diff options
| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-02-06 17:49:11 -0800 |
|---|---|---|
| committer | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-02-06 17:49:11 -0800 |
| commit | 47aca1efbcc957bc4fbb54b4080f33ffb5e7652c (patch) | |
| tree | f91463d2b6d6f6fda6c6e505253c3b0da4fe4856 | |
| parent | bcbb3abef8fd4f9a4484e4db31b9829815ab208b (diff) | |
| -rw-r--r-- | .gitattributes | 4 | ||||
| -rw-r--r-- | LICENSE.txt | 11 | ||||
| -rw-r--r-- | README.md | 2 | ||||
| -rw-r--r-- | old/53592-0.txt | 3721 | ||||
| -rw-r--r-- | old/53592-0.zip | bin | 76591 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53592-h.zip | bin | 178045 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53592-h/53592-h.htm | 4983 | ||||
| -rw-r--r-- | old/53592-h/images/new-cover-tn.jpg | bin | 13910 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53592-h/images/new-cover.jpg | bin | 61591 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53592-h/images/titlepage.png | bin | 11162 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/old/53592-8.txt | 3722 | ||||
| -rw-r--r-- | old/old/53592-8.zip | bin | 76167 -> 0 bytes |
12 files changed, 17 insertions, 12426 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..9abb7fc --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #53592 (https://www.gutenberg.org/ebooks/53592) diff --git a/old/53592-0.txt b/old/53592-0.txt deleted file mode 100644 index a02dfde..0000000 --- a/old/53592-0.txt +++ /dev/null @@ -1,3721 +0,0 @@ -The Project Gutenberg EBook of Friedrich Nietzsche, by Rudolf Steiner - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit - -Author: Rudolf Steiner - -Release Date: November 24, 2016 [EBook #53592] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRIEDRICH NIETZSCHE *** - - - - -Produced by Jeroen Hellingman and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net/ for Project -Gutenberg (This book was produced from scanned images of -public domain material from the Google Books project.) - - - - - - - - - - FRIEDRICH NIETZSCHE - - EIN KÄMPFER GEGEN SEINE ZEIT. - - Von - - Dr. RUDOLF STEINER. - - - - WEIMAR. - - VERLAG VON EMIL FELBER. - - 1895. - - - - - - - - -INHALT. - - Seite - - Vorrede VII - I. Nietzsches Charakter 1 - II. Der Übermensch 29 - III. Nietzsches Entwickelungsgang 93 - - - - - - - - -VORREDE. - - -Als ich vor sechs Jahren die Werke Friedrich Nietzsches kennen lernte, -waren in mir bereits Ideen ausgebildet, die den seinigen ähnlich -sind. Unabhängig von ihm und auf anderen Wegen als er, bin ich zu -Anschauungen gekommen, die im Einklang stehen mit dem, was Nietzsche -in seinen Schriften: "Zarathustra", "Jenseits von Gut und Böse", -"Genealogie der Moral" und "Götzendämmerung" ausgesprochen hat. Schon -in meinem 1886 erschienenen kleinen Buche "Erkenntnistheorie der -Goetheschen Weltanschauung" kommt dieselbe Gesinnung zum Ausdruck, -wie in den genannten Werken Nietzsches. - -Dies ist der Grund, warum ich mich gedrängt fühlte, ein Bild von -dem Vorstellungs- und Empfindungsleben Nietzsches zu zeichnen. Ich -glaube, daß ein solches Bild Nietzsche am ähnlichsten dann wird, -wenn man es seinen erwähnten letzten Schriften gemäß schafft. So habe -ich es gethan. Die früheren Schriften Nietzsches zeigen uns ihn als -Suchenden. Er stellt sich uns in ihnen dar als rastlos aufwärts -Strebender. In seinen letzten Schriften sehen wir ihn auf dem -Gipfel angelangt, der eine seiner ureigenen Geistesart angemessene -Höhe hat. In den meisten der bis jetzt über Nietzsche erschienenen -Schriften wird dessen Entwickelung so dargestellt, als ob er in -den verschiedenen Zeiten seiner Schriftstellerlaufbahn voneinander -mehr oder weniger abweichende Meinungen gehabt hätte. Ich habe zu -zeigen versucht, daß von einem Meinungswechsel bei Nietzsche nicht -die Rede sein kann, sondern nur von einer Aufwärts-Bewegung, von -der naturgemäßen Entwickelung einer Persönlichkeit, die noch nicht -die ihren Anschauungen entsprechende Ausdrucksform gefunden hatte, -als sie ihre ersten Schriften schrieb. - -Das Endziel von Nietzsches Wirken ist die Zeichnung des Typus -"Übermensch". Diesen Typus zu charakterisieren, habe ich als -eine der Hauptaufgaben meiner Schrift betrachtet. Mein Bild des -Übermenschen ist genau das Gegenteil des Zerrbildes geworden, das -in dem augenblicklich verbreitetsten Buche über Nietzsche von Frau -Lou Andreas-Salomé entworfen ist. Man kann nichts dem Nietzscheschen -Geiste mehr Zuwiderlaufendes in die Welt setzen, als das mystische -Ungetüm, das Frau Salomé aus dem Übermenschen gemacht hat. Mein Buch -zeigt, daß in Nietzsches Ideen nirgends auch nur die geringste Spur -von Mystik anzutreffen ist. Auf die Widerlegung der Ansicht von Frau -Salomé, daß Nietzsches Gedanken in "Menschliches, Allzumenschliches" -von den Ausführungen Paul Rées, des Verfassers der "Psychologischen -Beobachtungen und des Ursprungs der moralischen Empfindungen" -u. s. w., beeinflußt seien, habe ich mich nicht eingelassen. Ein so -mittelmäßiger Kopf wie Paul Rée konnte auf Nietzsche keinen bedeutenden -Eindruck machen. Ich würde diese Dinge auch hier nicht berühren, -wenn nicht das Buch von Frau Salomé so viel beigetragen hätte, -geradezu widerwärtige Ansichten über Nietzsche zu verbreiten. Fritz -Koegel, der ausgezeichnete Herausgeber von Nietzsches Werken, hat im -"Magazin für Litteratur" diesem Machwerke die gebührende Abfertigung -angedeihen lassen. - -Ich kann diese kurze Vorrede nicht beschließen, ohne Frau -Förster-Nietzsche, der Schwester Nietzsches, herzlichst zu danken für -die vielen Freundlichkeiten, die ich von ihr während der Zeit erfahren -habe, in der meine Schrift entstanden ist. Den im "Nietzsche-Archiv" -in Naumburg verlebten Stunden verdanke ich die Stimmung, aus der -heraus die folgenden Gedanken geschrieben sind. - - - Weimar, April 1895. - - Rudolf Steiner. - - - - - - - - -NIETZSCHES WERKE. - - -Ich führe hier zur Orientierung die bis jetzt erschienenen und für -meine Ausführungen in Betracht kommenden Schriften Nietzsches an und -füge zu jeder einzelnen die Jahreszahl des Erscheinens der ersten -Auflage hinzu. - - -Die Geburt der Tragödie. Oder: Griechentum und Pessimismus. - -Die 1. Aufl. erschien 1872. - -Eine neue Ausgabe mit vorgedrucktem "Versuch einer Selbstkritik" -erschien 1886. - -Unzeitgemäße Betrachtungen. - -Erstes Stück: David Strauß, der Bekenner und -Schriftsteller. 1. Aufl. 1873. - -Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das -Leben. 1. Aufl. 1874. - -Drittes Stück: Schopenhauer als Erzieher. 1. Aufl. 1874. - -Viertes Stück: Richard Wagner in Bayreuth. 1. Aufl. 1876. - -Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. - -1. Band. 1. Aufl. 1878. - -Eine neue Ausgabe mit einer einführenden Vorrede erschien 1886. - -Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. - -2. Band. Die beiden Abteilungen dieses Buches: "Vermischte Meinungen -und Sprüche" und "Der Wanderer und sein Schatten" erschienen -zuerst jede als besonderes Buch. Die erste 1879 unter dem Titel: -"Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Anhang: -Vermischte Meinungen und Sprüche", die zweite 1880. Beide Abteilungen -wurden 1886 zu einem Bande vereinigt, der mit einer einführenden -Vorrede versehen wurde und der den Titel trug: "Menschliches, -Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Zweiter Band. Neue -Ausgabe mit einer einführenden Vorrede." - -Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile. - -1. Aufl. 1881. - -Neue Ausgabe mit einer einführenden Vorrede 1887. - -Die fröhliche Wissenschaft ("La gaya scienza"). 1. Aufl. 1882. - -Neue Ausgabe mit einer Vorrede 1887. - -Also sprach Zarathustra. Die Teile erschienen zuerst einzeln: 1. Teil -1883; 2. Teil 1883; 3. Teil 1884. Die erste Gesamtausgabe der drei -Teile erschien 1886. Der vierte Teil erschien 1885 in 40 Abzügen bloß -für Freunde und erst 1891 als 1. Aufl. - -Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der -Zukunft. 1. Aufl. 1886. - -Zur Genealogie der Moral. Eine Streitschrift. 1. Aufl. 1887. - -Der Fall Wagner. Ein Musikanten-Problem. 1. Aufl. 1888. - -Götzendämmerung oder Wie man mit dem Hammer -philosophiert. 1. Aufl. 1889. - -Nietzsche contra Wagner. Aktenstücke eines Psychologen. Erschien 1895 -in der Gesamtausgabe zum ersten Mal. 1888 bereits einmal gedruckt, -aber nicht ausgegeben. - -Der Antichrist. Versuch einer Kritik des Christentums. Das erste -Buch des unvollendeten Werkes Nietzsches "Der Wille zur Macht". In -der Gesamtausgabe (1895) zum erstenmal gedruckt. - -Gedichte. In der Gesamtausgabe 1895. - -Eine Gesamtausgabe von Nietzsches Werken in 8 Bänden ist 1895 bei -C. G. Naumann in Leipzig erschienen. In derselben sind enthalten: -Die Geburt der Tragödie 4. Aufl.; Die "Unzeitgemäßen Betrachtungen" -3. Aufl.; "Menschliches, Allzumenschliches" 1. u. 2. Bd. 4. Aufl.; -Morgenröte 2. Aufl.; Fröhliche Wissenschaft 2. Aufl.; Zarathustra -4. Aufl.; Jenseits von Gut und Böse 5. Aufl.; Genealogie der Moral -4. Aufl.; Der Fall Wagner 3. Aufl.; Götzendämmerung 3. Aufl.; Nietzsche -contra Wagner; Antichrist; Gedichte. - - -Die Veröffentlichung der noch ungedruckten Arbeiten Nietzsches, sowie -seiner Entwürfe zu Arbeiten, seiner Fragmente u. s. w. steht bevor. - - - - - - - - -I. - -DER CHARAKTER. - - -1. - -Friedrich Nietzsche charakterisiert sich selbst als einsamen Grübler -und Rätselfreund, als unzeitgemäße Persönlichkeit. Wer auf solchen -eigenen Wegen geht, wie er, "begegnet niemandem; das bringen die -eigenen Wege mit sich. Niemand kommt, ihm dabei zu helfen; mit allem, -was ihm von Gefahr, Zufall, Bosheit und schlechtem Wetter zustößt, muß -er allein fertig werden", sagt er in der Vorrede zur zweiten Ausgabe -seiner "Morgenröte". Aber reizvoll ist es, ihm in seine Einsamkeit -zu folgen. Die Worte, die er über sein Verhältnis zu Schopenhauer -ausgesprochen hat, möchte ich über das meinige zu Nietzsche sagen: -"Ich gehöre zu den Lesern Nietzsches, welche, nachdem sie die erste -Seite von ihm gelesen, mit Bestimmtheit wissen, daß sie alle Seiten -lesen und auf jedes Wort hören werden, das er überhaupt gesagt -hat. Mein Vertrauen zu ihm war sofort da ..... Ich verstand ihn, -als ob er für mich geschrieben hätte, um mich verständlich, aber -unbescheiden und thöricht auszudrücken." Man kann so sprechen und -weit davon entfernt sein, sich als "Gläubigen" der Nietzscheschen -Weltanschauung zu bekennen. Weiter allerdings nicht, als Nietzsche -davon entfernt war, sich solche "Gläubige" zu wünschen. Legt er doch -seinem "Zarathustra" die Worte in den Mund: - -"Ihr sagt, ihr glaubt an Zarathustra? Aber was liegt an -Zarathustra! Ihr seid meine Gläubigen: aber was liegt an allen -Gläubigen! - -"Ihr hattet euch noch nicht gesucht: da fandet ihr mich. So thun alle -Gläubigen; darum ist es so wenig mit allem Glauben. - -"Nun heiße ich euch, mich verlieren und euch finden; und erst, wenn -ihr mich alle verleugnet habt, will ich euch wiederkehren." - -Nietzsche ist kein Messias und Religionsstifter; er kann deshalb sich -wohl Freunde seiner Meinungen wünschen; Bekenner seiner Lehren aber, -die ihr eigenes Selbst aufgeben, um das seinige zu finden, kann er -nicht wollen. - -In Nietzsches Persönlichkeit finden sich Instinkte, denen ganze -Vorstellungskreise seiner Zeitgenossen zuwider sind. Von den -wichtigsten Kulturideen derjenigen, in deren Mitte er sich entwickelt -hat, wendet er sich ab mit einem instinktiven Widerwillen; und -zwar nicht so, wie man eine Behauptung ablehnt, in der man einen -logischen Widerspruch entdeckt hat, sondern wie man sich von einer -Farbe abwendet, die dem Auge Schmerz verursacht. Der Widerwille -geht von dem unmittelbaren Gefühl aus; die bewußte Überlegung kommt -zunächst gar nicht in Betracht. Was andere Menschen empfinden, wenn -ihnen die Gedanken: Schuld, Gewissensbiß, Sünde, jenseitiges Leben, -Ideal, Seligkeit, Vaterland durch den Kopf gehen, wirkt auf Nietzsche -unangenehm. Die instinktive Art der Abneigung gegen die genannten -Vorstellungen unterscheidet Nietzsche auch von den sogenannten -"Freigeistern" der Gegenwart. Diese kennen alle Verstandeseinwände -gegen die "alten Wahnvorstellungen"; aber wie selten findet sich -einer, der von sich sagen kann: seine Instinkte hängen nicht mehr an -ihnen! Gerade die Instinkte sind es, die den Freigeistern der Gegenwart -böse Streiche spielen. Das Denken nimmt einen von den überlieferten -Ideen unabhängigen Charakter an, aber die Instinkte können sich diesem -veränderten Charakter des Verstandes nicht anpassen. Diese "freien -Geister" setzen irgend einen Begriff der modernen Wissenschaft an die -Stelle einer älteren Vorstellung; aber sie sprechen so von ihm, daß -man erkennt: der Verstand geht einen andern Weg als die Instinkte. Der -Verstand sucht in dem Stoffe, in der Kraft, in der Naturgesetzlichkeit -den Urgrund der Erscheinungen; die Instinkte aber verleiten dazu, -diesen Wesen gegenüber dasselbe zu empfinden, was andere ihrem -persönlichen Gotte gegenüber empfinden. Geister dieser Art wehren -sich gegen den Vorwurf der Gottesleugnung; aber sie thun es nicht -deshalb, weil ihre Weltauffassung sie auf etwas führt, was mit irgend -einer Gottesvorstellung übereinstimmt, sondern weil sie von ihren -Vorfahren die Eigenschaft ererbt haben, bei dem Worte "Gottesleugner" -ein instinktives Gruseln zu empfinden. Große Naturforscher betonen, -daß sie die Vorstellungen: Gott, Unsterblichkeit nicht verbannen, -sondern nur im Sinne der modernen Wissenschaft umgestalten wollen. Ihre -Instinkte sind eben hinter ihrem Verstande zurückgeblieben. - -Eine große Zahl dieser "freien Geister" vertritt die Ansicht, daß -der Wille des Menschen unfrei ist. Sie sagen: der Mensch muß in -einem bestimmten Falle so handeln, wie es sein Charakter und die auf -ihn einwirkenden Verhältnisse bedingen. Man halte aber Umschau bei -diesen Gegnern der Ansicht vom "freien Willen", und man wird finden, -daß sich die Instinkte dieser "Freigeister" von dem Vollbringer einer -"bösen" That geradeso mit Abscheu abwenden, wie es die Instinkte der -anderen thun, die der Meinung sind: der "freie Wille" könne sich nach -Belieben dem Guten oder dem Bösen zuwenden. - -Der Widerspruch zwischen Verstand und Instinkt ist das Merkmal unserer -"modernen Geister". Auch in den freiesten Denkern der Gegenwart leben -noch die von der christlichen Orthodoxie gepflanzten Instinkte. Genau -die entgegengesetzten sind in Nietzsches Natur wirksam. Er braucht -nicht erst darüber nachzudenken, ob es Gründe gegen die Annahme -eines persönlichen Weltenlenkers giebt. Sein Instinkt ist zu stolz, -um sich vor einem solchen zu beugen; deshalb lehnt er eine derartige -Vorstellung ab. Er spricht mit seinem Zarathustra: "Aber daß ich -euch ganz mein Herz offenbare, ihr Freunde: wenn es Götter gäbe, wie -hielte ich's aus, kein Gott zu sein! Also giebt es keine Götter." Sich -selbst oder einen andern wegen einer begangenen Handlung "schuldig" -zu sprechen, dazu drängt ihn nichts in seinem Innern. Um ein solches -"schuldig" unstatthaft zu finden, dazu braucht er keine Theorie vom -"freien" oder "unfreien" Willen. - -Auch die patriotischen Empfindungen seiner deutschen Volksgenossen -sind Nietzsches Instinkten zuwider. Er kann sein Empfinden und -Denken nicht abhängig machen von den Gedankenkreisen des Volkes, -innerhalb dessen er geboren und erzogen ist; auch nicht von der Zeit, -in der er lebt. "Es ist so kleinstädtisch -- sagt er in seiner Schrift -"Schopenhauer als Erzieher" --, sich zu den Ansichten verpflichten, die -ein paar hundert Meilen weiter schon nicht mehr verpflichten. Orient -und Occident sind Kreidestriche, die uns jemand vor unsere Augen -hinmalt, um unsere Furchtsamkeit zu narren. Ich will den Versuch -machen, zur Freiheit zu kommen, sagt sich die junge Seele; und da -sollte es sie hindern, daß zufällig zwei Nationen sich hassen und -bekriegen, oder daß ein Meer zwischen zwei Weltteilen liegt, oder -daß rings um uns eine Religion gelehrt wird, welche vor ein paar -tausend Jahren nicht bestand." Die Empfindungen der Deutschen während -des Krieges im Jahre 1870 fanden in seiner Seele einen so geringen -Widerhall, daß er, "während die Donner der Schlacht von Wörth über -Europa weggingen", in einem Winkel der Alpen saß, "sehr vergrübelt -und verrätselt, folglich sehr bekümmert und unbekümmert zugleich", -und seine Gedanken über die Griechen niederschrieb. Und als er einige -Wochen darauf sich selbst "unter den Mauern von Metz" befand, war er -"noch immer nicht losgekommen von den Fragezeichen, die er zum Leben -und der Kunst der Griechen gesetzt hatte". (Vergl. "Versuch einer -Selbstkritik" in der zweiten Auflage seiner "Geburt der Tragödie".) Als -der Krieg zu Ende war, stimmte er so wenig in die Begeisterung seiner -deutschen Zeitgenossen über den errungenen Sieg ein, daß er schon -im Jahre 1872 in seiner Schrift über David Strauß von den "schlimmen -und gefährlichen Folgen" des siegreich beendeten Kampfes sprach. Er -stellte es sogar als einen Wahn hin, daß auch die deutsche Kultur in -diesem Kampfe gesiegt habe, und er nannte diesen Wahn gefährlich, weil, -wenn er innerhalb des deutschen Volkes herrschend wird, die Gefahr -vorhanden ist, den Sieg in eine völlige Niederlage zu verwandeln; -in die Niederlage, ja Exstirpation des deutschen Geistes zu Gunsten -des "Deutschen Reiches". Das ist Nietzsches Gesinnung in einer Zeit, -in der ganz Europa voll ist von nationaler Begeisterung. Es ist die -Gesinnung einer unzeitgemäßen Persönlichkeit, eines Kämpfers gegen -seine Zeit. Außer dem Angeführten ließe sich noch vieles nennen, -was in Nietzsches Empfindungs- und Vorstellungsleben anders ist, -als in dem seiner Zeitgenossen. - - - - -2. - -Nietzsche ist kein "Denker" im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Für die -fragwürdigen und tiefdringenden Fragen, die er der Welt und dem Leben -gegenüber zu stellen hat, reicht das bloße Denken nicht aus. Für diese -Fragen müssen alle Kräfte der menschlichen Natur entfesselt werden; -die denkende Betrachtung allein ist ihnen nicht gewachsen. Zu bloß -erdachten Gründen für eine Meinung hat Nietzsche kein Vertrauen. "Es -giebt ein Mißtrauen in mir gegen Dialektik, selbst gegen Gründe," -schreibt er am 2. Dezember 1887 an Georg Brandes. (Vergl. dessen -"Menschen und Werke", S. 212). Wer ihn um die Gründe seiner -Ansichten fragt, für den hat er "Zarathustras" Antwort bereit: -"Du fragst warum? Ich gehöre nicht zu denen, welche man nach ihrem -Warum fragen darf." Nicht ob eine Ansicht logisch bewiesen werden -kann, ist für ihn maßgebend, sondern ob sie auf alle Kräfte der -menschlichen Persönlichkeit so wirkt, daß sie für das Leben Wert -hat. Er läßt einen Gedanken nur gelten, wenn er ihn geeignet findet, -zur Entwicklung des Lebens beizutragen. Den Menschen so gesund als -möglich, so machtvoll als möglich, so schöpferisch als möglich zu -sehen, ist sein Wunsch. Wahrheit, Schönheit, alle Ideale haben nur Wert -und gehen den Menschen nur etwas an, insofern sie lebenfördernd sind. - -Die Frage nach dem Werte der Wahrheit tritt in mehreren Schriften -Nietzsches auf. In der verwegensten Form wird sie in seinem Buche: -"Jenseits von Gut und Böse" gestellt. "Der Wille zur Wahrheit, der uns -noch zu manchem Wagnisse verführen wird, jene berühmte Wahrhaftigkeit, -von der alle Philosophen bisher mit Ehrerbietung geredet haben: was -für Fragen hat dieser Wille zur Wahrheit uns schon vorgelegt! Welche -wunderlichen, schlimmen, fragwürdigen Fragen! Das ist bereits eine -lange Geschichte -- und doch scheint es, daß sie kaum eben angefangen -hat." Was Wunder, wenn wir endlich auch mißtrauisch werden, die Geduld -verlieren, uns ungeduldig umdrehn? Daß wir von dieser Sphinx auch -unsererseits das Fragen lernen? Wer ist das eigentlich, der uns hier -Fragen stellt? Was in uns will eigentlich 'zur Wahrheit'? In der That, -wir machten lange Halt vor der Frage nach der Ursache dieses Willens --- bis wir, zuletzt, vor einer noch gründlicheren Frage ganz und gar -stehen blieben. Wir fragten nach dem Werte dieses Willens. Gesetzt, -wir wollen Wahrheit: warum nicht lieber Unwahrheit? - -Das ist ein Gedanke von kaum zu überbietender Kühnheit. Stellt man -daneben, was ein anderer kühner "Grübler und Rätselfreund", Johann -Gottlieb Fichte, von dem Streben nach Wahrheit sagt, so sieht man -erst, wie tief aus dem Wesen der menschlichen Natur Nietzsche seine -Vorstellungen heraufholt. "Ich bin dazu berufen" -- sagt Fichte -- -"der Wahrheit Zeugnis zu geben; an meinem Leben und an meinem Schicksal -liegt nichts; an den Wirkungen meines Lebens liegt unendlich viel. Ich -bin ein Priester der Wahrheit; ich bin in ihrem Solde; ich habe -mich verbindlich gemacht, alles für sie zu thun und zu wagen und zu -leiden." (Fichte, Vorlesungen "Über die Bestimmung des Gelehrten", -vierte Vorlesung.) Diese Worte sprechen das Verhältnis aus, in das -sich die edelsten Geister der abendländischen neueren Kultur zur -Wahrheit setzen. Nietzsches angeführtem Ausspruch gegenüber erscheinen -sie oberflächlich. Man kann gegen sie einwenden: Ist es denn nicht -möglich, daß die Unwahrheit wertvollere Wirkungen für das Leben hat, -als die Wahrheit? Ist es ausgeschlossen, daß die Wahrheit dem Leben -schadet? Hat sich Fichte diese Fragen gestellt? Haben es andere gethan, -die "der Wahrheit Zeugnis" gegeben haben? - -Nietzsche aber stellt diese Fragen. Und er glaubt über sie erst -dann ins Reine zu kommen, wenn er das Streben nach Wahrheit nicht -als bloße Verstandessache behandelt, sondern nach den Instinkten -sucht, die dieses Streben erzeugen. Denn es könnte ja wohl sein, -daß sich diese Instinkte der Wahrheit nur als Mittel bedienten, -um etwas zu erreichen, was höher steht, als die Wahrheit. Nietzsche -findet, nachdem er "lange genug den Philosophen zwischen die Zeilen -und auf die Finger gesehn" hat: "Das meiste Denken eines Philosophen -ist durch seine Instinkte heimlich geführt und in bestimmte Bahnen -gezwungen." Die Philosophen glauben, die letzte Triebfeder ihres Thuns -sei das Streben nach Wahrheit. Sie glauben dies, weil sie nicht auf -den Grund der menschlichen Natur zu sehen vermögen. In Wirklichkeit -wird das Streben nach Wahrheit gelenkt von dem Willen zur Macht. Mit -Hilfe der Wahrheit soll die Macht und Lebensfülle der Persönlichkeit -erhöht werden. Das bewußte Denken des Philosophen ist der Meinung: die -Erkenntnis der Wahrheit sei ein letztes Ziel; der unbewußte Instinkt, -der das Denken treibt, strebt nach Förderung des Lebens. Für diesen -Instinkt ist "die Falschheit eines Urteils noch kein Einwand gegen -ein Urteil"; für ihn kommt allein die Frage in Betracht: "wie weit -ist es lebenfördernd, lebenerhaltend, arterhaltend, vielleicht gar -artzüchtend" (Jenseits von Gut und Böse § 4). - -"'Wille zur Wahrheit' heißt ihr's, ihr Weisesten, was euch treibt -und brünstig macht? - -"Wille zur Denkbarkeit alles Seienden: also heiße ich euren Willen! - -"Alles Seiende wollt ihr erst denkbar machen: denn ihr zweifelt mit -gutem Mißtrauen, ob es schon denkbar ist. - -"Aber es soll sich euch fügen und biegen! So will's euer Wille. Glatt -soll es werden und dem Geiste unterthan, als sein Spiegel und -Widerbild. - -"Das ist euer ganzer Wille, ihr Weisesten, als ein Wille zur Macht -....." (Zarathustra, 2. Teil, Von der Selbst-Überwindung.) - -Die Wahrheit soll die Welt dem Geiste unterthan machen und dadurch -dem Leben dienen. Nur als Lebensbedingung hat sie einen Wert. -- -Kann man nicht aber noch weiter gehen und fragen: was ist das Leben -selbst wert? Nietzsche hält eine solche Frage für unmöglich. Daß -alles Lebende so machtvoll, so inhaltreich leben will, als irgend -möglich ist, nimmt er als eine Thatsache hin, über die er nicht -weiter grübelt. Die Lebensinstinkte fragen nicht nach dem Werte -des Lebens. Sie fragen nur: welche Mittel giebt es, um die Macht -ihres Trägers zu erhöhen. "Urteile, Werturteile über das Leben, für -oder wider, können zuletzt niemals wahr sein: sie haben nur Wert -als Symptome, sie kommen nur als Symptome in Betracht, -- an sich -sind solche Urteile Dummheiten. Man muß durchaus seine Finger darnach -ausstrecken und den Versuch machen, die erstaunliche Finesse zu fassen, -daß der Wert des Lebens nicht abgeschätzt werden kann. Von einem -Lebenden nicht, weil ein solcher Partei, ja sogar Streitobjekt ist, -und nicht Richter; von einem Toten nicht, aus einem andern Grunde. -- -Von seiten eines Philosophen im Wert des Lebens ein Problem sehn, -bleibt dergestalt sogar ein Einwurf gegen ihn, ein Fragezeichen an -seiner Weisheit, eine Unweisheit." -- (Götzendämmerung. Das Problem -des Sokrates.) Die Frage nach dem Werte des Lebens existiert nur für -eine mangelhaft ausgebildete, kranke Persönlichkeit. Wer allseitig -entwickelt ist, lebt, ohne zu fragen, wie viel sein Leben wert ist. - -Weil Nietzsche die beschriebenen Ansichten hat, deshalb legt er auf -logische Beweisgründe für ein Urteil wenig Gewicht. Nicht darauf kommt -es ihm an, ob sich das Urteil logisch beweisen läßt, sondern wie gut -sich unter seinem Einflusse leben läßt. Nicht allein der Verstand, -sondern die ganze Persönlichkeit des Menschen soll befriedigt -werden. Die besten Gedanken sind diejenigen, welche alle Kräfte der -menschlichen Natur in eine ihnen angemessene Bewegung bringen. - -Nur Gedanken dieser Art haben für Nietzsche Interesse. Er ist kein -philosophischer Kopf, sondern ein "Honigsammler des Geistes", der -die "Bienenkörbe" der Erkenntnis aufsucht und heimzubringen sucht, -was dem Leben frommt. - - - - -3. - -In Nietzsches Persönlichkeit sind diejenigen Instinkte vorherrschend, -die den Menschen zu einem gebietenden, herrischen Wesen machen. Ihm -gefällt alles, was Macht bekundet; ihm mißfällt alles, was Schwäche -verrät. Er fühlt sich nur so lange glücklich, als er sich in -Lebensbedingungen befindet, die seine Kraft erhöhen. Er liebt -Hemmnisse, Widerstände für seine Thätigkeit, weil er sich bei ihrer -Überwindung seiner Macht bewußt wird. Er sucht die beschwerlichsten -Wege auf, die der Mensch gehen kann. Ein Grundzug seines Charakters -ist in dem Spruche ausgedrückt, den er der zweiten Ausgabe seiner -"fröhlichen Wissenschaft" auf das Titelblatt gesetzt hat: - - - "Ich wohne in meinem eignen Haus, - Hab' niemandem nie nichts nachgemacht - Und -- lachte noch jeden Meister aus, - Der nicht sich selber ausgelacht." - - -Jede Art von Unterordnung unter eine fremde Macht empfindet Nietzsche -als Schwäche. Und über das, was eine "fremde Macht" ist, denkt -er anders als mancher, der sich als "unabhängigen, freien Geist" -bezeichnet. Nietzsche empfindet es als Schwäche, wenn der Mensch sich -in seinem Denken und Handeln sogenannten "ewigen, ehernen" Gesetzen -der Vernunft unterwirft. Was die allseitig entwickelte Persönlichkeit -thut, das läßt sie sich von keiner Moralwissenschaft vorschreiben, -sondern allein von den Antrieben des eigenen Selbst. Der Mensch ist -in dem Augenblicke schon schwach, in dem er nach Gesetzen und Regeln -sucht, nach denen er denken und handeln soll. Der Starke bestimmt -die Art seines Denkens und Handelns aus seinem eigenen Wesen heraus. - -Diese Ansicht spricht Nietzsche am schroffsten in Sätzen aus, -um derentwillen ihn kleinlich denkende Menschen geradezu als -einen gefährlichen Geist bezeichnet haben: "Als die christlichen -Kreuzfahrer im Orient auf jenen unbesiegbaren Assassinenorden stießen, -jenen Freigeisterorden par excellence, dessen unterste Grade in einem -Gehorsame lebten, wie einen gleichen kein Mönchsorden erreicht hat, da -bekamen sie auf irgend welchem Wege auch einen Wink über jenes Symbol -und Kerbholzwort, das nur den obersten Graden, als deren Sekretum, -vorbehalten war: "Nichts ist wahr, alles ist erlaubt!" .... Wohlan, -das war Freiheit des Geistes, damit war der Wahrheit selbst der -Glaube gekündigt" ... (Genealogie der Moral § 19). Daß diese Sätze die -Empfindungen einer vornehmen, einer Herrennatur zum Ausdruck bringen, -die sich die Erlaubnis, frei, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben, -durch keine Rücksicht auf ewige Wahrheiten und Vorschriften der Moral -verkümmern lassen will, fühlen diejenigen Menschen nicht, die, ihrer -Art nach, zur Unterwürfigkeit geeignet sind. Eine Persönlichkeit, -wie die Nietzsches ist, verträgt auch jene Tyrannen nicht, die in der -Form abstrakter Sittengebote auftreten. Ich bestimme, wie ich denken, -wie ich handeln will, sagt eine solche Natur. - -Es giebt Menschen, die ihre Berechtigung, sich "Freidenker" zu nennen, -davon herleiten, daß sie sich in ihrem Denken und Handeln nicht -solchen Gesetzen unterwerfen, die von anderen Menschen herrühren, -sondern nur den "ewigen Gesetzen der Vernunft", den "unumstößlichen -Pflichtbegriffen" oder dem "Willen Gottes". Nietzsche sieht solche -Menschen nicht als wahrhaft starke Persönlichkeiten an. Denn auch sie -denken und handeln nicht nach ihrer eigenen Natur, sondern nach den -Befehlen einer höheren Autorität. Ob der Sklave der Willkür seines -Herrn, der Religiöse den geoffenbarten Wahrheiten eines Gottes oder -der Philosoph den Aussprüchen der Vernunft folgt, das ändert nichts an -dem Umstande, daß sie alle Gehorchende sind. Was befiehlt, ist dabei -gleichgültig; das ausschlaggebende ist, daß überhaupt befohlen wird, -daß der Mensch sich nicht selbst die Richtung für sein Thun giebt, -sondern der Meinung ist, es gebe eine Macht, welche ihm diese Richtung -vorzeichnet. - -Der starke, wahrhaft freie Mensch will die Wahrheit nicht empfangen --- er will sie schaffen; er will sich nichts "erlauben" lassen, er -will nicht gehorchen. "Die eigentlichen Philosophen sind Befehlende -und Gesetzgeber; sie sagen: so soll es sein! sie bestimmen erst das -Wohin? und Wozu? des Menschen und verfügen dabei über die Vorarbeit -aller philosophischen Arbeiter, aller Überwältiger der Vergangenheit, --- sie greifen mit schöpferischer Hand nach der Zukunft, und alles, was -ist und war, wird ihnen dabei zum Mittel, zum Werkzeug, zum Hammer. Ihr -"Erkennen" ist Schaffen, ihr Schaffen ist eine Gesetzgebung, ihr -Wille zur Wahrheit ist -- Wille zur Macht. -- Giebt es heute solche -Philosophen? Gab es schon solche Philosophen? Muß es nicht solche -Philosophen geben?" (Jenseits von Gut und Böse § 211.) - - - - -4. - -Ein besonderes Zeichen menschlicher Schwäche sieht Nietzsche in jeder -Art von Glauben an ein Jenseits, an eine andere Welt, als die ist, -in der der Mensch lebt. Man kann, nach seiner Ansicht, dem Leben -keinen größeren Schaden thun, als wenn man sein Leben im Diesseits -im Hinblick auf ein anderes Leben im Jenseits einrichtet. Man kann -sich keiner größeren Verirrung hingeben, als wenn man hinter den -Erscheinungen dieser Welt Wesenheiten annimmt, die der menschlichen -Erkenntnis unzugänglich sind, und die als der eigentliche Urgrund, -als das Bestimmende alles Daseins gelten sollen. Durch eine solche -Annahme verdirbt man sich die Freude an dieser Welt. Man würdigt sie -zum Scheine, zu einem bloßen Abglanz eines Unzugänglichen herab. Man -erklärt die uns bekannte Welt, die für uns allein wirkliche, für einen -nichtigen Traum und schreibt die wahre Wirklichkeit einer erträumten, -erdichteten anderen Welt zu. Man erklärt die menschlichen Sinne für -Betrüger, die uns Scheinbilder statt Wirklichkeiten liefern. - -Nur aus der Schwäche kann eine solche Ansicht stammen. Denn der Starke, -der fest in der Wirklichkeit wurzelt, der seine Freude am Leben hat, -wird es sich nicht in den Sinn kommen lassen, eine andere Wirklichkeit -zu erdichten. Er ist mit dieser Welt beschäftigt und bedarf keiner -andern. Aber die Leidenden, die Kranken, die unzufrieden sind mit -diesem Leben, nehmen ihre Zuflucht zum Jenseits. Was ihnen das -Diesseits entzogen hat, soll ihnen das Jenseits bieten. Der Starke, -der Gesunde, der entwickelte und taugliche Sinne hat, um die Gründe -dieser Welt in ihr selber aufzusuchen, der bedarf zur Erklärung der -Erscheinungen, innerhalb deren er lebt, keiner jenseitigen Gründe und -Wesenheiten. Der Schwache, der mit verkrüppelten Augen und Ohren die -Wirklichkeit wahrnimmt, der braucht Ursachen hinter den Erscheinungen. - -Aus dem Leiden und der kranken Sehnsucht ist der Glaube an das Jenseits -geboren. Aus dem Unvermögen, die wirkliche Welt zu durchschauen, -sind alle Annahmen von "Dingen an sich" erwachsen. - -Alle, welche Grund haben, das wirkliche Leben zu verneinen, sagen -Ja zu einem erdichteten. Nietzsche will ein Jasager gegenüber -der Wirklichkeit sein. Diese Welt will er durchforschen nach allen -Richtungen, er will sich einbohren in die Tiefen des Daseins; von einem -andern Leben will er nichts wissen. Ihn kann selbst das Leiden nicht -veranlassen, Nein zum Leben zu sagen; denn auch das Leiden ist ihm -ein Mittel der Erkenntnis. "Nicht anders, als es ein Reisender macht, -der sich vorsetzt, zu einer bestimmten Stunde aufzuwachen, und sich -dann ruhig dem Schlafe überläßt: so ergeben wir Philosophen, gesetzt, -daß wir krank werden, uns zeitweilig mit Leib und Seele der Krankheit --- wir machen gleichsam vor uns die Augen zu. Und wie jener weiß, -daß irgend etwas nicht schläft, irgend etwas die Stunden abzählt -und ihn aufwecken wird, so wissen auch wir, daß der entscheidende -Augenblick uns wach finden wird, -- daß dann etwas hervorspringt und -den Geist auf der That ertappt, ich meine auf der Schwäche oder Umkehr -oder Ergebung oder Verhärtung oder Verdüsterung, und wie alle die -krankhaften Zustände des Geistes heißen, welche in gesunden Tagen den -Stolz des Geistes wider sich haben. Man lernt nach einer derartigen -Selbstbefragung, Selbstversuchung, mit einem feineren Auge nach -allem, worüber überhaupt bisher philosophiert worden ist, hinsehen -..." (Vorrede zur zweiten Ausgabe der "fröhlichen Wissenschaft".) -- - - - - -5. - -Dieser lebens- und wirklichkeitsfreundliche Sinn Nietzsches -zeigt sich auch in seinen Anschauungen über die Menschen und -ihre gegenseitigen Beziehungen. Auf diesem Gebiete ist Nietzsche -vollkommener Individualist. Jeder Mensch gilt ihm als eine Welt -für sich, ein Unikum. Das "wunderlich bunte Mancherlei", das -zum "Einerlei" vereinigt ist und uns als ein bestimmter Mensch -entgegentritt, kann kein noch so seltsamer Zufall ein zweites Mal in -gleicher Weise zusammenschütteln. (Schopenhauer als Erzieher 1.) Die -wenigsten Menschen sind jedoch geneigt, ihre nur einmal vorhandenen -Eigentümlichkeiten zu entfalten. Sie fürchten sich vor der Einsamkeit, -in die sie dadurch gedrängt werden. Es ist bequemer und gefahrloser, -in gleicher Weise wie die Mitmenschen zu leben; man findet dann -immer Gesellschaft. Wer auf seine eigene Art sich einrichtet, -wird von anderen nicht verstanden und findet keine Genossen. Für -Nietzsche hat die Einsamkeit einen besonderen Reiz. Er liebt es, -die Heimlichkeiten des eigenen Innern aufzusuchen. Er flieht -die Gemeinschaft der Menschen. Seine Gedankengänge sind zumeist -Bohrversuche nach Schätzen, die tief in seiner Persönlichkeit verborgen -liegen. Das Licht, das andere ihm bieten, verschmäht er; die Luft, -die man da atmet, wo das "Gemeinsame der Menschen", die "Regel Mensch" -lebt, will er nicht mitatmen. Er trachtet instinktiv nach seiner "Burg -und Heimlichkeit", wo er von der Menge, den vielen, den allermeisten -erlöst ist. (Jenseits von Gut und Böse § 36.) In seiner "fröhlichen -Wissenschaft" klagt er, daß es ihm schwer ist, seine Mitmenschen zu -"verdauen"; und in "Jenseits von Gut und Böse" (§ 282) verrät er, -daß er zumeist gefährliche Verdauungsstörungen davontrug, wenn er -sich an Tische setzte, an denen die Kost des "Allgemein-Menschlichen" -genossen wurde. Die Menschen dürfen Nietzsche nicht zu nahe kommen, -wenn er sie ertragen soll. - - - - -6. - -Nietzsche erklärt einen Gedanken, ein Urteil in derjenigen Form für -gültig, zu der die freiwaltenden Lebensinstinkte ihre Zustimmung -geben. Ansichten, für die das Leben sich entscheidet, läßt er sich -durch keine logischen Zweifel nehmen. Dadurch erhält sein Denken -einen sichern, freien Zug. Es wird nicht beirrt durch Bedenken wie: -ob eine Behauptung auch "objektiv" wahr ist, ob sie die Grenzen des -menschlichen Erkenntnisvermögens nicht überschreitet u. s. w. Wenn -Nietzsche den Wert eines Urteiles für das Leben erkannt hat, dann -fragt er nicht mehr nach einer weiteren "objektiven" Bedeutung und -Gültigkeit desselben. Und wegen Grenzen des Erkennens macht er sich -keine Sorgen. Er ist der Ansicht, daß ein gesundes Denken das schafft, -was es schaffen kann, und sich nicht mit der nutzlosen Frage abquält: -was kann ich nicht? - -Wer den Wert eines Urteils nach dem Grade bestimmen will, in dem es -das Leben fördert, kann diesen Grad natürlich nur durch seine eigenen, -persönlichen Lebenstriebe und Lebensinstinkte festsetzen. Er kann -nie mehr sagen wollen, als: in Bezug auf meine Lebensinstinkte halte -ich dieses bestimmte Urteil für ein wertvolles. Und Nietzsche will -auch nie etwas anderes sagen, wenn er eine Ansicht ausspricht. Gerade -dieses sein Verhältnis zu seiner Gedankenwelt wirkt so wohlthuend auf -den freiheitlich gesinnten Leser. Es giebt Nietzsches Schriften den -Charakter anspruchsloser, bescheidener Vornehmheit. Wie abstoßend -und unbescheiden klingt es daneben, wenn andere Denker glauben, -ihre Person sei das Organ, durch das der Welt ewige, unumstößliche -Wahrheiten verkündet werden. Man kann in Nietzsches Werken Sätze -finden, die ein starkes Selbstbewußtsein ausdrücken, z. B.: "Ich -habe der Menschheit das tiefste Buch gegeben, das sie besitzt, -meinen Zarathustra: ich gebe ihr über kurzem das unabhängigste." -- -(Götzendämmerung, Streifzüge eines Unzeitgemäßen § 51.) Was besagt -dies aber aus seinem Munde? Ich habe es gewagt, ein Buch zu schreiben, -dessen Inhalt tiefer aus dem Wesen einer Persönlichkeit geholt ist, -als das sonst bei ähnlichen Büchern der Fall ist; und ich werde ein -Buch liefern, das unabhängiger von jedem fremden Urteil ist, als -andere philosophische Schriften; denn ich werde über die wichtigsten -Dinge bloß aussprechen, wie sich meine persönlichen Instinkte zu -ihnen verhalten. Das ist vornehme Bescheidenheit. Sie geht freilich -denen wider den Geschmack, deren verlogene Demut sagt: ich bin nichts, -mein Werk ist alles; ich bringe nichts von persönlichem Empfinden in -meine Bücher, sondern ich spreche bloß aus, was die reine Vernunft -mich aussprechen heißt. Solche Menschen wollen ihre Person verleugnen, -um behaupten zu können, daß ihre Aussprüche die eines höheren Geistes -sind. Nietzsche hält seine Gedanken für Erzeugnisse seiner Person -und für nicht mehr. - - - - -7. - -Die Fachphilosophen mögen über Nietzsche lächeln oder ihre Meinungen -über die "Gefahren" seiner "Weltanschauung" zum besten geben. Manche -dieser Geister, die nichts sind als personifizierte Lehrbücher der -Logik, können natürlich Nietzsches aus den mächtigsten, unmittelbarsten -Lebensimpulsen entspringendes Schaffen nicht loben. - -Nietzsche mit seinen kühnen Gedankensprüngen trifft jedenfalls auf -tiefere Geheimnisse der menschlichen Natur, als mancher logische -Denker mit seinem vorsichtigen Kriechen. Was nutzt alle Logik, wenn -sie mit ihren Begriffsnetzen nur einen wertlosen Inhalt fängt? Wenn -uns wertvolle Gedanken mitgeteilt werden, dann erfreuen wir uns an -ihnen, wenn sie auch nicht mit logischen Fäden verknüpft sind. Das Heil -des Lebens hängt nicht allein von der Logik ab, sondern auch von der -Gedankenerzeugung. Unsere Fachphilosophie ist gegenwärtig unfruchtbar -genug, und sie könnte die Belebung mit Gedanken eines mutigen, kühnen -Schriftstellers, wie es Nietzsche ist, sehr wohl brauchen. Die -Entwickelungskraft dieser Fachphilosophie ist gelähmt durch den -Einfluß, den das Kant'sche Denken auf sie genommen hat. Sie hat durch -diesen Einfluß alle Ursprünglichkeit, allen Mut verloren. Kant hat aus -der Schulphilosophie seiner Zeit den Begriff von Wahrheiten, die aus -der "reinen Vernunft" stammen, übernommen. Er hat zu zeigen versucht, -daß wir durch solche Wahrheit nichts wissen können von Dingen, die -jenseits unserer Erfahrung liegen, von "Dingen an sich". Seit einem -Jahrhundert ist nun unermeßlicher Scharfsinn aufgewendet worden, -um diesen Kant'schen Gedanken nach allen Seiten durchzudenken. Die -Erzeugnisse dieses Scharfsinns sind allerdings oft dürftig und -trivial. Übersetzte man die Banalitäten manches philosophischen Buches -der Gegenwart aus den Schulformeln in eine gesunde Sprache, so würde -sich ein solcher Inhalt gegenüber manchem kurzen Aphorismus Nietzsches -armselig genug ausnehmen. Dieser konnte im Hinblick auf die Philosophie -der Gegenwart mit einem gewissen Recht den stolzen Satz aussprechen: -"Mein Ehrgeiz ist, in zehn Sätzen zu sagen, was jeder andere in einem -Buche sagt, -- was jeder andere in einem Buche nicht sagt ..." - - - - -8. - -Wie Nietzsche in seinen eigenen Meinungen nichts geben will als ein -Erzeugnis seiner persönlichen Instinkte und Triebe, so sind ihm auch -fremde Ansichten nichts weiter als Symptome, aus denen er auf die in -einzelnen Menschen oder ganzen Völkern, Rassen u. s. w. vorwaltenden -Instinkte schließt. Er macht sich nichts mit Diskussionen oder -Widerlegungen fremder Meinungen zu schaffen. Aber er sucht die -Instinkte auf, die sich in diesen Meinungen aussprechen. Er sucht -die Charaktere der Persönlichkeiten oder Völker aus ihren Ansichten -zu erkennen. Ob eine Ansicht auf das Vorwalten der Instinkte -für Gesundheit, Tapferkeit, Vornehmheit, Lebensfreude hinweist, -oder ob sie aus ungesunden, sklavischen, müden, lebensfeindlichen -Instinkten entspringt, das interessiert ihn. Wahrheiten an sich -sind ihm gleichgültig; er kümmert sich darum, wie die Menschen -ihre Wahrheiten ihren Instinkten gemäß ausbilden, und wie sie damit -ihre Lebensziele fördern. Die natürlichen Ursachen der menschlichen -Ansichten will er aufsuchen. - -Nach dem Sinne jener Idealisten, die der Wahrheit einen selbständigen -Wert zuerkennen, die ihr einen "reinen, höhern Ursprung" als -den aus den Instinkten geben wollen, ist Nietzsches Bestreben -allerdings nicht. Er erklärt die menschlichen Ansichten als das -Ergebnis natürlicher Kräfte, wie der Naturforscher die Einrichtung -des Auges aus dem Zusammenwirken natürlicher Ursachen erklärt. Eine -Erklärung der geistigen Entwickelung der Menschheit aus besonderen -sittlichen Zwecken, Idealen, aus einer sittlichen Weltordnung erkennt -er ebensowenig an, wie der Naturforscher der Gegenwart die Erklärung -anerkennt, daß die Natur das Auge deswegen in einer bestimmten Weise -gebaut hat, weil sie den Zweck hatte, dem Organismus ein Organ zum -Sehen anzuerschaffen. In jedem Ideal sieht Nietzsche nur den Ausdruck -für einen Instinkt, der sich auf eine bestimmte Art seine Befriedigung -sucht, wie der moderne Naturforscher in der zweckmäßigen Einrichtung -eines Organes das Ergebnis organischer Bildungsgesetze sieht. Wenn -es gegenwärtig noch Naturforscher und Philosophen giebt, die jedes -Schaffen der Natur nach Zwecken ablehnen, aber vor dem sittlichen -Idealismus Halt machen und in der Geschichte die Verwirklichung -eines göttlichen Willens, einer idealen Ordnung der Dinge sehen, -so ist dies eine Instinkthalbheit. Solchen Personen fehlt für die -Beurteilung geistiger Vorgänge der richtige Blick, während sie ihn in -der Beobachtung von Naturvorgängen zeigen. Wenn ein Mensch glaubt, -er strebe ein Ideal an, das nicht aus der Wirklichkeit stammt, so -glaubt er dies nur, weil er den Instinkt nicht kennt, aus dem dieses -Ideal entsteht. - -Nietzsche ist Anti-Idealist in dem Sinne, wie der moderne -Naturforscher Gegner der Annahme von Zwecken ist, die die Natur -verwirklichen soll. Er spricht ebensowenig von sittlichen Zwecken, -wie der Naturforscher von Naturzwecken spricht. Nietzsche hält es -nicht für weiser, zu sagen: der Mensch soll ein sittliches Ideal -verwirklichen, wie zu erklären: der Stier hat Hörner, damit er -stoßen könne. Er betrachtet den einen wie den andern Ausspruch als -Produkt einer Welterklärung, welche von "göttlicher Vorsehung", -"weiser Allmacht", statt von natürlichen Wirkungen, spricht. - -Diese Welterklärung ist ein Hemmschuh für alles gesunde Denken; -sie schafft einen erdichteten, idealen Nebel, der das natürliche, -auf die Beobachtung der Wirklichkeit gerichtete Sehvermögen hindert, -die Weltvorgänge zu durchschauen; sie stumpft endlich völlig allen -Wirklichkeitssinn ab. - - - - -9. - -Wenn Nietzsche sich in einen geistigen Kampf einläßt, so will er nicht -fremde Meinungen als solche widerlegen, sondern er thut es, weil diese -Meinungen auf schädliche, naturwidrige Instinkte hinweisen, die er -bekämpfen will. Er hat dabei eine ähnliche Absicht, wie sie jemand -hat, der eine schädliche Naturwirkung bekämpft oder ein gefährliches -Naturwesen vertilgt. Er baut nicht auf die "überzeugende" Kraft -der Wahrheit, sondern darauf, daß er den Gegner besiegen wird, wenn -dieser die ungesunden, schädlichen Instinkte, er aber die gesunden, -lebenfördernden hat. Er sucht nach keiner weiteren Rechtfertigung eines -solchen Kampfes, wenn seine Instinkte die des Gegners als schädlich -empfinden. Er glaubt nicht als Vertreter irgend einer Idee kämpfen zu -müssen, sondern er kämpft, weil ihn seine Instinkte dazu treiben. Zwar -ist das bei keinem geistigen Kampfe anders, aber gewöhnlich sind sich -die Kämpfer der wirklichen Triebfedern ebensowenig bewußt, wie die -Philosophen sich ihres "Willens zur Macht" oder die Anhänger der -sittlichen Weltordnung der natürlichen Ursachen ihrer sittlichen -Ideale. Sie glauben, daß lediglich Meinung gegen Meinung kämpft, -und verhüllen ihre wirklichen Motive durch Begriffsmäntel. Sie nennen -auch die Instinkte des Gegners nicht, die ihnen unsympathisch sind, -ja diese kommen ihnen vielleicht gar nicht zum Bewußtsein. Kurz, die -Kräfte, die eigentlich feindlich gegen einander gerichtet sind, treten -gar nicht offen hervor. Nietzsche nennt rücksichtslos die Instinkte -des Gegners, die ihm zuwider sind, und er nennt auch die Instinkte, -die er ihnen entgegensetzt. Wer dies Cynismus nennen will, der mag es -thun. Er soll aber nur nicht übersehen, daß es in aller menschlichen -Thätigkeit niemals etwas anderes als solchen Cynismus gegeben hat, -und daß alle idealistischen Wahngewebe von diesem Cynismus gewebt sind. - - - - - - - - -II. - -DER ÜBERMENSCH. - - -10. - -Alles Streben des Menschen besteht, wie das eines jeden Lebewesens, -darin, von der Natur eingepflanzte Triebe und Instinkte in der besten -Weise zu befriedigen. Wenn die Menschen nach Tugend, Gerechtigkeit, -Erkenntnis und Kunst streben, so geschieht dies deshalb, weil Tugend, -Gerechtigkeit u. s. w. Mittel sind, durch die die menschlichen -Instinkte sich so entwickeln können, wie es deren Natur entsprechend -ist. Die Instinkte würden ohne diese Mittel verkümmern. Es ist nun -eine Eigentümlichkeit des Menschen, daß er diesen Zusammenhang seiner -Lebensbedingungen mit seinen natürlichen Trieben vergißt und jene -Mittel zu einem naturgemäßen, machtvollen Leben als etwas ansieht, -das an sich einen unbedingten Wert hat. Der Mensch sagt dann: Tugend, -Gerechtigkeit, Erkenntnis u. s. w. müssen um ihrer selbst willen -erstrebt werden. Sie haben nicht dadurch einen Wert, daß sie dem Leben -dienen, sondern vielmehr das Leben erhalte erst einen Wert dadurch, -daß es nach jenen idealen Gütern strebt. Der Mensch sei nicht dazu -da, nach Maßgabe seiner Instinkte zu leben, wie das Tier; sondern -er solle seine Instinkte dadurch adeln, daß er sie in den Dienst -höherer Zwecke stelle. Auf diese Weise kommt der Mensch dazu, das, -was er selbst erst zur Befriedigung seiner Triebe geschaffen hat, als -Ideale anzubeten, die seinem Leben erst die rechte Weihe geben. Er -fordert Unterwerfung unter die Ideale, die er höher schätzt, als -sich selbst. Er löst sich los von dem Mutterboden der Wirklichkeit -und will seinem Dasein einen höheren Sinn und Zweck geben. Er -erfindet einen unnatürlichen Ursprung für seine Ideale. Er nennt -sie den "Willen Gottes", die "ewigen sittlichen Gebote". Er will die -"Wahrheit um der Wahrheit willen", "die Tugend um der Tugend" willen -anstreben. Er betrachtet sich als einen guten Menschen erst dann, -wenn es ihm angeblich gelungen ist, seine Selbstsucht, d. h. seine -natürlichen Instinkte zu bändigen und selbstlos einem idealen Ziele -zu folgen. Einem solchen Idealisten gilt der Mensch als unedel und -"böse", der es bis zu solcher Selbstüberwindung nicht gebracht hat. - -Nun stammen ursprünglich alle Ideale aus natürlichen Instinkten. Auch -was der Christ als Tugend ansieht, die ihm Gott geoffenbart hat, -ist ursprünglich von Menschen erfunden, um irgend welche Instinkte zu -befriedigen. Der natürliche Ursprung ist vergessen und der göttliche -hinzugedichtet worden. Ähnlich verhält es sich mit den Tugenden, -die die Philosophen und Moralprediger aufstellen. - -Wenn die Menschen bloß gesunde Instinkte hätten und diesen gemäß -ihre Ideale bestimmten, so würde der theoretische Irrtum über -den Ursprung dieser Ideale nicht schaden. Die Idealisten hätten -zwar falsche Ansichten über die Herkunft ihrer Ziele, aber diese -Ziele selbst wären gesund, und das Leben müßte gedeihen. Aber es -giebt ungesunde Instinkte, die nicht auf Stärkung, Förderung des -Lebens, sondern auf dessen Schwächung, Verkümmerung abzielen. Diese -bemächtigen sich des genannten theoretischen Irrtums und machen ihn -zum praktischen Lebenszwecke. Sie verleiten den Menschen, zu sagen: -ein vollkommener Mensch ist nicht derjenige, der sich selbst, seinem -Leben dienen will, sondern derjenige, der sich der Verwirklichung -eines Ideals hingiebt. Unter dem Einfluß dieser Instinkte bleibt der -Mensch nicht bloß dabei stehen, irrtümlich seinen Zielen einen un- -oder übernatürlichen Ursprung anzudichten, sondern er macht sich -wirklich solche Ideale zurecht oder übernimmt sie von anderen, die -nicht den Bedürfnissen des Lebens dienen. Er strebt nicht mehr darnach, -die in seiner Persönlichkeit liegenden Kräfte ans Tageslicht zu ziehen, -sondern er lebt nach einem seiner Natur aufgezwungenen Musterbilde. Ob -er dieses Ziel einer Religion entnimmt, oder ob er es selbst auf Grund -gewisser, nicht in seiner Natur liegenden Voraussetzungen bestimmt: -darauf kommt es nicht an. Der Philosoph, der einen allgemeinen Zweck -der Menschheit im Auge hat und aus diesem seine sittlichen Ideale -ableitet, legt der menschlichen Natur ebenso Fesseln an, wie der -Religionsstifter, der den Menschen sagt: dies ist das Ziel, das euch -Gott gesetzt hat; und dem müßt ihr folgen. Es ist auch gleichgültig, -ob der Mensch sich vorsetzt, ein Ebenbild Gottes zu werden, oder -ob er ein Ideal des "vollkommenen Menschen" erfindet und diesem -möglichst ähnlich werden will. Wirklich ist nur der einzelne Mensch -und die Triebe und Instinkte dieses einzelnen Menschen. Nur wenn er -auf die Bedürfnisse seiner eigenen Person sein Augenmerk richtet, -kann der Mensch erfahren, was seinem Leben frommt. Der einzelne -Mensch wird nicht "vollkommen", wenn er sich verleugnet und einem -Vorbilde ähnlich wird, sondern wenn er das verwirklicht, was in ihm -zur Verwirklichung drängt. Die menschliche Thätigkeit erhält nicht -erst einen Sinn, wenn sie einem unpersönlichen, äußeren Zwecke dient; -sie hat ihren Sinn in sich selbst. - -Der Anti-Idealist wird zwar auch in der ungesunden Abkehr des -Menschen von seinen ureigenen Instinkten noch eine Instinktäußerung -erblicken. Er weiß, daß der Mensch selbst das Instinktwidrige nur aus -Instinkt vollbringen kann. Er wird aber doch die Instinktwidrigkeit -bekämpfen, wie der Arzt eine Krankheit bekämpft, trotzdem er weiß, -daß sie naturgemäß aus bestimmten Ursachen entstanden ist. Es -darf also dem Anti-Idealisten nicht der Einwurf gemacht werden: du -behauptest, alles, was der Mensch erstrebt, also auch alle Ideale, -seien naturgemäß entstanden; dennoch bekämpfst du den Idealismus. Gewiß -entstehen Ideale ebenso naturgemäß wie Krankheiten; aber der Gesunde -bekämpft den Idealismus, wie er die Krankheit bekämpft. Der Idealist -aber sieht die Ideale als etwas an, das gehegt und gepflegt werden muß. - -Der Glaube, daß der Mensch vollkommen erst wird, wenn er "höheren" -Zwecken dient, ist, nach Nietzsches Meinung, etwas, das überwunden -werden muß. Der Mensch muß sich auf sich selbst besinnen und erkennen, -daß er Ideale nur erschaffen hat, um sich zu dienen. Naturgemäß -leben, ist gesünder, als Idealen nachjagen, die angeblich nicht aus -der Wirklichkeit stammen. Den Menschen, der nicht unpersönlichen -Zielen dient, sondern der den Zweck und Sinn seines Daseins in sich -selbst sucht, der solche Tugenden zu den seinigen macht, die seiner -Kraftentfaltung, seiner Machtvollkommenheit dienen -- diesen Menschen -stellt Nietzsche höher als den selbstlosen Idealisten. - -Dies ist es, was er durch seinen "Zarathustra" verkündet. Das souveräne -Individuum, das weiß, daß es nur aus seiner Natur heraus leben -kann, und das in einer seinem Wesen entsprechenden Lebensgestaltung -sein persönliches Ziel sieht, ist für Nietzsche der Übermensch, im -Gegensatz zu dem Menschen, der glaubt: ihm sei das Leben geschenkt, -um einem außer ihm selbst liegenden Zwecke zu dienen. - -Den Übermenschen, d. h. den Menschen, der naturgemäß zu leben -versteht, lehrt Zarathustra. Er lehrt die Menschen, ihre Tugenden -als ihre Geschöpfe betrachten; er heißt sie diejenigen verachten, -die ihre Tugenden höher als sich selbst achten. - -Zarathustra ist in die Einsamkeit gegangen, um sich frei zu machen von -der Demut, in der sich die Menschen beugen vor ihren Tugenden. Er geht -erst wieder unter Menschen, als er die Tugenden verachten gelernt hat, -die das Leben bändigen und nicht dem Leben dienen wollen. Er bewegt -sich nun leicht wie ein Tänzer, denn er folgt nur sich und seinem -Willen und achtet nicht auf die Linien, die ihm von den Tugenden -vorgezeichnet werden. Nicht schwer mehr lastet der Glaube auf seinem -Rücken, daß es unrecht sei, nur sich selbst zu folgen. Zarathustra -schläft nun nicht mehr, um von Idealen zu träumen; er ist ein -Wachender, der der Wirklichkeit sich frei gegenüberstellt. Ein -schmutziger Strom ist ihm der Mensch, der sich selbst verloren hat und -vor seinen eigenen Geschöpfen im Staube liegt. Der Übermensch ist ihm -ein Meer, das diesen Strom aufnimmt, ohne selbst unrein zu werden. Denn -der Übermensch hat sich selbst gefunden; er erkennt sich als Herrn und -Schöpfer seiner Tugenden. Zarathustra hat das Große erlebt, daß ihm -alle Tugend zum Ekel geworden ist, die über den Menschen gesetzt wird. - -"Was ist das Größte, das ihr erleben könnt? Das ist die Stunde der -großen Verachtung. Die Stunde, in der euch euer Glück zum Ekel wird -und ebenso eure Vernunft und eure Tugend." - - - - -11. - -Die Weisheit Zarathustras ist nicht nach dem Sinne der "modernen -Gebildeten". Sie möchten alle Menschen einander gleich machen. Wenn -alle nur nach einem Ziele streben, sagen sie, dann ist Zufriedenheit -und Glück auf Erden. Der Mensch soll zurückhalten, so fordern sie, -seine besondern persönlichen Wünsche und nur der Allgemeinheit, -dem gemeinsamen Glücke dienen. Friede und Ruhe wird dann auf der -Erde herrschen. Wenn jeder die gleichen Bedürfnisse hat, dann stört -keiner die Kreise des andern. Nicht sich und seine individuellen Ziele -soll der Einzelne im Auge haben, sondern nach der einmal bestimmten -Schablone sollen alle leben. Verschwinden soll alles einzelne Leben, -und Glieder der gemeinsamen Weltordnung sollen alle werden. - -"Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich, -wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus. - -"'Ehemals war alle Welt irre' -- sagen die Feinsten und blinzeln. - -"Man ist klug und weiß alles, was geschehen ist: so hat man kein -Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald, -sonst verdirbt es den Magen." - -Zarathustra ist zu lange Einsiedler gewesen, um solcher Weisheit zu -huldigen. Er hat die eigenartigen Töne gehört, die aus dem Innern der -Persönlichkeit erklingen, wenn der Mensch abseits steht von dem Lärm -des Marktes, wo einer nur die Worte des andern nachspricht. Und er -möchte es den Menschen in die Ohren rufen: höret auf die Stimmen, -die nur in jedem Einzelnen von euch erklingen. Denn die nur sind -naturgemäß, die nur sagen jedem, was er vermag. Ein Feind des Lebens, -des reichen, vollen Lebens, ist derjenige, welcher diese Stimmen -ungehört verhallen läßt und auf das gemeinsame Geschrei der Menschen -hört. Zu den Freunden der Gleichheit aller Menschen will Zarathustra -nicht sprechen. Sie könnten ihn nur mißverstehen. Denn sie würden -glauben, daß sein Übermensch jenes ideale Musterbild sei, dem alle -gleich werden sollen. Aber Zarathustra will den Menschen keine -Vorschriften darüber machen, wie sie sein sollen; er will nur jeden -Einzelnen auf sich selbst verweisen und ihm sagen: überlasse dich dir -selbst, folge nur dir allein, stelle dich über Tugend, Weisheit und -Erkenntnis. Zu solchen, die sich suchen wollen, spricht Zarathustra; -nicht einer Menge, die ein gemeinsames Ziel sucht, sondern solchen -Gefährten, gelten seine Worte, die gleich ihm einen eigenen Weg -gehen. Sie allein verstehen ihn, denn sie wissen, daß er nicht sagen -will: seht, dies ist der Übermensch, werdet wie er, sondern: seht, -ich habe mich gesucht; so bin ich, wie ich es euch lehre; geht hin -und sucht euch ebenso, dann habt ihr den Übermenschen. - -"Den Einsiedlern werde ich mein Lied singen und den Zweisiedlern; -und wer noch Ohren hat für Unerhörtes, dem will ich sein Herz schwer -machen mit meinem Glücke." - - - - -12. - -Zwei Tiere: die Schlange, als das klügste, und der Adler, als das -stolzeste Tier, begleiten Zarathustra. Sie sind die Symbole seiner -Instinkte. Klugheit schätzt Zarathustra, denn sie lehrt den Menschen -die verschlungenen Pfade der Wirklichkeit finden; sie lehrt ihn kennen, -was er zum Leben braucht. Und auch den Stolz liebt Zarathustra, denn -der Stolz bringt die Selbstachtung des Menschen hervor, durch die -dieser dazu kommt, sich selbst als den Sinn und Zweck seines Daseins -zu betrachten. Der Stolze stellt seine Weisheit, seine Tugend nicht -über sich selbst. Der Stolz bewahrt den Menschen davor, sich selbst zu -vergessen über "höheren, heiligeren" Zielen. Lieber noch als den Stolz -möchte Zarathustra die Klugheit verlieren. Denn die Klugheit, die nicht -von Stolz begleitet ist, sieht sich nicht als Menschenwerk an. Wem -der Stolz und die Selbstachtung fehlt, der glaubt, seine Klugheit sei -ihm vom Himmel geschenkt. Ein solcher sagt: ein Thor ist der Mensch, -und er hat nur so viel Weisheit, als ihm der Himmel schenken will. - -"Und wenn mich einst meine Klugheit verläßt: -- ach, sie liebt es, -davonzufliegen! -- möge mein Stolz dann noch mit meiner Thorheit -fliegen!" - - - - -13. - -Drei Verwandlungen muß der menschliche Geist durchmachen, bis er -sich selbst gefunden hat. Dies lehrt Zarathustra. Ehrfürchtig ist der -Geist zuerst. Er nennt Tugend, was auf ihm lastet. Er erniedrigt sich, -um seine Tugend zu erhöhen. Er sagt: alle Weisheit ist bei Gott, und -Gottes Wegen muß ich folgen. Gott legt mir das Schwerste auf, um meine -Kraft zu prüfen, ob sie auch stark sei und geduldig ausharre. Nur der -Geduldige ist stark. Gehorchen will ich, sagt der Geist auf dieser -Stufe, und ausführen die Gebote des Weltengeistes, ohne zu fragen, -was der Sinn dieser Gebote ist. Der Geist fühlt den Druck, den eine -höhere Macht auf ihn ausübt. Nicht seine Wege geht der Geist, sondern -die Wege dessen, dem er dient. - -Es kommt die Zeit, wo der Geist inne wird, daß kein Gott zu ihm -redet. Dann will er frei sein und Herr in seiner eigenen Welt. Er -sucht nach einer Richtschnur für seine Geschicke. Er frägt nicht -mehr den Weltengeist, wie er sein Leben einrichten solle. Aber nach -einem festen Gesetz, nach einem heiligen "du sollst" strebt er. Er -sucht nach einem Maßstab, um den Wert der Dinge zu messen; er sucht -nach einem Unterscheidungszeichen von Gut und Böse. Es muß eine Regel -für mein Leben geben, die nicht von mir, von meinem Willen abhängt, -so spricht der Geist auf dieser Stufe. Dieser Regel will ich mich -fügen. Frei bin ich, meint der Geist, aber nur frei, um einer solchen -Regel zu gehorchen. - -Auch diese Stufe überwindet der Geist. Er wird wie das Kind, -das bei seinem Spielen nicht fragt: wie soll ich dies oder jenes -machen, sondern das nur seinen Willen ausführt, das nur sich selbst -folgt. "Seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich -der Weltverlorne." - -"Drei Verwandlungen nannte ich euch des Geistes: wie der Geist -zum Kamele ward, und zum Löwen das Kamel, und der Löwe zuletzt zum -Kinde. -- -- Also sprach Zarathustra." - - - - -14. - -Was wollen die Weisen, die die Tugend über den Menschen stellen? fragt -Zarathustra. Sie sagen: die Ruhe der Seele kann nur haben, wer -seine Pflicht gethan hat, wer dem heiligen "du sollst" gefolgt -ist. Tugendhaft soll der Mensch sein, damit er nach gethaner Pflicht -träumen könne von erfüllten Idealen und keine Gewissensbisse fühle. Ein -Mensch mit Gewissensbissen gleicht, sagen die Tugendhaften, einem -Schlafenden, dem böse Träume die Nachtruhe stören. - -"Wenige wissen das, aber man muß alle Tugenden haben, um gut zu -schlafen. Werde ich falsch Zeugnis reden? Werde ich ehebrechen? - -"Werde ich mich gelüsten lassen meines Nächsten Magd? Das alles -vertrüge sich schlecht mit gutem Schlafe ... - -"Friede mit Gott und dem Nachbar, so will es der gute Schlaf. Und -Friede auch noch mit des Nachbars Teufel! Sonst geht er bei dir des -Nachts um." - -Nicht was sein Trieb ihn heißt, thut der Tugendhafte, sondern was -Seelenruhe bewirkt. Er lebt, um in Ruhe über das Leben träumen zu -können. Noch lieber ist es ihm, wenn den Schlaf, den er Seelenruhe -nennt, gar kein Traum stört. Das heißt: dem Tugendhaften ist es am -liebsten, wenn er irgendwoher die Regeln seines Handelns erhält und -im übrigen seine Ruhe genießen kann. "Seine Weisheit heißt: wachen, -um gut zu schlafen. Und wahrlich, hätte das Leben keinen Sinn, und -müßte ich Unsinn wählen, so wäre auch mir dies der wählenswürdigste -Unsinn," spricht Zarathustra. - -Auch für Zarathustra gab es eine Zeit, da er glaubte, ein außerhalb -der Welt wohnender Geist, ein Gott, habe die Welt geschaffen. Einen -unzufriedenen, leidenden Gott dachte sich Zarathustra. Um sich eine -Befriedigung zu verschaffen, um von seinem Leiden loszukommen, -habe Gott die Welt erschaffen, meinte einst Zarathustra. Aber er -hat einsehen gelernt, daß es ein Wahnbild war, das er sich selbst -geschaffen hatte. "Ach, ihr Brüder, dieser Gott, den ich schuf, -war Menschenwerk und -Wahnsinn gleich allen Göttern!" Zarathustra -hat seine Sinne gebrauchen und die Welt betrachten gelernt. Und -zufrieden wurde er mit der Welt; nicht mehr schweiften seine Gedanken -ins Jenseits. Blind war er ehemals und konnte die Welt nicht sehen, -deshalb suchte er sein Heil außerhalb der Welt. Aber Zarathustra -hat sehen gelernt und erkennen, daß die Welt in sich selbst ihren -Sinn habe. - -"Einen neuen Stolz lehrte mich mein Ich, den lehre ich die Menschen: -nicht mehr den Kopf in den Sand der himmlischen Dinge zu stecken, -sondern frei ihn zu tragen, meinen Erdenkopf, der der Erde Sinn -schafft." - - - - -15. - -In Leib und Seele haben die Idealisten den Menschen gespalten, -in Idee und Wirklichkeit haben sie alles Dasein geteilt. Und sie -haben die Seele, den Geist, die Idee zu einem besonders Wertvollen -gemacht, um die Wirklichkeit, den Leib um so mehr verachten zu -können. Zarathustra aber sagt: Nur eine Wirklichkeit, nur einen Leib -giebt es, und die Seele ist nur etwas am Leibe, die Idee nur etwas -an der Wirklichkeit. Eine Einheit sind Leib und Seele des Menschen; -aus einer Wurzel entspringen Körper und Geist. Der Geist ist nur -da, weil ein Körper da ist, der Kräfte hat, an sich den Geist zu -entwickeln. Wie die Pflanze an sich die Blüte, so entfaltet der Körper -an sich den Geist. - -"Hinter deinen Gedanken und Gefühlen, mein Bruder, steht ein mächtiger -Gebieter, ein unbekannter Weiser -- der heißt Selbst. In deinem Leibe -wohnt er, dein Leib ist er." - -Wer einen Sinn hat für das Wirkliche, der sucht den Geist, die Seele -in und an dem Wirklichen, er sucht die Vernunft in dem Wirklichen; -nur wer die Wirklichkeit für geistlos, für "bloß natürlich", für "roh" -hält, der giebt dem Geiste, der Seele ein besonderes Dasein. Er macht -die Wirklichkeit zur bloßen Wohnung des Geistes. Einem solchen fehlt -aber auch der Sinn für die Wahrnehmung des Geistes selbst. Nur weil -er den Geist in der Wirklichkeit nicht sieht, sucht er ihn anderswo. - -"Es ist mehr Vernunft in deinem Leibe, als in deiner besten Weisheit -..... - -"Der Leib ist eine große Vernunft, eine Vielheit mit einem Sinne, -ein Krieg und ein Frieden, eine Herde und ein Hirt. - -"Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder, -die du "Geist" nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner großen -Vernunft." - -Ein Thor ist, wer die Blüte von der Pflanze reißt und glaubt, die -abgerissene Blüte werde nun sich noch zur Frucht entwickeln. Ein -Thor ist ebenso, wer den Geist von der Natur absondert und glaubt, -ein solcher abgesonderter Geist könne noch schaffen. - -Menschen mit kranken Instinkten haben die Scheidung von Geist und -Körper vorgenommen. Ein kranker Instinkt nur kann sagen: mein Reich -ist nicht von dieser Welt. Eines gesunden Instinktes Reich ist nur -diese Welt. - - - - -16. - -Was für Ideale haben sie doch geschaffen, diese Verächter der -Wirklichkeit! Fassen wir sie ins Auge, die Ideale der Asketen, -die da sagen: wendet ab euren Blick vom Diesseits und schaut nach -dem Jenseits! Was bedeuten asketische Ideale? Mit dieser Frage und -den Vermutungen, mit denen er sie beantwortet, hat uns Nietzsche am -tiefsten hineinblicken lassen in sein von der abendländischen neueren -Kultur unbefriedigtes Herz. (Genealogie der Moral, 3. Abteilung.) - -Wenn ein Künstler, wie z. B. Richard Wagner in der letzten Zeit seines -Schaffens, Anhänger des asketischen Ideales wird, so hat das nicht viel -zu bedeuten. Der Künstler steht sein ganzes Leben hindurch über seinen -Schöpfungen. Er sieht von oben herab auf seine Wirklichkeiten. Er -schafft Wirklichkeiten, die nicht seine Wirklichkeit sind. "Ein Homer -hätte keinen Achill, ein Goethe keinen Faust gedichtet, wenn Homer -ein Achill, und wenn Goethe ein Faust gewesen wäre." (Genealogie, -3. Abt. § 4.) Wenn nun ein solcher Künstler sein eigenes Dasein -einmal ernst nimmt, sich selbst und seine persönlichen Ansichten in -Wirklichkeit umsetzen will, so ist es kein Wunder, wenn etwas sehr -Unreales entsteht. Richard Wagner hat über seine Kunst vollständig -umgelernt, als ihm die Philosophie Schopenhauers bekannt wurde. Vorher -hielt er die Musik für ein Ausdrucksmittel, das etwas braucht, dem -es Ausdruck verschafft, das Drama. In seiner Schrift Oper und Drama, -die 1851 geschrieben ist, spricht er aus, daß der größte Irrtum, -dem man sich in Bezug auf die Oper hingeben kann, der ist, "daß - - - ein Mittel des Ausdrucks (die Musik) zum Zwecke, der Zweck des - Ausdrucks (das Drama) aber zum Mittel gemacht werde." - - -Er bekannte sich zu einer andern Ansicht, nachdem er Schopenhauers -Lehre von der Musik kennen gelernt hatte. Schopenhauer ist der -Ansicht, daß durch die Musik das Wesen der Dinge selbst zu uns -spricht. Der ewige Wille, der in allen Dingen lebt, er wird in allen -anderen Künsten nur in seinen Abbildern, in den Ideen, verkörpert; -die Musik ist kein bloßes Bild des Willens: in ihr giebt sich der -Wille unmittelbar kund. Was uns in allen unseren Vorstellungen nur im -Abglanz erscheint: der ewige Grund alles Seins, der Wille, ihn glaubt -Schopenhauer in den Klängen der Musik unmittelbar zu vernehmen. Kunde -aus dem Jenseits bringt für Schopenhauer die Musik. Diese Ansicht -wirkte auf Richard Wagner. Nicht mehr als Ausdrucksmittel wirklicher -menschlicher Leidenschaften, wie sie im Drama verkörpert sind, ließ er -die Musik gelten, sondern als "eine Art Mundstück des Ansich der Dinge, -ein Telephon des Jenseits". Richard Wagner glaubte jetzt nicht mehr -die Wirklichkeit in Tönen auszudrücken; "er redete fürderhin nicht nur -Musik, dieser Bauchredner Gottes, -- er redete Metaphysik: was Wunder, -daß er endlich eines Tages asketische Ideale redete." (Genealogie, -3. Abteilung, § 5.) - -Hätte Richard Wagner bloß seine Ansicht über die Bedeutung -der Musik geändert, so hätte Nietzsche keinen Anlaß, ihm etwas -vorzuwerfen. Nietzsche könnte dann höchstens sagen: Wagner hat außer -seinen Kunstwerken auch noch allerlei verkehrte Theorien über die Kunst -geschaffen. Daß aber Wagner in der letzten Zeit seines Schaffens den -Schopenhauerschen Jenseitsglauben auch in seinen Kunstwerken verkörpert -hat, daß er seine Musik dazu verwendet hat, die Flucht vor der -Wirklichkeit zu verherrlichen: das ging Nietzsche wider den Geschmack. - -Aber der "Fall Wagner" besagt nichts, wenn es sich um die Bedeutung -der Verherrlichung des Jenseits auf Kosten des Diesseits, wenn es sich -um die Bedeutung der asketischen Ideale handelt. Künstler stehen nicht -auf eigenen Füßen. Wie Richard Wagner von Schopenhauer abhängig ist, -so waren die Künstler "zu allen Zeiten Kammerdiener einer Moral, -oder Philosophie oder Religion". - -Anders ist es, wenn die Philosophen für die Verachtung der -Wirklichkeit, für die asketischen Ideale eintreten. Sie thun das aus -einem tiefen Instinkte heraus. - -Schopenhauer hat diesen Instinkt verraten durch die Beschreibung, die -er von dem Schaffen und Genießen eines Kunstwerkes giebt. "Daß also -das Kunstwerk die Auffassung der Ideen, in welcher der ästhetische -Genuß besteht, so sehr erleichtert, beruht nicht bloß darauf, daß -die Kunst durch Hervorhebung des Wesentlichen und Aussonderung des -Unwesentlichen die Dinge deutlicher und charakteristischer darstellt, -sondern ebenso sehr darauf, daß das zur objektiven Auffassung -des Wesens der Dinge erforderte gänzliche Schweigen des Willens am -sichersten dadurch erreicht wird, daß das angeschaute Objekt gar nicht -im Gebiete der Dinge liegt, welche einer Beziehung zum Willen fähig -sind." (Ergänzungen zum 3. Buch der Welt als Wille und Vorstellung, -Kap. 21.) "Wann aber ein äußerer Anlaß oder eine innere Stimmung -uns plötzlich aus dem endlosen Strome des Wollens heraushebt, die -Erkenntnis dem Sklavendienst des Willens entreißt, die Aufmerksamkeit -nun nicht mehr auf die Motive des Wollens gerichtet wird, sondern -die Dinge frei von ihrer Beziehung auf den Willen auffaßt, also ohne -Interesse, ohne Subjektivität, rein objektiv sie betrachtet, ihnen ganz -hingegeben, sofern sie bloß Vorstellungen, nicht sofern sie Motive -sind: dann ist ..... der schmerzenlose Zustand, den Epikuros als das -höchste Gut und als den Zustand der Götter pries [eingetreten]: denn -wir sind für jenen Augenblick des schnöden Willensdranges entledigt, -wir feiern den Sabbat der Zuchthausarbeit des Wollens, das Rad des -Ixion steht still." (Welt als Wille und Vorstellung, § 38.) - -Dies ist eine Beschreibung einer Art des ästhetischen Genusses, -die nur bei dem Philosophen vorkommt. Nietzsche stellt ihr gegenüber -eine andere Beschreibung, "die ein wirklicher Zuschauer und Artist -gemacht hat -- Stendhal", der das Schöne "une promesse de bonheur" -nennt. Schopenhauer möchte alles Willensinteresse, alles wirkliche -Leben ausschalten, wenn es sich um die Betrachtung eines Kunstwerkes -handelt, und nur mit dem Geiste genießen; Stendhal sieht in dem -Kunstwerke ein Versprechen von Glück, also einen Hinweis auf das -Leben, und sieht in diesem Zusammenhang der Kunst mit dem Leben den -Wert der Kunst. - -Kant fordert vom schönen Kunstwerk, daß es ohne Interesse gefalle, -d. h. daß es uns heraushebe aus dem wirklichen Leben und einen rein -geistigen Genuß gewähre. - -Was sucht der Philosoph in dem künstlerischen Genuß? Erlösung von -der Wirklichkeit. In eine Wirklichkeit-fremde Stimmung will der -Philosoph durch das Kunstwerk versetzt werden. Er verrät dadurch -seinen Grundinstinkt. Der Philosoph fühlt sich in den Augenblicken -am wohlsten, in denen er von der Wirklichkeit loskommen kann. Seine -Ansicht vom ästhetischen Genuß zeigt, daß er die Wirklichkeit nicht -liebt. - -Nicht was der dem Leben zugewandte Zuschauer von dem Kunstwerke -verlangt, sagen uns die Philosophen in ihren Theorien, sondern nur, -was ihnen selbst angemessen ist. Und dem Philosophen ist die Abkehr -von dem Leben sehr förderlich. Er will sich seine verschlungenen -Gedankenwege nicht durchkreuzen lassen von der Wirklichkeit. Das Denken -gedeiht besser, wenn sich der Philosoph von dem Leben abkehrt. Es -ist nun kein Wunder, wenn dieser philosophische Grundinstinkt -geradezu zu einer lebensfeindlichen Stimmung wird. Wir finden eine -solche Stimmung bei der Mehrzahl der Philosophen ausgebildet. Und -nahe liegt es, daß der Philosoph seine eigene Antipathie gegen das -Leben zu einer Lehre ausbildet und fordert, daß sich alle Menschen -zu einer solchen Lehre bekennen. Schopenhauer hat dieses gethan. Er -fand, daß der Lärm der Welt seine Gedankenarbeit störte. Er empfand, -daß man über die Wirklichkeit am besten nachdenken kann, wenn man -dieser Wirklichkeit entflieht. Zugleich vergaß er, daß alles Denken -über die Wirklichkeit doch nur dann einen Wert hat, wenn es aus dieser -Wirklichkeit entspringt. Er beachtete nicht, daß das Zurückziehen des -Philosophen von der Wirklichkeit nur geschehen kann, damit die entfernt -von dem Leben entstandenen philosophischen Gedanken dann dem Leben -um so besser dienen können. Wenn der Philosoph den Grundinstinkt, -der nur ihm als Philosophen förderlich ist, der ganzen Menschheit -aufdrängen will, dann wird er zu einem Feinde des Lebens. - -Der Philosoph, der die Weltflucht nicht als Mittel betrachtet, um -weltfreundliche Gedanken zu schaffen, sondern als Zweck, als Ziel, -kann nur Wertloses schaffen. Der wahre Philosoph flieht auf der einen -Seite die Wirklichkeit nur, um sich auf der anderen um so tiefer in -sie einzubohren. Aber es ist begreiflich, daß dieser Grundinstinkt -den Philosophen leicht dazu verführen kann, die Weltflucht als solche -für wertvoll zu halten. Dann wird der Philosoph zu einem Anwalt der -Weltverneinung. Er lehrt Abkehr vom Leben, asketisches Ideal. Er -findet: "Ein gewisser Asketismus ..... eine harte und heitere -Entsagsamkeit besten Willens gehört zu den günstigen Bedingungen -höchster Geistigkeit, insgleichen auch zu deren natürlichsten Folgen: -so wird es von vornherein nicht Wunder nehmen, wenn das asketische -Ideal gerade von den Philosophen nie ohne einige Voreingenommenheit -behandelt worden ist." (Genealogie der Moral, 3. Abteilung § 8.) - - - - -17. - -Einen andern Ursprung haben die asketischen Ideale der Priester. Was -bei dem Philosophen durch das Überwuchern eines bei ihm berechtigten -Triebes entsteht, das bildet das Grundideal des priesterlichen -Wirkens. Der Priester sieht in der Hingabe des Menschen an das -wirkliche Leben einen Irrtum; er verlangt, daß man dieses Leben -gering achte gegenüber einem andern Leben, das von höheren als -bloß natürlichen Kräften gelenkt wird. Der Priester leugnet, daß das -wirkliche Leben einen Sinn in sich selbst habe, und er fordert, daß ihm -dieser Sinn verliehen werde durch Einimpfung eines höheren Willens. Er -sieht das Leben in der Zeitlichkeit als unvollkommen an und stellt ihm -ein ewiges, vollkommenes Leben gegenüber. Abkehr von der Zeitlichkeit -und Einkehr in das Ewige, Unwandelbare lehrt der Priester. Ich möchte -als besonders bezeichnend für die priesterliche Denkweise einige Sätze -aus dem berühmten Buche "Die deutsche Theologie" anführen, das aus -dem 14. Jahrhundert stammt und von dem Luther sagt, daß er aus keinem -Buche, die Bibel und den heiligen Augustin ausgenommen, mehr gelernt -habe, was Gott, Christus und der Mensch sei, als aus diesem. Auch -Schopenhauer findet, daß der Geist des Christentums in diesem Buche -vollkommen und kräftig ausgesprochen ist. Nachdem der Verfasser, der -uns unbekannt ist, auseinander gesetzt hat, daß alle Dinge der Welt -nur ein Unvollkommenes und Geteiltes seien gegenüber dem Vollkommenen, -"das in sich und in seinem Wesen alle Wesen begriffen und beschlossen -hat, und ohne das und außer dem kein wahres Wesen ist und in dem -alle Dinge ihr Wesen haben", führt er aus, daß der Mensch in dieses -Wesen nur eindringen kann, wenn er "Kreatürlichkeit, Geschaffenheit, -Ichheit, Selbstheit und dergleichen alles verloren" und in sich zu -nichte gemacht hat. Was von dem Vollkommenen ausgeflossen ist und was -der Mensch als seine wirkliche Welt erkennt, das wird folgendermaßen -charakterisiert: "Das ist kein wahres Wesen und hat kein Wesen anders -denn in dem Vollkommenen, sondern es ist ein Zufall oder ein Glanz -und ein Schein, der kein Wesen ist oder kein Wesen hat anders als -in dem Feuer, wo der Glanz ausfließt, oder in der Sonne, oder in dem -Lichte. Die Schrift spricht und der Glaube und die Wahrheit: Sünde sei -nichts anderes, denn daß sich die Kreatur abkehrt von dem unwandelbaren -Gute und kehret sich zu dem wandelbaren, das ist: daß sie sich kehrt -von dem Vollkommenen zu dem Geteilten und Unvollkommenen und allermeist -zu sich selber. Nun merke. Wenn sich die Kreatur etwas Gutes annimmt, -als Wesens, Lebens, Wissens, Erkennens, Vermögens und kürzlich alles -dessen, was man gut nennen soll, und meint, daß sie das sei oder daß -es das Ihre sei oder ihr zugehöre oder daß es von ihr sei: so oft -und viel dabei geschieht, so kehrt sie sich ab. Was that der Teufel -anders oder was war sein Fall und Abkehren anders, als daß er sich -annahm, er wäre auch etwas und etwas wäre sein und ihm gehörte auch -etwas zu? Dies Annehmen und sein Ich und sein Mich, sein Mir und sein -Mein, das war sein Abkehren und sein Fall. Also ist es noch .... Denn -alles das, was man für gut hält oder gut nennen soll, das gehört -niemand zu, denn allein dem ewigen wahren Gut, der Gott allein ist, -und wer sich dessen annimmt, der thut Unrecht und wider Gott". (1., -2., 4. Kap. der deutsch. Theol., 3. Aufl., übersetzt von Pfeiffer.) - -Diese Sätze