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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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If you are not located in the United States, you -will have to check the laws of the country where you are located before -using this eBook. - -Title: Harzheimat - Das Heimatbuch eines Malers - -Author: Karl Reinecke-Altenau - -Release Date: June 12, 2021 [eBook #65600] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -Produced by: The Online Distributed Proofreading Team at - https://www.pgdp.net - -*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK HARZHEIMAT *** - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - - Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text - ist _so ausgezeichnet_. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist - ~so markiert~. - - Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des - Buches. - - - - - Reinecke-Altenau - - Harzheimat - - Das Heimatbuch - eines Malers - - [Illustration] - - 1924 - - Verlag von F. A. Lattmann, Goslar am Harz - - - - -Erstes und zweites Tausend - -[Illustration] - - - - -Harzheimat - - -Alles Gute, Schöne, Heilige umschließt mir dein Name, du liebe -Harzheimat im Wiesengrund! Wenn ich dich nenne, tue ich es mit der -Ehrfurcht, mit der man eine Mutter nennt: Denn ich bin dein Kind. -Was das Leben aus mir schuf, ist deinem Schoße entsprossen. Aller -guten Kräfte Urquell ist die Heimat. Wenn mein Schaffen sich mit dir -verknüpft, nenne es Liebe, nenne es Dank. - -Ich bin dein Kind geblieben, du Bergstädtlein im Grünen, und will -nichts anderes sein. Dein Kind wie einst, das mit großen Augen die -Wunder deiner Wälder in die Seele trank und dem du dich ins Herz grubst -so tief und fest, daß ein ewiges Heimweh in ihm brennen blieb. -- -Als ich Jüngling war, war dies Heimweh ein schmerzvolles Zerren. Dem -Manne ist es stilles Feiertagsgeläut, das aus einem fernen verlorenen -Paradiese herüberschwingt. Bergblumen blühen dort, und Waldvögel -singen. Auf grüne Wiesen schauen blaue Berge herab. Und über allem ist -ein weiches Zusammenklingen von Fichtenrauschen und Bachgeplätscher. -Das bist du, Paradiesgarten meiner Jugend, Harzheimat! - -Als ich noch Bubenhosen trug, lagst du ein wenig hinterm Berge. Als -wenn die Zeit in dir ihren Schritt verhalten hätte. Im Zwiebelturm -der Kirche tackte noch das gleiche Uhrwerk, das schon in den Tagen -von Richter und Rat die Stunden schlug. Und an dem verwitterten -Zifferblatt drehte sich immer noch der eine Zeiger, mit dem sich nur -die Alten zurechtfanden. Die Zeit weiß ich freilich nicht mehr, in der -nur Saumpfade und grundtiefe Waldwege von draußen her zu dir führten, -auf denen Eseltreiber das Brotkorn vom Lande heraufbrachten. Diese -alte Zeit war dahin. Als der letzte jener Zunft gehörige Esel das -Mißgeschick hatte, an einem Dämmerabend für einen Hirsch gehalten und -von einem Wilddieb jämmerlich zuschanden geschossen zu werden, war -längst eine neue angebrochen. Aber hinterm Berge lagst du immer noch. -Ach, wärest du dort geblieben, Harzheimat! - -Das Hinterwäldlertum stand gut zu deinem Gesicht. Ein rechtes Bergmädel -bist du gewesen, das zwischen Wiese und Wald aufgewachsen war und -in stillen Augen stille Träume spann. Das laute Leben jenseits der -Berge paßte nicht in deinen Frieden hinein. Du trugst kein Verlangen -nach ihm. Die Leute in dir fanden ihr Genüge darin, zweimal in der -Woche durch den Briefträger Nachricht von draußen zu erhalten oder im -Wochenblättchen vom großen und kleinen Geschehen in der Welt zu lesen. -Und wenn Handwerksburschen oder Wandersleute Neuigkeiten mitbrachten -und Säcke voll Lügen, war das alles Evangelium für dich. - -Dann wurdest du größer und aufgeklärter und tastetest hinaus in die -Fremde. Ein Postillon blies lustige Weisen. Ich kenne ihre Melodie noch: - - Hab’ dir was mitgebracht, - Hab’ dir was mitgebracht, - Sollst du mal sehn ... - -Und zweimal am Tage fuhr die gelbe Postkutsche in gemächlicher -Juckelfahrt zwei Meilen Landstraße hinunter und herauf. Im Sommer -brachte sie viele fremde Menschen mit, die teilhaben wollten an -dem Frieden deiner Berge. Und da, Harzheimat, tatest du geschämig. -Du ließest dich frisieren für die Fremden und ahntest nicht, -wieviel Schönes und Frisches und Eigenes diese Frisur an deinem -Bergmädelgesicht verdarb und wieviel Urwüchsiges und Echtes deinem -Gewand genommen ward. Aber das eine konnte dir alle Ungeschicklichkeit -nicht verderben: dein Herz. - -Jenes goldfündige Herz, schwerblütig und treu, das immer dasselbe -geblieben war seit jener Zeit, wo der erste Rauch aus deinen Holzhauer- -und Bergmannshütten im Urwalddunkel verwehte. Es wohnte harte Arbeit -in dir und viel Armseligkeit. Feste waren selten. Es gab nicht wie -heute jede Woche Tanzmusik. Dennoch glomm unter jedem Dach ein Fünklein -Glücklichsein und Frohsinn. Das eben spann sich ab in einem geruhsamen -Auf und Nieder, in dem stillen Gleichmaß, wie sich im Schacht die -Fahrkunst aufwärts und abwärts bewegt. - -Als man aber den Schienenweg in den Basalt deiner Berge sprengte, -kam Unrast in das Tal. Und als dann noch mit Prahlen und Keifen die -Hexe Politik den Weg über die Harzhöhen auch zu dir fand und Haß und -Feindschaft spie, da ward dein Herz ein anderes. Die Eintracht brach -auseinander, und Glück und Frieden flohen erschrocken in die Wälder. - -Dein Glück, Harzheimat, dein Friede! - -Aber des Nachts, wenn in der Bergluft Sterne blänkern, verschlafene -Brunnen an den Straßen plätschern und über dem Holz die Eule ruft, -kehren sie heimlich zurück. - -Das ist die Stunde, in der du mir am liebsten bist. - -Des Nachtwächters Tritt verhallt in stillen Gassen. Er ruft nicht mehr -wie früher die Stunden: Hört ihr Herren und laßt euch sagen ... Sein -Horn ist verstummt. Und in der Neujahrsnacht wars so schön, wenn er -sein Lied sang: Ach, wie laufen doch die Jahre. Die Welt ist nüchterner -geworden. Stumm macht er seine Runde. Seine Gestalt taucht unter im -Grau der Nacht. Und mir ist, als ob mit ihm ein Stück alter Zeit irrend -durch die Straßen tappt, das verlorene Herz zu suchen. - - - - -[Illustration] - - - - -Der Gottesacker am Berg - - -Verfallene Gräberreihen ziehen sich den Hang hinan. Der Totengräber, -der sie schuf, hat längst seine letzte Schicht verfahren. Und die -Hände, die sich einstmals liebend um diese Hügel mühten, haben sich -lange schon zum Ewigkeitsschlummer gefaltet, wer weiß wo. Der alte -Gottesacker am Berg ist eine Stätte des Verlassenseins geworden, der -Pflege des Herrgotts anvertraut. - -Hier ruhen unsere Urgroßväter und Großväter aus von der Wallfahrt -im Harzheimatland. Eine stillgewordene Berggemeinde. Ihre Zeit ist -abgetan. Das ist das stille Leid, das über diesen Hügeln liegt und das -alles Bergblumenblühen nicht zu bannen vermag. Auf schiefen Kreuzen -und zerbröckelnden Schiefertafeln verwittern die Namen versunkener -Geschlechter, verblassen fromme Sprüche. Über die Gräber wächst der -Rasen. Langsam ebnet er Hügel um Hügel und breitet über Not und Tod -Vergessensein. Erde zu Erde. - -Es ist kein Friedhof voll Prunk und Pracht. Schlicht und herbe, wie das -Leben der Bergstadtleute dahinfloß, ist auch ihre letzte Ruhestatt. -Und Prunk und Pracht hätten nicht hergepaßt an diesen Blumenhang, -auf dem jedes Grab und jedes Totenmal wie zufällig aus einer -Bergwiese hervorgewachsen zu sein scheint. Als habe sich jeder ein -Plätzchen gesucht, das ihm gefiel: der eine unter Bergwohlverleih und -Hirschzunge, der andere unter Margeritten und Glockenblumen, der dritte -unter Tausendgüldenkraut und Thymian und Bärwurz. - -Da schlafen müdegewordene Holzhauer, denen in knöcherigen Händen -die Axt zu schwer ward. Hier hat der Reitende Förster sein letztes -Ruhebett im Grünen gefunden. Die Fichte über seinem Grab rauscht ihm -Grüße hernieder von Wald und Wild, und am Hubertusmorgen wehts durch -ihre Äste wie verlorenes Halali aus Hannoverschem Jägerhorn. Dort ging -der Fuhrherr zur Ruhe. Wenn über die Bergstraße ein Langholzwagen -bollert, Peitschenknall an der Waldwand drüben das Echo weckt und an -den Kummeten und Zäumen der Pferde die Messingbeschläge klingeln, -mag des Schläfers totes Herz unterm Leinenkittel zucken. Former und -Schmelzer rasten von hartheißer Arbeit am Schmelzofen und träumen -dem Silberblick der Ewigkeit entgegen. Zerstampft vom Pochwerk Leben -sagten hier Pochjunge und Pochsteiger der Erde Valet. Mit stummem -Glückauf begrüßen sich Bergmann und Königlicher Bergrat beim großen -Feierabend, der unter der Erde sie alle gleichmacht, die vom Leder -und die von der Feder. Wenn die Morgensonne früh über die Waldhöhen -guckt, gilt ihr erster Strahlengruß den Toten im Gottesacker am Berg. -Dann sprüht Tauperlengefunkel zwischen den Gräbern. In Trauereschen -und Lebensbäumen blänkern lang verweinte Tränen. Spinnennetze, die -zwischen Wiesenschwingel und Knäuelgras ihr Seidengewebe ausspannen, -werden zu kostbarem Filigran. Rostige Kreuze flackern wie braunrotes -Gold in den Himmel hinein. Goldbronzerestchen, die sich kümmerlich an -verwitterten Inschriften festhielten, schimmern im Sonnenschein, als -wollten sie verlöschendes Erinnern an einen Toten lebendig machen. Um -die Totenmale fließt stille Verklärung. Vergessene Seelchen huschen -hervor. Sie hocken rings auf Hügeln und verfallenen Einfassungen. Mit -weiten Träumeraugen schauen sie auf die Bergstadt hernieder, die Heimat -im Tal, die eine andere ward. - -Da pfeift von fernher der Morgenzug. Eine Sirene zerreißt die -Morgenstille und ruft heulend zur Frühschicht. Die Seelchen huschen -erschrocken hinab und schütteln die Köpfe ob der neuen Zeit. - -Glockenblumen läuten über den Hang, und in armseligem Rosengerank singt -eine Grasmücke ihre Litanei: Ruhn in Frieden alle Seelen. - - - - -Das Glockenhaus - - -[Illustration] - -Im Glockenhaus hatte alles seinen heimlichen Zauber: Der Stufengang -am Wiesenhang hinauf, die knarrende Bretterstiege, das uralte -Glockengebälk, die Glocken, der Geruch alten Holzes, der fröhliche -Ausguck durch die Schalluken. Man konnte mit dem Fingerknöchel an die -Glocken klopfen und lange lauschen auf das schwingende, singende Summen -im Metall. Man konnte den Läutejungen in seiner Würde bewundern. Man -konnte auf den Lukenbrüstungen reiten und lustig herunterspringen in -Blumenwiesen hinein. - -Zu schön war es im Glockenhaus! - -Irgendwo in einer Spinnwebecke da oben blieb mir ein Krümchen -Jugendglück hangen. So oft ich die Glocken höre oder das Glockenhaus -sehe, huscht ein Gedanke hinauf, dies Glücklein aufzuwecken aus -staubigem Winkel. Dann will es wieder froh wie einst zum Fenster -hinausturnen oder hinaufklettern ins Glockengebälk bis unter die -Schindeln. Und ist ganz voll Seligkeit, wenn ihm der Läutejunge die -Gunst erweist, nach dem Läuten dreimal die Betglocke anschlagen zu -dürfen. - -Das Glockenhaus ist kein wolkenstürmender Bau. Nur ein Spitzlein auf -einem Berg. Und es ist nichts an ihm, das anspruchsvoll wäre oder -über das Maß des Zweckmäßigen hinausginge. Man könnte es arg nüchtern -nennen. Aber es hat seinen eigenen Stolz. Wie ein Wartturm guckt es -auf die Bergstadt hernieder. Zu seinen Füßen muß sich die Kirche -ducken: Die Herrin zu Füßen des Dieners. Aber das Glockenhaus ist darum -nicht hochmütig. Es hält mit dem Kirchturm gute Nachbarschaft. Seit -Jahrhunderten haben sie sich guten Morgen und gute Nacht geboten. Sie -sind einander so nahe, daß eins dem andern in die Fenster gucken kann. -Keins hat vor dem andern eine Heimlichkeit zu verbergen. Der Kirchturm -kennt jede Bretterplanke am Glockenhaus und sieht die Roststreifen -unter jedem Nagel. Das Glockenhaus weiß genau, wieviel Schieferplatten -den Zwiebelbauch des Kirchturms beschuppen. Wenn der Wind nicht ein -unterhaltsames Liedlein von einem zum andern hinüberpfeift, haben -sie sich nicht viel zu erzählen. Sie sind aneinander gewöhnt und alt -geworden und reden nicht unnütz. - -Dann guckt das Glockenhaus verschlafen zu, wie sich am Kirchturm -langsam die goldenen Zeiger über das Zifferblatt drehen. Oder es -horcht auf, wenn’s im Gehwerk drüben knarrt und die Hämmer quietschend -zum Stundenschlag ausholen. In blinden Gucklochscheiben blinzelt die -Sonne. Auf Messingknauf und Wetterfahne machen die Stare Kapriolen. Das -Glockenhaus lächelt. - -Und dann schaut es ein wenig in die Kirche hinein. Die Sonne malt -Goldstreifen über Bänke und Gestühl. Das rote Altartuch leuchtet. Man -sieht die Stille in der Kirche. - -Nebenan im Pfarrhaus hat die Frau Pastorin die Betten zum Sonnen -ausgelegt. Der Herr Pastor hat sein Hauskäppel aufgesetzt. Er sitzt im -Studierstübchen und schreibt. Die Wolken aus seiner langen Pfeife weben -duftigen Tüll vor das Fenster. Manchmal steckt er die kurze an. Dann -steigt er in den Hof hinab und hackt Holz. Oder schlendert behaglich -durch den Garten, ein Feierstündlein zu halten und nach Himbeeren und -Salat zu sehen. Gehen Bergstadtmenschen vorüber, ist ein freundliches -Grüßen und Wiedergrüßen. - -Im Nachbargarten flattert Wäsche. Irgendwo hängt ein Mütterchen die -Käsehorte neben der Hintertür auf und legt säuberlich die weichen -weißen Käse zum Trocknen auseinander. - -Das Glockenhaus hat viel Kurzweil an solcherlei kleinen und -beschaulichen Dingen. Es ist nichts Aufgeregtes im Bergstädtchen. -Frauen gehen mit der Mehlbutte zum Backhaus. Oder haben die Kiepe -aufgehuckt, um darin die Einkäufe für die Woche zu bergen. Oder holen -in klappernden Eimern Wasser vom Bottich. Sie schwatzen und stehen und -gehen ihrer Wege. Männer begegnen sich und tippen mit dem Finger oder -dem Pfeifenmundstück ein Glückauf an die Mütze. - -Manchmal bringen Wanderer Unrast mit. Vor Zeiten waren Wandersleute -seltene Gäste im Bergstädtchen. Jetzt aber kommen sie in Trupps und -in Horden. Sie singen Wanderfrohsinn durch die Straßen oder johlen. -Das Glockenhaus hat sich an alles gewöhnt. Aber ein bedenklicher -Knacks ging doch durch sein Gebälk, als zum ersten Male eine fremde -Knabenschar zum Takt eines politischen Haßliedes durch die Bergstadt -zog. Der Einpeitscher ging nebenher. In den Augen der Knaben war -nichts von Wanderlust. Als ob ihre Seelen mit Gift geätzt wären. Der -Einpeitscher wußte das. Aber dies Gift war sein Lebensinteresse. -Wandern und Politik, Politik und Knaben: Das hatte das Glockenhaus noch -nicht erlebt, solange es denken konnte. Und es schüttelte den Kopf ob -der Wirrnis solcher Zeit. - -Stiller noch als der Sommer ging vor Zeiten der Winter durch die -Harzheimatberge. Das Bergstädtchen tat einen langen Winterschlaf. -Und das Glockenhaus schlief mit. Sie wachten erst auf, wenn zu -Fastnacht die Bergleute und Hüttenleute mit Musik zur Kirche zogen -und aus allen Häusern der Duft von heißem Schmalz und Öl und von -frischgebackenen Fastnachtskrappeln durch die Straßen strich und -bis hinauf auf den Glockenberg wehte. Die Wiesenhänge ringsum waren -unberührte Reine, durch die der Fuchs seine Schnürfährte zog. Aber -dann kamen die langen Bretter in die Berge. Mit dem Winterschlaf -wollte es nichts mehr werden. Die Bergstadtfrauen schlugen die Hände -über dem Kopf zusammen, als sie ihre Geschlechtsgenossinnen aus der -Großstadt in Männerhosen einherstolzieren sahen. Und das Glockenhaus -hat verwundert dreingeschaut ob der vielen bunten Wolljacken in den -Straßen unten. Nun sind ihm auch das vertraute Bilder geworden. Auf -allen Hängen zerfurchen Männlein und Weiblein den Schnee und treiben -Sport mit den Brettern oder mit dem Kostüm. Das Glockenhaus hat helle -Augen für Zünftiges und Unzünftiges. Drüben am Sprunghügel hupfen die -Bergstadtbuben. Das Klappen der Schneeschuhe beim Aufsprung tönt bis -zum Glockenberg herüber. - -Das bunte Winterleben geht fort, bis Wind und Regen den Schnee -auch aus den höchsten Schneisen des Bergwaldes fortleckten. Die -Schneeschuhläufer stellen die Bretter in die Ecke. Für eine Weile sind -die Bergstadtleute unter sich. Dann hat das Glockenhaus nicht viel zu -gucken. Das Leben im Bergstädtchen geht wieder seinen gemessenen Gang. -Frauen schwatzen. Männer begegnen sich. Fuhrwerke bollern. Manchmal -kommt ein Leierkastenmann. Und die Kinder rufen hinter ihm her: - - Orgel -- orgel -- nort -- nort -- nort, - Meine Orgel ist kaputt. - -Oder es kommen wandernde Musikanten, die Braker, trätern ihren Vers und -fangen in ihren Trompeten und Bombardons die Geldstücke auf, die ihnen -aus den Fenstern zugeworfen werden. Oder fahrende Leute mit bunten -Wagen kommen, mit denen ein Stück Romantik in die Ereignislosigkeit des -Bergstädtchens hineinrollt. - -Manchmal geht der Ausrufer durch die Straßen, ein obrigkeitliches -Dekretlein auszurufen oder eine Tanzmusik anzukündigen. Der Wind -zerpflückt die Worte. Das Häusel auf dem Glockenberg ist auch nicht -begierig auf derlei Sachen. Es wundert sich nur, daß der Ausrufer -nicht mehr den langen und blankknöpfigen Büttelrock trägt wie in alten -Zeiten. Damals sah er viel würdevoller aus. Die Bergstadtjungens, die -auf verbotenen Wegen ruschelten, hatten Angst vor ihm. Nun steckt er -in schlichtem, bürgerlichem Röcklein. Aller Respekt ist dahin. Von der -Würde seines Amtes zeugt nichts mehr als eine abgeschabte Aktentasche -und die Klingel. Er versteht sie meisterlich zu schwingen. Aber trotz -aller Meisterschaft will aus der Amtsschelle nur ein dürres Bimbim -heraus. Wie könnte es auch anders sein. Dem Glockenhaus ist es schon -lieber, wenn ihm an jedem Sommertag die Kuhherde mit melodischerem -Geläut aufwartet. Wenn der Kuhhirt getutet hat, ist auf allen Straßen -im Bergstädtchen ein unruhiges Gequirle. Es ordnet sich gemach zum Zuge -und strebt ins Freie. Auf blanken Fellen glänzt die Sonne. Glockenbügel -malen grüne Striche in den rotbraunen Zug. - -Nach den Kühen läutet die Kälberherde hinaus. Ziegen und Schafe tappeln -hinterdrein. - -Das Glockenhaus gibt den Tieren das Geleite nach draußen und macht -einen Morgenspaziergang in die Umwelt. Es sieht die Landstraßen im -Tal sich schlingen und drehen und sich auf Bergeshöh verlieren, -Wiesenpfade sich verlaufen im Irgendwo des Gehölzes. An Waldsäumen -und Fichtenkämmen tastet sich sein Blick hinauf zu blauen Höhen und -Wolken. Aus Wälderdunkel, darin hier und dort sich das Rauchfähnlein -eines Holzhauerfeuers in die Luft kräuselt, gleitet sein Auge gemach -wieder hinab in lichtes Wiesengrün. Von weit draußen grüßen Forsthäuser -her. Bäche blänkern daran vorüber. Und da ist auch der Mühlengraben, -der mitblänkern will. Fischen nicht die Jungens schon wieder Elritzen -in ihm? Und dort schmiegt sich die Mühle ans Bergstädtchen. Wenn das -Tor zum Mühlenrade offensteht und die Sonne in den Radschacht scheint, -blitzt silbernes Geglitzer bis zum Glockenhaus hinauf. - -Das ist von seinem Morgenausflug aus den Bergen heimgekehrt ins -Bergnest. Unten in der Schule ist Pause. Die Jugend quirlt auf dem -Schulhof durcheinander. Das Glockenhaus freut sich an dem Gebalge der -Jungen und an dem Ringelreihen der Mädchen. Es kennt sie alle von der -Stunde an, in der zum ersten Male der Wald über ihre Wiege hinrauschte. -Sie wachsen unter seinen Augen heran und durchjauchzen eine frohe -Bergjugend zwischen Wiesen und Wäldern und Bächen. Aus Mädeln und -Buben werden große Menschen. Das Leben greift nach ihnen. Es packt sie -nicht alle mit sanften Händen an. Die Mädel schlüpfen unter im warmen -Nest einer Häuslichkeit. Die andern gehen harter Hantierung nach. Das -Glockenhaus begleitet sie auf allen Wegen, auf denen sie ihr Brot -suchen. Es gibt ihnen ein herzhaftes Glückauf mit, wenn sie sich rüsten -zu saurer Schicht im Schacht. Es ist mit ihnen, wenn sie Axt und Säge -auf die Schulter nehmen oder mit Holzkarren und Kiepen steile Hohlwege -hinaufanken, im Bergwald untertauchen und heimkehren mit schwankender -Last. Es schaut ihnen zu, wenn sie auf den Wiesen rings sich mühen, das -Heu zu bergen und in schweren Bündeln hangab zu schleppen. - -Seit Jahrhunderten sind ihm alle Bilder mühseliger Bergmenschenarbeit -vertraut. Geschlechter sind gekommen und gegangen. Die Arbeit voll -Sorge und Plage ist immer die gleiche geblieben. Und sie wird für alle -immer die gleiche bleiben, solange die Tanne grünt und Erz wächst -und bis auf die Stunde, in der die Mühseligen ihren Lauf im Tal -beschließen. Dann ist der große Feierabend gekommen. Sie falten die -müden Hände. Man trägt sie hinaus zu denen, die vor ihnen den gleichen -Pilgerpfad der Mühe und Arbeit wandelten. Dann schaut ihnen das -Glockenhaus mit großen Augen nach. Unter seinem Spitzdach haben sich -die Schalluken geöffnet. Lebewohl! rufen die Glocken. Und bis in fernes -Bergesblau schwingt ihre Klage: - - Droben bringt man sie zu Grabe, - Die sich freuten in dem Tal ... - -Der Klang verhallt. Im Glockenhaus bleibt ein Sinnen zurück. Im Wald -drüben, der hinter dem Kirchturm einen samtgrünen Hintergrund malt, -jagen Kreuzschnäbel durch die Wipfel. Die Graudrossel singt. Bergwiesen -blühen. Die Bäche spinnen ihr Plätscherlied in Ewigkeiten fort. Die -Heimat lebt. Menschen sterben. -- - -Der Wandel der Zeiten hat auch den Weg ins Glockenhaus gefunden. Es -gehen keine Läutejungen mehr hinauf ins Glockenhaus. Das Läuten ward -ein Amt. Das Geschlecht der Läutejungen ist ausgestorben. Es schnitzt -keiner mehr seinen Namen ins Gebälk. Und reitet auch keiner mehr auf -der Brüstung der Luken und läßt seine Beine baumeln zwischen Himmel und -Erde. Sie läuten auch nicht mehr dreimal am Tage. Es ist mancherlei -anders geworden im Glockenhaus. Die große Glocke holte der Krieg. Sie -ward zu Metall zerschlagen. Ihr Klang zerklirrte und starb. Verwaist -blieb die kleine zurück. Wie ein Armesünderglöcklein verrichtete sie -in den Jahren des Krieges ihren Dienst. Verzagt klangs vom Glockenberg -herab. Die kleine Glocke ward zum Symbol der Armut und Not. - - ~IM ERSTEN JAHR ANNO 1693 CHURFUERSTLICHE REGIRUNG ERNESTI AUG - HERTZOGEN ZU BRAUNSCH U LUENEB BISCHOF ZU OSNEBRUG & IST DISE - KLOCK GEGOSSEN V NICOLAUS GREVEN IN HANNOVER.~ - -Sie sah während ihres Erdendaseins Kampf, Elend und Hungersnot. Unter -ihren Augen haben die Horden Belsunces und Vaubecourts im Bergstädtchen -geplündert. Aber alles das und die Kriege nachher waren kleine -Begebenheiten gegenüber dem Jammer des großen Krieges. Und als das -Glöcklein den Frieden in die Berge rief, klangs wie ein Erlösungsschrei -aus tiefster Not. - -Wußte nicht, daß sein Friedensgeläut der Grabgesang des Vaterlandes -sein sollte. Wußte auch nicht, daß bald hernach sein eigenes Stündlein -schlug: Es kamen neue Glocken, -- stählerner Ersatz. Man hängte sie in -das alte Gestühl. Die kleine Bronzeglocke ward herabgenommen. Sie fand -einen neuen Platz abseits. Es brauchte keiner darüber zu schreiben: -Abgetan! Man sah es dem Platz an. - -Gräme Dich nicht, du Glöcklein. Das ist neue Zeit. Viel Altes, Gutes, -Echtes ist in die Ecke gedrückt und hat dem Neuen weichen müssen gleich -dir. Glücklich, wer in sich das Bewußtsein seines Wertes bewahrt und -den Glauben an sich nicht verliert! - -Wenn die Stahlglocken läuten, kann das Bronzeglöcklein im -Verbannungswinkel nicht an gegen das stählerne Bellen. Es wird -überschrien. Ein feines Stimmchen abseits singt sein Lied für sich: - -Bellt nur, ihr Aufdringlichen, die ihr mich verdrängtet! Ersatz seid -ihr und unecht. Euer Maul ist groß. Ihr wollt mich überschreien. Wer -seinen Unwert verdecken will, schreit. Eure Stimme ist unedel. Ihr -wollt etwas scheinen, wozu ihr nicht geboren seid. Stahl ist Krieg. Ihr -taugt nicht zum Gottesdienst. Kinder einer zweifelhaften Zeit seid ihr, -die manches über den Haufen warf, was sie bereuen wird. Doch, es sind -noch Menschen im Bergstädtchen, die Sinn behielten für echte Werte -und das Alte ehren. Sie lieben mich. Sie horchen auf meine Stimme. Ich -läutete ihren Ahnen und Urahnen, die im Gottesacker am Berg schlafen. -Ich bin die alte Zeit, in der nur das Wahre, Echte, Erzene galt! -Schreit nur: Diese Wahrheit tötet ihr nicht! - -So singt die kleine Bronzeglocke im Winkel, und es ist ein richtiges -Zänklein ins Glockenhaus gekommen. - -Aber es soll euch nicht gelten, ihr Bergstadtleute. Aus dem Glockenhaus -weht kein Hader zu euch hinab. Die alte Glocke ist verständig. Sie -weiß, daß sie das Opfer der Not und der Elendszeit ward. Sie weiß -auch, daß nirgends in der Welt diese Zeit drückender war als in euren -Bergen, auf denen wohl die Tanne grünt, aber kein Brotkorn wächst. Sie -will nicht rechten. Nur manchmal muß sie ihr Herz ausschütten. Und ich -sage euch: es ist heilsam, dann und wann ihrer Stimme zu lauschen und -darüber nachzudenken, was sie zu erzählen hat. Wenn es ein Großes zu -beläuten gilt, wird der Zwist im Glockenhaus schweigen. Und immer einig -werden die drei ungleichen Schwestern sein in dem Gebet: - - Holder Friede, süße Eintracht - Weilet, weilet - Freundlich über dieser Stadt! - -Und ein Bergstadtkind in der Ferne betet mit. - -[Illustration] - - - - -Kinderland - - -Die breitkronigen Ahorne und Eschen, die mein Kinderland beschatteten, -sind fort. Das Geld für ihr Holz war fremden Menschen wertvoller -als die grüne Laubpracht und der Vogelsang darinnen. Von ihren -Wipfeln flöteten die Stare Jahr um Jahr den ersten Frühlingsgruß -ins Bergstädtchen hinein. Nirgends sangen Fliegenschnäpper und -Schwarzplättel lustiger als hier. Wenn die Finken schlugen, wars -wie ein Konzert in grün verhangener Halle. Am Ahornhang blühten die -allerschönsten Veilchen, -- o, wie sie Frühling dufteten! -- und -schönere Schneckenhäuser gab es nirgendwo. - -Nun ist von der rauschenden Baumherrlichkeit nichts geblieben als ein -paar Wurzelstümpfe. Wie letztes Lebenwollen kümmern Jungtriebe daraus -hervor, an denen die Ziegen rupfen. - -Wenn ich den Kirchenbrink hinansteige, ist mir der Weg ohne die -Bäume fremd. Meine Augen suchen etwas. Und wenn sie dann ins Kahle, -Leere schauen, tropft es schwer von meinem Herzen. Ein Stück meiner -Jugend hat hier gegrünt. Bäume können zu Freunden werden, denen man -nachtrauert. - -Schattenlos senkt sich der Hang zum Bach hinab. Es ist, als ob er -blinzeln muß, sich nicht an die Helle über ihm gewöhnen kann und auch -er die Alten vermißt. Als sie noch ihr Laubdach über ihm wölbten, war -sein Wasser ein Wechselspiel von grünen Widerscheinen. Um Kiesel und -Geröll rieselte ein smaragdenes Mosaik. Bachstelzen wippten darüber -hin. Alle Vögel aus der Nachbarschaft kamen zum Trinken hierher. In -trockenen Sommern holten sich die Schwalben von dort den Schlamm zum -Nesterbauen. Es war ein heimliches Paradies. Brennesseln wucherten -den Hang hinauf. Schöllkraut blühte rings, und zur Herbstzeit war es -lustig, im Springkraut zu waten. Just an dieser Stelle entfloh der Bach -für eine kurze Weile den steinernen Mauern, die ihn bei seinem Lauf -durch das Bergstädtchen im Zaume hielten. Denn zu Zeiten konnte er -ein ungestümer Geselle sein, der mit Rauschen und Reißen daherstürzte -und steinepolterndes Unheil ins Tal wälzte. Zumeist freilich war er -ein friedfertiges Bergbächlein, das sein Blänkerwasser pladdernd -hinabführte, Wiesen grüßte von Bäumen, Brücken und Häusern schnörkelige -Bildlein malte und allen, die es hören wollten, von Berg und Bruch und -Urwald erzählte, die ihn geboren. Er hatte auch einen richtigen Namen, -der in jedem Erdkundebuch und auf jeder Landkarte steht. Aber die -Bergstadtleute nannten ihn nie mit seinem Taufnamen und sagten einfach: -die Flut. Auf der Flutmauer, die sich dem Ahornhang anschloß und zum -Grundstück des Vaterhauses gehörte, grünte in fröhlicher Ungebundenheit -ein Himbeerwäldlein. Dort hatte der Zaunkönig seine Heimlichkeit. Und -jedes Jahr knixten von der Gartenplanke hinter den Himbeeren zehn -putzige braune Bällchen mit keck emporgerichteten Schwänzen in die -Welt hinaus. Ich hätte das Geburtsschloß der jungen Zaunkönige gern -gesehen. Aber eine Scheu hielt mich zurück. Es wäre mir als Sünde -vorgekommen, ihr heimliches Glück mit meinen Blicken zu stören. Ich -bin nie mitgegangen, wenn mir Kameraden ein Vogelnest zeigen wollten. -Als ich zum allerersten Male ein Nest aus der Nähe sah, war mir das ein -heiliges Erlebnis, bei dem mir das Herz pochte. - -Wenn in der Flut eine Wasserratte schnupperte oder gar ein Iltis -über die Steine hopste, wurde im Zaunkönigreich Feuer und Mordio -gezetert: zerrr, zerrr zerrrzerrrzerrr! Dann wußten alle Vögel, daß ein -feindliches Etwas den Frieden im Flutwinkel stören wollte. Sogleich -war Frau Wippstert, die graue Bachstelze, zur Stelle. Sie hielt einen -Augenblick inne im Wippen und gab den Warnruf weiter: Zuip-tütütüt, -zuip-tütütüt! Mit hastigem und ängstlichem pink-pink-pink-pink flog -der Fink herzu, und hß-taktak, hß-taktaktak, lumpenpack! warnte das -Rotschwänzel. Dieb? dieb? fragte lakonisch der Fliegenschnäpper, der in -aller Aufregung die Ruhe bewahrte. - -Dann richtete sich auch die gelbe Bachstelze in ihrem Nest auf, legte -den Kopf schief und äugte verwundert zur Flut hinab. Ihr Nest hatte -sie an unserm Stall. Wenn sie an Regentagen an den Stallfenstern nach -Fliegen und Spinnen jagte, hätte sie den Kühen und Pferden im Stall -zuschauen können, wenn nicht die Fensterscheiben grün und blau und -blind gewesen wären. - -Unser Stall! - -Mir zieht der Duft von Heu und Häcksel durch die Nase. Ich spüre den -Geruch von warmem Pferdeschinn, der an Kummeten und Zäumen klebt. Ich -denke an heimliche Balkenwinkelei, an Stollen, Schächte, Räuberhöhlen -und Burgverließe im Heu. Vom Hühnerwiemen flattern bunte Federn herab. -Mäuse kraspeln im Futterkasten. Ich fühle ihr sammetenes Fell in der -Hand und lasse sie laufen, weil ihre Knopfäugelchen bitten. In den -Fensterwinkeln blaken Spinneweben. Fliegen, Heumotten und Heusamen -fingen sich darin. Schwarze Spinnen liegen auf der Lauer. Sie gucken -kaum mit dem Kopf aus ihren Höhlen wie die mißtrauischen Ratten, die -ihr Loch unter der Krippe haben. Über Krippen und Heuraufen klettern -meine Gedanken durch die Futterluken in den Heuboden hinauf. Als ich -noch Wachstuchschürzen trug, war er mir ein Ort heimlicher Schauer. - -Wißt ihr noch, Anna und Johanne, wie sich der Hosenmatz an euren -Rock geklammert und sich vor dem Schatten gefürchtet hat, den die -Stallaterne über das Heu warf? - -Nach dem Füttern mußte er den Kuhschwanz halten, wenn ihr beim Melken -saßet. Aber ihr machtet ihm die Arbeit leicht und wußtet ihm die -schönsten Märchen zu erzählen. War es nicht der Däumling, der im Bauch -der Kühe immerfort seinen Reim rief: - - Schtripp, schtrapp, schtrull, - Is der Emmer noch net vull? - -Die Erinnerung an viele liebe Tiere kommt mir. Pferde, Kühe, Kälber, -Schafe, Kaninchen und Meerschweinchen hopsen mir durch die Gedanken. -Hat keines seinen Platz in meinem Herzen verloren. Ich rufe sie bei -Namen. Sie spitzen die Ohren und horchen. Dann erkennen sie mich. Eins -nach dem andern kommt in froher Eilfertigkeit, mir die Hand zu lecken. -Aus ihren Augen strahlt Freuen und Dankbarsein. Sie schmiegen sich -an mich. Ich fühle den warmen Hauch ihrer Nüstern, das Kitzeln der -Spürhaare. Ich streichle sie wie einst ... Wie einst ... - -Unter meinen Händen zerrinnt ihr Bild und sinkt in die dunklen Tiefen -zurück, daraus es Träume auferweckten. In die gleiche dunkle Tiefe, -darin Jugend und Kinderzeit untergingen. Ist nichts von allem geblieben -als das bittersüße Tröpflein Eswareinmal, das heiß am Herzen brennt. - -Ich schließe die Stalltür. Sie trägt tausend Spuren von Flitzbogen- und -Armbrustpfeilen und Pusterohrbolzen. Geradeso wie die Bretterplanken -der Laube am Gartenhang. An ihren vier Ecken grünten Ahornbäume. -Es ließ sich wunderschön auf das Laubendach klettern und im -Ahorngezweig herumturnen. Dort hingen im Winter die Speckschwarten und -Schweinepötzel für die Meisen. Und in der Laube war der Futterplatz für -Finken und Goldammern. Im Frühjahr schnitzten wir dort unsere Pfeifen -aus Quitschenruten. Wenn sich die Rinde nicht lösen wollte, half beim -Klopfen ein Zauberspruch: - - Ra-ra bi-ba, - Wutte nich gera’n, - Schmiet eck deck in Graben, - Halet deck die Raben, - Kimmt de ule Hesse, - Mit den schtumpen Messe, - Bein af, - Kopp af, - Alles, wat dran sitt, - Mot af -- af gahn. - -Die Laube konnte durch die Hoftür in unsern Hof gucken. Zwischen Garten -und Hof floß die Flut. - -An dem Geländer der alten Knüppelbrücke, die sich über die Flut legt, -hat der Knabe oft gelehnt und dem Rätsel nachgesonnen, woher das Wasser -kommt, das Tag und Nacht, Wochen, Monate, Jahre unter der Brücke talab -fließt und sich nie erschöpft. Bis sich ihm das Geheimnis auftat: -Irgendwo auf Bergeshöhn mußte ein furchtbar großer Turm stehen. Der -war bis obenhin gefüllt mit Wasser. Unten war eine Öffnung, die der -liebe Gott groß und klein stellen konnte wie der Müller das Mühlenwehr. -Meistens ließ er nur wenig Wasser durch, damit es nicht zu schnell alle -werden sollte. Wenn der Turm leer zu werden drohte, bestellte er einen -Regen, der den Turm wieder auffüllte. Manchmal verrechnete er sich. -Dann ging der Turm über, und das Wasser schoß heulend und brausend -die Flut hinab. Die Abflußgosse unseres Bottiches kleckerte wie ein -winziges Wasserstrählchen dazu. - -Der Eisenbottich auf dem Hof ist fort. Er wurde altes Eisen. Das Eisen -stand hoch im Preis. Der Lumpensammler holte ihn. Fremden Menschen -konnte er nicht sein, was er mir war. - -Wenn aus den beiden Wasserpfosten das Wasser in seinen Rostbauch -plörrte, war es wie Quellenmusik in einem Waldtal. Und wenn Eimer auf -seinen Rand gestülpt wurden, kam aus dem Eisen läutendes Klingen. -Unten auf dem Grunde schwammen meine Forellen. Die Pferde schlürften -Wohlbehagen aus ihm. - -Vorbei. - -Das Vaterhaus ist fremde Stätte geworden. Es springen im Hof keine -Hunde mehr an mir hinauf. Und die Pferde, deren Hufe über das -Steinpflaster klappern, sind -- Pferde. Es singt mir keine Schwalbe -mehr das Morgenlied. Ich hänge keine Starkasten mehr auf. Und wieviel -Rotschwänzel in meinem Kinderland nisten, weiß ich nicht. - -Mein Fuß geht an den lieben Stätten vorbei. Und das Herz blutet. - -[Illustration] - - - - -Das Bergkind - - -Jürgen Traumelin wußte nicht, wie fest die Harzheimat in sein Herz -gewachsen war. Er wußte nicht, wie seine Seele am Fichtenwald hing, -an Bächen und Wiesen und an allen Bergdingen, an denen sich seine -Kinderzeit abspann. Es war stille, unbewußte Liebe. Ein Feuerlein, -das sich aus sich selbst erhielt und in der Brust glühte wie eine -Selbstverständlichkeit. - -Jedem Bergkind gibt der Herrgott ein solches Feuerlein mit. Bei wenigen -verflackert’s. Die meisten tragen es mit sich herum und denken nicht -darüber nach, woher die Wärme kommt, die so wohlig das Herz umschlägt. -Und bei vielen wird’s zur verzehrenden Flamme, wenn man ihre Wurzel -herauszieht aus dem Boden, der ihre Heimat ist. - -Das alles wußte Jürgen Traumelin nicht. Aber es sollte sein Schicksal -sein, daß er es zur Genüge erfuhr. - -Eines Tages war der Traum der Jugend zu Ende. Man brachte -den Bergjungen in die Fremde. Jürgen Traumelin zog seinen -Konfirmationsanzug an, aus dem er längst herausgewachsen war, und sagte -der Heimat Ade. Es war kein herzhafter Gruß. Etwas Neues lockte. Und -doch wollte das Alte nicht loslassen. So begann die Reise mit Hangen -und Bangen. Ein wenig Neugier prickelte in der Brust. Aber in der Kehle -saß ein würgender Knoten. - -Wenn die Postkutsche doch nicht so unbarmherzig schnell talwärts führe! -Als wenn sie es eilig hätte, nur fortzukommen von der Harzheimat. Geht -doch langsam, ihr Traber! Eines Bergjungen Seele ist nicht so flink -wie eure Beine. Sie weilt noch in den Bergen, woher das Wasser kommt, -das euren Weg begleitet, streift in Tann und Dickicht, derweilen ihr -bereits ins Flachland trappelt ... - -Sie stiegen in den Zug. Die Maschine pfiff. - -Warum guckst du nicht fröhlich drein, Jürgen Traumelin? Heute machst du -deine erste große Fahrt in die Fremde und deine Fahrt ins Leben dazu! - -Er konnte nicht fröhlich sein. Hätte aber auch nicht sagen können, -welche zwiespältigen Geister in ihm stritten. Eine stumpfe Ergebung -kam über ihn. Nur still sein, nicht antworten brauchen und träumen, -- -träumen. - -Wenn doch nicht dieser Knoten im Halse säße und das trockene Schlucken -nicht wäre! - -Der Zug rollte an den Harzheimatbergen vorüber. Sie wurden kleiner -und verloren sich im Blau der Ferne. In Traumelins Seele verloren -sie sich nicht. Buchenwälder huschten vorüber, Kornfeldbreiten, -Dörfer und Menschen. Dem Bergkind sagte die neue Welt nichts. Seine -Gedanken tasteten sich in Wiesentäler und Fichtengründe zurück. Kaum, -daß ihn ein fremder Vogel draußen, den er daheim nie sah, aus seinen -Bergträumen riß. - -Dann waren sie in der fremden Stadt, in der Jürgen Traumelin -hochgelahrter Schüler werden sollte. - -Puh, -- diese Stadt! - -Haus an Haus, eng, steinern, frostig. Nirgends ein Gäßlein zum -Durchlugen, kein Garten an den Straßen und keine Lauben mit -Rotschwänzelnestern. Und in den Höfen keine Holzbansen. Keine -Stalltüren, aus denen braune Kühe traten. Und die Menschen gingen -aneinander vorbei. Es bot keiner dem andern guten Tag oder ein -freundliches Glückauf. Und grüßte kein Berg in die Straßen hinab. Ein -paar Hügel lagen rings. Aber sie waren fern und fremd und nicht mit -Stadt und Menschen verwachsen. Ihre Hänge waren zerrissen, geflickt, -parzelliert. Und nirgends bot sich ein Wiesenplan, an dem das Auge -hätte ausruhen können. Die Wiesen in dem breiten Flußtal, in das sich -die Stadt hingelagert hatte, waren lustlose Eintönigkeit. Wieviel -lichter und lustiger war das alles daheim! Und der große Fluß! Ach -ja, er war größer als alle Harzbächlein zusammen. Aber sein Wasser -kroch grau und träge dahin. Es konnte nicht rauschen und brausen und -platschen und plantschen, kein Berglied jauchzen und fröhliche Hopser -machen. Und man sah keine Forellen darin und keine Sonnenkräusel über -blanke Steine rieseln. Wie langweilig der graue Fluß war! - -Und wie Traumelin über die Eisenbrücke schritt und hinabsah in die -trübe Flut, schien ihm das Wasser wie ein Spiegel der Zukunft. Die -fremde Stadt war ihm Enttäuschung geworden. Ein Schauder kroch ihm aus -ihr entgegen. Und das Gefühl des Naturkindes sagte ihm, daß sie ihm -immer fremd bleiben würde. Wo keine klaren Wasser fließen, findet ein -Bergjunge keine Heimstatt. - -Würgt nicht schon wieder der Knoten im Halse, Jürgen Traumelin? -Ein langer Seufzer ging ihm aus der Brust. Und seine Gedanken -flogen heimwärts, ein Heilkräutlein zu pflücken gegen die grausame -Ernüchterung. Die Erinnerung begann goldene Bogen zu bauen. - -Dann war der Bergjunge allein unter fremden Menschen. Zum ersten Male -in seinem Leben. Er teilte seine Behausung mit ein paar Altersgenossen, -die das gleiche Ziel in die Stadt führte. - -Wo seid ihr her? Und sie nannten ihre Dörfer. - -Ach, ihr Flachlandkinder! Ihr habt alle keine Harzheimat mit Bergen und -Fichtenwäldern und Bächen und Blumenwiesen! - -Habt ihr schon Hirsche gesehen? Oder schon Forellen gefangen? Wißt ihr, -wie Zeisige singen, oder könnt ihr pfeifen wie der Dompfaff? - -Sie lachten über ihn. Und als er zu Bett ging, wußte er, daß ihm diese -Menschen, die das Schicksal ihm zu Weggenossen bestimmte, fremd bleiben -würden wie die fremde Stadt. - -Wie frisch die Bettwäsche roch, die ihm die Mutter sorglich mitgab! -Genau wie daheim, wenn die Betten neu überzogen waren. Wie daheim ... - -Hupp, machten seine Gedanken. Und fort waren sie ins Harzheimatland. -Was mögen sie um diese Stunde zu Hause tun? In der Stube ist ein -wohliges Ausruhen vom Tagwerk. Gewiß sitzen sie um den Tisch und denken -an den, der heute in die Fremde zog. Am warmen Ofen räkelt sich der -Wolf und knurrt im Traum ... Das Katzengretel schnurrt im Stiefelkasten -... Im Kuhstall draußen ruft das braune Herschel. Im Pferdestall wird -der Futterkasten zugeklappt. Tränkeimer klirren. Vater füttert die -Pferde ab ... Gestern hast du es noch getan, Jürgen Traumelin! ... -Ob der Bläß nicht wartet, daß du ihm einen Leckerbissen reichst? Und -der Rappe es nicht vermißt, daß du ihm den Hals streichelst und in -Schopf und Mähne kraust? -- Nun löscht Vater die Laterne aus. Der -Stalltürriegel knarrt ... Müde Schritte im Hof ... - -Ein Heimattraum gab Jürgen das Geleit durch die erste Nacht in der -Fremde. Er wachte früh auf. - -Singt denn