?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ihr müßt schon &rsquo;n bischen Nachsicht mit mir
-haben! Ich bin eben ein Städter; da kann man nicht
-alles so genau wissen von der Landwirthschaft.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Die Staadter glee &mdash; ekch! &mdash; de Staadter,
-die wissa doo glee oals besser wie de Mensche vum
-Lande, hä?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das trifft bei mir nicht zu. &mdash; Könnt Ihr
-mir vielleicht nicht erklären, was das für ein Instrument
-ist? Ich hab&rsquo;s wohl schon mal wo gesehen, aber der
-Name ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Doasjenigte, uf dan Se sitza?! Woas ma
-su soat Extrabater nennt ma doas.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Richtig, ein Exstirpator; wird der hier auch
-gebraucht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Leeder Goott&rsquo;s, nee. &mdash; A läßt a verludern
-... a ganza Acker, reen verludern läßt a&rsquo;n, d&rsquo;r
-Pauer. A Oarmes mecht a Flecka hoa&rsquo;nn &mdash; ei insa Bärta
-<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a>
-wächst kee Getreide &mdash; oaber nee, lieberscht läßt a&rsquo;n verludern!
-&mdash; Nischt thit wachsa, ok blußig Seide und Quecka.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, die kriegt man schon damit heraus.
-Ich weiß, bei den Ikariern hatte man auch solche Exstirpatoren,
-um das urbar gemachte Land vollends zu
-reinigen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Wu sein denn die I..., wie Se glei
-soa&rsquo;n, I...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Die Ikarier? In Amerika.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Doo gibbts an schunn a sune Dinger?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja freilich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Woas iis denn doas fer a Vulk: die
-I... I...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Die Ikarier? &mdash; Es ist gar kein besonderes
-Volk; es sind Leute aus allen Nationen, die sich zusammen
-gethan haben; sie besitzen in Amerika ein hübsches
-Stück Land, das sie gemeinsam bewirthschaften; alle Arbeit
-und allen Verdienst theilen sie gleichmäßig. Keiner ist
-arm, es giebt keine Armen unter ihnen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span>, <span class="dir">dessen Gesichtsausdruck ein wenig freundlicher geworden war,
-nimmt bei den letzten Worten Loth&rsquo;s wieder das alte mißtrauisch feindselige
-Gepräge an; ohne Loth weiter zu beachten, hat er sich neuerdings wieder
-ganz seiner Arbeit zugewendet und zwar mit den Eingangsworten</span>: Oost
-vu enner Sahnse!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span>, <span class="dir">immer noch sitzend, betrachtet den Alten zuerst mit einem
-ruhigen Lächeln und blickt dann hinaus in den erwachenden Morgen. Durch
-den Thorweg erblickt man weitgedehnte Kleefelder und Wiesenflächen;
-zwischendurch schlängelt sich ein Bach, dessen Lauf durch
-Erlen und Weiden verrathen wird. Am Horizonte ein einzelner
-Bergkegel. Allerorten haben die Lerchen eingesetzt, und ihr ununterbrochenes
-<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a>
-Getriller schallt bald näher, bald ferner her bis
-in den Gutshof herein. Jetzt erhebt sich Loth mit den Worten:</span>
-Man muß spazieren geh&rsquo;n, der Morgen ist zu prächtig.
-<span class="dir">Er geht durch den Thorweg hinaus. &mdash; Man hört das Klappen
-von Holzpantinen. Jemand kommt sehr schnell über die Bodentreppe
-des Stallgebäudes herunter: es ist <em>Guste</em>.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Guste</span>, <span class="dir">eine ziemlich dicke Magd: bloßes Mieder, nackte Arme und
-Waden, die bloßen Füße in Holzpantinen. Sie trägt eine brennende Laterne.</span>
-Guda Murja, Voater Beibst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">brummt</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Guste</span> <span class="dir">blickt, die Augen mit der Hand beschattend, durch das Thor
-Loth nach</span>. Woas iis denn doas fer enner?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">verärgert</span>. Dar koan Battelleute zum Noarr&rsquo;n
-hoa&rsquo;nn ... dar leugt egelganz wie a Forr... vu dan
-luuß der de Hucke vuul liega. <span class="dir">Beibst steht auf.</span> Macht enk
-de Roawer zerecht, Madel.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Guste</span>, <span class="dir">welche dabei war, ihre Waden am Brunnen abzuwaschen, ist
-damit fertig und sagt, bevor sie im Innern des Kuhstalls verschwindet</span>:
-Glei, glei! Voater Beibst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">kommt zurück, giebt Beibst Geld</span>. Da ist &rsquo;ne Kleinigkeit.
-Geld kann man immer brauchen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">aufthauend, wie umgewandelt, mit aufrichtiger Gemüthlichkeit</span>.
-Ju, ju! do ha&rsquo;n Se au recht ... na da dank ich au
-vielmools. &mdash; Se sein wull d&rsquo;r Besuch zum Schwiegersuhne?
-<span class="dir">Auf einmal sehr gesprächig.</span> Wissa Se: wenn Se, und
-Se wull&rsquo;n da naus gihn auf a Barch zu, wissa Se, do
-haal&rsquo;n Se siich links, wissa Se, zängst &rsquo;nunder links,
-rechts gibt&rsquo;s Risse. Mei Suhn meente, &rsquo;s käm do dervoone,
-meent&rsquo; a, weil se zu schlecht verzimmern thäten,
-meent&rsquo; a, de Barchmoanne, &rsquo;s soatzt zu wing Luhn,
-<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a>
-meent&rsquo; a, und do giht&rsquo;s ok a su: woas hust&rsquo;de, woas
-koanst&rsquo;de, ei a Gruba, verstiehn Se. &mdash; Sahn Se! &mdash;
-doo! &mdash; immer links, rechts gibt&rsquo;s Lecher. Vurigtes
-Johr erscht iis a Putterweib, wie se ging und stoand iis
-se ei&rsquo;s Ardreich versunka, iich wiß nee amool, <em>wie</em> viel
-Kloaftern tief. Kee Mensch wußte wuhie &mdash; wie gesoa&rsquo;t,
-links, immer links, doo gihn Se sicher. <span class="dir">Ein Schuß fällt, Beibst,
-wie electrisirt, hinkt einige Schritt in&rsquo;s Freie.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wer schießt denn da schon so frühe?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Na, war denn suste? &mdash; d&rsquo;r Junge, dar
-meschante Junge.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Welcher Junge denn?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Na, Kahl-Willem &mdash; d&rsquo;r Nupperschsuhn
-... Na woart ok blußig due! Ich hoa&rsquo;s gesahn, a
-schißt meiner Gitte de Lärcha.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ihr hinkt ja.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Doaß &rsquo;s Goot erbarm&rsquo;, ja. <span class="dir">Droht mit der
-Faust nach dem Felde.</span> Na woart&rsquo; Du! woart&rsquo; Du! ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was habt Ihr denn mit dem Bein gemacht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Iich?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> &rsquo;s iis a su &rsquo;nei kumma.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Habt Ihr Schmerzen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">nach dem Bein greifend</span>. &rsquo;S zerrt a su, &rsquo;s zerrt
-infamt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Habt Ihr keinen Arzt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Wissa Se, &mdash; de Dukter, doas sein Oaffa,
-enner wie d&rsquo;r andere! &mdash; Blußig inse Dukter, doas iis
-a ticht&rsquo;er Moan.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Hat er Ihnen was genützt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Na &mdash; verlecht a klee wing wull au oam
-Ende. A hoot mer&rsquo;sch Been geknet&rsquo;t: sahn Se, a su geknutscht
-und gehackt un ... oaber nee!! derwegen nich!
-&mdash; A iis ... na kurz un gutt, a hoot mit&rsquo;n aarma Mensche
-a Mitleed. &mdash; A keeft&rsquo;n de Med&rsquo;zin und a verlangt nischt.
-A kimmt zu jeder Zeet ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sie müssen sich das doch aber irgendwo
-zugezogen haben?! Haben Sie immer so gehinkt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Nich die Oahnung!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Dann verstehe ich nicht recht, es muß doch
-eine Ursache ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst.</span> Weeß iich&rsquo;s? <span class="dir">Er droht wieder mit der Faust.</span>
-Woart ok Due! woart ok mit dem Geknackse.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">erscheint innerhalb seines Gartens. Er trägt in der rechten
-eine Flinte am Lauf, seine linke Hand ist geschlossen. Ruft herüber.</span>
-Guten Morjen ooch, Herr Dukter!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Loth geht quer durch den Hof auf ihn zu. Inzwischen hat
-Guste sowie eine andere Magd mit Namen Liese je eine Radwer
-zurecht gemacht, worauf Harke und Dunggabel liegen. Damit
-fahren sie durch den Thorweg hinaus auf&rsquo;s Feld, an Beibst
-vorüber, der nach einigen grimmigen Blicken und verstohlenen
-Zornesgesten zu Kahl hinüber seine Sense schultert und ihnen
-nachhumpelt. Beibst und die Mägde ab.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">zu Kahl</span>. Guten Morgen!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Wull&rsquo;n &rsquo;S amol was hibsches sah&rsquo;n? <span class="dir">Er
-streckt den Arm mit der geschlossenen Hand über den Zaun.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">nähergehend</span>. Was haben Sie denn da?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Rootha See! <span class="dir">Er öffnet gleich darauf seine Hand.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Waas?! &mdash; es ist also wirklich wahr: Sie
-<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a>
-schießen Lerchen! Nun für diesen Unfug, Sie nichtsnutziger
-Bursche, verdienten Sie geohrfeigt zu werden,
-verstehen Sie mich! <span class="dir">Er kehrt ihm den Rücken zu und geht quer
-durch den Hof zurück, Beibst und den Mädchen nach. Ab.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">starrt Loth einige Augenblicke dumm verblüfft nach, dann
-ballt er die Faust verstohlen, sagt</span>: Dukterluder! <span class="dir">wendet sich und
-verschwindet rechts. &mdash; Während einiger Augenblicke bleibt der Hof leer.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<em>Helene</em>, aus der Hausthür tretend, helles Sommerkleid,
-großer Gartenhut. Sie blickt sich ringsum, thut dann einige
-Schritte auf den Thorweg zu, steht still und späht hinaus.
-Hierauf schlendert sie rechts durch den Hof und biegt in den
-Weg ein, welcher nach dem Wirthshause führt. Große Packete
-von allerhand Thee hängen zum Trocknen über dem Zaune:
-daran riecht sie im Vorübergehen. Sie biegt auch Zweige von
-den Obstbäumen und betrachtet die sehr niedrig hängenden, rothwangigen
-Aepfel. Als sie bemerkt, daß Loth vom Wirthshaus
-her ihr entgegen kommt, bemächtigt sich ihrer eine noch stärkere
-Unruhe, so daß sie sich schließlich umwendet und vor Loth her
-in den Hof zurückgeht. Hier bemerkt sie, daß der Taubenschlag
-noch geschlossen ist und begiebt sich dorthin durch das kleine Zaunpförtchen
-des Obstgartens. Noch damit beschäftigt, die Leine,
-welche, vom Winde getrieben, irgendwo festgehakt ist, herunter
-zu ziehen, wird sie von Loth, der inzwischen herangekommen ist
-angeredet.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Guten Morgen, Fräulein!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Guten Morgen! &mdash; Der Wind hat die
-Schnur hinaufgejagt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Erlauben Sie! <span class="dir">Geht ebenfalls durch das Pförtchen,
-bringt die Schnur herunter und zieht den Schlag auf. Die Tauben
-fliegen aus.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich danke sehr.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-56" class="pagenum" title="56"></a>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">ist durch das Pförtchen wieder herausgetreten, bleibt aber
-außerhalb des Zaunes und an diesen gelehnt stehen. Helene innerhalb
-desselben. Nach einer kleinen Pause.</span> Pflegen Sie immer so früh
-auf zu sein, Fräulein?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> <em>Das</em> eben &mdash; wollte ich Sie auch fragen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich &mdash;? nein! Die erste Nacht in einem
-fremden Hause passirt es mir jedoch gewöhnlich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wie ... kommt das?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich habe darüber noch nicht nachgedacht, es
-hat keinen Zweck.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, wieso denn nicht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wenigstens keinen ersichtlichen, praktischen
-Zweck.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Also wenn Sie irgend etwas thun oder
-denken, muß es einem praktischen Zweck dienen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ganz recht? Uebrigens ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Das hätte ich von Ihnen nicht gedacht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was, Fräulein?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Genau das meinte die Stiefmutter, als sie
-mir vorgestern den Werther aus der Hand riß.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das ist ein dummes Buch.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Sagen Sie das nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das sage ich nochmal, Fräulein. Es ist
-ein Buch für Schwächlinge.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> <em>Das</em> &mdash; kann wohl möglich sein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie kommen Sie gerade auf <em>dieses</em> Buch?
-Ist es Ihnen denn verständlich?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich hoffe, ich ... zum Theil ganz gewiß.
-Es beruhigt so, darin zu lesen. <span class="dir">Nach einer Pause.</span> Wenn&rsquo;s
-<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a>
-ein dummes Buch ist, wie Sie sagen, könnten Sie mir
-etwas Besseres empfehlen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Le... lesen Sie ... noa! ... kennen Sie den
-Kampf um Rom von Dahn?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nein! Das Buch werde ich mir aber nun
-kaufen. Dient es einem praktischen Zweck?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Einem vernünftigen Zweck überhaupt. Es
-malt die Menschen nicht wie sie sind, sondern wie sie
-einmal werden sollen. Es wirkt vorbildlich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">mit Ueberzeugung</span>. <em>Das ist schön.</em> <span class="dir">Kleine Pause,
-dann.</span> Vielleicht geben Sie mir Auskunft, man redet so
-viel von Zola und Ibsen in den Zeitungen: sind das
-große Dichter?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es sind gar keine Dichter, sondern nothwendige
-Uebel, Fräulein. Ich bin ehrlich durstig und
-verlange von der Dichtkunst einen klaren, erfrischenden
-Trunk. &mdash; Ich bin nicht krank. Was Zola und Ibsen
-bieten, ist Medizin.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">gleichsam unwillkürlich</span>. Ach, dann wäre es doch
-vielleicht für mich etwas.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">bisher theilweise, jetzt ausschließlich in den Anblick des
-thauigen Obstgartens vertieft</span>. Es ist prächtig hier. Sehen
-Sie, wie die Sonne über der Bergkuppe herauskommt.
-&mdash; Viel Aepfel giebt es in Ihrem Garten: eine schöne
-Ernte.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Drei Viertel davon wird auch dies Jahr
-wieder gestohlen werden. Die Armuth hier herum ist
-zu groß.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sie glauben gar nicht, wie sehr ich das Land
-<a id="page-58" class="pagenum" title="58"></a>
-liebe! Leider wächst mein Weizen zum größten Theile in
-der Stadt. Aber nun will ich&rsquo;s mal durchgenießen, das
-Landleben. Unsereiner hat so &rsquo;n bischen Sonne und Frische
-mehr nöthig als sonst Jemand.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">seufzend</span>. Mehr nöthig, als .... inwiefern?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Weil man in einem harten Kampfe steht, dessen
-Ende man nicht erleben kann.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Stehen wir anderen <em>nicht</em> in einem solchen
-Kampfe?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Aber &mdash; in einem Kampfe &mdash; stehen wir
-doch auch?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Natürlicherweise! aber der kann enden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> <em>Kann</em> &mdash; da haben Sie recht! &mdash; und
-wieso kann der nicht endigen &mdash; der, den Sie kämpfen,
-Herr Loth?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ihr Kampf, das kann nur ein Kampf sein
-um persönliches Wohlergehen. Der Einzelne kann dies,
-so weit menschenmöglich, erreichen. Mein Kampf ist ein
-Kampf um das Glück aller; sollte ich glücklich sein, so
-müßten es erst alle anderen Menschen um mich herum
-sein; ich müßte um mich herum weder Krankheit noch
-Armuth, weder Knechtschaft noch Gemeinheit sehen.
-Ich könnte mich so zu sagen nur als letzter an die
-Tafel setzen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">mit Ueberzeugung</span>. <em>Dann sind Sie ja ein
-sehr, sehr guter Mensch!</em>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">ein wenig betreten</span>. Verdienst ist weiter nicht dabei,
-Fräulein, ich bin so veranlagt. Ich muß übrigens
-<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a>
-sagen, daß mir der Kampf im Interesse des Fortschritts
-doch große Befriedigung gewährt. Eine Art Glück, die
-ich weit höher anschlage, als die, mit der sich der gemeine
-Egoist zufrieden giebt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Es giebt wohl nur sehr wenige Menschen,
-die so veranlagt sind. &mdash; Es muß ein Glück sein, mit
-solcher Veranlagung geboren zu sein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Geboren wird man wohl auch nicht damit.
-Man kommt dazu durch die Verkehrtheit unserer
-Verhältnisse, scheint mir; &mdash; nur muß man für das
-Verkehrte einen Sinn haben: <em>das</em> ist es! Hat man
-den und leidet man so bewußt unter den verkehrten
-Verhältnissen, dann wird man mit Nothwendigkeit zu dem,
-was ich bin.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wenn ich Sie nur besser .... welche
-Verhältnisse nennen Sie zum Beispiel verkehrt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es ist zum Beispiel verkehrt, wenn der
-im Schweiße seines Angesichts Arbeitende hungert und
-der Faule im Ueberflusse leben darf. &mdash; Es ist verkehrt,
-den Mord im Frieden zu bestrafen und den Mord im
-Krieg zu belohnen. Es ist verkehrt, den Henker zu
-verachten und selbst, wie es die Soldaten thun, mit einem
-Menschenabschlachtungs-Instrument, wie es der Degen
-oder der Säbel ist, an der Seite stolz herumzulaufen.
-Den Henker, der das mit dem Beile thäte, würde
-man zweifelsohne steinigen. Verkehrt ist es dann,
-die Religion Christi, diese Religion der Duldung, Vergebung
-und Liebe, als Staatsreligion zu haben und
-dabei ganze Völker zu vollendeten Menschenschlächtern
-<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a>
-heranzubilden. Dies sind einige unter Millionen, müssen
-Sie bedenken. Es kostet Mühe, sich durch alle diese
-Verkehrtheiten hindurchzuringen; man muß früh anfangen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wie sind Sie denn nur so auf alles dies
-gekommen? Es ist so einfach und doch kommt man nicht
-darauf.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich mag wohl durch meinen Entwickelungsgang
-darauf gekommen sein, durch Gespräche mit Freunden,
-durch Lecture, durch eigenes Denken. Hinter die erste
-Verkehrtheit kam ich als kleiner Junge. Ich log mal
-sehr stark und bekam dafür die schrecklichsten Prügel von
-meinem Vater. Kurz darauf fuhr ich mit ihm auf der
-Eisenbahn, und da merkte ich, daß mein Vater auch log
-und es für ganz selbstverständlich hielt, zu lügen; ich
-war damals fünf Jahre und mein Vater sagte dem
-Schaffner, ich sei noch nicht vier, der freien Fahrt halber,
-welche Kinder unter vier Jahren genießen. Dann sagte
-der Lehrer auch mal: sei fleißig, halt Dich brav, dann
-wird es Dir auch unfehlbar gut gehen im Leben. Der
-Mann lehrte uns eine Verkehrtheit, dahinter kam ich
-sehr bald. Mein Vater war brav, ehrlich, durch und
-durch bieder, und ein Schuft, der noch jetzt als reicher
-Mann lebt, betrog ihn um seine paar Tausend Thaler.
-Bei eben diesem Schuft, der eine große Seifenfabrik besaß,
-mußte mein Vater sogar, durch die Noth getrieben,
-in Stellung treten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Unsereins wagt es gar nicht &mdash; wagt
-es gar nicht, so etwas für verkehrt anzusehen, höchstens
-<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a>
-ganz im Stillen empfindet man es. Man empfindet es
-oft sogar, und dann &mdash; wird einem ganz verzweifelt zu
-Muth.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich erinnere mich einer Verkehrtheit, die mir
-ganz besonders klar als solche vor Augen trat. Bis
-dahin glaubte ich: der Mord werde unter allen Umständen
-als ein Verbrechen bestraft; danach wurde mir jedoch klar,
-daß nur die milderen Formen des Mordes ungesetzlich sind.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wie wäre das wohl ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Mein Vater war Siedemeister, wir wohnten
-dicht an der Fabrik, unsere Fenster gingen auf den
-Fabrikhof. Da sah ich auch noch manches außerdem.
