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-The Project Gutenberg eBook of Tom Sawyers Neue Abenteuer, by Mark Twain
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you
-will have to check the laws of the country where you are located before
-using this eBook.
-
-Title: Tom Sawyers Neue Abenteuer
-
-Author: Mark Twain
-
-Release Date: May 15, 2021 [eBook #65346]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-Produced by: The Online Distributed Proofreading Team at
- https://www.pgdp.net
-
-*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK TOM SAWYERS NEUE ABENTEUER ***
-
-
-
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter,
- unterstrichener oder kursiver Text ist _so ausgezeichnet_. Im
- Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so markiert~. Im Original
- fetter Text ist =so dargestellt=.
-
- Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des
- Buches.
-
-[Illustration: Cover]
-
-[Illustration: S. L. Clemens
-
-(Mark Twain)
-
-Gezeichnet von _Henry Rauchinger_.]
-
-
-
-
- Tom Sawyers
-
- Neue Abenteuer
-
- Von
-
- Mark Twain
-
- Autorisiert
-
- Tom Sawyer im Luftballon
-
- Tom, der kleine Detektiv
-
- [Illustration]
-
- Stuttgart
-
- Verlag von Robert Lutz
-
- 1903.
-
-
-
-
-Alle Rechte vorbehalten.
-
-
-Druck von A. Bonz’ Erben, Stuttgart.
-
-
-
-
-_Tom Sawyer_ im _Luftballon_.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Erstes Kapitel.
-
-
-War nun Tom Sawyer zufrieden nach all seinen Abenteuern? Ich meine die
-Abenteuer auf dem Fluß, als wir den Nigger Jim frei machten und Tom den
-Schuß ins Bein kriegte.[1]
-
- [1] Humor. Schriften, Bd. 2 (Fahrten des Huckleberry Finn).
-
-Nein, er war _nicht_ zufrieden! Es fraß an ihm, er wollte nur
-noch mehr. Ja, als wir drei auf dem Fluß zurückkamen von unserer
-langen Reise, in voller Glorie -- so kann man wohl sagen -- und als
-das Städtchen uns mit einem Fackelzug und mit Ansprachen und mit
-allgemeinem Hurra und Jubelgeschrei empfing, -- ja, da waren wir
-Helden, und darnach war ja Tom Sawyers Sehnsucht immer gestanden.
-
-Eine Zeitlang war er denn auch wirklich zufrieden. Alle Leute feierten
-ihn, und er trug seine Nase hoch und ging mit einer Miene im Städtchen
-herum, als ob es ihm ganz allein gehörte. Einige nannten ihn ›Tom
-Sawyer den Reisenden‹, und dieser Titel machte ihn so aufgeblasen, daß
-er beinahe geplatzt wäre. Natürlich stand er ganz anders da, als ich
-und Jim, denn wir waren ja auf einem gewöhnlichen Floß stromabwärts
-gefahren und nur stromauf mit dem Dampfer, Tom aber hatte den Hin-
-sowohl wie den Rückweg auf dem Dampfboot gemacht. Die Jungens
-beneideten Jim und mich nicht wenig, aber vor Tom -- ach, du liebe
-Zeit, da krochen sie geradezu im Staube.
-
-Vielleicht wäre nun Tom doch zufrieden gewesen, wäre nur nicht der
-alte Nat Parsons dagewesen. Das war der Postmeister, ein riesenlanger
-und dünner, gutmütiger und ein bißchen beschränkter Mann, mit ganz
-kahlem Kopf -- denn er war schon sehr alt -- und so ziemlich das
-schwatzhafteste alte Geschöpf, das ich je gesehen habe. Volle dreißig
-Jahre lang war er im Städtchen der einzige berühmte Mann gewesen;
-berühmt war er als Reisender, und natürlich war er über alle Maßen
-stolz darauf, und man hatte ihm nachgerechnet, daß er im Lauf der
-dreißig Jahre mehr als eine Million Male die Geschichte von seiner
-Reise erzählt und jedesmal wieder selber eine kindliche Freude daran
-gehabt hatte. Und nun kommt da auf einmal ein Bengel von noch nicht
-fünfzehn, und jedermann reißt Mund und Augen auf über _dessen_ Reisen!
-Natürlich brachte das den alten Herrn außer Rand und Band. Es machte
-ihn ganz krank, wenn er mit anhören mußte, wie Tom erzählte und wie die
-Zuhörer dabei fortwährend riefen: »Ach Herrjeh,« »Nee, aber so was!«
-»Ach du himmlische Barmherzigkeit!« usw. usw. Aber trotzdem mußte er
-immer wieder zuhören; er war wie die naschhafte Fliege, die mit einem
-Hinterbein in der Sirupschüssel festsitzt Und jedesmal, wenn Tom eine
-Pause machte, dann fing der arme alte Herr von seiner abgedroschenen
-alten Reise an und quälte sich ab, sie so recht zur Geltung zu bringen
--- aber sie war wirklich schon _zu_ abgedroschen und zog nicht mehr,
-und es konnte einem wirklich leid tun, wenn man’s mit ansah. Dann kam
-Tom wieder an die Reihe und dann wiederum der Alte -- und so fort, und
-so fort, eine Stunde lang und noch länger, und jeder wollte immer den
-andern übertrumpfen.
-
-Mit Parsons Reise verhielt es sich so: Als er eben die
-Postmeisterstelle gekriegt hatte und noch ein ganz grüner Neuling war,
-da kam eines schönes Tages ein Brief für jemand, den er nicht kannte,
-denn einen Mann mit solchem Namen gab’s im Städtchen überhaupt nicht.
-Er wußte denn nun absolut nicht, was er anfangen sollte, und so lag
-denn der Brief da, von einer Woche zur andern, bis der bloße Anblick
-dem Postmeister übel machte. Das Porto für den Brief war nicht bezahlt
-und das war ebenfalls ein Grund zu Sorgen. Wie sollte er denn nur die
-10 Cents einziehen? Und dann, wer konnt’s wissen, vielleicht machte
-die Regierung ihn verantwortlich dafür und setzte ihn ab, weil er das
-Strafporto nicht eingezogen hatte ...
-
-Zuletzt konnte er’s einfach nicht länger aushalten; er konnte nachts
-nicht mehr schlafen, konnte nicht mehr essen und war zu einem Schatten
-abgemagert. Trotzdem wagte er’s nicht, jemand um Rat zu fragen; denn
-der Ratgeber konnte ja womöglich hinterlistig sein und der Regierung
-die Geschichte von dem Brief mitteilen. Er hatte den Brief unter dem
-Fußboden versteckt, aber auch das half nichts. Wenn zufällig mal jemand
-auf der betreffenden Stelle stand, so bekam der Postmeister eine
-Gänsehaut; schwarzer Verdacht bemächtigte sich seiner und er blieb auf,
-bis die Stadt still und dunkel war; dann schlich er sich an die Stelle
-und holte den Brief wieder hervor und verbarg ihn an einem andern
-Platz. Natürlich wurden die Leute scheu und schüttelten die Köpfe und
-flüsterten allerlei, denn aus seinen Blicken und Bewegungen schlossen
-sie, er hätte einen Menschen totgeschlagen oder sonst irgend was
-Fürchterliches begangen -- und wäre er ein Fremder gewesen, so hätte
-man ihn gelyncht.
-
-Also, wie gesagt, er konnte es nicht länger aushalten, und so beschloß
-er denn in seinem Sinn, er wollte nach Washington machen und geraden
-Wegs zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gehen und frei von der
-Leber weg sprechen und den Brief herausholen und ihn vor der ganzen
-Regierung offen hinlegen und sagen:
-
-»So! da ist er! Machen Sie mit mir, was Sie wollen. Aber der Himmel ist
-mein Zeuge: ich bin unschuldig und verdiene nicht die volle Schwere
-der gesetzlichen Strafe, und ich lasse eine Familie zurück, die ohne
-mich Hunger leiden muß und doch gar nichts mit der Geschichte zu tun
-gehabt hat. Und das ist die reine Wahrheit und darauf kann ich einen
-Eid leisten!«
-
-Gedacht, getan. Er fuhr ein Stückchen mit dem Dampfer und ein Stückchen
-mit der Postkutsche, aber den ganzen übrigen Teil der Reise machte er
-zu Pferde, und er brauchte drei Wochen bis Washington. Er sah viele
-Länder und unzählige Dörfer und vier große Städte. Acht Wochen lang war
-er fort und nie zuvor war in unserem Städtchen[2] ein Mann so stolz wie
-er, als er nun wieder daheim war. Durch seine Reisen war er der größte
-Mann in der ganzen Gegend geworden; von keinem hatte man je so viel
-gesprochen; dreißig Meilen weit kamen die Leute angereist, ja sogar
-von Illinois her, bloß um ihn zu sehen -- und da standen sie dann und
-glotzten ihn an und er plapperte. So was war noch niemals dagewesen.
-
- [2] Hannibal am Mississippi.
-
-Nun war denn natürlich die Frage, wer der größte Reisende sei: Nat
-oder Tom. Einigkeit war darüber nicht zu erzielen; die einen sagten,
-Nat wäre es, die anderen schworen auf Tom. Jedermann gab zu, daß Nat
-dem jüngeren Nebenbuhler in der Länge der Reise über war, aber dafür
-war Tom denn doch in einem ganz anderen Klima gewesen. Die Wage hielt
-so ziemlich das Gleichgewicht. Jeder von den beiden mußte deshalb seine
-gefährlichsten Abenteuer in die Wagschale werfen. Die Kugel in Toms
-Bein war für Nat sozusagen eine harte Nuß zu knacken, aber Nat knackte,
-so gut er konnte. Er war jedoch dabei entschieden im Nachteil, denn Tom
-saß nicht still, wie er eigentlich hätte tun sollen, sondern er hinkte
-fortwährend im Zimmer herum, während Nat das Abenteuer ausmalte, das er
-seiner Zeit in Washington gehabt hatte. Tom hinkte nämlich noch, als
-seine Wunde schon längst wieder heil war; er übte sich nachts in seiner
-Schlafstube im Hinken und konnte es daher natürlich großartig.
-
-Mit Nats Abenteuer nun verhielt es sich folgendermaßen: Ob die
-Geschichte ganz wahr ist, das weiß ich nicht; vielleicht hatte er sie
-in einer Zeitung gelesen oder sonstwo aufgeschnappt; aber das muß ich
-sagen: er verstand sie zu erzählen! Es schauerte einem durch alle
-Glieder und der Atem stand einem still, wenn er sie vortrug, und Frauen
-und Mädchen wurden manchmal so blaß und schwach dabei, daß sie gar
-nicht mehr wußten, wo sie hin sollten. So gut ich’s vermag, will ich
-ihm die Geschichte nacherzählen:
-
-Er kommt also nach Washington und stellt sein Pferd ein und holt seinen
-Brief heraus und fragt nach dem Weg zu des Präsidenten Haus. Man sagt
-ihm, der Präsident sei auf dem Kapitol und wolle nach Philadelphia
-reisen -- keine Minute sei zu verlieren, wenn er ihn noch sprechen
-wolle. Nat fiel beinahe in Ohnmacht, so schlecht wurde ihm zumute. Sein
-Pferd stand abgesattelt im Stall; was sollte er nun bloß anfangen? Aber
-gerade in dem Augenblick kommt ein Nigger mit seiner alten rumpligen
-Droschke vorbeigefahren. Sofort erfaßt Nat die Situation; er stürzt auf
-die Straße und schreit:
-
-»’nen halben Dollar, wenn du mich in ’ner halben Stunde nach dem
-Kapitol fährst, und ’n viertel extra, wenn du’s in zwanzig Minuten
-machst!«
-
-»Schön!« sagt der Nigger.
-
-Nat also springt in die Droschke und schmeißt den Schlag zu, und
-los geht’s holterdipolter über das fürchterlichste Pflaster, das
-man sich denken kann, und das Gerumpel und Geratter war geradezu
-schauerlich. Nat steckt die Arme durch die Halteriemen und hält sich
-aus Leibeskräften fest, aber nicht lange, da stößt die Karre an einen
-großen Stein, und fliegt, hops!, hoch in die Luft empor und der Boden
-fällt heraus, und als die Droschke wieder unten ist, da sind Nats
-Füße auf dem Grund und er sieht sofort, daß er in verzweifelter Lage
-ist, wenn er nicht so schnell laufen kann, wie die Droschke fährt. Er
-hatte einen fürchterlichen Schreck bekommen, aber er ging mit aller
-Macht ins Zeug und hielt sich an den Armriemen und streckte die Beine,
-daß es eine Art hatte. Er schrie und rief dem Kutscher zu, er sollte
-halten, und alle Menschen auf der Straße schrieen ebenfalls, denn sie
-sahen unter dem Wagen seine dünnen Beine entlang wirbeln und durch die
-Fenster seinen Kopf und seine Schultern immer auf und nieder fahren,
-und merkten, daß er in fürchterlicher Gefahr war. Aber je mehr sie
-riefen, desto lauter kreischte und gröhlte der Nigger und hieb auf die
-Pferde los und rief: »Habben keine Bange nich der Herr; gemachen muß es
-werden und ich machen’s!«
-
-Denn natürlich dachte er, sie wollten ihn zum Schnellfahren antreiben,
-und von Nats Rufen konnte er vor dem Geratter nichts hören. Und so
-ging es denn, hast du nicht gesehen, immer weiter, und den Leuten, die
-es sahen, standen die Haare zu Berge. Und als sie schließlich beim
-Kapitol ankamen, da war’s die schnellste Fuhre, die je ’ne Droschke
-gemacht hat, das sagten alle. Die Pferde waren ganz matt und Nat troff
-vor Schweiß und war wie gerädert, und er war voll Staub, die Kleider
-hingen in Fetzen an seinem Leibe und seine Stiefel hatte er verloren.
-Aber er war zur rechten Zeit da, und zwar gerade noch im allerletzten
-Augenblick. Er kam vor den Präsidenten und gab ihm den Brief und alles
-war in schönster Ordnung. Der Präsident begnadigte ihn auf der Stelle
-und Nat gab dem Nigger drei Vierteldollars extra statt nur eines; denn
-das sah er ja ein, hätte er nicht die Droschke gehabt, so hätte er auch
-nicht annähernd zur rechten Zeit kommen können.
-
-Es war tatsächlich ein großes Abenteuer, und Tom Sawyer mußte sich alle
-Mühe geben, um mit seiner Kugelwunde dagegen aufzukommen.
-
-Nun, wie’s so geht, nach und nach verblaßte Toms Ruhmesglanz, denn es
-kamen andere Gesprächsstoffe auf, worüber die Leute schwatzen konnten:
-erst ein Wettrennen, und dann eine Feuersbrunst, und dann der Zirkus,
-und darauf die Sonnenfinsternis; und diese brachte dann, wie es
-meistens der Fall ist, eine Wiederbelebung der Frömmigkeit zuwege, und
-so war denn von Tom nicht mehr viel die Rede, und das machte ihn ganz
-krank und vergällte ihm alle Freude am Leben.
-
-Es dauerte nicht lange, so war er den ganzen Tag verdrießlich und
-reizbar und wenn ich ihn fragte, warum er denn nur in solcher Stimmung
-sei, dann antwortete er, es bräche ihm beinahe das Herz, wenn er
-daran dächte, wie die Zeit verränne und daß er immer älter und älter
-würde, ohne daß ein Krieg ausbräche und er auch nur die geringste
-Menschenmöglichkeit sähe, sich einen Namen zu machen. So denken ja nun
-freilich alle Jungen, aber er war der erste, den ich diese Gedanken
-frei und offen aussprechen hörte. Er sann also Tag und Nacht auf einen
-Plan, wie er berühmt werden könnte. Bald hatte er denn auch einen
-und er bot Jim und mir an, an seinem Ruhme teil zu nehmen. In dieser
-Hinsicht war Tom Sawyer immer edelmütig. Viele Jungen sind über die
-Maßen gut und freundlich, wenn einer was Gutes hat, aber wenn sie
-selber mal was Gutes kriegen, dann sagen sie einem kein Wort davon und
-versuchen es für sich allein zu behalten. So war Tom Sawyer niemals,
-das kann ich ihm wohl nachsagen. Viele Jungen schlängeln sich an einen
-heran, wenn man einen Apfel hat und bitten einen um das Kernhaus. Aber
-wenn sie dann selber einen haben, und man bittet sie um’s Kernhaus und
-erinnert sie daran, daß man ihnen auch ’mal ein Kernhaus gegeben hat --
-jawohl, da heißt’s ›Prost die Mahlzeit‹, aber vom Kernhaus sieht man
-nichts. Da kann man sich den Mund wischen.
-
-Wir gingen in das Gehölz auf dem Berg, und Tom sagte uns, was es war.
-Es war ein Kreuzzug.
-
-»Was ist ein Kreuzzug?« fragte ich.
-
-Tom sah mich geringschätzig an, wie er’s immer tut, wenn ihm jemand
-leid tut. Dann sagte er:
-
-»Huck Finn, du willst doch nicht behaupten, daß du nicht weißt, was ein
-Kreuzzug ist?«
-
-»Nee,« sag’ ich, »ich weiß es nicht. Und ich mache mir auch nichts
-daraus. Ich habe so lange gelebt und bin gesund gewesen, ohne es zu
-wissen. Aber so bald du mir es sagst, was es ist, dann weiß ich’s
-ja, und das ist früh genug. Ich sehe nicht ein, wozu ich mir Sachen
-austifteln und mir meinen Kopf damit vollpfropfen soll, wenn ich
-vielleicht niemals ’ne Gelegenheit habe, davon Gebrauch zu machen.
-Na, was ist denn also ein Kreuzzug? Aber eins kann ich dir zum Voraus
-sagen: wenn’s was zum Patentieren ist, da ist kein Geld mit zu machen.
-Bill Tompson ...«
-
-»Zum Patentieren?« rief Tom. »Hat man je so einen Schafskopf gesehen?
-Ein Kreuzzug ist eine Art von Krieg.«
-
-Ich dachte, er hätte seinen Verstand verloren. Aber nein, er meinte es
-in vollem Ernst und fuhr ganz ruhig fort:
-
-»Ein Kreuzzug ist ein Krieg, um das heilige Land von den Heiden zu
-erlösen.«
-
-»Was für’n heiliges Land?«
-
-»Na, das heilige Land -- es gibt doch bloß eins.«
-
-»Was sollen wir denn damit anfangen?«
-
-»Nanu, begreifst du denn das nicht? Es ist in den Händen der Heiden,
-und ’s ist unsere Pflicht, es ihnen abzunehmen.«
-
-»Warum haben wir’s ihnen denn überlassen?«
-
-»Wir haben’s ihnen gar nicht überlassen. Sie haben es immer gehabt.«
-
-»Ja, Tom, dann muß es aber doch ihnen gehören, nicht wahr?«
-
-»Natürlich gehört es ihnen. Wer hat denn was anderes gesagt?«
-
-Ich dachte über seine Worte nach, konnte aber nicht recht
-herausbekommen was er meinte. Ich sagte daher: »Das ist für mich zu
-hoch, Tom Sawyer. Wenn ich ’ne Farm hätte, und die wäre mein, und ein
-anderer wollte sie haben, wäre es dann recht, wenn er ...«
-
-»Ach, Quatsch, Huck Finn! Es handelt sich um keine Farm, es handelt
-sich um ganz was anderes. Höre mal zu, die Sache ist so: ihnen gehört
-das Land, aber bloß das Land und nichts weiter; aber _wir_, wir Juden
-und Christen, haben’s zum _heiligen_ Land gemacht und darum haben sie
-dort gar nichts zu suchen. Es ist ’ne wahre Schande und wir können es
-keine Minute länger dulden. Wir sollten gegen sie ausziehen und es
-ihnen wegnehmen.«
-
-»Hm, die Sache kommt mir denn doch über alle Maßen verzwickt vor. Wenn
-ich ’ne Farm hätte und ein anderer ...«
-
-»Sagte ich dir nicht, es hat mit ’ner Farm gar nichts zu tun? Ein
-Farmer hat ein Geschäft, ein ganz gewöhnliches alltägliches Geschäft;
-weiter kann man darüber nichts sagen. Aber dies hier -- das ist was
-Höheres -- das ist Religion, also ganz was anderes.«
-
-Jim schüttelte den Kopf und sagte:
-
-»Massa Tom, gewiß sein da eine Irrung -- ganz gewiß. Ich selber haben
-Relion und kennen viele andere mit Relion, aber nie haben ich gehört
-von so was.«
-
-Darob wurde Tom hitzig und er rief:
-
-»Wahrhaftig, so eine vernagelte Dummheit kann einen ja ganz krank
-machen! Wenn einer von euch beiden ’was von Weltgeschichte gelesen
-hätte, so würde er wissen, daß Richard Kördeloon und der Papst und
-Gottfried von Buloon und ’ne Masse andere höchst edelherzige und fromme
-Leute mehr als zweihundert Jahre lang auf die Heiden losgedroschen und
-losgehackt haben, um ihnen ihr Land wegzunehmen, und daß sie die ganze
-Zeit über bis an den Hals in Blut wateten -- und hier erlauben sich ein
-paar Dummköpfe von Hinterwäldlern am Missouri die Anmaßung, besser als
-alle jene Helden wissen zu wollen, was Recht und was Unrecht an den
-Kreuzzügen gewesen sei. Quatscht ihr und der Deubel!«
-
-Na, das ließ natürlich die Sache in einem ganz andern Licht erscheinen,
-und Jim und ich kamen uns recht gering und unbedeutend vor und wir
-dachten bei uns, wir hätten lieber nicht so vorlaut sein sollen. Ich
-konnte keine Worte finden und Jim brachte ’ne Zeit lang auch nichts
-heraus; endlich aber sagte er:
-
-»Nu, so ich denken, alles sein in die Richte; denn wenn sie nix
-wußten, wie sollten wir arme dumme Leut’ versuchen, was zu wissen?
-Und so, wenn’s unsere Schuldigkeit is, nu, so müssen wir Werk in
-Hand nehmen und tun, was möglich sein. Aber die arme Heidenvolk tun
-mir leid. Sein es nix hart, Leut’ zu Tode zu machen, das man nie hat
-gesehen? Seh’ Sie, Massa Tom, das sein es! Aber dann ...«
-
-»Dann? wann dann?«
-
-»Hem, Massa Tom, ich haben eine Gedank. Es tun nu mal nix helfen, wir
-können die arme Fremders nix zu Tode machen, was uns nie nix getan
-haben. Erst müssen wir uns in die Todmacherei üben, Massa Tom --
-jawoll, das müssen wir! jawoll, ich wissen, es gehen sonst nix. Wenn
-wir nu aber eine Beil nehm’ oder zwei, ich meinen bloß Sie, Massa Tom,
-un Jim un Huck, un husch husch über die Fluß, wann heut nacht die Mond
-nix mehr scheinen, un schlagen die kranke Leut’ tot da oben auf die
-Hügel un brennen ihre Haus nieder un ...«
-
-»O, ihr macht mir Kopfweh!« rief Tom, »Ich will mich auf gar keine
-Worte mehr mit Leuten wie du und Huck einlassen, die nie bei der
-Sache bleiben können und nicht mal’n Ding begreifen, das so gut und
-gesetzlich ist wie die schönste Theologie!«
-
-Nun, das war aber nicht schön von Tom Sawyer! Jim meinte es doch nicht
-böse und ich auch nicht. Wir wußten vollkommen, daß er im Recht war
-und wir Unrecht hatten, und wir wollten ja bloß das ›Warum?‹ wissen
-und weiter nichts. Und wenn er’s nicht so auseinandersetzen konnte,
-daß wir’s verstanden, nun so lag das einzig und allein an unserer
-Unwissenheit; unwissend waren wir und ein bißchen gar zu schwer von
-Begriff auch, das leugne ich nicht. Aber, du lieber Gott, das ist doch
-kein Verbrechen!
-
-Aber er wollte nun ’mal nichts mehr davon hören; sagte bloß, wenn wir
-die Sache richtig begriffen hätten, so hätte er ’n paar tausend Ritter
-aufgebracht und hätte sie von Kopf zu Fuß in Stahl gekleidet, und ich
-wäre Leutnant geworden und Jim sein Marketender. Und er selber hätte
-’s Kommando übernommen und hätte die ganze Heidenwirtschaft ins Meer
-gefegt wie Fliegen und wäre als Sieger in einem Glorienschein wie
-Abendgold durch die Welt gegangen. Aber wir wüßten ja nicht mal so ’ne
-Gelegenheit zu benutzen, sagte er, und darum wollte er sie uns auch
-nicht wieder bieten. Und dabei blieb’s. Wenn er sich mal was in den
-Kopf gesetzt hatte, dann war nichts zu machen.
-
-Aber darum ließ ich mir keine grauen Haare wachsen. Ich bin von
-friedfertiger Anlage, und was soll ich mich mit Leuten ’rumschlagen,
-die mir nichts zuleide tun? Ich dachte bei mir: wenn die Heiden
-zufrieden sind, mir solls Recht sein, und dabei wollen wir’s belassen.
-
-Diese ganze Geschichte hatte sich Tom aus dem Buch von Walter Scott,
-worin er immer las, in den Kopf gesetzt. Und es war ’ne wilde Sache,
-denn meiner Meinung nach hätte er die Ritter nicht zusammengebracht,
-und wenn schon, so hätte er höchst wahrscheinlich mit samt all seinem
-Kriegsvolk Klopfe gekriegt. Ich machte mich nachher auch über das Buch
-her und las es von A bis Z, und, soweit ich daraus klug werden konnte,
-hatten die meisten Leute, die ihre Bauernhäuser verließen und auf die
-Kreuzzüge gingen, nicht gerade ein sanftes Leben davon!
-
-
-
-
-Zweites Kapitel
-
-
-Tom dachte sich denn nun also ein Ding nach dem andern aus, aber
-ein jedes hatte seine schwache Stelle und mußte daher auf die Seite
-geschoben werden. Zuletzt war er in heller Verzweiflung. Auf einmal
-standen in den Zeitungen von St. Louis lange Geschichten von dem
-Luftballon, der nach Europa segeln sollte; Tom dachte wohl daran, auch
-hinzufahren und sich das Ding anzusehen, konnte aber nicht recht zu
-einem festen Entschluß kommen. Die Zeitungen schrieben jedoch immerfort
-darüber; so dachte er denn, wenn er nicht hinginge, würde sich ihm
-vielleicht nie wieder ’ne Gelegenheit bieten, ’nen Ballon zu sehen.
-Außerdem erfuhr er, Nat Parsons wolle auch hinfahren, und das brachte
-ihn natürlich zum Entschluß. Er konnte doch nicht leiden, daß Nat nach
-seiner Rückkunft überall von dem Luftballon schwadronierte, den er
-gesehen; da hätte er dabeisitzen müssen und ruhig den Mund halten! Er
-bat also mich und Jim mitzukommen und wir reisten ab.
-
-Es war ein prächtiger großer Luftballon mit Flügeln und dergleichen,
-ganz anders als die Ballons, die man abgebildet sieht. Die
-Auffahrtsstelle befand sich weit draußen am Rande der Stadt, auf
-einem leeren Bauplatz an der Ecke der zwölften Straße. Eine dichte
-Menschenmenge stand herum und machte schlechte Witze über das
-Luftschiff und über den Mann, einen mageren blassen Herrn mit jenem
-bekannten Mondscheinblick im Auge. Sie sagten fortwährend, das Ding
-würde nicht gehen. Er wurde ganz wild darüber, drehte sich alle
-Augenblicke nach den Leuten um und rief mit geballten Fäusten, sie
-wären blindes Viehzeug, aber eines Tages würden sie merken, daß sie
-einen von den Männern vor sich gehabt hätten, durch welche Nationen
-hochgebracht würden und denen allein alle Fortschritte der Zivilisation
-zu verdanken wären. Ja, dann würden sie merken, daß sie nur zu dumm
-gewesen wären, um das zu sehen, und hier auf dem Fleck würden ihre
-Kinder und Enkel ein Denkmal errichten, das ein Jahrtausend überdauern
-würde; sein Name aber würde das Denkmal überdauern!
-
-Darauf brüllte dann wieder die Menge vor Lachen und allerlei Fragen
-hagelten auf ihn nieder: wie er vor seiner Heirat geheißen hätte, und
-was er haben wollte, wenn er’s bleiben ließe, und wie die Großmutter
-von seiner Schwester Katze hieße usw., wie eben der große Haufe sich
-benimmt, wenn er ’nen Mann vor sich hat, den er gehörig plagen kann.
-Na, einiges von dem, was sie sagten, war wirklich lustig, -- gewiß,
-und sogar sehr witzig, das leugne ich nicht, aber trotzdem war’s nicht
-schön und war keine Heldentat: alle diese Leute mit behendem und
-scharfem Mundwerk gegen den einen Mann, der seine Zunge absolut nicht
-zu gebrauchen wußte. Aber freilich, wozu um Gottes willen mußte er
-überhaupt seinen Mund auftun? Sie _waren_ ihm nun doch mal über. Aber
-ich vermute, ’s lag so in seiner Natur und er konnte nichts dafür. Er
-war gewiß ein ganz guter Kerl, eine harmlose Seele, aber er war, wie
-die Zeitungen sagten, ein Genie und das war doch nicht seine Schuld.
-Wir können nicht alle vernünftig sein und wie wir sind, so müssen wir
-eben verbraucht werden. Wenn ich die Sache recht verstehe, so meinen
-Genies, sie wissen alles, und hören darum nicht auf das, was andere
-Leute sagen, sondern gehen ihre eigenen Wege, und deshalb wenden sich
-denn alle von ihnen ab und sprechen verächtlich über sie, wie es ja
-ganz natürlich ist. Wenn sie bescheidener wären und auf andere Leute
-hörten und was zu lernen sich bemühten, so wären sie besser daran.
-
-Das Ding, worin der Professor war, sah aus wie ’n Boot, groß und
-geräumig, und auf der Innenseite liefen rings herum wasserdichte
-Behälter, um alle möglichen Sachen aufzubewahren; man konnte auf ihnen
-sitzen und sie auch als Bettstellen benutzen, wenn man schlafen wollte.
-Wir gingen an Bord. Es waren ungefähr zwanzig Leute darin, die überall
-herumschnüffelten und sich alles ansahen, und der alte Nat Parsons war
-auch dabei. Der Professor machte sich eifrig mit den Vorbereitungen
-zum Aufstieg zu schaffen und die Besucher stiegen daher wieder aus,
-einer nach dem andern, und Nat Parsons war der letzte. Natürlich ging
-es nicht an, daß er nach uns das Luftschiff verließ, denn wir mußten
-unbedingt die Letzten sein, um Toms und seines Publikums willen.
-Deshalb blieben wir ganz ruhig in der Gondel.
-
-Endlich aber war er draußen; es wurde daher auch für uns Zeit
-auszusteigen. Ich hörte ein lautes Geschrei und drehte mich um --
-die Stadt sank unter uns in die Tiefe als wäre sie aus einer Kanone
-geschossen! Mir wurde vor Angst ganz übel. Jim wurde grau und konnte
-kein Wort herausbringen und Tom sagte ebenfalls nichts, sah aber
-ganz aufgeregt aus. Die Stadt sank immer tiefer, tiefer, tiefer; wir
-selber aber schienen ganz still immer auf demselben Fleck in der Luft
-stehen zu bleiben. Die Häuser wurden kleiner und immer kleiner, und
-die Stadt schob sich zusammen, dicht und immer dichter, und Menschen
-und Fuhrwerke sahen aus wie herumkrabbelnde kleine Ameisen und Käfer
-und die Straßen wurden zu Fäden und feinen Spalten. Dann schmolz
-alles ineinander zusammen und es war überhaupt keine Stadt mehr da
--- nur ein großer Fleck auf der Erde, und es kam mir vor, als könnte
-man tausend Meilen stromaufwärts und tausend Meilen weit stromabwärts
-sehen -- obwohl es natürlich nicht so viel war. Allmählich wurde
-die Erde zu einer Kugel von düsterer Färbung, die kreuz und quer von
-hellen Streifen durchgezogen -- das waren Flüsse. Witwe Douglas hatte
-mir immer schon erzählt, die Erde sei rund wie ’ne Kugel, aber ich
-mochte auf ihren abergläubischen Kram nicht hören und hatte natürlich
-auch diesen Unsinn nicht weiter beachtet, denn ich sah ja selber, daß
-die Welt flach ist wie ’n Teller. Ich war sogar auf den Berg gegangen
-und hatte mich mit eigenen Augen umgeguckt, um mich zu überzeugen --
-denn ich bin der Meinung, man kriegt am besten ’nen richtigen Begriff
-von einer Sache, wenn man sie sich selbst ansieht, und sich nicht auf
-das verläßt, was andere Leute sagen. Aber nun mußte ich zugeben, daß
-Witwe Douglas recht gehabt hatte. Das heißt: sie hatte recht mit Bezug
-auf den übrigen Teil der Welt; aber der Teil, worauf unser Städtchen
-liegt, der ist und bleibt flach wie ’n Teller, darauf will ich ’nen Eid
-leisten! Der Professor war die ganze Zeit über ruhig gewesen, beinahe
-als ob er schliefe; aber auf einmal brach er los und rief in bitterem
-Zorn:
-
-»Die Idioten! Sie sagten mein Schiff würde nicht fliegen, und
-wollten’s untersuchen und darauf herumspionieren und das Geheimnis aus
-mir herauslocken! Aber ich hab’ sie angeführt! Kein Mensch kennt das
-Geheimnis außer mir. Niemand außer mir weiß, was das Schiff treibt;
-’s ist ’ne neue Kraft -- ’ne ganz neue, tausendmal so stark als alles
-andere auf Erden. Dampf ist Kaff dagegen. Sie sagten, ich könnte nicht
-nach Europa fahren. Nach Europa! Bah, ich habe Kraft für fünf Jahre
-an Bord und Lebensmittel für drei Monate. Sie sind verrückt! Was
-verstehen sie davon? Und dann sagten sie, mein Schiff sei zerbrechlich!
-Zerbrechlich! Fünfzig Jahre lang kann’s aushalten. Ich kann mein
-ganzes Leben lang in den Lüften herumfahren, wenn ich Lust habe, und
-kann es steuern, wohin ich will. Und sie lachten mich aus und sagten,
-ich könnt’s nicht. Könnt’ nicht steuern! Komm her, Junge; das wollen
-wir gleich mal sehen. Du drückst bloß auf die Knöpfe, die ich dir
-bezeichne.«
-
-Er ließ nun Tom das Schiff nach allen Richtungen hin steuern und
-Tom lernte es im Handumdrehen; er sagte uns, es ginge ganz leicht.
-Der Professor ließ ihn das Schiff beinahe ganz auf den Erdboden
-herunterbringen, und es strich so dicht über die Felder von Illinois
-hin, daß man mit den Landleuten hätte sprechen können, denn wir hörten
-ganz deutlich jedes Wort, das sie sagten. Und der Professor warf ihnen
-bedruckte Zettel zu, darin stand allerlei über den Ballon, und daß wir
-nach Europa segelten. Dann brachte der Professor Tom bei, wie er den
-Ballon zu landen hätte. Auch das lernte er famos, er setzte uns ganz
-sanft und leise auf die Wiese nieder. Aber sowie wir Miene machten
-auszusteigen, rief der Professor: »Nä, das nicht!« und ließ den Ballon
-wieder in die Lüfte emporschießen. Jim und ich begannen zu flehen,
-aber das machte den Mann bloß ärgerlich, er fing an zu toben und vor
-Wut die Augen zu verdrehen, und ich kriegte ’ne Höllenangst vor ihm.
-Dann fing er wieder von den bösen Menschen an und brummte und knurrte
-darüber, wie man ihn behandelt hätte; und besonders darüber, daß die
-Leute gesagt hatten, sein Schiff sei zerbrechlich, konnte er, wie’s
-scheint, nicht hinwegkommen. Und dann hatte man gesagt, das Luftschiff
-sei nicht einfach genug und werde fortwährend in Unordnung geraten. In
-Unordnung! Das regte ihn fürchterlich auf; er rief, der Ballon würde so
-wenig in Unordnung geraten wie ’ne Sonnenzisterne.[3]
-
- [3] Eine kleine Verwechselung mit dem Sonnensystem.
-
-Es wurde immer schlimmer mit ihm und ich habe niemals einen Menschen in
-solcher Wut gesehen. Beim bloßen Anblick überlief mich ’ne Gänsehaut
-und Jim ging’s nicht besser. Allmählich wurde sein Sprechen zu lautem
-Geschrei und Gekreisch; er schwor, die Welt sollte sein Geheimnis
-überhaupt nicht kennen lernen; man hätte ihn zu niederträchtig
-behandelt. Er wollte mit seinem Ballon um den ganzen Erdball
-herumfahren, um ihnen zu zeigen, was er damit leisten könnte, und dann
-wollte er den Ballon und sich selber und uns dazu ins Meer versenken.
-Es war ’ne verflucht ungemütliche Lage für uns, und dabei brach auch
-noch die Nacht herein.
-
-Er gab uns was zu essen und befahl uns dann, nach dem hinteren Ende
-der Gondel zu gehen. Er selbst streckte sich auf einer von den Bänken
-aus, von wo aus er den ganzen Mechanismus hantieren konnte, legte seine
-alte Revolver-Pfefferbüchse unter seinen Kopf und sagte, wenn einer
-von uns so verrückt wäre, das Luftschiff landen zu wollen, den würde er
-totschießen.
-
-Wir saßen aneinander geschmiegt und machten uns recht viele Gedanken,
-sprachen aber wenig -- wir hatten zu große Angst. Allmählich senkte
-sich die Nacht hernieder. Wir segelten ziemlich niedrig, und im
-Mondschein sah alles so hübsch und lieblich aus; wir hörten die
-Geräusche, die von den Gehöften kamen, und wünschten, wir wären dort
-unten. Aber wie ein Geisterhauch schwebten wir über sie hin, ohne eine
-Spur zu hinterlassen. Spät in der Nacht -- man hörte den Geräuschen von
-drunten an, daß es spät war, und man merkte es an der Luft, ja man roch
-es ihr sozusagen an -- dem Gefühl und Geruch der Luft nach dachte ich,
-es müsse etwa zwei Uhr sein -- spät in der Nacht also sagte Tom, der
-Professor wäre jetzt so still, er müßte wohl eingeschlafen sein, und
-darum sollten wir ...
-
-»Sollten wir ... was?« fragte ich flüsternd. Und mir war ganz schlimm
-dabei zu Mute, denn ich wußte, woran Tom dachte.
-
-»Wir sollten uns zu ihm heranschleichen und ihn binden und mit dem
-Luftschiff landen!« antwortete er.
-
-Ich sagte: »Um Gottes willen nicht! Rühr’ dich nicht vom Fleck, Tom
-Sawyer!«
-
-Und Jim -- ja, dem blieb vor Angst einfach die Luft weg. Er sagte:
-
-»O, Massa Tom, tu Sie ja nich! Wenn Sie ihn anrühren, es sein alle mit
-uns, warraftig alle mit uns! Ich tät’ ihm nich zu nah kommen, nich für
-nix auf die Welt! Er sein verrückt wie ’ne ...«
-
-»Eben drum!« flüsterte Tom. »Eben drum _müssen_ wir das tun. Wäre er
-nicht verrückt, so gäbe ich, ich weiß nicht was, darum, um bloß hier
-auf dem Luftschiff zu sein; keine zehn Pferde sollten mich von hier
-wegkriegen, jetzt wo ich mit dem Ding umzugehen weiß und die erste
-Angst, als wir plötzlich den festen Grund unter den Füßen verloren,
-überwunden ist. Wenn er nur seinen rechten Verstand hätte! Aber mit so
-’nem Menschen ’rumzugondeln, der ’ne Schraube verloren hat und sagt,
-er wolle um die Welt segeln und nachher uns alle ersäufen -- nee, das
-geht nicht. Wir _müssen_ was tun, sage ich euch, und zwar bevor er
-aufwacht, sonst haben wir vielleicht niemals wieder ’ne Gelegenheit
-dazu. Kommt!«
-
-Aber uns überlief ’ne eiskalte Gänsehaut bei dem bloßen Gedanken
-daran, und wir rührten uns nicht von der Stelle. Tom sagte darauf,
-er wollte allein an den Professor herankriechen und versuchen, ob er
-nicht an den Steuerapparat herankommen und den Ballon landen könnte.
-Wir baten und flehten, er möchte es nicht tun, aber es half uns
-nichts. Er kroch auf Händen und Füßen Zoll um Zoll vorwärts, und uns
-stockte der Atem, als wir das mit ansahen. Als er in der Mitte der
-Gondel angekommen war, fing er an noch langsamer zu kriechen, und mir
-kam es vor, als vergingen Jahre darüber. Zuletzt aber sahen wir, wie
-er bei des Professors Kopf war; da richtete er sich halb auf und sah
-ihm ins Gesicht und lauschte. Dann kroch er wieder Zoll um Zoll zu
-des Professors Füßen herunter, wo die Steuerknöpfe waren. Er kam auch
-richtig an und griff langsam und bedächtig nach den Knöpfen; aber dabei
-stieß er an irgend etwas an. Es gab ein Geräusch, und plumps! lag er
-flach auf dem Boden der Gondel.
-
-Der Professor fuhr empor und rief: »Was ist das?«
-
-Aber wir hielten uns alle mäuschenstill; er brummte und gähnte und
-streckte sich wie jemand, der aus dem Schlaf aufwacht, und ich dachte,
-ich sollte vor Angst und Zagen umkommen.
-
-Auf einmal schob sich eine Wolke vor den Mond, und ich hätte vor Freude
-beinahe laut aufgeschrieen. Der Mond verschwand immer tiefer in den
-Wolken und es wurde so dunkel, daß wir Tom nicht mehr sehen konnten.
-Dann begannen Regentropfen zu fallen und wir hörten, wie der Professor
-an seinen Stricken und Knöpfen herumbastelte und auf das Wetter
-fluchte. Wir fürchteten jede Minute, er könnte Tom entdecken -- und
-dann wären wir alle rettungslos verloren gewesen. Aber Tom war schon
-auf dem Rückweg und auf einmal fühlten wir seine Hände auf unseren
-Knieen. Da ging mir vor Angst plötzlich die Luft aus und das Herz fiel
-mir in die Hosen; denn in der finsteren Nacht konnte ich nicht wissen,
-ob es nicht der Professor wäre; und ich dachte wirklich, er wär’s.
-
-O je, die Freude, als wir ihn nun wirklich zurück hatten! So vergnügt
-kann bloß einer sein, der mit einem Verrückten in der Luft ’rumfährt!
-Im Dunkeln kann man mit einem Luftballon nicht landen; ich hoffte
-daher, der Regen möchte andauern, denn ich wünschte durchaus nicht, daß
-Tom noch ’mal sein Glück versuchte und uns wieder in die unbehagliche
-Angst versetzte. Na, mein Wunsch ging in Erfüllung. Den ganzen übrigen
-Teil der Nacht regnete es immer sachte weg; das war nun freilich keine
-sehr lange Zeit, uns aber kam sie endlos vor.
-
-Mit Tagesanbruch heiterte der Himmel sich auf und die Welt sah über
-alle Maßen lieblich und hübsch aus in ihrem grauen Dunst, und was für’n
-schöner Anblick war’s, Felder und Wälder wieder zu sehen! Und Pferde
-und Ochsen standen so klar und deutlich da und sahen so nachdenklich
-aus. Dann kam in heiterer Pracht die Sonne herauf, und wir fühlten auf
-einmal wie müde und kaput wir waren, und ehe wir’s uns versahen, waren
-wir alle drei fest eingeschlafen.
-
-
-
-
-Drittes Kapitel.
-
-
-Als wir einschliefen, war es ungefähr vier Uhr und gegen acht
-wachten wir auf. Der Professor saß auf seinem Platz und machte ein
-verdrießliches Gesicht. Er warf uns etwas zum Frühstück zu und sagte
-uns, wir dürften nicht weiter gehen als bis zum Mittelschiffs-Kompaß;
-dieser befand sich ungefähr in der Mitte der Gondel.
-
-Wenn man so einen rechten Hunger gehabt hat und dann auf einmal sich
-ordentlich satt essen kann, dann sieht man die Welt mit ganz anderen
-Augen an; es wird einem beinahe ganz behaglich zu Mute, selbst wenn
-man mit einem Genie sich in einem Ballon hoch oben in den Lüften
-befindet. Nach dem Essen rückten wir drei näher zusammen und begannen
-zu plaudern. Besonders ein Umstand war da, der mir gar nicht aus dem
-Kopf wollte, und im Lauf des Gesprächs bemerkte ich:
-
-»Tom, fahren wir nicht nach Osten?«
-
-»Ja.«
-
-»Wie schnell sind wir gesegelt?«
-
-»Na, du hörtest doch selber, was der Professor sagte, als er gestern
-so herumtobte. Manchmal, sagte er, machten wir in der Stunde fünfzig
-Meilen[4], manchmal neunzig, manchmal hundert; wenn er mit einem
-tüchtigen Sturm segelte, so könnte er jederzeit dreihundert machen,
-und wenn er einen Sturm haben wollte, so brauchte er bloß den Ballon
-höher steigen oder tiefer sinken zu lassen, bis er den Sturm und die
-gewünschte Richtung hätte.«
-
- [4] englische.
-
-»Na ja, das hatte ich mir gedacht: der Professor log!«
-
-»Warum?«
-
-»Wenn wir so schnell gefahren wären, so hätten wir doch schon über
-Illinois hinaus sein müssen, nicht wahr?«
-
-»Gewiß.«
-
-»Na, so weit sind wir aber nicht!«
-
-»Woher weißt du das?«
-
-»Ich seh’s an der Farbe. Wir sind immer noch mitten über Illinois. Und
-du kannst selber sehen, daß Indiana noch nicht in Sicht ist.«
-
-»Was ist denn bloß dir in die Krone gefahren, Huck? Du sagst, du siehst
-es an der Farbe?«
-
-»Natürlich!«
-
-»Was hat denn die Farbe damit zu tun?«
-
-»’ne ganze Masse! Illinois ist grün, Indiana hellrot. Nun zeig mir mal
-da unten auch nur den kleinsten hellroten Fleck, wenn du kannst! Gibt’s
-gar nicht -- ’s ist alles grün!«
-
-»Indiana hellrot?! Donnerwetter, was bist du für ein Lügenbeutel!«
-
-»Nichts von Lügen! Ich hab’s auf der Karte gesehen, und Indiana ist
-hellrot!«
-
-Machte aber der Tom Sawyer ein ärgerliches Gesicht! Endlich sagte er:
-
-»Weißt du, Huck Finn, wenn ich so dämlich wäre wie du, da spränge ich
-lieber gleich über Bord! Hat’s auf der Landkarte gesehen!! Huck Finn,
-meintest du wirklich, die Oberfläche jedes einzelnen Staates wäre von
-derselben Farbe, wie sie auf der Karte dargestellt ist?«
-
-»Tom Sawyer, was hat ’ne Landkarte für ’nen Zweck? Man soll doch wohl
-Tatsachen draus ersehen können?«
-
-»Natürlich.«
-
-»Schön! Wie kann man aber das, wenn die Karte lügt? Das möcht’ ich wohl
-wissen!«
-
-»Du bist ein Quatschkopf! Sie lügt ja gar nicht!«
-
-»Ach nee! wirklich nicht? lügt sie nicht?«
-
-»Natürlich nicht!«
-
-»Sehr gut! Na, wenn die Landkarte nicht lügt, dann gibt’s keine zwei
-Staaten von derselben Farbe. Was sagst du _dazu_, Tom Sawyer?!«
-
-Er sah, ich hatte ihn fest und Jim sah es auch; und ich muß sagen, ich
-war mächtig stolz darauf, denn Tom Sawyer war einer, mit dem man in
-einem Wortgefecht nicht so leicht fertig wurde. Jim schlug sich auf den
-Schenkel und rief:
-
-»Donnawetta! Das is fermost! Das is einfach fermost! Da is nix zu
-sagen, Massa Tom; diesmal hat Huck Finn Sie fest! Jawoll!« Und dabei
-schlug er sich noch einmal auf den Schenkel und sagte: »Junge, Junge!
-Das war warraftig fermost!«
-
-Nie in meinem Leben war ich innerlich so stolz gewesen, und dabei hatte
-ich gar kein Bewußtsein davon gehabt, daß ich so was Berühmtes sagte,
-als bis es heraus war. Ich plapperte eigentlich bloß so in den Tag
-hinein, aber auf einmal, paff!, da schoß es aus mir heraus!
-
-Aber Tom war ärgerlich und sagte, Jim und ich wären zwei unwissende
-Windbeutel und es wäre besser, wenn wir unseren Mund hielten. Ich habe
-herausgefunden, daß fast jeder ärgerlich wird, wenn er auf einen guten
-Einwand nichts zu erwidern weiß.
-
-Auf einmal bemerkte er ganz tief, tief unter uns einen Kirchturm;
-er nahm ein Fernrohr zur Hand und sah nach der Turmuhr, holte seine
-silberne Taschenuhr hervor und sah nach der Zeit, und dann wieder auf
-den Turm und nochmals auf die silberne Zwiebel und sagte schließlich:
-
-»Das ist komisch! Die Uhr da geht beinahe ’ne Stunde vor!«
-
-Er zog seine Taschenuhr auf; dann bemerkte er einen andern Kirchturm
-und sah wieder hin, und wieder ging die Uhr ’ne Stunde vor. Das machte
-ihn nachdenklich und er sagte:
-
-»Die Geschichte ist wirklich sonderbar. Wie das zugeht, versteh’ ich
-nicht!«
-
-Wieder nahm er das Fernrohr und suchte sich noch einen Kirchturm, und
-richtig -- auch diese Uhr ging ’ne Stunde vor. Auf einmal riß er die
-Augen ganz weit auf und machte ein paarmal den Mund auf und zu, als
-müßte er nach Luft schnappen, und dann plötzlich rief er:
-
-»Hei--li--ges -- Don--nerr--wet--terrr! ’s ist der Längengrad!«
-
-Ich kriegte einen ganz gehörigen Schreck und fragte:
-
-»O je, o je, was ist denn nun wieder los?«
-
-»Nichts weiter, als daß diese alte Blase ganz mir nichts dir nichts
-über Illinois und Indiana und Ohio weggesaust ist und daß wir da unter
-uns die Ostseite von Pennsylvanien oder New York oder so ’ne ähnliche
-Gegend haben!«
-
-»Tom Sawyer, das ist doch nicht dein Ernst!«
-
-»Jawohl, das ist es, und die Sache steht bombenfest! Seit wir gestern
-nachmittag aus St. Louis abfuhren, haben wir ungefähr fünfzehn
-Längengrade gekreuzt, und die Uhren da unten gehen richtig! Wir haben
-an die achthundert Meilen gemacht.«
-
-Ich glaubte ihm das nicht, aber trotzdem lief mir eine eiskalte
-Gänsehaut über den Buckel. Ich wußte aus eigener Erfahrung, daß man zu
-einer solchen Strecke auf einem Floß den Mississippi herunter beinahe
-zwei Wochen gebraucht.
-
-»Seht mal!« belehrte Tom uns. »Der Zeitunterschied beträgt für jeden
-Längengrad ungefähr vier Minuten. Fünfzehn Grade machen ’ne Stunde,
-dreißig zwei Stunden usw. Wenn sie in England Dienstag morgen um ein
-Uhr haben, so ist es in New York Montag abend um acht.«
-
-Jim rückte auf seiner Bank ein Stück von Tom ab, und man konnte ihm
-ansehen, daß er beleidigt war, denn er schüttelte fortwährend den Kopf
-und brummte vor sich hin; ich schob mich darum nahe zu ihm heran und
-tätschelte ihn auf die Beine und gab ihm gute Worte und brachte ihn
-denn auch schließlich so weit, daß er seinen Gefühlen Luft machte.
-
-»Massa Tom!« sagte er. »Quassel Sie nix sowas! Dingsdag auf’m einen Ort
-un Mondag auf’m annern, un beides auf’m selben Dag! Huck, hier is nix
-gut zu spaßen, hier ganz oben, oben in die Luft! Zwei Dage auf einen
-Dag?! So? Wie kriegt man denn zwei Dage in _einen_? Kann Sie zwei
-Stunden in _eine_ kriegen, häh? Kann Sie zwei Nigger in _eines_ Niggers
-Haut kriegen, häh? Kann Sie zwei Maß Whisky in ’ne Kruke kriegen, wo
-bloß _ein_ Maß ringeht, häh? Nu, guckemal, Huck -- wenn nu dieser
-Dingsdag Neujahrsdag wär’ -- was dann? Will da einer behaupten, ’s wär
-am einen Ort Neujahr, un am annern Ort Altjahr, akkrat in dieselbigte
-Minute? Das is ja ’n vermaledeiter Unsinn! So was kann ich gar nix mit
-anhören, ach du lieber großer Gott, nä!«
-
-Auf einmal fängt er an zu zittern und wird ganz grau und Tom sagt:
-
-»Na, was ist denn nun los? Was hast du denn?«
-
-Jim kann gar kein Wort hervorbringen, aber endlich sagt er:
-
-»Massa Tom, Sie mach’ nix Spaß, un es _is_ so?«
-
-»Nein, ich denke nicht dran, und es ist wirklich so!«
-
-Jim kriegt wieder das Zittern und sagt:
-
-»Denn könnt’ ja der Dingsdag der Jüngste Dag sein, un denn hätten sie
-in England keinen Jüngsten Dag, un denn würden die Doten nix geruft. Da
-dürfen wir nix hingehn, Massa Tom! Bitte, krieg Sie ihm dazu, daß er
-umkehrt; ich will un muß dabei sein, wenn der Jüngste Dag ...«
-
-Auf einmal sahen wir was und sprangen alle miteinander auf unsere Füße
-und vergaßen alles und jedes und konnten bloß staunen und die Augen
-aufreißen. Und Tom rief:
-
-»Ist das nicht ...?« Ihm ging die Luft aus, aber dann fuhr er fort:
-»Jawohl, er ist’s! Sowahr ich lebe! ’s ist der Ozean!«
-
-Da blieb auch Jim und mir die Luft weg! Wie versteinert standen wir
-alle drei da, aber glücklich! Denn keiner von uns hatte je ’nen Ozean
-gesehen oder auch nur gedacht, daß uns mal so etwas beschieden sein
-könnte. Tom brummelte fortwährend vor sich hin:
-
-»Atlantischer Ozean -- Atlantischer! Herrgott, klingt das großartig!
-Und da unten _ist_ er -- und wir, wir sehen ihn mit unseren eigenen
-Augen -- wir! Das ist ja so was Wundervolles, daß man sich gar nicht
-getraut, es zu glauben!«
-
-Dann sahen wir ’ne dicke Wolke von schwarzem Rauch, und als wir
-näher kamen, da war’s ’ne Stadt, und zwar ein riesiges Ungetüm von
-einer Stadt, mit einem dicken Kranz von Schiffen an der einen Seite;
-und wir dachten, ob das wohl New York sein möchte, und stritten uns
-darüber herum und ehe wir’s uns versahen, da war die Stadt unter uns
-weggeglitten und lag weit, weit hinter uns -- und da waren wir mitten
-über dem Ozean selber und fuhren dahin mit der Schnelligkeit einer
-Windsbraut. Da wurden wir aber mit einem Mal ganz hell wach, das kann
-ich versichern! Wir stürzten nach hinten und erhoben ein Jammergeheul
-und baten den Professor himmelhoch, er möchte doch umkehren und uns an
-Land setzen, aber er riß sein Pistol aus der Tasche und schrie uns an,
-wir sollten zurückgehen -- und wir gingen, aber wie jämmerlich uns zu
-Mute war, davon wird kein Mensch je sich einen Begriff machen können.
-
-Das Land war verschwunden, bloß noch ein kleiner Streif, so schmal
-wie ’ne Schlange, war am Rande des Wassers, und in der Tiefe unter
-uns, da war nichts als Ozean, Ozean, Ozean -- Millionen Meilen von
-Ozean und das hob sich und warf sich und wirbelte, und weißer Gischt
-sprühte von den Wogenkämmen, und im ganzen Gesichtskreise waren bloß
-ein paar Schiffe, die wurden hin- und hergeschleudert und legten sich
-erst auf die eine Seite und dann auf die andere und fuhren bald mit
-dem Bug, bald mit dem Stern in die Tiefe. Und es dauerte nicht lange,
-dann waren überhaupt keine Schiffe mehr zu sehen und wir waren ganz
-mutterseelenallein zwischen dem hohen Himmel und dem endlosen Meere
--- und es war die weiteste Fläche, die ich je gesehen hatte, und die
-grenzenloseste Einsamkeit.
-
-
-
-
-Viertes Kapitel.
-
-
-Und einsamer wurde es und immer einsamer. Ueber uns war das riesige
-Himmelsgewölbe -- leer und furchtbar tief; und unter uns war der Ozean,
-auf dem wir bloß die Wellenköpfe sahen. Rund um uns her war ein Ring,
-in welchem Himmel und Wasser zusammenliefen; ja ein riesengroßer Ring
-war es und wir waren genau in dessen Mitte. Wir sausten dahin mit der
-Schnelligkeit eines Prairiebrandes; aber das machte in der Entfernung
-keinen Unterschied, allem Anschein nach kamen wir über unseren
-Mittelpunkt nicht hinaus; so viel ich sah, konnten wir dem Ring nicht
-um Zollbreite näher kommen. Es wurde einem ganz seltsam dabei zu Mute;
-es war so eigentümlich und so unerklärlich.
-
-Und dabei war alles so furchtbar still, daß wir unwillkürlich anfingen
-leise zu sprechen, und die Einsamkeit machte uns immer bänger und
-benahm uns die Lust zu plaudern und schließlich hörte das Gespräch ganz
-auf und wir saßen bloß da und ›denkten‹, wie Jim sich ausdrückt, und
-sagten kein Wort mehr.
-
-Der Professor rührte sich nicht, bis die Sonne über unseren Köpfen
-stand; da richtete er sich auf und hielt eine Art Dreieck vor seine
-Augen, und Tom sagte, das wäre ein Sextant, und er nähme die Stellung
-der Sonne, um zu sehen, wo der Luftballon sich befände. Hierauf
-rechnete er ein bißchen und sah in einem Buche nach und dann kriegte
-er wieder seinen Anfall. Er sprach eine Menge wildes Zeug und sagte
-unter anderem, er wollte dieses Hundertmeilentempo bis zum nächsten
-Nachmittag beibehalten und dann würde er in London landen.
-
-Wir sagten, dafür würden wir ihm in tiefster Seele dankbar sein.
-
-Er hatte sich umgedreht, aber als wir das sagten, da sprang er auf
-einmal ganz wild wieder herum und warf uns einen ganz abscheulichen
-langen Blick zu -- selten habe ich einen so boshaften und mißtrauischen
-Blick gesehen! Dann sagte er:
-
-»Ihr wollt von mir gehen! Versucht nicht, das abzuleugnen.«
-
-Wir wußten nicht, was wir antworten sollten, und hielten deshalb den
-Mund und sagten gar nichts.
-
-Er ging nach hinten und setzte sich wieder hin, aber augenscheinlich
-konnte er diesen Gedanken nicht wieder los werden. Von Zeit zu Zeit
-rief er uns irgend etwas zu, was darauf Bezug hatte, und versuchte eine
-Antwort aus uns heraus zu bringen; aber wir wagten nicht zu sprechen.
-
-Immer drückender wurde das Gefühl der Einsamkeit, und es kam mir
-vor, als könnte ich’s bald nicht länger aushalten. Als die Nacht
-hereinbrach, wurde es damit noch schlimmer. Auf einmal kneift mich Tom
-und flüstert: »Sieh mal hin!«
-
-Ich gucke nach hinten und sehe, wie der Professor einen Schluck aus
-’ner Flasche nimmt. Das gefiel mir ganz und gar nicht. Ab und zu nahm
-er wieder einen Schluck und es dauerte nicht lange, so fing er an zu
-singen. Es war jetzt dunkel -- eine schwarze und stürmische Nacht.
-Er sang fortwährend, immer wilder und wilder, und der Donner begann
-zu grollen, und der Wind zu brausen und im Tauwerk zu heulen -- und
-das alles zusammen war fürchterlich. Es wurde so dunkel, daß wir den
-Professor überhaupt nicht mehr sehen konnten, und wir wünschten, wir
-hätten ihn auch nicht hören können -- aber da hätten wir keine Ohren
-haben müssen.
-
-Dann wurde er still. Aber als er noch keine zehn Minuten still gewesen
-war, da wurde uns das noch unheimlicher, und wir wünschten, er möchte
-wieder mit seinem Spektakel anfangen, damit wir wenigstens wüßten, wo
-er wäre. Auf einmal zuckte ein Blitz und wir sahen, daß er aufzustehen
-versuchte, aber er stolperte und fiel wieder hin. Wir hörten ihn in die
-Finsternis hineinschreien:
-
-»Sie mögen nicht nach England gehen? Auch recht; ich will den Kurs
-ändern. Sie wollen von mir gehen. Jawohl, ich weiß, sie wollen es!
-Schön, sie sollen’s -- und zwar _jetzt gleich_!«
-
-Ich kam vor Angst beinahe um, als er dies sagte. Dann war es wieder
-still -- eine so lange Zeit, daß ich’s gar nicht mehr aushalten konnte,
-und es kam mir vor, als wollte der Blitz niemals wieder kommen. Aber
-schließlich da kam so ein ersehnter Blitz, und richtig, da war der
-Professor; er kroch auf Händen und Knieen und war keine vier Fuß weit
-von uns entfernt. O, was machte er für fürchterliche Augen! Er machte
-einen Satz auf Tom zu und rief:
-
-»Ueber Bord mit dir!«
-
-Aber es war schon wieder pechdunkel und ich konnte nicht sehen, ob er
-ihn kriegte oder nicht, und Tom war mäuschenstill.
-
-Dann kam wieder ein langes gräßliches Warten! Dann wieder ein Blitz
-und ich sehe außerhalb des Bootes Tom seinen Kopf niederducken und
-verschwinden. Er war auf der Strickleiter, die vom Dollbord herunter
-frei in der Luft hing. Der Professor stieß einen Schrei aus und tat
-einen Satz, und im Nu war’s wieder pechfinster, und Jim stöhnte:
-
-»Arme Massa Tom, er is hin!«
-
-Damit wollte Jim sich auf den Professor stürzen, aber der Professor war
-nicht da.
-
-Dann hörten wir zwei entsetzliche Schreie -- dann noch einen, nicht
-ganz so laut -- und noch einen, der kam ganz tief von unten her, und
-man konnte ihn gerade eben noch hören. Und Jim sagte:
-
-»Arme Massa Tom!«
-
-Dann wurde es grauenhaft still; man hätte, glaube ich, bis viertausend
-zählen können, bis der nächste Blitz kam. Als es blitzte, sah ich
-Jim auf den Knieen liegen; die Arme hatte er über die Bank gestreckt
-und sein Kopf lag auf seinen Armen und er weinte. Ehe ich über Bord
-sehen konnte, war alles wieder dunkel, und das war mir lieb, denn ich
-_wollte_ nichts sehen. Aber als der nächste Blitz kam, da war ich mit
-meinem Kopf schon über’m Bootsrand, und da sehe ich unter mir jemanden
-auf der schaukelnden Strickleiter -- und es ist Tom!
-
-»Komm ’rauf!« schrei’ ich. »Komm ’rauf, Tom!«
-
-Seine Stimme war so schwach und der Sturm brüllte so fürchterlich, daß
-ich nicht verstehen konnte, was er sagte; aber es kam mir vor, als
-fragte er, ob der Professor bei uns oben sei. Ich schrie:
-
-»Nein! Der ist unten im Ozean! Komm ’rauf! Können wir dir helfen?«
-
-Dies alles ging natürlich in düsterster Finsternis vor sich.
-
-»Huck! wen rufst du da?« stöhnte auf einmal Jim.
-
-»Ich rufe Tom.«
-
-»O, Huck, wie kannst du? Du weißt doch, arme Massa Tom ...«
-
-Weiter kam er nicht; er stieß einen fürchterlichen Schrei aus und
-gleich darauf noch einen und warf seinen Kopf und seine Arme hintenüber
--- denn gerade in dem Augenblick kam ein weißer Blitz und über dem
-Dollbord hob sich Toms Gesicht, ganz schneeweiß, empor und sah ihm
-gerade in die Augen. Er dachte natürlich, es sei Toms Geist.
-
-Tom kletterte an Bord, und als Jim merkte, daß er’s _wirklich_ war
-und nicht sein Geist, da herzte er ihn und gab ihm alle möglichen
-Kosenamen und tat, als wäre er vor Freuden ganz verrückt geworden. Als
-schließlich ein bißchen Ruhe eintrat, fragte ich:
-
-»Worauf wartetest du denn, Tom! Warum kamst du nicht gleich wieder
-herauf?«
-
-»Durfte ich nicht, Huck! Ich merkte, daß jemand bei mir vorbei
-plumpste, aber in der Dunkelheit wußte ich nicht, wer es war. Es hätte
-Jim sein können oder auch du, Huck Finn!«
-
-Das war der echte Tom Sawyer -- immer vernünftig! Er kam nicht eher
-nach oben, als bis er wußte, wo der Professor war.
-
-Der Sturm hatte sich inzwischen zu seiner höchsten Gewalt entwickelt;
-es war fürchterlich, wie der Donner brüllte, wie die Blitze blendend
-zuckten, wie der Wind im Tauwerk heulte und pfiff und wie der Regen
-herniederströmte. In der einen Sekunde konnte man nicht seine Hand
-vor Augen sehen und in der nächsten konnte man die Fäden im Rockärmel
-zählen und sah durch einen Regenschleier eine ganze weite Wüste von
-rollenden schäumenden Wellen. Ein solcher Sturm ist das Prächtigste,
-was es auf der Welt gibt -- aber nicht wenn man oben unter dem Himmel
-fährt, wo man in der Einsamkeit den Weg nicht weiß, wenn man bis auf
-die Haut durchnäßt ist, und gerade eben einen Todesfall in der Familie
-gehabt hat!
-
-Wir saßen am Bugspriet zusammen gedrängt und sprachen leise vom
-Professor; und uns allen tat er leid, der arme Mann, den die Welt
-verspottet und hart behandelt hatte, während er ihr doch sein Bestes
-gab; und dabei hatte er keinen Freund oder sonst einen Menschen gehabt,
-um ihn zu ermutigen und ihn aufzuheitern, wenn die trüben Gedanken über
-ihn kamen, die ihn schließlich verrückt machten.
-
-Am andern Ende der Gondel waren Kleider und Decken und dergleichen in
-Hülle und Fülle; aber wir ließen uns lieber durchnaß regnen als daß wir
-in jener Nacht etwas davon angerührt hätten.
-
-
-
-
-Fünftes Kapitel.
-
-
-Wir versuchten irgend einen Plan aufzustellen, konnten aber nicht einig
-werden. Jim und ich waren dafür, umzukehren und wieder nach Hause zu
-fahren. Tom aber meinte, wir sollten lieber den Tagesanbruch abwarten,
-um ordentlich sehen zu können; bis dahin aber würden wir so nahe bei
-England sein, daß wir ebensogut dorthin fahren könnten; wir könnten
-dann zu Schiff zurückkehren, und was wäre das nicht für ein Ruhm, wenn
-wir später so etwas von uns sagen könnten!
-
-Gegen Mitternacht legte sich der Sturm; der Mond kam hervor und
-beschien die Meeresfläche; uns wurde ganz behaglich zu Mute und der
-Schlaf kam über uns. Wir streckten uns auf den Bänken aus und schliefen
-ein und wachten nicht früher auf, als bis die Sonne am Himmel stand.
-Die See funkelte wie von lauter Diamanten und es war schönes Wetter und
-sehr bald waren alle unsere Sachen wieder trocken.
-
-Wir gingen achter, um uns etwas zum Frühstück zu suchen, und das
-erste, was uns in die Augen fiel, war ein trübes Lichtchen, das in
-einem Kompaß unter ’nem Glasdeckel brannte. Tom machte sich sofort
-Gedanken darüber und sagte:
-
-»Ihr könnt euch wohl denken, was das bedeutet! Nichts anderes, als daß
-hier jemand auf Wache stehen und dies Ding steuern muß, genau wie ein
-Schiff gesteuert wird. Denn wenn der Ballon nicht gesteuert wird, so
-treibt er sich in der Luft herum und segelt, wohin der Wind ihn führt.«
-
-»Hm,« sagte ich, »was hat denn unsere Gondel gemacht, seit wir ... eh
-... seit wir den Unfall hatten?«
-
-»Sich herumgetrieben,« antwortete er, ein bißchen aus seiner Ruhe
-gebracht, »sich herumgetrieben -- ohne allen Zweifel! Jetzt haben wir
-einen Wind, der uns südöstlich treibt; wir können nicht wissen, wie
-lange wir schon diesen Kurs halten.«
-
-Er stellte das Steuer wieder auf Osten und sagte, er wolle so lange
-aufpassen, bis wir das Frühstück fertig gemacht hätten. Der Professor
-hatte sich so gut verproviantiert, wie man’s nur wünschen konnte.
-Da war alles in Hülle und Fülle vorhanden. Milch gab es allerdings
-nicht zum Kaffee, aber Wasser war vorhanden und alles, was man sonst
-nötig hatte, auch ein Kochofen mit Holzkohlenfeuerung und mit dem
-erforderlichen Geschirr, und Pfeifen und Zigarren und Zündhölzer.
-Ferner Weine und Liköre -- wofür _wir_ allerdings keine Verwendung
-hatten; dann Bücher und Land- und Seekarten und ’ne Ziehharmonika
--- und Pelze, Decken und eine unendliche Menge von allerlei Tand,
-wie Messingperlen und dergleichen Zierat. Das war, wie Tom bemerkte,
-ein sicheres Anzeichen, daß er darauf gerechnet hatte, mit Wilden
-zusammenzukommen. Auch Geld war da. Ja, der Professor war nicht
-schlecht ausgerüstet.
-
-Nach dem Frühstück zeigte Tom mir und Jim, wie das Steuer gehandhabt
-wurde; dann verteilte er die Wachen, für jeden immer vier Stunden.
-Als er mit seiner Wache fertig war, löste ich ihn ab, und er holte
-des Professors Papier und Schreibzeug heraus, und setzte sich hin und
-schrieb einen Brief nach Hause an seine Tante Polly. Darin erzählte er
-ihr alles, was uns passiert war, und als er fertig war, datierte er
-den Brief:
-
-›Im Firmament, in der Nähe von England‹, und faltete ihn säuberlich
-zusammen und versiegelte ihn mit einer roten Oblate. Dann adressierte
-er ihn und über der Adresse schrieb er mit dicken Buchstaben:
-
- _Von Tom Sawyer, dem Erronauter_
-
-und er sagte, wenn der Brief mit der Post ankäme, da würde der alte Nat
-Parsons, der Postmeister, einfach auf den Rücken fallen.
-
-Ich äußerte meine Meinung, wir wären ja doch nicht im Firmament,
-sondern in einem Luftballon; aber über so etwas war mit Tom nun einmal
-nicht zu diskutieren. Im Grunde wußte ich auch nicht so recht, was
-eigentlich ein Firmament ist; Tom wollte es mir erklären, aber Jim und
-ich bekamen trotzdem keinen rechten Begriff davon, und schließlich
-ließen wir es sein und sprachen davon, was ein Erronauter sei.
-
-Ein Erronauter, sagte Tom, wäre ein Mensch, der in Luftballons
-’rumführe, und es wäre ganz was Anderes und viel was Feineres, wenn
-er sich ›Tom Sawyer, den Erronauter‹ nennen könnte, als wenn er bloß
-›Tom Sawyer, der Reisende‹ wäre. Man würde überall auf der ganzen Welt
-von uns sprechen, wenn wir nur das Ding zum rechten Ende brächten, und
-darum hustete er von jetzt an was drauf, ›Tom Sawyer, der Reisende‹ zu
-heißen.
-
-Als die Mitte des Nachmittags herankam, machten wir alles zum
-Landen fertig, und uns war recht leicht ums Herz und wir fühlten
-einen mächtigen Stolz in uns. Wir guckten fortwährend durch unsere
-Ferngläser, wie Kolumbus, als er Amerika entdecken wollte. Aber wir
-sahen nichts als lauter Ozean und Ozean. Der Nachmittag verstrich, die
-Sonne ging unter und immer noch war nirgendwo Land zu sehen. Die Sache
-kam uns sonderbar vor, aber wir dachten, sie würde schon in Ordnung
-kommen. Wir blieben also dabei, ostwärts zu steuern, nur stiegen wir
-etwas höher hinauf, damit wir nicht im Dunkel gegen einen Berg oder
-sonstige Hindernisse anstoßen möchten.
-
-Von acht Uhr abends bis Mitternacht hatte ich die Wache, dann löste Jim
-mich ab; aber Tom blieb auf, weil Schiffskapitäne, wie er sagte, das
-immer täten, wenn sie dicht beim Lande wären.
-
-Als es nun Tag wurde, da stieß auf einmal Jim ein lautes Geschrei aus
-und wir sprangen auf und guckten über den Rand der Gondel und richtig!
-da war das Land -- rund um uns herum nichts als Land, soweit das Auge
-reichte, und vollkommen flach und ganz gelb! Wir wußten nicht, wie
-lange wir schon über dem Land gewesen waren, denn da waren weder Bäume,
-noch Berge, noch Felsen, noch Städte, und Tom und Jim hatten gedacht,
-es sei das Meer, das spiegelglatt unter ihnen daläge; übrigens hätte
-es von der Höhe aus, in der wir uns befanden, spiegelglatt ausgesehen,
-selbst wenn die Wellen haushoch gegangen wären.
-
-Wir waren jetzt alle riesig aufgeregt und nahmen schnell die Ferngläser
-vor die Augen und suchten überall nach London, aber da war nicht das
-geringste weder von London noch überhaupt von einer menschlichen
-Niederlassung zu sehen -- nicht ’mal ein See oder ein Fluß war zu
-erblicken. Tom war ganz kleinlaut geworden. Er sagte, so einen Begriff
-hätte er sich von England nicht gemacht; er hätte immer gemeint,
-England sähe genau so aus wie Amerika. Er schlug schließlich vor, wir
-wollten lieber unser Frühstück essen und dann den Ballon herunterlassen
-und uns erkundigen, wie wir auf dem kürzesten Wege nach London kämen.
-Mit dem Frühstück waren wir sehr schnell fertig -- unsere Ungeduld war
-zu groß. Als wir nachher uns in niedrigere Regionen herabließen, begann
-das Wetter milde zu werden, und sehr bald zogen wir unsere Pelze aus.
-Aber es wurde immer noch milder, und im Nu war’s beinahe zu milde. Wir
-waren nämlich jetzt dicht über dem Erdboden und da herrschte geradezu
-eine Backofenhitze.
-
-Ungefähr dreißig Fuß über dem Lande machten wir Halt; ich sage ›Land‹,
-indem ich annehme, daß man so etwas Land nennen darf; denn da gab es
-nichts als reinen Sand! Tom und ich kletterten die Leiter herunter und
-fingen an zu laufen, um unsere Beine wieder ein bißchen geschmeidig zu
-machen; den Beinen tat denn auch die Bewegung wunderbar gut -- aber
-den Füßen weniger, denn der Sand verbrannte uns die Sohlen, als wären
-wir auf glühende Kohlen getreten. Nicht lange, so sahen wir jemanden
-herankommen, und sofort liefen wir ihm entgegen; aber wir hörten
-Jim schreien und drehten uns nach ihm um und sahen, daß er wie ein
-Besessener herumsprang und Zeichen machte und schrie. Was er sagte,
-konnten wir nicht verstehen, aber wir kriegten es doch mit der Angst
-und liefen so schnell wir konnten nach dem Luftschiff zurück. Als wir
-nahe genug gekommen waren, unterschieden wir seine Worte, und mir wurde
-ganz übel zumute, als ich sie hörte:
-
-»Rennt!« schrie er. »Rennt, wenn euch euer Leben lieb is. Das is ’n
-Löwe! Ich seh ihm durch die Fernglas! Rennt Jungens! Rennt, was das
-Zeug halten will! Er is gewiß aus die Menascherie gelaufen un da is
-niemand, der ihn wieder kriegen kann!«
-
-Tom flog wie ein Pfeil dahin, aber mir schlotterten die Beine, als wenn
-ich gar keine Knochen mehr drin gehabt hätte. Ich konnte mich bloß so
-hinschleppen, wie’s einem im Traum manchmal passiert, wenn ein Gespenst
-hinter einem her ist.
-
-Tom war natürlich der Erste bei der Leiter; er kletterte ein Stück
-hinauf und wartete auf mich; sobald ich glücklich auf der untersten
-Stufe stand, rief er Jim zu, er sollte losrutschen. Aber Jim hatte
-völlig den Kopf verloren und sagte, er wüßte nicht mehr, wie’s gemacht
-würde. Tom kletterte daher weiter hinauf und sagte, ich sollte
-nachkommen; aber der Löwe war schon ganz in der Nähe und stieß bei
-jedem Sprung ein ganz fürchterliches Gebrüll aus; davon zitterten
-mir die Beine dermaßen, daß ich nicht wagte, mich von der Sprosse zu
-rühren, denn ich dachte, wenn ich den einen Fuß hochhöbe, so würde der
-andere allein mich nicht mehr tragen können.
-
-Inzwischen aber hatte Tom sich in die Gondel hineingeschwungen; er ließ
-den Ballon ein Stück in die Höhe gehen, hielt aber sofort wieder an,
-als das Ende der Strickleiter zehn oder zwölf Fuß über dem Boden war.
-
-Und da war auch schon der Löwe. Wie tobte er unter mir herum, wie
-brüllte er, wie sprang er in die Höhe und schnappte nach der Leiter!
-Es sah aus als verfehlte er sie nur um Viertelszollbreite. Es war ja
-köstlich, wirklich köstlich, außer seinem Bereich zu sein, und ich
-empfand dies als ein ungeheuer angenehmes Gefühl, wofür ich herzlich
-dankbar war; andererseits aber hing ich hilflos da und konnte nicht
-hochklettern, und dabei wurde mir denn wieder sterbensübel zu Mute.
-Es kommt wohl sehr selten vor, daß jemand derartig gemischte Gefühle
-empfindet, und im großen und ganzen kann ich eine derartige Situation
-nicht für empfehlenswert erklären.
-
-Tom fragte mich, was er anfangen sollte, aber ich konnte ihm daraufhin
-keinen Bescheid geben. Er meinte, ich könnte mich vielleicht so lange
-festhalten, bis er nach einem sicheren Platz gesegelt wäre, wohin der
-Löwe nicht so schnell mitlaufen könnte. Ich antwortete, es würde mir
-wahrscheinlich möglich sein, wenn er den Ballon nicht höher steigen
-ließe; aber wenn er höher ginge, so würde ich ganz gewiß schwindlig
-werden und herunterfallen.
-
-»Halt dich nur ordentlich fest!« rief Tom, und damit segelte er los.
-
-»Nicht so schnell!« schrie ich. »Mir wird schon gelb und grün vor den
-Augen!«
-
-Er war nämlich mit Blitzzugsgeschwindigkeit abgefahren. Tom mäßigte die
-Schnelligkeit und wir glitten langsamer über den Sand hin; aber es ist
-und bleibt doch im höchsten Grade ungemütlich, wenn man in lautloser
-Stille den Boden so unter sich weggleiten sieht.
-
-Mit der Lautlosigkeit nahm es indessen sehr bald ein Ende, denn der
-Löwe kam uns nachgesprungen. Und sein Gebrüll wurde beantwortet. Wir
-sahen die Bestien aus allen Himmelsrichtungen herangehopst kommen und
-im Nu waren ein paar Dutzend unter mir. Sie sprangen nach der Leiter
-und fauchten sich gegenseitig an und schnappten nacheinander. So
-rutschten wir übers Land hin und die braven Löwen taten, was in ihren
-Kräften stand, um uns das Erlebnis unvergeßlich zu machen; und es
-kamen immer mehr Bestien -- sie schienen es nicht für nötig zu halten,
-eine Einladung von uns abzuwarten -- und das Getümmel unter uns wurde
-unbeschreiblich.
-
-Wir sahen ein, so konnte es nicht weiter gehen. Wenn wir nicht
-schneller segelten, wurden wir die Löwen nicht los, und ich konnte mich
-nicht ewig an der Strickleiter festhalten, denn dazu reichten meine
-Kräfte nicht.
-
-Tom dachte über den Fall nach und kam auf eine andere Idee: einer von
-den Löwen mußte mit des Professors Revolver totgeschossen werden, und
-während die anderen Halt machten, um ihren Kameraden zu verspeisen,
-konnten wir verschwinden.
-
-Gedacht, getan! Tom hielt den Ballon an, schoß eine von den Bestien
-über den Haufen und der Spektakel ging los, ganz wie wir’s erwartet
-hatten. Wir segelten eine Viertelmeile weiter und Tom und Jim halfen
-mir in die Gondel hinein.
-
-Kaum waren wir damit fertig, so war auch die Löwenbande wieder da.
-Aber es war zu spät für sie. Und als sie sahen, daß sie uns nicht mehr
-kriegen konnten, da setzten sie sich auf ihre Hinterbacken und sahen
-uns mit so schmerzlich enttäuschten Gesichtern nach, daß die armen
-hungrigen Löwen uns wirklich leid taten.
-
-
-
-
-Sechstes Kapitel.
-
-
-Ich war so angegriffen, daß ich an gar nichts weiter dachte, als mich
-schnell hinzulegen. Ich streckte mich daher auf meiner Bank aus, aber
-in solcher Backofenhitze war nicht daran zu denken, wieder zu Kräften
-zu kommen; Tom befahl daher, das Luftschiff höher steigen zu lassen,
-und Jim führte seine Weisungen sofort aus.
-
-Wir mußten eine volle Meile aufsteigen, bis wir in eine angenehme
-Luftschicht kamen, wo eine erfrischende Brise wehte und es weder zu
-kalt noch zu warm war. Bald war ich wieder völlig bei Kräften. Tom
-hatte die ganze Zeit über still und nachdenklich dagesessen, aber auf
-einmal sprang er auf und sagte:
-
-»Ich will tausend gegen eins wetten: ich weiß, wo wir sind! Wir sind in
-der Großen Sahara -- das ist bombensicher!«
-
-Er war so aufgeregt, daß er weder Arme noch Beine still halten konnte;
-mich regte seine Mitteilung weniger auf; ich fragte bloß:
-
-»So? Na, wo ist denn die Große Sahara? In England oder in Schottland?«
-
-»Weder da noch dort -- sie ist in Afrika.«
-
-Da riß aber Jim die Augen auf! Mit riesiger Neugierde sah er sich das
-Land an; und das war auch kein Wunder, denn da waren ja seine Vorfahren
-hergekommen. Aber ich selber konnte es nur so halb und halb glauben;
-mir schien denn doch, eine so kolossale Reise könnten wir unmöglich
-gemacht haben.
-
-Tom indessen war voll von seiner ›Entdeckung‹, wie er es nannte. Die
-Löwen und der Sand, sagte er, das bedeutete ganz bestimmt die große
-Wüste.
-
-Jim sah immer noch durch das Fernrohr auf den Sand herunter. Auf einmal
-schüttelte er den Kopf und sagte:
-
-»Massa Tom, da muß woll was nix richtig sein! Ich hab noch gar keine
-Nigger nix gesehen!«
-
-»Das will nichts sagen! Sie leben nicht in der Wüste. Aber was ist denn
-das? Da hinten ganz in der Ferne? Gebt mir ’mal ’n Fernrohr!«
-
-Er sah lange durch das Glas und sagte, es sähe aus wie ein langer
-schwarzer Strich, der sich über den Sand hinzöge, aber er könnte nicht
-begreifen, was es wohl sein möchte.
-
-»Na,« sagte ich, »vielleicht hast du jetzt ’ne Möglichkeit, genau
-festzustellen, wo der Luftballon ist. Denn höchstwahrscheinlich ist das
-doch eine von den Linien, die auf der Karte verzeichnet sind, und die
-du Meridianlängen nanntest; wir brauchen bloß ’runterzugehen und uns
-die Nummer anzusehen und ...«
-
-»O, Huck Finn! Was für ein Blödsinn! So einen Quatschkopf wie du bist
-habe ich noch nie gesehen! Meinst du im Ernst, die Längenmeridiane sind
-_auf der Erde_?«
-
-»Tom Sawyer, sie sind auf der Karte abgebildet, das weißt du recht
-gut, und hier ist ja eine, das kannst du doch mit deinen eigenen Augen
-sehen!«
-
-»Natürlich stehen sie auf der Karte; aber das beweist noch nichts! Auf
-dem _Erdboden_ gibt es selbstverständlich keinen.«
-
-»Tom, weißt du das gewiß?«
-
-»Natürlich!«
-
-»Nun, dann hat die Landkarte wieder mal gelogen. So eine Lügerei wie
-auf der Karte ist mir noch gar nicht vorgekommen!«
-
-Das brachte nun wieder Tom in hellen Eifer; aber ich wußte ihm mit
-Worten zu dienen und Jim, der ganz meiner Meinung war, kam auch in
-Hitze, und es ist gar nicht unmöglich, daß unsere Beweisführungen ein
-bißchen handgreiflich geworden wären -- aber auf einmal warf Tom das
-Fernrohr hin und klatschte in die Hände, wie wenn er den Verstand
-verloren hätte, und schrie aus vollem Halse:
-
-»Kamele! Kamele!«
-
-Ich nahm schnell ein Fernrohr und Jim guckte auch darnach; aber ich war
-enttäuscht und sagte: »Deine Großmutter hat wohl Kamele! Das sind ja
-Spinnen!«
-
-»Spinnen in ’ner Wüste, du Schafskopf? Spinnen, die in einer langen
-Reihe marschieren? Streng’ mal ’n bißchen deinen verehrlichen Schädel
-an, Huck Finn, -- aber es kommt mir allerdings fast so vor, als hättest
-du nichts drin! Du denkst wohl gar nicht dran, daß wir ’ne volle Meile
-hoch oben in der Luft sind und daß der Streifen von Krabbeltieren zwei
-oder drei Meilen entfernt ist. Spinnen -- heiliger Bimbam! Spinnen so
-groß wie ’ne Kuh? Willst du nicht vielleicht runtergehen und eine von
-ihnen melken? Aber verlaß dich nur darauf, was ich sage: es sind und
-bleiben Kamele. ’s ist ’ne Karawane, ganz einfach ’ne Karawane, und sie
-ist ’ne Meile lang!«
-
-»Na, denn wollen wir doch runtergehen und sie uns ansehen! Ich glaube
-es nun ’mal nicht und werde nicht eher dran glauben, als bis ich’s
-genau und deutlich selber sehe!«
-
-»Meinetwegen!« rief Tom und kommandierte: »Tiefer mit dem Ballon!«
-
-Als wir in die heiße Luftschicht kamen, da konnten wir denn sehen,
-daß es wirklich Kamele waren -- eine endlose Reihe von bedächtig
-schreitenden Tieren, die große Ballen auf ihren Rücken trugen. Auch
-mehrere hundert Männer waren dabei, die hatten lange weiße Gewänder an
-und um ihre Köpfe trugen sie lange Binden gewickelt, von denen Troddeln
-und Fransen herniederhingen. Einige von ihnen hatten lange Flinten und
-andere hatten keine; einige ritten und andere gingen zu Fuß. Und die
-Hitze -- na, wir kamen uns vor, wie wenn wir auf ’nem Bratrost lägen.
-Und wie langsam krochen sie durch die Wüste hin! Wir ließen uns nun
-plötzlich hernieder und stoppten, als wir ungefähr hundert Meter über
-ihnen waren.
-
-Die Männer schrieen alle miteinander plötzlich laut auf, und einige
-warfen sich platt auf den Bauch, andere fingen an, mit ihren Flinten
-nach uns zu schießen, und der Rest stob nach allen Windrichtungen
-auseinander -- Menschen, Pferde und Kamele.
-
-Wir sahen, daß wir Wirrwarr anrichteten, und stiegen deshalb wieder
-auf, bis wir ungefähr in der alten Höhe von einer Meile uns befanden,
-wo die kühle Luftschicht war; von dort aus sahen wir uns alles an.
-Sie brauchten beinahe eine Stunde, bis sie wieder alle zusammen und
-in der richtigen Marschordnung waren; dann brachen sie wieder auf,
-aber wir konnten durch unsere Fernrohre beobachten, daß sie bloß für
-unseren Luftballon Augen hatten. Wir fuhren in ihrer Richtung weiter,
-indem wir sie durch unsere Gläser genau betrachteten; das war ein sehr
-interessanter Anblick. Auf einmal sahen wir einen großen Sandhügel und
-jenseits desselben eine Menge Gestalten, die wir für Menschen hielten;
-und oben auf dem Hügel lag etwas -- dem Anschein nach ein Mann; der
-hob alle Augenblicke mal den Kopf in die Höhe und sah sich um -- ob
-nach uns oder nach der Karawane, das konnten wir nicht unterscheiden.
-Als die Karawane näher gekommen war, rutschte er auf der anderen Seite
-des Hügels herunter und lief schnell zu den anderen Menschen -- wir
-sahen jetzt, daß es solche waren -- die neben ihren Pferden hinter
-dem Sandberg auf der Lauer gelegen hatten. Im Nu waren sie im Sattel
-und wie ein Donnerwetter kamen sie hervorgesprengt, einige mit Lanzen
-bewaffnet und andere mit langen Flinten, und alle miteinander schrieen
-und heulten sie aus vollem Halse.
-
-Eins, zwei, drei waren sie bei der Karawane und in der nächsten Minute
-prallten die beiden Parteien aufeinander. Dann folgte ein wildes
-Durcheinander und ein Flintengeknatter, wie wir’s nie gehört hatten,
-und die Luft war so voll von Pulverdampf, daß wir nur ab und zu einen
-schnellen Blick auf das Handgemenge werfen konnten.
-
-Es müssen wohl mindestens sechshundert Mann an der Schlacht beteiligt
-gewesen sein, und der Anblick war fürchterlich. Allmählich lösten
-sie sich in einzelne kleine Abteilungen und Gruppen auf, die in
-verzweifelter Wut miteinander kämpften und nicht abließen, wie wenn sie
-sich ineinander verbissen hätten. Wenn der Pulverqualm sich auf kurze
-Augenblicke ein wenig verzog, konnten wir tote und verwundete Menschen
-und Kamele überall auf dem Boden verstreut liegen sehen, und die Tiere
-liefen wie toll nach allen Richtungen davon.
-
-Schließlich sahen die Räuber ein, daß sie nichts ausrichten konnten;
-ihr Hauptmann blies ein Signal und was von ihnen noch am Leben war,
-sprengte über die Wüste davon. Der Letzte von den Räubern riß noch ein
-Kind an sich und warf es vor seinem Sattel über das Pferd, und ein
-Weib rannte schreiend und flehend hinter ihm her, bis sie eine weite
-Strecke von ihren Leuten entfernt war. Sie konnte ihn nicht einholen
-und schließlich gingen ihr die Kräfte aus und wir sahen, wie sie auf
-dem Sande zusammenbrach und das Gesicht mit den Händen bedeckte.
-
-Da sprang Tom ans Steuer; wie der Sturmwind sausten wir auf den
-Schurken los und unsere Gondel traf ihn, daß das Pferd niederfiel und
-Räuber und Kind aus dem Sattel flogen. Er hatte eine ganz gehörige
-Schramme gekriegt, aber das Kind war heil und ganz und lag mit Armen
-und Beinen strampelnd da, wie ein Käfer, der auf den Rücken gefallen
-ist und nicht wieder hoch kommen kann. Der Mann humpelte davon, um
-wieder sein Pferd zu besteigen; er machte ein ganz verblüfftes Gesicht,
-weil er nicht wußte, was ihn umgeschmissen hatte, denn wir waren
-inzwischen schon wieder drei- bis vierhundert Meter hoch oben in der
-Luft.
-
-Wir dachten, das Weib wäre nun hingegangen und hätte sich ihr Kind
-geholt; aber das tat sie nicht. Wir sahen durch unsere Ferngläser,
-wie sie noch immer auf derselben Stelle saß, den Kopf auf die Kniee
-gesenkt. Sie hatte deshalb natürlich von dem ganzen Vorgange nichts
-bemerkt und glaubte, ihr Kind wäre ihr von dem Mann für ewig geraubt.
-Sie mochte eine halbe Meile von der Karawane entfernt sein und das
-Kind lag etwa eine Viertelmeile von ihr auf dem Sand. Wir beschlossen
-daher, es aufzuheben, denn vor den Leuten der Karawane brauchten wir
-keine Angst zu haben; sie konnten nicht so schnell zu uns herankommen;
-außerdem hatten sie noch für eine gute Weile alle Hände voll zu tun, um
-für ihre Verwundeten zu sorgen. Deshalb beschlossen wir, das Wagnis zu
-unternehmen.
-
-Wir gingen bis auf den Grund herab; Jim kletterte die Leiter herunter
-und hob das kleine Kindchen auf; es war ein hübscher dicker Bengel und
-er jauchzte und kreischte vor Vergnügen, was in Anbetracht der Umstände
-eine anerkennenswerte Leistung war -- denn er hatte doch gerade eben
-eine große Schlacht mitgemacht und war von einem Pferde abgeworfen
-worden.
-
-Darauf segelten wir an die Mutter heran; wir hielten dicht hinter
-ihrem Rücken und Jim kletterte wieder heraus und ging leise mit dem
-Kind auf dem Arm zu ihr heran, und das Kleinchen lallte und quiekte
-und sie hörte es und fuhr mit einem Freudenschrei herum. Dann nahm sie
-ihr Kind und herzte und küßte es und setzte es wieder hin und herzte
-und küßte Jim und hing ihm eine goldene Kette um, und fiel ihm wieder
-um den Hals. Und dann riß sie wieder ihr Kind an sich und drückte es
-gegen ihren Busen und schluchzte und jauchzte immer durcheinander. Jim
-sprang schnell nach der Strickleiter und war im Nu oben bei uns in der
-Gondel. Eine Minute darauf waren wir wieder hoch oben unterm Himmel,
-und da stand das Weib und sah uns nach, den Kopf ganz tief in den
-Nacken zurückgeworfen, und das Kind hatte die Aermchen um ihren Hals
-geschlungen.
-
-Und so stand sie und sah uns nach, bis wir vor ihren Blicken tief im
-Himmel verschwunden waren.
-
-
-
-
-Siebentes Kapitel.
-
-
-»Mittag!« sagte Tom. Und so mußte es wohl sein, denn sein Schatten
-bildete nur einen kleinen Fleck um seinen Fuß herum.
-
-Wir hatten in unserer Gondel zwei Uhren, die nebeneinander befestigt
-waren und ganz verschiedene Zeiten anzeigten. Tom sagte, es wären
-Chronometer, und der eine zeigte die Zeit von St. Louis, der andere
-die von Grinnitsch. Wir sahen nun auf diesen nach und es war beinahe
-aufs Haar zwölf Uhr. So sagte denn Tom, Grinnitsch -- oder London,
-denn das wäre ein und dasselbe -- wäre entweder direkt nördlich oder
-direkt südlich von uns; aus der Hitze aber und dem Sand und den Kamelen
-schlösse er, daß London wohl eher nördlich läge und zwar ’ne ganz
-gehörige Anzahl Meilen -- etwa soweit wie von New York nach der Stadt
-Mexiko.
-
-Jim meinte, ein Luftballon wäre doch wohl das schnellste Ding auf
-der Welt; wenn nicht etwa irgend ein Vogel noch schneller wäre --
-vielleicht ’ne wilde Taube oder ’ne Eisenbahn.
-
-Aber Tom sagte, er hätte gelesen, daß in England mit der Eisenbahn auf
-kurze Strecken bereits eine Geschwindigkeit von hundert Meilen in der
-Stunde erzielt worden wäre, und es gäbe auf Erden keinen Vogel, der
-eine solche Leistung fertig brächte -- mit Ausnahme eines einzigen, und
-das wäre ein Floh.
-
-»Ein Floh? Hm, Massa Tom, erst mal is ein Floh sozusagen kein Vogel
-nix ...«
-
-»Ist kein Vogel, häh! Na, was ist er denn?«
-
-»Ich weiß nix so genau, Massa Tom, aber ich denk beinah, es is woll
-bloß so ’n Art Tier. Oder nein -- das is woll auch nix richtig -- denn
-for’n Tier is er nix groß genug. Er muß ’n Käfer sein -- jawoll, das
-muß er -- ’n Käfer muß er sein.«
-
-»Ich will wetten, er ist keiner -- aber einerlei! Was hast du für’n
-›Zweitens‹ vorzubringen?«
-
-»Nu, zweitens: Vögel machen ’ne weite Entfernung, aber ’n Floh nix.«
-
-»Nicht? Wirklich nicht? Na, denn sag mir mal, was ist denn wohl ’ne
-weite Entfernung?«
-
-»Nu, Meilen! ... ne Masse Meilen! Das weiß doch eine jede Kind!«
-
-»Kann ein Mensch meilenweit laufen?«
-
-»Jawoll, kann er!«
-
-»So viel Meilen wie ’ne Eisenbahn?«
-
-»Jawoll, wenn er Zeit haben tut.«
-
-»Kann ein Floh das auch?«
-
-»Nu, hm, o jawoll ... warum nix? Wenn er _viel_ Zeit haben tut.«
-
-»Aha! Nun fängst du wohl an zu begreifen, daß es nicht auf die
-Entfernung an sich ankommt, sondern auf die Zeit, die man braucht, um
-eine Entfernung zurückzulegen, nicht wahr?«
-
-»Hm, nu ja, es sieht so aus -- aber ich hätt’s nix geglaubt, Massa Tom!«
-
-»Es kommt aufs _Verhältnis_ an, mein Lieber; und wenn ihr über die
-Schnelligkeit eines Geschöpfes urteilen wollt, so müßt ihr dessen
-verhältnismäßige Größe in Betracht ziehen. Und wo bleibt da euer
-Vogel und euer Mensch und eure Eisenbahn, wenn ihr damit einen Floh
-vergleicht? Der schnellste Mensch kann laufend nicht mehr als ungefähr
-zehn Meilen in der Stunde zurücklegen -- nicht viel mehr als das
-Zehntausendfache seiner eigenen Länge. Aber in jedem Buch könnt ihr
-lesen, daß ein ganz gewöhnlicher Floh dritter Güte hundertfünfzigmal
-so weit springt wie er selber groß ist; und in einer Sekunde kann er
-fünf Sprünge machen -- das ist das Siebenhundertfünfzigfache seiner
-eigenen Länge, in einer einzigen kleinen Sekunde, denn er verliert
-keine Zeit damit, daß er anhält und einen neuen Anlauf nimmt; das
-macht er sofort in _einem_ ab. Ihr könnt das selber sehen, wenn ihr
-versucht, einen Floh unter euren Finger zu kriegen. Nun, das leistet
-ein ganz gewöhnlicher Floh dritter Güte; nehmt aber mal erst einen
-erstklassigen italienischen, der sein Leben lang der Liebling der hohen
-Aristokratie gewesen ist und gar nicht weiß, was Not und Hunger ist:
-der macht Sprünge, die das Dreihundertfache seiner Länge betragen, und
-der hält eine Leistung von fünfzehnhundert Flohlängen in der Sekunde
-einen ganzen Tag aus! Nun nehmen wir mal an, ein Mann könnte in einer
-Sekunde fünfzehnhundert Mannslängen zurücklegen -- das macht ungefähr
-anderthalb Meilen. In einer Minute neunzig Meilen und in einer einzigen
-Stunde beträchtlich mehr als fünftausend Meilen. Na, wo bleibt jetzt
-euer Mensch? und euer Vogel und eure Eisenbahn und euer Luftballon?
-Auf ihre Geschwindigkeiten hustet ja unser Floh! Ein Floh ist an
-Geschwindigkeit geradezu ein Komet im kleinen!«
-
-Jim war ganz verblüfft -- und ich nicht weniger. Schließlich sagte Jim:
-
-»Sein auch diese Zahlen ganz genau, un is es kein Spaß nix un keine
-Lüge nix, Massa Tom?«
-
-»Ja, die Zahlen stimmen ganz genau!«
-
-»Nu, denn alle Achtung vor eine Floh! Ich hab’ nix grad viel Achtung
-gehabt vor die Floh ... aber die Floh verdient sie ... das is gewiß!«
-
-»Na, das will ich meinen! Er ist nicht bloß schneller, sondern auch
-klüger und verständiger als irgend ein Geschöpf auf der Welt -- immer
-im Verhältnis zu ihrer Größe. Man kann Flöhe fast zu allem abrichten:
-und sie lernen es schneller als jedes andere Wesen. Sie können in
-vollem Geschirr kleine Wagen ziehen, und gehen damit hierhin oder
-dorthin -- je nachdem der Befehl lautet. Und marschieren und exerzieren
-tun sie wie richtige Soldaten und so stramm aufs Kommando, wie nur der
-beste Soldat. Sie haben alle möglichen schwierigen und anstrengenden
-Uebungen gelernt. Angenommen, man könnte einen Floh züchten, der die
-Größe eines Mannes erreichte und seine angeborene Klugheit und geistige
-Regsamkeit nähme dabei im selben Verhältnis zu, wie das Wachstum seiner
-Glieder -- was meint ihr wohl, wo bliebe da das Menschengeschlecht?
-_Der_ Floh würde Präsident der Vereinigten Staaten werden -- dagegen
-wäre ebensowenig was zu machen, wie wir verhindern können, daß es
-blitzt!«
-
-»O du liebe große Gott, Massa Tom! Davon hatt’ ich ja nie nix ’ne
-Ahnung, daß die Floh so eine gewaltige Tier sei! Warraftig, das kam mir
-nie nix in Sinn, un das sag _ich_!«
-
-»Im Verhältnis zu seiner Größe übertrifft er, und zwar bei weitem,
-jedes andere Geschöpf, Mensch wie Tier. Er ist das interessanteste von
-allen. Man redet so viel von der Stärke einer Ameise, eines Elefanten,
-einer Lokomotive. Quatsch! An ’nen Floh können die nicht tippen! Der
-kann das Zwei- oder Dreihundertfache seines eigenen Gewichts heben. Das
-kann sonst niemand auch nur annähernd. Außerdem macht so’n Floh sich
-seine eigenen Gedanken; er ist ein origineller Kopf und läßt sich kein
-X für ein U machen; sein Instinkt oder seine Ueberlegung -- oder was es
-sonst ist -- ist vollkommen gesund und klar und irrt sich niemals. Die
-Leute meinen, ’nem Floh sei ein Mensch so lieb wie der andere. Aber das
-stimmt nicht. Gewissen Menschen kommt er niemals zu nahe, mag er noch
-so hungrig sein, und zu diesen Menschen gehöre ich. Ich habe in meinem
-ganzen Leben niemals ’nen einzigen Floh auf mir gehabt.«
-
-»Massa Tom!!«
-
-»Ja, so ist’s. Ich spaße nicht.«
-
-»Nanu! Da mussen ich sagen: sowas hab’ ich in mein Leben nix gehören!«
-
-Jim konnte es nicht glauben, und ich auch nicht. So mußten wir denn den
-Ballon ’runterlassen, uns auf den Sand setzen und ’ne Anzahl Flöhe auf
-uns ’rauf hüpfen lassen; denn so eine wunderbare Geschichte wollten wir
-mit eigenen Augen sehen. Tom hatte recht. An mich und Jim gingen sie
-zu Tausenden ’ran, aber kein einziger ließ sich auf Tom nieder. Eine
-Erklärung gab’s dafür nicht, aber die Tatsache war da -- darum ließ
-sich nicht ’rumkommen. Er sagte, es sei schon immer so gewesen und er
-wolle sich ganz ruhig unter ’ner Million von Flöhen niederlassen; sie
-würden ihn weder anrühren noch sonstwie belästigen.
-
-Wir stiegen in die kalte Luftschicht empor, um die Flöhe durch den
-Frost zu vertreiben; da blieben wir ’ne kleine Weile und begaben uns
-dann wieder in die behagliche Temperatur. Wir bummelten ganz gemütlich
-mit ’ner Geschwindigkeit von zwanzig oder fünfundzwanzig Meilen in der
-Stunde durch die Luft. So hatten wir’s die letzten paar Stunden schon
-gemacht; denn je länger wir in dieser feierlichen friedvollen Wüste
-waren, desto mehr schwand alle Hast und Unruhe aus unseren Herzen, und
-desto glücklicher und zufriedener ward uns zu Mute; die Wüste gefiel
-uns immer besser und schließlich liebten wir sie geradezu. So hatten
-wir denn, wie gesagt, die Geschwindigkeit beträchtlich gemindert und
-faulenzten so recht mit Behagen, indem wir bald mal durch die Fernrohre
-guckten, bald uns auf den Bänken ausstreckten und lasen, bald ein
-bißchen druselten.
-
-Das klingt eigentlich komisch -- denn wie eilig hatten wir’s noch ganz
-kurz vorher gehabt, an Land zu kommen und auszusteigen! Aber daran
-dachten wir gar nicht mehr. Wir waren mit dem Luftschiff jetzt völlig
-vertraut und hatten keine Angst mehr und wünschten uns gar nichts
-Besseres, als nur so weiter zu fahren. Wir fühlten uns wahrhaftig ganz
-wie zu Hause; mir kam’s beinahe vor, als sei ich in dem Luftballon
-geboren und aufgewachsen; und Jim und Tom sagten, ihnen sei’s auch so.
-Und ich hatte ja immer eklige Menschen um mich ’rum gehabt, die mich
-ausschalten und pufften, und fortwährend dies und das zu tadeln hatten
-und bald dies bald jenes anders gemacht haben wollten und überhaupt
-fortwährend was für mich zu tun hatten und gerade immer etwas, wozu
-ich keine Lust hatte. Und wenn ich mich dann natürlich drückte und
-irgendwas anderes machte, gab’s Keile, daß mir gar manchmal das ganze
-Leben zur Last war. Aber hier oben in den himmlischen Lüften, da war’s
-so still und sonnenwarm und lieblich; dabei zu essen, so viel man
-mochte, und schlafen können, so oft man Lust hatte, und merkwürdige
-Dinge zu sehen, und kein Nörgeln und Schimpfen, keine braven Leute
-und immerzu Sonntag! Herrgott -- ich hatt’s wahrhaftig nicht eilig,
-unser Luftschiff zu verlassen und mich wieder mit der Zivilisation
-’rumzuschlagen. Zu den ekligsten Eigenschaften der Zivilisation gehört
-es, daß jeder, der ’nen unangenehmen Brief gekriegt hat, damit zu einem
-kommt und einem die ganze Geschichte haarklein erzählt, daß einem
-hundeelend zu Mute wird; und die Zeitung teilt alles Widerwärtige mit,
-was auf der ganzen Welt passiert, so daß man fast immer trübsinnige
-und katzenjämmerliche Gefühle hat -- und das ist für ’nen einzelnen
-Menschen wirklich ’ne schwere Last. Ich hasse diese Zeitungen! ich
-hasse Briefe! und wenn’s nach mir ginge, dürfte niemand einen, den er
-gar nicht kennt, am andern Ende der Welt mit seinen Schauergeschichten
-anöden. Na, hoch oben in ’nem Luftballon gibt’s so was nicht und
-deshalb ist so’n Luftballon das reizendste Ding auf der ganzen Welt.
-
-Wir aßen zu Abend und dann kam die Nacht; und diese Nacht war eine von
-den schönsten, die ich je erlebt habe. Der Mond schien so hell, daß
-wir denken konnten es sei Tag; nur war das Licht viel viel sanfter.
-Einmal sahen wir ’nen Löwen, der ganz einsam dastand, wie wenn er auf
-der weiten Welt mutterseelenallein wäre, und auf dem Sand lag sein
-Schatten wie ein schwarzer Tintenklex. Das ist gerade die richtige
-Sorte Mondschein!
-
-Die meiste Zeit über lagen wir auf dem Rücken und plauderten; zum
-Schlafen hatten wir gar keine Lust. Tom sagte, wir seien jetzt mitten
-drin in Tausendundeiner Nacht. Gerade hier müsse die Gegend sein, wo
-mal eine von den verschmitztesten Geschichten sich zugetragen habe. Wir
-guckten über den Rand unseres Luftballons und sahen uns die Gegend an,
-während er erzählte; denn nichts ist so interessant anzusehen, als ’ne
-Gegend, die in ’nem Buch vorkommt. Die Geschichte handelte von ’nem
-Kameltreiber, der sein Kamel verloren hatte; er läuft in der Wüste ’rum
-und trifft ’nen Mann und sagt:
-
-»›Bist du nicht heute einem verlaufenen Kamel begegnet?‹
-
-»Und der Mann sagt:
-
-»›War es auf dem linken Auge blind?‹
-
-»›Ja.‹
-
-»›Hatte es einen von den oberen Vorderzähnen verloren?‹
-
-»›Ja.‹
-
-»›War es auf dem rechten Hinterfuß lahm?‹
-
-»›Ja.‹
-
-»›War es auf der einen Seite mit Hirse, und auf der anderen mit Honig
-beladen?‹
-
-»›Ja! Aber du brauchst keine Einzelheiten mehr anzuführen. Es ist mein
-Kamel, und ich hab’s eilig. Wo hast du es gesehen?‹
-
-»›Gesehen hab ich’s überhaupt nicht‹, sagt der Mann.
-
-»›Was? Ueberhaupt nicht gesehen? Wie kannst du’s denn so genau
-beschreiben?‹
-
-»›Das ist ganz einfach! Wenn einer seine Augen zu benutzen weiß, so hat
-alles was er sieht, Sinn und Bedeutung; aber die meisten Leute wissen
-mit ihren Augen gar nichts anzufangen. Daß ein Kamel vorbeigelaufen
-war, wußte ich, weil ich seine Spur sah. Ich wußte, daß es auf dem
-rechten Hinterfuß lahmte, weil es diesen Fuß geschont hatte und leicht
-damit aufgetreten war. Das sah ich an der Spur. Auf dem linken Auge
-mußte es blind sein, weil es nur rechts vom Wege das Gras abgerupft
-hatte. Einen von den oberen Vorderzähnen mußte es verloren haben, weil
-in der Zahnspur im Grase eine Lücke war. Die Hirse war an der einen
-Seite herausgerieselt -- das erzählten mir die Ameisen; an der anderen
-Seite war Honig herniedergeträufelt -- das erzählten mir die Fliegen.
-Also wußte ich von deinem Kamel ganz genau Bescheid; aber gesehen hab’
-ich’s nicht.‹«
-
-»Weiter, Massa Tom!« ruft Jim. »Das is ein riesig guter Geschicht, un
-mächtig intressant!«
-
-»Das ist alles,« sagt Tom.