sprechen die Gesinnung jedes Priesters aus. Sie -sprechen den eigentlichen Charakter der Priesterlichkeit aus. Und -dieser Charakter ist das Gegenteil desjenigen, den Nietzsche als den -höherwertigen, den lebenswürdigen bezeichnet. Der höherwertige Typus -Mensch will alles, was er ist, nur durch sich sein; er will, daß alles, -was er für gut hält und gut nennt, niemand zugehört, denn ihm selbst. - -Aber jene minderwertige Gesinnung ist kein Ausnahmefall. Sie "ist eine -der breitesten und längsten Thatsachen, die es giebt. Von einem fernen -Gestirn aus gelesen, würde vielleicht die Majuskelschrift unseres -Erdendaseins zu dem Schluß verführen, die Erde sei der eigentlich -asketische Stern, ein Winkel mißvergnügter, hochmütiger und widriger -Geschöpfe, die einen tiefen Verdruß an sich, an der Erde, an allem -Leben gar nicht los würden." (Genealogie der Moral, 3. Abteilung § -11.) Der asketische Priester ist deshalb eine Notwendigkeit, weil die -Mehrzahl der Menschen an einer "Hemmung und Ermüdung" der Lebenskräfte -leidet, weil sie an der Wirklichkeit leidet. Der asketische Priester -ist der Tröster und Arzt derjenigen, die am Leben leiden. Er tröstet -sie dadurch, daß er ihnen sagt: dieses Leben, an dem ihr leidet, -ist nicht das wahre Leben; das wahre Leben ist denjenigen, die an -diesem Leben leiden, viel leichter erreichbar als den Gesunden, die -an diesem Leben hängen und sich ihm hingeben. Durch solche Aussprüche -züchtet der Priester die Verachtung, die Verleumdung dieses wirklichen -Lebens. Er bringt endlich die Gesinnung hervor, die sagt: um das wahre -Leben zu erreichen, muß dieses wirkliche Leben verneint werden. In -der Verbreitung dieser Gesinnung sucht der asketische Priester -seine Stärke. Er beseitigt durch die Züchtung dieser Gesinnung eine -große Gefahr, die den Gesunden, Starken, Selbstbewußten von den -Verunglückten, Niedergeworfenen, Zerbrochenen droht. Die letzteren -hassen die Gesunden und die leiblich und seelisch Glücklichen, -die ihre Kräfte aus der Natur nehmen. Diesen Haß, der sich dadurch -äußern müßte, daß die Schwachen gegen die Starken einen fortwährenden -Vernichtungskrieg führten, sucht der Priester niederzuhalten. Er -stellt deshalb die Starken als diejenigen hin, die ein wertloses, -menschenunwürdiges Leben führen und behauptet dagegen, daß das wahre -Leben allein denen erreichbar ist, die von dem Erdenleben geschädigt -werden. "Der asketische Priester muß uns als der vorherbestimmte -Heiland, Hirt und Anwalt der kranken Herde gelten: damit erst -verstehen wir seine ungeheure historische Mission. Die Herrschaft -über Leidende ist sein Reich, auf sie weist ihn sein Instinkt an, -in ihr hat er seine eigenste Kunst, seine Meisterschaft, seine Art -von Glück." (Genealogie, 3. Abth. § 15.) - -Es ist kein Wunder, wenn eine solche Denkweise endlich dazu führt, -daß ihre Anhänger nicht nur das Leben verachten, sondern geradezu -auf seine Zerstörung hinarbeiten. Wenn den Menschen gesagt wird, -nur der Leidende, der Schwache kann wirklich zu einem höheren -Leben kommen, so wird endlich das Leiden, die Schwäche gesucht -werden. Sich selbst Schmerz zuzufügen, den Willen in sich ganz -ertöten, das wird Ziel des Lebens werden. Die Opfer dieser Gesinnung -sind die Heiligen. "Völlige Keuschheit und Entsagung aller Wollust -für den, welcher eigentliche Heiligkeit anstrebt; Wegwerfung alles -Eigentums, Verlassung jedes Wohnortes, aller Angehörigen, tiefe, -gänzliche Einsamkeit, zugebracht in stillschweigender Betrachtung, -mit freiwilliger Buße und schrecklicher langsamer Selbstpeinigung, -zur gänzlichen Mortifikation des Willens, welche zuletzt bis zum -freiwilligen Tode geht durch Hunger, auch durch Entgegengehen -den Krokodilen, durch Herabstürzen vom geheiligten Felsengipfel im -Himalaya, durch Lebendigbegrabenwerden, auch durch Hinwerfung unter die -Räder des unter Gesang, Jubel und Tanz der Bajaderen die Götterbilder -umfahrenden Wagens", dies sind die letzten Früchte der asketischen -Gesinnung. (Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung § 68.) - -Diese Denkweise ist dem Leiden am Leben entsprungen, und sie richtet -ihre Waffen gegen das Leben. Wenn der Gesunde, Lebensfrohe von -ihr angesteckt wird, dann tilgt sie bei ihm die gesunden, starken -Instinkte aus. Nietzsches Werk gipfelt darinnen, dieser Lehre -gegenüber etwas anderes geltend zu machen, eine Ansicht für Gesunde, -Wohlgeratene. Mögen die Mißratenen, Verdorbenen in der Lehre der -asketischen Priester ihr Heil suchen; die Gesunden will Nietzsche -um sich sammeln und ihnen eine Meinung sagen, die ihnen besser zu -Gesichte steht, als jedes lebensfeindliche Ideal. - - - - -18. - -Auch in den Pflegern der modernen Wissenschaft steckt noch das -asketische Ideal. Zwar rühmt sich diese Wissenschaft, alle alten -Glaubensvorstellungen über Bord geworfen zu haben und sich nur -an die Wirklichkeit zu halten. Sie will nichts gelten lassen, was -sich nicht zählen, berechnen, wägen, sehen und greifen läßt. Daß -man auf diese Weise "das Dasein zu einer Rechenknechtsübung und -Stubenhockerei für Mathematiker" herabwürdigt, ist den modernen -Gelehrten gleichgültig. (Fröhliche Wissenschaft § 373.) Ein Recht, -die vor seinen Sinnen und seiner Vernunft vorüberziehenden Vorkommnisse -der Welt zu interpretieren, sodaß er sie mit seinem Denken beherrschen -kann, schreibt sich ein solcher Gelehrter nicht zu. Er sagt: die -Wahrheit muß von meiner Interpretationskunst unabhängig sein, und ich -habe die Wahrheit nicht zu schaffen, sondern ich muß sie mir von den -Erscheinungen der Welt diktieren lassen. - -Wozu diese moderne Wissenschaft zuletzt gelangt, wenn sie sich alles -Zurechtlegens der Welterscheinungen enthält, das hat ein Anhänger -dieser Wissenschaft (Richard Wahle) in einem soeben erschienenen Buche -("Das Ganze der Philosophie und ihr Ende") ausgesprochen: "Was könnte -der Geist, der in das Weltgehäuse spähend und in sich die Fragen -nach dem Wesen und dem Ziele des Geschehens herumwälzte, endlich als -Antwort finden? Es ist ihm widerfahren, daß er, wie er so scheinbar -im Gegensatze zur umgebenden Welt dastand, sich auflöste und in einer -Flucht von Vorkommnissen mit allen Vorkommnissen zusammenfloß. Er -"wußte" nicht mehr die Welt; er sagte, ich bin nicht sicher, daß -Wissende da sind, sondern Vorkommnisse sind da schlechthin. Sie kommen -freilich in solcher Weise, daß der Begriff eines Wissens vorschnell, -ungerechtfertigt entstehen konnte .... Und "Begriffe" huschten empor, -um Licht in die Vorkommnisse zu bringen, aber es waren Irrlichter, -Seelen der Wünsche nach Wissen, erbärmliche, in ihrer Evidenz -nichtssagende Postulate einer unausgefüllten Wissensform. Unbekannte -Faktoren müssen im Wechsel walten. Über ihre Natur war Dunkel -gebreitet. Vorkommnisse sind der Schleier des Wahrhaften." - -Daß die menschliche Persönlichkeit in die Vorkommnisse der Wirklichkeit -einen Sinn hineinlegen könne und die unbekannten Faktoren, die im -Wechsel der Ereignisse walten, aus eigenem Vermögen ergänzen könne, -daran denken die modernen Gelehrten nicht. Sie wollen nicht die -Flucht der Erscheinungen durch die Ideen interpretieren, die aus ihrer -Persönlichkeit stammen. Sie wollen die Erscheinungen bloß beobachten -und beschreiben, aber nicht deuten. Sie wollen bei dem Thatsächlichen -stehen bleiben und es der schöpferischen Phantasie nicht gestatten, -sich ein in sich gegliedertes Bild von der Wirklichkeit zu machen. - -Wenn ein phantasievoller Naturforscher, wie z. B. Ernst Haeckel, -aus den Ergebnissen einzelner Beobachtungen ein Gesamtbild -der Entwickelung des organischen Lebens auf der Erde entwirft, -dann fallen diese Fanatiker der Thatsächlichkeit über ihn her und -zeihen ihn der Versündigung an der Wahrheit. Die Bilder, die er von -dem Leben in der Natur entwirft, können sie nicht mit Augen sehen, -oder mit Händen greifen. Ihnen ist das unpersönliche Urteil lieber, -als das durch den Geist der Persönlichkeit gefärbte. Sie möchten bei -ihren Beobachtungen am liebsten die Persönlichkeit ganz ausschalten. - -Es ist das asketische Ideal, das die Fanatiker der Thatsächlichkeit -beherrscht. Sie wollen eine Wahrheit jenseits des persönlichen, -individuellen Urteiles. Was der Mensch in die Dinge -"hineinphantasieren" kann, bekümmert sie nicht; die "Wahrheit" -ist ihnen etwas absolut Vollkommenes, ein Gott; der Mensch soll sie -entdecken, sich ihr ergeben, aber sie nicht schaffen. Die Naturforscher -und die Geschichtschreiber sind gegenwärtig von dem gleichen Geiste -des asketischen Ideals beseelt. Überall Aufzählen, Beschreiben von -Thatsachen, und nichts darüber. Jedes Zurechtlegen der Thatsachen -ist verpönt. Alles persönliche Urteilen soll unterbleiben. - -Unter diesen modernen Gelehrten finden sich auch Atheisten. Diese -Atheisten sind aber keine freieren Geister als ihre Zeitgenossen, -die an Gott glauben. Mit den Mitteln der modernen Wissenschaft -läßt sich das Dasein Gottes nicht beweisen. Hat sich doch eine der -Leuchten moderner Wissenschaft (Du Bois-Reymond) über die Annahme -einer "Weltseele" also geäußert: bevor der Naturforscher sich zu -einer solchen Annahme entschließt, verlangt er, "daß ihm irgendwo in -der Welt, in Neuroglia gebettet und mit warmem arteriellen Blut unter -richtigem Druck gespeist, ein dem geistigen Vermögen solcher Seele an -Umfang entsprechendes Konvolut von Ganglienzellen und Nervenfasern -gezeigt" werde (Grenzen des Naturerkennens S. 44). Die moderne -Wissenschaft lehnt den Glauben an Gott ab, weil dieser Glaube neben -dem Glauben an die "objektive Wahrheit" nicht bestehen kann. Diese -"objektive Wahrheit" ist aber nichts anderes als ein neuer Gott, -der über den alten gesiegt hat. "Der unbedingte redliche Atheismus -(und seine Luft allein atmen wir, wir geistigeren Menschen dieses -Zeitalters!) steht nicht im Gegensatz zu jenem (asketischen) -Ideale, wie es den Anschein hat; er ist vielmehr nur eine seiner -letzten Entwickelungsphasen, eine seiner Schlußformen und inneren -Folgerichtigkeiten, er ist die Ehrfurcht gebietende Katastrophe einer -zweitausendjährigen Zucht zur Wahrheit, welche am Schlusse sich die -Lüge im Glauben an Gott verbietet." (Genealogie, 3. Abteilung § -27.) Der Christ sucht die Wahrheit in Gott, weil er Gott für den -Quell aller Wahrheit hält; der moderne Atheist lehnt den Glauben an -Gott ab, weil ihm sein Gott, sein Ideal von Wahrheit diesen Glauben -verbietet. Der moderne Geist sieht in Gott eine menschliche Schöpfung; -in der "Wahrheit" sieht er etwas, was ohne alles menschliche Zuthun -durch sich selbst besteht. Der wirklich "freie Geist" geht noch -weiter. Er fragt: "Was bedeutet aller Wille zur Wahrheit?" Wozu -Wahrheit? Alle Wahrheit entsteht doch dadurch, daß der Mensch -über die Erscheinungen der Welt nachdenkt, sich Gedanken über die -Dinge bildet. Der Mensch selbst ist der Schöpfer der Wahrheit. Der -"freie Geist" kommt zum Bewußtsein seines Schaffens der Wahrheit. Er -betrachtet die Wahrheit nicht mehr als etwas, dem er sich unterordnet; -er betrachtet sie als sein Geschöpf. - - - - -19. - -Die mit schwachen, mißratenen Erkenntnisinstinkten ausgestatteten -Menschen wagen es nicht, aus der Begriffe bildenden Macht -ihrer Persönlichkeit heraus den Welterscheinungen einen Sinn -unterzulegen. Sie wollen, daß ihnen die "Gesetzmäßigkeit der Natur" -als Thatbestand vor die Sinne trete. Ein subjektives, der Einrichtung -des menschlichen Geistes gemäß geformtes Weltbild scheint ihnen -wertlos. Aber die bloße Beobachtung der Vorkommnisse in der Welt -liefert uns nur ein zusammenhangloses und doch nicht in Einzelheiten -gesondertes Weltbild. Dem bloßen Beobachter der Dinge erscheint -kein Gegenstand, kein Geschehnis wichtiger, bedeutungsvoller als -das andere. Das rudimentäre Organ eines Organismus, das vielleicht -dann, wenn wir darüber nachgedacht haben, ohne alle Bedeutung für -die Entwickelung des Lebens erscheint, steht gerade mit demselben -Anspruch auf Beachtung da, wie der edelste Teil des Organismus, -so lange wir bloß den objektiven Thatbestand beschauen. Ursache -und Wirkung sind aufeinanderfolgende Erscheinungen, die ineinander -überfließen, ohne durch etwas getrennt zu sein, so lange wir sie bloß -beobachten. Erst wenn wir mit unserem Denken einsetzen, die ineinander -fließenden Erscheinungen sondern und gedanklich aufeinander beziehen, -wird ein gesetzmäßiger Zusammenhang sichtbar. Erst das Denken erklärt -die eine Erscheinung für die Ursache, die andere für die Wirkung. Wir -sehen einen Regentropfen auf den Erdboden fallen und eine Vertiefung -hervorrufen. Ein Wesen, das nicht denken kann, wird hier nicht -Ursache und Wirkung sehen, sondern nur eine Aufeinanderfolge von -Erscheinungen. Ein denkendes Wesen isoliert die Erscheinungen, -bringt die isolierten Fakten in ein Verhältnis und bezeichnet -das eine Faktum als Ursache, das andere als Wirkung. Durch die -Beobachtung wird der Intellekt angeregt, Gedanken zu produzieren -und diese mit den beobachteten Thatsachen zu einem gedankenvollen -Weltbilde zu verschmelzen. Der Mensch thut dies, weil er die Summe der -Beobachtungen gedanklich beherrschen will. Ein ihm gegenüberstehendes -Gedankenleeres drückt auf ihn wie eine unbekannte Macht. Er widersetzt -sich dieser Macht, überwindet sie, indem er sie denkbar macht. Auch -alles Zählen, Wägen und Berechnen der Erscheinungen geschieht -aus demselben Grunde. Es ist der Wille zur Macht, der sich in dem -Erkenntnistriebe auslebt. (Ich habe den Erkenntnisprozeß im einzelnen -dargestellt in meinen beiden Schriften: "Wahrheit und Wissenschaft" -und "Die Philosophie der Freiheit".) - -Der stumpfe, schwache Intellekt will sich nicht eingestehen, daß -er es selbst ist, der als Äußerung seines Strebens nach Macht die -Erscheinungen interpretiert. Er hält auch seine Interpretation -für einen Thatbestand. Und er fragt: wie der Mensch dazu kommt, -einen solchen Thatbestand in der Wirklichkeit zu finden. Er fragt -z. B.: wie kommt es, daß der Intellekt in zwei aufeinander folgenden -Erscheinungen Ursache und Wirkung anerkennt? Alle Erkenntnistheoretiker -von Locke, Hume, Kant bis auf die Gegenwart haben sich mit dieser Frage -beschäftigt. Die Spitzfindigkeiten, die sie auf diese Untersuchung -verwendet haben, sind unfruchtbar geblieben. Die Erklärung ist gegeben -in dem Streben des menschlichen Intellekts nach Macht. Die Frage ist -gar nicht: sind Urteile, Gedanken über die Erscheinungen möglich, -sondern: hat der menschliche Intellekt solche Urteile nötig? Weil er -sie nötig hat, deshalb wendet er sie an, und nicht weil sie möglich -sind. Es kommt darauf an, "zu begreifen, daß zum Zweck der Erhaltung -von Wesen unserer Art solche Urteile als wahr geglaubt werden müssen; -weshalb sie natürlich noch falsche Urteile sein könnten!" (Jenseits -von Gut und Böse § 11.) "Und wir sind grundsätzlich geneigt, zu -behaupten, daß die falschesten Urteile uns die unentbehrlichsten -sind, daß ohne ein Geltenlassen der logischen Fiktionen, ohne ein -Messen der Wirklichkeit an der rein erfundenen Welt des Unbedingten, -Sich-selbst-Gleichen, ohne eine beständige Fälschung der Welt durch -die Zahl der Mensch nicht leben könnte, -- daß Verzichtleisten auf -falsche Urteile ein Verzichtleisten auf Leben, eine Verneinung des -Lebens wäre." (Ebenda § 4.) Wem dieser Ausspruch paradox erscheint, -der besinne sich darauf, wie fruchtbar die Anwendung der Geometrie -auf die Wirklichkeit ist, obgleich es nirgends in der Welt wirklich -geometrisch regelmäßige Linien, Flächen u. s. w. giebt. - -Wenn der stumpfe, schwache Intellekt einsieht, daß alle Urteile -über die Dinge aus ihm selbst stammen, durch ihn produziert und mit -den Beobachtungen verschmolzen werden, dann hat er nicht den Mut, -diese Urteile rückhaltslos anzuwenden. Er sagt: Urteile solcher -Art können uns keine Erkenntnis von dem "wahren Wesen" der Dinge -vermitteln. Dieses "wahre Wesen" bleibt daher unserer Erkenntnis -verschlossen. - -Noch in einer anderen Art sucht der schwache Intellekt zu beweisen, -daß durch das menschliche Erkennen kein Feststehendes gewonnen -werden kann. Er sagt: Der Mensch sieht, hört, tastet die Dinge -und Vorgänge. Was er dabei wahrnimmt, sind Eindrücke auf seine -Sinnesorgane. Wenn er eine Farbe, einen Ton wahrnimmt, so kann er nur -sagen: mein Auge, mein Ohr werden in einer gewissen Art bestimmt, -Farbe, Ton wahrzunehmen. Nicht etwas außer ihm nimmt der Mensch -wahr, sondern nur eine Bestimmung, eine Modifikation seiner eigenen -Organe. In der Wahrnehmung werden das Auge, das Ohr u. s. w. dazu -veranlaßt, in einer gewissen Weise zu empfinden; sie werden in -einen bestimmten Zustand versetzt. Diese Zustände seiner eigenen -Organe nimmt der Mensch als Farben, Töne, Gerüche u. s. w. wahr. In -aller Wahrnehmung nimmt der Mensch nur seine eigenen Zustände -wahr. Was er Außenwelt nennt, ist nur aus diesen seinen Zuständen -zusammengesetzt; ist also im eigentlichen Sinne sein Werk. Die Dinge, -die ihn veranlassen, aus sich heraus die Außenwelt zu spinnen, kennt -er nicht; nur ihre Wirkungen auf seine Organe. Einem von dem Menschen -geträumten Traume gleich, der durch ein Unbekanntes veranlaßt wird, -erscheint die Welt in dieser Beleuchtung. - -Wenn dieser Gedanke konsequent zu Ende gedacht wird, so zieht -er folgenden Nachsatz nach sich. Auch seine Organe kennt der -Mensch nur, insofern er sie wahrnimmt; sie sind Glieder in -seiner Wahrnehmungswelt. Und seines eigenen Selbst wird sich -der Mensch nur bewußt, insofern er die Bilder der Welt aus sich -herausspinnt. Traumbilder nimmt er wahr und inmitten dieser Traumbilder -ein "Ich", an dem diese Traumbilder vorüberziehen. Jedes Traumbild -erscheint in Begleitung dieses "Ich". Man kann auch sagen: jedes -Traumbild erscheint inmitten der Traumwelt immer in Beziehung auf -dieses "Ich". Dieses "Ich" haftet als Bestimmung, als Eigenschaft -an den Traumbildern. Es ist somit, als Bestimmung von Traumbildern, -selbst ein Traumhaftes. J. G. Fichte faßt diese Ansicht in die Worte -zusammen: "Was durch das Wissen und aus dem Wissen entsteht, ist nur -ein Wissen. Alles Wissen aber ist nur Abbildung, und es wird in ihm -immer etwas gefordert, das dem Bilde entspreche. Diese Forderung kann -durch kein Wissen befriedigt werden; und ein System des Wissens ist -notwendig ein System bloßer Bilder, ohne alle Realität, Bedeutung -und Zweck." "Alle Realität" ist für Fichte ein wunderbarer "Traum, -ohne ein Leben, von welchem geträumt wird, und ohne einen Geist, -dem da träumt"; ein Traum, "der in einem Traume von sich selbst -zusammenhängt". (Bestimmung des Menschen, 2. Buch.) - -Was hat diese ganze Gedankenkette für eine Bedeutung? Ein schwacher -Intellekt, der sich nicht unterfangen will, der Welt aus sich -heraus einen Sinn zu geben, sucht diesen Sinn in der Welt der -Beobachtungen. Er kann ihn da natürlich nicht finden, weil die bloße -Beobachtung gedankenleer ist. - -Der starke, produktive Intellekt verwendet seine Begriffswelt dazu, -die Beobachtungen zu deuten; der schwache, unproduktive Intellekt -erklärt sich selbst für zu ohnmächtig, um das zu thun und sagt: -ich kann in den Erscheinungen der Welt keinen Sinn finden; sie sind -bloße Bilder, die an mir vorüberziehen. Der Sinn des Daseins muß -außerhalb, jenseits der Erscheinungswelt gesucht werden. Dadurch -wird die Erscheinungswelt, d. h. die menschliche Wirklichkeit für -einen Traum, eine Täuschung, ein Nichts erklärt und das "wahre Wesen" -der Erscheinungen wird in einem "Ding an sich" gesucht, bis zu dem -keine Beobachtung, kein Erkennen reicht, d. h. von dem sich der -Erkennende keine Vorstellung machen kann. Dieses "wahre Wesen" ist -also für den Erkennenden ein völlig leerer Gedanke, der Gedanke an ein -Nichts. Traum ist bei jenen Philosophen, die von dem "Ding an sich" -sprechen, die Erscheinungswelt; Nichts ist aber das, was sie als das -"wahre Wesen" dieser Erscheinungswelt ansehen. Die ganze philosophische -Bewegung, die von dem "Ding an sich" spricht und die in der neueren -Zeit sich namentlich auf Kant stützt, ist der Glaube an das Nichts, -ist philosophischer Nihilismus. - - - - -20. - -Wenn der starke Geist nach der Ursache eines menschlichen Handelns -und Vollbringens sucht, so findet er diese immer in dem Willen -zur Macht der einzelnen Persönlichkeit. Der Mensch mit schwachem, -mutlosem Intellekt will dies aber nicht zugeben. Er fühlt sich nicht -kräftig genug, sich zum Herrn und Richtunggeber seines Handelns zu -machen. Er deutet die Triebe, die ihn lenken, als Gebote einer fremden -Macht. Er sagt nicht: ich handle, wie ich will; sondern er sagt: ich -handle gemäß einem Gebote, wie ich soll. Er will sich nicht befehlen, -er will gehorchen. Auf der einen Stufe der Entwickelung sehen die -Menschen ihre Antriebe zum Handeln als Gebote Gottes an, auf einer -andern Stufe glauben sie in ihrem Innern eine Stimme zu vernehmen, -die ihnen gebietet. Sie wagen es im letztern Falle nicht, zu sagen: -ich bin es selbst, der da befiehlt; sie behaupten: in mir spricht -ein höherer Wille sich aus. Daß sein Gewissen ihm in jedem einzelnen -Falle sagt, wie er handeln soll, ist die Meinung des einen; daß ein -kategorischer Imperativ ihm befiehlt, behauptet ein anderer. Hören wir, -was J. G. Fichte sagt: "Es soll schlechthin etwas geschehen, weil es -nun einmal geschehen soll: dasjenige, was das Gewissen nun eben von -mir .... fordert; daß es geschehe, dazu, lediglich dazu bin ich da; -um es zu erkennen, habe ich Verstand; um es zu vollbringen, habe ich -Kraft." ("Bestimmung des Menschen", 3. Buch.) Ich führe mit Vorliebe -J. G. Fichtes Aussprüche an, weil er mit eiserner Konsequenz die -Meinung der "Schwachen und Mißratenen" bis ans Ende gedacht hat. Wozu -diese Meinungen zuletzt führen, kann man nur erkennen, wenn man sie da -aufsucht, wo sie zu Ende gedacht worden sind; auf die Halben, die jeden -Gedanken nur bis in seine Mitte denken, kann man sich nicht stützen. - -Nicht in der Einzelpersönlichkeit wird von denen, die in der -angedeuteten Weise denken, der Quell des Wissens gesucht; sondern -jenseits dieser Persönlichkeit in einem "Willen an sich". Eben -dieser "Wille an sich" soll als "Stimme Gottes" oder "als Stimme -des Gewissens", "kategorischer Imperativ" u. s. w. zu dem Einzelnen -sprechen. Er soll der universelle Lenker des menschlichen Handelns und -der Urquell der Sittlichkeit sein und auch die Zwecke des sittlichen -Handelns bestimmen. "Ich sage, das Gebot des Handelns selbst ist es, -welches durch sich selbst mir einen Zweck setzt: dasselbe in mir, -was mich nötigt, zu denken, daß ich so handeln solle, nötigt mich, -zu glauben, daß aus diesem Handeln etwas erfolgen werde; es eröffnet -dem Auge die Aussicht auf eine andere Welt." "Wie ich im Gehorsam -lebe, lebe ich zugleich in der Anschauung seines Zweckes, lebe ich -in der besseren Welt, die er mir verheißt." (Fichte, Die Bestimmung -des Menschen, 3. Buch.) Der also Denkende will sich nicht selbst sein -Ziel setzen; er will von dem höheren Willen, dem er gehorcht, sich zu -einem Ziele führen lassen. Er will sich seines Eigenwillens entledigen -und sich zum Werkzeug "höherer" Zwecke machen. In Worten, die zu den -schönsten Erzeugnissen des Sinnes für Gehorsam und Demut gehören, -die mir bekannt sind, schildert Fichte die Hingabe an den "ewigen -Willen an sich". "Erhabener lebendiger Wille, den kein Name nennt, -und kein Begriff umfaßt, wohl darf ich mein Gemüt zu dir erheben; -denn du und ich sind nicht getrennt. Deine Stimme ertönt in mir, die -meinige tönt in dir wieder; und alle meine Gedanken, wenn sie nur wahr -und gut sind, sind in dir gedacht. -- In dir, dem Unbegreiflichen, -werde ich mir selbst, und wird mir die Welt vollkommen begreiflich, -alle Rätsel meines Daseins werden gelöst, und die vollendetste Harmonie -entsteht in meinem Geiste." "Ich verhülle vor dir mein Angesicht, -und lege die Hand auf den Mund. Wie du für dich selbst bist, und dir -selbst erscheinst, kann ich nie einsehen, so gewiß ich nie du selbst -werden kann. Nach tausendmal tausend durchlebten Geisterleben werde -ich dich noch eben so wenig begreifen als jetzt, in dieser Hülle von -Erde." (Bestimmung des Menschen, 3. Buch.) - -Wohin dieser Wille den Menschen zuletzt führen will, das kann der -Einzelne nicht wissen. Wer an diesen Willen glaubt, gesteht also damit, -daß er über die Endzwecke seines Handelns nichts weiß. Die Ziele, die -sich der Einzelne schafft, sind aber für einen solchen Gläubigen eines -höheren Willens keine "wahren" Ziele. Er setzt somit an die Stelle der -durch das Individuum geschaffenen positiven Einzelziele einen Endzweck -der ganzen Menschheit, dessen Gedankeninhalt aber ein Nichts ist. Ein -solcher Gläubiger ist moralischer Nihilist. Er ist in der schlimmsten -Art von Unwissenheit befangen, die sich erdenken läßt. Nietzsche wollte -diese Art von Unwissenheit in einem besonderen Buche seines unvollendet -gebliebenen Werkes "der Wille zur Macht" behandeln. (Vgl. Anhang zu -Bd. VIII. der Gesamtausgabe von Nietzsches Werken.) - -Die Lobpreisung des moralischen Nihilismus finden wir wieder -in Fichtes "Bestimmung des Menschen" (3. Buch): "Ich will nicht -versuchen, was mir durch das Wesen der Endlichkeit versagt ist, -und was mir zu nichts nützen würde; wie du an dir selbst bist, will -ich nicht wissen. Aber deine Beziehungen und Verhältnisse zu mir, -dem Endlichen, und zu allem Endlichen, liegen offen vor meinem Auge: -werde ich, was ich sein soll! -- und sie umgeben mich in hellerer -Klarheit, als das Bewußtsein meines eignen Daseins. Du wirkest in mir -die Erkenntnis von meiner Pflicht, von meiner Bestimmung in der Reihe -der vernünftigen Wesen; wie, das weiß ich nicht, noch bedarf ich es zu -wissen. Du weißt und erkennst, was ich denke und will; wie du wissen -kannst, -- durch welchen Akt du dieses Bewußtsein zu stande bringst, -darüber verstehe ich nichts; ja ich weiß sogar sehr wohl, daß der -Begriff eines Akts, und eines besonderen Akts des Bewußtseins nur -von mir gilt, nicht aber von dir, dem Unendlichen. Du willst, denn du -willst, daß mein freier Gehorsam Folgen habe in alle Ewigkeit; den Akt -deines Willens begreife ich nicht; und weiß nur soviel, daß er nicht -ähnlich ist dem meinigen. Du thust, und dein Wille selbst ist That; -aber deine Wirkungsweise ist der, die ich allein zu denken vermag, -geradezu entgegengesetzt. Du lebest und bist, denn du weißt, willst -und wirkest, allgegenwärtig der endlichen Vernunft; aber du bist nicht, -wie ich alle Ewigkeiten hindurch allein ein Sein werde denken können." - -Dem moralischen Nihilismus stellt Nietzsche die Ziele gegenüber, -die der schaffende Einzelwille sich setzt. Den Lehrern der Ergebung -ruft Zarathustra zu: - -"Diese Lehrer der Ergebung. Überall hin, wo es klein und krank und -grindig ist, kriechen sie hin, gleich Läusen; und nur mein Ekel -hindert mich, sie zu knacken. - -"Wohlan! Dies ist meine Predigt für ihre Ohren: ich bin Zarathustra, -der Gottlose, der da spricht: 'wer ist gottloser denn ich, daß ich -mich seiner Unterweisung freue?' - -"Ich bin Zarathustra, der Gottlose: wo finde ich meinesgleichen? Und -alle die sind meinesgleichen, die sich selber ihren Willen geben und -alle Ergebung von sich abthun." - - - - -21. - -Die starke Persönlichkeit, die Ziele schafft, ist rücksichtslos in der -Ausführung derselben. Die schwache Persönlichkeit dagegen führt nur -das aus, wozu der Wille Gottes oder die "Stimme des Gewissens" oder der -"kategorische Imperativ" Ja sagt. Was diesem Ja entspricht, bezeichnet -der Schwache als gut, was diesem Ja zuwider ist als böse. Der Starke -kann dieses "gut und bös" nicht anerkennen; denn er erkennt diejenige -Macht nicht an, von der sich der Schwache sein Gutes und Böses -bestimmen läßt. Was er, der Starke, will, ist für ihn gut; er führt es -durch gegen alle widerstrebenden Mächte. Was ihn in dieser Durchführung -stört, das sucht er zu überwinden. Er glaubt nicht, daß ein "ewiger -Weltwille" alle einzelnen Willensentschlüsse zu einer großen Harmonie -lenkt; aber er ist der Ansicht, daß alle menschliche Entwickelung aus -den Willensimpulsen der Einzelpersönlichkeiten sich ergiebt, und daß -ein ewiger Krieg besteht zwischen den einzelnen Willensäußerungen, -in dem immer der stärkere Wille über den schwächeren siegt. - -Von den Schwachen und Mutlosen wird die starke Persönlichkeit, -die sich selbst Gesetz und Zweck geben will, als böse, als sündhaft -bezeichnet. Sie erregt Furcht, denn sie durchbricht die hergebrachten -Ordnungen; sie nennt wertlos, was die Schwachen gewohnt sind, -wertvoll zu nennen, und sie erfindet Neues, vor ihr Unbekanntes, -das sie als wertvoll bezeichnet. "Jede individuelle Handlung, jede -individuelle Denkweise erregt Schauder; es ist gar nicht auszurechnen, -was gerade die selteneren, ausgesuchteren, ursprünglicheren Geister -im ganzen Verlauf der Geschichte dadurch gelitten haben müssen, daß -sie immer als die bösen und gefährlichen empfunden wurden, ja daß sie -sich selber so empfanden. Unter der Herrschaft der Sittlichkeit hat -die Originalität jeder Art ein böses Gewissen bekommen; bis diesen -Augenblick ist der Himmel der Besten noch dadurch verdüsterter, -als er sein müßte." (Morgenröte § 9.) - -Der wahrhaft freie Geist faßt schlechthin erste Entschlüsse; der -unfreie entscheidet sich nach dem Herkommen. "Sittlichkeit ist nichts -anderes (also namentlich nicht mehr!), als Gehorsam gegen Sitten, -welcher Art diese auch sein mögen; Sitten aber sind die herkömmliche -Art zu handeln und abzuschätzen" (Morgenröte § 9). Dieses Herkommen -ist es, was von den Moralisten als "ewiger Wille", "kategorischer -Imperativ" gedeutet wird. Jedes Herkommen ist aber das Ergebnis der -naturgemäßen Triebe und Impulse einzelner Menschen, ganzer Stämme, -Völker u. s. w. Es ist ebenso das Produkt natürlicher Ursachen, -wie etwa die Witterungsverhältnisse einzelner Gegenden. Der freie -Geist erklärt sich durch dieses Herkommen nicht gebunden. Er hat -seine individuellen Triebe und Impulse, und diese sind nicht weniger -berechtigt als die der anderen. Er setzt diese Impulse in Handlungen -um, wie eine Wolke Regen auf die Erdoberfläche sendet, wenn die -Ursachen dazu vorhanden sind. Der freie Geist steht jenseits dessen, -was das Herkommen als gut und böse ansieht. Er schafft sich selbst -sein Gut und Böse. - -"Als ich zu den Menschen kam, da fand ich sie sitzen auf einem alten -Dünkel: Alle dünkten sich lange schon zu wissen, was dem Menschen -gut und böse sei. - -"Eine alte müde Sache dünkte ihnen alles Reden von Tugend; und wer -gut schlafen wollte, der sprach vor dem Schlafengehen noch von 'Gut -und Böse'. - -"Diese Schläferei störte ich auf, als ich lehrte: was gut und böse ist, -das weiß noch niemand -- es sei denn der Schaffende. - -"Das aber ist der, welcher des Menschen Ziel schafft und der Erde -ihren Sinn giebt und ihre Zukunft: dieser erst schafft es, daß etwas -gut und böse ist." (Zarathustra, 3. Teil, Von alten und neuen Tafeln.) - -Auch dann wenn der freie Geist handelt, wie es dem Herkommen gemäß -ist, dann thut er es, weil er die herkömmlichen Motive zu den seinigen -machen will, und weil er es in bestimmten Fällen nicht für nötig hält, -an die Stelle des Herkömmlichen etwas Neues zu setzen. - - - - -22. - -Der Starke sucht in der Durchsetzung seines schaffenden Selbst seine -Lebensaufgabe. Diese Selbstsucht unterscheidet ihn von den Schwachen, -die in der selbstlosen Hingabe an das, was sie das Gute nennen, -die Sittlichkeit sehen. Die Schwachen predigen die Selbstlosigkeit -als die höchste Tugend. Ihre Selbstlosigkeit ist aber nur die Folge -ihres Mangels an Schaffenskraft. Hätten sie ein schaffendes Selbst, -so würden sie dieses auch durchsetzen wollen. Der Starke liebt den -Krieg, denn er braucht den Krieg, um seine Schöpfungen gegen die -widerstrebenden Mächte durchzusetzen. - -"Euren Feind sollt ihr suchen, euren Krieg sollt ihr führen und -für eure Gedanken! Und wenn euer Gedanke unterliegt, so soll eure -Redlichkeit darüber noch Triumph rufen! - -"Ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen. Und den -kurzen Frieden mehr als den langen. - -"Euch rate ich nicht zur Arbeit, sondern zum Kampfe. Euch rate ich -nicht zum Frieden, sondern zum Siege. Eure Arbeit sei ein Kampf, -euer Friede sei ein Sieg! - -"Ihr sagt, die gute Sache sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich -aber sage euch: der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt. - -"Der Krieg und der Mut haben mehr große Dinge gethan, als die -Nächstenliebe. Nicht euer Mitleiden, sondern eure Tapferkeit rettete -bisher die Verunglückten." (Zarathustra, 1. Teil, Vom Krieg und -Kriegsvolke.) - -Unerbittlich und ohne Schonung des Widerstrebenden handelt der -Schaffende. Er kennt nicht die Tugend der Leidenden: das Mitleid. Aus -seiner Kraft kommen die Antriebe des Schaffenden, nicht aus dem Gefühle -des fremden Leidens. Daß die Kraft siege, dafür setzt er sich ein, -nicht daß das Leidende, Schwache gepflegt werde. Schopenhauer hat die -ganze Welt für ein Lazarett erklärt, und die aus dem Mitgefühle mit -den Leidenden entspringenden Handlungen für die höchsten Tugenden. Er -hat damit die Moral des Christentums in anderer Form ausgesprochen, -als dieses selbst es thut. Der Schaffende fühlt sich nicht berufen, -Krankenwärterdienste zu verrichten. Die Tüchtigen, Gesunden können -nicht um der Schwachen, Kranken willen da sein. Das Mitleid schwächt -die Kraft, den Mut, die Tapferkeit. - -Das Mitleid sucht gerade das zu erhalten, was der Starke überwinden -will: die Schwäche, das Leiden. Der Sieg des Starken über das -Schwache ist der Sinn aller menschlichen, wie aller natürlichen -Entwickelung. "Leben selbst ist wesentlich Aneignung, Verletzung, -Überwältigung des Fremden und Schwächeren, Unterdrückung, Härte, -Aufzwängung eigener Formen, Einverleibung und mindestens, mildestens, -Ausbeutung." (Jenseits von Gut und Böse § 259.) - -"Und wollt ihr nicht Schicksale sein und Unerbittliche: wie könntet -ihr mit mir -- siegen? - -"Und wenn eure Härte nicht blitzen und scheiden und zerschneiden will: -wie könntet ihr einst mit mir -- schaffen? - -"Die Schaffenden nämlich sind hart. Und Seligkeit muß es euch dünken, -eure Hand auf Jahrtausende zu drücken wie auf Wachs, -- - -"-- Seligkeit, auf dem Willen von Jahrtausenden zu schreiben wie -auf Erz, -- härter als Erz, edler als Erz. Ganz hart ist allein -das Edelste. - -"Diese neue Tafel, o meine Brüder, stelle ich über euch: werdet -hart." (Zarathustra, 3. Teil, Von alten und neuen Tafeln.) - -Der freie Geist macht keinen Anspruch auf Mitleid. Wer ihn bemitleiden -wollte, den müßte er fragen: hältst du mich für so schwach, daß ich -mein Leid nicht selbst tragen kann? Ihm geht jedes Mitleid gegen die -Scham. Nietzsche bringt den Widerwillen des Starken gegen das Mitleiden -im vierten Teil seines "Zarathustra" zur Anschauung. Zarathustra -kommt auf seinen Wanderungen in ein Thal, das "Schlangentod" -heißt. Kein Lebewesen findet sich hier. Nur eine Art häßlicher -grüner Schlangen kommt hierher, um zu sterben. Dieses Thal hat der -"häßlichste Mensch" aufgesucht. Dieser will von keinem Wesen gesehen -werden wegen seiner Häßlichkeit. In diesem Thal sieht ihn niemand -außer Gott. Aber auch dessen Anblick kann er nicht ertragen. Das -Bewußtsein, daß Gottes Blicke in alle Räume dringen, ist ihm zur -Last. Er hat deshalb Gott getötet, d. h. er hat den Glauben an -Gott in sich ertötet. Er ist zum Atheisten geworden wegen seiner -Häßlichkeit. Als Zarathustra diesen Menschen sieht, überfällt ihn -noch einmal das, was er für immer in sich getilgt zu haben glaubt: -das Mitleid mit der furchtbaren Häßlichkeit. Dies ist eine Versuchung -Zarathustras. Er weist aber das Gefühl des Mitleids bald zurück und -wird wieder hart. Der häßlichste Mensch sagt zu ihm: Deine Härte ehrt -meine Häßlichkeit. Ich bin zu reich an Häßlichkeit, um irgend eines -Menschen Mitleid zu ertragen. Mitleid geht gegen die Scham. - -Wer Mitleid braucht, kann nicht allein stehen, und der freie Geist -will vollständig auf sich selbst gestellt sein. - - - - -23. - -Mit der Aufzeigung des natürlichen Willens zur Macht als Ursache -der menschlichen Handlungen geben sich die Schwachen nicht -zufrieden. Sie suchen nicht bloß nach natürlichen Zusammenhängen -in der Menschenentwickelung, sondern sie suchen das Verhältnis der -menschlichen Handlungen zu dem, was sie als den "Willen an sich", -die "ewige, sittliche Weltordnung" nennen. Wer dieser Weltordnung -zuwiderhandelt, dem sprechen sie eine Schuld zu. Und sie begnügen -sich auch nicht damit, eine Handlung nach ihren natürlichen Folgen zu -bewerten, sondern sie machen den Anspruch darauf, daß eine schuldvolle -Handlung auch moralische Folgen, Strafen nach sich ziehe. Sie nennen -sich selbst schuldig, wenn sie ihr Handeln mit der sittlichen -Weltordnung nicht in Übereinstimmung finden; sie wenden sich mit -Abscheu von dem Quell des Bösen in sich ab und nennen dies Gefühl -böses Gewissen. Alle diese Begriffe läßt die starke Persönlichkeit -nicht gelten. Sie kümmert sich nur um die natürlichen Folgen ihrer -Handlungen. Sie fragt: wieviel ist meine Handlungsweise für das Leben -wert? Entspricht sie dem, was ich gewollt habe? Der Starke kann sich -grämen, wenn ihm eine Handlung fehlschlägt, wenn das Resultat seinen -Absichten nicht entspricht. Aber er klagt sich nicht an. Denn er mißt -seine Handlungsweise nicht an außernatürlichen Maßstäben. Er weiß, -daß er so handelt, wie es seinen natürlichen Trieben entspricht, -und kann höchstens bedauern, daß diese nicht besser sind. Ebenso -hält er es mit der Beurteilung fremder Handlungen. Ein moralisches -Abschätzen der Handlungen kennt er nicht. Er ist Immoralist. - -Was das Herkommen als böse bezeichnet, sieht der Immoralist -ebenso als Ausfluß menschlicher Instinkte an, wie das Gute. Die -Strafe gilt ihm nicht als moralisch bedingt, sondern nur als ein -Mittel, Instinkte gewisser Menschen, die andern schädlich sind, -auszurotten. Die Gesellschaft straft nach Ansicht des Immoralisten -nicht deswegen, weil sie ein "moralisches Recht" hat, die Schuld -zu sühnen, sondern allein, weil sie sich stärker erweist, als der -Einzelne, welcher der Gesamtheit widerstrebende Instinkte hat. Die -Macht der Gesellschaft steht gegen die Macht des Einzelnen. Dies ist -der natürliche Zusammenhang einer "bösen" Handlung des Einzelnen -mit der Rechtsprechung der Gesellschaft und der Bestrafung dieses -Einzelnen. Es ist der Wille zur Macht, d. h. zum Ausleben jener -Instinkte, die bei der Mehrzahl der Menschen vorhanden sind, der -sich in der Rechtspflege einer Gesellschaft äußert. Der Sieg einer -Mehrheit über einen Einzelnen ist jede Bestrafung. Siegte der Einzelne -über die Gesellschaft, so müßte seine Handlungsweise als gut, die der -andern als böse bezeichnet werden. Das jeweilige Recht drückt nur aus, -was die Gesellschaft eben als die beste Grundlage ihres Willens zur -Macht anerkennt. - - - - -24. - -Weil Nietzsche in der menschlichen Handlungsweise nur einen -Ausfluß der Instinkte sieht, und diese letzteren bei verschiedenen -Menschen verschieden sind, scheint es ihm notwendig, daß auch -deren Handlungsweisen verschieden sind. Nietzsche ist deshalb ein -entschiedener Gegner des demokratischen Grundsatzes: Gleiche Rechte -und gleiche Pflichten für alle. Die Menschen sind ungleich, deshalb -müssen auch ihre Rechte und Pflichten ungleich sein. Der natürliche -Gang der Weltgeschichte wird stets starke und schwache, schaffende -und unfruchtbare Menschen aufweisen. Und die Starken werden immer -dazu berufen sein, den Schwachen die Ziele zu bestimmen. Ja noch -mehr: die Starken werden sich der Schwachen als Mittel zum Zwecke, -d. h. als Sklaven bedienen. Nietzsche spricht natürlich nicht von einem -"moralischen" Recht der Starken zur Haltung von Sklaven. "Moralische" -Rechte erkennt er nicht an. Sondern er ist der Meinung, daß die -Überwindung des Schwächeren durch den Stärkeren, die er für das -Princip alles Lebens hält, notwendig zur Sklaverei führen muß. - -Es ist auch natürlich, daß sich der Überwundene gegen den Überwinder -auflehnt. Wenn diese Auflehnung sich nicht durch die That äußern -kann, so äußert sie sich wenigstens im Gefühle. Und der Ausdruck -dieses Gefühles ist die Rache, die stets in den Herzen derer wohnt, -die in irgend einer Weise von den besser Veranlagten überwunden -worden sind. Als Ausfluß dieser Rache sieht Nietzsche die moderne -socialdemokratische Bewegung an. Der Sieg dieser Bewegung würde ihm -eine Erhöhung der Mißratenen, Übel-Weggekommenen zu Ungunsten der -Besseren sein. Gerade das Gegenteil strebt Nietzsche an: die Pflege -der starken, selbstherrlichen Persönlichkeit. Und er haßt die Sucht, -die alles gleich machen und die souveräne Individualität in dem Meere -der allgemeinen Mittelmäßigkeit verschwinden lassen will. - -Nicht alle sollen dasselbe haben und genießen, meint Nietzsche, -sondern jeder soll haben und genießen, was er nach Maßgabe seiner -persönlichen Stärke erreichen kann. - - - - -25. - -Was der Mensch wert ist, hängt allein von dem Wert seiner Instinkte -ab. Durch nichts anderes kann der Wert des Menschen bestimmt -werden. Man spricht von dem Werte der Arbeit. Die Arbeit soll den -Menschen adeln. Aber die Arbeit hat an sich gar keinen Wert. Nur -dadurch, daß sie dem Menschen dient, erhält sie einen Wert. Nur -insofern sich die Arbeit als natürliche Folge der menschlichen -Neigungen darstellt, ist sie des Menschen würdig. Wer sich zum Diener -der Arbeit macht, entwürdigt sich. Nur der Mensch, der nicht sich -selbst seinen Wert bestimmen kann, sucht diesen Wert an der Größe -seines Werkes abzumessen. Es ist charakteristisch für das demokratische -Bürgertum der neueren Zeit, daß es in der Wertbemessung des Menschen -sich nach dessen Arbeit richtet. Sogar Goethe ist von dieser Gesinnung -nicht frei. Läßt er doch seinen Faust die volle Befriedigung in dem -Bewußtsein gethaner Arbeit finden. - - - - -26. - -Auch die Kunst hat nach Nietzsches Meinung nur Wert, wenn sie dem Leben -des Einzelmenschen dient. Auch hier vertritt Nietzsche die Ansicht -der starken Persönlichkeit und lehnt alles ab, was die schwachen -Instinkte über die Kunst aussprechen. Fast alle deutschen Ästhetiker -vertreten den Standpunkt der schwachen Instinkte. Die Kunst soll ein -"Unendliches" im "Endlichen", ein "Ewiges" im "Zeitlichen", eine -"Idee" in der "Wirklichkeit" darstellen. Für Schelling z. B. ist alle -sinnliche Schönheit nur ein Abglanz jener unendlichen Schönheit, -die wir nie mit den Sinnen wahrnehmen können. Das Kunstwerk ist -nicht um seiner selbst willen und durch das, was es ist, schön, -sondern weil es die Idee der Schönheit abbildet. Das sinnliche Bild -ist nur ein Ausdrucksmittel, nur die Form für einen übersinnlichen -Inhalt. Und Hegel nennt das Schöne "das sinnliche Scheinen der -Idee". Ähnliches kann man auch bei den andern deutschen Ästhetikern -finden. Für Nietzsche ist die Kunst ein lebenförderndes Element, und -nur, wenn sie dieses ist, hat sie Berechtigung. Wer das Leben, wie er -es unmittelbar wahrnimmt, nicht ertragen kann, der formt es sich nach -seinem Bedürfnisse um, und damit schafft er ein Kunstwerk. Und was will -der Genießende vom Kunstwerk? Er will Erhöhung seiner Lebensfreude, -Stärkung seiner Lebenskräfte, Befriedigung von Bedürfnissen, die -ihm die Wirklichkeit nicht befriedigt. Aber er will, wenn sein -Sinn auf das Wirkliche gerichtet ist, nicht durch das Kunstwerk -den Abglanz des Göttlichen, Überirdischen erblicken. Hören wir, wie -Nietzsche den Eindruck schildert, den Bizets Carmen auf ihn gemacht: -"Ich werde ein besserer Mensch, wenn mir dieser Bizet zuredet. Auch -ein besserer Musikant, ein besserer Zuhörer. Kann man überhaupt noch -besser zuhören? -- Ich vergrabe meine Ohren noch unter diese Musik, -ich höre deren Ursache. Es scheint mir, daß ich ihre Entstehung -erlebe -- ich zittere vor Gefahren, die irgend ein Wagnis begleiten, -ich bin entzückt über Glücksfälle, an denen Bizet unschuldig ist. -- -Und seltsam! im Grunde denke ich nicht daran, oder weiß es nicht, -wie sehr ich daran denke. Denn ganz andere Gedanken laufen mir während -dem durch den Kopf ... Hat man bemerkt, daß die Musik den Geist frei -macht? dem Gelehrten Flügel giebt? daß man umsomehr Philosoph wird, -je mehr man Musiker wird? -- Der graue Himmel der Abstraktion wie von -Blitzen durchzuckt; das Licht stark genug für alles Filigran der Dinge; -die großen Probleme nahe zum Greifen; die Welt wie von einem Berge aus -überblickt. -- Ich definierte eben das philosophische Pathos. -- Und -unversehens fallen mir Antworten in den Schoß, ein kleiner Hagel von -Eis und Weisheit, von gelösten Problemen .. Wo bin ich? -- Bizet macht -mich fruchtbar. Alles Gute macht mich fruchtbar. Ich habe keine andere -Dankbarkeit, ich habe auch keinen andern Beweis dafür, was gut ist." -- -(Fall Wagner § 1.) Weil Richard Wagners Musik eine solche Wirkung nicht -auf ihn machte, deshalb lehnte sie Nietzsche ab: "Meine Einwände gegen -die Musik Wagners sind physiologische Einwände ..... Meine Thatsache, -mein petit fait vrai ist, daß ich nicht mehr leicht atme, wenn diese -Musik erst auf mich wirkt; daß alsbald mein Fuß gegen sie böse wird -und revoltiert: er hat das Bedürfnis nach Takt, Tanz, Marsch ... er -verlangt von der Musik vorerst die Entzückungen, welche in gutem Gehen, -Schreiten, Tanzen liegen. Protestiert aber nicht auch mein Magen? mein -Herz? mein Blutlauf? betrübt sich nicht mein Eingeweide? Werde ich -nicht unversehens heiser dabei? Und so frage ich mich: was will -eigentlich mein ganzer Leib von der Musik überhaupt? ... Ich glaube, -seine Erleichterung: wie als ob alle animalischen Funktionen durch -leichte, kühne, ausgelassene, selbstgewisse Rhythmen beschleunigt -werden sollten; wie als ob das eherne, bleierne Leben durch goldene, -zärtliche, ölgleiche Melodieen seine Schwere verlieren sollte. Meine -Schwermut will in den Verstecken und Abgründen der Vollkommenheit -ausruhen: dazu brauche ich Musik." (Nietzsche kontra Wagner. Kap.: -Wo ich Einwände mache.) -- - -Im Anfange seiner schriftstellerischen Laufbahn täuschte sich -Nietzsche über das, was seine Instinkte von der Kunst verlangen, -deshalb war er damals ein Anhänger Wagners. Er hat sich durch das -Studium der Schopenhauerschen Philosophie zum Idealismus verführen -lassen. Er glaubte einige Zeit hindurch an den Idealismus und täuschte -sich künstliche Bedürfnisse, ideale Bedürfnisse vor. Erst im weiteren -Verlaufe seines Lebens merkte er, daß aller Idealismus seinen Trieben -gerade entgegengesetzt ist. Er wurde nun aufrichtiger gegen sich -selbst. Er sprach aus, wie er selbst empfand. Und das konnte nur zur -vollständigen Ablehnung von Wagners Musik führen, die ja immer mehr -den asketischen Charakter annahm, den wir bereits als Kennzeichen -von Wagners letztem Wirkensziel aufgeführt haben. - -Die Ästhetiker, die es der Kunst zur Aufgabe machen, die Idee zu -versinnlichen, das Göttliche zu verkörpern, vertreten auf diesem -Gebiete eine ähnliche Ansicht wie die philosophischen Nihilisten -auf dem Gebiete der Erkenntnis und der Moral. Sie suchen in den -Kunstobjekten ein Jenseitiges, das sich aber vor dem Wirklichkeitssinn -in ein Nichts auflöst. Es giebt auch einen ästhetischen Nihilismus. - -Diesem steht die Ästhetik der starken Persönlichkeit gegenüber, die -in der Kunst ein Abbild der Wirklichkeit, eine höhere Wirklichkeit -sieht, die der Mensch lieber genießt als die Alltäglichkeit. - - - - -27. - -Zwei Menschentypen stellt Nietzsche einander gegenüber: den Schwachen -und den Starken. Der erstere sucht die Erkenntnis als einen objektiven -Thatbestand, der von der Außenwelt in seinen Geist einfließen soll. Er -läßt sich sein Gutes und Böses von einem "ewigen Weltwillen" oder -einem "kategorischen Imperativ" diktieren. Er bezeichnet jede nicht -von diesem Weltwillen, sondern nur von dem schöpferischen Eigenwillen -bestimmte Handlung als Sünde, die eine moralische Strafe nach sich -ziehen muß. Er möchte für alle Menschen gleiche Rechte dekretieren -und den Wert des Menschen nach einem äußern Maßstabe bestimmen. Er -möchte endlich in der Kunst ein Abbild des Göttlichen, eine Kunde aus -dem Jenseits erblicken. Der Starke dagegen sieht alle Erkenntnis als -den Ausdruck des Willens zur Macht an. Er sucht durch die Erkenntnis -die Dinge denkbar und sich dadurch unterthan zu machen. Er weiß, -daß er selbst der Schöpfer der Wahrheit ist; daß niemand als er -selbst sein Gutes und sein Böses schaffen kann. Er betrachtet die -Handlungen des Menschen als Folgen natürlicher Triebe und läßt sie -gelten als Naturereignisse, die niemals als Sünden zu betrachten sind -und nicht eine moralische Verurteilung verdienen. Er sucht den Wert -des Menschen in der Tüchtigkeit seiner Instinkte. Einen Menschen mit -den Instinkten für Gesundheit, Geist, Schönheit, Ausdauer, Vornehmheit -schätzt er höher als einen solchen mit den Instinkten für Schwäche, -Häßlichkeit, Sklaverei. Er beurteilt ein Kunstwerk nach dem Grade, -in dem es zur Steigerung seiner Kräfte beiträgt. - -Diesen letzteren Menschentypus versteht Nietzsche unter seinem -Übermenschen. Solche Übermenschen konnten bisher nur durch das -Zusammentreffen zufälliger Umstände entstehen. Ihre Entwickelung -zum bewußten Ziele der Menschheit zu machen, ist die Absicht, die -Zarathustra hat. Man sah bisher das Ziel der menschlichen Entwickelung -in irgendwelchen Idealen. Hier hält Nietzsche eine Änderung der -Anschauungen für nötig. Der "höherwertige Typus ist oft genug schon -dagewesen: aber als ein Glücksfall, als eine Ausnahme, niemals als -gewollt. Vielmehr ist er gerade am besten gefürchtet worden, er war -bisher beinahe das Furchtbare; -- und aus der Furcht heraus wurde -der umgekehrte Typus gewollt, gezüchtet, erreicht: das Haustier, das -Herdentier, das kranke Tier Mensch, -- der Christ ..." (Antichrist -§ 3). - -Zarathustras Weisheit soll diesen Übermenschen, zu dem jener andere -Typus nur ein Übergang ist, lehren. - -Nietzsche nennt diese Weisheit eine dionysische. Es ist eine -Weisheit, die nicht dem Menschen von außen gegeben wird; es ist eine -selbstgeschaffene Weisheit. Der dionysische Weise forscht nicht; er -schafft. Er steht nicht als Betrachter außer der Welt, die er erkennen -will; er ist Eins geworden mit seiner Erkenntnis. Er sucht nicht nach -einem Gotte; was er sich noch als göttlich vorstellen kann, ist nur -Er selbst als Schöpfer seiner eigenen Welt. Wenn dieser Zustand auf -alle Kräfte des menschlichen Organismus sich erstreckt, so giebt -das den dionysischen Menschen, dem es unmöglich ist, irgend eine -Suggestion nicht zu verstehen; er übersieht kein Zeichen des Affekts, -er hat den höchsten Grad des verstehenden und erratenden Instinktes, -wie er den höchsten Grad von Mitteilungskunst besitzt. Er geht in -jede Haut, in jeden Affekt ein: er verwandelt sich beständig. Dem -dionysischen Weisen steht der bloße Betrachter gegenüber, der -sich immer außerhalb seiner Erkenntnisobjekte stehend glaubt, als -objektiver, leidender Zuschauer. Dem dionysischen Menschen steht der -apollinische gegenüber, der "vor allem das Auge erregt hält, sodaß -es die Kraft der Vision bekommt". Visionen, Bilder von Dingen, die -jenseits der Menschen-Wirklichkeit stehen, erstrebt der apollinische -Geist, nicht eine durch ihn selbst geschaffene Weisheit. - - - - -28. - -Die apollinische Weisheit hat den Charakter des Ernstes. Sie -empfindet die Herrschaft des Jenseits, das sie nur im Bilde besitzt, -als einen schweren Druck, als eine ihr widerstrebende Macht. Ernst -ist die apollinische Weisheit, denn sie glaubt sich im Besitze einer -Kunde aus dem Jenseits, wenn diese auch nur durch Bilder, Visionen -vermittelt sein soll. Schwer beladen mit seiner Erkenntnis wandelt -der apollinische Geist einher, denn er trägt eine Bürde, die aus -einer andern Welt stammt. Und den Ausdruck der Würde nimmt er an, -denn vor den Kundgebungen des Unendlichen muß jedes Lachen verstummen. - -Dieses Lachen aber charakterisiert den dionysischen Geist. Er weiß, -daß alles, was er Weisheit nennt, nur seine Weisheit ist, von ihm -erfunden, um sich das Leben leicht zu machen. Nur dieses Eine soll -ja seine Weisheit sein: ein Mittel, das ihm erlaubt, zum Leben Ja zu -sagen. Dem dionysischen Menschen ist der Geist der Schwere zuwider, -weil er das Leben nicht erleichtert, sondern niederdrückt. Die -selbstgeschaffene Weisheit ist eine heitere Weisheit, denn wer sich -selbst seine Bürde schafft, der schafft sich nur eine solche, die er -auch leicht tragen kann. Mit der selbstgeschaffenen Weisheit bewegt -sich der dionysische Geist leicht durch die Welt wie ein Tänzer. - - - "Daß ich aber der Weisheit gut bin und oft - zu gut: das macht, sie erinnert mich gar sehr an - das Leben! - - Sie hat ihr Auge, ihr Lachen und sogar ihr - goldnes Angelrütchen: was kann ich dafür, daß - die beiden sich so ähnlich sehen?" - - "In dein Auge schaute ich jüngst, o Leben: - Gold sah ich in deinem Nachtauge blinken, -- mein - Herz stand still vor dieser Wollust: - - -- einen goldenen Kahn sah ich blinken auf - nächtigen Gewässern, einen sinkenden, trinkenden, - wieder winkenden goldenen Schaukelkahn! - - Nach meinem Fuße, dem tanzwütigen, warfst - du einen Blick, einen lachenden, fragenden, - schmelzenden Schaukelblick: - - zweimal nur regtest du deine Klapper mit - kleinen Händen -- da schaukelte mein Fuß vor - Tanzwut. -- - - Meine Fersen bäumten sich, meine Zehen - horchten, dich zu verstehen: doch trägt der Tänzer - sein Ohr -- in seinen Zehen!" - - (Zarathustra 2. u. 3. Teil. Die Tanzlieder.) - - - - -29. - -Weil der dionysische Geist aus sich selbst alle Antriebe seines -Thuns entnimmt und keiner äußeren Macht gehorcht, ist er ein freier -Geist. Denn ein freier Geist ist derjenige, der nur seiner Natur -folgt. Nun ist allerdings in Nietzsches Werken nur die Rede von -Instinkten als den Antrieben des freien Geistes. Ich glaube, daß hier -Nietzsche mit einem Namen eine Reihe von Antrieben zusammengefaßt hat, -die eine mehr ins Einzelne gehende Betrachtung erfordern. Nietzsche -nennt Instinkte sowohl die bei den Tieren vorhandenen Triebe zur -Ernährung und Selbsterhaltung, wie auch die höchsten Antriebe der -menschlichen Natur, z. B. den Erkenntnistrieb, den Trieb, nach -sittlichen Maßstäben zu handeln, den Trieb, sich an Kunstwerken zu -ergötzen u. s. w. Nun sind zwar alle diese Triebe Äußerungsformen einer -und derselben Grundkraft. Aber sie stellen doch verschiedene Stufen in -der Entwickelung dieser Kraft dar. Die moralischen Antriebe z. B. sind -eine besondere Stufe der Instinkte. Wenn auch zugegeben werden kann, -daß sie nur höhere Formen sinnlicher Instinkte sind, so treten sie -doch im Menschen auf eine besondere Art ins Dasein. Dies zeigt sich -darin, daß es dem Menschen möglich ist, Handlungen zu vollführen, die -nicht unmittelbar auf sinnliche Instinkte zurückzuführen sind, sondern -nur auf jene Antriebe, die eben als höhere Formen des Instinktes zu -bezeichnen sind. Der Mensch schafft sich Antriebe seines Handelns, -die nicht aus seinen sinnlichen Trieben abzuleiten sind, sondern -nur aus dem bewußten Denken. Er setzt sich individuelle Zwecke vor, -aber er setzt sich diese mit Bewußtsein vor. Und es ist ein großer -Unterschied, ob er einem unbewußt entstandenen und erst hinterher in -das Bewußtsein aufgenommenen Instinkte oder einem Gedanken folgt, -den er von vornherein mit vollem Bewußtsein produziert hat. Wenn -ich esse, weil mein Nahrungstrieb mich drängt, so ist dies etwas -wesentlich anderes, als wenn ich eine mathematische Aufgabe löse. Die -denkende Erfassung der Welterscheinungen stellt eine besondere Form -des allgemeinen Wahrnehmungsvermögens dar. Sie unterscheidet sich -von der bloßen sinnlichen Wahrnehmung. Dem Menschen sind nun die -höheren Entwickelungsformen des Instinktlebens ebenso natürlich -wie die niederen. Stehen beide nicht im Einklange, dann ist er zur -Unfreiheit verurteilt. Es kann der Fall eintreten, daß eine schwache -Persönlichkeit mit vollkommen gesunden sinnlichen Instinkten nur -schwache geistige Instinkte hat. Dann wird sie zwar in Bezug auf ihr -Sinnenleben ihre eigene Individualität entfalten, aber die gedanklichen -Antriebe ihres Handelns wird sie aus dem Herkommen entlehnen. Es kann -eine Disharmonie beider Triebwelten entstehen. Die sinnlichen Triebe -drängen zum Ausleben der eigenen Persönlichkeit, die geistigen Antriebe -stehen in dem Banne einer äußern Autorität. Das Geistesleben einer -solchen Persönlichkeit wird von den sinnlichen, das sinnliche Leben -von den geistigen Instinkten tyrannisiert. Denn beide Gewalten gehören -nicht zusammen, sind nicht aus einer Wesenheit erwachsen. Zur wirklich -freien Persönlichkeit gehört also nicht nur ein gesund entwickeltes -individuelles sinnliches Triebleben, sondern auch die Fähigkeit, sich -die gedanklichen Antriebe für das Leben zu schaffen. Erst derjenige -Mensch ist vollkommen frei, der auch Gedanken produzieren kann, die zum -Handeln führen. Ich habe das Vermögen, rein gedankliche Triebfedern -des Handelns zu schaffen, in meiner Schrift "Die Philosophie der -Freiheit" (Weimar, Emil Felber 1894) die "moralische Phantasie" -genannt. Nur wer diese moralische Phantasie hat, ist wirklich frei, -denn der Mensch muß nach bewußten Triebfedern handeln. Und wenn er -solche nicht selbst produzieren kann, dann muß er sich dieselben von -äußeren Autoritäten oder von dem in Form der Gewissensstimme in ihm -sprechenden Herkommen geben lassen. Ein Mensch, der sich bloß seinen -sinnlichen Instinkten überläßt, handelt wie ein Tier; ein Mensch, -der seine sinnlichen Instinkte unter fremde Gedanken stellt, handelt -unfrei; erst der Mensch, der sich selbst seine moralischen Ziele -schafft, handelt frei. Die moralische Phantasie fehlt in Nietzsches -Ausführungen. Wer dessen Gedanken zu Ende denkt, muß notwendig auf -diesen Begriff kommen. Aber andererseits ist es auch eine unbedingte -Notwendigkeit, daß dieser Begriff der Nietzscheschen Weltanschauung -eingefügt wird. Sonst könnte gegen dieselbe immerfort eingewendet -werden: Zwar ist der dionysische Mensch kein Knecht des Herkommens -oder des "jenseitigen Willens", aber er ist ein Knecht seiner eigenen -Instinkte. - -Nietzsche hat seinen Blick auf das Ursprüngliche, Eigenpersönliche im -Menschen gerichtet. Er suchte dieses Eigenpersönliche herauszulösen aus -dem Mantel des Unpersönlichen, in den es eine wirklichkeitsfeindliche -Weltanschauung eingehüllt hat. Aber er ist nicht dazu gekommen, -die Stufen des Lebens innerhalb der Persönlichkeit selbst zu -unterscheiden. Er hat deshalb die Bedeutung des Bewußtseins für die -menschliche Persönlichkeit unterschätzt. "Die Bewußtheit ist die -letzte und späteste Entwickelung des Organischen und folglich auch -das Unfertigste und Unkräftigste daran. Aus der Bewußtheit stammen -unzählige Fehlgriffe, welche machen, daß ein Tier, ein Mensch zu -Grunde geht, früher als es nötig wäre, "über das Geschick", wie -Homer sagt. Wäre nicht der erhaltende Verband der Instinkte so -überaus viel mächtiger, diente er nicht im ganzen als Regulator: -an ihrem verkehrten Urteilen und Phantasieren mit offenen Augen, -an ihrer Ungründlichkeit und Leichtgläubigkeit, kurz eben an ihrer -Bewußtheit müßte die Menschheit zu Grunde gehen," sagt Nietzsche -(Fröhliche Wissenschaft § 11). - -Dies ist zwar durchaus zuzugeben; aber nicht minder wahr ist es, daß -der Mensch nur insoweit frei ist, als er sich gedankliche Triebfedern -seines Handelns innerhalb des Bewußtseins schaffen kann. - -Die Betrachtung der gedanklichen Triebfedern führt aber noch weiter. Es -ist eine Thatsache der Erfahrung, daß diese gedanklichen Triebfedern, -die die Menschen aus sich heraus produzieren, bei den einzelnen -Individuen doch bis zu einem gewissen Grade eine Übereinstimmung -zeigen. Auch wenn der einzelne Mensch ganz frei aus sich heraus -Gedanken schafft, so stimmen diese in gewisser Weise mit den Gedanken -anderer Menschen überein. Daraus folgt für den Freien die Berechtigung, -anzunehmen, daß die Harmonie in der menschlichen Gesellschaft von -selbst eintritt, wenn sie aus souveränen Individuen besteht. Er -kann diese Meinung dem Verteidiger der Unfreiheit gegenüberstellen, -der glaubt, daß die Handlungen einer Mehrheit von Menschen nur -zusammenstimmen, wenn sie durch eine äußere Gewalt nach einem -gemeinsamen Ziele hingelenkt werden. Der freie Geist ist deshalb -durchaus kein Anhänger jener Ansicht, welche die tierischen Triebe -absolut frei walten lassen und alle gesetzlichen Ordnungen deshalb -abschaffen will. Aber er verlangt absolute Freiheit für diejenigen, -die nicht bloß ihren tierischen Instinkten folgen wollen, sondern die -imstande sind, moralische Triebfedern, ihr eigenes Gutes und Böses, -zu schaffen. - -Nur wer Nietzsche nicht so weit durchdrungen hat, daß er die letzten -Konsequenzen von dessen Weltanschauung zu ziehen vermag, trotzdem -sie Nietzsche nicht selbst gezogen hat, kann in ihm einen Menschen -sehen, der "mit einer gewissen stilistischen Wollust zu enthüllen -den Mut gefunden hat, was bisher etwa im geheimsten Seelengrunde -grandioser Verbrechertypen .... verborgen gelauert haben mag" -(Ludwig Stein, Friedrich Nietzsches Weltanschauung und ihre Gefahren -S. 5). Noch immer ist die Durchschnittsbildung eines deutschen -Professors nicht so weit, das Große einer Persönlichkeit von deren -kleinen Irrtümern abzutrennen. Sonst könnte man es nicht erleben, -daß die Kritik eines solchen Professors gerade gegen diese kleinen -Irrtümer sich richtet. Ich denke, wahrhafte Bildung nimmt das Große -einer Persönlichkeit auf und verbessert kleine Irrtümer oder denkt -halbfertige Gedanken zu Ende. - - - - - - - - -III. - -NIETZSCHES ENTWICKELUNGSGANG. - - -30. - -Ich habe Nietzsches Ansichten vom Übermenschen so dargestellt, wie -sie uns in seinen letzten Schriften: Zarathustra (1883-1884), Jenseits -von Gut und Böse (1886), Genealogie der Moral (1887), Der Fall Wagner -(1888), Götzendämmerung (1889) entgegentreten. In dem unvollendet -gebliebenen Werke: "Der Wille zur Macht", Versuch einer Umwertung aller -Werte, dessen erster Teil "Antichrist" im 8. Bande der Gesamtausgabe -erschienen ist, hätten sie wohl ihren philosophisch prägnantesten -Ausdruck gefunden. Aus der Disposition, die im Anhange zu dem erwähnten -Band abgedruckt ist, ist das deutlich zu erkennen. Sie heißt: 1. Der -Antichrist. Versuch einer Kritik des Christentums. 2. Der freie -Geist. Kritik der Philosophie als einer nihilistischen Bewegung. 3. Der -Immoralist. Kritik der verhängnisvollsten Art von Unwissenheit, -der Moral. 4. Dionysos. Philosophie der ewigen Wiederkunft. - -Nietzsche hat seine Gedanken nicht sogleich im Beginne seiner -schriftstellerischen Laufbahn in der ihnen ureigensten Form zum -Ausdruck gebracht. Er stand anfangs unter dem Einflusse des deutschen -Idealismus, namentlich in der Form, in der ihn Schopenhauer und -Richard Wagner vertreten haben. In Schopenhauerschen und Wagnerschen -Formeln drückt er sich in seinen ersten Schriften aus. Wer aber durch -dieses Formelwesen hindurch auf den Kern der Nietzscheschen Gedanken -zu blicken vermag, der findet in diesen Schriften dieselben Absichten -und Ziele, die in den späteren Werken zum Ausdruck kommen. - -Man kann von Nietzsches Entwickelung nicht sprechen, ohne an den -freiesten Denker erinnert zu werden, den die neuzeitliche Menschheit -hervorgebracht hat, an Max Stirner. Es ist eine traurige Wahrheit, -daß dieser Denker, der im vollsten Sinne dem entspricht, was Nietzsche -von dem Übermenschen fordert, nur von wenigen erkannt und gewürdigt -worden ist. Er hat bereits in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts -Nietzsches Weltanschauung ausgesprochen. Allerdings nicht in solch -gesättigten Herzenstönen wie Nietzsche, aber dafür in krystallklaren -Gedanken, neben denen sich Nietzsches Aphorismen allerdings oft wie -ein bloßes Stammeln ausnehmen. - -Welchen Weg hätte Nietzsche genommen, wenn nicht Schopenhauer, sondern -Max Stirner sein Erzieher geworden wäre! In Nietzsches Schriften ist -keinerlei Einfluß Stirners zu bemerken. Aus eigener Kraft mußte sich -Nietzsche aus dem deutschen Idealismus heraus zu einer der Stirnerschen -gleichen Weltauffassung durchringen. - -Stirner ist wie Nietzsche der Ansicht, das die Triebkräfte -des menschlichen Lebens nur in der einzelnen, wirklichen -Persönlichkeit gesucht werden können. Er lehnt alle Gewalten ab, -die die Einzelpersönlichkeit von außen formen, bestimmen wollen. Er -verfolgt den Gang der Weltgeschichte und findet den Grundirrtum der -bisherigen Menschheit darin, daß sie nicht die Pflege und Kultur -der individuellen Persönlichkeit, sondern andere, unpersönliche -Ziele und Zwecke sich vorsetzte. Er sieht die wahre Befreiung des -Menschen darin, daß dieser allen solchen Zielen keine höhere Realität -zugesteht, sondern sich dieser Ziele als Mittel zu seiner Selbstpflege -bedient. Der freie Mensch bestimmt sich seine Zwecke; er besitzt -seine Ideale; er läßt sich nicht von ihnen besitzen. Der Mensch, -der nicht als freie Persönlichkeit über seinen Idealen waltet, steht -unter dem Einflusse derselben, wie der Irrsinnige, der an fixen Ideen -leidet. Es ist für Stirner einerlei, ob sich der Mensch einbildet, -der "König von China", oder ob "ein behaglicher Bürger sich einbildet, -es sei seine Bestimmung, ein guter Christ, ein gläubiger Protestant, -ein loyaler Bürger, ein tugendhafter Mensch u. s. w. zu sein -- -das ist beides ein und dieselbe 'fixe Idee'. Wer es nie versucht -und gewagt hat, kein guter Christ, kein gläubiger Protestant, kein -tugendhafter Mensch u. s. w. zu sein, der ist in der Gläubigkeit, -Tugendhaftigkeit u. s. w. gefangen und befangen." - -Man braucht nur einige Sätze aus Stirners Buch: "Der Einzige und sein -Eigentum" zu lesen, um zu sehen, wie verwandt seine Anschauung der -Nietzscheschen ist. Ich führe einige Stellen aus diesem Buche an, -die besonders bezeichnend für Stirners Denkweise sind. - -"Vorchristliche und christliche Zeit verfolgen ein entgegengesetztes -Ziel; jene will das Reale idealisieren, diese das Ideale realisieren, -jene sucht den "heiligen Geist", diese den "verklärten Leib". Daher -schließt jene mit der Unempfindlichkeit gegen das Reale, mit der -"Weltverachtung"; diese wird mit der Abwerfung des Idealen, mit der -"Geistesverachtung" enden. - -Wie der Zug der Heiligung oder Reinigung durch die alte Welt geht -(die Waschungen u. s. w.), so geht der der Verleiblichung durch die -christliche: der Gott stürzt sich in diese Welt, wird Fleisch und will -sie erlösen, d. h. mit sich erfüllen; da er aber "die Idee" oder "der -Geist" ist, so führt man (z. B. Hegel) am Schlusse die Idee in alles, -in die Welt, ein und beweist, "daß die Idee, die Vernunft in allem -sei". Dem, was die heidnischen Stoiker als "den Weisen" aufstellten, -entspricht in der heutigen Bildung "der Mensch", jener wie dieser -ein fleischloses Wesen. Der unwirkliche "Weise", dieser leiblose -"Heilige" der Stoiker, wurde eine wirkliche Person, ein leiblicher -"Heiliger" in dem fleischgewordenen Gotte; der unwirkliche "Mensch", -das leiblose Ich, wird wirklich werden im leibhaftigen Ich, in Mir. - -Daß der Einzelne für sich eine Weltgeschichte ist und an der übrigen -Weltgeschichte sein Eigentum besitzt, das geht über das Christliche -hinaus. Dem Christen ist die Weltgeschichte das Höhere, weil sie -die Geschichte Christi oder "des Menschen" ist; dem Egoisten hat -nur seine Geschichte Wert, weil er nur sich entwickeln will, nicht -die Menschheits-Idee, nicht den Plan Gottes, nicht die Absichten der -Vorsehung, nicht die Freiheit u. dergl. Er sieht sich nicht für ein -Werkzeug der Idee oder ein Gefäß Gottes an, er erkennt keinen Beruf -an, er wähnt nicht, zur Fortentwickelung der Menschheit dazusein, -und sein Scherflein dazu beitragen zu müssen, sondern er lebt sich -aus, unbesorgt darum, wie gut oder wie schlecht die Menschheit -dabei fahre. Ließe es nicht das Mißverständnis zu, als sollte ein -Naturzustand gepriesen werden, so könnte man an Lenaus "Drei Zigeuner" -erinnern. -- Was, bin Ich dazu in der Welt, um Ideen zu realisieren? Um -etwa zur Verwirklichung der Idee "Staat" durch mein Bürgertum das -Meinige zu thun oder durch die Ehe, als Ehegatte und Vater, die Idee -der Familie zu einem Dasein zu bringen? Was ficht mich ein solcher -Beruf an! Ich lebe so wenig nach einem Berufe, als die Blume nach -einem Berufe wächst und duftet. - -Das Ideal "der Mensch" ist realisiert, wenn die christliche -Anschauung umschlägt in den Satz: "Ich, dieser Einzige, bin der -Mensch." Die Begriffsfrage: "was ist der Mensch?" -- hat sich dann -in die persönliche umgesetzt: "wer ist der Mensch?" Bei "was" suchte -man den Begriff, um ihn zu realisieren; bei "wer" ist's überhaupt -keine Frage mehr, sondern die Antwort im Fragenden gleich persönlich -vorhanden: die Frage beantwortet sich von selbst. - -Man sagt von Gott: "Namen nennen Dich nicht". Das gilt von Mir: kein -Begriff drückt Mich aus, nichts, was man als mein Wesen angiebt, -erschöpft mich; es sind nur Namen. Gleichfalls sagt man von Gott, -er sei vollkommen und habe keinen Beruf, nach Vollkommenheit zu -streben. Auch das gilt allein von Mir. - -Eigner bin Ich meiner Gewalt, und Ich bin es dann, wenn Ich Mich -als Einzigen weiß. Im Einzigen kehrt selbst der Eigner in sein -schöpferisches Nichts zurück, aus welchem er geboren wird. Jedes höhere -Wesen über Mir, sei es Gott, sei es der Mensch, schwächt das Gefühl -meiner Einzigkeit und erbleicht vor der Sonne dieses Bewußtseins: -Stell' Ich auf Mich, den Einzigen, meine Sache, dann steht sie auf -dem vergänglichen, dem sterblichen Schöpfer seiner, der sich selbst -verzehrt, und Ich darf sagen: - -"Ich hab' mein' Sach' auf nichts gestellt." - -Dieser auf sich sich selbst gestellte, nur aus sich heraus schaffende -Eigner ist Nietzsches Übermensch. - - - - -31. - -Diese Stirnerschen Gedanken wären das geeignete Gefäß gewesen, in das -Nietzsche sein reiches Empfindungsleben hätte gießen können. Statt -dessen suchte er in Schopenhauers Begriffswelt die Leiter, auf der -er zu seiner Gedankenwelt hinaufkletterte. - -Aus zwei Wurzeln stammt, nach Schopenhauers Meinung, unsere gesamte -Welterkenntnis. Aus dem Vorstellungsleben und aus der Wahrnehmung -des Willens, der in uns selbst als Handelnder auftritt. Das "Ding -an sich" liegt jenseits der Welt unserer Vorstellung. Denn die -Vorstellung ist nur die Wirkung, die das "Ding an sich" auf mein -Erkenntnisorgan ausübt. Nur die Eindrücke kenne ich, die die Dinge -auf mich machen, nicht die Dinge selbst. Und diese Eindrücke sind -eben meine Vorstellungen. Ich kenne keine Sonne und keine Erde, -sondern nur ein Auge, das eine Sonne sieht, und eine Hand, die eine -Erde fühlt. Der Mensch weiß nur: "daß die Welt, welche ihn umgiebt, -nur als Vorstellung da ist, d. h. durchweg nur in Beziehung auf ein -anderes, das Vorstellende, welches er selbst ist". (Schopenhauer, Welt -als Wille und Vorstellung § 1.) Aber der Mensch stellt die Welt nicht -bloß vor, sondern er wirkt auch in ihr; er wird sich seines Willens -bewußt, und er erfährt, daß dasjenige, welches er in sich als Wille -empfindet, von außen als Bewegung seines Leibes wahrgenommen werden -kann, d. h. der Mensch nimmt sein eigenes Wirken doppelt wahr, von -innen als Vorstellung, von außen als Wille. Schopenhauer schließt -daraus, daß es der Wille selbst ist, der in der wahrgenommenen -Leibesaktion als Vorstellung erscheint. Und er behauptet dann weiter, -daß nicht nur der Vorstellung des eigenen Leibes und seiner Bewegungen -ein Wille zu Grunde liege, sondern daß dies auch bei allen übrigen -Vorstellungen der Fall sei. Die ganze Welt ist also, nach Schopenhauers -Ansicht, dem Wesen nach Wille und erscheint unserem Intellekt als -Vorstellung. Dieser Wille, behauptet Schopenhauer weiter, ist in -allen Dingen ein einheitlicher. Nur unser Intellekt verursacht, -daß wir eine Mehrheit von besonderen Dingen wahrnehmen. - -Durch seinen Willen hängt der Mensch, nach dieser Anschauung, mit dem -einheitlichen Weltwesen zusammen. Insofern der Mensch wirkt, wirkt in -ihm der einheitliche Urwille. Als einzelne, besondere Persönlichkeit -existiert der Mensch nur in seiner eigenen Vorstellung; im Wesen ist -er identisch mit dem einheitlichen Weltengrunde. - -Nehmen wir an, daß in Nietzsche, als er die Schopenhauersche -Philosophie kennen lernte, schon der Gedanke des Übermenschen unbewußt, -instinktiv vorhanden war, so konnte ihn diese Willenslehre allerdings -nur sympathisch berühren. In dem menschlichen Willen war ihm ein -Element gegeben, das den Menschen unmittelbar an der Schöpfung des -Weltinhaltes teilnehmen ließ. Als Wollender ist der Mensch nicht bloß -ein außerhalb des Weltinhaltes stehender Zuschauer, der sich Bilder -des Wirklichen macht, sondern er ist selbst ein Schaffender. In ihm -waltet die göttliche Kraft, über die hinaus es keine andere giebt. - - - - -32. - -Aus diesen Anschauungen heraus bildeten sich bei Nietzsche die beiden -Ideen von der apollinischen und der dionysischen Weltbetrachtung. Sie -wendete er auf das griechische Kunstleben an, das er demgemäß aus zwei -Wurzeln entstehen ließ: aus einer Kunst des Vorstellens und einer Kunst -des Wollens. Wenn der Vorstellende seine Vorstellungswelt idealisiert -und seine idealisierten Vorstellungen in Kunstwerken verkörpert, -so entsteht die apollinische Kunst. Er verleiht den einzelnen -Vorstellungsobjekten dadurch, daß er ihnen die Schönheit einprägt, -den Schein des Ewigen. Aber er bleibt innerhalb der Vorstellungswelt -stehen. Der dionysische Künstler sucht nicht nur in seinen Kunstwerken -die Schönheit auszudrücken, sondern er ahmt selbst das schöpferische -Wirken des Weltwillens nach. Er sucht in seinen eigenen Bewegungen -den Weltgeist abzubilden. Er macht sich zur sichtbaren Verkörperung -des Willens. Er wird selbst Kunstwerk. "Singend und tanzend äußert -sich der Mensch als Mitglied einer höhern Gemeinschaft: er hat das -Gehen und Sprechen verlernt und ist auf dem Wege, tanzend in die -Lüfte emporzufliegen. Aus seinen Gebärden spricht die Verzauberung" -(Geburt der Tragödie § 1). In diesem Zustande vergißt der Mensch sich -selbst, er fühlt sich nicht mehr als Individuum, er läßt in sich den -allgemeinen Weltwillen walten. In dieser Weise deutet Nietzsche die -Feste, die zu Ehren des Gottes Dionysus durch die Dionysusdiener -veranstaltet wurden. In dem Dionysusdiener sieht Nietzsche das -Urbild des dionysischen Künstlers. Nun stellt er sich vor, daß -die älteste dramatische Kunst der Griechen dadurch entstanden ist, -daß eine höhere Vereinigung des Dionysischen mit dem Apollinischen -sich vollzogen hat. Auf diese Weise erklärt er den Ursprung der -ersten griechischen Tragödie. Er nimmt an, daß die Tragödie aus dem -tragischen Chore entstanden ist. Der dionysische Mensch wird zum -Zuschauer, zum Betrachter eines Bildes, das ihn selbst darstellt. Der -Chor ist die Selbstspiegelung eines dionysisch erregten Menschen, -d. h. der dionysische Mensch sieht seine dionysische Erregung durch ein -apollinisches Kunstwerk abgebildet. Die Darstellung des Dionysischen -im apollinischen Bilde ist die primitive Tragödie. Voraussetzung -einer solchen Tragödie ist, daß in ihrem Schöpfer ein lebendiges -Bewußtsein von dem Zusammenhang des Menschen mit den Urgewalten -der Welt vorhanden ist. Ein solches Bewußtsein spricht sich als -Mythus aus. Das Mythische muß der Gegenstand der ältesten Tragödie -sein. Tritt nun in der Entwickelung eines Volkes der Zeitpunkt ein, wo -der zersetzende Verstand das lebendige Gefühl für den Mythus zerstört, -so ist der Tod des Tragischen die notwendige Folge. - - - - -33. - -In der Entwickelung des Griechentums trat, nach Nietzsches Meinung, -mit Sokrates dieser Zeitpunkt ein. Sokrates war ein Feind alles -instinktiven, mit den Naturgewalten im Bunde stehenden Lebens. Er ließ -nur dasjenige gelten, was der Verstand denkend zu beweisen vermag, -was lehrbar ist. Damit war dem Mythus der Krieg erklärt. Und der von -Nietzsche als Schüler des Sokrates bezeichnete Euripides zerstörte -die Tragödie, weil sein Schaffen nicht mehr, wie das des Äschylos, -aus den dionysischen Instinkten, sondern aus dem kritischen Verstande -entsprang. Statt der Nachbildung der Willensbewegungen des Weltgeistes -findet sich bei Euripides die verständige Verknüpfung einzelner -Vorgänge innerhalb der tragischen Handlung. - -Ich frage nicht nach der historischen Rechtfertigung dieser -Nietzscheschen Ideen. Er ist ihretwegen von einem klassischen -Philologen scharf angegriffen worden. Nietzsches Beschreibung der -griechischen Kultur läßt sich vergleichen mit der Schilderung, die ein -Mensch von einer Landschaft giebt, die er von dem Gipfel eines Berges -aus betrachtet; eine philologische Darstellung mit einer Beschreibung, -die der Wanderer giebt, der jedes einzelne Fleckchen besucht. Von -dem Berge aus verschiebt sich manches eben nach den Gesetzen der Optik. - - - - -34. - -Was hier in Betracht kommt, ist die Frage: was für eine Aufgabe stellte -sich Nietzsche in seiner "Geburt der Tragödie"? Nietzsche ist der -Ansicht, daß die älteren Griechen die Leiden des Daseins sehr gut -gekannt haben. "Es geht die alte Sage, daß König Midas lange Zeit -nach dem weisen Silen, dem Begleiter des Dionysus, im Walde gejagt -habe, ohne ihn zu fangen. Als er ihm endlich in die Hände gefallen -ist, fragt der König, was für den Menschen das Allerbeste und -Allervorzüglichste sei. Starr und unbeweglich schweigt der Dämon, -bis er, durch den König gezwungen, endlich unter gellem Lachen -in diese Worte ausbricht: "Elendes Eintagsgeschlecht, des Zufalls -Kinder und der Mühsal, was zwingst du mich, dir zu sagen, was nicht -zu hören für dich das Ersprießlichste ist? Das Allerbeste ist für dich -gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht zu sein, nichts zu -sein. Das Zweitbeste aber ist für dich -- bald zu sterben" (Geburt der -Tragödie § 3). In dieser Sage findet Nietzsche eine Grundempfindung -der Griechen ausgedrückt. Er hält es für eine Oberflächlichkeit, -wenn man die Griechen als das beständig heitere, kindlich tändelnde -Volk hinstellt. Aus der tragischen Grundempfindung heraus mußte den -Griechen der Drang entstehen, etwas zu schaffen, wodurch das Dasein -erträglich wird. Sie suchten nach einer Rechtfertigung des Daseins -- -und fanden diese in ihrer Götterwelt und in der Kunst. Nur durch das -Gegenbild der olympischen Götter und der Kunst wurde den Griechen -die rauhe Wirklichkeit erträglich. Die Grundfrage in der "Geburt der -Tragödie" ist also für Nietzsche: Inwiefern ist die griechische Kunst -lebenfördernd, lebenerhaltend gewesen? Nietzsches Grundinstinkt macht -sich somit in Bezug auf die Kunst als lebenfördernde Macht schon in -diesem ersten Werke geltend. - - - - -35. - -Noch ein anderer Grundinstinkt Nietzsches ist in diesem Werke -schon zu beobachten. Es ist die Abneigung gegen die bloß logischen -Geister, deren Persönlichkeit vollständig unter der Herrschaft ihres -Verstandes steht. Aus dieser Abneigung stammt Nietzsches Meinung, -daß der sokratische Geist der Zerstörer der griechischen Kultur -ist. Das Logische gilt Nietzsche nur als eine Form, in der sich -die Persönlichkeit äußert. Wenn zu dieser Form nicht noch andere -Äußerungsweisen treten, so erscheint die Persönlichkeit als Krüppel, -als Organismus, an dem notwendige Organe verstümmelt sind. Weil -Nietzsche in Kants Schriften nur den grübelnden Verstand entdecken -konnte, nennt er Kant einen "verwachsenen Begriffskrüppel". Nur -wenn die Logik der Ausdruck für die tieferen Grundinstinkte einer -Persönlichkeit ist, läßt sie Nietzsche gelten. Sie muß ein Ausfluß -des Über-Logischen in der Persönlichkeit sein. Nietzsche hat an der -Ablehnung des sokratischen Geistes immer festgehalten. Wir lesen in -der Götzendämmerung: "Mit Sokrates schlägt der griechische Geschmack zu -Gunsten der Dialektik um: was geschieht da eigentlich? Vor allem wird -ein vornehmer Geschmack besiegt; der Pöbel kommt mit der Dialektik -oben auf. Vor Sokrates lehnte man in der guten Gesellschaft die -dialektischen Manieren ab; sie galten als schlechte Manieren, -sie stellten bloß" (Problem des Sokrates § 5). Wo nicht kräftige -Grundinstinkte für eine Sache sprechen, da tritt der beweisende -Verstand ein und sucht sie durch Advokatenkünste zu stützen. - - - - -36. - -Einen Erneuerer des dionysischen Geistes glaubte Nietzsche in -Richard Wagner zu erkennen. Er hat aus diesem Glauben heraus die -vierte seiner "Unzeitgemäßen Betrachtungen": "Richard Wagner in -Bayreuth", 1875, geschrieben. Er hielt in dieser Zeit noch an der -Deutung des dionysischen Geistes fest, die er sich in Gemäßheit -der Schopenhauerschen Philosophie gebildet hatte. Er glaubte noch, -daß die Wirklichkeit nur menschliche Vorstellung sei und jenseits -dieser Vorstellungswelt das Wesen der Dinge in Form des Urwillens -liege. Und der schaffende dionysische Geist war ihm noch nicht der -aus sich heraus schaffende, sondern der sich selbst vergessende, in -dem Urwollen aufgehende Mensch. Bilder des waltenden Urwillens, von -einem an diesen Urwillen hingegebenen dionysischen Geiste geschaffen, -waren ihm Wagners Musikdramen. - -Und da Schopenhauer in der Musik ein unmittelbares Abbild des Willens -sah, so glaubte auch Nietzsche in der Musik das beste Ausdrucksmittel -für einen dionysisch schaffenden Geist sehen zu sollen. Die Sprache -der civilisierten Völker schien ihm erkrankt. Sie kann nicht mehr der -schlichte Ausdruck der Gefühle sein, denn die Worte mußten allmählich -immer mehr dazu verwendet werden, der Ausdruck für die zunehmende -Verstandesbildung der Menschen zu werden. Dadurch aber ist die -Bedeutung der Worte abstrakt, arm geworden. Sie können nicht mehr -ausdrücken, was der aus dem Urwillen heraus schaffende dionysische -Geist empfindet. Dieser kann daher in dem Wortdrama sich nicht mehr -aussprechen. Er muß andere Ausdrucksmittel, vor allem die Musik, aber -auch die anderen Künste zu Hilfe rufen. Der dionysische Geist wird -zum dithyrambischen Dramatiker, "diesen Begriff so voll genommen, daß -er zugleich den Schauspieler, Dichter, Musiker umfaßt". "Wie man sich -nun auch die Entwickelung des Urdramatikers vorstellen möge, in seiner -Reife und Vollendung ist er ein Gebilde ohne jede Hemmung und Lücke: -der eigentlich freie Künstler, der gar nicht anders kann, als in allen -Künsten zugleich denken, der Mittler und Versöhner zwischen scheinbar -getrennten Sphären, der Wiederhersteller einer Ein- und Gesamtheit des -künstlerischen Vermögens, welches gar nicht erraten und erschlossen, -sondern nur durch die That gezeigt werden kann" (Richard Wagner in -Bayreuth § 7). Als dionysischen Geist verehrte Nietzsche Richard -Wagner. Und nur in dem von Nietzsche in der eben genannten Schrift -angegebenen Sinne kann Wagner als dionysischer Geist bezeichnet -werden. Seine Instinkte sind auf das Jenseits gerichtet; er will -die Stimme des Jenseits durch seine Musik erklingen lassen. Ich habe -bereits (S. 81 f.) darauf hingewiesen, daß sich Nietzsche später selbst -fand und imstande war, seine auf das Diesseits gerichteten Instinkte -in ihrer Eigenart zu erkennen. Er hatte ursprünglich die Wagnersche -Kunst mißverstanden, weil er sich selbst mißverstanden hatte, weil -er seine Instinkte durch die Schopenhauersche Philosophie hatte -tyrannisieren lassen. Wie ein Krankheitsprozeß erschien ihm später -diese Unterordnung seiner Instinkte unter eine fremde Geistesmacht. Er -fand, daß er auf seine Instinkte nicht gehört hatte und sich durch -eine ihm unangemessene Meinung hatte verführen lassen, eine Kunst auf -diese Instinkte wirken lassen, die ihnen nur zum Nachteil gereichen -konnte, die sie krank machen mußte. - - - - -37. - -Nietzsche hat den Einfluß, den die seinen Grundtrieben widersprechende -Schopenhauersche Philosophie auf ihn genommen, selbst geschildert -in seiner dritten "Unzeitgemäßen Betrachtung", "Schopenhauer als -Erzieher" (1873), zu einer Zeit, als er noch an diese Philosophie -glaubte. Nietzsche suchte einen Erzieher. Der rechte Erzieher kann nur -der sein, der auf den zu Erziehenden so wirkt, daß dessen innerster -Wesenskern sich aus der Persönlichkeit heraus entwickelt. Auf jeden -Menschen wirkt seine Zeit mit ihren Kulturmitteln ein. Er nimmt auf, -was die Zeit an Bildungsstoff bietet. Aber es frägt sich, wie er sich -inmitten dieses von außen auf ihn Eindringenden selbst finden kann; -wie er das aus sich herausspinnen kann, was er und nur er und kein -anderer sein kann. "Der Mensch, welcher nicht zur Masse gehören -will, braucht nur aufzuhören, gegen sich bequem zu sein; er folge -seinem Gewissen, welches ihm zuruft: ""sei du selbst! Das bist du -alles nicht, was du jetzt thust, meinst, begehrst"", so spricht -der Mensch zu sich, der eines Tages findet, daß er sich immer nur -damit begnügt hat, Bildungsstoff von außen aufzunehmen (Schopenhauer -als Erzieher § 1). Nietzsche fand sich selbst, wenn auch zunächst -noch nicht in seiner ihm ureigensten Gestalt, durch das Studium der -Schopenhauerschen Philosophie. Nietzsche strebte unbewußt danach, -einfach und ehrlich seinen Grundtrieben gemäß sich auszusprechen. Er -fand um sich nur Menschen, die in den Bildungsformeln der Zeit sich -ausdrückten, die ihr eigenes Wesen durch diese Formeln verhüllten. In -Schopenhauer fand Nietzsche aber einen Menschen, der den Mut hatte, -seine persönlichen Empfindungen der Welt gegenüber zum Inhalte seiner -Philosophie zu machen: "Das kräftige Wohlgefühl des Sprechenden" -umfing Nietzsche beim ersten Lesen von Schopenhauers Sätzen. "Hier -ist eine immer gleichartige, stärkende Luft, so fühlen wir; hier ist -eine gewisse unnachahmliche Unbefangenheit und Natürlichkeit, wie sie -Menschen haben, die in sich zu Hause und zwar in einem sehr reichen -Hause Herren sind: im Gegensatze zu jenen Schriftstellern, die sich am -meisten wundern, wenn sie einmal geistreich waren, und deren Vortrag -dadurch etwas Unruhiges und Naturwidriges bekommt." "Schopenhauer -redet mit sich; oder wenn man sich durchaus einen Zuhörer denken -will, so denke man sich den Sohn, den der Vater unterweist. Es ist -ein redliches, derbes, gutmütiges Aussprechen vor einem Hörer, der -mit Liebe hört" (Schopenhauer § 2). Daß er einen Menschen, der sich -seinen innersten Instinkten gemäß ausspricht, reden hörte, das war es, -was Nietzsche zu Schopenhauer hinzog. - -Nietzsche sah in Schopenhauer eine starke Persönlichkeit, die nicht -durch die Philosophie in einen bloßen Verstandesmenschen umgewandelt -wird, sondern die das Logische nur zum Ausdrucke des Überlogischen, -des Instinktiven in sich macht. "Die Sehnsucht nach starker Natur, nach -gesunder und einfacher Menschheit war bei ihm eine Sehnsucht nach sich -selbst; und sobald er die Zeit in sich besiegt hatte, mußte er auch, -mit erstauntem Auge, den Genius in sich erblicken" (Schopenhauer § -3). In Nietzsches Geist arbeitete schon damals das Streben nach der -Idee des Übermenschen, der sich selbst sucht, als den Sinn seines -Daseins, und einen solchen Suchenden fand er in Schopenhauer. In -solchen Menschen sieht er den Zweck und zwar den einzigen Zweck des -Weltdaseins erreicht; die Natur scheint ihm an einem Ziele angekommen -zu sein, wenn sie einen solchen Menschen hervorgebracht hat. "Die -Natur, die nie springt, macht hier ihren einzigen Sprung und zwar -einen Freudensprung, denn sie fühlt sich zum erstenmal am Ziele, -dort nämlich, wo sie begreift, daß sie verlernen müsse, Ziele zu -haben." (Schopenh. § 5.) In diesem Satze liegt der Keim zur Konzeption -des Übermenschen. Nietzsche wollte, als er diesen Satz niederschrieb, -schon genau dasselbe, was er später mit seinem Zarathustra wollte; -aber ihm fehlte noch die Kraft, dieses Wollen in einer eigenen Sprache -auszusprechen. Er sah schon, als er sein Schopenhauerbuch schrieb, -den Grundgedanken der Kultur in der Erzeugung des Übermenschen. - - - - -38. - -In der Entwickelung der persönlichen Instinkte der Einzelmenschen sieht -also Nietzsche das Ziel aller menschlichen Entwickelung. Was dieser -Entwickelung entgegenarbeitet, erscheint ihm als die eigentlichste -Versündigung an der Menschheit. Es giebt aber etwas im Menschen, das -auf ganz natürliche Weise seiner freien Entwickelung widerstrebt. Der -Mensch läßt sich nicht allein durch die in jedem einzelnen Augenblicke -in ihm thätigen Triebe bestimmen, sondern auch durch alles das, was -in seinem Gedächtnisse sich angesammelt hat. Der Mensch erinnert -sich an seine eigenen Erlebnisse, er sucht sich ein Bewußtsein -der Erlebnisse seines Volkes, Stammes, ja der ganzen Menschheit -durch den Betrieb der Geschichte zu verschaffen. Der Mensch ist ein -historisches Wesen. Die Tiere leben unhistorisch; sie folgen den -Trieben, die in dem einzelnen Augenblicke in ihnen wirken. Der Mensch -läßt sich durch seine Vergangenheit bestimmen. Wenn er irgend etwas -unternehmen will, frägt er sich: welche Erfahrungen habe ich oder ein -anderer mit einem ähnlichen Unternehmen schon gemacht? Der Antrieb zu -einer Handlung kann durch die Erinnerung an ein Erlebnis vollständig -abgetötet werden. Für Nietzsche entsteht aus der Beobachtung dieser -Thatsache die Frage: inwiefern wirkt das Erinnerungsvermögen des -Menschen auf sein Leben fördernd, und inwiefern wirkt es nachteilig -ein? Die Erinnerung, die auch Dinge zu umfassen sucht, die der Mensch -nicht selbst erlebt hat, lebt als historischer Sinn, als Studium des -Vergangenen in dem Menschen. Nietzsche fragt: inwiefern wirkt der -historische Sinn lebenfördernd? Die Antwort auf diese Frage sucht er -zu geben in seiner zweiten "Unzeitgemäßen Betrachtung": "Vom Nutzen -und Nachteil der Historie für das Leben" (1843). Die Veranlassung zu -dieser Schrift war Nietzsches Wahrnehmung, daß der historische Sinn bei -seinen Zeitgenossen, namentlich bei den Gelehrten unter denselben, ein -hervorstechendes Charaktermerkmal geworden war. Die Vertiefung in die -Vergangenheit fand Nietzsche überall gepriesen. Nur durch Erkenntnis -der Vergangenheit soll der Mensch imstande sein, zu unterscheiden, -was ihm möglich, was ihm unmöglich ist: dieses Glaubensbekenntnis -drang ihm in die Ohren. Nur wer weiß, wie sich ein Volk entwickelt -hat, kann ermessen, was für seine Zukunft förderlich ist: diesen Ruf -hörte Nietzsche. Ja selbst die Philosophen wollten nicht mehr Neues -erdenken, sondern lieber die Gedanken ihrer Vorfahren studieren. Dieser -historische Sinn wirkt lähmend auf das gegenwärtige Schaffen. Wer bei -jedem Impuls, der sich in ihm regt, erst zu bestimmen sucht, wozu ein -ähnlicher Impuls in der Vergangenheit geführt hat, in dem erschlaffen -die Kräfte, bevor sie gewirkt haben. "Denkt euch das äußerste Beispiel, -einen Menschen, der die Kraft zu vergessen gar nicht besäße, der -verurteilt wäre, überall ein Werden zu sehen: ein solcher glaubt nicht -mehr an sein eigenes Sein, glaubt nicht mehr an sich, sieht alles in -bewegte Punkte auseinander fließen und verliert sich in diesem Strome -des Werdens. ... Zu allem Handeln gehört Vergessen, wie zum Leben alles -Organischen nicht nur Licht, sondern auch Dunkel gehört. Ein Mensch, -der durch und durch nur historisch empfinden wollte, wäre dem ähnlich, -der sich des Schlafens zu enthalten gezwungen wäre, oder dem Tiere, -das nur vom Wiederkäuen und immer wiederholtem Wiederkäuen fortleben -sollte" (Historie § 1). Nietzsche ist der Meinung, daß der Mensch nur -so viel Geschichte vertragen kann, als dem Maße seiner schöpferischen -Kräfte entspricht. Die starke Persönlichkeit führt ihre Intentionen -aus, trotzdem sie sich an die Erlebnisse der Vergangenheit erinnert, -ja sie wird vielleicht gerade durch die Erinnerung an diese Erlebnisse -eine Stärkung ihrer Kraft erfahren. Die Kräfte des schwachen Menschen -aber werden durch den historischen Sinn ausgelöscht. Um den Grad -zu bestimmen und durch ihn dann die Grenze, "an der das Vergangene -vergessen werden muß, wenn es nicht zum Totengräber des Gegenwärtigen -werden soll, müßte man genau wissen, wie groß die plastische Kraft -eines Menschen, eines Volkes, einer Kultur ist, ich meine jene Kraft, -aus sich heraus eigenartig zu wachsen, Vergangenes und Fremdes -umzubilden und einzuverleiben" (Historie § 1). - -Nietzsche ist der Ansicht, daß das Historische nur insofern -gepflegt werden soll, als es für die Gesundheit eines Einzelnen, -eines Volkes oder einer Kultur nötig ist. Worauf es ihm ankommt, -ist: "besser lernen, Historie zum Zwecke des Lebens zu treiben" -(Historie § 1). Er spricht dem Menschen das Recht zu, die Geschichte -so zu treiben, daß sie möglichst zur Förderung der Antriebe einer -bestimmten Gegenwart wirkt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist er -ein Gegner jener Geschichtsbetrachtung, die nur in der "historischen -Objektivität" ihr Heil sucht, die nur sehen und erzählen will, wie es -in der Vergangenheit "thatsächlich" zugegangen ist, die nur die "reine, -folgenlose" Erkenntnis oder deutlicher "die Wahrheit, bei der nichts -herauskommt", sucht (Historie § 6). Eine solche Betrachtung kann nur -aus einer schwachen Persönlichkeit entspringen, deren Empfindungen -nicht flut- und ebbeartig auf- und abwogen, wenn sie den Strom der -Ereignisse an sich vorübergehen sieht. Eine solche Persönlichkeit -"ist zum nachtönenden Passivum geworden, das durch sein Ertönen -wieder auf andere derartige Passiva wirkt: bis endlich die ganze -Luft einer Zeit von solchen durcheinander schwirrenden zarten und -verwandten Nachklängen erfüllt ist." (Historie § 6.) Daß aber eine -solche schwache Persönlichkeit wirklich die Kräfte nachempfinden -kann, die in den Menschen der Vergangenheit gewaltet haben, glaubt -Nietzsche nicht: "Doch scheint es mir, daß man gleichsam nur die -Obertöne jedes originalen und geschichtlichen Haupttons vernimmt: -das Derbe und Mächtige des Originals ist aus dem sphärisch-dünnen -und spitzen Saitenklange nicht mehr zu erraten. Dafür weckte der -Originalton meistens Thaten, Nöte, Schrecken, dieser lullt uns -ein und macht uns zu weichlichen Genießern; es ist, als ob man die -heroische Symphonie für zwei Flöten eingerichtet und zum Gebrauch -von träumenden Opiumrauchern bestimmt habe." (Historie § 6.) Nur der -kann die Vergangenheit wirklich verstehen, der auch in der Gegenwart -machtvoll lebt, der kräftige Instinkte hat, durch die er die Instinkte -der Vorfahren erraten und erschließen kann. Dieser kümmert sich -weniger um das Thatsächliche, als um das, was aus den Thatsachen -sich erraten läßt. "Es wäre eine Geschichtsschreibung zu denken, die -keinen Tropfen der gemeinen empirischen Wahrheit in sich hat und doch -im höchsten Grade auf das Prädikat der Objektivität Anspruch machen -dürfte." (Historie § 6.) Der Meister einer solchen Geschichtsschreibung -wäre der, der überall in den historischen Personen und Ereignissen -das aufsuchte, was hinter dem bloß Thatsächlichen steckt. Dazu muß -er aber ein mächtiges Eigenleben führen, denn Instinkte und Triebe -kann man unmittelbar nur an der eigenen Person beobachten. "Nur aus -der höchsten Kraft der Gegenwart dürft ihr das Vergangene deuten: nur -in der stärksten Anspannung eurer edelsten Eigenschaften werdet ihr -erraten, was in dem Vergangenen wissens- und bewahrenswürdig und groß -ist. Gleiches durch Gleiches! Sonst zieht ihr das Vergangene zu euch -nieder." "Alle Geschichte schreibt der Erfahrene und Überlegene. Wer -nicht einiges größer und höher erlebt hat als alle, wird auch nichts -Großes und Hohes aus der Vergangenheit zu deuten wissen." (Historie -§ 6.) - -Dem Überhandnehmen des historischen Sinnes in der Gegenwart gegenüber -macht Nietzsche geltend, "daß der Mensch vor allem zu leben lerne, und -nur im Dienste des erlernten Lebens die Historie gebrauche". (Historie -§ 10.) Er will vor allen Dingen eine "Gesundheitslehre des Lebens", -und die Historie soll nur insoweit getrieben werden, als sie einer -solchen Gesundheitslehre förderlich ist. - -Was ist an der Geschichtsbetrachtung lebenfördernd? Diese Frage stellt -Nietzsche in seiner "Historie", und er steht damit bereits auf dem -Boden, den er in dem S. 9 f. angeführten Satz aus "Jenseits von Gut -und Böse" bezeichnet. - - - - -39. - -In besonders starkem Grade wirkt der gesunden Entwickelung der -Eigenpersönlichkeit jene Gesinnung entgegen, die in dem bürgerlichen -Philister zur Erscheinung kommt. Ein Philister ist der Gegensatz zu -einem Menschen, der in dem freien Ausleben seiner Anlagen Befriedigung -findet. Der Philister will dieses Ausleben nur insoweit gelten -lassen, als es einem gewissen Durchschnittsmaß der menschlichen -Begabung entspricht. So lange der Philister innerhalb seiner Grenzen -bleibt, ist gegen ihn nichts einzuwenden. Wer ein Durchschnittsmensch -bleiben will, der hat das mit sich abzumachen. Nietzsche fand unter -seinen Zeitgenossen solche, die ihre philisterhafte Gesinnung -zur Normalgesinnung für alle Menschen machen wollten, die ihre -Philisterhaftigkeit als das einzige, wahre Menschentum ansahen. Zu -ihnen rechnet er Dav. Friedr. Strauß, den Ästhetiker Friedr. Theodor -Vischer u. A. Vischer, glaubt er, habe das Philisterbekenntnis -unumwunden abgelegt in einer Rede, die er zum Andenken Hölderlins -gehalten hat. Er sieht es in den Worten: "Er (Hölderlin) war -eine der unbewaffneten Seelen, er war der Werther Griechenlands, -ein hoffnungslos Verliebter; es war ein Leben voll Weichheit und -Sehnsucht, aber auch Kraft und Inhalt war in seinem Leben, Fülle und -Leben in seinem Stil, der da und dort sogar an Aeschylus gemahnt. Nur -hatte sein Geist zu wenig vom Harten; es fehlte ihm als Waffe der -Humor; er konnte es nicht ertragen, daß man noch kein Barbar ist, -wenn man ein Philister ist." (David Strauß § 2.) Der Philister will -hervorragenden Menschen nicht geradezu die Existenzberechtigung -absprechen; aber er meint: sie gehen an der Wirklichkeit zu Grunde, -wenn sie sich nicht abzufinden wissen mit den Einrichtungen, die -der Durchschnittsmensch seinen Bedürfnissen entsprechend geschaffen -hat. Diese Einrichtungen seien einmal das Einzige, was wirklich, -was vernünftig ist, und in sie müsse sich auch der große Mensch -fügen. Aus dieser Philistergesinnung heraus hat David Strauß sein Buch -"Der alte und der neue Glaube" geschrieben. Gegen dieses Buch oder -vielmehr gegen die in ihm zum Ausdruck gekommene Gesinnung wendet -sich die erste der Nietzscheschen "Unzeitgemäßen Betrachtungen": -"David Strauß, der Bekenner und Schriftsteller" (1873). Der Eindruck -der neueren naturwissenschaftlichen Errungenschaften auf den Philister -ist ein solcher, daß er sagt: "Der christliche Ausblick auf ein -unsterbliches, himmlisches Leben ist, samt den andern Tröstungen -der christlichen Religion, unrettbar dahingefallen." (David Strauß § -4.) Er will sich das Leben auf der Erde gemäß den Vorstellungen der -Naturwissenschaft behaglich, d. h. so behaglich, wie es dem Philister -entspricht, einrichten. Nun zeigt der Philister, wie man glücklich -und zufrieden sein kann, trotzdem man weiß, daß kein höherer Geist -über den Sternen waltet, sondern die starren, gefühllosen Kräfte der -Natur über alles Weltgeschehen herrschen. "Wir haben während der -letzten Jahre lebendigen Anteil genommen an dem großen nationalen -Krieg und der Aufrichtung des deutschen Staates, und wir finden uns -durch diese so unerwartete als herrliche Wendung der Geschicke unserer -vielgeprüften Nation im Innersten erhoben. Dem Verständnis dieser -Dinge helfen wir durch geschichtliche Studien nach, die jetzt mittelst -einer Reihe anziehend und volkstümlich geschriebener Geschichtswerke -auch dem Nichtgelehrten leicht gemacht sind; dabei suchen wir unsere -Naturerkenntnisse zu erweitern, wozu es an gemeinverständlichen -Hülfsmitteln gleichfalls nicht fehlt; und endlich finden wir in -den Schriften unserer großen Dichter, bei den Aufführungen der -Werke unserer großen Musiker eine Anregung für Geist und Gemüt, für -Phantasie und Humor, die nichts zu wünschen übrig läßt. So leben wir, -so wandeln wir beglückt." (Strauß, Der alte und neue Glaube § 88.) - -Es ist das Evangelium des trivialsten Lebensgenusses, das aus diesen -Worten spricht. Alles, was über das Triviale hinausgeht, nennt der -Philister ungesund. Strauß sagt von der "Neunten Symphonie" Beethovens, -daß diese nur bei denen beliebt sei, welchen "das Barocke als das -Geniale, das Formlose als das Erhabene gilt" (Der alte und neue -Glaube § 109); von Schopenhauer weiß der Messias des Philistertums -zu verkünden, daß man an eine so "ungesunde und unersprießliche" -Philosophie wie die Schopenhauersche keine Gründe, sondern höchstens -nur Worte und Scherze verschwenden dürfe. (David Strauß § 6.) Gesund -nennt der Philister nur das, was der Durchschnittsbildung entspricht. - -Als sittliches Urgebot stellt Strauß den Satz auf: "Alles sittliche -Handeln ist ein Sichbestimmen des Einzelnen, nach der Idee der -Gattung." (Der alte und neue Glaube § 74.) Nietzsche erwidert -darauf: "Ins Deutliche und Greifbare übertragen heißt das nur: -lebe als Mensch und nicht als Affe oder Seehund. Dieser Imperativ -ist leider nur durchaus unbrauchbar und kraftlos, weil unter dem -Begriff Mensch das Mannigfaltigste zusammen im Joche geht, z. B. der -Patagonier und der Magister Strauß, und weil niemand wagen wird, -mit gleichem Rechte zu sagen: lebe als Patagonier! und: lebe als -Magister Strauß!" (Dav. Strauß § 7.) - -Es ist ein Ideal, und zwar ein Ideal jämmerlichster Art, das Strauß -den Menschen vorsetzen will. Und Nietzsche protestiert dagegen; er -protestiert, weil in ihm ein lebhafter Instinkt ruft: lebe nicht, -wie der Magister Strauß, sondern lebe, wie es dir angemessen ist! - - - - -40. - -Erst in der Schrift: "Menschliches, Allzumenschliches" (1878) erscheint -Nietzsche frei von dem Einflusse der Schopenhauerschen Denkweise. Er -hat es aufgegeben, übernatürliche Ursachen für die natürlichen -Ereignisse zu suchen; er strebt nach natürlichen Erklärungsgründen. Er -sieht jetzt alles Menschenleben als eine Art natürlichen Geschehens an; -in dem Menschen sieht er das höchste Naturprodukt. Man lebt "zuletzt -unter den Menschen und mit sich wie in der Natur, ohne Lob, Vorwürfe, -Ereiferung, an vielem sich wie an einem Schauspiel weidend, vor dem -man sich bisher nur zu fürchten hatte. Man wäre die Emphasis los und -würde die Anstachelung des Gedankens, daß man nicht nur Natur oder mehr -als Natur sei, nicht weiter empfinden ..... es muß ein Mensch, von dem -in solchem Maße die gewöhnlichen Fesseln des Lebens abgefallen sind, -daß er nur deshalb weiter lebt, um immer besser zu erkennen, auf alles, -ja fast auf alles, was bei den anderen Menschen Wert hat, ohne Neid und -Verdruß verzichten können; ihm muß als der wünschenswerteste Zustand -jenes freie, furchtlose Schweben über Menschen, Sitten, Gesetzen und -den herkömmlichen Schätzungen der Dinge genügen." (Menschliches I. § -84.) Nietzsche hat bereits allen Glauben an Ideale aufgegeben; er sieht -in den menschlichen Handlungen nur noch Folgen natürlicher Ursachen, -und in dem Erkennen dieser Ursachen findet er seine Befriedigung. Er -findet, daß man eine unrichtige Vorstellung von den Dingen bekommt, -wenn man bloß das an ihnen sieht, was von dem Lichte der idealistischen -Erkenntnis beleuchtet wird. Es entgeht einem dann das, was von den -Dingen im Schatten liegt. Nietzsche will jetzt nicht nur die Sonnen-, -sondern auch die Schattenseite der Dinge kennen lernen. Aus diesem -Streben ging die Schrift: "Der Wanderer und sein Schatten" hervor -(1879). Er will in diesem Buche die Erscheinungen des Lebens von allen -Seiten erfassen. Er ist "Wirklichkeitsphilosoph" im besten Sinne des -Wortes geworden. - -In der "Morgenröte" (1881) schildert er den moralischen Prozeß in der -Menschheitsentwickelung als einen Naturvorgang. Schon in dieser Schrift -zeigt er, daß es keine überirdische sittliche Weltordnung, keine -ewigen Gesetze des Guten und Bösen giebt, und daß alle Sittlichkeit -entsprungen ist aus den in den Menschen waltenden natürlichen Trieben -und Instinkten. Nun war die Bahn frei gemacht für den originellen -Wandergang Nietzsches. Wenn keine außermenschliche Macht dem Menschen -eine bindende Verpflichtung auferlegen kann, dann ist er berechtigt, -das eigene Schaffen frei walten zu lassen. Diese Erkenntnis ist das -Leitmotiv der "fröhlichen Wissenschaft" (1882). Keine Fessel ist nun -dieser "freien" Erkenntnis Nietzsches mehr angelegt. Er fühlt sich -berufen, neue Werte zu schaffen, nachdem er den Ursprung der alten -erkannt und gefunden hat, daß sie nur menschliche, keine göttlichen -Werte sind. Er wagt es jetzt, das zu verwerfen, was seinen Instinkten -widerspricht, und anderes an die Stelle zu setzen, was seinen -Trieben gemäß ist: "Wir Neuen, Namenlosen, Schlechtverständlichen, -wir Frühgeburten einer noch unbewiesenen Zukunft -- wir bedürfen zu -einem neuen Zwecke auch eines neuen Mittels, nämlich einer neuen -Gesundheit, einer stärkeren, gewitzteren, zäheren, verwegeneren, -lästigeren, als alle Gesundheiten bisher waren. Wessen Seele darnach -dürstet, den ganzen Umfang der bisherigen Werte und Wünschbarkeiten -erlebt und alle Künste dieses idealischen "Mittelmeeres" umschifft zu -haben, wer aus den Abenteuern der eigensten Erfahrungen wissen will, -wie es einem Eroberer und Entdecker des Ideals zu Mute ist ... der -hat zu allererst Eins nötig, die große Gesundheit .... Und nun, -nachdem wir lange dergestalt unterwegs waren, wir Argonauten des -Ideals, mutiger vielleicht, als klug ist ... will es uns scheinen, -als ob wir, zum Lohn dafür, ein noch unentdecktes Land vor uns haben -.... Wie könnten wir uns, nach solchen Ausblicken und mit einem -solchen Heißhunger in Gewissen und Wissen, noch am gegenwärtigen -Menschen genügen lassen!" (Fröhliche Wissenschaft § 382.) - - - - -41. - -Aus der in den vorstehenden Sätzen charakterisierten Stimmung heraus -erwuchs Nietzsche das Bild seines Übermenschen. Es ist das Gegenbild -des Gegenwartsmenschen; es ist vor allem das Gegenbild des Christen. Im -Christentum ist der Widerspruch gegen die Pflege des starken Lebens -Religion geworden. (Antichrist § 5.) Der Stifter dieser Religion -lehrte: daß vor Gott das verächtlich ist, was vor den Menschen -Wert hat. In dem "Gottesreich" will der Christ alles verwirklicht -finden, was ihm auf Erden mangelhaft erscheint. Das Christentum ist -die Religion, die dem Menschen alle Sorge für das irdische Leben -benehmen will; es ist die Religion der Schwachen, die sich gerne als -Gebot vorsetzen lassen: "Widerstrebe nicht dem Bösen und dulde alles -Ungemach", weil sie nicht stark genug sind zum Widerstande. Der Christ -hat keinen Sinn für die vornehme Persönlichkeit, die aus ihrer eigenen -Wirklichkeit ihre Kraft schöpfen will. Er glaubt, der Blick für das -Menschenreich verderbe die Sehkraft für das Gottesreich. Auch die -vorgeschritteneren Christen, die nicht mehr glauben, daß sie am Ende -der Tage in ihrer leibhaftigen Gestalt wieder auferstehen werden, um -entweder in das Paradies aufgenommen oder in die Hölle verstoßen zu -werden, träumen von "göttlicher Vorsehung", von einer "übersinnlichen" -Ordnung der Dinge. Auch sie sind der Ansicht, daß sich der Mensch -über seine bloß irdischen Ziele erheben und in ein ideales Reich -einfügen müsse. Sie glauben, daß das Leben einen rein geistigen -Hintergrund habe, und daß es erst dadurch einen Wert erhalte. Nicht -die Instinkte für Gesundheit, Schönheit, Wachstum, Wohlgeratenheit, -Dauer, für Häufung von Kräften will das Christentum pflegen, sondern -den Haß gegen den Geist, gegen Stolz, Mut, Vornehmheit, gegen das -Selbstvertrauen und die Freiheit des Geistes, den Haß gegen die Freuden -der sinnlichen Welt, gegen die Freude und Heiterkeit der Wirklichkeit, -in der der Mensch lebt. (Antichrist § 21.) Das Christentum bezeichnet -das Natürliche geradezu als "verwerflich". Im christlichen Gotte -ist ein jenseitiges Wesen, d. h. ein Nichts vergöttlicht, es ist -der Wille zum Nichts heilig gesprochen. (Antichrist § 18.) Deshalb -bekämpft Nietzsche im ersten Buche seiner "Umwertung aller Werte" -das Christentum. Und er wollte im zweiten und dritten Buche auch -die Philosophie und Moral der Schwachen bekämpfen, die sich nur in -der Rolle von Abhängigen wohlgefallen. Weil der Typus des Menschen, -den Nietzsche gezüchtet sehen will, das diesseitige Leben nicht -gering schätzt, sondern dieses Leben mit Liebe umfaßt und es zu hoch -stellt, um glauben zu können, daß es nur einmal gelebt werden solle, -deshalb ist er nach "der Ewigkeit brünstig" (Zarathustra, 3. Teil, -die sieben Siegel) und möchte, daß dieses Leben unendlich oft gelebt -werden könne. Nietzsche läßt seinen "Zarathustra" den "Lehrer der -ewigen Wiederkunft" sein. "Siehe, wir wissen ....., daß alle Dinge ewig -wiederkehren und wir selber mit, und daß wir schon ewige Male dagewesen -sind, und alle Dinge mit uns." (Zarath. 3. Teil, der Genesende.) Eine -bestimmte Meinung darüber zu haben, welche Vorstellung Nietzsche mit -dem Worte "ewige Wiederkunft" verknüpfte, scheint mir gegenwärtig -nicht möglich zu sein. Man wird darüber erst Genaueres sagen können, -wenn die Aufzeichnungen Nietzsches zu den unvollendeten Teilen seines -"Willens zur Macht" in der zweiten Abteilung der Gesamtausgabe seiner -Werke vorliegen werden. - - - - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Friedrich Nietzsche, by Rudolf Steiner - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRIEDRICH NIETZSCHE *** - -***** This file should be named 53592-0.txt or 53592-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/3/5/9/53592/ - -Produced by Jeroen Hellingman and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net/ for Project -Gutenberg (This book was produced from scanned images of -public domain material from the Google Books project.) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook -for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, -performances and research. They may be modified and printed and given -away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks -not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country outside the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you'll have to check the laws of the country where you - are located before using this ebook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase "Project -Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format -other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg-tm web site -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain -Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works -provided that - -* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation." - -* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm - works. - -* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - -* You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The -Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm -trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/53592-0.zip b/old/53592-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 0ebb9e0..0000000 --- a/old/53592-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/53592-h.zip b/old/53592-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 7c7f28e..0000000 --- a/old/53592-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/53592-h/53592-h.htm b/old/53592-h/53592-h.htm deleted file mode 100644 index c9ee0ea..0000000 --- a/old/53592-h/53592-h.htm +++ /dev/null @@ -1,4983 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 4.01 Transitional//EN" -"http://www.w3.org/TR/html4/loose.dtd"> -<html lang="de"> -<head> -<meta http-equiv="content-type" content="text/html; charset=utf-8"> -<title>Friedrich Nietzsche: Ein Kämpfer gegen seine Zeit.</title> - -<style type="text/css"> - -body { -font-family: "Times New Roman", Times, serif; -font-size: 100%; -line-height: 1.2em; -text-align: left; -} -.div0 { -padding-top: 5.6em; -} -.div1 { -padding-top: 4.8em; -} -.div2 { -padding-top: 3.6em; -} -.div3, .div4, .div5 { -padding-top: 2.4em; -} -h1, h2, h3, h4, h5, h6, .h1, .h2, .h3, .h4 { -clear: both; -font-style: normal; -text-transform: none; -} -h3, .h3 { -font-size: 1.2em; -line-height: 1.2em; -} -h3.label { -font-size: 1em; -line-height: 1.2em; -margin-bottom: 0; -} -h4, .h4 { -font-size: 1em; -line-height: 1.2em; -} -.alignleft { -text-align: left; -} -.alignright { -text-align: right; -} -.alignblock { -text-align: justify; -} -p.tb, hr.tb, .par.tb { -margin-top: 1.6em; -margin-bottom: 1.6em; -margin-left: auto; -margin-right: auto; -text-align: center; -} -p.argument, p.note, p.tocArgument, .par.argument, .par.note, .par.tocArgument -{ -font-size: 0.9em; -line-height: 1.2em; -text-indent: 0; -} -p.argument, p.tocArgument, .par.argument, .par.tocArgument { -margin: 1.58em 10%; -} -.opener, .address { -margin-top: 1.6em; -margin-bottom: 1.6em; -} -.addrline { -margin-top: 0; -margin-bottom: 0; -} -.dateline { -margin-top: 1.6em; -margin-bottom: 1.6em; -text-align: right; -} -.salute { -margin-top: 1.6em; -margin-left: 3.58em; -text-indent: -2em; -} -.signed { -margin-top: 1.6em; -margin-left: 3.58em; -text-indent: -2em; -} -.epigraph { -font-size: 0.9em; -line-height: 1.2em; -width: 60%; -margin-left: auto; -} -.epigraph span.bibl { -display: block; -text-align: right; -} -.trailer { -clear: both; -padding-top: 2.4em; -padding-bottom: 1.6em; -} -span.parnum { -font-weight: bold; -} -.pagenum { -display: inline; -font-size: 70%; -font-style: normal; -margin: 0; -padding: 0; -position: absolute; -right: 1%; -text-align: right; -} -span.corr, span.gap { -border-bottom: 1px dotted red; -} -span.abbr { -border-bottom: 1px dotted gray; -} -span.measure { -border-bottom: 1px dotted green; -} -.ex { -letter-spacing: 0.2em; -} -.sc { -font-variant: small-caps; -} -.uc { -text-transform: uppercase; -} -.tt { -font-family: monospace; -} -.underline { -text-decoration: underline; -} -.overline, .overtilde { -text-decoration: overline; -} -.rm { -font-style: normal; -} -.red { -color: red; -} -hr { -clear: both; -height: 1px; -margin-left: auto; -margin-right: auto; -margin-top: 1em; -text-align: center; -width: 45%; -} -.aligncenter { -text-align: center; -} -h1, h2 { -font-size: 1.44em; -line-height: 1.5em; -} -h1.label, h2.label { -font-size: 1.2em; -line-height: 1.2em; -margin-bottom: 0; -} -h5, h6 { -font-size: 1em; -font-style: italic; -line-height: 1em; -} -p, .par { -text-indent: 0; -} -p.firstlinecaps:first-line, .par.firstlinecaps:first-line { -text-transform: uppercase; -} -.hangq { -text-indent: -0.32em; -} -.hangqq { -text-indent: -0.40em; -} -.hangqqq { -text-indent: -0.71em; -} -p.dropcap:first-letter, .par.dropcap:first-letter { -float: left; -clear: left; -margin: 0em 0.05em 0 0; -padding: 0px; -line-height: 0.8em; -font-size: 420%; -vertical-align: super; -} -p.quote, div.blockquote, div.argument, .par.quote { -font-size: 0.9em; -line-height: 1.2em; -margin: 1.58em 5%; -} -.pagenum a, a.noteref:hover, a.hidden:hover, a.hidden { -text-decoration: none; -} -ul { -list-style-type: none; -} -.advertisment { -background-color: #FFFEE0; -border: black 1px dotted; -color: #000; -margin: 2em 5%; -padding: 1em; -} -.itemGroupTable { -border-collapse: collapse; -margin-left: 0; -} -.itemGroupTable td { -padding: 0; -margin: 0; -vertical-align: middle; -} -.itemGroupBrace { -padding: 0 0.5em !important; -} -.footnotes .body, .footnotes .div1 { -padding: 0; -} -.fnarrow { -color: #AAAAAA; -font-weight: bold; -text-decoration: none; -} -a.noteref, a.pseudonoteref { -font-size: 80%; -text-decoration: none; -vertical-align: 0.25em; -} -.displayfootnote { -display: none; -} -div.footnotes { -font-size: 80%; -margin-top: 1em; -padding: 0; -} -hr.fnsep { -margin-left: 0; -margin-right: 0; -text-align: left; -width: 25%; -} -p.footnote, .par.footnote { -margin-bottom: 0.5em; -margin-top: 0.5em; -} -p.footnote .label, .par.footnote .label { -float: left; -width: 2em; -height: 12pt; -display: block; -} -.marginnote { -font-size: 0.8em; -height: 0; -left: 1%; -line-height: 1.2em; -position: absolute; -text-indent: 0; -width: 14%; -} -.apparatusnote { -text-decoration: none; -} -span.tocPageNum, span.flushright { -position: absolute; -right: 16%; -top: auto; -} -table.tocList { -width: 100%; -margin-left: auto; -margin-right: auto; -border-width: 0; -border-collapse: collapse; -} -td.tocPageNum, td.tocDivNum { -text-align: right; -min-width: 10%; -border-width: 0; -} -td.tocDivNum { -padding-left: 0; -padding-right: 0.5em; -} -td.tocPageNum { -padding-left: 0.5em; -padding-right: 0; -} -td.tocDivTitle { -width: auto; -} -p.tocPart, .par.tocPart { -margin: 1.58em 0%; -font-variant: small-caps; -} -p.tocChapter, .par.tocChapter { -margin: 1.58em 0%; -} -p.tocSection, .par.tocSection { -margin: 0.7em 5%; -} -table.tocList td { -vertical-align: top; -} -table.tocList td.tocPageNum { -vertical-align: bottom; -} -table.inner { -display: inline-table; -border-collapse: collapse; -width: 100%; -} -td.itemNum { -text-align: right; -min-width: 5%; -padding-right: 0.8em; -} -td.innerContainer { -padding: 0; -margin: 0; -} -.index { -font-size: 80%; -} -.indextoc { -text-align: center; -} -.transcribernote { -background-color: #DDE; -border: black 1px dotted; -color: #000; -font-family: sans-serif; -font-size: 80%; -margin: 2em 5%; -padding: 1em; -} -.correctiontable { -width: 75%; -} -.width20 { -width: 20%; -} -.width40 { -width: 40%; -} -p.smallprint, li.smallprint, .par.smallprint { -color: #666666; -font-size: 80%; -} -.titlePage { -border: #DDDDDD 2px solid; -margin: 3em 0% 7em 0%; -padding: 5em 10% 6em 10%; -text-align: center; -} -.titlePage .docTitle { -line-height: 3.5em; -margin: 2em 0% 2em 0%; -font-weight: bold; -} -.titlePage .docTitle .mainTitle { -font-size: 1.8em; -} -.titlePage .docTitle .subTitle, .titlePage .docTitle .seriesTitle, -.titlePage .docTitle .volumeTitle { -font-size: 1.44em; -} -.titlePage .byline { -margin: 2em 0% 2em 0%; -font-size: 1.2em; -line-height: 1.72em; -} -.titlePage .byline .docAuthor { -font-size: 1.2em; -font-weight: bold; -} -.titlePage .figure { -margin: 2em 0% 2em 0%; -margin-left: auto; -margin-right: auto; -} -.titlePage .docImprint { -margin: 4em 0% 0em 0%; -font-size: 1.2em; -line-height: 1.72em; -} -.titlePage .docImprint .docDate { -font-size: 1.2em; -font-weight: bold; -} -div.figure { -text-align: center; -} -.figure { -margin-left: auto; -margin-right: auto; -} -.floatLeft { -float: left; -margin: 10px 10px 10px 0; -} -.floatRight { -float: right; -margin: 10px 0 10px 10px; -} -p.figureHead, .par.figureHead { -font-size: 100%; -text-align: center; -} -.figAnnotation { -font-size: 80%; -position: relative; -margin: 0 auto; -} -.figTopLeft, .figBottomLeft { -float: left; -} -.figTop, .figBottom { -} -.figTopRight, .figBottomRight { -float: right; -} -.figure p, .figure .par { -font-size: 80%; -margin-top: 0; -text-align: center; -} -img { -border-width: 0; -} -td.galleryFigure { -text-align: center; -vertical-align: middle; -} -td.galleryCaption { -text-align: center; -vertical-align: top; -} -.lgouter { -margin-left: auto; -margin-right: auto; -display: table; -} -.lg { -text-align: left; -padding: .5em 0% .5em 0%; -} -.lg h4, .lgouter h4 { -font-weight: normal; -} -.lg .lineNum, .sp .lineNum, .lgouter .lineNum { -color: #777; -font-size: 90%; -left: 16%; -margin: 0; -position: absolute; -text-align: center; -text-indent: 0; -top: auto; -width: 1.75em; -} -p.line, .par.line { -margin: 0 0% 0 0%; -} -span.hemistich { -color: white; -} -.versenum { -font-weight: bold; -} -.speaker { -font-weight: bold; -margin-bottom: 0.4em; -} -.sp .line { -margin: 0 10%; -text-align: left; -} -.castlist, .castitem { -list-style-type: none; -} -.castGroupTable { -border-collapse: collapse; -} -.castGroupTable td { -padding: 0; -margin: 0; -vertical-align: middle; -} -.castGroupBrace { -padding: 0 0.5em !important; -} -body { -padding: 1.58em 16%; -} -body { -background: #FFFFFF; -font-family: "Times New Roman", Times, serif; -} -body, a.hidden { -color: black; -} -h1, .h1 { -padding-bottom: 5em; -} -h1, h2, .h1, .h2 { -text-align: center; -font-variant: small-caps; -font-weight: normal; -} -p.byline { -text-align: center; -font-style: italic; -margin-bottom: 2em; -} -.figureHead, .noteref, .pseudonoteref, .marginnote, p.legend, .versenum -{ -color: #660000; -} -.rightnote, .pagenum, .linenum, .pagenum a { -color: #AAAAAA; -} -a.hidden:hover, a.noteref:hover { -color: red; -} -h1, h2, h3, h4, h5, h6 { -font-weight: normal; -} -table { -margin-left: auto; -margin-right: auto; -} -.tablecaption { -text-align: center; -}.pagenum, .linenum { -speak: none; -} -</style> - -<style type="text/css"> -/* CSS rules generated from @rend attributes in TEI file */ -.xd23e100width -{ -width:480px; -} -.xd23e106 -{ -text-align:center;font-size:x-large; -} -.xd23e108 -{ -text-align:center;font-size:large; -} -.xd23e113width -{ -width:481px; -} -.xd23e143 -{ -text-align:center; -} -.xd23e1842 -{ -text-align:right; -} -.xd23e2403 -{ -text-align:center;font-size:smaller; -} -.xd23e2472 -{ -text-align:center;font-size:xx-large; -} -</style> -</head> -<body> - - -<pre> - -The Project Gutenberg EBook of Friedrich Nietzsche, by Rudolf Steiner - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit - -Author: Rudolf Steiner - -Release Date: November 24, 2016 [EBook #53592] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRIEDRICH NIETZSCHE *** - - - - -Produced by Jeroen Hellingman and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net/ for Project -Gutenberg (This book was produced from scanned images of -public domain material from the Google Books project.) - - - - - - -</pre> - -<div class="front"> -<div class="div1 cover"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divBody"> -<p class="par first"></p> -<div class="figure xd23e100width"><img src="images/new-cover.jpg" alt="Neu gefasster Vorderdeckel." width="480" height="720"></div> -<p class="par"></p> -</div> -</div> -<div class="div1 frenchtitle"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divBody"> -<p class="par first xd23e106">FRIEDRICH NIETZSCHE</p> -<p class="par xd23e108">EIN KÄMPFER GEGEN SEINE ZEIT.</p> -</div> -</div> -<div class="div1 titlepage"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divBody"> -<p class="par first"></p> -<div class="figure xd23e113width"><img src="images/titlepage.png" alt="Originaltitelblatt." width="481" height="720"></div> -<p class="par"></p> -</div> -</div> -<div class="titlePage"> -<div class="docTitle"> -<div class="mainTitle">FRIEDRICH NIETZSCHE</div> -<div class="subTitle">EIN KÄMPFER GEGEN SEINE ZEIT.</div> -</div> -<div class="byline"><span class="sc">Von</span><br> -<span class="docAuthor"><span class="sc">Dr.</span> RUDOLF -STEINER.</span></div> -<div class="docImprint">WEIMAR.<br> -VERLAG VON EMIL FELBER.<br> -<span class="docDate">1895.</span></div> -</div> -<div class="div1 copyright"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divBody"> -<p class="par first xd23e143">Alle Rechte vorbehalten. <span class="pagenum">[<a id="xd23e145" href="#xd23e145" name="xd23e145">V</a>]</span></p> -</div> -</div> -<div id="toc" class="div1 contents"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h2 class="main">Inhalt.</h2> -<table class="tocList"> -<tr> -<td class="tocDivNum"></td> -<td class="tocDivTitle" colspan="7"></td> -<td class="tocPageNum">Seite</td> -</tr> -<tr> -<td class="tocDivNum"></td> -<td class="tocDivTitle" colspan="7"><a href="#vorrede" id="xd23e155" -name="xd23e155">Vorrede</a></td> -<td class="tocPageNum">VII</td> -</tr> -<tr> -<td class="tocDivNum">I.</td> -<td class="tocDivTitle" colspan="7"><a href="#ch1" id="xd23e164" name="xd23e164">Nietzsches Charakter</a></td> -<td class="tocPageNum">1</td> -</tr> -<tr> -<td class="tocDivNum">II.</td> -<td class="tocDivTitle" colspan="7"><a href="#ch2" id="xd23e173" name="xd23e173">Der Übermensch</a></td> -<td class="tocPageNum">29</td> -</tr> -<tr> -<td class="tocDivNum">III.</td> -<td class="tocDivTitle" colspan="7"><a href="#ch3" id="xd23e182" name="xd23e182">Nietzsches Entwickelungsgang</a></td> -<td class="tocPageNum">93</td> -</tr> -</table> -<p><span class="pagenum">[<a id="xd23e187" href="#xd23e187" name="xd23e187">VII</a>]</span></p> -</div> -</div> -<div id="vorrede" class="div1 preface"><span class="pagenum">[<a href="#xd23e155">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h2 class="main">Vorrede.</h2> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Als ich vor sechs Jahren die Werke <span class="ex">Friedrich Nietzsches</span> kennen lernte, waren in mir bereits -Ideen ausgebildet, die den seinigen ähnlich sind. Unabhängig -von ihm und auf anderen Wegen als er, bin ich zu Anschauungen gekommen, -die im Einklang stehen mit dem, was Nietzsche in seinen Schriften: -„Zarathustra“, „Jenseits von Gut und -Böse“, „Genealogie der Moral“ und -„Götzendämmerung“ ausgesprochen hat. Schon in -meinem 1886 erschienenen kleinen Buche „Erkenntnistheorie der -<span class="ex">Goetheschen Weltanschauung</span>“ kommt -dieselbe Gesinnung zum Ausdruck, wie in den genannten Werken -Nietzsches.</p> -<p class="par">Dies ist der Grund, warum ich mich gedrängt -fühlte, ein Bild von dem Vorstellungs- und Empfindungsleben -Nietzsches zu zeichnen. Ich glaube, daß ein solches Bild -Nietzsche am ähnlichsten dann wird, wenn man es seinen -erwähnten letzten Schriften gemäß schafft. So habe ich -es gethan. Die früheren Schriften Nietzsches zeigen uns ihn als -<span class="ex">Suchenden</span>. Er stellt sich uns in ihnen dar als -rastlos aufwärts Strebender. In <span class="pagenum">[<a id="xd23e204" href="#xd23e204" name="xd23e204">VIII</a>]</span>seinen -letzten Schriften sehen wir ihn auf dem Gipfel angelangt, der eine -seiner ureigenen Geistesart angemessene Höhe hat. In den meisten -der bis jetzt über Nietzsche erschienenen Schriften wird dessen -Entwickelung so dargestellt, als ob er in den verschiedenen Zeiten -seiner Schriftstellerlaufbahn voneinander mehr oder weniger abweichende -Meinungen gehabt hätte. Ich habe zu zeigen versucht, daß von -einem Meinungswechsel bei Nietzsche nicht die Rede sein kann, sondern -nur von einer Aufwärts-Bewegung, von der naturgemäßen -Entwickelung einer Persönlichkeit, die noch nicht die ihren -Anschauungen entsprechende Ausdrucksform gefunden hatte, als sie ihre -ersten Schriften schrieb.</p> -<p class="par">Das Endziel von Nietzsches Wirken ist die Zeichnung des -Typus „Übermensch“. Diesen Typus zu charakterisieren, -habe ich als eine der Hauptaufgaben meiner Schrift betrachtet. Mein -Bild des Übermenschen ist genau das Gegenteil des Zerrbildes -geworden, das in dem augenblicklich verbreitetsten Buche über -Nietzsche von Frau Lou <span class="ex">Andreas-Salomé</span> -entworfen ist. Man kann nichts dem Nietzscheschen Geiste mehr -Zuwiderlaufendes in die Welt setzen, als das mystische Ungetüm, -das Frau Salomé aus dem Übermenschen gemacht hat. Mein Buch -zeigt, daß in Nietzsches Ideen nirgends auch nur die geringste -Spur von Mystik anzutreffen ist. Auf die Widerlegung der Ansicht von -Frau Salomé, daß Nietzsches Gedanken in -„Menschliches, Allzumenschliches“ von den Ausführungen -<span class="ex">Paul Rées</span>, des Verfassers der -„Psychologischen Beobachtungen und des <a id="xd23e214" name="xd23e214"></a>Ursprungs der moralischen Empfindungen“ u. s. w., -beeinflußt <span class="pagenum">[<a id="xd23e216" href="#xd23e216" name="xd23e216">IX</a>]</span>seien, habe ich mich nicht -eingelassen. Ein so mittelmäßiger Kopf wie Paul Rée -konnte auf Nietzsche keinen bedeutenden Eindruck machen. Ich würde -diese Dinge auch hier nicht berühren, wenn nicht das Buch von Frau -Salomé so viel beigetragen hätte, geradezu -widerwärtige Ansichten über Nietzsche zu verbreiten. Fritz -<span class="ex">Koegel</span>, der ausgezeichnete Herausgeber von -Nietzsches Werken, hat im „Magazin für Litteratur“ -diesem Machwerke die gebührende Abfertigung angedeihen lassen.</p> -<p class="par">Ich kann diese kurze Vorrede nicht beschließen, -ohne Frau <span class="ex">Förster-Nietzsche</span>, der Schwester -Nietzsches, herzlichst zu danken für die vielen Freundlichkeiten, -die ich von ihr während der Zeit erfahren habe, in der meine -Schrift entstanden ist. Den im „Nietzsche-Archiv“ in -Naumburg verlebten Stunden verdanke ich die Stimmung, aus der heraus -die folgenden Gedanken geschrieben sind.</p> -<p class="par dateline"><span class="ex">Weimar</span>, April 1895.</p> -<p class="par signed">Rudolf Steiner. <span class="pagenum">[<a id="xd23e232" href="#xd23e232" name="xd23e232">XI</a>]</span></p> -</div> -</div> -<div class="div1 bibliography"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h2 class="main">Nietzsches Werke.</h2> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Ich führe hier zur Orientierung die bis jetzt -erschienenen und für meine Ausführungen in Betracht kommenden -Schriften Nietzsches an und füge zu jeder einzelnen die Jahreszahl -des Erscheinens der ersten Auflage hinzu.</p> -<p class="par"><b><a class="pglink xd23e43" title="Link zu Project Gutenberg Ebook" href="https://www.gutenberg.org/ebooks/7206">Die Geburt der -Tragödie</a>.</b> Oder: Griechentum und Pessimismus.</p> -<p class="par">Die 1. Aufl. erschien 1872.</p> -<p class="par">Eine neue Ausgabe mit vorgedrucktem „Versuch einer -Selbstkritik“ erschien 1886.</p> -<p class="par"><b>Unzeitgemäße Betrachtungen.</b></p> -<p class="par">Erstes Stück: David Strauß, der Bekenner und -Schriftsteller. 1. Aufl. 1873.</p> -<p class="par">Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachteil der Historie -für das Leben. 1. Aufl. 1874.</p> -<p class="par">Drittes Stück: Schopenhauer als Erzieher. 1. Aufl. -1874.</p> -<p class="par">Viertes Stück: Richard Wagner in Bayreuth. 1. Aufl. -1876.</p> -<p class="par"><b><a class="pglink xd23e43" title="Link zu Project Gutenberg Ebook" href="https://www.gutenberg.org/ebooks/7207">Menschliches, -Allzumenschliches</a>.</b> Ein Buch für freie Geister.</p> -<p class="par">1. Band. 1. Aufl. 1878.</p> -<p class="par">Eine neue Ausgabe mit einer einführenden Vorrede -erschien 1886.</p> -<p class="par"><b>Menschliches, Allzumenschliches.</b> Ein Buch -für freie Geister.</p> -<p class="par">2. Band. Die beiden Abteilungen dieses Buches: -„Vermischte Meinungen und Sprüche“ und „Der -Wanderer und sein Schatten“ erschienen zuerst jede als besonderes -Buch. Die erste 1879 unter dem Titel: „Menschliches, -Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Anhang: Vermischte -Meinungen und Sprüche“, die zweite 1880. Beide Abteilungen -wurden 1886 zu einem Bande vereinigt, der mit einer einführenden -Vorrede versehen wurde und der den Titel trug: „Menschliches, -Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Zweiter Band. Neue -Ausgabe mit einer einführenden Vorrede.“</p> -<p class="par"><b>Morgenröte.</b> Gedanken über die -moralischen Vorurteile.</p> -<p class="par">1. Aufl. 1881.</p> -<p class="par">Neue Ausgabe mit einer einführenden Vorrede 1887. -<span class="pagenum">[<a id="xd23e285" href="#xd23e285" name="xd23e285">XII</a>]</span></p> -<p class="par"><b>Die fröhliche Wissenschaft</b> („La gaya -scienza“). 1. Aufl. 1882.</p> -<p class="par">Neue Ausgabe mit einer Vorrede 1887.</p> -<p class="par"><b><a class="pglink xd23e43" title="Link zu Project Gutenberg Ebook" href="https://www.gutenberg.org/ebooks/7205">Also sprach -Zarathustra</a>.</b> Die Teile erschienen zuerst einzeln: 1. Teil 1883; -2. Teil 1883; 3. Teil 1884. Die erste Gesamtausgabe der drei Teile -erschien 1886. Der vierte Teil erschien 1885 in 40 Abzügen -bloß für Freunde und erst 1891 als 1. Aufl.</p> -<p class="par"><b><a class="pglink xd23e43" title="Link zu Project Gutenberg Ebook" href="https://www.gutenberg.org/ebooks/7204">Jenseits von Gut und -Böse</a>.</b> Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. 1. Aufl. -1886.</p> -<p class="par"><b>Zur Genealogie der Moral.</b> Eine Streitschrift. 1. -Aufl. 1887.</p> -<p class="par"><b>Der Fall Wagner.</b> Ein Musikanten-Problem. 1. Aufl. -1888.</p> -<p class="par"><b><a class="pglink xd23e43" title="Link zu Project Gutenberg Ebook" href="https://www.gutenberg.org/ebooks/7203">Götzendämmerung</a></b> -oder Wie man mit dem Hammer philosophiert. 1. Aufl. 1889.</p> -<p class="par"><b>Nietzsche contra Wagner.</b> Aktenstücke eines -Psychologen. Erschien 1895 in der Gesamtausgabe zum ersten Mal. 1888 -bereits einmal gedruckt, aber nicht ausgegeben.</p> -<p class="par"><b>Der Antichrist.</b> Versuch einer Kritik des -Christentums. Das erste Buch des unvollendeten Werkes Nietzsches -„Der Wille zur Macht“. In der Gesamtausgabe (1895) zum -erstenmal gedruckt.</p> -<p class="par"><b>Gedichte.</b> In der Gesamtausgabe 1895.</p> -<p class="par">Eine <span class="ex">Gesamtausgabe</span> von -Nietzsches Werken in 8 Bänden ist 1895 bei C. G. Naumann in -Leipzig erschienen. In derselben sind enthalten: Die Geburt der -Tragödie 4. Aufl.; Die „Unzeitgemäßen -Betrachtungen“ 3. Aufl.; „Menschliches, -Allzumenschliches“ 1. u. 2. Bd. 4. Aufl.; Morgenröte 2. -Aufl.; Fröhliche Wissenschaft 2. Aufl.; Zarathustra 4. Aufl.; -Jenseits von Gut und Böse 5. Aufl.; Genealogie der Moral 4. Aufl.; -Der Fall Wagner 3. Aufl.; Götzendämmerung 3. Aufl.; Nietzsche -contra Wagner; Antichrist; Gedichte.</p> -<p class="par">Die Veröffentlichung der noch ungedruckten Arbeiten -Nietzsches, sowie seiner Entwürfe zu Arbeiten, seiner Fragmente u. -s. w. steht bevor. <span class="pagenum">[<a id="pb1" href="#pb1" name="pb1">1</a>]</span></p> -</div> -</div> -</div> -<div class="body"> -<div id="ch1" class="div1 chapter"><span class="pagenum">[<a href="#xd23e164">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h2 class="label">I.</h2> -<h2 class="main">Der Charakter.</h2> -<p><span class="pagenum">[<a id="pb3" href="#pb3" name="pb3">3</a>]</span></p> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">1.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first"><span class="ex">Friedrich Nietzsche</span> -charakterisiert sich selbst als einsamen Grübler und -Rätselfreund, als <span class="ex">unzeitgemäße</span> -Persönlichkeit. Wer auf solchen eigenen Wegen geht, wie er, -„begegnet niemandem; das bringen die eigenen Wege mit sich. -Niemand kommt, ihm dabei zu helfen; mit allem, was ihm von Gefahr, -Zufall, Bosheit und schlechtem Wetter zustößt, muß er -allein fertig werden“, sagt er in der Vorrede zur zweiten Ausgabe -seiner „Morgenröte“. Aber reizvoll ist es, ihm in -seine Einsamkeit zu folgen. Die Worte, die er über sein -Verhältnis zu Schopenhauer ausgesprochen hat, möchte ich -über das meinige zu Nietzsche sagen: „Ich gehöre zu den -Lesern Nietzsches, welche, nachdem sie die erste Seite von ihm gelesen, -mit Bestimmtheit wissen, daß sie alle Seiten lesen und auf jedes -Wort hören werden, das er überhaupt gesagt hat. Mein -Vertrauen zu ihm war sofort da ..... Ich verstand ihn, als ob er -für mich geschrieben hätte, um mich verständlich, aber -unbescheiden und thöricht auszudrücken.“ Man kann so -sprechen und weit davon entfernt sein, sich als -„Gläubigen“ der Nietzscheschen Weltanschauung zu -bekennen. Weiter allerdings <span class="pagenum">[<a id="pb4" href="#pb4" name="pb4">4</a>]</span>nicht, als Nietzsche davon entfernt war, -sich solche „Gläubige“ zu wünschen. Legt er doch -seinem „Zarathustra“ die Worte in den Mund:</p> -<p class="par">„Ihr sagt, ihr glaubt an Zarathustra? Aber was -liegt an Zarathustra! Ihr seid meine Gläubigen: aber was liegt an -allen Gläubigen!</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e360" title="Nicht in der Quelle">„</span>Ihr hattet euch noch nicht gesucht: -da fandet ihr mich. So thun alle Gläubigen; darum ist es so wenig -mit allem Glauben.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e364" title="Nicht in der Quelle">„</span>Nun heiße ich euch, mich -verlieren und <span class="ex">euch</span> finden; und erst, wenn ihr -mich alle verleugnet habt, will ich euch wiederkehren.“</p> -<p class="par">Nietzsche ist kein Messias und Religionsstifter; er kann -deshalb sich wohl Freunde seiner Meinungen wünschen; Bekenner -seiner Lehren aber, die ihr eigenes Selbst aufgeben, um das seinige zu -finden, kann er nicht wollen.</p> -<p class="par">In Nietzsches Persönlichkeit finden sich Instinkte, -denen ganze Vorstellungskreise seiner Zeitgenossen zuwider sind. Von -den wichtigsten Kulturideen derjenigen, in deren Mitte er sich -entwickelt hat, wendet er sich ab mit einem instinktiven Widerwillen; -und zwar nicht so, wie man eine Behauptung ablehnt, in der man einen -logischen Widerspruch entdeckt hat, sondern wie man sich von einer -Farbe abwendet, die dem Auge Schmerz verursacht. Der Widerwille geht -von dem unmittelbaren Gefühl aus; die bewußte -Überlegung kommt zunächst gar nicht in Betracht. Was andere -Menschen empfinden, wenn ihnen die Gedanken: Schuld, -Gewissensbiß, Sünde, jenseitiges Leben, Ideal, Seligkeit, -Vaterland durch den Kopf gehen, wirkt auf Nietzsche unangenehm. Die -instinktive <span class="pagenum">[<a id="pb5" href="#pb5" name="pb5">5</a>]</span>Art der Abneigung gegen die genannten Vorstellungen -unterscheidet Nietzsche auch von den sogenannten -„Freigeistern“ der Gegenwart. Diese kennen alle -Verstandeseinwände gegen die „alten -Wahnvorstellungen“; aber wie selten findet sich einer, der von -sich sagen kann: seine <span class="ex">Instinkte</span> hängen -nicht mehr an ihnen! Gerade die Instinkte sind es, die den Freigeistern -der Gegenwart böse Streiche spielen. Das Denken nimmt einen von -den überlieferten Ideen unabhängigen Charakter an, aber die -Instinkte können sich diesem veränderten Charakter des -Verstandes nicht anpassen. Diese „freien Geister“ setzen -irgend einen Begriff der modernen Wissenschaft an die Stelle einer -älteren Vorstellung; aber sie sprechen so von ihm, daß man -erkennt: der Verstand geht einen andern Weg als die Instinkte. Der -Verstand sucht in dem <span class="ex">Stoffe</span>, in der -<span class="ex">Kraft</span>, in der <span class="ex">Naturgesetzlichkeit</span> den Urgrund der Erscheinungen; die -Instinkte aber verleiten dazu, diesen Wesen gegenüber dasselbe zu -empfinden, was andere ihrem persönlichen Gotte gegenüber -empfinden. Geister dieser Art wehren sich gegen den Vorwurf der -Gottesleugnung; aber sie thun es nicht deshalb, weil ihre -Weltauffassung sie auf etwas führt, was mit irgend einer -Gottesvorstellung übereinstimmt, sondern weil sie von ihren -Vorfahren die Eigenschaft ererbt haben, bei dem Worte -„Gottesleugner“ ein <span class="ex">instinktives</span> -Gruseln zu empfinden. Große Naturforscher betonen, daß sie -die Vorstellungen: Gott, Unsterblichkeit nicht verbannen, sondern nur -im Sinne der modernen Wissenschaft umgestalten wollen. Ihre Instinkte -sind eben hinter ihrem Verstande zurückgeblieben. <span class="pagenum">[<a id="pb6" href="#pb6" name="pb6">6</a>]</span></p> -<p class="par">Eine große Zahl dieser „freien -Geister“ vertritt die Ansicht, daß der Wille des Menschen -unfrei ist. Sie sagen: der Mensch <span class="ex">muß</span> in -einem bestimmten Falle so handeln, wie es sein Charakter und die auf -ihn einwirkenden Verhältnisse bedingen. Man halte aber Umschau bei -diesen Gegnern der Ansicht vom „freien Willen“, und man -wird finden, daß sich die Instinkte dieser -„Freigeister“ von dem Vollbringer einer -„bösen“ That geradeso mit Abscheu abwenden, wie es die -Instinkte der anderen thun, die der Meinung sind: der „freie -Wille“ könne sich nach Belieben dem Guten oder dem -Bösen zuwenden.</p> -<p class="par">Der Widerspruch zwischen Verstand und Instinkt ist das -Merkmal unserer „modernen Geister“. Auch in den freiesten -Denkern der Gegenwart leben noch die von der christlichen Orthodoxie -gepflanzten Instinkte. Genau die entgegengesetzten sind in Nietzsches -Natur wirksam. Er braucht nicht erst darüber nachzudenken, ob es -Gründe gegen die Annahme eines persönlichen Weltenlenkers -giebt. Sein Instinkt ist zu stolz, um sich vor einem solchen zu beugen; -deshalb lehnt er eine derartige Vorstellung ab. Er spricht mit seinem -Zarathustra: „Aber daß ich euch ganz mein Herz offenbare, -ihr Freunde: <span class="ex">wenn</span> es Götter gäbe, wie -hielte ich’s aus, kein Gott zu sein! <span class="ex">Also</span> -giebt es keine Götter.“ Sich selbst oder einen andern wegen -einer begangenen Handlung „schuldig“ zu sprechen, dazu -drängt ihn nichts in seinem Innern. Um ein solches -„schuldig“ unstatthaft zu finden, dazu braucht er keine -Theorie vom „freien“ oder „unfreien“ -Willen.</p> -<p class="par">Auch die patriotischen Empfindungen seiner <span class="pagenum">[<a id="pb7" href="#pb7" name="pb7">7</a>]</span>deutschen -Volksgenossen sind Nietzsches Instinkten zuwider. Er kann sein -Empfinden und Denken nicht abhängig machen von den Gedankenkreisen -des Volkes, innerhalb dessen er geboren und erzogen ist; auch nicht von -der Zeit, in der er lebt. „Es ist so kleinstädtisch — -sagt er in seiner Schrift „Schopenhauer als Erzieher“ -—, sich zu den Ansichten verpflichten, die ein paar hundert -Meilen weiter schon nicht mehr verpflichten. Orient und Occident sind -Kreidestriche, die uns jemand vor unsere Augen hinmalt, um unsere -Furchtsamkeit zu narren. Ich will den Versuch machen, zur Freiheit zu -kommen, sagt sich die junge Seele; und da sollte es sie hindern, -daß zufällig zwei Nationen sich hassen und bekriegen, oder -daß ein Meer zwischen zwei Weltteilen liegt, oder daß rings -um uns eine Religion gelehrt wird, welche vor ein paar tausend Jahren -nicht bestand.“ Die Empfindungen der Deutschen während des -Krieges im Jahre 1870 fanden in seiner Seele einen so geringen -Widerhall, daß er, „während die Donner der Schlacht -von Wörth über Europa weggingen“, in einem Winkel der -Alpen saß, „sehr vergrübelt und verrätselt, -folglich sehr bekümmert und unbekümmert zugleich“, und -seine Gedanken über die Griechen niederschrieb. Und als er einige -Wochen darauf sich selbst „unter den Mauern von Metz“ -befand, war er „noch immer nicht losgekommen von den -Fragezeichen, die er zum Leben und der Kunst der Griechen gesetzt -hatte“. (Vergl. „Versuch einer Selbstkritik“ in der -zweiten Auflage seiner „Geburt der Tragödie“.) Als der -Krieg zu Ende war, stimmte er so wenig in die Begeisterung seiner -deutschen Zeitgenossen über den errungenen <span class="pagenum">[<a id="pb8" href="#pb8" name="pb8">8</a>]</span>Sieg ein, -daß er schon im Jahre 1872 in seiner Schrift über -<span class="ex">David Strauß</span> von den „schlimmen und -gefährlichen Folgen“ des siegreich beendeten Kampfes sprach. -Er stellte es sogar als einen Wahn hin, daß auch die deutsche -Kultur in diesem Kampfe gesiegt habe, und er nannte diesen Wahn -gefährlich, weil, wenn er innerhalb des deutschen Volkes -herrschend wird, die Gefahr vorhanden ist, den Sieg in eine -völlige Niederlage zu verwandeln; in die Niederlage, ja -Exstirpation des deutschen Geistes zu Gunsten des „Deutschen -Reiches“. Das ist Nietzsches Gesinnung in einer Zeit, in der ganz -Europa voll ist von nationaler Begeisterung. Es ist die Gesinnung einer -<span class="ex">unzeitgemäßen</span> Persönlichkeit, -eines <span class="ex">Kämpfers gegen seine Zeit</span>. -Außer dem Angeführten ließe sich noch vieles nennen, -was in Nietzsches Empfindungs- und Vorstellungsleben anders ist, als in -dem seiner Zeitgenossen.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">2.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Nietzsche ist kein „Denker“ im -gewöhnlichen Sinne des Wortes. Für die fragwürdigen und -tiefdringenden Fragen, die er der Welt und dem Leben gegenüber zu -stellen hat, reicht das bloße Denken nicht aus. Für diese -Fragen müssen alle Kräfte der menschlichen Natur entfesselt -werden; die <span class="ex">denkende</span> Betrachtung allein ist -ihnen nicht gewachsen. Zu bloß <span class="ex">erdachten</span> -Gründen für eine Meinung hat Nietzsche kein Vertrauen. -„Es giebt ein Mißtrauen in mir gegen Dialektik, selbst -gegen Gründe,“ schreibt er am 2. Dezember 1887 an Georg -Brandes. (Vergl. <span class="pagenum">[<a id="pb9" href="#pb9" name="pb9">9</a>]</span>dessen „Menschen und Werke“, S. 212). -Wer ihn um die Gründe seiner Ansichten fragt, für den hat er -„Zarathustras“ Antwort bereit: „Du fragst warum? Ich -gehöre nicht zu denen, welche man nach ihrem Warum fragen -darf.“ Nicht ob eine Ansicht logisch bewiesen werden kann, ist -für ihn maßgebend, sondern ob sie auf alle Kräfte der -menschlichen Persönlichkeit so wirkt, daß sie für das -Leben <span class="ex">Wert</span> hat. Er läßt einen -Gedanken nur gelten, wenn er ihn geeignet findet, zur Entwicklung des -Lebens beizutragen. Den Menschen so gesund als möglich, so -machtvoll als möglich, so schöpferisch als möglich zu -sehen, ist sein Wunsch. Wahrheit, Schönheit, alle Ideale haben nur -Wert und gehen den Menschen nur etwas an, insofern sie <span class="ex">lebenfördernd</span> sind.</p> -<p class="par">Die Frage nach dem <span class="ex">Werte der -Wahrheit</span> tritt in mehreren Schriften Nietzsches auf. In der -verwegensten Form wird sie in seinem Buche: „Jenseits von Gut und -Böse“ gestellt. „Der Wille zur Wahrheit, der uns noch -zu manchem Wagnisse verführen wird, jene berühmte -Wahrhaftigkeit, von der alle Philosophen bisher mit Ehrerbietung -geredet haben: was für Fragen hat dieser Wille zur Wahrheit uns -schon vorgelegt! Welche wunderlichen, schlimmen, fragwürdigen -Fragen! Das ist bereits eine lange Geschichte — und doch scheint -es, daß sie kaum eben angefangen hat.“ Was Wunder, wenn wir -endlich auch mißtrauisch werden, die Geduld verlieren, uns -ungeduldig umdrehn? Daß wir von dieser Sphinx auch unsererseits -das Fragen lernen? Wer ist das eigentlich, der uns hier Fragen stellt? -Was in uns will eigentlich ‚zur Wahrheit‘? In der -<span class="pagenum">[<a id="pb10" href="#pb10" name="pb10">10</a>]</span>That, wir machten lange Halt vor der Frage nach -der Ursache dieses Willens — bis wir, zuletzt, vor einer noch -gründlicheren Frage ganz und gar stehen blieben. Wir fragten nach -dem <span class="ex">Werte dieses Willens</span>. Gesetzt, wir wollen -Wahrheit: <span class="ex">warum nicht lieber Unwahrheit</span>?</p> -<p class="par">Das ist ein Gedanke von kaum zu überbietender -Kühnheit. Stellt man daneben, was ein anderer kühner -„Grübler und Rätselfreund“, <span class="ex">Johann Gottlieb Fichte</span>, von dem Streben nach Wahrheit sagt, -so sieht man erst, wie tief aus dem Wesen der menschlichen Natur -Nietzsche seine Vorstellungen heraufholt. „Ich bin dazu -berufen“ — sagt Fichte — „der Wahrheit Zeugnis -zu geben; an meinem Leben und an meinem Schicksal liegt nichts; an den -Wirkungen meines Lebens liegt unendlich viel. Ich bin ein Priester der -Wahrheit; ich bin in ihrem Solde; ich habe mich verbindlich gemacht, -alles für sie zu thun und zu wagen und zu leiden.“ (Fichte, -Vorlesungen „Über die Bestimmung des Gelehrten“, -vierte Vorlesung.) Diese Worte sprechen das Verhältnis aus, in das -sich die edelsten Geister der abendländischen neueren Kultur zur -Wahrheit setzen. Nietzsches angeführtem Ausspruch gegenüber -erscheinen sie oberflächlich. Man kann gegen sie einwenden: Ist es -denn nicht möglich, daß die Unwahrheit wertvollere Wirkungen -für das Leben hat, als die Wahrheit? Ist es ausgeschlossen, -daß die Wahrheit dem Leben schadet? Hat sich Fichte diese Fragen -gestellt? Haben es andere gethan, die „der Wahrheit -Zeugnis“ gegeben haben?</p> -<p class="par">Nietzsche aber stellt diese Fragen. Und er glaubt -<span class="pagenum">[<a id="pb11" href="#pb11" name="pb11">11</a>]</span>über sie erst dann ins Reine zu kommen, wenn -er das Streben nach Wahrheit nicht als bloße Verstandessache -behandelt, sondern nach den Instinkten sucht, die dieses Streben -erzeugen. Denn es könnte ja wohl sein, daß sich diese -Instinkte der Wahrheit nur als Mittel bedienten, um etwas zu erreichen, -was höher steht, als die Wahrheit. <span class="corr" id="xd23e462" title="Quelle: Nietzche">Nietzsche</span> findet, nachdem er -„lange genug den Philosophen zwischen die Zeilen und auf die -Finger gesehn“ hat: „Das meiste Denken eines Philosophen -ist durch seine Instinkte heimlich geführt und in bestimmte Bahnen -gezwungen.“ Die Philosophen glauben, die letzte Triebfeder ihres -Thuns sei das Streben nach Wahrheit. Sie glauben dies, weil sie nicht -auf den Grund der menschlichen Natur zu sehen vermögen. In -Wirklichkeit wird das Streben nach Wahrheit gelenkt von dem -<span class="ex">Willen zur Macht</span>. Mit Hilfe der Wahrheit soll -die Macht und Lebensfülle der Persönlichkeit erhöht -werden. Das bewußte Denken des Philosophen ist der Meinung: die -Erkenntnis der Wahrheit sei ein letztes Ziel; der unbewußte -Instinkt, der das Denken treibt, strebt nach Förderung des Lebens. -Für diesen Instinkt ist „die Falschheit eines Urteils noch -kein Einwand gegen ein Urteil“; für ihn kommt allein die -Frage in Betracht: „wie weit ist es lebenfördernd, -lebenerhaltend, arterhaltend, vielleicht gar artzüchtend“ -(Jenseits von Gut und Böse § 4).</p> -<p class="par">„‚Wille zur Wahrheit‘ heißt -ihr’s, ihr Weisesten, was euch treibt und brünstig -macht?</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e471" title="Nicht in der Quelle">„</span>Wille zur Denkbarkeit alles -Seienden: also heiße <span class="ex">ich</span> euren -Willen!</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e478" title="Nicht in der Quelle">„</span>Alles Seiende wollt ihr erst -denkbar <span class="ex">machen</span>: denn <span class="pagenum">[<a id="pb12" href="#pb12" name="pb12">12</a>]</span>ihr -zweifelt mit gutem Mißtrauen, ob es schon denkbar ist.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e487" title="Nicht in der Quelle">„</span>Aber es soll sich euch fügen -und biegen! So will’s euer Wille. Glatt soll es werden und dem -Geiste unterthan, als sein Spiegel und Widerbild.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e491" title="Nicht in der Quelle">„</span>Das ist euer ganzer Wille, ihr -Weisesten, als ein Wille zur Macht .....“ (Zarathustra, 2. Teil, -Von der Selbst-Überwindung.)</p> -<p class="par">Die Wahrheit soll die Welt dem Geiste unterthan machen -und dadurch dem Leben dienen. Nur als Lebensbedingung hat sie einen -Wert. — Kann man nicht aber noch weiter gehen und fragen: was ist -das Leben selbst wert? Nietzsche hält eine solche Frage für -unmöglich. Daß alles Lebende so machtvoll, so inhaltreich -leben will, als irgend möglich ist, nimmt er als eine Thatsache -hin, über die er nicht weiter grübelt. Die Lebensinstinkte -fragen nicht nach dem Werte des Lebens. Sie fragen nur: welche Mittel -giebt es, um die Macht ihres Trägers zu erhöhen. -„Urteile, Werturteile über das Leben, für oder wider, -können zuletzt niemals wahr sein: sie haben nur Wert als Symptome, -sie kommen nur als Symptome in Betracht, — an sich sind solche -Urteile Dummheiten. Man muß durchaus seine Finger darnach -ausstrecken und den Versuch machen, die erstaunliche Finesse zu fassen, -<span class="ex">daß der Wert des Lebens nicht abgeschätzt -werden kann</span>. Von einem Lebenden nicht, weil ein solcher Partei, -ja sogar Streitobjekt ist, und nicht Richter; von einem Toten nicht, -aus einem andern Grunde. — Von seiten eines Philosophen im Wert -des Lebens ein Problem sehn, bleibt dergestalt sogar ein Einwurf gegen -ihn, ein Fragezeichen an <span class="pagenum">[<a id="pb13" href="#pb13" name="pb13">13</a>]</span>seiner Weisheit, eine -Unweisheit.“ — (Götzendämmerung. Das Problem des -Sokrates.) Die Frage nach dem Werte des Lebens existiert nur für -eine mangelhaft ausgebildete, kranke Persönlichkeit. Wer allseitig -entwickelt ist, <span class="ex">lebt</span>, ohne zu fragen, wie viel -sein Leben wert ist.</p> -<p class="par">Weil Nietzsche die beschriebenen Ansichten hat, deshalb -legt er auf logische Beweisgründe für ein Urteil wenig -Gewicht. Nicht darauf kommt es ihm an, ob sich das Urteil logisch -beweisen läßt, sondern wie gut sich unter seinem Einflusse -leben läßt. Nicht allein der Verstand, sondern die ganze -Persönlichkeit des Menschen soll befriedigt werden. Die besten -Gedanken sind diejenigen, welche alle Kräfte der menschlichen -Natur in eine ihnen angemessene Bewegung bringen.</p> -<p class="par">Nur Gedanken dieser Art haben für Nietzsche -Interesse. Er ist kein philosophischer Kopf, sondern ein -„Honigsammler des Geistes“, der die -„Bienenkörbe“ der Erkenntnis aufsucht und -heimzubringen sucht, was dem Leben frommt.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">3.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">In Nietzsches Persönlichkeit sind diejenigen -Instinkte vorherrschend, die den Menschen zu einem gebietenden, -herrischen Wesen machen. Ihm gefällt alles, was Macht bekundet; -ihm mißfällt alles, was Schwäche verrät. Er -fühlt sich nur so lange glücklich, als er sich in -Lebensbedingungen befindet, die seine Kraft erhöhen. Er liebt -Hemmnisse, Widerstände für seine Thätigkeit, weil er -sich bei ihrer Überwindung seiner Macht bewußt wird. Er -sucht die beschwerlichsten <span class="pagenum">[<a id="pb14" href="#pb14" name="pb14">14</a>]</span>Wege auf, die der Mensch gehen kann. -Ein Grundzug seines Charakters ist in dem Spruche ausgedrückt, den -er der zweiten Ausgabe seiner „fröhlichen -Wissenschaft“ auf das Titelblatt gesetzt hat:</p> -<div class="lgouter"> -<p class="line">„Ich wohne in meinem eignen Haus,</p> -<p class="line">Hab’ niemandem nie nichts nachgemacht</p> -<p class="line">Und — lachte noch jeden Meister aus,</p> -<p class="line">Der nicht sich selber ausgelacht.“</p> -</div> -<p class="par first">Jede Art von Unterordnung unter eine fremde Macht -empfindet Nietzsche als Schwäche. Und über das, was eine -„fremde Macht“ ist, denkt er anders als mancher, der sich -als „unabhängigen, freien Geist“ bezeichnet. Nietzsche -empfindet es als Schwäche, wenn der Mensch sich in seinem Denken -und Handeln sogenannten „ewigen, ehernen“ Gesetzen der -Vernunft unterwirft. Was die allseitig entwickelte Persönlichkeit -thut, das läßt sie sich von keiner Moralwissenschaft -vorschreiben, sondern allein von den Antrieben des eigenen Selbst. Der -Mensch ist in dem Augenblicke schon schwach, in dem er nach Gesetzen -und Regeln <span class="ex">sucht</span>, nach denen er denken und -handeln <span class="ex">soll</span>. Der Starke <span class="ex">bestimmt</span> die Art seines Denkens und Handelns aus seinem -eigenen Wesen heraus.</p> -<p class="par">Diese Ansicht spricht Nietzsche am schroffsten in -Sätzen aus, um derentwillen ihn kleinlich denkende Menschen -geradezu als einen gefährlichen Geist bezeichnet haben: „Als -die christlichen Kreuzfahrer im Orient auf jenen unbesiegbaren -Assassinenorden stießen, jenen Freigeisterorden par excellence, -dessen unterste Grade in einem Gehorsame lebten, wie einen gleichen -kein Mönchsorden erreicht hat, da bekamen sie auf irgend welchem -Wege auch einen Wink über jenes <span class="pagenum">[<a id="pb15" href="#pb15" name="pb15">15</a>]</span>Symbol und Kerbholzwort, -das nur den obersten Graden, als deren Sekretum, vorbehalten war: -„<span class="ex">Nichts ist wahr, alles ist -erlaubt!</span>“ .... Wohlan, das war <span class="ex">Freiheit</span> des Geistes, damit war der Wahrheit selbst der -Glaube <span class="ex">gekündigt</span>“ ... (Genealogie -der Moral § 19). Daß diese Sätze die Empfindungen einer -vornehmen, einer Herrennatur zum Ausdruck bringen, die sich die -Erlaubnis, frei, nach ihren <span class="ex">eigenen</span> Gesetzen zu -leben, durch keine Rücksicht auf ewige Wahrheiten und Vorschriften -der Moral verkümmern lassen will, fühlen diejenigen Menschen -nicht, die, ihrer Art nach, zur Unterwürfigkeit geeignet sind. -Eine Persönlichkeit, wie die Nietzsches ist, verträgt auch -jene Tyrannen nicht, die in der Form abstrakter Sittengebote auftreten. -<span class="ex">Ich</span> bestimme, wie ich denken, wie ich handeln -will, sagt eine solche Natur.