diff options
| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-01-22 16:39:39 -0800 |
|---|---|---|
| committer | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-01-22 16:39:39 -0800 |
| commit | 4902d723191033effa1a00b4a829ae254c4e2a32 (patch) | |
| tree | 40a1839ab482cdc6a6878ffda936a5723d226318 | |
| parent | aa04e6a377abc402ff5e09090e7821eedfd96d3c (diff) | |
| -rw-r--r-- | .gitattributes | 4 | ||||
| -rw-r--r-- | LICENSE.txt | 11 | ||||
| -rw-r--r-- | README.md | 2 | ||||
| -rw-r--r-- | old/66326-0.txt | 14063 | ||||
| -rw-r--r-- | old/66326-0.zip | bin | 306546 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/66326-h.zip | bin | 412996 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/66326-h/66326-h.htm | 17518 | ||||
| -rw-r--r-- | old/66326-h/images/cover.jpg | bin | 89283 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/66326-h/images/signet.png | bin | 3226 -> 0 bytes |
9 files changed, 17 insertions, 31581 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..c437173 --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #66326 (https://www.gutenberg.org/ebooks/66326) diff --git a/old/66326-0.txt b/old/66326-0.txt deleted file mode 100644 index f26ba5a..0000000 --- a/old/66326-0.txt +++ /dev/null @@ -1,14063 +0,0 @@ -The Project Gutenberg eBook of Segen der Erde, by Knut Hamsun - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and -most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you -will have to check the laws of the country where you are located before -using this eBook. - -Title: Segen der Erde - -Author: Knut Hamsun - -Translator: Pauline Klaiber-Gottschau - -Release Date: September 17, 2021 [eBook #66326] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -Produced by: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at - https://www.pgdp.net - -*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SEGEN DER ERDE *** - +------------------------------------------------------------------+ - | Anmerkungen zur Transkription | - | | - | Gesperrter Text ist als _gesperrt_ dargestellt, Antiquaschrift | - | als ~Antiqua~, und Kursivschrift als ¯kursiv¯. | - | Eine Liste der Änderungen befindet sich am Ende des Buchs. | - +------------------------------------------------------------------+ - - - Knut Hamsun / Segen der Erde - - - ¯Knut Hamsun¯ - - - - - Segen - der - Erde - - ¯Roman¯ - - [Illustration] - - ¯Deutsche Buch-Gemeinschaft¯ - - ~G. m. b. H.~ - - Berlin - - - - - Berechtigte Übersetzung von - - _Pauline Klaiber-Gottschau_ - - Revidiert von - - _J. Sandmeier_ - - Copyright 1918 by Albert Langen, Munich - - Printed in Germany - - Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, - Dramatisierung, Verfilmung und Radiosendung, vorbehalten - - _Knut Hamsun_ _Albert Langen_ - - - - -Erster Teil - - - - -1 - - -Der lange, lange Pfad über das Moor in den Wald hinein -- wer hat ihn -ausgetreten? Der Mann, der Mensch, der erste, der hier war. Für ihn war -noch kein Pfad vorhanden. Später folgte dann das eine oder andere Tier -der schwachen Spur über Sümpfe und Moore und machte sie deutlicher, und -wieder später schnupperte allmählich der oder jener Lappe den Pfad auf -und benützte ihn, wenn er von Berg zu Berg wanderte, um nach seinen -Renntieren zu sehen. So entstand der Weg durch die weite Allmende, die -niemand gehörte, durch das herrenlose Land. - -Der Mann kommt in nördlicher Richtung gegangen. Er trägt einen Sack, -den Sack, der Mundvorrat und einiges Handwerkszeug enthält. Der Mann -ist stark und derb, er hat einen rostigen Bart und kleine Narben im -Gesicht und an den Händen -- diese Wundenzeichen, hat er sie sich bei -der Arbeit oder im Kampf geholt? Er kommt vielleicht aus dem Gefängnis -und will sich verbergen, vielleicht ist er ein Philosoph und sucht -Frieden, jedenfalls aber kommt er dahergewandert, ein Mensch mitten -in dieser ungeheuren Einsamkeit. Er geht und geht, still ist es -ringsum, kein Vogel, kein Tier ist zu hören, bisweilen redet er ein -paar Worte mit sich selbst. Ach ja, Herrgott im Himmel! sagt er. Wenn -er auf seiner Wanderung an Moore und wirtliche Stellen oder offene -freie Plätze im Walde kommt, legt er seinen Sack ab, geht umher und -untersucht die Bodenverhältnisse; nach einer Weile kehrt er zurück, -nimmt seinen Sack wieder auf den Rücken und wandert weiter. Dies währt -den ganzen Tag, er sieht an der Sonne, welche Zeit es ist, es wird -Nacht, und er wirft sich ins Heidekraut und schläft auf seinem Arm. - -Nach einigen Stunden geht er wieder weiter. Ach ja, Herrgott im Himmel! -geht wieder geradeaus nach Norden, sieht an der Sonne die Tageszeit, -hält Mittagsrast mit einem Stück Hartbrot und Ziegenkäse, trinkt -Wasser aus einem Bach dazu und setzt seinen Weg fort. Auch diesen -ganzen Tag wandert er ununterbrochen weiter, denn er muß sehr viele -wirtliche Plätze im Walde untersuchen. Was sucht er? Land, Erde? Er ist -vielleicht ein Auswanderer aus den Dörfern, denn er schaut sich scharf -und spähend um, manchmal ersteigt er auch einen Hügel und späht von da -umher. Jetzt ist die Sonne wieder am Untergehen. - -Er befindet sich jetzt auf der Westseite eines langgestreckten Tales -mit gemischtem Wald, hier ist auch Laubwald, und Weideflächen mischen -sich darein, stundenlang geht es so fort; es dämmert, aber der Mann -hört das leise Rauschen eines Flusses, und dieses leichte Rauschen ist -wie etwas Lebendiges und muntert ihn auf. Als er die Höhe erreicht, -sieht er das Tal im Halbdunkel vor sich liegen und weit draußen nach -Süden den Himmel darüber. Nun legt er sich schlafen. - -Am Morgen sieht er eine Landschaft mit Wald und Weideland vor sich -ausgebreitet. Er steigt hinunter: da ist ein grüner Berghang, weit -unten erblickt er ein Stück des Flusses und einen Hasen, der in -einem Sprung darüber hinwegsetzt. Der Mann nickt, als sei es ihm -gerade recht, daß der Fluß nicht breiter ist als ein Hasensprung. Ein -brütendes Schneehuhn flattert plötzlich zu seinen Füßen auf und zischt -ihn wild an, und wieder nickt der Mann: hier sind Tiere und Vögel, das -ist abermals gerade recht! Seine Füße waten durch Blaubeerenbüsche -und Preiselbeerkraut, durch siebengezackte Waldsterne und niedere -Farnkräuter; wenn er da und dort anhält und mit einem Eisen in der -Erde gräbt, findet er hier Walderde und dort mit Laub und verrotteten -Zweigen seit Tausenden von Jahren gedüngten Moorboden. Der Mann nickt, -hier will er sich niederlassen, ja, hier sich niederlassen, das will -er. Noch zwei weitere Tage streift er in der Gegend umher, kehrt aber -am Abend immer wieder zu dieser Halde zurück. Des Nachts schläft er -auf seinem Lager aus Tannenzweigen, er ist ganz daheim hier, er hat ja -schon ein Lager unter einem Felsvorsprung. - -Das schlimmste war gewesen, den Ort zu finden, einen Ort, der niemand -gehörte, der sein war; jetzt kamen die Tage der Arbeit. Er fing sofort -an, in den etwas weiter entfernten Wäldern Rinde von den Birken zu -schälen, jetzt, während der Saft noch in den Bäumen war. Dann legte -er die Rinden fest zusammen, beschwerte sie mit Steinen und ließ sie -trocknen. Wenn er eine große Last beisammen hatte, trug er sie die -vielen Meilen zurück ins Dorf und verkaufte sie als Baumaterial. Und -auf seine Halde dort droben brachte er neue Säcke mit Lebensmitteln und -Werkzeug heim: Mehl, Speck, einen Kochtopf, einen Spaten; unverdrossen -wanderte er den Pfad hin und her und schleppte sich ab. Ein geborener -Lastträger, ein Prahm, der durch die Wälder ging, oh, es war, als liebe -er diesen seinen Beruf, viel zu geben und viel zu tragen, als dünke -ihn, ohne Last auf dem Rücken zu gehen, ein faules Dasein, das für ihn -nicht passe. - -Eines Tages kam er dahergewandert mit seiner schweren Last auf dem -Rücken und außerdem mit zwei Ziegen und einem jungen Bock an der Leine. -Er war so beglückt über die Ziegen, gerade als seien es Kühe, und er -war gut gegen sie. Der erste fremde Mensch kam vorüber, ein wandernder -Lappe. Dieser sah die Ziegen und erriet, daß er auf einen Mann traf, -der sich da niedergelassen hatte, und sagte: - -Willst du hier dauernd wohnen? -- Ja, antwortete der Mann. -- Wie heißt -du? -- Isak. Weißt du keine Magd für mich? -- Nein, aber ich will -darüber reden, dort, wo ich vorüberkomme. -- Ja, tu das! Sage, daß ich -Haustiere habe, aber niemand, der sie besorgt. - -Isak also, ja, auch das wollte der Lappe ausrichten. Der Mann auf der -Halde war kein Flüchtling, er sagte seinen Namen. Er ein Flüchtling? -Dann hätte man ihn aufgespürt. Er war nur ein unverdrossener Arbeiter, -er sammelte Winterfutter für seine Ziegen, fing an Boden urbar zu -machen, einen Acker zu roden, Steine wegzuschaffen, Steinwälle -aufzurichten. Im Herbst hatte er eine Wohnung fertig, eine Erdhütte, -eine Gamme, die war dicht und warm, sie krachte nicht in den Fugen beim -Sturm, und sie konnte nicht abbrennen. Er konnte in diese Heimstätte -hineingehen, die Türe hinter sich zumachen und da drinnen bleiben, -oder er konnte vor der Türöffnung stehen und sich als den Herrn seines -Hauses zeigen, wenn jemand vorbeikäme. Die Gamme war in zwei Teile -geteilt, in dem einen wohnte er selbst, im andern seine Tiere. Ganz -innen unter dem Felsen hatte er seinen Heuboden errichtet. Alles war da. - -Wieder kommen ein paar Lappen vorüber, Vater und Sohn. Sie bleiben -stehen, stützen sich mit beiden Händen auf ihre langen Stöcke, -betrachten die Hütte und das urbar gemachte Land und hören die -Ziegenglocken oben am Hang. - -Ja, guten Tag, sagen sie, hier sind ja große Leute hergekommen. Die -Lappen schmeicheln immer. - -Ihr wißt wohl keine Magd für mich? versetzt Isak, denn er hat nur das -eine im Kopf. - -Eine Magd zur Hilfe? Nein. Aber wir wollen es weitersagen. -- Ja, wenn -ihr so gut sein wollt. Und daß ich ein Haus und Ackerland und Vieh -habe, aber keine Magd zur Hilfe, das sollt ihr sagen. - -Ach, sooft er mit seinen Birkenrinden drunten im Dorfe war, hatte -er nach dieser Magd zur Hilfe ausgeschaut, aber keine gefunden. Sie -hatten ihn betrachtet, eine Witwe, ein paar ältere Mädchen, es aber -nicht gewagt, ihm Hilfe zu versprechen; woher das kommen mochte, das -begriff Isak nicht. Begriff er es wirklich nicht? Wer wollte bei einem -Manne dienen, draußen im Ödland, meilenweit von den Menschen, ja eine -Tagereise von der nächsten menschlichen Behausung entfernt! Und der -Mann selbst war nicht die Spur lieb und hübsch, im Gegenteil, wenn er -sprach, war er kein Tenor mit gen Himmel gerichteten Augen, sondern -hatte eine etwas tierische und grobe Stimme. - -Dann mußte er eben allein bleiben. - -Im Winter machte er große Holztröge, verkaufte diese im Dorfe und kam -mit Säcken voll Lebensmitteln und Werkzeug durch den Schnee zurück. Das -waren harte Tage, ja er hatte eine schwere Last. Er hatte ja Haustiere, -und die konnte er nicht längere Zeit verlassen. Wie hielt er es da? -Die Not macht erfinderisch, sein Gehirn war stark und unverbraucht, -und er übte es immer mehr. Das erste, was er tat, wenn er fortging, -war, die Ziegen loszulassen, so daß sie an den Zweigen im Walde ihren -Hunger stillen konnten. Aber er wußte auch noch einen anderen Ausweg. -Er hängte am Fluß ein großes Holzgefäß auf und ließ ein kleines Rinnsal -hineinlaufen; es dauerte vierzehn Stunden, bis dies Gefäß voll war. -Wenn das Gefäß bis zum Überlaufen voll war, dann hatte es gerade das -rechte Gewicht, daß es heruntersank, aber indem es sank, zog es an -einer Leine, die mit dem Heuboden in Verbindung stand, eine Luke -öffnete sich, drei abgemessene Geißenmahlzeiten fielen herunter, und -die Tiere hatten ihre Nahrung. - -Auf diese Weise machte er es. - -Eine geistreiche Erfindung, ja vielleicht eine Eingebung von Gott, -dem Manne war geholfen. Es ging gut bis in den Spätherbst, dann kam -Schnee, dann Regen, dann wieder Schnee, dauernd Schnee; da wirkte die -Einrichtung mit der Heuversorgung verkehrt, das Gefäß füllte sich mit -Regenwasser und öffnete die Luke vor der Zeit. Der Mann deckte das -Gefäß zu, dann ging es wieder eine Weile gut, aber als der Winter -einsetzte, fror das Rinnsal ein, und die Einrichtung versagte gänzlich. - -Da mußten die Ziegen und auch der Mann selbst entbehren lernen. - -Das waren harte Tage, der Mann mußte Hilfe haben, hatte jedoch keine. -Er wurde aber deshalb doch nicht ratlos. Er schaffte an seinem -Heim weiter, machte ein Fenster in die Hütte, ein Fenster mit zwei -Glasscheiben. Das war ein merkwürdiger und heller Tag in seinem Leben, -als er nicht auf dem Herd Feuer anzünden mußte, um sehen zu können, -nun konnte er drinnen sitzenbleiben und bei Tageslicht Tröge aus Holz -anfertigen. Es wurde besser für ihn und lichter. Ach ja, Herrgott im -Himmel! Er las nie in einem Buche, seine Gedanken beschäftigten sich -aber oft mit Gott, er konnte nicht anders, Vertrauen und Ehrfurcht -wohnten in seiner Seele. Der Sternenhimmel, das Rauschen des Waldes, -die Einsamkeit, die Schneemassen, die Gewalten auf der Erde und über -der Erde stimmten ihn oftmals am Tage nachdenklich und andächtig; er -fühlte sich sündig und war gottesfürchtig, des Sonntags wusch er sich -zur Ehre des Feiertages, arbeitete aber sonst wie alle Tage. - -Der Frühling kam heran, er bebaute seinen kleinen Acker und steckte -Kartoffeln. Er hatte jetzt einen größeren Viehbestand, jede Ziege -hatte Zwillinge gebracht, es waren jetzt sieben Geißen, groß und klein -zusammengerechnet. Mit der Zukunft vor Augen erweiterte er seinen Stall -und setzte auch da ein paar Fensterscheiben ein. Es wurde heller und -tagte in jeder Weise. - -Eines Tages kam die Hilfe. Droben auf der Halde wanderte sie lange hin -und her, ehe sie sich hervorwagte. Es wurde Abend, bis sie herankam, -aber dann kam sie -- ein großes, braunäugiges Mädchen; sie war so üppig -und derb, mit festen guten Händen, mit Lappenschuhen an den Füßen, -obgleich sie keine Lappin war, und mit einem Kalbfellsack auf dem -Rücken. Sie war wohl schon etwas bei Jahren, höflich gesprochen, nahe -an den Dreißigern. - -Warum sollte sie sich denn fürchten? Sie grüßte, fügte jedoch rasch -hinzu: Ich muß nur über die Berge, darum bin ich diesen Weg gegangen. --- So, sagte der Mann. Er verstand sie nicht ganz, sie redete -undeutlich und wendete überdies das Gesicht weg. -- Ja, sagte sie. Und -es ist ein sehr weiter Weg. -- Ja, antwortete er. Willst du über das -Gebirge? -- Ja. -- Was willst du dort? -- Ich habe meine Leute dort. -- -So, hast du deine Leute dort? Wie heißt du? -- Inger, und wie heißt du? --- Isak. -- So, Isak. Wohnst du hier? -- Ja, ich wohne hier und habe es -so, wie du hier siehst. -- Das ist wohl nicht übel, sagte sie lobend. - -Isak war im Denken ein ganzer Mann geworden, und nun kam ihm der -Gedanke, daß sie wohl im Auftrag von jemand gekommen sei und nicht -weiter wolle. Sie hatte vielleicht gehört, daß ihm weibliche Hilfe -fehle. - -Komm herein und ruh dich aus! sagte er. - -Sie traten in die Hütte, aßen von ihrem Mundvorrat und tranken von -seiner Geißenmilch; dann kochten sie Kaffee, den sie in einer Blase bei -sich hatte. Sie hatten es sehr behaglich beim Kaffee, ehe sie schlafen -gingen. Nachts lag er da und war gierig nach ihr und bekam sie. - -Am Morgen ging sie nicht wieder weg und den Tag über auch nicht; sie -machte sich nützlich, melkte die Ziegen und scheuerte die Holzgefäße -mit feinem Sand und machte sie sauber. Sie ging nie wieder fort. Inger -hieß sie, Isak hieß er. - -Nun begann ein anderes Leben für den einsamen Mann. Das einzige war, -daß seine Frau undeutlich redete und wegen einer Hasenscharte immer das -Gesicht wegwendete, aber das war nichts, um sich darüber zu beklagen. -Ohne diesen verunstalteten Mund wäre sie wohl nie zu ihm gekommen, die -Hasenscharte war sein Glück. Und er selbst, war er ohne Fehl? Isak mit -dem rostigen Vollbart und dem zu untersetzten Körper, er war wie ein -greulicher Mühlgeist, ja wie durch eine verzerrende Fensterscheibe -gesehen. Und wer sonst ging mit einem solchen Ausdruck im Gesicht -umher? Es war, als könne er jeden Augenblick eine Art von Barrabas -loslassen. Es bedeutete schon viel, daß Inger nicht davonlief. - -Sie lief nicht davon. Wenn er fort war und wieder heimkam, war Inger -bei der Hütte, die beiden waren eins, die Hütte und sie. - -Er hatte nun einen Menschen mehr zu versorgen, aber es lohnte sich, er -konnte länger fort sein, er konnte sich rühren. Da war der Fluß, ein -freundlicher Fluß, der neben seinem freundlichen Aussehen auch tief und -raschen Laufes war; es war durchaus kein geringer Fluß, er mußte aus -einem großen See droben im Gebirge kommen. Nun verschaffte Isak sich -Fischgeräte und suchte diesen See auf; wenn er dann am Abend heimkam, -brachte er eine ordentliche Anzahl Forellen und Alpensalme mit. Inger -empfing ihn mit großer Verwunderung, sie war ganz überwältigt, schlug -die Hände zusammen und rief: Um alles in der Welt! Sie merkte wohl, -wie erfreut und stolz er über ihr Lob war, und da sagte sie noch mehr -freundliche Worte: daß sie so etwas noch nie gesehen habe und gar nicht -verstehe, wie er das zuwege bringen konnte. - -Auch auf andere Weise war Inger ein Segen für ihn. Obgleich sie nicht -gerade ein schönes Gesicht und Verstand im Kopfe hatte, so hatte sie -doch bei einem ihrer Leute zwei Schafe mit ihren Lämmern stehen, -und die holte sie. Das war das Notwendigste, was jetzt in die Gamme -gebracht werden konnte, Schafe mit Wolle und Lämmern, vier lebende -Tiere, der Viehstand vermehrte sich im großen Stil, wunderbar war -es, wie er zunahm. Inger holte außerdem noch ihre Kleider und andere -Sachen, die ihr gehörten, einen Spiegel, eine Schnur mit einigen -hübschen Glasperlen daran, Kardätschen und ein Spinnrad. Sieh, wenn -sie so weiter machte, war bald alles voll vom Boden bis zur Decke, und -die Gamme hatte nicht Raum für alles! Isak war natürlich sehr bewegt -beim Anblick dieser irdischen Reichtümer; aber da er von Natur wortkarg -war, fiel es ihm schwer, sich darüber auszusprechen, er ging hinaus -vors Haus, sah nach dem Wetter und kam wieder herein. Ja, gewiß hatte -er großes Glück gehabt, und er fühlte immer mehr einen heißen Drang in -sich aufsteigen, Zuneigung oder Liebe, oder was es nun genannt werden -konnte. - -Du brauchst nicht so viel mitzubringen, sagte er. -- Ich habe sogar -anderswo noch mehr. Und dann habe ich den Oheim Sivert, den Bruder -meiner Mutter, hast du von ihm gehört? -- Nein. -- Das ist ein reicher -Mann, er ist Bezirkskassierer der Gemeinde. - -Die Liebe macht den Klugen dumm; Isak wollte sich auf seine Weise -angenehm zeigen, und da tat er zuviel. - -Was ich sagen wollte, begann er; du sollst die Kartoffeln nicht hacken. -Ich werde sie hacken, wenn ich heute abend heimkomme. - -Damit nahm er die Axt und ging in den Wald. Sie hörte ihn im Walde -Bäume fällen, es war nicht weit weg, und sie hörte am Krachen, daß er -große Stämme fällte. Nachdem sie eine Weile zugehört hatte, ging sie -hinaus und hackte die Kartoffeln. Die Liebe macht den Dummen klug. - -Am Abend kam er mit einem großen Balken an, den er an einem Seil hinter -sich herschleppte. Ach, der grobe, treuherzige Isak, er machte so viel -Lärm mit dem Balken, als er nur konnte, räusperte sich und hustete, -damit sie herauskommen und sich nicht wenig über ihn verwundern sollte. - -Ganz richtig, als er daherkam, rief sie auch: Ich glaube, du bist -verrückt! Du bist doch wohl ein Mensch! sagte sie. Der Mann erwiderte -nichts. Das fiel ihm nicht ein. Im Vergleich zu einem Baumstamm etwas -mehr als ein Mensch zu sein, das war nicht der Rede wert. -- Und wozu -willst du denn den Stamm? fragte sie. -- Ach, das weiß ich selbst noch -nicht, antwortete er wichtig tuend. - -Aber jetzt sah er, daß sie die Kartoffeln schon gehackt hatte, und -dadurch zeigte sie sich fast ebenso tüchtig wie er. Das war jedoch -nicht nach seinem Sinn, da machte er das Seil von dem Baumstamm los -und ging damit fort. Gehst du wieder? fragte sie. -- Ja, antwortete er -beleidigt. - -Er kam mit einem zweiten Baumstamm daher, schnaufte nicht, lärmte -nicht, sondern zog ihn nur wie ein Ochse bis zur Gamme heran und ließ -ihn da liegen. - -Im Laufe des Sommers schleppte er noch viele Baumstämme vor die Gamme. - - - - -2 - - -Eines Tages legte Inger wieder Mundvorrat in ihren Kalbfellsack und -sagte: Jetzt mach ich wieder einen kurzen Besuch bei meinen Leuten. -- -So, sagte Isak. -- Ja, ich muß nur einiges mit ihnen besprechen. - -Isak ging nicht zugleich mit ihr hinaus, sondern zögerte noch lange -in der Gamme. Als er endlich auf die Schwelle trat und gar nicht -neugierig tat, aber voll banger Ahnungen war, verschwand Inger gerade -am Waldesrand. Hm. Kommst du wieder? konnte er nicht unterlassen, ihr -nachzurufen. -- Nicht wiederkommen! erwiderte sie. Ich glaube, du -spottest. -- So. - -Dann war er wieder allein. Ach ja, Herrgott im Himmel! Mit seinen -Arbeitskräften und seiner Arbeitslust konnte er nicht nur in der Gamme -aus und ein gehen und sich nur selbst im Wege sein, da fing er an zu -arbeiten; er zweigte seine Baumstämme ab und hieb sie auf zwei Seiten -flach. Bis zum Abend schaffte er daran, dann melkte er die Ziegen und -legte sich schlafen. - -Öde und stille war's in der Gamme, dumpfes Schweigen schlug ihm -entgegen vom Lehmboden und von den Torfwänden. Aber das Spinnrad und -die Kardätschen waren an ihrem Platz, und die Perlen an ihrem Faden -lagen wohlverwahrt in einem Beutel unter dem Dach. Inger hatte nichts -mitgenommen. Isak war jedoch so unendlich dumm, daß er sich in der -hellen Sommernacht vor der Dunkelheit fürchtete und bald dies, bald das -an den Fensterscheiben vorbeischleichen sah. Als es nach der Helligkeit -draußen ungefähr zwei Uhr sein mochte, stand er lieber wieder auf und -aß sein Frühstück. Er kochte eine ungeheure Schüssel Grütze, gleich für -den ganzen Tag, damit er nicht noch mehr Zeit aufs Kochen verwenden -müßte. Bis zum Abend brach er zur Erweiterung des Kartoffelackers -Neuland um. - -Drei Tage lang behaute er abwechslungsweise Baumstämme und brach Land -um, am nächsten Tag kam dann wohl Inger. Es wäre nicht zuviel, wenn -er bei ihrer Ankunft Fische für sie bereit hätte, dachte er; aber er -wollte sich nicht auf den Weg machen und ihr geradeswegs übers Gebirge -entgegengehen, deshalb machte er einen Umweg nach dem Fischplatz. Dabei -kam er in unbekannte Gegenden des Gebirges; da waren nun graue Felsen -und braunes Geröll, ganz schwere Steine, die aus Blei oder Kupfer sein -konnten. Vieles konnte in diesen Steinen enthalten sein, vielleicht -Silber und Gold; er verstand sich jedoch nicht darauf, und so konnte -es ihm einerlei sein. Er kam an das Fischwasser; die Fische bissen -bei dem schnakenvollen Wetter in dieser Nacht gut an, es gab wieder -eine schwere Menge Salme und Forellen, und Inger würde aufschauen. Als -er bei Tagesanbruch auf demselben Umweg, auf dem er hergekommen war, -wieder zurückging, nahm er ein paar Stücke von dem Geröll mit, sie -waren braun mit dunkelblauen Flecken darin und gewaltig schwer. - -Inger war nicht gekommen und kam auch nicht. Nun war es schon der -vierte Tag. Er melkte die Ziegen wie damals, wo er noch allein mit -ihnen gewesen war und niemand anderen zu dieser Arbeit hatte, dann -ging er zur Geröllhalde und trug große Haufen zu einer Mauer passender -Steine auf den Hofplatz. Er hatte wahrlich vielerlei Arbeit. - -Am fünften Abend ging er mit leisem Mißtrauen im Herzen zu Bett, im -übrigen waren ja aber das Spinnrad und die Kardätschen noch da und -auch die Perlen. Dieselbe Öde in der Hütte und nirgends ein Laut! Das -wurden lange Stunden, und als er endlich eine Art Schritt draußen -vernahm, dachte er, das sei nur etwas, was er sich einbilde. Ach ja, -Herrgott im Himmel! sagte er in seiner Verlassenheit, und solche Worte -sprach Isak nicht, wenn er sie nicht wirklich meinte. Jetzt hörte -er die Schritte aufs neue, und kurz nachher sah er etwas am Fenster -vorbeigleiten, was es nun auch sein mochte, aber etwas mit Hörnern -war es, leibhaftig. Er sprang auf und zum Hause hinaus, und da sah er -etwas! Gott oder Teufel! murmelte er, und so etwas sagte Isak nicht, -ohne daß er sich dazu gezwungen fühlte. Er sah eine Kuh, Inger und eine -Kuh, die im Stalle verschwanden. - -Wenn er nun nicht Inger im Stall noch leise mit der Kuh hätte reden -hören, hätte er wahrlich seinen Augen nicht getraut, aber er hörte -sie, und im selben Augenblick stieg ihm eine böse Ahnung auf: Himmel! -Natürlich war sie eine ausgezeichnete, verteufelte Frau, aber zu viel -war zu viel. Spinnrad und Kardätsche, das mochte hingehen, die Perlen -waren bedenklich vornehm, aber auch die mochten hingehen. Aber eine -Kuh, vielleicht auf einem Weg oder auf der Weide eines Bauern gefunden, -die von dem Besitzer vermißt wurde und nach der man forschen würde! - -Jetzt trat Inger wieder aus dem Stall und sagte stolz lächelnd: Ich -habe nur meine Kuh mitgebracht! -- So, erwiderte er. -- Es dauerte so -lange, weil ich nicht rascher mit ihr übers Gebirge konnte; sie ist -trächtig. -- Hast du eine Kuh mitgebracht? sagte er. -- Ja, antwortete -sie, und war vom Reichtum dieser Erde bis zum Zerspringen erfüllt. Oder -meinst du, ich lüge dich an? sagte sie. Isak fürchtete das Schlimmste, -hielt sich aber im Zaum und sagte nur: Komm jetzt herein und iß etwas. - -Hast du die Kuh gesehen? Ist sie nicht schön? -- Prächtig. Woher -hast du sie? fragte er so gleichgültig, als er konnte. -- Sie heißt -Goldhorn. Was willst du mit der Mauer, die du da aufgeführt hast? Du -schindest dich noch zu Tode, ja, das tust du. Ach, komm und sieh dir -die Kuh an! - -Sie gingen hinaus, Isak war in Unterkleidern, aber das tat nichts. Sie -betrachteten die Kuh unendlich genau und von allen Seiten, den Kopf, -das Euter, das Kreuz, die Lenden; rot und weiß, gut gebaut. - -Isak sagte vorsichtig: Für wie alt hältst du sie? -- Halten? entgegnete -Inger. Sie ist ganz genau, aufs Tüpfelchen genau, im vierten Sommer. -Ich habe sie selbst aufgezogen, und alle sagten damals, es sei das -netteste Kalb, das sie von ihrer Kindheit an gesehen hätten. Was meinst -du, haben wir Futter für sie? - -Isak fing an, das zu glauben, was er gerne glauben wollte, und -erklärte: Was das Futter betrifft, so werden wir genug für sie haben. - -Dann gingen sie hinein und aßen und tranken und legten sich zur Ruhe. -Aber sie redeten noch lange von der Kuh, von dem großen Ereignis. Ja, -aber ist es nicht eine schöne Kuh? Jetzt bekommt sie das zweite Kalb. -Sie heißt Goldhorn. Schläfst du, Isak? -- Nein. -- Und denk dir, sie -hat mich sofort wiedererkannt und ist mir gestern wie ein Lamm gefolgt. -Wir haben heute nacht eine Weile auf dem Gebirge ausgeruht. -- So? -- -Wir müssen sie aber den ganzen Sommer auf der Weide anbinden, sonst -reißt sie aus, denn Kuh ist Kuh. -- Wo ist sie vorher gewesen? fragte -Isak schließlich. -- Bei meinen Leuten, die haben sie versorgt. Sie -wollten sie nicht hergeben, und die Kinder weinten, als ich sie mitnahm. - -War es möglich, daß Inger so herrlich lügen konnte? Sie sprach -natürlich die Wahrheit, und die Kuh gehörte ihr. Nun wurde es großartig -und behaglich auf dem Hofe, bald gab es nichts mehr, was noch fehlte! -O diese Inger, er liebte sie, und sie liebte ihn wieder, sie waren -genügsam, sie lebten im Zeitalter des Holzlöffels und hatten es -gut. Wir wollen schlafen! dachten sie. Und dann schliefen sie. Bei -Morgengrauen erwachten sie zum nächsten Tag; es gab wohl allerlei, mit -dem man sich abplagen mußte, jawohl, Kampf und Freude, wie das Leben -eben ist. - -Da waren nun zum Beispiel diese Balken. Sollte er versuchen, sie -aufzulegen? Isak hatte sich wohl umgesehen, als er im Dorfe war, und -sich die Bauart ausgedacht, er konnte eine Eckfuge aushauen. Und mußte -er es nicht durchaus tun? Jetzt waren Schafe auf den Hof gekommen, eine -Kuh war gekommen, der Ziegen waren es viele geworden und würden immer -mehr werden, der Viehstand sprengte den einen Raum der Gamme, er mußte -einen Ausweg finden. Am besten war es, er fing gleich an, solange die -Kartoffeln blühten und die Heuernte noch nicht begonnen hatte; Inger -mußte da und dort mit Hand anlegen. - -In der Nacht erwacht Isak und steht auf. Inger schläft, fest und tief -schläft sie nach ihrer Wanderung. Er geht wieder in den Stall. Jetzt -redet er die Kuh ja nicht so an, daß es in widerliche Schmeicheleien -übergeht, aber er tätschelt sie freundlich und untersucht sie aufs neue -nach allen Richtungen, ob sie nicht irgendein Merkmal, ein Zeichen von -einem fremden Eigentümer habe. Aber er findet kein Zeichen und geht -erleichtert fort. - -Da liegt das Bauholz. Er fängt an, es auseinander zu rollen, es in -einem Viereck auf die Mauer zu heben, ein großes Viereck für die Stube -und ein kleines Viereck für die Kammer. Es war sehr unterhaltend und -nahm ihn so in Anspruch, daß er darüber die Zeit vergaß. Jetzt rauchte -es aus dem Dachloch der Gamme, Inger trat heraus und meldete, das -Frühstück sei fertig. Und was hast du denn hier vor? fragte sie. -- -Bist du aufgestanden? erwiderte Isak. - -Seht, dieser Isak, er tat sehr geheimnisvoll, aber es gefiel ihm gut, -daß sie fragte und neugierig war und ein Wesen aus seinem Vorhaben -machte. Als er gegessen hatte, blieb er noch ziemlich lange in der -Gamme sitzen, ehe er wieder hinausging. Worauf wartete er? - -Nein, ich bleibe hier sitzen! sagte er schließlich und stand auf. Und -ich habe doch so viel zu tun! sagte er. -- Baust du ein Haus? fragte -sie. Kannst du nicht antworten? -- Er antwortete aus Gnade, ja, er -fühlte sich außerordentlich groß, weil er ein Haus baute und dem Ganzen -vorstand, deshalb antwortete er: Du siehst doch wohl, daß ich baue. -- -So? Ja, ja. -- Kann ich denn anders? sagte er. Du kommst wahrhaftig mit -einer ganzen Kuh daher, und da muß ich doch einen Stall für sie haben. - -Arme Inger, sie war nicht so unmenschlich klug wie er, wie Isak, der -Herr der Schöpfung. Und es war, ehe sie ihn kennenlernte, ehe sie seine -Art zu sprechen verstand. Inger sagte: Aber du wirst doch nicht am -Ende einen Stall bauen? -- So, sagte er. -- Du führst mich wohl an, -denn es wäre ja viel besser, du bautest ein Haus. -- So, meinst du -das? erwiderte er und sah sie mit verstellt ausdrucksloser Miene an, -ja, als ob ihm bei ihrer Frage erst ein Licht aufginge. -- Ja, dann -können die Tiere die Gamme bekommen. -- Er überlegte und sagte dann: -Ich glaube wirklich, so wird es am besten sein! -- Da siehst du, sagte -die siegende Inger, ich bin auch nicht so ganz auf den Kopf gefallen. --- Nein. Und was meinst du zu einer Kammer neben der Stube? -- Eine -Kammer? Dann wäre es bei uns wie bei anderen Leuten. Ja, wenn uns das -widerfahren würde. - -Und es widerfuhr ihnen. Isak baute und hieb Eckfugen aus; er legte die -Balken im Viereck, und zugleich mauerte er eine Feuerstelle aus dazu -passenden Steinen; aber diese letzte Arbeit gelang ihm am wenigsten, -und er war zuzeiten recht unzufrieden mit sich. Als die Heuernte -begann, muß er von seinem Bauwerk heruntersteigen, um weitum in den -Halden das Gras zu mähen; danach trug er das Heu in ungeheuren Lasten -nach Hause. - -An einem Regentag sagte Isak, er müsse hinunter ins Dorf. - -Was willst du dort? fragte Inger. -- Ich weiß es selbst nicht genau, -antwortete er. - -Er ging, war zwei volle Tage abwesend und brachte dann einen Kochherd -angeschleppt -- der Prahm kam durch den Wald dahergesegelt mit einem -Kochherd auf dem Rücken. - -Du bist nicht wie ein Mensch gegen dich selbst, sagte Inger. Nun riß -Isak die Feuerstelle, die sich in dem neuen Haus so schlecht ausnahm, -wieder ein und stellte den Herd an ihren Platz. Nicht alle Leute haben -einen Kochherd, sagte Inger, und nun haben wir einen! sagte sie. - -Die Heuernte ging ihren Gang, Isak brachte Heu in Massen heim, denn -Waldgras ist leider nicht dasselbe wie Wiesengras, sondern viel -geringer. Nun konnte er bloß an Regentagen an seinem Haus bauen, da -ging es langsam vorwärts, und im August, als Isak alles Heu unter dem -Felsenhang wohlgeborgen hatte, war das neue Haus erst halb gebaut. - -Im September sagte Isak zu Inger: So geht es nicht, ich glaube, du mußt -hinunter ins Dorf gehen und mir einen Mann zur Hilfe holen. Inger aber -war in der letzten Zeit etwas schweratmig geworden und konnte nicht -mehr so schnell laufen, doch machte sie sich selbstverständlich fertig, -seinen Auftrag auszurichten. - -Aber indessen hatte der Mann es sich anders überlegt, er wurde wieder -hoffärtig und wollte alles allein machen. Es ist nicht der Mühe wert, -die Leute darum anzugehen, sagte er, ich bringe es schon allein fertig. --- Nein, du kannst es nicht schaffen, versetzte Inger. -- Doch, hilf -mir nur mit den Balken. - -Als der Oktober herangekommen war, sagte Inger: Ich kann nicht mehr! -Das war nun sehr schlimm. Die Dachbalken sollten und mußten aufgesetzt -werden, damit das Haus gedeckt wurde, ehe die Herbstregen einsetzten, -es war höchste Zeit. Was hatte Inger nur? Sie wurde doch nicht krank? - -Wohl bereitete sie ab und zu noch Ziegenkäse, sonst aber leistete sie -nichts mehr, als die Kuh Goldhorn auf der Weide viele Male am Tage -an einen andern Platz anzubinden. -- Bring einen großen Korb oder -eine Kiste oder so etwas mit, wenn du wieder ins Dorf gehst, hatte -Inger gesagt. -- Was willst du damit? fragte Isak. -- Ich brauche es, -antwortete sie nur. - -Isak zog die Dachbalken an Seilen hinauf, und Inger schob mit einer -Hand nach; es war, als helfe es schon, wenn sie nur dabei war. -Allmählich ging es doch vorwärts; es war ja kein sehr hohes Dach, aber -die Balken waren abenteuerlich groß und dick für das kleine Haus. - -Das gute Herbstwetter hielt sich einigermaßen, Inger hackte alle -Kartoffeln allein heraus, und Isak bekam das Haus unter Dach, ehe der -Regen endgültig einsetzte. Die Ziegen waren jetzt schon nachts bei den -Menschen in der Hütte drinnen, auch das ging, alles ging. Die Menschen -klagten nicht darüber. Isak machte sich wieder zu einem seiner Gänge -ins Dorf fertig. Du solltest für mich einen großen Korb oder eine Kiste -mitbringen, sagte Inger wieder, und es klang wie ein demütiger Wunsch. --- Ich habe mir einige Fenster mit Glasscheiben bestellt, die ich -holen muß, erwiderte Isak. Und ich habe auch zwei angestrichene Türen -bestellt, fügte er überlegen hinzu. -- Nun ja, dann muß der Korb eben -warten. -- Was willst du mit dem? -- Was ich damit will? Ja, hast du -denn keine Augen im Kopf? - -In tiefe Gedanken versunken, ging Isak seines Wegs dahin, und als er -nach zwei Tagen zurückkam, brachte er nicht allein ein Fenster, eine -Tür zur Wohnstube und eine Tür zur Schlafkammer mit, sondern über die -Brust herunter hing ihm auch die Kiste für Inger, und in der Kiste -waren verschiedene Eßwaren. - -Inger sagte: Wenn du dich nur nicht eines Tages noch zu Tode -abschleppst! -- Hoho, zu Tode! Isak war so unendlich weit davon -entfernt, sich zu Tode zu schleppen, daß er aus seiner Tasche eine -Arzneiflasche mit Naphtha zog und sie Inger mit der Ermahnung übergab, -recht tüchtig davon zu trinken, damit sie wieder gesund werde. Und -da waren nun die Fenster und die angestrichenen Türen, mit denen er -großtun konnte, und er machte sich auch gleich daran, sie einzusetzen. -Ach, diese kleinen Türen, und gebraucht waren sie auch schon, aber -gemalt waren sie hübsch mit weißen und roten Farben, die schmückten die -Stuben wie Bilder an den Wänden. - -Jetzt zogen sie in das neue Haus ein, und der Viehbestand wurde in der -ganzen Gamme verteilt. Zu der Kuh wurde ein Mutterschaf mit seinen -Lämmern hineingestellt, damit sie es nicht gar so einsam hätte. - -Die Leute auf dem Ödland hatten es nun weit gebracht, wunderbar weit! - - - - -3 - - -Solange das Erdreich noch weich war, brach Isak Steine und Wurzelstöcke -heraus und richtete sein Land fürs nächste Jahr, und als dann der Boden -gefror, ging er in den Wald und fällte große Mengen Klafterholz. - -Was willst du mit all dem Holz? konnte Inger fragen. -- Das weiß ich -nicht so genau, antwortete Isak; aber er wußte es recht wohl. Der alte -düstere Urwald stand noch zu dicht ans Haus heran und versperrte jede -Erweiterung des Wiesenlandes, außerdem wollte er das Klafterholz -während des Winters auf irgendeine Weise ins Dorf hinunterschaffen und -es an Leute verkaufen, die kein Brennholz hatten. Isak war überzeugt, -daß das ein sehr guter Gedanke sei, deshalb fällte er fleißig Bäume und -hieb sie zu Klafterholz zurecht. Inger kam oft heraus und sah ihm zu; -er tat zwar, als sei ihm das gleichgültig und als sei das gar nicht -notwendig von ihr, aber sie fühlte doch, daß sie ihm dadurch wohltat. - -Manchmal fielen dabei merkwürdige Worte zwischen ihnen. Hast du nichts -anderes zu tun, als hier herauszulaufen und dich zu Tode zu frieren? -sagte Isak. -- Ich friere nicht, antwortete Inger, aber du wirst dich -noch krank schaffen. -- Jetzt ziehst du gleich meine Jacke an, die dort -drüben liegt. -- Das fiele mir gerade noch ein, ich kann doch nicht -hierbleiben, wenn Goldhorn eben am Kalben ist. -- Ach so, Goldhorn ist -am Kalben? -- Hast du das nicht gewußt? Und was meinst du, sollen wir -das Kalb aufziehen? -- Das machst du, wie du willst, ich weiß es nicht. --- Aber wir können doch das Kalb nicht aufessen, so viel ist gewiß. -Denn dann hätten wir immer wieder nur eine einzige Kuh. -- Und ich bin -auch fest überzeugt, du möchtest gar nicht, daß wir das Kalb aufäßen, -sagte Isak. - -Diese einsamen Menschen, so ungeschlacht und zu sehr ihren Trieben -ergeben, aber voller Güte gegeneinander, gegen das Vieh und gegen die -Erde! - -Dann brachte Goldhorn ein Kalb zur Welt. Das war ein bedeutungsvoller -Tag im Ödland, eine überaus große Freude und ein großes Glück. Goldhorn -bekam guten Mehltrank, und Isak sagte: Spar nicht am Mehl! obgleich -er es auf seinem Rücken heraufgetragen hatte. Da lag nun ein hübsches -Kalb, eine Schönheit von einem Kalb, rosig war es auch, sonderbar -verwirrt nach dem Wunder, das es durchgemacht hatte. In ein paar Jahren -würde es selbst Mutter sein. Dieses Kalb wird eine prachtvolle Kuh -werden, sagte Inger, und ich weiß gar nicht, wie es heißen soll, sagte -sie. Inger war etwas kindisch und hatte für so etwas nur eine schlechte -Erfindungsgabe. -- Heißen? sagte Isak. Du kannst keinen passenderen -Namen finden als Silberhorn. - -Nun fiel der erste Schnee, und sobald der Schnee fest und tragfähig -war, zog Isak hinunter ins Dorf. Er tat geheimnisvoll wie immer und -wollte Inger nicht sagen, was er im Sinn hatte. Und er kehrte zurück, -zur größten Überraschung -- mit Pferd und Schlitten. Ich glaube, du -treibst deinen Scherz, sagte Inger, und du hast doch wohl das Pferd -nicht genommen? -- Ich, das Pferd genommen! -- Gefunden, meine ich! -Ach, wenn Isak jetzt hätte sagen können: mein Pferd, unser Pferd! Aber -er hatte es nur für einige Zeit leihweise bekommen, er wollte sein -Klafterholz mit ihm hinunterführen. - -Isak fuhr Klafterholz ins Dorf und brachte dafür allerlei Eßwaren und -Mehl und Heringe mit herauf. Und einmal kam er mit einem jungen Stier -auf dem Schlitten, er hatte ihn unglaublich billig bekommen, weil im -Dorf bereits Futtermangel herrschte. Mager und zottig war der Stier, -und er konnte nicht so recht brüllen, aber er war keine Mißgeburt und -würde sich bei guter Pflege bald herausmachen, er war eben zweijährig. -Inger sagte: Du bringst doch alles mit. - -Ja, Isak brachte alles; er brachte Planken und Bretter, die er für -Klafterholz eingetauscht hatte, er brachte einen Schleifstein, ein -Waffeleisen, Handwerkszeug, alles für Klafterholz eingetauscht. Inger -schwoll vor Reichtum, und sie sagte jedesmal: Bringst du noch mehr? -Jetzt haben wir einen Stier und alles, was wir uns nur denken können! --- Und eines Tages antwortete Isak: Nein, jetzt bringe ich übrigens -nichts mehr. - -Sie hatten jetzt genug für lange Zeit und waren wohlgeborgene Leute. -Was würde sich Isak nun im Frühjahr vornehmen? An die hundertmal hatte -er es sich ausgedacht, wenn er hinter seiner Holzfuhre hergeschritten -war: er wollte auf der Halde weiter umroden, wollte den Boden urbar -machen, Klafterholz zurechtmachen, es im Sommer trocknen lassen und -im nächsten Winter noch einmal so viel hinunterfahren. Die Rechnung -stimmte, es war kein Fehler darin. Und an die hundertmal hatte Isak -auch an etwas anderes gedacht, nämlich an die Kuh Goldhorn. Woher kam -sie, wem gehörte sie? So eine Frau wie Inger gab es nicht mehr, oh, sie -war ein tolles Mädchen, und sie wollte alles, was er von ihr wollte -und war zufrieden damit. Aber eines schönen Tages konnte jemand kommen -und Goldhorn zurückverlangen und sie an einem Strick davonführen. Und -viel Schlimmeres konnte daraus erwachsen. Du hast doch wohl das Pferd -nicht genommen oder es gefunden? hatte Inger gesagt. Das war ihr erster -Gedanke gewesen; man konnte ihr wohl nicht so recht glauben, und was -sollte er tun? Daran hatte er gedacht. Hatte er nicht auch einen Stier -für Goldhorn, vielleicht für eine gestohlene Kuh erstanden? - -Und nun mußte das Pferd zurückgegeben werden. Das war schade, denn -das Pferd war klein und rund und sehr zutraulich geworden. O ja, aber -du hast schon sehr Großes damit geleistet, sagte Inger tröstend. -- -Aber im Frühjahr sollte ich eben das Pferd haben, da würde ich es so -notwendig brauchen! versetzte Isak. - -Im Morgendämmern fuhr er mit seiner letzten Holzladung langsam von -zu Hause fort und blieb zwei volle Tage weg. Als er wieder zu Fuß -heimwärts wanderte, hörte er vor dem Hause einen sonderbaren Ton. Was -konnte das sein? Er blieb lauschend stehen. Kindergeschrei -- ach ja, -Herrgott im Himmel, es war nicht anders, aber es war schrecklich und -sonderbar, und Inger hatte nichts gesagt. - -Er trat ein und sah zuerst die Kiste, die vielbesprochene Kiste, die er -auf seiner Brust heraufgetragen hatte! Sie hing nun an zwei Stricken -vom Dachfirst herunter und war eine Wiege und eine Schaukel für das -Kind. Inger ging halb angekleidet umher, ja, sie hatte wahrhaftig auch -die Kuh und die Ziegen gemolken! - -Als das Kind schwieg, fragte Isak: Hast du das alles schon getan? --- Ja, jetzt ist es getan. -- So. -- Es kam an dem Tag, an dem du -wegfuhrst, am Abend. -- So. -- Ich mußte mich nur noch recken, um die -Kiste aufzuhängen, dann war alles vorbereitet; aber das konnte ich -nicht ertragen, es wurde mir übel danach. -- Warum hast du mir nichts -davon gesagt? -- Konnte ich denn die Zeit so genau wissen? Es ist ein -Junge. -- Ach so, es ist ein Junge. -- Und wenn ich jetzt nur wüßte, -wie er heißen soll! sagte Inger. - -Isak durfte das kleine rote Gesicht sehen; es war wohlgeformt und -hatte keine Hasenscharte, und es hatte dichtes Haar auf dem Kopf. Ein -hübscher kleiner Kerl war er, seinem Stand und seiner Stellung nach, -wie er da in seiner Kiste lag. Isak war es ganz seltsam zumute, und er -fühlte sich ordentlich schwach; der Mühlengeist stand vor dem Wunder; -es war einmal in einem heiligen Nebel entstanden, es zeigte sich im -Leben mit einem kleinen Gesicht wie ein Sinnbild. Tage und Jahre würden -das Wunder zu einem Menschen machen. - -Komm und iß etwas, sagte Inger ... - -Isak fällt Bäume und schichtet Klafterholz. Er ist jetzt -weitergekommen, als er war. Er hat eine Säge. Er sägt Brennholz, und -die Klafterbeugen werden gewaltig groß, er macht eine Straße aus ihnen, -ein ganzes Dorf. Inger ist jetzt mehr ans Haus gebunden und kann den -Mann nicht bei seiner Arbeit besuchen, aber dafür macht Isak kleine -Abstecher zu ihr. Putzig mit so einem winzigen Kerl in einer Kiste! Es -konnte Isak nicht einfallen, sich um ihn zu kümmern, und außerdem war -es ja nur ein kleiner Wurm, mochte er da liegenbleiben! Aber man war -doch ein Mensch und konnte das Geschrei nicht teilnahmslos mit anhören, -so ein kleines Geschrei. - -Nein, faß ihn nicht an! sagte Inger. Denn du hast gewiß Harz an den -Händen, sagte sie. -- Ich, Harz an den Händen? Du bist wohl verrückt! -erwiderte Isak. Seit das Haus fertig geworden ist, habe ich kein Harz -mehr an den Händen gehabt. Gib den Jungen her, dann will ich ihn in -Schlaf wiegen! -- Nein, jetzt ist er gleich still ... - -Im Mai kommt eine fremde Frauensperson übers Gebirge zu der einsamen -Ansiedlung; sie ist eine Verwandte von Inger und wird gut aufgenommen. -Sie sagt: Ich wollte nur sehen, wie es Goldhorn geht, seit sie von uns -fortgekommen ist! -- Die Leute fragen nicht viel nach dir, nach so -einem kleinen Kerl, flüstert Inger betrübt dem Kinde zu. -- Ach, er -- -nun das seh ich ja, wie es ihm geht. Es ist ein prächtiger Junge, das -seh ich! Und wenn mir jemand das vor einem Jahr gesagt hätte, daß ich -dich hier wiederfinden würde, Inger, mit Mann und Kind und Haus und -allem übrigen! -- Von mir sollst du nicht reden, das ist nicht der Mühe -wert. Aber da ist nun er, der mich so genommen hat, wie ich war! -- -Seid ihr getraut? So, ihr seid noch nicht getraut? -- Aber wir werden -jetzt sehen, wenn der Kleine getauft wird, sagt Inger. Wir haben uns -schon trauen lassen wollen, aber es hat sich nicht einrichten lassen. -Was sagst du dazu, Isak? -- Ja, trauen lassen -- versteht sich. -- -Kannst du nicht nach der Heuernte hierherkommen, Oline, und das Vieh -versorgen, während wir die Reise machen? fragte Inger. -- O doch, das -versprach der Besuch. -- Wir werden dich dafür schadlos halten. -- -Ja, das wisse sie wohl ... Und nun wollt ihr noch weiter bauen, sehe -ich. Was baut ihr denn? Habt ihr noch nicht genug? -- Inger schüttelt -den Kopf und sagt: Ja, frag du ihn, ich bekomme es nicht zu wissen. --- Was ich baue? sagt Isak, es ist nicht der Rede wert. Einen kleinen -Schuppen, für den Fall, daß ich einen brauche. Aber du hast ja nach -Goldhorn gefragt, willst du sie sehen? fragt er den Gast. - -Sie gehen in den Stall, Kuh und Kalb werden gezeigt. Der Stier ist -ein prächtiges Stück Vieh, der Gast nickt wohlgefällig über das Vieh -und den Stall, sagt, sie seien von bester Art, und die ausgesuchte -Reinlichkeit, die sei großartig. Ich stehe bei Inger für alles ein, was -gute und erfahrene Behandlung der Tiere betrifft, sagte die Verwandte. - -Isak fragt: So, also die Kuh Goldhorn ist vorher bei dir gewesen? -- -Ja, von ihrer Geburt an! Ja, nicht gerade bei mir, sondern bei meinem -Sohn; aber das ist dasselbe. Wir haben sogar noch ihre Mutter in unserm -Stall! - -Isak hatte seit langer Zeit keine angenehmere Botschaft gehört, und -ein Stein fiel ihm vom Herzen, jetzt war Goldhorn mit Recht seine und -Ingers Kuh. Um die Wahrheit zu sagen, so hatte er sich halb und halb -den traurigen Ausweg aus seiner Ungewißheit ausgedacht gehabt, Goldhorn -im Herbst zu schlachten, die Haare von der Haut zu schaben, die Hörner -in der Erde zu vergraben und so jegliche Spur von der Kuh Goldhorn -zu vertilgen. Jetzt war dies unnötig. Er wurde so stolz auf Inger, -daß er sagte: Reinlich? Ja, so wie sie gibt es keine mehr. Es muß mir -wahrhaftig vorher bestimmt gewesen sein, daß ich eine vermögliche -Frau bekommen sollte! -- Das war nicht anders zu erwarten! sagt die -Verwandte. - -Diese Frau von jenseits des Gebirges, eine freundliche Person mit -wohlgesetzter Rede, ein verständiges Menschenkind namens Oline, sie -blieb nur ein paar Tage da und schlief in der Kammer nebenan. Als sie -wieder fortging, bekam sie etwas Wolle von Ingers Schafen, die sie -jedoch, einerlei aus welchem Grunde, vor Isak verbarg. - -Das Kind, Isak und die Frau -- die Welt wurde dann wieder dieselbe, -tägliche Arbeit, viele kleine und große Freuden, Goldhorn gab reichlich -Milch, die Ziegen hatten junge Zicklein und gaben auch reichlich Milch, -Inger verfertigte eine Reihe weißer und roter Käse und stellte sie zum -Reifen auf. Ihr Plan war, so viele Käslaibe herzustellen, daß sie sich -einen Webstuhl dafür kaufen konnte -- o diese Inger, sie konnte weben! - -Und Isak baute einen Schuppen, auch er hatte wohl einen Plan. -Er errichtete den neuen Anbau an die Gamme mit einer doppelten -Bretterwand, machte eine Tür hinein und ein nettes kleines Fenster -mit vier Scheiben; dann legte er vorläufig ein Notdach darauf und -wartete mit der Birkenrinde, bis der Boden auftauen würde und er -Wasen ausstechen könnte. Nur das Notwendigste wurde gemacht, kein -Bretterboden, keine gehobelten Wände, aber Isak zimmerte einen Stand -wie für ein Pferd und machte eine Krippe. - -Es war schon Ende Mai, als die Sonne die Hügel aufgetaut hatte und -Isak seinen Schuppen mit Wasen decken konnte; nun war das neue -Gebäude fertig. Dann eines Morgens aß er eine Mahlzeit, die einen Tag -ausreichen konnte, nahm außerdem noch Mundvorrat mit, legte Hacke und -Spaten über die Schulter und ging ins Dorf. - -Kannst du vier Ellen Zitz mitbringen? rief ihm Inger nach. -- Was -willst du damit? versetzte Isak. - -Es sah aus, als wollte er für immer fortbleiben. Inger sah jeden Tag -nach dem Wetter, nach der Windrichtung, als erwarte sie ein Schiff, -ging in der Nacht hinaus und lauschte, sie dachte daran, das Kind auf -den Arm zu nehmen und ihm nachzulaufen. Endlich kehrte er zurück mit -Pferd und Wagen. Ptro! sagte Isak laut vor der Tür, und obgleich das -Pferd ruhig und fromm dastand und wiedererkennend nach der Hütte -wieherte, rief Isak ins Haus hinein: Kannst du herauskommen und das -Pferd ein wenig halten? - -Inger kam heraus. Was ist das? rief sie. Sag, hast du es wirklich -wieder entlehnen können? Wo bist du denn die ganze Zeit gewesen? Heut -ist der siebente Tag. -- Wo sollte ich gewesen sein? Ich mußte an -vielen Stellen erst den Weg bahnen, um mit meinem Wagen durchzukommen. -Halt das Pferd ein wenig, hab ich gesagt! -- Mit deinem Wagen? Du hast -doch, soviel ich weiß, den Wagen nicht gekauft? - -Isak blieb stumm, ganz geschwollen vor Stummheit. Er fängt an, den -Karren abzuladen; Pflug und Egge, die er sich angeschafft hat, Nägel, -Eßwaren, einen Spaten, einen Sack voll Saatkorn. Wie geht es dem Kinde? -fragt er. - -Das Kind leidet keine Not. Hast du den Karren gekauft? frage ich. -Und ich quäle und quäle mich um einen Webstuhl ab, sagt sie richtig -scherzhaft, so froh war sie, daß er wieder daheim war. - -Isak schwieg wieder eine lange Weile und war mit sich selbst -beschäftigt. Er überlegte und schaute sich um, wo er alle die Waren und -die Geräte unterbringen sollte. Es schien gar nicht so leicht, auf dem -Hofe Platz für alles zu finden. Aber als Inger es aufgab, noch weiter -zu fragen und statt dessen mit dem Pferde plauderte, brach Isak das -Schweigen und sagte: Hast du schon einen Hof ohne Pferd und Wagen und -Pflug und Egge und alles, was noch dazu gehört, gesehen? Und da du es -wissen willst, ja, ich habe das Pferd und den Karren und alles, was -darauf ist, gekauft. -- Danach konnte Inger nur den Kopf schütteln und -sagen: Um alles in der Welt! - -Und nun war Isak nicht klein und verzagt, es war, als habe er wie ein -großer Herr für Goldhorn bezahlt: Bitte -- in runder Summe meinerseits -ein Pferd! Er war so muskelstark, daß er den Pflug noch einmal -aufnahm, ihn mit einer Hand an die Hauswand trug und da aufstellte. So -ein Herrscher war er! Und dann trug er die Egge, den Spaten, eine neue -Heugabel, die er gekauft hatte, alle die teuren landwirtschaftlichen -Geräte, die Kleinode, in den Neubau. Großartig, oh, volle Ausrüstung, -jetzt fehlte nichts mehr! - -Hm. Und es wird wohl auch zu einem Webstuhl reichen, sagte er, -vorausgesetzt, daß ich gesund bleibe. Da ist der Zitz, sie hatten -nichts anderes als diesen blauen Kattun. - -Er war grundlos und schöpfte immer mehr. So war's immer, wenn er vom -Dorf kam. - -Inger sagte: Es war recht schade, daß die Oline nicht das alles zu -sehen bekam, solange sie hier war. - -Lauter Getue und Eitelkeit von seiten des Weibes, und der Mann lächelte -verächtlich über ihre Worte. Oh, aber er hätte gewiß nichts dagegen -gehabt, wenn Oline diese ganze Herrlichkeit gesehen hätte. - -Das Kind weinte. - -Geh wieder zu dem Jungen hinein, sagte Isak. Denn nun hat sich das -Pferd beruhigt. - -Er spannt aus und führt das Pferd in den Stall hinein -- stellte sein -Pferd in den Stall. Er füttert und striegelt es und liebkost es. Was er -für Pferd und Karren schuldig war? Alles, die ganze Summe, eine sehr -große Schuld, aber sie sollte nicht älter werden, als bis Ende des -Sommers. Er hatte Klafterholz dafür, etwas getrocknete Birkenrinde zum -Bauen vom vorigen Jahr und schließlich noch einige gute Stämme. Aber -das hielt nicht vor. Als sich später die Spannkraft und der kecke Mut -etwas gelegt hatten, stellte sich manche bittere Stunde der Furcht und -Besorgnis ein; jetzt kam alles auf den Sommer und den Herbst an! - -Die Tage waren mit Feldarbeit ausgefüllt, mit immer mehr Feldarbeit! Er -reinigte neue Strecken von Wurzeln und Steinen, pflügte sie um, düngte, -pflügte, hackte, zerkleinerte Klumpen mit den Händen und mit den -Absätzen, war überall ein fleißiger Ackermann und machte den Acker so -glatt wie Plüsch. Dann wartete er ein paar Tage, und als es nach Regen -aussah, säte er Korn. - -Seit mehreren hundert Jahren hatten wohl seine Vorfahren Korn gesät. -Das war eine Arbeit, die an einem milden, windstillen Abend in -Andacht vollbracht wurde, am liebsten bei einem geeigneten feinen -Staubregen, so es möglich war, am liebsten, gleich wenn die Wildgänse -gezogen kamen. Die Kartoffel war eine neue Frucht, da war nichts -Geheimnisvolles dabei, nichts Religiöses. Frauen und Kinder konnten -beim Legen dabeisein, beim Legen dieser Erdäpfel, die von einem fremden -Lande kamen, gerade wie der Kaffee, ein großartiges, herrliches -Lebensmittel, aber von der Familie der Rüben. Korn, das war das Brot, -Korn oder nicht Korn, das war Leben oder Tod. Isak schritt barhäuptig -und in Jesu Namen dahin und säte; er war wie ein Baumstumpf mit Händen, -aber innerlich war er wie ein Kind. Auf jeden seiner Samenwürfe -verwendete er größte Sorgfalt, er war freundlich und ergeben gestimmt. -Seht, jetzt keimt das Korn und wird zu Ähren mit vielen Körnern, und -so ist es auf der ganzen Welt, wenn Korn gesät wird. Im Morgenland, in -Amerika, im Gudbrandstal -- ach, wie groß die Erde ist, und das winzig -kleine Feld, auf das Isak säte! Das war der Mittelpunkt von allem. -Fächer von Körnern strahlten aus seiner Hand. Der Himmel war bewölkt -und günstig, es sah nach einem ganz feinen Staubregen aus. - - - - -4 - - -Zwischen Frühjahrs- und Herbstarbeit kamen und gingen die Tage, aber -Oline kam nicht. - -Isak hatte jetzt seine Felder bestellt, er richtete zwei Sensen -und zwei Rechen zur Heuernte, machte einen langen Boden auf seinen -Karren, damit er Heu darauf laden konnte, richtete sich auch Kufen und -geeignetes Holz zu einem Arbeitsschlitten für den Winter her. Er machte -viele gute Sachen. Und was zwei Borte an der Wand in der Stube betraf, -so brachte er auch diese an, so daß man die verschiedensten Dinge -darauf legen konnte, den Kalender, den er sich endlich gekauft hatte, -und Quirle und Schöpfkellen, die nicht im Gebrauch waren. Inger sagte, -diese beiden Bretter seien etwas außerordentlich Gutes. - -Inger fand alles außerordentlich gut. Seht, Goldhorn wollte nun nicht -mehr durchgehen, sondern sie vergnügte sich mit dem Kalb und dem -Stier und weidete den lieben langen Tag im Walde. Seht, die Ziegen -gediehen so, daß ihre schweren Euter fast auf dem Boden schleppten. -Inger nähte ein langes Kleidchen aus blauem Kattun und ein Mützchen -von demselben Stoff, es war das Hübscheste, was man sehen konnte, es -war der Taufanzug. Das Kind selbst lag ganz still da und verfolgte das -Werk mit seinen Augen, es war schon ein rechter Junge geworden, und -wenn er durchaus Eleseus heißen sollte, so wollte sich Isak auch nicht -länger dagegen sträuben. Als das Kleidchen fertig war, hatte es eine -zwei Ellen lange Schleppe, und jede Elle kostete ihr Geld, aber das -half nichts, das Kind war nun einmal der Erstgeborene. -- Wenn dein -Perlenhalsband einmal getragen werden soll, so ist es wohl diesmal -an der Zeit, sagte Isak. -- Oh, Inger hatte auch schon an die Perlen -gedacht, sie war nicht umsonst Mutter, sondern durchaus einfältig und -stolz. Die Perlen reichten dem Jungen nicht um den Hals, aber sie -würden vorne auf der Mütze hübsch aussehen, und da brachte sie sie an. - -Aber Oline kam nicht. - -Wäre es nicht wegen der Tiere gewesen, dann hätten alle Bewohner das -Haus verlassen und mit dem getauften Kinde nach drei bis vier Tagen -zurückkommen können. Und wäre es nicht wegen der Trauung gewesen, so -hätte Inger allein reisen können. -- Ob wir nicht die Trauung so lange -verschieben könnten? sagte Isak. -- Aber Inger antwortete: Es wird zehn -bis zwölf Jahre dauern, bis Eleseus daheim bleiben und melken kann. - -Nun, da mußte Isak seinen Verstand gebrauchen. Eigentlich war das Ganze -nicht am Anfang begonnen worden, und die Trauung war vielleicht ebenso -notwendig wie die Taufe, was wußte er. Jetzt sah es nach Trockenheit -aus, nach richtiger böser Trockenheit; wenn nicht bald Regen kam, -verbrannte der Ertrag der Felder, aber alles stand in Gottes Hand. -Isak machte sich fertig, ins Dorf hinunterzueilen und sich nach einem -Menschen zur Aushilfe umzusehen. Da mußte er wieder viele Meilen laufen. - -All diese Beschwer einer Trauung und einer Taufe wegen! Die Leute im -Ödland haben wirklich viele kleine und große Sorgen! - -Dann kam Oline ... - -Jetzt waren sie verheiratet und getauft, alles war in Ordnung, sie -waren sogar darauf bedacht gewesen, sich zuerst trauen zu lassen, -damit das Kind ehelich wurde. Aber die Trockenheit hielt an, und nun -verbrannten die kleinen Kornäcker, verbrannten diese Plüschteppiche, -und warum nur? Alles stand in Gottes Hand. Isak mähte seine -Wiesenstücke, aber es stand kein hohes Gras darauf, obgleich der Boden -im Frühjahr gedüngt worden war. Er mähte und mähte auch auf weit -entfernten Halden und wurde nicht müde, zu mähen, zu trocknen und -Futter heimzuführen, denn er hatte ja jetzt ein Pferd und einen großen -Viehstand. Aber mitten im Juli mußte er auch das Korn zu Grünfutter -mähen, zu anderem war es nicht zu gebrauchen. So, und nun kam es nur -noch auf die Kartoffeln an. - -Wie stand es mit der Kartoffel? War sie nur eine Kaffeeart aus -fremdem Lande, die entbehrt werden konnte? Oh, die Kartoffel ist eine -unvergleichliche Frucht, sie steht draußen in Trockenheit, steht in -Nässe, wächst aber doch. Sie trotzt dem Wetter und hält viel aus, -bekommt sie nur eine einigermaßen gute Behandlung von den Menschen, so -lohnt sie es fünfzehnfach. Seht, die Kartoffel hat nicht das Blut der -Traube, aber sie hat das Fleisch der Kastanie, man kann sie braten und -kochen und zu allem benutzen. Ein Mensch kann Mangel an Brot haben, hat -er Kartoffeln, dann ist er nicht ohne Nahrung. Die Kartoffeln können -in warmer Asche gebraten werden und ein Abendessen sein, sie können -in Wasser gekocht werden und zum Frühstück dienen. Was brauchen sie -an Zuspeise? Wenig. Die Kartoffeln sind genügsam, eine Schale Milch, -ein Hering ist genug für sie. Der Reichtum ißt Butter dazu, die Armut -taucht sie in ein bißchen Salz auf einem Teller. Isak verzehrte sie als -Sonntagsspeise mit ein wenig Sahne von Goldhorns Milch. Die mißachtete, -gesegnete Kartoffel! - -Aber jetzt spukte es auch für die Kartoffel. - -Unzählige Male am Tag sah Isak nach dem Himmel. Der Himmel war blau. -Manchen Abend sah es nach einem Regenschauer aus. Dann ging Isak hinein -und sagte: Möchte wissen, ob es nicht doch Regen gibt. Aber nach ein -paar Stunden war alle Hoffnung wieder verschwunden. - -Jetzt hatte die Trockenheit schon sieben Wochen gedauert, und die Hitze -war sehr groß. Die Kartoffel stand in all dieser Zeit in voller Blüte, -sie blühte unnatürlich und wunderbar prächtig. Die Äcker sahen von -ferne aus wie Schneefelder. Wie sollte das schließlich werden? Der -Kalender gab keinen Wink, der derzeitige Kalender war nicht mehr wie -früher, der taugte gar nichts. Jetzt sah es wieder nach Regen aus, und -Isak ging zu Inger hinein und sagte: Mit Gottes Hilfe wird nun heute -nacht doch Regen kommen! -- Sieht es nach Regen aus? -- Ja, und das -Pferd schüttelt sich im Geschirr. - -Inger schaute zur Tür hinaus und sagte: Ja, jetzt wirst du sehen! -- -Ein paar Tropfen fielen. Die Stunden vergingen, die Leute legten sich -zur Ruhe, und als Isak in der Nacht einmal hinausging, um nachzusehen, -war der Himmel blau. - -Ach du lieber Gott im Himmel! sagte Inger. Nun, dann wird morgen auch -dein letztes Laub trocken, sagte sie und tröstete, so gut sie konnte. - -Jawohl, Isak hatte auch Laub gesammelt und besaß nun eine Menge vom -besten Laub. Das war wertvolles Futter, er behandelte es wie Heu -und bedeckte es mit Birkenrinde im Walde. Jetzt war nur noch ein -kleiner Rest draußen, deshalb antwortete er Inger tief verzweifelt -und gleichgültig: Ich nehme es nicht herein, und wenn es auch ganz -austrocknet. -- Du weißt nicht, was du redest, versetzte Inger. - -Am nächsten Tag holte er es also nicht herein -- da er es nun einmal -gesagt hatte, holte er das Laub nicht herein. Es konnte draußen -bleiben, es kam ja doch kein Regen, mochte es in Gottes Namen draußen -sein! Er konnte es vor Weihnachten einmal hereinnehmen, wenn es bis -dahin die Sonne nicht ganz und gar versengt habe. - -Ganz tief und vollständig gekränkt fühlte er sich, es war ihm keine -Freude mehr, unter der Haustür zu sitzen und über seinen Grund -und Boden hinzusehen und alles zu besitzen. Da standen nun die -Kartoffeläcker, blühten wie verrückt und vertrockneten, dann mochte -auch das Laub bleiben, wo es war, bitte! Oh, aber Isak -- vielleicht -hatte er mitten in seiner dicken Treuherzigkeit doch einen kleinen -schlauen Hintergedanken, vielleicht tat er es aus Berechnung und wollte -versuchen, jetzt beim Mondwechsel den blauen Himmel herauszufordern. - -Am Abend sah es wiederum nach Regen aus. Du hättest das Laub -hereinholen sollen, sagte Inger. -- Warum denn? fragte Isak und tat -äußerst unzugänglich. -- Ja, ja, du spottest, aber es könnte jetzt doch -Regen kommen. -- Du siehst doch wohl, daß in diesem Jahr kein Regen -kommt. - -Aber in der Nacht war es doch, als würden die Glasscheiben ganz dunkel, -und es war auch, als jage etwas dagegen und mache sie naß, was es nun -auch sein mochte. - -Inger erwachte und sagte: Es regnet! Sieh die Fenster an. -- Isak -schnaubte nur verächtlich und erwiderte: Regen? Das ist kein Regen. Ich -verstehe nicht, was du sagst. -- Ach, du sollst nicht spotten, sagte -Inger. - -Isak spottete, ja. Und er betrog sich nur selbst. Gewiß regnete es, und -zwar einen tüchtigen Schauer; aber als Isaks Laub ordentlich durchnäßt -war, hörte es auf zu regnen. Der Himmel war wieder blau. Ich hab' es ja -vorhergesagt, daß kein Regen kommt, sagte Isak eigensinnig und recht -sündhaft. - -Für die Kartoffeln nützte dieser Regenschauer nichts, die Tage kamen -und gingen. Der Himmel war blau. Da machte sich Isak an die Herstellung -seines Holzschlittens. Er gab sich alle Mühe damit. Er beugte sein Herz -und hobelte demütig Kufen und Stangen. Ach ja, Herrgott im Himmel! -Seht, die Tage kamen und gingen ja, das Kind wuchs heran, Inger machte -Butter und Käse, es war eigentlich nicht so schlimm, ein Mißjahr -überlebten tüchtige Leute draußen im Ödland wohl. Und außerdem -- als -neun Wochen vergangen waren, kam auch richtiger, segensreicher Regen; -einen ganzen Tag und eine ganze Nacht hindurch regnete es, sechzehn -Stunden lang goß es in Strömen, die Himmel hatten sich geöffnet. Wenn -es nun vierzehn Tage früher gewesen wäre, dann hätte Isak gesagt: Es -ist zu spät. Jetzt aber sagte er zu Inger: Du wirst sehen, es hilft den -Kartoffeln doch noch ein wenig auf. -- O ja, antwortete Inger tröstend, -es hilft ihnen noch ganz und gar. - -Und dann sah es allmählich besser aus; jeden Tag fiel ein Regenschauer, -das Gras wurde wieder grün wie durch Zauber, die Kartoffeln blühten, -jawohl, und zwar mehr als zuerst, und an den Stengeln wuchsen große -Beeren, und das war eigentlich ganz richtig, aber niemand wußte, was -unten an den Wurzeln war; Isak wagte nicht nachzusehen. Dann kam eines -Tages Inger daher, und sie hatte unter einem Stock zwanzig kleine -Kartoffeln gefunden. Und jetzt haben sie noch fünf Wochen zum Wachsen! -sagte Inger. -- Diese Inger, sie mußte immerfort trösten und gut -zureden mit ihrer Hasenscharte! Und eine jämmerliche Stimme hatte sie, -sie zischte, es war, wie wenn ein Ventil etwas Dampf herausläßt; aber -ihr Trösten war eine Wohltat draußen im Ödland. Und eine lebensfrohe -Natur hatte sie auch. -- Wenn du noch eine Bettstatt zimmern könntest, -sagte sie zu Isak. -- So? sagte er. -- Ja, ja, es eilt nicht gerade, -sagte sie. - -Sie machten sich an die Kartoffelernte und wurden nach altem Herkommen -bis Michaelis damit fertig. Es wurde ein mittelmäßiges Jahr, ein gutes -Jahr; es zeigte sich wieder, daß die Kartoffeln nicht so sehr vom -Wetter abhängig sind, sondern viel aushalten und doch heranwachsen. -Natürlich war es, wenn sie genau nachrechneten, nicht gerade ein so -recht mittelmäßiges und gutes Jahr, aber in diesem Jahr konnten sie -nicht so genau nachrechnen. Eines Tages war ein Lappe vorübergekommen -und hatte sich über all die Kartoffeln auf der Ansiedlung sehr -verwundert; in den Dörfern sei es viel schlimmer, sagte er. - -Dann hatte Isak wieder einige Wochen vor sich, während der er Land -roden konnte, ehe die Kälte einsetzte und der Boden gefror. Jetzt -weidete das Vieh auf den Feldern und wo es wollte. Es machte Isak -Freude, mit den Tieren zusammen zu arbeiten und ihre Glocken zu hören. -Es hielt ihn zwar auch von der Arbeit ab, denn der Stier stieß gar zu -gerne mit seinen Hörnern in die Laubhaufen hinein, oder die Geißen -waren droben und drunten und überall, sogar auf dem Dach der Hütte. - -Kleine und große Sorgen! - -Eines Tages hörte Isak einen lauten Schrei. Inger steht vor dem Hause -mit dem Kind auf dem Arm und deutet auf den Stier und die kleine Kuh -Silberhorn; die sind Liebesleute. Isak wirft die Haue weg und rennt -hinunter, aber es ist zu spät, das Unglück ist geschehen. Sieh die -Hexe, die ist zeitig dran, erst ein Jahr alt, ein halbes Jahr zu früh, -die Hexe, das Kind. Isak bringt sie in den Stall hinein, aber es ist -wohl zu spät. Ja, ja, sagt Inger, es ist nun gewissermaßen gut, sonst -wären beide Kühe im Herbst trächtig geworden. -- Ach, diese Inger, -nein, sie hatte keinen guten Kopf, aber sie hatte vielleicht gewußt, -was sie tat, als sie am Morgen Silberhorn und den Stier zusammen -herausließ. - -Es wurde Winter, Inger kardätschte und spann, Isak fuhr Klafterholz zu -Tal, ungeheure Ladungen von trockenem Holz auf guter Schlittenbahn; -alle Schulden wurden getilgt, Pferd und Wagen, Pflug und Egge gehörten -nun ihm. Er fuhr mit Ingers Ziegenkäse zu Tal und brachte Webgarn, -Webstuhl, Haspel und Scherbaum dafür nach Hause, und wieder brachte er -Mehl und Eßwaren, und wieder Bretter, Dielen und Nägel; eines Tages -kam er sogar mit einer Lampe an. So wahr ich hier dastehe, rief Inger, -du bist verrückt! Aber sie hatte schon lange erraten, daß die Lampe -kommen würde. Am Abend zündeten sie sie an und waren wie im Paradies, -der kleine Eleseus glaubte gewiß, es sei die Sonne. Siehst du, wie -verwundert er ist! sagte Isak. Von da an konnte Inger bei Lampenlicht -spinnen. - -Isak brachte Leinwand zu Hemden und neue Schuhe für Inger. Sie hatte -ihn um verschiedene Farben zum Färben der Wolle gebeten, und er brachte -auch diese. Aber eines Tages kam er wahrhaftig mit einer Uhr an! Mit -was? Mit einer Uhr! Da war Inger wie aus den Wolken gefallen, und sie -konnte eine Weile kein Wort herausbringen. - -Isak hing die Uhr mit vorsichtigen Händen an die Wand und stellte -sie nach seiner Schätzung; er zog die Gewichte auf und ließ die Uhr -schlagen. Das Kind drehte die Augen nach dem tiefen Klang und sah dann -die Mutter an. Ja, du kannst dich wohl verwundern! sagte sie und nahm -den Jungen auf den Schoß und war selbst gerührt. Denn von allem Guten -hier in der Einsamkeit konnte sich nichts mit der Wanduhr vergleichen, -die den ganzen dunklen Winter hindurch ging und die Stunden richtig -schlug. - -Dann war alles Holz fortgeschafft, Isak ging wieder in den Wald und -fällte wieder Bäume; er machte seine Straßen und seine Stadt aus -Klafterholzstapeln für den nächsten Winter. Er mußte jetzt immer -weiter von seinem Haus weggehen, eine große, weite Halde lag da schon -zum Bebauen bereit, und er wollte jetzt nicht noch mehr Boden ganz -abholzen, sondern von jetzt an nur die ältesten Bäume mit vertrockneten -Wipfeln fällen. - -Natürlich hatte er auch schon längst verstanden, warum Inger von einem -zweiten Bett gesprochen hatte, jetzt durfte er es wohl nicht länger -hinausschieben, sondern mußte sich beeilen. Als er an einem dunklen -Abend aus dem Walde heimkehrte, da war es geschehen: die Familie hatte -sich vermehrt, wieder um einen Jungen. Inger lag zu Bett. Diese Inger! -Am Morgen hatte sie ihn ins Dorf hinunterschicken wollen. Du solltest -das Pferd ein wenig bewegen, hatte sie gesagt. Denn es steht nur in -seinem Stand und scharrt. -- Ich habe keine Zeit zu solchem Unsinn, -sagte Isak und ging fort. Jetzt merkte er, daß sie ihn nur aus dem Wege -hatte haben wollen, aber warum? Es wäre doch vielleicht gut gewesen, -wenn sie ihn in der Nähe gehabt hätte. -- Wie kommt es nur, daß du -einem nie ein Zeichen geben kannst? sagte er. -- Nun mußt du dir eine -eigene Bettstatt richten und in der Kammer schlafen, erwiderte sie. - -Aber mit der Bettlade war es nicht getan, es gehörten auch Bettstücke -hinein. Sie hatten keine zwei Felldecken und konnten sich auch vor -dem nächsten Herbst, wo sie einige Hämmel schlachten würden, keine -zweite Felldecke verschaffen; aber selbst von zwei Hämmeln bekam man -noch keine Decke. In der nächsten Zeit hatte es Isak nicht gut, er -fror jämmerlich bei Nacht. Er versuchte, sich in das Heu unter dem -Felsenhang einzugraben, versuchte, bei den Kühen zu schlafen, obdachlos -war er. Zum Glück war es schon Mai, dann kam der Juni, der Juli ... - -Merkwürdig, wieviel hier in nur drei Jahren zustande gebracht worden -war: eine Behausung für Menschen, ein Stall und urbar gemachtes Land. -Was baute Isak jetzt? Einen neuen Schuppen, eine Scheune, einen Anbau -ans Wohnhaus? Es dröhnte durchs Haus, wenn er die acht Zoll langen -Nägel hineinschlug, und Inger kam ab und zu heraus und bat um Gnade -für die Kleinen. Jawohl, die Kleinen! Unterhalte sie einstweilen. -Sing ihnen was vor, gib dem Eleseus den Eimerdeckel, dann kann er -damit lärmen! Die großen Nägel werden bald hineingeschlagen sein, sie -müssen eben gerade hier sitzen, in den Streckbalken, mit denen der -Anbau am Haus festgemacht wird. Nachher hab' ich nur noch Bretter und -zweieinhalb Zoll lange Nägel, das ist das reine Kinderspiel. - -Hätte er es vermeiden können, zu hämmern? Bisher wurden die -Heringstonne, das Mehl und andere Eßwaren im Stall aufbewahrt, damit -sie nicht unter freiem Himmel stehen mußten; aber der Speck bekam einen -Stallgeschmack, eine Vorratskammer war die reinste Notwendigkeit. -Die kleinen Jungen mußten sich auch an so ein paar Hammerschläge an -die Wand gewöhnen; Eleseus war allerdings etwas zart und schwächlich -geworden, aber der andere saugte wie ein Posaunenengel, und wenn er -nicht schrie, dann schlief er. Ein prächtiger Junge! Isak wollte sich -dem nicht widersetzen, daß er Sivert heißen sollte, es war vielleicht -am besten so, obgleich er abermals an den Namen Jakob gedacht hatte. -In manchen Fällen hatte Inger recht, Eleseus war nach ihrem Pfarrer -getauft, und es war ein vornehmer Name, aber Sivert hieß Ingers Oheim, -der Bezirkskassierer, der ein Junggeselle und ein vermöglicher Mann -ohne Erben war. Was hätte dem Kinde Besseres widerfahren können, als -Sivert zu heißen! - -Dann kam wieder die Frühjahrsarbeit, und alles wurde vor Pfingsten in -die Erde gelegt. Damals, als Inger nur Eleseus ihr eigen nannte, hatte -sie nie Zeit gehabt, ihrem Manne zu helfen, so sehr hatte sie der -Erstgeborene in Anspruch genommen. Jetzt, da sie zwei Kinder hatte, -jätete sie das Unkraut aus und verrichtete noch vieles andere; sie half -viele Stunden lang beim Kartoffellegen, säte auch Karotten und Rüben. -Eine solche Frau fand sich nicht so leicht wieder. Und hatte sie nicht -auch Tuch auf dem Webstuhl? Jeden Augenblick nützte sie aus, um in die -Kammer zu laufen und ein paar Spulen abzuweben; es war halbwollenes -Tuch zu Wäsche für den Winter. Nachdem das Garn gefärbt war, webte sie -blau und roten Kleiderstoff für sich und die Kinder; dann legte sie -noch mehr Farben ein und machte Bettbezüge für Isak. Lauter notwendige, -nützliche und höchst dauerhafte Sachen. - -Seht, nun war die Familie im Ödland schon recht heraufgekommen, und -wenn dieses Jahr gut einschlug, waren die Ansiedler geradezu zu -beneiden. Was fehlte ihnen noch? Ein Heuschuppen natürlich, eine -Scheune mit einer Tenne in der Mitte, das war ein Zukunftsziel, und -es würde erreicht werden wie die andern Ziele auch. Mit der Zeit, ja! -Jetzt hatte die kleine Silberhorn ein Kalb, und die Ziegen hatten -Zicklein, und die Schafe hatten Lämmer, es wimmelte von kleinen Tieren -auf der Weide. Und die Menschen? Eleseus konnte schon auf seinen -eigenen Beinen gehen, wohin er wollte, und der kleine Sivert war -getauft. Und Inger? Sie war gewiß schon wieder guter Hoffnung, sie sah -so rundlich aus. Was war auch ein Kind für sie? Nichts -- das heißt -große Dinge, nette kleine Leute, sie war stolz auf ihre Kinder und -gab zu verstehen, daß Gott nicht allen Leuten solche großen, hübschen -Kinder anvertraue. Inger war ganz davon in Anspruch genommen, jung -zu sein. Sie hatte ein verunstaltetes Gesicht und hatte ihre ganze -Jugend als eine Ausgestoßene verbracht, die Burschen hatten sie nicht -angesehen, obgleich sie tanzen und arbeiten konnte, sie hatten ihre -gute Weiblichkeit verschmäht, sie hatten sich weggewendet -- jetzt war -ihre Zeit, sie entfaltete sich, sie stand ununterbrochen in voller -Blüte und war guter Hoffnung. Isak selbst, der Hausvater, war und blieb -ein ernster Mann, aber er hatte guten Erfolg gehabt und war zufrieden. -Wie und womit er sich das Leben erträglich gemacht hatte, ehe Inger -kam, war sehr dunkel; mit Kartoffeln und Ziegenmilch, ja mit gewagten -Gerichten ohne Namen; jetzt hatte er alles, was ein Mann in seinen -Verhältnissen nur verlangen konnte. - -Wieder kam große Trockenheit, wieder ein Mißjahr. Der Lappe Os-Anders, -der mit seinem Hund vorüberkam, konnte berichten, daß die Leute im -Dorfe schon alles Getreide zu Viehfutter abgemäht hätten. -- So, sie -hatten also keine Hoffnung mehr? fragte Inger. -- Nein, aber dafür -haben sie einen guten Heringsfang gemacht. Dein Oheim Sivert bekommt -seinen Anteil als Strandbesitzer. Und er hat doch vorher schon ein -bißchen etwas in Küche und Keller gehabt. Gerade wie du, Inger. -- Ja, -Gott sei Dank, ich habe nichts zu klagen. Was sagen sie denn daheim von -mir? -- Os-Anders wiegt den Kopf hin und her und sagt schmeichlerisch, -er habe keine Worte dafür! -- Wenn du eine Schale süße Milch möchtest, -so brauchst du es nur zu sagen, versetzt Inger. -- Du sollst dich nicht -in Unkosten stürzen. Aber hast du ein wenig für den Hund? - -Die Milch kam, das Futter für den Hund auch. Der Lappe hörte Musik aus -der Stube heraus und lauschte: Was ist das? -- Das ist unsere Wanduhr, -die schlägt, sagt Inger; sie ist am Platzen vor lauter Stolz. - -Wieder wiegte der Lappe den Kopf hin und her und sagte: Ihr habt Haus -und Pferd und Wohlbehagen, kannst du mir sagen, was ihr nicht habt? --- Nein, wir können Gott nicht genug danken. -- Oline hat mir einen -Gruß an dich aufgetragen. -- So. Wie geht es ihr? -- Es geht. Wo ist -dein Mann? -- Er ist auf dem Feld draußen. -- Es heißt, er habe nicht -gekauft! wirft der Lappe hin. -- Gekauft? Wer sagt das? -- Es heißt -so. -- Von wem sollte er denn kaufen? Es ist Allmende. -- Ja, ja. -- -Und viele Schweißtropfen hat er in diesen Grund und Boden hineinfallen -lassen. -- Es heißt, euer Boden gehöre dem Staat. - -Inger verstand davon nichts und sagte: Ja, das kann schon sein. Hat -etwa sie, die Oline, das gesagt? -- Ich