-
-»Alles?« schreit Jim verblüfft. »Was werd denn aus die Kamel?«
-
-»Weiß ich nicht.«
-
-»Massa Tom, stehen nix von in das Geschicht?«
-
-»Nein.«
-
-Jim denkt kopfschüttelnd ’ne Minute nach; dann sagt er:
-
-»Warraftig! Das is der verflixteste Geschicht, wo ich kennen! Grad an
-die Platz, wo die Neugier werden gluhig heiß -- schwapp ab! Warraftig,
-Massa Tom, in ein Geschicht, der sich so benehmen tun, is kein Sinn nix
-un keine Verstand. Habbe Sie keine Idee nix, ob die Mann seinen Kamel
-wieder kriegen tun oder nix?«
-
-»Habe keine Ahnung.«
-
-Ich sah selber ein, in der Geschichte war kein Sinn und Verstand, denn
-was soll das heißen, daß es plötzlich alle ist, ehe es zum Schluß
-kommt? Aber ich wollte lieber nichts sagen, denn Tom machte schon ein
-ganz saures Gesicht, weil Jim richtig wieder den wunden Punkt von der
-Geschichte angetippt hatte, und ich find’s nicht schön, wenn sich alle
-auf einen stürzen, der schon unterliegt. Aber Tom dreht sich nach mir
-um und fragt:
-
-»Was meinst du denn zu der Geschichte?«
-
-Na, da mußte ich denn natürlich aus dem Loch heraus und Farbe bekennen;
-und so sagte ich, mir käm’ es auch so vor wie Jim: daß die Geschichte
-gerade in der Mitte abbräche und gar nicht zu Rande käme; und darum
-wär’s überhaupt nicht der Mühe wert, sie zu erzählen.
-
-Tom ließ sein Kinn auf die Brust sinken; aber er wurde nicht wild, wie
-ich gedacht hatte, als er mich seine Geschichte tadeln hörte, sondern
-er wurde bloß traurig und sagte:
-
-»Es gibt Leute, die sehen können, und es gibt welche, die’s nicht
-können -- gerade wie der Mann in der Geschichte sagte. Da könnte ’ne
-Windhose vorbeikommen geschweige denn ein Kamel -- _ihr_ Dämelsäcke
-würdet keine Spur davon sehen!«
-
-Was er damit sagen wollte, weiß ich nicht und erklären tat er seine
-Worte nicht; es war wohl eine von seinen ›Irrulevanzen‹, wie er die
-Dinger selber nannte -- manchmal war er ganz voll von denen, nämlich
-besonders, wenn er in die Enge getrieben war und nicht wußte, wie er
-wieder ’rauskommen sollte. Aber ich machte mir weiter nichts draus. Wir
-hatten ihm einen aufgemutzt und der hatte gesessen -- davon konnte er
-nichts abstreiten. Und ich glaube, das wurmte ihn, obwohl er sich Mühe
-gab, sich nichts merken zu lassen.
-
-
-
-
-Achtes Kapitel.
-
-
-Zeitig am Morgen frühstückten wir etwas; dann guckten wir wieder auf
-die Wüste ’runter und das Wetter blieb fortwährend so mollig und warm,
-aber nicht heiß, obwohl wir nicht sehr hoch über der Erde schwebten.
-Nach Sonnenuntergang muß man nämlich immer tiefer herabsteigen, weil
-die Luft sich so schnell abkühlt; und so streicht man denn um die Zeit
-der Morgendämmerung ganz dicht über den Sand weg.
-
-Wir sahen zu, wie der Schatten unseres Ballons über den Boden hinglitt,
-und ließen dann und wann mal die Blicke über die Wüste streifen, ob
-sich nicht irgendwo was regte -- da sahen wir plötzlich unmittelbar
-unter uns eine Menge Menschen und Kamele auf dem Sande verstreut
-herumliegen. Und sie lagen so ruhig, wie wenn sie schliefen.
-
-Wir stellten die Bewegungskraft unseres Luftschiffs ab und hielten
-still, und da sahen wir, daß sie alle tot waren. Ein kalter Schauer
-überlief uns, wir wurden ganz kleinlaut und sprachen leise wie Leute
-bei ’nem Leichenbegängnis. Langsam ließen wir unser Schiff zur Erde
-nieder und hielten still; Tom und ich stiegen aus und gingen zu den
-Toten. Es waren Männer, Weiber und Kinder. Sie waren von der Sonne
-gedörrt und die Haut war zusammengeschrumpft und sah aus wie Leder --
-genau wie die Abbildungen von Mumien, die man in den Büchern sieht. Und
-trotzdem sahen sie ganz menschlich aus, wie wenn sie nur schliefen --
-wenn ich’s nicht selber gesehen hätte, ich würde es nicht glauben.
-
-Einige von den Menschen und Tieren waren zum Teil mit Sand bedeckt, die
-meisten aber nicht, denn der Sand bildete an jener Stelle nur eine
-dünne Schicht über felsigem Erdreich. Die Kleider waren ihnen fast
-gänzlich vom Leibe gefault; wenn man ein Stück Zeug anfaßte, blieb es
-einem zwischen den Fingern wie Spinnewebe. Tom meinte, sie müßten schon
-jahrelang dagelegen sein.
-
-Den Männern lagen zum Teil rostige Flinten zur Seite; andere waren mit
-Schwertern umgürtet und hatten lange Binden um den Leib gewickelt,
-in denen große silberbeschlagene Pistolen staken. Alle Kamele trugen
-noch ihre Lasten auf dem Rücken, aber die Bündel waren geborsten
-oder zerfallen und ihr Inhalt hatte sich über den Boden ergossen.
-Uns dünkte, die Toten könnten mit ihren Säbeln ja doch nichts mehr
-anfangen; deshalb nahm jeder von uns einen zu sich, dazu auch mehrere
-Pistolen. Auch nahmen wir ein kleines Kästchen, weil es so hübsch
-und mit so feiner Arbeit eingelegt war. Gern hätten wir dann die
-Leute begraben; aber obwohl wir lange darüber nachdachten, wollte
-uns nicht einfallen, wie wir das bewerkstelligen könnten, denn wir
-hatten bloß Sand zur Verfügung, und der wäre natürlich sofort wieder
-auseinandergefegt worden.
-
-Hierauf stiegen wir wieder in die Lüfte empor und segelten weiter,
-und gar bald war der schwarze Fleck auf dem Land außer Sicht und wir
-dachten, die armen Menschen da unten würden wir auf dieser Welt wohl
-niemals wiedersehen. Wir stellten allerlei Mutmaßungen auf, wie sie
-wohl an jene Stelle in der Wüste gekommen wären und was ihnen alles
-passiert sein könnte, aber wir wußten nicht, was wir daraus machen
-sollten. Zuerst dachten wir, vielleicht hätten sie sich verirrt und
-wären in der Wüste herumgezogen, bis ihr Essen und Trinken ihnen
-ausgegangen und sie verhungert und verdurstet wären; aber Tom sagte,
-weder wilde Tiere noch Geier hätten ihre Leichen angerührt, und deshalb
-könnte diese Vermutung nicht richtig sein. Schließlich gaben wir’s auf,
-uns den Kopf darüber zu zerbrechen, und nahmen uns vor, gar nicht mehr
-daran zu denken, denn es versetzte uns in eine traurige Stimmung.
-
-Dann öffneten wir das Kästchen: Edelsteine und Schmucksachen waren
-darin -- ein ganzer Haufen! Dazu auch mehrere kleine Schleier von
-derselben Art, wie wir sie an den toten Frauen bemerkt hatten; die
-Säume dieser Schleier waren mit sonderbaren Goldmünzen besetzt, wie
-wir sie nie in unserem Leben gesehen hatten. Wir überlegten voller
-Erstaunen, ob wir nicht lieber wieder umkehren und die Kostbarkeiten
-zurückgeben sollten; Tom bedachte sich aber die Sache noch einmal und
-sagte: nein! Die ganze Gegend wäre voll von Räubern und die würden
-die Sachen stehlen; und dann würde die Sünde auf uns fallen, weil wir
-sie in Versuchung gebracht hätten. So segelten wir denn weiter; ich
-dachte aber bei mir selber, am besten wär’s gewesen, wir hätten den
-Toten _alles_ abgenommen, was sie bei sich hatten; denn dann wäre es
-überhaupt nicht mehr möglich gewesen, daß andere Leute in Versuchung
-kamen.
-
-Wir waren da unten zwei Stunden lang in der sengenden Hitze gewesen und
-hatten einen fürchterlichen Durst, als wir wieder an Bord gingen. Wir
-stürzten uns auf unser Wasserfaß, aber das Wasser war schlecht geworden
-und bitter und außerdem recht hübsch heiß, so daß es uns beinahe den
-Mund verbrannte. Wir konnten es nicht trinken. Es war Mississippiwasser
--- ›das beste der Welt‹ -- und wir rührten den Bodensatz auf, um mal
-zu sehen, ob das nicht vielleicht hülfe -- aber nein, der Schlamm
-machte das Wasser auch nicht besser!
-
-Na, so _übermäßig_ durstig waren wir vorher, solange uns das Schicksal
-jener verirrten Menschen interessierte, eigentlich nicht gewesen --
-aber nun waren wir’s, und sobald wir sahen, daß wir nichts zu trinken
-haben konnten, da waren wir fünfunddreißigmal so durstig als ’ne
-Viertelminute zuvor. Wahrhaftig, es dauerte nicht lange, so sperrten
-wir vor Durst den Mund auf und keuchten wie Hunde.
-
-Tom sagte, wir müßten nur nach allen Himmelsrichtungen recht scharfen
-Ausguck halten, denn jedenfalls würden wir ’ne Oase finden oder es
-würde uns sonst irgendwas Merkwürdiges passieren. Das taten wir denn
-auch. Die ganze Zeit bestrichen wir mit den Ferngläsern den Horizont,
-bis unsere Arme so lahm waren, daß wir die Dinger nicht mehr halten
-konnten. So vergingen zwei Stunden -- drei Stunden -- wir guckten und
-guckten: aber da war nichts als Sand, Sand, _Sand_, und der flimmernde
-heiße Dunst zitterte über dem Erdboden. O je, o je! was es heißt, sich
-so recht hundeelend zu fühlen, das weiß man erst, wenn man fortwährend
-einen fürchterlichen Durst hat und dabei denkt, man wird überhaupt
-niemals mehr Wasser zu sehen kriegen. Zuletzt konnte ich’s nicht mehr
-aushalten, immerzu auf diese backofenheiße Ebene zu gucken; ich gab es
-auf und streckte mich auf der Bank aus.
-
-Auf einmal aber stößt Tom ’nen Jauchzer aus -- und richtig, da war
-das Wasser! Ein großer glänzender See, von schläfrig wiegenden Palmen
-umsäumt, die sich ganz wunderbar zart und fein im Wasser spiegelten.
-Es war eine tüchtige Entfernung bis zu dem See; aber was machte das
-uns aus? Wir zogen einfach den Knopf der Hundertmeilengeschwindigkeit,
-sodaß wir nach unserer Berechnung in sieben Minuten dort sein mußten.
-Der See blieb aber immerzu in derselben Entfernung; wir vermochten ihm
-nicht um Haaresbreite näherzukommen; auf mein Wort: er blieb immer
-glänzend und fern vor uns liegen wie ein Traumbild. Aber näher kamen
-wir nicht; und auf einmal -- war der See verschwunden!
-
-Tom riß die Augen ganz weit auf und rief:
-
-»Jungens, es war ’ne Fata Morgana!«
-
-Er sagte das, als ob’s ihn riesig freute; ich sah aber durchaus nichts,
-worüber er sich hätte freuen können und sagte:
-
-»Kann sein. Wie der See heißt, ist mir ganz schnuppe. Aber eins möchte
-ich wohl wissen: wo ist er hingekommen?«
-
-Jim schlotterte an allen Gliedern und hatte solchen Schreck gekriegt,
-daß er kein Wort sprechen konnte; aber ich sah ihm an, daß er genau
-dasselbe fragen wollte wie ich.
-
-»Wo er hingekommen ist?« rief Tom. »Na, ihr seht doch selber, daß er
-verschwunden ist!«
-
-»Na, das weiß ich. Aber _wohin_ ist er verschwunden?«
-
-Tom sieht mich von oben bis unten an und sagt:
-
-»Na, Huck Finn, wo sollte er denn wohl hingekommen sein? Weißt du denn
-nicht, was ’ne Fata Morgana ist?«
-
-»Nee. Was ist es denn für’n Ding?«
-
-»Nichts als Einbildung. ’s ist überhaupt nichts Reelles dran.«
-
-Es fuchste mich ein bißchen, daß er so ’nen Unsinn redete, und ich
-sagte:
-
-»Wie kannst du bloß so quatschen, Tom Sawyer? Hab’ ich denn nicht den
-See gesehen?«
-
-»Ja -- du glaubtest, du sähest ihn.«
-
-»Geglaubt hab’ ich ganz und gar nichts. Ich _hab’_ ihn gesehen!«
-
-»Ich sage dir, du hast ganz und gar nichts gesehen -- denn es war
-überhaupt nichts da.«
-
-Jim war ganz verblüfft, Tom so reden zu hören; er konnte nicht länger
-den Mund halten und sagte traurig und in flehendem Ton:
-
-»Massa Tom, bitte, bitte -- sagen nix so ’ne Sach’ in so ’ne
-schröcklicher Zeit wie nu! Sie riskier nix bloß ihr eigenes Haut,
-sonnern auch unsern sein -- grad wie Anna Nias un Siffira. Die See
-_waren_ da -- ich sahen ihm ganz genau so wie ich in diese Minuten
-Ihnen un Huck sehn tu!«
-
-»Was willst du denn, Jim?« ruf ich. »Tom sah ihn ja selber! Er war ja
-der Allererste, der ihn zu allererst sah! Na, also!«
-
-»Ja, Massa Tom, das is so -- Sie könn’ es nix leugnen. Wir sahen ihm
-alle, un das _beweisen_, ihm war da!«
-
-»Beweist? Wieso _beweist_ es das?«
-
-»So wie vor die Gerichte un überall, Massa Tom! Eine Mensch könnten
-betrunken sein oder was träumen oder in Dussel, un könnten sich irren
--- un auch zwei könnten. Aber ich will Sie was sagen, Massa Tom: wenn
-drei ein Ding sehen, un sie sind nüchtern oder betrunken, denn is es
-so. Da kann Sie nix gegen sagen, Massa Tom, un das weiß Sie wohl!«
-
-»Ich weiß von nichts. Früher haben vierzigtausend Millionen Menschen
-existiert, die alle sahen, daß Tag für Tag die Sonne von der einen
-Seite des Himmels nach der anderen ’rüberwanderte. Bewies das, daß die
-Sonne sich wirklich bewegte?«
-
-»Natürlich bewiesen es! Un was brauchte das erst bewiesen zu sein? Wenn
-eine Mensch eine kleine bißchen Grips hat, wie kann sie zweifeln? Gucke
-Sie, Massa Tom -- da segeln sie über das Himmel, wie sie jeden lieben
-Tag tun!«
-
-Da dreht Tom sich nach mir um und sagt:
-
-»Und was sagst _du_ dazu -- steht die Sonne still?«
-
-»Tom Sawyer, was hat’s für’n Zweck, so ’ne quatschige Frage zu tun?
-Jeder, der nicht blind ist, kann sehen, daß die Sonne nicht still
-steht!«
-
-»Na ja!« ruft Tom. »Da segle ich nun hoch im Himmel herum mit zwei
-dummen Biestern, die von diesen Geschichten nicht mehr wissen als vor
-drei- oder vierhundert Jahren ein Universitätsrektor.«
-
-Das war nicht schön von Tom, daß er so was sagte, und ich gab ihm das
-auch zu verstehen. Ich sagte:
-
-»Mit Schimpfereien beweist du nichts, Tom Sawyer.«
-
-»O meine himmlische Güte! O meine gütige Barmherzigkeit! Das is das See
-wieder!« kreischt Jim gerade in diesem Augenblick. »Nu, Massa Tom, was
-will Sie nu sagen?«
-
-Jawohl, das war der See wieder! ganz fern hinten am Rand der Wüste,
-vollkommen deutlich mit Palmen und allem anderen, genau wie vorher. Ich
-sage:
-
-»Ich denke, nun bist du überzeugt, Tom Sawyer!«
-
-Aber er antwortete vollständig ruhig:
-
-»Ja, überzeugt, daß kein See da ist.«
-
-Da ruft Jim:
-
-»O, sprech Sie nix so, Massa Tom -- ich kriegen die Zitter, wenn Sie so
-reden. Es is so heiß un Sie haben so große Durst, daß Sie nix ganz wohl
-sein, Massa Tom. O, wie sieht doch das See schön aus! Ich können es gar
-nix mehr abwarten, daß wir da sein. Ich haben so fürchterliche Durst!«
-
-»Nu, du wirst eben warten müssen; und du wirst an dem See nicht viel
-Freude haben, denn ich sage dir: es ist gar kein See da!«
-
-»Jim!« sage ich; »laß den See nur nicht aus dem Auge; ich werde
-ebenfalls scharf hingucken, damit wir ihn nicht wieder verlieren.«
-
-»O, wie werden ich weggucken! Un wenn ich auch wollen, ich konnten es
-ja gar nix!«
-
-Wir flogen mit aller Geschwindigkeit auf den See zu, Meile auf Meile,
-wie wenn’s gar nichts gewesen wäre. Aber nicht um einen Zoll kamen wir
-ihm näher, und auf einmal -- da war er wieder weg! Jim schwankte auf
-den Füßen und wäre beinahe umgefallen. Als er endlich wieder zu Atem
-kam, schnappte er wie ein Fisch nach Luft und sagte:
-
-»Massa Tom -- es is ein _Gespenst_! Das is diese See, un ich hoffen zu
-die liebe Gott, wir sehen ihm nu nix mehr! Eine See _waren_ da un mit
-die See is was passieren un sie is tot geblieben un wir sahen seine
-Geist von diese See; wir sahen ihm zweimal un das is eine _Beweis_.
-Der Wüste is behext, ganz gewiß sein ihm behext! O, Massa Tom, laß uns
-fort. Lieber wollen ich sterben, als daß die Nacht uns überfallen in
-diese Wüste, un der Gespenst und das See kommen un packen uns wenn wir
-in Schlaf liegen un gar nix wissen, daß wir in eine Gefahr sein!«
-
-»Ein Gespenst, du Gänserich! Es ist weiter nichts als Luft und Hitze
-und die Einbildungskraft von ’nem Menschen, der großen Durst leidet.
-Wenn ich -- gib mir mal das Fernrohr!«
-
-Er nahm das Glas und fing aufmerksam an, nach rechts vor uns den
-Horizont zu beobachten. Schließlich sagte er:
-
-»Es ist ein Vogelschwarm; er fliegt nach Sonnenuntergang zu und wird
-unsern Kurs in gerader Linie kreuzen. Sie haben es eilig und fliegen
-nicht zu ihrem Vergnügen -- vielleicht suchen sie Nahrung oder Wasser
-oder beides zugleich. Steuerbord, Huck! Einen Schlag herum! So! Halt’
-ein bißchen ’ran! Nun ist’s recht, -- vorwärts, geradeaus!«
-
-Wir mäßigten die Fahrgeschwindigkeit ein bißchen, um nicht bei den
-Vögeln vorbeizusegeln, und fuhren immer ein paar hundert Meter hinter
-ihnen her. Als wir anderthalb Stunden so gesegelt waren, wurden wir
-immer mutloser und unser Durst war rein unerträglich geworden. Da sagt
-Tom auf einmal:
-
-»Nehme mal einer von euch das Fernrohr und sehe, was da gerade vor den
-Vögeln ist!«
-
-Jim sah zuerst durch und plumpste halb ohnmächtig auf die Bank nieder.
-Ganz weinerlich schrie er:
-
-»Das is sie wieder, Massa Tom! Da is diese See, un nu wissen ich, ich
-müssen sterben, denn wenn eine Mensch einen Gespenst das dritte Mal
-sehen tun, dann sein es alles aus! O! Wenn ich doch nie un nie in
-diese Ballone gekommen wäre! O, nie un nie!«
-
-Er wollte gar nicht mehr durchs Fernrohr gucken, und seine Worte
-machten mir ebenfalls Angst, denn ich wußte, er hatte ganz recht; genau
-so geht es mit Gespenstern immer zu. Und darum wollte ich auch nicht
-durchgucken. Wir baten beide Tom, er möchte doch abstoppen und in ’ner
-anderen Richtung segeln, aber das wollte er nicht; er sagte sogar, wir
-seien alle beide unwissende, abergläubische Windbeutel. Jawohl! dachte
-ich bei mir selber, das wird ihm recht bald schlecht bekommen; daß er
-Geister auf solche Weise beleidigt. ’ne Zeitlang sehen sie’s vielleicht
-geduldig mit an, aber immer lassen sie sich es nicht gefallen; denn
-wer auch bloß ein bißchen mit Geistern Bescheid weiß, der weiß, wie
-empfindlich und leicht beleidigt und wie rachsüchtig sie sind.
-
-So waren wir denn alle drei ruhig und still: Jim und ich, hatten Angst,
-und Tom machte sich mit dem Steuerapparat zu schaffen. Nach ’ner
-kleinen Weile ließ er das Luftschiff ganz stillstehen und sagte:
-
-»Na, nun mal den Kopf hoch und euch umgeschaut, ihr Wasserköpfe!«
-
-Wir taten’s, und richtig -- da war Wasser gerade unter uns! Klar und
-blau und kalt und tief, und von einer leichten Brise gekräuselt --
-der reizendste Anblick, den man sich nur denken kann. Die Ufer waren
-ringsherum mit Gras und Blumen bewachsen, mit schattigen Wäldchen von
-großen Bäumen bestanden, zwischen denen sich Weinreben rankten. Und
-alles sah so friedlich und so gemütlich aus -- so wunderschön, daß man
-hätte geradezu laut herausweinen mögen.
-
-Jim weinte wirklich und tanzte dazu und heulte dann wieder, so dankbar
-war er und vor Freuden ganz außer sich. Ich hatte die Wache und mußte
-daher an Bord bleiben; aber Tom und Jim kletterten runter und tranken
-jeder ein Faßvoll und ließen mir auch was zukommen, und ich habe in
-meinem Leben Manches genossen, was gut schmeckte, aber nichts, was sich
-mit diesem Wasser auch nur annähernd vergleichen ließe!
-
-Dann gingen Tom und Jim ins Wasser und schwammen ein Stückchen; hierauf
-kam Tom an Bord und löste mich ab, und ich schwamm mit Jim in den See
-hinaus. Dann löste Jim wieder Tom ab, und ich und Tom veranstalteten
-einen Wettlauf und ein kleines Boxen. Und ich glaube, so wohlig hab’
-ich mich in meinem ganzen Leben nicht gefühlt. Die Hitze war gar nicht
-so übermäßig, weil es schon auf den Abend zuging; außerdem hatten wir
-nicht ein einziges Stück Zeug an. Kleider sind ja ganz schön und gut
-in der Schule und in Städten und meinetwegen auch auf Bällen, aber es
-wäre ja gar kein Sinn und Verstand drin, Kleider zu tragen, wenn keine
-Zivilisation mit all ihrem Getue und Genörgele in der Nähe ist.
-
-Auf einmal schreit Jim:
-
-»Löwen! Löwen kommen! Schnell, Massa Tom! Lauf was du kannst, Huck!«
-
-O, wie rannten wir! Wir hielten uns nicht mal damit auf, unsere
-Kleider aufzunehmen, sondern walzten, hast du nicht gesehen!, auf die
-Strickleiter los. Jim verlor völlig den Kopf -- das geht ihm nämlich
-immer so, wenn er in Aufregung und Angst gerät. Anstatt den Ballon ein
-kleines bißchen höher steigen zu lassen, so daß die Bestien die Leiter
-nicht mehr erreichen konnten, ließ er die ganze Kraft los, und hoch
-in den Himmel sausten wir hinauf, an unserer Strickleiter baumelnd!
-Zum Glück merkte er sofort, was für einen Unsinn er gemacht hatte. Er
-stoppte also ab; nun hatte er aber völlig vergessen, was er zunächst zu
-tun hatte -- und da hingen wir denn oben in der Luft, so hoch, daß die
-Löwen wie Schoßhündchen aussahen, und trieben vor dem Winde.
-
-Aber Tom kletterte an Bord, stellte den Steuerapparat wieder richtig
-und ließ den Ballon langsam zur Erde hinunter und zwar wieder nach dem
-See zurück, wo ’ne Menge Bestien versammelt waren, wie wenn sie da
-Biwak halten wollten. Ich dachte, er hätte gerade wie Jim seinen Kopf
-verloren, denn er wußte doch, daß ich vor Angst nicht die Strickleiter
-’raufklettern konnte. Er wollte mich doch nicht etwa mitten zwischen
-den Löwen und Tigern auf den Erdboden setzen?
-
-Aber nein -- in seinem Kopf war alles richtig, er wußte ganz genau,
-was er wollte. Er ließ den Ballon nieder, bis er ungefähr dreißig oder
-vierzig Fuß über dem Wasserspiegel schwebte und genau über der Mitte
-hielt er still und rief:
-
-»Laß los und hops’ hinein!«
-
-Das tat ich; mit den Füßen voran schoß ich ins Wasser, und es kam mir
-vor, als tauchte ich ’ne Meile, bis ich auf den Grund kam; und als ich
-wieder nach oben kam, sagte Tom:
-
-»Nun leg’ dich auf den Rücken und laß dich treiben, bis du dich
-ausgeruht und wieder deine ganze Schneid beisammen hast; dann will
-ich die Leiter bis ins Wasser ’runterlassen, und du kannst an Bord
-klettern.«
-
-So machte ich es denn. Na, und diese Strategik war riesig schlau
-von Tom; denn wenn er nach irgend ’ner anderen Stelle gesegelt wäre
-und mich da auf den Sand gesetzt hätte, so wäre die ganze Menagerie
-ebenfalls dahin gelaufen, und so hätten sie uns vielleicht nach einer
-sicheren Stelle herumsuchen lassen, bis ich schließlich schwindlig
-geworden und von der Leiter gefallen wäre.
-
-Und während dieser ganzen Zeit stritten die Löwen und Tiger sich um
-unsere Kleider, und versuchten sich so darin zu teilen, daß jeder von
-ihnen etwas kriegte; aber es gab fortwährend Meinungsverschiedenheiten
-unter ihnen, indem alle Augenblicke irgend eine Bestie sich mehr
-anzueignen versuchte, als auf ihren Anteil kam. Es dauerte nicht lange,
-so gab es wieder Aufruhr, und so etwas wie diesen Anblick hat die Welt
-noch nicht erlebt! Es müssen ihrer ein Stücker fünfzig gewesen sein,
-alle in einem wilden Kuddelmuddel, fauchend, brüllend, schnappend,
-beißend, kratzend -- Beine und Schwänze hoch in die Luft, und man
-konnte die einzelnen Biester nicht mehr unterscheiden, und rings um
-sie herum stoben Haare und Sand. Und als sie fertig waren, da lagen
-mehrere tot da, andere humpelten verwundet davon und die übrigen saßen
-auf dem Schlachtfeld ’rum. Die einen beleckten ihre Wunden, die anderen
-guckten zu uns empor, als ob sie uns einladen wollten, wir möchten doch
-’runterkommen und den Spaß ein bißchen mitmachen. Aber wir dankten für
-den Spaß -- wir brauchten keinen.
-
-Von Kleidern war nichts, aber auch rein gar nichts mehr vorhanden. Die
-Bestien hatten sie bis auf den letzten Fetzen verschlungen; und ich
-glaube, sie dürften ihnen nicht sonderlich gut bekommen sein, denn es
-waren eine beträchtliche Menge Messingknöpfe dran, und in den Taschen
-befanden sich Messer, Rauchtabak, Nägel, Kreide, Marmeln, Angelhaken
-und andere solche Sachen. Aber mir war’s einerlei. Nur das machte mich
-ein bißchen nachdenklich, daß wir jetzt bloß des Professors Kleider
-hatten. Die Auswahl war ja allerdings reich genug, aber die einzelnen
-Stücke waren nicht gerade danach gemacht, um mit ihnen in Gesellschaft
-zu gehen -- für den Fall, daß wir einer begegnet wären. Denn die Hosen
-waren so lang wie Eisenbahntunnel und die Röcke usw. dementsprechend.
-Schließlich brauchten wir aber doch bloß ’nen Schneider, um das alles
-in Ordnung zu bringen, und Jim hatte so ’nen kleinen Begriff von der
-Schneiderkunst, und er sagte, er könnte uns wohl ein paar Anzüge
-zurecht machen, die uns einstweilen genügen würden.
-
-
-
-
-Neuntes Kapitel.
-
-
-Ehe wir weiter segelten, hatten wir aber noch ein kleines Geschäftchen
-zu besorgen, und zu diesem Zweck mußten wir doch mal den Löwen und
-Tigern ’nen Besuch abstatten. Der größere Teil von des Professors
-Mundvorrat bestand in Büchsenkonserven von einer gerade damals
-erfundenen neuen Art; der Rest war frisches Fleisch. Nun, wenn man
-Missouribeefsteak nach der Großen Sahara mitnimmt, so muß man ein
-bißchen vorsichtig damit umgehen und sich in den kühleren Luftschichten
-halten. Wir dachten daher bei uns selber, es wäre am besten, wenn wir
-die Löwenversammlung besuchten und mal sähen, was da zu machen wäre.
-
-Wir zogen die Strickleiter ein und ließen das Luftschiff sinken, bis
-wir gerade über den Bestien waren; dann ließen wir ein Tau mit ’ner
-Schlinge nieder und haspelten einen toten Löwen an Bord, einen kleinen
-zarten, und außer diesem noch einen jungen Tiger. Wir mußten die
-Versammlung mit dem Revolver in respektvoller Entfernung halten, sonst
-hätten die verehrlichen Tiere sich an dem Spaß beteiligt und uns ein
-bißchen geholfen.
-
-Wir schnitten uns von den beiden Tieren einen guten Vorrat herunter,
-zogen ihnen die Felle ab und warfen den Rest über Bord. Dann versahen
-wir einige von des Professors Angelhaken mit Ködern von dem frischen
-Fleisch und fingen an zu fischen. Wir schwebten gerade in der
-richtigen Entfernung über dem Seespiegel und fingen eine Menge von den
-reizendsten Fischen, die man sich nur denken kann. Nachher hatten wir
-ein ganz großartiges Abendessen: Löwensteak, Tigerschnitzel, gebackene
-Fische und warme Maiskuchen. Was Besseres verlange ich meiner Lebtage
-nicht.
-
-Zum Nachtisch hatten wir Obst. Dieses kriegten wir aus der Krone
-eines riesengroßen Baumes. Es war ein sehr schlanker Baum, der vom
-Fuß bis zum Wipfel nicht ’nen einzigen Ast hatte; oben aber brach er
-auseinander wie ein Flederwisch. Natürlich war’s ein Palmbaum; ’nen
-Palmbaum kennt jedermann in der ersten Minute, wo er ihn sieht, nach
-den Abbildungen. Wir suchten in diesem Palmenwipfel nach Kokosnüssen
--- aber ’s gab keine, sondern da waren bloß große Bündel von ’ner Art
-von überlebensgroßen Weintrauben, aber es waren auch keine Trauben,
-sondern Datteln, wie Tom uns erklärte; denn die Beschreibungen in
-Tausend und einer Nacht und in den anderen Büchern, sagte er, paßten
-ganz genau auf sie. Natürlich konnten wir nicht wissen, ob’s wirklich
-welche waren; sie konnten ja auch giftig sein. Darum mußten wir denn
-ein Weilchen warten und aufpassen, ob die Vögel von diesen Früchten
-äßen. Sie taten’s, und darum taten wir’s auch und sie schmeckten über
-alle Maßen gut.
-
-Inzwischen waren riesengroße Vögel herangekommen und hatten sich auf
-den toten Bestien niedergelassen. Es waren freche Geschöpfe; sie
-zerrten ganz munter am einen Ende von ’nem toten Löwen, an dessen
-anderem ein andrer Löwe nagte. Wenn der Löwe den Vogel wegjagte, nützte
-ihm das auch nicht viel; sobald der Löwe wieder am Knabbern war, war
-auch der Vogel an seinem Ende schon wieder da.
-
-Es war seltsam und unnatürlich anzusehen, wie Löwen Löwenfleisch
-fraßen; wir dachten, vielleicht wären sie nicht miteinander verwandt,
-aber Jim sagte, das machte keinen Unterschied. Eine Sau, sagte er,
-fräße auch mit Vorliebe ihre eigenen Kinder, und ’ne Spinne machte
-es gerade so; und er meinte, vielleicht wäre auch ein Löwe annähernd
-ebenso grundsatzlos, wenn auch nicht ganz so schlimm. Ein Löwe würde
-wahrscheinlich nicht seinen eigenen Vater fressen -- vorausgesetzt,
-daß er ihn erkannt hätte, -- aber seinen Schwager z. B. würde er
-doch wohl verspeisen, wenn er ganz besonders hungrig wäre, und seine
-Schwiegermutter würde unter allen Umständen dran glauben müssen. Aber
-das alles waren Mutmaßungen, mit denen nichts bewiesen wurde. Man kann
-die Zeit berechnen, wann die Kuh nach Hause kommen muß -- aber ob sie
-wirklich kommt, das ist ’ne andere Frage. Darum gaben wir’s denn auch
-auf und zerbrachen uns nicht länger den Kopf darüber.
-
-Für gewöhnlich war’s sehr still in diesen Wüstennächten, aber diesmal
-hatten wir Musik. Eine ganze Schar von anderen Tieren kam zum Mahl;
-schleichende Kläffer, die, wie Tom uns erklärte, Schakale waren, und
-andere, bucklige: Hyänen. Und diese ganze Gesellschaft unterhielt
-ein unaufhörliches Gebell. In dem Mondschein boten sie einen ganz
-eigenartigen Anblick. Wir hatten unser Luftschiff mit einem Seil an
-einem Baumwipfel festgemacht und brauchten deshalb keine Wache zu
-halten, sondern legten uns alle zum Schlafen hin. Aber zwei- oder
-dreimal war ich auf, um mir die Biester anzusehen und ihre Musik
-anzuhören. Ich saß sozusagen mit ’nem Freibillet auf dem ersten Rang in
-’ner Menagerie. Sowas war mir in meinem Leben noch nie passiert, und
-deshalb wäre es ja ’ne Dummheit gewesen zu schlafen und die Gelegenheit
-nicht nach Möglichkeit auszunutzen; denn wer konnte wissen, ob sie sich
-mir jemals wieder bieten würde?
-
-Mit dem Morgengrauen fingen wir wieder Fische; nachher faulenzten wir
-den ganzen Tag im tiefen Schatten einer Insel; indessen hielten wir
-abwechselnd Wache, damit nicht irgend ’ne Bestie uns auf den Hals käme
-und sich ’nen Erronauter zum Mittagessen holte. Wir hatten die Absicht,
-den nächsten Tag weiter zu fahren, konnten’s dann aber doch nicht
-übers Herz bringen -- es war zu reizend!
-
-Als wir endlich am dritten Tag himmelwärts flogen und nach Osten
-davonsegelten, konnten wir die Augen nicht von dem lieblichen Ort
-wenden, bis er nur noch als ein kleines Fleckchen in der Wüste
-erschien, und ich kann versichern, uns war gerade so zu Mute, wie wenn
-wir auf Nimmerwiedersehen von einem lieben Freunde Abschied nähmen.
-
-Jim hatte schon ’ne Zeitlang nachdenklich vor sich hingeguckt; zuletzt
-sagte er:
-
-»Massa Tom, wir sein nu bald an die Ende von die Wüste, denken ich.«
-
-»Warum?«
-
-»Nu, das sagen uns doch bissel Vernunft! Sie weiß, wie lange wir schon
-über sie gondeln tun. Muß aus lauter Sand gemachen sein. Sand müssen
-ein Ende nehmen, denn wo sollen die viele Sand herkommen?«
-
-»Unsinn! ’s gibt Sand genug auf der Welt -- darum brauchst du keine
-Sorgen zu haben!«
-
-»O, habben ich keine Sorgen nix, Massa Tom. Aber ich wundere mir. Die
-liebe Gott haben viele Sand, daran zweifle ich nix; aber ihm werden
-doch gewiß seine Sand nix _verschwenden_! Un ich sagen: dies Wüste is
-nu viel groß genug, so wie sie sein, un größer können sie nix werden,
-wenn nix liebe Gott seine Sand verschwenden.«
-
-»O, laß dich begraben! Wir sind auf unserer Reise über die Wüste kaum
-erst ein hübsches Stück über den Anfang weg. Die Vereinigten Staaten
-sind ein recht tüchtig großes Land, nicht wahr? Nicht wahr, Huck?«
-
-»Ja,« sag’ ich, »größere Länder gibt’s überhaupt nicht, so viel ich
-weiß.«
-
-»Na, diese Wüste ist ungefähr so groß wie die Vereinigten Staaten,
-und wenn du sie oben auf unser Land legtest, so wäre von diesem
-nichts mehr zu sehen -- gerad’ wie wenn du ’n Tuch drübergedeckt
-hättest. Ein kleines Eckchen würde da oben bei Maine ’rausgucken
-und auch im Nordwesten eins, und Florida würde herausragen wie’n
-Schildkrötenschwanz -- aber das wäre alles. Vor’n paar Jahren haben
-wir ja Kalifornien den Mexikanern abgenommen; dieser Teil von der
-Pazifikküste ist also jetzt auch unser, und wenn ihr die Große Sahara
-so hinlegtet, daß ihr Rand genau am Stillen Ozean entlang liefe, so
-würde sie die ganzen Vereinigten Staaten bis New York bedecken und
-noch ein sechshundert Meilen breites Stück vom Altlantischen Ozean
-obendrein!«
-
-»O du himmlische Güte!« ruf’ ich. »Hast du das schwarz auf weiß
-gesehen, Tom Sawyer?«
-
-»Jawohl, ich kann’s dir sogar schwarz auf weiß zeigen. Sieh’ selber
-in diesem Buch nach. Mit der Wüste könntest du jeden Quadratzoll von
-den Vereinigten Staaten zudecken und unter den überschießenden Teil
-könntest du England, Schottland, Irland, Frankreich, Dänemark und
-Deutschland ’reinstopfen. Jawoll! Die Heimat der Braven und all die
-anderen Länder könntest du mit der Großen Sahara zudecken und hättest
-noch ’ne hübsche Menge Quadratmeilen reinen Sand über!«
-
-Wir unterhielten uns noch lange über die Ausdehnung der Wüste, und je
-mehr wir sie mit diesem und jenem und sonst ’nem Ding verglichen, desto
-nobler und gewaltiger und großartiger kam sie uns vor. Schließlich fand
-Tom aus seinen Zahlentabellen ’raus, daß sie genau so groß ist wie das
-chinesische Reich. Dann zeigte er uns, was für ’nen großen Raum das
-Kaiserreich China auf der Landkarte einnimmt und was für ein großes
-Stück von der ganzen Welt chinesisch ist. Man konnte sich’s wirklich
-kaum vorstellen, und ich rief unwillkürlich:
-
-»Ich hab’ ja von dieser Saharawüste schon oft sprechen hören, aber nie
-hab’ ich ’ne Ahnung gehabt, wie bedeutend sie ist!«
-
-»Bedeutend?« sagte Tom. »Die Sahara bedeutend! Ja, so reden die Leute!
-Wenn etwas groß ist, ist es bedeutend! Danach beurteilen sie alles;
-sie sehen immer bloß den Umfang. Nun, sieh dir mal England an. Das ist
-das allerbedeutendste Land auf der Welt; und dies Land könntest du
-in Chinas Westentasche stecken und nicht nur das -- du würdest es in
-dieser Westentasche ’ne verflixt lange Zeit zu suchen haben, wenn du’s
-das nächste Mal brauchtest. Nun sieh dir auch mal Rußland an. Das dehnt
-sich nach allen Seiten aus und hat trotzdem auf dieser Welt nicht mehr
-zu bedeuten als Rhode Island, und du findest in ganz Rußland nicht
-halb so viel wie in Rhode Island, was des Suchens wert ist.«
-
-In der Ferne erblickten wir jetzt einen kleinen Hügel, der gerade am
-Ende der Welt stand. Tom unterbrach sich, griff ganz aufgeregt nach dem
-Fernrohr, sah hindurch und rief:
-
-»Das ist er -- das ist ganz bestimmt gerade der, nach dem ich schon
-lange ausgeschaut habe! Ganz gewiß ist das der Berg, in den der
-Derwisch den Mann hineinführte, um ihm all die Schätze zu zeigen.«
-
-Wir guckten natürlich uns den Berg ganz genau an, und Tom begann uns
-die Geschichte davon zu erzählen, wie sie in Tausend und einer Nacht
-steht.
-
-
-
-
-Zehntes Kapitel.
-
-
-Tom sagte, die Sache hätte sich folgendermaßen zugetragen:
-
-»Ein Derwisch wanderte durch die Wüste; es war ein sengend heißer Tag
-und er ging zu Fuß und hatte schon seine tausend Meilen hinter sich
-und war sehr arm und hungrig und abgerissen und müde, und hier in der
-Gegend, wo wir jetzt sind, begegnete er einem Kameltreiber mit hundert
-Kamelen und bat ihn um ein Almosen. Der Kameltreiber sagte aber, er
-möchte ihn entschuldigen, leider könnte er ihm nichts geben.
-
-»›Gehören dir denn nicht diese Kamele?‹ fragte der Derwisch.
-
-»›Ja, sie gehören mir.‹
-
-»›Hast du Schulden?‹
-
-»›Wer -- ich? Nein!‹
-
-»›Nun, ein Mann, der hundert Kamele besitzt und keine Schulden hat, der
-ist reich -- und nicht nur reich, sondern sogar sehr reich. Nicht wahr?‹
-
-»Der Kameltreiber räumte ein, dies sei richtig. Da sagte der Derwisch:
-
-»›Gott hat dich reich gemacht und Er hat mich arm gemacht. Er hat
-Seine Gründe und sie sind weise -- gesegnet sei Sein Name! Aber Er hat
-befohlen, daß Seine Reichen Seinen Armen helfen und du hast dich von
-mir, deinem Bruder, in seiner Not abgewandt; Er wird dir das gedenken
-und es wird zu deinem Schaden sein.‹
-
-»Dem Kameltreiber wurde unbehaglich zumute, als er diese Worte hörte;
-er war aber von Natur gewaltig aufs Geld erpicht und mochte nicht einen
-Cent missen. So begann er denn zu winseln und allerlei Entschuldigungen
-vorzubringen: es seien harte Zeiten, er habe zwar eine volle Ladung
-nach Balsora zu befördern, und bekomme dafür ein schönes Stück Geld,
-aber er könne in Balsora keine Rückfracht erhalten und darum werde
-seine Reise ihm nichts Rechtes einbringen. So machte denn der Derwisch
-sich wieder auf seinen Weg und sagte zum Abschied bloß:
-
-»›Na, meinetwegen -- wenn du’s riskieren willst. Aber ich glaube,
-diesmal hast du ’nen Irrtum gemacht und ’ne gute Gelegenheit verpaßt.‹
-
-»Natürlich wollte nun der Kameltreiber wissen, was für ’ne Gelegenheit
-er verpaßt hätte, denn es hätte ja Geld dabei zu verdienen sein können.
-Er lief daher dem Derwisch nach und bat ihn so lange und so inständig,
-er möchte doch Mitleid mit ihm haben, daß der Derwisch zuletzt nachgab
-und sagte:
-
-»›Siehst du den Berg dort hinten? In jenem Berge sind alle Schätze der
-Erde, und ich suchte gerade einen Mann mit einem recht guten milden
-Herzen und einem edlen hochsinnigen Charakter; denn wenn ich so einen
-Mann finden könnte, so hab’ ich hier ’ne Salbe bei mir, die ich auf
-seine Augen streichen würde; er könnte dann alle Schätze sehen und sie
-aus dem Berge hervorholen.‹
-
-»Da kam der Kameltreiber in riesige Aufregung; er weinte und bat und
-ließ nicht nach, warf sich auf seine Kniee nieder und rief, er sei
-gerade so ein Mann, wie ihn der Derwisch suche, und er könne tausend
-Zeugen beibringen, die alle bestätigen würden, daß die Beschreibung
-ganz über alle Maßen genau auf ihn zutreffe.
-
-»›Nun, dann meinetwegen!‹ sagte der Derwisch. ›Wenn wir deine hundert
-Kamele beladen, kann ich dann die Hälfte von ihnen abbekommen?‹
-
-»Der Kameltreiber war so vergnügt, daß er kaum an sich halten konnte;
-und er rief:
-
-»›Das soll ein Wort sein!‹
-
-»Sie schüttelten sich also zur Bekräftigung des Handels die Hände,
-und der Derwisch holte seine Büchse heraus und rieb dem Kameltreiber
-mit der Salbe das rechte Auge ein: Da tat sich der Berg auf und er
-ging hinein, und richtig -- da lagen Haufen neben Haufen, Goldstücke
-und Juwelen, die funkelten, wie wenn alle Sterne vom Himmel
-heruntergefallen wären.
-
-»Der Derwisch und der Kameltreiber machten sich nun fix an die Arbeit
-und beluden jedes Kamel mit einer Last, so schwer es sie nur zu tragen
-vermochte; dann nahmen sie Abschied von einander und jeder von ihnen
-zog mit seinen fünfzig von dannen. Aber es dauerte nur einen ganz
-kleinen Augenblick, da kam der Kameltreiber dem Derwisch nachgelaufen,
-holte ihn ein und sagte:
-
-»›Du lebst ja doch eigentlich nicht unter den Menschen und darum
-brauchst du wirklich nicht all die Schätze, die du gekriegt hast.
-Willst du nicht so gut sein, mir zehn von deinen Kamelen abzulassen?‹
-
-»›Na,‹ sagt der Derwisch, ›was du da sagst, ist ja ganz vernünftig;
-dagegen kann ich nichts einwenden.‹
-
-»Er tat es also; sie nahmen wiederum Abschied, und der Derwisch zog mit
-seinen vierzig weiter. Aber gleich darauf läuft der Kameltreiber wieder
-mit Halloh hinter ihm her und fängt an zu winseln und zu betteln, er
-möchte ihm doch noch zehn Kamele geben, denn mit dreißig Kamelladungen
-Gold und Juwelen könnte ein Derwisch sich ganz gut durchs Leben
-schlagen. Bekanntlich leben ja die Derwische sehr einfach und haben
-keine eigene Wohnung, sondern ziehen in der Welt ’rum und quartieren
-sich bald hier bald dort ein.
-
-»Aber damit war’s noch nicht zu Ende. Der gemeine Hund kam immer und
-immer wieder, bis er sich alle Kamele zusammengebettelt hatte und
-die sämtlichen hundert besaß. Dann war er zufrieden und sogar riesig
-dankbar und sagte, er wollte es dem Derwisch sein Lebenlang nicht
-vergessen, und niemand sei je zuvor so gut gegen ihn gewesen und so
-freigebig; so schüttelten sie sich denn die Hände, sagten sich Lebewohl
-und gingen auseinander, der eine hierhin und der andere dorthin.
-
-»Aber wißt ihr -- es waren noch keine zehn Minuten verstrichen, da war
-der Kameltreiber schon wieder unzufrieden -- er war das allergemeinste
-Reptil in sieben Grafschaften -- und kam wieder hinter dem Derwisch
-hergerannt. Und diesmal wünschte er, der Derwisch solle ihm auch auf
-sein anderes Auge ein bißchen von der Salbe streichen.
-
-»›Warum?‹ fragte der Derwisch.
-
-»›O! Du weißt schon!‹ antwortete der Kameltreiber.
-
-»›Was denn?‹
-
-»›Na, mir kannst du nichts weismachen!‹ sagt der andere. ›Du möchtest
-mir irgendwas verheimlichen, das weißt du selber recht gut. Ich denke
-mir aber, wenn ich die Salbe auch auf dem anderen Auge hätte, so könnte
-ich ’ne ganze Menge noch viel wertvollere Sachen sehn. Also bitte --
-streich’ sie mir auf!‹
-
-»Sagt der Derwisch:
-
-»›Ich habe dir nicht das allergeringste verhehlt. Aber ich will dir
-sagen, was dir geschehen würde, wenn ich dir die Salbe auf das linke
-Auge striche: du würdest niemals wieder sehen können -- du wärest
-stockblind bis ans Ende deiner Tage.‹
-
-»Aber, versteht ihr, das Biest wollte ihm nicht glauben. Nein, er
-bettelte und bettelte und winselte und flennte, bis zuguterletzt der
-Derwisch seine Büchse aufmachte und ihm sagte, er möchte sich die Salbe
-selbst aufstreichen, wenn er’s durchaus wollte. Der Mann tat es und
-richtig -- in Zeit von ’ner Minute war er so blind wie ’n Maulwurf.
-
-»Da lachte der Derwisch ihn aus und verhöhnte ihn und sagte:
-
-»›Leb wohl! Ein Blinder braucht kein Gold und keine Juwelen.‹
-
-»Dann machte er sich mit seinen hundert Kamelen davon und der Blinde
-mußte arm und elend und hilflos bis an sein Lebensende in der Wüste
-umherirren.«
-
-Jim sagte, er wollte wetten, das wäre ’ne gute Lehre für ihn gewesen.
-
-»Ja,« sagte Tom, »und ’ne Lehre, wie’s die allermeisten sind, die man
-kriegt. Sie nützen einem nichts, weil derselbe Vorfall einem niemals
-wieder passieren wird, ja gar nicht passieren kann. Als damals Hen
-Scovil den Schornstein ’runterfiel und sich das Rückgrat brach, daß er
-für immer krumm blieb, da sagte ein jeder, es würde ’ne Lehre für ihn
-sein. Was für ’ne Lehre denn? Was konnte er mit der Lehre anfangen? Er
-konnte nicht mehr in Schornsteine ’raufkriechen und hatte kein Rückgrat
-mehr zu brechen.«
-
-»Aber einerlei, Massa Tom, es sein doch was Wahres dran, daß eine von
-die Erfahrung klug werden. In die Gute Buch stehen: die gebrannte Kind
-tun den Feuer scheuen.«
-
-»Nu ja, ich leugne ja nicht, daß etwas ’ne gute Lehre sein kann, wenn’s
-was ist, was zweimal passieren kann. Es gibt ’ne Masse solche Sachen,
-und dadurch gerade wird ’n Mensch erzogen, wie Onkel Abner immer zu
-sagen pflegte; aber es gibt vierzig Millionen Sachen von der andern
-Sorte -- Sachen, die nie sich zweimal auf dieselbe Weise zutragen --
-und die haben absolut keinen reellen Wert, die lehren einen Menschen
-genau so wenig, wie wenn er die Pocken kriegt. Wenn man sie mal erst
-hat, so nützt es einem nichts, daß es einem klar wird, man hätte sich
-sollen impfen lassen; und sich nachträglich impfen zu lassen, hat auch
-keinen Zweck, weil man die Pocken bloß einmal kriegt. Andererseits,
-sagte Onkel Abner, lernt einer, der mal ’nen Bullen an den Schwanz
-gefaßt hat, sechzig- oder siebzigmal so viel wie einer, der das nicht
-getan hat, und einer, der mal ’ne Katze am Schwanz nach Hause gezerrt
-hätte, sagte Onkel Abner, der lernte dadurch allerlei, was ihm mal von
-Nutzen sein würde und was sich nie in seiner Erinnerung verwischen
-würde. Aber ich kann dir sagen, Jim: auf _die_ Leute, die aus allem
-immer ’ne Lehre ziehen wollen, auf die war Onkel Abner nicht gut zu
-sprechen; denn es wäre doch nicht einerlei, ob ...«
-
-Aber Jim war eingeschlafen. Tom guckte ein bißchen verlegen drein, denn
-es ist ja immer ein unangenehmes Gefühl, wenn man etwas ganz besonders
-Schönes sagt und wenn man denkt, der andere hört ganz andächtig und
-bewundernd zu, und wenn dann der andere ganz mir nichts dir nichts
-einschläft. Natürlich hätte er nicht einschlafen sollen -- denn das ist
-schäbig; aber je schöner jemand redet, desto sicherer schläfert er den
-anderen damit ein, und wenn man sich die Sache richtig überlegt, so hat
-eigentlich keiner von ihnen schuld -- oder sie haben alle beide schuld.
-
-Auf einmal fing Jim an zu schnarchen -- zuerst sanft und süß, dann ein
-langes Sägen, hierauf ein noch stärkeres und dann ein halbes Dutzend
-ganz fürchterliche Schnarcher, wie wenn in ’ner Badewanne der letzte
-Rest Wasser in das Abflußloch hineingesaugt wird -- hierauf dieses
-letzte halbe Dutzend noch einmal, aber noch stärker und mit etlichen
-Schnörkeln verziert, wie wenn ’ne Kuh in den letzten Zügen liegt -- und
-wenn ein Mensch _so_ schnarcht, so hat er den Höhepunkt der Leistung
-erreicht und kann einen aufwecken, der in der nächsten Straße mit ’nem
-Eimer voll Opium im Leibe schläft, aber er selber wacht nicht auf,
-obwohl der ganze gräßliche Spektakel keine drei Zoll von seinen Ohren
-entfernt ist. Und das ist, wie mich dünkt, das Allersonderbarste dabei.
-Aber reibe ein Streichholz an, um das Licht anzuzünden, und dieses
-leise Geräusch wird ihm in die Glieder fahren! Ich möchte wohl wissen,
-was der Grund hiervon ist, aber der läßt sich, wie’s scheint, nicht
-feststellen.
-
-Unser Jim schnarchte also, daß er die ganze Wüste in Aufruhr brachte;
-auf Meilen in der Runde stürzten die wilden Tiere aus ihren
-Schlupfwinkeln hervor, um zu sehen, was denn da oben in der Luft los
-sei; kein Mensch und kein Tier und kein Ding war dem Lärm so nahe wie
-Jim selber, und doch war er in der ganzen Gegend das einzige Geschöpf,
-das sich nicht dadurch stören ließ. Wir schrieen und brüllten ihn an --
-nützte alles nichts; aber sowie ein leises ungewohntes Geräusch gemacht
-wurde, da wachte er auf. Wahrhaftig, ich habe mir den Kopf darüber
-zerbrochen und Tom auch, aber wir haben’s nicht herausbringen können,
-warum ein Schnarcher sich nicht schnarchen hört.
-
-Jim sagte, er habe nicht geschlafen; er habe bloß die Augen zugemacht,
-um besser zuhören zu können.
-
-Tom sagte, ihm hätte ja niemand einen Vorwurf gemacht.
-
-Da machte Jim ein Gesicht, wie wenn er wünschte, er hätte lieber gar
-nichts gesagt. Und ich glaube, er wollte die Unterhaltung auf was
-anderes bringen, denn auf einmal fing er an, über den Kameltreiber
-herzuziehen. Er ließ kein gutes Haar an ihm, und ich mußte ihm recht
-geben; und den Derwisch erhob er bis in den siebenten Himmel, und auch
-darin mußte ich ihm beistimmen. Tom aber sagte:
-
-»Das weiß ich denn doch nicht so gewiß. Ihr nennt den Derwisch so
-fürchterlich freigebig und gut und selbstlos -- aber ich bin davon
-nicht so ganz überzeugt. Er suchte in der Wüste nicht nach ’nem andern
-armen Derwisch, nicht wahr? Oder? Nee, fiel ihm gar nicht ein. Wenn er
-so selbstlos war -- warum ging er nicht einfach selber in den Berg,
-nahm ’ne Tasche voll Juwelen ’raus und ging damit zufrieden weiter?
-Aber nein -- was er suchte, das war ein Mann mit hundert Kamelen. Er
-wollte so viele Schätze fortschleppen, wie er nur irgend konnte.«
-
-»Abers, Massa Tom, ihm wollten doch teilen -- ehrliche halb und halb!
-ihm wollten bloß fufzig Kamele haben!«
-
-»Weil er wußte, daß er sie schließlich doch alle hundert kriegen würde.«
-
-»Massa Tom, er sagten abers zu die Mann, das Salbe täte ihm blind
-machen tun!«
-
-»Ja, weil er den Charakter des Mannes kannte. Es war gerade die Sorte
-von ’nem Mann, wonach er gesucht hatte -- ein Mann, der nie an eines
-andern Wort oder Ehrlichkeit glaubt, weil er selber gar nicht weiß, was
-ein wahres ehrliches Wort ist. Ich glaube, es gibt viele Leute, die’s
-genau so machen, wie dieser Derwisch. Sie gaunern nach rechts und nach
-links, aber richten es immer so ein, daß es so aussieht, als ob gerade
-der andere der Gauner sei. Sie bleiben stets innerhalb des Buchstabens
-der Gesetze, und darum kann man sie nie erwischen. _Sie_ legen nicht
-die Salbe auf -- o nein! Das wäre ja Sünde! Aber sie wissen den
-anderen so an der Nase zu führen, daß er sich selber damit beschmiert
--- und dann hat er sich eben selber blind gemacht. Ich glaube, der
-Derwisch und der Kameltreiber waren ein edles Brüderpaar: ein schlauer,
-gerissener, verschmitzter Schurke und ein plumper, roher, unwissender
--- aber Schurken alle beide, der eine wie der andere!«
-
-»Massa Tom, glauben Sie, daß es auf diese Welt noch so ein Salben geben
-tun?«
-
-»Ja, Onkel Abner sagt, es gibt welche. In New York, sagt er, haben sie
-sie und sie schmieren sie dem Landvolk auf die Augen und zeigen ihnen
-alle Eisenbahnen von der Welt und sie fallen drauf ’rein und schaffen
-sie ’ran; und dann reiben sie sich auch das andere Auge mit der Salbe
-ein und der kluge Mann sagt ihnen Adieu und geht mit ihren Eisenbahnen
-ab. Na, hier sind wir beim Schatzberg! Tiefer mit dem Ballon!«
-
-Wir landeten, aber es war nicht so interessant, wie ich erwartet hatte,
-weil wir nämlich die Stelle nicht finden konnten, wo sie ’reingegangen
-waren, um die Schätze zu holen. Immerhin war es noch sehr interessant,
-auch nur den Berg zu sehen, wo eine so wunderbare Geschichte sich
-zugetragen hatte. Jim sagte, er hätte nicht für drei Dollars bei dem
-Berg vorbeifahren mögen, ohne sich ihn näher anzusehen, und ich war
-ganz derselben Meinung.
-
-Aber das Allerwundervollste war für mich und Jim, wie Tom in so’n
-großes fremdes Land kam wie dies und einfach geradeswegs auf so ’nen
-kleinen Steinhaufen lossegeln und ihn in ’ner Minute aus ’ner Million
-von anderen geradeso aussehenden Bergen ’rauskennen konnte, und ohne
-irgend welche fremde Hilfe, bloß durch sein eigenes Wissen und seine
-eigene Schläue. Wir besprachen das lange Zeit, konnten aber nicht
-’rausbringen, wie er’s anfing. Er hatte den besten Kopf, den ich je
-gesehen, und ihm fehlte weiter nichts als das richtige Alter, um sich
-’nen Namen zu machen wie Kapitän Kidd, der große Seeräuber, oder George
-Washington. Ich will wetten, die wären alle beide in ’ner häßlichen
-Verlegenheit gewesen -- trotz all ihrer Klugheit -- wenn sie den Berg
-hätten ausfindig machen sollen. Aber für Tom Sawyer war das ganz und
-gar nichts; der ging quer über die Sahara drauf los und tippte ihn
-mit dem Finger an -- so leicht, wie man ’nen Nigger aus ’nem Haufen
-Engelein ’rauskennen würde.
-
-Ganz in der Nähe fanden wir einen Salzwasserteich, von dessen Rändern
-wir einen Vorrat Salz einsammelten; damit rieben wir die Löwen- und die
-Tigerhaut ein, so daß sie sich halten konnten, bis Jim Zeit kriegte,
-sie richtig zu gerben.
-
-
-
-
-Elftes Kapitel.
-
-
-Einen Tag oder zwei strolchten wir nach unserem Behagen in den
-Lüften herum, und dann, gerade als der Vollmond den Erdboden auf der
-anderen Seite der Wüste berührte, sahen wir eine Reihe von kleinen
-schwarzen Gestalten quer an der großen silberglänzenden Scheibe
-vorüberziehen. Man sah sie so deutlich, wie wenn sie mit Tinte auf
-den Mond aufgezeichnet gewesen wären. Es war wieder ’ne Karawane.
-Wir stellten unseren Apparat auf mäßige Geschwindigkeit und fuhren
-hinter ihr her, bloß um ein bißchen Gesellschaft zu haben, obwohl wir
-dadurch eigentlich von unserem Wege abkamen. Diese Karawane war ein
-ganz mächtig großes Ding und ein großartiger Anblick war’s am andern
-Morgen, als die Sonne flammend über die Wüste schien und die langen
-Schatten der Kamele langbeinig-knickebeinig in Prozession über den
-goldenen Sand hinmarschierten. Wir kamen der Karawane niemals ganz
-nahe, weil wir mit solchen Sachen jetzt besser Bescheid wußten und
-nicht mehr friedfertigen Leuten die Kamele bange machen und ihre
-Karawane in Unordnung bringen wollten. Es war der bunteste lustigste
-Zug, den man sich nur denken kann, alles in reichen Gewändern und fein
-herausgeputzt. Einige von den Häuptlingen ritten auf Dromedaren; es
-waren die ersten, die wir je in unserem Leben sahen, und mächtig große
-Viecher, die wie auf Stelzen gehen und den Mann, der auf ihnen sitzt,
-beträchtlich schütteln und ihm das Essen, das er im Leibe hat, ganz
-gehörig durcheinander rütteln; aber sie reiten ein ganz famoses Tempo
-und ein Kamel kann es an Schnelligkeit auch nicht annähernd mit ihnen
-aufnehmen.
-
-Den mittleren Teil des Tages über hielt die Karawane Lagerruhe; in den
-Nachmittagsstunden zog sie weiter. Es dauerte nicht lange, so fing die
-Sonne an, ganz merkwürdig auszusehen -- erst wie Messing, dann wie
-Kupfer und schließlich wie eine blutrote Kugel; die Luft wurde heiß
-und beklemmend und im Nu war der ganze westliche Himmel verdunkelt und
-dunstig, daß es ganz fürchterlich anzusehen war -- so wie wenn man ihn
-durch ’nen roten Glasscherben ansieht. Wir sahen ’runter und bemerkten,
-daß in der Karawane ein großer Wirrwarr herrschte, ein Hin- und
-Herlaufen, wie wenn die Leute eine entsetzliche Angst hätten. Und auf
-einmal warfen Menschen und Tiere sich platt auf den Boden nieder und
-lagen da vollständig still.
-
-Gleich darauf sahen wir etwas herankommen. das sah aus wie eine riesig
-hohe Wand, und reichte von der Wüste in den Himmel empor, daß die Sonne
-dahinter verschwand, und es kam heran wie ein heiliges Donnerwetter.
-Dann wehte eine ganz schwache Brise uns an, dann wurde der Wind stärker
-und auf einmal flogen Sandkörner uns in’s Gesicht, die brannten uns wie
-Feuerfunken, und Tom schrie auf:
-
-»’s ist ein Sandsturm -- dreht ihm den Rücken zu!«
-
-Das taten wir; und ’ne Minute später blies es uns an wie ein Orkan und
-der Sand flog wie mit Schaufeln geworfen gegen uns an, und die Luft
-war so dick, daß wir überhaupt nichts mehr sehen konnten. Binnen fünf
-Minuten war unser Luftschiff bis an den Rand voll, und wir saßen auf
-unseren Bänken, bis ans Knie in Sand begraben, und bloß unsere Köpfe
-guckten oben ’raus und wir konnten kaum noch Luft kriegen.
-
-Dann wurde der Sturm schwächer und der Sand dünner und wir sahen, daß
-die ungeheure Wand quer über die Wüste weitersegelte -- und es war
-fürchterlich anzusehen, das kann man mir wohl glauben! Wir wühlten
-uns aus dem Sand ’raus und sahen nach der Erde hinunter -- und an der
-Stelle, wo vorher die Karawane gewesen war, da war jetzt gar nichts
-mehr als bloß der Sandozean, und alles war still und ruhig. All die
-Menschen und Kamele waren erstickt und tot und begraben -- begraben
-unter einer Sandschicht, die nach unserer Schätzung zehn Fuß tief sein
-mußte, und Tom meinte, es könnte Jahre dauern, ehe der Wind sie wieder
-bloßlegte, und all die Zeit über würden ihre Freunde nicht wissen, was
-aus der Karawane geworden wäre. Und Tom sagte:
-
-»Jetzt wissen wir auch, was den Leuten passiert war, denen wir die
-Säbel und Pistolen abnahmen.«
-
-Ja, so verhielt sich’s ganz genau -- das war uns jetzt so klar wie
-der helle Tag. Sie wurden in einem Sandsturm begraben, und die wilden
-Tiere konnten nicht an sie ’rankommen, und der Wind deckte sie nicht
-eher wieder auf, als bis sie zu lederartigen Mumien vertrocknet und
-nicht mehr zu essen waren. Mir war’s damals so vorgekommen, als sei
-uns das Schicksal jener armen Menschen so tief zu Herzen gegangen und
-habe uns so traurig gemacht, wie sich’s nur denken läßt -- aber das
-war ein Irrtum von uns: der Untergang dieser zweiten Karawane ging uns
-tiefer zu Herzen, _viel_ tiefer! Nun, das kam davon, daß die andern
-eben völlige Fremde für uns gewesen waren; so hatten wir denn gar
-nicht das Gefühl gehabt, als seien wir überhaupt mit ihnen bekannt
-gewesen -- ausgenommen vielleicht ein bißchen mit dem Mann, der das
-Mädchen in seinen Armen zu schützen gesucht hatte. Aber mit dieser
-letzten Karawane war es ganz was anderes! Wir hatten eine ganze Nacht
-und beinahe einen vollen Tag um sie herumgeschwebt, und da hatten wir
-ein wirklich freundschaftliches Gefühl für sie gefaßt; sie waren für
-uns Bekannte geworden. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß es kein
-besseres Mittel gibt, herauszufinden, ob Leute einem lieb oder zuwider
-sind, als daß man mit ihnen zusammen eine Reise macht. Genau so ging
-es uns mit diesen. Sie gefielen uns eigentlich gleich von Anfang an,
-und im Verlauf der Reise gewannen wir sie wirklich lieb. Je länger die
-Reise dauerte, und je mehr wir mit ihren Manieren vertraut wurden,
-desto besser gefielen sie uns und desto größer wurde unsere Freude, daß
-wir sie getroffen hatten. Einige von ihnen kannten wir bald so genau,
-daß wir sie bei ihren Namen nannten, wenn wir von ihnen sprachen, und
-wir gingen schließlich so vertraulich mit ihnen um, daß wir sogar das
-›Herr‹ oder ›Fräulein‹ fortließen und einfach ihre Namen nannten, wenn
-wir von ihnen sprachen; und das klang ganz und gar nicht unhöflich,
-sondern im Gegenteil ganz natürlich. Selbstverständlich waren es nicht
-ihre richtigen Namen, sondern die Namen, die wir ihnen beigelegt
-hatten. Da war Herr Alexander Robinson und Fräulein Adaline Robinson,
-Oberst Jacob Mc Dougal und Fräulein Harriet Mc Dougal und Richter
-Jeremiah Butler und der junge Buschrod Butler, und diese Herrschaften
-waren meistens große Häuptlinge mit prachtvollen großen Turbanen
-und Handscharen, und angezogen wie der Groß-Mogul, nebst ihren
-Familienmitgliedern. Aber sobald wir sie recht kannten, und sie so gern
-hatten, da gab’s für uns kein ›Herr‹, ›Richter‹ oder dergleichen mehr,
-sondern bloß Alex und Addy und Jake und Nattie, Jerry, Buck usw.
-
-Als sie ihr Lager aufschlugen, da hielten auch wir unmittelbar über
-ihnen still, tausend oder zwölfhundert Fuß hoch in der Luft. Als sie
-ihre Mahlzeit verzehrten, da speisten wir auch, und es war wirklich
-ein behagliches Gefühl, uns dabei in ihrer Gesellschaft zu wissen.
-Während der Nacht feierten sie eine Hochzeit, und Buck und Addy wurden
-miteinander verheiratet; da putzten wir uns zur Feier dieses festlichen
-Anlasses mit des Professors schönsten Kleidern heraus, und als bei
-ihnen das Tanzen losging, da schwangen wir oben in unserer Höhe auch
-ein bißchen das Tanzbein.
-
-Aber am allernächsten werden die Menschen doch durch Kummer und Leid
-zusammengebracht, und so ging es auch uns, als sie am nächsten Morgen
-in der ersten Dämmerung einen begruben. Wir wußten nicht, wer der
-Abgeschiedene war, und er war ja nicht mit uns verwandt, aber das
-machte gar keinen Unterschied; er gehörte zur Karawane -- das genügte,
-und es wurden keine aufrichtigeren Tränen über seinem Grabe vergossen,
-als die unsrigen, die aus einer Höhe von elfhundert Fuß herabfielen.
-
-Ja, der Abschied auf ewig, den wir von dieser Karawane nahmen, war viel
-bitterer, als der Abschied von jenen anderen Toten, die im Vergleich
-mit diesen nur Fremde für uns waren, und die zudem schon so lange tot
-waren. Aber diese hatten wir bei Lebzeiten gekannt und hatten sie gern
-gehabt -- und nun kam der grimmige Tod und riß sie vor unsern Augen
-weg und wir blieben mitten in der großen Wüste so einsam und verwaist
--- das tat uns so weh und wir wünschten, wir möchten auf unserer Reise
-lieber gar keine Freunde mehr gewinnen, wenn wir sie auf solche Art
-wieder verlieren sollten.
-
-Als wir am nächsten Morgen erwachten, war’s uns ein bißchen fröhlicher
-ums Herz; denn wir hatten großartig gut geschlafen, weil Sand das
-allerbequemste Bett auf der ganzen Welt ist, und ich begreife nicht,
-warum Leute, die’s haben können, sich nicht eine solche Ruhestatt
-leisten. Außerdem ist Sand auch ein schrecklich guter Ballast; unser
-Ballon war nie zuvor so ruhig gesegelt wie jetzt.
-
-Tom meinte, wir hätten wohl zwanzig Tonnen Sand an Bord, und dachte
-darüber nach, was wir wohl am besten damit anfangen könnten; es war
-guter Sand und es schien uns unvernünftig zu sein, ihn fortzuschmeißen.
-Da sagte Jim:
-
-»Massa Tom, können wir nix mit ihm zu Hause nehmen un die Sand
-verkaufen? Wie große Zeit brauchen wir zu die Reise?«
-
-»Das kommt auf den Weg an, den wir fahren.«
-
-»Nu, Massa Tom, die Sand is zu Haus mehr als eine Viertel Dollar for
-die Wagenladung wert, un ich glauben, wir haben zu ’s allermindeste
-zwanzig Wagenladungen. Wieviel würden die machen?«
-
-»Fünf Dollars.«
-
-»Bei Jingo, Massa Tom, laß Sie uns auf die Stelle zu Haus reisen! Das
-machen ja mehr als annerthalb Dollars auf jede von unsere drei Köpf --
-nich?«
-
-»Ja.«
-
-»Na! Das is doch so leicht Geld verdient, wie ich in meine Leben nie
-nix erleben tun! Die Sand is ja bloß so ’reingeregnet -- kost uns nix
-’n bissel Arbeit. Laß Sie uns gleich hinfahren, Massa Tom!«
-
-Aber Tom dachte nach und rechnete so eifrig und so aufgeregt, wie ich
-ihn nie gesehen habe. Und nach ’nem kleinen Augenblick sagte er:
-
-»Fünf Dollars -- pah! Hört mal zu: dieser Sand ist wert ... wert ...
-na, er ist ’n ganz kolossalen Haufen Geld wert!«
-
-»Wie denn, Massa Tom? Erzähl Sie, süßes Herrchen, erzähl Sie!«
-
-»Na -- sobald die Leute wissen, ’s ist _echter_ Sand aus der _echten_
-Wüste Sahara, da werden sie sich sofort in den Kopf setzen, sich ein
-bißchen davon zu verschaffen und es als Kuriosität in ’ner Phiole
-mit ’nem Zettel dran auf den Nippstisch zu stellen. Wir brauchen
-nichts weiter zu tun, als ihn in Phiolen zu füllen, über den ganzen
-Vereinigten Staaten ’rumzugondeln und ihn zu zehn Cents das Stück zu
-verhökern. Wir haben in unserem Schiff für mindestens zehntausend
-Dollars Sand!«
-
-Ich und Jim sprangen vor Freuden beinahe in Stücke und sangen:
-»Hupjamborihu!« und Tom sagte:
-
-»Und wir brauchen ja bloß wieder zurückzusegeln und neuen Sand zu
-holen und das immer fortzusetzen, bis wir zuletzt die ganze Wüste
-’rübergeschafft und phiolenweise verkauft haben; und Konkurrenz
-brauchen wir nicht zu befürchten, denn wir lassen uns einfach ein
-Patent darauf geben.«
-
-»Himmlische Güte!« rief ich. »Wir werden ja so reich sein wie Kreosot
--- was, Tom?«
-
-»Ja -- wie Kresus, meinst du. Hört mal -- der Derwisch suchte in jenem
-kleinen Berg nach den Schätzen der ganzen Welt und wußte nicht, daß er
-tausend Meilen weit auf lauter wirklichen Schätzen gegangen war. Er war
-blinder als der Kameltreiber durch ihn wurde!«
-
-»Massa Tom -- wie sehr reich, mein’ Sie, daß wir werden tun?«
-
-»Ja, das weiß ich noch nicht. Das muß erst ausgerechnet werden -- und
-das ist gar nicht so leicht, denn es sind mehr als vier Millionen
-Quadratmeilen Sand zu zehn Cents die Phiole.«
-
-Jim war fürchterlich aufgeregt, aber diese letzte Bemerkung gab ihm
-einen beträchtlichen Dämpfer. Er schüttelte den Kopf und sagte:
-
-»Massa Tom -- all die Violen können wir nix beschaffen -- kein König
-nix hat so viele Violen. Wir mussen lieber nix die ganze Wüste wollen
-haben -- Massa Tom, die Violen wer’n uns zu Grunden richten, warraftig!«
-
-Toms Erregung ließ jetzt ebenfalls bedeutend nach und ich dachte, es
-sei von wegen der Phiolen -- aber nein. Er saß da und dachte, und sein
-Gesicht wurde immer saurer und finsterer, und zuletzt sagte er:
-
-»Jungens -- die Sache wird nicht gehen. Wir müssen sie aufgeben!«
-
-»Warum denn, Tom?«
-
-»Wegen der Zollgebühren. So oft man über eine Grenze kommt -- ’ne
-Grenze ist der Rand von einem Lande, wie ihr wohl wißt -- so findet
-man dort ein Zollamt; und dann kommen die Zollbeamten heran und wühlen
-einem in den Sachen herum und erheben eine hohe Gebühr davon -- und
-wenn wir nicht die Gebühr bezahlen, so beschummeln sie uns um unsern
-Sand. Sie nennen das ›konfiszieren‹ -- aber damit können sie keinem
-Menschen was weismachen -- es ist ganz einfach beschummeln. Wenn wir
-nun versuchen, den Sand auf dem Wege heimzubringen, auf dem wir jetzt
-sind, so müssen wir über so viele Grenzen wegsteigen, daß wir bald müde
-sein werden -- denn da kommt Grenze hinter Grenze: Aegypten, Arabien,
-Hindustan usw., und an jeder stehen sie mit ihrer Zollgebühr bereit.
-Ihr seht also klar und deutlich: diesen Weg können wir nicht segeln!«
-
-»Nu, Tom,« sagte ich, »wir können doch einfach über ihre ollen Grenzen
-wegsegeln. Wie sollten _die_ uns daran hindern?«
-
-Er sah mich betrübt an und sagte ganz ernst:
-
-»Huck Finn -- meinst du, daß das ehrlich sein würde?«
-
-Derartige Unterbrechungen hasse ich, darum erwiderte ich gar nichts
-darauf, und Tom fuhr fort:
-
-»Na, der andere Weg ist uns ja ebenfalls versperrt. Wenn wir den Weg
-zurücksegeln, den wir gekommen sind, so ist da das New Yorker Zollamt,
-und das ist schlimmer als alle anderen zusammen, von wegen der Fracht,
-die wir führen.«
-
-»Warum?«
-
-»Ja, Saharasand können sie in Amerika natürlich nicht produzieren;
-und auf alles, was dort nicht produziert werden kann, beträgt die
-Zollgebühr vierzehntausend Prozent, wenn man versucht, es aus dem
-Ursprungsland einzuführen.«
-
-»Da liegt ja gar kein Sinn und Verstand drin, Tom Sawyer!«
-
-»Wer hat denn das behauptet? Wie kannst du so zu mir sprechen, Huck
-Finn? Warte doch ab, bis ich sage, es sei Sinn und Verstand drin, ehe
-du solche Beschuldigungen gegen mich erhebst!«
-
-»Schon gut, Tom! Nimm an, ich bereue und beweine meinen Fehler. Weiter!«
-
-Da sagt Jim:
-
-»Massa Tom -- packen Sie diese Gebühre auf alle Dinge, wo nix in
-Amerrika waxen un mach Sie gar nix keine Unterschied nix?«
-
-»Nee, das tun sie nicht.«
-
-»Massa Tom -- is nix die Segen von liebe Herrgott die wertvölligste
-Ding auf diese Welt?«
-
-»Ja, das ist er.«
-
-»Stehen nix das Preddiger auf die Kanzel un ruf die Segen nieder auf
-die Volk?«
-
-»Ja.«
-
-»Wo kommen die Segen her?«
-
-»Vom Himmel.«
-
-»Jawoll -- da hab Sie ganz recht -- ganz recht, mein süßes Herrchen --
-die Segen komm’ von die Himmel un die Himmel is eine fremde Land. Nu --
-nehm’ sie auch Zollgebühr von die Segen?«
-
-»Nein, das tun sie nicht.«
-
-»Natürlich tu’ sie nix! Un so is es klar, daß Sie sich tun irren, Massa
-Tom! Sie nehm’ doch ganz gewiß nix Gebühr von armselige Sand, die keine
-Mensch zu haben brauchen un lassen die beste Ding, wo niemand ohne sein
-können, frei von die Gebühr!«
-
-Da saß Tom Sawyer fest! Er sah auch wohl selber ein, daß Jim ihn
-gefaßt hatte und daß er sich nicht rühren konnte. Allerdings versuchte
-er sich herauszuwinden, indem er sagte, sie hätten bloß _vergessen_,
-auch darauf eine Abgabe zu legen, aber ganz gewiß würden sie bei der
-nächsten Kongreßtagung daran denken und sie nachträglich einführen --
-aber das war nur eine armselige lahme Ausrede, und Tom wußte es ganz
-gut. Er sagte, es gäbe außer diesem einzigen nichts Ausländisches,
-was nicht mit ’ner Zollgebühr belegt wäre, und darum müßten sie diese
-Abgabe ebenfalls festsetzen, denn sonst wären sie nicht konsistent oder
-konsequent, und Konsistenz wäre die erste Regel in der Politik. Er
-blieb dabei, sie hätten’s bloß aus Versehen ausgelassen und würden sich
-ganz gewiß beeilen, dies Versehen wieder gut zu machen, ehe man sie
-darob ertappte und auslachte.
-
-Aber ich hatte für seine Auseinandersetzungen kein Interesse mehr, da
-wir nun doch mal mit unserem Sand nichts mehr anfangen konnten; denn
-das machte mich ganz niedergeschlagen und Jim auch. Tom versuchte uns
-wieder aufzuheitern, indem er sagte, er wollte eine andere Spekulation
-ausdenken, die für uns gerade so gut und noch besser wäre -- aber das
-half nichts, denn wir konnten nicht glauben, daß irgend eine andere so
-großartig sein könnte. Es war wirklich sehr hart für uns: vor einer
-ganz kleinen Weile noch waren wir so reich, hätten uns ein ganzes Land
-kaufen und ’n Königreich drin einrichten können -- und jetzt waren wir
-wieder so arm und so ordinär und saßen da mit all unserm Sand. Vorher
-hatte der Sand so reizend ausgesehen, wie lauter Gold und Diamanten,
-und er war so weich und so seidig und so angenehm anzufühlen gewesen
--- aber jetzt konnte ich nicht mal seinen Anblick mehr ertragen; es
-machte mich ganz krank, ihn bloß zu sehen, und ich wußte, mir würde
-nicht eher wieder wohl sein, als bis wir den Krempel los wären, der
-uns fortwährend daran erinnerte, was wir hätten sein können und nun
-nicht mehr waren. Den andern beiden war ganz genau so zumute wie mir.
-Das merkte ich ihnen an und sie wurden auf einmal ganz lustig, als ich
-ihnen sagte: »Laßt uns das ganze Zeug über Bord werfen!«
-
-Na, das war ja nun ’ne ganz tüchtige Arbeit, und darum teilte Tom sie
-im Verhältnis zu unserer verschiedenen Stärke ein. Er sagte, er und ich
-sollten jeder ein Fünftel von dem Sand über Bord schaffen und Jim die
-andern drei Fünftel. Dem Jim gefiel diese Einteilung aber nicht recht
-und er sagte:
-
-»Natürlich sein ich die Stärkste un will auch meine Teil größer mach’
--- abber bei Jingo: Sie lad’ ein bissel zu viel auf alte Jims Buckel --
-tu’ Sie nix, Massa Tom?«
-
-»Na, das glaub’ ich eigentlich nicht, Jim; aber du kannst ja selber
-sagen, wie die Arbeit verteilt werden soll und nachher können wir dann
-sehen.«
-
-Jim meinte nun, es sei nicht mehr als recht und billig, wenn Tom und
-ich jeder _ein Zehntel_ von der Arbeit täten. Tom drehte sich um und
-verzog seinen Mund zu einem Grinsen, das sich nach Westen zu über die
-ganze Sahara bis an den Atlantischen Ozean erstreckte. Dann wandte er
-sich wieder zu Jim und sagte, die Einteilung sei ganz schön und gut und
-er sei ganz damit einverstanden, wenn sie Jim ebenfalls recht sei. Jim
-war sie recht.
-
-So maß denn Tom unsere zwei Zehntel im Bug des Schiffes ab und den
-Rest bekam Jim. Und es überraschte den guten Jim sehr als er sah, wie
-groß der Unterschied war und was für eine fürchterliche Menge Sand
-auf seinen Anteil kam. Er sagte, er sei doch mächtig froh, daß er
-zur rechten Zeit den Mund aufgetan habe, und daß der erste Vorschlag
-abgeändert worden sei; denn selbst so wie’s jetzt sei, meinte er,
-möchte auf seinen Teil wohl mehr Sand als Vergnügen kommen.
-
-Dann fingen wir an. Es war ’ne mächtig heiße Arbeit und dazu sehr
-langwierig; sie war tatsächlich so heiß, daß wir zu ’ner kühleren
-Luftschicht aufsteigen mußten, sonst hätten wir’s einfach nicht
-aushalten können. Tom und ich lösten uns ab, und der eine ruhte sich
-immer aus, während der andere arbeitete, aber niemand war da, um den
-armen Jim abzulösen, und er machte diesen ganzen Teil von Afrika
-naß, so schwitzte er. Wir konnten nicht recht arbeiten, weil wir
-fortwährend lachen mußten, und Jim wollte immerzu wissen, warum wir
-alle Augenblicke laut herausprusteten. Da mußten wir denn irgend einen
-Vorwand ersinnen, und unsere Vorwände waren wirklich recht kümmerlich,
-aber schließlich genügten sie, denn Jim glaubte uns. Als wir endlich
-mit unserem Teil fertig waren, da waren wir halb tot, aber nicht von
-der Arbeit, sondern vom Lachen. Jim war beinahe ganz tot, aber von der
-Arbeit; da lösten wir ihn denn abwechselnd ab, und er war uns dafür so
-dankbar, wie wir nur wünschen konnten; er setzte sich aufs Dollbord und
-trocknete sich den Schweiß ab und keuchte und schnaufte und sagte, wie
-gut wir doch zu ’nem armen alten Nigger wären und er wollt’s uns nie
-vergessen. Er war immer der dankbarste Nigger, den ich je gesehen habe,
-mochte man ihm auch nur die geringste Gefälligkeit erwiesen haben.
-Nigger war er überhaupt nur äußerlich -- innerlich war er so weiß wie
-du und ich.
-
-
-
-
-Zwölftes Kapitel.
-
-
-Unsere nächsten Mahlzeiten waren recht sandig, aber das macht nichts
-aus, wenn man hungrig ist; und wenn man nicht hungrig ist, so hat man
-ja vom Essen doch keinen Genuß und nach meiner Meinung kommt’s auf so’n
-kleines Sandkörnchen im Essen überhaupt nicht an.
-
-Endlich kamen wir an den Ostrand der großen Wüste, indem wir einen
-nordöstlichen Kurs einhielten. Fern am Rande des Sandes, in einem
-zarten rosenroten Licht, sahen wir drei kleine scharfe Dächer wie Zelte
-sich abheben und Tom sagte: »Das sind die ägyptischen Pyramiden!«
-
-Da fing aber mein Herz an zu puppern! Ich hatte ja so manches, manches
-Bild von ihnen gesehen und hatte hundertmal von ihnen erzählen hören
--- aber als ich sie so ganz plötzlich vor mir sah und fand, daß sie
-_wirklich_ existierten und nicht bloß in der Phantasie, da stand mir
-vor Ueberraschung beinahe der Atem still. Es ist sonderbar -- je mehr
-man von ’nem großartigen Ding oder Menschen hört, desto mehr nimmt es
-sozusagen was Traumhaftes an und wird schließlich zu ’ner übergroßen
-verschwommenen Figur aus lauter Mondschein, aber ohne ’nen soliden
-Inhalt. Gerade so ist’s mit George Washington -- und so ist’s auch mit
-den Pyramiden.
-
-Außerdem war es mir immer so vorgekommen, als ob die Geschichten,
-die man von den Pyramiden erzählte, zum größten Teil ganz gewaltige
-Uebertreibungen seien. Da war mal einer, der kam zu uns in die
-Sonntagsschule und hatte ein Bild von ihnen und hielt ’ne Rede drüber
-und sagte, die größte Pyramide bedeckte eine Fläche von dreizehn
-Morgen und wäre beinahe fünfhundert Fuß hoch; sie wäre ein richtiger
-steiler Berg, aufgebaut aus lauter Steinblöcken, die so groß wären wie
-’ne Kommode und in regelmäßigen Reihen lägen wie Treppenstufen. Na,
-dreizehn Morgen für ein einziges Gebäude -- das ist ja ’ne Farm! Wär’
-ich nicht in der Sonntagsschule gewesen, so hätte ich die Geschichte
-für ’ne Lüge gehalten; und sobald ich draußen war, hielt ich sie auch
-wirklich dafür. Und er sagte, in der Pyramide wäre ein Loch und man
-könnte mit Fackeln da hineingehen und dann immer einen langen schrägen
-Tunnel hinauf, bis man schließlich zu einem großen Raum mitten im
-Bauch dieses Berges käme und da fände man einen großen Steinkasten mit
-’nem König drin -- und der wär’ viertausend Jahre alt! Als ich das
-hörte, sagte ich bei mir selber: wenn das keine Lüge ist, will ich den
-König sehen, d. h. wenn er da ist; denn _so_ alt war ja nicht mal
-Methusalem, und kein Mensch denkt daran, viertausend Jahre alt werden
-zu wollen.
-
-Als wir ein bißchen näher herankamen, sahen wir auf einmal den gelben
-Sand mit einem langen graden Rand aufhören -- ganz scharf abgeschnitten
-wie ein großes Tuch -- und mit dem Rand an diesen Sand anstoßend ein
-weites Land von hellem Grün, durch das ein langer heller Streifen sich
-in Schlangenwindungen hindurchzog, und Tom sagte, das sei der Nil.
-Da fing mein Herz wieder an zu puppern, denn der Nil war auch so ein
-Ding, das ich eigentlich nie für Wirklichkeit gehalten hatte. Nun, so
-viel ist todsicher: wenn man über dreitausend Meilen gelben Sandes
-weggegondelt ist, wenn dieser Sand so von Hitze flimmert, daß einem vom
-bloßen Hinsehen das Wasser aus den Augen läuft, und wenn man beinahe
-’ne ganze Woche über diesem Sand war -- dann wird einem das grüne Land
-wie Heimat und Himmel erscheinen und es wird einem _wieder_ das Wasser
-aus den Augen laufen.
-
-So ging es mir und so ging’s auch Jim.
-
-Und als Jim merkte, daß er wirklich auf Aegyptenland ’runterguckte, da
-wollte er nicht stehend in dieses Land hineinsegeln, sondern er warf
-sich auf seine Kniee und nahm den Hut ab, denn für einen armen alten
-Nigger, sagte er, schicke es sich nicht, anders in ein Land zu kommen,
-wo Moses und Joseph und Pharao und die andern Propheten gelebt hätten.
-Jim war Presbyterianer und hatte einen sehr tiefen Respekt vor Moses,
-der, wie er sagte, ebenfalls ein Presbyterianer gewesen war. Er war
-ganz aus dem Häuschen und rief:
-
-»Das is die Aegyptenland, die Aegyptenland! -- un ich dürfen sie mit
-meine eigene Augen ansehn! Un da is die Fluß, das zu Blut wurden, un
-ich sehen auf dieselbige Stellen ’runter, wo die Pest un die Läusen un
-die Froschen un die Hauschrecken un die Hagel gewesen sein tun -- un wo
-die Türpfosten gezeichnet war un die Engel des Herrn kam un schlugen
-allen Erstgeburt in ganze Aegyptenland. Alte Jim is nix würdig, diesen
-Tag zu sehn!«
-
-Und dann warf er sich hin und weinte vor lauter Dankbarkeit. Da gab
-es denn zwischen ihm und Tom ein langes Gespräch: Jim war aufgeregt,
-weil das Land so voll von Weltgeschichte war: von Joseph und seinen
-Brüdern, von Moses in den Binsen, von Jakob, der nach Aegypten kam, um
-Korn zu kaufen, vom silbernen Becher im Sack und von all den anderen
-interessanten Sachen. Und Tom war gerade so aufgeregt, weil das Land so
-voll von Weltgeschichte war, die in _sein_ Fach schlug: von Nurreddin
-und Bedreddin und ähnlichen ungeheuren Riesen, bei deren Beschreibung
-Jims Wollhaar zu Berge stand, und von ’ner ganzen Menge anderer Leute
-aus Tausend und einer Nacht, die nach meiner Meinung nicht die Hälfte
-von all dem getan haben, was sie getan haben wollen!
-
-Dann erlebten wir eine Enttäuschung, denn es erhob sich ein Frühnebel
-und wir durften nicht über ihn hinwegsegeln, weil wir sonst gewiß auch
-über ganz Aegypten weggesegelt wären. Wir hielten’s daher für das
-beste, nach dem Kompaß in geradem Kurs auf die inzwischen immer mehr
-im Dunst verschwindenden Pyramiden zuzuhalten, so dicht wie möglich
-über dem Boden hinzufahren und scharf Ausguck zu halten. Tom nahm
-das Steuer, ich stand neben ihm, um, wenn’s nötig wäre, den Anker
-auszuwerfen, und Jim hockte auf dem Bug, um mit den Augen durch den
-Nebel zu bohren und etwaige Gefahren rechtzeitig zu bemerken. Wir
-fuhren ein stetiges Tempo, aber nicht sehr schnell, und der Nebel wurde
-dicker und dicker -- so dick zuletzt, daß von Jim nur noch schwache
-Umrisse zu erkennen waren. Es war beängstigend still und wir sprachen
-leise und waren aufgeregt. Ab und zu rief Jim:
-
-»Eine Strich höcher ’rauf, Massa Tom, eine Strich höcher!« und dann
-ließ Tom das Schiff ein paar Fuß höher steigen, und wir fuhren scharf
-über das flache Dach einer Lehmhütte weg und über die Leute, die
-gerade eben aufgestanden waren und noch gähnten und sich streckten.
-Einmal hatte ein Bursche sich auf seinen Hinterbeinen so recht hoch
-aufgerichtet, um besser gähnen und sich strecken zu können; der bekam
-von unserer Gondel einen Puff in den Rücken, daß er auf den Bauch fiel.
-So verging ungefähr eine Stunde; alles war totenstill und wir spitzten
-unsere Ohren und hielten den Atem an, damit uns kein Laut entginge; da,
-ganz auf einmal wurde der Nebel ein bißchen dünner, und Jim schrie in
-fürchterlicher Angst:
-
-»O, um die liebe Heiland willen, steuer Sie rückwärts, Massa Tom! Hier
-is die größte Riese aus die Tausendste Nacht un kommen auf uns los!«
-
-Und damit fiel er rücklings in die Gondel hinein.
-
-Tom stürzte sich auf einen Hebel und gab dem Schiff Gegenkraft,
-und als wir infolgedessen plötzlich stillstanden -- da guckte ein
-Menschengesicht so groß wie unser Haus daheim in unsere Gondel und ich
-fiel um und war tot. Denn ich muß wirklich ’ne Minute lang oder so tot
-gewesen sein. Schließlich kam ich wieder zu mir und da hatte Tom ’nen
-Bootshaken in die Unterlippe des Riesen eingehakt und hielt damit den
-Ballon fest, und dabei hatte er den Kopf hintenübergelegt und sah mit
-einem langen festen Blick das fürchterliche Riesenantlitz an.
-
-Jim lag auf den Knieen und sah mit gefalteten Händen das Ding an und
-bewegte betend die Lippen, konnte aber keinen Ton hervorbringen. Ich
-warf bloß einen Blick auf den Riesenkopf und wollte gerade wieder in
-Ohnmacht fallen, da sagte Tom:
-
-»Es ist ja gar nicht lebendig, ihr Narren! Es ist die Sphinx.«
-
-Nie hab’ ich Tom so klein gesehen -- er sah wahrhaftig nicht größer aus
-als ’ne Fliege, aber das kam davon, daß der Riesenkopf so schrecklich
-groß war. Groß und schrecklich, ja, das war er -- aber er machte einem
-doch keine Angst mehr, denn man konnte wohl sehen, daß es ein edles,
-beinahe trauriges Antlitz war und daß es gar nicht an uns Menschlein
-dachte, sondern an was Anderes, Größeres. Es war aus Stein, rötlichem
-Stein, und Nase und Ohren waren verstümmelt, so sah es aus, als ob es
-mißhandelt sei, und das tat einem unwillkürlich in der Seele weh.
-
-Wir hielten ein Stück von dem Bildwerk ab und segelten rund darum
-herum und dann darüber weg, und es war einfach großartig. Es war
-der Kopf eines Mannes oder vielleicht auch einer Frau, auf einem
-hundertfünfundzwanzig Fuß langen Tigerleib, und zwischen seinen
-Vorderpranken stand ein süßer kleiner Tempel. Viele hundert Jahre lang
--- vielleicht Tausende -- war das ganze Bildwerk mit Ausnahme des
-Hauptes unter dem Sand begraben gewesen; aber gerade vor ganz kurzer
-Zeit hatten sie den Sand weggeräumt und den kleinen Tempel gefunden.
-Es war jedenfalls ’ne mächtige Masse Sand nötig, um so ’ne Kreatur zu
-begraben -- wohl mindestens so viel wie um ein Dampfschiff zu begraben.
-
-Wir setzten Jim oben auf dem Kopf der Sphinx ab, nachdem wir ihm, da
-wir im Ausland waren, zum Schutz ’ne amerikanische Flagge gegeben
-hatten. Dann segelten wir ab und besahen uns das Werk bald aus dieser,
-bald aus jener Entfernung; das war, wie Tom sagte, nötig, um die
-richtigen Effekte und Perspektiven und Proportionen herauszukriegen.
-Und Jim tat wirklich sein Bestes, indem er die allerverschiedensten
-Stellungen einnahm, die er sich nur ausdenken konnte; am besten
-gefiel er uns aber, als er auf dem Kopf stand und wie ein Frosch mit
-den Beinen spaddelte. Je weiter wir wegsegelten, desto kleiner wurde
-Jim und desto großartiger die Sphinx, bis er zuletzt sozusagen wie
-’ne Stecknadel auf einem Dome aussah. Auf diese Weise bringt die
-Perspektive die richtigen Proportionen zuwege, sagte Tom; er sagte,
-Cäsars Nigger hätten nicht gewußt, wie groß er war, weil sie zu nahebei
-gewesen wären.
-
-Dann segelten wir immer weiter und weiter weg, bis wir Jim überhaupt
-nicht mehr sehen konnten, und da machte die große Figur den
-edelsten Eindruck -- so still und feierlich und einsam blickte sie
-über das Niltal herüber, und all die schäbigen kleinen Hütten und
-Menschenwerklein, die rings um sie herum zerstreut waren, sie waren
-völlig verschwunden und rund um sie herum nur noch eine weiche große
-Decke von gelbem Sammet, nämlich der Wüstensand.
-
-Das war die richtige Stelle, um Halt zu machen, und das taten wir auch.
-Eine halbe Stunde lang hielten wir da und guckten und dachten und
-keiner von uns sagte ein Wort, denn uns wurde so ruhig und feierlich zu
-Mute, wenn wir daran dachten, daß die Sphinx schon seit Jahrtausenden
-gerade so über das Tal hinübergeschaut und ihre majestätischen Gedanken
-so ganz für sich gedacht hatte -- ihre Gedanken, von denen kein Mensch
-sagen kann, was sie sind.
-
-Zuletzt nahm ich das Fernrohr zur Hand und da sah ich mehrere kleine
-schwarze Dinger auf dem Sammetteppich herumspringen und andere, die auf
-den Rücken der Sphinx hinaufkletterten, und dann sah ich zwei oder drei
-weiße Rauchwölkchen aufpuffen, und ich sagte Tom, er möchte auch mal
-hinsehen. Er tat das und sagte:
-
-»Das sind Käfer. Nein -- wart’ mal; sie -- wahrhaftig, ich glaube, es
-sind Menschen. Ja, es sind Menschen -- Menschen und auch Pferde. Sie
-legen gerade ’ne lange Leiter an den Rücken der Sphinx an -- ist das
-aber komisch! Und nun versuchen sie, die Leiter hinaufzuziehen -- da
-sind auch wieder Rauchwölkchen -- das sind Flinten! Huck, sie machen
-Jagd auf Jim!«
-
-Wir ließen die ganze Kraft los und segelten wie das heilige
-Donnerwetter auf die Sphinx zu. Im Nu waren wir da und sausten mitten
-unter die Menschen hinein, daß sie nach allen Seiten auseinanderstoben,
-und ein paar von denen, die die Leiter hinaufkletterten, um Jim zu
-fangen, verloren den Halt und fielen herunter. Wir sausten hinauf und
-fanden Jim keuchend und beinahe besinnungslos auf dem Kopf der Sphinx
-liegen. Er hatte eine lange Belagerung ausgehalten -- eine Woche,
-sagte er, aber das war nicht wahr; sie war ihm nur so lang vorgekommen,
-weil ihm die Leute so nahe auf den Leib gerückt waren. Sie hatten
-auf ihn geschossen und der Kugelregen war um ihn herumgerasselt,
-aber getroffen war er nicht; und als sie merkten, daß er nicht mehr
-aufstand, und daß ihre Kugeln ihn nicht mehr treffen konnten, wenn er
-auf dem Bauch lag, da holten sie die Leiter, und da wußte er, daß es
-mit ihm aus wäre, wenn wir nicht _sehr_ bald kämen. Tom war höchst
-entrüstet und fragte ihn, warum er denn nicht die Flagge gezeigt und im
-Namen der Vereinigten Staaten ihnen befohlen hätte, Frieden zu halten?
-Jim sagte, das hätte er ja getan, sie hätten sich aber gar nicht darum
-gekümmert. Tom sagte, er wollte dafür sorgen, daß diese Sache in
-Washington in die Hand genommen würde.
-
-»Und ihr sollt sehen,« rief Tom, »sie werden sich wegen Insultierung
-der Flagge zu entschuldigen haben und werden obendrein noch ’ne
-Indemnität bezahlen müssen!«
-
-Sagt Jim:
-
-»Was is ein Indemmität, Massa Tom?«
-
-»Bares Geld ist’s!«
-
-»Un wer kriegen es, Massa Tom?«
-
-»Na, natürlich wir!«
-
-»Un wer kriegen die Entschuldigung?«
-
-»Die Vereinigten Staaten. Oder wir können sie auch nehmen, wenn wir
-wollen. Wenn uns die Entschuldigung besser gefällt, können wir die
-nehmen, und die Regierung kriegt dann das Geld.«
-
-»Wie viele Geld werden es sein, Massa Tom?«
-
-»Na, in einem Fall wie dieser, wo erschwerende Umstände dabei sind,
-mindestens drei Dollars pro Kopf und möglicherweise sogar noch mehr.«
-
-»Nu, denn wolle wir die Geld nehm’, Massa Tom; zum Kuckuck mit die
-Entschuldigung! Meinen Sie nix auch, Massa Tom? Un du auch, Huck?«
-
-Wir besprachen die Sache ein bißchen und kamen zum Schluß, es wäre gar
-nicht so übel, wenn wir’s so machten; also wurden wir uns einig, wir
-wollten das Geld nehmen. Für mich war das ’ne ganz neue Geschichte und
-ich fragte Tom, ob Staaten immer sich entschuldigen, wenn sie was
-Unrechtes getan hätten, und er antwortete:
-
-»Ja, die kleinen tun’s.«
-
-Wir segelten nun herum und sahen uns die Pyramiden an und ließen
-uns schließlich auf der abgeplatteten Spitze der größten von ihnen
-nieder; und wir fanden, daß alles genau so war, wie der Mann in der
-Sonntagsschule gesagt hatte. Das Ding sah aus wie vier Treppenfluchten,
-die, am Boden breit, immer enger werdend schräg aufsteigen und sich
-oben in einer Spitze treffen. Nur konnte man diese Treppenstufen nicht
-hinaufsteigen wie irgend ’ne andere Treppe -- denn jede Stufe war so
-hoch, daß sie ’nem gewöhnlichen Menschen bis ans Kinn reichte, und man
-mußte sich von hinten hinaufheben lassen. Die beiden andern Pyramiden
-waren nicht weit von der unsrigen entfernt, und die Leute, die zwischen
-den Pyramiden sich auf dem Sand bewegten, sahen aus wie krabbelnde
-Käfer, so hoch waren wir über ihnen.
-
-Tom war gar nicht mehr zu halten vor lauter Freude und Erstaunen,
-daß er an so ’nem berühmten Ort wäre, und er schwitzte sozusagen
-Weltgeschichte aus jeder Pore -- wenigstens kam es mir so vor. Er
-sagte, er könnte es kaum glauben, daß er genau auf demselben Platz
-stände, von dem der Prinz auf dem Bronzepferde aufgeflogen wäre. Die
-Geschichte stände in Tausend und einer Nacht, sagte er. Irgend einer
-gab dem Prinzen ein bronzenes Pferd mit ’nem Zapfen in der Schulter;
-und er konnte sich auf dies Pferd setzen und durch die Luft fliegen wie
-ein Vogel und die ganze Welt bereisen, und er konnte es steuern, indem
-er den Zapfen drehte, und konnte hoch und niedrig fliegen und landen,
-wo er nur wollte.
-
-Als Tom die Geschichte zu Ende erzählt hatte, da entstand ein Schweigen
--- jenes bekannte Schweigen, das sich einstellt, wenn jemand einen
-Unsinn erzählt hat und wenn den Zuhörern das leid tut und sie gerne
-das Gespräch auf ein anderes Thema bringen möchten, aber nicht wissen,
-wie sie das anfangen sollen, und ehe sie sich richtig besonnen haben,
-da ist das Schweigen schon da und macht die Stimmung unbehaglich. Ich
-war verlegen, Jim war verlegen und keiner von uns konnte ein Wort
-herausbringen. Tom sah mich ’ne Minute lang an und sagte dann:
-
-»Na, heraus damit! Was denkst du?«
-
-Ich sage:
-
-»Tom Sawyer, _du_ glaubst die Geschichte doch selber nicht?«
-
-»Warum sollte ich nicht? Was könnte mich daran hindern?«
-
-»Hindern kann dich nur eins: sie kann nicht passiert sein -- weiter
-nichts.«
-
-»Und warum kann sie _nicht_ passiert sein?«
-
-»Sag’ du mir doch, warum sie passiert sein _kann_?«
-
-»Unser Ballon ist ein ganz guter Beweis dafür, sollt’ ich meinen.«
-
-»Wieso?«
-
-»Wieso? So ’nen Idioten hab’ ich nie gesehen! Sind denn nicht dieses
-Luftschiff und das bronzene Pferd genau das gleiche, nur unter
-verschiedenen Namen?«
-
-»Nein, das sind sie nicht. Das eine ist ’n Luftballon und das andere
-ist ’n Pferd. Das ist ein großer Unterschied. Nächstens wirst du wohl
-gar sagen, ein Pferd und ’ne Kuh seien ein und dasselbe.«
-
-»Bei Jackson! Da hat Huck ihm wieder fest! Da könn’ Sie nix um
-’rumkommen, Massa Tom!«
-
-»Halt den Mund, Jim! Du weißt nicht, was du redest! Und Huck auch
-nicht. Hör’ mal zu, Huck, ich will euch beiden die Sache klar machen,
-und dann werdet ihr mich verstehen. Seht mal: wenn man von zwei Dingen
-sagt, sie seien sich ähnlich oder unähnlich, so kommt es dabei nicht
-bloß auf ihre Form an, sondern vor allem auf ihr _Wesen_; und das Wesen
-ist in beiden das gleiche. Versteht ihr mich jetzt?«
-
-Ich bedachte mir seine Worte bei mir selber und sagte dann:
-
-»Tom, das zieht nicht! So ’n Wesen ist ja recht schön und gut, aber
-damit kommen wir nicht um die eine große Tatsache herum: wenn ein
-Luftballon etwas machen kann, so ist das absolut noch kein Beweis, daß
-ein Pferd dasselbe machen kann.«
-
-»Quatsch, Huck! Du hast die ganze Geschichte noch gar nicht begriffen!
-Nun hör’ mal ’ne Minute zu -- es ist alles vollkommen einfach! Fliegen
-wir nicht durch die Luft?«
-
-»Ja.«
-
-»Schön! Fliegen wir nicht hoch oder niedrig, grad’ wie wir Lust haben?«
-
-»Ja.«
-
-»Steuern wir nicht, wohin wir wollen?«
-
-»Ja.«
-
-»Und landen wir nicht, wann und wo es uns Spaß macht?«
-
-»Ja.«
-
-»Wie bewegen und steuern wir unser Luftschiff?«
-
-»Indem wir auf die Knöpfe drücken.«
-
-»Na, _jetzt_ denke ich, wird die Geschichte dir endlich klar sein. Bei
-dem Pferde geschah die Bewegung und Steuerung, indem ein Zapfen gedreht
-wurde. Wir drücken auf einen Knopf, der Prinz drehte ’nen Zapfen. Du
-siehst, es ist kein Atom von ’nem Unterschied vorhanden. Ich wußte
-wohl, ich würde dir’s in den Schädel trichtern, wenn ich mir nur Mühe
-gäbe!«
-
-Und Tom fühlte sich so glücklich, daß er zu pfeifen begann. Aber ich
-und Jim blieben still; und so brach Tom überrascht sein Pfeifen ab und
-sagte:
-
-»Höre mal, Huck Finn, siehst du’s immer noch nicht ein?«
-
-»Tom Sawyer,« antwortete ich, »ich möchte ’ne Frage an dich richten.«
-
-»Nur zu!« sagt er; und ich sehe, wie Jim ein ganz helles Gesicht macht
-und mächtig aufhorcht.
-
-»Wenn ich die Sache recht verstehe,« sag’ ich, »so kommt es bei dem
-ganzen Ding nur auf die Knöpfe und den Zapfen an -- der Rest ist
-Nebensache. Ein Knopf sieht anders aus als ein Zapfen -- aber darauf
-kommt es wohl nicht an?«
-
-»Nein, darauf kommt es ganz und gar nicht an, wenn nur beiden dieselbe
-Kraft innewohnt.«
-
-»Schön! Was ist die Kraft, die ’ner Kerze und ’nem Streichholz
-innewohnt?«
-
-»Das Feuer.«
-
-»Diese Kraft ist also in beiden die gleiche?«
-
-»Ja, ganz genau die gleiche in beiden.«
-
-»Schön! Angenommen, ich zünde mit einem Streichholz ’ne
-Tischlerwerkstatt an -- was wird damit passieren?«
-
-»Sie wird aufbrennen.«
-
-»Und angenommen, ich zünde mit ’ner Kerze diese Pyramide an -- wird
-sie auch aufbrennen?«
-
-»Natürlich nicht!«
-
-»Schön! Nun ist aber doch beidemale das Feuer das gleiche. _Warum_
-brennt denn also die Tischlerwerkstatt, und die Pyramide nicht?«
-
-»Weil die Pyramide nicht brennen _kann_.«
-
-»Aha! _Und ein Pferd kann nicht fliegen!!!_«
-
-»O du meine liebe Heiland! Da haben Huck ihm _wieder_! Diesmal haben
-Huck ihm richtig auf die Sand gesetzt -- Junge, Junge! Un ...«
-
-Aber Jim mußte so furchtbar lachen, daß er beinahe erstickte und
-nicht weiter sprechen konnte, und Tom fuhr beinahe aus der Haut,
-als er sah, wie elegant ich ihn abgeführt hatte, indem ich seine
-eigene Beweisführung gegen ihn wandte und sie in Stückchen und Fetzen
-zerpflückte. Und er wußte nichts weiter zu sagen, als daß er jedesmal,
-wenn er Jim oder mich disputieren hörte, sich des Menschengeschlechts
-schämte. Ich sagte gar nichts mehr, aber ich war innerlich sehr mit mir
-zufrieden. Wenn ich jemandem auf solche Weise heimgeleuchtet habe, so
-ist es nicht meine Art ’rumzugehen und zu krähen, wie’s manche Leute
-machen, denn ich glaube, wenn er an meiner Stelle wäre, so wär’s mir
-auch nicht angenehm, wenn er über mich krähte. Es ist besser, man ist
-edel und hochherzig -- das ist _meine_ Meinung.
-
-
-
-
-Dreizehntes Kapitel.
-
-
-Nach einem Weilchen ließen wir Jim im Luftschiff allein in der Nähe
-der Pyramiden herumgondeln und wir selber kletterten bis zu dem Loch
-hinunter, durch das man in den engen Gang kommt. Wir nahmen einige
-Araber und Kerzen mit, und mitten in der Pyramide da fanden wir
-ein Gemach und einen großen Steinkasten drin, worin sie den König
-aufbewahrt hatten -- genau wie der Mann in der Sonntagsschule es uns
-erzählte. Aber er war jetzt nicht mehr da; irgend einer hatte ihn
-mitgenommen. Ich hatte aber kein rechtes Vergnügen in dieser Kammer,
-denn es konnten ja natürlich Geister drin hausen -- wenn auch gerade
-keine neuen, aber ich mag mit Geistern überhaupt nichts zu tun haben.
-
-Wir gingen also wieder hinaus und mieteten uns ein paar kleine Esel und
-ritten ein Stück; dann fuhren wir ein Stück in ’nem Boot auf dem Nil,
-dann ritten wir wieder auf Eseln und so kamen wir nach Kairo. Und der
-ganze Weg war so wunderschön glatt und eben, wie ich nur je in meinem
-Leben einen Weg gesehen habe; auf beiden Seiten der Straße wuchsen
-große Dattelpalmen, und überall krochen nackte Kinder herum und die
-Menschen waren so rot wie Kupfer und feingebaut, kräftig und schön. Und
-die Stadt war ’ne Sehenswürdigkeit. Diese engen Straßen -- es waren
-wahrhaftig nur Gäßchen -- dicht gefüllt mit beturbanten Männern und
-verschleierten Weibern und alles in hellen, bunten Gewändern! Und man
-wunderte sich, wie die Kamele und Menschen in solchen engen Gäßchen
-beieinander vorbeikommen konnten -- aber es ging. Aber zusammenpressen
-mußten sie sich wie Pökelheringe und dabei machten sie alle einen
-Heidenlärm. Die Läden waren nicht so groß, daß man in sie hineingehen
-konnte, aber das war auch gar nicht nötig: der Verkäufer saß mit
-übergeschlagenen Beinen nach Schneiderart auf seinem Ladentisch,
-rauchte seine lange Pfeife mit dem Schlangenschlauch und hatte all
-seine Sachen in Reichweite um sich herum.