keine Schwalbe auf dem Fensterflügel? - -Und plätschert im Hof kein Brunnen? - -Ach nein. Es ist alles still. Und es grüßt kein Wiesenhang ins -Kammerfenster hinein. Kein Ahorn sagt guten Morgen und kein Eschenbaum -und keine Bergstraße. - -Der neue Tag ging mit neuen Enttäuschungen auf. - -In grauer Trübseligkeit machte sich Jürgen auf den Schulweg. Er -pilgerte ihn wie einer, der den Galgen ragen sieht. - -Wirf ab alles, was dich an die Heimat kettet, Wildling vom Berg! -Und deine Jugend wirf hinter dich! Auf den Kathedern sitzen sie und -warten und wetzen das Messer. Sie werden dich hacken und hobeln und -werden dich schaben, dich stutzen und säuberlich solange an dir -herumschneiden, bis dein rotes Blut saftlos sein wird. - -Dann hockte er in der Schule. Diese Schule, -- puh! Den Bergjungen -schüttelte es. Als er heimkehrte, war sein Leben um ein paar -Moralpredigten reicher geworden und das Säcklein seiner Enttäuschungen -zum Überquellen voll. In der Schule lachten sie über seine Sprache. -Harzer Roller! hänselten sie und feixten, wenn auf seiner Zunge harte -Laute weich und weiche hart wurden und das ü zum i oder das ö zum e. -Seine Lehrer mäkelten an ihm herum. Es ging ihnen nicht schnell genug, -daß er die Sprache der Harzheimat abtat und ihr aalglattes Hochdeutsch -redete. Als wenn sich alle gegen ihn verschworen hätten. Es war nichts, -das ihm die Fremde hätte lieb machen können. - -Wie der weite Flachlandhimmel drückt! - -Kommt doch heran, ihr Berge, und stützt ihn, daß er nicht einfalle! Und -recken sich nirgends ein paar Fichten in die Wolken? - -Ach nein, Jürgen Traumelin. Der Wald hier ist nicht dein Heimatwald. -Es ist kein dunkelgrünes Hangauf und Hangab und kein fröhliches -Weiterwellen Berg an Berg. Jedes Berglein hier ist abgemessen, steigt -an, fällt ab und hört auf. Und an jedem Wald kannst du die Grenzpfähle -stecken sehen. Es gibt kein Träumen in meilenlangem Fichtenduster. -Der Buchenwald ist kahl und nicht für Traumelins geschaffen. Kein -traulicher Waldwinkel lädt dich zu Gast. Und findest kein verschlafenes -Flecklein Weltferne, kein Erlenbruch, in dem die Spechte hacken, keinen -Rauschebach und keinen Bergquell. - -Er wollte ein Stück Heimat suchen und suchte vergebens. Eine Scholle -Erde nur, auf der er sich heimisch fühlen, die er liebkosen könnte und -mit den Händen streicheln und der er hätte sagen können: Du bist wie -meine Heimat! Du bist geheiligtes Land. - -Es ward ihm keines beschert. - -Heimatlos und doch unendlich heimathungrig irrte seine Seele durch -Wolken und Weiten, ihre Ruhestatt zu finden daheim. Träume wurden -Zauberinnen. Im Sonnengold der Erinnerung wandelte sich die ferne -Harzheimat zum Zaubergarten, über dem strahlend der Maientag der Berge -leuchtete. Und Wiese und Wald darin waren voll Sirenengesang. Jedes -Fichtenrauschen ward ein Locken: Kehr wieder, Bergbube! - -Komm doch! zwitscherten die Vögel. Und die Bergblumen nickten: Kehr um! - -Wir warten auf dich! plätscherten die Bäche. O, fühlst du nicht, wie -wir auf dich warten! - -Tausend Bilder stürmten in des Heimwehkranken Seele, süß, betörend, -verführerisch. Und blieb doch keine Frohheit in ihr zurück. Furchtbare -Dämonen krallten sich in sie hinein, zogen, zerrten, rissen. -Blutsauger waren sie und verführerische Gaukler. Sie spielten mit dem -Bergjungenherzen ein grausames Spiel, wirbelten das verzagte Ding in -goldene Himmel und ließen es abstürzen in Höllenschlünde. - -In einsamen Stunden flüchtete der Knabe auf seine Kammer. Ach, einmal -nur hinschauen in die Richtung, wo die Heimat liegt. Drüben muß -es sein. Wenn doch nur ein einziges blaues Berglein hersähe! Aber -eine schwarze Wolke lag vor dem Paradies. Und so war es Traumelins -Schicksal, den bitteren Kelch Heimweh auszutrinken bis auf die Neige. -Sein Leben war Qual. Jeder Heimatgedanke riß eine Wunde durch sein Herz. - -An einem grauen Tag saß Jürgen Traumelin auf seinem Bettrand wie so -oft. Seine Augen verloren sich in der Ferne. Heimliche Glocken läuteten -irgendwo. Die Stimmen der Heimat lockten und sangen. Sie hatten ihre -bestrickendsten Saiten aufgespannt. Da geschah das Wunder, daß dies -Singen ihm nicht zum Schmerz wurde, sondern daß es heimlich in ihm -mitzusingen begann. Die schwarze Wolke auf seinem Gemüt war ein wenig -zur Seite gerutscht. Irgendwo lachte ein Sonnenstrählchen. Es war, als -ob nach langer Zeit ein Glück leise ans Herz zu tippen wagte. Und als -Traumelin die Treppe hinabstieg, flüsterte es über seine Lippen: Ich -komme! Und es begab sich, daß zu dieser Stunde das Knäuel im Halse -hinabzugleiten begann. - -Unten zählte er seine Heller. Es war das Geld, für das er sich eine -bunte Mütze hatte kaufen sollen. Es reichte just. Dann schrieb er ein -Zettelchen. Ein paar heimwehkranke Worte standen drauf. Die andern -sollten wissen, was ihn forttrieb. - -Auf heimlichen Wegen erreichte er den Bahnhof. Gott sei Dank, es hatte -ihn keiner gesehen. Und kam keiner, ihn zurückzuhalten. - -Als er im Zuge saß, der ihn der Heimat nähertragen sollte, war zum -ersten Male ein richtiges Aufatmen in ihm. Die Kette um seine Seele -sprang. Der Kampf schwieg. Es kam eine Müdigkeit über ihn, die ihm -Erlösung ward. - -Jürgen Traumelin auf Heimatpilgerfahrt! - -Zwei Tage und eine Nacht hat er gehungert und gefroren. Herbstnebel -umwehten ihn. Zwischen Fichten und Felsen pfiff der Wind. Er grüßte -sie als freundliche Boten der Heimat. Mit leichtbeschwingter Seele -schritt er aus. An einem Bergbach kniete er nieder und trank. Einmal -wieder Bergwasser schlürfen zu können, war einer seiner heimlichsten -und heißesten Wünsche gewesen. Nun war er in Erfüllung gegangen. Seid -umarmt, Berge und Wälder, Harzheimat! - -Als Jürgen Traumelin am zweiten Abend unter sich im Tal die Lichter der -Bergstadt sah, stieg er beglückt hinab. - -Im Glockenhaus läutete es sieben. Es war der Willkommengruß, den die -Harzheimat dem heimkehrenden Fremdepilger bot. - - - - -[Illustration] - - - - -Der Kirchenbrink - - -Der Sonntagmorgen hatte für mich seine eigene Feierlichkeit. - -Ich durfte meine Stulpenstiefel anziehen. Es gab in der ganzen Welt -nichts so Schönes wie meine Stulpenstiefel! Und zum Kaffee kaufte -die Mutter Salzkuchen. Für Salzkuchen hätte ich meine Seligkeit -eingetauscht. In der Küche bruzzelte ein Braten. Der Duft zog -verlockend durch das ganze Haus, in dem es nie so stille zuging wie -an diesem Morgen. Aber das Schönste war doch, auf der Lehne des alten -Ledersofas zu hocken und zuzuschauen, wenn den Kirchenbrink hinauf die -Bergstadtleute zur Kirche pilgerten. - -Der Kirchenbrink war mein Freund. Es machte Spaß, vier, fünf Stufen -auf einmal herunterzuspringen und am Geländer herabzurutschen. Blumen -nickten von rechts und links über die alten Steintritte. Durch die -Zaunlatten guckten Kälberkropf und Bärenklau. Man konnte prächtige -Spritzen daraus machen. Und die roten und weißen Taubnesseln, die am -Kirchenbrink blühten, hatten den süßesten Honig. - -Des Alltags lag er still und verlassen da. Er konnte die Leute zählen, -die auf ihm von der Bergstraße herabkamen oder zu der Bergstraße -hinaufgingen. Am Sonntag aber ist er voll Leben gewesen. - -Alte Mütterchen mit Hauben und Bändern trippeln behutsam die Stufen -hinan. Die eine Hand hält das Geländer fest. Die andere umschließt -sorglich das Gesangbuch, damit der Pfennig für den Klingebeutel nicht -herausfällt und Taschentuch und Brillenfutteral nicht davon abrutschen. -Invaliden im Abendmahlsrock steigen hinterdrein, die lahmen Füße -bedachtsam von Tritt zu Tritt setzend. Jungens und Mädels hüpfen -an ihnen vorbei. Bürgersleute tragen Zylinder, Feiertagsmiene und -Goldschnittgesangbuch mit gemessener Würde treppan, vereinigen sich -oben mit der Schar derjenigen, die die Straße am Berg herunterkommen -und verschwinden in der Kirchentür. - -Stieg viel alte Gläubigkeit und Frommheit den Kirchenbrink hinauf, den -Tag des Herrn würdig zu weihen. Es stieg auch viel Gram und Kummer und -grüblerisches Gottsuchertum hinauf, in der Kirchenstille Trost und -Vergessen zu finden oder den Unbekannten zu ergründen, der die Tanne -grünen und Erz wachsen läßt. War viel altes Gold unter abgeschabten -Wämsern. - -Wenn das Sonntagsgeläut des Glockenhauses in den Bergen verhallt war, -tat der Kirchenjunge die Tür zu. Feierlich scholl das Orgelvorspiel -durch die Morgenstille. Der Sonntagsfrieden des Bergstädtchens war -nie fühlbarer als in diesem Augenblick. Das Orgelspiel klang aus -der geschlossenen Kirche wie eine ferne Engelsmusik. Sie machte mir -Gotteshaus und Gottesdienst zu einem Mysterium, zu dem der Kirchenbrink -der geheimnisvolle Zugang war. - -Als der Knirps es unternahm, das Geheimnis zu ergründen, schwirrten -seine Gedanken bedenklich abseits. - -Von meinem allerersten Kirchgang ist mir nur die Erinnerung an drei -merkwürdige Dinge geblieben. Das eine war ein schwarzer Mann. Er -hatte ein weißes Bäffchen um und stand auf einem grünen und goldenen -Balkon. Von dort aus sprach er irgendetwas vom lieben Gott. Die andere -Merkwürdigkeit war ein Mensch mit einem Hauskäppel. Der ging zwischen -den Bänken umher und hielt den Leuten einen klingelnden Sammetbeutel -unter die Nase. Das größte Wunder jedoch war der Taufengel. Er schwebte -von der Decke hernieder und hielt in den Händen ein Taufbecken. Ich -aber verstand seine Sendung nicht. Verstohlen fragte ich meine Mutter, -was denn eine »Biermamsell« in der Kirche solle. - -So hatte mir das Gotteshaus sein Rätsel nicht erklärt. Und als ich -hernach den Kirchenbrink hinabstieg, blieb hinter mir das gleiche -Geheimnis, das es vordem gewesen. - - - - -Osterfeuer - - -Am Osterheiligabend hat kein Bergstadtjunge Zeit, Abendbrot zu essen. -Der Geruch verbrannter Fichtenhecke und brennenden Fichtenharzes -prickelt ihm in der Nase. Das Osterfeuer wird angesteckt. Da bleibt für -unwichtige Dinge nicht Muße. Jeder hegt zudem in sich die Überzeugung, -daß ohne ihn das Osterfeuer nicht brennen und die ganze Herrlichkeit -nur halb so schön sein würde, wenn seine Fackel nicht dabei wäre. Neben -Ruscheln und Schneeschuhlaufen hat er nicht vergessen, frühzeitig genug -seine Osterfackel herzurichten. Der Vater hat das Fichtenstämmlein -aufgespalten und zersplissen, damit die Fackel ein gutes Feuer gibt. -Sie steht schon lange zum Trocknen am Herd. Sie ist auch schon beim -Bäcker gewesen. Der hat sie, nachdem Brot und Kuchen fertig waren, in -den Backofen geschoben. Nun ist sie ausgedörrt bis aufs Mark und ist -braun und schwarz geworden. Die Rinde will schon abblättern, -- hei, -wird das ein Geflacker werden! - -Wenn sich auf den Wiesen die ersten dunklen Stellen zeigen, der Schnee -weggeht und die Berge scheckig werden, schleppen die Bergstadtjungens -die Fichtenhecke für ihr Osterfeuer zusammen. Unermüdlich ziehen sie -in den Bergwald und bis in die entferntesten Hauungen, ihr Bündlein -Hecke zu holen. Das »Heckeschleppen« ist für jeden Harzheimatjungen -Ehrenpflicht. Jeder hat den Ehrgeiz, seinem Ortsteil den Ruhm des -schönsten und größten Osterfeuers erringen zu helfen. So entsteht -zwischen den oberländischen und unterländischen Buben ein Wettstreit, -der friedlicher abgeht, als wenn sie mit wehenden Fahnen und Holzsäbeln -gegeneinander zu Felde ziehen und grimme Schlachten schlagen. - -[Illustration] - -Am Ostersonnabend wird die Fichtenhecke kunstvoll um den Osterbaum -getürmt. Es ist ein erwartungsfrohes Treiben auf dem Osterfeuerplatz. -Keiner denkt früher an zu Hause, bis es Zeit wird, die Fackel zu holen. - -Osterfeuer im Harzheimatland! - -In den Straßen des Bergstädtchens liegt die kühle Dämmerung des -Vorfrühlingsabends. Aus Eisschollen und Schneeresten und winterkalter -Erde dampft Nebel. Der Ostervollmond guckt über die Berge. Durch die -Gassen zieht ein Duft wie von tausend Weihnachtsbäumen. -- Ihr Armen -im Flachland! Und wenn ihr noch soviel Strohbündel und Teertonnen und -Pech zuhauf türmt, euer Osterfeuer wird immer ein stinkendes Räuchlein -bleiben. In den Bergen aber ist’s reine Opferflamme, in der nichts -brennt, denn das der Fichtenwald hergegeben hätte. - -Braune und gelbe Rauchschwaden quellen aus dem Heckenaltar. Sie -ballen sich zu wogenden Wolken und wachsen wie eine unendliche Säule -in den Nachthimmel. Prasselnd fressen sich Flammen durch Harz und -Fichtennadeln und lecken hinauf in den Osterbaum. Feurige Lohe knattert -durch seine Äste, wirft einen Feuerschein auf Rauch und Menschen und -zerstiebt in sprühenden Funken. Mit Feuer und Rauch wird der Winter von -dannen gejagt. Das Rasen der Flammen ist Erlösungsjauchzen. - -Um das Feuer her schwenken die Harzheimatkinder ihre Fackel, rufen -Fitfaat! und ziehen rauschende Flackerfeuerkreise um ihre Köpfe. Über -der Bergwiese tanzen tausend Irrlichter. Der Frühlingsnachthimmel malt -sein Schwarzblau hinter dies Bild der Frühlingsfreude, die in Großen -und Kleinen lebt und bei jedem neuen Osterfeuer neu lebendig wird. - -Osterfeuer sind Freudenfeuer, mit denen die Menschen den Sieg des -Lenzes über den Winter feiern. Dem Bergmenschen aber, der die Faust des -Winters am härtesten spürt, sind sie Dankesopfer. - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - - - -Das Fest zwischen Ostern und Pfingsten - - -Wenn zwischen Ostern und Pfingsten die Lerchen das erste Grün aus dem -fahlen Lederhosengelb der Bergwiesen hervorgetrillert haben, putzt -der Kuhhirt sein Koppels. Und die Bergstadtleute feiern einen hohen -Festtag. Der steht nicht im Kalender. Er wird auch nicht von der -Kanzel herab verkündet. Und in der Mitternacht vorher rührt sich im -Glockenhaus kein Glockenstrang, ihn gebührend einzuläuten. - -Und doch hätte er beides verdient. - -Denn dieser Sonntag, an dem nach langer Wintersnot die Kühe zum ersten -Male wieder auf die Bergweide gehen, ist wie eine Bannlöse. Unten -im Land ist mit Vogelsang und Apfelbaumblühen längst der Frühling -eingezogen. Er will auch hinauf ins Harzheimatland. Aber der Winter -hat alle Täler verklüftet und treibt ihn mit Schneeschauern zurück. -Graue Wochen lang geht ein Kämpfen hin und her. Die Schneewehen an den -Hängen wollen nicht kleiner werden. Auf den Straßen kleben schmutzige -Eisschollen. Regen und Schnee platschen durcheinander. Durch die Wälder -rauscht der Sturm. Das Flöten der Drossel, die den Frühling rufen will, -wird von seinem Rasen übertönt. Die Bäche tosen. Die Luft ist erfüllt -mit aufgeregtem Gebrause. Es ist nicht Winter, es ist nicht Frühjahr. - -Das ist der Bergstadtleute böseste Zeit. Niemand sehnt sich mehr nach -dem Frühling als sie. Keiner begrüßt ihn dankbarer. - -Wenn aber die Kühe wieder auf die Weide treiben, ist ihnen das wie die -frohe Botschaft: Der Lenz ist da, nun muß sich alles wenden. Oft genug -freilich prasselts mit Hagelschauern hinein in diese Frühlingshoffnung. -Aber der Bann ist gebrochen. - -Ein Aufatmen geht durch die Menschen. Es ist ein Freuen in ihnen, das -niemand kennt und keiner mit Namen nennen kann. Doch jeder fühlt es. -Und diese Freude leuchtet in jungen und alten Augen, guckt aus allen -Fenstern und wartet in allen Gassen, daß das Horn des Kuhhirten zum -ersten Male tutet. - -Keine Frühlingsschalmei kann schöner klingen! - -Dann tun sich die Stalltüren auf. Ketten fallen klirrend nieder. Die -Kühe werden losgebunden. Ihr Fell ist blank gestriegelt. Bunte Bänder -flattern an den Hörnern als festfroher Schmuck. - -Manchem Mütterlein, das nur ein paar kümmerliche Morgen Pachtwiese -ernten kann, rutscht mit dem Ruf des Hirtenhorns eine Sorge vom Herzen. -Der Heuboden hat ein arges Loch bekommen. Dem Bergmenschen ist sein -Vieh nicht Inventar. Er lebt mit seinen Tieren und sieht ihre Not nicht -nur mit den Augen. Er fühlt sie im Herzen mit. Und so begrüßt er das -erste Frühlingsgrün an den Hängen wie eine Gottesgabe, die die Berge -ihm darreichen für seine Tiere. Froh und kümmernisbefreit läßt er sie -nun hinaus: Kumm, Resel, Orschel, Herschel, Liesel, -- kumm! - -Die Braunen treten zaudernd über die Schwelle. Sie können noch nicht -daran glauben, daß sie die Kette nicht mehr an der Krippe festhält. Und -das Taglicht blendet nach dem langen Stalldämmer. Wieder ein zaghafter -Schritt. Nun stehen sie draußen und gucken und wundern sich. - -Dann geht ihnen ein Erinnern auf an die goldene Freiheit in den Bergen. -In übermütigen Sprüngen und Kapriolen hopsen sie davon. Sie schlagen -aus in wilder Freude, als wollten sie die Winterfesseln weit von sich -schleudern. Die Temperamentvollsten geben ihr Freiheitsbehagen mit -den Hörnern kund. Es ist ein Raufen und Stoßen bald hier, bald dort. -Bis der Hirtenhund Ordnung schafft oder die Peitsche eines Jungen -über die Kämpfenden hinknallt. Klitsch--klatsch--paatsch! -- Das -Peitschenknallen gehört zu diesem Festtag wie die Herde selbst. Das -wäre kein Bergjunge, der sich nicht wochenlang im Peitschenschlagen -geübt und der nicht den Ehrgeiz hätte, die beste, schlankste »Schwippe« -zu haben für diesen Tag, auf den sich alle freuen. - -Manche Bicktanne wandelt sich zum Peitschenstiel. Die Kaufleute können -nicht genug Klappschnüre schaffen, und der Sattler muß die Riemen -bündelweis schneiden. Wenn dann der große Tag da ist, wird die Schwippe -geschmückt mit der Schwester schönstem Haarband, -- und ein Knallen -geht los auf allen Gassen. Klitsch--klatsch--paatsch! hallen die Berge -wider. Klitsch--klatsch--paatsch! kommt’s im Echo von den Hauswänden. -Der kleinste Knirps ist mit heiligstem Eifer dabei. Selbst die Alten -können es nicht verwinden, noch einmal die alte Kunst zu üben. Und es -wird erst ruhig im Städtchen, wenn die Herde heimwärts zieht und die -Stalltüren sich wieder schlossen. - -Unfug, sagst du? -- Nein, auch das Peitschenknallen ist eine Äußerung -der Frühlingsfreude. Wie soll ich’s nennen? - -Wenn du’s als Bergjunge nicht gefühlt hast, du wirst’s als Nörgler -nicht erjagen. - -[Illustration] - - - - -Johannistag - - - Tripp -- trapp -- Käsenapp, - Heute ist Johannistag! - -Die Erinnerung an unsere Johannistage kräuselt mir durch den Sinn -wie ein Gerank aus bunten und schönen Dingen. Fichtengirlanden -schlingen sich lustig durcheinander. In ihrem Grün glühen Pappelrosen. -Fliedertrauben quellen daraus hervor, und Nachtviolen tupfen blaurote -Punkte hinein. Eierschalenkränze baumeln im Wind. Verlockend streicht -um Johannisbaum und Ringelreihen der Duft warmer Blätterkuchen. -Lieder klingen. Die Luft ist voll Sonne und Freude und das Herz voll -Kinderseligkeit. Ich fühle weiche Mädchenhände in den meinen, spüre -in der Nase den Geruch von frischgestärkten weißen Sonntagskleidern -und Haarpomade. Haarschleifen flattern. Zöpfe wippen. Alle diese -verführerischen Dinge erregen in der Jungenbrust das harmlose -Räuschlein ersten Verliebtseins. Der schüchterne Bergbube mausert sich -zum Ritter. Irgendwo im Johannistagsreigen glüht ihm ein heimliches -Flämmchen, dem alle Lieder gelten. Glück wird Singelseligkeit: - - Wo treff’ ich meinen Schäfer an, - Wo werd’ ich ihn wohl finden, - Der mir mein Herz erleichtern kann? - Wohl unter einer Linden? - Unter einem grünen Busche, - Da ich meinen Schäfer suche, - Unter einer Linden, - Da werd’ ich ihn schon finden. - -Ein Mädel steht unterm Baum. Es winkt schüchtern einen Knaben aus dem -Reigen zu sich herein: - - Herr Schäfer, Sie bleiben stillestehn, - Mir däucht, ich sollt Sie kennen, - Warum woll’n Sie so von mir gehn - Und sich so von mir trennen? - Ei, so will ich mich zu Sie (!) wenden, - Fassen Sie an beiden Händen, - Und Sie werden desgleichen - Und mir ein Küßlein reichen! - -Leider geschah das nun nicht. Unsere Alten waren glücklicher daran. Bei -ihnen gehörte das Küssen zum Johannistag wie der Johannisbaum und die -Johannislieder. - -Aber trotzdem klang es fröhlich weiter: - - O wie glücklich ist die Stund’, - Da ich meinen Schäfer fund! - -Nun stand der Schäfer im Kreis. Seine Schäferin war indes in den Reigen -zurückgetreten. Und das Schäferlied wiederholte sich in der Umkehrung: - - Wo treff’ ich meine Schäferin an, - Wo werd’ ich sie wohl finden, - Die mir mein Herz erleichtern kann? ... - -Bis eine neue Weise im Kreis erscholl: - - Ich bin ein lustiger Weidemann, - Ich suche mir ein Revier. - Ein Hirschlein, das ich schießen kann, - Ein hübsches munteres Tier. - Es gibt der munteren Tier’ so viel, - Der Jäger nimmt sich eines zum Ziel: - Puhf! - Der Schuß, der ist geschehen, - Man muß das Wild besehen! - -Das Lied vom Hirschlein setzte sich fort: - - Jagt mir doch das Hirschlein aus der Weide! - Du und du bist meines Herzens Freude. - Wechselt mir die spanischen Pistolen, - Daß ich kann mein’ Schatz bald wieder holen! - Ei, so komm doch her, mein Kind, - Weil ich dich jetzt wiederfind’. - Treu um Treu und liebe mich, - Und vergiß das Küßlein nicht! - -Das war freilich wieder eine Mahnung mit schwachem Ergebnis. Für uns -Arme und Nüchterne blieb’s bei der Entsagung: - - In dem schönen Rosengarten - Eine Dame zu erwarten, - Die mir schenket einen Kuß, - Die mir schenket einen Kuß. - -Und was nützte das Klagelied: - - O Jammer, Jammer! höret zu, - Was ich euch sagen werde. - Ich hab’ verloren meinen Schatz, - Der mich so treu geliebet hat. - Macht auf, macht auf die Gartentür, - Ob ich ihn hier nicht finde! - -Und daß das Mädel winkte: - - Schau her, schau her, hier ist mein Mann, - Hier fall ich ihm zu Füßen. - Und der mich einst geliebet hat, - Den werd ich einstmals küssen. - Nun steh ich wieder auf zu dir - Und mache einen Diener für! - -Aber fort doch mit den ewigen Herzensdingen! - - Es fuhr ein Bauer ins Holz, - Es fuhr ein Bauer ins Holz, - Es fuhr ein Bauer ins Kermesholz, - Ki--ka--Kermesholz, - Es fuhr ein Bauer ins Holz. - - Der Bauer nahm sich ein Weib, - Der Bauer nahm sich ein Weib, - Der Bauer nahm sich ein Kermesweib, - Ki--ka--Kermesweib, - Der Bauer nahm sich ein Weib. - - Das Weib nahm sich ein Kind, -- - Das Kind nahm sich ’ne Magd, -- - Die Magd nahm sich ’en Knecht, -- - Ki--ka--Kermesknecht! - - Der Bauer schied von dem Weib, - Das Weib schied von dem Kind, -- - Das Kind schied von der Magd, -- - Die Magd schied von dem Knecht. - -Das Ki--ka--Kermeslied war lustig. Wir haben es mit Begeisterung -und Inbrunst gesungen. Es bildete eine fröhliche Abwechslung in den -Johannistagsliedern und den vielen Volksliedern, die in den Singereigen -eingeflochten wurden. Wir schöpften aus unerschöpflichem Born und -sangen unverdrossen, bis der Abend kam und wir müde in unsere Kissen -krochen. - -Dann zog die ganze Johannistagsherrlichkeit noch einmal wie ein bunter -Traum durch die Kammer. Das ausgestopfte Männlein, das steif und stumm -unter dem Johannisbaum gesessen hatte und dem aus Knopflöchern und -Handschuhen die Sägespäne quollen, ward zum Kobold. Es hockte auf der -Bettstelle. Es hockte auf dem Deckbett. Es spukte in allen Winkeln und -trieb seinen Mummenschanz in des Schläfers heißem Köpfchen, darin ein -sonderbarer Leierkasten zu dudeln begann: - - Orgel, orgel nort--nort--nort, - Wo treff’ ich meinen Schäfer an, - Ki--ka Schäfer an. - In dem schönen Rosengarten, - Es grüne die Tanne, es wachse das Erz, - Ki--ka--Kermesholz, - Wenn ich den Wanderer frage, - O Jammer, Jammer höre zu, - Im schönsten Wiesengrunde, - Ki--ka--Kermesweib, - Die mir schenket einen Kuß, - Ki--ka--Kuß. - Glück auf, ihr Bergleut’ jung und alt, - Ich bin ein lustiger Weidemann, - Wenn schwarze Kittel scharenweis, - Guten Abend, Gute Nacht ... - -So schwirrt es in wirrem Kunterbunt durcheinander. Über dem Bette -wächst der Johannisbaum empor und wächst hinauf bis in den Himmel. -Ein Paradies öffnet sich darüber. Das ist voll Glück und Seligkeit. -Pappelrosenkränze und Heckengirlanden schlingen sich um goldene -Pfeiler. Hexenhäusel aus lauter Blätterkuchen und warmen Waffeln bauen -sich auf. Sterne leuchten, tausend Sterne. Aber einer ist der hellste. -Und wie der Träumer näher zuschaut, wird der Stern zu einem nickelnen -Zwanzigpfennigstück, das er glückselig in den Händen hält. Er lächelt -im Traum. Wie reich er war, als ihm der Schullehrer heute morgen -das blanke Zweigroschenstück gab! Zwei Groschen eigenes Geld, o zwei -Groschen! - -Ihr gütigen Stifter, die ihr lange im Grabe ruht! - -Das Strahlen in den Augen der Harzheimatkinder hat euch Dank in die -Ewigkeit hinübergelächelt. Die Zwanzigpfennigstücke sind die Zinsen -eures Kapitals gewesen. Eure Güte aber konnte sich nicht schöner -verzinsen als mit diesem Glückslächeln auf Buben- und Mädelgesichtern -und mit jener Johannistagsfreude, die ihre Backen rot malt und die noch -über ihre Augen huscht, wenn sie abends müde in ihre Betten schlüpfen. - -[Illustration] - - - - -Die Waldschenke - - -Möchtest Du nicht mit mir schnell hinüber über das Gatter und hinunter -ins Häusel? - -Oder möchtest Du Dich nicht auch hier niederlegen am Rande des Holzes -und zwischen Fingerhüten und Ehrenpreis träumen, Stunden verträumen, -Tage, Wochen? - -Alles in diesem Waldwiesenwinkel ist freundliches Winken: Hier ists gut -sein! - -Welche Zauberdinge sinds, die so eindringlich locken? - -Ein Flecklein Lichtgrün im Tannenduster, Vogelstimmen im Wald, zwischen -Blumen ein Plauderbach, -- und weltferne Stille. Mitten in allem ein -rotes Dach, unter Bäumen ein paar Holzbänke, eine Laube im Gärtchen ... - -Wer könnte vorüberwandern! - -Ist kaum ein halbes hundert Jahre her, da war dies Tal erfüllt vom Lärm -der Arbeit. Der Bach plantschte über Wasserräder. Pochstempel stampften -einen harten Daktylus in die Waldstille: _Paff_ -- paffpaff, _paff_ -- -paffpaff. Unter ihrem Schlag barst Erzgestein zu Kies und Staub. Aus -allen Hütten kam Poltern und Rumoren. Das Echo polterte mit. Pochjungen -hantierten an Waschherden und eilten geschäftig auf und ab. Blutjunge -Knaben, die das Leben hier allzufrüh in ein eisernes Joch spannte. -Blaukittelige Fuhrleute schrien. Angetan mit weißem Kittel und hohen -lehmfarbenen Gamaschen stolzierten Königlich Privilegierte Fuhrherren -einher, ihre zahlreichen Fuhrwerke musternd. Knarrend fuhren Erzhielen -talaus, talein. - -[Illustration] - -Nun ist das geschäftige Bild verschwunden. Die Pochwerke sind fort. -Es blieb kein Stein auf dem andern. Fichten grünen über ihrer Stätte. -In den Schlammlöchern wachsen Schilf und Schachtelhalm. Natur nimmt -langsam das Ihrige zurück. Der Stampftakt der Stempel ist verstummt. -Das Zechenhäusel, -- die Waldschenke, -- ist der letzte Zeuge jener -Zeit. In dem Stüblein, wo sich heuer der Gast erquickt, hielten vor -Zeiten die Pochjungen ihre Betstunde vor der Schicht. Sie sangen ein -frommes Lied. Der alte Vorbeter las ein Gebet. Die Arbeit begann mit -Gottes Segen. - -Kinder im Joch --, Gottes Segen? - -Wenn ich am Gatter liege und träume, ziehen in langer Wallfahrt bleiche -Knaben durch das Tal. Eine stumme Anklage gegen eine grausame Zeit. - -Die Stille im Wald ist wie das Ausruhen vieler -Bergmenschengeschlechter, denen harte Arbeit an diesem Ort Blut und -Jugend nahm. - - - - -[Illustration] - - - - -Der Gnadenlöhner - - -Sein Hauskäppel ist fadenscheinig geworden. Die bunten Blumen darin -sind ausgefädelt und haben die Farbe verloren. Silberne Strähnen -quellen unter dem Käppel hervor. - -Jede Bewegung des Alten ist gemessene Ruhe. Wenn er das Fenster öffnet -und den Pfeifenkopf ausklopft, aus dem Tabakskasten dann eine armselige -Mischung von Tabak und Kirsch- und Huflattichblättern in den Kopf -stopft, das alles geschieht mit der gleichen Bedachtsamkeit, mit der -er hinterher zu Zunder und Feuerstein und Stahl greift, Funken schlägt -und langsam zu paffen beginnt. Ist nichts, das ihn zur Eile triebe oder -ein Wellengekräusel verursachte auf dem abgeklärten Spiegel seiner -Seele. Er steht über den Dingen. Und das Leben -- ach das Leben! Er hat -abgerechnet mit ihm. - -Das Leben zieht draußen vorbei. Es geht mit Axt und Säge ins Holz. -Fährt an zur Schicht in der Grube. Rollt auf Bauholzwagen straßab. -Wetzt auf den Bergwiesen die Sensen ... Wann begann doch seins? - -Der Alte sinnt. - -Seine Gedanken spinnen einen langen Weg zurück. Es ist kein sanfter -und weich gepolsterter Wiesenpfad, den sie wandeln. Sie müssen einen -steilen Bergstieg hinab, über Steingebröckel und spitze Klippen und -Schlackenhalden, durch Hohlwege und schwarzen Wald. Tief unten, wo der -Weg beginnt, liegt im Talesgrund ein grünes Paradies voll Lust und -Vogelsang: seine Kinderzeit. Ein Nebel breitet sich darüber. Zu früh -hat er draus fortgemußt. Über kaum erblühte Blumen fiel Reif mitten im -Frühling. Sie sind ungepflückt gestorben. Kein Traum macht sie wieder -lebendig. - -Zehn Jahre war er alt. Des Vaters Taglohn reichte nicht für die -Familie. Zwei Taler zehn Mariengroschen in der Woche, -- du lieber -Gott! Und der Himten Herrenkorn war bald verzehrt. Blieb keine Wahl: -die Kinder mußten mit ins Joch. - -Bergmannsjungen mußten Bergleute, Hüttenmannsjungen wieder Hüttenleute -werden. Das war ungeschriebenes Gesetz im Harzheimatland. Zu beiden -Berufen bildete das Pochwerk die Vorbereitungsstätte. Wurde aber keiner -im »Pucherig« aufgenommen, der nicht zehn Jahre alt war ... - -Es kam auch keiner hinein, der sein Vaterunser nicht konnte und die -zehn Gebote und das Einmaleins. Wer sich in solcherlei Dingen des -Kopfes und des Herzens zur Zufriedenheit des Obersteigers auswies, der -erst war würdig, staatlicher Pochjunge zu werden. Es waren bescheidene -Rühmlein mit dieser Würde verbunden. Die Pochjungen brauchten nur -Sonnabends zur Schule. Zu Fastlahm, dem Dankfest der Bergleute, -durften sie mit Grubenkittel und Schachthut und Hinterleder beim -Kirchgang den Großen vorangehen. Zum Johannistag steckte ihnen die -Mutter Sirupsbranntwein in den Brotbeutel. Sie setzten mit dem ersten -Anfahrtstage ihren Fuß auf die oberste Sprosse der Leiter, die zu -Silber und Blei in den Berg hinabführt. Der Weg bis dahin freilich war -weit. Ruhm und Ehre heischten harten Tribut. Und zuvörderst stand die -Leiter noch im Pochwerk. - -Mit dem Morgengrauen begann die Fron. Der Vorbeter im Zechenhaus konnte -die Müdigkeit aus Kinderaugen nicht herausbeten. Wurden während der -Arbeit die Kräfte schlaff oder wollte der Pochjunge Kind sein, wies ihn -der Vogelpols des Steigers, die Klopfpeitsche, ins Joch zurück. Zwölf -Stunden Scharwerken, Schmalzbrot im Brotbeutel, elf Pfennige Taglohn ... - -Sie schleppten ihre müden Glieder nach Haus. An Blumenblühen und -Vogelsang und Sonne und allem vorbei, was Kinderherzen erfreut. - -Wem harte Faust im Nacken sitzt, dem stirbt die Jugend rasch. Das -Pochwerk zerstampft Stein und Erz und Kinderherzen. Und hinter -Schlackenkarren und Erzhunden wird der Mensch nicht jünger. Was -übrigbleibt an Lebenskraft, nimmt bei dem einen der Schacht, dörrt bei -dem andern der Schmelzofen aus. - -Des Alten Weg führte nicht über Sonnenhalden. Nun ist er über den Berg. -Die Sonne freilich ging derweilen jenseits hinab. Just ein Fünklein -warmen Abendscheins kann er noch erhaschen. Im Antlitz des sinkenden -Lichts stößt er den Stecken in die Erde. Ein müder Pilgersmann. Sein -Ränzel ward auf der langen Bergfahrt leer. Er muß den Leibriemen enger -schnallen. Blieb nichts im Sack als ein Stück Gnadenbrot und armselige -Habe: ein Päcklein Tabak, eine Scheibenbüchse, die sein Arm nicht mehr -halten kann, eine Harzzither, darauf die Saiten zersprangen ... - -[Illustration] - -Aber der Alte hat sich weise in sein Los gefügt. Grübeln und Grämen -bringen verlorene Jugend nicht wieder. Er will beschaulich genießen, -was ihm von Licht und Tag noch übrigbleibt. Er weiß: Wenn die Sonne -fort ist, wird sich hinter ihr das schwarze Schachtloch Ewigkeit -auftun. Dann wird er am Ziel sein. Bis dahin bewahre Gott uns allen ein -fröhliches Herz! - -Wenn der Gnadenlöhner solcherlei Gedanken spinnt, ist in seinen Augen -fernes Feierabendleuchten voll Güte und Milde. Und in seinem Blick -ist jener Friede, der mit der Welt und allen Alltagsdingen darin -abgerechnet hat und bereit ist, das Ergebnis dieser Rechnung dem -Herrgott vorzulegen: Das Leben hat mir nichts geschenkt. Ich habe meine -Pflicht getan. - - - - -Glückauf, Alter Mann! - - -[Illustration] - -Um die Bergstadt verstreut liegen seltsame Gesteinshalden. Auf den -Wiesen einzelne, die meisten im Walde versteckt. Es sind die letzten -Reste uralter Gruben. - -Der Fremdling übersieht sie zumeist. Selten, daß sich einer wundert, -woher so unvermittelt an einer Waldlehne oder einem Wiesenhang ein -ebener Plan entsteht, der aus dem Berg herauszukommen scheint, sich -vorschiebt und wieder jäh in den Hang hinabstürzt. Der Bergmensch aber -weiß, daß er hier auf einem Stücklein Boden steht, das durch die Arbeit -der Väter geheiligt ist. Vor langen Jahren haben sie hier nach Silber -und Blei geschürft. Hoffnungsvolle Namen gaben sie ihren Gruben. Aber -diese erwiesen sich nicht allezeit als Goldene Rose oder Schatzkammer, -waren nicht immer Silberlilie und Treuer Friederich; blinkten auch -nicht auf die Dauer wie eine Engelskrone oder der Morgenstern. Und die -Gnade Gottes und Gottes Segen waren ihnen nicht allen beschieden. Nicht -überall lohnte die Ausbeute. Die Zubuße war größer denn der Gewinn. -Dann versuchten die Alten ihr Glück an anderer Stelle. Das Gebirge -reichte weit. Erz wuchs in jedem Berg. Sie gruben in den Oberschichten -des Gesteins. Sie stiegen viele Lachter tief in die Erde hinab. -- Alle -diese Gruben sind vergessen. In den Chroniken des Harzheimatlandes -heißen sie in ihrer Gesamtheit: Der Alte Mann. - -Der Alte Mann waren aber auch die ersten Bergknappen, die die Hoffnung -auf blinkenden Segen in die Harzberge lockte. Sie brachten ein regsames -Getriebe in den stillen Wald Hercynia. Der Schwarze Tod entriß ihnen -Schlägel und Eisen. Krieg und Not verschüttete die Gruben. - -Die nachfolgenden Geschlechter gingen mit frischem Hoffen ans Werk. -Sie gruben, wurden fündig, teuften ab und begruben wieder. Manche -leuchtende Silberader schlug man an. Viele blanke Taler wurden geprägt, -von denen Seine Hochfürstliche Gnaden, der Herzog von Braunschweig -und Lüneburg, den Zehnten in sein Säckel taten. Dann traf man beim -Weiterbauen auf taubes Gestein. Oder Wasser und Widerwärtigkeiten -geboten Feierabend. Die Gewerkschaft nahm ihr Gezäh und wanderte -weiter. Die alten Gruben blieben vergessen liegen. So liegen sie heute -noch. Stollen und Schächte stürzten ein. Das wertlose Gestein aber, -das aus ihnen zu Tage gefördert wurde, lagert an der alten Stätte wie -ehedem. - -Jahrhunderte sind seither über die Halden hinweggegangen. Moos und -Gras haben sie zugedeckt. Wälder wuchsen darauf. Wälder wurden gefällt -und wuchsen wieder. Und von den Menschen, die einst diese »Hallen« -aufstürzten, blieb im Harzheimatland nichts als ihre Sprache, die -hart ist wie Fäustelschlag. Und eins noch hinterließen sie: den Mut -eines zähen Tiefenbezwingertums. Ihre Nachfahren sind ein furchtloses -Bergmannsgeschlecht geblieben, das stolz ist auf einen Beruf, der -geliebt und verstanden sein will und von dem sie singen: - - Gott hat uns einst die Gnad’ gegeben, - Daß wir vom edlen Bergwerk leben ... - -Wenn ich auf verfallener Halle stehe, beginnt alte Zeit zu erzählen. -Dort muß der Stollen gewesen sein. Eine verwaschene Runse am Hang, die -unvermittelt abbricht. Die Schachtstangen, die ihn einst stützten, -sind morsch zusammengeknickt und vergangen. Das Erdreich stürzte -nach. Das Loch im Berg tat sich zu. Das Stollenwässerchen suchte -sich einen Weg und blieb als Bergquell zurück. Über die Runse wuchs -Moos. Fichtennadeln stäubten hernieder. Rippenfarn und Weidenröschen -siedelten sich an. Wind wehte Tannzapfensamen herbei. Lustig sproß -ein Fichtenhorst empor und überdeckte das bloßliegende Gestein. -Die schartige Wunde am Berg verheilte zur Narbe. Und auch über die -Steinhalden wuchs der Wald. Moos und Tannennadeln wieder polsterten -das Gerümpel aus. Fichten krallten ihre Wurzeln tief hinein. Wo am -Steilhang der Halle ein Regensturz das neue Erdreich wegwusch oder ein -Hirsch seine Fährte durch die Oberschicht drückte, schimmern graue -und weiße Steine her. Das Berg, heißt es der Bergmann. Kalkspat, -Schieferspat, sagt der Gelehrte. Die Bergkinder aber suchen an solchen -Stellen nach einem Glänzlein Kupferkies oder Zinkblende und sind -glücklich, »Goldsteine« gefunden zu haben. - -Um die Halden schleicht der Fuchs. Über Pfifferlingen und Reizkern -wölben sich Fichten. Junge, in denen das Rotkehlchen singt, alte, in -deren Zweiggewirr Eichhörnel hupfen. Die Arbeit des Alten Mannes hat -ein Waldidyll übersponnen. - -Manchmal streicht in dunklen Nächten der Bergmönch hier vorbei. Sein -silbernes Geleucht blitzt durch das Holz. Am St. Barbaratage aber -läutet heimlich dort ein Schachtglöcklein. Wer Märchenohren hat, der -hört es ... - -So oft ich an solcher Stätte weile, muß ich still sein. Mir ist, als -täte sich der Berg auf. Weit hinten im schwarzen Loch des Stollens -sehe ich Grubenlichter flackern. Hämmer sausen auf Handbohrer hinab. -Eisen klingt auf Eisen den harten Takt der Arbeit vor Ort. Spitzhacken -knirschen sich in das Gestein. Polternd gehen felsige Wände nieder. -An den Seiten des Stollens sickert Wasser herab, perlt in klingenden -Silbertropfen von der Decke und kommt als Bächlein zu Tage. Auf der -Stollensohle bilden Bretter einen ebenen Weg. Schiebkarren rollen -darauf aus der Tiefe hervor. Urväter begrüßen mich mit geisterhaftem -Glückauf. Auf Schachthut und Hinterleder und Grubenkittel klebt -feuchter Schmutz. Sie schieben den schweren Karren auf die Halde -hinaus. Bollernd stürzt das Gestein den Hang hinab ... - -Glückauf, Alter Mann! - -Deine Hände sind voll Schwielen. Der Berg hat dich bleich gemacht. -Deine Augen blicken ernst. Harte Arbeit grub harte Falten in dein -Gesicht. Bergmannsarbeit ist immer Last gewesen. Dem Knappen von heute -hat die Neuzeit hilfreiche Handhaben gegeben. Ihr jedoch waret auf euch -selbst gestellt. Ihr wußtet nichts von Bohrmaschinen und Preßluft. -Jedes Loch in Felsenwand mußte die Eisenkraft eurer Hände und Arme -ertrotzen. Euch trug keine Fahrkunst hinab in Schachtes Tiefen. Für -euch gabs nur den Sprossenweg der Leiter, die Fahrt, auf denen eure -müden Beine aufwärts und abwärts stiegen viele Lachter. Euer Beutelchen -Schwarzpulver war schwach. Es sorgte dafür, daß der Arbeit genug -übrigblieb. Dynamit und Donarit schaffen euren Nachfahren reinere -Tafel. Und was ihr fördertet, nahm euch keine leicht dahingleitende -Feldbahn ab. Euch blieb nichts, als das Sielen über die Schulter zu -schlagen und den Karren in die Hand zu nehmen oder die Faust um den -Griff des Göpels zu spannen, der ächzend den Erzeimer emporwand. -Kein Förderseil, bewegt durch die Kraft einer Maschine und gebändigt -durch einen Hebeldruck, glitt hinab in die Tiefe. Unten glühte kein -elektrischer Faden. Kein Karbidlicht warf grellen Schein auf marmorne -Erzadern. Zu eurer Arbeit leuchtete nichts als das schwelende Flämmchen -eurer Unschlittlampe. Das armselige Geleucht ist ein Bild eures Lebens -gewesen. - -Nun seid ihr lange eingefahren zur letzten Schicht. Ob ihr den -Bergmannstod starbt tief unter der Erd’ und man euch im weißen -Sarg nach Hause trug, ob eure bergsüchtige Lunge auf dem Strohsack -verröchelte, -- wer weiß, wo ihr euren Feierabend fandet. Über eure -Schächte ging die Zeit. Erde deckt Mühsal und Last. Erde deckt alles -Hoffen auf Goldene Rose und Silberlilie. - -Aber die Gnade Gottes mag mit euch sein. Und der Morgenstern möge euch -leuchten wie ein gleißender Anbruch im Schacht. - -Reicht mir die Schwielenfaust: - -Glückauf, Alter Mann! - -Mein Gruß ist Hochachtung und Ehrfurcht. - - - - -[Illustration] - - - - -Schpinne - - -Weiß der Himmel, wie sich der gute Alte diesen Spitznamen erworben hat! - -Die Spitznamen im Bergstädtchen sind nicht immer Liebkosungen. Sie -verlieren zwar mit der Zeit Sinn und Ätze. Kein Mensch denkt sich etwas -dabei. Aber sie bleiben an ihrem Träger haften wie Vogelleim und erben -sich fort auf Kindeskind. - -Wenn einer damals in der Bergstadt nach Herrn Karl Riese gefragt -hätte, wäre er lange irre gegangen. Und die Bergstadtleute hätten die -Gegenfrage gestellt: Welchen Riesen meinen sie, den, den, den oder -den? Fünfe, sechse, hätten sie hergezählt und an jeden ehrsamen Namen -Riese ein Anhängsel mit Eigenprägung gehängt, das sie alle säuberlich -auseinanderhielt. - -Hätte darum der Fremdling gefragt: Wo wohnt der Riesen-Schpinne? dann -würde das eine eindeutige Frage gewesen sein, die über den Gesuchten -keinen Zweifel übrigließ. Und jedes Kind auf der Gasse wäre mit dem -Bescheid zur Hand gewesen: Beim Bruch-Guste! - -Das war nun freilich auch noch keine klare Ortsbezeichnung. Aber der -Bruch-Guste ihr Haus war leicht zu finden. - -Von der Straße im Tal zweigt sich ein Gäßchen ab. Es hupft mit einer -klapprigen Holzbrücke über einen Bach und will hinauf zur Straße am -Berg. Das Gäßchen muß aber einen Winkel machen. Denn just hinter der -Brücke steht ihm das Haus von der Bruch-Guste im Wege. Das steht dort -ganz allein und betrachtet aus seiner Zurückgezogenheit mit stillem -Schmunzeln die Hinterseiten der Häuser auf der anderen Seite des -Baches. Mit einem Auge kann es gerade noch durch die Gasse zur Straße -gucken. Neben dem Steintritt mit der hölzernen Bank läßt ein Brünnlein -sein Kristallwasser in einen uralten Eichentubben pladdern. - -Dies Haus gehörte der Bruch-Guste. - -Dem Zufall, daß es an einer bruchigen Wiese stand, verdankte seine -Eigentümerin ihren Beinamen. - -In dem Haus am Bruch trieb die gute Frau Guste eine fleißige -Milchwirtschaft. Es roch dort immer nach Buttermilch und Molken. -Wenn die auf die Diele führende Stalltür offen stand, wehte warmer -Stalldunst dazwischen. Dieser Mischduft gehört in meiner Erinnerung -untrennbar mit jenem Haus zusammen, in dem eine Treppe hoch mein Freund -Riesen-Karel, genannt Schpinne, zur Miete wohnte. - -Seine Stube war, wie die meisten Bergmannsstuben im Bergstädtchen, halb -Gebrauchszimmer, halb unantastbare kalte Pracht. - -Die Alltagshälfte lag im warmen Bereich des Ofens. Im Ofenwinkel -stand das schwarze Waschbecken aus Gußeisen. In dieser Ecke geschah -nach vollendeter Schicht die gründliche Reinigung vom Schmutz der -Grubenarbeit. Dann wurde das gestreifte flanellene Arbeitshemd an -den Ofen gehängt und mit Feierabendshemd und Kamisol vertauscht. -Auf der anderen Seite des Ofens, wo der Eßtisch seinen Platz hatte, -wartete währenddem schon der Kaffee mit der eingebrockten Semmel. Zum -Eßtisch gehörten zwei Bretterstühle. Die paar Rohrstühle in der guten -Stubenhälfte wären für den Eßtisch zu schade gewesen. - -Überhaupt diese Sonntagshälfte! - -Die Mutter Riesen hielt auf peinlichste Ordnung in ihrem -Schmuckkästlein. Es war kein Fältchen in der Kommodendecke. Die -Kalkspat- und Zinkblendedrusen darauf und die Glaskugeln hatten immer -den gleichen Platz. Die Lichtbildständer auf dem runden Sofatisch -mußten ihre Füße immer genau in dieselbe Stelle der Damastdecke -drücken. Und die Mutter Riesen hätte nicht schlafen können, wäre nicht -der Kattunüberzug über dem Sofa nach jedem Feierabendschläfchen des -Alten erst wieder säuberlich glattgezupft worden. - -Zwischen ein paar Sechser- und Achtergeweihen an der Wand tackte eine -Schwarzwälderuhr. Der Schatten ihres Messingpendels tupfte an den -Kerbschnittrahmen eines vergilbten Soldatenbildes, an dem eigentlich -nur noch ein roter Uniformkragen und zwei schwarze Augenpunkte deutlich -geblieben waren. Das war das Rekrutenbild meines alten Freundes. - -70 ist er mit nach Frankreich gewesen. Auch Anno 66 hat er mitgemußt. -Aber die Preußenkugeln hörte er nicht pfeifen. Sein Marsch nach -Langensalza fand frühzeitig ein Ende. Wenn er damals für sein -Hannoverland keine Lorbeeren pflücken konnte, blieb er ihm doch im -Herzen treu. Zuweilen versuchte er mit invaliden Knochen noch einmal -einen preußischen Parademarsch. Aber seine Gedanken verloren sich -dabei zurück in seine Soldatenzeit unter dem blinden König. Da ging es -lustig zu, wenn in den Heidemanövern die »Attolerie« mit »grasgriene -Äppel« schoß, -- wahrhaftigen Gott! Des Alten Augen leuchteten. Und -wie lautgewordenes Erinnern summte die alte hannoversche Soldatenweise -durch seinen Bart: »O Hannes, wat ’en Haut!