</p> -<p class="par">Es giebt Menschen, die ihre Berechtigung, sich -„Freidenker“ zu nennen, davon herleiten, daß sie sich -in ihrem Denken und Handeln nicht solchen Gesetzen unterwerfen, die von -anderen Menschen herrühren, sondern nur den „ewigen Gesetzen -der Vernunft“, den „unumstößlichen -Pflichtbegriffen“ oder dem „Willen Gottes“. Nietzsche -sieht solche Menschen nicht als wahrhaft <span class="ex">starke</span> -Persönlichkeiten an. Denn auch sie denken und handeln nicht nach -ihrer eigenen Natur, sondern nach den <span class="ex">Befehlen</span> -einer höheren Autorität. Ob der Sklave der Willkür -seines Herrn, der Religiöse den geoffenbarten Wahrheiten eines -Gottes oder der Philosoph den Aussprüchen der Vernunft folgt, das -ändert nichts an dem Umstande, daß sie alle <span class="ex">Gehorchende</span> sind. Was befiehlt, ist dabei -gleichgültig; das ausschlaggebende ist, daß Ã¼berhaupt -<span class="pagenum">[<a id="pb16" href="#pb16" name="pb16">16</a>]</span><span class="ex">befohlen</span> wird, daß -der Mensch sich nicht selbst die Richtung für sein Thun giebt, -sondern der Meinung ist, es gebe eine Macht, welche ihm diese Richtung -vorzeichnet.</p> -<p class="par">Der starke, wahrhaft freie Mensch will die Wahrheit -nicht <span class="ex">empfangen</span> — er will sie -<span class="ex">schaffen</span>; er will sich nichts -„erlauben“ lassen, er will nicht gehorchen. „Die -eigentlichen Philosophen sind <span class="ex">Befehlende und -Gesetzgeber</span>; sie sagen: so <span class="ex">soll</span> es -sein!<a id="xd23e585" name="xd23e585"></a> sie bestimmen erst das -Wohin? und Wozu? des Menschen und verfügen dabei über die -Vorarbeit aller philosophischen Arbeiter, aller Überwältiger -der Vergangenheit, — sie greifen mit schöpferischer Hand -nach der Zukunft, und alles, was ist und war, wird ihnen dabei zum -Mittel, zum Werkzeug, zum Hammer. Ihr „Erkennen“ ist -<span class="ex">Schaffen</span>, ihr Schaffen ist eine Gesetzgebung, -ihr Wille zur Wahrheit ist — <span class="ex">Wille zur -Macht</span>. — Giebt es heute solche Philosophen? Gab es schon -solche Philosophen? <span class="ex">Muß</span> es nicht solche -Philosophen geben?“ (Jenseits von Gut und Böse § -211.)</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">4.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Ein besonderes Zeichen menschlicher Schwäche -sieht Nietzsche in jeder Art von Glauben an ein Jenseits, an eine -andere Welt, als die ist, in der der Mensch lebt. Man kann, nach seiner -Ansicht, dem Leben keinen größeren Schaden thun, als wenn -man sein Leben im Diesseits im Hinblick auf ein anderes Leben im -Jenseits einrichtet. Man kann sich keiner größeren Verirrung -hingeben, als wenn man hinter den Erscheinungen dieser Welt Wesenheiten -annimmt, <span class="pagenum">[<a id="pb17" href="#pb17" name="pb17">17</a>]</span>die der menschlichen Erkenntnis unzugänglich -sind, und die als der eigentliche Urgrund, als das Bestimmende alles -Daseins gelten sollen. Durch eine solche Annahme verdirbt man sich die -Freude an dieser Welt. Man würdigt sie zum Scheine, zu einem -bloßen Abglanz eines Unzugänglichen herab. Man erklärt -die uns bekannte Welt, die für uns allein wirkliche, für -einen nichtigen Traum und schreibt die wahre Wirklichkeit einer -erträumten, erdichteten anderen Welt zu. Man erklärt die -menschlichen Sinne für Betrüger, die uns Scheinbilder statt -Wirklichkeiten liefern.</p> -<p class="par">Nur aus der Schwäche kann eine solche Ansicht -stammen. Denn der Starke, der fest in der Wirklichkeit wurzelt, der -seine Freude am Leben hat, wird es sich nicht in den Sinn kommen -lassen, eine andere Wirklichkeit zu erdichten. Er ist mit dieser Welt -beschäftigt und bedarf keiner andern. Aber die Leidenden, die -Kranken, die unzufrieden sind mit diesem Leben, nehmen ihre Zuflucht -zum Jenseits. Was ihnen das Diesseits entzogen hat, soll ihnen das -Jenseits bieten. Der Starke, der Gesunde, der entwickelte und taugliche -Sinne hat, um die Gründe dieser Welt in ihr selber aufzusuchen, -der bedarf zur Erklärung der Erscheinungen, innerhalb deren er -lebt, keiner jenseitigen Gründe und Wesenheiten. Der Schwache, der -mit verkrüppelten Augen und Ohren die Wirklichkeit wahrnimmt, der -braucht Ursachen hinter den Erscheinungen.</p> -<p class="par">Aus dem Leiden und der kranken Sehnsucht ist der Glaube -an das Jenseits geboren. Aus dem Unvermögen, <span class="pagenum">[<a id="pb18" href="#pb18" name="pb18">18</a>]</span>die -wirkliche Welt zu durchschauen, sind alle Annahmen von „Dingen an -sich“ erwachsen.</p> -<p class="par">Alle, welche Grund haben, das <span class="ex">wirkliche</span> Leben zu verneinen, sagen <span class="ex">Ja</span> zu <span class="corr" id="xd23e618" title="Quelle: einen">einem</span> <span class="ex">erdichteten</span>. -Nietzsche will ein <span class="ex">Jasager</span> gegenüber der -Wirklichkeit sein. Diese Welt will er durchforschen nach allen -Richtungen, er will sich einbohren in die Tiefen des Daseins; von einem -andern Leben will er nichts wissen. <span class="ex">Ihn</span> kann -selbst das Leiden nicht veranlassen, Nein zum Leben zu sagen; denn auch -das Leiden ist ihm ein Mittel der Erkenntnis. „Nicht anders, als -es ein Reisender macht, der sich vorsetzt, zu einer bestimmten Stunde -aufzuwachen, und sich dann ruhig dem Schlafe überläßt: -so ergeben wir Philosophen, gesetzt, daß wir krank werden, uns -zeitweilig mit Leib und Seele der Krankheit — wir machen -gleichsam vor uns die Augen zu. Und wie jener weiß, daß -irgend etwas <span class="ex">nicht</span> schläft, irgend etwas -die Stunden abzählt und ihn aufwecken wird, so wissen auch wir, -daß der entscheidende Augenblick uns wach finden wird, — -daß dann etwas hervorspringt und den Geist <span class="ex">auf -der That</span> ertappt, ich meine auf der Schwäche oder Umkehr -oder Ergebung oder Verhärtung oder Verdüsterung, und wie alle -die krankhaften Zustände des Geistes heißen, welche in -gesunden Tagen den <span class="ex">Stolz</span> des Geistes wider sich -haben. Man lernt nach einer derartigen Selbstbefragung, -Selbstversuchung, mit einem feineren Auge nach allem, worüber -überhaupt bisher philosophiert worden ist, hinsehen ..<span class="corr" id="xd23e640" title="Quelle: ‚">.“</span> (Vorrede -zur zweiten Ausgabe der „fröhlichen Wissenschaft“.) -— <span class="pagenum">[<a id="pb19" href="#pb19" name="pb19">19</a>]</span></p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">5.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Dieser lebens- und wirklichkeitsfreundliche Sinn -Nietzsches zeigt sich auch in seinen Anschauungen über die -Menschen und ihre gegenseitigen Beziehungen. Auf diesem Gebiete ist -Nietzsche vollkommener Individualist. Jeder Mensch gilt ihm als eine -Welt für sich, ein Unikum. Das „wunderlich bunte -Mancherlei“, das zum „Einerlei“ vereinigt ist und uns -als ein bestimmter Mensch entgegentritt, kann kein noch so seltsamer -Zufall ein zweites Mal in gleicher Weise zusammenschütteln.<a id="xd23e649" name="xd23e649"></a> (Schopenhauer als Erzieher 1.) Die -wenigsten Menschen sind jedoch geneigt, ihre nur einmal vorhandenen -Eigentümlichkeiten zu entfalten. Sie fürchten sich vor der -Einsamkeit, in die sie dadurch gedrängt werden. Es ist bequemer -und gefahrloser, in gleicher Weise wie die Mitmenschen zu leben; man -findet dann immer Gesellschaft. Wer auf seine eigene Art sich -einrichtet, wird von anderen nicht verstanden und findet keine -Genossen. Für Nietzsche hat die Einsamkeit einen besonderen Reiz. -Er liebt es, die Heimlichkeiten des eigenen Innern aufzusuchen. Er -flieht die Gemeinschaft der Menschen. Seine Gedankengänge sind -zumeist Bohrversuche nach Schätzen, die tief in seiner -Persönlichkeit verborgen liegen. Das Licht, das andere ihm bieten, -verschmäht er; die Luft, die man da atmet, wo das -„Gemeinsame der Menschen“, die „Regel Mensch“ -lebt, will er nicht mitatmen. Er trachtet instinktiv nach seiner -„Burg und Heimlichkeit“, wo er von der Menge, den vielen, -den allermeisten <span class="ex">erlöst</span> ist. (Jenseits von -Gut und Böse § 36.) In seiner „fröhlichen -Wissenschaft“ klagt <span class="pagenum">[<a id="pb20" href="#pb20" name="pb20">20</a>]</span>er, daß es ihm schwer ist, -seine Mitmenschen zu „verdauen“; und in „Jenseits von -Gut und Böse“ (§ 282) verrät er, daß er -zumeist gefährliche Verdauungsstörungen davontrug, wenn er -sich an Tische setzte, an denen die Kost des -„Allgemein-Menschlichen“ genossen wurde. Die Menschen -dürfen Nietzsche nicht zu nahe kommen, wenn er sie ertragen -soll.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">6.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Nietzsche erklärt einen Gedanken, ein Urteil -in derjenigen Form für gültig, zu der die freiwaltenden -Lebensinstinkte ihre Zustimmung geben. Ansichten, für die das -Leben sich entscheidet, läßt er sich durch keine logischen -Zweifel nehmen. Dadurch erhält sein Denken einen sichern, freien -Zug. Es wird nicht beirrt durch Bedenken wie: ob eine Behauptung auch -„objektiv“ wahr ist, ob sie die Grenzen des menschlichen -Erkenntnisvermögens nicht überschreitet u. s. w. Wenn -Nietzsche den Wert eines Urteiles für das Leben erkannt hat, dann -fragt er nicht mehr nach einer weiteren „objektiven“ -Bedeutung und Gültigkeit desselben. Und wegen Grenzen des -Erkennens macht er sich keine Sorgen. Er ist der Ansicht, daß ein -gesundes Denken das schafft, was es schaffen kann, und sich nicht mit -der nutzlosen Frage abquält: was kann ich <span class="ex">nicht</span>?</p> -<p class="par">Wer den Wert eines Urteils nach dem Grade bestimmen -will, in dem es das Leben fördert, kann diesen Grad natürlich -nur durch seine eigenen, persönlichen Lebenstriebe und -Lebensinstinkte festsetzen. Er kann nie mehr sagen wollen, als: in -Bezug auf <span class="pagenum">[<a id="pb21" href="#pb21" name="pb21">21</a>]</span>meine Lebensinstinkte halte ich dieses bestimmte -Urteil für ein wertvolles. Und Nietzsche will auch nie etwas -anderes sagen, wenn er eine Ansicht ausspricht. Gerade dieses sein -Verhältnis zu seiner Gedankenwelt wirkt so wohlthuend auf den -freiheitlich gesinnten Leser. Es giebt Nietzsches Schriften den -Charakter anspruchsloser, bescheidener Vornehmheit. Wie <span class="corr" id="xd23e668" title="Quelle: abstossend">abstoßend</span> -und unbescheiden klingt es daneben, wenn andere Denker glauben, ihre -Person sei das Organ, durch das der Welt ewige, -unumstößliche Wahrheiten verkündet werden. Man kann in -Nietzsches Werken Sätze finden, die ein starkes -Selbstbewußtsein ausdrücken, z. B.: „Ich habe der -Menschheit das tiefste Buch gegeben, das sie besitzt, meinen -<span class="ex">Zarathustra</span>: ich gebe ihr über kurzem das -unabhängigste.“ — (Götzendämmerung, -Streifzüge eines Unzeitgemäßen § 51.) Was besagt -dies aber aus seinem Munde? Ich habe es gewagt, ein Buch zu schreiben, -dessen Inhalt tiefer aus dem Wesen einer Persönlichkeit geholt -ist, als das sonst bei ähnlichen Büchern der Fall ist; und -ich werde ein Buch liefern, das unabhängiger von jedem fremden -Urteil ist, als andere philosophische Schriften; denn ich werde -über die wichtigsten Dinge bloß aussprechen, wie sich meine -persönlichen Instinkte zu ihnen verhalten. Das ist vornehme -Bescheidenheit. Sie geht freilich denen wider den Geschmack, deren -verlogene Demut sagt: ich bin nichts, mein Werk ist alles; ich bringe -nichts von persönlichem Empfinden in meine Bücher, sondern -ich spreche bloß aus, was die reine Vernunft mich aussprechen -heißt. Solche Menschen wollen ihre Person verleugnen, um -behaupten zu können, daß ihre Aussprüche <span class="pagenum">[<a id="pb22" href="#pb22" name="pb22">22</a>]</span>die -eines höheren Geistes sind. Nietzsche hält seine Gedanken -für Erzeugnisse seiner Person und für nicht mehr.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">7.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Die Fachphilosophen mögen über Nietzsche -lächeln oder ihre Meinungen über die „Gefahren“ -seiner „Weltanschauung“ zum besten geben. Manche dieser -Geister, die nichts sind als personifizierte Lehrbücher der Logik, -können natürlich Nietzsches aus den mächtigsten, -unmittelbarsten Lebensimpulsen entspringendes Schaffen nicht loben.</p> -<p class="par">Nietzsche mit seinen kühnen Gedankensprüngen -trifft jedenfalls auf tiefere Geheimnisse der menschlichen Natur, als -mancher logische Denker mit seinem vorsichtigen Kriechen. Was nutzt -alle Logik, wenn sie mit ihren Begriffsnetzen nur einen wertlosen -Inhalt fängt? Wenn uns wertvolle Gedanken mitgeteilt werden, dann -erfreuen wir uns an ihnen, wenn sie auch nicht mit logischen Fäden -verknüpft sind. Das Heil des Lebens hängt nicht allein von -der Logik ab, sondern auch von der Gedankenerzeugung. Unsere -Fachphilosophie ist gegenwärtig unfruchtbar genug, und sie -könnte die Belebung mit Gedanken eines mutigen, kühnen -Schriftstellers, wie es Nietzsche ist, sehr wohl brauchen. Die -Entwickelungskraft dieser Fachphilosophie ist gelähmt durch den -Einfluß, den das Kant’sche Denken auf sie genommen hat. Sie -hat durch diesen Einfluß alle Ursprünglichkeit, allen Mut -verloren. Kant hat aus der Schulphilosophie seiner Zeit den Begriff von -Wahrheiten, die aus der „reinen Vernunft“ stammen, -<span class="pagenum">[<a id="pb23" href="#pb23" name="pb23">23</a>]</span>übernommen. Er hat zu zeigen versucht, -daß wir durch solche Wahrheit nichts wissen können von -Dingen, die jenseits unserer Erfahrung liegen, von „Dingen an -sich“. Seit einem Jahrhundert ist nun unermeßlicher -Scharfsinn aufgewendet worden, um diesen Kant’schen Gedanken nach -allen Seiten durchzudenken. Die Erzeugnisse dieses Scharfsinns sind -allerdings oft dürftig und trivial. Übersetzte man die -Banalitäten manches philosophischen Buches der Gegenwart aus den -Schulformeln in eine gesunde Sprache, so würde sich ein solcher -Inhalt gegenüber manchem kurzen Aphorismus Nietzsches armselig -genug ausnehmen. Dieser konnte im Hinblick auf die Philosophie der -Gegenwart mit einem gewissen Recht den stolzen Satz aussprechen: -„Mein Ehrgeiz ist, in zehn Sätzen zu sagen, was jeder andere -in einem Buche sagt, — was jeder andere in einem Buche -<span class="ex">nicht</span> sagt ...“</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">8.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Wie Nietzsche in seinen eigenen Meinungen nichts -geben will als ein Erzeugnis seiner persönlichen Instinkte und -Triebe, so sind ihm auch fremde Ansichten nichts weiter als Symptome, -aus denen er auf die in einzelnen Menschen oder ganzen Völkern, -Rassen u. s. w. vorwaltenden Instinkte schließt. Er macht sich -nichts mit Diskussionen oder Widerlegungen fremder Meinungen zu -schaffen. Aber er sucht die Instinkte auf, die sich in diesen Meinungen -aussprechen. Er sucht die Charaktere der Persönlichkeiten oder -Völker aus ihren Ansichten zu erkennen. Ob eine <span class="pagenum">[<a id="pb24" href="#pb24" name="pb24">24</a>]</span>Ansicht -auf das Vorwalten der Instinkte für Gesundheit, Tapferkeit, -Vornehmheit, Lebensfreude hinweist, oder ob sie aus ungesunden, -sklavischen, müden, lebensfeindlichen Instinkten entspringt, das -interessiert ihn. Wahrheiten an sich sind ihm gleichgültig; er -kümmert sich darum, wie die Menschen ihre Wahrheiten ihren -Instinkten gemäß ausbilden, und wie sie damit ihre -Lebensziele fördern. Die natürlichen Ursachen der -menschlichen Ansichten will er aufsuchen.</p> -<p class="par">Nach dem Sinne jener Idealisten, die der Wahrheit einen -selbständigen Wert zuerkennen, die ihr einen „reinen, -höhern Ursprung“ als den aus den Instinkten geben wollen, -ist Nietzsches Bestreben allerdings nicht. Er erklärt die -menschlichen Ansichten als das Ergebnis natürlicher Kräfte, -wie der Naturforscher die Einrichtung des Auges aus dem Zusammenwirken -natürlicher Ursachen erklärt. Eine Erklärung der -geistigen Entwickelung der Menschheit aus besonderen sittlichen -Zwecken, Idealen, aus einer sittlichen Weltordnung erkennt er -ebensowenig an, wie der Naturforscher der Gegenwart die Erklärung -anerkennt, daß die Natur das Auge deswegen in einer bestimmten -Weise gebaut hat, weil sie den <span class="ex">Zweck</span> hatte, dem -Organismus ein Organ zum Sehen anzuerschaffen. In jedem Ideal sieht -Nietzsche nur den Ausdruck für einen Instinkt, der sich auf eine -bestimmte Art seine Befriedigung sucht, wie der moderne Naturforscher -in der zweckmäßigen Einrichtung eines Organes das Ergebnis -organischer Bildungsgesetze sieht. Wenn es gegenwärtig noch -Naturforscher und Philosophen giebt, die jedes Schaffen <span class="pagenum">[<a id="pb25" href="#pb25" name="pb25">25</a>]</span>der -Natur nach Zwecken ablehnen, aber vor dem sittlichen Idealismus Halt -machen und in der Geschichte die Verwirklichung eines göttlichen -Willens, einer idealen Ordnung der Dinge sehen, so ist dies eine -Instinkthalbheit. Solchen Personen fehlt für die Beurteilung -geistiger Vorgänge der richtige Blick, während sie ihn in der -Beobachtung von Naturvorgängen zeigen. Wenn ein Mensch glaubt, er -strebe ein Ideal an, das nicht aus der Wirklichkeit stammt, so glaubt -er dies nur, weil er den Instinkt nicht kennt, aus dem dieses Ideal -entsteht.</p> -<p class="par">Nietzsche ist Anti-Idealist in dem Sinne, wie der -moderne Naturforscher Gegner der Annahme von Zwecken ist, die die Natur -verwirklichen soll. Er spricht ebensowenig von sittlichen Zwecken, wie -der Naturforscher von Naturzwecken spricht. Nietzsche hält es -nicht für weiser, zu sagen: der Mensch soll ein sittliches Ideal -verwirklichen, wie zu erklären: der Stier hat Hörner, damit -er stoßen könne. Er betrachtet den einen wie den andern -Ausspruch als Produkt einer Welterklärung, welche von -„göttlicher Vorsehung“, „weiser Allmacht“, -statt von natürlichen Wirkungen, spricht.</p> -<p class="par">Diese Welterklärung ist ein Hemmschuh für -alles gesunde Denken; sie schafft einen erdichteten, idealen Nebel, der -das natürliche, auf die Beobachtung der Wirklichkeit gerichtete -Sehvermögen hindert, die Weltvorgänge zu durchschauen; sie -stumpft endlich völlig allen Wirklichkeitssinn ab. <span class="pagenum">[<a id="pb26" href="#pb26" name="pb26">26</a>]</span></p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">9.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Wenn Nietzsche sich in einen geistigen Kampf -einläßt, so will er nicht fremde Meinungen als solche -widerlegen, sondern er thut es, weil diese Meinungen auf -schädliche, naturwidrige Instinkte hinweisen, die er -bekämpfen will. Er hat dabei eine ähnliche Absicht, wie sie -jemand hat, der eine schädliche Naturwirkung bekämpft oder -ein gefährliches Naturwesen vertilgt. Er baut nicht auf die -„überzeugende“ Kraft der Wahrheit, sondern darauf, -daß er den Gegner besiegen wird, wenn dieser die ungesunden, -schädlichen Instinkte, er aber die gesunden, lebenfördernden -hat. Er sucht nach keiner weiteren Rechtfertigung eines solchen -Kampfes, wenn seine Instinkte die des Gegners als schädlich -empfinden. Er glaubt nicht als Vertreter irgend einer Idee kämpfen -zu müssen, sondern er kämpft, weil ihn seine Instinkte dazu -treiben. Zwar ist das bei keinem geistigen Kampfe anders, aber -gewöhnlich sind sich die Kämpfer der wirklichen Triebfedern -ebensowenig bewußt, wie die Philosophen sich ihres „Willens -zur Macht“ oder die Anhänger der sittlichen Weltordnung der -natürlichen Ursachen ihrer sittlichen Ideale. Sie glauben, -daß lediglich Meinung gegen Meinung kämpft, und -verhüllen ihre wirklichen Motive durch Begriffsmäntel. Sie -nennen auch die Instinkte des Gegners nicht, die ihnen unsympathisch -sind, ja diese kommen ihnen vielleicht gar nicht zum Bewußtsein. -Kurz, die Kräfte, die eigentlich feindlich gegen einander -gerichtet sind, treten gar nicht offen hervor. Nietzsche nennt -rücksichtslos die Instinkte des Gegners, die <span class="pagenum">[<a id="pb27" href="#pb27" name="pb27">27</a>]</span>ihm -zuwider sind, und er nennt auch die Instinkte, die <span class="ex">er</span> ihnen entgegensetzt. Wer dies <span class="ex">Cynismus</span> nennen will, der mag es thun. Er soll aber nur -nicht übersehen, daß es in aller menschlichen -Thätigkeit niemals etwas anderes als solchen Cynismus gegeben hat, -und daß alle idealistischen Wahngewebe von diesem Cynismus gewebt -sind. <span class="pagenum">[<a id="pb29" href="#pb29" name="pb29">29</a>]</span></p> -</div> -</div> -</div> -</div> -<div id="ch2" class="div1 chapter"><span class="pagenum">[<a href="#xd23e173">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h2 class="label">II.</h2> -<h2 class="main">Der Übermensch.</h2> -<p><span class="pagenum">[<a id="pb31" href="#pb31" name="pb31">31</a>]</span></p> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">10.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Alles Streben des Menschen besteht, wie das eines -jeden Lebewesens, darin, von der Natur eingepflanzte Triebe und -Instinkte in der besten Weise zu befriedigen. Wenn die Menschen nach -Tugend, Gerechtigkeit, Erkenntnis und Kunst streben, so geschieht dies -deshalb, weil Tugend, Gerechtigkeit u. s. w. Mittel sind, durch die die -menschlichen Instinkte sich so entwickeln können, wie es deren -Natur entsprechend ist. Die Instinkte würden ohne diese Mittel -verkümmern. Es ist nun eine Eigentümlichkeit des Menschen, -daß er diesen Zusammenhang seiner Lebensbedingungen mit seinen -natürlichen Trieben <span class="ex">vergißt</span> und jene -Mittel zu einem naturgemäßen, machtvollen Leben als etwas -ansieht, das <span class="ex">an sich</span> einen unbedingten Wert -hat. Der Mensch sagt dann: Tugend, Gerechtigkeit, Erkenntnis u. s. w. -müssen um ihrer selbst willen erstrebt werden. Sie haben nicht -dadurch einen Wert, daß sie dem Leben dienen, sondern vielmehr -das Leben erhalte erst einen Wert dadurch, daß es nach jenen -idealen Gütern strebt. Der Mensch sei nicht dazu da, nach -Maßgabe seiner Instinkte zu leben, wie das Tier; sondern er solle -<span class="pagenum">[<a id="pb32" href="#pb32" name="pb32">32</a>]</span>seine Instinkte dadurch adeln, daß er sie in -den Dienst höherer Zwecke stelle. Auf diese Weise kommt der Mensch -dazu, das, was er selbst erst zur Befriedigung seiner Triebe geschaffen -hat, als Ideale anzubeten, die seinem Leben erst die rechte Weihe -geben. Er fordert <span class="ex">Unterwerfung</span> unter die -Ideale, die er höher schätzt, als sich selbst. Er löst -sich los von dem Mutterboden der Wirklichkeit und will seinem Dasein -einen höheren Sinn und Zweck geben. Er erfindet einen -unnatürlichen Ursprung für seine Ideale. Er nennt sie den -„Willen Gottes“, die „ewigen sittlichen -Gebote“. Er will die „Wahrheit um der Wahrheit -willen“, „die Tugend um der Tugend“ willen anstreben. -Er betrachtet sich als einen guten Menschen erst dann, wenn es ihm -angeblich gelungen ist, seine Selbstsucht, d. h. seine natürlichen -Instinkte zu bändigen und <span class="ex">selbstlos</span> einem -idealen Ziele zu folgen. Einem solchen Idealisten gilt <span class="ex">der</span> Mensch als unedel und „böse“, der es -bis zu solcher Selbstüberwindung nicht gebracht hat.</p> -<p class="par">Nun stammen ursprünglich alle Ideale aus -natürlichen Instinkten. Auch was der Christ als Tugend ansieht, -die ihm Gott geoffenbart hat, ist ursprünglich von Menschen -erfunden, um irgend welche Instinkte zu befriedigen. Der -natürliche Ursprung ist vergessen und der göttliche -hinzugedichtet worden. Ähnlich verhält es sich mit den -Tugenden, die die Philosophen und Moralprediger aufstellen.</p> -<p class="par">Wenn die Menschen bloß <span class="ex">gesunde</span> Instinkte hätten und diesen gemäß -ihre Ideale bestimmten, so würde der theoretische Irrtum über -den Ursprung <span class="pagenum">[<a id="pb33" href="#pb33" name="pb33">33</a>]</span>dieser Ideale nicht schaden. Die Idealisten -hätten zwar falsche Ansichten über die Herkunft ihrer Ziele, -aber diese Ziele selbst wären gesund, und das Leben -müßte gedeihen. Aber es giebt ungesunde Instinkte, die nicht -auf Stärkung, Förderung des Lebens, sondern auf dessen -Schwächung, Verkümmerung abzielen. Diese bemächtigen -sich des genannten theoretischen Irrtums und machen ihn zum praktischen -Lebenszwecke. <span class="ex">Sie</span> verleiten den Menschen, zu -sagen: ein vollkommener Mensch ist nicht derjenige, der sich selbst, -seinem Leben dienen will, sondern derjenige, der sich der -Verwirklichung eines Ideals hingiebt. Unter dem Einfluß dieser -Instinkte bleibt der Mensch nicht bloß dabei stehen, -irrtümlich seinen Zielen einen un- oder übernatürlichen -Ursprung anzudichten, sondern er macht sich wirklich solche Ideale -zurecht oder übernimmt sie von anderen, die <span class="ex">nicht</span> den Bedürfnissen des Lebens dienen. Er strebt -nicht mehr darnach, die in seiner Persönlichkeit liegenden -Kräfte ans Tageslicht zu ziehen, sondern er lebt nach einem seiner -Natur aufgezwungenen Musterbilde. Ob er dieses Ziel einer Religion -entnimmt, oder ob er es selbst auf Grund gewisser, <span class="ex">nicht</span> in seiner Natur liegenden Voraussetzungen bestimmt: -darauf kommt es nicht an. Der Philosoph, der einen allgemeinen Zweck -der Menschheit im Auge hat und aus diesem seine sittlichen Ideale -ableitet, legt der menschlichen Natur ebenso Fesseln an, wie der -Religionsstifter, der den Menschen sagt: dies ist das Ziel, das euch -Gott gesetzt hat; und dem müßt ihr folgen. Es ist auch -gleichgültig, ob der Mensch sich vorsetzt, ein Ebenbild Gottes zu -werden, oder ob er ein Ideal des <span class="pagenum">[<a id="pb34" -href="#pb34" name="pb34">34</a>]</span>„vollkommenen -Menschen“ erfindet und diesem möglichst ähnlich werden -will. Wirklich ist nur der <span class="ex">einzelne</span> Mensch und -die Triebe und Instinkte dieses einzelnen Menschen. Nur wenn er auf die -Bedürfnisse seiner eigenen Person sein Augenmerk richtet, kann der -Mensch erfahren, was seinem Leben frommt. Der einzelne Mensch wird -nicht „vollkommen“, wenn er sich verleugnet und einem -Vorbilde ähnlich wird, sondern wenn er das verwirklicht, was in -ihm zur Verwirklichung drängt. Die menschliche Thätigkeit -erhält nicht erst einen Sinn, wenn sie einem unpersönlichen, -äußeren Zwecke dient; sie hat ihren Sinn in sich selbst.</p> -<p class="par">Der Anti-Idealist wird zwar auch in der ungesunden -Abkehr des Menschen von seinen ureigenen Instinkten noch eine -Instinktäußerung erblicken. Er weiß, daß der -Mensch selbst das Instinktwidrige nur aus Instinkt vollbringen kann. Er -wird aber doch die Instinktwidrigkeit bekämpfen, wie der Arzt eine -Krankheit bekämpft, trotzdem er weiß, daß sie -naturgemäß aus bestimmten Ursachen entstanden ist. Es darf -also dem Anti-Idealisten nicht der Einwurf gemacht werden: du -behauptest, alles, was der Mensch erstrebt, also auch alle Ideale, -seien naturgemäß entstanden; dennoch bekämpfst du den -Idealismus. Gewiß entstehen Ideale ebenso naturgemäß -wie Krankheiten; aber der Gesunde bekämpft den Idealismus, wie er -die Krankheit bekämpft. Der Idealist aber sieht die Ideale als -etwas an, das gehegt und gepflegt werden muß.</p> -<p class="par">Der Glaube, daß der Mensch vollkommen erst wird, -wenn er „höheren“ Zwecken dient, ist, <span class="pagenum">[<a id="pb35" href="#pb35" name="pb35">35</a>]</span>nach -Nietzsches Meinung, etwas, das <span class="ex">überwunden</span> -werden muß. Der Mensch muß sich auf sich selbst besinnen -und erkennen, daß er Ideale nur erschaffen hat, um <span class="ex">sich</span> zu dienen. Naturgemäß leben, ist -gesünder, als Idealen nachjagen, die angeblich nicht aus der -Wirklichkeit stammen. Den Menschen, der nicht unpersönlichen -Zielen dient, sondern der den Zweck und Sinn seines Daseins in sich -selbst sucht, der solche Tugenden zu den seinigen macht, die seiner -Kraftentfaltung, seiner Machtvollkommenheit dienen — diesen -Menschen stellt Nietzsche höher als den selbstlosen -Idealisten.</p> -<p class="par">Dies ist es, was er durch seinen -„Zarathustra“ verkündet. Das souveräne -Individuum, das weiß, daß es nur aus seiner Natur heraus -leben kann, und das in einer seinem Wesen entsprechenden -Lebensgestaltung sein persönliches Ziel sieht, ist für -Nietzsche der <span class="ex">Übermensch</span>, im Gegensatz zu -dem Menschen, der glaubt: ihm sei das Leben geschenkt, um einem -außer ihm selbst liegenden Zwecke zu dienen.</p> -<p class="par">Den <span class="ex">Übermenschen</span>, d. h. den -Menschen, der naturgemäß zu leben versteht, lehrt -Zarathustra. Er lehrt die Menschen, ihre Tugenden als ihre -Geschöpfe betrachten; er heißt sie diejenigen verachten, die -ihre Tugenden höher als sich selbst achten.</p> -<p class="par">Zarathustra ist in die Einsamkeit gegangen, um sich frei -zu machen von der Demut, in der sich die Menschen beugen vor ihren -Tugenden. Er geht erst wieder unter Menschen, als er <span class="ex">die</span> Tugenden verachten gelernt hat, die das Leben -bändigen und nicht dem Leben dienen wollen. Er bewegt sich nun -leicht wie ein Tänzer, denn er folgt nur sich und seinem -<span class="pagenum">[<a id="pb36" href="#pb36" name="pb36">36</a>]</span>Willen und achtet nicht auf die Linien, die ihm -von den Tugenden vorgezeichnet werden. Nicht schwer mehr lastet der -Glaube auf seinem Rücken, daß es unrecht sei, nur sich -selbst zu folgen. Zarathustra schläft nun nicht mehr, um von -Idealen zu träumen; er ist ein Wachender, der der Wirklichkeit -sich frei gegenüberstellt. Ein schmutziger Strom ist ihm der -Mensch, der sich selbst verloren hat und vor seinen eigenen -Geschöpfen im Staube liegt. Der Übermensch ist ihm ein Meer, -das diesen Strom aufnimmt, ohne selbst unrein zu werden. Denn der -Übermensch hat sich selbst gefunden; er erkennt <span class="ex">sich</span> als Herrn und Schöpfer seiner Tugenden. -Zarathustra hat das Große erlebt, daß ihm alle Tugend zum -Ekel geworden ist, die <span class="ex">über</span> den Menschen -gesetzt wird.</p> -<p class="par">„Was ist das Größte, das ihr erleben -könnt? Das ist die Stunde der großen Verachtung. Die Stunde, -in der euch euer Glück zum Ekel wird und ebenso eure Vernunft und -eure Tugend.“</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">11.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Die Weisheit Zarathustras ist nicht nach dem Sinne -der „modernen Gebildeten“. Sie möchten alle Menschen -einander gleich machen. Wenn alle nur nach <span class="ex">einem</span> Ziele streben, sagen sie, dann ist Zufriedenheit und -Glück auf Erden. Der Mensch soll zurückhalten, so fordern -sie, seine besondern persönlichen Wünsche und nur der -Allgemeinheit, dem gemeinsamen Glücke dienen. Friede und Ruhe wird -dann auf der Erde herrschen. Wenn jeder die gleichen Bedürfnisse -hat, dann stört keiner die Kreise des andern. Nicht <span class="pagenum">[<a id="pb37" href="#pb37" name="pb37">37</a>]</span>sich und -seine individuellen Ziele soll der Einzelne im Auge haben, sondern nach -der einmal bestimmten Schablone sollen alle leben. Verschwinden soll -alles einzelne Leben, und Glieder der gemeinsamen Weltordnung sollen -alle werden.</p> -<p class="par">„Kein Hirt und <span class="ex">eine</span> Herde! -Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich, wer anders fühlt, geht -freiwillig ins Irrenhaus.</p> -<p class="par">„‚Ehemals war alle Welt irre‘ — -sagen die Feinsten und blinzeln.</p> -<p class="par">„Man ist klug und <span class="corr" id="xd23e831" -title="Quelle: weiss">weiß</span> alles, was geschehen ist: so -hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man -versöhnt sich bald, sonst verdirbt es den Magen.“</p> -<p class="par">Zarathustra ist zu lange Einsiedler gewesen, um solcher -Weisheit zu huldigen. Er hat die eigenartigen Töne gehört, -die aus dem Innern der Persönlichkeit erklingen, wenn der Mensch -abseits steht von dem Lärm des Marktes, wo einer nur die Worte des -andern nachspricht. Und er möchte es den Menschen in die Ohren -rufen: höret auf die Stimmen, die nur in jedem Einzelnen von euch -erklingen. Denn die nur sind <span class="corr" id="xd23e836" title="Quelle: naturgemäss">naturgemäß</span>, die nur sagen -jedem, was er vermag. Ein Feind des Lebens, des reichen, vollen Lebens, -ist derjenige, welcher diese Stimmen ungehört verhallen -<span class="corr" id="xd23e839" title="Quelle: lässt">läßt</span> und auf das gemeinsame -Geschrei der Menschen hört. Zu den Freunden der Gleichheit aller -Menschen will Zarathustra nicht sprechen. Sie könnten ihn nur -mißverstehen. Denn sie würden glauben, <span class="corr" -id="xd23e842" title="Quelle: dass">daß</span> sein -Übermensch jenes ideale Musterbild sei, dem alle gleich werden -sollen. Aber Zarathustra will den Menschen keine Vorschriften -darüber machen, wie sie <span class="pagenum">[<a id="pb38" href="#pb38" name="pb38">38</a>]</span>sein sollen; er will nur jeden -Einzelnen auf sich selbst verweisen und ihm sagen: überlasse dich -dir selbst, folge nur dir allein, stelle <span class="ex">dich</span> -über Tugend, Weisheit und Erkenntnis. Zu solchen, die <span class="ex">sich</span> suchen wollen, spricht Zarathustra; nicht einer Menge, -die ein gemeinsames Ziel sucht, sondern solchen Gefährten, gelten -seine Worte, die gleich ihm einen eigenen Weg gehen. Sie allein -verstehen ihn, denn sie wissen, <span class="corr" id="xd23e854" title="Quelle: dass">daß</span> er nicht sagen will: seht, dies ist der -Übermensch, werdet wie er, sondern: seht, ich habe <span class="ex">mich</span> gesucht; so bin ich, wie ich es euch lehre; geht hin -und sucht euch ebenso, dann habt ihr den Übermenschen.</p> -<p class="par">„Den Einsiedlern werde ich mein Lied singen und -den Zweisiedlern; und wer noch Ohren hat für Unerhörtes, dem -will ich sein Herz schwer machen mit meinem Glücke.“</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">12.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Zwei Tiere: die Schlange, als das klügste, -und der Adler, als das stolzeste Tier, begleiten Zarathustra. Sie sind -die Symbole seiner Instinkte. Klugheit schätzt Zarathustra, denn -sie lehrt den Menschen die verschlungenen Pfade der Wirklichkeit -finden; sie lehrt ihn kennen, was er zum Leben braucht. Und auch den -Stolz liebt Zarathustra, denn der Stolz bringt die Selbstachtung des -Menschen hervor, durch die dieser dazu kommt, sich selbst als den Sinn -und Zweck seines Daseins zu betrachten. Der Stolze stellt seine -Weisheit, seine Tugend nicht über sich selbst. Der Stolz bewahrt -den Menschen davor, sich selbst zu vergessen über -„höheren, heiligeren“ Zielen. <span class="pagenum">[<a id="pb39" href="#pb39" name="pb39">39</a>]</span>Lieber -noch als den Stolz möchte Zarathustra die Klugheit verlieren. Denn -die Klugheit, die nicht von Stolz begleitet ist, sieht sich nicht als -Menschenwerk an. Wem der Stolz und die Selbstachtung fehlt, der glaubt, -seine Klugheit sei ihm vom Himmel geschenkt. Ein solcher sagt: ein Thor -ist der Mensch, und er hat nur so viel Weisheit, als ihm der Himmel -schenken will.</p> -<p class="par">„Und wenn mich einst meine Klugheit <span class="corr" id="xd23e871" title="Quelle: verlässt">verläßt</span>: — ach, sie -liebt es, davonzufliegen! — möge mein Stolz dann noch mit -meiner Thorheit fliegen!“</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">13.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Drei Verwandlungen <span class="corr" id="xd23e879" title="Quelle: muss">muß</span> der menschliche Geist -durchmachen, bis er sich selbst gefunden hat. Dies lehrt Zarathustra. -Ehrfürchtig ist der Geist zuerst. Er nennt Tugend, was auf ihm -lastet. Er erniedrigt sich, um seine Tugend zu erhöhen. Er sagt: -alle Weisheit ist bei Gott, und Gottes Wegen muß ich folgen. Gott -legt mir das Schwerste auf, um meine Kraft zu prüfen, ob sie auch -stark sei und geduldig ausharre. Nur der Geduldige ist stark. Gehorchen -will ich, sagt der Geist auf dieser Stufe, und ausführen die -Gebote des Weltengeistes, ohne zu fragen, was der Sinn dieser Gebote -ist. Der Geist fühlt den Druck, den eine höhere Macht auf ihn -ausübt. Nicht <span class="ex">seine</span> Wege geht der Geist, -sondern die Wege dessen, dem er dient.</p> -<p class="par">Es kommt die Zeit, wo der Geist inne wird, daß -kein Gott zu ihm redet. Dann will er frei sein und Herr in seiner -eigenen Welt. Er sucht nach einer <span class="pagenum">[<a id="pb40" -href="#pb40" name="pb40">40</a>]</span>Richtschnur für seine -Geschicke. Er frägt nicht mehr den Weltengeist, wie er sein Leben -einrichten solle. Aber nach einem festen Gesetz, nach einem heiligen -„du sollst“ strebt er. Er sucht nach einem Maßstab, -um den Wert der Dinge zu messen; er sucht nach einem -Unterscheidungszeichen von Gut und Böse. Es <span class="corr" id="xd23e889" title="Quelle: muss">muß</span> eine Regel für -mein Leben geben, die nicht von mir, von meinem Willen abhängt, so -spricht der Geist auf dieser Stufe. Dieser Regel will ich mich -fügen. Frei bin ich, meint der Geist, aber nur frei, um einer -solchen Regel zu gehorchen.</p> -<p class="par">Auch diese Stufe überwindet der Geist. Er wird wie -das Kind, das bei seinem Spielen nicht fragt: wie <span class="ex">soll</span> ich dies oder jenes machen, sondern das nur seinen -Willen ausführt, das nur sich selbst folgt. „<span class="ex">Seinen</span> Willen will nun der Geist, <span class="ex">seine</span> Welt gewinnt sich der Weltverlorne.“</p> -<p class="par">„Drei Verwandlungen nannte ich euch des Geistes: -wie der Geist zum Kamele ward, und zum Löwen das Kamel, und der -Löwe zuletzt zum Kinde. — — Also sprach -Zarathustra.“</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">14.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Was wollen die Weisen, die die Tugend über -den Menschen stellen? fragt Zarathustra. Sie sagen: die Ruhe der Seele -kann nur haben, wer seine Pflicht gethan hat, wer dem heiligen -„du sollst“ gefolgt ist. Tugendhaft soll der Mensch sein, -damit er nach gethaner Pflicht träumen könne von -erfüllten Idealen und keine Gewissensbisse fühle. Ein Mensch -mit Gewissensbissen gleicht, sagen die Tugendhaften, <span class="pagenum">[<a id="pb41" href="#pb41" name="pb41">41</a>]</span>einem -Schlafenden, dem böse Träume die Nachtruhe stören.</p> -<p class="par">„Wenige wissen das, aber man muß alle -Tugenden haben, um gut zu schlafen. Werde ich falsch Zeugnis reden? -Werde ich ehebrechen?</p> -<p class="par">„Werde ich mich gelüsten lassen meines -Nächsten Magd? Das alles vertrüge sich schlecht mit gutem -Schlafe ...</p> -<p class="par">„Friede mit Gott und dem Nachbar, so will es der -gute Schlaf. Und Friede auch noch mit des Nachbars Teufel! Sonst geht -er bei dir des Nachts um.“</p> -<p class="par">Nicht was sein Trieb ihn heißt, thut der -Tugendhafte, sondern was Seelenruhe bewirkt. Er lebt, um in Ruhe -über das Leben träumen zu können. Noch lieber ist es -ihm, wenn den Schlaf, den er Seelenruhe nennt, gar kein Traum -stört. Das heißt: dem Tugendhaften ist es am liebsten, wenn -er irgendwoher die Regeln seines Handelns erhält und im -übrigen seine Ruhe genießen kann. „Seine Weisheit -heißt: wachen, um gut zu schlafen. Und wahrlich, hätte das -Leben keinen Sinn, und müßte ich Unsinn wählen, so -wäre auch mir dies der wählenswürdigste Unsinn,“ -spricht Zarathustra.</p> -<p class="par">Auch für Zarathustra gab es eine Zeit, da er -glaubte, ein außerhalb der Welt wohnender Geist, ein Gott, habe -die Welt geschaffen. Einen unzufriedenen, leidenden Gott dachte sich -Zarathustra. Um sich eine Befriedigung zu verschaffen, um von seinem -Leiden loszukommen, habe Gott die Welt erschaffen, meinte einst -Zarathustra. Aber er hat einsehen gelernt, daß es ein Wahnbild -war, das er sich selbst geschaffen hatte. „Ach, ihr Brüder, -dieser Gott, <span class="pagenum">[<a id="pb42" href="#pb42" name="pb42">42</a>]</span>den ich schuf, war Menschenwerk und -Wahnsinn -gleich allen Göttern!“ Zarathustra hat seine Sinne -gebrauchen und die Welt betrachten gelernt. Und zufrieden wurde er mit -der Welt; nicht mehr schweiften seine Gedanken ins Jenseits. Blind war -er ehemals und konnte die Welt nicht sehen, deshalb suchte er sein Heil -außerhalb der Welt. Aber Zarathustra hat <span class="ex">sehen</span> gelernt und erkennen, daß die Welt in sich -selbst ihren Sinn habe.</p> -<p class="par">„Einen neuen Stolz lehrte mich mein Ich, den lehre -ich die Menschen: nicht mehr den Kopf in den Sand der himmlischen Dinge -zu stecken, sondern frei ihn zu tragen, meinen Erdenkopf, der der Erde -Sinn schafft.“</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">15.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">In Leib und Seele haben die Idealisten den -Menschen gespalten, in Idee und Wirklichkeit haben sie alles Dasein -geteilt. Und sie haben die Seele, den Geist, die Idee zu einem -besonders Wertvollen gemacht, um die Wirklichkeit, den Leib um so mehr -verachten zu können. Zarathustra aber sagt: Nur <span class="ex">eine</span> Wirklichkeit, nur einen Leib giebt es, und die Seele -ist nur etwas am Leibe, die Idee nur etwas an der Wirklichkeit. -<span class="ex">Eine Einheit</span> sind Leib und Seele des Menschen; -aus <span class="ex">einer</span> Wurzel entspringen Körper und -Geist. Der Geist ist nur da, weil ein Körper da ist, der -Kräfte hat, an sich den Geist zu entwickeln. Wie die Pflanze an -sich die Blüte, so entfaltet der Körper an sich den -Geist.</p> -<p class="par">„Hinter deinen Gedanken und Gefühlen, mein -Bruder, steht ein mächtiger Gebieter, ein unbekannter <span class="pagenum">[<a id="pb43" href="#pb43" name="pb43">43</a>]</span>Weiser -— der heißt Selbst. In deinem Leibe wohnt er, dein Leib ist -er.“</p> -<p class="par">Wer einen Sinn hat für das Wirkliche, der sucht den -Geist, die Seele in und an dem Wirklichen, er sucht die Vernunft in dem -Wirklichen; nur wer die Wirklichkeit für geistlos, für -„bloß natürlich“, für „roh“ -hält, der giebt dem Geiste, der Seele ein besonderes Dasein. Er -macht die Wirklichkeit zur bloßen Wohnung des Geistes. Einem -solchen fehlt aber auch der Sinn für die Wahrnehmung des Geistes -selbst. Nur weil er den Geist in der Wirklichkeit nicht sieht, sucht er -ihn anderswo.</p> -<p class="par">„Es ist mehr Vernunft in deinem Leibe, als in -deiner besten Weisheit .....</p> -<p class="par">„Der Leib ist eine große Vernunft, eine -Vielheit mit <span class="ex">einem</span> Sinne, ein Krieg und ein -Frieden, eine Herde und ein Hirt.</p> -<p class="par">„Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine -Vernunft, mein Bruder, die du „Geist“ nennst, ein kleines -Werk- und Spielzeug deiner großen Vernunft.“</p> -<p class="par">Ein Thor ist, wer die Blüte von der Pflanze -reißt und glaubt, die abgerissene Blüte werde nun sich noch -zur Frucht entwickeln. Ein Thor ist ebenso, wer den Geist von der Natur -absondert und glaubt, ein solcher abgesonderter Geist könne noch -schaffen.</p> -<p class="par">Menschen mit kranken Instinkten haben die Scheidung von -Geist und Körper vorgenommen. Ein kranker Instinkt nur kann sagen: -mein Reich ist nicht von dieser Welt. Eines gesunden Instinktes Reich -ist <span class="ex">nur diese Welt</span>. <span class="pagenum">[<a id="pb44" href="#pb44" name="pb44">44</a>]</span></p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">16.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Was für Ideale haben sie doch geschaffen, -diese Verächter der Wirklichkeit! Fassen wir sie ins Auge, die -Ideale der Asketen, die da sagen: wendet ab euren Blick vom Diesseits -und schaut nach dem Jenseits! Was bedeuten asketische Ideale? Mit -dieser Frage und den Vermutungen, mit denen er sie beantwortet, hat uns -Nietzsche am tiefsten hineinblicken lassen in sein von der -abendländischen neueren Kultur unbefriedigtes Herz. (Genealogie -der Moral<span class="corr" id="xd23e971" title="Quelle: .">,</span> 3. -Abteilung.)</p> -<p class="par">Wenn ein <span class="ex">Künstler</span>, wie z. -B. <span class="ex">Richard Wagner</span> in der letzten Zeit seines -Schaffens, Anhänger des asketischen Ideales wird, so hat das nicht -viel zu bedeuten. Der Künstler steht sein ganzes Leben hindurch -<span class="ex">über</span> seinen Schöpfungen. Er sieht von -oben herab auf seine Wirklichkeiten. Er schafft Wirklichkeiten, die -nicht <span class="ex">seine</span> Wirklichkeit sind. „Ein Homer -hätte keinen Achill, ein Goethe keinen Faust gedichtet, wenn Homer -ein Achill, und wenn Goethe ein Faust gewesen wäre.“ -(Genealogie, 3. Abt. § 4.) Wenn nun ein solcher Künstler sein -eigenes Dasein einmal ernst nimmt, sich selbst und seine -persönlichen Ansichten in Wirklichkeit umsetzen will, so ist es -kein Wunder, wenn etwas sehr Unreales entsteht. <span class="ex">Richard Wagner</span> hat über seine Kunst vollständig -umgelernt, als ihm die Philosophie Schopenhauers bekannt wurde. Vorher -hielt er die Musik für ein Ausdrucksmittel, das etwas braucht, dem -es Ausdruck verschafft, das Drama. In seiner Schrift <span class="ex">Oper</span> und <span class="ex">Drama</span>, die 1851 -geschrieben ist, spricht er aus, daß der <span class="pagenum">[<a id="pb45" href="#pb45" name="pb45">45</a>]</span>größte Irrtum, dem man sich in Bezug -auf die Oper hingeben kann, der ist, „daß</p> -<div class="blockquote"> -<p class="par first">ein Mittel des Ausdrucks (die Musik) zum Zwecke, -der Zweck des Ausdrucks (das Drama) aber zum Mittel gemacht<a id="xd23e1003" name="xd23e1003"></a> werde.“</p> -</div> -<p class="par"></p> -<p class="par">Er bekannte sich zu einer andern Ansicht, nachdem er -Schopenhauers Lehre von der Musik kennen gelernt hatte. Schopenhauer -ist der Ansicht, daß durch die Musik das Wesen der Dinge selbst -zu uns spricht. Der ewige <span class="ex">Wille</span>, der in allen -Dingen lebt, er wird in allen anderen Künsten nur in seinen -Abbildern, in den Ideen, verkörpert; die Musik ist kein -bloßes Bild des Willens: in ihr giebt sich der Wille <span class="ex">unmittelbar</span> kund. Was uns in allen unseren Vorstellungen -nur im Abglanz erscheint: der ewige Grund alles Seins, der Wille, ihn -glaubt Schopenhauer in den Klängen der Musik unmittelbar zu -vernehmen. Kunde aus dem Jenseits bringt für Schopenhauer die -Musik. Diese Ansicht wirkte auf Richard Wagner. Nicht mehr als -Ausdrucksmittel wirklicher menschlicher Leidenschaften, wie sie im -Drama verkörpert sind, ließ er die Musik gelten, sondern als -„eine Art Mundstück des <span class="ex">Ansich</span> der -Dinge, ein Telephon des Jenseits“. Richard Wagner glaubte jetzt -nicht mehr die Wirklichkeit in Tönen auszudrücken; „er -redete fürderhin nicht nur Musik, dieser Bauchredner Gottes, -— er redete Metaphysik: was Wunder, daß er endlich eines -Tages <span class="ex">asketische Ideale</span> redete.“ -(<span class="corr" id="xd23e1020" title="Quelle: Generalogie">Genealogie</span><span class="corr" id="xd23e1022" title="Quelle: .">,</span> 3. Abteilung, § 5.)</p> -<p class="par">Hätte <span class="ex">Richard Wagner</span> -bloß seine Ansicht über die Bedeutung der Musik -geändert, so hätte Nietzsche keinen Anlaß, ihm etwas -vorzuwerfen. <span class="pagenum">[<a id="pb46" href="#pb46" name="pb46">46</a>]</span>Nietzsche könnte dann höchstens sagen: -Wagner hat außer seinen Kunstwerken auch noch allerlei verkehrte -Theorien über die Kunst geschaffen. Daß aber Wagner in der -letzten Zeit seines Schaffens den Schopenhauerschen Jenseitsglauben -auch in seinen Kunstwerken verkörpert hat, daß er seine -Musik dazu verwendet hat, die Flucht vor der Wirklichkeit zu -verherrlichen: das ging Nietzsche wider den Geschmack.</p> -<p class="par">Aber der „Fall Wagner“ besagt nichts, wenn -es sich um die Bedeutung der Verherrlichung des Jenseits auf Kosten des -Diesseits, wenn es sich um die Bedeutung <span class="corr" id="xd23e1034" title="Quelle: des">der</span> asketischen Ideale handelt. -Künstler stehen nicht auf eigenen Füßen. Wie Richard -Wagner von Schopenhauer abhängig ist, so waren die Künstler -„zu allen Zeiten Kammerdiener einer Moral, oder Philosophie oder -Religion“.</p> -<p class="par">Anders ist es, wenn die Philosophen für die -Verachtung der Wirklichkeit, für die asketischen Ideale eintreten. -Sie thun das aus einem tiefen Instinkte heraus.</p> -<p class="par">Schopenhauer hat diesen Instinkt verraten durch die -Beschreibung, die er von dem Schaffen und Genießen eines -Kunstwerkes giebt. „Daß also das <span class="ex">Kunstwerk</span> die Auffassung der Ideen, in welcher der -ästhetische Genuß besteht, so sehr erleichtert, beruht nicht -bloß darauf, daß die Kunst durch Hervorhebung des -Wesentlichen und Aussonderung des Unwesentlichen die Dinge deutlicher -und charakteristischer darstellt, sondern ebenso sehr darauf, -<span class="ex">daß das zur objektiven Auffassung des Wesens der -Dinge erforderte gänzliche Schweigen <span class="pagenum">[<a id="pb47" href="#pb47" name="pb47">47</a>]</span>des Willens am sichersten -dadurch erreicht wird, daß das angeschaute Objekt gar nicht im -Gebiete der Dinge liegt, welche einer Beziehung zum Willen fähig -sind</span>.“ (Ergänzungen zum 3. Buch der Welt als Wille -und Vorstellung, Kap. 21.) „Wann aber ein äußerer -Anlaß oder eine innere Stimmung uns plötzlich aus dem -endlosen Strome des Wollens heraushebt, die Erkenntnis dem -Sklavendienst des Willens entreißt, die Aufmerksamkeit nun nicht -mehr auf die Motive des Wollens gerichtet wird, sondern die Dinge frei -von ihrer Beziehung auf den Willen auffaßt, also <span class="ex">ohne Interesse, ohne Subjektivität</span>, rein objektiv sie -betrachtet, ihnen ganz hingegeben, sofern sie bloß Vorstellungen, -nicht sofern sie Motive sind: dann ist ..... der schmerzenlose Zustand, -den Epikuros als das höchste Gut und als den Zustand der -Götter pries [eingetreten]: denn wir sind für jenen -Augenblick des schnöden Willensdranges entledigt, wir feiern den -Sabbat der Zuchthausarbeit des Wollens, das Rad des Ixion steht -still.“ (Welt als Wille und Vorstellung, § 38.)</p> -<p class="par">Dies ist eine Beschreibung einer Art des -ästhetischen Genusses, die nur bei dem Philosophen vorkommt. -Nietzsche stellt ihr gegenüber eine andere Beschreibung, -„die ein <span class="ex">wirklicher</span> Zuschauer und Artist -gemacht hat — Stendhal“, der das Schöne -„<span lang="fr">une promesse de bonheur</span>“ nennt. -Schopenhauer möchte alles Willensinteresse, alles wirkliche Leben -ausschalten, wenn es sich um die Betrachtung eines Kunstwerkes handelt, -und nur mit dem <span class="ex">Geiste</span> genießen; Stendhal -sieht in dem Kunstwerke ein <span class="ex">Versprechen</span> von -<span class="pagenum">[<a id="pb48" href="#pb48" name="pb48">48</a>]</span><span class="ex">Glück</span>, also einen -Hinweis auf das Leben, und sieht in diesem Zusammenhang der Kunst mit -dem Leben den Wert der Kunst.</p> -<p class="par">Kant fordert vom schönen Kunstwerk, daß es -<span class="ex">ohne Interesse gefalle</span>, d. h. daß es uns -heraushebe aus dem wirklichen Leben und einen rein geistigen -Genuß gewähre.</p> -<p class="par">Was sucht der Philosoph in dem künstlerischen -Genuß? <span class="ex">Erlösung</span> von der -Wirklichkeit. In eine Wirklichkeit-fremde Stimmung will der Philosoph -durch das Kunstwerk versetzt werden. Er verrät dadurch seinen -Grundinstinkt. Der Philosoph fühlt sich in den Augenblicken am -wohlsten, in denen er von der Wirklichkeit loskommen kann. Seine -Ansicht vom ästhetischen Genuß zeigt, daß er die -Wirklichkeit nicht liebt.</p> -<p class="par">Nicht was der dem Leben zugewandte Zuschauer von dem -Kunstwerke verlangt, sagen uns die Philosophen in ihren Theorien, -sondern nur, was ihnen selbst angemessen ist. Und dem Philosophen ist -die Abkehr von dem Leben sehr förderlich. Er will sich seine -verschlungenen Gedankenwege nicht durchkreuzen lassen von der -Wirklichkeit. Das Denken gedeiht besser, wenn sich der Philosoph von -dem Leben abkehrt. Es ist nun kein Wunder, wenn dieser philosophische -Grundinstinkt geradezu zu einer <span class="corr" id="xd23e1083" -title="Quelle: leben-feindlichen">lebensfeindlichen</span> Stimmung -wird. Wir finden eine solche Stimmung bei der Mehrzahl der Philosophen -ausgebildet. Und nahe liegt es, daß der Philosoph seine eigene -Antipathie gegen das Leben zu einer <span class="ex">Lehre</span> -ausbildet und fordert, daß sich alle Menschen zu einer solchen -Lehre bekennen. Schopenhauer hat <span class="pagenum">[<a id="pb49" -href="#pb49" name="pb49">49</a>]</span>dieses gethan. Er fand, -daß der Lärm der Welt seine Gedankenarbeit störte. Er -empfand, daß man über die Wirklichkeit am besten -<span class="ex">nachdenken</span> kann, wenn man dieser Wirklichkeit -entflieht. Zugleich vergaß er, daß alles Denken über -die Wirklichkeit doch nur dann einen Wert hat, wenn es aus dieser -Wirklichkeit entspringt. Er beachtete nicht, daß das -Zurückziehen des Philosophen von der Wirklichkeit nur geschehen -kann, damit die entfernt von dem Leben entstandenen philosophischen -Gedanken dann dem Leben um so besser dienen können. Wenn der -Philosoph den Grundinstinkt, der nur ihm als Philosophen -förderlich ist, der ganzen Menschheit aufdrängen will, dann -wird er zu einem Feinde des Lebens.</p> -<p class="par">Der Philosoph, der die Weltflucht nicht als Mittel -betrachtet, um weltfreundliche Gedanken zu schaffen, sondern als Zweck, -als Ziel, kann nur Wertloses schaffen. Der wahre Philosoph flieht auf -der einen Seite die Wirklichkeit nur, um sich auf der anderen um so -tiefer in sie einzubohren. Aber es ist begreiflich, daß dieser -Grundinstinkt den Philosophen leicht dazu verführen kann, die -Weltflucht als solche für wertvoll zu halten. Dann wird der -Philosoph zu einem Anwalt der Weltverneinung. Er lehrt Abkehr vom -Leben, asketisches Ideal. Er findet: „Ein gewisser Asketismus -..... eine harte und heitere Entsagsamkeit besten Willens gehört -zu den günstigen Bedingungen höchster Geistigkeit, -insgleichen auch zu deren natürlichsten Folgen: so wird es von -vornherein nicht Wunder nehmen, wenn das asketische Ideal gerade von -den Philosophen nie ohne einige <span class="pagenum">[<a id="pb50" -href="#pb50" name="pb50">50</a>]</span>Voreingenommenheit behandelt -worden ist.“ (Genealogie der Moral, 3. Abteilung § 8.)</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">17.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Einen andern Ursprung haben die asketischen Ideale -der <span class="ex">Priester</span>. Was bei dem Philosophen durch das -Überwuchern eines bei ihm berechtigten Triebes entsteht, das -bildet das Grundideal des priesterlichen Wirkens. Der Priester sieht in -der Hingabe des Menschen an das wirkliche Leben einen Irrtum; er -verlangt, daß man <span class="ex">dieses</span> Leben gering -achte gegenüber einem andern Leben, das von höheren als -bloß natürlichen Kräften gelenkt wird. Der Priester -leugnet, daß das wirkliche Leben einen Sinn in sich selbst habe, -und er fordert, daß ihm dieser Sinn verliehen werde durch -Einimpfung eines höheren Willens. Er sieht das Leben in der -Zeitlichkeit als unvollkommen an und stellt ihm ein ewiges, -vollkommenes Leben gegenüber. Abkehr von der Zeitlichkeit und -Einkehr in das Ewige, Unwandelbare lehrt der Priester. Ich möchte -als besonders bezeichnend für die priesterliche Denkweise einige -Sätze aus dem berühmten Buche „Die deutsche -Theologie“ anführen, das aus dem 14. Jahrhundert stammt und -von dem Luther sagt, daß er aus keinem Buche, die Bibel und den -heiligen Augustin ausgenommen, mehr gelernt habe, was Gott, Christus -und der Mensch sei, als aus diesem. Auch Schopenhauer findet, daß -der Geist des Christentums in diesem Buche vollkommen und kräftig -ausgesprochen ist. Nachdem der Verfasser, der uns unbekannt ist, -auseinander gesetzt hat, daß alle Dinge <span class="pagenum">[<a id="pb51" href="#pb51" name="pb51">51</a>]</span>der Welt -nur ein Unvollkommenes und Geteiltes seien gegenüber dem -Vollkommenen, „das in sich und in seinem Wesen alle Wesen -begriffen und beschlossen hat, und ohne das und außer dem kein -wahres Wesen ist und in dem alle Dinge ihr Wesen haben“, -führt er aus, daß der Mensch in dieses Wesen nur eindringen -kann, wenn er „Kreatürlichkeit, Geschaffenheit, Ichheit, -Selbstheit und dergleichen alles verloren“ und in sich zu nichte -gemacht hat. Was von dem Vollkommenen ausgeflossen ist und was der -Mensch als <span class="ex">seine</span> wirkliche Welt erkennt, das -wird folgendermaßen charakterisiert: „Das ist kein wahres -Wesen und hat kein Wesen anders denn in dem Vollkommenen, sondern es -ist ein Zufall oder ein Glanz und ein Schein, der kein Wesen ist oder -kein Wesen hat anders als in dem Feuer, wo der Glanz ausfließt, -oder in der Sonne, oder in dem Lichte. Die Schrift spricht und der -Glaube und die Wahrheit: Sünde sei nichts anderes, denn daß -sich die Kreatur abkehrt von dem unwandelbaren Gute und kehret sich zu -dem wandelbaren, das ist: daß sie sich kehrt von dem Vollkommenen -zu dem Geteilten und Unvollkommenen und allermeist zu sich selber. Nun -merke. Wenn sich die Kreatur etwas Gutes annimmt, als Wesens, Lebens, -Wissens, Erkennens, Vermögens und kürzlich alles dessen, was -man gut nennen soll, und meint, <span class="ex">daß sie das sei -oder daß es das Ihre sei oder ihr zugehöre oder daß es -von ihr sei: so oft und viel dabei geschieht, so kehrt sie sich -ab</span>. Was that der Teufel anders oder was war sein Fall und -Abkehren anders, als daß er sich annahm, <span class="ex">er -wäre auch etwas und etwas wäre <span class="pagenum">[<a id="pb52" href="#pb52" name="pb52">52</a>]</span>sein und ihm gehörte -auch etwas zu</span>? Dies Annehmen und sein Ich und sein Mich, sein -Mir und sein Mein, das war sein Abkehren und sein Fall. Also ist es -noch .... Denn alles das, was man für gut hält oder gut -nennen soll, das gehört niemand zu, denn allein dem ewigen wahren -Gut, der Gott allein ist, und wer sich dessen annimmt, der thut Unrecht -und wider Gott“. (1., 2., 4. Kap. der deutsch. Theol., 3. Aufl., -übersetzt von Pfeiffer.)</p> -<p class="par">Diese Sätze sprechen die Gesinnung <span class="ex">jedes</span> Priesters aus. Sie sprechen den eigentlichen -Charakter der Priesterlichkeit aus. Und dieser Charakter ist das -Gegenteil desjenigen, den Nietzsche als den höherwertigen, den -lebenswürdigen bezeichnet. Der höherwertige Typus Mensch will -alles, was er ist, nur durch sich sein; er will, daß alles, was -er für gut hält und gut nennt, niemand zugehört, denn -ihm selbst.</p> -<p class="par">Aber jene minderwertige Gesinnung ist kein Ausnahmefall. -Sie „ist eine der breitesten und längsten Thatsachen, die es -giebt. Von einem fernen Gestirn aus gelesen, würde vielleicht die -Majuskelschrift unseres Erdendaseins zu dem Schluß -verführen, die Erde sei der eigentlich <span class="ex">asketische -Stern</span>, ein Winkel mißvergnügter, hochmütiger und -widriger Geschöpfe, die einen tiefen Verdruß an sich, an der -Erde, an allem Leben gar nicht los würden.“ (Genealogie der -Moral, 3. Abteilung § 11.) Der asketische Priester ist deshalb -eine Notwendigkeit, weil die Mehrzahl der Menschen an einer -„Hemmung und Ermüdung“ der Lebenskräfte leidet, -weil sie an der Wirklichkeit leidet. Der asketische Priester ist der -Tröster und Arzt derjenigen, <span class="pagenum">[<a id="pb53" -href="#pb53" name="pb53">53</a>]</span>die am Leben leiden. Er -tröstet sie dadurch, daß er ihnen sagt: dieses Leben, an dem -ihr leidet, ist nicht das wahre Leben; das wahre Leben ist denjenigen, -die an diesem Leben leiden, viel leichter erreichbar als den Gesunden, -die an diesem Leben hängen und sich ihm hingeben. Durch solche -Aussprüche züchtet der Priester die Verachtung, die -Verleumdung dieses wirklichen Lebens. Er bringt endlich die Gesinnung -hervor, die sagt: um das wahre Leben zu erreichen, muß dieses -wirkliche Leben <span class="ex">verneint</span> werden. In der -Verbreitung dieser Gesinnung sucht der asketische Priester seine -Stärke. Er beseitigt durch die Züchtung dieser Gesinnung eine -große Gefahr, die den Gesunden, Starken, Selbstbewußten von -den Verunglückten, Niedergeworfenen, Zerbrochenen droht. Die -letzteren hassen die Gesunden und die leiblich und seelisch -Glücklichen, die ihre Kräfte aus der Natur nehmen. Diesen -Haß, der sich dadurch äußern müßte, -daß die Schwachen gegen die Starken einen fortwährenden -Vernichtungskrieg führten, sucht der Priester niederzuhalten. Er -stellt deshalb die Starken als diejenigen hin, die ein wertloses, -menschenunwürdiges Leben führen und behauptet dagegen, -daß das wahre Leben allein denen erreichbar ist, die von dem -Erdenleben geschädigt werden. „Der asketische Priester -muß uns als der vorherbestimmte Heiland, Hirt und Anwalt der -kranken Herde gelten: damit erst verstehen wir seine ungeheure -historische Mission. Die <span class="ex">Herrschaft über -Leidende</span> ist sein Reich, auf sie weist ihn sein Instinkt an, in -ihr hat er seine eigenste Kunst, seine Meisterschaft, seine Art von -Glück.“ (Genealogie, 3. Abth. § 15.) <span class="pagenum">[<a id="pb54" href="#pb54" name="pb54">54</a>]</span></p> -<p class="par">Es ist kein Wunder, wenn eine solche Denkweise endlich -dazu führt, daß ihre Anhänger nicht nur das Leben -verachten, sondern geradezu auf seine Zerstörung hinarbeiten. Wenn -den Menschen gesagt wird, nur der Leidende, der Schwache kann wirklich -zu einem höheren Leben kommen, so wird endlich das Leiden, die -Schwäche <span class="ex">gesucht</span> werden. Sich selbst -Schmerz zuzufügen, den Willen in sich ganz ertöten, das wird -Ziel des Lebens werden. Die Opfer dieser Gesinnung sind die Heiligen. -„Völlige Keuschheit und Entsagung aller Wollust für -den, welcher eigentliche Heiligkeit anstrebt; Wegwerfung alles -Eigentums, Verlassung jedes Wohnortes, aller Angehörigen, tiefe, -gänzliche Einsamkeit, zugebracht in stillschweigender Betrachtung, -mit freiwilliger Buße und schrecklicher langsamer -Selbstpeinigung, zur gänzlichen Mortifikation des Willens, welche -zuletzt bis zum freiwilligen Tode geht durch Hunger, auch durch -Entgegengehen den Krokodilen, durch Herabstürzen vom geheiligten -Felsengipfel im Himalaya, durch Lebendigbegrabenwerden, auch durch -Hinwerfung unter die Räder des unter Gesang, Jubel und Tanz der -Bajaderen die Götterbilder umfahrenden Wagens“, dies sind -die letzten Früchte der asketischen Gesinnung. (Schopenhauer, Welt -als Wille und Vorstellung § 68.)</p> -<p class="par">Diese Denkweise ist dem Leiden am Leben entsprungen, und -sie richtet ihre Waffen gegen das Leben. Wenn der Gesunde, Lebensfrohe -von ihr angesteckt wird, dann tilgt sie bei ihm die gesunden, starken -Instinkte aus. Nietzsches Werk gipfelt darinnen, dieser Lehre -gegenüber etwas anderes geltend zu <span class="pagenum">[<a id="pb55" href="#pb55" name="pb55">55</a>]</span>machen, eine Ansicht -für Gesunde, Wohlgeratene. Mögen die Mißratenen, -Verdorbenen in der Lehre der asketischen Priester ihr Heil suchen; die -Gesunden will Nietzsche um sich sammeln und ihnen eine Meinung sagen, -die ihnen besser zu Gesichte steht, als jedes lebensfeindliche -Ideal.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">18.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Auch in den Pflegern der <span class="ex">modernen -Wissenschaft</span> steckt noch das asketische Ideal. Zwar rühmt -sich diese Wissenschaft, alle alten Glaubensvorstellungen über -Bord geworfen zu haben und sich nur an die Wirklichkeit zu halten. Sie -will nichts gelten lassen, was sich nicht zählen, berechnen, -wägen, sehen und greifen läßt. Daß man auf diese -Weise „das Dasein zu einer Rechenknechtsübung und -Stubenhockerei für Mathematiker“ herabwürdigt, ist den -modernen Gelehrten gleichgültig. (Fröhliche Wissenschaft -§ 373.) Ein Recht, die vor seinen Sinnen und seiner Vernunft -vorüberziehenden Vorkommnisse der Welt zu interpretieren, -sodaß er sie mit seinem Denken beherrschen kann, schreibt sich -ein solcher Gelehrter nicht zu. Er sagt: die Wahrheit muß von -meiner Interpretationskunst unabhängig sein, und ich habe die -Wahrheit nicht zu schaffen, sondern ich muß sie mir von den -Erscheinungen der Welt diktieren lassen.</p> -<p class="par">Wozu diese moderne Wissenschaft zuletzt gelangt, wenn -sie sich alles Zurechtlegens der Welterscheinungen enthält, das -hat ein Anhänger dieser Wissenschaft (Richard Wahle) in einem -soeben erschienenen Buche („Das Ganze der Philosophie und ihr -Ende“) ausgesprochen: <span class="pagenum">[<a id="pb56" href="#pb56" name="pb56">56</a>]</span>„Was könnte der Geist, der -in das Weltgehäuse spähend und in sich die Fragen nach dem -Wesen und dem Ziele des Geschehens herumwälzte, endlich als -Antwort finden? Es ist ihm widerfahren, daß er, wie er so -scheinbar im Gegensatze zur umgebenden Welt dastand, sich auflöste -und in einer Flucht von Vorkommnissen mit allen Vorkommnissen -zusammenfloß. Er „wußte“ nicht mehr die Welt; -er sagte, ich bin nicht sicher, daß Wissende da sind, sondern -Vorkommnisse sind da schlechthin. Sie kommen freilich in solcher Weise, -daß der Begriff eines Wissens vorschnell, ungerechtfertigt -entstehen konnte .... Und „Begriffe“ huschten empor, um -Licht in die Vorkommnisse zu bringen, aber es waren Irrlichter, Seelen -der Wünsche nach Wissen, erbärmliche, in ihrer Evidenz -nichtssagende Postulate einer unausgefüllten Wissensform. -<span class="ex">Unbekannte Faktoren müssen im Wechsel -walten.</span> Über ihre Natur war Dunkel gebreitet. Vorkommnisse -sind der Schleier des Wahrhaften.“</p> -<p class="par">Daß die menschliche Persönlichkeit in die -Vorkommnisse der Wirklichkeit einen Sinn hineinlegen könne und die -<span class="ex">unbekannten Faktoren</span>, die im Wechsel der -Ereignisse walten, aus eigenem Vermögen ergänzen könne, -daran denken die modernen Gelehrten nicht. Sie wollen nicht die Flucht -der Erscheinungen durch die Ideen interpretieren, die aus ihrer -Persönlichkeit stammen. Sie wollen die Erscheinungen bloß -beobachten und beschreiben, aber nicht deuten. Sie wollen bei dem -Thatsächlichen stehen bleiben und es der schöpferischen -Phantasie nicht gestatten, sich <span class="pagenum">[<a id="pb57" -href="#pb57" name="pb57">57</a>]</span>ein in sich gegliedertes Bild -von der Wirklichkeit zu machen.</p> -<p class="par">Wenn ein phantasievoller Naturforscher, wie z. B. -<span class="ex">Ernst Haeckel</span>, aus den Ergebnissen einzelner -Beobachtungen ein Gesamtbild der Entwickelung des organischen Lebens -auf der Erde entwirft, dann fallen diese Fanatiker der -Thatsächlichkeit über ihn her und zeihen ihn der -Versündigung an der Wahrheit. Die Bilder, die er von dem Leben in -der Natur entwirft, können sie nicht mit Augen sehen, oder mit -Händen greifen. Ihnen ist das unpersönliche Urteil lieber, -als das durch den Geist der Persönlichkeit gefärbte. Sie -möchten bei ihren Beobachtungen am liebsten die -Persönlichkeit ganz ausschalten.</p> -<p class="par">Es ist das asketische Ideal, das die Fanatiker der -Thatsächlichkeit beherrscht. Sie wollen eine Wahrheit <span class="ex">jenseits</span> des persönlichen, individuellen Urteiles. Was -der Mensch in die Dinge „hineinphantasieren“ kann, -bekümmert sie nicht; die „Wahrheit“ ist ihnen etwas -absolut Vollkommenes, ein Gott; der Mensch soll sie entdecken, sich ihr -ergeben, aber sie nicht schaffen. Die Naturforscher und die -Geschichtschreiber sind gegenwärtig von dem gleichen Geiste des -asketischen Ideals beseelt. Überall Aufzählen, Beschreiben -von Thatsachen, und nichts darüber. Jedes Zurechtlegen der -Thatsachen ist verpönt. Alles persönliche Urteilen soll -unterbleiben.</p> -<p class="par">Unter diesen modernen Gelehrten finden sich auch -Atheisten. Diese Atheisten sind aber keine freieren Geister als ihre -Zeitgenossen, die an Gott glauben. Mit den Mitteln der modernen -Wissenschaft läßt sich das Dasein Gottes nicht beweisen. Hat -sich doch <span class="pagenum">[<a id="pb58" href="#pb58" name="pb58">58</a>]</span>eine der Leuchten moderner Wissenschaft (Du -Bois-Reymond) über die Annahme einer „Weltseele“ also -geäußert: bevor der Naturforscher sich zu einer solchen -Annahme entschließt, verlangt er, „daß ihm irgendwo -in der Welt, in Neuroglia gebettet und mit warmem arteriellen Blut -unter richtigem Druck gespeist, ein dem geistigen Vermögen solcher -Seele an Umfang entsprechendes Konvolut von Ganglienzellen und -Nervenfasern gezeigt“ werde (Grenzen des Naturerkennens S. 44). -Die moderne Wissenschaft lehnt den Glauben an Gott ab, weil dieser -Glaube neben dem Glauben an die „objektive Wahrheit“ nicht -bestehen kann. Diese „objektive Wahrheit“ ist aber nichts -anderes als ein neuer Gott, der über den alten gesiegt hat. -„Der unbedingte redliche Atheismus (und <span class="ex">seine</span> Luft allein atmen wir, wir geistigeren Menschen -dieses Zeitalters!) steht <span class="ex">nicht</span> im Gegensatz zu -jenem (asketischen) Ideale, wie es den Anschein hat; er ist vielmehr -nur eine seiner letzten Entwickelungsphasen, eine seiner -Schlußformen und inneren Folgerichtigkeiten, er ist die Ehrfurcht -gebietende <span class="ex">Katastrophe</span> einer -zweitausendjährigen Zucht zur Wahrheit, welche am Schlusse sich -die <span class="ex">Lüge im Glauben an Gott</span> -verbietet.“ (Genealogie, 3. Abteilung § 27.) Der Christ -sucht die Wahrheit in Gott, weil er Gott für den Quell aller -Wahrheit hält; der moderne Atheist lehnt den Glauben an Gott ab, -weil ihm <span class="ex">sein</span> Gott, sein Ideal von Wahrheit -diesen Glauben verbietet. Der moderne Geist sieht in Gott eine -menschliche Schöpfung; in der „Wahrheit“ sieht er -etwas, was ohne alles menschliche Zuthun durch sich selbst besteht. Der -wirklich „freie Geist“ geht noch weiter. <span class="pagenum">[<a id="pb59" href="#pb59" name="pb59">59</a>]</span>Er -fragt: „<span class="ex">Was bedeutet aller Wille zur -Wahrheit?</span>“ Wozu Wahrheit? Alle Wahrheit entsteht doch -dadurch, daß der Mensch über die Erscheinungen der Welt -nachdenkt, sich Gedanken über die Dinge bildet. Der Mensch selbst -ist der Schöpfer der Wahrheit. Der „freie Geist“ kommt -zum Bewußtsein seines Schaffens der Wahrheit. Er betrachtet die -Wahrheit nicht mehr als etwas, dem er sich unterordnet; er betrachtet -sie als sein Geschöpf.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">19.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Die mit schwachen, mißratenen -Erkenntnisinstinkten ausgestatteten Menschen wagen es nicht, aus der -Begriffe bildenden Macht ihrer Persönlichkeit heraus den -Welterscheinungen einen Sinn unterzulegen. Sie wollen, daß ihnen -die „Gesetzmäßigkeit der Natur“ als Thatbestand -vor die Sinne trete. Ein subjektives, der Einrichtung des menschlichen -Geistes gemäß geformtes Weltbild scheint ihnen wertlos. Aber -die bloße Beobachtung der Vorkommnisse in der Welt liefert uns -nur ein zusammenhangloses und doch nicht in Einzelheiten gesondertes -Weltbild. Dem bloßen Beobachter der Dinge erscheint kein -Gegenstand, kein Geschehnis wichtiger, bedeutungsvoller als das andere. -Das rudimentäre Organ eines Organismus, das vielleicht dann, wenn -wir darüber nachgedacht haben, ohne alle Bedeutung für die -Entwickelung des Lebens erscheint, steht gerade mit demselben Anspruch -auf Beachtung da, wie der edelste Teil des Organismus, so lange wir -bloß den objektiven Thatbestand beschauen. Ursache und Wirkung -sind aufeinanderfolgende Erscheinungen, die ineinander -überfließen, <span class="pagenum">[<a id="pb60" href="#pb60" name="pb60">60</a>]</span>ohne durch etwas getrennt zu sein, so -lange wir sie <span class="ex">bloß beobachten</span>. Erst wenn -wir mit unserem Denken einsetzen, die ineinander fließenden -Erscheinungen sondern und gedanklich aufeinander beziehen, wird ein -<span class="ex">gesetzmäßiger Zusammenhang</span> sichtbar. -Erst das Denken erklärt die eine Erscheinung für die Ursache, -die andere für die Wirkung. Wir sehen einen Regentropfen auf den -Erdboden fallen und eine Vertiefung hervorrufen. Ein Wesen, das nicht -denken kann, wird hier nicht Ursache und Wirkung sehen, sondern nur -eine Aufeinanderfolge von Erscheinungen. Ein denkendes Wesen isoliert -die Erscheinungen, bringt die isolierten Fakten in ein Verhältnis -und bezeichnet das eine Faktum als Ursache, das andere als Wirkung. -Durch die Beobachtung wird der Intellekt angeregt, Gedanken zu -produzieren und diese mit den beobachteten Thatsachen zu einem -gedankenvollen Weltbilde zu verschmelzen. Der Mensch thut dies, weil er -die Summe der Beobachtungen gedanklich beherrschen will. Ein ihm -gegenüberstehendes Gedankenleeres drückt auf ihn wie eine -unbekannte Macht. Er widersetzt sich dieser Macht, überwindet sie, -indem er sie denkbar macht. Auch alles Zählen, Wägen und -Berechnen der Erscheinungen geschieht aus demselben Grunde. Es ist der -<span class="ex">Wille zur Macht</span>, der sich in dem -Erkenntnistriebe auslebt. (Ich habe den Erkenntnisprozeß im -einzelnen dargestellt in meinen beiden Schriften: „Wahrheit und -Wissenschaft“ und „Die Philosophie der -Freiheit“.)</p> -<p class="par">Der stumpfe, schwache Intellekt will sich nicht -eingestehen, daß er es selbst ist, der als Äußerung -seines Strebens nach Macht die Erscheinungen interpretiert. -<span class="pagenum">[<a id="pb61" href="#pb61" name="pb61">61</a>]</span>Er hält auch seine Interpretation für -einen Thatbestand. Und er fragt: wie der Mensch dazu kommt, einen -solchen Thatbestand in der Wirklichkeit zu finden. Er fragt z. B.: wie -kommt es, daß der Intellekt in zwei aufeinander folgenden -Erscheinungen Ursache und Wirkung anerkennt? Alle Erkenntnistheoretiker -von Locke, Hume, Kant bis auf die Gegenwart haben sich mit dieser Frage -beschäftigt. Die Spitzfindigkeiten, die sie auf diese Untersuchung -verwendet haben, sind unfruchtbar geblieben. Die Erklärung ist -gegeben in dem Streben des menschlichen Intellekts nach Macht. Die -Frage ist gar nicht: sind Urteile, Gedanken über die Erscheinungen -möglich, sondern: hat der menschliche Intellekt solche Urteile -nötig? Weil er sie nötig hat, deshalb wendet er sie an, und -nicht weil sie möglich sind. Es kommt darauf an, „zu -begreifen, daß zum Zweck der Erhaltung von Wesen unserer Art -solche Urteile als wahr <span class="ex">geglaubt</span> werden -müssen; weshalb sie natürlich noch <span class="ex">falsche</span> Urteile sein könnten!“ (Jenseits von Gut -und Böse § 11.) „Und wir sind grundsätzlich -geneigt, zu behaupten, daß die falschesten Urteile uns die -unentbehrlichsten sind, daß ohne ein Geltenlassen der logischen -Fiktionen, ohne ein Messen der Wirklichkeit an der rein erfundenen Welt -des Unbedingten, Sich-selbst-Gleichen, ohne eine beständige -Fälschung der Welt durch die Zahl der Mensch nicht leben -könnte, — daß Verzichtleisten auf falsche Urteile ein -Verzichtleisten auf Leben, eine Verneinung des Lebens wäre.“ -(Ebenda § 4.) Wem dieser Ausspruch paradox erscheint, der besinne -sich darauf, wie fruchtbar die Anwendung der Geometrie auf die -Wirklichkeit ist, obgleich es <span class="pagenum">[<a id="pb62" href="#pb62" name="pb62">62</a>]</span>nirgends in der Welt wirklich -geometrisch regelmäßige Linien, Flächen u. s. w. -giebt.</p> -<p class="par">Wenn der stumpfe, schwache Intellekt einsieht, daß -alle Urteile über die Dinge aus ihm selbst stammen, durch ihn -produziert und mit den Beobachtungen verschmolzen werden, dann hat er -nicht den Mut, diese Urteile rückhaltslos anzuwenden. Er sagt: -Urteile solcher Art können uns keine Erkenntnis von dem -„wahren Wesen“ der Dinge vermitteln. Dieses „wahre -Wesen“ bleibt daher unserer Erkenntnis verschlossen.</p> -<p class="par">Noch in einer anderen Art sucht der schwache Intellekt -zu beweisen, daß durch das menschliche Erkennen kein -Feststehendes gewonnen werden kann. Er sagt: Der Mensch sieht, -hört, tastet die Dinge und Vorgänge. Was er dabei wahrnimmt, -sind Eindrücke auf seine Sinnesorgane. Wenn er eine Farbe, einen -Ton wahrnimmt, so kann er nur sagen: mein Auge, mein Ohr werden in -einer gewissen Art bestimmt, Farbe, Ton wahrzunehmen. Nicht etwas -<span class="ex">außer ihm</span> nimmt der Mensch wahr, sondern -nur eine Bestimmung, eine Modifikation seiner eigenen Organe. In der -Wahrnehmung werden das Auge, das Ohr u. s. w. dazu veranlaßt, in -einer gewissen Weise zu empfinden; sie werden in einen bestimmten -Zustand versetzt. Diese Zustände seiner eigenen Organe nimmt der -Mensch als Farben, Töne, Gerüche u. s. w. wahr. In aller -Wahrnehmung nimmt der Mensch nur seine eigenen Zustände wahr. Was -er Außenwelt nennt, ist nur aus diesen seinen Zuständen -zusammengesetzt; ist also im eigentlichen Sinne <span class="ex">sein</span> Werk. Die Dinge, die ihn veranlassen, aus sich heraus -die Außenwelt <span class="pagenum">[<a id="pb63" href="#pb63" -name="pb63">63</a>]</span>zu spinnen, kennt er nicht; nur ihre -Wirkungen auf seine Organe. Einem von dem Menschen geträumten -Traume gleich, der durch ein Unbekanntes veranlaßt wird, -erscheint die Welt in dieser Beleuchtung.</p> -<p class="par">Wenn dieser Gedanke konsequent zu Ende gedacht wird, so -zieht er folgenden Nachsatz nach sich. Auch seine Organe kennt der -Mensch nur, insofern er sie wahrnimmt; sie sind Glieder in seiner -Wahrnehmungswelt. Und seines eigenen Selbst wird sich der Mensch nur -bewußt, insofern er die Bilder der Welt aus sich herausspinnt. -Traumbilder nimmt er wahr und inmitten dieser Traumbilder ein -„Ich“, an dem diese Traumbilder vorüberziehen. Jedes -Traumbild erscheint in Begleitung dieses „Ich“. Man kann -auch sagen: jedes Traumbild erscheint inmitten der Traumwelt immer in -Beziehung auf dieses „Ich“. Dieses „Ich“ haftet -als Bestimmung, als Eigenschaft an den Traumbildern. Es ist somit, als -Bestimmung von Traumbildern, selbst ein Traumhaftes. <span class="ex">J. G. Fichte</span> faßt diese Ansicht in die Worte -zusammen: „Was durch das Wissen und aus dem Wissen entsteht, ist -nur ein Wissen. Alles Wissen aber ist nur Abbildung, und es wird in ihm -immer etwas gefordert, das dem Bilde entspreche. Diese Forderung kann -durch kein Wissen befriedigt werden; und ein System des Wissens ist -notwendig ein System bloßer Bilder, <span class="ex">ohne alle -Realität</span>, <span class="ex">Bedeutung und -Zweck</span>.