-
-Ab und zu sauste ein Würdenträger in einer Kutsche vorbei;
-buntaufgeputzte Männer liefen laut rufend vor dem Wagen her und
-schlugen jeden, der nicht schnell auswich, mit einem langen Stecken.
-Nach einer Weile kam sogar der Sultan zu Pferde an der Spitze einer
-Prozession geritten und uns blieb beinahe der Atem stocken, als wir
-seine glänzenden Kleider sahen. Jeder warf sich platt auf die Erde
-nieder und blieb auf dem Bauch liegen, bis er vorüber war. Ich vergaß
-es, mich hinzuwerfen, aber da war einer, der mir daran zu denken half.
-Es war einer von denen, die mit ’nem langen Stecken vorausliefen.
-
-Kirchen waren auch da, aber die Leute da sind noch zu dumm, um den
-Sonntag zu heiligen; sie heiligen den Freitag und schänden den Sabbath.
-Wenn man hineingeht, muß man die Schuhe abziehen. Ganze Haufen von
-Männern und Knaben waren in der Kirche, hockten in Gruppen auf dem
-Fußboden und machten einen endlosen Spektakel -- Tom sagte, sie
-lernten was aus dem Koran auswendig, den sie für ’ne Bibel halten.
-Ich hatte in meinem Leben nicht so ’ne große Kirche gesehen; sie
-war ganz fürchterlich hoch, so daß einem schwindlig wurde, wenn man
-hinaufschaute; unsere Stadtkirche zu Hause ist gar nichts dagegen; man
-könnte sie in diese hineinstellen und die Leute würden denken, sie sei
-’ne Putzwarenschachtel.
-
-Was ich am meisten zu sehen wünschte, das war ein Derwisch, denn
-für Derwische interessierte ich mich wegen ihres Kollegen, der dem
-Kameltreiber den bösen Streich gespielt hatte. Wir fanden denn auch
-einen ganzen Haufen von ihnen in ’ner Kirche, und sie nannten sich
-Tanz-Derwische. Und tanzen taten sie, das muß ich sagen. So was hatte
-ich in meinem Leben nicht gesehen! Sie hatten zuckerhutförmige Mützen
-auf und leinene Unterröcke an, und sie wirbelten und wirbelten und
-wirbelten herum wie Kreisel und die Röcke standen ganz schräg von ihnen
-ab; es war riesig nett anzusehen, und ich wurde vom Hingucken wie
-betrunken. Sie waren alle Moslim, wie Tom mir erzählte, und als ich
-ihn fragte, was ein Moslim sei, da sagte er, das wäre einer, der nicht
-Presbyterianer wäre. Dann gibt’s also in Missouri sehr viele Moslim,
-obwohl ich davon bisher nichts wußte.
-
-Wir sahen uns nicht die Hälfte von den Sehenswürdigkeiten von Kairo
-an, weil Tom so wild darauf versessen war, Oertlichkeiten aufzusuchen,
-die in der Weltgeschichte berühmt geworden sind. Wir hatten eine
-abscheuliche Mühe, den Speicher aufzufinden, worin Joseph vor der
-Hungersnot das Korn aufgespeichert hatte, und als wir ihn endlich
-fanden, war eigentlich gar nichts daran zu sehen, denn es war bloß ein
-altes, verfallenes Gerümpel. Aber Tom war sehr befriedigt und machte
-mehr Redensarten darüber, als ich Worte sagen würde, wenn ich mir
-’nen Nagel in den Fuß getreten hätte. Wie er die Scheuer überhaupt
-herausfand, das ging über meinen Horizont; denn wir waren bei mehr als
-vierzig ganz gleichen schon vorbeigekommen und ich wäre mit jeder von
-diesen Scheunen zufrieden gewesen, aber er mußte natürlich durchaus
-die echte haben -- anders tat er’s nicht. Ich habe nie einen Menschen
-gesehen, der in dieser Beziehung so heikel war wie Tom Sawyer. Sowie
-er die richtige sah, erkannte er sie sofort, so leicht wie ich mein
-anderes Hemd erkennen würde (wenn ich eins hätte), aber wie er das
-machte, das vermochte er mir so wenig zu erklären, wie er fliegen
-konnte. So sagte er selber.
-
-Als wir zurück kamen, landete Jim, und wir stiegen ein. Bei dieser
-Gelegenheit lernten wir einen jungen Mann kennen mit ’nem roten
-betroddelten Fez und einer schönen seidenen Jacke und Sackhosen, mit
-’nem Tuch um den Bauch und mit Pistolen in diesem Tuch. Er konnte
-englisch sprechen und bat uns, wir möchten ihn als Führer annehmen;
-er wollte uns nach Mekka und Medina und Zentralafrika und überallhin
-bringen und verlangte nur einen halben Dollar täglich nebst freier
-Verköstigung. Wir nahmen ihn an und fuhren mit voller Schnelligkeit
-los, und als wir mit unserem Mittagessen fertig waren, da schwebten wir
-gerade über der Stelle, wo die Israeliten durch das Rote Meer gezogen
-waren und wo Pharao sie eingeholt hatte und von den Gewässern ereilt
-wurde. Da machten wir denn natürlich Halt und guckten uns die Stelle
-ganz in aller Ruhe an, und Jim hatte seine Freude dran, sie zu sehen.
-
-Hierauf fuhren wir weiter, so schnell wir konnten, und segelten um den
-Berg Sinai herum und sahen die Stellen, wo Moses die steinernen Tafeln
-zerbrach, und wo die Kinder Israels in der Ebene lagerten und das
-goldene Kalb anbeteten, und es war alles ungeheuer interessant und der
-Führer kannte jedes Plätzchen so genau, wie ich bei uns zu Hause im Ort
-Bescheid weiß.
-
-Aber jetzt hatten wir einen Unfall, und der hemmte alle unsere Pläne.
-Toms alte ordinäre Maiskolbenpfeife war so alt und aufgeschwollen und
-krumm geworden, daß sie trotz allen Schnüren und Bindfäden, die er
-herumwickelte, nicht mehr zusammenhalten wollte, sondern in Stücke
-zerfiel. Tom wußte nun gar nicht, was er jetzt anfangen sollte. Des
-Professors Pfeife konnte ihm nichts nützen, denn die war bloß von
-Meerschaum; und jeder, der sich mal an Maiskolbenpfeifen gewöhnt hat,
-der weiß, daß sie himmelhoch über allen anderen Pfeifen der Welt
-stehen, und so einer läßt sich nicht dazu kriegen, ’ne andere Pfeife
-zu rauchen. Meine wollte Tom nicht nehmen, so sehr ich ihn auch zu
-überreden versuchte. So saß er denn da in der Patsche.
-
-Er überlegte den Fall und sagte, wir müßten ’ne Rundfahrt machen und
-versuchen, ob wir nicht in Aegypten oder Arabien oder daherum eine
-auftreiben könnten, aber der Führer sagte, das hätte keinen Zweck,
-denn solche Pfeifen hätte man da nicht. Tom saß eine Weile recht
-verdrießlich da, plötzlich aber hellte sich sein Gesicht auf und er
-sagte, er hätte ’ne Idee und wüßte jetzt, wie die Sache gemacht werden
-müßte. Nämlich:
-
-»Ich habe noch ’ne andere Maiskolbenpfeife, sogar ’ne ganz
-ausgezeichnete und beinahe neue. Sie liegt auf dem Wandbrettchen gerade
-über dem Küchenherd bei uns zu Hause. Jim -- du und der Führer, ihr
-fahrt hin und holt sie, und ich und Huck kampieren hier auf dem Berge
-Sinai, bis ihr wieder hier seid.«
-
-»Aber, Massa Tom, wir könnte nix finden die Städtchen. Ich könnten
-wohl die Pfeife finden, weil ich die Küche kennen tun, aber o du liebe
-Heiland: wir können niemals nix unser Stadt oder Sent Luis oder die
-andere Orte finden! Wir tun ja nix die Wegen kennen, Massa Tom!«
-
-Das war ’ne unbestreitbare Tatsache, und Tom wußte ’ne Minute lang
-nichts zu erwidern. Dann sagte er aber:
-
-»Hör’ mal zu: die Sache läßt sich trotz alledem machen, und ich will
-dir sagen, wie. Du nimmst die Richtung mit dem Kompaß und segelst
-gerade wie ein Pfeil immer westlich, bis du die Vereinigten Staaten
-findest. Ein Versehen ist dabei nicht möglich, denn es ist das erste
-Land, das du auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans antriffst.
-Wenn du bei Tage ankommst, so fährst du gleich weiter, direkt
-westlich vom oberen Teil der Küste von Florida und in eindreiviertel
-Stunden stößt du auf die Mündung des Mississippi -- wenn du mit der
-Geschwindigkeit fährst, die ich dir vorschreiben werde. Du wirst so
-hoch oben in der Luft sein, daß dir die Erde sehr gekrümmt vorkommen
-wird -- ungefähr wie ’ne umgestülpte Waschschüssel -- und du siehst
-da unten ’ne Menge Flüsse durcheinander krabbeln, lange schon, ehe
-du in die tieferen Luftschichten herunter kommst; den Mississippi
-wirst du ohne jede Schwierigkeit dazwischen herausfinden, denn er ist
-bei weitem der größte von ihnen. Dann folgst du in beinahe nördlicher
-Richtung dem Lauf des Flusses, eindreiviertel Stunden lang, bis du den
-Ohio einmünden siehst; nun mußt du anfangen scharf aufzupassen, weil
-du jetzt schon in die Nähe kommst. Zu deiner Linken aufwärts siehst
-du einen anderen Strom einmünden, das ist der Missouri, ein bißchen
-oberhalb der Stadt St. Louis. Du steigst dann noch tiefer herab,
-damit du während der Fahrt die kleinen Städte dir ansehen kannst.
-In den nächsten Viertelstunden wirst du ungefähr bei fünfundzwanzig
-vorbeikommen, und du wirst unser Städtchen erkennen, sobald du’s siehst
--- und wenn du’s nicht erkennst, so brauchst du bloß ’runterzurufen und
-zu fragen.«
-
-»Is das so leicht, Massa Tom, so denken ich, wir können es machen --
-jawoll, ich wissen, wir können.«
-
-Der Führer war ebenfalls davon überzeugt und meinte, er würde es in
-einer ganz kleinen Weile lernen, seine Wache zu halten.
-
-»Jim kann Euch die Geschichte in ’ner halben Stunde beibringen,« sagte
-Tom. »Der Luftballon ist so leicht zu handhaben wie ein Kanoe.«
-
-Dann holte Tom die Karte hervor, zeichnete den Kurs hin und maß den Weg
-aus und sagte:
-
-»Der westliche Weg ist der kürzeste, wie ihr seht. Es sind bloß
-etwa siebentausend Meilen. Wenn ihr östlich fahrt, so ist’s mehr
-als doppelt so weit.« Dann wandte er sich an den Führer und fuhr
-fort: »Ich wünschte, daß ihr alle beide während eurer Wache auf den
-Geschwindigkeitsanzeiger acht gebt, und wenn er nicht dreihundert
-Meilen in der Stunde angibt, so steigt ihr höher oder tiefer, bis ihr
-eine Orkanströmung findet, die in eurer Richtung weht. Der alte Kasten
-hier macht seine hundert Meilen in der Stunde, ohne daß man überhaupt
-den Wind zu Hilfe zu nehmen braucht. Zweihundert-Meilen-Stürme findet
-ihr, so oft ihr einen haben wollt. Manchmal werdet ihr ein paar Meilen
-hoch steigen müssen, und da oben wird es verflixt kalt sein; meistens
-aber werdet ihr euren Sturm ein gutes Stück tiefer finden. Wenn ihr
-nur ’nem Zyklon begegnen könntet -- das wär’ für euch ein gefundenes
-Fressen. Ihr werdet aus des Professors Büchern sehen, daß sie in diesen
-Breiten westlich ziehen, und noch dazu in geringer Höhe.«
-
-Hierauf rechnete Tom ein Weilchen und fuhr dann fort:
-
-»Siebentausend Meilen -- dreihundert Meilen in der Stunde -- ihr könnt
-die Spazierfahrt in einem Tag, also vierundzwanzig Stunden, machen.
-Heute haben wir Donnerstag; ihr werdet also Samstag nachmittag wieder
-hier sein. So, nun packt mir ein paar Decken, Lebensmittel, Bücher und
-dergleichen für mich und Huck aus, und dann könnt ihr gleich abfahren.
-Von Rumtrödeln mag ich nichts wissen -- ich muß meine Pfeife haben, und
-je schneller ihr sie mir bringt, desto besser.«
-
-Alle Mann halfen beim Auspacken; binnen acht Minuten lagen unsere
-Sachen draußen und der Ballon war segelfertig für Amerika. Wir
-schüttelten uns also zum Abschied die Hände und Tom gab seine letzten
-Befehle:
-
-»Jetzt ist es zehn Minuten vor zwei, Sinaizeit. In vierundzwanzig
-Stunden seid ihr zu Hause, das ist sechs Uhr früh nach dortiger
-Zeit. Ihr landet ein bißchen seitwärts vom Ort auf dem Gipfel des
-Hügels, im Walde, so daß man euch nicht sieht. Dann springst du in
-die Stadt, Jim, und steckst beim Posthaus diese Briefe in den Kasten,
-und wenn schon jemand auf den Beinen sein sollte, ziehst du dir
-den Schlapphut ins Gesicht; so wird man dich nicht erkennen. Dann
-schlüpfst du von hinten in unsere Küche hinein und nimmst die Pfeife
-und legst diesen Zettel auf den Küchentisch; leg’ irgend ’was drauf,
-damit er nicht ’runterfliegt. Dann schleiche dich hinaus und mach’
-dich dünne und lass’ ja nicht Tante Polly oder sonst jemand dich zu
-Gesicht kriegen. Lauf so schnell du kannst nach dem Ballon und sause
-mit Dreihundertmeilen-Geschwindigkeit nach dem Berg Sinai zurück. Du
-wirst dich nicht länger als ’ne Stunde aufzuhalten haben. Um sieben
-oder acht, heimatliche Ortszeit, wirst du wieder abfahren und bist
-in vierundzwanzig Stunden zurück, kommst also um zwei oder drei Uhr
-nachmittags, Sinaizeit, hier an.«
-
-Den Zettel las Tom uns vor. Er hatte darauf geschrieben:
-
- »_Donnerstag nachmittag._ Tom Sawyer, der Erronauter, sendet
- seiner Tante Polly herzliche Grüße vom Berge Sinai, wo die
- Arche war;[5] desgleichen Huck Finn; und sie wird den Zettel
- morgen früh um halb sieben kriegen.
-
- Tom Sawyer, Erronauter.«
-
- [5] Dieser Irrtum in Betreff der Arche ist wahrscheinlich nicht
- Tom, sondern Huck auf Rechnung zu setzen.
-
- M. T.
-
-»Da wird sie die Augen aufreißen und die Tränen werden ihr
-’rausschießen,« sagte Tom. Und dann:
-
-»Achtung! Eins -- zwei -- drei -- los!!«
-
-Und los segelte der Ballon! Wahrhaftig, in einer Sekunde war er aus
-unserem Gesichtskreis ’rausgewirbelt.
-
-Dann fanden wir eine sehr bequeme Höhle mit ’ner prachtvollen Aussicht
-über die ganze weite Ebene; und da biwakierten wir und warteten auf die
-Pfeife.
-
-Der Ballon kam pünktlich und heil zurück und brachte die Pfeife. Aber
-Tante Polly hatte Jim abgefaßt, als er sie aus der Küche holte, und nun
-kann sich wohl jeder denken, wie es weiter kam: Tom sollte nach Hause
-zurück. So sagte denn Jim:
-
-»Massa Tom, Tante Polly stehen vor die Haustür un haben ihr Aug oben an
-die Himmel, un sie sag’, sie rühren sich nix von den Fleck, bis Massa
-Tom wieder da sein. Das geben eine nasse Jahr, Massa Tom, warraftig!«
-
-So schoben wir denn ab nach Hause, und nicht gerade mit sehr lustigen
-Gefühlen.
-
-
-
-
-Tom, der kleine Detektiv.
-
-Von Huck Finn erzählt.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Erstes Kapitel.
-
-
-Ein Jahr war herum, seitdem Tom Sawyer und ich unsern alten Neger Jim
-befreit hatten, der auf der Farm von Toms Onkel Silas in Arkansas
-als fortgelaufener Sklave in Ketten gelegt worden war. Nun wurde es
-Frühling; der gefrorene Boden taute auf und mildere Lüfte wehten.
-Immer näher winkte die Zeit, wo man wieder barfuß gehen konnte; dann
-kam das Murmelspiel an die Reihe, später Kreisel und Reifen oder man
-ließ den Drachen steigen, und wenn es endlich Sommer geworden war
-ging’s zum schwimmen. Doch das lag unabsehbar fern, und der Gedanke,
-wie lange es noch dauern muß, bis der Sommer kommt, macht unsereinen
-ganz schwermütig. Dann schleicht so ein armer Junge trübselig umher;
-er seufzt und stöhnt und weiß nicht was ihm fehlt. Er sucht sich ein
-einsames Fleckchen hoch oben am Berghang, wo er weit hinausschauen
-kann, wie der große Mississippi sich um eine Landzunge nach der andern
-windet, bis er mit der dämmerigen Ferne verschwimmt. Alles ist so still
-und feierlich wie beim Begräbnis, und man wünscht, man wäre selber tot
-und begraben, damit das Erdenleid ein Ende hätte.
-
-Wißt ihr, wie die Krankheit heißt? Man nennt sie Frühlingsfieber. Und
-wenn sie einen befällt, hat man immerzu Herzweh, man weiß nicht wonach.
-Man möchte weit weg von dem ewigen Einerlei der alltäglichen Dinge,
-die einem zum Ueberdruß sind. Etwas Neues sehen und als Wanderer in
-fremde Länder ziehen, wo alles wunderschön, geheimnisvoll und noch nie
-dagewesen ist -- ja, danach sehnt man sich. Doch nimmt man allenfalls
-auch mit einer kleineren Wanderschaft fürlieb und ist froh, wenn man
-überhaupt fort kann.
-
-Also, wir beide litten stark am Frühlingsfieber, Tom Sawyer und ich.
-Aber es war gar keine Aussicht vorhanden, daß Tom etwa die Schule
-versäumen und über Land gehen durfte; seine Tante Polly hielt das
-für Zeitverschwendung und hätte es nie zugegeben. Recht mutlos und
-niedergeschlagen saßen wir eines Tages gegen Sonnenuntergang draußen
-auf den Steinstufen und bliesen Trübsal; da kam Tante Polly mit einem
-Brief in der Hand gegangen.
-
-»Tom,« sagte sie, »du wirst wohl dein Bündel schnüren müssen, um dich
-nach Arkansas auf den Weg zu machen -- Tante Sally verlangt nach dir.«
-
-Ich hätte vor Freude aus der Haut springen mögen und glaubte nicht
-anders, als daß Tom seiner Tante um den Hals fallen und sie halbtot
-herzen würde; aber er saß stockstill da und that keinen Mucks. Warum er
-nur solch ein Narr war, die herrliche Gelegenheit, die sich ihm bot,
-nicht beim Schopf zu fassen? Sie konnte ihm leicht entgehen, wenn er
-jetzt nicht bald den Mund aufthat und sagte, wie froh und dankbar er
-wäre. Ich war ganz außer mir und dem Weinen nahe, als er immer weiter
-lernte und lernte und zuletzt ganz gelassen sagte:
-
-»Es thut mir sehr leid, Tante, aber davon kann wirklich jetzt keine
-Rede sein!« -- Da hätt’ ich ihn totschießen können.
-
-Tante Polly war wie vor den Kopf geschlagen und so voll Zorn über die
-freche Antwort, daß sie eine ganze Minute lang sprachlos dastand und
-mir Zeit ließ, Tom einen Puff zu geben und ihm zuzuflüstern:
-
-»Bist du denn übergeschnappt? Wie kannst du ein solches Glück wegwerfen
-und mit Füßen treten?«
-
-Aber das machte ihm keinen Eindruck. »Schweig still, Huck Finn,«
-brummte er, »soll sie’s etwa merken, daß ich für mein Leben gern hin
-möchte? Gleich würden ihr tausend Zweifel kommen -- lauter eingebildete
-Krankheiten, Gefahren und Hindernisse. Im Handumkehren hätte sie die
-Erlaubnis zurückgenommen. Laß mich nur machen, ich weiß schon, wie man
-sie behandeln muß.«
-
-Na, so was wäre mir nie eingefallen; aber Tom hatte recht, wie immer.
-Ein Schlaukopf erster Sorte und nie unbesonnen -- der läßt sich nicht
-verblüffen. Jetzt hatte Tante Polly sich vom Schreck erholt, und nun
-ging’s los:
-
-»So -- davon kann nicht die Rede sein? Hat man je so was gehört! Und
-das sagst du mir ins Gesicht? -- Auf der Stelle gehst du hinauf und
-packst deine Siebensachen. Kein Wort mehr, das bitt’ ich mir aus --
-sonst setzt’s Hiebe.«
-
-Sie gab ihm noch eine Kopfnuß mit dem Fingerhut als wir uns duckten
-und rasch an ihr vorbeiliefen. Tom fing an zu flennen und wir sprangen
-die Treppe hinauf. Oben in seinem Zimmer fiel er mir um den Hals und
-war wie wahnsinnig vor Freude, weil’s nun auf die Reise ging.
-
-»Sie wird’s bald bereuen, daß sie mich fortgelassen hat,« sagte er.
-»Aber nun weiß sie keinen Ausweg und kann’s nicht wieder rückgängig
-machen, dazu ist sie viel zu stolz.«
-
-In zehn Minuten war Tom mit packen fertig, bis auf das, was seine Tante
-und Mary an Sachen dazu thun würden; dann wartete er noch zehn Minuten,
-damit sich ihr Zorn abkühlen und sie wieder sanft und freundlich werden
-sollte. »Wenn sie nur halb aus dem Häuschen ist,« sagte er, »braucht
-sie zehn Minuten sich zu erholen; habe ich sie aber ganz wild gemacht,
-dann dauert es zwanzig Minuten, und das ist jetzt so ein Fall.« Nun
-gingen wir rasch hinunter, weil wir vor Neugierde brannten zu hören,
-was Tante Sally eigentlich geschrieben hatte.
-
-Der Brief lag auf Tante Pollys Schoß und sie saß ganz in Gedanken
-versunken da. Als wir Platz genommen hatten, sagte sie:
-
-»Unsere Leute dort unten sind in großer Trübsal; sie hoffen, ihr werdet
-sie zerstreuen, du und Huck Finn, und ein rechter Trost für sie sein.
-Na, ihr beide seid mir ein paar nette Tröster! -- Die Sache ist nämlich
-so: Ein Nachbar von ihnen, Brace Dunlap, hat vor drei Monaten um die
-Hand ihrer Benny angehalten. Sie haben lange mit der Antwort gezögert
-und ihm endlich geradeheraus erklärt, daß aus der Heirat nichts werden
-könnte. Das hat er ihnen sehr übel genommen, und nun machen sie sich
-Kummer darüber. Mir scheint, sie wollen’s nicht ganz mit dem Nachbar
-verderben, denn um ihn zu versöhnen haben sie seinen nichtsnutzigen
-Bruder als Gehilfen auf der Farm in Dienst genommen, obgleich ihre
-Mittel das kaum erlauben und der Mensch ihnen so wie so nur im Wege
-ist. Wer sind denn diese Dunlaps?«
-
-»Sie wohnen etwa eine Meile von Onkel Silas’ Besitzung, Tante -- alle
-Farmen dort in der Gegend sind gleich weit von einander entfernt. Brace
-Dunlap ist viel reicher als die andern Nachbarn und hat einen ganzen
-Haufen Neger. Er ist ein kinderloser Witwer, sechsunddreißig Jahre alt,
-dabei sehr stolz und hochfahrend, so daß alle Welt vor ihm zu Kreuze
-kriecht. Vermutlich hat er gedacht, er brauchte nur bei irgend einem
-Mädchen anzuklopfen, das er zur Frau wollte; es wird ihn nicht wenig
-gewundert haben, daß er Benny nicht bekommen kann. Sie ist nur halb
-so alt wie er und das süßeste, reizendste -- -- na, du kennst Benny
-ja selbst. Mir thut nur der arme alte Onkel Silas leid, der sich aufs
-äußerste einschränken muß und einen Thunichtgut wie den Jupiter Dunlap
-in Dienst nimmt, bloß um seinem hochnasigen Bruder einen Gefallen zu
-thun.«
-
-»Ist das ein Name -- Jupiter! Wo hat er den her?«
-
-»Es ist nur ein Spitzname; wie er eigentlich heißt, weiß wohl kein
-Mensch mehr. Man nennt ihn schon siebenundzwanzig Jahre lang so,
-seit er zum erstenmal baden ging. Da sieht der Schulmeister, daß er
-am linken Bein über dem Knie ein rundes braunes Mal hat, so groß wie
-ein Zehnpfennigstück und vier kleinere Mäler drum herum und sagt, es
-erinnere ihn an Jupiter und seine Monde. Den Kindern kam das komisch
-vor, sie fingen an ihn Jupiter zu nennen, und der Name ist ihm
-geblieben bis auf den heutigen Tag. Er ist groß und faul, verschmitzt,
-hinterhältig und feige, dabei aber doch wieder gutmütig. Keinen roten
-Heller nennt er sein eigen; Brace giebt ihm das Gnadenbrot und seine
-abgelegten Kleider, auch seine Verachtung obendrein. Jupiter trägt
-langes Haar, aber keinen Bart; er ist ein Zwilling.«
-
-»So? Wie sieht denn der andere Zwillingsbruder aus?«
-
-»Man sagt, er gleicht Jupiter auf ein Haar; wenigstens früher -- jetzt
-hat man ihn seit sieben Jahren nicht gesehen. Als er neunzehn oder
-zwanzig Jahre alt war, wurde er bei einem Einbruchsdiebstahl ertappt
-und ins Gefängnis gesteckt. Aber er entkam nach dem Norden und beging
-bald hier bald dort Raub oder Diebstahl; doch das ist lange her. Jetzt
-ist er tot; das heißt, die Leute behaupten es -- man hört eben nichts
-mehr von ihm.«
-
-»Wie hieß denn der?«
-
-»Jack.«
-
-Es entstand eine Pause; die alte Dame war offenbar mit ihren Gedanken
-beschäftigt. Endlich sagte sie:
-
-»Am meisten macht sich Tante Sally Sorge darüber, daß der Onkel immer
-in so furchtbaren Zorn gerät über diesen Jupiter.«
-
-»Was,« rief Tom verwundert, »Onkel Silas? Das ist wohl nur ein Scherz
--- der kann ja gar nicht zornig werden!«
-
-»Die Tante schreibt, er wird oft so wütend, daß sie immer fürchtet, er
-könnte sich thätlich an dem Mann vergreifen.«
-
-»Da hört aber alles auf! -- Onkel ist ja so sanft wie ein Lamm.«
-
-»Er soll wie ausgewechselt sein durch das ewige Zanken und Streiten.
-Die Nachbarn reden schon darüber und schieben alle Schuld auf den
-Onkel, weil er ein Prediger ist und Frieden halten müßte. Tante Sally
-sagt, er schämt sich ordentlich, auf die Kanzel zu steigen; auch hat
-die Gemeinde das Vertrauen zu ihm verloren und er ist gar nicht mehr so
-beliebt wie früher.«
-
-»Wie sonderbar! Onkel war doch immer so sanft und freundlich, so
-zerstreut, so träumerisch, so voller Einfalt und Herzensgüte, kurz ein
-wahrer Engel. Wie kann das nur zugegangen sein?«
-
-
-
-
-Zweites Kapitel.
-
-
-Wir hatten riesiges Glück. Auf einem Raddampfer, der vom Norden gerade
-nach der Sumpfgegend von Louisiana steuerte, kamen wir den ganzen
-Mississippi bis zur Farm in Arkansas hinunter und brauchten nicht
-einmal in St. Louis das Boot zu wechseln. Eine Fahrt von fast tausend
-Meilen in einem Zug.
-
-Man fühlte sich recht einsam auf dem Dampfer, denn die wenigen
-Passagiere waren alte Männer, die weit von einander auf Deck saßen
-und schliefen oder sich still verhielten. Vier Tage dauerte die Fahrt
-auf dem Oberen Mississippi, weil wir so oft auf den Grund gerieten,
-aber langweilig fanden wir Jungen es gar nicht -- wie kann man sich
-langweilen, wenn man auf Reisen ist! --
-
-Gleich nach der Abfahrt hatten Tom und ich herausgebracht, daß in der
-Kajüte neben unserer jemand krank liegen müsse, weil das Essen immer
-hineingetragen wurde. Wir erkundigten uns danach, und der Kellner
-sagte, der Mann da drinnen sähe gar nicht krank aus.
-
-»Aber, er muß doch krank sein.«
-
-»Wohl möglich -- ich weiß nicht -- mir scheint, er stellt sich nur an.«
-
-»Woher glaubt Ihr das?«
-
-»Na, wenn er krank wäre, würde er sich doch mal ausziehen, aber das
-thut er nicht. Wenigstens seine Stiefel behält er immer an.«
-
-»Ist das möglich? Auch wenn er zu Bett geht?«
-
-»Auch dann.«
-
-Ein Geheimnis! Das war Wasser auf Toms Mühle.
-
-»Wie heißt denn der Mann?«
-
-»Phillips; in Alexandria ist er an Bord gekommen.«
-
-»Und hat er noch andere Eigenheiten?«
-
-»Nein -- nur schrecklich ängstlich ist er. Tag und Nacht hält er seine
-Thür verschlossen, und wenn man klopft macht er nur ein Ritzchen auf
-und guckt erst wer da ist.«
-
-»Wahrhaftig, den möchte ich gern zu sehen bekommen. Sagt mal -- könntet
-Ihr nicht die Thür weit aufmachen, wenn Ihr wieder hineingeht, so
-daß -- --«
-
-»Bewahre. Das würde auch wenig nützen. Er stellt sich immer hinter die
-Thür.«
-
-Tom dachte eine Weile nach.
-
-»Wißt Ihr was? Gebt mir Eure Schürze und laßt mich morgen das Frühstück
-hineintragen. Ihr bekommt auch einen Vierteldollar.«
-
-Der Kellner war es zufrieden, wenn der Oberkellner nichts dagegen hätte.
-
-»Mit dem will ich’s schon abmachen,« sagte Tom. Und richtig, am
-nächsten Morgen hatten wir jeder eine Schürze um und trugen die Speisen
-hinein.
-
-Tom hatte die ganze Nacht wach gelegen und sich den Kopf zerbrochen
-über Phillips und sein Geheimnis. Das war verlorene Mühe nach meiner
-Ansicht; viel besser, wir kamen selbst dahinter wie die Sachen wirklich
-standen, statt uns erst allerlei Falsches auszudenken. »Ich kann’s ja
-abwarten,« dachte ich und ließ mich im Schlaf nicht stören.
-
-Als Tom morgens an die Thür klopfte, guckte der Mann durch die Spalte,
-ließ uns herein und schloß rasch hinter uns zu. Aber, Donnerwetter --
-als wir ihn ansahen, hätten wir vor Schreck fast die Kaffeebretter
-fallen lassen.
-
-»Du meine Güte -- Jupiter Dunlap -- wo kommt Ihr denn her?« rief Tom.
-
-Natürlich war der Mann überrascht und zuerst sah er aus als ob er
-nicht wüßte, sollte er sich fürchten oder freuen. Er war ganz bleich
-geworden, doch bald bekam er wieder Farbe im Gesicht und fing an mit
-uns zu plaudern, während er sein Frühstück aß.
-
-Nach einer Weile sagte er: »Ich bin gar nicht Jupiter Dunlap; doch
-heiß’ ich auch nicht Phillips. Wenn ihr schwören wollt reinen Mund zu
-halten, will ich euch offenbaren wer ich bin.«
-
-»Wir verraten nichts,« rief Tom; »aber wenn Ihr nicht Jupiter Dunlap
-seid, braucht Ihr mir Euern Namen nicht erst zu sagen.«
-
-»Wieso?«
-
-»Weil Ihr ihm gleicht wie ein Ei dem andern. Ihr seid sein
-Zwillingsbruder Jack.«
-
-»Da kannst du recht haben. Aber, sag’ mal, Junge, woher kennst du uns
-denn alle beide?«
-
-Nun erzählte ihm Tom, was wir im vergangenen Sommer für Abenteuer auf
-Onkel Silas’ Farm erlebt hatten. Als er hörte, daß wir alle seine
-Familienverhältnisse und seine eigene Lebensgeschichte kannten, wurde
-er ganz offenherzig und mitteilsam. Er sagte, er wäre von jeher ein
-Thunichtgut gewesen, auch jetzt sei er ein schlechter Kerl und
-würde wohl sein Lebtag ein Taugenichts bleiben. Freilich sei es ein
-gefährliches Ding und -- --
-
-Er brach plötzlich ab und hielt die Hand ans Ohr um zu lauschen. Wir
-sprachen kein Wort; ein paar Sekunden blieb alles mäuschenstill. Man
-hörte nichts als das Knarren des Holzwerks und das Bumbum der Maschine
-im Schiffsraum.
-
-Um ihn zu beruhigen fingen wir an, ihm allerlei von seiner Familie zu
-berichten: daß Brace seine Frau vor drei Jahren verloren hätte und als
-er Benny heiraten wollte von ihr einen Korb bekommen habe, daß Jupiter
-bei Onkel Silas in Arbeit stehe, der immer in Streit mit ihm sei, und
-dergleichen mehr. Auf einmal lachte er laut auf.
-
-»Jungens,« rief er, »euer Geplapper versetzt mich ganz in alte Zeiten
-zurück; mir wird ordentlich wohl dabei. Seit länger als sieben Jahren
-hab’ ich so was nicht mit angehört. Was spricht man denn aber von mir
-in der Nachbarschaft?«
-
-»Von Euch spricht man schon lange nicht mehr; höchstens alle Jubeljahr
-wird Euer Name einmal erwähnt.«
-
-»Ist’s möglich! Und wie kommt denn das?«
-
-»Weil man Euch für längst gestorben hält.«
-
-»Wirklich? Sprichst du auch die Wahrheit?« Er war in großer Erregung
-aufgesprungen.
-
-»Mein Wort zum Pfande. Kein Mensch glaubt, daß Ihr noch am Leben seid.«
-
-»Hurra, dann bin ich gerettet! Ich kann mich nach Hause wagen. Gewiß
-werden mir meine Verwandten beistehen und mich verbergen. Nicht wahr,
-ihr haltet reinen Mund! Schwört mir’s noch einmal. Schwört, daß ihr
-mich nun und nimmermehr verraten werdet. Jungens, habt Erbarmen mit mir
-armem Teufel, der Tag und Nacht keine Ruhe findet und sich nirgends
-sehen lassen darf. Ich hab’ euch nie etwas zuleide gethan und meine
-es nur gut mit euch, so wahr Gott im Himmel ist. Schwört, daß ihr
-schweigen wollt, und rettet mir das Leben.«
-
-Natürlich thaten wir ihm den Willen und leisteten den Schwur. Er dankte
-uns von ganzem Herzen, der arme Kerl, ich glaube, er hätte uns am
-liebsten umarmt und geküßt.
-
-Wir plauderten noch lange zusammen; dann holte er einen kleinen
-Reisesack herbei, öffnete ihn und bat, wir möchten nicht hinsehen. Wir
-drehten ihm den Rücken, und als wir uns wieder umwenden durften, war
-er ganz und gar verändert. Er hatte eine blaue Brille auf und einen
-langen braunen Knebel- und Schnauzbart, der ihm sehr natürlich zu
-Gesicht stand. Seine eigene Mutter hätte ihn nicht wiedererkannt. »Sehe
-ich jetzt noch meinem Bruder Jupiter ähnlich?« fragte er.
-
-»Nein,« sagte Tom, »nichts erinnert mehr an ihn, außer Euer langes
-Haar.«
-
-»Das lasse ich mir kurz scheren, ehe ich nach Hause komme. Er und Brace
-werden mein Geheimnis bewahren und ich kann als Fremder bei ihnen
-wohnen, ohne daß die Nachbarn Argwohn schöpfen. Wie gefällt euch mein
-Plan?«
-
-Tom dachte eine Weile nach, dann sagte er:
-
-»Huck und ich, wir werden natürlich kein Wort verraten, aber wenn Ihr
-nicht selber schweigt, so lauft Ihr doch Gefahr, erkannt zu werden.
-Es würde den Leuten auffallen, daß Eure Stimme genau so klingt,
-wie die von Jupiter, und dann erinnern sie sich vielleicht an den
-Zwillingsbruder, den sie für tot gehalten haben und der sich die ganze
-Zeit unter einem falschen Namen verborgen haben kann.«
-
-»Alle Wetter, bist du klug!« rief er; »aber recht hast du. Ich muß mich
-taubstumm stellen, sobald ein Nachbar in meine Nähe kommt. Es hätte
-eine schöne Geschichte gegeben, wäre mir das nicht eingefallen. Aber
-ich wollte ja eigentlich gar nicht nach Hause, sondern nur an irgend
-einen Ort, wo ich vor den Burschen sicher bin, die mich verfolgen.
-Dann dachte ich den Bart und die Brille anzulegen, auch andere Kleider
-und -- --«
-
-Mit einmal lief er nach der Thür, hielt das Ohr daran und horchte. Er
-war bleich geworden und sein Atem flog.
-
-»Es klang ganz als würde der Hahn einer Flinte gespannt,« flüsterte er.
-»Herr des Himmels, ist das ein erbärmliches Leben!« Matt und kraftlos
-sank er auf einen Stuhl und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
-
-
-
-
-Drittes Kapitel.
-
-
-Von da ab waren wir fast immer bei ihm; meist schlief einer von uns in
-seiner obern Koje. Er hatte sich so schrecklich einsam gefühlt und es
-war ihm ein Trost in seiner Not, jemand um sich zu haben, mit dem er
-reden konnte. Wir brannten natürlich vor Neugier, hinter das Geheimnis
-zu kommen; aber Tom sagte, wir sollten uns ja nichts merken lassen,
-dann würde er einmal ganz von selbst anfangen davon zu sprechen.
-Wollten wir ihn ausfragen, so würde er gleich Argwohn schöpfen und
-verschwiegen sein wie eine Auster. Es traf auch genau so ein. Daß er
-uns alles gern erzählt hätte, merkte man ihm leicht an, aber jedesmal
-wenn wir dachten: jetzt kommt’s! überfiel ihn die Angst und er lenkte
-das Gespräch auf etwas anderes. Wir erfuhren’s aber doch noch, und
-das ging so zu: Er hatte angefangen, uns in scheinbar gleichgültigem
-Ton nach den Passagieren im Zwischendeck zu fragen, die heraufkamen,
-um sich am Schenktisch Branntwein zu kaufen; wir versuchten sie zu
-beschreiben, aber das genügte ihm nicht, er wollte alle Einzelheiten
-wissen. Tom gab sich die größte Mühe und als er bei der Schilderung
-eines der rohesten und zerlumptesten Kerle angekommen war, fuhr Jack
-Dunlap schaudernd zusammen.
-
-»O Jemine, das ist einer von ihnen! Sie sind wahrhaftig an Bord --
-dachte ich mir’s doch! Ich hoffte, ich wäre ihnen entwischt, aber
-zweifelhaft war mir’s immer. Nur weiter!«
-
-Als Tom nun noch einen andern groben und schäbigen
-Zwischendecks-Passagier beschrieb, ward Dunlap schreckensbleich. »O
-weh, das ist der zweite, was fang’ ich nur an? Hätten wir doch eine
-stürmische pechfinstere Nacht und ich könnte das Ufer erreichen.
-Aber sie haben gewiß jemand bestochen, den Stiefelputzer oder den
-Kofferträger, um mich zu bewachen. Gelänge es mir auch unbemerkt
-fortzukommen, so würde keine Stunde vergehen, bis sie es wüßten.«
-
-Unruhig ging er auf und ab. Es dauerte gar nicht lange, da fing er an
-zu erzählen, wie es ihm bald gut bald schlecht ergangen sei, und ehe
-wir’s uns versahen, kam er ins rechte Fahrwasser.
-
-»Wir hatten alles genau verabredet,« sagte er. »Es handelte sich
-um zwei wunderschöne Diamanten, so groß wie Haselnüsse, in einem
-Juwelierladen zu St. Louis, die von jedermann bewundert wurden. Wir
-zogen feine Kleider an und spielten den Streich bei hellem Tage. Die
-Diamanten ließen wir uns ins Hotel kommen, als ob wir sie kaufen
-wollten, wenn sie uns gefielen, und schickten dem Juwelier statt dessen
-zwei Glaspasten, die wir in Bereitschaft gehalten hatten, mit dem
-Bescheid zurück, die Diamanten seien nicht vom reinsten Wasser und wir
-fänden den Preis von zwölftausend Dollars zu hoch.«
-
-»Zwölf -- tausend -- Dollars!« rief Tom. »Waren sie denn wirklich so
-viel Geld wert?«
-
-»Keinen Cent weniger.«
-
-»Und ihr habt euch damit aus dem Staube gemacht?«
-
-»Ohne alles weitere. Der Juwelier weiß vielleicht heutigen Tages
-noch nicht, daß er bestohlen worden ist. Aber wir hielten es doch
-für unklug, in St. Louis zu bleiben. Wir überlegten hin und her und
-beschlossen nach dem Obern Mississippi zu reisen. Vorher aber wickelten
-wir die Diamanten in ein Papier, schrieben unsere Namen darauf und
-übergaben das Päckchen dem Hoteldiener mit der Anweisung, es keinem
-von uns wieder einzuhändigen, wenn nicht die beiden andern als Zeugen
-zugegen wären. Dann machten wir einen Gang in die Stadt, aber jeder für
-sich allein; ich glaube, wir hatten alle den gleichen Plan, obgleich
-ich es nicht gewiß behaupten will.«
-
-»Welchen Plan?« fragte Tom.
-
-»Die andern zu berauben.«
-
-»Was -- einer sollte alles nehmen, nachdem er es erst mit Hilfe der
-andern bekommen hatte?«
-
-»So meine ich’s.«
-
-Tom war ganz empört darüber; er sagte, es wäre der schändlichste,
-niederträchtigste Streich, von dem er je gehört hätte. Aber Jack Dunlap
-versicherte ihm, daß es in seiner Zunft nichts Ungewöhnliches sei.
-Wer sich einmal diesem Beruf gewidmet hätte, müßte selber auf seinen
-Vorteil bedacht sein, weil kein anderer Mensch das für ihn besorgen
-würde. Dann fuhr er in seinem Bericht fort:
-
-»Es war natürlich schwierig, zwei Diamanten unter drei Leute zu teilen,
-das werdet ihr wohl einsehen. Hätten wir drei Diamanten gehabt, ja dann
--- -- Aber, wozu noch weiter darüber reden; mehr als zwei waren es nun
-einmal nicht. So trieb ich mich denn in den Hintergassen umher und
-dachte nach, wie ich es wohl anstellen könnte, der Diamanten habhaft zu
-werden. War mir dies geglückt, dann wollte ich mich so verkleiden, daß
-mich niemand erkennen sollte, und auf und davon gehen. Ich kaufte mir
-zu diesem Zweck den falschen Bart, die blaue Brille und den bäuerischen
-Anzug, in dem ihr mich hier seht, und that alles in einen Reisesack,
-den ich mitgenommen hatte. Als ich vor einem Laden vorbeikam, in dem
-allerlei Waren feilgeboten wurden, sah ich durchs Fenster. Drinnen
-stand Bud Dixon, einer von meinen Spießgesellen. ›Ich will doch mal
-sehen, was der kauft,‹ dachte ich bei mir und verbarg mich, beobachtete
-aber alles genau. Na, was glaubt ihr wohl, daß er gekauft hat? -- Doch
-das ratet ihr euer Lebtag nicht, Jungens. Nichts als einen winzig
-kleinen Schraubenzieher.«
-
-»Wie sonderbar. Was wollte er denn damit?«
-
-»Das fragte ich mich auch. Ich zerbrach mir den Kopf, konnte aber nicht
-ins reine kommen. Bei einem Trödler erstand er nun noch ein rotes
-Flanellhemd und zerlumpte Kleider; dieselben, die er jetzt anhat nach
-eurer Beschreibung. Nachdem ich das gesehen hatte, ging ich nach der
-Werft und versteckte meine Sachen auf dem Flußboot, mit dem wir fahren
-wollten. Als ich dann abermals durch die Straßen schlenderte, sah ich
-auch meinen andern Kameraden seine Einkäufe machen. Gegen Abend holten
-wir uns die Diamanten aus dem Hotel und gingen an Bord.
-
-»Jetzt waren wir alle übel daran, denn wir durften uns nicht zu Bette
-legen; wie hätten wir sonst ein wachsames Auge aufeinander haben
-können. Es war nämlich schon seit ein paar Wochen böses Blut zwischen
-uns, und wir hielten nur zusammen, solange es das Geschäft erforderte.
-Zwei Diamanten für drei Personen, das war eben die Verlegenheit. Erst
-aßen wir zu Abend, dann rauchten wir und schlenderten dabei auf dem
-Deck umher bis gegen Mitternacht. Endlich gingen wir in meine Kajüte,
-schlossen die Thür zu, überzeugten uns, ob die Diamanten wirklich noch
-im Papier waren und legten sie auf die untere Koje, wo wir sie alle
-drei im Auge behalten konnten. Nun saßen wir stockstill und wurden
-immer schläfriger. Bud Dixon ließ sich endlich von der Müdigkeit
-übermannen; der Kopf sank ihm auf die Brust und er schnarchte, daß
-es eine Art hatte. Da deutete Hal Clayton zuerst auf die Diamanten
-und dann nach der Thür. Ich verstand ihn, streckte die Hand nach dem
-Papier aus und nahm es an mich. Wir warteten nun eine Weile, aber Bud
-schlief fort und regte sich nicht. Leise drehte ich den Schlüssel um
-und drückte auf die Klinke, dann schlichen wir auf den Zehen hinaus und
-machten die Thür geräuschlos hinter uns zu.
-
-»Das Boot glitt ruhig durch die Flut; Wolken verbargen den Mond und
-wir wurden von niemand bemerkt. Ohne ein Wort zu reden schritten wir
-geradeswegs hinauf nach dem Sturmdeck und setzten uns am äußersten Ende
-neben das Deckfenster. Was das zu bedeuten hatte, wußten wir beide; es
-bedurfte keiner Erklärung. Wenn Bud Dixon aufwachte und sah, daß die
-Diamanten fort waren, würde er gleich hinter uns dreinkommen, denn er
-kannte keine Furcht. Dann wollten wir ihn über Bord werfen, oder bei
-dem Versuch unser Leben lassen. Mir schauderte, wenn ich nur daran
-dachte, denn ich bin nicht so mutig wie mancher andere; doch durfte
-ich meine Angst nicht zeigen, das wäre mir schlecht bekommen. Ich
-hoffte immer noch, das Boot würde irgendwo anlegen, so daß wir ans Land
-springen und allen Skandal vermeiden könnten, denn mit Bud Dixon war
-nicht zu spaßen.
-
-»Aber eine Stunde nach der andern verging, wir schifften immer weiter
-und der Mensch kam nicht auf Deck. Als der Morgen zu dämmern anfing
-und Bud sich noch nicht sehen ließ, erwachte unser Argwohn. ›Er hält
-uns vielleicht zum Narren, meinte Hal, mach’ das Papier auf!‹ Das that
-ich und meiner Seel’, es war nichts darin, als ein paar Zuckerkrümel.
-Deshalb also hatte er die ganze Nacht so ruhig schnarchen können. Ein
-schlauer Kerl, so wahr ich lebe. Er muß zwei ganz gleiche Papiere
-bereit gehalten und sie vor unserer Nase vertauscht haben.
-
-»Wir waren nicht wenig verblüfft, doch hatten wir bald einen
-neuen Plan fertig. Es schien uns am klügsten, leise in die Kajüte
-zurückzuschleichen, das Papier wieder an Ort und Stelle zu legen und zu
-thun, als hätten wir nicht gemerkt, daß er uns mit seinem verstellten
-Schnarchen nur zum Besten hielt. Wir wollten ihm nicht von der Seite
-gehen und ihn am ersten Abend nach der Landung betrunken machen, seine
-Kleider durchsuchen, die Diamanten nehmen und ihm womöglich den Garaus
-machen; denn er würde uns immer auf den Fersen sein, um uns die Beute
-wieder abzujagen, und wir wären keinen Augenblick unseres Lebens
-sicher. Das Gelingen des Plans war mir jedoch sehr zweifelhaft. Bud
-betrunken zu machen, hatte keine Schwierigkeit, aber was nützte es,
-wenn wir hernach suchten und suchten und doch nichts fanden.
-
-»Plötzlich fuhr mir ein Gedanke durch den Kopf, der mir fast den
-Atem benahm; doch dann wurde mir auf einmal ganz froh und leicht zu
-Mute. Ich hatte nämlich gerade meinen Stiefel in der Hand, um ihn
-anzuziehen, und als ich einen Blick auf die Sohle warf, mußte ich an
-den rätselhaften kleinen Schraubenzieher denken. Erinnert ihr euch noch
-daran?«
-
-»Das will ich meinen,« rief Tom ganz aufgeregt.
-
-»Na, wie ich den Absatz ansah, wußte ich auf einmal, wo Bud die
-Diamanten versteckt hatte. Schaut her -- das Stahlplättchen hier ist
-mit kleinen Schrauben festgemacht; die einzigen Schrauben, die der
-Mensch an sich trug, waren an seinem Stiefelabsatz, und wenn er einen
-Schraubenzieher brauchte, so wußte ich wohl wozu.«
-
-»Ist das nicht famos, Huck?« rief Tom dazwischen.
-
-»Als wir in die Kajüte kamen, schnarchte Bud Dixon noch immer, und auch
-Hal Clayton schlief bald ein, aber ich nicht -- in meinem Leben war ich
-noch nicht so wach gewesen; ich spähte auf dem Boden umher nach einem
-Stückchen Leder. Lange konnte ich nichts entdecken, aber endlich fand
-ich’s. Es war ein rundes, kleines Pflöckchen, fast von der Farbe des
-Teppichs und etwa so dick wie die Spitze meines kleinen Fingers. ›Aha,‹
-dachte ich, ›in dem Nest, wo das herausgekommen ist, liegt jetzt ein
-Diamant.‹ Auch das zweite Pflöckchen fand ich nach einigem Suchen.
-
-»Nun stellt euch einmal diese Unverschämtheit vor! Der Kerl hatte
-sich ganz genau überlegt, was wir thun würden und wir Dummköpfe waren
-blindlings in die Falle gerannt. Während wir ihn oben auf dem Sturmdeck
-erwarteten, um ihn ins Wasser zu werfen, saß er unten, schraubte sich
-in aller Gemütsruhe die Stahlplättchen ab, schnitt Löcher in seine
-Absätze, steckte die Diamanten hinein und schraubte die Plättchen
-wieder fest. Ein Schlaufuchs erster Sorte, nicht wahr?«
-
-»Nein, so was ist mir noch nicht vorgekommen!« rief Tom voller
-Bewunderung.
-
-
-
-
-Viertes Kapitel.
-
-
-»Es war ein saueres Stück Arbeit, den ganzen Tag über noch zu thun,
-als ob wir einander beobachteten, das versichere ich euch. Gegen Abend
-landeten wir bei einem Städtchen in Missouri, kehrten in einer Schenke
-ein und ließen uns nach dem Nachtessen ein Schlafzimmer zu dreien
-im obern Stock geben. Der Wirt ging mit dem Licht voran und wir im
-Gänsemarsch hinterdrein, die Treppe hinauf. Ich kam zuletzt und schob
-meinen Reisesack unter den tannenen Tisch auf dem dunkeln Vorplatz. Wir
-ließen uns eine tüchtige Portion Whisky bringen und spielten Karten
-um Fünfcentstücke. Als wir die Wirkung des Whisky spürten, hörten wir
-beide auf zu trinken, schenkten aber Bud immer wieder ein, bis er toll
-und voll war. Er fiel vom Stuhl, lag am Boden und schnarchte.
-
-»Nun ging es ans Geschäft. Ich schlug vor, wir wollten ihm die Stiefel
-ausziehen und unsere auch, damit es keinen Lärm machte, wenn wir ihn
-um und um kehrten und ihn durchsuchten. Das geschah, und ich stellte
-meine Stiefel neben Buds, damit ich sie bei der Hand hätte. Wir zogen
-ihn aus, befühlten alle Nähte seiner Kleider, suchten in seinen
-Taschen und Socken, auch inwendig in seinen Stiefeln, kurz überall;
-auch sein Bündel machten wir auf, fanden aber keine Diamanten. Als der
-Schraubenzieher zum Vorschein kam, fragte Hal: ›Was kann er wohl damit
-wollen?‹ Ich sagte, das wüßte ich nicht, aber sobald er sich abwandte
-steckte ich ihn ein. Endlich sah Hal ganz niedergeschlagen aus und
-meinte, wir müßten es aufgeben. Darauf hatte ich nur gewartet.
-
-»›Etwas haben wir noch nicht durchsucht.‹
-
-»›Was denn?‹ fragte er.
-
-»›Seinen Magen.‹
-
-»›Wahrhaftig, daran habe ich nicht gedacht. Das ist die Lösung des
-Rätsels, so wahr ich lebe. Wie wollen wir’s anfangen?‹
-
-»›Na,‹ sagte ich, ›bleib’ du hier bei ihm, und ich will in die Apotheke
-gehen und ein Mittel holen, das die Diamanten rasch ans Tageslicht
-fördern soll.‹
-
-»Er war’s zufrieden, und ich zog vor seiner Nase Buds Stiefel an statt
-meiner eigenen, ohne daß er’s merkte. Ein wenig zu groß waren sie
-mir freilich, aber das schadete nicht so viel, als wenn sie zu klein
-gewesen wären. Ich tappte im Dunkeln durch den Vorplatz, nahm den
-Reisesack mit und war in der nächsten Minute zur Hinterthür hinaus.
-
-»Mit Siebenmeilenschritten ging’s nun am Fluß entlang; mir war dabei
-gar nicht schlecht zu Mut, ich marschierte ja auf Diamanten. Nach der
-ersten Viertelstunde hatte ich schon eine große Strecke zurückgelegt.
-Alle fünf Minuten dachte ich daran, wie Hal Clayton auf meine Rückkehr
-wartete und immer unruhiger wurde. ›Jetzt fängt er an zu fluchen,‹
-sagte ich zu mir, ›und allmählich geht ihm ein Licht auf. Er bildet
-sich ein, ich hätte die Diamanten gefunden, als wir Bud durchsuchten,
-sie heimlich in die Tasche geschoben und mir nichts merken lassen.
-Natürlich wird er gleich meiner Spur folgen, aber ich habe doch
-wenigstens einen guten Vorsprung.‹
-
-»Indem kam ein Mann auf einem Maultier dahergeritten, und ohne zu
-überlegen sprang ich ins nächste Gebüsch. Das war dumm! Eine Weile
-hielt der Mann still, um zu sehen, ob ich wieder herauskäme, dann ritt
-er weiter. Das konnte mir sehr zum Nachteil gereichen, wenn er etwa auf
-Hal Clayton stieß und der ihn ausfragte.
-
-»Um drei Uhr morgens kam ich nach Alexandria und als ich den Raddampfer
-vor Anker liegen sah, war ich heilfroh und glaubte, jetzt sei ich
-gerettet. Es dämmerte bereits und ich ging an Bord, ließ mir die Kajüte
-hier geben, zog diese Kleider an und setzte mich neben das Ruderhaus,
-damit mir nichts entgehen könne. Ich wartete mit großer Ungeduld auf
-die Abfahrt des Bootes, aber es rührte sich nicht. Die Maschine wurde
-erst ausgebessert, doch davon hatte ich keine Ahnung.
-
-»Es wurde Mittag bis wir absegelten und ich hatte mich längst in der
-Kajüte eingeschlossen. Schon vor dem Frühstück sah ich nämlich von
-fern einen Mann herankommen, dessen Gang mich an Hal Clayton erinnerte
-und mir wurde übel und weh. Wenn er mich hier auf dem Boot ausfindig
-machte, so saß ich wie eine Ratte in der Falle. Er brauchte nur zu
-warten bis ich ans Land ging und mir zu folgen. An einem abgelegenen
-Ort würde er mich zwingen die Diamanten herauszugeben und dann -- ja
-dann war’s um mich geschehen. O, es ist gräßlich -- entsetzlich! Und
-wenn ich mir nun vorstelle, daß der _andere_ auch an Bord ist! Sagt
-selbst, Jungens, ist das nicht ein schreckliches Mißgeschick? -- Aber,
-nicht wahr, ihr verlaßt mich nicht! Ihr helft einem armen Teufel durch,
-den man zu Tode hetzen will. Auf den Knieen will ich euch verehren,
-wenn ihr mir beisteht und mich rettet.«
-
-Wir thaten was wir konnten, um ihn zu beruhigen: wir versprachen ihm
-unsere Hilfe, machten allerlei Pläne und redeten ihm seine übergroße
-Furcht aus. Da wurde er bald wieder zuversichtlicher und zuletzt
-schraubte er gar die Plättchen von seinen Absätzen und hielt die
-Diamanten bald so bald so gegen das Licht. Nein, wie sie funkelten
-und glitzerten und ihr Feuer nach allen Seiten ausstrahlten! Es war
-schön, das muß ich sagen. Aber er kam mir doch vor wie ein rechter
-Narr. Ich an seiner Stelle hätte den beiden Spießgesellen die Diamanten
-ausgeliefert und ihnen gesagt, nun sollten sie ans Land gehen und mich
-in Ruhe lassen. Doch das fiel ihm gar nicht ein. Er meinte, es wäre ein
-ganzes Vermögen; der Gedanke es zu verlieren schien ihm unerträglich.
-
-Zweimal mußten wir anlegen, um die Maschine in Ordnung zu bringen, was
-eine ganze Weile dauerte. Die Nacht war aber nicht dunkel genug; er
-hätte sich schwerlich unbemerkt aus dem Staube machen können. Gegen
-ein Uhr nachts kamen schwarze Wolken am Himmel herauf, ein Gewitter
-war im Anzug. Wir hatten an einem Holzhof angelegt, noch etwa vierzig
-Meilen von Onkel Silas’ Farm, und Jack hielt die Gelegenheit für
-günstig. Es regnete stark, der Sturm brach los, und die Leute, die das
-Holz einluden, zogen sich zum Schutz grobe Säcke über den Kopf. Auch
-Jack verschafften wir einen. Er nahm seine Reisetasche, lief aufs
-Hinterdeck, kam dann wie die andern Matrosen nach vorn marschiert und
-ging mit ihnen ans Land. Als er aus dem Bereich der Fackeln war und in
-der Finsternis verschwand, holten wir tief Atem und waren voller Dank
-und Freude. Allein das Vergnügen dauerte nicht lange. Kaum zehn Minuten
-vergingen, da stürmten die beiden schlimmen Gesellen auf Deck; sie
-sprangen ans Ufer und wir sahen sie nicht wieder. Bis zum Morgengrauen
-warteten wir und hofften sie würden zurückkommen, allein vergebens.
-Vielleicht hatten sie aber doch Jack nicht mehr einholen können und
-seine Spur verloren; darauf setzten wir unser ganzes Vertrauen.
-
-Er wollte am Fluß entlang gehen und sich in dem Ahornwäldchen hinter
-Onkel Silas’ Tabakfeld verbergen. Dort hatten wir versprochen ihn zu
-treffen, sobald es dämmerig würde und ihm Nachricht zu bringen, ob
-seine Brüder Brace und Jupiter zu Hause wären und keinen fremden Besuch
-hätten.
-
-Tom und ich sprachen lange darüber, wie es ihm wohl ergehen würde.
-Rannten seine Verfolger flußaufwärts statt abwärts, dann war er
-gerettet. Aber das ließ sich kaum erwarten. Wahrscheinlich, meinte
-Tom, würden sie ihm tagsüber auf den Fersen bleiben, ohne daß er
-Argwohn schöpfte, und sobald es dunkelte ihn umbringen und ihm die
-Stiefel fortnehmen. -- Das betrübte uns sehr.
-
-
-
-
-Fünftes Kapitel.
-
-
-Erst spät am Nachmittag war die Maschine fertig ausgebessert. Als wir
-nicht weit von Onkel Silas’ Farm anlegten, ging die Sonne bereits
-unter. So liefen wir denn zuerst spornstreichs nach dem Ahornwäldchen,
-um Jack den Grund der Verzögerung mitzuteilen, damit er auf uns
-wartete, bis wir bei Brace gewesen wären und wüßten, wie die Sachen
-standen. Gerade als wir keuchend um die Ecke bogen und die Ahornbäume
-schon von fern sahen, kamen zwei Männer quer über den Weg in das
-Wäldchen gesprungen und wir hörten einen gräßlichen Hilfeschrei,
-der sich mehrmals wiederholte. »Jetzt haben sie den armen Jack
-umgebracht,« sagten wir und flohen voll Todesangst nach dem Tabakfeld.
-Kaum hatten wir uns dort versteckt und zitterten noch wie Espenlaub,
-als wir abermals zwei Männer an uns vorbeilaufen und in dem Wäldchen
-verschwinden sahen. Schon im nächsten Augenblick kamen ihrer vier
-wieder heraus: zwei hatten die Flucht ergriffen und zwei verfolgten sie.
-
-Kalter Angstschweiß perlte uns auf der Stirn, während wir auf dem
-Boden lagen und horchten; doch vernahmen wir keinen andern Laut als
-das Pochen unserer Herzen. Immer mußten wir an den Ermordeten drüben
-im Wäldchen denken und uns gruselte als wäre uns ein Gespenst in
-nächster Nähe. Plötzlich kam der Mond hinter den Baumwipfeln hervor,
-groß, rund und glänzend, wie ein Gesicht, das durch die Eisenstäbe der
-Gefängniszelle guckt. Schwarze Schatten und weiße Flecken huschten
-hierhin und dorthin; es war unheimlich still ringsum, nur der Nachtwind
-stöhnte in den Zweigen. Da flüsterte Tom auf einmal: »Sieh! -- was ist
-das?«
-
-»Du brauchst mich nicht noch unnötig zu erschrecken; ich bin sowieso
-schon halb tot,« rief ich.
-
-»Aber, so sieh doch, was da aus dem Ahornwäldchen herauskommt!«
-
-»Hör’ auf, Tom!«
-
-»Eine riesige Gestalt; sie kommt auf uns zu!«
-
-Er hatte vor Erregung kaum Atem genug zum flüstern. Ich wollte nicht
-hinsehen und doch that ich’s. Wir knieten jetzt beide auf der Erde,
-stützten das Kinn auf den Lattenzaun und starrten in Schweiß gebadet
-die Straße ’runter. Die Gestalt ging im Schatten der Bäume, man konnte
-sie erst ordentlich sehen, als sie dicht in unserer Nähe war und ins
-helle Mondlicht hinaustrat. Da fielen wir um wie vom Donner gerührt --
-kein Zweifel, es war Jack Dunlaps Geist! --
-
-Ein paar Minuten lagen wir regungslos da; als wir wieder aufsahen war
-das Gespenst verschwunden.
-
-»Du,« flüsterte Tom, »Gespenster sehen doch immer grau und neblig aus,
-als ob sie lauter Dunst wären; aber dieses gar nicht.«
-
-»Nein; ich hab’ seine Brille und den Schnurrbart ganz deutlich erkannt.«
-
-»Ja, und den Anzug -- die grün und schwarz gewürfelten Hosen --«
-
-»Die feuerrote Weste von Baumwollsammet mit den gelben Punkten --«
-
-»Die ledernen Stege unten am Hosenbein -- einer war nicht
-angeknüpft --«
-
-»Ja, und der Hut -- eine richtige hohe Angströhre mit breiter Krempe.«
-
-»Glaubst du, Huck, daß es ebensolches Haar hatte wie er?«
-
-»Ja -- doch bin ich nicht ganz sicher.«
-
-»Ich auch nicht; aber den Reisesack hab’ ich in seiner Hand gesehen.«
-
-»Haben denn Gespenster einen Reisesack, Tom?«
-
-»Warum nicht, Huck? Aber natürlich aus Gespensterstoff, wie die Kleider
-und alles. Stell’ dich doch nicht so dumm an!«
-
-Jetzt kamen Bill Withers und sein Bruder Hans an uns vorüber. Sie waren
-in ihr Gespräch vertieft, wir verstanden aber alles, was sie sagten:
-
-»Es sah aus als könnte er es kaum mehr schleppen,« meinte Bill.
-
-»Jawohl, schwer schien es zu sein. Es war gewiß ein Neger, der dem
-alten Pfarrer Silas Korn gestohlen hat,« sagte Hans.
-
-»Das dachte ich gleich und that, als bemerkte ich ihn nicht.«
-
-»So hab’ ich’s auch gemacht. Hahaha!«
-
-Also, Onkel Silas war so unbeliebt geworden, daß die Leute lachten,
-wenn ihm ein Dieb sein Korn stahl! Wie war das nur möglich?
-
-Bald hörten wir wieder Stimmen; je näher sie kamen, um so lauter wurde
-das Gespräch. Es waren zwei Nachbarn, Lem Beebe und Jim Lane.
-
-»Wer?« fragte Jim, -- »Jupiter Dunlap?«
-
-»Ja, ganz gewiß,« entgegnete Lem.
-
-»Hm. Vor etwa einer Stunde, eben als die Sonne unterging, hab’ ich
-ihn mit dem Spaten gesehen; sie gruben ein Stück Land um, er und der
-Pfarrer. Seinen Hund wollte er uns leihen, sagte er, aber er selber
-käme heute abend wahrscheinlich nicht.«
-
-»Er wird wohl zu müde sein von der schweren Arbeit.«
-
-»Verlaß dich drauf. Haha!«
-
-Sie gingen lachend weiter; Tom sprang auf und wir folgten ihnen
-von fern. Dem Gespenst ganz allein zu begegnen, wäre doch gar zu
-unbehaglich gewesen.
-
-Dies alles geschah am 2. September, einem Sonnabend. Den Tag werde ich
-nie vergessen; man wird bald erfahren weshalb.
-
-
-
-
-Sechstes Kapitel.
-
-
-Schon sahen wir die Lichter vom Hause zu uns herüberscheinen, und die
-Hunde kamen alle herbeigelaufen, uns zu begrüßen, da sagte Tom:
-
-»Warte noch ’nen Augenblick. Wenn wir jetzt ’reinkommen, meinst du
-wohl, ich müßte gleich unser ganzes Abenteuer erzählen, daß alle Mund
-und Nase aufsperren vor Verwunderung?«
-
-»Versteht sich; solche Gelegenheit wirst du dir doch nicht entgehen
-lassen, Tom.«
-
-»Na, da irrst du dich gewaltig. Kein Sterbenswörtchen verraten wir
-davon und zwar aus sehr nahe liegenden Gründen. Sag ’mal, Huck -- ging
-das Gespenst barfuß?«
-
-»Bewahre, es hatte ja Stiefel an.«
-
-»Hast du das wirklich gesehen? Kannst du ’nen Eid darauf leisten?«
-
-»Jawohl, das kann ich.«
-
-»Ich auch. Und das ist der beste Beweis dafür, daß die Diebe die
-Diamanten nicht gefunden haben. Natürlich nicht -- die zwei andern
-Männer haben sie ja vertrieben, ehe sie der Leiche die Stiefel
-ausziehen konnten; deshalb trug sie das Gespenst auch noch.«
-
-»Stiefel aus dem Geisterstoff wie die andern Kleider, nicht wahr, Tom?«
-
-»Freilich. Und weißt du, Huck, was nun geschieht? Die zwei Männer
-erzählen, sie hätten das Geschrei gehört, die Mörder verjagt, aber den
-Fremden nicht retten können. Nun kommt die Totenschau, besichtigt alles
-an Ort und Stelle, und ehe man die Leiche begräbt, werden ihre Sachen
-versteigert, um die Kosten herauszuschlagen. Dann ist unser Glück
-gemacht.«
-
-»Wieso?«
-
-»Na, das ist doch klar: Wir kaufen die Stiefel für zwei Dollars.«
-
-»Und kriegen die Diamanten?«
-
-»Versteht sich. Eines schönen Tages wird man eine hohe Belohnung dafür
-bieten -- wenigstens tausend Dollars. Und das ist unser Geld. -- Jetzt
-komm ins Haus; aber von den Räubern, den Diamanten und dem Mord weißt
-du keine Silbe -- das merke dir.«
-
-»Wie sollen wir es aber Tante Sally erklären, wenn sie fragt, warum
-wir erst so spät kommen und wo wir so lange geblieben sind?«
-
-»Das überlasse ich dir; du wirst schon eine Ausrede finden.«
-
-Das sah Tom ganz gleich. Er war viel zu wahrheitsliebend um selbst eine
-Lüge zu sagen.
-
-Wir gingen nun quer über den Hof, wo wir zu unserer Freude alles
-unverändert fanden, und kamen in den bedeckten Gang zwischen dem
-Holzschuppen und der Küche. Da hingen noch mancherlei Gegenstände,
-die wir kannten, unter anderm auch Onkel Silas’ grüner Arbeitskittel
-mit der Kaputze und dem weißen Flicken zwischen den Schultern, der
-immer aussah, als hätte ihn jemand mit ’nem Schneeball geworfen. Rasch
-drückten wir auf die Klinke der Stubenthür und traten ein.
-
-Tante Sally wirtschaftete im Zimmer herum; in einer Ecke saßen die
-Kinder auf einem Häufchen, in der andern las der Onkel im Gebetbuch.
-Tante fiel uns gleich vor Freuden um den Hals, dann zauste sie uns bald
-an den Haaren, bald drückte sie uns ans Herz, während ihr helle Thränen
-über die Backen liefen, so froh war sie, uns wiederzusehen.
-
-»Wo habt ihr Taugenichtse euch denn so lange herumgetrieben?« rief
-sie. »Ich hab’ mir um euch schier die Seele aus dem Leib geängstet.
-Eure Siebensachen sind schon vor ’ner Ewigkeit angekommen, und viermal
-hab’ ich das Essen wieder aufgewärmt, damit ihr nicht zu warten
-braucht. Die Haut sollte man euch über die Ohren ziehen. Aber nun setzt
-euch nur, ihr müßt ja halb verhungert sein; setzt euch, ihr armen
-Jungen, und laßt’s euch schmecken.«
-
-O, wie behaglich saß sich’s dort an der reich besetzten Tafel! Onkel
-Silas sprach sein längstes Tischgebet und bald stand ein aufgehäufter
-Teller an meinem Platz. Als ich gerade im besten Schmausen war, fragte
-die Tante plötzlich, wo wir denn gewesen wären.
-
-Ich hatte mir’s schon zum voraus überlegt:
-
-»Wir sind zu Fuß durch den Wald gegangen,« sagte ich, »da sind uns
-Lem Beebe und Jim Lane begegnet und haben uns aufgefordert mit ihnen
-Heidelbeeren zu suchen; Jupiter Dunlap wollte ihnen seinen Hund dazu
-leihen, das hatte er ihnen gerade versprochen -- --«
-
-»Wo haben sie ihn gesehen?« fiel mir der alte Silas auf einmal so
-hastig in die Rede, daß ich verwundert dreinschaute und ganz verwirrt
-wurde, weil er mich mit durchbohrenden Blicken ansah. Aber ich nahm
-mich zusammen und antwortete: »Als Ihr mit ihm das Stück Land umgrubet,
-bei Sonnenuntergang.«
-
-»Hm,« sagte er mit enttäuschter Miene und nahm weiter keine Notiz von
-mir, während ich fortfuhr: »Wir gingen mit, und -- --«
-
-»Schweig still mit deinem Unsinn, Huck Finn,« rief jetzt Tante Sally
-entrüstet; »wer hat je davon gehört, daß man bei uns im September
-Heidelbeeren pflückt und obendrein zur Nachtzeit? Was soll der Hund
-dabei -- vielleicht die Heidelbeeren aufspüren?« --
-
-»Sie sagten -- sie hätten eine Laterne -- --« stammelte ich.
-
-»An dem allen ist kein wahres Wort. Ich weiß, ihr habt irgend einen
-dummen Streich gemacht, da müßte ich euch beide nicht kennen. Na, Tom,
-heraus mit der Sprache, nicht erst lange gefackelt!«
-
-Tom nahm eine gekränkte Miene an. »Wie kannst du nur den armen Huck
-schelten, Tante, bloß weil er sich versprochen hat. Er meint natürlich
-Erdbeeren, wenn er Heidelbeeren sagt. Das weiß doch ein jedes Kind,
-daß man in der ganzen Welt -- nur nicht hier in Arkansas -- einen Hund
-und eine Laterne mitnimmt, wenn man Erdbeeren suchen geht.«
-
-Nun riß aber Tante Sally der Geduldsfaden; sie wurde ernstlich böse
-und schüttete einen ganzen Schwall von Worten, die sie gar nicht
-schnell genug heraussprudeln konnte, über unsere schuldigen Häupter
-aus. Darauf hatte Tom aber wie gewöhnlich gerechnet. Er ließ sie sich
-immer in Zorn reden und schwieg mäuschenstill, bis ihre Hitze verflogen
-war; dann wollte sie meist vor Aerger keine Silbe mehr über die ganze
-Angelegenheit hören. So kam es auch diesmal. Als sie sich heiser
-gesprochen hatte und einen Augenblick Atem schöpfen mußte, sagte Tom in
-aller Seelenruhe:
-
-»Und trotzdem weiß ich doch, Tante --«
-
-»Schweig’ still,« rief sie; »du thust den Mund nicht mehr auf, das sage
-ich dir!«
-
-So kamen wir aus aller Verlegenheit und von der Verzögerung unserer
-Ankunft war nicht mehr die Rede. Das hatte Tom wirklich schlau
-eingerichtet.
-
-
-
-
-Siebentes Kapitel.
-
-
-Benny machte ein sehr ernstes Gesicht und seufzte auch hin und wieder;
-aber bald fing sie an sich nach Toms Geschwistern Mary und Sid zu
-erkundigen und besonders nach Tante Polly. Allmählich erheiterte sich
-auch Tante Sallys Miene, ihre gute Laune kehrte zurück, sie fragte
-uns dieses und jenes und war wieder so gut und lieb wie immer, so daß
-unser Abendessen noch einen ganz lustigen Verlauf nahm. Nur der alte
-Silas beteiligte sich nicht an der Unterhaltung; er war unruhig und
-zerstreut, auch stieß er oft so tiefe Seufzer aus, daß es einem in der
-Seele wehthat, ihn so verstört und bekümmert zu sehen.
-
-Eine Weile nach dem Abendessen klopfte es an die Thür; ein Neger
-steckte den Kopf herein, er trug seinen alten Strohhut in der Hand und
-sagte unter vielen Bücklingen und Kratzfüßen, sein Herr, Massa Brace,
-warte draußen am Zaun und lasse den Massa Silas fragen, wo sein Bruder
-wäre, der zum Essen nicht nach Hause gekommen sei.
-
-Da fuhr Onkel Silas so heftig auf, wie ich es noch nie von ihm gehört
-hatte: »Bin ich etwa seines Bruders Hüter?« Gleich nachher war es ihm
-aber wieder leid, er sank in sich zusammen und sprach im sanftesten Ton:
-
-»Du brauchst ihm das nicht zu wiederholen, Billy, ich bin seit einigen
-Tagen gar nicht wohl und so reizbar, daß ich meine Worte nicht wägen
-kann. Er ist nicht hier, sage ihm das.«
-
-Als der Neger fort war, ging der alte Mann ruhelos in der Stube auf und
-ab, wobei er fortwährend unverständliche Worte murmelte und sich mit
-den Händen ins Haar fuhr. Es war recht jämmerlich anzusehen; doch Tante
-Sally flüsterte uns zu, nicht acht auf ihn zu geben. Sie sagte, seit so
-viel Mißgeschick über ihn gekommen sei, gerate er oft tief in Gedanken
-und wisse kaum mehr, was er thue und treibe. Auch bei Nacht wandle er
-viel häufiger als früher im Schlaf, entweder nur im Hause oder auch
-draußen im Freien. Wenn wir ihn einmal dabei beträfen, sollten wir ihn
-ruhig gehen lassen und ihn ja nicht aufwecken. Es könne ihm niemand
-helfen, außer Benny, die ihn am besten zu behandeln verstehe.
-
-Auch diesmal schlich sie sich an seine Seite, als er anfing müde
-zu werden von dem ewigen Hin- und Herwandern. Sie schlang ihren Arm
-um ihn und ging mit, bis er lächelnd auf sie herabschaute und sich
-niederbeugte um sie zu küssen. Allmählich wich der gequälte Ausdruck
-aus seinem Gesicht und er ließ sich von ihr auf sein Zimmer geleiten.
-Es war eine Freude, den liebevollen Verkehr von Vater und Tochter zu
-sehen.
-
-Tante Sally mußte nun die Kinder zu Bett bringen und da Tom und ich
-anfingen uns zu langweilen, machten wir noch einen Gang bei Mondschein
-in das Feld, wo die reifen Wassermelonen standen. Wir aßen nach
-Herzenslust und besprachen dabei mancherlei. Tom meinte, er hege nicht
-den geringsten Zweifel, daß Jupiter ganz allein an dem Streit schuld
-sei. Bei erster Gelegenheit werde er sich Gewißheit darüber verschaffen
-und dann Onkel Silas nach Kräften bereden ihn fortzuschicken.
-
-Wohl zwei Stunden lang schwatzten, rauchten und schmausten wir dort.
-Als wir ins Haus zurückkehrten war es ganz still und dunkel; alle
-hatten sich zur Ruhe begeben.
-
-Tom, dem nichts entging, bemerkte jetzt, daß der alte grüne
-Arbeitskittel seltsamerweise von dem Nagel verschwunden war, wo er ihn
-noch vorhin hatte hängen sehen. Dann suchten wir unsere Schlafkammer
-auf.
-
-Im Nebenzimmer hörten wir Benny noch lange herumhantieren; sie sorgte
-sich gewiß um ihren Vater und fand keinen Schlaf. Auch wir waren
-viel zu aufgeregt, um zu Bette zu gehen; so blieben wir denn wach,
-unterhielten uns im Flüsterton und waren in recht trübseliger Stimmung.
-Wir sprachen immer wieder von dem Ermordeten und dem Gespenst, bis uns
-so unheimlich und gruselig zu Mute wurde, daß von Einschlafen keine
-Rede sein konnte.
-
-Es war schon spät in der Nacht, als mich Tom plötzlich mit dem
-Ellenbogen stieß und nach dem Fenster deutete. Ich sah hin; drunten im
-Hof trieb sich ein Mann herum, doch konnte ich ihn bei der Dunkelheit
-nicht erkennen. Jetzt kletterte er über den Zaun und da kam gerade der
-Mond heraus und schien auf den weißen Flicken des alten Arbeitskittels.
-
-»Siehst du den Nachtwandler,« sagte Tom. »Ich wollte, wir dürften ihm
-folgen und sehen, wo er hingeht mit der langen Schaufel, die er über
-der Schulter trägt. Er biegt nach dem Tabakfeld ein -- nun ist er
-verschwunden. Der arme Onkel, -- es thut mir so leid, daß er gar keine
-Ruhe findet.«
-
-Wir warteten lange, aber er kam nicht zurück; vermutlich hatte er einen
-andern Heimweg eingeschlagen. So legten wir uns denn endlich nieder
-und verfielen in einen unruhigen Schlaf, der uns mit tausenderlei
-Beängstigungen quälte. Im Morgengrauen waren wir schon wieder wach; ein
-Gewitter war heraufgezogen, Blitze zuckten, der Donner krachte, der
-Wind schüttelte die Bäume, der Regen fuhr in Strömen nieder und die
-Rinnsteine wurden zu rauschenden Bächen.
-
-»Höre mal, Huck,« sagte Tom, »mir kommt’s sehr seltsam vor, daß man
-noch gar nichts von Jack Dunlaps Ermordung gehört hat. Die Männer, von
-denen Hal Clayton und Bud Dixon verjagt wurden, haben die Sache doch
-in der nächsten halben Stunde sicherlich überall erzählt und sie muß
-sich wie ein Lauffeuer von Farm zu Farm verbreitet haben. Solche große
-Neuigkeit kommt doch alle dreißig Jahr höchstens zweimal vor. Es ist
-wirklich merkwürdig, Huck, ich kann es nicht begreifen. Wäre nur erst
-das Gewitter vorüber, damit wir hinauskönnten um zu sehen, ob nicht
-irgend jemand auf der Straße davon anfängt. Wir müssen dann natürlich
-sehr überrascht und entsetzt sein.«
-
-Es war schon heller lichter Tag, als der Regen aufhörte. Wir
-schlenderten die Straße hinunter, begrüßten jeden, der uns begegnete,
-sagten wann wir angekommen wären, wie wir die Unserigen verlassen
-hätten, wie lange wir zu bleiben gedächten, und dergleichen mehr;
-aber kein Mensch äußerte eine Silbe über den Mord, was uns höchlich
-wundernahm. Tom meinte, wenn wir in das Ahornwäldchen gingen, würde die
-Leiche ganz einsam und verlassen daliegen und keine Menschenseele weit
-und breit zu sehen sein. Wahrscheinlich hätten die Verfolger die Mörder
-tief in den Wald hinein gejagt, diese hätten sich endlich umgewendet
-und sich auf sie geworfen. Nachdem sie einander alle umgebracht, wäre
-natürlich niemand mehr am Leben gewesen, um die Nachricht zu verbreiten.
-
-Während dieser Reden waren wir unversehens nach dem Ahornwäldchen
-gekommen. Mir lief der kalte Schweiß den Rücken hinunter und ich
-wäre um nichts in der Welt auch nur einen Schritt weiter gegangen.
-Doch Tom ließ es keine Ruhe -- er mußte wissen, ob der Ermordete die
-Stiefel noch anhatte. So kroch er denn ins Dickicht, kam aber schon im
-nächsten Augenblick in größter Erregung wieder heraus.
-
-»Huck, er ist fort,« rief er.
-
-»Im Ernst, Tom?« fragte ich starr vor Staunen.
-
-»Jawohl, er ist wirklich fort; es ist nichts mehr von ihm zu sehen. Der
-Boden ist nur etwas zertrampelt und wenn blutige Spuren da waren hat
-sie der Regen verwaschen; es ist lauter Schmutz und Morast da drinnen.«
-
-Nun faßte ich mir ein Herz und überzeugte mich mit eigenen Augen, daß
-kein Leichnam mehr da war.
-
-»Verwünscht,« rief ich, »die Diamanten sind weg!«
-
-»Glaubst du nicht, daß die Mörder zurückgekommen sind und ihn
-fortgeschleppt haben?«
-
-»Höchst wahrscheinlich. Wo meinst du wohl, daß sie ihn versteckt haben
-können?«
-
-»Wie soll ich das wissen?« sagte er ärgerlich. »Es ist mir auch
-einerlei. Mir war nur an den Stiefeln etwas gelegen. Nach der Leiche
-werde ich den Wald nicht durchsuchen; meinetwegen mag sie sein wo sie
-will. Die Hunde werden sie sowieso bald aufspüren.«
-
-Wir schlichen betrübt und enttäuscht nach Hause zurück. Mein Lebtag
-hatte mich noch keine Leiche so geärgert und betrogen wie diese.
-
-
-
-
-Achtes Kapitel.
-
-
-Beim Frühstück ging es nicht sehr munter zu. Tante Sally sah alt und
-müde aus; sie ließ die Kinder unter einander zanken und streiten ohne
-ihnen zu wehren, wie sie es sonst immer that. Tom und ich waren so
-voller Gedanken, daß wir gar nicht sprachen und Benny mochte wohl die
-ganze Nacht kein Auge zugethan haben. So oft sie den Kopf ein wenig hob
-und nach ihrem Vater hinschaute, mußte sie mit den Thränen kämpfen. Der
-Alte ließ das Essen auf seinem Teller kalt werden, er rührte keinen
-Bissen an, redete kein Wort, sondern sann und sann nur immer vor sich
-hin.
-
-Als die Stille am allerdrückendsten war, steckte der Neger wieder den
-Kopf durch die Thür und sagte, Massa Brace hätte schrecklich Angst um
-seinen Bruder Jupiter, der noch immer nicht heimgekommen wäre. Massa
-Silas sollte doch so gut sein und -- --
-
-Das Wort erstarb ihm auf den Lippen, denn Onkel Silas hatte sich
-plötzlich aufgerichtet. Er sah den Neger an und zitterte dabei so, daß
-er sich am Tisch festhalten mußte. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt;
-erst nach einer Weile stammelte er mühsam:
-
-»Er glaubt wohl -- er glaubt wohl -- was denkt er sich eigentlich?
--- Sag’ ihm -- sag’ ihm --« kraftlos sank er wieder in seinen Stuhl
-zurück. »Geh fort -- geh fort!« murmelte er so leise, daß man es kaum
-verstehen konnte.
-
-Der Neger machte sich erschrocken aus dem Staube, während Onkel Silas
-die Hände rang und seine Augen verdrehte, als läge er im Sterben; es
-war ein schrecklicher Anblick. Wir saßen alle da, wie festgebannt, nur
-Benny erhob sich leise, Thränen liefen ihr die Wangen herunter, sie
-trat neben den Stuhl ihres Vaters, bettete sein graues Haupt an ihrer
-Brust und streichelte ihn sanft und liebevoll. Dann winkte sie uns, wir
-sollten fortgehen, und wir verließen das Zimmer so still, als läge ein
-Toter darin.
-
-In furchtbar ernster Stimmung schlugen Tom und ich den Weg nach dem
-Walde ein. Wie ganz anders war es doch hier bei unserm Besuch letzten
-Sommer gewesen: alles so glücklich und friedevoll, Onkel Silas so
-heiter, so wunderlich und voll kindlicher Einfalt und dabei so
-hochgeachtet von jedermann. Jetzt hatte er entweder den Verstand schon
-verloren, oder man mußte doch jeden Augenblick fürchten, daß er von
-Sinnen käme.
-
-Es war ein sonniger, herrlicher Tag; weiter und weiter gingen wir über
-die Hügel nach der Ebene zu und konnten uns nicht satt sehen an den
-Bäumen und Blumen ringsum. Daß es in dieser schönen Welt auch Unglück
-gab, schien uns ganz unbegreiflich. Traurig zu sein, kam uns wie ein
-Unrecht vor.
-
-Auf einmal fühlte ich, daß mir der Atem stockte; ich hielt Tom am Arm
-fest und mein Herz pochte wie ein Schmiedehammer.
-
-»Da ist es!« rief ich; wir sprangen hinter einen Busch und Tom
-flüsterte:
-
-»St! -- Mach’ keinen Lärm.«
-
-Es saß gerade am Ende der kleinen Waldwiese auf einem Holzblock und
-stützte den Kopf in die Hand. Vergebens bemühte ich mich, Tom zur
-Flucht zu überreden; er rührte sich nicht vom Fleck, denn er meinte,
-vielleicht würde er sein Lebtag keine so günstige Gelegenheit mehr
-haben, ein Gespenst zu sehen, deshalb wollte er dieses nach Herzenslust
-betrachten und wenn es sein Tod wäre. So blieb ich denn auch da und riß
-die Augen auf, obgleich mir’s gar nicht wohl dabei zu Mute war.
-
-»Der arme Jack,« raunte mir Tom zu, denn schweigen konnte er nicht;
-»alle seine Sachen hat er an, wie er’s uns vorausgesagt hat. Auch das
-Haar hat er sich kurz geschoren. Daß ein Gespenst so natürlich aussehen
-könnte, hätte ich nie gedacht.«
-
-»Ich auch nicht; man würde es überall wiedererkennen.«
-
-»Ganz wie bei Lebzeiten. Und am meisten wundert mich noch, daß es
-bei Tage umgeht. Die andern kommen immer erst nach Mitternacht zum
-Vorschein. Du, Huck, mit dem ist’s nicht ganz richtig; es hat kein
-Recht, sich jetzt hier herumzutreiben, das kannst du mir glauben. Jack
-wollte sich taubstumm stellen, weil ihn die Nachbarn sonst an der
-Stimme erkannt hätten. Meinst du, das Gespenst würde das auch thun,
-wenn ich’s jetzt anriefe?«
-
-»Tom, ums Himmels willen, du wirst doch so was nicht wagen!«
-
-»Sei nur ganz ruhig, ich denke nicht dran. Aber, was ist das -- jetzt
-kratzt es sich am Kopf -- ein Gespenst kann’s doch nicht jucken, das
-ist ja aus lauter Dunst! Wahrhaftig, Huck, ich glaube, es ist gar kein
-wirkliches Gespenst, es müßte doch sonst --«
-
-»Was denn, Tom?«
-
-»_Durchsichtig_ sein, so daß man die Büsche dahinter sehen könnte.«
-
-»Du hast recht, sein Körper ist so fest wie der einer Kuh. Weißt du,
-ich fange an zu glauben --«
-
-»Jetzt nimmt es den Mund voll Tabak und fängt an zu kauen -- das ist ja
-unmöglich, es hat doch keine Zähne. Höre, Huck!«
-
-»So sprich doch!«
-
-»Es ist gar kein Gespenst, sondern Jack Dunlap wie er leibt und lebt!
--- Haben wir etwa eine Leiche im Ahornwäldchen gefunden?«
-
-»Nein, keine Spur.«
-
-»Weißt du auch warum? -- Weil nie eine da war.«
-
-»Aber Tom, wir haben doch das Geschrei gehört!«
-
-»Ist das etwa ein Beweis, daß jemand umgebracht worden ist? -- Erst
-sahen wir vier Männer laufen und dann kam dieser aus dem Wald gegangen.
-Wir hielten ihn für einen Geist, aber es war so wenig ein Geist wie
-du einer bist. Es war Jack Dunlap selbst und der sitzt jetzt dort
-drüben und spielt den Fremden und Taubstummen, ganz wie er’s mit uns
-verabredet hatte. Der -- ein Gespenst! Nein, Fleisch und Bein ist er,
-da wett’ ich alles drauf.«
-
-Ich sah nun auch unsern Irrtum ein, und wir waren beide herzlich froh,
-daß Jack nicht umgebracht worden war. Was sollten wir aber jetzt thun?
-Ihn anreden oder vorgeben, ihn nicht zu kennen? Tom hielt es für das
-beste, ihn selber zu fragen, wie er es haben wolle. Also ging er
-geradeswegs auf ihn zu, während ich mich etwas im Hintergrund hielt,
-für den Fall, daß es doch ein Gespenst wäre.
-
-Als Tom ganz nahe bei ihm war sagte er: »Guten Tag! Wir freuen uns
-sehr, Euch wiederzusehen, Huck und ich. Fürchtet nur nicht, daß wir
-Euch verraten. Wenn Ihr es für besser haltet wollen wir thun, als
-hätten wir Euch nie gekannt. Sagt nur, ob Euch das recht ist. Ihr
-könnt Euch dann fest auf uns verlassen; wir würden uns eher die Hand
-abhacken als Euch Schaden thun.«
-
-Zuerst zeigte er sich sehr überrascht uns zu sehen und keineswegs
-erfreut; aber bei Toms Rede erhellte sich sein Gesicht und zuletzt
-lächelte er, nickte mehrmals mit dem Kopf, machte allerlei Zeichen
-mit den Händen und sagte: »Goo -- goo -- goo -- goo,« ganz wie ein
-Taubstummer.
-
-Indessen sahen wir ein paar von Steffen Nickersons Angehörigen, die
-jenseits der Wiese wohnten, daherkommen. »Ihr macht Eure Sache ganz
-ausgezeichnet,« sagte Tom, »natürlich müßt Ihr Euch üben so viel Ihr
-könnt, an uns so gut wie an den andern, damit Ihr auf Eurer Hut seid
-und niemals aus der Rolle fallt. Wir wollen Euch auch so wenig wie
-möglich in den Weg kommen und keiner Seele verraten, daß wir Euch
-kennen. Laßt es uns aber ja wissen, wenn Ihr einmal Hilfe braucht.«
-
-Als wir den Nickersons begegneten, hielten sie uns natürlich an und
-wollten wissen, wer der Fremde dort drüben sei, wie er heiße, woher
-er komme, ob er Baptist oder Methodist, liberal oder konservativ wäre
-und was dergleichen Fragen mehr sind, die wir Amerikaner bei jeder
-neuen Erscheinung gleich auf der Zunge haben. Tom erwiderte jedoch,
-er hätte aus den Zeichen des Taubstummen und seinen Naturlauten nicht
-klug werden können. Mit großer Spannung beobachteten wir nun von ferne,
-wie sie Jack auszuforschen begannen. Erst als wir ihn seine Zeichen
-machen sahen und wußten, daß alles gut ablaufen würde, beruhigten wir
-uns wieder und machten, daß wir weiter kamen, weil wir gern während der
-Zwischenstunde beim Schulhaus sein wollten.
-
-Es war recht ärgerlich, daß uns Jack nicht erzählen konnte, was sich
-in dem Ahornwäldchen zugetragen hatte und ob er fast umgebracht
-worden wäre; aber Tom bemerkte ganz richtig, daß ein Mensch in Jacks
-Lage nicht vorsichtig genug sein könne und am besten thäte still zu
-schweigen, um sich keiner Gefahr auszusetzen.
-
-In der Zwischenstunde ging es sehr lustig zu, alle Knaben und Mädchen
-freuten sich, uns wiederzusehen. Die beiden Hendersons waren auf ihrem
-Schulweg dem Taubstummen begegnet und wurden deshalb von den übrigen
-sehr beneidet, da alle vor Neugier brannten, ihn zu sehen, und von gar
-nichts anderm reden mochten.
-
-Es kostete Tom keine kleine Ueberwindung, nichts zu verraten. Hätten
-wir alles erzählen dürfen, wie würde man uns bewundert haben! Aber
-viel heldenhafter war es doch noch, Stillschweigen zu bewahren. Unter
-Millionen Jungen hätte man nicht zwei finden können, die das fertig
-brachten. Davon war Tom wenigstens überzeugt und schließlich mußte er
-es doch am besten wissen.
-
-
-
-
-Neuntes Kapitel.
-
-
-In den nächsten zwei oder drei Tagen ging der Taubstumme bei den
-Nachbarn aus und ein und war bald allgemein beliebt. Jeder war stolz,
-mit einer so merkwürdigen Persönlichkeit zu verkehren; man lud ihn zum
-Frühstück, zu Mittag und zum Abendessen ein, bewirtete ihn aufs beste
-und wurde nicht müde, ihn anzustarren. Gern hätten die Leute mehr über
-ihn erfahren, aber seine Zeichen verstanden sie nicht -- er wußte wohl
-selbst nicht, was sie bedeuteten. Seine Naturlaute bewunderten sie
-dagegen sehr und freuten sich, so oft er sie hören ließ. Auch reichte
-er eine Tafel herum nebst Schieferstift, damit man Fragen an ihn
-stellen könne; die Antworten, die er aufschrieb, konnte aber niemand
-lesen, außer Brace Dunlap, dem es freilich auch Mühe machte; doch fand
-er häufig wenigstens den Sinn heraus. Er sagte, der Taubstumme käme von
-weit her und habe früher im Wohlstand gelebt, dann sei er Schwindlern
-in die Hände gefallen, die sein Vertrauen mißbraucht hätten. Jetzt sei
-er arm und wüßte nicht, wie er sein Brot erwerben solle.
-
-Man lobte Brace allgemein, daß er sich des Fremden so hilfreich annahm.
-Er hatte ihm ein kleines Blockhaus zur Wohnung angewiesen, seine Neger
-mußten es in Ordnung halten und ihm zu essen bringen so viel er wollte.
-
-Auch in unser Haus kam der Taubstumme öfters, weil es Onkel Silas Trost
-gewährte, einen Menschen zu sehen, der auch von Trübsal heimgesucht war
-wie er. Tom und ich thaten, als hätten wir ihn noch nie erblickt, und
-auch er stellte sich uns gegenüber ganz fremd. Der Familienkummer wurde
-in seiner Gegenwart ohne Scheu besprochen, was ja im Grunde nichts
-schadete. Gewöhnlich schien er gar nicht acht darauf zu geben, aber
-manchmal that er es doch.
-
-Als drei Tage vergangen waren, fingen die Nachbarn an, sich über
-Jupiter Dunlaps Ausbleiben zu beunruhigen. Einer fragte den andern,
-wo er wohl hingeraten sein könne; man schüttelte den Kopf und fand es
-höchst seltsam und unerklärlich. Abermals verstrichen ein paar Tage;
-da entstand ein Gerücht, daß er vielleicht ermordet wäre. Das machte
-natürlich großes Aufsehen und ein endloses Gerede. Am Samstag zogen die
-Leute truppweise in den Wald, um die Leiche aufzustöbern. Tom und ich
-gingen auch mit und halfen suchen. Tom konnte vor Aufregung tagelang
-weder essen noch schlafen und glühte vor Eifer, weil er meinte, wenn
-wir den Leichnam fänden, würden wir berühmt werden und unser Name in
-aller Munde sein.
-
-Die andern bekamen es zuletzt satt und gaben das Suchen auf. Aber Tom
-Sawyer dachte nicht daran, er war unermüdlich. Die ganze Nacht schloß
-er kein Auge, er sann über einen Plan nach und als der Morgen dämmerte,
-war ihm ein Licht aufgegangen. In größter Hast kam er und holte mich
-aus dem Bette.
-
-»Rasch Huck, wirf deine Kleider über,« rief er, »ich hab’s! Wir
-brauchen einen Schweißhund.«
-
-Zwei Minuten später liefen wir im Dunkeln am Fluß entlang nach dem
-Dorfe zu. Der alte Schmied Jeff Hooker hatte einen Hund, den wollte
-sich Tom von ihm borgen.
-
-»Die Spur ist zu alt,« sagte ich, »und geregnet hat es auch.«
-
-»Das schadet nichts, Huck. Wenn der Leichnam irgendwo im Walde steckt,
-findet ihn der Hund gewiß. Er wird es schon wittern, an welcher Stelle
-man den Ermordeten verscharrt hat. Auch auf die Spur des Mörders wird
-er uns helfen, und wenn wir die erst haben, verfolgen wir sie ohne
-Unterlaß, bis wir den Kerl fangen. Dann werden wir berühmt, so wahr ich
-lebe.«
-
-»Na, laß uns nur erst die Leiche finden,« sagte ich, um sein Feuer
-etwas zu dämpfen, »daran werden wir wohl für heute genug haben. Wer
-weiß, ob überhaupt eine da ist; vielleicht ist der faule Jupiter
-einfach durchgebrannt und gar nicht ermordet worden.«
-
-Doch davon wollte Tom nichts hören. »Wie kannst du nur so reden,
-Huck, das ist ganz abscheulich. Schämst du dich nicht, ein solcher
-Spielverderber zu sein, wenn wir gerade die beste Gelegenheit haben
-uns auszuzeichnen und unsern Ruhm zu begründen.«
-
-»Ach was, ich nehme alles zurück; mache es nur ganz wie du willst, Tom.
-Ob Jupiter tot ist oder lebendig, kümmert mich im Grunde wenig.«
-
-Bald war Tom wieder Feuer und Flamme für das Unternehmen, bis wir
-vor die Schmiede des alten Jeff Hooker kamen, der seine Begeisterung
-gewaltig abkühlte.
-
-»Den Hund könnt ihr haben,« sagte er, »aber ihr werdet keinen Leichnam
-finden, weil keiner da ist. Die Leute haben ganz recht, daß sie nicht
-weiter suchen. Sobald sie anfingen nachzudenken, mußte sich eben jeder
-sagen, daß von einem Mord gar keine Rede kein kann. Ich will euch
-auch sagen weshalb: Wenn jemand einen Menschen umbringt, thut er es
-doch nicht ganz ohne Grund, das werdet ihr mir zugeben. Na, und warum
-sollte man wohl dem Jupiter Dunlap, diesem Schafskopf, nach dem Leben
-trachten? Etwa aus Rache? Meint ihr, daß irgend jemand einen Groll
-gegen solchen Menschen hat?«
-
-Tom fand kein Wort der Erwiderung; von diesem Gesichtspunkt aus hatte
-er sich die Sache noch nicht überlegt.
-
-»Oder glaubt ihr, man hätte ihn berauben wollen? Haha! Das wird’s wohl
-sein. Die Hosenschnallen hat man ihm gestohlen und deshalb -- --«
-
-Der Alte wollte sich vor Lachen ausschütten; er mußte sich die Seiten
-halten, um nicht zu bersten. Tom machte ein ganz verblüfftes Gesicht;
-ich sah’s ihm an, daß er sich meilenweit weg wünschte, während Jeff
-Hooker von neuem anhub: »Wer irgend Grütze im Kopf hat, mußte sich’s
-ja gleich sagen, daß der Faulpelz nur ausgekniffen ist, weil er nach
-seiner schweren Arbeit eine Weile herumbummeln wollte. Paßt auf, nach
-ein paar Wochen kommt er wieder und lacht sich ins Fäustchen. -- Wenn
-du aber nach seinem Leichnam suchen willst, Tom, so nimm den Hund und
-thu’s, ich werd’ dich nicht hindern.«
-
-Tom war zu weit gegangen, er konnte nicht mehr zurück. »Na, also, macht
-ihn nur von der Kette los,« sagte er. Der Alte that es und sah uns
-lachend nach, während wir beschämt abzogen.
-
-Der Hund kannte uns, wedelte mit dem Schwanz und sprang mit lustigen
-Sätzen vor uns her, im Genuß seiner Freiheit. Aber Tom verzog keine
-Miene, er war tief gekränkt, daß der alte Hooker ihn lächerlich
-gemacht hatte, und verwünschte das ganze Abenteuer.
-
-In düsterm Schweigen schlichen wir durch die Hintergassen heim. Als
-wir eben um die Ecke unseres Tabakfeldes bogen, stieß der Hund ein
-klägliches Geheul aus. Wir eilten herzu und sahen, wie er mit aller
-Macht die Erde aufwühlte und dann und wann den Kopf laut heulend zur
-Seite wandte.
-
-In dem vom Regen durchweichten Boden ließ sich deutlich ein
-eingesunkenes längliches Viereck erkennen, das aussah wie ein Grab.
-Stumm standen wir da und sahen einander an. Der Hund hatte kaum ein
-paar Zoll tief gegraben, als er einen Gegenstand zu packen bekam und
-ihn herauszerrte; es war ein Männerarm, der im Aermel steckte.
-
-»Komm fort, Huck,« stieß Tom keuchend heraus, »die Leiche ist gefunden.«
-
-Mich durchrieselte es kalt. Rasch liefen wir nach der Landstraße und
-holten die ersten besten Leute, die uns begegneten. Sie nahmen einen
-Spaten mit und gruben den Leichnam aus. Nein, war das eine Aufregung!
-Sein Gesicht konnte man nicht mehr erkennen, aber das war auch nicht
-nötig. Alle riefen:
-
-»Der arme Jupiter; das sind die Kleider, die er zuletzt getragen hat.«
-
-Ein paar Männer eilten ins Dorf, um die Nachricht zu verbreiten und dem
-Friedensrichter Anzeige zu machen, damit die Totenschau gehalten werden
-könnte. Auch Tom und ich liefen spornstreichs nach Hause; ganz atemlos
-kamen wir zu Onkel Silas, Tante Sally und Benny hereingestürzt und Tom
-rief:
-
-»Wir zwei, ich und Huck, haben ganz allein mit einem Schweißhund
-Jupiter Dunlaps Leiche gefunden. Alle hatten es aufgegeben; ohne uns
-hätte man sie niemals entdeckt. Er ist doch ermordet worden, mit einem
-Knüttel hat man ihn totgeschlagen; aber ich will den Mörder schon
-finden, er soll mir nicht entgehen, so wahr ich Tom heiße.«
-
-Tante Sally und Benny sprangen bleich und erschrocken auf, aber Onkel
-Silas fiel vorn über vom Stuhl auf den Boden und rief ächzend: »Gott
-erbarme sich meiner -- _du hast ihn schon gefunden_!« --
-
-
-
-
-Zehntes Kapitel.
-
-
-Bei diesen gräßlichen Worten standen wir wie zu Stein erstarrt und
-konnten wohl eine Minute lang kein Glied rühren. Sobald wir uns etwas
-von dem Schreck erholt hatten, hoben wir den alten Mann auf und setzten
-ihn wieder in seinen Stuhl; er ließ sich von Benny streicheln und
-küssen, auch die arme Tante versuchte ihn zu beruhigen. Doch waren sie
-beide so verwirrt und außer sich, daß sie kaum wußten, was sie thaten.
-Am allerunglücklichsten war aber Tom selbst. Daß er seinen Onkel
-vielleicht ins Verderben gestürzt hatte, war ihm fürchterlich. Hätte er
-nicht solchen Ehrgeiz gehabt, berühmt zu werden und hätte das Suchen
-nach der Leiche aufgegeben, wie die andern Leute, so wäre es ja am Ende
-nie herausgekommen. Doch nicht lange, da besann er sich und änderte
-seine Gedanken:
-
-»Sag’ das nicht noch einmal, Onkel Silas; solche Reden sind gefährlich
-und es ist auch kein Körnchen Wahrheit daran,« versicherte er mit
-Bestimmtheit.
-
-Tante Sally und Benny atmeten erleichtert auf bei diesen Worten; aber
-der Onkel schüttelte traurig den Kopf.
-
-»Nein, nein -- ich hab’s gethan -- der arme Jupiter -- ich hab’s
-gethan!« -- sagte er im Ton der Verzweiflung, während ihm die Thränen
-über die Backen liefen. Es war schrecklich mit anzuhören.
-
-Dann erzählte er weiter, es sei an dem Tage geschehen, als Tom und ich
-ankamen, bei Sonnenuntergang. Jupiter hatte ihn gequält und geärgert,
-bis ihn der Zorn übermannte und er ihm mit seinem Stock über den Kopf
-schlug, daß er zu Boden stürzte. Sofort bereute er seine Hitze; er
-kniete neben Jupiter hin, hob ihm den Kopf auf und bat, er solle doch
-sprechen und sagen, daß er nicht tot sei. Der kam auch bald wieder
-zu sich; doch als er sah, wer ihm den Kopf hielt, sprang er, wie zu
-Tode erschrocken, auf, war mit einem Satz über den Zaun, lief nach dem
-Walde zu und verschwand. Da hoffte Onkel natürlich, er hätte ihm keinen
-Schaden gethan.
-
-»Aber ach,« fuhr er fort, »nur die Furcht hatte ihm dies letzte
-Fünkchen Lebenskraft eingeflößt, das rasch erlosch; im Gebüsch ist
-er dann zusammengebrochen, wo ihm niemand beistehen konnte, und ist
-gestorben.«
-
-Der alte Mann jammerte und weinte, er sagte, er sei ein Mörder, er
-trüge das Kainszeichen und brächte seine Familie in Schande und
-Schmach. Seine Missethat würde entdeckt werden und ihn an den Galgen
-bringen.
-
-»Davon ist gar keine Rede,« sagte Tom. »Du hast ihn gar nicht
-umgebracht. Ein einziger Schlag ist nicht gleich tödlich. Den Mord hat
-ein anderer begangen.«
-
-»Nein, ich habe es gethan, sonst niemand. Wer hätte auch außer mir
-etwas gegen ihn haben sollen?«
-
-Er sah uns an als hoffte er, wir würden jemand nennen können, der dem
-harmlosen Menschen grollte; allein das war vergebens, wir mußten alle
-verstummen. Als er das sah, überfiel ihn die Trauer von neuem; seine
-jammervolle Miene war zum erbarmen.
-
-»Aber halt,« rief Tom plötzlich, »jemand muß ihn doch begraben haben.
-Wer kann das denn --«
-
-Weiter kam er nicht. Ich wußte wohl warum, und es überlief mich kalt.
-Hatten wir doch beide Onkel Silas in jener Nacht mit der langen
-Schaufel über der Schulter gesehen. Auch Benny mußte ihn bemerkt haben;
-sie hatte einmal etwas davon erwähnt. Tom war nun eifrig bemüht, Onkel
-zu überreden, daß er sich nicht verraten solle; wir andern stimmten ihm
-bei und sagten, wenn Onkel schwiege, würde man es nie erfahren und er
-dürfe sich nicht selbst anklagen, weil es uns allen das Herz brechen
-würde, wenn ihm ein Leid geschähe. Es würde niemand Nutzen bringen und
-die Seinigen nur unglücklich machen. Zuletzt versprach er es denn auch
-und wir suchten ihn nun nach Kräften zu trösten und aufzuheitern. Ueber
-der ganzen Sache würde bald Gras wachsen, sagten wir, und kein Mensch
-würde mehr daran denken. Gegen Onkel Silas Verdacht zu schöpfen könne
-niemand auch nur im Traum einfallen; er stehe in viel zu gutem Ruf und
-sei so lieb und freundlich gegen jedermann.
-
-»Ueberlegt es doch nur,« sagte Tom mit großem Nachdruck, »es liegt
-ja auf der Hand: Seit so und so vielen Jahren ist Onkel Silas hier
-Prediger gewesen ohne einen Pfennig Gehalt; alles mögliche Gute hat
-er gethan, von Alt und Jung wird er geliebt und geachtet. Wie sollte
-er, der friedliebendste Mensch von der Welt, der sich nie in fremde
-Angelegenheiten gemischt hat, dazu kommen, sich thätlich an jemand zu
-vergreifen? Es kann gar kein Argwohn gegen ihn entstehen; das ist
-ebenso gut ein Ding der Unmöglichkeit wie -- --«
-
-»Im Namen und Auftrag des Staates Arkansas verhafte ich Euch als den
-Mörder des Jupiter Dunlap,« rief in diesem Augenblick der Sheriff an
-der Thür.
-
-Es war furchtbar. Tante Sally und Benny klammerten sich weinend und
-schreiend an Onkel Silas und wollten ihn nicht fortlassen; auch die
-Neger liefen heulend herbei, es war ein herzzerreißender Auftritt und
-ich machte, daß ich zum Haus hinauskam.
-
-Als er nach dem kleinen Dorfgefängnis geführt wurde, begleiteten wir
-ihn alle, um ihm Lebewohl zu sagen. Tom hatte schon einen Plan fix und
-fertig im Kopf, wie wir ihn in einer dunkeln Nacht heldenmütig befreien
-wollten. Aber als er gegen Onkel etwas davon verlauten ließ, kam er
-übel an. Der arme Alte meinte, es sei seine Pflicht, zu dulden, was
-das Gesetz über ihn verhänge; selbst wenn die Thür des Gefängnisses
-offen stünde, würde er von dort nicht wanken und weichen. Natürlich war
-Tom sehr enttäuscht, doch mußte er sich drein ergeben. Den Gedanken,
-seinen Onkel zu befreien, gab er aber deshalb noch lange nicht
-auf; er betrachtete das als seine Schuldigkeit, denn er fühlte sich
-gewissermaßen verantwortlich für ihn.