« Wenn die Rede auf 66 kam, -grollte er. Es blieb kein gutes Haar an den Preußen. Als der Urheber -des Unglücks aber galt für ihn unumstößlich der General Manteuffel. -»Wenn dar verfluchte Manteiffel net gekumme wär!« - -Um Langensalza wob er eine strahlende Gloriole. Der Ort hatte etwas -Heiliges für ihn, von dem er nur in Verehrung sprach. Aber immer und -immer wieder flackerte in seine Welfenandacht der Name Manteuffel -hinein wie ein rotes Tuch, das seinen Haß herausforderte. - -Da mochte er ein anderes und wirkliches rotes Tuch lieber. Das war sein -Scheibenweiserrock. Der Alte bekleidete bei der Schützenbruderschaft -den löblichen Posten eines Scheibenweisers. Wenn er Sonntag -nachmittags den roten Rock angezogen hatte und die weiße Hose -dazu, sah er prächtig aus. Zur Uniform gehörte eine schwarzsamtene -Parforcejagdmütze. Und wenn der Alte noch lange Lackstiefel getragen -hätte, hätte man ihn für einen richtigen Parforcereiter halten können. -Die krummen Beine freilich und der Struppelbart wollten nicht recht zu -der stolzen Tracht taugen. Aber diese Umstände taten meiner Bewunderung -für meinen Freund keinen Abbruch. Es war immer ein kleiner Festzug, -wenn im Sommer die beiden Scheibenweiser Sonntag für Sonntag die -funkelnagelneuen Scheiben vom Tischler holten und im Trommeltakt des -Schützentambours zu den Scheibenständen zogen. Abseits von jedem Stand -lag ein Steinhäusel für die Scheibenweiser. Wenn die Scheiben befestigt -und Pflockkasten und Nummerntafeln an Ort und Stelle gebracht waren, -verkrochen sich die Scheibenweiser in ihrem steinernen Unterschlupf wie -Mauerspinnen. - -Manchmal durfte ich mit ins Scheibenweiserhäusel. Diese Gunst machte -mich stolz und glücklich. - -Kinder schöpfen ihr Glücklichsein aus bescheidenen Dingen. Wenn -ich mich in der Erinnerung zu meinem rotrockigen Freund ins -Scheibenweiserhäusel zurückversetze, wirds mir warm ums Herz. Ein -Spürlein Glück blieb hangen. So muß es echt gewesen sein. - -Und ich kam mir sehr wichtig vor, wenn ich dem Alten einen Holzpflock, -eine Nummerntafel zureichen durfte. Wenn ein Schuß fehlgegangen war, -winkte er pfiffig ab. Konnte er aber eine 20 anhängen, schwenkte er -mit einer Großartigkeit ohnegleichen seine Mütze. Tupp-tupp-tupp wurde -schnell das Loch zugeklopft. Dann gings im Laufschritt zurück ins -Häusel. Hinter den krummen Beinen wehte der Rockschoß wie eine rote -Fahne. - -Als diese Beine zum Laufen zu alt und der Atem zu kurz geworden waren, -zog mein Freund die Scheibenweisermontur aus und verschlief seine -Sonntagnachmittage daheim auf dem Kanapee. - -Des Alltags aber war er der unermüdliche Schaffer in meinem Vaterhause. -Es war nichts in Hof und Haus, an dem seine Hand nicht half. Und was er -schuf, schuf er mit der Treue und Verläßlichkeit der Alten. - -Sein eigenstes Reich war unser Holzhof. - -Ich sehe ihn noch mitten zwischen Bergen geschnittener Scheite. Ich -höre bei jedem Niedersausen der Axt oder des eisernen Fäustels ein -hechelndes »hach, hach!« Und höre das knatternde Auseinanderbersten -knorriger Stuken. Ein gottverdammter Fluch folgt, wenn die Keile nicht -anziehen wollen und sich festbeißen in widerspenstigen Wurzelknorren. - -Von Zeit zu Zeit wendete er den Kopf zur Seite. - -Prtsch! gings dann. - -Das Priemen war des Alten einzige Leidenschaft. Das »Priemelbichsel« -in seiner Westentasche, das so harzig war wie die Weste selbst, -bildete sein Heiligtum. Er hätte es nicht missen können. Wenn er in -die Westentasche griff, das einstige Pomadenbüchslein hervorzog und -mühsam ein Endchen von der schwarzen Rolle abbiß, ging ein Behagen über -sein Gesicht. »Wos muß der Mensch han!« Prtsch! Eher konnte er schon -auf den Branntweinbuddel verzichten, den er heimlich in der Holzbanse -versteckte. Von Zeit zu Zeit, wenn die Kehle zu trocken war vom -Holzstaub, -- und Holzhacker haben gemeinhin trockene Kehlen, -- tat er -einen geschämigen Schluck. Er vermißte den Nordhäuser nicht. Aber alle -Vierteljahr einmal wurde der Alte schwach. Dann blitzten die kleinen -schwarzen Augen noch feuriger unter dem Schirm seiner Baschlikmütze -her. Das waren die Stunden, wo der Alte gern einmal wieder Parademarsch -machte und sein Herz wieder jung wurde ... - -Dies gute, treue Herz, das so lebensfrisch klopfte in der invaliden -Bergmannsbrust: »Junge, ich, -- ich schterb noch lange net!« - -Und ist doch bald gestorben. - -Als ich von seinem Tod erfuhr, war ich in der Fremde. Die Nachricht -zerriß etwas in mir. Das blutete und schmerzte. Ich floh die Enge -gleichgültiger Menschen. Auf einer Waldhöhe fand ich mich wieder. -Einsamkeit war um mich her. In duftblauer Ferne weit hinten lagen die -Harzheimatberge. - -In der Stunde, wo sie meinen alten Freund zu Grabe trugen, habe ich -seinen Namen in die Rinde einer Wetterbuche geschnitzt ... Fremder ist -mir die Fremde nur noch einmal gewesen: als man im Maienmond darauf -auch meinen Vater begraben hatte. - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - - - -Der Jagder - - -Lasterhafte Zungen reden ihm nach, er habe die Namen seiner dreizehn -Kinder nicht gewußt. Aber er wußte, daß sie alle einen gottgesegneten -Hunger hatten. Und noch besser wußte er, daß es ein Kunststück war, mit -einem Bergmannstaglohn dreizehn hungrige Mäulchen sattzukriegen. Bei -Kartoffeln und Salz und trockenem Brot werden die Wangen schmal. - -Es müßte dem Jagder kein Herz unter dem Kamisol geschlagen haben, wenn -er nicht in sechsundzwanzig Kinderaugen den Hunger hätte flackern -sehen. Aber er sah es gut genug. Und wenn er deshalb zu Zeiten -seinen alten Vorderlader unter dem Heu hervorsuchte, Pulverhorn und -Zündhütchen in den Brotbeutel steckte und auf verschwiegenen Pfaden in -den Bergwald stieg, wars nicht die Jagdleidenschaft allein, die ihn -hinaustrieb. Hunger tut weh. - -Es gehen im Bergstädtchen viele Geschichten um vom Jagder. Es hat -sich um ihn ein krauser Kranz von Wahrheit und Dichtung und voll -abenteuerlicher Romantik gewunden. Aber eins wissen alle Histörchen -zu berichten: Daß er seinen Schild, wenn es auch ein unrechtmäßig -geführter war, rein hielt. Er war keiner von jenen Aasjägern, die mit -gehacktem Blei das Alttier vom Kalbe wegschossen und mit Wilpertfleisch -Wucher und Schacher trieben. Er hätte auch den Finger nicht krumm -gekriegt, wenn ihm ein hochbeschlagenes Muttertier vor die Flinte -gekommen wäre. Denn er nahm neben Pulver und Blei sein Herz mit in den -Bergwald. - -Er wußte jeden Wechsel im Revier. Kein Rudel war ihm fremd. Und knurrte -der Magen zu sehr oder puckerte das Blut zu arg: er ging selten auf -vergebliche Pürschen. Sein Vorderlader war von grausam großem Kaliber. -Wenn er Dampf machte, ging ein Donnern über die Berge. Und wenn seine -Bleikugel saß, saß sie gut und erlöste ihr Opfer rasch. Oder sie -verprallte an irgendeiner Klippe, klatschte in irgendeine Fichte und -tat keiner Kreatur ein Leid. - -Der Wald war des Jagders Kirche und Fleischkammer. - -Wenn Sonntags die Glocken läuteten, erreichte ihn ihr Klingen sicher -irgendwo auf Bergeshöhen, wo er seine Waldandacht hielt auf seine Art. -Nicht immer mit der gespannten Büchse, aber stets mit dem hellen, -freien Auge des Naturmenschen, dessen Gott in Waldesmitten wohnt. - -Zeisige singen die Liturgie, Wald und Weite halten die Predigt. - -Und der Jagder ließ sie zu sich sprechen. Es war nicht jederzeit -Hingabe und Genießen in dem wohlgepolsterten Kirchenstuhl des guten -Gewissens. Denn nicht alle Sonntagmorgen gingen die Förster unten im -Bergstädtlein zum Frühschoppen. - -Ja ja, die Grünen! - -Der Jagder gehörte nicht zu den Rabiaten. Er suchte im Guten mit ihnen -auszukommen. Die Leute sagen, es sei sogar ein recht gemütliches -Verhältnis zwischen ihm und den Förstern gewesen. Dennoch soll man -sein Schicksal nicht herausfordern. So hielt es der Jagder als für das -Klügste, im Revier weder Berufenen noch Unberufenen unter die Augen -zu kommen. Wenn auf irgendeinem Waldwege, in irgendeiner Schneise das -allerletzte Restlein eines Tabakwölkchens hängen geblieben war, stieg -ihm ein unbehaglicher Verdacht in die Nase. Er wurde mißtrauisch wie -der Fuchs, dem auf verbotenen Raubzügen die Witterung eines Menschen in -den Windfang weht und der nun seine Vorsicht verdoppelt. - -Es wäre schade um den schönen Vorderlader! Sie haben ihn so manches Mal -vergeblich gesucht ... - -War es nicht genug, daß sie ihm daheim so und so oft in die Kochtöpfe -geguckt, Boden und Keller durchsucht und manche Spießerkeule -mit fortgenommen haben? Wenn sie an seinem Häusel vorbeigingen, -schnupperten sie, obs im niederwehenden Schornsteinrauch nicht nach -Wilpertbraten duftete. Es war ein ewiges Mißtrauen zwischen ihnen. Und -so konnten sie sich trotz aller Freundschaft eigentlich gegenseitig -nicht gut riechen, der Jagder und die Grünen. - -Als sie es ihm zu bunt machten, vergrub er das Pökelfaß mit dem -gesalzenen Wildfleisch säuberlich unter dem Moos eines Dickichts -draußen im Walde. So fanden sie nichts mehr bei ihm. Aber das Pulver -blieb trocken. Der Stutzen rostete nicht. - -Er prahlte nicht mit seiner Passion. Er machte auch keinen Hehl -daraus. Sein Sonntagsstaat und Stolz war eine grüne Jägerjoppe -mit Hirschhornknöpfen und der Schützenhut mit dem Birkhahnspiel -hintendrauf. Es lebe, was auf Erden stolziert in grüner Tracht ... - -Die Fensterläden seines Hauses, das sie im Bergstädtchen heute noch -das Jagderhaus heißen, waren mit bunten Jagdbildern bemalt. Wenn ich -als Junge am Jagderhaus vorüber mußte, waren diese Bilder mein ganzes -Entzücken. Ich kenne sie alle noch: Den Schützen mit Bergmannskittel -und Schachthut, der einen schwarzen Bart hatte wie der Jagder selbst, -den Schweißhund, den flüchtenden Zwölfer (ha, der Stolz!), den -Auerhahn. Jeder Fensterladen hatte sein Bild, und eins war immer -schöner als das andere. Die Leute sagen, der Jagder habe die Grünen -damit ärgern wollen. Ich glaubs aber nicht. Der eine freut sich an -einem roten Schlips, der andere an einem armseligen Öldruck. Warum soll -der Jagder nicht seine Freude an seinen Fensterläden gehabt haben? -Sie waren sogar ein Stückchen Kunst, und ihr Ursprung war eine Liebe. -(Wenns auch eine verbotene war.) - -Nun haben sie ihn lange begraben. Sie betten die Toten so, daß ihr -Antlitz gegen Morgen gewendet ist. Von dorther grüßt den toten Jagder -der Bergforst aus blauer Höhe. Es war sein liebstes Revier. Nichts -Schöneres hätte er sich wünschen können, als den ewigen Schlaf zu -schlafen im Angesicht dieser trotzigen Urwelt, der sein Herz gehörte. - -Auf dem Hai, das just über die Wälder der Vorberge herschaut, starb -sein Enkel den Wilderertod. - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - - - -Leimhus - - -Der Leimhus führte seinen Namen mit Fug und Recht: Auf seiner Hose -klebte ein zäher Überzug von Vogelleim. Er hielt auf Reinlichkeit. Es -wäre nun aber lächerlich gewesen, zum Vogelstellen Seife und Handtuch -mitzunehmen oder das Taschentuch, wenn er eins besessen hätte, zu -solchen Zwecken zu mißbrauchen. Weil es jedoch unbehaglich war, -mit zusammengeklebten Fingern hantieren zu müssen, wischte er die -leimbeschmutzten Hände an der Hose ab. Vogelleim trocknet schlecht. -Dieser Umstand bedingte einen häufigen Wechsel der Wischstellen. -Die Hände fühlten schon den Platz heraus, der jeweils am Hosenboden -oder Hosenbein am trockensten war. So bildete sich mit der Zeit eine -Pechhaut von bewundernswerter Gleichmäßigkeit auf der Hose. Und durch -solcherart Imprägnierung bekam sie unschätzbare Eigenschaften. Sie -zerriß nie, war undurchlässig für Luft und Zug, konnte stehen und -glänzte wie Leder. - -Dies berühmte Beinkleid gab seinem Träger seinen ebenso berühmten Namen. - -Leimhus war der zünftige Vogelsteller. Er übte diesen dunklen und nicht -unter dem Schutz des Gesetzes stehenden Beruf hauptamtlich aus. Wenn er -ein Aushängeschild nötig gehabt hätte, hätte es folgendermaßen aussehen -müssen: - - ~C. LEIMHUS~ - - ~Vogelstellerei und Vogelhandlung. - Erstklassige Waldvögel, nur prima Sänger. - Besichtigung frei!~ - -Ein solches Schild hätte aber zuviel ausgeplaudert. So blieb es -klüglicherweise ungemalt. - -Leimhus hatte seine Mietsstube im Jagderhaus. Der Wildschütz und der -Vogelsteller paßten gut zueinander in diesem Krähennest, in dem man -noch weniger als anderswo Veranlassung hatte, sich gegenseitig die -Augen auszuhacken. Das Jagderhaus ist das allerletzte und allerhöchste -Häusel im Bergstädtchen. Daß Leimhus gerade dort seine Behausung -auftat, hat er nicht des Himmels Fügung allein überlassen. Hier oben -war er mit des Herrgotts Vogelgarten in engster Fühlung. Wiesen guckten -zum Fenster herein. Dazwischen eingestreut lagen Kartoffeläcker, auf -denen es sich im Herbst wunderschön Stieglitzen und Hänflinge stellen -ließ. Ganz nahe rauschte der Wald. Man konnte das Zeisigsingen dort, -den Schlag der Finken und das Jiffen ziehender Kreuzschnäbel im -Jagderhaus hören. So saß der Leimhus mitten im Revier. Und das Schönste -an seiner Behausung war, daß sie sich herrlich schnell und ohne -allzu heiße Sohlen erreichen ließ, wenn irgendwo auf grüner Flur die -Helmspitze des Landjägers blänkerte und die Luft nicht sauber war. - -Er hatte die schwärzesten Erfahrungen mit den Hütern der Ordnung -gemacht. Gendarm und Förster waren seine geschworenen Feinde. Er ging -ihnen aus dem Wege wie eine Katze, der böse Buben den Schwanz geklemmt -haben. Beim Vogelstellen hatte er seine liebe Not, auf Stellbusch -und Leimruten zu achten und gleichzeitig Umschau zu halten nach -Störenfrieden in hellgrüner oder dunkelgrüner Uniform. Sie hetzten ihn. -Sie nahmen ihm die Lockvögel fort. Sie waren Schuld daran, daß er mit -grausamer Regelmäßigkeit Jahr um Jahr vor das Schöffengericht mußte -»wegen unerlaubten Vogelstellens im Rückfalle«. Dann sahen ihn die -Bergstadtleute für ein paar Wochen nicht. Es blieb aber nicht immer bei -Wochen. Als er damals einen harmlosen Quäker als Nachtigall verkaufte, -kams schlimmer. Der Amtsrichter zeigte keinerlei Verständnis für -Leimhusens Großzügigkeit und diktierte ihm im Namen des Gesetzes einen -langen Urlaub von Leimbüchsel und Jagderhaus. - -Des alten Sünders schwarzes Gewissen ward durch die aufgezwungene Muße -nicht weißer. Als er heimkehrte, legte er sich auf die Kunstfertigkeit, -aus wertlosen Zeisigweibchen gutbezahlte Zeisigmännchen zu machen. -Dieser Gedanke war so großartig wie einträglich. Seine Ausführung -erreichte er auf einfachste Weise: er träufelte ein wenig Leinöl -auf die Unterseite einer Bratpfanne, verrieb das Öl mit dem an der -Pfanne haftenden Ruß und strich mit der Fingerspitze der Zeisigsie ein -kunstgerechtes schwarzes Plättchen über den Kopf. Durch diesen Schmuck -ihrer männlichen Artgenossen lernten freilich die Zeisigweibchen das -Singen noch lange nicht. Aber sie gaben ihren Besitzer einer angenehmen -Täuschung hin. - -Nun ist jedoch ein Zeisig ein ehrliches Waldkind. Er läßt sich auf -die Dauer nicht mit fremden Federn schmücken. So hielt das künstliche -Plättchen längstens bis zur nächsten Mauserung. Es wuchs wieder ein -bescheidenes graues Grün über die Stirn des Zeisigweibchens. Manchem -Käufer ging alsdann ein ahnungsvolles Lichtlein auf. Die Gutgläubigen -freilich haben das Leimhusensche Kunststück nicht begriffen. Es war auf -längere Sicht bemessen und immerhin dauerhafter als ein anderes, das -er mit einer Gimpelsie anstellte. Die Gimpelsie sollte ein Gimpelhahn -werden. Leimhus malte ihr eine wunderschöne kardinalrote Brust an. -Der Herrgott im Paradies hätte es nicht besser machen können. Der -Käufer der Dompfäffin aber war unbarmherzig genug, den Vogel eines -Tages im Regen stehen zu lassen. Der Regen wusch den roten Kardinal -wieder grau. Die Kunstfertigkeit ging zuschanden, -- und des Leimhus -Sündenbündel war voll. - -Hinterher hat er nur wieder zu Pinsel und Farbtopf gegriffen, wenn er -daheim in seiner Stube hockte und Vogelhäusel anstrich. - -Seine Stube war eine lebendige Vogelhecke voll Flispern und Flattern. -In ihr gediehen außer acht Menschlein ein halbes hundert Waldvögel. -Tat man die Tür auf, blaffte dem Eintretenden ein greifbar dicker -Dunst entgegen. Einen Augenblick blieb man im Zweifel, ob man zuerst -über die Luft staunen oder aber den Lärm bewundern sollte, der mit -gleicher Ungeheuerlichkeit aus Leimhusens Bude drang. Das war ein -Gedüdel und Trätschen, Zwitschern, Pfeifen, Flöten, als wenn alle -Vögel des Bergwaldes zum Wettbewerb angetreten seien. Und war doch -weiter nichts als Verzweiflung, Sehnsucht und Leid. Eine menschliche -Unterhaltung konnte in dem wirren Durcheinander nur auf geräuschvolle -Weise geschehen. Wer draußen vorüberging und das Prahlen und Belfern in -der Vogelbude hörte, mochte meinen, es entlüde sich dort ein häusliches -Gewitter. Das war durchaus nicht immer der Fall. Es ist nicht leicht, -sich harmlos zu unterhalten, wenn fünfzig Vogelkehlen dareinreden. - -Alle die Stimmen, die dort aus Drahtkäfigen und Holzbauern sich ein -Wörtlein mitzusprechen erlaubten, konnten sich hören lassen. Es waren -nicht die Schlechtesten, die Leimhus in Kost und Unterkunft behielt. -Jeder Waldsänger, der unter seine Botmäßigkeit geriet, wurde auf Herz -und Nieren geprüft. Leimhus führte über seine Gäste ungeschrieben Buch. -Eine Art Wertliste, in der jeder nach Kunst und Gaben seinen Platz -angewiesen bekam. Wer auf dieser Wertliste zu unterst stand, stand -auf der Verkaufsliste sicherlich zu oberst. Dies Verfahren wich zwar -erheblich von ehrsamen Geschäftsgrundsätzen ab. Aber Vogelsteller haben -ihre eigene Moral, und Leimhus hatte die allereigenste. Er machte es -umgekehrt wie die Schuster, die die schlechtesten Stiefel für sich -behalten. - -Zu seiner Ehrenrettung soll jedoch gesagt sein, daß es leichter ist, -mit Bedacht ein paar gute Stiefel herzurichten, als es dem Zufall -überlassen zu müssen, ob einem gute oder schlechte Vögel auf die -Leimrute flattern. - -Mit dem Wörtlein gut oder schlecht waren Leimhusens Urteile indes nicht -abgeschlossen. Seine Ohren hörten unendlich fein und waren strenge -Kritiker. Der Außenstehende hatte Mühe, in die Mysterien des Vogelsangs -einzudringen und all die kniffligen Unterschiede zu begreifen, die der -Vogelsteller beachtete. Wenn dem Laien aus Baumesgrün herab ein Fink -zujubelt, freut er sich darüber und sagt: Hört doch den Finken an! --- weil er gemeinhin nur eine Art von Finken kennt. Leimhus dagegen -hätte sogleich die Ohren gespitzt. Und sogleich wäre auch das Finklein -säuberlich in die ihm gebührende Rangordnung eingefügt worden. Denn bei -Leimhus hatte die Gattung Buchfink im Gegensatz zu allen Naturforschern -der Welt mindestens sechs Unterarten. Er schied sie reinlich danach -auseinander, ob ihnen der Herrgott einen Schlag mehr oder weniger, -grober, feiner, heller, dunkler, dünner oder voller in das Kehlköpflein -gelegt hatte. - -Da war zunächst der König unter den Finken, der Reiterjakzieher oder -Reiterfexier. Er führte auch den stolzen Namen Rollreiter. Sein Schlag -war Schmettern und Rollen: zizizirrrrrreiterjakjakjakzirkel! Er konnte -die Finkennarren im Harzheimatland um die Ruhe bringen. Um seinetwillen -vergaßen sie Essen, Trinken und Schlafen. - -Dem Rollreiter folgte in der Rangordnung der kleine Weide. Er trug sein -Verslein zierlich und manierlich vor: widdewiddewiddedadadaweitakel! - -Dann kam der grobe Weide: üüüschorschorweitakel! - -Und der Buschgefärr: zizizibuschgefärr! - -Diese vier waren in den Augen des Vogelstellers der Beachtung wert. Was -dann aber aus der Gattung Fink etwa noch sang: ziziziquatschmarakel! -oder: latschlatschlatschzwetschenkern! oder: üsüsüsjebzwiakel! oder: -ziziziweinzieher! -- das alles war minderwertig und kam unter die -anrüchige Rubrik: Latscher. - -Auch die Kreuzschnäbel waren nicht alle in die gleiche Gesangsschule -gegangen: Ripp-ripp-ripp! machte der Ripper, ein helles -Kliff-kliff-kliff! der Kliffer. Der beste Lockvogel unter ihnen war der -Klitscher: Klitsch-klitsch-klitsch! - -In solcher Art war alles, was an Finken und Grünitzern, Zeisigen, -Rotkehlchen, Hänflingen, Stieglitzen, Gimpeln, Zwunschen, Quäkern, -Zetschern und Lessigen in Leimhusens Vogelbude hing, nach Klasse und -Rasse und Rassigkeit wohlgeordnet und unterschieden. - -Ihrer Wertordnung entsprechend war auch das Verhältnis, das Leimhus -zu jedem einzelnen seiner Pflegebefohlenen einnahm. Wenn er die -Futtertüten aus der Ecke holte und mit zerbeultem Zinnlöffel dem einen -Mohn, dem anderen Rübsamen ins Näpfchen schüttete, hatte er für alle -ein Wörtlein bei der Hand. Diese einseitig geführte Zwiesprache war -nicht immer freundlich. Manchmal lag eine Art rauher Herzlichkeit -darin, sprang auch wohl ein Fünklein Seele hinein. Sie wurde um so -wärmer, je mehr der kleine Sänger das Wohlwollen seines Brotherrn besaß. - -Kumm, Hansel! Host schien gesunga. -- Un du, Kläner, host gestern fein -gelockt, -- heite kriegste än Happen meh’! -- Na, du nacketer Zessig? -Singe witte net, oder frassen immerzu. -- Wos saht denn nu äner zu -dissen Haneflig! Hot wieder dos ganse teire Futter verorzt. Wart, -Jerrich, dich will ich Moses larna! Heite gitts nischt! - -So ließ er Sonne scheinen über die Gerechten und Donner poltern über -die Ungerechten. - -Nach dem Füttern ward die bunte Schar nach draußen gehängt. Dann -bekam jedes Fenster eine Umrahmung voll Farbe und Musik und hüpfenden -Lebens. Sie verrieten die »Firma«. Leimhus brauchte ein Aushängeschild -wirklich nicht. Ein werbenderes hätte sich auch schlecht denken -lassen. Man sah nicht nur, daß es im Jagderhaus zweifellos Vögel zu -kaufen gab. Gelegentlich konnte der Vorübergehende, wenn auch nicht -sehr augenfällig, bemerken, daß der Vogelsteller auf Ergänzung seines -Bestandes bedacht war. Hier und dort staken wie harmlose Zierate -Leimruten an den Käfigen. - -Das war freilich nur geringfügiger Nebenbetrieb. Leimhusens hohe Zeit -kam, wenn im Herbst die Vögel zu ziehen begannen. - -Das Herannahen des Vogelzuges war sozusagen zu riechen, -- das heißt, -wenn einer in der Nähe des Jagderhauses wohnte. Zu pünktlicher Zeit -traf Leimhus seine Vorbereitungen. Auf seinem Herd bruzzelte ein -Eisentopf voll Leinöl. Das stinkende Räuchlein, das sich darüber -bildete und zu Schornstein und Hintertür hinausstrebte, war -schlechterdings von keiner Nase unbemerkt zu lassen. Dann schnupperten -die Nachbarsleute, und über ihr Gesicht ging ein verständnisinniges -Lächeln. Leimhus indes stand vor dem Herd und rührte und probierte -und kochte so lange, bis das dünne Öl zum zähen Vogelleim -zusammengeschmurgelt war. Er entnahm ihm mit einem Span eine Probe, -prüfte sie sachgemäß zwischen zwei Fingern und verwahrte den klebrigen -Klumpen im Leimbüchsel. - -Mit dem Leimkochen aber waren die Vorbereitungen zum Vogelfangen -nicht erschöpft. Der Leimrutenvorrat mußte ergänzt werden. Dünne -Salweidenruten wurden geholt, geschält und angespitzt, damit sie -sich in die Dietle stecken ließen. Die Dietle waren Endchen von -Himbeerzweigen, die wegen ihres weichen Marks als Hülse dienten und -das Verbindungsstück zwischen Leimrute und Dorre herstellten. Dorre, -so hieß der Stellbusch und war weiter nichts als ein dürres Buchen- -oder Weidenbüschlein. Aber die Dorre war sperrig und verräterisch. -Viel einfacher und unauffälliger war die Klatte. Eine Klatte sah ganz -harmlos aus: - -[Illustration] - -Aber wenn sie aufgestellt und verbrämt war, ward sie zum -Teufelswerkzeug: - -[Illustration] - -Wenn die Zugzeit begann, war Leimhus wohl vorbereitet. Früh, wenn im -Bergstädtchen noch alles schlief, stand er auf und nahm Witterung. -Schwamm Nebel über Wald und Wiesen und wehte der Wind aus Westen, -schmunzelte er. Die Aussichten waren günstig. Er tappte in die -Vogelbude zurück. Auch dort schlief noch alles. Nur der Kernbeißer -war wach und warnte mit mißtrauischem hsp! hsp! Unsanft wurden die -Lockvögel vom Nagel genommen und in Rucksack, Handkoffer oder sonst ein -wenig verräterisches Behältnis getan. Ehe der Morgen graute, standen -Lockvögel und Stellbüsche an ihrem Ort. Leimhus verzog sich in den -Hintergrund. - -Im Aufstellen der Fanggeräte war er kein Pfuscher. Er verfügte über das -nötige Pfündlein Erfahrung und wußte, daß Zeisige, Kreuzschnäbel und -Dompfaffen nicht auf die niedrigstehende Dorre flogen. Deshalb wurden -Klatte oder Dorre an eine Stange gebunden und hoch aufgerichtet. (Doch -nicht zu hoch, die Feldpolizei hatte gute Augen!) - -Stieglitze und Hänflinge dagegen flogen gern zur Erde. Für sie blieb -das Stellbüschlein, wohl gespickt mit Leimruten, am Boden stehen. -Der Lockvogel stand daneben. Er sang sich das Leid und die Sehnsucht -nach Freiheit aus der Brust. Sein Ruf ward vielen seiner Genossen zum -Verderben. Was an Leimhusens Leimruten hing, war ihm verfallen. Die -Gefangenen wurden herabgenommen und in den Brotbeutel gesteckt. Damit -war ihr Los entschieden: ade Wald, Sonne, Freiheit! Fortan spann sich -ihr Leben ab auf zwei armseligen Sprunghölzchen. Ein enger Käfig voll -Schmutz und Ungeziefer war ihre Welt. Die Schwingen, fröhlichen Flug -gewohnt durch Luft und Wälderweite, flatterten sich am Käfiggitter -blutig. Das Gefangensein wurde langsame und grausame Hinmarterung. - -Viele freilich zogen das bessere Los und starben, ehe sie noch der -Vogelsteller daheim aus dem Brotbeutel nahm. Ungezählt viele, die der -Herrgott schuf dem Wald zur Lust und _allen_ Menschen zur Freude. Sie -wurden Opfer der Tücken eines Herzlosen. - -Ob die kleinen Toten ihn nicht wie eine furchtbare Anklage umschwirrt -haben, als auch dem Leimhus sein Stündchen schlug? Ob das Gewissen -lebendig wurde, als das Leben sterben wollte? - -Irgendwo in der Fremde ist er verkommen. Unstät, heimatlos. Im -Bergstädtchen wußte keiner, wo er geblieben war. Saß er im Gefängnis? -Zog er mit der Vogelkiepe durchs Land? - -Derweilen sie sich noch die Köpfe zerbrachen, pilgerte seine Seele -dunkle Pfade, die nicht heimkehren ins Jagderhaus. Er drehte keine -Leimruten mehr auf. Nahm auch keine mehr zwischen seine Zähne und -zog mit dem Schuhriemen den Leim wieder von den Ruten. Seine Lippen -spitzten sich nicht mehr zum Lockpfiff. - -Als er vor die Himmelpforte kam, hat ihn der Herrgott jämmerlich an -beiden Ohren gezaust. - -[Illustration] - - - - -Der Sünderwinkel - - -Der liebe Gott kann nicht gegen sein gütiges Herz. Er müßte ja -sonst nicht der liebe Gott sein. Und so kam Leimhus trotz seines -umfangreichen Sündenregisters schließlich doch in den Himmel. - -Aber der Himmelsvater mochte ihn nicht gerade im Allerheiligsten -behalten. Er ließ ihm abseits ein Plätzlein anweisen, das für den alten -Sünder würdig genug erschien. Leimhus kam in die Ecke, wo Frevler -ähnlichen Schlages der Läuterung unterzogen wurden und warten mußten, -bis sie zu richtigen Engeln wurden. Damit hatte es bei vielen sehr -lange Weile. - -Gewissermaßen als Sündenspiegel war über der Pforte zu jenem schwarzen -Winkel ein Schildlein angebracht. Und darauf stand zu lesen: - - Fischefangen und Vogelstelln - Verdarb schon manchen Junggeselln. - -Es waren aber nicht nur Vogelsteller und Forellenstecher dort. -Holzdiebe, Finkenblender, Dohnensteller und Wildschützen machten die -Runde voll. Und es traf sich, daß der Leimhus viele bekannte Gesichter -aus dem Harzheimatland dort wiedersah. Als ob der Herrgott eigens für -die oberharzischen Sünder einen besonderen Raum geschaffen hätte. -Das war auch so. Und damit hatte es folgende Bewandtnis: Der liebe -Gott hatte sie zuerst alle recht schief und böse angeguckt, als sie -oben um Einlaß baten. Aber da er einsah, daß er eigentlich selbst -Schuld war an ihren Vergehen, indem er sie unten auf der Erde in ein -so verführerisches Stücklein Natur setzte, in welchem allenthalben -die Hirsche springen und Vögel singen und der Wald wächst und in den -Bächen die Forellen schnappen, -- indem der Himmelsvater solcherlei -Betrachtungen anstellte, drückte er ein Auge zu und hieß sie eintreten. - -Er argwöhnte jedoch, sich mit den genannten Menschenkindern sozusagen -Läuse in den Pelz zu setzen. Und da er ihren verderblichen Einfluß -auf die übrigen Himmelsbewohner fürchtete, schuf er jene Ecke für die -Waldsünder aus dem Harzheimatland. - -Daß gemeinhin nur solche Landsleute in diesem Winkel aufgenommen -wurden, hätte einer nicht nur aus dem bedenklichen Eingangsschild -schließen können. Wenn er genau zusah, konnte er unter dem Spruch -noch ein handschriftlich hinzugefügtes Sprüchlein entdecken. Das hieß -folgendermaßen: - - Es krine die Danne, - Es waxe das Aehrz, - Gott schenke Uns alle - Ein frehliges Hertz. - -Der liebe Gott hatte zuerst wieder über diese Schmiererei schelten -wollen. Doch dann lächelte er. Und er dachte: Ein feines Sprüchlein -haben sie sich ausgesucht. Es liegt Heimatstolz und Heimatliebe darin. -Sie ehren die Gaben, die du ihrer Heimat zudachtest. Und sie bitten um -das Beste, das du Menschen schenken kannst: ein fröhliches Herz. Welche -Lebensweisheit! Nicht Gut und Geld wünschen sie. Sie sind zufrieden -mit dem Segen ihrer Berge und finden ihr Glück in der Fröhlichkeit des -Herzens. - -So dachte der liebe Gott und ließ das Sprüchlein bestehen. Und da er -kein Kleinigkeitskrämer ist und nur das Herz ansieht, stieß er sich -auch nicht an der mangelhaften Rechtschreibung. Der den Wahlspruch -einstmals in einer Heimwehstunde hinkritzelte, hatte zu seinen -Lebzeiten nur alle Sonnabende die Pochjungenschule besuchen können und -wußte mit der Spitzhacke besser Bescheid denn mit der Feder. Er wollte -kein Kunstwerk malen: nur seine Liebe ausschütten, wie sie in der -Sprache der Heimat über seine Lippen kam. - -Der Sünderwinkel war vom Herrgott nicht als Verdammungsort gedacht. Er -sollte eine Läuterungsklause sein. Nicht alle, die hier ihren Platz -angewiesen bekamen, blieben darin. Nur die Hartgesottensten waren -seßhaft. Da die Ecke aber nie leer wurde, tuschelte man im ganzen -Himmel, jeder geborene Oberharzer müsse zu seinen Lebzeiten entweder -Wildschütz, Holzfrevler, Fischdieb oder Vogelsteller gewesen sein. -Manche alles das zusammen. - -Leimhus hoffte, im Sünderwinkel auch seinen alten Hausgenossen Jagder -anzutreffen. Aber der Jagder befand sich bereits in einer geweihteren -Ecke, die dem Allerheiligsten schon näher lag. Er hatte dort mit vielen -anderen Invaliden, die einstmals als Zeichen Schlägel und Eisen oder -die Wolfsangel führten, ein geruhsames Feierabendstüblein inne. - -[Illustration] - -So mußte sich Leimhus in dem übriggebliebenen Kreis umtun. Er hielt -sich zu denen, die auf der Erde selten das Vaterunser gebetet haben -und denen trotz ihres jetzigen himmlischen Aufenthalts immer noch -kein Heiligenschein wachsen wollte. Man sollte es nicht für möglich -halten, welch’ stattliche Zahl alter Knaben dort sitzen geblieben -waren. Ein Schuster hockte dort, der vor Zeiten das traurige Geschäft -des Finkenblendens im Bergstädtchen zu besorgen hatte. Sogar ein paar -Schnapphähne aus dem Dreißigjährigen Kriege räkelten sich da noch -herum. Sie wollten Angehörige des ehrsamen Fähnleins der Harzschützen -gewesen sein, hatten aber in ihrem Heimatland genotzüchtigt und -gebrandschatzt wie die Tillyschen selbst. Das hat ihnen der Herrgott -arg ins Kerbholz geschnitten. Denn wer seine Heimat nicht lieb hat oder -ihr gar Schaden zufügt, verdient keine Gnade. - -Dieser anrüchigen Runde also ward Leimhus zugewiesen. - -Glickauf, sagte er und trat ein. - -Als er das anzügliche Schild über dem Sünderwinkelspförtlein gelesen -hatte, vermutete er, an den richtigen Ort geraten zu sein. Dennoch -fragte er verlegen: Kumm ich hier racht? Dr liewe Gott hot mich hierhar -beordert. Ich hääß Leimhus. Net von Rachts wahng. Aber mich hahnse -unten su getääft. - -Herrejeses! Do is ju dr Leimhus! -- riefs ihm aus der Runde entgegen. -Kumm mant rein. Dis is die Bucht for die Ewerharzer. Du host grod -noch drinne gefahlt! Ober dos Vugelbauer loß mant draußen. Zessing un -Haneflige warn in Himmel net geschtellt! - -Un ahch käne Gimpels rut ahngeschtrichen! stichelte einer. Jetzt erst -bemerkte Leimhus, daß er richtig noch einen Käfig in der Hand hielt. Er -stellte ihn an der Pforte nieder und ward, ehe er die vielen Bekannten -mit Handschlag begrüßen konnte, am Eingang von einem eisgrauen Männlein -zurückgehalten. Das war ein Stadtschreiber gewesen. Der veruntreute -vor langer Zeit im Bergstädtchen Witwengelder. Dieser schändlichen -Sünde wegen hatte er schon mehrere Menschenalter lang ruhelos auf Erden -umgehen müssen. Die Bergstadtleute erzählten sich gruselige Geschichten -von ihm. Nun aber bekleidete er seit ein paar hundert Jahren den -Posten eines Pförtners im Sünderwinkel. Er zählte auch zu denen, -denen es nicht gelang, eine Stufe im Himmel höherzurücken. Zu seinen -Obliegenheiten gehörte es, das Wer und Woher aller derer zu buchen, -die in den Sünderwinkel verdammt wurden. Leimhus gab auf alle Fragen -rechtschaffen Antwort. Als der Stadtschreiber aber fragte: Vorstrafen? -da hatte Leimhus leider nicht so viel Finger an den Händen, um die -richtige Zahl nennen zu können. Das Stadtschreiberlein mit dem weiten -Gewissen merkte die Verlegenheit des Sünders, steckte den Federkiel -hinter die Ohren und ließ den Neuankömmling eintreten, ohne alle -Spalten in seinem Lebensbuch vorschriftsmäßig auszufüllen. - -So zog Leimhus beglückt ein in das Gefilde der Halbseligen, froh, -endlich zur Ruhe gekommen zu sein. Es war peinlich gewesen, mit -schwarzer Seele zwischen allen Heiligen und Seligen hindurch den Weg -in diese Ecke suchen zu müssen. Und ausgerechnet mußte er auch den -Vogelkäfig in der Hand behalten haben! Nun verstand er erst, weshalb -die Engelsbuben so hinter ihm hergekichert hatten. - -Er argwöhnte nichts hinter diesem Lachen, weil er ganz in -Gedanken und Träumen versunken war. Während er auf verschlungenen -Himmelspfaden dahinschlenderte, hatte er nämlich Betrachtungen -darüber angestellt, von welcher Art von Vögeln die Engel alle -ihre Flügel hergeliehen hätten. Mit wehmütiger Freude erkannte er -Finken- und Stieglitzenflügel, solche von Drosseln, Krammetsvögeln, -Kreuzschnäbeln, Zeisigen und Bachstelzen. Er sah Hägerflügel, -Ringeltaubenflügel, Bussardflügel und Flügel vom Taubenkrümmer. -Die Engelsbuben trugen meist Zaunkönigsflügel oder grüne und -blaue vom Blaumüllerle. Just als Leimhus ein paar wunderschöne -Seidenschwanzfittiche bewundern wollte, war er am Ziel seiner -Pilgerfahrt. - -Er wurde in der neuen Umgebung schnell warm. Die Geistesverwandten -sonderten sich ab und hockten zusammen. Es waren alle diejenigen, -denen es in den Augen flackert und die man im Harzheimatland »Fatzen« -oder »schlachter Dingerich« zu benennen pflegte. Es begann eine -kurzweilige Unterhaltung unter ihnen. Sie tauschten ihre Erinnerungen -aus. Jeder hatte davon ein mehr oder minder volles und mehr oder minder -schwarzes Sündenköfferlein bei der Hand. Man kann nicht sagen, daß es -himmlische Reden gewesen wären, die da geführt wurden. Um jedoch nicht -ungebührlich zu erscheinen, geschah jede Unterhaltung im Flüsterton. -Und wenn sie lachten oder feixten, steckten sie aus dem gleichen Grunde -die Köpfe unter den Tisch. Das taten sie nun recht häufig, wie es von -verstockten Sündern nicht anders zu erwarten ist. Sie hatten ihre -erdenhafte Art noch nicht abgestreift. Der alte Adam in ihnen kehrte -sich immer wieder heraus. Dann flogen ihre Gedanken ins Harzheimatland -hinab. Ach, wenn sie hätten hinterherspringen können! Die himmlischen -Ambrosiawölklein wandelten sich ihnen zu Harz- und Fichtennadeldüften. -Sie zogen sie in durstigen Zügen ein. Das Bergmenschenblut wurde -warm. Ihre Augen blitzten, und jeder erzählte von seinen erlaubten -oder unerlaubten irdischen Abenteuern, prahlte mit Streichen und -Schabernäcken, Boshaftigkeiten, Schlechtigkeiten, Tücken und just mit -allem, was auf der Erde nicht hätte laut werden dürfen, geschweige denn -im Himmel. Sie logen, daß sich im Harzheimatwald die Fichten bogen. -Einem Trumpf folgte immer ein noch besserer. Der Herrgott hatte schon -die Richtigen in den Sünderwinkel geschickt! - -Schließlich war die Reihe an Leimhus, aus dem Kistlein seiner -Erinnerungen auszupacken. Vom Vogelstellen im allgemeinen zu hören, war -seinen Himmelskumpanen zu langweilig. Sie hatten diese Kunst mehr oder -weniger alle geübt. Sie wollten es auch nicht glauben, daß Leimhus an -einem Morgen zweihundert Zetscher gefangen und acht Tage weiter nichts -als Zetscher gegessen habe. Er schlug seine Zuhörer erst wieder