“ „Alle Realität“ ist für -Fichte ein wunderbarer „Traum, ohne ein Leben, von welchem -geträumt wird, und ohne einen Geist, dem da träumt“; -ein Traum, „der <span class="pagenum">[<a id="pb64" href="#pb64" -name="pb64">64</a>]</span>in einem Traume von sich selbst -zusammenhängt“. (Bestimmung des Menschen, 2. Buch.)</p> -<p class="par">Was hat diese ganze Gedankenkette für eine -Bedeutung? Ein schwacher Intellekt, der sich nicht unterfangen will, -der Welt aus sich heraus einen Sinn zu geben, sucht diesen Sinn in der -Welt der Beobachtungen. Er kann ihn da natürlich nicht finden, -weil die bloße Beobachtung gedankenleer ist.</p> -<p class="par">Der starke, produktive Intellekt verwendet seine -Begriffswelt dazu, die Beobachtungen zu deuten; der schwache, -unproduktive Intellekt erklärt sich selbst für zu -ohnmächtig, um das zu thun und sagt: ich kann in den Erscheinungen -der Welt keinen Sinn finden; sie sind bloße Bilder, die an mir -vorüberziehen. Der Sinn des Daseins muß außerhalb, -jenseits der Erscheinungswelt gesucht werden. Dadurch wird die -Erscheinungswelt, d. h. die menschliche Wirklichkeit für einen -Traum, eine Täuschung, ein <span class="ex">Nichts</span> -erklärt und das „wahre Wesen“ der Erscheinungen wird -in einem „Ding an sich“ gesucht, bis zu dem keine -Beobachtung, kein Erkennen reicht, d. h. von dem sich der Erkennende -keine Vorstellung machen kann. Dieses „wahre Wesen“ ist -also für den Erkennenden ein völlig leerer Gedanke, der -Gedanke an ein <span class="ex">Nichts</span>. Traum ist bei jenen -Philosophen, die von dem „Ding an sich“ sprechen, die -Erscheinungswelt; <span class="ex">Nichts</span> ist aber das, was sie -als das „wahre Wesen“ dieser Erscheinungswelt ansehen. Die -ganze philosophische Bewegung, die von dem „Ding an sich“ -spricht und die in der neueren Zeit sich namentlich auf Kant -stützt, ist der Glaube an das <span class="ex">Nichts</span>, -<span class="ex">ist philosophischer Nihilismus</span>. <span class="pagenum">[<a id="pb65" href="#pb65" name="pb65">65</a>]</span></p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">20.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Wenn der starke Geist nach der Ursache eines -menschlichen Handelns und Vollbringens sucht, so findet er diese immer -in dem Willen zur Macht der einzelnen Persönlichkeit. Der Mensch -mit schwachem, mutlosem Intellekt will dies aber nicht zugeben. Er -fühlt sich nicht kräftig genug, sich zum Herrn und -Richtunggeber seines Handelns zu machen. Er deutet die Triebe, die ihn -lenken, als Gebote einer fremden Macht. Er sagt nicht: ich handle, wie -ich <span class="ex">will</span>; sondern er sagt: ich handle -gemäß einem Gebote, wie ich <span class="ex">soll</span>. Er -will sich nicht <span class="ex">befehlen</span>, er will <span class="ex">gehorchen</span>. Auf der einen Stufe der Entwickelung sehen die -Menschen ihre Antriebe zum Handeln als Gebote Gottes an, auf einer -andern Stufe glauben sie in ihrem Innern eine Stimme zu vernehmen, die -ihnen gebietet. Sie wagen es im letztern Falle nicht, zu sagen: ich bin -es selbst, der da befiehlt; sie behaupten: in mir spricht ein -höherer Wille sich aus. Daß sein <span class="ex">Gewissen</span> ihm in jedem einzelnen Falle sagt, wie er handeln -soll, ist die Meinung des einen; daß ein kategorischer Imperativ -ihm befiehlt, behauptet ein anderer. Hören wir, was J. G. Fichte -sagt: „Es soll schlechthin etwas geschehen, weil es nun einmal -geschehen <span class="ex">soll</span>: dasjenige, was das Gewissen nun -eben von mir .... fordert; daß es geschehe, dazu, lediglich dazu -bin ich da; um es zu erkennen, habe ich Verstand; um es zu -vollbringen<span class="corr" id="xd23e1307" title="Nicht in der Quelle">,</span> habe ich Kraft.“ -(„Bestimmung des Menschen“, 3. Buch.) Ich führe mit -Vorliebe J. G. Fichtes Aussprüche an, weil er mit eiserner -Konsequenz die Meinung der „Schwachen und <span class="pagenum">[<a id="pb66" href="#pb66" name="pb66">66</a>]</span>Mißratenen“ bis ans Ende gedacht hat. -Wozu diese Meinungen zuletzt führen, kann man nur erkennen, wenn -man sie da aufsucht, wo sie zu Ende gedacht worden sind; auf die -Halben, die jeden Gedanken nur bis in seine Mitte denken, kann man sich -nicht stützen.</p> -<p class="par">Nicht in der Einzelpersönlichkeit wird von denen, -die in der angedeuteten Weise denken, der Quell des Wissens gesucht; -sondern <span class="ex">jenseits</span> dieser Persönlichkeit in -einem „Willen an sich“. Eben dieser „Wille an -sich“ soll als „Stimme Gottes“ oder „als Stimme -des Gewissens“, „kategorischer Imperativ“ u. s. w. zu -dem Einzelnen sprechen. Er soll der universelle Lenker des menschlichen -Handelns und der <span class="ex">Urquell der Sittlichkeit sein</span> -und auch die <span class="ex">Zwecke des sittlichen Handelns</span> -bestimmen. „Ich sage, das Gebot des Handelns selbst ist es, -welches durch sich selbst mir einen Zweck setzt: dasselbe in mir, was -mich nötigt, zu denken, daß ich so handeln solle, -nötigt mich, zu glauben, daß aus diesem Handeln etwas -erfolgen werde; es eröffnet dem Auge die Aussicht auf eine andere -Welt.“ „Wie ich im <span class="ex">Gehorsam</span> lebe, -lebe ich zugleich in der Anschauung seines Zweckes, <span class="ex">lebe ich in der besseren Welt, die er mir -verheißt</span>.“ (Fichte, <span class="corr" id="xd23e1330" title="Quelle: die">Die</span> Bestimmung des Menschen, 3. -Buch.) Der also Denkende will sich nicht selbst sein Ziel setzen; er -will von dem höheren Willen, dem er gehorcht, sich zu einem Ziele -führen lassen. Er will sich seines Eigenwillens entledigen und -sich zum Werkzeug „höherer“ Zwecke machen. In Worten, -die zu den schönsten Erzeugnissen des Sinnes für Gehorsam und -Demut gehören, die mir bekannt sind, schildert Fichte die Hingabe -an den <span class="pagenum">[<a id="pb67" href="#pb67" name="pb67">67</a>]</span>„ewigen Willen an sich“. -„Erhabener lebendiger Wille, den kein Name nennt, und kein -Begriff umfaßt, wohl darf ich mein Gemüt zu dir erheben; -denn du und ich sind nicht getrennt. Deine Stimme ertönt in mir, -die meinige tönt in dir wieder; und <span class="ex">alle meine -Gedanken, wenn sie nur wahr und gut sind, sind in dir gedacht</span>. -— In dir, dem Unbegreiflichen, werde ich mir selbst, und wird mir -die Welt vollkommen begreiflich, alle Rätsel meines Daseins werden -gelöst, und die vollendetste Harmonie entsteht in meinem -Geiste.“ „Ich verhülle vor dir mein Angesicht, und -lege die Hand auf den Mund. Wie du für dich selbst bist, und dir -selbst erscheinst, kann ich nie einsehen, so gewiß ich nie du -selbst werden kann. Nach tausendmal tausend durchlebten Geisterleben -werde ich dich noch eben so wenig begreifen als jetzt, in dieser -Hülle von Erde.“ (Bestimmung des Menschen, 3. Buch.)</p> -<p class="par">Wohin dieser Wille den Menschen zuletzt führen -will, das kann der Einzelne nicht wissen. Wer an diesen Willen glaubt, -gesteht also damit, daß er über die Endzwecke seines -Handelns <span class="ex">nichts</span> weiß. Die Ziele, die sich -der Einzelne <span class="ex">schafft</span>, sind aber für einen -solchen Gläubigen eines höheren Willens keine -„wahren“ Ziele. Er setzt somit an die Stelle der durch das -Individuum geschaffenen positiven Einzelziele einen Endzweck der ganzen -Menschheit, dessen Gedankeninhalt aber ein <span class="ex">Nichts</span> ist. Ein solcher Gläubiger ist <span class="ex">moralischer Nihilist</span>. Er ist in der schlimmsten Art von -Unwissenheit befangen, die sich erdenken läßt. Nietzsche -wollte diese Art von Unwissenheit in einem besonderen Buche seines -unvollendet <span class="pagenum">[<a id="pb68" href="#pb68" name="pb68">68</a>]</span>gebliebenen Werkes „der Wille zur -Macht“ behandeln. (Vgl. Anhang zu Bd. VIII. der Gesamtausgabe von -Nietzsches Werken.)</p> -<p class="par">Die Lobpreisung des moralischen Nihilismus finden wir -wieder in Fichtes „Bestimmung des Menschen“ (3. Buch): -„Ich will nicht versuchen, was mir durch das Wesen der -Endlichkeit versagt ist, und was mir zu nichts nützen würde; -wie du an dir selbst bist, will ich nicht wissen. Aber deine -Beziehungen und Verhältnisse zu mir, dem Endlichen, und zu allem -Endlichen, liegen offen vor meinem Auge: werde ich, was ich sein soll! -— und sie umgeben mich in hellerer Klarheit, als das -Bewußtsein meines eignen Daseins. Du <span class="ex">wirkest</span> in mir die Erkenntnis von meiner Pflicht, von -meiner Bestimmung in der Reihe der vernünftigen Wesen; wie, das -weiß ich nicht, noch bedarf ich es zu wissen. <span class="ex">Du -weißt und erkennst</span>, was ich denke und will; wie du wissen -kannst, — durch welchen Akt du dieses Bewußtsein zu stande -bringst, <span class="ex">darüber verstehe ich nichts</span>; ja -ich weiß sogar sehr wohl, daß der Begriff eines Akts, und -eines besonderen Akts des Bewußtseins nur von mir gilt, nicht -aber von dir, dem Unendlichen. Du <span class="ex">willst</span>, denn -du willst, daß mein freier Gehorsam Folgen habe in alle Ewigkeit; -den <span class="ex">Akt deines Willens begreife ich nicht</span>; und -weiß nur soviel, daß er nicht ähnlich ist dem -meinigen. Du <span class="ex">thust</span>, und dein Wille selbst ist -<span class="ex">That</span>; aber deine Wirkungsweise ist der, die ich -allein zu denken vermag, geradezu entgegengesetzt. Du <span class="ex">lebest und bist</span>, denn du weißt, willst und wirkest, -allgegenwärtig der endlichen Vernunft; <span class="ex">aber du -bist nicht, wie ich alle <span class="pagenum">[<a id="pb69" href="#pb69" name="pb69">69</a>]</span>Ewigkeiten hindurch allein ein Sein -werde denken können</span>.“</p> -<p class="par">Dem moralischen Nihilismus stellt Nietzsche die Ziele -gegenüber, die der <span class="ex">schaffende</span> Einzelwille -sich setzt. Den Lehrern der Ergebung ruft Zarathustra zu:</p> -<p class="par">„Diese Lehrer der Ergebung. Überall hin, wo -es klein und krank und grindig ist, kriechen sie hin, gleich -Läusen; und nur mein Ekel hindert mich, sie zu knacken.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1394" title="Nicht in der Quelle">„</span>Wohlan! Dies ist meine Predigt -für ihre Ohren: ich bin Zarathustra, der Gottlose, der da spricht: -‚wer ist gottloser denn ich, daß ich mich seiner -Unterweisung freue?‘</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1398" title="Nicht in der Quelle">„</span>Ich bin Zarathustra, der Gottlose: -wo finde ich meinesgleichen? Und alle die sind meinesgleichen, -<span class="ex">die sich selber ihren Willen geben und alle Ergebung -von sich abthun</span>.“</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">21.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Die starke Persönlichkeit, die Ziele -<span class="ex">schafft</span>, ist rücksichtslos in der -Ausführung derselben. Die schwache Persönlichkeit dagegen -führt nur das aus, wozu der Wille Gottes oder die „Stimme -des Gewissens“ oder der „kategorische Imperativ“ Ja -sagt. Was diesem <span class="ex">Ja</span> entspricht, bezeichnet der -Schwache als <span class="ex">gut</span>, was diesem Ja zuwider ist als -<span class="ex">böse</span>. Der Starke kann dieses „gut -und bös“ nicht anerkennen; denn er erkennt diejenige Macht -nicht an, von der sich der Schwache sein Gutes und Böses bestimmen -läßt. Was er, der Starke, will, ist für ihn -<span class="ex">gut</span>; er <span class="pagenum">[<a id="pb70" -href="#pb70" name="pb70">70</a>]</span>führt es durch gegen alle -widerstrebenden Mächte. Was ihn in dieser Durchführung -stört, das sucht er zu überwinden. Er glaubt nicht, daß -ein „ewiger Weltwille“ alle einzelnen -Willensentschlüsse zu einer großen Harmonie lenkt; aber er -ist der Ansicht, daß alle menschliche Entwickelung aus den -Willensimpulsen der Einzelpersönlichkeiten sich ergiebt, und -daß ein ewiger Krieg besteht zwischen den einzelnen -Willensäußerungen, in dem immer der stärkere Wille -über den schwächeren siegt.</p> -<p class="par">Von den Schwachen und Mutlosen wird die starke -Persönlichkeit, die sich selbst Gesetz und Zweck geben will, als -böse, als sündhaft bezeichnet. Sie erregt Furcht, denn sie -durchbricht die hergebrachten Ordnungen; sie nennt wertlos, was die -Schwachen gewohnt sind, wertvoll zu nennen, und sie erfindet Neues, vor -ihr Unbekanntes, das sie als wertvoll bezeichnet. „Jede -individuelle Handlung, jede individuelle Denkweise erregt Schauder; es -ist gar nicht auszurechnen, was gerade die selteneren, ausgesuchteren, -ursprünglicheren Geister im ganzen Verlauf der Geschichte dadurch -gelitten haben müssen, daß sie immer als die bösen und -gefährlichen empfunden wurden, ja daß <span class="ex">sie -sich selber so empfanden</span>. Unter der Herrschaft der Sittlichkeit -hat die Originalität jeder Art ein böses Gewissen bekommen; -bis diesen Augenblick ist der Himmel der Besten noch dadurch -verdüsterter, als er sein müßte.“ -(Morgenröte § 9.)</p> -<p class="par">Der wahrhaft <span class="ex">freie</span> Geist -faßt schlechthin <span class="ex">erste</span> Entschlüsse; -der unfreie entscheidet sich nach dem Herkommen. „Sittlichkeit -ist nichts anderes (also <span class="pagenum">[<a id="pb71" href="#pb71" name="pb71">71</a>]</span>namentlich <span class="ex">nicht -mehr</span>!), als Gehorsam gegen Sitten, welcher Art diese auch sein -mögen; Sitten aber sind die <span class="ex">herkömmliche</span> Art zu handeln und -abzuschätzen“ (Morgenröte § 9). Dieses Herkommen -ist es, was von den Moralisten als „ewiger Wille“, -„kategorischer Imperativ“ gedeutet wird. Jedes Herkommen -ist aber das Ergebnis der naturgemäßen Triebe und Impulse -einzelner Menschen, ganzer Stämme, Völker u. s. w. Es ist -ebenso das Produkt natürlicher Ursachen, wie etwa die -Witterungsverhältnisse einzelner Gegenden. Der freie Geist -erklärt sich durch dieses Herkommen nicht gebunden. Er hat seine -individuellen Triebe und Impulse, und diese sind nicht weniger -berechtigt als die der anderen. Er setzt diese Impulse in Handlungen -um, wie eine Wolke Regen auf die Erdoberfläche sendet, wenn die -Ursachen dazu vorhanden sind. Der freie Geist steht <span class="ex">jenseits dessen, was das Herkommen als gut und böse -ansieht</span>. Er <span class="ex">schafft</span> sich selbst sein Gut -und Böse.</p> -<p class="par">„Als ich zu den Menschen kam, da fand ich sie -sitzen auf einem alten Dünkel: Alle dünkten sich lange schon -zu wissen, was dem Menschen <span class="ex">gut</span> und -<span class="ex">böse</span> sei.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1464" title="Nicht in der Quelle">„</span>Eine alte müde Sache -dünkte ihnen alles Reden von Tugend; und wer gut schlafen wollte, -der sprach vor dem Schlafengehen noch von ‚Gut und -Böse‘.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1468" title="Nicht in der Quelle">„</span>Diese Schläferei störte -ich auf, als ich lehrte: was gut und böse ist, das <span class="ex">weiß noch niemand</span> — es sei denn der -Schaffende.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1475" title="Nicht in der Quelle">„</span>Das aber ist der, welcher des -Menschen Ziel <span class="ex">schafft</span> und der Erde ihren Sinn -giebt und ihre <span class="pagenum">[<a id="pb72" href="#pb72" name="pb72">72</a>]</span>Zukunft: dieser erst <span class="ex">schafft</span> es, daß etwas gut und böse ist.“ -(Zarathustra, 3. Teil, Von alten und neuen Tafeln.)</p> -<p class="par">Auch dann wenn der freie Geist handelt, wie es dem -Herkommen gemäß ist, dann thut er es, weil er die -herkömmlichen Motive zu den seinigen machen <span class="ex">will</span>, und weil er es in bestimmten Fällen nicht -für nötig hält, an die Stelle des Herkömmlichen -etwas Neues zu setzen.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">22.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Der Starke sucht in der Durchsetzung seines -schaffenden <span class="ex">Selbst</span> seine Lebensaufgabe. Diese -<span class="ex">Selbstsucht</span> unterscheidet ihn von den -Schwachen, die in der <span class="ex">selbstlosen</span> Hingabe an -das, was sie das Gute nennen, die Sittlichkeit sehen. Die Schwachen -predigen die Selbstlosigkeit als die höchste Tugend. Ihre -Selbstlosigkeit ist aber nur die Folge ihres Mangels an Schaffenskraft. -Hätten sie ein schaffendes Selbst, so würden sie dieses auch -durchsetzen wollen. Der Starke liebt den Krieg, denn er braucht den -Krieg, um seine Schöpfungen gegen die widerstrebenden Mächte -durchzusetzen.</p> -<p class="par">„Euren Feind sollt ihr suchen, euren Krieg sollt -ihr führen und für eure Gedanken! Und wenn euer Gedanke -unterliegt, so soll eure Redlichkeit darüber noch Triumph -rufen!</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1508" title="Nicht in der Quelle">„</span>Ihr sollt den Frieden lieben als -Mittel zu neuen Kriegen. Und den kurzen Frieden mehr als den -langen.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1512" title="Nicht in der Quelle">„</span>Euch rate ich nicht zur Arbeit, -sondern zum Kampfe. Euch rate ich nicht zum Frieden, sondern -<span class="pagenum">[<a id="pb73" href="#pb73" name="pb73">73</a>]</span>zum Siege. Eure Arbeit sei ein Kampf, euer Friede -sei ein Sieg!</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1518" title="Nicht in der Quelle">„</span>Ihr sagt, die <span class="ex">gute</span> Sache sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich aber -sage euch: der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1525" title="Nicht in der Quelle">„</span>Der Krieg und der Mut haben mehr -große Dinge gethan, als die Nächstenliebe. Nicht euer -Mitleiden, sondern eure Tapferkeit rettete bisher die -Verunglückten.“ (Zarathustra, 1. Teil<span class="corr" id="xd23e1528" title="Quelle: .">,</span> Vom Krieg und Kriegsvolke.)</p> -<p class="par">Unerbittlich und ohne Schonung des Widerstrebenden -handelt der Schaffende. Er kennt nicht die Tugend der Leidenden: das -Mitleid. Aus seiner Kraft kommen die Antriebe des Schaffenden, nicht -aus dem Gefühle des fremden Leidens. Daß die Kraft siege, -dafür setzt er sich ein, nicht daß das Leidende, Schwache -gepflegt werde. Schopenhauer hat die ganze Welt für ein Lazarett -erklärt, und die aus dem Mitgefühle mit den Leidenden -entspringenden Handlungen für die höchsten Tugenden. Er hat -damit die Moral des Christentums in anderer Form ausgesprochen, als -dieses selbst es thut. Der Schaffende fühlt sich nicht berufen, -Krankenwärterdienste zu verrichten. Die Tüchtigen, Gesunden -können nicht um der Schwachen, Kranken willen da sein. Das Mitleid -schwächt die Kraft, den Mut, die Tapferkeit.</p> -<p class="par">Das Mitleid sucht gerade das zu erhalten, was der Starke -überwinden will: die Schwäche, das Leiden. Der Sieg des -Starken über das Schwache ist der Sinn aller menschlichen, wie -aller natürlichen Entwickelung. „Leben selbst ist -<span class="ex">wesentlich</span> Aneignung, Verletzung, -Überwältigung des Fremden und <span class="pagenum">[<a id="pb74" href="#pb74" name="pb74">74</a>]</span>Schwächeren, -Unterdrückung, Härte, Aufzwängung eigener Formen, -Einverleibung und mindestens, mildestens, Ausbeutung.“ (Jenseits -von Gut und Böse § 259.)</p> -<p class="par">„Und wollt ihr nicht Schicksale sein und -Unerbittliche: wie könntet ihr mit mir — siegen?</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1543" title="Nicht in der Quelle">„</span>Und wenn eure Härte nicht -blitzen und scheiden und zerschneiden will: wie könntet ihr einst -mit mir — schaffen?</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1548" title="Nicht in der Quelle">„</span>Die Schaffenden nämlich sind -hart. Und Seligkeit muß es euch dünken, eure Hand auf -Jahrtausende zu drücken wie auf Wachs, —</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1552" title="Nicht in der Quelle">„</span>— Seligkeit, auf dem Willen -von Jahrtausenden zu schreiben wie auf Erz, — härter als -Erz, edler als Erz. Ganz hart ist allein das Edelste.</p> -<p class="par"><span class="corr" id="xd23e1556" title="Nicht in der Quelle">„</span>Diese neue Tafel, o meine -Brüder, stelle ich über euch: werdet <span class="ex">hart</span>.“ (Zarathustra, 3. Teil<span class="corr" id="xd23e1562" title="Quelle: .">,</span> Von alten und neuen Tafeln.)</p> -<p class="par">Der freie Geist macht keinen Anspruch auf Mitleid. Wer -ihn bemitleiden wollte, den müßte er fragen: hältst du -mich für so schwach, daß ich mein Leid nicht selbst tragen -kann? Ihm geht jedes Mitleid gegen die Scham. Nietzsche bringt den -Widerwillen des Starken gegen das Mitleiden im vierten Teil seines -„Zarathustra“ zur Anschauung. Zarathustra kommt auf seinen -Wanderungen in ein Thal, das „Schlangentod“ heißt. -Kein Lebewesen findet sich hier. Nur eine Art häßlicher -grüner Schlangen kommt hierher, um zu sterben. Dieses Thal hat der -„häßlichste Mensch“ aufgesucht. Dieser will von -keinem Wesen gesehen werden wegen seiner Häßlichkeit. In -diesem Thal sieht ihn niemand außer <span class="pagenum">[<a id="pb75" href="#pb75" name="pb75">75</a>]</span>Gott. Aber auch dessen -Anblick kann er nicht ertragen. Das Bewußtsein, daß Gottes -Blicke in alle Räume dringen, ist ihm zur Last. Er hat deshalb -Gott getötet, d. h. er hat den Glauben an Gott in sich -ertötet. Er ist zum Atheisten geworden wegen seiner -Häßlichkeit. Als Zarathustra diesen Menschen sieht, -überfällt ihn noch einmal das, was er für immer in sich -getilgt zu haben glaubt: das Mitleid mit der furchtbaren -Häßlichkeit. Dies ist eine Versuchung Zarathustras. Er weist -aber das Gefühl des Mitleids bald zurück und wird wieder -<span class="ex">hart</span>. Der häßlichste Mensch sagt zu -ihm: Deine Härte ehrt meine Häßlichkeit. Ich bin zu -<span class="ex">reich</span> an Häßlichkeit, um irgend -eines Menschen Mitleid zu ertragen. Mitleid geht gegen die Scham.</p> -<p class="par">Wer Mitleid braucht, kann nicht allein stehen, und der -freie Geist will vollständig auf sich selbst gestellt sein.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">23.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Mit der Aufzeigung des natürlichen Willens -zur Macht als Ursache der menschlichen Handlungen geben sich die -Schwachen nicht zufrieden. Sie suchen nicht bloß nach -natürlichen Zusammenhängen in der Menschenentwickelung, -sondern sie suchen das Verhältnis der menschlichen Handlungen zu -dem, was sie als den „Willen an sich“, die „ewige, -sittliche Weltordnung“ nennen. Wer dieser Weltordnung -zuwiderhandelt, dem sprechen sie eine <span class="ex">Schuld</span> -zu. Und sie begnügen sich auch nicht damit, eine Handlung nach -ihren natürlichen Folgen zu bewerten, sondern sie machen den -Anspruch darauf, daß eine <span class="pagenum">[<a id="pb76" -href="#pb76" name="pb76">76</a>]</span>schuldvolle Handlung auch -moralische Folgen, <span class="ex">Strafen</span> nach sich ziehe. Sie -nennen sich selbst schuldig, wenn sie ihr Handeln mit der sittlichen -Weltordnung nicht in Übereinstimmung finden; sie wenden sich mit -Abscheu von dem Quell des Bösen in sich ab und nennen dies -Gefühl <span class="ex">böses Gewissen</span>. Alle diese -Begriffe läßt die starke Persönlichkeit nicht gelten. -Sie kümmert sich nur um die natürlichen Folgen ihrer -Handlungen. Sie fragt: wieviel ist meine Handlungsweise für das -Leben wert? Entspricht sie dem, was ich gewollt habe? Der Starke kann -sich grämen, wenn ihm eine Handlung fehlschlägt, wenn das -Resultat seinen Absichten nicht entspricht. Aber er klagt sich nicht -an. Denn er mißt seine Handlungsweise nicht an -außernatürlichen Maßstäben. Er weiß, -daß er so handelt, wie es seinen natürlichen Trieben -entspricht, und kann höchstens bedauern, daß diese nicht -besser sind. Ebenso hält er es mit der Beurteilung fremder -Handlungen. Ein <span class="ex">moralisches</span> Abschätzen der -Handlungen kennt er nicht. Er ist Immoralist.</p> -<p class="par">Was das Herkommen als <span class="ex">böse</span> -bezeichnet, sieht der Immoralist ebenso als Ausfluß menschlicher -Instinkte an, wie das Gute. Die Strafe gilt ihm nicht als moralisch -bedingt, sondern nur als ein Mittel, Instinkte gewisser Menschen, die -andern schädlich sind, auszurotten. Die Gesellschaft straft nach -Ansicht des Immoralisten nicht deswegen, weil sie ein -„moralisches Recht“ hat, die Schuld zu sühnen, sondern -allein, weil sie sich stärker erweist, als der Einzelne, welcher -der Gesamtheit widerstrebende Instinkte hat. Die Macht der Gesellschaft -steht gegen die Macht des Einzelnen. Dies ist der natürliche -Zusammenhang <span class="pagenum">[<a id="pb77" href="#pb77" name="pb77">77</a>]</span>einer „bösen“ Handlung des -Einzelnen mit der Rechtsprechung der Gesellschaft und der Bestrafung -dieses Einzelnen. Es ist der <span class="ex">Wille zur Macht</span>, -d. h. zum Ausleben jener Instinkte, die bei der Mehrzahl der Menschen -vorhanden sind, der sich in der Rechtspflege einer Gesellschaft -äußert. Der Sieg einer Mehrheit über einen Einzelnen -ist jede Bestrafung. Siegte der Einzelne über die Gesellschaft, so -müßte seine Handlungsweise als <span class="ex">gut</span>, -die der andern als <span class="ex">böse</span> bezeichnet werden. -Das jeweilige <span class="ex">Recht</span> drückt nur aus, was -die Gesellschaft eben als die beste Grundlage ihres Willens zur Macht -anerkennt.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">24.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Weil Nietzsche in der menschlichen Handlungsweise -nur einen Ausfluß der Instinkte sieht, und diese letzteren bei -verschiedenen Menschen verschieden sind, scheint es ihm notwendig, -daß auch deren Handlungsweisen verschieden sind. Nietzsche ist -deshalb ein entschiedener Gegner des demokratischen Grundsatzes: -Gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle. Die Menschen sind -ungleich, deshalb müssen auch ihre Rechte und Pflichten ungleich -sein. Der natürliche Gang der Weltgeschichte wird stets starke und -schwache, schaffende und unfruchtbare Menschen aufweisen. Und die -Starken werden immer dazu berufen sein, den Schwachen die Ziele zu -bestimmen. Ja noch mehr: die Starken werden sich der Schwachen als -Mittel zum Zwecke, d. h. als Sklaven bedienen. Nietzsche spricht -natürlich nicht von einem „moralischen“ Recht der -Starken zur Haltung von Sklaven. „Moralische“ Rechte -erkennt er nicht an. Sondern er ist der Meinung, daß <span class="pagenum">[<a id="pb78" href="#pb78" name="pb78">78</a>]</span>die -Überwindung des Schwächeren durch den Stärkeren, die er -für das Princip alles Lebens hält, notwendig zur Sklaverei -führen muß.</p> -<p class="par">Es ist auch natürlich, daß sich der -Überwundene gegen den Überwinder auflehnt. Wenn diese -Auflehnung sich nicht durch die That äußern kann, so -äußert sie sich wenigstens im Gefühle. Und der Ausdruck -dieses Gefühles ist die <span class="ex">Rache</span>, die stets -in den Herzen derer wohnt, die in irgend einer Weise von den besser -Veranlagten überwunden worden sind. Als Ausfluß dieser Rache -sieht Nietzsche die moderne socialdemokratische Bewegung an. Der Sieg -dieser Bewegung würde ihm eine Erhöhung der Mißratenen, -Übel-Weggekommenen zu Ungunsten der Besseren sein. Gerade das -Gegenteil strebt Nietzsche an: die Pflege der starken, selbstherrlichen -Persönlichkeit. Und er haßt die Sucht, die alles gleich -machen und die souveräne Individualität in dem Meere der -allgemeinen Mittelmäßigkeit verschwinden lassen will.</p> -<p class="par">Nicht alle sollen dasselbe haben und genießen, -meint Nietzsche, sondern jeder soll haben und genießen, was er -nach Maßgabe seiner persönlichen Stärke erreichen -kann.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">25.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Was der Mensch wert ist, hängt allein von dem -Wert seiner Instinkte ab. Durch nichts anderes kann der Wert des -Menschen bestimmt werden. Man spricht von dem Werte der Arbeit. Die -Arbeit soll den Menschen adeln. Aber die Arbeit hat an sich gar keinen -Wert. Nur dadurch, daß sie dem Menschen dient, erhält sie -einen Wert. Nur insofern sich die <span class="pagenum">[<a id="pb79" -href="#pb79" name="pb79">79</a>]</span>Arbeit als natürliche Folge -der menschlichen Neigungen darstellt, ist sie des Menschen würdig. -Wer sich zum Diener der Arbeit macht, entwürdigt sich. Nur der -Mensch, der <span class="ex">nicht</span> sich selbst seinen Wert -bestimmen kann, sucht diesen Wert an der Größe seines Werkes -abzumessen. Es ist charakteristisch für das demokratische -Bürgertum der neueren Zeit, daß es in der Wertbemessung des -Menschen sich nach dessen Arbeit richtet. Sogar Goethe ist von dieser -Gesinnung nicht frei. Läßt er doch seinen <span class="ex">Faust</span> die volle Befriedigung in dem Bewußtsein -gethaner Arbeit finden.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">26.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Auch die <span class="ex">Kunst</span> hat nach -Nietzsches Meinung nur Wert, wenn sie dem Leben des Einzelmenschen -dient. Auch hier vertritt Nietzsche die Ansicht der starken -Persönlichkeit und lehnt alles ab, was die schwachen Instinkte -über die Kunst aussprechen. Fast alle deutschen Ästhetiker -vertreten den Standpunkt der schwachen Instinkte. Die Kunst soll ein -„Unendliches“ im „Endlichen“, ein -„Ewiges“ im „Zeitlichen“, eine -„Idee“ in der „Wirklichkeit“ darstellen. -Für Schelling z. B. ist alle sinnliche Schönheit nur ein -Abglanz jener <span class="ex">unendlichen</span> Schönheit, die -wir nie mit den Sinnen wahrnehmen können. Das Kunstwerk ist nicht -um seiner selbst willen und durch das, was es ist, schön, sondern -weil es die <span class="ex">Idee</span> der Schönheit abbildet. -Das sinnliche Bild ist nur ein Ausdrucksmittel, nur die Form für -einen <span class="ex">übersinnlichen</span> Inhalt. Und Hegel -nennt das Schöne „das sinnliche Scheinen der <span class="ex">Idee</span>“. Ähnliches kann man auch bei den andern -deutschen Ästhetikern finden. <span class="pagenum">[<a id="pb80" -href="#pb80" name="pb80">80</a>]</span>Für Nietzsche ist die Kunst -ein lebenförderndes Element, und nur, wenn sie dieses ist, hat sie -Berechtigung. Wer das Leben, wie er es unmittelbar wahrnimmt, nicht -ertragen kann, der formt es sich nach seinem Bedürfnisse um, und -damit schafft er ein Kunstwerk. Und was will der Genießende vom -Kunstwerk? Er will Erhöhung seiner Lebensfreude, Stärkung -seiner Lebenskräfte, Befriedigung von Bedürfnissen, die ihm -die Wirklichkeit nicht befriedigt. Aber er will, wenn sein Sinn auf das -Wirkliche gerichtet ist, nicht durch das Kunstwerk den Abglanz des -Göttlichen, Überirdischen erblicken. Hören wir, wie -Nietzsche den Eindruck schildert, den Bizets Carmen auf ihn gemacht: -„Ich werde ein besserer Mensch, wenn mir dieser Bizet zuredet. -Auch ein besserer Musikant, ein besserer <span class="ex">Zuhörer</span>. Kann man überhaupt noch besser -zuhören? — Ich vergrabe meine Ohren noch <span class="ex">unter</span> diese Musik, ich höre deren Ursache. Es scheint -mir, daß ich ihre Entstehung erlebe — ich zittere vor -Gefahren, die irgend ein Wagnis begleiten, ich bin entzückt -über Glücksfälle, an denen Bizet unschuldig ist. — -Und seltsam! im Grunde denke ich nicht daran, oder <span class="ex">weiß</span> es nicht, wie sehr ich daran denke. Denn ganz -andere Gedanken laufen mir während dem durch den Kopf ... Hat man -bemerkt, daß die Musik den Geist <span class="ex">frei -macht</span>? dem Gelehrten Flügel giebt? daß man umsomehr -Philosoph wird, je mehr man Musiker wird? — Der graue Himmel der -Abstraktion wie von Blitzen durchzuckt; das Licht stark genug für -alles Filigran der Dinge; die großen Probleme nahe zum Greifen; -die Welt wie von einem Berge aus überblickt. — Ich -definierte <span class="pagenum">[<a id="pb81" href="#pb81" name="pb81">81</a>]</span>eben das philosophische Pathos. — Und -unversehens fallen mir <span class="ex">Antworten</span> in den -Schoß, ein kleiner Hagel von Eis und Weisheit, von <span class="ex">gelösten</span> Problemen .. Wo bin ich? — Bizet macht -mich fruchtbar. Alles Gute macht mich fruchtbar. Ich habe keine andere -Dankbarkeit, ich habe auch keinen andern <span class="ex">Beweis</span> -dafür, was gut ist.“ — (Fall Wagner § 1.) Weil -<span class="ex">Richard Wagners</span> Musik eine <span class="ex">solche</span> Wirkung nicht auf ihn machte, deshalb lehnte sie -Nietzsche ab: „Meine Einwände gegen die Musik Wagners sind -physiologische Einwände ..... Meine Thatsache, mein <span lang="fr">petit fait vrai</span> ist, daß ich nicht mehr leicht atme, -wenn diese Musik erst auf mich wirkt; daß alsbald mein -<span class="ex">Fuß</span> gegen sie <span class="ex">böse</span> wird und revoltiert: er hat das Bedürfnis -nach Takt, Tanz, Marsch ... er verlangt von der Musik vorerst die -Entzückungen, welche in <span class="ex">gutem</span> Gehen, -Schreiten, Tanzen liegen. Protestiert aber nicht auch mein Magen? mein -Herz? mein Blutlauf? betrübt sich nicht mein Eingeweide? Werde ich -nicht unversehens heiser dabei? Und so frage ich mich: was <span class="ex">will</span> eigentlich mein ganzer Leib von der Musik -überhaupt? ... Ich glaube, seine <span class="ex">Erleichterung</span>: wie als ob alle animalischen Funktionen -durch leichte, kühne, ausgelassene, selbstgewisse Rhythmen -beschleunigt werden sollten; wie als ob das eherne, bleierne Leben -durch goldene, zärtliche, ölgleiche Melodieen seine Schwere -verlieren sollte. Meine Schwermut will in den Verstecken und -Abgründen der <span class="ex">Vollkommenheit ausruhen</span>: -dazu brauche ich Musik.“ (Nietzsche kontra Wagner. Kap.: Wo ich -Einwände mache.) —</p> -<p class="par">Im Anfange seiner schriftstellerischen Laufbahn -täuschte sich Nietzsche über das, was seine Instinkte -<span class="pagenum">[<a id="pb82" href="#pb82" name="pb82">82</a>]</span>von der Kunst verlangen, deshalb war er damals ein -Anhänger Wagners. Er hat sich durch das Studium der -Schopenhauerschen Philosophie zum Idealismus verführen lassen. Er -glaubte einige Zeit hindurch an den Idealismus und täuschte sich -künstliche Bedürfnisse, ideale Bedürfnisse vor. Erst im -weiteren Verlaufe seines Lebens merkte er, daß aller Idealismus -seinen Trieben gerade entgegengesetzt ist. Er wurde nun aufrichtiger -gegen sich selbst. Er sprach aus, wie er selbst empfand. Und das konnte -nur zur vollständigen Ablehnung von Wagners Musik führen, die -ja immer mehr den asketischen Charakter annahm, den wir bereits als -Kennzeichen von Wagners letztem Wirkensziel aufgeführt haben.</p> -<p class="par">Die Ästhetiker, die es der Kunst zur Aufgabe -machen, die Idee zu versinnlichen, das Göttliche zu -verkörpern, vertreten auf diesem Gebiete eine ähnliche -Ansicht wie die philosophischen Nihilisten auf dem Gebiete der -Erkenntnis und der Moral. Sie suchen in den Kunstobjekten ein -Jenseitiges, das sich aber vor dem Wirklichkeitssinn in ein -<span class="ex">Nichts</span> auflöst. Es giebt auch einen -<span class="ex">ästhetischen Nihilismus</span>.</p> -<p class="par">Diesem steht die Ästhetik der starken -Persönlichkeit gegenüber, die in der Kunst ein Abbild der -Wirklichkeit, eine höhere Wirklichkeit sieht, die der Mensch -lieber genießt als die Alltäglichkeit.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">27.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Zwei Menschentypen stellt Nietzsche einander -gegenüber: den Schwachen und den Starken. Der erstere sucht die -Erkenntnis als einen objektiven Thatbestand, <span class="pagenum">[<a id="pb83" href="#pb83" name="pb83">83</a>]</span>der von -der Außenwelt in seinen Geist einfließen soll. Er -läßt sich sein Gutes und Böses von einem „ewigen -Weltwillen“ oder einem „kategorischen Imperativ“ -diktieren. Er bezeichnet jede nicht von diesem Weltwillen, sondern nur -von dem schöpferischen Eigenwillen bestimmte Handlung als -Sünde, die eine moralische Strafe nach sich ziehen muß. Er -möchte für alle Menschen gleiche Rechte dekretieren und den -Wert des Menschen nach einem äußern Maßstabe -bestimmen. Er möchte endlich in der Kunst ein Abbild des -Göttlichen, eine Kunde aus dem Jenseits erblicken. Der Starke -dagegen sieht alle Erkenntnis als den Ausdruck des Willens zur Macht -an. Er sucht durch die Erkenntnis die Dinge denkbar und sich dadurch -unterthan zu machen. Er weiß, daß er selbst der -Schöpfer der Wahrheit ist; daß niemand als er selbst sein -Gutes und sein Böses schaffen kann. Er betrachtet die Handlungen -des Menschen als Folgen natürlicher Triebe und läßt sie -gelten als Naturereignisse, die niemals als Sünden zu betrachten -sind und nicht eine moralische Verurteilung verdienen. Er sucht den -Wert des Menschen in der Tüchtigkeit seiner Instinkte. Einen -Menschen mit den Instinkten für Gesundheit, Geist, Schönheit, -Ausdauer, Vornehmheit schätzt er höher als einen solchen mit -den Instinkten für Schwäche, Häßlichkeit, -Sklaverei. Er beurteilt ein Kunstwerk nach dem Grade, in dem es zur -Steigerung seiner Kräfte beiträgt.</p> -<p class="par">Diesen letzteren Menschentypus versteht Nietzsche unter -seinem Übermenschen. Solche Übermenschen konnten bisher nur -durch das Zusammentreffen zufälliger Umstände entstehen. Ihre -Entwickelung zum bewußten Ziele der Menschheit zu machen, ist die -Absicht, <span class="pagenum">[<a id="pb84" href="#pb84" name="pb84">84</a>]</span>die Zarathustra hat. Man sah bisher das Ziel der -menschlichen Entwickelung in irgendwelchen Idealen. Hier hält -Nietzsche eine Änderung der Anschauungen für nötig. Der -„höherwertige Typus ist oft genug schon dagewesen: aber als -ein Glücksfall, als eine Ausnahme, niemals als <span class="ex">gewollt</span>. Vielmehr ist er gerade am besten gefürchtet -worden, er war bisher beinahe <span class="ex">das</span> Furchtbare; -— und aus der Furcht heraus wurde der umgekehrte Typus gewollt, -gezüchtet, <span class="ex">erreicht</span>: das Haustier, das -Herdentier, das kranke Tier Mensch, — der Christ ...“ -(Antichrist § 3).</p> -<p class="par">Zarathustras Weisheit soll diesen Übermenschen, zu -dem jener andere Typus nur ein Übergang ist, lehren.</p> -<p class="par">Nietzsche nennt diese Weisheit eine <span class="ex">dionysische</span>. Es ist eine Weisheit, die nicht dem Menschen -von außen gegeben wird; es ist eine selbstgeschaffene Weisheit. -Der dionysische Weise forscht nicht; er schafft. Er steht nicht als -Betrachter außer der Welt, die er erkennen will; er ist -<span class="ex">Eins</span> geworden mit seiner Erkenntnis. Er sucht -nicht nach einem Gotte; was er sich noch als göttlich vorstellen -kann, ist nur Er selbst als Schöpfer seiner eigenen Welt. Wenn -dieser Zustand auf alle Kräfte des menschlichen Organismus sich -erstreckt, so giebt das den <span class="ex">dionysischen -Menschen</span>, dem es unmöglich ist, irgend eine Suggestion -nicht zu verstehen; er übersieht kein Zeichen des Affekts, er hat -den höchsten Grad des verstehenden und erratenden Instinktes, wie -er den höchsten Grad von Mitteilungskunst besitzt. Er geht in jede -Haut, in jeden Affekt ein: er verwandelt sich beständig. Dem -dionysischen Weisen steht der bloße <span class="pagenum">[<a id="pb85" href="#pb85" name="pb85">85</a>]</span>Betrachter -gegenüber, der sich immer außerhalb seiner Erkenntnisobjekte -stehend glaubt, als objektiver, leidender Zuschauer. Dem dionysischen -Menschen steht der <span class="ex">apollinische</span> gegenüber, -der „vor allem das Auge erregt hält, sodaß es die -Kraft der Vision bekommt“. Visionen, Bilder von Dingen, die -jenseits der Menschen-Wirklichkeit stehen, erstrebt der apollinische -Geist, nicht eine durch ihn selbst geschaffene Weisheit.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">28.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Die apollinische Weisheit hat den Charakter des -<span class="ex">Ernstes</span>. Sie empfindet die Herrschaft des -Jenseits, das sie nur im Bilde besitzt, als einen schweren Druck, als -eine ihr widerstrebende Macht. Ernst ist die apollinische Weisheit, -denn sie glaubt sich im Besitze einer Kunde aus dem Jenseits, wenn -diese auch nur durch Bilder, Visionen vermittelt sein soll. Schwer -beladen mit seiner Erkenntnis wandelt der apollinische Geist einher, -denn er trägt eine Bürde, die aus einer andern Welt stammt. -Und den Ausdruck der Würde nimmt er an, denn vor den Kundgebungen -des Unendlichen muß jedes Lachen verstummen.</p> -<p class="par">Dieses Lachen aber charakterisiert den dionysischen -Geist. Er weiß, daß alles, was er Weisheit nennt, nur -<span class="ex">seine</span> Weisheit ist, von ihm erfunden, um sich -das Leben leicht zu machen. Nur dieses Eine soll ja seine Weisheit -sein: ein Mittel, das ihm erlaubt, zum Leben Ja zu sagen. Dem -dionysischen Menschen ist der Geist der Schwere zuwider, weil er das -Leben nicht erleichtert, sondern niederdrückt. Die <span class="pagenum">[<a id="pb86" href="#pb86" name="pb86">86</a>]</span>selbstgeschaffene Weisheit ist eine heitere -Weisheit, denn wer sich selbst seine Bürde schafft, der schafft -sich nur eine solche, die er auch leicht tragen kann. Mit der -selbstgeschaffenen Weisheit bewegt sich der dionysische Geist leicht -durch die Welt wie ein Tänzer.</p> -<div class="lgouter"> -<div class="lg"> -<p class="line">„Daß ich aber der Weisheit gut bin und -oft</p> -<p class="line">zu gut: das macht, sie erinnert mich gar sehr an</p> -<p class="line">das Leben!</p> -</div> -<div class="lg"> -<p class="line">Sie hat ihr Auge, ihr Lachen und sogar ihr</p> -<p class="line">goldnes Angelrütchen: was kann ich dafür, -daß</p> -<p class="line">die beiden sich so ähnlich sehen?“</p> -</div> -<div class="lg"> -<p class="line">„In dein Auge schaute ich jüngst, o -Leben:</p> -<p class="line">Gold sah ich in deinem Nachtauge blinken, — -mein</p> -<p class="line">Herz stand still vor dieser Wollust:</p> -</div> -<div class="lg"> -<p class="line">— einen goldenen Kahn sah ich blinken auf</p> -<p class="line">nächtigen Gewässern, einen sinkenden, -trinkenden,</p> -<p class="line">wieder winkenden goldenen Schaukelkahn!</p> -</div> -<div class="lg"> -<p class="line">Nach meinem Fuße, dem tanzwütigen, -warfst</p> -<p class="line">du einen Blick, einen <span class="ex">lachenden</span>, fragenden,</p> -<p class="line">schmelzenden Schaukelblick:</p> -</div> -<div class="lg"> -<p class="line">zweimal nur regtest du deine Klapper mit</p> -<p class="line">kleinen Händen — da schaukelte mein -Fuß vor</p> -<p class="line"><span class="ex">Tanzwut</span>. —</p> -</div> -<div class="lg"> -<p class="line">Meine Fersen bäumten sich, meine Zehen</p> -<p class="line">horchten, dich zu verstehen: doch trägt der -<span class="ex">Tänzer</span></p> -<p class="line">sein Ohr — in seinen Zehen!“</p> -</div> -</div> -<p class="par first xd23e1842">(Zarathustra 2. u. 3. Teil. Die -Tanzlieder.)</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">29.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Weil der dionysische Geist aus sich selbst alle -Antriebe seines Thuns entnimmt und keiner äußeren -<span class="pagenum">[<a id="pb87" href="#pb87" name="pb87">87</a>]</span>Macht gehorcht, ist er ein <span class="ex">freier</span> Geist. Denn ein freier Geist ist derjenige, der nur -seiner Natur folgt. Nun ist allerdings in Nietzsches Werken nur die -Rede von Instinkten als den Antrieben des freien Geistes. Ich glaube, -daß hier Nietzsche mit <span class="ex">einem</span> Namen eine -Reihe von Antrieben zusammengefaßt hat, die eine mehr ins -Einzelne gehende Betrachtung erfordern. Nietzsche nennt Instinkte -sowohl die bei den Tieren vorhandenen Triebe zur Ernährung und -Selbsterhaltung, wie auch die höchsten Antriebe der menschlichen -Natur, z. B. den Erkenntnistrieb, den Trieb, nach sittlichen -Maßstäben zu handeln, den Trieb, sich an Kunstwerken zu -ergötzen u. s. w. Nun sind zwar alle diese Triebe -Äußerungsformen einer und derselben Grundkraft. Aber sie -stellen doch verschiedene Stufen in der Entwickelung dieser Kraft dar. -Die moralischen Antriebe z. B. sind eine besondere Stufe der Instinkte. -Wenn auch zugegeben werden kann, daß sie nur höhere Formen -sinnlicher Instinkte sind, so treten sie doch im Menschen auf eine -besondere Art ins Dasein. Dies zeigt sich darin, daß es dem -Menschen möglich ist, Handlungen zu vollführen, die nicht -unmittelbar auf sinnliche Instinkte zurückzuführen sind, -sondern nur auf jene Antriebe, die eben als höhere Formen des -Instinktes zu bezeichnen sind. Der Mensch schafft sich Antriebe seines -Handelns, die nicht aus seinen sinnlichen Trieben abzuleiten sind, -sondern nur aus dem bewußten Denken. Er setzt sich individuelle -Zwecke vor, aber er setzt sich diese <span class="ex">mit -Bewußtsein</span> vor. Und es ist ein großer Unterschied, -ob er einem unbewußt entstandenen und erst hinterher in das -Bewußtsein aufgenommenen Instinkte <span class="pagenum">[<a id="pb88" href="#pb88" name="pb88">88</a>]</span>oder einem Gedanken -folgt, den er von vornherein mit vollem Bewußtsein produziert -hat. Wenn ich esse, weil mein Nahrungstrieb mich drängt, so ist -dies etwas wesentlich anderes, als wenn ich eine mathematische Aufgabe -löse. Die denkende Erfassung der Welterscheinungen stellt eine -besondere Form des allgemeinen Wahrnehmungsvermögens dar. Sie -unterscheidet sich von der bloßen sinnlichen Wahrnehmung. Dem -Menschen sind nun die höheren Entwickelungsformen des -Instinktlebens ebenso natürlich wie die niederen. Stehen beide -nicht im Einklange, dann ist er zur Unfreiheit verurteilt. Es kann der -Fall eintreten, daß eine schwache Persönlichkeit mit -vollkommen gesunden sinnlichen Instinkten nur schwache geistige -Instinkte hat. Dann wird sie zwar in Bezug auf ihr Sinnenleben ihre -eigene Individualität entfalten, aber die gedanklichen Antriebe -ihres Handelns wird sie aus dem Herkommen entlehnen. Es kann eine -Disharmonie beider Triebwelten entstehen. Die sinnlichen Triebe -drängen zum Ausleben der eigenen Persönlichkeit, die -geistigen Antriebe stehen in dem Banne einer äußern -Autorität. Das Geistesleben einer solchen Persönlichkeit wird -von den sinnlichen, das sinnliche Leben von den geistigen Instinkten -tyrannisiert. Denn beide Gewalten gehören nicht zusammen, sind -nicht aus einer Wesenheit erwachsen. Zur wirklich freien -Persönlichkeit gehört also nicht nur ein gesund entwickeltes -individuelles sinnliches Triebleben, sondern auch die Fähigkeit, -sich die gedanklichen Antriebe für das Leben zu schaffen. Erst -derjenige Mensch ist vollkommen <span class="ex">frei</span>, der auch -Gedanken produzieren kann, die zum Handeln führen. Ich habe -<span class="pagenum">[<a id="pb89" href="#pb89" name="pb89">89</a>]</span>das Vermögen, rein gedankliche Triebfedern -des Handelns zu schaffen, in meiner Schrift „Die Philosophie der -Freiheit“ (Weimar, Emil Felber 1894) die „moralische -Phantasie“ genannt. Nur wer diese <span class="ex">moralische -Phantasie</span> hat, ist wirklich frei, denn der Mensch muß nach -<span class="ex">bewußten</span> Triebfedern handeln. Und wenn er -solche nicht selbst produzieren kann, dann muß er sich dieselben -von äußeren Autoritäten oder von dem in Form der -Gewissensstimme in ihm sprechenden Herkommen geben lassen. Ein Mensch, -der sich bloß seinen sinnlichen Instinkten -überläßt, handelt <span class="ex">wie ein Tier</span>; -ein Mensch, der seine sinnlichen Instinkte unter fremde Gedanken -stellt, handelt <span class="ex">unfrei</span>; erst der Mensch, der -sich selbst seine <span class="ex">moralischen</span> Ziele schafft, -handelt <span class="ex">frei</span>. Die moralische Phantasie fehlt in -Nietzsches Ausführungen. Wer dessen Gedanken zu Ende denkt, -muß notwendig auf diesen Begriff kommen. Aber andererseits ist es -auch eine unbedingte Notwendigkeit, daß dieser Begriff der -Nietzscheschen Weltanschauung eingefügt wird. Sonst könnte -gegen dieselbe immerfort eingewendet werden: Zwar ist der dionysische -Mensch kein Knecht des Herkommens oder des „jenseitigen -Willens“, aber er ist <span class="ex">ein Knecht seiner eigenen -Instinkte</span>.</p> -<p class="par">Nietzsche hat seinen Blick auf das Ursprüngliche, -Eigenpersönliche im Menschen gerichtet. Er suchte dieses -Eigenpersönliche herauszulösen aus dem Mantel des -Unpersönlichen, in den es eine wirklichkeitsfeindliche -Weltanschauung eingehüllt hat. Aber er ist nicht dazu gekommen, -die Stufen des Lebens innerhalb der Persönlichkeit selbst zu -unterscheiden. Er hat deshalb die Bedeutung des Bewußtseins -für die menschliche <span class="pagenum">[<a id="pb90" href="#pb90" name="pb90">90</a>]</span>Persönlichkeit -unterschätzt. „Die Bewußtheit ist die letzte und -späteste Entwickelung des Organischen und folglich auch das -Unfertigste und Unkräftigste daran. Aus der Bewußtheit -stammen unzählige Fehlgriffe, welche machen, daß ein Tier, -ein Mensch zu Grunde geht, früher als es nötig wäre, -„über das Geschick“, wie Homer sagt. Wäre nicht -der erhaltende Verband der Instinkte so überaus viel -mächtiger, diente er nicht im ganzen als Regulator: an ihrem -verkehrten Urteilen und Phantasieren mit offenen Augen, an ihrer -Ungründlichkeit und Leichtgläubigkeit, kurz eben an ihrer -Bewußtheit müßte die Menschheit zu Grunde -gehen,“ sagt Nietzsche (Fröhliche Wissenschaft § -11).</p> -<p class="par">Dies ist zwar durchaus zuzugeben; aber nicht minder wahr -ist es, daß der Mensch nur insoweit <span class="ex">frei</span> -ist, als er sich gedankliche Triebfedern seines Handelns <span class="ex">innerhalb des Bewußtseins</span> schaffen kann.</p> -<p class="par">Die Betrachtung der gedanklichen Triebfedern führt -aber noch weiter. Es ist eine Thatsache der Erfahrung, daß diese -gedanklichen Triebfedern, die die Menschen aus sich heraus produzieren, -bei den einzelnen Individuen doch bis zu einem gewissen Grade eine -Übereinstimmung zeigen. Auch wenn der einzelne Mensch ganz frei -aus sich heraus Gedanken schafft, so stimmen diese in gewisser Weise -mit den Gedanken anderer Menschen überein. Daraus folgt für -den Freien die Berechtigung, anzunehmen, daß die Harmonie in der -menschlichen Gesellschaft von selbst eintritt, wenn sie aus -souveränen Individuen besteht. Er kann diese Meinung dem -Verteidiger der Unfreiheit <span class="pagenum">[<a id="pb91" href="#pb91" name="pb91">91</a>]</span>gegenüberstellen, der glaubt, -daß die Handlungen einer Mehrheit von Menschen nur -zusammenstimmen, wenn sie durch eine äußere Gewalt nach -einem gemeinsamen Ziele hingelenkt werden. Der freie Geist ist deshalb -durchaus kein Anhänger jener Ansicht, welche die tierischen Triebe -absolut frei walten lassen und alle gesetzlichen Ordnungen deshalb -abschaffen will. Aber er verlangt absolute Freiheit für -diejenigen, die nicht bloß ihren tierischen Instinkten folgen -wollen, sondern die imstande sind, moralische Triebfedern, ihr eigenes -<span class="ex">Gutes</span> und <span class="ex">Böses</span>, -zu <span class="ex">schaffen</span>.</p> -<p class="par">Nur wer Nietzsche nicht so weit durchdrungen hat, -daß er die letzten Konsequenzen von dessen Weltanschauung zu -ziehen vermag, trotzdem sie Nietzsche nicht selbst gezogen hat, kann in -ihm einen Menschen sehen, der „mit einer gewissen stilistischen -Wollust zu enthüllen den Mut gefunden hat, was bisher etwa im -geheimsten Seelengrunde grandioser Verbrechertypen .... verborgen -gelauert haben mag“ (Ludwig Stein, Friedrich Nietzsches -Weltanschauung und ihre Gefahren S. 5). Noch immer ist die -Durchschnittsbildung eines deutschen Professors nicht so weit, das -Große einer Persönlichkeit von deren kleinen Irrtümern -abzutrennen. Sonst könnte man es nicht erleben, daß die -Kritik eines solchen Professors gerade gegen diese kleinen -Irrtümer sich richtet. Ich denke, wahrhafte Bildung nimmt das -Große einer Persönlichkeit auf und verbessert kleine -Irrtümer oder denkt halbfertige Gedanken zu Ende. <span class="pagenum">[<a id="pb93" href="#pb93" name="pb93">93</a>]</span></p> -</div> -</div> -</div> -</div> -<div id="ch3" class="div1 chapter"><span class="pagenum">[<a href="#xd23e182">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h2 class="label"><span class="corr" id="xd23e1921" title="Nicht in der Quelle">III.</span></h2> -<h2 class="main">Nietzsches Entwickelungsgang.</h2> -<p><span class="pagenum">[<a id="pb95" href="#pb95" name="pb95">95</a>]</span></p> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">30.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Ich habe Nietzsches Ansichten vom -Übermenschen so dargestellt, wie sie uns in seinen letzten -Schriften: <span class="ex">Zarathustra</span> (1883–1884), -<span class="ex">Jenseits von Gut und Böse</span> (1886), -<span class="ex">Genealogie der Moral</span> (1887), <span class="ex">Der Fall Wagner</span> (1888), <span class="ex">Götzendämmerung</span> (1889) entgegentreten. In dem -unvollendet gebliebenen Werke: „<span class="ex">Der Wille zur -Macht</span>“, Versuch einer Umwertung aller Werte, dessen erster -Teil „Antichrist“ im 8. Bande der Gesamtausgabe erschienen -ist, hätten sie wohl ihren philosophisch prägnantesten -Ausdruck gefunden. Aus der Disposition, die im Anhange zu dem -erwähnten Band abgedruckt ist, ist das deutlich zu erkennen. Sie -heißt: 1. <span class="ex">Der Antichrist.</span> Versuch einer -Kritik des Christentums. 2. <span class="ex">Der freie Geist.</span> -Kritik der Philosophie als einer nihilistischen Bewegung. 3. -<span class="ex">Der Immoralist.</span> Kritik der -verhängnisvollsten Art von Unwissenheit, der Moral. 4. -<span class="ex">Dionysos.</span> Philosophie der ewigen -Wiederkunft.</p> -<p class="par">Nietzsche hat seine Gedanken nicht sogleich im Beginne -seiner schriftstellerischen Laufbahn in der <span class="pagenum">[<a id="pb96" href="#pb96" name="pb96">96</a>]</span>ihnen -ureigensten Form zum Ausdruck gebracht. Er stand anfangs unter dem -Einflusse des deutschen Idealismus, namentlich in der Form, in der ihn -<span class="ex">Schopenhauer</span> und <span class="ex">Richard -Wagner</span> vertreten haben. In Schopenhauerschen und Wagnerschen -Formeln drückt er sich in seinen ersten Schriften aus. Wer aber -durch dieses Formelwesen hindurch auf den Kern der Nietzscheschen -Gedanken zu blicken vermag, der findet in diesen Schriften dieselben -Absichten und Ziele, die in den späteren Werken zum Ausdruck -kommen.</p> -<p class="par">Man kann von Nietzsches Entwickelung nicht sprechen, -ohne an den freiesten Denker erinnert zu werden, den die neuzeitliche -Menschheit hervorgebracht hat, an <span class="ex">Max Stirner</span>. -Es ist eine traurige Wahrheit, daß dieser Denker, der im vollsten -Sinne dem entspricht, was <span class="corr" id="xd23e1977" title="Quelle: Nietsche">Nietzsche</span> von dem Übermenschen fordert, -nur von wenigen erkannt und gewürdigt worden ist. Er hat bereits -in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts Nietzsches Weltanschauung -ausgesprochen. Allerdings nicht in solch gesättigten -Herzenstönen wie Nietzsche, aber dafür in krystallklaren -Gedanken, neben denen sich Nietzsches Aphorismen allerdings oft wie ein -bloßes Stammeln ausnehmen.</p> -<p class="par">Welchen Weg hätte Nietzsche genommen, wenn nicht -Schopenhauer, sondern Max Stirner sein Erzieher geworden wäre! In -Nietzsches Schriften ist keinerlei Einfluß Stirners zu bemerken. -Aus eigener Kraft mußte sich Nietzsche aus dem deutschen -Idealismus heraus zu einer der Stirnerschen gleichen Weltauffassung -durchringen.</p> -<p class="par">Stirner ist wie Nietzsche der Ansicht, das die -Triebkräfte <span class="pagenum">[<a id="pb97" href="#pb97" name="pb97">97</a>]</span>des menschlichen Lebens nur in der einzelnen, -<span class="ex">wirklichen</span> Persönlichkeit gesucht werden -können. Er lehnt alle Gewalten ab, die die -Einzelpersönlichkeit von außen formen, bestimmen wollen. Er -verfolgt den Gang der Weltgeschichte und findet<a id="xd23e1989" name="xd23e1989"></a> den Grundirrtum der bisherigen Menschheit darin, -daß sie nicht die Pflege und Kultur der individuellen -Persönlichkeit, sondern andere, unpersönliche Ziele und -Zwecke sich vorsetzte. Er sieht die wahre Befreiung des Menschen darin, -daß dieser allen solchen Zielen keine höhere Realität -zugesteht, sondern sich dieser Ziele als Mittel zu seiner Selbstpflege -bedient. Der freie Mensch bestimmt sich seine Zwecke; er besitzt seine -Ideale; er läßt sich nicht von ihnen besitzen. Der Mensch, -der nicht als freie Persönlichkeit über seinen Idealen -waltet, steht unter dem Einflusse derselben, wie der Irrsinnige, der an -fixen Ideen leidet. Es ist für Stirner einerlei, ob sich der -Mensch einbildet, der „König von China“, oder ob -„ein behaglicher Bürger sich einbildet, es sei seine -Bestimmung, ein guter Christ, ein gläubiger Protestant, ein -loyaler Bürger, ein tugendhafter Mensch u. s. w. zu sein — -das ist beides ein und dieselbe ‚fixe Idee‘. Wer es nie -versucht und gewagt hat, kein guter Christ, kein gläubiger -Protestant, kein tugendhafter Mensch u. s. w. zu sein, der ist in der -Gläubigkeit, Tugendhaftigkeit u. s. w. <span class="ex">gefangen</span> und befangen.“</p> -<p class="par">Man braucht nur einige Sätze aus <span class="ex">Stirners</span> Buch: „Der Einzige und sein Eigentum“ -zu lesen, um zu sehen, wie verwandt seine Anschauung der Nietzscheschen -ist. Ich führe einige Stellen aus diesem Buche <span class="pagenum">[<a id="pb98" href="#pb98" name="pb98">98</a>]</span>an, die -besonders bezeichnend für Stirners Denkweise sind.</p> -<p class="par">„Vorchristliche und christliche Zeit verfolgen ein -entgegengesetztes Ziel; jene will das Reale idealisieren, diese das -Ideale realisieren, jene sucht den „heiligen Geist“, diese -den „verklärten Leib“. Daher schließt jene mit -der Unempfindlichkeit gegen das Reale, mit der -„Weltverachtung“; diese wird mit der Abwerfung des Idealen, -mit der „Geistesverachtung“ enden.</p> -<p class="par">Wie der Zug der Heiligung oder Reinigung durch die alte -Welt geht (die Waschungen u. s. w.), so geht der der Verleiblichung -durch die christliche: der Gott stürzt sich in diese Welt, wird -Fleisch und will sie erlösen, d. h. mit sich erfüllen; da er -aber „die Idee“ oder „der Geist“ ist, so -führt man (z. B. Hegel) am Schlusse die Idee in alles, in die -Welt, ein und beweist, „daß die Idee, die Vernunft in allem -sei“. Dem, was die heidnischen Stoiker als „den -Weisen“ aufstellten, entspricht in der heutigen Bildung -„der Mensch“, jener wie dieser ein <span class="ex">fleischloses</span> Wesen. Der <span class="ex">unwirkliche</span> -„Weise“, dieser leiblose „Heilige“ der Stoiker, -wurde eine wirkliche Person, ein leiblicher „Heiliger“ in -dem <span class="ex">fleischgewordenen</span> Gotte; der unwirkliche -„Mensch“, das leiblose Ich, wird wirklich werden im -<span class="ex">leibhaftigen</span> Ich, in Mir.</p> -<p class="par">Daß der <span class="ex">Einzelne</span> für -sich eine Weltgeschichte ist und an der übrigen Weltgeschichte -sein Eigentum besitzt, das geht über das Christliche hinaus. Dem -Christen ist die Weltgeschichte das Höhere, weil sie die -Geschichte Christi oder „des Menschen“ ist; dem Egoisten -hat nur <span class="ex">seine</span> Geschichte Wert, weil er nur -<span class="ex">sich</span> entwickeln will, nicht die -Menschheits-Idee, <span class="pagenum">[<a id="pb99" href="#pb99" -name="pb99">99</a>]</span>nicht den Plan Gottes, nicht die Absichten -der Vorsehung, nicht die Freiheit u. dergl. Er sieht sich nicht -für ein Werkzeug der Idee oder ein Gefäß Gottes an, er -erkennt keinen Beruf an, er wähnt nicht, zur Fortentwickelung der -Menschheit dazusein, und sein Scherflein dazu beitragen zu müssen, -sondern er lebt sich aus, unbesorgt darum, wie gut oder wie schlecht -die Menschheit dabei fahre. Ließe es nicht das -Mißverständnis zu, als sollte ein Naturzustand gepriesen -werden, so könnte man an Lenaus „Drei Zigeuner“ -erinnern. — Was, bin Ich dazu in der Welt, um Ideen zu -realisieren? Um etwa zur Verwirklichung der Idee „Staat“ -durch mein Bürgertum das Meinige zu thun oder durch die Ehe, als -Ehegatte und Vater, die Idee der Familie zu einem Dasein zu bringen? -Was ficht mich ein solcher Beruf an! Ich lebe so wenig nach einem -Berufe, als die Blume nach einem Berufe wächst und duftet.</p> -<p class="par">Das Ideal „der Mensch“ ist <span class="ex">realisiert</span>, wenn die christliche Anschauung umschlägt -in den Satz: „Ich, dieser Einzige, bin der Mensch.“ Die -Begriffsfrage: „was ist der Mensch?“ — hat sich dann -in die persönliche umgesetzt: „wer ist der Mensch?“ -Bei „was“ suchte man den Begriff, um ihn zu realisieren; -bei „wer“ ist’s überhaupt keine Frage mehr, -sondern die Antwort im Fragenden gleich persönlich vorhanden: die -Frage beantwortet sich von selbst.</p> -<p class="par">Man sagt von Gott: „Namen nennen Dich -nicht“. Das gilt von Mir: kein <span class="ex">Begriff</span> -drückt Mich aus, nichts, was man als mein Wesen angiebt, -erschöpft mich; es sind nur Namen. Gleichfalls sagt man von Gott, -er sei vollkommen und habe keinen Beruf, nach <span class="pagenum">[<a id="pb100" href="#pb100" name="pb100">100</a>]</span>Vollkommenheit zu streben. Auch das gilt allein -von Mir.</p> -<p class="par"><span class="ex">Eigner</span> bin Ich meiner Gewalt, -und Ich bin es dann, wenn Ich Mich als <span class="ex">Einzigen</span> -weiß. Im <span class="ex">Einzigen</span> kehrt selbst der Eigner -in sein schöpferisches Nichts zurück, aus welchem er geboren -wird. Jedes höhere Wesen über Mir, sei es Gott, sei es der -Mensch, schwächt das Gefühl meiner Einzigkeit und erbleicht -vor der Sonne dieses Bewußtseins: Stell’ Ich auf Mich, den -Einzigen, meine Sache, dann steht sie auf dem vergänglichen, dem -sterblichen Schöpfer seiner, der sich selbst verzehrt, und Ich -darf sagen:</p> -<p class="par">„Ich hab’ mein’ Sach’ auf nichts -gestellt.“</p> -<p class="par">Dieser auf sich sich selbst gestellte, nur aus sich -heraus schaffende <span class="ex">Eigner</span> ist <span class="corr" -id="xd23e2060" title="Quelle: Nietsches">Nietzsches</span> <span class="ex">Übermensch</span>.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">31.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Diese Stirnerschen Gedanken wären das -geeignete Gefäß gewesen, in das Nietzsche sein reiches -Empfindungsleben hätte gießen können. Statt dessen -suchte er in Schopenhauers Begriffswelt die Leiter, auf der er zu -seiner Gedankenwelt hinaufkletterte.</p> -<p class="par">Aus zwei Wurzeln stammt, nach Schopenhauers Meinung, -unsere gesamte Welterkenntnis. Aus dem Vorstellungsleben und aus der -Wahrnehmung des Willens, der in uns selbst als Handelnder auftritt. Das -„Ding an sich“ liegt jenseits der Welt unserer Vorstellung. -Denn die Vorstellung ist nur die Wirkung, die das „Ding an -sich“ auf mein Erkenntnisorgan ausübt. Nur die -Eindrücke kenne ich, die die Dinge auf mich machen, nicht die -Dinge selbst. Und diese <span class="pagenum">[<a id="pb101" href="#pb101" name="pb101">101</a>]</span>Eindrücke sind eben meine -Vorstellungen. Ich kenne keine Sonne und keine Erde, sondern nur ein -Auge, das eine Sonne sieht, und eine Hand, die eine Erde fühlt. -Der Mensch weiß nur: „daß die Welt, welche ihn -umgiebt, nur als Vorstellung da ist, d. h. durchweg nur in Beziehung -auf ein anderes, das Vorstellende, welches er selbst ist“. -(Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung § 1.) Aber der -Mensch stellt die Welt nicht bloß vor, sondern er <span class="ex">wirkt</span> auch in ihr; er wird sich seines Willens -bewußt, und er erfährt, daß dasjenige, welches er in -sich als <span class="ex">Wille</span> empfindet, von außen als -Bewegung seines Leibes wahrgenommen werden kann, d. h. der Mensch nimmt -sein eigenes Wirken doppelt wahr, von innen als <span class="ex">Vorstellung</span>, von außen als <span class="ex">Wille</span>. Schopenhauer schließt daraus, daß es der -Wille selbst ist, der in der wahrgenommenen Leibesaktion als -Vorstellung erscheint. Und er behauptet dann weiter, daß nicht -nur der Vorstellung des eigenen Leibes und seiner Bewegungen ein Wille -zu Grunde liege, sondern daß dies auch bei allen übrigen -Vorstellungen der Fall sei. Die ganze Welt ist also, nach Schopenhauers -Ansicht, dem Wesen nach Wille und erscheint unserem Intellekt als -Vorstellung. Dieser Wille, behauptet Schopenhauer weiter, ist in allen -Dingen ein einheitlicher. Nur unser Intellekt verursacht, daß wir -eine Mehrheit von besonderen Dingen wahrnehmen.</p> -<p class="par">Durch seinen Willen hängt der Mensch, nach dieser -Anschauung, mit dem einheitlichen Weltwesen zusammen. Insofern der -Mensch wirkt, wirkt in ihm der einheitliche Urwille. Als einzelne, -besondere Persönlichkeit existiert der Mensch nur in seiner -<span class="pagenum">[<a id="pb102" href="#pb102" name="pb102">102</a>]</span>eigenen Vorstellung; im Wesen ist er identisch -mit dem einheitlichen Weltengrunde.</p> -<p class="par">Nehmen wir an, daß in Nietzsche, als er die -Schopenhauersche Philosophie kennen lernte, schon der Gedanke des -Übermenschen unbewußt, instinktiv vorhanden war, so konnte -ihn diese Willenslehre allerdings nur sympathisch berühren. In dem -menschlichen Willen war ihm ein Element gegeben, das den Menschen -unmittelbar an der Schöpfung des Weltinhaltes teilnehmen -ließ. Als Wollender ist der Mensch nicht bloß ein -außerhalb des Weltinhaltes stehender Zuschauer, der sich Bilder -des Wirklichen macht, sondern er ist selbst ein <span class="ex">Schaffender</span>. In ihm waltet die göttliche Kraft, -über die hinaus es keine andere giebt.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">32.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Aus diesen Anschauungen heraus bildeten sich bei -Nietzsche die beiden Ideen von der <span class="ex">apollinischen</span> und der <span class="ex">dionysischen</span> -Weltbetrachtung. Sie wendete er auf das griechische Kunstleben an, das -er demgemäß aus zwei Wurzeln entstehen ließ: aus einer -Kunst des Vorstellens und einer Kunst des Wollens. Wenn der -Vorstellende seine Vorstellungswelt idealisiert und seine idealisierten -Vorstellungen in Kunstwerken verkörpert, so entsteht die -<span class="ex">apollinische Kunst</span>. Er verleiht den einzelnen -Vorstellungsobjekten dadurch, daß er ihnen die <span class="ex">Schönheit</span> einprägt, den Schein des Ewigen. Aber -er bleibt innerhalb der Vorstellungswelt stehen. Der <span class="ex">dionysische Künstler</span> sucht nicht nur in seinen -Kunstwerken die Schönheit auszudrücken, sondern er ahmt -selbst <span class="pagenum">[<a id="pb103" href="#pb103" name="pb103">103</a>]</span>das schöpferische Wirken des Weltwillens -nach. Er sucht in seinen eigenen Bewegungen den Weltgeist abzubilden. -Er macht sich zur sichtbaren Verkörperung des Willens. Er wird -selbst Kunstwerk. „Singend und tanzend äußert sich der -Mensch als Mitglied einer höhern Gemeinschaft: er hat das Gehen -und Sprechen verlernt und ist auf dem Wege, tanzend in die Lüfte -emporzufliegen. Aus seinen Gebärden spricht die -Verzauberung“ (Geburt der Tragödie § 1). In diesem -Zustande vergißt der Mensch sich selbst, er fühlt sich nicht -mehr als Individuum, er läßt in sich den allgemeinen -Weltwillen walten. In dieser Weise deutet Nietzsche die Feste, die zu -Ehren des Gottes Dionysus durch die Dionysusdiener veranstaltet wurden. -In dem Dionysusdiener sieht Nietzsche das Urbild des dionysischen -Künstlers. Nun stellt er sich vor, daß die älteste -dramatische Kunst der Griechen dadurch entstanden ist, daß eine -höhere Vereinigung des Dionysischen mit dem Apollinischen sich -vollzogen hat. Auf diese Weise erklärt er den Ursprung der ersten -griechischen Tragödie. Er nimmt an, daß die Tragödie -aus dem tragischen Chore entstanden ist. Der dionysische Mensch wird -zum Zuschauer, zum Betrachter eines Bildes, das ihn selbst darstellt. -Der <span class="ex">Chor</span> ist die Selbstspiegelung eines -dionysisch erregten Menschen, d. h. der dionysische Mensch sieht seine -dionysische Erregung durch ein apollinisches Kunstwerk abgebildet. Die -Darstellung des Dionysischen im apollinischen Bilde ist die primitive -<span class="ex">Tragödie</span>. Voraussetzung einer solchen -Tragödie ist, daß in ihrem Schöpfer ein lebendiges -Bewußtsein von dem Zusammenhang des Menschen mit den Urgewalten -der Welt vorhanden <span class="pagenum">[<a id="pb104" href="#pb104" -name="pb104">104</a>]</span>ist. Ein solches Bewußtsein spricht -sich als Mythus aus. Das Mythische muß der Gegenstand der -ältesten Tragödie sein. Tritt nun in der Entwickelung eines -Volkes der Zeitpunkt ein, wo der zersetzende Verstand das lebendige -Gefühl für den Mythus zerstört, so ist der Tod des -Tragischen die notwendige Folge.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">33.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">In der Entwickelung des Griechentums trat, nach -Nietzsches Meinung, mit Sokrates dieser Zeitpunkt ein. Sokrates war ein -Feind alles instinktiven, mit den Naturgewalten im Bunde stehenden -Lebens. Er ließ nur dasjenige gelten, was der Verstand denkend zu -beweisen vermag, was lehrbar ist. Damit war dem Mythus der Krieg -erklärt. Und der von Nietzsche als Schüler des Sokrates -bezeichnete <span class="ex">Euripides</span> zerstörte die -Tragödie, weil sein Schaffen nicht mehr, wie das des -Äschylos, aus den dionysischen Instinkten, sondern aus dem -kritischen Verstande entsprang. Statt der Nachbildung der -Willensbewegungen des Weltgeistes findet sich bei Euripides die -<span class="ex">verständige</span> Verknüpfung einzelner -Vorgänge innerhalb der tragischen Handlung.</p> -<p class="par">Ich frage nicht nach der historischen Rechtfertigung -dieser Nietzscheschen Ideen. Er ist ihretwegen von einem klassischen -Philologen scharf angegriffen worden. Nietzsches Beschreibung der -griechischen Kultur läßt sich vergleichen mit der -Schilderung, die ein Mensch von einer Landschaft giebt, die er von dem -Gipfel eines Berges aus betrachtet; eine philologische Darstellung mit -einer Beschreibung, die der Wanderer <span class="pagenum">[<a id="pb105" href="#pb105" name="pb105">105</a>]</span>giebt, der jedes -einzelne Fleckchen besucht. Von dem Berge aus verschiebt sich manches -eben nach den Gesetzen der Optik.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">34.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Was hier in Betracht kommt, ist die Frage: was -für eine Aufgabe stellte sich Nietzsche in seiner „Geburt -der Tragödie“? Nietzsche ist der Ansicht, daß die -älteren Griechen die Leiden des Daseins sehr gut gekannt haben. -„Es geht die alte Sage, daß König Midas lange Zeit -nach dem weisen <span class="ex">Silen</span>, dem Begleiter des -Dionysus, im Walde gejagt habe, ohne ihn zu fangen. Als er ihm endlich -in die Hände gefallen ist, fragt der König, was für den -Menschen das Allerbeste und Allervorzüglichste sei. Starr und -unbeweglich schweigt der Dämon, bis er, durch den König -gezwungen, endlich unter gellem Lachen in diese Worte ausbricht: -„Elendes Eintagsgeschlecht, des Zufalls Kinder und der -Mühsal, was zwingst du mich, dir zu sagen, was nicht zu hören -für dich das Ersprießlichste ist? Das Allerbeste ist -für dich gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht -zu <span class="ex">sein</span>, <span class="ex">nichts</span> zu -sein. Das Zweitbeste aber ist für dich — bald zu -sterben“ (Geburt der Tragödie § 3). In dieser Sage -findet Nietzsche eine Grundempfindung der Griechen ausgedrückt. Er -hält es für eine Oberflächlichkeit, wenn man die -Griechen als das beständig heitere, kindlich tändelnde Volk -hinstellt. Aus der tragischen Grundempfindung heraus mußte den -Griechen der Drang entstehen, etwas zu schaffen, wodurch das Dasein -erträglich wird. Sie suchten nach einer Rechtfertigung -<span class="pagenum">[<a id="pb106" href="#pb106" name="pb106">106</a>]</span>des Daseins — und fanden diese in ihrer -Götterwelt und in der Kunst. Nur durch das Gegenbild der -olympischen Götter und der Kunst wurde den Griechen die rauhe -Wirklichkeit erträglich. Die Grundfrage in der „Geburt der -Tragödie“ ist also für Nietzsche: Inwiefern ist die -griechische Kunst lebenfördernd, lebenerhaltend gewesen? -Nietzsches Grundinstinkt macht sich somit in Bezug auf die Kunst als -lebenfördernde Macht schon in diesem ersten Werke geltend.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">35.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Noch ein anderer Grundinstinkt Nietzsches ist in -diesem Werke schon zu beobachten. Es ist die Abneigung gegen die -bloß logischen Geister, deren Persönlichkeit -vollständig unter der Herrschaft ihres Verstandes steht. Aus -dieser Abneigung stammt Nietzsches Meinung, daß der <span class="ex">sokratische</span> Geist der Zerstörer der griechischen -Kultur ist. Das Logische gilt Nietzsche nur als eine Form, in der sich -die Persönlichkeit äußert. Wenn zu dieser Form nicht -noch andere Äußerungsweisen treten, so erscheint die -Persönlichkeit als Krüppel, als Organismus, an dem notwendige -Organe verstümmelt sind. Weil Nietzsche in Kants Schriften nur den -grübelnden Verstand entdecken konnte, nennt er Kant einen -„verwachsenen Begriffskrüppel“. Nur wenn die Logik der -Ausdruck für die tieferen Grundinstinkte einer Persönlichkeit -ist, läßt sie Nietzsche gelten. Sie muß ein -Ausfluß des <span class="ex">Über-Logischen</span> in der -Persönlichkeit sein. Nietzsche hat an der Ablehnung des -sokratischen Geistes immer festgehalten. Wir lesen in der -Götzendämmerung: <span class="pagenum">[<a id="pb107" href="#pb107" name="pb107">107</a>]</span>„Mit Sokrates schlägt -der griechische Geschmack zu Gunsten der Dialektik um: was geschieht da -eigentlich? Vor allem wird ein <span class="ex">vornehmer</span> -Geschmack besiegt; der Pöbel kommt mit der Dialektik oben auf. Vor -Sokrates lehnte man in der guten Gesellschaft die dialektischen -Manieren ab; sie galten als schlechte Manieren, sie stellten -bloß“ (Problem des Sokrates § 5). Wo nicht -kräftige Grundinstinkte für eine Sache sprechen, da tritt der -beweisende Verstand ein und sucht sie durch Advokatenkünste zu -stützen.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">36.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Einen Erneuerer des dionysischen Geistes glaubte -Nietzsche in <span class="ex">Richard Wagner</span> zu erkennen. Er hat -aus diesem Glauben heraus die vierte seiner -„Unzeitgemäßen Betrachtungen“: „Richard -Wagner in Bayreuth“, 1875, geschrieben. Er hielt in dieser Zeit -noch an der Deutung des dionysischen Geistes fest, die er sich in -Gemäßheit der Schopenhauerschen Philosophie gebildet hatte. -Er glaubte noch, daß die Wirklichkeit nur menschliche Vorstellung -sei und jenseits dieser Vorstellungswelt das Wesen der Dinge in Form -des <span class="ex">Urwillens</span> liege. Und der <span class="ex">schaffende</span> dionysische Geist war ihm noch nicht der aus -sich heraus schaffende, sondern der sich selbst vergessende, in dem -Urwollen aufgehende Mensch. Bilder des waltenden Urwillens, von einem -an diesen Urwillen hingegebenen dionysischen Geiste geschaffen, waren -ihm Wagners Musikdramen.</p> -<p class="par">Und da Schopenhauer in der Musik ein unmittelbares -Abbild des Willens sah, so glaubte auch Nietzsche <span class="pagenum">[<a id="pb108" href="#pb108" name="pb108">108</a>]</span>in -der Musik das beste Ausdrucksmittel für einen dionysisch -schaffenden Geist sehen zu sollen. Die <span class="ex">Sprache</span> -der civilisierten Völker schien ihm <span class="ex">erkrankt</span>. Sie kann nicht mehr der schlichte Ausdruck der -Gefühle sein, denn die Worte mußten allmählich immer -mehr dazu verwendet werden, der Ausdruck für die zunehmende -Verstandesbildung der Menschen zu werden. Dadurch aber ist die -Bedeutung der Worte abstrakt, arm geworden. Sie können nicht mehr -ausdrücken, was der aus dem Urwillen heraus schaffende dionysische -Geist empfindet. Dieser kann daher in dem Wortdrama sich nicht mehr -aussprechen. Er muß andere Ausdrucksmittel, vor allem die Musik, -aber auch die anderen Künste zu Hilfe rufen. Der dionysische Geist -wird zum <span class="ex">dithyrambischen Dramatiker</span>, -„diesen Begriff so voll genommen, daß er zugleich den -Schauspieler, Dichter, Musiker umfaßt“. „Wie man sich -nun auch die Entwickelung des Urdramatikers vorstellen möge, in -seiner Reife und Vollendung ist er ein Gebilde ohne jede Hemmung und -Lücke: der eigentlich freie Künstler, der gar nicht anders -kann, als <span class="ex">in allen Künsten</span> zugleich -denken, der Mittler und Versöhner zwischen scheinbar getrennten -Sphären, der Wiederhersteller einer Ein- und Gesamtheit des -künstlerischen Vermögens, welches gar nicht erraten und -erschlossen, sondern nur durch die That gezeigt werden kann“ -(Richard Wagner in Bayreuth § 7). Als dionysischen Geist verehrte -Nietzsche Richard Wagner. Und nur in dem von Nietzsche in der eben -genannten Schrift angegebenen Sinne kann Wagner als dionysischer Geist -bezeichnet werden. Seine Instinkte sind auf das Jenseits <span class="pagenum">[<a id="pb109" href="#pb109" name="pb109">109</a>]</span>gerichtet; er will die Stimme des Jenseits durch -seine Musik erklingen lassen. Ich habe bereits (S. 81 f.) darauf -hingewiesen, daß sich Nietzsche später selbst fand und -imstande war, seine auf das Diesseits gerichteten Instinkte in ihrer -Eigenart zu erkennen. Er hatte ursprünglich die Wagnersche Kunst -mißverstanden, weil er sich selbst mißverstanden hatte, -weil er seine Instinkte durch die Schopenhauersche Philosophie hatte -tyrannisieren lassen. Wie ein Krankheitsprozeß erschien ihm -später diese Unterordnung seiner Instinkte unter eine fremde -Geistesmacht. Er fand, daß er auf seine Instinkte nicht -gehört hatte und sich durch eine ihm unangemessene Meinung hatte -verführen lassen, eine Kunst auf diese Instinkte wirken lassen, -die ihnen nur zum Nachteil gereichen konnte, die sie krank machen -mußte.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">37.