erinnere mich nicht, wer es -war, antwortete der Lappe, und er ließ seine unsteten Augen in allen -Richtungen umherschweifen. Inger wunderte sich darüber, daß er nicht -um etwas bettelte, das tat Os-Anders sonst immer, alle Lappen betteln. -Os-Anders aber sitzt ruhig da, stopft seine kurze Kreidepfeife und -zündet sie an. Das ist eine Pfeife! Er raucht und pafft so, daß sein -ganzes runzliges Gesicht aussieht wie ein Rindenstück. -- Ja, ich -brauche nicht zu fragen, ob das deine Kinder sind, sagte er noch -schmeichlerischer. Denn sie sind dir so ähnlich. Genau so nett wie du -selbst, als du klein warst. - -Inger, die eine Mißgeburt und ein Auswurf gewesen war -- natürlich war -es verkehrt, aber ihr Herz schwoll doch vor Stolz. Selbst ein Lappe -kann ein Mutterherz froh machen. Wenn dein Sack nicht schon so voll -wäre, so würde ich dir ein bißchen was hineintun, sagte sie. -- Nein, -du sollst dich nicht in Unkosten stürzen! - -Inger geht mit dem Kind auf dem Arm hinein, während Eleseus bei dem -Lappen draußen bleibt. Die beiden kommen gut miteinander aus. Der Junge -darf etwas Merkwürdiges aus des Lappen Sack sehen, etwas Haariges, er -darf es streicheln. Der Hund winselt und bellt. Als Inger mit etwas -Mundvorrat herauskommt, stößt sie einen kleinen Seufzer aus und sinkt -auf die Türschwelle. Was hast du da? fragt sie. -- Ach nichts, es ist -ein Hase. -- Das hab' ich gesehen. -- Dein Kleiner wollte ihn sehen. -Mein Hund hat ihn heute gejagt und umgebracht. -- Da ist dein Essen, -sagt Inger. - - - - -5 - - -Es ist eine alte Erfahrung, daß wenigstens zwei Mißjahre aufeinander -folgen. Isak war geduldig geworden und fand sich in sein Los. Das -Getreide verbrannte auf dem Felde, und die Heuernte war mittelmäßig, -aber die Kartoffeln sahen wieder aus, als würden sie sich erholen; -es war demnach zwar schlimm genug, aber doch keine Not. Isak hatte -auch noch Klafterholz und Balken, die er ins Dorf hinunterschaffen -konnte, und da an der ganzen Küste der Heringsfang gut ausgefallen -war, hatten die Leute Geld genug zum Holzkaufen. Es sah fast wie eine -Fügung aus, daß die Getreideernte fehlschlug, denn wie hätte er dieses -Korn dreschen sollen, ohne eine Scheune mit einer Tenne? Ja, laß Fügung -Fügung sein, das schadet auf die Dauer nichts! - -Eine andere Sache war die, daß Neues auftauchte und ihn beunruhigte. -Was war nun das, was ein gewisser Lappe im Sommer zu Inger gesagt hatte --- daß er nicht gekauft habe? Hätte er kaufen sollen, warum denn? Der -Boden lag ja da, der Wald stand da, er machte Land urbar, errichtete -sich ein Haus mitten in der Urnatur, ernährte seine Familie und seinen -Viehstand, war niemand etwas schuldig, arbeitete, arbeitete. Schon -wiederholt hatte er, wenn er drunten im Dorfe war, daran gedacht, mit -dem Lensmann zu sprechen, dies aber immer wieder hinausgeschoben. Der -Lensmann war nicht beliebt, und Isak war wortkarg. Was sollte er sagen, -wenn er ankam, welchen Grund angeben, warum er gekommen sei? - -Eines Tages im Winter kam indes der Lensmann selbst in die Ansiedlung -dahergefahren; er hatte einen Mann bei sich und brachte eine von -Papieren strotzende Tasche mit -- und es war der Lensmann Geißler -selbst. Er sah die große offene Halde, die abgeholzt war und glatt und -eben unter dem Schnee lag, und er meinte wohl, die ganze weite Fläche -sei angebaut, deshalb sagte er: Das ist ja ein großes Anwesen, meinst -du, das bekommst du umsonst? - -Nun war es da! Isak erschrak bis ins innerste Mark und erwiderte nichts. - -Du hättest zu mir kommen und den Boden kaufen sollen, sagte der -Lensmann. -- Ja. -- Der Lensmann sprach von Einschätzung, von -Grenzscheiden, von Steuer, „Kronsteuer”, sagte er; als Isak -einigermaßen Aufklärung bekam, fand er es immer weniger ungereimt. Der -Lensmann neckte seinen Begleiter und sagte: Nun, du Schätzungsmann, -wie groß ist die Ansiedlung? Aber er wartete nicht auf Antwort, sondern -schrieb die Größe aufs Geratewohl hin. Dann fragte er Isak nach -den Heulasten und nach den Kartoffeltonnen. Und wie sie es mit der -Grenzscheide halten wollten? Sie könnten doch nicht die Grenzscheide -in mannshohem Schnee abschreiten, und im Sommer könnten Menschen -nicht hier heraufkommen. Was Isak sich selbst als Weideland und Wald -ausgedacht habe? -- Das wußte Isak nicht, bis jetzt hatte er, so weit -er blickte, für sein Eigentum betrachtet. Der Lensmann sagte, der Staat -setzt Grenzen. Je mehr Land du bekommst, desto mehr kostet es, sagte -er. -- So? -- Ja, du bekommst nicht so viel, als du überschauen kannst, -sondern so viel, als du brauchst. -- So? -- - -Inger setzte Milch vor, und der Lensmann und sein Begleiter tranken. -Sie brachte noch mehr Milch. Der Lensmann sollte streng sein? Er strich -sogar Eleseus übers Haar und sagte: Spielt er mit Steinen? Laß mich die -Steine mal sehen! Was ist denn das? Die sind aber schwer, da ist gewiß -irgendein Metall drin! -- Ja, von denen gibt's genug oben im Gebirge, -sagt Isak. - -Der Lensmann kehrte zum Geschäftlichen zurück. -- Südlich und westlich -ist es wohl am vorteilhaftesten für dich? sagte er zu Isak. Sagen -wir eine Viertelmeile südwärts! -- Was, eine ganze Viertelmeile? -rief der Begleiter des Lensmannes. -- Du allerdings könntest keine -zweihundert Ellen umbrechen, versetzte der Lensmann kurz. -- Isak -fragte: Was kostet eine Viertelmeile? -- Das weiß ich nicht, antwortete -der Lensmann, das weiß niemand. Aber ich werde einen niederen Preis -vorschlagen. Es ist ja meilenweit im Ödland drinnen, ohne jegliche -Zufahrt. - -Ja, aber eine ganze Viertelmeile! sagte der Begleiter wieder. - -Der Lensmann schrieb eine Viertelmeile südwärts und fragte: Und -aufwärts nach den Bergen? -- Ja, da muß ich es bis zum See haben. Dort -ist ein großer See, antwortete Isak. - -Der Lensmann schrieb weiter. Jetzt nach Norden? -- Da kommt es nicht so -genau drauf an, auf dem Moor ist kein ordentlicher Wald, meinte Isak. - -Der Lensmann schrieb nach seinem eigenen Kopf eine halbe Viertelmeile. -Nach Osten? -- Da ist es auch nicht so genau. Dort ist nur Gebirge nach -Schweden hinüber. - -Der Lensmann schrieb. - -Als er fertig war, rechnete er das Ganze in einem Augenblick zusammen -und sagte: Natürlich wird das ein großes Besitztum, und wenn es drunten -in der Gemeinde läge, könnte niemand es kaufen. Ich will hundert Taler -für alles miteinander vorschlagen. Was meinst du? fragte er seinen -Begleiter. -- Das ist ja gar kein Preis, antwortete dieser. -- Hundert -Taler! sagte Inger. Du brauchst gar nicht so viel Land. -- Nein, sagte -Isak. -- Der Begleiter fiel ein: Es ist, wie ich sage. Was wolltet ihr -mit so viel Land? - -Der Lensmann sagte: Es roden. - -Nun hatte er dagesessen, sich abgemüht und niedergeschrieben; ab und -zu schrie ein Kind in der Stube, er hätte nur ungern das Ganze noch -einmal geschrieben, er kam auch erst spät in der Nacht wieder heim, -nein, erst gegen Morgen sogar. So steckte er entschlossen die Urkunde -in seine Tasche. Geh hinaus und spann an! befahl er seinem Begleiter. -Dann wendete er sich an Isak und sagte: Eigentlich hättest du den Platz -umsonst haben sollen und noch Bezahlung obendrein, so wie du geschafft -hast. Und das will ich bei meinem Vorschlag auch sagen. Dann werden wir -sehen, was der Staat für einen Kaufbrief verlangt. - -Isak -- Gott weiß, wie ihm zumute war. Es war, als hätte er nichts -dagegen, daß ein hoher Preis für seine Ansiedlung und seine ungeheure -Arbeit hier angesetzt würde. Er hielt es wohl nicht für unmöglich, mit -der Zeit hundert Taler abzubezahlen, deshalb sagte er nichts mehr; er -konnte wie vorher arbeiten, das Land bebauen und überständigen Wald in -Klafterholz umwandeln. Isak gehörte nicht zu denen, die umherspähen, er -stand nicht auf dem Ausguck nach Glückszufällen, er arbeitete. - -Inger bedankte sich beim Lensmann und bat ihn, beim Staat ein gutes -Wort für sie einzulegen. - -Jawohl. Aber die Entscheidung liegt ja nicht bei mir, ich gebe nur mein -Gutachten dazu. Wie alt ist denn der Kleinste da? -- Gut ein halbes -Jahr. -- Junge oder Mädchen? -- Ein Junge. - -Der Lensmann war nicht hart, sondern oberflächlich und wenig -gewissenhaft. Seinen Vertrauens- und Schätzungsmann, den Gerichtsboten -Brede Olsen, hörte er nicht an, das wichtige Geschäft ordnete er aufs -Geratewohl und nach Gutdünken; diese große Sache, entscheidend für Isak -und seine Frau und entscheidend auch für ihre Nachkommen vielleicht in -zahllosen Geschlechtern, entschied er auf gut Glück, er schrieb nur -so hin. Aber er erwies den Ansiedlern viel Freundlichkeit, er zog ein -glänzendes Geldstück aus der Tasche und gab es dem kleinen Sivert in -die Hand, dann nickte er noch freundlich und ging hinaus zum Schlitten. - -Plötzlich fragte er: Wie heißt der Ort? - -Heißen? -- Welchen Namen hat er? Wir müssen ihm einen Namen geben. - -Daran hatten die Leute nicht gedacht, und Inger und Isak sahen einander -an. - -Sellanraa? sagte der Lensmann. Er hatte diesen Namen wohl erfunden, es -war vielleicht gar kein Name, aber er wiederholte: Sellanraa! nickte -und fuhr davon. - -Alles aufs Geratewohl, die Grenzscheide, den Preis, den Namen ... - -Einige Wochen später, als Isak im Dorfe war, hörte er, daß es mit -dem Lensmann Schwierigkeiten gegeben habe. Es war nach verschiedenen -Geldern geforscht worden, über die er nicht Rechenschaft hatte ablegen -können, und man hatte ihn deshalb beim Landrichter angezeigt. So -schlimm kann es kommen; manche Menschen taumeln so durchs Leben dahin, -dann kommen sie an denen, die bedächtigen Schrittes gehen, zu Fall! - -Eines Tages, als Isak mit einer seiner letzten Holzfuhren im Dorf -gewesen war und sich auf dem Heimweg befand, geschah es, daß er den -Lensmann fahren sollte. Der Lensmann trat ohne weiteres mit einer -Reisetasche in der Hand aus dem Walde heraus und sagte: Laß mich bei -dir aufsitzen! - -Sie fuhren eine Weile, keiner von beiden sprach ein Wort. Ab und zu -zog der Lensmann eine Flasche heraus und trank einen Schluck; er bot -auch Isak an, der aber dankte. Ich fürchte für meinen Magen auf dieser -Reise, sagte der Lensmann. - -Dann sprach er von Isaks Hofangelegenheit und sagte: Ich habe die -Sache gleich weiterbefördert und sie warm empfohlen. Sellanraa ist ein -hübscher Name. Eigentlich hättest du das Land umsonst haben sollen, -aber wenn ich das geschrieben hätte, wäre der Staat unverschämt -geworden und hätte seinen eigenen Preis angesetzt. Ich habe fünfzig -Taler geschrieben. -- Ach so, habt Ihr also nicht hundert Taler -geschrieben? -- Der Lensmann runzelte die Stirn und überlegte, dann -sagte er: Soviel ich mich erinnere, habe ich fünfzig Taler geschrieben. - -Wohin reist Ihr jetzt? fragte Isak. -- Nach Vesterbotten, zur Familie -meiner Frau. -- In dieser Jahreszeit? Das ist ein böser Weg, um da -hinüberzukommen. -- Oh, es wird schon gehen. Kannst du mich nicht ein -Stück weit begleiten? -- Doch. Ihr dürft nicht allein gehen. - -Sie erreichten die Ansiedlung, und der Lensmann übernachtete in der -Kammer. Am Morgen nahm er wieder einen Schluck aus seiner Flasche und -sagte: Ich ruiniere mir gewiß den Magen auf dieser Reise. Sonst war -er ganz wie bei seinem letzten Besuch, wohlwollend entschieden, aber -etwas fahrig und nur wenig mit seinem eigenen Schicksal beschäftigt; -vielleicht war es auch gar nicht so trostlos. Als Isak sagte, nicht -die ganze Halde sei angebaut, sondern nur ein kleines Stück davon, nur -ein paar Felder, gab der Lensmann die überraschende Antwort: Das hab' -ich wohl verstanden, als ich damals hier saß und schrieb. Aber mein -Fuhrmann Brede verstand nichts davon, er ist ein Esel. Das Ministerium -hat eine Art Tabelle. Wenn nun auf so einer großen Landstrecke so wenig -Heulasten und so wenig Kartoffeltonnen geerntet werden, dann sagt die -Tabelle des Ministeriums, das sei elender Boden, billiger Boden. Ich -bin auf deiner Seite gewesen, und ich verpfände gern meine Seligkeit -auf dieses Schelmenstück. Ja, zwei- bis dreitausend solcher Männer, wie -du einer bist, sollten wir hier im Lande haben. Der Lensmann nickte und -wendete sich dann an Inger: Wie alt ist der Kleinste? -- Jetzt ist er -dreiviertel Jahr alt. -- Und es ist ein Junge? -- Ja. -- - -Aber du mußt dich ins Zeug legen und deine Hofangelegenheit so rasch -wie möglich in Ordnung bringen, sagte der Lensmann zu Isak. Es ist noch -ein Mann da, der ungefähr auf halbem Wege zwischen hier und dem Dorf -kaufen will, und dann steigt der Boden im Wert. Kauf du nur zuerst, -dann mag der Preis nachher steigen. Du aber hast dann doch etwas von -all deiner Arbeit. Du hast den Anfang gemacht hier im Ödland. - -Die Leute waren ihm dankbar für seinen Rat und fragten ihn, ob er -denn nicht selbst die Angelegenheit zum Abschluß bringen werde. Er -antwortete, er habe nun das seinige dabei getan, es komme jetzt nur -noch auf den Staat an. Ich reise jetzt nach Vesterbotten und kehre -nicht mehr hierher zurück, sagte er geradeheraus. - -Er gab Inger ein Geldstück, aber das war wirklich zu viel. Vergiß -nicht, meiner Familie im Dorf etwas zum Schlachten mitzubringen, ein -Kalb oder ein Schaf, meine Frau bezahlt dir's. Nimm auch ab und zu ein -paar Ziegenkäse mit, meine Kinder essen ihn so gern, sagte er. - -Isak begleitet ihn übers Gebirge; auf der Höhe lag fester Harsch, man -konnte also gut vorwärts kommen. Isak bekam einen ganzen Taler. - -So zog denn Lensmann Geißler fort und kehrte nicht mehr ins Dorf -zurück. Die Leute sagten, es sei ihnen einerlei; man hielt ihn für -einen unzuverlässigen Menschen und einen Abenteurer. Nicht, daß er -nicht genug gewußt hätte, er war ein wohlunterrichteter Mann, der viel -gelernt hatte, aber er tat sich zu viel darauf zugut und verbrauchte -anderer Leute Geld. Es wurde ruchbar, daß er auf ein scharfes Schreiben -von Amtmann Pleym hin durchgebrannt war; aber seiner Familie geschah -nichts Böses, sie bestand aus der Frau und drei Kindern, und die -blieben noch längere Zeit in der Gemeinde wohnen. Übrigens dauerte -es nicht lange, bis die fehlenden Gelder von Schweden aus geschickt -wurden; die Lensmannsfamilie war dann nicht mehr als Pfand da, sondern -blieb aus freiem Willen, weil sie selbst es wollte. - -Für Isak und Inger war dieser Geißler kein schlechter Mensch gewesen, -im Gegenteil. Gott mochte wissen, wie sich nun der neue Lensmann zu der -Sache stellen würde, ob am Ende das ganze Geschäft mit der Ansiedlung -noch einmal gemacht werden mußte! - -Der Amtmann schickte einen von seinen Schreibern in die Gemeinde, das -war der neue Lensmann. Es war ein Mann in den Vierzigern, der Sohn -eines Vogts und hieß Heyerdahl; er war zu arm gewesen, um zu studieren -und Beamter zu werden, aber er hatte auf einer Gerichtsstube gesessen -und war da fünfzehn Jahre lang Schreiber gewesen. Da er niemals Geld -genug zum Heiraten gehabt hatte, war er Junggeselle; der Amtmann Pleym -hatte ihn von seinem Vorgänger geerbt und gab ihm dasselbe armselige -Gehalt, das er vorher bezogen hatte. Heyerdahl empfing sein Gehalt -und schrieb weiter. Er wurde ein mißmutiger, vertrockneter, aber -zuverlässiger und rechtschaffener Mann, war dabei auch, soweit seine -Begabung reichte, sehr tüchtig zu den Arbeiten, die er einmal gelernt -hatte. Jetzt, da er Lensmann geworden war, stieg sein Selbstgefühl -bedeutend. - -Isak faßte sich ein Herz und ging zu ihm. - -Die Sache Sellanraa -- ja, da ist sie, vom Ministerium zurückgekommen. -Die Herren wollen über vieles noch Aufklärung haben, das Ganze ist -ja von der Hand dieses Geißlers das reine Durcheinander, sagte der -Lensmann. Das Königliche Ministerium will wissen, ob da vielleicht -große herrliche Multebeerenmoore auf dem Platze sind. Ob Hochwald da -ist. Ob sich möglicherweise Erze und verschiedene andere Metalle in den -Bergen ringsum finden. Es sei ein großer Gebirgssee genannt, ob es da -Fische gebe. Dieser Geißler hat allerdings einige Aufklärung gegeben, -aber es ist ja kein Verlaß auf ihn, ich muß hier alles von ihm genau -durchgehen. Ich werde also so bald wie möglich auf deine Ansiedlung -nach Sellanraa hinaufkommen und alles untersuchen und es einschätzen. -Wie viele Meilen ist es hinauf? Das Königliche Ministerium will, daß -die Grenzen ordentlich abgeschritten werden. -- Es wird sehr schwierig -sein, die Grenzscheide vor dem Sommer abzuschreiten, sagte Isak. -- -Ach, es wird sich schon machen lassen. Wir können das Ministerium nicht -bis zum Sommer auf Antwort warten lassen, versetzte Heyerdahl. Ich -komme in den nächsten Tagen hinauf. Bei derselben Gelegenheit soll vom -Staat aus auch noch an einen andern Mann Siedlungsland verkauft werden. --- Ist das der Mann, der auf halbem Wege von der Gemeinde bis zu mir -herauf Land kaufen will? -- Das weiß ich nicht, aber vielleicht ist er -es. Ein Mann von hier übrigens, mein Schätzungsmann, mein Amtsdiener. -Er hat schon bei Geißler wegen des Kaufs angefragt; aber Geißler hatte -ihn abgewiesen und gesagt, er könne ja nicht einmal zweihundert Ellen -umgraben. Da hat der Mann an das Landgericht selbst geschrieben, und -jetzt ist mir die Sache zur Begutachtung übergeben. Ja, dieser Geißler! - -Lensmann Heyerdahl kam zur Ansiedlung und hatte den Schätzungsmann -Brede bei sich. Sie waren sehr naß geworden beim Überschreiten -des Moors und wurden noch nasser, als sie dann im schmelzenden -Frühjahrsschnee die Grenze den Berghang hinauf abschreiten sollten. -Am ersten Tag war der Lensmann sehr eifrig, am zweiten ging er müde -dahin und blieb weit unten stehen, rief nur und deutete. Nein, es war -nicht mehr die Rede davon, die „Berge ringsum abzuschürfen”, und die -Multebeermoore sollten erst auf dem Heimweg genau untersucht werden, -sagte er. - -Das Ministerium hatte viele Fragen gestellt, es hatte wohl wieder eine -Tabelle vor; die einzige von diesen Fragen, die einen Sinn hatte, -war die nach dem Walde. Ganz richtig, es war etwas Hochwald da, und -er stand innerhalb Isaks Viertelmeile, aber es war kein Bauholz zum -Verkauf da, nur gerade genug für den eigenen Bedarf. Aber selbst -wenn hier Bauholz gestanden hätte, wer hätte es meilenweit ins Dorf -hinunterschaffen sollen? Das konnte nur der Mühlengeist Isak, wenn er -im Laufe des Winters ein paar Stämme hinunterfuhr und dafür Balken und -Bretter bekam. - -Es zeigte sich, daß dieser merkwürdige Mann Geißler eine Darstellung -gegeben hatte, die man nicht außer acht lassen konnte. Da saß nun -der neue Lensmann und versuchte, seinem Vorgänger etwas am Zeuge zu -flicken und Fehler zu finden, mußte dieses Bemühen aber aufgeben. So -fragte er nur öfter als Geißler seinen Begleiter und Schätzungsmann um -Rat und richtete sich nach dessen Worten, und derselbe Schätzungsmann -mußte sich wohl bekehrt und eine andere Ansicht bekommen haben, seit -er selbst Allmende vom Staat kaufen wollte. -- Was denkst du über -diesen Preis? fragte der Lensmann. -- Fünfzig Taler ist mehr als genug -für den, der es kaufen muß, antwortete der Schätzungsmann. -- Der -Lensmann faßte das Gesuch in wohlgesetzten Worten ab. Geißler hatte -geschrieben: Der Mann will von jetzt an auch jährliche Steuer bezahlen, -er sieht sich nicht in der Lage, eine höhere Kaufsumme zu entrichten -als fünfzig Taler, auf zehn Jahre verteilt. Der Staat muß dieses -Angebot annehmen oder dem Mann sein Land und seine Arbeit entziehen. -- -Heyerdahl schrieb: Der Mann ersucht ehrerbietig das hohe Ministerium, -das Grundstück, das ihm nicht gehört, auf das er aber bedeutende Arbeit -verwendet hat, behalten zu dürfen für 50 -- fünfzig -- Speziestaler, zu -bezahlen in Terminen nach dem wohlwollenden Ermessen des Ministeriums. - -Ich glaube, es wird mir gelingen, dir das Grundstück zu sichern, sagte -Lensmann Heyerdahl zu Isak. - - - - -6 - - -Heute soll der große Stier fortgeführt werden. Er ist ein ungeheures -Tier geworden und zu wertvoll, um noch länger auf der Ansiedlung zu -bleiben. Isak will hinunter ins Dorf mit ihm, ihn verkaufen und dafür -einen netten jungen Stier mitbringen. - -Inger ist es, die das durchgesetzt hat, und Inger wußte wohl, was sie -tat, wenn sie Isak gerade an diesem Tag fort haben wollte. - -Wenn du gehen willst, muß es heute sein, sagte sie. Der Stier ist -gemästet, gemästete Ware steht im Frühjahr gut im Preis, er kann in -die Stadt geschickt werden. Da werden Riesensummen bezahlt. -- Ja, -ja, sagte Isak. -- Die einzige Gefahr ist, daß der Stier auf dem -Hinunterweg wild werden könnte, fuhr Inger fort. -- Darauf gab Isak -keine Antwort. -- Aber seit einer Woche ist er immer etwas draußen -gewesen, hat sich umgesehen und sich ans Freie gewöhnt. -- Isak -schwieg; aber er hängte ein großes Messer am Riemen um und führte den -Stier heraus. - -Ach, was für ein Koloß, prächtig und furchtbar zugleich, seine Lenden -schwankten bei jedem Schritt! Er war ziemlich kurzbeinig; wenn er -dahinschritt, brach er mit der Brust den Jungwald nieder, er war wie -eine Lokomotive. Sein Hals war gewaltig bis zur Unförmigkeit, in diesem -Hals wohnte die Stärke eines Elefanten. - -Wenn er jetzt nur nicht wild wird und auf dich losgeht, sagte Inger. --- Erst nach einer Weile antwortete Isak: Nun, dann muß ich ihn eben -unterwegs schlachten und das Fleisch fortschaffen. - -Inger setzte sich auf die Türschwelle. Es war ihr übel, und ihr Gesicht -war brennend rot. Sie hatte sich aufrecht gehalten, bis Isak gegangen -war, jetzt verschwand er mit dem Stier im Walde, und Inger konnte ohne -Gefahr stöhnen. Der kleine Eleseus kann schon sprechen, und er fragt: -Mutter weh? -- Ja, weh. -- Er ahmt seine Mutter nach, greift sich nach -dem Rücken und stöhnt auch. Klein-Sivert schläft. - -Inger nimmt Eleseus mit sich hinein, gibt ihm allerlei Sachen, womit er -auf dem Boden spielen kann, und legt sich selbst zu Bett. Ihre Stunde -war gekommen. Sie ist die ganze Zeit bei vollem Bewußtsein, gibt auf -Eleseus acht, läßt ihren Blick über die Wiege hinschweifen und sieht -auf die Uhr an der Wand. Sie schreit nicht, bewegt sich kaum; ein -Kampf geht in ihren Eingeweiden vor sich, eine Last gleitet plötzlich -von ihr ab. Fast im selben Augenblick hört sie ein fremdes Geschrei -in ihrem Bett, ein liebes Stimmchen weint. Und jetzt hat Inger keine -Ruhe mehr, sie richtet sich auf und schaut an sich hinunter. Was sieht -sie? Ihr Gesicht wird im selben Augenblick aschgrau und starr, ohne -Ausdruck und Verstand, ein Ächzen wird laut, ein so unnatürliches, so -erschütterndes, wie ein Heulen aus ihrem Innersten heraus. - -Sie sinkt zurück. Eine Minute vergeht, sie hat keine Ruhe, das Weinen -im Bett wird lauter, sie richtet sich wieder auf und schaut -- ach -Gott, das schlimmste von allem, ohne Gnade, und das Kind ist überdies -ein Mädchen! - -Isak konnte vielleicht noch nicht eine halbe Meile weit gekommen sein, -und es war jetzt kaum eine Stunde vergangen, seit er den Hof verlassen -hatte. In zehn Minuten war das Kind geboren und umgebracht ... - -Am dritten Tag kehrte Isak zurück; er führte einen mageren, halb -verhungerten Stier, der kaum vorwärts kommen konnte, an der Leine, -deshalb war er so lange unterwegs gewesen. - -Wie ist es gegangen? fragte Inger, und doch war sie selbst recht -gedrückt und krank. - -Oh, es war ganz leidlich gegangen. Ja, ja, während der letzten halben -Meile war der Stier allerdings wild geworden. Isak hatte ihn anbinden -und Hilfe aus dem Dorfe holen müssen. Als er zurück kam, hatte der -Stier sich losgerissen, und sie hatten ihn lange suchen müssen. Na, es -war ja alles noch gut abgelaufen. Der Händler, der Schlachtvieh für die -Stadt aufkaufte, hatte gut bezahlt. -- Und da ist nun der neue Stier, -sagte Isak, bring die Kinder heraus und seht ihn euch an! - -Das gleiche Interesse für jedes neue Stück Vieh. Inger betrachtete den -Stier, befühlte ihn und fragte nach dem Preis. Klein-Sivert durfte auf -seinem Rücken sitzen. -- Es tut mir leid um den großen Stier, sagte -Inger, er war so glänzend und brav! Wenn sie ihn jetzt nur ordentlich -abschlachten! - -Die Tage waren mit Frühjahrsarbeit ausgefüllt, die Tiere waren -hinausgelassen worden, in dem leeren Stall standen Kisten und Kasten -voll Saatkartoffeln. Isak säte in diesem Jahr mehr Korn als sonst und -wandte seinen äußersten Fleiß auf, um es gut in die Erde zu bringen, -er richtete Beete für Karotten und Rüben, und Inger streute den Samen -hinein. Alles ging wie früher. - -Eine Zeitlang trug Inger ein Heukissen auf dem Leib, um dick -auszusehen. Allmählich verminderte sie das Heu, und schließlich ließ -sie den Sack weg. Endlich eines Tages fiel es Isak auf, und er fragte -verwundert: Was ist denn das? Ist diesmal nichts daraus geworden? -- -Nein, sagte sie, diesmal nicht. -- So, warum nicht? -- Ach, es war -eben so. Was glaubst du, Isak, bis wann du alles das umgebrochen haben -wirst, das wir da vor uns sehen? -- Ist es eine Fehlgeburt gewesen? -fragte er. -- Ja. -- So. Und du hast keinen Schaden davongetragen? -- -Nein. Du, Isak, ich habe schon sooft gedacht, ob wir uns nicht Schweine -aufziehen sollten. -- Isak, der sehr bedächtig war, sagte nach einer -Weile: Ja, ein Schwein. Ich hab' in jedem Frühjahr daran gedacht. Aber -solange wir nicht mehr Eßkartoffeln und auch Futterkartoffeln und etwas -mehr Getreide haben, haben wir kein Futter für ein Schwein. Nun, wir -wollen in diesem Jahr einmal sehen. -- Es wäre sehr schön, wenn wir ein -Schwein hätten. -- Ja. - -Die Tage vergehen. Regen fällt, und Acker und Wiese stehen schön, in -diesem Jahr darf man auf Gutes hoffen! Große und kleine Erlebnisse -folgen einander, es gibt Mahlzeiten, Schlaf und Arbeit, Sonntage mit -rein gewaschenen Gesichtern und gekämmten Haaren, Isak trägt sein neues -rotes Hemd, das Inger gewebt und genäht hat. Da geschieht es, daß das -gleichmäßige Leben durch ein großes Ereignis aufgescheucht wird. Ein -Mutterschaf mit seinem Lamm hat sich in einem Felsenspalt eingeklemmt; -die anderen Schafe kommen am Abend heim, Inger vermißt sofort die -beiden, die fehlen. Isak geht hinaus, sie zu suchen. Sein erster -Gedanke ist, wenn ein Unglück geschehen sei, so sei es nur gut, daß -es gerade Sonntag sei und er somit nicht von der Arbeit weg müsse. Er -sucht stundenlang, endlos ist das Weideland, er geht und geht. Daheim -ist das ganze Haus in Aufregung; die Mutter beschwichtigt ihre Kinder -mit kurzen Worten: Zwei Schafe fehlen, schweigt! Alle tragen an der -Sorge mit, die ganze kleine Gesellschaft, selbst die Kühe merken, daß -etwas Ungewöhnliches vorgeht, und brüllen, denn bisweilen ist Inger -draußen und lockt mit lauter Stimme nach dem Walde hin, obgleich die -Nacht schon herannaht. Dies ist ein Ereignis im Ödland, ein allgemeines -Unglück. Als Inger die Kinder zu Bett gebracht hat, geht sie selbst -hinaus und sucht auch; dazwischen ruft sie, bekommt aber keine Antwort, -Isak ist wohl auch weit weg. - -Wo können die Schafe nur sein, was ist ihnen geschehen? Sind Bären -unterwegs? Sind Wölfe von Schweden und Finnland übers Gebirge -herübergekommen? Keins von beiden. Als Isak die Vermißten findet, ist -das Mutterschaf in eine Felsenspalte eingeklemmt mit einem gebrochenen -Bein und stark verletztem Euter. Es muß lange in der Felsenspalte -festgehalten worden sein, denn obgleich es ernstlich verwundet ist, hat -es doch das Gras um sich her bis an die Wurzeln abgenagt. Isak hebt -das Schaf heraus, und das erste, was dieses tut, ist, nach Futter zu -suchen. Das Lamm saugt sofort an der Mutter, es ist die reine Heilung -für das arme wunde Euter, daß es geleert wird. - -Nun sucht Isak Steine und wirft sie in die gefährliche Felsenspalte; -diese heimtückische Öffnung soll nie wieder ein Schafbein brechen! Isak -trägt lederne Hosenträger, er zieht sie aus, legt sie um das Schaf und -hält dadurch das aufgerissene Euter an seinem Platz. Dann hebt er das -Schaf auf seine Schulter und trägt es heim. Das Lamm läuft hinter ihm -her. - -Und nachher? Schienen und Teerlappen. In einigen Tagen fängt das Schaf -an, mit dem kranken Fuß zu zappeln, weil die Wunde beißt und heilt. Ja, -alles miteinander wird wieder gut -- bis sich wieder etwas ereignet. - -Das tägliche Leben, Ereignisse, die das Leben der Ansiedler ganz -ausfüllen. Ach, das sind keineswegs Kleinigkeiten, es ist das -Schicksal, es gilt Glück, Behagen und Wohlfahrt. - -Isak benutzt die Zeit zwischen Frühjahr- und Sommerarbeit, um ein paar -neue Stämme zu behauen, die gefällt daliegen; er hat wohl einen Plan -mit ihnen. Außerdem bricht er viele nützliche Steine aus und schafft -sie zum Hofe hin. Wenn er genug Steine beisammen hat, schichtet er sie -zu einer Mauer. Wäre es nun noch wie vor einem Jahr gewesen, so wäre -Inger neugierig geworden und hätte sich gefragt, was denn ihr Mann im -Sinne habe; aber jetzt beschäftigte sie sich lieber mit ihren eigenen -Sachen und stellte keine Fragen mehr. Inger ist so fleißig wie früher; -sie versorgt das Haus und die Kinder und die Tiere, aber sie hat -angefangen zu singen, und das tat sie früher nicht. Sie hat Eleseus ein -Abendgebet gelehrt, das hatte sie früher nicht getan. Isak vermißt ihre -Fragen; ihre Neugierde und ihr Lob über das, was er leistete, waren es, -die ihn zu einem zufriedenen und einem ausgezeichneten Mann gemacht -hatten. Jetzt geht sie an ihm vorbei und sagt höchstens, er werde sich -noch zu Tode schinden. Es muß ihr beim letztenmal doch recht schlecht -gegangen sein! denkt Isak. - -Oline kommt wieder zu Besuch. Wäre es nun noch wie im vorigen Jahre -gewesen, so hätte man sie sehr willkommen geheißen; aber jetzt ist es -anders. Inger begegnet ihr vom ersten Augenblick an feindselig; was nun -auch der Grund sein mag, aber Inger ist ihr feindselig gesinnt. - -Ich dachte halb und halb, ich würde zu rechter Zeit kommen, sagt Oline -mit feiner Anspielung. -- Wieso? -- Ja, daß das dritte getauft werden -sollte. Wie steht es damit? -- Ach, sagte Inger, darum hättest du dich -nicht herzubemühen brauchen. -- So. - -Dann fängt Oline an zu loben, die beiden Jungen seien so groß und -hübsch geworden, und Isak sei so fleißig, und es sehe aus, als wolle -er wieder bauen -- großartig sei es hier, so einen Hof gebe es nicht -wieder! Und kannst du mir sagen, was er jetzt bauen will? -- Nein, das -kann ich nicht, du mußt ihn selbst danach fragen. -- Nein, sagt Oline, -das geht mich nichts an. Ich wollte nur sehen, wie es euch geht, denn -dies ist eine große Freude und Beruhigung für mich. Nach Goldhorn will -ich gar nicht fragen oder ihren Namen in den Mund nehmen, sie hat es ja -so gut wie nur möglich. - -Eine Weile vergeht unter guter Unterhaltung, und Inger ist nicht mehr -so unfreundlich. Als die Uhr an der Wand ihre herrlichen Schläge -ertönen läßt, treten Oline die Tränen in die Augen; sie sagt, sie habe -in ihrem ganzen armen Leben noch nie so eine Kirchenorgel gehört. Da -fühlt sich Inger wieder reich und großmütig aufgelegt gegen die arme -Verwandte, und sie sagt: Komm mit in die Kammer, ich zeig dir meinen -Webstuhl. - -Oline bleibt den Tag über da. Sie spricht mit Isak und lobt alles, was -er getan hat. -- Ich höre, du hast nach jeder Richtung hin eine Meile -gekauft, hättest du es nicht umsonst haben können? Wer hat es dir -mißgönnt? - -Jetzt bekam Isak die Lobsprüche, die ihm gefehlt hatten, und er fühlte -sich wieder mehr anerkannt und obenauf. Ich kaufe es von der Regierung, -antwortet er. -- Jawohl, aber sie soll nicht wie ein Raubtier gegen -dich sein, diese Regierung. Was baust du? -- Das weiß ich noch nicht. -Es wird nichts Besonderes herauskommen. -- Du schindest dich und -baust, du hast gemalte Türen und eine Wanduhr in der Stube, dann -baust du wohl eine Großstube? -- Ach, spotte nicht! erwidert Isak. -Aber es gefällt ihm gut, und er sagt zu Inger: Kannst du nicht ein -klein wenig Sahnengrütze für unsern Gast kochen? -- Nein, antwortete -Inger, denn ich habe erst gebuttert. -- Ich spotte nicht, ich bin nur -ein einfältiges Frauenzimmer, das Fragen stellt, beeilte sich Oline -einzuwerfen. Na ja, wenn es keine Großstube ist, so wird es wohl ein -mächtiges Gebäude zu einer Scheune. Du hast Acker und Wiesen, und alles -wächst heran, und es ist so, wie es in der Bibel steht, hier fließen -Milch und Honig. - -Isak fragt: Wie sind die Aussichten heuer in eurer Gegend? -- Ach, es -geht an. Wenn nur unser Herrgott nicht auch diesmal Feuer drauf fallen -und es verbrennen läßt, Gott verzeih mir meine Sünden! Alles steht in -seiner Hand und Allmacht. Aber so großartig wie hier bei euch steht es -nirgends bei uns, o weit, weit entfernt! - -Inger erkundigte sich nach einigen von ihren anderen Verwandten, -besonders nach dem Oheim Sivert, dem Bezirkskassierer, der ist der -große Mann der Familie, besitzt ein Großnetz und einen Bootsschuppen, -er weiß bald nicht mehr, was er mit all seinem Reichtum anfangen soll. - -Während dieser Unterhaltung versinkt Isak mehr und mehr in Gedanken, -und sein neuer Bauplan ist vergessen. Schließlich sagt er: Nun, da du -es durchaus wissen willst, Oline, so ist es eben eine kleine Scheune -mit einer Dreschtenne, die ich zu bauen versuchen will. - -Das hab' ich mir gedacht, sagte Oline. Rechte Leute pflegen vorwärts -und rückwärts zu denken und alles im Kopf zu haben. Hier ist keine -Kanne und kein Gefäß, die du dir nicht im voraus ausgedacht hättest. -Und mit einer Tenne, hast du gesagt, nicht wahr? - -Isak ist ein großes Kind, Olines Lobhudeleien steigen ihm zu Kopf, und -er macht sich ein wenig lächerlich. Ja, was das neue Haus betrifft, so -soll eine Tenne drinnen sein, das ist meine Meinung und Absicht, sagt -er. -- Eine Tenne! sagt Oline bewundernd und wiegt den Kopf hin und -her. -- Ja, denn was sollen wir mit Korn auf dem Acker, wenn wir es -nicht dreschen können? sagt er. -- Es ist, wie ich sage, du denkst dir -alles im Kopf aus, versetzt Oline. - -Inger ist wieder unfreundlich geworden, das Gerede zwischen den beiden -hat sie wohl aufgeregt, und sie sagt plötzlich: Sahnengrütze -- wo soll -ich denn die Sahne hernehmen? Gibt es etwa Sahne im Fluß? - -Oline weicht der Gefahr aus. Liebste, beste Inger, versteh mich doch -recht! Du brauchst dich nicht wegen der Sahnengrütze zu entschuldigen -oder auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Wegen einer Person wie -ich, die sich nur auf den Höfen herumtreibt! - -Isak bleibt noch eine Weile sitzen, dann sagt er: Nein, hier sitze -ich und sollte doch Steine zu meiner Mauer ausbrechen. -- Ja, zu so -einer Mauer wie diese hier braucht man viele Steine! -- Viele Steine? -erwiderte Isak. Ja, es ist gerade, als wären es niemals genug. - -Als Isak gegangen ist, werden die beiden Frauen wieder einträchtiger, -sie haben so viel über die Gemeinde miteinander zu reden. Die Stunden -vergehen. Am Abend bekommt Oline zu sehen, wie der Viehstand gewachsen -ist. Zwei Kühe mit dem Stier, zwei Kälber, ein Gewimmel von Ziegen und -Schafen. Wo will das noch hinaus! sagt Oline und schlägt die Augen zum -Himmel auf. - -Sie bleibt über Nacht. - -Aber am nächsten Tag geht sie. Wieder hat sie etwas in einem Bündel -mitbekommen; da Isak im Steinbruch ist, macht sie einen kleinen Umweg, -um ihn zu vermeiden. - -Zwei Stunden später erscheint Oline wieder in der Ansiedlung; sie tritt -ein und fragt: Wo ist Isak? - -Inger ist beim Geschirraufwaschen. Sie merkt, daß Oline bei Isak und -den Kindern, die im Steinbruch sind, vorbeigekommen sein muß, und -sie ahnt gleich Unrat. Oline, was willst du von Isak? fragt sie. -- -Oh, nichts Besonderes! Aber ich habe ihm nicht Lebewohl gesagt. -- -Schweigen. Oline sinkt ohne weiteres auf eine Bank nieder, wie wenn -sie ihre Beine nicht mehr tragen wollten. Sie läßt absichtlich etwas -Ungewöhnliches ahnen, gerade indem sie zeigt, daß sie am Umsinken ist. -Nun kann sich Inger nicht länger beherrschen, ihr Gesicht ist verzerrt -und drückt Wut und Entsetzen aus. Sie sagt: Ich hab' einen Gruß von -dir bekommen durch Os-Anders. Es war ein netter Gruß. -- Was denn? -- -Es war ein Hase. -- Was du nicht sagst? versetzte Oline merkwürdig -freundlich. -- Wage nicht, es zu leugnen! ruft Inger mit irren Augen. -Ich schlage dir mit der Holzkelle hier mitten ins Gesicht! So, da! - -Schlug sie zu? Ja, gewiß. Und da Oline nicht beim ersten Schlag -zurücktaumelt, sondern im Gegenteil aufsässig wird und ruft: Nimm -dich in acht! Ich weiß, was ich von dir weiß! da gebraucht Inger die -Holzkelle weiter und schlägt Oline zu Boden, zwingt sie unter sich und -setzt ihr das Knie auf die Brust. - -Willst du mich ganz töten? fragt Oline. Sie hatte diesen schrecklichen -Hasenmund über sich, eine große, starke Frau mit einem wahren Prügel -von einem Holzlöffel in der Hand. Oline hatte schon Beulen von den -Schlägen, sie blutete, aber sie knurrte noch mehr und gab nicht nach. -So, du willst mich _auch_ umbringen? -- Ja -- dich umbringen, antwortet -Inger und schlägt weiter. Da hast du! Ich werde dich totschlagen! -- -Sie hatte jetzt die Gewißheit, daß Oline ihr Geheimnis kannte, und es -war ihr alles einerlei. -- Da hast du eins auf deinen Rachen! -- Meinen -Rachen! _Du_ hast einen Rachen! stöhnt Oline. Unser Herrgott hat dir -ein Kreuz ins Gesicht geschnitten. - -Da Oline zu zäh ist, um überwältigt werden zu können, ja, verdammt -zäh, muß Inger mit ihren Schlägen aufhören; es nützt alles nichts, -sie erschöpft sich nur selbst. Aber sie droht -- oh, sie droht Oline -mit der Holzkelle dicht vor den Augen, oh, sie werde noch bekommen, -sie werde noch für alle Zeiten genug bekommen! Ich hab' auch ein -Küchenmesser, du wirst es gleich sehen! - -Sie richtet sich auf, wie um nach dem Messer zu greifen, nach dem -großen Tischmesser; aber jetzt ist ihre erste Aufregung vorüber, und -sie gebraucht nur noch den Mund. Oline richtet sich auch auf und setzt -sich wieder auf die Bank, blau und gelb im Gesicht, voller Beulen und -blutig. Sie streicht sich das Haar zurück, rückt ihr Kopftuch zurecht, -spuckt aus; ihr Mund ist verschwollen! Du Vieh! sagt sie. - -Du bist im Wald gewesen und hast herumgeschnüffelt! ruft Inger; dazu -hast du die Stunden angewendet, und du hast das kleine Grab gefunden. -Aber du hättest gleich ein Loch für dich selbst graben sollen! -- Du -wirst schon sehen! erwidert Oline, und ihre Augen funkeln vor Rachgier. -Ich sage nichts mehr, aber nun wirst du keine Stube nebst Kammer und -Orgelwerk mehr haben. -- Das kannst du nicht bestimmen! -- Oh, das -werden die Oline und ich bestimmen! - -Die zwei Weiber zanken sich weiter. Oline ist nicht so grob und laut, -sie ist in ihrer häßlichen Bosheit geradezu friedlich, aber sie ist -verbissen und gefährlich. Ich gehe, um mein Bündel zu holen, ich -bereue, daß ich es im Wald hab' liegen lassen. Ich gebe dir die Wolle -zurück, ich will sie gar nicht haben. -- So, du denkst wohl, ich hätte -sie gestohlen. -- Das weißt du selbst, was du getan hast. - -Darüber zanken sie sich wieder. Inger sagt, sie wolle das Schaf zeigen, -von dem sie die Wolle geschoren habe. Oline erwidert friedlich und -gelassen: Jawohl, aber wer weiß, wo du das erste Schaf herhast? -- -Inger nennt Namen und Ort, wo ihre ersten Schafe und Lämmer in Futter -gestanden haben. Und das sag ich dir, nimm dich ein für allemal mit -deinem Mund in acht! droht sie. -- Haha! lacht Oline verächtlich. -Sie hat immer eine Antwort bereit und gibt nicht nach. Meinen Mund! -Und deinen eigenen Mund! Sie deutet auf Ingers Hasenscharte und -sagt, sie sei ein Abscheu vor Gott und den Menschen. Inger antwortet -wutschnaubend, und da Oline dick ist, schimpft sie sie einen Fettwanst --- ein solcher gemeiner Fettwanst, wie du bist! Und ich danke dir auch -für den Hasen, den du mir geschickt hast. -- Hasen? Wenn ich in allem -so frei von Schuld wäre wie bei dem Hasen! Wie sah er denn aus? -- Wie -sieht ein Hase aus? -- Wie du! Ganz genau wie du! Und du hättest es gar -nicht nötig, Hasen anzusehen. -- Jetzt machst du, daß du hinauskommst! -schreit Inger. Du hast Os-Anders mit dem Hasen hierhergeschickt. Ich -werde dich strafen lassen. -- Strafen lassen! Hast du strafen lassen -gesagt? -- Du bist voller Neid, du gönnst mir nichts von allem, was ich -habe, und du verbrennst fast vor Neid darüber, fährt Inger fort. Seit -ich verheiratet bin und Isak und alles, was hier ist, bekommen habe, -hast du vor lauter Mißgunst fast kein Auge mehr zugetan. Großer Gott -und Vater im Himmel, was willst du denn von mir? Ist es meine Schuld, -daß deine Kinder nicht irgendwohin kamen, wo etwas aus ihnen geworden -ist? Du kannst es nicht ertragen, daß meine Kinder wohlgestaltet sind -und schönere Namen haben als die deinigen, aber kann ich etwas dafür, -daß sie von besserem Fleisch und Blut sind, als deine waren! - -Konnte etwas Oline rasend machen, so war es dies. Sie hatte so viele -Kinder geboren und besaß nichts als diese Kinder, so wie sie nun einmal -waren; sie sagte, sie seien gut und prahlte mit ihnen, sie log ihnen -Verdienste an, die sie nicht hatten, und verbarg ihre Fehler. -- Was -hast du gesagt? erwiderte sie Inger. Daß du nicht vor Scham in die -Erde versinkst. Meine Kinder, die im Vergleich zu den deinen wie eine -himmlische Engelschar waren! Wagst du es, meine Kinder in den Mund zu -nehmen? Alle sieben waren als klein wahre Gottesgeschöpfe und jetzt als -erwachsen sind sie alle miteinander groß und wohlgestaltet. Nimm dich -in acht, du! -- Und die Lise, kam sie nicht ins Gefängnis, wie war denn -das? fragt Inger. -- Sie hatte nichts getan, sie war so unschuldig wie -eine Blume, sagt Oline. Und jetzt ist sie in Bergen verheiratet und -geht im Hut. Aber was tust du? -- Und wie war's mit Nils? -- Es ist -mir nicht der Mühe wert, dir zu antworten. Aber du hast eines drüben -im Walde liegen, was hast du mit dem getan? Du hast es umgebracht. -- -Pack dich und mach, daß du hinauskommst! schreit Inger wieder, und sie -dringt aufs neue auf Oline ein. - -Aber Oline weicht nicht, sie steht nicht einmal auf. Diese -Unerschrockenheit, die wie Verstocktheit aussieht, lähmt Inger -abermals, und sie sagt nur: Jetzt hole ich aber gleich das Hackmesser! --- Laß das lieber sein, rät Oline, ich gehe schon von selbst. Aber was -das betrifft, daß du deine eigenen Verwandten hinauswirfst, so bist du -ein Vieh. -- Ja, aber mach nur, daß du fortkommst. - -Aber Oline geht nicht. Die beiden Frauen zanken sich noch eine gute -Weile, und sooft die Wanduhr halb oder ganz schlägt, stößt Oline ein -Hohngelächter aus und macht Inger rasend. Schließlich beruhigen sich -beide doch ein wenig, und Oline macht sich zum Gehen fertig. Ich habe -einen weiten Weg und die Nacht vor mir, sagt sie. Und es war recht -dumm, ich hätte von daheim etwas zum Essen mitnehmen sollen, sagt sie. - -Darauf gibt Inger keine Antwort, sie ist jetzt wieder vernünftig -geworden; sie füllt Wasser in ein Becken und sagt: Da, wenn du dich -abreiben willst! Oline sieht ein, daß sie sich waschen muß, ehe sie -geht, aber da sie nicht weiß, wo sie blutig ist, wäscht sie an den -verkehrten Stellen. Inger sieht ihr eine Weile zu, dann deutet sie. -Da -- fahr auch über die Schläfe, nein, die andere Schläfe, ich deute -ja darauf. -- Hab' ich wissen können, auf welche Seite du gedeutet -hast? versetzt Oline. -- An deinem Mund sitzt auch noch etwas. Bist du -vielleicht wasserscheu? fragt Inger. - -Schließlich muß Inger selbst die Verwundete waschen und ihr ein -Handtuch hinwerfen. - -Was ich sagen wollte, beginnt Oline, während sie sich abtrocknet, und -sie ist jetzt wieder vollkommen friedlich, wie soll Isak mit den -Kindern das überstehen? -- Weiß er's? fragt Inger. -- Ob er es weiß! Er -kam dazu und sah es. -- Was sagte er? -- Was konnte er sagen! Er war -sprachlos, wie ich auch. - -Schweigen. - -Du, du bist an allem miteinander schuld! klagt Inger und bricht in -Tränen aus. -- Wenn ich nur an allem so frei von Schuld wäre! -- Ich -werde ihn, den Os-Anders, fragen, darauf kannst du dich verlassen! -- -Ja, tu das! - -Sie sprechen es in Ruhe durch, und Oline scheint jetzt weniger -rachsüchtig zu sein. Oh, sie ist ein Politikus ersten Ranges und -gewohnt, Auswege zu finden, jetzt äußert sie sogar eine Art Mitgefühl, -indem sie sagt, wenn es nun herauskomme, dann täten ihr Isak und auch -die Kinder herzlich leid. -- Ja, sagt Inger und weint noch mehr. -Ich habe Tag und Nacht gegrübelt und gegrübelt. Als Ausweg fällt es -nun Oline plötzlich ein, daß sie eine Hilfe sein könne, sie könne -vielleicht herkommen und auf der Ansiedlung bleiben, wenn Inger ins -Gefängnis müsse. - -Jetzt weint Inger nicht mehr, sie horcht gleichsam plötzlich auf und -überlegt. Nein, du versorgst die Kinder nicht, sagt sie. -- Soll ich -die Kinder nicht versorgen? Du spottest! -- So. -- Ja, denn wenn ich -für etwas ein Herz habe, so sind es Kinder. -- Ja, für deine eigenen, -aber wie wirst du gegen die meinigen sein? Und wenn ich daran denke, -daß du mir den Hasen geschickt hast, nur um mich zu verderben, so bist -du ganz und gar schuld daran. -- Ich? fragt Oline. Meinst du mich? -- -Ja, dich meine ich, antwortet Inger mit lautem Schluchzen. Du bist das -größte Scheusal gegen mich gewesen, und ich trau dir nichts Gutes zu. -Und außerdem würdest du uns nur alle Wolle stehlen, wenn du hierher -kämst. Und einen Ziegenkäse nach dem andern würden deine Leute bekommen -und nicht die meinigen. -- Du bist ein Vieh, sagt Oline. - -Inger weint, wischt sich die Augen und spricht ab und zu ein paar -Worte. Oline sagt, sie wolle sich gewiß nicht aufdrängen, denn sie -könne bei ihrem Sohn Nils sein, wo sie schon immer gewohnt habe. Wenn -nun aber Inger ins Gefängnis komme, so wäre Isak mit den unschuldigen -Kleinen ganz verlassen, da könne sie hierher kommen und auf sie -aufpassen. Sie stellt das recht verlockend hin, es werde gewiß nicht -schlimm gehen. Du kannst es dir nun überlegen, sagt sie. - -Inger ist mutlos; sie weint und schüttelt den Kopf und schaut zu Boden. -Wie eine Schlafwandlerin geht sie in die Vorratskammer und macht für -den Gast Mundvorrat zurecht. -- Nein, du sollst dich nicht in Unkosten -stürzen, sagt Oline. -- Und du sollst nicht ohne Mundvorrat übers -Gebirge gehen, entgegnet Inger. - -Als Oline gegangen ist, schleicht sich Inger hinaus, sieht sich um, -horcht. Kein Laut vom Steinbruch herüber! Sie geht näher hin und hört -die Kinder; sie spielen mit Geröll. Isak hat sich gesetzt; er hält den -Spaten zwischen den Knien und stützt sich darauf, wie auf einen Stock. -Da sitzt er. - -Inger schleicht sich zum Waldsaum hin. Sie hatte ein kleines Kreuz in -die Erde gesteckt; das Kreuz liegt am Boden, aber da, wo es gestanden -hat, ist der Rasen weggenommen und die Erde aufgewühlt. Inger setzt -sich nieder und scharrt die Erde mit den Händen wieder zusammen. Und da -sitzt sie. - -Sie kam aus Neugier, um zu sehen, wie tief Oline in dem kleinen -Grab gewühlt hat, sie bleibt sitzen, weil die Haustiere noch nicht -heimgekommen sind. Sie weint und schüttelt den Kopf und sieht zu Boden. - - - - -7 - - -Die Tage vergehen. Es ist ein ausgezeichnetes Wetter für das Feld, mit -Sonnenschein und Regenschauern, und die Frucht wächst dementsprechend -heran. Die Ansiedler sind mit der Heuernte schon fast fertig, und -sie bekommen eine Menge Heu; fast ist nicht alles unter Dach und -Fach zu bringen, sie stopfen es unter vorspringende Felsen, in den -Stall, unter das Wohnhaus, räumen das Vorratshaus ganz aus und stopfen -dieses auch bis zum Dache voll. Früh und spät arbeitet Inger mit als -unentbehrliche Hilfe und Stütze. Isak benützt jeden Regenaugenblick, um -die neue Scheune unter Dach zu bringen und auf jeden Fall die Südseite -vollständig fertigzumachen, dann kann so viel Heu untergebracht werden, -als es nur gibt. Es geht tüchtig vorwärts, es wird schon recht werden! - -Das große, traurige Ereignis mit seiner Sorge war da, die Tat war -getan, und die Folgen würden nicht ausbleiben. Das Gute geht oft einen -spurlosen Weg, das Böse zieht immer seine Folgen nach sich. Isak faßte -die Sache von Anfang an verständig auf und sagte nichts weiter zu -seiner Frau, als: Wie bist du nur dazu gekommen? -- Darauf antwortete -Inger nichts. Und nach einer Weile sagte Isak wieder: Hast du es -erwürgt? -- Ja, sagte Inger. -- Das hättest du nicht tun sollen. -- -Nein, antwortete sie. -- Und ich verstehe nicht, wie du es hast tun -können. -- Sie hat genau so ausgesehen wie ich, sagte Inger. -- Wieso? --- Am Mund. -- Isak dachte lange nach, dann sagte er: Ja, ja. - -Weiter wurde vorerst nichts darüber gesprochen, und als die Tage -genau so ruhig vergingen wie vorher und außerdem sehr viel Heu -hereingeschafft und untergebracht werden mußte, auch besonders viel -Feldarbeit zu verrichten war, trat die Missetat allmählich in ihren -Gedanken zurück. Aber sie hing die ganze Zeit über den Menschen und -über der ganzen Ansiedlung. Die Eheleute konnten nicht hoffen, daß -Oline schweigen würde, das war zu unsicher. Und selbst wenn Oline -schwieg, konnten dann die stummen Zeugen nicht eine Stimme bekommen, -die Wände des Hauses oder die Bäume im Walde rings um das kleine Grab? -Os-Anders konnte Andeutungen machen, Inger selbst konnte sich wachend -oder schlafend verraten. Sie waren auf das Schlimmste gefaßt. - -Was konnte Isak anders tun, als die Sache verständig auffassen? Jetzt -begriff er, warum Inger jedesmal bei der Geburt hatte allein sein -wollen, allein hatte sie die große Angst über die Wohlgestaltetheit -des Kindes ausstehen, allein der Gefahr entgegengehen wollen. Dreimal -hatte sich das wiederholt. Isak schüttelte den Kopf, und sie tat -ihm sehr leid mit ihrem Unglück, die arme Inger. Und als er von der -Sendung des Lappen mit dem Hasen hörte, da sprach er Inger frei. Das -führte zu großer Liebe zwischen ihnen, einer verrückten Liebe, sie -schmiegten sich aneinander an in der Gefahr, sie war voll urwüchsiger -Süßigkeit gegen ihn, und er wurde wild und unmäßig gierig nach ihr, der -Mühlengeist, der Klotz. Als Schuhwerk gebrauchte sie nur Lappenschuhe, -aber sie hatte nichts von einer Lappennatur an sich, sie war nicht -klein und welk, sondern im Gegenteil herrlich und groß. Jetzt im Sommer -ging sie barfuß und kurzgeschürzt, mit nackten Waden, und von diesen -nackten Waden konnte Isak seine Augen nicht losreißen. - -Den ganzen Sommer hindurch sang sie Bruchstücke von Kirchenliedern -und lehrte auch Eleseus Gebete hersagen; aber sie haßte alle Lappen -ganz unchristlich und sagte denen, die vorbeizogen, ihre Meinung -geradeheraus. Sie könnten ja wieder von jemand geschickt sein, könnten -einen Hasen in ihrem Fellsack haben, sie sollten nur weitergehen! -- -Einen Hasen? Was für einen Hasen? -- Na, hast du nicht gehört, was -Os-Anders getan hat? -- Nein. -- Ich kann es dir gern selbst sagen. Er -kam mit einem Hasen hierher, als ich guter Hoffnung war. -- Hat man je -so etwas gehört? Hast du einen Schaden davon gehabt? -- Das kümmert -dich nichts, geh jetzt nur! Da hast du einen Bissen und dann mach, daß -du weiterkommst! -- Du hast wohl nicht ein Stück Leder, womit ich meine -Schuhe ausbessern kann? -- Nein, aber einen Stecken kannst du zu fühlen -bekommen, wenn du jetzt nicht gehst. - -Ein Lappe bettelt demütig, bekommt er jedoch nichts, dann wird er -rachsüchtig und droht. Jetzt kam ein Lappenpaar mit zwei Kindern an der -Siedlung vorüber; die Kinder wurden ins Haus geschickt, um zu betteln, -sie kamen zurück und meldeten, es sei niemand daheim. Die Familie blieb -eine Weile stehen und redete lappisch miteinander, dann ging der Mann -hinein, um nachzusehen. Er kam nicht wieder. Da ging die Frau ihm nach -und zuletzt auch die Kinder, sie blieben alle in der Stube stehen und -flüsterten in der Lappensprache. Der Mann steckt den Kopf in die Kammer -hinein, auch da war niemand. Jetzt schlägt die Wanduhr, die Familie -lauscht verwundert und bleibt stehen. - -Inger mußte geahnt haben, daß fremde Leute auf den Hof kamen, jetzt -lief sie rasch die Halde herunter. Als sie sieht, daß es Lappen sind, -und dazu Lappen, die sie nicht kennt, sagt sie geradeheraus: Was wollt -ihr hier? Habt ihr nicht gesehen, daß niemand daheim war? -- O ja, sagt -der Mann. -- Inger sagt: Macht, daß ihr fortkommt! - -Die Familie rückt langsam und widerwillig hinaus. Wir sind -stehengeblieben und haben dieser Uhr zugehört, sagt der Mann. Sie hat -so wundervoll geschlagen. -- Du hast wohl nicht einen Brotlaib für uns? -sagt die Frau. -- Woher kommt ihr? fragt Inger. -- Von Vatnan auf der -andern Seite. Wir sind die ganze Nacht hindurch gewandert. -- Wohin -wollt ihr? -- Übers Gebirge. - -Inger geht hinein und richtet etwas Mundvorrat; als sie wieder -herauskommt, bettelt die Frau noch um Stoff zu einer Mütze, um einen -Knäuel Wolle, um ein Stück Ziegenkäse, alles kann sie gebrauchen. Inger -hat keine Zeit, Isak und die Kinder sind auf der gemähten Wiese. Jetzt -geht nur, sagt sie. - -Die Frau versucht es mit Schmeicheln: Wir haben dein Vieh auf der Weide -gesehen, es sind so viele Tiere, gerade wie die Sterne am Himmel. --- Großartig! sagt auch der Mann. Hättest du nicht ein paar alte -Lappenschuhe? - -Inger schließt die Haustür und geht zu ihrer Arbeit zurück. Da rief der -Mann ihr etwas nach, sie tat jedoch, als höre sie es nicht, und ging -nur weiter, aber sie hatte es gut gehört. Ist es richtig, daß du Hasen -kaufst? - -Das war nicht mißzuverstehen. Der Lappe hatte vielleicht in gutem -Glauben gefragt, vielleicht hatte es ihm jemand weisgemacht, vielleicht -fragte er auch aus Bosheit, aber Inger hatte jedenfalls eine Warnung -erhalten. Das Schicksal meldete sich ... - -Die Tage vergingen. Die Ansiedler waren gesunde Menschen, was kommen -sollte, mochte kommen, sie taten ihre Arbeit und warteten. Sie lebten -dicht beieinander wie Tiere im Walde, sie schliefen und aßen, die -Jahreszeit war schon so vorgeschritten, daß sie die neuen Kartoffeln -versuchten; sie waren groß und mehlig. Der Schlag -- warum fiel der -Schlag nicht? Jetzt war es schon Ende August, bald kam der September, -sollten sie den Winter über verschont bleiben? Sie waren beständig -auf der Wacht, jeden Abend krochen sie in ihrer Höhle zusammen, froh -darüber, daß der Tag ohne etwas Schlimmes vergangen war. So verstrich -die Zeit bis zum Oktober, da erschien der Lensmann mit einem Mann und -einer Aktenmappe bei ihnen. Das Gesetz schritt zur Tür herein. - -Die Nachforschungen brauchten Zeit, Inger wurde unter vier Augen -verhört. Sie leugnete nichts; das Grab im Walde wurde geöffnet und -geleert und die kleine Leiche zur Untersuchung eingeschickt. Die kleine -Leiche war in Eleseus' Taufkleid gehüllt und hatte die Mütze mit den -Perlen auf dem Köpfchen. - -Da fand Isak gleichsam seine Sprache wieder. Ja, ja, jetzt steht es so -schlimm für uns, als es nur kann, sagte er. Ich sage eben auch jetzt -noch dasselbe, du hättest es nicht tun sollen. -- Nein, gibt Inger -zu. -- Wie hast du es gemacht? -- Inger gab keine Antwort. -- Und daß -du es übers Herz hast bringen können! -- Sie war genau so wie ich. Da -legte ich sie aufs Gesicht. Isak schüttelte den Kopf. -- Und dann starb -sie, fuhr Inger fort und brach in lautes Weinen aus. Isak schwieg eine -Weile. Ja, ja, jetzt ist es zu spät zum Weinen, sagte er dann. -- Sie -hatte braunes Haar im Nacken, schluchzte Inger. - -Damit war die Angelegenheit wieder zu Ende. - -Und wieder vergingen die Tage. Inger wurde nicht festgenommen, die -Obrigkeit ließ Milde walten. Lensmann Heyerdahl fragte sie aus, wie er -jeden anderen Menschen ausgefragt hätte, und sagte nur: Es ist traurig, -daß so etwas vorkommt! Als Inger fragte, wer sie angezeigt habe, -antwortete der Lensmann, niemand, es seien ihm von verschiedenen Seiten -Andeutungen über die Sache gemacht worden. Ob sie sich nicht selbst -teilweise bei einigen Lappen verraten habe? -- Inger antwortete: Ja, -sie habe einigen Lappen von Os-Anders erzählt, der mitten im Sommer mit -einem Hasen zu ihr gekommen sei, und davon habe das Kind unter ihrem -Herzen eine Hasenscharte bekommen. Und Oline habe doch sicher den Hasen -geschickt! -- Davon wußte der Lensmann nichts. Aber wie es auch sein -mochte, solche Unwissenheit und solchen Aberglauben würde er nicht -einmal in sein Protokoll aufnehmen. -- Meine Mutter bekam einen Hasen -zu sehen, als sie mich unter dem Herzen trug, sagte Inger ... - -Die Scheune war fertig, es war eine geräumige Hütte mit einem -Heuverschlag auf beiden Seiten und einer Tenne in der Mitte. Das -Vorratshaus und die anderen vorläufigen Aufbewahrungsorte wurden -geräumt und das Heu in die Scheune geschafft. Das Korn wurde -geschnitten, auf Heinzen getrocknet und dann eingefahren. Inger grub -die Karotten und Rüben heraus. Nun war alles unter Dach. Jetzt wäre -alles gut gewesen, Wohlstand herrschte auf der Ansiedlung, Isak rodete -wieder Neuland, bevor der Frost kam, und vergrößerte den Kornacker, und -er war ein wirklicher Roder, das war er. Aber im November sagte Inger: -Jetzt wäre sie ein halbes Jahr alt und hätte uns alle gekannt! -- Da -ist nichts mehr daran zu ändern, sagte Isak. - -Im Winter drosch Isak auf der neuen Scheunentenne Korn, Inger half ihm -viele Stunden lang und führte ihren Dreschflegel so gut wie er, während -die Kinder im Heu spielten. Die Ähren gaben große dicke Körner. Gegen -Neujahr war eine gute Schlittenbahn, und Isak fing an Klafterholz -fürs Dorf zu richten; er hatte jetzt feste Käufer, und sein im Sommer -getrocknetes Holz wurde gut bezahlt. - -Eines Tages kam er mit Inger überein, das fette Kalb, das von Goldhorn -stammte, mitzunehmen und es zu Madam Geißler zu bringen nebst einem -Ziegenkäse. Die Madam war entzückt und fragte ihn, was die Sachen -kosteten. -- Nichts, sagte Isak, der Lensmann hat es schon bezahlt. -- -Gott segne ihn, hat er das getan? sagte Frau Geißler gerührt. Sie gab -Isak für Eleseus und Sivert Bilderbücher und Kuchen und Spielsachen -mit. Als Isak heimkam und Inger die Sachen sah, wendete sie sich -ab und begann zu weinen. Was hast du denn? fragte Isak. -- Nichts, -antwortete Inger. Aber gerade jetzt wäre sie ein Jahr alt gewesen und -hätte alles dieses sehen können. -- Jawohl, aber du weißt doch, wie -sie gewesen ist, erwiderte Isak, um Inger zu trösten. Und außerdem ist -es möglich, daß es nicht so schlimm ausfällt. Ich habe mich erkundigt, -wo Geißler sich aufhält. -- Inger horchte auf. Ja, kann er uns denn -helfen? fragte sie. -- Das weiß ich nicht. - -Dann fuhr Isak das Korn in die Mühle, es wurde gemahlen, und er brachte -Mehl nach Hause. Dann ging er wieder in den Wald und fällte Bäume für -das Klafterholz des nächsten Jahres. Sein Leben ging von einer Arbeit -zur andern, je nach den Jahreszeiten vom Feld in den Wald und vom Wald -wieder aufs Feld. Jetzt hatte Isak sechs Jahre auf seiner Ansiedlung -gearbeitet und Inger fünf; alles war recht und gut, wenn es so weiter -ging. Aber es ging nicht so weiter. Inger warf das Weberschiffchen hin -und her und versorgte ihren Viehstand, sie sang auch fleißig geistliche -Lieder, aber, ach, du lieber Gott, ihr Gesang war eine Glocke ohne -Klöppel! - -Sobald der Weg gangbar war, wurde sie zum Verhör ins Dorf -hinuntergeholt. Isak mußte daheim bleiben. Während er da allein -war, nahm er sich vor, nach Schweden hinüberzuwandern und Geißler -aufzusuchen, der wohlwollende Lensmann würde den Leuten auf Sellanraa -vielleicht noch einmal freundlich entgegenkommen. Aber als Inger -zurückkam, hatte sie schon nach allem gefragt und wußte über das Urteil -einigermaßen Bescheid. Eigentlich sei es lebenslänglich, Paragraph 1, -aber ... Seht, sie hatte sich mitten vor den heiligen Richterstuhl -des Gesetzes hingestellt und einfach alles gestanden; die beiden -Zeugen der Gemeinde hatten sie mitleidig angesehen, und der Hardesvogt -hatte sie freundlich ausgefragt; aber sie war den hellen Köpfen der -Herren vom Gesetz doch unterlegen. Die hohen Herren Juristen sind so -tüchtig, die kennen ihre Paragraphen, sie haben sie auswendig gelernt -und im Gedächtnis, so helle Köpfe sind sie. Und sie sind auch nicht -ohne Verstand neben ihrem Amt, nicht einmal ohne Herz. Inger konnte -sich nicht über das Gericht beklagen; sie hatte nichts von dem Hasen -gesagt, aber als sie unter Tränen gestand, daß sie ihrem mißgestalteten -Kind nichts so Böses habe antun wollen, wie es am Leben zu lassen, -da hatte der Hardesvogt ernst und sachte mit dem Kopf genickt. Aber, -hatte er gesagt, du hast ja selbst eine Hasenscharte, und dir ist es -doch gut ergangen. -- Ja, Gott sei Dank! hatte Inger nur geantwortet. -Und sie hatte nichts von den geheimen Leiden ihrer Kindheit und Jugend -vorbringen können. - -Aber der Hardesvogt mußte doch das eine und andere gemerkt haben, -er schleppte selbst einen Klumpfuß herum und hatte niemals tanzen -können. Das Urteil -- nein, das weiß ich noch nicht. Eigentlich ist es -lebenslängliches Gefängnis, aber ... Und ich weiß nicht, ob wir es in -die nächsten Stufen hinunterbringen, in die zweite oder dritte Stufe, -fünfzehn bis zwölf, zwölf bis neun Jahre. Da sitzen einige Männer und -humanisieren das Strafgesetz, werden aber nicht damit fertig. Aber wir -müssen das Beste hoffen, sagte er. - -Inger kam in einer stumpfen Gelassenheit zurück, es war nicht nötig -gewesen, sie in Haft zu behalten. Ein paar Monate vergingen, und als -Isak eines Abends vom Fischen heimkam, waren der Lensmann und sein -neuer Gerichtsbote auf Sellanraa gewesen. Inger war lieb und gut gegen -Isak und lobte ihn, obgleich er nicht viel Fische gefangen hatte. - -Was wollte ich doch sagen, sind Fremde hier gewesen? fragte er. -- -Fremde? Warum fragst du? -- Ich sehe neue Fußstapfen draußen. Spuren -von Stiefeln. -- Es ist niemand anders dagewesen als der Lensmann und -noch einer. -- So. Was wollten sie? -- Das wirst du dir denken können. --- Wollten sie dich holen? -- Mich holen? Nein, es war nur das Urteil. -Und das kann ich dir sagen, Isak, Gott ist gnädig gewesen, es ist nicht -so, wie ich gefürchtet habe. -- So, sagte Isak gespannt, dann ist es -vielleicht doch nicht sehr lang? -- Nein, nur einige Jahre. -- Wie -viele? -- Ja, ja, du wirst wohl finden, es seien viele Jahre, aber ich -danke Gott, daß ich wenigstens mit dem Leben davonkomme. - -Inger nannte die Zahl nicht. Später am Abend fragte Isak, um welche -Zeit man sie holen würde; aber das wußte sie nicht, oder sie wollte es -nicht sagen. Sie war jetzt wieder sehr nachdenklich, redete davon, daß -sie nicht wisse, wie alles gehen solle, aber Oline werde wohl kommen, -und Isak wußte auch keinen anderen Ausweg. Wo war übrigens Oline -geblieben? Sie war in diesem Jahr nicht wie sonst gekommen. War es ihre -Absicht, ganz wegzubleiben, nachdem sie bei ihnen alles aus dem Geleise -gebracht hatte? Sie machten die Feldarbeit, aber Oline kam nicht. -Sollte man sie vielleicht holen? Ach, sie würde schon dahergeschwankt -kommen, der Fettwanst, das Untier! - -Endlich eines Tages kam sie. Welch ein Frauenzimmer! Es war, als sei -zwischen ihr und dem Ehepaar gar nichts vorgefallen, sie strickte sogar -ein Paar gereifelte Strümpfe für Eleseus, wie sie sagte. Ich wollte nur -sehen, wie ihr es hier auf dieser Seite des Gebirges habt, begann sie. -Es zeigte sich, daß sie ihre Kleider und Sachen in einem Sack im Walde -liegen hatte und darauf eingerichtet war, dazubleiben. - -Am Abend nahm Inger ihren Mann auf die Seite und sagte: Hast du nicht -gesagt, du wollest versuchen, Geißler aufzufinden? Jetzt ist ruhige -Zeit. -- Ja, antwortete Isak, da Oline jetzt da ist, breche ich gleich -morgen früh auf. -- Inger sagte, sie wäre ihm dankbar dafür. Und du -mußt alles bare Geld mitnehmen, das du hast, sagte sie. -- So. Kannst -du es nicht aufheben? -- Nein. - -Inger machte reichlich Mundvorrat für ihn zurecht, und Isak wachte -bereits in der Nacht auf und machte sich zum Aufbruch fertig. Inger -begleitete ihn bis zur Haustür, sie weinte nicht und jammerte nicht, -aber sie sagte: Jetzt können sie jeden Tag kommen, um mich zu holen. -- -Weißt du etwas? -- Nein, wie sollte ich etwas wissen? Und es wird wohl -auch noch nicht so bald sein, aber ... Wenn du jetzt nur den Geißler -fändest und er dir irgendeinen guten Rat geben könnte! - -Was hätte Geißler jetzt noch tun können? Nichts. Aber Isak ging doch. - -Aber ja, Inger hatte wohl etwas gewußt. Sie hatte vielleicht auch durch -irgend jemand Oline Nachricht zukommen lassen. Als Isak von Schweden -heimkam, war Inger abgeholt worden, und Oline war bei den beiden -Kindern geblieben. - -Das war eine traurige Nachricht für Isak bei seiner Heimkehr, als er -mit lauter Stimme nach Inger rief und keine Antwort bekam. Ist sie -fort? fragte er. -- Ja, antwortete Oline. -- An welchem Tag war es? --- Am Tag, nachdem du weggegangen warst. -- Jetzt erriet Isak, daß -Inger bei der Entscheidung wieder allein hatte sein wollen und sie ihn -deshalb auch gebeten hatte, alles Geld mitzunehmen. Ach, Inger hätte -gern ein paar Groschen für die große Reise haben können! - -Aber die kleinen Jungen waren gleich ganz in Anspruch genommen von dem -netten gelben Ferkelchen, das Isak mitgebracht hatte. Das war übrigens -auch das einzige, was er mitbrachte. Geißlers Adresse war veraltet. -Geißler war nicht mehr in Schweden, er war in Drontheim. Aber das -Ferkelchen hatte Isak auf seinen Armen von Schweden herübergetragen, -er hatte es mit Milch aus seiner Flasche geatzt und im Gebirge mit ihm -auf der Brust geschlafen. Er hatte Inger eine Freude machen wollen, -jetzt spielten Eleseus und Sivert damit und hatten großen Spaß daran. -Das zerstreute Isak ein wenig. Dazu kam noch, daß Oline vom Lensmann -grüßen konnte und ausrichtete, der Staat sei endlich auf den Verkauf -von Sellanraa eingegangen, und Isak solle nur in die Amtsstube des -Lensmanns hinunterkommen und bezahlen. Das war eine gute Nachricht, und -sie riß Isak aus seiner tiefsten Niedergeschlagenheit heraus. Obgleich -er noch recht müde und steifbeinig von seiner Reise war, packte er -neuen Mundvorrat zusammen und wanderte gleich ins Dorf hinunter. Er -hatte wohl eine leise Hoffnung, Inger noch dort zu treffen. - -Aber diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung, Inger war fort, für acht -Jahre. Isak wurde es öde und düster zumute, und er verstand nur das -eine und andere von dem, was der Lensmann sagte. Es sei traurig, daß so -etwas vorkommen könne. Er hoffe, es werde Inger eine Lehre sein, daß -sie sich bekehre und ein besserer Mensch werde und ihre Kinder nicht -mehr umbringe. - -Lensmann Heyerdahl war seit dem vorigen Jahr verheiratet. Seine Frau -wollte nicht Mutter werden und wollte keine Kinder haben -- sie -bedankte sich dafür. Und sie hatte auch keine. - -Endlich kann ich auch die Sache Sellanraa abschließen, sagte der -Lensmann dann. Das Königliche Ministerium ist einigermaßen nach meinen -Vorschlägen auf den Verkauf eingegangen. -- So, sagte Isak. -- Es hat -lang gedauert, aber ich habe die Befriedigung, daß meine Arbeit nicht -vergeblich gewesen ist! Was ich geschrieben habe, ist beinahe Punkt -für Punkt durchgegangen. -- Punkt für Punkt, wiederholte Isak und -nickte. -- Hier ist die Urkunde. Du kannst sie beim nächsten Thing -verlesen lassen. -- Ja, sagte Isak. Was muß ich bezahlen? -- Zehn Taler -jährlich. Hier hat das Ministerium allerdings eine kleine Veränderung -vorgenommen, anstatt fünf Taler jährlich zehn. Ich weiß nicht, wie du -das aufnimmst? -- Wenn ich es nur leisten kann, antwortete Isak. -- Und -zehn Jahre lang. -- Isak sah erschrocken auf. -- Ja, das Ministerium -will auf nichts anderes eingehen, sagte der Lensmann. -- Und das ist -auch gar keine Bezahlung für ein so großes Grundstück, urbar gemacht -und so angebaut, wie es nun dasteht. - -Isak hatte die zehn Taler für dieses Jahr, er hatte sie für Klafterholz -und die Ziegenkäse bekommen, die Inger zusammengespart hatte. Er -bezahlte, und es blieb ihm noch ein Rest übrig. - -Es ist wirklich ein Glück für dich, daß das Ministerium nichts von der -Tat deiner Frau erfahren hat, fuhr der Lensmann fort. Sonst hätten sie -vielleicht einen anderen Käufer dafür genommen. -- So, sagte Isak, -und dann fragte er: Und sie ist also nun für volle acht Jahre fort? --- Ja, das läßt sich nicht ändern, die Gerechtigkeit muß ihren Lauf -haben. Ihre Strafe ist übrigens milder als mild. Das nächste, was du -nun zu tun hast, ist, eine deutliche Grenzscheide zwischen dir und -dem Staatseigentum auszuhauen. Rode alles mit Stumpf und Stiel aus, -in gerader Linie nach den Merkzeichen, die ich angegeben und in mein -Protokoll eingetragen habe. Das Holz gehört dir. Ich werde später -hinaufkommen und nachsehen. - -Isak wanderte heim. - - - - -8 - - -Die Jahre vergehen rasch? Ja, für den, der altert. Isak war weder alt -noch geschwächt, ihm wurden die Jahre lang. Er arbeitete auf seinem -Hofe und ließ seinen rostroten Bart wachsen, wie er wollte. - -Ab und zu, wenn ein Lappe vorbeikam oder sich dies und jenes im -Viehstand ereignete, wurde die Einförmigkeit im Ödland unterbrochen. -Einmal kamen viele Männer vorbeigewandert; sie ruhten auf Sellanraa -aus, aßen und tranken Milch dazu und fragten Isak und Oline nach dem -Weg übers Gebirge aus; sie sollten eine Telegraphenlinie abschreiten, -sagten sie. Ein anderes Mal erschien Geißler -- kein Geringerer als -Geißler. Er kam frisch und froh vom Dorfe heraufmarschiert und hatte -zwei Mann bei sich mit Bergwerksgeräten und Pickel und Spaten. - -Dieser Geißler! Er war ganz derselbe wie früher, ganz unverändert. -Er sagte guten Tag, plauderte mit den Kindern, ging ins Haus und kam -wieder heraus, betrachtete die Felder, öffnete die Türen von Stall und -Scheune und schaute hinein. Ausgezeichnet! sagte er. Isak, hast du die -kleinen Steine noch? -- Die kleinen Steine? -- Ja, die kleinen schweren -Steine, mit denen dein Junge gespielt hat, als ich das letztemal hier -war? - -Die Steine waren im Vorratshaus, sie lagen als Gewicht auf den -Mausefallen, nun wurden sie hereingeholt. Der Lensmann und die beiden -Männer untersuchten sie, besprachen sich darüber, klopften darauf und -wogen sie in der Hand. Schwarzkupfer! sagten sie. -- Kannst du mit ins -Gebirge gehen und uns zeigen, wo du die Steine gefunden hast? fragte -der Lensmann. - -Alle miteinander gingen in die Berge, und es war nicht weit bis zur -Fundstätte; aber sie wanderten doch ein paar Tage umher, suchten nach -Metall und sprengten da und dort einen Stein los. Als sie in den Hof -zurückkehrten, brachten sie zwei schwere Säcke voll Steine mit. - -Währenddem hatte Isak mit Geißler seine ganze Lage besprochen, auch daß -der Preis für den Hof auf hundert Taler anstatt auf fünfzig festgesetzt -worden war. -- Ach, das spielt keine Rolle, sagte Geißler leichthin. -Du hast vielleicht Kostbarkeiten in deinem Gestein, die Tausende wert -sind. -- So, sagte Isak. -- Aber du mußt die gerichtliche Bestätigung -der Urkunde so rasch wie möglich ins Werk setzen. -- Ja. -- Damit dir -der Staat nicht einen Prügel in den Weg wirft, verstehst du? sagte -er. -- Isak verstand. Ja, ja, aber das Schlimmste ist doch die Sache -mit Inger, erwiderte er. -- Ach ja, sagte Geißler, und er überlegte -für seine Art ungewöhnlich lange. Der Fall könnte vielleicht noch -einmal aufgenommen werden. Wenn alles an den Tag käme, würde ihre -Strafe vielleicht etwas heruntergesetzt. Aber wir könnten vielleicht -um Begnadigung einkommen und damit ungefähr dasselbe erreichen. -- So, -meint Ihr das? -- Um Begnadigung können wir zwar vorderhand noch nicht -einkommen, da muß erst einige Zeit verstrichen sein. Aber was ich sagen -wollte: Du hast meiner Familie ein Kalb und Ziegenkäse gebracht, was -bin ich dir dafür schuldig? -- Nichts, Ihr habt schon dafür bezahlt. -- -Ich? -- Und Ihr habt uns so viel geholfen. -- Nein, sagte Geißler kurz, -indem er einige Talerscheine auf den Tisch legte. Hier nimm dies! sagte -er. - -Er war ein Mann, der nichts umsonst wollte, und es schienen auch noch -genug Geldscheine in seiner Brusttasche zu stecken, so dick war sie. -Gott mochte wissen, ob er wirklich so reich war! - -Aber sie schreibt, sie habe es gut, sagte Isak, der nur an seine -Angelegenheiten dachte. -- Ach so, deine Frau? -- Ja, seit sie das -kleine Mädchen bekommen hat -- sie hat ein kräftiges, wohlgestaltetes -Mädchen bekommen. -- Das ist ausgezeichnet! -- Ja, und die anderen -helfen ihr alle miteinander, und jedermann sei gut gegen sie, schreibt -sie. - -Geißler sagte: Jetzt schicke ich diese kleinen Steine hier an einige -gesteinskundige Herren, um zu erfahren, woraus sie bestehen. Wenn -ordentlich Kupfer drin ist, bekommst du viel Geld. -- So, sagte Isak. -Und wann meint Ihr wohl, daß wir um Begnadigung einkommen können? -- -In einiger Zeit. Ich werde für dich hinschreiben, und ich komme später -auch selbst wieder her. Was hast du gesagt? Hat deine Frau ein Kind -bekommen, seit sie von hier fort ist? -- Ja. -- Dann haben sie sie -in schwangerem Zustand hier weggeholt? Das hätten sie nicht dürfen. --- Nicht? -- Nein, und das ist ein Grund mehr, daß sie nach einer -bestimmten Zeit frei wird. -- Das wäre ja sehr gut, sagte Isak dankbar. - -Isak wußte nicht, daß die Obrigkeit schon viele und lange Aktenstücke -wegen der schwangeren Frau hatte hin und her schicken müssen. Sie -hatte es seinerzeit aus zweierlei Gründen unterlassen, Inger von ihrem -Hause weg in Haft zu nehmen. Erstens hatte es an einem Arrestlokal -für sie gefehlt, und zweitens hatte die Obrigkeit milde sein wollen. -Die Folgen waren unberechenbar. Später, als Inger festgenommen werden -sollte, hatte niemand nach ihrem Zustand gefragt, und sie selbst hatte -nichts gesagt. Vielleicht hatte sie auch absichtlich geschwiegen, um -das Kind in den bösen Jahren in ihrer Nähe zu haben; wenn sie sich gut -aufführte, durfte sie es vielleicht ab und zu einmal sehen. Vielleicht -war sie aber auch nur stumpf gewesen und war trotz ihres Zustandes -gleichgültig darauf eingegangen, von zu Hause fortgeführt zu werden. - -Isak arbeitete auf seinem Grund und Boden, er entwässerte und brach -seine Äcker um, hieb die Grenzscheide zwischen sich und dem Staat -aus, und die dabei gefällten Bäume gaben Klafterholz für ein ganzes -Jahr. Aber da er Inger nicht mehr hatte, die ihn mit ihren Lobsprüchen -anfeuerte, so schaffte er mehr aus Gewohnheit als aus Lust. Nun hatte -er auch schon zwei Thinge vorübergehen lassen, ohne die Bestätigung -seiner Urkunde einzuholen, weil es ihm eben nicht so sehr am Herzen -gelegen hatte. Jetzt erst im Herbst raffte er sich dazu auf. Es stand -bei ihm nicht alles, wie es sein sollte. Geduldig und besonnen, ja -gewiß, das war er, aber er war geduldig und besonnen, weil er von Natur -dazu angelegt war. Er suchte seine Häute zusammen, seine Ziegenfelle -und Kalbfelle, legte sie in den Fluß, schabte später die Haare -herunter, gerbte sie und machte sie zur Verarbeitung für Schuhwerk -fertig. Im Winter stellte er schon beim ersten Schnee sein Saatkorn -fürs nächste Frühjahr auf die Seite, damit das getan war, denn es war -am besten, wenn es bereit stand; er war ein Mann der Ordnung. Aber -er war ein freudloser, einsamer Mann geworden, ach ja, wieder ein -unverheirateter Mann mit allem, was drum und dran war. - -Welche Freude war es für ihn jetzt, am Sonntag in seiner Stube zu -sitzen, gewaschen und sauber in seinem roten Hemd, wenn er niemand -mehr hatte, für den er sich hübsch machen konnte? Die Sonntage waren -die längsten von allen Tagen, sie verdammten ihn zum Müßiggang und -zu traurigen Gedanken; er konnte nichts tun, als sich auf seinem -Grundstück umhertreiben und nach allem sehen, was getan werden mußte. -Jedesmal nahm er seine kleinen Jungen mit, immer einen von ihnen auf -dem Arm. Es war so nett, ihr Geplauder anzuhören und auf ihre Fragen zu -antworten. - -Die alte Oline hatte er, weil er niemand andern hatte. Und im Grunde -genommen war es nicht so übel, Oline zu haben. Sie kardätschte Wolle -und spann, strickte Strümpfe und Fausthandschuhe, bereitete auch -Ziegenkäse; aber sie hatte keine glückliche Hand und arbeitete ohne -Liebe; von dem, was sie in die Hand nahm, gehörte ihr ja nichts zu -eigen. Da hatte nun Isak einmal zu Ingers Zeit eine besonders hübsche -Dose beim Händler gekauft, die ihren Platz auf dem Wandbrett hatte, sie -war aus Ton und hatte einen Hundekopf auf dem Deckel, eigentlich war -es eine Art Tabaksdose; Oline nahm einmal den Deckel ab und ließ ihn -auf den Boden fallen. Inger hatte einige