in -Bann, als er vom Finkenfang erzählte. - -Härt zu, begann er. - -Nun hatten aber viele der Sünderwinkelsleute schandbarerweise ihre -oberharzische Sprache verlernt. Zudem wird im Himmel gemeinhin nur -Hochdeutsch gesprochen, weil das nicht so grob klingt. Und so fuhr -Leimhus fort: Hört zu! (Das ö fiel ihm sehr schwer!) - -Was Ihr alles vorgebracht habt, ist schön. Ich glaube Euch aber nur -die Hälfte. Ihr meint, Finkenfangen wäre eine leichte Sache. Ihr irrt -Euch. Jedenfalls ist es leichter, einer Wittfrau sechs Meter Holz zu -stehlen oder den Schießer in der Grube um ein Paket Dynamitpatronen zu -betrügen. Und mit Dynamit zu fischen, ist eine Gemeinheit und keine -Kunst. Schwerer ist es schon, dem Oberförster die Forellen vor der -Haustür wegzufangen. Ist aber auch kein Kunststück. Und ein Stück -Wilpert schießen und hinterher drei Meineide schwören, auch nicht. Wenn -aber einer im Wald einen guten Finken ausgemacht hat und ganz genau -diesen bestimmten Finken und keinen beliebigen andern auf die Leimrute -bringt, -- ich sage Euch, wer das fertigbringt, der kann was. - -Und nun begann Leimhus vom »Finkenstandern« und von den Finessen des -Finkenfangs zu erzählen. Er mußte dabei notwendigerweise von einigen -teuflischen Tierquälereien berichten. Aber er kam mit seiner Erzählung -nicht zu Ende. Man war im Sünderwinkel belauscht worden. Dem Leimhus -blieb das Wort im Munde stecken: der himmlische Ordnungshüter trat -herein. Der Finkensteller verbarg das Gesicht. Ausgerechnet er mußte -wieder als Sündenbock entlarvt werden. Als wenn ihn das Mißgeschick -auch im Himmel verfolgte! Er war froh, nicht die allerschlechtesten -Schlechtigkeiten ausgekramt zu haben. Eine Strafverfügung kam -allerdings doch: - -Der weiland Vogelsteller Leimhus wird verurteilt, zur Sühnung sündiger -Taten und behufs endlicher Besserung bis auf Widerruf wie ein Lockfink -an einen Pfahl gebunden zu werden. - -Seitdem ists im Sünderwinkel sehr still und sittsam geworden. Und -mit dem Finkenfang im Harzheimatland ists auch nichts mehr. Die -Vogelsteller fürchten, im Himmel Leimhusens Verdammnis teilen zu -müssen. -- Die Finken aber singen seither viel lustiger. - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - - - -Die Bergbachkönigin - - -Es muß einer schon Märchenaugen haben, wenn er ihr heimliches Krönlein -sehen will. Aber soviel sieht jeder doch, daß sie ein königliches -Kleid anhat: welcher Fisch im Bergbach auf und ab hat so schöne rote -und orangegelbe Punkte auf dem Schuppenleib! Und so himmelblaue Ringe! --- Das Rotfederle schmückt sich zum Hochzeitszug wohl mit roten -Brustflossen und das Elritzel hat einen silbernen Bauch. Der Rotzkopf -mit dem dicken Kopf und dem breiten Maul hat außer den goldenen Augen -eigentlich nichts an Schönem, womit er prunken könnte, und der stille -Schlammbeißer im Mühlengraben auch nicht viel: an die Schönheit der -Bergbachkönigin reicht keines heran. - -Als noch der Dottersack an ihr baumelte, war sie ein unbeholfenes -Forellenkind, das mucksstill in der Uferhöhle eines Murmelwässerleins -lag. Es war dunkel in dieser Kinderstube. Das bißchen Tageslicht, das -sich dort hinein verlor, mußte sich durch Fichtendämmerung und einen -Vorhang von herabhängenden welken Wurmfarnwedeln und Rispensträhnen -hindurchstehlen. Das Wurzelgewirr einer Fichte griff tief in die Höhle -hinab und krallte mit hundert Fingern Kiesel und Geröll fest. Das gab -schützenden Halt, wenn die Schneewasser kamen und das Dotterkindchen -mitnehmen wollten. Seine Mutter hatte die Kinderstube mit Klugheit und -Fürsorge ausgesucht. - -Als das Nesthäkchen einen langen dunklen Winter lang so in der Höhle -gelegen hatte und Wurmfarn und Rispen wieder grün wurden, fiel sein -unbehilflicher Dottersack ab. Mit diesem Ereignis begann ihr Leben. Sie -war ein flinkes Forellenprinzeßlein geworden, das flugs auszog, sich -die Welt zu besehen. Es war lustig, sich zwischen Steinen und Geröll -zu tummeln. Oder im ruhigen Wasser zu stehen, sich von Sonnengeflimmer -überfluten zu lassen und nach winzigen Mücken zu schnappen! Und das -hatte sie schnell gelernt. - -Aber sie brachte nicht nur den richtigen Forellenhunger aus der -Kinderstube mit. Sie kam bald hinter alle die kleinen Schliche und -Kniffe, die eine Forelle kennen muß. Sie merkte, daß unruhige Wasser -schlechte Sicht nach oben gewähren und den Flossen viel Arbeit machen. -Sie war schon eingeweiht darin, daß ein sich bewegendes Etwas am Bach -selten etwas Gutes bedeutete und man gut tat, sich zu verstecken. -Sie wußte, daß Steine wohl Schutz boten, die Uferhöhle aber besseren -gewährte. Sie konnte sich im Falle der Not auch schon richtig drücken, -an einen Stein klemmen oder in eine Felsspalte und mit gekrümmtem -Schwanz unbeweglich verharren, als ob sie ein zufälliges Stück vom -Bachboden oder ein Bröcklein Tannenast war. Aber auch das wußte sie -bald, daß der allerletzte Ausweg aus aller Bedrängnis immer der -lebendige Strudel war, in den kein Harzjunge, kein Eisvogel und keine -Wasseramsel hinabschauen konnte. - -Sie hat sie alle kennengelernt und ihretwegen Reißaus genommen -hundertmal bachauf und bachab. - -Ein paar Sommer lang ist das Prinzeßlein dem Quellwässerchen treu -geblieben. Dann wurde es größer. Der Hunger wuchs auch, und es zog -hinab zum rauschenden Wildbach. In einem schwarzen Wasserloch fand es -ein herrliches Jagdrevier. Das Wurzeldach einer Wetterfichte schattete -darüber. Und so tief war die Höhle darunter, daß auch der längste Arm -eines Wildfischers nicht hineinreichen konnte. - -In dem Loch kam das Bergwasser zur Ruhe, hielt einen Augenblick inne, -um Atem zu schöpfen vor der rastlosen Weiterfahrt. Dort wuchs das -Prinzeßlein zur Königin heran. Sie verbarg sich unter dem Wurzeldach, -lauernd, ob nicht das Wasser eine zappelnde Fliege hertrüge, eine -Spinne, einen ringelnden Wurm, ein verunglücktes Waldkäferlein oder -gar einen vorwitzigen Frosch. Ratsch -- ratsch gings dann, das Wasser -schlug einen schnellen, gurgelnden Wirbel, und die Buntgefleckte stand -wieder am alten Platze, als sei nichts geschehen. - -Im November, als im Bergwald der Brunftschrei des Rothirsches verhallt -war, kam ihr die Wanderlust ins Blut, und eine geheimnisvolle Macht -trieb sie talauf in junge Gewässer. Ein Wandergespan gesellte sich zu -ihr, der der gleichen Naturstimme folgte und bachauf zog. Es war ein -glatter Forellenkavalier. Er umschwärmte und umwarb sie. Da merkte die -Bergbachkönigin, daß sie verliebt war. Und sie verlebten heimliche -Liebesnächte unter Steinen und in Uferhöhlen. -- - -In einer schwarzen Nacht stand sie allein im ruhigen Wasser, verlassen -von ihrem Galan. Über dem Bergwald wälzten sich Schneewolken. Da irrte -ein Lichtschimmer am Bach herauf. Die Bergbachkönigin hielt neugierig -still. Sie sah nicht die finsteren Schleichgestalten hinter dem Licht, -ahnte nicht ihr Verhängnis. - -Ein Stich fuhr ihr schneidend in den Rücken. Ihr Leib krümmte sich, mit -letzter Kraft schlug der Schwanz. Sie wollte fliehen. Aber zu fest saß -die Gabel des Wildfischers ... - -Der hob die Zappelnde heraus. Ihr Krönlein fiel klingend ins Wasser. -Die Bergbachkönigin war Fischfleisch in roher Hand. - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - - - -Herrgottsplätzlein - - -Es gibt stille Gründe im Bergwald, die sich der Herrgott als -Lieblingsplätzchen zum Rasthalten ausgesucht hat. Die Vögel dort singen -viel heimlicher. Die Quellen schwätzen leiser als anderswo. Der Wind -überm Wald verhält dort den Atem. - -Ein Menschenkind mit einem Gottsucherherzen fühlt solche -Herrgottsplätze. Wenn aber einer, der kein Gottsucherherz hat, an -solchen Ort kommt, den zupfen Englein leis am Rockzipfel, daß er nicht -vorübergehen möchte. Manch einer hört auf die stillen Mahner und hat in -der Andacht des Waldes den Herrgott gefunden. Mehr aber gehen vorüber. -Für sie ist der Wald Holz. Ihr Herz ist nichts anderes. - -Es gibt viele Herrgottsplätzlein im Harzheimatland. Aber eins weiß ich, -das ist das schönste von allen. - -Kennt ihr den Waldteich im Tale Irgendwo? - -Eigentlich ist’s nur ein Tümpelchen, der Rest von einem Teich, dem man -vor hundert Jahren oder mehr den Damm durchstach. Wenn der Eisvogel, -der an seinen Ufern nach Elritzen und Forellen fischt, fünfzehn, -zwanzig Flügelschläge tut, ist er drüber hinweg. Größer ist das -Waldteichlein nicht. Braucht’s auch nicht zu sein, denn seine Kleinheit -gehört zu seinem heimlichen Zauber. Fichten haben es mit Grün umsponnen -und haben sich so dicht herzugedrängt, daß kaum ein Streifen Rasen -übrigblieb für ein paar Fingerhüte und Erdbeeren. So wurde aus dem -Teich ein weltvergessenes Waldmärchen. Ein grünlockiges Dornröschen, -das mit offenem Träumerauge einen tiefen, süßen Schlaf schläft in den -Armen des Waldes. Es wird kein Märchenprinz kommen, es aufzuwecken. Es -wird erst aufwachen, wenn der Förster die Fichten ringsum mit seinem -Messer anritzt und hinterher Holzhauersägen und -äxte die Waldstille -verjagen. Dann ist’s aus mit der Märchenherrlichkeit. Wald-Dornröschen -verliert sein Krönlein und flieht und kommt nicht eher zurück, bis -neuer Wald wachsen will. -- Aber noch steht ja der alte. Wenn über -Mittag ein Weilchen die Sonne über seine Wipfel lugt, küßt sie heimlich -den Waldteich. Sie guckt nur mit einem Auge ins Waldtal hinab, als ob -sie die grüne Dämmerung im Dornröschenstübchen nicht fortschrecken -wolle. Das Waldteichlein merkt das, fühlt auch den heimlichen Kuß -und lächelt. Wenn aber Schatten über dem Tal lagern und nur an den -Gipfelquirlen der Fichten noch Sonnengold flackert, wird das Lächeln -des Teiches zu Sehnsucht. Und nachts, wenn Sterne in ihm ihre Zeit -verträumen, wird sein Auge ein tiefgründiges Rätsel. - -Es ist ein großes Schweigen um den Waldteich herum. Sein Leben -ist still wie Wasserspinnenspiel und wie das Leuchten der -Wasserhahnenfußblüten auf seinem Spiegel. - -Er weiß nichts vom Lärm jenseits der Wälder. Hast und Unrast von da -draußen drangen nie hinab in den Einsiedlerfrieden seiner verlassenen -Schlucht. Er hört nur das Fichtenrauschen über ihm, das leise Sirren -im Schilf, das Wehen in Lattichblättern. Und in stillen Nächten, wenn -von den Bäumen rings klingende Tauperlen in den Teich tropfen und das -Reh heimlich zur Tränke wechselt, hält er verschwiegene Zwiesprache mit -dem Quellchen, das ihm unter Kresse und Baldrian seine Wasser zuführt. -Zeisig und Goldhähnchen singen ihm stille Morgenlieder, und abends, -wenn warmer Waldwind durch den Talgrund weht und die Drossel schlafen -ging, läuten die Unken mit silbernen Glocken. - -Hast du einmal in stiller Waldnacht gelauscht, wenn geheimnisvoll aus -dem Dunkel die feinen, ein wenig stumpf gestimmten Silberglocken zu -läuten beginnen? Es vergeht dir der Atem vor Freude! - -Klünk -- klunk -- klunk -- klünk -- unk -- klunk -- klünk --. - -Ein Glöcklein beginnt, zaghaft, lockend. Eins antwortet, viele folgen, -und bald läutet es in zauberischem Chor. - -Das ist das Ave des Waldteichleins, wo der Herrgott am liebsten Rast -hält. -- - -Warum denke ich oft an dich, du Teich im Waldesgrunde? - -Wenn doch des Menschen Seele ein so friedlich Ding wäre wie du! -Voll Ruhe und voll Träumen, klar, rein, wunschlos. Und wenn jede in -Feierstunden ihr heimliches Silbergeläut hätte! - - - - -[Illustration] - - - - -Alte Steinbrücken - - -Geht mir doch fort mit ~T~-Trägern und Betonkleisterei! - -Baut eure Betonbrücken über Kanäle, wo sie als Kunsterzeugnis -zum Kunsterzeugnis taugen. Sooft ihr aber eine Betonbrücke über -einen Harzbach legt, möge euch das schlechte Gewissen zwacken, -ihr Gotteslästerer und Naturverschandeler! Könnt ihr euch zu einem -Bergwasser voll Leben einen betrüblicheren Gegensatz denken als solchen -langweiligen Betonbatzen? - -Seht euch die Steinbrücken der Alten an. - -Es schmiegt sich alles in die Umgebung hinein. Die Brücke wächst -aus dem Bach heraus. Das Steingebröckel des Flußbettes ist zu einem -Bogen gebändigt. Ist kein Stein darin frisiert und mathematisch -zurechtgestutzt. Die Vielfältigkeit des Baches lebt lustig in der -Brücke weiter. Sie ist ein Teil von ihm geworden. Es ist nichts -Fremdes, Störendes, Langweiliges in die Landschaft gekommen. Alles ist -so einfach und kunstlos, und doch sind diese Steinbrücken Kunstwerke -und Meisterstücke der Alten ... - -Heute bauen sie Betonbrücken. Beton ist billiger, geht schneller und -erfüllt denselben Zweck. Zivilisation hat viel Kultur erdrosselt. -Was wissen Pfennigfuchser und Bürokraten von dem goldenen Gesetz des -Handwerks, das neben dem Zweckmäßigen das Bodenständige, Echte und -Schöne fordert! - -Das Schöne ... - -Du lieber Gott, schicke doch endlich deinen Geist hernieder. Gib -den Berufenen Einsicht und ein wenig Sinn für die Schönheit des -Harzheimatlandes. Laß sie die Bergbäche, -- deine lustigen Kinder! --- nicht mit Betonklötzen verschandeln. Tue ein Wunder, und laß alle -Zementsäcke, die sie an ein Harzbächlein schleppen, steinhart und -unbrauchbar werden. Schlag alle Betonbrücken zusammen! - -Die steinernen aber behüte noch tausend Jahr. - - - - -[Illustration] - - - - -Die braune Einsamkeit - - -Sieben Monde beißt sich der Hochharzwinter da oben fest. In dreien -führen Regen, Nebel und Wind die Herrschaft. Was überbleibt vom Lauf -des Jahres, ist nicht immer Sonnenschein und Wärme. - -So ist das Gesicht des Moores ernst geworden. In Not und Bedrängnis hat -es das Freuen verlernt. Wenn es lächeln will, wird nicht mehr daraus -wie ein müdes, verschüchtertes Augenblinzeln. Die lichte Unendlichkeit -des Himmels über ihm ist Schwermut. Seine Bläue stirbt in schwarzen -Wasserlöchern. Zwischen Fichten und Sümpfen hockt die Einsamkeit. -Hier oben ist ihr Antlitz ein anderes als in den Quellengründen des -Bergwaldes. Stille wird zur Melancholie, Schweigen zum Schauern. - -Dieses Grauen der Öde scheucht die Menschen zurück. Das Moor hat -wenig Freunde. Der Weidmann pirscht dem Rotwild nach. Auf heimlichen -Wechseln schleicht der Wilderer durch Bruch und Dickicht. Wenn die -Heidelbeeren blau werden, ist die Gimpelbrut flügge. Dann kommt mit -den Beerengängern der Vogelsteller herauf. Manchmal verliert sich ein -Waldläufer nach hier, dem es auf geraden Wanderpfaden zu langweilig -ist. Aussichtspunktmenschen und Modewanderer holen sich nasse Füße -und bleiben fort. Gott sei Dank. Ihnen geht der Zauber dieser Urwelt -nicht auf. Die melancholische Großartigkeit der Öde ist nichts für -Salonseelchen. - -Es ist kein ausgelassener Farbenjauchzer im Moor. Jeder Ton der braunen -Einsamkeit wirkt herb wie der Geruch, der rings aus Torfmoospolstern -dampft. Selbst wenn die Heide blüht, ist’s nur wie verzagtes -Leuchtenwollen, Fröhlichseinwollen, das sich nicht durchringt zu -befreiender Herzhaftigkeit. Die Seidenköpfe des Wollgrases nicken im -Winde: spar die Müh, spar die Müh! Und auch wenn der Herbst Birkengold -und Quitschenkarmin über das Moor flackern läßt und im Heidelbeerkraut -ein Gesprühe von Gelb und Rot und Lichtgrün entzündet, zur erlösenden -Freude wirds nicht: Das Moor kann nicht lächeln. - -Still wie die Farben ist das Leben im Moor. Es ist, als ob auf allen -Vogelstimmen die Schwermut der Öde lastet. Da ist kein Jubeln und -lustiges Geschwatze. Sie würden die Harmonie der Einsamkeit stören. -Der Herrgott läßt nichts aus dem Rahmen fallen. Zur Blütenpracht -des Apfelbaums paßt Stieglitzengeflister. Hier oben ist kein Platz -für Flitter und Firlefanz. Der Zippe Lied ist auf Moll gestimmt. -Melancholisch flötet der Dompfaff. Und wenn der Baumpieper singt, ist’s -immer die gleiche verhaltene Weise. Unvermittelt bricht sie ab. Der -Sänger wagt es nicht, sein Herz auszujubeln. Etwas Unerlöstes ist über -allem im Moor, Leidvolles, Entsagendes. Aber alles gehört ins Bild -hinein. - -[Illustration] - -Das Krüglein Freude, das ihm beschieden ward, ist nur bescheiden. Und -was der Herrgott ihm an Schönheit mitgab, ist still und unaufdringlich. -Es muß sie einer suchen. Wenn aber ein rechter Waldläufer kommt, der -Auge und Ohr auftut und sein Herz mit hinausnimmt und ein Feinschmecker -ist im Naturgenießen, der wird in der Armseligkeit des Moores viel von -diesem heimlichen Reichtum finden. Ihm wird das Rosenglockengeläut -der Moosbeere zum Erlebnis. Zwergbirke und Brockenmyrte sind ihm -Entdeckungen, zu denen er sich entzückt niederbeugt. Im Moorwasser -wandelt sich Himmelsblau zu einem Braunviolett voll feiner Farbigkeit. -Alles ist von eigener Art und eigenem Klang. Das große Schweigen wird -der Offenbarungen voll. Des Herrgotts verschwiegenste Wunder sind die -köstlichsten. - - - - -[Illustration] - - - - -Bruchbergwinter - - -Du bist ewig schön, mein Bruchberg! - -Stürme umtoben dich. Zyklone wollen deine Forsten zerknittern. -Du trotzt ihnen mit der Ruhe des Titanen. Und mit immer gleicher -Gelassenheit schaust du hernieder ins Harzheimatland. - -Schön bist du, wenn der Lenzwind durch deine Wildnis harft, im fahlen -Morgengrauen der Auerhahn seinen Liebesruf über das Hochmoor schickt -und zwischen Wipfelrauschen und Schneewassergeriesel irgendwo die Zippe -ihr Frühlingslied flötet. - -Schön bist du, wenn über deinem Wäldermeer flimmernde Sommerluft -zittert und blau, endlos blau die Fernen zu deinen Füßen liegen. -Würzdüfte atmen durch das Gehölz. Deine Fichtenhallen sind voll -Finkenschlag. Und draußen am Moor, wo rosenfarbene Knabenkräuter im -Torfmoos blühen, singt sich der Baumpieper sein Sommerglück vom Herzen. -In heimlichen Gründen hütet das Alttier sein Kalb. Fingerhut läßt -Purpurglocken über die Waldblößen leuchten, und zwischen Wald und Weite -schwebt gelassenen Fluges der Habicht. Wie liebe ich deine Sommertage -voll Blau und Grün! - -Und schön bist du, wenn Herbstnebel dich mit Dampf umhüllen und deine -Fichten und Felsen sich wie Riesen in graue Wolken recken; wenn -Borstengras und Quitsche sich herbstlich färben und in reiffrostigen -Oktobernächten Hirschschrei durch Hai und Hochwald hallt. - -Aber am schönsten bist du doch, wenn dich Schnee und Rauhreif -eingesponnen haben. Dann bist du ein Gottestempel geworden. Ein -Märchenland voll Schönheit ohnegleichen hat in dir sich aufgetan. -Schneefahrt durch deine Hänge ist Andacht. - -Wie groß und herrlich ist die Stille, die in der Wintereinsamkeit -deiner verschneiten Höhe träumt! Alles Laute ist dir fremd. Du bist -schweigsam, wie alles Ewige stille ist. Dein Antlitz ist voll Ernst und -voll herber Melancholie. Das Dunkel deiner Wälder kann sich lastend auf -die Seele legen. Aber der Winter breitet über das Düster eine lichte -Verklärung. Das bang Bedrückende weicht. Deine Ruhe wird Wohltat, -Gottesfriede. - -Wie köstlich fern liegt das Leben! - -Tief unten verdämmert die Welt in silbernem Duft. Was in der Tiefe den -Alltag bewegt, nichts von allem dringt hinauf in den Frieden dieser -weißen Einsamkeit, in der der Herrgott wohnt. - -Des Bergwalds Leben ist zur Ruhe gegangen. Das Hochwild wechselte -zu Tal. Wenn nicht eine Marderfährte durch den Schnee tupfte und da -und dort das Geläuf der Auerhenne, es könnte scheinen, als sei alles -Geschöpf hier oben gestorben. - -Die Fichten schlafen. Das Goldhähnchen im Geäst wagt nur ein leises, -leises Silbersingen, daß es ihre Ruhe nicht störe. Ihr Schlaf ist -tief und fest. Sie beugen sich unter schwerer Bürde und stehen da wie -betende Büßer, die schicksalsergeben auf Erlösung harren. Wie nickende -Träumer, die von Lenz und Drosselflöten träumen. - -Es ist eine große Stille im Wald. - -Manchmal rüttelt ein Windstoß an den Wipfeln. Dann rauscht es über -die Bäume hin wie klagendes Sehnen: Wann kommst Du wieder, schöner -Frühling? ... Es verklingt mit einem leidvollen Mollakkord, leise, -schmerzlich, und wieder schläft der Wald. - -Sein Schlafgewand ist weiß und rein. Jedes Fichtennädelchen, jedes -Rindengeschuppe und Flechtengekräusel ist mit Glitzersternchen -umsponnen. Es geht ein heimliches Flimmern durch den Wald, das seinen -Ernst lichter macht. Aber nirgends ist eine aufdringliche Helle. Wie -in einem Dom ist’s. Er baut sich auf aus Silber und Marmor. Durch -grünviolette Scheiben fließt zartfarbenes Dämmerlicht in seine -Säulenhallen. Wenn die Sonne hineinschaut, sprüht in Smaragden und -Rubinen ein Festgeleucht. Dann ist Feiertag im Dom. Alle Kerzen sind -angezündet. Der Wald betet. - -[Illustration] - -Bleibe stehen, o Wanderer, und bete mit. Verhalte den Atem, daß du die -Andacht nicht störst. Laß deine Schneeschuhe langsam gleiten, daß ihr -Knirschen nicht die Stille zerreißt. - -Fühlst du das Pochen des Blutes in der Brust? - -Bleibe stehen. Und so du ein Gottsucher bist, wird dir der Wald von -silbernen Altären herab eine Bergpredigt halten, die du nicht vergißt. -Harre aus bis zum feierlichen Amen. Dann wirst du beglückt von -dannen ziehen. Und wirst die Fäuste ballen, wenn Johler und Schreier -vorüberfahren, die mit ihrem Lärm den Gottesfrieden schänden. - -Aber laß die Horden. - -Wem _dieser_ Wald nicht die Lippen stumm und die Augen weit macht, der -sei dir zu erbärmlich. - -Laß sie, und fahre aus dem Kirchendämmer des Gehölzes hinaus und -hinauf aufs freie Moor. Über dir wölbt sich Berghimmelunendlichkeit. -Bäume und Bäumchen sind zu Boden gedrückt. Rauhreif hat sie verhext. -Buckelige Kobolde hocken da. Es schnarchen ungeschlachte Riesen, kauern -schlafende Moorhexen, schlummern vermummelte Prinzen und Prinzessinnen. -Feuersprühende Drachen schnauben, greuliche Saurier recken sich, -- -Gott sei Dank, daß sie starr wurden, just als sie zum Sprung ausholten. - -Wenn du Märchenaugen hast und zu glücklicher Stunde hier oben -weilst, wird dir auch die Bruchbergkönigin erscheinen. Sie kommt auf -einem weißen Hirsch aus dem Walde hergeritten. Über ihren Schultern -hängt kostbarer Hermelin. Ein silbernes Krönlein strahlt auf ihrem -Blondgelock. Sie reitet schweigend über das Moor. Die Bäume neigen -sich vor ihr. Sie nickt ihnen einen milden Gruß zu. In ihren Blauaugen -spiegelt sich die weiße Welt. - -Nun ist sie vorbei. Du stehst noch und starrst und hältst den Atem an, -möchtest vor ihrer Schönheit in die Knie sinken, ihr die Hände küssen -oder gar den Mund, und denkst an den Edelknaben und Schön-Rohtraut oder -an Tom, den Reimer ... Aber sie ist längst vorbei. Du suchst ihre Spur -vergebens. Doch du merkst, daß sie dich verzaubert hat. Heimliche -Sehnsucht bleibt in dir brennen. Ewig wirds dich zurückziehen in das -Reich der schönen Königinne. - -Die Sonne will versinken. Ihr letztes Leuchten streift über die Kämme -der Berge. Es malt strahlende Säume um die Fichten, taucht die Wanderer -ein in tiefes Orange und überzieht den Brocken drüben mit rotem Gold. -Jedes Vorwärtsgleiten der Schneeschuhe ist funkelndes Gesprühe. - -Nun ist der Sonne Gutenachtkuß verhaucht. In den Fenstern des -Brockenhauses verlischt ein müdes Blinzeln. Dann ist auch für die Höhen -die blaue Stunde gekommen, die Wälder und Täler längst erfüllte. Himmel -und Schnee werden eins. Es ist Zeit, zur Hütte heimzukehren. Um die -Dämmerstunde wachen die Berggespenster auf. Lebe wohl, du schöner Wald! - - - - -[Illustration] - - - - -Die Skihütte - - -Sie liegt verschlafen im Bergwald. - -Es ist nur eine kleine Gemeinde, die den verlorenen Pirschsteig zu -ihr zu finden weiß. Im Sommer kommen ein paar Holzhauer hinauf. Sie -bleiben nicht lange. Ein paar Tage weht das blaue, fichtennadelduftende -Rauchfähnlein ihres Lagerfeuers um die Hütte. Dann ziehen sie wieder -hinab. Und manchmal kehrt zu kurzer Rast der Förster bei ihr ein. -Stille Gäste, die vom Bergwald das Schweigen lernten wie die Hütte -selbst. - -Sie hat keinen großen Namen. Und das ist gut. Ihr Zauber ist ihre -Verborgenheit, ihre Schönheit die Einsamkeit. Der Bergwald umschmiegt -sie mit Dunkel und hütet sie wie ein Berggeheimnis. Sie ist mit ihm -verwachsen. Sie lebt sein verschwiegenes Leben mit ihm und kennt alle -seine heimlichen Regungen. - -Mit leisem Tritt umschleicht der Marder ihr Gemäuer. Im Holze bellt der -Fuchs. Waldmäuslein rascheln im Grase: die Hütte vernimmts. Sie hört -der Zippe schwermütige Melodien, den Lockruf des Schwarzspechtes, des -Auerhahns klatschenden Flügelschlag. Fink und Meise und Goldhähnchen -halten gute Nachbarschaft mit ihr. Und wenn die Quitschen vor ihrer -Tür zu leuchtenden Korallen werden, kommen Krammetsvogel, Weindrossel -und Dompfaff zu festlichem Schmaus. Dann wird’s Herbst. Der Wind im -Wald singt in rauheren Tönen. Schneegänse ziehen über die Höhe. Im -Forste schreit der Hirsch. Wenn er Winter wittert, führt er sein Rudel -talab. Dann wird’s still um die Hütte. Die Fichten triefen von Regen -und Nebel. Die Flechtenbärte an den Zweigen und Stämmen hängen in -trübseligen Strähnen herab. Und trübselig guckt die Hütte drein. Über -den Wald hin braust das Sturmlied des Windes. Wenn er es zu arg meint, -rackelt es unwirsch an den Fensterläden der Hütte. Sie gähnt und träumt -von warmen Sommernächten und Eulenruf und Unkenläuten im Wald. - -Wenn die weißen Flocken vom Himmel wirbeln, geht ein heimlicher -Zauberer durch den Bergwald. Der hat seinen Zauberstab auch über -das Hüttlein geschwungen. Alle Traurigkeit ist aus seinem Gesicht -geflohen. Wie freundlich es dreinschaut! Flugs hat es das schwarze -Teerdach mit einer Glitzerdecke zugedeckt. Der Schornstein bekommt eine -frischgeweißte Halskrause und das Blechdeckelchen auf dem Rauchrohr -ein blitzsauberes Hütchen. Auf jede Türangel, jeden Balkenvorsprung -wird ein Häuflein Schnee gestreut. Die Hütte versteht es, sich festlich -zu schmücken. Sie will dem Bergwald nicht nachstehen. Sie hat frohen -Besuch zu erwarten. Die Skiläufer kommen. Ihnen zu Ehren muß alles -wohl gerüstet sein. Schnell wird noch der Hexenmeister Wind bestellt. -Er pustet mit säuberlichem Gewehe einen strahlenden Marmorhof um die -Hütte. Nun ist alles wohlbereit und zum Empfang hergerichtet. - -Die Gäste mit den langen Brettern lassen nicht lange auf sich warten. -Kommt nicht dort vom Fichtenhang schon der erste her? - -Ein Einsamer ist’s. Mit schönem Schwung hält er vor der Hütte. -Er schnallt die Bretter ab und steckt den Hüttenschlüssel in das -rostige Schloß. Das Knarren des Riegels scheint ihm Musik zu sein. Er -lächelt. -- Durch die offene Tür fällt blendende Helle in die dunkle -Heimlichkeit des Hüttenraums. Das Hüttenmäuslein fährt erschreckt -zusammen und weiß vor Entsetzen nicht, wohin es soll. Der einsame -Skiläufer tritt den Schnee von seinen Füßen. Die Hütte gibt das Echo -seiner Tritte zurück. Das ist ihr Willkommengruß. Er wirft den Rucksack -ab und stößt die Fensterläden auf. - -Wie stille ist der weiße Wald, wie stille die Hütte! Und diese große -Stille rings wirkt wie eine erlösende Entspannung auf den Hüttengast. -Er setzt sich, muß ein Weilchen die Augen schließen. Und wieder -lächelt in seinem Gesicht ein Glück. Wie bei einem, der nach Hast und -Unrast den Frieden gefunden hat, den ihm der Alltag nicht gab. In der -Hütte fand schon mancher seinen Frieden. - -Nun prasselt es lustig im Hüttenofen. Im Topfe brodelt Schneewasser. -Das Hüttenbrünnlein schläft unter Eis und Schnee. Teeduft weht über das -flackernde Talglicht hin und mischt sich mit blauen Tabakwölkchen. Die -Hütte beherbergt einen frohen Menschen. Er reckt sich in behaglicher -Ungebundenheit, qualmt sein Pfeifchen und träumt. Wo träumt sich’s -schöner als hier? Und wo läßt sich’s besser schlafen als nachher auf -harter Hüttenpritsche! - -Gemach verlöscht das Feuer im Ofen. Verglühende Scheite bersten. Das -Hüttenmäuslein wagt sich wieder hervor. Warmgewordene Balken knacken. -Von draußen klingt wie fernes, leises Rauschen das Lied des Windes -überm Wald ... - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - -Druck F. A. Lattmann in Goslar am Harz - - - - -Weitere von Reinecke-Altenau geschmückte Bücher unseres Verlages: - - -Vom grünen Rauschen - -Ein Buch vom Oberharz - -von Bernh. Flemes - -mit Zeichnungen von Reinecke-Altenau - -Preis karton. 1.50 M., gebd. 2 M. - -Ein wahrhaft deutsches Buch, das in seiner Art nicht seinesgleichen -hat. Ein echter Poet hat in diesem feinsinnigen Wandernotizbuch das -Wesen des Oberharzes dargestellt. Dem Dichter, der Verborgenes und -Wesentliches zart und fest umspannt, gesellt sich der gleichgesinnte -hannoversche Künstler Reinecke-Altenau prächtig ergänzend bei mit -seinen der Natur abgelauschten Stimmungsbildern, die in ihrer Echtheit -den Harzcharakter wiedergeben, wie er sich in den Dichtungen offenbart. -So entstand ein bisher nicht dagewesenes Buch vom Oberharz, reich an -Empfinden und Schönheit. - - -Strom und Hügel - -Ein Buch vom Weserbergland - -von Bernh. Flemes - -mit Zeichnungen von Reinecke-Altenau - -Preis karton. 2 M., gebd. 2.75 M. - -Das Weserbergland mit seinem Formenreichtum der Höhen und Täler, seinen -köstlichen Baudenkmälern in Städten und Flecken ist wenigen Kennern nur -vertraut. Unter ihnen steht der Verfasser unsres neuen Buches, der auch -der Autor des erfolgreichen Oberharzbuches »Vom grünen Rauschen« ist, -an erster Stelle. Er hat sein Heimatland in vielen Jahren bis in die -letzten Winkel durchwandert; er hat die Gabe des besonderen, nur ihm -eigenen Ausdrucks für diese seine Heimatliebe, für die besondere Seele -dieser Landschaft. Der hannoversche Künstler Reinecke-Altenau erweist -sich hier wiederum als ein guter Geselle des Dichters, indem er in -feinsinniger Weise dessen Werk ergänzt. - - -Verlag F. A. Lattmann, Goslar am Harz - - - - - Weitere Anmerkungen zur Transkription - - - Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die - Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. - -*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK HARZHEIMAT *** - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the -United States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for an eBook, except by following -the terms of the trademark license, including paying royalties for use -of the Project Gutenberg trademark. 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General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. 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Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online -at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. 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A. Lattmann, Goslar am Harz -</p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="center smaller">Erstes und zweites Tausend</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> -</div> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-004"> - <img class="w100" src="images/illu-004.jpg" alt="" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_5">[5]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Harzheimat">Harzheimat</h2> -</div> - -<p>Alles Gute, Schöne, Heilige umschließt mir dein Name, du liebe -Harzheimat im Wiesengrund! Wenn ich dich nenne, tue ich es mit -der Ehrfurcht, mit der man eine Mutter nennt: Denn ich bin dein Kind. -Was das Leben aus mir schuf, ist deinem Schoße entsprossen. Aller -guten Kräfte Urquell ist die Heimat. Wenn mein Schaffen sich mit -dir verknüpft, nenne es Liebe, nenne es Dank.</p> - -<p>Ich bin dein Kind geblieben, du Bergstädtlein im Grünen, und will -nichts anderes sein. Dein Kind wie einst, das mit großen Augen die -Wunder deiner Wälder in die Seele trank und dem du dich ins Herz -grubst so tief und fest, daß ein ewiges Heimweh in ihm brennen blieb. -– Als ich Jüngling war, war dies Heimweh ein schmerzvolles Zerren. -Dem Manne ist es stilles Feiertagsgeläut, das aus einem fernen verlorenen -Paradiese herüberschwingt. Bergblumen blühen dort, und -Waldvögel singen. Auf grüne Wiesen schauen blaue Berge herab. -Und über allem ist ein weiches Zusammenklingen von Fichtenrauschen -und Bachgeplätscher. Das bist du, Paradiesgarten meiner Jugend, -Harzheimat!</p> - -<p>Als ich noch Bubenhosen trug, lagst du ein wenig hinterm Berge. Als -wenn die Zeit in dir ihren Schritt verhalten hätte. Im Zwiebelturm -der Kirche tackte noch das gleiche Uhrwerk, das schon in den Tagen -von Richter und Rat die Stunden schlug. Und an dem verwitterten<span class="pagenum" id="Seite_6">[6]</span> -Zifferblatt drehte sich immer noch der eine Zeiger, mit dem sich nur die -Alten zurechtfanden. Die Zeit weiß ich freilich nicht mehr, in der nur -Saumpfade und grundtiefe Waldwege von draußen her zu dir führten, -auf denen Eseltreiber das Brotkorn vom Lande heraufbrachten. Diese -alte Zeit war dahin. Als der letzte jener Zunft gehörige Esel das -Mißgeschick hatte, an einem Dämmerabend für einen Hirsch gehalten -und von einem Wilddieb jämmerlich zuschanden geschossen zu werden, -war längst eine neue angebrochen. Aber hinterm Berge lagst du immer -noch. Ach, wärest du dort geblieben, Harzheimat!</p> - -<p>Das Hinterwäldlertum stand gut zu deinem Gesicht. Ein rechtes Bergmädel -bist du gewesen, das zwischen Wiese und Wald aufgewachsen -war und in stillen Augen stille Träume spann. Das laute Leben jenseits -der Berge paßte nicht in deinen Frieden hinein. Du trugst kein -Verlangen nach ihm. Die Leute in dir fanden ihr Genüge darin, -zweimal in der Woche durch den Briefträger Nachricht von draußen zu -erhalten oder im Wochenblättchen vom großen und kleinen Geschehen -in der Welt zu lesen. Und wenn Handwerksburschen oder Wandersleute -Neuigkeiten mitbrachten und Säcke voll Lügen, war das alles -Evangelium für dich.</p> - -<p>Dann wurdest du größer und aufgeklärter und tastetest hinaus in die -Fremde. Ein Postillon blies lustige Weisen. Ich kenne ihre Melodie noch:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Hab’ dir was mitgebracht,</div> - <div class="verse indent0">Hab’ dir was mitgebracht,</div> - <div class="verse indent0">Sollst du mal sehn …</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Und zweimal am Tage fuhr die gelbe Postkutsche in gemächlicher Juckelfahrt -zwei Meilen Landstraße hinunter und herauf. Im Sommer<span class="pagenum" id="Seite_7">[7]</span> -brachte sie viele fremde Menschen mit, die teilhaben wollten an dem -Frieden deiner Berge. Und da, Harzheimat, tatest du geschämig. Du -ließest dich frisieren für die Fremden und ahntest nicht, wieviel Schönes -und Frisches und Eigenes diese Frisur an deinem Bergmädelgesicht -verdarb und wieviel Urwüchsiges und Echtes deinem Gewand genommen -ward. Aber das eine konnte dir alle Ungeschicklichkeit nicht verderben: -dein Herz.</p> - -<p>Jenes goldfündige Herz, schwerblütig und treu, das immer dasselbe -geblieben war seit jener Zeit, wo der erste Rauch aus deinen Holzhauer- -und Bergmannshütten im Urwalddunkel verwehte. Es wohnte -harte Arbeit in dir und viel Armseligkeit. Feste waren selten. Es gab -nicht wie heute jede Woche Tanzmusik. Dennoch glomm unter jedem -Dach ein Fünklein Glücklichsein und Frohsinn. Das eben spann -sich ab in einem geruhsamen Auf und Nieder, in dem stillen Gleichmaß, -wie sich im Schacht die Fahrkunst aufwärts und abwärts bewegt.</p> - -<p>Als man aber den Schienenweg in den Basalt deiner Berge sprengte, -kam Unrast in das Tal. Und als dann noch mit Prahlen und Keifen -die Hexe Politik den Weg über die Harzhöhen auch zu dir fand und -Haß und Feindschaft spie, da ward dein Herz ein anderes. Die Eintracht -brach auseinander, und Glück und Frieden flohen erschrocken -in die Wälder.</p> - -<p>Dein Glück, Harzheimat, dein Friede!</p> - -<p>Aber des Nachts, wenn in der Bergluft Sterne blänkern, verschlafene -Brunnen an den Straßen plätschern und über dem Holz die Eule ruft, -kehren sie heimlich zurück.</p> - -<p>Das ist die Stunde, in der du mir am liebsten bist.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_8">[8]</span></p> - -<p>Des Nachtwächters Tritt verhallt in stillen Gassen. Er ruft nicht -mehr wie früher die Stunden: Hört ihr Herren und laßt euch -sagen … Sein Horn ist verstummt. Und in der Neujahrsnacht -wars so schön, wenn er sein Lied sang: Ach, wie laufen doch die -Jahre. Die Welt ist nüchterner geworden. Stumm macht er seine -Runde. Seine Gestalt taucht unter im Grau der Nacht. Und mir -ist, als ob mit ihm ein Stück alter Zeit irrend durch die Straßen tappt, -das verlorene Herz zu suchen.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_9">[9]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-009"> - <img class="w100" src="images/illu-009.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Der_Gottesacker_am_Berg">Der Gottesacker am Berg</h2> -</div> - -<p>Verfallene Gräberreihen ziehen sich den Hang hinan. Der Totengräber, -der sie schuf, hat längst seine letzte Schicht verfahren. Und -die Hände, die sich einstmals liebend um diese Hügel mühten, haben -sich lange schon zum Ewigkeitsschlummer gefaltet, wer weiß wo. Der<span class="pagenum" id="Seite_10">[10]</span> -alte Gottesacker am Berg ist eine Stätte des Verlassenseins geworden, -der Pflege des Herrgotts anvertraut.</p> - -<p>Hier ruhen unsere Urgroßväter und Großväter aus von der Wallfahrt -im Harzheimatland. Eine stillgewordene Berggemeinde. Ihre Zeit -ist abgetan. Das ist das stille Leid, das über diesen Hügeln liegt -und das alles Bergblumenblühen nicht zu bannen vermag. Auf schiefen -Kreuzen und zerbröckelnden Schiefertafeln verwittern die Namen versunkener -Geschlechter, verblassen fromme Sprüche. Über die Gräber -wächst der Rasen. Langsam ebnet er Hügel um Hügel und breitet -über Not und Tod Vergessensein. Erde zu Erde.</p> - -<p>Es ist kein Friedhof voll Prunk und Pracht. Schlicht und herbe, wie -das Leben der Bergstadtleute dahinfloß, ist auch ihre letzte Ruhestatt. -Und Prunk und Pracht hätten nicht hergepaßt an diesen Blumenhang, -auf dem jedes Grab und jedes Totenmal wie zufällig aus einer -Bergwiese hervorgewachsen zu sein scheint. Als habe sich jeder ein -Plätzchen gesucht, das ihm gefiel: der eine unter Bergwohlverleih und -Hirschzunge, der andere unter Margeritten und Glockenblumen, der -dritte unter Tausendgüldenkraut und Thymian und Bärwurz.</p> - -<p>Da schlafen müdegewordene Holzhauer, denen in knöcherigen Händen -die Axt zu schwer ward. Hier hat der Reitende Förster sein letztes -Ruhebett im Grünen gefunden. Die Fichte über seinem Grab rauscht -ihm Grüße hernieder von Wald und Wild, und am Hubertusmorgen -wehts durch ihre Äste wie verlorenes Halali aus Hannoverschem -Jägerhorn. Dort ging der Fuhrherr zur Ruhe. Wenn über die Bergstraße -ein Langholzwagen bollert, Peitschenknall an der Waldwand -drüben das Echo weckt und an den Kummeten und Zäumen der Pferde<span class="pagenum" id="Seite_11">[11]</span> -die Messingbeschläge klingeln, mag des Schläfers totes Herz unterm -Leinenkittel zucken. Former und Schmelzer rasten von hartheißer -Arbeit am Schmelzofen und träumen dem Silberblick der Ewigkeit -entgegen. Zerstampft vom Pochwerk Leben sagten hier Pochjunge -und Pochsteiger der Erde Valet. Mit stummem Glückauf begrüßen -sich Bergmann und Königlicher Bergrat beim großen Feierabend, der -unter der Erde sie alle gleichmacht, die vom Leder und die von der Feder. -Wenn die Morgensonne früh über die Waldhöhen guckt, gilt ihr -erster Strahlengruß den Toten im Gottesacker am Berg. Dann sprüht -Tauperlengefunkel zwischen den Gräbern. In Trauereschen und -Lebensbäumen blänkern lang verweinte Tränen. Spinnennetze, die -zwischen Wiesenschwingel und Knäuelgras ihr Seidengewebe ausspannen, -werden zu kostbarem Filigran. Rostige Kreuze flackern wie -braunrotes Gold in den Himmel hinein. Goldbronzerestchen, die sich -kümmerlich an verwitterten Inschriften festhielten, schimmern im Sonnenschein, -als wollten sie verlöschendes Erinnern an einen Toten -lebendig machen. Um die Totenmale fließt stille Verklärung. Vergessene -Seelchen huschen hervor. Sie hocken rings auf Hügeln und -verfallenen Einfassungen. Mit weiten Träumeraugen schauen sie auf -die Bergstadt hernieder, die Heimat im Tal, die eine andere ward.</p> - -<p>Da pfeift von fernher der Morgenzug. Eine Sirene zerreißt die -Morgenstille und ruft heulend zur Frühschicht. Die Seelchen huschen -erschrocken hinab und schütteln die Köpfe ob der neuen Zeit.</p> - -<p>Glockenblumen läuten über den Hang, und in armseligem Rosengerank -singt eine Grasmücke ihre Litanei: Ruhn in Frieden alle Seelen.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_12">[12]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Das_Glockenhaus">Das Glockenhaus</h2> -</div> - -<div class="figleft illowp30" id="illu-012"> - <img class="w100" src="images/illu-012.