-Es war ein Arbeiter, der fünf Jahre in der Fabrik gearbeitet
-hatte. Er fing an stark zu husten und abzumagern
-... ich weiß, wie uns mein Vater bei Tisch erzählte:
-Burmeister &mdash; so hieß der Arbeiter &mdash; bekommt
-die Lungenschwindsucht, wenn er noch länger bei der
-Seifenfabrikation bleibt. Der Doktor hat es ihm gesagt.
-&mdash; Der Mann hatte acht Kinder, und ausgemergelt wie
-er war, konnte er nirgends mehr Arbeit finden. Er
-<em>mußte</em> also in der Seifenfabrik bleiben, und der
-Prinzipal that sich viel darauf zu gute, daß er ihn beibehielt.
-Er kam sich unbedingt äußerst human vor. &mdash;
-Eines Nachmittags, im August, es war eine furchtbare
-Hitze, da quälte er sich mit einer Karre Kalk über den
-Fabrikhof. &mdash; Ich sah gerade aus dem Fenster, da merke
-ich, wie er still steht &mdash; wieder still steht und schließlich
-schlägt er lang auf die Steine. &mdash; Ich lief hinzu &mdash;
-mein Vater kam, andere Arbeiter kamen, aber er röchelte
-<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a>
-nur noch, und sein ganzer Mund war voll Blut. Ich
-half ihn ins Haus tragen. Ein Haufe kalkiger, nach
-allerhand Chemikalien stinkender Lumpen war er; bevor
-wir ihn im Hause hatten, war er schon gestorben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, schrecklich ist das.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Kaum acht Tage später zogen wir seine Frau
-aus dem Fluß, in den die verbrauchte Lauge unserer
-Fabrik abfloß. &mdash; Ja, Fräulein! wenn man dies alles
-kennt, wie ich es <em>jetzt</em> kenne &mdash; glauben Sie mir! &mdash;
-dann läßt es einem keine Ruhe mehr. Ein einfaches
-Stückchen Seife, bei dem sich in der Welt sonst
-Niemand etwas denkt, ja, ein paar rein gewaschene,
-gepflegte Hände schon können einen in die bitterste Laune
-versetzen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich hab auch mal so was gesehen. Hu!
-schrecklich war das, <em>schrecklich</em>!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Der Sohn von einem Arbeitsmann wurde
-halbtodt hier hereingetragen. Es ist nun ... drei Jahre
-vielleicht ist es her.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> War er verunglückt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, drüben im Bärenstollen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ein Bergmann also?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, die meisten jungen Leute hier herum
-gehen auf die Grube. &mdash; Ein zweiter Sohn desselben
-Vaters war auch Schlepper und ist auch verunglückt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Beide todt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Beide todt .... Einmal riß etwas an der
-Fahrkunst, das andere Mal waren es schlagende Wetter.
-<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a>
-&mdash; Der alte Beibst hat aber noch einen dritten Sohn,
-der fährt auch seit Ostern ein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was Sie sagen! &mdash; hat er nichts dawider?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Gar nichts, nein! Er ist nur jetzt noch
-weit mürrischer als früher. Haben Sie ihn nicht schon
-gesehen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wieso ich?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Er saß ja heut früh nebenan, unter der
-Durchfahrt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ach! &mdash; wie? .. Er arbeitet hier im Hofe?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Schon seit Jahren.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Er hinkt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ziemlich stark sogar.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Soosoo. &mdash; Was ist ihm denn da passirt,
-mit dem Bein?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Das ist &rsquo;ne heikle Geschichte. Sie kennen
-doch den Herrn Kahl? ... da muß ich Ihnen aber ganz
-nahe kommen. Sein Vater, müssen Sie wissen, war
-genau so ein Jagdnarr wie er. Er schoß hinter den
-Handwerksburschen her, die auf den Hof kamen, wenn
-auch nur in die Luft, um ihnen Schrecken einzujagen.
-Er war auch sehr jähzornig, wissen Sie; wenn er getrunken
-hatte, erst recht. Nu hat wohl der Beibst mal
-gemuckscht &mdash; er muckscht gern, wissen Sie, &mdash; und da
-hat der Bauer die Flinte zu packen gekriegt und ihm eine
-Ladung gegeben. Beibst, wissen Sie, war nämlich früher
-beim Nachbar Kahl für Kutscher.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Frevel über Frevel, wohin man hört.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">immer unsicherer und erregter</span>. Ich hab auch schon
-<a id="page-64" class="pagenum" title="64"></a>
-manchmal so bei mir gedacht .... sie haben mir alle
-mitunter schon so furchtbar leid gethan &mdash;: der alte
-Beibst und ..... Wenn die Bauern so roh und dumm
-sind wie der &mdash; wie der Streckmann, der &mdash; läßt seine
-Knechte hungern und füttert die Hunde mit Conditorzeug.
-Hier bin ich wie dumm, seit ich aus der Pension zurück
-bin ... Ich hab auch mein Päckchen! &mdash; aber ich rede
-ja wohl Unsinn, &mdash; es interessirt Sie ja gar nicht &mdash; Sie
-lachen mich im Stillen bloß aus.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Aber Fräulein, wie können Sie nur ....
-weshalb sollte ich Sie denn ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nun, etwa nicht? Sie denken doch: die
-ist auch nicht besser wie die Anderen hier.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich denke von Niemand schlecht, Fräulein!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Das machen Sie mir nicht weis .... nein,
-nein!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Aber Fräulein! wann hatte ich Ihnen Veranlassung
-...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">nahe am Weinen</span>. Ach, reden Sie doch nicht!
-Sie verachten uns, verlassen Sie sich d&rsquo;rauf &mdash; Sie
-müssen uns ja doch verachten, &mdash; <span class="dir">weinerlich</span> &mdash; den Schwager
-mit, <em>mich</em> mit. <em>Mich</em> vor allen Dingen und dazu, da
-&mdash; zu haben Sie wahr... wahrhaftig auch Grund. <span class="dir">Sie
-wendet Loth schnell den Rücken und geht, ihrer Bewegung nicht mehr Herr,
-durch den Obstgarten nach dem Hintergrunde zu ab. Loth tritt durch das
-Pförtchen und folgt ihr langsam.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">in überladener Morgentoilette, puterroth im Gesicht,
-aus der Hausthür, schreit</span>. Doas Loaster vu Froovulk!
-Marie! Ma&mdash;rie!! unter men&rsquo;n Dache? Weg muß
-<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a>
-doas Froovulk! <span class="dir">Sie rennt über den Hof und verschwindet in der
-Stallthür. <em>Frau Spiller</em>, mit Häkelarbeit, erscheint in der Hausthür.
-Im Stalle hört man Schimpfen und Heulen.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">die heulende Magd vor sich hertreibend, aus dem
-Stall</span>. Du Hurenfroovulk Du! &mdash; <span class="dir">Die Magd heult stärker</span> &mdash;
-uuf der Stelle &rsquo;naus! Sich Deine sieba Sacha z&rsquo;samma
-und dann &rsquo;naus! <span class="dir">Helene, mit rothen Augen kommt durch den Thorweg,
-bemerkt die Scene und steht abwartend still.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Die Magd</span> <span class="dir">entdeckt Frau Spiller, wirft Schemel und Milchgelte
-weg und geht wüthend auf sie zu</span>. Doas biin iich Ihn&rsquo;n schuldig!
-Doas war iich Ihn&rsquo;n eitränka!! <span class="dir">Sie rennt schluchzend davon,
-die Bodentreppe hinauf. Ab.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">zu Frau Krause tretend</span>. Was hat sie denn gemacht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">grob</span>. Gieht&rsquo;s Diich oan, Goans?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">heftig, fast weinend</span>. Ja, mich geht&rsquo;s an.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">schnell hinzutretend</span>. Mein gnädiges Fräulein,
-so etwas ist nicht für das Ohr eines jungen Mädchens
-wie ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Worum ok ne goar, Spillern! die
-iis au ne vu Marzepane. Mit&rsquo;n Grußknecht zusoamma
-gelah&rsquo;n hot se ei en Bette. Do wißt de&rsquo;s.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">in befehlendem Tone</span>. Die Magd wird aber <em>doch</em>
-bleiben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Weibsstück!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Gut! dann will ich dem Vater erzählen,
-daß Du mit Kahl Wilhelm die Nächte ebenso verbringst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">schlägt ihr eine Maulschelle</span>. Du hust&rsquo; an&rsquo;
-Denkzettel!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">todtbleich, aber noch fester</span>. Die Magd bleibt aber
-<em>doch</em>, sonst ... sonst bring ich&rsquo;s herum! Mit Kahl
-Wilhelm, Du! Dein Vetter ... mein Bräut&rsquo;jam ...
-Ich bring&rsquo;s herum.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">mit wankender Fassung</span>. Wer koan doas
-soa&rsquo;n?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich! Denn ich hab ihn heut Morgen aus
-Deinem Schlafzimmer ..... <span class="dir">Schnell ab ins Haus.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Frau Krause, taumelnd, nahe einer Ohnmacht. Frau
-Spiller mit Riechfläschchen zu ihr.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Gnädige Frau, gnädige Frau!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Sp...illern, die Moa&rsquo;d sss... sool
-dooblei&rsquo;n.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Der Vorhang fällt schnell.
-</p>
-
-</div>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-5">
-<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a>
-Dritter Akt.
-</h2>
-
-<div class="dir scene">
-<p>
-Zeit: wenige Minuten nach dem Vorfall zwischen Helene
-und ihrer Stiefmutter im Hofe. Der Schauplatz ist der des
-ersten Vorgangs.
-</p>
-
-<p>
-<em><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</em> sitzt, ein Recept schreibend,
-Schlapphut, Zwirnhandschuhe und Stock vor sich auf der Tischplatte,
-an dem Tisch links im Vordergrunde. Er ist von
-Gestalt klein und gedrungen, hat schwarzes Wollhaar und einen
-ziemlich starken Schnurrbart. Schwarzer Rock im Schnitt der
-Jägerschen Normalröcke. Die Kleidung im Ganzen solid, aber
-nicht elegant. Hat die Gewohnheit, fast ununterbrochen seinen
-Schnurrbart zu streichen oder zu drehen, um so stärker, je erregter
-er innerlich wird. Sein Gesichtsausdruck, wenn er mit
-Hoffmann redet, ist gezwungen ruhig, ein Zug von Sarkasmus
-liegt um seine Mundwinkel. Seine Bewegungen sind lebhaft,
-fest und eckig, durchaus natürlich. Hoffmann, in seidenem
-Schlafrock und Pantoffeln, geht umher. Der Tisch rechts im
-Hintergrunde ist zum Frühstück hergerichtet. Feines Porzellan.
-Gebäck. Rumcaraffe etc.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Herr Doktor, sind Sie mit dem Aussehen
-meiner Frau zufrieden?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Sie sieht ja ganz gut aus,
-warum nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Denken Sie, daß alles gut vorüber
-gehen wird?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ich hoffe.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-68" class="pagenum" title="68"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">nach einer Pause, zögernd</span>. Herr Doktor, ich
-habe mir vorgenommen &mdash; schon seit Wochen &mdash; Sie,
-sobald ich hierher käme, in einer ganz bestimmten Sache
-um Ihren Rath zu bitten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span>, <span class="dir">der bis jetzt unter dem Schreiben geantwortet
-hat, legt die Feder beiseite, steht auf und übergiebt Hoffmann das
-geschriebene Recept</span>. So! ... das lassen Sie wohl bald
-machen; &mdash; <span class="dir">indem er Hut, Handschuhe und Stock nimmt</span> &mdash; über
-Kopfschmerz klagt Ihre Frau, &mdash; <span class="dir">in seinen Hut blickend, geschäftsmäßig</span>
-&mdash; ehe ich es vergesse: suchen Sie doch Ihrer
-Frau begreiflich zu machen, daß sie für das kommende
-Lebewesen einigermaßen verantwortlich ist. Ich habe ihr
-bereits selbst einiges gesagt &mdash; über die Folgen des
-Schnürens.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ganz gewiß, Herr Doktor ... ich
-will ganz gewiß mein Möglichstes thun, ihr ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">sich ein wenig linkisch verbeugend</span>.
-Empfehle mich. <span class="dir">Geht, bleibt wieder stehen.</span> Ach so! ... Sie
-wollten ja meinen Rath hören. <span class="dir">Er blickt Hoffmann kalt an.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ja, wenn Sie noch einen Augenblick
-Zeit hätten ... <span class="dir">Nicht ohne Affectirtheit.</span> Sie kennen das
-entsetzliche Ende meines ersten Jungen. Sie haben es
-ja ganz aus der Nähe gesehen. Wie weit <em>ich</em> damals
-war, wissen Sie ja wohl auch. &mdash; Man glaubt
-es nicht, dennoch: die Zeit mildert! ... Schließlich
-habe ich sogar noch Grund zur Dankbarkeit, mein
-sehnlichster Wunsch soll, wie es scheint, erfüllt werden.
-Sie werden begreifen, daß ich alles thun muß ... Es hat
-mich schlaflose Nächte genug gekostet und doch weiß ich
-<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a>
-noch nicht, noch <em>immer</em> nicht, wie ich es anstellen soll,
-um das jetzt noch ungeborene Geschöpf vor dem furchtbaren
-Schicksale seines Brüderchens zu bewahren. Und
-das ist es, weshalb ich Sie ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">trocken und geschäftsmäßig</span>. Von
-seiner Mutter trennen: Grundbedingung einer gedeihlichen
-Entwickelung.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Also doch?! &mdash; Meinen Sie, völlig
-trennen? ... Soll es auch nicht in demselben Hause mit
-ihr ...?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Nein, wenn es Ihnen
-ernst ist um die Erhaltung Ihres Kindes, dann nicht.
-Ihr Vermögen gestattet Ihnen ja in dieser Beziehung
-die freieste Bewegung.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Gott sei Dank, ja! Ich habe auch
-schon in der Nähe von Hirschberg eine Villa mit sehr
-großem Park angekauft. Nur wollte ich auch meine Frau ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">dreht seinen Bart und starrt auf die
-Erde. Unter Nachdenken.</span> Kaufen Sie doch Ihrer Frau irgend
-wo anders eine Villa ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zuckt die Achseln</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">wie vorher</span>. Können Sie nicht
-&mdash; Ihre Schwägerin &mdash; für die Aufgabe, dieses Kind
-zu erziehen, interessiren?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wenn Sie wüßten, Herr Doktor, was
-für Hindernisse ... außerdem: ein unerfahrenes, junges
-Ding ... Mutter ist doch Mutter.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Sie wissen meine Meinung.
-Empfehle mich.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">mit Ueberfreundlichkeit um ihn herum complimentirend</span>.
-Empfehle mich ebenfalls! Ich bin Ihnen äußerst
-dankbar ...
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Beide ab durch die Mittelthür.
-</p>
-
-<p>
-<em>Helene</em>, das Taschentuch vor den Mund gepreßt,
-schluchzend, außer sich, kommt herein und läßt sich auf das
-Sopha links vorn hinfallen. Nach einigen Augenblicken tritt
-Hoffmann, Zeitungsblätter in den Händen haltend, abermals ein.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Was ist denn <em>das</em> &mdash;? Sag&rsquo; mal,
-Schwägerin! soll denn das noch lange so fort gehen?
-&mdash; Seit ich hier bin, vergeht nicht ein Tag, an dem
-ich Dich nicht weinen sehe.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach! &mdash; was weißt Du!? &mdash; Wenn Du
-überhaupt Sinn für so was hätt&rsquo;st, dann würd&rsquo;st Du
-Dich vielmehr wundern, wenn ich mal nicht weinte.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> &mdash; Das leuchtet mir nicht ein,
-Schwägerin!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Mir um so mehr!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> ... Es muß doch wieder was passirt
-sein, hör&rsquo; mal!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">springt auf, stampft mit dem Fuße</span>. Pfui! Pfui!
-... und ich mag&rsquo;s nicht mehr leiden ... Das hört auf!
-Ich lasse mir das nicht mehr bieten! Ich sehe nicht ein
-warum ... ich ... <span class="dir">im Weinen erstickend</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Willst Du mir denn nicht wenigstens
-sagen, worum sich&rsquo;s handelt, damit ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">auf&rsquo;s Neue heftig ausbrechend</span>. Alles ist mir egal!
-Schlimmer kann&rsquo;s nicht kommen: &mdash; einen Trunkenbold
-von Vater hat man, ein Thier &mdash; vor dem
-<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a>
-die .... die eigene Tochter nicht sicher ist. &mdash; Eine
-ehebrecherische Stiefmutter, die mich an ihren Galan
-verkuppeln möchte .. Dieses ganze Dasein überhaupt. &mdash;
-Nein &mdash;! ich sehe nicht ein, wer mich zwingen kann,
-durchaus schlecht zu werden. Ich gehe fort! Ich renne
-fort &mdash; und wenn Ihr mich nicht loslaßt, dann ....
-Strick, Messer, Revolver! .... mir egal! &mdash; ich
-will nicht auch zum Branntwein greifen wie meine Schwester.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">erschrocken, packt sie am Arm</span>. Lene! .... Ich
-sag&rsquo; Dir, still! ... davon still!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Mir egal! .... mir ganz egal! &mdash; Man
-ist ... man muß sich schämen bis in die Seele &rsquo;nein.
-&mdash; Man möchte was wissen, was sein, was sein können
-&mdash; und was ist man nu?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span>, <span class="dir">der ihren Arm noch nicht wieder losgelassen, fängt
-an, das Mädchen allmählich nach dem Sopha hinzudrängen. Im Tone
-seiner Stimme liegt nun plötzlich eine weichliche, übertriebene, gleichsam
-vibrirende Milde.</span> <em>Lenchen</em> &mdash;! Ich weiß ja recht gut,
-daß Du hier manches auszustehen hast. Sei nur
-ruhig ...! Brauchst es mir gar nicht zu sagen. <span class="dir">Er
-legt die Rechte liebkosend auf ihre Schulter, bringt sein Gesicht nahe
-dem ihren.</span> Ich kann Dich gar nicht weinen sehen. Wahrhaftig!
-&mdash; &rsquo;s thut mir weh. Sieh doch nur aber die
-Verhältnisse nicht schwärzer, als sie sind &mdash;; und
-dann: &mdash; hast Du vergessen, daß wir beide &mdash; Du
-und ich &mdash; so zu sagen in der gleichen Lage sind?
-&mdash; Ich bin in diese Bauernatmosphäre hinein gekommen
-.... passe ich hinein? Genau so wenig wie
-Du hoffentlich.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">immer noch weinend</span>. Hätte mein &mdash; gutes
-&mdash; M &mdash; Muttelchen das geahnt &mdash; als sie ....
-als sie bestimmte &mdash; daß ich in Herrnhut &mdash; erzogen
-.... erzogen werden sollte. Hätte sie &mdash; mich lieber
-... mich lieber zu Hause gelassen, dann hätte ich ...
-hätte ich wenigstens &mdash; nichts Anderes kennen gelernt,
-wäre in dem Sumpf hier auf.... aufgewachsen &mdash;.
-Aber so ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">hat Helene sanft auf das Sopha gezwungen und sitzt
-nun, eng an sie gedrängt, neben ihr. Immer auffälliger verräth sich in
-seinen Tröstungen das sinnliche Element.</span> Lenchen &mdash;! Sieh mich
-an, laß das gut sein, tröste Dich mit mir. &mdash; Ich brauch&rsquo;
-Dir von Deiner Schwester nicht zu sprechen. <span class="dir">Heiß und mit
-Innigkeit, indem er sie enger umschlingt.</span> Ja, wäre sie wie <em>Du</em>
-bist! ... So aber ... sag&rsquo; selbst: was kann <em>sie</em> mir
-sein? &mdash; Wo lebt ein Mann, Lenchen, ein gebildeter
-Mann, &mdash; <span class="dir">leiser</span> &mdash; dessen Frau von einer so unglückseligen
-Leidenschaft befallen ist? &mdash; Man darf es gar
-nicht laut sagen: eine Frau &mdash; und &mdash; Branntwein ...
-Nun, sprich, bin ich glücklicher? .... Denk an mein
-Fritzchen! &mdash; Nun? ... bin ich am Ende besser
-dran, wie? ... <span class="dir">Immer leidenschaftlicher.</span> Siehst Du: so
-hat&rsquo;s das Schicksal schließlich noch gut gemeint. Es
-hat uns zu einander gebracht. &mdash; Wir gehören für einander!