-
-Er versprach auch Tante Sally, daß er Tag und Nacht nicht ruhen würde,
-bis er Onkels Unschuld ans Licht gebracht hätte, sie solle sich nur
-keinen Kummer machen. Tante umarmte ihn zärtlich, dankte ihm und sagte,
-sie sei überzeugt, er werde alles thun, was in seinen Kräften stehe.
-Dann bat sie uns noch, wir möchten Benny helfen das Haus und die Kinder
-zu versorgen, und nachdem wir mit Thränen von ihr Abschied genommen
-hatten, kehrten wir nach der Farm zurück. Tante wollte bei der Frau des
-Gefängniswärters wohnen bleiben, bis im Oktober die Gerichtsverhandlung
-stattfand.
-
-
-
-
-Elftes Kapitel.
-
-
-Der nächste Monat war für uns alle sehr traurig. Die arme Benny nahm
-sich zusammen, so gut sie konnte; auch Tom und ich trugen unser
-möglichstes zur allgemeinen Aufheiterung bei, aber das half wenig.
-Wir besuchten die alten Leute jeden Tag, was furchtbar trübselig war.
-Onkel Silas hatte meist schlaflose Nächte oder er wandelte im Schlaf;
-sein Aussehen war erbärmlich, auch nahm er körperlich und geistig so
-sehr ab, daß wir alle fürchteten, er würde vor Kummer krank werden und
-sterben.
-
-Wenn wir ihm Mut zusprachen, schüttelte er nur den Kopf und meinte, wir
-wüßten nicht, welche Last es wäre, einen Mord auf der Seele zu tragen,
-sonst würden wir anders reden. Wie oft wir ihm auch wiederholten, daß
-es kein Mord, sondern fahrlässiger Todschlag wäre, er ließ sich nicht
-davon abbringen. Ja, als der Tag der Verhandlung näher rückte, war er
-ganz bereit einzugestehen, er habe den Mann mit Vorbedacht getötet. Das
-verschlimmerte die Sache natürlich hundertfach; Tante Sally und Benny
-verzehrten sich fast vor Angst. Doch nahmen wir Onkel das Versprechen
-ab, daß er im Beisein anderer keine Silbe von dem Mord sagen wolle und
-das war wenigstens ein Trost.
-
-Den ganzen Monat über zerbrach sich Tom den Kopf, um einen Ausweg zu
-finden. Viele Nächte mußte ich mit ihm aufbleiben und Pläne schmieden,
-aber wir arbeiteten uns nur unnütz ab, es führte alles zu nichts.
-Ich war zuletzt so mutlos und niedergeschlagen, daß ich Tom riet es
-aufzugeben; doch er war anderer Meinung und ließ nicht nach, sich mit
-immer neuen Entwürfen das Hirn zu zermartern.
-
-So kam Mitte Oktober der Tag der Gerichtsverhandlung. Wir waren alle
-da und der Saal natürlich gedrängt voll. Der arme alte Onkel Silas sah
-selbst fast aus wie ein Toter, so hohläugig, abgezehrt und jämmerlich.
-Benny und Tante Sally saßen ihm rechts und links zur Seite, tief
-verschleiert und gramerfüllt. Aber Tom saß bei unserm Verteidiger
-und redete in alles mit herein; der Anwalt ließ ihn gewähren und der
-Richter auch. Manchmal hielt er’s für besser, dem Verteidiger die Sache
-ganz aus der Hand zu nehmen, denn der war nur ein Winkeladvokat und
-verstand so gut wie gar nichts.
-
-Die Vereidigung der Geschworenen war vorüber und der öffentliche
-Ankläger hielt seine Rede. Er sagte so schreckliche Dinge von Onkel
-Silas, daß Tante Sally und Benny zu weinen anfingen. Was er über den
-Mord berichtete, nahm uns fast den Atem, es war so ganz anders als
-Onkels Erzählung. Er sagte, er werde beweisen, daß zwei zuverlässige
-Zeugen gesehen hätten, wie Onkel Silas den Jupiter Dunlap umgebracht
-habe. Es sei mit Vorbedacht geschehen, denn er habe gerufen, er wolle
-ihn kalt machen, während er mit dem Knüttel zuschlug, dann habe er
-Jupiter ins Gebüsch geschleppt, der sei aber schon ganz tot gewesen.
-Später sei Onkel Silas wiedergekommen und habe die Leiche ins Tabakfeld
-geschafft, was zwei Männer bezeugen könnten. In der Nacht habe er sie
-dann begraben und sei auch dabei von jemand beobachtet worden.
-
-Ich sagte mir, der arme alte Onkel müsse uns belogen haben, weil er
-sich darauf verließ, daß ihn niemand gesehen hätte und er Tante Sally
-und Benny nicht das Herz brechen wollte. Daran hatte er ganz recht
-gethan; jeder, der nur das geringste Gefühl im Leibe hatte, würde auch
-gelogen haben, um den beiden, die doch gar nichts dafür konnten, Kummer
-und Herzeleid zu ersparen. Unser Verteidiger machte ein bedenkliches
-Gesicht und auch Tom war einen Augenblick wie auf den Mund geschlagen,
-doch nahm er sich rasch wieder zusammen und that ganz zuversichtlich
--- aber es war ihm schlecht dabei zu Mute, das weiß ich. Unter den
-Zuhörern entstand eine furchtbare Aufregung während der Rede.
-
-Als der Ankläger fertig war, setzte er sich und die Zeugen wurden
-aufgerufen. Zuerst kamen mehrere um zu beweisen, daß Onkel Silas dem
-Ermordeten feindlich gesinnt gewesen war. Sie sagten, sie hätten ihn
-öfters Drohungen gegen Jupiter ausstoßen hören; es sei zuletzt so
-schlimm geworden, daß alle Welt darüber gesprochen habe. Der Ermordete,
-dem um sein Leben bangte, habe gegen mehrere von ihnen geäußert, Onkel
-Silas würde ihn gewiß noch einmal umbringen.
-
-Das Kreuzverhör, das Tom und unser Verteidiger mit diesen Zeugen
-anstellten, nützte nichts; sie beharrten bei ihrer Aussage.
-
-Zunächst betrat Lem Beebe den Zeugenstand. Das rief mir den Tag unserer
-Ankunft ins Gedächtnis, wie Lem mit Jim Lane an uns vorbeigegangen war
-und gesagt hatte, er wollte sich einen Hund von Jupiter Dunlap borgen.
-Alles zog wieder an meiner Erinnerung vorüber: Bill und Hans Withers,
-die von einem Neger redeten, der Onkel Silas Korn gestohlen hatte, und
-unser Geist, der aus dem Ahornwäldchen kam und uns so erschreckte.
-Der saß jetzt leibhaftig vor mir und nahm als Taubstummer und Fremder
-obendrein einen besondern Stuhl innerhalb der Schranken ein; da konnte
-er gemütlich die Beine übereinander schlagen, während die übrigen
-Zuhörer so zusammengepfercht waren, daß sie kaum Platz zum Atemholen
-hatten.
-
-Lem Beebe leistete den Eid und begann: »Am zweiten September gegen
-Sonnenuntergang ging ich mit Jim Lane am Zaun des Angeklagten vorbei.
-Da hörten wir lautes Reden und Streiten, ganz in unserer Nähe, nur das
-Haselgebüsch war dazwischen. Wir erkannten die Stimme des Angeklagten,
-welche rief: ›Ich hab’ dir’s oft gesagt, ich bringe dich noch um!‹ dann
-sahen wir einen Knüttel, der hoch emporgehoben wurde und wieder hinter
-dem Gebüsch verschwand; wir hörten einen dumpfen Schlag und gleich
-darauf ein Aechzen. Nun krochen wir leise näher und als wir durch den
-Zaun guckten, sahen wir Jupiter Dunlap tot am Boden liegen und neben
-ihm stand der Angeklagte mit dem Knüttel in der Hand. Er schleppte die
-Leiche fort, um sie zu verbergen; wir aber duckten uns, damit wir nicht
-gesehen würden und machten, daß wir wegkamen.«
-
-Es war schrecklich. Den Zuhörern erstarrte fast das Blut in den Adern
-und im ganzen Saal herrschte lautlose Stille. Erst als der Zeuge
-fertig war, hörte man die Leute seufzen und stöhnen und sie sahen
-einander mit entsetzten Mienen an.
-
-Am meisten mußte ich mich aber über Tom verwundern. Bei den ersten
-Zeugen hatte er aufgepaßt wie ein Schweißhund und sobald einer mit
-seiner Aussage zu Ende war, fuhr er drauf los und that alles, was
-er konnte, um ihn auf Unwahrheiten zu ertappen und sein Zeugnis zu
-entkräften. Auch jetzt, als Lem anfing und nichts davon sagte, daß
-er mit Jupiter gesprochen hatte und sich seinen Hund borgen wollte,
-glühte Tom vor Eifer und ich merkte, wie er nur darauf lauerte, Lem ins
-Kreuzverhör zu nehmen. Dann dachte ich, würden wir beide als Zeugen
-auftreten und erzählen, was wir aus Lems eigenem Munde gehört hatten.
-Ich sah wieder zu Tom hin, aber der war auf einmal wie ausgewechselt.
-Er hörte gar nicht mehr auf das, was Lem sagte, sondern saß ganz in
-sich versunken da, als schweiften seine Gedanken in weiter, weiter
-Ferne. Als Lem fertig war, stieß unser Verteidiger Tom mit dem
-Ellenbogen an; einen Augenblick sah er verwirrt auf und meinte: »Nehmen
-Sie den Zeugen ins Verhör, wenn Sie wollen; aber mich lassen Sie in
-Ruhe -- ich muß nachdenken.«
-
-Na, da hörte doch alles auf; es ging über meine Begriffe. Ich sah
-auch wie Benny und ihre Mutter den Schleier zurückschoben und mit
-angstvoller Miene nach Tom hinschauten, um seinem Blick zu begegnen,
-aber sie bemühten sich vergebens, er starrte immer nur auf einen Fleck.
-Der Winkeladvokat nahm zwar den Zeugen vor, brachte aber nichts heraus
-und verdarb die Geschichte noch vollends.
-
-Dann wurde Jim Lane aufgerufen; er erzählte den Vorgang genau ebenso.
-Tom aber gab gar nicht acht; er saß noch immer in tiefen Gedanken da
-und merkte nicht, was um ihn her vorging. Der Verteidiger mußte wieder
-ganz allein fragen, und auch das Ergebnis war das gleiche. Nun schaute
-der öffentliche Ankläger sehr befriedigt drein, aber der Richter machte
-ein verdrießliches Gesicht, denn Tom versah fast die Stelle eines
-richtigen Advokaten. In Arkansas durfte der Angeklagte nämlich nach
-dem Gesetz wen er wollte, zum Beistand seines Verteidigers wählen. Tom
-hatte Onkel Silas überredet, ihm den Fall anzuvertrauen, und nun that
-er nichts zur Sache, was dem Richter natürlich unangenehm war.
-
-Schließlich fragte der Verteidiger Lem und Jim: »Warum habt ihr nicht
-gleich angezeigt, was ihr gesehen hattet?«
-
-»Wir fürchteten, selbst in die Sache verwickelt zu werden,« lautete die
-Antwort. »Als wir aber hörten, daß nach dem Leichnam gesucht wurde,
-sind wir gleich zu Brace Dunlap gegangen und haben ihm alles erzählt.«
-
-»Wann war das?«
-
-»Samstag abend, den 9. September.«
-
-Hier ließ sich der Richter vernehmen:
-
-»Sheriff,« sagte er, »verhaften Sie diese beiden Zeugen als Hehler des
-Mordes.«
-
-»Herr Richter,« rief der Ankläger in großer Erregung, »ich erhebe
-Einspruch gegen dieses außergewöhnliche -- --«
-
-»Setzen Sie sich,« erwiderte der Richter und legte sein Dolchmesser vor
-sich auf den Tisch. »Ich bitte, daß Sie dem Gerichtshof die schuldige
-Achtung erweisen.«
-
-Der nächste Zeuge war Bill Withers.
-
-Nach seiner Vereidigung sagte er aus: »Ich kam am Samstag den 2.
-September gegen Sonnenuntergang mit meinem Bruder Hans am Feld des
-Gefangenen vorbei, da sahen wir einen Mann, der eine schwere Last auf
-dem Rücken trug. Wir konnten ihn nur undeutlich sehen, aber es schien,
-als schleppe er einen Menschen, dessen Glieder so schlaff herabhingen,
-daß wir meinten, er müsse wohl betrunken sein. Nach dem Gang des Mannes
-zu urteilen, war es Pastor Silas und wir dachten, er hätte vielleicht
-den Trunkenbold Sam Cooper, den er schon lange zu bessern versucht, im
-Straßengraben gefunden und schaffte ihn nun nach Hause.«
-
-Den Leuten grauste, als sie sich vorstellten, wie der alte Onkel Silas
-den Ermordeten in seine Tabakpflanzung geschleppt hatte, wo der Hund
-hernach die Leiche aufwühlte. Viel Mitgefühl war aber nicht in den
-Gesichtern zu lesen, und einer sagte zu seinem Nachbar: »Schauderhaft,
-den Toten so herumzutragen und dann im Boden zu verscharren, wie das
-erste beste Tier -- und so was kann ein Pastor thun!«
-
-Auch diesen Zeugen mußte der Verteidiger allein vornehmen; Tom war wie
-blind und taub, er rührte sich nicht.
-
-Nach Bill kam Hans Withers und wiederholte alles, was sein Bruder
-gesagt hatte.
-
-Dann wurde Brace Dunlap aufgerufen. Der sah so kummervoll aus, als ob
-ihm das Weinen nahe wäre. Im Saal entstand eine große Bewegung; alle
-horchten auf, um ja kein Wort zu verlieren; die Weiber flüsterten: »Der
-arme Mensch!« und viele sah man sich die Augen trocknen.
-
-Brace Dunlap leistete den Eid, dann sagte er:
-
-»Ich war schon lange in Sorge um meinen armen Bruder, doch hoffte ich
-immer noch, die Sachen stünden nicht so schlimm wie er sie schilderte.
-Wie hätte ich auch denken sollen, daß es irgend jemand übers Herz
-bringen würde, einem so harmlosen Geschöpf ein Leid anzuthun. Und daß
-gar der Pastor ihm nach dem Leben trachtete, konnte mir gar nicht in
-den Sinn kommen. Aber nie, nie werde ich mir vergeben, daß ich der
-Sache nicht gleich ein Ende gemacht habe; hätte ich das gethan, so
-wäre mein armer unschuldiger Bruder heute noch am Leben, und nun liegt
-er dort drüben -- grausam ermordet.« Die Rührung übermannte ihn; er
-mußte eine Weile warten, weil ihm die Stimme versagte. Von allen Seiten
-wurden teilnahmvolle Worte laut und die Weiber weinten. Dann entstand
-eine feierliche Stille; nur der arme alte Onkel Silas stöhnte aus
-tiefster Brust, so daß es jedermann hörte.
-
-Brace fuhr fort: »Samstag den 2. September kam er nicht zum Nachtessen
-heim. Als es spät wurde, schickte ich einen meiner Neger nach der
-Wohnung des Angeklagten; aber dort war mein Bruder nicht. Meine Unruhe
-wuchs; zwar legte ich mich zu Bette, aber an Schlaf war nicht zu
-denken. In der Nacht stand ich noch einmal auf, ging nach dem Hause
-des Angeklagten und irrte da lange umher in der Hoffnung, meinen armen
-Bruder zu treffen. Ach, ich wußte ja nicht, daß er schon aus aller
-Not in ein besseres Jenseits entrückt war.« Wieder versagte ihm die
-Stimme und man hörte die Weiber schluchzen. Bald nahm Brace einen neuen
-Anlauf: »Das Warten war vergebens. Ich ging heim und legte mich nieder.
-Ein paar Tage später gerieten die Nachbarn auch in Sorge und fingen
-an, von den Drohungen zu reden, die der Angeklagte ausgestoßen hatte.
-Ihre Ansicht, daß mein Bruder ermordet sei, teilte ich nicht; aber
-das Gerücht verbreitete sich, man fing an, nach der Leiche zu suchen.
-Ich war der Meinung, mein Bruder habe sich irgendwohin geflüchtet, um
-etwas Ruhe zu haben und er werde über kurz oder lang zurückkehren. Da
-kamen am Samstag den 9. Lem Beebe und Jim Lane noch spät abends zu
-mir und erzählten mir alles -- so erfuhr ich den gräßlichen Mord, der
-mir fast das Herz brach. Zugleich erinnerte ich mich an einen Umstand,
-auf den ich vorher kein großes Gewicht legte, weil ich gehört hatte,
-der Angeklagte sei ein Nachtwandler und thue im Schlaf allerlei, wovon
-er kein Bewußtsein habe. In jener schrecklichen Nacht, am Samstag
-nämlich, als ich voll Sorge und Kummer umherirrte, kam ich auch an
-die Tabakpflanzung des Angeklagten und hörte ein Geräusch, als ob der
-Boden aufgegraben würde. Ich schlich näher und sah durch die Hecke
-einen Mann, der Erde in ein Loch schaufelte, das schon fast zugefüllt
-war. Er stand mit dem Rücken nach mir, aber im Mondlicht erkannte ich
-den Angeklagten an seinem alten grünen Arbeitskittel mit dem weißen
-Flicken zwischen den Schultern, der aussieht, als hätte ihn jemand mit
-einem Schneeball geworfen. Er war gerade beschäftigt, den Mann, _den er
-erschlagen hatte, im Boden zu verscharren_.«
-
-Weinend und schluchzend sank Brace auf seinen Stuhl nieder und
-durch den ganzen Saal ging ein Klagegestöhn. »Wie schauderhaft, wie
-gräßlich!« klang es von allen Seiten; die Unruhe nahm mit jeder Minute
-zu. Da auf einmal erhob sich der alte Onkel Silas; er sah so weiß aus,
-wie ein Tuch und rief:
-
-»_Es ist alles buchstäblich wahr -- ich habe ihn mit kaltem Blute
-umgebracht!_«
-
-Die Leute waren erst starr vor Schrecken, dann entstand ein wilder
-Lärm. Jeder sprang von seinem Sitze auf und reckte den Hals, um besser
-sehen zu können. Der Richter schlug mit dem Hammer auf den Tisch und
-der Sheriff kreischte: »Ruhe und Ordnung im Gerichtssaal -- Ruhe!«
-
-Von alledem schien Tom Sawyer nicht das mindeste zu merken. Wahrhaftig,
-da saß er, starrte ins Leere und schaute auch nicht ein einzigesmal
-nach Onkel Silas hin.
-
-Unterdessen stand der alte Mann noch immer hoch aufgerichtet, mit
-glühenden Blicken und an allen Gliedern bebend da. Er wehrte seine
-Frau und Tochter ab, die sich an ihn klammerten und flehten, er solle
-schweigen. Nein, er _wollte_ das Verbrechen nicht mehr auf der Seele
-haben, er _wollte_ die Last abwälzen, unter der er erliegen mußte,
-keine Stunde länger wollte er sie tragen. Und während alle Zuschauer
-ihn entsetzt anstarrten, während der Richter, die Geschworenen, die
-Anwälte nach Atem rangen, während Benny und Tante Sally schluchzten,
-daß es einen Stein erbarmen konnte, floß dem alten Mann sein grausiges
-Bekenntnis über die Lippen, wie ein Strom, der aus seinen Ufern bricht:
-
-»Ich habe ihn umgebracht. Ich bin der Schuldige! Doch hatte ich noch
-nie im Leben daran gedacht, ihm Schaden oder Leid zuzufügen, bis zu dem
-Augenblick, als ich den Stock erhob. Daß ich ihm schon früher gedroht
-haben soll, ist nicht wahr. Ganz plötzlich ward es mir eiskalt ums
-Herz, alles Mitleid war verflogen, ich wollte ihn töten und schlug zu.
-In dem Moment kam mir alles zum Bewußtsein, was ich erlitten hatte,
-aller Schimpf, den mir der Mann und sein schurkischer Bruder dort
-angethan, die zusammen darauf ausgegangen waren, mich bei den Leuten in
-Verruf zu bringen, mir den guten Namen abzuschneiden und mich solange
-zu quälen, bis ich eine That beging, die mich und die Meinigen ins
-Verderben stürzte, während wir ihnen doch, weiß Gott, nie etwas zuleide
-gethan hatten. Es war nichts, als gemeine Rache von ihnen. Und wofür?
--- Bloß weil meine arme unschuldige Tochter hier den reichen, frechen
-und feigen Nichtsnutz, den Brace Dunlap, nicht heiraten wollte, der
-jetzt solchen Schmerz um seinen Bruder heuchelt, dem er sein Lebtag
-nichts Gutes gegönnt hat. -- In jenem Augenblick vergaß ich mein
-Seelenheil und dachte nur an meinen bittern Groll -- ich schlug zu, um
-meinen Feind zu töten -- verzeih mir’s Gott! -- Sofort that mir’s von
-Herzen leid, mich überfiel die Reue; doch dachte ich an die Meinigen
-und um ihretwillen wollte ich meine Missethat verbergen. Erst schleppte
-ich die Leiche ins Gebüsch und später in das Tabakfeld. Im nächtlichen
-Dunkel schlich ich mich dorthin und begrub den Erschlagenen -- --«
-
-Auf einmal schnellte Tom von seinem Sitz in die Höhe: »Jetzt hab’
-ich’s,« rief er triumphierend und streckte die Hand mit förmlich
-hoheitsvoller Gebärde nach dem alten Mann aus.
-
-»Setz’ dich, Onkel! Es ist zwar ein Mord verübt worden, aber du bist’s
-nicht gewesen, der ihn begangen hat.«
-
-Im Nu wurde es totenstill im Saal. Der Alte sank verwirrt auf seinen
-Stuhl; Tante Sally und Benny starrten Tom mit offenem Munde an und
-auch die übrigen Anwesenden wußten kaum, wo ihnen der Kopf stand, vor
-maßlosem Staunen und unbeschreiblicher Ueberraschung.
-
-»Darf ich reden, Herr Präsident?«
-
-»Um Gottes willen ja -- so sprich doch!« rief der Richter, der seinen
-Ohren nicht traute.
-
-Tom stand und wartete noch ein paar Sekunden -- um die Wirkung zu
-erhöhen, wie er es nennt -- dann begann er mit größter Gelassenheit:
-
-»Seit etwa zwei Wochen ist hier vorn am Gerichtshause eine
-Bekanntmachung angeschlagen, in der eine Belohnung von 2000 Dollars
-für Wiedererlangung von zwei großen Diamanten geboten wird, die in St.
-Louis gestohlen worden sind. Die Diamanten sind zwölftausend Dollars
-wert. Doch darauf komme ich später zurück. Jetzt will ich von dem Mord
-reden und sagen, wie es dazu kam, wer ihn begangen hat -- und alle
-Einzelheiten.«
-
-Nein, wie sie alle die Köpfe vorstreckten und horchten, damit ihnen
-kein Wort entginge! --
-
-»Der Mann hier, der jetzt so um seinen toten Bruder jammert, für
-den er, solange er lebte, keinen Pfifferling gegeben hätte, wie ihr
-recht wohl wißt -- dieser Brace Dunlap wollte das junge Mädchen dort
-heiraten, aber sie nahm ihn nicht. Da drohte er Onkel Silas, das
-sollte ihnen noch allen teuer zu stehen kommen. Onkel wußte, daß er
-gegen solchen Mann nichts auszurichten vermochte; das ängstigte ihn
-sehr und er that alles Erdenkliche, um ihn zu besänftigen und wieder
-zu versöhnen. Er nahm sogar seinen nichtsnutzigen Bruder Jupiter als
-Arbeiter auf die Farm und sparte sich und den Seinigen den Lohn, den
-er ihm zahlte, am eigenen Leibe ab. Jupiter aber that alles, was sein
-Bruder nur ersinnen konnte, um Onkel Silas zu beleidigen, zu ärgern und
-zu quälen, damit Onkel sich vom Zorn fortreißen ließe und so um seinen
-guten Ruf kam. Der Plan gelang. Alle wandten sich von Onkel ab und
-glaubten den ausgestreuten Verleumdungen. Das nahm sich der alte Mann
-so zu Herzen, daß er vor lauter Kummer und Trübsal oft gar nicht recht
-bei Sinnen war.
-
-»An jenem schrecklichen Samstag nun, kamen die zwei Zeugen Lem Beebe
-und Jim Lane an dem Acker vorüber, wo Onkel Silas und Jupiter bei der
-Arbeit waren -- so viel von ihrer Aussage ist wahr, das übrige sind
-lauter Lügen. Sie haben weder Onkel Silas sagen hören, daß er Jupiter
-umbringen wollte, noch haben sie ihn den Schlag führen sehen. Den
-Leichnam haben sie auch nicht erblickt und ebenso wenig, daß Onkel
-etwas im Gebüsch verborgen hat. -- Seht sie nur an, wie sie jetzt
-dasitzen und wünschen, sie hätten ihre Zungen besser im Zaum gehalten.
-Sie werden noch ganz andere Gesichter machen, wenn ich alles erst ins
-reine gebracht habe.
-
-»An dem nämlichen Samstag abend haben Bill und Hans Withers gesehen,
-wie ein Mann den andern auf der Schulter fortschleppte. Soweit haben
-sie die Wahrheit gesprochen, das andere ist erlogen. Zuerst glaubten
-sie, ein Neger hätte dem Onkel Silas Korn gestohlen. -- Seht nur, wie
-verdutzt sie jetzt dreinschauen, weil sie erfahren, daß jemand sie das
-hat sagen hören. Später ist’s ihnen sonnenklar geworden, wer die Leiche
-fortgeschafft hat, und sie wissen recht gut, warum sie hier vor Gericht
-geschworen haben, sie hätten Onkel Silas am Gang erkannt. Er war’s aber
-doch nicht, und das wußten die meineidigen Zeugen ebenfalls.
-
-»Es ist möglich, daß ein Mann beim Mondenschein gesehen hat, wie der
-Leichnam in der Tabakpflanzung vergraben wurde -- aber Onkel Silas hat
-nichts damit zu thun gehabt. Der lag zu selbiger Zeit daheim in seinem
-Bett.
-
-»Ehe ich weiter erzähle, möchte ich die Anwesenden noch daran erinnern,
-daß viele Menschen, wenn sie tief in Gedanken geraten oder innerlich
-erregt sind, die Gewohnheit haben, irgend etwas mit ihren Händen zu
-thun, ohne es zu wissen. Sie fassen sich ans Kinn oder an die Nase,
-drehen an einem Knopf oder ihrer Uhrkette, streichen sich übers Haar
-oder den Bart. Manche zeichnen sich auch mit dem Finger ein Bild
-oder einen Buchstaben ins Gesicht. Das ist meine Manier. Wenn mich
-etwas quält oder ärgert, oder wenn ich recht nachdenke, male ich mir
-immerfort ein großes ~V~ auf die Backe oder das Kinn und meistens merke
-ich selbst gar nichts davon.«
-
-Komisch! Mir geht das ebenso. Nur mache ich ein ~O~. Ich sah auch, wie
-die Leute im Saal einander anstießen und zunickten, was so viel heißen
-sollte, wie: Ja, so ist’s!
-
-»Am selben Samstag -- nein, es war am Abend vorher --« fuhr Tom fort,
-»lag ein Dampfboot an der Landungsbrücke vierzig Meilen flußaufwärts
-von hier; es stürmte und regnete, was nur vom Himmel wollte. An Bord
-war der Dieb, der die zwei großen Diamanten gestohlen hatte, von
-denen die Bekanntmachung hier am Gerichtshaus redet. Er schlich sich
-mit seinem Reisesack ans Land, ging in die dunkle Sturmnacht hinaus
-und hoffte, diese Stadt mit heiler Haut zu erreichen. Allein auf dem
-Dampfboot hielten sich auch zwei seiner Genossen verborgen, welche, wie
-er wußte, nur auf die Gelegenheit lauerten, ihn umzubringen, um die
-Diamanten zu bekommen. Die drei Spießgesellen hatten die Edelsteine
-nämlich miteinander gestohlen, jener erste Dieb aber hatte sie
-eingesteckt und sich damit aus dem Staube gemacht.
-
-»Na, er war kaum zehn Minuten fort, als seine Genossen Lunte rochen.
-Sie sprangen ans Land und jagten hinter ihm drein. Wie sie seine Spur
-gefunden haben, weiß ich nicht, aber den ganzen Samstag über blieben
-sie ihm auf den Fersen und gaben dabei acht, daß er sie nicht zu
-Gesicht bekam. Gegen Sonnenuntergang erreichte er das Ahornwäldchen
-bei Onkel Silas’ Tabakpflanzung und schlich hinein, um die Verkleidung
-anzulegen, die er im Reisesack trug und in der er sich den Leuten
-zeigen wollte. -- Das geschah ungefähr zur selben Zeit, als Onkel
-Silas den Jupiter Dunlap mit dem Knüttel schlug -- denn, daß er ihn
-geschlagen hat, ist richtig.
-
-»Kaum hatten aber die Verfolger ihren Diebsgenossen in das Wäldchen
-treten sehen, als sie aus dem Gebüsch sprangen und ihm nachliefen. Ohne
-Gnade und Barmherzigkeit fielen sie über ihn her und schlugen ihn tot,
-wie laut er auch heulte und schrie.
-
-»Zwei Männer, die auf der Straße gelaufen kamen, hatten das
-Angstgeschrei gehört; sie drangen in das Wäldchen ein, -- das ohnehin
-ihr Ziel gewesen war -- verjagten die Mörder und verfolgten sie in
-atemloser Hast. Aber nur eine Strecke weit; dann kehrten die zwei
-Männer verstohlen nach dem Ahornwäldchen zurück.
-
-»Was thaten sie aber dort? -- Das will ich euch sagen: Sie fanden
-den Ermordeten samt dem Reisesack, der alles enthielt, was zu der
-Verkleidung gehörte. Die legte nun einer der Männer an, nachdem er
-seine eigenen Kleider ausgezogen hatte.«
-
-Hier machte Tom eine kleine Pause -- natürlich wegen der Wirkung --
-dann sagte er mit Nachdruck: »Der Mann, welcher die Verkleidung des
-Erschlagenen anlegte, war -- _Jupiter Dunlap_!«
-
-»Gerechter Himmel!« Ein Schrei der Ueberraschung ging durch den Saal
-und in Onkel Silas’ Gesicht spiegelte sich maßloses Erstaunen.
-
-»Ja, es war Jupiter Dunlap, der folglich nicht tot sein konnte. Er zog
-dem Ermordeten die Stiefel aus und vertauschte sie gegen seine eigenen
-abgetragenen Schuhe; diese, sowie seine übrigen Sachen wurden der
-Leiche angelegt. Jupiter Dunlap blieb nun wo er war, der andere Mann
-aber schleppte den Leichnam im Dämmerlicht nach der Tabakpflanzung; um
-Mitternacht schlich er sich dann in Onkel Silas’ Haus, nahm den grünen
-Arbeitskittel von dem Nagel im Gang zwischen dem Haus und der Küche,
-wo er immer hängt, zog ihn an, holte die große Schaufel und ging damit
-nach dem Feld, wo er den Toten begrub.«
-
-Jetzt stand Tom wohl eine Minute schweigend da. Dann fuhr er fort:
-»Wer aber glaubt ihr, daß der Ermordete war? -- Kein anderer, als Jack
-Dunlap, der längst verschollene Einbrecher!«
-
-»Gerechter Himmel!«
-
-»Und der Mann, der ihn begraben hat, war sein Bruder -- Brace Dunlap.«
-
-»Gerechter Himmel!«
-
-»Der Fremde dort aber, der jetzt ein so blödsinniges Gesicht macht und
-sich seit Wochen gestellt hat, als ob er taub und stumm wäre, das ist
--- Jupiter Dunlap!«
-
-Solches Gebrüll, solcher Wirrwarr wie jetzt entstand, ist mir all
-mein Lebtag nicht vorgekommen. Tom sprang auf Jupiter zu, er riß ihm
-die Brille samt dem falschen Bart herunter und siehe, da stand der
-Ermordete leibhaftig da und war ganz und gar nicht tot. Tante Sally
-und Benny fielen Onkel Silas um den Hals und erstickten ihn fast mit
-ihren Küssen und Liebkosungen, so daß der alte Mann noch erstaunter und
-verwirrter dreinschaute, als je zuvor.
-
-Nun aber fing die ganze Versammlung an zu schreien: »Tom Sawyer, Tom
-Sawyer! Er soll weiter reden! Stille! Stille! Tom Sawyer soll uns alles
-berichten!«
-
-Na, das schmeichelte Tom nicht wenig. Ich weiß, ihm ist nichts lieber,
-als wenn er in der Oeffentlichkeit auftreten und eine Heldenrolle
-spielen kann, wie er’s nennt. Als sich der Lärm wieder gelegt hatte,
-sagte er:
-
-»Der Rest ist bald erzählt. Es war dem Brace Dunlap gelungen, Onkel
-Silas durch seine Quälereien so zur Verzweiflung zu bringen, daß
-er fast von Sinnen kam und seinem nichtsnutzigen Bruder den Schlag
-versetzte. Nun lief Jupiter nach dem Wald, um sich da zu verstecken,
-und der Plan war vermutlich, daß er bei Nacht außer Landes gehen
-sollte. Dann konnte Brace das Gerücht verbreiten, Onkel Silas habe
-seinen Bruder umgebracht und die Leiche irgendwo versteckt. Dadurch
-war Onkel zu Grunde gerichtet; er mußte den Ort verlassen, ja er kam
-vielleicht an den Galgen. Als die beiden aber den Toten im Wäldchen
-fanden -- ohne zu wissen, daß es ihr Bruder war, denn die Mörder hatten
-ihn arg zugerichtet -- da änderten sie den Plan. Sie verkleideten
-alle beide, begruben Jack und als die Leiche aufgefunden wurde, hatte
-sie Jupiters Kleider an. Jim Lane und die andern Zeugen ließen sich
-bestechen, ein paar Lügen zu beschwören, die in Brace Dunlaps Kram
-paßten. Seht nur, wie übel ihnen jetzt zu Mute ist -- ich hab’s ja
-vorausgesagt.
-
-»Wir sind nämlich auf dem Dampfboot mit den Dieben flußabwärts
-gefahren, Huck Finn und ich. Da erzählte uns der Tote von den Diamanten
-und sagte, seine Genossen würden ihn umbringen, sobald sie könnten und
-wir versprachen ihm nach Kräften beizustehen. Eben wollten wir nach dem
-Ahornwäldchen, da hörten wir sein Todesgeschrei; als wir aber am frühen
-Morgen nach dem Gewitter wieder hinkamen, fanden wir keine Leiche
-und meinten, es wäre am Ende gar kein Mord begangen worden. Wir sahen
-Jupiter in derselben Verkleidung herumstolzieren, die Jack uns gezeigt
-hatte und die er anziehen wollte. Natürlich glaubten wir, es wäre Jack
-selbst, der sich taubstumm stellte, wie verabredet war.
-
-»Nun suchten wir, Huck und ich, nach der Leiche, als die andern es
-aufgaben; wir fanden sie auch und waren zuerst stolz darauf. Aber Onkel
-Silas jagte uns einen furchtbaren Schreck ein mit der Behauptung, er
-hätte Jupiter totgeschlagen.
-
-»Da der Leichnam durch uns ans Tageslicht gekommen war, fühlten wir uns
-verpflichtet, für Onkels Rettung zu sorgen; aber das war ein schweres
-Stück Arbeit, denn Onkel wollte sich nicht aus dem Gefängnis befreien
-lassen, wie damals unser alter Neger Jim.
-
-»Den ganzen Monat lang dachte ich über ein Mittel nach, Onkel
-Silas loszukriegen, doch mir fiel nichts ein. Als ich heute zur
-Gerichtsverhandlung ging, wußte ich weder Rat noch Hilfe, mir kam kein
-rettender Gedanke. Nicht lange aber, da beobachtete ich etwas, nur eine
-winzige Kleinigkeit, aber sie brachte mich zum Nachdenken. Während
-ich nun scheinbar im Sinnen verloren dasaß, war ich fortwährend auf
-der Lauer und richtig, gerade als Onkel Silas uns all den Unsinn
-auftischte, wie er Jupiter Dunlap umgebracht hatte, sah ich das Ding
-wieder. Da sprang ich auf und unterbrach die Verhandlung, weil ich
-wußte, daß Jupiter Dunlap dort leibhaftig vor mir saß. Ich erkannte ihn
-an etwas, das er zu thun pflegte, als ich letztes Jahr hier war und das
-er jetzt wieder that.«
-
-Tom wartete die Wirkung ein Weilchen ab, machte dann eine Bewegung,
-als ob er sich setzen wollte und sagte in gleichgültigem Ton: »Na, ich
-glaube, das ist alles!«
-
-Ein Geschrei aus hundert Kehlen ging durch den Saal: »Was hat er
-gethan? Was war es, das du gesehen hast? Bleib’ stehen, du Teufelsjunge
-und sag’ es uns. Denkst du, wir lassen uns so abspeisen, nachdem du uns
-den Mund wässerig gemacht hast!«
-
-»O, es war gar nicht viel. Ich sah, wie er immer ängstlicher und
-aufgeregter wurde, während sich Onkel Silas um den Hals redete, wegen
-eines Mordes, der gar nicht begangen worden war -- auf einmal fuhr er
-mit den Händen hin und her, hob seine Linke in die Höhe und zeichnete
-sich mit dem Finger ein Kreuz auf die Backe -- da war ich meiner Sache
-sicher.«
-
-Nun begann ein Beifallklatschen, ein Stampfen und Hochrufen, bis Tom
-Sawyer sich kaum zu lassen wußte, vor lauter Stolz und Glück. Der
-Richter blickte über den Tisch nach ihm hin und sagte:
-
-»Mein Sohn, hast du denn die verschiedenen Einzelheiten dieser
-seltsamen Verschwörung und Tragödie, die du uns schilderst, alle selbst
-gesehen?«
-
-»Nein, Herr Präsident, gesehen habe ich nichts davon!«
-
-»Nichts gesehen? -- Aber du hast uns ja die ganze Geschichte von Anfang
-bis zu Ende erzählt, als ob du Augenzeuge gewesen wärest. Wie ist das
-möglich?«
-
-»Ich habe nur die Thatsachen zusammengestellt, und dies und jenes
-daraus gefolgert,« erwiderte Tom leichthin. »Es war ein kleines Stück
-gewöhnliche Detektiv-Arbeit, die jedermann ausführen könnte.«
-
-»Ganz und gar nicht! Unter Millionen hätten das nicht zwei fertig
-gebracht. Du bist wirklich ein merkwürdiger Junge!«
-
-»Tom Sawyer hoch! Hurra Tom Sawyer!« klang es wieder durch den Saal,
-und Tom hätte den Triumph nicht für eine ganze Silbermine hergegeben.
-Dann sagte der Richter:
-
-»Bist du denn aber auch sicher, daß sich die Geschichte ganz so
-verhält, wie du sagst?«
-
-»Jawohl, Herr Richter. Da sitzen ja die Zeugen und niemand weiß ein
-Wort dagegen zu sagen, weder Brace Dunlap noch sein Bruder. Auch
-die andern, die sich ihre Lügen haben bezahlen lassen, sind jetzt
-muckstill. Falls aber Onkel Silas Widerspruch erheben sollte, so würde
-ich ihm nicht glauben und wenn er es eidlich versicherte.«
-
-Das kam den Zuhörern sehr komisch vor; sogar der Richter gab seine
-würdevolle Haltung auf und lachte. Tom strahlte ordentlich vor Freude,
-und als alle sich wieder gefaßt hatten, sagte er:
-
-»Herr Präsident, hier im Saal ist ein Dieb.«
-
-»Was, ein Dieb?«
-
-»Ja. Er hat die Diamanten für zwölftausend Dollars bei sich.«
-
-»Wo -- wo ist er? -- Wer ist es? -- Zeige ihn uns!« schrien alle
-durcheinander.
-
-»Nenne ihn mir, mein Sohn, der Sheriff soll ihn festnehmen. Wer ist
-es?« sagte der Richter.
-
-»Jupiter Dunlap, der Totgeglaubte.«
-
-Wieder entstand die grenzenloseste Aufregung; aber Jupiter, der vorher
-schon ganz verdutzt gewesen war, schien jetzt förmlich versteinert vor
-Ueberraschung. Endlich rief er in weinerlichem Ton:
-
-»Herr Präsident, das ist wirklich erlogen. Ich bin ja schon schlecht
-genug ohne das. Alles andere habe ich gethan und bereue es jetzt sehr.
-Brace hat mich dazu überredet und mir versprochen, er wollte mich über
-kurz oder lang zum reichen Manne machen. Aber die Diamanten habe ich
-nicht gestohlen. Gewiß und wahrhaftig, ich habe keine Diamanten, der
-Sheriff kann mich durchsuchen soviel er will.«
-
-»Herr Präsident,« warf Tom ein, »es war vielleicht nicht richtig, daß
-ich ihn einen Dieb genannt habe. Er hat die Diamanten gestohlen, ohne
-es zu wissen. Sein Bruder Jack stahl sie den andern Dieben und Jupiter
-stahl sie seinem Bruder Jack, als er tot am Boden lag. Seit einem Monat
-läuft er mit den Zwölftausend-Dollar-Diamanten hier herum, als wenn er
-ein armer Mann wäre. Auch jetzt trägt er diesen ganzen Reichtum bei
-sich.«
-
-»Durchsucht ihn, Sheriff,« sagte der Richter.
-
-Der Sheriff durchsuchte ihn von Kopf bis zu Fuß: seinen Hut, die
-Socken, die Nähte seiner Kleider, die Stiefel, kurz, alles. Tom stand
-ruhig dabei und paßte auf den geeigneten Moment. Endlich gab es der
-Sheriff auf. Enttäuschung malte sich in allen Mienen und Jupiter sagte:
-
-»Da seht ihr doch, daß ich recht hatte!«
-
-»Diesmal hast du dich wohl geirrt, mein Sohn,« äußerte der Richter.
-
-Tom nahm eine nachdenkliche Stellung an; er schien sich aus allen
-Kräften zu besinnen und kratzte sich verlegen den Kopf. Plötzlich
-machte er ein vergnügtes Gesicht.
-
-»Jetzt hab’ ich’s,« sagte er aufschauend. »Ich hatte es bloß vergessen.«
-
-Tom sprach nicht die Wahrheit, das wußte ich; doch er fuhr ruhig fort:
-
-»Will jemand so gut sein mir einen kleinen Schraubenzieher zu leihen?
-In dem Reisesack Eures Bruders, den Ihr Euch angeeignet habt, Jupiter,
-ist einer gewesen, aber den habt Ihr wohl nicht mitgenommen?«
-
-»Nein, ich konnte ihn nicht brauchen und hab’ ihn weggegeben.«
-
-»Weil Ihr nicht wußtet, wozu er dienen sollte.«
-
-Sobald Tom den Schraubenzieher bekam, forderte er Jupiter auf, der nach
-der Durchsuchung die Stiefel wieder angezogen hatte, einen Fuß auf den
-Stuhl zu stellen; dann kniete er nieder und schraubte das Plättchen
-vom Absatz ab. Als er den großen Diamanten zum Vorschein brachte und
-ihn im Sonnenschein funkeln ließ, waren die Leute ganz außer sich vor
-Verwunderung. Nun holte Tom auch den Diamanten aus dem andern Absatz
-und Jupiters Miene wurde immer trübseliger. Er mochte wohl denken, daß
-er hätte auf und davongehen und als ein reicher, gemachter Mann im
-Ausland leben können, wäre er klug genug gewesen, zu erraten, wozu der
-Schraubenzieher im Reisesack steckte. Jetzt erntete Tom Lob und Ruhm
-nach Herzenslust. Der Richter nahm die Diamanten an sich, stand auf,
-schob seine Brille in die Höhe, räusperte sich und sagte:
-
-»Ich werde sie verwahren und dem Eigentümer Anzeige machen. Wenn er
-sie dann abholen läßt, wird es mir ein großes Vergnügen bereiten, dir,
-mein Sohn, die zweitausend Dollars Belohnung einzuhändigen. Du hast
-aber nicht nur dies Geld verdient, sondern auch den aufrichtigen Dank
-der ganzen Bürgerschaft. Durch dich ist eine unschuldige Familie vor
-Schmach und Verderben gerettet worden und ein ehrenwerter Mann vor dem
-Verbrechertode. Obendrein ist es dir gelungen, die Schändlichkeit eines
-grausamen, verruchten Schurken und seiner elenden Helfershelfer ans
-Licht zu ziehen und der Gerechtigkeit einen großen Dienst zu erweisen.«
-
-Wäre nur noch ein Musikchor zur Stelle gewesen, um einen Tusch zu
-blasen, so hätte nach meiner Meinung die Sache gar keinen schöneren
-Abschluß finden können; darin stimmte Tom Sawyer ganz mit mir überein.
-
-Der Sheriff nahm nun Brace Dunlap und seine Spießgesellen in Haft;
-einige Wochen später ward ihnen der Prozeß gemacht und sie erhielten
-ihre gerechte Strafe. Onkel Silas und die Seinigen aber standen von
-jetzt ab wieder in hohem Ansehen bei der Gemeinde; seine kleine alte
-Kirche war immer gedrängt voll und man erwies ihnen so viel Liebes
-und Gutes, als man nur konnte. Mit der Zeit kam der alte Mann auch
-wieder zu Verstande und seine Predigten waren nicht besser und nicht
-schlechter, als sie früher gewesen. So war denn die ganze Familie
-seelenvergnügt und Tom Sawyer wurde aus lauter Dankbarkeit gepflegt
-und verhätschelt, wie noch nie; ich aber auch, obgleich ich nichts
-gethan hatte. Als dann die zweitausend Dollars kamen, gab mir Tom die
-Hälfte ab und sagte keinem ein Wort davon, worüber ich mich gar nicht
-verwunderte, denn ich kannte ihn ja.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Verlag von =Robert Lutz= in =Stuttgart=.
-
-Memoirenbibliothek
-
-Bisher erschienen 24 Bände.
-
-Jedes Werk ist einzeln käuflich.
-
-[Illustration]
-
-Die hier angekündigten Memoirenwerke bergen
-
-_eine Fülle der besten Unterhaltungslektüre für den Gebildeten._
-
-Die »Kreuzzeitung« schrieb: »Solche Werke sind für gebildete Laien
-eine =weit empfehlenswertere geistige Nahrung als die Mehrzahl aller
-Romane=.«
-
-Siehe die Urteile über die einzelnen Memoiren. -- Die Werke von
-=Boyen=, =Bourgogne=, =Macdonald=, =Marbot=, =Ryan=, =Genast= und
-=Helen Keller=, eignen sich auch für _=die reifere Jugend=_.
-
-[Illustration]
-
-_Ausführliche Prospekte über jedes einzelne Werk stehen zur Verfügung._
-
-
-
-
-_General Marbot_
-
-Memoiren 1789--1815
-
-Deutsche Ausgabe nach der 40. Auflage des Originals.
-
-=3 Bände=, 70 Bg. m. Porträt, brosch. Mk. 13.50, geb. Mk. 16.50, in
-Halbfrz. Mk. 19.50.
-
-=I. Band=: Genua -- Austerlitz -- Jena -- Eylau. =II. Band=: Madrid --
-Aspern -- Torres-Vedras. =III. Band=: Polozk -- Beresina -- Leipzig --
-Waterloo.
-
-[Illustration]
-
-Es dürfte dem hochinteressanten Werke zur besonderen Empfehlung
-gereichen, dass es eine =Lieblingslektüre des Fürsten Bismarck= in
-seinen letzten Jahren gewesen ist.
-
- Bohemia, Prag.
-
-Marbots Aufzeichnungen in ihrer vorliegenden Verdeutschung halten
-sich von jeder Anstössigkeit frei, sei es der Tendenz nach, oder in
-sittlicher Beziehung, und sind dabei =mit einem Elan geschrieben=, der
-auf =junge Leser= unfehlbar seine Wirkung tun muss. Es ist so recht ein
-Buch, das auf den Weihnachtsgabentisch eines Soldaten in spe gehört.
-
- Nordd. Allg. Ztg.
-
-Ruhig muss man diese Memoiren geniessen, mit der frischen
-Empfänglichkeit der Jugend. Dann sind sie einfach bezaubernd.
-Französische Eleganz, gallischer Esprit, loyale Gesinnung auch gegen
-den Feind, Stimmungen vom lautersten Humor bis zur tiefernsten Rührung
-durchziehen das Ganze.
-
- St. Galler Blätter.
-
-... Wenn wir Marbots erfolgreiches Buch überschauen, müssen wir
-zugeben, dass keine anderen Memoiren aus jenen Tagen =eine solche Fülle
-von Ereignissen umspannen= ... Niemand, der sich vom inneren Wesen
-jener Zeit ein Bild machen will, kann das Buch entbehren.
-
- Carl Bleibtreu, Pester Lloyd.
-
-Die Memoiren Marbots leuchten mit besonderer Klarheit in die Zeit des
-ersten Napoleon hinein, weil sie von einem ehrlichen und unbefangenen
-Manne geschrieben sind, der, von einem seltenen Glück begünstigt,
-Teilnehmer fast aller damaligen Feldzüge gewesen ist und fast alle
-entscheidenden Katastrophen miterlebte.
-
- Ueber Land und Meer.
-
-
-
-
-_Feldmarschall Boyen_
-
-Denkwürdigkeiten und Erinnerungen 1771--1813
-
-=2 Bände=, 49 Bog. m. Porträt. =Preis= brosch. Mk. 9.--, in Lwd. geb.
-Mk. 11.--, in Halbfrz. Mk. 13.--.
-
-[Illustration]
-
-=Zu den schönsten Memoirenwerken= und überhaupt zu den =Perlen der
-deutschen Literatur= gehören die Denkwürdigkeiten des Feldmarschalls
-v. Boyen; sie geben ein mächtiges Bild von der Individualität des
-Verfassers und von dem Geiste seiner Zeit.
-
- Preuss. Jahrbücher.
-
-Beim Lesen der Memoiren wird jeder erkennen, dass ein =grosser Geist=
-mit offenem Auge und völliger Beherrschung der Verhältnisse dieselben
-geschrieben hat.
-
- Histor. Monatsbl. f. Posen.
-
-Diese Darstellung einer der wichtigsten Epochen der deutschen
-Geschichte ist wie wenige Bücher geeignet in der =reiferen deutschen
-Jugend= vaterländische Gesinnung und Opferfreudigkeit zu entfachen.
-
- Südwestd. Schulblätter.
-
-Wie ein ernstes, erhabenes Drama, dem es aber bei aller Härte doch
-auch an behaglichen und idyllischen Zügen nicht fehlt, lässt sich der
-Verfasser die Blumen- und Dornenkette seiner Tage durch die Erinnerung
-gleiten.
-
- Westerm. Monatshefte.
-
-Man wird in Zukunft Boyens Denkwürdigkeiten nicht ausser Acht lassen
-dürfen, wenn man sich über Persönlichkeiten, Stimmungen und Ereignisse
-der Befreiungskriege unterrichten will.
-
- Allg. Schweizer Zeitg.
-
-Man wird von Seite zu Seite aufs Neue gefesselt, und ehe man
-sich dessen versieht, hat man die 2 Bände von Anfang bis zu Ende
-durchgelesen.
-
- Posener Zeitung.
-
-Boyens Denkwürdigkeiten vereinigen jedenfalls =eine Fülle von
-hochinteressanten Erlebnissen=, die umso prägnanter wirken, als
-sie uns in der eleganten Darstellung eines hochgebildeten und
-scharfbeobachtenden Mannes entgegentreten.
-
- Düna-Zeitung. Riga.
-
-
-
-
-_C. F. von Holten_
-
-Vom dänischen Hofe
-
-Erinnerungen aus der Zeit Friedrichs VI., Christians VIII. und
-Friedrichs VII.
-
-16 Bg. m. 4 Porträts. Preis brosch Mk. 4.50, in Lwd. geb. Mk. 5.50,
-Halbfranz Mk. 6.50.
-
-[Illustration]
-
-Wir durchschreiten gewissermassen eines jener alten dänischen
-Königsschlösser, die träumerisch auf den grauen Sund hinausschauen,
-und betrachten die Porträts: die Herrscher und ihre Gemahlinnen, die
-fürstlichen Verwandten, den Hofstaat, die Grössen der Wissenschaft, der
-Kunst, der Politik, die sie umgeben -- -- -- Holten hat eine charmante
-Art, das =Charakteristische= an den Personen herauszuheben und ergötzt
-oft durch humoristische Darstellung.
-
- Kleines Journal, Berlin.
-
-Sein Werk macht nicht den Anspruch, ein wissenschaftliches zu sein;
-es bringt uns in schlichtem Plauderton die Grossen der Welt näher und
-lässt uns mancherlei Blicke in ihr privates Leben tun. Viele werden
-gerne zu dem Buche greifen, und die Stunden nicht bereuen, welche sie
-bei der harmlosen Lektüre verbracht haben.
-
- Nord-Ostsee-Zeitung.
-
-Das Buch, =das sich spannend wie ein Roman= liest, ist voll von
-Anekdoten vielfach heiterer Natur: Eine Menge von Originalen zieht
-an uns vorüber; der Hofstaat dreier Könige, sie selbst nebst ihren
-Familien, darunter die vielgenannte Gräfin Danner. =Bezaubernd ist
-der Freimut=, mit dem der liebenswürdige Verfasser ungeniert über all
-diese internen Dinge zu plaudern weiss. Für jeden, der den dänischen
-Verhältnissen in den 30er Jahren und dem ganzen Zeitraum bis 1864
-Interesse entgegenbringt, werden diese Memoiren lehrreich und amüsant
-sein.
-
- Düna-Zeitung, Riga.
-
-
-
-
-_François Bourgogne_
-
-Sergeant der franz. Kaisergarde
-
-Kriegserlebnisse 1812--13
-
-Mit 16 Vollbildern von Faber du Faur und Yvon. =2. Aufl.= (4.--5.
-Tausend.) 363 Seiten. Preis brosch. M. 6.--, in Lwd. geb. M. 7.50, in
-Halbfranz. M. 8.50.
-
-[Illustration]
-
-Bourgognes Memoiren gehören zu den Büchern, bei denen der Leser die
-Schläge der Mitternachtsstunde überhört; und viele Scenen, wie die
-des brennenden Posthauses zwischen Moskau und Smolensk, die an den
-Lederstrumpf erinnernden Jagden der Kosaken vor der Beresina, die
-Uebergangsszenen, und die letzten Abenteuer bei Wilna und Kowno prägen
-sich dem Leser unverlöschlich ins Gedächtnis.
-
- Literar. Echo.
-
-Der =spannendste Roman=, die interessanteste Reiseschilderung =kann
-kaum fesselnder sein=, als hier das Buch des schlichten Sergeanten. Oft
-wenn er von den Schrecknissen des Winters, der fürchterlichen Kälte,
-die bis zu 28 Grad stieg, erzählt, bei der die todesmüden Krieger
-marschieren, kampieren und die grössten Entbehrungen erdulden mussten,
-wird man lebhaft an Nansens Wanderungen in Nacht und Eis erinnert.
-
- Leipziger Tageblatt.
-
-... Es sind =erschütternde Bilder= des Elends und tiefsten Jammers, die
-sich vor unsern Augen entrollen, aber auch echter Kameradschaft und
-Menschenliebe, die sich =unvergänglich ins Herz graben=.
-
- Generalanzeiger, Hamburg.
-
-Diese Schlichtheit und Ehrlichkeit gerade sichert seiner ganzen
-Darstellung die Glaubwürdigkeit und hebt Bourgognes so ungemein
-inhaltsreiches Buch über allen Verdacht romanhafter Erfindung hoch
-empor auf die =Wertstufe weltgeschichtlicher Dokumente=, wie es ihrer
-gleich ergreifende und erschütternde nur wenige gibt.
-
- Westerm. Monatsh.
-
-Die ausserordentliche Lebendigkeit und Anschaulichkeit der Darstellung
-dieser durch ihre Ursprünglichkeit sich auszeichnenden Denkwürdigkeiten
-wird noch unterstützt durch Reproduktionen der 15 charakteristischsten
-Blätter aus dem seltenen Illustrationswerk des württembergischen
-Offiziers Faber du Faur, der den russischen Feldzug von 1812 mitgemacht
-hat.
-
- Ill. Zeitung, Leipzig.
-
-
-
-
-_Fürst Krapotkin_
-
-Memoiren eines Revolutionärs
-
-Mit Vorwort von =Georg Brandes=. 3. Auflage.
-
-=2 Bände=; 44 Bg. mit 3 Porträts.
-
-Preis brosch. Mk. 9.--, in Lwd. geb. Mk. 11.--, in Halbfranz Mk. 13.--.
-
-[Illustration]
-
-Die Schilderungen sind von einer Intimität und einem Stimmungsgehalt,
-die an Turgeniew erinnern. Ein Künstler ersten Ranges gibt hier seine
-Erlebnisse und Eindrücke wieder ...
-
-... Aus der Schlichtheit und Wahrhaftigkeit seiner Darstellung, aus
-dem Begreifen der russischen Volksseele, aus dem unerschöpflichen
-Reichtum einer gross und edel angelegten Natur entstand ein =Buch mit
-Ewigkeitswerten= ...
-
- Die Nation.
-
-... Der Adel der Gesinnung, der aus den Memoiren spricht, ein Adel
-ohne jedes Pathos und ohne heroischen Aufputz, macht ihre Lektüre
-zum ungewöhnlichen Genuss, und wo die nüchterne Kritik nicht fehlt,
-auch zum ausserordentlichen Gewinn. Niemand soll es versäumen, diese
-geradezu =klassisch geschriebenen Memoiren mit Andacht zu lesen=.
-
- Neue freie Presse.
-
-Nicht der Nihilist und nicht der Anarchist stehen in erster Reihe, wenn
-diese Memoiren gewürdigt werden sollen, sondern der =Mensch= Krapotkin
-selbst. Die beiden Bände Memoiren verdienen dem modernen Plutarch
-angereiht zu werden.
-
- Neues Wiener Tagblatt.
-
-Dass er ein unermüdlicher Kämpfer für die Revolution, dass er ein
-bedeutender Gelehrter war und ist, wussten wir schon lange. Jetzt aber
-hat er uns bewiesen, dass er auch ein feinsinniger Künstler und ein
-edler guter Mensch ist, ein Mensch voll Milde und Herzlichkeit. -- --
-Vor uns ersteht die Sittengeschichte jener Zeit, wie sie packender,
-treffender und plastischer kein Geschichtsforscher und kein Romancier
-gezeichnet hat.
-
- Prager Tagblatt.
-
-In der Memoirenliteratur kann das vorliegende Buch einen ganz
-hervorragenden Platz beanspruchen; denn der Verfasser hat wie kaum
-einer die Höhen und Tiefen des modernen Lebens, besonders in Russland,
-kennen gelernt.
-
-... Das ganze russische Volk hat hier einen =Darsteller ersten Ranges=
-gefunden.
-
- Kölnische Zeitung.
-
-
-
-
-_Henri Rochefort_
-
-Abenteuer meines Lebens
-
-Autorisierte deutsche Bearbeitung von =Heinr. Conrad=.
-
-=2 Bände=; 50 Bg. mit Porträt. Preis brosch. Mk. 10.--, in Lwd. geb.
-Mk. 12.--, in Halbfranz Mk. 14.--.
-
-[Illustration]
-
-Es sind fesselnde, mit zahlreichen unterhaltenden und pikanten
-Einzelheiten durchwirkte Bilder aus dem öffentlichen und privaten Leben
-Frankreichs während der letzten 2 Drittel des vergangenen Jahrhunderts
--- Bilder von scharfer Einseitigkeit, gesehen und gezeichnet von der
-prononcierten Persönlichkeit eines hitzigen Draufgängers, und deshalb
-hinsichtlich ihrer vollen Wahrheit wohl mancher Korrektur bedürftig,
-aber in ihrer individuellen Beleuchtung =in hohem Grade interessant=.
-
- St. Petersburger Zeitung.
-
-Der Stil des Werkes ist äusserst lebendig, geistreich und
-epigrammatisch; ein richtiger Journalistenstil, der sich nur an
-Tatsachen hält, alles Ueberflüssige und allen Wortprunk verschmähend.
-=Wer sich über die letzten 40 Jahre Zeitgeschichte in amüsanter Weise
-unterrichten will, der greife zu diesem Werke.=
-
- Elberfelder Zeitung.
-
-Die Uebersetzung ist so mustergültig, dass es für jeden gebildeten
-Leser schon an und für sich ein hoher Genuss ist, hier der liebevollen
-und geistreichen Arbeit des Herausgebers zu folgen, der es verstanden
-hat, den eigenartigen, geist- und witzfunkelnden Stil Rocheforts stets
-sinngemäss und treffend wiederzugeben.
-
- Dresdener Anzeiger.
-
-Die Darstellung Rocheforts unterhält durch ihre ausserordentliche
-Farbigkeit und Beweglichkeit, sie ist unvergleichlich amüsant, und auch
-historisch nicht wertlos als ein grosses Stück erlebter Zeitgeschichte.
-
- Vossische Zeitung.
-
-Das Werk ist mit einer =solchen Frische und Anschaulichkeit
-geschrieben=, dass man bei der Lektüre glaubt, =einen Roman vor sich
-zu haben=. Die Szenen aus dem Gefängnisleben, die verschiedenen
-Fluchtversuche, und die endlich glücklich erreichte Befreiung aus
-Neu-Kaledonien stellen sich ähnlichen Kapiteln aus Dumas’schen oder
-Sue’schen Romanen würdig an die Seite.
-
- Pester Lloyd.
-
-
-
-
-_D. Thiébault_
-
-Friedrich der Grosse
-
-und sein Hof
-
-Persönliche Erinnerungen an einen 20jährigen Aufenthalt in Berlin.
-Deutsche Bearbeitung von =H. Conrad=.
-
-2 Bände, 49 Bogen mit 6 Porträts. Preis brosch. Mk. 9.--, in Lwd. geb.
-Mk. 11.--, in Halbfranz Mk. 13.--.
-
-[Illustration]
-
-Diese Erinnerungen, in einer kritisch revidierten, abgekürzten
-Ausgabe, füllen zwei stattliche Bände, die aber durch ihre anziehende
-Darstellung nichts Ermüdendes haben und gewiss alsbald jene Popularität
-sich erwerben werden, die sie um ihres Gegenstandes und ihrer Form
-willen verdienen.
-
-Es hat wohl nie einen moderneren Herrscher gegeben als diesen
-»aufgeklärten Despoten« aus der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts.
-Zuweilen glaubt man nicht von einem, =der da war=, sondern von
-einem, =der da kommen wird=, zu lesen. So reif, so vorschauend, so
-grossdenkend, so frei von Vorurteilen war dieser Monarch!
-
- Neue freie Presse.
-
-=Ein Muster französischer Memoiren sind die Thiébaults= über seinen
-Aufenthalt am Hofe Friedrichs des Grossen. Es mag einer noch so viele
-historische Werke über jene Zeit gelesen haben, Friedrich II. wird
-ihm ein genialer Feldherr, ein grosser König, ein merkwürdiger Mensch
-sein; er lese diese Memoiren, und der Feldherr, der König, der Mensch
-steht leibhaftig vor ihm mit all seinen Tugenden und Fehlern, in seiner
-Herrscherglorie und seiner menschlichen Schwäche.
-
- Wiener Allg. Zeitung.
-
-In der reichen französischen Memoirenliteratur gibt es nur
-wenige Werke, die für uns Deutsche ihrem ganzen Inhalte nach ein
-so =hervorragendes historisches Interesse= darbieten, wie die
-Denkwürdigkeiten D. Thiébaults.
-
- Karl Witte, Berlin.
-
-Das Buch ist von Anfang bis zu Ende in allen Einzelheiten fast gleich
-interessant. Ausserdem ist es durchweg in dem Ton des feinsinnigen,
-gebildeten Mannes gehalten, der auch delikate Dinge mit Geschmack und
-Anstand behandelt.
-
- Hamb. Korrespondent.
-
-
-
-
-_General Gourgaud_
-
-Napoleons
-
-Gedanken und Erinnerungen
-
-St. Helena 1815--18
-
-Deutsche Bearbeitung von =H. Conrad=. =3. Auflage.= 25 Bg. m. 6
-Porträts. Preis brosch. Mk. 5.50, geb. Mk. 6.50, in Halbfranz Mk. 7.50.
-
-[Illustration]
-
-Man gewinnt ein höchst anschauliches Bild davon, wie das grösste
-militärische und administrative Genie, der hervorragendste Gesetzgeber
-und Finanzmann, den die neuere Geschichte kennt, sich nach Abschluss
-seiner meteorhaften Laufbahn den wenigen Getreuen gegenüber, die sein
-Exil teilten, gab und aussprach, wie er über seine Feldherren, ihre
-Vorzüge und Fehler, wie er über seine eigenen Taten und Untaten dachte,
-wie er seine Zeitgenossen und Gegner, wie er die Politik der Gegenwart
-und Zukunft beurteilte, wie er grollte und wie er scherzte.
-
- Petersburger Zeitung.
-
-Das Buch bringt eine =Fülle der interessantesten=, man kann sagen
-lehrreichsten =Aussprüche des Kaisers= über wichtige Ereignisse
-seines tatenreichen Lebens; es verbreitet Klarheit über viele Seiten
-seines Charakters, besonders über die dunkeln, beleuchtet mit grellem
-Licht seinen grenzenlosen Ehrgeiz, seine Verachtung des menschlichen
-Geschlechts und seine widerwärtige, man kann sagen niederträchtige
-Beurteilung der Frauen.
-
- Monatsschr. f. Stadt u. Land.
-
-Sind wir mit der Lektüre des Werkes fertig, so steigen Zweifel in uns
-auf in Bezug auf all die andern von uns gelesenen Werke über jene
-Epoche, und wir haben die Ueberzeugung gewonnen, dass dieses =der
-Wahrheit, der ungeschminkten Wahrheit= am nächsten kommt.
-
- Lord Rosebery.
-
-Abgesehen von den Erwägungen, zu denen Napoleons Gedanken und
-Erinnerungen Anlass geben, enthält das Buch eine solche Fülle =der
-interessantesten Einzelheiten=, dass wir uns kaum eine Lektüre denken
-können, die den Leser mehr fesseln und anregen würde, als Gourgauds
-Tagebuch in deutscher Bearbeitung.
-
- Neue Zürcher Zeitung.
-
-
-
-
-_Dr. med. Ryan_
-
-Unter dem roten Halbmond
-
-=Erlebnisse eines Arztes= b. d. türk. Armee i. Kriege 1877/78.
-
-Autor. Übersetzung von =H. von Natzmer=. -- 24 Bg. m. Portr. Osman
-Paschas. Preis brosch. Mk. 5.50, in Lwd. geb. Mk. 6.50, in Halbfranz
-Mk. 7.50.
-
-[Illustration]
-
-... =Beispiele heldenmütigster Aufopferung im Dienst edelster
-Menschlichkeit, sympathische Züge der Kameradschaft und des Edelmuts=
-gegen den überwundenen Gegner treten uns hier mit dramatischer
-Lebendigkeit entgegen. ... Aber mit diesen =spannenden Schilderungen
-der Kriegsereignisse=, mit den =glänzenden Malereien des Schlachten-
-und Lagerlebens=, die dem Buch unter den militärischen Schriften einen
-=hervorragenden Rang sichern=, sind die Vorzüge desselben keineswegs
-erschöpft ...
-
- Hamburger Neueste Nachrichten.
-
-=Ryan ist ein Erzähler ersten Ranges, dem man mit wahrem Vergnügen
-lauscht=, mag er uns von seinen =tollen Fahrten und lustigen Streichen=
-berichten oder =ergreifende Schilderungen= von grenzenlosem Elend geben.
-
- Reichs-Medizinal-Anzeiger.
-
-Seinen eigentümlichen Reiz gewinnt das Buch dadurch, dass neben den
-erzählten ernsten Dingen =eine fast erstaunliche Fülle von Humor=
-platzgreift.
-
- Hamburg. Correspondent.
-
-=Hier lernen wir wahres Heldentum kennen=, Heldentum im mutigen
-Angriff, Heldentum im stummen Ertragen fürchterlicher Qualen, =höchste
-Entsagungsfähigkeit= und =wahrhaft ideale Glaubenszuversicht=.
-Aufregende Kampfesbilder aus der Zeit der glänzenden türkischen
-Ruhmestaten während der Belagerung von Plewna ziehen an dem Leser
-vorüber, so =greifbar plastisch=, als ob man =all das Aufregende,
-Fürchterliche vor seinen Augen sich abspielen sähe= ... Das Ryan’sche
-Werk ist in ganz vorzüglicher Weise von H. v. Natzmer übersetzt.
-
- Internat. Literaturberichte.
-
-
-
-
-_General Thiébault_
-
-Memoiren a. d. Zeit d. frz. Revolution u. des I. Kaiserreichs
-
-Deutsche Bearbeitung von =F. Mangold=, Major a. D.
-
-=3 Bände= m. 15 Porträts berühmter Männer d. Revolution u. d.
-Kaiserreichs. Brosch. Mk. 15.--, in Lwd. geb. Mk. 18.--, in Halbfranz
-Mk. 21.--.
-
-[Illustration]
-
-Das Werk ist im =höchsten Grade kulturgeschichtlich interessant=, ist
-flott und elegant geschrieben und eignet sich daher =in hohem Masse als
-Unterhaltungslektüre= für Gebildete. Jedenfalls sind solche Werke für
-gebildete Laien =eine weit empfehlenswertere geistige Nahrung als die
-Mehrzahl aller Romane=.
-
- Kreuzzeitung.
-
-Das ebenso glänzend wie spannend geschriebene Werk bringt ein =so
-reiches Material an Erlebnissen des Augenzeugen=, dass man nicht müde
-wird, immer wieder darin zu lesen.
-
-Das Werk umfasst alle Geschehnisse, alle Personen, und lässt sie wie in
-einem grossen Wandelpanorama an uns vorüberziehen. Oft liest sich das
-Werk =wie ein gewaltiges Schlachtenbuch, oft wie ein spannender Roman
-über Hof- und Feldlager-Intrigue=.
-
- Neueste Nachrichten, Berlin.
-
-... Die Zeit von 1789 bis 1815 hat selten eine so intensive Beleuchtung
-erfahren wie bei Thiébault, der nicht bloss hinter die Kulissen der
-Weltgeschichte, der mit psychologischem Scharfblick auch den Menschen,
-die die Fäden der Weltgeschichte zogen, in die Seele geblickt hat.
-
- Westermanns Monatshefte.
-
-Schicksale und Herzen haben in Thiébault einen =Beobachter und Kenner
-gefunden, der seinesgleichen sucht=.
-
- Vossische Zeitung, Berlin.
-
-
-
-
-_Marschall Macdonald_
-
-Memoiren 1785--1825
-
-Deutsche Bearb. nach der =7. Auflage= des =Originals= von =H. v.
-Natzmer=, Generalmajor z. D.
-
-22 Bg. m. Porträt. Brosch. Mk. 5.50, in Lwd. geb. Mk. 6.50, in
-Halbfranz Mk. 7.50.
-
-[Illustration]
-
-Die Memoiren geben in festen, markigen Zügen das Bild einer
-geschichtlich stark bewegten Zeit wieder, und zeigen den Verfasser als
-eine voll ausgeprägte Persönlichkeit. Alle Soldatentugenden und unter
-dem Kanonendonner der Schlacht dennoch ein warm empfindendes Herz,
-bringen uns den Marschall nicht nur als Soldaten, sondern vor allem als
-Menschen nahe. =Die Schilderung der Ereignisse ist von dramatischer
-Spannung und Beweglichkeit=, jeder äussere Vorgang wird bei diesem Mann
-zum inneren Erlebnis. Und dies gerade macht das Buch so packend, so
-interessant.
-
- Deutsche Zeitung.
-
-Mit Genuss wird ein jeder, der dies Memoirenwerk einmal gelesen hat, es
-wieder und wieder zur Hand nehmen.
-
- Leipz. Zeitung.
-
-=Ein ausgezeichnetes Werk=, dem wir recht viele Leser wünschen. Eine
-von Anfang bis zu Ende fesselnde Lektüre.
-
- Berner Bund.
-
-Wir möchten das schön ausgestattete Buch noch besonders =für die
-reifere Jugend=, und =zur Anschaffung für Schülerbibliotheken=
-empfehlen.
-
- Südwestd. Schulblätter.
-
-Keine einzige Zeile ermüdet -- keine ist da, die man nicht gern gelesen
-haben möchte.
-
- Allg. Zeitung.
-
-Die Memoiren lesen sich von Anfang bis zu Ende wie ein spannender Roman.
-
- Hamb. Korresp.
-
-
-
-
-_Eduard Genast_
-
-Aus Weimars klassischer und nachklass. Zeit
-
-Erinnerungen eines weimarischen Hofschauspielers Neu herausgegeben von
-=Rob. Kohlrausch=.
-
-=3. Auflage.= 24 Bg. m. 2 Porträts. Brosch. Mk. 4.50, in Lwd. geb.
-Mk. 5.50, in Halbfranz Mk. 6.50.
-
-[Illustration]
-
-=Wie Eckermanns »Gespräche mit Goethe« dürfte auch Genasts Buch in
-keiner Bibliothek der deutschen Leser fehlen.=
-
- Hamburger Nachrichten.
-
-In seiner =jetzigen= Gestalt ist das Werk =wie ein Zauberspiegel=, in
-dem die längst schlafen gegangenen Gestalten unserer grossen Dichter
-wieder lebendig werden.
-
-Das Erinnerungsbuch sollte seinen =Platz in jeder Klassikerbibliothek=
-finden.
-
- Hamburger Fremdenblatt.
-
-Eine =Fundgrube= von =fesselnden Darstellungen= aus dem literarischen
-und künstlerischen Leben Deutschlands der ersten Hälfte des 19.
-Jahrhunderts ... =Eines der wertvollsten Bücher=, dem kein Gebildeter
-sein Interesse wird versagen können.
-
- Kölnische Zeitung.
-
-... So wird das Buch zu einem =wertvollen Beitrage= zur deutschen
-=Literatur-= und =Musikgeschichte=, aus dem wir, die Kinder einer
-späteren Zeit, zum Verständnis der geistigen Strömungen des
-verflossenen Jahrhunderts =manchen bleibenden Gewinn= schöpfen können.
-
- Pustets Deutscher Hausschatz.
-
-Es ist gar nicht daran zu zweifeln, dass Genasts Aufzeichnungen allen
-Literatur- und Theaterfreunden eine Quelle edelsten Genusses sind.
-
- New-Yorker Staatszeitung.
-
-Zu den interessantesten und belehrendsten Bänden der Memoirenbibliothek
-gehören zweifellos die Erinnerungen Eduard Genasts.
-
- Tageblatt Altona.
-
-=Eines der interessantesten Bücher der Memoirenliteratur= und ein
-treues Bild des weimarischen Theaterwesens zu Goethes Zeiten.
-
- Wiesbadener Tageblatt.
-
-
-
-
-_Helen Keller_
-
-Die Geschichte meines Lebens
-
-Autorisierte Deutsche Ausgabe.
-
-=23. Auflage.= 23 Bg. mit 8 Bildern. Brosch. Mk. 5.50, in Lwd. geb.
-Mk. 6.50, in Halbfranz Mk. 7.50.
-
-[Illustration]
-
-Erzieher und Eltern werden in dem Buche viele =Anregungen= finden.
-Aber nicht nur Erzieher und Eltern; =jeder Mensch=, der an Frischem
-und Klugem Gefallen hat, =muss mit Freude das Buch der Helen Keller
-lesen=. =Dem Schriftsteller, dem Künstler, dem Gelehrten= eröffnet es
-neue Aussichtspunkte. =Leute, die in Krankheit und Trübsal am Leben
-verzweifeln wollen, richtet es auf=: denn es zeigt ihnen, wie nichts so
-hoffnungslos ist, dass es nicht Trost und Linderung fände. =Uebermütige
-lehrt es Demut, Leichtfertige Besinnung.= Es ist ein Werk, das keiner
-vergessen kann, der es einmal gelesen hat.
-
- Berliner Tageblatt.
-
-... O, ich könnte das ganze Buch zitieren! Es ist voller =Sonnenschein
-und Liebe und Glückseligkeit=. Und Sonnenschein strahlt es in unsere
-müden Herzen.
-
- Dr. M. Wilhelm Meyer.
-
-... =Das Buch enthält Schönheiten über Schönheiten, Wahrheiten tief wie
-ein Bergsee, Lichtquellen der Seele, die leuchten wie die Sonnen der
-Ewigkeit.=
-
- Ill. Sonntagszeitung.
-
-Dieses Buch repräsentiert entschieden =die originellste und
-interessanteste Autobiographie, die je geschrieben worden ist=. ... Wir
-haben es mit einem Interesse gelesen, wie selten ein anderes; diese
-Lektüre möchten wir einem jeden unserer Leser gönnen.
-
- Alte u. Neue Welt (Einsiedeln).
-
-Und mit dem =erhebenden Bewusstsein=, ein neues Stück menschlichen
-Heldenmuts in diesen beiden Frauen kennen gelernt zu haben, legt
-man diese, wohl =in der ganzen Weltliteratur einzig dastehende
-Selbstbiographie= aus der Hand.
-
- Kölnische Zeitung.
-
-
-
-
-_Herbert Spencer_
-
-Eine Autobiographie
-
-Autorisierte Deutsche Ausgabe von Prof. Dr. =Ludwig= und =Helene Stein=.
-
-=2 Bände.= 47 Bg. Brosch. Mk. 14.--, in Lwd. geb. Mk. 16.--, in
-Halbfranz Mk. 18.--.
-
-[Illustration]
-
-Ein autobiographisches Werk von der Wahrheit und Exaktheit des
-vorliegenden =hat in der ganzen Weltliteratur nicht seines Gleichen,
-und es sollte auf dem Büchertisch keines Gebildeten fehlen=.
-
- Posen. Neueste Nachricht.
-
-Ein deutscher Leser der Autobiographie schreibt: ... Dann aber hat das
-Buch den =immensen Vorzug=, dass es den Philosophen in ihm kennen zu
-lernen gestattet, ohne dass man seine Werke zu lesen braucht.
-
-Es ist zweifelhaft, ob je ein Denker von schöneren Anlagen unter
-unserem Volke aufgetreten ist. Wir sind überzeugt, dass die hübsch
-ausgestattete deutsche Ausgabe auch über den Kreis der eigentlichen
-Fachinteressenten hinaus eifrige Leser finden wird.
-
- Hamb. Korrespondent.
-
-... Doch genug des Nörgelns! Spencers nachgelassenes Werk bleibt trotz
-alledem eine der interessantesten und originellsten Selbstbiographien,
-die es in der Weltliteratur gibt.
-
- Münchener Neueste Nachr.
-
-Dies Buch ist ein Dutzend Bücher in einem. =Dem Psychologen, dem
-Künstler, dem Romanschriftsteller, dem Moralisten, dem Lehrer, dem
-Prediger, dem Kritiker, dem Dichter, dem Philosophen= -- allen diesen
-bietet das Buch =eine besondere Quelle des Genusses=.
-
- Chicago Herald.
-
-
-
-
-_W. Debogory-Mokriewitsch_
-
-Erinnerungen eines Nihilisten
-
-(Ein Seitenstück zu Fürst Krapotkins Memoiren.)
-
-Autorisierte Deutsche Ausgabe von =Dr. H. Röhl=. Mit Vorwort von =Alex.
-Ular=.
-
-=2. Auflage.= 22 Bg. Brosch. Mk. 5.50, in Lwd. geb. Mk. 6.50, in
-Halbfranz Mk. 7.50.
-
-[Illustration]
-
-Die vorliegenden »Erinnerungen eines Nihilisten« bieten in mehr
-als einer Hinsicht grosses Interesse. Schon als rein persönliche
-Erinnerungen genommen, bilden die Aufzeichnungen =eine äusserst
-spannende Lektüre=. Aber der Schwerpunkt der Erinnerungen liegt in
-der =glänzenden Charakteristik der politischen Zustände und der
-revolutionären Bewegung unter Alexander II. und Alexander III.=
-
- Neue freie Presse.
-
-Es ist zweifellos, dass das Werk in mannigfacher Weise Interesse, ja
-Aufsehen erregen wird ... Als rein persönliche Erinnerungen genommen,
-geben diese Aufzeichnungen eine Lektüre, =die den Leser zuweilen in
-fieberhafte Spannung versetzt=, wie sie der kunstvollst aufgebaute
-Roman nicht zu erregen vermöchte.
-
- Berliner Börsen-Courier.
-
-... Dann kam die Flucht aus Sibirien. Hier häufen sich =die aufregenden
-Momente des Buches zu einer wahren Seelenfolter für den Leser=. =Man
-zittert mit dem Flüchtigen= bei den mannigfachsten Gefahren, und
-man glaubt, die Hetzjagd, welche von den Behörden auf Mokriewitsch
-gerichtet ist, gegen sich selbst ausgeführt zu empfinden.
-
- Neues Wiener Journal.
-
-Aus der Zeit der ernstlich beginnenden revolutionären Bewegung, die
-jetzt in Russland alle Dämme überflutet, weiss dieses Buch interessante
-Ereignisse und Erlebnisse zu erzählen.
-
- Münchener Neueste Nachrichten.
-
-
-
-
-Mark Twains
-
-Ausgew. humoristische Schriften.
-
-
-Inhalt:
-
- Bd. I. =Tom Sawyers Streiche und Abenteuer.=
-
- Bd. II. =Abenteuer und Fahrten des Huckleberry Finn.=
-
- Bd. III. =Skizzenbuch.=
-
- Bd. IV. { =Leben auf dem Mississippi.=
- { =Nach dem fernen Westen.=
-
- Bd. V. =Im Gold- und Silberland.=
-
- Bd. VI. =Reisebilder u. verschiedene Skizzen.=
-
-Preis des einzelnen Bandes M. 2.50 gebunden. Preis aller 6 Bände,
-zusammen bezogen, M. 13.50 gebunden.
-
-
-_Neue Folge_:
-
- Bd. I. =Tom Sawyers _Neue_ Abenteuer.=
-
- Bd. II. =Querkopf Wilson.=
-
- Bd. III./IV. =Meine Reise um die Welt.= 2 Abt.
-
- Bd. V. =Adams Tagebuch= u. a. Erzähl.
-
- Bd. VI. =Wie Hadleyburg verderbt wurde=
- u. a. Erzähl.
-
-Preis des _einzelnen_ Bandes M. 3.-- gebunden. Preis _aller 6 Bände_,
-zusammen bezogen, M. 17.-- gebunden.
-
-
-
-
- Weitere Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die
- Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.
-
- Der Werbeteil ist im Original in Antiqua gesetzt, auf eine
- entsprechende Auszeichnung wurde verzichtet.
-
-
-
-*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK TOM SAWYERS NEUE ABENTEUER ***
-
-Updated editions will replace the previous one--the old editions will
-be renamed.
-
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-law means that no one owns a United States copyright in these works,
-so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the
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-things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
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-Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this
-agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm
-electronic works. See paragraph 1.E below.
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-1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the
-Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection
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-works in the collection are in the public domain in the United
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-
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- Tom Sawyers Neue Abenteuer, by Mark Twain&mdash;A Project Gutenberg eBook
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-<div style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold'>The Project Gutenberg eBook of Tom Sawyers Neue Abenteuer, by Mark Twain</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online
-at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you
-are not located in the United States, you will have to check the laws of the
-country where you are located before using this eBook.
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-
-<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: Tom Sawyers Neue Abenteuer</div>
-
-<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Mark Twain</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>Release Date: May 15, 2021 [eBook #65346]</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>Language: German</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>Character set encoding: UTF-8</div>
-
-<div style='display:block; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Produced by: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net</div>
-
-<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK TOM SAWYERS NEUE ABENTEUER ***</div>
-
-<div class="transnote">
-<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Das Original ist in Fraktur gesetzt.
-Im Original gesperrter Text ist <em class="gesperrt">so ausgezeichnet</em>.
-Im Original in Antiqua gesetzter Text ist <em class="antiqua">so markiert</em>.
-</p>
-
-<p>Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich
-am <a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p></div>
-
-<div class="figcenter illowp70" id="cover">
- <img class="w100" src="images/cover.jpg" alt="Cover" />
-</div>
-
-<div class="figcenter illowp70" id="illu-001">
- <img class="w100" src="images/illu-001.jpg" alt="" />
- <div class="caption"><span class="larger">S. L. Clemens</span><br />
-(Mark Twain)<br />
-<span class="smaller">Gezeichnet von <em class="gesperrt">Henry Rauchinger</em>.</span></div>
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<h1><span class="smaller">Tom Sawyers</span><br />
-Neue Abenteuer</h1>
-
-<p class="center">Von</p>
-
-<p class="h2">Mark Twain</p>
-
-<p class="center smaller">Autorisiert</p>
-
-<p class="center p2">Tom Sawyer im Luftballon</p>
-
-<p class="center">Tom, der kleine Detektiv</p>
-
-<div class="figcenter illowp20" id="signet">
- <img class="w100" src="images/signet.jpg" alt="Signet" />
-</div>
-
-<p class="center p2">Stuttgart</p>
-
-<p class="center">Verlag von Robert Lutz</p>
-
-<p class="center">1903.
-</p>
-<hr class="chap" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="center">Alle Rechte vorbehalten.</p>
-
-<p class="center smaller p2">Druck von A. Bonz’ Erben, Stuttgart.</p>
-
-<hr class="chap" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_5"></a>[5]</span></p>
-<h2 class="nobreak" id="Tom_Sawyer_im_Luftballon"><em class="gesperrt">Tom Sawyer</em> im <em class="gesperrt">Luftballon</em>.</h2>
-
-<div class="figcenter" id="illu-004">
- <img src="images/illu-004.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_7"></a>[7]</span></p>
-<h3 class="nobreak" id="Erstes_Kapitel">Erstes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>War nun Tom Sawyer zufrieden nach all
-seinen Abenteuern? Ich meine die Abenteuer
-auf dem Fluß, als wir den Nigger Jim frei
-machten und Tom den Schuß ins Bein kriegte.<a id="FNAnker_1" href="#Fussnote_1" class="fnanchor">[1]</a></p>
-
-<div class="footnotes">
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_1" href="#FNAnker_1" class="label">[1]</a> Humor. Schriften, Bd. 2 (Fahrten des Huckleberry
-Finn).</p>
-</div>
-</div>
-
-<p>Nein, er war <em class="gesperrt">nicht</em> zufrieden! Es fraß an
-ihm, er wollte nur noch mehr. Ja, als wir drei auf
-dem Fluß zurückkamen von unserer langen Reise,
-in voller Glorie &ndash; so kann man wohl sagen &ndash;
-und als das Städtchen uns mit einem Fackelzug
-und mit Ansprachen und mit allgemeinem Hurra
-und Jubelgeschrei empfing, &ndash; ja, da waren wir
-Helden, und darnach war ja Tom Sawyers
-Sehnsucht immer gestanden.</p>
-
-<p>Eine Zeitlang war er denn auch wirklich
-zufrieden. Alle Leute feierten ihn, und er trug<span class="pagenum"><a id="Seite_8"></a>[8]</span>
-seine Nase hoch und ging mit einer Miene im
-Städtchen herum, als ob es ihm ganz allein
-gehörte. Einige nannten ihn ›Tom Sawyer den
-Reisenden‹, und dieser Titel machte ihn so aufgeblasen,
-daß er beinahe geplatzt wäre. Natürlich
-stand er ganz anders da, als ich und Jim,
-denn wir waren ja auf einem gewöhnlichen Floß
-stromabwärts gefahren und nur stromauf mit
-dem Dampfer, Tom aber hatte den Hin- sowohl
-wie den Rückweg auf dem Dampfboot gemacht.
-Die Jungens beneideten Jim und mich nicht
-wenig, aber vor Tom &ndash; ach, du liebe Zeit, da
-krochen sie geradezu im Staube.</p>
-
-<p>Vielleicht wäre nun Tom doch zufrieden gewesen,
-wäre nur nicht der alte Nat Parsons
-dagewesen. Das war der Postmeister, ein riesenlanger
-und dünner, gutmütiger und ein bißchen
-beschränkter Mann, mit ganz kahlem Kopf &ndash;
-denn er war schon sehr alt &ndash; und so ziemlich
-das schwatzhafteste alte Geschöpf, das ich je
-gesehen habe. Volle dreißig Jahre lang war er
-im Städtchen der einzige berühmte Mann gewesen;
-berühmt war er als Reisender, und
-natürlich war er über alle Maßen stolz darauf,<span class="pagenum"><a id="Seite_9"></a>[9]</span>
-und man hatte ihm nachgerechnet, daß er im
-Lauf der dreißig Jahre mehr als eine Million
-Male die Geschichte von seiner Reise erzählt und
-jedesmal wieder selber eine kindliche Freude
-daran gehabt hatte. Und nun kommt da auf
-einmal ein Bengel von noch nicht fünfzehn, und
-jedermann reißt Mund und Augen auf über <em class="gesperrt">dessen</em>
-Reisen! Natürlich brachte das den alten Herrn
-außer Rand und Band. Es machte ihn ganz krank,
-wenn er mit anhören mußte, wie Tom erzählte
-und wie die Zuhörer dabei fortwährend riefen:
-»Ach Herrjeh,« »Nee, aber so was!« »Ach
-du himmlische Barmherzigkeit!« usw. usw. Aber
-trotzdem mußte er immer wieder zuhören; er war
-wie die naschhafte Fliege, die mit einem Hinterbein
-in der Sirupschüssel festsitzt Und jedesmal,
-wenn Tom eine Pause machte, dann fing
-der arme alte Herr von seiner abgedroschenen
-alten Reise an und quälte sich ab, sie so recht
-zur Geltung zu bringen &ndash; aber sie war wirklich
-schon <em class="gesperrt">zu</em> abgedroschen und zog nicht mehr, und
-es konnte einem wirklich leid tun, wenn man’s
-mit ansah. Dann kam Tom wieder an die Reihe
-und dann wiederum der Alte &ndash; und so fort, und<span class="pagenum"><a id="Seite_10"></a>[10]</span>
-so fort, eine Stunde lang und noch länger, und
-jeder wollte immer den andern übertrumpfen.</p>
-
-<p>Mit Parsons Reise verhielt es sich so: Als er
-eben die Postmeisterstelle gekriegt hatte und noch
-ein ganz grüner Neuling war, da kam eines
-schönes Tages ein Brief für jemand, den er nicht
-kannte, denn einen Mann mit solchem Namen
-gab’s im Städtchen überhaupt nicht. Er wußte
-denn nun absolut nicht, was er anfangen sollte,
-und so lag denn der Brief da, von einer Woche
-zur andern, bis der bloße Anblick dem Postmeister
-übel machte. Das Porto für den Brief
-war nicht bezahlt und das war ebenfalls ein
-Grund zu Sorgen. Wie sollte er denn nur die
-10 Cents einziehen? Und dann, wer konnt’s
-wissen, vielleicht machte die Regierung ihn verantwortlich
-dafür und setzte ihn ab, weil er das
-Strafporto nicht eingezogen hatte&nbsp;…</p>
-
-<p>Zuletzt konnte er’s einfach nicht länger aushalten;
-er konnte nachts nicht mehr schlafen,
-konnte nicht mehr essen und war zu einem
-Schatten abgemagert. Trotzdem wagte er’s
-nicht, jemand um Rat zu fragen; denn der Ratgeber
-konnte ja womöglich hinterlistig sein und<span class="pagenum"><a id="Seite_11"></a>[11]</span>
-der Regierung die Geschichte von dem Brief mitteilen.
-Er hatte den Brief unter dem Fußboden
-versteckt, aber auch das half nichts. Wenn
-zufällig mal jemand auf der betreffenden Stelle
-stand, so bekam der Postmeister eine Gänsehaut;
-schwarzer Verdacht bemächtigte sich seiner und
-er blieb auf, bis die Stadt still und dunkel war;
-dann schlich er sich an die Stelle und holte den
-Brief wieder hervor und verbarg ihn an einem
-andern Platz. Natürlich wurden die Leute scheu
-und schüttelten die Köpfe und flüsterten allerlei,
-denn aus seinen Blicken und Bewegungen schlossen
-sie, er hätte einen Menschen totgeschlagen oder
-sonst irgend was Fürchterliches begangen &ndash; und
-wäre er ein Fremder gewesen, so hätte man ihn gelyncht.</p>
-
-<p>Also, wie gesagt, er konnte es nicht länger
-aushalten, und so beschloß er denn in seinem
-Sinn, er wollte nach Washington machen und
-geraden Wegs zum Präsidenten der Vereinigten
-Staaten gehen und frei von der Leber weg sprechen
-und den Brief herausholen und ihn vor der
-ganzen Regierung offen hinlegen und sagen:</p>
-
-<p>»So! da ist er! Machen Sie mit mir,
-was Sie wollen. Aber der Himmel ist mein<span class="pagenum"><a id="Seite_12"></a>[12]</span>
-Zeuge: ich bin unschuldig und verdiene nicht
-die volle Schwere der gesetzlichen Strafe, und
-ich lasse eine Familie zurück, die ohne mich
-Hunger leiden muß und doch gar nichts mit der
-Geschichte zu tun gehabt hat. Und das ist die reine
-Wahrheit und darauf kann ich einen Eid leisten!«</p>
-
-<p>Gedacht, getan. Er fuhr ein Stückchen mit
-dem Dampfer und ein Stückchen mit der Postkutsche,
-aber den ganzen übrigen Teil der Reise
-machte er zu Pferde, und er brauchte drei Wochen
-bis Washington. Er sah viele Länder und unzählige
-Dörfer und vier große Städte. Acht
-Wochen lang war er fort und nie zuvor war in
-unserem Städtchen<a id="FNAnker_2" href="#Fussnote_2" class="fnanchor">[2]</a> ein Mann so stolz wie er,
-als er nun wieder daheim war. Durch seine Reisen
-war er der größte Mann in der ganzen Gegend
-geworden; von keinem hatte man je so viel gesprochen;
-dreißig Meilen weit kamen die Leute
-angereist, ja sogar von Illinois her, bloß um
-ihn zu sehen &ndash; und da standen sie dann und
-glotzten ihn an und er plapperte. So was war
-noch niemals dagewesen.</p>
-
-<div class="footnotes">
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_2" href="#FNAnker_2" class="label">[2]</a> Hannibal am Mississippi.</p>
-</div>
-</div>
-
-<p>Nun war denn natürlich die Frage, wer der<span class="pagenum"><a id="Seite_13"></a>[13]</span>
-größte Reisende sei: Nat oder Tom. Einigkeit
-war darüber nicht zu erzielen; die einen sagten,
-Nat wäre es, die anderen schworen auf Tom.
-Jedermann gab zu, daß Nat dem jüngeren Nebenbuhler
-in der Länge der Reise über war, aber
-dafür war Tom denn doch in einem ganz anderen
-Klima gewesen. Die Wage hielt so ziemlich das
-Gleichgewicht. Jeder von den beiden mußte deshalb
-seine gefährlichsten Abenteuer in die Wagschale
-werfen. Die Kugel in Toms Bein war
-für Nat sozusagen eine harte Nuß zu knacken,
-aber Nat knackte, so gut er konnte. Er war
-jedoch dabei entschieden im Nachteil, denn Tom
-saß nicht still, wie er eigentlich hätte tun sollen,
-sondern er hinkte fortwährend im Zimmer herum,
-während Nat das Abenteuer ausmalte, das
-er seiner Zeit in Washington gehabt hatte. Tom
-hinkte nämlich noch, als seine Wunde schon längst
-wieder heil war; er übte sich nachts in seiner
-Schlafstube im Hinken und konnte es daher natürlich
-großartig.</p>
-
-<p>Mit Nats Abenteuer nun verhielt es sich
-folgendermaßen: Ob die Geschichte ganz wahr
-ist, das weiß ich nicht; vielleicht hatte er sie<span class="pagenum"><a id="Seite_14"></a>[14]</span>
-in einer Zeitung gelesen oder sonstwo aufgeschnappt;
-aber das muß ich sagen: er verstand
-sie zu erzählen! Es schauerte einem durch alle
-Glieder und der Atem stand einem still, wenn
-er sie vortrug, und Frauen und Mädchen wurden
-manchmal so blaß und schwach dabei, daß sie
-gar nicht mehr wußten, wo sie hin sollten. So
-gut ich’s vermag, will ich ihm die Geschichte nacherzählen:</p>
-
-<p>Er kommt also nach Washington und stellt
-sein Pferd ein und holt seinen Brief heraus und
-fragt nach dem Weg zu des Präsidenten Haus.
-Man sagt ihm, der Präsident sei auf dem Kapitol
-und wolle nach Philadelphia reisen &ndash; keine
-Minute sei zu verlieren, wenn er ihn noch sprechen
-wolle. Nat fiel beinahe in Ohnmacht, so schlecht
-wurde ihm zumute. Sein Pferd stand abgesattelt
-im Stall; was sollte er nun bloß anfangen?
-Aber gerade in dem Augenblick kommt ein Nigger
-mit seiner alten rumpligen Droschke vorbeigefahren.
-Sofort erfaßt Nat die Situation; er
-stürzt auf die Straße und schreit:</p>
-
-<p>»’nen halben Dollar, wenn du mich in ’ner
-halben Stunde nach dem Kapitol fährst, und ’n<span class="pagenum"><a id="Seite_15"></a>[15]</span>
-viertel extra, wenn du’s in zwanzig Minuten
-machst!«</p>
-
-<p>»Schön!« sagt der Nigger.</p>
-
-<p>Nat also springt in die Droschke und schmeißt
-den Schlag zu, und los geht’s holterdipolter über
-das fürchterlichste Pflaster, das man sich denken
-kann, und das Gerumpel und Geratter war geradezu
-schauerlich. Nat steckt die Arme durch
-die Halteriemen und hält sich aus Leibeskräften
-fest, aber nicht lange, da stößt die Karre an
-einen großen Stein, und fliegt, hops!, hoch in
-die Luft empor und der Boden fällt heraus, und
-als die Droschke wieder unten ist, da sind Nats
-Füße auf dem Grund und er sieht sofort, daß er
-in verzweifelter Lage ist, wenn er nicht so schnell
-laufen kann, wie die Droschke fährt. Er hatte
-einen fürchterlichen Schreck bekommen, aber er
-ging mit aller Macht ins Zeug und hielt sich
-an den Armriemen und streckte die Beine, daß
-es eine Art hatte. Er schrie und rief dem
-Kutscher zu, er sollte halten, und alle Menschen auf
-der Straße schrieen ebenfalls, denn sie sahen
-unter dem Wagen seine dünnen Beine entlang
-wirbeln und durch die Fenster seinen Kopf und<span class="pagenum"><a id="Seite_16"></a>[16]</span>
-seine Schultern immer auf und nieder fahren,
-und merkten, daß er in fürchterlicher Gefahr war.
-Aber je mehr sie riefen, desto lauter kreischte und
-gröhlte der Nigger und hieb auf die Pferde los
-und rief: »Habben keine Bange nich der Herr;
-gemachen muß es werden und ich machen’s!«</p>
-
-<p>Denn natürlich dachte er, sie wollten ihn
-zum Schnellfahren antreiben, und von Nats
-Rufen konnte er vor dem Geratter nichts hören.
-Und so ging es denn, hast du nicht gesehen, immer
-weiter, und den Leuten, die es sahen, standen die
-Haare zu Berge. Und als sie schließlich beim
-Kapitol ankamen, da war’s die schnellste Fuhre,
-die je ’ne Droschke gemacht hat, das sagten alle.
-Die Pferde waren ganz matt und Nat troff vor
-Schweiß und war wie gerädert, und er war voll
-Staub, die Kleider hingen in Fetzen an seinem
-Leibe und seine Stiefel hatte er verloren. Aber
-er war zur rechten Zeit da, und zwar gerade
-noch im allerletzten Augenblick. Er kam vor den
-Präsidenten und gab ihm den Brief und alles
-war in schönster Ordnung. Der Präsident begnadigte
-ihn auf der Stelle und Nat gab dem
-Nigger drei Vierteldollars extra statt nur eines;<span class="pagenum"><a id="Seite_17"></a>[17]</span>
-denn das sah er ja ein, hätte er nicht die
-Droschke gehabt, so hätte er auch nicht annähernd
-zur rechten Zeit kommen können.</p>
-
-<p>Es war tatsächlich ein großes Abenteuer, und
-Tom Sawyer mußte sich alle Mühe geben, um
-mit seiner Kugelwunde dagegen aufzukommen.</p>
-
-<p>Nun, wie’s so geht, nach und nach verblaßte
-Toms Ruhmesglanz, denn es kamen andere Gesprächsstoffe
-auf, worüber die Leute schwatzen
-konnten: erst ein Wettrennen, und dann eine
-Feuersbrunst, und dann der Zirkus, und darauf
-die Sonnenfinsternis; und diese brachte dann, wie
-es meistens der Fall ist, eine Wiederbelebung der
-Frömmigkeit zuwege, und so war denn von Tom
-nicht mehr viel die Rede, und das machte ihn ganz
-krank und vergällte ihm alle Freude am Leben.</p>
-
-<p>Es dauerte nicht lange, so war er den ganzen
-Tag verdrießlich und reizbar und wenn ich ihn
-fragte, warum er denn nur in solcher Stimmung
-sei, dann antwortete er, es bräche ihm beinahe
-das Herz, wenn er daran dächte, wie die Zeit
-verränne und daß er immer älter und älter
-würde, ohne daß ein Krieg ausbräche und er
-auch nur die geringste Menschenmöglichkeit sähe,<span class="pagenum"><a id="Seite_18"></a>[18]</span>
-sich einen Namen zu machen. So denken ja nun
-freilich alle Jungen, aber er war der erste, den
-ich diese Gedanken frei und offen aussprechen
-hörte. Er sann also Tag und Nacht auf einen
-Plan, wie er berühmt werden könnte. Bald
-hatte er denn auch einen und er bot Jim und
-mir an, an seinem Ruhme teil zu nehmen. In
-dieser Hinsicht war Tom Sawyer immer edelmütig.
-Viele Jungen sind über die Maßen gut
-und freundlich, wenn einer was Gutes hat, aber
-wenn sie selber mal was Gutes kriegen, dann
-sagen sie einem kein Wort davon und versuchen
-es für sich allein zu behalten. So war Tom
-Sawyer niemals, das kann ich ihm wohl nachsagen.
-Viele Jungen schlängeln sich an einen
-heran, wenn man einen Apfel hat und bitten
-einen um das Kernhaus. Aber wenn sie dann
-selber einen haben, und man bittet sie um’s
-Kernhaus und erinnert sie daran, daß man ihnen
-auch ’mal ein Kernhaus gegeben hat &ndash; jawohl,
-da heißt’s ›Prost die Mahlzeit‹, aber vom Kernhaus
-sieht man nichts. Da kann man sich den
-Mund wischen.</p>
-
-<p>Wir gingen in das Gehölz auf dem Berg, und<span class="pagenum"><a id="Seite_19"></a>[19]</span>
-Tom sagte uns, was es war. Es war ein Kreuzzug.</p>
-
-<p>»Was ist ein Kreuzzug?« fragte ich.</p>
-
-<p>Tom sah mich geringschätzig an, wie er’s
-immer tut, wenn ihm jemand leid tut. Dann
-sagte er:</p>
-
-<p>»Huck Finn, du willst doch nicht behaupten,
-daß du nicht weißt, was ein Kreuzzug ist?«</p>
-
-<p>»Nee,« sag’ ich, »ich weiß es nicht. Und
-ich mache mir auch nichts daraus. Ich habe
-so lange gelebt und bin gesund gewesen, ohne
-es zu wissen. Aber so bald du mir es sagst,
-was es ist, dann weiß ich’s ja, und das ist früh
-genug. Ich sehe nicht ein, wozu ich mir Sachen
-austifteln und mir meinen Kopf damit vollpfropfen
-soll, wenn ich vielleicht niemals ’ne Gelegenheit
-habe, davon Gebrauch zu machen. Na,
-was ist denn also ein Kreuzzug? Aber eins
-kann ich dir zum Voraus sagen: wenn’s was
-zum Patentieren ist, da ist kein Geld mit zu
-machen. Bill Tompson&nbsp;…«</p>
-
-<p>»Zum Patentieren?« rief Tom. »Hat man
-je so einen Schafskopf gesehen? Ein Kreuzzug
-ist eine Art von Krieg.«</p>
-
-<p>Ich dachte, er hätte seinen Verstand verloren.<span class="pagenum"><a id="Seite_20"></a>[20]</span>
-Aber nein, er meinte es in vollem Ernst und
-fuhr ganz ruhig fort:</p>
-
-<p>»Ein Kreuzzug ist ein Krieg, um das heilige
-Land von den Heiden zu erlösen.«</p>
-
-<p>»Was für’n heiliges Land?«</p>
-
-<p>»Na, das heilige Land &ndash; es gibt doch bloß
-eins.«</p>
-
-<p>»Was sollen wir denn damit anfangen?«</p>
-
-<p>»Nanu, begreifst du denn das nicht? Es
-ist in den Händen der Heiden, und ’s ist unsere
-Pflicht, es ihnen abzunehmen.«</p>
-
-<p>»Warum haben wir’s ihnen denn überlassen?«</p>
-
-<p>»Wir haben’s ihnen gar nicht überlassen.
-Sie haben es immer gehabt.«</p>
-
-<p>»Ja, Tom, dann muß es aber doch ihnen
-gehören, nicht wahr?«</p>
-
-<p>»Natürlich gehört es ihnen. Wer hat denn
-was anderes gesagt?«</p>
-
-<p>Ich dachte über seine Worte nach, konnte
-aber nicht recht herausbekommen was er meinte.
-Ich sagte daher: »Das ist für mich zu hoch, Tom
-Sawyer. Wenn ich ’ne Farm hätte, und die
-wäre mein, und ein anderer wollte sie haben,
-wäre es dann recht, wenn er&nbsp;…«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_21"></a>[21]</span></p>
-
-<p>»Ach, Quatsch, Huck Finn! Es handelt sich
-um keine Farm, es handelt sich um ganz was
-anderes. Höre mal zu, die Sache ist so: ihnen
-gehört das Land, aber bloß das Land und nichts
-weiter; aber <em class="gesperrt">wir</em>, wir Juden und Christen,
-haben’s zum <em class="gesperrt">heiligen</em> Land gemacht und
-darum haben sie dort gar nichts zu suchen. Es
-ist ’ne wahre Schande und wir können es keine
-Minute länger dulden. Wir sollten gegen sie
-ausziehen und es ihnen wegnehmen.«</p>
-
-<p>»Hm, die Sache kommt mir denn doch über
-alle Maßen verzwickt vor. Wenn ich ’ne Farm
-hätte und ein anderer&nbsp;…«</p>
-
-<p>»Sagte ich dir nicht, es hat mit ’ner Farm
-gar nichts zu tun? Ein Farmer hat ein Geschäft,
-ein ganz gewöhnliches alltägliches Geschäft;
-weiter kann man darüber nichts sagen. Aber dies
-hier &ndash; das ist was Höheres &ndash; das ist Religion,
-also ganz was anderes.«</p>
-
-<p>Jim schüttelte den Kopf und sagte:</p>
-
-<p>»Massa Tom, gewiß sein da eine Irrung &ndash;
-ganz gewiß. Ich selber haben Relion und
-kennen viele andere mit Relion, aber nie haben
-ich gehört von so was.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_22"></a>[22]</span></p>
-
-<p>Darob wurde Tom hitzig und er rief:</p>
-
-<p>»Wahrhaftig, so eine vernagelte Dummheit
-kann einen ja ganz krank machen! Wenn einer
-von euch beiden ’was von Weltgeschichte gelesen
-hätte, so würde er wissen, daß Richard Kördeloon
-und der Papst und Gottfried von Buloon und ’ne
-Masse andere höchst edelherzige und fromme Leute
-mehr als zweihundert Jahre lang auf die Heiden
-losgedroschen und losgehackt haben, um ihnen ihr
-Land wegzunehmen, und daß sie die ganze Zeit
-über bis an den Hals in Blut wateten &ndash; und hier
-erlauben sich ein paar Dummköpfe von Hinterwäldlern
-am Missouri die Anmaßung, besser als
-alle jene Helden wissen zu wollen, was Recht
-und was Unrecht an den Kreuzzügen gewesen
-sei. Quatscht ihr und der Deubel!«</p>
-
-<p>Na, das ließ natürlich die Sache in einem
-ganz andern Licht erscheinen, und Jim und ich
-kamen uns recht gering und unbedeutend vor und
-wir dachten bei uns, wir hätten lieber nicht so
-vorlaut sein sollen. Ich konnte keine Worte finden
-und Jim brachte ’ne Zeit lang auch nichts heraus;
-endlich aber sagte er:</p>
-
-<p>»Nu, so ich denken, alles sein in die Richte;<span class="pagenum"><a id="Seite_23"></a>[23]</span>
-denn wenn sie nix wußten, wie sollten wir arme
-dumme Leut’ versuchen, was zu wissen? Und so,
-wenn’s unsere Schuldigkeit is, nu, so müssen wir
-Werk in Hand nehmen und tun, was möglich sein.
-Aber die arme Heidenvolk tun mir leid. Sein
-es nix hart, Leut’ zu Tode zu machen, das man
-nie hat gesehen? Seh’ Sie, Massa Tom, das
-sein es! Aber dann&nbsp;…«</p>
-
-<p>»Dann? wann dann?«</p>
-
-<p>»Hem, Massa Tom, ich haben eine Gedank.
-Es tun nu mal nix helfen, wir können die
-arme Fremders nix zu Tode machen, was uns nie
-nix getan haben. Erst müssen wir uns in die
-Todmacherei üben, Massa Tom &ndash; jawoll, das
-müssen wir! jawoll, ich wissen, es gehen sonst
-nix. Wenn wir nu aber eine Beil nehm’
-oder zwei, ich meinen bloß Sie, Massa Tom,
-un Jim un Huck, un husch husch über die
-Fluß, wann heut nacht die Mond nix mehr
-scheinen, un schlagen die kranke Leut’ tot da
-oben auf die Hügel un brennen ihre Haus
-nieder un&nbsp;…«</p>
-
-<p>»O, ihr macht mir Kopfweh!« rief Tom,
-»Ich will mich auf gar keine Worte mehr mit<span class="pagenum"><a id="Seite_24"></a>[24]</span>
-Leuten wie du und Huck einlassen, die nie bei der
-Sache bleiben können und nicht mal’n Ding begreifen,
-das so gut und gesetzlich ist wie die
-schönste Theologie!«</p>
-
-<p>Nun, das war aber nicht schön von Tom
-Sawyer! Jim meinte es doch nicht böse und
-ich auch nicht. Wir wußten vollkommen, daß er
-im Recht war und wir Unrecht hatten, und
-wir wollten ja bloß das ›Warum?‹ wissen und
-weiter nichts. Und wenn er’s nicht so auseinandersetzen
-konnte, daß wir’s verstanden, nun
-so lag das einzig und allein an unserer Unwissenheit;
-unwissend waren wir und ein bißchen gar
-zu schwer von Begriff auch, das leugne ich nicht.