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>Im Glockenhaus hatte alles seinen -heimlichen Zauber: Der Stufengang -am Wiesenhang hinauf, die knarrende -Bretterstiege, das uralte Glockengebälk, -die Glocken, der Geruch alten -Holzes, der fröhliche Ausguck durch -die Schalluken. Man konnte mit dem -Fingerknöchel an die Glocken klopfen -und lange lauschen auf das schwingende, -singende Summen im Metall. -Man konnte den Läutejungen in seiner -Würde bewundern. Man konnte auf -den Lukenbrüstungen reiten und lustig -herunterspringen in Blumenwiesen -hinein.</p> - -<p>Zu schön war es im Glockenhaus!</p> - -<p>Irgendwo in einer Spinnwebecke da -oben blieb mir ein Krümchen Jugendglück -hangen. So oft ich die Glocken höre oder das Glockenhaus -sehe, huscht ein Gedanke hinauf, dies Glücklein aufzuwecken aus -staubigem Winkel. Dann will es wieder froh wie einst zum Fenster<span class="pagenum" id="Seite_13">[13]</span> -hinausturnen oder hinaufklettern ins Glockengebälk bis unter die Schindeln. -Und ist ganz voll Seligkeit, wenn ihm der Läutejunge die Gunst erweist, -nach dem Läuten dreimal die Betglocke anschlagen zu dürfen.</p> - -<p>Das Glockenhaus ist kein wolkenstürmender Bau. Nur ein Spitzlein -auf einem Berg. Und es ist nichts an ihm, das anspruchsvoll wäre -oder über das Maß des Zweckmäßigen hinausginge. Man könnte -es arg nüchtern nennen. Aber es hat seinen eigenen Stolz. Wie ein -Wartturm guckt es auf die Bergstadt hernieder. Zu seinen Füßen muß -sich die Kirche ducken: Die Herrin zu Füßen des Dieners. Aber das -Glockenhaus ist darum nicht hochmütig. Es hält mit dem Kirchturm -gute Nachbarschaft. Seit Jahrhunderten haben sie sich guten Morgen -und gute Nacht geboten. Sie sind einander so nahe, daß eins dem -andern in die Fenster gucken kann. Keins hat vor dem andern eine -Heimlichkeit zu verbergen. Der Kirchturm kennt jede Bretterplanke -am Glockenhaus und sieht die Roststreifen unter jedem Nagel. Das -Glockenhaus weiß genau, wieviel Schieferplatten den Zwiebelbauch -des Kirchturms beschuppen. Wenn der Wind nicht ein unterhaltsames -Liedlein von einem zum andern hinüberpfeift, haben sie sich nicht viel -zu erzählen. Sie sind aneinander gewöhnt und alt geworden und -reden nicht unnütz.</p> - -<p>Dann guckt das Glockenhaus verschlafen zu, wie sich am Kirchturm -langsam die goldenen Zeiger über das Zifferblatt drehen. Oder -es horcht auf, wenn’s im Gehwerk drüben knarrt und die Hämmer -quietschend zum Stundenschlag ausholen. In blinden Gucklochscheiben -blinzelt die Sonne. Auf Messingknauf und Wetterfahne machen die -Stare Kapriolen. Das Glockenhaus lächelt.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_14">[14]</span></p> - -<p>Und dann schaut es ein wenig in die Kirche hinein. Die Sonne malt -Goldstreifen über Bänke und Gestühl. Das rote Altartuch leuchtet. -Man sieht die Stille in der Kirche.</p> - -<p>Nebenan im Pfarrhaus hat die Frau Pastorin die Betten zum Sonnen -ausgelegt. Der Herr Pastor hat sein Hauskäppel aufgesetzt. Er sitzt -im Studierstübchen und schreibt. Die Wolken aus seiner langen Pfeife -weben duftigen Tüll vor das Fenster. Manchmal steckt er die kurze -an. Dann steigt er in den Hof hinab und hackt Holz. Oder schlendert -behaglich durch den Garten, ein Feierstündlein zu halten und nach -Himbeeren und Salat zu sehen. Gehen Bergstadtmenschen vorüber, -ist ein freundliches Grüßen und Wiedergrüßen.</p> - -<p>Im Nachbargarten flattert Wäsche. Irgendwo hängt ein Mütterchen -die Käsehorte neben der Hintertür auf und legt säuberlich die weichen -weißen Käse zum Trocknen auseinander.</p> - -<p>Das Glockenhaus hat viel Kurzweil an solcherlei kleinen und beschaulichen -Dingen. Es ist nichts Aufgeregtes im Bergstädtchen. Frauen -gehen mit der Mehlbutte zum Backhaus. Oder haben die Kiepe aufgehuckt, -um darin die Einkäufe für die Woche zu bergen. Oder holen -in klappernden Eimern Wasser vom Bottich. Sie schwatzen und stehen -und gehen ihrer Wege. Männer begegnen sich und tippen mit dem -Finger oder dem Pfeifenmundstück ein Glückauf an die Mütze.</p> - -<p>Manchmal bringen Wanderer Unrast mit. Vor Zeiten waren Wandersleute -seltene Gäste im Bergstädtchen. Jetzt aber kommen sie in Trupps -und in Horden. Sie singen Wanderfrohsinn durch die Straßen oder -johlen. Das Glockenhaus hat sich an alles gewöhnt. Aber ein bedenklicher -Knacks ging doch durch sein Gebälk, als zum ersten Male<span class="pagenum" id="Seite_15">[15]</span> -eine fremde Knabenschar zum Takt eines politischen Haßliedes durch -die Bergstadt zog. Der Einpeitscher ging nebenher. In den Augen -der Knaben war nichts von Wanderlust. Als ob ihre Seelen mit Gift -geätzt wären. Der Einpeitscher wußte das. Aber dies Gift war sein -Lebensinteresse. Wandern und Politik, Politik und Knaben: Das hatte -das Glockenhaus noch nicht erlebt, solange es denken konnte. Und es -schüttelte den Kopf ob der Wirrnis solcher Zeit.</p> - -<p>Stiller noch als der Sommer ging vor Zeiten der Winter durch die -Harzheimatberge. Das Bergstädtchen tat einen langen Winterschlaf. -Und das Glockenhaus schlief mit. Sie wachten erst auf, wenn zu Fastnacht -die Bergleute und Hüttenleute mit Musik zur Kirche zogen und -aus allen Häusern der Duft von heißem Schmalz und Öl und von -frischgebackenen Fastnachtskrappeln durch die Straßen strich und bis -hinauf auf den Glockenberg wehte. Die Wiesenhänge ringsum waren -unberührte Reine, durch die der Fuchs seine Schnürfährte zog. Aber -dann kamen die langen Bretter in die Berge. Mit dem Winterschlaf -wollte es nichts mehr werden. Die Bergstadtfrauen schlugen die Hände -über dem Kopf zusammen, als sie ihre Geschlechtsgenossinnen aus der -Großstadt in Männerhosen einherstolzieren sahen. Und das Glockenhaus -hat verwundert dreingeschaut ob der vielen bunten Wolljacken -in den Straßen unten. Nun sind ihm auch das vertraute Bilder geworden. -Auf allen Hängen zerfurchen Männlein und Weiblein den -Schnee und treiben Sport mit den Brettern oder mit dem Kostüm. Das -Glockenhaus hat helle Augen für Zünftiges und Unzünftiges. Drüben -am Sprunghügel hupfen die Bergstadtbuben. Das Klappen der -Schneeschuhe beim Aufsprung tönt bis zum Glockenberg herüber.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_16">[16]</span></p> - -<p>Das bunte Winterleben geht fort, bis Wind und Regen den Schnee -auch aus den höchsten Schneisen des Bergwaldes fortleckten. Die -Schneeschuhläufer stellen die Bretter in die Ecke. Für eine Weile sind -die Bergstadtleute unter sich. Dann hat das Glockenhaus nicht viel -zu gucken. Das Leben im Bergstädtchen geht wieder seinen gemessenen -Gang. Frauen schwatzen. Männer begegnen sich. Fuhrwerke bollern. -Manchmal kommt ein Leierkastenmann. Und die Kinder rufen hinter -ihm her:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Orgel – orgel – nort – nort – nort,</div> - <div class="verse indent0">Meine Orgel ist kaputt.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Oder es kommen wandernde Musikanten, die Braker, trätern ihren -Vers und fangen in ihren Trompeten und Bombardons die Geldstücke -auf, die ihnen aus den Fenstern zugeworfen werden. Oder fahrende -Leute mit bunten Wagen kommen, mit denen ein Stück Romantik in -die Ereignislosigkeit des Bergstädtchens hineinrollt.</p> - -<p>Manchmal geht der Ausrufer durch die Straßen, ein obrigkeitliches -Dekretlein auszurufen oder eine Tanzmusik anzukündigen. Der Wind -zerpflückt die Worte. Das Häusel auf dem Glockenberg ist auch nicht -begierig auf derlei Sachen. Es wundert sich nur, daß der Ausrufer -nicht mehr den langen und blankknöpfigen Büttelrock trägt wie in alten -Zeiten. Damals sah er viel würdevoller aus. Die Bergstadtjungens, -die auf verbotenen Wegen ruschelten, hatten Angst vor ihm. Nun steckt -er in schlichtem, bürgerlichem Röcklein. Aller Respekt ist dahin. Von -der Würde seines Amtes zeugt nichts mehr als eine abgeschabte Aktentasche -und die Klingel. Er versteht sie meisterlich zu schwingen. Aber<span class="pagenum" id="Seite_17">[17]</span> -trotz aller Meisterschaft will aus der Amtsschelle nur ein dürres Bimbim -heraus. Wie könnte es auch anders sein. Dem Glockenhaus ist es -schon lieber, wenn ihm an jedem Sommertag die Kuhherde mit -melodischerem Geläut aufwartet. Wenn der Kuhhirt getutet hat, -ist auf allen Straßen im Bergstädtchen ein unruhiges Gequirle. -Es ordnet sich gemach zum Zuge und strebt ins Freie. Auf blanken -Fellen glänzt die Sonne. Glockenbügel malen grüne Striche in den -rotbraunen Zug.</p> - -<p>Nach den Kühen läutet die Kälberherde hinaus. Ziegen und Schafe -tappeln hinterdrein.</p> - -<p>Das Glockenhaus gibt den Tieren das Geleite nach draußen und macht -einen Morgenspaziergang in die Umwelt. Es sieht die Landstraßen -im Tal sich schlingen und drehen und sich auf Bergeshöh verlieren, -Wiesenpfade sich verlaufen im Irgendwo des Gehölzes. An Waldsäumen -und Fichtenkämmen tastet sich sein Blick hinauf zu blauen -Höhen und Wolken. Aus Wälderdunkel, darin hier und dort sich das -Rauchfähnlein eines Holzhauerfeuers in die Luft kräuselt, gleitet sein -Auge gemach wieder hinab in lichtes Wiesengrün. Von weit draußen -grüßen Forsthäuser her. Bäche blänkern daran vorüber. Und da ist -auch der Mühlengraben, der mitblänkern will. Fischen nicht die Jungens -schon wieder Elritzen in ihm? Und dort schmiegt sich die Mühle -ans Bergstädtchen. Wenn das Tor zum Mühlenrade offensteht und -die Sonne in den Radschacht scheint, blitzt silbernes Geglitzer bis zum -Glockenhaus hinauf.</p> - -<p>Das ist von seinem Morgenausflug aus den Bergen heimgekehrt ins -Bergnest. Unten in der Schule ist Pause. Die Jugend quirlt auf<span class="pagenum" id="Seite_18">[18]</span> -dem Schulhof durcheinander. Das Glockenhaus freut sich an dem -Gebalge der Jungen und an dem Ringelreihen der Mädchen. Es -kennt sie alle von der Stunde an, in der zum ersten Male der Wald -über ihre Wiege hinrauschte. Sie wachsen unter seinen Augen heran -und durchjauchzen eine frohe Bergjugend zwischen Wiesen und Wäldern -und Bächen. Aus Mädeln und Buben werden große Menschen. -Das Leben greift nach ihnen. Es packt sie nicht alle mit sanften -Händen an. Die Mädel schlüpfen unter im warmen Nest einer Häuslichkeit. -Die andern gehen harter Hantierung nach. Das Glockenhaus -begleitet sie auf allen Wegen, auf denen sie ihr Brot suchen. Es -gibt ihnen ein herzhaftes Glückauf mit, wenn sie sich rüsten zu saurer -Schicht im Schacht. Es ist mit ihnen, wenn sie Axt und Säge auf -die Schulter nehmen oder mit Holzkarren und Kiepen steile Hohlwege -hinaufanken, im Bergwald untertauchen und heimkehren mit schwankender -Last. Es schaut ihnen zu, wenn sie auf den Wiesen rings sich -mühen, das Heu zu bergen und in schweren Bündeln hangab zu -schleppen.</p> - -<p>Seit Jahrhunderten sind ihm alle Bilder mühseliger Bergmenschenarbeit -vertraut. Geschlechter sind gekommen und gegangen. Die -Arbeit voll Sorge und Plage ist immer die gleiche geblieben. Und -sie wird für alle immer die gleiche bleiben, solange die Tanne grünt -und Erz wächst und bis auf die Stunde, in der die Mühseligen ihren -Lauf im Tal beschließen. Dann ist der große Feierabend gekommen. -Sie falten die müden Hände. Man trägt sie hinaus zu denen, die -vor ihnen den gleichen Pilgerpfad der Mühe und Arbeit wandelten. -Dann schaut ihnen das Glockenhaus mit großen Augen nach. Unter<span class="pagenum" id="Seite_19">[19]</span> -seinem Spitzdach haben sich die Schalluken geöffnet. Lebewohl! rufen -die Glocken. Und bis in fernes Bergesblau schwingt ihre Klage:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Droben bringt man sie zu Grabe,</div> - <div class="verse indent0">Die sich freuten in dem Tal …</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Der Klang verhallt. Im Glockenhaus bleibt ein Sinnen zurück. Im -Wald drüben, der hinter dem Kirchturm einen samtgrünen Hintergrund -malt, jagen Kreuzschnäbel durch die Wipfel. Die Graudrossel singt. -Bergwiesen blühen. Die Bäche spinnen ihr Plätscherlied in Ewigkeiten -fort. Die Heimat lebt. Menschen sterben. –</p> - -<p>Der Wandel der Zeiten hat auch den Weg ins Glockenhaus gefunden. -Es gehen keine Läutejungen mehr hinauf ins Glockenhaus. Das -Läuten ward ein Amt. Das Geschlecht der Läutejungen ist ausgestorben. -Es schnitzt keiner mehr seinen Namen ins Gebälk. Und reitet -auch keiner mehr auf der Brüstung der Luken und läßt seine Beine -baumeln zwischen Himmel und Erde. Sie läuten auch nicht mehr -dreimal am Tage. Es ist mancherlei anders geworden im Glockenhaus. -Die große Glocke holte der Krieg. Sie ward zu Metall zerschlagen. -Ihr Klang zerklirrte und starb. Verwaist blieb die kleine zurück. Wie -ein Armesünderglöcklein verrichtete sie in den Jahren des Krieges -ihren Dienst. Verzagt klangs vom Glockenberg herab. Die kleine -Glocke ward zum Symbol der Armut und Not.</p> - -<div class="blockquot"> - -<p class="noind"><em class="antiqua">IM ERSTEN JAHR ANNO 1693 CHURFUERSTLICHE REGIRUNG -ERNESTI AUG HERTZOGEN ZU BRAUNSCH U LUENEB BISCHOF -ZU OSNEBRUG & IST DISE KLOCK GEGOSSEN V NICOLAUS -GREVEN IN HANNOVER.</em></p> -</div> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_20">[20]</span></p> - -<p>Sie sah während ihres Erdendaseins Kampf, Elend und Hungersnot. -Unter ihren Augen haben die Horden Belsunces und Vaubecourts -im Bergstädtchen geplündert. Aber alles das und die Kriege nachher -waren kleine Begebenheiten gegenüber dem Jammer des großen -Krieges. Und als das Glöcklein den Frieden in die Berge rief, klangs -wie ein Erlösungsschrei aus tiefster Not.</p> - -<p>Wußte nicht, daß sein Friedensgeläut der Grabgesang des Vaterlandes -sein sollte. Wußte auch nicht, daß bald hernach sein eigenes -Stündlein schlug: Es kamen neue Glocken, – stählerner Ersatz. Man -hängte sie in das alte Gestühl. Die kleine Bronzeglocke ward herabgenommen. -Sie fand einen neuen Platz abseits. Es brauchte keiner -darüber zu schreiben: Abgetan! Man sah es dem Platz an.</p> - -<p>Gräme Dich nicht, du Glöcklein. Das ist neue Zeit. Viel Altes, -Gutes, Echtes ist in die Ecke gedrückt und hat dem Neuen weichen -müssen gleich dir. Glücklich, wer in sich das Bewußtsein seines Wertes -bewahrt und den Glauben an sich nicht verliert!</p> - -<p>Wenn die Stahlglocken läuten, kann das Bronzeglöcklein im Verbannungswinkel -nicht an gegen das stählerne Bellen. Es wird überschrien. -Ein feines Stimmchen abseits singt sein Lied für sich:</p> - -<p>Bellt nur, ihr Aufdringlichen, die ihr mich verdrängtet! Ersatz seid -ihr und unecht. Euer Maul ist groß. Ihr wollt mich überschreien. -Wer seinen Unwert verdecken will, schreit. Eure Stimme ist unedel. -Ihr wollt etwas scheinen, wozu ihr nicht geboren seid. Stahl ist Krieg. -Ihr taugt nicht zum Gottesdienst. Kinder einer zweifelhaften Zeit -seid ihr, die manches über den Haufen warf, was sie bereuen wird. -Doch, es sind noch Menschen im Bergstädtchen, die Sinn behielten für<span class="pagenum" id="Seite_21">[21]</span> -echte Werte und das Alte ehren. Sie lieben mich. Sie horchen auf -meine Stimme. Ich läutete ihren Ahnen und Urahnen, die im Gottesacker -am Berg schlafen. Ich bin die alte Zeit, in der nur das Wahre, -Echte, Erzene galt! Schreit nur: Diese Wahrheit tötet ihr nicht!</p> - -<p>So singt die kleine Bronzeglocke im Winkel, und es ist ein richtiges -Zänklein ins Glockenhaus gekommen.</p> - -<p>Aber es soll euch nicht gelten, ihr Bergstadtleute. Aus dem Glockenhaus -weht kein Hader zu euch hinab. Die alte Glocke ist verständig. -Sie weiß, daß sie das Opfer der Not und der Elendszeit ward. Sie -weiß auch, daß nirgends in der Welt diese Zeit drückender war als in -euren Bergen, auf denen wohl die Tanne grünt, aber kein Brotkorn -wächst. Sie will nicht rechten. Nur manchmal muß sie ihr Herz ausschütten. -Und ich sage euch: es ist heilsam, dann und wann ihrer -Stimme zu lauschen und darüber nachzudenken, was sie zu erzählen hat. -Wenn es ein Großes zu beläuten gilt, wird der Zwist im Glockenhaus -schweigen. Und immer einig werden die drei ungleichen Schwestern -sein in dem Gebet:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Holder Friede, süße Eintracht</div> - <div class="verse indent0">Weilet, weilet</div> - <div class="verse indent0">Freundlich über dieser Stadt!</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Und ein Bergstadtkind in der Ferne betet mit.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_22">[22]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-022"> - <img class="w100" src="images/illu-022.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_23">[23]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Kinderland">Kinderland</h2> -</div> - -<p>Die breitkronigen Ahorne und Eschen, die mein Kinderland beschatteten, -sind fort. Das Geld für ihr Holz war fremden Menschen wertvoller -als die grüne Laubpracht und der Vogelsang darinnen. Von ihren -Wipfeln flöteten die Stare Jahr um Jahr den ersten Frühlingsgruß ins -Bergstädtchen hinein. Nirgends sangen Fliegenschnäpper und Schwarzplättel -lustiger als hier. Wenn die Finken schlugen, wars wie ein Konzert -in grün verhangener Halle. Am Ahornhang blühten die allerschönsten -Veilchen, – o, wie sie Frühling dufteten! – und schönere Schneckenhäuser -gab es nirgendwo.</p> - -<p>Nun ist von der rauschenden Baumherrlichkeit nichts geblieben als -ein paar Wurzelstümpfe. Wie letztes Lebenwollen kümmern Jungtriebe -daraus hervor, an denen die Ziegen rupfen.</p> - -<p>Wenn ich den Kirchenbrink hinansteige, ist mir der Weg ohne die -Bäume fremd. Meine Augen suchen etwas. Und wenn sie dann -ins Kahle, Leere schauen, tropft es schwer von meinem Herzen. Ein -Stück meiner Jugend hat hier gegrünt. Bäume können zu Freunden -werden, denen man nachtrauert.</p> - -<p>Schattenlos senkt sich der Hang zum Bach hinab. Es ist, als ob er -blinzeln muß, sich nicht an die Helle über ihm gewöhnen kann und -auch er die Alten vermißt. Als sie noch ihr Laubdach über ihm<span class="pagenum" id="Seite_24">[24]</span> -wölbten, war sein Wasser ein Wechselspiel von grünen Widerscheinen. -Um Kiesel und Geröll rieselte ein smaragdenes Mosaik. Bachstelzen -wippten darüber hin. Alle Vögel aus der Nachbarschaft kamen zum -Trinken hierher. In trockenen Sommern holten sich die Schwalben -von dort den Schlamm zum Nesterbauen. Es war ein heimliches -Paradies. Brennesseln wucherten den Hang hinauf. Schöllkraut -blühte rings, und zur Herbstzeit war es lustig, im Springkraut zu waten. -Just an dieser Stelle entfloh der Bach für eine kurze Weile den -steinernen Mauern, die ihn bei seinem Lauf durch das Bergstädtchen -im Zaume hielten. Denn zu Zeiten konnte er ein ungestümer Geselle -sein, der mit Rauschen und Reißen daherstürzte und steinepolterndes -Unheil ins Tal wälzte. Zumeist freilich war er ein friedfertiges Bergbächlein, -das sein Blänkerwasser pladdernd hinabführte, Wiesen grüßte -von Bäumen, Brücken und Häusern schnörkelige Bildlein malte und -allen, die es hören wollten, von Berg und Bruch und Urwald erzählte, -die ihn geboren. Er hatte auch einen richtigen Namen, der in jedem -Erdkundebuch und auf jeder Landkarte steht. Aber die Bergstadtleute -nannten ihn nie mit seinem Taufnamen und sagten einfach: die Flut. -Auf der Flutmauer, die sich dem Ahornhang anschloß und zum Grundstück -des Vaterhauses gehörte, grünte in fröhlicher Ungebundenheit -ein Himbeerwäldlein. Dort hatte der Zaunkönig seine Heimlichkeit. -Und jedes Jahr knixten von der Gartenplanke hinter den Himbeeren -zehn putzige braune Bällchen mit keck emporgerichteten Schwänzen -in die Welt hinaus. Ich hätte das Geburtsschloß der jungen Zaunkönige -gern gesehen. Aber eine Scheu hielt mich zurück. Es wäre -mir als Sünde vorgekommen, ihr heimliches Glück mit meinen Blicken<span class="pagenum" id="Seite_25">[25]</span> -zu stören. Ich bin nie mitgegangen, wenn mir Kameraden ein Vogelnest -zeigen wollten. Als ich zum allerersten Male ein Nest aus der -Nähe sah, war mir das ein heiliges Erlebnis, bei dem mir das Herz -pochte.</p> - -<p>Wenn in der Flut eine Wasserratte schnupperte oder gar ein Iltis -über die Steine hopste, wurde im Zaunkönigreich Feuer und Mordio -gezetert: zerrr, zerrr zerrrzerrrzerrr! Dann wußten alle Vögel, daß -ein feindliches Etwas den Frieden im Flutwinkel stören wollte. Sogleich -war Frau Wippstert, die graue Bachstelze, zur Stelle. Sie -hielt einen Augenblick inne im Wippen und gab den Warnruf weiter: -Zuip-tütütüt, zuip-tütütüt! Mit hastigem und ängstlichem pink-pink-pink-pink -flog der Fink herzu, und hß-taktak, hß-taktaktak, lumpenpack! -warnte das Rotschwänzel. Dieb? dieb? fragte lakonisch der Fliegenschnäpper, -der in aller Aufregung die Ruhe bewahrte.</p> - -<p>Dann richtete sich auch die gelbe Bachstelze in ihrem Nest auf, legte -den Kopf schief und äugte verwundert zur Flut hinab. Ihr Nest hatte -sie an unserm Stall. Wenn sie an Regentagen an den Stallfenstern -nach Fliegen und Spinnen jagte, hätte sie den Kühen und Pferden im -Stall zuschauen können, wenn nicht die Fensterscheiben grün und blau -und blind gewesen wären.</p> - -<p>Unser Stall!</p> - -<p>Mir zieht der Duft von Heu und Häcksel durch die Nase. Ich spüre -den Geruch von warmem Pferdeschinn, der an Kummeten und Zäumen -klebt. Ich denke an heimliche Balkenwinkelei, an Stollen, Schächte, -Räuberhöhlen und Burgverließe im Heu. Vom Hühnerwiemen flattern -bunte Federn herab. Mäuse kraspeln im Futterkasten. Ich fühle ihr<span class="pagenum" id="Seite_26">[26]</span> -sammetenes Fell in der Hand und lasse sie laufen, weil ihre Knopfäugelchen -bitten. In den Fensterwinkeln blaken Spinneweben. Fliegen, -Heumotten und Heusamen fingen sich darin. Schwarze Spinnen liegen -auf der Lauer. Sie gucken kaum mit dem Kopf aus ihren Höhlen wie -die mißtrauischen Ratten, die ihr Loch unter der Krippe haben. Über -Krippen und Heuraufen klettern meine Gedanken durch die Futterluken -in den Heuboden hinauf. Als ich noch Wachstuchschürzen trug, war -er mir ein Ort heimlicher Schauer.</p> - -<p>Wißt ihr noch, Anna und Johanne, wie sich der Hosenmatz an euren -Rock geklammert und sich vor dem Schatten gefürchtet hat, den die -Stallaterne über das Heu warf?</p> - -<p>Nach dem Füttern mußte er den Kuhschwanz halten, wenn ihr beim -Melken saßet. Aber ihr machtet ihm die Arbeit leicht und wußtet ihm -die schönsten Märchen zu erzählen. War es nicht der Däumling, der -im Bauch der Kühe immerfort seinen Reim rief:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Schtripp, schtrapp, schtrull,</div> - <div class="verse indent0">Is der Emmer noch net vull?</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Die Erinnerung an viele liebe Tiere kommt mir. Pferde, Kühe, -Kälber, Schafe, Kaninchen und Meerschweinchen hopsen mir durch die -Gedanken. Hat keines seinen Platz in meinem Herzen verloren. Ich -rufe sie bei Namen. Sie spitzen die Ohren und horchen. Dann erkennen -sie mich. Eins nach dem andern kommt in froher Eilfertigkeit, mir die -Hand zu lecken. Aus ihren Augen strahlt Freuen und Dankbarsein. -Sie schmiegen sich an mich. Ich fühle den warmen Hauch ihrer Nüstern, -das Kitzeln der Spürhaare. Ich streichle sie wie einst … -Wie einst …</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_27">[27]</span></p> - -<p>Unter meinen Händen zerrinnt ihr Bild und sinkt in die dunklen Tiefen -zurück, daraus es Träume auferweckten. In die gleiche dunkle Tiefe, -darin Jugend und Kinderzeit untergingen. Ist nichts von allem -geblieben als das bittersüße Tröpflein Eswareinmal, das heiß am -Herzen brennt.</p> - -<p>Ich schließe die Stalltür. Sie trägt tausend Spuren von Flitzbogen- -und Armbrustpfeilen und Pusterohrbolzen. Geradeso wie die Bretterplanken -der Laube am Gartenhang. An ihren vier Ecken grünten -Ahornbäume. Es ließ sich wunderschön auf das Laubendach klettern -und im Ahorngezweig herumturnen. Dort hingen im Winter die -Speckschwarten und Schweinepötzel für die Meisen. Und in der Laube -war der Futterplatz für Finken und Goldammern. Im Frühjahr schnitzten -wir dort unsere Pfeifen aus Quitschenruten. Wenn sich die Rinde nicht -lösen wollte, half beim Klopfen ein Zauberspruch:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Ra-ra bi-ba,</div> - <div class="verse indent0">Wutte nich gera’n,</div> - <div class="verse indent0">Schmiet eck deck in Graben,</div> - <div class="verse indent0">Halet deck die Raben,</div> - <div class="verse indent0">Kimmt de ule Hesse,</div> - <div class="verse indent0">Mit den schtumpen Messe,</div> - <div class="verse indent0">Bein af,</div> - <div class="verse indent0">Kopp af,</div> - <div class="verse indent0">Alles, wat dran sitt,</div> - <div class="verse indent0">Mot af – af gahn.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Die Laube konnte durch die Hoftür in unsern Hof gucken. Zwischen -Garten und Hof floß die Flut.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_28">[28]</span></p> - -<p>An dem Geländer der alten Knüppelbrücke, die sich über die Flut -legt, hat der Knabe oft gelehnt und dem Rätsel nachgesonnen, woher -das Wasser kommt, das Tag und Nacht, Wochen, Monate, Jahre -unter der Brücke talab fließt und sich nie erschöpft. Bis sich ihm das -Geheimnis auftat: Irgendwo auf Bergeshöhn mußte ein furchtbar -großer Turm stehen. Der war bis obenhin gefüllt mit Wasser. Unten -war eine Öffnung, die der liebe Gott groß und klein stellen konnte wie -der Müller das Mühlenwehr. Meistens ließ er nur wenig Wasser -durch, damit es nicht zu schnell alle werden sollte. Wenn der Turm -leer zu werden drohte, bestellte er einen Regen, der den Turm wieder -auffüllte. Manchmal verrechnete er sich. Dann ging der Turm über, -und das Wasser schoß heulend und brausend die Flut hinab. Die Abflußgosse -unseres Bottiches kleckerte wie ein winziges Wasserstrählchen -dazu.</p> - -<p>Der Eisenbottich auf dem Hof ist fort. Er wurde altes Eisen. Das -Eisen stand hoch im Preis. Der Lumpensammler holte ihn. Fremden -Menschen konnte er nicht sein, was er mir war.</p> - -<p>Wenn aus den beiden Wasserpfosten das Wasser in seinen Rostbauch -plörrte, war es wie Quellenmusik in einem Waldtal. Und wenn Eimer -auf seinen Rand gestülpt wurden, kam aus dem Eisen läutendes -Klingen. Unten auf dem Grunde schwammen meine Forellen. Die -Pferde schlürften Wohlbehagen aus ihm.</p> - -<p>Vorbei.</p> - -<p>Das Vaterhaus ist fremde Stätte geworden. Es springen im Hof -keine Hunde mehr an mir hinauf. Und die Pferde, deren Hufe über -das Steinpflaster klappern, sind – Pferde. Es singt mir keine Schwalbe<span class="pagenum" id="Seite_29">[29]</span> -mehr das Morgenlied. Ich hänge keine Starkasten mehr auf. Und wieviel -Rotschwänzel in meinem Kinderland nisten, weiß ich nicht.</p> - -<p>Mein Fuß geht an den lieben Stätten vorbei. Und das Herz blutet.</p> - -<div class="figcenter illowp50" id="illu-029"> - <img class="w100" src="images/illu-029.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_30">[30]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Das_Bergkind">Das Bergkind</h2> -</div> - -<p>Jürgen Traumelin wußte nicht, wie fest die Harzheimat in sein Herz -gewachsen war. Er wußte nicht, wie seine Seele am Fichtenwald -hing, an Bächen und Wiesen und an allen Bergdingen, an denen sich -seine Kinderzeit abspann. Es war stille, unbewußte Liebe. Ein Feuerlein, -das sich aus sich selbst erhielt und in der Brust glühte wie eine -Selbstverständlichkeit.</p> - -<p>Jedem Bergkind gibt der Herrgott ein solches Feuerlein mit. Bei -wenigen verflackert’s. Die meisten tragen es mit sich herum und denken -nicht darüber nach, woher die Wärme kommt, die so wohlig das Herz -umschlägt. Und bei vielen wird’s zur verzehrenden Flamme, wenn man -ihre Wurzel herauszieht aus dem Boden, der ihre Heimat ist.</p> - -<p>Das alles wußte Jürgen Traumelin nicht. Aber es sollte sein Schicksal -sein, daß er es zur Genüge erfuhr.</p> - -<p>Eines Tages war der Traum der Jugend zu Ende. Man brachte -den Bergjungen in die Fremde. Jürgen Traumelin zog seinen Konfirmationsanzug -an, aus dem er längst herausgewachsen war, und -sagte der Heimat Ade. Es war kein herzhafter Gruß. Etwas Neues -lockte. Und doch wollte das Alte nicht loslassen. So begann die -Reise mit Hangen und Bangen. Ein wenig Neugier prickelte in der -Brust. Aber in der Kehle saß ein würgender Knoten.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_31">[31]</span></p> - -<p>Wenn die Postkutsche doch nicht so unbarmherzig schnell talwärts -führe! Als wenn sie es eilig hätte, nur fortzukommen von der Harzheimat. -Geht doch langsam, ihr Traber! Eines Bergjungen Seele -ist nicht so flink wie eure Beine. Sie weilt noch in den Bergen, woher -das Wasser kommt, das euren Weg begleitet, streift in Tann und -Dickicht, derweilen ihr bereits ins Flachland trappelt …</p> - -<p>Sie stiegen in den Zug. Die Maschine pfiff.</p> - -<p>Warum guckst du nicht fröhlich drein, Jürgen Traumelin? Heute -machst du deine erste große Fahrt in die Fremde und deine Fahrt ins -Leben dazu!</p> - -<p>Er konnte nicht fröhlich sein. Hätte aber auch nicht sagen können, -welche zwiespältigen Geister in ihm stritten. Eine stumpfe Ergebung -kam über ihn. Nur still sein, nicht antworten brauchen und träumen, – -träumen.</p> - -<p>Wenn doch nicht dieser Knoten im Halse säße und das trockene Schlucken -nicht wäre!</p> - -<p>Der Zug rollte an den Harzheimatbergen vorüber. Sie wurden kleiner -und verloren sich im Blau der Ferne. In Traumelins Seele verloren -sie sich nicht. Buchenwälder huschten vorüber, Kornfeldbreiten, -Dörfer und Menschen. Dem Bergkind sagte die neue Welt nichts. -Seine Gedanken tasteten sich in Wiesentäler und Fichtengründe zurück. -Kaum, daß ihn ein fremder Vogel draußen, den er daheim nie -sah, aus seinen Bergträumen riß.</p> - -<p>Dann waren sie in der fremden Stadt, in der Jürgen Traumelin -hochgelahrter Schüler werden sollte.</p> - -<p>Puh, – diese Stadt!</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_32">[32]</span></p> - -<p>Haus an Haus, eng, steinern, frostig. Nirgends ein Gäßlein zum -Durchlugen, kein Garten an den Straßen und keine Lauben mit -Rotschwänzelnestern. Und in den Höfen keine Holzbansen. Keine -Stalltüren, aus denen braune Kühe traten. Und die Menschen gingen -aneinander vorbei. Es bot keiner dem andern guten Tag oder ein -freundliches Glückauf. Und grüßte kein Berg in die Straßen hinab. -Ein paar Hügel lagen rings. Aber sie waren fern und fremd und -nicht mit Stadt und Menschen verwachsen. Ihre Hänge waren zerrissen, -geflickt, parzelliert. Und nirgends bot sich ein Wiesenplan, an -dem das Auge hätte ausruhen können. Die Wiesen in dem breiten -Flußtal, in das sich die Stadt hingelagert hatte, waren lustlose Eintönigkeit. -Wieviel lichter und lustiger war das alles daheim! Und -der große Fluß! Ach ja, er war größer als alle Harzbächlein zusammen. -Aber sein Wasser kroch grau und träge dahin. Es konnte -nicht rauschen und brausen und platschen und plantschen, kein Berglied -jauchzen und fröhliche Hopser machen. Und man sah keine Forellen -darin und keine Sonnenkräusel über blanke Steine rieseln. Wie langweilig -der graue Fluß war!</p> - -<p>Und wie Traumelin über die Eisenbrücke schritt und hinabsah in die -trübe Flut, schien ihm das Wasser wie ein Spiegel der Zukunft. Die -fremde Stadt war ihm Enttäuschung geworden. Ein Schauder kroch -ihm aus ihr entgegen. Und das Gefühl des Naturkindes sagte ihm, -daß sie ihm immer fremd bleiben würde. Wo keine klaren Wasser -fließen, findet ein Bergjunge keine Heimstatt.</p> - -<p>Würgt nicht schon wieder der Knoten im Halse, Jürgen Traumelin? -Ein langer Seufzer ging ihm aus der Brust. Und seine Gedanken<span class="pagenum" id="Seite_33">[33]</span> -flogen heimwärts, ein Heilkräutlein zu pflücken gegen die grausame -Ernüchterung. Die Erinnerung begann goldene Bogen zu bauen.</p> - -<p>Dann war der Bergjunge allein unter fremden Menschen. Zum ersten -Male in seinem Leben. Er teilte seine Behausung mit ein paar Altersgenossen, -die das gleiche Ziel in die Stadt führte.</p> - -<p>Wo seid ihr her? Und sie nannten ihre Dörfer.</p> - -<p>Ach, ihr Flachlandkinder! Ihr habt alle keine Harzheimat mit Bergen -und Fichtenwäldern und Bächen und Blumenwiesen!</p> - -<p>Habt ihr schon Hirsche gesehen? Oder schon Forellen gefangen? Wißt -ihr, wie Zeisige singen, oder könnt ihr pfeifen wie der Dompfaff?</p> - -<p>Sie lachten über ihn. Und als er zu Bett ging, wußte er, daß ihm -diese Menschen, die das Schicksal ihm zu Weggenossen bestimmte, -fremd bleiben würden wie die fremde Stadt.</p> - -<p>Wie frisch die Bettwäsche roch, die ihm die Mutter sorglich mitgab! -Genau wie daheim, wenn die Betten neu überzogen waren. Wie -daheim …</p> - -<p>Hupp, machten seine Gedanken. Und fort waren sie ins Harzheimatland. -Was mögen sie um diese Stunde zu Hause tun? In der -Stube ist ein wohliges Ausruhen vom Tagwerk. Gewiß sitzen sie -um den Tisch und denken an den, der heute in die Fremde zog. Am -warmen Ofen räkelt sich der Wolf und knurrt im Traum … Das -Katzengretel schnurrt im Stiefelkasten … Im Kuhstall draußen ruft -das braune Herschel. Im Pferdestall wird der Futterkasten zugeklappt. -Tränkeimer klirren. Vater füttert die Pferde ab … Gestern hast du -es noch getan, Jürgen Traumelin! … Ob der Bläß nicht wartet, -daß du ihm einen Leckerbissen reichst? Und der Rappe es nicht vermißt,<span class="pagenum" id="Seite_34">[34]</span> -daß du ihm den Hals streichelst und in Schopf und Mähne -kraust? – Nun löscht Vater die Laterne aus. Der Stalltürriegel -knarrt … Müde Schritte im Hof …</p> - -<p>Ein Heimattraum gab Jürgen das Geleit durch die erste Nacht in -der Fremde. Er wachte früh auf.</p> - -<p>Singt denn keine Schwalbe auf dem Fensterflügel?</p> - -<p>Und plätschert im Hof kein Brunnen?</p> - -<p>Ach nein. Es ist alles still. Und es grüßt kein Wiesenhang ins -Kammerfenster hinein. Kein Ahorn sagt guten Morgen und kein -Eschenbaum und keine Bergstraße.</p> - -<p>Der neue Tag ging mit neuen Enttäuschungen auf.</p> - -<p>In grauer Trübseligkeit machte sich Jürgen auf den Schulweg. Er -pilgerte ihn wie einer, der den Galgen ragen sieht.</p> - -<p>Wirf ab alles, was dich an die Heimat kettet, Wildling vom Berg! -Und deine Jugend wirf hinter dich! Auf den Kathedern sitzen sie und -warten und wetzen das Messer. Sie werden dich hacken und hobeln -und werden dich schaben, dich stutzen und säuberlich solange an dir -herumschneiden, bis dein rotes Blut saftlos sein wird.</p> - -<p>Dann hockte er in der Schule. Diese Schule, – puh! Den Bergjungen -schüttelte es. Als er heimkehrte, war sein Leben um ein paar -Moralpredigten reicher geworden und das Säcklein seiner Enttäuschungen -zum Überquellen voll. In der Schule lachten sie über seine Sprache. -Harzer Roller! hänselten sie und feixten, wenn auf seiner Zunge harte -Laute weich und weiche hart wurden und das ü zum i oder das ö zum e. -Seine Lehrer mäkelten an ihm herum. Es ging ihnen nicht schnell -genug, daß er die Sprache der Harzheimat abtat und ihr aalglattes<span class="pagenum" id="Seite_35">[35]</span> -Hochdeutsch redete. Als wenn sich alle gegen ihn verschworen hätten. -Es war nichts, das ihm die Fremde hätte lieb machen können.</p> - -<p>Wie der weite Flachlandhimmel drückt!</p> - -<p>Kommt doch heran, ihr Berge, und stützt ihn, daß er nicht einfalle! -Und recken sich nirgends ein paar Fichten in die Wolken?</p> - -<p>Ach nein, Jürgen Traumelin. Der Wald hier ist nicht dein Heimatwald. -Es ist kein dunkelgrünes Hangauf und Hangab und kein fröhliches -Weiterwellen Berg an Berg. Jedes Berglein hier ist abgemessen, -steigt an, fällt ab und hört auf. Und an jedem Wald kannst -du die Grenzpfähle stecken sehen. Es gibt kein Träumen in meilenlangem -Fichtenduster. Der Buchenwald ist kahl und nicht für Traumelins -geschaffen. Kein traulicher Waldwinkel lädt dich zu Gast. Und -findest kein verschlafenes Flecklein Weltferne, kein Erlenbruch, in dem -die Spechte hacken, keinen Rauschebach und keinen Bergquell.</p> - -<p>Er wollte ein Stück Heimat suchen und suchte vergebens. Eine Scholle -Erde nur, auf der er sich heimisch fühlen, die er liebkosen könnte und -mit den Händen streicheln und der er hätte sagen können: Du bist -wie meine Heimat! Du bist geheiligtes Land.</p> - -<p>Es ward ihm keines beschert.</p> - -<p>Heimatlos und doch unendlich heimathungrig irrte seine Seele durch -Wolken und Weiten, ihre Ruhestatt zu finden daheim. Träume -wurden Zauberinnen. Im Sonnengold der Erinnerung wandelte sich -die ferne Harzheimat zum Zaubergarten, über dem strahlend der Maientag -der Berge leuchtete. Und Wiese und Wald darin waren voll -Sirenengesang. Jedes Fichtenrauschen ward ein Locken: Kehr wieder, -Bergbube!</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_36">[36]</span></p> - -<p>Komm doch! zwitscherten die Vögel. Und die Bergblumen nickten: -Kehr um!</p> - -<p>Wir warten auf dich! plätscherten die Bäche. O, fühlst du nicht, wie -wir auf dich warten!</p> - -<p>Tausend Bilder stürmten in des Heimwehkranken Seele, süß, betörend, -verführerisch. Und blieb doch keine Frohheit in ihr zurück. Furchtbare -Dämonen krallten sich in sie hinein, zogen, zerrten, rissen. Blutsauger -waren sie und verführerische Gaukler. Sie spielten mit dem Bergjungenherzen -ein grausames Spiel, wirbelten das verzagte Ding in -goldene Himmel und ließen es abstürzen in Höllenschlünde.</p> - -<p>In einsamen Stunden flüchtete der Knabe auf seine Kammer. Ach, einmal -nur hinschauen in die Richtung, wo die Heimat liegt. Drüben muß -es sein. Wenn doch nur ein einziges blaues Berglein hersähe! Aber -eine schwarze Wolke lag vor dem Paradies. Und so war es Traumelins -Schicksal, den bitteren Kelch Heimweh auszutrinken bis auf die Neige. -Sein Leben war Qual. Jeder Heimatgedanke riß eine Wunde -durch sein Herz.</p> - -<p>An einem grauen Tag saß Jürgen Traumelin auf seinem Bettrand -wie so oft. Seine Augen verloren sich in der Ferne. Heimliche Glocken -läuteten irgendwo. Die Stimmen der Heimat lockten und sangen. -Sie hatten ihre bestrickendsten Saiten aufgespannt. Da geschah das -Wunder, daß dies Singen ihm nicht zum Schmerz wurde, sondern -daß es heimlich in ihm mitzusingen begann. Die schwarze Wolke auf -seinem Gemüt war ein wenig zur Seite gerutscht. Irgendwo lachte -ein Sonnenstrählchen. Es war, als ob nach langer Zeit ein Glück -leise ans Herz zu tippen wagte. Und als Traumelin die Treppe hinabstieg,<span class="pagenum" id="Seite_37">[37]</span> -flüsterte es über seine Lippen: Ich komme! Und es begab sich, daß -zu dieser Stunde das Knäuel im Halse hinabzugleiten begann.</p> - -<p>Unten zählte er seine Heller. Es war das Geld, für das er sich eine -bunte Mütze hatte kaufen sollen. Es reichte just. Dann schrieb er ein -Zettelchen. Ein paar heimwehkranke Worte standen drauf. Die andern -sollten wissen, was ihn forttrieb.</p> - -<p>Auf heimlichen Wegen erreichte er den Bahnhof. Gott sei Dank, es -hatte ihn keiner gesehen. Und kam keiner, ihn zurückzuhalten.</p> - -<p>Als er im Zuge saß, der ihn der Heimat nähertragen sollte, war zum -ersten Male ein richtiges Aufatmen in ihm. Die Kette um seine Seele -sprang. Der Kampf schwieg. Es kam eine Müdigkeit über ihn, die -ihm Erlösung ward.</p> - -<p>Jürgen Traumelin auf Heimatpilgerfahrt!</p> - -<p>Zwei Tage und eine Nacht hat er gehungert und gefroren. Herbstnebel -umwehten ihn. Zwischen Fichten und Felsen pfiff der Wind. -Er grüßte sie als freundliche Boten der Heimat. Mit leichtbeschwingter -Seele schritt er aus. An einem Bergbach kniete er nieder und trank. -Einmal wieder Bergwasser schlürfen zu können, war einer seiner heimlichsten -und heißesten Wünsche gewesen. Nun war er in Erfüllung -gegangen. Seid umarmt, Berge und Wälder, Harzheimat!</p> - -<p>Als Jürgen Traumelin am zweiten Abend unter sich im Tal die -Lichter der Bergstadt sah, stieg er beglückt hinab.</p> - -<p>Im Glockenhaus läutete es sieben. Es war der Willkommengruß, -den die Harzheimat dem heimkehrenden Fremdepilger bot.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_38">[38]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-038"> - <img class="w100" src="images/illu-038.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Der_Kirchenbrink">Der Kirchenbrink</h2> -</div> - -<p>Der Sonntagmorgen hatte für mich seine eigene Feierlichkeit.