-Wir sind zu Freunden voraus bestimmt, mit
-unsren gleichen Leiden. Nicht, Lenchen? <span class="dir">Er umschlingt sie
-ganz. Sie läßt es geschehen, aber mit einem Ausdruck, der besagt, daß sie
-sich zum Dulden zwingt. Sie ist still geworden und scheint mit zitternder
-Spannung etwas zu erwarten, irgend eine Gewißheit, eine Erfüllung, die
-unfehlbar herankommt.</span>
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zärtlich</span>. Du solltest meinem Vorschlag
-folgen, solltest dies Haus verlassen, bei uns wohnen. &mdash;
-Das Kindchen, das kommt, braucht eine Mutter. &mdash;
-Komm! sei Du ihm das; &mdash; <span class="dir">leidenschaftlich gerührt, sentimental</span>
-&mdash; sonst hat es eben keine Mutter. Und dann: &mdash;
-bring ein wenig, nur ein ganz, ganz klein wenig Licht
-in mein Leben. <em>Thuu&rsquo;s! &mdash; thu &mdash; &rsquo;s!</em> <span class="dir">Er will seinen
-Kopf an ihre Brust lehnen. Sie springt auf, empört. In ihren Mienen
-verräth sich Verachtung, Ueberraschung, Ekel, Haß.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Schwager! Du bist, Du bist ... Jetzt
-kenn ich Dich durch und durch. Bisher hab ich&rsquo;s nur so
-dunkel gefühlt. Jetzt weiß ich&rsquo;s ganz gewiß.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">überrascht, fassungslos</span>. Was ...? Helene ...
-&mdash; einzig, wirklich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Jetzt weiß ich ganz gewiß, daß Du nicht
-um ein Haar besser bist .... was denn! schlechter bist
-Du, der schlecht&rsquo;ste von allen hier!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">steht auf, mit angenommener Kälte</span>. Dein Betragen
-heut ist sehr eigenthümlich, weißt Du!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">tritt nahe zu ihm</span>. Du gehst doch nur auf das
-eine Ziel los. <span class="dir">Halblaut in sein Ohr.</span> Aber Du hast ganz
-andere Waffen als Vater und Stiefmutter oder der ehrenfeste
-Herr Bräutigam, ganz andere. Gegen Dich gehalten
-sind sie Lämmer, alle mit &rsquo;nander. Jetzt, jetzt auf einmal,
-jetzt eben ist mir das sonnenklar geworden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">in erheuchelter Entrüstung</span>. Lene! Du bist ....
-Du bist nicht bei Trost, das ist ja heller Wahn....
-<span class="dir">Er unterbricht sich, schlägt sich vor den Kopf.</span> Gott, wie wird mir
-denn auf einmal, natürlich! ... Du hast ....
-<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a>
-es ist freilich noch sehr früh am Tage, aber ich wette,
-Du hast .... Helene, Du hast heut früh schon mit
-Alfred Loth geredet.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Weshalb sollte ich denn nicht mit ihm geredet
-haben? Es ist ein Mann, vor dem wir uns alle
-verstecken müßten vor Scham, wenn es mit rechten Dingen
-zuginge.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Also wirklich! ... Ach sooo! ....
-na jaaa! .. allerdings ... da darf ich mich weiter
-nicht wundern &mdash; So, so, so, hat also die Gelegenheit
-benützt, über seinen Wohlthäter &rsquo;n bischen herzuziehen.
-Man sollte immer auf dergleichen gefaßt sein, freilich!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Schwager! das ist nun geradezu <em>gemein</em>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Finde ich beinah auch!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Kein Sterbenswort, nicht ein Sterbenswort
-hat er gesagt über Dich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">ohne darauf einzugehen</span>. Wenn die Sachen <em>so</em>
-liegen, dann ist es geradezu meine Pflicht, ich sage, meine
-Pflicht, als Verwandter, einem so unerfahrenen Mädchen
-gegenüber wie Du bist .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Unerfahrenes Mädchen &mdash;? Wie Du mir
-vorkommst!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">aufgebracht</span>. Auf meine Verantwortung ist
-Loth hier in&rsquo;s Haus gekommen. Nun mußt Du wissen:
-&mdash; er ist &mdash; gelinde gesprochen &mdash; ein höchst ge&mdash;fähr&mdash;licher
-Schwärmer, dieser Herr Loth.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Daß Du das von Herrn Loth sagst, hat
-für mich so etwas &mdash; Verkehrtes &mdash; etwas lächerlich
-Verkehrtes.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ein Schwärmer, der die Gabe hat,
-nicht nur Weibern, sondern auch <em>vernünftigen</em> Leuten
-die Köpfe zu verwirren.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Siehst Du: <em>wieder</em> so eine Verkehrtheit!
-Mir ist es nach den wenigen Worten, die ich mit Herrn
-Loth geredet habe, so wohlthuend klar im Kopfe ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">im Tone eines Verweises</span>. Was ich Dir sage,
-ist durchaus nichts Verkehrtes.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Man muß für das Verkehrte einen Sinn
-haben, und den hast Du eben nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">wie vorher</span>. Davon ist jetzt nicht die
-Rede. Ich erkläre Dir nochmals, daß ich Dir nichts Verkehrtes
-sage, sondern etwas, was ich Dich bitten muß,
-als thatsächlich wahr hinzunehmen .... Ich habe
-es an mir erfahren: er benebelt einem den Kopf, und
-dann schwärmt man von Völkerverbrüderung, von
-Freiheit und Gleichheit, setzt sich über Sitte und Moral
-hinweg .... Wir wären damals um dieser Hirngespinste
-willen &mdash; weiß der Himmel &mdash; über die Leichen
-unserer Eltern hinweggeschritten, um zum Ziele zu gelangen.
-Und er, sage ich Dir, würde erforderlichen Falls
-noch heute dasselbe thun.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wie viele Eltern mögen wohl alljährlich
-über die Leichen ihrer Kinder schreiten, ohne daß Jemand ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">ihr in die Rede fallend</span>. Das ist Unsinn! Da
-hört <em>alles</em> auf! ... Ich sage Dir, nimm Dich vor
-ihm in Acht, in jeder .... ich sage ganz ausdrücklich,
-in <em>jeder</em> Beziehung. &mdash; Von moralischen Skrupeln ist
-da keine Spur.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-76" class="pagenum" title="76"></a>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ne, wie verkehrt dies nun wieder ist.
-Glaub&rsquo; mir, Schwager, fängt man erst mal an d&rsquo;rauf
-zu achten .... es ist so schrecklich interessant .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Sag&rsquo; doch, was Du willst, gewarnt
-bist Du nun. Ich will Dir nur noch ganz im Vertrauen
-mittheilen: ein Haar, und ich wäre damals durch
-ihn und mit ihm greulich in die Tinte gerathen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wenn dieser Mensch so gefährlich ist,
-warum freutest Du Dich denn gestern so aufrichtig,
-als ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Gott ja, er ist eben ein Jugendbekannter!
-Weißt Du denn, ob nicht ganz bestimmte
-Gründe vorlagen ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Gründe? Wie denn?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nur so. &mdash; Käme er allerdings heut
-und wüßte ich, was ich jetzt weiß &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Was weißt Du denn nur? Ich sagte
-Dir doch bereits, er hat kein Sterbenswort über Dich
-verlauten lassen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> &mdash; Verlaß Dich d&rsquo;rauf! Ich hätte mir&rsquo;s
-zweimal überlegt und mich wahrscheinlich sehr in Acht
-genommen, ihn hier zu behalten. Loth ist und bleibt &rsquo;n
-Mensch, dessen Umgang compromittirt. Die Behörden
-haben ihn im Auge.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, hat er denn ein Verbrechen begangen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Sprechen wir lieber darüber nicht.
-Laß es Dir genug sein, Schwägerin, wenn ich Dir die
-Versicherung gebe: mit Ansichten, wie er sie hat, in der
-<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a>
-Welt umherzulaufen, ist heutzutage weit schlimmer und
-vor allem gefährlicher als stehlen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich will&rsquo;s mir merken. &mdash; Nun aber
-&mdash; Schwager! hörst Du? Frag&rsquo; mich nicht &mdash; wie ich
-nach Deinen Reden über Herrn Loth noch von <em>Dir</em>
-denke. &mdash; Hörst Du?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">cynisch kalt</span>. Denkst Du denn wirklich, daß
-mir so ganz besonders viel daran liegt das zu wissen?
-<span class="dir">Er drückt den Klingelknopf.</span> Uebrigens höre ich ihn da eben
-hereinkommen.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Loth tritt ein.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nun &mdash;? gut geschlafen, alter Freund?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Gut, aber nicht lange. Sag&rsquo; doch mal:
-ich sah da vorhin Jemand aus dem Haus kommen, einen
-Herrn.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Vermuthlich der Doktor, der soeben hier
-war. Ich erzählte Dir ja ... dieser eigenthümliche
-Mischmasch von Härte und Sentimentalität.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Helene verhandelt mit Eduard, der eben eingetreten ist.
-Er geht ab und servirt kurz darauf Thee und Kaffee.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Dieser Mischmasch, wie Du Dich ausdrückst,
-sah nämlich einem alten Universitätsfreunde von
-mir furchtbar ähnlich &mdash; ich hätte schwören können, daß
-er es sei &mdash; einem gewissen Schimmelpfennig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">sich am Frühstückstisch niederlassend</span>. Nu ja, ganz
-recht: Schimmelpfennig!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ganz recht? Was?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Er heißt in der That Schimmelpfennig.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wer? Der Doktor hier?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Du sagtest es doch eben. Ja, der Doktor.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Dann .... das ist aber auch wirklich
-wunderlich! Unbedingt ist er&rsquo;s dann.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Siehst Du wohl, schöne Seelen finden
-sich zu Wasser und zu Lande. Du nimmst mir&rsquo;s nicht
-übel, wenn ich anfange; wir wollten uns nämlich gerade
-zum Frühstück setzen. Bitte, nimm Platz! Du hast doch
-wohl nicht schon irgendwo gefrühstückt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nun dann, also. <span class="dir">Er rückt, selbst sitzend,
-Loth einen Stuhl zurecht. Hierauf zu Eduard, der mit Thee und Kaffee
-kommt.</span> Ae! wird .. e .. meine Frau Schwiegermama
-nicht kommen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Die gnädige Frau und Frau Spiller
-werden auf ihrem Zimmer frühstücken.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das ist aber doch noch nie ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">das Service zurechtrückend</span>. Laß nur! Es hat
-seinen Grund.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach so .. Loth! lang&rsquo; zu .... ein
-Ei? Thee?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Könnte ich vielleicht lieber ein Glas Milch
-bekommen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Mit dem größten Vergnügen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Eduard! Miele soll frisch einmelken.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">schält ein Ei ab</span>. Milch &mdash; brrr! mich
-schüttelt&rsquo;s. <span class="dir">Salz und Pfeffer nehmend.</span> Sag&rsquo; mal, Loth, was
-führt Dich eigentlich in unsre Gegend? Ich hab&rsquo; bisher
-ganz vergessen, Dich danach zu fragen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">bestreicht eine Semmel mit Butter</span>. Ich möchte die
-hiesigen Verhältnisse studiren.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">mit einem Aufblick</span>. Bitte ...? ... was
-für Verhältnisse?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Präcise gesprochen: ich will die Lage der
-hiesigen Bergleute studiren.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach, die ist im Allgemeinen doch eine sehr gute.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Glaubst Du? &mdash; Das wäre ja übrigens
-recht schön .... Doch eh ich&rsquo;s vergesse: Du mußt
-mir dabei einen Dienst leisten. Du kannst Dich um die
-Volkswirthschaft sehr verdient machen, wenn ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ich? I! wieso ich?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nun, Du hast doch den Verschleiß der hiesigen
-Gruben?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ja! und was dann?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Dann wird es Dir auch ein Leichtes sein,
-mir die Erlaubniß zur Besichtigung der Gruben auszuwirken.
-Das heißt: ich will mindestens vier Wochen
-lang täglich einfahren, damit ich den Betrieb einigermaßen
-kennen lerne.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">leichthin</span>. Was Du da unten zu sehen bekommst,
-willst Du dann wohl schildern?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja. Meine Arbeit soll vorzugsweise eine
-descriptive werden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das thut mir nun wirklich leid, mit
-der Sache habe ich gar nichts zu thun. &mdash; Du willst
-bloß über die Bergleute schreiben, wie?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Aus dieser Frage hört man, daß Du kein
-Volkswirthschaftler bist.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">in seinem Dünkel gekränkt</span>. Bitte <em>sehr</em> um Entschuldigung!
-Du wirst mir wohl zutrauen .....
-Warum? Ich sehe nicht ein, wieso man diese Frage nicht
-thun kann? &mdash; und schließlich: es wäre kein Wunder ....
-Alles kann man nicht wissen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Na, beruhige Dich nur, die Sache ist
-einfach die: wenn ich die Lage der hiesigen Bergarbeiter
-studiren will, so ist es unumgänglich, auch alle die Verhältnisse,
-welche diese Lage bedingen, zu berühren.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> In solchen Schriften wird mitunter
-schauderhaft übertrieben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Von diesem Fehler gedenke ich mich frei zu halten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das wird sehr löblich sein. <span class="dir">Er hat bereits
-mehrmals und jetzt wiederum mit einem kurzen und prüfenden Blick
-Helenen gestreift, die mit naiver Andacht an Loth&rsquo;s Lippen hängt, und fährt
-nun fort.</span> Doch .... es ist urkomisch, wie einem so was ganz
-urplötzlich in den Sinn kommt. Wie so was im Gehirn
-nur vor sich gehen mag?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was ist Dir denn auf einmal in den Sinn
-gekommen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Es betrifft Dich. &mdash; Ich dachte an Deine
-Ver..... nein, es ist am Ende tactlos, in Gegenwart
-von einer jungen Dame von Deinen Herzensgeheimnissen
-zu reden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, dann will ich doch lieber ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Bitte sehr, Fräulein! .. <em>bleiben</em> Sie ruhig,
-meinetwegen wenigstens &mdash; ich merke längst, worauf er
-hinaus will. Ist auch durchaus nichts Gefährliches. <span class="dir">Zu
-Hoffmann.</span> Meine Verlobung, nicht wahr?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-81" class="pagenum" title="81"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wenn Du selbst darauf kommst, ja! &mdash;
-Ich dachte in der That an Deine Verlobung mit Anna
-Faber.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Die ging auseinander &mdash; naturgemäß &mdash; als
-ich damals in&rsquo;s Gefängniß mußte.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das war aber nicht hübsch von
-Deiner .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es war jedenfalls ehrlich von ihr! Ihr
-Absagebrief enthielt ihr wahres Gesicht; hätte sie mir dies
-Gesicht früher gezeigt, dann hätte sie sich selbst und auch
-mir manches ersparen können.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Und seither hat Dein Herz nicht irgendwo
-festgehakt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Natürlich! Nun: Büchse in&rsquo;s Korn
-geworfen &mdash; heirathen verschworen! verschworen wie den
-Alkohol! Was? Uebrigens <span class="antiqua">chacun à son goût</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Mein Geschmack ist es eben nicht, aber vielleicht
-mein Schicksal. Auch habe ich Dir, soviel ich weiß,
-bereits einmal gesagt, daß ich in Bezug auf das Heirathen
-nichts verschworen habe; was ich fürchte, ist: daß es keine
-Frau geben wird, die sich für mich eignet.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ein großes Wort, Lothchen!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Im Ernst! &mdash; Mag sein, daß man mit den
-Jahren zu kritisch wird und zu wenig gesunden Instinkt
-besitzt. Ich halte den Instinkt für die beste Garantie
-einer geeigneten Wahl.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">frivol</span>. Der wird sich schon noch mal wiederfinden
-&mdash; <span class="dir">lachend</span> &mdash; der Instinkt nämlich.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-82" class="pagenum" title="82"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> &mdash; Schließlich, was kann ich einer Frau
-bieten? Ich werde immer mehr zweifelhaft, ob ich einer
-Frau zumuthen darf, mit dem kleinen Theile meiner
-Persönlichkeit vorlieb zu nehmen, der nicht meiner Lebensarbeit
-gehört &mdash; dann fürchte ich mich auch vor der Sorge
-um die Familie.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wa... was? &mdash; vor der Sorge um
-die Familie? Kerl! hast Du denn nicht Kopf, Arme, he?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie Du siehst. Aber ich sagte Dir ja schon,
-meine Arbeitskraft gehört zum größten Theil meiner
-Lebensaufgabe und wird ihr immer zum größten Theil
-gehören: sie ist also nicht mehr mein. Ich hätte außerdem
-mit ganz besonderen Schwierigkeiten ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Pst! klingelt da nicht Jemand?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du hältst das für Phrasengebimmel?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ehrlich gesprochen, es klingt etwas hohl!
-Unser einer ist schließlich auch kein Buschmann, trotzdem
-man verheirathet ist. Gewisse Menschen geberden
-sich immer, als ob sie ein Privilegium auf alle in der
-Welt zu vollbringenden guten Thaten hätten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">heftig</span>. Gar nicht! &mdash; denk ich gar nicht d&rsquo;ran!
-&mdash; Wenn Du von Deiner Lebensaufgabe nicht abgekommen
-wärst, so würde das an Deiner glücklichen materiellen
-Lebenslage mitliegen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">mit Ironie</span>. Dann wäre das wohl auch
-eine Deiner Forderungen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie? Forderungen? was?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ich meine: Du würdest bei einer Heirath
-auf Geld sehen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-83" class="pagenum" title="83"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Unbedingt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Und dann giebt es &mdash; wie ich Dich
-kenne &mdash; noch eine lange Zaspel anderer Forderungen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sind vorhanden! Leibliche und geistige
-Gesundheit der Braut zum Beispiel ist <span class="antiqua">conditio sine
-qua non</span>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">lachend</span>. Vorzüglich! Dann wird ja wohl
-vorher eine ärztliche Untersuchung der Braut nothwendig
-werden. &mdash; Göttlicher Hecht!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">immer ernst</span>. Ich stelle aber auch an mich
-Forderungen, mußt Du nehmen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">immer heiterer</span>. Ich weiß, weiß! ... wie Du
-mal die Literatur über Liebe durchgingst, um auf das
-Gewissenhafteste festzustellen ob das, was Du damals für
-irgend eine Dame empfandest, auch wirklich Liebe sei. Also
-sag&rsquo; doch mal noch einige Deiner Forderungen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Meine Frau müßte zum Beispiel entsagen
-können.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> &mdash; Wenn ... wenn .... Ach! ich will
-lieber nicht reden ... ich wollte nur sagen: die Frau ist
-doch im Allgemeinen an&rsquo;s Entsagen gewöhnt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Um&rsquo;s Himmels willen! Sie verstehen mich
-durchaus falsch. So ist das Entsagen nicht gemeint.
-Nur in sofern verlange ich Entsagung, oder besser, nur
-auf den Theil meines Wesens, der meiner Lebensaufgabe
-gehört, müßte sie freiwillig und mit Freuden verzichten.
-Nein, nein! im Übrigen soll meine Frau fordern und
-immer fordern &mdash; alles was ihr Geschlecht im Laufe
-der Jahrtausende eingebüßt hat.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-84" class="pagenum" title="84"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Au! au! au! ... Frauenemancipation!
-&mdash; wirklich Deine Schwenkung war bewunderungswürdig
-&mdash; nun bist Du im rechten Fahrwasser. Fritz Loth,
-oder der Agitator in der Westentasche! ... Wie
-würdest Du denn hierin Deine Forderungen formuliren,
-oder besser: wie weit müßte Deine Frau emancipirt
-sein? &mdash; Es amüsirt mich wirklich Dich anzuhören &mdash;
-Cigarren rauchen? Hosen tragen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das nun weniger &mdash; aber &mdash; sie müßte
-allerdings über gewisse gesellschaftliche Vorurtheile hinaus
-sein. Sie müßte zum Beispiel nicht davor zurückschrecken
-zuerst &mdash; falls sie nämlich wirklich Liebe zu mir empfände
-&mdash; das bewußte Bekenntniß abzulegen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">ist mit frühstücken zu Ende. Springt auf, in halb
-ernster, halb komischer Entrüstung.</span> Weißt Du? das ... das ist
-... eine geradezu <em>unverschämte</em> Forderung! mit der
-Du allerdings auch &mdash; wie ich Dir hiermit prophezeihe
-&mdash; wenn Du nicht etwa vorziehst sie fallen zu lassen,
-bis an Dein Lebensende herumlaufen wirst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">mit schwer bewältigter, innerer Erregung</span>. Ich bitte
-die Herren mich jetzt zu entschuldigen &mdash; die Wirthschaft
-... Du weißt, Schwager: Mama ist in der Stube und
-da ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Laß Dich nicht abhalten.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Helene verbeugt sich; ab.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">mit dem Streichholzetui nach dem Cigarrenkistchen,
-das auf dem Buffet steht, zuschreitend</span>. Das muß wahr sein ...