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Nietzsche hat den Einfluß, den die seinen -Grundtrieben widersprechende Schopenhauersche Philosophie auf ihn -genommen, selbst geschildert in seiner dritten -„Unzeitgemäßen Betrachtung“, „Schopenhauer -als Erzieher“ (1873), zu einer Zeit, als er noch an diese -Philosophie glaubte. Nietzsche suchte einen Erzieher. Der rechte -Erzieher kann nur der sein, der auf den zu Erziehenden so wirkt, -daß dessen innerster Wesenskern sich aus der Persönlichkeit -heraus entwickelt. Auf jeden Menschen wirkt seine Zeit mit ihren -Kulturmitteln ein. Er nimmt auf, was die Zeit an Bildungsstoff bietet. -Aber es frägt sich, wie er sich inmitten dieses von außen -auf ihn Eindringenden selbst finden kann; wie er das aus sich -herausspinnen kann, was <span class="ex">er</span> und <span class="ex">nur er</span> und kein anderer sein kann. „Der <span class="pagenum">[<a id="pb110" href="#pb110" name="pb110">110</a>]</span>Mensch, welcher nicht zur Masse gehören -will, braucht nur aufzuhören, gegen sich bequem zu sein; er folge -seinem Gewissen, welches ihm zuruft: „„sei du selbst! Das -bist du alles nicht, was du jetzt thust, meinst, -begehrst““, so spricht der Mensch zu sich, der eines Tages -findet, daß er sich immer nur damit begnügt hat, -Bildungsstoff von außen aufzunehmen (Schopenhauer als Erzieher -§ 1). Nietzsche fand sich selbst, wenn auch zunächst noch -nicht in seiner ihm ureigensten Gestalt, durch das Studium der -Schopenhauerschen Philosophie. Nietzsche strebte unbewußt danach, -<span class="ex">einfach</span> und <span class="ex">ehrlich</span> -seinen Grundtrieben gemäß sich auszusprechen. Er fand um -sich nur Menschen, die in den Bildungsformeln der Zeit sich -ausdrückten, die ihr eigenes Wesen durch diese Formeln -verhüllten. In Schopenhauer fand Nietzsche aber einen Menschen, -der den Mut hatte, seine persönlichen Empfindungen der Welt -gegenüber zum Inhalte seiner Philosophie zu machen: „Das -kräftige Wohlgefühl des Sprechenden“ umfing Nietzsche -beim ersten Lesen von Schopenhauers Sätzen. „Hier ist eine -immer gleichartige, stärkende Luft, so fühlen wir; hier ist -eine gewisse unnachahmliche Unbefangenheit und Natürlichkeit, wie -sie Menschen haben, die in sich zu Hause und zwar in einem sehr reichen -Hause Herren sind: im Gegensatze zu jenen Schriftstellern, die sich am -meisten wundern, wenn sie einmal geistreich waren, und deren Vortrag -dadurch etwas Unruhiges und Naturwidriges bekommt.“ -„Schopenhauer redet mit sich; oder wenn man sich durchaus einen -Zuhörer denken will, so denke man sich den Sohn, den der Vater -unterweist. Es ist ein redliches, derbes, gutmütiges <span class="pagenum">[<a id="pb111" href="#pb111" name="pb111">111</a>]</span>Aussprechen vor einem Hörer, der mit Liebe -hört“ (Schopenhauer § 2). Daß er einen Menschen, -der sich seinen innersten Instinkten gemäß ausspricht, reden -hörte, das war es, was Nietzsche zu Schopenhauer hinzog.</p> -<p class="par">Nietzsche sah in Schopenhauer eine <span class="ex">starke</span> Persönlichkeit, die nicht durch die Philosophie -in einen bloßen Verstandesmenschen umgewandelt wird, sondern die -das Logische nur zum Ausdrucke des Überlogischen, des Instinktiven -in sich macht. „Die Sehnsucht nach starker Natur, nach gesunder -und einfacher Menschheit war bei ihm eine <span class="ex">Sehnsucht -nach sich selbst</span>; und sobald er die Zeit in sich besiegt hatte, -mußte er auch, mit erstauntem Auge, den Genius in sich -erblicken“ (Schopenhauer § 3). In Nietzsches Geist arbeitete -schon damals das Streben nach der Idee des Übermenschen, der sich -selbst sucht, als den Sinn seines Daseins, und einen solchen Suchenden -fand er in Schopenhauer. In solchen Menschen sieht er den Zweck und -zwar den einzigen Zweck des Weltdaseins erreicht; die Natur scheint ihm -an einem Ziele angekommen zu sein, wenn sie einen solchen Menschen -hervorgebracht hat. „Die Natur, die nie springt, macht hier ihren -einzigen Sprung und zwar einen Freudensprung, denn sie fühlt sich -zum erstenmal am Ziele, dort nämlich, <span class="ex">wo sie -begreift, daß sie verlernen müsse, Ziele zu -haben</span>.“ (Schopenh. § 5.) In diesem Satze liegt der -Keim zur Konzeption des Übermenschen. Nietzsche wollte, als er -diesen Satz niederschrieb, schon genau dasselbe, was er später mit -seinem Zarathustra wollte; aber ihm fehlte noch die Kraft, dieses -Wollen in einer eigenen Sprache auszusprechen. <span class="pagenum">[<a id="pb112" href="#pb112" name="pb112">112</a>]</span>Er -sah schon, als er sein Schopenhauerbuch schrieb, den Grundgedanken der -<span class="ex">Kultur</span> in der Erzeugung des -Übermenschen.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">38.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">In der Entwickelung der persönlichen -Instinkte der Einzelmenschen sieht also Nietzsche das Ziel aller -menschlichen Entwickelung. Was dieser Entwickelung entgegenarbeitet, -erscheint ihm als die eigentlichste Versündigung an der -Menschheit. Es giebt aber etwas im Menschen, das auf ganz -natürliche Weise seiner freien Entwickelung widerstrebt. Der -Mensch läßt sich nicht allein durch die in jedem einzelnen -Augenblicke in ihm thätigen Triebe bestimmen, sondern auch durch -alles das, was in seinem <span class="ex">Gedächtnisse</span> sich -angesammelt hat. Der Mensch erinnert sich an seine eigenen Erlebnisse, -er sucht sich ein Bewußtsein der Erlebnisse seines Volkes, -Stammes, ja der ganzen Menschheit durch den Betrieb der Geschichte zu -verschaffen. Der Mensch ist ein <span class="ex">historisches</span> -Wesen. Die Tiere leben unhistorisch; sie folgen den Trieben, die in dem -einzelnen Augenblicke in ihnen wirken. Der Mensch läßt sich -durch seine Vergangenheit bestimmen. Wenn er irgend etwas unternehmen -will, frägt er sich: welche Erfahrungen habe ich oder ein anderer -mit einem ähnlichen Unternehmen schon gemacht? Der Antrieb zu -einer Handlung kann durch die Erinnerung an ein Erlebnis -vollständig abgetötet werden. Für Nietzsche entsteht aus -der Beobachtung dieser Thatsache die Frage: inwiefern wirkt das -Erinnerungsvermögen des Menschen auf sein Leben fördernd, und -inwiefern wirkt es nachteilig <span class="pagenum">[<a id="pb113" -href="#pb113" name="pb113">113</a>]</span>ein? Die Erinnerung, die auch -Dinge zu umfassen sucht, die der Mensch nicht selbst erlebt hat, lebt -als historischer Sinn, als Studium des Vergangenen in dem Menschen. -Nietzsche fragt: inwiefern wirkt der historische Sinn -lebenfördernd? Die Antwort auf diese Frage sucht er zu geben in -seiner zweiten „Unzeitgemäßen Betrachtung“: -„Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ -(1843). Die Veranlassung zu dieser Schrift war Nietzsches Wahrnehmung, -daß der <span class="ex">historische Sinn</span> bei seinen -Zeitgenossen, namentlich bei den Gelehrten unter denselben, ein -hervorstechendes Charaktermerkmal geworden war. Die Vertiefung in die -Vergangenheit fand Nietzsche überall gepriesen. Nur durch -Erkenntnis der Vergangenheit soll der Mensch imstande sein, zu -unterscheiden, was ihm möglich, was ihm unmöglich ist: dieses -Glaubensbekenntnis drang ihm in die Ohren. Nur wer weiß, wie sich -ein Volk entwickelt hat, kann ermessen, was für seine Zukunft -förderlich ist: diesen Ruf hörte Nietzsche. Ja selbst die -Philosophen wollten nicht mehr Neues erdenken, sondern lieber die -Gedanken ihrer Vorfahren studieren. Dieser historische Sinn wirkt -lähmend auf das <span class="ex">gegenwärtige -Schaffen</span>. Wer bei jedem Impuls, der sich in ihm regt, erst zu -bestimmen sucht, wozu ein ähnlicher Impuls in der Vergangenheit -geführt hat, in dem erschlaffen die Kräfte, bevor sie gewirkt -haben. „Denkt euch das äußerste Beispiel, einen -Menschen, der die Kraft zu vergessen gar nicht besäße, der -verurteilt wäre, überall ein Werden zu sehen: ein solcher -glaubt nicht mehr an sein eigenes Sein, glaubt nicht mehr an sich, -sieht alles in bewegte Punkte auseinander <span class="pagenum">[<a id="pb114" href="#pb114" name="pb114">114</a>]</span>fließen und -verliert sich in diesem Strome des Werdens. ... Zu allem Handeln -gehört Vergessen, wie zum Leben alles Organischen nicht nur Licht, -sondern auch Dunkel gehört. Ein Mensch, der durch und durch nur -historisch empfinden wollte, wäre dem ähnlich, der sich des -Schlafens zu enthalten gezwungen wäre, oder dem Tiere, das nur vom -Wiederkäuen und immer wiederholtem Wiederkäuen fortleben -sollte“ (Historie § 1). Nietzsche ist der Meinung, daß -der Mensch nur so viel Geschichte vertragen kann, als dem Maße -seiner schöpferischen Kräfte entspricht. Die starke -Persönlichkeit führt ihre Intentionen aus, <span class="ex">trotzdem</span> sie sich an die Erlebnisse der Vergangenheit -erinnert, ja sie wird vielleicht gerade durch die Erinnerung an diese -Erlebnisse eine Stärkung ihrer Kraft erfahren. Die Kräfte des -schwachen Menschen aber werden durch den historischen Sinn -ausgelöscht. Um den Grad zu bestimmen und durch ihn dann die -Grenze, „an der das Vergangene vergessen werden muß, wenn -es nicht zum Totengräber des Gegenwärtigen werden soll, -müßte man genau wissen, wie groß die <span class="ex">plastische Kraft</span> eines Menschen, eines Volkes, einer Kultur -ist, ich meine jene Kraft, aus sich heraus <span class="ex">eigenartig -zu wachsen</span>, Vergangenes und Fremdes umzubilden und -einzuverleiben“ (Historie § 1).</p> -<p class="par">Nietzsche ist der Ansicht, daß das Historische nur -insofern gepflegt werden soll, als es für die Gesundheit eines -Einzelnen, eines Volkes oder einer Kultur nötig ist. Worauf es ihm -ankommt, ist: „besser lernen, Historie zum Zwecke des -<span class="ex">Lebens</span> zu treiben“ (Historie § 1). -Er spricht dem Menschen das Recht <span class="pagenum">[<a id="pb115" -href="#pb115" name="pb115">115</a>]</span>zu, die Geschichte so zu -treiben, daß sie möglichst zur Förderung der Antriebe -einer bestimmten Gegenwart wirkt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist er -ein Gegner jener Geschichtsbetrachtung, die nur in der -„historischen Objektivität“ ihr Heil sucht, die nur -sehen und erzählen will, wie es in der Vergangenheit -„thatsächlich“ zugegangen ist, die nur die -„reine, folgenlose“ Erkenntnis oder deutlicher „die -Wahrheit, bei der nichts herauskommt“, sucht (Historie § 6). -Eine solche Betrachtung kann nur aus einer <span class="ex">schwachen</span> Persönlichkeit entspringen, deren -Empfindungen nicht flut- und ebbeartig auf- und abwogen, wenn sie den -Strom der Ereignisse an sich vorübergehen sieht. Eine solche -Persönlichkeit „ist zum nachtönenden Passivum geworden, -das durch sein Ertönen wieder auf andere derartige Passiva wirkt: -bis endlich die ganze Luft einer Zeit von solchen durcheinander -schwirrenden zarten und verwandten Nachklängen erfüllt -ist.“ (Historie § 6.) Daß aber eine solche schwache -Persönlichkeit wirklich die Kräfte nachempfinden kann, die in -den Menschen der Vergangenheit gewaltet haben, glaubt Nietzsche nicht: -„Doch scheint es mir, daß man gleichsam nur die -Obertöne jedes originalen und geschichtlichen Haupttons vernimmt: -das Derbe und Mächtige des Originals ist aus dem -sphärisch-dünnen und spitzen Saitenklange nicht mehr zu -erraten. Dafür weckte der Originalton meistens Thaten, Nöte, -Schrecken, dieser lullt uns ein und macht uns zu weichlichen -Genießern; es ist, als ob man die heroische Symphonie für -zwei Flöten eingerichtet und zum Gebrauch von träumenden -Opiumrauchern bestimmt habe.“ (Historie § 6.) Nur der -<span class="pagenum">[<a id="pb116" href="#pb116" name="pb116">116</a>]</span>kann die Vergangenheit wirklich verstehen, der -auch in der Gegenwart machtvoll lebt, der kräftige Instinkte hat, -durch die er die Instinkte der Vorfahren erraten und erschließen -kann. Dieser kümmert sich weniger um das Thatsächliche, als -um das, was aus den Thatsachen sich erraten läßt. „Es -wäre eine Geschichtsschreibung zu denken, die keinen Tropfen der -gemeinen empirischen Wahrheit in sich hat und doch im höchsten -Grade auf das Prädikat der Objektivität Anspruch machen -dürfte.“ (Historie § 6.) Der Meister einer solchen -Geschichtsschreibung wäre der, der überall in den -historischen Personen und Ereignissen das aufsuchte, was hinter dem -bloß Thatsächlichen steckt. Dazu muß er aber ein -mächtiges Eigenleben führen, denn Instinkte und Triebe kann -man unmittelbar nur an der eigenen Person beobachten. -„<span class="ex">Nur aus der höchsten Kraft der Gegenwart -dürft ihr das Vergangene deuten</span>: nur in der stärksten -Anspannung eurer edelsten Eigenschaften werdet ihr erraten, was in dem -Vergangenen wissens- und bewahrenswürdig und groß ist. -Gleiches durch Gleiches! Sonst zieht ihr das Vergangene zu euch -nieder.“ „Alle Geschichte schreibt der Erfahrene und -Überlegene. Wer nicht einiges größer und höher -erlebt hat als alle, wird auch nichts Großes und Hohes aus der -Vergangenheit zu deuten wissen.“ (Historie § 6.)</p> -<p class="par">Dem Überhandnehmen des historischen Sinnes in der -Gegenwart gegenüber macht Nietzsche geltend, „daß der -Mensch vor allem zu <span class="ex">leben</span> lerne, und nur -<span class="ex">im Dienste des erlernten Lebens</span> die Historie -gebrauche“. (Historie § 10.) Er will vor allen Dingen eine -„<span class="ex">Gesundheitslehre des Lebens</span>“, -<span class="pagenum">[<a id="pb117" href="#pb117" name="pb117">117</a>]</span>und die Historie soll nur insoweit getrieben -werden, als sie einer solchen Gesundheitslehre förderlich ist.</p> -<p class="par">Was ist an der Geschichtsbetrachtung <span class="ex">lebenfördernd</span>? Diese Frage stellt Nietzsche in seiner -„Historie“, und er steht damit bereits auf dem Boden, den -er in dem S. 9 f. angeführten Satz aus „Jenseits von Gut und -Böse“ bezeichnet.</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">39.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">In besonders starkem Grade wirkt der gesunden -Entwickelung der Eigenpersönlichkeit jene Gesinnung entgegen, die -in dem bürgerlichen Philister zur Erscheinung kommt. Ein Philister -ist der Gegensatz zu einem Menschen, der in dem freien Ausleben seiner -Anlagen Befriedigung findet. Der Philister will dieses Ausleben nur -insoweit gelten lassen, als es einem gewissen Durchschnittsmaß -der menschlichen Begabung entspricht. So lange der Philister innerhalb -seiner Grenzen bleibt, ist gegen ihn nichts einzuwenden. Wer ein -Durchschnittsmensch bleiben will, der hat das mit sich abzumachen. -Nietzsche fand unter seinen Zeitgenossen solche, die ihre -philisterhafte Gesinnung zur Normalgesinnung für alle Menschen -machen wollten, die ihre Philisterhaftigkeit als das einzige, wahre -Menschentum ansahen. Zu ihnen rechnet er Dav. Friedr. <span class="ex">Strauß</span>, den Ästhetiker Friedr. Theodor -<span class="ex">Vischer</span> u. A. Vischer, glaubt er, habe das -Philisterbekenntnis unumwunden abgelegt in einer Rede, die er zum -Andenken Hölderlins gehalten hat. Er sieht es in den Worten: -„Er (Hölderlin) war eine der unbewaffneten Seelen, er war -der <span class="pagenum">[<a id="pb118" href="#pb118" name="pb118">118</a>]</span>Werther Griechenlands, ein hoffnungslos -Verliebter; es war ein Leben voll Weichheit und Sehnsucht, aber auch -Kraft und Inhalt war in seinem Leben, Fülle und Leben in seinem -Stil, der da und dort sogar an Aeschylus gemahnt. Nur hatte sein Geist -zu wenig vom Harten; es fehlte ihm als Waffe der Humor; <span class="ex">er konnte es nicht ertragen, daß man noch kein Barbar ist, -wenn man ein Philister ist</span>.“ (David Strauß § -2.) Der Philister will hervorragenden Menschen nicht geradezu die -Existenzberechtigung absprechen; aber er meint: sie gehen an der -Wirklichkeit zu Grunde, wenn sie sich nicht abzufinden wissen mit den -Einrichtungen, die der Durchschnittsmensch seinen Bedürfnissen -entsprechend geschaffen hat. Diese Einrichtungen seien einmal das -Einzige, was wirklich, was vernünftig ist, und in sie müsse -sich auch der große Mensch fügen. Aus dieser -Philistergesinnung heraus hat David <span class="ex">Strauß</span> sein Buch „Der alte und der neue -Glaube“ geschrieben. Gegen dieses Buch oder vielmehr gegen die in -ihm zum Ausdruck gekommene Gesinnung wendet sich die erste der -Nietzscheschen „Unzeitgemäßen Betrachtungen“: -„David Strauß, der Bekenner und Schriftsteller“ -(1873). Der Eindruck der neueren naturwissenschaftlichen -Errungenschaften auf den Philister ist ein solcher, daß er sagt: -„Der christliche Ausblick auf ein unsterbliches, himmlisches -Leben ist, samt den andern Tröstungen der christlichen Religion, -unrettbar dahingefallen.“ (David Strauß § 4.) Er will -sich das Leben auf der Erde gemäß den Vorstellungen der -Naturwissenschaft behaglich, d. h. so behaglich, wie es dem Philister -entspricht, einrichten. Nun zeigt der Philister, wie man <span class="pagenum">[<a id="pb119" href="#pb119" name="pb119">119</a>]</span>glücklich und zufrieden sein kann, trotzdem -man weiß, daß kein höherer Geist über den Sternen -waltet, sondern die starren, gefühllosen Kräfte der Natur -über alles Weltgeschehen herrschen. „Wir haben während -der letzten Jahre lebendigen Anteil genommen an dem großen -nationalen Krieg und der Aufrichtung des deutschen Staates, und wir -finden uns durch diese so unerwartete als herrliche Wendung der -Geschicke unserer vielgeprüften Nation im Innersten erhoben. Dem -Verständnis dieser Dinge helfen wir durch geschichtliche Studien -nach, die jetzt mittelst einer Reihe anziehend und volkstümlich -geschriebener Geschichtswerke auch dem Nichtgelehrten leicht gemacht -sind; dabei suchen wir unsere Naturerkenntnisse zu erweitern, wozu es -an gemeinverständlichen Hülfsmitteln gleichfalls nicht fehlt; -und endlich finden wir in den Schriften unserer großen Dichter, -bei den Aufführungen der Werke unserer großen Musiker eine -Anregung für Geist und Gemüt, für Phantasie und Humor, -die nichts zu wünschen übrig läßt. So leben wir, -so wandeln wir beglückt.“ (Strauß, Der alte und neue -Glaube § 88.)</p> -<p class="par">Es ist das Evangelium des trivialsten Lebensgenusses, -das aus diesen Worten spricht. Alles, was über das Triviale -hinausgeht, nennt der Philister ungesund. Strauß sagt von der -„Neunten Symphonie“ Beethovens, daß diese nur bei -denen beliebt sei, welchen „das Barocke als das Geniale, das -Formlose als das Erhabene gilt“ (<span class="corr" id="xd23e2334" title="Quelle: der">Der</span> alte und neue Glaube § -109); von Schopenhauer weiß der Messias des Philistertums zu -verkünden, daß man an eine so „ungesunde und -unersprießliche“ Philosophie wie die Schopenhauersche -<span class="pagenum">[<a id="pb120" href="#pb120" name="pb120">120</a>]</span>keine Gründe, sondern höchstens nur -Worte und Scherze verschwenden dürfe. (David Strauß § -6.) <span class="ex">Gesund</span> nennt der Philister nur das, was der -Durchschnittsbildung entspricht.</p> -<p class="par">Als sittliches Urgebot stellt Strauß den Satz auf: -„Alles sittliche Handeln ist ein Sichbestimmen des Einzelnen, -nach der Idee der Gattung.“ (Der alte und neue Glaube § 74.) -Nietzsche erwidert darauf: „Ins Deutliche und Greifbare -übertragen heißt das nur: lebe als Mensch und nicht als Affe -oder Seehund. Dieser Imperativ ist leider nur durchaus unbrauchbar und -kraftlos, weil unter dem Begriff Mensch das Mannigfaltigste zusammen im -Joche geht, z. B. der Patagonier und der Magister Strauß, und -weil niemand wagen wird, mit gleichem Rechte zu sagen: lebe als -Patagonier! und: lebe als Magister Strauß!“ (Dav. -Strauß § 7.)</p> -<p class="par">Es ist ein Ideal, und zwar ein Ideal jämmerlichster -Art, das Strauß den Menschen vorsetzen will. Und Nietzsche -protestiert dagegen; er protestiert, weil in ihm ein lebhafter Instinkt -ruft: lebe nicht, wie der Magister Strauß, sondern lebe, wie es -dir angemessen ist!</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">40.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Erst in der Schrift: „Menschliches, -Allzumenschliches“ (1878) erscheint Nietzsche frei von dem -Einflusse der Schopenhauerschen Denkweise. Er hat es aufgegeben, -übernatürliche Ursachen für die natürlichen -Ereignisse zu suchen; er strebt nach natürlichen -Erklärungsgründen. Er sieht jetzt alles Menschenleben als -eine Art natürlichen Geschehens an; in dem Menschen sieht er das -höchste <span class="ex">Naturprodukt</span>. Man <span class="pagenum">[<a id="pb121" href="#pb121" name="pb121">121</a>]</span>lebt -„zuletzt unter den Menschen und mit sich wie in der <span class="ex">Natur</span>, ohne Lob, Vorwürfe, Ereiferung, an vielem sich -wie an einem Schauspiel weidend, vor dem man sich bisher nur zu -fürchten hatte. Man wäre die Emphasis los und würde die -Anstachelung des Gedankens, daß man nicht nur Natur oder mehr als -Natur sei, nicht weiter empfinden ..... es muß ein Mensch, von -dem in solchem Maße die gewöhnlichen Fesseln des Lebens -abgefallen sind, daß er nur deshalb weiter lebt, um immer besser -zu erkennen, auf alles, ja fast auf alles, was bei den anderen Menschen -Wert hat, ohne Neid und Verdruß verzichten können; ihm -muß als der wünschenswerteste Zustand jenes freie, -furchtlose Schweben über Menschen, Sitten, Gesetzen und den -herkömmlichen Schätzungen der Dinge <span class="ex">genügen</span>.“ (Menschliches I. § 84.) Nietzsche -hat bereits allen Glauben an Ideale aufgegeben; er sieht in den -menschlichen Handlungen nur noch Folgen natürlicher Ursachen, und -in dem Erkennen dieser Ursachen findet er seine Befriedigung. Er -findet, daß man eine unrichtige Vorstellung von den Dingen -bekommt, wenn man bloß das an ihnen sieht, was von dem Lichte der -idealistischen Erkenntnis beleuchtet wird. Es entgeht einem dann das, -was von den Dingen im Schatten liegt. Nietzsche will jetzt nicht nur -die Sonnen-, sondern auch die Schattenseite der Dinge kennen lernen. -Aus diesem Streben ging die Schrift: „Der Wanderer und sein -Schatten“ hervor (1879). Er will in diesem Buche die -Erscheinungen des Lebens von allen Seiten erfassen. Er ist -„Wirklichkeitsphilosoph“ im besten Sinne des Wortes -geworden. <span class="pagenum">[<a id="pb122" href="#pb122" name="pb122">122</a>]</span></p> -<p class="par">In der „Morgenröte“ (1881) schildert er -den moralischen Prozeß in der Menschheitsentwickelung als einen -Naturvorgang. Schon in dieser Schrift zeigt er, daß es keine -überirdische sittliche Weltordnung, keine ewigen Gesetze des Guten -und Bösen giebt, und daß alle Sittlichkeit entsprungen ist -aus den in den Menschen waltenden natürlichen Trieben und -Instinkten. Nun war die Bahn frei gemacht für den originellen -Wandergang Nietzsches. Wenn keine außermenschliche Macht dem -Menschen eine bindende Verpflichtung auferlegen kann, dann ist er -berechtigt, das eigene Schaffen frei walten zu lassen. Diese Erkenntnis -ist das Leitmotiv der „fröhlichen Wissenschaft“ -(1882). Keine Fessel ist nun dieser „freien“ Erkenntnis -Nietzsches mehr angelegt. Er fühlt sich berufen, neue Werte zu -schaffen, nachdem er den Ursprung der alten erkannt und gefunden hat, -daß sie nur menschliche, keine göttlichen Werte sind. Er -wagt es jetzt, das zu verwerfen, was seinen Instinkten widerspricht, -und anderes an die Stelle zu setzen, was seinen Trieben -gemäß ist: „Wir Neuen, Namenlosen, -Schlechtverständlichen, wir Frühgeburten einer noch -unbewiesenen Zukunft — wir bedürfen zu einem neuen Zwecke -auch eines neuen Mittels, nämlich einer neuen Gesundheit, einer -stärkeren, gewitzteren, zäheren, verwegeneren, -lästigeren, als alle Gesundheiten bisher waren. Wessen Seele -darnach dürstet, den ganzen Umfang der bisherigen Werte und -Wünschbarkeiten erlebt und alle Künste dieses idealischen -„Mittelmeeres“ umschifft zu haben, wer aus den Abenteuern -der eigensten Erfahrungen wissen will, wie es einem Eroberer und -Entdecker des Ideals zu Mute ist ... <span class="pagenum">[<a id="pb123" href="#pb123" name="pb123">123</a>]</span>der hat zu allererst -Eins nötig, <span class="ex">die große Gesundheit</span> -.... Und nun, nachdem wir lange dergestalt unterwegs waren, wir -Argonauten des Ideals, mutiger vielleicht, als klug ist ... will es uns -scheinen, als ob wir, zum Lohn dafür, ein noch unentdecktes Land -vor uns haben .... Wie könnten wir uns, nach solchen Ausblicken -und mit einem solchen Heißhunger in Gewissen und Wissen, noch am -<span class="ex">gegenwärtigen Menschen</span> genügen -lassen!“ (Fröhliche Wissenschaft § 382.)</p> -</div> -</div> -<div class="div2 section"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h3 class="main">41.</h3> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first">Aus der in den vorstehenden Sätzen -charakterisierten Stimmung heraus erwuchs Nietzsche das Bild seines -<span class="ex">Übermenschen</span>. Es ist das Gegenbild des -Gegenwartsmenschen; es ist vor allem das Gegenbild des Christen. Im -Christentum ist der <span class="ex">Widerspruch</span> gegen die -Pflege des <span class="ex">starken</span> Lebens Religion geworden. -(Antichrist § 5.) Der Stifter dieser Religion lehrte: daß -vor Gott das verächtlich ist, was vor den Menschen Wert hat. In -dem „Gottesreich“ will der Christ alles verwirklicht -finden, was ihm auf Erden mangelhaft erscheint. Das Christentum ist die -Religion, die dem Menschen alle Sorge für das irdische Leben -benehmen will; es ist die Religion der Schwachen, die sich gerne als -Gebot vorsetzen lassen: „Widerstrebe nicht dem Bösen und -dulde alles Ungemach“, weil sie nicht stark genug sind zum -Widerstande. Der Christ hat keinen Sinn für die vornehme -Persönlichkeit, die aus ihrer eigenen Wirklichkeit ihre Kraft -schöpfen will. Er glaubt, der Blick für das Menschenreich -verderbe die Sehkraft für das Gottesreich. <span class="pagenum">[<a id="pb124" href="#pb124" name="pb124">124</a>]</span>Auch -die vorgeschritteneren Christen, die nicht mehr glauben, daß sie -am Ende der Tage in ihrer leibhaftigen Gestalt wieder auferstehen -werden, um entweder in das Paradies aufgenommen oder in die Hölle -verstoßen zu werden, träumen von „göttlicher -Vorsehung“, von einer „übersinnlichen“ Ordnung -der Dinge. Auch sie sind der Ansicht, daß sich der Mensch -über seine bloß irdischen Ziele erheben und in ein ideales -Reich einfügen müsse. Sie glauben, daß das Leben einen -rein geistigen Hintergrund habe, und daß es erst dadurch einen -Wert erhalte. Nicht die Instinkte für Gesundheit, Schönheit, -Wachstum, Wohlgeratenheit, Dauer, für Häufung von -Kräften will das Christentum pflegen, sondern den Haß gegen -den Geist, gegen Stolz, Mut, Vornehmheit, gegen das Selbstvertrauen und -die Freiheit des Geistes, den Haß gegen die Freuden der -sinnlichen Welt, gegen die Freude und Heiterkeit der Wirklichkeit, in -der der Mensch lebt. (Antichrist § 21.) Das Christentum bezeichnet -das Natürliche geradezu als „verwerflich“. Im -christlichen Gotte ist ein jenseitiges Wesen, d. h. ein <span class="ex">Nichts</span> vergöttlicht, es ist <span class="ex">der Wille -zum Nichts</span> heilig gesprochen. (Antichrist § 18.) Deshalb -bekämpft Nietzsche im ersten Buche seiner „Umwertung aller -Werte“ das Christentum. Und er wollte im zweiten und dritten -Buche auch die Philosophie und Moral der Schwachen bekämpfen, die -sich nur in der Rolle von Abhängigen wohlgefallen. Weil der Typus -des Menschen, den Nietzsche gezüchtet sehen will, das diesseitige -Leben nicht gering schätzt, sondern dieses Leben mit Liebe -umfaßt und es zu hoch stellt, um glauben zu können, -daß es nur <span class="ex">einmal</span> gelebt werden -<span class="pagenum">[<a id="pb125" href="#pb125" name="pb125">125</a>]</span>solle, deshalb ist er nach „der Ewigkeit -brünstig“ (Zarathustra, 3. Teil, die sieben Siegel) und -möchte, daß dieses Leben unendlich oft gelebt werden -könne. Nietzsche läßt seinen „Zarathustra“ -den „Lehrer der ewigen Wiederkunft“ sein. „Siehe, wir -wissen ....., daß alle Dinge ewig wiederkehren und wir selber -mit, und daß wir schon ewige Male dagewesen sind, und alle Dinge -mit uns.“ (Zarath. 3. Teil, der Genesende.) Eine bestimmte -Meinung darüber zu haben, welche Vorstellung Nietzsche mit dem -Worte „ewige Wiederkunft“ verknüpfte, scheint mir -gegenwärtig nicht möglich zu sein. Man wird darüber erst -Genaueres sagen können, wenn die Aufzeichnungen Nietzsches zu den -unvollendeten Teilen seines „Willens zur Macht“ in der -zweiten Abteilung der Gesamtausgabe seiner Werke vorliegen werden.</p> -</div> -</div> -</div> -</div> -</div> -<div class="back"> -<div class="div1 imprint"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divBody"> -<p class="par first xd23e2403">Pierer’sche Hofbuchdruckerei. -Stephan Geibel & Co. in Altenburg. <span class="pagenum">[<a id="pb126" href="#pb126" name="pb126">126</a>]</span></p> -</div> -</div> -<div class="div1 ads"><span class="pagenum">[<a href="#toc">Inhalt</a>]</span> -<div class="divHead"> -<h2 class="main">Verlag von Emil Felber in Weimar.</h2> -</div> -<div class="divBody"> -<p class="par first xd23e106"><a class="pglink xd23e43" title="Link zu Project Gutenberg Ebook" href="https://www.gutenberg.org/ebooks/53493">Die Philosophie der -Freiheit</a>.</p> -<p class="par xd23e143">Grundzüge einer modernen -Weltanschauung</p> -<p class="par xd23e143">von</p> -<p class="par xd23e108">Dr. Rudolf Steiner.</p> -<p class="par xd23e143">4 Mark, schön gebunden 5 Mark.</p> -<p class="par">Aus den zahlreichen Urteilen über dieses anerkannt -hochbedeutende Werk seien nur erwähnt:</p> -<p class="par">„Klar und wahr“ möchte ich dem Buche -aufs Titelblatt schreiben. <i>Klar</i>, bündig und frei von aller -Tüftelei ist die Darstellung, <i>wahr</i> und gesund der -Standpunkt des Verfassers. ... <i>Nur auf solcher Weltanschauung kann -die arg bedrohte, persönliche und menschheitliche Freiheit -naturgemäße Anerkennung finden</i>, das echte Recht des -Individualismus einen gesunden Kollektivismus schaffen. <i>Der -Verfasser hat sein Werk gerade nur rechten Zeit geschrieben, möge -es die weiteste Verbreitung finden.</i></p> -<p class="par xd23e1842"><b>Deutsche Worte</b><br> -Dez.-Heft 1893. Ed. Aug. Schroeder.</p> -<p class="par">Wenn dem Leser dieses Buch zu Händen kommt, so soll -er sich nicht davon abschrecken lassen, <span class="corr" id="xd23e2444" title="Quelle: dass">daß</span> in dem Titel von -Philosophie die Rede ist, die nach einer landläufigen Meinung nur -unpraktische Grübler beschäftigt, sowie von Freiheit, die in -unseren Tagen vor dem Glanz der Notwendigkeit und der Autorität -stark verblaßt ist. Das Buch enthält wirklich, was es im -weiteren verspricht: Die Grundzüge einer modernen Weltanschauung, -mit einer Menge anregender Ausführungen und packender Gedanken.... -Daneben giebt es auch wichtige kritische Beleuchtungen herrschender -Systeme wie des Kantschen, Schopenhauerschen, Hartmannschen, und der -Materialismus wird gerade so in die Rumpelkammer verwiesen wie der -ideologische Idealismus. <i>Dabei ist alles frisch geschrieben, -verständlich gehalten, ein intellektueller Genuß und -anregend für jeden denkenden Menschen.</i> ... Und darum sei das -Werk allen denen empfohlen, deren Denken sich weder mit dem bequemen -Mystizismus, noch mit einem öden Materialismus begnügen -kann.</p> -<p class="par xd23e1842"><b>Frankf. Zeitung</b> von Sonntag, 8. Juli -1894.</p> -<p class="par xd23e143">Von demselben Verfasser erschien -früher:</p> -<p class="par xd23e106">Wahrheit und Wissenschaft.</p> -<p class="par xd23e143">Preis: 1 Mark.</p> -<p class="par">Die vorliegende Schrift ist eine bedeutende That. Sie -füllt eine große Lücke in der Philosophie aus.... Die -Untersuchung des Wesens der freien Selbstbestimmung hat Rud. Steiner -der „<i>Philosophie der Freiheit</i>“ vorbehalten, welcher -wir mit leichtbegreiflicher Spannung entgegensehen.</p> -<p class="par xd23e1842"><b>Blätter für literar. -Unterhaltung.</b> <span class="pagenum">[<a id="pb127" href="#pb127" -name="pb127">127</a>]</span></p> -<p class="par xd23e2472">Seifenblasen.</p> -<p class="par xd23e106">Moderne Märchen</p> -<p class="par xd23e143">von</p> -<p class="par xd23e108">Kurd Laßwitz.</p> -<p class="par xd23e143">Zweite, verm. Auflage. Eleg. brosch. 3.50 M., -fein geb. 4.50 M.</p> -<p class="par"><span class="ex">Inhalt</span>: Prolog. — Auf der -Seifenblase. — Prinzessin Jaja. — Stäubchen. — -Apoikis. — Aladdins Wunderlampe. — Aus dem Tagebuche einer -Ameise. — Musen und Weise. — Unverwüstlich. — -Der Schirm. — Der Traumfabrikant. — Psychotomie. — -Mirax. — Tröpfchen. — Selbstbiographische Studien. -— Epilog.</p> -<p class="par">Das Buch ist eines der interessantesten Werke, die seit -langem erschienen sind. Es sind keine Märchen im gewöhnlichen -Sinne, und sie sind auch nicht für Kinder bestimmt, weil sie fast -alle eine gewisse wissenschaftliche Bildung voraussetzen. Man -könnte sie wissenschaftliche Märchen nennen, denn sie sind -auf naturwissenschaftlichen Dingen aufgebaut, gehen -naturwissenschaftlichen Hypothesen in ihren Einzelheiten nach, oder -erweitern die vorhandene Natur in phantasievoller und phantastischer -Weise. Der Verfasser verbindet die Naturwissenschaft und seine rege -Phantasie so eng, und er weiß daraus so reizvolle Bilder zu -gestalten, daß dem Buche in seiner Eigenart kein anderes an die -Seite zu stellen geht. Märchen wie „Auf der -Seifenblase“, „Apoikis“, „Aus dem Tagebuche -einer Ameise“ sind Erzählungen, deren Reiz sich niemand -entziehen kam; nicht weniger fesselnd sind eine ganze Reihe der -übrigen Stücke des Buches. Leider ist es nicht möglich, -im einzelnen auf den Inhalt dieser Märchen einzugehen, denn es -würde an dieser Stelle zu weit führen. Nicht unerwähnt -möge noch bleiben, daß gewisse satyrische Streiflichter auf -diese oder jene Frage der Wissenschaft den Reiz des Buches noch -wesentlich erhöhen. Wie sehr das prächtige Werk den Beifall -des Publikums findet, zeigt schon die Thatsache, daß es in der -kurzen Zeit seines Erscheinens bereits eine zweite Auflage erlebt hat. -Die „Seifenblasen“ werden eine Zierde jedes -Weihnachtstisches sein.</p> -<p class="par xd23e1842"><span class="ex">Dresdener Anzeiger</span> -1894, Nr. 352.</p> -<p class="par">Die tiefsten und eigenartigsten dieser Märchen sind -unseres Erachtens die „Seifenblasen“. Moderne Märchen -von Kurd Laßwitz, die in zweiter, vermehrter Auflage vorliegen. -Nicht in mondscheinumwobene versunkene Zauberschlösser der -Vergangenheit führt uns ihr Verfasser, nein, er schweift kühn -in die noch verschlossenen Nebellande der Zukunft und verfolgt mit -wissenschaftlichem Ernst die Wege weiter, welche die Wissenschaft -unserer Tage eingeschlagen hat. Mit wunderbarem Scharfsinn löst er -die schwierigsten Probleme und macht die weittragendsten Erfindungen, -die zu verwirklichen es immer nur an irgend einer unbedeutenden -Kleinigkeit mangelt: Die Apparate und Instrumente sind leider immer -schon fertig; wie sie entstanden sind, das auszuführen, hält -der Verfasser nicht weiter für nötig. Schade! Wir können -hier nicht auf jedes einzelne Märchen näher eingehen, so -verlockend es auch wäre, wollen aber nicht versäumen, unsere -Leser mit aller Wärme auf diese Schöpfungen eines scharfen -und satirischen Geistes hinzuweisen, der außer einem -unbestechlichen Verstande noch eine reiche Phantasie, ein warmes Herz -und hohes sittliches Pathos in sich vereinigt. Stücke wie -„Apoikis“ und das „Tagebuch einer Ameise“, vor -allem aber das tiefsinnige „Tröpfchen“ trifft man in -der heutigen Literatur nicht oft. Den Inhalt dieser Märchen auch -nur anzudeuten, ist bei ihrer Eigenart nicht möglich. Sie -müssen gelesen werden. Wir hoffen, daß viele sie lesen.</p> -<p class="par xd23e1842"><span class="ex">Norddeutsche Allgemeine -Zeitung</span> 1894, Nr. 586. <span class="pagenum">[<a id="pb128" -href="#pb128" name="pb128">128</a>]</span></p> -<p class="par xd23e143">Vor kurzem erschien in 2., reichvermehrter -Auflage und liegt nun in mehr als 6000 Exemplaren vor:</p> -<p class="par xd23e106">Der Bilderschmuck der deutschen Sprache</p> -<p class="par xd23e143">in Tausenden volkstümlicher -Redensarten.</p> -<p class="par xd23e143">Nach Ursprung und Bedeutung erklärt</p> -<p class="par xd23e143">von</p> -<p class="par xd23e108">Dr. Herman Schrader.</p> -<p class="par xd23e143">6 Mark, schön gebunden 7 Mark.</p> -<p class="par">Aus Hunderten durchweg glänzender Urteile seien nur -folgende hervorgehoben:</p> -<p class="par"><b>F. Avenarius im Kunstwart.</b> .... Das Werk -verdiente eine ähnliche Verbreitung wie Büchmanns -„Geflügelte Worte“, ja, es verdiente sie vielleicht -noch mehr.</p> -<p class="par"><b>Der Westen</b>, Chicago 1889, Nr. 38. Ein höchst -verdienstliches Werk. ... Es ist ein Werk, das sich ein jeder, der -seine Sprache gründlich kennen lernen will, verschaffen -sollte.</p> -<p class="par"><b>A. H. Naaff in Lyra</b>, XIV, 1. Es erscheinen -alljährlich Tausende und Tausende neue Schriften und Bücher -im deutschen Buchhandel, und wie wenige davon sind nur zum tausendsten -Teile so daseinsberechtigt wie das angezeigte! .... Selten noch hat -mich ein Werk so erquickt, befriedigt wie dieses. .... Ein ganzer -großer Wundergarten unserer Sprache, unseres Volksfühlens -thut sich an der Hand dieses Führers vor uns auf.....</p> -<p class="par"><b>O. v. Leixner in Deutsche Romanzeitung</b>, 1889, Nr. -39. .... Der Verfasser bietet das Belehrende in einer so frischen, -unterhaltenden Art, daß sich sicher niemand bei der Lesung -langweilen wird. Das Werk verdiente in der deutschen Familie zu einem -Hausbuche zu werden. Es sei unsern Lesern nochmals angelegentlich -empfohlen.</p> -<p class="par"><b>Quellwasser fürs deutsche Haus</b>, XIX, 17. Das -ist ein ungewöhnlich kluges, liebenswertes und dabei hervorragend -nationales Buch.</p> -<p class="par"><b>Grenzboten</b>, 3. 7. 1891. Wir haben es hier mit -einem so durch und durch liebenswürdigen Buche zu thun, daß -wir ihm die weiteste Verbreitung wünschen möchten. .... So -ist das Werk ein Unterhaltungsbuch im besten Sinne des Wortes geworden. -.... Ganz besonders aber möchten wir noch die Lehrer des Deutschen -darauf aufmerksam machen, daß sich ihnen hier eine reiche -Fundgrube für die Bedürfnisse ihres Unterrichts bietet.</p> -<p class="par"><b>Schorers Familienblatt</b>, 1890, Nr. 27. Eines der -verdienstlichsten Bücher. .... Allen Freunden unserer herrlichen -Muttersprache sei dieses Buch bestens empfohlen.</p> -<p class="par"><b>Schwäbische Chronik</b> v. 18. 12. 94. Ein Buch, -das in jedem deutschen Hause Heimatsrecht haben sollte.</p> -<p class="par">Ausführlicher Prospekt mit Proben und Urteilen -steht zu Diensten.</p> -</div> -</div> -<div class="transcribernote"> -<h2 class="main">Kolophon</h2> -<h3 class="main">Korrekturen</h3> -<p>Die folgenden Korrekturen sind am Text angewendet worden:</p> -<table class="correctiontable" summary="Übersicht der Korrekturen im Text"> -<tr> -<th>Seite</th> -<th>Quelle</th> -<th>Korrektur</th> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e214">VIII</a></td> -<td class="width40 bottom">„</td> -<td class="width40 bottom">[<i>Weggelassen</i>]</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e360">4</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e364">4</a>, <a class="pageref" href="#xd23e471">11</a>, <a class="pageref" href="#xd23e478">11</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e487">12</a>, <a class="pageref" href="#xd23e491">12</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1394">69</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e1398">69</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1464">71</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1468">71</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e1475">71</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1508">72</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1512">72</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e1518">73</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1525">73</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1543">74</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e1548">74</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1552">74</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1556">74</a></td> -<td class="width40 bottom">[<i>Nicht in der Quelle</i>]</td> -<td class="width40 bottom">„</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e462">11</a></td> -<td class="width40 bottom">Nietzche</td> -<td class="width40 bottom">Nietzsche</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e585">16</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e649">19</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1003">45</a></td> -<td class="width40 bottom">“</td> -<td class="width40 bottom">[<i>Weggelassen</i>]</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e618">18</a></td> -<td class="width40 bottom">einen</td> -<td class="width40 bottom">einem</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e640">18</a></td> -<td class="width40 bottom">‚</td> -<td class="width40 bottom">.“</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e668">21</a></td> -<td class="width40 bottom">abstossend</td> -<td class="width40 bottom">abstoßend</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e831">37</a></td> -<td class="width40 bottom">weiss</td> -<td class="width40 bottom">weiß</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e836">37</a></td> -<td class="width40 bottom">naturgemäss</td> -<td class="width40 bottom">naturgemäß</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e839">37</a></td> -<td class="width40 bottom">lässt</td> -<td class="width40 bottom">läßt</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e842">37</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e854">38</a>, <a class="pageref" href="#xd23e2444">126</a></td> -<td class="width40 bottom">dass</td> -<td class="width40 bottom">daß</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e871">39</a></td> -<td class="width40 bottom">verlässt</td> -<td class="width40 bottom">verläßt</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e879">39</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e889">40</a></td> -<td class="width40 bottom">muss</td> -<td class="width40 bottom">muß</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e971">44</a>, -<a class="pageref" href="#xd23e1022">45</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1528">73</a>, <a class="pageref" href="#xd23e1562">74</a></td> -<td class="width40 bottom">.</td> -<td class="width40 bottom">,</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e1020">45</a></td> -<td class="width40 bottom">Generalogie</td> -<td class="width40 bottom">Genealogie</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e1034">46</a></td> -<td class="width40 bottom">des</td> -<td class="width40 bottom">der</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e1083">48</a></td> -<td class="width40 bottom">leben-feindlichen</td> -<td class="width40 bottom">lebensfeindlichen</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e1307">65</a></td> -<td class="width40 bottom">[<i>Nicht in der Quelle</i>]</td> -<td class="width40 bottom">,</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e1330">66</a></td> -<td class="width40 bottom">die</td> -<td class="width40 bottom">Die</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e1921">93</a></td> -<td class="width40 bottom">[<i>Nicht in der Quelle</i>]</td> -<td class="width40 bottom">III.</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e1977">96</a></td> -<td class="width40 bottom">Nietsche</td> -<td class="width40 bottom">Nietzsche</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e1989">97</a></td> -<td class="width40 bottom">,</td> -<td class="width40 bottom">[<i>Weggelassen</i>]</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e2060">100</a></td> -<td class="width40 bottom">Nietsches</td> -<td class="width40 bottom">Nietzsches</td> -</tr> -<tr> -<td class="width20"><a class="pageref" href="#xd23e2334">119</a></td> -<td class="width40 bottom">der</td> -<td class="width40 bottom">Der</td> -</tr> -</table> -</div> -</div> - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Friedrich Nietzsche, by Rudolf Steiner - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRIEDRICH NIETZSCHE *** - -***** This file should be named 53592-h.htm or 53592-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/3/5/9/53592/ - -Produced by Jeroen Hellingman and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net/ for Project -Gutenberg (This book was produced from scanned images of -public domain material from the Google Books project.) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook -for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, -performances and research. They may be modified and printed and given -away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks -not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country outside the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you'll have to check the laws of the country where you - are located before using this ebook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase "Project -Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format -other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg-tm web site -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain -Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works -provided that - -* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation." - -* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm - works. - -* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - -* You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The -Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm -trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/53592-h/images/new-cover-tn.jpg b/old/53592-h/images/new-cover-tn.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 9cd8ea8..0000000 --- a/old/53592-h/images/new-cover-tn.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/53592-h/images/new-cover.jpg b/old/53592-h/images/new-cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index bcb3df5..0000000 --- a/old/53592-h/images/new-cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/53592-h/images/titlepage.png b/old/53592-h/images/titlepage.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 997c77f..0000000 --- a/old/53592-h/images/titlepage.png +++ /dev/null diff --git a/old/old/53592-8.txt b/old/old/53592-8.txt deleted file mode 100644 index 2a9dada..0000000 --- a/old/old/53592-8.txt +++ /dev/null @@ -1,3722 +0,0 @@ -The Project Gutenberg EBook of Friedrich Nietzsche, by Rudolf Steiner - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit - -Author: Rudolf Steiner - -Release Date: November 24, 2016 [EBook #53592] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRIEDRICH NIETZSCHE *** - - - - -Produced by Jeroen Hellingman and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net/ for Project -Gutenberg (This book was produced from scanned images of -public domain material from the Google Books project.) - - - - - - - - - - FRIEDRICH NIETZSCHE - - EIN KÄMPFER GEGEN SEINE ZEIT. - - Von - - Dr. RUDOLF STEINER. - - - - WEIMAR. - - VERLAG VON EMIL FELBER. - - 1895. - - - - - - - - -INHALT. - - Seite - - Vorrede VII - I. Nietzsches Charakter 1 - II. Der Übermensch 29 - III. Nietzsches Entwickelungsgang 93 - - - - - - - - -VORREDE. - - -Als ich vor sechs Jahren die Werke Friedrich Nietzsches kennen lernte, -waren in mir bereits Ideen ausgebildet, die den seinigen ähnlich -sind. Unabhängig von ihm und auf anderen Wegen als er, bin ich zu -Anschauungen gekommen, die im Einklang stehen mit dem, was Nietzsche -in seinen Schriften: "Zarathustra", "Jenseits von Gut und Böse", -"Genealogie der Moral" und "Götzendämmerung" ausgesprochen hat. Schon -in meinem 1886 erschienenen kleinen Buche "Erkenntnistheorie der -Goetheschen Weltanschauung" kommt dieselbe Gesinnung zum Ausdruck, -wie in den genannten Werken Nietzsches. - -Dies ist der Grund, warum ich mich gedrängt fühlte, ein Bild von -dem Vorstellungs- und Empfindungsleben Nietzsches zu zeichnen. Ich -glaube, daß ein solches Bild Nietzsche am ähnlichsten dann wird, -wenn man es seinen erwähnten letzten Schriften gemäß schafft. So habe -ich es gethan. Die früheren Schriften Nietzsches zeigen uns ihn als -Suchenden. Er stellt sich uns in ihnen dar als rastlos aufwärts -Strebender. In seinen letzten Schriften sehen wir ihn auf dem -Gipfel angelangt, der eine seiner ureigenen Geistesart angemessene -Höhe hat. In den meisten der bis jetzt über Nietzsche erschienenen -Schriften wird dessen Entwickelung so dargestellt, als ob er in -den verschiedenen Zeiten seiner Schriftstellerlaufbahn voneinander -mehr oder weniger abweichende Meinungen gehabt hätte. Ich habe zu -zeigen versucht, daß von einem Meinungswechsel bei Nietzsche nicht -die Rede sein kann, sondern nur von einer Aufwärts-Bewegung, von -der naturgemäßen Entwickelung einer Persönlichkeit, die noch nicht -die ihren Anschauungen entsprechende Ausdrucksform gefunden hatte, -als sie ihre ersten Schriften schrieb. - -Das Endziel von Nietzsches Wirken ist die Zeichnung des Typus -"Übermensch". Diesen Typus zu charakterisieren, habe ich als -eine der Hauptaufgaben meiner Schrift betrachtet. Mein Bild des -Übermenschen ist genau das Gegenteil des Zerrbildes geworden, das -in dem augenblicklich verbreitetsten Buche über Nietzsche von Frau -Lou Andreas-Salomé entworfen ist. Man kann nichts dem Nietzscheschen -Geiste mehr Zuwiderlaufendes in die Welt setzen, als das mystische -Ungetüm, das Frau Salomé aus dem Übermenschen gemacht hat. Mein Buch -zeigt, daß in Nietzsches Ideen nirgends auch nur die geringste Spur -von Mystik anzutreffen ist. Auf die Widerlegung der Ansicht von Frau -Salomé, daß Nietzsches Gedanken in "Menschliches, Allzumenschliches" -von den Ausführungen Paul Rées, des Verfassers der "Psychologischen -Beobachtungen und des Ursprungs der moralischen Empfindungen" -u. s. w., beeinflußt seien, habe ich mich nicht eingelassen. Ein so -mittelmäßiger Kopf wie Paul Rée konnte auf Nietzsche keinen bedeutenden -Eindruck machen. Ich würde diese Dinge auch hier nicht berühren, -wenn nicht das Buch von Frau Salomé so viel beigetragen hätte, -geradezu widerwärtige Ansichten über Nietzsche zu verbreiten. Fritz -Koegel, der ausgezeichnete Herausgeber von Nietzsches Werken, hat im -"Magazin für Litteratur" diesem Machwerke die gebührende Abfertigung -angedeihen lassen. - -Ich kann diese kurze Vorrede nicht beschließen, ohne Frau -Förster-Nietzsche, der Schwester Nietzsches, herzlichst zu danken für -die vielen Freundlichkeiten, die ich von ihr während der Zeit erfahren -habe, in der meine Schrift entstanden ist. Den im "Nietzsche-Archiv" -in Naumburg verlebten Stunden verdanke ich die Stimmung, aus der -heraus die folgenden Gedanken geschrieben sind. - - - Weimar, April 1895. - - Rudolf Steiner. - - - - - - - - -NIETZSCHES WERKE. - - -Ich führe hier zur Orientierung die bis jetzt erschienenen und für -meine Ausführungen in Betracht kommenden Schriften Nietzsches an und -füge zu jeder einzelnen die Jahreszahl des Erscheinens der ersten -Auflage hinzu. - - -Die Geburt der Tragödie. Oder: Griechentum und Pessimismus. - -Die 1. Aufl. erschien 1872. - -Eine neue Ausgabe mit vorgedrucktem "Versuch einer Selbstkritik" -erschien 1886. - -Unzeitgemäße Betrachtungen. - -Erstes Stück: David Strauß, der Bekenner und -Schriftsteller. 1. Aufl. 1873. - -Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das -Leben. 1. Aufl. 1874. - -Drittes Stück: Schopenhauer als Erzieher. 1. Aufl. 1874. - -Viertes Stück: Richard Wagner in Bayreuth. 1. Aufl. 1876. - -Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. - -1. Band. 1. Aufl. 1878. - -Eine neue Ausgabe mit einer einführenden Vorrede erschien 1886. - -Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. - -2. Band. Die beiden Abteilungen dieses Buches: "Vermischte Meinungen -und Sprüche" und "Der Wanderer und sein Schatten" erschienen -zuerst jede als besonderes Buch. Die erste 1879 unter dem Titel: -"Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Anhang: -Vermischte Meinungen und Sprüche", die zweite 1880. Beide Abteilungen -wurden 1886 zu einem Bande vereinigt, der mit einer einführenden -Vorrede versehen wurde und der den Titel trug: "Menschliches, -Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Zweiter Band. Neue -Ausgabe mit einer einführenden Vorrede." - -Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile. - -1. Aufl. 1881. - -Neue Ausgabe mit einer einführenden Vorrede 1887. - -Die fröhliche Wissenschaft ("La gaya scienza"). 1. Aufl. 1882. - -Neue Ausgabe mit einer Vorrede 1887. - -Also sprach Zarathustra. Die Teile erschienen zuerst einzeln: 1. Teil -1883; 2. Teil 1883; 3. Teil 1884. Die erste Gesamtausgabe der drei -Teile erschien 1886. Der vierte Teil erschien 1885 in 40 Abzügen bloß -für Freunde und erst 1891 als 1. Aufl. - -Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der -Zukunft. 1. Aufl. 1886. - -Zur Genealogie der Moral. Eine Streitschrift. 1. Aufl. 1887. - -Der Fall Wagner. Ein Musikanten-Problem. 1. Aufl. 1888. - -Götzendämmerung oder Wie man mit dem Hammer -philosophiert. 1. Aufl. 1889. - -Nietzsche contra Wagner. Aktenstücke eines Psychologen. Erschien 1895 -in der Gesamtausgabe zum ersten Mal. 1888 bereits einmal gedruckt, -aber nicht ausgegeben. - -Der Antichrist. Versuch einer Kritik des Christentums. Das erste -Buch des unvollendeten Werkes Nietzsches "Der Wille zur Macht". In -der Gesamtausgabe (1895) zum erstenmal gedruckt. - -Gedichte. In der Gesamtausgabe 1895. - -Eine Gesamtausgabe von Nietzsches Werken in 8 Bänden ist 1895 bei -C. G. Naumann in Leipzig erschienen. In derselben sind enthalten: -Die Geburt der Tragödie 4. Aufl.; Die "Unzeitgemäßen Betrachtungen" -3. Aufl.; "Menschliches, Allzumenschliches" 1. u. 2. Bd. 4. Aufl.; -Morgenröte 2. Aufl.; Fröhliche Wissenschaft 2. Aufl.; Zarathustra -4. Aufl.; Jenseits von Gut und Böse 5. Aufl.; Genealogie der Moral -4. Aufl.; Der Fall Wagner 3. Aufl.; Götzendämmerung 3. Aufl.; Nietzsche -contra Wagner; Antichrist; Gedichte. - - -Die Veröffentlichung der noch ungedruckten Arbeiten Nietzsches, sowie -seiner Entwürfe zu Arbeiten, seiner Fragmente u. s. w. steht bevor. - - - - - - - - -I. - -DER CHARAKTER. - - -1. - -Friedrich Nietzsche charakterisiert sich selbst als einsamen Grübler -und Rätselfreund, als unzeitgemäße Persönlichkeit. Wer auf solchen -eigenen Wegen geht, wie er, "begegnet niemandem; das bringen die -eigenen Wege mit sich. Niemand kommt, ihm dabei zu helfen; mit allem, -was ihm von Gefahr, Zufall, Bosheit und schlechtem Wetter zustößt, muß -er allein fertig werden", sagt er in der Vorrede zur zweiten Ausgabe -seiner "Morgenröte". Aber reizvoll ist es, ihm in seine Einsamkeit -zu folgen. Die Worte, die er über sein Verhältnis zu Schopenhauer -ausgesprochen hat, möchte ich über das meinige zu Nietzsche sagen: -"Ich gehöre zu den Lesern Nietzsches, welche, nachdem sie die erste -Seite von ihm gelesen, mit Bestimmtheit wissen, daß sie alle Seiten -lesen und auf jedes Wort hören werden, das er überhaupt gesagt -hat. Mein Vertrauen zu ihm war sofort da ..... Ich verstand ihn, -als ob er für mich geschrieben hätte, um mich verständlich, aber -unbescheiden und thöricht auszudrücken." Man kann so sprechen und -weit davon entfernt sein, sich als "Gläubigen" der Nietzscheschen -Weltanschauung zu bekennen. Weiter allerdings nicht, als Nietzsche -davon entfernt war, sich solche "Gläubige" zu wünschen. Legt er doch -seinem "Zarathustra" die Worte in den Mund: - -"Ihr sagt, ihr glaubt an Zarathustra? Aber was liegt an -Zarathustra! Ihr seid meine Gläubigen: aber was liegt an allen -Gläubigen! - -"Ihr hattet euch noch nicht gesucht: da fandet ihr mich. So thun alle -Gläubigen; darum ist es so wenig mit allem Glauben. - -"Nun heiße ich euch, mich verlieren und euch finden; und erst, wenn -ihr mich alle verleugnet habt, will ich euch wiederkehren." - -Nietzsche ist kein Messias und Religionsstifter; er kann deshalb sich -wohl Freunde seiner Meinungen wünschen; Bekenner seiner Lehren aber, -die ihr eigenes Selbst aufgeben, um das seinige zu finden, kann er -nicht wollen. - -In Nietzsches Persönlichkeit finden sich Instinkte, denen ganze -Vorstellungskreise seiner Zeitgenossen zuwider sind. Von den -wichtigsten Kulturideen derjenigen, in deren Mitte er sich entwickelt -hat, wendet er sich ab mit einem instinktiven Widerwillen; und -zwar nicht so, wie man eine Behauptung ablehnt, in der man einen -logischen Widerspruch entdeckt hat, sondern wie man sich von einer -Farbe abwendet, die dem Auge Schmerz verursacht. Der Widerwille -geht von dem unmittelbaren Gefühl aus; die bewußte Überlegung kommt -zunächst gar nicht in Betracht. Was andere Menschen empfinden, wenn -ihnen die Gedanken: Schuld, Gewissensbiß, Sünde, jenseitiges Leben, -Ideal, Seligkeit, Vaterland durch den Kopf gehen, wirkt auf Nietzsche -unangenehm. Die instinktive Art der Abneigung gegen die genannten -Vorstellungen unterscheidet Nietzsche auch von den sogenannten -"Freigeistern" der Gegenwart. Diese kennen alle Verstandeseinwände -gegen die "alten Wahnvorstellungen"; aber wie selten findet sich -einer, der von sich sagen kann: seine Instinkte hängen nicht mehr an -ihnen! Gerade die Instinkte sind es, die den Freigeistern der Gegenwart -böse Streiche spielen. Das Denken nimmt einen von den überlieferten -Ideen unabhängigen Charakter an, aber die Instinkte können sich diesem -veränderten Charakter des Verstandes nicht anpassen. Diese "freien -Geister" setzen irgend einen Begriff der modernen Wissenschaft an die -Stelle einer älteren Vorstellung; aber sie sprechen so von ihm, daß -man erkennt: der Verstand geht einen andern Weg als die Instinkte. Der -Verstand sucht in dem Stoffe, in der Kraft, in der Naturgesetzlichkeit -den Urgrund der Erscheinungen; die Instinkte aber verleiten dazu, -diesen Wesen gegenüber dasselbe zu empfinden, was andere ihrem -persönlichen Gotte gegenüber empfinden. Geister dieser Art wehren -sich gegen den Vorwurf der Gottesleugnung; aber sie thun es nicht -deshalb, weil ihre Weltauffassung sie auf etwas führt, was mit irgend -einer Gottesvorstellung übereinstimmt, sondern weil sie von ihren -Vorfahren die Eigenschaft ererbt haben, bei dem Worte "Gottesleugner" -ein instinktives Gruseln zu empfinden. Große Naturforscher betonen, -daß sie die Vorstellungen: Gott, Unsterblichkeit nicht verbannen, -sondern nur im Sinne der modernen Wissenschaft umgestalten wollen. Ihre -Instinkte sind eben hinter ihrem Verstande zurückgeblieben. - -Eine große Zahl dieser "freien Geister" vertritt die Ansicht, daß -der Wille des Menschen unfrei ist. Sie sagen: der Mensch muß in -einem bestimmten Falle so handeln, wie es sein Charakter und die auf -ihn einwirkenden Verhältnisse bedingen. Man halte aber Umschau bei -diesen Gegnern der Ansicht vom "freien Willen", und man wird finden, -daß sich die Instinkte dieser "Freigeister" von dem Vollbringer einer -"bösen" That geradeso mit Abscheu abwenden, wie es die Instinkte der -anderen thun, die der Meinung sind: der "freie Wille" könne sich nach -Belieben dem Guten oder dem Bösen zuwenden. - -Der Widerspruch zwischen Verstand und Instinkt ist das Merkmal unserer -"modernen Geister". Auch in den freiesten Denkern der Gegenwart leben -noch die von der christlichen Orthodoxie gepflanzten Instinkte. Genau -die entgegengesetzten sind in Nietzsches Natur wirksam. Er braucht -nicht erst darüber nachzudenken, ob es Gründe gegen die Annahme -eines persönlichen Weltenlenkers giebt. Sein Instinkt ist zu stolz, -um sich vor einem solchen zu beugen; deshalb lehnt er eine derartige -Vorstellung ab. Er spricht mit seinem Zarathustra: "Aber daß ich -euch ganz mein Herz offenbare, ihr Freunde: wenn es Götter gäbe, wie -hielte ich's aus, kein Gott zu sein! Also giebt es keine Götter." Sich -selbst oder einen andern wegen einer begangenen Handlung "schuldig" -zu sprechen, dazu drängt ihn nichts in seinem Innern. Um ein solches -"schuldig" unstatthaft zu finden, dazu braucht er keine Theorie vom -"freien" oder "unfreien" Willen. - -Auch die patriotischen Empfindungen seiner deutschen Volksgenossen -sind Nietzsches Instinkten zuwider. Er kann sein Empfinden und -Denken nicht abhängig machen von den Gedankenkreisen des Volkes, -innerhalb dessen er geboren und erzogen ist; auch nicht von der Zeit, -in der er lebt. "Es ist so kleinstädtisch -- sagt er in seiner Schrift -"Schopenhauer als Erzieher" --, sich zu den Ansichten verpflichten, die -ein paar hundert Meilen weiter schon nicht mehr verpflichten. Orient -und Occident sind Kreidestriche, die uns jemand vor unsere Augen -hinmalt, um unsere Furchtsamkeit zu narren. Ich will den Versuch -machen, zur Freiheit zu kommen, sagt sich die junge Seele; und da -sollte es sie hindern, daß zufällig zwei Nationen sich hassen und -bekriegen, oder daß ein Meer zwischen zwei Weltteilen liegt, oder -daß rings um uns eine Religion gelehrt wird, welche vor ein paar -tausend Jahren nicht bestand." Die Empfindungen der Deutschen während -des Krieges im Jahre 1870 fanden in seiner Seele einen so geringen -Widerhall, daß er, "während die Donner der Schlacht von Wörth über -Europa weggingen", in einem Winkel der Alpen saß, "sehr vergrübelt -und verrätselt, folglich sehr bekümmert und unbekümmert zugleich", -und seine Gedanken über die Griechen niederschrieb. Und als er einige -Wochen darauf sich selbst "unter den Mauern von Metz" befand, war er -"noch immer nicht losgekommen von den Fragezeichen, die er zum Leben -und der Kunst der Griechen gesetzt hatte". (Vergl. "Versuch einer -Selbstkritik" in der zweiten Auflage seiner "Geburt der Tragödie".) Als -der Krieg zu Ende war, stimmte er so wenig in die Begeisterung seiner -deutschen Zeitgenossen über den errungenen Sieg ein, daß er schon -im Jahre 1872 in seiner Schrift über David Strauß von den "schlimmen -und gefährlichen Folgen" des siegreich beendeten Kampfes sprach. Er -stellte es sogar als einen Wahn hin, daß auch die deutsche Kultur in -diesem Kampfe gesiegt habe, und er nannte diesen Wahn gefährlich, weil, -wenn er innerhalb des deutschen Volkes herrschend wird, die Gefahr -vorhanden ist, den Sieg in eine völlige Niederlage zu verwandeln; -in die Niederlage, ja Exstirpation des deutschen Geistes zu Gunsten -des "Deutschen Reiches". Das ist Nietzsches Gesinnung in einer Zeit, -in der ganz Europa voll ist von nationaler Begeisterung. Es ist die -Gesinnung einer unzeitgemäßen Persönlichkeit, eines Kämpfers gegen -seine Zeit. Außer dem Angeführten ließe sich noch vieles nennen, -was in Nietzsches Empfindungs- und Vorstellungsleben anders ist, -als in dem seiner Zeitgenossen. - - - - -2. - -Nietzsche ist kein "Denker" im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Für die -fragwürdigen und tiefdringenden Fragen, die er der Welt und dem Leben -gegenüber zu stellen hat, reicht das bloße Denken nicht aus. Für diese -Fragen müssen alle Kräfte der menschlichen Natur entfesselt werden; -die denkende Betrachtung allein ist ihnen nicht gewachsen. Zu bloß -erdachten Gründen für eine Meinung hat Nietzsche kein Vertrauen. "Es -giebt ein Mißtrauen in mir gegen Dialektik, selbst gegen Gründe," -schreibt er am 2. Dezember 1887 an Georg Brandes. (Vergl. dessen -"Menschen und Werke", S. 212). Wer ihn um die Gründe seiner -Ansichten fragt, für den hat er "Zarathustras" Antwort bereit: -"Du fragst warum? Ich gehöre nicht zu denen, welche man nach ihrem -Warum fragen darf." Nicht ob eine Ansicht logisch bewiesen werden -kann, ist für ihn maßgebend, sondern ob sie auf alle Kräfte der -menschlichen Persönlichkeit so wirkt, daß sie für das Leben Wert -hat. Er läßt einen Gedanken nur gelten, wenn er ihn geeignet findet, -zur Entwicklung des Lebens beizutragen. Den Menschen so gesund als -möglich, so machtvoll als möglich, so schöpferisch als möglich zu -sehen, ist sein Wunsch. Wahrheit, Schönheit, alle Ideale haben nur Wert -und gehen den Menschen nur etwas an, insofern sie lebenfördernd sind. - -Die Frage nach dem Werte der Wahrheit tritt in mehreren Schriften -Nietzsches auf. In der verwegensten Form wird sie in seinem Buche: -"Jenseits von Gut und Böse" gestellt. "Der Wille zur Wahrheit, der uns -noch zu manchem Wagnisse verführen wird, jene berühmte Wahrhaftigkeit, -von der alle Philosophen bisher mit Ehrerbietung geredet haben: was -für Fragen hat dieser Wille zur Wahrheit uns schon vorgelegt! Welche -wunderlichen, schlimmen, fragwürdigen Fragen! Das ist bereits eine -lange Geschichte -- und doch scheint es, daß sie kaum eben angefangen -hat." Was Wunder, wenn wir endlich auch mißtrauisch werden, die Geduld -verlieren, uns ungeduldig umdrehn? Daß wir von dieser Sphinx auch -unsererseits das Fragen lernen? Wer ist das eigentlich, der uns hier -Fragen stellt? Was in uns will eigentlich 'zur Wahrheit'? In der That, -wir machten lange Halt vor der Frage nach der Ursache dieses Willens --- bis wir, zuletzt, vor einer noch gründlicheren Frage ganz und gar -stehen blieben. Wir fragten nach dem Werte dieses Willens. Gesetzt, -wir wollen Wahrheit: warum nicht lieber Unwahrheit? - -Das ist ein Gedanke von kaum zu überbietender Kühnheit. Stellt man -daneben, was ein anderer kühner "Grübler und Rätselfreund", Johann -Gottlieb Fichte, von dem Streben nach Wahrheit sagt, so sieht man -erst, wie tief aus dem Wesen der menschlichen Natur Nietzsche seine -Vorstellungen heraufholt. "Ich bin dazu berufen" -- sagt Fichte -- -"der Wahrheit Zeugnis zu geben; an meinem Leben und an meinem Schicksal -liegt nichts; an den Wirkungen meines Lebens liegt unendlich viel. Ich -bin ein Priester der Wahrheit; ich bin in ihrem Solde; ich habe -mich verbindlich gemacht, alles für sie zu thun und zu wagen und zu -leiden." (Fichte, Vorlesungen "Über die Bestimmung des Gelehrten", -vierte Vorlesung.) Diese Worte sprechen das Verhältnis aus, in das -sich die edelsten Geister der abendländischen neueren Kultur zur -Wahrheit setzen. Nietzsches angeführtem Ausspruch gegenüber erscheinen -sie oberflächlich. Man kann gegen sie einwenden: Ist es denn nicht -möglich, daß die Unwahrheit wertvollere Wirkungen für das Leben hat, -als die Wahrheit? Ist es ausgeschlossen, daß die Wahrheit dem Leben -schadet? Hat sich Fichte diese Fragen gestellt? Haben es andere gethan, -die "der Wahrheit Zeugnis" gegeben haben? - -Nietzsche aber stellt diese Fragen. Und er glaubt über sie erst -dann ins Reine zu kommen, wenn er das Streben nach Wahrheit nicht -als bloße Verstandessache behandelt, sondern nach den Instinkten -sucht, die dieses Streben erzeugen. Denn es könnte ja wohl sein, -daß sich diese Instinkte der Wahrheit nur als Mittel bedienten, -um etwas zu erreichen, was höher steht, als die Wahrheit. Nietzsche -findet, nachdem er "lange genug den Philosophen zwischen die Zeilen -und auf die Finger gesehn" hat: "Das meiste Denken eines Philosophen -ist durch seine Instinkte heimlich geführt und in bestimmte Bahnen -gezwungen." Die Philosophen glauben, die letzte Triebfeder ihres Thuns -sei das Streben nach Wahrheit. Sie glauben dies, weil sie nicht auf -den Grund der menschlichen Natur zu sehen vermögen. In Wirklichkeit -wird das Streben nach Wahrheit gelenkt von dem Willen zur Macht. Mit -Hilfe der Wahrheit soll die Macht und Lebensfülle der Persönlichkeit -erhöht werden. Das bewußte Denken des Philosophen ist der Meinung: die -Erkenntnis der Wahrheit sei ein letztes Ziel; der unbewußte Instinkt, -der das Denken treibt, strebt nach Förderung des Lebens. Für diesen -Instinkt ist "die Falschheit eines Urteils noch kein Einwand gegen -ein Urteil"; für ihn kommt allein die Frage in Betracht: "wie weit -ist es lebenfördernd, lebenerhaltend, arterhaltend, vielleicht gar -artzüchtend" (Jenseits von Gut und Böse § 4). - -"'Wille zur Wahrheit' heißt ihr's, ihr Weisesten, was euch treibt -und brünstig macht? - -"Wille zur Denkbarkeit alles Seienden: also heiße ich euren Willen! - -"Alles Seiende wollt ihr erst denkbar machen: denn ihr zweifelt mit -gutem Mißtrauen, ob es schon denkbar ist. - -"Aber es soll sich euch fügen und biegen! So will's euer Wille. Glatt -soll es werden und dem Geiste unterthan, als sein Spiegel und -Widerbild. - -"Das ist euer ganzer Wille, ihr Weisesten, als ein Wille zur Macht -....." (Zarathustra, 2. Teil, Von der Selbst-Überwindung.) - -Die Wahrheit soll die Welt dem Geiste unterthan machen und dadurch -dem Leben dienen. Nur als Lebensbedingung hat sie einen Wert. -- -Kann man nicht aber noch weiter gehen und fragen: was ist das Leben -selbst wert? Nietzsche hält eine solche Frage für unmöglich. Daß -alles Lebende so machtvoll, so inhaltreich leben will, als irgend -möglich ist, nimmt er als eine Thatsache hin, über die er nicht -weiter grübelt. Die Lebensinstinkte fragen nicht nach dem Werte -des Lebens. Sie fragen nur: welche Mittel giebt es, um die Macht -ihres Trägers zu erhöhen. "Urteile, Werturteile über das Leben, für -oder wider, können zuletzt niemals wahr sein: sie haben nur Wert -als Symptome, sie kommen nur als Symptome in Betracht, -- an sich -sind solche Urteile Dummheiten. Man muß durchaus seine Finger darnach -ausstrecken und den Versuch machen, die erstaunliche Finesse zu fassen, -daß der Wert des Lebens nicht abgeschätzt werden kann. Von einem -Lebenden nicht, weil ein solcher Partei, ja sogar Streitobjekt ist, -und nicht Richter; von einem Toten nicht, aus einem andern Grunde. -- -Von seiten eines Philosophen im Wert des Lebens ein Problem sehn, -bleibt dergestalt sogar ein Einwurf gegen ihn, ein Fragezeichen an -seiner Weisheit, eine Unweisheit." -- (Götzendämmerung. Das Problem -des Sokrates.) Die Frage nach dem Werte des Lebens existiert nur für -eine mangelhaft ausgebildete, kranke Persönlichkeit. Wer allseitig -entwickelt ist, lebt, ohne zu fragen, wie viel sein Leben wert ist. - -Weil Nietzsche die beschriebenen Ansichten hat, deshalb legt er auf -logische Beweisgründe für ein Urteil wenig Gewicht. Nicht darauf kommt -es ihm an, ob sich das Urteil logisch beweisen läßt, sondern wie gut -sich unter seinem Einflusse leben läßt. Nicht allein der Verstand, -sondern die ganze Persönlichkeit des Menschen soll befriedigt -werden. Die besten Gedanken sind diejenigen, welche alle Kräfte der -menschlichen Natur in eine ihnen angemessene Bewegung bringen. - -Nur Gedanken dieser Art haben für Nietzsche Interesse. Er ist kein -philosophischer Kopf, sondern ein "Honigsammler des Geistes", der -die "Bienenkörbe" der Erkenntnis aufsucht und heimzubringen sucht, -was dem Leben frommt. - - - - -3. - -In Nietzsches Persönlichkeit sind diejenigen Instinkte vorherrschend, -die den Menschen zu einem gebietenden, herrischen Wesen machen. Ihm -gefällt alles, was Macht bekundet; ihm mißfällt alles, was Schwäche -verrät. Er fühlt sich nur so lange glücklich, als er sich in -Lebensbedingungen befindet, die seine Kraft erhöhen. Er liebt -Hemmnisse, Widerstände für seine Thätigkeit, weil er sich bei ihrer -Überwindung seiner Macht bewußt wird. Er sucht die beschwerlichsten -Wege auf, die der Mensch gehen kann. Ein Grundzug seines Charakters -ist in dem Spruche ausgedrückt, den er der zweiten Ausgabe seiner -"fröhlichen Wissenschaft" auf das Titelblatt gesetzt hat: - - - "Ich wohne in meinem eignen Haus, - Hab' niemandem nie nichts nachgemacht - Und -- lachte noch jeden Meister aus, - Der nicht sich selber ausgelacht." - - -Jede Art von Unterordnung unter eine fremde Macht empfindet Nietzsche -als Schwäche. Und über das, was eine "fremde Macht" ist, denkt -er anders als mancher, der sich als "unabhängigen, freien Geist" -bezeichnet. Nietzsche empfindet es als Schwäche, wenn der Mensch sich -in seinem Denken und Handeln sogenannten "ewigen, ehernen" Gesetzen -der Vernunft unterwirft. Was die allseitig entwickelte Persönlichkeit -thut, das läßt sie sich von keiner Moralwissenschaft vorschreiben, -sondern allein von den Antrieben des eigenen Selbst. Der Mensch ist -in dem Augenblicke schon schwach, in dem er nach Gesetzen und Regeln -sucht, nach denen er denken und handeln soll. Der Starke bestimmt -die Art seines Denkens und Handelns aus seinem eigenen Wesen heraus. - -Diese Ansicht spricht Nietzsche am schroffsten in Sätzen aus, -um derentwillen ihn kleinlich denkende Menschen geradezu als -einen gefährlichen Geist bezeichnet haben: "Als die christlichen -Kreuzfahrer im Orient auf jenen unbesiegbaren Assassinenorden stießen, -jenen Freigeisterorden par excellence, dessen unterste Grade in einem -Gehorsame lebten, wie einen gleichen kein Mönchsorden erreicht hat, da -bekamen sie auf irgend welchem Wege auch einen Wink über jenes Symbol -und Kerbholzwort, das nur den obersten Graden, als deren Sekretum, -vorbehalten war: "Nichts ist wahr, alles ist erlaubt!" .... Wohlan, -das war Freiheit des Geistes, damit war der Wahrheit selbst der -Glaube gekündigt" ... (Genealogie der Moral § 19). Daß diese Sätze die -Empfindungen einer vornehmen, einer Herrennatur zum Ausdruck bringen, -die sich die Erlaubnis, frei, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben, -durch keine Rücksicht auf ewige Wahrheiten und Vorschriften der Moral -verkümmern lassen will, fühlen diejenigen Menschen nicht, die, ihrer -Art nach, zur Unterwürfigkeit geeignet sind. Eine Persönlichkeit, -wie die Nietzsches ist, verträgt auch jene Tyrannen nicht, die in der -Form abstrakter Sittengebote auftreten. Ich bestimme, wie ich denken, -wie ich handeln will, sagt eine solche Natur. - -Es giebt Menschen, die ihre Berechtigung, sich "Freidenker" zu nennen, -davon herleiten, daß sie sich in ihrem Denken und Handeln nicht -solchen Gesetzen unterwerfen, die von anderen Menschen herrühren, -sondern nur den "ewigen Gesetzen der Vernunft", den "unumstößlichen -Pflichtbegriffen" oder dem "Willen Gottes". Nietzsche sieht solche -Menschen nicht als wahrhaft starke Persönlichkeiten an. Denn auch sie -denken und handeln nicht nach ihrer eigenen Natur, sondern nach den -Befehlen einer höheren Autorität. Ob der Sklave der Willkür seines -Herrn, der Religiöse den geoffenbarten Wahrheiten eines Gottes oder -der Philosoph den Aussprüchen der Vernunft folgt, das ändert nichts an -dem Umstande, daß sie alle Gehorchende sind. Was befiehlt, ist dabei -gleichgültig; das ausschlaggebende ist, daß überhaupt befohlen wird, -daß der Mensch sich nicht selbst die Richtung für sein Thun giebt, -sondern der Meinung ist, es gebe eine Macht, welche ihm diese Richtung -vorzeichnet. - -Der starke, wahrhaft freie Mensch will die Wahrheit nicht empfangen --- er will sie schaffen; er will sich nichts "erlauben" lassen, er -will nicht gehorchen. "Die eigentlichen Philosophen sind Befehlende -und Gesetzgeber; sie sagen: so soll es sein! sie bestimmen erst das -Wohin? und Wozu? des Menschen und verfügen dabei über die Vorarbeit -aller philosophischen Arbeiter, aller Überwältiger der Vergangenheit, --- sie greifen mit schöpferischer Hand nach der Zukunft, und alles, was -ist und war, wird ihnen dabei zum Mittel, zum Werkzeug, zum Hammer. Ihr -"Erkennen" ist Schaffen, ihr Schaffen ist eine Gesetzgebung, ihr -Wille zur Wahrheit ist -- Wille zur Macht. -- Giebt es heute solche -Philosophen? Gab es schon solche Philosophen? Muß es nicht solche -Philosophen geben?" (Jenseits von Gut und Böse § 211.) - - - - -4. - -Ein besonderes Zeichen menschlicher Schwäche sieht Nietzsche in jeder -Art von Glauben an ein Jenseits, an eine andere Welt, als die ist, -in der der Mensch lebt. Man kann, nach seiner Ansicht, dem Leben -keinen größeren Schaden thun, als wenn man sein Leben im Diesseits -im Hinblick auf ein anderes Leben im Jenseits einrichtet. Man kann -sich keiner größeren Verirrung hingeben, als wenn man hinter den -Erscheinungen dieser Welt Wesenheiten annimmt, die der menschlichen -Erkenntnis unzugänglich sind, und die als der eigentliche Urgrund, -als das Bestimmende alles Daseins gelten sollen. Durch eine solche -Annahme verdirbt man sich die Freude an dieser Welt. Man würdigt sie -zum Scheine, zu einem bloßen Abglanz eines Unzugänglichen herab. Man -erklärt die uns bekannte Welt, die für uns allein wirkliche, für einen -nichtigen Traum und schreibt die wahre Wirklichkeit einer erträumten, -erdichteten anderen Welt zu. Man erklärt die menschlichen Sinne für -Betrüger, die uns Scheinbilder statt Wirklichkeiten liefern. - -Nur aus der Schwäche kann eine solche Ansicht stammen. Denn der Starke, -der fest in der Wirklichkeit wurzelt, der seine Freude am Leben hat, -wird es sich nicht in den Sinn kommen lassen, eine andere Wirklichkeit -zu erdichten. Er ist mit dieser Welt beschäftigt und bedarf keiner -andern. Aber die Leidenden, die Kranken, die unzufrieden sind mit -diesem Leben, nehmen ihre Zuflucht zum Jenseits. Was ihnen das -Diesseits entzogen hat, soll ihnen das Jenseits bieten. Der Starke, -der Gesunde, der entwickelte und taugliche Sinne hat, um die Gründe -dieser Welt in ihr selber aufzusuchen, der bedarf zur Erklärung der -Erscheinungen, innerhalb deren er lebt, keiner jenseitigen Gründe und -Wesenheiten. Der Schwache, der mit verkrüppelten Augen und Ohren die -Wirklichkeit wahrnimmt, der braucht Ursachen hinter den Erscheinungen. - -Aus dem Leiden und der kranken Sehnsucht ist der Glaube an das Jenseits -geboren. Aus dem Unvermögen, die wirkliche Welt zu durchschauen, -sind alle Annahmen von "Dingen an sich" erwachsen. - -Alle, welche Grund haben, das wirkliche Leben zu verneinen, sagen -Ja zu einem erdichteten. Nietzsche will ein Jasager gegenüber -der Wirklichkeit sein. Diese Welt will er durchforschen nach allen -Richtungen, er will sich einbohren in die Tiefen des Daseins; von einem -andern Leben will er nichts wissen. Ihn kann selbst das Leiden nicht -veranlassen, Nein zum Leben zu sagen; denn auch das Leiden ist ihm -ein Mittel der Erkenntnis. "Nicht anders, als es ein Reisender macht, -der sich vorsetzt, zu einer bestimmten Stunde aufzuwachen, und sich -dann ruhig dem Schlafe überläßt: so ergeben wir Philosophen, gesetzt, -daß wir krank werden, uns zeitweilig mit Leib und Seele der Krankheit --- wir machen gleichsam vor uns die Augen zu. Und wie jener weiß, -daß irgend etwas nicht schläft, irgend etwas die Stunden abzählt -und ihn aufwecken wird, so wissen auch wir, daß der entscheidende -Augenblick uns wach finden wird, -- daß dann etwas hervorspringt und -den Geist auf der That ertappt, ich meine auf der Schwäche oder Umkehr -oder Ergebung oder Verhärtung oder Verdüsterung, und wie alle die -krankhaften Zustände des Geistes heißen, welche in gesunden Tagen den -Stolz des Geistes wider sich haben. Man lernt nach einer derartigen -Selbstbefragung, Selbstversuchung, mit einem feineren Auge nach -allem, worüber überhaupt bisher philosophiert worden ist, hinsehen -..." (Vorrede zur zweiten Ausgabe der "fröhlichen Wissenschaft".) -- - - - - -5. - -Dieser lebens- und wirklichkeitsfreundliche Sinn Nietzsches -zeigt sich auch in seinen Anschauungen über die Menschen und -ihre gegenseitigen Beziehungen. Auf diesem Gebiete ist Nietzsche -vollkommener Individualist. Jeder Mensch gilt ihm als eine Welt -für sich, ein Unikum. Das "wunderlich bunte Mancherlei", das -zum "Einerlei" vereinigt ist und uns als ein bestimmter Mensch -entgegentritt, kann kein noch so seltsamer Zufall ein zweites Mal in -gleicher Weise zusammenschütteln. (Schopenhauer als Erzieher 1.) Die -wenigsten Menschen sind jedoch geneigt, ihre nur einmal vorhandenen -Eigentümlichkeiten zu entfalten. Sie fürchten sich vor der Einsamkeit, -in die sie dadurch gedrängt werden. Es ist bequemer und gefahrloser, -in gleicher Weise wie die Mitmenschen zu leben; man findet dann -immer Gesellschaft. Wer auf seine eigene Art sich einrichtet, -wird von anderen nicht verstanden und findet keine Genossen. Für -Nietzsche hat die Einsamkeit einen besonderen Reiz. Er liebt es, -die Heimlichkeiten des eigenen Innern aufzusuchen. Er flieht -die Gemeinschaft der Menschen. Seine Gedankengänge sind zumeist -Bohrversuche nach Schätzen, die tief in seiner Persönlichkeit verborgen -liegen. Das Licht, das andere ihm bieten, verschmäht er; die Luft, -die man da atmet, wo das "Gemeinsame der Menschen", die "Regel Mensch" -lebt, will er nicht mitatmen. Er trachtet instinktiv nach seiner "Burg -und Heimlichkeit", wo er von der Menge, den vielen, den allermeisten -erlöst ist. (Jenseits von Gut und Böse § 36.) In seiner "fröhlichen -Wissenschaft" klagt er, daß es ihm schwer ist, seine Mitmenschen zu -"verdauen"; und in "Jenseits von Gut und Böse" (§ 282) verrät er, -daß er zumeist gefährliche Verdauungsstörungen davontrug, wenn er -sich an Tische setzte, an denen die Kost des "Allgemein-Menschlichen" -genossen wurde. Die Menschen dürfen Nietzsche nicht zu nahe kommen, -wenn er sie ertragen soll. - - - - -6. - -Nietzsche erklärt einen Gedanken, ein Urteil in derjenigen Form für -gültig, zu der die freiwaltenden Lebensinstinkte ihre Zustimmung -geben. Ansichten, für die das Leben sich entscheidet, läßt er sich -durch keine logischen Zweifel nehmen. Dadurch erhält sein Denken -einen sichern, freien Zug. Es wird nicht beirrt durch Bedenken wie: -ob eine Behauptung auch "objektiv" wahr ist, ob sie die Grenzen des -menschlichen Erkenntnisvermögens nicht überschreitet u. s. w. Wenn -Nietzsche den Wert eines Urteiles für das Leben erkannt hat, dann -fragt er nicht mehr nach einer weiteren "objektiven" Bedeutung und -Gültigkeit desselben. Und wegen Grenzen des Erkennens macht er sich -keine Sorgen. Er ist der Ansicht, daß ein gesundes Denken das schafft, -was es schaffen kann, und sich nicht mit der nutzlosen Frage abquält: -was kann ich nicht? - -Wer den Wert eines Urteils nach dem Grade bestimmen will, in dem es -das Leben fördert, kann diesen Grad natürlich nur durch seine eigenen, -persönlichen Lebenstriebe und Lebensinstinkte festsetzen. Er kann -nie mehr sagen wollen, als: in Bezug auf meine Lebensinstinkte halte -ich dieses bestimmte Urteil für ein wertvolles. Und Nietzsche will -auch nie etwas anderes sagen, wenn er eine Ansicht ausspricht. Gerade -dieses sein Verhältnis zu seiner Gedankenwelt wirkt so wohlthuend auf -den freiheitlich gesinnten Leser. Es giebt Nietzsches Schriften den -Charakter anspruchsloser, bescheidener Vornehmheit. Wie abstoßend -und unbescheiden klingt es daneben, wenn andere Denker glauben, -ihre Person sei das Organ, durch das der Welt ewige, unumstößliche -Wahrheiten verkündet werden. Man kann in Nietzsches Werken Sätze -finden, die ein starkes Selbstbewußtsein ausdrücken, z. B.: "Ich -habe der Menschheit das tiefste Buch gegeben, das sie besitzt, -meinen Zarathustra: ich gebe ihr über kurzem das unabhängigste." -- -(Götzendämmerung, Streifzüge eines Unzeitgemäßen § 51.) Was besagt -dies aber aus seinem Munde? Ich habe es gewagt, ein Buch zu schreiben, -dessen Inhalt tiefer aus dem Wesen einer Persönlichkeit geholt ist, -als das sonst bei ähnlichen Büchern der Fall ist; und ich werde ein -Buch liefern, das unabhängiger von jedem fremden Urteil ist, als -andere philosophische Schriften; denn ich werde über die wichtigsten -Dinge bloß aussprechen, wie sich meine persönlichen Instinkte zu -ihnen verhalten. Das ist vornehme Bescheidenheit. Sie geht freilich -denen wider den Geschmack, deren verlogene Demut sagt: ich bin nichts, -mein Werk ist alles; ich bringe nichts von persönlichem Empfinden in -meine Bücher, sondern ich spreche bloß aus, was die reine Vernunft -mich aussprechen heißt. Solche Menschen wollen ihre Person verleugnen, -um behaupten zu können, daß ihre Aussprüche die eines höheren Geistes -sind. Nietzsche hält seine Gedanken für Erzeugnisse seiner Person -und für nicht mehr. - - - - -7. - -Die Fachphilosophen mögen über Nietzsche lächeln oder ihre Meinungen -über die "Gefahren" seiner "Weltanschauung" zum besten geben. Manche -dieser Geister, die nichts sind als personifizierte Lehrbücher der -Logik, können natürlich Nietzsches aus den mächtigsten, unmittelbarsten -Lebensimpulsen entspringendes Schaffen nicht loben. - -Nietzsche mit seinen kühnen Gedankensprüngen trifft jedenfalls auf -tiefere Geheimnisse der menschlichen Natur, als mancher logische -Denker mit seinem vorsichtigen Kriechen. Was nutzt alle Logik, wenn -sie mit ihren Begriffsnetzen nur einen wertlosen Inhalt fängt? Wenn -uns wertvolle Gedanken mitgeteilt werden, dann erfreuen wir uns an -ihnen, wenn sie auch nicht mit logischen Fäden verknüpft sind. Das Heil -des Lebens hängt nicht allein von der Logik ab, sondern auch von der -Gedankenerzeugung. Unsere Fachphilosophie ist gegenwärtig unfruchtbar -genug, und sie könnte die Belebung mit Gedanken eines mutigen, kühnen -Schriftstellers, wie es Nietzsche ist, sehr wohl brauchen. Die -Entwickelungskraft dieser Fachphilosophie ist gelähmt durch den -Einfluß, den das Kant'sche Denken auf sie genommen hat. Sie hat durch -diesen Einfluß alle Ursprünglichkeit, allen Mut verloren. Kant hat aus -der Schulphilosophie seiner Zeit den Begriff von Wahrheiten, die aus -der "reinen Vernunft" stammen, übernommen. Er hat zu zeigen versucht, -daß wir durch solche Wahrheit nichts wissen können von Dingen, die -jenseits unserer Erfahrung liegen, von "Dingen an sich". Seit einem -Jahrhundert ist nun unermeßlicher Scharfsinn aufgewendet worden, -um diesen Kant'schen Gedanken nach allen Seiten durchzudenken. Die -Erzeugnisse dieses Scharfsinns sind allerdings oft dürftig und -trivial. Übersetzte man die Banalitäten manches philosophischen Buches -der Gegenwart aus den Schulformeln in eine gesunde Sprache, so würde -sich ein solcher Inhalt gegenüber manchem kurzen Aphorismus Nietzsches -armselig genug ausnehmen. Dieser konnte im Hinblick auf die Philosophie -der Gegenwart mit einem gewissen Recht den stolzen Satz aussprechen: -"Mein Ehrgeiz ist, in zehn Sätzen zu sagen, was jeder andere in einem -Buche sagt, -- was jeder andere in einem Buche nicht sagt ..." - - - - -8. - -Wie Nietzsche in seinen eigenen Meinungen nichts geben will als ein -Erzeugnis seiner persönlichen Instinkte und Triebe, so sind ihm auch -fremde Ansichten nichts weiter als Symptome, aus denen er auf die in -einzelnen Menschen oder ganzen Völkern, Rassen u. s. w. vorwaltenden -Instinkte schließt. Er macht sich nichts mit Diskussionen oder -Widerlegungen fremder Meinungen zu schaffen. Aber er sucht die -Instinkte auf, die sich in diesen Meinungen aussprechen. Er sucht -die Charaktere der Persönlichkeiten oder Völker aus ihren Ansichten -zu erkennen. Ob eine Ansicht auf das Vorwalten der Instinkte -für Gesundheit, Tapferkeit, Vornehmheit, Lebensfreude hinweist, -oder ob sie aus ungesunden, sklavischen, müden, lebensfeindlichen -Instinkten entspringt, das interessiert ihn. Wahrheiten an sich -sind ihm gleichgültig; er kümmert sich darum, wie die Menschen -ihre Wahrheiten ihren Instinkten gemäß ausbilden, und wie sie damit -ihre Lebensziele fördern. Die natürlichen Ursachen der menschlichen -Ansichten will er aufsuchen. - -Nach dem Sinne jener Idealisten, die der Wahrheit einen selbständigen -Wert zuerkennen, die ihr einen "reinen, höhern Ursprung" als -den aus den Instinkten geben wollen, ist Nietzsches Bestreben -allerdings nicht. Er erklärt die menschlichen Ansichten als das -Ergebnis natürlicher Kräfte, wie der Naturforscher die Einrichtung -des Auges aus dem Zusammenwirken natürlicher Ursachen erklärt. Eine -Erklärung der geistigen Entwickelung der Menschheit aus besonderen -sittlichen Zwecken, Idealen, aus einer sittlichen Weltordnung erkennt -er ebensowenig an, wie der Naturforscher der Gegenwart die Erklärung -anerkennt, daß die Natur das Auge deswegen in einer bestimmten Weise -gebaut hat, weil sie den Zweck hatte, dem Organismus ein Organ zum -Sehen anzuerschaffen. In jedem Ideal sieht Nietzsche nur den Ausdruck -für einen Instinkt, der sich auf eine bestimmte Art seine Befriedigung -sucht, wie der moderne Naturforscher in der zweckmäßigen Einrichtung -eines Organes das Ergebnis organischer Bildungsgesetze sieht. Wenn -es gegenwärtig noch Naturforscher und Philosophen giebt, die jedes -Schaffen der Natur nach Zwecken ablehnen, aber vor dem sittlichen -Idealismus Halt machen und in der Geschichte die Verwirklichung -eines göttlichen Willens, einer idealen Ordnung der Dinge sehen, -so ist dies eine Instinkthalbheit. Solchen Personen fehlt für die -Beurteilung geistiger Vorgänge der richtige Blick, während sie ihn in -der Beobachtung von Naturvorgängen zeigen. Wenn ein Mensch glaubt, -er strebe ein Ideal an, das nicht aus der Wirklichkeit stammt, so -glaubt er dies nur, weil er den Instinkt nicht kennt, aus dem dieses -Ideal entsteht. - -Nietzsche ist Anti-Idealist in dem Sinne, wie der moderne -Naturforscher Gegner der Annahme von Zwecken ist, die die Natur -verwirklichen soll. Er spricht ebensowenig von sittlichen Zwecken, -wie der Naturforscher von Naturzwecken spricht. Nietzsche hält es -nicht für weiser, zu sagen: der Mensch soll ein sittliches Ideal -verwirklichen, wie zu erklären: der Stier hat Hörner, damit er -stoßen könne. Er betrachtet den einen wie den andern Ausspruch als -Produkt einer Welterklärung, welche von "göttlicher Vorsehung", -"weiser Allmacht", statt von natürlichen Wirkungen, spricht. - -Diese Welterklärung ist ein Hemmschuh für alles gesunde Denken; -sie schafft einen erdichteten, idealen Nebel, der das natürliche, -auf die Beobachtung der Wirklichkeit gerichtete Sehvermögen hindert, -die Weltvorgänge zu durchschauen; sie stumpft endlich völlig allen -Wirklichkeitssinn ab. - - - - -9. - -Wenn Nietzsche sich in einen geistigen Kampf einläßt, so will er nicht -fremde Meinungen als solche widerlegen, sondern er thut es, weil diese -Meinungen auf schädliche, naturwidrige Instinkte hinweisen, die er -bekämpfen will. Er hat dabei eine ähnliche Absicht, wie sie jemand -hat, der eine schädliche Naturwirkung bekämpft oder ein gefährliches -Naturwesen vertilgt. Er baut nicht auf die "überzeugende" Kraft -der Wahrheit, sondern darauf, daß er den Gegner besiegen wird, wenn -dieser die ungesunden, schädlichen Instinkte, er aber die gesunden, -lebenfördernden hat. Er sucht nach keiner weiteren Rechtfertigung eines -solchen Kampfes, wenn seine Instinkte die des Gegners als schädlich -empfinden. Er glaubt nicht als Vertreter irgend einer Idee kämpfen zu -müssen, sondern er kämpft, weil ihn seine Instinkte dazu treiben. Zwar -ist das bei keinem geistigen Kampfe anders, aber gewöhnlich sind sich -die Kämpfer der wirklichen Triebfedern ebensowenig bewußt, wie die -Philosophen sich ihres "Willens zur Macht" oder die Anhänger der -sittlichen Weltordnung der natürlichen Ursachen ihrer sittlichen -Ideale. Sie glauben, daß lediglich Meinung gegen Meinung kämpft, -und verhüllen ihre wirklichen Motive durch Begriffsmäntel. Sie nennen -auch die Instinkte des Gegners nicht, die ihnen unsympathisch sind, -ja diese kommen ihnen vielleicht gar nicht zum Bewußtsein. Kurz, die -Kräfte, die eigentlich feindlich gegen einander gerichtet sind, treten -gar nicht offen hervor. Nietzsche nennt rücksichtslos die Instinkte -des Gegners, die ihm zuwider sind, und er nennt auch die Instinkte, -die er ihnen entgegensetzt. Wer dies Cynismus nennen will, der mag es -thun. Er soll aber nur nicht übersehen, daß es in aller menschlichen -Thätigkeit niemals etwas anderes als solchen Cynismus gegeben hat, -und daß alle idealistischen Wahngewebe von diesem Cynismus gewebt sind. - - - - - - - - -II. - -DER ÜBERMENSCH. - - -10. - -Alles Streben des Menschen besteht, wie das eines jeden Lebewesens, -darin, von der Natur eingepflanzte Triebe und Instinkte in der besten -Weise zu befriedigen. Wenn die Menschen nach Tugend, Gerechtigkeit, -Erkenntnis und Kunst streben, so geschieht dies deshalb, weil Tugend, -Gerechtigkeit u. s. w. Mittel sind, durch die die menschlichen -Instinkte sich so entwickeln können, wie es deren Natur entsprechend -ist. Die Instinkte würden ohne diese Mittel verkümmern. Es ist nun -eine Eigentümlichkeit des Menschen, daß er diesen Zusammenhang seiner -Lebensbedingungen mit seinen natürlichen Trieben vergißt und jene -Mittel zu einem naturgemäßen, machtvollen Leben als etwas ansieht, -das an sich einen unbedingten Wert hat. Der Mensch sagt dann: Tugend, -Gerechtigkeit, Erkenntnis u. s. w. müssen um ihrer selbst willen -erstrebt werden. Sie haben nicht dadurch einen Wert, daß sie dem Leben -dienen, sondern vielmehr das Leben erhalte erst einen Wert dadurch, -daß es nach jenen idealen Gütern strebt. Der Mensch sei nicht dazu -da, nach Maßgabe seiner Instinkte zu leben, wie das Tier; sondern -er solle seine Instinkte dadurch adeln, daß er sie in den Dienst -höherer Zwecke stelle. Auf diese Weise kommt der Mensch dazu, das, -was er selbst erst zur Befriedigung seiner Triebe geschaffen hat, als -Ideale anzubeten, die seinem Leben erst die rechte Weihe geben. Er -fordert Unterwerfung unter die Ideale, die er höher schätzt, als -sich selbst. Er löst sich los von dem Mutterboden der Wirklichkeit -und will seinem Dasein einen höheren Sinn und Zweck geben. Er -erfindet einen unnatürlichen Ursprung für seine Ideale. Er nennt -sie den "Willen Gottes", die "ewigen sittlichen Gebote". Er will die -"Wahrheit um der Wahrheit willen", "die Tugend um der Tugend" willen -anstreben. Er betrachtet sich als einen guten Menschen erst dann, -wenn es ihm angeblich gelungen ist, seine Selbstsucht, d. h. seine -natürlichen Instinkte zu bändigen und selbstlos einem idealen Ziele -zu folgen. Einem solchen Idealisten gilt der Mensch als unedel und -"böse", der es bis zu solcher Selbstüberwindung nicht gebracht hat. - -Nun stammen ursprünglich alle Ideale aus natürlichen Instinkten. Auch -was der Christ als Tugend ansieht, die ihm Gott geoffenbart hat, -ist ursprünglich von Menschen erfunden, um irgend welche Instinkte zu -befriedigen. Der natürliche Ursprung ist vergessen und der göttliche -hinzugedichtet worden. Ähnlich verhält es sich mit den Tugenden, -die die Philosophen und Moralprediger aufstellen. - -Wenn die Menschen bloß gesunde Instinkte hätten und diesen gemäß -ihre Ideale bestimmten, so würde der theoretische Irrtum über -den Ursprung dieser Ideale nicht schaden. Die Idealisten hätten -zwar falsche Ansichten über die Herkunft ihrer Ziele, aber diese -Ziele selbst wären gesund, und das Leben müßte gedeihen. Aber es -giebt ungesunde Instinkte, die nicht auf Stärkung, Förderung des -Lebens, sondern auf dessen Schwächung, Verkümmerung abzielen. Diese -bemächtigen sich des genannten theoretischen Irrtums und machen ihn -zum praktischen Lebenszwecke. Sie verleiten den Menschen, zu sagen: -ein vollkommener Mensch ist nicht derjenige, der sich selbst, seinem -Leben dienen will, sondern derjenige, der sich der Verwirklichung -eines Ideals hingiebt. Unter dem Einfluß dieser Instinkte bleibt der -Mensch nicht bloß dabei stehen, irrtümlich seinen Zielen einen un- -oder übernatürlichen Ursprung anzudichten, sondern er macht sich -wirklich solche Ideale zurecht oder übernimmt sie von anderen, die -nicht den Bedürfnissen des Lebens dienen. Er strebt nicht mehr darnach, -die in seiner Persönlichkeit liegenden Kräfte ans Tageslicht zu ziehen, -sondern er lebt nach einem seiner Natur aufgezwungenen Musterbilde. Ob -er dieses Ziel einer Religion entnimmt, oder ob er es selbst auf Grund -gewisser, nicht in seiner Natur liegenden Voraussetzungen bestimmt: -darauf kommt es nicht an. Der Philosoph, der einen allgemeinen Zweck -der Menschheit im Auge hat und aus diesem seine sittlichen Ideale -ableitet, legt der menschlichen Natur ebenso Fesseln an, wie der -Religionsstifter, der den Menschen sagt: dies ist das Ziel, das euch -Gott gesetzt hat; und dem müßt ihr folgen. Es ist auch gleichgültig, -ob der Mensch sich vorsetzt, ein Ebenbild Gottes zu werden, oder -ob er ein Ideal des "vollkommenen Menschen" erfindet und diesem -möglichst ähnlich werden will. Wirklich ist nur der einzelne Mensch -und die Triebe und Instinkte dieses einzelnen Menschen. Nur wenn er -auf die Bedürfnisse seiner eigenen Person sein Augenmerk richtet, -kann der Mensch erfahren, was seinem Leben frommt. Der einzelne -Mensch wird nicht "vollkommen", wenn er sich verleugnet und einem -Vorbilde ähnlich wird, sondern wenn er das verwirklicht, was in ihm -zur Verwirklichung drängt. Die menschliche Thätigkeit erhält nicht -erst einen Sinn, wenn sie einem unpersönlichen, äußeren Zwecke dient; -sie hat ihren Sinn in sich selbst. - -Der Anti-Idealist wird zwar auch in der ungesunden Abkehr des -Menschen von seinen ureigenen Instinkten noch eine Instinktäußerung -erblicken. Er weiß, daß der Mensch selbst das Instinktwidrige nur aus -Instinkt vollbringen kann. Er wird aber doch die Instinktwidrigkeit -bekämpfen, wie der Arzt eine Krankheit bekämpft, trotzdem er weiß, -daß sie naturgemäß aus bestimmten Ursachen entstanden ist. Es -darf also dem Anti-Idealisten nicht der Einwurf gemacht werden: du -behauptest, alles, was der Mensch erstrebt, also auch alle Ideale, -seien naturgemäß entstanden; dennoch bekämpfst du den Idealismus. Gewiß -entstehen Ideale ebenso naturgemäß wie Krankheiten; aber der Gesunde -bekämpft den Idealismus, wie er die Krankheit bekämpft. Der Idealist -aber sieht die Ideale als etwas an, das gehegt und gepflegt werden muß. - -Der Glaube, daß der Mensch vollkommen erst wird, wenn er "höheren" -Zwecken dient, ist, nach Nietzsches Meinung, etwas, das überwunden -werden muß. Der Mensch muß sich auf sich selbst besinnen und erkennen, -daß er Ideale nur erschaffen hat, um sich zu dienen. Naturgemäß -leben, ist gesünder, als Idealen nachjagen, die angeblich nicht aus -der Wirklichkeit stammen. Den Menschen, der nicht unpersönlichen -Zielen dient, sondern der den Zweck und Sinn seines Daseins in sich -selbst sucht, der solche Tugenden zu den seinigen macht, die seiner -Kraftentfaltung, seiner Machtvollkommenheit dienen -- diesen Menschen -stellt Nietzsche höher als den selbstlosen Idealisten. - -Dies ist es, was er durch seinen "Zarathustra" verkündet. Das souveräne -Individuum, das weiß, daß es nur aus seiner Natur heraus leben -kann, und das in einer seinem Wesen entsprechenden Lebensgestaltung -sein persönliches Ziel sieht, ist für Nietzsche der Übermensch, im -Gegensatz zu dem Menschen, der glaubt: ihm sei das Leben geschenkt, -um einem außer ihm selbst liegenden Zwecke zu dienen. - -Den Übermenschen, d. h. den Menschen, der naturgemäß zu leben -versteht, lehrt Zarathustra. Er lehrt die Menschen, ihre Tugenden -als ihre Geschöpfe betrachten; er heißt sie diejenigen verachten, -die ihre Tugenden höher als sich selbst achten. - -Zarathustra ist in die Einsamkeit gegangen, um sich frei zu machen von -der Demut, in der sich die Menschen beugen vor ihren Tugenden. Er geht -erst wieder unter Menschen, als er die Tugenden verachten gelernt hat, -die das Leben bändigen und nicht dem Leben dienen wollen. Er bewegt -sich nun leicht wie ein Tänzer, denn er folgt nur sich und seinem -Willen und achtet nicht auf die Linien, die ihm von den Tugenden -vorgezeichnet werden. Nicht schwer mehr lastet der Glaube auf seinem -Rücken, daß es unrecht sei, nur sich selbst zu folgen. Zarathustra -schläft nun nicht mehr, um von Idealen zu träumen; er ist ein -Wachender, der der Wirklichkeit sich frei gegenüberstellt. Ein -schmutziger Strom ist ihm der Mensch, der sich selbst verloren hat und -vor seinen eigenen Geschöpfen im Staube liegt. Der Übermensch ist ihm -ein Meer, das diesen Strom aufnimmt, ohne selbst unrein zu werden. Denn -der Übermensch hat sich selbst gefunden; er erkennt sich als Herrn und -Schöpfer seiner Tugenden. Zarathustra hat das Große erlebt, daß ihm -alle Tugend zum Ekel geworden ist, die über den Menschen gesetzt wird. - -"Was ist das Größte, das ihr erleben könnt? Das ist die Stunde der -großen Verachtung. Die Stunde, in der euch euer Glück zum Ekel wird -und ebenso eure Vernunft und eure Tugend." - - - - -11. - -Die Weisheit Zarathustras ist nicht nach dem Sinne der "modernen -Gebildeten". Sie möchten alle Menschen einander gleich machen. Wenn -alle nur nach einem Ziele streben, sagen sie, dann ist Zufriedenheit -und Glück auf Erden. Der Mensch soll zurückhalten, so fordern sie, -seine besondern persönlichen Wünsche und nur der Allgemeinheit, -dem gemeinsamen Glücke dienen. Friede und Ruhe wird dann auf der -Erde herrschen. Wenn jeder die gleichen Bedürfnisse hat, dann stört -keiner die Kreise des andern. Nicht sich und seine individuellen Ziele -soll der Einzelne im Auge haben, sondern nach der einmal bestimmten -Schablone sollen alle leben. Verschwinden soll alles einzelne Leben, -und Glieder der gemeinsamen Weltordnung sollen alle werden. - -"Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich, -wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus. - -"'Ehemals war alle Welt irre' -- sagen die Feinsten und blinzeln. - -"Man ist klug und weiß alles, was geschehen ist: so hat man kein -Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald, -sonst verdirbt es den Magen." - -Zarathustra ist zu lange Einsiedler gewesen, um solcher Weisheit zu -huldigen. Er hat die eigenartigen Töne gehört, die aus dem Innern der -Persönlichkeit erklingen, wenn der Mensch abseits steht von dem Lärm -des Marktes, wo einer nur die Worte des andern nachspricht. Und er -möchte es den Menschen in die Ohren rufen: höret auf die Stimmen, -die nur in jedem Einzelnen von euch erklingen. Denn die nur sind -naturgemäß, die nur sagen jedem, was er vermag. Ein Feind des Lebens, -des reichen, vollen Lebens, ist derjenige, welcher diese Stimmen -ungehört verhallen läßt und auf das gemeinsame Geschrei der Menschen -hört. Zu den Freunden der Gleichheit aller Menschen will Zarathustra -nicht sprechen. Sie könnten ihn nur mißverstehen. Denn sie würden -glauben, daß sein Übermensch jenes ideale Musterbild sei, dem alle -gleich werden sollen. Aber Zarathustra will den Menschen keine -Vorschriften darüber machen, wie sie sein sollen; er will nur jeden -Einzelnen auf sich selbst verweisen und ihm sagen: überlasse dich dir -selbst, folge nur dir allein, stelle dich über Tugend, Weisheit und -Erkenntnis. Zu solchen, die sich suchen wollen, spricht Zarathustra; -nicht einer Menge, die ein gemeinsames Ziel sucht, sondern solchen -Gefährten, gelten seine Worte, die gleich ihm einen eigenen Weg -gehen. Sie allein verstehen ihn, denn sie wissen, daß er nicht sagen -will: seht, dies ist der Übermensch, werdet wie er, sondern: seht, -ich habe mich gesucht; so bin ich, wie ich es euch lehre; geht hin -und sucht euch ebenso, dann habt ihr den Übermenschen. - -"Den Einsiedlern werde ich mein Lied singen und den Zweisiedlern; -und wer noch Ohren hat für Unerhörtes, dem will ich sein Herz schwer -machen mit meinem Glücke." - - - - -12. - -Zwei Tiere: die Schlange, als das klügste, und der Adler, als das -stolzeste Tier, begleiten Zarathustra. Sie sind die Symbole seiner -Instinkte. Klugheit schätzt Zarathustra, denn sie lehrt den Menschen -die verschlungenen Pfade der Wirklichkeit finden; sie lehrt ihn kennen, -was er zum Leben braucht. Und auch den Stolz liebt Zarathustra, denn -der Stolz bringt die Selbstachtung des Menschen hervor, durch die -dieser dazu kommt, sich selbst als den Sinn und Zweck seines Daseins -zu betrachten. Der Stolze stellt seine Weisheit, seine Tugend nicht -über sich selbst. Der Stolz bewahrt den Menschen davor, sich selbst zu -vergessen über "höheren, heiligeren" Zielen. Lieber noch als den Stolz -möchte Zarathustra die Klugheit verlieren. Denn die Klugheit, die nicht -von Stolz begleitet ist, sieht sich nicht als Menschenwerk an. Wem -der Stolz und die Selbstachtung fehlt, der glaubt, seine Klugheit sei -ihm vom Himmel geschenkt. Ein solcher sagt: ein Thor ist der Mensch, -und er hat nur so viel Weisheit, als ihm der Himmel schenken will. - -"Und wenn mich einst meine Klugheit verläßt: -- ach, sie liebt es, -davonzufliegen! -- möge mein Stolz dann noch mit meiner Thorheit -fliegen!" - - - - -13. - -Drei Verwandlungen muß der menschliche Geist durchmachen, bis er -sich selbst gefunden hat. Dies lehrt Zarathustra. Ehrfürchtig ist der -Geist zuerst. Er nennt Tugend, was auf ihm lastet. Er erniedrigt sich, -um seine Tugend zu erhöhen. Er sagt: alle Weisheit ist bei Gott, und -Gottes Wegen muß ich folgen. Gott legt mir das Schwerste auf, um meine -Kraft zu prüfen, ob sie auch stark sei und geduldig ausharre. Nur der -Geduldige ist stark. Gehorchen will ich, sagt der Geist auf dieser -Stufe, und ausführen die Gebote des Weltengeistes, ohne zu fragen, -was der Sinn dieser Gebote ist. Der Geist fühlt den Druck, den eine -höhere Macht auf ihn ausübt. Nicht seine Wege geht der Geist, sondern -die Wege dessen, dem er dient. - -Es kommt die Zeit, wo der Geist inne wird, daß kein Gott zu ihm -redet. Dann will er frei sein und Herr in seiner eigenen Welt. Er -sucht nach einer Richtschnur für seine Geschicke. Er frägt nicht -mehr den Weltengeist, wie er sein Leben einrichten solle. Aber nach -einem festen Gesetz, nach einem heiligen "du sollst" strebt er. Er -sucht nach einem Maßstab, um den Wert der Dinge zu messen; er sucht -nach einem Unterscheidungszeichen von Gut und Böse. Es muß eine Regel -für mein Leben geben, die nicht von mir, von meinem Willen abhängt, -so spricht der Geist auf dieser Stufe. Dieser Regel will ich mich -fügen. Frei bin ich, meint der Geist, aber nur frei, um einer solchen -Regel zu gehorchen. - -Auch diese Stufe überwindet der Geist. Er wird wie das Kind, -das bei seinem Spielen nicht fragt: wie soll ich dies oder jenes -machen, sondern das nur seinen Willen ausführt, das nur sich selbst -folgt. "Seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich -der Weltverlorne." - -"Drei Verwandlungen nannte ich euch des Geistes: wie der Geist -zum Kamele ward, und zum Löwen das Kamel, und der Löwe zuletzt zum -Kinde. -- -- Also sprach Zarathustra." - - - - -14. - -Was wollen die Weisen, die die Tugend über den Menschen stellen? fragt -Zarathustra. Sie sagen: die Ruhe der Seele kann nur haben, wer -seine Pflicht gethan hat, wer dem heiligen "du sollst" gefolgt -ist. Tugendhaft soll der Mensch sein, damit er nach gethaner Pflicht -träumen könne von erfüllten Idealen und keine Gewissensbisse fühle. Ein -Mensch mit Gewissensbissen gleicht, sagen die Tugendhaften, einem -Schlafenden, dem böse Träume die Nachtruhe stören. - -"Wenige wissen das, aber man muß alle Tugenden haben, um gut zu -schlafen. Werde ich falsch Zeugnis reden? Werde ich ehebrechen? - -"Werde ich mich gelüsten lassen meines Nächsten Magd? Das alles -vertrüge sich schlecht mit gutem Schlafe ... - -"Friede mit Gott und dem Nachbar, so will es der gute Schlaf. Und -Friede auch noch mit des Nachbars Teufel! Sonst geht er bei dir des -Nachts um." - -Nicht was sein Trieb ihn heißt, thut der Tugendhafte, sondern was -Seelenruhe bewirkt. Er lebt, um in Ruhe über das Leben träumen zu -können. Noch lieber ist es ihm, wenn den Schlaf, den er Seelenruhe -nennt, gar kein Traum stört. Das heißt: dem Tugendhaften ist es am -liebsten, wenn er irgendwoher die Regeln seines Handelns erhält und -im übrigen seine Ruhe genießen kann. "Seine Weisheit heißt: wachen, -um gut zu schlafen. Und wahrlich, hätte das Leben keinen Sinn, und -müßte ich Unsinn wählen, so wäre auch mir dies der wählenswürdigste -Unsinn," spricht Zarathustra. - -Auch für Zarathustra gab es eine Zeit, da er glaubte, ein außerhalb -der Welt wohnender Geist, ein Gott, habe die Welt geschaffen. Einen -unzufriedenen, leidenden Gott dachte sich Zarathustra. Um sich eine -Befriedigung zu verschaffen, um von seinem Leiden loszukommen, -habe Gott die Welt erschaffen, meinte einst Zarathustra. Aber er -hat einsehen gelernt, daß es ein Wahnbild war, das er sich selbst -geschaffen hatte. "Ach, ihr Brüder, dieser Gott, den ich schuf, -war Menschenwerk und -Wahnsinn gleich allen Göttern!" Zarathustra -hat seine Sinne gebrauchen und die Welt betrachten gelernt. Und -zufrieden wurde er mit der Welt; nicht mehr schweiften seine Gedanken -ins Jenseits. Blind war er ehemals und konnte die Welt nicht sehen, -deshalb suchte er sein Heil außerhalb der Welt. Aber Zarathustra -hat sehen gelernt und erkennen, daß die Welt in sich selbst ihren -Sinn habe. - -"Einen neuen Stolz lehrte mich mein Ich, den lehre ich die Menschen: -nicht mehr den Kopf in den Sand der himmlischen Dinge zu stecken, -sondern frei ihn zu tragen, meinen Erdenkopf, der der Erde Sinn -schafft." - - - - -15. - -In Leib und Seele haben die Idealisten den Menschen gespalten, -in Idee und Wirklichkeit haben sie alles Dasein geteilt. Und sie -haben die Seele, den Geist, die Idee zu einem besonders Wertvollen -gemacht, um die Wirklichkeit, den Leib um so mehr verachten zu -können. Zarathustra aber sagt: Nur eine Wirklichkeit, nur einen Leib -giebt es, und die Seele ist nur etwas am Leibe, die Idee nur etwas -an der Wirklichkeit. Eine Einheit sind Leib und Seele des Menschen; -aus einer Wurzel entspringen Körper und Geist. Der Geist ist nur -da, weil ein Körper da ist, der Kräfte hat, an sich den Geist zu -entwickeln. Wie die Pflanze an sich die Blüte, so entfaltet der Körper -an sich den Geist. - -"Hinter deinen Gedanken und Gefühlen, mein Bruder, steht ein mächtiger -Gebieter, ein unbekannter Weiser -- der heißt Selbst. In deinem Leibe -wohnt er, dein Leib ist er." - -Wer einen Sinn hat für das Wirkliche, der sucht den Geist, die Seele -in und an dem Wirklichen, er sucht die Vernunft in dem Wirklichen; -nur wer die Wirklichkeit für geistlos, für "bloß natürlich", für "roh" -hält, der giebt dem Geiste, der Seele ein besonderes Dasein. Er macht -die Wirklichkeit zur bloßen Wohnung des Geistes. Einem solchen fehlt -aber auch der Sinn für die Wahrnehmung des Geistes selbst. Nur weil -er den Geist in der Wirklichkeit nicht sieht, sucht er ihn anderswo. - -"Es ist mehr Vernunft in deinem Leibe, als in deiner besten Weisheit -..... - -"Der Leib ist eine große Vernunft, eine Vielheit mit einem Sinne, -ein Krieg und ein Frieden, eine Herde und ein Hirt. - -"Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder, -die du "Geist" nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner großen -Vernunft." - -Ein Thor ist, wer die Blüte von der Pflanze reißt und glaubt, die -abgerissene Blüte werde nun sich noch zur Frucht entwickeln. Ein -Thor ist ebenso, wer den Geist von der Natur absondert und glaubt, -ein solcher abgesonderter Geist könne noch schaffen. - -Menschen mit kranken Instinkten haben die Scheidung von Geist und -Körper vorgenommen. Ein kranker Instinkt nur kann sagen: mein Reich -ist nicht von dieser Welt. Eines gesunden Instinktes Reich ist nur -diese Welt. - - - - -16. - -Was für Ideale haben sie doch geschaffen, diese Verächter der -Wirklichkeit! Fassen wir sie ins Auge, die Ideale der Asketen, -die da sagen: wendet ab euren Blick vom Diesseits und schaut nach -dem Jenseits! Was bedeuten asketische Ideale? Mit dieser Frage und -den Vermutungen, mit denen er sie beantwortet, hat uns Nietzsche am -tiefsten hineinblicken lassen in sein von der abendländischen neueren -Kultur unbefriedigtes Herz. (Genealogie der Moral, 3. Abteilung.) - -Wenn ein Künstler, wie z. B. Richard Wagner in der letzten Zeit seines -Schaffens, Anhänger des asketischen Ideales wird, so hat das nicht viel -zu bedeuten. Der Künstler steht sein ganzes Leben hindurch über seinen -Schöpfungen. Er sieht von oben herab auf seine Wirklichkeiten. Er -schafft Wirklichkeiten, die nicht seine Wirklichkeit sind. "Ein Homer -hätte keinen Achill, ein Goethe keinen Faust gedichtet, wenn Homer -ein Achill, und wenn Goethe ein Faust gewesen wäre." (Genealogie, -3. Abt. § 4.) Wenn nun ein solcher Künstler sein eigenes Dasein -einmal ernst nimmt, sich selbst und seine persönlichen Ansichten in -Wirklichkeit umsetzen will, so ist es kein Wunder, wenn etwas sehr -Unreales entsteht. Richard Wagner hat über seine Kunst vollständig -umgelernt, als ihm die Philosophie Schopenhauers bekannt wurde. Vorher -hielt er die Musik für ein Ausdrucksmittel, das etwas braucht, dem -es Ausdruck verschafft, das Drama. In seiner Schrift Oper und Drama, -die 1851 geschrieben ist, spricht er aus, daß der größte Irrtum, -dem man sich in Bezug auf die Oper hingeben kann, der ist, "daß - - - ein Mittel des Ausdrucks (die Musik) zum Zwecke, der Zweck des - Ausdrucks (das Drama) aber zum Mittel gemacht werde." - - -Er bekannte sich zu einer andern Ansicht, nachdem er Schopenhauers -Lehre von der Musik kennen gelernt hatte. Schopenhauer ist der -Ansicht, daß durch die Musik das Wesen der Dinge selbst zu uns -spricht. Der ewige Wille, der in allen Dingen lebt, er wird in allen -anderen Künsten nur in seinen Abbildern, in den Ideen, verkörpert; -die Musik ist kein bloßes Bild des Willens: in ihr giebt sich der -Wille unmittelbar kund. Was uns in allen unseren Vorstellungen nur im -Abglanz erscheint: der ewige Grund alles Seins, der Wille, ihn glaubt -Schopenhauer in den Klängen der Musik unmittelbar zu vernehmen. Kunde -aus dem Jenseits bringt für Schopenhauer die Musik. Diese Ansicht -wirkte auf Richard Wagner. Nicht mehr als Ausdrucksmittel wirklicher -menschlicher Leidenschaften, wie sie im Drama verkörpert sind, ließ er -die Musik gelten, sondern als "eine Art Mundstück des Ansich der Dinge, -ein Telephon des Jenseits". Richard Wagner glaubte jetzt nicht mehr -die Wirklichkeit in Tönen auszudrücken; "er redete fürderhin nicht nur -Musik, dieser Bauchredner Gottes, -- er redete Metaphysik: was Wunder, -daß er endlich eines Tages asketische Ideale redete." (Genealogie, -3. Abteilung, § 5.) - -Hätte Richard Wagner bloß seine Ansicht über die Bedeutung -der Musik geändert, so hätte Nietzsche keinen Anlaß, ihm etwas -vorzuwerfen. Nietzsche könnte dann höchstens sagen: Wagner hat außer -seinen Kunstwerken auch noch allerlei verkehrte Theorien über die Kunst -geschaffen. Daß aber Wagner in der letzten Zeit seines Schaffens den -Schopenhauerschen Jenseitsglauben auch in seinen Kunstwerken verkörpert -hat, daß er seine Musik dazu verwendet hat, die Flucht vor der -Wirklichkeit zu verherrlichen: das ging Nietzsche wider den Geschmack. - -Aber der "Fall Wagner" besagt nichts, wenn es sich um die Bedeutung -der Verherrlichung des Jenseits auf Kosten des Diesseits, wenn es sich -um die Bedeutung der asketischen Ideale handelt. Künstler stehen nicht -auf eigenen Füßen. Wie Richard Wagner von Schopenhauer abhängig ist, -so waren die Künstler "zu allen Zeiten Kammerdiener einer Moral, -oder Philosophie oder Religion". - -Anders ist es, wenn die Philosophen für die Verachtung der -Wirklichkeit, für die asketischen Ideale eintreten. Sie thun das aus -einem tiefen Instinkte heraus. - -Schopenhauer hat diesen Instinkt verraten durch die Beschreibung, die -er von dem Schaffen und Genießen eines Kunstwerkes giebt. "Daß also -das Kunstwerk die Auffassung der Ideen, in welcher der ästhetische -Genuß besteht, so sehr erleichtert, beruht nicht bloß darauf, daß -die Kunst durch Hervorhebung des Wesentlichen und Aussonderung des -Unwesentlichen die Dinge deutlicher und charakteristischer darstellt, -sondern ebenso sehr darauf, daß das zur objektiven Auffassung -des Wesens der Dinge erforderte gänzliche Schweigen des Willens am -sichersten dadurch erreicht wird, daß das angeschaute Objekt gar nicht -im Gebiete der Dinge liegt, welche einer Beziehung zum Willen fähig -sind." (Ergänzungen zum 3. Buch der Welt als Wille und Vorstellung, -Kap. 21.) "Wann aber ein äußerer Anlaß oder eine innere Stimmung -uns plötzlich aus dem endlosen Strome des Wollens heraushebt, die -Erkenntnis dem Sklavendienst des Willens entreißt, die Aufmerksamkeit -nun nicht mehr auf die Motive des Wollens gerichtet wird, sondern -die Dinge frei von ihrer Beziehung auf den Willen auffaßt, also ohne -Interesse, ohne Subjektivität, rein objektiv sie betrachtet, ihnen ganz -hingegeben, sofern sie bloß Vorstellungen, nicht sofern sie Motive -sind: dann ist ..... der schmerzenlose Zustand, den Epikuros als das -höchste Gut und als den Zustand der Götter pries [eingetreten]: denn -wir sind für jenen Augenblick des schnöden Willensdranges entledigt, -wir feiern den Sabbat der Zuchthausarbeit des Wollens, das Rad des -Ixion steht still." (Welt als Wille und Vorstellung, § 38.) - -Dies ist eine Beschreibung einer Art des ästhetischen Genusses, -die nur bei dem Philosophen vorkommt. Nietzsche stellt ihr gegenüber -eine andere Beschreibung, "die ein wirklicher Zuschauer und Artist -gemacht hat -- Stendhal", der das Schöne "une promesse de bonheur" -nennt. Schopenhauer möchte alles Willensinteresse, alles wirkliche -Leben ausschalten, wenn es sich um die Betrachtung eines Kunstwerkes -handelt, und nur mit dem Geiste genießen; Stendhal sieht in dem -Kunstwerke ein Versprechen von Glück, also einen Hinweis auf das -Leben, und sieht in diesem Zusammenhang der Kunst mit dem Leben den -Wert der Kunst. - -Kant fordert vom schönen Kunstwerk, daß es ohne Interesse gefalle, -d. h. daß es uns heraushebe aus dem wirklichen Leben und einen rein -geistigen Genuß gewähre. - -Was sucht der Philosoph in dem künstlerischen Genuß? Erlösung von -der Wirklichkeit. In eine Wirklichkeit-fremde Stimmung will der -Philosoph durch das Kunstwerk versetzt werden. Er verrät dadurch -seinen Grundinstinkt. Der Philosoph fühlt sich in den Augenblicken -am wohlsten, in denen er von der Wirklichkeit loskommen kann. Seine -Ansicht vom ästhetischen Genuß zeigt, daß er die Wirklichkeit nicht -liebt. - -Nicht was der dem Leben zugewandte Zuschauer von dem Kunstwerke -verlangt, sagen uns die Philosophen in ihren Theorien, sondern nur, -was ihnen selbst angemessen ist. Und dem Philosophen ist die Abkehr -von dem Leben sehr förderlich. Er will sich seine verschlungenen -Gedankenwege nicht durchkreuzen lassen von der Wirklichkeit. Das Denken -gedeiht besser, wenn sich der Philosoph von dem Leben abkehrt. Es -ist nun kein Wunder, wenn dieser philosophische Grundinstinkt -geradezu zu einer lebensfeindlichen Stimmung wird. Wir finden eine -solche Stimmung bei der Mehrzahl der Philosophen ausgebildet. Und -nahe liegt es, daß der Philosoph seine eigene Antipathie gegen das -Leben zu einer Lehre ausbildet und fordert, daß sich alle Menschen -zu einer solchen Lehre bekennen. Schopenhauer hat dieses gethan. Er -fand, daß der Lärm der Welt seine Gedankenarbeit störte. Er empfand, -daß man über die Wirklichkeit am besten nachdenken kann, wenn man -dieser Wirklichkeit entflieht. Zugleich vergaß er, daß alles Denken -über die Wirklichkeit doch nur dann einen Wert hat, wenn es aus dieser -Wirklichkeit entspringt. Er beachtete nicht, daß das Zurückziehen des -Philosophen von der Wirklichkeit nur geschehen kann, damit die entfernt -von dem Leben entstandenen philosophischen Gedanken dann dem Leben -um so besser dienen können. Wenn der Philosoph den Grundinstinkt, -der nur ihm als Philosophen förderlich ist, der ganzen Menschheit -aufdrängen will, dann wird er zu einem Feinde des Lebens. - -Der Philosoph, der die Weltflucht nicht als Mittel betrachtet, um -weltfreundliche Gedanken zu schaffen, sondern als Zweck, als Ziel, -kann nur Wertloses schaffen. Der wahre Philosoph flieht auf der einen -Seite die Wirklichkeit nur, um sich auf der anderen um so tiefer in -sie einzubohren. Aber es ist begreiflich, daß dieser Grundinstinkt -den Philosophen leicht dazu verführen kann, die Weltflucht als solche -für wertvoll zu halten. Dann wird der Philosoph zu einem Anwalt der -Weltverneinung. Er lehrt Abkehr vom Leben, asketisches Ideal. Er -findet: "Ein gewisser Asketismus ..... eine harte und heitere -Entsagsamkeit besten Willens gehört zu den günstigen Bedingungen -höchster Geistigkeit, insgleichen auch zu deren natürlichsten Folgen: -so wird es von vornherein nicht Wunder nehmen, wenn das asketische -Ideal gerade von den Philosophen nie ohne einige Voreingenommenheit -behandelt worden ist." (Genealogie der Moral, 3. Abteilung § 8.) - - - - -17. - -Einen andern Ursprung haben die asketischen Ideale der Priester. Was -bei dem Philosophen durch das Überwuchern eines bei ihm berechtigten -Triebes entsteht, das bildet das Grundideal des priesterlichen -Wirkens. Der Priester sieht in der Hingabe des Menschen an das -wirkliche Leben einen Irrtum; er verlangt, daß man dieses Leben -gering achte gegenüber einem andern Leben, das von höheren als -bloß natürlichen Kräften gelenkt wird. Der Priester leugnet, daß das -wirkliche Leben einen Sinn in sich selbst habe, und er fordert, daß ihm -dieser Sinn verliehen werde durch Einimpfung eines höheren Willens. Er -sieht das Leben in der Zeitlichkeit als unvollkommen an und stellt ihm -ein ewiges, vollkommenes Leben gegenüber. Abkehr von der Zeitlichkeit -und Einkehr in das Ewige, Unwandelbare lehrt der Priester. Ich möchte -als besonders bezeichnend für die priesterliche Denkweise einige Sätze -aus dem berühmten Buche "Die deutsche Theologie" anführen, das aus -dem 14. Jahrhundert stammt und von dem Luther sagt, daß er aus keinem -Buche, die Bibel und den heiligen Augustin ausgenommen, mehr gelernt -habe, was Gott, Christus und der Mensch sei, als aus diesem. Auch -Schopenhauer findet, daß der Geist des Christentums in diesem Buche -vollkommen und kräftig ausgesprochen ist. Nachdem der Verfasser, der -uns unbekannt ist, auseinander gesetzt hat, daß alle Dinge der Welt -nur ein Unvollkommenes und Geteiltes seien gegenüber dem Vollkommenen, -"das in sich und in seinem Wesen alle Wesen begriffen und beschlossen -hat, und ohne das und außer dem kein wahres Wesen ist und in dem -alle Dinge ihr Wesen haben", führt er aus, daß der Mensch in dieses -Wesen nur eindringen kann, wenn er "Kreatürlichkeit, Geschaffenheit, -Ichheit, Selbstheit und dergleichen alles verloren" und in sich zu -nichte gemacht hat. Was von dem Vollkommenen ausgeflossen ist und was -der Mensch als seine wirkliche Welt erkennt, das wird folgendermaßen -charakterisiert: "Das ist kein wahres Wesen und hat kein Wesen anders -denn in dem Vollkommenen, sondern es ist ein Zufall oder ein Glanz -und ein Schein, der kein Wesen ist oder kein Wesen hat anders als -in dem Feuer, wo der Glanz ausfließt, oder in der Sonne, oder in dem -Lichte. Die Schrift spricht und der Glaube und die Wahrheit: Sünde sei -nichts anderes, denn daß sich die Kreatur abkehrt von dem unwandelbaren -Gute und kehret sich zu dem wandelbaren, das ist: daß sie sich kehrt -von dem Vollkommenen zu dem Geteilten und Unvollkommenen und allermeist -zu sich selber. Nun merke. Wenn sich die Kreatur etwas Gutes annimmt, -als Wesens, Lebens, Wissens, Erkennens, Vermögens und kürzlich alles -dessen, was man gut nennen soll, und meint, daß sie das sei oder daß -es das Ihre sei oder ihr zugehöre oder daß es von ihr sei: so oft -und viel dabei geschieht, so kehrt sie sich ab. Was that der Teufel -anders oder was war sein Fall und Abkehren anders, als daß er sich -annahm, er wäre auch etwas und etwas wäre sein und ihm gehörte auch -etwas zu? Dies Annehmen und sein Ich und sein Mich, sein Mir und sein -Mein, das war sein Abkehren und sein Fall. Also ist es noch .... Denn -alles das, was man für gut hält oder gut nennen soll, das gehört -niemand zu, denn allein dem ewigen wahren Gut, der Gott allein ist, -und wer sich dessen annimmt, der thut Unrecht und wider Gott". (1., -2., 4. Kap. der deutsch. Theol., 3. Aufl., übersetzt von Pfeiffer.) - -Diese Sätze sprechen die Gesinnung jedes Priesters aus. Sie -sprechen den eigentlichen Charakter der Priesterlichkeit aus. Und -dieser Charakter ist das Gegenteil desjenigen, den Nietzsche als den -höherwertigen, den lebenswürdigen bezeichnet. Der höherwertige Typus -Mensch will alles, was er ist, nur durch sich sein; er will, daß alles, -was er für gut hält und gut nennt, niemand zugehört, denn ihm selbst. - -Aber jene minderwertige Gesinnung ist kein Ausnahmefall. Sie "ist eine -der breitesten und längsten Thatsachen, die es giebt. Von einem fernen -Gestirn aus gelesen, würde vielleicht die Majuskelschrift unseres -Erdendaseins zu dem Schluß verführen, die Erde sei der eigentlich -asketische Stern, ein Winkel mißvergnügter, hochmütiger und widriger -Geschöpfe, die einen tiefen Verdruß an sich, an der Erde, an allem -Leben gar nicht los würden." (Genealogie der Moral, 3. Abteilung § -11.) Der asketische Priester ist deshalb eine Notwendigkeit, weil die -Mehrzahl der Menschen an einer "Hemmung und Ermüdung" der Lebenskräfte -leidet, weil sie an der Wirklichkeit leidet. Der asketische Priester -ist der Tröster und Arzt derjenigen, die am Leben leiden. Er tröstet -sie dadurch, daß er ihnen sagt: dieses Leben, an dem ihr leidet, -ist nicht das wahre Leben; das wahre Leben ist denjenigen, die an -diesem Leben leiden, viel leichter erreichbar als den Gesunden, die -an diesem Leben hängen und sich ihm hingeben. Durch solche Aussprüche -züchtet der Priester die Verachtung, die Verleumdung dieses wirklichen -Lebens. Er bringt endlich die Gesinnung hervor, die sagt: um das wahre -Leben zu erreichen, muß dieses wirkliche Leben verneint werden. In -der Verbreitung dieser Gesinnung sucht der asketische Priester -seine Stärke. Er beseitigt durch die Züchtung dieser Gesinnung eine -große Gefahr, die den Gesunden, Starken, Selbstbewußten von den -Verunglückten, Niedergeworfenen, Zerbrochenen droht. Die letzteren -hassen die Gesunden und die leiblich und seelisch Glücklichen, -die ihre Kräfte aus der Natur nehmen. Diesen Haß, der sich dadurch -äußern müßte, daß die Schwachen gegen die Starken einen fortwährenden -Vernichtungskrieg führten, sucht der Priester niederzuhalten. Er -stellt deshalb die Starken als diejenigen hin, die ein wertloses, -menschenunwürdiges Leben führen und behauptet dagegen, daß das wahre -Leben allein denen erreichbar ist, die von dem Erdenleben geschädigt -werden. "Der asketische Priester muß uns als der vorherbestimmte -Heiland, Hirt und Anwalt der kranken Herde gelten: damit erst -verstehen wir seine ungeheure historische Mission. Die Herrschaft -über Leidende ist sein Reich, auf sie weist ihn sein Instinkt an, -in ihr hat er seine eigenste Kunst, seine Meisterschaft, seine Art -von Glück." (Genealogie, 3. Abth. § 15.) - -Es ist kein Wunder, wenn eine solche Denkweise endlich dazu führt, -daß ihre Anhänger nicht nur das Leben verachten, sondern geradezu -auf seine Zerstörung hinarbeiten. Wenn den Menschen gesagt wird, -nur der Leidende, der Schwache kann wirklich zu einem höheren -Leben kommen, so wird endlich das Leiden, die Schwäche gesucht -werden. Sich selbst Schmerz zuzufügen, den Willen in sich ganz -ertöten, das wird Ziel des Lebens werden. Die Opfer dieser Gesinnung -sind die Heiligen. "Völlige Keuschheit und Entsagung aller Wollust -für den, welcher eigentliche Heiligkeit anstrebt; Wegwerfung alles -Eigentums, Verlassung jedes Wohnortes, aller Angehörigen, tiefe, -gänzliche Einsamkeit, zugebracht in stillschweigender Betrachtung, -mit freiwilliger Buße und schrecklicher langsamer Selbstpeinigung, -zur gänzlichen Mortifikation des Willens, welche zuletzt bis zum -freiwilligen Tode geht durch Hunger, auch durch Entgegengehen -den Krokodilen, durch Herabstürzen vom geheiligten Felsengipfel im -Himalaya, durch Lebendigbegrabenwerden, auch durch Hinwerfung unter die -Räder des unter Gesang, Jubel und Tanz der Bajaderen die Götterbilder -umfahrenden Wagens", dies sind die letzten Früchte der asketischen -Gesinnung. (Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung § 68.) - -Diese Denkweise ist dem Leiden am Leben entsprungen, und sie richtet -ihre Waffen gegen das Leben. Wenn der Gesunde, Lebensfrohe von -ihr angesteckt wird, dann tilgt sie bei ihm die gesunden, starken -Instinkte aus. Nietzsches Werk gipfelt darinnen, dieser Lehre -gegenüber etwas anderes geltend zu machen, eine Ansicht für Gesunde, -Wohlgeratene. Mögen die Mißratenen, Verdorbenen in der Lehre der -asketischen Priester ihr Heil suchen; die Gesunden will Nietzsche -um sich sammeln und ihnen eine Meinung sagen, die ihnen besser zu -Gesichte steht, als jedes lebensfeindliche Ideal. - - - - -18. - -Auch in den Pflegern der modernen Wissenschaft steckt noch das -asketische Ideal. Zwar rühmt sich diese Wissenschaft, alle alten -Glaubensvorstellungen über Bord geworfen zu haben und sich nur -an die Wirklichkeit zu halten. Sie will nichts gelten lassen, was -sich nicht zählen, berechnen, wägen, sehen und greifen läßt. Daß -man auf diese Weise "das Dasein zu einer Rechenknechtsübung und -Stubenhockerei für Mathematiker" herabwürdigt, ist den modernen -Gelehrten gleichgültig. (Fröhliche Wissenschaft § 373.) Ein Recht, -die vor seinen Sinnen und seiner Vernunft vorüberziehenden Vorkommnisse -der Welt zu interpretieren, sodaß er sie mit seinem Denken beherrschen -kann, schreibt sich ein solcher Gelehrter nicht zu. Er sagt: die -Wahrheit muß von meiner Interpretationskunst unabhängig sein, und ich -habe die Wahrheit nicht zu schaffen, sondern ich muß sie mir von den -Erscheinungen der Welt diktieren lassen. - -Wozu diese moderne Wissenschaft zuletzt gelangt, wenn sie sich alles -Zurechtlegens der Welterscheinungen enthält, das hat ein Anhänger -dieser Wissenschaft (Richard Wahle) in einem soeben erschienenen Buche -("Das Ganze der Philosophie und ihr Ende") ausgesprochen: "Was könnte -der Geist, der in das Weltgehäuse spähend und in sich die Fragen -nach dem Wesen und dem Ziele des Geschehens herumwälzte, endlich als -Antwort finden? Es ist ihm widerfahren, daß er, wie er so scheinbar -im Gegensatze zur umgebenden Welt dastand, sich auflöste und in einer -Flucht von Vorkommnissen mit allen Vorkommnissen zusammenfloß. Er -"wußte" nicht mehr die Welt; er sagte, ich bin nicht sicher, daß -Wissende da sind, sondern Vorkommnisse sind da schlechthin. Sie kommen -freilich in solcher Weise, daß der Begriff eines Wissens vorschnell, -ungerechtfertigt entstehen konnte .... Und "Begriffe" huschten empor, -um Licht in die Vorkommnisse zu bringen, aber es waren Irrlichter, -Seelen der Wünsche nach Wissen, erbärmliche, in ihrer Evidenz -nichtssagende Postulate einer unausgefüllten Wissensform. Unbekannte -Faktoren müssen im Wechsel walten. Über ihre Natur war Dunkel -gebreitet. Vorkommnisse sind der Schleier des Wahrhaften." - -Daß die menschliche Persönlichkeit in die Vorkommnisse der Wirklichkeit -einen Sinn hineinlegen könne und die unbekannten Faktoren, die im -Wechsel der Ereignisse walten, aus eigenem Vermögen ergänzen könne, -daran denken die modernen Gelehrten nicht. Sie wollen nicht die -Flucht der Erscheinungen durch die Ideen interpretieren, die aus ihrer -Persönlichkeit stammen. Sie wollen die Erscheinungen bloß beobachten -und beschreiben, aber nicht deuten. Sie wollen bei dem Thatsächlichen -stehen bleiben und es der schöpferischen Phantasie nicht gestatten, -sich ein in sich gegliedertes Bild von der Wirklichkeit zu machen. - -Wenn ein phantasievoller Naturforscher, wie z. B. Ernst Haeckel, -aus den Ergebnissen einzelner Beobachtungen ein Gesamtbild -der Entwickelung des organischen Lebens auf der Erde entwirft, -dann fallen diese Fanatiker der Thatsächlichkeit über ihn her und -zeihen ihn der Versündigung an der Wahrheit. Die Bilder, die er von -dem Leben in der Natur entwirft, können sie nicht mit Augen sehen, -oder mit Händen greifen. Ihnen ist das unpersönliche Urteil lieber, -als das durch den Geist der Persönlichkeit gefärbte. Sie möchten bei -ihren Beobachtungen am liebsten die Persönlichkeit ganz ausschalten. - -Es ist das asketische Ideal, das die Fanatiker der Thatsächlichkeit -beherrscht. Sie wollen eine Wahrheit jenseits des persönlichen, -individuellen Urteiles. Was der Mensch in die Dinge -"hineinphantasieren" kann, bekümmert sie nicht; die "Wahrheit" -ist ihnen etwas absolut Vollkommenes, ein Gott; der Mensch soll sie -entdecken, sich ihr ergeben, aber sie nicht schaffen. Die Naturforscher -und die Geschichtschreiber sind gegenwärtig von dem gleichen Geiste -des asketischen Ideals beseelt. Überall Aufzählen, Beschreiben von -Thatsachen, und nichts darüber. Jedes Zurechtlegen der Thatsachen -ist verpönt. Alles persönliche Urteilen soll unterbleiben. - -Unter diesen modernen Gelehrten finden sich auch Atheisten. Diese -Atheisten sind aber keine freieren Geister als ihre Zeitgenossen, -die an Gott glauben. Mit den Mitteln der modernen Wissenschaft -läßt sich das Dasein Gottes nicht beweisen. Hat sich doch eine der -Leuchten moderner Wissenschaft (Du Bois-Reymond) über die Annahme -einer "Weltseele" also geäußert: bevor der Naturforscher sich zu -einer solchen Annahme entschließt, verlangt er, "daß ihm irgendwo in -der Welt, in Neuroglia gebettet und mit warmem arteriellen Blut unter -richtigem Druck gespeist, ein dem geistigen Vermögen solcher Seele an -Umfang entsprechendes Konvolut von Ganglienzellen und Nervenfasern -gezeigt" werde (Grenzen des Naturerkennens S. 44). Die moderne -Wissenschaft lehnt den Glauben an Gott ab, weil dieser Glaube neben -dem Glauben an die "objektive Wahrheit" nicht bestehen kann. Diese -"objektive Wahrheit" ist aber nichts anderes als ein neuer Gott, -der über den alten gesiegt hat. "Der unbedingte redliche Atheismus -(und seine Luft allein atmen wir, wir geistigeren Menschen dieses -Zeitalters!) steht nicht im Gegensatz zu jenem (asketischen) -Ideale, wie es den Anschein hat; er ist vielmehr nur eine seiner -letzten Entwickelungsphasen, eine seiner Schlußformen und inneren -Folgerichtigkeiten, er ist die Ehrfurcht gebietende Katastrophe einer -zweitausendjährigen Zucht zur Wahrheit, welche am Schlusse sich die -Lüge im Glauben an Gott verbietet." (Genealogie, 3. Abteilung § -27.) Der Christ sucht die Wahrheit in Gott, weil er Gott für den -Quell aller Wahrheit hält; der moderne Atheist lehnt den Glauben an -Gott ab, weil ihm sein Gott, sein Ideal von Wahrheit diesen Glauben -verbietet. Der moderne Geist sieht in Gott eine menschliche Schöpfung; -in der "Wahrheit" sieht er etwas, was ohne alles menschliche Zuthun -durch sich selbst besteht. Der wirklich "freie Geist" geht noch -weiter. Er fragt: "Was bedeutet aller Wille zur Wahrheit?" Wozu -Wahrheit? Alle Wahrheit entsteht doch dadurch, daß der Mensch -über die Erscheinungen der Welt nachdenkt, sich Gedanken über die -Dinge bildet. Der Mensch selbst ist der Schöpfer der Wahrheit. Der -"freie Geist" kommt zum Bewußtsein seines Schaffens der Wahrheit. Er -betrachtet die Wahrheit nicht mehr als etwas, dem er sich unterordnet; -er betrachtet sie als sein Geschöpf. - - - - -19. - -Die mit schwachen, mißratenen Erkenntnisinstinkten ausgestatteten -Menschen wagen es nicht, aus der Begriffe bildenden Macht -ihrer Persönlichkeit heraus den Welterscheinungen einen Sinn -unterzulegen. Sie wollen, daß ihnen die "Gesetzmäßigkeit der Natur" -als Thatbestand vor die Sinne trete. Ein subjektives, der Einrichtung -des menschlichen Geistes gemäß geformtes Weltbild scheint ihnen -wertlos. Aber die bloße Beobachtung der Vorkommnisse in der Welt -liefert uns nur ein zusammenhangloses und doch nicht in Einzelheiten -gesondertes Weltbild. Dem bloßen Beobachter der Dinge erscheint -kein Gegenstand, kein Geschehnis wichtiger, bedeutungsvoller als -das andere. Das rudimentäre Organ eines Organismus, das vielleicht -dann, wenn wir darüber nachgedacht haben, ohne alle Bedeutung für -die Entwickelung des Lebens erscheint, steht gerade mit demselben -Anspruch auf Beachtung da, wie der edelste Teil des Organismus, -so lange wir bloß den objektiven Thatbestand beschauen. Ursache -und Wirkung sind aufeinanderfolgende Erscheinungen, die ineinander -überfließen, ohne durch etwas getrennt zu sein, so lange wir sie bloß -beobachten. Erst wenn wir mit unserem Denken einsetzen, die ineinander -fließenden Erscheinungen sondern und gedanklich aufeinander beziehen, -wird ein gesetzmäßiger Zusammenhang sichtbar. Erst das Denken erklärt -die eine Erscheinung für die Ursache, die andere für die Wirkung. Wir -sehen einen Regentropfen auf den Erdboden fallen und eine Vertiefung -hervorrufen. Ein Wesen, das nicht denken kann, wird hier nicht -Ursache und Wirkung sehen, sondern nur eine Aufeinanderfolge von -Erscheinungen. Ein denkendes Wesen isoliert die Erscheinungen, -bringt die isolierten Fakten in ein Verhältnis und bezeichnet -das eine Faktum als Ursache, das andere als Wirkung. Durch die -Beobachtung wird der Intellekt angeregt, Gedanken zu produzieren -und diese mit den beobachteten Thatsachen zu einem gedankenvollen -Weltbilde zu verschmelzen. Der Mensch thut dies, weil er die Summe der -Beobachtungen gedanklich beherrschen will. Ein ihm gegenüberstehendes -Gedankenleeres drückt auf ihn wie eine unbekannte Macht. Er widersetzt -sich dieser Macht, überwindet sie, indem er sie denkbar macht. Auch -alles Zählen, Wägen und Berechnen der Erscheinungen geschieht -aus demselben Grunde. Es ist der Wille zur Macht, der sich in dem -Erkenntnistriebe auslebt. (Ich habe den Erkenntnisprozeß im einzelnen -dargestellt in meinen beiden Schriften: "Wahrheit und Wissenschaft" -und "Die Philosophie der Freiheit".) - -Der stumpfe, schwache Intellekt will sich nicht eingestehen, daß -er es selbst ist, der als Äußerung seines Strebens nach Macht die -Erscheinungen interpretiert. Er hält auch seine Interpretation -für einen Thatbestand. Und er fragt: wie der Mensch dazu kommt, -einen solchen Thatbestand in der Wirklichkeit zu finden. Er fragt -z. B.: wie kommt es, daß der Intellekt in zwei aufeinander folgenden -Erscheinungen Ursache und Wirkung anerkennt? Alle Erkenntnistheoretiker -von Locke, Hume, Kant bis auf die Gegenwart haben sich mit dieser Frage -beschäftigt. Die Spitzfindigkeiten, die sie auf diese Untersuchung -verwendet haben, sind unfruchtbar geblieben. Die Erklärung ist gegeben -in dem Streben des menschlichen Intellekts nach Macht. Die Frage ist -gar nicht: sind Urteile, Gedanken über die Erscheinungen möglich, -sondern: hat der menschliche Intellekt solche Urteile nötig? Weil er -sie nötig hat, deshalb wendet er sie an, und nicht weil sie möglich -sind. Es kommt darauf an, "zu begreifen, daß zum Zweck der Erhaltung -von Wesen unserer Art solche Urteile als wahr geglaubt werden müssen; -weshalb sie natürlich noch falsche Urteile sein könnten!" (Jenseits -von Gut und Böse § 11.) "Und wir sind grundsätzlich geneigt, zu -behaupten, daß die falschesten Urteile uns die unentbehrlichsten -sind, daß ohne ein Geltenlassen der logischen Fiktionen, ohne ein -Messen der Wirklichkeit an der rein erfundenen Welt des Unbedingten, -Sich-selbst-Gleichen, ohne eine beständige Fälschung der Welt durch -die Zahl der Mensch nicht leben könnte, -- daß Verzichtleisten auf -falsche Urteile ein Verzichtleisten auf Leben, eine Verneinung des -Lebens wäre." (Ebenda § 4.) Wem dieser Ausspruch paradox erscheint, -der besinne sich darauf, wie fruchtbar die Anwendung der Geometrie -auf die Wirklichkeit ist, obgleich es nirgends in der Welt wirklich -geometrisch regelmäßige Linien, Flächen u. s. w. giebt. - -Wenn der stumpfe, schwache Intellekt einsieht, daß alle Urteile -über die Dinge aus ihm selbst stammen, durch ihn produziert und mit -den Beobachtungen verschmolzen werden, dann hat er nicht den Mut, -diese Urteile rückhaltslos anzuwenden. Er sagt: Urteile solcher -Art können uns keine Erkenntnis von dem "wahren Wesen" der Dinge -vermitteln. Dieses "wahre Wesen" bleibt daher unserer Erkenntnis -verschlossen. - -Noch in einer anderen Art sucht der schwache Intellekt zu beweisen, -daß durch das menschliche Erkennen kein Feststehendes gewonnen -werden kann. Er sagt: Der Mensch sieht, hört, tastet die Dinge -und Vorgänge. Was er dabei wahrnimmt, sind Eindrücke auf seine -Sinnesorgane. Wenn er eine Farbe, einen Ton wahrnimmt, so kann er nur -sagen: mein Auge, mein Ohr werden in einer gewissen Art bestimmt, -Farbe, Ton wahrzunehmen. Nicht etwas außer ihm nimmt der Mensch -wahr, sondern nur eine Bestimmung, eine Modifikation seiner eigenen -Organe. In der Wahrnehmung werden das Auge, das Ohr u. s. w. dazu -veranlaßt, in einer gewissen Weise zu empfinden; sie werden in -einen bestimmten Zustand versetzt. Diese Zustände seiner eigenen -Organe nimmt der Mensch als Farben, Töne, Gerüche u. s. w. wahr. In -aller Wahrnehmung nimmt der Mensch nur seine eigenen Zustände -wahr. Was er Außenwelt nennt, ist nur aus diesen seinen Zuständen -zusammengesetzt; ist also im eigentlichen Sinne sein Werk. Die Dinge, -die ihn veranlassen, aus sich heraus die Außenwelt zu spinnen, kennt -er nicht; nur ihre Wirkungen auf seine Organe. Einem von dem Menschen -geträumten Traume gleich, der durch ein Unbekanntes veranlaßt wird, -erscheint die Welt in dieser Beleuchtung. - -Wenn dieser Gedanke konsequent zu Ende gedacht wird, so zieht -er folgenden Nachsatz nach sich. Auch seine Organe kennt der -Mensch nur, insofern er sie wahrnimmt; sie sind Glieder in -seiner Wahrnehmungswelt. Und seines eigenen Selbst wird sich -der Mensch nur bewußt, insofern er die Bilder der Welt aus sich -herausspinnt. Traumbilder nimmt er wahr und inmitten dieser Traumbilder -ein "Ich", an dem diese Traumbilder vorüberziehen. Jedes Traumbild -erscheint in Begleitung dieses "Ich". Man kann auch sagen: jedes -Traumbild erscheint inmitten der Traumwelt immer in Beziehung auf -dieses "Ich". Dieses "Ich" haftet als Bestimmung, als Eigenschaft -an den Traumbildern. Es ist somit, als Bestimmung von Traumbildern, -selbst ein Traumhaftes. J. G. Fichte faßt diese Ansicht in die Worte -zusammen: "Was durch das Wissen und aus dem Wissen entsteht, ist nur -ein Wissen. Alles Wissen aber ist nur Abbildung, und es wird in ihm -immer etwas gefordert, das dem Bilde entspreche. Diese Forderung kann -durch kein Wissen befriedigt werden; und ein System des Wissens ist -notwendig ein System bloßer Bilder, ohne alle Realität, Bedeutung -und Zweck." "Alle Realität" ist für Fichte ein wunderbarer "Traum, -ohne ein Leben, von welchem geträumt wird, und ohne einen Geist, -dem da träumt"; ein Traum, "der in einem Traume von sich selbst -zusammenhängt". (Bestimmung des Menschen, 2. Buch.) - -Was hat diese ganze Gedankenkette für eine Bedeutung? Ein schwacher -Intellekt, der sich nicht unterfangen will, der Welt aus sich -heraus einen Sinn zu geben, sucht diesen Sinn in der Welt der -Beobachtungen. Er kann ihn da natürlich nicht finden, weil die bloße -Beobachtung gedankenleer ist. - -Der starke, produktive Intellekt verwendet seine Begriffswelt dazu, -die Beobachtungen zu deuten; der schwache, unproduktive Intellekt -erklärt sich selbst für zu ohnmächtig, um das zu thun und sagt: -ich kann in den Erscheinungen der Welt keinen Sinn finden; sie sind -bloße Bilder, die an mir vorüberziehen. Der Sinn des Daseins muß -außerhalb, jenseits der Erscheinungswelt gesucht werden. Dadurch -wird die Erscheinungswelt, d. h. die menschliche Wirklichkeit für -einen Traum, eine Täuschung, ein Nichts erklärt und das "wahre Wesen" -der Erscheinungen wird in einem "Ding an sich" gesucht, bis zu dem -keine Beobachtung, kein Erkennen reicht, d. h. von dem sich der -Erkennende keine Vorstellung machen kann. Dieses "wahre Wesen" ist -also für den Erkennenden ein völlig leerer Gedanke, der Gedanke an ein -Nichts. Traum ist bei jenen Philosophen, die von dem "Ding an sich" -sprechen, die Erscheinungswelt; Nichts ist aber das, was sie als das -"wahre Wesen" dieser Erscheinungswelt ansehen. Die ganze philosophische -Bewegung, die von dem "Ding an sich" spricht und die in der neueren -Zeit sich namentlich auf Kant stützt, ist der Glaube an das Nichts, -ist philosophischer Nihilismus. - - - - -20. - -Wenn der starke Geist nach der Ursache eines menschlichen Handelns -und Vollbringens sucht, so findet er diese immer in dem Willen -zur Macht der einzelnen Persönlichkeit. Der Mensch mit schwachem, -mutlosem Intellekt will dies aber nicht zugeben. Er fühlt sich nicht -kräftig genug, sich zum Herrn und Richtunggeber seines Handelns zu -machen. Er deutet die Triebe, die ihn lenken, als Gebote einer fremden -Macht. Er sagt nicht: ich handle, wie ich will; sondern er sagt: ich -handle gemäß einem Gebote, wie ich soll. Er will sich nicht befehlen, -er will gehorchen. Auf der einen Stufe der Entwickelung sehen die -Menschen ihre Antriebe zum Handeln als Gebote Gottes an, auf einer -andern Stufe glauben sie in ihrem Innern eine Stimme zu vernehmen, -die ihnen gebietet. Sie wagen es im letztern Falle nicht, zu sagen: -ich bin es selbst, der da befiehlt; sie behaupten: in mir spricht -ein höherer Wille sich aus. Daß sein Gewissen ihm in jedem einzelnen -Falle sagt, wie er handeln soll, ist die Meinung des einen; daß ein -kategorischer Imperativ ihm befiehlt, behauptet ein anderer. Hören wir, -was J. G. Fichte sagt: "Es soll schlechthin etwas geschehen, weil es -nun einmal geschehen soll: dasjenige, was das Gewissen nun eben von -mir .... fordert; daß es geschehe, dazu, lediglich dazu bin ich da; -um es zu erkennen, habe ich Verstand; um es zu vollbringen, habe ich -Kraft." ("Bestimmung des Menschen", 3. Buch.) Ich führe mit Vorliebe -J. G. Fichtes Aussprüche an, weil er mit eiserner Konsequenz die -Meinung der "Schwachen und Mißratenen" bis ans Ende gedacht hat. Wozu -diese Meinungen zuletzt führen, kann man nur erkennen, wenn man sie da -aufsucht, wo sie zu Ende gedacht worden sind; auf die Halben, die jeden -Gedanken nur bis in seine Mitte denken, kann man sich nicht stützen. - -Nicht in der Einzelpersönlichkeit wird von denen, die in der -angedeuteten Weise denken, der Quell des Wissens gesucht; sondern -jenseits dieser Persönlichkeit in einem "Willen an sich". Eben -dieser "Wille an sich" soll als "Stimme Gottes" oder "als Stimme -des Gewissens", "kategorischer Imperativ" u. s. w. zu dem Einzelnen -sprechen. Er soll der universelle Lenker des menschlichen Handelns und -der Urquell der Sittlichkeit sein und auch die Zwecke des sittlichen -Handelns bestimmen. "Ich sage, das Gebot des Handelns selbst ist es, -welches durch sich selbst mir einen Zweck setzt: dasselbe in mir, -was mich nötigt, zu denken, daß ich so handeln solle, nötigt mich, -zu glauben, daß aus diesem Handeln etwas erfolgen werde; es eröffnet -dem Auge die Aussicht auf eine andere Welt." "Wie ich im Gehorsam -lebe, lebe ich zugleich in der Anschauung seines Zweckes, lebe ich -in der besseren Welt, die er mir verheißt." (Fichte, Die Bestimmung -des Menschen, 3. Buch.) Der also Denkende will sich nicht selbst sein -Ziel setzen; er will von dem höheren Willen, dem er gehorcht, sich zu -einem Ziele führen lassen. Er will sich seines Eigenwillens entledigen -und sich zum Werkzeug "höherer" Zwecke machen. In Worten, die zu den -schönsten Erzeugnissen des Sinnes für Gehorsam und Demut gehören, -die mir bekannt sind, schildert Fichte die Hingabe an den "ewigen -Willen an sich". "Erhabener lebendiger Wille, den kein Name nennt, -und kein Begriff umfaßt, wohl darf ich mein Gemüt zu dir erheben; -denn du und ich sind nicht getrennt. Deine Stimme ertönt in mir, die -meinige tönt in dir wieder; und alle meine Gedanken, wenn sie nur wahr -und gut sind, sind in dir gedacht. -- In dir, dem Unbegreiflichen, -werde ich mir selbst, und wird mir die Welt vollkommen begreiflich, -alle Rätsel meines Daseins werden gelöst, und die vollendetste Harmonie -entsteht in meinem Geiste." "Ich verhülle vor dir mein Angesicht, -und lege die Hand auf den Mund. Wie du für dich selbst bist, und dir -selbst erscheinst, kann ich nie einsehen, so gewiß ich nie du selbst -werden kann. Nach tausendmal tausend durchlebten Geisterleben werde -ich dich noch eben so wenig begreifen als jetzt, in dieser Hülle von -Erde." (Bestimmung des Menschen, 3. Buch.) - -Wohin dieser Wille den Menschen zuletzt führen will, das kann der -Einzelne nicht wissen. Wer an diesen Willen glaubt, gesteht also damit, -daß er über die Endzwecke seines Handelns nichts weiß. Die Ziele, die -sich der Einzelne schafft, sind aber für einen solchen Gläubigen eines -höheren Willens keine "wahren" Ziele. Er setzt somit an die Stelle der -durch das Individuum geschaffenen positiven Einzelziele einen Endzweck -der ganzen Menschheit, dessen Gedankeninhalt aber ein Nichts ist. Ein -solcher Gläubiger ist moralischer Nihilist. Er ist in der schlimmsten -Art von Unwissenheit befangen, die sich erdenken läßt. Nietzsche wollte -diese Art von Unwissenheit in einem besonderen Buche seines unvollendet -gebliebenen Werkes "der Wille zur Macht" behandeln. (Vgl. Anhang zu -Bd. VIII. der Gesamtausgabe von Nietzsches Werken.) - -Die Lobpreisung des moralischen Nihilismus finden wir wieder -in Fichtes "Bestimmung des Menschen" (3. Buch): "Ich will nicht -versuchen, was mir durch das Wesen der Endlichkeit versagt ist, -und was mir zu nichts nützen würde; wie du an dir selbst bist, will -ich nicht wissen. Aber deine Beziehungen und Verhältnisse zu mir, -dem Endlichen, und zu allem Endlichen, liegen offen vor meinem Auge: -werde ich, was ich sein soll! -- und sie umgeben mich in hellerer -Klarheit, als das Bewußtsein meines eignen Daseins. Du wirkest in mir -die Erkenntnis von meiner Pflicht, von meiner Bestimmung in der Reihe -der vernünftigen Wesen; wie, das weiß ich nicht, noch bedarf ich es zu -wissen. Du weißt und erkennst, was ich denke und will; wie du wissen -kannst, -- durch welchen Akt du dieses Bewußtsein zu stande bringst, -darüber verstehe ich nichts; ja ich weiß sogar sehr wohl, daß der -Begriff eines Akts, und eines besonderen Akts des Bewußtseins nur -von mir gilt, nicht aber von dir, dem Unendlichen. Du willst, denn du -willst, daß mein freier Gehorsam Folgen habe in alle Ewigkeit; den Akt -deines Willens begreife ich nicht; und weiß nur soviel, daß er nicht -ähnlich ist dem meinigen. Du thust, und dein Wille selbst ist That; -aber deine Wirkungsweise ist der, die ich allein zu denken vermag, -geradezu entgegengesetzt. Du lebest und bist, denn du weißt, willst -und wirkest, allgegenwärtig der endlichen Vernunft; aber du bist nicht, -wie ich alle Ewigkeiten hindurch allein ein Sein werde denken können." - -Dem moralischen Nihilismus stellt Nietzsche die Ziele gegenüber, -die der schaffende Einzelwille sich setzt. Den Lehrern der Ergebung -ruft Zarathustra zu: - -"Diese Lehrer der Ergebung. Überall hin, wo es klein und krank und -grindig ist, kriechen sie hin, gleich Läusen; und nur mein Ekel -hindert mich, sie zu knacken. - -"Wohlan! Dies ist meine Predigt für ihre Ohren: ich bin Zarathustra, -der Gottlose, der da spricht: 'wer ist gottloser denn ich, daß ich -mich seiner Unterweisung freue?' - -"Ich bin Zarathustra, der Gottlose: wo finde ich meinesgleichen? Und -alle die sind meinesgleichen, die sich selber ihren Willen geben und -alle Ergebung von sich abthun." - - - - -21. - -Die starke Persönlichkeit, die Ziele schafft, ist rücksichtslos in der -Ausführung derselben. Die schwache Persönlichkeit dagegen führt nur -das aus, wozu der Wille Gottes oder die "Stimme des Gewissens" oder der -"kategorische Imperativ" Ja sagt. Was diesem Ja entspricht, bezeichnet -der Schwache als gut, was diesem Ja zuwider ist als böse. Der Starke -kann dieses "gut und bös" nicht anerkennen; denn er erkennt diejenige -Macht nicht an, von der sich der Schwache sein Gutes und Böses -bestimmen läßt. Was er, der Starke, will, ist für ihn gut; er führt es -durch gegen alle widerstrebenden Mächte. Was ihn in dieser Durchführung -stört, das sucht er zu überwinden. Er glaubt nicht, daß ein "ewiger -Weltwille" alle einzelnen Willensentschlüsse zu einer großen Harmonie -lenkt; aber er ist der Ansicht, daß alle menschliche Entwickelung aus -den Willensimpulsen der Einzelpersönlichkeiten sich ergiebt, und daß -ein ewiger Krieg besteht zwischen den einzelnen Willensäußerungen, -in dem immer der stärkere Wille über den schwächeren siegt. - -Von den Schwachen und Mutlosen wird die starke Persönlichkeit, -die sich selbst Gesetz und Zweck geben will, als böse, als sündhaft -bezeichnet. Sie erregt Furcht, denn sie durchbricht die hergebrachten -Ordnungen; sie nennt wertlos, was die Schwachen gewohnt sind, -wertvoll zu nennen, und sie erfindet Neues, vor ihr Unbekanntes, -das sie als wertvoll bezeichnet. "Jede individuelle Handlung, jede -individuelle Denkweise erregt Schauder; es ist gar nicht auszurechnen, -was gerade die selteneren, ausgesuchteren, ursprünglicheren Geister -im ganzen Verlauf der Geschichte dadurch gelitten haben müssen, daß -sie immer als die bösen und gefährlichen empfunden wurden, ja daß sie -sich selber so empfanden. Unter der Herrschaft der Sittlichkeit hat -die Originalität jeder Art ein böses Gewissen bekommen; bis diesen -Augenblick ist der Himmel der Besten noch dadurch verdüsterter, -als er sein müßte." (Morgenröte § 9.) - -Der wahrhaft freie Geist faßt schlechthin erste Entschlüsse; der -unfreie entscheidet sich nach dem Herkommen. "Sittlichkeit ist nichts -anderes (also namentlich nicht mehr!), als Gehorsam gegen Sitten, -welcher Art diese auch sein mögen; Sitten aber sind die herkömmliche -Art zu handeln und abzuschätzen" (Morgenröte § 9). Dieses Herkommen -ist es, was von den Moralisten als "ewiger Wille", "kategorischer -Imperativ" gedeutet wird. Jedes Herkommen ist aber das Ergebnis der -naturgemäßen Triebe und Impulse einzelner Menschen, ganzer Stämme, -Völker u. s. w. Es ist ebenso das Produkt natürlicher Ursachen, -wie etwa die Witterungsverhältnisse einzelner Gegenden. Der freie -Geist erklärt sich durch dieses Herkommen nicht gebunden. Er hat -seine individuellen Triebe und Impulse, und diese sind nicht weniger -berechtigt als die der anderen. Er setzt diese Impulse in Handlungen -um, wie eine Wolke Regen auf die Erdoberfläche sendet, wenn die -Ursachen dazu vorhanden sind. Der freie Geist steht jenseits dessen, -was das Herkommen als gut und böse ansieht. Er schafft sich selbst -sein Gut und Böse. - -"Als ich zu den Menschen kam, da fand ich sie sitzen auf einem alten -Dünkel: Alle dünkten sich lange schon zu wissen, was dem Menschen -gut und böse sei. - -"Eine alte müde Sache dünkte ihnen alles Reden von Tugend; und wer -gut schlafen wollte, der sprach vor dem Schlafengehen noch von 'Gut -und Böse'. - -"Diese Schläferei störte ich auf, als ich lehrte: was gut und böse ist, -das weiß noch niemand -- es sei denn der Schaffende. - -"Das aber ist der, welcher des Menschen Ziel schafft und der Erde -ihren Sinn giebt und ihre Zukunft: dieser erst schafft es, daß etwas -gut und böse ist." (Zarathustra, 3. Teil, Von alten und neuen Tafeln.) - -Auch dann wenn der freie Geist handelt, wie es dem Herkommen gemäß -ist, dann thut er es, weil er die herkömmlichen Motive zu den seinigen -machen will, und weil er es in bestimmten Fällen nicht für nötig hält, -an die Stelle des Herkömmlichen etwas Neues zu setzen. - - - - -22. - -Der Starke sucht in der Durchsetzung seines schaffenden Selbst seine -Lebensaufgabe. Diese Selbstsucht unterscheidet ihn von den Schwachen, -die in der selbstlosen Hingabe an das, was sie das Gute nennen, -die Sittlichkeit sehen. Die Schwachen predigen die Selbstlosigkeit -als die höchste Tugend. Ihre Selbstlosigkeit ist aber nur die Folge -ihres Mangels an Schaffenskraft. Hätten sie ein schaffendes Selbst, -so würden sie dieses auch durchsetzen wollen. Der Starke liebt den -Krieg, denn er braucht den Krieg, um seine Schöpfungen gegen die -widerstrebenden Mächte durchzusetzen. - -"Euren Feind sollt ihr suchen, euren Krieg sollt ihr führen und -für eure Gedanken! Und wenn euer Gedanke unterliegt, so soll eure -Redlichkeit darüber noch Triumph rufen! - -"Ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen. Und den -kurzen Frieden mehr als den langen. - -"Euch rate ich nicht zur Arbeit, sondern zum Kampfe. Euch rate ich -nicht zum Frieden, sondern zum Siege. Eure Arbeit sei ein Kampf, -euer Friede sei ein Sieg! - -"Ihr sagt, die gute Sache sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich -aber sage euch: der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt. - -"Der Krieg und der Mut haben mehr große Dinge gethan, als die -Nächstenliebe. Nicht euer Mitleiden, sondern eure Tapferkeit rettete -bisher die Verunglückten." (Zarathustra, 1. Teil, Vom Krieg und -Kriegsvolke.) - -Unerbittlich und ohne Schonung des Widerstrebenden handelt der -Schaffende. Er kennt nicht die Tugend der Leidenden: das Mitleid. Aus -seiner Kraft kommen die Antriebe des Schaffenden, nicht aus dem Gefühle -des fremden Leidens. Daß die Kraft siege, dafür setzt er sich ein, -nicht daß das Leidende, Schwache gepflegt werde. Schopenhauer hat die -ganze Welt für ein Lazarett erklärt, und