</p> - -<p>Ich durfte meine Stulpenstiefel anziehen. Es gab in der ganzen Welt -nichts so Schönes wie meine Stulpenstiefel! Und zum Kaffee kaufte -die Mutter Salzkuchen. Für Salzkuchen hätte ich meine Seligkeit -eingetauscht. In der Küche bruzzelte ein Braten. Der Duft zog verlockend -durch das ganze Haus, in dem es nie so stille zuging wie an<span class="pagenum" id="Seite_39">[39]</span> -diesem Morgen. Aber das Schönste war doch, auf der Lehne des -alten Ledersofas zu hocken und zuzuschauen, wenn den Kirchenbrink -hinauf die Bergstadtleute zur Kirche pilgerten.</p> - -<p>Der Kirchenbrink war mein Freund. Es machte Spaß, vier, fünf -Stufen auf einmal herunterzuspringen und am Geländer herabzurutschen. -Blumen nickten von rechts und links über die alten Steintritte. -Durch die Zaunlatten guckten Kälberkropf und Bärenklau. -Man konnte prächtige Spritzen daraus machen. Und die roten und -weißen Taubnesseln, die am Kirchenbrink blühten, hatten den süßesten -Honig.</p> - -<p>Des Alltags lag er still und verlassen da. Er konnte die Leute zählen, -die auf ihm von der Bergstraße herabkamen oder zu der Bergstraße -hinaufgingen. Am Sonntag aber ist er voll Leben gewesen.</p> - -<p>Alte Mütterchen mit Hauben und Bändern trippeln behutsam die -Stufen hinan. Die eine Hand hält das Geländer fest. Die andere -umschließt sorglich das Gesangbuch, damit der Pfennig für den Klingebeutel -nicht herausfällt und Taschentuch und Brillenfutteral nicht -davon abrutschen. Invaliden im Abendmahlsrock steigen hinterdrein, -die lahmen Füße bedachtsam von Tritt zu Tritt setzend. Jungens -und Mädels hüpfen an ihnen vorbei. Bürgersleute tragen Zylinder, -Feiertagsmiene und Goldschnittgesangbuch mit gemessener Würde -treppan, vereinigen sich oben mit der Schar derjenigen, die die Straße -am Berg herunterkommen und verschwinden in der Kirchentür.</p> - -<p>Stieg viel alte Gläubigkeit und Frommheit den Kirchenbrink hinauf, -den Tag des Herrn würdig zu weihen. Es stieg auch viel Gram und -Kummer und grüblerisches Gottsuchertum hinauf, in der Kirchenstille<span class="pagenum" id="Seite_40">[40]</span> -Trost und Vergessen zu finden oder den Unbekannten zu ergründen, -der die Tanne grünen und Erz wachsen läßt. War viel altes Gold -unter abgeschabten Wämsern.</p> - -<p>Wenn das Sonntagsgeläut des Glockenhauses in den Bergen verhallt -war, tat der Kirchenjunge die Tür zu. Feierlich scholl das Orgelvorspiel -durch die Morgenstille. Der Sonntagsfrieden des Bergstädtchens -war nie fühlbarer als in diesem Augenblick. Das Orgelspiel -klang aus der geschlossenen Kirche wie eine ferne Engelsmusik. Sie -machte mir Gotteshaus und Gottesdienst zu einem Mysterium, zu -dem der Kirchenbrink der geheimnisvolle Zugang war.</p> - -<p>Als der Knirps es unternahm, das Geheimnis zu ergründen, schwirrten -seine Gedanken bedenklich abseits.</p> - -<p>Von meinem allerersten Kirchgang ist mir nur die Erinnerung an -drei merkwürdige Dinge geblieben. Das eine war ein schwarzer Mann. -Er hatte ein weißes Bäffchen um und stand auf einem grünen und -goldenen Balkon. Von dort aus sprach er irgendetwas vom lieben -Gott. Die andere Merkwürdigkeit war ein Mensch mit einem Hauskäppel. -Der ging zwischen den Bänken umher und hielt den Leuten -einen klingelnden Sammetbeutel unter die Nase. Das größte Wunder -jedoch war der Taufengel. Er schwebte von der Decke hernieder und -hielt in den Händen ein Taufbecken. Ich aber verstand seine Sendung -nicht. Verstohlen fragte ich meine Mutter, was denn eine »Biermamsell« -in der Kirche solle.</p> - -<p>So hatte mir das Gotteshaus sein Rätsel nicht erklärt. Und als ich -hernach den Kirchenbrink hinabstieg, blieb hinter mir das gleiche -Geheimnis, das es vordem gewesen.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_41">[41]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Osterfeuer">Osterfeuer</h2> -</div> - -<p>Am Osterheiligabend hat kein Bergstadtjunge Zeit, Abendbrot zu -essen. Der Geruch verbrannter Fichtenhecke und brennenden Fichtenharzes -prickelt ihm in der Nase. Das Osterfeuer wird angesteckt. -Da bleibt für unwichtige Dinge nicht Muße. Jeder hegt zudem in -sich die Überzeugung, daß ohne ihn das Osterfeuer nicht brennen -und die ganze Herrlichkeit nur halb so schön sein würde, wenn seine -Fackel nicht dabei wäre. Neben Ruscheln und Schneeschuhlaufen -hat er nicht vergessen, frühzeitig genug seine Osterfackel herzurichten. -Der Vater hat das Fichtenstämmlein aufgespalten und zersplissen, -damit die Fackel ein gutes Feuer gibt. Sie steht schon lange zum -Trocknen am Herd. Sie ist auch schon beim Bäcker gewesen. Der -hat sie, nachdem Brot und Kuchen fertig waren, in den Backofen -geschoben. Nun ist sie ausgedörrt bis aufs Mark und ist braun und -schwarz geworden. Die Rinde will schon abblättern, – hei, wird das -ein Geflacker werden!</p> - -<p>Wenn sich auf den Wiesen die ersten dunklen Stellen zeigen, der -Schnee weggeht und die Berge scheckig werden, schleppen die Bergstadtjungens<span class="pagenum" id="Seite_42">[42]</span> -die Fichtenhecke für ihr Osterfeuer zusammen. Unermüdlich -ziehen sie in den Bergwald und bis in die entferntesten Hauungen, -ihr Bündlein Hecke zu holen. Das »Heckeschleppen« ist für -jeden Harzheimatjungen Ehrenpflicht. Jeder hat den Ehrgeiz, seinem -Ortsteil den Ruhm des schönsten und größten Osterfeuers erringen -zu helfen. So entsteht zwischen den oberländischen und unterländischen -Buben ein Wettstreit, der friedlicher abgeht, als wenn sie mit wehenden -Fahnen und Holzsäbeln gegeneinander zu Felde ziehen und grimme -Schlachten schlagen.</p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-042"> - <img class="w100" src="images/illu-042.jpg" alt="" /> -</div> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_43">[43]</span></p> - -<p>Am Ostersonnabend wird die Fichtenhecke kunstvoll um den Osterbaum -getürmt. Es ist ein erwartungsfrohes Treiben auf dem Osterfeuerplatz. -Keiner denkt früher an zu Hause, bis es Zeit wird, die -Fackel zu holen.</p> - -<p>Osterfeuer im Harzheimatland!</p> - -<p>In den Straßen des Bergstädtchens liegt die kühle Dämmerung des -Vorfrühlingsabends. Aus Eisschollen und Schneeresten und winterkalter -Erde dampft Nebel. Der Ostervollmond guckt über die Berge. -Durch die Gassen zieht ein Duft wie von tausend Weihnachtsbäumen. -– Ihr Armen im Flachland! Und wenn ihr noch soviel Strohbündel -und Teertonnen und Pech zuhauf türmt, euer Osterfeuer wird immer -ein stinkendes Räuchlein bleiben. In den Bergen aber ist’s reine -Opferflamme, in der nichts brennt, denn das der Fichtenwald hergegeben -hätte.</p> - -<p>Braune und gelbe Rauchschwaden quellen aus dem Heckenaltar. Sie -ballen sich zu wogenden Wolken und wachsen wie eine unendliche -Säule in den Nachthimmel. Prasselnd fressen sich Flammen durch -Harz und Fichtennadeln und lecken hinauf in den Osterbaum. Feurige -Lohe knattert durch seine Äste, wirft einen Feuerschein auf Rauch -und Menschen und zerstiebt in sprühenden Funken. Mit Feuer und -Rauch wird der Winter von dannen gejagt. Das Rasen der Flammen -ist Erlösungsjauchzen.</p> - -<p>Um das Feuer her schwenken die Harzheimatkinder ihre Fackel, rufen -Fitfaat! und ziehen rauschende Flackerfeuerkreise um ihre Köpfe. Über -der Bergwiese tanzen tausend Irrlichter. Der Frühlingsnachthimmel -malt sein Schwarzblau hinter dies Bild der Frühlingsfreude, die in<span class="pagenum" id="Seite_44">[44]</span> -Großen und Kleinen lebt und bei jedem neuen Osterfeuer neu lebendig -wird.</p> - -<p>Osterfeuer sind Freudenfeuer, mit denen die Menschen den Sieg des -Lenzes über den Winter feiern. Dem Bergmenschen aber, der die -Faust des Winters am härtesten spürt, sind sie Dankesopfer.</p> - -<div class="figcenter illowp50" id="illu-044"> - <img class="w100" src="images/illu-044.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_45">[45]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-045"> - <img class="w100" src="images/illu-045.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Das_Fest_zwischen">Das Fest zwischen -Ostern und Pfingsten</h2> -</div> - -<p>Wenn zwischen Ostern und Pfingsten die Lerchen das erste Grün aus -dem fahlen Lederhosengelb der Bergwiesen hervorgetrillert haben, putzt -der Kuhhirt sein Koppels. Und die Bergstadtleute feiern einen hohen -Festtag. Der steht nicht im Kalender. Er wird auch nicht von der<span class="pagenum" id="Seite_46">[46]</span> -Kanzel herab verkündet. Und in der Mitternacht vorher rührt sich im -Glockenhaus kein Glockenstrang, ihn gebührend einzuläuten.</p> - -<p>Und doch hätte er beides verdient.</p> - -<p>Denn dieser Sonntag, an dem nach langer Wintersnot die Kühe zum -ersten Male wieder auf die Bergweide gehen, ist wie eine Bannlöse. -Unten im Land ist mit Vogelsang und Apfelbaumblühen längst der -Frühling eingezogen. Er will auch hinauf ins Harzheimatland. Aber -der Winter hat alle Täler verklüftet und treibt ihn mit Schneeschauern -zurück. Graue Wochen lang geht ein Kämpfen hin und her. Die Schneewehen -an den Hängen wollen nicht kleiner werden. Auf den Straßen -kleben schmutzige Eisschollen. Regen und Schnee platschen durcheinander. -Durch die Wälder rauscht der Sturm. Das Flöten der Drossel, -die den Frühling rufen will, wird von seinem Rasen übertönt. Die -Bäche tosen. Die Luft ist erfüllt mit aufgeregtem Gebrause. Es ist -nicht Winter, es ist nicht Frühjahr.</p> - -<p>Das ist der Bergstadtleute böseste Zeit. Niemand sehnt sich mehr nach -dem Frühling als sie. Keiner begrüßt ihn dankbarer.</p> - -<p>Wenn aber die Kühe wieder auf die Weide treiben, ist ihnen das wie -die frohe Botschaft: Der Lenz ist da, nun muß sich alles wenden. Oft -genug freilich prasselts mit Hagelschauern hinein in diese Frühlingshoffnung. -Aber der Bann ist gebrochen.</p> - -<p>Ein Aufatmen geht durch die Menschen. Es ist ein Freuen in ihnen, das -niemand kennt und keiner mit Namen nennen kann. Doch jeder fühlt es. -Und diese Freude leuchtet in jungen und alten Augen, guckt aus allen -Fenstern und wartet in allen Gassen, daß das Horn des Kuhhirten -zum ersten Male tutet.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_47">[47]</span></p> - -<p>Keine Frühlingsschalmei kann schöner klingen!</p> - -<p>Dann tun sich die Stalltüren auf. Ketten fallen klirrend nieder. Die -Kühe werden losgebunden. Ihr Fell ist blank gestriegelt. Bunte -Bänder flattern an den Hörnern als festfroher Schmuck.</p> - -<p>Manchem Mütterlein, das nur ein paar kümmerliche Morgen Pachtwiese -ernten kann, rutscht mit dem Ruf des Hirtenhorns eine Sorge -vom Herzen. Der Heuboden hat ein arges Loch bekommen. Dem -Bergmenschen ist sein Vieh nicht Inventar. Er lebt mit seinen Tieren -und sieht ihre Not nicht nur mit den Augen. Er fühlt sie im Herzen -mit. Und so begrüßt er das erste Frühlingsgrün an den Hängen wie -eine Gottesgabe, die die Berge ihm darreichen für seine Tiere. Froh -und kümmernisbefreit läßt er sie nun hinaus: Kumm, Resel, Orschel, -Herschel, Liesel, – kumm!</p> - -<p>Die Braunen treten zaudernd über die Schwelle. Sie können noch -nicht daran glauben, daß sie die Kette nicht mehr an der Krippe -festhält. Und das Taglicht blendet nach dem langen Stalldämmer. -Wieder ein zaghafter Schritt. Nun stehen sie draußen und gucken und -wundern sich.</p> - -<p>Dann geht ihnen ein Erinnern auf an die goldene Freiheit in den -Bergen. In übermütigen Sprüngen und Kapriolen hopsen sie davon. -Sie schlagen aus in wilder Freude, als wollten sie die Winterfesseln -weit von sich schleudern. Die Temperamentvollsten geben ihr Freiheitsbehagen -mit den Hörnern kund. Es ist ein Raufen und Stoßen bald -hier, bald dort. Bis der Hirtenhund Ordnung schafft oder die Peitsche -eines Jungen über die Kämpfenden hinknallt. Klitsch–klatsch–paatsch! -– Das Peitschenknallen gehört zu diesem Festtag wie die Herde selbst.<span class="pagenum" id="Seite_48">[48]</span> -Das wäre kein Bergjunge, der sich nicht wochenlang im Peitschenschlagen -geübt und der nicht den Ehrgeiz hätte, die beste, schlankste -»Schwippe« zu haben für diesen Tag, auf den sich alle freuen.</p> - -<p>Manche Bicktanne wandelt sich zum Peitschenstiel. Die Kaufleute -können nicht genug Klappschnüre schaffen, und der Sattler muß die -Riemen bündelweis schneiden. Wenn dann der große Tag da ist, -wird die Schwippe geschmückt mit der Schwester schönstem Haarband, – -und ein Knallen geht los auf allen Gassen. Klitsch–klatsch–paatsch! -hallen die Berge wider. Klitsch–klatsch–paatsch! kommt’s im Echo -von den Hauswänden. Der kleinste Knirps ist mit heiligstem Eifer -dabei. Selbst die Alten können es nicht verwinden, noch einmal die -alte Kunst zu üben. Und es wird erst ruhig im Städtchen, wenn die -Herde heimwärts zieht und die Stalltüren sich wieder schlossen.</p> - -<p>Unfug, sagst du? – Nein, auch das Peitschenknallen ist eine Äußerung -der Frühlingsfreude. Wie soll ich’s nennen?</p> - -<p>Wenn du’s als Bergjunge nicht gefühlt hast, du wirst’s als Nörgler -nicht erjagen.</p> - -<div class="figcenter illowp30" id="illu-048"> - <img class="w100" src="images/illu-048.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_49">[49]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Johannistag">Johannistag</h2> -</div> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Tripp – trapp – Käsenapp,</div> - <div class="verse indent0">Heute ist Johannistag!</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Die Erinnerung an unsere Johannistage kräuselt mir durch den Sinn -wie ein Gerank aus bunten und schönen Dingen. Fichtengirlanden -schlingen sich lustig durcheinander. In ihrem Grün glühen Pappelrosen. -Fliedertrauben quellen daraus hervor, und Nachtviolen tupfen -blaurote Punkte hinein. Eierschalenkränze baumeln im Wind. Verlockend -streicht um Johannisbaum und Ringelreihen der Duft warmer -Blätterkuchen. Lieder klingen. Die Luft ist voll Sonne und Freude -und das Herz voll Kinderseligkeit. Ich fühle weiche Mädchenhände -in den meinen, spüre in der Nase den Geruch von frischgestärkten -weißen Sonntagskleidern und Haarpomade. Haarschleifen flattern. -Zöpfe wippen. Alle diese verführerischen Dinge erregen in der Jungenbrust -das harmlose Räuschlein ersten Verliebtseins. Der schüchterne -Bergbube mausert sich zum Ritter. Irgendwo im Johannistagsreigen -glüht ihm ein heimliches Flämmchen, dem alle Lieder gelten. Glück -wird Singelseligkeit:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Wo treff’ ich meinen Schäfer an,</div> - <div class="verse indent0">Wo werd’ ich ihn wohl finden,</div> - <div class="verse indent0">Der mir mein Herz erleichtern kann?</div> - <div class="verse indent0">Wohl unter einer Linden?</div><span class="pagenum" id="Seite_50">[50]</span> - <div class="verse indent0">Unter einem grünen Busche,</div> - <div class="verse indent0">Da ich meinen Schäfer suche,</div> - <div class="verse indent0">Unter einer Linden,</div> - <div class="verse indent0">Da werd’ ich ihn schon finden.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Ein Mädel steht unterm Baum. Es winkt schüchtern einen Knaben -aus dem Reigen zu sich herein:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Herr Schäfer, Sie bleiben stillestehn,</div> - <div class="verse indent0">Mir däucht, ich sollt Sie kennen,</div> - <div class="verse indent0">Warum woll’n Sie so von mir gehn</div> - <div class="verse indent0">Und sich so von mir trennen?</div> - <div class="verse indent0">Ei, so will ich mich zu Sie (!) wenden,</div> - <div class="verse indent0">Fassen Sie an beiden Händen,</div> - <div class="verse indent0">Und Sie werden desgleichen</div> - <div class="verse indent0">Und mir ein Küßlein reichen!</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Leider geschah das nun nicht. Unsere Alten waren glücklicher daran. -Bei ihnen gehörte das Küssen zum Johannistag wie der Johannisbaum -und die Johannislieder.</p> - -<p>Aber trotzdem klang es fröhlich weiter:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">O wie glücklich ist die Stund’,</div> - <div class="verse indent0">Da ich meinen Schäfer fund!</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Nun stand der Schäfer im Kreis. Seine Schäferin war indes in -den Reigen zurückgetreten. Und das Schäferlied wiederholte sich in -der Umkehrung:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Wo treff’ ich meine Schäferin an,</div> - <div class="verse indent0">Wo werd’ ich sie wohl finden,</div> - <div class="verse indent0">Die mir mein Herz erleichtern kann? …</div> - </div> -</div> -</div> -<p><span class="pagenum" id="Seite_51">[51]</span></p> -<p>Bis eine neue Weise im Kreis erscholl:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Ich bin ein lustiger Weidemann,</div> - <div class="verse indent0">Ich suche mir ein Revier.</div> - <div class="verse indent0">Ein Hirschlein, das ich schießen kann,</div> - <div class="verse indent0">Ein hübsches munteres Tier.</div> - <div class="verse indent0">Es gibt der munteren Tier’ so viel,</div> - <div class="verse indent0">Der Jäger nimmt sich eines zum Ziel:</div> - <div class="verse indent0">Puhf!</div> - <div class="verse indent0">Der Schuß, der ist geschehen,</div> - <div class="verse indent0">Man muß das Wild besehen!</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Das Lied vom Hirschlein setzte sich fort:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Jagt mir doch das Hirschlein aus der Weide!</div> - <div class="verse indent0">Du und du bist meines Herzens Freude.</div> - <div class="verse indent0">Wechselt mir die spanischen Pistolen,</div> - <div class="verse indent0">Daß ich kann mein’ Schatz bald wieder holen!</div> - <div class="verse indent0">Ei, so komm doch her, mein Kind,</div> - <div class="verse indent0">Weil ich dich jetzt wiederfind’.</div> - <div class="verse indent0">Treu um Treu und liebe mich,</div> - <div class="verse indent0">Und vergiß das Küßlein nicht!</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Das war freilich wieder eine Mahnung mit schwachem Ergebnis. -Für uns Arme und Nüchterne blieb’s bei der Entsagung:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">In dem schönen Rosengarten</div> - <div class="verse indent0">Eine Dame zu erwarten,</div> - <div class="verse indent0">Die mir schenket einen Kuß,</div> - <div class="verse indent0">Die mir schenket einen Kuß.</div> - </div> -</div> -</div> -<p><span class="pagenum" id="Seite_52">[52]</span></p> -<p>Und was nützte das Klagelied:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">O Jammer, Jammer! höret zu,</div> - <div class="verse indent0">Was ich euch sagen werde.</div> - <div class="verse indent0">Ich hab’ verloren meinen Schatz,</div> - <div class="verse indent0">Der mich so treu geliebet hat.</div> - <div class="verse indent0">Macht auf, macht auf die Gartentür,</div> - <div class="verse indent0">Ob ich ihn hier nicht finde!</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Und daß das Mädel winkte:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Schau her, schau her, hier ist mein Mann,</div> - <div class="verse indent0">Hier fall ich ihm zu Füßen.</div> - <div class="verse indent0">Und der mich einst geliebet hat,</div> - <div class="verse indent0">Den werd ich einstmals küssen.</div> - <div class="verse indent0">Nun steh ich wieder auf zu dir</div> - <div class="verse indent0">Und mache einen Diener für!</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Aber fort doch mit den ewigen Herzensdingen!</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Es fuhr ein Bauer ins Holz,</div> - <div class="verse indent0">Es fuhr ein Bauer ins Holz,</div> - <div class="verse indent0">Es fuhr ein Bauer ins Kermesholz,</div> - <div class="verse indent0">Ki–ka–Kermesholz,</div> - <div class="verse indent0">Es fuhr ein Bauer ins Holz.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Der Bauer nahm sich ein Weib,</div> - <div class="verse indent0">Der Bauer nahm sich ein Weib,</div> - <div class="verse indent0">Der Bauer nahm sich ein Kermesweib,</div><span class="pagenum" id="Seite_53">[53]</span> - <div class="verse indent0">Ki–ka–Kermesweib,</div> - <div class="verse indent0">Der Bauer nahm sich ein Weib.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Das Weib nahm sich ein Kind, –</div> - <div class="verse indent0">Das Kind nahm sich ’ne Magd, –</div> - <div class="verse indent0">Die Magd nahm sich ’en Knecht, –</div> - <div class="verse indent0">Ki–ka–Kermesknecht!</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Der Bauer schied von dem Weib,</div> - <div class="verse indent0">Das Weib schied von dem Kind, –</div> - <div class="verse indent0">Das Kind schied von der Magd, –</div> - <div class="verse indent0">Die Magd schied von dem Knecht.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Das Ki–ka–Kermeslied war lustig. Wir haben es mit Begeisterung -und Inbrunst gesungen. Es bildete eine fröhliche Abwechslung in -den Johannistagsliedern und den vielen Volksliedern, die in den -Singereigen eingeflochten wurden. Wir schöpften aus unerschöpflichem -Born und sangen unverdrossen, bis der Abend kam und wir müde in -unsere Kissen krochen.</p> - -<p>Dann zog die ganze Johannistagsherrlichkeit noch einmal wie ein -bunter Traum durch die Kammer. Das ausgestopfte Männlein, das steif -und stumm unter dem Johannisbaum gesessen hatte und dem aus Knopflöchern -und Handschuhen die Sägespäne quollen, ward zum Kobold. -Es hockte auf der Bettstelle. Es hockte auf dem Deckbett. Es spukte -in allen Winkeln und trieb seinen Mummenschanz in des Schläfers -heißem Köpfchen, darin ein sonderbarer Leierkasten zu dudeln begann:</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_54">[54]</span></p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Orgel, orgel nort–nort–nort,</div> - <div class="verse indent0">Wo treff’ ich meinen Schäfer an,</div> - <div class="verse indent0">Ki–ka Schäfer an.</div> - <div class="verse indent0">In dem schönen Rosengarten,</div> - <div class="verse indent0">Es grüne die Tanne, es wachse das Erz,</div> - <div class="verse indent0">Ki–ka–Kermesholz,</div> - <div class="verse indent0">Wenn ich den Wanderer frage,</div> - <div class="verse indent0">O Jammer, Jammer höre zu,</div> - <div class="verse indent0">Im schönsten Wiesengrunde,</div> - <div class="verse indent0">Ki–ka–Kermesweib,</div> - <div class="verse indent0">Die mir schenket einen Kuß,</div> - <div class="verse indent0">Ki–ka–Kuß.</div> - <div class="verse indent0">Glück auf, ihr Bergleut’ jung und alt,</div> - <div class="verse indent0">Ich bin ein lustiger Weidemann,</div> - <div class="verse indent0">Wenn schwarze Kittel scharenweis,</div> - <div class="verse indent0">Guten Abend, Gute Nacht …</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>So schwirrt es in wirrem Kunterbunt durcheinander. Über dem Bette -wächst der Johannisbaum empor und wächst hinauf bis in den Himmel. -Ein Paradies öffnet sich darüber. Das ist voll Glück und Seligkeit. -Pappelrosenkränze und Heckengirlanden schlingen sich um goldene -Pfeiler. Hexenhäusel aus lauter Blätterkuchen und warmen Waffeln -bauen sich auf. Sterne leuchten, tausend Sterne. Aber einer ist der -hellste. Und wie der Träumer näher zuschaut, wird der Stern zu -einem nickelnen Zwanzigpfennigstück, das er glückselig in den Händen -hält. Er lächelt im Traum. Wie reich er war, als ihm der Schullehrer<span class="pagenum" id="Seite_55">[55]</span> -heute morgen das blanke Zweigroschenstück gab! Zwei Groschen -eigenes Geld, o zwei Groschen!</p> - -<p>Ihr gütigen Stifter, die ihr lange im Grabe ruht!</p> - -<p>Das Strahlen in den Augen der Harzheimatkinder hat euch Dank -in die Ewigkeit hinübergelächelt. Die Zwanzigpfennigstücke sind die -Zinsen eures Kapitals gewesen. Eure Güte aber konnte sich nicht -schöner verzinsen als mit diesem Glückslächeln auf Buben- und Mädelgesichtern -und mit jener Johannistagsfreude, die ihre Backen rot malt -und die noch über ihre Augen huscht, wenn sie abends müde in ihre -Betten schlüpfen.</p> - -<div class="figcenter illowp30" id="illu-055"> - <img class="w100" src="images/illu-055.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_56">[56]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Die_Waldschenke">Die Waldschenke</h2> -</div> - -<p>Möchtest Du nicht mit mir schnell hinüber über das Gatter und hinunter -ins Häusel?</p> - -<p>Oder möchtest Du Dich nicht auch hier niederlegen am Rande des -Holzes und zwischen Fingerhüten und Ehrenpreis träumen, Stunden -verträumen, Tage, Wochen?</p> - -<p>Alles in diesem Waldwiesenwinkel ist freundliches Winken: Hier ists -gut sein!</p> - -<p>Welche Zauberdinge sinds, die so eindringlich locken?</p> - -<p>Ein Flecklein Lichtgrün im Tannenduster, Vogelstimmen im Wald, -zwischen Blumen ein Plauderbach, – und weltferne Stille. Mitten in -allem ein rotes Dach, unter Bäumen ein paar Holzbänke, eine Laube -im Gärtchen …</p> - -<p>Wer könnte vorüberwandern!</p> - -<p>Ist kaum ein halbes hundert Jahre her, da war dies Tal erfüllt vom -Lärm der Arbeit. Der Bach plantschte über Wasserräder. Pochstempel -stampften einen harten Daktylus in die Waldstille: <em class="gesperrt">Paff</em> – paffpaff, -<em class="gesperrt">paff</em> – paffpaff. Unter ihrem Schlag barst Erzgestein zu Kies und -Staub. Aus allen Hütten kam Poltern und Rumoren. Das Echo -polterte mit. Pochjungen hantierten an Waschherden und eilten geschäftig<span class="pagenum" id="Seite_57">[57]</span> -auf und ab. Blutjunge Knaben, die das Leben hier allzufrüh -in ein eisernes Joch spannte. Blaukittelige Fuhrleute schrien. Angetan -mit weißem Kittel und hohen lehmfarbenen Gamaschen stolzierten -Königlich Privilegierte Fuhrherren einher, ihre zahlreichen Fuhrwerke -musternd. Knarrend fuhren Erzhielen talaus, talein.</p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-057"> - <img class="w100" src="images/illu-057.jpg" alt="" /> -</div> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_58">[58]</span></p> - -<p>Nun ist das geschäftige Bild verschwunden. Die Pochwerke sind fort. -Es blieb kein Stein auf dem andern. Fichten grünen über ihrer Stätte. -In den Schlammlöchern wachsen Schilf und Schachtelhalm. Natur -nimmt langsam das Ihrige zurück. Der Stampftakt der Stempel -ist verstummt. Das Zechenhäusel, – die Waldschenke, – ist der letzte -Zeuge jener Zeit. In dem Stüblein, wo sich heuer der Gast erquickt, -hielten vor Zeiten die Pochjungen ihre Betstunde vor der Schicht. Sie -sangen ein frommes Lied. Der alte Vorbeter las ein Gebet. Die -Arbeit begann mit Gottes Segen.</p> - -<p>Kinder im Joch –, Gottes Segen?</p> - -<p>Wenn ich am Gatter liege und träume, ziehen in langer Wallfahrt -bleiche Knaben durch das Tal. Eine stumme Anklage gegen eine -grausame Zeit.</p> - -<p>Die Stille im Wald ist wie das Ausruhen vieler Bergmenschengeschlechter, -denen harte Arbeit an diesem Ort Blut und Jugend nahm.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_59">[59]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-059"> - <img class="w100" src="images/illu-059.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Der_Gnadenloehner">Der Gnadenlöhner</h2> -</div> - -<p>Sein Hauskäppel ist fadenscheinig geworden. Die bunten Blumen -darin sind ausgefädelt und haben die Farbe verloren. Silberne -Strähnen quellen unter dem Käppel hervor.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_60">[60]</span></p> - -<p>Jede Bewegung des Alten ist gemessene Ruhe. Wenn er das Fenster -öffnet und den Pfeifenkopf ausklopft, aus dem Tabakskasten dann -eine armselige Mischung von Tabak und Kirsch- und Huflattichblättern -in den Kopf stopft, das alles geschieht mit der gleichen Bedachtsamkeit, -mit der er hinterher zu Zunder und Feuerstein und Stahl greift, -Funken schlägt und langsam zu paffen beginnt. Ist nichts, das ihn -zur Eile triebe oder ein Wellengekräusel verursachte auf dem abgeklärten -Spiegel seiner Seele. Er steht über den Dingen. Und das -Leben – ach das Leben! Er hat abgerechnet mit ihm.</p> - -<p>Das Leben zieht draußen vorbei. Es geht mit Axt und Säge ins Holz. -Fährt an zur Schicht in der Grube. Rollt auf Bauholzwagen straßab. -Wetzt auf den Bergwiesen die Sensen … Wann begann doch seins?</p> - -<p>Der Alte sinnt.</p> - -<p>Seine Gedanken spinnen einen langen Weg zurück. Es ist kein sanfter -und weich gepolsterter Wiesenpfad, den sie wandeln. Sie müssen einen -steilen Bergstieg hinab, über Steingebröckel und spitze Klippen und -Schlackenhalden, durch Hohlwege und schwarzen Wald. Tief unten, -wo der Weg beginnt, liegt im Talesgrund ein grünes Paradies voll -Lust und Vogelsang: seine Kinderzeit. Ein Nebel breitet sich darüber. -Zu früh hat er draus fortgemußt. Über kaum erblühte Blumen fiel -Reif mitten im Frühling. Sie sind ungepflückt gestorben. Kein Traum -macht sie wieder lebendig.</p> - -<p>Zehn Jahre war er alt. Des Vaters Taglohn reichte nicht für die -Familie. Zwei Taler zehn Mariengroschen in der Woche, – du lieber -Gott! Und der Himten Herrenkorn war bald verzehrt. Blieb keine -Wahl: die Kinder mußten mit ins Joch.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_61">[61]</span></p> - -<p>Bergmannsjungen mußten Bergleute, Hüttenmannsjungen wieder -Hüttenleute werden. Das war ungeschriebenes Gesetz im Harzheimatland. -Zu beiden Berufen bildete das Pochwerk die Vorbereitungsstätte. -Wurde aber keiner im »Pucherig« aufgenommen, der nicht zehn -Jahre alt war …</p> - -<p>Es kam auch keiner hinein, der sein Vaterunser nicht konnte und die -zehn Gebote und das Einmaleins. Wer sich in solcherlei Dingen des -Kopfes und des Herzens zur Zufriedenheit des Obersteigers auswies, -der erst war würdig, staatlicher Pochjunge zu werden. Es waren bescheidene -Rühmlein mit dieser Würde verbunden. Die Pochjungen -brauchten nur Sonnabends zur Schule. Zu Fastlahm, dem Dankfest -der Bergleute, durften sie mit Grubenkittel und Schachthut und Hinterleder -beim Kirchgang den Großen vorangehen. Zum Johannistag -steckte ihnen die Mutter Sirupsbranntwein in den Brotbeutel. Sie -setzten mit dem ersten Anfahrtstage ihren Fuß auf die oberste Sprosse -der Leiter, die zu Silber und Blei in den Berg hinabführt. Der Weg -bis dahin freilich war weit. Ruhm und Ehre heischten harten Tribut. -Und zuvörderst stand die Leiter noch im Pochwerk.</p> - -<p>Mit dem Morgengrauen begann die Fron. Der Vorbeter im Zechenhaus -konnte die Müdigkeit aus Kinderaugen nicht herausbeten. -Wurden während der Arbeit die Kräfte schlaff oder wollte der Pochjunge -Kind sein, wies ihn der Vogelpols des Steigers, die Klopfpeitsche, -ins Joch zurück. Zwölf Stunden Scharwerken, Schmalzbrot -im Brotbeutel, elf Pfennige Taglohn …</p> - -<p>Sie schleppten ihre müden Glieder nach Haus. An Blumenblühen und -Vogelsang und Sonne und allem vorbei, was Kinderherzen erfreut.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_62">[62]</span></p> - -<p>Wem harte Faust im Nacken sitzt, dem stirbt die Jugend rasch. Das -Pochwerk zerstampft Stein und Erz und Kinderherzen. Und hinter -Schlackenkarren und Erzhunden wird der Mensch nicht jünger. Was -übrigbleibt an Lebenskraft, nimmt bei dem einen der Schacht, dörrt -bei dem andern der Schmelzofen aus.</p> - -<p>Des Alten Weg führte nicht über Sonnenhalden. Nun ist er über den -Berg. Die Sonne freilich ging derweilen jenseits hinab. Just ein -Fünklein warmen Abendscheins kann er noch erhaschen. Im Antlitz -des sinkenden Lichts stößt er den Stecken in die Erde. Ein müder -Pilgersmann. Sein Ränzel ward auf der langen Bergfahrt leer. Er -muß den Leibriemen enger schnallen. Blieb nichts im Sack als ein -Stück Gnadenbrot und armselige Habe: ein Päcklein Tabak, eine -Scheibenbüchse, die sein Arm nicht mehr halten kann, eine Harzzither, -darauf die Saiten zersprangen …</p> - -<div class="figleft illowp30" id="illu-062"> - <img class="w100" src="images/illu-062.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>Aber der Alte hat sich weise in sein -Los gefügt. Grübeln und Grämen -bringen verlorene Jugend nicht wieder. -Er will beschaulich genießen, was ihm -von Licht und Tag noch übrigbleibt. -Er weiß: Wenn die Sonne fort ist, wird -sich hinter ihr das schwarze Schachtloch -Ewigkeit auftun. Dann wird er am -Ziel sein. Bis dahin bewahre Gott -uns allen ein fröhliches Herz!</p> - -<p>Wenn der Gnadenlöhner solcherlei -Gedanken spinnt, ist in seinen Augen<span class="pagenum" id="Seite_63">[63]</span> -fernes Feierabendleuchten voll Güte und Milde. Und in seinem -Blick ist jener Friede, der mit der Welt und allen Alltagsdingen darin -abgerechnet hat und bereit ist, das Ergebnis dieser Rechnung dem Herrgott -vorzulegen: Das Leben hat mir nichts geschenkt. Ich habe meine -Pflicht getan.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_64">[64]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Glueckauf_Alter_Mann">Glückauf, Alter Mann!</h2> -</div> - -<div class="figleft illowp30" id="illu-064"> - <img class="w100" src="images/illu-064.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>Um die Bergstadt verstreut liegen seltsame -Gesteinshalden. Auf den Wiesen -einzelne, die meisten im Walde versteckt. -Es sind die letzten Reste uralter -Gruben.</p> - -<p>Der Fremdling übersieht sie zumeist. -Selten, daß sich einer wundert, woher -so unvermittelt an einer Waldlehne oder -einem Wiesenhang ein ebener Plan entsteht, -der aus dem Berg herauszukommen -scheint, sich vorschiebt und wieder jäh in den Hang hinabstürzt. Der Bergmensch -aber weiß, daß er hier auf einem Stücklein Boden steht, das -durch die Arbeit der Väter geheiligt ist. Vor langen Jahren haben -sie hier nach Silber und Blei geschürft. Hoffnungsvolle Namen gaben -sie ihren Gruben. Aber diese erwiesen sich nicht allezeit als Goldene -Rose oder Schatzkammer, waren nicht immer Silberlilie und Treuer -Friederich; blinkten auch nicht auf die Dauer wie eine Engelskrone -oder der Morgenstern. Und die Gnade Gottes und Gottes Segen -waren ihnen nicht allen beschieden. Nicht überall lohnte die Ausbeute.<span class="pagenum" id="Seite_65">[65]</span> -Die Zubuße war größer denn der Gewinn. Dann versuchten die Alten -ihr Glück an anderer Stelle. Das Gebirge reichte weit. Erz wuchs -in jedem Berg. Sie gruben in den Oberschichten des Gesteins. Sie -stiegen viele Lachter tief in die Erde hinab. – Alle diese Gruben sind -vergessen. In den Chroniken des Harzheimatlandes heißen sie in -ihrer Gesamtheit: Der Alte Mann.</p> - -<p>Der Alte Mann waren aber auch die ersten Bergknappen, die die -Hoffnung auf blinkenden Segen in die Harzberge lockte. Sie brachten -ein regsames Getriebe in den stillen Wald Hercynia. Der Schwarze -Tod entriß ihnen Schlägel und Eisen. Krieg und Not verschüttete -die Gruben.</p> - -<p>Die nachfolgenden Geschlechter gingen mit frischem Hoffen ans Werk. -Sie gruben, wurden fündig, teuften ab und begruben wieder. Manche -leuchtende Silberader schlug man an. Viele blanke Taler wurden -geprägt, von denen Seine Hochfürstliche Gnaden, der Herzog von -Braunschweig und Lüneburg, den Zehnten in sein Säckel taten. Dann -traf man beim Weiterbauen auf taubes Gestein. Oder Wasser und -Widerwärtigkeiten geboten Feierabend. Die Gewerkschaft nahm ihr -Gezäh und wanderte weiter. Die alten Gruben blieben vergessen -liegen. So liegen sie heute noch. Stollen und Schächte stürzten ein. -Das wertlose Gestein aber, das aus ihnen zu Tage gefördert wurde, -lagert an der alten Stätte wie ehedem.</p> - -<p>Jahrhunderte sind seither über die Halden hinweggegangen. Moos -und Gras haben sie zugedeckt. Wälder wuchsen darauf. Wälder -wurden gefällt und wuchsen wieder. Und von den Menschen, die einst -diese »Hallen« aufstürzten, blieb im Harzheimatland nichts als ihre<span class="pagenum" id="Seite_66">[66]</span> -Sprache, die hart ist wie Fäustelschlag. Und eins noch hinterließen -sie: den Mut eines zähen Tiefenbezwingertums. Ihre Nachfahren -sind ein furchtloses Bergmannsgeschlecht geblieben, das stolz ist auf -einen Beruf, der geliebt und verstanden sein will und von dem sie singen:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Gott hat uns einst die Gnad’ gegeben,</div> - <div class="verse indent0">Daß wir vom edlen Bergwerk leben …</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Wenn ich auf verfallener Halle stehe, beginnt alte Zeit zu erzählen. -Dort muß der Stollen gewesen sein. Eine verwaschene Runse am -Hang, die unvermittelt abbricht. Die Schachtstangen, die ihn einst -stützten, sind morsch zusammengeknickt und vergangen. Das Erdreich -stürzte nach. Das Loch im Berg tat sich zu. Das Stollenwässerchen -suchte sich einen Weg und blieb als Bergquell zurück. Über die Runse -wuchs Moos. Fichtennadeln stäubten hernieder. Rippenfarn und -Weidenröschen siedelten sich an. Wind wehte Tannzapfensamen herbei. -Lustig sproß ein Fichtenhorst empor und überdeckte das bloßliegende -Gestein. Die schartige Wunde am Berg verheilte zur Narbe. Und auch -über die Steinhalden wuchs der Wald. Moos und Tannennadeln -wieder polsterten das Gerümpel aus. Fichten krallten ihre Wurzeln -tief hinein. Wo am Steilhang der Halle ein Regensturz das neue -Erdreich wegwusch oder ein Hirsch seine Fährte durch die Oberschicht -drückte, schimmern graue und weiße Steine her. Das Berg, heißt es der -Bergmann. Kalkspat, Schieferspat, sagt der Gelehrte. Die Bergkinder -aber suchen an solchen Stellen nach einem Glänzlein Kupferkies oder -Zinkblende und sind glücklich, »Goldsteine« gefunden zu haben.</p> - -<p>Um die Halden schleicht der Fuchs. Über Pfifferlingen und Reizkern -wölben sich Fichten. Junge, in denen das Rotkehlchen singt, alte,<span class="pagenum" id="Seite_67">[67]</span> -in deren Zweiggewirr Eichhörnel hupfen. Die Arbeit des Alten -Mannes hat ein Waldidyll übersponnen.</p> - -<p>Manchmal streicht in dunklen Nächten der Bergmönch hier vorbei. -Sein silbernes Geleucht blitzt durch das Holz. Am St. Barbaratage -aber läutet heimlich dort ein Schachtglöcklein. Wer Märchenohren -hat, der hört es …</p> - -<p>So oft ich an solcher Stätte weile, muß ich still sein. Mir ist, als täte -sich der Berg auf. Weit hinten im schwarzen Loch des Stollens sehe -ich Grubenlichter flackern. Hämmer sausen auf Handbohrer hinab. -Eisen klingt auf Eisen den harten Takt der Arbeit vor Ort. Spitzhacken -knirschen sich in das Gestein. Polternd gehen felsige Wände -nieder. An den Seiten des Stollens sickert Wasser herab, perlt in -klingenden Silbertropfen von der Decke und kommt als Bächlein -zu Tage. Auf der Stollensohle bilden Bretter einen ebenen Weg. -Schiebkarren rollen darauf aus der Tiefe hervor. Urväter begrüßen -mich mit geisterhaftem Glückauf. Auf Schachthut und Hinterleder -und Grubenkittel klebt feuchter Schmutz. Sie schieben den schweren -Karren auf die Halde hinaus. Bollernd stürzt das Gestein den Hang -hinab …</p> - -<p>Glückauf, Alter Mann!</p> - -<p>Deine Hände sind voll Schwielen. Der Berg hat dich bleich gemacht. -Deine Augen blicken ernst. Harte Arbeit grub harte Falten in dein -Gesicht. Bergmannsarbeit ist immer Last gewesen. Dem Knappen -von heute hat die Neuzeit hilfreiche Handhaben gegeben. Ihr jedoch -waret auf euch selbst gestellt. Ihr wußtet nichts von Bohrmaschinen -und Preßluft. Jedes Loch in Felsenwand mußte die Eisenkraft eurer<span class="pagenum" id="Seite_68">[68]</span> -Hände und Arme ertrotzen. Euch trug keine Fahrkunst hinab in -Schachtes Tiefen. Für euch gabs nur den Sprossenweg der Leiter, -die Fahrt, auf denen eure müden Beine aufwärts und abwärts stiegen -viele Lachter. Euer Beutelchen Schwarzpulver war schwach. Es sorgte -dafür, daß der Arbeit genug übrigblieb. Dynamit und Donarit schaffen -euren Nachfahren reinere Tafel. Und was ihr fördertet, nahm euch -keine leicht dahingleitende Feldbahn ab. Euch blieb nichts, als das -Sielen über die Schulter zu schlagen und den Karren in die Hand zu -nehmen oder die Faust um den Griff des Göpels zu spannen, der -ächzend den Erzeimer emporwand. Kein Förderseil, bewegt durch die -Kraft einer Maschine und gebändigt durch einen Hebeldruck, glitt hinab -in die Tiefe. Unten glühte kein elektrischer Faden. Kein Karbidlicht -warf grellen Schein auf marmorne Erzadern. Zu eurer Arbeit leuchtete -nichts als das schwelende Flämmchen eurer Unschlittlampe. Das -armselige Geleucht ist ein Bild eures Lebens gewesen.</p> - -<p>Nun seid ihr lange eingefahren zur letzten Schicht. Ob ihr den Bergmannstod -starbt tief unter der Erd’ und man euch im weißen Sarg -nach Hause trug, ob eure bergsüchtige Lunge auf dem Strohsack verröchelte, -– wer weiß, wo ihr euren Feierabend fandet. Über eure -Schächte ging die Zeit. Erde deckt Mühsal und Last. Erde deckt alles -Hoffen auf Goldene Rose und Silberlilie.