-Du bringst einen in Hitze, ... ordentlich unheimlich.
-<span class="dir">Nimmt eine Cigarre aus der Kiste und läßt sich dann auf das Sopha links
-<a id="page-85" class="pagenum" title="85"></a>
-vorn nieder. Er schneidet die Spitze der Cigarre ab und hält während des
-Folgenden die Cigarre in der linken, das abgetrennte Spitzchen zwischen
-den Fingern der rechten Hand.</span> Bei alledem ... es amüsirt
-doch. Und dann: Du glaubst nicht, wie wohl es thut,
-so&rsquo;n paar Tage auf dem Lande, abseit von den Geschäften,
-zuzubringen. Wenn nur nicht heute dies verwünschte
-... wie spät ist es denn eigentlich? Ich muß
-nämlich leider Gottes heute zu einem Essen nach der
-Stadt. &mdash; Es war unumgänglich: dies Diner mußte ich
-geben. Was soll man machen als Geschäftsmann? &mdash;
-Eine Hand wäscht die andere. Die Bergbeamten sind
-nun mal d&rsquo;ran gewöhnt. &mdash; Na! eine Cigarre kann
-man noch rauchen &mdash; in aller Gemüthsruhe. <span class="dir">Er trägt
-das Spitzchen nach dem Spucknapf, läßt sich dann abermals auf das Sopha
-nieder und setzt seine Cigarre in Brand.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">am Tisch; blättert stehend in einem Prachtwerk</span>. Die
-Abenteuer des Grafen Sandor.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Diesen Unsinn findest Du hier bei den
-meisten Bauern aufliegen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">unter dem Blättern</span>. Wie alt ist eigentlich Deine
-Schwägerin?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Im August einundzwanzig gewesen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ist sie leidend?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Weiß nicht. - Glaube übrigens nicht
-&mdash; macht sie Dir den Eindruck? &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sie sieht allerdings mehr verhärmt als
-krank aus.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Na ja! die Scheerereien mit der Stiefmutter
-...
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-86" class="pagenum" title="86"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Auch ziemlich reizbar scheint sie zu sein!?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Unter solchen Verhältnissen ......
-Ich möchte den sehen, der unter solchen Verhältnissen
-nicht reizbar werden würde ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Viel Energie scheint sie zu besitzen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Eigensinn!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Auch Gemüth, nicht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Zu viel mitunter .......
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wenn die Verhältnisse hier so mißlich für
-sie sind &mdash; warum lebt Deine Schwägerin dann nicht
-in <em>Deiner</em> Familie?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Frag&rsquo; sie, warum! &mdash; Oft genug
-hab ich ihr&rsquo;s angeboten. Frauenzimmer haben eben ihre
-Schrullen. <span class="dir">Die Cigarre im Munde, zieht Hoffmann ein Notizbuch und
-summirt einige Posten.</span> Du nimmst es mir doch wohl nicht
-übel, wenn ich ... wenn ich Dich dann allein lassen
-muß?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein, gar nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wie lange gedenkst Du denn noch ...?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich werde mir bald nachher eine Wohnung
-suchen. Wo wohnt denn eigentlich Schimmelpfennig?
-Am besten, ich gehe zu ihm. Der wird mir gewiß etwas
-vermitteln können. Hoffentlich findet sich bald etwas Geeignetes,
-sonst würde ich die nächste Nacht im Gasthaus
-nebenan zubringen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Wieso denn? Natürlich bleibst Du
-dann bis morgen bei uns. Freilich, ich bin selbst nur
-Gast in diesem Hause &mdash; sonst würde ich Dich natürlich
-auffordern ... Du begreifst ...!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-87" class="pagenum" title="87"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Vollkommen! ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Aber sag&rsquo; doch mal &mdash; sollte das
-wirklich Dein Ernst gewesen sein ....?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Daß ich die nächste Nacht im Gast....?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Unsinn! ... Bewahre! Was Du
-vorhin sagtest, meine ich. Die Geschichte da &mdash; mit
-Deiner vertrackten descriptiven Arbeit?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Weshalb nicht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ich muß Dir gestehen, ich hielt es
-für Scherz. <span class="dir">Er erhebt sich, vertraulich, halb und halb im Scherz.</span>
-Wie? Du solltest wirklich fähig sein, hier ... gerade
-hier, wo ein Freund von Dir glücklich festen Fuß gefaßt
-hat, den Boden zu unterwühlen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Mein Ehrenwort, Hoffmann! Ich hatte
-keine Ahnung davon, daß Du Dich hier befändest. Hätte
-ich das gewußt ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">springt auf, hocherfreut</span>. Schon gut! schon
-gut! Wenn die Sachen <em>so</em> liegen .... siehst Du,
-das freut mich <em>aufrichtig</em>, daß ich mich nicht in Dir
-getäuscht habe. Also, Du weißt es nun, und selbstredend
-erhältst Du die Kosten der Reise und alles, was drum
-und dran baumelt, von mir vergütet. Ziere Dich nicht!
-Es ist einfach meine Freundespflicht .... Daran
-erkenne ich meinen alten, biederen Loth! Denke mal an:
-ich hatte Dich wirklich eine Zeit lang ernstlich im
-Verdacht .... Aber nun muß ich Dir auch ehrlich
-sagen, so schlecht, wie ich mich zuweilen hinstelle, bin ich
-keineswegs. Ich habe Dich immer hochgeschätzt, Dich
-und Dein ehrliches, consequentes Streben. Ich bin der letzte,
-<a id="page-88" class="pagenum" title="88"></a>
-der gewisse, &mdash; leider, leider mehr als berechtigte Ansprüche
-der ausgebeuteten, unterdrückten Massen nicht gelten
-läßt. &mdash; Ja, lächle nur, ich gehe sogar so weit zu
-bekennen, daß es im Reichstag nur <em>eine</em> Partei giebt,
-die Ideale hat: und das ist dieselbe, der Du angehörst!
-.... Nur &mdash; wie gesagt &mdash; langsam!
-langsam! &mdash; nichts überstürzen. Es kommt alles,
-kommt alles, wie es kommen soll. Nur Geduld!
-Geduld ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Geduld muß man allerdings haben. Deshalb
-ist man aber noch nicht berechtigt, die Hände in
-den Schooß zu legen!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ganz meine Ansicht! &mdash; Ich hab&rsquo;
-Dir überhaupt in Gedanken weit öfter zugestimmt als
-mit Worten. Es ist &rsquo;ne Unsitte, ich geb&rsquo;s zu. Ich
-hab&rsquo; mir&rsquo;s angewöhnt, im Verkehr mit Leuten, die ich
-nicht gern in meine Karten sehen lasse .... Auch in
-der Frauenfrage .... Du hast manches sehr treffend
-geäußert. <span class="dir">Er ist inzwischen an&rsquo;s Telephon getreten, weckt und spricht
-theils in&rsquo;s Telephon, theils zu Loth.</span> Die kleine Schwägerin war
-übrigens ganz Ohr ... <span class="dir">In&rsquo;s Telephon.</span> Franz! In zehn Minuten
-muß angespannt sein ... <span class="dir">Zu Loth.</span> Es hat ihr Eindruck
-gemacht ... <span class="dir">In&rsquo;s Telephon.</span> Was? &mdash; ach was, Unsinn! &mdash;
-Na, da hört doch aber ..... Dann schirren Sie schleunigst
-die Rappen an ..... <span class="dir">Zu Loth.</span> Warum sollte es ihr keinen
-Eindruck machen? ... <span class="dir">In&rsquo;s Telephon.</span> Gerechter Strohsack,
-zur Putzmacherin sagen Sie? Die gnädige Frau ....
-die gnä... Ja &mdash; na ja! aber sofort &mdash; na ja! &mdash;
-ja! &mdash; schön! Schluß! <span class="dir">Nachdem er darauf den Knopf der Hausklingel
-<a id="page-89" class="pagenum" title="89"></a>
-gedrückt, zu Loth.</span> Wart&rsquo; nur ab, Du! Laß mich nur
-erst den entsprechenden Monetenberg aufgeschichtet haben,
-vielleicht geschieht dann etwas ... <span class="dir">Eduard ist eingetreten.</span> Eduard!
-Meine Gamaschen, meinen Gehrock! <span class="dir">Eduard ab.</span> Vielleicht
-geschieht dann etwas, was Ihr mir alle jetzt nicht zutraut
-.... Wenn Du in zwei oder drei Tagen &mdash;
-bis dahin wohnst Du unbedingt bei uns &mdash; ich müßte
-es sonst als eine grobe Beleidigung ansehen &mdash; <span class="dir">er legt den
-Schlafrock ab</span> &mdash; in zwei bis drei Tagen also, wenn Du abzureisen
-gedenkst, bringe ich Dich mit meiner Kutsche zur
-Bahn.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Eduard mit Gehrock und Gamaschen tritt ein.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">indem er sich den Rock überziehen läßt</span>. So! <span class="dir">Auf
-einen Stuhl niedersitzend.</span> Nun die Stiefel! <span class="dir">Nachdem er einen derselben
-angezogen.</span> Das wäre einer!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du hast mich doch wohl nicht ganz verstanden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach ja! das ist leicht möglich. Man
-ist so raus aus all den Sachen. Nur immer lederne
-Geschäftsangelegenheiten. Eduard! ist denn noch keine
-Post gekommen? Warten Sie mal! &mdash; Gehen Sie doch
-mal in mein Zimmer! Auf dem Pult links liegt ein
-Schriftstück mit blauem Deckel, bringen Sie&rsquo;s raus in
-die Wagentasche. <span class="dir">Eduard ab in die Thür rechts, dann zurück und ab
-durch die Mittelthür.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich meine ja nur: Du hast mich in <em>einer
-Beziehung</em> nicht verstanden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">sich immer noch mit dem zweiten Schuh herumquälend</span>.
-Upsa! .... So! <span class="dir">Er steht auf und tritt die Schuhe ein.</span> Da wären
-<a id="page-90" class="pagenum" title="90"></a>
-wir. Nichts ist unangenehmer als enge Schuhe .....
-Was meintest Du eben?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du sprachst von meiner Abreise .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Nun?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich habe Dir doch bereits gesagt, daß ich
-um eines ganz bestimmten Zweckes willen hier am Ort
-bleiben muß.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">auf&rsquo;s Äußerste verblüfft und entrüstet zugleich</span>. Hör&rsquo;
-mal ....! Das ist aber beinahe <em>nichts</em>würdig! &mdash; Weißt
-Du denn nicht, was Du mir als Freund schuldest?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Doch wohl nicht den Verrath meiner Sache!?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">außer sich</span>. Nun, dann ... dann habe ich
-auch nicht die kleinste Veranlassung, Dir gegenüber als
-Freund zu verfahren. Ich sage Dir also: daß ich Dein
-Auftreten hier &mdash; gelinde gesprochen &mdash; für <em>fabelhaft</em>
-dreist halte.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">sehr ruhig</span>. Vielleicht erklärst Du mir, was Dich
-berechtigt, mich mit dergleichen Epitheta .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das soll ich Dir auch noch erklären?
-Da hört eben <em>verschiedenes</em> auf! Um so was nicht
-zu fühlen, muß man Rhinoceroshaut auf dem Leibe
-haben! Du kommst hierher, genieß&rsquo;st meine Gastfreundschaft,
-drisch&rsquo;st mir ein paar Schock Deiner abgegriffnen
-Phrasen vor, verdrehst meiner Schwägerin den Kopf,
-schwatzest von alter Freundschaft und so was gut&rsquo;s und
-dann erzählst Du ganz naiv: Du wolltest eine descriptive
-Arbeit über hiesige Verhältnisse verfertigen. Ja, für
-was <em>hältst</em> Du mich denn eigentlich? Meinst Du vielleicht,
-ich wüßte nicht, daß solche sogenannte Arbeiten
-<a id="page-91" class="pagenum" title="91"></a>
-nichts als schamlose Pamphlete sind? ... Solch eine
-Schmähschrift willst Du schreiben und zwar über unseren
-Kohlendistrict. Solltest Du denn wirklich nicht begreifen,
-wen diese Schmähschrift am allerschärfsten schädigen
-müßte? Doch nur <em>mich</em>! &mdash; Ich sage: man sollte Euch
-das Handwerk noch gründlicher legen, als es bisher geschehen
-ist, Volksverführer! die Ihr seid! Was thut
-Ihr? Ihr macht den Bergmann unzufrieden, anspruchsvoll,
-reizt ihn auf, erbittert ihn, macht ihn aufsässig,
-ungehorsam, unglücklich, spiegelt ihm goldene Berge vor
-und grapscht ihm unter der Hand seine <em>paar</em> Hungerpfennige
-aus der Tasche.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Erachtest Du Dich nun als demaskirt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">roh</span>. Ach was! Du lächerlicher, gespreizter
-Tugendmeier! Was mir das wohl ausmacht,
-vor Dir demaskirt zu sein! &mdash; Arbeite lieber! Laß
-Deine albernen Faseleien! &mdash; Thu was! Komm zu
-was! Ich brauche Niemand um zweihundert Mark anzupumpen.
-<span class="dir">Schnell ab durch die Mittelthür.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Loth sieht ihm einige Augenblicke ruhig nach, dann greift
-er, nicht minder ruhig, in seine Brusttasche, zieht ein Portefeuille
-und entnimmt ihm ein Stück Papier (den Chec Hoffmann&rsquo;s),
-das er mehrmals durchreißt, um die Schnitzel dann langsam
-in den Kohlenkasten fallen zu lassen. Hierauf nimmt er Hut und
-Stock und wendet sich zum Gehen. Jetzt erscheint <em>Helene</em> auf
-der Schwelle des Wintergartens.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">leise</span>. Herr Loth!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">zuckt zusammen, wendet sich</span>. Ah! Sie sind es. &mdash;
-Nun &mdash; dann &mdash; kann ich <em>Ihnen</em> doch wenigstens ein
-Lebewohl sagen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-92" class="pagenum" title="92"></a>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">unwillkürlich</span>. War Ihnen das Bedürfniß?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja! &mdash; es war mir Bedürfniß &mdash;! Vermuthlich
-&mdash; wenn Sie da drin gewesen sind &mdash; haben
-Sie den Auftritt hier mit angehört &mdash; und dann .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich habe alles mit angehört.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nun &mdash; dann &mdash; wird es Sie nicht in Erstaunen
-setzen, wenn ich dieses Haus so ohne Sang und
-Klang verlasse.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> N &mdash; nein! &mdash; ich begreife &mdash;! .....
-Vielleicht kann&rsquo;s Sie milder gegen ihn stimmen ...
-mein Schwager bereut immer sehr schnell. Ich hab&rsquo;s
-oft ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ganz möglich &mdash;! Vielleicht gerade deshalb
-aber ist das, was er über mich sagte, seine wahre
-Meinung von mir. &mdash; Es ist sogar unbedingt seine wahre
-Meinung.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Glauben Sie das im Ernst?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja! &mdash; im Ernst! Also .... <span class="dir">Er geht auf sie
-zu und giebt ihr die Hand.</span> Leben Sie recht glücklich! <span class="dir">Er wendet
-sich und steht sogleich wieder still.</span> Ich weiß nicht ....! oder besser:
-&mdash; <span class="dir">Helenen klar und ruhig ins Gesicht blickend</span> &mdash; ich weiß, weiß erst
-seit ... seit diesem Augenblick, daß es mir nicht ganz
-leicht ist, von hier fortzugehen .... und .... ja ... und
-... na ja!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wenn ich Sie aber &mdash; recht schön bäte
-.... recht sehr ... noch weiter hier zu bleiben &mdash;?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sie theilen also nicht die Meinung Ihres
-Schwagers?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nein! &mdash; und das &mdash; wollte ich Ihnen
-<a id="page-93" class="pagenum" title="93"></a>
-unbedingt ... unbedingt noch sagen, bevor ... bevor &mdash;
-Sie &mdash; gingen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">ergreift abermals ihre Hand</span>. Das thut mir <em>wirklich</em>
-wohl.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">mit sich kämpfend. In einer sich schnell bis zur Bewußtlosigkeit
-steigernden Erregung. Mühsam hervorstammelnd.</span> Auch noch
-mehr w&mdash;ollte ich Ihnen ... Ihnen sagen, nämlich ...
-näm&mdash;lich, daß &mdash; ich Sie sehr hoch&mdash;achte und &mdash;
-verehre &mdash; wie ich bis jetzt .... bis jetzt noch &mdash; keinen
-Mann ...., daß ich Ihnen &mdash; vertraue, &mdash; daß ich be&mdash;reit
-bin, das ..... das zu beweisen &mdash; daß ich &mdash; etwas für
-&mdash; Dich, Sie fühle ... <span class="dir">Sinkt ohnmächtig in seine Arme.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Helene!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Vorhang fällt schnell.
-</p>
-
-</div>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-6">
-<a id="page-94" class="pagenum" title="94"></a>
-Vierter Akt.
-</h2>
-
-<div class="dir scene">
-<p>
-Wie im zweiten Akt: der Gutshof. Zeit: eine Viertelstunde
-nach Helenens Liebeserklärung.
-</p>
-
-<p>
-<em>Marie</em> und <em>Golisch</em>, der Kuhjunge, schleppen sich mit
-einer hölzernen Lade die Bodentreppe herunter. Loth kommt
-reisefertig aus dem Hause und geht langsam und nachdenklich
-quer über den Hof. Bevor er in den Wirthshaussteg einbiegt,
-stößt er auf <em>Hoffmann</em>, der mit ziemlicher Eile durch den Hofeingang
-ihm entgegenkommt.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span>, <span class="dir">Cylinder, Glacéhandschuhe</span>. Sei mir nicht böse.
-<span class="dir">Er verstellt Loth den Weg und faßt seine beiden Hände.</span> Ich nehme
-hiermit alles zurück! ... Nenne mir eine Genugthuung!
-... Ich bin zu jeder Genugthuung bereit! .... Ich bereue,
-bereue alles aufrichtig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das hilft Dir und mir wenig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach! &mdash; wenn Du doch ... sieh mal ....!
-Mehr kann man doch eigentlich nicht thun. Ich
-sage Dir: mein Gewissen hat mir keine Ruhe gelassen!
-Dicht vor Jauer bin ich umgekehrt, .... daran solltest
-Du doch schon erkennen, daß es mir Ernst ist. &mdash; Wo
-wolltest Du hin ....?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> In&rsquo;s Wirthshaus &mdash; einstweilen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach, das darfst Du mir nicht anthun ...!
-Das thu mir nur nicht an! Ich glaube ja, daß
-es Dich tief kränken mußte. &rsquo;S ist ja auch vielleicht nicht
-<a id="page-95" class="pagenum" title="95"></a>
-so &mdash; mit ein paar Worten wieder gut zu machen. Nur
-nimm mir nicht jede Gelegenheit .... jede Möglichkeit,
-Dir zu beweisen .... hörst Du? Kehr um! .... Bleib
-wenigstens bis ... bis morgen. Oder bis ... bis ich
-zurückkomme. Ich muß mich noch einmal in Muße mit
-Dir aussprechen darüber; &mdash; das kannst Du mir nicht
-abschlagen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wenn Dir daran besonders viel gelegen ist ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Alles! ... auf Ehre! &mdash; ist mir daran
-gelegen, alles! .... Also komm! ... komm!! Kneif ja nicht
-aus! &mdash; komm! <span class="dir">Er führt Loth, der sich nun nicht mehr sträubt, in
-das Haus zurück. Beide ab.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Die entlassene Magd und der Kuhjunge haben inzwischen
-die Lade auf den Schubkarren gesetzt, Golisch hat die Traggurte
-umgenommen.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Marie</span>, <span class="dir">während sie Golisch etwas in die Hand drückt</span>. Doo!