-Aber, du lieber Gott, das ist doch kein Verbrechen!</p>
-
-<p>Aber er wollte nun ’mal nichts mehr davon
-hören; sagte bloß, wenn wir die Sache richtig
-begriffen hätten, so hätte er ’n paar tausend
-Ritter aufgebracht und hätte sie von Kopf zu
-Fuß in Stahl gekleidet, und ich wäre Leutnant
-geworden und Jim sein Marketender. Und er
-selber hätte ’s Kommando übernommen und hätte
-die ganze Heidenwirtschaft ins Meer gefegt wie
-Fliegen und wäre als Sieger in einem Glorienschein<span class="pagenum"><a id="Seite_25"></a>[25]</span>
-wie Abendgold durch die Welt gegangen.
-Aber wir wüßten ja nicht mal so ’ne Gelegenheit
-zu benutzen, sagte er, und darum wollte er sie uns
-auch nicht wieder bieten. Und dabei blieb’s. Wenn
-er sich mal was in den Kopf gesetzt hatte, dann
-war nichts zu machen.</p>
-
-<p>Aber darum ließ ich mir keine grauen Haare
-wachsen. Ich bin von friedfertiger Anlage, und
-was soll ich mich mit Leuten ’rumschlagen, die
-mir nichts zuleide tun? Ich dachte bei mir:
-wenn die Heiden zufrieden sind, mir solls Recht
-sein, und dabei wollen wir’s belassen.</p>
-
-<p>Diese ganze Geschichte hatte sich Tom aus
-dem Buch von Walter Scott, worin er immer
-las, in den Kopf gesetzt. Und es war ’ne wilde
-Sache, denn meiner Meinung nach hätte er die
-Ritter nicht zusammengebracht, und wenn schon,
-so hätte er höchst wahrscheinlich mit samt all
-seinem Kriegsvolk Klopfe gekriegt. Ich machte
-mich nachher auch über das Buch her und las
-es von A bis Z, und, soweit ich daraus klug
-werden konnte, hatten die meisten Leute, die ihre
-Bauernhäuser verließen und auf die Kreuzzüge
-gingen, nicht gerade ein sanftes Leben davon!</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_26"></a>[26]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="Zweites_Kapitel">Zweites Kapitel</h3>
-</div>
-
-<p>Tom dachte sich denn nun also ein Ding
-nach dem andern aus, aber ein jedes hatte seine
-schwache Stelle und mußte daher auf die Seite
-geschoben werden. Zuletzt war er in heller Verzweiflung.
-Auf einmal standen in den Zeitungen
-von St. Louis lange Geschichten von dem Luftballon,
-der nach Europa segeln sollte; Tom
-dachte wohl daran, auch hinzufahren und sich
-das Ding anzusehen, konnte aber nicht recht zu
-einem festen Entschluß kommen. Die Zeitungen
-schrieben jedoch immerfort darüber; so dachte er
-denn, wenn er nicht hinginge, würde sich ihm
-vielleicht nie wieder ’ne Gelegenheit bieten, ’nen
-Ballon zu sehen. Außerdem erfuhr er, Nat Parsons
-wolle auch hinfahren, und das brachte ihn
-natürlich zum Entschluß. Er konnte doch nicht
-leiden, daß Nat nach seiner Rückkunft überall
-von dem Luftballon schwadronierte, den er gesehen;
-da hätte er dabeisitzen müssen und ruhig
-den Mund halten! Er bat also mich und Jim
-mitzukommen und wir reisten ab.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_27"></a>[27]</span></p>
-
-<p>Es war ein prächtiger großer Luftballon mit
-Flügeln und dergleichen, ganz anders als die
-Ballons, die man abgebildet sieht. Die Auffahrtsstelle
-befand sich weit draußen am Rande
-der Stadt, auf einem leeren Bauplatz an der
-Ecke der zwölften Straße. Eine dichte Menschenmenge
-stand herum und machte schlechte Witze
-über das Luftschiff und über den Mann, einen
-mageren blassen Herrn mit jenem bekannten
-Mondscheinblick im Auge. Sie sagten fortwährend,
-das Ding würde nicht gehen. Er wurde
-ganz wild darüber, drehte sich alle Augenblicke
-nach den Leuten um und rief mit geballten Fäusten,
-sie wären blindes Viehzeug, aber eines
-Tages würden sie merken, daß sie einen von den
-Männern vor sich gehabt hätten, durch welche
-Nationen hochgebracht würden und denen allein
-alle Fortschritte der Zivilisation zu verdanken
-wären. Ja, dann würden sie merken, daß sie
-nur zu dumm gewesen wären, um das zu sehen,
-und hier auf dem Fleck würden ihre Kinder und
-Enkel ein Denkmal errichten, das ein Jahrtausend
-überdauern würde; sein Name aber würde das
-Denkmal überdauern!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_28"></a>[28]</span></p>
-
-<p>Darauf brüllte dann wieder die Menge vor
-Lachen und allerlei Fragen hagelten auf ihn
-nieder: wie er vor seiner Heirat geheißen hätte,
-und was er haben wollte, wenn er’s bleiben ließe,
-und wie die Großmutter von seiner Schwester
-Katze hieße usw., wie eben der große Haufe sich
-benimmt, wenn er ’nen Mann vor sich hat, den
-er gehörig plagen kann. Na, einiges von dem,
-was sie sagten, war wirklich lustig, &ndash; gewiß,
-und sogar sehr witzig, das leugne ich nicht, aber
-trotzdem war’s nicht schön und war keine Heldentat:
-alle diese Leute mit behendem und scharfem
-Mundwerk gegen den einen Mann, der seine
-Zunge absolut nicht zu gebrauchen wußte. Aber
-freilich, wozu um Gottes willen mußte er überhaupt
-seinen Mund auftun? Sie <em class="gesperrt">waren</em> ihm
-nun doch mal über. Aber ich vermute, ’s lag so
-in seiner Natur und er konnte nichts dafür. Er
-war gewiß ein ganz guter Kerl, eine harmlose
-Seele, aber er war, wie die Zeitungen sagten,
-ein Genie und das war doch nicht seine Schuld.
-Wir können nicht alle vernünftig sein und wie
-wir sind, so müssen wir eben verbraucht werden.
-Wenn ich die Sache recht verstehe, so meinen<span class="pagenum"><a id="Seite_29"></a>[29]</span>
-Genies, sie wissen alles, und hören darum nicht
-auf das, was andere Leute sagen, sondern gehen
-ihre eigenen Wege, und deshalb wenden sich denn
-alle von ihnen ab und sprechen verächtlich über
-sie, wie es ja ganz natürlich ist. Wenn sie bescheidener
-wären und auf andere Leute hörten
-und was zu lernen sich bemühten, so wären sie
-besser daran.</p>
-
-<p>Das Ding, worin der Professor war, sah
-aus wie ’n Boot, groß und geräumig, und auf
-der Innenseite liefen rings herum wasserdichte
-Behälter, um alle möglichen Sachen aufzubewahren;
-man konnte auf ihnen sitzen und sie auch
-als Bettstellen benutzen, wenn man schlafen
-wollte. Wir gingen an Bord. Es waren ungefähr
-zwanzig Leute darin, die überall herumschnüffelten
-und sich alles ansahen, und der alte
-Nat Parsons war auch dabei. Der Professor
-machte sich eifrig mit den Vorbereitungen zum
-Aufstieg zu schaffen und die Besucher stiegen daher
-wieder aus, einer nach dem andern, und Nat
-Parsons war der letzte. Natürlich ging es nicht
-an, daß er nach uns das Luftschiff verließ, denn
-wir mußten unbedingt die Letzten sein, um Toms<span class="pagenum"><a id="Seite_30"></a>[30]</span>
-und seines Publikums willen. Deshalb blieben
-wir ganz ruhig in der Gondel.</p>
-
-<p>Endlich aber war er draußen; es wurde daher
-auch für uns Zeit auszusteigen. Ich hörte
-ein lautes Geschrei und drehte mich um &ndash; die
-Stadt sank unter uns in die Tiefe als wäre sie
-aus einer Kanone geschossen! Mir wurde vor
-Angst ganz übel. Jim wurde grau und konnte
-kein Wort herausbringen und Tom sagte ebenfalls
-nichts, sah aber ganz aufgeregt aus. Die
-Stadt sank immer tiefer, tiefer, tiefer; wir selber
-aber schienen ganz still immer auf demselben Fleck
-in der Luft stehen zu bleiben. Die Häuser wurden
-kleiner und immer kleiner, und die Stadt schob
-sich zusammen, dicht und immer dichter, und
-Menschen und Fuhrwerke sahen aus wie herumkrabbelnde
-kleine Ameisen und Käfer und die
-Straßen wurden zu Fäden und feinen Spalten.
-Dann schmolz alles ineinander zusammen und
-es war überhaupt keine Stadt mehr da &ndash; nur
-ein großer Fleck auf der Erde, und es kam mir
-vor, als könnte man tausend Meilen stromaufwärts
-und tausend Meilen weit stromabwärts
-sehen &ndash; obwohl es natürlich nicht so viel war.<span class="pagenum"><a id="Seite_31"></a>[31]</span>
-Allmählich wurde die Erde zu einer Kugel von
-düsterer Färbung, die kreuz und quer von hellen
-Streifen durchgezogen &ndash; das waren Flüsse.
-Witwe Douglas hatte mir immer schon erzählt,
-die Erde sei rund wie ’ne Kugel, aber ich mochte
-auf ihren abergläubischen Kram nicht hören und
-hatte natürlich auch diesen Unsinn nicht weiter
-beachtet, denn ich sah ja selber, daß die Welt
-flach ist wie ’n Teller. Ich war sogar auf den
-Berg gegangen und hatte mich mit eigenen Augen
-umgeguckt, um mich zu überzeugen &ndash; denn ich
-bin der Meinung, man kriegt am besten ’nen
-richtigen Begriff von einer Sache, wenn man
-sie sich selbst ansieht, und sich nicht auf das verläßt,
-was andere Leute sagen. Aber nun mußte
-ich zugeben, daß Witwe Douglas recht gehabt
-hatte. Das heißt: sie hatte recht mit Bezug auf
-den übrigen Teil der Welt; aber der Teil, worauf
-unser Städtchen liegt, der ist und bleibt flach
-wie ’n Teller, darauf will ich ’nen Eid leisten!
-Der Professor war die ganze Zeit über ruhig
-gewesen, beinahe als ob er schliefe; aber auf einmal
-brach er los und rief in bitterem Zorn:</p>
-
-<p>»Die Idioten! Sie sagten mein Schiff würde<span class="pagenum"><a id="Seite_32"></a>[32]</span>
-nicht fliegen, und wollten’s untersuchen und
-darauf herumspionieren und das Geheimnis aus
-mir herauslocken! Aber ich hab’ sie angeführt!
-Kein Mensch kennt das Geheimnis außer mir.
-Niemand außer mir weiß, was das Schiff treibt;
-’s ist ’ne neue Kraft &ndash; ’ne ganz neue, tausendmal
-so stark als alles andere auf Erden. Dampf
-ist Kaff dagegen. Sie sagten, ich könnte nicht
-nach Europa fahren. Nach Europa! Bah, ich
-habe Kraft für fünf Jahre an Bord und Lebensmittel
-für drei Monate. Sie sind verrückt!
-Was verstehen sie davon? Und dann sagten sie,
-mein Schiff sei zerbrechlich! Zerbrechlich! Fünfzig
-Jahre lang kann’s aushalten. Ich kann mein
-ganzes Leben lang in den Lüften herumfahren,
-wenn ich Lust habe, und kann es steuern, wohin
-ich will. Und sie lachten mich aus und sagten,
-ich könnt’s nicht. Könnt’ nicht steuern! Komm
-her, Junge; das wollen wir gleich mal sehen.
-Du drückst bloß auf die Knöpfe, die ich dir bezeichne.«</p>
-
-<p>Er ließ nun Tom das Schiff nach allen
-Richtungen hin steuern und Tom lernte es im
-Handumdrehen; er sagte uns, es ginge ganz leicht.<span class="pagenum"><a id="Seite_33"></a>[33]</span>
-Der Professor ließ ihn das Schiff beinahe ganz
-auf den Erdboden herunterbringen, und es strich
-so dicht über die Felder von Illinois hin, daß man
-mit den Landleuten hätte sprechen können, denn
-wir hörten ganz deutlich jedes Wort, das sie
-sagten. Und der Professor warf ihnen bedruckte
-Zettel zu, darin stand allerlei über den Ballon,
-und daß wir nach Europa segelten. Dann brachte
-der Professor Tom bei, wie er den Ballon zu
-landen hätte. Auch das lernte er famos, er setzte
-uns ganz sanft und leise auf die Wiese nieder.
-Aber sowie wir Miene machten auszusteigen, rief
-der Professor: »Nä, das nicht!« und ließ den
-Ballon wieder in die Lüfte emporschießen. Jim
-und ich begannen zu flehen, aber das machte den
-Mann bloß ärgerlich, er fing an zu toben und vor
-Wut die Augen zu verdrehen, und ich kriegte ’ne
-Höllenangst vor ihm. Dann fing er wieder von
-den bösen Menschen an und brummte und knurrte
-darüber, wie man ihn behandelt hätte; und besonders
-darüber, daß die Leute gesagt hatten,
-sein Schiff sei zerbrechlich, konnte er, wie’s scheint,
-nicht hinwegkommen. Und dann hatte man gesagt,
-das Luftschiff sei nicht einfach genug und<span class="pagenum"><a id="Seite_34"></a>[34]</span>
-werde fortwährend in Unordnung geraten. In
-Unordnung! Das regte ihn fürchterlich auf; er
-rief, der Ballon würde so wenig in Unordnung
-geraten wie ’ne Sonnenzisterne.<a id="FNAnker_3" href="#Fussnote_3" class="fnanchor">[3]</a></p>
-
-<div class="footnotes">
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_3" href="#FNAnker_3" class="label">[3]</a> Eine kleine Verwechselung mit dem Sonnensystem.</p>
-</div>
-</div>
-
-<p>Es wurde immer schlimmer mit ihm und
-ich habe niemals einen Menschen in solcher Wut
-gesehen. Beim bloßen Anblick überlief mich ’ne
-Gänsehaut und Jim ging’s nicht besser. Allmählich
-wurde sein Sprechen zu lautem Geschrei
-und Gekreisch; er schwor, die Welt sollte sein
-Geheimnis überhaupt nicht kennen lernen; man
-hätte ihn zu niederträchtig behandelt. Er wollte
-mit seinem Ballon um den ganzen Erdball herumfahren,
-um ihnen zu zeigen, was er damit leisten
-könnte, und dann wollte er den Ballon und sich
-selber und uns dazu ins Meer versenken. Es
-war ’ne verflucht ungemütliche Lage für uns,
-und dabei brach auch noch die Nacht herein.</p>
-
-<p>Er gab uns was zu essen und befahl uns
-dann, nach dem hinteren Ende der Gondel zu
-gehen. Er selbst streckte sich auf einer von den
-Bänken aus, von wo aus er den ganzen Mechanismus
-hantieren konnte, legte seine alte Revolver-Pfefferbüchse<span class="pagenum"><a id="Seite_35"></a>[35]</span>
-unter seinen Kopf und sagte, wenn
-einer von uns so verrückt wäre, das Luftschiff
-landen zu wollen, den würde er totschießen.</p>
-
-<p>Wir saßen aneinander geschmiegt und machten
-uns recht viele Gedanken, sprachen aber wenig
-&ndash; wir hatten zu große Angst. Allmählich senkte
-sich die Nacht hernieder. Wir segelten ziemlich
-niedrig, und im Mondschein sah alles so hübsch
-und lieblich aus; wir hörten die Geräusche, die
-von den Gehöften kamen, und wünschten, wir
-wären dort unten. Aber wie ein Geisterhauch
-schwebten wir über sie hin, ohne eine Spur zu
-hinterlassen. Spät in der Nacht &ndash; man hörte
-den Geräuschen von drunten an, daß es spät war,
-und man merkte es an der Luft, ja man roch
-es ihr sozusagen an &ndash; dem Gefühl und Geruch
-der Luft nach dachte ich, es müsse etwa zwei
-Uhr sein &ndash; spät in der Nacht also sagte
-Tom, der Professor wäre jetzt so still, er
-müßte wohl eingeschlafen sein, und darum
-sollten wir&nbsp;…</p>
-
-<p>»Sollten wir … was?« fragte ich flüsternd.
-Und mir war ganz schlimm dabei zu Mute, denn
-ich wußte, woran Tom dachte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_36"></a>[36]</span></p>
-
-<p>»Wir sollten uns zu ihm heranschleichen und
-ihn binden und mit dem Luftschiff landen!« antwortete
-er.</p>
-
-<p>Ich sagte: »Um Gottes willen nicht! Rühr’
-dich nicht vom Fleck, Tom Sawyer!«</p>
-
-<p>Und Jim &ndash; ja, dem blieb vor Angst einfach
-die Luft weg. Er sagte:</p>
-
-<p>»O, Massa Tom, tu Sie ja nich! Wenn
-Sie ihn anrühren, es sein alle mit uns, warraftig
-alle mit uns! Ich tät’ ihm nich zu nah
-kommen, nich für nix auf die Welt! Er sein
-verrückt wie ’ne&nbsp;…«</p>
-
-<p>»Eben drum!« flüsterte Tom. »Eben drum
-<em class="gesperrt">müssen</em> wir das tun. Wäre er nicht verrückt,
-so gäbe ich, ich weiß nicht was, darum, um bloß
-hier auf dem Luftschiff zu sein; keine zehn Pferde
-sollten mich von hier wegkriegen, jetzt wo ich
-mit dem Ding umzugehen weiß und die erste
-Angst, als wir plötzlich den festen Grund unter
-den Füßen verloren, überwunden ist. Wenn er
-nur seinen rechten Verstand hätte! Aber mit so
-’nem Menschen ’rumzugondeln, der ’ne Schraube
-verloren hat und sagt, er wolle um die Welt
-segeln und nachher uns alle ersäufen &ndash; nee, das<span class="pagenum"><a id="Seite_37"></a>[37]</span>
-geht nicht. Wir <em class="gesperrt">müssen</em> was tun, sage ich
-euch, und zwar bevor er aufwacht, sonst haben
-wir vielleicht niemals wieder ’ne Gelegenheit dazu.
-Kommt!«</p>
-
-<p>Aber uns überlief ’ne eiskalte Gänsehaut
-bei dem bloßen Gedanken daran, und wir rührten
-uns nicht von der Stelle. Tom sagte darauf,
-er wollte allein an den Professor herankriechen
-und versuchen, ob er nicht an den Steuerapparat
-herankommen und den Ballon landen könnte. Wir
-baten und flehten, er möchte es nicht tun, aber
-es half uns nichts. Er kroch auf Händen und
-Füßen Zoll um Zoll vorwärts, und uns stockte
-der Atem, als wir das mit ansahen. Als er
-in der Mitte der Gondel angekommen war, fing
-er an noch langsamer zu kriechen, und mir kam
-es vor, als vergingen Jahre darüber. Zuletzt
-aber sahen wir, wie er bei des Professors Kopf
-war; da richtete er sich halb auf und sah ihm
-ins Gesicht und lauschte. Dann kroch er wieder
-Zoll um Zoll zu des Professors Füßen herunter,
-wo die Steuerknöpfe waren. Er kam auch richtig
-an und griff langsam und bedächtig nach den
-Knöpfen; aber dabei stieß er an irgend etwas<span class="pagenum"><a id="Seite_38"></a>[38]</span>
-an. Es gab ein Geräusch, und plumps! lag er
-flach auf dem Boden der Gondel.</p>
-
-<p>Der Professor fuhr empor und rief: »Was
-ist das?«</p>
-
-<p>Aber wir hielten uns alle mäuschenstill;
-er brummte und gähnte und streckte sich
-wie jemand, der aus dem Schlaf aufwacht,
-und ich dachte, ich sollte vor Angst und Zagen
-umkommen.</p>
-
-<p>Auf einmal schob sich eine Wolke vor den
-Mond, und ich hätte vor Freude beinahe laut
-aufgeschrieen. Der Mond verschwand immer
-tiefer in den Wolken und es wurde so dunkel,
-daß wir Tom nicht mehr sehen konnten. Dann
-begannen Regentropfen zu fallen und wir hörten,
-wie der Professor an seinen Stricken und Knöpfen
-herumbastelte und auf das Wetter fluchte. Wir
-fürchteten jede Minute, er könnte Tom entdecken
-&ndash; und dann wären wir alle rettungslos verloren
-gewesen. Aber Tom war schon auf dem Rückweg
-und auf einmal fühlten wir seine Hände
-auf unseren Knieen. Da ging mir vor Angst
-plötzlich die Luft aus und das Herz fiel mir in
-die Hosen; denn in der finsteren Nacht konnte<span class="pagenum"><a id="Seite_39"></a>[39]</span>
-ich nicht wissen, ob es nicht der Professor wäre;
-und ich dachte wirklich, er wär’s.</p>
-
-<p>O je, die Freude, als wir ihn nun wirklich
-zurück hatten! So vergnügt kann bloß einer sein,
-der mit einem Verrückten in der Luft ’rumfährt!
-Im Dunkeln kann man mit einem Luftballon
-nicht landen; ich hoffte daher, der Regen möchte
-andauern, denn ich wünschte durchaus nicht, daß
-Tom noch ’mal sein Glück versuchte und uns
-wieder in die unbehagliche Angst versetzte. Na,
-mein Wunsch ging in Erfüllung. Den ganzen
-übrigen Teil der Nacht regnete es immer sachte
-weg; das war nun freilich keine sehr lange Zeit,
-uns aber kam sie endlos vor.</p>
-
-<p>Mit Tagesanbruch heiterte der Himmel sich
-auf und die Welt sah über alle Maßen lieblich
-und hübsch aus in ihrem grauen Dunst, und
-was für’n schöner Anblick war’s, Felder und
-Wälder wieder zu sehen! Und Pferde und Ochsen
-standen so klar und deutlich da und sahen so
-nachdenklich aus. Dann kam in heiterer Pracht
-die Sonne herauf, und wir fühlten auf einmal
-wie müde und kaput wir waren, und ehe wir’s uns
-versahen, waren wir alle drei fest eingeschlafen.</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_40"></a>[40]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="Drittes_Kapitel">Drittes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Als wir einschliefen, war es ungefähr vier
-Uhr und gegen acht wachten wir auf. Der Professor
-saß auf seinem Platz und machte ein verdrießliches
-Gesicht. Er warf uns etwas zum
-Frühstück zu und sagte uns, wir dürften nicht
-weiter gehen als bis zum Mittelschiffs-Kompaß;
-dieser befand sich ungefähr in der Mitte der
-Gondel.</p>
-
-<p>Wenn man so einen rechten Hunger gehabt
-hat und dann auf einmal sich ordentlich satt
-essen kann, dann sieht man die Welt mit ganz
-anderen Augen an; es wird einem beinahe ganz
-behaglich zu Mute, selbst wenn man mit einem
-Genie sich in einem Ballon hoch oben in den
-Lüften befindet. Nach dem Essen rückten wir
-drei näher zusammen und begannen zu plaudern.
-Besonders ein Umstand war da, der mir
-gar nicht aus dem Kopf wollte, und im Lauf
-des Gesprächs bemerkte ich:</p>
-
-<p>»Tom, fahren wir nicht nach Osten?«</p>
-
-<p>»Ja.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_41"></a>[41]</span></p>
-
-<p>»Wie schnell sind wir gesegelt?«</p>
-
-<p>»Na, du hörtest doch selber, was der Professor
-sagte, als er gestern so herumtobte.
-Manchmal, sagte er, machten wir in der Stunde
-fünfzig Meilen<a id="FNAnker_4" href="#Fussnote_4" class="fnanchor">[4]</a>, manchmal neunzig, manchmal
-hundert; wenn er mit einem tüchtigen Sturm
-segelte, so könnte er jederzeit dreihundert machen,
-und wenn er einen Sturm haben wollte, so
-brauchte er bloß den Ballon höher steigen oder
-tiefer sinken zu lassen, bis er den Sturm und
-die gewünschte Richtung hätte.«</p>
-
-<div class="footnotes">
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_4" href="#FNAnker_4" class="label">[4]</a> englische.</p>
-</div>
-</div>
-
-<p>»Na ja, das hatte ich mir gedacht: der
-Professor log!«</p>
-
-<p>»Warum?«</p>
-
-<p>»Wenn wir so schnell gefahren wären, so
-hätten wir doch schon über Illinois hinaus sein
-müssen, nicht wahr?«</p>
-
-<p>»Gewiß.«</p>
-
-<p>»Na, so weit sind wir aber nicht!«</p>
-
-<p>»Woher weißt du das?«</p>
-
-<p>»Ich seh’s an der Farbe. Wir sind immer
-noch mitten über Illinois. Und du kannst selber
-sehen, daß Indiana noch nicht in Sicht ist.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_42"></a>[42]</span></p>
-
-<p>»Was ist denn bloß dir in die Krone gefahren,
-Huck? Du sagst, du siehst es an der
-Farbe?«</p>
-
-<p>»Natürlich!«</p>
-
-<p>»Was hat denn die Farbe damit zu tun?«</p>
-
-<p>»’ne ganze Masse! Illinois ist grün, Indiana
-hellrot. Nun zeig mir mal da unten auch
-nur den kleinsten hellroten Fleck, wenn du kannst!
-Gibt’s gar nicht &ndash; ’s ist alles grün!«</p>
-
-<p>»Indiana hellrot?! Donnerwetter, was
-bist du für ein Lügenbeutel!«</p>
-
-<p>»Nichts von Lügen! Ich hab’s auf der
-Karte gesehen, und Indiana ist hellrot!«</p>
-
-<p>Machte aber der Tom Sawyer ein ärgerliches
-Gesicht! Endlich sagte er:</p>
-
-<p>»Weißt du, Huck Finn, wenn ich so dämlich
-wäre wie du, da spränge ich lieber gleich
-über Bord! Hat’s auf der Landkarte gesehen!!
-Huck Finn, meintest du wirklich, die Oberfläche
-jedes einzelnen Staates wäre von derselben Farbe,
-wie sie auf der Karte dargestellt ist?«</p>
-
-<p>»Tom Sawyer, was hat ’ne Landkarte für
-’nen Zweck? Man soll doch wohl Tatsachen draus
-ersehen können?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_43"></a>[43]</span></p>
-
-<p>»Natürlich.«</p>
-
-<p>»Schön! Wie kann man aber das, wenn die
-Karte lügt? Das möcht’ ich wohl wissen!«</p>
-
-<p>»Du bist ein Quatschkopf! Sie lügt ja gar
-nicht!«</p>
-
-<p>»Ach nee! wirklich nicht? lügt sie nicht?«</p>
-
-<p>»Natürlich nicht!«</p>
-
-<p>»Sehr gut! Na, wenn die Landkarte nicht
-lügt, dann gibt’s keine zwei Staaten von derselben
-Farbe. Was sagst du <em class="gesperrt">dazu</em>, Tom
-Sawyer?!«</p>
-
-<p>Er sah, ich hatte ihn fest und Jim sah es
-auch; und ich muß sagen, ich war mächtig stolz
-darauf, denn Tom Sawyer war einer, mit dem
-man in einem Wortgefecht nicht so leicht fertig
-wurde. Jim schlug sich auf den Schenkel und rief:</p>
-
-<p>»Donnawetta! Das is fermost! Das is
-einfach fermost! Da is nix zu sagen, Massa Tom;
-diesmal hat Huck Finn Sie fest! Jawoll!« Und
-dabei schlug er sich noch einmal auf den Schenkel
-und sagte: »Junge, Junge! Das war warraftig
-fermost!«</p>
-
-<p>Nie in meinem Leben war ich innerlich so
-stolz gewesen, und dabei hatte ich gar kein Bewußtsein<span class="pagenum"><a id="Seite_44"></a>[44]</span>
-davon gehabt, daß ich so was Berühmtes
-sagte, als bis es heraus war. Ich plapperte
-eigentlich bloß so in den Tag hinein, aber auf
-einmal, paff!, da schoß es aus mir heraus!</p>
-
-<p>Aber Tom war ärgerlich und sagte, Jim
-und ich wären zwei unwissende Windbeutel und
-es wäre besser, wenn wir unseren Mund hielten.
-Ich habe herausgefunden, daß fast jeder ärgerlich
-wird, wenn er auf einen guten Einwand nichts
-zu erwidern weiß.</p>
-
-<p>Auf einmal bemerkte er ganz tief, tief unter
-uns einen Kirchturm; er nahm ein Fernrohr
-zur Hand und sah nach der Turmuhr, holte seine
-silberne Taschenuhr hervor und sah nach der Zeit,
-und dann wieder auf den Turm und nochmals auf
-die silberne Zwiebel und sagte schließlich:</p>
-
-<p>»Das ist komisch! Die Uhr da geht beinahe
-’ne Stunde vor!«</p>
-
-<p>Er zog seine Taschenuhr auf; dann bemerkte
-er einen andern Kirchturm und sah wieder hin,
-und wieder ging die Uhr ’ne Stunde vor. Das
-machte ihn nachdenklich und er sagte:</p>
-
-<p>»Die Geschichte ist wirklich sonderbar. Wie
-das zugeht, versteh’ ich nicht!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_45"></a>[45]</span></p>
-
-<p>Wieder nahm er das Fernrohr und suchte
-sich noch einen Kirchturm, und richtig &ndash; auch
-diese Uhr ging ’ne Stunde vor. Auf einmal
-riß er die Augen ganz weit auf und machte ein
-paarmal den Mund auf und zu, als müßte
-er nach Luft schnappen, und dann plötzlich rief er:</p>
-
-<p>»Hei&ndash;li&ndash;ges &ndash; Don&ndash;nerr&ndash;wet&ndash;terrr!
-’s ist der Längengrad!«</p>
-
-<p>Ich kriegte einen ganz gehörigen Schreck und
-fragte:</p>
-
-<p>»O je, o je, was ist denn nun wieder los?«</p>
-
-<p>»Nichts weiter, als daß diese alte Blase ganz
-mir nichts dir nichts über Illinois und Indiana
-und Ohio weggesaust ist und daß wir da unter
-uns die Ostseite von Pennsylvanien oder New
-York oder so ’ne ähnliche Gegend haben!«</p>
-
-<p>»Tom Sawyer, das ist doch nicht dein
-Ernst!«</p>
-
-<p>»Jawohl, das ist es, und die Sache steht
-bombenfest! Seit wir gestern nachmittag aus
-St. Louis abfuhren, haben wir ungefähr fünfzehn
-Längengrade gekreuzt, und die Uhren da unten
-gehen richtig! Wir haben an die achthundert
-Meilen gemacht.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_46"></a>[46]</span></p>
-
-<p>Ich glaubte ihm das nicht, aber trotzdem
-lief mir eine eiskalte Gänsehaut über den Buckel.
-Ich wußte aus eigener Erfahrung, daß man zu
-einer solchen Strecke auf einem Floß den Mississippi
-herunter beinahe zwei Wochen gebraucht.</p>
-
-<p>»Seht mal!« belehrte Tom uns. »Der Zeitunterschied
-beträgt für jeden Längengrad ungefähr
-vier Minuten. Fünfzehn Grade machen ’ne
-Stunde, dreißig zwei Stunden usw. Wenn sie in
-England Dienstag morgen um ein Uhr haben,
-so ist es in New York Montag abend um acht.«</p>
-
-<p>Jim rückte auf seiner Bank ein Stück von
-Tom ab, und man konnte ihm ansehen, daß er
-beleidigt war, denn er schüttelte fortwährend den
-Kopf und brummte vor sich hin; ich schob mich
-darum nahe zu ihm heran und tätschelte ihn
-auf die Beine und gab ihm gute Worte und
-brachte ihn denn auch schließlich so weit, daß
-er seinen Gefühlen Luft machte.</p>
-
-<p>»Massa Tom!« sagte er. »Quassel Sie nix
-sowas! Dingsdag auf’m einen Ort un Mondag
-auf’m annern, un beides auf’m selben Dag!
-Huck, hier is nix gut zu spaßen, hier ganz oben,
-oben in die Luft! Zwei Dage auf einen Dag?!<span class="pagenum"><a id="Seite_47"></a>[47]</span>
-So? Wie kriegt man denn zwei Dage in <em class="gesperrt">einen</em>?
-Kann Sie zwei Stunden in <em class="gesperrt">eine</em> kriegen, häh?
-Kann Sie zwei Nigger in <em class="gesperrt">eines</em> Niggers Haut
-kriegen, häh? Kann Sie zwei Maß Whisky in
-’ne Kruke kriegen, wo bloß <em class="gesperrt">ein</em> Maß ringeht,
-häh? Nu, guckemal, Huck &ndash; wenn nu dieser
-Dingsdag Neujahrsdag wär’ &ndash; was dann? Will
-da einer behaupten, ’s wär am einen Ort Neujahr,
-un am annern Ort Altjahr, akkrat in dieselbigte
-Minute? Das is ja ’n vermaledeiter
-Unsinn! So was kann ich gar nix mit anhören,
-ach du lieber großer Gott, nä!«</p>
-
-<p>Auf einmal fängt er an zu zittern und wird
-ganz grau und Tom sagt:</p>
-
-<p>»Na, was ist denn nun los? Was hast
-du denn?«</p>
-
-<p>Jim kann gar kein Wort hervorbringen, aber
-endlich sagt er:</p>
-
-<p>»Massa Tom, Sie mach’ nix Spaß, un es
-<em class="gesperrt">is</em> so?«</p>
-
-<p>»Nein, ich denke nicht dran, und es ist wirklich
-so!«</p>
-
-<p>Jim kriegt wieder das Zittern und sagt:</p>
-
-<p>»Denn könnt’ ja der Dingsdag der Jüngste<span class="pagenum"><a id="Seite_48"></a>[48]</span>
-Dag sein, un denn hätten sie in England keinen
-Jüngsten Dag, un denn würden die Doten nix
-geruft. Da dürfen wir nix hingehn, Massa Tom!
-Bitte, krieg Sie ihm dazu, daß er umkehrt; ich
-will un muß dabei sein, wenn der Jüngste
-Dag&nbsp;…«</p>
-
-<p>Auf einmal sahen wir was und sprangen
-alle miteinander auf unsere Füße und vergaßen
-alles und jedes und konnten bloß staunen und
-die Augen aufreißen. Und Tom rief:</p>
-
-<p>»Ist das nicht&nbsp;…?« Ihm ging die Luft
-aus, aber dann fuhr er fort: »Jawohl, er ist’s!
-Sowahr ich lebe! ’s ist der Ozean!«</p>
-
-<p>Da blieb auch Jim und mir die Luft weg!
-Wie versteinert standen wir alle drei da, aber
-glücklich! Denn keiner von uns hatte je ’nen
-Ozean gesehen oder auch nur gedacht, daß uns
-mal so etwas beschieden sein könnte. Tom brummelte
-fortwährend vor sich hin:</p>
-
-<p>»Atlantischer Ozean &ndash; Atlantischer! Herrgott,
-klingt das großartig! Und da unten <em class="gesperrt">ist</em>
-er &ndash; und wir, wir sehen ihn mit unseren eigenen
-Augen &ndash; wir! Das ist ja so was Wundervolles,
-daß man sich gar nicht getraut, es zu glauben!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_49"></a>[49]</span></p>
-
-<p>Dann sahen wir ’ne dicke Wolke von schwarzem
-Rauch, und als wir näher kamen, da war’s
-’ne Stadt, und zwar ein riesiges Ungetüm von
-einer Stadt, mit einem dicken Kranz von Schiffen
-an der einen Seite; und wir dachten, ob das wohl
-New York sein möchte, und stritten uns darüber
-herum und ehe wir’s uns versahen, da war die
-Stadt unter uns weggeglitten und lag weit, weit
-hinter uns &ndash; und da waren wir mitten über
-dem Ozean selber und fuhren dahin mit der
-Schnelligkeit einer Windsbraut. Da wurden wir
-aber mit einem Mal ganz hell wach, das kann
-ich versichern! Wir stürzten nach hinten und
-erhoben ein Jammergeheul und baten den Professor
-himmelhoch, er möchte doch umkehren und
-uns an Land setzen, aber er riß sein Pistol aus
-der Tasche und schrie uns an, wir sollten zurückgehen
-&ndash; und wir gingen, aber wie jämmerlich
-uns zu Mute war, davon wird kein Mensch je
-sich einen Begriff machen können.</p>
-
-<p>Das Land war verschwunden, bloß noch ein
-kleiner Streif, so schmal wie ’ne Schlange, war
-am Rande des Wassers, und in der Tiefe unter
-uns, da war nichts als Ozean, Ozean, Ozean &ndash;<span class="pagenum"><a id="Seite_50"></a>[50]</span>
-Millionen Meilen von Ozean und das hob sich
-und warf sich und wirbelte, und weißer Gischt
-sprühte von den Wogenkämmen, und im ganzen
-Gesichtskreise waren bloß ein paar Schiffe, die
-wurden hin- und hergeschleudert und legten sich
-erst auf die eine Seite und dann auf die andere
-und fuhren bald mit dem Bug, bald mit dem
-Stern in die Tiefe. Und es dauerte nicht lange,
-dann waren überhaupt keine Schiffe mehr zu
-sehen und wir waren ganz mutterseelenallein zwischen
-dem hohen Himmel und dem endlosen Meere
-&ndash; und es war die weiteste Fläche, die ich je
-gesehen hatte, und die grenzenloseste Einsamkeit.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="Viertes_Kapitel">Viertes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Und einsamer wurde es und immer einsamer.
-Ueber uns war das riesige Himmelsgewölbe &ndash;
-leer und furchtbar tief; und unter uns war der
-Ozean, auf dem wir bloß die Wellenköpfe sahen.
-Rund um uns her war ein Ring, in welchem
-Himmel und Wasser zusammenliefen; ja ein
-riesengroßer Ring war es und wir waren genau<span class="pagenum"><a id="Seite_51"></a>[51]</span>
-in dessen Mitte. Wir sausten dahin mit der
-Schnelligkeit eines Prairiebrandes; aber das
-machte in der Entfernung keinen Unterschied,
-allem Anschein nach kamen wir über unseren
-Mittelpunkt nicht hinaus; so viel ich sah, konnten
-wir dem Ring nicht um Zollbreite näher kommen.
-Es wurde einem ganz seltsam dabei zu Mute;
-es war so eigentümlich und so unerklärlich.</p>
-
-<p>Und dabei war alles so furchtbar still, daß
-wir unwillkürlich anfingen leise zu sprechen, und
-die Einsamkeit machte uns immer bänger und
-benahm uns die Lust zu plaudern und schließlich
-hörte das Gespräch ganz auf und wir saßen bloß
-da und ›denkten‹, wie Jim sich ausdrückt, und
-sagten kein Wort mehr.</p>
-
-<p>Der Professor rührte sich nicht, bis die Sonne
-über unseren Köpfen stand; da richtete er sich
-auf und hielt eine Art Dreieck vor seine Augen,
-und Tom sagte, das wäre ein Sextant, und er
-nähme die Stellung der Sonne, um zu sehen,
-wo der Luftballon sich befände. Hierauf rechnete
-er ein bißchen und sah in einem Buche nach
-und dann kriegte er wieder seinen Anfall. Er
-sprach eine Menge wildes Zeug und sagte unter<span class="pagenum"><a id="Seite_52"></a>[52]</span>
-anderem, er wollte dieses Hundertmeilentempo
-bis zum nächsten Nachmittag beibehalten und dann
-würde er in London landen.</p>
-
-<p>Wir sagten, dafür würden wir ihm in tiefster
-Seele dankbar sein.</p>
-
-<p>Er hatte sich umgedreht, aber als wir das
-sagten, da sprang er auf einmal ganz wild wieder
-herum und warf uns einen ganz abscheulichen
-langen Blick zu &ndash; selten habe ich einen so boshaften
-und mißtrauischen Blick gesehen! Dann
-sagte er:</p>
-
-<p>»Ihr wollt von mir gehen! Versucht nicht,
-das abzuleugnen.«</p>
-
-<p>Wir wußten nicht, was wir antworten
-sollten, und hielten deshalb den Mund und sagten
-gar nichts.</p>
-
-<p>Er ging nach hinten und setzte sich wieder
-hin, aber augenscheinlich konnte er diesen Gedanken
-nicht wieder los werden. Von Zeit zu
-Zeit rief er uns irgend etwas zu, was darauf
-Bezug hatte, und versuchte eine Antwort aus
-uns heraus zu bringen; aber wir wagten nicht
-zu sprechen.</p>
-
-<p>Immer drückender wurde das Gefühl der<span class="pagenum"><a id="Seite_53"></a>[53]</span>
-Einsamkeit, und es kam mir vor, als könnte
-ich’s bald nicht länger aushalten. Als die Nacht
-hereinbrach, wurde es damit noch schlimmer. Auf
-einmal kneift mich Tom und flüstert: »Sieh
-mal hin!«</p>
-
-<p>Ich gucke nach hinten und sehe, wie der
-Professor einen Schluck aus ’ner Flasche nimmt.
-Das gefiel mir ganz und gar nicht. Ab und
-zu nahm er wieder einen Schluck und es dauerte
-nicht lange, so fing er an zu singen. Es war
-jetzt dunkel &ndash; eine schwarze und stürmische Nacht.
-Er sang fortwährend, immer wilder und wilder,
-und der Donner begann zu grollen, und der
-Wind zu brausen und im Tauwerk zu heulen
-&ndash; und das alles zusammen war fürchterlich. Es
-wurde so dunkel, daß wir den Professor überhaupt
-nicht mehr sehen konnten, und wir wünschten,
-wir hätten ihn auch nicht hören können &ndash; aber
-da hätten wir keine Ohren haben müssen.</p>
-
-<p>Dann wurde er still. Aber als er noch keine
-zehn Minuten still gewesen war, da wurde uns das
-noch unheimlicher, und wir wünschten, er möchte
-wieder mit seinem Spektakel anfangen, damit wir
-wenigstens wüßten, wo er wäre. Auf einmal<span class="pagenum"><a id="Seite_54"></a>[54]</span>
-zuckte ein Blitz und wir sahen, daß er aufzustehen
-versuchte, aber er stolperte und fiel wieder
-hin. Wir hörten ihn in die Finsternis hineinschreien:</p>
-
-<p>»Sie mögen nicht nach England gehen?
-Auch recht; ich will den Kurs ändern. Sie wollen
-von mir gehen. Jawohl, ich weiß, sie wollen
-es! Schön, sie sollen’s &ndash; und zwar <em class="gesperrt">jetzt
-gleich</em>!«</p>
-
-<p>Ich kam vor Angst beinahe um, als er dies
-sagte. Dann war es wieder still &ndash; eine so lange
-Zeit, daß ich’s gar nicht mehr aushalten konnte,
-und es kam mir vor, als wollte der Blitz niemals
-wieder kommen. Aber schließlich da kam
-so ein ersehnter Blitz, und richtig, da war der
-Professor; er kroch auf Händen und Knieen und
-war keine vier Fuß weit von uns entfernt. O,
-was machte er für fürchterliche Augen! Er
-machte einen Satz auf Tom zu und rief:</p>
-
-<p>»Ueber Bord mit dir!«</p>
-
-<p>Aber es war schon wieder pechdunkel und
-ich konnte nicht sehen, ob er ihn kriegte oder
-nicht, und Tom war mäuschenstill.</p>
-
-<p>Dann kam wieder ein langes gräßliches Warten!<span class="pagenum"><a id="Seite_55"></a>[55]</span>
-Dann wieder ein Blitz und ich sehe außerhalb
-des Bootes Tom seinen Kopf niederducken
-und verschwinden. Er war auf der Strickleiter,
-die vom Dollbord herunter frei in der Luft hing.
-Der Professor stieß einen Schrei aus und tat
-einen Satz, und im Nu war’s wieder pechfinster,
-und Jim stöhnte:</p>
-
-<p>»Arme Massa Tom, er is hin!«</p>
-
-<p>Damit wollte Jim sich auf den Professor
-stürzen, aber der Professor war nicht da.</p>
-
-<p>Dann hörten wir zwei entsetzliche Schreie
-&ndash; dann noch einen, nicht ganz so laut &ndash; und
-noch einen, der kam ganz tief von unten her,
-und man konnte ihn gerade eben noch hören.
-Und Jim sagte:</p>
-
-<p>»Arme Massa Tom!«</p>
-
-<p>Dann wurde es grauenhaft still; man hätte,
-glaube ich, bis viertausend zählen können, bis der
-nächste Blitz kam. Als es blitzte, sah ich Jim
-auf den Knieen liegen; die Arme hatte er über
-die Bank gestreckt und sein Kopf lag auf seinen
-Armen und er weinte. Ehe ich über Bord sehen
-konnte, war alles wieder dunkel, und das war
-mir lieb, denn ich <em class="gesperrt">wollte</em> nichts sehen. Aber<span class="pagenum"><a id="Seite_56"></a>[56]</span>
-als der nächste Blitz kam, da war ich mit meinem
-Kopf schon über’m Bootsrand, und da sehe ich
-unter mir jemanden auf der schaukelnden Strickleiter
-&ndash; und es ist Tom!</p>
-
-<p>»Komm ’rauf!« schrei’ ich. »Komm ’rauf,
-Tom!«</p>
-
-<p>Seine Stimme war so schwach und der
-Sturm brüllte so fürchterlich, daß ich nicht verstehen
-konnte, was er sagte; aber es kam mir
-vor, als fragte er, ob der Professor bei uns
-oben sei. Ich schrie:</p>
-
-<p>»Nein! Der ist unten im Ozean! Komm
-’rauf! Können wir dir helfen?«</p>
-
-<p>Dies alles ging natürlich in düsterster Finsternis
-vor sich.</p>
-
-<p>»Huck! wen rufst du da?« stöhnte auf einmal
-Jim.</p>
-
-<p>»Ich rufe Tom.«</p>
-
-<p>»O, Huck, wie kannst du? Du weißt doch,
-arme Massa Tom&nbsp;…«</p>
-
-<p>Weiter kam er nicht; er stieß einen fürchterlichen
-Schrei aus und gleich darauf noch einen
-und warf seinen Kopf und seine Arme hintenüber
-&ndash; denn gerade in dem Augenblick kam ein weißer<span class="pagenum"><a id="Seite_57"></a>[57]</span>
-Blitz und über dem Dollbord hob sich Toms
-Gesicht, ganz schneeweiß, empor und sah ihm
-gerade in die Augen. Er dachte natürlich, es
-sei Toms Geist.</p>
-
-<p>Tom kletterte an Bord, und als Jim merkte,
-daß er’s <em class="gesperrt">wirklich</em> war und nicht sein Geist,
-da herzte er ihn und gab ihm alle möglichen
-Kosenamen und tat, als wäre er vor Freuden
-ganz verrückt geworden. Als schließlich ein bißchen
-Ruhe eintrat, fragte ich:</p>
-
-<p>»Worauf wartetest du denn, Tom! Warum
-kamst du nicht gleich wieder herauf?«</p>
-
-<p>»Durfte ich nicht, Huck! Ich merkte, daß
-jemand bei mir vorbei plumpste, aber in der
-Dunkelheit wußte ich nicht, wer es war. Es
-hätte Jim sein können oder auch du, Huck Finn!«</p>
-
-<p>Das war der echte Tom Sawyer &ndash; immer
-vernünftig! Er kam nicht eher nach oben, als
-bis er wußte, wo der Professor war.</p>
-
-<p>Der Sturm hatte sich inzwischen zu seiner
-höchsten Gewalt entwickelt; es war fürchterlich,
-wie der Donner brüllte, wie die Blitze blendend
-zuckten, wie der Wind im Tauwerk heulte und
-pfiff und wie der Regen herniederströmte. In der<span class="pagenum"><a id="Seite_58"></a>[58]</span>
-einen Sekunde konnte man nicht seine Hand vor
-Augen sehen und in der nächsten konnte man
-die Fäden im Rockärmel zählen und sah durch
-einen Regenschleier eine ganze weite Wüste von
-rollenden schäumenden Wellen. Ein solcher
-Sturm ist das Prächtigste, was es auf der Welt
-gibt &ndash; aber nicht wenn man oben unter dem
-Himmel fährt, wo man in der Einsamkeit den
-Weg nicht weiß, wenn man bis auf die Haut
-durchnäßt ist, und gerade eben einen Todesfall
-in der Familie gehabt hat!</p>
-
-<p>Wir saßen am Bugspriet zusammen gedrängt
-und sprachen leise vom Professor; und uns allen
-tat er leid, der arme Mann, den die Welt verspottet
-und hart behandelt hatte, während er ihr
-doch sein Bestes gab; und dabei hatte er keinen
-Freund oder sonst einen Menschen gehabt, um
-ihn zu ermutigen und ihn aufzuheitern, wenn
-die trüben Gedanken über ihn kamen, die ihn
-schließlich verrückt machten.</p>
-
-<p>Am andern Ende der Gondel waren Kleider
-und Decken und dergleichen in Hülle und Fülle;
-aber wir ließen uns lieber durchnaß regnen als daß
-wir in jener Nacht etwas davon angerührt hätten.</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_59"></a>[59]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="Fuenftes_Kapitel">Fünftes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Wir versuchten irgend einen Plan aufzustellen,
-konnten aber nicht einig werden. Jim
-und ich waren dafür, umzukehren und wieder
-nach Hause zu fahren. Tom aber meinte, wir sollten
-lieber den Tagesanbruch abwarten, um ordentlich
-sehen zu können; bis dahin aber würden wir so
-nahe bei England sein, daß wir ebensogut dorthin
-fahren könnten; wir könnten dann zu Schiff zurückkehren,
-und was wäre das nicht für ein
-Ruhm, wenn wir später so etwas von uns sagen
-könnten!</p>
-
-<p>Gegen Mitternacht legte sich der Sturm; der
-Mond kam hervor und beschien die Meeresfläche;
-uns wurde ganz behaglich zu Mute und der
-Schlaf kam über uns. Wir streckten uns auf
-den Bänken aus und schliefen ein und wachten
-nicht früher auf, als bis die Sonne am Himmel
-stand. Die See funkelte wie von lauter Diamanten
-und es war schönes Wetter und sehr
-bald waren alle unsere Sachen wieder trocken.</p>
-
-<p>Wir gingen achter, um uns etwas zum<span class="pagenum"><a id="Seite_60"></a>[60]</span>
-Frühstück zu suchen, und das erste, was uns in die
-Augen fiel, war ein trübes Lichtchen, das in einem
-Kompaß unter ’nem Glasdeckel brannte. Tom
-machte sich sofort Gedanken darüber und sagte:</p>
-
-<p>»Ihr könnt euch wohl denken, was das bedeutet!
-Nichts anderes, als daß hier jemand
-auf Wache stehen und dies Ding steuern muß,
-genau wie ein Schiff gesteuert wird. Denn
-wenn der Ballon nicht gesteuert wird, so treibt
-er sich in der Luft herum und segelt, wohin
-der Wind ihn führt.«</p>
-
-<p>»Hm,« sagte ich, »was hat denn unsere
-Gondel gemacht, seit wir … eh … seit wir
-den Unfall hatten?«</p>
-
-<p>»Sich herumgetrieben,« antwortete er, ein
-bißchen aus seiner Ruhe gebracht, »sich herumgetrieben
-&ndash; ohne allen Zweifel! Jetzt haben
-wir einen Wind, der uns südöstlich treibt; wir
-können nicht wissen, wie lange wir schon diesen
-Kurs halten.«</p>
-
-<p>Er stellte das Steuer wieder auf Osten und
-sagte, er wolle so lange aufpassen, bis wir das
-Frühstück fertig gemacht hätten. Der Professor
-hatte sich so gut verproviantiert, wie man’s nur<span class="pagenum"><a id="Seite_61"></a>[61]</span>
-wünschen konnte. Da war alles in Hülle und
-Fülle vorhanden. Milch gab es allerdings nicht
-zum Kaffee, aber Wasser war vorhanden und
-alles, was man sonst nötig hatte, auch ein
-Kochofen mit Holzkohlenfeuerung und mit dem erforderlichen
-Geschirr, und Pfeifen und Zigarren
-und Zündhölzer. Ferner Weine und
-Liköre &ndash; wofür <em class="gesperrt">wir</em> allerdings keine Verwendung
-hatten; dann Bücher und Land- und Seekarten
-und ’ne Ziehharmonika &ndash; und Pelze,
-Decken und eine unendliche Menge von allerlei
-Tand, wie Messingperlen und dergleichen Zierat.
-Das war, wie Tom bemerkte, ein sicheres Anzeichen,
-daß er darauf gerechnet hatte, mit Wilden
-zusammenzukommen. Auch Geld war da. Ja,
-der Professor war nicht schlecht ausgerüstet.</p>
-
-<p>Nach dem Frühstück zeigte Tom mir und
-Jim, wie das Steuer gehandhabt wurde; dann
-verteilte er die Wachen, für jeden immer vier
-Stunden. Als er mit seiner Wache fertig war,
-löste ich ihn ab, und er holte des Professors Papier
-und Schreibzeug heraus, und setzte sich hin und
-schrieb einen Brief nach Hause an seine Tante
-Polly. Darin erzählte er ihr alles, was uns<span class="pagenum"><a id="Seite_62"></a>[62]</span>
-passiert war, und als er fertig war, datierte er
-den Brief:</p>
-
-<p>›Im Firmament, in der Nähe von England‹,
-und faltete ihn säuberlich zusammen und
-versiegelte ihn mit einer roten Oblate. Dann
-adressierte er ihn und über der Adresse schrieb
-er mit dicken Buchstaben:</p>
-
-<p class="center">
-<em class="gesperrt">Von Tom Sawyer, dem Erronauter</em>
-</p>
-
-<p>und er sagte, wenn der Brief mit der Post ankäme,
-da würde der alte Nat Parsons, der Postmeister,
-einfach auf den Rücken fallen.</p>
-
-<p>Ich äußerte meine Meinung, wir wären ja
-doch nicht im Firmament, sondern in einem
-Luftballon; aber über so etwas war mit Tom
-nun einmal nicht zu diskutieren. Im Grunde
-wußte ich auch nicht so recht, was eigentlich ein
-Firmament ist; Tom wollte es mir erklären,
-aber Jim und ich bekamen trotzdem keinen rechten
-Begriff davon, und schließlich ließen wir es sein
-und sprachen davon, was ein Erronauter sei.</p>
-
-<p>Ein Erronauter, sagte Tom, wäre ein
-Mensch, der in Luftballons ’rumführe, und es
-wäre ganz was Anderes und viel was Feineres,<span class="pagenum"><a id="Seite_63"></a>[63]</span>
-wenn er sich ›Tom Sawyer, den Erronauter‹
-nennen könnte, als wenn er bloß ›Tom Sawyer,
-der Reisende‹ wäre. Man würde überall auf der
-ganzen Welt von uns sprechen, wenn wir nur
-das Ding zum rechten Ende brächten, und darum
-hustete er von jetzt an was drauf, ›Tom Sawyer,
-der Reisende‹ zu heißen.</p>
-
-<p>Als die Mitte des Nachmittags herankam,
-machten wir alles zum Landen fertig, und uns
-war recht leicht ums Herz und wir fühlten einen
-mächtigen Stolz in uns. Wir guckten fortwährend
-durch unsere Ferngläser, wie Kolumbus,
-als er Amerika entdecken wollte. Aber wir sahen
-nichts als lauter Ozean und Ozean. Der Nachmittag
-verstrich, die Sonne ging unter und
-immer noch war nirgendwo Land zu sehen. Die
-Sache kam uns sonderbar vor, aber wir dachten,
-sie würde schon in Ordnung kommen. Wir
-blieben also dabei, ostwärts zu steuern, nur stiegen
-wir etwas höher hinauf, damit wir nicht im
-Dunkel gegen einen Berg oder sonstige Hindernisse
-anstoßen möchten.</p>
-
-<p>Von acht Uhr abends bis Mitternacht hatte
-ich die Wache, dann löste Jim mich ab; aber Tom<span class="pagenum"><a id="Seite_64"></a>[64]</span>
-blieb auf, weil Schiffskapitäne, wie er sagte, das
-immer täten, wenn sie dicht beim Lande wären.</p>
-
-<p>Als es nun Tag wurde, da stieß auf einmal
-Jim ein lautes Geschrei aus und wir sprangen
-auf und guckten über den Rand der Gondel und
-richtig! da war das Land &ndash; rund um uns
-herum nichts als Land, soweit das Auge reichte,
-und vollkommen flach und ganz gelb! Wir
-wußten nicht, wie lange wir schon über dem Land
-gewesen waren, denn da waren weder Bäume,
-noch Berge, noch Felsen, noch Städte, und Tom
-und Jim hatten gedacht, es sei das Meer, das
-spiegelglatt unter ihnen daläge; übrigens hätte
-es von der Höhe aus, in der wir uns befanden,
-spiegelglatt ausgesehen, selbst wenn die Wellen
-haushoch gegangen wären.</p>
-
-<p>Wir waren jetzt alle riesig aufgeregt und
-nahmen schnell die Ferngläser vor die Augen
-und suchten überall nach London, aber da war
-nicht das geringste weder von London noch überhaupt
-von einer menschlichen Niederlassung zu
-sehen &ndash; nicht ’mal ein See oder ein Fluß war
-zu erblicken. Tom war ganz kleinlaut geworden.
-Er sagte, so einen Begriff hätte er sich von England<span class="pagenum"><a id="Seite_65"></a>[65]</span>
-nicht gemacht; er hätte immer gemeint, England
-sähe genau so aus wie Amerika. Er schlug
-schließlich vor, wir wollten lieber unser Frühstück
-essen und dann den Ballon herunterlassen
-und uns erkundigen, wie wir auf dem kürzesten
-Wege nach London kämen. Mit dem Frühstück
-waren wir sehr schnell fertig &ndash; unsere Ungeduld
-war zu groß. Als wir nachher uns in niedrigere
-Regionen herabließen, begann das Wetter milde
-zu werden, und sehr bald zogen wir unsere Pelze
-aus. Aber es wurde immer noch milder, und
-im Nu war’s beinahe zu milde. Wir waren
-nämlich jetzt dicht über dem Erdboden und da
-herrschte geradezu eine Backofenhitze.</p>
-
-<p>Ungefähr dreißig Fuß über dem Lande
-machten wir Halt; ich sage ›Land‹, indem ich
-annehme, daß man so etwas Land nennen darf;
-denn da gab es nichts als reinen Sand! Tom und
-ich kletterten die Leiter herunter und fingen an zu
-laufen, um unsere Beine wieder ein bißchen geschmeidig
-zu machen; den Beinen tat denn auch
-die Bewegung wunderbar gut &ndash; aber den Füßen
-weniger, denn der Sand verbrannte uns die
-Sohlen, als wären wir auf glühende Kohlen getreten.<span class="pagenum"><a id="Seite_66"></a>[66]</span>
-Nicht lange, so sahen wir jemanden herankommen,
-und sofort liefen wir ihm entgegen; aber
-wir hörten Jim schreien und drehten uns nach
-ihm um und sahen, daß er wie ein Besessener
-herumsprang und Zeichen machte und schrie. Was
-er sagte, konnten wir nicht verstehen, aber wir
-kriegten es doch mit der Angst und liefen so
-schnell wir konnten nach dem Luftschiff zurück.
-Als wir nahe genug gekommen waren, unterschieden
-wir seine Worte, und mir wurde ganz
-übel zumute, als ich sie hörte:</p>
-
-<p>»Rennt!« schrie er. »Rennt, wenn euch
-euer Leben lieb is. Das is ’n Löwe! Ich seh
-ihm durch die Fernglas! Rennt Jungens!
-Rennt, was das Zeug halten will! Er is gewiß
-aus die Menascherie gelaufen un da is niemand,
-der ihn wieder kriegen kann!«</p>
-
-<p>Tom flog wie ein Pfeil dahin, aber mir
-schlotterten die Beine, als wenn ich gar keine
-Knochen mehr drin gehabt hätte. Ich konnte
-mich bloß so hinschleppen, wie’s einem im Traum
-manchmal passiert, wenn ein Gespenst hinter
-einem her ist.</p>
-
-<p>Tom war natürlich der Erste bei der Leiter;<span class="pagenum"><a id="Seite_67"></a>[67]</span>
-er kletterte ein Stück hinauf und wartete auf
-mich; sobald ich glücklich auf der untersten Stufe
-stand, rief er Jim zu, er sollte losrutschen. Aber
-Jim hatte völlig den Kopf verloren und sagte,
-er wüßte nicht mehr, wie’s gemacht würde. Tom
-kletterte daher weiter hinauf und sagte, ich sollte
-nachkommen; aber der Löwe war schon ganz in
-der Nähe und stieß bei jedem Sprung ein ganz
-fürchterliches Gebrüll aus; davon zitterten mir
-die Beine dermaßen, daß ich nicht wagte, mich
-von der Sprosse zu rühren, denn ich dachte, wenn
-ich den einen Fuß hochhöbe, so würde der andere
-allein mich nicht mehr tragen können.</p>
-
-<p>Inzwischen aber hatte Tom sich in die Gondel
-hineingeschwungen; er ließ den Ballon ein Stück
-in die Höhe gehen, hielt aber sofort wieder an,
-als das Ende der Strickleiter zehn oder zwölf
-Fuß über dem Boden war.</p>
-
-<p>Und da war auch schon der Löwe. Wie tobte
-er unter mir herum, wie brüllte er, wie sprang
-er in die Höhe und schnappte nach der Leiter!
-Es sah aus als verfehlte er sie nur um Viertelszollbreite.
-Es war ja köstlich, wirklich köstlich,
-außer seinem Bereich zu sein, und ich empfand<span class="pagenum"><a id="Seite_68"></a>[68]</span>
-dies als ein ungeheuer angenehmes Gefühl, wofür
-ich herzlich dankbar war; andererseits aber hing
-ich hilflos da und konnte nicht hochklettern, und
-dabei wurde mir denn wieder sterbensübel zu
-Mute. Es kommt wohl sehr selten vor, daß
-jemand derartig gemischte Gefühle empfindet, und
-im großen und ganzen kann ich eine derartige
-Situation nicht für empfehlenswert erklären.</p>
-
-<p>Tom fragte mich, was er anfangen sollte,
-aber ich konnte ihm daraufhin keinen Bescheid
-geben. Er meinte, ich könnte mich vielleicht so
-lange festhalten, bis er nach einem sicheren Platz
-gesegelt wäre, wohin der Löwe nicht so schnell
-mitlaufen könnte. Ich antwortete, es würde mir
-wahrscheinlich möglich sein, wenn er den Ballon
-nicht höher steigen ließe; aber wenn er höher
-ginge, so würde ich ganz gewiß schwindlig werden
-und herunterfallen.</p>
-
-<p>»Halt dich nur ordentlich fest!« rief Tom,
-und damit segelte er los.</p>
-
-<p>»Nicht so schnell!« schrie ich. »Mir wird
-schon gelb und grün vor den Augen!«</p>
-
-<p>Er war nämlich mit Blitzzugsgeschwindigkeit
-abgefahren. Tom mäßigte die Schnelligkeit<span class="pagenum"><a id="Seite_69"></a>[69]</span>
-und wir glitten langsamer über den Sand hin;
-aber es ist und bleibt doch im höchsten Grade
-ungemütlich, wenn man in lautloser Stille den
-Boden so unter sich weggleiten sieht.</p>
-
-<p>Mit der Lautlosigkeit nahm es indessen sehr
-bald ein Ende, denn der Löwe kam uns nachgesprungen.
-Und sein Gebrüll wurde beantwortet.
-Wir sahen die Bestien aus allen Himmelsrichtungen
-herangehopst kommen und im Nu
-waren ein paar Dutzend unter mir. Sie sprangen
-nach der Leiter und fauchten sich gegenseitig an
-und schnappten nacheinander. So rutschten wir
-übers Land hin und die braven Löwen taten,
-was in ihren Kräften stand, um uns das Erlebnis
-unvergeßlich zu machen; und es kamen
-immer mehr Bestien &ndash; sie schienen es nicht für
-nötig zu halten, eine Einladung von uns abzuwarten
-&ndash; und das Getümmel unter uns wurde
-unbeschreiblich.</p>
-
-<p>Wir sahen ein, so konnte es nicht weiter
-gehen. Wenn wir nicht schneller segelten, wurden
-wir die Löwen nicht los, und ich konnte mich nicht
-ewig an der Strickleiter festhalten, denn dazu
-reichten meine Kräfte nicht.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_70"></a>[70]</span></p>
-
-<p>Tom dachte über den Fall nach und kam
-auf eine andere Idee: einer von den Löwen mußte
-mit des Professors Revolver totgeschossen werden,
-und während die anderen Halt machten, um ihren
-Kameraden zu verspeisen, konnten wir verschwinden.</p>
-
-<p>Gedacht, getan! Tom hielt den Ballon an,
-schoß eine von den Bestien über den Haufen und
-der Spektakel ging los, ganz wie wir’s erwartet
-hatten. Wir segelten eine Viertelmeile weiter
-und Tom und Jim halfen mir in die Gondel
-hinein.</p>
-
-<p>Kaum waren wir damit fertig, so war auch
-die Löwenbande wieder da. Aber es war zu spät
-für sie. Und als sie sahen, daß sie uns nicht
-mehr kriegen konnten, da setzten sie sich auf ihre
-Hinterbacken und sahen uns mit so schmerzlich
-enttäuschten Gesichtern nach, daß die armen
-hungrigen Löwen uns wirklich leid taten.</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_71"></a>[71]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="Sechstes_Kapitel">Sechstes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Ich war so angegriffen, daß ich an gar nichts
-weiter dachte, als mich schnell hinzulegen. Ich
-streckte mich daher auf meiner Bank aus, aber in
-solcher Backofenhitze war nicht daran zu denken,
-wieder zu Kräften zu kommen; Tom befahl
-daher, das Luftschiff höher steigen zu lassen, und
-Jim führte seine Weisungen sofort aus.</p>
-
-<p>Wir mußten eine volle Meile aufsteigen, bis
-wir in eine angenehme Luftschicht kamen, wo eine
-erfrischende Brise wehte und es weder zu kalt
-noch zu warm war. Bald war ich wieder völlig
-bei Kräften. Tom hatte die ganze Zeit über
-still und nachdenklich dagesessen, aber auf einmal
-sprang er auf und sagte:</p>
-
-<p>»Ich will tausend gegen eins wetten: ich weiß,
-wo wir sind! Wir sind in der Großen Sahara
-&ndash; das ist bombensicher!«</p>
-
-<p>Er war so aufgeregt, daß er weder Arme
-noch Beine still halten konnte; mich regte seine
-Mitteilung weniger auf; ich fragte bloß:</p>
-
-<p>»So? Na, wo ist denn die Große Sahara?
-In England oder in Schottland?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_72"></a>[72]</span></p>
-
-<p>»Weder da noch dort &ndash; sie ist in Afrika.«</p>
-
-<p>Da riß aber Jim die Augen auf! Mit
-riesiger Neugierde sah er sich das Land an; und
-das war auch kein Wunder, denn da waren ja
-seine Vorfahren hergekommen. Aber ich selber
-konnte es nur so halb und halb glauben; mir
-schien denn doch, eine so kolossale Reise könnten
-wir unmöglich gemacht haben.</p>
-
-<p>Tom indessen war voll von seiner ›Entdeckung‹,
-wie er es nannte. Die Löwen und der
-Sand, sagte er, das bedeutete ganz bestimmt die
-große Wüste.</p>
-
-<p>Jim sah immer noch durch das Fernrohr
-auf den Sand herunter. Auf einmal schüttelte
-er den Kopf und sagte:</p>
-
-<p>»Massa Tom, da muß woll was nix richtig
-sein! Ich hab noch gar keine Nigger nix gesehen!«</p>
-
-<p>»Das will nichts sagen! Sie leben nicht
-in der Wüste. Aber was ist denn das? Da
-hinten ganz in der Ferne? Gebt mir ’mal ’n
-Fernrohr!«</p>
-
-<p>Er sah lange durch das Glas und sagte, es
-sähe aus wie ein langer schwarzer Strich, der sich<span class="pagenum"><a id="Seite_73"></a>[73]</span>
-über den Sand hinzöge, aber er könnte nicht
-begreifen, was es wohl sein möchte.</p>
-
-<p>»Na,« sagte ich, »vielleicht hast du jetzt ’ne
-Möglichkeit, genau festzustellen, wo der Luftballon
-ist. Denn höchstwahrscheinlich ist das
-doch eine von den Linien, die auf der Karte
-verzeichnet sind, und die du Meridianlängen
-nanntest; wir brauchen bloß ’runterzugehen und
-uns die Nummer anzusehen und&nbsp;…«</p>
-
-<p>»O, Huck Finn! Was für ein Blödsinn!
-So einen Quatschkopf wie du bist habe ich noch
-nie gesehen! Meinst du im Ernst, die Längenmeridiane
-sind <em class="gesperrt">auf der Erde</em>?«</p>
-
-<p>»Tom Sawyer, sie sind auf der Karte abgebildet,
-das weißt du recht gut, und hier ist ja eine, das
-kannst du doch mit deinen eigenen Augen sehen!«</p>
-
-<p>»Natürlich stehen sie auf der Karte; aber
-das beweist noch nichts! Auf dem <em class="gesperrt">Erdboden</em>
-gibt es selbstverständlich keinen.«</p>
-
-<p>»Tom, weißt du das gewiß?«</p>
-
-<p>»Natürlich!«</p>
-
-<p>»Nun, dann hat die Landkarte wieder mal
-gelogen. So eine Lügerei wie auf der Karte
-ist mir noch gar nicht vorgekommen!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_74"></a>[74]</span></p>
-
-<p>Das brachte nun wieder Tom in hellen Eifer;
-aber ich wußte ihm mit Worten zu dienen und
-Jim, der ganz meiner Meinung war, kam auch
-in Hitze, und es ist gar nicht unmöglich, daß
-unsere Beweisführungen ein bißchen handgreiflich
-geworden wären &ndash; aber auf einmal warf
-Tom das Fernrohr hin und klatschte in die Hände,
-wie wenn er den Verstand verloren hätte, und
-schrie aus vollem Halse:</p>
-
-<p>»Kamele! Kamele!«</p>
-
-<p>Ich nahm schnell ein Fernrohr und Jim
-guckte auch darnach; aber ich war enttäuscht und
-sagte: »Deine Großmutter hat wohl Kamele! Das
-sind ja Spinnen!«</p>
-
-<p>»Spinnen in ’ner Wüste, du Schafskopf?
-Spinnen, die in einer langen Reihe marschieren?
-Streng’ mal ’n bißchen deinen verehrlichen Schädel
-an, Huck Finn, &ndash; aber es kommt mir allerdings
-fast so vor, als hättest du nichts drin! Du
-denkst wohl gar nicht dran, daß wir ’ne volle
-Meile hoch oben in der Luft sind und daß der
-Streifen von Krabbeltieren zwei oder drei Meilen
-entfernt ist. Spinnen &ndash; heiliger Bimbam!
-Spinnen so groß wie ’ne Kuh? Willst du nicht<span class="pagenum"><a id="Seite_75"></a>[75]</span>
-vielleicht runtergehen und eine von ihnen melken?
-Aber verlaß dich nur darauf, was ich sage:
-es sind und bleiben Kamele. ’s ist ’ne Karawane,
-ganz einfach ’ne Karawane, und sie ist ’ne Meile
-lang!«</p>
-
-<p>»Na, denn wollen wir doch runtergehen und
-sie uns ansehen! Ich glaube es nun ’mal nicht
-und werde nicht eher dran glauben, als bis ich’s
-genau und deutlich selber sehe!«</p>
-
-<p>»Meinetwegen!« rief Tom und kommandierte:
-»Tiefer mit dem Ballon!«</p>
-
-<p>Als wir in die heiße Luftschicht kamen, da
-konnten wir denn sehen, daß es wirklich Kamele
-waren &ndash; eine endlose Reihe von bedächtig
-schreitenden Tieren, die große Ballen auf ihren
-Rücken trugen. Auch mehrere hundert Männer
-waren dabei, die hatten lange weiße Gewänder an
-und um ihre Köpfe trugen sie lange Binden gewickelt,
-von denen Troddeln und Fransen herniederhingen.
-Einige von ihnen hatten lange
-Flinten und andere hatten keine; einige ritten
-und andere gingen zu Fuß. Und die Hitze &ndash;
-na, wir kamen uns vor, wie wenn wir auf ’nem
-Bratrost lägen. Und wie langsam krochen sie<span class="pagenum"><a id="Seite_76"></a>[76]</span>
-durch die Wüste hin! Wir ließen uns nun
-plötzlich hernieder und stoppten, als wir ungefähr
-hundert Meter über ihnen waren.</p>
-
-<p>Die Männer schrieen alle miteinander plötzlich
-laut auf, und einige warfen sich platt auf
-den Bauch, andere fingen an, mit ihren Flinten
-nach uns zu schießen, und der Rest stob nach allen
-Windrichtungen auseinander &ndash; Menschen, Pferde
-und Kamele.</p>
-
-<p>Wir sahen, daß wir Wirrwarr anrichteten,
-und stiegen deshalb wieder auf, bis wir ungefähr
-in der alten Höhe von einer Meile uns
-befanden, wo die kühle Luftschicht war; von dort
-aus sahen wir uns alles an. Sie brauchten beinahe
-eine Stunde, bis sie wieder alle zusammen
-und in der richtigen Marschordnung waren; dann
-brachen sie wieder auf, aber wir konnten durch
-unsere Fernrohre beobachten, daß sie bloß für
-unseren Luftballon Augen hatten. Wir fuhren
-in ihrer Richtung weiter, indem wir sie durch
-unsere Gläser genau betrachteten; das war ein
-sehr interessanter Anblick. Auf einmal sahen wir
-einen großen Sandhügel und jenseits desselben
-eine Menge Gestalten, die wir für Menschen<span class="pagenum"><a id="Seite_77"></a>[77]</span>
-hielten; und oben auf dem Hügel lag etwas &ndash; dem
-Anschein nach ein Mann; der hob alle Augenblicke
-mal den Kopf in die Höhe und sah sich
-um &ndash; ob nach uns oder nach der Karawane,
-das konnten wir nicht unterscheiden. Als die
-Karawane näher gekommen war, rutschte er auf
-der anderen Seite des Hügels herunter und lief
-schnell zu den anderen Menschen &ndash; wir sahen
-jetzt, daß es solche waren &ndash; die neben ihren
-Pferden hinter dem Sandberg auf der Lauer gelegen
-hatten. Im Nu waren sie im Sattel und
-wie ein Donnerwetter kamen sie hervorgesprengt,
-einige mit Lanzen bewaffnet und andere mit
-langen Flinten, und alle miteinander schrieen und
-heulten sie aus vollem Halse.</p>
-
-<p>Eins, zwei, drei waren sie bei der Karawane
-und in der nächsten Minute prallten die beiden
-Parteien aufeinander. Dann folgte ein wildes
-Durcheinander und ein Flintengeknatter, wie
-wir’s nie gehört hatten, und die Luft war so voll
-von Pulverdampf, daß wir nur ab und zu einen
-schnellen Blick auf das Handgemenge werfen
-konnten.</p>
-
-<p>Es müssen wohl mindestens sechshundert<span class="pagenum"><a id="Seite_78"></a>[78]</span>
-Mann an der Schlacht beteiligt gewesen sein, und
-der Anblick war fürchterlich. Allmählich lösten
-sie sich in einzelne kleine Abteilungen und
-Gruppen auf, die in verzweifelter Wut miteinander
-kämpften und nicht abließen, wie wenn
-sie sich ineinander verbissen hätten. Wenn der
-Pulverqualm sich auf kurze Augenblicke ein wenig
-verzog, konnten wir tote und verwundete Menschen
-und Kamele überall auf dem Boden verstreut
-liegen sehen, und die Tiere liefen wie toll nach
-allen Richtungen davon.</p>
-
-<p>Schließlich sahen die Räuber ein, daß sie
-nichts ausrichten konnten; ihr Hauptmann blies
-ein Signal und was von ihnen noch am Leben
-war, sprengte über die Wüste davon. Der Letzte
-von den Räubern riß noch ein Kind an sich und
-warf es vor seinem Sattel über das Pferd, und
-ein Weib rannte schreiend und flehend hinter
-ihm her, bis sie eine weite Strecke von ihren
-Leuten entfernt war. Sie konnte ihn nicht einholen
-und schließlich gingen ihr die Kräfte aus
-und wir sahen, wie sie auf dem Sande zusammenbrach
-und das Gesicht mit den Händen bedeckte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_79"></a>[79]</span></p>
-
-<p>Da sprang Tom ans Steuer; wie der Sturmwind
-sausten wir auf den Schurken los und unsere
-Gondel traf ihn, daß das Pferd niederfiel und
-Räuber und Kind aus dem Sattel flogen. Er
-hatte eine ganz gehörige Schramme gekriegt, aber
-das Kind war heil und ganz und lag mit Armen
-und Beinen strampelnd da, wie ein Käfer, der
-auf den Rücken gefallen ist und nicht wieder hoch
-kommen kann. Der Mann humpelte davon, um
-wieder sein Pferd zu besteigen; er machte ein
-ganz verblüfftes Gesicht, weil er nicht wußte,
-was ihn umgeschmissen hatte, denn wir waren
-inzwischen schon wieder drei- bis vierhundert
-Meter hoch oben in der Luft.</p>
-
-<p>Wir dachten, das Weib wäre nun hingegangen
-und hätte sich ihr Kind geholt; aber das
-tat sie nicht. Wir sahen durch unsere Ferngläser,
-wie sie noch immer auf derselben Stelle
-saß, den Kopf auf die Kniee gesenkt. Sie hatte
-deshalb natürlich von dem ganzen Vorgange
-nichts bemerkt und glaubte, ihr Kind wäre ihr
-von dem Mann für ewig geraubt. Sie mochte eine
-halbe Meile von der Karawane entfernt sein und
-das Kind lag etwa eine Viertelmeile von ihr<span class="pagenum"><a id="Seite_80"></a>[80]</span>
-auf dem Sand. Wir beschlossen daher, es aufzuheben,
-denn vor den Leuten der Karawane
-brauchten wir keine Angst zu haben; sie konnten
-nicht so schnell zu uns herankommen; außerdem
-hatten sie noch für eine gute Weile alle Hände
-voll zu tun, um für ihre Verwundeten zu sorgen.
-Deshalb beschlossen wir, das Wagnis zu unternehmen.</p>
-
-<p>Wir gingen bis auf den Grund herab; Jim
-kletterte die Leiter herunter und hob das kleine
-Kindchen auf; es war ein hübscher dicker Bengel
-und er jauchzte und kreischte vor Vergnügen, was
-in Anbetracht der Umstände eine anerkennenswerte
-Leistung war &ndash; denn er hatte doch gerade
-eben eine große Schlacht mitgemacht und war
-von einem Pferde abgeworfen worden.</p>
-
-<p>Darauf segelten wir an die Mutter heran;
-wir hielten dicht hinter ihrem Rücken und Jim
-kletterte wieder heraus und ging leise mit dem
-Kind auf dem Arm zu ihr heran, und das
-Kleinchen lallte und quiekte und sie hörte es und
-fuhr mit einem Freudenschrei herum. Dann
-nahm sie ihr Kind und herzte und küßte es und
-setzte es wieder hin und herzte und küßte Jim<span class="pagenum"><a id="Seite_81"></a>[81]</span>
-und hing ihm eine goldene Kette um, und fiel
-ihm wieder um den Hals. Und dann riß sie
-wieder ihr Kind an sich und drückte es gegen
-ihren Busen und schluchzte und jauchzte immer
-durcheinander. Jim sprang schnell nach der
-Strickleiter und war im Nu oben bei uns in der
-Gondel. Eine Minute darauf waren wir wieder
-hoch oben unterm Himmel, und da stand das
-Weib und sah uns nach, den Kopf ganz tief
-in den Nacken zurückgeworfen, und das Kind hatte
-die Aermchen um ihren Hals geschlungen.</p>
-
-<p>Und so stand sie und sah uns nach, bis wir
-vor ihren Blicken tief im Himmel verschwunden
-waren.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="Siebentes_Kapitel">Siebentes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>»Mittag!« sagte Tom. Und so mußte es
-wohl sein, denn sein Schatten bildete nur einen
-kleinen Fleck um seinen Fuß herum.</p>
-
-<p>Wir hatten in unserer Gondel zwei Uhren,
-die nebeneinander befestigt waren und ganz verschiedene
-Zeiten anzeigten. Tom sagte, es wären<span class="pagenum"><a id="Seite_82"></a>[82]</span>
-Chronometer, und der eine zeigte die Zeit von
-St. Louis, der andere die von Grinnitsch. Wir
-sahen nun auf diesen nach und es war beinahe
-aufs Haar zwölf Uhr. So sagte denn Tom,
-Grinnitsch &ndash; oder London, denn das wäre ein
-und dasselbe &ndash; wäre entweder direkt nördlich
-oder direkt südlich von uns; aus der Hitze aber
-und dem Sand und den Kamelen schlösse er,
-daß London wohl eher nördlich läge und zwar
-’ne ganz gehörige Anzahl Meilen &ndash; etwa soweit
-wie von New York nach der Stadt Mexiko.</p>
-
-<p>Jim meinte, ein Luftballon wäre doch wohl
-das schnellste Ding auf der Welt; wenn nicht
-etwa irgend ein Vogel noch schneller wäre &ndash;
-vielleicht ’ne wilde Taube oder ’ne Eisenbahn.</p>
-
-<p>Aber Tom sagte, er hätte gelesen, daß in
-England mit der Eisenbahn auf kurze Strecken
-bereits eine Geschwindigkeit von hundert Meilen
-in der Stunde erzielt worden wäre, und es gäbe
-auf Erden keinen Vogel, der eine solche Leistung
-fertig brächte &ndash; mit Ausnahme eines einzigen,
-und das wäre ein Floh.</p>
-
-<p>»Ein Floh? Hm, Massa Tom, erst mal
-is ein Floh sozusagen kein Vogel nix&nbsp;…«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_83"></a>[83]</span></p>
-
-<p>»Ist kein Vogel, häh! Na, was ist er
-denn?«</p>
-
-<p>»Ich weiß nix so genau, Massa Tom, aber
-ich denk beinah, es is woll bloß so ’n Art
-Tier. Oder nein &ndash; das is woll auch nix richtig
-&ndash; denn for’n Tier is er nix groß genug. Er
-muß ’n Käfer sein &ndash; jawoll, das muß er &ndash;
-’n Käfer muß er sein.«</p>
-
-<p>»Ich will wetten, er ist keiner &ndash; aber
-einerlei! Was hast du für’n ›Zweitens‹ vorzubringen?«</p>
-
-<p>»Nu, zweitens: Vögel machen ’ne weite Entfernung,
-aber ’n Floh nix.«</p>
-
-<p>»Nicht? Wirklich nicht? Na, denn sag mir
-mal, was ist denn wohl ’ne weite Entfernung?«</p>
-
-<p>»Nu, Meilen! … ne Masse Meilen! Das
-weiß doch eine jede Kind!«</p>
-
-<p>»Kann ein Mensch meilenweit laufen?«</p>
-
-<p>»Jawoll, kann er!«</p>
-
-<p>»So viel Meilen wie ’ne Eisenbahn?«</p>
-
-<p>»Jawoll, wenn er Zeit haben tut.«</p>
-
-<p>»Kann ein Floh das auch?«</p>
-
-<p>»Nu, hm, o jawoll … warum nix? Wenn
-er <em class="gesperrt">viel</em> Zeit haben tut.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_84"></a>[84]</span></p>
-
-<p>»Aha! Nun fängst du wohl an zu begreifen,
-daß es nicht auf die Entfernung an sich ankommt,
-sondern auf die Zeit, die man braucht, um eine
-Entfernung zurückzulegen, nicht wahr?«</p>
-
-<p>»Hm, nu ja, es sieht so aus &ndash; aber ich
-hätt’s nix geglaubt, Massa Tom!«</p>
-
-<p>»Es kommt aufs <em class="gesperrt">Verhältnis</em> an, mein
-Lieber; und wenn ihr über die Schnelligkeit eines
-Geschöpfes urteilen wollt, so müßt ihr dessen verhältnismäßige
-Größe in Betracht ziehen. Und
-wo bleibt da euer Vogel und euer Mensch und
-eure Eisenbahn, wenn ihr damit einen Floh
-vergleicht? Der schnellste Mensch kann laufend
-nicht mehr als ungefähr zehn Meilen in der
-Stunde zurücklegen &ndash; nicht viel mehr als das
-Zehntausendfache seiner eigenen Länge. Aber in
-jedem Buch könnt ihr lesen, daß ein ganz gewöhnlicher
-Floh dritter Güte hundertfünfzigmal
-so weit springt wie er selber groß ist; und in
-einer Sekunde kann er fünf Sprünge machen &ndash;
-das ist das Siebenhundertfünfzigfache seiner eigenen
-Länge, in einer einzigen kleinen Sekunde, denn
-er verliert keine Zeit damit, daß er anhält und
-einen neuen Anlauf nimmt; das macht er sofort<span class="pagenum"><a id="Seite_85"></a>[85]</span>
-in <em class="gesperrt">einem</em> ab. Ihr könnt das selber sehen,
-wenn ihr versucht, einen Floh unter euren Finger
-zu kriegen. Nun, das leistet ein ganz gewöhnlicher
-Floh dritter Güte; nehmt aber mal erst
-einen erstklassigen italienischen, der sein Leben
-lang der Liebling der hohen Aristokratie gewesen
-ist und gar nicht weiß, was Not und Hunger
-ist: der macht Sprünge, die das Dreihundertfache
-seiner Länge betragen, und der hält eine Leistung
-von fünfzehnhundert Flohlängen in der Sekunde
-einen ganzen Tag aus! Nun nehmen wir mal
-an, ein Mann könnte in einer Sekunde fünfzehnhundert
-Mannslängen zurücklegen &ndash; das macht
-ungefähr anderthalb Meilen. In einer Minute
-neunzig Meilen und in einer einzigen Stunde
-beträchtlich mehr als fünftausend Meilen. Na,
-wo bleibt jetzt euer Mensch? und euer Vogel und
-eure Eisenbahn und euer Luftballon? Auf ihre
-Geschwindigkeiten hustet ja unser Floh! Ein Floh
-ist an Geschwindigkeit geradezu ein Komet im
-kleinen!«</p>
-
-<p>Jim war ganz verblüfft &ndash; und ich nicht
-weniger. Schließlich sagte Jim:</p>
-
-<p>»Sein auch diese Zahlen ganz genau, un is es
-kein Spaß nix un keine Lüge nix, Massa Tom?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_86"></a>[86]</span></p>
-
-<p>»Ja, die Zahlen stimmen ganz genau!«</p>
-
-<p>»Nu, denn alle Achtung vor eine Floh! Ich
-hab’ nix grad viel Achtung gehabt vor die Floh
-… aber die Floh verdient sie … das is
-gewiß!«</p>
-
-<p>»Na, das will ich meinen! Er ist nicht
-bloß schneller, sondern auch klüger und verständiger
-als irgend ein Geschöpf auf der Welt &ndash;
-immer im Verhältnis zu ihrer Größe. Man
-kann Flöhe fast zu allem abrichten: und sie lernen
-es schneller als jedes andere Wesen. Sie können
-in vollem Geschirr kleine Wagen ziehen, und
-gehen damit hierhin oder dorthin &ndash; je nachdem
-der Befehl lautet. Und marschieren und exerzieren
-tun sie wie richtige Soldaten und so stramm
-aufs Kommando, wie nur der beste Soldat. Sie
-haben alle möglichen schwierigen und anstrengenden
-Uebungen gelernt. Angenommen, man könnte
-einen Floh züchten, der die Größe eines Mannes
-erreichte und seine angeborene Klugheit und
-geistige Regsamkeit nähme dabei im selben Verhältnis
-zu, wie das Wachstum seiner Glieder
-&ndash; was meint ihr wohl, wo bliebe da das Menschengeschlecht?
-<em class="gesperrt">Der</em> Floh würde Präsident der<span class="pagenum"><a id="Seite_87"></a>[87]</span>
-Vereinigten Staaten werden &ndash; dagegen wäre
-ebensowenig was zu machen, wie wir verhindern
-können, daß es blitzt!«</p>
-
-<p>»O du liebe große Gott, Massa Tom! Davon
-hatt’ ich ja nie nix ’ne Ahnung, daß die
-Floh so eine gewaltige Tier sei! Warraftig, das
-kam mir nie nix in Sinn, un das sag <em class="gesperrt">ich</em>!«</p>
-
-<p>»Im Verhältnis zu seiner Größe übertrifft
-er, und zwar bei weitem, jedes andere Geschöpf,
-Mensch wie Tier. Er ist das interessanteste von
-allen. Man redet so viel von der Stärke einer
-Ameise, eines Elefanten, einer Lokomotive.
-Quatsch! An ’nen Floh können die nicht tippen!
-Der kann das Zwei- oder Dreihundertfache seines
-eigenen Gewichts heben. Das kann sonst niemand
-auch nur annähernd. Außerdem macht so’n
-Floh sich seine eigenen Gedanken; er ist ein origineller
-Kopf und läßt sich kein X für ein U machen;
-sein Instinkt oder seine Ueberlegung &ndash; oder was
-es sonst ist &ndash; ist vollkommen gesund und klar
-und irrt sich niemals. Die Leute meinen, ’nem
-Floh sei ein Mensch so lieb wie der andere. Aber
-das stimmt nicht. Gewissen Menschen kommt
-er niemals zu nahe, mag er noch so hungrig<span class="pagenum"><a id="Seite_88"></a>[88]</span>
-sein, und zu diesen Menschen gehöre ich. Ich
-habe in meinem ganzen Leben niemals ’nen einzigen
-Floh auf mir gehabt.«</p>
-
-<p>»Massa Tom!!«</p>
-
-<p>»Ja, so ist’s. Ich spaße nicht.«</p>
-
-<p>»Nanu! Da mussen ich sagen: sowas hab’
-ich in mein Leben nix gehören!«</p>
-
-<p>Jim konnte es nicht glauben, und ich auch
-nicht. So mußten wir denn den Ballon ’runterlassen,
-uns auf den Sand setzen und ’ne Anzahl
-Flöhe auf uns ’rauf hüpfen lassen; denn so eine
-wunderbare Geschichte wollten wir mit eigenen
-Augen sehen. Tom hatte recht. An mich und
-Jim gingen sie zu Tausenden ’ran, aber kein
-einziger ließ sich auf Tom nieder. Eine Erklärung
-gab’s dafür nicht, aber die Tatsache war
-da &ndash; darum ließ sich nicht ’rumkommen. Er
-sagte, es sei schon immer so gewesen und er wolle
-sich ganz ruhig unter ’ner Million von Flöhen
-niederlassen; sie würden ihn weder anrühren noch
-sonstwie belästigen.</p>
-
-<p>Wir stiegen in die kalte Luftschicht empor,
-um die Flöhe durch den Frost zu vertreiben;
-da blieben wir ’ne kleine Weile und begaben uns<span class="pagenum"><a id="Seite_89"></a>[89]</span>
-dann wieder in die behagliche Temperatur. Wir
-bummelten ganz gemütlich mit ’ner Geschwindigkeit
-von zwanzig oder fünfundzwanzig Meilen
-in der Stunde durch die Luft. So hatten wir’s
-die letzten paar Stunden schon gemacht; denn
-je länger wir in dieser feierlichen friedvollen Wüste
-waren, desto mehr schwand alle Hast und Unruhe
-aus unseren Herzen, und desto glücklicher und
-zufriedener ward uns zu Mute; die Wüste gefiel
-uns immer besser und schließlich liebten wir sie
-geradezu. So hatten wir denn, wie gesagt, die
-Geschwindigkeit beträchtlich gemindert und faulenzten
-so recht mit Behagen, indem wir bald
-mal durch die Fernrohre guckten, bald uns auf den
-Bänken ausstreckten und lasen, bald ein bißchen
-druselten.</p>
-
-<p>Das klingt eigentlich komisch &ndash; denn wie
-eilig hatten wir’s noch ganz kurz vorher gehabt,
-an Land zu kommen und auszusteigen! Aber daran
-dachten wir gar nicht mehr. Wir waren
-mit dem Luftschiff jetzt völlig vertraut und hatten
-keine Angst mehr und wünschten uns gar nichts
-Besseres, als nur so weiter zu fahren. Wir fühlten
-uns wahrhaftig ganz wie zu Hause; mir kam’s<span class="pagenum"><a id="Seite_90"></a>[90]</span>
-beinahe vor, als sei ich in dem Luftballon geboren
-und aufgewachsen; und Jim und Tom sagten,
-ihnen sei’s auch so. Und ich hatte ja immer
-eklige Menschen um mich ’rum gehabt, die mich
-ausschalten und pufften, und fortwährend dies
-und das zu tadeln hatten und bald dies bald jenes
-anders gemacht haben wollten und überhaupt fortwährend
-was für mich zu tun hatten und gerade
-immer etwas, wozu ich keine Lust hatte. Und
-wenn ich mich dann natürlich drückte und irgendwas
-anderes machte, gab’s Keile, daß mir gar
-manchmal das ganze Leben zur Last war. Aber
-hier oben in den himmlischen Lüften, da war’s so
-still und sonnenwarm und lieblich; dabei zu essen,
-so viel man mochte, und schlafen können, so oft
-man Lust hatte, und merkwürdige Dinge zu sehen,
-und kein Nörgeln und Schimpfen, keine braven
-Leute und immerzu Sonntag! Herrgott &ndash; ich
-hatt’s wahrhaftig nicht eilig, unser Luftschiff zu
-verlassen und mich wieder mit der Zivilisation
-’rumzuschlagen. Zu den ekligsten Eigenschaften
-der Zivilisation gehört es, daß jeder, der ’nen
-unangenehmen Brief gekriegt hat, damit zu einem
-kommt und einem die ganze Geschichte haarklein<span class="pagenum"><a id="Seite_91"></a>[91]</span>
-erzählt, daß einem hundeelend zu Mute wird;
-und die Zeitung teilt alles Widerwärtige mit, was
-auf der ganzen Welt passiert, so daß man fast
-immer trübsinnige und katzenjämmerliche Gefühle
-hat &ndash; und das ist für ’nen einzelnen Menschen
-wirklich ’ne schwere Last. Ich hasse diese
-Zeitungen! ich hasse Briefe! und wenn’s nach
-mir ginge, dürfte niemand einen, den er gar
-nicht kennt, am andern Ende der Welt mit seinen
-Schauergeschichten anöden. Na, hoch oben in ’nem
-Luftballon gibt’s so was nicht und deshalb ist
-so’n Luftballon das reizendste Ding auf der
-ganzen Welt.</p>
-
-<p>Wir aßen zu Abend und dann kam die Nacht;
-und diese Nacht war eine von den schönsten, die
-ich je erlebt habe. Der Mond schien so hell,
-daß wir denken konnten es sei Tag; nur war
-das Licht viel viel sanfter. Einmal sahen wir ’nen
-Löwen, der ganz einsam dastand, wie wenn er auf
-der weiten Welt mutterseelenallein wäre, und auf
-dem Sand lag sein Schatten wie ein schwarzer
-Tintenklex. Das ist gerade die richtige Sorte
-Mondschein!</p>
-
-<p>Die meiste Zeit über lagen wir auf dem<span class="pagenum"><a id="Seite_92"></a>[92]</span>
-Rücken und plauderten; zum Schlafen hatten wir
-gar keine Lust. Tom sagte, wir seien jetzt mitten
-drin in Tausendundeiner Nacht. Gerade hier
-müsse die Gegend sein, wo mal eine von den
-verschmitztesten Geschichten sich zugetragen habe.
-Wir guckten über den Rand unseres Luftballons
-und sahen uns die Gegend an, während er
-erzählte; denn nichts ist so interessant anzusehen,
-als ’ne Gegend, die in ’nem Buch vorkommt.
-Die Geschichte handelte von ’nem Kameltreiber,
-der sein Kamel verloren hatte; er läuft in
-der Wüste ’rum und trifft ’nen Mann und sagt:</p>
-
-<p>»›Bist du nicht heute einem verlaufenen Kamel
-begegnet?‹</p>
-
-<p>»Und der Mann sagt:</p>
-
-<p>»›War es auf dem linken Auge blind?‹</p>
-
-<p>»›Ja.‹</p>
-
-<p>»›Hatte es einen von den oberen Vorderzähnen
-verloren?‹</p>
-
-<p>»›Ja.‹</p>
-
-<p>»›War es auf dem rechten Hinterfuß lahm?‹</p>
-
-<p>»›Ja.‹</p>
-
-<p>»›War es auf der einen Seite mit Hirse, und
-auf der anderen mit Honig beladen?<span class="pagenum"><a id="Seite_93"></a>[93]</span>‹</p>
-
-<p>»›Ja! Aber du brauchst keine Einzelheiten
-mehr anzuführen. Es ist mein Kamel, und ich
-hab’s eilig. Wo hast du es gesehen?‹</p>
-
-<p>»›Gesehen hab ich’s überhaupt nicht‹, sagt der
-Mann.</p>
-
-<p>»›Was? Ueberhaupt nicht gesehen? Wie
-kannst du’s denn so genau beschreiben?‹</p>
-
-<p>»›Das ist ganz einfach! Wenn einer seine
-Augen zu benutzen weiß, so hat alles was er sieht,
-Sinn und Bedeutung; aber die meisten Leute
-wissen mit ihren Augen gar nichts anzufangen.
-Daß ein Kamel vorbeigelaufen war, wußte ich,
-weil ich seine Spur sah. Ich wußte, daß es auf
-dem rechten Hinterfuß lahmte, weil es diesen Fuß
-geschont hatte und leicht damit aufgetreten war.
-Das sah ich an der Spur. Auf dem linken Auge
-mußte es blind sein, weil es nur rechts vom
-Wege das Gras abgerupft hatte. Einen von den
-oberen Vorderzähnen mußte es verloren haben,
-weil in der Zahnspur im Grase eine Lücke war.
-Die Hirse war an der einen Seite herausgerieselt
-&ndash; das erzählten mir die Ameisen; an der anderen
-Seite war Honig herniedergeträufelt &ndash; das erzählten
-mir die Fliegen. Also wußte ich von<span class="pagenum"><a id="Seite_94"></a>[94]</span>
-deinem Kamel ganz genau Bescheid; aber gesehen
-hab’ ich’s nicht.‹«</p>
-
-<p>»Weiter, Massa Tom!« ruft Jim. »Das is
-ein riesig guter Geschicht, un mächtig intressant!«</p>
-
-<p>»Das ist alles,« sagt Tom.</p>
-
-<p>»Alles?« schreit Jim verblüfft. »Was werd
-denn aus die Kamel?«</p>
-
-<p>»Weiß ich nicht.«</p>
-
-<p>»Massa Tom, stehen nix von in das
-Geschicht?«</p>
-
-<p>»Nein.«</p>
-
-<p>Jim denkt kopfschüttelnd ’ne Minute nach;
-dann sagt er:</p>
-
-<p>»Warraftig! Das is der verflixteste Geschicht,
-wo ich kennen! Grad an die Platz, wo die
-Neugier werden gluhig heiß &ndash; schwapp ab! Warraftig,
-Massa Tom, in ein Geschicht, der sich so
-benehmen tun, is kein Sinn nix un keine Verstand.
-Habbe Sie keine Idee nix, ob die Mann
-seinen Kamel wieder kriegen tun oder nix?«</p>
-
-<p>»Habe keine Ahnung.«</p>
-
-<p>Ich sah selber ein, in der Geschichte war kein
-Sinn und Verstand, denn was soll das heißen, daß
-es plötzlich alle ist, ehe es zum Schluß kommt?<span class="pagenum"><a id="Seite_95"></a>[95]</span>
-Aber ich wollte lieber nichts sagen, denn Tom
-machte schon ein ganz saures Gesicht, weil Jim
-richtig wieder den wunden Punkt von der Geschichte
-angetippt hatte, und ich find’s nicht schön,
-wenn sich alle auf einen stürzen, der schon unterliegt.
-Aber Tom dreht sich nach mir um und fragt:</p>
-
-<p>»Was meinst du denn zu der Geschichte?«</p>
-
-<p>Na, da mußte ich denn natürlich aus dem
-Loch heraus und Farbe bekennen; und so sagte
-ich, mir käm’ es auch so vor wie Jim: daß die
-Geschichte gerade in der Mitte abbräche und gar
-nicht zu Rande käme; und darum wär’s überhaupt
-nicht der Mühe wert, sie zu erzählen.</p>
-
-<p>Tom ließ sein Kinn auf die Brust sinken;
-aber er wurde nicht wild, wie ich gedacht hatte,
-als er mich seine Geschichte tadeln hörte, sondern
-er wurde bloß traurig und sagte:</p>
-
-<p>»Es gibt Leute, die sehen können, und es
-gibt welche, die’s nicht können &ndash; gerade wie der
-Mann in der Geschichte sagte. Da könnte ’ne Windhose
-vorbeikommen geschweige denn ein Kamel &ndash;
-<em class="gesperrt">ihr</em> Dämelsäcke würdet keine Spur davon sehen!«</p>
-
-<p>Was er damit sagen wollte, weiß ich nicht
-und erklären tat er seine Worte nicht; es war<span class="pagenum"><a id="Seite_96"></a>[96]</span>
-wohl eine von seinen ›Irrulevanzen‹, wie er die
-Dinger selber nannte &ndash; manchmal war er ganz
-voll von denen, nämlich besonders, wenn er in
-die Enge getrieben war und nicht wußte, wie er
-wieder ’rauskommen sollte. Aber ich machte mir
-weiter nichts draus. Wir hatten ihm einen aufgemutzt
-und der hatte gesessen &ndash; davon konnte
-er nichts abstreiten. Und ich glaube, das wurmte
-ihn, obwohl er sich Mühe gab, sich nichts merken
-zu lassen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="Achtes_Kapitel">Achtes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Zeitig am Morgen frühstückten wir etwas;
-dann guckten wir wieder auf die Wüste ’runter
-und das Wetter blieb fortwährend so mollig und
-warm, aber nicht heiß, obwohl wir nicht sehr hoch
-über der Erde schwebten. Nach Sonnenuntergang
-muß man nämlich immer tiefer herabsteigen, weil
-die Luft sich so schnell abkühlt; und so streicht
-man denn um die Zeit der Morgendämmerung
-ganz dicht über den Sand weg.</p>
-
-<p>Wir sahen zu, wie der Schatten unseres Ballons
-über den Boden hinglitt, und ließen dann<span class="pagenum"><a id="Seite_97"></a>[97]</span>
-und wann mal die Blicke über die Wüste streifen,
-ob sich nicht irgendwo was regte &ndash; da sahen
-wir plötzlich unmittelbar unter uns eine Menge
-Menschen und Kamele auf dem Sande verstreut
-herumliegen. Und sie lagen so ruhig, wie wenn
-sie schliefen.</p>
-
-<p>Wir stellten die Bewegungskraft unseres
-Luftschiffs ab und hielten still, und da sahen wir,
-daß sie alle tot waren. Ein kalter Schauer überlief
-uns, wir wurden ganz kleinlaut und sprachen
-leise wie Leute bei ’nem Leichenbegängnis. Langsam
-ließen wir unser Schiff zur Erde nieder
-und hielten still; Tom und ich stiegen aus und
-gingen zu den Toten. Es waren Männer, Weiber
-und Kinder. Sie waren von der Sonne gedörrt
-und die Haut war zusammengeschrumpft und sah
-aus wie Leder &ndash; genau wie die Abbildungen
-von Mumien, die man in den Büchern sieht.
-Und trotzdem sahen sie ganz menschlich aus, wie
-wenn sie nur schliefen &ndash; wenn ich’s nicht selber
-gesehen hätte, ich würde es nicht glauben.</p>
-
-<p>Einige von den Menschen und Tieren waren
-zum Teil mit Sand bedeckt, die meisten aber
-nicht, denn der Sand bildete an jener Stelle<span class="pagenum"><a id="Seite_98"></a>[98]</span>
-nur eine dünne Schicht über felsigem Erdreich.
-Die Kleider waren ihnen fast gänzlich vom Leibe
-gefault; wenn man ein Stück Zeug anfaßte, blieb
-es einem zwischen den Fingern wie Spinnewebe.
-Tom meinte, sie müßten schon jahrelang dagelegen
-sein.</p>
-
-<p>Den Männern lagen zum Teil rostige Flinten
-zur Seite; andere waren mit Schwertern umgürtet
-und hatten lange Binden um den Leib
-gewickelt, in denen große silberbeschlagene Pistolen
-staken. Alle Kamele trugen noch ihre Lasten auf
-dem Rücken, aber die Bündel waren geborsten
-oder zerfallen und ihr Inhalt hatte sich über den
-Boden ergossen. Uns dünkte, die Toten könnten mit
-ihren Säbeln ja doch nichts mehr anfangen; deshalb
-nahm jeder von uns einen zu sich, dazu
-auch mehrere Pistolen. Auch nahmen wir ein
-kleines Kästchen, weil es so hübsch und mit
-so feiner Arbeit eingelegt war. Gern hätten wir
-dann die Leute begraben; aber obwohl wir lange
-darüber nachdachten, wollte uns nicht einfallen,
-wie wir das bewerkstelligen könnten, denn wir
-hatten bloß Sand zur Verfügung, und der wäre
-natürlich sofort wieder auseinandergefegt worden.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_99"></a>[99]</span></p>
-
-<p>Hierauf stiegen wir wieder in die Lüfte empor
-und segelten weiter, und gar bald war der schwarze
-Fleck auf dem Land außer Sicht und wir dachten,
-die armen Menschen da unten würden wir auf
-dieser Welt wohl niemals wiedersehen. Wir stellten
-allerlei Mutmaßungen auf, wie sie wohl an
-jene Stelle in der Wüste gekommen wären und
-was ihnen alles passiert sein könnte, aber wir
-wußten nicht, was wir daraus machen sollten.
-Zuerst dachten wir, vielleicht hätten sie sich verirrt
-und wären in der Wüste herumgezogen, bis
-ihr Essen und Trinken ihnen ausgegangen und
-sie verhungert und verdurstet wären; aber Tom
-sagte, weder wilde Tiere noch Geier hätten ihre
-Leichen angerührt, und deshalb könnte diese Vermutung
-nicht richtig sein. Schließlich gaben wir’s
-auf, uns den Kopf darüber zu zerbrechen, und
-nahmen uns vor, gar nicht mehr daran zu denken,
-denn es versetzte uns in eine traurige Stimmung.</p>
-
-<p>Dann öffneten wir das Kästchen: Edelsteine
-und Schmucksachen waren darin &ndash; ein ganzer
-Haufen! Dazu auch mehrere kleine Schleier
-von derselben Art, wie wir sie an den toten
-Frauen bemerkt hatten; die Säume dieser Schleier<span class="pagenum"><a id="Seite_100"></a>[100]</span>
-waren mit sonderbaren Goldmünzen besetzt, wie
-wir sie nie in unserem Leben gesehen hatten.
-Wir überlegten voller Erstaunen, ob wir nicht
-lieber wieder umkehren und die Kostbarkeiten zurückgeben
-sollten; Tom bedachte sich aber die Sache
-noch einmal und sagte: nein! Die ganze Gegend
-wäre voll von Räubern und die würden die Sachen
-stehlen; und dann würde die Sünde auf uns
-fallen, weil wir sie in Versuchung gebracht hätten.
-So segelten wir denn weiter; ich dachte aber bei
-mir selber, am besten wär’s gewesen, wir hätten
-den Toten <em class="gesperrt">alles</em> abgenommen, was sie bei sich
-hatten; denn dann wäre es überhaupt nicht mehr
-möglich gewesen, daß andere Leute in Versuchung
-kamen.</p>
-
-<p>Wir waren da unten zwei Stunden lang
-in der sengenden Hitze gewesen und hatten einen
-fürchterlichen Durst, als wir wieder an Bord
-gingen. Wir stürzten uns auf unser Wasserfaß,
-aber das Wasser war schlecht geworden und bitter
-und außerdem recht hübsch heiß, so daß es uns
-beinahe den Mund verbrannte. Wir konnten es
-nicht trinken. Es war Mississippiwasser &ndash; ›das
-beste der Welt‹ &ndash; und wir rührten den Bodensatz<span class="pagenum"><a id="Seite_101"></a>[101]</span>
-auf, um mal zu sehen, ob das nicht vielleicht
-hülfe &ndash; aber nein, der Schlamm machte das
-Wasser auch nicht besser!</p>
-
-<p>Na, so <em class="gesperrt">übermäßig</em> durstig waren wir
-vorher, solange uns das Schicksal jener verirrten
-Menschen interessierte, eigentlich nicht gewesen &ndash;
-aber nun waren wir’s, und sobald wir sahen,
-daß wir nichts zu trinken haben konnten, da waren
-wir fünfunddreißigmal so durstig als ’ne Viertelminute
-zuvor. Wahrhaftig, es dauerte nicht
-lange, so sperrten wir vor Durst den Mund auf
-und keuchten wie Hunde.</p>
-
-<p>Tom sagte, wir müßten nur nach allen Himmelsrichtungen
-recht scharfen Ausguck halten, denn
-jedenfalls würden wir ’ne Oase finden oder es
-würde uns sonst irgendwas Merkwürdiges passieren.
-Das taten wir denn auch. Die ganze
-Zeit bestrichen wir mit den Ferngläsern den
-Horizont, bis unsere Arme so lahm waren, daß
-wir die Dinger nicht mehr halten konnten. So
-vergingen zwei Stunden &ndash; drei Stunden &ndash;
-wir guckten und guckten: aber da war nichts als
-Sand, Sand, <em class="gesperrt">Sand</em>, und der flimmernde heiße
-Dunst zitterte über dem Erdboden. O je, o je!<span class="pagenum"><a id="Seite_102"></a>[102]</span>
-was es heißt, sich so recht hundeelend zu fühlen,
-das weiß man erst, wenn man fortwährend einen
-fürchterlichen Durst hat und dabei denkt, man
-wird überhaupt niemals mehr Wasser zu sehen
-kriegen. Zuletzt konnte ich’s nicht mehr aushalten,
-immerzu auf diese backofenheiße Ebene
-zu gucken; ich gab es auf und streckte mich auf
-der Bank aus.</p>
-
-<p>Auf einmal aber stößt Tom ’nen Jauchzer
-aus &ndash; und richtig, da war das Wasser! Ein
-großer glänzender See, von schläfrig wiegenden
-Palmen umsäumt, die sich ganz wunderbar zart
-und fein im Wasser spiegelten. Es war eine
-tüchtige Entfernung bis zu dem See; aber was
-machte das uns aus? Wir zogen einfach den
-Knopf der Hundertmeilengeschwindigkeit, sodaß
-wir nach unserer Berechnung in sieben Minuten
-dort sein mußten. Der See blieb aber immerzu
-in derselben Entfernung; wir vermochten ihm
-nicht um Haaresbreite näherzukommen; auf mein
-Wort: er blieb immer glänzend und fern vor
-uns liegen wie ein Traumbild. Aber näher kamen
-wir nicht; und auf einmal &ndash; war der See verschwunden!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_103"></a>[103]</span></p>
-
-<p>Tom riß die Augen ganz weit auf und rief:</p>
-
-<p>»Jungens, es war ’ne Fata Morgana!«</p>
-
-<p>Er sagte das, als ob’s ihn riesig freute; ich
-sah aber durchaus nichts, worüber er sich hätte
-freuen können und sagte:</p>
-
-<p>»Kann sein. Wie der See heißt, ist mir
-ganz schnuppe. Aber eins möchte ich wohl wissen:
-wo ist er hingekommen?«</p>
-
-<p>Jim schlotterte an allen Gliedern und hatte
-solchen Schreck gekriegt, daß er kein Wort sprechen
-konnte; aber ich sah ihm an, daß er genau dasselbe
-fragen wollte wie ich.</p>
-
-<p>»Wo er hingekommen ist?« rief Tom. »Na,
-ihr seht doch selber, daß er verschwunden ist!«</p>
-
-<p>»Na, das weiß ich. Aber <em class="gesperrt">wohin</em> ist er verschwunden?«</p>
-
-<p>Tom sieht mich von oben bis unten an und
-sagt:</p>
-
-<p>»Na, Huck Finn, wo sollte er denn wohl
-hingekommen sein? Weißt du denn nicht, was
-’ne Fata Morgana ist?«</p>
-
-<p>»Nee. Was ist es denn für’n Ding?«</p>
-
-<p>»Nichts als Einbildung. ’s ist überhaupt
-nichts Reelles dran.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_104"></a>[104]</span></p>
-
-<p>Es fuchste mich ein bißchen, daß er so ’nen
-Unsinn redete, und ich sagte:</p>
-
-<p>»Wie kannst du bloß so quatschen, Tom
-Sawyer? Hab’ ich denn nicht den See gesehen?«</p>
-
-<p>»Ja &ndash; du glaubtest, du sähest ihn.«</p>
-
-<p>»Geglaubt hab’ ich ganz und gar nichts.