</p> - -<p>Aber die Gnade Gottes mag mit euch sein. Und der Morgenstern -möge euch leuchten wie ein gleißender Anbruch im Schacht.</p> - -<p>Reicht mir die Schwielenfaust:</p> - -<p>Glückauf, Alter Mann!</p> - -<p>Mein Gruß ist Hochachtung und Ehrfurcht.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_69">[69]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-069"> - <img class="w100" src="images/illu-069.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Schpinne">Schpinne</h2> -</div> - -<p>Weiß der Himmel, wie sich der gute Alte diesen Spitznamen erworben -hat!</p> - -<p>Die Spitznamen im Bergstädtchen sind nicht immer Liebkosungen. -Sie verlieren zwar mit der Zeit Sinn und Ätze. Kein Mensch denkt -sich etwas dabei. Aber sie bleiben an ihrem Träger haften wie Vogelleim -und erben sich fort auf Kindeskind.</p> - -<p>Wenn einer damals in der Bergstadt nach Herrn Karl Riese gefragt -hätte, wäre er lange irre gegangen. Und die Bergstadtleute hätten<span class="pagenum" id="Seite_70">[70]</span> -die Gegenfrage gestellt: Welchen Riesen meinen sie, den, den, den -oder den? Fünfe, sechse, hätten sie hergezählt und an jeden ehrsamen -Namen Riese ein Anhängsel mit Eigenprägung gehängt, das sie alle -säuberlich auseinanderhielt.</p> - -<p>Hätte darum der Fremdling gefragt: Wo wohnt der Riesen-Schpinne? -dann würde das eine eindeutige Frage gewesen sein, die über den -Gesuchten keinen Zweifel übrigließ. Und jedes Kind auf der Gasse -wäre mit dem Bescheid zur Hand gewesen: Beim Bruch-Guste!</p> - -<p>Das war nun freilich auch noch keine klare Ortsbezeichnung. Aber der -Bruch-Guste ihr Haus war leicht zu finden.</p> - -<p>Von der Straße im Tal zweigt sich ein Gäßchen ab. Es hupft mit -einer klapprigen Holzbrücke über einen Bach und will hinauf zur -Straße am Berg. Das Gäßchen muß aber einen Winkel machen. -Denn just hinter der Brücke steht ihm das Haus von der Bruch-Guste -im Wege. Das steht dort ganz allein und betrachtet aus seiner Zurückgezogenheit -mit stillem Schmunzeln die Hinterseiten der Häuser auf -der anderen Seite des Baches. Mit einem Auge kann es gerade noch -durch die Gasse zur Straße gucken. Neben dem Steintritt mit der -hölzernen Bank läßt ein Brünnlein sein Kristallwasser in einen uralten -Eichentubben pladdern.</p> - -<p>Dies Haus gehörte der Bruch-Guste.</p> - -<p>Dem Zufall, daß es an einer bruchigen Wiese stand, verdankte seine -Eigentümerin ihren Beinamen.</p> - -<p>In dem Haus am Bruch trieb die gute Frau Guste eine fleißige Milchwirtschaft. -Es roch dort immer nach Buttermilch und Molken. Wenn -die auf die Diele führende Stalltür offen stand, wehte warmer Stalldunst<span class="pagenum" id="Seite_71">[71]</span> -dazwischen. Dieser Mischduft gehört in meiner Erinnerung untrennbar -mit jenem Haus zusammen, in dem eine Treppe hoch mein -Freund Riesen-Karel, genannt Schpinne, zur Miete wohnte.</p> - -<p>Seine Stube war, wie die meisten Bergmannsstuben im Bergstädtchen, -halb Gebrauchszimmer, halb unantastbare kalte Pracht.</p> - -<p>Die Alltagshälfte lag im warmen Bereich des Ofens. Im Ofenwinkel -stand das schwarze Waschbecken aus Gußeisen. In dieser Ecke -geschah nach vollendeter Schicht die gründliche Reinigung vom Schmutz -der Grubenarbeit. Dann wurde das gestreifte flanellene Arbeitshemd -an den Ofen gehängt und mit Feierabendshemd und Kamisol vertauscht. -Auf der anderen Seite des Ofens, wo der Eßtisch seinen -Platz hatte, wartete währenddem schon der Kaffee mit der eingebrockten -Semmel. Zum Eßtisch gehörten zwei Bretterstühle. Die paar Rohrstühle -in der guten Stubenhälfte wären für den Eßtisch zu schade -gewesen.</p> - -<p>Überhaupt diese Sonntagshälfte!</p> - -<p>Die Mutter Riesen hielt auf peinlichste Ordnung in ihrem Schmuckkästlein. -Es war kein Fältchen in der Kommodendecke. Die Kalkspat- -und Zinkblendedrusen darauf und die Glaskugeln hatten immer -den gleichen Platz. Die Lichtbildständer auf dem runden Sofatisch -mußten ihre Füße immer genau in dieselbe Stelle der Damastdecke -drücken. Und die Mutter Riesen hätte nicht schlafen können, wäre -nicht der Kattunüberzug über dem Sofa nach jedem Feierabendschläfchen -des Alten erst wieder säuberlich glattgezupft worden.</p> - -<p>Zwischen ein paar Sechser- und Achtergeweihen an der Wand tackte -eine Schwarzwälderuhr. Der Schatten ihres Messingpendels tupfte<span class="pagenum" id="Seite_72">[72]</span> -an den Kerbschnittrahmen eines vergilbten Soldatenbildes, an dem -eigentlich nur noch ein roter Uniformkragen und zwei schwarze Augenpunkte -deutlich geblieben waren. Das war das Rekrutenbild meines -alten Freundes.</p> - -<p>70 ist er mit nach Frankreich gewesen. Auch Anno 66 hat er mitgemußt. -Aber die Preußenkugeln hörte er nicht pfeifen. Sein Marsch nach -Langensalza fand frühzeitig ein Ende. Wenn er damals für sein -Hannoverland keine Lorbeeren pflücken konnte, blieb er ihm doch im -Herzen treu. Zuweilen versuchte er mit invaliden Knochen noch einmal -einen preußischen Parademarsch. Aber seine Gedanken verloren -sich dabei zurück in seine Soldatenzeit unter dem blinden König. -Da ging es lustig zu, wenn in den Heidemanövern die »Attolerie« -mit »grasgriene Äppel« schoß, – wahrhaftigen Gott! Des Alten -Augen leuchteten. Und wie lautgewordenes Erinnern summte die -alte hannoversche Soldatenweise durch seinen Bart: »O Hannes, -wat ’en Haut!« Wenn die Rede auf 66 kam, grollte er. Es blieb -kein gutes Haar an den Preußen. Als der Urheber des Unglücks -aber galt für ihn unumstößlich der General Manteuffel. »Wenn dar -verfluchte Manteiffel net gekumme wär!«</p> - -<p>Um Langensalza wob er eine strahlende Gloriole. Der Ort hatte etwas -Heiliges für ihn, von dem er nur in Verehrung sprach. Aber immer und -immer wieder flackerte in seine Welfenandacht der Name Manteuffel -hinein wie ein rotes Tuch, das seinen Haß herausforderte.</p> - -<p>Da mochte er ein anderes und wirkliches rotes Tuch lieber. Das war -sein Scheibenweiserrock. Der Alte bekleidete bei der Schützenbruderschaft -den löblichen Posten eines Scheibenweisers. Wenn er Sonntag<span class="pagenum" id="Seite_73">[73]</span> -nachmittags den roten Rock angezogen hatte und die weiße Hose -dazu, sah er prächtig aus. Zur Uniform gehörte eine schwarzsamtene -Parforcejagdmütze. Und wenn der Alte noch lange Lackstiefel getragen -hätte, hätte man ihn für einen richtigen Parforcereiter halten -können. Die krummen Beine freilich und der Struppelbart wollten -nicht recht zu der stolzen Tracht taugen. Aber diese Umstände taten -meiner Bewunderung für meinen Freund keinen Abbruch. Es war -immer ein kleiner Festzug, wenn im Sommer die beiden Scheibenweiser -Sonntag für Sonntag die funkelnagelneuen Scheiben vom -Tischler holten und im Trommeltakt des Schützentambours zu den -Scheibenständen zogen. Abseits von jedem Stand lag ein Steinhäusel -für die Scheibenweiser. Wenn die Scheiben befestigt und Pflockkasten -und Nummerntafeln an Ort und Stelle gebracht waren, verkrochen -sich die Scheibenweiser in ihrem steinernen Unterschlupf wie Mauerspinnen.</p> - -<p>Manchmal durfte ich mit ins Scheibenweiserhäusel. Diese Gunst -machte mich stolz und glücklich.</p> - -<p>Kinder schöpfen ihr Glücklichsein aus bescheidenen Dingen. Wenn -ich mich in der Erinnerung zu meinem rotrockigen Freund ins Scheibenweiserhäusel -zurückversetze, wirds mir warm ums Herz. Ein Spürlein -Glück blieb hangen. So muß es echt gewesen sein.</p> - -<p>Und ich kam mir sehr wichtig vor, wenn ich dem Alten einen Holzpflock, -eine Nummerntafel zureichen durfte. Wenn ein Schuß fehlgegangen -war, winkte er pfiffig ab. Konnte er aber eine 20 anhängen, -schwenkte er mit einer Großartigkeit ohnegleichen seine Mütze. Tupp-tupp-tupp -wurde schnell das Loch zugeklopft. Dann gings im Laufschritt<span class="pagenum" id="Seite_74">[74]</span> -zurück ins Häusel. Hinter den krummen Beinen wehte der -Rockschoß wie eine rote Fahne.</p> - -<p>Als diese Beine zum Laufen zu alt und der Atem zu kurz geworden -waren, zog mein Freund die Scheibenweisermontur aus und verschlief -seine Sonntagnachmittage daheim auf dem Kanapee.</p> - -<p>Des Alltags aber war er der unermüdliche Schaffer in meinem Vaterhause. -Es war nichts in Hof und Haus, an dem seine Hand nicht -half. Und was er schuf, schuf er mit der Treue und Verläßlichkeit -der Alten.</p> - -<p>Sein eigenstes Reich war unser Holzhof.</p> - -<p>Ich sehe ihn noch mitten zwischen Bergen geschnittener Scheite. Ich -höre bei jedem Niedersausen der Axt oder des eisernen Fäustels ein -hechelndes »hach, hach!« Und höre das knatternde Auseinanderbersten -knorriger Stuken. Ein gottverdammter Fluch folgt, wenn die -Keile nicht anziehen wollen und sich festbeißen in widerspenstigen -Wurzelknorren.</p> - -<p>Von Zeit zu Zeit wendete er den Kopf zur Seite.</p> - -<p>Prtsch! gings dann.</p> - -<p>Das Priemen war des Alten einzige Leidenschaft. Das »Priemelbichsel« -in seiner Westentasche, das so harzig war wie die Weste selbst, -bildete sein Heiligtum. Er hätte es nicht missen können. Wenn er -in die Westentasche griff, das einstige Pomadenbüchslein hervorzog -und mühsam ein Endchen von der schwarzen Rolle abbiß, ging ein -Behagen über sein Gesicht. »Wos muß der Mensch han!« Prtsch! -Eher konnte er schon auf den Branntweinbuddel verzichten, den er heimlich -in der Holzbanse versteckte. Von Zeit zu Zeit, wenn die Kehle zu<span class="pagenum" id="Seite_75">[75]</span> -trocken war vom Holzstaub, – und Holzhacker haben gemeinhin trockene -Kehlen, – tat er einen geschämigen Schluck. Er vermißte den Nordhäuser -nicht. Aber alle Vierteljahr einmal wurde der Alte schwach. Dann -blitzten die kleinen schwarzen Augen noch feuriger unter dem Schirm -seiner Baschlikmütze her. Das waren die Stunden, wo der Alte gern -einmal wieder Parademarsch machte und sein Herz wieder jung -wurde …</p> - -<p>Dies gute, treue Herz, das so lebensfrisch klopfte in der invaliden -Bergmannsbrust: »Junge, ich, – ich schterb noch lange net!«</p> - -<p>Und ist doch bald gestorben.</p> - -<p>Als ich von seinem Tod erfuhr, war ich in der Fremde. Die Nachricht -zerriß etwas in mir. Das blutete und schmerzte. Ich floh die Enge -gleichgültiger Menschen. Auf einer Waldhöhe fand ich mich wieder. -Einsamkeit war um mich her. In duftblauer Ferne weit hinten lagen -die Harzheimatberge.</p> - -<p>In der Stunde, wo sie meinen alten Freund zu Grabe trugen, habe -ich seinen Namen in die Rinde einer Wetterbuche geschnitzt … -Fremder ist mir die Fremde nur noch einmal gewesen: als man im -Maienmond darauf auch meinen Vater begraben hatte.</p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-075"> - <img class="w100" src="images/illu-075.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_76">[76]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-076"> - <img class="w100" src="images/illu-076.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Der_Jagder">Der Jagder</h2> -</div> - -<p>Lasterhafte Zungen reden ihm nach, er habe die Namen seiner dreizehn -Kinder nicht gewußt. Aber er wußte, daß sie alle einen gottgesegneten -Hunger hatten. Und noch besser wußte er, daß es ein Kunststück war, -mit einem Bergmannstaglohn dreizehn hungrige Mäulchen sattzukriegen.<span class="pagenum" id="Seite_77">[77]</span> -Bei Kartoffeln und Salz und trockenem Brot werden die -Wangen schmal.</p> - -<p>Es müßte dem Jagder kein Herz unter dem Kamisol geschlagen haben, -wenn er nicht in sechsundzwanzig Kinderaugen den Hunger hätte -flackern sehen. Aber er sah es gut genug. Und wenn er deshalb zu -Zeiten seinen alten Vorderlader unter dem Heu hervorsuchte, Pulverhorn -und Zündhütchen in den Brotbeutel steckte und auf verschwiegenen -Pfaden in den Bergwald stieg, wars nicht die Jagdleidenschaft allein, -die ihn hinaustrieb. Hunger tut weh.</p> - -<p>Es gehen im Bergstädtchen viele Geschichten um vom Jagder. Es -hat sich um ihn ein krauser Kranz von Wahrheit und Dichtung und -voll abenteuerlicher Romantik gewunden. Aber eins wissen alle -Histörchen zu berichten: Daß er seinen Schild, wenn es auch ein unrechtmäßig -geführter war, rein hielt. Er war keiner von jenen Aasjägern, -die mit gehacktem Blei das Alttier vom Kalbe wegschossen -und mit Wilpertfleisch Wucher und Schacher trieben. Er hätte auch -den Finger nicht krumm gekriegt, wenn ihm ein hochbeschlagenes -Muttertier vor die Flinte gekommen wäre. Denn er nahm neben -Pulver und Blei sein Herz mit in den Bergwald.</p> - -<p>Er wußte jeden Wechsel im Revier. Kein Rudel war ihm fremd. -Und knurrte der Magen zu sehr oder puckerte das Blut zu arg: er -ging selten auf vergebliche Pürschen. Sein Vorderlader war von -grausam großem Kaliber. Wenn er Dampf machte, ging ein Donnern -über die Berge. Und wenn seine Bleikugel saß, saß sie gut und erlöste -ihr Opfer rasch. Oder sie verprallte an irgendeiner Klippe, klatschte -in irgendeine Fichte und tat keiner Kreatur ein Leid.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_78">[78]</span></p> - -<p>Der Wald war des Jagders Kirche und Fleischkammer.</p> - -<p>Wenn Sonntags die Glocken läuteten, erreichte ihn ihr Klingen sicher -irgendwo auf Bergeshöhen, wo er seine Waldandacht hielt auf seine Art. -Nicht immer mit der gespannten Büchse, aber stets mit dem hellen, freien -Auge des Naturmenschen, dessen Gott in Waldesmitten wohnt.</p> - -<p>Zeisige singen die Liturgie, Wald und Weite halten die Predigt.</p> - -<p>Und der Jagder ließ sie zu sich sprechen. Es war nicht jederzeit -Hingabe und Genießen in dem wohlgepolsterten Kirchenstuhl des -guten Gewissens. Denn nicht alle Sonntagmorgen gingen die Förster -unten im Bergstädtlein zum Frühschoppen.</p> - -<p>Ja ja, die Grünen!</p> - -<p>Der Jagder gehörte nicht zu den Rabiaten. Er suchte im Guten mit -ihnen auszukommen. Die Leute sagen, es sei sogar ein recht gemütliches -Verhältnis zwischen ihm und den Förstern gewesen. Dennoch -soll man sein Schicksal nicht herausfordern. So hielt es der Jagder als -für das Klügste, im Revier weder Berufenen noch Unberufenen unter -die Augen zu kommen. Wenn auf irgendeinem Waldwege, in irgendeiner -Schneise das allerletzte Restlein eines Tabakwölkchens hängen -geblieben war, stieg ihm ein unbehaglicher Verdacht in die Nase. -Er wurde mißtrauisch wie der Fuchs, dem auf verbotenen Raubzügen -die Witterung eines Menschen in den Windfang weht und der nun -seine Vorsicht verdoppelt.</p> - -<p>Es wäre schade um den schönen Vorderlader! Sie haben ihn so -manches Mal vergeblich gesucht …</p> - -<p>War es nicht genug, daß sie ihm daheim so und so oft in die Kochtöpfe -geguckt, Boden und Keller durchsucht und manche Spießerkeule<span class="pagenum" id="Seite_79">[79]</span> -mit fortgenommen haben? Wenn sie an seinem Häusel vorbeigingen, -schnupperten sie, obs im niederwehenden Schornsteinrauch nicht nach -Wilpertbraten duftete. Es war ein ewiges Mißtrauen zwischen ihnen. -Und so konnten sie sich trotz aller Freundschaft eigentlich gegenseitig -nicht gut riechen, der Jagder und die Grünen.</p> - -<p>Als sie es ihm zu bunt machten, vergrub er das Pökelfaß mit dem -gesalzenen Wildfleisch säuberlich unter dem Moos eines Dickichts -draußen im Walde. So fanden sie nichts mehr bei ihm. Aber das -Pulver blieb trocken. Der Stutzen rostete nicht.</p> - -<p>Er prahlte nicht mit seiner Passion. Er machte auch keinen Hehl daraus. -Sein Sonntagsstaat und Stolz war eine grüne Jägerjoppe mit -Hirschhornknöpfen und der Schützenhut mit dem Birkhahnspiel hintendrauf. -Es lebe, was auf Erden stolziert in grüner Tracht …</p> - -<p>Die Fensterläden seines Hauses, das sie im Bergstädtchen heute noch -das Jagderhaus heißen, waren mit bunten Jagdbildern bemalt. -Wenn ich als Junge am Jagderhaus vorüber mußte, waren diese -Bilder mein ganzes Entzücken. Ich kenne sie alle noch: Den Schützen -mit Bergmannskittel und Schachthut, der einen schwarzen Bart hatte -wie der Jagder selbst, den Schweißhund, den flüchtenden Zwölfer (ha, -der Stolz!), den Auerhahn. Jeder Fensterladen hatte sein Bild, und -eins war immer schöner als das andere. Die Leute sagen, der Jagder -habe die Grünen damit ärgern wollen. Ich glaubs aber nicht. Der -eine freut sich an einem roten Schlips, der andere an einem armseligen -Öldruck. Warum soll der Jagder nicht seine Freude an seinen Fensterläden -gehabt haben? Sie waren sogar ein Stückchen Kunst, und ihr -Ursprung war eine Liebe. (Wenns auch eine verbotene war.)</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_80">[80]</span></p> - -<p>Nun haben sie ihn lange begraben. Sie betten die Toten so, daß -ihr Antlitz gegen Morgen gewendet ist. Von dorther grüßt den -toten Jagder der Bergforst aus blauer Höhe. Es war sein liebstes -Revier. Nichts Schöneres hätte er sich wünschen können, als den -ewigen Schlaf zu schlafen im Angesicht dieser trotzigen Urwelt, der -sein Herz gehörte.</p> - -<p>Auf dem Hai, das just über die Wälder der Vorberge herschaut, -starb sein Enkel den Wilderertod.</p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-080"> - <img class="w100" src="images/illu-080.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_81">[81]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-081"> - <img class="w100" src="images/illu-081.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Leimhus">Leimhus</h2> -</div> - -<p>Der Leimhus führte seinen Namen mit Fug und Recht: Auf seiner -Hose klebte ein zäher Überzug von Vogelleim. Er hielt auf Reinlichkeit. -Es wäre nun aber lächerlich gewesen, zum Vogelstellen Seife -und Handtuch mitzunehmen oder das Taschentuch, wenn er eins<span class="pagenum" id="Seite_82">[82]</span> -besessen hätte, zu solchen Zwecken zu mißbrauchen. Weil es jedoch unbehaglich -war, mit zusammengeklebten Fingern hantieren zu müssen, -wischte er die leimbeschmutzten Hände an der Hose ab. Vogelleim -trocknet schlecht. Dieser Umstand bedingte einen häufigen Wechsel der -Wischstellen. Die Hände fühlten schon den Platz heraus, der jeweils -am Hosenboden oder Hosenbein am trockensten war. So bildete sich -mit der Zeit eine Pechhaut von bewundernswerter Gleichmäßigkeit -auf der Hose. Und durch solcherart Imprägnierung bekam sie unschätzbare -Eigenschaften. Sie zerriß nie, war undurchlässig für Luft -und Zug, konnte stehen und glänzte wie Leder.</p> - -<p>Dies berühmte Beinkleid gab seinem Träger seinen ebenso berühmten -Namen.</p> - -<p>Leimhus war der zünftige Vogelsteller. Er übte diesen dunklen und -nicht unter dem Schutz des Gesetzes stehenden Beruf hauptamtlich aus. -Wenn er ein Aushängeschild nötig gehabt hätte, hätte es folgendermaßen -aussehen müssen:</p> - -<div class="blockquot bbox"> -<p class="center"><em class="antiqua">C. LEIMHUS</em></p> - -<p class="center"><em class="antiqua">Vogelstellerei und Vogelhandlung.<br /> -Erstklassige Waldvögel, nur prima Sänger.<br /> -Besichtigung frei!</em> -</p> -</div> - -<p>Ein solches Schild hätte aber zuviel ausgeplaudert. So blieb es klüglicherweise -ungemalt.</p> - -<p>Leimhus hatte seine Mietsstube im Jagderhaus. Der Wildschütz und -der Vogelsteller paßten gut zueinander in diesem Krähennest, in dem<span class="pagenum" id="Seite_83">[83]</span> -man noch weniger als anderswo Veranlassung hatte, sich gegenseitig -die Augen auszuhacken. Das Jagderhaus ist das allerletzte und allerhöchste -Häusel im Bergstädtchen. Daß Leimhus gerade dort seine -Behausung auftat, hat er nicht des Himmels Fügung allein überlassen. -Hier oben war er mit des Herrgotts Vogelgarten in engster -Fühlung. Wiesen guckten zum Fenster herein. Dazwischen eingestreut -lagen Kartoffeläcker, auf denen es sich im Herbst wunderschön Stieglitzen -und Hänflinge stellen ließ. Ganz nahe rauschte der Wald. Man -konnte das Zeisigsingen dort, den Schlag der Finken und das Jiffen -ziehender Kreuzschnäbel im Jagderhaus hören. So saß der Leimhus -mitten im Revier. Und das Schönste an seiner Behausung war, daß -sie sich herrlich schnell und ohne allzu heiße Sohlen erreichen ließ, wenn -irgendwo auf grüner Flur die Helmspitze des Landjägers blänkerte -und die Luft nicht sauber war.</p> - -<p>Er hatte die schwärzesten Erfahrungen mit den Hütern der Ordnung -gemacht. Gendarm und Förster waren seine geschworenen Feinde. Er -ging ihnen aus dem Wege wie eine Katze, der böse Buben den Schwanz -geklemmt haben. Beim Vogelstellen hatte er seine liebe Not, auf -Stellbusch und Leimruten zu achten und gleichzeitig Umschau zu halten -nach Störenfrieden in hellgrüner oder dunkelgrüner Uniform. Sie -hetzten ihn. Sie nahmen ihm die Lockvögel fort. Sie waren Schuld -daran, daß er mit grausamer Regelmäßigkeit Jahr um Jahr vor das -Schöffengericht mußte »wegen unerlaubten Vogelstellens im Rückfalle«. -Dann sahen ihn die Bergstadtleute für ein paar Wochen nicht. -Es blieb aber nicht immer bei Wochen. Als er damals einen harmlosen -Quäker als Nachtigall verkaufte, kams schlimmer. Der Amtsrichter<span class="pagenum" id="Seite_84">[84]</span> -zeigte keinerlei Verständnis für Leimhusens Großzügigkeit und -diktierte ihm im Namen des Gesetzes einen langen Urlaub von Leimbüchsel -und Jagderhaus.</p> - -<p>Des alten Sünders schwarzes Gewissen ward durch die aufgezwungene -Muße nicht weißer. Als er heimkehrte, legte er sich auf die Kunstfertigkeit, -aus wertlosen Zeisigweibchen gutbezahlte Zeisigmännchen -zu machen. Dieser Gedanke war so großartig wie einträglich. Seine -Ausführung erreichte er auf einfachste Weise: er träufelte ein wenig -Leinöl auf die Unterseite einer Bratpfanne, verrieb das Öl mit dem -an der Pfanne haftenden Ruß und strich mit der Fingerspitze der -Zeisigsie ein kunstgerechtes schwarzes Plättchen über den Kopf. Durch -diesen Schmuck ihrer männlichen Artgenossen lernten freilich die Zeisigweibchen -das Singen noch lange nicht. Aber sie gaben ihren Besitzer -einer angenehmen Täuschung hin.</p> - -<p>Nun ist jedoch ein Zeisig ein ehrliches Waldkind. Er läßt sich auf die -Dauer nicht mit fremden Federn schmücken. So hielt das künstliche -Plättchen längstens bis zur nächsten Mauserung. Es wuchs wieder -ein bescheidenes graues Grün über die Stirn des Zeisigweibchens. -Manchem Käufer ging alsdann ein ahnungsvolles Lichtlein auf. -Die Gutgläubigen freilich haben das Leimhusensche Kunststück nicht -begriffen. Es war auf längere Sicht bemessen und immerhin dauerhafter -als ein anderes, das er mit einer Gimpelsie anstellte. Die -Gimpelsie sollte ein Gimpelhahn werden. Leimhus malte ihr eine -wunderschöne kardinalrote Brust an. Der Herrgott im Paradies hätte es -nicht besser machen können. Der Käufer der Dompfäffin aber war unbarmherzig -genug, den Vogel eines Tages im Regen stehen zu lassen.<span class="pagenum" id="Seite_85">[85]</span> -Der Regen wusch den roten Kardinal wieder grau. Die Kunstfertigkeit -ging zuschanden, – und des Leimhus Sündenbündel war voll.</p> - -<p>Hinterher hat er nur wieder zu Pinsel und Farbtopf gegriffen, wenn -er daheim in seiner Stube hockte und Vogelhäusel anstrich.</p> - -<p>Seine Stube war eine lebendige Vogelhecke voll Flispern und Flattern. -In ihr gediehen außer acht Menschlein ein halbes hundert Waldvögel. -Tat man die Tür auf, blaffte dem Eintretenden ein greifbar -dicker Dunst entgegen. Einen Augenblick blieb man im Zweifel, ob -man zuerst über die Luft staunen oder aber den Lärm bewundern -sollte, der mit gleicher Ungeheuerlichkeit aus Leimhusens Bude drang. -Das war ein Gedüdel und Trätschen, Zwitschern, Pfeifen, Flöten, -als wenn alle Vögel des Bergwaldes zum Wettbewerb angetreten -seien. Und war doch weiter nichts als Verzweiflung, Sehnsucht und -Leid. Eine menschliche Unterhaltung konnte in dem wirren Durcheinander -nur auf geräuschvolle Weise geschehen. Wer draußen vorüberging -und das Prahlen und Belfern in der Vogelbude hörte, mochte -meinen, es entlüde sich dort ein häusliches Gewitter. Das war durchaus -nicht immer der Fall. Es ist nicht leicht, sich harmlos zu unterhalten, -wenn fünfzig Vogelkehlen dareinreden.</p> - -<p>Alle die Stimmen, die dort aus Drahtkäfigen und Holzbauern sich -ein Wörtlein mitzusprechen erlaubten, konnten sich hören lassen. Es -waren nicht die Schlechtesten, die Leimhus in Kost und Unterkunft -behielt. Jeder Waldsänger, der unter seine Botmäßigkeit geriet, wurde -auf Herz und Nieren geprüft. Leimhus führte über seine Gäste ungeschrieben -Buch. Eine Art Wertliste, in der jeder nach Kunst und -Gaben seinen Platz angewiesen bekam. Wer auf dieser Wertliste zu<span class="pagenum" id="Seite_86">[86]</span> -unterst stand, stand auf der Verkaufsliste sicherlich zu oberst. Dies -Verfahren wich zwar erheblich von ehrsamen Geschäftsgrundsätzen -ab. Aber Vogelsteller haben ihre eigene Moral, und Leimhus hatte -die allereigenste. Er machte es umgekehrt wie die Schuster, die die -schlechtesten Stiefel für sich behalten.</p> - -<p>Zu seiner Ehrenrettung soll jedoch gesagt sein, daß es leichter ist, mit -Bedacht ein paar gute Stiefel herzurichten, als es dem Zufall überlassen -zu müssen, ob einem gute oder schlechte Vögel auf die Leimrute -flattern.</p> - -<p>Mit dem Wörtlein gut oder schlecht waren Leimhusens Urteile indes -nicht abgeschlossen. Seine Ohren hörten unendlich fein und waren -strenge Kritiker. Der Außenstehende hatte Mühe, in die Mysterien -des Vogelsangs einzudringen und all die kniffligen Unterschiede zu -begreifen, die der Vogelsteller beachtete. Wenn dem Laien aus -Baumesgrün herab ein Fink zujubelt, freut er sich darüber und sagt: -Hört doch den Finken an! – weil er gemeinhin nur eine Art von Finken -kennt. Leimhus dagegen hätte sogleich die Ohren gespitzt. Und sogleich -wäre auch das Finklein säuberlich in die ihm gebührende Rangordnung -eingefügt worden. Denn bei Leimhus hatte die Gattung -Buchfink im Gegensatz zu allen Naturforschern der Welt mindestens -sechs Unterarten. Er schied sie reinlich danach auseinander, ob ihnen -der Herrgott einen Schlag mehr oder weniger, grober, feiner, heller, -dunkler, dünner oder voller in das Kehlköpflein gelegt hatte.</p> - -<p>Da war zunächst der König unter den Finken, der Reiterjakzieher -oder Reiterfexier. Er führte auch den stolzen Namen Rollreiter. Sein -Schlag war Schmettern und Rollen: zizizirrrrrreiterjakjakjakzirkel!<span class="pagenum" id="Seite_87">[87]</span> -Er konnte die Finkennarren im Harzheimatland um die Ruhe bringen. -Um seinetwillen vergaßen sie Essen, Trinken und Schlafen.</p> - -<p>Dem Rollreiter folgte in der Rangordnung der kleine Weide. Er -trug sein Verslein zierlich und manierlich vor: widdewiddewiddedadadaweitakel!</p> - -<p>Dann kam der grobe Weide: üüüschorschorweitakel!</p> - -<p>Und der Buschgefärr: zizizibuschgefärr!</p> - -<p>Diese vier waren in den Augen des Vogelstellers der Beachtung wert. -Was dann aber aus der Gattung Fink etwa noch sang: ziziziquatschmarakel! -oder: latschlatschlatschzwetschenkern! oder: üsüsüsjebzwiakel! -oder: ziziziweinzieher! – das alles war minderwertig und kam unter -die anrüchige Rubrik: Latscher.</p> - -<p>Auch die Kreuzschnäbel waren nicht alle in die gleiche Gesangsschule -gegangen: Ripp-ripp-ripp! machte der Ripper, ein helles Kliff-kliff-kliff! -der Kliffer. Der beste Lockvogel unter ihnen war der Klitscher: -Klitsch-klitsch-klitsch!</p> - -<p>In solcher Art war alles, was an Finken und Grünitzern, Zeisigen, -Rotkehlchen, Hänflingen, Stieglitzen, Gimpeln, Zwunschen, Quäkern, -Zetschern und Lessigen in Leimhusens Vogelbude hing, nach Klasse -und Rasse und Rassigkeit wohlgeordnet und unterschieden.</p> - -<p>Ihrer Wertordnung entsprechend war auch das Verhältnis, das Leimhus -zu jedem einzelnen seiner Pflegebefohlenen einnahm. Wenn er -die Futtertüten aus der Ecke holte und mit zerbeultem Zinnlöffel dem -einen Mohn, dem anderen Rübsamen ins Näpfchen schüttete, hatte -er für alle ein Wörtlein bei der Hand. Diese einseitig geführte Zwiesprache -war nicht immer freundlich. Manchmal lag eine Art rauher<span class="pagenum" id="Seite_88">[88]</span> -Herzlichkeit darin, sprang auch wohl ein Fünklein Seele hinein. Sie -wurde um so wärmer, je mehr der kleine Sänger das Wohlwollen -seines Brotherrn besaß.</p> - -<p>Kumm, Hansel! Host schien gesunga. – Un du, Kläner, host gestern fein -gelockt, – heite kriegste än Happen meh’! – Na, du nacketer Zessig? -Singe witte net, oder frassen immerzu. – Wos saht denn nu äner zu -dissen Haneflig! Hot wieder dos ganse teire Futter verorzt. Wart, -Jerrich, dich will ich Moses larna! Heite gitts nischt!</p> - -<p>So ließ er Sonne scheinen über die Gerechten und Donner poltern -über die Ungerechten.</p> - -<p>Nach dem Füttern ward die bunte Schar nach draußen gehängt. Dann -bekam jedes Fenster eine Umrahmung voll Farbe und Musik und -hüpfenden Lebens. Sie verrieten die »Firma«. Leimhus brauchte -ein Aushängeschild wirklich nicht. Ein werbenderes hätte sich auch -schlecht denken lassen. Man sah nicht nur, daß es im Jagderhaus -zweifellos Vögel zu kaufen gab. Gelegentlich konnte der Vorübergehende, -wenn auch nicht sehr augenfällig, bemerken, daß der Vogelsteller -auf Ergänzung seines Bestandes bedacht war. Hier und dort -staken wie harmlose Zierate Leimruten an den Käfigen.</p> - -<p>Das war freilich nur geringfügiger Nebenbetrieb. Leimhusens hohe -Zeit kam, wenn im Herbst die Vögel zu ziehen begannen.</p> - -<p>Das Herannahen des Vogelzuges war sozusagen zu riechen, – das -heißt, wenn einer in der Nähe des Jagderhauses wohnte. Zu pünktlicher -Zeit traf Leimhus seine Vorbereitungen. Auf seinem Herd -bruzzelte ein Eisentopf voll Leinöl. Das stinkende Räuchlein, das -sich darüber bildete und zu Schornstein und Hintertür hinausstrebte,<span class="pagenum" id="Seite_89">[89]</span> -war schlechterdings von keiner Nase unbemerkt zu lassen. Dann -schnupperten die Nachbarsleute, und über ihr Gesicht ging ein verständnisinniges -Lächeln. Leimhus indes stand vor dem Herd und -rührte und probierte und kochte so lange, bis das dünne Öl zum zähen -Vogelleim zusammengeschmurgelt war. Er entnahm ihm mit einem -Span eine Probe, prüfte sie sachgemäß zwischen zwei Fingern und -verwahrte den klebrigen Klumpen im Leimbüchsel.</p> - -<p>Mit dem Leimkochen aber waren die Vorbereitungen zum Vogelfangen -nicht erschöpft. Der Leimrutenvorrat mußte ergänzt werden. -Dünne Salweidenruten wurden geholt, geschält und angespitzt, damit -sie sich in die Dietle stecken ließen. Die Dietle waren Endchen von -Himbeerzweigen, die wegen ihres weichen Marks als Hülse dienten -und das Verbindungsstück zwischen Leimrute und Dorre herstellten. -Dorre, so hieß der Stellbusch und war weiter nichts als ein dürres -Buchen- oder Weidenbüschlein. Aber die Dorre war sperrig und verräterisch. -Viel einfacher und unauffälliger war die Klatte. Eine -Klatte sah ganz harmlos aus:</p> - -<div class="figcenter" id="illu-089a"> - <img src="images/illu-089a.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>Aber wenn sie aufgestellt -und verbrämt war, -ward sie zum Teufelswerkzeug:</p> - -<div class="figcenter" id="illu-089b"> - <img src="images/illu-089b.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>Wenn die Zugzeit begann, war Leimhus wohl vorbereitet. Früh, wenn -im Bergstädtchen noch alles schlief, stand er auf und nahm Witterung.<span class="pagenum" id="Seite_90">[90]</span> -Schwamm Nebel über Wald und Wiesen und wehte der Wind aus -Westen, schmunzelte er. Die Aussichten waren günstig. Er tappte in die -Vogelbude zurück. Auch dort schlief noch alles. Nur der Kernbeißer -war wach und warnte mit mißtrauischem hsp! hsp! Unsanft wurden -die Lockvögel vom Nagel genommen und in Rucksack, Handkoffer oder -sonst ein wenig verräterisches Behältnis getan. Ehe der Morgen -graute, standen Lockvögel und Stellbüsche an ihrem Ort. Leimhus -verzog sich in den Hintergrund.</p> - -<p>Im Aufstellen der Fanggeräte war er kein Pfuscher. Er verfügte -über das nötige Pfündlein Erfahrung und wußte, daß Zeisige, -Kreuzschnäbel und Dompfaffen nicht auf die niedrigstehende Dorre -flogen. Deshalb wurden Klatte oder Dorre an eine Stange gebunden -und hoch aufgerichtet. (Doch nicht zu hoch, die Feldpolizei hatte -gute Augen!)</p> - -<p>Stieglitze und Hänflinge dagegen flogen gern zur Erde. Für sie blieb -das Stellbüschlein, wohl gespickt mit Leimruten, am Boden stehen. -Der Lockvogel stand daneben. Er sang sich das Leid und die Sehnsucht -nach Freiheit aus der Brust. Sein Ruf ward vielen seiner Genossen -zum Verderben. Was an Leimhusens Leimruten hing, war -ihm verfallen. Die Gefangenen wurden herabgenommen und in den -Brotbeutel gesteckt. Damit war ihr Los entschieden: ade Wald, -Sonne, Freiheit! Fortan spann sich ihr Leben ab auf zwei armseligen -Sprunghölzchen. Ein enger Käfig voll Schmutz und Ungeziefer war -ihre Welt. Die Schwingen, fröhlichen Flug gewohnt durch Luft und -Wälderweite, flatterten sich am Käfiggitter blutig. Das Gefangensein -wurde langsame und grausame Hinmarterung.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_91">[91]</span></p> - -<p>Viele freilich zogen das bessere Los und starben, ehe sie noch der -Vogelsteller daheim aus dem Brotbeutel nahm. Ungezählt viele, die -der Herrgott schuf dem Wald zur Lust und <em class="gesperrt">allen</em> Menschen zur Freude. -Sie wurden Opfer der Tücken eines Herzlosen.</p> - -<p>Ob die kleinen Toten ihn nicht wie eine furchtbare Anklage umschwirrt -haben, als auch dem Leimhus sein Stündchen schlug? Ob -das Gewissen lebendig wurde, als das Leben sterben wollte?</p> - -<p>Irgendwo in der Fremde ist er verkommen. Unstät, heimatlos. Im -Bergstädtchen wußte keiner, wo er geblieben war. Saß er im Gefängnis? -Zog er mit der Vogelkiepe durchs Land?</p> - -<p>Derweilen sie sich noch die Köpfe zerbrachen, pilgerte seine Seele -dunkle Pfade, die nicht heimkehren ins Jagderhaus. Er drehte keine -Leimruten mehr auf. Nahm auch keine mehr zwischen seine Zähne -und zog mit dem Schuhriemen den Leim wieder von den Ruten. -Seine Lippen spitzten sich nicht mehr zum Lockpfiff.</p> - -<p>Als er vor die Himmelpforte kam, hat ihn der Herrgott jämmerlich -an beiden Ohren gezaust.</p> - -<div class="figcenter illowp30" id="illu-091"> - <img class="w100" src="images/illu-091.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_92">[92]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Der_Suenderwinkel">Der Sünderwinkel</h2> -</div> - -<p>Der liebe Gott kann nicht gegen sein gütiges Herz. Er müßte ja sonst -nicht der liebe Gott sein. Und so kam Leimhus trotz seines umfangreichen -Sündenregisters schließlich doch in den Himmel.</p> - -<p>Aber der Himmelsvater mochte ihn nicht gerade im Allerheiligsten -behalten. Er ließ ihm abseits ein Plätzlein anweisen, das für den -alten Sünder würdig genug erschien. Leimhus kam in die Ecke, wo -Frevler ähnlichen Schlages der Läuterung unterzogen wurden und -warten mußten, bis sie zu richtigen Engeln wurden. Damit hatte es -bei vielen sehr lange Weile.</p> - -<p>Gewissermaßen als Sündenspiegel war über der Pforte zu jenem -schwarzen Winkel ein Schildlein angebracht. Und darauf stand zu lesen:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Fischefangen und Vogelstelln</div> - <div class="verse indent0">Verdarb schon manchen Junggeselln.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Es waren aber nicht nur Vogelsteller und Forellenstecher dort. Holzdiebe, -Finkenblender, Dohnensteller und Wildschützen machten die -Runde voll. Und es traf sich, daß der Leimhus viele bekannte Gesichter -aus dem Harzheimatland dort wiedersah. Als ob der Herrgott eigens für -die oberharzischen Sünder einen besonderen Raum geschaffen hätte. -Das war auch so. Und damit hatte es folgende Bewandtnis: Der liebe<span class="pagenum" id="Seite_93">[93]</span> -Gott hatte sie zuerst alle recht schief und böse angeguckt, als sie oben -um Einlaß baten. Aber da er einsah, daß er eigentlich selbst Schuld -war an ihren Vergehen, indem er sie unten auf der Erde in ein so verführerisches -Stücklein Natur setzte, in welchem allenthalben die Hirsche -springen und Vögel singen und der Wald wächst und in den Bächen -die Forellen schnappen, – indem der Himmelsvater solcherlei Betrachtungen -anstellte, drückte er ein Auge zu und hieß sie eintreten.</p> - -<p>Er argwöhnte jedoch, sich mit den genannten Menschenkindern sozusagen -Läuse in den Pelz zu setzen. Und da er ihren verderblichen Einfluß -auf die übrigen Himmelsbewohner fürchtete, schuf er jene Ecke -für die Waldsünder aus dem Harzheimatland.</p> - -<p>Daß gemeinhin nur solche Landsleute in diesem Winkel aufgenommen -wurden, hätte einer nicht nur aus dem bedenklichen Eingangsschild -schließen können. Wenn er genau zusah, konnte er unter dem Spruch -noch ein handschriftlich hinzugefügtes Sprüchlein entdecken. Das hieß -folgendermaßen:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Es krine die Danne,</div> - <div class="verse indent0">Es waxe das Aehrz,</div> - <div class="verse indent0">Gott schenke Uns alle</div> - <div class="verse indent0">Ein frehliges Hertz.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Der liebe Gott hatte zuerst wieder über diese Schmiererei schelten -wollen. Doch dann lächelte er. Und er dachte: Ein feines Sprüchlein -haben sie sich ausgesucht. Es liegt Heimatstolz und Heimatliebe darin. -Sie ehren die Gaben, die du ihrer Heimat zudachtest. Und sie bitten -um das Beste, das du Menschen schenken kannst: ein fröhliches Herz. -Welche Lebensweisheit! Nicht Gut und Geld wünschen sie. Sie sind<span class="pagenum" id="Seite_94">[94]</span> -zufrieden mit dem Segen ihrer Berge und finden ihr Glück in der -Fröhlichkeit des Herzens.</p> - -<p>So dachte der liebe Gott und ließ das Sprüchlein bestehen. Und da -er kein Kleinigkeitskrämer ist und nur das Herz ansieht, stieß er sich -auch nicht an der mangelhaften Rechtschreibung. Der den Wahlspruch -einstmals in einer Heimwehstunde hinkritzelte, hatte zu seinen Lebzeiten -nur alle Sonnabende die Pochjungenschule besuchen können und wußte -mit der Spitzhacke besser Bescheid denn mit der Feder. Er wollte kein -Kunstwerk malen: nur seine Liebe ausschütten, wie sie in der Sprache -der Heimat über seine Lippen kam.</p> - -<p>Der Sünderwinkel war vom Herrgott nicht als Verdammungsort gedacht. -Er sollte eine Läuterungsklause sein. Nicht alle, die hier ihren -Platz angewiesen bekamen, blieben darin. Nur die Hartgesottensten -waren seßhaft. Da die Ecke aber nie leer wurde, tuschelte man im -ganzen Himmel, jeder geborene Oberharzer müsse zu seinen Lebzeiten -entweder Wildschütz, Holzfrevler, Fischdieb oder Vogelsteller gewesen -sein. Manche alles das zusammen.</p> - -<p>Leimhus hoffte, im Sünderwinkel auch seinen alten Hausgenossen -Jagder anzutreffen. Aber der Jagder befand sich bereits in einer geweihteren -Ecke, die dem Allerheiligsten schon näher lag. Er hatte dort -mit vielen anderen Invaliden, die einstmals als Zeichen Schlägel und -Eisen oder die Wolfsangel führten, ein geruhsames Feierabendstüblein -inne.</p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-095"> - <img class="w100" src="images/illu-095.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>So mußte sich Leimhus in dem übriggebliebenen Kreis umtun. Er -hielt sich zu denen, die auf der Erde selten das Vaterunser gebetet haben -und denen trotz ihres jetzigen himmlischen Aufenthalts immer noch kein<span class="pagenum" id="Seite_96">[96]</span> -Heiligenschein wachsen wollte. Man sollte es nicht für möglich halten, -welch’ stattliche Zahl alter Knaben dort sitzen geblieben waren. Ein -Schuster hockte dort, der vor Zeiten das traurige Geschäft des Finkenblendens -im Bergstädtchen zu besorgen hatte. Sogar ein paar Schnapphähne -aus dem Dreißigjährigen Kriege räkelten sich da noch herum. -Sie wollten Angehörige des ehrsamen Fähnleins der Harzschützen -gewesen sein, hatten aber in ihrem Heimatland genotzüchtigt und gebrandschatzt -wie die Tillyschen selbst. Das hat ihnen der Herrgott -arg ins Kerbholz geschnitten. Denn wer seine Heimat nicht lieb hat -oder ihr gar Schaden zufügt, verdient keine Gnade.</p> - -<p>Dieser anrüchigen Runde also ward Leimhus zugewiesen.</p> - -<p>Glickauf, sagte er und trat ein.</p> - -<p>Als er das anzügliche Schild über dem Sünderwinkelspförtlein gelesen -hatte, vermutete er, an den richtigen Ort geraten zu sein. Dennoch -fragte er verlegen: Kumm ich hier racht? Dr liewe Gott hot mich -hierhar beordert. Ich hääß Leimhus. Net von Rachts wahng. Aber -mich hahnse unten su getääft.