-Gooschla! hust a woas!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Der Junge</span> <span class="dir">weist es ab</span>. Behaal&rsquo; Den&rsquo;n Biema!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Marie.</span> Ae! tumme Dare!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Der Junge.</span> Na, wegen menner. <span class="dir">Er nimmt das Geld
-und thut es in seinen ledernen Geldbeutel.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">von einem der Wohnhausfenster aus, ruft</span>:
-Marie!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Marie.</span> Woas wullt Er noo?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">nach einer Minute aus der Hausthür tretend</span>.
-Die gnädige Frau will Dich behalten, wenn Du versprichst
-....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Marie.</span> Dreck! war ich er versprecha! &mdash; Foahr
-zu, Goosch!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-96" class="pagenum" title="96"></a>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">näher tretend</span>. Die gnädige Frau will
-Dir auch etwas am Lohn zulegen, wenn Du .....
-<span class="dir">Plötzlich flüsternd.</span> Mach Der nischt draus, Moad! se werd
-ok manchmal so&rsquo;n bisken kullerig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Marie</span> <span class="dir">wüthend</span>. Se maag siich ihre poar Greschla
-fer sich behahl&rsquo;n! &mdash; <span class="dir">Weinerlich.</span> Ehnder derhingern! <span class="dir">Sie
-folgt Gosch, der mit dem Schubkarren vorangefahren ist.</span> Nee, a su
-woas oaber oo! &mdash; Do sool eens do glei&rsquo; ... <span class="dir">Ab. Frau
-Spiller ihr nach. Ab.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Durch den Haupteingang kommt <em>Baer</em>, genannt Hopslabaer.
-Ein langer Mensch mit einem Geierhalse und Kropfe dran. Er
-geht barfuß und ohne Kopfbedeckung; die Beinkleider reichen, unten
-stark ausgefranst, bis wenig unter die Knie herab. Er hat eine
-Glatze; das vorhandene braune, verstaubte und verklebte Haar
-reicht ihm bis über die Schulter. Sein Gang ist straußenartig.
-An einer Schnur führt er ein Kinderwägelchen voll Sand mit
-sich. Sein Gesicht ist bartlos, die ganze Erscheinung deutet auf
-einen einige Zwanzig alten verwahrlosten Bauernburschen.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Baer</span> <span class="dir">mit merkwürdig blökender Stimme</span>. Saaa&mdash;a&mdash;and!
-Saa&mdash;and!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Er geht durch den Hof und verschwindet zwischen Wohnhaus
-und Stallgebäude. <em>Hoffmann</em> und <em>Helene</em> aus dem
-Wohnhaus. Helene sieht bleich aus und trägt ein leeres Wasserglas
-in der Hand.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">zu Helene</span>. Unterhalt ihn bissel! verstehst
-Du? &mdash; Laß ihn nicht fort &mdash; es liegt mir sehr viel
-daran. &mdash; So&rsquo;n beleidigter Ehrgeiz .... Adieu! &mdash; Ach!
-Soll ich am Ende nicht fahren? &mdash; Wie geht&rsquo;s mit
-Martha? &mdash; Ich hab so&rsquo;n eigenthümliches Gefühl, als
-ob&rsquo;s bald ..... Unsinn! &mdash; Adieu! ... höchste Eile!
-<a id="page-97" class="pagenum" title="97"></a>
-<span class="dir">Ruft.</span> Franz! Was die Pferde laufen können! <span class="dir">Schnell ab
-durch den Haupteingang.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<em>Helene</em> geht zur Pumpe, pumpt das leere Glas voll und
-leert es auf einen Zug. Ein zweites Glas Wasser leert sie zur
-Hälfte. Das Glas setzt sie dann auf das Pumpenrohr und
-schlendert langsam, von Zeit zu Zeit rückwärts schauend, durch
-den Thorweg hinaus. <em>Baer</em> kommt zwischen Wohnhaus und
-Stallung hervor und hält mit seinem Wagen vor der Wohnhausthür
-still, wo Miele ihm Sand abnimmt. Indeß ist <em>Kahl</em> von
-rechts innerhalb des Grenzzaunes sichtbar geworden, im Gespräch
-mit <em>Frau Spiller</em>, die außerhalb des Zaunes, also auf dem
-Terrain des Hofeingangs, sich befindet. Beide bewegen sich im
-Gespräch langsam längs des Zaunes hin.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">leidend</span>. Ach ja &mdash; m &mdash; gnädiger
-Herr Kahl! Ich hab &mdash; m &mdash; manchmal so an Sie
-&mdash; m &mdash; gedacht &mdash; m &mdash; wenn ... wenn das gnädige
-Freilein ... Sie ist doch nun mal &mdash; m &mdash; so zu sagen &mdash;
-m &mdash; mit Sie verlobt, und da .... ach! &mdash; m &mdash; zu
-meiner Zeit ...!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">steigt auf die Bank unter der Eiche und befestigt einen Meisekasten
-auf dem untersten Ast</span>. W &mdash; wenn werd denn d.. dd.. doas
-D... d... d... dukterluder amol sssenner W... wwwege
-gihn? hä?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Ach, Herr Kahl! ich glaube &mdash; m &mdash;
-nicht so bald. &mdash; A.. ach, Herr &mdash; m &mdash; Kahl, ich bin
-zwar so zu sagen &mdash; m &mdash; etwas &mdash; m &mdash; herabjekommen,
-aber ich weiß so zu sagen &mdash; m &mdash;, was Bildung ist.
-In dieser Hinsicht, Herr Kahl ...., das Freilein &mdash; m &mdash;
-das gnädige Freilein ...., das handeln nicht gut gegen
-Ihnen &mdash; nein! &mdash; m &mdash; darin, so zu sagen &mdash; m &mdash;
-<a id="page-98" class="pagenum" title="98"></a>
-habe ich mir nie etwas zu Schulden kommen lassen &mdash;
-m &mdash; mein Gewissen &mdash; m &mdash; gnädiger Herr Kahl, ist
-darin so rein ... so zu sagen, wie reiner Schnee.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Baer hat sein Sandgeschäft abgewickelt und verläßt in
-diesem Augenblick, an Kahl vorübergehend, den Hof.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">entdeckt Baer und ruft</span>. Hopslabaer, hops amool!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Baer macht einen riesigen Luftsprung.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">vor Lachen wiehernd, ruft ein zweites Mal</span>. Hopslabaer,
-hops amool!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Nun da &mdash; m &mdash; ja, Herr
-Kahl! ...... ich meine es nur gut mit Sie. Sie müssen
-Obacht geben &mdash; m &mdash; gnädiger Herr! Es &mdash; m &mdash; es
-ist was im Gange mit dem gnädigen Fräulein und &mdash;
-m &mdash; m &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> D.. doas Dukterluder ... ok bbbblußig
-emool vor a Hunden &mdash; blußig e.. e.. e.. emool!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">geheimnißvoll</span>. Und was das nun noch &mdash;
-m &mdash; für ein Indifidium ist. Ach &mdash; m &mdash; das gnädige
-Freilein thut mir auch <em>soo</em> leid. Die Frau &mdash; m &mdash;
-vom Polizeidiener, die hat&rsquo;s vom Amte, glaub ich. Es
-soll ein ganz &mdash; m &mdash; gefährlicher Mensch sein. Ihr
-Mann &mdash; m &mdash; soll ihn so zu sagen &mdash; m &mdash; denken
-Sie nur, soll ihn &mdash; m &mdash; geradezu im Auge behalten.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<em>Loth</em> aus dem Hause. Sieht sich um.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Seh&rsquo;n Sie, nun jeht er dem
-gnädigen Freilein nach &mdash; m &mdash;. Aa... ach, <em>zuu</em> leid
-thut es einem.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl.</span> Na wart&rsquo;! <span class="dir">Ab.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<em>Frau Spiller</em> geht nach der Hausthüre. Als sie an
-<a id="page-99" class="pagenum" title="99"></a>
-Loth vorbeikommt, macht sie eine tiefe Verbeugung. Ab in
-das Haus.
-</p>
-
-<p>
-<em>Loth</em> langsam durch den Thorweg ab. Die <em>Kutschenfrau</em>,
-eine magere, abgehärmte und ausgehungerte Frauensperson,
-kommt zwischen Stallgebäude und Wohnhaus hervor.
-Sie trägt einen großen Topf unter ihrer Schürze versteckt und
-schleicht damit, sich überall ängstlich umblickend, nach dem Kuhstall.
-Ab in die Kuhstallthür. Die beiden <em>Mägde</em>, jede eine
-Schubkarre, hoch mit Klee beladen, vor sich herstoßend, kommen
-durch den Thorweg herein. <em>Beibst</em>, die Sense über der Schulter,
-die kurze Pfeife im Munde, folgt ihnen nach. Liese hat ihre
-Schubkarre vor die linke, Auguste vor die rechte Stallthür gefahren,
-und beide Mädchen beginnen große Arme voll Klee in
-den Stall hinein zu schaffen.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese</span> <span class="dir">leer aus dem Stalle herauskommend</span>. Du, Guste! de
-Marie iis furt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Auguste.</span> Joa wull doch?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese.</span> Gih nei! freu&rsquo; die Kutscha-Franzen, se milkt
-er an Truppen Milch ei.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">hängt seine Sense an der Wand auf</span>. Na! doa lußt
-ok de Spillern nee ernt derzune kumma.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Auguste.</span> Oh jechtich! nee ok nee! bei Leibe nich!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese.</span> A su a oarm Weib miit achta.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Auguste.</span> Acht kleene Bälge! &mdash; die wull&rsquo;n laba.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese.</span> Ne amool an Truppen Milch thun s&rsquo; er
-ginn&rsquo;n ... meschant iis doas.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Auguste.</span> Wu milkt sie denn?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese.</span> Ganz derhinga, de neumalke Fenus!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">stopft seine Pfeife; den Tabaksbeutel mit den Zähnen festhaltend,
-nuschelt er</span>. De Marie wär&rsquo; weg?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-100" class="pagenum" title="100"></a>
-<span class="speaker">Liese.</span> Ju, ju, &rsquo;s iis fer gewiß! &mdash; der Pfaarknecht
-hot gle bein er geschloofa.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Beibst</span> <span class="dir">den Tabaksbeutel in die Tasche steckend</span>. Amool wiil
-jedes! &mdash; au&rsquo; de Frau. <span class="dir">Er zündet sich die Pfeife an, darauf durch
-den Haupteingang ab. Im Abgehen.</span> Ich gih a wing frihsticka!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Die Kutschenfrau</span> <span class="dir">den Topf voll Milch vorsichtig unter der
-Schürze, guckt aus der Stallthür heraus</span>. Sitt ma Jemanda?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese.</span> Koanst kumma, Kutschen, ma sitt ken&rsquo;n.
-Kumm! kumm schnell!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kutschenfrau</span> <span class="dir">im Vorübergehen zu den Mägden</span>. Ok fersch
-Pappekindla!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese</span> <span class="dir">ihr nachrufend</span>. Schnell! S&rsquo; kimmt Jemand. <span class="dir"><em>Kutschenfrau</em>
-zwischen Wohnhaus und Stallung ab.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Auguste.</span> Blußig ok inse Frele.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Die Mägde räumen nun weiter die Schubkarren ab und
-schieben sie, wenn sie leer sind, unter den Thorweg, hierauf beide
-ab in den Kuhstall.
-</p>
-
-<p>
-Loth und Helene kommen zum Thorweg herein.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Widerlicher Mensch! dieser Kahl, &mdash; frecher
-Spion!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> In der Laube vorn, glaub ich ... <span class="dir">Sie
-gehen durch das Pförtchen in das Gartenstückchen links vorn und in die
-Laube daselbst.</span> Es ist mein Lieblingsplatz. &mdash; Hier bin ich
-noch am ungestörtesten, wenn ich mal was lesen will.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ein hübscher Platz hier. &mdash; Wirklich! <span class="dir">Beide
-setzen sich, ein wenig von einander getrennt, in der Laube nieder. Schweigen.
-Darauf Loth.</span> Sie haben so sehr schönes und reiches Haar,
-Fräulein!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach ja, mein Schwager sagt das auch.
-<a id="page-101" class="pagenum" title="101"></a>
-Er meinte, er hätte es kaum so gesehen &mdash; auch in der
-Stadt nicht ... Der Zopf ist oben so dick wie mein
-Handgelenk ... Wenn ich es losmache, dann reicht es
-mir bis zu den Knien. Fühlen Sie mal &mdash;! Es fühlt
-sich wie Seide an, gelt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ganz wie Seide. <span class="dir">Ein Zittern durchläuft ihn, er
-beugt sich und küßt das Haar.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">erschreckt</span>. Ach nicht doch! Wenn ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Helene &mdash;! War das vorhin nicht Dein Ernst?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach! &mdash; ich schäme mich so schrecklich.
-Was habe ich nur gemacht? &mdash; Dir ... Ihnen an den
-Hals geworfen habe ich mich. &mdash; Für was müssen Sie
-mich halten ...!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">rückt ihr näher, nimmt ihre Hand in die seine</span>. Wenn Sie
-sich doch <em>da</em>rüber beruhigen wollten!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">seufzend</span>. Ach, das müßte Schwester Schmittgen
-wissen .... ich sehe gar nicht hin!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wer ist Schwester Schmittgen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Eine Lehrerin aus der Pension.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie können Sie sich nur über Schwester
-Schmittgen Gedanken machen!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Sie war sehr gut ....! <span class="dir">Sie lacht plötzlich heftig
-in sich hinein.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Warum lachst Du denn so auf einmal?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">zwischen Pietät und Laune</span>. Ach! .. Wenn sie auf
-dem Chor stand und sang ... Sie hatte nur noch einen
-einzigen, langen Zahn .... da sollte es immer heißen:
-Tröste, tröste mein Volk! und es kam immer heraus:
-&rsquo;Röste, &rsquo;röste mein Volk! Das war zu drollig .... da
-<a id="page-102" class="pagenum" title="102"></a>
-mußten wir immer so lachen .... wenn sie so durch den
-Saal .... &rsquo;röste! &rsquo;röste! <span class="dir">Sie kann sich vor Lachen nicht lassen,
-Loth ist von ihrer Heiterkeit angesteckt. Sie kommt ihm dabei so lieblich
-vor, daß er den Augenblick benutzen will, den Arm um sie zu legen. Helene
-wehrt es ab.</span> Ach nein doch ....! Ich habe mich Dir ....
-Ihnen an den Hals geworfen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ach! sagen Sie doch nicht so etwas.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Aber ich bin nicht schuld, Sie haben sich&rsquo;s
-selbst zuzuschreiben. Warum verlangen Sie .....
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Loth legt nochmals seinen Arm um sie, zieht sie fester an
-sich. Anfangs sträubt sie sich ein wenig, dann giebt sie sich drein
-und blickt nun mit freier Glückseligkeit in Loth&rsquo;s glücktrunkenes
-Gesicht, das sich über das ihre beugt. Unversehens, aus einer
-gewissen Schüchternheit heraus küßt sie ihn zuerst auf den Mund.
-Beide werden roth, dann giebt Loth ihr den Kuß zurück; lang,
-innig, fest drückt sich sein Mund auf den ihren. Ein Geben und
-Nehmen von Küssen ist eine Zeit hindurch die einzige Unterhaltung
-&mdash; stumm und beredt zugleich &mdash; der beiden. Loth
-spricht dann zuerst.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Lene, nicht? Lene heißt Du hier so?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">küßt ihn</span> ... Nenne mich anders ... Nenne
-mich, wie Du gern möcht&rsquo;st.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Liebste! ............
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Das Spiel mit dem Küssetauschen und sich gegenseitig Betrachten
-wiederholt sich.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">von Loth&rsquo;s Armen fest umschlungen, ihren Kopf an seiner
-Brust mit verschleierten, glückseligen Augen, flüstert im Ueberschwang</span>. Ach!
-&mdash; wie schön! Wie schön &mdash;!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> So mit Dir sterben!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">mit Inbrunst</span>. Leben! ... <span class="dir">Sie löst sich aus seinen
-Armen.</span> Warum denn jetzt sterben? .... jetzt ...
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-103" class="pagenum" title="103"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das mußt Du nicht falsch auffassen. Von
-jeher berausche ich mich ... besonders in glücklichen
-Momenten berausche ich mich in dem Bewußtsein, es in
-der Hand zu haben, weißt Du!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Den Tod in der Hand zu haben?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">ohne jede Sentimentalität</span>. Ja! und so hat er gar
-nichts Grausiges, im Gegentheil, so etwas Freundschaftliches
-hat er für mich. Man ruft und weiß bestimmt, daß er
-kommt. Man kann sich dadurch über alles Mögliche
-hinwegheben, Vergangenes &mdash; und Zukünftiges ....
-<span class="dir">Helenen&rsquo;s Hand betrachtend.</span> Du hast eine so wunderhübsche
-Hand. <span class="dir">Er streichelt sie.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach ja! &mdash; so ..... <span class="dir">Sie drückt sich auf&rsquo;s
-Neue in seine Arme.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein, weißt Du! ich hab&rsquo; nicht gelebt! ...
-bisher nicht!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Denkst Du ich? ... Mir ist fast taumelig
-..... taumelig bin ich vor Glück. Gott! wie ist
-das &mdash; nur so auf einmal .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, so auf <em>ein&mdash;mal</em> ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Hör&rsquo; mal! so ist mir: die ganze Zeit
-meines Lebens &mdash; ein Tag! &mdash; gestern und heut &mdash;
-ein Jahr! gelt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Erst gestern bin ich gekommen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ganz gewiß! &mdash; eben! &mdash; natürlich! ....
-Ach, ach! Du weißt es nicht mal!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es kommt mir wahrhaftig auch vor .......
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nicht &mdash;? Wie &rsquo;n ganzes, geschlagnes
-Jahr! &mdash; Nicht &mdash;? <span class="dir">Halb aufspringend.</span> Wart&rsquo; ....! &mdash;
-<a id="page-104" class="pagenum" title="104"></a>
-Kommt &mdash; da nicht .... <span class="dir">Sie rücken aus einander.</span> .... Ach!
-es ist mir auch &mdash; egal. Ich bin jetzt &mdash; so muthig.
-<span class="dir">Sie bleibt sitzen und muntert Loth mit einem Blick auf näher zu rücken,
-was dieser sogleich thut.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">in Loth&rsquo;s Armen</span>. ... Du! &mdash; Was thun wir
-denn nu zuerst?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Deine Stiefmutter würde mich wohl &mdash; abweisen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, meine Stiefmutter .... das wird wohl
-gar nicht .... gar nichts geht&rsquo;s die an! Ich mache, was
-ich will ..... Ich hab mein mütterliches Erbtheil, mußt
-Du wissen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Deshalb meinst Du .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich bin majorenn. Vater muß mir&rsquo;s
-auszahlen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du stehst wohl nicht gut &mdash; mit allen
-hier? &mdash; Wohin ist denn Dein Vater verreist?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Verr... Du hast ...? Ach, Du hast
-Vater noch nicht gesehen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein! Hoffmann sagte mir ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Doch! ... hast Du ihn schon einmal gesehen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich wüßte nicht! ... Wo denn, Liebste?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich ... <span class="dir">Sie bricht in Thränen aus.</span> Nein, ich
-kann &mdash; kann Dir&rsquo;s noch nicht sagen .... zu furchtbar
-schrecklich ist das.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Furchtbar schrecklich? Aber Helene! ist denn
-Deinem Vater etwas ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach! &mdash; frag&rsquo; mich nicht! Jetzt nicht! Später!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-105" class="pagenum" title="105"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was Du mir nicht freiwillig sagen willst,
-danach werde ich Dich auch gewiß nicht mehr fragen ...
-Sieh mal, was das Geld anlangt ... im schlimmsten
-Falle .... ich verdiene ja mit dem Artikelschreiben nicht
-gerade überflüssig viel, aber ich denke, es müßte am Ende
-für uns beide ganz leidlich hinreichen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Und ich würde doch auch nicht müßig sein.
-Aber besser ist besser. Das Erbtheil ist vollauf genug
-&mdash; Und Du sollst Deine Aufgabe .... nein, die sollst Du
-unter keiner Bedingung aufgeben, jetzt erst recht ....!