-Ich <em class="gesperrt">hab’</em> ihn gesehen!«</p>
-
-<p>»Ich sage dir, du hast ganz und gar nichts
-gesehen &ndash; denn es war überhaupt nichts da.«</p>
-
-<p>Jim war ganz verblüfft, Tom so reden zu
-hören; er konnte nicht länger den Mund halten
-und sagte traurig und in flehendem Ton:</p>
-
-<p>»Massa Tom, bitte, bitte &ndash; sagen nix so ’ne
-Sach’ in so ’ne schröcklicher Zeit wie nu! Sie
-riskier nix bloß ihr eigenes Haut, sonnern auch
-unsern sein &ndash; grad wie Anna Nias un Siffira.
-Die See <em class="gesperrt">waren</em> da &ndash; ich sahen ihm ganz
-genau so wie ich in diese Minuten Ihnen un
-Huck sehn tu!«</p>
-
-<p>»Was willst du denn, Jim?« ruf ich. »Tom
-sah ihn ja selber! Er war ja der Allererste,
-der ihn zu allererst sah! Na, also!«</p>
-
-<p>»Ja, Massa Tom, das is so &ndash; Sie könn<span class="pagenum"><a id="Seite_105"></a>[105]</span>’
-es nix leugnen. Wir sahen ihm alle, un das
-<em class="gesperrt">beweisen</em>, ihm war da!«</p>
-
-<p>»Beweist? Wieso <em class="gesperrt">beweist</em> es das?«</p>
-
-<p>»So wie vor die Gerichte un überall, Massa
-Tom! Eine Mensch könnten betrunken sein oder
-was träumen oder in Dussel, un könnten sich irren
-&ndash; un auch zwei könnten. Aber ich will Sie was
-sagen, Massa Tom: wenn drei ein Ding sehen,
-un sie sind nüchtern oder betrunken, denn is
-es so. Da kann Sie nix gegen sagen, Massa
-Tom, un das weiß Sie wohl!«</p>
-
-<p>»Ich weiß von nichts. Früher haben vierzigtausend
-Millionen Menschen existiert, die alle
-sahen, daß Tag für Tag die Sonne von der
-einen Seite des Himmels nach der anderen ’rüberwanderte.
-Bewies das, daß die Sonne sich wirklich
-bewegte?«</p>
-
-<p>»Natürlich bewiesen es! Un was brauchte
-das erst bewiesen zu sein? Wenn eine Mensch
-eine kleine bißchen Grips hat, wie kann sie zweifeln?
-Gucke Sie, Massa Tom &ndash; da segeln sie
-über das Himmel, wie sie jeden lieben Tag
-tun!«</p>
-
-<p>Da dreht Tom sich nach mir um und sagt:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_106"></a>[106]</span></p>
-
-<p>»Und was sagst <em class="gesperrt">du</em> dazu &ndash; steht die Sonne
-still?«</p>
-
-<p>»Tom Sawyer, was hat’s für’n Zweck, so
-’ne quatschige Frage zu tun? Jeder, der nicht
-blind ist, kann sehen, daß die Sonne nicht still
-steht!«</p>
-
-<p>»Na ja!« ruft Tom. »Da segle ich nun
-hoch im Himmel herum mit zwei dummen Biestern,
-die von diesen Geschichten nicht mehr wissen
-als vor drei- oder vierhundert Jahren ein Universitätsrektor.«</p>
-
-<p>Das war nicht schön von Tom, daß er so
-was sagte, und ich gab ihm das auch zu verstehen.
-Ich sagte:</p>
-
-<p>»Mit Schimpfereien beweist du nichts, Tom
-Sawyer.«</p>
-
-<p>»O meine himmlische Güte! O meine gütige
-Barmherzigkeit! Das is das See wieder!« kreischt
-Jim gerade in diesem Augenblick. »Nu, Massa
-Tom, was will Sie nu sagen?«</p>
-
-<p>Jawohl, das war der See wieder! ganz
-fern hinten am Rand der Wüste, vollkommen deutlich
-mit Palmen und allem anderen, genau wie
-vorher. Ich sage:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_107"></a>[107]</span></p>
-
-<p>»Ich denke, nun bist du überzeugt, Tom
-Sawyer!«</p>
-
-<p>Aber er antwortete vollständig ruhig:</p>
-
-<p>»Ja, überzeugt, daß kein See da ist.«</p>
-
-<p>Da ruft Jim:</p>
-
-<p>»O, sprech Sie nix so, Massa Tom &ndash; ich
-kriegen die Zitter, wenn Sie so reden. Es is
-so heiß un Sie haben so große Durst, daß Sie
-nix ganz wohl sein, Massa Tom. O, wie sieht
-doch das See schön aus! Ich können es gar
-nix mehr abwarten, daß wir da sein. Ich haben
-so fürchterliche Durst!«</p>
-
-<p>»Nu, du wirst eben warten müssen; und
-du wirst an dem See nicht viel Freude haben,
-denn ich sage dir: es ist gar kein See da!«</p>
-
-<p>»Jim!« sage ich; »laß den See nur nicht aus
-dem Auge; ich werde ebenfalls scharf hingucken,
-damit wir ihn nicht wieder verlieren.«</p>
-
-<p>»O, wie werden ich weggucken! Un wenn
-ich auch wollen, ich konnten es ja gar nix!«</p>
-
-<p>Wir flogen mit aller Geschwindigkeit auf den
-See zu, Meile auf Meile, wie wenn’s gar nichts
-gewesen wäre. Aber nicht um einen Zoll kamen
-wir ihm näher, und auf einmal &ndash; da war er<span class="pagenum"><a id="Seite_108"></a>[108]</span>
-wieder weg! Jim schwankte auf den Füßen und
-wäre beinahe umgefallen. Als er endlich wieder
-zu Atem kam, schnappte er wie ein Fisch nach
-Luft und sagte:</p>
-
-<p>»Massa Tom &ndash; es is ein <em class="gesperrt">Gespenst</em>! Das
-is diese See, un ich hoffen zu die liebe Gott, wir
-sehen ihm nu nix mehr! Eine See <em class="gesperrt">waren</em>
-da un mit die See is was passieren un sie
-is tot geblieben un wir sahen seine Geist von
-diese See; wir sahen ihm zweimal un das is
-eine <em class="gesperrt">Beweis</em>. Der Wüste is behext, ganz
-gewiß sein ihm behext! O, Massa Tom, laß
-uns fort. Lieber wollen ich sterben, als daß die
-Nacht uns überfallen in diese Wüste, un der Gespenst
-und das See kommen un packen uns wenn
-wir in Schlaf liegen un gar nix wissen, daß
-wir in eine Gefahr sein!«</p>
-
-<p>»Ein Gespenst, du Gänserich! Es ist weiter
-nichts als Luft und Hitze und die Einbildungskraft
-von ’nem Menschen, der großen Durst leidet.
-Wenn ich &ndash; gib mir mal das Fernrohr!«</p>
-
-<p>Er nahm das Glas und fing aufmerksam an,
-nach rechts vor uns den Horizont zu beobachten.
-Schließlich sagte er:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_109"></a>[109]</span></p>
-
-<p>»Es ist ein Vogelschwarm; er fliegt nach
-Sonnenuntergang zu und wird unsern Kurs in
-gerader Linie kreuzen. Sie haben es eilig und
-fliegen nicht zu ihrem Vergnügen &ndash; vielleicht
-suchen sie Nahrung oder Wasser oder beides zugleich.
-Steuerbord, Huck! Einen Schlag herum!
-So! Halt’ ein bißchen ’ran! Nun ist’s recht,
-&ndash; vorwärts, geradeaus!«</p>
-
-<p>Wir mäßigten die Fahrgeschwindigkeit ein
-bißchen, um nicht bei den Vögeln vorbeizusegeln,
-und fuhren immer ein paar hundert Meter hinter
-ihnen her. Als wir anderthalb Stunden so gesegelt
-waren, wurden wir immer mutloser und
-unser Durst war rein unerträglich geworden. Da
-sagt Tom auf einmal:</p>
-
-<p>»Nehme mal einer von euch das Fernrohr
-und sehe, was da gerade vor den Vögeln ist!«</p>
-
-<p>Jim sah zuerst durch und plumpste halb ohnmächtig
-auf die Bank nieder. Ganz weinerlich
-schrie er:</p>
-
-<p>»Das is sie wieder, Massa Tom! Da is
-diese See, un nu wissen ich, ich müssen sterben,
-denn wenn eine Mensch einen Gespenst das dritte
-Mal sehen tun, dann sein es alles aus! O!<span class="pagenum"><a id="Seite_110"></a>[110]</span>
-Wenn ich doch nie un nie in diese Ballone gekommen
-wäre! O, nie un nie!«</p>
-
-<p>Er wollte gar nicht mehr durchs Fernrohr
-gucken, und seine Worte machten mir ebenfalls
-Angst, denn ich wußte, er hatte ganz recht; genau
-so geht es mit Gespenstern immer zu. Und
-darum wollte ich auch nicht durchgucken. Wir
-baten beide Tom, er möchte doch abstoppen und
-in ’ner anderen Richtung segeln, aber das wollte
-er nicht; er sagte sogar, wir seien alle beide
-unwissende, abergläubische Windbeutel. Jawohl!
-dachte ich bei mir selber, das wird ihm recht
-bald schlecht bekommen; daß er Geister auf solche
-Weise beleidigt. ’ne Zeitlang sehen sie’s vielleicht
-geduldig mit an, aber immer lassen sie sich es
-nicht gefallen; denn wer auch bloß ein bißchen
-mit Geistern Bescheid weiß, der weiß, wie
-empfindlich und leicht beleidigt und wie rachsüchtig
-sie sind.</p>
-
-<p>So waren wir denn alle drei ruhig und
-still: Jim und ich, hatten Angst, und Tom machte
-sich mit dem Steuerapparat zu schaffen. Nach ’ner
-kleinen Weile ließ er das Luftschiff ganz stillstehen
-und sagte:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_111"></a>[111]</span></p>
-
-<p>»Na, nun mal den Kopf hoch und euch umgeschaut,
-ihr Wasserköpfe!«</p>
-
-<p>Wir taten’s, und richtig &ndash; da war Wasser
-gerade unter uns! Klar und blau und kalt und
-tief, und von einer leichten Brise gekräuselt &ndash;
-der reizendste Anblick, den man sich nur denken
-kann. Die Ufer waren ringsherum mit Gras
-und Blumen bewachsen, mit schattigen Wäldchen
-von großen Bäumen bestanden, zwischen denen
-sich Weinreben rankten. Und alles sah so friedlich
-und so gemütlich aus &ndash; so wunderschön, daß man
-hätte geradezu laut herausweinen mögen.</p>
-
-<p>Jim weinte wirklich und tanzte dazu und
-heulte dann wieder, so dankbar war er und vor
-Freuden ganz außer sich. Ich hatte die Wache
-und mußte daher an Bord bleiben; aber Tom
-und Jim kletterten runter und tranken jeder ein
-Faßvoll und ließen mir auch was zukommen,
-und ich habe in meinem Leben Manches genossen,
-was gut schmeckte, aber nichts, was sich mit diesem
-Wasser auch nur annähernd vergleichen ließe!</p>
-
-<p>Dann gingen Tom und Jim ins Wasser
-und schwammen ein Stückchen; hierauf kam Tom
-an Bord und löste mich ab, und ich schwamm mit<span class="pagenum"><a id="Seite_112"></a>[112]</span>
-Jim in den See hinaus. Dann löste Jim wieder
-Tom ab, und ich und Tom veranstalteten einen
-Wettlauf und ein kleines Boxen. Und ich glaube,
-so wohlig hab’ ich mich in meinem ganzen Leben
-nicht gefühlt. Die Hitze war gar nicht so übermäßig,
-weil es schon auf den Abend zuging;
-außerdem hatten wir nicht ein einziges Stück
-Zeug an. Kleider sind ja ganz schön und gut
-in der Schule und in Städten und meinetwegen
-auch auf Bällen, aber es wäre ja gar kein Sinn
-und Verstand drin, Kleider zu tragen, wenn keine
-Zivilisation mit all ihrem Getue und Genörgele
-in der Nähe ist.</p>
-
-<p>Auf einmal schreit Jim:</p>
-
-<p>»Löwen! Löwen kommen! Schnell, Massa
-Tom! Lauf was du kannst, Huck!«</p>
-
-<p>O, wie rannten wir! Wir hielten uns nicht
-mal damit auf, unsere Kleider aufzunehmen, sondern
-walzten, hast du nicht gesehen!, auf die Strickleiter
-los. Jim verlor völlig den Kopf &ndash; das
-geht ihm nämlich immer so, wenn er in Aufregung
-und Angst gerät. Anstatt den Ballon ein kleines
-bißchen höher steigen zu lassen, so daß die Bestien
-die Leiter nicht mehr erreichen konnten, ließ er<span class="pagenum"><a id="Seite_113"></a>[113]</span>
-die ganze Kraft los, und hoch in den Himmel
-sausten wir hinauf, an unserer Strickleiter baumelnd!
-Zum Glück merkte er sofort, was für
-einen Unsinn er gemacht hatte. Er stoppte also
-ab; nun hatte er aber völlig vergessen, was er
-zunächst zu tun hatte &ndash; und da hingen wir denn
-oben in der Luft, so hoch, daß die Löwen wie
-Schoßhündchen aussahen, und trieben vor dem
-Winde.</p>
-
-<p>Aber Tom kletterte an Bord, stellte den
-Steuerapparat wieder richtig und ließ den Ballon
-langsam zur Erde hinunter und zwar wieder nach
-dem See zurück, wo ’ne Menge Bestien versammelt
-waren, wie wenn sie da Biwak halten
-wollten. Ich dachte, er hätte gerade wie Jim
-seinen Kopf verloren, denn er wußte doch, daß
-ich vor Angst nicht die Strickleiter ’raufklettern
-konnte. Er wollte mich doch nicht etwa mitten
-zwischen den Löwen und Tigern auf den Erdboden
-setzen?</p>
-
-<p>Aber nein &ndash; in seinem Kopf war alles
-richtig, er wußte ganz genau, was er wollte.
-Er ließ den Ballon nieder, bis er ungefähr
-dreißig oder vierzig Fuß über dem Wasserspiegel<span class="pagenum"><a id="Seite_114"></a>[114]</span>
-schwebte und genau über der Mitte hielt er still
-und rief:</p>
-
-<p>»Laß los und hops’ hinein!«</p>
-
-<p>Das tat ich; mit den Füßen voran schoß
-ich ins Wasser, und es kam mir vor, als tauchte
-ich ’ne Meile, bis ich auf den Grund kam; und
-als ich wieder nach oben kam, sagte Tom:</p>
-
-<p>»Nun leg’ dich auf den Rücken und laß dich
-treiben, bis du dich ausgeruht und wieder deine
-ganze Schneid beisammen hast; dann will ich
-die Leiter bis ins Wasser ’runterlassen, und du
-kannst an Bord klettern.«</p>
-
-<p>So machte ich es denn. Na, und diese Strategik
-war riesig schlau von Tom; denn wenn
-er nach irgend ’ner anderen Stelle gesegelt wäre
-und mich da auf den Sand gesetzt hätte, so wäre
-die ganze Menagerie ebenfalls dahin gelaufen,
-und so hätten sie uns vielleicht nach einer sicheren
-Stelle herumsuchen lassen, bis ich schließlich
-schwindlig geworden und von der Leiter gefallen
-wäre.</p>
-
-<p>Und während dieser ganzen Zeit stritten die
-Löwen und Tiger sich um unsere Kleider, und
-versuchten sich so darin zu teilen, daß jeder von<span class="pagenum"><a id="Seite_115"></a>[115]</span>
-ihnen etwas kriegte; aber es gab fortwährend
-Meinungsverschiedenheiten unter ihnen, indem
-alle Augenblicke irgend eine Bestie sich mehr anzueignen
-versuchte, als auf ihren Anteil kam. Es
-dauerte nicht lange, so gab es wieder Aufruhr, und
-so etwas wie diesen Anblick hat die Welt noch
-nicht erlebt! Es müssen ihrer ein Stücker fünfzig
-gewesen sein, alle in einem wilden Kuddelmuddel,
-fauchend, brüllend, schnappend, beißend, kratzend
-&ndash; Beine und Schwänze hoch in die Luft, und
-man konnte die einzelnen Biester nicht mehr unterscheiden,
-und rings um sie herum stoben Haare
-und Sand. Und als sie fertig waren, da lagen
-mehrere tot da, andere humpelten verwundet
-davon und die übrigen saßen auf dem Schlachtfeld
-’rum. Die einen beleckten ihre Wunden, die
-anderen guckten zu uns empor, als ob sie uns
-einladen wollten, wir möchten doch ’runterkommen
-und den Spaß ein bißchen mitmachen. Aber wir
-dankten für den Spaß &ndash; wir brauchten keinen.</p>
-
-<p>Von Kleidern war nichts, aber auch rein
-gar nichts mehr vorhanden. Die Bestien hatten
-sie bis auf den letzten Fetzen verschlungen; und
-ich glaube, sie dürften ihnen nicht sonderlich gut<span class="pagenum"><a id="Seite_116"></a>[116]</span>
-bekommen sein, denn es waren eine beträchtliche
-Menge Messingknöpfe dran, und in den Taschen
-befanden sich Messer, Rauchtabak, Nägel, Kreide,
-Marmeln, Angelhaken und andere solche Sachen.
-Aber mir war’s einerlei. Nur das machte mich
-ein bißchen nachdenklich, daß wir jetzt bloß des
-Professors Kleider hatten. Die Auswahl war
-ja allerdings reich genug, aber die einzelnen
-Stücke waren nicht gerade danach gemacht, um mit
-ihnen in Gesellschaft zu gehen &ndash; für den Fall,
-daß wir einer begegnet wären. Denn die Hosen
-waren so lang wie Eisenbahntunnel und die Röcke
-usw. dementsprechend. Schließlich brauchten wir
-aber doch bloß ’nen Schneider, um das alles
-in Ordnung zu bringen, und Jim hatte so ’nen
-kleinen Begriff von der Schneiderkunst, und er
-sagte, er könnte uns wohl ein paar Anzüge zurecht
-machen, die uns einstweilen genügen würden.</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_117"></a>[117]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="Neuntes_Kapitel">Neuntes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Ehe wir weiter segelten, hatten wir aber
-noch ein kleines Geschäftchen zu besorgen, und
-zu diesem Zweck mußten wir doch mal den
-Löwen und Tigern ’nen Besuch abstatten. Der
-größere Teil von des Professors Mundvorrat bestand
-in Büchsenkonserven von einer gerade
-damals erfundenen neuen Art; der Rest war
-frisches Fleisch. Nun, wenn man Missouribeefsteak
-nach der Großen Sahara mitnimmt, so muß
-man ein bißchen vorsichtig damit umgehen und
-sich in den kühleren Luftschichten halten. Wir
-dachten daher bei uns selber, es wäre am besten,
-wenn wir die Löwenversammlung besuchten und
-mal sähen, was da zu machen wäre.</p>
-
-<p>Wir zogen die Strickleiter ein und ließen
-das Luftschiff sinken, bis wir gerade über den
-Bestien waren; dann ließen wir ein Tau mit ’ner
-Schlinge nieder und haspelten einen toten Löwen
-an Bord, einen kleinen zarten, und außer diesem
-noch einen jungen Tiger. Wir mußten die Versammlung
-mit dem Revolver in respektvoller Entfernung<span class="pagenum"><a id="Seite_118"></a>[118]</span>
-halten, sonst hätten die verehrlichen Tiere
-sich an dem Spaß beteiligt und uns ein bißchen
-geholfen.</p>
-
-<p>Wir schnitten uns von den beiden Tieren
-einen guten Vorrat herunter, zogen ihnen die
-Felle ab und warfen den Rest über Bord. Dann
-versahen wir einige von des Professors Angelhaken
-mit Ködern von dem frischen Fleisch und
-fingen an zu fischen. Wir schwebten gerade in
-der richtigen Entfernung über dem Seespiegel
-und fingen eine Menge von den reizendsten
-Fischen, die man sich nur denken kann. Nachher
-hatten wir ein ganz großartiges Abendessen:
-Löwensteak, Tigerschnitzel, gebackene Fische und
-warme Maiskuchen. Was Besseres verlange ich
-meiner Lebtage nicht.</p>
-
-<p>Zum Nachtisch hatten wir Obst. Dieses
-kriegten wir aus der Krone eines riesengroßen
-Baumes. Es war ein sehr schlanker Baum, der
-vom Fuß bis zum Wipfel nicht ’nen einzigen
-Ast hatte; oben aber brach er auseinander wie ein
-Flederwisch. Natürlich war’s ein Palmbaum;
-’nen Palmbaum kennt jedermann in der ersten
-Minute, wo er ihn sieht, nach den Abbildungen.<span class="pagenum"><a id="Seite_119"></a>[119]</span>
-Wir suchten in diesem Palmenwipfel nach Kokosnüssen
-&ndash; aber ’s gab keine, sondern da waren
-bloß große Bündel von ’ner Art von überlebensgroßen
-Weintrauben, aber es waren auch keine
-Trauben, sondern Datteln, wie Tom uns erklärte;
-denn die Beschreibungen in Tausend und einer
-Nacht und in den anderen Büchern, sagte er,
-paßten ganz genau auf sie. Natürlich konnten wir
-nicht wissen, ob’s wirklich welche waren; sie
-konnten ja auch giftig sein. Darum mußten wir
-denn ein Weilchen warten und aufpassen, ob die
-Vögel von diesen Früchten äßen. Sie taten’s,
-und darum taten wir’s auch und sie schmeckten
-über alle Maßen gut.</p>
-
-<p>Inzwischen waren riesengroße Vögel herangekommen
-und hatten sich auf den toten Bestien
-niedergelassen. Es waren freche Geschöpfe; sie
-zerrten ganz munter am einen Ende von ’nem
-toten Löwen, an dessen anderem ein andrer
-Löwe nagte. Wenn der Löwe den Vogel wegjagte,
-nützte ihm das auch nicht viel; sobald der Löwe
-wieder am Knabbern war, war auch der Vogel an
-seinem Ende schon wieder da.</p>
-
-<p>Es war seltsam und unnatürlich anzusehen,<span class="pagenum"><a id="Seite_120"></a>[120]</span>
-wie Löwen Löwenfleisch fraßen; wir dachten, vielleicht
-wären sie nicht miteinander verwandt, aber
-Jim sagte, das machte keinen Unterschied. Eine
-Sau, sagte er, fräße auch mit Vorliebe ihre eigenen
-Kinder, und ’ne Spinne machte es gerade so;
-und er meinte, vielleicht wäre auch ein Löwe
-annähernd ebenso grundsatzlos, wenn auch nicht
-ganz so schlimm. Ein Löwe würde wahrscheinlich
-nicht seinen eigenen Vater fressen &ndash; vorausgesetzt,
-daß er ihn erkannt hätte, &ndash; aber seinen
-Schwager z. B. würde er doch wohl verspeisen,
-wenn er ganz besonders hungrig wäre, und seine
-Schwiegermutter würde unter allen Umständen
-dran glauben müssen. Aber das alles waren
-Mutmaßungen, mit denen nichts bewiesen wurde.
-Man kann die Zeit berechnen, wann die Kuh
-nach Hause kommen muß &ndash; aber ob sie wirklich
-kommt, das ist ’ne andere Frage. Darum gaben
-wir’s denn auch auf und zerbrachen uns nicht
-länger den Kopf darüber.</p>
-
-<p>Für gewöhnlich war’s sehr still in diesen
-Wüstennächten, aber diesmal hatten wir Musik.
-Eine ganze Schar von anderen Tieren kam zum
-Mahl; schleichende Kläffer, die, wie Tom uns<span class="pagenum"><a id="Seite_121"></a>[121]</span>
-erklärte, Schakale waren, und andere, bucklige:
-Hyänen. Und diese ganze Gesellschaft unterhielt
-ein unaufhörliches Gebell. In dem Mondschein
-boten sie einen ganz eigenartigen Anblick. Wir
-hatten unser Luftschiff mit einem Seil an einem
-Baumwipfel festgemacht und brauchten deshalb
-keine Wache zu halten, sondern legten uns alle
-zum Schlafen hin. Aber zwei- oder dreimal
-war ich auf, um mir die Biester anzusehen und
-ihre Musik anzuhören. Ich saß sozusagen mit
-’nem Freibillet auf dem ersten Rang in ’ner
-Menagerie. Sowas war mir in meinem Leben
-noch nie passiert, und deshalb wäre es ja ’ne
-Dummheit gewesen zu schlafen und die Gelegenheit
-nicht nach Möglichkeit auszunutzen; denn wer
-konnte wissen, ob sie sich mir jemals wieder
-bieten würde?</p>
-
-<p>Mit dem Morgengrauen fingen wir wieder
-Fische; nachher faulenzten wir den ganzen Tag
-im tiefen Schatten einer Insel; indessen hielten
-wir abwechselnd Wache, damit nicht irgend ’ne
-Bestie uns auf den Hals käme und sich ’nen
-Erronauter zum Mittagessen holte. Wir hatten
-die Absicht, den nächsten Tag weiter zu fahren,<span class="pagenum"><a id="Seite_122"></a>[122]</span>
-konnten’s dann aber doch nicht übers Herz
-bringen &ndash; es war zu reizend!</p>
-
-<p>Als wir endlich am dritten Tag himmelwärts
-flogen und nach Osten davonsegelten, konnten wir
-die Augen nicht von dem lieblichen Ort wenden,
-bis er nur noch als ein kleines Fleckchen in der
-Wüste erschien, und ich kann versichern, uns war
-gerade so zu Mute, wie wenn wir auf Nimmerwiedersehen
-von einem lieben Freunde Abschied
-nähmen.</p>
-
-<p>Jim hatte schon ’ne Zeitlang nachdenklich
-vor sich hingeguckt; zuletzt sagte er:</p>
-
-<p>»Massa Tom, wir sein nu bald an die Ende
-von die Wüste, denken ich.«</p>
-
-<p>»Warum?«</p>
-
-<p>»Nu, das sagen uns doch bissel Vernunft!
-Sie weiß, wie lange wir schon über sie gondeln
-tun. Muß aus lauter Sand gemachen sein.
-Sand müssen ein Ende nehmen, denn wo sollen
-die viele Sand herkommen?«</p>
-
-<p>»Unsinn! ’s gibt Sand genug auf der Welt
-&ndash; darum brauchst du keine Sorgen zu haben!«</p>
-
-<p>»O, habben ich keine Sorgen nix, Massa
-Tom. Aber ich wundere mir. Die liebe Gott<span class="pagenum"><a id="Seite_123"></a>[123]</span>
-haben viele Sand, daran zweifle ich nix; aber
-ihm werden doch gewiß seine Sand nix <em class="gesperrt">verschwenden</em>!
-Un ich sagen: dies Wüste is
-nu viel groß genug, so wie sie sein, un größer
-können sie nix werden, wenn nix liebe Gott seine
-Sand verschwenden.«</p>
-
-<p>»O, laß dich begraben! Wir sind auf unserer
-Reise über die Wüste kaum erst ein hübsches Stück
-über den Anfang weg. Die Vereinigten Staaten
-sind ein recht tüchtig großes Land, nicht wahr?
-Nicht wahr, Huck?«</p>
-
-<p>»Ja,« sag’ ich, »größere Länder gibt’s überhaupt
-nicht, so viel ich weiß.«</p>
-
-<p>»Na, diese Wüste ist ungefähr so groß wie
-die Vereinigten Staaten, und wenn du sie oben
-auf unser Land legtest, so wäre von diesem nichts
-mehr zu sehen &ndash; gerad’ wie wenn du ’n Tuch
-drübergedeckt hättest. Ein kleines Eckchen würde
-da oben bei Maine ’rausgucken und auch im
-Nordwesten eins, und Florida würde herausragen
-wie’n Schildkrötenschwanz &ndash; aber das wäre
-alles. Vor’n paar Jahren haben wir ja Kalifornien
-den Mexikanern abgenommen; dieser Teil
-von der Pazifikküste ist also jetzt auch unser, und<span class="pagenum"><a id="Seite_124"></a>[124]</span>
-wenn ihr die Große Sahara so hinlegtet, daß ihr
-Rand genau am Stillen Ozean entlang liefe, so
-würde sie die ganzen Vereinigten Staaten bis
-New York bedecken und noch ein sechshundert
-Meilen breites Stück vom Altlantischen Ozean
-obendrein!«</p>
-
-<p>»O du himmlische Güte!« ruf’ ich. »Hast
-du das schwarz auf weiß gesehen, Tom Sawyer?«</p>
-
-<p>»Jawohl, ich kann’s dir sogar schwarz auf
-weiß zeigen. Sieh’ selber in diesem Buch nach.
-Mit der Wüste könntest du jeden Quadratzoll
-von den Vereinigten Staaten zudecken und unter
-den überschießenden Teil könntest du England,
-Schottland, Irland, Frankreich, Dänemark und
-Deutschland ’reinstopfen. Jawoll! Die Heimat
-der Braven und all die anderen Länder könntest
-du mit der Großen Sahara zudecken und hättest
-noch ’ne hübsche Menge Quadratmeilen reinen
-Sand über!«</p>
-
-<p>Wir unterhielten uns noch lange über die
-Ausdehnung der Wüste, und je mehr wir sie
-mit diesem und jenem und sonst ’nem Ding verglichen,
-desto nobler und gewaltiger und großartiger
-kam sie uns vor. Schließlich fand Tom<span class="pagenum"><a id="Seite_125"></a>[125]</span>
-aus seinen Zahlentabellen ’raus, daß sie genau
-so groß ist wie das chinesische Reich. Dann zeigte
-er uns, was für ’nen großen Raum das Kaiserreich
-China auf der Landkarte einnimmt und was
-für ein großes Stück von der ganzen Welt chinesisch
-ist. Man konnte sich’s wirklich kaum vorstellen,
-und ich rief unwillkürlich:</p>
-
-<p>»Ich hab’ ja von dieser Saharawüste schon
-oft sprechen hören, aber nie hab’ ich ’ne Ahnung
-gehabt, wie bedeutend sie ist!«</p>
-
-<p>»Bedeutend?« sagte Tom. »Die Sahara bedeutend!
-Ja, so reden die Leute! Wenn etwas
-groß ist, ist es bedeutend! Danach beurteilen
-sie alles; sie sehen immer bloß den Umfang.
-Nun, sieh dir mal England an. Das ist das
-allerbedeutendste Land auf der Welt; und dies
-Land könntest du in Chinas Westentasche stecken
-und nicht nur das &ndash; du würdest es in dieser
-Westentasche ’ne verflixt lange Zeit zu suchen
-haben, wenn du’s das nächste Mal brauchtest.
-Nun sieh dir auch mal Rußland an. Das dehnt
-sich nach allen Seiten aus und hat trotzdem auf
-dieser Welt nicht mehr zu bedeuten als Rhode
-Island, und du findest in ganz Rußland nicht<span class="pagenum"><a id="Seite_126"></a>[126]</span>
-halb so viel wie in Rhode Island, was des
-Suchens wert ist.«</p>
-
-<p>In der Ferne erblickten wir jetzt einen kleinen
-Hügel, der gerade am Ende der Welt stand. Tom
-unterbrach sich, griff ganz aufgeregt nach dem
-Fernrohr, sah hindurch und rief:</p>
-
-<p>»Das ist er &ndash; das ist ganz bestimmt gerade
-der, nach dem ich schon lange ausgeschaut habe!
-Ganz gewiß ist das der Berg, in den der Derwisch
-den Mann hineinführte, um ihm all die Schätze
-zu zeigen.«</p>
-
-<p>Wir guckten natürlich uns den Berg ganz
-genau an, und Tom begann uns die Geschichte
-davon zu erzählen, wie sie in Tausend und einer
-Nacht steht.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="Zehntes_Kapitel">Zehntes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Tom sagte, die Sache hätte sich folgendermaßen
-zugetragen:</p>
-
-<p>»Ein Derwisch wanderte durch die Wüste;
-es war ein sengend heißer Tag und er ging
-zu Fuß und hatte schon seine tausend Meilen<span class="pagenum"><a id="Seite_127"></a>[127]</span>
-hinter sich und war sehr arm und hungrig und
-abgerissen und müde, und hier in der Gegend,
-wo wir jetzt sind, begegnete er einem Kameltreiber
-mit hundert Kamelen und bat ihn um
-ein Almosen. Der Kameltreiber sagte aber, er
-möchte ihn entschuldigen, leider könnte er ihm
-nichts geben.</p>
-
-<p>»›Gehören dir denn nicht diese Kamele?‹
-fragte der Derwisch.</p>
-
-<p>»›Ja, sie gehören mir.‹</p>
-
-<p>»›Hast du Schulden?‹</p>
-
-<p>»›Wer &ndash; ich? Nein!‹</p>
-
-<p>»›Nun, ein Mann, der hundert Kamele besitzt
-und keine Schulden hat, der ist reich &ndash; und
-nicht nur reich, sondern sogar sehr reich. Nicht
-wahr?‹</p>
-
-<p>»Der Kameltreiber räumte ein, dies sei
-richtig. Da sagte der Derwisch:</p>
-
-<p>»›Gott hat dich reich gemacht und Er hat
-mich arm gemacht. Er hat Seine Gründe und sie
-sind weise &ndash; gesegnet sei Sein Name! Aber Er
-hat befohlen, daß Seine Reichen Seinen Armen
-helfen und du hast dich von mir, deinem Bruder,
-in seiner Not abgewandt; Er wird dir das gedenken<span class="pagenum"><a id="Seite_128"></a>[128]</span>
-und es wird zu deinem Schaden sein.‹</p>
-
-<p>»Dem Kameltreiber wurde unbehaglich zumute,
-als er diese Worte hörte; er war aber
-von Natur gewaltig aufs Geld erpicht und mochte
-nicht einen Cent missen. So begann er denn zu
-winseln und allerlei Entschuldigungen vorzubringen:
-es seien harte Zeiten, er habe zwar
-eine volle Ladung nach Balsora zu befördern,
-und bekomme dafür ein schönes Stück Geld, aber
-er könne in Balsora keine Rückfracht erhalten und
-darum werde seine Reise ihm nichts Rechtes einbringen.
-So machte denn der Derwisch sich wieder
-auf seinen Weg und sagte zum Abschied bloß:</p>
-
-<p>»›Na, meinetwegen &ndash; wenn du’s riskieren
-willst. Aber ich glaube, diesmal hast du ’nen
-Irrtum gemacht und ’ne gute Gelegenheit verpaßt.‹</p>
-
-<p>»Natürlich wollte nun der Kameltreiber
-wissen, was für ’ne Gelegenheit er verpaßt
-hätte, denn es hätte ja Geld dabei zu verdienen
-sein können. Er lief daher dem Derwisch nach
-und bat ihn so lange und so inständig, er möchte
-doch Mitleid mit ihm haben, daß der Derwisch
-zuletzt nachgab und sagte:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_129"></a>[129]</span></p>
-
-<p>»›Siehst du den Berg dort hinten? In
-jenem Berge sind alle Schätze der Erde, und
-ich suchte gerade einen Mann mit einem recht
-guten milden Herzen und einem edlen hochsinnigen
-Charakter; denn wenn ich so einen Mann
-finden könnte, so hab’ ich hier ’ne Salbe bei
-mir, die ich auf seine Augen streichen würde;
-er könnte dann alle Schätze sehen und sie aus
-dem Berge hervorholen.‹</p>
-
-<p>»Da kam der Kameltreiber in riesige Aufregung;
-er weinte und bat und ließ nicht nach,
-warf sich auf seine Kniee nieder und rief, er sei
-gerade so ein Mann, wie ihn der Derwisch suche,
-und er könne tausend Zeugen beibringen, die alle
-bestätigen würden, daß die Beschreibung ganz
-über alle Maßen genau auf ihn zutreffe.</p>
-
-<p>»›Nun, dann meinetwegen!‹ sagte der Derwisch.
-›Wenn wir deine hundert Kamele beladen,
-kann ich dann die Hälfte von ihnen abbekommen?‹</p>
-
-<p>»Der Kameltreiber war so vergnügt, daß
-er kaum an sich halten konnte; und er rief:</p>
-
-<p>»›Das soll ein Wort sein!‹</p>
-
-<p>»Sie schüttelten sich also zur Bekräftigung<span class="pagenum"><a id="Seite_130"></a>[130]</span>
-des Handels die Hände, und der Derwisch holte
-seine Büchse heraus und rieb dem Kameltreiber
-mit der Salbe das rechte Auge ein: Da tat sich
-der Berg auf und er ging hinein, und richtig &ndash;
-da lagen Haufen neben Haufen, Goldstücke und
-Juwelen, die funkelten, wie wenn alle Sterne
-vom Himmel heruntergefallen wären.</p>
-
-<p>»Der Derwisch und der Kameltreiber machten
-sich nun fix an die Arbeit und beluden jedes
-Kamel mit einer Last, so schwer es sie nur zu
-tragen vermochte; dann nahmen sie Abschied von
-einander und jeder von ihnen zog mit seinen
-fünfzig von dannen. Aber es dauerte nur einen
-ganz kleinen Augenblick, da kam der Kameltreiber
-dem Derwisch nachgelaufen, holte ihn ein und
-sagte:</p>
-
-<p>»›Du lebst ja doch eigentlich nicht unter den
-Menschen und darum brauchst du wirklich nicht
-all die Schätze, die du gekriegt hast. Willst du
-nicht so gut sein, mir zehn von deinen Kamelen
-abzulassen?‹</p>
-
-<p>»›Na,‹ sagt der Derwisch, ›was du da sagst,
-ist ja ganz vernünftig; dagegen kann ich nichts
-einwenden.<span class="pagenum"><a id="Seite_131"></a>[131]</span>‹</p>
-
-<p>»Er tat es also; sie nahmen wiederum Abschied,
-und der Derwisch zog mit seinen vierzig
-weiter. Aber gleich darauf läuft der Kameltreiber
-wieder mit Halloh hinter ihm her und fängt an zu
-winseln und zu betteln, er möchte ihm doch noch
-zehn Kamele geben, denn mit dreißig Kamelladungen
-Gold und Juwelen könnte ein Derwisch
-sich ganz gut durchs Leben schlagen. Bekanntlich
-leben ja die Derwische sehr einfach und haben
-keine eigene Wohnung, sondern ziehen in der Welt
-’rum und quartieren sich bald hier bald dort ein.</p>
-
-<p>»Aber damit war’s noch nicht zu Ende. Der
-gemeine Hund kam immer und immer wieder, bis
-er sich alle Kamele zusammengebettelt hatte und
-die sämtlichen hundert besaß. Dann war er zufrieden
-und sogar riesig dankbar und sagte, er
-wollte es dem Derwisch sein Lebenlang nicht vergessen,
-und niemand sei je zuvor so gut gegen
-ihn gewesen und so freigebig; so schüttelten sie
-sich denn die Hände, sagten sich Lebewohl und
-gingen auseinander, der eine hierhin und der
-andere dorthin.</p>
-
-<p>»Aber wißt ihr &ndash; es waren noch keine zehn
-Minuten verstrichen, da war der Kameltreiber<span class="pagenum"><a id="Seite_132"></a>[132]</span>
-schon wieder unzufrieden &ndash; er war das allergemeinste
-Reptil in sieben Grafschaften &ndash; und
-kam wieder hinter dem Derwisch hergerannt. Und
-diesmal wünschte er, der Derwisch solle ihm auch
-auf sein anderes Auge ein bißchen von der Salbe
-streichen.</p>
-
-<p>»›Warum?‹ fragte der Derwisch.</p>
-
-<p>»›O! Du weißt schon!‹ antwortete der Kameltreiber.</p>
-
-<p>»›Was denn?‹</p>
-
-<p>»›Na, mir kannst du nichts weismachen!‹ sagt
-der andere. ›Du möchtest mir irgendwas verheimlichen,
-das weißt du selber recht gut. Ich
-denke mir aber, wenn ich die Salbe auch auf dem
-anderen Auge hätte, so könnte ich ’ne ganze Menge
-noch viel wertvollere Sachen sehn. Also bitte &ndash;
-streich’ sie mir auf!‹</p>
-
-<p>»Sagt der Derwisch:</p>
-
-<p>»›Ich habe dir nicht das allergeringste verhehlt.
-Aber ich will dir sagen, was dir geschehen
-würde, wenn ich dir die Salbe auf das linke
-Auge striche: du würdest niemals wieder sehen
-können &ndash; du wärest stockblind bis ans Ende
-deiner Tage.<span class="pagenum"><a id="Seite_133"></a>[133]</span>‹</p>
-
-<p>»Aber, versteht ihr, das Biest wollte ihm
-nicht glauben. Nein, er bettelte und bettelte und
-winselte und flennte, bis zuguterletzt der Derwisch
-seine Büchse aufmachte und ihm sagte, er möchte
-sich die Salbe selbst aufstreichen, wenn er’s durchaus
-wollte. Der Mann tat es und richtig &ndash;
-in Zeit von ’ner Minute war er so blind wie ’n
-Maulwurf.</p>
-
-<p>»Da lachte der Derwisch ihn aus und verhöhnte
-ihn und sagte:</p>
-
-<p>»›Leb wohl! Ein Blinder braucht kein Gold
-und keine Juwelen.‹</p>
-
-<p>»Dann machte er sich mit seinen hundert
-Kamelen davon und der Blinde mußte arm und
-elend und hilflos bis an sein Lebensende in der
-Wüste umherirren.«</p>
-
-<p>Jim sagte, er wollte wetten, das wäre ’ne
-gute Lehre für ihn gewesen.</p>
-
-<p>»Ja,« sagte Tom, »und ’ne Lehre, wie’s
-die allermeisten sind, die man kriegt. Sie nützen
-einem nichts, weil derselbe Vorfall einem niemals
-wieder passieren wird, ja gar nicht passieren kann.
-Als damals Hen Scovil den Schornstein ’runterfiel
-und sich das Rückgrat brach, daß er für<span class="pagenum"><a id="Seite_134"></a>[134]</span>
-immer krumm blieb, da sagte ein jeder, es würde
-’ne Lehre für ihn sein. Was für ’ne Lehre denn?
-Was konnte er mit der Lehre anfangen? Er
-konnte nicht mehr in Schornsteine ’raufkriechen
-und hatte kein Rückgrat mehr zu brechen.«</p>
-
-<p>»Aber einerlei, Massa Tom, es sein doch
-was Wahres dran, daß eine von die Erfahrung
-klug werden. In die Gute Buch stehen: die gebrannte
-Kind tun den Feuer scheuen.«</p>
-
-<p>»Nu ja, ich leugne ja nicht, daß etwas ’ne
-gute Lehre sein kann, wenn’s was ist, was zweimal
-passieren kann. Es gibt ’ne Masse solche Sachen,
-und dadurch gerade wird ’n Mensch erzogen, wie
-Onkel Abner immer zu sagen pflegte; aber es
-gibt vierzig Millionen Sachen von der andern
-Sorte &ndash; Sachen, die nie sich zweimal auf dieselbe
-Weise zutragen &ndash; und die haben absolut keinen
-reellen Wert, die lehren einen Menschen genau
-so wenig, wie wenn er die Pocken kriegt. Wenn
-man sie mal erst hat, so nützt es einem nichts, daß
-es einem klar wird, man hätte sich sollen impfen
-lassen; und sich nachträglich impfen zu lassen,
-hat auch keinen Zweck, weil man die Pocken bloß
-einmal kriegt. Andererseits, sagte Onkel Abner,<span class="pagenum"><a id="Seite_135"></a>[135]</span>
-lernt einer, der mal ’nen Bullen an den Schwanz
-gefaßt hat, sechzig- oder siebzigmal so viel wie
-einer, der das nicht getan hat, und einer, der
-mal ’ne Katze am Schwanz nach Hause gezerrt
-hätte, sagte Onkel Abner, der lernte dadurch
-allerlei, was ihm mal von Nutzen sein würde und
-was sich nie in seiner Erinnerung verwischen
-würde. Aber ich kann dir sagen, Jim: auf <em class="gesperrt">die</em>
-Leute, die aus allem immer ’ne Lehre ziehen
-wollen, auf die war Onkel Abner nicht gut zu
-sprechen; denn es wäre doch nicht einerlei,
-ob&nbsp;…«</p>
-
-<p>Aber Jim war eingeschlafen. Tom guckte
-ein bißchen verlegen drein, denn es ist ja immer
-ein unangenehmes Gefühl, wenn man etwas ganz
-besonders Schönes sagt und wenn man denkt, der
-andere hört ganz andächtig und bewundernd zu,
-und wenn dann der andere ganz mir nichts dir
-nichts einschläft. Natürlich hätte er nicht einschlafen
-sollen &ndash; denn das ist schäbig; aber je schöner
-jemand redet, desto sicherer schläfert er den anderen
-damit ein, und wenn man sich die Sache
-richtig überlegt, so hat eigentlich keiner von
-ihnen schuld &ndash; oder sie haben alle beide schuld.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_136"></a>[136]</span></p>
-
-<p>Auf einmal fing Jim an zu schnarchen &ndash;
-zuerst sanft und süß, dann ein langes Sägen,
-hierauf ein noch stärkeres und dann ein halbes
-Dutzend ganz fürchterliche Schnarcher, wie wenn
-in ’ner Badewanne der letzte Rest Wasser in das
-Abflußloch hineingesaugt wird &ndash; hierauf dieses
-letzte halbe Dutzend noch einmal, aber noch stärker
-und mit etlichen Schnörkeln verziert, wie wenn
-’ne Kuh in den letzten Zügen liegt &ndash; und wenn
-ein Mensch <em class="gesperrt">so</em> schnarcht, so hat er den Höhepunkt
-der Leistung erreicht und kann einen aufwecken,
-der in der nächsten Straße mit ’nem
-Eimer voll Opium im Leibe schläft, aber er
-selber wacht nicht auf, obwohl der ganze gräßliche
-Spektakel keine drei Zoll von seinen Ohren
-entfernt ist. Und das ist, wie mich dünkt, das
-Allersonderbarste dabei. Aber reibe ein Streichholz
-an, um das Licht anzuzünden, und dieses
-leise Geräusch wird ihm in die Glieder fahren!
-Ich möchte wohl wissen, was der Grund hiervon
-ist, aber der läßt sich, wie’s scheint, nicht feststellen.</p>
-
-<p>Unser Jim schnarchte also, daß er die ganze
-Wüste in Aufruhr brachte; auf Meilen in der
-Runde stürzten die wilden Tiere aus ihren<span class="pagenum"><a id="Seite_137"></a>[137]</span>
-Schlupfwinkeln hervor, um zu sehen, was denn
-da oben in der Luft los sei; kein Mensch und kein
-Tier und kein Ding war dem Lärm so nahe
-wie Jim selber, und doch war er in der ganzen
-Gegend das einzige Geschöpf, das sich nicht dadurch
-stören ließ. Wir schrieen und brüllten ihn
-an &ndash; nützte alles nichts; aber sowie ein leises
-ungewohntes Geräusch gemacht wurde, da wachte
-er auf. Wahrhaftig, ich habe mir den Kopf
-darüber zerbrochen und Tom auch, aber wir
-haben’s nicht herausbringen können, warum ein
-Schnarcher sich nicht schnarchen hört.</p>
-
-<p>Jim sagte, er habe nicht geschlafen; er habe
-bloß die Augen zugemacht, um besser zuhören
-zu können.</p>
-
-<p>Tom sagte, ihm hätte ja niemand einen Vorwurf
-gemacht.</p>
-
-<p>Da machte Jim ein Gesicht, wie wenn er
-wünschte, er hätte lieber gar nichts gesagt. Und
-ich glaube, er wollte die Unterhaltung auf was
-anderes bringen, denn auf einmal fing er an,
-über den Kameltreiber herzuziehen. Er ließ kein
-gutes Haar an ihm, und ich mußte ihm recht
-geben; und den Derwisch erhob er bis in den<span class="pagenum"><a id="Seite_138"></a>[138]</span>
-siebenten Himmel, und auch darin mußte ich ihm
-beistimmen. Tom aber sagte:</p>
-
-<p>»Das weiß ich denn doch nicht so gewiß.
-Ihr nennt den Derwisch so fürchterlich freigebig
-und gut und selbstlos &ndash; aber ich bin davon
-nicht so ganz überzeugt. Er suchte in der Wüste
-nicht nach ’nem andern armen Derwisch, nicht
-wahr? Oder? Nee, fiel ihm gar nicht ein.
-Wenn er so selbstlos war &ndash; warum ging er nicht
-einfach selber in den Berg, nahm ’ne Tasche
-voll Juwelen ’raus und ging damit zufrieden
-weiter? Aber nein &ndash; was er suchte, das war
-ein Mann mit hundert Kamelen. Er wollte so
-viele Schätze fortschleppen, wie er nur irgend
-konnte.«</p>
-
-<p>»Abers, Massa Tom, ihm wollten doch teilen
-&ndash; ehrliche halb und halb! ihm wollten
-bloß fufzig Kamele haben!«</p>
-
-<p>»Weil er wußte, daß er sie schließlich doch
-alle hundert kriegen würde.«</p>
-
-<p>»Massa Tom, er sagten abers zu die Mann,
-das Salbe täte ihm blind machen tun!«</p>
-
-<p>»Ja, weil er den Charakter des Mannes
-kannte. Es war gerade die Sorte von ’nem<span class="pagenum"><a id="Seite_139"></a>[139]</span>
-Mann, wonach er gesucht hatte &ndash; ein Mann,
-der nie an eines andern Wort oder Ehrlichkeit
-glaubt, weil er selber gar nicht weiß, was ein
-wahres ehrliches Wort ist. Ich glaube, es gibt
-viele Leute, die’s genau so machen, wie dieser Derwisch.
-Sie gaunern nach rechts und nach links,
-aber richten es immer so ein, daß es so aussieht,
-als ob gerade der andere der Gauner sei. Sie
-bleiben stets innerhalb des Buchstabens der Gesetze,
-und darum kann man sie nie erwischen.
-<em class="gesperrt">Sie</em> legen nicht die Salbe auf &ndash; o nein! Das
-wäre ja Sünde! Aber sie wissen den anderen
-so an der Nase zu führen, daß er sich selber
-damit beschmiert &ndash; und dann hat er sich eben
-selber blind gemacht. Ich glaube, der Derwisch
-und der Kameltreiber waren ein edles Brüderpaar:
-ein schlauer, gerissener, verschmitzter Schurke
-und ein plumper, roher, unwissender &ndash; aber
-Schurken alle beide, der eine wie der andere!«</p>
-
-<p>»Massa Tom, glauben Sie, daß es auf diese
-Welt noch so ein Salben geben tun?«</p>
-
-<p>»Ja, Onkel Abner sagt, es gibt welche. In
-New York, sagt er, haben sie sie und sie schmieren
-sie dem Landvolk auf die Augen und zeigen ihnen<span class="pagenum"><a id="Seite_140"></a>[140]</span>
-alle Eisenbahnen von der Welt und sie fallen
-drauf ’rein und schaffen sie ’ran; und dann reiben
-sie sich auch das andere Auge mit der Salbe ein
-und der kluge Mann sagt ihnen Adieu und geht
-mit ihren Eisenbahnen ab. Na, hier sind wir
-beim Schatzberg! Tiefer mit dem Ballon!«</p>
-
-<p>Wir landeten, aber es war nicht so interessant,
-wie ich erwartet hatte, weil wir nämlich
-die Stelle nicht finden konnten, wo sie ’reingegangen
-waren, um die Schätze zu holen. Immerhin
-war es noch sehr interessant, auch nur den
-Berg zu sehen, wo eine so wunderbare Geschichte
-sich zugetragen hatte. Jim sagte, er hätte nicht
-für drei Dollars bei dem Berg vorbeifahren mögen,
-ohne sich ihn näher anzusehen, und ich war ganz
-derselben Meinung.</p>
-
-<p>Aber das Allerwundervollste war für mich
-und Jim, wie Tom in so’n großes fremdes Land
-kam wie dies und einfach geradeswegs auf so ’nen
-kleinen Steinhaufen lossegeln und ihn in ’ner
-Minute aus ’ner Million von anderen geradeso
-aussehenden Bergen ’rauskennen konnte,
-und ohne irgend welche fremde Hilfe, bloß durch
-sein eigenes Wissen und seine eigene Schläue.<span class="pagenum"><a id="Seite_141"></a>[141]</span>
-Wir besprachen das lange Zeit, konnten aber
-nicht ’rausbringen, wie er’s anfing. Er hatte
-den besten Kopf, den ich je gesehen, und ihm
-fehlte weiter nichts als das richtige Alter, um
-sich ’nen Namen zu machen wie Kapitän Kidd,
-der große Seeräuber, oder George Washington.
-Ich will wetten, die wären alle beide in ’ner
-häßlichen Verlegenheit gewesen &ndash; trotz all ihrer
-Klugheit &ndash; wenn sie den Berg hätten ausfindig
-machen sollen. Aber für Tom Sawyer war das
-ganz und gar nichts; der ging quer über die
-Sahara drauf los und tippte ihn mit dem Finger
-an &ndash; so leicht, wie man ’nen Nigger aus ’nem
-Haufen Engelein ’rauskennen würde.</p>
-
-<p>Ganz in der Nähe fanden wir einen Salzwasserteich,
-von dessen Rändern wir einen Vorrat
-Salz einsammelten; damit rieben wir die Löwen-
-und die Tigerhaut ein, so daß sie sich halten
-konnten, bis Jim Zeit kriegte, sie richtig zu gerben.</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_142"></a>[142]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="Elftes_Kapitel">Elftes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Einen Tag oder zwei strolchten wir nach unserem
-Behagen in den Lüften herum, und dann,
-gerade als der Vollmond den Erdboden auf der
-anderen Seite der Wüste berührte, sahen wir eine
-Reihe von kleinen schwarzen Gestalten quer an der
-großen silberglänzenden Scheibe vorüberziehen.
-Man sah sie so deutlich, wie wenn sie mit Tinte
-auf den Mond aufgezeichnet gewesen wären. Es
-war wieder ’ne Karawane. Wir stellten unseren
-Apparat auf mäßige Geschwindigkeit und fuhren
-hinter ihr her, bloß um ein bißchen Gesellschaft
-zu haben, obwohl wir dadurch eigentlich von unserem
-Wege abkamen. Diese Karawane war ein
-ganz mächtig großes Ding und ein großartiger
-Anblick war’s am andern Morgen, als die Sonne
-flammend über die Wüste schien und die langen
-Schatten der Kamele langbeinig-knickebeinig in
-Prozession über den goldenen Sand hinmarschierten.
-Wir kamen der Karawane niemals ganz
-nahe, weil wir mit solchen Sachen jetzt besser
-Bescheid wußten und nicht mehr friedfertigen Leuten
-die Kamele bange machen und ihre Karawane<span class="pagenum"><a id="Seite_143"></a>[143]</span>
-in Unordnung bringen wollten. Es war der
-bunteste lustigste Zug, den man sich nur denken
-kann, alles in reichen Gewändern und fein herausgeputzt.
-Einige von den Häuptlingen ritten auf
-Dromedaren; es waren die ersten, die wir je in
-unserem Leben sahen, und mächtig große Viecher,
-die wie auf Stelzen gehen und den Mann, der
-auf ihnen sitzt, beträchtlich schütteln und ihm das
-Essen, das er im Leibe hat, ganz gehörig durcheinander
-rütteln; aber sie reiten ein ganz famoses
-Tempo und ein Kamel kann es an Schnelligkeit
-auch nicht annähernd mit ihnen aufnehmen.</p>
-
-<p>Den mittleren Teil des Tages über hielt die
-Karawane Lagerruhe; in den Nachmittagsstunden
-zog sie weiter. Es dauerte nicht lange, so fing
-die Sonne an, ganz merkwürdig auszusehen &ndash;
-erst wie Messing, dann wie Kupfer und schließlich
-wie eine blutrote Kugel; die Luft wurde heiß
-und beklemmend und im Nu war der ganze westliche
-Himmel verdunkelt und dunstig, daß es ganz
-fürchterlich anzusehen war &ndash; so wie wenn man
-ihn durch ’nen roten Glasscherben ansieht. Wir
-sahen ’runter und bemerkten, daß in der Karawane
-ein großer Wirrwarr herrschte, ein Hin-<span class="pagenum"><a id="Seite_144"></a>[144]</span>
-und Herlaufen, wie wenn die Leute eine entsetzliche
-Angst hätten. Und auf einmal warfen
-Menschen und Tiere sich platt auf den Boden
-nieder und lagen da vollständig still.</p>
-
-<p>Gleich darauf sahen wir etwas herankommen.
-das sah aus wie eine riesig hohe Wand, und
-reichte von der Wüste in den Himmel empor,
-daß die Sonne dahinter verschwand, und es kam
-heran wie ein heiliges Donnerwetter. Dann wehte
-eine ganz schwache Brise uns an, dann wurde der
-Wind stärker und auf einmal flogen Sandkörner
-uns in’s Gesicht, die brannten uns wie Feuerfunken,
-und Tom schrie auf:</p>
-
-<p>»’s ist ein Sandsturm &ndash; dreht ihm den
-Rücken zu!«</p>
-
-<p>Das taten wir; und ’ne Minute später blies
-es uns an wie ein Orkan und der Sand flog
-wie mit Schaufeln geworfen gegen uns an, und
-die Luft war so dick, daß wir überhaupt nichts
-mehr sehen konnten. Binnen fünf Minuten war
-unser Luftschiff bis an den Rand voll, und wir
-saßen auf unseren Bänken, bis ans Knie in Sand
-begraben, und bloß unsere Köpfe guckten oben
-’raus und wir konnten kaum noch Luft kriegen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_145"></a>[145]</span></p>
-
-<p>Dann wurde der Sturm schwächer und der
-Sand dünner und wir sahen, daß die ungeheure
-Wand quer über die Wüste weitersegelte &ndash; und
-es war fürchterlich anzusehen, das kann man mir
-wohl glauben! Wir wühlten uns aus dem
-Sand ’raus und sahen nach der Erde hinunter
-&ndash; und an der Stelle, wo vorher die Karawane
-gewesen war, da war jetzt gar nichts mehr als
-bloß der Sandozean, und alles war still und ruhig.
-All die Menschen und Kamele waren erstickt und
-tot und begraben &ndash; begraben unter einer Sandschicht,
-die nach unserer Schätzung zehn Fuß tief
-sein mußte, und Tom meinte, es könnte Jahre
-dauern, ehe der Wind sie wieder bloßlegte, und all
-die Zeit über würden ihre Freunde nicht wissen,
-was aus der Karawane geworden wäre. Und
-Tom sagte:</p>
-
-<p>»Jetzt wissen wir auch, was den Leuten
-passiert war, denen wir die Säbel und Pistolen
-abnahmen.«</p>
-
-<p>Ja, so verhielt sich’s ganz genau &ndash; das war
-uns jetzt so klar wie der helle Tag. Sie wurden
-in einem Sandsturm begraben, und die wilden
-Tiere konnten nicht an sie ’rankommen, und der<span class="pagenum"><a id="Seite_146"></a>[146]</span>
-Wind deckte sie nicht eher wieder auf, als bis
-sie zu lederartigen Mumien vertrocknet und nicht
-mehr zu essen waren. Mir war’s damals so vorgekommen,
-als sei uns das Schicksal jener armen
-Menschen so tief zu Herzen gegangen und habe uns
-so traurig gemacht, wie sich’s nur denken läßt &ndash;
-aber das war ein Irrtum von uns: der Untergang
-dieser zweiten Karawane ging uns tiefer
-zu Herzen, <em class="gesperrt">viel</em> tiefer! Nun, das kam davon,
-daß die andern eben völlige Fremde für uns gewesen
-waren; so hatten wir denn gar nicht das
-Gefühl gehabt, als seien wir überhaupt mit ihnen
-bekannt gewesen &ndash; ausgenommen vielleicht ein
-bißchen mit dem Mann, der das Mädchen in seinen
-Armen zu schützen gesucht hatte. Aber mit dieser
-letzten Karawane war es ganz was anderes!
-Wir hatten eine ganze Nacht und beinahe einen
-vollen Tag um sie herumgeschwebt, und da hatten
-wir ein wirklich freundschaftliches Gefühl für sie
-gefaßt; sie waren für uns Bekannte geworden.
-Ich habe die Beobachtung gemacht, daß es kein
-besseres Mittel gibt, herauszufinden, ob Leute
-einem lieb oder zuwider sind, als daß man mit
-ihnen zusammen eine Reise macht. Genau so<span class="pagenum"><a id="Seite_147"></a>[147]</span>
-ging es uns mit diesen. Sie gefielen uns
-eigentlich gleich von Anfang an, und im Verlauf
-der Reise gewannen wir sie wirklich lieb. Je
-länger die Reise dauerte, und je mehr wir mit
-ihren Manieren vertraut wurden, desto besser
-gefielen sie uns und desto größer wurde unsere
-Freude, daß wir sie getroffen hatten. Einige
-von ihnen kannten wir bald so genau, daß wir
-sie bei ihren Namen nannten, wenn wir von
-ihnen sprachen, und wir gingen schließlich so vertraulich
-mit ihnen um, daß wir sogar das ›Herr‹
-oder ›Fräulein‹ fortließen und einfach ihre Namen
-nannten, wenn wir von ihnen sprachen; und
-das klang ganz und gar nicht unhöflich, sondern
-im Gegenteil ganz natürlich. Selbstverständlich
-waren es nicht ihre richtigen Namen,
-sondern die Namen, die wir ihnen beigelegt
-hatten. Da war Herr Alexander Robinson und
-Fräulein Adaline Robinson, Oberst Jacob Mc
-Dougal und Fräulein Harriet Mc Dougal und
-Richter Jeremiah Butler und der junge Buschrod
-Butler, und diese Herrschaften waren meistens
-große Häuptlinge mit prachtvollen großen Turbanen
-und Handscharen, und angezogen wie der<span class="pagenum"><a id="Seite_148"></a>[148]</span>
-Groß-Mogul, nebst ihren Familienmitgliedern.
-Aber sobald wir sie recht kannten, und sie so gern
-hatten, da gab’s für uns kein ›Herr‹, ›Richter‹
-oder dergleichen mehr, sondern bloß Alex und
-Addy und Jake und Nattie, Jerry, Buck usw.</p>
-
-<p>Als sie ihr Lager aufschlugen, da hielten
-auch wir unmittelbar über ihnen still, tausend
-oder zwölfhundert Fuß hoch in der Luft. Als
-sie ihre Mahlzeit verzehrten, da speisten wir
-auch, und es war wirklich ein behagliches Gefühl,
-uns dabei in ihrer Gesellschaft zu wissen.
-Während der Nacht feierten sie eine Hochzeit,
-und Buck und Addy wurden miteinander verheiratet;
-da putzten wir uns zur Feier dieses festlichen
-Anlasses mit des Professors schönsten Kleidern
-heraus, und als bei ihnen das Tanzen
-losging, da schwangen wir oben in unserer
-Höhe auch ein bißchen das Tanzbein.</p>
-
-<p>Aber am allernächsten werden die Menschen
-doch durch Kummer und Leid zusammengebracht,
-und so ging es auch uns, als sie am nächsten
-Morgen in der ersten Dämmerung einen begruben.
-Wir wußten nicht, wer der Abgeschiedene
-war, und er war ja nicht mit uns verwandt,<span class="pagenum"><a id="Seite_149"></a>[149]</span>
-aber das machte gar keinen Unterschied;
-er gehörte zur Karawane &ndash; das genügte, und
-es wurden keine aufrichtigeren Tränen über
-seinem Grabe vergossen, als die unsrigen, die aus
-einer Höhe von elfhundert Fuß herabfielen.</p>
-
-<p>Ja, der Abschied auf ewig, den wir von
-dieser Karawane nahmen, war viel bitterer, als
-der Abschied von jenen anderen Toten, die im
-Vergleich mit diesen nur Fremde für uns waren,
-und die zudem schon so lange tot waren.
-Aber diese hatten wir bei Lebzeiten gekannt und
-hatten sie gern gehabt &ndash; und nun kam der
-grimmige Tod und riß sie vor unsern Augen
-weg und wir blieben mitten in der großen Wüste
-so einsam und verwaist &ndash; das tat uns so weh
-und wir wünschten, wir möchten auf unserer Reise
-lieber gar keine Freunde mehr gewinnen, wenn
-wir sie auf solche Art wieder verlieren sollten.</p>
-
-<p>Als wir am nächsten Morgen erwachten,
-war’s uns ein bißchen fröhlicher ums Herz;
-denn wir hatten großartig gut geschlafen, weil
-Sand das allerbequemste Bett auf der ganzen Welt
-ist, und ich begreife nicht, warum Leute, die’s
-haben können, sich nicht eine solche Ruhestatt<span class="pagenum"><a id="Seite_150"></a>[150]</span>
-leisten. Außerdem ist Sand auch ein schrecklich
-guter Ballast; unser Ballon war nie zuvor so
-ruhig gesegelt wie jetzt.</p>
-
-<p>Tom meinte, wir hätten wohl zwanzig
-Tonnen Sand an Bord, und dachte darüber nach,
-was wir wohl am besten damit anfangen könnten;
-es war guter Sand und es schien uns unvernünftig
-zu sein, ihn fortzuschmeißen. Da sagte Jim:</p>
-
-<p>»Massa Tom, können wir nix mit ihm zu
-Hause nehmen un die Sand verkaufen? Wie
-große Zeit brauchen wir zu die Reise?«</p>
-
-<p>»Das kommt auf den Weg an, den wir
-fahren.«</p>
-
-<p>»Nu, Massa Tom, die Sand is zu Haus
-mehr als eine Viertel Dollar for die Wagenladung
-wert, un ich glauben, wir haben zu ’s
-allermindeste zwanzig Wagenladungen. Wieviel
-würden die machen?«</p>
-
-<p>»Fünf Dollars.«</p>
-
-<p>»Bei Jingo, Massa Tom, laß Sie uns auf
-die Stelle zu Haus reisen! Das machen ja mehr
-als annerthalb Dollars auf jede von unsere drei
-Köpf &ndash; nich?«</p>
-
-<p>»Ja.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_151"></a>[151]</span></p>
-
-<p>»Na! Das is doch so leicht Geld verdient,
-wie ich in meine Leben nie nix erleben tun!
-Die Sand is ja bloß so ’reingeregnet &ndash; kost
-uns nix ’n bissel Arbeit. Laß Sie uns gleich
-hinfahren, Massa Tom!«</p>
-
-<p>Aber Tom dachte nach und rechnete so eifrig
-und so aufgeregt, wie ich ihn nie gesehen habe.
-Und nach ’nem kleinen Augenblick sagte er:</p>
-
-<p>»Fünf Dollars &ndash; pah! Hört mal zu: dieser
-Sand ist wert … wert … na, er ist ’n ganz
-kolossalen Haufen Geld wert!«</p>
-
-<p>»Wie denn, Massa Tom? Erzähl Sie,
-süßes Herrchen, erzähl Sie!«</p>
-
-<p>»Na &ndash; sobald die Leute wissen, ’s ist <em class="gesperrt">echter</em>
-Sand aus der <em class="gesperrt">echten</em> Wüste Sahara, da werden
-sie sich sofort in den Kopf setzen, sich ein bißchen
-davon zu verschaffen und es als Kuriosität in ’ner
-Phiole mit ’nem Zettel dran auf den Nippstisch
-zu stellen. Wir brauchen nichts weiter zu
-tun, als ihn in Phiolen zu füllen, über den
-ganzen Vereinigten Staaten ’rumzugondeln und
-ihn zu zehn Cents das Stück zu verhökern. Wir
-haben in unserem Schiff für mindestens zehntausend
-Dollars Sand!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_152"></a>[152]</span></p>
-
-<p>Ich und Jim sprangen vor Freuden beinahe
-in Stücke und sangen: »Hupjamborihu!«
-und Tom sagte:</p>
-
-<p>»Und wir brauchen ja bloß wieder zurückzusegeln
-und neuen Sand zu holen und das immer
-fortzusetzen, bis wir zuletzt die ganze Wüste
-’rübergeschafft und phiolenweise verkauft haben;
-und Konkurrenz brauchen wir nicht zu befürchten,
-denn wir lassen uns einfach ein Patent darauf
-geben.«</p>
-
-<p>»Himmlische Güte!« rief ich. »Wir werden
-ja so reich sein wie Kreosot &ndash; was, Tom?«</p>
-
-<p>»Ja &ndash; wie Kresus, meinst du. Hört mal &ndash;
-der Derwisch suchte in jenem kleinen Berg nach
-den Schätzen der ganzen Welt und wußte nicht,
-daß er tausend Meilen weit auf lauter wirklichen
-Schätzen gegangen war. Er war blinder
-als der Kameltreiber durch ihn wurde!«</p>
-
-<p>»Massa Tom &ndash; wie sehr reich, mein’ Sie,
-daß wir werden tun?«</p>
-
-<p>»Ja, das weiß ich noch nicht. Das muß
-erst ausgerechnet werden &ndash; und das ist gar nicht
-so leicht, denn es sind mehr als vier Millionen
-Quadratmeilen Sand zu zehn Cents die Phiole.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_153"></a>[153]</span></p>
-
-<p>Jim war fürchterlich aufgeregt, aber diese
-letzte Bemerkung gab ihm einen beträchtlichen
-Dämpfer. Er schüttelte den Kopf und sagte:</p>
-
-<p>»Massa Tom &ndash; all die Violen können wir nix
-beschaffen &ndash; kein König nix hat so viele Violen.
-Wir mussen lieber nix die ganze Wüste wollen
-haben &ndash; Massa Tom, die Violen wer’n uns
-zu Grunden richten, warraftig!«</p>
-
-<p>Toms Erregung ließ jetzt ebenfalls bedeutend
-nach und ich dachte, es sei von wegen der
-Phiolen &ndash; aber nein. Er saß da und dachte,
-und sein Gesicht wurde immer saurer und finsterer,
-und zuletzt sagte er:</p>
-
-<p>»Jungens &ndash; die Sache wird nicht gehen.
-Wir müssen sie aufgeben!«</p>
-
-<p>»Warum denn, Tom?«</p>
-
-<p>»Wegen der Zollgebühren. So oft man
-über eine Grenze kommt &ndash; ’ne Grenze ist der
-Rand von einem Lande, wie ihr wohl wißt &ndash;
-so findet man dort ein Zollamt; und dann
-kommen die Zollbeamten heran und wühlen
-einem in den Sachen herum und erheben eine
-hohe Gebühr davon &ndash; und wenn wir nicht die
-Gebühr bezahlen, so beschummeln sie uns um<span class="pagenum"><a id="Seite_154"></a>[154]</span>
-unsern Sand. Sie nennen das ›konfiszieren‹ &ndash;
-aber damit können sie keinem Menschen was
-weismachen &ndash; es ist ganz einfach beschummeln.
-Wenn wir nun versuchen, den Sand auf dem
-Wege heimzubringen, auf dem wir jetzt sind, so
-müssen wir über so viele Grenzen wegsteigen, daß
-wir bald müde sein werden &ndash; denn da kommt
-Grenze hinter Grenze: Aegypten, Arabien, Hindustan
-usw., und an jeder stehen sie mit ihrer
-Zollgebühr bereit. Ihr seht also klar und deutlich:
-diesen Weg können wir nicht segeln!«</p>
-
-<p>»Nu, Tom,« sagte ich, »wir können doch
-einfach über ihre ollen Grenzen wegsegeln. Wie
-sollten <em class="gesperrt">die</em> uns daran hindern?«</p>
-
-<p>Er sah mich betrübt an und sagte ganz ernst:</p>
-
-<p>»Huck Finn &ndash; meinst du, daß das ehrlich
-sein würde?«</p>
-
-<p>Derartige Unterbrechungen hasse ich, darum
-erwiderte ich gar nichts darauf, und Tom fuhr
-fort:</p>
-
-<p>»Na, der andere Weg ist uns ja ebenfalls
-versperrt. Wenn wir den Weg zurücksegeln, den
-wir gekommen sind, so ist da das New Yorker
-Zollamt, und das ist schlimmer als alle anderen<span class="pagenum"><a id="Seite_155"></a>[155]</span>
-zusammen, von wegen der Fracht, die wir führen.«</p>
-
-<p>»Warum?«</p>
-
-<p>»Ja, Saharasand können sie in Amerika natürlich
-nicht produzieren; und auf alles, was
-dort nicht produziert werden kann, beträgt die
-Zollgebühr vierzehntausend Prozent, wenn man
-versucht, es aus dem Ursprungsland einzuführen.«</p>
-
-<p>»Da liegt ja gar kein Sinn und Verstand
-drin, Tom Sawyer!«</p>
-
-<p>»Wer hat denn das behauptet? Wie kannst
-du so zu mir sprechen, Huck Finn? Warte doch
-ab, bis ich sage, es sei Sinn und Verstand drin,
-ehe du solche Beschuldigungen gegen mich erhebst!«</p>
-
-<p>»Schon gut, Tom! Nimm an, ich bereue
-und beweine meinen Fehler. Weiter!«</p>
-
-<p>Da sagt Jim:</p>
-
-<p>»Massa Tom &ndash; packen Sie diese Gebühre
-auf alle Dinge, wo nix in Amerrika waxen un
-mach Sie gar nix keine Unterschied nix?«</p>
-
-<p>»Nee, das tun sie nicht.«</p>
-
-<p>»Massa Tom &ndash; is nix die Segen von liebe
-Herrgott die wertvölligste Ding auf diese Welt?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_156"></a>[156]</span></p>
-
-<p>»Ja, das ist er.«</p>
-
-<p>»Stehen nix das Preddiger auf die Kanzel
-un ruf die Segen nieder auf die Volk?«</p>
-
-<p>»Ja.«</p>
-
-<p>»Wo kommen die Segen her?«</p>
-
-<p>»Vom Himmel.«</p>
-
-<p>»Jawoll &ndash; da hab Sie ganz recht &ndash; ganz
-recht, mein süßes Herrchen &ndash; die Segen komm’
-von die Himmel un die Himmel is eine fremde
-Land. Nu &ndash; nehm’ sie auch Zollgebühr von
-die Segen?«</p>
-
-<p>»Nein, das tun sie nicht.«</p>
-
-<p>»Natürlich tu’ sie nix! Un so is es klar,
-daß Sie sich tun irren, Massa Tom! Sie nehm’
-doch ganz gewiß nix Gebühr von armselige
-Sand, die keine Mensch zu haben brauchen un
-lassen die beste Ding, wo niemand ohne sein
-können, frei von die Gebühr!«</p>
-
-<p>Da saß Tom Sawyer fest! Er sah auch
-wohl selber ein, daß Jim ihn gefaßt hatte und
-daß er sich nicht rühren konnte. Allerdings versuchte
-er sich herauszuwinden, indem er sagte,
-sie hätten bloß <em class="gesperrt">vergessen</em>, auch darauf eine
-Abgabe zu legen, aber ganz gewiß würden sie<span class="pagenum"><a id="Seite_157"></a>[157]</span>
-bei der nächsten Kongreßtagung daran denken
-und sie nachträglich einführen &ndash; aber das war
-nur eine armselige lahme Ausrede, und Tom
-wußte es ganz gut. Er sagte, es gäbe außer
-diesem einzigen nichts Ausländisches, was nicht
-mit ’ner Zollgebühr belegt wäre, und darum
-müßten sie diese Abgabe ebenfalls festsetzen, denn
-sonst wären sie nicht konsistent oder konsequent,
-und Konsistenz wäre die erste Regel in der Politik.
-Er blieb dabei, sie hätten’s bloß aus Versehen
-ausgelassen und würden sich ganz gewiß
-beeilen, dies Versehen wieder gut zu machen, ehe
-man sie darob ertappte und auslachte.</p>
-
-<p>Aber ich hatte für seine Auseinandersetzungen
-kein Interesse mehr, da wir nun doch mal
-mit unserem Sand nichts mehr anfangen konnten;
-denn das machte mich ganz niedergeschlagen
-und Jim auch. Tom versuchte uns wieder aufzuheitern,
-indem er sagte, er wollte eine andere
-Spekulation ausdenken, die für uns gerade so
-gut und noch besser wäre &ndash; aber das half nichts,
-denn wir konnten nicht glauben, daß irgend eine
-andere so großartig sein könnte. Es war wirklich
-sehr hart für uns: vor einer ganz kleinen<span class="pagenum"><a id="Seite_158"></a>[158]</span>
-Weile noch waren wir so reich, hätten uns ein
-ganzes Land kaufen und ’n Königreich drin einrichten
-können &ndash; und jetzt waren wir wieder
-so arm und so ordinär und saßen da mit all
-unserm Sand. Vorher hatte der Sand so reizend
-ausgesehen, wie lauter Gold und Diamanten,
-und er war so weich und so seidig und so angenehm
-anzufühlen gewesen &ndash; aber jetzt konnte
-ich nicht mal seinen Anblick mehr ertragen; es
-machte mich ganz krank, ihn bloß zu sehen, und
-ich wußte, mir würde nicht eher wieder wohl
-sein, als bis wir den Krempel los wären, der
-uns fortwährend daran erinnerte, was wir hätten
-sein können und nun nicht mehr waren. Den
-andern beiden war ganz genau so zumute wie
-mir. Das merkte ich ihnen an und sie wurden
-auf einmal ganz lustig, als ich ihnen
-sagte: »Laßt uns das ganze Zeug über Bord
-werfen!«</p>
-
-<p>Na, das war ja nun ’ne ganz tüchtige Arbeit,
-und darum teilte Tom sie im Verhältnis
-zu unserer verschiedenen Stärke ein. Er sagte,
-er und ich sollten jeder ein Fünftel von dem
-Sand über Bord schaffen und Jim die andern<span class="pagenum"><a id="Seite_159"></a>[159]</span>
-drei Fünftel. Dem Jim gefiel diese Einteilung
-aber nicht recht und er sagte:</p>
-
-<p>»Natürlich sein ich die Stärkste un will auch
-meine Teil größer mach’ &ndash; abber bei Jingo:
-Sie lad’ ein bissel zu viel auf alte Jims
-Buckel &ndash; tu’ Sie nix, Massa Tom?«</p>
-
-<p>»Na, das glaub’ ich eigentlich nicht, Jim;
-aber du kannst ja selber sagen, wie die Arbeit
-verteilt werden soll und nachher können wir
-dann sehen.«</p>
-
-<p>Jim meinte nun, es sei nicht mehr als recht
-und billig, wenn Tom und ich jeder <em class="gesperrt">ein
-Zehntel</em> von der Arbeit täten. Tom drehte
-sich um und verzog seinen Mund zu einem Grinsen,
-das sich nach Westen zu über die ganze Sahara
-bis an den Atlantischen Ozean erstreckte. Dann
-wandte er sich wieder zu Jim und sagte, die
-Einteilung sei ganz schön und gut und er sei
-ganz damit einverstanden, wenn sie Jim ebenfalls
-recht sei. Jim war sie recht.</p>
-
-<p>So maß denn Tom unsere zwei Zehntel im
-Bug des Schiffes ab und den Rest bekam Jim.
-Und es überraschte den guten Jim sehr als er
-sah, wie groß der Unterschied war und was für<span class="pagenum"><a id="Seite_160"></a>[160]</span>
-eine fürchterliche Menge Sand auf seinen Anteil
-kam. Er sagte, er sei doch mächtig froh,
-daß er zur rechten Zeit den Mund aufgetan
-habe, und daß der erste Vorschlag abgeändert
-worden sei; denn selbst so wie’s jetzt sei, meinte
-er, möchte auf seinen Teil wohl mehr Sand als
-Vergnügen kommen.</p>
-
-<p>Dann fingen wir an. Es war ’ne mächtig
-heiße Arbeit und dazu sehr langwierig; sie war
-tatsächlich so heiß, daß wir zu ’ner kühleren Luftschicht
-aufsteigen mußten, sonst hätten wir’s einfach
-nicht aushalten können. Tom und ich lösten uns
-ab, und der eine ruhte sich immer aus, während
-der andere arbeitete, aber niemand war da, um
-den armen Jim abzulösen, und er machte diesen
-ganzen Teil von Afrika naß, so schwitzte er. Wir
-konnten nicht recht arbeiten, weil wir fortwährend
-lachen mußten, und Jim wollte immerzu
-wissen, warum wir alle Augenblicke laut herausprusteten.
-Da mußten wir denn irgend einen
-Vorwand ersinnen, und unsere Vorwände waren
-wirklich recht kümmerlich, aber schließlich genügten
-sie, denn Jim glaubte uns. Als wir endlich
-mit unserem Teil fertig waren, da waren wir<span class="pagenum"><a id="Seite_161"></a>[161]</span>
-halb tot, aber nicht von der Arbeit, sondern vom
-Lachen. Jim war beinahe ganz tot, aber von
-der Arbeit; da lösten wir ihn denn abwechselnd
-ab, und er war uns dafür so dankbar, wie wir
-nur wünschen konnten; er setzte sich aufs Dollbord
-und trocknete sich den Schweiß ab und keuchte
-und schnaufte und sagte, wie gut wir doch zu
-’nem armen alten Nigger wären und er wollt’s
-uns nie vergessen. Er war immer der dankbarste
-Nigger, den ich je gesehen habe, mochte man ihm
-auch nur die geringste Gefälligkeit erwiesen haben.
-Nigger war er überhaupt nur äußerlich &ndash; innerlich
-war er so weiß wie du und ich.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="Zwoelftes_Kapitel">Zwölftes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Unsere nächsten Mahlzeiten waren recht
-sandig, aber das macht nichts aus, wenn man
-hungrig ist; und wenn man nicht hungrig ist,
-so hat man ja vom Essen doch keinen Genuß und
-nach meiner Meinung kommt’s auf so’n kleines
-Sandkörnchen im Essen überhaupt nicht an.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_162"></a>[162]</span></p>
-
-<p>Endlich kamen wir an den Ostrand der großen
-Wüste, indem wir einen nordöstlichen Kurs
-einhielten. Fern am Rande des Sandes, in einem
-zarten rosenroten Licht, sahen wir drei kleine
-scharfe Dächer wie Zelte sich abheben und Tom
-sagte: »Das sind die ägyptischen Pyramiden!«</p>
-
-<p>Da fing aber mein Herz an zu puppern!
-Ich hatte ja so manches, manches Bild von ihnen
-gesehen und hatte hundertmal von ihnen erzählen
-hören &ndash; aber als ich sie so ganz plötzlich
-vor mir sah und fand, daß sie <em class="gesperrt">wirklich</em>
-existierten und nicht bloß in der Phantasie, da
-stand mir vor Ueberraschung beinahe der Atem
-still. Es ist sonderbar &ndash; je mehr man von
-’nem großartigen Ding oder Menschen hört, desto
-mehr nimmt es sozusagen was Traumhaftes an
-und wird schließlich zu ’ner übergroßen verschwommenen
-Figur aus lauter Mondschein, aber
-ohne ’nen soliden Inhalt. Gerade so ist’s mit
-George Washington &ndash; und so ist’s auch mit
-den Pyramiden.</p>
-
-<p>Außerdem war es mir immer so vorgekommen,
-als ob die Geschichten, die man von den
-Pyramiden erzählte, zum größten Teil ganz gewaltige<span class="pagenum"><a id="Seite_163"></a>[163]</span>
-Uebertreibungen seien. Da war mal
-einer, der kam zu uns in die Sonntagsschule
-und hatte ein Bild von ihnen und hielt ’ne Rede
-drüber und sagte, die größte Pyramide bedeckte
-eine Fläche von dreizehn Morgen und wäre beinahe
-fünfhundert Fuß hoch; sie wäre ein richtiger
-steiler Berg, aufgebaut aus lauter Steinblöcken,
-die so groß wären wie ’ne Kommode und in
-regelmäßigen Reihen lägen wie Treppenstufen.
-Na, dreizehn Morgen für ein einziges Gebäude
-&ndash; das ist ja ’ne Farm! Wär’ ich nicht in der
-Sonntagsschule gewesen, so hätte ich die Geschichte
-für ’ne Lüge gehalten; und sobald ich draußen
-war, hielt ich sie auch wirklich dafür. Und er
-sagte, in der Pyramide wäre ein Loch und man
-könnte mit Fackeln da hineingehen und dann
-immer einen langen schrägen Tunnel hinauf, bis
-man schließlich zu einem großen Raum mitten
-im Bauch dieses Berges käme und da fände man
-einen großen Steinkasten mit ’nem König drin
-&ndash; und der wär’ viertausend Jahre alt! Als
-ich das hörte, sagte ich bei mir selber: wenn das
-keine Lüge ist, will ich den König sehen, d. h.
-wenn er da ist; denn <em class="gesperrt">so</em> alt war ja nicht mal<span class="pagenum"><a id="Seite_164"></a>[164]</span>
-Methusalem, und kein Mensch denkt daran, viertausend
-Jahre alt werden zu wollen.</p>
-
-<p>Als wir ein bißchen näher herankamen, sahen
-wir auf einmal den gelben Sand mit einem langen
-graden Rand aufhören &ndash; ganz scharf abgeschnitten
-wie ein großes Tuch &ndash; und mit dem
-Rand an diesen Sand anstoßend ein weites Land
-von hellem Grün, durch das ein langer heller
-Streifen sich in Schlangenwindungen hindurchzog,
-und Tom sagte, das sei der Nil. Da fing mein
-Herz wieder an zu puppern, denn der Nil war
-auch so ein Ding, das ich eigentlich nie für Wirklichkeit
-gehalten hatte. Nun, so viel ist todsicher:
-wenn man über dreitausend Meilen gelben Sandes
-weggegondelt ist, wenn dieser Sand so von
-Hitze flimmert, daß einem vom bloßen Hinsehen
-das Wasser aus den Augen läuft, und wenn man
-beinahe ’ne ganze Woche über diesem Sand war
-&ndash; dann wird einem das grüne Land wie Heimat
-und Himmel erscheinen und es wird einem
-<em class="gesperrt">wieder</em> das Wasser aus den Augen laufen.</p>
-
-<p>So ging es mir und so ging’s auch Jim.</p>
-
-<p>Und als Jim merkte, daß er wirklich auf
-Aegyptenland ’runterguckte, da wollte er nicht<span class="pagenum"><a id="Seite_165"></a>[165]</span>
-stehend in dieses Land hineinsegeln, sondern er
-warf sich auf seine Kniee und nahm den Hut
-ab, denn für einen armen alten Nigger, sagte
-er, schicke es sich nicht, anders in ein Land zu
-kommen, wo Moses und Joseph und Pharao
-und die andern Propheten gelebt hätten. Jim
-war Presbyterianer und hatte einen sehr tiefen
-Respekt vor Moses, der, wie er sagte, ebenfalls
-ein Presbyterianer gewesen war. Er war ganz
-aus dem Häuschen und rief:</p>
-
-<p>»Das is die Aegyptenland, die Aegyptenland!
-&ndash; un ich dürfen sie mit meine eigene Augen
-ansehn! Un da is die Fluß, das zu Blut wurden,
-un ich sehen auf dieselbige Stellen ’runter,
-wo die Pest un die Läusen un die Froschen un
-die Hauschrecken un die Hagel gewesen sein tun
-&ndash; un wo die Türpfosten gezeichnet war un die
-Engel des Herrn kam un schlugen allen Erstgeburt
-in ganze Aegyptenland. Alte Jim is
-nix würdig, diesen Tag zu sehn!«</p>
-
-<p>Und dann warf er sich hin und weinte vor
-lauter Dankbarkeit. Da gab es denn zwischen ihm
-und Tom ein langes Gespräch: Jim war aufgeregt,
-weil das Land so voll von Weltgeschichte<span class="pagenum"><a id="Seite_166"></a>[166]</span>
-war: von Joseph und seinen Brüdern, von Moses
-in den Binsen, von Jakob, der nach Aegypten
-kam, um Korn zu kaufen, vom silbernen Becher
-im Sack und von all den anderen interessanten
-Sachen. Und Tom war gerade so aufgeregt, weil
-das Land so voll von Weltgeschichte war, die in
-<em class="gesperrt">sein</em> Fach schlug: von Nurreddin und Bedreddin
-und ähnlichen ungeheuren Riesen, bei deren Beschreibung
-Jims Wollhaar zu Berge stand, und
-von ’ner ganzen Menge anderer Leute aus Tausend
-und einer Nacht, die nach meiner Meinung
-nicht die Hälfte von all dem getan haben, was
-sie getan haben wollen!</p>
-
-<p>Dann erlebten wir eine Enttäuschung, denn
-es erhob sich ein Frühnebel und wir durften
-nicht über ihn hinwegsegeln, weil wir sonst gewiß
-auch über ganz Aegypten weggesegelt wären. Wir
-hielten’s daher für das beste, nach dem Kompaß
-in geradem Kurs auf die inzwischen immer
-mehr im Dunst verschwindenden Pyramiden zuzuhalten,
-so dicht wie möglich über dem Boden
-hinzufahren und scharf Ausguck zu halten. Tom
-nahm das Steuer, ich stand neben ihm, um,
-wenn’s nötig wäre, den Anker auszuwerfen, und<span class="pagenum"><a id="Seite_167"></a>[167]</span>
-Jim hockte auf dem Bug, um mit den Augen
-durch den Nebel zu bohren und etwaige Gefahren
-rechtzeitig zu bemerken. Wir fuhren ein
-stetiges Tempo, aber nicht sehr schnell, und der
-Nebel wurde dicker und dicker &ndash; so dick zuletzt, daß
-von Jim nur noch schwache Umrisse zu erkennen
-waren. Es war beängstigend still und wir sprachen
-leise und waren aufgeregt. Ab und zu rief Jim:</p>
-
-<p>»Eine Strich höcher ’rauf, Massa Tom, eine
-Strich höcher!« und dann ließ Tom das Schiff ein
-paar Fuß höher steigen, und wir fuhren scharf
-über das flache Dach einer Lehmhütte weg und
-über die Leute, die gerade eben aufgestanden
-waren und noch gähnten und sich streckten. Einmal
-hatte ein Bursche sich auf seinen Hinterbeinen
-so recht hoch aufgerichtet, um besser gähnen
-und sich strecken zu können; der bekam von unserer
-Gondel einen Puff in den Rücken, daß er
-auf den Bauch fiel. So verging ungefähr eine
-Stunde; alles war totenstill und wir spitzten
-unsere Ohren und hielten den Atem an, damit
-uns kein Laut entginge; da, ganz auf einmal
-wurde der Nebel ein bißchen dünner, und Jim
-schrie in fürchterlicher Angst:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_168"></a>[168]</span></p>
-
-<p>»O, um die liebe Heiland willen, steuer Sie
-rückwärts, Massa Tom! Hier is die größte
-Riese aus die Tausendste Nacht un kommen auf
-uns los!«</p>
-
-<p>Und damit fiel er rücklings in die Gondel
-hinein.</p>
-
-<p>Tom stürzte sich auf einen Hebel und gab
-dem Schiff Gegenkraft, und als wir infolgedessen
-plötzlich stillstanden &ndash; da guckte ein Menschengesicht
-so groß wie unser Haus daheim in unsere
-Gondel und ich fiel um und war tot. Denn
-ich muß wirklich ’ne Minute lang oder so tot
-gewesen sein. Schließlich kam ich wieder zu mir
-und da hatte Tom ’nen Bootshaken in die Unterlippe
-des Riesen eingehakt und hielt damit den
-Ballon fest, und dabei hatte er den Kopf hintenübergelegt
-und sah mit einem langen festen Blick
-das fürchterliche Riesenantlitz an.</p>
-
-<p>Jim lag auf den Knieen und sah mit gefalteten
-Händen das Ding an und bewegte betend
-die Lippen, konnte aber keinen Ton hervorbringen.
-Ich warf bloß einen Blick auf den Riesenkopf
-und wollte gerade wieder in Ohnmacht
-fallen, da sagte Tom:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_169"></a>[169]</span></p>
-
-<p>»Es ist ja gar nicht lebendig, ihr Narren!
-Es ist die Sphinx.«</p>
-
-<p>Nie hab’ ich Tom so klein gesehen &ndash; er
-sah wahrhaftig nicht größer aus als ’ne Fliege,
-aber das kam davon, daß der Riesenkopf so schrecklich
-groß war. Groß und schrecklich, ja, das
-war er &ndash; aber er machte einem doch keine Angst
-mehr, denn man konnte wohl sehen, daß es ein
-edles, beinahe trauriges Antlitz war und daß
-es gar nicht an uns Menschlein dachte, sondern
-an was Anderes, Größeres. Es war aus Stein,
-rötlichem Stein, und Nase und Ohren waren
-verstümmelt, so sah es aus, als ob es mißhandelt
-sei, und das tat einem unwillkürlich in der
-Seele weh.</p>
-
-<p>Wir hielten ein Stück von dem Bildwerk ab
-und segelten rund darum herum und dann
-darüber weg, und es war einfach großartig. Es
-war der Kopf eines Mannes oder vielleicht auch
-einer Frau, auf einem hundertfünfundzwanzig
-Fuß langen Tigerleib, und zwischen seinen Vorderpranken
-stand ein süßer kleiner Tempel. Viele
-hundert Jahre lang &ndash; vielleicht Tausende &ndash; war
-das ganze Bildwerk mit Ausnahme des Hauptes<span class="pagenum"><a id="Seite_170"></a>[170]</span>
-unter dem Sand begraben gewesen; aber gerade
-vor ganz kurzer Zeit hatten sie den Sand weggeräumt
-und den kleinen Tempel gefunden. Es
-war jedenfalls ’ne mächtige Masse Sand nötig,
-um so ’ne Kreatur zu begraben &ndash; wohl mindestens
-so viel wie um ein Dampfschiff zu
-begraben.</p>
-
-<p>Wir setzten Jim oben auf dem Kopf der
-Sphinx ab, nachdem wir ihm, da wir im Ausland
-waren, zum Schutz ’ne amerikanische Flagge
-gegeben hatten. Dann segelten wir ab und besahen
-uns das Werk bald aus dieser, bald aus
-jener Entfernung; das war, wie Tom sagte, nötig,
-um die richtigen Effekte und Perspektiven und
-Proportionen herauszukriegen. Und Jim tat
-wirklich sein Bestes, indem er die allerverschiedensten
-Stellungen einnahm, die er sich nur ausdenken
-konnte; am besten gefiel er uns aber,
-als er auf dem Kopf stand und wie ein Frosch
-mit den Beinen spaddelte. Je weiter wir wegsegelten,
-desto kleiner wurde Jim und desto großartiger
-die Sphinx, bis er zuletzt sozusagen wie
-’ne Stecknadel auf einem Dome aussah. Auf diese
-Weise bringt die Perspektive die richtigen Proportionen<span class="pagenum"><a id="Seite_171"></a>[171]</span>
-zuwege, sagte Tom; er sagte, Cäsars
-Nigger hätten nicht gewußt, wie groß er war,
-weil sie zu nahebei gewesen wären.</p>
-
-<p>Dann segelten wir immer weiter und weiter
-weg, bis wir Jim überhaupt nicht mehr sehen
-konnten, und da machte die große Figur den edelsten
-Eindruck &ndash; so still und feierlich und einsam
-blickte sie über das Niltal herüber, und all die
-schäbigen kleinen Hütten und Menschenwerklein,
-die rings um sie herum zerstreut waren, sie waren
-völlig verschwunden und rund um sie herum nur
-noch eine weiche große Decke von gelbem Sammet,
-nämlich der Wüstensand.</p>
-
-<p>Das war die richtige Stelle, um Halt zu
-machen, und das taten wir auch. Eine halbe
-Stunde lang hielten wir da und guckten und
-dachten und keiner von uns sagte ein Wort,
-denn uns wurde so ruhig und feierlich zu Mute,
-wenn wir daran dachten, daß die Sphinx schon
-seit Jahrtausenden gerade so über das Tal hinübergeschaut
-und ihre majestätischen Gedanken so
-ganz für sich gedacht hatte &ndash; ihre Gedanken,
-von denen kein Mensch sagen kann, was sie
-sind.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_172"></a>[172]</span></p>
-
-<p>Zuletzt nahm ich das Fernrohr zur Hand
-und da sah ich mehrere kleine schwarze Dinger auf
-dem Sammetteppich herumspringen und andere,
-die auf den Rücken der Sphinx hinaufkletterten,
-und dann sah ich zwei oder drei weiße Rauchwölkchen
-aufpuffen, und ich sagte Tom, er möchte
-auch mal hinsehen. Er tat das und sagte:</p>
-
-<p>»Das sind Käfer. Nein &ndash; wart’ mal; sie
-&ndash; wahrhaftig, ich glaube, es sind Menschen. Ja,
-es sind Menschen &ndash; Menschen und auch Pferde.
-Sie legen gerade ’ne lange Leiter an den Rücken
-der Sphinx an &ndash; ist das aber komisch! Und
-nun versuchen sie, die Leiter hinaufzuziehen &ndash;
-da sind auch wieder Rauchwölkchen &ndash; das sind
-Flinten! Huck, sie machen Jagd auf Jim!«</p>
-
-<p>Wir ließen die ganze Kraft los und segelten
-wie das heilige Donnerwetter auf die Sphinx
-zu. Im Nu waren wir da und sausten mitten
-unter die Menschen hinein, daß sie nach allen
-Seiten auseinanderstoben, und ein paar von
-denen, die die Leiter hinaufkletterten, um Jim
-zu fangen, verloren den Halt und fielen herunter.
-Wir sausten hinauf und fanden Jim keuchend
-und beinahe besinnungslos auf dem Kopf der
-Sphinx liegen. Er hatte eine lange Belagerung<span class="pagenum"><a id="Seite_173"></a>[173]</span>
-ausgehalten &ndash; eine Woche, sagte er, aber das
-war nicht wahr; sie war ihm nur so lang vorgekommen,
-weil ihm die Leute so nahe auf den
-Leib gerückt waren. Sie hatten auf ihn geschossen
-und der Kugelregen war um ihn herumgerasselt,
-aber getroffen war er nicht; und als
-sie merkten, daß er nicht mehr aufstand, und daß
-ihre Kugeln ihn nicht mehr treffen konnten, wenn
-er auf dem Bauch lag, da holten sie die Leiter, und
-da wußte er, daß es mit ihm aus wäre, wenn
-wir nicht <em class="gesperrt">sehr</em> bald kämen. Tom war höchst
-entrüstet und fragte ihn, warum er denn nicht
-die Flagge gezeigt und im Namen der Vereinigten
-Staaten ihnen befohlen hätte, Frieden zu
-halten? Jim sagte, das hätte er ja getan, sie
-hätten sich aber gar nicht darum gekümmert. Tom
-sagte, er wollte dafür sorgen, daß diese Sache
-in Washington in die Hand genommen würde.</p>
-
-<p>»Und ihr sollt sehen,« rief Tom, »sie werden
-sich wegen Insultierung der Flagge zu entschuldigen
-haben und werden obendrein noch ’ne Indemnität
-bezahlen müssen!«</p>
-
-<p>Sagt Jim:</p>
-
-<p>»Was is ein Indemmität, Massa Tom?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_174"></a>[174]</span></p>
-
-<p>»Bares Geld ist’s!«</p>
-
-<p>»Un wer kriegen es, Massa Tom?«</p>
-
-<p>»Na, natürlich wir!«</p>
-
-<p>»Un wer kriegen die Entschuldigung?«</p>
-
-<p>»Die Vereinigten Staaten. Oder wir können
-sie auch nehmen, wenn wir wollen. Wenn
-uns die Entschuldigung besser gefällt, können wir
-die nehmen, und die Regierung kriegt dann
-das Geld.«</p>
-
-<p>»Wie viele Geld werden es sein, Massa
-Tom?«</p>
-
-<p>»Na, in einem Fall wie dieser, wo erschwerende
-Umstände dabei sind, mindestens drei
-Dollars pro Kopf und möglicherweise sogar
-noch mehr.«</p>
-
-<p>»Nu, denn wolle wir die Geld nehm’,
-Massa Tom; zum Kuckuck mit die Entschuldigung!
-Meinen Sie nix auch, Massa Tom? Un
-du auch, Huck?«</p>
-
-<p>Wir besprachen die Sache ein bißchen und
-kamen zum Schluß, es wäre gar nicht so übel,
-wenn wir’s so machten; also wurden wir uns
-einig, wir wollten das Geld nehmen. Für mich
-war das ’ne ganz neue Geschichte und ich fragte<span class="pagenum"><a id="Seite_175"></a>[175]</span>
-Tom, ob Staaten immer sich entschuldigen, wenn
-sie was Unrechtes getan hätten, und er antwortete:</p>
-
-<p>»Ja, die kleinen tun’s.«</p>
-
-<p>Wir segelten nun herum und sahen uns die
-Pyramiden an und ließen uns schließlich auf der
-abgeplatteten Spitze der größten von ihnen nieder;
-und wir fanden, daß alles genau so war, wie
-der Mann in der Sonntagsschule gesagt hatte.
-Das Ding sah aus wie vier Treppenfluchten,
-die, am Boden breit, immer enger werdend schräg
-aufsteigen und sich oben in einer Spitze treffen.
-Nur konnte man diese Treppenstufen nicht hinaufsteigen
-wie irgend ’ne andere Treppe &ndash; denn
-jede Stufe war so hoch, daß sie ’nem gewöhnlichen
-Menschen bis ans Kinn reichte, und man mußte
-sich von hinten hinaufheben lassen. Die beiden
-andern Pyramiden waren nicht weit von der unsrigen
-entfernt, und die Leute, die zwischen den Pyramiden
-sich auf dem Sand bewegten, sahen aus wie
-krabbelnde Käfer, so hoch waren wir über ihnen.</p>
-
-<p>Tom war gar nicht mehr zu halten vor
-lauter Freude und Erstaunen, daß er an so ’nem
-berühmten Ort wäre, und er schwitzte sozusagen
-Weltgeschichte aus jeder Pore &ndash; wenigstens kam<span class="pagenum"><a id="Seite_176"></a>[176]</span>
-es mir so vor. Er sagte, er könnte es kaum
-glauben, daß er genau auf demselben Platz stände,
-von dem der Prinz auf dem Bronzepferde aufgeflogen
-wäre. Die Geschichte stände in Tausend
-und einer Nacht, sagte er. Irgend einer gab dem
-Prinzen ein bronzenes Pferd mit ’nem Zapfen
-in der Schulter; und er konnte sich auf dies Pferd
-setzen und durch die Luft fliegen wie ein Vogel
-und die ganze Welt bereisen, und er konnte es
-steuern, indem er den Zapfen drehte, und konnte
-hoch und niedrig fliegen und landen, wo er nur
-wollte.</p>
-
-<p>Als Tom die Geschichte zu Ende erzählt
-hatte, da entstand ein Schweigen &ndash; jenes bekannte
-Schweigen, das sich einstellt, wenn jemand
-einen Unsinn erzählt hat und wenn den Zuhörern
-das leid tut und sie gerne das Gespräch auf ein
-anderes Thema bringen möchten, aber nicht
-wissen, wie sie das anfangen sollen, und ehe sie
-sich richtig besonnen haben, da ist das Schweigen
-schon da und macht die Stimmung unbehaglich.
-Ich war verlegen, Jim war verlegen und keiner
-von uns konnte ein Wort herausbringen. Tom
-sah mich ’ne Minute lang an und sagte dann:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_177"></a>[177]</span></p>
-
-<p>»Na, heraus damit! Was denkst du?«</p>
-
-<p>Ich sage:</p>
-
-<p>»Tom Sawyer, <em class="gesperrt">du</em> glaubst die Geschichte
-doch selber nicht?«</p>
-
-<p>»Warum sollte ich nicht? Was könnte mich
-daran hindern?«</p>
-
-<p>»Hindern kann dich nur eins: sie kann nicht
-passiert sein &ndash; weiter nichts.«</p>
-
-<p>»Und warum kann sie <em class="gesperrt">nicht</em> passiert
-sein?«</p>
-
-<p>»Sag’ du mir doch, warum sie passiert sein
-<em class="gesperrt">kann</em>?«</p>
-
-<p>»Unser Ballon ist ein ganz guter Beweis
-dafür, sollt’ ich meinen.«</p>
-
-<p>»Wieso?«</p>
-
-<p>»Wieso? So ’nen Idioten hab’ ich nie gesehen!
-Sind denn nicht dieses Luftschiff und das
-bronzene Pferd genau das gleiche, nur unter verschiedenen
-Namen?«</p>
-
-<p>»Nein, das sind sie nicht. Das eine ist ’n
-Luftballon und das andere ist ’n Pferd. Das
-ist ein großer Unterschied. Nächstens wirst du
-wohl gar sagen, ein Pferd und ’ne Kuh seien
-ein und dasselbe.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_178"></a>[178]</span></p>
-
-<p>»Bei Jackson! Da hat Huck ihm wieder
-fest! Da könn’ Sie nix um ’rumkommen, Massa
-Tom!«</p>
-
-<p>»Halt den Mund, Jim! Du weißt nicht,
-was du redest! Und Huck auch nicht. Hör’ mal zu,
-Huck, ich will euch beiden die Sache klar machen,
-und dann werdet ihr mich verstehen. Seht mal:
-wenn man von zwei Dingen sagt, sie seien sich
-ähnlich oder unähnlich, so kommt es dabei nicht
-bloß auf ihre Form an, sondern vor allem auf
-ihr <em class="gesperrt">Wesen</em>; und das Wesen ist in beiden das
-gleiche. Versteht ihr mich jetzt?«</p>
-
-<p>Ich bedachte mir seine Worte bei mir selber
-und sagte dann:</p>
-
-<p>»Tom, das zieht nicht! So ’n Wesen ist ja
-recht schön und gut, aber damit kommen wir nicht
-um die eine große Tatsache herum: wenn ein
-Luftballon etwas machen kann, so ist das absolut
-noch kein Beweis, daß ein Pferd dasselbe
-machen kann.«</p>
-
-<p>»Quatsch, Huck! Du hast die ganze Geschichte
-noch gar nicht begriffen! Nun hör’ mal ’ne
-Minute zu &ndash; es ist alles vollkommen einfach!
-Fliegen wir nicht durch die Luft?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_179"></a>[179]</span></p>
-
-<p>»Ja.«</p>
-
-<p>»Schön! Fliegen wir nicht hoch oder niedrig,
-grad’ wie wir Lust haben?«</p>
-
-<p>»Ja.«</p>
-
-<p>»Steuern wir nicht, wohin wir wollen?«</p>
-
-<p>»Ja.«</p>
-
-<p>»Und landen wir nicht, wann und wo es
-uns Spaß macht?«</p>
-
-<p>»Ja.«</p>
-
-<p>»Wie bewegen und steuern wir unser Luftschiff?«</p>
-
-<p>»Indem wir auf die Knöpfe drücken.«</p>
-
-<p>»Na, <em class="gesperrt">jetzt</em> denke ich, wird die Geschichte
-dir endlich klar sein. Bei dem Pferde geschah
-die Bewegung und Steuerung, indem ein Zapfen
-gedreht wurde. Wir drücken auf einen Knopf, der
-Prinz drehte ’nen Zapfen. Du siehst, es ist kein
-Atom von ’nem Unterschied vorhanden. Ich
-wußte wohl, ich würde dir’s in den Schädel trichtern,
-wenn ich mir nur Mühe gäbe!«</p>
-
-<p>Und Tom fühlte sich so glücklich, daß er
-zu pfeifen begann. Aber ich und Jim blieben
-still; und so brach Tom überrascht sein Pfeifen
-ab und sagte:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_180"></a>[180]</span></p>
-
-<p>»Höre mal, Huck Finn, siehst du’s immer
-noch nicht ein?«</p>
-
-<p>»Tom Sawyer,« antwortete ich, »ich möchte
-’ne Frage an dich richten.«</p>
-
-<p>»Nur zu!« sagt er; und ich sehe, wie Jim
-ein ganz helles Gesicht macht und mächtig
-aufhorcht.</p>
-
-<p>»Wenn ich die Sache recht verstehe,« sag’ ich,
-»so kommt es bei dem ganzen Ding nur auf die
-Knöpfe und den Zapfen an &ndash; der Rest ist Nebensache.
-Ein Knopf sieht anders aus als ein Zapfen
-&ndash; aber darauf kommt es wohl nicht an?«</p>
-
-<p>»Nein, darauf kommt es ganz und gar nicht
-an, wenn nur beiden dieselbe Kraft innewohnt.«</p>
-
-<p>»Schön! Was ist die Kraft, die ’ner Kerze
-und ’nem Streichholz innewohnt?«</p>
-
-<p>»Das Feuer.«</p>
-
-<p>»Diese Kraft ist also in beiden die gleiche?«</p>
-
-<p>»Ja, ganz genau die gleiche in beiden.«</p>
-
-<p>»Schön! Angenommen, ich zünde mit einem
-Streichholz ’ne Tischlerwerkstatt an &ndash; was wird
-damit passieren?«</p>
-
-<p>»Sie wird aufbrennen.«</p>
-
-<p>»Und angenommen, ich zünde mit ’ner Kerze<span class="pagenum"><a id="Seite_181"></a>[181]</span>
-diese Pyramide an &ndash; wird sie auch aufbrennen?«</p>
-
-<p>»Natürlich nicht!«</p>
-
-<p>»Schön! Nun ist aber doch beidemale das
-Feuer das gleiche. <em class="gesperrt">Warum</em> brennt denn also
-die Tischlerwerkstatt, und die Pyramide nicht?«</p>
-
-<p>»Weil die Pyramide nicht brennen <em class="gesperrt">kann</em>.«</p>
-
-<p>»Aha! <em class="gesperrt">Und ein Pferd kann nicht
-fliegen!!!</em>«</p>
-
-<p>»O du meine liebe Heiland! Da haben Huck
-ihm <em class="gesperrt">wieder</em>! Diesmal haben Huck ihm richtig
-auf die Sand gesetzt &ndash; Junge, Junge! Un&nbsp;…«</p>
-
-<p>Aber Jim mußte so furchtbar lachen, daß
-er beinahe erstickte und nicht weiter sprechen
-konnte, und Tom fuhr beinahe aus der Haut,
-als er sah, wie elegant ich ihn abgeführt hatte,
-indem ich seine eigene Beweisführung gegen ihn
-wandte und sie in Stückchen und Fetzen zerpflückte.