Fuchsiaableger in einer Kiste -hinterlassen, die mit Glas zugedeckt waren; Oline nahm die Gläser ab -und drückte sie nachher hart und fest wieder darauf. -- Am nächsten -Tage waren alle Ableger tot. Es war wohl nicht so ganz leicht für Isak, -all dies mit anzusehen, und er machte vielleicht ein Gesicht, und da -nichts Weiches oder Schwammhaftes an ihm war, so war es vielleicht ein -gefährliches Gesicht. Oline war unverfroren und zungenfertig und muckte -auf. Kann ich etwas dafür? sagte sie. -- Das weiß ich nicht, erwiderte -Isak, aber du hättest die Hand davon lassen können. -- Ich werde ihre -Blumen nicht mehr anrühren, sagte Oline darauf; aber nun waren sie ja -tot. - -Und wozu kamen jetzt sooft Lappen nach Sellanraa, jetzt viel öfters -als früher? Was hatte Os-Anders da zu tun, konnte er nicht einfach -vorübergehen? In einem Sommer kam er zweimal übers Gebirge gewandert; -aber Os-Anders hatte ja keine Renntiere, nach denen er hätte sehen -müssen, sondern lebte vom Bettel und von Besuchen bei anderen Lappen. -Wenn er auf die Ansiedlung kam, ließ Oline alle Arbeit liegen und -klatschte mit ihm über alle Leute im Dorfe, und wenn er wieder ging, -war sein Sack schwer von allem möglichen. Zwei Jahre lang schwieg Isak -geduldig dazu. - -Dann wollte Oline wieder neue Schuhe haben, und da schwieg er nicht -länger. Es war im Herbst, und Oline trug jeden Tag Lederschuhe, anstatt -in Lappenschuhen oder Holzpantinen zu gehen. Isak sagte: Es ist schönes -Wetter heute. Hm! So fing er an. -- Ja, sagte Oline. -- Hast du nicht -heute morgen an den Ziegenkäsen bis auf zehn gezählt, Eleseus? fragte -Isak. -- Doch, antwortete Eleseus. -- Aber jetzt sind es nur noch neun. - -Eleseus zählte wieder nach und überlegte in seinem kleinen Kopf, dann -sagte er: Ja, und dann der, den Os-Anders bekommen hat, dann sind es -zehn. - -Schweigen rings in der Stube. Aber der kleine Sivert wollte auch -zählen, und so wiederholte er die Worte des Bruders: Dann sind es zehn. - -Wieder Schweigen ringsum. Da mußte Oline schließlich eine Erklärung -geben. Ja, er hat einen ganz kleinen Käse bekommen, ich habe nicht -gedacht, daß das etwas ausmacht. Aber die Kinder sind noch nicht groß, -und es zeigt sich jetzt schon, was in ihnen steckt. Ich kann wohl sehen -und ausrechnen, wem sie nachschlagen! Dir jedenfalls nicht, Isak, das -weiß ich. - -Das war eine Andeutung, die Isak zurückweisen mußte. Die Kinder sind -schon recht, sagte er. Aber kannst du mir sagen, welche Wohltaten -Os-Anders mir und den Meinigen erwiesen hat? -- Wohltaten? versetzte -Oline. -- Ja. -- Er, Os-Anders? wiederholte sie. -- Ja, weil ich ihm -Ziegenkäse schuldig bin. -- Oline hat nun Zeit zum Überlegen gehabt und -gibt folgende Antwort: Gott bewahre mich, Isak! Bin ich es gewesen, die -mit Os-Anders angefangen hat, so soll mich gleich der Schlag rühren! - -Ausgezeichnet! Isak muß nachgeben, wie so manches Mal vorher. - -Oline gab nicht nach: Und wenn ich jetzt, wo es dem Winter zugeht, hier -barfuß laufen und das nicht zu eigen haben soll, was Gott zu Schuhen -für die Füße geschaffen hat, dann sag es lieber geradeheraus. Schon vor -drei bis vier Wochen habe ich von Schuhen gesprochen, aber ich habe -noch nichts von ihnen gesehen und muß nun mit denen hier herumlaufen. --- Isak erwiderte: Was fehlt denn eigentlich deinen Holzschuhen, daß -du sie nicht trägst? -- Was ihnen fehlt? fragte Oline überrumpelt. --- Ja, das möchte ich fragen. -- Den Holzschuhen? -- Ja. -- Du sagst -nichts davon, daß ich Wolle kardätsche und spinne, das Vieh versorge -und die Kinder aufziehe, davon sagst du nichts. Und zum Kuckuck, deine -Frau, die im Gefängnis sitzt, die ist doch wohl auch nicht barfuß im -Schnee herumgelaufen. -- Nein, sie trug Holzschuhe, sagte Isak. Und -wenn sie in die Kirche oder zu ordentlichen Leuten ging, dann trug -sie Lappenschuhe, sagte er. -- Ja, ja, antwortete Oline, sie war eben -soviel besser! -- Ja, das war sie. Und wenn sie im Sommer Lappenschuhe -trug, so hatte sie nichts als dürres Gras darin. Aber du, du trägst das -ganze Jahr Strümpfe und Schuhe. - -Oline sagte: Was das betrifft, so werde ich meine Holzschuhe wohl noch -abnützen. Ich habe nicht geglaubt, daß es so große Eile hätte, meine -eigenen Holzschuhe durchzulaufen. -- Sie sprach leise und gedämpft, -aber sie kniff die Augen halb zu, oh, sie war klug und schlau. Die -Inger, sagt sie, der Wechselbalg, wie wir sie genannt haben, ist unter -meinen Kindern umhergegangen und hat da in all den Jahren dies und -jenes gelernt. Jetzt haben wir den Dank dafür. Wenn meine Tochter in -Bergen einen Hut trägt, dann tut das Inger vielleicht südwärts da -drunten auch, ja, vielleicht ist sie nach Drontheim gereist, um sich -einen Hut zu kaufen, haha! - -Isak stand auf und wollte hinausgehen. Aber jetzt war Oline das Herz -aufgegangen, und sie zeigte, wie schwarz es war, ja, sie strahlte -wahrhaftig Dunkelheit aus, sagte, keine von ihren Töchtern habe ein -Gesicht wie ein feuerspeiendes Raubtier, könne sie gern sagen, aber -deshalb seien sie doch gut genug. Nicht alle hätten Geschick dazu, -Kinder umzubringen. -- Jetzt nimm dich aber in acht! rief Isak, und -um sich recht klar verständlich zu machen, fügte er noch hinzu: Du -verdammtes Weibsbild. - -Aber Oline nahm sich nicht in acht, nein. Haha! sagte sie und sah zum -Himmel auf und deutete an, daß es eigentlich übertrieben sei, mit einer -solchen Hasenscharte herumzulaufen wie gewisse Leute. Man könne auch -darin Maß halten. - -Isak war wohl froh, als er endlich glücklich aus dem Hause draußen war. -Und was blieb ihm anderes übrig, als Oline Lederschuhe zu verschaffen! -Er war ein Ansiedler im Walde und war nicht einmal so weit den Göttern -ähnlich, daß er seine Arme über der Brust kreuzen und zu seinem -Dienstboten sagen konnte: Geh! Eine so unentbehrliche Haushälterin wie -Oline war in Sicherheit, sie mochte sagen und tun, was sie wollte. - -Die Nächte sind kühl, und es ist Vollmond, die Moore erstarren so weit, -daß sie zur Not einen Mann tragen; bei Tag taut die Sonne sie wieder -auf und macht sie ungangbar. Isak wandert in einer kühlen Nacht ins -Dorf hinunter, um Schuhe für Oline zu bestellen. Er hat zwei Ziegenkäse -mit für Frau Geißler. - -Auf halbem Wege nach dem Dorf hat sich nun der neue Ansiedler -niedergelassen. Er war wohl ein vermöglicher Mann, da er Zimmerleute -vom Dorfe bestellt hatte, die ihm sein Haus bauten, und dazu noch -Taglöhner, um ein Stück sandiges Moor für Kartoffeln umzugraben; er -selbst tat nichts oder nur wenig. Der Mann war Brede Olsen, Amtsdiener -und Gerichtsbote, ein Mann, an den man sich wenden mußte, wenn der -Doktor geholt oder bei der Pfarrfrau ein Schwein geschlachtet werden -sollte. Brede Olsen war noch nicht dreißig Jahre alt, hatte aber schon -vier Kinder zu versorgen, außer seiner Frau, die eigentlich auch noch -ein Kind war. Ach, Bredes Mittel waren wohl nicht so sehr groß, es warf -nicht so sehr viel ab, Topf und Pfanne zu sein und zu Auspfändungen zu -fahren; jetzt wollte er es mit der Landwirtschaft versuchen. Für seinen -Hausbau hatte er auf der Bank Geld aufgenommen. Sein Grundstück hieß -Breidablick, Lensmann Heyerdahls Frau hatte ihm diesen herrlichen Namen -gegeben. - -Isak geht an der Ansiedlung vorüber und nimmt sich nicht Zeit, -hineinzugehen, aber so früh am Morgen es auch ist, am Fenster stehen -schon dichtgedrängt die Kinder und schauen heraus. Isak eilt vorüber, -er will beim nächsten Nachtfrost schon wieder hier zurück sein. Im -Ödland draußen hat ein Mann gar viel zu bedenken und sich zu überlegen, -wie er es auf die beste Weise einrichtet. Er hat zwar jetzt gerade -nicht so übermäßig viel Arbeit, aber er hat Heimweh nach den Kindern, -die daheim bei Oline zurückgeblieben sind. - -Während er so dahinschreitet, muß er unwillkürlich an seine erste -Wanderung hier denken. Die Zeit ist dahingegangen, die beiden letzten -Jahre sind sehr lang gewesen; vieles ist gut gewesen auf Sellanraa, -aber etwas ist schlimm gewesen, ach ja, Herrgott im Himmel! Nun war -also eine neue Ansiedlung hier entstanden; Isak erkannte die Stelle gut -wieder, dies war einer von den wirklichen Plätzen, die er auf seiner -ersten Wanderung untersucht, dann aber wieder aufgegeben hatte. Es -war hier näher beim Dorf, jawohl, aber der Wald war nicht so gut; es -war hier Ebene, aber Moor, die Erde war leicht umzubrechen, aber das -Entwässern war schwierig. Der gute Brede hatte noch keinen Acker damit, -daß er Moorboden umgrub. Und was sollte das heißen, wollte denn Brede -nicht einen Schuppen an die Scheune anbauen für Geräte und Fahrzeuge? -Isak sah einen zweirädrigen Karren unter offenem Himmel gerade vor dem -Hause stehen. - -Er macht seine Besorgung beim Schuhmacher, aber Geißler ist weggereist; -da verkauft er seine Ziegenkäse an den Krämer. Am Abend geht er -heimwärts. Es gefriert immer mehr, so daß man leicht übers Moor gehen -kann; aber Isaks Gang ist schwer. Gott mochte wissen, wann Geißler nun -wiederkam, da seine Frau verreist war, vielleicht kam er nie wieder. -Inger war fort, die Zeit verging. - -Er geht auch jetzt auf dem Rückweg nicht zu Bredes hinein, nein, er -macht einen Bogen um Breidablick herum und kommt so ungesehen vorbei. -Er will nicht mit Menschen reden, er will nur weitergehen. Noch -immer steht Bredes Fuhrwerk im Freien. Ich möchte wissen, ob es da -stehenbleibt? denkt Isak. Na, jeder hat das Seine! Jetzt hat er ja -selbst, er, Isak, ein Fuhrwerk und einen Schuppen dazu, aber es ist -deshalb doch nicht besser gegangen, sein Heim ist nur halb, einmal war -es ganz, jetzt ist es nur halb. - -Als er bei vollem Tageslicht so weit gekommen ist, daß er sein Haus auf -der Halde droben sehen kann, wird ihm leichter ums Herz, obgleich er -müde und matt ist nach der zweitägigen Wanderung. Die Gebäude stehen -noch da. Rauch steigt vom Schornstein auf, beide Jungen sind im Freien, -sowie sie ihn sehen, stürmen sie ihm entgegen. Er geht hinein, in der -Stube sitzen zwei Lappen. Oline steht überrascht vom Hocker auf und -sagt: Was -- bist du schon wieder da? Sie kocht Kaffee auf dem Herd. -Kaffee? Kaffee! - -Isak hat es wohl schon früher bemerkt: wenn Os-Anders oder andere -Lappen dagewesen sind, kocht Oline sich lange Zeit nachher in Ingers -kleinem Kessel Kaffee. Sie tut es, wenn Isak im Wald oder auf dem Feld -ist; und wenn er unerwartet heimkommt und es sieht, schweigt er. Aber -er weiß, daß er jedesmal um ein Bündel Wolle oder einen Ziegenkäse -ärmer geworden ist. Deshalb ist es sehr gut von Isak, daß er Oline -jetzt nicht packt und zwischen seinen Händen zerschmettert für ihre -Niedertracht. Ja, im ganzen genommen versucht es Isak in Wahrheit, ein -immer besserer Mensch zu werden, was er auch dabei im Sinne haben -mag, ob er es um des lieben Friedens willen tut oder weil er hofft, -Gott werde ihm dann Inger früher zurückgeben. Er hat einen Hang zum -Grübeln und zum Aberglauben; selbst die Bauernschlauheit, die er hat, -ist treuherzig. Jetzt eben im Herbst hatte es sich gezeigt, daß das -Torfdach auf seinem Stall auf das Pferd herabzusinken drohte; da kaute -Isak ein paarmal an seinem rostigen Bart, aber dann lächelte er wie -jemand, der einen Spaß versteht, er richtete das Dach auf und stützte -es mit Sparren. Kein böses Wort entfuhr ihm. Ein anderer Zug: Das -Vorratshaus, in dem alle seine Lebensmittel untergebracht waren, stand -nur mit den Ecken auf hohen steinernen Füßen. Nun gelangten durch die -große Öffnung in der Grundmauer kleine Vögel ins Vorratshaus hinein, -flatterten darin herum und fanden den Weg nicht mehr hinaus. Oline -klagte, die kleinen Vögel pickten an den Eßwaren herum, liefen auf dem -Speck hin und her, ja, sie täten auch das, was noch schlimmer sei, -darauf. Isak sagte: Ja, es ist auch schlimm, daß die kleinen Vögel -hereinkommen und den Weg nicht mehr hinausfinden! Und mitten in der -strengen Arbeitszeit brach er Steine aus und füllte die Mauer damit auf. - -Gott mochte wissen, was er sich dabei dachte, ob er hoffte, er werde, -wenn er sich so gut aufführe, Inger schon bald zurückbekommen. - - - - -9 - - -Die Jahre vergehen. - -Wieder kam ein Ingenieur mit einem Vorarbeiter und zwei Arbeitern nach -Sellanraa, und sie wollten wieder eine Telegraphenlinie übers Gebirge -abschreiten. So, wie sie jetzt abschritten, würde die Linie nicht -weit von Isaks Haus zu liegen kommen, und ein gerader Weg würde durch -den Wald geführt werden. Aber das schadete nichts, es würde den Ort -weniger öde machen, die Welt würde hereinkommen und ihn erhellen. - -Der Ingenieur sagte: Dieser Platz hier wird nun der Mittelpunkt -zwischen zwei Tälern, man wird dir vielleicht die Aufsicht über die -Linie nach beiden Seiten hin anbieten. -- So, sagte Isak. -- Du -bekommst fünfundzwanzig Taler im Jahr dafür. -- So, sagte Isak, aber -was habe ich dafür zu tun? -- Die Leitung in Ordnung halten, die Drähte -ausbessern, wenn sie abgerissen sind, die Büsche weghauen, wenn sie -in die Linie hineinwachsen. Du bekommst eine nette kleine Maschine -an deine Wand, die dir zeigt, wenn du hinaus mußt. Dann mußt du -augenblicklich alles liegen und stehen lassen und gehen. - -Isak überlegte: Im Winter könnte ich die Arbeit übernehmen, sagte er -dann. -- Nein, es muß das ganze Jahr hindurch sein, das ganze Jahr -natürlich, Sommer wie Winter. -- Aber Isak erklärte: Im Frühjahr und -im Sommer und im Herbst habe ich meine Feldarbeit und keine Zeit für -anderes. - -Da mußte der Ingenieur Isak eine gute Weile ansehen, ehe er die -folgende erstaunte Frage tat: Kannst du damit mehr verdienen? -- -Verdienen? sagte Isak. -- Ob du an den Tagen, die du bei der Aufsicht -der Telegraphenlinie verbringen mußt, mit Feldarbeit mehr verdienen -kannst? -- Das weiß ich nicht, antwortete Isak. Aber es ist nun einmal -so, daß ich wegen der Felder hier bin. Ich habe für das Leben von -vielen Menschen und von noch mehr Haustieren zu sorgen. Wir leben -von dem Grundstück. -- Ja, ja, ich kann den Posten auch einem andern -anbieten, versetzte der Ingenieur. - -Diese Drohung schien wahrhaftig Isak das Herz nur zu erleichtern, er -wollte dem hohen Herrn wohl nur ungern eine abschlägige Antwort geben, -und so erklärte er: Ich habe ein Pferd und fünf Kühe, dazu einen -Stier. Dann habe ich zwanzig Schafe und sechzehn Ziegen. Die Tiere -geben uns Nahrung und Wolle und Felle, sie müssen Futter haben. -- Ja, -das ist klar, sagte der Ingenieur kurz. -- Jawohl. Und nun sage ich -nichts weiter als, wie sollte ich das Futter für sie herschaffen, wenn -ich mitten in der Heuernte fortgehen müßte und nach dem Telegraphen -sehen? -- Der Ingenieur erwiderte: Wir wollen gar nicht mehr darüber -reden. Der Mann da unten, Brede Olsen, soll die Aufsicht bekommen, er -übernimmt sie wohl gerne. -- Dann wendete er sich an seine Leute und -befahl: Kommt, wir wollen weitergehen! - -Nun erriet wohl Oline an dem Ton, daß Isak steif und unvernünftig -gewesen war, das mußte ihr zugute kommen. Was hast du gesagt, Isak? -Sechzehn Ziegen? Es sind doch nicht mehr als fünfzehn. -- Isak sah sie -an, und Oline sah ihn an, sah ihm mitten ins Gesicht. -- Sind es nicht -sechzehn Ziegen? -- Nein, versetzte sie und sah den fremden Herrn über -Isaks Unvernunft ratlos an. -- So, sagte Isak leise. Er nahm einen -Büschel seines Bartes zwischen die Zähne und begann darauf zu kauen. - -Der Ingenieur und seine Leute entfernten sich. - -Wenn es nun Isak darum zu tun gewesen wäre, sich mit Oline unzufrieden -zu zeigen und sie vielleicht zu schlagen, so hätte er jetzt eine -gute Gelegenheit, oh, eine herrliche Gelegenheit dazu gehabt. Sie -waren wieder allein in der Stube, die Kinder waren mit den Fremden -hinausgelaufen und verschwunden. Isak stand mitten im Zimmer, und -Oline saß am Herd. Isak räusperte sich ein paarmal, um sie verstehen -zu lassen, daß er nicht weit davon entfernt sei, sich auszusprechen. -Aber er schwieg. Das war seine Seelenstärke. Sollte er etwa nicht -wissen, wie viele Ziegen er hatte, konnte er sie nicht an den Fingern -herzählen, war das Weib verrückt? Sollte eines von den Tieren im -Stall, mit denen er persönlich umging, mit denen er täglich plauderte, -verschwunden sein, eine von den Ziegen, die sechzehn an der Zahl waren! -Dann hatte wohl Oline die eine Ziege um irgend etwas vertauscht, -gestern, als die Frau von Breidablick dagewesen war und sich umgesehen -hatte. - -Hm! sagte Isak, und er war nahe daran, noch mehr zu sagen. Was hatte -Oline getan? Es war vielleicht nicht geradezu ein Mord, aber doch nicht -weit davon. Er konnte in tödlichem Ernst von der sechzehnten Ziege -reden. - -Er konnte jedoch nicht in alle Ewigkeit hier mitten in der Stube stehen -und schweigen. Er sagte: Hm! So, es sind also jetzt nicht mehr als -fünfzehn Ziegen? -- Nein, antwortete Oline freundlich. Ja, du kannst -sie ja selbst zählen, ich bekomme nicht mehr als fünfzehn heraus. - -Jetzt, in diesem Augenblick hätte er es tun können: die Hände -ausstrecken und Oline in der Gestalt bedeutend verändern, nur mit einem -guten Griff. Das hätte er tun können. Er tat es nicht, aber er sagte -laut, indem er nach der Tür ging: Ich sage jetzt nichts weiter! Damit -ging er hinaus, wie wenn es beim nächsten Male von seiner Seite nicht -an deutlichen Worten fehlen sollte. - -Eleseus! rief er. - -Wo war Eleseus, wo waren beide Jungen geblieben? Der Vater wollte -eine Frage an sie stellen, sie waren jetzt große Jungen und hatten -Augen im Kopfe. Er fand sie unter dem Scheunenboden, sie waren da ganz -hineingekrochen und vollständig unsichtbar, aber sie verrieten sich -durch ein ängstliches Flüstern. Dann kamen sie zum Vorschein wie zwei -Sünder. - -Die Sache war die, daß Eleseus ein Stück farbigen Bleistift gefunden -hatte, das dem Ingenieur gehörte; aber als er ihm damit nachlaufen -wollte, waren die weitausschreitenden erwachsenen Männer schon ein -Stück droben im Walde drin, und Eleseus blieb stehen. Der Gedanke stieg -in ihm auf, er könnte am Ende den Bleistift behalten -- ach, wenn er -das könnte! Er zog den kleinen Sivert mit sich fort, damit er die -Verantwortung nicht allein hätte, und dann krochen die zwei mit ihrer -Beute in einen Winkel unter dem Scheunenboden. Ach, dieses kurze Stück -Bleistift -- es war eine Merkwürdigkeit in ihrem Leben, ein Wunder! -Sie suchten sich Holzspäne und bedeckten sie mit allerlei Strichen, -und der Bleistift zeichnete rot mit dem einen Ende und blau mit dem -andern; die Jungen wechselten ab, wer ihn haben durfte. Als nun der -Vater so eindringlich und laut rief, flüsterte Eleseus: Die Fremden -sind wohl zurückgekommen, um den Bleistift zu holen! Da war die Freude -daran plötzlich verschwunden, sie war wie aus ihrer Seele weggewischt, -und die kleinen Herzen begannen ängstlich zu schlagen und zu hämmern. -Die Brüder krochen hervor; Eleseus hielt dem Vater den Bleistift auf -Armlänge entgegen, um ihm zu zeigen, daß sie ihn nicht zerbrochen -hatten, aber sie wünschten, sie hätten ihn nie gesehen. - -Doch sie sahen keinen Ingenieur, da beruhigten sich ihre Herzen wieder -und fühlten einen wahren Gottesfrieden nach der Spannung. - -War gestern eine Frau hier? fragte der Vater. -- Ja. -- Die Frau von -drunten? Habt ihr sie gesehen, als sie wegging? -- Ja. -- Hatte sie -eine Ziege bei sich? -- Nein, sagten die Kinder. Eine Ziege? -- Hatte -sie nicht eine Ziege bei sich, als sie wieder heimging? -- Nein. Was -für eine Ziege? - -Isak überlegte und grübelte nach, und am Abend, als das Vieh von der -Weide zurückkam, zählte er die Ziegen zum erstenmal: es waren sechzehn. -Er zählte sie noch einmal, zählte fünfmal -- es waren sechzehn Ziegen. -Keine fehlte. - -Isak atmete erleichtert auf. Wie war das zu verstehen? Oline, diese -Kreatur, hatte wohl nicht bis sechzehn zählen können. Er sagte in -ärgerlichem Ton zu ihr: Was faselst du denn, es sind ja sechzehn -Ziegen! -- Sind es sechzehn? fragte sie unschuldig. -- Ja. -- So, ja, -ja. -- Ja, du bist mir ein guter Rechenmeister. -- Darauf erwiderte -Oline ruhig und gekränkt: Nun, wenn alle Ziegen da sind, dann hat Oline -Gott sei Dank keine von ihnen aufgefressen. Ich bin recht froh für sie! - -Sie verwirrte ihn mit diesem Streich und brachte ihn dazu, sich die -Sache aus dem Kopf zu schlagen. Er zählte nun den Viehstand nicht -mehr, es fiel ihm auch nicht ein, die Schafe zu zählen. Natürlich war -Oline nicht so schlimm, sie führte ihm gewissermaßen das Hauswesen, -versorgte sein Vieh, sie war nur sehr dumm -- aber dadurch schadet sie -sich selbst und nicht ihm. Mochte sie dableiben und weiterleben, sie -war nicht mehr wert. Aber es war düster und freudlos, in einem solchen -Leben der Isak zu sein. - -Die Jahre waren vergangen. Jetzt war Gras auf dem Hausdach gewachsen, -ja, sogar das Scheunendach, das mehrere Jahre jünger war, stand grün. -Die Eingeborene des Waldes, die Feldmaus, hatte längst im Vorratshaus -ihren Einzug gehalten. Es schwirrte von Meisen und anderen kleinen -Vögeln auf der Ansiedlung, auf der Halde gab es Auerhähne, ja, auch -Krähen und Elstern waren herbeigekommen. Aber das Merkwürdigste hatte -sich doch im letzten Sommer begeben, da waren Möwen von der Meeresküste -heraufgeflogen und hatten sich auf dieses Grundstück im Ödland -herabgesenkt. So bekannt war die Ansiedlung unter der ganzen Schöpfung -geworden. Und was meint ihr, welche Gedanken in Eleseus und dem kleinen -Sivert aufstiegen, als sie die Möwen sahen? Oh, es waren fremde Vögel -von weit her, und sie waren nicht sehr zahlreich, aber es waren doch -sechs Stück, weiße Vögel, alle ganz gleich; sie spazierten auf den -Feldern umher, zuweilen bissen sie Gras ab. -- Vater, warum sind sie -hierhergekommen? fragten die kleinen Buben. -- Weil sie auf dem Meer -einen Sturm erwarteten. -- Ach, wie sonderbar und geheimnisvoll war -das mit den Möwen! - -Und vieles andere Gute lehrte Isak seine Kinder. Sie waren jetzt -so alt, daß sie in die Schule gehen sollten, aber die Schule war -drunten im Dorfe, viele Meilen entfernt und nicht zu erreichen. An -den Sonntagen hatte Isak den Kindern selbst das Abc beigebracht, aber -irgendeinem höheren Unterricht war er nicht gewachsen, nein, dazu -war dieser geborene Landmann nicht geschaffen. Der Katechismus, die -biblische Geschichte lagen deshalb ruhig auf dem Wandbrett neben den -Ziegenkäsen. So wie Isak die Kinder heranwachsen ließ, mußte er wohl -denken, Unkenntnis in Buchweisheit sei für den Menschen bis zu einem -gewissen Grad eine Kraft. Beide Jungen waren ihm eine Herzensfreude; -Isak mußte oft daran denken, wie ihre Mutter, als sie noch ganz klein -waren, ihm verboten hatte, sie anzufassen, weil er Harz an den Händen -habe. Oh, Harz, das Reinste auf der Welt! Teer und Ziegenmilch und -zum Beispiel Mark -- sind auch gesund und vortrefflich; aber Harz, -Tannenharz -- o schweigt! - -Ja, da gingen also die Kinder in einem Paradies von Schmutz und -Unwissenheit umher; aber es waren hübsche Kinder, wenn sie sich ein -seltenes Mal wuschen, und Klein-Sivert war geradezu ein Prachtkerl; -aber Eleseus war feiner und tiefer angelegt. -- Ja, aber woher können -die Möwen wissen, daß ein Sturm droht? fragte er. -- Sie werden -wetterkrank, antwortete der Vater. Aber außerdem sind sie nicht mehr -wetterkrank als die Fliegen, fuhr er fort, was diese auch haben mögen, -ob sie Gicht bekommen oder ob ihnen schwindlig wird oder so etwas. -Aber schlagt nie nach einer Fliege, denn dann wird sie nur schlimmer, -sagte er. Vergeßt das nicht, Jungen! Die Bremse ist von anderer Art, -sie stirbt von selbst. Ganz unversehens kommt die Bremse im Sommer -eines Tages daher, und hast du nicht gesehen, so ist sie auch wieder -verschwunden! -- Wo bleibt sie? fragte Eleseus. -- Wo sie bleibt? Das -Fett erstarrt in ihr, und dann bleibt sie liegen! - -An jedem Tag mehr Gelehrsamkeit: Wenn die Kinder von hohen Felsblöcken -heruntersprangen, sollten sie die Zunge gut im Munde behalten, damit -sie ihnen nicht zwischen die Zähne komme. Wenn sie größer würden -und für die Kirche gut riechen wollten, sollten sie sich mit etwas -Rainfarn, der auf der Halde droben wuchs, einreiben. Der Vater war -voller Weisheit. Er erzählte den Kindern von den Steinen und vom -Feuerstein, und daß der weiße Stein härter sei als der graue; aber wenn -er einen Feuerstein fand, mußte er auch einen Feuerschwamm suchen, den -er in Lauge kochte und aus dem er dann Zunder machte. Dann schlug er -Feuer. Er erzählte ihnen vom Mond und sagte, wenn sie mit der linken -Hand in die Mondsichel hineingreifen könnten, dann sei der Mond im -Zunehmen, könnten sie das aber mit der rechten tun, dann sei er im -Abnehmen. -- Vergeßt das nicht, Jungen! Ein seltenes Mal ging Isak -indes zu weit, und da wurde er sonderbar und unverständlich: einmal kam -er mit einem Ausspruch daher, der darauf hinauslief, es sei schwieriger -für ein Kamel in den Himmel zu kommen, als für einen Menschen durch -ein Nadelöhr zu gehen. Ein anderes Mal, als er ihnen von dem Glanz -der Engel berichtete, sagte er, die Engel hätten die Sterne statt -Beschlägen an die Absätze ihrer Schuhe genagelt. Das war ein guter, -treuherziger Unterricht, der auf die Ansiedlung paßte, der Schullehrer -im Dorf drunten würde darüber gelächelt haben; Isaks Kinder dagegen -nährten ihre Phantasie ziemlich stark damit. Sie wurden für ihre eigene -enge Welt erzogen und unterrichtet; was hätte besser sein können? Beim -Schlachten im Herbst waren die Jungen höchst neugierig; für die Tiere, -die geschlachtet werden sollten, hatten sie große Angst, und ihre -kleinen Herzen waren tief betrübt. Da mußte nun Isak mit der einen -Hand das Tier festhalten und mit der andern zustechen, und Oline rührte -das Blut um. Jetzt wurde der alte Bock herausgeführt, weiß und bärtig -war er, die beiden kleinen Burschen standen an der Hausecke und guckten -hervor. - -Das ist doch ein abscheulicher Wind heuer, sagte Eleseus und wendete -sich ab und wischte sich die Augen. Der kleine Sivert weinte -offenherziger, er konnte sich nicht beherrschen, sondern rief: Ach, der -arme alte Bock! - -Als der Bock gestochen war, trat Isak zu seinen Kindern und gab ihnen -folgende Lehre: Ihr sollt nie ein Schlachtopfer bedauern und nicht -armes Tier sagen. Denn sonst wird es nur lebenszäher. Vergeßt das nicht! - -So waren die Jahre vergangen, und abermals näherte sich der Frühling. - -Inger hatte wieder geschrieben, daß sie es gut habe und in der Anstalt -sehr viel lerne. Ihr kleines Kind sei jetzt ein großes Mädchen, sie -heiße Leopoldine nach dem Tag ihrer Geburt, dem 15. November. Sie -könne alles und sei ein wahres Genie im Häkeln und Nähen, alles sei -wunderschön gearbeitet, einerlei, ob auf Stoff oder Stramin. - -Das Merkwürdige an diesem letzten Brief war, daß Inger ihn selbst -buchstabiert und geschrieben hatte. Isak war nicht so geschickt, er -mußte sich den Brief beim Händler im Dorf vorlesen lassen; aber als er -ihn erst im Kopf hatte, saß er auch fest darin, und als Isak heimkam, -konnte er ihn auswendig. - -Nun setzte er sich mit großer Feierlichkeit oben an den Tisch, breitete -den Brief aus und las ihn seinen Jungen vor. Oline sollte auch gerne -sehen, daß er Geschriebenes fließend lesen konnte, aber sonst richtete -er nicht einmal das Wort an sie. Als er fertig war, sagte er: Da könnt -ihr hören, du, Eleseus, und du, Sivert, eure Mutter hat diesen Brief -selbst geschrieben und hat alles mögliche gelernt. Und euer kleines -Schwesterchen kann jetzt schon mehr als wir alle miteinander. Vergeßt -das nicht, Jungen! -- Die Kinder saßen ganz still da und wunderten -sich. -- Ja, das ist großartig, sagte Oline. - -Was meinte sie damit? Zog sie Ingers Wahrhaftigkeit in Zweifel? Oder -traute sie Isaks Vorlesen nicht? Olines wahre Meinung war nicht -leicht zu ergründen, wenn sie mit ihrem sanften Gesicht so dasaß und -Zweideutigkeiten sagte. Isak beschloß, sie gar nicht zu beachten. - -Und wenn eure Mutter nun heimkommt, dann müßt ihr auch schreiben -lernen, sagte er zu den beiden Kindern. - -Oline machte sich mit ein paar Kleidungsstücken zu schaffen, die am -Ofen zum Trocknen hingen, schob einen Kessel hin und her, hängte die -Kleidungsstücke wieder um und tat überhaupt sehr geschäftig. Aber -sie überlegte die ganze Zeit. -- Wenn es dann so großartig hier im -Walde wird, dann hättest du auch ein halbes Pfund Kaffee kaufen und -mitbringen können, sagte sie. -- _Kaffee?_ sagte Isak, das Wort entfuhr -ihm unwillkürlich. -- Oline antwortete ruhig: Bis jetzt habe ich immer -ein wenig von meinem eigenen Geld gekauft. - -Kaffee, der für Isak ein Traum und ein Märchen war, ein Regenbogen! -Oline spottete natürlich, er wurde nicht böse auf sie; aber schließlich -fiel dem langsam denkenden Mann Olines Tauschhandel mit den Lappen -ein, und er sagte zornig: Ja, ich werde dir Kaffee kaufen! Ein halbes -Pfund hast du gesagt? Du hättest ein ganzes Pfund sagen sollen. Es -soll wahrlich nicht fehlen. -- Du brauchst nicht so zu spotten, Isak, -sagte sie. Mein Bruder Nils hat Kaffee, und drunten bei Bredes auf -Breidablick haben sie Kaffee. -- Jawohl, denn sie haben keine Milch, -gar keine Milch. -- Nun, das weiß ich nicht, und es ist mir auch -einerlei. Aber du, der so viel weiß und Geschriebenes so gut lesen kann -wie eine Renntierkuh laufen, du weißt wohl, daß es jetzt in allen -Häusern Kaffee gibt. -- Kreatur! sagte Isak. - -Da setzte sich Oline auf den Hocker und wollte durchaus nicht -schweigen. Und was Inger betrifft, sagte sie, wenn ich ein so großes -Wort überhaupt in den Mund nehmen darf. -- Du kannst sagen, was du -willst, ich kümmere mich nicht darum. -- Sie kommt heim und hat alles -gelernt. Und dann hat sie wohl Perlen und Federn auf dem Hut? -- Ja, -das hat sie wohl. -- Ja, ja, sagte Oline, nun kann sie sich bei mir -ein bißchen für alle diese Größe bedanken, die sie erreicht hat. -- -Bei dir? entfuhr es Isak. -- Oline antwortete demütig: Da ich ja als -geringes Werkzeug dazu gedient habe, sie fortzubringen. - -Darauf konnte Isak nichts mehr sagen, die Worte blieben ihm im Halse -stecken, er saß still da und starrte vor sich hin. Hatte er recht -gehört? Oline sah aus, als habe sie gar nichts Besonderes gesagt. Nein, -in einem Wortstreit zog Isak den kürzeren. - -Düsteren Sinnes trieb er sich draußen herum. Oline, dieses Vieh, -das sich von Bosheit nährte und fett dabei wurde -- oh, es war wohl -verkehrt von ihm gewesen, daß er sie nicht gleich im ersten Jahr -erschlagen hatte, dachte er und tat vor sich selbst groß. Dazu hätte -er der Mann sein sollen, dachte er weiter. Mann -- er? O ja, niemand -konnte fürchterlicher sein. - -Und nun folgt ein komischer Auftritt: er geht in den Stall und zählt -seine Ziegen; da stehen sie mit ihren Zicklein und sind vollzählig. -Er zählt die Kühe, das Schwein, vierzehn Hühner, zwei Kälber. Und die -Schafe habe ich fast vergessen! sagt er laut zu sich selbst. Er zählt -auch die Schafe und tut, als sei er sehr gespannt, ob sie vollzählig -sind. Isak weiß sehr wohl, daß ein Schaf fehlt, ja, er hat es schon -lange gewußt, warum also tun, als wüßte er es nicht? Die Sache ist die: -Oline hatte ihn ja damals verwirrt gemacht und eine Ziege verleugnet, -obgleich alle Ziegen dagewesen waren. Damals war er tüchtig ins Zeug -gefahren, es war aber nichts dabei herausgekommen. Bei einem Streit mit -Oline kam nie etwas heraus. Als er im Herbst schlachten wollte, hatte -er gleich gemerkt, daß ein Mutterschaf fehlte, aber er hatte nicht das -Herz gehabt, sofort Rechenschaft dafür zu verlangen, und auch später -war ihm der Mut dazu nicht gekommen. - -Aber heute ist er grimmig, ja, heute ist Isak grimmig, Oline hat ihn -wütend gemacht. Er zählt die Schafe noch einmal, legt den Zeigefinger -auf jedes einzelne und zählt laut. -- Oline darf es gern hören, falls -sie draußen steht und horcht. Und er sagt mit lauter Stimme viel -Schlechtes über Oline: sie habe eine ganz neue Art, die Schafe zu -füttern, so daß plötzlich eines verschwinde, ein Mutterschaf! Sie sei -eine abgefeimte Diebshure, ob sie das verstehe! Oh, Oline dürfe gern -vor der Tür stehen und einen ordentlichen Schrecken bekommen! - -Er schreitet zum Stall hinaus, geht in den Pferdestall und zählt das -Pferd, von da will er ins Haus gehen und sich aussprechen. Er geht so -schnell, daß sein Kittel wie ein erregter Kittel von seinem Rücken -wegsteht. Aber Oline hat vielleicht vom Fenster aus dies und jenes -gemerkt, sie tritt ruhig und sicher zur Haustür heraus, die Milcheimer -in den Händen, und will in den Stall gehen. - -Was hast du mit dem Mutterschaf mit den flachen Ohren gemacht? fragt -er. -- Mit dem Mutterschaf? -- Ja, und wenn es hier gewesen wäre, hätte -es jetzt schon zwei Lämmer; was hast du mit ihm gemacht? Es hatte -immer zwei Lämmer. Auf diese Weise hast du mir drei Schafe genommen; -verstehst du das? - -Oline ist ganz überwältigt, vollständig vernichtet von der -Beschuldigung, sie wackelt mit dem Kopf, und ihre Beine scheinen -unter ihr wegzuschmelzen, so daß sie schließlich umfallen und sich -einen Schaden antun kann. Aber ihr Kopf überlegt die ganze Zeit, ihre -Geistesgegenwart hat ihr immer geholfen, hatte ihr immer Vorteile -gebracht, sie durfte sie auch jetzt nicht verlassen. - -Ich stehle Ziegen und ich stehle Schafe, sagt sie still. Ich möchte -wissen, was ich mit ihnen tue. Ich esse sie wohl auf. -- Ja, das -weißt du selbst, was du damit tust. -- So, dann müßte ich hier in -deinem Haus, Isak, nicht Essen und Trinken im Überfluß haben, ich wäre -gezwungen, mir dazu zu stehlen. Aber das kann ich hinter deinem Rücken -sagen, daß ich das in all diesen Jahren nicht nötig gehabt habe. -- -Aber was hast du dann mit dem Schaf gemacht? Hat Os-Anders es bekommen? --- Os-Anders? Oline muß geradezu die Melkeimer abstellen und die Hände -zusammenschlagen: Wenn ich nur so frei von aller Schuld wäre! Was ist -denn das für ein Schaf mit seinen Lämmern, von dem du redest? Ist es -die eine Ziege, die flache Ohren hat? -- Kreatur! sagt Isak und will -gehen. -- Du bist doch ein komischer Kauz, Isak. Da hast du nun genug -Vieh von jeder Art und ein wahres Sternenheer von Tieren in deinem -Stall, aber du hast noch nicht genug! Kann ich wissen, welches Schaf -und welche Lämmer du von mir verlangst? Du müßtest Gott für seine -Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied danken. Wenn jetzt dieser -Sommer und ein Stück vom Winter vorbei sind, dann werfen deine Schafe -wieder Lämmer, und du bekommst dreimal soviel, als du jetzt hast! - -O diese Oline! - -Isak ging fort, wie ein Bär brummend. Was für ein Dummkopf war ich, -daß ich sie nicht am ersten Tag erschlagen habe! sagte er sich und -warf sich selbst allerlei Schimpfnamen an den Kopf. Was für ein Narr, -ein Roßdreck war ich doch! Aber es ist noch nicht zu spät, warte nur, -mag sie in den Stall gehen! Es ist nicht ratsam, an diesem Abend noch -etwas mit ihr anzufangen, aber morgen, da ist es ratsam. Drei Schafe -verloren! Kaffee! sagte sie. - - - - -10 - - -Der nächste Tag sollte ein großes Ereignis bringen: Gäste kamen auf -die Ansiedlung, Geißler kam. Auf den Mooren war es noch nicht einmal -Sommer, aber Geißler machte sich nichts aus dem Weg, er kam zu Fuß -in prächtigen Schaftstiefeln mit breitem lackiertem Umschlag; gelbe -Handschuhe hatte er an, und er sah vornehm aus. Ein Mann aus dem Dorfe -trug sein Gepäck. - -Er komme nun eigentlich, um eine Strecke Bergland von Isak zu kaufen, -eine Kupfermine, welchen Preis er dafür verlange? Übrigens könne er -von Inger grüßen -- eine tüchtige Frau, sehr beliebt; er komme von -Drontheim und habe sie da gesprochen. Isak, du hast ja hier mächtig -gearbeitet! -- O ja. So, Ihr habt mit Inger gesprochen? -- Was ist das -dort drüben? Hast du eine Mühle errichtet? Und mahlst du dein eigenes -Mehl? Ausgezeichnet. Und du hast sehr viel Boden umgebrochen, seit ich -das letztemal hier war. -- Und es ging ihr gut? -- Ja, es geht gut. Ach -so, deiner Frau! Ja, jetzt sollst du hören. Komm, wir wollen in die -Kammer gehen. -- Nein, es ist nicht so schön drinnen, sagt Oline, aus -mehreren Gründen abwehrend. - -Aber die beiden gingen doch in die Kammer und machten die Tür hinter -sich zu; Oline stand allein in der Stube und bekam nichts zu hören. - -Der Lensmann Geißler setzte sich, schlug sich einmal kräftig auf die -Knie und saß da mit Isaks Schicksal in der Hand. Du hast doch wohl -dein Kupferfeld nicht verkauft? fragte er. -- Nein. -- Gut. Ich kaufe -es. Ja, ich habe mit Inger und mit mehreren andern gesprochen. Sie -wird gewiß in allernächster Zeit frei, es liegt jetzt beim König. -- -Beim König! -- Beim König. Ich bin zu deiner Frau gegangen, für mich -hatte es natürlich keine Schwierigkeiten, hineinzukommen, und wir -haben lange miteinander gesprochen: Nun, Inger, es geht dir ja gut, -richtig gut? -- Ja, ich habe nichts zu klagen. -- Sehnst du dich nicht -nach Hause? -- Doch, das kann ich nicht leugnen. -- Du sollst bald -heimkommen, sagte ich. Und das kann ich dir sagen, Isak, sie ist ein -tüchtiges Weib; keine Tränen, im Gegenteil, sie lächelte und lachte --- ihr Mund ist übrigens operiert und zusammengenäht worden. Nun lebe -wohl, sagte ich zu ihr, du sollst nicht mehr lange hierbleiben, mein -Wort darauf. - -Dann ging ich zum Direktor, es hätte ja nur gefehlt, daß er mich nicht -empfangen hätte. Sie haben eine Frau hier, die hinaus und wieder heim -gehört, sagte ich, Inger Sellanraa. -- Inger? versetzte er. Ja, sie -ist ein guter Mensch, ich würde sie gerne zwanzig Jahre hier behalten, -sagte er. -- Davon kann keine Rede sein, sagte ich, sie ist schon zu -lange hier gewesen. -- Zu lange? sagte er. Kennen Sie den Fall? -- -Ja, ich kenne den Fall von Grund aus, ich bin ihr Lensmann gewesen. --- Bitte, setzen Sie sich, sagte er da. -- Es hätte auch gerade noch -gefehlt! -- Ja, wir sorgen so gut wie möglich für Inger, sagte der -Direktor, und auch für ihr kleines Mädchen, jawohl. So, die Frau ist -also aus Ihrer Gegend? Wir haben ihr zu einer eigenen Nähmaschine -verholfen, sie hat ihr Gesellenstück in der Werkstatt gemacht, und wir -haben sie in Verschiedenem unterrichtet; sie hat ordentlich weben, -ordentlich nähen, färben und schneidern gelernt. Und Sie sagen, sie sei -schon zu lange hier gewesen? -- Ich wußte wohl, was ich zu antworten -hatte, aber ich wollte damit noch etwas warten, und so sagte ich: Ja, -der Fall ist schlecht geführt worden und muß wieder aufgenommen werden, -jetzt nach der Revision des Strafgesetzes würde sie vielleicht ganz -freigesprochen werden. Es ist ihr ein Hase zugeschickt worden, als sie -schwanger war. -- Ein Hase? fragte der Direktor. -- Ein Hase, sagte -ich. Und das Kind bekam eine Hasenscharte. -- Der Direktor lächelte. -So also. Ihrer Meinung nach ist also auf diesen Punkt nicht genug -Rücksicht genommen worden? -- Nein, antwortete ich, dieser Punkt wurde -gar nicht berührt. -- Nun, das ist wohl auch nicht so gefährlich. --- Für sie war es gefährlich genug. -- Meinen Sie, ein Hase könne -Wundertaten verrichten? -- Ich erwiderte: Wieweit ein Hase Wundertaten -verrichten kann oder nicht, damit will ich Sie nicht unterhalten, -Herr Direktor. Die Frage ist die, welche Wirkung der Anblick eines -Hasen unter gewissen Umständen auf eine Frau, die eine Hasenscharte -hat, haben kann! -- Der Direktor überlegte eine Weile, dann sagte er: -Ja, ja, aber hier in der Anstalt haben wir die Verurteilten ja nur -aufzunehmen, wir revidieren das Urteil nicht. Nach dem Urteil ist Inger -nicht zu lange hier gewesen. - -Jetzt kam ich mit dem heraus, was gesagt werden mußte. Bei der -Inhaftnehmung von Inger Sellanraa sind Fehler gemacht worden. -- -Fehler? -- Erstens hätte sie in dem Zustand, in dem sie war, gar nicht -transportiert werden dürfen. -- Der Direktor sah mich scharf an. -- -Das ist richtig, sagte er dann. Aber das ist nicht unsere Sache hier -im Gefängnis. -- Zweitens, fuhr ich fort, hätte sie nicht zwei Monate -lang in vollem Gewahrsam sein dürfen, bis ihr Zustand der Behörde hier -am Gefängnis offenbar wurde. Das saß. Der Direktor schwieg lange. -- -Haben Sie Vollmacht, für die Frau zu handeln? fragte er. -- Ja, sagte -ich. -- Wie gesagt, wir sind hier zufrieden mit Inger und behandeln -sie auch danach, schwatzte der Direktor, und wieder zählte er auf, -was Inger alles gelernt habe, ja, sie hätten sie auch schreiben -gelehrt, sagte er. Und die kleine Tochter hätten sie bei jemand gut -untergebracht und so weiter. -- Ich erklärte ihm, wie die Verhältnisse -in Ingers Heim seien: da auch zwei kleine Kinder, gemietete Hilfe, um -sie zu versorgen, und so weiter. Ich habe eine Darlegung von ihrem -Manne, sagte ich, die kann beigelegt werden, ob der Fall nun wieder -aufgenommen werden soll oder ob man für die Frau um Begnadigung -einkommen will. -- Lassen Sie mich diese Darlegung sehen, sagte der -Direktor. -- Ich werde sie Ihnen morgen in der Besuchszeit bringen, -versetzte ich. - -Isak hörte aufmerksam zu, das war ergreifend, ein Märchen aus fremdem -Land. Unverwandt hingen seine Augen an Geißlers Mund. - -Geißler erzählte weiter. Ich ging zurück ins Gasthaus und setzte eine -Darlegung auf, ich machte die Sache zu der meinigen und unterschrieb -Isak Sellanraa. Aber du mußt ja nicht glauben, ich hätte ein Wort -davon verlauten lassen, daß im Gefängnis etwas Unrichtiges gemacht -worden sei. Keine Silbe davon! Rührte nicht daran. Und am nächsten -Tage brachte ich das Dokument hin. -- Bitte setzen Sie sich! sagte der -Direktor sofort. Er las meine Darlegung, nickte ab und zu, schließlich -sagte er: Ausgezeichnet. Sie genügt zwar nicht zur Wiederaufnahme des -Falles, aber ... -- Doch, mit einer Beilage, die ich ebenfalls hier -habe, sagte ich, und ich traf da wieder recht gut. Der Direktor beeilte -sich zu sagen: Ich habe mir die Sache seit gestern überlegt und finde -gute Gründe dafür, ein Gesuch um Begnadigung für Inger einzureichen. -- -Das Sie im gegebenen Fall unterstützen werden, Herr Direktor? fragte -ich. -- Ich werde es befürworten, es warm befürworten. -- Da verbeugte -ich mich und sagte: Dann ist die Begnadigung sicher. Ich danke Ihnen im -Namen eines unglücklichen Mannes und eines verlassenen Hauses. -- Ich -glaube nicht, daß wir weitere Auskunft aus Ihrem Heimatort einzuholen -brauchen, sagte der Direktor, Sie kennen sie ja? -- Ich erriet wohl, -warum die Sache sozusagen in aller Stille abgemacht werden sollte, und -erwiderte: Die Auskunft von daheim würde die Sache nur in die Länge -ziehen. - -Da hast du die ganze Geschichte, Isak. -- Geißler sah auf seine -Uhr. Und nun zur Sache selbst! Kannst du mich noch einmal nach dem -Kupferberg begleiten? - -Isak war ein Stein und ein Klotz, er konnte nicht so augenblicklich von -einem zum andern überspringen. Aufs höchste verwundert und in tiefe -Gedanken versunken, saß er da; dann stellte er noch allerlei Fragen. -Er erfuhr, daß das Gesuch an den König abgegangen war und in einer der -ersten Sitzungen des Staatsrats entschieden werden konnte! Wunderbar! -sagte er. - -Sie gingen auf den Berg. Geißler, sein Begleiter und Isak, und sie -blieben ein paar Stunden weg. In dieser kurzen Zeit verfolgte Geißler -den Lauf der Kupferader über einen langen Berg hin und steckte die -Grenzen für den Bereich ab, den er kaufen wollte. Wie ein Wiesel lief -er. Aber dumm war der Mann nicht, sein rasches Urteil war merkwürdig -sicher. - -Als er auf den Hof zurückkam -- mit einem Sack voll neuer -Gesteinsproben --, bat er um Feder und Tinte und Papier und setzte -sich zum Schreiben hin. Aber er schrieb nicht immerfort eilig, sondern -plauderte auch dazwischen: Ja, Isak, große Summen bekommst du diesmal -nicht für deinen Berg, aber ein paar hundert Taler kannst du haben! -Dann schrieb er wieder. Vergiß nicht, mich daran zu erinnern, daß -ich auch noch deine Mühle ansehen will, ehe ich gehe, sagte er. Dann -fielen ihm einige rote und blaue Striche an dem Webstuhl auf, und er -sagte: Wer hat das gezeichnet? -- Ja, Eleseus hatte ein Pferd und einen -Bock gezeichnet, er versuchte sich mit seinem bunten Bleistift auf -dem Webstuhl und anderem Holzwerk, weil er kein Papier hatte. Geißler -sagte: Das ist gar nicht schlecht gemacht, und schenkte Eleseus eine -Münze. - -Wieder schrieb Geißler eine Weile, dann sagte er: Es werden jetzt -wohl bald mehrere neue Ansiedler durchs Ödland hier heraufkommen! --- Sein Begleiter fiel ein: Sie sind schon gekommen. -- Wer denn? --- Vorerst ist da Breidablick, wie sie es nennen, der Brede auf -Breidablick drunten. -- Ach der! lächelte Geißler verächtlich. -- -Jawohl, und dann haben noch ein paar andere Grund und Boden gekauft. --- Wenn sie nur etwas taugen, sagte Geißler. Und da er in demselben -Augenblick entdeckte, daß zwei kleine Jungen in der Stube waren, -zog er Klein-Sivert zu sich heran und gab auch ihm eine Münze. Ein -merkwürdiger Mann, dieser Geißler! Jetzt waren überdies seine Augen -wie etwas entzündet, die Ränder waren wie von rotem Reif umgeben. Das -konnte von Nachtwachen kommen, manchmal kommt aber so etwas auch von -starken Getränken. Aber er machte nicht den Eindruck, als gehe es -bergab mit ihm; während er so über alles mögliche schwatzte, dachte er -gewiß die ganze Zeit an das Dokument vor sich, denn plötzlich ergriff -er rasch die Feder wieder und schrieb ein Stück weiter. - -Jetzt schien er fertig zu sein. - -Er wendete sich an Isak. Ja, wie gesagt, ein reicher Mann wirst du -nicht bei diesem Geschäft. Aber es kann später noch mehr werden. Wir -wollen es so aufsetzen, daß du später mehr bekommst. Zweihundert kannst -du jedoch jetzt gleich haben. - -Isak verstand nicht viel vom Ganzen, aber zweihundert Taler, das war -jedenfalls wieder ein Wunder und eine großartige Bezahlung. Er würde -sie wohl nur auf dem Papier bekommen, natürlich nicht bar, aber es war -ihm auch so recht; er hatte ganz anderes im Kopf und fragte: Und Ihr -glaubt, daß sie begnadigt wird? -- Deine Frau? Wenn ein Telegraph im -Dorf wäre, dann würde ich in Drontheim anfragen, ob sie nicht schon -frei ist, antwortete Geißler. -- Isak hatte wohl vom Telegraphen reden -hören; das war etwas Merkwürdiges, ein Draht auf hohen Stangen, etwas -Überirdisches -- jetzt schlich sich fast etwas wie Mißtrauen gegen -Geißlers große Worte in sein Herz, und er wendete ein: Aber wenn -es der König abschlägt? -- In dem Fall schicke ich meine Beilage zu -der Darlegung ein, die alles enthält, und dann _muß_ deine Frau frei -werden. Zweifle nicht daran! - -Dann las er vor, was er geschrieben hatte, den Kaufvertrag für den -Berg, zweihundert Taler in die Hand und später ordentlich hohe -Prozente beim Betrieb oder bei einem Weiterverkauf des Kupferfundes. -Unterschreib, hier! sagte Geißler. - -Isak würde augenblicklich unterschrieben haben, aber er war kein -Schriftkundiger, sein ganzes Leben lang hatte er nur Buchstaben in Holz -geschnitten. Ach, und da stand die abscheuliche Oline und sah zu! Er -ergriff die Feder, diesen Greuel von einem leichten Ding, neigte das -richtige Ende nach unten und _schrieb_ -- schrieb seinen Namen. Danach -setzte Geißler noch etwas darunter, vermutlich eine Erklärung, und sein -Begleiter unterschrieb als Zeuge. - -Fertig. - -Aber immer noch blieb Oline unbeweglich stehen, ja, eigentlich wurde -sie jetzt erst steif. Was würde geschehen? - -Stell das Essen auf den Tisch, Oline! sagte Isak, und er war vielleicht -ein wenig hochmütig, seit er auf Papier geschrieben hatte. Ihr müßt -eben vorliebnehmen, wie wir es haben! sagte er zu Geißler. - -Es riecht gut nach Fleisch und Brühe, sagte Geißler. Da sieh her, Isak, -hier ist das Geld! -- Damit zog Geißler sein Taschenbuch heraus, das -dick und strotzend war, er nahm zwei Bündel Banknoten heraus, zählte -sie und legte sie auf den Tisch: Zähl selbst! sagte er. - -Schweigen. Stille. - -Isak! rief Geißler. - -Ja. Na ja, sagte Isak, und er murmelte überwältigt: Das ist nun nicht -mein Anspruch -- nach allem, was Ihr schon getan habt. -- Es müssen -zehn Zehner und zwanzig Fünfer sein, sagte Geißler kurz. Ich hoffe, es -wird einmal viel mehr für dich herauskommen. - -Da kam Oline wieder zu sich. Das Wunder war geschehen. Sie stellte das -Essen auf den Tisch. - -Am nächsten Morgen ging Geißler nach dem Flusse und besah sich die -Mühle. Alles war klein und roh zusammengezimmert, ja, es war wie eine -Mühle für die Unterirdischen, aber stark und nützlich zum Gebrauch für -Menschen. Isak führte seinen Gast noch etwas weiter den Fluß hinauf und -zeigte ihm eine zweite Stromschnelle, wo er auch schon etwas gearbeitet -hatte; es sollte ein kleines Sägewerk werden, wenn ihm Gott die -Gesundheit erhielt. - -Das einzige ist, daß wir hier so weit von der Schule entfernt sind, -sagte er. Ich muß die Jungen drunten im Dorf in Kost geben. -- Der -bewegliche Geißler sah darin keine größere Unannehmlichkeit. Gerade -jetzt lassen sich immer mehr Ansiedler hier in dieser Gegend nieder, -und dann kommt eine Schule her. -- Ach, das kommt wohl erst so weit, -wenn meine Kleinen groß sind. -- Und was tut's, wenn du sie drunten -unterbringst? Du fährst mit den Jungen und mit Lebensmitteln hinunter -und holst sie nach drei oder sechs Wochen wieder ab, das ist doch gar -nichts für dich. -- Nein. - -Nein, eigentlich war es gar nichts, wenn Inger jetzt heim kam. Haus und -Hof, Nahrung und sonst viel Schönes hatte er, viel Geld hatte er also -jetzt auch und dazu eine eiserne Gesundheit. O diese Gesundheit, stark -und ungeschwächt in jeder Beziehung, die Gesundheit eines ganzen Mannes! - -Als Geißler abgezogen war, begann Isak über viele hoffärtige Dinge -nachzudenken. Jawohl, denn dieser gute Geißler hatte zum Schlusse noch -die aufmunternden Worte gesagt, daß er Isak gleich Nachricht schicken -wolle, sobald er zum Telegraphen komme. In vierzehn Tagen kannst du -drunten auf der Post einmal nachfragen, hatte er gesagt. Das allein war -schon etwas Großen, und Isak machte sich nun daran, eine Sitzbank auf -seinem Karren zu verfertigen. Wahrhaftig einen Wagenstuhl, der zu den -Feldarbeiten abgenommen, aber wieder aufgesetzt wurde, wenn man ins -Dorf fuhr. Als jedoch der Wagenstuhl fertig war, sah er so weiß und -neu aus, daß er etwas dunkler angestrichen werden mußte. Und außerdem, -was war nicht alles zu machen! Der ganze Hof mußte angestrichen -werden. Hatte Isak nicht schon seit Jahren daran gedacht, eine große -Scheuer mit einer Einfahrtsbrücke zu bauen, um das Heu in den oberen -Raum hineinfahren zu können? Und hatte er nicht das Sägewerk bald -fertigstellen, sein ganzes Grundstück einfriedigen und ein Boot für den -Gebirgssee bauen wollen? Vieles hatte er sich vorgenommen. Aber es half -alles nichts, und wenn er auch seine Kräfte vertausendfachen könnte, -die _Zeit_ reichte nicht aus. Es war Sonntag, ehe er sich's versah, und -gleich darauf war es schon wieder Sonntag. - -Aber anstreichen wollte er jedenfalls. Die Häuser standen ja jetzt so -nackt und grau da wie Häuser in Hemdärmeln. Er hatte noch Zeit vor der -Feldarbeit, es war ja noch gar nicht eigentlich Frühling, das Kleinvieh -war zwar schon draußen, aber der Boden war noch überall gefroren. - -Isak packt einige Mandeln Eier ein, um sie zu verkaufen, geht ins Dorf -und kehrt mit Ölfarbe zurück. Sie reichte zu einem Gebäude, zu der -Scheune, diese wurde rot angestrichen. Er holt neue Farbe und gelben -Ocker fürs Wohnhaus. -- Ja, es ist, wie ich sage, hier wird's jetzt -vornehm, murmelt Oline täglich. O Oline, sie merkte wohl, daß ihre Zeit -auf Sellanraa bald zu Ende sein würde, sie war zäh und stark genug, es -zu ertragen, aber doch nicht ohne Bitterkeit. Isak seinerseits hielt -nun keine Abrechnung mehr mit ihr, obgleich sie in der letzten Zeit -gehörig stahl und unterschlug. Isak schenkte ihr sogar einen jungen -Widder, denn sie war ja eigentlich jetzt schon recht lange um wenig -Lohn bei ihm. Übrigens war Oline auch nicht schlecht gegen seine Kinder -gewesen; sie war nicht streng und rechtschaffen und dergleichen, aber -sie hatte eine bequeme Art für die Kinder, gab Rede und Antwort, wenn -sie fragten, und erlaubte ihnen fast alles. Kamen sie herbei, wenn sie -Käse machte, dann durften sie versuchen, und wenn sie an einem Sonntag -einmal vor dem Gesichtwaschen auskneifen wollten, dann ließ sie sie -laufen. - -Als die Häuser mit der Grundfarbe angestrichen waren, holte Isak im -Dorf so viel Farbe, als er nur tragen konnte, und das war nicht wenig. -Dreimal strich er die Häuser an, und die Fensterkreuze und -rahmen -machte er weiß. Wenn er jetzt aus dem Dorfe zurückkam und sein Heim -da auf der Halde sah, war es ihm, als sehe er das Märchenschloß Soria -Moria vor sich! Das Ödland war bebaut und nicht mehr zu erkennen, Segen -ruhte darauf, Leben war entstanden aus einem langen Traum, Menschen -lebten da, Kinder spielten um die Häuser her. Bis hinauf zu den blauen -Bergen dehnte sich schöner großer Wald aus. - -Und als Isak wieder einmal zum Kaufmann kam, gab dieser ihm -einen blauen Brief mit einem Wappen drauf, und der Brief kostete -fünf Schilling. Der Brief war ein Telegramm, das mit der Post -weitergeschickt worden war, und es war vom Lensmann Geißler. Nein, -dieser Geißler, was für ein merkwürdiger Mensch war er doch! Er -telegraphierte die wenigen Worte: Inger frei, kommt baldigst, Geißler. - -Aber jetzt drehte sich der Kaufladen im Kreise vor Isak, und es -war, als wichen der Ladentisch und die Menschen weit, weit in den -Hintergrund zurück. Er fühlte mehr, als er es vernahm, daß er sagte: -Gott sei Lob und Dank! -- Du kannst sie möglicherweise schon morgen -hier haben, wenn sie zeitig genug von Drontheim abgereist ist. -- So, -sagte Isak. - -Er wartete bis zum nächsten Tag. Das Boot, das die Post von der -Dampfschiffstation mitbrachte, kam allerdings, aber Inger war nicht an -Bord. -- Dann kann sie erst in der nächsten Woche hier sein, sagte der -Kaufmann. - -Es war fast gut, daß Isak so viel Zeit vor sich hatte, denn es war -noch sehr viel zu tun. Sollte er alles vergessen und seine Felder -vernachlässigen? Er geht heim und fährt den Dung hinaus. Das ist -bald geschehen. Er sticht mit dem Spaten in die Erde und verfolgt -das Auftauen von Tag zu Tag. Die Sonne steht jetzt kräftig und groß -am Himmel, der Schnee ist verschwunden, es grünt überall, auch das -Rindvieh ist aus dem Stalle. An einem Tag pflügt Isak, ein paar Tage -darauf sät er sein Korn und legt Kartoffeln. Die kleinen Jungen legen -die Kartoffeln wie mit Engelshänden, sie haben sehr geschickte Hände -und kommen dem Vater weit voraus. - -Dann wäscht Isak seinen Wagen am Fluß und befestigt den Sitz darauf. -Dann spricht er mit den Kindern von einem Ausflug, den er nach dem -Dorfe machen müsse. -- Aber gehst du denn nicht zu Fuß? fragen sie. -- -Nein, ich habe die Absicht, diesmal mit Wagen und Pferd zu fahren. -- -Dürfen wir nicht auch mitfahren? -- Nein, ihr müßt artige Jungen sein -und diesmal zu Hause bleiben. Jetzt kommt eure Mutter heim, und dann -könnt ihr vieles bei ihr lernen. -- Eleseus, der gerne lernen will, -fragt: Als du damals auf Papier geschrieben hast, wie war denn das? -- -Ich habe es fast nicht gefühlt, antwortete der Vater, es ist, als sei -die Hand ganz leer dabei. -- Will sie nicht davonlaufen, gerade wie auf -dem Eis? -- Wer? -- Die Feder, mit der du geschrieben hast? -- O doch. -Jawohl, aber man muß eben lernen, sie zu lenken. - -Der kleine Sivert jedoch war von anderer Art und sagte nichts von der -Feder, er wollte aufsitzen, wollte nur auf dem Wagenbrett sitzen, einen -unbespannten Wagen antreiben und ungeheuer schnell fahren. Er brachte -es so weit, daß der Vater beide Jungen ein großes Stück Wegs mitfahren -ließ. - - - - -11 - - -Isak fährt, bis er an ein Moorloch kommt. Da hält er an. Ein schwarzes, -tiefes Moorloch, die blaue Wasserfläche liegt regungslos da; Isak -wußte, wozu sie gut war, er hatte wohl kaum je in seinem Leben einen -anderen Spiegel gebraucht als ein solches Moorloch. Seht, er ist heute -in seinem roten Hemd sehr hübsch und ordentlich angezogen, jetzt -zieht er eine Schere heraus und schneidet sich den Bart. Der eitle -Mühlengeist, wollte er sich geradezu prachtvoll machen und sich von -seinem fünf Jahre alten Vollbart trennen? Er schneidet und schneidet -und besieht sich im Wasser. Natürlich hätte er diese Arbeit heute auch -daheim verrichten können; aber er scheute sich vor Oline, es war schon -sehr viel gewesen, daß er gerade vor ihrer Nase das rote Hemd angezogen -hatte. Er schert und schert, ein gutes Teil Barthaare fallen auf den -Spiegel. Als das Pferd nicht länger ruhig stehen will, hört er auf und -erklärt sich für fertig. O jawohl, er fühlt sich bedeutend jünger. -- -Ja zum Kuckuck, wenn er es verstand, auch bedeutend schlanker sogar. - -Dann fährt er ins Dorf. - -Am nächsten Tag kommt das Boot. Isak sitzt auf einem Felsblock neben -dem Schuppen des Kaufmanns und späht hinaus, aber auch diesmal -erscheint Inger nicht. Lieber Gott, es stiegen ziemlich viel Reisende -aus, Erwachsene und Kinder, aber Inger war nicht darunter. Isak hatte -sich im Hintergrund gehalten, sich auf diesen Felsblock gesetzt, nun -hatte er keinen Grund mehr, noch länger da sitzenzubleiben, und so -ging er zum Boot hin. Immer noch kamen Kisten und Tonnen, Leute und -Postsachen aus dem Achtriemer heraus, aber Isak sah Inger nicht. -Dagegen sah er eine Frau mit einem kleinen Mädchen, die schon drüben an -der Tür des Bootshauses stand, aber die Frau war hübscher als Inger, -obgleich Inger nicht häßlich war. -- Aber wie -- das _war_ ja Inger. -Hm! sagte Isak und eilte hinüber. Sie begrüßten einander; Inger sagte -guten Tag und reichte ihm die Hand, etwas erkältet und blaß noch von -der Seekrankheit und der Reise. Isak stand ganz still da, schließlich -sagte er: Ja, es ist recht schönes Wetter! -- Ich habe dich gut dort -drüben gesehen, sagte Inger, aber ich wollte mich nicht durchdrängen. -Bist du heute ohnedies im Dorf? fragte sie. -- Ja. Hm. -- Es geht -euch allen doch wohl gut? -- Ja, danke der Nachfrage. -- Dies ist die -Leopoldine, sie ist auf der Reise viel wohler gewesen als ich. Sieh, -das ist dein Vater, nun mußt du deinen Vater begrüßen, Leopoldine. -- -Hm! sagte Isak auch jetzt wieder; es war ihm höchst sonderbar zumute, -oh, er war ein Fremder unter ihnen. -- Inger sagte: Wenn du am Boot -drunten eine Nähmaschine siehst -- sie gehört mir. Und dann habe ich -noch eine Kiste. -- Isak ging sofort; mehr als gerne ging er. Die -Bootsleute zeigten ihm die Kiste, aber wegen der Nähmaschine mußte -Inger selbst kommen und sie heraussuchen. Es war ein schöner Kasten von -unbekannter Form, mit einem runden Deckel und einem Henkel zum Tragen --- eine Nähmaschine in dieser Gegend! Isak lud sich die Kiste und die -Nähmaschine auf und sagte zu seiner Familie: Ich laufe rasch mit diesem -hinauf ins Dorf, komme aber gleich wieder und trage dann sie, sagte -er. -- Wen tragen? fragte Inger lächelnd. Meinst du, das große Mädchen -könne nicht gehen? - -Sie gingen miteinander zu dem Pferd und dem Wagen hin. Hast du ein -neues Pferd gekauft? fragte Inger. Und hast du einen Wagen mit -einem Wagenstuhl? -- Ja, das versteht sich. Doch was ich sagen -wollte: Möchtest du nicht erst ein wenig essen? Ich habe Mundvorrat -mitgebracht. -- Das kann warten, bis wir das Dorf hinter uns haben, -sagte sie. Was meinst du, Leopoldine, kannst du allein da sitzen? -- -Aber das wollte der Vater nicht leiden. Nein, sie könnte auf die Räder -herunterfallen. Setz du dich mit ihr hinauf und nimm selbst die Zügel. - -So fuhren sie ab, und Isak ging hinter dem Wagen her. - -Er betrachtete die beiden auf dem Wagen. Da war nun Inger gekommen, -fremd nach Anzug und Aussehen, vornehm, ohne Hasenscharte, nur mit -einem roten Streifen auf der Oberlippe. Sie zischte nicht mehr, das war -das Merkwürdige, sie sprach ganz rein. Ein grau und rot gestreiftes -wollenes Kopftuch mit Fransen daran sah prachtvoll aus zu ihrem dunklen -Haar. Sie wendete sich auf dem Sitz um und sagte: Es wäre gut, wenn du -ein Fell mitgebracht hättest, es kann heute abend kühl für das Kind -werden. -- -- Sie kann meine Jacke haben, und wenn wir erst im Wald -sind, so ist dort ein Fell, ich habe es dort hinterlegt. -- So, du hast -ein Fell im Wald! -- Ja, ich habe es nicht den ganzen Weg auf dem Wagen -mitnehmen wollen, falls ihr heute nicht gekommen wäret. -- So. Was -hast du gesagt, geht es den beiden Jungen auch gut? -- Jawohl, danke -der Nachfrage. -- Sie werden jetzt groß sein, das kann ich mir denken. --- Ja, daran fehlt's nicht. Sie haben jetzt gerade die Kartoffeln -gelegt. -- Ach so, sagte die Mutter und schüttelte den Kopf. Können sie -schon Kartoffeln legen? -- Eleseus geht mir bis hierher und Sivert bis -hierher, versetzte Isak und maß an sich. - -Die kleine Leopoldine bat um etwas zu essen. Ach, das nette kleine -Geschöpf, ein Marienkäferchen auf einem Fuhrwerk. Sie sprach mit einem -singenden Tonfall, in einer merkwürdigen Sprache von Drontheim, der -Vater mußte es sich bisweilen übersetzen lassen. Sie hatte dieselben -Züge wie die Jungen, die braunen Augen und die länglichen Wangen, -die alle drei Kinder von der Mutter geerbt hatten; die Kinder waren -der Mutter Kinder, und das war gut so! Isak war seinem Töchterchen -gegenüber ein wenig schüchtern, angesichts ihrer kleinen Schuhe, der -langen dünnen Wollstrümpfe und des kurzen Kleides! Als sie den fremden -Vater begrüßte, hatte sie sich verneigt und ihm ein winziges Händchen -hingereicht. - -Im Walde angekommen, rasteten sie und aßen, das Pferd bekam sein -Futter, und Leopoldine hüpfte mit ihrem Brot in der Hand im Heidekraut -umher. - -Du hast dich nicht sehr verändert, sagte Inger, indem sie ihren Mann -betrachtete. -- Isak sah auf die Seite und antwortete: So, meinst du? -Aber du bist sehr vornehm geworden! -- Haha! Nein, ich bin jetzt alt, -erwiderte sie so recht scherzhaft. -- Es war offenbar, Isak fühlte sich -nicht recht sicher, er blieb zurückhaltend, war wie verschüchtert. Wie -alt war wohl seine Frau? Sie konnte nicht jünger als dreißig sein -- -das heißt, sie konnte nicht mehr sein, unmöglich. Und obgleich Isak -aß, riß er doch ein Zweiglein Heidekraut ab und kaute auch daran. Was, -ißt du auch Heidekraut? rief Inger lachend. Isak warf das Heidekraut -weg und steckte einen Bissen in den Mund, dann ging er hin und hob das -Pferd vorne in die Höhe. Inger folgte diesem Auftritt mit Erstaunen, -sie sah, daß das Pferd auf zwei Beinen stand. -- Warum tust du das? -fragte sie. -- Es ist so zutraulich, sagte er von dem Pferd und ließ es -wieder los. Warum hatte er das nur getan? Er hatte wohl eine mächtige -Lust dazu verspürt. Vielleicht hatte er seine Verlegenheit dahinter -verbergen wollen. - -Dann brachen sie wieder auf, und alle drei gingen eine Strecke zu -Fuß. Eine Ansiedlung kam in Sicht. Was ist das? fragte Inger. -- Das -ist Bredes Grundstück, er hat es gekauft. -- Brede? -- Und es heißt -Breidablick! Es sind große Moore da, aber wenig Wald. -- Als sie an -Breidablick vorbei waren, sprachen sie weiter darüber, Isak aber hatte -gesehen, daß Bredes Wagen unter freiem Himmel stand. - -Doch jetzt wurde das Kind schläfrig, da nahm der Vater es fürsorglich -auf den Arm und trug es. Sie wanderten weiter, Leopoldine war bald -eingeschlafen, und Inger sagte: Nun legen wir sie in dem Fell auf den -Wagen, dann kann sie schlafen, solange sie will. -- Sie wird da so sehr -gerüttelt, meinte der Vater und wollte sie lieber tragen. Sie kommen -über das Moor und in den Wald hinein, und Ptro sagt Inger. Sie hält -das Pferd an, nimmt Isak das Kind ab und sagt, er solle die Kiste und -die Nähmaschine zusammenrücken, dann könne Leopoldine hinten im Wagen -liegen. Da wird sie gar nicht geschüttelt und gerüttelt, was ist das -für Unsinn! -- Isak tut, wie sie sagt, hüllt seine kleine Tochter in -das Fell und schiebt ihr seine Jacke unter den Kopf. Dann fahren sie -weiter. - -Der Mann und die Frau gehen zu Fuß und reden von Verschiedenem. Die -Sonne scheint bis spät am Abend, und das Wetter ist warm. Oline -- -wo schläft sie für gewöhnlich? fragt Inger. -- In der Kammer. -- So, -und die Buben? -- Die liegen in ihrem eigenen Bett in der Stube. -Es sind zwei Bettladen in der Stube, noch genau so wie damals, als -du fortgegangen bist. -- Ich betrachte dich immerfort, sagt Inger, -du siehst genau so aus wie früher. Und allerlei Lasten haben deine -Schultern durchs Ödland heraufgetragen, aber sie sind darum nicht -schwächer geworden. -- O nein. Aber was ich sagen wollte: ist es dir in -allen den Jahren erträglich gegangen? -- Oh, Isak war ganz bewegt, bei -dieser Frage zitterte ihm die Stimme. Inger antwortete, ja, sie könne -nicht klagen. - -Es kam zu einer gefühlvollen Aussprache zwischen ihnen, und Isak -fragte, ob sie nicht müde sei und lieber fahren wolle. -- Nein, danke, -antwortete Inger. Aber ich weiß nicht, was mit mir ist, seit sich die -Seekrankheit ganz verzogen hat, bin ich immerfort hungrig. -- Möchtest -du noch etwas essen? -- Ja, wenn ich uns nicht zu sehr aufhalte. O -diese Inger, sie selbst war wohl nicht hungrig, aber sie gönnte Isak -noch etwas, er hatte ja seine letzte Mahlzeit mit dem Heidekrautstengel -unterbrochen. - -Da der Abend warm und hell war und sie noch einen weiten Weg vor sich -hatten, fingen sie wieder an zu essen. - -Inger holte ein Paket aus ihrer Kiste heraus und sagte: Ich habe ein -paar Sachen für die kleinen Buben. Komm, wir wollen zu dem Gebüsch -hinübergehen, da ist es sonnig. -- Sie setzten sich unter das Gebüsch, -und Inger zeigte die Sachen für die Jungen: hübsche Hosenträger mit -Schnallen daran, Schreibbücher mit Vorschriften darin, für jeden einen -Bleistift, ein Taschenmesser für jeden. Für sich selbst hatte sie ein -ausgezeichnetes Buch. Hier sieh, mein Name steht darauf, es ist ein -Andachtsbuch. Sie hatte es von dem Direktor zur Erinnerung bekommen. -Isak bewunderte alles mit leisen Worten. Sie zeigte auch eine Anzahl -Kragen, die Leopoldine gehörten, und Isak gab sie ein schwarzes, wie -Seide glänzendes Halstuch. -- Soll ich das haben? fragte er. -- Ja, das -bekommst du. -- Isak nahm es vorsichtig in die Hand und strich darüber -hin. -- Ist es nicht hübsch? -- Ach, hübsch! Damit könnte ich in der -ganzen Welt umherreisen! Aber seine Finger waren so rauh, daß sie an -der merkwürdigen Seide überall hängen blieben. - -Jetzt hatte Inger nichts mehr vorzuweisen, aber als sie wieder -zusammenpackte, saß sie so, daß ihre Waden in den rotgestreiften -Strümpfen zum Vorschein kamen. -- Hm! Das sind wohl Stadtstrümpfe? -fragte er. -- Ja, es ist Garn aus der Stadt, aber ich habe sie selbst -geknüpft -- gestrickt, wie wir dort sagten. Es sind ganz lange -Strümpfe, bis über die Knie, sieh her ... Kurz darauf hörte sie sich -selbst flüstern: Du -- du bist noch ganz derselbe -- wie früher! - -Eine Weile später fuhren sie weiter, Inger sitzt jetzt droben und lenkt -das Pferd. Ich habe auch ein Paket Kaffee mitgebracht, sagt sie, aber -heute abend kannst du ihn nicht mehr versuchen, denn er ist noch nicht -gebrannt. -- Du sollst dich auch nicht damit plagen, erwidert er. - -Wieder nach einer Weile ist die Sonne untergegangen, und es wird kühl. -Inger will absteigen und gehen. Sie decken Leopoldine dichter mit dem -Fell zu und lächeln darüber, daß sie so lange schlafen kann. Dann -unterhalten sich Mann und Frau wieder im Weitergehen. Es ist ein wahres -Vergnügen, Inger jetzt sprechen zu hören, niemand hätte besser sprechen -können, als Inger jetzt sprach. - -Haben wir nicht vier Kühe? fragt sie. -- O nein, wir haben jetzt mehr, -antwortet er stolz, wir haben acht. -- _Acht_ Kühe! -- Ja, wenn man den -Stier mitrechnet. -- Habt ihr Butter verkauft? -- O ja, und Eier. -- -Haben wir denn auch Hühner? -- Ja, das versteht sich. Und ein Schwein. --- Inger muß sich über die Maßen verwundern, sie kann das Gehörte kaum -fassen und hält einen Augenblick das Pferd an: Ptro! Und Isak ist stolz -und legt es darauf an, sie ganz zu überwältigen. Der Geißler, sagt er, -du weißt, der Geißler, der ist vor kurzem hier gewesen. -- So? -- Ja, -und er hat uns einen Kupferberg abgekauft. -- So, was ist denn das, -ein Kupferberg? -- Ein Berg aus Kupfer. Er liegt droben im Gebirge -an der ganzen Nordseite des Sees. -- So. Und das ist etwas, für das -du eine Bezahlung bekommen hast? -- Jawohl, der Geißler ist nicht der -Mann, der nicht bezahlt. -- Was hast du bekommen? -- Hm. Du wirst es -nicht glauben wollen, aber es sind zweihundert Taler. -- Die hast du -bekommen! ruft Inger und hält wieder einen Augenblick das Pferd an: -Ptro! -- Habe ich bekommen, jawohl. Und den Hof habe ich auch längst -bezahlt. -- Ach, du bist großartig! - -Es war in Wahrheit ein Vergnügen, Inger in Verwunderung zu setzen und -sie zu einer reichen Frau zu machen; deshalb fügte Isak noch hinzu, daß -er auch weder beim Kaufmann noch bei sonst jemand Schulden stehen habe. -Und er habe nicht allein Geißlers zweihundert Taler noch unberührt -daliegen, sondern noch mehr, noch hundertsechzig Taler darüber. Sie -hätten also allen Grund, Gott dankbar zu sein. Sie sprachen noch -weiter von Geißler, und Inger konnte Aufklärung über das geben, was -er für ihre Freilassung getan hatte. Es war doch nicht alles so glatt -gegangen; er hatte lange damit zu tun gehabt und war sehr oft beim -Direktor gewesen. Geißler hatte auch ein Schreiben an die Staatsräte -selbst oder an einige andere von der Behörde geschickt, aber das hatte -er hinter dem Rücken des Direktors getan, und als der Direktor das -erfuhr, war er böse geworden und hatte sich gekränkt gefühlt, was ja -auch nicht anders zu erwarten gewesen war. Aber Geißler hatte sich -dadurch nicht einschüchtern lassen, er verlangte ein neues Verhör und -ein neues Gerichtsverfahren und alles miteinander. Und da hatte der -König unterschreiben müssen. - -Der frühere Lensmann Geißler war für diese beiden Menschen immer ein -guter Herr gewesen, und sie hatten sich oft besonnen, aus welchem -Grunde er es wohl getan haben mochte, er hatte alles miteinander um -den einfachen Dank getan, es war nicht zu begreifen. Inger hatte in -Drontheim mit ihm gesprochen, war aber dadurch nicht klüger geworden. -Alle andern in der Gemeinde sind ihm ganz einerlei, ausgenommen wir, -erklärte Inger. -- Hat er das gesagt? -- Ja, er ist wütend auf die -Gemeinde hier. Und er werde es ihr schon noch zeigen! sagte er. -- So. --- Und sie würden es schon noch bereuen, daß sie ihn verloren hätten, -sagte er. - -Jetzt kamen sie aus dem Wald heraus, und da lag Sellanraa vor ihnen. Es -waren mehr Gebäude als früher, die Häuser waren hübsch angestrichen; -Inger kannte sich nicht mehr aus und hielt jäh an: Du willst doch nicht -sagen, daß das da -- daß das da bei uns ist! rief sie aus. - -Die kleine Leopoldine erwachte endlich und richtete sich auf. Sie war -ganz ausgeruht, wurde heruntergehoben, durfte zu Fuß gehen! Gehen wir -dorthin? fragte sie. -- Ja, ist es nicht schön? - -Drüben am Haus bewegten sich kleine Gestalten; das waren Eleseus und -Sivert, die Ausguck hielten, nun kamen sie dahergelaufen. Inger schien -plötzlich erkältet zu sein, sie hatte heftigen Husten und Schnupfen. -Ja, die Erkältung zog ihr sogar in die Augen, sie standen voll Wasser. -Man erkältet sich so leicht an Bord, ganz nasse Augen bekommt man vor -lauter Schnupfen. - -Aber als die kleinen Burschen näher herankamen, hielten sie mitten in -ihrem Lauf inne und starrten nur noch. Wie ihre Mutter aussah, das -hatten sie vergessen, und ihre kleine Schwester hatten sie ja noch nie -gesehen. Aber der Vater -- ihn erkannten sie erst wieder, als er ganz -nahe herangekommen war. Er hatte sich seinen großen Bart abgeschnitten. - - - - -12 - - -Nun ist alles gut. Isak sät seinen Hafer, eggt ihn und führt die Walze -darüber. Leopoldine kommt heraus und will auf der Walze sitzen. Was, -auf einer Walze sitzen -- sie ist so klein und kennt so was gar nicht, -ihre Brüder wissen es besser, es ist ja kein Sitz auf Vaters Walze. - -Aber den Vater freut es, daß die kleine Leopoldine zu ihm herkommt -und schon so zutraulich ist; er redet mit ihr und sagt, sie müsse -vorsichtig auf den Acker treten, damit sie nicht die Schuhe voll Erde -bekomme. Ja, und was seh ich, du hast wahrhaftig heute ein blaues -Kleid an! Laß mich sehen, ja gewiß, es ist blau. Und einen Gürtel hast -du daran und alles miteinander. Kannst du dich an das große Schiff -erinnern, auf dem du hergefahren bist? Hast du die Maschine darin -gesehen? Ja, jetzt geh nur mit deinen Brüdern hinein, dann spielen sie -mit dir. - -Seit Oline abgezogen ist, hat Inger ihre alte Arbeit in Haus und -Stall wieder übernommen. Sie übertreibt es vielleicht ein wenig mit -der Reinlichkeit und Ordnung, um zu zeigen, daß die Dinge jetzt eine -andere Art bekommen sollen, und es war auch merkwürdig, welche große -Veränderung bald mit allem vorging, sogar die Glasscheiben in der -Viehgamme wurden gewaschen und die Stände gescheuert. - -Aber das war nur in den ersten Tagen, in der ersten Woche so, dann ließ -Inger nach. Eigentlich war es nicht nötig, im Stall alles so blitzblank -zu machen, die Zeit konnte besser angewendet werden. Inger hatte in der -Stadt viel gelernt, und dieses Wissen sollte ihr nun zugute kommen. Sie -nahm wieder Spinnrad und Webstuhl in Gebrauch, und wahrlich, sie war -noch geschickter und flinker geworden, etwas zu flink, hui! besonders -für Isak, wenn er ihr zusah; er begriff nicht, daß ein Mensch es -lernen konnte, so mit seinen Fingern umzugehen, diese langen, hübschen -Finger an Ingers großer Hand! Aber mittendrin gab Inger die eine -Arbeit auf und machte sich an eine andere. Jawohl, sie hatte jetzt -verschiedenes mehr zu besorgen als früher und in größerem Umfang, -vielleicht war sie auch nicht ganz so geduldigen Herzens wie einst, -etwas Unruhe hatte sich ihr wohl ins Herz geschlichen. - -Gleich zuerst waren da die Blumen, die sie mitgebracht hatte, es -waren Knollen und Ableger, kleine Leben, an die auch gedacht werden -mußte. Die Fenster waren zu klein dafür, die Gesimse zu schmal, man -konnte da keine Blumentöpfe aufstellen, sie hatte auch keine Töpfe, -und Isak mußte ihr ganz kleine Kästen für Begonien, Fuchsien und Rosen -anfertigen. Und überdies genügte auch ein Fenster nicht, was war ein -Fenster für eine ganze Stube! - -Und außerdem, sagte Inger, habe ich auch kein Bügeleisen. Ich sollte -ein Bügeleisen zum Plätten haben, wenn ich Kleider und Anzüge nähe; -niemand kann im Nähen etwas Ordentliches leisten, wenn er nicht eine -Art Plätteisen hat. - -Isak versprach, den Schmied im Dorfe zu veranlassen, ein recht gutes -Bügeleisen zu schmieden. Oh, Isak wollte alles tun, wollte immer -nur tun, was Inger verlangte; denn das merkte er wohl, Inger hatte -sehr viel gelernt und war außerordentlich tüchtig geworden. Auch -ihre Sprache war eine andere geworden, eine bessere, gewähltere. Sie -rief ihn jetzt nie mehr mit den alten Worten: Komm herein und iß! -sondern sie sagte: Bitte zum Essen! Alles war anders geworden. In den -alten Tagen hatte er höchstens gesagt: Ja, und noch eine gute Weile -weitergearbeitet, ehe er hineinging. Jetzt antwortete er: Ja, danke, -und kam sofort. Die Liebe macht den Klugen dumm, manchmal antwortete -Isak: Danke, danke! Ja, gewiß war alles anders geworden, aber wurde es -nicht allmählich ein wenig zu vornehm? Wenn Isak in der Muttersprache -der Landwirtschaft redete und _Mist_ sagte, sagte Inger _Dung_, der -Kinder wegen. - -Sie war sehr sorgfältig mit den Kindern, unterrichtete sie in allem und -brachte sie vorwärts; die kleinwinzige Leopoldine machte Fortschritte -im Häkeln und die Buben im Schreiben und in anderen Schulfächern, -sie würden also nicht ganz unvorbereitet in die Dorfschule kommen. -Besonders Eleseus war recht tüchtig geworden, der kleine Sivert dagegen -war, geradeheraus gesagt, nichts Besonderes, nur ein Spaßvogel, ein -Wildfang, er wagte es sogar, an der Nähmaschine seiner Mutter ein wenig -zu drehen und hatte mit seinem Taschenmesser auch schon am Tisch und an -den Stühlen herumgeschnitzelt. Jetzt war ihm schon mit der Wegnahme des -Taschenmessers gedroht worden. - -Übrigens hatten die Kinder alle Tiere des Hofes zur Unterhaltung, und -Eleseus hatte außerdem noch seinen farbigen Bleistift. Er gebrauchte -ihn sehr