-jetzt sollst Du erst recht die Hände frei bekommen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">sie innig küssend</span>. Liebes, edles Geschöpf! ......
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Hast Du mich wirklich lieb ...? ...
-Wirklich? ... wirklich?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wirklich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Sag hundert Mal wirklich?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wirklich, wirklich und wahrhaftig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, weißt Du! Du schummelst!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das wahrhaftig gilt hundert wirklich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> So!? wohl in Berlin?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein, eben in Witzdorf.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, Du! ... Sieh meinen kleinen Finger
-und lache nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Gern.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Hast Du au&mdash;ßer Dei&mdash;ner er&mdash;sten Braut
-noch andere ge....? Du! Du lachst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich will Dir was im Ernst sagen, Liebste,
-ich halte es für meine Pflicht .... Ich habe mit einer
-großen Anzahl Frauen ...
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-106" class="pagenum" title="106"></a>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">schnell und heftig auffahrend, drückt ihm den Mund zu</span>.
-Um Gott ...! sag&rsquo; mir das einmal &mdash; später &mdash; wenn
-wir alt sind .... nach Jahren &mdash; wenn ich Dir sagen
-werde: jetzt &mdash; hörst Du! nicht eher.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Gut! wie Du willst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Lieber was Schönes jetzt! ... Paß auf:
-sprich mir mal das nach:
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> &bdquo;Ich hab&rsquo; Dich &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> &bdquo;Ich hab&rsquo; Dich &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> &bdquo;und nur immer Dich &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> &bdquo;und nur immer Dich &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> &bdquo;geliebt &mdash; geliebt Zeit meines Lebens &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> &bdquo;geliebt &mdash; geliebt Zeit meines Lebens &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> &bdquo;und werde nur Dich allein Zeit meines
-Lebens lieben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> &bdquo;und werde nur Dich allein Zeit meines
-Lebens lieben,&ldquo; und das ist wahr, so wahr ich ein ehrlicher
-Mann bin.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">freudig</span>. Das hab ich nicht gesagt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Aber ich. <span class="dir">Küsse.</span> ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">summt ganz leise</span>. Du, Du liegst mir im
-Her&mdash;zen ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Jetzt sollst Du auch beichten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Alles, was Du willst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Beichte! Bin ich der erste?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nein.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wer?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">übermüthig herauslachend</span>. Koahl-Willem.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-107" class="pagenum" title="107"></a>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">lachend</span>. Wer noch?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach nein! weiter ist es wirklich Keiner.
-Du mußt mir glauben ... Wirklich nicht. Warum sollte
-ich denn lügen ...?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Also doch noch Jemand?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">heftig</span>. Bitte, bitte, bitte, bitte, frag&rsquo; mich
-jetzt nicht darum. <span class="dir">Versteckt das Gesicht in den Händen, weint scheinbar
-ganz unvermittelt.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Aber ..... aber Lenchen! ich dringe ja
-durchaus nicht in Dich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Später! alles, alles später.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie gesagt, Liebste ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> S&rsquo; war Jemand &mdash; mußt Du wissen &mdash;
-den ich, ... weil ... weil er unter schlechten mir weniger
-schlecht vorkam. Jetzt ist das ganz anders. <span class="dir">Weinend an
-Loth&rsquo;s Halse, stürmisch.</span> Ach, wenn ich doch gar nicht mehr
-von Dir fort müßte! Am liebsten ginge ich gleich auf
-der Stelle mit Dir.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du hast es wohl sehr schlimm hier im Hause?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, Du! &mdash; Es ist ganz entsetzlich, wie
-es hier zugeht; ein Leben wie &mdash; das ..... wie das
-liebe Vieh, &mdash; ich wäre darin umgekommen ohne Dich &mdash;
-mich schaudert&rsquo;s!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich glaube, es würde dich beruhigen, wenn
-Du mir alles offen sagtest, Liebste!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja freilich! aber &mdash; ich bring&rsquo;s nicht
-über mich. Jetzt nicht ..... jetzt noch nicht! &mdash; Ich
-fürcht&rsquo; mich förmlich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du warst in der Pension?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-108" class="pagenum" title="108"></a>
-<span class="speaker">Helene.</span> Die Mutter hat es bestimmt &mdash; auf dem
-Sterbebett noch.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Auch Deine Schwester war ....?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nein! &mdash; die war immer zu Hause ...
-Und als ich dann nun vor vier Jahren wiederkam, da
-fand ich &mdash; einen Vater &mdash; der .... eine Stiefmutter
-&mdash; die .... eine Schwester ... rath mal, was ich meine!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Deine Stiefmutter ist zänkisch. &mdash; Nicht?
-&mdash; Vielleicht eifersüchtig? &mdash; lieblos?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Der Vater ....?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nun! &mdash; der wird aller Wahrscheinlichkeit
-nach in ihr Horn blasen. &mdash; Tyrannisirt sie ihn vielleicht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Wenn&rsquo;s <em>weiter</em> nichts wär ... Nein! ...
-es ist zu entsetzlich! &mdash; Du kannst nicht darauf kommen &mdash;
-daß .... daß <em>der</em> &mdash; mein Vater .... daß es mein Vater
-war &mdash; den &mdash; Du ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Weine nur nicht, Lenchen! .... siehst Du &mdash;
-nun möcht ich beinah ernstlich darauf dringen, daß Du
-mir ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nein! es geht nicht! Ich habe noch nicht
-die Kraft &mdash; es &mdash; Dir ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du reibst Dich auf, so.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ich schäme mich zu bodenlos! &mdash; Du ...
-Du wirst mich fortstoßen, fortjagen ....! Es ist über alle
-Begriffe .... Ekelhaft ist es!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Lenchen, Du kennst mich nicht &mdash; sonst würd&rsquo;st
-Du mir so etwas nicht zutrauen. &mdash; Fortstoßen! fortjagen!
-Komme ich Dir denn wirklich so brutal vor?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Schwager Hoffmann sagte: Du würdest &mdash;
-<a id="page-109" class="pagenum" title="109"></a>
-kaltblütig .... Ach nein! nein! nein! das thust Du doch
-nicht! gelt? &mdash; Du schreitest nicht über mich weg? thu es
-nicht!! &mdash; Ich weiß nicht &mdash; was &mdash; dann noch aus &mdash;
-mir werden sollte.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, aber das ist ja Unsinn! Ich hätte ja
-gar keinen Grund dazu.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Also Du hältst es doch für möglich?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nein! &mdash; eben <em>nicht</em>.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Aber wenn Du Dir einen Grund ausdenken
-kannst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es gäbe allerdings Gründe, aber &mdash; die stehen
-nicht in Frage.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Und solche Gründe?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nur, wer mich zum Verräther meiner selbst
-machen wollte, über den müßte ich hinweggehen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Das will ich gewiß nicht &mdash; aber ich
-werde halt das Gefühl nicht los.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was für ein Gefühl, Liebste?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Es kommt vielleicht daher: ich bin so
-dumm! &mdash; Ich hab&rsquo; gar nichts in mir. Ich weiß nicht
-mal, was das ist, Grundsätze. &mdash; Gelt? das ist doch
-schrecklich. Ich lieb&rsquo; Dich nur so einfach! &mdash; aber Du
-bist so gut, so groß &mdash; und hast so viel in Dir. Ich
-habe solche Angst, Du könntest doch noch mal merken &mdash;
-wenn ich was Dummes sage &mdash; oder mache &mdash; daß es
-doch nicht geht, .... daß ich doch viel zu einfältig für
-Dich bin .... Ich bin wirklich schlecht und dumm wie
-Bohnenstroh.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was soll ich dazu sagen?! Du bist mir
-<a id="page-110" class="pagenum" title="110"></a>
-alles in allem! Alles in allem bist Du mir! Mehr weiß
-ich nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Und gesund bin ich ja auch .....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sag&rsquo; mal! sind Deine Eltern gesund?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, das wohl! das heißt: die Mutter ist
-am Kindbettfieber gestorben. Vater ist noch gesund; er
-muß sogar eine sehr starke Natur haben. Aber ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Na! &mdash; siehst Du; also ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Und wenn die Eltern nun nicht gesund
-wären &mdash;?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">küßt Helene</span>. Sie sind&rsquo;s ja doch, Lenchen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Aber wenn sie es nicht wären &mdash;?
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<em>Frau Krause</em> stößt ein Wohnhausfenster auf und ruft in
-den Hof.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Ihr Madel! Ihr Maa..del!!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese</span> <span class="dir">aus dem Kuhstall</span>. Frau Krausen!?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Renn&rsquo; zur Müllern! S&rsquo; giht luus!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Liese.</span> Wa&mdash;a, zur Hebomme Millern, meen&rsquo; Se?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause.</span> Na? lei&rsquo;st uff a Uhr&rsquo;n? <span class="dir">Sie schlägt
-das Fenster zu.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Liese rennt in den Stall und dann mit einem Tüchelchen
-um den Kopf zum Hofe hinaus. Frau Spiller erscheint in der
-Hausthür.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">ruft</span>. Fräulein Helene! ... Gnädiges
-Fräulein Helene!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Was nur da los sein mag?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller</span> <span class="dir">sich der Laube nähernd</span>. Fräulein Helene.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach! das wird&rsquo;s sein! &mdash; die Schwester.
-Geh fort! da herum. <span class="dir">Loth schnell links vorn ab. Helene tritt aus
-der Laube.</span>
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-111" class="pagenum" title="111"></a>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Fräulein .....! Ach da sind Sie
-endlich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Was is denn?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Aach &mdash; m &mdash; bei Frau Schwester
-<span class="dir">flüstert ihr etwas in&rsquo;s Ohr</span> &mdash; m &mdash; m &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Mein Schwager hat anbefohlen, für den
-Fall sofort nach dem Arzt zu schicken.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Gnädiges Fräulein &mdash; m &mdash; sie
-will doch aber &mdash; m &mdash; will doch aber keinen Arzt &mdash;
-m &mdash; Die Aerzte, aach die &mdash; m &mdash; Aerzte! &mdash; m &mdash;
-mit Gottes Beistand ...
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Miele kommt aus dem Hause.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Miele! gehen Sie augenblicklich zum
-<span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Aber Fräulein ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Krause</span> <span class="dir">aus dem Fenster, gebieterisch</span>. Miele! Du
-kimmst ruff!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">ebenso</span>. Sie gehen zum Arzt, Miele. <span class="dir">Miele
-zieht sich in&rsquo;s Haus zurück.</span> Nun, dann will ich selbst .... <span class="dir">Sie
-geht in&rsquo;s Haus und kommt, den Strohhut am Arm, sogleich zurück.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Frau Spiller.</span> Dann &mdash; m &mdash; wird es schlimm.
-Wenn Sie den Arzt holen &mdash; m &mdash; gnädiges Fräulein,
-dann &mdash; m &mdash; wird es gewiß schlimm.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Helene geht an ihr vorüber. <em>Frau Spiller</em> zieht sich
-kopfschüttelnd ins Haus zurück. Als Helene in die Hofeinfahrt
-biegt steht Kahl am Grenzzaun.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">ruft Helenen zu</span>. Woas iis denn bei Eich luus?
-</p>
-
-<p>
-<span class="dir">Helene hält im Lauf nicht inne, noch würdigt sie Kahl
-eines Blickes oder einer Antwort.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Kahl</span> <span class="dir">lachend</span>. Ihr ha&rsquo;t wull Schweinschlachta?
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-7">
-<a id="page-112" class="pagenum" title="112"></a>
-Fünfter Akt.
-</h2>
-
-<div class="dir scene">
-<p>
-Das Zimmer wie im ersten Akt. Zeit: gegen 2 Uhr
-Nachts. Im Zimmer herrscht Dunkelheit. Durch die offene
-Mittelthür dringt Licht aus dem erleuchteten Hausflur. Deutlich
-beleuchtet ist auch noch die Holztreppe in dem <a id="corr-4"></a>ersten Stock.
-Alles in diesem Akt &mdash; bis auf wenige Ausnahmen &mdash; wird in
-einem gedämpften Tone gesprochen.
-</p>
-
-<p>
-Eduard mit Licht tritt durch die Mittelthür ein. Er entzündet
-die Hängelampe über dem Ecktisch (Gasbeleuchtung).
-Als er damit beschäftigt ist, kommt Loth ebenfalls durch die
-Mittelthür.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Ja ja! &mdash; bei <em>die</em> Zucht ... &rsquo;t muß
-reen unmenschen meglich sint, een Oge zuzuthun.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich wollte nicht mal schlafen. Ich habe
-geschrieben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Ach wat! <span class="dir">Er steckt an.</span> So! &mdash; na jewiß!
-&mdash; et mag ja woll schwer jenug sin .... Wünschen der
-Herr Doktor vielleicht Dinte und Feder?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Am Ende ... wenn Sie so freundlich sein
-wollen, Herr Eduard.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard</span>, <span class="dir">indem er Dinte und Feder auf den Tisch setzt</span>. Ick
-menn all immer, was &rsquo;n ehrlicher Mann is, der muß
-Haut und Knochen dransetzen um jeden lumpichten Jroschen.
-Nich mal det bisken Nachtruhe hat man. &mdash; <span class="dir">Immer <a id="corr-5"></a>vertraulicher.</span>
-Aber <em>die</em> Nation hier, die duht reen jar nischt;
-<a id="page-113" class="pagenum" title="113"></a>
-so&rsquo;n faules, nichtsnutziges Pack, so&rsquo;n ... Der Herr Doktor
-mussen jewiß ooch all dichtig in&rsquo;t Zeuch jehn, um det
-bisken Lebens<em>unterhalt</em> wie alle ehrlichen Leute.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wünschte, ich brauchte es nicht!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Na, wat meen&rsquo; Se woll! ick ooch!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Fräulein Helene ist wohl bei ihrer Schwester?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Allet wat wahr is: d&rsquo; is &rsquo;n jutes Mä&rsquo;chen!
-jeht ihr nich von der Seite.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">sieht auf die Uhr</span>. Um 11 Uhr früh begannen
-die Wehen. Sie dauern also ... fünfzehn Stunden
-dauern sie jetzt bereits. &mdash; Fünfzehn lange Stunden &mdash;!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Weeß Jott! &mdash; und det benimen se
-nu &rsquo;t schwache Jeschlecht &mdash; sie jappt aber ooch man nur
-noch so.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Herr Hoffmann ist auch oben!?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> Und ick sag Ihnen, &rsquo;t reene Weib.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das mit anzusehen ist wohl auch keine
-Kleinigkeit.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Eduard.</span> I! nu! det will ick meenen! Na! eben
-is Doktor Schimmelpfennig zujekommen. Det is &rsquo;n
-Mann, sag ick Ihnen: jrob wie &rsquo;ne Sackstrippe, aber &mdash;
-Zucker is &rsquo;n dummer Junge dajejen. Sagen Sie man
-bloß, wat it aus det olle Berlin .... <span class="dir">Er unterbricht sich mit
-einem</span> Jott Strambach! <span class="dir">da Hoffmann und der Doktor die Treppe
-herunter kommen</span>.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-<em>Hoffmann</em> und <em>Doktor Schimmelpfennig</em> treten ein.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Jetzt &mdash; bleiben Sie doch wohl bei uns.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ja! jetzt werde ich hier
-bleiben.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-114" class="pagenum" title="114"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das ist mir eine große, große Beruhigung.
-&mdash; Ein Glas Wein ...? Sie trinken doch
-ein Glas Wein, Herr Doktor!?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Wenn Sie etwas thun
-wollen, dann lassen Sie mir schon lieber eine Tasse Kaffee
-brauen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Mit Vergnügen. &mdash; Eduard! Kaffee
-für Herrn Doktor! <span class="dir">Eduard ab.</span> Sie sind .....? Sind
-Sie zufrieden mit dem Verlauf?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> So lange Ihre Frau
-Kraft behält, ist jedenfalls directe Gefahr nicht vorhanden.
-Warum haben Sie übrigens die junge Hebamme nicht
-zugezogen? Ich hatte Ihnen doch eine empfohlen, so
-viel ich weiß.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Meine Schwiegermama ... was soll
-man machen? Wenn ich ehrlich sein soll: auch meine
-Frau hatte kein Vertrauen zu der jungen Person.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Und zu diesem fossilen
-Gespenst haben Ihre Damen Vertrauen?! Wohl bekomms!
-&mdash; Sie möchten gern wieder hinauf?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ehrlich gesagt: ich habe nicht viel
-Ruhe hier unten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Besser wär&rsquo;s freilich, Sie
-gingen irgend wohin, aus dem Hause.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Beim besten Willen das .... ach,
-Loth! da bist Du ja auch noch. <span class="dir">Loth erhebt sich von dem Sopha
-im dunklen Vordergrunde und geht auf die beiden zu.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">aufs Aeußerste überrascht</span>. Donnerwetter!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-115" class="pagenum" title="115"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich hörte schon, daß Du hier seist. Morgen
-hätte ich Dich unbedingt aufgesucht.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Beide schütteln sich
-tüchtig die Hände. Hoffmann benutzt den Augenblick, am Buffet
-schnell ein Glas Cognac hinunterzuspülen, darauf dann sich auf
-den Zehen hinaus und die Holztreppe hinauf zu schleichen.
-</p>
-
-<p>
-Das Gespräch der beiden Freunde steht am Anfang unverkennbar
-unter dem Einfluß einer gewissen leisen Zurückhaltung.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Du hast also wohl ...
-hahaha die alte, dumme Geschichte vergessen? <span class="dir">Er legt Hut
-und Stock bei Seite.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Längst vergessen, Schimmel!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Na, ich auch! das kannst
-Du Dir denken. &mdash; <span class="dir">Sie schütteln sich nochmals die Hände.</span> Ich
-habe in dem Nest hier so wenig freudige Ueberraschungen
-gehabt, daß mir die Sache ganz curios vorkommt. Merkwürdig!
-Gerade hier treffen wir uns. &mdash; Merkwürdig!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Rein verschollen bist Du ja, Schimmel!
-Hätte Dich sonst längst mal umgestoßen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Unter Wasser gegangen
-wie ein Seehund. Tiefseeforschungen gemacht. In anderthalb
-Jahren etwa hoffe ich wieder aufzutauchen. Man
-muß materiell unabhängig sein, wissen Sie ... weißt
-Du! wenn man etwas Brauchbares leisten will.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Also Du machst <em>auch</em> Geld hier?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Natürlicherweise und zwar
-so viel als möglich. Was sollte man hier auch anderes thun?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du hätt&rsquo;st doch mal was von Dir hören
-lassen sollen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Erlauben Sie ... erlaube,
-<a id="page-116" class="pagenum" title="116"></a>
-hätte ich von mir was hören lassen, dann hätte
-ich von Euch was wieder gehört, und ich wollte durchaus
-nichts hören. Nichts, &mdash; gar nichts, das hätte mich
-höchstens von meiner Goldwäscherei abhalten können.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Beide gehen langsamen Schritts auf und ab im Zimmer.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Na ja &mdash; Du kannst Dich dann aber auch
-nicht wundern, daß sie ... nämlich ich muß Dir sagen,
-sie haben Dich eigentlich alle, durch die Bank, aufgegeben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Sieht ihnen ähnlich. &mdash;
-Bande! &mdash; sollen schon was merken.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Schimmel, genannt: das Rauhbein!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Du solltest nur sechs
-Jahre unter diesen Bauern gelebt haben. Himmelhunde
-alle miteinander.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das kann ich mir denken. &mdash; Wie bist Du
-denn gerade nach Witzdorf gekommen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Wie&rsquo;s so geht. Damals
-mußte ich doch auskneifen, von Jena weg.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> War das vor meinem Reinfall?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ja wohl. Kurze Zeit
-nachdem wir unser Zusammenleben aufgesteckt hatten.