</p> - -<p>Herrejeses! Do is ju dr Leimhus! – riefs ihm aus der Runde entgegen. -Kumm mant rein. Dis is die Bucht for die Ewerharzer. Du -host grod noch drinne gefahlt! Ober dos Vugelbauer loß mant draußen. -Zessing un Haneflige warn in Himmel net geschtellt!</p> - -<p>Un ahch käne Gimpels rut ahngeschtrichen! stichelte einer. Jetzt erst -bemerkte Leimhus, daß er richtig noch einen Käfig in der Hand hielt. -Er stellte ihn an der Pforte nieder und ward, ehe er die vielen Bekannten -mit Handschlag begrüßen konnte, am Eingang von einem eisgrauen -Männlein zurückgehalten. Das war ein Stadtschreiber gewesen.<span class="pagenum" id="Seite_97">[97]</span> -Der veruntreute vor langer Zeit im Bergstädtchen Witwengelder. -Dieser schändlichen Sünde wegen hatte er schon mehrere Menschenalter -lang ruhelos auf Erden umgehen müssen. Die Bergstadtleute -erzählten sich gruselige Geschichten von ihm. Nun aber bekleidete er -seit ein paar hundert Jahren den Posten eines Pförtners im Sünderwinkel. -Er zählte auch zu denen, denen es nicht gelang, eine Stufe -im Himmel höherzurücken. Zu seinen Obliegenheiten gehörte es, das -Wer und Woher aller derer zu buchen, die in den Sünderwinkel verdammt -wurden. Leimhus gab auf alle Fragen rechtschaffen Antwort. -Als der Stadtschreiber aber fragte: Vorstrafen? da hatte Leimhus -leider nicht so viel Finger an den Händen, um die richtige Zahl nennen -zu können. Das Stadtschreiberlein mit dem weiten Gewissen merkte -die Verlegenheit des Sünders, steckte den Federkiel hinter die Ohren -und ließ den Neuankömmling eintreten, ohne alle Spalten in seinem -Lebensbuch vorschriftsmäßig auszufüllen.</p> - -<p>So zog Leimhus beglückt ein in das Gefilde der Halbseligen, froh, -endlich zur Ruhe gekommen zu sein. Es war peinlich gewesen, mit -schwarzer Seele zwischen allen Heiligen und Seligen hindurch den -Weg in diese Ecke suchen zu müssen. Und ausgerechnet mußte er auch -den Vogelkäfig in der Hand behalten haben! Nun verstand er erst, -weshalb die Engelsbuben so hinter ihm hergekichert hatten.</p> - -<p>Er argwöhnte nichts hinter diesem Lachen, weil er ganz in Gedanken -und Träumen versunken war. Während er auf verschlungenen Himmelspfaden -dahinschlenderte, hatte er nämlich Betrachtungen darüber angestellt, -von welcher Art von Vögeln die Engel alle ihre Flügel hergeliehen -hätten. Mit wehmütiger Freude erkannte er Finken- und Stieglitzenflügel,<span class="pagenum" id="Seite_98">[98]</span> -solche von Drosseln, Krammetsvögeln, Kreuzschnäbeln, Zeisigen -und Bachstelzen. Er sah Hägerflügel, Ringeltaubenflügel, Bussardflügel -und Flügel vom Taubenkrümmer. Die Engelsbuben trugen -meist Zaunkönigsflügel oder grüne und blaue vom Blaumüllerle. Just -als Leimhus ein paar wunderschöne Seidenschwanzfittiche bewundern -wollte, war er am Ziel seiner Pilgerfahrt.</p> - -<p>Er wurde in der neuen Umgebung schnell warm. Die Geistesverwandten -sonderten sich ab und hockten zusammen. Es waren alle diejenigen, -denen es in den Augen flackert und die man im Harzheimatland -»Fatzen« oder »schlachter Dingerich« zu benennen pflegte. Es -begann eine kurzweilige Unterhaltung unter ihnen. Sie tauschten ihre -Erinnerungen aus. Jeder hatte davon ein mehr oder minder volles -und mehr oder minder schwarzes Sündenköfferlein bei der Hand. Man -kann nicht sagen, daß es himmlische Reden gewesen wären, die da -geführt wurden. Um jedoch nicht ungebührlich zu erscheinen, geschah -jede Unterhaltung im Flüsterton. Und wenn sie lachten oder feixten, -steckten sie aus dem gleichen Grunde die Köpfe unter den Tisch. Das -taten sie nun recht häufig, wie es von verstockten Sündern nicht anders -zu erwarten ist. Sie hatten ihre erdenhafte Art noch nicht abgestreift. -Der alte Adam in ihnen kehrte sich immer wieder heraus. Dann -flogen ihre Gedanken ins Harzheimatland hinab. Ach, wenn sie hätten -hinterherspringen können! Die himmlischen Ambrosiawölklein wandelten -sich ihnen zu Harz- und Fichtennadeldüften. Sie zogen sie in -durstigen Zügen ein. Das Bergmenschenblut wurde warm. Ihre Augen -blitzten, und jeder erzählte von seinen erlaubten oder unerlaubten -irdischen Abenteuern, prahlte mit Streichen und Schabernäcken, Boshaftigkeiten,<span class="pagenum" id="Seite_99">[99]</span> -Schlechtigkeiten, Tücken und just mit allem, was auf der -Erde nicht hätte laut werden dürfen, geschweige denn im Himmel. -Sie logen, daß sich im Harzheimatwald die Fichten bogen. Einem -Trumpf folgte immer ein noch besserer. Der Herrgott hatte schon die -Richtigen in den Sünderwinkel geschickt!</p> - -<p>Schließlich war die Reihe an Leimhus, aus dem Kistlein seiner Erinnerungen -auszupacken. Vom Vogelstellen im allgemeinen zu hören, -war seinen Himmelskumpanen zu langweilig. Sie hatten diese Kunst -mehr oder weniger alle geübt. Sie wollten es auch nicht glauben, -daß Leimhus an einem Morgen zweihundert Zetscher gefangen und -acht Tage weiter nichts als Zetscher gegessen habe. Er schlug seine -Zuhörer erst wieder in Bann, als er vom Finkenfang erzählte.</p> - -<p>Härt zu, begann er.</p> - -<p>Nun hatten aber viele der Sünderwinkelsleute schandbarerweise ihre -oberharzische Sprache verlernt. Zudem wird im Himmel gemeinhin -nur Hochdeutsch gesprochen, weil das nicht so grob klingt. Und so fuhr -Leimhus fort: Hört zu! (Das ö fiel ihm sehr schwer!)</p> - -<p>Was Ihr alles vorgebracht habt, ist schön. Ich glaube Euch aber nur -die Hälfte. Ihr meint, Finkenfangen wäre eine leichte Sache. Ihr -irrt Euch. Jedenfalls ist es leichter, einer Wittfrau sechs Meter Holz -zu stehlen oder den Schießer in der Grube um ein Paket Dynamitpatronen -zu betrügen. Und mit Dynamit zu fischen, ist eine Gemeinheit -und keine Kunst. Schwerer ist es schon, dem Oberförster die -Forellen vor der Haustür wegzufangen. Ist aber auch kein Kunststück. -Und ein Stück Wilpert schießen und hinterher drei Meineide schwören, -auch nicht. Wenn aber einer im Wald einen guten Finken ausgemacht<span class="pagenum" id="Seite_100">[100]</span> -hat und ganz genau diesen bestimmten Finken und keinen beliebigen -andern auf die Leimrute bringt, – ich sage Euch, wer das fertigbringt, -der kann was.</p> - -<p>Und nun begann Leimhus vom »Finkenstandern« und von den Finessen -des Finkenfangs zu erzählen. Er mußte dabei notwendigerweise von -einigen teuflischen Tierquälereien berichten. Aber er kam mit seiner -Erzählung nicht zu Ende. Man war im Sünderwinkel belauscht -worden. Dem Leimhus blieb das Wort im Munde stecken: der himmlische -Ordnungshüter trat herein. Der Finkensteller verbarg das Gesicht. -Ausgerechnet er mußte wieder als Sündenbock entlarvt werden. Als -wenn ihn das Mißgeschick auch im Himmel verfolgte! Er war froh, -nicht die allerschlechtesten Schlechtigkeiten ausgekramt zu haben. Eine -Strafverfügung kam allerdings doch:</p> - -<p>Der weiland Vogelsteller Leimhus wird verurteilt, zur Sühnung sündiger -Taten und behufs endlicher Besserung bis auf Widerruf wie ein -Lockfink an einen Pfahl gebunden zu werden.</p> - -<p>Seitdem ists im Sünderwinkel sehr still und sittsam geworden. Und -mit dem Finkenfang im Harzheimatland ists auch nichts mehr. Die -Vogelsteller fürchten, im Himmel Leimhusens Verdammnis teilen -zu müssen. – Die Finken aber singen seither viel lustiger.</p> - -<div class="figcenter illowp30" id="illu-100"> - <img class="w100" src="images/illu-100.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_101">[101]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-101"> - <img class="w100" src="images/illu-101.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Die_Bergbachkoenigin">Die Bergbachkönigin</h2> -</div> - -<p>Es muß einer schon Märchenaugen haben, wenn er ihr heimliches -Krönlein sehen will. Aber soviel sieht jeder doch, daß sie ein königliches -Kleid anhat: welcher Fisch im Bergbach auf und ab hat so schöne -rote und orangegelbe Punkte auf dem Schuppenleib! Und so himmelblaue -Ringe! – Das Rotfederle schmückt sich zum Hochzeitszug wohl -mit roten Brustflossen und das Elritzel hat einen silbernen Bauch. Der -Rotzkopf mit dem dicken Kopf und dem breiten Maul hat außer den -goldenen Augen eigentlich nichts an Schönem, womit er prunken könnte, -und der stille Schlammbeißer im Mühlengraben auch nicht viel: an -die Schönheit der Bergbachkönigin reicht keines heran.</p> - -<p>Als noch der Dottersack an ihr baumelte, war sie ein unbeholfenes -Forellenkind, das mucksstill in der Uferhöhle eines Murmelwässerleins -lag. Es war dunkel in dieser Kinderstube. Das bißchen Tageslicht, -das sich dort hinein verlor, mußte sich durch Fichtendämmerung und<span class="pagenum" id="Seite_102">[102]</span> -einen Vorhang von herabhängenden welken Wurmfarnwedeln und -Rispensträhnen hindurchstehlen. Das Wurzelgewirr einer Fichte griff -tief in die Höhle hinab und krallte mit hundert Fingern Kiesel und -Geröll fest. Das gab schützenden Halt, wenn die Schneewasser kamen -und das Dotterkindchen mitnehmen wollten. Seine Mutter hatte die -Kinderstube mit Klugheit und Fürsorge ausgesucht.</p> - -<p>Als das Nesthäkchen einen langen dunklen Winter lang so in der -Höhle gelegen hatte und Wurmfarn und Rispen wieder grün wurden, -fiel sein unbehilflicher Dottersack ab. Mit diesem Ereignis begann -ihr Leben. Sie war ein flinkes Forellenprinzeßlein geworden, das -flugs auszog, sich die Welt zu besehen. Es war lustig, sich zwischen -Steinen und Geröll zu tummeln. Oder im ruhigen Wasser zu stehen, -sich von Sonnengeflimmer überfluten zu lassen und nach winzigen -Mücken zu schnappen! Und das hatte sie schnell gelernt.</p> - -<p>Aber sie brachte nicht nur den richtigen Forellenhunger aus der Kinderstube -mit. Sie kam bald hinter alle die kleinen Schliche und Kniffe, -die eine Forelle kennen muß. Sie merkte, daß unruhige Wasser schlechte -Sicht nach oben gewähren und den Flossen viel Arbeit machen. Sie -war schon eingeweiht darin, daß ein sich bewegendes Etwas am Bach -selten etwas Gutes bedeutete und man gut tat, sich zu verstecken. Sie -wußte, daß Steine wohl Schutz boten, die Uferhöhle aber besseren -gewährte. Sie konnte sich im Falle der Not auch schon richtig drücken, -an einen Stein klemmen oder in eine Felsspalte und mit gekrümmtem -Schwanz unbeweglich verharren, als ob sie ein zufälliges Stück vom -Bachboden oder ein Bröcklein Tannenast war. Aber auch das wußte -sie bald, daß der allerletzte Ausweg aus aller Bedrängnis immer der<span class="pagenum" id="Seite_103">[103]</span> -lebendige Strudel war, in den kein Harzjunge, kein Eisvogel und keine -Wasseramsel hinabschauen konnte.</p> - -<p>Sie hat sie alle kennengelernt und ihretwegen Reißaus genommen -hundertmal bachauf und bachab.</p> - -<p>Ein paar Sommer lang ist das Prinzeßlein dem Quellwässerchen treu -geblieben. Dann wurde es größer. Der Hunger wuchs auch, und es -zog hinab zum rauschenden Wildbach. In einem schwarzen Wasserloch -fand es ein herrliches Jagdrevier. Das Wurzeldach einer Wetterfichte -schattete darüber. Und so tief war die Höhle darunter, daß auch -der längste Arm eines Wildfischers nicht hineinreichen konnte.</p> - -<p>In dem Loch kam das Bergwasser zur Ruhe, hielt einen Augenblick -inne, um Atem zu schöpfen vor der rastlosen Weiterfahrt. Dort wuchs -das Prinzeßlein zur Königin heran. Sie verbarg sich unter dem Wurzeldach, -lauernd, ob nicht das Wasser eine zappelnde Fliege hertrüge, eine -Spinne, einen ringelnden Wurm, ein verunglücktes Waldkäferlein -oder gar einen vorwitzigen Frosch. Ratsch – ratsch gings dann, das -Wasser schlug einen schnellen, gurgelnden Wirbel, und die Buntgefleckte -stand wieder am alten Platze, als sei nichts geschehen.</p> - -<p>Im November, als im Bergwald der Brunftschrei des Rothirsches verhallt -war, kam ihr die Wanderlust ins Blut, und eine geheimnisvolle -Macht trieb sie talauf in junge Gewässer. Ein Wandergespan gesellte -sich zu ihr, der der gleichen Naturstimme folgte und bachauf zog. Es -war ein glatter Forellenkavalier. Er umschwärmte und umwarb sie. -Da merkte die Bergbachkönigin, daß sie verliebt war. Und sie verlebten -heimliche Liebesnächte unter Steinen und in Uferhöhlen. –</p> - -<p>In einer schwarzen Nacht stand sie allein im ruhigen Wasser, verlassen<span class="pagenum" id="Seite_104">[104]</span> -von ihrem Galan. Über dem Bergwald wälzten sich Schneewolken. -Da irrte ein Lichtschimmer am Bach herauf. Die Bergbachkönigin -hielt neugierig still. Sie sah nicht die finsteren Schleichgestalten hinter -dem Licht, ahnte nicht ihr Verhängnis.</p> - -<p>Ein Stich fuhr ihr schneidend in den Rücken. Ihr Leib krümmte sich, -mit letzter Kraft schlug der Schwanz. Sie wollte fliehen. Aber zu -fest saß die Gabel des Wildfischers …</p> - -<p>Der hob die Zappelnde heraus. Ihr Krönlein fiel klingend ins Wasser. -Die Bergbachkönigin war Fischfleisch in roher Hand.</p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-104"> - <img class="w100" src="images/illu-104.jpg" alt="" /> -</div> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_105">[105]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-105"> - <img class="w100" src="images/illu-105.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Herrgottsplaetzlein">Herrgottsplätzlein</h2> -</div> - -<p>Es gibt stille Gründe im Bergwald, die sich der Herrgott als Lieblingsplätzchen -zum Rasthalten ausgesucht hat. Die Vögel dort singen viel<span class="pagenum" id="Seite_106">[106]</span> -heimlicher. Die Quellen schwätzen leiser als anderswo. Der Wind -überm Wald verhält dort den Atem.</p> - -<p>Ein Menschenkind mit einem Gottsucherherzen fühlt solche Herrgottsplätze. -Wenn aber einer, der kein Gottsucherherz hat, an solchen -Ort kommt, den zupfen Englein leis am Rockzipfel, daß er nicht vorübergehen -möchte. Manch einer hört auf die stillen Mahner und hat -in der Andacht des Waldes den Herrgott gefunden. Mehr aber gehen -vorüber. Für sie ist der Wald Holz. Ihr Herz ist nichts anderes.</p> - -<p>Es gibt viele Herrgottsplätzlein im Harzheimatland. Aber eins weiß -ich, das ist das schönste von allen.</p> - -<p>Kennt ihr den Waldteich im Tale Irgendwo?</p> - -<p>Eigentlich ist’s nur ein Tümpelchen, der Rest von einem Teich, dem -man vor hundert Jahren oder mehr den Damm durchstach. Wenn -der Eisvogel, der an seinen Ufern nach Elritzen und Forellen fischt, -fünfzehn, zwanzig Flügelschläge tut, ist er drüber hinweg. Größer ist -das Waldteichlein nicht. Braucht’s auch nicht zu sein, denn seine -Kleinheit gehört zu seinem heimlichen Zauber. Fichten haben es mit -Grün umsponnen und haben sich so dicht herzugedrängt, daß kaum ein -Streifen Rasen übrigblieb für ein paar Fingerhüte und Erdbeeren. -So wurde aus dem Teich ein weltvergessenes Waldmärchen. Ein -grünlockiges Dornröschen, das mit offenem Träumerauge einen tiefen, -süßen Schlaf schläft in den Armen des Waldes. Es wird kein Märchenprinz -kommen, es aufzuwecken. Es wird erst aufwachen, wenn der Förster -die Fichten ringsum mit seinem Messer anritzt und hinterher Holzhauersägen -und -äxte die Waldstille verjagen. Dann ist’s aus mit der -Märchenherrlichkeit. Wald-Dornröschen verliert sein Krönlein und<span class="pagenum" id="Seite_107">[107]</span> -flieht und kommt nicht eher zurück, bis neuer Wald wachsen will. – -Aber noch steht ja der alte. Wenn über Mittag ein Weilchen die -Sonne über seine Wipfel lugt, küßt sie heimlich den Waldteich. Sie -guckt nur mit einem Auge ins Waldtal hinab, als ob sie die grüne -Dämmerung im Dornröschenstübchen nicht fortschrecken wolle. Das -Waldteichlein merkt das, fühlt auch den heimlichen Kuß und lächelt. -Wenn aber Schatten über dem Tal lagern und nur an den Gipfelquirlen -der Fichten noch Sonnengold flackert, wird das Lächeln des -Teiches zu Sehnsucht. Und nachts, wenn Sterne in ihm ihre Zeit -verträumen, wird sein Auge ein tiefgründiges Rätsel.</p> - -<p>Es ist ein großes Schweigen um den Waldteich herum. Sein Leben -ist still wie Wasserspinnenspiel und wie das Leuchten der Wasserhahnenfußblüten -auf seinem Spiegel.</p> - -<p>Er weiß nichts vom Lärm jenseits der Wälder. Hast und Unrast von da -draußen drangen nie hinab in den Einsiedlerfrieden seiner verlassenen -Schlucht. Er hört nur das Fichtenrauschen über ihm, das leise Sirren im -Schilf, das Wehen in Lattichblättern. Und in stillen Nächten, wenn von -den Bäumen rings klingende Tauperlen in den Teich tropfen und das -Reh heimlich zur Tränke wechselt, hält er verschwiegene Zwiesprache mit -dem Quellchen, das ihm unter Kresse und Baldrian seine Wasser zuführt. -Zeisig und Goldhähnchen singen ihm stille Morgenlieder, und -abends, wenn warmer Waldwind durch den Talgrund weht und die -Drossel schlafen ging, läuten die Unken mit silbernen Glocken.</p> - -<p>Hast du einmal in stiller Waldnacht gelauscht, wenn geheimnisvoll -aus dem Dunkel die feinen, ein wenig stumpf gestimmten Silberglocken -zu läuten beginnen? Es vergeht dir der Atem vor Freude!</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_108">[108]</span></p> - -<p>Klünk – klunk – klunk – klünk – unk – klunk – klünk –.</p> - -<p>Ein Glöcklein beginnt, zaghaft, lockend. Eins antwortet, viele folgen, -und bald läutet es in zauberischem Chor.</p> - -<p>Das ist das Ave des Waldteichleins, wo der Herrgott am liebsten -Rast hält. –</p> - -<p>Warum denke ich oft an dich, du Teich im Waldesgrunde?</p> - -<p>Wenn doch des Menschen Seele ein so friedlich Ding wäre wie du! -Voll Ruhe und voll Träumen, klar, rein, wunschlos. Und wenn jede -in Feierstunden ihr heimliches Silbergeläut hätte!</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_109">[109]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-109"> - <img class="w100" src="images/illu-109.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Alte_Steinbruecken">Alte Steinbrücken</h2> -</div> - -<p>Geht mir doch fort mit <em class="antiqua">T</em>-Trägern und Betonkleisterei!</p> - -<p>Baut eure Betonbrücken über Kanäle, wo sie als Kunsterzeugnis zum -Kunsterzeugnis taugen. Sooft ihr aber eine Betonbrücke über einen<span class="pagenum" id="Seite_110">[110]</span> -Harzbach legt, möge euch das schlechte Gewissen zwacken, ihr Gotteslästerer -und Naturverschandeler! Könnt ihr euch zu einem Bergwasser -voll Leben einen betrüblicheren Gegensatz denken als solchen langweiligen -Betonbatzen?</p> - -<p>Seht euch die Steinbrücken der Alten an.</p> - -<p>Es schmiegt sich alles in die Umgebung hinein. Die Brücke wächst -aus dem Bach heraus. Das Steingebröckel des Flußbettes ist zu -einem Bogen gebändigt. Ist kein Stein darin frisiert und mathematisch -zurechtgestutzt. Die Vielfältigkeit des Baches lebt lustig in -der Brücke weiter. Sie ist ein Teil von ihm geworden. Es ist nichts -Fremdes, Störendes, Langweiliges in die Landschaft gekommen. -Alles ist so einfach und kunstlos, und doch sind diese Steinbrücken -Kunstwerke und Meisterstücke der Alten …</p> - -<p>Heute bauen sie Betonbrücken. Beton ist billiger, geht schneller und erfüllt -denselben Zweck. Zivilisation hat viel Kultur erdrosselt. Was -wissen Pfennigfuchser und Bürokraten von dem goldenen Gesetz des -Handwerks, das neben dem Zweckmäßigen das Bodenständige, Echte -und Schöne fordert!</p> - -<p>Das Schöne …</p> - -<p>Du lieber Gott, schicke doch endlich deinen Geist hernieder. Gib den -Berufenen Einsicht und ein wenig Sinn für die Schönheit des Harzheimatlandes. -Laß sie die Bergbäche, – deine lustigen Kinder! – nicht -mit Betonklötzen verschandeln. Tue ein Wunder, und laß alle Zementsäcke, -die sie an ein Harzbächlein schleppen, steinhart und unbrauchbar -werden. Schlag alle Betonbrücken zusammen!</p> - -<p>Die steinernen aber behüte noch tausend Jahr.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_111">[111]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-111"> - <img class="w100" src="images/illu-111.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Die_braune_Einsamkeit">Die braune Einsamkeit</h2> -</div> - -<p>Sieben Monde beißt sich der Hochharzwinter da oben fest. In dreien -führen Regen, Nebel und Wind die Herrschaft. Was überbleibt vom -Lauf des Jahres, ist nicht immer Sonnenschein und Wärme.</p> - -<p>So ist das Gesicht des Moores ernst geworden. In Not und Bedrängnis -hat es das Freuen verlernt. Wenn es lächeln will, wird nicht mehr -daraus wie ein müdes, verschüchtertes Augenblinzeln. Die lichte Unendlichkeit -des Himmels über ihm ist Schwermut. Seine Bläue<span class="pagenum" id="Seite_112">[112]</span> -stirbt in schwarzen Wasserlöchern. Zwischen Fichten und Sümpfen -hockt die Einsamkeit. Hier oben ist ihr Antlitz ein anderes als in -den Quellengründen des Bergwaldes. Stille wird zur Melancholie, -Schweigen zum Schauern.</p> - -<p>Dieses Grauen der Öde scheucht die Menschen zurück. Das Moor -hat wenig Freunde. Der Weidmann pirscht dem Rotwild nach. Auf -heimlichen Wechseln schleicht der Wilderer durch Bruch und Dickicht. -Wenn die Heidelbeeren blau werden, ist die Gimpelbrut flügge. Dann -kommt mit den Beerengängern der Vogelsteller herauf. Manchmal -verliert sich ein Waldläufer nach hier, dem es auf geraden Wanderpfaden -zu langweilig ist. Aussichtspunktmenschen und Modewanderer -holen sich nasse Füße und bleiben fort. Gott sei Dank. Ihnen geht -der Zauber dieser Urwelt nicht auf. Die melancholische Großartigkeit -der Öde ist nichts für Salonseelchen.</p> - -<p>Es ist kein ausgelassener Farbenjauchzer im Moor. Jeder Ton der -braunen Einsamkeit wirkt herb wie der Geruch, der rings aus Torfmoospolstern -dampft. Selbst wenn die Heide blüht, ist’s nur wie verzagtes -Leuchtenwollen, Fröhlichseinwollen, das sich nicht durchringt -zu befreiender Herzhaftigkeit. Die Seidenköpfe des Wollgrases nicken -im Winde: spar die Müh, spar die Müh! Und auch wenn der Herbst -Birkengold und Quitschenkarmin über das Moor flackern läßt und -im Heidelbeerkraut ein Gesprühe von Gelb und Rot und Lichtgrün -entzündet, zur erlösenden Freude wirds nicht: Das Moor kann nicht -lächeln.</p> - -<p>Still wie die Farben ist das Leben im Moor. Es ist, als ob auf -allen Vogelstimmen die Schwermut der Öde lastet. Da ist kein<span class="pagenum" id="Seite_113">[113]</span> -Jubeln und lustiges Geschwatze. Sie würden die Harmonie der Einsamkeit -stören. Der Herrgott läßt nichts aus dem Rahmen fallen. -Zur Blütenpracht des Apfelbaums paßt Stieglitzengeflister. Hier -oben ist kein Platz für Flitter und Firlefanz. Der Zippe Lied ist auf -Moll gestimmt. Melancholisch flötet der Dompfaff. Und wenn der -Baumpieper singt, ist’s immer die gleiche verhaltene Weise. Unvermittelt -bricht sie ab. Der Sänger wagt es nicht, sein Herz auszujubeln. -Etwas Unerlöstes ist über allem im Moor, Leidvolles, Entsagendes. -Aber alles gehört ins Bild hinein.</p> - -<div class="figright illowp30" id="illu-113"> - <img class="w100" src="images/illu-113.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>Das Krüglein Freude, das ihm beschieden ward, ist nur bescheiden. -Und was der Herrgott ihm an Schönheit mitgab, ist still und unaufdringlich. -Es muß sie einer suchen. Wenn aber ein rechter Waldläufer -kommt, der Auge und Ohr auftut und sein Herz mit hinausnimmt -und ein Feinschmecker ist im Naturgenießen, der wird in der -Armseligkeit des Moores viel von diesem heimlichen Reichtum finden. -Ihm wird das Rosenglockengeläut der Moosbeere zum Erlebnis. -Zwergbirke und Brockenmyrte sind -ihm Entdeckungen, zu denen er sich -entzückt niederbeugt. Im Moorwasser -wandelt sich Himmelsblau -zu einem Braunviolett voll feiner -Farbigkeit. Alles ist von eigener Art -und eigenem Klang. Das große -Schweigen wird der Offenbarungen -voll. Des Herrgotts verschwiegenste -Wunder sind die köstlichsten.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_114">[114]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-114"> - <img class="w100" src="images/illu-114.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Bruchbergwinter">Bruchbergwinter</h2> -</div> - -<p>Du bist ewig schön, mein Bruchberg!</p> - -<p>Stürme umtoben dich. Zyklone wollen deine Forsten zerknittern. Du -trotzt ihnen mit der Ruhe des Titanen. Und mit immer gleicher Gelassenheit -schaust du hernieder ins Harzheimatland.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_115">[115]</span></p> - -<p>Schön bist du, wenn der Lenzwind durch deine Wildnis harft, im fahlen -Morgengrauen der Auerhahn seinen Liebesruf über das Hochmoor -schickt und zwischen Wipfelrauschen und Schneewassergeriesel irgendwo -die Zippe ihr Frühlingslied flötet.</p> - -<p>Schön bist du, wenn über deinem Wäldermeer flimmernde Sommerluft -zittert und blau, endlos blau die Fernen zu deinen Füßen liegen. -Würzdüfte atmen durch das Gehölz. Deine Fichtenhallen sind voll -Finkenschlag. Und draußen am Moor, wo rosenfarbene Knabenkräuter -im Torfmoos blühen, singt sich der Baumpieper sein Sommerglück -vom Herzen. In heimlichen Gründen hütet das Alttier sein Kalb. -Fingerhut läßt Purpurglocken über die Waldblößen leuchten, und -zwischen Wald und Weite schwebt gelassenen Fluges der Habicht. Wie -liebe ich deine Sommertage voll Blau und Grün!</p> - -<p>Und schön bist du, wenn Herbstnebel dich mit Dampf umhüllen und -deine Fichten und Felsen sich wie Riesen in graue Wolken recken; wenn -Borstengras und Quitsche sich herbstlich färben und in reiffrostigen -Oktobernächten Hirschschrei durch Hai und Hochwald hallt.</p> - -<p>Aber am schönsten bist du doch, wenn dich Schnee und Rauhreif -eingesponnen haben. Dann bist du ein Gottestempel geworden. Ein -Märchenland voll Schönheit ohnegleichen hat in dir sich aufgetan. -Schneefahrt durch deine Hänge ist Andacht.</p> - -<p>Wie groß und herrlich ist die Stille, die in der Wintereinsamkeit deiner -verschneiten Höhe träumt! Alles Laute ist dir fremd. Du bist schweigsam, -wie alles Ewige stille ist. Dein Antlitz ist voll Ernst und voll -herber Melancholie. Das Dunkel deiner Wälder kann sich lastend auf -die Seele legen. Aber der Winter breitet über das Düster eine lichte<span class="pagenum" id="Seite_116">[116]</span> -Verklärung. Das bang Bedrückende weicht. Deine Ruhe wird Wohltat, -Gottesfriede.</p> - -<p>Wie köstlich fern liegt das Leben!</p> - -<p>Tief unten verdämmert die Welt in silbernem Duft. Was in der Tiefe -den Alltag bewegt, nichts von allem dringt hinauf in den Frieden -dieser weißen Einsamkeit, in der der Herrgott wohnt.</p> - -<p>Des Bergwalds Leben ist zur Ruhe gegangen. Das Hochwild wechselte -zu Tal. Wenn nicht eine Marderfährte durch den Schnee tupfte und -da und dort das Geläuf der Auerhenne, es könnte scheinen, als sei -alles Geschöpf hier oben gestorben.</p> - -<p>Die Fichten schlafen. Das Goldhähnchen im Geäst wagt nur ein -leises, leises Silbersingen, daß es ihre Ruhe nicht störe. Ihr Schlaf -ist tief und fest. Sie beugen sich unter schwerer Bürde und stehen da -wie betende Büßer, die schicksalsergeben auf Erlösung harren. Wie -nickende Träumer, die von Lenz und Drosselflöten träumen.</p> - -<p>Es ist eine große Stille im Wald.</p> - -<p>Manchmal rüttelt ein Windstoß an den Wipfeln. Dann rauscht es -über die Bäume hin wie klagendes Sehnen: Wann kommst Du -wieder, schöner Frühling? … Es verklingt mit einem leidvollen -Mollakkord, leise, schmerzlich, und wieder schläft der Wald.</p> - -<p>Sein Schlafgewand ist weiß und rein. Jedes Fichtennädelchen, jedes -Rindengeschuppe und Flechtengekräusel ist mit Glitzersternchen umsponnen. -Es geht ein heimliches Flimmern durch den Wald, das seinen -Ernst lichter macht. Aber nirgends ist eine aufdringliche Helle. Wie -in einem Dom ist’s. Er baut sich auf aus Silber und Marmor. Durch -grünviolette Scheiben fließt zartfarbenes Dämmerlicht in seine<span class="pagenum" id="Seite_117">[117]</span> -Säulenhallen. Wenn die Sonne hineinschaut, sprüht in Smaragden -und Rubinen ein Festgeleucht. Dann ist Feiertag im Dom. Alle Kerzen -sind angezündet. Der Wald betet.</p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-117"> - <img class="w100" src="images/illu-117.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>Bleibe stehen, o Wanderer, und bete mit. Verhalte den Atem, daß -du die Andacht nicht störst. Laß deine Schneeschuhe langsam gleiten, -daß ihr Knirschen nicht die Stille zerreißt.</p> - -<p>Fühlst du das Pochen des Blutes in der Brust?</p> - -<p>Bleibe stehen. Und so du ein Gottsucher bist, wird dir der Wald von -silbernen Altären herab eine Bergpredigt halten, die du nicht vergißt.<span class="pagenum" id="Seite_118">[118]</span> -Harre aus bis zum feierlichen Amen. Dann wirst du beglückt von -dannen ziehen. Und wirst die Fäuste ballen, wenn Johler und Schreier -vorüberfahren, die mit ihrem Lärm den Gottesfrieden schänden.</p> - -<p>Aber laß die Horden.</p> - -<p>Wem <em class="gesperrt">dieser</em> Wald nicht die Lippen stumm und die Augen weit macht, -der sei dir zu erbärmlich.</p> - -<p>Laß sie, und fahre aus dem Kirchendämmer des Gehölzes hinaus und -hinauf aufs freie Moor. Über dir wölbt sich Berghimmelunendlichkeit. -Bäume und Bäumchen sind zu Boden gedrückt. Rauhreif -hat sie verhext. Buckelige Kobolde hocken da. Es schnarchen -ungeschlachte Riesen, kauern schlafende Moorhexen, schlummern -vermummelte Prinzen und Prinzessinnen. Feuersprühende Drachen -schnauben, greuliche Saurier recken sich, – Gott sei Dank, daß sie starr -wurden, just als sie zum Sprung ausholten.</p> - -<p>Wenn du Märchenaugen hast und zu glücklicher Stunde hier oben -weilst, wird dir auch die Bruchbergkönigin erscheinen. Sie kommt auf -einem weißen Hirsch aus dem Walde hergeritten. Über ihren Schultern -hängt kostbarer Hermelin. Ein silbernes Krönlein strahlt auf ihrem -Blondgelock. Sie reitet schweigend über das Moor. Die Bäume -neigen sich vor ihr. Sie nickt ihnen einen milden Gruß zu. In ihren -Blauaugen spiegelt sich die weiße Welt.</p> - -<p>Nun ist sie vorbei. Du stehst noch und starrst und hältst den Atem an, -möchtest vor ihrer Schönheit in die Knie sinken, ihr die Hände küssen -oder gar den Mund, und denkst an den Edelknaben und Schön-Rohtraut -oder an Tom, den Reimer … Aber sie ist längst vorbei. Du suchst -ihre Spur vergebens. Doch du merkst, daß sie dich verzaubert hat.<span class="pagenum" id="Seite_119">[119]</span> -Heimliche Sehnsucht bleibt in dir brennen. Ewig wirds dich zurückziehen -in das Reich der schönen Königinne.</p> - -<p>Die Sonne will versinken. Ihr letztes Leuchten streift über die Kämme -der Berge. Es malt strahlende Säume um die Fichten, taucht die -Wanderer ein in tiefes Orange und überzieht den Brocken drüben -mit rotem Gold. Jedes Vorwärtsgleiten der Schneeschuhe ist funkelndes -Gesprühe.</p> - -<p>Nun ist der Sonne Gutenachtkuß verhaucht. In den Fenstern des -Brockenhauses verlischt ein müdes Blinzeln. Dann ist auch für die -Höhen die blaue Stunde gekommen, die Wälder und Täler längst -erfüllte. Himmel und Schnee werden eins. Es ist Zeit, zur Hütte heimzukehren. -Um die Dämmerstunde wachen die Berggespenster auf. Lebe -wohl, du schöner Wald!</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_120">[120]</span></p> - -<div class="figcenter illowp80" id="illu-120"> - <img class="w100" src="images/illu-120.jpg" alt="" /> -</div> -<h2 class="nobreak" id="Die_Skihuette">Die Skihütte</h2> -</div> - -<p>Sie liegt verschlafen im Bergwald.</p> - -<p>Es ist nur eine kleine Gemeinde, die den verlorenen Pirschsteig zu -ihr zu finden weiß. Im Sommer kommen ein paar Holzhauer hinauf. -Sie bleiben nicht lange. Ein paar Tage weht das blaue, fichtennadelduftende -Rauchfähnlein ihres Lagerfeuers um die Hütte. Dann -ziehen sie wieder hinab. Und manchmal kehrt zu kurzer Rast der<span class="pagenum" id="Seite_121">[121]</span> -Förster bei ihr ein. Stille Gäste, die vom Bergwald das Schweigen -lernten wie die Hütte selbst.</p> - -<p>Sie hat keinen großen Namen. Und das ist gut. Ihr Zauber ist ihre -Verborgenheit, ihre Schönheit die Einsamkeit. Der Bergwald umschmiegt -sie mit Dunkel und hütet sie wie ein Berggeheimnis. Sie ist -mit ihm verwachsen. Sie lebt sein verschwiegenes Leben mit ihm -und kennt alle seine heimlichen Regungen.</p> - -<p>Mit leisem Tritt umschleicht der Marder ihr Gemäuer. Im Holze -bellt der Fuchs. Waldmäuslein rascheln im Grase: die Hütte vernimmts. -Sie hört der Zippe schwermütige Melodien, den Lockruf -des Schwarzspechtes, des Auerhahns klatschenden Flügelschlag. Fink -und Meise und Goldhähnchen halten gute Nachbarschaft mit ihr. -Und wenn die Quitschen vor ihrer Tür zu leuchtenden Korallen werden, -kommen Krammetsvogel, Weindrossel und Dompfaff zu festlichem -Schmaus. Dann wird’s Herbst. Der Wind im Wald singt in rauheren -Tönen. Schneegänse ziehen über die Höhe. Im Forste schreit der -Hirsch. Wenn er Winter wittert, führt er sein Rudel talab. Dann -wird’s still um die Hütte. Die Fichten triefen von Regen und Nebel. -Die Flechtenbärte an den Zweigen und Stämmen hängen in trübseligen -Strähnen herab. Und trübselig guckt die Hütte drein. Über -den Wald hin braust das Sturmlied des Windes. Wenn er es zu -arg meint, rackelt es unwirsch an den Fensterläden der Hütte. Sie -gähnt und träumt von warmen Sommernächten und Eulenruf und -Unkenläuten im Wald.</p> - -<p>Wenn die weißen Flocken vom Himmel wirbeln, geht ein heimlicher -Zauberer durch den Bergwald. Der hat seinen Zauberstab auch über<span class="pagenum" id="Seite_122">[122]</span> -das Hüttlein geschwungen. Alle Traurigkeit ist aus seinem Gesicht -geflohen. Wie freundlich es dreinschaut! Flugs hat es das schwarze -Teerdach mit einer Glitzerdecke zugedeckt. Der Schornstein bekommt -eine frischgeweißte Halskrause und das Blechdeckelchen auf dem Rauchrohr -ein blitzsauberes Hütchen. Auf jede Türangel, jeden Balkenvorsprung -wird ein Häuflein Schnee gestreut. Die Hütte versteht es, sich -festlich zu schmücken. Sie will dem Bergwald nicht nachstehen. Sie -hat frohen Besuch zu erwarten. Die Skiläufer kommen. Ihnen zu Ehren -muß alles wohl gerüstet sein. Schnell wird noch der Hexenmeister -Wind bestellt. Er pustet mit säuberlichem Gewehe einen strahlenden -Marmorhof um die Hütte. Nun ist alles wohlbereit und zum Empfang -hergerichtet.</p> - -<p>Die Gäste mit den langen Brettern lassen nicht lange auf sich warten. -Kommt nicht dort vom Fichtenhang schon der erste her?</p> - -<p>Ein Einsamer ist’s. Mit schönem Schwung hält er vor der Hütte. Er -schnallt die Bretter ab und steckt den Hüttenschlüssel in das rostige -Schloß. Das Knarren des Riegels scheint ihm Musik zu sein. Er -lächelt. – Durch die offene Tür fällt blendende Helle in die dunkle -Heimlichkeit des Hüttenraums. Das Hüttenmäuslein fährt erschreckt -zusammen und weiß vor Entsetzen nicht, wohin es soll. Der einsame -Skiläufer tritt den Schnee von seinen Füßen. Die Hütte gibt das -Echo seiner Tritte zurück. Das ist ihr Willkommengruß. Er wirft -den Rucksack ab und stößt die Fensterläden auf.</p> - -<p>Wie stille ist der weiße Wald, wie stille die Hütte! Und diese große -Stille rings wirkt wie eine erlösende Entspannung auf den Hüttengast. -Er setzt sich, muß ein Weilchen die Augen schließen. Und wieder<span class="pagenum" id="Seite_123">[123]</span> -lächelt in seinem Gesicht ein Glück. Wie bei einem, der nach Hast -und Unrast den Frieden gefunden hat, den ihm der Alltag nicht gab. -In der Hütte fand schon mancher seinen Frieden.</p> - -<p>Nun prasselt es lustig im Hüttenofen. Im Topfe brodelt Schneewasser. -Das Hüttenbrünnlein schläft unter Eis und Schnee. Teeduft -weht über das flackernde Talglicht hin und mischt sich mit blauen -Tabakwölkchen. Die Hütte beherbergt einen frohen Menschen. Er -reckt sich in behaglicher Ungebundenheit, qualmt sein Pfeifchen und -träumt. Wo träumt sich’s schöner als hier? Und wo läßt sich’s besser -schlafen als nachher auf harter Hüttenpritsche!</p> - -<p>Gemach verlöscht das Feuer im Ofen. Verglühende Scheite bersten. -Das Hüttenmäuslein wagt sich wieder hervor. Warmgewordene -Balken knacken. Von draußen klingt wie fernes, leises Rauschen das -Lied des Windes überm Wald …</p> - -<div class="figcenter illowp30" id="illu-123"> - <img class="w100" src="images/illu-123.jpg" alt="" /> -</div> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter"> - -<p class="center">Druck F. A. Lattmann <img src="images/illu-124.jpg" alt="Signet" /> in Goslar am Harz</p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="center">Weitere von Reinecke-Altenau geschmückte Bücher unseres Verlages:</p> -</div> - -<p class="h2">Vom grünen Rauschen</p> - -<p class="center larger">Ein Buch vom Oberharz</p> - -<p class="center">von Bernh. Flemes</p> - -<p class="center">mit Zeichnungen von Reinecke-Altenau</p> - -<p class="center smaller">Preis karton. 1.50 M., gebd. 2 M.</p> - -<div class="blockquot"> -<p class="noind">Ein wahrhaft deutsches Buch, das in seiner Art nicht seinesgleichen hat. Ein echter Poet -hat in diesem feinsinnigen Wandernotizbuch das Wesen des Oberharzes dargestellt. Dem -Dichter, der Verborgenes und Wesentliches zart und fest umspannt, gesellt sich der gleichgesinnte -hannoversche Künstler Reinecke-Altenau prächtig ergänzend bei mit seinen der -Natur abgelauschten Stimmungsbildern, die in ihrer Echtheit den Harzcharakter wiedergeben, -wie er sich in den Dichtungen offenbart. So entstand ein bisher nicht dagewesenes -Buch vom Oberharz, reich an Empfinden und Schönheit.</p> -</div> - -<p class="h2 p2">Strom und Hügel</p> - -<p class="center larger">Ein Buch vom Weserbergland</p> - -<p class="center">von Bernh. Flemes</p> - -<p class="center">mit Zeichnungen von Reinecke-Altenau</p> - -<p class="center smaller">Preis karton. 2 M., gebd. 2.75 M.</p> - -<div class="blockquot"> -<p class="noind">Das Weserbergland mit seinem Formenreichtum der Höhen und Täler, seinen köstlichen -Baudenkmälern in Städten und Flecken ist wenigen Kennern nur vertraut. Unter ihnen -steht der Verfasser unsres neuen Buches, der auch der Autor des erfolgreichen Oberharzbuches -»Vom grünen Rauschen« ist, an erster Stelle. Er hat sein Heimatland in vielen -Jahren bis in die letzten Winkel durchwandert; er hat die Gabe des besonderen, nur -ihm eigenen Ausdrucks für diese seine Heimatliebe, für die besondere Seele dieser -Landschaft. Der hannoversche Künstler Reinecke-Altenau erweist sich hier wiederum -als ein guter Geselle des Dichters, indem er in feinsinniger Weise dessen Werk ergänzt.</p> -</div> - -<p class="center larger p2">Verlag F. A. Lattmann, Goslar am Harz</p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="chapter transnote" id="tnextra"> - -<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Darstellung -der Ellipsen wurde vereinheitlicht.</p> -</div> - -<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK HARZHEIMAT ***</div> -<div style='text-align:left'> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Updated editions will replace the previous one—the old editions will -be renamed. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Information about the Mission of Project Gutenberg™ -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s -goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg™ and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state’s laws. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, -Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up -to date contact information can be found at the Foundation’s website -and official page at www.gutenberg.org/contact -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread -public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state -visit <a href="https://www.gutenberg.org/donate/">www.gutenberg.org/donate</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Please check the Project Gutenberg web pages for current donation -methods and addresses. 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Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Most people start at our website which has the main PG search -facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -This website includes information about Project Gutenberg™, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. -</div> - -</div> - -</body> -</html> diff --git a/old/65600-h/images/cover.jpg b/old/65600-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index af16c89..0000000 --- a/old/65600-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/65600-h/images/illu-001.jpg b/old/65600-h/images/illu-001.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 426b701..0000000 --- a/old/65600-h/images/illu-001.jpg 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