die aus dem Mitgefühle mit -den Leidenden entspringenden Handlungen für die höchsten Tugenden. Er -hat damit die Moral des Christentums in anderer Form ausgesprochen, -als dieses selbst es thut. Der Schaffende fühlt sich nicht berufen, -Krankenwärterdienste zu verrichten. Die Tüchtigen, Gesunden können -nicht um der Schwachen, Kranken willen da sein. Das Mitleid schwächt -die Kraft, den Mut, die Tapferkeit. - -Das Mitleid sucht gerade das zu erhalten, was der Starke überwinden -will: die Schwäche, das Leiden. Der Sieg des Starken über das -Schwache ist der Sinn aller menschlichen, wie aller natürlichen -Entwickelung. "Leben selbst ist wesentlich Aneignung, Verletzung, -Überwältigung des Fremden und Schwächeren, Unterdrückung, Härte, -Aufzwängung eigener Formen, Einverleibung und mindestens, mildestens, -Ausbeutung." (Jenseits von Gut und Böse § 259.) - -"Und wollt ihr nicht Schicksale sein und Unerbittliche: wie könntet -ihr mit mir -- siegen? - -"Und wenn eure Härte nicht blitzen und scheiden und zerschneiden will: -wie könntet ihr einst mit mir -- schaffen? - -"Die Schaffenden nämlich sind hart. Und Seligkeit muß es euch dünken, -eure Hand auf Jahrtausende zu drücken wie auf Wachs, -- - -"-- Seligkeit, auf dem Willen von Jahrtausenden zu schreiben wie -auf Erz, -- härter als Erz, edler als Erz. Ganz hart ist allein -das Edelste. - -"Diese neue Tafel, o meine Brüder, stelle ich über euch: werdet -hart." (Zarathustra, 3. Teil, Von alten und neuen Tafeln.) - -Der freie Geist macht keinen Anspruch auf Mitleid. Wer ihn bemitleiden -wollte, den müßte er fragen: hältst du mich für so schwach, daß ich -mein Leid nicht selbst tragen kann? Ihm geht jedes Mitleid gegen die -Scham. Nietzsche bringt den Widerwillen des Starken gegen das Mitleiden -im vierten Teil seines "Zarathustra" zur Anschauung. Zarathustra -kommt auf seinen Wanderungen in ein Thal, das "Schlangentod" -heißt. Kein Lebewesen findet sich hier. Nur eine Art häßlicher -grüner Schlangen kommt hierher, um zu sterben. Dieses Thal hat der -"häßlichste Mensch" aufgesucht. Dieser will von keinem Wesen gesehen -werden wegen seiner Häßlichkeit. In diesem Thal sieht ihn niemand -außer Gott. Aber auch dessen Anblick kann er nicht ertragen. Das -Bewußtsein, daß Gottes Blicke in alle Räume dringen, ist ihm zur -Last. Er hat deshalb Gott getötet, d. h. er hat den Glauben an -Gott in sich ertötet. Er ist zum Atheisten geworden wegen seiner -Häßlichkeit. Als Zarathustra diesen Menschen sieht, überfällt ihn -noch einmal das, was er für immer in sich getilgt zu haben glaubt: -das Mitleid mit der furchtbaren Häßlichkeit. Dies ist eine Versuchung -Zarathustras. Er weist aber das Gefühl des Mitleids bald zurück und -wird wieder hart. Der häßlichste Mensch sagt zu ihm: Deine Härte ehrt -meine Häßlichkeit. Ich bin zu reich an Häßlichkeit, um irgend eines -Menschen Mitleid zu ertragen. Mitleid geht gegen die Scham. - -Wer Mitleid braucht, kann nicht allein stehen, und der freie Geist -will vollständig auf sich selbst gestellt sein. - - - - -23. - -Mit der Aufzeigung des natürlichen Willens zur Macht als Ursache -der menschlichen Handlungen geben sich die Schwachen nicht -zufrieden. Sie suchen nicht bloß nach natürlichen Zusammenhängen -in der Menschenentwickelung, sondern sie suchen das Verhältnis der -menschlichen Handlungen zu dem, was sie als den "Willen an sich", -die "ewige, sittliche Weltordnung" nennen. Wer dieser Weltordnung -zuwiderhandelt, dem sprechen sie eine Schuld zu. Und sie begnügen -sich auch nicht damit, eine Handlung nach ihren natürlichen Folgen zu -bewerten, sondern sie machen den Anspruch darauf, daß eine schuldvolle -Handlung auch moralische Folgen, Strafen nach sich ziehe. Sie nennen -sich selbst schuldig, wenn sie ihr Handeln mit der sittlichen -Weltordnung nicht in Übereinstimmung finden; sie wenden sich mit -Abscheu von dem Quell des Bösen in sich ab und nennen dies Gefühl -böses Gewissen. Alle diese Begriffe läßt die starke Persönlichkeit -nicht gelten. Sie kümmert sich nur um die natürlichen Folgen ihrer -Handlungen. Sie fragt: wieviel ist meine Handlungsweise für das Leben -wert? Entspricht sie dem, was ich gewollt habe? Der Starke kann sich -grämen, wenn ihm eine Handlung fehlschlägt, wenn das Resultat seinen -Absichten nicht entspricht. Aber er klagt sich nicht an. Denn er mißt -seine Handlungsweise nicht an außernatürlichen Maßstäben. Er weiß, -daß er so handelt, wie es seinen natürlichen Trieben entspricht, -und kann höchstens bedauern, daß diese nicht besser sind. Ebenso -hält er es mit der Beurteilung fremder Handlungen. Ein moralisches -Abschätzen der Handlungen kennt er nicht. Er ist Immoralist. - -Was das Herkommen als böse bezeichnet, sieht der Immoralist -ebenso als Ausfluß menschlicher Instinkte an, wie das Gute. Die -Strafe gilt ihm nicht als moralisch bedingt, sondern nur als ein -Mittel, Instinkte gewisser Menschen, die andern schädlich sind, -auszurotten. Die Gesellschaft straft nach Ansicht des Immoralisten -nicht deswegen, weil sie ein "moralisches Recht" hat, die Schuld -zu sühnen, sondern allein, weil sie sich stärker erweist, als der -Einzelne, welcher der Gesamtheit widerstrebende Instinkte hat. Die -Macht der Gesellschaft steht gegen die Macht des Einzelnen. Dies ist -der natürliche Zusammenhang einer "bösen" Handlung des Einzelnen -mit der Rechtsprechung der Gesellschaft und der Bestrafung dieses -Einzelnen. Es ist der Wille zur Macht, d. h. zum Ausleben jener -Instinkte, die bei der Mehrzahl der Menschen vorhanden sind, der -sich in der Rechtspflege einer Gesellschaft äußert. Der Sieg einer -Mehrheit über einen Einzelnen ist jede Bestrafung. Siegte der Einzelne -über die Gesellschaft, so müßte seine Handlungsweise als gut, die der -andern als böse bezeichnet werden. Das jeweilige Recht drückt nur aus, -was die Gesellschaft eben als die beste Grundlage ihres Willens zur -Macht anerkennt. - - - - -24. - -Weil Nietzsche in der menschlichen Handlungsweise nur einen -Ausfluß der Instinkte sieht, und diese letzteren bei verschiedenen -Menschen verschieden sind, scheint es ihm notwendig, daß auch -deren Handlungsweisen verschieden sind. Nietzsche ist deshalb ein -entschiedener Gegner des demokratischen Grundsatzes: Gleiche Rechte -und gleiche Pflichten für alle. Die Menschen sind ungleich, deshalb -müssen auch ihre Rechte und Pflichten ungleich sein. Der natürliche -Gang der Weltgeschichte wird stets starke und schwache, schaffende -und unfruchtbare Menschen aufweisen. Und die Starken werden immer -dazu berufen sein, den Schwachen die Ziele zu bestimmen. Ja noch -mehr: die Starken werden sich der Schwachen als Mittel zum Zwecke, -d. h. als Sklaven bedienen. Nietzsche spricht natürlich nicht von einem -"moralischen" Recht der Starken zur Haltung von Sklaven. "Moralische" -Rechte erkennt er nicht an. Sondern er ist der Meinung, daß die -Überwindung des Schwächeren durch den Stärkeren, die er für das -Princip alles Lebens hält, notwendig zur Sklaverei führen muß. - -Es ist auch natürlich, daß sich der Überwundene gegen den Überwinder -auflehnt. Wenn diese Auflehnung sich nicht durch die That äußern -kann, so äußert sie sich wenigstens im Gefühle. Und der Ausdruck -dieses Gefühles ist die Rache, die stets in den Herzen derer wohnt, -die in irgend einer Weise von den besser Veranlagten überwunden -worden sind. Als Ausfluß dieser Rache sieht Nietzsche die moderne -socialdemokratische Bewegung an. Der Sieg dieser Bewegung würde ihm -eine Erhöhung der Mißratenen, Übel-Weggekommenen zu Ungunsten der -Besseren sein. Gerade das Gegenteil strebt Nietzsche an: die Pflege -der starken, selbstherrlichen Persönlichkeit. Und er haßt die Sucht, -die alles gleich machen und die souveräne Individualität in dem Meere -der allgemeinen Mittelmäßigkeit verschwinden lassen will. - -Nicht alle sollen dasselbe haben und genießen, meint Nietzsche, -sondern jeder soll haben und genießen, was er nach Maßgabe seiner -persönlichen Stärke erreichen kann. - - - - -25. - -Was der Mensch wert ist, hängt allein von dem Wert seiner Instinkte -ab. Durch nichts anderes kann der Wert des Menschen bestimmt -werden. Man spricht von dem Werte der Arbeit. Die Arbeit soll den -Menschen adeln. Aber die Arbeit hat an sich gar keinen Wert. Nur -dadurch, daß sie dem Menschen dient, erhält sie einen Wert. Nur -insofern sich die Arbeit als natürliche Folge der menschlichen -Neigungen darstellt, ist sie des Menschen würdig. Wer sich zum Diener -der Arbeit macht, entwürdigt sich. Nur der Mensch, der nicht sich -selbst seinen Wert bestimmen kann, sucht diesen Wert an der Größe -seines Werkes abzumessen. Es ist charakteristisch für das demokratische -Bürgertum der neueren Zeit, daß es in der Wertbemessung des Menschen -sich nach dessen Arbeit richtet. Sogar Goethe ist von dieser Gesinnung -nicht frei. Läßt er doch seinen Faust die volle Befriedigung in dem -Bewußtsein gethaner Arbeit finden. - - - - -26. - -Auch die Kunst hat nach Nietzsches Meinung nur Wert, wenn sie dem Leben -des Einzelmenschen dient. Auch hier vertritt Nietzsche die Ansicht -der starken Persönlichkeit und lehnt alles ab, was die schwachen -Instinkte über die Kunst aussprechen. Fast alle deutschen Ästhetiker -vertreten den Standpunkt der schwachen Instinkte. Die Kunst soll ein -"Unendliches" im "Endlichen", ein "Ewiges" im "Zeitlichen", eine -"Idee" in der "Wirklichkeit" darstellen. Für Schelling z. B. ist alle -sinnliche Schönheit nur ein Abglanz jener unendlichen Schönheit, -die wir nie mit den Sinnen wahrnehmen können. Das Kunstwerk ist -nicht um seiner selbst willen und durch das, was es ist, schön, -sondern weil es die Idee der Schönheit abbildet. Das sinnliche Bild -ist nur ein Ausdrucksmittel, nur die Form für einen übersinnlichen -Inhalt. Und Hegel nennt das Schöne "das sinnliche Scheinen der -Idee". Ähnliches kann man auch bei den andern deutschen Ästhetikern -finden. Für Nietzsche ist die Kunst ein lebenförderndes Element, und -nur, wenn sie dieses ist, hat sie Berechtigung. Wer das Leben, wie er -es unmittelbar wahrnimmt, nicht ertragen kann, der formt es sich nach -seinem Bedürfnisse um, und damit schafft er ein Kunstwerk. Und was will -der Genießende vom Kunstwerk? Er will Erhöhung seiner Lebensfreude, -Stärkung seiner Lebenskräfte, Befriedigung von Bedürfnissen, die -ihm die Wirklichkeit nicht befriedigt. Aber er will, wenn sein -Sinn auf das Wirkliche gerichtet ist, nicht durch das Kunstwerk -den Abglanz des Göttlichen, Überirdischen erblicken. Hören wir, wie -Nietzsche den Eindruck schildert, den Bizets Carmen auf ihn gemacht: -"Ich werde ein besserer Mensch, wenn mir dieser Bizet zuredet. Auch -ein besserer Musikant, ein besserer Zuhörer. Kann man überhaupt noch -besser zuhören? -- Ich vergrabe meine Ohren noch unter diese Musik, -ich höre deren Ursache. Es scheint mir, daß ich ihre Entstehung -erlebe -- ich zittere vor Gefahren, die irgend ein Wagnis begleiten, -ich bin entzückt über Glücksfälle, an denen Bizet unschuldig ist. -- -Und seltsam! im Grunde denke ich nicht daran, oder weiß es nicht, -wie sehr ich daran denke. Denn ganz andere Gedanken laufen mir während -dem durch den Kopf ... Hat man bemerkt, daß die Musik den Geist frei -macht? dem Gelehrten Flügel giebt? daß man umsomehr Philosoph wird, -je mehr man Musiker wird? -- Der graue Himmel der Abstraktion wie von -Blitzen durchzuckt; das Licht stark genug für alles Filigran der Dinge; -die großen Probleme nahe zum Greifen; die Welt wie von einem Berge aus -überblickt. -- Ich definierte eben das philosophische Pathos. -- Und -unversehens fallen mir Antworten in den Schoß, ein kleiner Hagel von -Eis und Weisheit, von gelösten Problemen .. Wo bin ich? -- Bizet macht -mich fruchtbar. Alles Gute macht mich fruchtbar. Ich habe keine andere -Dankbarkeit, ich habe auch keinen andern Beweis dafür, was gut ist." -- -(Fall Wagner § 1.) Weil Richard Wagners Musik eine solche Wirkung nicht -auf ihn machte, deshalb lehnte sie Nietzsche ab: "Meine Einwände gegen -die Musik Wagners sind physiologische Einwände ..... Meine Thatsache, -mein petit fait vrai ist, daß ich nicht mehr leicht atme, wenn diese -Musik erst auf mich wirkt; daß alsbald mein Fuß gegen sie böse wird -und revoltiert: er hat das Bedürfnis nach Takt, Tanz, Marsch ... er -verlangt von der Musik vorerst die Entzückungen, welche in gutem Gehen, -Schreiten, Tanzen liegen. Protestiert aber nicht auch mein Magen? mein -Herz? mein Blutlauf? betrübt sich nicht mein Eingeweide? Werde ich -nicht unversehens heiser dabei? Und so frage ich mich: was will -eigentlich mein ganzer Leib von der Musik überhaupt? ... Ich glaube, -seine Erleichterung: wie als ob alle animalischen Funktionen durch -leichte, kühne, ausgelassene, selbstgewisse Rhythmen beschleunigt -werden sollten; wie als ob das eherne, bleierne Leben durch goldene, -zärtliche, ölgleiche Melodieen seine Schwere verlieren sollte. Meine -Schwermut will in den Verstecken und Abgründen der Vollkommenheit -ausruhen: dazu brauche ich Musik." (Nietzsche kontra Wagner. Kap.: -Wo ich Einwände mache.) -- - -Im Anfange seiner schriftstellerischen Laufbahn täuschte sich -Nietzsche über das, was seine Instinkte von der Kunst verlangen, -deshalb war er damals ein Anhänger Wagners. Er hat sich durch das -Studium der Schopenhauerschen Philosophie zum Idealismus verführen -lassen. Er glaubte einige Zeit hindurch an den Idealismus und täuschte -sich künstliche Bedürfnisse, ideale Bedürfnisse vor. Erst im weiteren -Verlaufe seines Lebens merkte er, daß aller Idealismus seinen Trieben -gerade entgegengesetzt ist. Er wurde nun aufrichtiger gegen sich -selbst. Er sprach aus, wie er selbst empfand. Und das konnte nur zur -vollständigen Ablehnung von Wagners Musik führen, die ja immer mehr -den asketischen Charakter annahm, den wir bereits als Kennzeichen -von Wagners letztem Wirkensziel aufgeführt haben. - -Die Ästhetiker, die es der Kunst zur Aufgabe machen, die Idee zu -versinnlichen, das Göttliche zu verkörpern, vertreten auf diesem -Gebiete eine ähnliche Ansicht wie die philosophischen Nihilisten -auf dem Gebiete der Erkenntnis und der Moral. Sie suchen in den -Kunstobjekten ein Jenseitiges, das sich aber vor dem Wirklichkeitssinn -in ein Nichts auflöst. Es giebt auch einen ästhetischen Nihilismus. - -Diesem steht die Ästhetik der starken Persönlichkeit gegenüber, die -in der Kunst ein Abbild der Wirklichkeit, eine höhere Wirklichkeit -sieht, die der Mensch lieber genießt als die Alltäglichkeit. - - - - -27. - -Zwei Menschentypen stellt Nietzsche einander gegenüber: den Schwachen -und den Starken. Der erstere sucht die Erkenntnis als einen objektiven -Thatbestand, der von der Außenwelt in seinen Geist einfließen soll. Er -läßt sich sein Gutes und Böses von einem "ewigen Weltwillen" oder -einem "kategorischen Imperativ" diktieren. Er bezeichnet jede nicht -von diesem Weltwillen, sondern nur von dem schöpferischen Eigenwillen -bestimmte Handlung als Sünde, die eine moralische Strafe nach sich -ziehen muß. Er möchte für alle Menschen gleiche Rechte dekretieren -und den Wert des Menschen nach einem äußern Maßstabe bestimmen. Er -möchte endlich in der Kunst ein Abbild des Göttlichen, eine Kunde aus -dem Jenseits erblicken. Der Starke dagegen sieht alle Erkenntnis als -den Ausdruck des Willens zur Macht an. Er sucht durch die Erkenntnis -die Dinge denkbar und sich dadurch unterthan zu machen. Er weiß, -daß er selbst der Schöpfer der Wahrheit ist; daß niemand als er -selbst sein Gutes und sein Böses schaffen kann. Er betrachtet die -Handlungen des Menschen als Folgen natürlicher Triebe und läßt sie -gelten als Naturereignisse, die niemals als Sünden zu betrachten sind -und nicht eine moralische Verurteilung verdienen. Er sucht den Wert -des Menschen in der Tüchtigkeit seiner Instinkte. Einen Menschen mit -den Instinkten für Gesundheit, Geist, Schönheit, Ausdauer, Vornehmheit -schätzt er höher als einen solchen mit den Instinkten für Schwäche, -Häßlichkeit, Sklaverei. Er beurteilt ein Kunstwerk nach dem Grade, -in dem es zur Steigerung seiner Kräfte beiträgt. - -Diesen letzteren Menschentypus versteht Nietzsche unter seinem -Übermenschen. Solche Übermenschen konnten bisher nur durch das -Zusammentreffen zufälliger Umstände entstehen. Ihre Entwickelung -zum bewußten Ziele der Menschheit zu machen, ist die Absicht, die -Zarathustra hat. Man sah bisher das Ziel der menschlichen Entwickelung -in irgendwelchen Idealen. Hier hält Nietzsche eine Änderung der -Anschauungen für nötig. Der "höherwertige Typus ist oft genug schon -dagewesen: aber als ein Glücksfall, als eine Ausnahme, niemals als -gewollt. Vielmehr ist er gerade am besten gefürchtet worden, er war -bisher beinahe das Furchtbare; -- und aus der Furcht heraus wurde -der umgekehrte Typus gewollt, gezüchtet, erreicht: das Haustier, das -Herdentier, das kranke Tier Mensch, -- der Christ ..." (Antichrist -§ 3). - -Zarathustras Weisheit soll diesen Übermenschen, zu dem jener andere -Typus nur ein Übergang ist, lehren. - -Nietzsche nennt diese Weisheit eine dionysische. Es ist eine -Weisheit, die nicht dem Menschen von außen gegeben wird; es ist eine -selbstgeschaffene Weisheit. Der dionysische Weise forscht nicht; er -schafft. Er steht nicht als Betrachter außer der Welt, die er erkennen -will; er ist Eins geworden mit seiner Erkenntnis. Er sucht nicht nach -einem Gotte; was er sich noch als göttlich vorstellen kann, ist nur -Er selbst als Schöpfer seiner eigenen Welt. Wenn dieser Zustand auf -alle Kräfte des menschlichen Organismus sich erstreckt, so giebt -das den dionysischen Menschen, dem es unmöglich ist, irgend eine -Suggestion nicht zu verstehen; er übersieht kein Zeichen des Affekts, -er hat den höchsten Grad des verstehenden und erratenden Instinktes, -wie er den höchsten Grad von Mitteilungskunst besitzt. Er geht in -jede Haut, in jeden Affekt ein: er verwandelt sich beständig. Dem -dionysischen Weisen steht der bloße Betrachter gegenüber, der -sich immer außerhalb seiner Erkenntnisobjekte stehend glaubt, als -objektiver, leidender Zuschauer. Dem dionysischen Menschen steht der -apollinische gegenüber, der "vor allem das Auge erregt hält, sodaß -es die Kraft der Vision bekommt". Visionen, Bilder von Dingen, die -jenseits der Menschen-Wirklichkeit stehen, erstrebt der apollinische -Geist, nicht eine durch ihn selbst geschaffene Weisheit. - - - - -28. - -Die apollinische Weisheit hat den Charakter des Ernstes. Sie -empfindet die Herrschaft des Jenseits, das sie nur im Bilde besitzt, -als einen schweren Druck, als eine ihr widerstrebende Macht. Ernst -ist die apollinische Weisheit, denn sie glaubt sich im Besitze einer -Kunde aus dem Jenseits, wenn diese auch nur durch Bilder, Visionen -vermittelt sein soll. Schwer beladen mit seiner Erkenntnis wandelt -der apollinische Geist einher, denn er trägt eine Bürde, die aus -einer andern Welt stammt. Und den Ausdruck der Würde nimmt er an, -denn vor den Kundgebungen des Unendlichen muß jedes Lachen verstummen. - -Dieses Lachen aber charakterisiert den dionysischen Geist. Er weiß, -daß alles, was er Weisheit nennt, nur seine Weisheit ist, von ihm -erfunden, um sich das Leben leicht zu machen. Nur dieses Eine soll -ja seine Weisheit sein: ein Mittel, das ihm erlaubt, zum Leben Ja zu -sagen. Dem dionysischen Menschen ist der Geist der Schwere zuwider, -weil er das Leben nicht erleichtert, sondern niederdrückt. Die -selbstgeschaffene Weisheit ist eine heitere Weisheit, denn wer sich -selbst seine Bürde schafft, der schafft sich nur eine solche, die er -auch leicht tragen kann. Mit der selbstgeschaffenen Weisheit bewegt -sich der dionysische Geist leicht durch die Welt wie ein Tänzer. - - - "Daß ich aber der Weisheit gut bin und oft - zu gut: das macht, sie erinnert mich gar sehr an - das Leben! - - Sie hat ihr Auge, ihr Lachen und sogar ihr - goldnes Angelrütchen: was kann ich dafür, daß - die beiden sich so ähnlich sehen?" - - "In dein Auge schaute ich jüngst, o Leben: - Gold sah ich in deinem Nachtauge blinken, -- mein - Herz stand still vor dieser Wollust: - - -- einen goldenen Kahn sah ich blinken auf - nächtigen Gewässern, einen sinkenden, trinkenden, - wieder winkenden goldenen Schaukelkahn! - - Nach meinem Fuße, dem tanzwütigen, warfst - du einen Blick, einen lachenden, fragenden, - schmelzenden Schaukelblick: - - zweimal nur regtest du deine Klapper mit - kleinen Händen -- da schaukelte mein Fuß vor - Tanzwut. -- - - Meine Fersen bäumten sich, meine Zehen - horchten, dich zu verstehen: doch trägt der Tänzer - sein Ohr -- in seinen Zehen!" - - (Zarathustra 2. u. 3. Teil. Die Tanzlieder.) - - - - -29. - -Weil der dionysische Geist aus sich selbst alle Antriebe seines -Thuns entnimmt und keiner äußeren Macht gehorcht, ist er ein freier -Geist. Denn ein freier Geist ist derjenige, der nur seiner Natur -folgt. Nun ist allerdings in Nietzsches Werken nur die Rede von -Instinkten als den Antrieben des freien Geistes. Ich glaube, daß hier -Nietzsche mit einem Namen eine Reihe von Antrieben zusammengefaßt hat, -die eine mehr ins Einzelne gehende Betrachtung erfordern. Nietzsche -nennt Instinkte sowohl die bei den Tieren vorhandenen Triebe zur -Ernährung und Selbsterhaltung, wie auch die höchsten Antriebe der -menschlichen Natur, z. B. den Erkenntnistrieb, den Trieb, nach -sittlichen Maßstäben zu handeln, den Trieb, sich an Kunstwerken zu -ergötzen u. s. w. Nun sind zwar alle diese Triebe Äußerungsformen einer -und derselben Grundkraft. Aber sie stellen doch verschiedene Stufen in -der Entwickelung dieser Kraft dar. Die moralischen Antriebe z. B. sind -eine besondere Stufe der Instinkte. Wenn auch zugegeben werden kann, -daß sie nur höhere Formen sinnlicher Instinkte sind, so treten sie -doch im Menschen auf eine besondere Art ins Dasein. Dies zeigt sich -darin, daß es dem Menschen möglich ist, Handlungen zu vollführen, die -nicht unmittelbar auf sinnliche Instinkte zurückzuführen sind, sondern -nur auf jene Antriebe, die eben als höhere Formen des Instinktes zu -bezeichnen sind. Der Mensch schafft sich Antriebe seines Handelns, -die nicht aus seinen sinnlichen Trieben abzuleiten sind, sondern -nur aus dem bewußten Denken. Er setzt sich individuelle Zwecke vor, -aber er setzt sich diese mit Bewußtsein vor. Und es ist ein großer -Unterschied, ob er einem unbewußt entstandenen und erst hinterher in -das Bewußtsein aufgenommenen Instinkte oder einem Gedanken folgt, -den er von vornherein mit vollem Bewußtsein produziert hat. Wenn -ich esse, weil mein Nahrungstrieb mich drängt, so ist dies etwas -wesentlich anderes, als wenn ich eine mathematische Aufgabe löse. Die -denkende Erfassung der Welterscheinungen stellt eine besondere Form -des allgemeinen Wahrnehmungsvermögens dar. Sie unterscheidet sich -von der bloßen sinnlichen Wahrnehmung. Dem Menschen sind nun die -höheren Entwickelungsformen des Instinktlebens ebenso natürlich -wie die niederen. Stehen beide nicht im Einklange, dann ist er zur -Unfreiheit verurteilt. Es kann der Fall eintreten, daß eine schwache -Persönlichkeit mit vollkommen gesunden sinnlichen Instinkten nur -schwache geistige Instinkte hat. Dann wird sie zwar in Bezug auf ihr -Sinnenleben ihre eigene Individualität entfalten, aber die gedanklichen -Antriebe ihres Handelns wird sie aus dem Herkommen entlehnen. Es kann -eine Disharmonie beider Triebwelten entstehen. Die sinnlichen Triebe -drängen zum Ausleben der eigenen Persönlichkeit, die geistigen Antriebe -stehen in dem Banne einer äußern Autorität. Das Geistesleben einer -solchen Persönlichkeit wird von den sinnlichen, das sinnliche Leben -von den geistigen Instinkten tyrannisiert. Denn beide Gewalten gehören -nicht zusammen, sind nicht aus einer Wesenheit erwachsen. Zur wirklich -freien Persönlichkeit gehört also nicht nur ein gesund entwickeltes -individuelles sinnliches Triebleben, sondern auch die Fähigkeit, sich -die gedanklichen Antriebe für das Leben zu schaffen. Erst derjenige -Mensch ist vollkommen frei, der auch Gedanken produzieren kann, die zum -Handeln führen. Ich habe das Vermögen, rein gedankliche Triebfedern -des Handelns zu schaffen, in meiner Schrift "Die Philosophie der -Freiheit" (Weimar, Emil Felber 1894) die "moralische Phantasie" -genannt. Nur wer diese moralische Phantasie hat, ist wirklich frei, -denn der Mensch muß nach bewußten Triebfedern handeln. Und wenn er -solche nicht selbst produzieren kann, dann muß er sich dieselben von -äußeren Autoritäten oder von dem in Form der Gewissensstimme in ihm -sprechenden Herkommen geben lassen. Ein Mensch, der sich bloß seinen -sinnlichen Instinkten überläßt, handelt wie ein Tier; ein Mensch, -der seine sinnlichen Instinkte unter fremde Gedanken stellt, handelt -unfrei; erst der Mensch, der sich selbst seine moralischen Ziele -schafft, handelt frei. Die moralische Phantasie fehlt in Nietzsches -Ausführungen. Wer dessen Gedanken zu Ende denkt, muß notwendig auf -diesen Begriff kommen. Aber andererseits ist es auch eine unbedingte -Notwendigkeit, daß dieser Begriff der Nietzscheschen Weltanschauung -eingefügt wird. Sonst könnte gegen dieselbe immerfort eingewendet -werden: Zwar ist der dionysische Mensch kein Knecht des Herkommens -oder des "jenseitigen Willens", aber er ist ein Knecht seiner eigenen -Instinkte. - -Nietzsche hat seinen Blick auf das Ursprüngliche, Eigenpersönliche im -Menschen gerichtet. Er suchte dieses Eigenpersönliche herauszulösen aus -dem Mantel des Unpersönlichen, in den es eine wirklichkeitsfeindliche -Weltanschauung eingehüllt hat. Aber er ist nicht dazu gekommen, -die Stufen des Lebens innerhalb der Persönlichkeit selbst zu -unterscheiden. Er hat deshalb die Bedeutung des Bewußtseins für die -menschliche Persönlichkeit unterschätzt. "Die Bewußtheit ist die -letzte und späteste Entwickelung des Organischen und folglich auch -das Unfertigste und Unkräftigste daran. Aus der Bewußtheit stammen -unzählige Fehlgriffe, welche machen, daß ein Tier, ein Mensch zu -Grunde geht, früher als es nötig wäre, "über das Geschick", wie -Homer sagt. Wäre nicht der erhaltende Verband der Instinkte so -überaus viel mächtiger, diente er nicht im ganzen als Regulator: -an ihrem verkehrten Urteilen und Phantasieren mit offenen Augen, -an ihrer Ungründlichkeit und Leichtgläubigkeit, kurz eben an ihrer -Bewußtheit müßte die Menschheit zu Grunde gehen," sagt Nietzsche -(Fröhliche Wissenschaft § 11). - -Dies ist zwar durchaus zuzugeben; aber nicht minder wahr ist es, daß -der Mensch nur insoweit frei ist, als er sich gedankliche Triebfedern -seines Handelns innerhalb des Bewußtseins schaffen kann. - -Die Betrachtung der gedanklichen Triebfedern führt aber noch weiter. Es -ist eine Thatsache der Erfahrung, daß diese gedanklichen Triebfedern, -die die Menschen aus sich heraus produzieren, bei den einzelnen -Individuen doch bis zu einem gewissen Grade eine Übereinstimmung -zeigen. Auch wenn der einzelne Mensch ganz frei aus sich heraus -Gedanken schafft, so stimmen diese in gewisser Weise mit den Gedanken -anderer Menschen überein. Daraus folgt für den Freien die Berechtigung, -anzunehmen, daß die Harmonie in der menschlichen Gesellschaft von -selbst eintritt, wenn sie aus souveränen Individuen besteht. Er -kann diese Meinung dem Verteidiger der Unfreiheit gegenüberstellen, -der glaubt, daß die Handlungen einer Mehrheit von Menschen nur -zusammenstimmen, wenn sie durch eine äußere Gewalt nach einem -gemeinsamen Ziele hingelenkt werden. Der freie Geist ist deshalb -durchaus kein Anhänger jener Ansicht, welche die tierischen Triebe -absolut frei walten lassen und alle gesetzlichen Ordnungen deshalb -abschaffen will. Aber er verlangt absolute Freiheit für diejenigen, -die nicht bloß ihren tierischen Instinkten folgen wollen, sondern die -imstande sind, moralische Triebfedern, ihr eigenes Gutes und Böses, -zu schaffen. - -Nur wer Nietzsche nicht so weit durchdrungen hat, daß er die letzten -Konsequenzen von dessen Weltanschauung zu ziehen vermag, trotzdem -sie Nietzsche nicht selbst gezogen hat, kann in ihm einen Menschen -sehen, der "mit einer gewissen stilistischen Wollust zu enthüllen -den Mut gefunden hat, was bisher etwa im geheimsten Seelengrunde -grandioser Verbrechertypen .... verborgen gelauert haben mag" -(Ludwig Stein, Friedrich Nietzsches Weltanschauung und ihre Gefahren -S. 5). Noch immer ist die Durchschnittsbildung eines deutschen -Professors nicht so weit, das Große einer Persönlichkeit von deren -kleinen Irrtümern abzutrennen. Sonst könnte man es nicht erleben, -daß die Kritik eines solchen Professors gerade gegen diese kleinen -Irrtümer sich richtet. Ich denke, wahrhafte Bildung nimmt das Große -einer Persönlichkeit auf und verbessert kleine Irrtümer oder denkt -halbfertige Gedanken zu Ende. - - - - - - - - -III. - -NIETZSCHES ENTWICKELUNGSGANG. - - -30. - -Ich habe Nietzsches Ansichten vom Übermenschen so dargestellt, wie -sie uns in seinen letzten Schriften: Zarathustra (1883-1884), Jenseits -von Gut und Böse (1886), Genealogie der Moral (1887), Der Fall Wagner -(1888), Götzendämmerung (1889) entgegentreten. In dem unvollendet -gebliebenen Werke: "Der Wille zur Macht", Versuch einer Umwertung aller -Werte, dessen erster Teil "Antichrist" im 8. Bande der Gesamtausgabe -erschienen ist, hätten sie wohl ihren philosophisch prägnantesten -Ausdruck gefunden. Aus der Disposition, die im Anhange zu dem erwähnten -Band abgedruckt ist, ist das deutlich zu erkennen. Sie heißt: 1. Der -Antichrist. Versuch einer Kritik des Christentums. 2. Der freie -Geist. Kritik der Philosophie als einer nihilistischen Bewegung. 3. Der -Immoralist. Kritik der verhängnisvollsten Art von Unwissenheit, -der Moral. 4. Dionysos. Philosophie der ewigen Wiederkunft. - -Nietzsche hat seine Gedanken nicht sogleich im Beginne seiner -schriftstellerischen Laufbahn in der ihnen ureigensten Form zum -Ausdruck gebracht. Er stand anfangs unter dem Einflusse des deutschen -Idealismus, namentlich in der Form, in der ihn Schopenhauer und -Richard Wagner vertreten haben. In Schopenhauerschen und Wagnerschen -Formeln drückt er sich in seinen ersten Schriften aus. Wer aber durch -dieses Formelwesen hindurch auf den Kern der Nietzscheschen Gedanken -zu blicken vermag, der findet in diesen Schriften dieselben Absichten -und Ziele, die in den späteren Werken zum Ausdruck kommen. - -Man kann von Nietzsches Entwickelung nicht sprechen, ohne an den -freiesten Denker erinnert zu werden, den die neuzeitliche Menschheit -hervorgebracht hat, an Max Stirner. Es ist eine traurige Wahrheit, -daß dieser Denker, der im vollsten Sinne dem entspricht, was Nietzsche -von dem Übermenschen fordert, nur von wenigen erkannt und gewürdigt -worden ist. Er hat bereits in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts -Nietzsches Weltanschauung ausgesprochen. Allerdings nicht in solch -gesättigten Herzenstönen wie Nietzsche, aber dafür in krystallklaren -Gedanken, neben denen sich Nietzsches Aphorismen allerdings oft wie -ein bloßes Stammeln ausnehmen. - -Welchen Weg hätte Nietzsche genommen, wenn nicht Schopenhauer, sondern -Max Stirner sein Erzieher geworden wäre! In Nietzsches Schriften ist -keinerlei Einfluß Stirners zu bemerken. Aus eigener Kraft mußte sich -Nietzsche aus dem deutschen Idealismus heraus zu einer der Stirnerschen -gleichen Weltauffassung durchringen. - -Stirner ist wie Nietzsche der Ansicht, das die Triebkräfte -des menschlichen Lebens nur in der einzelnen, wirklichen -Persönlichkeit gesucht werden können. Er lehnt alle Gewalten ab, -die die Einzelpersönlichkeit von außen formen, bestimmen wollen. Er -verfolgt den Gang der Weltgeschichte und findet den Grundirrtum der -bisherigen Menschheit darin, daß sie nicht die Pflege und Kultur -der individuellen Persönlichkeit, sondern andere, unpersönliche -Ziele und Zwecke sich vorsetzte. Er sieht die wahre Befreiung des -Menschen darin, daß dieser allen solchen Zielen keine höhere Realität -zugesteht, sondern sich dieser Ziele als Mittel zu seiner Selbstpflege -bedient. Der freie Mensch bestimmt sich seine Zwecke; er besitzt -seine Ideale; er läßt sich nicht von ihnen besitzen. Der Mensch, -der nicht als freie Persönlichkeit über seinen Idealen waltet, steht -unter dem Einflusse derselben, wie der Irrsinnige, der an fixen Ideen -leidet. Es ist für Stirner einerlei, ob sich der Mensch einbildet, -der "König von China", oder ob "ein behaglicher Bürger sich einbildet, -es sei seine Bestimmung, ein guter Christ, ein gläubiger Protestant, -ein loyaler Bürger, ein tugendhafter Mensch u. s. w. zu sein -- -das ist beides ein und dieselbe 'fixe Idee'. Wer es nie versucht -und gewagt hat, kein guter Christ, kein gläubiger Protestant, kein -tugendhafter Mensch u. s. w. zu sein, der ist in der Gläubigkeit, -Tugendhaftigkeit u. s. w. gefangen und befangen." - -Man braucht nur einige Sätze aus Stirners Buch: "Der Einzige und sein -Eigentum" zu lesen, um zu sehen, wie verwandt seine Anschauung der -Nietzscheschen ist. Ich führe einige Stellen aus diesem Buche an, -die besonders bezeichnend für Stirners Denkweise sind. - -"Vorchristliche und christliche Zeit verfolgen ein entgegengesetztes -Ziel; jene will das Reale idealisieren, diese das Ideale realisieren, -jene sucht den "heiligen Geist", diese den "verklärten Leib". Daher -schließt jene mit der Unempfindlichkeit gegen das Reale, mit der -"Weltverachtung"; diese wird mit der Abwerfung des Idealen, mit der -"Geistesverachtung" enden. - -Wie der Zug der Heiligung oder Reinigung durch die alte Welt geht -(die Waschungen u. s. w.), so geht der der Verleiblichung durch die -christliche: der Gott stürzt sich in diese Welt, wird Fleisch und will -sie erlösen, d. h. mit sich erfüllen; da er aber "die Idee" oder "der -Geist" ist, so führt man (z. B. Hegel) am Schlusse die Idee in alles, -in die Welt, ein und beweist, "daß die Idee, die Vernunft in allem -sei". Dem, was die heidnischen Stoiker als "den Weisen" aufstellten, -entspricht in der heutigen Bildung "der Mensch", jener wie dieser -ein fleischloses Wesen. Der unwirkliche "Weise", dieser leiblose -"Heilige" der Stoiker, wurde eine wirkliche Person, ein leiblicher -"Heiliger" in dem fleischgewordenen Gotte; der unwirkliche "Mensch", -das leiblose Ich, wird wirklich werden im leibhaftigen Ich, in Mir. - -Daß der Einzelne für sich eine Weltgeschichte ist und an der übrigen -Weltgeschichte sein Eigentum besitzt, das geht über das Christliche -hinaus. Dem Christen ist die Weltgeschichte das Höhere, weil sie -die Geschichte Christi oder "des Menschen" ist; dem Egoisten hat -nur seine Geschichte Wert, weil er nur sich entwickeln will, nicht -die Menschheits-Idee, nicht den Plan Gottes, nicht die Absichten der -Vorsehung, nicht die Freiheit u. dergl. Er sieht sich nicht für ein -Werkzeug der Idee oder ein Gefäß Gottes an, er erkennt keinen Beruf -an, er wähnt nicht, zur Fortentwickelung der Menschheit dazusein, -und sein Scherflein dazu beitragen zu müssen, sondern er lebt sich -aus, unbesorgt darum, wie gut oder wie schlecht die Menschheit -dabei fahre. Ließe es nicht das Mißverständnis zu, als sollte ein -Naturzustand gepriesen werden, so könnte man an Lenaus "Drei Zigeuner" -erinnern. -- Was, bin Ich dazu in der Welt, um Ideen zu realisieren? Um -etwa zur Verwirklichung der Idee "Staat" durch mein Bürgertum das -Meinige zu thun oder durch die Ehe, als Ehegatte und Vater, die Idee -der Familie zu einem Dasein zu bringen? Was ficht mich ein solcher -Beruf an! Ich lebe so wenig nach einem Berufe, als die Blume nach -einem Berufe wächst und duftet. - -Das Ideal "der Mensch" ist realisiert, wenn die christliche -Anschauung umschlägt in den Satz: "Ich, dieser Einzige, bin der -Mensch." Die Begriffsfrage: "was ist der Mensch?" -- hat sich dann -in die persönliche umgesetzt: "wer ist der Mensch?" Bei "was" suchte -man den Begriff, um ihn zu realisieren; bei "wer" ist's überhaupt -keine Frage mehr, sondern die Antwort im Fragenden gleich persönlich -vorhanden: die Frage beantwortet sich von selbst. - -Man sagt von Gott: "Namen nennen Dich nicht". Das gilt von Mir: kein -Begriff drückt Mich aus, nichts, was man als mein Wesen angiebt, -erschöpft mich; es sind nur Namen. Gleichfalls sagt man von Gott, -er sei vollkommen und habe keinen Beruf, nach Vollkommenheit zu -streben. Auch das gilt allein von Mir. - -Eigner bin Ich meiner Gewalt, und Ich bin es dann, wenn Ich Mich -als Einzigen weiß. Im Einzigen kehrt selbst der Eigner in sein -schöpferisches Nichts zurück, aus welchem er geboren wird. Jedes höhere -Wesen über Mir, sei es Gott, sei es der Mensch, schwächt das Gefühl -meiner Einzigkeit und erbleicht vor der Sonne dieses Bewußtseins: -Stell' Ich auf Mich, den Einzigen, meine Sache, dann steht sie auf -dem vergänglichen, dem sterblichen Schöpfer seiner, der sich selbst -verzehrt, und Ich darf sagen: - -"Ich hab' mein' Sach' auf nichts gestellt." - -Dieser auf sich sich selbst gestellte, nur aus sich heraus schaffende -Eigner ist Nietzsches Übermensch. - - - - -31. - -Diese Stirnerschen Gedanken wären das geeignete Gefäß gewesen, in das -Nietzsche sein reiches Empfindungsleben hätte gießen können. Statt -dessen suchte er in Schopenhauers Begriffswelt die Leiter, auf der -er zu seiner Gedankenwelt hinaufkletterte. - -Aus zwei Wurzeln stammt, nach Schopenhauers Meinung, unsere gesamte -Welterkenntnis. Aus dem Vorstellungsleben und aus der Wahrnehmung -des Willens, der in uns selbst als Handelnder auftritt. Das "Ding -an sich" liegt jenseits der Welt unserer Vorstellung. Denn die -Vorstellung ist nur die Wirkung, die das "Ding an sich" auf mein -Erkenntnisorgan ausübt. Nur die Eindrücke kenne ich, die die Dinge -auf mich machen, nicht die Dinge selbst. Und diese Eindrücke sind -eben meine Vorstellungen. Ich kenne keine Sonne und keine Erde, -sondern nur ein Auge, das eine Sonne sieht, und eine Hand, die eine -Erde fühlt. Der Mensch weiß nur: "daß die Welt, welche ihn umgiebt, -nur als Vorstellung da ist, d. h. durchweg nur in Beziehung auf ein -anderes, das Vorstellende, welches er selbst ist". (Schopenhauer, Welt -als Wille und Vorstellung § 1.) Aber der Mensch stellt die Welt nicht -bloß vor, sondern er wirkt auch in ihr; er wird sich seines Willens -bewußt, und er erfährt, daß dasjenige, welches er in sich als Wille -empfindet, von außen als Bewegung seines Leibes wahrgenommen werden -kann, d. h. der Mensch nimmt sein eigenes Wirken doppelt wahr, von -innen als Vorstellung, von außen als Wille. Schopenhauer schließt -daraus, daß es der Wille selbst ist, der in der wahrgenommenen -Leibesaktion als Vorstellung erscheint. Und er behauptet dann weiter, -daß nicht nur der Vorstellung des eigenen Leibes und seiner Bewegungen -ein Wille zu Grunde liege, sondern daß dies auch bei allen übrigen -Vorstellungen der Fall sei. Die ganze Welt ist also, nach Schopenhauers -Ansicht, dem Wesen nach Wille und erscheint unserem Intellekt als -Vorstellung. Dieser Wille, behauptet Schopenhauer weiter, ist in -allen Dingen ein einheitlicher. Nur unser Intellekt verursacht, -daß wir eine Mehrheit von besonderen Dingen wahrnehmen. - -Durch seinen Willen hängt der Mensch, nach dieser Anschauung, mit dem -einheitlichen Weltwesen zusammen. Insofern der Mensch wirkt, wirkt in -ihm der einheitliche Urwille. Als einzelne, besondere Persönlichkeit -existiert der Mensch nur in seiner eigenen Vorstellung; im Wesen ist -er identisch mit dem einheitlichen Weltengrunde. - -Nehmen wir an, daß in Nietzsche, als er die Schopenhauersche -Philosophie kennen lernte, schon der Gedanke des Übermenschen unbewußt, -instinktiv vorhanden war, so konnte ihn diese Willenslehre allerdings -nur sympathisch berühren. In dem menschlichen Willen war ihm ein -Element gegeben, das den Menschen unmittelbar an der Schöpfung des -Weltinhaltes teilnehmen ließ. Als Wollender ist der Mensch nicht bloß -ein außerhalb des Weltinhaltes stehender Zuschauer, der sich Bilder -des Wirklichen macht, sondern er ist selbst ein Schaffender. In ihm -waltet die göttliche Kraft, über die hinaus es keine andere giebt. - - - - -32. - -Aus diesen Anschauungen heraus bildeten sich bei Nietzsche die beiden -Ideen von der apollinischen und der dionysischen Weltbetrachtung. Sie -wendete er auf das griechische Kunstleben an, das er demgemäß aus zwei -Wurzeln entstehen ließ: aus einer Kunst des Vorstellens und einer Kunst -des Wollens. Wenn der Vorstellende seine Vorstellungswelt idealisiert -und seine idealisierten Vorstellungen in Kunstwerken verkörpert, -so entsteht die apollinische Kunst. Er verleiht den einzelnen -Vorstellungsobjekten dadurch, daß er ihnen die Schönheit einprägt, -den Schein des Ewigen. Aber er bleibt innerhalb der Vorstellungswelt -stehen. Der dionysische Künstler sucht nicht nur in seinen Kunstwerken -die Schönheit auszudrücken, sondern er ahmt selbst das schöpferische -Wirken des Weltwillens nach. Er sucht in seinen eigenen Bewegungen -den Weltgeist abzubilden. Er macht sich zur sichtbaren Verkörperung -des Willens. Er wird selbst Kunstwerk. "Singend und tanzend äußert -sich der Mensch als Mitglied einer höhern Gemeinschaft: er hat das -Gehen und Sprechen verlernt und ist auf dem Wege, tanzend in die -Lüfte emporzufliegen. Aus seinen Gebärden spricht die Verzauberung" -(Geburt der Tragödie § 1). In diesem Zustande vergißt der Mensch sich -selbst, er fühlt sich nicht mehr als Individuum, er läßt in sich den -allgemeinen Weltwillen walten. In dieser Weise deutet Nietzsche die -Feste, die zu Ehren des Gottes Dionysus durch die Dionysusdiener -veranstaltet wurden. In dem Dionysusdiener sieht Nietzsche das -Urbild des dionysischen Künstlers. Nun stellt er sich vor, daß -die älteste dramatische Kunst der Griechen dadurch entstanden ist, -daß eine höhere Vereinigung des Dionysischen mit dem Apollinischen -sich vollzogen hat. Auf diese Weise erklärt er den Ursprung der -ersten griechischen Tragödie. Er nimmt an, daß die Tragödie aus dem -tragischen Chore entstanden ist. Der dionysische Mensch wird zum -Zuschauer, zum Betrachter eines Bildes, das ihn selbst darstellt. Der -Chor ist die Selbstspiegelung eines dionysisch erregten Menschen, -d. h. der dionysische Mensch sieht seine dionysische Erregung durch ein -apollinisches Kunstwerk abgebildet. Die Darstellung des Dionysischen -im apollinischen Bilde ist die primitive Tragödie. Voraussetzung -einer solchen Tragödie ist, daß in ihrem Schöpfer ein lebendiges -Bewußtsein von dem Zusammenhang des Menschen mit den Urgewalten -der Welt vorhanden ist. Ein solches Bewußtsein spricht sich als -Mythus aus. Das Mythische muß der Gegenstand der ältesten Tragödie -sein. Tritt nun in der Entwickelung eines Volkes der Zeitpunkt ein, wo -der zersetzende Verstand das lebendige Gefühl für den Mythus zerstört, -so ist der Tod des Tragischen die notwendige Folge. - - - - -33. - -In der Entwickelung des Griechentums trat, nach Nietzsches Meinung, -mit Sokrates dieser Zeitpunkt ein. Sokrates war ein Feind alles -instinktiven, mit den Naturgewalten im Bunde stehenden Lebens. Er ließ -nur dasjenige gelten, was der Verstand denkend zu beweisen vermag, -was lehrbar ist. Damit war dem Mythus der Krieg erklärt. Und der von -Nietzsche als Schüler des Sokrates bezeichnete Euripides zerstörte -die Tragödie, weil sein Schaffen nicht mehr, wie das des Äschylos, -aus den dionysischen Instinkten, sondern aus dem kritischen Verstande -entsprang. Statt der Nachbildung der Willensbewegungen des Weltgeistes -findet sich bei Euripides die verständige Verknüpfung einzelner -Vorgänge innerhalb der tragischen Handlung. - -Ich frage nicht nach der historischen Rechtfertigung dieser -Nietzscheschen Ideen. Er ist ihretwegen von einem klassischen -Philologen scharf angegriffen worden. Nietzsches Beschreibung der -griechischen Kultur läßt sich vergleichen mit der Schilderung, die ein -Mensch von einer Landschaft giebt, die er von dem Gipfel eines Berges -aus betrachtet; eine philologische Darstellung mit einer Beschreibung, -die der Wanderer giebt, der jedes einzelne Fleckchen besucht. Von -dem Berge aus verschiebt sich manches eben nach den Gesetzen der Optik. - - - - -34. - -Was hier in Betracht kommt, ist die Frage: was für eine Aufgabe stellte -sich Nietzsche in seiner "Geburt der Tragödie"? Nietzsche ist der -Ansicht, daß die älteren Griechen die Leiden des Daseins sehr gut -gekannt haben. "Es geht die alte Sage, daß König Midas lange Zeit -nach dem weisen Silen, dem Begleiter des Dionysus, im Walde gejagt -habe, ohne ihn zu fangen. Als er ihm endlich in die Hände gefallen -ist, fragt der König, was für den Menschen das Allerbeste und -Allervorzüglichste sei. Starr und unbeweglich schweigt der Dämon, -bis er, durch den König gezwungen, endlich unter gellem Lachen -in diese Worte ausbricht: "Elendes Eintagsgeschlecht, des Zufalls -Kinder und der Mühsal, was zwingst du mich, dir zu sagen, was nicht -zu hören für dich das Ersprießlichste ist? Das Allerbeste ist für dich -gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht zu sein, nichts zu -sein. Das Zweitbeste aber ist für dich -- bald zu sterben" (Geburt der -Tragödie § 3). In dieser Sage findet Nietzsche eine Grundempfindung -der Griechen ausgedrückt. Er hält es für eine Oberflächlichkeit, -wenn man die Griechen als das beständig heitere, kindlich tändelnde -Volk hinstellt. Aus der tragischen Grundempfindung heraus mußte den -Griechen der Drang entstehen, etwas zu schaffen, wodurch das Dasein -erträglich wird. Sie suchten nach einer Rechtfertigung des Daseins -- -und fanden diese in ihrer Götterwelt und in der Kunst. Nur durch das -Gegenbild der olympischen Götter und der Kunst wurde den Griechen -die rauhe Wirklichkeit erträglich. Die Grundfrage in der "Geburt der -Tragödie" ist also für Nietzsche: Inwiefern ist die griechische Kunst -lebenfördernd, lebenerhaltend gewesen? Nietzsches Grundinstinkt macht -sich somit in Bezug auf die Kunst als lebenfördernde Macht schon in -diesem ersten Werke geltend. - - - - -35. - -Noch ein anderer Grundinstinkt Nietzsches ist in diesem Werke -schon zu beobachten. Es ist die Abneigung gegen die bloß logischen -Geister, deren Persönlichkeit vollständig unter der Herrschaft ihres -Verstandes steht. Aus dieser Abneigung stammt Nietzsches Meinung, -daß der sokratische Geist der Zerstörer der griechischen Kultur -ist. Das Logische gilt Nietzsche nur als eine Form, in der sich -die Persönlichkeit äußert. Wenn zu dieser Form nicht noch andere -Äußerungsweisen treten, so erscheint die Persönlichkeit als Krüppel, -als Organismus, an dem notwendige Organe verstümmelt sind. Weil -Nietzsche in Kants Schriften nur den grübelnden Verstand entdecken -konnte, nennt er Kant einen "verwachsenen Begriffskrüppel". Nur -wenn die Logik der Ausdruck für die tieferen Grundinstinkte einer -Persönlichkeit ist, läßt sie Nietzsche gelten. Sie muß ein Ausfluß -des Über-Logischen in der Persönlichkeit sein. Nietzsche hat an der -Ablehnung des sokratischen Geistes immer festgehalten. Wir lesen in -der Götzendämmerung: "Mit Sokrates schlägt der griechische Geschmack zu -Gunsten der Dialektik um: was geschieht da eigentlich? Vor allem wird -ein vornehmer Geschmack besiegt; der Pöbel kommt mit der Dialektik -oben auf. Vor Sokrates lehnte man in der guten Gesellschaft die -dialektischen Manieren ab; sie galten als schlechte Manieren, -sie stellten bloß" (Problem des Sokrates § 5). Wo nicht kräftige -Grundinstinkte für eine Sache sprechen, da tritt der beweisende -Verstand ein und sucht sie durch Advokatenkünste zu stützen. - - - - -36. - -Einen Erneuerer des dionysischen Geistes glaubte Nietzsche in -Richard Wagner zu erkennen. Er hat aus diesem Glauben heraus die -vierte seiner "Unzeitgemäßen Betrachtungen": "Richard Wagner in -Bayreuth", 1875, geschrieben. Er hielt in dieser Zeit noch an der -Deutung des dionysischen Geistes fest, die er sich in Gemäßheit -der Schopenhauerschen Philosophie gebildet hatte. Er glaubte noch, -daß die Wirklichkeit nur menschliche Vorstellung sei und jenseits -dieser Vorstellungswelt das Wesen der Dinge in Form des Urwillens -liege. Und der schaffende dionysische Geist war ihm noch nicht der -aus sich heraus schaffende, sondern der sich selbst vergessende, in -dem Urwollen aufgehende Mensch. Bilder des waltenden Urwillens, von -einem an diesen Urwillen hingegebenen dionysischen Geiste geschaffen, -waren ihm Wagners Musikdramen. - -Und da Schopenhauer in der Musik ein unmittelbares Abbild des Willens -sah, so glaubte auch Nietzsche in der Musik das beste Ausdrucksmittel -für einen dionysisch schaffenden Geist sehen zu sollen. Die Sprache -der civilisierten Völker schien ihm erkrankt. Sie kann nicht mehr der -schlichte Ausdruck der Gefühle sein, denn die Worte mußten allmählich -immer mehr dazu verwendet werden, der Ausdruck für die zunehmende -Verstandesbildung der Menschen zu werden. Dadurch aber ist die -Bedeutung der Worte abstrakt, arm geworden. Sie können nicht mehr -ausdrücken, was der aus dem Urwillen heraus schaffende dionysische -Geist empfindet. Dieser kann daher in dem Wortdrama sich nicht mehr -aussprechen. Er muß andere Ausdrucksmittel, vor allem die Musik, aber -auch die anderen Künste zu Hilfe rufen. Der dionysische Geist wird -zum dithyrambischen Dramatiker, "diesen Begriff so voll genommen, daß -er zugleich den Schauspieler, Dichter, Musiker umfaßt". "Wie man sich -nun auch die Entwickelung des Urdramatikers vorstellen möge, in seiner -Reife und Vollendung ist er ein Gebilde ohne jede Hemmung und Lücke: -der eigentlich freie Künstler, der gar nicht anders kann, als in allen -Künsten zugleich denken, der Mittler und Versöhner zwischen scheinbar -getrennten Sphären, der Wiederhersteller einer Ein- und Gesamtheit des -künstlerischen Vermögens, welches gar nicht erraten und erschlossen, -sondern nur durch die That gezeigt werden kann" (Richard Wagner in -Bayreuth § 7). Als dionysischen Geist verehrte Nietzsche Richard -Wagner. Und nur in dem von Nietzsche in der eben genannten Schrift -angegebenen Sinne kann Wagner als dionysischer Geist bezeichnet -werden. Seine Instinkte sind auf das Jenseits gerichtet; er will -die Stimme des Jenseits durch seine Musik erklingen lassen. Ich habe -bereits (S. 81 f.) darauf hingewiesen, daß sich Nietzsche später selbst -fand und imstande war, seine auf das Diesseits gerichteten Instinkte -in ihrer Eigenart zu erkennen. Er hatte ursprünglich die Wagnersche -Kunst mißverstanden, weil er sich selbst mißverstanden hatte, weil -er seine Instinkte durch die Schopenhauersche Philosophie hatte -tyrannisieren lassen. Wie ein Krankheitsprozeß erschien ihm später -diese Unterordnung seiner Instinkte unter eine fremde Geistesmacht. Er -fand, daß er auf seine Instinkte nicht gehört hatte und sich durch -eine ihm unangemessene Meinung hatte verführen lassen, eine Kunst auf -diese Instinkte wirken lassen, die ihnen nur zum Nachteil gereichen -konnte, die sie krank machen mußte. - - - - -37. - -Nietzsche hat den Einfluß, den die seinen Grundtrieben widersprechende -Schopenhauersche Philosophie auf ihn genommen, selbst geschildert -in seiner dritten "Unzeitgemäßen Betrachtung", "Schopenhauer als -Erzieher" (1873), zu einer Zeit, als er noch an diese Philosophie -glaubte. Nietzsche suchte einen Erzieher. Der rechte Erzieher kann nur -der sein, der auf den zu Erziehenden so wirkt, daß dessen innerster -Wesenskern sich aus der Persönlichkeit heraus entwickelt. Auf jeden -Menschen wirkt seine Zeit mit ihren Kulturmitteln ein. Er nimmt auf, -was die Zeit an Bildungsstoff bietet. Aber es frägt sich, wie er sich -inmitten dieses von außen auf ihn Eindringenden selbst finden kann; -wie er das aus sich herausspinnen kann, was er und nur er und kein -anderer sein kann. "Der Mensch, welcher nicht zur Masse gehören -will, braucht nur aufzuhören, gegen sich bequem zu sein; er folge -seinem Gewissen, welches ihm zuruft: ""sei du selbst! Das bist du -alles nicht, was du jetzt thust, meinst, begehrst"", so spricht -der Mensch zu sich, der eines Tages findet, daß er sich immer nur -damit begnügt hat, Bildungsstoff von außen aufzunehmen (Schopenhauer -als Erzieher § 1). Nietzsche fand sich selbst, wenn auch zunächst -noch nicht in seiner ihm ureigensten Gestalt, durch das Studium der -Schopenhauerschen Philosophie. Nietzsche strebte unbewußt danach, -einfach und ehrlich seinen Grundtrieben gemäß sich auszusprechen. Er -fand um sich nur Menschen, die in den Bildungsformeln der Zeit sich -ausdrückten, die ihr eigenes Wesen durch diese Formeln verhüllten. In -Schopenhauer fand Nietzsche aber einen Menschen, der den Mut hatte, -seine persönlichen Empfindungen der Welt gegenüber zum Inhalte seiner -Philosophie zu machen: "Das kräftige Wohlgefühl des Sprechenden" -umfing Nietzsche beim ersten Lesen von Schopenhauers Sätzen. "Hier -ist eine immer gleichartige, stärkende Luft, so fühlen wir; hier ist -eine gewisse unnachahmliche Unbefangenheit und Natürlichkeit, wie sie -Menschen haben, die in sich zu Hause und zwar in einem sehr reichen -Hause Herren sind: im Gegensatze zu jenen Schriftstellern, die sich am -meisten wundern, wenn sie einmal geistreich waren, und deren Vortrag -dadurch etwas Unruhiges und Naturwidriges bekommt." "Schopenhauer -redet mit sich; oder wenn man sich durchaus einen Zuhörer denken -will, so denke man sich den Sohn, den der Vater unterweist. Es ist -ein redliches, derbes, gutmütiges Aussprechen vor einem Hörer, der -mit Liebe hört" (Schopenhauer § 2). Daß er einen Menschen, der sich -seinen innersten Instinkten gemäß ausspricht, reden hörte, das war es, -was Nietzsche zu Schopenhauer hinzog. - -Nietzsche sah in Schopenhauer eine starke Persönlichkeit, die nicht -durch die Philosophie in einen bloßen Verstandesmenschen umgewandelt -wird, sondern die das Logische nur zum Ausdrucke des Überlogischen, -des Instinktiven in sich macht. "Die Sehnsucht nach starker Natur, nach -gesunder und einfacher Menschheit war bei ihm eine Sehnsucht nach sich -selbst; und sobald er die Zeit in sich besiegt hatte, mußte er auch, -mit erstauntem Auge, den Genius in sich erblicken" (Schopenhauer § -3). In Nietzsches Geist arbeitete schon damals das Streben nach der -Idee des Übermenschen, der sich selbst sucht, als den Sinn seines -Daseins, und einen solchen Suchenden fand er in Schopenhauer. In -solchen Menschen sieht er den Zweck und zwar den einzigen Zweck des -Weltdaseins erreicht; die Natur scheint ihm an einem Ziele angekommen -zu sein, wenn sie einen solchen Menschen hervorgebracht hat. "Die -Natur, die nie springt, macht hier ihren einzigen Sprung und zwar -einen Freudensprung, denn sie fühlt sich zum erstenmal am Ziele, -dort nämlich, wo sie begreift, daß sie verlernen müsse, Ziele zu -haben." (Schopenh. § 5.) In diesem Satze liegt der Keim zur Konzeption -des Übermenschen. Nietzsche wollte, als er diesen Satz niederschrieb, -schon genau dasselbe, was er später mit seinem Zarathustra wollte; -aber ihm fehlte noch die Kraft, dieses Wollen in einer eigenen Sprache -auszusprechen. Er sah schon, als er sein Schopenhauerbuch schrieb, -den Grundgedanken der Kultur in der Erzeugung des Übermenschen. - - - - -38. - -In der Entwickelung der persönlichen Instinkte der Einzelmenschen sieht -also Nietzsche das Ziel aller menschlichen Entwickelung. Was dieser -Entwickelung entgegenarbeitet, erscheint ihm als die eigentlichste -Versündigung an der Menschheit. Es giebt aber etwas im Menschen, das -auf ganz natürliche Weise seiner freien Entwickelung widerstrebt. Der -Mensch läßt sich nicht allein durch die in jedem einzelnen Augenblicke -in ihm thätigen Triebe bestimmen, sondern auch durch alles das, was -in seinem Gedächtnisse sich angesammelt hat. Der Mensch erinnert -sich an seine eigenen Erlebnisse, er sucht sich ein Bewußtsein -der Erlebnisse seines Volkes, Stammes, ja der ganzen Menschheit -durch den Betrieb der Geschichte zu verschaffen. Der Mensch ist ein -historisches Wesen. Die Tiere leben unhistorisch; sie folgen den -Trieben, die in dem einzelnen Augenblicke in ihnen wirken. Der Mensch -läßt sich durch seine Vergangenheit bestimmen. Wenn er irgend etwas -unternehmen will, frägt er sich: welche Erfahrungen habe ich oder ein -anderer mit einem ähnlichen Unternehmen schon gemacht? Der Antrieb zu -einer Handlung kann durch die Erinnerung an ein Erlebnis vollständig -abgetötet werden. Für Nietzsche entsteht aus der Beobachtung dieser -Thatsache die Frage: inwiefern wirkt das Erinnerungsvermögen des -Menschen auf sein Leben fördernd, und inwiefern wirkt es nachteilig -ein? Die Erinnerung, die auch Dinge zu umfassen sucht, die der Mensch -nicht selbst erlebt hat, lebt als historischer Sinn, als Studium des -Vergangenen in dem Menschen. Nietzsche fragt: inwiefern wirkt der -historische Sinn lebenfördernd? Die Antwort auf diese Frage sucht er -zu geben in seiner zweiten "Unzeitgemäßen Betrachtung": "Vom Nutzen -und Nachteil der Historie für das Leben" (1843). Die Veranlassung zu -dieser Schrift war Nietzsches Wahrnehmung, daß der historische Sinn bei -seinen Zeitgenossen, namentlich bei den Gelehrten unter denselben, ein -hervorstechendes Charaktermerkmal geworden war. Die Vertiefung in die -Vergangenheit fand Nietzsche überall gepriesen. Nur durch Erkenntnis -der Vergangenheit soll der Mensch imstande sein, zu unterscheiden, -was ihm möglich, was ihm unmöglich ist: dieses Glaubensbekenntnis -drang ihm in die Ohren. Nur wer weiß, wie sich ein Volk entwickelt -hat, kann ermessen, was für seine Zukunft förderlich ist: diesen Ruf -hörte Nietzsche. Ja selbst die Philosophen wollten nicht mehr Neues -erdenken, sondern lieber die Gedanken ihrer Vorfahren studieren. Dieser -historische Sinn wirkt lähmend auf das gegenwärtige Schaffen. Wer bei -jedem Impuls, der sich in ihm regt, erst zu bestimmen sucht, wozu ein -ähnlicher Impuls in der Vergangenheit geführt hat, in dem erschlaffen -die Kräfte, bevor sie gewirkt haben. "Denkt euch das äußerste Beispiel, -einen Menschen, der die Kraft zu vergessen gar nicht besäße, der -verurteilt wäre, überall ein Werden zu sehen: ein solcher glaubt nicht -mehr an sein eigenes Sein, glaubt nicht mehr an sich, sieht alles in -bewegte Punkte auseinander fließen und verliert sich in diesem Strome -des Werdens. ... Zu allem Handeln gehört Vergessen, wie zum Leben alles -Organischen nicht nur Licht, sondern auch Dunkel gehört. Ein Mensch, -der durch und durch nur historisch empfinden wollte, wäre dem ähnlich, -der sich des Schlafens zu enthalten gezwungen wäre, oder dem Tiere, -das nur vom Wiederkäuen und immer wiederholtem Wiederkäuen fortleben -sollte" (Historie § 1). Nietzsche ist der Meinung, daß der Mensch nur -so viel Geschichte vertragen kann, als dem Maße seiner schöpferischen -Kräfte entspricht. Die starke Persönlichkeit führt ihre Intentionen -aus, trotzdem sie sich an die Erlebnisse der Vergangenheit erinnert, -ja sie wird vielleicht gerade durch die Erinnerung an diese Erlebnisse -eine Stärkung ihrer Kraft erfahren. Die Kräfte des schwachen Menschen -aber werden durch den historischen Sinn ausgelöscht. Um den Grad -zu bestimmen und durch ihn dann die Grenze, "an der das Vergangene -vergessen werden muß, wenn es nicht zum Totengräber des Gegenwärtigen -werden soll, müßte man genau wissen, wie groß die plastische Kraft -eines Menschen, eines Volkes, einer Kultur ist, ich meine jene Kraft, -aus sich heraus eigenartig zu wachsen, Vergangenes und Fremdes -umzubilden und einzuverleiben" (Historie § 1). - -Nietzsche ist der Ansicht, daß das Historische nur insofern -gepflegt werden soll, als es für die Gesundheit eines Einzelnen, -eines Volkes oder einer Kultur nötig ist. Worauf es ihm ankommt, -ist: "besser lernen, Historie zum Zwecke des Lebens zu treiben" -(Historie § 1). Er spricht dem Menschen das Recht zu, die Geschichte -so zu treiben, daß sie möglichst zur Förderung der Antriebe einer -bestimmten Gegenwart wirkt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist er -ein Gegner jener Geschichtsbetrachtung, die nur in der "historischen -Objektivität" ihr Heil sucht, die nur sehen und erzählen will, wie es -in der Vergangenheit "thatsächlich" zugegangen ist, die nur die "reine, -folgenlose" Erkenntnis oder deutlicher "die Wahrheit, bei der nichts -herauskommt", sucht (Historie § 6). Eine solche Betrachtung kann nur -aus einer schwachen Persönlichkeit entspringen, deren Empfindungen -nicht flut- und ebbeartig auf- und abwogen, wenn sie den Strom der -Ereignisse an sich vorübergehen sieht. Eine solche Persönlichkeit -"ist zum nachtönenden Passivum geworden, das durch sein Ertönen -wieder auf andere derartige Passiva wirkt: bis endlich die ganze -Luft einer Zeit von solchen durcheinander schwirrenden zarten und -verwandten Nachklängen erfüllt ist." (Historie § 6.) Daß aber eine -solche schwache Persönlichkeit wirklich die Kräfte nachempfinden -kann, die in den Menschen der Vergangenheit gewaltet haben, glaubt -Nietzsche nicht: "Doch scheint es mir, daß man gleichsam nur die -Obertöne jedes originalen und geschichtlichen Haupttons vernimmt: -das Derbe und Mächtige des Originals ist aus dem sphärisch-dünnen -und spitzen Saitenklange nicht mehr zu erraten. Dafür weckte der -Originalton meistens Thaten, Nöte, Schrecken, dieser lullt uns -ein und macht uns zu weichlichen Genießern; es ist, als ob man die -heroische Symphonie für zwei Flöten eingerichtet und zum Gebrauch -von träumenden Opiumrauchern bestimmt habe." (Historie § 6.) Nur der -kann die Vergangenheit wirklich verstehen, der auch in der Gegenwart -machtvoll lebt, der kräftige Instinkte hat, durch die er die Instinkte -der Vorfahren erraten und erschließen kann. Dieser kümmert sich -weniger um das Thatsächliche, als um das, was aus den Thatsachen -sich erraten läßt. "Es wäre eine Geschichtsschreibung zu denken, die -keinen Tropfen der gemeinen empirischen Wahrheit in sich hat und doch -im höchsten Grade auf das Prädikat der Objektivität Anspruch machen -dürfte." (Historie § 6.) Der Meister einer solchen Geschichtsschreibung -wäre der, der überall in den historischen Personen und Ereignissen -das aufsuchte, was hinter dem bloß Thatsächlichen steckt. Dazu muß -er aber ein mächtiges Eigenleben führen, denn Instinkte und Triebe -kann man unmittelbar nur an der eigenen Person beobachten. "Nur aus -der höchsten Kraft der Gegenwart dürft ihr das Vergangene deuten: nur -in der stärksten Anspannung eurer edelsten Eigenschaften werdet ihr -erraten, was in dem Vergangenen wissens- und bewahrenswürdig und groß -ist. Gleiches durch Gleiches! Sonst zieht ihr das Vergangene zu euch -nieder." "Alle Geschichte schreibt der Erfahrene und Überlegene. Wer -nicht einiges größer und höher erlebt hat als alle, wird auch nichts -Großes und Hohes aus der Vergangenheit zu deuten wissen." (Historie -§ 6.) - -Dem Überhandnehmen des historischen Sinnes in der Gegenwart gegenüber -macht Nietzsche geltend, "daß der Mensch vor allem zu leben lerne, und -nur im Dienste des erlernten Lebens die Historie gebrauche". (Historie -§ 10.) Er will vor allen Dingen eine "Gesundheitslehre des Lebens", -und die Historie soll nur insoweit getrieben werden, als sie einer -solchen Gesundheitslehre förderlich ist. - -Was ist an der Geschichtsbetrachtung lebenfördernd? Diese Frage stellt -Nietzsche in seiner "Historie", und er steht damit bereits auf dem -Boden, den er in dem S. 9 f. angeführten Satz aus "Jenseits von Gut -und Böse" bezeichnet. - - - - -39. - -In besonders starkem Grade wirkt der gesunden Entwickelung der -Eigenpersönlichkeit jene Gesinnung entgegen, die in dem bürgerlichen -Philister zur Erscheinung kommt. Ein Philister ist der Gegensatz zu -einem Menschen, der in dem freien Ausleben seiner Anlagen Befriedigung -findet. Der Philister will dieses Ausleben nur insoweit gelten -lassen, als es einem gewissen Durchschnittsmaß der menschlichen -Begabung entspricht. So lange der Philister innerhalb seiner Grenzen -bleibt, ist gegen ihn nichts einzuwenden. Wer ein Durchschnittsmensch -bleiben will, der hat das mit sich abzumachen. Nietzsche fand unter -seinen Zeitgenossen solche, die ihre philisterhafte Gesinnung -zur Normalgesinnung für alle Menschen machen wollten, die ihre -Philisterhaftigkeit als das einzige, wahre Menschentum ansahen. Zu -ihnen rechnet er Dav. Friedr. Strauß, den Ästhetiker Friedr. Theodor -Vischer u. A. Vischer, glaubt er, habe das Philisterbekenntnis -unumwunden abgelegt in einer Rede, die er zum Andenken Hölderlins -gehalten hat. Er sieht es in den Worten: "Er (Hölderlin) war -eine der unbewaffneten Seelen, er war der Werther Griechenlands, -ein hoffnungslos Verliebter; es war ein Leben voll Weichheit und -Sehnsucht, aber auch Kraft und Inhalt war in seinem Leben, Fülle und -Leben in seinem Stil, der da und dort sogar an Aeschylus gemahnt. Nur -hatte sein Geist zu wenig vom Harten; es fehlte ihm als Waffe der -Humor; er konnte es nicht ertragen, daß man noch kein Barbar ist, -wenn man ein Philister ist." (David Strauß § 2.) Der Philister will -hervorragenden Menschen nicht geradezu die Existenzberechtigung -absprechen; aber er meint: sie gehen an der Wirklichkeit zu Grunde, -wenn sie sich nicht abzufinden wissen mit den Einrichtungen, die -der Durchschnittsmensch seinen Bedürfnissen entsprechend geschaffen -hat. Diese Einrichtungen seien einmal das Einzige, was wirklich, -was vernünftig ist, und in sie müsse sich auch der große Mensch -fügen. Aus dieser Philistergesinnung heraus hat David Strauß sein Buch -"Der alte und der neue Glaube" geschrieben. Gegen dieses Buch oder -vielmehr gegen die in ihm zum Ausdruck gekommene Gesinnung wendet -sich die erste der Nietzscheschen "Unzeitgemäßen Betrachtungen": -"David Strauß, der Bekenner und Schriftsteller" (1873). Der Eindruck -der neueren naturwissenschaftlichen Errungenschaften auf den Philister -ist ein solcher, daß er sagt: "Der christliche Ausblick auf ein -unsterbliches, himmlisches Leben ist, samt den andern Tröstungen -der christlichen Religion, unrettbar dahingefallen." (David Strauß § -4.) Er will sich das Leben auf der Erde gemäß den Vorstellungen der -Naturwissenschaft behaglich, d. h. so behaglich, wie es dem Philister -entspricht, einrichten. Nun zeigt der Philister, wie man glücklich -und zufrieden sein kann, trotzdem man weiß, daß kein höherer Geist -über den Sternen waltet, sondern die starren, gefühllosen Kräfte der -Natur über alles Weltgeschehen herrschen. "Wir haben während der -letzten Jahre lebendigen Anteil genommen an dem großen nationalen -Krieg und der Aufrichtung des deutschen Staates, und wir finden uns -durch diese so unerwartete als herrliche Wendung der Geschicke unserer -vielgeprüften Nation im Innersten erhoben. Dem Verständnis dieser -Dinge helfen wir durch geschichtliche Studien nach, die jetzt mittelst -einer Reihe anziehend und volkstümlich geschriebener Geschichtswerke -auch dem Nichtgelehrten leicht gemacht sind; dabei suchen wir unsere -Naturerkenntnisse zu erweitern, wozu es an gemeinverständlichen -Hülfsmitteln gleichfalls nicht fehlt; und endlich finden wir in -den Schriften unserer großen Dichter, bei den Aufführungen der -Werke unserer großen Musiker eine Anregung für Geist und Gemüt, für -Phantasie und Humor, die nichts zu wünschen übrig läßt. So leben wir, -so wandeln wir beglückt." (Strauß, Der alte und neue Glaube § 88.) - -Es ist das Evangelium des trivialsten Lebensgenusses, das aus diesen -Worten spricht. Alles, was über das Triviale hinausgeht, nennt der -Philister ungesund. Strauß sagt von der "Neunten Symphonie" Beethovens, -daß diese nur bei denen beliebt sei, welchen "das Barocke als das -Geniale, das Formlose als das Erhabene gilt" (Der alte und neue -Glaube § 109); von Schopenhauer weiß der Messias des Philistertums -zu verkünden, daß man an eine so "ungesunde und unersprießliche" -Philosophie wie die Schopenhauersche keine Gründe, sondern höchstens -nur Worte und Scherze verschwenden dürfe. (David Strauß § 6.) Gesund -nennt der Philister nur das, was der Durchschnittsbildung entspricht. - -Als sittliches Urgebot stellt Strauß den Satz auf: "Alles sittliche -Handeln ist ein Sichbestimmen des Einzelnen, nach der Idee der -Gattung." (Der alte und neue Glaube § 74.) Nietzsche erwidert -darauf: "Ins Deutliche und Greifbare übertragen heißt das nur: -lebe als Mensch und nicht als Affe oder Seehund. Dieser Imperativ -ist leider nur durchaus unbrauchbar und kraftlos, weil unter dem -Begriff Mensch das Mannigfaltigste zusammen im Joche geht, z. B. der -Patagonier und der Magister Strauß, und weil niemand wagen wird, -mit gleichem Rechte zu sagen: lebe als Patagonier! und: lebe als -Magister Strauß!" (Dav. Strauß § 7.) - -Es ist ein Ideal, und zwar ein Ideal jämmerlichster Art, das Strauß -den Menschen vorsetzen will. Und Nietzsche protestiert dagegen; er -protestiert, weil in ihm ein lebhafter Instinkt ruft: lebe nicht, -wie der Magister Strauß, sondern lebe, wie es dir angemessen ist! - - - - -40. - -Erst in der Schrift: "Menschliches, Allzumenschliches" (1878) erscheint -Nietzsche frei von dem Einflusse der Schopenhauerschen Denkweise. Er -hat es aufgegeben, übernatürliche Ursachen für die natürlichen -Ereignisse zu suchen; er strebt nach natürlichen Erklärungsgründen. Er -sieht jetzt alles Menschenleben als eine Art natürlichen Geschehens an; -in dem Menschen sieht er das höchste Naturprodukt. Man lebt "zuletzt -unter den Menschen und mit sich wie in der Natur, ohne Lob, Vorwürfe, -Ereiferung, an vielem sich wie an einem Schauspiel weidend, vor dem -man sich bisher nur zu fürchten hatte. Man wäre die Emphasis los und -würde die Anstachelung des Gedankens, daß man nicht nur Natur oder mehr -als Natur sei, nicht weiter empfinden ..... es muß ein Mensch, von dem -in solchem Maße die gewöhnlichen Fesseln des Lebens abgefallen sind, -daß er nur deshalb weiter lebt, um immer besser zu erkennen, auf alles, -ja fast auf alles, was bei den anderen Menschen Wert hat, ohne Neid und -Verdruß verzichten können; ihm muß als der wünschenswerteste Zustand -jenes freie, furchtlose Schweben über Menschen, Sitten, Gesetzen und -den herkömmlichen Schätzungen der Dinge genügen." (Menschliches I. § -84.) Nietzsche hat bereits allen Glauben an Ideale aufgegeben; er sieht -in den menschlichen Handlungen nur noch Folgen natürlicher Ursachen, -und in dem Erkennen dieser Ursachen findet er seine Befriedigung. Er -findet, daß man eine unrichtige Vorstellung von den Dingen bekommt, -wenn man bloß das an ihnen sieht, was von dem Lichte der idealistischen -Erkenntnis beleuchtet wird. Es entgeht einem dann das, was von den -Dingen im Schatten liegt. Nietzsche will jetzt nicht nur die Sonnen-, -sondern auch die Schattenseite der Dinge kennen lernen. Aus diesem -Streben ging die Schrift: "Der Wanderer und sein Schatten" hervor -(1879). Er will in diesem Buche die Erscheinungen des Lebens von allen -Seiten erfassen. Er ist "Wirklichkeitsphilosoph" im besten Sinne des -Wortes geworden. - -In der "Morgenröte" (1881) schildert er den moralischen Prozeß in der -Menschheitsentwickelung als einen Naturvorgang. Schon in dieser Schrift -zeigt er, daß es keine überirdische sittliche Weltordnung, keine -ewigen Gesetze des Guten und Bösen giebt, und daß alle Sittlichkeit -entsprungen ist aus den in den Menschen waltenden natürlichen Trieben -und Instinkten. Nun war die Bahn frei gemacht für den originellen -Wandergang Nietzsches. Wenn keine außermenschliche Macht dem Menschen -eine bindende Verpflichtung auferlegen kann, dann ist er berechtigt, -das eigene Schaffen frei walten zu lassen. Diese Erkenntnis ist das -Leitmotiv der "fröhlichen Wissenschaft" (1882). Keine Fessel ist nun -dieser "freien" Erkenntnis Nietzsches mehr angelegt. Er fühlt sich -berufen, neue Werte zu schaffen, nachdem er den Ursprung der alten -erkannt und gefunden hat, daß sie nur menschliche, keine göttlichen -Werte sind. Er wagt es jetzt, das zu verwerfen, was seinen Instinkten -widerspricht, und anderes an die Stelle zu setzen, was seinen -Trieben gemäß ist: "Wir Neuen, Namenlosen, Schlechtverständlichen, -wir Frühgeburten einer noch unbewiesenen Zukunft -- wir bedürfen zu -einem neuen Zwecke auch eines neuen Mittels, nämlich einer neuen -Gesundheit, einer stärkeren, gewitzteren, zäheren, verwegeneren, -lästigeren, als alle Gesundheiten bisher waren. Wessen Seele darnach -dürstet, den ganzen Umfang der bisherigen Werte und Wünschbarkeiten -erlebt und alle Künste dieses idealischen "Mittelmeeres" umschifft zu -haben, wer aus den Abenteuern der eigensten Erfahrungen wissen will, -wie es einem Eroberer und Entdecker des Ideals zu Mute ist ... der -hat zu allererst Eins nötig, die große Gesundheit .... Und nun, -nachdem wir lange dergestalt unterwegs waren, wir Argonauten des -Ideals, mutiger vielleicht, als klug ist ... will es uns scheinen, -als ob wir, zum Lohn dafür, ein noch unentdecktes Land vor uns haben -.... Wie könnten wir uns, nach solchen Ausblicken und mit einem -solchen Heißhunger in Gewissen und Wissen, noch am gegenwärtigen -Menschen genügen lassen!" (Fröhliche Wissenschaft § 382.) - - - - -41. - -Aus der in den vorstehenden Sätzen charakterisierten Stimmung heraus -erwuchs Nietzsche das Bild seines Übermenschen. Es ist das Gegenbild -des Gegenwartsmenschen; es ist vor allem das Gegenbild des Christen. Im -Christentum ist der Widerspruch gegen die Pflege des starken Lebens -Religion geworden. (Antichrist § 5.) Der Stifter dieser Religion -lehrte: daß vor Gott das verächtlich ist, was vor den Menschen -Wert hat. In dem "Gottesreich" will der Christ alles verwirklicht -finden, was ihm auf Erden mangelhaft erscheint. Das Christentum ist -die Religion, die dem Menschen alle Sorge für das irdische Leben -benehmen will; es ist die Religion der Schwachen, die sich gerne als -Gebot vorsetzen lassen: "Widerstrebe nicht dem Bösen und dulde alles -Ungemach", weil sie nicht stark genug sind zum Widerstande. Der Christ -hat keinen Sinn für die vornehme Persönlichkeit, die aus ihrer eigenen -Wirklichkeit ihre Kraft schöpfen will. Er glaubt, der Blick für das -Menschenreich verderbe die Sehkraft für das Gottesreich. Auch die -vorgeschritteneren Christen, die nicht mehr glauben, daß sie am Ende -der Tage in ihrer leibhaftigen Gestalt wieder auferstehen werden, um -entweder in das Paradies aufgenommen oder in die Hölle verstoßen zu -werden, träumen von "göttlicher Vorsehung", von einer "übersinnlichen" -Ordnung der Dinge. Auch sie sind der Ansicht, daß sich der Mensch -über seine bloß irdischen Ziele erheben und in ein ideales Reich -einfügen müsse. Sie glauben, daß das Leben einen rein geistigen -Hintergrund habe, und daß es erst dadurch einen Wert erhalte. Nicht -die Instinkte für Gesundheit, Schönheit, Wachstum, Wohlgeratenheit, -Dauer, für Häufung von Kräften will das Christentum pflegen, sondern -den Haß gegen den Geist, gegen Stolz, Mut, Vornehmheit, gegen das -Selbstvertrauen und die Freiheit des Geistes, den Haß gegen die Freuden -der sinnlichen Welt, gegen die Freude und Heiterkeit der Wirklichkeit, -in der der Mensch lebt. (Antichrist § 21.) Das Christentum bezeichnet -das Natürliche geradezu als "verwerflich". Im christlichen Gotte -ist ein jenseitiges Wesen, d. h. ein Nichts vergöttlicht, es ist -der Wille zum Nichts heilig gesprochen. (Antichrist § 18.) Deshalb -bekämpft Nietzsche im ersten Buche seiner "Umwertung aller Werte" -das Christentum. Und er wollte im zweiten und dritten Buche auch -die Philosophie und Moral der Schwachen bekämpfen, die sich nur in -der Rolle von Abhängigen wohlgefallen. Weil der Typus des Menschen, -den Nietzsche gezüchtet sehen will, das diesseitige Leben nicht -gering schätzt, sondern dieses Leben mit Liebe umfaßt und es zu hoch -stellt, um glauben zu können, daß es nur einmal gelebt werden solle, -deshalb ist er nach "der Ewigkeit brünstig" (Zarathustra, 3. Teil, -die sieben Siegel) und möchte, daß dieses Leben unendlich oft gelebt -werden könne. Nietzsche läßt seinen "Zarathustra" den "Lehrer der -ewigen Wiederkunft" sein. "Siehe, wir wissen ....., daß alle Dinge ewig -wiederkehren und wir selber mit, und daß wir schon ewige Male dagewesen -sind, und alle Dinge mit uns." (Zarath. 3. Teil, der Genesende.) Eine -bestimmte Meinung darüber zu haben, welche Vorstellung Nietzsche mit -dem Worte "ewige Wiederkunft" verknüpfte, scheint mir gegenwärtig -nicht möglich zu sein. Man wird darüber erst Genaueres sagen können, -wenn die Aufzeichnungen Nietzsches zu den unvollendeten Teilen seines -"Willens zur Macht" in der zweiten Abteilung der Gesamtausgabe seiner -Werke vorliegen werden. - - - - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Friedrich Nietzsche, by Rudolf Steiner - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRIEDRICH NIETZSCHE *** - -***** This file should be named 53592-8.txt or 53592-8.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/3/5/9/53592/ - -Produced by Jeroen Hellingman and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net/ for Project -Gutenberg (This book was produced from scanned images of -public domain material from the Google Books project.) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook -for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, -performances and research. They may be modified and printed and given -away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks -not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country outside the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you'll have to check the laws of the country where you - are located before using this ebook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase "Project -Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format -other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg-tm web site -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain -Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works -provided that - -* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation." - -* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm - works. - -* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - -* You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The -Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm -trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - diff --git a/old/old/53592-8.zip b/old/old/53592-8.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index a4e09df..0000000 --- a/old/old/53592-8.zip +++ /dev/null |