-In Zürich legte ich mich dann auf die Medicinerei, zunächst
-um etwas für den Nothfall zu haben; dann fing
-aber die Sache an mich zu interessiren, und jetzt bin ich
-mit Leib und Seele Medicus.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Und hierher ...? Wie kamst Du hier her?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ach so! &mdash; einfach! Als
-ich fertig war, da sagte ich mir: nun vor allen Dingen
-einen hinreichenden Haufen Kies. Ich dachte an Amerika,
-<a id="page-117" class="pagenum" title="117"></a>
-Süd- <a id="corr-6"></a>und Nord-Amerika, an Afrika, Australien, die
-Sundainseln .... am Ende fiel mir ein, daß mein
-Knabenstreich ja mittlerweile verjährt war; da habe ich
-mich denn entschlossen in die Mausefalle zurückzukriechen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Und Dein Schweizer-Examen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ich mußte eben die Geschichte
-hier noch mal über mich ergehen lassen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du hast also das Staatsexamen zwei Mal
-gemacht, Kerl!?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ja! &mdash; Schließlich habe
-ich dann glücklicherweise diese fette Weide hier ausfindig
-gemacht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du bist zähe, zum Beneiden.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Wenn man nur nicht plötzlich
-mal zusammenklappt. &mdash; Na! schließlich ist&rsquo;s auch
-kein Unglück.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Hast Du denn &rsquo;ne große Praxis?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ja! Mitunter komme ich
-erst um fünf Uhr früh zu Bett. Um sieben Uhr fängt
-dann bereits wieder meine Sprechstunde an.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Eduard kommt und bringt Kaffee.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span>, <span class="dir">indem er sich am Tisch niederläßt,
-zu Eduard</span>. Danke Eduard! &mdash; <span class="dir">Zu Loth.</span> Kaffee saufe ich
-... unheimlich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du solltest das lieber lassen mit dem Kaffee.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Was soll man machen?!
-<span class="dir">Er nimmt kleine Schlucke.</span> Wie gesagt &mdash; ein Jahr noch, dann
-&mdash; hört&rsquo;s auf ... hoffentlich wenigstens.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Willst Du dann gar nicht mehr practiciren?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-118" class="pagenum" title="118"></a>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Glaube nicht. Nein ...
-nicht mehr. <span class="dir">Er schiebt das Tablette mit dem Kaffeegeschirr zurück,
-wischt sich den Mund.</span> Uebrigens &mdash; zeig&rsquo; mal Deine Hand.
-<span class="dir">Loth hält ihm beide Hände hin.</span> Nein? &mdash; keine Dalekarlierin
-heimgeführt? &mdash; Keine gefunden, wie? .... Wolltest doch
-immer so &rsquo;n Ur- und Kernweib von wegen des gesunden
-Blutes. Hast übrigens recht: wenn schon, denn schon
-... oder nimmst Du&rsquo;s in dieser Beziehung etwa nicht
-mehr so genau?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Na ob ...! und wie!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ach, wenn die Bauern
-hier doch auch solche Ideen hätten. Damit sieht&rsquo;s aber
-jämmerlich aus, sage ich Dir, Degeneration auf der
-ganzen ... <span class="dir">Er hat seine Cigarrentasche halb aus der Brusttasche gezogen,
-läßt sie aber wieder zurückgleiten und steht auf, als irgend ein Laut
-durch die nur angelehnte Hausflurthür hereindringt.</span> Wart&rsquo; mal! <span class="dir">Er
-geht auf den Zehen bis zur Hausflurthür und horcht. Eine Thür geht
-draußen, man hört einige Augenblicke deutlich das Wimmern der
-Wöchnerin. Der Doktor sagt, zu Loth gewandt, leise:</span> Entschuldige! <span class="dir">und
-geht hinaus</span>.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Einige Augenblicke durchmißt Loth, während draußen
-Thüren schlagen, Menschen die Treppe auf- und ablaufen, das
-Zimmer; dann setzt er sich in den Lehnsessel rechts vorn. Helene
-huscht herein und umschlingt Loth, der ihr Kommen nicht bemerkt
-hat, von rückwärts.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">sich umblickend, sie ebenfalls umfassend</span>. Lenchen!! <span class="dir">Er
-zieht sie zu sich herunter und trotz gelinden Sträubens auf sein Knie.
-Helene weint unter den Küssen, die er ihr giebt.</span> Ach, weine doch
-nicht, Lenchen! Warum weinst Du denn so sehr?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Warum? weiß ich&rsquo;s?! .... Ich denk
-<a id="page-119" class="pagenum" title="119"></a>
-immer, ich treff&rsquo; Dich nicht mehr. Vorhin habe ich mich
-so erschrocken ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Weshalb denn?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Weil ich Dich aus Deinem Zimmer treten
-hörte &mdash; Ach! ... und die Schwester &mdash; wir armen,
-armen Weiber! &mdash; die muß zu sehr ausstehen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Der Schmerz vergißt sich schnell und auf
-den Tod geht&rsquo;s ja nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ach, Du! sie wünscht sich ihn ja ... sie
-jammert nur immer so: laß mich doch sterben ... Der
-Doktor! <span class="dir">Sie springt auf und huscht in den Wintergarten.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">im Hereintreten</span>. Nun wünschte
-ich wirklich, daß sich das Frauchen da oben &rsquo;n bissel beeilte!
-<span class="dir">Er läßt sich am Tisch nieder, zieht neuerdings die Cigarrentasche,
-entnimmt ihr eine Cigarre und legt diese neben sich.</span> Du kommst mit
-zu mir dann, wie? &mdash; hab&rsquo; draußen so &rsquo;n nothwendiges
-Uebel mit zwei Gäulen davor, da können wir drin zu
-mir fahren. <span class="dir">Seine Cigarre an der Tischkante klopfend.</span> Der süße
-Ehestand! ja, ja! <span class="dir">Ein Zündholz anstreichend.</span> Also noch frisch,
-frei, fromm, froh?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Hättest noch gut ein Paar Tage warten
-können mit Deiner Frage.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">bereits mit brennender Cigarre</span>.
-Wie? ... ach ... ach so! &mdash; <span class="dir">lachend</span> &mdash; also endlich doch
-auf meine Sprünge gekommen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Bist Du wirklich noch so entsetzlich pessimistisch
-in Bezug auf Weiber?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ent&mdash;setzlich!! <span class="dir">Dem Rauch
-<a id="page-120" class="pagenum" title="120"></a>
-seiner Cigarre nachblickend.</span> Früher war ich Pessimist &mdash; so
-zu sagen ahnungsweise ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Hast Du denn inzwischen so besondere Erfahrungen
-gemacht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ja, allerdings! &mdash; Auf
-meinem Schilde steht nämlich: Specialist für Frauenkrankheiten.
-&mdash; Die medicinische Praxis macht nämlich
-furchtbar klug ... furchtbar &mdash; gesund, ... ist Specificum
-gegen ... allerlei Staupen!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">lacht</span>. Na, da könnten wir ja gleich wieder
-in der alten Tonart anfangen. Ich hab&rsquo; nämlich ...
-ich bin nämlich keineswegs auf Deine Sprünge gekommen.
-Jetzt weniger als je! ... Auf diese Weise hast Du wohl
-auch Dein Steckenpferd vertauscht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Steckenpferd?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Die Frauenfrage war doch zu damaliger
-Zeit gewissermaßen Dein Steckenpferd!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ach so! &mdash; Warum sollte
-ich es vertauscht haben?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wenn Du über die Weiber noch schlechter
-denkst, als ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">ein wenig in Harnisch, erhebt sich
-und geht hin und her, dabei spricht er</span>. Ich &mdash; denke nicht schlecht
-von den Weibern. &mdash; Kein Bein! &mdash; Nur über das
-Heirathen denke ich schlecht ... über die Ehe ... über
-die Ehe, und dann höchstens noch über die Männer
-denke ich schlecht ... Die Frauenfrage soll mich nicht
-mehr interessiren? Ja, weshalb hätte ich denn sonst
-sechs lange Jahre hier wie &rsquo;n Lastpferd gearbeitet? Doch
-<a id="page-121" class="pagenum" title="121"></a>
-nur um alle meine verfügbaren Kräfte endlich mal ganz
-der Lösung dieser Frage zu widmen. Wußtest Du denn
-das nicht von Anfang an?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wo hätte ich&rsquo;s denn <em>her</em> wissen sollen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Na, wie gesagt ... ich
-hab auch schon ein ziemlich ausgiebiges Material gesammelt,
-das mir gute Dienste leisten ... bsst! ich hab&rsquo;
-mir das Schreien so angewöhnt. <span class="dir">Er schweigt, horcht, geht zur
-Thür und kommt zurück.</span> Was hat <em>Dich</em> denn eigentlich unter
-die Goldbauern geführt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich möchte die hiesigen Verhältnisse studiren.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">mit gedämpfter Stimme</span>. Idee!
-<span class="dir">Noch leiser.</span> Da kannst Du bei mir auch Material bekommen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Freilich, Du mußt ja sehr unterrichtet sein
-über die Zustände hier. Wie sieht es denn so in den
-Familien aus?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> E&mdash;lend! ..... durchgängig
-... Suff! Völlerei, Inzucht und in Folge davon
-&mdash; Degenerationen auf der ganzen Linie.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Mit Ausnahmen doch!?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Kaum!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">unruhig</span>. Bist Du denn nicht zuweilen in ...
-in Versuchung gerathen eine ... eine Witzdorfer Goldtochter
-zu heirathen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Pfui Teufel! Kerl, für
-was hältst Du mich? &mdash; Ebenso könntest Du mich fragen,
-ob ich ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">sehr bleich</span>. Wie... wieso?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-122" class="pagenum" title="122"></a>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Weil ... Ist Dir was?
-<span class="dir">Er fixirt ihn einige Augenblicke.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Gar nichts! Was soll mir denn sein?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">ist plötzlich sehr nachdenklich, geht und
-steht jäh und mit einem leisen Pfiff still, blickt Loth abermals flüchtig an
-und sagt dann halblaut zu sich selbst</span>. Schlimm!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du bist ja so sonderbar plötzlich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Still! <span class="dir">Er horcht auf und
-verläßt dann schnell das Zimmer durch die Mittelthür.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">nach einigen Augenblicken durch die Mittelthür; sie ruft</span>.
-Alfred! &mdash; Alfred! ... Ach da bist Du &mdash; Gott sei Dank!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nun, ich sollte wohl am Ende gar fortgelaufen
-sein? <span class="dir">Umarmung.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">biegt sich zurück. Mit unverkennbarem Schrecken im Ausdruck.</span>
-Alfred!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was denn, Liebste?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Nichts, nichts!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Aber Du mußt doch was haben?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Du kamst mir so ... so kalt ... Ach,
-ich hab&rsquo; solche schrecklich dumme Einbildungen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie stehts&rsquo;s denn oben?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Der Doktor zankt mit der Hebamme.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wird&rsquo;s nicht bald <a id="corr-7"></a>zu Ende gehen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Weiß ich&rsquo;s? &mdash; Aber wenn&rsquo;s ... wenn&rsquo;s
-zu Ende ist, meine ich, dann ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was dann? .... Sag&rsquo; doch, bitte! was
-wolltest Du sagen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Dann sollten wir bald von hier fortgehen.
-Gleich! Auf der Stelle!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-123" class="pagenum" title="123"></a>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wenn Du das wirklich für das Beste hältst,
-Lenchen &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Ja, ja! wir dürfen nicht warten! Es
-ist das Beste &mdash; für Dich und mich. Wenn Du mich
-nicht jetzt bald nimmst, dann läßt Du mich heilig noch
-sitzen, und dann ... dann ... muß ich doch noch zu
-Grunde gehen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie Du doch mißtrauisch bist, Lenchen!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Sag&rsquo; das nicht, Liebster! Dir traut man,
-Dir muß man trauen! .... Wenn ich erst Dein bin,
-dann ... Du verläßt mich dann ganz gewiß nicht mehr.
-<span class="dir">Wie außer sich.</span> Ich beschwöre Dich! geh nicht fort! Verlaß
-mich doch nur nicht. Geh &mdash; nicht fort, Alfred! Alles
-ist aus, alles, wenn Du einmal ohne mich von hier fortgehst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Merkwürdig bist Du doch! .... Und da
-willst Du nicht mißtrauisch sein? ... Oder sie plagen
-Dich, martern Dich hier ganz entsetzlich, mehr als ich mir
-je .... Jedenfalls gehen wir aber noch diese Nacht.
-Ich bin bereit. Sobald Du willst, gehen wir also.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">gleichsam mit aufjauchzendem Dank ihm um den Hals
-fallend</span>. Geliebter! <span class="dir">Sie küßt ihn wie rasend und eilt schnell davon.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-<span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig tritt durch die Mitte ein, er bemerkt noch, wie
-Helene in der Wintergartenthür verschwindet.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Wer war das? &mdash; Ach
-so! <span class="dir">In sich hinein.</span> Armes Ding! <span class="dir">Er läßt sich mit einem Seufzer am
-Tisch nieder, findet die alte Cigarre, wirft sie bei Seite, entnimmt dem Etui
-eine frische Cigarre und fängt an, sie an der Tischkante zu klopfen, wobei er
-nachdenklich darüber hinausstarrt.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span>, <span class="dir">der ihm zuschaut</span>. Genau so pflegtest Du vor
-<a id="page-124" class="pagenum" title="124"></a>
-acht Jahren jede Cigarre abzuklopfen, eh&rsquo; Du zu rauchen
-anfingst.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Möglich &mdash;! <span class="dir">Als er mit
-Anrauchen fertig ist.</span> Hör&rsquo; mal, Du!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, was denn?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Du wirst doch &mdash; so bald
-die Geschichte oben vorüber ist, mit zu mir kommen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das geht wirklich nicht! Leider.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Man hat so das Bedürfniß,
-sich mal wieder gründlich von der Leber weg
-zu äußern.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das hab ich so genau wie Du. Aber gerade
-daraus kannst Du sehen, daß es heut absolut nicht
-in meiner Macht steht, mit Dir ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Wenn ich Dir nun aber
-ausdrücklich und &mdash; gewissermaßen feierlich erkläre: es
-ist eine bestimmte, äußerst wichtige Angelegenheit, die ich
-mit Dir noch diese Nacht besprechen möchte .... besprechen
-muß sogar, Loth!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Curios! Für blutigen Ernst soll ich doch
-das nicht etwa hinnehmen?! Doch wohl nicht? &mdash; So
-viel Jahre hätt&rsquo;st Du damit gewartet und nun hätte
-es nicht einen Tag mehr Zeit damit? &mdash; Du kannst Dir
-doch wohl denken, daß ich Dir keine Flausen vormache.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Also hat&rsquo;s doch seine
-Richtigkeit! <span class="dir">Er steht auf und geht umher.</span>
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Was hat seine Richtigkeit?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span>, <span class="dir">vor Loth still stehend, mit einem
-<a id="page-125" class="pagenum" title="125"></a>
-geraden Blick in seine Augen</span>. Es ist also wirklich etwas im
-Gange zwischen Dir und Helene Krause?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich? &mdash; Wer hat Dir denn ...?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Wie bist Du nur in diese
-Familie ....?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Woher &mdash; weißt Du denn das, Mensch?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Das war ja doch nicht
-schwer zu errathen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Na, dann halt um Gottes Willen den Mund,
-daß nicht ....
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ihr seid also richtig verlobt?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie man&rsquo;s nimmt. Jedenfalls sind wir
-beide einig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Hm &mdash;! wie bist Du denn
-hier herein gerathen, gerade in <em>diese</em> Familie?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Hoffmann ist ja doch mein Schulfreund.
-Er war auch Mitglied &mdash; auswärtiges allerdings &mdash;
-Mitglied meines Colonial-Vereins.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Von der Sache hörte ich
-in Zürich. &mdash; Also mit Dir ist er umgegangen! Auf
-diese Weise wird mir der traurige Zwitter erklärlich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ein Zwitter ist er allerdings.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Eigentlich nicht mal <em>das</em>. &mdash;
-Ehrlich, Du! &mdash; Ist das wirklich Dein Ernst? &mdash; die
-Geschichte mit der Krause?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Na, selbstverständlich! &mdash; Zweifelst Du daran?
-Du wirst mich doch nicht etwa für einen Schuft ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Schon gut! Ereifere Dich
-<a id="page-126" class="pagenum" title="126"></a>
-nur nicht. Hättst Dich ja verändert haben können während
-der langen Zeit. Warum nicht? Wär auch gar kein
-Nachtheil! N&rsquo; bissel Humor könnte Dir gar nicht schaden!
-Ich seh&rsquo; nicht ein, warum man alles so verflucht ernsthaft
-nehmen sollte.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ernst ist es mir mehr als je. <span class="dir">Er erhebt sich
-und geht, immer ein wenig zurück, neben Schimmelpfennig her.</span> Du
-kannst es ja nicht wissen, auch sagen kann ich Dir&rsquo;s nicht
-mal, was dieses Verhältniß für mich bedeutet.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Hm!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Kerl, Du hast keine Idee, was das für ein
-Zustand ist. Man kennt ihn nicht, wenn man sich danach
-sehnt. Kennte man ihn, dann, dann müßte man geradezu
-unsinnig werden vor Sehnsucht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Das begreife der Teufel,
-wie Ihr zu dieser unsinnigen Sehnsucht kommt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du bist auch noch nicht sicher davor.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Das möcht ich mal sehen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Du redst wie der Blinde von der Farbe.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Was ich mir für das
-bischen Rausch koofe! Lächerlich. Daraus eine lebenslängliche
-Ehe zu bauen .... da baut man noch nicht mal
-so sicher als auf&rsquo;n Sandhaufen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Rausch &mdash; Rausch &mdash; wer von einem Rausch
-redet, &mdash; na! der kennt die Sache eben nicht. &rsquo;N Rausch
-ist flüchtig. Solche Räusche hab ich schon gehabt, ich geb&rsquo;s
-zu. Aber <em>das</em> ist was ganz Anderes.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Hm!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich bin dabei vollständig nüchtern. Denkst
-<a id="page-127" class="pagenum" title="127"></a>
-Du, daß ich meine Liebste so &mdash; na, wie soll ich sagen?!
-&mdash; so mit &rsquo;ner &mdash; na, wie soll ich sagen?! mit ner
-großen Glorie sehe? Gar nicht! &mdash; Sie hat Fehler, ist
-auch nicht besonders schön, wenigstens &mdash; na, häßlich ist
-sie auch gerade nicht. Ganz objectiv geurtheilt, ich &mdash;
-das ist ja schließlich Geschmackssache &mdash; ich hab&rsquo; so&rsquo;n
-hübsches Mädel noch nicht gesehen. Also, Rausch &mdash;
-Unsinn! Ich bin ja so nüchtern wie nur möglich. Aber,
-siehst Du! <em>das</em> ist eben das Merkwürdige: ich kann mich
-gar nicht mehr ohne sie denken &mdash; das kommt mir so
-vor wie &rsquo;ne Legirung, weißt Du, wie wenn zwei Metalle
-so recht innig legirt sind, daß man gar nicht mehr sagen
-kann, das ist <em>das</em>, das ist <em>das</em>. Und alles so furchtbar
-selbstverständlich &mdash; kurzum, ich quatsche vielleicht Unsinn
-&mdash; oder was ich sage, ist vielleicht in Deinen Augen Unsinn,
-aber so viel steht fest: wer das nicht kennt, ist &rsquo;n
-erbärmlicher Frosch. Und so&rsquo;n Frosch war ich bisher &mdash;
-und so&rsquo;n Jammerfrosch bist Du noch.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Das ist ja richtig der ganze
-Symptomen-Complex. &mdash; Daß Ihr Kerls doch immer
-bis über die Ohren in Dinge hineingerathet, die Ihr
-theoretisch längst verworfen habt, wie zum Beispiel Du
-die Ehe. So lange ich Dich kenne, laborirst Du an dieser
-unglückseligen Ehemanie.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es ist Trieb bei mir, geradezu Trieb. Weiß
-Gott! mag ich mich wenden, wie ich will.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Man kann schließlich auch
-einen Trieb niederkämpfen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, wenn&rsquo;s &rsquo;n Zweck hat, warum nicht?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-128" class="pagenum" title="128"></a>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Hat&rsquo;s Heirathen etwa Zweck?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das will ich meinen. Das hat Zweck! Bei
-mir hat es Zweck. Du weißt nicht, wie ich mich durchgefressen
-hab&rsquo; bis hierher. Ich mag nicht sentimental werden.