vorsichtig und lieh ihn dem Bruder nur höchst ungern; mit der -Zeit waren indes alle Wände mit Zeichnungen bedeckt, und der Bleistift -wurde bedenklich kleiner. Schließlich sah sich Eleseus gezwungen, -Sivert auf Ration zu setzen und ihm den Bleistift nur noch am Sonntag -zu einer Zeichnung zu leihen. Das war nun nicht nach Siverts eigenem -Wunsch, aber Eleseus war nicht der Mann, der sich etwas abhandeln ließ. -Nicht gerade, weil Eleseus der Stärkere gewesen wäre, aber er hatte -längere Arme und konnte sich bei Streitigkeiten besser herauswinden. - -Aber dieser Sivert! Ab und zu fand er ein Schneehuhnnest im Walde, -einmal redete er von einem Mäusenest und machte sich groß damit, wieder -einmal faselte er von einer Forelle im Fluß, die so groß sei wie ein -Mensch; aber es war die reine Erfindung von ihm, er war nicht ganz -frei davon, zu schwarz weiß zu sagen, aber sonst war er ein guter Kerl. -Als die Katze Junge bekam, war er es, der ihr Milch brachte, weil -sie Eleseus zu wütend anzischte, und Sivert wurde nicht müde, in die -unruhige Kiste hineinzuschauen, diese Heimstätte, wo es von kleinen -Pfoten wimmelte. - -Und dann die Hühner, die er täglich beobachtete! Da war der große Hahn -mit seinem Kamm und seiner Federnpracht, die Hühner, die umherliefen -und gackerten und Sand aufpickten und nach dem Eierlegen plötzlich -ungeheuer verletzt zu schreien anfingen. Da war auch der große Widder. -Der kleine Sivert war jetzt im Vergleich zu früher sehr belesen, konnte -aber doch nicht von dem Widder sagen: Gott, welch eine römische Nase er -hat! Nein, das konnte er nicht. Aber Sivert konnte das, was besser war: -er kannte den Widder von klein auf, wo er noch ein kleines Lamm gewesen -war; er liebte ihn und war eins mit ihm, wie mit einem Verwandten, -einem Mitgeschöpf. Einmal war ein geheimnisvoller Ureindruck durch -seine Sinne geflattert, und das war ein Augenblick, den Sivert nie mehr -vergaß. Der Widder war draußen auf der Wiese und weidete, plötzlich -warf er den Kopf zurück und fraß nicht mehr, blieb nur stehen und -starrte geradeaus. Sivert sah unwillkürlich in dieselbe Richtung. -- -Nein, nichts Merkwürdiges! Aber da fühlte Sivert etwas Merkwürdiges -in seinem Innern. Es ist fast, als sehe er in den Garten Eden hinein! -dachte Sivert. - -Von den Kühen hatten die Kinder auch jeder zwei für sich, große, -schwer schreitende Tiere, gutmütige, freundliche Tiere, die sich von -den kleinen Menschenkindern jeden Augenblick einholen und streicheln -ließen. Dann war da das Schwein, weiß und peinlich sauber mit seiner -Person, wenn es gut gehalten wurde, das auf jeden Ton horchte, ein -Komiker, gierig auf sein Futter aus, dabei kitzlig und scheu wie ein -junges Mädchen. Und dann der Bock -- es war immer ein alter Ziegenbock -auf Sellanraa; wenn der eine das Leben lassen mußte, rückte ein anderer -an seine Stelle. Aber etwas so Bockmäßiges im Gesicht wie ein Bock! -Gerade in diesen Tagen hatte er auf sehr viele Geißen aufzupassen; -bisweilen jedoch wurde er seiner ganzen Gesellschaft überdrüssig und -legte sich, grüblerisch und langbärtig wie er war, auf den Boden, ein -Vater Abraham! Und dann plötzlich richtete er sich wieder auf die Knie -auf und trottete den Geißen nach. Wo er ging, hinterließ er eine Wolke -von scharfem Geruch. - -Das tägliche Leben auf dem Hofe geht weiter. Wenn ein seltenes Mal ein -Wanderer, der über das Gebirge will, vorbeikommt und fragt: Und euch -geht es wohl gut?, da antwortet Isak und antwortet Inger: Ja, danke für -die Nachfrage! - -Isak schafft und schafft, und für jede einzelne Arbeit zieht er den -Kalender zu Rat, er gibt auf den Mondwechsel acht und richtet sich nach -den Wetterzeichen, schafft, schafft. - -Nun hat er ja durch das Ödland einen einigermaßen ordentlichen Weg -hergestellt, so daß er mit Wagen und Pferd bis ins Dorf hinunterfahren -kann, aber meist geht er lieber schwerbeladen zu Fuß, und da trägt -er dann Ziegenkäse oder Felle oder Birkenrinde, Butter und Eier, -lauter Waren, die er verkauft, und für die er andere Waren einholt. -Nein, im Sommer fährt er nicht oft, weil der Weg von Breidablick bis -vollends hinunter sehr schlecht ist. Er hat Brede Olsen aufgefordert, -beim Herstellen des Weges mit Hand anzulegen, und Brede hat es wohl -auch versprochen, aber nie Wort gehalten. Nun will Isak ihn nicht -noch einmal darum bitten. Lieber trägt er schwere Lasten auf seinem -Rücken. Inger sagt dann: Ich verstehe gar nicht, wie du das kannst! Du -hältst alles aus! Ja, er hielt alles aus. Er hatte Stiefel, die waren -so abenteuerlich dick und schwer, unter den Sohlen ganz mit Eisen -beschlagen, sogar die Schnürriemen waren mit Nietnägeln angeheftet -- -schon das, daß ein Mann in solchen Stiefeln gehen konnte, war etwas -Merkwürdiges! - -Als er nun wieder einmal ins Dorf hinuntergeht, trifft er an mehreren -Stellen kleine Gruppen von Arbeitern. Sie mauern steinerne Grundpfeiler -ein und stellen Telegraphenstangen auf. Die Leute sind teilweise -aus der Gemeinde, Brede Olsen ist auch dabei, obgleich er sich hier -niedergelassen hat, um Ackerbau zu treiben. Daß er Zeit übrig hat! -denkt Isak. - -Der Aufseher fragt Isak, ob er Telegraphenstangen verkaufen wolle. -- -Nein. -- Auch nicht gegen gute Bezahlung? -- Nein. -- Oh, Isak ging -es jetzt rascher von der Hand, er konnte nun schneller antworten. -Wenn er jetzt Stangen verkaufte, bekam er nur etwas mehr Geld, einige -Taler mehr, aber er hatte keinen Wald mehr, was für ein Vorteil war -dann dabei? Nun kommt der Ingenieur selbst herbei und wiederholt sein -Verlangen; aber Isak schlägt es auch ihm ab. -- Wir haben Stangen -genug, sagte der Ingenieur, aber es wäre uns nur bequemer, sie in -deinem Walde zu holen und die lange Herbeischaffung zu sparen. -- Ich -habe selbst zuwenig Stangen und Stämme, erwiderte Isak; ich wollte mir -übrigens ein kleines Sägewerk einrichten, denn ich habe keine Scheune -und keine Wirtschaftsgebäude. - -Jetzt mischt Brede Olsen sich darein und sagt: Wenn ich du wäre, -würde ich die Stangen verkaufen, Isak. -- Da blitzten die Augen des -geduldigen Isak Brede wahrhaftig scharf an, und er erwiderte: Ja, das -glaube ich schon. -- Wieso? fragte Brede. -- Aber ich bin eben nicht -du, sagte Isak. - -Einige von den Arbeitern kicherten ein wenig über diese Antwort. - -Jawohl, Isak hatte einen besonderen Grund, seinen Nachbar etwas -zurückzuweisen, gerade heute hatte er nämlich drei Schafe auf -Breidablicks Grundstück gesehen, und das eine davon hatte Isak -wiedererkannt, das mit den flachen Ohren, das Oline im Tauschhandel -weggegeben hatte. Meinethalben mag Brede das Schaf behalten, dachte er -da und ging seines Weges weiter, meinethalben können Brede und seine -Frau sich an dem Schaf bereichern! - -Und ganz richtig. Das Sägewerk hatte er auch immer im Kopf. O ja, schon -im Winter, als der Boden fest war, hatte er die große Kreissäge und -die notwendigen Beschläge, die ihm der Kaufmann von Drontheim hatte -kommen lassen, heraufgeschafft. Nun lagen diese Maschinenteile mit -Leinöl bestrichen, um sie gegen Rost zu schützen, in seinem Schuppen. -Einige von den Balken zum Sperrwerk hatte er auch schon herbeigefahren, -er hätte mit dem Aufrichten des Gebäudes jeden Tag anfangen können, -schob es aber noch hinaus. Was war das? Er begriff es nicht, nahmen -seine Kräfte etwa allmählich ab? Andere würden sich nicht darüber -wundern, aber ihm selbst kam es ganz unglaublich vor. War er schwindlig -geworden? Früher war er vor keiner Arbeit zurückgescheut, hatte er -sich denn verändert, seit er das Mahlhaus über einem ebenso großen -Wasserfall errichtet hatte? Er konnte sich ja Hilfe vom Dorf nehmen, -aber nun wollte er es erst einmal wieder allein versuchen und in den -nächsten Tagen damit anfangen; Inger sollte ein wenig mit Hand anlegen. - -Er sprach mit Inger darüber. Hm, sagte er, wenn du einmal ein paar -Stunden Zeit übrig hast, könntest du mir bei dem Sägewerk helfen. -- -Inger überlegte. Ja, wenn ich es einrichten kann, sagte sie. So, du -willst ein Sägewerk bauen? -- Ja, das ist meine Absicht. Ich habe es -mir jetzt genau überlegt. -- Ist es schwieriger als das Mahlhaus? -- -Viel schwieriger, zehnmal schwieriger, prahlte er. Was denkst du denn? -Da muß alles bis aufs aller-, allergenaueste ineinanderpassen, und die -große Kreissäge muß in der Mitte laufen. -- Wenn du es nur zustande -bringst, Isak, entgegnete Inger in ihrer Gedankenlosigkeit. -- Isak -fühlte sich von diesen Worten gekränkt und erwiderte: Das wird sich ja -zeigen. -- Kannst du nicht einen in dieser Sache kundigen Mann zu Hilfe -nehmen? -- Nein. -- Nun, dann wirst du es auch nicht zustande bringen, -sagte sie und hielt nicht mit ihrer Meinung zurück. - -Isak hob langsam die Hand an seinen Kopf, es war, als hebe ein Bär die -Tatze auf. -- Gerade das fürchte ich ja, daß ich es nicht fertigbringe, -sagte er, deshalb sollst du, die es versteht, ja auch Hand mit anlegen, -sagte er. -- Jawohl, da hatte der Bär getroffen, aber er errang keinen -Sieg damit. Inger warf den Kopf zurück, wurde widerspenstig und schlug -es ab, beim Sägewerk zu helfen. -- So, sagte Isak. -- Ja, soll ich -vielleicht im Fluß stehen und meine Gesundheit aufs Spiel setzen? Und -wer soll mit der Maschine nähen und das Vieh und den Haushalt und alles -miteinander versorgen? -- Nein, nein, sagte Isak. - -Ach, aber es handelte sich ja nur um die vier Eckbalken und die zwei -Mittelbalken auf den beiden Langseiten, nur dazu hätte sie ihm helfen -sollen, sonst zu nichts! War denn Inger im tiefsten Innern während -ihres langen Stadtlebens so zimperlich geworden? - -Jawohl, Inger hatte sich sehr verändert und dachte nicht mehr beständig -an ihr gemeinsames Beste, sondern an sich selbst. Wohl hatte sie -Kardätschen und Spinnrad und Webstuhl wieder in Gebrauch genommen, aber -sie saß viel lieber an ihrer Nähmaschine, und als der Schlosser ihr -ein Bügeleisen geschmiedet hatte, war sie fertig ausgerüstet, um sich -im Schneidern als regelrecht ausgebildet zu zeigen. Das war ihr Beruf. -Zuerst nähte sie ein paar Kleider für die kleine Leopoldine. Isak -gefielen sie, und er lobte sie vielleicht ein wenig zu sehr; Inger -deutete an, das sei noch gar nichts im Vergleich zu dem, was sie könne. --- Aber sie sind zu kurz, sagte Isak. -- So werden sie in der Stadt -getragen, sagte Inger, das verstehst du eben nicht. -- Isak war also -zu weit gegangen, und er stellte Inger dafür ein Stück Tuch zu eigenem -Gebrauch in Aussicht. -- Tuch zu einem Mantel? fragte Inger. -- Ja, -oder wozu du es sonst willst. -- Inger entschied sich zu Tuch für einen -Mantel und beschrieb Isak, wie es sein sollte. - -Aber als sie den Mantel fertig hatte, mußte sie auch jemand haben, dem -sie sich darin zeigen konnte; sie begleitete deshalb die beiden Jungen -ins Dorf, als sie dort in die Schule gebracht wurden. Und diese Reise -war nicht von geringem Nutzen, sie hinterließ Spuren. - -Zuerst kamen sie an Breidablick vorüber, da kam die Frau mit ihren -Kindern heraus und starrte die Vorüberfahrenden an. Inger und ihre -beiden kleinen Jungen saßen auf dem Wagen, und sie fuhren wie -Herrenleute, die beiden Jungen kamen wahrhaftig in die Schule, und -Inger hatte einen Tuchmantel an! Bei diesem Anblick ging der Frau auf -Breidablick ein Stich durchs Herz, den Mantel konnte sie entbehren, -sie war gottlob nicht eitel, aber sie hatte selbst Kinder, das -große Mädchen Barbro, Helge, den Zweitältesten, und Katrine, alle -schulpflichtig. Natürlich waren die beiden älteren im Dorf schon in -der Schule gewesen, aber als die Familie aufs Moor und auf dieses -abgelegene Breidablick heraufzog, mußten ja die Kinder wieder Heiden -werden. - -Hast du Lebensmittel für deine Buben mit? fragte die Frau. -- -Lebensmittel, jawohl. Siehst du die Kiste da nicht? Das ist mein -Reisekoffer, den ich mitgebracht habe, und der ist ganz mit -Lebensmitteln angefüllt. -- Was hast du mitgenommen? -- Was ich -mitgenommen habe? Speck und Fleisch fürs Mittagessen und Butter und -Brot und Käse für die anderen Mahlzeiten. -- Ja, ihr habt es großartig -da droben, sagte die Frau, und ihre armen bleichwangigen Kinder -sperrten Augen und Ohren auf, als diese herrlichen Sachen aufgezählt -wurden. -- Wo willst du sie unterbringen? fragte die Frau weiter. -- -Beim Schmied. -- So, sagte die Frau. Ja, die meinigen sollen jetzt -auch wieder in die Schule, und sie werden beim Lensmann wohnen. -- -So, sagte Inger. -- Ja, oder beim Doktor oder beim Pfarrer. Brede ist -eben mit allen den Großen so gut bekannt, daher kommt es. -- Da strich -Inger ihren Mantel zurecht und schob etliche schwarzseidene Fransen -vorteilhaft hervor. -- Wo hast du den Mantel gekauft? fragte die Frau. -Hast du ihn mitgebracht? -- Ich habe ihn selbst genäht. -- Ja, es -ist, wie ich sage, ihr da droben sitzt bis über die Ohren in Geld und -Herrlichkeit. - -Als Inger weiterfuhr, war ihr froh zumute, und sie war recht hochmütig, -und als sie ins Dorf kam, ließ sie das ein wenig zu sehr hervortreten, -jedenfalls nahm die Frau Lensmann Heyerdahl Ärgernis daran, daß sie -in einem Mantel ankam. Sie sagte, die Frau auf Sellanraa vergesse -offenbar, wer sie sei; ob sie denn vergessen habe, woher sie nach -sechsjähriger Abwesenheit gekommen war? Aber Inger hatte nun jedenfalls -ihren Mantel gezeigt, und weder die Frau des Kaufmanns noch die Frau -des Schmieds noch die Frau des Schullehrers würden etwas dagegen gehabt -haben, wenn sie selbst einen solchen Mantel besessen hätten; aber kommt -Zeit, kommt Rat. - -Es dauerte gar nicht lange, bis Inger Kundschaft bekam. Einige Weiber -von der andern Seite des Gebirges kamen aus Neugier. Oline hatte wohl -gegen ihren Willen allerlei von Inger erzählt, und die nun kamen, -brachten Nachrichten von Ingers Heimatort mit; dafür wurde ihnen -aufgewartet, und sie durften die Nähmaschine sehen. Junge Mädchen kamen -zu zwei und zwei von der Gemeinde an der Küste herauf und berieten -sich mit Inger: es war Herbst, sie hatten zu einem neuen Kleid gespart, -und nun konnte ihnen Inger über die Mode in der Welt draußen Auskunft -geben, ja ab und zu auch den Stoff zuschneiden. Bei diesen Besuchen -lebte Inger auf, sie blühte förmlich, war freundlich und hilfreich und -dabei so tüchtig in ihrem Fach, daß sie aus freier Hand zuschneiden -konnte; bisweilen nähte sie auch lange Säume auf ihrer Maschine ganz -umsonst und gab dann den jungen Mädchen den Stoff zurück mit den -herrlich scherzhaften Worten: So, die Knöpfe kannst du jetzt selbst -annähen! - -Später, im Herbst, wurde Inger sogar gebeten, ins Dorf herunterzukommen -und für die Großen zu nähen. Aber das konnte sie nicht, sie hatte ihre -Familie und das Vieh und die häuslichen Pflichten, und sie hatte kein -Dienstmädchen. Was hatte sie nicht? Ein Dienstmädchen! - -Sie sagte zu Isak: Wenn ich eine Hilfe hätte, könnte ich ruhiger an -meiner Näharbeit bleiben. -- Isak verstand nicht, was sie meinte. -Hilfe? fragte er. -- Ja, Hilfe im Hause, ein Dienstmädchen. -- Da -drehte sich wohl alles im Kreise vor Isak, denn er lachte ein wenig -in seinen roten Bart und hielt es für Spaß: Jawohl, wir sollten ein -Dienstmädchen haben, sagte er. -- Das haben alle Hausfrauen in der -Stadt, versetzte Inger. -- Ach so, sagte Isak. - -Seht, er war vielleicht nicht besonders froh und freundlich gestimmt, -nicht gut aufgelegt, denn nun hatte er mit dem Bau seines Sägewerks -angefangen, und es war nicht schnell vorwärtsgegangen; er konnte nicht -mit der einen Hand den Pfosten halten, ihn mit der andern wagerecht -leiten und zugleich die Schräghölzer befestigen. Aber als dann die -Jungen wieder von der Schule heimkamen, ging es besser, die guten -Jungen waren ihm eine große Hilfe. Sivert besonders war merkwürdig -gewandt beim Einschlagen der Nägel, aber Eleseus war tüchtiger beim -Loten mit der Schnur. Nach Verlauf von einer Woche hatten Isak und die -Jungen wirklich die Pfosten aufgerichtet und mit Schräghölzern so dick -wie Balken stark befestigt. Eine große Arbeit war bewältigt. - -Es ging -- alles ging. Aber woher es auch kommen mochte, Isak war -jetzt an den Abenden oft müde. Es handelte sich ja nicht nur darum, -ein Sägewerk zu bauen und damit Punktum, alles andere mußte auch getan -werden. Das Heu war unter Dach, aber das Korn stand noch draußen -und färbte sich allmählich golden, bald mußte es geschnitten und -untergebracht werden, und auch die Kartoffelernte stand vor der Tür. --- Aber Isak hatte eine ausgezeichnete Hilfe an seinen Jungen. Er -bedankte sich indes nicht bei ihnen, das war nicht Sitte unter Leuten -wie er und die Seinen, aber er war ungeheuer zufrieden mit ihnen. Ab -und zu, jedoch nur selten einmal, setzten sie sich wohl auch mitten in -der Arbeit zusammen und unterhielten sich miteinander, und da konnte -der Vater sich im Ernst mit den Jungen darüber beraten, was sie zuerst -und was nachher tun wollten. Das waren stolze Augenblicke für Eleseus -und Sivert, und sie lernten dabei wohl zu überlegen, ehe sie redeten, -um nicht unrecht zu bekommen. -- Es wäre doch schlimm, wenn wir das -Sägewerk nicht unter Dach brächten, ehe die Herbststürme einsetzen, -sagte der Vater. - -Wenn nur Inger noch wie in den alten Tagen gewesen wäre! Aber Ingers -Gesundheit war wohl eben leider nicht mehr so gut wie früher, was ja -auch nach der langen Einsperrung nicht anders zu erwarten war. Daß -ihr Sinn sich verändert hatte, war eine Sache für sich, ach, sie war -jetzt so viel weniger nachdenklich, war gleichsam oberflächlicher, -leichtsinniger. Von dem Kinde, das sie umgebracht hatte, sagte sie: Ich -bin eine recht dumme Person gewesen, wir hätten sie operieren und ihren -Mund zunähen lassen können, dann hätte ich nicht nötig gehabt, sie zu -erwürgen. Und niemals ging sie hinaus in den Wald an ein kleines Grab, -wo sie einstmals die Erde mit den Händen zusammengescharrt und ein -kleines Kreuz darauf gesetzt hatte. - -Aber Inger war keine unmenschliche Mutter, sie sorgte treulich für ihre -anderen Kinder, hielt sie in Ordnung, nähte für sie und konnte bis spät -in die Nacht hinein aufsitzen, um ihre Kleider zu flicken. Es war ihr -höchster Traum, daß etwas Rechtes aus ihnen werden sollte. - -Dann wurde das Korn eingefahren, dann wurden die Kartoffeln -herausgehackt, und dann wurde es Winter. Ach nein, das Sägewerk kam -nicht unter Dach im Herbst! Aber da war nun nichts zu machen, es ging -ja auch nicht ums Leben, und bis zum Sommer kam wohl Zeit und Rat. - - - - -13 - - -Und im Winter kam die gewohnte Arbeit an die Reihe, Holz wurde -gefahren, die Wirtschaftsgeräte und die Fuhrwerke wurden hergerichtet, -Inger versorgte das Haus, schaffte und nähte, und die Jungen waren -wieder für lange Zeit in der Schule. Seit mehreren Jahren schon hatten -sie miteinander ein Paar Schneeschuhe gehabt, und dies eine Paar hatte -für beide genügt, solange sie daheim gewesen waren. Da hatte der eine -gewartet, solange der andere lief, oder der eine stellte sich hinter -dem andern auf. Oh, es war gut gegangen, etwas Schöneres hatten sie -sich gar nicht vorstellen können, sie waren unschuldig. Aber drunten -im Dorf waren die Verhältnisse größer, in der Schule wimmelte es von -Schneeschuhen, ja, es zeigte sich, daß sogar die Kinder auf Breidablick -jedes ein eigenes Paar hatte. Da mußte schließlich Isak ein neues Paar -für Eleseus machen, und Sivert durfte die alten behalten. - -Isak tat mehr, er kaufte den Jungen Winteranzüge und unzerreißbare -Stiefel. Aber als dies getan war, ging Isak zum Kaufmann und bestellte -einen Ring. -- Einen Ring? fragte der Kaufmann. -- Ja, einen -Fingerring. Ich bin so hoffärtig geworden, daß ich meiner Frau einen -Fingerring schenken will. -- Soll es ein silberner oder ein goldener -sein oder nur einer aus Messing, der im Goldbad gewesen ist? -- Es -soll ein silberner sein. -- Der Kaufmann überlegte lange, dann sagte -er: Wenn du das tun willst, Isak, und wenn du deiner Frau einen Ring -verehren willst, den sie zeigen kann -- so kaufe ihr einen goldenen -Ring. -- Was? sagte Isak laut. Aber im innersten Herzen hatte er wohl -selbst an einen goldenen Ring gedacht. - -Sie besprachen es nach allen Richtungen und einigten sich schließlich -über Größe und Preis des Ringes; aber noch immer überlegte Isak und -schüttelte den Kopf und meinte, das sei doch ein teures Stück; aber der -Kaufmann wollte eben durchaus einen echt goldenen Ring bestellen. Als -Isak heimwärts wanderte, war er eigentlich froh über seinen Entschluß, -aber zugleich entsetzte er sich über die Ausgaben, zu denen einen die -Liebe bringen konnte. - -Es war ein richtiger Schneewinter, und als gegen Neujahr eine gute -Bahn war, fingen die Leute aus dem Dorf an, Telegraphenstangen über -die Moore heraufzufahren und sie in gewissen Abständen voneinander -abzuladen. Sie fuhren mit vielen Pferden an Breidablick vorüber, kamen -auch an Sellanraa vorbei -- schließlich trafen sie mit anderen Pferden -zusammen, die von jenseits des Gebirges Stangen herauffuhren, und da -war die ganze Linie vollständig. - -So verging ein Tag um den andern ohne große Ereignisse. Was hätte -geschehen sollen? Im Frühling begann man mit dem Aufstellen der -Telegraphenstangen, Brede Olsen war auch wieder dabei, obgleich er die -Frühjahrsarbeit auf seinem Hofe hätte besorgen sollen. Daß er Zeit dazu -hat! fragte sich Isak wieder. - -Isak selbst hatte kaum Ruhe zum Essen und Schlafen, er konnte kaum -alles zur rechten Zeit fertigbringen, seine Felder waren jetzt recht -groß geworden. - -Aber dann vor der Erntezeit brachte er das Sägewerk unter Dach und -konnte sich nun an das Einsetzen der Säge machen. Seht, es war kein -Wunderwerk von einem Holzbau, den er fertiggebracht hatte, aber der -Bau war riesenstark und stand nun da und war von großem Nutzen. Die -Säge ging, die Säge schnitt, Isak hatte seine Augen gebraucht, wenn er -drunten im Dorf in der Sägemühle gewesen war, und hatte sich alles wohl -gemerkt. Es war eine herzlich kleine Sägemühle, die er da errichtet -hatte, aber er war zufrieden mit ihr, er hieb die Jahreszahl über der -Tür ein und setzte sein Hauszeichen darunter. - -Und in diesem Sommer ereignete sich nun doch mehr als gewöhnlich auf -Sellanraa. - -Die Telegraphenarbeiter waren jetzt so weit heraufgekommen, daß die -erste Gruppe eines Abends an dem Hofe anklopfte und um Obdach bat. Die -Leute durften in der Scheune schlafen. Als die Tage vergingen, kam auch -die zweite Gruppe, und alle fanden Obdach auf Sellanraa. Die Linie -wurde am Hof vorbei weiter hinaufgeführt, aber die Leute kamen trotzdem -noch auf den Hof, um da zu übernachten. Und an einem Samstagabend -erschien der Ingenieur, um die Löhne auszuzahlen. - -Als Eleseus den Ingenieur sah, bekam er Herzklopfen, und er schlich -sich zur Tür hinaus, um nicht nach dem farbigen Bleistift gefragt zu -werden. Ach, das war ein böser Augenblick, und Sivert kam auch nicht -heraus, an dem er ein wenig eine Stütze hätte haben können! Wie ein -bleiches Gespenst glitt Eleseus um die Hausecke; endlich traf er die -Mutter. Eleseus bat sie gleich, sie möchte Sivert herausschicken, er -konnte sich nicht anders helfen. - -Sivert nahm die Sache weniger schwer, er hatte ja auch nicht die -große Schuld auf sich liegen. Die Brüder setzten sich in ziemlicher -Entfernung nieder, und Eleseus sagte: Wenn du es auf dich nehmen -würdest! -- Ich? sagte Sivert. -- Denn du bist soviel kleiner, dir -würde er nichts tun. -- Sivert überlegte, er sah, daß der Bruder in -großer Not war, und es schmeichelte ihm auch, daß Eleseus ihn brauchte. --- Ich könnte dir vielleicht eine Handreichung tun, sagte er altklug. --- Du mußt es tun! rief Eleseus und drückte einfach seinem Bruder das -Stückchen, das noch von dem farbigen Bleistift übrig war, in die Hand. -Es soll dir gehören, sagte er. - -Sie wollten miteinander wieder hineingehen, aber Eleseus sagte, er habe -noch etwas am Sägewerk zu tun oder vielmehr im Mahlhaus, etwas, was -er nachsehen müsse, es gehe nicht so schnell, er werde kaum vor einer -guten Weile fertig sein. Sivert ging allein hinein. - -Da saß der Ingenieur mit Silbergeld und Banknoten vor sich und zahlte -die Löhne aus. Als das geschehen war, setzte ihm Inger einen Topf Milch -nebst Glas vor, und er war dankbar dafür. Er trank. Dann plauderte er -mit der kleinen Leopoldine, und als er die Zeichnungen an den Wänden -sah, fragte er gleich, wer denn der Meister sei, der sie gemacht -habe. Bist du es? fragte er Sivert. Der Ingenieur wollte sich wohl -bei der Mutter für die Gastfreundschaft dankbar erweisen. Er erfreute -die Mutter, indem er die Zeichnungen lobte, und Inger gab eine gute -Erklärung. Ihre Buben hätten die Zeichnungen gemacht, beide Buben; bis -sie heimgekommen und dafür gesorgt habe, hätten die Kinder kein Papier -gehabt und deshalb die Wände bekritzelt, nun habe sie das Herz nicht, -es abzuwaschen. -- Laß es nur stehen, sagte der Ingenieur. Papier? -sagte er und legte eine Menge großer Bogen auf den Tisch. Da, zeichnet -nur weiter, bis ich das nächste Mal wiederkomme! Wie steht es denn mit -Bleistiften? -- Da trat Sivert ganz einfach mit dem Bleistiftstümpfchen -vor und zeigte, wie klein es war. Und siehe, er bekam einen neuen, noch -ungespitzten farbigen Bleistift! Zeichnet nur drauflos! Aber macht -lieber das Pferd rot und den Bock blau. Nicht wahr, du hast noch kein -blaues Pferd gesehen? - -Dann ging der Ingenieur wieder fort. - -Am selben Abend kam ein Mann vom Dorf herauf mit einem Ranzen auf dem -Rücken. Er gab einige Flaschen für die Arbeiter ab und entfernte sich -dann wieder. Aber nachdem er gegangen war, blieb es nicht mehr so still -auf Sellanraa; die Ziehharmonika ertönte, es wurde laut gesprochen und -gesungen und auf dem Hofplatz getanzt. Einer der Arbeiter forderte -Inger zu einem kleinen Drehum auf, und Inger -- ja, wer verstand sich -auf sie? Sie kicherte und tanzte wahrhaftig ein paarmal im Kreise -herum. Als dies getan war, wollten die andern auch mit ihr tanzen, und -da tanzte sie recht flott mit. - -Wer verstand sich auf Inger! Hier tanzte sie nun vielleicht ihren -ersten seligen Tanz in ihrem Leben; man riß sich um sie, dreißig Männer -waren hinter ihr her, sie war allein, die einzige, die gewählt werden -konnte, keine andere stach sie aus. Und wie flott diese riesenhaften -Telegraphenarbeiter sie vom Boden aufhoben! Warum nicht tanzen? Eleseus -und Sivert schliefen schon drinnen in der Kammer wie Säcke trotz des -Tumultes auf dem Hofe, die kleine Leopoldine aber war noch auf und -stand dabei und sah mit großen verwunderten Augen den Sprüngen der -Mutter zu. - -Isak war indessen die ganze Zeit nach dem Abendessen draußen auf dem -Feld gewesen. Als er wieder hereinkam, um zu Bett zu gehen, wurde ihm -aus einer Flasche zu trinken angeboten, und er trank auch ein wenig. Er -setzte sich, nahm Leopoldine auf den Schoß und sah dem Tanzen zu. Da -kannst du dich ordentlich herumschwingen! sagte er gutmütig zu Inger. -Da kannst du wahrlich die Füße regen! - -Aber nach einer Weile hörte der Musikant auf zu spielen, und der Tanz -war vorbei. Die Arbeiter machten sich nun fertig, den noch übrigen Teil -der Nacht und den ganzen nächsten Tag im Dorf zu verbringen und erst -am Montagmorgen wiederzukommen. Bald lag Sellanraa wieder ganz still -da, nur ein paar ältere Männer blieben zurück und legten sich in der -Scheune schlafen. - -Isak sah sich nach Inger um, damit sie hineingehe und Leopoldine zu -Bett bringe; als er sie dann nirgends erblickte, ging er hinein und -legte das Kind zu Bett. Und er selbst ging auch zur Ruhe. - -Gegen Morgen erwachte er, aber Inger war nicht da. Ist sie im Stall? -dachte er. Dann stand er auf und ging in den Stall. Inger? fragte er. -Keine Antwort. Die Kühe drehten die Köpfe und sahen ihn an. Alles -war still. Aus alter Gewohnheit zählte er das Vieh, zählte auch das -Kleinvieh, das eine Mutterschaf blieb so gern die Nacht über draußen -- -jetzt war es wieder draußen geblieben. Inger? fragte er wieder. Auch -jetzt keine Antwort. Sie ist doch sicher nicht ganz mit hinunter ins -Dorf gegangen, dachte er. - -Die Sommernacht war hell und warm; Isak blieb eine Weile unter der -Haustür sitzen, dann stand er auf und ging in den Wald, um nach dem -Mutterschaf zu sehen. Er fand Inger. Inger hier? Ja, Inger und noch -einer. Sie saßen im Heidekraut, Inger ließ seine Schildmütze auf -ihrem Zeigefinger tanzen, sie sprachen miteinander, Inger war wieder -umworben. - -Isak ging leise zu ihnen hin. Inger wendete sich um und sah ihn. Da -wurde sie weiß wie ein Leintuch, der Kopf sank ihr auf die Brust, -sie ließ die Mütze fallen, war vernichtet. -- Hm! Weißt du, daß das -Mutterschaf wieder fehlt? sagte Isak. Aber das weißt du natürlich -nicht, sagte er. - -Der junge Telegraphenarbeiter hob seine Mütze auf und verzog sich -seitwärts in die Büsche. Ich muß wohl den anderen nachgehen, sagte er. -Ja, gute Nacht, sagte er und ging. Niemand erwiderte seinen Gruß. - -So, du sitzest hier? sagte Isak. Mußt du hier sitzen? - -Er wendete sich heimwärts, und Inger richtete sich auf die Knie auf; -sie kam auf die Füße und ging ihm nach. So gingen sie dahin, der Mann -voraus, die Frau hinterdrein, Tandem. Sie kamen heim. - -Inger hatte wohl indessen Zeit gehabt, sich zu fassen. Und sie faßte -sich: Ich wollte gerade nach dem Mutterschaf sehen, sagte sie, denn ich -hatte gesehen, daß es nicht da war. Dann kam der Mann, er hat mir beim -Suchen geholfen. Wir hatten uns kaum hingesetzt gehabt, als du kamst. -Wo willst du jetzt hin? - -Ich? Ich muß wohl nach dem Tier sehen. - -Nein, jetzt sollst du zu Bett gehen. Und wenn noch jemand suchen soll, -so werde ich es tun. Geh du nur zur Ruhe, du kannst sie notwendig -brauchen. Im übrigen kann das Schaf auch draußen übernachten, das hat -es schon öfters getan. - -Ja, um von Raubtieren aufgefressen zu werden, sagte Isak und ging. - -Nein, du darfst nicht! rief sie und holte ihn ein. Du brauchst Schlaf, -ich will gehen. - -Isak ließ sich überreden. Aber er wollte auch nichts davon hören, daß -Inger noch nach dem Schaf suchen sollte, und so gingen beide hinein. - -Inger sah sofort nach den Kindern. Sie ging in die Kammer, trat an das -Bett und tat, als sei sie aus den erlaubtesten Gründen draußen gewesen, -ja, sie war nicht ganz frei davon, mit Isak ein wenig zu liebäugeln, -wie wenn sie von ihm noch eine ganz andere Zuneigung erwartete, als ihr -an dem ganzen Abend entgegengebracht worden war -- denn jetzt hatte er -ja eine volle Erklärung, meinte sie. Aber nein, danke! Isak war nicht -so leicht herumzubringen, er hätte es am liebsten gesehen, wenn sie so -recht betrübt gewesen wäre und nicht gewußt hätte, was sie vor Reue -tun sollte. Das hätte er am liebsten gesehen. Was war denn das, daß -sie im Wald draußen etwas zusammengesunken war, das ärmliche bißchen -Schrecken, als er sie im Wald entdeckt hatte -- was half das, wenn es -so schnell wieder verflog! - -Am nächsten Tag, der doch ein Sonntag war, zeigte sich Isak noch -durchaus nicht versöhnt, er wanderte draußen umher, sah nach seinem -Sägewerk und seiner Mühle und betrachtete seine Felder, teils mit den -Kindern, teils allein. Als Inger sich einmal anzuschließen versuchte, -ging Isak gleich seines Wegs und sagte: Ich muß an den Fluß hinauf und -nach etwas sehen. Irgend etwas nagte offenbar an ihm, aber er trug es -in der Stille und donnerte nicht los. Oh, Isak war ein Großer, zum -Beispiel Israel, dem das gelobte Land wohl verheißen war, der jedoch -darum betrogen worden war, aber dennoch gläubig blieb. - -Am Montag war die Stimmung bedeutend leichter, und als die Tage -vergingen, begann der ärgerliche Eindruck von jener Nacht sich -allmählich zu verwischen. Die Zeit macht gar vieles wieder gut, mit -Spucke und Lappen, mit Schlaf und Essen heilt sie alle Wunden. Isak war -nicht zum schlimmsten dabei gefahren, er hatte nicht einmal Gewißheit, -ob ihm Unrecht angetan worden war, außerdem hatte er an vieles andre -zu denken, denn jetzt fing die Ernte an. Und schließlich war ja die -Telegraphenlinie bald fertig, dann würde es wohl wieder ruhig auf dem -Hof werden. Eine breite helle Straße zog sich nun durch den Laubwald -hin, in ihrer Mitte standen die Stangen mit Drähten bis ganz hinauf -aufs Gebirge. - -Am nächsten Samstag, an dem die letzte Lohnauszahlung stattfand, -richtete es Isak so ein, daß er von zu Hause abwesend war; er wollte -es selbst so. Er ging mit Butter und Käse ins Dorf hinunter und kam -erst in der Nacht zum Montag wieder zurück. Die Arbeiter hatten da -alle miteinander die Scheune verlassen, beinahe alle, der letzte Mann -schwankte mit einem Sack auf dem Rücken eben zum Hof hinaus, beinahe -der letzte Mann. Daß es doch noch nicht ganz sicher war, erriet Isak an -einer Eßkiste, die noch in der Scheune stand; wo der Eigentümer war, -wußte er nicht, wollte es auch nicht wissen, aber eine Schildmütze lag -als anstößiger Beweis auf der Eßkiste. - -Isak schleuderte die Eßkiste auf den Hofplatz hinaus, und die Mütze -flog hinterdrein, dann schloß er die Scheune ab, ging in den Stall und -guckte durchs Fenster hinaus. Mag die Kiste da stehen und die Mütze da -liegen bleiben, dachte er wohl; es ist mir einerlei, wem sie gehören, -es ist eine schlechte Kiste, und ich verachte sie, dachte er wohl. Aber -wenn er jetzt seine Eßkiste holen will, dann wird Isak hinausgehen und -ihn ein wenig am Arm nehmen, daß er blau und grün wird. Und wo der Weg -zum Hof hinausgeht, das soll er auch erfahren! - -Damit verließ Isak das Fenster im Pferdestall und ging zu den Kühen -hinein und sah von dort aus zum Fenster hinaus und fand keine Ruhe. -Die Kiste war mit einem Strick zusammengeschnürt, der jämmerliche -Kerl hatte nicht einmal ein Schloß daran; der Strick war aufgegangen --- hatte Isak wohl die Kiste zu fest angepackt? Woher es auch kommen -mochte, aber Isak war nicht mehr so ganz sicher, ob er auch recht -gehandelt habe. Bei seinem Gang durchs Dorf hatte er nach seinem neuen -Reolpflug gefragt, einem besonders starken zum Umroden von Ödland, den -er bestellt hatte; oh, eine ausgezeichnete Maschine, eine Gottesgabe, -ja, und diese war eben angekommen! Da war es ihm gewesen, als komme -Segen mit ihr in sein Haus. Die höhere Macht, die die Schritte der -Menschen lenkt, war vielleicht jetzt nahe und sah ihm zu, ob er den -Segen verdiene oder nicht; Isak war immer mit den höheren Mächten -beschäftigt, ja, in einer Herbstnacht hatte er im Walde draußen Gott -mit eigenen Augen gesehen; das war vor allem ein merkwürdiger Anblick -gewesen. - -Isak ging auf den Hofplatz hinaus und blieb bei der fremden Kiste -stehen. Noch überlegte er, ja, er schob seinen Hut schief und kratzte -sich am Kopfe, dabei sah er ganz keck und flott aus, wie ein Spanier -sah er aus. Aber dann mußte er ungefähr so gedacht haben: Ach, da -stehe ich und bin weit davon entfernt, ein prächtiger, ausgezeichneter -Mensch zu sein, ich bin ein Hund! Dann schnürte er den Strick um die -Kiste fest zu, hob die Mütze auf und trug beides wieder in die Scheune -hinein. Nun war es getan. - -Als er wieder aus der Scheune heraustrat und sich nach der Mühle -wandte, weg von seinem Hause, weg von allem, da stand Inger nicht am -Fenster, nein. Nun wohl, mag sie stehen, wo sie will, übrigens war -sie wohl in ihrem Bett, wo hätte sie sonst sein sollen? Aber in den -alten Tagen, in den ersten unschuldigen Jahren auf der Ansiedlung, da -hatte Inger keine Ruhe gehabt, sondern war aufgeblieben und hatte auf -ihn gewartet, wenn er auf dem Heimweg vom Dorfe war. Das war jetzt -anders geworden, alles war anders geworden. Auch als er ihr den Ring -gab -- ach, hätte etwas mehr mißglückt sein können? Isak war übermäßig -bescheiden gewesen und weit entfernt, von einem echt goldenen Ring zu -sprechen. Es ist nichts Besonderes, hatte er gesagt, steck ihn einmal -an den Finger und probier, ob er dir paßt. -- Ist das Gold? fragte sie. --- Ja, aber er ist nicht sehr breit, versetzte er. -- Doch! hätte sie -erwidern sollen, sie sagte indes: Nein, aber gerade recht. -- Du kannst -ihn ja jetzt behalten wie sonst eine Kleinigkeit, sagte er schließlich -niedergeschlagen. - -Aber Inger war doch dankbar für den Ring, sie trug ihn an der rechten -Hand und ließ ihn funkeln, wenn sie nähte; ab und zu durften ihn die -Mädchen anprobieren und ihn eine Weile am Finger behalten, wenn sie bei -ihr waren und sie wegen eines neuen Kleides um Rat fragten. Begriff -denn Isak nicht, daß sie ungeheuer stolz auf den Ring war! ... - -Aber es war sehr einsam, da in der Mühle zu sitzen und die ganze -lange Nacht dem Brausen des Sturzbaches zuzuhören. Isak hatte nichts -Unrechtes getan und brauchte sich nicht zu verstecken, er ging also von -der Mühle fort, heimwärts, in sein Haus. -- - -Und nun wurde Isak ganz beschämt, wahrlich beschämt und froh. Brede -Olsen saß da, der Nachbar, niemand anderer, er saß da und trank Kaffee. -Ja, Inger war auf, die beiden saßen nur beieinander und tranken Kaffee. -Da ist Isak! sagte Inger in freundlichem Ton, indem sie aufstand und -ihm auch eine Schale Kaffee einschenkte. Guten Abend! sagte Brede -ebenso freundlich. - -Isak merkte wohl, daß Brede bei dem Abschiedsfest der -Telegraphenarbeiter mit dabei gewesen war; er sah übernächtigt aus, -aber das tat nichts, er war fröhlich und freundlich. Natürlich -tat er ein wenig groß: Eigentlich habe er keine Zeit zu dieser -Telegraphenarbeit, denn er habe ja seinen Hof, aber er habe nicht nein -sagen können, der Ingenieur sei so sehr in ihn gedrungen. Und dann habe -es ja auch dazu geführt, daß Brede nun die Inspektorstelle über die -Linie übernehmen müsse. Es sei nicht wegen der Bezahlung, sagte Brede, -er könnte im Dorf drunten viel mehr verdienen, aber er habe nicht -ungefällig sein wollen. Nun habe man ihm eine kleine glänzende Maschine -an der Wand angebracht, die sei ganz unterhaltend, fast ein Telegraph -selbst. - -Isak konnte mit dem besten Willen über diesen Prahlhans und Faulpelz -nicht böse sein, dafür fühlte er sich zu erleichtert, als er an diesem -Abend anstatt eines Fremden seinen Nachbar in seinem Hause vorfand. -Isak hatte das Gleichgewicht des Bauern, dessen einfache Gefühle, -dessen Handfestigkeit, dessen Langsamkeit; er stimmte Brede zu und -nickte zu seiner Oberflächlichkeit. Hast du nicht noch eine Schale -Kaffee für Brede? fragte er Inger. Und Inger schenkte ein. - -Übrigens erzählte Inger, der Ingenieur sei ein ganz ausgezeichnet -freundlicher Herr. Er habe sich die Zeichnungen und das Geschriebene -der Kinder angesehen und habe dann gesagt, er wolle Eleseus zu sich -nehmen. -- Zu sich nehmen? fragte Isak. -- Ja, mit in die Stadt. Er -solle für ihn schreiben, solle Schreiber auf seinem Büro werden, so -sehr hätten ihm Eleseus' Zeichnungen und das Geschriebene gefallen. --- So, sagte Isak. -- Ja, was meinst du dazu? Er will ihn auch dort -konfirmieren lassen. Das sind doch schöne Aussichten, nicht wahr? -- -Das meine ich auch, sagte Brede. Und soweit kenne ich den Ingenieur, -wenn der schon so etwas sagt, dann meint er es auch. -- Wir haben hier -auf der Ansiedlung keinen Eleseus, den wir entbehren könnten, sagte -Isak. - -Nach diesen Worten wurde es eine Weile ganz still und unbehaglich in -der Stube. Natürlich war Isak nicht der Mann, mit dem sich reden ließ. --- Wenn nun aber der Junge selbst vorwärtskommen will, und wenn er -das Genie hat, etwas Rechtes zu werden! sagte Inger schließlich. -- -Wieder Stille. Doch nun sagte Brede lächelnd: Wenn doch der Ingenieur -eines von meinen Kindern nehmen wollte! Ich habe genug Kinder. Aber -das älteste ist die Barbro, und das ist ein Mädchen. -- Ja, ja, die -Barbro ist recht und gut, sagte Inger, um höflich zu sein. -- O ja, -daran fehlt es nicht, stimmte Brede bei, die Barbro ist ein tüchtiges -Mädchen, sie kommt jetzt zum Lensmann in Dienst. -- Zum Lensmann? -- -Ja, ich habe es durchaus versprechen müssen. Die Frau Lensmann hat mir -gar keine Ruhe gelassen. - -Es war jetzt schon gegen Morgen, und Brede rüstete sich zum Aufbruch. --- Ich habe noch meine Mütze und meine Eßkiste in eurer Scheune stehen, -sagte er. Wenn nicht etwa die Burschen alles miteinander mitgenommen -haben, fügte er scherzhaft hinzu. - - - - -14 - - -Und die Zeit verging. - -Ja, natürlich kam Eleseus in die Stadt, Inger setzte es durch. Nachdem -er ein Jahr dort gewesen war, wurde er konfirmiert, dann blieb er fest -auf dem Büro des Ingenieurs und wurde immer tüchtiger im Schreiben. -Oh, was waren das für Briefe, die er heimschickte, bisweilen mit roter -und blauer Tinte geschrieben, die reinen Gemälde! Und wie die Sprache -darin, die Sätze! Ab und zu bat Eleseus um Geld, bat um Unterstützung: -er brauchte Geld zu einer Taschenuhr samt Kette, damit er am Morgen -nicht zu lange schlief; dann zu einer Pfeife und Tabak, wie es die -andern jungen Schreiber in der Stadt hatten; dann zu etwas, das er -Taschengeld nannte; dann zu etwas, das Abendschule hieß, wo er Zeichnen -und Turnen und andere für seinen Stand und seine Stellung notwendige -Dinge lernte. Alles in allem war Eleseus in einer Stellung in der Stadt -nicht billig zu haben. - -Taschengeld? fragte Isak. Ist das Geld, das man in der Tasche hat? --- Ja, das muß wohl so sein, man tut es wohl, damit man nicht ganz -leer daherkommt. Und es ist ja gar nicht so viel, ein Taler ab und -zu. -- Ganz richtig, ein Taler hier und ein Taler dort, antwortete -Isak zornig. Aber er war zornig, weil Eleseus ihm fehlte und er ihn -daheim haben wollte. Aber schließlich werden es viele Taler, fuhr er -fort. Ich kann das nicht leisten, du mußt ihm schreiben, daß er nichts -mehr bekommt. -- So, na ja, sagte Inger beleidigt. -- Der Sivert, was -bekommt denn der als Taschengeld? fragte Isak. -- Inger erwiderte: Du -bist nie in einer Stadt gewesen und verstehst das nicht, der Sivert -braucht kein Taschengeld. Und im übrigen kommt der Sivert nicht zu -kurz, wenn sein Oheim Sivert einmal stirbt. -- Das weißt du nicht. -- -Doch, das weiß ich. - -Und das war gewissermaßen richtig, der Oheim Sivert hatte sich dahin -ausgesprochen, daß Klein-Sivert ihn beerben solle. Oheim Sivert hatte -an Eleseus' Prahlerei und Vornehmtuerei in der Stadt Anstoß genommen, -er hatte genickt und die Lippen zusammengekniffen und gesagt, ein -Schwestersohn, der nach ihm genannt sei -- nach dem Oheim Sivert -- -brauche keineswegs zu verhungern. Aber was besaß der Oheim Sivert wohl? -Besaß er neben seinem vernachlässigten Hof und seinem Bootsschuppen -auch noch einen so großen Haufen Geld, wie man allgemein annahm? -Niemand wußte es. Und dazu kam noch, daß Oheim Sivert ein eigensinniger -Mensch war, er verlangte, Klein-Sivert solle zu ihm kommen und bei -ihm bleiben. Oheim Sivert betrachtete das als Ehrensache: er wollte -Klein-Sivert zu sich nehmen, wie der Ingenieur Eleseus zu sich genommen -hatte. Aber wie sollte Klein-Sivert von zu Hause wegkommen? Das -war unmöglich. Er war des Vaters einzige Hilfe. Außerdem hatte der -Junge auch keine große Lust, zu dem Oheim zu gehen, dem berühmten -Bezirkskassierer; er war schon einmal dort gewesen, aber dann lieber -wieder heimgegangen. Er war jetzt konfirmiert, reckte und streckte sich -und wuchs heran, feiner Flaum sproßte ihm auf den Wangen, und er hatte -starke Hände mit Schwielen daran. Er schaffte wie ein Mann. - -Isak hätte ohne Siverts Hilfe niemals die neue Scheune aufrichten -können, aber jetzt stand sie mit der Einfahrtsbrücke und den Luken -und allem ebenso groß da wie die Pfarrscheune selbst. Natürlich war -sie nur aus Fachwerk mit Bretterverschalung, aber besonders solid -gebaut mit eisernen Klammern an den Ecken und mit zolldicken Brettern -aus der eigenen Sägemühle verschalt. Ja, und da hatte Klein-Sivert -mehr als einen Nagel eingeschlagen und hatte die schweren Balken fürs -Sparrenwerk aufgehoben, daß er fast darunter umgesunken war. Sivert -verstand sich ausgezeichnet mit seinem Vater und arbeitete ständig -an seiner Seite, er war von des Vaters Art. Und er war nicht so fein -und so verwöhnt, sondern ging nur jedesmal, ehe er sich auf den Weg -zur Kirche machte, auf die Halde hinauf und rieb sich mit ein wenig -Rainfarn ab, um einen guten Geruch an sich zu haben. Da fing wahrlich -die kleine Leopoldine an, größere Ansprüche zu machen, was man ja auch -nicht anders erwarten konnte, da sie ein Mädchen und dazu die einzige -Tochter war. Jetzt im Sommer hatte sie ihre abendliche Grütze nicht -ohne Sirup darauf essen können, nein, das gewann sie nicht über sich. -Und sie leistete auch nicht viel bei der Arbeit. - -Inger hatte den Gedanken an ein Dienstmädchen nicht aufgegeben, und -jeden Frühling hatte sie aufs neue davon angefangen, aber jedesmal war -Isak unnachgiebig geblieben. Wieviel mehr Kleider hätte sie zuschneiden -können, wieviel mehr nähen und feine Stoffe weben und gestickte -Pantoffeln fertigbringen, wenn sie Zeit gehabt hätte! Aber eigentlich -zeigte sich Isak gar nicht mehr so unnachgiebig wie früher, wenn er -auch noch brummte. Hoho, beim erstenmal hatte er eine lange Rede -gehalten, nicht aus Rechtsgefühl und Verständigkeit, auch nicht aus -Hochmut, sondern leider nur aus Schwäche, aus Wut. Aber jetzt war es, -als habe er etwas nachgegeben, und als schäme er sich. - -Wenn ich Hilfe im Haus haben soll, so ist jetzt die Zeit dazu, sagte -Inger. Denn später ist Leopoldine größer und kann dies und jenes tun. --- Hilfe? fragte Isak, wobei sollst du dir denn helfen lassen? -- Wobei -ich mir helfen lassen will? Läßt du dir etwa nicht helfen? Wozu ist -denn Sivert da? - -Was sollte Isak auf solchen Unverstand entgegnen? Er sagte: Ja, ja, -wenn du eine Magd bekommst, dann werdet ihr wohl pflügen und ernten und -den Hof besorgen. Dann können Sivert und ich unserer Wege gehen. - -Wie das auch sein mag, entgegnete Inger, jedenfalls könnte ich jetzt -Barbro als Magd bekommen, sie hat ihrem Vater darüber geschrieben. --- Welche Barbro? fragte Isak. Etwa Bredes Barbro? -- Ja, sie ist in -Bergen. -- Bredes Barbro will ich nicht hier in meinem Hause haben, -sagte er. Wen du auch sonst nehmen magst, fügte er hinzu. - -Er wies also nicht jede andere zurück. - -Seht, in Barbro von Breidablick hatte Isak kein Vertrauen; sie war -unbeständig und oberflächlich wie der Vater -- vielleicht auch wie die -Mutter --, war flüchtigen Sinnes, ohne Ausdauer. Beim Lensmann war sie -nicht lange geblieben, nur ein Jahr; als sie dann konfirmiert war, kam -sie zum Kaufmann, blieb aber auch da nur ein Jahr. Dann war sie erweckt -und fromm geworden, und als die Heilsarmee ins Dorf kam, trat sie in -diese ein, bekam eine rote Binde um den Arm und eine Gitarre in die -Hände. In dieser Ausstaffierung reiste sie auf der Jacht des Kaufmanns -nach Bergen. Das war im vorigen Jahr gewesen, und jetzt eben hatte -sie ihre Photographie heim nach Breidablick geschickt; Isak hatte sie -gesehen: ein fremdes Fräulein mit gekräuseltem Haar und einer langen -Uhrkette über die Brust herunter. Die Eltern waren stolz auf ihre -kleine Barbro und zeigten das Bild jedem, der an Breidablick vorbeikam; -es war großartig, wie sie sich herausgemacht hatte, und sie hatte keine -rote Binde mehr um den Arm und keine Gitarre mehr in den Händen. - -Ich habe es mitgenommen und es der Frau des Lensmanns gezeigt, die -erkannte sie gar nicht wieder, sagte Brede. -- Bleibt sie in Bergen? -fragte Isak mißtrauisch. -- Sie bleibt in Bergen, solange sie dort -ihr Brot verdient, antwortete Brede. Wenn sie nicht lieber nach -Christiania reist, setzte er hinzu. Was soll sie hier daheim! Sie -hat jetzt eine neue Stelle, ist Haushälterin bei zwei Junggesellen, -feinen Kontorherren. Und was sie für einen großen Lohn hat! -- Wieviel? -fragte Isak. -- Das gibt sie in ihrem Brief nicht genau an. Aber daß -er etwas Ungeheures ist gegen hier im Dorf, das merke ich daran, daß -sie Weihnachtsgeschenke und viele andere Geschenke bekommen hat, ohne -daß am Lohn etwas abgezogen worden wäre. -- So, sagt Isak. -- Ja, du -möchtest sie wohl nicht als Magd haben? fragte Brede. -- Ich? entfuhr -es Isak. -- Nein, hehe, ich hab' nur so gefragt. Denn die Barbro soll -nur bleiben, wo sie ist. Aber was ich sagen wollte: Du hast nichts -Besonderes am Telegraphen droben bemerkt? -- Am Telegraphen? Nein. --- Ach nein, es ist nicht oft etwas in Unordnung daran, seit ich ihn -übernommen habe. Und dann habe ich ja meine eigene Maschine an der -Wand, die mir's anzeigt, wenn etwas daran fehlt. In den nächsten Tagen -muß ich aber einmal die Linie abschreiten und nachsehen. Ich habe eben -viel zuviel zu tun und zu besorgen, ein einziger Mann kann das nicht -alles leisten. Aber da ich nun einmal Inspektor hier bin und dies -öffentliche Amt habe, muß ich ihm eben auch nachkommen, solange ich -es habe. -- Isak fragte: Du denkst doch nicht daran, es aufzugeben? --- Ich weiß nicht, antwortete Brede, ich bin noch nicht entschlossen. -Aber man läßt mir keine Ruhe, ich soll wieder ins Dorf hinunterkommen. --- Wer läßt dir keine Ruhe? fragte Isak. -- Alle miteinander. Der -Lensmann möchte mich wieder als Gerichtsdiener, dem Doktor fehle ich -zum Überlandfahren, und die Frau Pfarrer hätte mich schon mehr als -einmal zur Hilfe haben wollen, wenn nur nicht der Weg so weit wäre. -Nun, wie war es denn, Isak, hast du wirklich so viel Geld für deinen -Berg bekommen? -- Ja, das ist nicht gelogen, antwortete Isak. -- Aber -was wollte denn der Geißler damit? Nun liegt er da. Das ist doch etwas -Merkwürdiges. Jetzt ist ein Jahr ums andere darüber hingegangen. -- -Isak hatte selbst oft über dieses Rätsel nachgegrübelt, er hatte auch -mit dem Lensmann darüber geredet, hatte nach Geißlers Adresse gefragt, -um ihm zu schreiben. Gewiß war die Sache merkwürdig. -- Ich weiß -nichts, sagte Isak. - -Brede verbarg nicht, daß ihn dieser Handel mit dem Berg sehr -interessiere: Es heißt, es seien noch mehrere Berge wie die deinigen -droben in der Allmende, sagte er; da können große Dinge drin sein, wir -aber gehen hier umher wie die stummen Tiere und sehen es nicht. Ich -habe mich nun entschlossen, an einem Tag einmal hinaufzugehen und da zu -untersuchen. -- Ach so, du verstehst dich auf Felsen und Gesteinsarten? -fragte Isak. -- Ja, ein wenig schon, und ich habe auch andere darüber -befragt. Und wie es auch sein mag, so muß ich irgend etwas für mich -finden, ich kann mit all den Meinen nicht von dem Hofe hier leben. Zum -Kuckuck, das ist einfach unmöglich. Bei dir ist es ganz anders, du hast -lauter Wald und guten Ackerboden. Bei mir ist nichts als Moor. -- Moor -ist guter Boden, sagte Isak kurz. Ich habe selbst Moor. -- Es ist ganz -unmöglich, es auszutrocknen, erwiderte Brede ... - -Aber es war nicht unmöglich, das Moor auszutrocknen. Als Isak an -diesem Tag weiter hinunterkam, stieß er auf neue Ansiedlungen. Zwei -lagen weiter unten, dem Dorfe zu, aber eine war hoch droben zwischen -Breidablick und Sellanraa -- oh, es wurde allmählich im Ödland -gearbeitet, in Isaks erster Zeit lag es ganz menschenleer da. Und diese -drei Ansiedler waren von auswärts, es schienen Leute mit Verstand -zu sein; das erste, was sie taten, war nicht, Geld aufzunehmen und -sich ein Haus zu bauen, sie kamen in einem Jahr her, zogen Gräben -und verschwanden wieder, genau wie wenn sie gestorben wären. Das war -die richtige Art: Gräben ziehen, pflügen, säen. Axel Ström war jetzt -Isaks nächster Nachbar, ein tüchtiger Mann, Junggeselle, von Geburt -ein Helgeländer; er hatte Isaks neuen Reolpflug entlehnt, um seinen -Moorboden damit umzupflügen, und erst im zweiten Jahr hatte er sich -einen Heuschuppen und eine Gamme errichtet und sich ein paar Stück Vieh -angeschafft. Sein Besitztum hieß Maaneland, Mondland, weil der Mond so -schön darauf schien. Er hatte keine eigene Frauensperson zur Hilfe, und -Hilfe im Sommer war an diesem abgelegenen Ort nur schwer zu haben, aber -wie er seine Arbeit einteilte und ausführte, das war ganz und gar die -richtige Art. Oder hätte er etwa wie Brede zuerst ein Haus bauen und -dann mit seiner Familie und vielen kleinen Kindern ins Ödland kommen -sollen, ohne Vieh oder Äcker, von denen er leben konnte? Was verstand -Brede Olsen vom Entwässern des Moores oder Urbarmachen des Ödlandes? - -Brede Olsen verstand es, die Zeit mit Lappalien zu vergeuden; da kam -er wirklich eines Tages an Sellanraa vorüber und wollte hinauf auf die -Berge, um nach edlen Metallen zu suchen! Am Abend kehrte er zurück, -hatte aber nichts Bestimmtes gefunden. Nur ein paar Anzeichen, sagte er -und nickte dazu. Er wollte den Gang bald noch einmal machen und wollte -auch die Berge nach Schweden zu untersuchen. - -Und ganz richtig, Brede kam wieder. Er hatte wohl Geschmack daran -gewonnen, er schob es auf die Telegraphenlinie, er müsse sie nachsehen. -Indessen versorgten Frau und Kinder den Hof daheim oder ließen alles -ungetan liegen. Isak bekam Bredes Besuche bald satt, und er ging aus -dem Hause, wenn er kam. Dann schwätzten Inger und Brede herzlich -miteinander. Was konnten sie nur zu schwätzen haben? Oh, Brede war -oft im Dorf drunten und wußte immer etwas Neues von den Großen dort, -Inger aber hatte ihrerseits ihre berühmte Reise nach Drontheim und -ihren Aufenthalt, von dem sie erzählen konnte. In den Jahren, die sie -fortgewesen war, hatte sie schwätzen gelernt, sie fing mit jedermann -gleich eine Unterhaltung an. Nein, sie war nicht mehr dieselbe -treuherzige, rechtschaffene Inger von früher. - -Immer noch kamen Frauen und Mädchen nach Sellanraa, um sich Kleider -zuschneiden oder im Handumdrehen wohl auch einen langen Saum auf -der Maschine nähen zu lassen, und Inger unterhielt sie gut dabei. -Auch Oline kam wieder, sie konnte es wahrscheinlich nicht aushalten, -wegzubleiben, denn sie kam sowohl im Frühjahr als im Herbst, aalglatt, -butterweich und falsch. -- Ich mußte einmal sehen, wie es bei euch -steht, sagte sie jedesmal. Und ich habe so Heimweh nach den kleinen -Knaben, sagte sie, ich habe sie so in mein Herz geschlossen, die lieben -Engel, die sie damals waren. Ja, ja, jetzt sind es große Burschen; aber -es ist ganz merkwürdig, ich muß immer daran denken, wie sie noch so -klein waren und ich für sie zu sorgen hatte. Und ihr baut und baut und -macht den Hof zu einer ganzen Stadt. Werdet ihr auch eine Glocke auf -dem neuen Scheunendach anbringen, gerade wie im Pfarrhaus? - -Als Oline wieder einmal auf Sellanraa ankam, brachte sie eine andere -Frau mit, und die beiden Frauen und Inger hatten einen guten Tag -zusammen. Je mehr Menschen Inger um sich herumsitzen hatte, desto -besser und desto schneller hantierte sie mit der Schere und nähte auf -der Maschine; sie tat groß, schwang ihre Schere oder das Plätteisen. -Das erinnerte sie an die Zeit in der Anstalt, wo sie so viele gewesen -waren. Inger verbarg durchaus nicht, wo sie ihre Kunst und ihr Wissen -her hatte, von Drontheim hatte sie's. Es war, als habe sie nicht auf -gewöhnliche Weise dort eine Strafe abgesessen, sondern als sei sie -in der Lehre gewesen: Schneidern, Weben, Färben und Schreiben, in -all dem hatte sie Unterricht in Drontheim gehabt. Von der Anstalt -redete sie mit einem gewissen Heimatgefühl, es waren so viele Leute -dagewesen: Vorsteher und Aufsichtsbeamte und Wächter; als sie damals -wieder heimgekommen war, sei es sehr einsam für sie gewesen, und es -sei ihr überaus hart gefallen, sich von dem Gesellschaftsleben, an das -sie nun gewohnt gewesen, zurückzuziehen. Sie tat sogar, als habe sie -sich erkältet, weil sie in der rauhen Luft draußen gewesen war, ja, -noch jahrelang nach ihrer Rückkehr sei es ihr nicht gut bekommen, in -Wind und Wetter draußen zu sein. Zu der Arbeit außer dem Hause müßte -sie eigentlich eine Magd haben. -- Ja, aber Herrgott im Himmel, sagte -Oline, du mit deiner Gelehrsamkeit und mit deinem großen Haus, du -müßtest doch eine Magd halten können! - -Es war recht angenehm, auf Verständnis zu stoßen, und Inger widersprach -Oline nicht. Sie rasselte mit ihrer Maschine, daß es dröhnte, und ließ -den Ring an ihrem Finger funkeln. - -Nun siehst du selbst, sagte Oline zu der andern Frau, ist es nicht -wahr, daß Inger einen goldenen Ring bekommen hat? -- Wollt ihr ihn -sehen? fragte Inger und zog ihn ab. Oline griff danach, sie schien -nicht ganz sicher zu sein und untersuchte den Ring, wie ein Affe eine -Nuß untersucht: sah auch nach dem Stempel: Ja, es ist, wie ich sagte, -diese Inger mit all ihrem Reichtum und all ihren Mitteln. -- Die andere -Frau nahm den Ring mit Ehrfurcht in die Hand und lächelte demütig. -- -Du darfst ihn eine Weile anbehalten, sagte Inger. Steck ihn nur an, er -geht nicht entzwei! - -Und Inger war freundlich und gutherzig. Sie erzählte von der Domkirche -in Drontheim und begann: Ihr habt wohl die Domkirche in Drontheim nicht -gesehen? Nein, ihr seid ja nicht in Drontheim gewesen! Diese Domkirche -war gleichsam Ingers eigene Domkirche; sie verteidigte sie, prahlte mit -ihr, gab Höhe und Breite an, sie sei wie ein Märchen! Sieben Pfarrer -predigten gleichzeitig in ihr und hörten doch nichts voneinander. Dann -habt ihr wohl den Brunnen des heiligen Olaf auch nicht gesehen? Er -liegt mitten in der Domkirche auf der einen Seite, und dieser Brunnen -ist grundlos. Als wir da hingingen, hatten wir einen Stein mitgenommen, -und den ließen wir hineinfallen, aber er erreichte den Grund nicht. -- -Er erreichte den Grund nicht! flüsterten die Frauen und schüttelten -die Köpfe. -- Aber außerdem sind noch tausend andere Dinge in der -Domkirche! rief Inger entzückt aus. Da ist nun der silberne Schrein, -das ist der Schrein von Sankt Olaf dem Heiligen, ihm gehört er. Aber -die Marmorkirche, die eine kleine Kirche ganz und gar aus Marmor war, -aber diese Kirche, die haben uns die Dänen im Krieg genommen ... - -Die Frauen mußten aufbrechen. Oline zog Inger auf die Seite und -mit sich in die Vorratskammer hinein, wo, wie sie wußte, die Käse -lagen, und machte die Tür hinter sich zu. -- Was willst du von mir? -fragte Inger. -- Oline flüsterte: Der Os-Anders wagt nicht mehr -hierherzukommen. Ich habe es ihm gesagt. -- Ach so, sagte Inger. --- Ich habe ihm gesagt, er solle es nur wagen, nach dem, was er dir -angetan hat! -- Ja, ja, sagte Inger. Aber er ist seither mehrere Male -hier gewesen, und im übrigen kann er gerne kommen, ich fürchte mich -nicht vor ihm! -- Nein, sagte Oline, aber ich weiß, was ich weiß, und -wenn du es willst, werde ich ihn anzeigen. -- So, sagte Inger, nein, -das sollst du nicht tun. - -Aber es war ihr nicht widerwärtig, daß Oline auf ihrer Seite stand; es -kostete sie zwar einen kleinen Ziegenkäse, aber Oline bedankte sich -großartig dafür. Es ist, wie ich sage und immer gesagt habe. Inger -besinnt sich nicht lange, wenn sie gibt, dann gebraucht sie beide -Hände. Nein, du hast keine Angst vor Os-Anders, aber ich habe ihm -nun verboten, dir je wieder unter die Augen zu kommen. Das war das -mindeste, was ich für dich tun konnte. -- Da sagte Inger: Was kann es -mir ausmachen, wenn er kommt, mir kann er nicht mehr schaden. -- Oline -spitzte die Ohren: So, hast du ein Mittel dagegen erfahren? -- Ich -bekomme keine Kinder mehr, sagte Inger. - -Da standen sie ja auf gleichem Fuß und hatten beide gleich gute -Trümpfe. Oline wußte ja, daß der Lappe Os-Anders vorgestern gestorben -war ... - -Warum sollte Inger keine Kinder mehr bekommen? Sie lebte nicht in -Feindschaft mit ihrem Mann, sie waren nicht wie Hund und Katze, weit -entfernt! Alle beide hatten ihre Eigenheiten, aber sie stritten sich -selten und nie lange, nachher war alles wieder gut. Oftmals konnte -auch Inger wieder wie in den alten Tagen sein und im Stall und auf den -Feldern große Arbeit leisten; es war, als ginge sie da in sich und -bekomme gesunde Rückfälle. Dann sah Isak seine Frau mit dankbaren Augen -an, und wenn er zu denen gehört hätte, die sich gleich aussprechen, -würde er wohl gesagt haben: Was? Hm! Was machst du für einen Spaß! -oder etwas anderes Anerkennendes. Allein er schwieg zu lange, und sein -Lob kam zu spät. Aber auf diese Weise machte es Inger keine Freude, und -es lag nichts daran, ständig tüchtig zu sein. - -Sie hätte über fünfzig Jahre alt sein und noch Kinder bekommen können, -aber so wie sie aussah, sich drehte und wendete, war sie vielleicht -nicht einmal vierzig. Alles hatte sie in der Anstalt gelernt -- -hatte sie wohl auch einige Kunstgriffe für ihre Person gelernt? -Außerordentlich wohlüberlegt und wohlunterrichtet kehrte sie von dem -Umgang mit den andern Mörderinnen heim, vielleicht hatte sie auch dies -und jenes von den Herren gehört, von den Aufsehern, den Ärzten? Einmal -erzählte sie Isak, ein junger Mediziner habe über ihr ganzes Verbrechen -gesagt: Warum sollte man jemand strafen, wenn er Kinder umbringt, ja, -sogar gesunde Kinder, sogar wohlgestaltete? Die sind da doch nichts -anderes als Fleischklumpen. -- Isak erwiderte: War er denn ein Untier? --- Er! rief Inger, und dann erzählte sie, wie gut er gegen sie gewesen -sei, gegen sie, Inger selbst, er gerade habe ja einen anderen Arzt -veranlaßt, ihren Mund zu operieren und sie zu einem Menschen zu machen. -Ja, jetzt habe sie nur eine Narbe. - -Ja, jetzt hatte sie nur eine Narbe, und sie war eine recht hübsche -Frau geworden, groß, ohne Fettansatz, mit bräunlicher Haut und dichtem -Haarwuchs. Im Sommer ging sie meist barfuß und hoch aufgeschürzt mit -freimütigen Beinen. Isak sah sie, wer sah sie nicht! - -Sie stritten sich nicht, nein, Isak hatte nicht die Gabe dazu, und -seine Frau war jetzt viel mundfertiger geworden. Zu einem guten -gründlichen Streit brauchte dieser Klotz, dieser Mühlengeist Zeit, -er verwirrte sich in ihren Worten und brachte nicht viel heraus, und -außerdem hatte er auch ein Herz für sie, eine kräftige Liebe. Er -brauchte sich auch gar nicht oft zu verteidigen, Inger griff ihn -nicht an, er war in vieler Beziehung ein ausgezeichneter Mann, und -Inger ließ ihn ungerügt. Worüber hätte sie sich beklagen sollen? -Wahrlich, Isak war nicht zu verachten, sie hätte einen schlimmeren Mann -bekommen können. War er alt geworden, abgerackert? Freilich hatte sie -Anzeichen von Müdigkeit an ihm bemerkt, aber nicht so, daß es etwas -ausgemacht hätte. Er war, sozusagen, erfüllt von alter Gesundheit und -Unverbrauchtheit ebenso wie sie, und im Nachsommer ihrer Ehe leistete -er seinen Teil an Zärtlichkeit mindestens ebenso warm wie sie. - -Aber eine besondere Pracht oder Schönheit war keineswegs an ihm. -Nein, darin war Inger ihm überlegen. Bisweilen dachte sie wohl auch, -sie habe schon Schöneres gesehen, Männer in feinen Kleidern und mit -Spazierstöcken; Herren mit Taschentüchern und gestärkten Kragen, o -diese Stadtherren! Deshalb behandelte sie Isak auch nur als den, der er -war, sozusagen nur nach Verdienst, nicht besser: er war ein Ansiedler -im Walde; wäre ihr Mund von jeher recht gewesen, so hätte sie ihn -nie genommen, das wußte sie jetzt. Nein, dann hätte sie einen andern -kriegen können. Diese Heimat, die ihr geworden war, dieses ganze öde -Dasein, das ihr Isak bereitet hatte, war im Grunde genommen recht -mäßig; jedenfalls hätte sie drunten in ihrer Heimatgemeinde verheiratet -sein und Gesellschaft und Umgang genug haben können, anstatt hier oben -im Ödland eine Hexe zu werden. Hier paßte sie nicht mehr her, sie hatte -jetzt andere Anschauungen. - -War es nicht merkwürdig, wie sich die Ansichten ändern konnten! Es -gelang Inger nicht mehr, sich über ein besonders schönes Kalb zu freuen -oder die Hände vor Verwunderung zusammenzuschlagen, wenn Isak mit -einer recht großen Beute vom Fischfang heimkam, nein, sie hatte sechs -Jahre lang in größeren Verhältnissen gelebt. Ja, so ganz allmählich -waren auch die Tage vorüber, wo sie ihn freundlich und liebreich zu -den Mahlzeiten hereinrief. Jetzt sagte sie: Kommst du denn nicht zum -Essen? War das eine Art! Zuerst wunderte er sich ein wenig über diese -Veränderung, über eine so verdammt verdrießliche und unhöfliche Art, -und er erwiderte: Ich habe nicht gewußt, daß das Essen fertig ist. -- -Aber als sie behauptete, er müsse das doch einigermaßen nach dem Stand -der Sonne wissen, hörte er auf, etwas zu entgegnen und noch ein Wort -darüber zu verlieren. - -Oh, aber einmal, da ertappte er sie und griff tüchtig zu! Das war, als -sie ihm Geld stehlen wollte. Nicht weil er selbst so sehr aufs Geld aus -gewesen wäre, sondern weil es durchaus und ganz allein ihm gehörte. -Hoho, da hätte sie fürs ganze Leben einen Leibschaden davontragen -können! Und doch war Inger da nicht ganz verworfen und gottvergessen -gewesen; Eleseus sollte ja das Geld haben, der liebe Eleseus in der -Stadt, der wieder um einen Taler gebeten hatte. Sollte er da zwischen -all den andern feinen Leuten mit leeren Taschen umhergehen müssen? -Hatte sie nicht ein Mutterherz? Sie hatte Geld von Isak verlangt, und -da dies nicht half, hatte sie selbst zugegriffen. Woher es nun aber -kommen mochte, ob Isak ihr mißtraute, oder ob es ein Zufall war -- -der böse Streich wurde jedenfalls gleich entdeckt, und in demselben -Augenblick fühlte sich Inger an beiden Armen gefaßt; sie fühlte, daß -sie zuerst in die Höhe gehoben und dann schwer auf den Boden gestoßen -wurde. Das war etwas Ungewöhnliches, eine Art Bergsturz. Oh, da waren -Isaks Hände nicht abgeschafft und müde! Inger stöhnte laut auf, ihr -Kopf sank nach hinten, sie zitterte und streckte ihm den Taler hin. - -Auch jetzt sprach sich Isak nicht weiter aus, obgleich Inger ihn nicht -daran hinderte, zu Wort zu kommen, er stieß eigentlich nur schnaufend -hervor: Prügel gehören dir, sonst kann man dich nicht mehr im Zaum -halten! - -Er war nicht wiederzuerkennen. Oh, er machte wohl lang unterdrücktem -Ärger Luft! - -Nun verging ein trauriger Tag und eine lange Nacht und noch ein -weiterer Tag. Isak ging fort und schlief draußen, obgleich er trockenes -Heu liegen hatte, das eingefahren werden sollte; Sivert war bei dem -Vater. Inger hatte Leopoldine und die Tiere um sich, aber sie fühlte -sich allein, weinte die ganze Zeit und schüttelte den Kopf über sich -selbst: eine so große Gemütsbewegung hatte sie nur einmal in ihrem -Leben durchgemacht; jetzt mußte sie an damals denken, als sie ihr -neugeborenes Kind umbrachte. - -Wo waren Isak und der Sohn? Sie waren nicht müßig gewesen; wohl -stahlen sie einen Tag und mehr von der Heuernte, aber sie bauten ein -Boot droben am Bergsee. Allerdings ein plumpes Fahrzeug ohne alle -Ausschmückung, aber stark und dicht war es wie alles, was sie machten, -und nun hatten sie ein Boot und konnten mit dem Netze fischen. - -Als sie wieder heimkamen, lag das Heu noch ebenso trocken da. Sie -hatten dem Himmel den Streich gespielt, sich auf ihn zu verlassen, -und hatten dabei noch gewonnen, der Vorteil war auf ihrer Seite. Da -deutete Sivert plötzlich hinüber und rief: Die Mutter hat geheut! -- -Der Vater sah auf die Wiese hinunter und sagte: So. -- Isak hatte ja -gleich gesehen, daß ein Teil des Heus verschwunden war, jetzt war Inger -wohl drinnen bei der Hausarbeit. Das war eine ganz besondere Leistung, -nachdem er ihr gestern mit Schlägen gedroht und sie geschüttelt hatte. -Und es war schweres, kräftiges Heu, sie hatte hart arbeiten müssen, und -außerdem hatte sie auch noch alle Kühe und Ziegen zu melken gehabt. -- -Geh hinein und iß! sagte Isak zu Sivert. -- Du nicht auch? -- Nein. - -Als Sivert eine Weile drinnen gewesen war, kam Inger heraus; sie blieb -demütig auf der Türschwelle stehen und sagte: Kannst du dir's nicht -selbst gönnen, daß du auch hereinkommst und etwas ißt? -- Darauf -knurrte Isak nur und sagte: Hm. Aber Inger demütig zu sehen, war in -der letzten Zeit ein so seltenes Erlebnis geworden, daß er in seinem -Starrsinn etwas erschüttert wurde. -- Wenn du mir ein paar Zähne in -meinen Rechen einsetzen würdest, dann könnte ich weiter rechen, sagte -sie. Sie wendete sich mit einer Bitte an den Herrn des Hofes, an -das Oberhaupt von allem, und sie war dankbar, daß er ihr nicht eine -höhnische, abschlägige Antwort gab. -- Du hast jetzt genug gerecht und -eingefahren, sagte er. -- Nein, es ist noch nicht genug. -- Ich habe -jetzt keine Zeit, deinen Rechen zu flicken, du siehst, daß Regen kommt. - -Damit ging Isak an die Arbeit. - -Er wollte sie wohl schonen; die paar Minuten Zeit, die das Flicken des -Rechens in Anspruch genommen hätte, wären zehnmal aufgewogen worden, -wenn Inger mit auf der Wiese geblieben wäre. Nun kam überdies Inger mit -dem Rechen, so wie er war, herbei und begann Heu zusammenzurechen, daß -es eine Art hatte. Sivert kam mit Pferd und Heuwagen, alle strengten -sich aufs äußerste an, der Schweiß lief ihnen herunter, und das Heu -wurde geborgen. Das war ein Meisterstück. Und wieder versank Isak in -Gedanken an jene höhere Macht, die alle unsere Schritte lenkt, von dem -Stehlen eines Talers an bis zum Bergen einer großen Menge trockenen -Heus. Außerdem lag nun auch das Boot fertig droben; nachdem er ein -halbes Menschenalter lang über ein solches nachgegrübelt hatte, lag es -nun droben im Gebirgssee. Ach ja, Herrgott im Himmel! sagte er. - - - - -15 - - -Im ganzen genommen wurde das ein merkwürdiger Abend, ein Wendepunkt; -Inger, die seit langer Zeit neben dem Geleise hergegangen war, war -durch ein einziges Aufheben vom Boden wieder auf den richtigen Platz -gekommen. Keines von ihnen sprach von dem Geschehenen; Isak hatte sich -später wegen dieses Talers, der ja nicht viel Geld war, und den er doch -herausgeben mußte, weil er selbst ihn dem Eleseus gönnte, geschämt. Und -gehörte der Taler nicht überdies ebensogut Inger wie ihm? Es kam eine -Zeit, da Isak der Demütige war. - -Es kamen allerhand Zeiten; Inger hatte also wieder ihren Sinn geändert. -Ja, sie änderte sich wieder, gab allmählich ihre Vornehmtuerei auf und -wurde wieder eine ernste und herzliche Frau auf einer Ansiedlung. Daß -die Fäuste eines Mannes so Großes ausrichten konnten! Aber so sollte es -sein, es handelte sich hier um ein starkes, tüchtiges Frauenzimmer, das -ein langer Aufenthalt in künstlicher Luft verwirrt gemacht hatte -- sie -stieß nach dem Manne, der aber zu fest auf seinen Füßen stand. Er hatte -seinen natürlichen Platz auf der Erde, auf seinem Grund und Boden, -nicht einen Augenblick verlassen. Er konnte nicht weggeschoben werden. - -Es kamen vielerlei Zeiten; im nächsten Jahr herrschte wieder -Trockenheit, und wahrlich, sie verminderte die Ernte und zehrte am -Mut der Menschen. Das Korn auf dem Felde verbrannte, die Kartoffeln -jedoch -- die merkwürdigen Kartoffeln -- wurden nicht versengt, sondern -blühten, blühten. Die Wiesen sahen allmählich grau aus, aber die -Kartoffeln blühten. Eine höhere Macht leitete alle Dinge, aber die -Wiesen fingen an grau zu werden. - -Da, eines Tages erschien Geißler, der frühere Lensmann Geißler, endlich -kam er wieder. Es war wirklich seltsam, daß er nicht tot war, sondern -wieder auftauchte. Warum kam er wohl? - -Diesmal hatte Geißler allerdings kein großes Gepäck und allerlei -Dokumente über Gebirgskäufe und so weiter bei sich, er war im Gegenteil -recht einfach gekleidet, sein Haar und Bart waren ergraut und seine -Augen rot umrändert. Er brachte niemand mit, der ihm seine Sachen trug, -er hatte nur eine Tasche mit Schriftstücken und nicht einmal einen -Reisesack bei sich. - -Guten Tag! sagte Geißler. - -Guten Tag! erwiderten Isak und Inger. Seid Ihr wieder auf Reisen? - -Geißler nickte. - -Und ich danke auch für den Besuch in Drontheim! fügte Inger noch hinzu. - -Dazu nickte auch Isak und sagte: Ja, wir beide sagen schönen Dank dafür. - -Aber Geißler hatte die Gewohnheit, nicht nur Herz und Gefühl zu zeigen, -er sagte gleich: Ich will übers Gebirge nach Schweden hinüber. - -Obgleich die Leute auf dem Hofe wegen der Trockenheit niedergedrückt -waren, wurden sie durch Geißlers Besuch doch aufgeheitert; sie -bewirteten ihn reichlich. Es war eine große Freude für sie, ihn -herzlich aufnehmen zu können, er hatte ihnen ja so viel Gutes getan. - -Geißler selbst war nicht niedergedrückt; er redete sofort von allem -möglichen, sah auf die Felder hinaus und nickte; oh, er war noch immer -ganz aufrecht und sah aus, als habe er mehrere hundert Taler bei sich. -Mit ihm kam Leben und Aufmunterung ins Haus; nicht daß er gelärmt -hätte, aber er führte eine lebhafte Unterhaltung. - -Ein herrlicher Ort, dieses Sellanraa! sagte er. Und jetzt ziehen immer -mehr Leute hier herauf, Isak, fünf Ansiedlungen hab' ich gezählt, oder -sind es noch mehr? - -Sieben im ganzen, die beiden andern kann man vom Weg aus nicht sehen. - -Sieben Höfe, sagen wir fünfzig Menschen. Die Umgebung hier -wird allmählich dicht bebaut. Habt ihr nicht auch schon eine -Schulgerechtigkeit und eine Schulstube? - -Doch. - -Das habe ich gehört. Ein Schulhaus auf Bredes Grundstück, weil das mehr -in der Mitte liegt. Also, Brede ist ein Ansiedler geworden! Geißler -lachte verächtlich. Von dir habe ich reden hören, Isak, du bist der -Meister hier. Das freut mich. Du sollst ja jetzt auch ein Sägewerk -haben? - -Ja, so, wie es eben ist. Aber ich fahre gut dabei. Und ich habe auch -schon öfters einen Balken für die da unten gesägt. - -So soll es sein! - -Es würde mich freuen, zu hören, was Ihr darüber sagt, Herr Lensmann, -wenn Ihr mitgehen und das Sägewerk ansehen wolltet. - -Geißler nickte, wie wenn er ein Fachmann wäre, und sagte, das wolle -er gerne tun, ja, er werde sich das Sägewerk ansehen und alles genau -betrachten. Er fragte: Du hast doch _zwei_ Jungen, wo ist denn der -andere? In der Stadt? Auf einem Büro? Hm! sagte Geißler. Aber dieser -dort sieht aus wie ein Prachtkerl! Wie heißt du? - -Sivert. - -Und der andere? - -Eleseus. - -Auf so einem Ingenieurbüro ist er? Was lernt er denn dort? Das ist nur -Hungerleiderei. Er hätte zu mir kommen können, sagte Geißler. - -O ja, versetzte Isak nur, um sich höflich zu zeigen. Geißler tat ihm -leid. Oh, der gute Geißler sah nicht aus, als könne er sich jetzt -fremde Hilfe halten, er hatte es vielleicht jetzt allein schwer genug, -sein Rock war ja an den Handgelenken geradezu ausgefranst. - -Möchtet Ihr nicht ein Paar trockene Strümpfe anziehen? fragte Inger, -indem sie ein Paar von ihren eigenen neuen herbeibrachte, ein Paar -gereifelte und dünne aus ihren eigenen vornehmsten Tagen. - -Nein, danke, sagte Geißler kurz, obgleich er gewiß triefend nasse Füße -hatte. - -Er hätte lieber zu mir kommen sollen, sagte er von Eleseus. Ich könnte -ihn sehr notwendig brauchen, sagte er, indem er eine kleine silberne -Tabaksdose aus der Tasche zog und damit spielte. Das war vielleicht das -einzige Prachtstück, das er von früher her noch besaß. - -Aber er hatte keine rechte Ruhe und hielt sich nicht lange bei einem -Gegenstand auf. Die silberne Dose wurde wieder eingesteckt, und er fing -von etwas Neuem an. Aber wie grau doch die Wiese da draußen aussieht! -Vorhin dachte ich, es sei der Schatten. Warum muß denn der Boden hier -verbrennen? Komm einmal mit mir, Sivert! - -Rasch stand er von dem gedeckten Tisch auf, wendete sich der Tür zu, -dankte Inger für das Essen und verschwand. Sivert ging mit ihm. - -Sie gingen nach dem Fluß. Geißler spähte die ganze Zeit mit klugen -Augen umher; plötzlich blieb er stehen und sagte: Hier! Und dann -erklärte er: Es geht durchaus nicht an, daß ihr den Boden verbrennen -laßt, wenn ihr doch einen allmächtigen Fluß habt, wo ihr Wasser holen -könnt. Morgen soll die Wiese wieder grün sein. - -Der erstaunte Sivert sagte nur: Ja. - -Jetzt hebst du hier schräg herunter einen mäßigen Graben aus, der Boden -ist eben, und am Einlauf machen wir eine Rinne. Da ihr eine Sägemühle -habt, habt ihr wohl auch ein paar lange Bretter? Gut! Hol Hacke und -Spaten und fang hier an, ich komme gleich wieder und stecke die Linie -ordentlich ab. - -Er lief wieder ins Haus hinein, es quietschte in seinen Stiefeln, so -naß waren sie. Er stellte Isak bei den Holzrinnen an; er müsse viele -Rinnen machen, und sie müßten da und dort, wo der Boden nicht durch -einen Graben aufgerissen werden dürfe, gelegt werden. Isak versuchte -einzuwenden, daß das Wasser vielleicht nicht bis dahin dringen würde, -es sei ein sehr weiter Weg, der trockene Boden werde es aufsaugen, -ehe es bis an die versengten Stellen gelange. Geißler erklärte, -ja, es werde wohl eine Weile dauern, die Erde werde zuerst tüchtig -aufschlucken, aber dann werde die Feuchtigkeit weitergehen. -- Morgen -um diese Zeit werden Acker und Wiese wieder grün sein! -- So, sagte -Isak und nagelte aus Leibeskräften Rinnen zusammen. - -Geißler ging zu Sivert zurück. So ist's recht, sagte er, mach nur so -weiter, ich habe gleich gesehen, daß du ein Prachtkerl bist! Die Linie -muß nach diesen Pflöcken laufen. Triffst du auf große Steine oder -Felsblöcke, so weich aus, aber bleib in der gleichen Höhe. Verstehst -du, in derselben Höhe! - -Wieder ging's zurück zu Isak. Jetzt hast du eine Rinne fertig, aber -wir brauchen sechs. Spute dich, Isak, morgen wird alles grün sein, und -deine Ernte ist gerettet! - -Geißler setzte sich auf den Hügel, legte beide Hände auf die Knie und -war entzückt; er plauderte, blitzschnell kamen ihm die Gedanken. Hast -du Pech, hast du Werg? Das ist ausgezeichnet, alles hast du. Denn im -Anfang werden ja die Rinnen lecken, dann aber ziehen sie an und werden -so dicht wie Flaschen. Du sagst, du habest Werg und Pech vom Bootbauen, -nun, wo ist das Boot? Droben im Gebirgssee? Das will ich mir auch -ansehen. - -Oh, der Geißler versprach so viel! Er war ein flüchtiger Herr und war -noch unruhiger geworden als früher, alles mußte bei ihm sozusagen im -Sprung geschehen. Aber dann ging es auch im Sturm. Er war nicht ohne -Überlegenheit. Natürlich war er zu Übertreibungen geneigt. Acker und -Wiese konnten unmöglich über Nacht grün werden; aber Geißler war rasch -im Erfassen und Beschließen; wenn die Ernte auf Sellanraa gerettet -wurde, war es wirklich diesem merkwürdigen Mann zu verdanken. - -Wie viele Rinnen hast du jetzt? Das ist zu wenig. Je mehr Holzrinnen du -hast, desto glatter läuft das Wasser. Wenn du zehn bis zwölf zehn Ellen -lange Rinnen zusammennagelst, so fährst du gut dabei. Was sagst du, du -habest zwölf Ellen lange Bretter? Dann nimm sie, es bezahlt sich bis -zum Herbst. - -Danach hatte Geißler wieder keine Ruhe mehr. Er stand auf und lief -abermals zu Sivert hinüber. Großartig, Sivert, jetzt geht's gut! Dein -Vater hämmert die Rinnen zusammen und dichtet sie, wir bekommen mehr, -als ich mir zuerst dachte; geh jetzt und hole die Rinnen, wir wollen -anfangen! - -Den ganzen Nachmittag herrschte ein großes Gehetze, das war die tollste -Arbeit, die Sivert je mitgemacht hatte, ein ihm ganz unbekanntes Tempo. -Sie gönnten sich keine Zeit, zum Essen hineinzugehen. Aber jetzt lief -das Wasser! Da und dort mußten sie tiefer graben, da und dort mußte -eine Rinne gehoben oder tiefer gelegt werden, aber das Wasser lief! -Bis zum späten Abend gingen die drei Männer umher, verbesserten und -förderten ihre Arbeit und waren ernsthaft davon erfüllt; und als die -Flüssigkeit anfing, über die ausgetrockneten Stellen hinzurieseln, -blitzte ein heller Freudenstrahl in den Herzen der Hofbewohner auf. - -Ich habe meine Uhr vergessen, wieviel Uhr ist es denn? fragte Geißler. -Ja, grün, morgen um diese Zeit! sagte er. - -Sogar in der Nacht stand Sivert auf und sah nach der Wasserleitung. Er -begegnete seinem Vater, der zu demselben Zweck draußen war. Ach Gott, -welche Spannung und welches Ereignis im Ödland! - -Aber am nächsten Tag lag Geißler lange zu Bett und war schlaff; der -Eifer hatte ihn verlassen. Er hatte keine Lust, das Boot droben -anzusehen, und nur weil er sich schämte, ging er wenigstens nach dem -Sägewerk. Nicht einmal für die Wasserleitung hatte er noch dasselbe -Interesse. Als er sah, daß weder Acker noch Wiese über Nacht grün -geworden waren, verlor er den Mut; er dachte nicht daran, daß das -Wasser immer weiter lief und sich immer weiter ausbreitete. Doch hielt -er sich einigermaßen aufrecht, und so sagte er: Möglicherweise kann es -bis morgen dauern, ehe du den Erfolg siehst, aber du darfst den Mut -nicht verlieren. - -Gegen Abend kam Brede Olsen dahergeschlendert. Er brachte -Gesteinsproben mit, die er Geißler zeigen wollte. Sie sind meiner -Ansicht nach außerordentlich merkwürdig, sagte er. -- Aber Geißler -wollte Bredes Steine nicht sehen. Treibst du auf diese Weise Ackerbau -hier, indem du herumläufst und Reichtümer entdecken willst? fragte er -höhnisch. -- Brede hatte indes keine Lust mehr, von seinem früheren -Lensmann Zurechtweisungen hinzunehmen, er gab es ihm tüchtig heim, fing -an, ihn zu duzen, und sagte: Ich kümmere mich nicht um dich! -- Du tust -ja heute noch nichts Rechtes, treibst nichts als Lappalien, versetzte -Geißler. -- Und du etwa? sagte Brede. Was hast denn du diese ganze Zeit -über getan? Du hast einen Berg da droben gekauft, der gar nichts wert -ist und nur so daliegt. Hehe, ja, du bist mir der Rechte, du! -- Mach, -daß du fortkommst! sagte Geißler. -- Und Brede hielt sich auch nicht -länger auf, er hob seinen kleinen Sack auf die Schulter und kehrte ohne -Abschied in sein Nest zurück. - -Geißler setzte sich wieder, blätterte in einigen Papieren und dachte -eifrig nach. Es war, als habe er Blut geleckt und wolle nun nachsehen, -wie es sich mit dem Kupferberg verhielt, mit dem Kontrakt, der Analyse: -es war ja fast reines Kupfer, Schwarzkupfer da, er mußte etwas damit -anfangen, durfte nicht wieder zusammenklappen. - -Der Grund, warum ich eigentlich gekommen bin, ist, dies hier in -Ordnung zu bringen, sagte er zu Isak. Ich habe die Absicht, recht -viele Leute hierherzuziehen und droben im Gebirge einen großen Betrieb -einzurichten. Was denkst du dazu? - -Isak tat er wieder leid, deshalb widersprach er nicht. - -Das ist nicht gleichgültig für dich, fuhr Geißler fort. Es kommen -dann viele Menschen hierher, und es gibt viel Umtrieb und Lärm -und Sprengungen, ich weiß nicht, wie dir das gefallen wird. Aber -andrerseits kommt Leben und Bewegung in den Bezirk, und du wirst großen -Absatz für die Erzeugnisse deiner Milchwirtschaft bekommen. Du kannst -dafür verlangen, was du willst. - -Ja, sagte Isak. - -Gar nicht davon zu reden, daß du von dem, was aus dem Berg gewonnen -wird, hohe Prozente erhältst. Das wird viel Geld, Isak. - -Isak antwortete: Ich habe schon zu viel von Euch bekommen ... - -Am nächsten Morgen verließ Geißler den Hof und wanderte in östlicher -Richtung weiter, Schweden zu. Als Isak sich erhob, ihn zu begleiten, -sagte er kurz: Nein, ich danke. Es tat Isak fast weh, als er ihn so arm -und allein fortgehen sah. Inger hatte ihm einen prächtigen Mundvorrat -mitgegeben, sie hatte sogar Waffeln für ihn gebacken, aber sie waren -bei weitem nicht gut genug, er hätte auch noch Sahne in einer Flasche -und eine Menge Eier mitnehmen sollen; aber das wollte er nicht tragen. -Inger war recht enttäuscht darüber. - -Geißler wurde es gewiß schwer, Sellanraa zu verlassen, ohne für seinen -Aufenthalt zu bezahlen, wie er es gewohnt war. Er tat deshalb, als habe -er bezahlt, als habe er wirklich einen größeren Geldschein hingelegt, -denn er sagte zu der kleinen Leopoldine: Und nun sollst du auch noch -etwas haben. Hier nimm! Damit gab er ihr seine Tabaksdose, die silberne -Dose! -- Du kannst sie auswaschen und Nadeln drin aufheben. Übrigens -paßt sie nicht gut dazu; wenn ich nur geschwind nach Hause könnte, dann -solltest du etwas anderes bekommen, ich habe ja verschiedenes ... - -Aber die Wasserleitung lag nach Geißlers Besuch noch da, sie lag da -und schaffte Tag und Nacht, Woche um Woche, sie machte die Felder -grün, half den Kartoffeln zum Verblühen, half dem Korn in den Halm zu -schießen. - -Die Ansiedler von weiter unten kamen einer nach dem andern herauf, -um sich das Wunderwerk anzusehen. Auch Axel Ström kam, der Besitzer -von Maaneland, der unverheiratet war und keine eigene weibliche Hilfe -hatte, sondern alles selbst besorgte, auch er kam. Er war heute -aufgeräumter und sagte, es sei ihm nun ein Mädchen zur Hilfe für den -Sommer versprochen worden, nun sei dieser Kummer gestillt! Er nannte -den Namen des Mädchens nicht, und Isak fragte nicht danach; aber es -war Bredes Barbro, die man ihm versprochen hatte, es sollte ihn nur -ein Telegramm nach Bergen kosten. Na, und Axel legte ja das Geld für -dieses Telegramm aus, obgleich er gewiß ein äußerst sparsamer Mann, ja -geradezu etwas geizig war. - -Die Wasserleitung war es, die Axel an diesem Tag heraufgelockt hatte; -er sah sie sich von dem einen Ende bis zum andern an und interessierte -sich ungeheuer dafür. Auf seinem Grundstück war zwar kein größerer -Fluß, aber doch ein Bach, auch hatte er keine Bretter zu Rinnen, aber -er wollte den ganzen Wasserlauf in die Erde graben, das ließ sich -auch machen. Es sehe auch auf seinem tiefgelegenen Grundstück nicht -so schlimm aus, wenn aber die Trockenheit anhalte, müsse er auch -bewässern. -- Als er das gesehen hatte, was er hatte sehen wollen, -sagte er Lebewohl. Isak und seine Frau luden ihn ein, hereinzukommen, -aber er sagte, er habe keine Zeit, er wolle an diesem Abend noch mit -dem Graben anfangen; dann ging er. - -Das war ein anderer Mann als Brede! - -Oh, jetzt hatte Brede Grund, über die Moore zu laufen, um über die -Wasserleitung und das Wunderwerk auf Sellanraa zu schwatzen! Ja, es ist -nicht gut, wenn man zu fleißig auf seinem Grundstück ist, sagte er. Da -hat nun der Isak so viele Gräben zum Austrocknen gezogen, daß er jetzt -wieder wässern muß. - -Isak war geduldig, aber er wünschte oft, er könnte diesen Menschen -loswerden, diesen Schwätzer in der Nähe von Sellanraa. Brede war -verpflichtet, die Telegraphenlinie in Ordnung zu halten, da er ja -regelrecht dazu angestellt war. Aber die Telegraphenbehörde hatte ihm -schon mehrere Male wegen seiner Nachlässigkeit einen Rüffel erteilen -müssen, und jetzt war Isak abermals die Stelle angeboten worden. Nein, -mit dem Telegraphen war Brede nicht beschäftigt, sondern mit den -Metallen in den Bergen; es war eine wahre Sucht bei ihm geworden, eine -fixe Idee. - -Jetzt geschah es auch recht oft, daß er in Sellanraa einkehrte und -meinte, er habe den Schatz gefunden. Er nickte dann und sagte: Ich -sag jetzt nichts mehr, aber ich habe etwas ganz Besonderes gefunden, -das leugne ich nicht. Er verschwendete seine Zeit und seine Kräfte um -nichts und wieder nichts. Wenn er dann müde in sein Haus zurückkehrte, -warf er einen kleinen mit Gesteinsproben gefüllten Sack auf den Boden, -pustete und schnaufte nach seinem Tagewerk und meinte, niemand arbeite -so hart für seinen Unterhalt wie er. Er baute etwas Kartoffeln auf -saurem Moorboden, mähte die Grasplätze ab, die von selbst um sein -Haus her wuchsen, das war seine Feldarbeit. Er war in ein falsches -Fahrwasser geraten, es mußte ein schlimmes Ende mit ihm nehmen. -Jetzt war schon sein Torfdach zerfetzt und die Küchentreppe von der -Dachtraufe verfault, ein kleiner Schleifstein lag umgestürzt am Boden, -und das Fuhrwerk stand ewig unter freiem Himmel. - -Brede hatte es insofern gut, als er sich über solche Kleinigkeiten -durchaus nicht abgrämte. Wenn die Kinder den Schleifstein beim -Spielen umherrollten, war der Vater sehr gutmütig und lieb, ja, er -half bisweilen selbst beim Rollen. Eine leichte und faule Natur, -ohne Ernst, aber auch ohne Schwerlebigkeit, ein schwacher Charakter -ohne Verantwortlichkeitsgefühl, aber er fand Auswege, sich den -Lebensunterhalt zu verschaffen, wie er auch sein mochte; so lebte er -mit den Seinen von der Hand in den Mund, sie lebten alle miteinander. -Aber natürlich konnte der Kaufmann Brede und seine Familie nicht -in alle Ewigkeit am Leben erhalten, das hatte er schon oft gesagt, -und jetzt sagte er es in strengem Ton. Brede sah das selbst ein und -versprach, nun werde er die Sache in Ordnung bringen; er wolle sein -Grundstück verkaufen, vielleicht verdiene er gut dabei, und dann werde -er den Kaufmann bezahlen. - -Ja, selbst wenn er daran verlor, wollte Brede verkaufen, was sollte er -mit einem Grundstück! Er sehnte sich wieder ins Dorf hinunter, nach -Leichtsinn, Klatschereien und dem Kaufladen -- dahin sehnte er sich, -anstatt ruhig hier zu schaffen und zu wirken und die große Welt zu -vergessen. Ach, hätte er die Weihnachtsfeiern mit dem Lichterbaum oder -das Nationalfest am siebzehnten Mai oder die Wohltätigkeitsverkäufe -im Gemeindehaus vergessen können! Er liebte es ja über alles, mit den -Leuten zu schwatzen, sich nach Neuigkeiten zu erkundigen, aber mit -wem hätte er sich hier auf den Mooren unterhalten können? Inger auf -Sellanraa hatte eine Weile Anlage dazu gezeigt, jetzt war sie wieder -ganz anders geworden, wieder ganz wortkarg. Und übrigens war sie im -Gefängnis gewesen, und er war ein öffentlich angestellter Mann, das -schickte sich nicht. - -Nein, er hatte sich selbst auf die Seite gestellt, als er das Dorf -verließ. Jetzt sah er mit Eifersucht, daß der Lensmann einen andern -Gerichtsboten und daß der Doktor einen andern Kutscher hatte; er -war von den Menschen, die ihn brauchten, fortgelaufen, jetzt, da er -nicht mehr zur Hand war, behalfen sie sich ohne ihn. Aber welch ein -Gerichtsbote und welch ein Kutscher! Eigentlich müßte er -- Brede -- -mit Wagen und Pferd ins Dorf zurückgeholt werden! - -Aber da war nun Barbro, und warum hatte er denn versucht, sie auf -Sellanraa unterzubringen? Oh, das hatte er nach reiflicher Überlegung -mit seiner Frau getan. Wenn alles richtig ging, so hätte das Mädchen da -Aussichten für die Zukunft gehabt, ja, vielleicht wären da Aussichten -für die ganze Familie Brede gewesen. Die Haushälterinstelle bei den -zwei Kontoristen in Bergen war ja schon recht, aber Gott mochte -wissen, was Barbro da schließlich bekam? Barbro war ja hübsch und auf -ihren Vorteil aus, sie hätte vielleicht hier bessere Gelegenheit, -vorwärtszukommen. Es waren zwei Söhne auf Sellanraa. - -Aber als Brede merkte, daß dieser Plan fehlschlug, dachte er sich einen -andern aus. Oh, im Grunde war es wirklich nichts Erstrebenswertes, -mit Inger verwandt zu werden, mit einer bestraften Person, es gab -noch andere Burschen als die auf Sellanraa! Da war nun Axel Ström. Er -hatte Hof und Gamme, er war ein Mann, der schaffte und sparte und sich -allmählich Vieh und andere Besitztümer anschaffte, aber keine Frau und -keine weibliche Hilfe hatte. Das kann ich dir sagen, wenn du Barbro -bekommst, so hast du alle Hilfe, die dir not tut! sagte er zu Axel. Und -hier kannst du ihre Photographie sehen, sagte er. - -Ein paar Wochen vergingen, dann kam Barbro. Ja, Axel war nun schon -mitten in der Heuernte, er mußte bei Nacht mähen und bei Tag wenden -und hatte alles allein zu leisten; aber nun kam Barbro. Sie kam wie -ein wirkliches Geschenk. Es zeigte sich auch, daß sie arbeiten konnte; -sie scheuerte das Geschirr, wusch die Kleider und kochte das Essen, -sie melkte die Tiere und half draußen beim Heurechen, jawohl, sie war -mit draußen beim Heu und trug es mit herein, es fehlte nichts. Axel -entschloß sich, ihr einen guten Lohn zu geben, er gewann doch noch -dabei. - -Hier war sie nicht nur die Photographie einer feinen Dame. Barbro -war groß und schlank, sie hatte eine etwas heisere Stimme, zeigte -Reife und Erfahrung in vielem und war durchaus keine Neukonfirmierte. -Axel begriff nicht, warum ihr Gesicht so mager und elend aussah: Ich -sollte dich eigentlich vom Ansehen kennen, aber du gleichst deiner -Photographie gar nicht. -- Das kommt von der Reise, erwiderte sie. Ja -und von der Stadtluft. -- Es dauerte auch nicht lange, da wurde sie -wieder rund und hübsch, und sie sagte: Glaub mir, so eine Reise und so -eine Stadtluft, die zehren tüchtig an einem! Sie spielte auch auf die -Versuchungen in Bergen an -- da müsse man sich in acht nehmen! Aber -während sie sich weiter unterhielten, sagte sie, Axel solle sich auf -eine Zeitung, eine Bergener Zeitung abonnieren, damit sie auch sehen -könne, was in der Welt vorgehe. Sie sei jetzt ans Lesen, an Theater und -Musik gewöhnt, hier sei es sehr einsam, sagte sie. - -Da Axel Ström mit seiner Sommeraushilfe so Glück gehabt hatte, -abonnierte er auf die Zeitung und ertrug auch die Familie Brede, die -recht oft auf seine Ansiedlung kam und da aß und trank. Er wollte -seiner Dienstmagd Freude machen. Nichts konnte behaglicher sein als -die Sonntagabende, wenn Barbro die Saiten ihrer Gitarre schlug und -mit ihrer etwas heiseren Stimme dazu sang; Axel war über die fremden -hübschen Lieder und darüber, daß wirklich jemand auf der Ansiedlung bei -ihm war und sang, gerührt. - -Im Laufe des Sommers lernte er Barbro allerdings auch von anderen -Seiten kennen, aber im großen und ganzen war er zufrieden. Sie war -nicht ohne Launen, und sie konnte rasche Antworten geben, etwas zu -rasche. An jenem Sonnabend, als Axel notwendig ins Dorf hinunter zum -Kaufmann mußte, hätte Barbro das Vieh und die Hütte nicht verlassen und -auch alles andere nicht einfach im Stich lassen dürfen. Die Ursache -dazu war ein kleiner Streit gewesen. Und wo war sie hingegangen? Nur -nach Hause, nach Breidablick, aber trotzdem. Als Axel in der Nacht -zurückkam, war Barbro nicht da, er versorgte die Tiere, aß und ging -schlafen. Gegen Morgen erschien Barbro. -- Ich wollte wieder einmal -fühlen, wie es einem in einem Haus mit einem Bretterboden zumut ist, -sagte sie recht höhnisch. -- Darauf konnte Axel eigentlich nichts -erwidern, denn er hatte ja nur eine Torfhütte mit einem Lehmboden, aber -er antwortete, er habe immerhin auch Bretter und werde wohl auch einmal -ein Haus mit einem Bretterboden haben! -- Da war es, als gehe sie in -sich; nein, schlimmer war Barbro nicht, und obgleich es Sonntag war, -ging sie rasch in den Wald, holte Wacholderzweige für den Lehmboden und -machte ihn hübsch. - -Aber da sie so ausgezeichnet und von Herzen gut war, mußte ja auch -Axel mit dem hübschen Kopftuch herausrücken, das er am vorhergehenden -Abend für sie gekauft hatte; er hatte eigentlich gedacht, er wolle es -aufheben, um ordentlich etwas von ihr dafür zu erreichen. Aber nun -gefiel es ihr sehr gut, sie probierte es sofort auf, ja, sie fragte -ihn, ob es ihr nicht gut stehe. O doch, sehr gut, aber sie könnte gerne -sein Felleisen auf den Kopf setzen, es würde ihr auch stehen. Da lachte -sie und wollte auch recht liebenswürdig sein, deshalb sagte sie: Ich -gehe lieber mit diesem Kopftuch in die Kirche und zum Abendmahl als im -Hut. In Bergen trugen wir ja alle Hüte, ja, ausgenommen gewöhnliche -Dienstmädchen, die vom Lande hereinkamen. - -Wieder lauter Freundschaft! - -Und als Axel mit der Zeitung herausrückte, die ihm auf der Post -mitgegeben worden war, setzte sich Barbro hin und las die neuesten -Nachrichten von der Welt draußen: von einem Einbruch bei einem -Goldschmied in der Strandstraße, von einer Schlägerei zwischen -Zigeunern, von einer Kindsleiche, die in den Stadtfjord hereingetrieben -und in ein altes, unter den Armen quer abgeschnittenes Hemd -eingewickelt gewesen war. Wer kann nur das Kind ins Wasser geworfen -haben? fragte Barbro. Aus alter Gewohnheit las sie auch noch die -Marktpreise. - -Und die Zeit verging. - - - - -16 - - -Auf Sellanraa gab es große Veränderungen. - -Ja, nichts war von der ersten Zeit her wiederzuerkennen. Hier waren -nun verschiedene Gebäude, ein Sägewerk und eine Mühle, und die öden -Strecken waren wohlbebautes Land geworden. Und noch mehr stand bevor. -Aber Inger war vielleicht noch am merkwürdigsten, ganz anders wieder -und überaus tüchtig. - -Die Krise vom letzten Sommer hatte wohl nicht auf einmal ihren -Leichtsinn besiegen können, im Anfang hatte sie mehrere Rückfälle; -sie ertappte sich darauf, daß sie von der Anstalt und von Drontheims -Domkirche sprechen wollte. Ach, so kleine unschuldige Dinge! Ihren -Ring zog sie vom Finger, und ihre so freimütig kurzen Röcke machte sie -länger. Sie war nachdenklich geworden, es wurde stiller auf dem Hofe, -die Besuche nahmen ab, die fremden Mädchen und Frauen aus dem Dorf -kamen seltener, weil sie sich nicht mehr mit ihnen einließ. Niemand -kann im Ödland leben und nur immer lachen und scherzen, Freude ist -nicht Lustigkeit. - -Droben im Ödland hat jede Jahreszeit ihre Wunder, aber immer und -unveränderlich sind die dunklen, unermeßlichen Laute von Himmel und -Erde, das Umringtsein nach allen Seiten hin, die Waldesdunkelheit, die -Freundlichkeit der Bäume. Alles ist schwer und weich zugleich, kein -Gedanke ist da unmöglich. Nördlich von Sellanraa lag ein ganz kleiner -Teich, eine Lache, nur so groß wie ein Aquarium. Da tummelten sich -winzige Fischkinder, die nie größer wurden; sie lebten und starben und -waren zu nichts nütze, lieber Gott, zu rein gar nichts! Eines Abends -stand Inger da und horchte auf die Kuhglocken. Sie hörte nichts, denn -alles war totenstill ringsum, aber plötzlich vernahm sie Gesang aus dem -Aquarium. Er war sehr schwach und beinahe nicht vernehmlich, nur wie -hinsterbend. Das war das Lied der kleinwinzigen Fische. - -Sellanraa lag so günstig, daß die Bewohner jeden Herbst und Frühjahr -die Wildgänse, die über das Ödland hinflogen, sahen und ihr Rufen und -Locken in der Luft droben hören konnten, es klang wie verwirrtes Reden. -Und dann war es, als stehe die Welt stille, bis der Zug vorüber war. -Fühlten sich die Menschen da nicht von einer Art Schwäche überfallen? -Sie nahmen ihre Arbeit wieder auf, aber zuvor taten sie einen tiefen -Atemzug, ein Hauch aus dem Jenseits hatte sie gestreift. - -Große Wunder umgaben sie zu allen Zeiten. Im Winter die Sterne und auch -die Nordlichter, ein flammendes Firmament, eine Feuersbrunst droben -bei Gott. Hier und da, nicht oft, nicht für gewöhnlich, aber hier und -da vernahmen sie auch donnern. Das war hauptsächlich im Herbst, und -es war düster und feierlich für Menschen und Tiere. Die Haustiere, -die auf der nahen Wiese weideten, drängten sich zusammen und blieben -beieinander stehen. Worauf horchten sie? Warteten sie auf das Ende? -Und worauf warteten die Menschen im Ödland, wenn sie beim Grollen des -Donners mit gesenktem Kopfe dastanden? - -Der Frühling -- jawohl, dessen Eile und Ausgelassenheit und Entzücken; -aber der Herbst! Der stimmte die Leute anders. Da fürchteten sie sich -oft in der Dunkelheit, und sie nahmen ihre Zuflucht zum Abendgebet, sie -wurden hellseherisch und hörten Vorboten. Manchmal gingen sie an einem -Herbsttag hinaus, um etwas hereinzuholen, die Männer vielleicht Holz, -die Frauen das Vieh, das jetzt wie unsinnig nach Pilzen suchte -- und -sie kehrten zurück, das Herz von geheimnisvollen Dingen erfüllt. Waren -sie unversehens auf eine Ameise getreten und hatten deren Hinterleib -auf dem Pfad festgetreten, so daß der Vorderkörper nicht mehr loskommen -konnte? Oder waren sie einem Schneehuhnnest zu nahe gekommen und war -ihnen eine Mutter zischend entgegengeflattert? Und nicht einmal die -großen Kuhpilze waren ohne Bedeutung. Der Mensch wird nicht starr und -bleich, wenn er sie nur ansieht. Ein Kuhpilz blüht nicht und rührt sich -nicht von der Stelle, aber es ist etwas Überwältigendes an ihm, und er -ist ein Ungeheuer, er gleicht einer Lunge, die nackt und ohne hüllenden -Körper ein eigenes Leben führt. - -Inger wurde schließlich recht schwermütig, das Ödland bedrückte sie, -sie wurde fromm. Hätte sie dem entgehen können? Niemand im Ödland kann -dem entgehen, da gibt es nicht nur irdisches Streben und Weltlichkeit, -da ist Frömmigkeit und Gottesfurcht und viel Aberglauben. Inger meinte -wohl, sie habe mehr Grund als andere, der Züchtigung des Himmels -gewärtig sein zu müssen, diese würde wohl nicht ausbleiben; sie wußte, -daß Gott an den Abenden durch das ganze Ödland streifte und fabelhaft -gute Augen hatte, er würde sie schon finden. In ihrem täglichen Leben -war nicht so sehr viel, was sie hätte anders machen können. Oh, sie -konnte den goldenen Ring zuunterst in ihrer Truhe verbergen, und sie -konnte an Eleseus schreiben, er solle sich auch bekehren; aber außerdem -blieb wohl nichts anderes übrig, als selbst gute Arbeit zu leisten und -sich nicht zu schonen. Ja, eines konnte sie doch noch tun! Sich in -demütige Kleider hüllen und nur am Sonntag ein schmales blauseidenes -Band um den Hals tragen, um einen Unterschied vom Werktag zu machen. -Diese unechte und unnotwendige Armut war der Ausdruck für eine Art -Philosophie, für Selbsterniedrigung, Stoizismus. Das blauseidene Band -war nicht mehr neu, war von einer Mütze abgetrennt, die Leopoldine zu -klein geworden war, es war da und dort verblichen und geradeheraus -gesagt auch etwas schmutzig -- nun gebrauchte es Inger als einen -demütigen Sonntagsstaat. Jawohl, sie übertrieb und machte die Armut -in der Hütte nach, sie trug eine falsche Armut zur Schau -- wäre ihr -Verdienst größer gewesen, wenn sie zu einem so geringen Staat gezwungen -gewesen wäre? Laßt sie in Frieden, sie hat ein Recht auf Frieden! - -Sie übertrieb großartig und tat mehr, als sie mußte. Es waren zwei -Männer auf dem Hofe, aber Inger paßte wohl auf, bis sie fort waren, und -sägte dann Holz; wozu sollte nun diese Qual und Züchtigung gut sein? -Sie war ein ganz unbedeutender, ganz geringer Mensch, ihre Fähigkeiten -waren recht gewöhnlich, ihr Tod oder ihr Leben würde nirgends im Lande -gemerkt werden, außer hier im Ödland. Hier war sie beinahe groß, -jedenfalls war sie die größte, und sie meinte, sie sei aller der -Züchtigung, die sie auf sich selbst verwendete, wohl wert. -- Ihr Mann -sagte: Sivert und ich haben darüber gesprochen, wir wollen nichts davon -wissen, daß du unser Holz sägst und dich überschaffst. -- Ich tue es um -meines Gewissens willen, entgegnete Inger. - -Um des Gewissens willen? Das stimmte Isak wieder nachdenklich; er war -jetzt ein Mann in Jahren, langsam im Überlegen, aber gewichtig, wenn -er schließlich seine Ansicht sagte. Das Gewissen mußte doch recht -kräftig sein, wenn es Inger so vollständig hatte umwenden können. Und -was es nun auch sein mochte, aber Ingers Bekehrung wirkte auch auf ihn -ein, sie steckte ihren Mann an, er wurde grüblerisch und zahm. Das -war ein sehr schwerer, fast unüberwindlicher Winter; Isak suchte die -Einsamkeit, suchte Verborgenheit. Um seinen eigenen Wald zu schonen, -hatte er nun im Staatswald an der schwedischen Grenze einige Dutzend -gute Stämme gekauft -- er wollte beim Fällen dieser Bäume niemand zu -Hilfe haben, er wollte allein sein; Sivert wurde befohlen, daheim zu -bleiben und auf die Mutter aufzupassen, damit sie sich nicht zu sehr -anstrenge. - -In den kurzen Wintertagen ging also Isak noch in der Dunkelheit zum -Wald und kam erst bei Dunkelheit wieder heim. Nicht immer schienen Mond -und Sterne, manchmal waren seine eigenen Fußstapfen vom Morgen wieder -zugeschneit, dann konnte er sich nur schwer zurechtfinden. Und an einem -Abend hatte er ein Erlebnis. - -Er hatte schon den größten Teil des Wegs zurückgelegt, und bei -dem hellen Mondschein sah er Sellanraa schon drüben auf der Halde -liegen; da lag es hübsch und wohl gebaut, aber klein, fast wie ein -unterirdisches Gehöft anzusehen, weil es so tief eingeschneit war. -Aber jetzt bekam er wieder Bauholz, und Inger sowie die Kinder würden -sich sehr verwundern, wozu er das Holz verwenden wollte, an was für -ein überirdisches Gebäude er dachte. Er setzte sich in den Schnee und -wollte ein wenig ausruhen, um nicht erschöpft heimzukommen. - -Ringsum ist es ganz still, und Gott sei Dank für diese Stille und seine -eigene nachdenkliche Stimmung, sie ist nur vom Guten! Isak ist ja ein -Ansiedler, und er schaut nach seinem Grundstück hinüber, wo er noch -mehr Ödland umgraben muß. Er bricht in Gedanken große Steine aus, er -hat ein entschiedenes Talent zum Entwässern. Und er weiß, dort drüben -liegt noch eine recht tiefe Sumpfstrecke auf seinem Eigentum. Dieser -Sumpf ist voller Erz, eine metallische Haut steht auf jeder Lache, -den will er jetzt trockenlegen. Mit den Augen teilt er den Boden in -Vierecke ein, er hat Pläne und Absichten mit diesen Vierecken, er will -sie recht grün und fruchtbar machen. Oh, ein urbar gemachtes Feld war -etwas sehr Gutes, es wirkte auf ihn wie Ordnung und Recht und dazu wie -Genuß ... - -Er stand auf und fand sich nicht mehr ganz zurecht. Hm! Was war -geschehen? Nichts, er hatte nur ein wenig ausgeruht. Jetzt aber steht -etwas vor ihm, ein Wesen, ein Geist, graue Seide -- nein, es war -nichts. Es wurde ihm sonderbar zumut, er machte einen kurzen unsicheren -Schritt vorwärts und ging geradeswegs auf einen Blick zu, einen großen -Blick, zwei Augen, gleichzeitig fangen die Espen in der Nähe zu -rauschen und zu raunen an. Nun weiß jedermann, daß die Espe eine ganz -infame, unbehagliche Art zu rauschen hat, jedenfalls hatte Isak noch -niemals ein widerlicheres Rauschen gehört als jetzt, und er fühlte, wie -ihm ein Schauer über den Rücken lief. Er griff auch mit der Hand nach -vorne, aber dies war vielleicht die hilfloseste Bewegung, die diese -Hand je gemacht hatte. - -Aber was war nun das da vor ihm, und hatte es eine Gestalt oder nicht? -Isak hatte ja seiner Lebtag darauf geschworen, daß es eine höhere -Macht gebe, und einmal hatte er sie auch gesehen, aber das, was er -jetzt sah, glich Gott nicht. Ob der Heilige Geist wohl so aussah? Aber -warum stand er dann jetzt hier -- auf dem weiten Feld zwei Augen, ein -Blick und sonst nichts? War es, um ihn zu holen, um seine Seele zu -holen, dann mochte es so sein, einmal würde es ja doch geschehen, dann -wurde er selig und kam in den Himmel. - -Isak war gespannt, was geschehen würde, ein Schauder durchrieselte ihn, -die Gestalt strömte ja Kälte und Frost aus, es mußte der Teufel sein. -Hier betrat Isak sozusagen bekannten Boden, es war nicht unmöglich, daß -es der Teufel war; aber was wollte er hier? Auf was hatte er Isak jetzt -eben ertappt? Auf dem Gedanken, Ödland umzubrechen, aber das konnte ihn -doch unmöglich geärgert haben. Von einer anderen Sünde, die er begangen -haben konnte, wußte Isak nichts, er war nur auf dem Heimweg vom Walde, -ein müder und hungriger Arbeiter, er wollte nach Sellanraa, alles in -guter Absicht. - -Wieder machte er einen Schritt vorwärts, aber es war kein langer -Schritt, und er wich überdies sofort wieder ebenso weit zurück. Da die -Erscheinung nicht weichen wollte, runzelte Isak wahrhaftig die Stirne, -als traue er der Sache nicht mehr recht. Wenn es der Teufel war, so -mochte es der Teufel sein, der hatte jedoch nicht die höchste Macht. -Luther hatte ihn einstmals beinahe umgebracht, und es gab viele, die -ihn mit dem Kreuzeszeichen und Jesu Namen verscheucht hatten. Nicht, -daß Isak die Gefahr herausgefordert und sich dann hingesetzt und -darüber gelacht hätte, aber das Sterben und Seligwerden, das er zuerst -im Sinne gehabt hatte, diesen Gedanken gab er jedenfalls auf, und jetzt -machte er zwei Schritte auf die Erscheinung zu, bekreuzigte sich und -rief: Im Namen Jesu! - -Hm? Als er seine eigene Stimme hörte, war es, als komme er plötzlich -wieder zu sich, und er sah Sellanraa auf der Halde liegen. Die Espen -rauschten nicht mehr, die beiden Augen waren aus der Luft verschwunden. - -Er zögerte nicht länger auf dem Weg und forderte die Gefahr nicht -heraus. Aber als er auf seiner eigenen Türschwelle stand, räusperte -er sich kräftig und erleichtert, und er ging erhobenen Hauptes in die -Stube hinein wie ein Mann, ja, wie ein Held. - -Inger stutzte und fragte, warum er so leichenblaß aussähe. - -Da leugnete er nicht, daß er dem Teufel begegnet sei. - -Wo? fragte sie. - -Dort drüben. Uns gerade gegenüber. - -Inger zeigte keinen Neid. Ja, sie lobte ihn nicht gerade deshalb, aber -in ihrer Miene lag nichts, was einem bösen Wort oder einem Fußtritt -geglichen hätte. Ach, Ingers Gemüt hatte sich im Gegenteil in den -letzten Tagen etwas aufgehellt, und sie war freundlicher geworden, -woher es auch kommen mochte; nun fragte sie nur: - -Ist es der Teufel selbst gewesen? - -Isak nickte und sagte, soweit er habe sehen können, sei er es selbst -gewesen. - -Wie bist du ihn losgeworden? - -Ich ging im Namen Jesu auf ihn los, antwortete Isak. - -Inger wiegte überwältigt den Kopf hin und her, und es dauerte eine -Weile, bis sie das Essen auftragen konnte. Jedenfalls darfst du aber -jetzt nicht mehr ganz allein in den Wald gehen, sagte sie. - -Sie zeigte sich besorgt um ihn, das tat ihm wohl. Er tat, als sei er -noch gleich mutig und als kümmere er sich durchaus nicht um irgendeine -Begleitung in den Wald, aber er tat nur so, um Inger mit seinem -unheimlichen Erlebnis nicht mehr als notwendig zu erschrecken. Er war -ja der Mann und das Oberhaupt des Hauses, der Schutz aller. - -Inger durchschaute ihn auch und sagte: Ja, ja, du willst mich nur nicht -ängstlich machen, aber du mußt Sivert mitnehmen. -- Isak lächelte nur -verächtlich. -- Du kannst im Walde krank und elend werden, und ich -glaube, du bist auch in der letzten Zeit nicht so recht gesund gewesen. --- Wieder lächelte Isak verächtlich. Krank? Abgeschunden und müde, -jawohl; aber krank? Inger solle ihn nicht lächerlich machen, er sei -und bleibe gesund, er esse, schlafe und arbeite, er sei ja geradezu -unheilbar gesund. Einmal sei ein gefällter Baum auf ihn gestürzt und -habe ihm das Ohr abgerissen, er habe das Ohr aufgehoben und es mit -der Mütze Tag und Nacht an seinem Platz festgehalten, und da sei es -wieder angewachsen. Für innere Unpäßlichkeiten nehme er Süßholzsaft in -kochender Milch und komme dadurch in Schweiß, Lakritze also, die er -beim Kaufmann hole, ein erprobtes Mittel, das Theriak der Alten. Wenn -er sich in die Hand haue, lasse er sein Wasser über die Wunde laufen -und salze sie ein, dann sei es in wenigen Tagen geheilt. Der Doktor sei -noch nie nach Sellanraa geholt worden. - -Nein, Isak war nicht krank. Eine Begegnung mit dem Teufel konnte -schließlich der Gesündeste haben. Isak fühlte auch von dem gefährlichen -Abenteuer keine Nachwehen, im Gegenteil, es war, als sei er dadurch -gestärkt worden. Als sich der Winter seinem Ende zuneigte und der -Frühling nicht mehr so ewig weit entfernt war, fühlte sich der Mann -und das Oberhaupt allmählich als eine Art Held: Ich verstehe mich auf -solche Dinge, wir müssen nur meinem Rat folgen, zur Not kann ich sogar -bannen. - -Im ganzen genommen waren ja die Tage länger und heller, Ostern war -vorüber, die gefällten Bäume waren heimgefahren, alles leuchtete, die -Menschen atmeten nach dem überstandenen Winter auf. - -Inger war wieder die erste, die sich aufrichtete, sie war jetzt schon -lange in guter Laune. Woher das kam? Hoho, es hatte seine guten Gründe, -sie war wieder dick geworden, sollte wieder ein Kind bekommen. Alles -ebnete sich in ihrem Leben, nichts versagte. Aber das war ja die größte -Barmherzigkeit nach all dem, was sie verbrochen hatte, sie hatte Glück, -das Glück verfolgte sie! Isak wurde wahrhaftig eines Tages aufmerksam -und mußte sie fragen: Ich glaube wirklich, es wird wieder etwas, wie -ist das möglich? -- Ja, gottlob, es wird gewiß etwas! antwortete sie. --- Beide waren gleich überrascht. Natürlich war Inger nicht zu alt; -Isak kam sie nicht zu alt vor, aber trotzdem, wieder ein Kind, ja, ja! -Die kleine Leopoldine war ja schon mehrere Male im Jahr für längere -Zeit in der Schule auf Breidablick, da hatten sie keine Kleinen mehr zu -Hause, und außerdem war Leopoldine jetzt auch schon ein großes Mädchen. - -Einige Tage vergingen, aber am nächsten Samstag machte sich Isak -energisch auf den Weg ins Dorf, und er wollte erst am Montagmorgen -zurückkommen. Er wollte nicht sagen, was er im Sinne hatte, aber -siehe da, er kam mit einer Magd zurück. Sie hieß Jensine. -- Du bist -wohl nicht recht klug, sagte Inger, ich brauche sie nicht. -- Isak -erwiderte, jawohl, jetzt brauche sie eine Magd. - -Und jedenfalls war das nun ein so hübscher und gutherziger Einfall von -Isak, daß Inger ganz beschämt und gerührt war; das neue Mädchen war die -Tochter des Schmieds; sie sollte vorerst den Sommer über dableiben, -später werde man weitersehen. - -Und außerdem, sagte Isak, habe ich an Eleseus telegraphiert. - -Inger zuckte zusammen. Telegraphiert? Wollte Isak sie rein umbringen -mit seiner Gutherzigkeit? Seht, es war ja seit langer Zeit ihr großer -Schmerz, daß Eleseus in der Stadt war, in der ruchlosen Stadt! Sie -hatte an ihn vom lieben Gott geschrieben und ihm außerdem auch erklärt, -der Vater werde allmählich alt, der Hof aber immer größer, Klein-Sivert -könne nicht alles leisten, und er solle ja auch den Oheim Sivert einmal -beerben -- und sie hatte ihm für alle Fälle einmal auch das Reisegeld -geschickt. Aber Eleseus war ein Stadtmensch geworden und sehnte sich -nicht ins Bauernleben zurück, er erwiderte, was er denn daheim ungefähr -tun solle? Ob er auf dem Hofe schaffen und all sein Wissen und seine -Gelehrtheit wegwerfen solle? Und tatsächlich habe ich keine Lust dazu, -schrieb er. Und wenn du mir wieder etwas Stoff zu Wäsche schicken -kannst, dann brauche ich deshalb keine Schulden zu machen, schrieb er. --- O ja, die Mutter schickte Stoff zu Wäsche, sandte merkwürdig oft -Stoff zu Wäsche; aber als sie erweckt und fromm geworden war, da war es -ihr wie Schuppen von den Augen gefallen, und sie begriff, daß Eleseus -den Stoff unter der Hand verkaufte und das Geld zu anderem benutzte. - -Dasselbe begriff auch der Vater. Er sagte nie ein Wort darüber, denn -er wußte, daß Eleseus der Augapfel der Mutter war, daß sie über ihn -weinte und den Kopf schüttelte; trotzdem aber verschwand ein Stück -doppelseitiges Tuch nach dem andern. Darüber war sich Isak ganz klar, -daß kein Mensch auf der weiten Welt soviel Wäsche auftragen könnte. -Wenn er also alles in allem betrachtete, so mußte Isak deshalb als Mann -und Oberhaupt wieder eingreifen. So ein Telegramm durch den Kaufmann -kostete allerdings unverhältnismäßig viel, aber teils würde das -Telegramm sicher eine ungeheure Wirkung auf den Sohn ausüben, teils war -es ja für Isak selbst etwas ganz Außergewöhnliches, wenn er bei seiner -Rückkehr Inger von dem Telegramm mitteilen konnte. Als er heimwärts -wanderte, trug er sogar noch den Koffer der Magd auf dem Rücken; und er -fühlte sich ebenso stolz und so geheimnisvoll wie an jenem Tage, als -er Inger den goldenen Ring mitgebracht hatte ... - -Es kam eine herrliche Zeit, Inger wußte gar nicht, was Nützliches und -Gutes sie nun alles tun sollte. Wie in alten Tagen sagte sie oft zu -ihrem Mann: Du kannst alles zustande bringen! Und ein anderes Mal: Du -schaffst dich zu Tode! Und abermals: Nein, jetzt mußt du hereinkommen -und essen, ich habe Waffeln für dich gebacken! Um ihm eine Freude zu -machen, fragte sie: Ich möchte nur wissen, was du mit diesen Balken -vorhast und was du eigentlich bauen willst? -- Nein, das weiß ich noch -nicht recht, antwortete er und tat sehr wichtig. - -Es war jetzt wieder ganz wie in den alten Tagen. Und nachdem das Kind -geboren war -- es war ein Mädchen, ein großes, wohlgestaltetes Mädchen ---, hätte Isak ein Stein oder ein Hund sein müssen, wenn er nicht Gott -dankbar gewesen wäre. Aber was wollte er bauen? Das wäre etwas für -Oline, darüber könnte sie klatschen: einen Anbau ans Haus, noch eine -Stube. Seht, die Familie auf Sellanraa war nun sehr zahlreich geworden: -sie hatten eine Magd, sie erwarteten Eleseus nach Hause, und ein -funkelnagelneues kleines Mädchen war angekommen -- die alte Stube mußte -nun Schlafkammer werden, anders ging es nicht. - -Und natürlich mußte Isak das Inger eines Tages erzählen; sie war ja -so neugierig darauf, es zu erfahren, und obgleich Inger das ganze -Geheimnis vielleicht schon von Sivert gehört hatte -- sie tuschelten -ja oft miteinander --, so tat sie ordentlich überrascht, ließ die Arme -sinken und sagte: Das ist doch wohl nicht dein Ernst? -- Aber zum -Platzen voll von innerem Glück erwiderte er: Du kommst mit so vielen -neuen Kindern daher, wie soll ich sie denn unterbringen? - -Die Mannsleute waren nun jeden Tag eifrig beim Steinausbrechen für die -neue Grundmauer. Sie waren einander jetzt ungefähr gleich bei dieser -Arbeit; der eine frisch und fest in seinem jungen Körper und rasch im -Erfassen der günstigsten Lage, im Erkennen der passendsten Steine, -der andere alternd und zäh, mit langen Armen und das Brecheisen mit -ungeheurem Gewicht einsetzend. Und wenn sie einmal so ein richtiges -Kraftstück ausgeführt hatten, schnauften sie gerne eine Weile aus und -hielten einen scherzhaften und zurückhaltenden Schwatz miteinander. - -Brede will ja verkaufen, sagte der Vater. -- Ja, versetzte der Sohn. --- Möchte wissen, wieviel er verlangt. -- Ja, wieviel wohl? -- Du hast -nichts gehört? -- Nein, doch, zweihundert. -- Der Vater überlegte eine -Weile, dann sagte er: Was meinst du, gibt das hier einen Eckstein? --- Es kommt darauf an, ob wir ihn zuhauen können, antwortete Sivert -und stand augenblicklich auf, reichte dem Vater den Setzhammer und -nahm selbst den Vorhammer. Er wurde rot und heiß, richtete sich in -seiner ganzen Größe auf und ließ den Vorhammer niedersausen, richtete -sich wieder auf und ließ ihn abermals niederfallen -- zwanzig gleiche -Schläge, zwanzig Donnerschläge! Er schonte weder das Werkzeug noch -sich selbst, er leistete tüchtige Arbeit, das Hemd kroch ihm über die -Hose heraus und entblößte ihm den Bauch, bei jedem Schlag richtete er -sich auf die Zehenspitzen auf, um dem Hammer noch größere Wucht zu -verleihen. Zwanzig Schläge! - -Nun wollen wir sehen! rief der Vater. -- Der Sohn hielt inne und -fragte: Hat er einen Sprung bekommen? -- Alle beide legten sich nieder -und untersuchten den Stein, untersuchten den Kerl, den Halunken, nein, -er hatte keinen Sprung bekommen. -- Jetzt will ich es einmal mit dem -Vorhammer allein probieren, sagte der Vater und richtete sich auf. -Noch gröbere Arbeit, einzig und allein mit Kraft, der Vorhammer wurde -heiß, der Stahl gab nach, die Feder, mit der Isak schrieb, wurde -stumpf. Er geht vom Stiel ab, sagte er von dem Vorhammer und hörte auf -zu schlagen. Ich kann auch nicht mehr, sagte Isak. Oh, das meinte er -nicht, daß er nicht mehr könne! - -Dieser Vater, dieser Prahm, unansehnlich, voller Geduld und Güte, er -gönnte es dem Sohn, den letzten Schlag zu tun und den Stein zu spalten. --- Da lag er nun in zwei Teilen. Ja, du hast einen kleinen Kniff dabei, -sagte der Vater. Hm. Aus Breidablick könnte man schon etwas machen. -- -Ja, das sollte ich meinen. -- Ja, wenn das Moor mit Gräben durchzogen -und umgegraben würde. -- Das Haus müßte hergerichtet werden. -- Ja, -selbstverständlich, das Haus müßte hergerichtet werden, oh, es würde -viel zu arbeiten geben dort, aber ... Wie war es, hast du gehört, -ob die Mutter am Sonntag in die Kirche will? -- Ja, sie hat davon -gesprochen. -- So. Aber komm, nun müssen wir uns ordentlich umschauen, -damit wir eine schöne Steinschwelle für den Anbau finden. Du hast wohl -noch nichts Passendes dazu gesehen? -- Nein, antwortete Sivert. - -Dann arbeiteten sie weiter. - -Ein paar Tage später meinten beide, nun hätten sie genug Steine -zu der Mauer. Es war an einem Freitagabend, sie setzten sich, um -auszuschnaufen, und plauderten wieder eine Weile. - -Hm. Nun, was meinst du, sagte der Vater, wollen wir ein wenig an -Breidablick denken? -- Warum? fragte Sivert. Was sollen wir damit? -- -Ja, das weiß ich nicht. Das Schulhaus ist auch dort, und Breidablick -liegt mittendrin. -- Ja, und? fragte der Sohn. -- Ich wüßte gar nichts -damit anzufangen, denn man kann es zu nichts verwenden. -- Hast du -daran gedacht? fragte Sivert. -- Der Vater antwortete: Nein. Ich denke -an Eleseus, ob er wohl darauf arbeiten möchte? -- Eleseus? -- Ja, aber -ich weiß nicht. -- Lange Überlegung auf beiden Seiten. Dann sammelte -der Vater das Handwerkszeug zusammen, lud es sich auf und wendete sich -heimwärts. -- Ich meine, du solltest mit ihm darüber reden, sagte -Sivert schließlich. Und der Vater schloß das Gespräch mit den Worten: -Nun haben wir auch heute keinen schönen Stein zu der Türschwelle -gefunden. - -Der nächste Tag war ein Samstag, und da mußten sie schon sehr früh -aufbrechen, um mit dem Kinde rechtzeitig übers Gebirge zu kommen. -Jensine, die Magd, sollte auch mit, da hatten sie die eine Patin, die -andern Gevattern mußten jenseits des Gebirges unter Ingers Verwandten -aufgetrieben werden. - -Inger war sehr hübsch, sie hatte sich ein besonders kleidsames -Kattunkleid genäht und trug überdies weiße Streifen um den Hals und -an den Handgelenken. Das Kind war ganz in Weiß, nur unten am Saum war -ein neues blauseidenes Band durchgezogen; aber es war ja auch ein -ganz besonderes Kind, es lächelte und plauderte schon und horchte -auf, wenn die Stubenuhr schlug. Der Vater hatte den Namen ausgewählt. -Ihm kam dies zu, er wollte hier eingreifen -- laßt uns nur meinem Rat -folgen! Er hatte zwischen Jakobine und Rebekka, die beide etwas mit -Isak zusammenhingen, geschwankt, schließlich war er zu Inger gegangen -und hatte ängstlich gesagt: Hm. Was meinst du zu Rebekka? -- O ja, -antwortete Inger. -- Als Isak dies hörte, wurde er ordentlich männlich -und sagte barsch: Wenn sie etwas heißen soll, so soll sie Rebekka -heißen. Dafür stehe ich ein! - -Und natürlich wollte er mit in der Kirche sein, der Ordnung halber -und auch, um das Kind zu tragen, der kleinen Rebekka sollte ein gutes -Taufgeleite nicht fehlen. Er stutzte sich den Bart, zog wie in jüngeren -Jahren ein frisches rotes Hemd an; es war zwar in der größten Hitze, -aber er hatte einen schönen neuen Winteranzug, den legte er an. -Übrigens war Isak nicht der Mann, der sich Verschwendung und Flottheit -zur Pflicht machte, deshalb zog er zu der Wanderung übers Gebirge ein -Paar von seinen märchenhaften Siebenmeilenstiefeln an. - -Sivert und Leopoldine mußten bei den Haustieren daheim bleiben. - -Sie ruderten im Boot über den Gebirgssee, und das war eine große -Erleichterung gegen früher, wo sie immer außen herum hatten wandern -müssen. Aber mitten auf dem Wasser, als Inger der Kleinen die Brust -geben wollte, sah Isak etwas Glänzendes an einem Faden um ihren Hals -hängen. -- Was konnte das sein? In der Kirche bemerkte er, daß sie den -goldenen Ring am Finger trug. Oh, diese Inger, sie hatte sich es nicht -versagen können! - - - - -17 - - -Eleseus kam nach Hause. - -Er war jetzt mehrere Jahre fort gewesen und war größer als der -Vater geworden, mit langen weißen Händen und einem kleinen dunklen -Schnurrbart. Er spielte sich nicht auf, sondern schien sich ein -natürliches, freundliches Wesen zur Pflicht zu machen; die Mutter war -verwundert und froh darüber. Er bekam mit Sivert zusammen die Kammer, -die Brüder waren gut Freund miteinander und spielten einander manchen -Schabernack, an dem sie sich höchlich ergötzten. Aber natürlich mußte -Eleseus beim Zimmern des Anbaus helfen, und da wurde er bald müde und -erschöpft, weil er körperlicher Arbeit ganz ungewohnt war. Ganz schlimm -wurde es, als Sivert die Arbeit aufgeben und sie den beiden andern -überlassen mußte -- ja, da war dem Vater eher geschadet als gedient. - -Und wohin ging Sivert? Ja, war nicht eines Tages Oline übers Gebirge -dahergekommen mit der Botschaft von Oheim Sivert, daß er im Sterben -liege! Mußte da nicht Klein-Sivert hingehen? Das war ein Zustand! -- -Niemals hätte das Verlangen des Oheims, Sivert jetzt bei sich zu haben, -ungelegener kommen können; aber da war nichts zu machen. - -Oline sagte: Ich hatte gar keine Zeit, den Auftrag zu übernehmen, nein, -ganz und gar nicht, aber ich habe nun einmal die Liebe zu allen den -Kindern hier und für Klein-Sivert besonders, und so wollte ich ihm zu -seinem Erbe verhelfen. -- Ist denn der Oheim Sivert sehr krank? -- -Ach du lieber Gott, er nimmt mit jedem Tag mehr ab! -- Liegt er zu -Bett? -- Zu Bett! Herr des Himmels, ihr solltet nicht so freventlich -herausreden. Sivert springt und läuft nicht mehr auf dieser Welt. - -Nach dieser Antwort mußten sie ja annehmen, daß es mit dem Oheim Sivert -stark auf das Ende zugehe, und Inger trieb Klein-Sivert noch tüchtig -zur Eile an; sofort sollte er gehen. - -Aber der Oheim Sivert, der Halunke, der Schelm, lag durchaus nicht im -Sterben, er lag nicht einmal beständig zu Bett. Als Klein-Sivert ankam, -fand er eine fürchterliche Unordnung und Vernachlässigung auf dem -kleinen Hofe vor, ja, die Frühjahrsarbeit war nicht einmal ordentlich -getan worden, nein, nicht einmal der Winterdung war hinausgefahren, -aber der Tod schien nicht augenblicklich bevorzustehen. Der Oheim -Sivert war allerdings ein alter Mann, über siebzig, er war hinfällig -und trieb sich halb angezogen im Hause umher, lag auch oft zu Bett -und mußte für verschiedenes notwendig Hilfe haben; zum Beispiel mußte -das Heringsnetz, das im Bootsschuppen hing und da schlecht aufgehoben -war, ausgebessert werden. O ja, aber der Oheim war durchaus nicht so -am Ende, daß er nicht noch gepökelte Fische essen und sein Pfeifchen -rauchen konnte. - -Nachdem Sivert eine halbe Stunde dagewesen war und gesehen hatte, wie -alles zusammenhing, wollte er gleich wieder heim. -- Heim? fragte der -Alte. -- Ja, wir bauen eine Stube, und dem Vater fehlt meine Hilfe. --- So, sagte der Alte, ist denn nicht Eleseus daheim? -- Doch, aber -der ist diese Arbeit nicht gewohnt. -- Warum bist du dann gekommen? -- -Sivert erklärte, welche Botschaft Oline gebracht habe. -- Im Sterben? -fragte der Alte. Meinte sie, ich liege im Sterben? Zum Teufel auch! --- Hahaha! lachte Sivert. -- Der Alte sah den Neffen gekränkt an und -sagte: Du machst dich über einen Sterbenden lustig, und du bist nach -mir getauft worden! -- Sivert war zu jung, um eine betrübte Miene -aufzusetzen, er hatte sich nie etwas aus dem Oheim gemacht, und jetzt -wollte er wieder heim. - -Na, und du hast also auch gemeint, ich liege im Sterben und bist da -gleich hergerannt, sagte der Alte. -- Oline hat es gesagt, beharrte -Sivert. -- Nach kurzem Schweigen machte der Oheim ein Angebot: Wenn -du mein Netz im Bootsschuppen flickst, darfst du etwas bei mir sehen. --- So, sagte Sivert, und was ist es? -- Ach, das geht dich nichts an, -versetzte der Alte mürrisch und legte sich wieder zu Bett. - -Die Verhandlungen brauchten offenbar Zeit. Sivert wußte nicht recht, -was tun. Er ging hinaus und sah sich um, alles war unordentlich und -vernachlässigt, die Arbeit hier in Angriff nehmen zu sollen, wäre ein -Unding gewesen. Als er wieder hereinkam, war der Oheim auf und saß am -Ofen. - -Siehst du dies? fragte er und deutete auf einen eichenen Schrein, der -zwischen seinen Füßen auf dem Boden stand. Das war der Geldschrein. -In Wirklichkeit war es einer von jenen Flaschenkasten, mit vielen -Abteilungen, den Beamte und andere vornehme Leute in alten Tagen auf -ihren Reisen mit sich geführt hatten; es waren jetzt keine Flaschen -mehr drin, der alte Bezirkskassierer bewahrte Rechnungen und Gelder -darin auf. Oh, diese Flaschenkiste, die Sage ging, daß sie den Reichtum -der ganzen Welt berge, die Leute im Dorfe pflegten zu sagen: Wenn ich -nur das Geld hätte, das der Sivert in seinem Schrein hat! - -Der Oheim Sivert entnahm dem Schrein ein Papier und sagte feierlich: -Du kannst doch wohl Geschriebenes lesen? Lies dies Dokument! -- -Klein-Sivert war durchaus nicht überlegen im Lesen von Schriftstücken, -nein, das war er nicht, aber jetzt las er, daß er zum Erben der ganzen -Hinterlassenschaft des Oheims eingesetzt sei. -- Und nun kannst du tun, -was du willst, sagte der Alte und legte das Dokument wieder in den -Schrein. - -Sivert fühlte sich nicht besonders gerührt, das Dokument berichtete -ihm eigentlich nicht mehr, als was er vorher gewußt hatte, schon von -Kind auf hatte er ja nichts anderes gehört, als daß er den Oheim einmal -beerben werde. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn er in dem Schrein -Kostbarkeiten hätte zu sehen bekommen. -- Es ist wohl viel Merkwürdiges -in dem Schrein, sagte er. -- Mehr als du denkst, versetzte der Oheim -kurz. - -Er war so enttäuscht und ärgerlich über den Neffen, daß er den -Schrein zuschloß und wieder zu Bett ging. Da lag er dann und gab -verschiedene Mitteilungen kund: Dreißig Jahre lang bin ich hier im -Dorf Bevollmächtigter und Herr der Gelder gewesen, ich habe es nicht -nötig, jemand um eine Handreichung anzuflehen. Woher wußte denn Oline, -daß ich am Sterben sei? Kann ich nicht, wenn ich will, drei Mann zum -Doktor fahren lassen? Ihr sollt nicht euren Spott mit mir treiben. Und -du, Sivert, kannst nicht warten, bis ich meinen Geist ausgehaucht habe. -Ich will dir nur eins sagen: Jetzt hast du das Dokument gelesen, und es -liegt in meinem Geldschrein; mehr sag ich nicht. Aber wenn du von mir -fortgehst, dann richte deinem Bruder Eleseus aus, daß er hierherkommen -soll. Er heißt nicht nach mir und trägt nicht meinen irdischen Namen -- -aber er soll nur kommen! - -Trotz der Drohung, die in diesen Worten lag, überlegte Sivert sich die -Sache und sagte dann: Ich werde Eleseus deinen Auftrag ausrichten. - -Oline war noch auf Sellanraa, als Sivert zurückkam. Sie hatte Zeit -gehabt, einen Gang durch die Gegend zu machen, ja sogar bis zu Axel -Ström und Barbros Ansiedlung, dann kam sie wieder zurück und tat -äußerst wichtig und geheimnisvoll. Die Barbro ist dicker geworden, -sagte sie flüsternd, das wird doch nichts zu bedeuten haben? Aber sagt -es niemand! Was, da bist du ja wieder, Sivert, da brauche ich ja wohl -nicht erst zu fragen, ob dein Oheim entschlafen ist? Ja, ja, er war ein -alter Mann und ein Greis am Rande des Grabes. Was -- er ist also nicht -tot? Gott sei Lob und Dank! Was, ich hätte nur ein leeres Geschwätz -verführt, sagst du? Wenn ich nur bei allem so frei von Schuld wäre! -Konnte ich denn wissen, daß dein Oheim Gott ins Angesicht log? Er nimmt -ab, das waren meine Worte, und diese werde ich einmal vor Gottes Thron -wiederholen. Was sagst du, Sivert? Ja, aber lag nicht dein Oheim zu -Bett und rauchte und faltete beide Hände auf der Brust und sagte, nun -liege er da und kämpfe es aus? - -Mit Oline konnte man sich unmöglich in einen Streit einlassen, sie -überwältigte ihren Gegner mit ihrem Geschwätz und machte ihn mundtot. -Als sie hörte, daß der Oheim Sivert Eleseus zu sich rief, ergriff sie -auch diesen Umstand sofort und verwendete ihn zu ihrem Vorteil. Da -könnt ihr hören, ob ich ein leeres Geschwätz im Munde geführt habe. Der -alte Sivert ruft seine Verwandten herbei und schmachtet nach seinem -Fleisch und Blut, es ist am letzten bei ihm. Du mußt ihm das nicht -abschlagen, Eleseus, geh nur gleich, damit du deinen Oheim noch am -Leben triffst. Ich muß auch übers Gebirge, da können wir zusammen gehen. - -Oline verließ indes Sellanraa nicht, bis sie Inger auf die Seite -gezogen und ihr noch über Barbro zugeflüstert hatte: Sag es niemand, -aber sie hat die Anzeichen! Und nun meint sie wohl, sie werde die Frau -auf der Ansiedlung. Manche Leute kommen obenauf, ob sie auch von Anfang -an so klein sind wie Sandkörner am Meeresstrand. Wer hätte nun das -von Barbro geglaubt! Axel ist sicher ein fleißiger Mann, und so große -Güter und Höfe wie hier im Ödland gibt es nicht auf unserer Seite des -Gebirges, das weißt du auch, Inger, du stammst ja aus unserer Gemeinde -und bist dort geboren. Barbro hatte ein paar Pfund Wolle in einer -Kiste, es war lauter Winterwolle, ich habe keine davon verlangt, und -sie hat mir auch keine davon angeboten; wir sagten nur Grüßgott und -Gutentag, obgleich ich sie von Kindesbeinen an gekannt habe, damals, -als ich hier auf Sellanraa war, und du, Inger, fort in der Lehre -- - -Jetzt weint die kleine Rebekka, warf Inger rasch ein, und dann steckte -sie Oline noch eine Handvoll Wolle zu. - -Große Dankesbezeugung von Oline: Ja, ist es nicht, wie ich eben zu der -Barbro gesagt habe, so freigebig wie die Inger gibt es niemand mehr, -sie schenkt sich wahrhaftig lahm und wund und murrt nie darüber. Ja, -geh nur hinein zu dem kleinen Engel, noch nie hat ein Kind seiner -Mutter so ähnlich gesehen wie die kleine Rebekka dir. Ob sich Inger -erinnern könne, was sie einmal gesagt habe, daß sie keine Kinder mehr -bekomme? Da könne sie nun sehen! Nein, man solle auf die Alten hören, -die selbst Kinder gehabt hätten, denn Gottes Wege sind unerforschlich, -sagte Oline. - -Dann trabte sie hinter Eleseus durch den Wald aufwärts, vor Alter -gebückt, fahl und grau und neugierig, immer dieselbe. Nun würde -sie zum alten Sivert gehen und zu ihm sagen, sie -- Oline -- sei es -gewesen, die Eleseus bestimmt habe, zu ihm zu kommen. - -Aber Eleseus hatte sich durchaus nicht nötigen lassen, es war nicht -schwer gewesen, ihn zu überreden. Seht, im Grunde genommen war er -besser, als es den Anschein hatte, er war wirklich auf seine Art -ein guter Bursche, gutmütig und freundlich von Natur, nur ohne -große körperliche Kräfte. Daß er aus der Stadt nur ungern aufs Land -zurückkehrte, hatte seinen guten Grund, er wußte ja wohl, daß die -Mutter wegen Kindsmord in der Strafanstalt gewesen war, in der Stadt -hörte er nichts davon, aber da auf dem Lande wußten es wohl alle. War -er nun nicht mehrere Jahre lang mit Kameraden zusammen gewesen, die ihm -ein feineres Empfinden beigebracht hatten, als er früher gehabt hatte? -War nicht eine Gabel ebenso notwendig wie ein Messer? Hatte er nicht -alle Tage da drinnen nach Kronen und Öre gerechnet, und hier rechnete -man immer noch nach dem alten Talerfuß. O ja, er wanderte sehr gern -übers Gebirge in eine andere Gegend, daheim auf dem väterlichen Hofe -mußte er ja jeden Augenblick seine Überlegenheit im Zaume halten. Er -gab sich Mühe, sich den andern anzupassen, und es gelang ihm auch, -aber er mußte auf der Hut sein, zum Beispiel, als er vor ein paar -Wochen nach Sellanraa heimgekommen war. Er hatte ja einen hellgrauen -Frühjahrsüberzieher mitgenommen, obgleich man mitten im Sommer war; -als er ihn an einem Nagel in der Wohnstube aufhängte, hätte er gut -das silberne Schild mit seinen Buchstaben darauf nach außen drehen -können, aber er hatte es nicht getan. Ebenso war es mit dem Stock, dem -Spazierstock! Es war allerdings nur ein Regenschirmstock, von dem er -den Stoff und die Stahlschienen abgemacht hatte, aber auf Sellanraa -hatte er ihn nicht getragen und lustig geschwungen, weit entfernt, er -hatte ihn verborgen am Schenkel angelegt getragen. - -Nein, es war nicht verwunderlich, daß Eleseus übers Gebirge ging. Er -taugte nicht zum Hausbauen, er taugte dazu, Buchstaben zu schreiben, -das konnte nicht der erste beste, aber in seiner Heimat war niemand, -der seine Gelehrsamkeit und seine Kunst zu schätzen wußte, ausgenommen -vielleicht die Mutter. So wanderte er fröhlichen Herzens vor Oline her -den Wald hinauf, er wollte weiter oben auf sie warten, er lief wie ein -Kalb, hetzte ordentlich vorwärts. Eleseus hatte sich gewissermaßen vom -Hofe weggestohlen, er hatte Angst, gesehen zu werden, jawohl, denn -er hatte den Frühjahrsüberzieher und den Spazierstock mitgenommen. -Jenseits des Gebirges konnte er ja hoffen, bessere Leute zu treffen -und auch selbst gesehen zu werden, vielleicht sogar in die Kirche zu -kommen. Deshalb plagte er sich in der Sonnenhitze mit dem überflüssigen -Überrock. - -Und er hinterließ keine Lücke, wurde nicht vermißt beim Hausbau, im -Gegenteil, nun bekam ja der Vater den Sivert wieder, der Sivert war von -viel größerem Nutzen und hielt vom Morgen bis Abend aus. Sie brauchten -auch nicht viel Zeit zum Aufrichten des Gebäudes, es war nur ein Anbau, -drei Wände; sie brauchten auch die Stämme nicht zuzuhauen, das wurde -im Sägewerk gemacht. Die Schwartenbretter kamen ihnen dann gleich -beim Dachbau zugute. Eines schönen Tages stand wirklich die Stube vor -ihren Augen fertig da, gedeckt, mit gelegtem Boden und eingesetzten -Fenstern. Weiter konnten sie vor der Ernte nicht mehr damit kommen. Das -Verschalen und Anstreichen mußte auf später warten. - -Da kam plötzlich Geißler mit großer Gefolgschaft übers Gebirge daher! -Und das Gefolge war zu Pferde, auf glänzenden Pferden mit gelben -Sätteln; es waren wohl reiche Reisende, sie waren sehr schwer und dick, -die Pferde bogen sich unter ihnen durch. Mitten unter diesen großen -Herren ging Geißler zu Fuß. Es waren im ganzen vier Herren und Geißler, -dazu noch zwei Diener, von denen jeder ein Lastpferd führte. - -Auf dem Hofplatz stiegen die Reiter ab, und Geißler sagte: Da haben wir -Isak, den Markgrafen selbst. Guten Tag, Isak! Du siehst, da komme ich -wieder, wie ich gesagt habe. - -Geißler war noch ganz der alte; obgleich er zu Fuß kam, schien er sich -keineswegs geringer zu fühlen als die andern, ja, sein abgetragener -Rock hing ihm lang und leer über seinen eingefallenen Rücken hinunter, -aber sein Gesicht zeigte einen überlegenen und hochmütigen Ausdruck. Er -sagte: Diese Herren und ich haben die Absicht, ein Stück weit den Berg -hinaufzuwandern; sie sind zu dick und möchten ein wenig Speck loswerden. - -Die Herren waren übrigens freundlich und gutmütig; sie lächelten zu -Geißlers Worten und entschuldigten sich, daß sie wie im Krieg über den -Hof hereinbrächen. Sie hätten Mundvorrat bei sich, würden ihn also -nicht arm fressen, wären aber dankbar, wenn sie für die Nacht ein Dach -über den Kopf bekommen könnten. Vielleicht dürften sie in dem neuen -Gebäude da übernachten. - -Als sie eine Weile ausgeruht hatten und Geißler bei Inger und den -Kindern drin gewesen war, gingen alle die Gäste auf den Berg und -blieben bis zum späten Abend weg. Am Nachmittag hatten die Leute auf -dem Hofe ab und zu ganz unerklärliche Laute, Schüsse, gehört, und bei -der Rückkehr brachten die Herren neue Gesteinsproben in Säcken mit. -Schwarzkupfer, sagten sie und nickten über den Steinen. Es entspann -sich eine lange, gelehrte Unterredung, und sie guckten dabei in eine -Karte, die sie in groben Strichen gezeichnet hatten. Unter den Herren -waren ein Sachverständiger und ein Ingenieur, einer wurde Landrat -genannt, einer Hüttenbesitzer. Luftbahn, sagten sie, Seilbahn, sagten -sie. Geißler warf ab und zu ein Wort ein, und das schien die Herren -jedesmal richtig aufzuklären; es wurde großes Gewicht auf seine Worte -gelegt. - -Wem gehört das Land südlich vom See? fragte der Landrat Isak. -- Dem -Staat, antwortete Geißler flugs. Er war wachsam und klug, in der -Hand hielt er das Dokument, das Isak einst mit seinem Namenszeichen -unterschrieben hatte. -- Ich habe ja schon gesagt, daß es dem Staat -gehört, warum fragst du noch einmal danach? sagte er. Wenn du mich -kontrollieren willst, bitte! - -Später am Abend nahm Geißler Isak allein mit sich hinein und sagte: -Wollen wir den Kupferberg verkaufen? -- Isak antwortete: Aber der Herr -Lensmann hat mir ja den Berg schon einmal abgekauft und bezahlt. -- -Richtig, sagte Geißler, ich habe den Berg gekauft. Aber du sollst doch -auch Prozente vom weiteren Verkauf oder vom Betrieb haben; willst du -diese Prozente verkaufen? -- Das verstand Isak nicht, und Geißler mußte -es ihm erklären. Isak könne keine Grube in Betrieb setzen, er sei ein -Landmann, er mache Land urbar; er, Geißler, könne aber auch keine Grube -betreiben. Aber Geld, Kapital? Oh, soviel er wolle! Aber er habe keine -Zeit, er habe gar so vielerlei vor, sei ständig auf Reisen, müsse für -seine Güter im Norden und im Süden sorgen. Nun wolle er -- Geißler -- -an diese schwedischen Herren verkaufen, sie seien alle Verwandte seiner -Frau und reiche Leute, Fachleute, sie könnten die Grube eröffnen und in -Betrieb nehmen. Ob Isak es nun verstehe? -- Ich will, wie Sie wollen, -sagte Isak. - -Merkwürdig -- dieses große Zutrauen tat dem armen Geißler wohl: Ja, ich -weiß nun nicht, ob du gut dabei fährst, sagte er und überlegte. Doch -plötzlich wurde er sicher und fuhr fort: Aber wenn du mir freie Hand -gibst, werde ich jedenfalls besser für dich handeln, als du es selbst -tun könntest. -- Isak fing an: Hm. Ihr seid von der ersten Stunde an -hier ein guter Herr für uns gewesen ... Geißler runzelte die Stirn und -unterbrach ihn: Also, es ist gut! - -Am nächsten Morgen setzten sich die Herren hin, um zu schreiben. -Sehr ernsthafte Sachen schrieben sie; zuerst einen Kaufkontrakt -auf vierzigtausend Kronen für den Kupferberg, dann ein Dokument, -worin Geißler zugunsten seiner Frau und seiner Kinder auf jeden -Heller von diesen vierzigtausend verzichtete. Isak und Sivert wurden -hereingerufen, um diese Papiere als Zeugen zu unterschreiben. Als dies -getan war, wollten die Herren Isak seine Prozente für eine Bagatelle -abkaufen, für fünfhundert Kronen. Aber Geißler unterbrach sie mit den -Worten: Scherz beiseite! - -Isak verstand nicht viel vom Ganzen, er hatte einmal verkauft und -seine Bezahlung dafür erhalten, und im übrigen, Kronen -- das war gar -nichts, es waren keine Taler. Sivert dagegen dachte sich mehr dabei, -der Ton der Verhandlungen war ihm auffallend: das war gewiß eine -Familiensache, die hier beigelegt und abgemacht wurde. So sagte einer -der Herren: Lieber Geißler, du brauchtest wirklich nicht so rote Ränder -um die Augen zu haben! Worauf Geißler scharfsinnig aber ausweichend -antwortete: Nein, das brauche ich wirklich nicht. Aber es geht eben -nicht nach Verdienst in dieser Welt. - -War es so, daß Frau Geißlers Brüder und Verwandte ihren Mann abfinden, -sich vielleicht mit einem Schlag von seinen Besuchen befreien und -die widerwärtige Verwandtschaft loswerden wollten? Nun war ja der -Kupferberg wahrscheinlich nicht wertlos, das wurde von keinem -behauptet, aber er war sehr abgelegen, die Herren sagten geradezu, -sie kauften ihn jetzt, um ihn weiterzuverhandeln an Leute, die viel -leichter eine Grube in Betrieb setzen und ausbauen könnten als sie. -Darin lag nichts Unnatürliches. Sie sagten auch offen, sie wüßten -nicht, wieviel der Berg eintragen könnte. Wenn eine Grube eröffnet -würde, seien vielleicht vierzigtausend Kronen keine Bezahlung; -wenn aber der Berg so liegen bleibe, wie er jetzt sei, dann sei es -hinausgeworfenes Geld. Aber jedenfalls wollten sie reinen Tisch machen, -und deshalb böten sie Isak fünfhundert Kronen für seinen Anteil. - -Ich bin Isaks Bevollmächtigter, sagte Geißler, und ich verkaufe sein -Recht nicht unter zehn Prozent der Kaufsumme. - -Viertausend! sagten die Herren. - -Viertausend! beharrte Geißler. Der Berg ist Isaks Eigentum gewesen, -er erhält viertausend. Mir hat er nicht gehört, ich bekomme -vierzigtausend. Wollen sich die Herren wohl die Mühe nehmen und das -bedenken. - -Ja, aber viertausend! - -Geißler stand auf und sagte: Jawohl oder gar kein Verkauf. - -Sie überlegten, tuschelten miteinander und gingen auf den Hofplatz -hinaus, zogen die Sache in die Länge. Richtet die Pferde! riefen sie -dann den Dienern zu. Einer der Herren ging zu Inger hinein, bezahlte -fürstlich für den Kaffee, einige Eier und das Nachtquartier. Geißler -ging anscheinend gleichgültig umher, aber er war noch ebenso wachsam: -Wie ist es mit der Wasserleitung im vorigen Jahr gegangen? fragte er -Sivert. -- Sie hat uns die ganze Ernte gerettet. -- Ich sehe, ihr habt -den Sumpf dort umgerodet, seit ich das letztemal hier war. -- Ja. -- -Ihr müßt euch noch ein Pferd anschaffen, sagte Geißler. Er sah alles. - -Komm jetzt her, damit wir fertig werden! rief der Hüttenbesitzer. - -Darauf gingen alle miteinander in den Neubau, und Isaks viertausend -wurden aufgezählt. Geißler bekam eine Urkunde; er steckte sie -nachlässig in die Tasche, als hätte sie gar keinen Wert. Heb sie wohl -auf, sagten die andern zu ihm, und deiner Frau wird das Bankbuch in -einigen Tagen zugestellt werden, sagten sie. -- Geißler runzelte die -Stirne und erwiderte: Es ist gut! - -Aber sie waren noch nicht fertig mit Geißler. Nicht als ob er den Mund -aufgetan hätte, um etwas für sich zu verlangen, aber da stand er nun, -und sie sahen, wie er dastand; vielleicht hatte er sich auch selbst -einen kleinen Teil des Geldes ausbedungen. Als der Hüttenbesitzer ihm -ein Banknotenbündel reichte, nickte Geißler nur und sagte wieder, es -sei gut. Und nun trinken wir noch ein Glas mit Geißler, sagte der -Hüttenbesitzer. - -Sie tranken, dann waren sie fertig und verabschiedeten sich von Geißler. - -In diesem Augenblick kam Brede Olsen einher. Was wollte der nun? Brede -hatte natürlich die dröhnenden Schüsse am gestrigen Tage gehört und -verstanden, daß droben im Gebirge etwas vor sich ging. Jetzt kam er -und wollte auch Gebirgsstrecken verkaufen. Er ging an Geißler vorbei, -wendete sich an die Herren und sagte: er habe einige merkwürdige -Gesteinsarten entdeckt, ganz wunderbare, die einen seien rot wie Blut, -andere hell wie Silber; er kenne jeden Winkel da droben und könne rasch -mit den Herren hinaufgehen, er wisse mehrere lange Metalladern -- was -das wohl für eine Art Metall sein könne? -- Hast du Proben bei dir? -fragte der Bergbaukundige. -- Ja. Aber ob sie nicht ebensogut auf den -Berg hinaufgehen könnten? Es sei nicht weit, Proben, jawohl! Viele -Säcke voll, viele Kisten voll, er habe sie zwar nicht bei sich, aber -daheim in seinem Hause; er könne rasch hinlaufen und sie holen. Aber -er könne in kürzerer Zeit von den Bergen droben holen, wenn die Herren -warten wollten. Die Herren jedoch schüttelten den Kopf und ritten -davon. - -Brede sah ihnen gekränkt nach. Wenn die Hoffnung einen Augenblick in -ihm aufgetaucht war, dann erlosch sie jetzt wieder; er arbeitete unter -der Ungunst des Schicksals, nichts wollte ihm glücken. Nur gut, daß er -einen leichten Sinn hatte, um das Leben trotzdem ertragen zu können. -Er sah den Reitern nach und sagte schließlich: Na, viel Glück auf die -Reise! - -Aber jetzt zeigte er sich wieder unterwürfig gegen Geißler, seinen -früheren Lensmann, er duzte ihn nicht mehr, sondern verbeugte sich und -sagte Ihr. Geißler hatte unter irgendeinem Vorwand seine Brieftasche -herausgezogen und ließ sehen, wie sie von Banknoten strotzte. -- Könnt -Ihr mir nicht helfen, Lensmann! sagte Brede. -- Geh heim und grabe -dein Moor um! sagte Geißler und half ihm nicht im geringsten. -- Ich -hätte gut eine ganze Traglast voll Steine mitbringen können, aber wäre -es denn nicht viel besser gewesen, die Herren hätten die Berge selbst -angesehen, da sie nun doch einmal hier waren? -- Geißler tat, als -höre er nicht, was Brede sagte, sondern fragte Isak: Weißt du nicht, -was ich mit dem Dokument gemacht habe? Es war äußerst wichtig, viele -tausend Kronen wert. Ach, da ist es, mitten zwischen den Banknoten. -- -Was waren denn das für Leute, haben sie nur einen Ausflug zu Pferde -gemacht? fragte Brede. - -Geißler war wohl vorher in großer Spannung gewesen, jetzt fiel er -merklich ab. Aber er hatte doch noch Lust und Leben genug, um noch -allerlei auszurichten. Sivert sollte mit ihm hinauf auf den Berg, -Geißler hatte ein großes Papier bei sich, da zeichnete er die Grenze -auf der Südseite des Wassers deutlich darauf ein. -- Was er wohl für -einen Gedanken dabei hatte! Als er ein paar Stunden später wieder auf -den Hof zurückkam, war Brede noch da, aber Geißler beantwortete keine -einzige von seinen Fragen, sondern war müde und winkte ihm nur mit der -Hand ab. - -Er schlief ununterbrochen bis zum nächsten Morgen, da stand er mit der -Sonne auf und war wieder ganz frisch. Sellanraa! sagte er, als er auf -dem Hofplatz stand und weit umherschaute. - -All das Geld, das ich bekommen habe, soll denn das mir gehören? fragte -Isak. - -Was du sagst! erwiderte Geißler. Verstehst du denn nicht, daß du mehr -hättest haben sollen? Und eigentlich hättest du sie nach unserem -Kontrakt von mir haben sollen, aber wie du gesehen hast, ließ sich das -nicht machen. Wieviel hast du bekommen? Nach alter Rechnung nur tausend -Taler. Ich denke eben darüber nach, daß du noch ein Pferd für den Hof -haben mußt. -- Ja. -- Ich weiß dir ein Pferd. Der jetzige Gerichtsbote -bei Lensmann Heyerdahl läßt seinen Hof verfallen, das Herumreisen und -die Leute auspfänden ist ihm unterhaltender. Er hat schon einen Teil -seines Viehstandes verkauft, jetzt will er auch seinen Gaul los sein. --- Ich werde mit ihm reden, sagte Isak. - -Geißler deutete mit der Hand weit herum und sagte: Alles gehört dem -Markgrafen! Du hast Haus und Vieh und wohlbestellte Felder, niemand -kann dich aushungern. - -Nein, antwortete Isak, wir haben alles, was Gott geschaffen hat. - -Geißler lief noch eine Weile auf dem Hof umher, dann ging er plötzlich -zu Inger hinein. Kannst du wohl auch heute etwas Mundvorrat entbehren? -fragte er. Wieder ein paar Waffeln, aber ohne Butter und Käse darauf; -sie sind allein schon nahrhaft und fett genug. Nein, tu, wie ich sage, -ich will nicht noch mehr tragen. - -Geißler ging wieder hinaus. Er hatte wohl allerlei Gedanken im Kopf. Im -Neubau setzte er sich an den Tisch und begann zu schreiben. Er hatte -sich die Sache schon vorher ausgedacht, deshalb brauchte er nicht viel -Zeit dazu. Es sei eine Eingabe an den Staat, sagte er überlegen zu -Isak. An das Ministerium des Innern, sagte er. Ich habe für so vieles -zu sorgen! - -Als er seinen Mundvorrat bekommen hatte und sich verabschiedete, war -es, als falle ihm plötzlich noch etwas ein. Ja, richtig, als ich das -letztemal fortging, vergaß ich gewiß -- ich hatte einen Schein aus -meiner Brieftasche genommen, hatte ihn dann aber in meine Westentasche -gesteckt. Da habe ich ihn nachher gefunden. Ich habe so vielerlei -Geschäfte. Damit steckte er Inger etwas in die Hand und ging. - -Ja, dann ging Geißler, und er schien ganz getrosten Mutes zu sein. -Er war durchaus nicht herunter und starb auch noch lange nicht, kam -auch wieder nach Sellanraa, und erst viele Jahre später starb er. -Die Hofleute vermißten ihn aber sehr, als er nun gegangen war; Isak -hatte ihn wegen Breidablick um Rat fragen wollen, war aber nicht dazu -gekommen. Geißler hätte ihm wohl auch abgeraten, den Hof zu kaufen -- -für einen Kontoristen wie Eleseus Ödland zu kaufen! - - - - -18 - - -Oheim Sivert war doch am Sterben. Eleseus war ungefähr drei Wochen -bei dem Alten gewesen, da war er tot. Eleseus bestellte das Begräbnis -und war recht tüchtig in dieser Richtung, er holte da und dort in den -Häusern einige Fuchsiastöcke, entlehnte eine Flagge und hing sie auf -Halbmast, kaufte schwarzen Flor beim Kaufmann zu heruntergelassenen -Vorhängen. Isak und Inger wurden benachrichtigt und kamen zum -Begräbnis. Eleseus war der eigentliche Wirt und verstand sich sehr -wohl auf die Aufwartung für die Eingeladenen, ja, nachdem am Sarg -noch gesungen worden war, sprach Eleseus sogar einige passende Worte, -worüber seine Mutter vor lauter Stolz und Rührung ihr Taschentuch -gebrauchen mußte. Alles ging ausgezeichnet. - -Auf dem Heimweg in seines Vaters Gesellschaft mußte Eleseus seinen -Überzieher offen tragen, den Spazierstock aber verbarg er in seinem -Ärmel. Es ging alles gut, bis sie im Boot übers Wasser fuhren; da stieß -Isak aus Versehen an den Rock, und ein Krach ließ sich hören. -- Was -war das? fragte Isak. -- O nichts, antwortete Eleseus. - -Aber der zerbrochene Stock wurde nicht weggeworfen; als sie heimkamen, -suchte Eleseus nach einem passenden Ring um die Bruchstelle. -- Können -wir ihn nicht speideln? fragte Sivert, der große Spaßvogel. Sieh -hier, wenn wir auf beiden Seiten einen guten Holzspan legen und mit -Pechdraht umwickeln ...? -- Ja, ich werde dich mit Pechdraht umwickeln! -erwiderte Eleseus. -- Hahaha! Ach so, du willst wohl lieber ein rotes -Strumpfband herumwickeln? -- Hahaha! lachte auch Eleseus, aber dann -ging er zu seiner Mutter hinein, und bei ihr bekam er einen alten -Fingerhut, von dem er den oberen Teil abfeilte, wodurch er dann einen -sehr schönen Ring für den Spazierstock bekam. Oh, Eleseus war gar nicht -so ungeschickt mit seinen langen Fingern. - -Die Brüder trieben immer noch ihren Spaß miteinander. Bekomme ich -das, was der Oheim Sivert hinterlassen hat? fragte Eleseus. -- Ob du -es bekommst? Wieviel ist es? versetzte Sivert. -- Hahaha! Du willst -zuerst wissen, wieviel es ist, du Geizhals! -- Ja, du kannst es gern -haben, sagte Sivert. -- Es wird zwischen fünf- und zehntausend sein. -- -Talern? rief Sivert; er konnte die Frage nicht zurückhalten. -- Eleseus -rechnete ja nicht nach Talern, aber jetzt paßte es ihm, er nickte und -ließ Sivert bis zum nächsten Tag in diesem Glauben. - -Dann kam Eleseus wieder auf die Sache zurück. Reut dich wohl dein -Geschenk von gestern? fragte er. -- Du Dummkopf, versetzte Sivert; -allerdings, aber fünftausend Taler waren nun einmal fünftausend Taler -und keine Kleinigkeit; wenn der Bruder nicht ein Geizhals oder ein -schlechter Kerl war, dann teilte er mit ihm. -- Nun will ich dir etwas -sagen, erklärte endlich Eleseus, ich glaube nicht, daß ich von der -Erbschaft fett werde. -- Sivert sah ihn überrascht an: So, nicht? -- -Nein, nicht besonders und nicht ~par excellence~ fett. - -Eleseus hatte ja gelernt, sich in Rechnungen auszukennen; der Schrein -des Oheims, der berühmte Flaschenkasten, war vor ihm geöffnet worden, -und er hatte alle Papiere und Summen durchgehen und Kassensturz -halten müssen. Oheim Sivert hatte seinen Neffen nicht zu Landarbeit -oder zum Flicken des Fischnetzes verwendet, sondern ihn in eine -fürchterliche Unordnung von Zahlen und Rechnungen hineinversetzt. Wenn -ein Steuerzahler vor zehn Jahren mit einer Ziege oder einer Kiste -getrocknetem Kohlfisch bezahlt hatte, dann stand weder die Ziege noch -der Kohlfisch da, sondern der alte Sivert holte den Mann aus seinem -Gedächtnis hervor und sagte: Er hat bezahlt. -- Nun, dann streichen wir -diesen Posten, sagte Eleseus. - -Hier war Eleseus der rechte Mann, er war freundlich und munterte den -Kranken damit auf, daß er sagte, es stehe alles gut; die beiden hatten -sich gut zusammen eingelebt, ja, ab und zu hatten sie sogar ihren Spaß -miteinander. Eleseus war ja wohl in dem einen oder andern töricht, -aber das war der alte Sivert auch; sie hatten geradezu hochtrabende -Dokumente abgefaßt, nicht nur zum Vorteil von Klein-Sivert, sondern -auch fürs Dorf, die Gemeinde, der der Alte dreißig Jahre gedient hatte. --- Herrliche Tage waren es! -- Ich hätte wahrlich niemand Besseren -bekommen können als dich, Eleseus! sagte Oheim Sivert. Er schickte -jemand fort und ließ mitten im Sommer ein geschlachtetes Schaf kaufen, -die Fische wurden ihm frisch aus dem Meer gebracht, und Eleseus wurde -befohlen, aus dem Schrein zu bezahlen; sie lebten recht gut miteinander. - -Sie ließen Oline kommen, und sie hätten niemand Besseren haben können, -um an einem Festmahl teilzunehmen, auch war niemand besser dazu -geschaffen als sie, von des alten Siverts letzten Tagen großen Ruhm -zu verbreiten. Und die Befriedigung war gegenseitig. Ich meine, wir -sollten Oline auch mit einer kleinen Erbschaft bedenken, sagte der -Oheim, sie ist jetzt Witwe und hat es recht knapp. Es bleibt trotzdem -noch genug für Klein-Sivert. -- Es kostete Eleseus nur ein paar -Federstriche mir geübter Hand, einen Nachtrag zu dem letzten Willen, -und dann war auch Oline unter die Erben eingereiht. -- Ich werde für -dich sorgen, sagte der alte Sivert zu ihr; falls ich nicht wieder -gesund werden sollte und nicht mehr auf der Erde leben werde, will -ich, daß du nicht Hunger leiden mußt, sagte er. -- Oline rief, sie sei -sprachlos; aber das war sie gar nicht, sie war gerührt und weinte und -dankte; niemand hätte solche Verbindung zwischen einer irdischen Gabe -und zum Beispiel „der großen himmlischen Wiedervergeltung im Jenseits” -finden können wie Oline. Nein, sprachlos war sie nicht. - -Aber Eleseus? Waren ihm vielleicht im Anfang die Verhältnisse des -Oheims günstig und zufriedenstellend vorgekommen, so mußte er sich doch -später die Sache neu überlegen und mit der Wahrheit herausrücken. Er -versuchte es mit einem schwachen Einwand: Die Kasse ist ja nicht so -ganz in Ordnung, sagte er. -- Jawohl, aber da ist ja alles, was ich -sonst hinterlasse. -- Ja, und dann hast du wohl auch noch da und dort -Geld auf der Bank? fragte Eleseus, denn so ging das Gerücht. -- Na, -antwortete der Alte, das kann nun sein, wie es will. Aber das Großnetz, -der Hof und die Häuser und das Vieh, und weiße Kühe und rote Kühe! Ich -glaube, du faselst, mein guter Eleseus! - -Eleseus wußte nicht, wieviel das Großnetz wert sein konnte; aber das -Vieh hatte er jedenfalls gesehen: es bestand aus einer Kuh. Sie war -weiß und rot. Oheim Sivert redete vielleicht irre. Und Eleseus verstand -auch des Alten Rechnungen nicht alle; sie waren in einem großen -Durcheinander, der reine Wirrwarr, besonders seit dem Jahr, in dem der -Münzfuß von Talern in Kronen übergegangen war. Der Bezirkskassierer -hatte oft die kleinen Kronen für volle Taler gerechnet. Kein Wunder, -daß er sich für reich hielt! Aber Eleseus fürchtete, wenn erst einmal -alles geordnet sein würde, werde nicht viel übrigbleiben, vielleicht -nichts, ja, vielleicht werde es nicht einmal hinreichen. - -Oh, Klein-Sivert konnte ihm leicht das versprechen, was der Oheim -hinterlassen würde! - -Die Brüder scherzten darüber, Sivert war nicht niedergeschlagen, im -Gegenteil, vielleicht hätte er sich schließlich mehr gegrämt, wenn er -wirklich fünftausend Taler verschleudert hätte. Er wußte wohl, daß er -aus reiner Berechnung nach dem Oheim genannt worden war, er hatte also -auch nichts von ihm verdient. Jetzt zwang er Eleseus die Erbschaft -förmlich auf: Ja, gewiß mußt du sie annehmen, komm, wir wollen es -schriftlich machen! sagte er. Ich gönne es dir, wenn du reich wirst. -Verschmäh es nicht! - -Sie hatten viel Spaß miteinander. Sivert war in der Tat der, der -Eleseus am meisten half, das Leben daheim auszuhalten, vieles wäre ohne -Sivert schwerer für Eleseus gewesen. - -Jetzt war übrigens Eleseus wieder tüchtig verdorben worden, die drei -Wochen Müßiggang jenseits des Gebirges waren nicht vom Guten für ihn -gewesen; er war da auch in die Kirche gegangen und hatte sich gut -herausgeputzt, ja, er war auch mit jungen Mädchen zusammengetroffen. -Daheim auf Sellanraa gab es keine. Jensine, die Magd, war nicht zu -rechnen, sie war nur ein Arbeitstier, sie paßte besser für Sivert. -- -Ich möchte wohl wissen, wie die Barbro von Breidablick geworden ist, -seit sie erwachsen ist, sagte er. -- Geh hinunter zu Axel Ström und -sieh sie dir an, entgegnete Sivert. - -An einem Sonntag machte sich Eleseus auf den Weg. Jawohl, er war -auswärts gewesen und hatte Mut und Lustigkeit wiedergefunden, hatte -Blut geleckt, in Axels Gamme lebte er wieder auf. Barbro selbst war -keineswegs zu verachten, jedenfalls war sie die einzige hier in der -Gegend; sie spielte Gitarre und war witzig, außerdem roch sie nicht -nach Rainfarn, sondern nach echten Sachen, nach Haarwasser. Seinerseits -gab Eleseus zu verstehen, daß er nur in den Ferien daheim sei, das Büro -werde ihn bald zurückberufen. Immerhin sei es angenehm, wieder einmal -daheim zu sein, wieder in der alten Heimat, und er habe jetzt droben -die Kammer für sich allein zum Bewohnen. Aber es sei eben doch nicht -die Stadt! - -Nein, das weiß Gott, daß das Ödland nicht die Stadt ist! stimmte Barbro -bei. - -Axel selbst kam diesen beiden Stadtkindern gegenüber nicht recht zur -Geltung. Er langweilte sich und ging hinaus auf seine Felder. Nun -hatten die beiden freie Hand, und Eleseus war großartig. Er erzählte, -er sei im Nachbardorfe gewesen und habe dort einen Oheim begraben, auch -vergaß er nicht zu sagen, daß er am Sarge eine Rede gehalten hatte. - -Als er ging, sagte er zu Barbro, sie solle ihn ein Stück Wegs -begleiten. Aber nein, danke! -- Ist es Sitte und Brauch in der Stadt, -daß die Damen die Herren heimbegleiten? fragte sie. -- Da wurde -Eleseus wahrhaftig rot und verstand, daß er sie beleidigt hatte. - -Trotzdem ging er am nächsten Sonntag wieder aufs Nachbargut, und da -trug er den Spazierstock in der Hand. Die beiden unterhielten sich -wieder wie das letztemal, und Axel wurde wieder übersehen: Dein Vater -hat jetzt einen großen Hof, er hat sehr viel gebaut, sagte er. -- O -ja, und er hat auch das Geld zum Bauen. Vater kann alles, was er will! -antwortete Eleseus und prahlte drauflos; für uns andere arme Schlucker -ist es nicht so leicht. -- Wieso? -- Na, habt ihr es nicht gehört? -Jetzt eben sind einige schwedische Millionäre bei ihm gewesen und haben -ihm einen Kupferberg abgekauft. -- Was du da sagst? Und hat er viel -Geld dafür bekommen? -- Kolossal viel. Ja, ja, ich will nicht prahlen, -aber es waren jedenfalls viele Tausend. Aber was ich sagen wollte: -Bauen, sagtest du? Ich sehe, du hast Zimmerholz draußen liegen, wann -willst du selbst bauen? -- Niemals, warf Barbro ein. - -Niemals! Das war nun Vorwitz oder Übertreibung. Axel hatte im letzten -Herbst Steine ausgebrochen und sie im Winter hergefahren; jetzt im -Sommer hatte er die Mauer samt Keller und allem andern fertiggemacht, -er brauchte nur noch das Haus aufzurichten. Er sagte, er hoffe das -Haus schon im Herbst unter Dach zu bringen, er habe auch schon daran -gedacht, Sivert zu bitten, ihm ein paar Tage zu helfen, was Eleseus -dazu meine? -- O ja, meinte Eleseus. Aber du kannst mich bekommen, -fügte er lächelnd hinzu. -- Euch? sagte Axel ehrerbietig und redete ihn -plötzlich mit Euch an. Ihr habt Genie für andere Sachen. -- Wie das -schmeckte, sogar hier im Ödland anerkannt zu werden. Ich fürchte sehr, -daß diese meine Hände nicht dazu taugen, sagte Eleseus auch und tat -äußerst vornehm. -- Laß mich sehen! sagte Barbro, indem sie seine Hand -ergiff. - -Axel fühlte sich wieder auf die Seite gesetzt und ging hinaus; nun -waren die beiden abermals allein. Sie waren gleichaltrig, waren -zusammen in die Schule gegangen, hatten miteinander gespielt, -umhergetollt und sich geküßt; jetzt frischten sie mit unendlicher -Überlegenheit die Kindheitserinnerungen auf, und Barbro spielte sich -ordentlich auf, das war nicht zu verkennen. Natürlich war Eleseus nicht -zu vergleichen mit den großen Kontoristen in Bergen, die Kneifer und -goldene Uhren hatten, aber hier auf dem Ödland war er unleugbar ein -richtiger Herr. Und nun holte sie ihre Photographie von Bergen herbei -und zeigte sie ihm: so habe sie damals ausgesehen, und wie jetzt! -- -Was soll dir denn jetzt fehlen? fragte er. -- So, du meinst, ich habe -nicht verloren? -- Verloren? Ich will dir nur ein für allemal sagen, -daß du jetzt doppelt so hübsch bist, überhaupt voller geworden, sagte -er. Verloren? Nein, das ist klassisch! sagte er. -- Aber findest du -mein Kleid, das am Hals und im Rücken ausgeschnitten ist, auf dem Bild -nicht hübsch? Und dann hatte ich auch, wie du siehst, eine silberne -Kette, die habe ich von einem der Kontoristen, bei denen ich war, -geschenkt bekommen. Aber dann habe ich sie verloren; das heißt nicht -geradezu verloren, sondern ich brauchte Geld, als ich heimreiste. --- Eleseus fragte: Kann ich nicht die Photographie bekommen? -- Sie -bekommen? Und was bekomme ich dafür? Oh, Eleseus wußte recht gut, was -er am liebsten geantwortet hätte, aber er wagte es nicht zu sagen. -Ich werde mich photographieren lassen, wenn ich wieder in der Stadt -bin, dann bekommst du meine auch, sagte er dagegen. Sie aber nahm das -Bild wieder an sich und sagte: Nein, ich habe nur noch die eine. -- Da -wurde es düster in seinem jungen Herzen, und er streckte die Hand nach -dem Bild aus. -- Ja, ja, dann gib mir gleich etwas dafür! sagte sie -lachend. Oh, da griff er zu und küßte sie herzlich ab. - -Nun wurde es ungezwungener; Eleseus entfaltete sich, er wurde -großartig. Sie liebäugelten und lachten und scherzten. Als du nach -meiner Hand gefaßt hast, war das so weich wie ein Samtpfötchen, sagte -er. -- Ja, ja, nun fährst du bald wieder in die Stadt, und dann -kommst du wohl nie mehr hierher, sagte Barbro. -- Hältst du mich für -so schlecht? versetzte Eleseus. -- Hast du niemand dort, der dich -zurückhält? -- Nein. Unter uns gesagt, ich bin nicht verlobt, sagte er. --- Doch, das bist du gewiß. -- Nein, es ist tatsächlich wahr, was ich -sage. - -Sie scherzten und liebäugelten lange miteinander, Eleseus war ganz -verliebt. Ich werde dir schreiben, sagte er, darf ich das? -- Ja, -antwortete sie. -- Ja, denn ich will nicht kleinlich sein und es -nicht ohne Erlaubnis tun! Doch plötzlich wurde er eifersüchtig und -fragte: Es heißt, du seiest mit Axel hier verlobt. Ist es so? -- Mit -ihm, dem Axel! sagte sie so verächtlich, daß es ihn tröstete. Er wird -sich brennen! sagte sie. Dann bereute sie ihre Worte, und sie fügte -hinzu: Der Axel ist schon recht. Und er hält eine Zeitung für mich -und macht mir sehr oft Geschenke, ich kann nichts anderes sagen. -- -Gott bewahre mich, er kann in seiner Art ein höchst vorzüglicher und -unvergleichlicher Mann sein, gab Eleseus zu, aber das ist nun einmal -nicht der Kernpunkt. - -Aber bei dem Gedanken an Axel mußte sich Barbro wohl etwas beunruhigt -fühlen, sie stand auf und sagte zu Eleseus: Nein, jetzt mußt du gehen, -ich muß in den Stall. - -Am nächsten Sonntag ging Eleseus bedeutend später als sonst hinunter, -und er hatte den Brief selbst mitgenommen. Das war ein Brief. Das -Entzücken und Kopfzerbrechen einer ganzen Woche hatten ihn zustande -gebracht, ihn ausgedacht! An Fräulein Barbro Bredesen, zwei- bis -dreimal habe ich nun das für mich so unaussprechliche Glück gehabt, -dich wiederzusehen ... - -Wenn er nun so spät am Abend ankam, mußte wohl Barbro im Stall fertig -sein, ja, sie war vielleicht eben zu Bett gegangen. Doch das schadete -nichts, es paßte im Gegenteil gerade gut. - -Barbro war jedoch auf und saß in der Gamme. Aber jetzt sah es plötzlich -aus, als wolle sie gar nicht mehr zärtlich sein, nein, durchaus nicht. -Eleseus bekam den Eindruck, daß Axel wohl hinter ihr her gewesen sein -und sie ermahnt haben mußte. -- Bitte, hier ist der Brief, den ich dir -versprochen habe. -- Danke! sagte sie, indem sie den Brief öffnete -und ihn ohne ersichtliche Freude las. -- Ich hätte wohl ebensogut -schreiben können wie du! sagte sie. -- Er war enttäuscht, was hatte sie -nur? Und wo war Axel? Fort. Er war dieser törichten Sonntagsbesuche -vielleicht überdrüssig und wollte nicht dabeisein; aber er konnte ja -auch eine notwendige Besorgung gehabt haben, so daß er gestern ins Dorf -hinuntergegangen war. Fort war er jedenfalls. - -Warum sitzt du denn an einem so schönen Abend in der dumpfen Gamme? -Komm mit heraus! sagte Eleseus. -- Ich warte auf Axel, antwortete sie. --- Auf Axel? Kannst du nicht ohne den Axel sein? -- Doch, aber soll er -etwa nichts zu essen haben, wenn er kommt? - -Die Zeit verging, sie war vergeudet, die beiden kamen sich nicht -näher; Barbro war und blieb launisch. Er versuchte ihr wieder vom -Nachbardorf zu erzählen und vergaß wieder nicht, daß er eine Rede -gehalten hatte: Ich hatte allerdings nicht so besonders viel zu sagen, -aber einige waren doch zu Tränen gerührt. -- So, sagte sie. -- Und an -einem Sonntag bin ich in der Kirche gewesen. -- Hast du da mit einer -angebändelt? -- Ob ich mit einer angebändelt habe? Ich war nur dort und -habe mich umgesehen. Der Pfarrer predigte nicht besonders nach meiner -unmaßgeblichen Meinung, er hatte keinen guten Vortrag. - -Die Zeit verging. - -Was meinst du wohl, was Axel denken wird, wenn er dich so spät hier -antrifft? fragte Barbro plötzlich. -- Ach, wenn sie ihm einen Stoß vor -die Brust versetzt hätte, hätte er nicht mutloser werden können. Hatte -sie denn das letztemal ganz vergessen? War nicht verabredet worden, -daß er am heutigen Abend kommen sollte? Er war schwer gekränkt und -murmelte: Ich kann ja wieder gehen! -- Darüber schien sie sich nicht zu -entsetzen. -- Was habe ich dir getan? fragte er mit bebenden Lippen. -Es schien ihm sehr tief zu gehen, er war in großer Not. -- Mir getan? -Ach, du hast mir nichts getan. -- Aber was ist denn mit dir heute -abend? -- Mit mir? Hahaha! Aber im übrigen kann ich mich nicht darüber -wundern, wenn Axel böse wird. -- Ich werde gehen, wiederholte Eleseus. -Aber sie erschrak wieder nicht darüber, sie machte sich nichts aus ihm, -und es war ihr einerlei, daß er da vor ihr saß und mit seinen Gefühlen -kämpfte. Oh, sie war eine Canaille! - -Nun begann der Ärger in ihm aufzukochen. Zuerst äußerte er ihn in -feiner Weise: sie sei wahrlich keine vorteilhafte Repräsentantin des -weiblichen Geschlechtes. Und als das nichts half -- oh, er hätte -lieber schweigen und ertragen sollen, sie wurde nur immer schlimmer. -Aber er wurde auch nicht besser, sondern sagte: Wenn ich gewußt hätte, -wie du bist, wäre ich heute abend gar nicht heruntergekommen. -- Und -was dann? versetzte sie. Dann hättest du deinen Stock, den du da in -der Hand hältst, nicht spazierengetragen. -- Oh, Barbro war in Bergen -gewesen, sie konnte spotten, sie hatte auch ordentliche Spazierstöcke -gesehen, deshalb konnte sie jetzt so unverschämt fragen, was das für -ein geflickter Regenschirmstock sei, mit dem er anstolziert komme? --- Er ertrug es. Dann möchtest du wohl auch deine Photographie -wiederhaben? fragte er. -- Wenn das nicht wirkte, dann wirkte nichts -mehr. Ein Geschenk zurücknehmen, das war das Äußerste, was man sich -im Ödland denken konnte! Was machst du dir denn daraus? antwortete -sie ausweichend. -- Gut, erklärte er keck, ich werde sie dir sofort -zurückschicken. Gib mir nun auch meinen Brief wieder. - -Damit stand er auf. - -Jawohl, sie gab ihm den Brief, aber da traten ihr auch die Tränen -in die Augen, und ihre Laune schlug plötzlich um. Das Dienstmädchen -war gerührt, der Freund verließ sie, leb' wohl zum letztenmal! Du -brauchst nicht zu gehen, sagte sie, ich mache mir nichts daraus, was -Axel glaubt. -- Aber jetzt wollte er seinen Vorteil ausnützen, und -so verabschiedete er sich. Denn wenn eine Dame so ist wie du, dann -absentiere ich mich, sagte er. - -Langsam wanderte er von der Gamme weg heimwärts, er pfiff und schwang -seinen Stock und tat ganz unbekümmert. Bah! Eine kleine Weile nachher -kam Barbro auch heraus und rief ihm ein paarmal nach. Jawohl, er blieb -stehen, das tat er, aber er war ein beleidigter Löwe. Sie setzte sich -ins Heidekraut und schien ihr Benehmen zu bereuen, sie zerrte an -einem Heidekrautbüschel, und allmählich wurde er wieder vernünftiger, -ja, er bat sie sogar noch um einen Kuß, zum letzten Abschied, sagte -er. -- Nein, das wollte sie nicht. -- So sei doch so reizend wie das -letztemal! sagte er. Er schwänzelte von allen Seiten um sie herum -und ging immer rascher und rascher, um womöglich eine Gelegenheit zu -erwischen. Aber sie wollte nicht reizend sein, sie erhob sich, und da -stand sie. Da nickte er nur und ging. - -Als er außer Sehweite war, trat plötzlich Axel hinter einigen Büschen -hervor. Barbro fuhr zusammen und fragte: Wie ist denn das, kommst du -von oben herunter? -- Nein, ich komme von unten herauf, antwortete er, -aber ich habe euch beide hier heraufgehen sehen. -- Ach so, wirklich! -Ja, davon wirst du fett werden! rief sie auf einmal rasend, sie war -auch jetzt ebenso schlechter Laune wie vorher! Was brauchst du da -herumzuschnüffeln? Was geht es dich an? -- Axel war auch nicht gerade -freundlich. -- So, er ist also heute auch wieder hier gewesen? -- Und -wenn auch? Was willst du von ihm? -- Was _ich_ von ihm will? Nein, was -willst _du_ von ihm? Du solltest dich schämen! -- Mich schämen? Sollen -wir darüber schweigen, oder sollen wir darüber reden? fragte Barbro -nach einer alten Redensart. Ich will nicht wie ein altes Steinbild in -deiner Gamme sitzen, daß du es weißt. Warum ich mich schämen sollte? -Wenn du eine andere Haushälterin nehmen willst, dann gehe ich meiner -Wege. Du brauchst nur deinen Mund zu halten, wenn es nicht schändlich -ist, dich überhaupt darum zu bitten. Da hast du meine Antwort. Jetzt -werde ich auf der Stelle hineingehen, dir dein Essen anrichten und -Kaffee kochen, dann kann ich nachher tun, was ich will. - -Unter fortwährendem Zanken ging sie hinein. - -Nein, Axel und Barbro waren nicht immer einig. Sie war nun schon -zwei Jahre bei ihm, aber es hatte immer ab und zu Streit gegeben, -hauptsächlich weil Barbro wieder fort wollte. Er drang in sie, wollte, -sie solle für immer dableiben, sich ganz bei ihm niederlassen und -seine Gamme und sein Leben mit ihm teilen, er wußte, wie schlimm es -wäre, wenn er wieder ohne Hilfe sein müßte -- sie hatte ihm auch schon -mehrere Male versprochen, seinen Antrag anzunehmen, ja, in liebevollen -Stunden konnte sie sich gar nichts anderes denken als dazubleiben. -Aber sobald sich ein Streit entspann, drohte sie mit dem Fortgehen, -und wenn sie auch nichts anderes sagte als: sie wolle in die Stadt und -ihre Zähne herrichten lassen, sie fielen ihr sonst aus. Fortgehen, -fortgehen! Er mußte sie irgendwie an den Ort fesseln können. - -Fesseln? Es klang, als höhne sie einer jeden Fessel. - -So, du willst auch jetzt fortgehen? sagte er. -- Und wenn dem so -wäre? versetzte sie. -- _Kannst_ du denn reisen? -- Kann ich nicht? Du -meinst, ich sei in Not, weil es dem Winter zugeht, aber ich kann in -Bergen jederzeit eine Stelle bekommen. -- Da sagte Axel sehr ruhig: -Das kannst du jedenfalls vorderhand nicht! Du sollst doch ein Kind -bekommen? -- Ein Kind? Nein, von was für einem Kind redest du da? -- -Axel starrte sie an. War Barbro verrückt geworden? - -Etwas anderes war, daß Axel selbst vielleicht etwas zu wenig -nachsichtig war: seit er nun diesen Anspruch auf sie hatte, war er mit -etwas zu großer Sicherheit aufgetreten; das war unklug, er brauchte -ihr ja nicht sooft zu widersprechen und sie zu reizen; es wäre nicht -notwendig gewesen, ihr im Frühjahr geradezu zu befehlen, die Kartoffeln -zu legen, er hätte sie zur Not allein legen können. Wenn sie erst -verheiratet wären, würde schon die Zeit kommen, wo er sich zum Herrn -aufwerfen konnte, aber bis dahin mußte er seinen Verstand gebrauchen -und nachgeben. - -Aber das Schmähliche war eben die Sache mit diesem Kontoristen, -dem Eleseus, der mit glatten Redensarten und einem Spazierstock -einhergeschlendert kam. War nun das ein Benehmen für ein verlobtes -Mädchen in ihrem Zustand? War so etwas überhaupt zu begreifen? Bis -jetzt war Axel ohne Nebenbuhler hier gewesen. Ja, so änderte sich die -Lage! - -Hier sind neue Zeitungen für dich, sagte Axel. Und hier ist eine -Kleinigkeit, die ich für dich gekauft habe. Du kannst nun sehen, ob es -dir gefällt. -- Sie war kalt. Obgleich alle beide kochend heißen Kaffee -tranken, antwortete sie eiskalt: Ich wette, es ist ein goldener Ring, -den du mir schon seit über einem Jahr versprochen hast. - -Da hatte sie sich jedenfalls vergaloppiert, denn es war tatsächlich der -Ring. Ein goldener Ring war es allerdings nicht, und einen solchen -hatte er ihr auch nie versprochen, daran erinnerte sie sich jetzt: aber -es war ein silberner Ring mit zwei vergoldeten Händen darauf, also ein -echter karatgestempelter. Aber ach, der unglückselige Aufenthalt in -Bergen! Barbro hatte dort richtige Verlobungsringe gesehen, man sollte -ihr nur nichts weismachen wollen! -- Diesen Ring kannst du selbst -behalten, sagte sie. -- Was fehlt denn daran? -- Was daran fehlt? -Nichts fehlt daran, antwortete sie. Damit stand sie auf und begann -den Tisch abzuräumen. -- Du kannst ja diesen vorläufig haben, später -wird sich dann vielleicht auch noch ein anderer finden, sagte Axel. -- -Darauf erwiderte Barbro nichts. - -Übrigens war Barbro an dem Abend recht schlecht. War nicht ein neuer -silberner Ring dankenswert? Dieser vornehme Kontorist hatte ihr wohl -den Kopf verdreht. Axel konnte sich nicht enthalten zu sagen, was -dieser Eleseus immer hier zu suchen habe. Was will er von dir? -- Von -mir? -- Ja, sieht denn der Mensch nicht, wie es um dich bestellt ist? -Sieht er dich denn nicht an? -- Barbro stellte sich vor Axel hin und -sagte: So, du meinst wohl, du habest mich nun an dich gebunden, aber -du sollst sehen, daß das erlogen ist. -- So, sagte Axel. -- Ja, und du -sollst sehen, daß ich auch von hier fortgehe. -- Darauf verzog Axel nur -den Mund zu einem leichten Lächeln, aber er tat es nicht einmal offen -und in die Augen fallend, denn er wollte sie nicht reizen. Dann sagte -er beruhigend wie zu einem Kinde: Nun sei einmal artig, Barbro. Du -weißt ja, du und ich! - -Und natürlich, spät in der Nacht endete es damit, daß Barbro wieder -freundlich wurde und sogar mit dem silbernen Ring am Finger einschlief. - -Oh, es würde wohl alles wieder gut werden! - -Für die beiden in der Gamme wurde wirklich alles wieder gut, aber für -Eleseus war es schlimmer. Es fiel ihm schwer, die Kränkung, die er -erlitten hatte, zu überwinden. Da er sich nicht auf Hysterie verstand, -glaubte er, er sei aus reiner Bosheit genarrt worden; die Barbro auf -Breidablick war ein wenig zu keck gewesen, selbst wenn man mit in -Rechnung zog, daß sie in Bergen gewesen war. - -Die Photographie hatte er Barbro auf diese Weise zurückgeschickt, daß -er sie selbst in einer Nacht zurückbrachte und zu ihr in den Heuboden -hineinwarf, wo sie ihre Schlafstelle hatte. -- Er hatte es aber -durchaus nicht in grober, unhöflicher Form getan, nein, weit entfernt; -er hatte lange an der Tür herumgetastet, um sie aufzuwecken, und als -sie sich auf den Ellbogen aufrichtete und fragte: Findest du denn heut -nacht den Weg nicht herein? hatte diese vertrauliche Frage ihn wie mit -einer Nadel oder einem Degen gestochen; aber er hatte nicht geschrien, -sondern nur die Photographie hübsch auf den Fußboden hineingleiten -lassen. Und dann war er seiner Wege gegangen. Gegangen? Tatsächlich -war er nur ein paar Schritte gegangen, dann fing er an zu laufen, zu -laufen; er war sehr aufgeregt, ja, förmlich lustig, das Herz hämmerte -ihm in der Brust; hinter einem Buschwerk hielt er an und schaute -zurück, nein, sie kam ihm nicht nach! Ach, er hatte es halb gehofft! -Und wenn sie ihm wenigstens so annähernd Zuneigung gezeigt hätte. Aber -zum Kuckuck, dann brauchte er auch nicht so zu laufen, wenn sie ihm -nicht auf den Fersen folgte, nur im Hemd und Unterrock, verzweifelt, -ja, zerschmettert über sich selbst und über die vertrauliche Frage, die -nicht für ihn bestimmt gewesen war! - -Er wanderte heimwärts, ohne Stock und ohne zu pfeifen, nein, er war -kein großer Herr mehr. Ein Stich in die Brust ist keine Kleinigkeit. - -Und war es damit zu Ende? - -An einem Sonntag ging er wieder hinunter, nur um Ausschau zu halten. -Mit einer fast krankhaften unglaublichen Geduld lag er lauernd hinter -dem Gebüsch und starrte nach der Hütte hinüber. Als sich endlich Leben -und Bewegung zeigte, war es, als sollte er vollends vernichtet werden. -Axel und Barbro traten beide aus der Gamme und gingen zusammen in -den Stall. Sie waren jetzt zärtlich zueinander, ja, sie hatten eine -freundliche Stunde, sie gingen Arm in Arm, er wollte ihr wohl im Stall -helfen. Sieh einer! - -Eleseus betrachtete das Paar mit einer Miene, als habe er alles -verloren, als sei er zugrunde gerichtet. Vielleicht dachte er ungefähr -so: sie geht Arm in Arm mit Axel Ström, wie sie dazu gekommen ist, weiß -ich nicht, einmal hat sie ihre Arme um mich geschlungen. - -Sie verschwanden im Stall. - -Na, meinetwegen! Bah! Sollte er hier im Gebüsch liegen und sich selbst -vergessen? Das sollte er wohl tun, sich flach auf die Erde legen und -sich so vergessen? Wer war sie? Aber er war der, der er war. Oh, noch -einmal: Bah! - -Er sprang auf und stand aufrecht da. Dann streifte er Blätter und -Heidekraut von seinen Hosen und richtete sich wieder hoch auf. -Sein Zorn und sein Übermut traten auf seltsame Art zutage: er war -desperat und fing an ein Lied von nicht unbedeutender Leichtfertigkeit -anzustimmen. Und wenn er dann die schlimmsten Stellen recht absichtlich -viel lauter sang, dann lag auf seinem Gesicht ein inniger Ausdruck. - - - - -19 - - -Isak kam mit einem Pferd aus dem Dorfe zurück. Jawohl, er hatte das -Pferd des Amtsdieners gekauft, es war, wie Geißler gesagt hatte, zu -haben, aber es kostete zweihundertvierzig Kronen, gleich sechzig Taler. -Die Pferdepreise waren jetzt ins Unerschwingliche gestiegen, in Isaks -Kindheit hatte man die besten Pferde für fünfzig Taler haben können. - -Aber warum hatte er nicht selbst Pferde gezüchtet? Oh, er hatte es -sich wohl überlegt, hatte an ein junges Füllen gedacht -- das er ein -und auch zwei Jahre hätte aufziehen müssen. Das konnte der tun, dem -seine Feldarbeit Zeit dazu ließ, einer, der seine Sümpfe so daliegen -lassen konnte und sie nicht umzuroden brauchte, bis er einmal ein Pferd -hatte, das ihm die Ernte heimfuhr. Wie der Amtsdiener sagte: Ich habe -keine Lust, ein Pferd zu füttern; das Heu, das ich habe, können meine -Frauenzimmer hereintragen, während ich auf Verdienst auswärts bin. - -Das neue Pferd war schon ein alter Gedanke von Isak, ein mehrjähriger -Gedanke, nicht Geißler hatte ihn ihm erst in den Kopf gesetzt. Deshalb -hatte er ja auch soweit möglich Vorbereitungen dafür getroffen, noch -eine Raufe, noch einen Weidepfahl für den Sommer; Wagen und Karren -hatte er mehrere, und weitere wollte er im Herbst anfertigen. Das -Wichtigste von allem, das Futter, hatte er natürlich auch nicht -vergessen; warum wäre es sonst so notwendig gewesen, das letzte Stück -Moor schon im letzten Jahre umzubrechen, wenn er nicht hätte vorbeugen -wollen, weil er sonst seinen Kuhbestand hätte vermindern müssen! Jetzt -war auf dem Moor Grünfutter gesät worden, das war für die kalbenden -Kühe bestimmt. - -Ja, alles war bedacht worden. Inger hatte wieder guten Grund, wie in -alten Tagen vor Verwunderung die Hände zusammenzuschlagen. - -Isak brachte Neuigkeiten aus dem Dorf mit: Breidablick sollte verkauft -werden, jetzt war es vom Kirchplatz aus bekanntgemacht worden. Die -wenigen Felder, die bebaut waren, die Wiesen und die Kartoffeläcker, -alles war inbegriffen, vielleicht auch das Vieh, ein paar Haustiere, -Kleinvieh. Will er denn rump und stump alles verkaufen und sich ganz -ausziehen? rief Inger. Und wo will er denn hinziehen? -- Ins Dorf. -- - -Das war ganz richtig, Brede wollte ins Dorf ziehen. Allerdings hatte -er zuerst versucht, sich bei Axel Ström einzuquartieren, wo ja Barbro -schon war. Das ging jedoch nicht. Brede wollte um alles in der Welt -das Verhältnis zwischen seiner Tochter und Axel nicht zerstören, und -so nahm er sich wohl in acht, aufdringlich zu werden, aber natürlich -war es ihm ein böser Strich durch die Rechnung. Axel wollte ja bis -zum Herbst das neue Haus unter Dach bringen, wenn dann er und Barbro -hineinzogen, hätte da nicht Brede mit seiner Familie die Gamme -bekommen können? Nein! Seht, Brede dachte nicht als Ansiedler, er -verstand nicht, daß Axel ausziehen mußte, weil er die Gamme für seinen -wachsenden Viehstand brauchte; die Gamme mußte auch hier in den Stall -verwandelt werden. Aber selbst nachdem Brede alles erklärt worden war, -blieb ihm dieser Gedankengang fremd. Die Menschen kommen doch wohl vor -den Tieren, sagte er. -- Nein, das war nicht des Ansiedlers Ansicht, -oh, weit entfernt! Die Tiere zuerst, die Menschen konnten sich immer -einen Winteraufenthalt verschaffen. -- Da mischte sich Barbro drein und -sagte: So, du stellst die Tiere über die Menschen? Es ist gut, daß ich -das erfahren habe! -- Wahrlich, Axel machte sich ja eine ganze Familie -zum Feind, weil er kein Obdach für sie hatte. Aber er gab nicht nach. -Er war ja auch nicht dumm und gutmütig, sondern im Gegenteil allmählich -immer geiziger geworden; er wußte wohl, daß bei einer solchen -Einquartierung mehr Mägen zu befriedigen sein würden. - -Brede beschwichtigte seine Tochter und gab ihr zu verstehen, daß er -am liebsten wieder ins Dorf ziehe; er könne es auf dem Ödland nicht -aushalten, sagte er, und allein aus diesem Grunde verkaufe er seinen -Hof. - -Ja, aber im Grunde genommen war es nun nicht Brede Olsen, der -verkaufte, sondern die Bank und der Kaufmann waren es, die Breidablick -zu Geld machten, aber um den Schein zu wahren, sollte es in Bredes -Namen geschehen. Auf diese Weise glaubte er der Schande zu entgehen. -Und Brede war auch gar nicht so sehr niedergedrückt, als Isak mit ihm -zusammentraf, er tröstete sich damit, daß er ja immer noch Inspektor -über die Telegraphenlinie sei; das sei eine sichere Einnahme, und mit -der Zeit werde er sich schon wieder zu seiner alten Stellung im Dorfe, -zum allgemeinen Helfer und Begleiter des Lensmanns, emporarbeiten. - -Natürlich war Brede auch gerührt gewesen. Das gehörte dazu: es sei ja -so eine Sache, sich von der Stelle, die er liebgewonnen und wo er so -viele Jahre lang gelebt und geschafft und gearbeitet habe, zu trennen. -Aber der gute Brede ließ sich nie dauernd unterkriegen, das war seine -gute Seite, das Anziehende an ihm. Er hatte einmal die Eingebung -bekommen, Ödland urbar zu machen, dieser Versuch war nicht glücklich -ausgefallen; aber auf dieselbe lustige Weise hatte er auch in anderen -Fragen gehandelt, und da war es ihm besser gelungen. Ja, wer konnte -wissen, ob er nicht mit seinen Gesteinsproben noch einmal gewaltige -Geschäfte machte! Und jedenfalls war da Barbro, die er auf Maaneland -untergebracht hatte! Sie komme ja nie wieder von Axel Ström weg, das -dürfe man wohl sagen, es sei jedermann offenkundig! - -Nein, solange er seine Gesundheit habe und für sich und die Seinen -schaffen könne, stehe es nicht schlecht, sagte Brede Olsen. Und -gerade jetzt seien alle seine Kinder allmählich erwachsen, sie zögen -fort und sorgten für sich selbst, sagte er. Helge sei schon bei der -Heringsfischerei, und Katrine komme zu Doktors in Dienst. Dann hätten -sie nur zwei kleinere Kinder daheim -- allerdings komme bald noch ein -drittes dazu, aber ... - -Isak brachte aus dem Dorf eine Neuigkeit mit: Die Frau des Lensmannes -hatte ein Kleines bekommen. -- Inger fragte plötzlich lebhaft: Einen -Jungen oder ein Mädchen? -- Das habe ich nicht gehört, antwortete Isak. - -Also die Frau des Lensmannes hatte ein Kind bekommen, sie, die immer -im Frauenverein gegen die überhandnehmenden Geburten bei den Armen -geeifert hatte. Man solle der Frau das Stimmrecht geben und ihr Einfluß -auf ihr eigenes Schicksal einräumen, hatte sie gesagt. Jetzt war -sie gefangen. Ja, sagte die Frau Pastor, sie hat ihren Einfluß wohl -angewendet, hahaha, und doch ist sie ihrem Schicksal nicht entgangen! -Dieses witzige Wort über Frau Heyerdahl ging im ganzen Dorf herum und -wurde von sehr vielen verstanden; auch Inger verstand es vielleicht, -nur Isak verstand nichts. - -Isak verstand zu arbeiten, verstand seine Hantierung zu betreiben. -Er war jetzt ein reicher Mann mit einem großen Hof, aber von dem -vielen baren Geld, das ihm der Zufall in den Schoß geworfen hatte, -machte er nur einen schlechten Gebrauch: er hob es auf. Das Ödland -rettete ihn. Hätte Isak im Dorf gewohnt, dann hätte vielleicht die -große Welt auch etwas auf ihn eingewirkt; dort war so viel Schönes, -so vornehme Verhältnisse, er würde Unnötiges gekauft haben und wäre -am Werktag in einem roten Hemd gegangen. Hier im Ödland war er gegen -alle Verschwendung geschützt, er lebte in reiner Luft, wusch sich -am Sonntagmorgen und badete, wenn er droben am Gebirgssee war. -Die tausend Taler -- jawohl, ein Geschenk vom Himmel, jeden Heller -davon zum Aufbewahren! Wozu sonst? Isak konnte seine gewöhnlichen -Ausgaben mit Leichtigkeit durch den Verkauf seiner Erträgnisse von dem -Viehbestand und den Feldern bestreiten. - -Eleseus wußte ja besser Bescheid, er hatte dem Vater geraten, sein -Geld auf der Bank anzulegen. Es war auch wohl möglich, daß dies das -verständigste gewesen wäre, aber jedenfalls war es aufgeschoben worden, -wurde vielleicht nie getan. Nicht, weil Isak immer den Rat des Sohnes -überhört hätte, Eleseus war wahrlich nicht so schlimm, das hatte Isak -in der letzten Zeit herausgefunden. Jetzt in der Heuernte hatte er -es mit dem Mähen versucht -- nein, ein Meister wurde er darin nicht, -und er mußte sich in Siverts Nähe halten und sich von ihm jedesmal -die Sense wetzen lassen, aber Eleseus hatte lange Arme und konnte das -Heu wie ein ganzer Mann zusammenraffen. Jetzt waren er und Sivert und -Leopoldine und Jensine drüben auf der Wiese und setzten das erste Heu -auf Heinzen, und Eleseus schonte sich da auch nicht, sondern arbeitete -mit dem Rechen, bis er Blasen bekam und mit verbundenen Händen gehen -mußte. Seit mehreren Wochen schon hatte er keinen rechten Appetit -gehabt, war aber deshalb doch nicht arbeitsscheu geworden. Über den -Jungen mußte etwas Neues gekommen sein, es sah aus, als sei ein -gewisses Mißgeschick in einer gewissen Liebesangelegenheit oder etwas -anderes in dieser Richtung, ein großer Schmerz oder eine Enttäuschung, -vom Guten für ihn gewesen. Seht, jetzt hat er sogar seinen letzten von -der Stadt mitgebrachten Tabak aufgeraucht, und das hätte vielleicht -unter anderen Umständen einen Kontoristen dazu bringen können, die Türe -zuzuschlagen oder sich über dies und jenes scharf auszusprechen; aber -nein, Eleseus wurde dadurch nur ein gesetzter Bursche, fester in der -Haltung, ja, wahrlich ein Mann. - -Auf was verfiel aber dann der Spaßvogel Sivert, um ihn zu reizen? - -An diesem Tag knieten beide Brüder auf Steinen im Fluß und tranken, und -Sivert war so unvorsichtig, Eleseus anzubieten, ihm ein besonders gutes -Moos zu Tabak zu trocknen -- oder vielleicht willst du es roh rauchen? -sagte er. -- Ich werde dir Tabak geben, versetzte Eleseus, indem er den -Arm ausstreckte und den Bruder bis an die Schultern ins Wasser tauchte. -Ha, da bekam er's! Sivert lief noch lange mit einem nassen Kopf umher. - -Ich glaube, Eleseus wächst sich allmählich zu einem tüchtigen Kerl -heraus, dachte der Vater, wenn er den Sohn bei der Arbeit sah. -- Hm. -Ob der Eleseus nun für ganz daheimbleiben will? fragte er Inger. -- Sie -sagte ebenso sonderbar vorsichtig: Das könnte ich nicht sagen. Nein, -das will er nicht. -- So, hast du mit ihm darüber gesprochen? -- Ach -nein. Doch, ich habe nur ein ganz klein wenig gesagt. Aber ich errate -es. -- Ich möchte wissen, wie es wäre, wenn er einen eigenen Hof hätte? --- Wieso? -- Ob er ihn bebauen würde? -- Nein. -- So, hast du mit ihm -darüber geredet? -- Darüber geredet? Siehst du nicht, wie verändert er -ist? Ich kenne ihn gar nicht mehr. -- Du brauchst ihn nicht schlecht -zu machen, sagte Isak unparteiisch. Ich sehe nichts anderes, als daß -er draußen ein gutes Tagewerk vollbringt. -- So, ja, ja, antwortete -Inger schüchtern. -- Ich weiß nicht, was du gegen den Jungen hast! rief -Isak erzürnt. Er leistet mit jedem Tag bessere Arbeit, kannst du mehr -erwarten? -- Inger murmelte: Er ist nicht mehr, wie er war. Du solltest -mit ihm wegen der Westen sprechen. -- Wegen der Westen? Wieso? -- Er -sagt, daß er im Sommer in der Stadt weiße Westen getragen habe. -- -Isak dachte darüber nach und begriff nichts. Aber kann er denn nicht -eine weiße Weste bekommen? fragte er. Isak war verwirrt, das Ganze war -natürlich nur ein Weibergeschwätz, er meinte, der Junge sei mit der -weißen Weste im Recht und begriff überdies nicht, was das bedeuten -sollte, er wollte also rasch darüber weggehen. Nun, was würdest du dazu -sagen, wenn er Bredes Ansiedlung zum Heraufarbeiten bekäme? -- Wer? -fragte Inger. -- Eleseus. -- Breidablick? fragte Inger. Tu das ja nicht. - -Die Sache war nämlich die, daß sie den Plan schon mit Eleseus -durchgesprochen hatte, sie kannte ihn wohl von Sivert, der den Mund -nicht hatte halten können. Und im übrigen -- warum hätte Sivert über -den Plan schweigen sollen, den der Vater sicher nur deshalb verraten -hatte, damit er durchgesprochen würde? Es war nicht das erstemal, daß -er Sivert auf diese Weise zum Vermittler machte. Na, aber was hatte -Eleseus geantwortet? Wie früher, wie in seinen Briefen aus der Stadt: -Nein, ich will das, was ich gelernt habe, nicht wegwerfen und wieder -der reine Garnichts sein! Das hatte er geantwortet. Ja, dann war ja -die Mutter mit ihren guten Gründen herausgerückt, aber Eleseus hatte -für alles nur abschlägige Antworten gehabt und gesagt, er habe andere -Pläne für sein Leben. Das junge Herz hat seine unerforschlichen Gründe; -nach dem, was geschehen war, fand er es vielleicht auch unmöglich, -der Nachbar von Barbro zu werden. Das konnte niemand wissen. Er hatte -der Mutter gegenüber nur obenhin Auskunft gegeben und gesagt, er -könne in der Stadt eine bessere Stelle bekommen, als er jetzt habe; -er könne auch Schreiber beim Landrichter oder Landrat werden; man -müsse hinaufkommen, in einigen Jahren werde er vielleicht Lensmann -oder Leuchtturmwächter, oder er komme aufs Zollamt. Es gebe so viele -Möglichkeiten für den, der etwas gelernt habe. - -Woher es nun auch kam, aber jedenfalls wurde die Mutter bekehrt, wurde -mitgerissen, und sie war ja selbst so wenig sicher, die Welt konnte sie -gar leicht wieder in ihre Schlingen ziehen. Im Winter hatte sie sogar -in einem gewissen ausgezeichneten Andachtsbuch gelesen, das sie bei -ihrem Weggang in der Anstalt in Drontheim bekommen hatte; aber jetzt? -Ob denn Eleseus wirklich Lensmann werden könne? -- Jawohl, antwortete -Eleseus. Was ist denn der Lensmann Heyerdahl anderes als ein früherer -Schreiber auf einer Amtsstube? - -Große Aussichten! Die Mutter wollte Eleseus geradezu abraten, sein -Leben zu ändern und sich wegzuwerfen. Was sollte ein solcher Mann im -Ödland? - -Aber warum gab sich Eleseus jetzt so viele Mühe und schaffte so fleißig -auf den Feldern der Heimat? Gott mochte es wissen, er hatte vielleicht -eine Absicht dabei! Etwas Bauernehrgeiz hatte er wohl auch, er wollte -nicht zurückstehen. Außerdem schadete es nicht, wenn er an dem Tag, -an dem er die Heimat wieder verließ, mit dem Vater gut Freund war. Um -die Wahrheit zu sagen, so hatte er verschiedene kleine Schulden in der -Stadt, es wäre gut, wenn er diese bereinigen könnte. Das würde großen -neuen Kredit bedeuten. Und hier handelte es sich nicht nur um einen -Hundertkronenschein, sondern um etwas, das etwas war. - -Eleseus war nicht dumm, oh, weit entfernt, er war sogar auf seine Art -schlau. Er hatte den Vater wohl heimkommen sehen und wußte, daß er -in diesem Augenblick drinnen am Fenster saß und herüberschaute. Wenn -sich da nun Eleseus besondere Mühe bei der Arbeit gab, gereichte ihm -das vielleicht gerade jetzt zum Vorteil, und es geschah ja niemand ein -Unrecht dadurch. - -Eleseus hatte etwas Verfeinertes an sich, was es nun auch sein mochte, -aber zugleich auch etwas Verpfuschtes wie etwas Zerstörtes, er war -nicht böse, aber ein wenig verstockt. Hatte ihm in den verflossenen -Jahren eine starke Hand über sich gefehlt? Was konnte die Mutter jetzt -für ihn tun? Einzig und allein ihm helfen. Sie konnte sich von den -großen Zukunftsaussichten des Sohnes blenden lassen und ihm beim Vater -die Stange halten. Das konnte sie. - -Aber Isak wurde schließlich ärgerlich über ihre abweisende Haltung, -seiner Meinung nach war der Plan mit Breidablick gar nicht so übel. -Heute auf dem Heimweg hatte er sogar der Versuchung nachgegeben und das -Pferd angehalten, um sich in aller Eile einen sachkundigen Überblick -über die vernachlässigte Ansiedlung zu verschaffen: unter arbeitsamen -Händen konnte etwas daraus werden. -- Warum soll ich es nicht wagen? -fragte er Inger jetzt. Ich habe so viel Herz für Eleseus übrig, daß -ich ihm dazu verhelfen will. -- Ach, wenn du ein Herz für ihn hast, so -nenne Breidablick vor ihm nicht mehr, versetzte sie. -- So. -- Nein, -denn er hat viel größere Gedanken als wir. - -Isak ist ja selbst seiner Sache nicht ganz sicher, er kann also nicht -so recht gewichtig reden, aber es ärgert ihn, daß er mit diesem Plan -herausgerückt ist und so unvorsichtig offen geredet hat, deshalb will -er ihn nur ungern aufgeben. Er soll tun, was er will, erklärte Isak -plötzlich. Und er sagt es mit lauter, drohender Stimme zum Besten für -Inger, falls sie zufällig nicht gut hören sollte. Ja, sieh mich nur an, -aber ich sage jetzt nichts mehr. Das Schulhaus ist dort, und es ist -auf dem halben Wege vom Dorfe hierher, und alles miteinander, was sind -denn das für große Gedanken, die er hat? Mit einem Sohne wie er könnte -ich leicht verhungern, ist das etwa besser? Aber nun frage ich, wie -es kommt, daß mein eigenes Fleisch und Blut ungehorsam gegen -- mein -eigenes Fleisch und Blut sein kann? -- Isak schwieg. Er begriff wohl, -je mehr er redete, desto schlimmer wurde es. Er wollte jetzt erst -einmal die Sonntagskleider ausziehen, in denen er im Dorfe gewesen war; -aber nein, er änderte diesen Entschluß wieder und wollte so bleiben, -wie er war -- was er wohl damit wollte? Du mußt versuchen, es mit -Eleseus ins reine zu bringen, sagte er dann. -- Inger antwortete: Es -wäre am besten, du würdest es ihm selbst sagen. Mir folgt er nicht! --- Jawohl, Isak ist das Haupt für alle, das wollte er meinen. Eleseus -sollte es nur versuchen, sich zu mucksen! Aber ob es nun war, weil er -eine Niederlage befürchtete -- Isak weicht jetzt aus und sagt: Ja, das -könnte ich tun, ich könnte es ihm selbst sagen. Aber da ich so vieles -andere zu besorgen habe, so muß ich jetzt an anderes denken. -- So? -fragt Inger verwundert. - -Nun geht Isak wieder fort, nur bis an die Grenze des Grundstücks, -aber jedenfalls fort. Er ist sehr geheimnisvoll und will allein sein. -Die Sache ist die, er ist heute mit einer dritten Neuigkeit vom Dorf -zurückgekommen, und diese dritte ist größer als die beiden anderen, sie -ist ungeheuer groß; er hat sie am Waldessaum versteckt. Da steht sie, -in Sackleinwand und Papier eingebunden. Er packt sie aus, und es ist -eine große Maschine. Seht, sie ist rot und blau, wunderbar, mit vielen -Zähnen und vielen Messern, mit Gelenken, mit Armen, Rädern, Schrauben, -eine Mähmaschine. Natürlich wäre das neue Pferd nicht gerade an diesem -Tag geholt worden, wenn es nicht wegen der Mähmaschine hätte sein -müssen. - -Isak steht mit einem ungeheuer scharfsinnigen Gesicht da und versucht, -die Gebrauchsanweisung, die der Kaufmann ihm vorgelesen hatte, von -einem Ende zum andern aus seinem Gedächtnis hervorzuholen; er befestigt -eine Stahlfeder da und schiebt dort einen Bolzen ein, dann ölt er jedes -Loch und jede Ritze, dann sieht er das Ganze noch einmal nach. Noch -nie hat Isak einen solchen Augenblick erlebt. Eine Feder in die Hand -nehmen und sein Hauszeichen unter ein Dokument setzen -- jawohl, auch -das ist eine große Gefahr und Schwierigkeit. Ebenso mit dem Reolpflug, -der viele gebogene Messer hat, die ineinandergreifen müssen. Und dann -die große Kreissäge im Sägewerk, die haargenau in ihrem Lager ruhen muß -und nicht nach Ost und West ausweichen oder gar herausspringen darf. -Aber die Mähmaschine -- ein wahres Elsternest aus stählernen Zweigen -und Haken und Vorrichtungen und Hunderten von Schrauben. Oh, Ingers -Nähmaschine war nur eine Kleinigkeit dagegen! - -Dann spannte sich Isak selbst vor und probierte die Maschine. Das war -gerade der große Augenblick. Deshalb wollte er zuerst im verborgenen -mit der Maschine bleiben und auch sein eigenes Pferd sein. - -Denn wie, wenn nun die Maschine falsch zusammengesetzt war und ihre -Arbeit nicht verrichtete, sondern mit einem Knall zersprang? Aber -das geschah nicht, die Maschine mähte Gras. Das würde auch gerade -noch fehlen! Isak hatte hier in tiefes Studium versunken stundenlang -gestanden, die Sonne war indessen untergegangen. Wieder spannt er sich -vor und probiert, die Maschine mäht Gras. Das fehlte auch gerade noch! - -Als gleich nach dem heißen Tag der Tau fiel und die beiden Brüder, -jeder mit seiner Sense, auf der Wiese standen, um für den nächsten Tag -zu mähen, tauchte Isak bei den Häusern auf und sagte: Hängt eure Sensen -heute abend nur wieder hinein. Ihr könnt das neue Pferd anschirren und -mit ihm hinüber an den Wald kommen. - -Damit ging aber Isak nicht ins Haus hinein, um sein Abendbrot zu essen, -was die andern schon getan hatten, sondern er drehte auf dem Hofplatz -gleich wieder um und ging aufs neue dahin, woher er gekommen war. - -Sollen wir den Karren anspannen? rief ihm Sivert nach. - -Nein, antwortete der Vater und ging weiter. - -Er strotzte förmlich von Geheimniskrämerei und war ganz übermütig, bei -jedem Schritt wiegte er sich in den Knien, so nachdrücklich schritt er -dahin. Ging es dem Tod und Untergang entgegen, so war er jedenfalls -ein mutiger Mann, er trug nichts in den Händen, mit dem er sich hätte -verteidigen können. - -Die Jungen kamen mit dem Pferd nach, jetzt sahen sie die Maschine, und -sie hielten jäh an. Das war die erste Mähmaschine hier im Ödland, die -erste auch im Dorfe, rot und blau, prachtvoll anzusehen. Der Vater, das -Oberhaupt aller, rief gleichgültig und ganz wie sonst: Kommt her und -spannt das Pferd vor diese Mähmaschine! -- Die Söhne spannten ein. - -Dann fuhren sie, der Vater fuhr. Brr! sagte die Maschine und mähte das -Gras nieder. Die Söhne hinterher, ohne etwas in den Händen, ohne zu -arbeiten, lächelnd. Jetzt hielt der Vater an und sah zurück -- na, es -könnte besser gemäht sein. Er schraubte an ein paar Stellen, um die -Messer näher an den Boden zu legen, und probierte wieder. Nein, so wird -ungleich gemäht, uneben gemäht. Die Scheide, an der alle Messer sind, -wackelt ein wenig auf und nieder. Vater und Söhne wechselten ein paar -Worte. Eleseus hat die Gebrauchsanweisung gefunden und liest darin. - -Da steht, daß du dich auf den Sitz setzen sollst, Vater, dann gehe die -Maschine ruhiger, sagt er. -- So, versetzte der Vater. Ja, das weiß ich -wohl, fügte er hinzu, ich habe alles genau studiert. -- Er setzt sich -auf den Sitz und fährt wieder, nun geht es ruhig. Aber plötzlich mäht -die Maschine nicht mehr, nein, alle Messer stehen auf einmal still. Ho! -Was nun? Der Vater springt vom Sitz herunter, aber jetzt ist er nicht -mehr übermütig, sondern beugt ein kummervolles, fragendes Gesicht über -die Maschine. Vater und Söhne starren diese an; etwas ist verkehrt. -Eleseus hat die Gebrauchsanweisung in der Hand. -- Da liegt ein kleiner -Bolzen! sagt Sivert, indem er ihn vom Boden aufhebt. -- Ach so, es ist -gut, daß du ihn gefunden hast, sagt der Vater, als wäre das alles, -was er brauchte, um die Maschine wieder in Ordnung zu bringen. Gerade -diesen Bolzen habe ich gesucht. -- Aber nun konnten sie das Loch nicht -finden; wo zum Kuckuck war das Loch zu dem Bolzen? Da, sagt Eleseus und -deutet mit dem Finger. - -Und jetzt mußte sich Eleseus wohl der Sache etwas gewachsen fühlen, -seine Fähigkeit, eine Gebrauchsanweisung zu erforschen, war hier -unersetzlich; er deutete überflüssig lange auf das Loch und sagte: -Nach der Illustration zu verstehen, muß der Bolzen hier hinein! -- -Jawohl muß er hier hinein, sagte auch der Vater, da hatte ich ihn ja -eingesetzt! Und um seine Autorität wieder herzustellen, befahl er -Sivert, nach noch weiteren Bolzen im Gras zu suchen. Es muß noch einer -da sein, sagte er mit ungeheuer wichtiger Miene, wie wenn er alles im -Kopf hätte. Findest du keinen mehr? Na, dann sitzt er wohl noch in -seinem Loch! - -Dann wollte der Vater wieder fahren. - -Aber das ist falsch! ruft Eleseus. Oh, Eleseus steht mit der Zeichnung -in der Hand, mit dem Gesetz in der Hand da, ihn darf man nicht auf -die Seite schieben. Diese Feder hier muß außen sein! -- Ja? fragt -der Vater. -- Jawohl, aber jetzt ist sie unten, du hast sie unten -hingesetzt. Es ist eine Stahlfeder, die muß außen sein, sonst springt -der Bolzen wieder heraus, und dann stehen alle Messer still. Hier -steht es auf der Abbildung! -- Ich habe meine Brille nicht bei mir, -deshalb kann ich die Zeichnung nicht deutlich sehen, sagte der Vater -kleinlauter. Hier, du hast bessere Augen, schraube du die Feder ein. -Aber mach es nun richtig. Wenn es nicht so weit wäre, würde ich meine -Brille holen. - -Jetzt ist alles in Ordnung, und der Vater sitzt auf. Eleseus ruft ihm -nach: Und dann mußt du ein bißchen schnell fahren, dann schneiden die -Messer besser! Hier steht es! - -Isak fährt und fährt, und alles geht gut, und Brr! sagt die Maschine. -Sie hinterläßt einen breiten Weg von gemähtem Gras, in einer schönen -Linie liegt es da, fertig zum Ausbreiten. Jetzt kann man Isak vom Hause -aus sehen, und alle Frauenzimmer eilen heraus. Inger trägt die kleine -Rebekka auf dem Arm, obgleich die kleine Rebekka längst laufen kann. -Aber jetzt kommen sie daher, vier Frauenzimmer, große und kleine, und -sie eilen mit weit aufgerissenen Augen zu dem Wunderwerk hin, sie -umdrängen es. Oh, wie mächtig Isak jetzt ist und richtig stolz; frei -auf der Maschine droben sitzt er, im Sonntagsgewand, in vollem Staat, -in Rock und Hut, obgleich ihm der Schweiß von der Stirne tropft. Er -fährt in vier großen Winkeln über ein passendes Wiesenstück, schwingt -um, fährt, mäht, kommt an den Frauen vorüber, die wie aus den Wolken -gefallen sind, sie begreifen es nicht, und Brr! sagt die Maschine. - -Dann hält Isak an und steigt herunter. Seht, er sehnt sich gewißlich -danach, zu hören, was die Menschen auf der Erde sagen, was sie jetzt -wohl sprechen werden! Er hört leise Ausrufe, die Menschen wollen ihn -auf seinem großen Posten nicht stören, aber sie stellen ängstliche -Fragen aneinander, und diese Fragen hört Isak. Und jetzt, um ein -freundliches väterliches Oberhaupt für alle zu sein, muntert Isak sie -auf, indem er sagt: Ja, ja, ich mähe nun dieses Wiesenstück, dann -könnt ihr das Heu morgen ausbreiten. -- Du hast wohl gar keine Zeit, -hereinzukommen und zu essen? fragt Inger überwältigt. -- Nein, ich habe -jetzt anderes zu tun, erwidert er. - -Dann ölt er die Maschine noch einmal und gibt den anderen zu verstehen, -daß es sich hier um eigentliche Wissenschaft handle. Dann fährt er -wieder und mäht weiter. Schließlich gehen die Frauenzimmer wieder -hinein. - -Glücklicher Isak! Glückliche Menschen auf Sellanraa! - -Isak erwartet sehr bald, die Nachbarn von drunten ankommen zu sehen. -Axel Ström hat sehr viel Interesse, er kommt vielleicht schon morgen. -Aber Brede von Breidablick ist imstande und kommt noch heute nacht. -Isak hätte gar nichts dagegen, ihnen die Mähmaschine zu erklären -und darzutun, wie gut er sie in allem regieren kann. Er will darauf -hinweisen, daß man mit der Sense unmöglich so glatt und gleichmäßig -mähen könne. Aber was eine solche erstklassige blau und rote -Mähmaschine kostet, das ist auch gar nicht zu sagen! - -Glücklicher Isak! - -Aber als er die Maschine zum drittenmal anhält und wieder ölt, fällt -ihm wahrhaftig die Brille aus der Tasche. Und das schlimmste ist, daß -seine Söhne es gesehen haben. War eine höhere Macht dabei im Spiel, war -es eine Ermahnung, etwas weniger hochmütig zu sein? Er hatte ja auf dem -Heimweg oft die Brille aufgesetzt und die Gebrauchsanweisung studiert, -sie aber eben nicht verstanden, da hatte Eleseus eintreten müssen. Ach -Gott im Himmel, ja, Kenntnisse sind etwas Gutes! Und um sich selbst -zu demütigen, will Isak es nun aufgeben, Eleseus zum Landmann zu -machen, er wollte nicht mehr davon reden. Nicht, daß die Jungen aus -dem Mißgeschick mit der Brille eine große Sache gemacht hätten, im -Gegenteil; der Spaßvogel Sivert konnte zwar nicht an sich halten, nein, -das konnte er nicht, er zupfte Eleseus am Ärmel und sagte: Komm, jetzt -gehen wir hinein und verbrennen unsere Sensen; Vater mäht für uns! -- -Dieser Scherz kam im rechten Augenblick. - - - - -Zweiter Teil - - - - -1 - - -Sellanraa ist nicht länger eine unbewohnte Stätte, sieben Menschen -leben hier mit groß und klein. Aber während der kurzen Zeit der -Heuernte kam auch noch der eine oder andere Besuch dazu, Leute, die -gerne die Mähmaschine sehen wollten, Brede natürlich als der erste; -aber auch Axel Ström kam und die Nachbarn bis zum Dorf hinunter. Und -von der andern Seite des Gebirges kam Oline; sie war unverwüstlich. - -Auch diesmal kam Oline nicht ohne Neuigkeiten aus ihrem Dorfe; sie -stellte sich nie leer ein: Jetzt war die Verrechnung von dem Nachlaß -des alten Sivert fertig geworden, und es blieb kein Vermögen übrig! Gar -keines! - -Hier kniff Oline den Mund zusammen, und ihre Blicke schweiften gespannt -von einem zum andern. Na, tönte denn kein Seufzer durch die Stube, -fiel nicht die Decke ein? Eleseus war der erste, der lächelte. Wie -ist's denn, bist du nicht nach dem Ohm Sivert getauft? fragte er mit -gedämpfter Stimme. Und Klein-Sivert antwortete ebenso gedämpft: Doch. -Aber ich habe ja seinen ganzen Nachlaß dir verehrt. -- Wieviel war's -denn? -- Zwischen fünf- und zehntausend. -- Taler? rief Eleseus schnell -und machte Sivert genau nach. - -Oline meinte, es sei jetzt nicht Zeit zu spaßen, ach, wie war sie -selbst geprellt worden, und sie hatte doch am Sarg des alten Sivert -ihre ganze zähe Willenskraft aufgeboten und Tränen geweint. Eleseus -wußte ja selbst am besten, was er geschrieben hatte: soundso viel -für Oline als Stab und Stütze für ihr Alter. Was war aus diesem Stab -geworden? Übers Knie gelegt und gebrochen. - -Arme Oline, sie hätte wohl eine Kleinigkeit erben dürfen, das wäre der -einzige lichte Punkt in ihrem Leben gewesen! Sie war nicht verwöhnt. -Geübt im Bösen, jawohl, daran gewöhnt, sich von Tag zu Tag mit Kniffen -und kleinen Betrügereien durchzuschlagen, groß allein in der Kunst, -Klatsch zu verbreiten, ihre Zunge gefürchtet zu machen, jawohl. -Nichts hätte sie jetzt noch schlimmer machen können, eine Erbschaft -am allerwenigsten. Sie hatte ihr ganzes Leben lang gearbeitet, -hatte Kinder geboren und ihnen ihre eigenen paar Handfertigkeiten -beigebracht, hatte für sie gebettelt, vielleicht auch gestohlen, -aber sie doch ernährt -- eine Mutter in kleinen Verhältnissen. Ihre -Gaben waren nicht geringer als die Gaben anderer Politiker, sie -wirkte und schaffte für sich und die Ihrigen, richtete sich nach dem -Augenblick und brachte sich durch, verdiente ein Käschen da und eine -Handvoll Wolle dort und würde in alltäglicher und unaufrichtiger -Schlagfertigkeit leben und sterben. Oline -- vielleicht hatte sich der -alte Sivert an die Zeit erinnert, wo er sie noch als jung, rotwangig -und hübsch gekannt hatte. Aber nun war sie alt und häßlich, ein -Bild der Vergänglichkeit, sie sollte lieber tot sein. Wo wird sie -begraben? Sie besitzt kein eigenes Erbbegräbnis, wahrscheinlich wird -sie einmal in irgendeinem Kirchhof bei lauter fremden und unbekannten -Knochenresten unter den Boden gebracht, da wird sie einmal landen. -Oline, geboren und gestorben. Auch sie war einmal jung. Eine Erbschaft -für sie jetzt noch zur elften Stunde! Jawohl, ein einziger lichter -Punkt, und die Hände einer Sklavin der Arbeit würden sich für einen -Augenblick gefaltet haben. Die Gerechtigkeit hätte ihr noch einen -verspäteten Lohn gespendet, weil sie für ihre Kinder gebettelt, -vielleicht auch gestohlen, sie aber jedenfalls ernährt hatte. Für einen -Augenblick -- und wieder hätte Dunkel in ihr geherrscht, die Augen -hätten geschielt, die Hände gesucht und getastet: Wieviel ist es? würde -sie sagen. Was, nicht mehr? würde sie sagen. Und sie hätte wieder -recht. Sie war vielfache Mutter und verstand das Leben einzuschätzen, -das war großen Lohnes wert. - -Alles schlug fehl. Die Rechnungen des alten Sivert waren jetzt, nachdem -Eleseus sie durchgesehen hatte, wohl einigermaßen in Ordnung, aber der -kleine Hof und die Kuh, der Bootsschuppen und das Großnetz deckten nur -knapp den Fehlbetrag in der Kasse. Und daß es überhaupt einigermaßen -so gut ging, wie es ging, das war zum Teil Oline zu verdanken; sie -war sehr versessen darauf, daß ein Rest für sie übrigbleibe, und so -zog sie vergessene Posten, von denen sie als alte Klatschbase wußte, -oder Posten, die der Revisor absichtlich übersehen hatte, um nicht -achtenswerte Dorfgenossen in Schaden zu bringen, ans Licht. Diese -verflixte Oline! Und sie beschuldigte nicht einmal den alten Sivert -selbst; er hatte ja sicherlich aus gutem Herzen testiert und hätte -auch reichlich Geld hinterlassen, jawohl; nein, die beiden Vertreter -der Kreisverwaltung, die die Sache zu ordnen hatten, die hatten sie -geprellt. Aber einst wird auch dies dem Allwissenden zu Ohren kommen! -sagte Oline drohend. - -Merkwürdigerweise sah sie nichts Lächerliches darin, daß sie im -Testamente genannt war; das war trotz allem eine Ehre, niemand sonst -von den Ihrigen stand darin. - -Die Leute auf Sellanraa trugen das Unglück mit Geduld, sie waren ja -auch nicht ganz unvorbereitet. Inger konnte es allerdings nicht recht -fassen: Der Oheim Sivert, der seiner Lebtag so reich gewesen ist! -sagte sie. -- Er hätte als aufrechter und reicher Mann vor den Thron -des Lammes treten können, aber sie haben ihn beraubt! behauptete -Oline. -- Isak war im Begriff, fortzugehen, und Oline sagte: Das ist -sehr dumm, Isak, daß du fort willst, so kriege ich ja die Mähmaschine -nicht zu sehen. Du hast doch eine Mähmaschine, nicht wahr? -- Jawohl. --- Ja, jedermann spricht davon. Und daß sie rascher mäht als hundert -Sensen. Was du dir nicht alles anschaffen kannst, Isak, mit deinem -Geld und deinem Vermögen! Unser Pfarrer hat einen neuen Pflug mit zwei -Pflugscharen, aber was ist der Pfarrer neben dir! Das würde ich ihm -offen ins Gesicht sagen. -- Sivert kann dir mit der Maschine vormähen, -er kann es schon viel besser als ich, sagte Isak und ging fort. - -Isak ging fort. Auf Breidablick ist Versteigerung gerade um die -Mittagsstunde, und er kann eben noch rechtzeitig hinkommen. - -Nicht als ob Isak noch daran dachte, die Ansiedlung zu kaufen, aber das -ist nun die erste Versteigerung in der Gegend, und da will er dabeisein. - -Als er bis nach Maaneland gekommen ist und Barbro da sieht, will er -nur grüßen und weitergehen, aber Barbro redet ihn an und fragt ihn, ob -er dort hinunter wolle? -- Ja, antwortet er und will weitergehen. Es -ist Barbros Kinderheimat, die versteigert wird, deshalb antwortet er -so kurz angebunden. -- Willst du zur Versteigerung? fragt sie. -- Zur -Versteigerung? Na, ich gehe eben einmal hinunter. Wo ist denn Axel? -- -Axel? Ich weiß nicht, wo er ist. Er ist zur Versteigerung gegangen, er -will wohl auch dies oder jenes zu einem Spottpreis ergattern. - -Wie dick doch Barbro war, und wie bissig, ganz rasend! - -Die Versteigerung hat schon angefangen. Isak hört des Lensmanns Aufrufe -und sieht viele Leute. Als er näher kommt, sieht er, daß er nicht alle -kennt; es sind verschiedene Leute von auswärts da, aber Brede treibt -sich in seinem besten Anzug umher und ist lebhaft und gesprächig: -Guten Tag, Isak! So, du erweist mir auch die Ehre und kommst zu meiner -Versteigerung. Ich danke dir! Wir sind viele Jahre lang Nachbarn und -gute Freunde gewesen, und niemals hat es ein böses Wort zwischen uns -gegeben. -- Brede wird ganz gerührt: Es ist ja sonderbar, wenn man sich -vorstellt, daß man einen Ort verlassen soll, für den man gelebt und -gestrebt und den man liebgewonnen hat. Aber was hilft es, wenn es einem -nun einmal so bestimmt ist. -- Vielleicht wird es jetzt für dich viel -besser, tröstet Isak. -- Ja, weißt du, das glaube ich auch, erwiderte -Brede rasch gefaßt. Es ist mir nicht leid, durchaus nicht. Ich habe -hier auf dem Lande keine Seide gesponnen, das wird jetzt besser werden, -die Kinder werden größer und fliegen aus dem Nest -- na, die Frau -sorgt ja wieder für ein Kleines, aber trotzdem! Und plötzlich sagt -Brede klipp und klar: Ich habe den Telegraphen aufgekündigt. -- Was? -fragt Isak. -- Ich habe den Telegraphen aufgekündigt. -- Du hast den -Telegraphen aufgekündigt? -- Ja, zu Neujahr. Was soll ich weiter damit? -Und wenn ich im Verdienen wäre und den Lensmann oder den Pfarrer fahren -müßte, dann hätte immer der Telegraph zu allererst kommen müssen. Nein, -das gibt es nicht. Das kann einer machen, der überflüssige Zeit hat; -die Telegraphenlinie entlang rennen, über Berg und Tal für eine kleine -oder gar keine Bezahlung, das tut der Brede nicht! Und außerdem habe -ich mich mit dem Vorstand, der mein Vorgesetzter ist, verkracht. - -Der Lensmann wiederholt immer noch die Angebote auf die Ansiedlung, -und sie haben nun die wenigen hundert Kronen erreicht, die das Gut -geschätzt wird, deshalb werden jetzt nur noch fünf oder zehn Kronen -mehr auf einmal geboten. Ich glaube wahrhaftig, jetzt bietet der Axel! -sagt Brede plötzlich und eilt neugierig zu ihm hinüber. Willst du -meinen Hof kaufen? Ist dir deiner nicht groß genug? -- Ich biete für -einen andern Mann, erwidert Axel etwas ausweichend. -- Na ja, das -ist mir einerlei, so ist das nicht gemeint. -- Der Lensmann hebt den -Hammer, ein neues Gebot wird gemacht, hundert Kronen mehr auf einmal; -niemand geht höher, der Lensmann nennt das letzte Angebot noch ein -paarmal, wartet eine Weile mit erhobenem Hammer und schlägt dann zu. - -Wer hatte geboten? - -Axel Ström. Für einen andern Mann. - -Der Lensmann schreibt ins Protokoll: Axel Ström pr. Kommission. - -Für wen kaufst du? fragte Brede. Nicht, als ob es mir nicht ganz -einerlei wäre. - -Aber nun stecken einige Herren am Tische des Lensmannes die Köpfe -zusammen. Da sitzt ein Vertreter der Bank, der Kaufmann ist, mit seinem -Ladendiener da, etwas hat sich ereignet, die Forderungen der Gläubiger -sind nicht gedeckt! Brede wird gerufen, leicht und sorglos kommt er -daher und nickt nur, jawohl, ganz derselben Ansicht. Wer hätte auch -denken können, daß der Hof nicht mehr bringen werde, sagte er. Und -plötzlich verkündet er allen Anwesenden mit lauter Stimme: Da wir nun -mit der Versteigerung fertig sind und ich doch einmal den Lensmann -herbemüht habe, so will ich alles verkaufen, was ich hier habe. Den -Wagen, die Tiere, eine Mistgabel, den Schleifstein, das brauche ich -alles nicht mehr, ich verkaufe Rump und Stump. - -Geringe Angebote. Bredes Frau, auch sie leichtfüßig und sorglos, trotz -ihres ungeheuren Umfangs, hat inzwischen begonnen, an einem Tisch -Kaffee zu verkaufen; sie findet diese Beschäftigung unterhaltend, sie -lächelt, und als Brede selbst kommt und Kaffee trinkt, verlangt sie zum -Spaß auch von ihm Bezahlung. Und Brede zieht wirklich seinen mageren -Beutel und bezahlt. Seht doch nur die Frau an! sagt er zu der ganzen -Versammlung. Sie versteht's! sagt er. - -Der Wagen ist nicht viel wert, er hat zu oft unter freiem Himmel -gestanden; aber Axel bietet schließlich noch ganze fünf Kronen mehr -und ersteht auch den Wagen. Dann kauft Axel nichts mehr. Aber alles -verwundert sich, daß der vorsichtige Mann so viel gekauft hat. - -Nun ging's an die Tiere. Sie standen heute im Stall, um in der Nähe zu -sein. Was sollte Brede mit Tieren, wenn er kein Weideland mehr dafür -hatte! Kühe hatte er gar nicht, er hatte seine Landwirtschaft mit zwei -Geißen begonnen, jetzt hatte er vier. Außerdem hatte er sechs Schafe. -Ein Pferd besaß er nicht. - -Isak kaufte ein gewisses Schaf mit flachen Ohren. Als Bredes Kinder -dieses Schaf aus dem Stall herausführten, bot er sofort darauf; das -erregte Aufmerksamkeit; Isak von Sellanraa war ja ein reicher und -angesehener Mann, der brauchte doch nicht noch mehr Schafe, als er -schon hatte. Bredes Frau hält einen Augenblick mit ihrem Kaffeeverkauf -inne und sagt: Zu diesem Schaf kann man dir nur zureden, Isak; es ist -zwar alt, aber es wirft jedes Jahr zwei oder drei Lämmer. -- Ja, das -weiß ich, erwidert Isak und sieht sie voll an. Ich kenne das Schaf. - -Er macht sich mit Axel Ström zusammen auf den Heimweg und führt sein -Schaf am Strick. Axel ist schweigsam, und irgend etwas scheint ihn zu -wurmen, was es nun auch sein mag. Aber er hat doch eigentlich keine -äußere Ursache, niedergeschlagen zu sein, denkt Isak. Seine Wirtschaft -ist in gutem Stande, er hat das meiste Futter schon hereingebracht, und -er ist eben dabei, sein Wohnhaus aufzurichten. Es geht bei Axel Ström, -wie es gehen soll, ein wenig langsam, aber sicher. Jetzt hat er sich -auch ein Pferd angeschafft. - -Du hast Bredes Hof gekauft, sagt Isak. Willst du ihn bewirtschaften? -- -Nein, ich will ihn nicht bewirtschaften. Ich habe ihn für einen andern -gekauft. -- So. -- Was meinst du, habe ich zuviel bezahlt? -- O nein. -Er hat gute Moore, wenn sie entwässert werden. -- Ich habe den Hof für -meinen Bruder in Helgeland gekauft. -- So. -- Aber ich habe so halb und -halb daran gedacht, mit ihm zu tauschen. -- Du willst mit ihm tauschen? --- Wenn Barbro lieber da unten wohnen möchte. - -Schweigend gehen sie ein gutes Stück. Dann sagt Axel: Man ist -sehr hinter mir her, ich soll den Telegraphen übernehmen. -- Den -Telegraphen? So. Ja, ich habe gehört, der Brede habe ihn aufgekündigt. --- So, antwortet Axel lächelnd; das ist nicht ganz genau so gewesen, -ihm, dem Brede, ist aufgekündigt worden. -- Ja, ja, sagte Isak und -versuchte Brede ein wenig zu entschuldigen; der Telegraph nimmt viel -Zeit weg. -- Sie haben ihm zu Neujahr gekündigt, wenn er sich nicht -bessere. -- So. -- Meinst du nicht, ich könnte den Posten übernehmen? --- Isak dachte lange nach und antwortete dann: Ja, ja, das bringt Geld. --- Sie wollen mir mehr geben. -- Wieviel? -- Das Doppelte. -- Das -Doppelte? Ja, dann meine ich, du könntest es dir überlegen. -- Aber die -Strecke ist etwas länger geworden. Nein, ich weiß doch nicht, was ich -tun soll; es läßt sich jedoch jetzt weniger aus dem Wald herausschlagen -als zu deiner Zeit, und ich muß mir noch mehr Geräte anschaffen, ich -habe jetzt zu wenig. An bar Geld fehlt es immer, und mein Viehstand ist -nicht so groß, daß ich davon verkaufen könnte. Ich meine, ich sollte -es einmal ein Jahr mit dem Telegraphen versuchen ... Keinem der beiden -fiel es ein, daß Brede sich bessern und seinen Posten behalten könnte. - -Als sie nach Maaneland kamen, ist auch Oline auf ihrem Heimweg dort -angelangt, ja, Oline ist merkwürdig, sie kriecht fett und rund daher -wie eine Raupe und ist doch über siebzig Jahre, aber sie kommt weiter. -Sie sitzt in der Gamme und trinkt Kaffee, aber als sie die Männer -gewahr wird, läßt sie alles liegen und stehen und kommt heraus. Guten -Tag, Axel, zurück von der Versteigerung? fragt sie. Du hast doch nichts -dagegen, daß ich Barbro einen Besuch mache? Und du baust ein Wohnhaus -und wirst ein immer größerer Herr? Du hast ein Schaf gekauft, Isak? --- Ja, erwidert Isak, kommt es dir nicht bekannt vor? -- Ob es mir -bekannt vorkommt? Nein. -- Es hat aber doch diese flachen Ohren, sieh -nur. -- Flache Ohren, wieso denn? Und wenn auch? Ja, was ich sagen -wollte: Wer hat denn Bredes Hof gekauft? Eben habe ich zu der Barbro -gesagt, wer wohl ihr Nachbar werden würde, habe ich gesagt. Die arme -Barbro sitzt nur da und weint, wie nicht anders zu erwarten ist. Aber -der Allmächtige hat ihr eine zweite Heimat hier auf Maaneland beschert. -Flache Ohren? Ich habe in meinem Leben schon viele Schafe mit flachen -Ohren gesehen. Und das ist wahr, Isak, diese Maschine, die du hast, ist -fast mehr als meine alten Augen fassen können. Und was sie gekostet -hat, danach will ich lieber gar nicht fragen, so hoch kann ich gar -nicht zählen. Wenn du sie gesehen hast, Axel, dann weißt du, was ich -meine, es war mir, als sähe ich Elias in seinem feurigen Wagen; Gott -verzeih mir die Sünde ... - -Als das Heu unter Dach war, fing Eleseus an, sich zur Abreise zu -rüsten. Er hatte dem Ingenieur geschrieben, er komme jetzt wieder, aber -darauf die sonderbare Antwort erhalten, daß die Zeiten schlecht seien, -man müsse sich einschränken, der Ingenieur könne den Posten nicht mehr -besetzen und müsse von nun an alles selbst schreiben. - -Das war doch eine verfluchte Sache! Aber wozu brauchte auch dieser -Bezirksingenieur einen Schreiber? Damals, als er den kleinen Jungen -Eleseus von seinem Elternhaus wegnahm, wollte er sich wohl nur als -großer Mann in der Gegend zeigen, und wenn er ihn bis über die -Konfirmation genährt und gekleidet hatte, so hatte er auch ein wenig -Hilfe auf dem Büro dafür gehabt. Jetzt war der Junge erwachsen, nun war -es eine andere Sache. - -Aber, schrieb der Ingenieur, wenn Du zurückkommst, so will ich tun, was -ich kann, um Dich auf einem anderen Büro unterzubringen, obgleich es -wahrscheinlich schwierig sein wird. Es gibt so überflüssig viele junge -Leute hier, die diese Laufbahn einschlagen. Freundliche Grüße. - -Gewiß wollte Eleseus zurück in die Stadt, ja, ganz zweifellos. Sollte -er sich wegwerfen? Er wollte doch weiterkommen in der Welt. Und Eleseus -sagte den Seinigen nichts von der veränderten Sachlage; das führte -doch zu nichts, und außerdem war er etwas schlapp, also schwieg er. -Das Leben auf Sellanraa wirkte wieder auf ihn, es war ein ruhmloses -und alltägliches Dasein, es war ruhig und einschläfernd, man wurde ein -Träumer, da war niemand, vor dem er sich hätte aufspielen, niemand, -mit dem er sich hätte messen können. Das Stadtleben hatte sein Wesen -gespalten, hatte ihn vornehmer gemacht als die andern, aber auch -schwächer, er fühlte sich jetzt eigentlich überall heimatlos. Daß er -wieder anfing, den Geruch des Rainfarn angenehm zu finden -- nun gut! -Aber es hatte doch keinen Sinn, wenn ein Bauernjunge, der abends seine -Mutter die Kühe melken hörte, dabei auf folgenden Gedanken kam: Jetzt -wird gemolken, hör doch nur, es ist beinahe wunderbar anzuhören, es -ist wie eine Art Lied, in lauter einzelnen Strahlen, ganz anders als -die Hornmusik in der Stadt oder die Heilsarmee oder die Pfeife des -Dampfschiffs. Der Milchstrahl, der in ein Gefäß rinnt ... - -Es war nicht Brauch auf Sellanraa, seine Gefühle sehr zu zeigen, und -Eleseus fürchtete sich vor dem Augenblick des Abschieds. Er war jetzt -gut ausgestattet, er sollte wieder einen Ballen Leinwand zu Unterzeug -mitbekommen, und der Vater hatte Geld bereitgelegt, das Eleseus -eingehändigt werden sollte, wenn er die Schwelle überschritt. Geld -- -konnte Isak wirklich Geld entbehren? Aber es ging nicht anders, Inger -deutete ja an, daß es zum letztenmal sei. Eleseus werde bald aufrücken -und für sich selbst sorgen. -- So, sagte Isak. -- Die Stimmung wurde -feierlich, im Hause wurde es still, alle hatten zum Abschiedsessen ein -gekochtes Ei bekommen, und Sivert stand schon draußen, fertig gerüstet, -mitzugehen und das Gepäck zu tragen. Eleseus konnte mit dem Abschied -anfangen. - -Er fing bei Leopoldine an. Ja, sie sagte ihm auch Lebewohl und machte -das recht nett. Ebenso wiederholte die Magd Jensine, die eben Wolle -kardätschte, den Abschiedsgruß. Aber beide Mädchen glotzten ihn ganz -verflucht an, nur weil er vielleicht ein klein wenig rote Augen hatte. -Er reichte seiner Mutter die Hand, und sie weinte natürlich laut auf -und kümmerte sich den Henker darum, daß er das Weinen nicht leiden -konnte. Laß dir's gut gehen! schluchzte sie. Der Abschied vom Vater war -der schlimmste, unbedingt, aus tausend Gründen: er war so abgearbeitet -und so unendlich getreu, hatte die Kinder auf den Armen getragen, ihnen -von Möwen und anderen Vögeln erzählt und von Tieren und allen Wundern -des Feldes. Das war gar nicht lange her, ein paar Jahre ... - -Der Vater steht am Fenster, dann dreht er sich plötzlich um, ergreift -die Hand des Sohnes und sagt laut und ärgerlich: Ja, ja, leb wohl! -Ich sehe, das neue Pferd hat sich dort losgerissen! Und hinaus -läuft er und rennt davon. Ach, und er hatte sich ja selbst kurz -vorher hingeschlichen und das Pferd losgebunden, und das wußte der -Spitzbube Sivert recht gut, der draußen stand und dem Vater lächelnd -nachschaute. Und außerdem war ja das Pferd auf der Nachmahd. - -Dann war Eleseus fertig. - -Doch da kam ihm die Mutter auf die Türschwelle nach, schluchzte noch -mehr und sagte: Gott sei mit dir! und drückte ihm etwas in die Hand. -Dies hier -- und du sollst ihm nicht danken, das mag er nicht. Und -schreib auch fleißig! - -Zweihundert Kronen. - -Eleseus sah hinüber. Der Vater strengte sich ungeheuer an, einen -Tüderpflock in die Erde zu rammen, was ihm anscheinend gar nicht -gelingen wollte, obgleich es doch weicher Wiesengrund war. - -Die Brüder schritten fleißig aus, sie kamen nach Maaneland, da stand -Barbro auf der Schwelle und lud sie ins Haus ein. Gehst du wieder fort, -Eleseus? Dann mußt du aber hereinkommen und wenigstens eine Tasse -Kaffee trinken. - -Sie gehen in die Gamme, und Eleseus ist nicht mehr verrückt vor -Liebe und will zum Fenster hinausspringen oder Gift nehmen, nein, er -legt seinen hellen Überrock über die Knie und sorgt dafür, daß das -silberne Schild obenhin zu liegen kommt, danach fährt er sich mit dem -Taschentuch übers Haar, und dann macht er die sehr feine Bemerkung: Ein -klassisches Wetter heute! - -Barbro hat auch nicht die Fassung verloren, sie spielt mit ihrem -silbernen Ring an der einen Hand und mit dem goldenen an der andern --- ja, sie hatte wahrhaftig jetzt auch den goldenen Ring bekommen --, -und sie hat eine Schürze an, die vom Hals bis zu den Füßen geht, so -sieht man ihr wenigstens ihre Rundlichkeit nicht an. Und nachdem sie -den Kaffee gekocht hat und während die Gäste ihn trinken, näht sie erst -ein bißchen an einem weißen Tuch und häkelt dann ein bißchen an einem -Kragen und betreibt allerlei jungfrauenhafte Arbeiten. Barbro ist nicht -in Verlegenheit über den Besuch, und das ist