-Und er wußte nichts weiter zu sagen,
-als daß er jedesmal, wenn er Jim oder mich
-disputieren hörte, sich des Menschengeschlechts
-schämte. Ich sagte gar nichts mehr, aber ich
-war innerlich sehr mit mir zufrieden. Wenn
-ich jemandem auf solche Weise heimgeleuchtet
-habe, so ist es nicht meine Art ’rumzugehen und<span class="pagenum"><a id="Seite_182"></a>[182]</span>
-zu krähen, wie’s manche Leute machen, denn ich
-glaube, wenn er an meiner Stelle wäre, so wär’s
-mir auch nicht angenehm, wenn er über mich
-krähte. Es ist besser, man ist edel und hochherzig
-&ndash; das ist <em class="gesperrt">meine</em> Meinung.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="Dreizehntes_Kapitel">Dreizehntes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Nach einem Weilchen ließen wir Jim im
-Luftschiff allein in der Nähe der Pyramiden
-herumgondeln und wir selber kletterten bis zu
-dem Loch hinunter, durch das man in den engen
-Gang kommt. Wir nahmen einige Araber und
-Kerzen mit, und mitten in der Pyramide da fanden
-wir ein Gemach und einen großen Steinkasten
-drin, worin sie den König aufbewahrt
-hatten &ndash; genau wie der Mann in der Sonntagsschule
-es uns erzählte. Aber er war jetzt nicht
-mehr da; irgend einer hatte ihn mitgenommen.
-Ich hatte aber kein rechtes Vergnügen in dieser
-Kammer, denn es konnten ja natürlich Geister
-drin hausen &ndash; wenn auch gerade keine neuen,<span class="pagenum"><a id="Seite_183"></a>[183]</span>
-aber ich mag mit Geistern überhaupt nichts zu
-tun haben.</p>
-
-<p>Wir gingen also wieder hinaus und mieteten
-uns ein paar kleine Esel und ritten ein Stück;
-dann fuhren wir ein Stück in ’nem Boot auf
-dem Nil, dann ritten wir wieder auf Eseln und
-so kamen wir nach Kairo. Und der ganze Weg
-war so wunderschön glatt und eben, wie ich nur
-je in meinem Leben einen Weg gesehen habe; auf
-beiden Seiten der Straße wuchsen große Dattelpalmen,
-und überall krochen nackte Kinder herum
-und die Menschen waren so rot wie Kupfer und
-feingebaut, kräftig und schön. Und die Stadt
-war ’ne Sehenswürdigkeit. Diese engen Straßen
-&ndash; es waren wahrhaftig nur Gäßchen &ndash; dicht
-gefüllt mit beturbanten Männern und verschleierten
-Weibern und alles in hellen, bunten
-Gewändern! Und man wunderte sich, wie die
-Kamele und Menschen in solchen engen Gäßchen
-beieinander vorbeikommen konnten &ndash; aber es
-ging. Aber zusammenpressen mußten sie sich wie
-Pökelheringe und dabei machten sie alle einen
-Heidenlärm. Die Läden waren nicht so groß,
-daß man in sie hineingehen konnte, aber das<span class="pagenum"><a id="Seite_184"></a>[184]</span>
-war auch gar nicht nötig: der Verkäufer saß
-mit übergeschlagenen Beinen nach Schneiderart
-auf seinem Ladentisch, rauchte seine lange Pfeife
-mit dem Schlangenschlauch und hatte all seine
-Sachen in Reichweite um sich herum.</p>
-
-<p>Ab und zu sauste ein Würdenträger in einer
-Kutsche vorbei; buntaufgeputzte Männer liefen
-laut rufend vor dem Wagen her und schlugen
-jeden, der nicht schnell auswich, mit einem langen
-Stecken. Nach einer Weile kam sogar der Sultan
-zu Pferde an der Spitze einer Prozession geritten
-und uns blieb beinahe der Atem stocken, als wir
-seine glänzenden Kleider sahen. Jeder warf sich
-platt auf die Erde nieder und blieb auf dem
-Bauch liegen, bis er vorüber war. Ich vergaß
-es, mich hinzuwerfen, aber da war einer, der
-mir daran zu denken half. Es war einer von
-denen, die mit ’nem langen Stecken vorausliefen.</p>
-
-<p>Kirchen waren auch da, aber die Leute da sind
-noch zu dumm, um den Sonntag zu heiligen; sie
-heiligen den Freitag und schänden den Sabbath.
-Wenn man hineingeht, muß man die Schuhe
-abziehen. Ganze Haufen von Männern und
-Knaben waren in der Kirche, hockten in Gruppen<span class="pagenum"><a id="Seite_185"></a>[185]</span>
-auf dem Fußboden und machten einen endlosen
-Spektakel &ndash; Tom sagte, sie lernten was aus
-dem Koran auswendig, den sie für ’ne Bibel
-halten. Ich hatte in meinem Leben nicht so ’ne
-große Kirche gesehen; sie war ganz fürchterlich
-hoch, so daß einem schwindlig wurde, wenn man
-hinaufschaute; unsere Stadtkirche zu Hause ist
-gar nichts dagegen; man könnte sie in diese hineinstellen
-und die Leute würden denken, sie sei ’ne
-Putzwarenschachtel.</p>
-
-<p>Was ich am meisten zu sehen wünschte, das
-war ein Derwisch, denn für Derwische interessierte
-ich mich wegen ihres Kollegen, der dem Kameltreiber
-den bösen Streich gespielt hatte. Wir
-fanden denn auch einen ganzen Haufen von ihnen
-in ’ner Kirche, und sie nannten sich Tanz-Derwische.
-Und tanzen taten sie, das muß ich
-sagen. So was hatte ich in meinem Leben nicht
-gesehen! Sie hatten zuckerhutförmige Mützen
-auf und leinene Unterröcke an, und sie wirbelten
-und wirbelten und wirbelten herum wie Kreisel
-und die Röcke standen ganz schräg von ihnen ab;
-es war riesig nett anzusehen, und ich wurde vom
-Hingucken wie betrunken. Sie waren alle Moslim,<span class="pagenum"><a id="Seite_186"></a>[186]</span>
-wie Tom mir erzählte, und als ich ihn
-fragte, was ein Moslim sei, da sagte er, das
-wäre einer, der nicht Presbyterianer wäre. Dann
-gibt’s also in Missouri sehr viele Moslim, obwohl
-ich davon bisher nichts wußte.</p>
-
-<p>Wir sahen uns nicht die Hälfte von den
-Sehenswürdigkeiten von Kairo an, weil Tom so
-wild darauf versessen war, Oertlichkeiten aufzusuchen,
-die in der Weltgeschichte berühmt geworden
-sind. Wir hatten eine abscheuliche Mühe, den
-Speicher aufzufinden, worin Joseph vor der
-Hungersnot das Korn aufgespeichert hatte, und
-als wir ihn endlich fanden, war eigentlich gar
-nichts daran zu sehen, denn es war bloß ein
-altes, verfallenes Gerümpel. Aber Tom war sehr
-befriedigt und machte mehr Redensarten darüber,
-als ich Worte sagen würde, wenn ich mir ’nen
-Nagel in den Fuß getreten hätte. Wie er die
-Scheuer überhaupt herausfand, das ging über
-meinen Horizont; denn wir waren bei mehr als
-vierzig ganz gleichen schon vorbeigekommen und
-ich wäre mit jeder von diesen Scheunen zufrieden
-gewesen, aber er mußte natürlich durchaus die
-echte haben &ndash; anders tat er’s nicht. Ich habe<span class="pagenum"><a id="Seite_187"></a>[187]</span>
-nie einen Menschen gesehen, der in dieser Beziehung
-so heikel war wie Tom Sawyer. Sowie
-er die richtige sah, erkannte er sie sofort, so leicht
-wie ich mein anderes Hemd erkennen würde (wenn
-ich eins hätte), aber wie er das machte, das
-vermochte er mir so wenig zu erklären, wie er
-fliegen konnte. So sagte er selber.</p>
-
-<p>Als wir zurück kamen, landete Jim, und wir
-stiegen ein. Bei dieser Gelegenheit lernten wir
-einen jungen Mann kennen mit ’nem roten
-betroddelten Fez und einer schönen seidenen Jacke
-und Sackhosen, mit ’nem Tuch um den Bauch
-und mit Pistolen in diesem Tuch. Er konnte
-englisch sprechen und bat uns, wir möchten ihn
-als Führer annehmen; er wollte uns nach Mekka
-und Medina und Zentralafrika und überallhin
-bringen und verlangte nur einen halben Dollar
-täglich nebst freier Verköstigung. Wir nahmen
-ihn an und fuhren mit voller Schnelligkeit los,
-und als wir mit unserem Mittagessen fertig
-waren, da schwebten wir gerade über der Stelle,
-wo die Israeliten durch das Rote Meer gezogen
-waren und wo Pharao sie eingeholt hatte und
-von den Gewässern ereilt wurde. Da machten<span class="pagenum"><a id="Seite_188"></a>[188]</span>
-wir denn natürlich Halt und guckten uns die
-Stelle ganz in aller Ruhe an, und Jim hatte seine
-Freude dran, sie zu sehen.</p>
-
-<p>Hierauf fuhren wir weiter, so schnell wir
-konnten, und segelten um den Berg Sinai
-herum und sahen die Stellen, wo Moses die
-steinernen Tafeln zerbrach, und wo die Kinder
-Israels in der Ebene lagerten und das goldene
-Kalb anbeteten, und es war alles ungeheuer interessant
-und der Führer kannte jedes Plätzchen so
-genau, wie ich bei uns zu Hause im Ort Bescheid
-weiß.</p>
-
-<p>Aber jetzt hatten wir einen Unfall, und der
-hemmte alle unsere Pläne. Toms alte ordinäre
-Maiskolbenpfeife war so alt und aufgeschwollen
-und krumm geworden, daß sie trotz allen Schnüren
-und Bindfäden, die er herumwickelte, nicht mehr
-zusammenhalten wollte, sondern in Stücke zerfiel.
-Tom wußte nun gar nicht, was er jetzt
-anfangen sollte. Des Professors Pfeife konnte
-ihm nichts nützen, denn die war bloß von Meerschaum;
-und jeder, der sich mal an Maiskolbenpfeifen
-gewöhnt hat, der weiß, daß sie himmelhoch
-über allen anderen Pfeifen der Welt stehen,<span class="pagenum"><a id="Seite_189"></a>[189]</span>
-und so einer läßt sich nicht dazu kriegen, ’ne andere
-Pfeife zu rauchen. Meine wollte Tom nicht
-nehmen, so sehr ich ihn auch zu überreden versuchte.
-So saß er denn da in der Patsche.</p>
-
-<p>Er überlegte den Fall und sagte, wir müßten
-’ne Rundfahrt machen und versuchen, ob wir
-nicht in Aegypten oder Arabien oder daherum
-eine auftreiben könnten, aber der Führer sagte,
-das hätte keinen Zweck, denn solche Pfeifen hätte
-man da nicht. Tom saß eine Weile recht verdrießlich
-da, plötzlich aber hellte sich sein Gesicht auf
-und er sagte, er hätte ’ne Idee und wüßte jetzt,
-wie die Sache gemacht werden müßte. Nämlich:</p>
-
-<p>»Ich habe noch ’ne andere Maiskolbenpfeife,
-sogar ’ne ganz ausgezeichnete und beinahe neue.
-Sie liegt auf dem Wandbrettchen gerade über dem
-Küchenherd bei uns zu Hause. Jim &ndash; du und
-der Führer, ihr fahrt hin und holt sie, und
-ich und Huck kampieren hier auf dem Berge Sinai,
-bis ihr wieder hier seid.«</p>
-
-<p>»Aber, Massa Tom, wir könnte nix finden
-die Städtchen. Ich könnten wohl die Pfeife finden,
-weil ich die Küche kennen tun, aber o du liebe
-Heiland: wir können niemals nix unser Stadt<span class="pagenum"><a id="Seite_190"></a>[190]</span>
-oder Sent Luis oder die andere Orte finden!
-Wir tun ja nix die Wegen kennen, Massa Tom!«</p>
-
-<p>Das war ’ne unbestreitbare Tatsache, und
-Tom wußte ’ne Minute lang nichts zu erwidern.
-Dann sagte er aber:</p>
-
-<p>»Hör’ mal zu: die Sache läßt sich trotz alledem
-machen, und ich will dir sagen, wie. Du
-nimmst die Richtung mit dem Kompaß und segelst
-gerade wie ein Pfeil immer westlich, bis du die
-Vereinigten Staaten findest. Ein Versehen ist
-dabei nicht möglich, denn es ist das erste Land,
-das du auf der anderen Seite des Atlantischen
-Ozeans antriffst. Wenn du bei Tage ankommst,
-so fährst du gleich weiter, direkt westlich vom
-oberen Teil der Küste von Florida und in eindreiviertel
-Stunden stößt du auf die Mündung
-des Mississippi &ndash; wenn du mit der Geschwindigkeit
-fährst, die ich dir vorschreiben werde.
-Du wirst so hoch oben in der Luft sein, daß dir
-die Erde sehr gekrümmt vorkommen wird &ndash; ungefähr
-wie ’ne umgestülpte Waschschüssel &ndash; und
-du siehst da unten ’ne Menge Flüsse durcheinander
-krabbeln, lange schon, ehe du in die tieferen
-Luftschichten herunter kommst; den Mississippi<span class="pagenum"><a id="Seite_191"></a>[191]</span>
-wirst du ohne jede Schwierigkeit dazwischen
-herausfinden, denn er ist bei weitem der
-größte von ihnen. Dann folgst du in beinahe
-nördlicher Richtung dem Lauf des Flusses, eindreiviertel
-Stunden lang, bis du den Ohio
-einmünden siehst; nun mußt du anfangen scharf
-aufzupassen, weil du jetzt schon in die Nähe
-kommst. Zu deiner Linken aufwärts siehst du
-einen anderen Strom einmünden, das ist der
-Missouri, ein bißchen oberhalb der Stadt St.
-Louis. Du steigst dann noch tiefer herab, damit
-du während der Fahrt die kleinen Städte
-dir ansehen kannst. In den nächsten Viertelstunden
-wirst du ungefähr bei fünfundzwanzig
-vorbeikommen, und du wirst unser Städtchen erkennen,
-sobald du’s siehst &ndash; und wenn du’s
-nicht erkennst, so brauchst du bloß ’runterzurufen
-und zu fragen.«</p>
-
-<p>»Is das so leicht, Massa Tom, so denken
-ich, wir können es machen &ndash; jawoll, ich wissen,
-wir können.«</p>
-
-<p>Der Führer war ebenfalls davon überzeugt
-und meinte, er würde es in einer ganz kleinen
-Weile lernen, seine Wache zu halten.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_192"></a>[192]</span></p>
-
-<p>»Jim kann Euch die Geschichte in ’ner halben
-Stunde beibringen,« sagte Tom. »Der Luftballon
-ist so leicht zu handhaben wie ein Kanoe.«</p>
-
-<p>Dann holte Tom die Karte hervor, zeichnete
-den Kurs hin und maß den Weg aus und sagte:</p>
-
-<p>»Der westliche Weg ist der kürzeste, wie ihr
-seht. Es sind bloß etwa siebentausend Meilen.
-Wenn ihr östlich fahrt, so ist’s mehr als doppelt
-so weit.« Dann wandte er sich an den Führer
-und fuhr fort: »Ich wünschte, daß ihr alle beide
-während eurer Wache auf den Geschwindigkeitsanzeiger
-acht gebt, und wenn er nicht dreihundert
-Meilen in der Stunde angibt, so steigt ihr höher
-oder tiefer, bis ihr eine Orkanströmung findet,
-die in eurer Richtung weht. Der alte Kasten
-hier macht seine hundert Meilen in der Stunde,
-ohne daß man überhaupt den Wind zu Hilfe
-zu nehmen braucht. Zweihundert-Meilen-Stürme
-findet ihr, so oft ihr einen haben wollt. Manchmal
-werdet ihr ein paar Meilen hoch steigen
-müssen, und da oben wird es verflixt kalt sein;
-meistens aber werdet ihr euren Sturm ein gutes
-Stück tiefer finden. Wenn ihr nur ’nem Zyklon
-begegnen könntet &ndash; das wär’ für euch ein gefundenes<span class="pagenum"><a id="Seite_193"></a>[193]</span>
-Fressen. Ihr werdet aus des Professors
-Büchern sehen, daß sie in diesen Breiten
-westlich ziehen, und noch dazu in geringer Höhe.«</p>
-
-<p>Hierauf rechnete Tom ein Weilchen und fuhr
-dann fort:</p>
-
-<p>»Siebentausend Meilen &ndash; dreihundert Meilen
-in der Stunde &ndash; ihr könnt die Spazierfahrt
-in einem Tag, also vierundzwanzig Stunden,
-machen. Heute haben wir Donnerstag; ihr werdet
-also Samstag nachmittag wieder hier sein. So,
-nun packt mir ein paar Decken, Lebensmittel,
-Bücher und dergleichen für mich und Huck aus,
-und dann könnt ihr gleich abfahren. Von Rumtrödeln
-mag ich nichts wissen &ndash; ich muß meine
-Pfeife haben, und je schneller ihr sie mir bringt,
-desto besser.«</p>
-
-<p>Alle Mann halfen beim Auspacken; binnen
-acht Minuten lagen unsere Sachen draußen und
-der Ballon war segelfertig für Amerika. Wir
-schüttelten uns also zum Abschied die Hände
-und Tom gab seine letzten Befehle:</p>
-
-<p>»Jetzt ist es zehn Minuten vor zwei, Sinaizeit.
-In vierundzwanzig Stunden seid ihr zu
-Hause, das ist sechs Uhr früh nach dortiger Zeit.<span class="pagenum"><a id="Seite_194"></a>[194]</span>
-Ihr landet ein bißchen seitwärts vom Ort auf
-dem Gipfel des Hügels, im Walde, so daß man
-euch nicht sieht. Dann springst du in die Stadt,
-Jim, und steckst beim Posthaus diese Briefe in
-den Kasten, und wenn schon jemand auf den
-Beinen sein sollte, ziehst du dir den Schlapphut
-ins Gesicht; so wird man dich nicht erkennen.
-Dann schlüpfst du von hinten in unsere Küche
-hinein und nimmst die Pfeife und legst diesen
-Zettel auf den Küchentisch; leg’ irgend ’was drauf,
-damit er nicht ’runterfliegt. Dann schleiche dich
-hinaus und mach’ dich dünne und lass’ ja nicht
-Tante Polly oder sonst jemand dich zu Gesicht
-kriegen. Lauf so schnell du kannst nach dem
-Ballon und sause mit Dreihundertmeilen-Geschwindigkeit
-nach dem Berg Sinai zurück. Du
-wirst dich nicht länger als ’ne Stunde aufzuhalten
-haben. Um sieben oder acht, heimatliche Ortszeit,
-wirst du wieder abfahren und bist in vierundzwanzig
-Stunden zurück, kommst also um
-zwei oder drei Uhr nachmittags, Sinaizeit,
-hier an.«</p>
-
-<p>Den Zettel las Tom uns vor. Er hatte
-darauf geschrieben:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_195"></a>[195]</span></p>
-
-<div class="letter">
-
-<p>»<em class="gesperrt">Donnerstag nachmittag.</em> Tom
-Sawyer, der Erronauter, sendet seiner Tante
-Polly herzliche Grüße vom Berge Sinai, wo die
-Arche war;<a id="FNAnker_5" href="#Fussnote_5" class="fnanchor">[5]</a> desgleichen Huck Finn; und sie
-wird den Zettel morgen früh um halb sieben
-kriegen.</p>
-
-<p class="mright">
-Tom Sawyer, Erronauter.«
-</p>
-</div>
-
-<div class="footnotes">
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_5" href="#FNAnker_5" class="label">[5]</a> Dieser Irrtum in Betreff der Arche ist wahrscheinlich
-nicht Tom, sondern Huck auf Rechnung zu setzen.</p>
-
-<p class="mright">
-M. T.
-</p>
-
-</div>
-</div>
-
-<p>»Da wird sie die Augen aufreißen und die
-Tränen werden ihr ’rausschießen,« sagte Tom.
-Und dann:</p>
-
-<p>»Achtung! Eins &ndash; zwei &ndash; drei &ndash; los!!«</p>
-
-<p>Und los segelte der Ballon! Wahrhaftig,
-in einer Sekunde war er aus unserem Gesichtskreis
-’rausgewirbelt.</p>
-
-<p>Dann fanden wir eine sehr bequeme Höhle
-mit ’ner prachtvollen Aussicht über die ganze
-weite Ebene; und da biwakierten wir und warteten
-auf die Pfeife.</p>
-
-<p>Der Ballon kam pünktlich und heil zurück
-und brachte die Pfeife. Aber Tante Polly hatte
-Jim abgefaßt, als er sie aus der Küche holte,
-und nun kann sich wohl jeder denken, wie<span class="pagenum"><a id="Seite_196"></a>[196]</span>
-es weiter kam: Tom sollte nach Hause zurück.
-So sagte denn Jim:</p>
-
-<p>»Massa Tom, Tante Polly stehen vor die
-Haustür un haben ihr Aug oben an die Himmel,
-un sie sag’, sie rühren sich nix von den Fleck,
-bis Massa Tom wieder da sein. Das geben eine
-nasse Jahr, Massa Tom, warraftig!«</p>
-
-<p>So schoben wir denn ab nach Hause, und nicht
-gerade mit sehr lustigen Gefühlen.</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_197"></a>[197]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Tom_der_kleine_Detektiv">Tom, der kleine Detektiv.</h2>
-
-<p class="center">Von Huck Finn erzählt.</p>
-<div class="figcenter" id="illu-196">
- <img src="images/illu-196.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_199"></a>[199]</span></p>
-<h3 class="nobreak" id="detektiv01">Erstes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Ein Jahr war herum, seitdem Tom Sawyer
-und ich unsern alten Neger Jim befreit hatten, der
-auf der Farm von Toms Onkel Silas in Arkansas
-als fortgelaufener Sklave in Ketten gelegt worden
-war. Nun wurde es Frühling; der gefrorene Boden
-taute auf und mildere Lüfte wehten. Immer näher
-winkte die Zeit, wo man wieder barfuß gehen konnte;
-dann kam das Murmelspiel an die Reihe, später
-Kreisel und Reifen oder man ließ den Drachen
-steigen, und wenn es endlich Sommer geworden war
-ging’s zum schwimmen. Doch das lag unabsehbar
-fern, und der Gedanke, wie lange es noch dauern
-muß, bis der Sommer kommt, macht unsereinen ganz
-schwermütig. Dann schleicht so ein armer Junge<span class="pagenum"><a id="Seite_200"></a>[200]</span>
-trübselig umher; er seufzt und stöhnt und weiß nicht
-was ihm fehlt. Er sucht sich ein einsames Fleckchen
-hoch oben am Berghang, wo er weit hinausschauen
-kann, wie der große Mississippi sich um eine Landzunge
-nach der andern windet, bis er mit der
-dämmerigen Ferne verschwimmt. Alles ist so still
-und feierlich wie beim Begräbnis, und man wünscht,
-man wäre selber tot und begraben, damit das Erdenleid
-ein Ende hätte.</p>
-
-<p>Wißt ihr, wie die Krankheit heißt? Man
-nennt sie Frühlingsfieber. Und wenn sie einen befällt,
-hat man immerzu Herzweh, man weiß nicht
-wonach. Man möchte weit weg von dem ewigen
-Einerlei der alltäglichen Dinge, die einem zum Ueberdruß
-sind. Etwas Neues sehen und als Wanderer
-in fremde Länder ziehen, wo alles wunderschön, geheimnisvoll
-und noch nie dagewesen ist &ndash; ja, danach
-sehnt man sich. Doch nimmt man allenfalls auch
-mit einer kleineren Wanderschaft fürlieb und ist
-froh, wenn man überhaupt fort kann.</p>
-
-<p>Also, wir beide litten stark am Frühlingsfieber,
-Tom Sawyer und ich. Aber es war gar keine
-Aussicht vorhanden, daß Tom etwa die Schule versäumen
-und über Land gehen durfte; seine Tante<span class="pagenum"><a id="Seite_201"></a>[201]</span>
-Polly hielt das für Zeitverschwendung und hätte
-es nie zugegeben. Recht mutlos und niedergeschlagen
-saßen wir eines Tages gegen Sonnenuntergang
-draußen auf den Steinstufen und bliesen Trübsal;
-da kam Tante Polly mit einem Brief in der Hand
-gegangen.</p>
-
-<p>»Tom,« sagte sie, »du wirst wohl dein Bündel
-schnüren müssen, um dich nach Arkansas auf den
-Weg zu machen &ndash; Tante Sally verlangt nach dir.«</p>
-
-<p>Ich hätte vor Freude aus der Haut springen
-mögen und glaubte nicht anders, als daß Tom seiner
-Tante um den Hals fallen und sie halbtot herzen
-würde; aber er saß stockstill da und that keinen
-Mucks. Warum er nur solch ein Narr war, die
-herrliche Gelegenheit, die sich ihm bot, nicht beim
-Schopf zu fassen? Sie konnte ihm leicht entgehen,
-wenn er jetzt nicht bald den Mund aufthat und sagte,
-wie froh und dankbar er wäre. Ich war ganz
-außer mir und dem Weinen nahe, als er immer weiter
-lernte und lernte und zuletzt ganz gelassen sagte:</p>
-
-<p>»Es thut mir sehr leid, Tante, aber davon kann
-wirklich jetzt keine Rede sein!« &ndash; Da hätt’ ich ihn
-totschießen können.</p>
-
-<p>Tante Polly war wie vor den Kopf geschlagen<span class="pagenum"><a id="Seite_202"></a>[202]</span>
-und so voll Zorn über die freche Antwort, daß sie eine
-ganze Minute lang sprachlos dastand und mir Zeit ließ,
-Tom einen Puff zu geben und ihm zuzuflüstern:</p>
-
-<p>»Bist du denn übergeschnappt? Wie kannst du
-ein solches Glück wegwerfen und mit Füßen treten?«</p>
-
-<p>Aber das machte ihm keinen Eindruck. »Schweig
-still, Huck Finn,« brummte er, »soll sie’s etwa
-merken, daß ich für mein Leben gern hin möchte?
-Gleich würden ihr tausend Zweifel kommen &ndash; lauter
-eingebildete Krankheiten, Gefahren und Hindernisse.
-Im Handumkehren hätte sie die Erlaubnis zurückgenommen.
-Laß mich nur machen, ich weiß schon,
-wie man sie behandeln muß.«</p>
-
-<p>Na, so was wäre mir nie eingefallen; aber
-Tom hatte recht, wie immer. Ein Schlaukopf erster
-Sorte und nie unbesonnen &ndash; der läßt sich nicht
-verblüffen. Jetzt hatte Tante Polly sich vom Schreck
-erholt, und nun ging’s los:</p>
-
-<p>»So &ndash; davon kann nicht die Rede sein? Hat
-man je so was gehört! Und das sagst du mir ins
-Gesicht? &ndash; Auf der Stelle gehst du hinauf und
-packst deine Siebensachen. Kein Wort mehr, das
-bitt’ ich mir aus &ndash; sonst setzt’s Hiebe.«</p>
-
-<p>Sie gab ihm noch eine Kopfnuß mit dem<span class="pagenum"><a id="Seite_203"></a>[203]</span>
-Fingerhut als wir uns duckten und rasch an ihr
-vorbeiliefen. Tom fing an zu flennen und wir
-sprangen die Treppe hinauf. Oben in seinem Zimmer
-fiel er mir um den Hals und war wie wahnsinnig
-vor Freude, weil’s nun auf die Reise ging.</p>
-
-<p>»Sie wird’s bald bereuen, daß sie mich fortgelassen
-hat,« sagte er. »Aber nun weiß sie keinen
-Ausweg und kann’s nicht wieder rückgängig machen,
-dazu ist sie viel zu stolz.«</p>
-
-<p>In zehn Minuten war Tom mit packen fertig,
-bis auf das, was seine Tante und Mary an Sachen
-dazu thun würden; dann wartete er noch zehn
-Minuten, damit sich ihr Zorn abkühlen und sie
-wieder sanft und freundlich werden sollte. »Wenn
-sie nur halb aus dem Häuschen ist,« sagte er,
-»braucht sie zehn Minuten sich zu erholen; habe
-ich sie aber ganz wild gemacht, dann dauert es
-zwanzig Minuten, und das ist jetzt so ein Fall.«
-Nun gingen wir rasch hinunter, weil wir vor Neugierde
-brannten zu hören, was Tante Sally eigentlich
-geschrieben hatte.</p>
-
-<p>Der Brief lag auf Tante Pollys Schoß und
-sie saß ganz in Gedanken versunken da. Als wir
-Platz genommen hatten, sagte sie:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_204"></a>[204]</span></p>
-
-<p>»Unsere Leute dort unten sind in großer Trübsal;
-sie hoffen, ihr werdet sie zerstreuen, du und
-Huck Finn, und ein rechter Trost für sie sein. Na,
-ihr beide seid mir ein paar nette Tröster! &ndash; Die
-Sache ist nämlich so: Ein Nachbar von ihnen,
-Brace Dunlap, hat vor drei Monaten um die Hand
-ihrer Benny angehalten. Sie haben lange mit der
-Antwort gezögert und ihm endlich geradeheraus erklärt,
-daß aus der Heirat nichts werden könnte.
-Das hat er ihnen sehr übel genommen, und nun
-machen sie sich Kummer darüber. Mir scheint, sie
-wollen’s nicht ganz mit dem Nachbar verderben,
-denn um ihn zu versöhnen haben sie seinen nichtsnutzigen
-Bruder als Gehilfen auf der Farm in
-Dienst genommen, obgleich ihre Mittel das kaum
-erlauben und der Mensch ihnen so wie so nur im
-Wege ist. Wer sind denn diese Dunlaps?«</p>
-
-<p>»Sie wohnen etwa eine Meile von Onkel Silas’
-Besitzung, Tante &ndash; alle Farmen dort in der Gegend
-sind gleich weit von einander entfernt. Brace
-Dunlap ist viel reicher als die andern Nachbarn
-und hat einen ganzen Haufen Neger. Er ist ein
-kinderloser Witwer, sechsunddreißig Jahre alt, dabei
-sehr stolz und hochfahrend, so daß alle Welt vor ihm<span class="pagenum"><a id="Seite_205"></a>[205]</span>
-zu Kreuze kriecht. Vermutlich hat er gedacht, er
-brauchte nur bei irgend einem Mädchen anzuklopfen,
-das er zur Frau wollte; es wird ihn nicht wenig
-gewundert haben, daß er Benny nicht bekommen
-kann. Sie ist nur halb so alt wie er und das
-süßeste, reizendste &ndash;&nbsp;&ndash; na, du kennst Benny ja
-selbst. Mir thut nur der arme alte Onkel Silas
-leid, der sich aufs äußerste einschränken muß und
-einen Thunichtgut wie den Jupiter Dunlap in Dienst
-nimmt, bloß um seinem hochnasigen Bruder einen
-Gefallen zu thun.«</p>
-
-<p>»Ist das ein Name &ndash; Jupiter! Wo hat er
-den her?«</p>
-
-<p>»Es ist nur ein Spitzname; wie er eigentlich
-heißt, weiß wohl kein Mensch mehr. Man nennt
-ihn schon siebenundzwanzig Jahre lang so, seit er
-zum erstenmal baden ging. Da sieht der Schulmeister,
-daß er am linken Bein über dem Knie ein
-rundes braunes Mal hat, so groß wie ein Zehnpfennigstück
-und vier kleinere Mäler drum herum
-und sagt, es erinnere ihn an Jupiter und seine
-Monde. Den Kindern kam das komisch vor, sie
-fingen an ihn Jupiter zu nennen, und der Name
-ist ihm geblieben bis auf den heutigen Tag. Er<span class="pagenum"><a id="Seite_206"></a>[206]</span>
-ist groß und faul, verschmitzt, hinterhältig und feige,
-dabei aber doch wieder gutmütig. Keinen roten
-Heller nennt er sein eigen; Brace giebt ihm das
-Gnadenbrot und seine abgelegten Kleider, auch seine
-Verachtung obendrein. Jupiter trägt langes Haar,
-aber keinen Bart; er ist ein Zwilling.«</p>
-
-<p>»So? Wie sieht denn der andere Zwillingsbruder
-aus?«</p>
-
-<p>»Man sagt, er gleicht Jupiter auf ein Haar;
-wenigstens früher &ndash; jetzt hat man ihn seit sieben
-Jahren nicht gesehen. Als er neunzehn oder zwanzig
-Jahre alt war, wurde er bei einem Einbruchsdiebstahl
-ertappt und ins Gefängnis gesteckt. Aber er
-entkam nach dem Norden und beging bald hier bald
-dort Raub oder Diebstahl; doch das ist lange her.
-Jetzt ist er tot; das heißt, die Leute behaupten es &ndash;
-man hört eben nichts mehr von ihm.«</p>
-
-<p>»Wie hieß denn der?«</p>
-
-<p>»Jack.«</p>
-
-<p>Es entstand eine Pause; die alte Dame war offenbar
-mit ihren Gedanken beschäftigt. Endlich sagte sie:</p>
-
-<p>»Am meisten macht sich Tante Sally Sorge
-darüber, daß der Onkel immer in so furchtbaren
-Zorn gerät über diesen Jupiter.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_207"></a>[207]</span></p>
-
-<p>»Was,« rief Tom verwundert, »Onkel Silas?
-Das ist wohl nur ein Scherz &ndash; der kann ja gar
-nicht zornig werden!«</p>
-
-<p>»Die Tante schreibt, er wird oft so wütend,
-daß sie immer fürchtet, er könnte sich thätlich an dem
-Mann vergreifen.«</p>
-
-<p>»Da hört aber alles auf! &ndash; Onkel ist ja so
-sanft wie ein Lamm.«</p>
-
-<p>»Er soll wie ausgewechselt sein durch das ewige
-Zanken und Streiten. Die Nachbarn reden schon
-darüber und schieben alle Schuld auf den Onkel, weil
-er ein Prediger ist und Frieden halten müßte. Tante
-Sally sagt, er schämt sich ordentlich, auf die Kanzel
-zu steigen; auch hat die Gemeinde das Vertrauen
-zu ihm verloren und er ist gar nicht mehr so beliebt
-wie früher.«</p>
-
-<p>»Wie sonderbar! Onkel war doch immer so
-sanft und freundlich, so zerstreut, so träumerisch, so
-voller Einfalt und Herzensgüte, kurz ein wahrer
-Engel. Wie kann das nur zugegangen sein?«</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_208"></a>[208]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="detektiv02">Zweites Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Wir hatten riesiges Glück. Auf einem Raddampfer,
-der vom Norden gerade nach der Sumpfgegend
-von Louisiana steuerte, kamen wir den ganzen
-Mississippi bis zur Farm in Arkansas hinunter und
-brauchten nicht einmal in St. Louis das Boot zu
-wechseln. Eine Fahrt von fast tausend Meilen in
-einem Zug.</p>
-
-<p>Man fühlte sich recht einsam auf dem Dampfer,
-denn die wenigen Passagiere waren alte Männer,
-die weit von einander auf Deck saßen und schliefen
-oder sich still verhielten. Vier Tage dauerte die
-Fahrt auf dem Oberen Mississippi, weil wir so oft
-auf den Grund gerieten, aber langweilig fanden wir
-Jungen es gar nicht &ndash; wie kann man sich langweilen,
-wenn man auf Reisen ist!&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Gleich nach der Abfahrt hatten Tom und ich
-herausgebracht, daß in der Kajüte neben unserer
-jemand krank liegen müsse, weil das Essen immer
-hineingetragen wurde. Wir erkundigten uns danach,
-und der Kellner sagte, der Mann da drinnen sähe
-gar nicht krank aus.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_209"></a>[209]</span></p>
-
-<p>»Aber, er muß doch krank sein.«</p>
-
-<p>»Wohl möglich &ndash; ich weiß nicht &ndash; mir scheint,
-er stellt sich nur an.«</p>
-
-<p>»Woher glaubt Ihr das?«</p>
-
-<p>»Na, wenn er krank wäre, würde er sich doch
-mal ausziehen, aber das thut er nicht. Wenigstens
-seine Stiefel behält er immer an.«</p>
-
-<p>»Ist das möglich? Auch wenn er zu Bett geht?«</p>
-
-<p>»Auch dann.«</p>
-
-<p>Ein Geheimnis! Das war Wasser auf Toms
-Mühle.</p>
-
-<p>»Wie heißt denn der Mann?«</p>
-
-<p>»Phillips; in Alexandria ist er an Bord gekommen.«</p>
-
-<p>»Und hat er noch andere Eigenheiten?«</p>
-
-<p>»Nein &ndash; nur schrecklich ängstlich ist er. Tag
-und Nacht hält er seine Thür verschlossen, und wenn
-man klopft macht er nur ein Ritzchen auf und guckt
-erst wer da ist.«</p>
-
-<p>»Wahrhaftig, den möchte ich gern zu sehen bekommen.
-Sagt mal &ndash; könntet Ihr nicht die Thür weit
-aufmachen, wenn Ihr wieder hineingeht, so daß&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Bewahre. Das würde auch wenig nützen.
-Er stellt sich immer hinter die Thür.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_210"></a>[210]</span></p>
-
-<p>Tom dachte eine Weile nach.</p>
-
-<p>»Wißt Ihr was? Gebt mir Eure Schürze und
-laßt mich morgen das Frühstück hineintragen. Ihr
-bekommt auch einen Vierteldollar.«</p>
-
-<p>Der Kellner war es zufrieden, wenn der Oberkellner
-nichts dagegen hätte.</p>
-
-<p>»Mit dem will ich’s schon abmachen,« sagte
-Tom. Und richtig, am nächsten Morgen hatten wir
-jeder eine Schürze um und trugen die Speisen hinein.</p>
-
-<p>Tom hatte die ganze Nacht wach gelegen und
-sich den Kopf zerbrochen über Phillips und sein
-Geheimnis. Das war verlorene Mühe nach meiner
-Ansicht; viel besser, wir kamen selbst dahinter wie
-die Sachen wirklich standen, statt uns erst allerlei
-Falsches auszudenken. »Ich kann’s ja abwarten,«
-dachte ich und ließ mich im Schlaf nicht stören.</p>
-
-<p>Als Tom morgens an die Thür klopfte, guckte
-der Mann durch die Spalte, ließ uns herein und
-schloß rasch hinter uns zu. Aber, Donnerwetter &ndash;
-als wir ihn ansahen, hätten wir vor Schreck fast
-die Kaffeebretter fallen lassen.</p>
-
-<p>»Du meine Güte &ndash; Jupiter Dunlap &ndash; wo
-kommt Ihr denn her?« rief Tom.</p>
-
-<p>Natürlich war der Mann überrascht und zuerst<span class="pagenum"><a id="Seite_211"></a>[211]</span>
-sah er aus als ob er nicht wüßte, sollte er sich
-fürchten oder freuen. Er war ganz bleich geworden,
-doch bald bekam er wieder Farbe im Gesicht und
-fing an mit uns zu plaudern, während er sein
-Frühstück aß.</p>
-
-<p>Nach einer Weile sagte er: »Ich bin gar nicht
-Jupiter Dunlap; doch heiß’ ich auch nicht Phillips.
-Wenn ihr schwören wollt reinen Mund zu halten,
-will ich euch offenbaren wer ich bin.«</p>
-
-<p>»Wir verraten nichts,« rief Tom; »aber wenn
-Ihr nicht Jupiter Dunlap seid, braucht Ihr mir
-Euern Namen nicht erst zu sagen.«</p>
-
-<p>»Wieso?«</p>
-
-<p>»Weil Ihr ihm gleicht wie ein Ei dem andern.
-Ihr seid sein Zwillingsbruder Jack.«</p>
-
-<p>»Da kannst du recht haben. Aber, sag’ mal,
-Junge, woher kennst du uns denn alle beide?«</p>
-
-<p>Nun erzählte ihm Tom, was wir im vergangenen
-Sommer für Abenteuer auf Onkel Silas’
-Farm erlebt hatten. Als er hörte, daß wir alle
-seine Familienverhältnisse und seine eigene Lebensgeschichte
-kannten, wurde er ganz offenherzig und
-mitteilsam. Er sagte, er wäre von jeher ein Thunichtgut
-gewesen, auch jetzt sei er ein schlechter Kerl und<span class="pagenum"><a id="Seite_212"></a>[212]</span>
-würde wohl sein Lebtag ein Taugenichts bleiben.
-Freilich sei es ein gefährliches Ding und&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Er brach plötzlich ab und hielt die Hand ans
-Ohr um zu lauschen. Wir sprachen kein Wort;
-ein paar Sekunden blieb alles mäuschenstill. Man
-hörte nichts als das Knarren des Holzwerks und
-das Bumbum der Maschine im Schiffsraum.</p>
-
-<p>Um ihn zu beruhigen fingen wir an, ihm allerlei
-von seiner Familie zu berichten: daß Brace seine
-Frau vor drei Jahren verloren hätte und als er
-Benny heiraten wollte von ihr einen Korb bekommen
-habe, daß Jupiter bei Onkel Silas in Arbeit stehe,
-der immer in Streit mit ihm sei, und dergleichen
-mehr. Auf einmal lachte er laut auf.</p>
-
-<p>»Jungens,« rief er, »euer Geplapper versetzt
-mich ganz in alte Zeiten zurück; mir wird ordentlich
-wohl dabei. Seit länger als sieben Jahren hab’
-ich so was nicht mit angehört. Was spricht man
-denn aber von mir in der Nachbarschaft?«</p>
-
-<p>»Von Euch spricht man schon lange nicht mehr;
-höchstens alle Jubeljahr wird Euer Name einmal
-erwähnt.«</p>
-
-<p>»Ist’s möglich! Und wie kommt denn das?«</p>
-
-<p>»Weil man Euch für längst gestorben hält.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_213"></a>[213]</span></p>
-
-<p>»Wirklich? Sprichst du auch die Wahrheit?«
-Er war in großer Erregung aufgesprungen.</p>
-
-<p>»Mein Wort zum Pfande. Kein Mensch glaubt,
-daß Ihr noch am Leben seid.«</p>
-
-<p>»Hurra, dann bin ich gerettet! Ich kann mich
-nach Hause wagen. Gewiß werden mir meine Verwandten
-beistehen und mich verbergen. Nicht wahr,
-ihr haltet reinen Mund! Schwört mir’s noch einmal.
-Schwört, daß ihr mich nun und nimmermehr
-verraten werdet. Jungens, habt Erbarmen mit mir
-armem Teufel, der Tag und Nacht keine Ruhe findet
-und sich nirgends sehen lassen darf. Ich hab’ euch
-nie etwas zuleide gethan und meine es nur gut
-mit euch, so wahr Gott im Himmel ist. Schwört,
-daß ihr schweigen wollt, und rettet mir das Leben.«</p>
-
-<p>Natürlich thaten wir ihm den Willen und
-leisteten den Schwur. Er dankte uns von ganzem
-Herzen, der arme Kerl, ich glaube, er hätte uns am
-liebsten umarmt und geküßt.</p>
-
-<p>Wir plauderten noch lange zusammen; dann
-holte er einen kleinen Reisesack herbei, öffnete ihn
-und bat, wir möchten nicht hinsehen. Wir drehten
-ihm den Rücken, und als wir uns wieder umwenden
-durften, war er ganz und gar verändert. Er hatte<span class="pagenum"><a id="Seite_214"></a>[214]</span>
-eine blaue Brille auf und einen langen braunen
-Knebel- und Schnauzbart, der ihm sehr natürlich zu
-Gesicht stand. Seine eigene Mutter hätte ihn nicht
-wiedererkannt. »Sehe ich jetzt noch meinem Bruder
-Jupiter ähnlich?« fragte er.</p>
-
-<p>»Nein,« sagte Tom, »nichts erinnert mehr an
-ihn, außer Euer langes Haar.«</p>
-
-<p>»Das lasse ich mir kurz scheren, ehe ich nach
-Hause komme. Er und Brace werden mein Geheimnis
-bewahren und ich kann als Fremder bei
-ihnen wohnen, ohne daß die Nachbarn Argwohn
-schöpfen. Wie gefällt euch mein Plan?«</p>
-
-<p>Tom dachte eine Weile nach, dann sagte er:</p>
-
-<p>»Huck und ich, wir werden natürlich kein Wort
-verraten, aber wenn Ihr nicht selber schweigt, so
-lauft Ihr doch Gefahr, erkannt zu werden. Es
-würde den Leuten auffallen, daß Eure Stimme genau
-so klingt, wie die von Jupiter, und dann erinnern
-sie sich vielleicht an den Zwillingsbruder, den sie
-für tot gehalten haben und der sich die ganze Zeit
-unter einem falschen Namen verborgen haben kann.«</p>
-
-<p>»Alle Wetter, bist du klug!« rief er; »aber recht
-hast du. Ich muß mich taubstumm stellen, sobald
-ein Nachbar in meine Nähe kommt. Es hätte eine<span class="pagenum"><a id="Seite_215"></a>[215]</span>
-schöne Geschichte gegeben, wäre mir das nicht eingefallen.
-Aber ich wollte ja eigentlich gar nicht nach
-Hause, sondern nur an irgend einen Ort, wo ich vor
-den Burschen sicher bin, die mich verfolgen. Dann
-dachte ich den Bart und die Brille anzulegen, auch
-andere Kleider und&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>Mit einmal lief er nach der Thür, hielt das
-Ohr daran und horchte. Er war bleich geworden
-und sein Atem flog.</p>
-
-<p>»Es klang ganz als würde der Hahn einer
-Flinte gespannt,« flüsterte er. »Herr des Himmels,
-ist das ein erbärmliches Leben!« Matt und kraftlos
-sank er auf einen Stuhl und wischte sich den
-Schweiß von der Stirn.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="detektiv03">Drittes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Von da ab waren wir fast immer bei ihm;
-meist schlief einer von uns in seiner obern Koje.
-Er hatte sich so schrecklich einsam gefühlt und es war
-ihm ein Trost in seiner Not, jemand um sich zu
-haben, mit dem er reden konnte. Wir brannten<span class="pagenum"><a id="Seite_216"></a>[216]</span>
-natürlich vor Neugier, hinter das Geheimnis zu kommen;
-aber Tom sagte, wir sollten uns ja nichts
-merken lassen, dann würde er einmal ganz von selbst
-anfangen davon zu sprechen. Wollten wir ihn ausfragen,
-so würde er gleich Argwohn schöpfen und
-verschwiegen sein wie eine Auster. Es traf auch
-genau so ein. Daß er uns alles gern erzählt hätte,
-merkte man ihm leicht an, aber jedesmal wenn wir
-dachten: jetzt kommt’s! überfiel ihn die Angst und
-er lenkte das Gespräch auf etwas anderes. Wir erfuhren’s
-aber doch noch, und das ging so zu: Er
-hatte angefangen, uns in scheinbar gleichgültigem Ton
-nach den Passagieren im Zwischendeck zu fragen, die
-heraufkamen, um sich am Schenktisch Branntwein zu
-kaufen; wir versuchten sie zu beschreiben, aber das
-genügte ihm nicht, er wollte alle Einzelheiten wissen.
-Tom gab sich die größte Mühe und als er bei der
-Schilderung eines der rohesten und zerlumptesten
-Kerle angekommen war, fuhr Jack Dunlap schaudernd
-zusammen.</p>
-
-<p>»O Jemine, das ist einer von ihnen! Sie sind
-wahrhaftig an Bord &ndash; dachte ich mir’s doch! Ich
-hoffte, ich wäre ihnen entwischt, aber zweifelhaft
-war mir’s immer. Nur weiter!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_217"></a>[217]</span></p>
-
-<p>Als Tom nun noch einen andern groben und
-schäbigen Zwischendecks-Passagier beschrieb, ward
-Dunlap schreckensbleich. »O weh, das ist der zweite,
-was fang’ ich nur an? Hätten wir doch eine
-stürmische pechfinstere Nacht und ich könnte das Ufer
-erreichen. Aber sie haben gewiß jemand bestochen,
-den Stiefelputzer oder den Kofferträger, um mich zu
-bewachen. Gelänge es mir auch unbemerkt fortzukommen,
-so würde keine Stunde vergehen, bis sie
-es wüßten.«</p>
-
-<p>Unruhig ging er auf und ab. Es dauerte gar
-nicht lange, da fing er an zu erzählen, wie es ihm
-bald gut bald schlecht ergangen sei, und ehe wir’s
-uns versahen, kam er ins rechte Fahrwasser.</p>
-
-<p>»Wir hatten alles genau verabredet,« sagte er.
-»Es handelte sich um zwei wunderschöne Diamanten,
-so groß wie Haselnüsse, in einem Juwelierladen zu
-St. Louis, die von jedermann bewundert wurden.
-Wir zogen feine Kleider an und spielten den Streich
-bei hellem Tage. Die Diamanten ließen wir uns
-ins Hotel kommen, als ob wir sie kaufen wollten,
-wenn sie uns gefielen, und schickten dem Juwelier
-statt dessen zwei Glaspasten, die wir in Bereitschaft
-gehalten hatten, mit dem Bescheid zurück, die<span class="pagenum"><a id="Seite_218"></a>[218]</span>
-Diamanten seien nicht vom reinsten Wasser und
-wir fänden den Preis von zwölftausend Dollars
-zu hoch.«</p>
-
-<p>»Zwölf &ndash; tausend &ndash; Dollars!« rief Tom.
-»Waren sie denn wirklich so viel Geld wert?«</p>
-
-<p>»Keinen Cent weniger.«</p>
-
-<p>»Und ihr habt euch damit aus dem Staube
-gemacht?«</p>
-
-<p>»Ohne alles weitere. Der Juwelier weiß vielleicht
-heutigen Tages noch nicht, daß er bestohlen
-worden ist. Aber wir hielten es doch für unklug,
-in St. Louis zu bleiben. Wir überlegten hin und
-her und beschlossen nach dem Obern Mississippi zu
-reisen. Vorher aber wickelten wir die Diamanten
-in ein Papier, schrieben unsere Namen darauf und
-übergaben das Päckchen dem Hoteldiener mit der
-Anweisung, es keinem von uns wieder einzuhändigen,
-wenn nicht die beiden andern als Zeugen zugegen
-wären. Dann machten wir einen Gang in die Stadt,
-aber jeder für sich allein; ich glaube, wir hatten
-alle den gleichen Plan, obgleich ich es nicht gewiß
-behaupten will.«</p>
-
-<p>»Welchen Plan?« fragte Tom.</p>
-
-<p>»Die andern zu berauben.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_219"></a>[219]</span></p>
-
-<p>»Was &ndash; einer sollte alles nehmen, nachdem
-er es erst mit Hilfe der andern bekommen hatte?«</p>
-
-<p>»So meine ich’s.«</p>
-
-<p>Tom war ganz empört darüber; er sagte, es
-wäre der schändlichste, niederträchtigste Streich, von
-dem er je gehört hätte. Aber Jack Dunlap versicherte
-ihm, daß es in seiner Zunft nichts Ungewöhnliches
-sei. Wer sich einmal diesem Beruf gewidmet hätte,
-müßte selber auf seinen Vorteil bedacht sein, weil
-kein anderer Mensch das für ihn besorgen würde.
-Dann fuhr er in seinem Bericht fort:</p>
-
-<p>»Es war natürlich schwierig, zwei Diamanten
-unter drei Leute zu teilen, das werdet ihr wohl einsehen.
-Hätten wir drei Diamanten gehabt, ja
-dann &ndash;&nbsp;&ndash; Aber, wozu noch weiter darüber reden;
-mehr als zwei waren es nun einmal nicht. So
-trieb ich mich denn in den Hintergassen umher und
-dachte nach, wie ich es wohl anstellen könnte, der
-Diamanten habhaft zu werden. War mir dies geglückt,
-dann wollte ich mich so verkleiden, daß mich
-niemand erkennen sollte, und auf und davon gehen.
-Ich kaufte mir zu diesem Zweck den falschen Bart,
-die blaue Brille und den bäuerischen Anzug, in dem
-ihr mich hier seht, und that alles in einen Reisesack,<span class="pagenum"><a id="Seite_220"></a>[220]</span>
-den ich mitgenommen hatte. Als ich vor einem
-Laden vorbeikam, in dem allerlei Waren feilgeboten
-wurden, sah ich durchs Fenster. Drinnen stand
-Bud Dixon, einer von meinen Spießgesellen. ›Ich
-will doch mal sehen, was der kauft,‹ dachte ich bei
-mir und verbarg mich, beobachtete aber alles genau.
-Na, was glaubt ihr wohl, daß er gekauft hat? &ndash;
-Doch das ratet ihr euer Lebtag nicht, Jungens.
-Nichts als einen winzig kleinen Schraubenzieher.«</p>
-
-<p>»Wie sonderbar. Was wollte er denn damit?«</p>
-
-<p>»Das fragte ich mich auch. Ich zerbrach mir
-den Kopf, konnte aber nicht ins reine kommen.
-Bei einem Trödler erstand er nun noch ein rotes
-Flanellhemd und zerlumpte Kleider; dieselben, die
-er jetzt anhat nach eurer Beschreibung. Nachdem
-ich das gesehen hatte, ging ich nach der Werft und
-versteckte meine Sachen auf dem Flußboot, mit dem
-wir fahren wollten. Als ich dann abermals durch
-die Straßen schlenderte, sah ich auch meinen andern
-Kameraden seine Einkäufe machen. Gegen Abend
-holten wir uns die Diamanten aus dem Hotel und
-gingen an Bord.</p>
-
-<p>»Jetzt waren wir alle übel daran, denn wir
-durften uns nicht zu Bette legen; wie hätten wir<span class="pagenum"><a id="Seite_221"></a>[221]</span>
-sonst ein wachsames Auge aufeinander haben können.
-Es war nämlich schon seit ein paar Wochen böses
-Blut zwischen uns, und wir hielten nur zusammen,
-solange es das Geschäft erforderte. Zwei Diamanten
-für drei Personen, das war eben die Verlegenheit.
-Erst aßen wir zu Abend, dann rauchten wir und
-schlenderten dabei auf dem Deck umher bis gegen
-Mitternacht. Endlich gingen wir in meine Kajüte,
-schlossen die Thür zu, überzeugten uns, ob die
-Diamanten wirklich noch im Papier waren und legten
-sie auf die untere Koje, wo wir sie alle drei im
-Auge behalten konnten. Nun saßen wir stockstill
-und wurden immer schläfriger. Bud Dixon ließ
-sich endlich von der Müdigkeit übermannen; der
-Kopf sank ihm auf die Brust und er schnarchte, daß
-es eine Art hatte. Da deutete Hal Clayton zuerst
-auf die Diamanten und dann nach der Thür. Ich
-verstand ihn, streckte die Hand nach dem Papier
-aus und nahm es an mich. Wir warteten nun eine
-Weile, aber Bud schlief fort und regte sich nicht.
-Leise drehte ich den Schlüssel um und drückte auf
-die Klinke, dann schlichen wir auf den Zehen hinaus
-und machten die Thür geräuschlos hinter uns zu.</p>
-
-<p>»Das Boot glitt ruhig durch die Flut; Wolken<span class="pagenum"><a id="Seite_222"></a>[222]</span>
-verbargen den Mond und wir wurden von niemand
-bemerkt. Ohne ein Wort zu reden schritten wir
-geradeswegs hinauf nach dem Sturmdeck und setzten
-uns am äußersten Ende neben das Deckfenster. Was
-das zu bedeuten hatte, wußten wir beide; es bedurfte
-keiner Erklärung. Wenn Bud Dixon aufwachte
-und sah, daß die Diamanten fort waren,
-würde er gleich hinter uns dreinkommen, denn er
-kannte keine Furcht. Dann wollten wir ihn über
-Bord werfen, oder bei dem Versuch unser Leben
-lassen. Mir schauderte, wenn ich nur daran dachte,
-denn ich bin nicht so mutig wie mancher andere;
-doch durfte ich meine Angst nicht zeigen, das wäre
-mir schlecht bekommen. Ich hoffte immer noch, das
-Boot würde irgendwo anlegen, so daß wir ans Land
-springen und allen Skandal vermeiden könnten, denn
-mit Bud Dixon war nicht zu spaßen.</p>
-
-<p>»Aber eine Stunde nach der andern verging,
-wir schifften immer weiter und der Mensch kam
-nicht auf Deck. Als der Morgen zu dämmern anfing
-und Bud sich noch nicht sehen ließ, erwachte
-unser Argwohn. ›Er hält uns vielleicht zum Narren,
-meinte Hal, mach’ das Papier auf!‹ Das that ich
-und meiner Seel’, es war nichts darin, als ein paar<span class="pagenum"><a id="Seite_223"></a>[223]</span>
-Zuckerkrümel. Deshalb also hatte er die ganze
-Nacht so ruhig schnarchen können. Ein schlauer
-Kerl, so wahr ich lebe. Er muß zwei ganz gleiche
-Papiere bereit gehalten und sie vor unserer Nase
-vertauscht haben.</p>
-
-<p>»Wir waren nicht wenig verblüfft, doch hatten
-wir bald einen neuen Plan fertig. Es schien uns
-am klügsten, leise in die Kajüte zurückzuschleichen,
-das Papier wieder an Ort und Stelle zu legen
-und zu thun, als hätten wir nicht gemerkt, daß er
-uns mit seinem verstellten Schnarchen nur zum
-Besten hielt. Wir wollten ihm nicht von der Seite
-gehen und ihn am ersten Abend nach der Landung
-betrunken machen, seine Kleider durchsuchen, die
-Diamanten nehmen und ihm womöglich den Garaus
-machen; denn er würde uns immer auf den Fersen
-sein, um uns die Beute wieder abzujagen, und wir
-wären keinen Augenblick unseres Lebens sicher. Das
-Gelingen des Plans war mir jedoch sehr zweifelhaft.
-Bud betrunken zu machen, hatte keine Schwierigkeit,
-aber was nützte es, wenn wir hernach suchten und
-suchten und doch nichts fanden.</p>
-
-<p>»Plötzlich fuhr mir ein Gedanke durch den Kopf,
-der mir fast den Atem benahm; doch dann wurde<span class="pagenum"><a id="Seite_224"></a>[224]</span>
-mir auf einmal ganz froh und leicht zu Mute. Ich
-hatte nämlich gerade meinen Stiefel in der Hand, um
-ihn anzuziehen, und als ich einen Blick auf die Sohle
-warf, mußte ich an den rätselhaften kleinen Schraubenzieher
-denken. Erinnert ihr euch noch daran?«</p>
-
-<p>»Das will ich meinen,« rief Tom ganz aufgeregt.</p>
-
-<p>»Na, wie ich den Absatz ansah, wußte ich auf
-einmal, wo Bud die Diamanten versteckt hatte.
-Schaut her &ndash; das Stahlplättchen hier ist mit kleinen
-Schrauben festgemacht; die einzigen Schrauben, die
-der Mensch an sich trug, waren an seinem Stiefelabsatz,
-und wenn er einen Schraubenzieher brauchte,
-so wußte ich wohl wozu.«</p>
-
-<p>»Ist das nicht famos, Huck?« rief Tom dazwischen.</p>
-
-<p>»Als wir in die Kajüte kamen, schnarchte Bud
-Dixon noch immer, und auch Hal Clayton schlief
-bald ein, aber ich nicht &ndash; in meinem Leben war
-ich noch nicht so wach gewesen; ich spähte auf dem
-Boden umher nach einem Stückchen Leder. Lange
-konnte ich nichts entdecken, aber endlich fand ich’s.
-Es war ein rundes, kleines Pflöckchen, fast von
-der Farbe des Teppichs und etwa so dick wie die
-Spitze meines kleinen Fingers. ›Aha,‹ dachte ich,<span class="pagenum"><a id="Seite_225"></a>[225]</span>
-›in dem Nest, wo das herausgekommen ist, liegt
-jetzt ein Diamant.‹ Auch das zweite Pflöckchen fand
-ich nach einigem Suchen.</p>
-
-<p>»Nun stellt euch einmal diese Unverschämtheit
-vor! Der Kerl hatte sich ganz genau überlegt, was
-wir thun würden und wir Dummköpfe waren blindlings
-in die Falle gerannt. Während wir ihn oben
-auf dem Sturmdeck erwarteten, um ihn ins Wasser
-zu werfen, saß er unten, schraubte sich in aller Gemütsruhe
-die Stahlplättchen ab, schnitt Löcher in
-seine Absätze, steckte die Diamanten hinein und
-schraubte die Plättchen wieder fest. Ein Schlaufuchs
-erster Sorte, nicht wahr?«</p>
-
-<p>»Nein, so was ist mir noch nicht vorgekommen!«
-rief Tom voller Bewunderung.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="detektiv04">Viertes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>»Es war ein saueres Stück Arbeit, den ganzen
-Tag über noch zu thun, als ob wir einander beobachteten,
-das versichere ich euch. Gegen Abend
-landeten wir bei einem Städtchen in Missouri, kehrten<span class="pagenum"><a id="Seite_226"></a>[226]</span>
-in einer Schenke ein und ließen uns nach dem Nachtessen
-ein Schlafzimmer zu dreien im obern Stock
-geben. Der Wirt ging mit dem Licht voran und
-wir im Gänsemarsch hinterdrein, die Treppe hinauf.
-Ich kam zuletzt und schob meinen Reisesack
-unter den tannenen Tisch auf dem dunkeln Vorplatz.
-Wir ließen uns eine tüchtige Portion Whisky bringen
-und spielten Karten um Fünfcentstücke. Als wir die
-Wirkung des Whisky spürten, hörten wir beide auf
-zu trinken, schenkten aber Bud immer wieder ein,
-bis er toll und voll war. Er fiel vom Stuhl, lag
-am Boden und schnarchte.</p>
-
-<p>»Nun ging es ans Geschäft. Ich schlug vor,
-wir wollten ihm die Stiefel ausziehen und unsere
-auch, damit es keinen Lärm machte, wenn wir ihn
-um und um kehrten und ihn durchsuchten. Das geschah,
-und ich stellte meine Stiefel neben Buds, damit
-ich sie bei der Hand hätte. Wir zogen ihn aus,
-befühlten alle Nähte seiner Kleider, suchten in seinen
-Taschen und Socken, auch inwendig in seinen Stiefeln,
-kurz überall; auch sein Bündel machten wir auf,
-fanden aber keine Diamanten. Als der Schraubenzieher
-zum Vorschein kam, fragte Hal: ›Was kann
-er wohl damit wollen?‹ Ich sagte, das wüßte ich<span class="pagenum"><a id="Seite_227"></a>[227]</span>
-nicht, aber sobald er sich abwandte steckte ich ihn
-ein. Endlich sah Hal ganz niedergeschlagen aus
-und meinte, wir müßten es aufgeben. Darauf hatte
-ich nur gewartet.</p>
-
-<p>»›Etwas haben wir noch nicht durchsucht.‹</p>
-
-<p>»›Was denn?‹ fragte er.</p>
-
-<p>»›Seinen Magen.‹</p>
-
-<p>»›Wahrhaftig, daran habe ich nicht gedacht.
-Das ist die Lösung des Rätsels, so wahr ich lebe.
-Wie wollen wir’s anfangen?‹</p>
-
-<p>»›Na,‹ sagte ich, ›bleib’ du hier bei ihm, und
-ich will in die Apotheke gehen und ein Mittel holen,
-das die Diamanten rasch ans Tageslicht fördern soll.‹</p>
-
-<p>»Er war’s zufrieden, und ich zog vor seiner
-Nase Buds Stiefel an statt meiner eigenen, ohne daß
-er’s merkte. Ein wenig zu groß waren sie mir
-freilich, aber das schadete nicht so viel, als wenn
-sie zu klein gewesen wären. Ich tappte im Dunkeln
-durch den Vorplatz, nahm den Reisesack mit und war
-in der nächsten Minute zur Hinterthür hinaus.</p>
-
-<p>»Mit Siebenmeilenschritten ging’s nun am Fluß
-entlang; mir war dabei gar nicht schlecht zu Mut,
-ich marschierte ja auf Diamanten. Nach der ersten
-Viertelstunde hatte ich schon eine große Strecke zurückgelegt.<span class="pagenum"><a id="Seite_228"></a>[228]</span>
-Alle fünf Minuten dachte ich daran, wie
-Hal Clayton auf meine Rückkehr wartete und immer
-unruhiger wurde. ›Jetzt fängt er an zu fluchen,‹
-sagte ich zu mir, ›und allmählich geht ihm ein Licht
-auf. Er bildet sich ein, ich hätte die Diamanten
-gefunden, als wir Bud durchsuchten, sie heimlich in
-die Tasche geschoben und mir nichts merken lassen.
-Natürlich wird er gleich meiner Spur folgen, aber
-ich habe doch wenigstens einen guten Vorsprung.‹</p>
-
-<p>»Indem kam ein Mann auf einem Maultier
-dahergeritten, und ohne zu überlegen sprang ich ins
-nächste Gebüsch. Das war dumm! Eine Weile hielt
-der Mann still, um zu sehen, ob ich wieder herauskäme,
-dann ritt er weiter. Das konnte mir sehr
-zum Nachteil gereichen, wenn er etwa auf Hal Clayton
-stieß und der ihn ausfragte.</p>
-
-<p>»Um drei Uhr morgens kam ich nach Alexandria
-und als ich den Raddampfer vor Anker liegen sah,
-war ich heilfroh und glaubte, jetzt sei ich gerettet.
-Es dämmerte bereits und ich ging an Bord, ließ
-mir die Kajüte hier geben, zog diese Kleider an und
-setzte mich neben das Ruderhaus, damit mir nichts
-entgehen könne. Ich wartete mit großer Ungeduld
-auf die Abfahrt des Bootes, aber es rührte sich nicht.<span class="pagenum"><a id="Seite_229"></a>[229]</span>
-Die Maschine wurde erst ausgebessert, doch davon
-hatte ich keine Ahnung.</p>
-
-<p>»Es wurde Mittag bis wir absegelten und ich
-hatte mich längst in der Kajüte eingeschlossen. Schon
-vor dem Frühstück sah ich nämlich von fern einen
-Mann herankommen, dessen Gang mich an Hal
-Clayton erinnerte und mir wurde übel und weh.
-Wenn er mich hier auf dem Boot ausfindig machte,
-so saß ich wie eine Ratte in der Falle. Er brauchte
-nur zu warten bis ich ans Land ging und mir zu
-folgen. An einem abgelegenen Ort würde er mich
-zwingen die Diamanten herauszugeben und dann &ndash;
-ja dann war’s um mich geschehen. O, es ist gräßlich
-&ndash; entsetzlich! Und wenn ich mir nun vorstelle, daß
-der <em class="gesperrt">andere</em> auch an Bord ist! Sagt selbst, Jungens,
-ist das nicht ein schreckliches Mißgeschick? &ndash; Aber,
-nicht wahr, ihr verlaßt mich nicht! Ihr helft einem
-armen Teufel durch, den man zu Tode hetzen will.
-Auf den Knieen will ich euch verehren, wenn ihr
-mir beisteht und mich rettet.«</p>
-
-<p>Wir thaten was wir konnten, um ihn zu beruhigen:
-wir versprachen ihm unsere Hilfe, machten
-allerlei Pläne und redeten ihm seine übergroße Furcht
-aus. Da wurde er bald wieder zuversichtlicher und<span class="pagenum"><a id="Seite_230"></a>[230]</span>
-zuletzt schraubte er gar die Plättchen von seinen
-Absätzen und hielt die Diamanten bald so bald so
-gegen das Licht. Nein, wie sie funkelten und glitzerten
-und ihr Feuer nach allen Seiten ausstrahlten! Es
-war schön, das muß ich sagen. Aber er kam mir
-doch vor wie ein rechter Narr. Ich an seiner Stelle
-hätte den beiden Spießgesellen die Diamanten ausgeliefert
-und ihnen gesagt, nun sollten sie ans Land
-gehen und mich in Ruhe lassen. Doch das fiel ihm
-gar nicht ein. Er meinte, es wäre ein ganzes Vermögen;
-der Gedanke es zu verlieren schien ihm unerträglich.</p>
-
-<p>Zweimal mußten wir anlegen, um die Maschine
-in Ordnung zu bringen, was eine ganze Weile
-dauerte. Die Nacht war aber nicht dunkel genug;
-er hätte sich schwerlich unbemerkt aus dem Staube
-machen können. Gegen ein Uhr nachts kamen
-schwarze Wolken am Himmel herauf, ein Gewitter
-war im Anzug. Wir hatten an einem Holzhof angelegt,
-noch etwa vierzig Meilen von Onkel Silas’
-Farm, und Jack hielt die Gelegenheit für günstig.
-Es regnete stark, der Sturm brach los, und die
-Leute, die das Holz einluden, zogen sich zum Schutz
-grobe Säcke über den Kopf. Auch Jack verschafften<span class="pagenum"><a id="Seite_231"></a>[231]</span>
-wir einen. Er nahm seine Reisetasche, lief aufs
-Hinterdeck, kam dann wie die andern Matrosen nach
-vorn marschiert und ging mit ihnen ans Land. Als
-er aus dem Bereich der Fackeln war und in der
-Finsternis verschwand, holten wir tief Atem und
-waren voller Dank und Freude. Allein das Vergnügen
-dauerte nicht lange. Kaum zehn Minuten
-vergingen, da stürmten die beiden schlimmen Gesellen
-auf Deck; sie sprangen ans Ufer und wir sahen sie
-nicht wieder. Bis zum Morgengrauen warteten wir
-und hofften sie würden zurückkommen, allein vergebens.
-Vielleicht hatten sie aber doch Jack nicht
-mehr einholen können und seine Spur verloren;
-darauf setzten wir unser ganzes Vertrauen.</p>
-
-<p>Er wollte am Fluß entlang gehen und sich in
-dem Ahornwäldchen hinter Onkel Silas’ Tabakfeld
-verbergen. Dort hatten wir versprochen ihn zu
-treffen, sobald es dämmerig würde und ihm Nachricht
-zu bringen, ob seine Brüder Brace und Jupiter
-zu Hause wären und keinen fremden Besuch hätten.</p>
-
-<p>Tom und ich sprachen lange darüber, wie es
-ihm wohl ergehen würde. Rannten seine Verfolger
-flußaufwärts statt abwärts, dann war er gerettet.
-Aber das ließ sich kaum erwarten. Wahrscheinlich,<span class="pagenum"><a id="Seite_232"></a>[232]</span>
-meinte Tom, würden sie ihm tagsüber auf den Fersen
-bleiben, ohne daß er Argwohn schöpfte, und sobald
-es dunkelte ihn umbringen und ihm die Stiefel fortnehmen.
-&ndash; Das betrübte uns sehr.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="detektiv05">Fünftes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Erst spät am Nachmittag war die Maschine
-fertig ausgebessert. Als wir nicht weit von Onkel
-Silas’ Farm anlegten, ging die Sonne bereits unter.
-So liefen wir denn zuerst spornstreichs nach dem
-Ahornwäldchen, um Jack den Grund der Verzögerung
-mitzuteilen, damit er auf uns wartete, bis wir bei
-Brace gewesen wären und wüßten, wie die Sachen
-standen. Gerade als wir keuchend um die Ecke
-bogen und die Ahornbäume schon von fern sahen,
-kamen zwei Männer quer über den Weg in das
-Wäldchen gesprungen und wir hörten einen gräßlichen
-Hilfeschrei, der sich mehrmals wiederholte.
-»Jetzt haben sie den armen Jack umgebracht,« sagten
-wir und flohen voll Todesangst nach dem Tabakfeld.
-Kaum hatten wir uns dort versteckt und zitterten<span class="pagenum"><a id="Seite_233"></a>[233]</span>
-noch wie Espenlaub, als wir abermals zwei Männer
-an uns vorbeilaufen und in dem Wäldchen verschwinden
-sahen. Schon im nächsten Augenblick
-kamen ihrer vier wieder heraus: zwei hatten die
-Flucht ergriffen und zwei verfolgten sie.</p>
-
-<p>Kalter Angstschweiß perlte uns auf der Stirn,
-während wir auf dem Boden lagen und horchten;
-doch vernahmen wir keinen andern Laut als das
-Pochen unserer Herzen. Immer mußten wir an
-den Ermordeten drüben im Wäldchen denken und
-uns gruselte als wäre uns ein Gespenst in nächster
-Nähe. Plötzlich kam der Mond hinter den Baumwipfeln
-hervor, groß, rund und glänzend, wie ein
-Gesicht, das durch die Eisenstäbe der Gefängniszelle
-guckt. Schwarze Schatten und weiße Flecken huschten
-hierhin und dorthin; es war unheimlich still ringsum,
-nur der Nachtwind stöhnte in den Zweigen. Da
-flüsterte Tom auf einmal: »Sieh! &ndash; was ist das?«</p>
-
-<p>»Du brauchst mich nicht noch unnötig zu erschrecken;
-ich bin sowieso schon halb tot,« rief ich.</p>
-
-<p>»Aber, so sieh doch, was da aus dem Ahornwäldchen
-herauskommt!«</p>
-
-<p>»Hör’ auf, Tom!«</p>
-
-<p>»Eine riesige Gestalt; sie kommt auf uns zu!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_234"></a>[234]</span></p>
-
-<p>Er hatte vor Erregung kaum Atem genug zum
-flüstern. Ich wollte nicht hinsehen und doch that
-ich’s. Wir knieten jetzt beide auf der Erde, stützten
-das Kinn auf den Lattenzaun und starrten in Schweiß
-gebadet die Straße ’runter. Die Gestalt ging im
-Schatten der Bäume, man konnte sie erst ordentlich
-sehen, als sie dicht in unserer Nähe war und ins
-helle Mondlicht hinaustrat. Da fielen wir um wie
-vom Donner gerührt &ndash; kein Zweifel, es war Jack
-Dunlaps Geist!&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Ein paar Minuten lagen wir regungslos da;
-als wir wieder aufsahen war das Gespenst verschwunden.</p>
-
-<p>»Du,« flüsterte Tom, »Gespenster sehen doch
-immer grau und neblig aus, als ob sie lauter Dunst
-wären; aber dieses gar nicht.«</p>
-
-<p>»Nein; ich hab’ seine Brille und den Schnurrbart
-ganz deutlich erkannt.«</p>
-
-<p>»Ja, und den Anzug &ndash; die grün und schwarz
-gewürfelten Hosen&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Die feuerrote Weste von Baumwollsammet
-mit den gelben Punkten&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Die ledernen Stege unten am Hosenbein &ndash;
-einer war nicht angeknüpft&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_235"></a>[235]</span></p>
-
-<p>»Ja, und der Hut &ndash; eine richtige hohe Angströhre
-mit breiter Krempe.«</p>
-
-<p>»Glaubst du, Huck, daß es ebensolches Haar
-hatte wie er?«</p>
-
-<p>»Ja &ndash; doch bin ich nicht ganz sicher.«</p>
-
-<p>»Ich auch nicht; aber den Reisesack hab’ ich
-in seiner Hand gesehen.«</p>
-
-<p>»Haben denn Gespenster einen Reisesack, Tom?«</p>
-
-<p>»Warum nicht, Huck? Aber natürlich aus Gespensterstoff,
-wie die Kleider und alles. Stell’ dich
-doch nicht so dumm an!«</p>
-
-<p>Jetzt kamen Bill Withers und sein Bruder
-Hans an uns vorüber. Sie waren in ihr Gespräch
-vertieft, wir verstanden aber alles, was sie
-sagten:</p>
-
-<p>»Es sah aus als könnte er es kaum mehr
-schleppen,« meinte Bill.</p>
-
-<p>»Jawohl, schwer schien es zu sein. Es war
-gewiß ein Neger, der dem alten Pfarrer Silas Korn
-gestohlen hat,« sagte Hans.</p>
-
-<p>»Das dachte ich gleich und that, als bemerkte
-ich ihn nicht.«</p>
-
-<p>»So hab’ ich’s auch gemacht. Hahaha!«</p>
-
-<p>Also, Onkel Silas war so unbeliebt geworden,<span class="pagenum"><a id="Seite_236"></a>[236]</span>
-daß die Leute lachten, wenn ihm ein Dieb sein Korn
-stahl! Wie war das nur möglich?</p>
-
-<p>Bald hörten wir wieder Stimmen; je näher
-sie kamen, um so lauter wurde das Gespräch. Es
-waren zwei Nachbarn, Lem Beebe und Jim Lane.</p>
-
-<p>»Wer?« fragte Jim, &ndash; »Jupiter Dunlap?«</p>
-
-<p>»Ja, ganz gewiß,« entgegnete Lem.</p>
-
-<p>»Hm. Vor etwa einer Stunde, eben als die
-Sonne unterging, hab’ ich ihn mit dem Spaten
-gesehen; sie gruben ein Stück Land um, er und der
-Pfarrer. Seinen Hund wollte er uns leihen, sagte er,
-aber er selber käme heute abend wahrscheinlich nicht.«</p>
-
-<p>»Er wird wohl zu müde sein von der schweren
-Arbeit.«</p>
-
-<p>»Verlaß dich drauf. Haha!«</p>
-
-<p>Sie gingen lachend weiter; Tom sprang auf
-und wir folgten ihnen von fern. Dem Gespenst
-ganz allein zu begegnen, wäre doch gar zu unbehaglich
-gewesen.</p>
-
-<p>Dies alles geschah am 2. September, einem
-Sonnabend. Den Tag werde ich nie vergessen; man
-wird bald erfahren weshalb.</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_237"></a>[237]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="detektiv06">Sechstes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Schon sahen wir die Lichter vom Hause zu
-uns herüberscheinen, und die Hunde kamen alle herbeigelaufen,
-uns zu begrüßen, da sagte Tom:</p>
-
-<p>»Warte noch ’nen Augenblick. Wenn wir jetzt
-’reinkommen, meinst du wohl, ich müßte gleich unser
-ganzes Abenteuer erzählen, daß alle Mund und
-Nase aufsperren vor Verwunderung?«</p>
-
-<p>»Versteht sich; solche Gelegenheit wirst du dir
-doch nicht entgehen lassen, Tom.«</p>
-
-<p>»Na, da irrst du dich gewaltig. Kein Sterbenswörtchen
-verraten wir davon und zwar aus sehr
-nahe liegenden Gründen. Sag ’mal, Huck &ndash; ging
-das Gespenst barfuß?«</p>
-
-<p>»Bewahre, es hatte ja Stiefel an.«</p>
-
-<p>»Hast du das wirklich gesehen? Kannst du
-’nen Eid darauf leisten?«</p>
-
-<p>»Jawohl, das kann ich.«</p>
-
-<p>»Ich auch. Und das ist der beste Beweis
-dafür, daß die Diebe die Diamanten nicht gefunden
-haben. Natürlich nicht &ndash; die zwei andern Männer<span class="pagenum"><a id="Seite_238"></a>[238]</span>
-haben sie ja vertrieben, ehe sie der Leiche die Stiefel
-ausziehen konnten; deshalb trug sie das Gespenst
-auch noch.«</p>
-
-<p>»Stiefel aus dem Geisterstoff wie die andern
-Kleider, nicht wahr, Tom?«</p>
-
-<p>»Freilich. Und weißt du, Huck, was nun geschieht?
-Die zwei Männer erzählen, sie hätten
-das Geschrei gehört, die Mörder verjagt, aber den
-Fremden nicht retten können. Nun kommt die Totenschau,
-besichtigt alles an Ort und Stelle, und ehe
-man die Leiche begräbt, werden ihre Sachen versteigert,
-um die Kosten herauszuschlagen. Dann ist
-unser Glück gemacht.«</p>
-
-<p>»Wieso?«</p>
-
-<p>»Na, das ist doch klar: Wir kaufen die Stiefel
-für zwei Dollars.«</p>
-
-<p>»Und kriegen die Diamanten?«</p>
-
-<p>»Versteht sich. Eines schönen Tages wird man
-eine hohe Belohnung dafür bieten &ndash; wenigstens
-tausend Dollars. Und das ist unser Geld. &ndash;
-Jetzt komm ins Haus; aber von den Räubern, den
-Diamanten und dem Mord weißt du keine Silbe &ndash;
-das merke dir.«</p>
-
-<p>»Wie sollen wir es aber Tante Sally erklären,<span class="pagenum"><a id="Seite_239"></a>[239]</span>
-wenn sie fragt, warum wir erst so spät kommen
-und wo wir so lange geblieben sind?«</p>
-
-<p>»Das überlasse ich dir; du wirst schon eine
-Ausrede finden.«</p>
-
-<p>Das sah Tom ganz gleich. Er war viel zu
-wahrheitsliebend um selbst eine Lüge zu sagen.</p>
-
-<p>Wir gingen nun quer über den Hof, wo wir
-zu unserer Freude alles unverändert fanden, und
-kamen in den bedeckten Gang zwischen dem Holzschuppen
-und der Küche. Da hingen noch mancherlei
-Gegenstände, die wir kannten, unter anderm auch
-Onkel Silas’ grüner Arbeitskittel mit der Kaputze
-und dem weißen Flicken zwischen den Schultern, der
-immer aussah, als hätte ihn jemand mit ’nem Schneeball
-geworfen. Rasch drückten wir auf die Klinke
-der Stubenthür und traten ein.</p>
-
-<p>Tante Sally wirtschaftete im Zimmer herum;
-in einer Ecke saßen die Kinder auf einem Häufchen,
-in der andern las der Onkel im Gebetbuch. Tante
-fiel uns gleich vor Freuden um den Hals, dann
-zauste sie uns bald an den Haaren, bald drückte sie
-uns ans Herz, während ihr helle Thränen über die
-Backen liefen, so froh war sie, uns wiederzusehen.</p>
-
-<p>»Wo habt ihr Taugenichtse euch denn so lange<span class="pagenum"><a id="Seite_240"></a>[240]</span>
-herumgetrieben?« rief sie. »Ich hab’ mir um euch
-schier die Seele aus dem Leib geängstet. Eure
-Siebensachen sind schon vor ’ner Ewigkeit angekommen,
-und viermal hab’ ich das Essen wieder aufgewärmt,
-damit ihr nicht zu warten braucht. Die
-Haut sollte man euch über die Ohren ziehen. Aber
-nun setzt euch nur, ihr müßt ja halb verhungert
-sein; setzt euch, ihr armen Jungen, und laßt’s euch
-schmecken.«</p>
-
-<p>O, wie behaglich saß sich’s dort an der reich
-besetzten Tafel! Onkel Silas sprach sein längstes
-Tischgebet und bald stand ein aufgehäufter Teller
-an meinem Platz. Als ich gerade im besten Schmausen
-war, fragte die Tante plötzlich, wo wir denn gewesen
-wären.</p>
-
-<p>Ich hatte mir’s schon zum voraus überlegt:</p>
-
-<p>»Wir sind zu Fuß durch den Wald gegangen,«
-sagte ich, »da sind uns Lem Beebe und Jim Lane
-begegnet und haben uns aufgefordert mit ihnen
-Heidelbeeren zu suchen; Jupiter Dunlap wollte ihnen
-seinen Hund dazu leihen, das hatte er ihnen gerade
-versprochen&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Wo haben sie ihn gesehen?« fiel mir der alte
-Silas auf einmal so hastig in die Rede, daß ich<span class="pagenum"><a id="Seite_241"></a>[241]</span>
-verwundert dreinschaute und ganz verwirrt wurde,
-weil er mich mit durchbohrenden Blicken ansah.
-Aber ich nahm mich zusammen und antwortete:
-»Als Ihr mit ihm das Stück Land umgrubet, bei
-Sonnenuntergang.«</p>
-
-<p>»Hm,« sagte er mit enttäuschter Miene und
-nahm weiter keine Notiz von mir, während ich fortfuhr:
-»Wir gingen mit, und&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Schweig still mit deinem Unsinn, Huck Finn,«
-rief jetzt Tante Sally entrüstet; »wer hat je davon
-gehört, daß man bei uns im September Heidelbeeren
-pflückt und obendrein zur Nachtzeit? Was
-soll der Hund dabei &ndash; vielleicht die Heidelbeeren
-aufspüren?«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>»Sie sagten &ndash; sie hätten eine Laterne&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«
-stammelte ich.</p>
-
-<p>»An dem allen ist kein wahres Wort. Ich
-weiß, ihr habt irgend einen dummen Streich gemacht,
-da müßte ich euch beide nicht kennen. Na, Tom,
-heraus mit der Sprache, nicht erst lange gefackelt!«</p>
-
-<p>Tom nahm eine gekränkte Miene an. »Wie
-kannst du nur den armen Huck schelten, Tante, bloß
-weil er sich versprochen hat. Er meint natürlich
-Erdbeeren, wenn er Heidelbeeren sagt. Das weiß<span class="pagenum"><a id="Seite_242"></a>[242]</span>
-doch ein jedes Kind, daß man in der ganzen Welt &ndash;
-nur nicht hier in Arkansas &ndash; einen Hund und eine
-Laterne mitnimmt, wenn man Erdbeeren suchen geht.«</p>
-
-<p>Nun riß aber Tante Sally der Geduldsfaden;
-sie wurde ernstlich böse und schüttete einen ganzen
-Schwall von Worten, die sie gar nicht schnell genug
-heraussprudeln konnte, über unsere schuldigen Häupter
-aus. Darauf hatte Tom aber wie gewöhnlich gerechnet.
-Er ließ sie sich immer in Zorn reden und
-schwieg mäuschenstill, bis ihre Hitze verflogen war;
-dann wollte sie meist vor Aerger keine Silbe mehr
-über die ganze Angelegenheit hören. So kam es
-auch diesmal. Als sie sich heiser gesprochen hatte
-und einen Augenblick Atem schöpfen mußte, sagte
-Tom in aller Seelenruhe:</p>
-
-<p>»Und trotzdem weiß ich doch, Tante&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Schweig’ still,« rief sie; »du thust den Mund
-nicht mehr auf, das sage ich dir!«</p>
-
-<p>So kamen wir aus aller Verlegenheit und von
-der Verzögerung unserer Ankunft war nicht mehr
-die Rede. Das hatte Tom wirklich schlau eingerichtet.</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_243"></a>[243]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="detektiv07">Siebentes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Benny machte ein sehr ernstes Gesicht und
-seufzte auch hin und wieder; aber bald fing sie an
-sich nach Toms Geschwistern Mary und Sid zu
-erkundigen und besonders nach Tante Polly. Allmählich
-erheiterte sich auch Tante Sallys Miene,
-ihre gute Laune kehrte zurück, sie fragte uns dieses
-und jenes und war wieder so gut und lieb wie
-immer, so daß unser Abendessen noch einen ganz
-lustigen Verlauf nahm. Nur der alte Silas beteiligte
-sich nicht an der Unterhaltung; er war unruhig
-und zerstreut, auch stieß er oft so tiefe Seufzer
-aus, daß es einem in der Seele wehthat, ihn so verstört
-und bekümmert zu sehen.</p>
-
-<p>Eine Weile nach dem Abendessen klopfte es an
-die Thür; ein Neger steckte den Kopf herein, er
-trug seinen alten Strohhut in der Hand und sagte
-unter vielen Bücklingen und Kratzfüßen, sein Herr,
-Massa Brace, warte draußen am Zaun und lasse
-den Massa Silas fragen, wo sein Bruder wäre, der
-zum Essen nicht nach Hause gekommen sei.</p>
-
-<p>Da fuhr Onkel Silas so heftig auf, wie ich<span class="pagenum"><a id="Seite_244"></a>[244]</span>
-es noch nie von ihm gehört hatte: »Bin ich etwa
-seines Bruders Hüter?« Gleich nachher war es
-ihm aber wieder leid, er sank in sich zusammen und
-sprach im sanftesten Ton:</p>
-
-<p>»Du brauchst ihm das nicht zu wiederholen,
-Billy, ich bin seit einigen Tagen gar nicht wohl
-und so reizbar, daß ich meine Worte nicht wägen kann.
-Er ist nicht hier, sage ihm das.«</p>
-
-<p>Als der Neger fort war, ging der alte Mann
-ruhelos in der Stube auf und ab, wobei er fortwährend
-unverständliche Worte murmelte und sich mit den
-Händen ins Haar fuhr. Es war recht jämmerlich
-anzusehen; doch Tante Sally flüsterte uns zu, nicht
-acht auf ihn zu geben. Sie sagte, seit so viel
-Mißgeschick über ihn gekommen sei, gerate er oft
-tief in Gedanken und wisse kaum mehr, was er
-thue und treibe. Auch bei Nacht wandle er viel
-häufiger als früher im Schlaf, entweder nur im
-Hause oder auch draußen im Freien. Wenn wir ihn
-einmal dabei beträfen, sollten wir ihn ruhig gehen
-lassen und ihn ja nicht aufwecken. Es könne ihm
-niemand helfen, außer Benny, die ihn am besten zu
-behandeln verstehe.</p>
-
-<p>Auch diesmal schlich sie sich an seine Seite, als<span class="pagenum"><a id="Seite_245"></a>[245]</span>
-er anfing müde zu werden von dem ewigen Hin-
-und Herwandern. Sie schlang ihren Arm um ihn
-und ging mit, bis er lächelnd auf sie herabschaute
-und sich niederbeugte um sie zu küssen. Allmählich
-wich der gequälte Ausdruck aus seinem Gesicht und
-er ließ sich von ihr auf sein Zimmer geleiten. Es
-war eine Freude, den liebevollen Verkehr von Vater
-und Tochter zu sehen.</p>
-
-<p>Tante Sally mußte nun die Kinder zu Bett
-bringen und da Tom und ich anfingen uns zu langweilen,
-machten wir noch einen Gang bei Mondschein
-in das Feld, wo die reifen Wassermelonen
-standen. Wir aßen nach Herzenslust und besprachen
-dabei mancherlei. Tom meinte, er hege nicht den
-geringsten Zweifel, daß Jupiter ganz allein an dem
-Streit schuld sei. Bei erster Gelegenheit werde er
-sich Gewißheit darüber verschaffen und dann Onkel
-Silas nach Kräften bereden ihn fortzuschicken.</p>
-
-<p>Wohl zwei Stunden lang schwatzten, rauchten
-und schmausten wir dort. Als wir ins Haus zurückkehrten
-war es ganz still und dunkel; alle hatten
-sich zur Ruhe begeben.</p>
-
-<p>Tom, dem nichts entging, bemerkte jetzt, daß
-der alte grüne Arbeitskittel seltsamerweise von dem<span class="pagenum"><a id="Seite_246"></a>[246]</span>
-Nagel verschwunden war, wo er ihn noch vorhin
-hatte hängen sehen. Dann suchten wir unsere Schlafkammer
-auf.</p>
-
-<p>Im Nebenzimmer hörten wir Benny noch lange
-herumhantieren; sie sorgte sich gewiß um ihren Vater
-und fand keinen Schlaf. Auch wir waren viel zu
-aufgeregt, um zu Bette zu gehen; so blieben wir
-denn wach, unterhielten uns im Flüsterton und waren
-in recht trübseliger Stimmung. Wir sprachen immer
-wieder von dem Ermordeten und dem Gespenst, bis
-uns so unheimlich und gruselig zu Mute wurde,
-daß von Einschlafen keine Rede sein konnte.</p>
-
-<p>Es war schon spät in der Nacht, als mich
-Tom plötzlich mit dem Ellenbogen stieß und nach
-dem Fenster deutete. Ich sah hin; drunten im Hof
-trieb sich ein Mann herum, doch konnte ich ihn bei
-der Dunkelheit nicht erkennen. Jetzt kletterte er über
-den Zaun und da kam gerade der Mond heraus
-und schien auf den weißen Flicken des alten Arbeitskittels.</p>
-
-<p>»Siehst du den Nachtwandler,« sagte Tom.
-»Ich wollte, wir dürften ihm folgen und sehen, wo
-er hingeht mit der langen Schaufel, die er über der
-Schulter trägt. Er biegt nach dem Tabakfeld ein &ndash;<span class="pagenum"><a id="Seite_247"></a>[247]</span>
-nun ist er verschwunden. Der arme Onkel, &ndash; es
-thut mir so leid, daß er gar keine Ruhe findet.«</p>
-
-<p>Wir warteten lange, aber er kam nicht zurück;
-vermutlich hatte er einen andern Heimweg eingeschlagen.
-So legten wir uns denn endlich nieder
-und verfielen in einen unruhigen Schlaf, der uns
-mit tausenderlei Beängstigungen quälte. Im Morgengrauen
-waren wir schon wieder wach; ein Gewitter
-war heraufgezogen, Blitze zuckten, der Donner krachte,
-der Wind schüttelte die Bäume, der Regen fuhr in
-Strömen nieder und die Rinnsteine wurden zu
-rauschenden Bächen.</p>
-
-<p>»Höre mal, Huck,« sagte Tom, »mir kommt’s
-sehr seltsam vor, daß man noch gar nichts von Jack
-Dunlaps Ermordung gehört hat. Die Männer, von
-denen Hal Clayton und Bud Dixon verjagt wurden,
-haben die Sache doch in der nächsten halben Stunde
-sicherlich überall erzählt und sie muß sich wie ein
-Lauffeuer von Farm zu Farm verbreitet haben.
-Solche große Neuigkeit kommt doch alle dreißig Jahr
-höchstens zweimal vor. Es ist wirklich merkwürdig,
-Huck, ich kann es nicht begreifen. Wäre nur erst
-das Gewitter vorüber, damit wir hinauskönnten um
-zu sehen, ob nicht irgend jemand auf der Straße<span class="pagenum"><a id="Seite_248"></a>[248]</span>
-davon anfängt. Wir müssen dann natürlich sehr
-überrascht und entsetzt sein.«</p>
-
-<p>Es war schon heller lichter Tag, als der Regen
-aufhörte. Wir schlenderten die Straße hinunter,
-begrüßten jeden, der uns begegnete, sagten wann
-wir angekommen wären, wie wir die Unserigen verlassen
-hätten, wie lange wir zu bleiben gedächten,
-und dergleichen mehr; aber kein Mensch äußerte
-eine Silbe über den Mord, was uns höchlich wundernahm.
-Tom meinte, wenn wir in das Ahornwäldchen
-gingen, würde die Leiche ganz einsam und verlassen
-daliegen und keine Menschenseele weit und breit zu
-sehen sein. Wahrscheinlich hätten die Verfolger die
-Mörder tief in den Wald hinein gejagt, diese hätten
-sich endlich umgewendet und sich auf sie geworfen.
-Nachdem sie einander alle umgebracht, wäre natürlich
-niemand mehr am Leben gewesen, um die Nachricht
-zu verbreiten.</p>
-
-<p>Während dieser Reden waren wir unversehens
-nach dem Ahornwäldchen gekommen. Mir lief der
-kalte Schweiß den Rücken hinunter und ich wäre
-um nichts in der Welt auch nur einen Schritt weiter
-gegangen. Doch Tom ließ es keine Ruhe &ndash; er
-mußte wissen, ob der Ermordete die Stiefel noch<span class="pagenum"><a id="Seite_249"></a>[249]</span>
-anhatte. So kroch er denn ins Dickicht, kam aber
-schon im nächsten Augenblick in größter Erregung
-wieder heraus.</p>
-
-<p>»Huck, er ist fort,« rief er.</p>
-
-<p>»Im Ernst, Tom?« fragte ich starr vor Staunen.</p>
-
-<p>»Jawohl, er ist wirklich fort; es ist nichts mehr
-von ihm zu sehen. Der Boden ist nur etwas zertrampelt
-und wenn blutige Spuren da waren hat
-sie der Regen verwaschen; es ist lauter Schmutz und
-Morast da drinnen.«</p>
-
-<p>Nun faßte ich mir ein Herz und überzeugte
-mich mit eigenen Augen, daß kein Leichnam mehr
-da war.</p>
-
-<p>»Verwünscht,« rief ich, »die Diamanten sind weg!«</p>
-
-<p>»Glaubst du nicht, daß die Mörder zurückgekommen
-sind und ihn fortgeschleppt haben?«</p>
-
-<p>»Höchst wahrscheinlich. Wo meinst du wohl,
-daß sie ihn versteckt haben können?«</p>
-
-<p>»Wie soll ich das wissen?« sagte er ärgerlich.
-»Es ist mir auch einerlei. Mir war nur an den
-Stiefeln etwas gelegen. Nach der Leiche werde ich
-den Wald nicht durchsuchen; meinetwegen mag sie
-sein wo sie will. Die Hunde werden sie sowieso
-bald aufspüren.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_250"></a>[250]</span></p>
-
-<p>Wir schlichen betrübt und enttäuscht nach Hause
-zurück. Mein Lebtag hatte mich noch keine Leiche
-so geärgert und betrogen wie diese.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="detektiv08">Achtes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Beim Frühstück ging es nicht sehr munter zu.
-Tante Sally sah alt und müde aus; sie ließ die
-Kinder unter einander zanken und streiten ohne
-ihnen zu wehren, wie sie es sonst immer that. Tom
-und ich waren so voller Gedanken, daß wir gar
-nicht sprachen und Benny mochte wohl die ganze
-Nacht kein Auge zugethan haben. So oft sie den
-Kopf ein wenig hob und nach ihrem Vater hinschaute,
-mußte sie mit den Thränen kämpfen. Der
-Alte ließ das Essen auf seinem Teller kalt werden,
-er rührte keinen Bissen an, redete kein Wort, sondern
-sann und sann nur immer vor sich hin.</p>
-
-<p>Als die Stille am allerdrückendsten war, steckte
-der Neger wieder den Kopf durch die Thür und
-sagte, Massa Brace hätte schrecklich Angst um seinen
-Bruder Jupiter, der noch immer nicht heimgekommen<span class="pagenum"><a id="Seite_251"></a>[251]</span>
-wäre. Massa Silas sollte doch so gut
-sein und&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Das Wort erstarb ihm auf den Lippen, denn
-Onkel Silas hatte sich plötzlich aufgerichtet. Er
-sah den Neger an und zitterte dabei so, daß er sich
-am Tisch festhalten mußte. Die Kehle war ihm
-wie zugeschnürt; erst nach einer Weile stammelte
-er mühsam:</p>
-
-<p>»Er glaubt wohl &ndash; er glaubt wohl &ndash; was
-denkt er sich eigentlich? &ndash; Sag’ ihm &ndash; sag’ ihm&nbsp;&ndash;«
-kraftlos sank er wieder in seinen Stuhl zurück. »Geh
-fort &ndash; geh fort!« murmelte er so leise, daß man
-es kaum verstehen konnte.</p>
-
-<p>Der Neger machte sich erschrocken aus dem
-Staube, während Onkel Silas die Hände rang und
-seine Augen verdrehte, als läge er im Sterben; es
-war ein schrecklicher Anblick. Wir saßen alle da,
-wie festgebannt, nur Benny erhob sich leise, Thränen
-liefen ihr die Wangen herunter, sie trat neben den
-Stuhl ihres Vaters, bettete sein graues Haupt an
-ihrer Brust und streichelte ihn sanft und liebevoll.
-Dann winkte sie uns, wir sollten fortgehen, und
-wir verließen das Zimmer so still, als läge ein
-Toter darin.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_252"></a>[252]</span></p>
-
-<p>In furchtbar ernster Stimmung schlugen Tom
-und ich den Weg nach dem Walde ein. Wie ganz
-anders war es doch hier bei unserm Besuch letzten
-Sommer gewesen: alles so glücklich und friedevoll,
-Onkel Silas so heiter, so wunderlich und voll kindlicher
-Einfalt und dabei so hochgeachtet von jedermann.
-Jetzt hatte er entweder den Verstand schon
-verloren, oder man mußte doch jeden Augenblick
-fürchten, daß er von Sinnen käme.</p>
-
-<p>Es war ein sonniger, herrlicher Tag; weiter
-und weiter gingen wir über die Hügel nach der
-Ebene zu und konnten uns nicht satt sehen an den
-Bäumen und Blumen ringsum. Daß es in dieser
-schönen Welt auch Unglück gab, schien uns ganz
-unbegreiflich. Traurig zu sein, kam uns wie ein
-Unrecht vor.</p>
-
-<p>Auf einmal fühlte ich, daß mir der Atem stockte;
-ich hielt Tom am Arm fest und mein Herz pochte
-wie ein Schmiedehammer.</p>
-
-<p>»Da ist es!« rief ich; wir sprangen hinter
-einen Busch und Tom flüsterte:</p>
-
-<p>»St! &ndash; Mach’ keinen Lärm.«</p>
-
-<p>Es saß gerade am Ende der kleinen Waldwiese
-auf einem Holzblock und stützte den Kopf in die<span class="pagenum"><a id="Seite_253"></a>[253]</span>
-Hand. Vergebens bemühte ich mich, Tom zur Flucht
-zu überreden; er rührte sich nicht vom Fleck, denn
-er meinte, vielleicht würde er sein Lebtag keine so
-günstige Gelegenheit mehr haben, ein Gespenst zu
-sehen, deshalb wollte er dieses nach Herzenslust betrachten
-und wenn es sein Tod wäre. So blieb
-ich denn auch da und riß die Augen auf, obgleich
-mir’s gar nicht wohl dabei zu Mute war.</p>
-
-<p>»Der arme Jack,« raunte mir Tom zu, denn
-schweigen konnte er nicht; »alle seine Sachen hat
-er an, wie er’s uns vorausgesagt hat. Auch das
-Haar hat er sich kurz geschoren. Daß ein Gespenst
-so natürlich aussehen könnte, hätte ich nie gedacht.«</p>
-
-<p>»Ich auch nicht; man würde es überall wiedererkennen.«</p>
-
-<p>»Ganz wie bei Lebzeiten. Und am meisten
-wundert mich noch, daß es bei Tage umgeht. Die
-andern kommen immer erst nach Mitternacht zum
-Vorschein. Du, Huck, mit dem ist’s nicht ganz
-richtig; es hat kein Recht, sich jetzt hier herumzutreiben,
-das kannst du mir glauben. Jack wollte
-sich taubstumm stellen, weil ihn die Nachbarn sonst
-an der Stimme erkannt hätten. Meinst du, das Gespenst
-würde das auch thun, wenn ich’s jetzt anriefe?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_254"></a>[254]</span></p>
-
-<p>»Tom, ums Himmels willen, du wirst doch so
-was nicht wagen!«</p>
-
-<p>»Sei nur ganz ruhig, ich denke nicht dran.
-Aber, was ist das &ndash; jetzt kratzt es sich am Kopf &ndash;
-ein Gespenst kann’s doch nicht jucken, das ist ja
-aus lauter Dunst! Wahrhaftig, Huck, ich glaube, es
-ist gar kein wirkliches Gespenst, es müßte doch sonst&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Was denn, Tom?«</p>
-
-<p>»<em class="gesperrt">Durchsichtig</em> sein, so daß man die Büsche
-dahinter sehen könnte.«</p>
-
-<p>»Du hast recht, sein Körper ist so fest wie der
-einer Kuh. Weißt du, ich fange an zu glauben&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Jetzt nimmt es den Mund voll Tabak und
-fängt an zu kauen &ndash; das ist ja unmöglich, es hat
-doch keine Zähne. Höre, Huck!«</p>
-
-<p>»So sprich doch!«</p>
-
-<p>»Es ist gar kein Gespenst, sondern Jack Dunlap
-wie er leibt und lebt! &ndash; Haben wir etwa eine
-Leiche im Ahornwäldchen gefunden?«</p>
-
-<p>»Nein, keine Spur.«</p>
-
-<p>»Weißt du auch warum? &ndash; Weil nie eine
-da war.«</p>
-
-<p>»Aber Tom, wir haben doch das Geschrei gehört!«</p>
-
-<p>»Ist das etwa ein Beweis, daß jemand umgebracht<span class="pagenum"><a id="Seite_255"></a>[255]</span>
-worden ist? &ndash; Erst sahen wir vier Männer
-laufen und dann kam dieser aus dem Wald gegangen.
-Wir hielten ihn für einen Geist, aber es
-war so wenig ein Geist wie du einer bist. Es war
-Jack Dunlap selbst und der sitzt jetzt dort drüben
-und spielt den Fremden und Taubstummen, ganz
-wie er’s mit uns verabredet hatte. Der &ndash; ein
-Gespenst! Nein, Fleisch und Bein ist er, da wett’
-ich alles drauf.«</p>
-
-<p>Ich sah nun auch unsern Irrtum ein, und
-wir waren beide herzlich froh, daß Jack nicht umgebracht
-worden war. Was sollten wir aber jetzt
-thun? Ihn anreden oder vorgeben, ihn nicht zu
-kennen? Tom hielt es für das beste, ihn selber
-zu fragen, wie er es haben wolle. Also ging er
-geradeswegs auf ihn zu, während ich mich etwas
-im Hintergrund hielt, für den Fall, daß es doch
-ein Gespenst wäre.</p>
-
-<p>Als Tom ganz nahe bei ihm war sagte er:
-»Guten Tag! Wir freuen uns sehr, Euch wiederzusehen,
-Huck und ich. Fürchtet nur nicht, daß wir
-Euch verraten. Wenn Ihr es für besser haltet
-wollen wir thun, als hätten wir Euch nie gekannt.
-Sagt nur, ob Euch das recht ist. Ihr könnt Euch<span class="pagenum"><a id="Seite_256"></a>[256]</span>
-dann fest auf uns verlassen; wir würden uns eher
-die Hand abhacken als Euch Schaden thun.«</p>
-
-<p>Zuerst zeigte er sich sehr überrascht uns zu
-sehen und keineswegs erfreut; aber bei Toms Rede
-erhellte sich sein Gesicht und zuletzt lächelte er, nickte
-mehrmals mit dem Kopf, machte allerlei Zeichen mit
-den Händen und sagte: »Goo &ndash; goo &ndash; goo &ndash;
-goo,« ganz wie ein Taubstummer.</p>
-
-<p>Indessen sahen wir ein paar von Steffen Nickersons
-Angehörigen, die jenseits der Wiese wohnten,
-daherkommen. »Ihr macht Eure Sache ganz ausgezeichnet,«
-sagte Tom, »natürlich müßt Ihr Euch
-üben so viel Ihr könnt, an uns so gut wie an den
-andern, damit Ihr auf Eurer Hut seid und niemals
-aus der Rolle fallt. Wir wollen Euch auch so
-wenig wie möglich in den Weg kommen und keiner
-Seele verraten, daß wir Euch kennen. Laßt es
-uns aber ja wissen, wenn Ihr einmal Hilfe braucht.«</p>
-
-<p>Als wir den Nickersons begegneten, hielten sie
-uns natürlich an und wollten wissen, wer der Fremde
-dort drüben sei, wie er heiße, woher er komme, ob
-er Baptist oder Methodist, liberal oder konservativ
-wäre und was dergleichen Fragen mehr sind, die
-wir Amerikaner bei jeder neuen Erscheinung gleich<span class="pagenum"><a id="Seite_257"></a>[257]</span>
-auf der Zunge haben. Tom erwiderte jedoch, er
-hätte aus den Zeichen des Taubstummen und seinen
-Naturlauten nicht klug werden können. Mit großer
-Spannung beobachteten wir nun von ferne, wie sie
-Jack auszuforschen begannen. Erst als wir ihn
-seine Zeichen machen sahen und wußten, daß alles
-gut ablaufen würde, beruhigten wir uns wieder und
-machten, daß wir weiter kamen, weil wir gern während
-der Zwischenstunde beim Schulhaus sein wollten.</p>
-
-<p>Es war recht ärgerlich, daß uns Jack nicht
-erzählen konnte, was sich in dem Ahornwäldchen
-zugetragen hatte und ob er fast umgebracht worden
-wäre; aber Tom bemerkte ganz richtig, daß ein
-Mensch in Jacks Lage nicht vorsichtig genug sein
-könne und am besten thäte still zu schweigen, um sich
-keiner Gefahr auszusetzen.</p>
-
-<p>In der Zwischenstunde ging es sehr lustig zu,
-alle Knaben und Mädchen freuten sich, uns wiederzusehen.
-Die beiden Hendersons waren auf ihrem
-Schulweg dem Taubstummen begegnet und wurden
-deshalb von den übrigen sehr beneidet, da alle vor
-Neugier brannten, ihn zu sehen, und von gar nichts
-anderm reden mochten.</p>
-
-<p>Es kostete Tom keine kleine Ueberwindung, nichts<span class="pagenum"><a id="Seite_258"></a>[258]</span>
-zu verraten. Hätten wir alles erzählen dürfen,
-wie würde man uns bewundert haben! Aber viel
-heldenhafter war es doch noch, Stillschweigen zu
-bewahren. Unter Millionen Jungen hätte man nicht
-zwei finden können, die das fertig brachten. Davon
-war Tom wenigstens überzeugt und schließlich mußte
-er es doch am besten wissen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="detektiv09">Neuntes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>In den nächsten zwei oder drei Tagen ging
-der Taubstumme bei den Nachbarn aus und ein
-und war bald allgemein beliebt. Jeder war stolz,
-mit einer so merkwürdigen Persönlichkeit zu verkehren;
-man lud ihn zum Frühstück, zu Mittag und zum
-Abendessen ein, bewirtete ihn aufs beste und wurde
-nicht müde, ihn anzustarren. Gern hätten die Leute
-mehr über ihn erfahren, aber seine Zeichen verstanden
-sie nicht &ndash; er wußte wohl selbst nicht, was sie bedeuteten.
-Seine Naturlaute bewunderten sie dagegen
-sehr und freuten sich, so oft er sie hören ließ. Auch
-reichte er eine Tafel herum nebst Schieferstift, damit<span class="pagenum"><a id="Seite_259"></a>[259]</span>
-man Fragen an ihn stellen könne; die Antworten,
-die er aufschrieb, konnte aber niemand lesen, außer
-Brace Dunlap, dem es freilich auch Mühe machte;
-doch fand er häufig wenigstens den Sinn heraus.
-Er sagte, der Taubstumme käme von weit her und
-habe früher im Wohlstand gelebt, dann sei er Schwindlern
-in die Hände gefallen, die sein Vertrauen
-mißbraucht hätten. Jetzt sei er arm und wüßte
-nicht, wie er sein Brot erwerben solle.</p>
-
-<p>Man lobte Brace allgemein, daß er sich des
-Fremden so hilfreich annahm. Er hatte ihm ein
-kleines Blockhaus zur Wohnung angewiesen, seine
-Neger mußten es in Ordnung halten und ihm zu
-essen bringen so viel er wollte.</p>
-
-<p>Auch in unser Haus kam der Taubstumme
-öfters, weil es Onkel Silas Trost gewährte, einen
-Menschen zu sehen, der auch von Trübsal heimgesucht
-war wie er. Tom und ich thaten, als hätten wir
-ihn noch nie erblickt, und auch er stellte sich uns
-gegenüber ganz fremd. Der Familienkummer wurde
-in seiner Gegenwart ohne Scheu besprochen, was ja
-im Grunde nichts schadete. Gewöhnlich schien er
-gar nicht acht darauf zu geben, aber manchmal that
-er es doch.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_260"></a>[260]</span></p>
-
-<p>Als drei Tage vergangen waren, fingen die
-Nachbarn an, sich über Jupiter Dunlaps Ausbleiben
-zu beunruhigen. Einer fragte den andern, wo er
-wohl hingeraten sein könne; man schüttelte den Kopf
-und fand es höchst seltsam und unerklärlich. Abermals
-verstrichen ein paar Tage; da entstand ein
-Gerücht, daß er vielleicht ermordet wäre. Das
-machte natürlich großes Aufsehen und ein endloses
-Gerede. Am Samstag zogen die Leute truppweise
-in den Wald, um die Leiche aufzustöbern. Tom
-und ich gingen auch mit und halfen suchen. Tom
-konnte vor Aufregung tagelang weder essen noch
-schlafen und glühte vor Eifer, weil er meinte, wenn
-wir den Leichnam fänden, würden wir berühmt
-werden und unser Name in aller Munde sein.</p>
-
-<p>Die andern bekamen es zuletzt satt und gaben
-das Suchen auf. Aber Tom Sawyer dachte nicht
-daran, er war unermüdlich. Die ganze Nacht schloß
-er kein Auge, er sann über einen Plan nach und
-als der Morgen dämmerte, war ihm ein Licht aufgegangen.