-Ich hab&rsquo;s auch vielleicht nicht so gefühlt, es ist mir vielleicht
-nicht ganz so klar bewußt geworden wie jetzt, daß
-ich in meinem Streben etwas entsetzlich Ödes, gleichsam
-Maschinenmäßiges angenommen hatte. Kein Geist, kein
-Temperament, kein Leben, ja wer weiß, war noch Glauben
-in mir? Das alles kommt seit ... seit heut wieder in
-mich gezogen. So merkwürdig voll, so ursprünglich, so
-fröhlich ... Unsinn, Du capirst&rsquo;s ja doch nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Was Ihr da alles nöthig
-habt, um flott zu bleiben, Glaube, Liebe, Hoffnung. Für
-mich ist das Kram. Es ist eine ganz simple Sache: die
-Menschheit liegt in der Agonie, und unser einer macht ihr
-mit Narkoticis die Sache so erträglich als möglich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Dein neuester Standpunkt?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Schon fünf bis sechs Jahre
-alt und immer derselbe.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Gratulire!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Danke!
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Eine lange Pause.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig</span> <span class="dir">nach einigen unruhigen Anläufen</span>.
-Die Geschichte ist leider die: ich halte mich für verpflichtet ...
-ich schulde Dir unbedingt eine Aufklärung.
-Du wirst Helene Krause, glaub ich, nicht heirathen
-können.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">kalt</span>. So, glaubst Du?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-129" class="pagenum" title="129"></a>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ja, ich bin der Meinung.
-Es sind da Hindernisse vorhanden, die gerade Dir ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Hör&rsquo; mal Du: mach&rsquo; Dir darüber um Gottes
-Willen keine Scrupel. Die Verhältnisse liegen auch gar nicht
-mal so complicirt, sind im Grunde sogar furchtbar einfach.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Einfach <em>furchtbar</em> solltest
-Du eher sagen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich meine, was die Hindernisse anbetrifft.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ich auch zum Theil. Aber
-auch überhaupt: ich kann mir nicht denken, daß Du diese
-Verhältnisse hier kennen solltest.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich kenne sie aber doch ziemlich genau.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Dann mußt Du nothwendigerweise
-Deine Grundsätze geändert haben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Bitte, Schimmel, drück&rsquo; Dich etwas deutlicher
-aus.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Du mußt unbedingt Deine
-Hauptforderung in Bezug auf die Ehe fallen gelassen
-haben, obgleich Du vorhin durchblicken ließt, es käme Dir
-nach wie vor darauf an, ein an Leib und Seele gesundes
-Geschlecht in die Welt zu setzen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Fallen gelassen? ... fallen gelassen? Wie
-soll ich denn das ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Dann bleibt nichts übrig
-... dann kennst Du eben doch die Verhältnisse nicht.
-Dann weißt Du zum Beispiel nicht, daß Hoffmann einen
-Sohn hatte, der mit drei Jahren bereits am Alkoholismus
-zu Grunde ging.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wa... was &mdash; sagst Du?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-130" class="pagenum" title="130"></a>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> S&rsquo; thut mir leid, Loth,
-aber sagen muß ich Dir&rsquo;s doch. Du kannst ja dann noch
-machen, was Du willst. Die Sache war kein Spaß.
-Sie waren gerade wie jetzt zum Besuch hier. Sie ließen
-mich holen, eine halbe Stunde zu spät. Der kleine Kerl
-hatte längst verblutet.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Loth mit den Zeichen tiefer, furchtbarer Erschütterung an des Doktors
-Munde hängend.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Nach der Essigflasche hatte
-das dumme Kerlchen gelangt in der Meinung, sein geliebter
-Fusel sei darin. Die Flasche war herunter- und
-das Kind in die Scherben gefallen. Hier unten, siehst
-Du, die <span class="antiqua">vena saphena</span>, die hatte es sich vollständig durchschnitten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> W... w...essen Kind sagst Du ...?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Hoffmann&rsquo;s und eben derselben
-Frau Kind, die da oben wieder ... Und auch
-die trinkt, trinkt bis zur Besinnungslosigkeit, trinkt, soviel
-sie bekommen kann.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Also von Hoffmann ... Hoffmann geht es
-nicht aus?!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Bewahre! Das ist tragisch
-an dem Menschen; er leidet darunter, so viel er überhaupt
-leiden kann. Im Übrigen hat er&rsquo;s gewußt, daß
-er in eine Potatorenfamilie hinein kam. Der Bauer nämlich
-kommt überhaupt gar nicht mehr aus dem Wirthshaus.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Dann freilich &mdash; begreife ich manches &mdash;
-nein! Alles begreife ich &mdash; alles. <span class="dir">Nach einem dumpfen
-Schweigen.</span> Dann ist ihr Leben hier ... Helenens Leben
-<a id="page-131" class="pagenum" title="131"></a>
-&mdash; ein ... ein &mdash; wie soll ich sagen?! mir fehlt der
-Ausdruck dafür &mdash; ... nicht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Horrend geradezu! Das
-kann ich beurtheilen. Daß Du bei ihr hängen bliebst,
-war mir auch von Anfang an sehr begreiflich. Aber
-wie ges...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Schon gut! &mdash; verstehe ... Thut denn ...?
-Könnte man nicht vielleicht ... vielleicht könnte man
-Hoffmann bewegen etwas ... etwas zu thun? Könntest
-Du nicht vielleicht &mdash; ihn zu etwas bewegen? Man müßte
-sie fortbringen aus dieser Sumpfluft.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Hoffmann?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, Hoffmann.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Du kennst ihn schlecht ...
-Ich glaube zwar nicht, daß er sie schon verdorben hat.
-Aber ihren Ruf hat er sicherlich <em>jetzt</em> schon verdorben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">aufbrausend</span>. Wenn das ist: ich schlag ihn ...
-Glaubst Du wirklich ...? hältst Du Hoffmann wirklich
-für fähig ...?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Zu allem, zu allem halte ich
-ihn fähig, wenn für ihn ein Vergnügen dabei heraus springt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Dann ist sie &mdash; das keuscheste Geschöpf,
-was es giebt ...
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Loth nimmt langsam Hut und Stock und hängt sich ein Täschchen um.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Was gedenkst Du zu thun,
-Loth?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> ... Nicht begegnen ...!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Du bist also entschlossen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wozu entschlossen?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-132" class="pagenum" title="132"></a>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Euer Verhältniß aufzulösen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Wie sollt ich wohl dazu nicht entschlossen sein?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ich kann Dir als Arzt
-noch sagen, daß Fälle bekannt sind, wo solche vererbte
-Uebel unterdrückt worden sind, und Du würdest ja gewiß
-Deinen Kindern eine rationelle Erziehung geben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Es mögen solche Fälle vorkommen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Und die Wahrscheinlichkeit
-ist vielleicht nicht so gering, daß ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Das kann uns nichts helfen, Schimmel. So
-steht es: es giebt drei Möglichkeiten! Entweder ich heirathe
-sie, und dann ... nein, dieser Ausweg existirt überhaupt
-nicht. Oder &mdash; die bewußte Kugel. Na ja, dann
-hätte man wenigstens Ruhe. Aber nein! So weit sind
-wir noch nicht, so was kann man sich einstweilen noch
-nicht leisten &mdash; also: leben! kämpfen! &mdash; Weiter, immer
-weiter. <span class="dir">Sein Blick fällt auf den Tisch, er bemerkt das von Eduard zurecht
-gestellte Schreibzeug, setzt sich, ergreift die Feder, zaudert, und sagt:</span>
-Oder am Ende ...?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ich verspreche Dir, ihr die
-Lage so deutlich als möglich vorzustellen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja, ja! &mdash; nur eben ... ich kann nicht
-anders. <span class="dir">Er schreibt, adressirt und couvertirt. Er steht auf und reicht
-Schimmelpfennig die Hand.</span> Im Übrigen verlasse ich mich &mdash;
-auf Dich.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Du gehst zu mir, wie?
-Mein Kutscher soll Dich zu mir fahren.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Sag&rsquo; mal, sollte man denn nicht wenigstens
-versuchen &mdash; sie aus den Händen dieses ... dieses
-<a id="page-133" class="pagenum" title="133"></a>
-Menschen zu ziehen? ... Auf diese Weise wird sie
-doch unfehlbar noch seine Beute.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Guter, bedauernswürdiger
-Kerl! Soll ich Dir was rathen? Nimm ihr nicht
-das ... Wenige, was Du ihr noch übrig läßt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">tiefer Seufzer</span>. Qual über ... hast vielleicht &mdash;
-recht &mdash; ja wohl, unbedingt sogar.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Man hört Jemand hastig die Treppe herunter kommen. Im nächsten
-Augenblick stürzt Hoffmann herein.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Herr Doktor, ich bitte Sie um Gottes
-Willen ... sie ist ohnmächtig ... die Wehen setzen
-aus ... wollen Sie nicht endlich ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Ich komme hinauf. <span class="dir">Zu
-Loth bedeutungsvoll.</span> Auf Wiedersehen! <span class="dir">Zu Hoffmann, der ihm
-nachfolgen will.</span> Herr Hoffmann, ich muß Sie bitten ...
-eine Ablenkung oder Störung könnte verhängnißvoll ...
-am liebsten wäre es mir, Sie blieben hier unten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Sie verlangen sehr viel, aber ... na!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker"><span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig.</span> Nicht mehr als billig. <span class="dir">Ab.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Hoffmann bleibt zurück.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann</span> <span class="dir">bemerkt Loth</span>. Ich zittere, die Aufregung
-steckt mir in allen Gliedern. Sag&rsquo; mal, Du willst fort?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ja.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Jetzt mitten in der Nacht?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Nur bis zu Schimmelpfennig.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Ach so! Nun ... wie die Verhältnisse
-sich gestaltet haben, ist es am Ende kein Vergnügen
-mehr bei uns ... Also leb&rsquo; recht ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Ich danke für die Gastfreundschaft.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-134" class="pagenum" title="134"></a>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Und mit Deinem Plan, wie steht es da?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Plan?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Deine Arbeit, Deine volkswirthschaftliche
-Arbeit über unseren District, meine ich. Ich muß
-Dir sagen ... ich möchte Dich sogar als Freund inständig
-und herzlich bitten ...
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Beunruhige Dich weiter nicht. Morgen schon
-bin ich über alle Berge.
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das ist wirklich &mdash; <span class="dir">unterbricht sich</span>. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth.</span> Schön von Dir, wollt&rsquo;st Du wohl sagen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Das heißt &mdash; ja &mdash; in gewisser Hinsicht;
-übrigens Du entschuldigst mich, ich bin so entsetzlich
-aufgeregt. Zähle auf mich! Die alten Freunde sind
-immer noch die besten. Adieu, Adieu.
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Ab durch die Mitte.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Loth</span> <span class="dir">wendet sich, bevor er zur Thür hinaustritt, noch einmal nach
-rückwärts und nimmt mit den Augen noch einmal den ganzen Raum in sein
-Gedächtniß auf. Hierauf zu sich.</span> Da könnt ich ja nun wohl &mdash;
-gehen. <span class="dir">Nach einem letzten Blick ab.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p>
-Das Zimmer bleibt für einige Augenblicke leer. Man
-vernimmt gedämpfte Rufe und das Geräusch von Schritten, dann
-erscheint Hoffmann. Er zieht, sobald er die Thür hinter sich geschlossen
-hat, unverhältnißmäßig ruhig sein Notizbuch und rechnet
-etwas; hierbei unterbricht er sich und lauscht, wird unruhig,
-schreitet zur Thür und lauscht wieder. Plötzlich rennt Jemand
-die Treppe herunter und herein stürzt Helene.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene</span> <span class="dir">noch außen</span>. Schwager! <span class="dir">In der Thür.</span> Schwager!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Was ist denn &mdash; los?
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Helene.</span> Mach Dich gefaßt: todtgeboren!
-</p>
-
-<p>
-<span class="speaker">Hoffmann.</span> Jesus Christus! <span class="dir">Er stürzt davon.</span>
-</p>
-
-<div class="dir">
-<p class="center">
-Helene allein.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-<a id="page-135" class="pagenum" title="135"></a>
-<span class="dir">Sie sieht sich um und ruft leise:</span> <em>Alfred! Alfred!</em> <span class="dir">und
-dann, als sie keine Antwort erhält, in schneller Folge:</span> <em>Alfred!
-Alfred!</em> <span class="dir">Dabei ist sie bis zur Thür des Wintergartens geeilt,
-durch die sie spähend blickt. Dann ab in den Wintergarten.
-Nach einer Weile erscheint sie wieder.</span> <em>Alfred!</em> <span class="dir">Immer unruhiger
-werdend, am Fenster, durch das sie hinausblickt:</span> <em>Alfred!</em>
-<span class="dir">Sie öffnet das Fenster und steigt auf einen davor stehenden
-Stuhl. In diesem Augenblick klingt deutlich vom Hofe herein
-das Geschrei des betrunkenen, aus dem Wirtshaus heimkehrenden
-Bauern, ihres Vaters.</span> <em>Dohie hä! biin iich nee a
-hibscher Moan? Hoa&rsquo; iich nee a hibsch Weib?
-Hoa&rsquo; iich nee a poar hibsche Tächter dohie hä?</em>
-<span class="dir">Helene stößt einen kurzen Schrei aus und rennt wie gejagt nach
-der Mittelthür. Von dort aus entdeckt sie den Brief, welchen
-Loth auf dem Tisch zurückgelassen. Sie stürzt sich darauf,
-reißt ihn auf und durchfliegt ihn, einzelne Worte aus seinem
-Inhalt laut hervorstoßend:</span> &bdquo;<em>Unübersteiglich!</em>&ldquo; ...
-&bdquo;<em>Niemals wieder!</em>&ldquo; <span class="dir">Sie läßt den Brief fallen, wankt.</span> Zu
-Ende! <span class="dir">Rafft sich auf, hält sich den Kopf mit beiden Händen, kurz und
-scharf schreiend.</span> <em>Zu En&mdash;de!</em> <span class="dir">Stürzt ab durch die Mitte. Der
-Bauer draußen, schon aus geringerer Entfernung:</span> <em>Dohie hä? iis
-ernt&rsquo;s Gittla ne mei&mdash;ne? Hoa&rsquo; iich ne a
-hibsch Weib? Bin iich nee a hibscher Moan?</em>
-<span class="dir">Helene, immer noch suchend, wie eine halb Irrsinnige aus dem
-Wintergarten hereinkommend, trifft <a id="corr-8"></a>auf Eduard, der etwas aus
-Hoffmann&rsquo;s Zimmer zu holen geht. Sie redet ihn an.</span> <em>Eduard!</em>
-<span class="dir">Er antwortet.</span> <em>Gnädiges Fräulein?</em> <span class="dir">Darauf sie:</span> <em>Ich
-möchte ... möchte den Herrn <span class="antiqua-optional">Dr.</span> Loth</em> ... <span class="dir">Eduard
-antwortet:</span> <em>Herr <span class="antiqua-optional">Dr.</span> Loth sind in des Herrn
-<span class="antiqua-optional">Dr.</span> Schimmelpfennig&rsquo;s Wagen fortgefahren!</em>
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-136" class="pagenum" title="136"></a>
-<span class="dir">Damit verschwindet er im Zimmer Hoffmann&rsquo;s.</span> <em>Wahr!</em> <span class="dir">stößt Helene
-hervor und hat einen Augenblick Mühe aufrecht zu stehen. Im
-nächsten durchfährt sie eine verzweifelte Energie. Sie rennt nach
-dem Vordergrunde und ergreift den Hirschfänger sammt Gehänge,
-der an dem Hirschgeweih über dem Sopha befestigt ist. Sie
-verbirgt ihn und hält sich still im dunklen Vordergrund, bis
-Eduard, aus Hoffmanns Zimmer kommend, zur Mittelthür
-hinaus ist. Die Stimme des Bauern, immer deutlicher:</span> <em>Dohie hä,
-biin iich nee a hibscher Moan?</em> <span class="dir">Auf diese Laute, wie
-auf ein Signal hin, springt Helene auf und verschwindet ihrerseits in Hoffmanns
-Zimmer. Das Hauptzimmer ist leer, und man hört fortgesetzt die
-Stimme des Bauern:</span> Dohie hä, hoa&rsquo; iich nee die schinsten Zähne,
-hä? Hoa&rsquo; iich ne a hibsch Gittla? <span class="dir"><em>Miele</em> kommt durch die
-Mittelthür. Sie blickt suchend umher und ruft:</span> <em>Freilein Helene!</em>
-<span class="dir">und wieder</span> <em>Freilein Helene!</em> <span class="dir">Dazwischen die Stimme des Bauern:</span>
-<em>&rsquo;s Gald iis mei&mdash;ne!</em> <span class="dir">Jetzt ist Miele ohne weiteres Zögern
-in Hoffmanns Zimmer verschwunden, dessen Thüre sie offen läßt.
-Im nächsten Augenblick stürzt sie heraus mit den Zeichen eines
-wahnsinnigen Schrecks; schreiend dreht sie sich zwei &mdash; dreimal
-um sich selber, schreiend jagt sie durch die Mittelthür. Ihr ununterbrochenes
-Schreien, mit der Entfernung immer schwächer
-werdend, ist noch einige weitere Sekunden vernehmlich. Man
-hört nun die schwere Hausthüre aufgehen und dröhnend in&rsquo;s
-Schloß fallen, das Schrittegeräusch des im Hausflur herumtaumelnden
-Bauern, schließlich eine rohe, näselnde, lallende
-Trinkerstimme ganz aus der Nähe durch den Raum gellen:</span>
-Dohie hä! Hoa&rsquo; iich nee a poar hibsche Tächter?
-</p>
-
-<p class="printer">
-Herrosé &amp; Ziemsen, Wittenberg.
-</p>
-
-
-<div class="trnote">
-<p id="trnote" class="chapter"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p>
-Die Schreibweise und Zeichensetzung des Originales wurden weitgehend
-beibehalten. Nur offensichtliche Fehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt
-(vorher/nachher):
-</p>
-
-
-<ul>
-
-<li>
-... vom Buffet, setzt alles auf den Tisch vor Loth. Grand <span class="underline">Champague</span>, ...<br />
-... vom Buffet, setzt alles auf den Tisch vor Loth. Grand <a href="#corr-0"><span class="underline">Champagne</span></a>, ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... <span class="underline">Vancover</span>-Island nur zum Zwecke parteilicher Agitation ...<br />
-... <a href="#corr-1"><span class="underline">Vancouver</span></a>-Island nur zum Zwecke parteilicher Agitation ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... auf seinen <span class="underline">Patz</span> begiebt. ...<br />
-... auf seinen <a href="#corr-2"><span class="underline">Platz</span></a> begiebt. ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Loth <span class="underline">trit</span> aus der Hausthür, steht still, dehnt sich, thut mehrere ...<br />
-... Loth <a href="#corr-3"><span class="underline">tritt</span></a> aus der Hausthür, steht still, dehnt sich, thut mehrere ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... beleuchtet ist auch noch die Holztreppe in dem <span class="underline">erstem</span> Stock. ...<br />
-... beleuchtet ist auch noch die Holztreppe in dem <a href="#corr-4"><span class="underline">ersten</span></a> Stock. ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Nich mal det bisken Nachtruhe hat man. &mdash; Immer <span class="underline">verraulicher</span>. ...<br />
-... Nich mal det bisken Nachtruhe hat man. &mdash; Immer <a href="#corr-5"><span class="underline">vertraulicher</span></a>. ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Süd- <span class="underline">nnd</span> Nord-Amerika, an Afrika, Australien, die ...<br />
-... Süd- <a href="#corr-6"><span class="underline">und</span></a> Nord-Amerika, an Afrika, Australien, die ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Loth. Wird&rsquo;s nicht bald <span class="underline">zn</span> Ende gehen? ...<br />
-... Loth. Wird&rsquo;s nicht bald <a href="#corr-7"><span class="underline">zu</span></a> Ende gehen? ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Wintergarten hereinkommend, trifft <span class="underline">aus</span> Eduard, der etwas aus ...<br />
-... Wintergarten hereinkommend, trifft <a href="#corr-8"><span class="underline">auf</span></a> Eduard, der etwas aus ...<br />
-</li>
-</ul>
-</div>
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Vor Sonnenaufgang, by Gerhart Hauptmann
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VOR SONNENAUFGANG ***
-
-***** This file should be named 52218-h.htm or 52218-h.zip *****
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-with the defective work may elect to provide a replacement copy in
-lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
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-the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
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-exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
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-remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
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-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
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-
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
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-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
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-Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
-date contact information can be found at the Foundation's web site and
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-Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation
-
-Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
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-array of equipment including outdated equipment. Many small donations
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-
-The Foundation is committed to complying with the laws regulating
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-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
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-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
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-ways including checks, online payments and credit card donations. To
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-
-Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.
-
-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
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-
-Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
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