gut, dadurch wird der Ton -natürlich, und Eleseus kann wieder so obenhin und einnehmend tun. - -Wo ist denn Axel? fragt Sivert. - -Wo er ist? Irgendwo, antwortet Barbro und richtet sich auf. Ja, jetzt -kommst du wohl nie wieder heim aufs Land? fragt sie Eleseus. -- Das -ist höchst unwahrscheinlich, erwidert er. -- Hier ist nicht der rechte -Ort für jemand, der an die Stadt gewöhnt ist. Ich wäre froh, wenn ich -mit dir reisen könnte. -- Ach, das ist dir nicht Ernst. -- Nicht, -meinst du? Oh, ich habe es erfahren, wie es ist, wenn man in der -Stadt wohnt, und wie es auf dem Lande ist. Ich bin in einer größeren -Stadt gewesen als du. Da ist es kein Wunder, wenn es mir hier nicht -gefällt. -- Gewiß, so habe ich es nicht gemeint, du bist ja sogar in -Bergen gewesen, beeilte er sich zu sagen. Es war ja schrecklich, wie -hochfahrend sie war! -- Ja, wenn ich die Zeitung nicht hätte, so liefe -ich sofort davon, sagte Barbro. -- Aber der Axel und alles miteinander, -das habe ich gemeint. -- Ach, der Axel, das ginge mich nichts an. -Und du selbst, hast du nicht vielleicht jemand in der Stadt, der auf -dich wartet? -- Nun konnte Eleseus nicht anders, er mußte sich ein -wenig aufspielen, er kniff die Augen zu und ließ es auf der Zunge -zerschmelzen: daß er allerdings doch vielleicht jemand in der Stadt -habe, der auf ihn warte. Ach ja, aber er hätte das alles noch ganz -anders ausnützen können, wenn Sivert nicht dabeigesessen hätte; so -konnte er nur sagen: Ach, Unsinn! -- Na, sagte sie verletzt, und es war -eigentlich eine Schande, wie übellaunig sie war: Unsinn! Ja, du kannst -von den Leuten auf Maaneland nicht mehr erwarten, wir sind nicht so -großartig. - -Aber Eleseus kümmerte sich den Henker um sie, sie war recht fleckig im -Gesicht geworden, und ihr Zustand war jetzt sogar seinen Kinderaugen -aufgegangen. -- Willst du nicht ein wenig Gitarre spielen? fragte er. --- Nein, erwiderte sie kurz angebunden. Was ich sagen wollte, Sivert, -kannst du nicht kommen und Axel ein paar Tage beim Aufrichten des neuen -Hauses helfen? Wie wär's, wenn du gleich morgen dabliebst, wenn du -vom Dorf zurückkommst? -- Sivert überlegte: Ja, aber ich habe keinen -Arbeitsanzug da, sagte er. -- Ich will heut abend hinlaufen und deine -Werktagskleider holen, daß du sie hast, wenn du zurückkommst. -- Na ja, -sagte Sivert, ich will mir's überlegen. -- Barbro wurde unnötig eifrig. -Du mußt es aber gern tun! Der Sommer vergeht, und das Wohnhaus sollte -noch vor den Herbsttagen aufgerichtet und gedeckt sein. Axel hat dich -schon oft darum bitten wollen, aber er kommt immer nicht dazu. Nein, du -mußt uns diese Handreichung gern tun. -- Wenn ich etwas helfen kann, -dann tu ich es auch gern, erwiderte Sivert. - -Das war also abgemacht. - -Aber nun ist Eleseus wirklich berechtigt, sich beleidigt zu fühlen. -Er sieht ja ein, daß es von Barbro recht klug ist, wenn sie um ihrer -selbst und um Axels willen darauf aus ist, Hilfe für den Hausbau -zu bekommen; aber sie tut das zu offenkundig. Sie ist noch nicht -die Hausfrau auf dem Hofe, und es ist noch keine Ewigkeit her, seit -er selbst sie geküßt hat, dieses Frauenzimmer! Hatte sie denn gar -keine Scham im Leibe? -- Doch, sagt er darum plötzlich, ich werde -wiederkommen und bei dir Gevatter stehen. -- Barbro warf ihm einen -Blick zu und sagte ärgerlich: Gevatter? Und du willst von Unsinn -sprechen! Außerdem werde ich dir Nachricht schicken, wenn ich einmal -um einen Gevatter verlegen sein sollte. -- Was konnte Eleseus anderes -tun, als beschämt lächeln und sich weit weg wünschen! -- Besten Dank -für den Kaffee, sagte Sivert. -- Ja, Dank für den Kaffee, sagte auch -Eleseus, aber er stand nicht auf und verbeugte sich auch nicht, nein, -zum Henker; sie schwoll ja vor Gift und Galle! - -Laß doch einmal sehen, sagte Barbro. Ja, die Kontorherren, bei denen -ich war, die hatten auch silberne Schildchen in den Röcken, noch viel -größere, sagte sie. Nun, also du kommst zurück und bleibst hier über -Nacht, Sivert? Ich hole deine Kleider. - -Das war der Abschied. - -Die Brüder gingen weiter, Eleseus hatte zwei große Banknoten in der -Brusttasche, und die Barbro konnte seinetwegen der Kuckuck holen. Die -Brüder hüteten sich wohl, auf irgendeinen rührenden Gesprächsstoff zu -kommen, auf des Vaters sonderbaren Abschied und der Mutter Tränen, sie -machten einen Umweg um Breidablick herum, um dort nicht angehalten zu -werden, und führten scherzhafte Reden über diesen Streich. Als sie so -weit hinuntergekommen waren, daß sie das Dorf sehen konnten, wo Sivert -umdrehen sollte, übermannte es sie beide doch ein wenig. Sivert sagte: -Es kann wohl sein, daß es jetzt ohne dich ein wenig einförmig wird. --- Da fing Eleseus an zu pfeifen und seine Schuhe zu untersuchen, und -er sah, daß er einen Spreißel im Finger hatte, und suchte in seinen -Taschen -- nach Papieren, sagte er --, oh, wie schlau! Aber es wäre -dennoch schlimm gegangen, wenn nicht Sivert sie beide gerettet hätte: -Den Letzten! rief er, gab dem Bruder einen Schlag auf den Rücken und -lief davon. Das half, sie riefen einander noch einige Abschiedsworte -zu, und dann zog jeder seines Weges. - -Schicksal oder Glückszufall! Eleseus kehrte trotz allem in die Stadt -zurück auf einen Posten, den er nicht mehr innehatte, aber durch -dieselbe besondere Fügung bekam Axel Ström einen Arbeiter. Am 21. -August fingen sie an das Blockhaus aufzurichten, und zehn Tage später -war es unter Dach. Ach, es war kein großartiges Wohnhaus und nur -ein paar Balkenlagen hoch, aber es war doch ein Blockhaus und keine -Erdhütte, und das Vieh konnte nun in dem Raum, der seither menschliche -Wohnung gewesen war, einen herrlichen Winterstall bekommen. - - - - -2 - - -Am dritten September verschwand Barbro, das heißt, ganz verschwand -sie nicht, sie war nur bei den Gebäuden nirgend zu finden. Axel -schreinerte, so gut er konnte, er war dabei, ein Fenster und eine Tür -in den Neubau einzusetzen, und war sehr in seine Arbeit vertieft. -Als aber die Mittagszeit vorbei war und man ihn immer noch nicht -hineinrief, ging er in die Gamme. Niemand war da. Er suchte sich selbst -etwas Essen zusammen und schaute sich um, während er aß; Barbros -Kleider hingen alle da, sie konnte also nur draußen irgendwo sein. Er -ging wieder an seine Arbeit im Neubau und schaffte dort eine Weile, -dann schaute er wieder in die Gamme -- noch immer niemand da. Sie mußte -irgendwo liegengeblieben sein. - -Barbro! ruft er. Nichts. Er sucht in der Umgebung der Häuser, geht -hinüber zu einigen Gebüschen bei den Feldern, er sucht lange, -vielleicht eine Stunde, er ruft -- nichts! Endlich findet er sie weit -entfernt; sie liegt auf der Erde hinter Gebüsch versteckt, der Bach -läuft an ihren Füßen vorbei, sie ist barhäuptig und barfuß, und sie ist -bis in den Rücken hinauf tropfnaß. - -Hier liegst du? sagt er. Warum hast du keine Antwort gegeben? -- Ich -konnte nicht, flüsterte sie und war stockheiser. -- Was -- hast du -denn im Wasser gelegen? -- Ja, ich bin ausgeglitten. Oh! -- Ist dir -schlecht? -- Ja. Es ist vorbei. -- Ist es vorbei? fragt er. -- Ja. -Jetzt mußt du mir helfen, daß ich nach Hause komme. -- Wo ist --? -- -Was? -- Wo ist das Kind? -- Es war tot. -- War es tot? -- Ja. - -Axel rührt sich nicht, er bleibt stehen. Wo ist es? fragt er. - -Das brauchst du nicht zu wissen, erwidert sie. Hilf mir nach Hause. Es -war tot. Ich kann selbst gehen, wenn du mich nur ein wenig unter dem -Arme faßt. - -Axel trägt sie nach Haus und setzt sie auf einen Stuhl, das Wasser -läuft an ihr herab. -- Ist es tot gewesen? fragt er. -- Du hörst es ja, -erwidert sie. -- Wo hast du es? -- Du willst es wohl ausschnüffeln? -Hast du etwas zu essen gefunden, während ich fort war? -- Was wolltest -du denn dort am Bach? -- Was ich am Bach wollte? Ich wollte Wacholder -holen. -- Wacholder? -- Für die Milcheimer. -- Dort wächst doch kein -Wacholder, sagt er. -- So geh doch an deine Arbeit! ruft sie heiser und -ungeduldig. Was ich am Bach wollte? Ich wollte mir Besenreis holen. -Ob du gegessen hast? frag ich. -- Gegessen? wiederholte er. Ist es -dir sehr schlecht? -- Ach nein! -- Ich will den Doktor holen. -- Ja, -untersteh dich! erwidert sie. Damit steht sie auf und fängt an, sich -trockene Kleider zum Umziehen herbeizuholen. Weißt du sonst gar nicht, -wie du dein Geld wegwerfen sollst? - -Axel geht wieder an seine Arbeit, verrichtet indes nicht viel; aber -er klopft ein wenig und hobelt ein wenig, damit ihn Barbro hört; -schließlich keilt er das Fenster ein und dichtet es mit Moos. - -Am Abend hat Barbro nicht viel Hunger, aber sie arbeitet hier ein wenig -und dort ein wenig, sie geht in den Stall und melkt und steigt nur -etwas vorsichtiger als sonst über die hohen Schwellen. Wie gewöhnlich, -legte sie sich im Heustall schlafen, und die beiden Male, die Axel -während der Nacht nach ihr schaute, schlief sie fest. Sie hatte eine -gute Nacht. - -Am nächsten Morgen war Barbro beinahe wie sonst, nur gänzlich stimmlos -vor Heiserkeit, und sie hatte sich einen langen Strumpf um den Hals -gewickelt. Sie konnten nichts miteinander reden. Die Tage vergingen, -und das Ereignis wurde alt, andere Dinge traten in den Vordergrund. -Der Neubau sollte eigentlich leer stehen, daß die Balken sich setzen -konnten, damit das Haus dicht und zugfrei werde, aber es blieb keine -Zeit, das abzuwarten, es mußte sofort beziehbar gemacht und der Stall -eingerichtet werden. Nachdem dies geschehen und der Umzug vollendet -war, wurden die Kartoffeln herausgenommen und nachher das Korn -geschnitten. Das Leben lief im gewohnten Geleise. - -Aber an vielen kleinen und großen Dingen merkte Axel, daß ihre -Beziehungen lockerer geworden waren, Barbro fühlte sich in Maaneland -jetzt nicht mehr zu Hause und auch nicht mehr gebunden als jedes andere -Dienstmädchen. Das Band zwischen ihnen hatte sich gelockert, als das -Kind starb. Axel hatte immer so großartig gedacht: Warte nur, bis das -Kind da ist! Aber das Kind kam und ging wieder. Zuletzt legte Barbro -auch noch die Fingerringe ab und trug keinen mehr davon. -- Was soll -das bedeuten? fragte er. -- Was das bedeuten soll? sagte sie und warf -den Kopf zurück. - -Aber das konnte doch nichts anderes als Arglist und Verrat von ihrer -Seite sein. - -Jetzt hatte er die kleine Leiche am Ufer des Baches gefunden. Nicht -als ob er weiter danach gesucht hätte, er wußte ja beinahe genau das -Plätzchen, wo sie liegen mußte, aber er ließ es träge auf sich beruhen. -Der Zufall wollte, daß er es nicht ganz vergaß: Vögel fingen an, über -dieser Stätte zu kreisen, schreiende Elstern und Raben und eine Weile -später auch ein Adlerpaar in schwindelnder Höhe. Es war gerade, als ob -zuerst eine einzelne Elster gesehen hätte, daß hier etwas niedergelegt -worden war, und als ob sie dann auch gerade wie ein Mensch nicht -darüber hätte schweigen können, sondern hätte darüber schwatzen müssen. -Dadurch wurde auch Axel aus seiner Gleichgültigkeit geweckt, und er -wartete einen passenden Augenblick ab, sich hinzuschleichen. Er fand -die Leiche unter Moos und Zweigen und ein paar Steinplatten in ein -Tuch, einen großen Lappen, gewickelt. Mit einer Mischung von Neugier -und Grausen öffnete er das Bündel ein wenig -- geschlossene Augen, -dunkle Haare, ein Junge, gekreuzte Beine, mehr sah er nicht. Der Lappen -war naß gewesen und war halb getrocknet, das Ganze sah aus wie ein halb -ausgewundenes Bündel von Wäsche. - -Axel konnte die Leiche nicht so offen liegenlassen, im Innersten -hatte er wohl auch Angst für sich selbst und für sein Haus; er lief -heim, holte einen Spaten und machte das Grab tiefer; aber da es so -nah am Bach war, sickerte das Wasser herein, und er mußte weiter oben -am Hügel ein neues Grab schaufeln. Währenddem schwand seine Furcht, -Barbro könnte kommen und ihn hier finden, er wurde trotzig und dachte, -seinetwegen könne sie wohl kommen, ja, dann könnte sie, bitte, die -kleine Leiche nett und ordentlich einhüllen, ob das Kind nun totgeboren -war oder nicht. Er sah sehr wohl ein, was er mit dem Tode dieses Kindes -verloren, daß er nun alle Aussicht hatte, in seinem Neubau ohne Hilfe -zu sitzen, und zwar gerade jetzt, wo sein Viehstand mehr als dreimal -so groß war wie vorher. Bitte schön, es wäre gar nicht zu viel, wenn -sie käme! Aber Barbro -- es kann gut sein, daß sie entdeckt hatte, -womit er beschäftigt war, jedenfalls kam sie nicht, er mußte selbst die -kleine Leiche einhüllen, so gut er konnte, und sie in das neue Grab -legen. Dann breitete er schließlich die Rasenstücke wieder darüber und -verwischte jede Spur; nun war nichts weiter zu sehen als ein kleiner -grüner Hügel im Gebüsch. - -Als er heimkehrte, traf er Barbro im Hofe. Wo bist du gewesen? fragte -sie. -- Die Bitterkeit in seinem Herzen hatte sich wohl verloren, denn -er antwortete: Nirgends. Wo bist denn du gewesen? Aber Barbro las wohl -eine Warnung aus seinem Gesichtsausdruck, sie ging ins Haus, ohne noch -ein Wort zu sagen. - -Axel ging ihr nach. - -Was soll denn das bedeuten, daß du deine Fingerringe nicht mehr trägst? -fragte er geradezu. -- Vielleicht fand sie es am ratsamsten, ein klein -wenig nachzugeben, sie lachte und sagte: Du bist so grimmig, daß ich -lachen muß. Wenn du aber willst, daß ich die Ringe zuschanden arbeite, -wenn ich sie werktags trage, so kann ich es ja tun! Damit suchte sie -sie hervor und steckte sie an. - -Aber nun sah sie wohl, daß sein Gesicht einen dumm-zufriedenen Ausdruck -annahm, und sie fragte dreist: Hast du noch mehr an mir auszusetzen? -- -Ich habe nichts an dir auszusetzen, erwiderte er. Du sollst nur wieder -sein, wie du früher gewesen bist, ganz zu Anfang, als du herkamst. -Das meine ich. -- Es ist nicht so leicht, immer gleich zu sein, sagte -sie. -- Er fuhr fort: Daß ich deines Vaters Gut kaufte, geschah nur -deshalb, daß wir dorthin ziehen könnten, wenn du lieber dort wohnen -möchtest. Was meinst du dazu? -- Ho, nun hatte er verspielt, oh, er -hatte nur Angst, er könnte seine weibliche Hilfe verlieren und mit -seinem Viehstand und seinem Haushalt allein bleiben, das merkte sie -gut. -- Das hast du schon einmal gesagt, erwiderte sie abweisend. -- -Jawohl, aber ich habe keine Antwort erhalten. -- Antwort? sagte sie. -Ich ertrage es nicht, das noch einmal zu hören. - -Axel meinte, er sei ihr weit entgegengekommen. Er hatte die Familie -Brede weiter auf Breidablick wohnen lassen, und obgleich er den -kleinen Ertrag mit dem Gut gekauft hatte, so hatte er doch nur einige -Fuhren Heu eingeführt und die Kartoffeln der Familie überlassen. Es war -eine große Ungereimtheit von Barbro, jetzt böse zu werden, aber ihr war -das ganz einerlei; sie fragte, als ob sie tief gekränkt wäre: Sollten -wir nach Breidablick ziehen und meine ganze Familie obdachlos machen? - -Hörte er denn recht? Mit offenem Mund saß er da, dann fing er an zu -schlucken, als bereite er sich zu einer langen Antwort vor, aber es -wurde nichts daraus, und er fragte nur: Ziehen sie denn nicht ins Dorf? --- Das weiß ich nicht, erwiderte sie. Hast du ihnen vielleicht dort -eine Wohnung gemietet? - -Axel wollte nicht weiter mit ihr rechten, aber er konnte doch nicht -ganz verschweigen, daß sie ihn einigermaßen in Verwunderung gesetzt -habe, und so sagte er: Du wirst immer halsstarriger und verstockter, -aber du meinst es nicht so. -- Ich meine alles, was ich sage, -entgegnete sie. Und nun sag mir einmal, warum konnten meine Leute nicht -lieber hierher ziehen? Dann hätte ich doch etwas Hilfe von meiner -Mutter gehabt. Aber du meinst ja, ich hätte nicht so viel zu tun, daß -ich Hilfe brauche. - -Sie hatte damit natürlich einigermaßen recht, aber auch sehr viel -unrecht: Die Familie Brede hätte ja dann in der Gamme wohnen müssen, -und Axel hätte wieder nicht gewußt, wohin mit seinem Vieh. Wo wollte -sie denn hinaus, fehlte ihr denn aller Sinn und Verstand? -- Ich will -dir etwas sagen, es ist besser, du bekommst eine Magd. -- Jetzt im -Winter, wo es nicht mehr so viel zu tun gibt? Nein, ich danke. Damals, -als ich eine brauchte, da hätte ich eine bekommen sollen, jawohl. - -Wieder hatte sie einigermaßen recht: sie hätte eine Magd haben müssen, -als sie nicht wohl und in gesegneten Umständen war. Aber Barbro war ja -niemals mit ihrer Arbeit im Rückstand geblieben, sie war eigentlich -jetzt ebenso flink und tüchtig, tat alles, was geschehen mußte, und -ließ niemals ein Wort von einer Magd verlauten. Aber sie hätte eine -haben sollen. Ja, dann verstehe ich es nicht, sagte er mutlos. - -Schweigen. - -Dann fragte Barbro: Ich habe sagen hören, du wollest den Telegraphen -übernehmen, den mein Vater hat? -- Wieso, wer hat das gesagt? -- Es -geht das Gerede. -- Ja, es ist nicht unmöglich, erklärte Axel. -- So. --- Warum fragst du? -- Ich frage, weil du meinem Vater Haus und Hof -abgenommen hast und ihm nun auch noch seinen Lebensunterhalt nehmen -willst. - -Schweigen. - -Aber nun wollte sich Axel doch nicht noch mehr gefallen lassen, und er -rief: Ich will dir etwas sagen, du bist das gar nicht wert, was ich für -dich und die Deinen tue. - -So, sagte Barbro. - -Nein! rief er und schlug mit der Faust auf den Tisch. Dann stand er auf. - -Du brauchst nicht zu meinen, daß du mir Angst machen kannst, piepste -sie mit schwacher Stimme und drückte sich näher an die Wand. - -Dir Angst machen! machte er ihr nach und blies verächtlich. Aber jetzt -ist es Ernst, und ich will wissen, wie es mit dem Kind gewesen ist. -Hast du es ertränkt? - -Ertränkt? - -Ja, es ist doch im Wasser gewesen. - -So, du hast das gesehen? sagte sie. Du hast wohl -- daran gerochen, -hätte sie beinahe gesagt, wagte es aber nicht, denn es war vielleicht -jetzt gerade nicht mit ihm zu spaßen. Du hast es also gesehen? - -Ich habe gesehen, daß es im Wasser gelegen hat. - -Ach, das hast du wohl sehen dürfen, versetzte sie. Es wurde im Wasser -geboren, ich glitt aus und konnte nicht mehr aufstehen. - -So, du bist ausgeglitten? - -Ja, und in demselben Augenblick kam auch das Kind. - -So, sagte er. Aber du hast doch einen Lappen mitgenommen. Hast du -geahnt, daß du ausgleiten würdest? - -Einen Lappen mitgenommen? wiederholte sie. - -Einen großen weißen Lappen, eines von meinen Hemden, das du quer -abgeschnitten hattest. - -Jawohl, den Lappen habe ich mitgenommen, um Wacholder drin nach Hause -zu tragen, sagte Barbro. - -Wacholder? - -Ja, Wacholder. Habe ich dir nicht gesagt, daß ich Wacholder holen -wollte? - -Ja, oder Besenreis. - -Ach, das ist doch einerlei, was es war ... - -Allein trotz dieses starken Zusammenstoßes wurde es wieder gut zwischen -den beiden, das heißt, es wurde nicht mehr gut, aber erträglich; Barbro -war klug und zeigte sich nachgiebiger, sie witterte Gefahr. Aber unter -diesen Verhältnissen wurde ja das Leben auf Maaneland immer gezwungener -und unerträglicher, ohne Vertrauen, ohne Freude, immer auf der Hut. -Es ging immer nur einen Tag um den andern, aber solange es überhaupt -ging, mußte Axel zufrieden sein. Er hatte nun einmal dieses Mädchen zu -sich genommen, er brauchte es, war ihr Liebster gewesen, hatte sich an -sie gebunden, es war keine leichte Sache, sich und sein ganzes Leben -zu ändern. Barbro wußte alles, was mit dem Neubau zusammenhing, wo -Hab und Gut aufbewahrt war, wann die Kühe und Geißen werfen würden, -ob das Winterfutter kärglich oder reichlich war, welche Milch zu -Käsen bestimmt war und welche im Haushalt verbraucht werden durfte -- -eine Fremde wurde von nichts eine Ahnung haben, und eine Fremde war -vielleicht gar nicht aufzutreiben. - -Ach, aber oft schon hatte Axel doch daran gedacht, Barbro -fortzuschicken und ein anderes Mädchen dafür zu nehmen; sie war -zuweilen ein wahrer Zankapfel, und er fürchtete sich beinahe vor ihr. -Selbst zu der Zeit, in der er das Unglück gehabt hatte, Glück bei -ihr zu haben, war er bisweilen vor ihrer merkwürdig grimmigen und -unliebenswürdigen Art zurückgewichen. Allein sie war schön und hatte -auch ihre süßen Stunden und begrub ihn gut in ihren Umarmungen. Doch -das war einmal, jetzt hatte es aufgehört. Nein, danke schön, diese -elende Geschichte wollte sie nicht noch einmal durchmachen! Aber es ist -nicht so leicht, sich und sein ganzes Leben umzuformen. Dann wollen wir -sofort heiraten, sagte Axel dringend. -- Sofort? erwiderte sie. Nein, -ich fahre zuerst in die Stadt und lasse meine Zähne herrichten. Ich -habe sie ja vor lauter Zahnweh beinahe alle verloren. - -Da mußte es nun eben weitergehen wie seither; Barbro bekam keinen -bestimmten Lohn mehr, aber sie bekam viel mehr als ihren Lohn, und -sooft sie Geld begehrte und es auch erhielt, dankte sie dafür, als ob -es ein Geschenk wäre. Übrigens begriff Axel nicht, wozu sie das Geld -brauchte; was sollte sie hier auf dem Lande mit Geld? Sparte sie es -zusammen? Aber wozu in aller Welt sparte sie jahraus, jahrein zusammen? - -Es war da sehr viel, was Axel nicht begriff: hatte sie denn nicht -den Verlobungsring, ja sogar einen goldenen Ring bekommen? Es hatte -ja auch lange Zeit nach diesem letzten großen Geschenk ein gutes -Verhältnis zwischen ihnen geherrscht, aber in alle Ewigkeit wirkte es -doch nicht, keineswegs, und er konnte ihr doch nicht immer wieder Ringe -kaufen. Kurz und gut: wollte ihn Barbro nicht? Frauenzimmer sind doch -merkwürdige Geschöpfe! Stand sonst noch irgendwo ein Mann mit schönem -Viehstand und einem neuen Wohnhaus für sie bereit? Axel hatte alles -Recht, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen über die Dummheit und -Launenhaftigkeit der Weiber. - -Es war ganz merkwürdig, Barbro schien keinen andern Gedanken im Kopf zu -haben als das Leben in der Stadt und in Bergen. Aber um Gottes willen, -warum war sie dann überhaupt wieder herauf in den Norden gekommen? -Ein Telegramm ihres Vaters allein hätte sie nicht dazu vermocht, auch -nur einen Fuß vor den andern zu setzen, sie mußte einen andern Grund -gehabt haben. Hier war sie doch Jahr um Jahr von morgens bis abends -unzufrieden. Holzgeschirre statt solcher aus Blech und Eisen, Kessel -statt Kasserollen; dieses ewige Melken statt eines Spaziergangs in die -Meierei; Bauernstiefel, Schmierseife, einen Heusack unter dem Kopf, -niemals Hornmusik, keine Menschen. Hier war sie ... - -Nach dem großen Zusammenstoß haderten sie noch oftmals miteinander. -Sollen wir darüber schweigen oder sollen wir darüber reden? sagte -Barbro. Du denkst wohl gar nicht mehr daran, was du meinem Vater -angetan hast? sagte sie. -- Axel fragte: So, was habe ich denn getan? --- Das weißt du selbst am besten, sagte sie. Aber Inspektor wirst du -nun übrigens doch nicht. -- So. -- Nein, das glaube ich nicht, bis ich -es sehe. -- Du meinst wohl, ich sei nicht klug genug dazu? -- Es ist -ja ganz gut für dich, wenn du klug bist, aber du liest nicht und du -schreibst nicht, du nimmst auch niemals nur eine Zeitung in die Hand. --- Ich kann so viel lesen und schreiben, als ich nötig habe, sagte er; -aber du bist nichts als ein großes Lästermaul. -- Da hast du deinen -Ring! schrie sie und warf den silbernen Ring auf den Tisch. -- So, -und wo ist denn der andere? fragte er nach einer Weile. -- Wenn du -deine Ringe wiedernehmen willst, so kannst du sie haben, sagte sie und -mühte sich, den goldenen Ring abzustreifen. -- Dein Zorn macht keinen -Eindruck auf mich, sagte er und ging hinaus. - -Und natürlich trug sie sehr bald beide Ringe wieder. - -Es machte Barbro auf die Dauer auch nichts aus, daß er sie wegen des -Todes des Kindes im Verdacht hatte. Ganz im Gegenteil, sie pfiff darauf -und war hochmütig. Nicht als ob sie etwas eingestanden hätte, aber sie -sagte: Ja, und wenn ich es auch ertränkt hätte! Du lebst hier in der -Einöde und weißt nichts davon, wie es sonst in der Welt zugeht. -- Als -sie wieder einmal über diese Frage sprachen, dachte sie, sie wolle ihm -einen Begriff davon beibringen, daß er die Sache viel zu ernsthaft -nehme; sie selbst legte einem Kindsmord nicht mehr Wichtigkeit bei, als -er verdiente. Sie wußte von zwei Mädchen in Bergen zu erzählen, die -ihre Kinder umgebracht hatten, und die eine hatte einige Monate Strafe -erhalten, weil sie so dumm gewesen war und es nicht selbst umgebracht, -sondern es ausgesetzt hatte, damit es erfrieren sollte, und die andere -war freigesprochen worden. Nein, das Gesetz ist jetzt hierin nicht mehr -so unmenschlich wie früher, sagte Barbro. Und außerdem kommt es auch -gar nicht immer heraus, sagte sie. Eines der Mädchen, die im Hotel in -Bergen dienten, hat zwei Kinder umgebracht; sie war aus Christiania -und trug einen Hut mit Federn darauf. Für das letzte Kind bekam sie -drei Monate, aber das mit dem ersten ist nicht herausgekommen, erzählte -Barbro. - -Axel hörte zu, und es graute ihm immer mehr vor ihr. Er suchte zu -begreifen, suchte in dieser Finsternis irgend etwas zu erkennen, aber -im Grunde hatte sie recht. Er nahm die Sache viel zu ernsthaft. Sie -war mit all ihrer banalen Verderbtheit eines ernsthaften Gedankens -gar nicht wert. Ein Kindsmord war für sie gar kein Begriff, hatte -gar nichts Außerordentliches an sich, es war nur der Ausschlag der -ganzen moralischen Sittenlosigkeit und des Leichtsinns, der von einem -Dienstmädchen zu erwarten war. Das zeigte sich auch in den Tagen, -die darauf folgten: da gab es keine Stunde des Nachdenkens, sie war -genau wie früher voll überflüssigen Geschwätzes, ganz Dienstmädchen. -Ich muß fort wegen meiner Zähne, sagte sie. Und dann sollte ich ein -Mantlett haben. Ein „Mantlett” war eine Art kurzen Kragens, der nur bis -zur Mitte reichte, das war einige Jahre lang Mode gewesen, und Barbro -wollte auch ein Mantlett haben. - -Wenn Barbro alles so selbstverständlich hinnahm, was blieb Axel dann -übrig, als sich auch zu beruhigen? Sein Verdacht stand auch nicht -immer ganz fest, und sie gestand ja niemals etwas ein, im Gegenteil, -sie hatte einmal ums andere alle Schuld geleugnet, ohne Zorn, ohne -Halsstarrigkeit, aber zum Henker, genau so, wie ein Dienstmädchen -leugnet, eine Schüssel zerschlagen zu haben, selbst wenn sie es getan -hat. Ein paar Wochen vergingen, dann wurde es Axel doch zuviel, -er blieb eines Tages mitten in der Stube stehen und hatte eine -Offenbarung. Aber du großer Gott, alle hatten doch ihren Zustand -gesehen, daß sie rund und dick und in anderen Umständen war! Und jetzt -war sie wieder schlank, wo aber war das Kind? Wenn nun alle Menschen -kämen und suchten? Sie würden eines Tages eine Erklärung verlangen. -Und wenn also nichts Schlimmes geschehen war, so wäre es viel besser -gewesen, die Leiche auf dem Friedhof zu begraben. Dann wäre sie fort -aus dem Gebüsch, fort aus Maaneland. - -Nein, das hätte mir nur Unannehmlichkeiten bereitet, erklärte Barbro. -Sie hätten das Kind geöffnet, und es hätte ein Verhör gegeben. Das -wollte ich nicht haben. - -Wenn es nur später nicht viel schlimmer wird, sagte er. - -Barbro entgegnete: Warum denkst du so viel darüber nach? Laß es doch im -Gebüsch! Ja, sie fragte lächelnd: Meinst du vielleicht, es komme hinter -dir her? Du mußt nur den Mund halten und dich nicht mehr darum kümmern. - -So, na ja. - -Habe ich vielleicht das Kind ertränkt? Nein, es hat sich selbst -ertränkt, als ich ins Wasser fiel. Es ist ja unglaublich, was du für -Gedanken hast! Und außerdem kommt es nie heraus, sagte sie. - -Mit Inger von Sellanraa ist es doch auch herausgekommen, wie ich gehört -habe, wendete er ein. - -Barbro dachte nach. Das beunruhigt mich gar nicht! sagte sie. Das -Gesetz ist seither anders geworden; wenn du die Zeitung lesen würdest, -hättest du es gesehen. Viele kriegen Kinder und töten sie, und niemand -tut ihnen deshalb weiter etwas zuleide! Barbro sucht ihm das zu -erklären, und sie versteht etwas von der Sache, sie ist nicht umsonst -draußen in der Welt gewesen und hat viel gehört und gesehen und -gelernt; jetzt saß sie vor ihm und war gescheiter als er. Sie hatte -drei Hauptgründe, die sie immer wieder vorbrachte: erstens hatte sie es -nicht getan, zweitens wäre es gar nicht so gefährlich, selbst wenn sie -es getan hätte, und drittens würde es niemals herauskommen. - -Ich habe gemeint, es komme alles heraus, wendete er ein. - -O nein, bei weitem nicht! entgegnete sie. Und ob sie ihn nun verblüffen -oder ihm Mut machen wollte, oder ob es aus Eitelkeit oder aus -Großtuerei geschah, sie ließ in diesem Augenblick eine Bombe platzen: -Ich habe selbst etwas getan, das nicht herausgekommen ist, sagte sie. - -Du? sagte er ungläubig. Was hast du denn getan? - -Was ich getan habe? Ich habe getötet. - -Vielleicht hatte sie nicht beabsichtigt, ganz so weit zu gehen, jetzt -mußte sie aber noch weiter gehen, er saß ja da und starrte sie an. Ach, -es war nicht einmal grenzenlose Frechheit von ihr, es war Zanksucht, -Großtuerei, sie wollte überlegen sein und das letzte Wort behalten: -Glaubst du mir nicht? rief sie. Erinnerst du dich an die Kindsleiche im -Hafen? Die hatte ich hineingeworfen. - -Was! rief er. - -Die Kindsleiche damals. Du weißt auch gar nichts mehr! Wir haben doch -in der Zeitung davon gelesen. - -Nach einer Weile brach er los: Du bist ein entsetzliches Weib! - -Aber seine Verwirrung stärkte sie, flößte ihr eine Art unnatürlicher -Kraft ein, so daß sie Einzelheiten berichten konnte: Ich hatte es mit -in meinem Koffer -- ja, es war tot, das hatte ich gleich getan, als es -geboren war. Und als wir in den Hafen kamen, warf ich es hinaus. - -Axel saß finster und schweigend da; aber Barbro redete weiter, das sei -jetzt schon lange her, schon mehrere Jahre, es sei damals gewesen, als -sie nach Maaneland kam. Da könne er sehen, daß nicht alles herauskomme, -bei weitem nicht alles. Was er meine, wie das wäre, wenn alles -herauskäme, was alle Leute täten? Und was erst die verheirateten Leute -in der Stadt täten! Die brächten ihre Kinder um, ehe sie geboren seien, -es gebe besondere Ärzte dafür. Diese Leute wollten nicht mehr als ein -Kind, höchstens zwei Kinder haben, und darum tötete es der Doktor im -Mutterleib. Axel könne ihr glauben, daß das draußen in der Welt nicht -schwer genommen werde. - -Axel fragte: Na, dann hast du wohl das zweite Kind auch umgebracht? - -Nein, erwiderte sie äußerst gleichgültig. Das habe ich nicht nötig -gehabt, sagte sie. Aber sie kam noch einmal darauf zurück, daß es gar -nicht so gefährlich gewesen wäre. Sie schien daran gewöhnt, dieser -Frage in die Augen zu sehen, deshalb blieb sie so gleichgültig dabei. -Beim erstenmal war es allerdings vielleicht etwas grausig, ein klein -wenig unheimlich für sie gewesen, ein Kind umzubringen, aber das -zweitemal? Sie konnte mit einer Art von geschichtlichem Gefühl an die -Tat denken: das war geschehen und geschah auch wieder. - -Mit schwerem Kopf verließ Axel die Stube. Es focht ihn weiter nicht -sehr an, daß Barbro ihr erstes Kind umgebracht hatte; das ging ihn -nichts an. Und daß sie dieses Kind überhaupt gehabt hatte, darüber war -auch nicht viel zu sagen. Eine Unschuld war sie nicht gewesen, und -sie hatte sich auch nicht dafür ausgegeben, im Gegenteil, sie hatte -ihre Erfahrenheit durchaus nicht verborgen und ihn sogar in manchem -dunkeln Spiel unterwiesen. Gut. Aber dieses letzte Kind hätte er gerne -behalten, ein kleiner Junge, ein weißes Geschöpfchen in einen Lappen -gewickelt! Wenn sie schuld war an des Kindes Tod, so hatte sie ihm ein -Unrecht zugefügt, ein Band zerschnitten, das ihm wertvoll war, und das -ihm nie mehr ersetzt wurde. Aber es konnte ja sein, daß er ihr unrecht -tat, daß sie wirklich im Bach ausgeglitten war und sich nicht mehr -aufrichten konnte. Allerdings, der Lappen war ja da, das halbe Hemd, -das sie mitgenommen hatte ... - -Die Stunden gingen auch jetzt hin, es wurde Mittag und es wurde -Abend. Und als Axel zu Bett gegangen war und lange genug ins Dunkel -hineingestarrt hatte, schlief er ein und schlief bis an den Morgen. Ein -neuer Tag brach an, und nach diesem Tag kamen noch andere Tage. - -Barbro blieb immer dieselbe. Sie wußte sehr viel von der Welt und -behandelte solche Kleinigkeiten, die hier auf dem Lande Gefahren -waren und Schrecken verbreiteten, mit Gleichgültigkeit. Das war auch -wieder tröstlich, sie war gescheit für beide, unbesorgt für beide. -Übrigens sah sie auch nicht aus wie ein gefährlicher Mensch. Barbro -ein Ungeheuer? Keine Spur. Sie war im Gegenteil ein schönes Mädchen, -blauäugig mit einem Stumpfnäschen, und die Arbeit ging ihr flink von -der Hand. Die Ansiedlung war ihr nur ein wenig verleidet, und verleidet -waren ihr auch die Holzgeschirre, die sooft gescheuert werden mußten, -und vielleicht war ihr auch der ganze Axel verleidet und das ganze -verflucht zurückgezogene Leben, das sie führte. Aber sie brachte keines -der Tiere um und stand auch nicht bei Nacht mit gezücktem Messer über -ihm. - -Nur noch einmal kam es dazu, daß die beiden über die Kindsleiche -draußen im Walde miteinander sprachen. Axel wiederholte noch einmal, -sie hätte auf dem Kirchhof begraben und mit Erde bedeckt werden sollen, -aber Barbro blieb auch jetzt dabei, daß ihre Handlungsweise ganz recht -gewesen sei. Bei dieser Gelegenheit sagte sie etwas, das zeigte, daß -auch sie überlegte, ho, und schlau war, und weiter sah, als ihre Nase -reichte, ja, daß sie mit einem kleinen ärmlichen Negergehirn dachte: -Und wenn es auch aufkommt, dann spreche ich mit dem Lensmann, ich habe -bei ihm gedient, und die Frau Heyerdahl hilft mir. Es stehen nicht alle -so gut wie ich, und sie werden doch freigesprochen. Und außerdem steht -Vater gut mit den großen Herren, er ist Gerichtsbote und alles, was -drum und dran ist. - -Axel schüttelte nur den Kopf. - -Du glaubst es nicht? - -Was du dir einbildest, daß dein Vater ausrichten könne! - -Was weißt denn du davon? rief sie ärgerlich. Denk daran, daß du ihn ins -Elend gebracht hast, du hast ihm seinen Hof und seinen Lebensunterhalt -genommen! - -Sicherlich hatte sie eine Art Vorstellung davon, daß ihres Vaters -Ansehen in der letzten Zeit eingebüßt hatte und daß dies zum Schaden -für sie selbst ausschlagen könnte. Was sollte Axel darauf antworten? Er -schwieg. Er war ein Mann des Friedens, ein Mann der Arbeit. - - - - -3 - - -Als es dem Winter zuging, war Axel wieder der einzige Mensch auf -Maaneland. Barbro war gegangen. Ja, das war das Ende. Ihre Reise in die -Stadt solle nicht lange dauern, sagte sie. Es sei ja keine Reise nach -Bergen, aber sie wolle nicht einen Zahn nach dem andern verlieren und -einen Mund bekommen wie ein Kalb. Was das kosten werde? fragte Axel. -- -Wie kann ich das wissen? erwiderte sie. Dich wird's jedenfalls nichts -kosten, ich werde es abverdienen. - -Sie hatte ihm auch auseinandergesetzt, warum es am besten sei, wenn -sie die Reise jetzt mache; jetzt seien nur zwei Kühe zu melken, bis -zum Frühjahr würden noch zwei kalben und auch die Geißen Junge werfen, -die Heuernte würde kommen, die Arbeit würde drängen bis über den Juni -hinaus. -- Tu, was du willst, sagte Axel. - -Die Sache sollte ihn nichts kosten, gar nichts. Aber sie müsse doch -etwas Geld haben, nur eine kleine Summe; sie brauche Geld zur Reise -und für den Zahnarzt, außerdem brauche sie ein Mantlett und noch -verschiedenes andere, aber das müsse ja nicht sein, wenn es ihm -unangenehm sei. -- Du hast bis jetzt schon Geld genug bekommen, sagte -Axel. -- So, erwiderte sie. Das ist aber jedenfalls nicht mehr da. -- -Hast du denn nichts zurückgelegt? -- Zurückgelegt? Du kannst ja in -meiner Kiste nachsuchen. Ich habe auch in Bergen nichts zurückgelegt, -und dort hatte ich doch einen viel größeren Lohn. -- Ich habe kein Geld -für dich, sagte er. - -Axel hatte keinen rechten Glauben daran, daß Barbro von dieser -Reise zurückkommen werde, und sie hatte seine Geduld mit ihrer -Unliebenswürdigkeit so über alle Maßen geprüft, daß er anfing, ihrer -überdrüssig zu werden. Es gelang ihr schließlich auch nicht, eine -nennenswerte Summe aus ihm herauszuwinden, aber er sah durch die -Finger, als sie sich einen ungeheuren Mundvorrat einpackte, ja, er -selbst fuhr sie und ihre Kiste hinunter ins Dorf zum Postboot. - -Nun war es also geschehen. - -Er hätte ganz gut wieder allein auf der Ansiedlung sein können, er war -es von früher her gewöhnt, aber er war jetzt durch seinen Viehstand -allzusehr gebunden, und wenn er einmal von Hause abwesend sein mußte, -waren die Tiere nicht versorgt. Der Kaufmann hatte ihm geraten, sich -Oline kommen zu lassen, sie sei doch einmal mehrere Jahre auf Sellanraa -gewesen, allerdings sei sie jetzt alt, aber noch rührig und arbeitsam. -Ja, Axel hatte nach Oline geschickt, aber sie war nicht gekommen, und -er hatte auch nichts von ihr gehört. - -Während Axel auf sie wartet, fällt er Holz im Walde, drischt seine -kleine Kornernte und besorgt seinen Viehstand. Es war einsam und still -um ihn. Ab und zu kam Sivert von Sellanraa vorbei auf der Fahrt ins -Dorf oder vom Dorf zurück; hinunter führte er Brennholz oder Häute oder -Käse, aber zurück kam er fast immer leer, der Hof Sellanraa brauchte -nicht viel Waren zu kaufen. - -Dann und wann kam auch Brede Olsen an Maaneland vorbei und in der -letzten Zeit häufiger als sonst -- wer konnte wissen, was er hier so -eifrig, so fleißig zu laufen hatte! Es war, als ob er sich noch in den -letzten Wochen an der Telegraphenlinie unentbehrlich machen und den -Posten behalten wolle. Seit Barbro abgereist war, kam er nie mehr zu -Axel herein, sondern ging nur rasch vorbei, und das war doch vielleicht -ein gar zu arger Hochmut von ihm, da er immer noch auf Breidablick -wohnen blieb und nicht abgezogen war. Eines Tages, als er vorbeigehen -wollte, ohne auch nur zu grüßen, hielt ihn Axel an und fragte, bis wann -er den Hof zu räumen gedenke. -- Auf welche Weise hast du dich von -Barbro getrennt? fragte Brede dagegen. Das eine Wort gab das andere: -Du hast sie ohne alle Mittel fortgeschickt. Es war nahe daran, daß sie -nicht einmal bis Bergen gekommen wäre. - -So, sie ist also in Bergen? -- Ja, schließlich sei sie hingekommen, -schreibt sie, aber dir hat sie nicht dafür zu danken. -- Ich werde dich -jetzt sofort aus Breidablick hinauswerfen, sagte Axel. -- Ja, weil du -seither so gutherzig gewesen bist, erwiderte der andere spöttisch. Nach -Neujahr werfen wir uns selbst hinaus, fuhr er fort und ging dann seines -Weges. - -So, Barbro war nach Bergen gereist, es war also genau so gegangen, -wie Axel sich gedacht hatte. Er war nicht betrübt darüber. Betrübt? -Weit entfernt, sie war ein Zankteufel, aber bis jetzt hatte er doch -noch nicht alle Hoffnung aufgegeben gehabt, sie würde doch vielleicht -wiederkommen. Er wußte beim Henker nicht, wie es zuging, er hing doch -ein bißchen zu fest an dieser Person, an diesem Ungeheuer; zuzeiten -konnte sie ihre süßen Stunden haben, unvergeßliche Stunden, und gerade, -um sie daran zu hindern, ganz bis Bergen durchzubrennen, war er beim -Abschied mit Geld so geizig gewesen. Und nun war sie doch auf und -davon gegangen. Von ihren Kleidern hing noch dies und das da, und ein -Strohhut mit einem Flügel darauf lag in Papier gehüllt droben auf -dem Bodenraum; aber sie kam nicht, ihr Eigentum zu holen. Ach ja, -vielleicht war er doch ein wenig betrübt! Wie Spott und Hohn erschien -es ihm, daß er immer noch ihre Zeitung erhielt, und das würde wohl auch -vor Neujahr nicht aufhören. - -Aber schließlich hatte er doch an anderes zu denken, er mußte ein Mann -sein. - -Im Frühjahr mußte er an der Nordwand des Neubaus eine Scheune anfügen, -jetzt im Winter mußten die Stämme dazu gefällt und die Bretter gesägt -werden. Axel hatte keinen zusammenhängenden Wald mit großen Bäumen, -aber da und dort standen auf seinem Grund und Boden mächtige Föhren, -und er suchte sich solche am Wege nach Sellanraa aus, damit sich das -Hinschaffen der Stämme nach dem Sägewerk leichter bewerkstelligen ließe. - -Eines Morgens füttert er sein Vieh sehr reichlich, damit es bis zum -Abend aushalten kann, schließt die Türen hinter sich zu und geht -in den Wald; außer Axt und Mundvorrat nimmt er noch eine hölzerne -Schneeschaufel mit. Das Wetter ist mild, gestern tobte ein schwerer -Sturm mit Niederschlägen, aber heute ist es still. Er geht den ganzen -Weg an der Telegraphenlinie entlang, bis er zur Stelle ist; dort zieht -er seine Jacke aus und fängt an zu hacken. Jeden Baum, den er fällt, -zweigt er sofort ab, haut die Stämme glatt und schichtet Zweige und -Äste auf Haufen. - -Brede Olsen kommt den Weg herauf, dann ist also die Linie wohl durch -den gestrigen Sturm in Unordnung geraten. Aber vielleicht lief Brede -auch ohne besonderen Grund die Linie ab, er war sehr eifrig im Dienst -geworden, er hatte sich also doch gebessert. Die Männer sprachen nicht -miteinander und grüßten sich auch nicht. - -Axel merkt wohl, daß das Wetter im Begriff ist umzuschlagen, der -Wind wird immer stärker, aber Axel arbeitet nur eifrig weiter. Die -Mittagsstunde ist längst vorbei, aber er hat noch nichts gegessen. -Jetzt eben fällt er eine große Föhre, und diese schlägt ihn in ihrem -Fall zu Boden. Wie ist das zugegangen? Unglück war unterwegs. Eine -Riesenföhre schwankt auf ihrer Wurzel, der Mensch bestimmt ihr eine -Seite zum Fallen, der Sturm eine andere. Der Mensch verliert. Es wäre -noch angegangen, allein der Schnee deckte den unebenen Boden, Axel trat -fehl, sprang auf die Seite und kam mit einem Bein in eine Felsspalte, -nun lag er zwischen Felsen eingeklemmt und hatte eine große Föhre über -sich. - -Jawohl, es hätte trotzdem noch angehen können, allein er lag so -ausgesucht verdreht, allerdings, soweit er fühlen konnte, mit ganzen -Gliedern, aber schief und ohne eine Möglichkeit, sich unter dem -schweren Gewicht hervorzuarbeiten. Nach einer Weile hatte er die eine -Hand frei, auf der andern aber liegt er, und er kann die Axt nicht -erreichen. Er sieht sich um und überlegt, wie jedes gefangene Tier es -auch gemacht hätte, sieht sich um und überlegt und arbeitet und müht -sich unter dem Baum ab. Brede muß in einiger Zeit auf dem Rückweg -wieder vorbeikommen, denkt er und müht sich ab und atmet schwer. - -Im Anfang nimmt Axel die Sache leicht und ist nur ärgerlich, daß er -durch diesen Zufall, dieses elende Ungefähr festgehalten ist, er ist -keine Spur besorgt für seine Gesundheit und noch weniger für sein -Leben. Allerdings fühlt er, daß die Hand, auf der er liegt, allmählich -gefühllos wird, und auch das Bein in der Felsenspalte wird kalt und -auch gefühllos, aber das geht ja immer noch an. Brede kommt wohl bald. - -Aber Brede kommt nicht. - -Der Sturm nimmt zu und treibt Axel den Schnee gerade ins Gesicht. Jetzt -wird's Ernst! denkt er, ist aber immer noch unbekümmert, ja, es ist -beinahe, als ob er sich selbst durch den Schnee zublinzle: Aufgepaßt, -jetzt wird's nämlich Ernst! Nach einer langen Weile stößt er einen -einzelnen Hilferuf aus. Der ist wohl bei dem Sturm nicht weit zu -hören, aber er geht die Linie entlang zu Brede. Axel liegt da mit ganz -wertlosen Gedanken: wenn er doch nur die Axt erreichen könnte, dann -könnte er sich vielleicht freihacken! Wenn er nur die Hand hervorziehen -könnte! Diese lag auf etwas Spitzem, einem Stein, und der bohrte sich -langsam und höflich allmählich in den Handrücken ein. Wenn nur dieser -verflixte Stein weg gewesen wäre! Aber noch niemals hat jemand von -einem Stein einen rührenden Zug berichten können. - -Die Zeit vergeht, das Schneetreiben wird schlimmer. Axel wird -zugeschneit; er ist ganz hilflos, der Schnee legt sich harmlos und -unschuldig auf sein Gesicht, eine Weile schmilzt er, dann wird das -Gesicht kalt, und der Schnee schmilzt nicht mehr. Nun wird es wirklich -Ernst! - -Jetzt stößt er zwei laute Hilferufe aus und horcht dann hinaus. - -Nun wird auch seine Axt zugeschneit, er sieht nur noch ein Stückchen -Schaft hervorragen. Dort drüben hängt sein Beutel mit dem Mundvorrat; -hätte er ihn nur erreichen können, dann hätte er etwas gegessen, -einen ordentlichen Happen. Und wenn er schon in seinen Ansprüchen an -das Leben so dreist war, so konnte er sich gleich auch seine Jacke -herwünschen, denn es wird kalt. Wieder stößt er einen gewaltigen Ruf -aus. - -Da steht Brede. Er ist stehengeblieben und sieht hinüber zu dem -rufenden Mann, er bleibt nur einen Augenblick stehen und sieht hinüber, -wie um zu ergründen, was los ist. Komm her und gib mir meine Axt! ruft -Axel etwas kläglich. -- Brede sieht weg, er hat ergründet, was los ist, -jetzt schaut er in die Höhe zu dem Telegraphendraht hinauf und will -augenscheinlich anfangen zu pfeifen! War er denn verrückt? -- Komm her -und gib mir die Axt, ich liege unter einem Baum! wiederholte Axel etwas -lauter als vorher. Aber Brede hat sich so sehr gebessert und ist so -eifrig in seinem Dienste, daß er nichts sieht als den Telegraphendraht -und nur eifrig pfeift. Und wohlgemerkt, munter und rachgierig pfeift -er! -- So, du willst mich umbringen und mir nicht einmal die Axt -reichen! ruft Axel. -- Aber jetzt muß Brede offenbar notwendig noch -weiter die Linie entlang gehen und nach dem Draht schauen, und er -verschwindet im Schneetreiben. - -So, na ja! Aber jetzt wäre es doch ein rechter Staatsstreich, wenn Axel -sich selbst so weit frei machte, daß er die Axt erreichen könnte! -Er spannt Leib und Brust an, um die ungeheure Last zu heben, die -ihn daniederhält, er bewegt den Baum, schüttelt ihn, erreicht aber -damit nur, daß noch mehr Schnee auf ihn herabrieselt. Nach einigen -vergeblichen Versuchen gibt er es auf. - -Es fängt an zu dunkeln. Brede ist gegangen, aber wie weit kann er -inzwischen gekommen sein? Nicht sehr weit, Axel ruft wieder und redet -dabei von der Leber weg: Willst du mich hier einfach liegenlassen, du -Mörder? ruft er. Denkst du nicht an deiner Seelen Seligkeit? Du weißt, -du könntest für eine einzige kleine Handreichung eine Kuh von mir -bekommen, aber du bist ein Hund, Brede, und du willst mich umbringen! -Aber ich werde dich anzeigen, so wahr ich hier liege, merk dir's! -Kannst du nicht herkommen und mir die Axt geben? - -Stille. Axel strengt sich wieder unter seinem Baume an, hebt ihn ein -wenig mit dem Leib und erreicht damit, daß immer noch mehr Schnee auf -ihn herunterfällt. Dann ergibt er sich in sein Schicksal und seufzt, -matt und schläfrig wird er auch. Sein Vieh steht jetzt in der Gamme und -brüllt, es hat seit heute morgen nicht naß und nicht trocken bekommen, -Barbro füttert es nicht mehr, sie ist davongelaufen, mit beiden -Fingerringen noch dazu. Es wird dunkel, jawohl, es wird Abend, und es -wird Nacht, aber das ginge ja noch an, allein es wird auch kalt, sein -Bart vereist, seine Augen werden auch bald vereisen, die Jacke dort am -Baume würde ihm guttun, und ist es denn möglich, das eine Bein ist bis -zur Hüfte wie tot? Alles steht in Gottes Vaterhand! sagt er, er kann -augenscheinlich ganz fromm reden, wenn er will. Es wird dunkel, jawohl, -er kann auch ohne angezündete Lampe sterben! Er wird ganz weich und -gut, und um recht demütig zu sein, lächelt er freundlich und albern -ins Unwetter hinein, es ist ja der Schnee des Herrn, der unschuldige -Schnee! Ja, er kann es ja auch lassen, Brede anzuzeigen. - -Er wird still und immer schläfriger, ganz lahm, als ob er vergiftet -wäre, er sieht so viel Weiß vor den Augen, Wälder und Ebenen, große -Schwingen, weiße Schleier, weiße Segel, weiß, weiß -- was kann das -sein? Unsinn, er weiß ganz gut, daß das Schnee ist, er liegt im Freien, -es ist kein Wahn, daß er unter einem Baum begraben ist. Dann ruft -er wieder aufs Geratewohl, brüllt, da unten im Schnee liegt seine -gewaltige haarige Brust und brüllt, es muß bis in die Gamme bei dem -Vieh zu hören sein, er brüllt ein ums andere Mal. Du bist ein Schwein, -ein Untier! ruft er Brede nach. Hast du bedacht, was du tust, wenn du -mich so verkommen läßt? Willst du mir die Axt geben? frag ich. Bist du -ein gemeines Vieh oder ein Mensch? Aber Glück zu, wenn es deine Absicht -ist, mich hier liegenzulassen -- - -Er muß geschlafen haben, er liegt ganz steif und leblos da, aber seine -Augen stehen offen, zwar mit Eis umrändert, aber offen, er kann nicht -damit blinzeln; hat er mit offenen Augen geschlafen? Vielleicht hat -er nur ein paar Minuten oder auch eine Stunde geschlummert, Gott weiß -es, aber jetzt steht Oline da. Axel hört, daß sie fragt: Im Namen Jesu -Christi, lebst du noch? Und weiter fragt sie, warum er da liege, ob er -verrückt sei? Jedenfalls steht Oline da. - -Ja, Oline hat etwas Witterndes, etwas Schakalartiges, sie taucht auf, -wenn ein Unglück um den Weg ist, sie hat eine sehr scharfe Witterung. -Wie hätte Oline im Leben vorwärtskommen können, wenn sie nicht so -eifrig gewesen wäre und keine so scharfe Witterung gehabt hätte? Jetzt -hatte sie also Axels Botschaft erhalten und war trotz ihrer siebzig -Jahre über das Gebirge gekommen, um ihm zu helfen. Gestern hat sie der -Sturm in Sellanraa festgehalten, heute kam sie nach Maaneland, fand -niemand zu Hause, fütterte das Vieh, trat unter die Tür und horchte -hinaus, melkte das Vieh, lauschte dann wieder, sie begriff gar nicht -- - -Da hörte sie rufen und sagte sich: Entweder ist es der Axel oder einer -der Unterirdischen, in beiden Fällen ist es der Mühe wert, ein wenig -nachzusehen, die ewige Weisheit des Allmächtigen in so viel Unruhe im -Walde zu ergründen -- und mir tut er nichts, ich bin nicht wert, ihm -die Schuhriemen zu lösen -- - -Hier steht sie nun. - -Die Axt? Oline gräbt und gräbt im Schnee und findet die Axt nicht. -Sie versucht ohne Axt fertig zu werden und gibt sich Mühe, den Baum, -so wie er daliegt, zu heben; aber sie ist wie ein kleines Kind und -vermag nur die äußersten Zweige zu schütteln. Sie sucht wieder nach -der Axt, es ist finster, aber sie gräbt mit Händen und Füßen. Axel -kann nicht deuten, er kann nur sagen, wo die Axt einmal gelegen hatte, -aber da ist sie nicht mehr. Wenn es nur nach Sellanraa nicht so weit -wäre! sagt Axel. Aber nun fängt Oline an, nach ihrem eigenen Kopf zu -suchen, und Axel ruft ihr zu, nein, nein, dort sei sie nicht. -- Nein, -nein, sagt Oline, ich will nur überall nachsehen. Und was ist denn -das? fragt sie. -- Hast du sie gefunden? fragt Axel. -- Ja, mit des -Allmächtigen Beistand erwidert Oline hochtrabend. Aber Axel ist nicht -sehr hochgemut, er gibt zu, daß er vielleicht nicht recht bei Verstand -sei, er ist beinahe fertig. Und was denn Axel mit der Axt wolle? Er -könne sich ja nicht rühren, sie, Oline, müsse ihn loshacken. Oh, Oline -habe schon mehr Äxte in der Hand gehabt, habe schon mehr als einmal in -ihrem Leben Holz gespalten! - -Axel kann nicht gehen, das eine Bein ist ihm bis zur Hälfte wie -abgestorben, der Rücken ist ihm wie gerädert, heftige Stiche bringen -ihn beinahe zum Heulen, im ganzen genommen fühlt er sich kaum als -lebendiger Mensch, ein Teil von ihm liegt immer noch unter dem Baum. -Es ist so sonderbar, und ich verstehe es nicht, sagt er. Oline versteht -es gut und erklärt das Ganze mit wunderbaren Worten: ja, sie hat einen -Menschen vom Tode errettet, und so viel weiß sie, der Allmächtige hat -sie als sein geringes Werkzeug gebraucht, er hat keine himmlischen -Heerscharen schicken wollen. Ob Axel nicht seinen weisen Ratschluß -erkenne? Und wenn der Herr einen Wurm in der Erde hätte zu Hilfe -schicken wollen, so hätte er das tun können. -- Ja, das weiß ich wohl, -aber es ist mir so sonderbar zumut, sagte Axel. -- Sonderbar? Er -solle nur ein ganz klein wenig warten, sich bewegen, sich vorbeugen -und wieder aufrichten, ja, so, immer nur ein wenig auf einmal, seine -Gelenke seien eingerostet und abgestorben, er solle seine Jacke -anziehen, damit er warm werde. In ihrem ganzen Leben werde sie nun und -nimmer den Engel des Herrn vergessen, der sie das letztemal vor die Tür -gerufen habe -- und da hörte sie Rufe aus dem Walde. Es sei wie in den -Tagen des Paradieses gewesen, als mit Posaunen geblasen wurde bei den -Mauern von Jericho. - -Wunderbar! Aber während dieses Geschwätzes hat Axel Zeit, er übt seine -Gelenke und lernt gehen. - -Langsam geht's dem Hause zu, Oline ist immer noch der Retter in der -Not und stützt Axel. So geht es ganz gut. Als sie ein Stück Weges -hinuntergekommen sind, begegnen sie Brede. -- Was ist denn das? fragt -Brede. Bist du krank? Soll ich dir helfen? sagt er. -- Axel schweigt -abweisend. Er hat Gott gelobt, sich nicht zu rächen und Brede nicht -anzuzeigen, aber weiter ist er nicht gegangen. Und weshalb war Brede -nun wieder auf dem Wege bergauf? Hatte er gesehen, daß Oline nach -Maaneland gekommen war, und begriffen, daß sie die Hilferufe hören -mußte? -- So, du bist da, Oline? sagt Brede geschwätzig. Wo hast du -ihn gefunden? Unter einem Baum? Ja, ist es nicht sonderbar mit uns -Menschen! legt er los. Ich sah eben die Telegraphenlinie nach, da -hörte ich rufen. Wer sich sofort auf die Beine machte, das war ich; -ich wollte Hilfe leisten, falls es nötig sein sollte. Also du bist es -gewesen, Axel? Und du hast unter einem Baum gelegen? -- Jawohl, und du -hast es gehört und gesehen, als du herunterkamst, aber du bist an mir -vorbeigegangen, antwortete Axel. -- Gott sei mir Sünder gnädig! ruft -Oline über solch schwarze Bosheit. -- Brede erklärt, wie es gewesen -sei. Dich gesehen? Ich hab' dich gut gesehen. Aber du hättest mich doch -rufen können, warum hast du nicht gerufen? Ich sah dich ausgezeichnet, -aber ich dachte, du hättest dich ein wenig zum Ausruhen hingelegt. -- -Willst du den Mund halten! ruft Axel drohend. Du hast mich absichtlich -liegenlassen. - -Oline sieht ein, daß Brede jetzt nicht eingreifen darf, das würde -ihre eigene Unentbehrlichkeit verringern und ihr Rettungswerk nicht -mehr ganz vollständig erscheinen lassen. Sie verhinderte Brede, Axel -hilfreiche Hand zu reichen, ja, er darf nicht einmal den Rucksack oder -die Axt tragen. Oh, in diesem Augenblick ist Oline vollständig auf -Axels Seite; wenn sie später einmal zu Brede kommt und hinter einer -Schale Kaffee sitzt, wird sie ganz auf seiner Seite sein. -- Laß mich -doch wenigstens die Axt oder die Schneeschaufel tragen, sagt Brede. --- Nein! erwidert Oline an Axels Statt. Die will er selbst tragen. -- -Brede bleibt dabei: Du hättest mich doch rufen können, Axel. Wir sind -doch nicht so verfeindet, daß du mir das Wort nicht hättest gönnen -können. Du hast gerufen? So, dann hättest du lauter rufen müssen, du -mußt doch wissen, was für ein Schneesturm tobte. Und außerdem hättest -du mir mit der Hand winken können. -- Ich hatte keine Hand frei, mit -der ich hätte winken können, erwidert Axel. Du hast wohl gesehen, daß -ich wie gefesselt dalag. -- Nein, das hab' ich nicht gesehen. So etwas -ist mir doch noch nie vorgekommen! Laß mich doch deine Sachen tragen, -hörst du! -- Oline sagt: Laß Axel in Frieden! Er ist krank. - -Aber jetzt hat auch Axels Hirn sich wieder erholt. Er hat schon früher -allerlei von der alten Oline gehört und begreift, daß sie für alle -Zukunft teuer und lästig für ihn werden würde, wenn sie die einzige -wäre, die ihm das Leben gerettet hatte. Er will den Triumph ein wenig -verteilen, Brede darf wirklich den Rucksack und die Werkzeuge tragen, -ja, Axel ließ ein Wort fallen, daß ihm das eine Erleichterung sei, daß -es ihm wohltue. Allein Oline will sich nicht darein finden, sie zerrt -an dem Rucksack und erklärt, daß sie und sonst niemand tragen werde, -was zu tragen sei. Die schlaue Einfalt ist im Streit von allen Seiten. -Axel steht einen Augenblick ohne Stütze da, und Brede muß wahrhaftig -den Rucksack fahren lassen, um Axel zu stützen, obgleich dieser gar -nicht mehr wankt. - -Und nun geht es in der Weise weiter, daß Brede den schwachen Mann -stützt und Oline die Last trägt. Sie schleppt und schleppt und ist -voll Grimm und Bosheit. Sie hat sich den geringsten und gröbsten Teil -der Arbeit auf dem Heimwege zuschieben lassen müssen! Was, zum Teufel, -hatte Brede hier verloren? -- Du, Brede, sagte sie. Was muß ich hören? -Dein Hof ist dir verkauft worden? -- Warum fragst du? erwiderte Brede -keck. -- Warum ich frage? Ich hab' nicht gewußt, daß das geheimgehalten -werden soll. -- Unsinn, Oline, du hättest kommen und auf den Hof bieten -sollen! -- Ich? Du treibst deinen Spott mit einem alten Weibe. -- So, -bist du denn nicht reich geworden? Es heißt doch, du habest des alten -Sivert Goldschrein geerbt, hahaha! -- Es stimmte Oline nicht milder, -daß sie an das fehlgeschlagene Erbe erinnert wurde. Ja, er, der alte -Sivert, hat mir alles Gute gegönnt, das kann man nicht anders sagen, -erwidert sie. Aber als er tot war, wurde er all seines irdischen -Gutes beraubt. Du weißt es ja auch, Brede, wie es ist, wenn man -ausgeplündert wird und kein eigenes Dach mehr über dem Kopf hat. Aber -der alte Sivert, der hat jetzt große Säle und Paläste, und du und ich, -Brede, wir sind noch auf der Erde, und jedermann wischt die Schuhe an -uns ab. -- Was gehst denn du mich an, sagt Brede und wendet sich an -Axel. Ich bin sehr froh, daß ich gerade vorbeigekommen bin und dir nach -Hause helfen kann. Gehe ich dir auch nicht zu schnell? -- Nein. - -Aber mit Oline streiten, ein Wortgefecht mit Oline! Unmöglich! -Niemals gab sie nach, und niemand kam ihr darin gleich, Himmel und -Erde zusammenzumischen zu einem einzigen Gebräu von Bosheit und -Freundschaft, Gift und Gefasel. Nun muß sie auch noch hören, daß es -eigentlich Brede ist, der Axel nach Hause hilft. -- Was ich sagen -wollte, fing sie an. Hast du eigentlich den großen Herren, die damals -auf Sellanraa waren, deine Säcke mit Steinen gezeigt? -- Wenn du -willst, Axel, so nehme ich dich einfach auf den Rücken und trage dich, -sagt Brede. -- Nein, erwidert Axel. Aber ich danke dir für den guten -Willen. - -Unterdessen gehen sie immer weiter, sie sind nun bald zu Hause, und -Oline begreift, daß sie keine Zeit verlieren darf, wenn sie noch etwas -erreichen will: Es wäre am besten gewesen, Brede, wenn _du_ Axel vom -Tode errettet hättest, sagt sie. Aber wie war das, Brede, du hast -seine Not gesehen und hast seine Hilferufe gehört und bist einfach -vorbeigegangen? -- Halt nur deinen Mund, Oline! sagt Brede. - -Mundhalten wäre nun eigentlich auch das bequemste für sie gewesen, -sie watete im Schnee und hatte schwer zu tragen; sie keuchte, aber -den Mund hielt sie dennoch nicht. Sie hatte sich einen Trumpf für -zuletzt aufgespart, eine gefährliche Sache, sollte sie es wagen? -- -Und die Barbro, die ist also auf und davon gegangen? fragt sie. -- Ja, -erwidert Brede leichtfertig. Und dadurch hast du einen Winterverdienst -bekommen. -- Aber hier bot sich Oline wieder eine gute Gelegenheit, -sie konnte zu verstehen geben, wie sehr sie gesucht sei, begehrt weit -herum in ihrer Gemeinde. Sie hätte zwei Plätze, ja eigentlich drei -haben können. Im Pfarrhaus wolle man sie auch haben. Und zu gleicher -Zeit gab sie etwas zu verstehen, was Axel wohl hören durfte, das konnte -nichts schaden: es sei ihr soundso viel für den Winter geboten worden, -dazu ein Paar neue Schuhe und das Futter für ein Schaf obendrein. Aber -sie wisse, daß sie hier auf Maaneland zu einem besonders guten Mann -komme, der sie überreich belohnen werde, und darum komme sie lieber -hierher. Nein, Brede solle sich nur keine Sorge machen, bis jetzt habe -ja der himmlische Vater eine Tür nach der andern vor ihr aufgetan -und sie aufgefordert, einzutreten. Und es sehe ja aus, als ob Gott -eine besondere Absicht dabei gehabt habe, als er sie nach Maaneland -schickte, denn sie habe heute abend einen Menschen vom Tode errettet. - -Jetzt ist Axel ganz ermattet, und sein Bein versagt. Merkwürdig, bis -dahin ist es immer besser gegangen, je mehr Wärme und Leben in seine -Glieder zurückkehrten, jetzt jedoch hat er Brede dringend nötig, um -sich aufrecht halten zu können! Es schien anzufangen, als Oline von -ihrem Lohn sprach, und später, als sie ihm wieder das Leben gerettet -hatte, da wurde es ganz schlimm. Wollte er ihren Triumph noch einmal -herabsetzen? Gott weiß es, aber sein Hirn war jedenfalls wieder ganz in -Ordnung. Als sie sich den Häusern nähern, bleibt Axel stehen und sagt: -Ich glaube nicht, daß ich bis nach Hause kommen kann. Brede nimmt ihn -ohne weiteres auf den Rücken. Und nun geht's weiter, Oline voll Gift -und Galle, Axel, so lang er ist, auf Bredes Rücken. Aber wie ist denn -das, sollte Barbro nicht ein Kind bekommen? -- Ein Kind? stöhnt Brede -unter seiner Last. Es ist ein äußerst sonderbarer Aufzug, Axel läßt -sich bis auf die Türschwelle tragen. - -Brede keucht unmäßig. Ja, oder war es etwa kein Kind? fragt Oline. -- -Hier fällt Axel ein und sagt zu Brede: Ich weiß wirklich nicht, wie -ich heute abend hätte heimkommen sollen, wenn du nicht gewesen wärest! -Aber er vergißt auch Oline nicht und sagt: Ich danke auch dir, Oline, -du bist die erste gewesen, die mich gefunden hat. Ich danke euch allen -beiden. - -Das war der Abend, an dem Axel gerettet wurde. - -In den folgenden Tagen ist Oline schwer dazu zu bringen, von etwas -anderem zu reden als von dem großen Ereignis. Axel hat genug zu tun, -sie etwas in den Schranken zu halten. Oline kann das Plätzchen in -der Stube zeigen, wo sie stand, als der Engel des Herrn sie vor die -Tür rief, damit sie die Hilferufe höre; Axel hat wieder anderes zu -denken und muß ein Mann sein. Er fängt seine Arbeit im Walde wieder -an, und als er mit dem Baumfällen fertig ist, fährt er die Stämme nach -Sellanraa in die Sägemühle. - -Das ist eine glatte und ebene Winterarbeit: Stämme hinauf und -zugeschnittene Bretter herunter! Aber es gilt, sich zu beeilen und -vor Neujahr fertig zu werden, bevor der starke Frost einsetzt und das -Sägewerk einfriert. Es geht sehr gut, alles wird fertig. Wenn Sivert -von Sellanraa gerade leer aus dem Dorf zurückkommt, nimmt auch er -einen Stamm auf seinen Schlitten und hilft seinem Nachbar. Die beiden -halten dann einen ordentlichen Schwatz zusammen und haben ihre Freude -aneinander. - -Was gibt's Neues im Dorf? fragt Axel. -- Nichts, erwidert Sivert. Es -soll ein neuer Ansiedler hierherkommen. - -Ein neuer Ansiedler, oh, das war nicht nichts, es war nur Siverts Art -zu sprechen. Jedes Jahr kam ein neuer Ansiedler in die Gegend und -ließ sich da nieder; es waren jetzt fünf Ansiedlungen unterhalb von -Breidablick, oberhalb ging es langsamer mit dem Kolonisieren, obgleich -der Boden nach Süden zu überall mehr Ackerkrume und weniger Moorland -aufwies. Der Ansiedler, der sich am weitesten hinausgewagt hatte, war -Isak, als er Sellanraa gründete, er war der mutigste und klügste. Nach -ihm kam Axel Ström. Nun hatte sich also ein neuer Mann angekauft. Der -neue Mann sollte eine große Strecke Moorland zum Entwässern und Wald -unterhalb Maaneland gekauft haben -- es war ja genug da. - -Hast du gehört, was für ein Mann es ist? fragt Axel. -- Nein, erwidert -Sivert. Er kommt mit fertigen Häusern, die er herführen läßt und im -Handumdrehen aufstellt. -- So, dann hat er also Geld? -- Das muß er -wohl haben. Er kommt mit Familie, mit einer Frau und drei Kindern. -Und er hat Vieh und Pferde. -- Ja, dann hat er Geld, sagt Axel. Hast -du sonst nichts gehört? -- Nein. Er sei dreiunddreißig Jahre alt. --- Wie heißt er denn? -- Aron, wird behauptet. Seinen Hof hat er -Storborg genannt. -- So, also Storborg, die große Burg. Ja, ja, das -ist nicht klein. -- Er ist von der Küste. Es heißt, er sei bis jetzt -beim Fischhandel gewesen. -- Dann kommt es also darauf an, ob er etwas -von der Landwirtschaft versteht, sagt Axel. Hast du sonst nichts von -ihm gehört? -- Nein. Er hat bar bezahlt, als er den Kaufbrief bekam. -Sonst hab' ich nichts gehört. Aber es heißt, er habe ein Heidengeld -mit seiner Fischerei verdient. Jetzt wolle er sich hier niederlassen -und Handel treiben. Ja, das wird behauptet. -- So, er will also Handel -treiben! - -Das war das allerwichtigste, und die beiden Nachbarn besprachen -die Sache nach allen Seiten, während sie dahinfuhren. Es war eine -große Neuigkeit, vielleicht die größte in der ganzen Geschichte der -Ansiedlung, und es gab viel zu besprechen: Mit wem wollte der neue -Ansiedler Handel treiben? Mit den acht Gehöften auf der Allmende? -Oder hoffte er auch auf Kunden aus dem Dorfe? Auf jeden Fall würde ein -Kaufladen von großer Bedeutung sein, vielleicht vermehrte das auch die -Kolonisierung, und die Güter stiegen im Preise, wer konnte es wissen! - -Wie sie redeten und der Sache nicht müde wurden! Diese beiden Männer -hatten ihre Interessen und ihre Ziele, die ebenso wichtig waren wie -die anderer, das Land war ihre Welt, die Arbeit, die Jahreszeiten, -die Ernte waren die Abenteuer, die sie erlebten. War dabei nicht auch -Spannung? Ho, Spannung genug! Oftmals konnten sie nur kurze Zeit -schlafen, oftmals mußten sie über die Mahlzeiten weg arbeiten, sie -konnten das ertragen, sie hatten die Gesundheit dazu; sieben Stunden -unter einem Föhrenstamm schadete ihnen nichts an Leben und Gesundheit, -wenn die Knochen ganz geblieben waren. Ein Leben in einer Welt ohne -Weite, ohne Ausblick? So! Aber welch eine Welt von Ausblick bot dieses -Storborg mit seinem Handel draußen auf dem Ödland! - -Bis Weihnachten wurde darüber geredet ... - -Axel hatte einen Brief erhalten, einen großen Brief mit einem Löwen -darauf, der war vom Staate: er solle die Telegraphendrähte, die Geräte -und das Werkzeug bei Brede Olsen abholen und von Neujahr an die -Aufsicht über die Linie übernehmen. - - - - -4 - - -Mit vielen Pferden wird über das Moor gefahren, die Häuser werden dem -neuen Ansiedler zugefahren, eine Wagenladung nach der andern, tagelang. -An einer Stelle, die später Storborg heißen soll, wird abgeladen; das -Anwesen wird auch gewiß einmal sehr groß, vier Mann sind drüben am Hang -und brechen Steine zu einer Mauer und zwei Kellern aus. - -Es wird gefahren und gefahren. Jeder Balken ist schon genau zugehauen, -sie brauchen, wenn der Frühling kommt, nur zusammengefügt werden, -das ist fein ausgerechnet; die Balken haben laufende Nummern, und es -fehlt keine Tür, kein Fenster, ja nicht eine farbige Glasscheibe für -die Veranda. Und eines Tages kommt ein Wagen mit einer hohen Last von -Latten daher. Was ist das? Einer von den Ansiedlern unterhalb von -Breidablick weiß es; er ist aus dem Süden und hat das schon früher -gesehen. Das gibt einen Gartenzaun, sagt er. -- Der neue Mann will sich -also hier im Ödland einen Garten anlegen, einen großen Garten. - -Das schien sich gut anzulassen, noch niemals hatte es einen solchen -Verkehr über die Moore gegeben, und viele Pferdebesitzer verdienten ein -schönes Geld durch Fuhren, die sie leisteten. Sie besprachen auch die -Sache mündlich unter sich: Nun war Aussicht auf zukünftigen Verdienst, -der Kaufmann würde seine Waren aus dem In- und Ausland beziehen, und -sie mußten mit vielen Pferden von der See heraufgeführt werden. - -Es sah aus, als ob alles recht großartig werden würde. Ein junger -Aufseher oder Bevollmächtigter war angekommen, der den Fuhrbetrieb -leitete, er trieb und drängte und schien nicht Pferde genug auftreiben -zu können, obgleich nicht mehr allzu viele Wagenladungen übrig waren. -Es sind ja gar nicht so viele Wagenladungen von den Häusern mehr übrig, -wurde ihm gesagt. -- Ja, aber alle Waren, erwiderte er. -- Sivert von -Sellanraa kam wieder wie gewöhnlich mit leerem Wagen dahergefahren, -und der Aufseher rief ihm zu: Warum kommst du leer? Du hättest doch -eine Wagenladung für uns bis Storborg mitnehmen können. -- Das hätte -ich wohl können, aber ich wußte nichts davon, entgegnete Sivert. -- Er -ist von Sellanraa, und sie haben dort zwei Pferde, flüsterte jemand -dem Aufseher zu. -- Ist es wahr, daß ihr zwei Pferde habt? fragte -dieser. Komm mit beiden her und leiste Fuhren für uns, hier ist Geld -zu verdienen. -- Ja, das wäre nicht so uneben, meinte Sievert. Aber -jetzt gerade haben wir schlecht Zeit! -- Hast du keine Zeit, Geld zu -verdienen? fragte der Aufseher. - -Nein, auf Sellanraa hatten sie nicht immer übrige Zeit, es war da gar -zu viel zu tun. Und jetzt hatten sie sogar zum erstenmal Männer zur -Hilfe gedingt, zwei schwedische Maurer sprengten Steine zu einem Stall. - -Dieser Stall war seit vielen Jahren Isaks großer Gedanke gewesen, -die Gamme für das Vieh wurde allmählich zu klein und zu dürftig, ein -steinerner Stall mit doppelten Mauern und einer richtigen Dungstätte -sollte es werden. Aber es war so vieles, was gemacht werden sollte, -das eine zog immer wieder das andere nach sich; jedenfalls hörte das -Bauen niemals auf. Isak hatte ein Sägewerk und eine Mühle und einen -Sommerstall, warum sollte er nicht auch eine Schmiede haben? Nur eine -kleine Schmiede zur Nothilfe, es war ja so weit ins Dorf, wenn der -Vorhammer sich bog oder man ein paar neue Hufeisen brauchte. Eine Esse -und einen Amboß, warum sollte er die nicht haben? Im ganzen entstanden -ja so viele große und kleine Gebäude auf Sellanraa. - -Der Hof wird immer größer, wird gewaltig groß, es geht auch nicht -mehr ohne Dienstmagd, und Jensine muß ganz dableiben. Ihr Vater, der -Schmied, fragt gelegentlich nach ihr, und ob sie nicht bald wieder -heimkomme, aber er besteht nicht darauf, er ist sehr nachgiebig und -hat wohl eine Absicht dabei. Sellanraa liegt am höchsten in der -Allmende und nimmt immer mehr zu, nimmt zu an Häusern und an Grund -und Boden, die Menschen sind immer dieselben. Die Lappen kommen jetzt -nicht mehr vorbei und spielen sich als Herren in der Ansiedlung auf, -das hat längst aufgehört. Die Lappen kommen überhaupt nicht mehr -oft vorbei, sie machen lieber einen großen Bogen um den Hof herum, -jedenfalls kommen sie nicht mehr ins Haus herein, sie bleiben draußen -stehen, wenn sie überhaupt stehenbleiben. Die Lappen treiben sich in -der Einöde, im Dunkeln herum; wenn sie in Licht und Luft gebracht -werden, gehen sie ein wie Maden und Ungeziefer. Ab und zu verschwindet -an einer entlegenen Stelle ein Kalb oder ein Lamm, ganz weit draußen, -wo Sellanraa aufhört. Dagegen ist nichts zu machen. Natürlich kann -Sellanraa das tragen. Und wenn Sivert auch schießen könnte, so hätte -er doch keine Flinte, aber er kann nicht schießen, er ist lustig und -unkriegerisch, ein großer Schelm. Außerdem ist das Abschießen von -Lappen wohl verboten, sagt er. - -Sellanraa kann kleine Verluste seines Viehstandes verschmerzen, denn es -ist groß und stark, aber es ist nicht ohne Sorgen, ach nein! Inger ist -keineswegs das ganze Jahr hindurch mit sich und ihrem Leben zufrieden, -nein, sie hat einmal eine große Reise gemacht, und da ist wohl eine -Art verderblicher Abgespanntheit über sie gekommen. Die verschwindet -und kommt wieder. Sie ist rasch und fleißig wie in ihren besten Tagen, -und sie ist eine hübsche und gesunde Frau für ihren Mann, für den -Mühlengeist, aber hat sie nicht auch Erinnerungen von Drontheim? Träumt -sie niemals? Doch und besonders während des Winters. Da gärt zuweilen -eine ganz verfluchte Lebenslust in ihr, und da sie nicht allein tanzen -kann, gibt es keinen Ball. Schwere Gedanken und ein Andachtsbuch? Ach -ja, jawohl, aber Gott weiß, das andere ist auch schön und herrlich! Sie -ist genügsam geworden; die schwedischen Maurer sind jedenfalls fremde -Menschen und ungewohnte Stimmen auf dem Hofe, aber es sind ältere und -ruhige Männer, die nicht spielen, sondern arbeiten. Aber sie sind doch -besser als gar nichts, sie bringen doch etwas Leben mit sich, der eine -singt wunderschön, und Inger bleibt bisweilen stehen und hört ihm zu. -Der Mann heißt Hjalmar. - -Aber damit ist noch nicht alles gut und recht auf Sellanraa. Da ist -zum Beispiel die große Enttäuschung mit Eleseus. Von ihm war ein -Brief gekommen, daß seine Stelle bei dem Ingenieur aufgehört habe, -aber er werde bald eine andere bekommen, er müsse nur warten. Dann -kam ein Brief, er könne, während er auf einen hohen Posten in einem -Büro warte, nicht von nichts leben, und als ihm von zu Hause ein -Hundertkronenschein geschickt wurde, schrieb er zurück, das habe gerade -genügt, einige kleine Schulden zu decken. -- So, sagte Isak. Aber nun -haben wir die Maurer und allerlei Auslagen, frag du nur den Eleseus, ob -er nicht lieber heimkommen wolle und uns helfen! -- Inger schrieb, aber -Eleseus wollte nicht wieder heimkommen, nein, er wollte die Reise nicht -unnötig noch einmal machen, lieber wollte er hungern. - -Seht, es war wohl in der ganzen Stadt keine hohe Stelle in einem Büro -frei, und Eleseus war vielleicht auch nicht Draufgänger genug, sich -seinen Weg zu bahnen. Gott weiß, vielleicht war er auch nicht besonders -tüchtig. Geschickt und fleißig im Schreiben war er wohl, aber ob er -auch klug und gescheit war? Und wenn nicht, wie würde es ihm dann gehen? - -Als er mit den zweihundert Kronen von zu Hause in die Stadt -zurückkehrte, kam diese sofort mit ihren unbezahlten Rechnungen daher, -und nachdem er diese beglichen hatte, mußte er sich einen Stock kaufen, -der alte Regenschirmstock tat es nicht mehr. Verschiedene andere Dinge, -die er sich anschaffen mußte, lagen auch nahe, eine Pelzmütze für den -Winter, wie alle seine Kameraden eine hatten, ein Paar Schlittschuhe, -einen silbernen Zahnstocher, um sich damit die Zähne zu stochern und -elegant damit zu deuten, wenn man bei einem Gläschen zusammensaß und -schwatzte. Und solange er noch reich war, hielt er die andern frei, -so gut er konnte; bei seinem Ankunftsfest ließ er mit der größten -Sparsamkeit ein halbes Dutzend Bierflaschen aufziehen. -- Was, du gibst -der Kellnerin zwanzig Öre? wurde er gefragt. Wir geben zehn. -- Nur -nicht kleinlich sein! sagte Eleseus. - -Er war nicht kleinlich, nein, das stand ihm gar nicht an, er stammte -von einem großen Hof, ja, von einem Herrenhof, sein Vater, der -Markgraf, besaß unendliche Wälder und vier Pferde, dreißig Kühe -und drei Mähmaschinen. Eleseus war kein Lügenbeutel, und nicht er -hatte die Märe von dem Herrenhof Sellanraa verbreitet, das hatte der -Bezirksingenieur seinerzeit getan und in der Stadt damit geprahlt. -Aber es war Eleseus nicht gerade zuwider, daß dieses Märchen so halb -und halb geglaubt wurde. Da er selber nichts war, konnte er wenigstens -der Sohn von jemand sein, das verschaffte ihm Kredit, und er konnte -sich durchschlagen. Aber auf die Dauer ging das doch nicht, endlich -sollte er doch einmal bezahlen, und da saß er fest. Einer seiner -Kameraden verschaffte ihm dann eine Anstellung im Geschäft seines -Vaters. Es war ein Laden mit Bauernkundschaft, der die verschiedensten -Waren führte; aber es war immerhin besser als gar nichts. Es war recht -unangenehm für einen so alten Knaben, mit einem Anfängergehalt in einem -Kramladen zu stehen, wenn er sich doch zum Lensmann hatte ausbilden -wollen; aber er verdiente wenigstens seinen Lebensunterhalt dabei, -es war ein vorläufiger Ausweg, ach, es war eigentlich gar nicht so -schlimm. Eleseus war auch hier freundlich und gefällig und war bei den -Kunden beliebt. Und er schrieb nach Hause, er sei jetzt zum Handel -übergegangen. - -Aber das war nun die große Enttäuschung seiner Mutter. Wenn Eleseus -hinter einem Ladentisch stand, so war er ja auch nicht mehr als -der Ladendiener beim Kaufmann im Dorfe drunten. Früher war er -unvergleichlich viel mehr gewesen, außer ihm hatte niemand je das Dorf -verlassen und auf einem Büro gearbeitet. Hatte er denn sein großes -Ziel aus dem Auge verloren? Inger war nicht so dumm, sie wußte, daß es -einen Unterschied gab zwischen dem Gewöhnlichen und dem Ungewöhnlichen, -aber sie konnte das vielleicht nicht so genau unterscheiden. Isak war -einfältiger und einfacher, er rechnete jetzt immer weniger mit Eleseus, -wenn er rechnete; sein ältester Sohn war gewissermaßen aus seinem -Gesichtskreis hinausgeglitten, er hörte auf, sich Sellanraa zwischen -seinen beiden Söhnen geteilt zu denken, wenn er einmal nicht mehr -dasein sollte. - -Im Frühjahr kamen Ingenieure und Arbeiter aus Schweden; sie sollten -Wege bauen, Baracken errichten, Grundstücke ausebnen, sprengen, -Verbindungen mit Lebensmittellieferanten, mit Pferdebesitzern, mit -Grundbesitzern an der See abschließen -- wozu das alles? Sind wir denn -nicht im Ödland, wo alles still und tot ist? Doch, aber jetzt sollte -ein Versuchsbetrieb auf dem Kupferberg eröffnet werden. - -So, nun wurde also doch etwas aus der Sache, Geißler hatte keine leeren -Umtriebe gemacht. - -Es waren nicht dieselben großen Herren wie das letztemal, der Landrat -fehlte, der Grubenbesitzer