-In größter Hast kam er und holte mich
-aus dem Bette.</p>
-
-<p>»Rasch Huck, wirf deine Kleider über,« rief
-er, »ich hab’s! Wir brauchen einen Schweißhund.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_261"></a>[261]</span></p>
-
-<p>Zwei Minuten später liefen wir im Dunkeln
-am Fluß entlang nach dem Dorfe zu. Der alte
-Schmied Jeff Hooker hatte einen Hund, den wollte
-sich Tom von ihm borgen.</p>
-
-<p>»Die Spur ist zu alt,« sagte ich, »und geregnet
-hat es auch.«</p>
-
-<p>»Das schadet nichts, Huck. Wenn der Leichnam
-irgendwo im Walde steckt, findet ihn der Hund
-gewiß. Er wird es schon wittern, an welcher Stelle
-man den Ermordeten verscharrt hat. Auch auf die
-Spur des Mörders wird er uns helfen, und wenn
-wir die erst haben, verfolgen wir sie ohne Unterlaß,
-bis wir den Kerl fangen. Dann werden wir berühmt,
-so wahr ich lebe.«</p>
-
-<p>»Na, laß uns nur erst die Leiche finden,«
-sagte ich, um sein Feuer etwas zu dämpfen, »daran
-werden wir wohl für heute genug haben. Wer
-weiß, ob überhaupt eine da ist; vielleicht ist der
-faule Jupiter einfach durchgebrannt und gar nicht
-ermordet worden.«</p>
-
-<p>Doch davon wollte Tom nichts hören. »Wie
-kannst du nur so reden, Huck, das ist ganz abscheulich.
-Schämst du dich nicht, ein solcher Spielverderber
-zu sein, wenn wir gerade die beste Gelegenheit<span class="pagenum"><a id="Seite_262"></a>[262]</span>
-haben uns auszuzeichnen und unsern Ruhm zu begründen.«</p>
-
-<p>»Ach was, ich nehme alles zurück; mache es
-nur ganz wie du willst, Tom. Ob Jupiter tot ist
-oder lebendig, kümmert mich im Grunde wenig.«</p>
-
-<p>Bald war Tom wieder Feuer und Flamme
-für das Unternehmen, bis wir vor die Schmiede
-des alten Jeff Hooker kamen, der seine Begeisterung
-gewaltig abkühlte.</p>
-
-<p>»Den Hund könnt ihr haben,« sagte er, »aber
-ihr werdet keinen Leichnam finden, weil keiner da
-ist. Die Leute haben ganz recht, daß sie nicht weiter
-suchen. Sobald sie anfingen nachzudenken, mußte
-sich eben jeder sagen, daß von einem Mord gar
-keine Rede kein kann. Ich will euch auch sagen weshalb:
-Wenn jemand einen Menschen umbringt, thut
-er es doch nicht ganz ohne Grund, das werdet ihr
-mir zugeben. Na, und warum sollte man wohl dem
-Jupiter Dunlap, diesem Schafskopf, nach dem Leben
-trachten? Etwa aus Rache? Meint ihr, daß irgend
-jemand einen Groll gegen solchen Menschen hat?«</p>
-
-<p>Tom fand kein Wort der Erwiderung; von
-diesem Gesichtspunkt aus hatte er sich die Sache
-noch nicht überlegt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_263"></a>[263]</span></p>
-
-<p>»Oder glaubt ihr, man hätte ihn berauben
-wollen? Haha! Das wird’s wohl sein. Die Hosenschnallen
-hat man ihm gestohlen und deshalb&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>Der Alte wollte sich vor Lachen ausschütten;
-er mußte sich die Seiten halten, um nicht zu bersten.
-Tom machte ein ganz verblüfftes Gesicht; ich sah’s
-ihm an, daß er sich meilenweit weg wünschte, während
-Jeff Hooker von neuem anhub: »Wer irgend
-Grütze im Kopf hat, mußte sich’s ja gleich sagen,
-daß der Faulpelz nur ausgekniffen ist, weil er nach
-seiner schweren Arbeit eine Weile herumbummeln
-wollte. Paßt auf, nach ein paar Wochen kommt
-er wieder und lacht sich ins Fäustchen. &ndash; Wenn
-du aber nach seinem Leichnam suchen willst, Tom,
-so nimm den Hund und thu’s, ich werd’ dich nicht
-hindern.«</p>
-
-<p>Tom war zu weit gegangen, er konnte nicht
-mehr zurück. »Na, also, macht ihn nur von der
-Kette los,« sagte er. Der Alte that es und sah
-uns lachend nach, während wir beschämt abzogen.</p>
-
-<p>Der Hund kannte uns, wedelte mit dem Schwanz
-und sprang mit lustigen Sätzen vor uns her, im
-Genuß seiner Freiheit. Aber Tom verzog keine
-Miene, er war tief gekränkt, daß der alte Hooker<span class="pagenum"><a id="Seite_264"></a>[264]</span>
-ihn lächerlich gemacht hatte, und verwünschte das
-ganze Abenteuer.</p>
-
-<p>In düsterm Schweigen schlichen wir durch die
-Hintergassen heim. Als wir eben um die Ecke
-unseres Tabakfeldes bogen, stieß der Hund ein klägliches
-Geheul aus. Wir eilten herzu und sahen,
-wie er mit aller Macht die Erde aufwühlte und
-dann und wann den Kopf laut heulend zur Seite
-wandte.</p>
-
-<p>In dem vom Regen durchweichten Boden ließ
-sich deutlich ein eingesunkenes längliches Viereck erkennen,
-das aussah wie ein Grab. Stumm standen
-wir da und sahen einander an. Der Hund hatte
-kaum ein paar Zoll tief gegraben, als er einen
-Gegenstand zu packen bekam und ihn herauszerrte;
-es war ein Männerarm, der im Aermel steckte.</p>
-
-<p>»Komm fort, Huck,« stieß Tom keuchend heraus,
-»die Leiche ist gefunden.«</p>
-
-<p>Mich durchrieselte es kalt. Rasch liefen wir nach
-der Landstraße und holten die ersten besten Leute,
-die uns begegneten. Sie nahmen einen Spaten mit
-und gruben den Leichnam aus. Nein, war das eine
-Aufregung! Sein Gesicht konnte man nicht mehr erkennen,
-aber das war auch nicht nötig. Alle riefen:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_265"></a>[265]</span></p>
-
-<p>»Der arme Jupiter; das sind die Kleider, die
-er zuletzt getragen hat.«</p>
-
-<p>Ein paar Männer eilten ins Dorf, um die
-Nachricht zu verbreiten und dem Friedensrichter Anzeige
-zu machen, damit die Totenschau gehalten
-werden könnte. Auch Tom und ich liefen spornstreichs
-nach Hause; ganz atemlos kamen wir zu
-Onkel Silas, Tante Sally und Benny hereingestürzt
-und Tom rief:</p>
-
-<p>»Wir zwei, ich und Huck, haben ganz allein
-mit einem Schweißhund Jupiter Dunlaps Leiche
-gefunden. Alle hatten es aufgegeben; ohne uns hätte
-man sie niemals entdeckt. Er ist doch ermordet
-worden, mit einem Knüttel hat man ihn totgeschlagen;
-aber ich will den Mörder schon finden, er soll mir
-nicht entgehen, so wahr ich Tom heiße.«</p>
-
-<p>Tante Sally und Benny sprangen bleich und
-erschrocken auf, aber Onkel Silas fiel vorn über
-vom Stuhl auf den Boden und rief ächzend: »Gott
-erbarme sich meiner &ndash; <em class="gesperrt">du hast ihn schon gefunden</em>!«&nbsp;&ndash;</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_266"></a>[266]</span></p>
-
-<h3 class="nobreak" id="detektiv10">Zehntes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Bei diesen gräßlichen Worten standen wir wie
-zu Stein erstarrt und konnten wohl eine Minute
-lang kein Glied rühren. Sobald wir uns etwas
-von dem Schreck erholt hatten, hoben wir den alten
-Mann auf und setzten ihn wieder in seinen Stuhl;
-er ließ sich von Benny streicheln und küssen, auch
-die arme Tante versuchte ihn zu beruhigen. Doch
-waren sie beide so verwirrt und außer sich, daß sie
-kaum wußten, was sie thaten. Am allerunglücklichsten
-war aber Tom selbst. Daß er seinen Onkel vielleicht
-ins Verderben gestürzt hatte, war ihm fürchterlich.
-Hätte er nicht solchen Ehrgeiz gehabt, berühmt zu
-werden und hätte das Suchen nach der Leiche aufgegeben,
-wie die andern Leute, so wäre es ja am
-Ende nie herausgekommen. Doch nicht lange, da
-besann er sich und änderte seine Gedanken:</p>
-
-<p>»Sag’ das nicht noch einmal, Onkel Silas;
-solche Reden sind gefährlich und es ist auch kein
-Körnchen Wahrheit daran,« versicherte er mit Bestimmtheit.</p>
-
-<p>Tante Sally und Benny atmeten erleichtert auf<span class="pagenum"><a id="Seite_267"></a>[267]</span>
-bei diesen Worten; aber der Onkel schüttelte traurig
-den Kopf.</p>
-
-<p>»Nein, nein &ndash; ich hab’s gethan &ndash; der arme
-Jupiter &ndash; ich hab’s gethan!« &ndash; sagte er im Ton
-der Verzweiflung, während ihm die Thränen über
-die Backen liefen. Es war schrecklich mit anzuhören.</p>
-
-<p>Dann erzählte er weiter, es sei an dem Tage
-geschehen, als Tom und ich ankamen, bei Sonnenuntergang.
-Jupiter hatte ihn gequält und geärgert,
-bis ihn der Zorn übermannte und er ihm mit seinem
-Stock über den Kopf schlug, daß er zu Boden stürzte.
-Sofort bereute er seine Hitze; er kniete neben Jupiter
-hin, hob ihm den Kopf auf und bat, er solle doch
-sprechen und sagen, daß er nicht tot sei. Der kam
-auch bald wieder zu sich; doch als er sah, wer ihm
-den Kopf hielt, sprang er, wie zu Tode erschrocken,
-auf, war mit einem Satz über den Zaun, lief nach
-dem Walde zu und verschwand. Da hoffte Onkel
-natürlich, er hätte ihm keinen Schaden gethan.</p>
-
-<p>»Aber ach,« fuhr er fort, »nur die Furcht
-hatte ihm dies letzte Fünkchen Lebenskraft eingeflößt,
-das rasch erlosch; im Gebüsch ist er dann zusammengebrochen,
-wo ihm niemand beistehen konnte, und
-ist gestorben.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_268"></a>[268]</span></p>
-
-<p>Der alte Mann jammerte und weinte, er sagte,
-er sei ein Mörder, er trüge das Kainszeichen und
-brächte seine Familie in Schande und Schmach.
-Seine Missethat würde entdeckt werden und ihn an
-den Galgen bringen.</p>
-
-<p>»Davon ist gar keine Rede,« sagte Tom. »Du
-hast ihn gar nicht umgebracht. Ein einziger Schlag
-ist nicht gleich tödlich. Den Mord hat ein anderer
-begangen.«</p>
-
-<p>»Nein, ich habe es gethan, sonst niemand. Wer
-hätte auch außer mir etwas gegen ihn haben sollen?«</p>
-
-<p>Er sah uns an als hoffte er, wir würden jemand
-nennen können, der dem harmlosen Menschen
-grollte; allein das war vergebens, wir mußten alle
-verstummen. Als er das sah, überfiel ihn die Trauer
-von neuem; seine jammervolle Miene war zum
-erbarmen.</p>
-
-<p>»Aber halt,« rief Tom plötzlich, »jemand muß
-ihn doch begraben haben. Wer kann das denn&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>Weiter kam er nicht. Ich wußte wohl warum,
-und es überlief mich kalt. Hatten wir doch beide
-Onkel Silas in jener Nacht mit der langen Schaufel
-über der Schulter gesehen. Auch Benny mußte ihn
-bemerkt haben; sie hatte einmal etwas davon erwähnt.<span class="pagenum"><a id="Seite_269"></a>[269]</span>
-Tom war nun eifrig bemüht, Onkel zu überreden,
-daß er sich nicht verraten solle; wir andern stimmten
-ihm bei und sagten, wenn Onkel schwiege, würde
-man es nie erfahren und er dürfe sich nicht selbst
-anklagen, weil es uns allen das Herz brechen würde,
-wenn ihm ein Leid geschähe. Es würde niemand
-Nutzen bringen und die Seinigen nur unglücklich
-machen. Zuletzt versprach er es denn auch und
-wir suchten ihn nun nach Kräften zu trösten und
-aufzuheitern. Ueber der ganzen Sache würde bald
-Gras wachsen, sagten wir, und kein Mensch würde
-mehr daran denken. Gegen Onkel Silas Verdacht
-zu schöpfen könne niemand auch nur im Traum einfallen;
-er stehe in viel zu gutem Ruf und sei so
-lieb und freundlich gegen jedermann.</p>
-
-<p>»Ueberlegt es doch nur,« sagte Tom mit großem
-Nachdruck, »es liegt ja auf der Hand: Seit so und
-so vielen Jahren ist Onkel Silas hier Prediger gewesen
-ohne einen Pfennig Gehalt; alles mögliche
-Gute hat er gethan, von Alt und Jung wird er
-geliebt und geachtet. Wie sollte er, der friedliebendste
-Mensch von der Welt, der sich nie in fremde Angelegenheiten
-gemischt hat, dazu kommen, sich thätlich
-an jemand zu vergreifen? Es kann gar kein Argwohn<span class="pagenum"><a id="Seite_270"></a>[270]</span>
-gegen ihn entstehen; das ist ebenso gut ein Ding
-der Unmöglichkeit wie&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Im Namen und Auftrag des Staates Arkansas
-verhafte ich Euch als den Mörder des Jupiter
-Dunlap,« rief in diesem Augenblick der Sheriff an
-der Thür.</p>
-
-<p>Es war furchtbar. Tante Sally und Benny
-klammerten sich weinend und schreiend an Onkel
-Silas und wollten ihn nicht fortlassen; auch die
-Neger liefen heulend herbei, es war ein herzzerreißender
-Auftritt und ich machte, daß ich zum Haus
-hinauskam.</p>
-
-<p>Als er nach dem kleinen Dorfgefängnis geführt
-wurde, begleiteten wir ihn alle, um ihm Lebewohl
-zu sagen. Tom hatte schon einen Plan fix und fertig
-im Kopf, wie wir ihn in einer dunkeln Nacht
-heldenmütig befreien wollten. Aber als er gegen
-Onkel etwas davon verlauten ließ, kam er übel an.
-Der arme Alte meinte, es sei seine Pflicht, zu dulden,
-was das Gesetz über ihn verhänge; selbst wenn die
-Thür des Gefängnisses offen stünde, würde er von
-dort nicht wanken und weichen. Natürlich war Tom
-sehr enttäuscht, doch mußte er sich drein ergeben.
-Den Gedanken, seinen Onkel zu befreien, gab er aber<span class="pagenum"><a id="Seite_271"></a>[271]</span>
-deshalb noch lange nicht auf; er betrachtete das als
-seine Schuldigkeit, denn er fühlte sich gewissermaßen
-verantwortlich für ihn.</p>
-
-<p>Er versprach auch Tante Sally, daß er Tag
-und Nacht nicht ruhen würde, bis er Onkels Unschuld
-ans Licht gebracht hätte, sie solle sich nur keinen
-Kummer machen. Tante umarmte ihn zärtlich, dankte
-ihm und sagte, sie sei überzeugt, er werde alles thun,
-was in seinen Kräften stehe. Dann bat sie uns
-noch, wir möchten Benny helfen das Haus und die
-Kinder zu versorgen, und nachdem wir mit Thränen
-von ihr Abschied genommen hatten, kehrten wir nach
-der Farm zurück. Tante wollte bei der Frau des
-Gefängniswärters wohnen bleiben, bis im Oktober
-die Gerichtsverhandlung stattfand.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h3 class="nobreak" id="detektiv11">Elftes Kapitel.</h3>
-</div>
-
-<p>Der nächste Monat war für uns alle sehr
-traurig. Die arme Benny nahm sich zusammen, so
-gut sie konnte; auch Tom und ich trugen unser
-möglichstes zur allgemeinen Aufheiterung bei, aber<span class="pagenum"><a id="Seite_272"></a>[272]</span>
-das half wenig. Wir besuchten die alten Leute jeden
-Tag, was furchtbar trübselig war. Onkel Silas
-hatte meist schlaflose Nächte oder er wandelte im
-Schlaf; sein Aussehen war erbärmlich, auch nahm
-er körperlich und geistig so sehr ab, daß wir alle
-fürchteten, er würde vor Kummer krank werden und
-sterben.</p>
-
-<p>Wenn wir ihm Mut zusprachen, schüttelte er
-nur den Kopf und meinte, wir wüßten nicht, welche
-Last es wäre, einen Mord auf der Seele zu tragen,
-sonst würden wir anders reden. Wie oft wir ihm
-auch wiederholten, daß es kein Mord, sondern fahrlässiger
-Todschlag wäre, er ließ sich nicht davon
-abbringen. Ja, als der Tag der Verhandlung näher
-rückte, war er ganz bereit einzugestehen, er habe den
-Mann mit Vorbedacht getötet. Das verschlimmerte
-die Sache natürlich hundertfach; Tante Sally und
-Benny verzehrten sich fast vor Angst. Doch nahmen
-wir Onkel das Versprechen ab, daß er im Beisein
-anderer keine Silbe von dem Mord sagen wolle und
-das war wenigstens ein Trost.</p>
-
-<p>Den ganzen Monat über zerbrach sich Tom
-den Kopf, um einen Ausweg zu finden. Viele Nächte
-mußte ich mit ihm aufbleiben und Pläne schmieden,<span class="pagenum"><a id="Seite_273"></a>[273]</span>
-aber wir arbeiteten uns nur unnütz ab, es führte
-alles zu nichts. Ich war zuletzt so mutlos und
-niedergeschlagen, daß ich Tom riet es aufzugeben; doch
-er war anderer Meinung und ließ nicht nach, sich
-mit immer neuen Entwürfen das Hirn zu zermartern.</p>
-
-<p>So kam Mitte Oktober der Tag der Gerichtsverhandlung.
-Wir waren alle da und der Saal
-natürlich gedrängt voll. Der arme alte Onkel Silas
-sah selbst fast aus wie ein Toter, so hohläugig, abgezehrt
-und jämmerlich. Benny und Tante Sally saßen
-ihm rechts und links zur Seite, tief verschleiert und
-gramerfüllt. Aber Tom saß bei unserm Verteidiger
-und redete in alles mit herein; der Anwalt ließ ihn
-gewähren und der Richter auch. Manchmal hielt
-er’s für besser, dem Verteidiger die Sache ganz aus
-der Hand zu nehmen, denn der war nur ein Winkeladvokat
-und verstand so gut wie gar nichts.</p>
-
-<p>Die Vereidigung der Geschworenen war vorüber
-und der öffentliche Ankläger hielt seine Rede.
-Er sagte so schreckliche Dinge von Onkel Silas, daß
-Tante Sally und Benny zu weinen anfingen. Was
-er über den Mord berichtete, nahm uns fast den
-Atem, es war so ganz anders als Onkels Erzählung.
-Er sagte, er werde beweisen, daß zwei zuverlässige<span class="pagenum"><a id="Seite_274"></a>[274]</span>
-Zeugen gesehen hätten, wie Onkel Silas den Jupiter
-Dunlap umgebracht habe. Es sei mit Vorbedacht
-geschehen, denn er habe gerufen, er wolle ihn kalt
-machen, während er mit dem Knüttel zuschlug, dann
-habe er Jupiter ins Gebüsch geschleppt, der sei aber
-schon ganz tot gewesen. Später sei Onkel Silas
-wiedergekommen und habe die Leiche ins Tabakfeld
-geschafft, was zwei Männer bezeugen könnten. In
-der Nacht habe er sie dann begraben und sei auch
-dabei von jemand beobachtet worden.</p>
-
-<p>Ich sagte mir, der arme alte Onkel müsse uns
-belogen haben, weil er sich darauf verließ, daß ihn
-niemand gesehen hätte und er Tante Sally und
-Benny nicht das Herz brechen wollte. Daran hatte
-er ganz recht gethan; jeder, der nur das geringste
-Gefühl im Leibe hatte, würde auch gelogen haben,
-um den beiden, die doch gar nichts dafür konnten,
-Kummer und Herzeleid zu ersparen. Unser Verteidiger
-machte ein bedenkliches Gesicht und auch Tom war
-einen Augenblick wie auf den Mund geschlagen, doch
-nahm er sich rasch wieder zusammen und that ganz
-zuversichtlich &ndash; aber es war ihm schlecht dabei zu
-Mute, das weiß ich. Unter den Zuhörern entstand
-eine furchtbare Aufregung während der Rede.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_275"></a>[275]</span></p>
-
-<p>Als der Ankläger fertig war, setzte er sich
-und die Zeugen wurden aufgerufen. Zuerst kamen
-mehrere um zu beweisen, daß Onkel Silas dem
-Ermordeten feindlich gesinnt gewesen war. Sie sagten,
-sie hätten ihn öfters Drohungen gegen Jupiter ausstoßen
-hören; es sei zuletzt so schlimm geworden,
-daß alle Welt darüber gesprochen habe. Der Ermordete,
-dem um sein Leben bangte, habe gegen
-mehrere von ihnen geäußert, Onkel Silas würde
-ihn gewiß noch einmal umbringen.</p>
-
-<p>Das Kreuzverhör, das Tom und unser Verteidiger
-mit diesen Zeugen anstellten, nützte nichts;
-sie beharrten bei ihrer Aussage.</p>
-
-<p>Zunächst betrat Lem Beebe den Zeugenstand.
-Das rief mir den Tag unserer Ankunft ins Gedächtnis,
-wie Lem mit Jim Lane an uns vorbeigegangen
-war und gesagt hatte, er wollte sich einen Hund
-von Jupiter Dunlap borgen. Alles zog wieder an
-meiner Erinnerung vorüber: Bill und Hans Withers,
-die von einem Neger redeten, der Onkel Silas Korn
-gestohlen hatte, und unser Geist, der aus dem Ahornwäldchen
-kam und uns so erschreckte. Der saß jetzt
-leibhaftig vor mir und nahm als Taubstummer und
-Fremder obendrein einen besondern Stuhl innerhalb<span class="pagenum"><a id="Seite_276"></a>[276]</span>
-der Schranken ein; da konnte er gemütlich die Beine
-übereinander schlagen, während die übrigen Zuhörer
-so zusammengepfercht waren, daß sie kaum Platz
-zum Atemholen hatten.</p>
-
-<p>Lem Beebe leistete den Eid und begann: »Am
-zweiten September gegen Sonnenuntergang ging ich
-mit Jim Lane am Zaun des Angeklagten vorbei.
-Da hörten wir lautes Reden und Streiten, ganz in
-unserer Nähe, nur das Haselgebüsch war dazwischen.
-Wir erkannten die Stimme des Angeklagten, welche
-rief: ›Ich hab’ dir’s oft gesagt, ich bringe dich noch
-um!‹ dann sahen wir einen Knüttel, der hoch emporgehoben
-wurde und wieder hinter dem Gebüsch verschwand;
-wir hörten einen dumpfen Schlag und
-gleich darauf ein Aechzen. Nun krochen wir leise
-näher und als wir durch den Zaun guckten, sahen
-wir Jupiter Dunlap tot am Boden liegen und neben
-ihm stand der Angeklagte mit dem Knüttel in der
-Hand. Er schleppte die Leiche fort, um sie zu verbergen;
-wir aber duckten uns, damit wir nicht gesehen
-würden und machten, daß wir wegkamen.«</p>
-
-<p>Es war schrecklich. Den Zuhörern erstarrte
-fast das Blut in den Adern und im ganzen Saal
-herrschte lautlose Stille. Erst als der Zeuge fertig<span class="pagenum"><a id="Seite_277"></a>[277]</span>
-war, hörte man die Leute seufzen und stöhnen und
-sie sahen einander mit entsetzten Mienen an.</p>
-
-<p>Am meisten mußte ich mich aber über Tom
-verwundern. Bei den ersten Zeugen hatte er aufgepaßt
-wie ein Schweißhund und sobald einer mit
-seiner Aussage zu Ende war, fuhr er drauf los und
-that alles, was er konnte, um ihn auf Unwahrheiten
-zu ertappen und sein Zeugnis zu entkräften. Auch
-jetzt, als Lem anfing und nichts davon sagte, daß
-er mit Jupiter gesprochen hatte und sich seinen Hund
-borgen wollte, glühte Tom vor Eifer und ich merkte,
-wie er nur darauf lauerte, Lem ins Kreuzverhör
-zu nehmen. Dann dachte ich, würden wir beide
-als Zeugen auftreten und erzählen, was wir aus
-Lems eigenem Munde gehört hatten. Ich sah wieder
-zu Tom hin, aber der war auf einmal wie ausgewechselt.
-Er hörte gar nicht mehr auf das, was
-Lem sagte, sondern saß ganz in sich versunken da,
-als schweiften seine Gedanken in weiter, weiter Ferne.
-Als Lem fertig war, stieß unser Verteidiger Tom
-mit dem Ellenbogen an; einen Augenblick sah er
-verwirrt auf und meinte: »Nehmen Sie den Zeugen
-ins Verhör, wenn Sie wollen; aber mich lassen Sie
-in Ruhe &ndash; ich muß nachdenken.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_278"></a>[278]</span></p>
-
-<p>Na, da hörte doch alles auf; es ging über
-meine Begriffe. Ich sah auch wie Benny und ihre
-Mutter den Schleier zurückschoben und mit angstvoller
-Miene nach Tom hinschauten, um seinem Blick
-zu begegnen, aber sie bemühten sich vergebens, er
-starrte immer nur auf einen Fleck. Der Winkeladvokat
-nahm zwar den Zeugen vor, brachte aber
-nichts heraus und verdarb die Geschichte noch vollends.</p>
-
-<p>Dann wurde Jim Lane aufgerufen; er erzählte
-den Vorgang genau ebenso. Tom aber gab gar
-nicht acht; er saß noch immer in tiefen Gedanken
-da und merkte nicht, was um ihn her vorging.
-Der Verteidiger mußte wieder ganz allein fragen,
-und auch das Ergebnis war das gleiche. Nun
-schaute der öffentliche Ankläger sehr befriedigt drein,
-aber der Richter machte ein verdrießliches Gesicht,
-denn Tom versah fast die Stelle eines richtigen Advokaten.
-In Arkansas durfte der Angeklagte nämlich
-nach dem Gesetz wen er wollte, zum Beistand seines
-Verteidigers wählen. Tom hatte Onkel Silas überredet,
-ihm den Fall anzuvertrauen, und nun that
-er nichts zur Sache, was dem Richter natürlich
-unangenehm war.</p>
-
-<p>Schließlich fragte der Verteidiger Lem und Jim:<span class="pagenum"><a id="Seite_279"></a>[279]</span>
-»Warum habt ihr nicht gleich angezeigt, was ihr
-gesehen hattet?«</p>
-
-<p>»Wir fürchteten, selbst in die Sache verwickelt
-zu werden,« lautete die Antwort. »Als wir aber
-hörten, daß nach dem Leichnam gesucht wurde, sind
-wir gleich zu Brace Dunlap gegangen und haben
-ihm alles erzählt.«</p>
-
-<p>»Wann war das?«</p>
-
-<p>»Samstag abend, den 9. September.«</p>
-
-<p>Hier ließ sich der Richter vernehmen:</p>
-
-<p>»Sheriff,« sagte er, »verhaften Sie diese beiden
-Zeugen als Hehler des Mordes.«</p>
-
-<p>»Herr Richter,« rief der Ankläger in großer
-Erregung, »ich erhebe Einspruch gegen dieses außergewöhnliche&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Setzen Sie sich,« erwiderte der Richter und
-legte sein Dolchmesser vor sich auf den Tisch. »Ich
-bitte, daß Sie dem Gerichtshof die schuldige Achtung
-erweisen.«</p>
-
-<p>Der nächste Zeuge war Bill Withers.</p>
-
-<p>Nach seiner Vereidigung sagte er aus: »Ich
-kam am Samstag den 2. September gegen Sonnenuntergang
-mit meinem Bruder Hans am Feld des
-Gefangenen vorbei, da sahen wir einen Mann, der<span class="pagenum"><a id="Seite_280"></a>[280]</span>
-eine schwere Last auf dem Rücken trug. Wir konnten
-ihn nur undeutlich sehen, aber es schien, als schleppe
-er einen Menschen, dessen Glieder so schlaff herabhingen,
-daß wir meinten, er müsse wohl betrunken
-sein. Nach dem Gang des Mannes zu urteilen,
-war es Pastor Silas und wir dachten, er hätte
-vielleicht den Trunkenbold Sam Cooper, den er schon
-lange zu bessern versucht, im Straßengraben gefunden
-und schaffte ihn nun nach Hause.«</p>
-
-<p>Den Leuten grauste, als sie sich vorstellten, wie
-der alte Onkel Silas den Ermordeten in seine Tabakpflanzung
-geschleppt hatte, wo der Hund hernach
-die Leiche aufwühlte. Viel Mitgefühl war aber
-nicht in den Gesichtern zu lesen, und einer sagte zu
-seinem Nachbar: »Schauderhaft, den Toten so
-herumzutragen und dann im Boden zu verscharren,
-wie das erste beste Tier &ndash; und so was kann ein
-Pastor thun!«</p>
-
-<p>Auch diesen Zeugen mußte der Verteidiger allein
-vornehmen; Tom war wie blind und taub, er rührte
-sich nicht.</p>
-
-<p>Nach Bill kam Hans Withers und wiederholte
-alles, was sein Bruder gesagt hatte.</p>
-
-<p>Dann wurde Brace Dunlap aufgerufen. Der<span class="pagenum"><a id="Seite_281"></a>[281]</span>
-sah so kummervoll aus, als ob ihm das Weinen
-nahe wäre. Im Saal entstand eine große Bewegung;
-alle horchten auf, um ja kein Wort zu verlieren;
-die Weiber flüsterten: »Der arme Mensch!« und
-viele sah man sich die Augen trocknen.</p>
-
-<p>Brace Dunlap leistete den Eid, dann sagte er:</p>
-
-<p>»Ich war schon lange in Sorge um meinen
-armen Bruder, doch hoffte ich immer noch, die
-Sachen stünden nicht so schlimm wie er sie schilderte.
-Wie hätte ich auch denken sollen, daß es irgend
-jemand übers Herz bringen würde, einem so harmlosen
-Geschöpf ein Leid anzuthun. Und daß gar
-der Pastor ihm nach dem Leben trachtete, konnte
-mir gar nicht in den Sinn kommen. Aber nie,
-nie werde ich mir vergeben, daß ich der Sache nicht
-gleich ein Ende gemacht habe; hätte ich das gethan,
-so wäre mein armer unschuldiger Bruder heute noch
-am Leben, und nun liegt er dort drüben &ndash; grausam
-ermordet.« Die Rührung übermannte ihn; er mußte
-eine Weile warten, weil ihm die Stimme versagte.
-Von allen Seiten wurden teilnahmvolle Worte laut
-und die Weiber weinten. Dann entstand eine feierliche
-Stille; nur der arme alte Onkel Silas stöhnte aus
-tiefster Brust, so daß es jedermann hörte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_282"></a>[282]</span></p>
-
-<p>Brace fuhr fort: »Samstag den 2. September
-kam er nicht zum Nachtessen heim. Als es spät
-wurde, schickte ich einen meiner Neger nach der
-Wohnung des Angeklagten; aber dort war mein
-Bruder nicht. Meine Unruhe wuchs; zwar legte
-ich mich zu Bette, aber an Schlaf war nicht zu
-denken. In der Nacht stand ich noch einmal auf,
-ging nach dem Hause des Angeklagten und irrte da
-lange umher in der Hoffnung, meinen armen Bruder
-zu treffen. Ach, ich wußte ja nicht, daß er schon
-aus aller Not in ein besseres Jenseits entrückt war.«
-Wieder versagte ihm die Stimme und man hörte
-die Weiber schluchzen. Bald nahm Brace einen
-neuen Anlauf: »Das Warten war vergebens. Ich
-ging heim und legte mich nieder. Ein paar Tage
-später gerieten die Nachbarn auch in Sorge und
-fingen an, von den Drohungen zu reden, die der
-Angeklagte ausgestoßen hatte. Ihre Ansicht, daß
-mein Bruder ermordet sei, teilte ich nicht; aber das
-Gerücht verbreitete sich, man fing an, nach der Leiche
-zu suchen. Ich war der Meinung, mein Bruder
-habe sich irgendwohin geflüchtet, um etwas Ruhe zu
-haben und er werde über kurz oder lang zurückkehren.
-Da kamen am Samstag den 9. Lem Beebe und<span class="pagenum"><a id="Seite_283"></a>[283]</span>
-Jim Lane noch spät abends zu mir und erzählten mir
-alles &ndash; so erfuhr ich den gräßlichen Mord, der
-mir fast das Herz brach. Zugleich erinnerte ich
-mich an einen Umstand, auf den ich vorher kein
-großes Gewicht legte, weil ich gehört hatte, der Angeklagte
-sei ein Nachtwandler und thue im Schlaf
-allerlei, wovon er kein Bewußtsein habe. In jener
-schrecklichen Nacht, am Samstag nämlich, als ich
-voll Sorge und Kummer umherirrte, kam ich auch
-an die Tabakpflanzung des Angeklagten und hörte
-ein Geräusch, als ob der Boden aufgegraben würde.
-Ich schlich näher und sah durch die Hecke einen
-Mann, der Erde in ein Loch schaufelte, das schon
-fast zugefüllt war. Er stand mit dem Rücken nach
-mir, aber im Mondlicht erkannte ich den Angeklagten
-an seinem alten grünen Arbeitskittel mit dem weißen
-Flicken zwischen den Schultern, der aussieht, als
-hätte ihn jemand mit einem Schneeball geworfen.
-Er war gerade beschäftigt, den Mann, <em class="gesperrt">den er erschlagen
-hatte, im Boden zu verscharren</em>.«</p>
-
-<p>Weinend und schluchzend sank Brace auf seinen
-Stuhl nieder und durch den ganzen Saal ging ein
-Klagegestöhn. »Wie schauderhaft, wie gräßlich!«
-klang es von allen Seiten; die Unruhe nahm mit<span class="pagenum"><a id="Seite_284"></a>[284]</span>
-jeder Minute zu. Da auf einmal erhob sich der
-alte Onkel Silas; er sah so weiß aus, wie ein Tuch
-und rief:</p>
-
-<p>»<em class="gesperrt">Es ist alles buchstäblich wahr &ndash; ich
-habe ihn mit kaltem Blute umgebracht!</em>«</p>
-
-<p>Die Leute waren erst starr vor Schrecken, dann
-entstand ein wilder Lärm. Jeder sprang von seinem
-Sitze auf und reckte den Hals, um besser sehen zu
-können. Der Richter schlug mit dem Hammer auf
-den Tisch und der Sheriff kreischte: »Ruhe und
-Ordnung im Gerichtssaal &ndash; Ruhe!«</p>
-
-<p>Von alledem schien Tom Sawyer nicht das
-mindeste zu merken. Wahrhaftig, da saß er, starrte
-ins Leere und schaute auch nicht ein einzigesmal
-nach Onkel Silas hin.</p>
-
-<p>Unterdessen stand der alte Mann noch immer
-hoch aufgerichtet, mit glühenden Blicken und an allen
-Gliedern bebend da. Er wehrte seine Frau und
-Tochter ab, die sich an ihn klammerten und flehten,
-er solle schweigen. Nein, er <em class="gesperrt">wollte</em> das Verbrechen
-nicht mehr auf der Seele haben, er <em class="gesperrt">wollte</em> die
-Last abwälzen, unter der er erliegen mußte, keine
-Stunde länger wollte er sie tragen. Und während
-alle Zuschauer ihn entsetzt anstarrten, während der<span class="pagenum"><a id="Seite_285"></a>[285]</span>
-Richter, die Geschworenen, die Anwälte nach Atem
-rangen, während Benny und Tante Sally schluchzten,
-daß es einen Stein erbarmen konnte, floß dem alten
-Mann sein grausiges Bekenntnis über die Lippen,
-wie ein Strom, der aus seinen Ufern bricht:</p>
-
-<p>»Ich habe ihn umgebracht. Ich bin der
-Schuldige! Doch hatte ich noch nie im Leben daran
-gedacht, ihm Schaden oder Leid zuzufügen, bis zu
-dem Augenblick, als ich den Stock erhob. Daß ich
-ihm schon früher gedroht haben soll, ist nicht wahr.
-Ganz plötzlich ward es mir eiskalt ums Herz, alles
-Mitleid war verflogen, ich wollte ihn töten und
-schlug zu. In dem Moment kam mir alles zum
-Bewußtsein, was ich erlitten hatte, aller Schimpf,
-den mir der Mann und sein schurkischer Bruder
-dort angethan, die zusammen darauf ausgegangen
-waren, mich bei den Leuten in Verruf zu bringen,
-mir den guten Namen abzuschneiden und mich solange
-zu quälen, bis ich eine That beging, die mich
-und die Meinigen ins Verderben stürzte, während
-wir ihnen doch, weiß Gott, nie etwas zuleide gethan
-hatten. Es war nichts, als gemeine Rache
-von ihnen. Und wofür? &ndash; Bloß weil meine arme
-unschuldige Tochter hier den reichen, frechen und<span class="pagenum"><a id="Seite_286"></a>[286]</span>
-feigen Nichtsnutz, den Brace Dunlap, nicht heiraten
-wollte, der jetzt solchen Schmerz um seinen Bruder
-heuchelt, dem er sein Lebtag nichts Gutes gegönnt
-hat. &ndash; In jenem Augenblick vergaß ich mein Seelenheil
-und dachte nur an meinen bittern Groll &ndash;
-ich schlug zu, um meinen Feind zu töten &ndash; verzeih
-mir’s Gott! &ndash; Sofort that mir’s von Herzen leid,
-mich überfiel die Reue; doch dachte ich an die
-Meinigen und um ihretwillen wollte ich meine Missethat
-verbergen. Erst schleppte ich die Leiche ins
-Gebüsch und später in das Tabakfeld. Im nächtlichen
-Dunkel schlich ich mich dorthin und begrub
-den Erschlagenen&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>Auf einmal schnellte Tom von seinem Sitz in
-die Höhe: »Jetzt hab’ ich’s,« rief er triumphierend
-und streckte die Hand mit förmlich hoheitsvoller
-Gebärde nach dem alten Mann aus.</p>
-
-<p>»Setz’ dich, Onkel! Es ist zwar ein Mord
-verübt worden, aber du bist’s nicht gewesen, der
-ihn begangen hat.«</p>
-
-<p>Im Nu wurde es totenstill im Saal. Der
-Alte sank verwirrt auf seinen Stuhl; Tante Sally
-und Benny starrten Tom mit offenem Munde an
-und auch die übrigen Anwesenden wußten kaum,<span class="pagenum"><a id="Seite_287"></a>[287]</span>
-wo ihnen der Kopf stand, vor maßlosem Staunen
-und unbeschreiblicher Ueberraschung.</p>
-
-<p>»Darf ich reden, Herr Präsident?«</p>
-
-<p>»Um Gottes willen ja &ndash; so sprich doch!« rief
-der Richter, der seinen Ohren nicht traute.</p>
-
-<p>Tom stand und wartete noch ein paar Sekunden
-&ndash; um die Wirkung zu erhöhen, wie er es
-nennt &ndash; dann begann er mit größter Gelassenheit:</p>
-
-<p>»Seit etwa zwei Wochen ist hier vorn am Gerichtshause
-eine Bekanntmachung angeschlagen, in
-der eine Belohnung von 2000 Dollars für Wiedererlangung
-von zwei großen Diamanten geboten wird,
-die in St. Louis gestohlen worden sind. Die
-Diamanten sind zwölftausend Dollars wert. Doch
-darauf komme ich später zurück. Jetzt will ich von
-dem Mord reden und sagen, wie es dazu kam, wer
-ihn begangen hat &ndash; und alle Einzelheiten.«</p>
-
-<p>Nein, wie sie alle die Köpfe vorstreckten und
-horchten, damit ihnen kein Wort entginge!&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>»Der Mann hier, der jetzt so um seinen toten
-Bruder jammert, für den er, solange er lebte, keinen
-Pfifferling gegeben hätte, wie ihr recht wohl wißt &ndash;
-dieser Brace Dunlap wollte das junge Mädchen
-dort heiraten, aber sie nahm ihn nicht. Da drohte<span class="pagenum"><a id="Seite_288"></a>[288]</span>
-er Onkel Silas, das sollte ihnen noch allen teuer
-zu stehen kommen. Onkel wußte, daß er gegen solchen
-Mann nichts auszurichten vermochte; das ängstigte
-ihn sehr und er that alles Erdenkliche, um ihn zu
-besänftigen und wieder zu versöhnen. Er nahm
-sogar seinen nichtsnutzigen Bruder Jupiter als Arbeiter
-auf die Farm und sparte sich und den Seinigen
-den Lohn, den er ihm zahlte, am eigenen Leibe ab.
-Jupiter aber that alles, was sein Bruder nur ersinnen
-konnte, um Onkel Silas zu beleidigen, zu
-ärgern und zu quälen, damit Onkel sich vom Zorn
-fortreißen ließe und so um seinen guten Ruf kam.
-Der Plan gelang. Alle wandten sich von Onkel
-ab und glaubten den ausgestreuten Verleumdungen.
-Das nahm sich der alte Mann so zu Herzen, daß
-er vor lauter Kummer und Trübsal oft gar nicht
-recht bei Sinnen war.</p>
-
-<p>»An jenem schrecklichen Samstag nun, kamen
-die zwei Zeugen Lem Beebe und Jim Lane an dem
-Acker vorüber, wo Onkel Silas und Jupiter bei der
-Arbeit waren &ndash; so viel von ihrer Aussage ist wahr,
-das übrige sind lauter Lügen. Sie haben weder
-Onkel Silas sagen hören, daß er Jupiter umbringen
-wollte, noch haben sie ihn den Schlag führen sehen.<span class="pagenum"><a id="Seite_289"></a>[289]</span>
-Den Leichnam haben sie auch nicht erblickt und ebenso
-wenig, daß Onkel etwas im Gebüsch verborgen hat. &ndash;
-Seht sie nur an, wie sie jetzt dasitzen und wünschen,
-sie hätten ihre Zungen besser im Zaum gehalten.
-Sie werden noch ganz andere Gesichter machen, wenn
-ich alles erst ins reine gebracht habe.</p>
-
-<p>»An dem nämlichen Samstag abend haben
-Bill und Hans Withers gesehen, wie ein Mann
-den andern auf der Schulter fortschleppte. Soweit
-haben sie die Wahrheit gesprochen, das andere ist
-erlogen. Zuerst glaubten sie, ein Neger hätte dem
-Onkel Silas Korn gestohlen. &ndash; Seht nur, wie verdutzt
-sie jetzt dreinschauen, weil sie erfahren, daß
-jemand sie das hat sagen hören. Später ist’s ihnen
-sonnenklar geworden, wer die Leiche fortgeschafft hat,
-und sie wissen recht gut, warum sie hier vor Gericht
-geschworen haben, sie hätten Onkel Silas am
-Gang erkannt. Er war’s aber doch nicht, und das
-wußten die meineidigen Zeugen ebenfalls.</p>
-
-<p>»Es ist möglich, daß ein Mann beim Mondenschein
-gesehen hat, wie der Leichnam in der Tabakpflanzung
-vergraben wurde &ndash; aber Onkel Silas
-hat nichts damit zu thun gehabt. Der lag zu selbiger
-Zeit daheim in seinem Bett.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_290"></a>[290]</span></p>
-
-<p>»Ehe ich weiter erzähle, möchte ich die Anwesenden
-noch daran erinnern, daß viele Menschen,
-wenn sie tief in Gedanken geraten oder innerlich
-erregt sind, die Gewohnheit haben, irgend etwas mit
-ihren Händen zu thun, ohne es zu wissen. Sie fassen
-sich ans Kinn oder an die Nase, drehen an einem
-Knopf oder ihrer Uhrkette, streichen sich übers Haar
-oder den Bart. Manche zeichnen sich auch mit dem
-Finger ein Bild oder einen Buchstaben ins Gesicht.
-Das ist meine Manier. Wenn mich etwas quält oder
-ärgert, oder wenn ich recht nachdenke, male ich mir
-immerfort ein großes <em class="antiqua">V</em> auf die Backe oder das Kinn
-und meistens merke ich selbst gar nichts davon.«</p>
-
-<p>Komisch! Mir geht das ebenso. Nur mache
-ich ein <em class="antiqua">O</em>. Ich sah auch, wie die Leute im Saal
-einander anstießen und zunickten, was so viel heißen
-sollte, wie: Ja, so ist’s!</p>
-
-<p>»Am selben Samstag &ndash; nein, es war am
-Abend vorher&nbsp;&ndash;« fuhr Tom fort, »lag ein Dampfboot
-an der Landungsbrücke vierzig Meilen flußaufwärts
-von hier; es stürmte und regnete, was
-nur vom Himmel wollte. An Bord war der Dieb,
-der die zwei großen Diamanten gestohlen hatte, von
-denen die Bekanntmachung hier am Gerichtshaus<span class="pagenum"><a id="Seite_291"></a>[291]</span>
-redet. Er schlich sich mit seinem Reisesack ans Land,
-ging in die dunkle Sturmnacht hinaus und hoffte,
-diese Stadt mit heiler Haut zu erreichen. Allein
-auf dem Dampfboot hielten sich auch zwei seiner
-Genossen verborgen, welche, wie er wußte, nur auf
-die Gelegenheit lauerten, ihn umzubringen, um die
-Diamanten zu bekommen. Die drei Spießgesellen
-hatten die Edelsteine nämlich miteinander gestohlen,
-jener erste Dieb aber hatte sie eingesteckt und sich
-damit aus dem Staube gemacht.</p>
-
-<p>»Na, er war kaum zehn Minuten fort, als
-seine Genossen Lunte rochen. Sie sprangen ans
-Land und jagten hinter ihm drein. Wie sie seine
-Spur gefunden haben, weiß ich nicht, aber den
-ganzen Samstag über blieben sie ihm auf den Fersen
-und gaben dabei acht, daß er sie nicht zu Gesicht
-bekam. Gegen Sonnenuntergang erreichte er das
-Ahornwäldchen bei Onkel Silas’ Tabakpflanzung und
-schlich hinein, um die Verkleidung anzulegen, die er
-im Reisesack trug und in der er sich den Leuten zeigen
-wollte. &ndash; Das geschah ungefähr zur selben Zeit, als
-Onkel Silas den Jupiter Dunlap mit dem Knüttel
-schlug &ndash; denn, daß er ihn geschlagen hat, ist richtig.</p>
-
-<p>»Kaum hatten aber die Verfolger ihren Diebsgenossen<span class="pagenum"><a id="Seite_292"></a>[292]</span>
-in das Wäldchen treten sehen, als sie aus
-dem Gebüsch sprangen und ihm nachliefen. Ohne
-Gnade und Barmherzigkeit fielen sie über ihn her und
-schlugen ihn tot, wie laut er auch heulte und schrie.</p>
-
-<p>»Zwei Männer, die auf der Straße gelaufen
-kamen, hatten das Angstgeschrei gehört; sie drangen
-in das Wäldchen ein, &ndash; das ohnehin ihr Ziel gewesen
-war &ndash; verjagten die Mörder und verfolgten
-sie in atemloser Hast. Aber nur eine Strecke weit;
-dann kehrten die zwei Männer verstohlen nach dem
-Ahornwäldchen zurück.</p>
-
-<p>»Was thaten sie aber dort? &ndash; Das will ich
-euch sagen: Sie fanden den Ermordeten samt dem
-Reisesack, der alles enthielt, was zu der Verkleidung
-gehörte. Die legte nun einer der Männer an, nachdem
-er seine eigenen Kleider ausgezogen hatte.«</p>
-
-<p>Hier machte Tom eine kleine Pause &ndash; natürlich
-wegen der Wirkung &ndash; dann sagte er mit Nachdruck:
-»Der Mann, welcher die Verkleidung des Erschlagenen
-anlegte, war &ndash; <em class="gesperrt">Jupiter Dunlap</em>!«</p>
-
-<p>»Gerechter Himmel!« Ein Schrei der Ueberraschung
-ging durch den Saal und in Onkel Silas’
-Gesicht spiegelte sich maßloses Erstaunen.</p>
-
-<p>»Ja, es war Jupiter Dunlap, der folglich nicht<span class="pagenum"><a id="Seite_293"></a>[293]</span>
-tot sein konnte. Er zog dem Ermordeten die Stiefel
-aus und vertauschte sie gegen seine eigenen abgetragenen
-Schuhe; diese, sowie seine übrigen Sachen
-wurden der Leiche angelegt. Jupiter Dunlap blieb
-nun wo er war, der andere Mann aber schleppte
-den Leichnam im Dämmerlicht nach der Tabakpflanzung;
-um Mitternacht schlich er sich dann in
-Onkel Silas’ Haus, nahm den grünen Arbeitskittel
-von dem Nagel im Gang zwischen dem Haus und
-der Küche, wo er immer hängt, zog ihn an, holte
-die große Schaufel und ging damit nach dem Feld,
-wo er den Toten begrub.«</p>
-
-<p>Jetzt stand Tom wohl eine Minute schweigend
-da. Dann fuhr er fort: »Wer aber glaubt ihr,
-daß der Ermordete war? &ndash; Kein anderer, als
-Jack Dunlap, der längst verschollene Einbrecher!«</p>
-
-<p>»Gerechter Himmel!«</p>
-
-<p>»Und der Mann, der ihn begraben hat, war
-sein Bruder &ndash; Brace Dunlap.«</p>
-
-<p>»Gerechter Himmel!«</p>
-
-<p>»Der Fremde dort aber, der jetzt ein so blödsinniges
-Gesicht macht und sich seit Wochen gestellt
-hat, als ob er taub und stumm wäre, das ist &ndash;
-Jupiter Dunlap!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_294"></a>[294]</span></p>
-
-<p>Solches Gebrüll, solcher Wirrwarr wie jetzt
-entstand, ist mir all mein Lebtag nicht vorgekommen.
-Tom sprang auf Jupiter zu, er riß ihm die Brille
-samt dem falschen Bart herunter und siehe, da stand
-der Ermordete leibhaftig da und war ganz und gar
-nicht tot. Tante Sally und Benny fielen Onkel Silas
-um den Hals und erstickten ihn fast mit ihren Küssen
-und Liebkosungen, so daß der alte Mann noch erstaunter
-und verwirrter dreinschaute, als je zuvor.</p>
-
-<p>Nun aber fing die ganze Versammlung an zu
-schreien: »Tom Sawyer, Tom Sawyer! Er soll
-weiter reden! Stille! Stille! Tom Sawyer soll uns
-alles berichten!«</p>
-
-<p>Na, das schmeichelte Tom nicht wenig. Ich
-weiß, ihm ist nichts lieber, als wenn er in der
-Oeffentlichkeit auftreten und eine Heldenrolle spielen
-kann, wie er’s nennt. Als sich der Lärm wieder
-gelegt hatte, sagte er:</p>
-
-<p>»Der Rest ist bald erzählt. Es war dem
-Brace Dunlap gelungen, Onkel Silas durch seine
-Quälereien so zur Verzweiflung zu bringen, daß
-er fast von Sinnen kam und seinem nichtsnutzigen
-Bruder den Schlag versetzte. Nun lief Jupiter nach
-dem Wald, um sich da zu verstecken, und der Plan<span class="pagenum"><a id="Seite_295"></a>[295]</span>
-war vermutlich, daß er bei Nacht außer Landes
-gehen sollte. Dann konnte Brace das Gerücht verbreiten,
-Onkel Silas habe seinen Bruder umgebracht
-und die Leiche irgendwo versteckt. Dadurch war
-Onkel zu Grunde gerichtet; er mußte den Ort verlassen,
-ja er kam vielleicht an den Galgen. Als die
-beiden aber den Toten im Wäldchen fanden &ndash; ohne
-zu wissen, daß es ihr Bruder war, denn die Mörder
-hatten ihn arg zugerichtet &ndash; da änderten sie den
-Plan. Sie verkleideten alle beide, begruben Jack und
-als die Leiche aufgefunden wurde, hatte sie Jupiters
-Kleider an. Jim Lane und die andern Zeugen
-ließen sich bestechen, ein paar Lügen zu beschwören,
-die in Brace Dunlaps Kram paßten. Seht nur,
-wie übel ihnen jetzt zu Mute ist &ndash; ich hab’s ja
-vorausgesagt.</p>
-
-<p>»Wir sind nämlich auf dem Dampfboot mit
-den Dieben flußabwärts gefahren, Huck Finn und ich.
-Da erzählte uns der Tote von den Diamanten und
-sagte, seine Genossen würden ihn umbringen, sobald
-sie könnten und wir versprachen ihm nach Kräften
-beizustehen. Eben wollten wir nach dem Ahornwäldchen,
-da hörten wir sein Todesgeschrei; als wir
-aber am frühen Morgen nach dem Gewitter wieder<span class="pagenum"><a id="Seite_296"></a>[296]</span>
-hinkamen, fanden wir keine Leiche und meinten, es
-wäre am Ende gar kein Mord begangen worden.
-Wir sahen Jupiter in derselben Verkleidung herumstolzieren,
-die Jack uns gezeigt hatte und die er anziehen
-wollte. Natürlich glaubten wir, es wäre Jack
-selbst, der sich taubstumm stellte, wie verabredet war.</p>
-
-<p>»Nun suchten wir, Huck und ich, nach der Leiche,
-als die andern es aufgaben; wir fanden sie auch
-und waren zuerst stolz darauf. Aber Onkel Silas
-jagte uns einen furchtbaren Schreck ein mit der
-Behauptung, er hätte Jupiter totgeschlagen.</p>
-
-<p>»Da der Leichnam durch uns ans Tageslicht
-gekommen war, fühlten wir uns verpflichtet, für
-Onkels Rettung zu sorgen; aber das war ein schweres
-Stück Arbeit, denn Onkel wollte sich nicht aus dem
-Gefängnis befreien lassen, wie damals unser alter
-Neger Jim.</p>
-
-<p>»Den ganzen Monat lang dachte ich über ein
-Mittel nach, Onkel Silas loszukriegen, doch mir fiel
-nichts ein. Als ich heute zur Gerichtsverhandlung
-ging, wußte ich weder Rat noch Hilfe, mir kam kein
-rettender Gedanke. Nicht lange aber, da beobachtete
-ich etwas, nur eine winzige Kleinigkeit, aber sie
-brachte mich zum Nachdenken. Während ich nun<span class="pagenum"><a id="Seite_297"></a>[297]</span>
-scheinbar im Sinnen verloren dasaß, war ich fortwährend
-auf der Lauer und richtig, gerade als
-Onkel Silas uns all den Unsinn auftischte, wie er
-Jupiter Dunlap umgebracht hatte, sah ich das Ding
-wieder. Da sprang ich auf und unterbrach die Verhandlung,
-weil ich wußte, daß Jupiter Dunlap dort
-leibhaftig vor mir saß. Ich erkannte ihn an etwas,
-das er zu thun pflegte, als ich letztes Jahr hier
-war und das er jetzt wieder that.«</p>
-
-<p>Tom wartete die Wirkung ein Weilchen ab,
-machte dann eine Bewegung, als ob er sich setzen
-wollte und sagte in gleichgültigem Ton: »Na, ich
-glaube, das ist alles!«</p>
-
-<p>Ein Geschrei aus hundert Kehlen ging durch
-den Saal: »Was hat er gethan? Was war es,
-das du gesehen hast? Bleib’ stehen, du Teufelsjunge
-und sag’ es uns. Denkst du, wir lassen uns so
-abspeisen, nachdem du uns den Mund wässerig gemacht
-hast!«</p>
-
-<p>»O, es war gar nicht viel. Ich sah, wie er
-immer ängstlicher und aufgeregter wurde, während
-sich Onkel Silas um den Hals redete, wegen eines
-Mordes, der gar nicht begangen worden war &ndash;
-auf einmal fuhr er mit den Händen hin und her,<span class="pagenum"><a id="Seite_298"></a>[298]</span>
-hob seine Linke in die Höhe und zeichnete sich mit
-dem Finger ein Kreuz auf die Backe &ndash; da war ich
-meiner Sache sicher.«</p>
-
-<p>Nun begann ein Beifallklatschen, ein Stampfen
-und Hochrufen, bis Tom Sawyer sich kaum zu lassen
-wußte, vor lauter Stolz und Glück. Der Richter
-blickte über den Tisch nach ihm hin und sagte:</p>
-
-<p>»Mein Sohn, hast du denn die verschiedenen
-Einzelheiten dieser seltsamen Verschwörung und
-Tragödie, die du uns schilderst, alle selbst gesehen?«</p>
-
-<p>»Nein, Herr Präsident, gesehen habe ich nichts
-davon!«</p>
-
-<p>»Nichts gesehen? &ndash; Aber du hast uns ja die
-ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählt,
-als ob du Augenzeuge gewesen wärest. Wie ist
-das möglich?«</p>
-
-<p>»Ich habe nur die Thatsachen zusammengestellt,
-und dies und jenes daraus gefolgert,« erwiderte Tom
-leichthin. »Es war ein kleines Stück gewöhnliche
-Detektiv-Arbeit, die jedermann ausführen könnte.«</p>
-
-<p>»Ganz und gar nicht! Unter Millionen hätten
-das nicht zwei fertig gebracht. Du bist wirklich
-ein merkwürdiger Junge!«</p>
-
-<p>»Tom Sawyer hoch! Hurra Tom Sawyer!«<span class="pagenum"><a id="Seite_299"></a>[299]</span>
-klang es wieder durch den Saal, und Tom hätte
-den Triumph nicht für eine ganze Silbermine hergegeben.
-Dann sagte der Richter:</p>
-
-<p>»Bist du denn aber auch sicher, daß sich die
-Geschichte ganz so verhält, wie du sagst?«</p>
-
-<p>»Jawohl, Herr Richter. Da sitzen ja die
-Zeugen und niemand weiß ein Wort dagegen zu
-sagen, weder Brace Dunlap noch sein Bruder. Auch
-die andern, die sich ihre Lügen haben bezahlen lassen,
-sind jetzt muckstill. Falls aber Onkel Silas Widerspruch
-erheben sollte, so würde ich ihm nicht glauben
-und wenn er es eidlich versicherte.«</p>
-
-<p>Das kam den Zuhörern sehr komisch vor; sogar
-der Richter gab seine würdevolle Haltung auf und
-lachte. Tom strahlte ordentlich vor Freude, und
-als alle sich wieder gefaßt hatten, sagte er:</p>
-
-<p>»Herr Präsident, hier im Saal ist ein Dieb.«</p>
-
-<p>»Was, ein Dieb?«</p>
-
-<p>»Ja. Er hat die Diamanten für zwölftausend
-Dollars bei sich.«</p>
-
-<p>»Wo &ndash; wo ist er? &ndash; Wer ist es? &ndash; Zeige
-ihn uns!« schrien alle durcheinander.</p>
-
-<p>»Nenne ihn mir, mein Sohn, der Sheriff soll
-ihn festnehmen. Wer ist es?« sagte der Richter.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_300"></a>[300]</span></p>
-
-<p>»Jupiter Dunlap, der Totgeglaubte.«</p>
-
-<p>Wieder entstand die grenzenloseste Aufregung;
-aber Jupiter, der vorher schon ganz verdutzt gewesen
-war, schien jetzt förmlich versteinert vor Ueberraschung.
-Endlich rief er in weinerlichem Ton:</p>
-
-<p>»Herr Präsident, das ist wirklich erlogen. Ich
-bin ja schon schlecht genug ohne das. Alles andere
-habe ich gethan und bereue es jetzt sehr. Brace
-hat mich dazu überredet und mir versprochen, er
-wollte mich über kurz oder lang zum reichen Manne
-machen. Aber die Diamanten habe ich nicht gestohlen.
-Gewiß und wahrhaftig, ich habe keine
-Diamanten, der Sheriff kann mich durchsuchen soviel
-er will.«</p>
-
-<p>»Herr Präsident,« warf Tom ein, »es war
-vielleicht nicht richtig, daß ich ihn einen Dieb genannt
-habe. Er hat die Diamanten gestohlen, ohne
-es zu wissen. Sein Bruder Jack stahl sie den andern
-Dieben und Jupiter stahl sie seinem Bruder Jack,
-als er tot am Boden lag. Seit einem Monat läuft
-er mit den Zwölftausend-Dollar-Diamanten hier
-herum, als wenn er ein armer Mann wäre. Auch
-jetzt trägt er diesen ganzen Reichtum bei sich.«</p>
-
-<p>»Durchsucht ihn, Sheriff,« sagte der Richter.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_301"></a>[301]</span></p>
-
-<p>Der Sheriff durchsuchte ihn von Kopf bis zu
-Fuß: seinen Hut, die Socken, die Nähte seiner
-Kleider, die Stiefel, kurz, alles. Tom stand ruhig
-dabei und paßte auf den geeigneten Moment. Endlich
-gab es der Sheriff auf. Enttäuschung malte sich
-in allen Mienen und Jupiter sagte:</p>
-
-<p>»Da seht ihr doch, daß ich recht hatte!«</p>
-
-<p>»Diesmal hast du dich wohl geirrt, mein Sohn,«
-äußerte der Richter.</p>
-
-<p>Tom nahm eine nachdenkliche Stellung an; er
-schien sich aus allen Kräften zu besinnen und kratzte
-sich verlegen den Kopf. Plötzlich machte er ein vergnügtes
-Gesicht.</p>
-
-<p>»Jetzt hab’ ich’s,« sagte er aufschauend. »Ich
-hatte es bloß vergessen.«</p>
-
-<p>Tom sprach nicht die Wahrheit, das wußte ich;
-doch er fuhr ruhig fort:</p>
-
-<p>»Will jemand so gut sein mir einen kleinen
-Schraubenzieher zu leihen? In dem Reisesack Eures
-Bruders, den Ihr Euch angeeignet habt, Jupiter,
-ist einer gewesen, aber den habt Ihr wohl nicht
-mitgenommen?«</p>
-
-<p>»Nein, ich konnte ihn nicht brauchen und hab’
-ihn weggegeben.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_302"></a>[302]</span></p>
-
-<p>»Weil Ihr nicht wußtet, wozu er dienen sollte.«</p>
-
-<p>Sobald Tom den Schraubenzieher bekam, forderte
-er Jupiter auf, der nach der Durchsuchung
-die Stiefel wieder angezogen hatte, einen Fuß auf
-den Stuhl zu stellen; dann kniete er nieder und
-schraubte das Plättchen vom Absatz ab. Als er
-den großen Diamanten zum Vorschein brachte und
-ihn im Sonnenschein funkeln ließ, waren die Leute
-ganz außer sich vor Verwunderung. Nun holte Tom
-auch den Diamanten aus dem andern Absatz und
-Jupiters Miene wurde immer trübseliger. Er mochte
-wohl denken, daß er hätte auf und davongehen und
-als ein reicher, gemachter Mann im Ausland leben
-können, wäre er klug genug gewesen, zu erraten,
-wozu der Schraubenzieher im Reisesack steckte. Jetzt
-erntete Tom Lob und Ruhm nach Herzenslust. Der
-Richter nahm die Diamanten an sich, stand auf, schob
-seine Brille in die Höhe, räusperte sich und sagte:</p>
-
-<p>»Ich werde sie verwahren und dem Eigentümer
-Anzeige machen. Wenn er sie dann abholen läßt,
-wird es mir ein großes Vergnügen bereiten, dir,
-mein Sohn, die zweitausend Dollars Belohnung einzuhändigen.
-Du hast aber nicht nur dies Geld verdient,
-sondern auch den aufrichtigen Dank der ganzen<span class="pagenum"><a id="Seite_303"></a>[303]</span>
-Bürgerschaft. Durch dich ist eine unschuldige Familie
-vor Schmach und Verderben gerettet worden und ein
-ehrenwerter Mann vor dem Verbrechertode. Obendrein
-ist es dir gelungen, die Schändlichkeit eines
-grausamen, verruchten Schurken und seiner elenden
-Helfershelfer ans Licht zu ziehen und der Gerechtigkeit
-einen großen Dienst zu erweisen.«</p>
-
-<p>Wäre nur noch ein Musikchor zur Stelle gewesen,
-um einen Tusch zu blasen, so hätte nach
-meiner Meinung die Sache gar keinen schöneren
-Abschluß finden können; darin stimmte Tom Sawyer
-ganz mit mir überein.</p>
-
-<p>Der Sheriff nahm nun Brace Dunlap und seine
-Spießgesellen in Haft; einige Wochen später ward
-ihnen der Prozeß gemacht und sie erhielten ihre gerechte
-Strafe. Onkel Silas und die Seinigen aber
-standen von jetzt ab wieder in hohem Ansehen bei
-der Gemeinde; seine kleine alte Kirche war immer
-gedrängt voll und man erwies ihnen so viel Liebes
-und Gutes, als man nur konnte. Mit der Zeit
-kam der alte Mann auch wieder zu Verstande und
-seine Predigten waren nicht besser und nicht schlechter,
-als sie früher gewesen. So war denn die ganze
-Familie seelenvergnügt und Tom Sawyer wurde aus<span class="pagenum"><a id="Seite_304"></a>[304]</span>
-lauter Dankbarkeit gepflegt und verhätschelt, wie noch
-nie; ich aber auch, obgleich ich nichts gethan hatte.
-Als dann die zweitausend Dollars kamen, gab mir
-Tom die Hälfte ab und sagte keinem ein Wort davon,
-worüber ich mich gar nicht verwunderte, denn ich
-kannte ihn ja.</p>
-
-<div class="figcenter illowp10" id="illu-303">
- <img class="w100" src="images/illu-303.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p class="center">Verlag von <b>Robert Lutz</b> in <b>Stuttgart</b>.</p>
-</div>
-
-<p class="h2">Memoirenbibliothek</p>
-
-<p class="center">Bisher erschienen 24 Bände.</p>
-
-<p class="center smaller">Jedes Werk ist einzeln käuflich.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-304a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Die hier angekündigten Memoirenwerke bergen</p>
-
-<p class="center"><em class="u">eine Fülle der besten Unterhaltungslektüre<br />
-für den Gebildeten.</em></p>
-
-<p>Die »Kreuzzeitung« schrieb: »Solche Werke sind
-für gebildete Laien eine <b>weit empfehlenswertere
-geistige Nahrung als die Mehrzahl aller Romane</b>.«</p>
-
-<p>Siehe die Urteile über die einzelnen Memoiren. &ndash;
-Die Werke von <b>Boyen</b>, <b>Bourgogne</b>, <b>Macdonald</b>,
-<b>Marbot</b>, <b>Ryan</b>, <b>Genast</b> und <b>Helen Keller</b>, eignen
-sich auch für <em class="u"><b>die reifere Jugend</b></em>.</p>
-
-<div class="figcenter illowp20" id="illu-304b">
- <img class="w100" src="images/illu-304b.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p class="center"><i>Ausführliche Prospekte
-über jedes einzelne Werk stehen zur Verfügung.</i></p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-305">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">General Marbot</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Memoiren 1789&ndash;1815</p>
-
-<p class="center">Deutsche Ausgabe nach der 40. Auflage des Originals.</p>
-
-<p class="center"><b>3 Bände</b>, 70 Bg. m. Porträt, brosch. Mk.&nbsp;13.50, geb. Mk.&nbsp;16.50,
-in Halbfrz. Mk.&nbsp;19.50.</p>
-
-<p class="center"><b>I.&nbsp;Band</b>: Genua &ndash; Austerlitz &ndash; Jena &ndash; Eylau.<br />
-<b>II.&nbsp;Band</b>:
-Madrid &ndash; Aspern &ndash; Torres-Vedras.<br />
-<b>III.&nbsp;Band</b>: Polozk &ndash;
-Beresina &ndash; Leipzig &ndash; Waterloo.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-305a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Es dürfte dem hochinteressanten Werke zur besonderen
-Empfehlung gereichen, dass es eine <b>Lieblingslektüre des
-Fürsten Bismarck</b> in seinen letzten Jahren gewesen ist.</p>
-
-<p class="mright">
-Bohemia, Prag.
-</p>
-
-<p class="s90">Marbots Aufzeichnungen in
-ihrer vorliegenden Verdeutschung
-halten sich von jeder Anstössigkeit
-frei, sei es der Tendenz nach,
-oder in sittlicher Beziehung, und
-sind dabei <b>mit einem Elan geschrieben</b>,
-der auf <b>junge Leser</b> unfehlbar
-seine Wirkung tun muss.
-Es ist so recht ein Buch, das auf
-den Weihnachtsgabentisch eines
-Soldaten in spe gehört.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Nordd. Allg. Ztg.
-</p>
-
-<p class="s90">Ruhig muss man diese Memoiren
-geniessen, mit der frischen
-Empfänglichkeit der Jugend. Dann
-sind sie einfach bezaubernd. Französische
-Eleganz, gallischer Esprit,
-loyale Gesinnung auch gegen den
-Feind, Stimmungen vom lautersten
-Humor bis zur tiefernsten Rührung
-durchziehen das Ganze.</p>
-
-<p class="mright s90">
-St. Galler Blätter.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;Wenn wir Marbots erfolgreiches
-Buch überschauen, müssen
-wir zugeben, dass keine anderen
-Memoiren aus jenen Tagen
-<b>eine solche Fülle von Ereignissen
-umspannen</b> … Niemand, der sich
-vom inneren Wesen jener Zeit ein
-Bild machen will, kann das Buch
-entbehren.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Carl Bleibtreu, Pester Lloyd.
-</p>
-
-<p class="s90">Die Memoiren Marbots leuchten
-mit besonderer Klarheit in die Zeit
-des ersten Napoleon hinein, weil
-sie von einem ehrlichen und unbefangenen
-Manne geschrieben
-sind, der, von einem seltenen Glück
-begünstigt, Teilnehmer fast aller
-damaligen Feldzüge gewesen ist
-und fast alle entscheidenden Katastrophen
-miterlebte.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Ueber Land und Meer.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-305b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">Feldmarschall Boyen</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Denkwürdigkeiten und
-Erinnerungen 1771&ndash;1813</p>
-
-<p class="center"><b>2 Bände</b>, 49 Bog. m. Porträt. <b>Preis</b> brosch. Mk.&nbsp;9.&ndash;,
-in Lwd. geb. Mk.&nbsp;11.&ndash;, in Halbfrz. Mk.&nbsp;13.&ndash;.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-306a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p><b>Zu den schönsten Memoirenwerken</b> und überhaupt zu
-den <b>Perlen der deutschen Literatur</b> gehören die Denkwürdigkeiten
-des Feldmarschalls v. Boyen; sie geben ein
-mächtiges Bild von der Individualität des Verfassers und von
-dem Geiste seiner Zeit.</p>
-
-<p class="mright">
-Preuss. Jahrbücher.
-</p>
-
-<p class="s90">Beim Lesen der Memoiren wird
-jeder erkennen, dass ein <b>grosser
-Geist</b> mit offenem Auge und völliger
-Beherrschung der Verhältnisse
-dieselben geschrieben hat.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Histor. Monatsbl. f. Posen.
-</p>
-
-<p class="s90">Diese Darstellung einer der
-wichtigsten Epochen der deutschen
-Geschichte ist wie wenige Bücher
-geeignet in der <b>reiferen deutschen
-Jugend</b> vaterländische Gesinnung
-und Opferfreudigkeit zu entfachen.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Südwestd. Schulblätter.
-</p>
-
-<p class="s90">Wie ein ernstes, erhabenes
-Drama, dem es aber bei aller Härte
-doch auch an behaglichen und
-idyllischen Zügen nicht fehlt, lässt
-sich der Verfasser die Blumen- und
-Dornenkette seiner Tage durch
-die Erinnerung gleiten.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Westerm. Monatshefte.
-</p>
-
-<p class="s90">Man wird in Zukunft Boyens
-Denkwürdigkeiten nicht ausser
-Acht lassen dürfen, wenn man sich
-über Persönlichkeiten, Stimmungen
-und Ereignisse der Befreiungskriege
-unterrichten will.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Allg. Schweizer Zeitg.
-</p>
-
-<p class="s90">Man wird von Seite zu Seite
-aufs Neue gefesselt, und ehe man
-sich dessen versieht, hat man die
-2 Bände von Anfang bis zu Ende
-durchgelesen.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Posener Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Boyens Denkwürdigkeiten vereinigen
-jedenfalls <b>eine Fülle von
-hochinteressanten Erlebnissen</b>, die
-umso prägnanter wirken, als sie
-uns in der eleganten Darstellung
-eines hochgebildeten und scharfbeobachtenden
-Mannes entgegentreten.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Düna-Zeitung. Riga.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-306b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">C. F. von Holten</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Vom dänischen Hofe</p>
-
-<p class="center">Erinnerungen aus der Zeit Friedrichs VI.,<br />
-Christians VIII. und Friedrichs VII.</p>
-
-<p class="center">16 Bg. m. 4 Porträts. Preis brosch Mk.&nbsp;4.50, in Lwd. geb. Mk.&nbsp;5.50,
-Halbfranz Mk.&nbsp;6.50.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-307a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Wir durchschreiten gewissermassen eines jener alten
-dänischen Königsschlösser, die träumerisch auf den grauen
-Sund hinausschauen, und betrachten die Porträts: die Herrscher
-und ihre Gemahlinnen, die fürstlichen Verwandten, den Hofstaat,
-die Grössen der Wissenschaft, der Kunst, der Politik, die
-sie umgeben &ndash;&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash; Holten hat eine charmante Art, das
-<b>Charakteristische</b> an den Personen herauszuheben und ergötzt
-oft durch humoristische Darstellung.</p>
-
-<p class="mright">
-Kleines Journal, Berlin.
-</p>
-
-<p class="s90">Sein Werk macht nicht den Anspruch,
-ein wissenschaftliches zu
-sein; es bringt uns in schlichtem
-Plauderton die Grossen der Welt
-näher und lässt uns mancherlei
-Blicke in ihr privates Leben tun.
-Viele werden gerne zu dem Buche
-greifen, und die Stunden nicht bereuen,
-welche sie bei der harmlosen
-Lektüre verbracht haben.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Nord-Ostsee-Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Das Buch, <b>das sich spannend
-wie ein Roman</b> liest, ist voll von
-Anekdoten vielfach heiterer Natur:
-Eine Menge von Originalen zieht
-an uns vorüber; der Hofstaat dreier
-Könige, sie selbst nebst ihren Familien,
-darunter die vielgenannte
-Gräfin Danner. <b>Bezaubernd ist der
-Freimut</b>, mit dem der liebenswürdige
-Verfasser ungeniert über all
-diese internen Dinge zu plaudern
-weiss. Für jeden, der den dänischen
-Verhältnissen in den 30er
-Jahren und dem ganzen Zeitraum
-bis 1864 Interesse entgegenbringt,
-werden diese Memoiren lehrreich
-und amüsant sein.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Düna-Zeitung, Riga.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-307b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">François Bourgogne</em></p>
-</div>
-
-<p class="center">Sergeant der franz. Kaisergarde</p>
-
-<p class="h2">Kriegserlebnisse 1812&ndash;13</p>
-
-<p class="center">Mit 16 Vollbildern von Faber du Faur und Yvon.</p>
-
-<p class="center"><b>2. Aufl.</b> (4.&ndash;5. Tausend.) 363 Seiten. Preis brosch. M.&nbsp;6.&ndash;,
-in Lwd. geb. M.&nbsp;7.50, in Halbfranz. M.&nbsp;8.50.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-308a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Bourgognes Memoiren gehören zu den Büchern, bei denen
-der Leser die Schläge der Mitternachtsstunde überhört; und
-viele Scenen, wie die des brennenden Posthauses zwischen
-Moskau und Smolensk, die an den Lederstrumpf erinnernden
-Jagden der Kosaken vor der Beresina, die Uebergangsszenen,
-und die letzten Abenteuer bei Wilna und Kowno prägen sich
-dem Leser unverlöschlich ins Gedächtnis.</p>
-
-<p class="mright">
-Literar. Echo.
-</p>
-
-<p class="s90">Der <b>spannendste Roman</b>, die
-interessanteste Reiseschilderung
-<b>kann kaum fesselnder sein</b>, als
-hier das Buch des schlichten
-Sergeanten. Oft wenn er von den
-Schrecknissen des Winters, der
-fürchterlichen Kälte, die bis zu
-28 Grad stieg, erzählt, bei der die
-todesmüden Krieger marschieren,
-kampieren und die grössten Entbehrungen
-erdulden mussten,
-wird man lebhaft an Nansens
-Wanderungen in Nacht und Eis
-erinnert.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Leipziger Tageblatt.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;Es sind <b>erschütternde
-Bilder</b> des Elends und tiefsten
-Jammers, die sich vor unsern
-Augen entrollen, aber auch echter
-Kameradschaft und Menschenliebe,
-die sich <b>unvergänglich ins
-Herz graben</b>.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Generalanzeiger, Hamburg.
-</p>
-
-<p class="s90">Diese Schlichtheit und Ehrlichkeit
-gerade sichert seiner
-ganzen Darstellung die Glaubwürdigkeit
-und hebt Bourgognes
-so ungemein inhaltsreiches Buch
-über allen Verdacht romanhafter
-Erfindung hoch empor auf die <b>Wertstufe
-weltgeschichtlicher Dokumente</b>,
-wie es ihrer gleich ergreifende
-und erschütternde nur wenige
-gibt.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Westerm. Monatsh.
-</p>
-
-<p class="s90">Die ausserordentliche Lebendigkeit
-und Anschaulichkeit der
-Darstellung dieser durch ihre Ursprünglichkeit
-sich auszeichnenden
-Denkwürdigkeiten wird
-noch unterstützt durch Reproduktionen
-der 15 charakteristischsten
-Blätter aus dem seltenen Illustrationswerk
-des württembergischen
-Offiziers Faber du Faur,
-der den russischen Feldzug von
-1812 mitgemacht hat.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Ill. Zeitung, Leipzig.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-308b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">Fürst Krapotkin</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Memoiren eines Revolutionärs</p>
-
-<p class="center">Mit Vorwort von <b>Georg Brandes</b>. 3. Auflage.</p>
-
-<p class="center"><b>2 Bände</b>; 44 Bg. mit 3 Porträts.</p>
-
-<p class="center">Preis brosch. Mk.&nbsp;9.&ndash;, in Lwd. geb. Mk.&nbsp;11.&ndash;, in Halbfranz Mk.&nbsp;13.&ndash;.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-309a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Die Schilderungen sind von einer Intimität und einem
-Stimmungsgehalt, die an Turgeniew erinnern. Ein Künstler
-ersten Ranges gibt hier seine Erlebnisse und Eindrücke
-wieder&nbsp;…</p>
-
-<p>…&nbsp;Aus der Schlichtheit und Wahrhaftigkeit seiner Darstellung,
-aus dem Begreifen der russischen Volksseele, aus
-dem unerschöpflichen Reichtum einer gross und edel angelegten
-Natur entstand ein <b>Buch mit Ewigkeitswerten</b>&nbsp;…</p>
-
-<p class="mright">
-Die Nation.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;Der Adel der Gesinnung,
-der aus den Memoiren spricht, ein
-Adel ohne jedes Pathos und ohne
-heroischen Aufputz, macht ihre
-Lektüre zum ungewöhnlichen Genuss,
-und wo die nüchterne Kritik
-nicht fehlt, auch zum ausserordentlichen
-Gewinn. Niemand soll es
-versäumen, diese geradezu <b>klassisch
-geschriebenen Memoiren mit
-Andacht zu lesen</b>.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Neue freie Presse.
-</p>
-
-<p class="s90">Nicht der Nihilist und nicht der
-Anarchist stehen in erster Reihe,
-wenn diese Memoiren gewürdigt
-werden sollen, sondern der <b>Mensch</b>
-Krapotkin selbst. Die beiden Bände
-Memoiren verdienen dem modernen
-Plutarch angereiht zu werden.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Neues Wiener Tagblatt.
-</p>
-
-<p class="s90">Dass er ein unermüdlicher
-Kämpfer für die Revolution, dass
-er ein bedeutender Gelehrter war
-und ist, wussten wir schon lange.
-Jetzt aber hat er uns bewiesen,
-dass er auch ein feinsinniger Künstler
-und ein edler guter Mensch
-ist, ein Mensch voll Milde und
-Herzlichkeit. &ndash;&nbsp;&ndash; Vor uns ersteht
-die Sittengeschichte jener Zeit,
-wie sie packender, treffender und
-plastischer kein Geschichtsforscher
-und kein Romancier gezeichnet
-hat.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Prager Tagblatt.
-</p>
-
-<p class="s90">In der Memoirenliteratur kann
-das vorliegende Buch einen ganz
-hervorragenden Platz beanspruchen;
-denn der Verfasser hat
-wie kaum einer die Höhen und
-Tiefen des modernen Lebens, besonders
-in Russland, kennen gelernt.</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;Das ganze russische Volk
-hat hier einen <b>Darsteller ersten
-Ranges</b> gefunden.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Kölnische Zeitung.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-309b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">Henri Rochefort</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Abenteuer meines Lebens</p>
-
-<p class="center">Autorisierte deutsche Bearbeitung von <b>Heinr. Conrad</b>.</p>
-
-<p class="center"><b>2 Bände</b>; 50 Bg. mit Porträt. Preis brosch. Mk.&nbsp;10.&ndash;,
-in Lwd. geb. Mk.&nbsp;12.&ndash;, in Halbfranz Mk.&nbsp;14.&ndash;.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-310a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Es sind fesselnde, mit zahlreichen unterhaltenden und pikanten
-Einzelheiten durchwirkte Bilder aus dem öffentlichen
-und privaten Leben Frankreichs während der letzten 2 Drittel
-des vergangenen Jahrhunderts &ndash; Bilder von scharfer Einseitigkeit,
-gesehen und gezeichnet von der prononcierten Persönlichkeit
-eines hitzigen Draufgängers, und deshalb hinsichtlich ihrer
-vollen Wahrheit wohl mancher Korrektur bedürftig, aber in
-ihrer individuellen Beleuchtung <b>in hohem Grade interessant</b>.</p>
-
-<p class="mright">
-St. Petersburger Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Der Stil des Werkes ist äusserst
-lebendig, geistreich und epigrammatisch;
-ein richtiger Journalistenstil,
-der sich nur an Tatsachen
-hält, alles Ueberflüssige und
-allen Wortprunk verschmähend.
-<b>Wer sich über die letzten 40 Jahre
-Zeitgeschichte in amüsanter Weise
-unterrichten will, der greife zu
-diesem Werke.</b></p>
-
-<p class="mright s90">
-Elberfelder Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Die Uebersetzung ist so mustergültig,
-dass es für jeden gebildeten
-Leser schon an und für sich ein
-hoher Genuss ist, hier der liebevollen
-und geistreichen Arbeit des
-Herausgebers zu folgen, der es
-verstanden hat, den eigenartigen,
-geist- und witzfunkelnden Stil
-Rocheforts stets sinngemäss und
-treffend wiederzugeben.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Dresdener Anzeiger.
-</p>
-
-<p class="s90">Die Darstellung Rocheforts
-unterhält durch ihre ausserordentliche
-Farbigkeit und Beweglichkeit,
-sie ist unvergleichlich amüsant,
-und auch historisch nicht
-wertlos als ein grosses Stück erlebter
-Zeitgeschichte.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Vossische Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Das Werk ist mit einer <b>solchen
-Frische und Anschaulichkeit geschrieben</b>,
-dass man bei der Lektüre
-glaubt, <b>einen Roman vor sich
-zu haben</b>. Die Szenen aus dem
-Gefängnisleben, die verschiedenen
-Fluchtversuche, und die endlich
-glücklich erreichte Befreiung aus
-Neu-Kaledonien stellen sich ähnlichen
-Kapiteln aus Dumas’schen
-oder Sue’schen Romanen würdig
-an die Seite.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Pester Lloyd.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-310b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">D. Thiébault</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Friedrich der Grosse<br />
-<span class="smaller">und sein Hof</span></p>
-
-<p class="center">Persönliche Erinnerungen an einen 20jährigen Aufenthalt in Berlin.
-Deutsche Bearbeitung von <b>H.&nbsp;Conrad</b>.</p>
-
-<p class="center">2 Bände, 49 Bogen mit 6 Porträts. Preis brosch. Mk.&nbsp;9.&ndash;,
-in Lwd. geb. Mk.&nbsp;11.&ndash;, in Halbfranz Mk.&nbsp;13.&ndash;.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-311a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Diese Erinnerungen, in einer kritisch revidierten, abgekürzten
-Ausgabe, füllen zwei stattliche Bände, die aber durch
-ihre anziehende Darstellung nichts Ermüdendes haben und gewiss
-alsbald jene Popularität sich erwerben werden, die sie
-um ihres Gegenstandes und ihrer Form willen verdienen.</p>
-
-<p>Es hat wohl nie einen moderneren Herrscher gegeben als
-diesen »aufgeklärten Despoten« aus der Mitte des achtzehnten
-Jahrhunderts. Zuweilen glaubt man nicht von einem, <b>der da
-war</b>, sondern von einem, <b>der da kommen wird</b>, zu lesen. So
-reif, so vorschauend, so grossdenkend, so frei von Vorurteilen
-war dieser Monarch!</p>
-
-<p class="mright">
-Neue freie Presse.
-</p>
-
-<p class="s90"><b>Ein Muster französischer Memoiren
-sind die Thiébaults</b> über
-seinen Aufenthalt am Hofe Friedrichs
-des Grossen. Es mag einer
-noch so viele historische Werke
-über jene Zeit gelesen haben,
-Friedrich II. wird ihm ein genialer
-Feldherr, ein grosser König, ein
-merkwürdiger Mensch sein; er lese
-diese Memoiren, und der Feldherr,
-der König, der Mensch steht leibhaftig
-vor ihm mit all seinen Tugenden
-und Fehlern, in seiner
-Herrscherglorie und seiner menschlichen
-Schwäche.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Wiener Allg. Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">In der reichen französischen
-Memoirenliteratur gibt es nur wenige
-Werke, die für uns Deutsche
-ihrem ganzen Inhalte nach ein so
-<b>hervorragendes historisches Interesse</b>
-darbieten, wie die Denkwürdigkeiten
-D. Thiébaults.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Karl Witte, Berlin.
-</p>
-
-<p class="s90">Das Buch ist von Anfang bis
-zu Ende in allen Einzelheiten fast
-gleich interessant. Ausserdem ist
-es durchweg in dem Ton des feinsinnigen,
-gebildeten Mannes gehalten,
-der auch delikate Dinge
-mit Geschmack und Anstand behandelt.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Hamb. Korrespondent.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-311b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">General Gourgaud</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2"><span class="larger">Napoleons</span><br />
-Gedanken und Erinnerungen<br />
-<span class="smaller">St. Helena 1815&ndash;18</span></p>
-
-<p class="center">Deutsche Bearbeitung von <b>H.&nbsp;Conrad</b>. <b>3. Auflage.</b>
-25 Bg. m. 6 Porträts. Preis brosch. Mk.&nbsp;5.50, geb. Mk.&nbsp;6.50,
-in Halbfranz Mk.&nbsp;7.50.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-312a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Man gewinnt ein höchst anschauliches Bild davon, wie
-das grösste militärische und administrative Genie, der hervorragendste
-Gesetzgeber und Finanzmann, den die neuere Geschichte
-kennt, sich nach Abschluss seiner meteorhaften Laufbahn
-den wenigen Getreuen gegenüber, die sein Exil teilten,
-gab und aussprach, wie er über seine Feldherren, ihre Vorzüge
-und Fehler, wie er über seine eigenen Taten und Untaten
-dachte, wie er seine Zeitgenossen und Gegner, wie er die
-Politik der Gegenwart und Zukunft beurteilte, wie er grollte
-und wie er scherzte.</p>
-
-<p class="mright">
-Petersburger Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Das Buch bringt eine <b>Fülle der
-interessantesten</b>, man kann sagen
-lehrreichsten <b>Aussprüche des Kaisers</b>
-über wichtige Ereignisse
-seines tatenreichen Lebens; es
-verbreitet Klarheit über viele Seiten
-seines Charakters, besonders über
-die dunkeln, beleuchtet mit grellem
-Licht seinen grenzenlosen Ehrgeiz,
-seine Verachtung des menschlichen
-Geschlechts und seine
-widerwärtige, man kann sagen
-niederträchtige Beurteilung der
-Frauen.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Monatsschr. f. Stadt u. Land.
-</p>
-
-<p class="s90">Sind wir mit der Lektüre des
-Werkes fertig, so steigen Zweifel
-in uns auf in Bezug auf all die
-andern von uns gelesenen Werke
-über jene Epoche, und wir haben
-die Ueberzeugung gewonnen, dass
-dieses <b>der Wahrheit, der ungeschminkten
-Wahrheit</b> am nächsten
-kommt.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Lord Rosebery.
-</p>
-
-<p class="s90">Abgesehen von den Erwägungen,
-zu denen Napoleons Gedanken
-und Erinnerungen Anlass
-geben, enthält das Buch eine solche
-Fülle <b>der interessantesten Einzelheiten</b>,
-dass wir uns kaum eine
-Lektüre denken können, die den
-Leser mehr fesseln und anregen
-würde, als Gourgauds Tagebuch
-in deutscher Bearbeitung.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Neue Zürcher Zeitung.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-312b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">Dr. med. Ryan</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Unter dem roten Halbmond</p>
-
-<p class="center"><b>Erlebnisse eines Arztes</b> b. d. türk. Armee i. Kriege 1877/78.</p>
-
-<p class="center">Autor. Übersetzung von <b>H. von Natzmer</b>. &ndash; 24 Bg. m. Portr.
-Osman Paschas. Preis brosch. Mk.&nbsp;5.50, in Lwd. geb. Mk.&nbsp;6.50,
-in Halbfranz Mk.&nbsp;7.50.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-313a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>…&nbsp;<b>Beispiele heldenmütigster Aufopferung im Dienst
-edelster Menschlichkeit, sympathische Züge der Kameradschaft
-und des Edelmuts</b> gegen den überwundenen
-Gegner treten uns hier mit dramatischer Lebendigkeit entgegen.
-… Aber mit diesen <b>spannenden Schilderungen
-der Kriegsereignisse</b>, mit den <b>glänzenden Malereien des
-Schlachten- und Lagerlebens</b>, die dem Buch unter den
-militärischen Schriften einen <b>hervorragenden Rang sichern</b>,
-sind die Vorzüge desselben keineswegs erschöpft&nbsp;…</p>
-
-<p class="mright">
-Hamburger Neueste Nachrichten.
-</p>
-
-<p class="s90"><b>Ryan ist ein Erzähler ersten
-Ranges, dem man mit wahrem
-Vergnügen lauscht</b>, mag er uns
-von seinen <b>tollen Fahrten und
-lustigen Streichen</b> berichten oder
-<b>ergreifende Schilderungen</b> von
-grenzenlosem Elend geben.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Reichs-Medizinal-Anzeiger.
-</p>
-
-<p class="s90">Seinen eigentümlichen Reiz gewinnt
-das Buch dadurch, dass neben
-den erzählten ernsten Dingen <b>eine
-fast erstaunliche Fülle von Humor</b>
-platzgreift.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Hamburg. Correspondent.
-</p>
-
-<p class="s90"><b>Hier lernen wir wahres Heldentum
-kennen</b>, Heldentum im mutigen
-Angriff, Heldentum im stummen
-Ertragen fürchterlicher Qualen,
-<b>höchste Entsagungsfähigkeit</b>
-und <b>wahrhaft ideale Glaubenszuversicht</b>.
-Aufregende Kampfesbilder
-aus der Zeit der glänzenden
-türkischen Ruhmestaten während
-der Belagerung von Plewna ziehen
-an dem Leser vorüber, so <b>greifbar
-plastisch</b>, als ob man <b>all das
-Aufregende, Fürchterliche vor seinen
-Augen sich abspielen sähe</b> …
-Das Ryan’sche Werk ist in ganz
-vorzüglicher Weise von H. v. Natzmer
-übersetzt.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Internat. Literaturberichte.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-313b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">General Thiébault</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Memoiren a. d. Zeit d. frz. Revolution
-u. des I. Kaiserreichs</p>
-
-<p class="center">Deutsche Bearbeitung von <b>F. Mangold</b>, Major a. D.</p>
-
-<p class="center"><b>3 Bände</b> m. 15 Porträts berühmter Männer d. Revolution u. d.
-Kaiserreichs. Brosch. Mk.&nbsp;15.&ndash;, in Lwd. geb. Mk.&nbsp;18.&ndash;,
-in Halbfranz Mk.&nbsp;21.&ndash;.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-314a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Das Werk ist im <b>höchsten Grade kulturgeschichtlich
-interessant</b>, ist flott und elegant geschrieben und eignet
-sich daher <b>in hohem Masse als Unterhaltungslektüre</b> für
-Gebildete. Jedenfalls sind solche Werke für gebildete Laien
-<b>eine weit empfehlenswertere geistige Nahrung als die
-Mehrzahl aller Romane</b>.</p>
-
-<p class="mright">
-Kreuzzeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Das ebenso glänzend wie spannend
-geschriebene Werk bringt
-ein <b>so reiches Material an Erlebnissen
-des Augenzeugen</b>, dass man
-nicht müde wird, immer wieder
-darin zu lesen.</p>
-
-<p class="s90">Das Werk umfasst alle Geschehnisse,
-alle Personen, und
-lässt sie wie in einem grossen
-Wandelpanorama an uns vorüberziehen.
-Oft liest sich das Werk
-<b>wie ein gewaltiges Schlachtenbuch,
-oft wie ein spannender Roman
-über Hof- und Feldlager-Intrigue</b>.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Neueste Nachrichten, Berlin.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;Die Zeit von 1789 bis 1815
-hat selten eine so intensive Beleuchtung
-erfahren wie bei Thiébault,
-der nicht bloss hinter die
-Kulissen der Weltgeschichte, der
-mit psychologischem Scharfblick
-auch den Menschen, die die Fäden
-der Weltgeschichte zogen, in die
-Seele geblickt hat.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Westermanns Monatshefte.
-</p>
-
-<p class="s90">Schicksale und Herzen haben
-in Thiébault einen <b>Beobachter
-und Kenner gefunden, der seinesgleichen
-sucht</b>.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Vossische Zeitung, Berlin.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-314b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">Marschall Macdonald</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Memoiren 1785&ndash;1825</p>
-
-<p class="center">Deutsche Bearb. nach der <b>7.&nbsp;Auflage</b> des <b>Originals</b> von
-<b>H.&nbsp;v.&nbsp;Natzmer</b>, Generalmajor z.&nbsp;D.</p>
-
-<p class="center">22 Bg. m. Porträt. Brosch. Mk.&nbsp;5.50, in Lwd. geb. Mk.&nbsp;6.50,
-in Halbfranz Mk.&nbsp;7.50.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-315a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Die Memoiren geben in festen, markigen Zügen das Bild
-einer geschichtlich stark bewegten Zeit wieder, und zeigen
-den Verfasser als eine voll ausgeprägte Persönlichkeit. Alle
-Soldatentugenden und unter dem Kanonendonner der Schlacht
-dennoch ein warm empfindendes Herz, bringen uns den
-Marschall nicht nur als Soldaten, sondern vor allem als
-Menschen nahe. <b>Die Schilderung der Ereignisse ist von
-dramatischer Spannung und Beweglichkeit</b>, jeder äussere
-Vorgang wird bei diesem Mann zum inneren Erlebnis. Und
-dies gerade macht das Buch so packend, so interessant.</p>
-
-<p class="mright">
-Deutsche Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Mit Genuss wird ein jeder, der
-dies Memoirenwerk einmal gelesen
-hat, es wieder und wieder zur
-Hand nehmen.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Leipz. Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90"><b>Ein ausgezeichnetes Werk</b>,
-dem wir recht viele Leser wünschen.
-Eine von Anfang bis zu
-Ende fesselnde Lektüre.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Berner Bund.
-</p>
-
-<p class="s90">Wir möchten das schön ausgestattete
-Buch noch besonders
-<b>für die reifere Jugend</b>, und <b>zur
-Anschaffung für Schülerbibliotheken</b>
-empfehlen.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Südwestd. Schulblätter.
-</p>
-
-<p class="s90">Keine einzige Zeile ermüdet &ndash;
-keine ist da, die man nicht gern
-gelesen haben möchte.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Allg. Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Die Memoiren lesen sich von
-Anfang bis zu Ende wie ein spannender
-Roman.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Hamb. Korresp.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-315b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">Eduard Genast</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Aus Weimars klassischer
-und nachklass. Zeit</p>
-
-<p class="center">Erinnerungen eines weimarischen Hofschauspielers</p>
-
-<p class="center">Neu herausgegeben von <b>Rob. Kohlrausch</b>.</p>
-
-<p class="center"><b>3. Auflage.</b> 24 Bg. m. 2 Porträts. Brosch. Mk.&nbsp;4.50,
-in Lwd. geb. Mk.&nbsp;5.50, in Halbfranz Mk.&nbsp;6.50.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-316a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p><b>Wie Eckermanns »Gespräche mit Goethe« dürfte
-auch Genasts Buch in keiner Bibliothek der deutschen
-Leser fehlen.</b></p>
-
-<p class="mright">
-Hamburger Nachrichten.
-</p>
-
-<p>In seiner <b>jetzigen</b> Gestalt ist das Werk <b>wie ein Zauberspiegel</b>,
-in dem die längst schlafen gegangenen Gestalten
-unserer grossen Dichter wieder lebendig werden.</p>
-
-<p>Das Erinnerungsbuch sollte seinen <b>Platz in jeder Klassikerbibliothek</b>
-finden.</p>
-
-<p class="mright">
-Hamburger Fremdenblatt.
-</p>
-
-<p class="s90">Eine <b>Fundgrube</b> von <b>fesselnden
-Darstellungen</b> aus dem literarischen
-und künstlerischen Leben
-Deutschlands der ersten Hälfte
-des 19. Jahrhunderts … <b>Eines
-der wertvollsten Bücher</b>, dem kein
-Gebildeter sein Interesse wird versagen
-können.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Kölnische Zeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;So wird das Buch zu einem
-<b>wertvollen Beitrage</b> zur deutschen
-<b>Literatur-</b> und <b>Musikgeschichte</b>,
-aus dem wir, die Kinder einer
-späteren Zeit, zum Verständnis der
-geistigen Strömungen des verflossenen
-Jahrhunderts <b>manchen bleibenden
-Gewinn</b> schöpfen können.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Pustets Deutscher Hausschatz.
-</p>
-
-<p class="s90">Es ist gar nicht daran zu zweifeln,
-dass Genasts Aufzeichnungen
-allen Literatur- und Theaterfreunden
-eine Quelle edelsten Genusses
-sind.</p>
-
-<p class="mright s90">
-New-Yorker Staatszeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Zu den interessantesten und
-belehrendsten Bänden der Memoirenbibliothek
-gehören zweifellos
-die Erinnerungen Eduard Genasts.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Tageblatt Altona.
-</p>
-
-<p class="s90"><b>Eines der interessantesten
-Bücher der Memoirenliteratur</b> und
-ein treues Bild des weimarischen
-Theaterwesens zu Goethes Zeiten.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Wiesbadener Tageblatt.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-316b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">Helen Keller</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Die Geschichte meines Lebens</p>
-
-<p class="center">Autorisierte Deutsche Ausgabe.</p>
-
-<p class="center"><b>23. Auflage.</b> 23 Bg. mit 8 Bildern. Brosch. Mk.&nbsp;5.50,
-in Lwd. geb. Mk.&nbsp;6.50, in Halbfranz Mk.&nbsp;7.50.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-317a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Erzieher und Eltern werden in dem Buche viele <b>Anregungen</b>
-finden. Aber nicht nur Erzieher und Eltern; <b>jeder Mensch</b>,
-der an Frischem und Klugem Gefallen hat, <b>muss mit Freude
-das Buch der Helen Keller lesen</b>. <b>Dem Schriftsteller,
-dem Künstler, dem Gelehrten</b> eröffnet es neue Aussichtspunkte.
-<b>Leute, die in Krankheit und Trübsal am Leben
-verzweifeln wollen, richtet es auf</b>: denn es zeigt ihnen,
-wie nichts so hoffnungslos ist, dass es nicht Trost und Linderung
-fände. <b>Uebermütige lehrt es Demut, Leichtfertige
-Besinnung.</b> Es ist ein Werk, das keiner vergessen kann,
-der es einmal gelesen hat.</p>
-
-<p class="mright">
-Berliner Tageblatt.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;O, ich könnte das ganze
-Buch zitieren! Es ist voller <b>Sonnenschein
-und Liebe und Glückseligkeit</b>.
-Und Sonnenschein
-strahlt es in unsere müden Herzen.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Dr. M. Wilhelm Meyer.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;<b>Das Buch enthält Schönheiten
-über Schönheiten, Wahrheiten
-tief wie ein Bergsee, Lichtquellen
-der Seele, die leuchten
-wie die Sonnen der Ewigkeit.</b></p>
-
-<p class="mright s90">
-Ill. Sonntagszeitung.
-</p>
-
-<p class="s90">Dieses Buch repräsentiert entschieden
-<b>die originellste und
-interessanteste Autobiographie,
-die je geschrieben worden ist</b>.
-… Wir haben es mit einem Interesse
-gelesen, wie selten ein
-anderes; diese Lektüre möchten
-wir einem jeden unserer Leser
-gönnen.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Alte u. Neue Welt (Einsiedeln).
-</p>
-
-<p class="s90">Und mit dem <b>erhebenden Bewusstsein</b>,
-ein neues Stück menschlichen
-Heldenmuts in diesen beiden
-Frauen kennen gelernt zu haben,
-legt man diese, wohl <b>in der ganzen
-Weltliteratur einzig dastehende
-Selbstbiographie</b> aus der Hand.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Kölnische Zeitung.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-317b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">Herbert Spencer</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Eine Autobiographie</p>
-
-<p class="center">Autorisierte Deutsche Ausgabe von Prof.&nbsp;Dr.&nbsp;<b>Ludwig</b> und
-<b>Helene&nbsp;Stein</b>.</p>
-
-<p class="center"><b>2 Bände.</b> 47 Bg. Brosch. Mk.&nbsp;14.&ndash;, in Lwd. geb. Mk.&nbsp;16.&ndash;,
-in Halbfranz Mk.&nbsp;18.&ndash;.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-318a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Ein autobiographisches Werk von der Wahrheit und Exaktheit
-des vorliegenden <b>hat in der ganzen Weltliteratur
-nicht seines Gleichen, und es sollte auf dem Büchertisch
-keines Gebildeten fehlen</b>.</p>
-
-<p class="mright">
-Posen. Neueste Nachricht.
-</p>
-
-<p>Ein deutscher Leser der Autobiographie schreibt: …&nbsp;Dann
-aber hat das Buch den <b>immensen Vorzug</b>, dass es den
-Philosophen in ihm kennen zu lernen gestattet, ohne dass
-man seine Werke zu lesen braucht.</p>
-
-<p class="s90">Es ist zweifelhaft, ob je ein
-Denker von schöneren Anlagen
-unter unserem Volke aufgetreten
-ist. Wir sind überzeugt, dass die
-hübsch ausgestattete deutsche Ausgabe
-auch über den Kreis der
-eigentlichen Fachinteressenten
-hinaus eifrige Leser finden wird.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Hamb. Korrespondent.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;Doch genug des Nörgelns!
-Spencers nachgelassenes Werk
-bleibt trotz alledem eine der interessantesten
-und originellsten
-Selbstbiographien, die es in der
-Weltliteratur gibt.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Münchener Neueste Nachr.
-</p>
-
-<p class="s90">Dies Buch ist ein Dutzend
-Bücher in einem. <b>Dem Psychologen,
-dem Künstler, dem Romanschriftsteller,
-dem Moralisten, dem
-Lehrer, dem Prediger, dem Kritiker,
-dem Dichter, dem Philosophen</b> &ndash;
-allen diesen bietet das Buch <b>eine
-besondere Quelle des Genusses</b>.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Chicago Herald.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-318b">
- <img class="w100" src="images/illu-305.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h3"><em class="u">W. Debogory-Mokriewitsch</em></p>
-</div>
-
-<p class="h2">Erinnerungen eines Nihilisten</p>
-
-<p class="center">(Ein Seitenstück zu Fürst Krapotkins Memoiren.)</p>
-
-<p class="center">Autorisierte Deutsche Ausgabe von <b>Dr.&nbsp;H.&nbsp;Röhl</b>.
-Mit Vorwort von <b>Alex.&nbsp;Ular</b>.</p>
-
-<p class="center"><b>2. Auflage.</b> 22 Bg. Brosch. Mk.&nbsp;5.50, in Lwd. geb. Mk.&nbsp;6.50,
-in Halbfranz Mk.&nbsp;7.50.</p>
-
-<div class="figcenter illowp5" id="illu-319a">
- <img class="w100" src="images/illu-304a.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<p>Die vorliegenden »Erinnerungen eines Nihilisten« bieten
-in mehr als einer Hinsicht grosses Interesse. Schon als rein
-persönliche Erinnerungen genommen, bilden die Aufzeichnungen
-<b>eine äusserst spannende Lektüre</b>. Aber der Schwerpunkt
-der Erinnerungen liegt in der <b>glänzenden Charakteristik
-der politischen Zustände und der revolutionären
-Bewegung unter Alexander II. und Alexander III.</b></p>
-
-<p class="mright">
-Neue freie Presse.
-</p>
-
-<p class="s90">Es ist zweifellos, dass das
-Werk in mannigfacher Weise Interesse,
-ja Aufsehen erregen wird
-… Als rein persönliche Erinnerungen
-genommen, geben diese
-Aufzeichnungen eine Lektüre, <b>die
-den Leser zuweilen in fieberhafte
-Spannung versetzt</b>, wie sie der
-kunstvollst aufgebaute Roman
-nicht zu erregen vermöchte.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Berliner Börsen-Courier.
-</p>
-
-<p class="s90">…&nbsp;Dann kam die Flucht aus
-Sibirien. Hier häufen sich <b>die aufregenden
-Momente des Buches zu
-einer wahren Seelenfolter für den
-Leser</b>. <b>Man zittert mit dem Flüchtigen</b>
-bei den mannigfachsten Gefahren,
-und man glaubt, die Hetzjagd,
-welche von den Behörden
-auf Mokriewitsch gerichtet ist,
-gegen sich selbst ausgeführt zu
-empfinden.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Neues Wiener Journal.
-</p>
-
-<p class="s90">Aus der Zeit der ernstlich beginnenden
-revolutionären Bewegung,
-die jetzt in Russland alle
-Dämme überflutet, weiss dieses
-Buch interessante Ereignisse
-und Erlebnisse zu erzählen.</p>
-
-<p class="mright s90">
-Münchener Neueste Nachrichten.
-</p>
-
-<div class="figcenter illowp80" id="illu-319b">
- <img class="w100" src="images/illu-319.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h2" id="Mark_Twains">Mark Twains<br />
-<span class="smaller">Ausgew. humoristische Schriften.</span></p>
-</div>
-
-<p class="center">Inhalt:</p>
-
-<table summary="Buchtitel">
-<tr>
-<td>Bd. I.</td>
- <td><b>Tom Sawyers Streiche und Abenteuer.</b></td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Bd. II.</td>
- <td><b>Abenteuer und Fahrten des Huckleberry Finn.</b></td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Bd. III.</td>
- <td><b>Skizzenbuch.</b></td>
-</tr>
-<tr>
-<td rowspan="2">Bd. IV. <span class="s200">{</span></td>
- <td><b>Leben auf dem Mississippi.</b></td>
-</tr>
-<tr>
-<td><b>Nach dem fernen Westen.</b></td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Bd. V.</td>
- <td><b>Im Gold- und Silberland.</b></td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Bd. VI.</td>
- <td><b>Reisebilder u. verschiedene Skizzen.</b></td>
-</tr>
-</table>
-
-<p class="center">Preis des einzelnen Bandes M.&nbsp;2.50 gebunden.<br />
-Preis aller 6 Bände, zusammen bezogen,
-M.&nbsp;13.50 gebunden.</p>
-
-<p class="center p2"><em class="u">Neue Folge</em>:</p>
-
-<table summary="Buchtitel">
-<tr>
-<td>Bd. I.</td>
- <td><b>Tom Sawyers <em class="gesperrt">Neue</em> Abenteuer.</b></td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Bd. II.</td>
- <td><b>Querkopf Wilson.</b></td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Bd. III./IV.</td>
- <td><b>Meine Reise um die Welt.</b> 2 Abt.</td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Bd. V.</td>
- <td><b>Adams Tagebuch</b> u. a. Erzähl.</td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Bd. VI.</td>
- <td><b>Wie Hadleyburg verderbt wurde</b> u. a. Erzähl.</td>
-</tr>
-</table>
-
-<p class="center">Preis des <em class="gesperrt">einzelnen</em> Bandes M.&nbsp;3.&ndash; gebunden.<br />
-Preis <em class="gesperrt">aller 6 Bände</em>, zusammen bezogen,
-M.&nbsp;17.&ndash; gebunden.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="transnote chapter" id="tnextra">
-
-<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
-Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.</p>
-
-<p>Der Werbeteil ist im Original in Antiqua gesetzt, auf eine
-entsprechende Auszeichnung wurde verzichtet.</p>
-</div>
-
-<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK TOM SAWYERS NEUE ABENTEUER ***</div>
-<div style='text-align:left'>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Updated editions will replace the previous one&#8212;the old editions will
-be renamed.
-</div>
-
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-Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright
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-Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg&#8482;
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-Project Gutenberg&#8482; is synonymous with the free distribution of
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-generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
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-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation&#8217;s EIN or federal tax identification
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-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
-U.S. federal laws and your state&#8217;s laws.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Foundation&#8217;s business office is located at 809 North 1500 West,
-Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
-to date contact information can be found at the Foundation&#8217;s website
-and official page at www.gutenberg.org/contact
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
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-Project Gutenberg&#8482; depends upon and cannot survive without widespread
-public support and donations to carry out its mission of
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-freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
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-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
-status with the IRS.
-</div>
-
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-The Foundation is committed to complying with the laws regulating
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-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
-considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
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-
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-While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
-approach us with offers to donate.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-International donations are gratefully accepted, but we cannot make
-any statements concerning tax treatment of donations received from
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-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
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-methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
-ways including checks, online payments and credit card donations. To
-donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 5. General Information About Project Gutenberg&#8482; electronic works
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg&#8482; concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg&#8482; eBooks with only a loose network of
-volunteer support.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
-necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
-edition.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Most people start at our website which has the main PG search
-facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This website includes information about Project Gutenberg&#8482;,
-including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
-subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
-</div>
-
-</div>
-
-</body>
-</html>
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