fehlte, aber es war der alte Sachverständige -und der alte Ingenieur. Sie kauften Isak alle seine gesägten Bretter -ab, die er nur entbehren konnte, sie kauften Nahrungsmittel und -Getränke und bezahlten gut, dann unterhielten sie sich und waren -freundlich und sagten, Sellanraa gefalle ihnen. Eine Seilbahn! sagten -sie. Eine Luftbahn vom Berggipfel hinunter an die See, sagten sie. -- -Über alle Moore weg? fragte Isak, denn er war schwach im Denken. -- -Ach, da mußten sie lachen! Auf der andern Seite, sagten sie, nicht -auf dieser Seite, das würde ja viele Meilen weit sein. Nein, auf der -andern Seite des Berges, gleich zum Meer hinunter, da ist starkes -Gefälle und gar keine Entfernung. Wir lassen das Erz durch die Luft -in eisernen Trögen hinunter, du wirst sehen, es wird großartig! Aber -zum Anfang wird das Erz hinuntergefahren, wir bauen einen Weg und -lassen es mit den Pferden hinunterfahren -- oh, mit wenigstens fünfzig -Pferden, auch das wird großartig. Und wir sind auch nicht nur so wenig -Leute, wie du hier siehst. Was sind denn wir? Nichts! Von der andern -Seite kommen noch mehr; ein ganzer Zug Arbeiter und fertige Baracken -und Nahrungsmittel und alle Art von Gerätschaften, wir treffen oben -auf der Höhe zusammen. Es kommt Zug in die Sache, Millionen, und das -Erz kommt nach Südamerika. -- Ist der Landrat nicht mit dabei? fragte -Isak. -- Was für ein Landrat? Ach der? Nein, der hat verkauft! -- Und -der Grubenbesitzer? -- Der hat auch verkauft. So, du erinnerst dich an -sie? Nein, die haben verkauft. Und die von ihnen abgekauft haben, haben -wieder verkauft. Jetzt gehört der Kupferberg einer großen Gesellschaft, -ungeheuer reichen Leuten. -- Wo mag wohl Geißler sein? fragte Isak. --- Geißler? Kenne ich nicht. -- Der Lensmann Geißler, der damals den -Kupferberg verkauft hat. -- Ach der! Hat der Geißler geheißen? Gott -weiß, wo er hingekommen ist. Erinnerst du dich an den auch noch? - -Dann sprengten sie und arbeiteten in den Bergen mit vielen Leuten -den ganzen Sommer über, es war ein großer Betrieb. Inger hatte -einen ausgedehnten Handel mit Milch und Käse, und sie fand es recht -unterhaltend, Handel zu treiben und viele Menschen kommen und gehen zu -sehen. Isak schritt mit seinem dröhnenden Gang weit aus und bestellte -sein Land, er ließ sich durch nichts stören. Die zwei Maurer und Sivert -bauten den Stall. Es wurde ein großer Bau; aber es dauerte lange, bis -er aufgerichtet war, es waren zu wenig Mann bei der Arbeit, und Sivert -war außerdem oft nicht dabei, weil er bei der Feldarbeit helfen mußte. -Jetzt war es gut, daß sie eine Mähmaschine hatten und drei flinke -Frauenzimmer beim Heuwenden. - -Alles war gut geworden, das Ödland war zum Leben erwacht, Geld blühte -allenthalben. - -Seht doch nur den Handelsplatz Storborg, war das nicht ein Geschäft -im großen Stil? Dieser Aron mußte doch ein verfluchter Kerl sein, er -mußte seinerzeit von der bevorstehenden Grubenarbeit Wind bekommen -haben und war sofort heraufgezogen mit seinem Kramladen; er handelte, -oh, er handelte wie eine Regierung, ja, wie ein König. Zuallererst -verkaufte er allerlei Haushaltungsgegenstände und Arbeiteranzüge; aber -die Grubenarbeiter, die Geld haben, sind nicht so sparsam damit, daß -sie alle nur das Notwendige kaufen, nein, sie kaufen alles. Besonders -an den Sonntagabenden wimmelte es auf dem Handelsplatz Storborg von -Käufern, und Aron strich Geld ein; er hatte seinen Ladendiener und -seine Frau zur Hilfe hinter dem Ladentisch und verkaufte selbst, was -er vermochte, aber es wurde nicht leer in seinem Laden bis tief in die -Nacht hinein. Und es zeigte sich, daß die Pferdebesitzer im Dorfe recht -behielten, es gab einen gewaltigen Fuhrwerksbetrieb mit Waren hinauf -nach Storborg, die Straße mußte an verschiedenen Stellen verlegt und -ordentlich instand gesetzt werden, jetzt war es etwas ganz anderes als -Isaks schmaler Fußweg durchs Ödland. Aron wurde der reine Wohltäter für -die Gegend mit seinem Handel und seiner Straße. Er hieß übrigens nicht -Aron, das war nur sein Taufname, er hieß Aronsen, so nannte er sich -wenigstens selbst, und so hieß ihn seine Frau. Die Familie tat recht -großartig und hielt zwei Dienstmägde und einen Knecht. - -Der Grund und Boden auf Storborg blieb vorläufig unbebaut liegen, sie -hatten keine Zeit für Landwirtschaft, wer hätte auch im Moor Gräben -ziehen wollen! Dafür hatte Aronsen einen Garten mit einem Lattenzaun -und mit Johannisbeerensträuchern und Astern und Ebereschen und anderen -gepflanzten Bäumen, einen feinen Garten. Es war ein breiter Gang darin, -auf dem Aronsen an den Sonntagen auf und ab gehen und eine lange Pfeife -rauchen konnte. Im Hintergrund lag die Veranda des Hauses mit roten und -gelben und blauen Scheiben. Storborg! Drei kleine hübsche Kinder liefen -herum, das Mädchen sollte lernen, Haustochter eines Kaufmanns zu sein, -die Söhne sollten selbst die Handelsschaft erlernen; oh, drei Kinder -mit einer Zukunft vor sich! - -Hätte Aronsen nicht an die Zukunft gedacht, so wäre er überhaupt nicht -hierhergekommen. Er hätte bei seiner Fischerei bleiben, und wenn er -Glück hatte, auch dabei viel Geld verdienen können; aber das war -nicht so vornehm wie ein Handelsgeschäft, es brachte nicht so viel -Hochachtung ein, die Hüte flogen da nicht vor einem von den Köpfen. -Aronsen hatte seither gerudert, in Zukunft wollte er segeln. Er hatte -eine Redensart: bom konstant. Seine Kinder sollten es mehr bom konstant -haben, als er es gehabt hatte, sagte er, damit meinte er, sie sollten -weniger hart arbeiten müssen. - -Und siehe da, die Sache ließ sich gut an, er und seine Frau, ja sogar -seine Kinder wurden höflich gegrüßt. Man durfte es nicht gering -anschlagen, daß sogar die Kinder gegrüßt wurden. Die Grubenarbeiter -kamen vom Berg herunter und hatten seit langer Zeit keine Kinder mehr -gesehen. Aronsens Kinder liefen ihnen bis vor den Hof entgegen, und -die Arbeiter redeten gleich so freundlich mit ihnen, als hätten sie -drei Pudelhunde vor sich. Sie hätten den Kindern gerne Geld geschenkt, -weil es aber die Kinder des Kaufmanns waren, spielten sie ihnen statt -dessen auf der Mundharmonika vor. Gustaf kam, der junge Wildfang mit -dem Hut auf einem Ohre und dem munteren Geplauder, ja er kam herbei und -schäkerte eine gute Weile mit den Kindern. Die Kinder kannten ihn auch -gleich, wenn er ankam, und liefen ihm entgegen, er lud sie sich alle -drei auf den Rücken und tanzte mit ihnen herum. Ho! sagte Gustaf und -tanzte. Dann nahm er seine Mundharmonika und blies Lieder und Weisen, -so schön, daß die beiden Dienstmägde herauskamen und Gustafs Spiel mit -nassen Augen zuhörten. Gustaf wußte, was er tat, der ausgelassene Kerl! - -Nach einer Weile ging er in den Laden und klimperte mit seinem Geld und -füllte seinen ganzen Rucksack mit den verschiedensten Sachen, und als -er dann wieder heim in die Berge ging, hatte er einen ganzen kleinen -Kramladen bei sich, den er auf Sellanraa auspackte und vorwies. Er -hatte Briefpapier mit Blumen darauf und eine neue Pfeife und ein neues -Hemd und ein Halstuch mit Fransen dran, hatte Süßigkeiten, die er an -die Frauen austeilte; er hatte glänzende Sachen, eine Uhrkette mit -einem Kompaß daran, ein Federmesser; ja, er hatte eine Menge Sachen, -unter anderem auch Raketen, die er sich für den Sonntag gekauft hatte, -um sich und andere damit zu unterhalten. Inger setzte ihm Milch zu -trinken vor, und er spaßte mit Leopoldine und hob die kleine Rebekka -hoch in die Luft. -- Na, steht der Stall bald? fragte er seine -Landsleute, die Maurer, und war auch mit diesen gut Freund. -- Nein, -sie hätten nicht Hilfe genug, sagten die Maurer. -- Dann wolle er ihnen -helfen, sagte Gustaf zum Spaß. -- Das wäre sehr gut, meinte Inger, denn -der Stall sollte bis zum Herbst fertig sein, wenn das Vieh nicht mehr -draußen bleiben könne. - -Nun ließ Gustaf eine Rakete steigen, und nachdem er einmal eine -abgebrannt hatte, konnte er auch gleich alle sechse steigen lassen, -und die Weiberleute und die Kinder hielten den Atem an vor lauter -Verwunderung über dieses Hexenwerk und den Hexenmeister, der es gemacht -hatte. Inger hatte noch niemals eine Rakete gesehen, aber dieser -sonderbare Blitz erinnerte sie an die große Welt. Was wollte jetzt -eine Nähmaschine bedeuten! Und als Gustaf schließlich auch noch die -Mundharmonika spielte, wäre ihm Inger am liebsten nachgezogen vor -lauter Rührung... - -Die Grubenarbeit geht ihren Gang, und das Erz wird mit Pferden an die -See hinuntergefahren; ein Dampfschiff ist schon damit beladen worden -und nach Südamerika abgedampft, und dafür ist ein neues angekommen. -Großer Betrieb. Jedermann, der überhaupt gehen kann, ist im Gebirge -gewesen und hat sich die Wunder angeschaut, auch Brede Olsen ist mit -seinen Gesteinsproben dort gewesen, ist jedoch abgewiesen worden, -weil der Sachverständige wieder nach Schweden abgereist war. An den -Sonntagen war große Völkerwanderung aus dem Dorfe, ja sogar Axel Ström, -der keine Zeit zu verlieren hat, ist ein paarmal, als er die Linie -nachsah, dagewesen. Jetzt gibt es bald niemand mehr, der die Wunder -noch nicht gesehen hat. Da zieht wahrhaftig sogar Inger Sellanraa ihre -schönen Kleider an, steckt den goldenen Ring an den Finger und geht in -die Berge. - -Was will sie dort? - -Sie will eigentlich gar nichts, sie ist nicht einmal neugierig, zu -sehen, wie der Berg geöffnet wird, sie will nur sich sehen lassen. -Als Inger sah, daß andere Frauen in die Berge gingen, spürte sie, daß -auch sie ihnen nach mußte. Sie hat eine entstellende Narbe an der -Oberlippe und hat erwachsene Kinder, aber sie will den andern nach. Es -ärgert sie, daß diese jung sind, aber sie will versuchen, es mit ihnen -aufzunehmen; sie hat noch nicht angefangen, dick zu werden, sie ist -groß und hübsch und sieht gut aus. Natürlich ist sie nicht mehr rot und -weiß, und ihre zarte Pfirsichhaut ist schon längst vergangen, aber man -würde schon sehen, sie kamen sicher, nickten und sagten: Die ist recht! - -Die Arbeiter kommen ihr mit großer Freundlichkeit entgegen, sie haben -von Inger manchen Topf Milch erhalten und kennen sie; sie führen sie in -den Gruben, in den Baracken, in den Ställen, in der Küche, im Keller, -im Vorratshaus umher, die dreistesten unter ihnen rücken ihr auf den -Leib und nehmen sie ein wenig in den Arm; aber das macht Inger nichts, -das tut ihr wohl. Wenn sie Stufen hinauf- oder hinuntergeht, hebt sie -den Rock hoch auf und läßt ihre Waden sehen, aber sie ist ganz gelassen -dabei und tut, als ob nichts geschehen wäre. Die ist recht! denken die -Arbeiter. - -Das alte Ding, sie ist trotz allem rührend: es war leicht zu merken, -ein ihr zugeworfener Blick von diesen warmblütigen Mannsleuten kam -ihr unerwartet, sie war dankbar dafür und vergalt ihn, es tat ihr -ordentlich wohl, in Gefahr zu sein, sie war ein Frauenzimmer wie -andere. Sie war wohl aus Mangel an Versuchung bisher ehrbar gewesen. - -Das alte Ding! - -Gustaf kam auch dazu. Er überließ zwei Mädchen aus dem Dorf einem -Kameraden, nur um herbeikommen zu können. Gustaf wußte, was er tat; er -schüttelte Inger mit überflüssiger Wärme die Hand zum Gruße, aber er -drängte sich nicht auf. -- Na, Gustaf, kommst du nicht bald und hilfst -uns beim Stallbau? fragte Inger und wird dabei dunkelrot. -- Gustaf -antwortet, ja, nun komme er bald. Seine Kameraden hören das und sagen, -sie kämen nun bald alle miteinander. -- Ja, werdet ihr denn nicht den -ganzen Winter hier in den Bergen bleiben? fragt Inger. Die Arbeiter -antworten zurückhaltend, nein, es sehe nicht danach aus. Gustaf ist -kecker, er sagt lachend, sie hätten nun bald alles vorhandene Kupfer -herausgekratzt. -- Das ist nicht dein Ernst! ruft Inger. -- Nein, -erwiderten die andern Arbeiter, Gustaf solle sich in acht nehmen, so -etwas zu sagen. - -Aber Gustaf nahm sich nicht in acht, er sagte lachend noch viel mehr, -und was Inger betrifft, so gewann er sie für sich allein, obgleich -er nicht zudringlich war. Ein anderer junger Mann spielte die -Ziehharmonika, aber das war lange nicht dasselbe, wie wenn Gustaf die -Mundharmonika blies. Ein dritter junger Mann, auch ein Tausendsassa, -suchte dadurch die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, daß er auswendig -ein Lied zur Ziehharmonika sang; aber es war auch das nichts -Besonderes, obgleich er eine rollende Stimme hatte. Nach kurzer Zeit -hatte Gustaf wahrhaftig Ingers goldenen Ring an seinem kleinen Finger -stecken. Und wie war das zugegangen, da er sich doch nicht aufgedrängt -hatte? Ei, er drängte sich genügend herzu, aber er machte es in aller -Stille, gerade wie sie auch, es ging ohne Worte, sie tat, wie wenn sie -es gar nicht merkte, als er sich mit ihrer Hand zu schaffen machte. Als -sie dann später in der Barackenküche saß und Kaffee trank, hörte sie -draußen etwas Lärm und Streit, und sie begriff, daß dies sozusagen ihr -zu Ehren war. Das reizte sie auf, das alte Birkhuhn saß da und lauschte -auf ein angenehmes Geräusch. - -Wie Inger an jenem Sonntagabend von den Bergen nach Hause kam? Ho, -ausgezeichnet, ebenso tugendhaft, wie sie gegangen war, nicht mehr -und nicht minder. Viele Männer gaben ihr das Geleite, und die vielen -Männer wollten nicht umkehren, solange Gustaf bei ihr war, sie gaben -nicht nach, sie wollten nicht nachgeben! Nicht einmal draußen in der -großen Welt hatte es Inger so unterhaltend gehabt. -- Ob Inger nichts -vermisse, fragten sie schließlich. -- Vermissen, nein. -- Den goldenen -Ring! sagten sie. -- Nun mußte Gustaf damit herausrücken, er hatte ein -ganzes Heer gegen sich. -- Es ist gut, daß du ihn gefunden hast, sagte -Inger und beeilte sich, von ihrem Gefolge Abschied zu nehmen. - -Sie näherte sich Sellanraa und sah die vielen Dächer, dort unten war -ihr Heim. Sie erwachte wieder zu der tüchtigen Frau, die sie war; sie -geht einen Fußweg am Sommerstall vorbei, um nach dem Vieh zu sehen, und -auf dem Wege dahin kommt sie an einer Stelle vorbei, die sie gut kennt: -hier lag einmal ein kleines Kind begraben, sie hatte die Erde mit den -Händen zusammengescharrt und ein kleines Kreuz darauf gesteckt. Ach, -wie lange war das her! Und gleich denkt sie weiter: Ob wohl die Mädchen -gemolken und für den Abend alles in Ordnung gebracht haben! - -Die Grubenarbeit geht weiter, jawohl, aber es wird gemunkelt, daß der -Berg nicht halte, was er versprochen habe. Der Sachkundige, der nach -Hause gereist war, kommt wieder und hat noch einen zweiten Sachkundigen -bei sich, sie bohren und sprengen und untersuchen gründlich. Was ist -denn nicht in Ordnung? Das Kupfer ist fein genug, daran fehlt es nicht, -aber die Ader ist dünn, sie nimmt nach Süden an Dicke zu und fängt -gerade da, wo die Grenzlinie der Gesellschaft geht, erst an, dick -und herrlich zu werden, aber da ist die Allmende. Seht, die ersten -Käufer hatten sich wohl nicht viel bei ihrem Kauf gedacht, es war ein -Familienrat, Verwandte, die auf Spekulation kauften; sie hatten sich -nicht den ganzen Berg gesichert, all die vielen Meilen bis zum nächsten -Tale, nein, sie kauften ein Stückchen von Isak Sellanraa und Geißler -und verkauften dann wieder. - -Und was ist nun zu tun? Die Herren und die Vorarbeiter und die -Sachkundigen wissen das sehr gut, sie müssen sofort mit dem -Staat verhandeln. Sie schicken also eine Stafette nach Hause mit -Briefschaften und Karten und reiten danach selbst zum Lensmann, um -Beschlag auf den ganzen Bergzug auf der Südseite des Wassers zu legen. -Aber jetzt treffen sie auf allerlei Schwierigkeiten. Das Gesetz steht -ihnen im Weg, sie sind Ausländer, sie können nicht direkt kaufen. -Das wissen sie wohl, da haben sie vorgesorgt. Allein die Südseite des -Berges ist bereits verkauft, das haben sie nicht gewußt. -- Verkauft? -sagen die Herren. -- Schon lange, schon seit mehreren Jahren. -- Wer -hat das Land gekauft? -- Geißler. -- Was für ein Geißler? Ach der? -- -Verbrieft und versiegelt, sagt der Lensmann. Es ist kahler Fels, er hat -ihn beinahe für nichts bekommen. -- Aber zum Kuckuck, was ist denn das -für ein Geißler, von dem wir immer wieder hören! Wo ist er? -- Gott -weiß, wo er ist. - -Die Herren mußten eine neue Stafette nach Schweden schicken. Und sie -mußten ja auch versuchen, herauszubringen, wer dieser Geißler war. -Vorläufig konnten sie nicht mehr mit voller Mannschaft weiterarbeiten -lassen. - -Nun kam Gustaf hinunter nach Sellanraa; er trug all sein irdisch Gut -auf dem Rücken und sagte, nun komme er! Jawohl, Gustaf hatte den Dienst -bei der Gesellschaft verlassen, das heißt, er hatte sich am letzten -Sonntag etwas zu offenherzig über den Kupferberg geäußert, seine Worte -waren dem Vorarbeiter und dem Ingenieur hinterbracht worden, und Gustaf -hatte den Abschied erhalten. Glückliche Reise, und außerdem war es -vielleicht gerade das, was er gewollt hatte: nun erweckte es keinen -Verdacht, wenn er nach Sellanraa ging. Er bekam sofort Arbeit beim -Stallbau. - -Sie mauern und mauern, und als kurz darauf noch ein Mann von den Bergen -kommt, findet auch er einen Platz bei der Arbeit; nun konnten zwei -Schichten gemacht werden, und die Arbeit ging rasch von der Hand. Der -Stall würde bis zum Herbst doch noch fertig werden. - -Aber ein Arbeiter nach dem andern kam von den Bergen herunter, allen -war aufgekündigt worden, und sie zogen wieder heim nach Schweden. Der -Versuchsbetrieb sollte aufhören. Im Dorfe drunten ging es wie ein -Seufzer durch alle Menschen; seht, sie waren so töricht, sie begriffen -nicht, daß ein Probebetrieb ein Betrieb auf Probe ist, aber das war -es. Mißmut und schlimme Ahnungen ergriffen die Menschen im Dorfe, das -Geld wurde seltener, die Löhne wurden herabgesetzt, der Handelsplatz -Storborg verödete. Was sollte das alles bedeuten? Nun war doch alles -so schön im Gang, Aronsen hatte sich eine Flaggenstange und eine -Flagge angeschafft, er hatte sich für den Winter ein Eisbärfell für -seinen Familienschlitten gekauft und die ganze Familie mit großartigen -Kleidern ausstaffiert. Das waren ja nur Kleinigkeiten, aber es waren -auch große Dinge geschehen: zwei neue Ansiedler hatten sich Rodeland -in der Gegend gekauft, hoch oben zwischen Maaneland und Sellanraa, -das war keine unbedeutende Sache für diese kleine abgelegene Welt. -Die beiden Ansiedler hatten ihre Gammen errichtet, hatten gerodet und -Moore entwässert, es waren fleißige Leute, sie waren in kurzer Zeit -weit gekommen. Den ganzen Sommer über hatten sie ihre Nahrungsmittel -in Storborg gekauft, aber als sie das letztemal kamen, war fast -nichts mehr zu haben. Waren -- was sollte Aronsen mit Waren, wenn -der Grubenbetrieb aufgehört hatte? Nun hatte er beinahe keine Waren -mehr, er hatte nur Geld. Von allen Leuten in der Gegend war vielleicht -Aronsen der mißmutigste; er hatte sich mit seinem Überschlag gar zu -sehr verrechnet. Als ihm geraten wurde, sein Land zu bebauen und bis -bessere Zeiten kämen, davon zu leben, antwortete er: Das Land bebauen? -Dazu bin ich mit den Meinen nicht hierhergekommen. - -Zuletzt hielt es Aronsen nicht mehr aus, er wollte selbst hinauf zu -den Gruben und einmal nach der Sache sehen. Es war an einem Sonntag. -Als er nach Sellanraa kam, wollte er Isak mit hinaufnehmen; aber Isak -hatte noch keinen Fuß ins Gebirge gesetzt, seit dort der Betrieb -angefangen hatte, er gedieh am besten auf seiner Halde. Inger mußte -sich ins Mittel legen. Kannst du denn nicht mit Aronsen gehen, wenn er -dich darum bittet, sagte sie. Sieh einmal an, Inger hatte wohl nichts -dagegen, wenn Isak eine Weile von zu Hause weg war! Es war Sonntag, sie -wollte ihn wohl gerne ein paar Stunden los sein. So ging Isak also mit. - -Sie sahen allerlei Neues auf dem Berge, Isak kannte sich in dieser -neuen Stadt von Baracken und Wagenschuppen und gähnenden Gruben gar -nicht mehr aus. Der Ingenieur selbst führte sie herum. Vielleicht -war dem guten Ingenieur zurzeit nicht so ganz leicht zumute, aber er -versuchte, der schweren Stimmung, die auf der ganzen Gegend und auf der -Gemeinde lastete, entgegenzuarbeiten. Da war nun eine gute Gelegenheit, -der Markgraf von Sellanraa selbst und der Kaufmann von Storborg waren -auf dem Platze. - -Der Ingenieur erklärte die Gesteinsarten: Kies, Kupferkies, der -enthielt Kupfer, Eisen und Schwefel. Ja, er wußte bis aufs Tüpfelchen, -was der Berg enthielt, er enthielt sogar ein wenig Silber und Gold. -Man trieb nicht Bergbau, ohne seine Sache zu können. Aber soll das -nun aufhören? fragte Aronsen. -- Aufhören? wiederholte der Ingenieur -erstaunt. Damit wäre Südamerika nicht gedient. Mit dem Versuchsbetrieb -würde nun eine Weile Schluß gemacht, sie hätten ja jetzt gesehen, was -vorhanden war, jetzt würde erst die Luftbahn gebaut, und dann erst -werde es in dem Gebirge nach Süden zu losgehen. Isak wisse wohl nicht, -wo dieser Geißler hingekommen sei? -- Nein. -- Na, er werde schon zu -finden sein. Dann gehe es erst recht im Ernst los. Was, aufhören! - -Isak ist in Verwunderung und Bewegung geraten über eine kleine -Maschine, die mit dem Fuß getreten wird; er erkennt sofort, was das -ist; das ist ja eine kleine Schmiede, die auf einem Karren geführt und -überall aufgestellt werden kann. -- Was kostet eine solche Maschine? -fragt Isak. -- Diese? Die Feldesse? Oh, die kostet nicht viel. Sie -hätten mehrere solche, aber sie hätten ganz andere Maschinen und -Einrichtungen drunten an der See, ungeheure Maschinen. Isak werde wohl -begreifen, daß man solchen tiefen Tälern und Abgründen in den Bergen -nicht mit Nägeln zu Leibe gehen könne, hahaha. - -Sie gehen weiter, und der Ingenieur erzählt, daß er in den nächsten -Tagen nach Schweden abzureisen gedenke. -- Aber Ihr kommt doch wieder? -fragt Aronsen. -- Natürlich. Der Ingenieur war sich nichts bewußt, -weshalb ihn die Regierung oder die Polizei zu Hause festsetzen könnte. -Isak richtete es so ein, daß sie noch einmal vor die kleine Schmiede -zu stehen kamen. Wieviel kann solch eine Esse kosten? fragt er. -- -Kosten. Das wußte der Ingenieur wahrhaftig nicht mehr. Sie kostet ja -wohl einiges Geld, aber bei einem so großen Betrieb kommt das gar nicht -in Betracht. Der prächtige Ingenieur, vielleicht war ihm jetzt gerade -nicht ganz leicht zu Sinn, aber er wahrte den Schein und tat großartig -bis zuletzt. Ob Isak eine Feldesse brauchen könne? Dann solle er nur -diese nehmen. Seine Gesellschaft sei mächtig genug, sie schenke ihm die -Feldesse! - -Eine Stunde später wandern Isak und Aronsen wieder nach Hause. Aronsen -ist ruhiger geworden und hat ein wenig Hoffnung geschöpft, Isak -schreitet den Berg hinunter mit der kostbaren Feldesse auf dem Rücken. -Der alte Prahm war es gewöhnt, Lasten zu tragen! Der Ingenieur hatte -angeboten, am nächsten Tag das Kleinod durch einen Mann nach Sellanraa -zu schicken, aber Isak dankte und sagte, das sei nicht nötig. Er -dachte, wie die zu Hause sich verwundern würden, wenn er mit einer -Schmiede auf dem Rücken ankam! - -Aber es war Isak, der sich verwundern mußte, als er heimkam. - -Dort kam gerade ein Pferd mit einer ganz sonderbaren Wagenladung -auf den Hof gefahren. Der Kutscher war ein Mann aus dem Dorfe, aber -nebenher schritt ein Herr, den Isak verwundert anstarrte: es war -Geißler. - - - - -5 - - -Isak hätte sich auch sonst noch über das eine oder andere verwundern -können, aber er war nicht dazu geschaffen, an viele Dinge auf einmal zu -denken. Wo ist Inger? fragte er nur, als er an der Küchentür vorbeikam, -denn er dachte daran, daß Geißler ordentlich bewirtet werden müsse. - -Inger? Sie war in die Beeren gegangen, war in den Beeren gewesen, seit -Isak auf den Berg gestiegen war, sie mit Gustaf, dem Schweden. Das alte -Ding, sie war so toll und verliebt; es ging zwar dem Herbst und dem -Winter zu, aber sie fühlte wieder Sommerhitze in sich, ihr Herz blühte! -Komm und zeig mir, wo Multebeeren wachsen, sagte Gustaf. Wer hätte da -widerstehen können! Sie lief in ihre Kammer und war einige Minuten lang -ernst und fromm; aber er stand draußen und wartete, die Welt war ihr -dicht auf den Fersen; sie ordnete ihre Haare, beschaute sich nach allen -Seiten im Spiegel und ging dann wieder hinaus. Was weiter, wer hätte -das auch nicht getan! Die Frauen können den einen Mann nicht von dem -andern unterscheiden, nicht immer, nicht oft. -- - -Sie gehen also in die Beeren und pflücken, pflücken Multebeeren auf dem -Moor, sie steigen von einem Erdhaufen auf den andern, sie hebt ihre -Röcke in die Höhe und läßt ihre schönen Waden sehen. Rundum ist es -still, das Schneehuhn hat schon große Junge und zischt nicht mehr, es -gibt weiche Plätzchen im Gebüsch auf dem Moor. Sie sind noch nicht eine -Stunde gegangen, und schon ruhen sie aus. Inger sagt: Bist du so einer! -Ach, sie ist so schwach ihm gegenüber, sie lächelt verlegen, denn -sie ist sehr verliebt; ach, wie ist doch Verliebtsein süß und bitter -zugleich! Schick und Brauch verlangen wohl, sich zu wehren. Ja, um -endlich doch nachzugeben. Inger ist sehr verliebt, sterblich und ohne -Gnade verliebt, sie will ihm wohl und ist nur gut und herzlich gegen -ihn. - -Das alte Ding! - -Wenn der Stall fertig ist, dann gehst du fort, sagt sie. -- Nein, er -gehe nicht fort. Natürlich müsse er einmal fortgehen, aber nicht schon -in einer Woche. -- Wollen wir nicht heimgehen? fragt sie. -- Nein. - -Sie pflücken Beeren, und nach einer Weile finden sie wieder weiche -Plätzchen im Gebüsch, und Inger sagt: Du bist verrückt, Gustaf! Die -Stunden vergehen, jetzt sind sie wohl im Gebüsch eingeschlafen. Sind -sie eingeschlafen? Das ist ausgezeichnet, mitten im Ödland, in Eden. -Da setzt sich Inger auf und horcht und sagt: Ich meine, ich höre weit -drüben auf dem Weg einen Wagen fahren. - -Die Sonne sinkt; während sie heimgehen, werden die Heidehügel im -Schatten dunkler. Sie kommen noch an vielen geschützten Stellen vorbei, -Gustaf sieht sie, und Inger sieht sie wohl auch, aber sie meint die -ganze Zeit, es fahre jemand vor ihnen her. Aber sich auf dem ganzen -Heimweg gegen einen närrischen hübschen Jungen wehren müssen? Inger ist -sehr schwach, sie lächelt nur und sagt: Nein, so einen wie dich hab' -ich doch noch nie gesehen! - -Inger kommt allein nach Hause. Es ist gut, daß sie jetzt kommt, -großartig ist es, eine Minute später wäre nicht so gut gewesen. Isak -ist gerade mit seiner Schmiede und mit Aronsen in den Hof getreten, -und ein Pferd mit einem Wagen hält auch eben vor der Tür. - -Guten Tag! sagt Geißler und begrüßt dann auch Inger. - -Da stehen diese Menschen und schauen einander an. Es könnte nicht -besser passen. - -Geißler ist wiedergekommen. Er ist einige Jahre weggewesen, aber jetzt -ist er wieder da, etwas älter und grauer, aber lebhaft wie immer, und -jetzt ist er fein gekleidet, trägt eine weiße Weste und eine goldene -Kette. Der Teufel versteht diesen Mann! - -Hat er Kunde erhalten, daß jetzt auf dem Kupferberg etwas vor sich -ging, und wollte er die Sache untersuchen? Gut, hier war er. Er -sieht hell wach aus, mustert Häuser und Felder, indem er den Kopf -sachte hin und her dreht und die Blicke wandern läßt; er sieht große -Veränderungen, der Markgraf hat seine Herrschaft erweitert. Geißler -nickt befriedigt. - -Was schleppst du denn da herbei? fragte er Isak. Das ist ja eine ganze -Pferdelast! sagt er. -- Eine Schmiedeesse, erklärt Isak. Die wird mir -hier auf der Ansiedlung manches liebe Mal zugute kommen, sagt er und -heißt Sellanraa immer noch eine Ansiedlung. -- Wo hast du sie her? -- -Der Ingenieur droben auf dem Berg hat sie mir geschenkt. -- Ist auf dem -Berg ein Ingenieur? fragt Geißler, wie wenn er es nicht wüßte. - -Sollte Geißler hinter dem Ingenieur auf dem Berg zurückstehen? Ich habe -gehört, daß du dir eine Mähmaschine gekauft hast, jetzt habe ich dir -dazu einen Heurechen mitgebracht, sagt er und deutet auf den Wagen. -Da stand die Maschine, rot und blau, ein unmäßig großer Kamm, ein -Heurechen, der von einem Pferd gezogen wurde. Sie hoben die Maschine -vom Wagen und betrachteten sie, Isak spannte sich vor und versuchte sie -auf der nackten Erde. Der Mund stand ihm offen vor Verwunderung. Ein -Wunder nach dem andern war nach Sellanraa gekommen. - -Sie sprachen über den Kupferberg, über das Bergwerk. Sie haben dort -eifrig nach Euch gefragt, sagt Isak. -- Wer hat gefragt? -- Der -Ingenieur und alle die Herren. Sie müßten Euch unbedingt auffinden, -sagten sie. Ach, Isak machte sicher zuviel aus der Sache, Geißler -vertrug das vielleicht nicht, er machte einen steifen Nacken und sagte: -Da bin ich, wenn sie etwas von mir wollen. - -Den Tag darauf kamen die beiden Stafetten aus Schweden zurück, und mit -ihnen kamen zwei von den Eigentümern des Bergwerks; sie waren zu Pferd, -vornehme, dicke Herren und allem Anschein nach steinreich. Sie hielten -auf Sellanraa fast nicht an, sondern erkundigten sich nur vom Pferd -aus nach dem Wege und ritten weiter nach dem Berge zu. Sie taten, als -ob sie Geißler gar nicht sähen, obgleich er ganz in der Nähe stand. -Die Stafetten mit den beladenen Packpferden ruhten eine Stunde aus, -unterhielten sich mit den Maurern, die am Stall arbeiteten, erfuhren, -daß der alte Herr mit der weißen Weste und der goldenen Kette Geißler -sei, und dann zogen auch sie weiter. Aber die eine der Stafetten kam -noch am selben Abend wieder auf den Hof herunter mit der mündlichen -Botschaft, Geißler solle zu den Herren hinaufkommen. Hier bin ich, wenn -sie etwas von mir wollen, ließ Geißler antworten. - -Geißler war großartig geworden, er dachte vielleicht, er habe die -ganze Welt in der Tasche, oder fand er eine mündliche Botschaft gar zu -nachlässig? Aber wie ging es zu, daß er gerade in dem Augenblick nach -Sellanraa kam, wo man ihn brauchte? War er denn allwissend? Na, als -die Herren auf dem Berge diese Antwort bekamen, mußten sie sich wohl -oder übel nach Sellanraa herabbemühen. Der Ingenieur und die beiden -Sachverständigen kamen mit. - -Aber es waren noch allerlei Wendungen und Winkelzüge notwendig, ehe die -Zusammenkunft zustande kam. Das versprach nicht viel Gutes, Geißler tat -ungeheuer großartig. - -Die Herren waren jetzt recht höflich, sie baten Geißler, zu -entschuldigen, daß sie gestern nach ihm geschickt hätten, sie seien -von der Reise sehr ermüdet gewesen. Geißler war auch wieder höflich, -er erwiderte, auch er sei von seiner Reise ermüdet gewesen, sonst wäre -er hinaufgekommen. Ja, aber nun zur Sache: Ob er den Berg auf der -Südseite des Wassers verkaufen wolle? -- Sind die Herren selbst Käufer -oder spreche ich mit Zwischenhändlern? -- Das war die reine Bosheit von -Geißlers Seite, er mußte doch sehen, daß diese vornehmen und dicken -Herren keine Zwischenhändler sein konnten. Dann ging es weiter: Der -Preis? fragten sie. -- Ja, der Preis! sagte auch Geißler und überlegte. -Zwei Millionen, sagte er dann. -- Ach so, sagten die Herren und -lächelten. -- Aber Geißler lächelte nicht. - -Der Ingenieur und die Sachverständigen hatten so obenhin den Berg -untersucht, hatten einige Löcher gebohrt und gesprengt, und das -Ergebnis lautete also: Das Vorkommen des Kupfers war auf Eruptionen -zurückzuführen, die Kupferfunde waren sehr ungleich verteilt, -nach der vorläufigen Untersuchung waren sie am mächtigsten an der -Grenze zwischen dem Eigentum der Gesellschaft und dem von Geißler, -weiterhin nahmen sie wieder ab. Auf der letzten halben Meile kam kein -abbauwürdiger Kupferkies mehr vor. - -Geißler hörte diesem Bericht mit der größten Gleichgültigkeit zu. Er -zog einige Dokumente aus der Tasche, die er aufmerksam durchsah, aber -es waren keine Karten, und Gott weiß, ob sie überhaupt den Kupferberg -betrafen. -- Es ist nur nicht tief genug gebohrt worden, sagte er, als -ob er das aus seinen Papieren entnehme. Das gaben die Herren sofort -zu; aber der Ingenieur fragte, wie Geißler das wissen könne, er habe -ja überhaupt gar nicht gebohrt. -- Da lächelte Geißler, als ob er -mindestens ein paar hundert Meter tief in den Erdball hineingebohrt, -aber dann die Bohrlöcher unkenntlich gemacht habe. - -Bis Mittag redeten sie hin und her, dann schauten die Herren auf ihre -Uhren. Geißler war mit seinen Ansprüchen bis auf eine Viertelmillion -heruntergegangen, aber weiter herunter ging er nicht um Haaresbreite. -Nein, sie mußten ihn ernstlich verletzt haben, sie gingen von der -Anschauung aus, daß er gerne verkaufen würde, daß er genötigt sei -zu verkaufen; aber das war er nicht, hoho, konnten sie denn nicht -sehen, daß er beinahe ebenso vornehm und großartig war wie sie? -- -Fünfzehn- bis zwanzigtausend seien auch eine schöne Summe, meinten die -Herren. -- Geißler sagte: Dagegen sei nichts einzuwenden, wenn man -das Geld gerade nötig habe, aber zweihundertundfünfzigtausend seien -mehr. -- Da sagte einer von den Herren, und er sagte das, um Geißler -gleichsam niederzudrücken: Eben fällt mir ein, wir sollen Sie von Frau -Geißlers Verwandten in Schweden grüßen. -- Danke! sagte Geißler. -- -Apropos! sagte der andere Herr, da dies nichts genützt hatte. Eine -Viertelmillion! Es ist doch aber kein Gold, sondern Kupferkies. -- -Geißler nickte. Ja, es ist Kupferkies. - -Da wurden die Herren alle miteinander ungeduldig, fünf Uhrendeckel -sprangen auf und klappten wieder zu, und jetzt war keine Zeit mehr -zum Scherzen, jetzt war Mittag. Die Herren verlangten kein Essen auf -Sellanraa, sie ritten zurück zu den Gruben und speisten dort ihr -eigenes Essen. - -So verlief diese Zusammenkunft. - -Geißler blieb allein zurück. - -Was waren das wohl für Überlegungen, die ihn bewegten? Vielleicht -gar keine, vielleicht war es ihm gleichgültig, und er überlegte gar -nicht. O nein, er überlegte, aber er ließ keinerlei Unruhe merken. Nach -dem Mittagessen sagte er zu Isak: Ich wollte eigentlich einen weiten -Gang über meinen Berg machen und hätte wie das letztemal Sivert gerne -mitgenommen. -- Isak sagte augenblicklich zu. -- Nein, er hat anderes -zu tun, erklärte Geißler. -- Er soll sofort mit Euch gehen, sagte Isak -und rief Sivert von seiner Maurerarbeit ab. -- Aber Geißler hob die -Hand und sagte kurz: Nein! - -Er trieb sich auf dem ganzen Hof herum, kam auch mehrere Male wieder -bei den Maurern vorbei und unterhielt sich da lebhaft mit ihnen. Daß -er das konnte, wo ihn doch eben erst so etwas Wichtiges in Anspruch -genommen hatte! Oh, vielleicht hatte er solange in unsicheren -Verhältnissen gelebt, daß eigentlich für ihn gar nichts mehr auf dem -Spiele zu stehen schien, einen schwindelnden Sturz würde er auf keinen -Fall tun. - -Hier stand er nun vor einem reinen Glücksfall. Nachdem er das kleine -Grubenstück an die Verwandten seiner Frau verkauft hatte, ging er -stracks hin und kaufte den ganzen übrigen Berg; warum hatte er das -getan? Wollte er die jetzigen Eigentümer dadurch ärgern, daß er ihr -nächster Nachbar wurde? Ursprünglich hatte er wohl nur auf der Südseite -des Wassers, da, wohin die Grubenstadt kommen mußte, wenn je ein -Bergwerk errichtet wurde, einen Streifen haben wollen; Eigentümer des -ganzen Berges aber wurde er, weil ihn dies beinahe nichts kostete, und -weil er sich die Mühe einer weitläufigen Grenzabsperrung sparen wollte. -Er wurde Bergkönig aus Gleichgültigkeit, ein kleiner Bauplatz für -Baracken und Maschinenschuppen wurde zu einem Reiche, das bis hinunter -ans Meer ging. - -In Schweden ging der erste kleine Grubenteil von Hand zu Hand, und -Geißler hielt sich über dessen Schicksal stets unterrichtet. Natürlich -hatten die ersten Besitzer dumm gekauft, verrückt dumm, der Familienrat -war nicht sachverständig gewesen, und die Herren hatten sich kein -genügend großes Stück des Berges gesichert, sie hatten nur einen -gewissen Geißler abfinden und sich ihn vom Halse schaffen wollen. -Aber die neuen Besitzer waren nicht weniger komische Leute, sie waren -gewaltige Männer, die sich einen Scherz erlauben und nur so zum -Vergnügen, etwa bei einem Gelage, kaufen konnten, wer weiß! Aber als es -nun zu einem Versuchsbetrieb kam und Ernst aus der Sache wurde, standen -sie plötzlich vor einer Mauer: Geißler. - -Sie sind Kinder! dachte Geißler vielleicht von seiner Höhe herunter, er -war sehr mutig und steifnackig geworden. Die Herren hatten allerdings -versucht, ihn mit kaltem Wasser zu begießen, sie hatten geglaubt, vor -einem Dürftigen zu stehen und deshalb ein Wörtlein von so fünfzehn bis -zwanzigtausend fallen lassen. Sie waren Kinder, sie kannten Geißler -nicht. Hier stand er. - -Die Herren kamen an diesem Tage nicht mehr vom Berg herunter, sie -meinten wohl, klug zu handeln, wenn sie sich nicht gar so eifrig -zeigten. Am nächsten Morgen kamen sie indes doch, hatten ihr Packpferd -bei sich und waren auf der Heimreise. Aber da war Geißler weggegangen. - -War Geißler weggegangen? - -Die Herren konnten unter diesen Umständen nichts vom Pferde aus -abmachen, sie mußten absteigen und warten. Wohin war Geißler gegangen? -Niemand wußte es, er ging überall herum, er interessierte sich für -Sellanraa, zuletzt war er bei dem Sägewerk gesehen worden. Die -Stafetten wurden ausgesandt, ihn zu suchen, aber er mußte wohl weit -weggegangen sein, denn er gab keine Antwort, als er gerufen wurde. Die -Herren schauten nach ihren Uhren und waren anfänglich sehr ärgerlich -und sagten: Wir werden doch nicht die Narren sein und warten. Wenn -Geißler verkaufen will, so soll er auch auf dem Platze sein! O ja, -aber der große Ärger der Herren legte sich, sie warteten, ja, sie -wurden scherzhaft, das war ja zum Verzweifeln, sie mußten hier an der -Grenzscheide des Berges über Nacht bleiben. Das geht ja brillant, -sagten sie. Unsere Angehörigen werden dereinst unsere gebleichten -Gebeine finden! - -Endlich kam Geißler. Er hatte sich auf dem ganzen Gute umgesehen, und -jetzt kam er eben vom Sommerstall. Es kommt mir vor, als ob auch der -Sommerstall für dich zu klein würde, sagte er zu Isak. Wieviel Stück -Vieh hast du denn alles in allem da droben? -- So konnte er sprechen, -obgleich die Herren mit der Uhr in der Hand dastanden. Geißler hatte -eine merkwürdige Röte im Gesicht, als ob er starke Getränke genossen -hätte. Puh, ist mir von dem Gang warm geworden! sagte er. - -Wir hatten einigermaßen erwartet, Sie würden auf dem Platze sein, -sagte einer der Herren. -- Darum hatten mich die Herren nicht gebeten, -erwiderte Geißler. Sonst wäre ich auf dem Platze gewesen. -- Na, und -der Handel? Ob Geißler heute ein vernünftiges Gebot annehmen wolle? -Es würden ihm doch wohl nicht jeden Tag fünfzehn- bis zwanzigtausend -angeboten, oder doch? -- Diese neue Andeutung verletzte Geißler -bedeutend. War das auch eine Art? Und die Herren hätten sicherlich -nicht so gesprochen, wenn sie nicht ärgerlich gewesen wären, und -Geißler wäre nicht auf der Stelle blaß geworden, wenn er nicht vorher -an einem einsamen Ort gewesen und rot geworden wäre. Jetzt erbleichte -er und erwiderte kalt: Ich will nicht andeuten, was den Herren zu -bezahlen vielleicht erschwinglich ist, dagegen weiß ich, was ich haben -will. Ich will das Kindergeschwätz über den Berg nicht mehr hören. -Mein Preis ist derselbe wie gestern. -- Eine Viertelmillion Kronen? -- -Ja. -- - -Die Herren stiegen zu Pferd. - -Jetzt will ich Ihnen etwas sagen, Geißler, begann der eine. Wir wollen -bis auf fünfundzwanzigtausend gehen. -- Sie sind immer noch scherzhaft -aufgelegt, erwiderte Geißler. Ich will Ihnen einen ernsthaft gemeinten -Gegenvorschlag machen: Wollen Sie mir Ihr kleines Grubenstückchen -verkaufen? -- Ja, das lasse sich überlegen, sagten die einigermaßen -überrumpelten Herren. -- Dann werde ich es kaufen, erklärte Geißler. - -Oh, dieser Geißler! Der ganze Hof stand voller Menschen, die ihn reden -hörten, alle Leute von Sellanraa und die Maurer und die Herren und -die Stafetten; er konnte sich vielleicht überhaupt kein Geld zu einem -solchen Geschäft verschaffen, aber Gott weiß, ob er es nicht am Ende -doch konnte, wer verstand sich auf ihn! Auf jeden Fall brachte er mit -seinen wenigen Worten eine kleine Revolution unter den Herren hervor. -Wollte er ihnen ein Schnippchen schlagen? Meinte er, seinen Berg durch -dieses Vorgehen wertvoller zu machen? - -Die Herren überlegten wirklich, die Herren fingen an, leise miteinander -darüber zu reden, sie stiegen wieder von den Pferden. Da mischte sich -der Ingenieur in die Sache, sie kam ihm wohl zu erbärmlich vor, und er -schien auch die Macht und die Gewalt dazu zu haben. Jetzt stand ja der -ganze Hof voll von Leuten, die alle zuhörten. -- Wir verkaufen nicht! -erklärte er bestimmt. -- Nicht? fragten die Herren. -- Nein! - -Sie flüsterten ein Weilchen zusammen, dann stiegen sie wirklich im -Ernst zu Pferd. -- Fünfundzwanzigtausend! rief einer der Herren. -- -Geißler gab keine Antwort, er drehte sich um und ging wieder zu den -Maurern. - -Und so verlief die letzte Zusammenkunft. - -Geißler tat den Folgen gegenüber ganz gleichgültig, er ging hin und -her und sprach von dem und jenem, jetzt war er ganz davon hingenommen, -daß die Maurer eben gewaltig große Deckenbalken über den ganzen Stall -legten. Sie wollten noch in dieser Woche mit dem Stall fertig werden, -es sollte nur ein Notdach errichtet werden, später würde man noch einen -Heuboden auf den Stall aufsetzen. - -Isak hielt Sivert von der Arbeit am Stall zurück und ließ ihn nichts -tun, damit Geißler zu jeder Zeit den jungen Mann zu einem Gang in die -Berge bereit finde. Das war eine unnütze Vorsorge, Geißler hatte seine -Absicht aufgegeben oder sie vielleicht auch vergessen. Nachdem er von -Inger etwas Mundvorrat bekommen hatte, schlug er gegen Abend den Weg -nach dem Dorf hinunter ein und blieb über das Abendessen fort. - -Er kam an den beiden neuen Ansiedlungen unterhalb Sellanraa vorbei -und sprach mit den Leuten dort, er kam bis nach Maaneland und wollte -sehen, was Ström in den letzten Jahren ausgerichtet hatte. Es war -mit ihm nicht so sehr vorwärtsgegangen, aber er hatte doch viel Land -urbar gemacht. Geißler interessierte sich auch für diese Ansiedlung -und fragt: Hast du ein Pferd? -- Ja. -- Unten, weiter südlich, habe -ich eine Mähmaschine und einen Reolpflug stehen, neue Sachen, die -will ich dir schicken. -- Was! rief Axel und konnte sich eine solche -Freigebigkeit gar nicht vorstellen; er dachte an Abzahlung. -- Ich -will dir die Geräte schenken, sagte Geißler. -- Das ist doch nicht -möglich! meinte Axel. -- Aber du mußt deinen beiden Nachbarn helfen -und ihnen ein Stück Neuland umbrechen, verlangte Geißler. -- Das soll -nicht fehlen, versprach Axel, aber er konnte den ganzen Geißler nicht -verstehen. So, dann habt Ihr also Grundbesitz und Maschinen im Süden? -fragte er. -- Geißler antwortete: Ach, ich habe gar vielerlei. -- -Seht, das hatte Geißler vielleicht gar nicht, er hatte nicht vielerlei -Geschäfte, aber er tat oft so. Diese Mähmaschine und diesen Reolpflug -brauchte er ja nur in irgendeiner Stadt zu kaufen und heraufzuschicken. - -Er hatte ein langes Gespräch mit Axel Ström über die andern Ansiedler -in der Gegend, über das Handelshaus Storborg, über Axels Bruder, einen -jung verheirateten Mann, der jetzt nach Breidablick gekommen war und -angefangen hatte, die Moore zu entwässern. Axel beklagte sich darüber, -daß keine weibliche Hilfe zu bekommen sei, er habe nur eine alte Frau -namens Oline, sie sei nicht viel nütze, aber er müsse doch froh sein, -solange er sie halten könne. Im Sommer habe er eine Zeitlang Tag und -Nacht arbeiten müssen. Er hätte vielleicht eine weibliche Hilfe aus -seinem Heimatort, aus Helgeland, bekommen können, aber dann hätte -er ihr außer dem Lohn auch noch das Reisegeld bezahlen müssen. Er -habe Ausgaben nach allen Seiten. Axel erzählte weiter, daß er die -Aufsicht über die Telegraphenlinie übernommen habe, aber das reue ihn -einigermaßen. -- Das ist etwas für Leute wie Brede, sagte Geißler. -- -Ja, das ist sehr richtig gesagt, gab Axel zu. Aber es war wegen des -Geldes. -- Wie viele Kühe hast du? fragte Geißler. -- Vier. Und einen -jungen Stier. Es ist sehr weit bis nach Sellanraa zum Stier. - -Aber eine viel wichtigere Sache, die er mit Geißler besprechen wollte, -lag Axel Ström auf dem Herzen. Es war jetzt eine Untersuchung im Gang -gegen Barbro. Ja, natürlich war die Sache herausgekommen. Barbro war -guter Hoffnung gewesen, aber sie war frank und frei und ohne Kind von -hier abgereist. Wie hing das zusammen? Als Geißler vernahm, um was es -sich handelte, sagte er kurz und gut: Komm mit! und führte Axel weit -von den Gebäuden weg. Dann setzte er eine äußerst wichtige Miene auf -und benahm sich wie eine Art Obrigkeit. Sie ließen sich am Waldessaum -nieder, und Geißler sagte: So, nun laß mich hören! - -Natürlich war die Sache herausgekommen, wie hätte es auch anders gehen -können! Die Gegend war nicht mehr menschenleer, und außerdem war Oline -gekommen. Was hatte Oline mit der Sache zu tun? Oh, die! Und außerdem -hatte sich Brede mit ihr verkracht. Jetzt war an Oline nicht mehr -länger vorbeizukommen, sie wohnte an Ort und Stelle und konnte Axel -selbst allmählich ausforschen; sie lebte ja für verdächtige Sachen, ja -sie lebte zum Teil davon, da war also wieder etwas mit der richtigen -Witterung! Eigentlich war Oline jetzt zu alt, um Haus und Vieh auf -Maaneland zu versorgen, sie hätte es aufgeben sollen, aber konnte sie -das? Hätte sie einen Ort, wo ein so großes Geheimnis verborgen lag, -ruhig verlassen können? Sie brachte die Winterarbeit fertig, ja sie -schindete sich auch noch den Sommer hindurch, es kostete sie große -Anstrengung, und sie hielt sich nur durch die Aussicht aufrecht, einer -Tochter von Brede etwas nachweisen zu können. Kaum fing im Frühjahr -der Schnee an zu schmelzen, so schnupperte Oline bereits in der Gegend -umher, sie fand den kleinen Hügel am Bach und erkannte sofort, daß der -Rasen in Stücken aufgelegt war; sie hatte auch eines Tages das Glück -gehabt, Axel zu treffen, wie er das kleine Grab festtrat und es ebnete. -Axel wußte also auch von der Sache. Oline nickte mit ihrem grauen Kopf, -jetzt war ihre Zeit gekommen. - -Nicht Axels wegen. Axel war gar kein unguter Mann, um bei ihm zu sein, -aber er war sehr genau und zählte seine Käse und wußte Bescheid von -jedem Büschel Wolle. Oline hatte durchaus nicht freie Hand. Und bei -der Rettung letztes Jahr, hatte sich Axel da als Herr gezeigt und sich -freigebig erwiesen? Nein, im Gegenteil, er bestand auf seiner Teilung -des Triumphes. Jawohl, sagte er, wäre Oline nicht gekommen, so hätte -er in der Nacht erfrieren müssen, aber Brede sei ihm auf dem Heimweg -auch eine gute Hilfe gewesen! Das war der Dank! Oline meinte, da müsse -sich der Allmächtige über die Menschen empören! Hätte nicht Axel eine -Kuh am Strick ergreifen, sie herausführen und sagen können: Das ist -deine Kuh, Oline! Aber nein. - -Jetzt kam's darauf an, ob es ihn nicht mehr kosten würde als eine Kuh. - -Den Sommer über paßte Oline jeden einzelnen Menschen ab, der -vorbeiging, sie flüsterte mit ihm und nickte und vertraute sich ihm -an. Aber kein Wort weitersagen! gebot sie. Oline war auch ein paarmal -drunten im Dorf. Und nun schwirrte es mit Gerüchten in der Gegend, -die waren wie ein Nebel, der sich um die Gesichter legt und in die -Ohren dringt, selbst die Kinder, die auf Breidablick in die Schule -gingen, fingen an zu nicken und geheimnisvoll zu tun. Schließlich -mußte sich auch der Lensmann rühren, mußte Bericht erstatten und seine -Befehle entgegennehmen. Eines Tages kam er mit einem Begleiter und -einem Protokoll nach Maaneland und untersuchte und schrieb und ging -wieder heim. Aber drei Wochen danach kam er wieder und untersuchte und -schrieb noch mehr, und diesmal öffnete er auch einen kleinen grünen -Hügel am Bach und holte die Kindesleiche heraus. Oline war ihm dabei -eine unentbehrliche Hilfe, und als Entgelt für ihre Mühe mußte er -ihre vielen Fragen beantworten, und da sagte er unter anderem auch, -ja, es könnte schon die Rede davon sein, Axel zu verhaften. Da schlug -Oline die Hände zusammen über all die Schändlichkeit, in die sie hier -hineingekommen sei, und wünschte sich weg, weit weg! Aber sie, die -Barbro? flüsterte sie. -- Das Mädchen Barbro sitzt verhaftet in Bergen, -sagte der Lensmann. Die Gerechtigkeit muß ihren Gang gehen, sagte er. -Dann nahm er die Leiche mit sich und fuhr wieder fort. - -Es war also nicht verwunderlich, daß Axel in großer Spannung war. Er -hatte dem Lensmann seine Aussagen gemacht und nichts geleugnet. Das -Kind war sein, und er hatte ihm mit eigener Hand ein Grab gegraben. -Nun erkundigte er sich bei Geißler, wie es wohl weitergehen werde. Er -müsse wohl in die Stadt und ein viel schlimmeres Verhör und sonstige -Widerwärtigkeiten erdulden? - -Geißler war nicht mehr der gleiche wie zuvor, nein, die umständliche -Erzählung hatte ihn ermüdet, er schien schläfrig zu werden -- was nun -auch der Grund sein mochte; ob vielleicht der Geist vom Morgen nicht -mehr über ihm war? Er sah auf seine Uhr, stand auf und sagte: Das muß -gründlich überlegt werden, ich will darüber nachdenken. Du sollst meine -Antwort bekommen, ehe ich abreise. - -Damit ging Geißler. - -Gegen Abend kam er nach Sellanraa zurück, aß ein wenig und ging zu -Bett. Er schlief bis tief in den Tag hinein, schlief und ruhte aus; -er war wohl ermattet nach der Zusammenkunft mit den schwedischen -Grubenbesitzern. Erst zwei Tage nachher machte er sich zur Abreise -fertig. Da war er wieder großartig und überlegen, bezahlte reichlich -und schenkte der kleinen Rebekka ein neues Kronenstück. - -Isak hielt er eine Rede und sagte: Es ist ganz einerlei, daß es jetzt -nicht zu einem Verkauf gekommen ist, das wird schon noch werden. -Vorläufig lege ich den Betrieb dort oben lahm. Das waren rechte Kinder, -sie meinten mich übers Ohr hauen zu können. Hast du gehört, daß sie -mir fünfundzwanzigtausend boten? -- Ja, sagte Isak. -- Nun, erwiderte -Geißler und scheuchte mit einer Kopfbewegung jede Art von Schandangebot -und jegliches Staubkorn weit weg. Es schadet dem Bezirk hier oben gar -nichts, wenn ich den Betrieb lahmlege, im Gegenteil, es wird die Leute -veranlassen, ihr Land zu bebauen. Aber drunten im Dorf, da wird man's -merken. Es ist ja im Sommer viel Geld unter die Leute gekommen, schöne -Kleider und süßen Brei gab's für jedermann; damit ist es jetzt aus. -Siehst du, das Dorf hätte wohl gut Freund mit mir sein können, dann -wäre es vielleicht anders gegangen. Jetzt habe _ich_ zu bestimmen. - -Er sah nun allerdings nicht so aus, als habe er über viel zu gebieten; -als er ging, trug er ein Päckchen mit Mundvorrat in der Hand, und seine -Weste war nicht mehr blendend weiß. Vielleicht hatte ihn seine gute -Frau mit dem Rest der vierzigtausend Kronen, die sie einmal erhalten -hatte, für diese Reise ausgestattet, Gott weiß, ob das nicht der Fall -war. Aber nun kommt er kahl heim! - -Geißler vergaß nicht, auf dem Heimweg bei Axel Ström einzutreten und -ihm Bescheid zu sagen. Ich habe darüber nachgedacht, die Sache ist nun -einmal im Gang, du kannst jetzt nichts tun. Du wirst zu einem Verhör -vorgeladen werden und mußt deine Aussagen machen ... Das war nur so ein -Gerede, Geißler hatte vielleicht gar nicht mehr an die Sache gedacht. -Und Axel sagte niedergeschlagen zu allem ja. Zum Schluß aber blies sich -Geißler wieder zu einem gewaltigen Mann auf, er zog die Brauen hoch -und sagte nachdenklich: Ob ich vielleicht in die Stadt kommen und bei -der Verhandlung anwesend sein könnte? -- Ach ja, wenn Ihr das könntet! -rief Axel. -- Im nächsten Augenblick entschied Geißler: Ich will sehen, -ob ich nicht Zeit finden kann. Für heute leb wohl! Ich werde dir die -Maschinen schicken. - -Geißler ging. - -Ob das nun wohl seine letzte Reise in die Gegend gewesen war? - - - - -6 - - -Die letzte Gruppe von Arbeitern kommt vom Berg herunter, der Betrieb -hat völlig aufgehört, jetzt liegt der Berg wieder verödet da. Auch der -gemauerte Stall auf Sellanraa ist nun fertig. Er hat ein Notdach aus -Rasenstücken für den Winter bekommen. Der große Raum ist in einzelne -kleinere Räume eingeteilt, helle Räume, ein gewaltig großer Salon in -der Mitte und große Kabinette an den beiden Enden, ja, es ist gerade -wie für die Menschen. Isak hat einmal hier auf dem Platz mit einigen -Geißen zusammen in einer Gamme gewohnt; jetzt ist auf Sellanraa keine -Gamme mehr zu finden. - -Der Stall wird mit Abteilungen, mit Ständen und Holzverschlägen -eingerichtet. Damit das alles rasch fertig wird, sind die beiden Maurer -immer noch da, aber Gustaf sagt, er verstehe nichts von der Holzarbeit, -und will nun weiter. Gustaf hat sich bei der Maurerarbeit als sehr -brauchbar erwiesen und hat Lasten gehoben wie ein Bär. Abends war er -allen zur Freude und Aufmunterung gewesen; er hatte die Mundharmonika -gespielt und hatte außerdem den Frauen geholfen, schwere Kufen hinunter -an den Fluß und wieder heraufzutragen. Aber jetzt will er abreisen. -Nein, die Holzarbeit verstehe er nicht, sagt er. Es ist gerade, als ob -er durchaus fort wolle. - -Du könntest wohl noch bis morgen bleiben, sagt Inger. -- Nein, es gebe -jetzt hier keine Arbeit mehr für ihn, und er habe auch in den letzten -Grubenarbeitern Begleitung übers Gebirge. -- Wer wird mir jetzt beim -Wasserholen helfen? sagt Inger und lächelt wehmütig dabei. -- Da weiß -der flinke Gustaf sofort einen guten Rat; er nennt Hjalmar. -- Hjalmar -war der jüngste von den beiden Maurern, aber keiner von beiden war -so jung wie Gustaf oder sonst im mindesten wie er. -- Ach was, der -Hjalmar! erwidert Inger verächtlich. Aber plötzlich faßt sie sich und -will Gustaf reizen und sagt: Jawohl, der Hjalmar ist gar nicht so übel. -Und draußen auf dem Felsblock singt er schön. -- Ein Tausendsassa! sagt -Gustaf, ohne sich reizen zu lassen. -- Aber er könne doch die Nacht -über noch bleiben, meint Inger. -- Nein, dann ginge er der Begleitung -verlustig. - -Oh, nun war Gustaf der Sache überdrüssig geworden. Es war ja prächtig -gewesen, sie den Kameraden vor der Nase wegzuschnappen und sie die -paar Wochen über, die er da arbeitete, zu haben. Aber nun wollte er -weiter, an andere Arbeit, vielleicht zu einer Liebsten daheim, das -waren neue Aussichten. Sollte er sich Ingers wegen hier ohne Arbeit -umhertreiben? Er hatte so gute Gründe, ein Ende zu machen, daß es Inger -doch wohl einsehen mußte. Aber sie war so keck geworden, dachte an -keine Verantwortung mehr und kümmerte sich um nichts. Sehr lange war es -allerdings nicht so zwischen den beiden gewesen, aber doch so lange, -als die Maurerarbeit währte. - -Inger ist wirklich traurig, ja, sie geht in ihrer verirrten Treue so -weit, daß sie sich grämt. Das ist nicht gut für sie, sie ist ohne -Getue, einfach offen und ehrlich verliebt. Nein, sie schämt sich dessen -nicht, sie ist ein kraftstrotzendes Weib voller Schwachheit, sie geht -nur mit der Natur um sie her, sie ist voller Herbstglut. Während sie -etwas Mundvorrat für Gustaf zusammenpackt, wogt ihr der Busen vor -heftigen Gefühlen. Sie denkt nicht darüber nach, ob sie ein Recht dazu -hat, oder ob Gefahr dabei sein könnte, sie gibt sich einfach hin, sie -ist gierig geworden, zu schmecken, zu genießen. Isak könnte sie noch -einmal bis an die Decke heben und sie dann wieder auf den Boden stoßen --- jawohl, sie enthielte sich dennoch nicht. - -Nun geht sie mit ihrem Mundvorrat hinaus und gibt ihn ab. Sie hatte -neben der Treppe eine Kufe zurechtgestellt, die ihr Gustaf zum -letztenmal an den Fluß hinuntertragen helfen sollte. Vielleicht wollte -sie ihm noch etwas sagen, vielleicht ihm etwas zustecken, den goldenen -Ring, Gott weiß, es ist ihr alles zuzutrauen. Aber das muß jetzt ein -Ende haben, Gustaf dankt für den Mundvorrat, sagt Lebewohl und geht. -Und geht. - -Da steht sie. - -Hjalmar! ruft sie laut, ganz unnötig laut. Es klingt wie ein trotziger -Jubelruf, wie ein Notschrei. - -Gustaf geht ... - -Den Herbst über wird nun in der ganzen Gegend bis zum Dorf hinunter die -gewöhnliche Arbeit getan; die Kartoffeln werden herausgehackt, das Korn -hereingeschafft, die Kühe werden auf die Weide gelassen. Es sind acht -Ansiedlungen, und überall drängt die Arbeit; aber auf dem Handelsplatz -Storborg haben sie kein Vieh und kein bestelltes Land, sie haben nur -einen Garten, und Handel haben sie auch keinen mehr, auf Storborg -gibt's keine dringende Arbeit. - -Auf Sellanraa haben sie eine neue Hackfrucht, die Turnips heißt, die -steht grün und riesengroß da und weht mit den Blättern, und es ist -ganz unmöglich, die Kühe davon fernzuhalten, diese brechen alle Gatter -nieder und stürmen brüllend darauf zu. Darum müssen nun Leopoldine und -die kleine Rebekka das Turnipsfeld hüten, die kleine Rebekka hat eine -große Rute in der Hand und jagt die Kühe mit wütendem Eifer. Der Vater -arbeitet in der Nähe, und von Zeit zu Zeit kommt er her, befühlt ihre -Hände und Füße und fragt, ob sie nicht friere. Leopoldine, die groß -und beinahe erwachsen ist, strickt beim Hüten Strümpfe und Socken für -den Winter. Sie ist in Drontheim geboren und war fünf Jahre alt, als -sie nach Sellanraa kam; die Erinnerung an eine große Stadt mit vielen -Menschen und an eine weite Reise auf dem Dampfschiff gleitet bei ihr -immer mehr in den Hintergrund, sie ist ein Landkind und kennt keine -andere große Welt als das Dorf dort unten, wo sie einige Male in der -Kirche gewesen und wo sie letztes Jahr konfirmiert worden ist ... - -Jetzt kommen einige Nebenarbeiten an die Reihe, so der Weg abwärts, der -an einigen Stellen kaum fahrbar ist. Da die Erde noch nicht gefroren -ist, fangen Isak und Sivert eines schönen Tages an, an dem Wege Gräben -zu ziehen. Es sind noch zwei Stücke Moorland da, die entwässert werden -müssen. - -Axel Ström hat versprochen, sich an dieser Arbeit zu beteiligen, weil -auch er ein Pferd hat und den Weg braucht. Aber nun hat Axel ein -dringendes Geschäft in der Stadt -- was in aller Welt wollte er denn -dort --, es sei eine ganz dringende Sache, sagte er. Statt seiner -schickt er seinen Bruder von Breidablick zu dem Wegbau. Fredrik heißt -er. - -Dieser Mann war jung und neu verheiratet, ein leichtlebiger Kunde, der -gerne sein Späßchen macht und trotzdem brauchbar ist. Er und Sivert -sind einander recht ähnlich. Nun war Fredrik, als er morgens heraufkam, -bei seinem nächsten Nachbarn Aronsen auf Storborg gewesen und noch ganz -erfüllt von dem, was ihm der Kaufmann gesagt hatte. Es hatte damit -angefangen, daß Fredrik eine Rolle Tabak verlangte. Ich werde dir -eine Rolle Tabak verehren, wenn ich selbst eine habe, sagte Aronsen. --- So, habt Ihr nicht einmal mehr Tabak? -- Nein, und ich lasse auch -keinen mehr kommen, es ist ja niemand mehr da, der ihn kauft. Was -meinst du denn, daß ich an einer Rolle Tabak verdiene? Aronsen war in -recht schlechter Laune gewesen, er war der Ansicht, die schwedische -Grubengesellschaft habe ihn an der Nase herumgeführt. Nun hatte er sich -hier in der Einöde niedergelassen, um Handel zu treiben, und da wurde -der Grubenbetrieb eingestellt! - -Fredrik lächelt behaglich über Aronsen und spottet über ihn: Nein, er -hat gar kein Land bestellt und hat nicht einmal Futter für sein Vieh, -das kauft er! Er ist bei mir gewesen und wollte Heu kaufen. Nein, ich -hatte kein Heu zu verkaufen. So, du brauchst also kein Geld? fragte er, -der Aronsen. Er meint, es sei alles, wenn man nur Geld habe, warf einen -Hundertkronenschein auf den Tisch und sagte: Da ist Geld. -- Ja, Geld -ist etwas Schönes, sagte ich. -- Das ist bom konstant, sagte er. Es ist -gerade, als sei er ab und zu ein bißchen närrisch, und seine Frau läuft -am hellen Werktag mit einer Taschenuhr umher -- was das nur für eine -wichtige Stunde sein mag, die sie nicht vergessen darf. - -Sivert fragt: Hat der Aronsen nichts von einem Mann gesagt, der -Geißler heißt? -- Doch, das sei einer, der seinen Berganteil nicht -verkaufen wolle, sagte er. Aronsen war rasend: Ein abgesetzter -Lensmann, sagte er, der vielleicht keine fünf Kronen im Beutel hat, er -sollte totgeschossen werden! -- Ihr müßt nur ein wenig warten, sagte -ich. Vielleicht verkauft er später. -- Nein, sagte der Aronsen, das -darfst du nicht glauben. Das begreife ich als Kaufmann ganz gut, wenn -die eine Partei zweihundertfünfzigtausend verlangt und die andere -fünfundzwanzigtausend bietet, dann steht zuviel zwischen ihnen, das -gibt kein Geschäft. Aber Glück zu! sagte der Aronsen, wenn nur ich mit -den Meinigen den Fuß niemals in dieses Loch gesetzt hätte. -- Ja, denkt -Ihr vielleicht daran, zu verkaufen? fragte ich. -- Ja, sagte er, genau -an das denke ich. Diese Moorsümpfe, dieses Loch und diese Einöde! Ich -nehme ja keine Krone mehr am Tag ein, sagte er. - -Die Männer lachten über Aronsen und hatten keinerlei Mitleid mit ihm. -Glaubst du, daß er wirklich verkauft? fragte Isak. -- Ja, er tat so. -Und er hat auch schon den Knecht entlassen. Ja, der Aronsen ist ein -komischer Kerl, das ist gewißlich wahr. Den Knecht entläßt er, der -das Holz für den Winter schlagen und mit seinem eigenen Pferd Heu -einführen könnte, aber den Ladendiener behält er. Es ist wohl wahr, er -verkauft nicht für eine Krone am Tag, denn er hat keine Waren mehr in -seinem Laden, aber wozu braucht er dann den Ladendiener? Ich glaube, es -ist nur Hochmut, Großtuerei. Er muß einen Mann haben, der am Pult steht -und in große Bücher schreibt. Hahaha, ja, es ist gerade, als ob der -Aronsen ein ganz klein wenig verrückt wäre. - -Die drei Männer arbeiten bis zur Mittagsstunde, verzehren dann ihr -mitgebrachtes Essen und plaudern noch ein Weilchen. Sie haben ihre -eigenen Angelegenheiten zu bereden, das Wohl und Wehe der Gegend -und der Ansiedler, das sind keine Kleinigkeiten, aber sie behandeln -sie mit Gelassenheit, sie sind gesetzte Männer, ihre Nerven sind -unverbraucht und tun nicht, was sie nicht tun sollten. Nun kommt das -Spätjahr, rundum im Wald ist es still geworden, die Berge stehen hier -und die Sonne steht dort, am Abend kommen die Sterne und der Mond, -das sind alles feste Verhältnisse, sie sind voller Freundlichkeit wie -eine Umarmung. Hier haben die Menschen noch Zeit, sich im Heidekraut -auszuruhen, mit dem einen Arm als Kopfkissen. - -Fredrik spricht von Breidablick und daß er dort noch nicht viel habe -ausrichten können. Doch, sagte Isak, du hast schon viel getan, das -hab' ich gesehen, als ich drunten war. -- Dieses Lob von dem ältesten -Ansiedler in der Gegend, dem Riesen, tut Fredrik augenscheinlich -wohl, er fragt ehrlich: Meint Ihr wirklich? Nein, es muß immer noch -besser kommen. Ich bin in diesem Jahr sooft abgehalten worden. Das -Wohnhaus mußte hergerichtet werden, es war nicht dicht und wurde immer -schlimmer, und den Heuschuppen mußte ich einreißen und neu aufstellen. -Die Stallgamme war zu klein, ich habe Kühe und Kälber, was der Brede -zu seiner Zeit nicht gehabt hat, sagt Fredrik stolz. -- Gefällt es dir -hier? fragt Isak. -- Ja, mir gefällt es, und meiner Frau gefällt es -auch, warum sollte es uns nicht gefallen? Wir haben einen weiten Blick -und sehen die Straße hinauf und hinunter. Das kleine Gehölz beim Hause -ist nach unserer Meinung sehr hübsch, es sind Birken und Weiden darin, -und wenn ich Zeit habe, will ich auf der andern Seite des Hofplatzes -noch mehr Bäume pflanzen. Es ist großartig, wie trocken das Moor schon -geworden ist, seit ich im Frühjahr Gräben gezogen habe. Nun wollen wir -sehen, was heuer darauf wächst! Ob es uns gefällt? O ja, wenn doch -meine Frau und ich Haus und Hof und Grund und Boden haben! -- Na, wollt -ihr immer nur zu zweit bleiben? fragt Sivert listig. -- Nein, weißt du, -es kann wohl sein, daß wir mehr werden, erwidert Fredrik munter. Und -wenn wir schon davon reden, ob es uns hier gefällt, so habe ich meine -Frau noch nie so gedeihlich gesehen wie jetzt. - -Sie arbeiten bis zum Abend. Zuweilen richten sie sich auf und schwatzen -miteinander. Du hast also keinen Tabak bekommen? fragt Sivert. -- Nein, -und das tat mir auch nicht leid. Ich rauche nicht, erwidert Fredrik. --- Du rauchst nicht? -- Nein. Ich bin zu dem Aronsen nur hingegangen, -um zu hören, was er sagt. Da lachten die beiden Spitzbuben und freuten -sich diebisch. - -Auf dem Heimweg sind Vater und Sohn schweigsam wie gewöhnlich. Aber -Isak muß sich etwas ausgedacht haben, denn er sagt: Du, Sivert? -- Ja? -erwidert Sivert. -- Ach, nichts Besonderes, sagt Isak. -- Sie gehen -eine lange Strecke weiter, dann spricht der Vater wieder: Kann denn -Aronsen Handel treiben, wenn er keine Waren mehr hat? -- Nein, sagt -Sivert. Aber es sind jetzt nicht mehr viele Menschen da, für die er -Waren braucht. -- So, meinst du? Ja, du kannst recht haben. -- Sivert -wundert sich ein wenig über diese Worte seines Vaters, und dieser fährt -fort: Es sind jetzt allerdings nur acht Ansiedlungen hier, aber es -können mehr und immer mehr werden. Wer weiß! -- Sivert wundert sich -noch mehr, woran denkt sein Vater? Oh, an nichts. Wieder gehen die -beiden eine lange Strecke weiter und sind beinahe zu Hause. Da fragt -der Alte: Hm. Was meinst du wohl, daß der Aronsen für den Hof haben -will? -- Ja, das kommt nun darauf an! antwortet Sivert. Willst du ihn -kaufen? sagt er im Spaß. Aber plötzlich geht ihm ein Licht auf, wo sein -Vater hinaus will: An Eleseus denkt der Alte. Oho, er hat ihn wohl -nie vergessen gehabt, er hat ebenso getreulich an ihn gedacht wie die -Mutter, nur auf seine eigene Weise, näher bei der Erde und auch näher -bei Sellanraa. Da sagt Sivert: Der Preis wird wohl erschwinglich sein. -Und als Sivert so viel gesagt hat, da merkt der Vater seinerseits, daß -er verstanden worden ist, und wie wenn er Angst hätte, zu deutlich -geworden zu sein, sagt er nun schnell ein paar Worte über den Wegbau -und daß es gut sei, den hinter sich zu haben. - -In den nächsten Tagen steckten Sivert und seine Mutter die Köpfe -zusammen, sie ratschlagten und hatten viel zu flüstern, auch schrieben -sie einen Brief, und als der Samstag kam, bezeigte Sivert Lust, ins -Dorf zu gehen. -- Was willst du denn schon wieder im Dorfe? du läufst -nur unnötig deine Schuhe durch, sagte der Vater sehr ärgerlich, oh, -viel grimmiger im Gesicht, als natürlich gewesen wäre; er merkte wohl, -daß Sivert auf die Post wollte. -- Ich will in die Kirche, sagte -Sivert. -- Einen besseren Grund fand er nicht, und der Vater sagte: Ja, -wenn es nicht anders sein kann. - -Aber wenn Sivert schon einmal in die Kirche wollte, dann konnte er -auch einspannen und die kleine Rebekka mitnehmen. Der kleinen Rebekka -konnte man doch wirklich zum erstenmal in ihrem Leben dieses Vergnügen -machen, sie hatte ja so eifrig das Turnipsfeld gehütet und war im -großen ganzen die Blüte und die Perle von allen auf dem Hofe; ja, das -war sie. Es wurde also angespannt, und Rebekka bekam die Magd Jensine -zur Begleitung mit -- wogegen Sivert nichts einzuwenden hatte. - -Während sie fort sind, geschieht es, daß der Ladendiener von Storborg -daherkommt. Was nun? Ei, nichts Besonderes, nur daß ein Ladendiener, -ein Mann namens Andresen daherkommt; er soll in die Berge hinauf, sein -Herr schickt ihn. Weiter ist es nichts. Und dieses Geschehnis bringt -auch keine große Aufregung auf Sellanraa hervor, es ist nicht wie in -alten Tagen, wo ein Fremder ein seltener Anblick auf der Ansiedlung -war und Inger sich mehr oder minder darüber aufregte. Nein, Inger ist -wieder in sich gegangen und ist still und ruhig. - -Ein merkwürdiges Ding, dieses Andachtsbuch, ein Führer, ja, ein Arm -um den Hals! Als Inger sich selbst verloren hatte und in den Beeren -irregegangen war, fand sie sich wieder beim Gedanken an ihre Kammer -und an das Andachtsbuch, und zurzeit war sie wieder in sich versunken -und gottesfürchtig. Sie gedenkt der längst verflossenen Jahre, als -sie, wenn sie nähte und sich in den Finger stach, der Teufel auch! -sagte. Das lernte sie von ihren Mitschwestern an dem großen Tisch in -der Nähstube. Jetzt sticht sie sich mit der Nadel, daß es blutet, -und saugt schweigsam das Blut aus. Es gehört nicht wenig Überwindung -zu solcher Umkehr! Aber Inger ging noch weiter. Als der steinerne -Stall fertiggebaut war und alle Arbeiter sich entfernt hatten und -ganz Sellanraa wieder einsam und verlassen dalag, da hatte Inger eine -Krisis und weinte viel und litt schwere Not. Sie bürdete niemand als -sich selbst die Schuld dafür auf, und sie war tief demütig. Wenn -sie nur mit Isak hätte reden und sich das Herz erleichtern können; -aber auf Sellanraa sprach niemand von seinen Gefühlen, und niemand -bekannte seine Fehler. So holte sie ihren Mann sehr fürsorglich zu den -Mahlzeiten herein; sie ging dazu bis zu ihm hin und forderte ihn auf, -statt nur unter der Haustür zu rufen, und abends sah sie seine Kleider -durch und nähte die Knöpfe an. Ja, Inger ging sogar noch weiter. Eines -Nachts stützte sie sich auf den Ellbogen und sagte: Du, Isak. -- Was -gibt's? fragt Isak. -- So, wachst du? -- Ja. -- Ach, nichts Besonderes, -sagt Inger. Aber ich bin nicht gewesen, wie ich hätte sein sollen. -- -Was? fragt Isak. Das entfuhr ihm, und auch er richtete sich auf den -Ellbogen auf. Dann redeten sie weiter miteinander, sie ist nun eben -doch eine prächtige Frau und hat das Herz voll. Ich bin nicht so gegen -dich gewesen, wie ich hätte sein sollen, sagt sie. Das tut mir sehr -leid. -- Diese einfachen Worte rühren ihn, sie rühren den Mühlengeist, -und er will Inger gerne trösten; er versteht zwar nichts von der Sache, -versteht nur so viel, daß es keine mehr gibt wie sie. -- Deshalb -brauchst du nicht zu weinen, sagt Isak. Wir sind alle nicht, wie wir -sein sollten. -- Ach nein, sagt sie dankbar. Oh, Isak hatte eine -gesunde Art, die Dinge zu behandeln, er richtete sie wieder auf, wenn -sie umfallen wollten. Wer ist, wie er sein sollte! Er hatte recht; der -Gott des Herzens selbst, der doch ein Gott ist, geht auf Abenteuer aus, -und wir können es ihm ansehen, dem Wildfang: an einem Tag taucht er in -einen Rosenreichtum unter und wiegt sich wohlig darin und leckt sich -die Lippen, am anderen Tag hat er sich einen Dorn in den Fuß getreten -und zieht ihn mit verzweifeltem Gesicht heraus. Stirbt er daran? Oh, -keine Spur. Er ist so gesund wie vorher. Das wäre was Schönes, wenn er -daran stürbe! - -Auch mit Inger kam das alles wieder in die Reihe, sie überwindet -es, aber sie bleibt bei ihren Andachtstunden und findet ihren Trost -darin. Inger ist jeden Tag fleißig und geduldig und herzensgut, sie -schätzt Isak vor allen Männern und wünscht sich keinen andern als -ihn. Natürlich ist er dem äußeren Anschein nach kein Tausendsassa und -Sänger, aber er ist schon recht, hoho, das wollte sie meinen! Und es -bewahrheitete sich wieder, daß es ein großer Gewinn ist, gottesfürchtig -und genügsam zu sein. - -Und nun kam also dieser kleine Ladenjüngling von Storborg, dieser -Andresen, er kam Sonntags nach Sellanraa, und Inger wurde darüber nicht -erregt, durchaus nicht, sie wollte nicht einmal selbst mit einem Topf -Milch zu ihm hineingehen, und da die Magd nicht zu Hause war, schickte -sie Leopoldine mit der Milch. Und Leopoldine trug ja auch den Topf -Milch recht nett hinein und sagte Bitte! und wurde rot, obgleich sie -doch ihre Sonntagskleider trug und keinen Grund hatte sich zu schämen. --- Danke, das ist allzuviel, sagte Andresen. Ist dein Vater zu Hause? -fragte er. -- Jawohl, er ist draußen irgendwo. -- Andresen trank, -wischte sich den Mund mit dem Taschentuch ab und sah nach der Uhr. Ist -es weit bis zu den Gruben? fragte er. -- Nein, es ist kaum eine Stunde. --- Ich soll hinauf und sie mir für Aronsen, bei dem ich angestellt bin, -ansehen. -- So. -- Ja, du kennst mich doch. Ich bin der Ladendiener bei -Aronsen; du bist schon bei uns gewesen und hast eingekauft. -- Ja. -- -Ich erinnere mich deiner ganz gut, du hast zweimal bei uns eingekauft. --- Das ist mehr, als ich erwarten konnte, daß Ihr Euch meiner erinnert, -sagte Leopoldine, dann aber waren ihre Kräfte erschöpft, und sie hielt -sich an einem Stuhl fest. Andresen jedoch hatte noch Kräfte übrig, -er fuhr fort: Warum sollte ich mich nicht mehr an dich erinnern? Und -weiter fragte er: Kannst du nicht mit mir zu den Gruben hinaufgehen? - -Allmählich wurde es Leopoldine ganz rot und sonderbar vor den Augen, -der Fußboden schwankte unter ihr, und der Ladendiener Andresen sprach -wie aus weiter Ferne: Hast du keine Zeit? -- Nein, sagte sie. Gott -weiß, wie sie wieder hinauskam in die Küche. Die Mutter sah sie an und -fragte: Was fehlt dir denn? -- Nichts. - -Nichts, o nein! Aber seht, jetzt war Leopoldine an der Reihe, erregt -zu werden, nun begann der Kreislauf bei ihr. Sie war ganz geeignet -dazu, rund und hübsch und neukonfirmiert, sie gab ein schönes Opfer. -Ein Vogel zwitschert in ihrer Brust, ihre langen Hände sind wie die -ihrer Mutter voller Zärtlichkeit, voller Weiblichkeit. Konnte sie nicht -tanzen? O doch. Es war ein Wunder, wo sie es lernten, aber sie lernten -tanzen, auch auf Sellanraa, Sivert konnte es, Leopoldine konnte es, -es war ein Tanz, im Ödland entstanden, ein bodenständiges Drehen und -Wenden mit vielen Kräften, Schottisch, Mazurka, Rheinländer und Walzer. -Und warum sollte Leopoldine nicht auch sich putzen und verliebt sein -und mit offenen Augen träumen? Genau wie andere! Als sie konfirmiert -wurde, lieh ihr die Mutter ihren goldenen Ring, es war kein sündiger -Gedanke dabei, es war nur hübsch, und am nächsten Tag, als sie zum -Abendmahl ging, steckte sie übrigens den Ring erst an, als alles -überstanden war. Sie konnte wohl mit einem goldenen Ring am Finger -vor dem Altar stehen, sie war die Tochter eines mächtigen Mannes, des -Markgrafen. - -Als der Ladendiener Andresen wieder vom Berg herunterkam, traf er -Isak an und wurde ins Haus geladen. Er bekam Mittagessen und Kaffee. -Alle Hausbewohner waren jetzt in der Stube versammelt und nahmen -teil an der Unterhaltung. Der Ladendiener erklärte, Aronsen habe -ihn hinaufgeschickt, er solle einmal untersuchen, wie es mit den -Gruben stehe, ob Anzeichen zu sehen seien, daß der Betrieb und die -Arbeit wieder aufgenommen werden würden. Gott weiß, der Ladendiener -schwindelte vielleicht gewaltig, wenn er sagte, er sei geschickt -worden, vielleicht hatte er den Gang auf eigene Rechnung gemacht, -und jedenfalls konnte er in der kurzen Zeit, die er weggewesen war, -nicht bis an die Gruben hinaufgekommen sein. -- So von außen kann man -nicht sehen, ob die Gesellschaft wieder anfangen will, sagte Isak. -- -Nein, das räumte der Ladendiener ein, aber Aronsen habe ihn nun einmal -heraufgeschickt, und es sei ja auch wahr, vier Augen sähen mehr als -zwei. - -Aber nun konnte sich Inger nicht mehr halten, sie fragte: Ist es wahr, -was die Leute sagen, daß der Aronsen verkaufen will? -- Der Ladendiener -antwortete: Er spricht davon. Und ein Mann wie er kann tun, was er -will, er hat das Geld zu allem. -- Na, hat er wirklich soviel Geld? -- -Ja, erwidert der Ladendiener und nickt, daran fehlt es nicht. -- Wieder -kann Inger nicht schweigen, sie fragt: Was will er wohl für das Gut? --- Doch jetzt greift Isak ein, er ist vielleicht noch neugieriger als -Inger, aber der Gedanke, Storborg zu kaufen, soll nun einmal durchaus -nicht von ihm herrühren, und so tut er, als ob ihn das gar nichts -anginge. Er sagt: Weshalb fragst du denn, Inger? -- Ach, ich frage -nur so, erwidert sie. -- Beide sehen gespannt den Ladendiener an und -warten. Endlich rückt er mit der Antwort heraus. - -Er spricht sehr zurückhaltend, von dem Preis weiß er nichts, aber -er weiß, was Aronsen selbst gesagt hat, daß Storborg ihn gekostet -habe. -- Und wieviel ist das? fragt Inger, denn sie vermag nicht zu -schweigen und den Mund zu halten. -- Sechzehnhundert Kronen, erwidert -der Ladendiener. -- Ach so! Inger schlägt sofort die Hände zusammen, -denn wenn die Weiberleute etwas nicht haben, so ist es, in Beziehung -auf Güterpreise, Witz und Verstand. Aber sechzehnhundert Kronen sind -nun einmal keine kleine Summe hier im Ödland, und Inger hat nur _eine_ -Angst, daß sich nämlich Isak dadurch abschrecken lassen könnte. Aber -Isak ist unerschütterlich wie ein Fels und sagt nur: Das machen die -großen Häuser. -- Ja, sagt auch der Ladendiener Andresen, das machen -die gewaltig großen Häuser. - -Kurz ehe der Ladendiener geht, hat sich Leopoldine zur Tür -hinausgedrückt. Es ist höchst sonderbar, aber es kommt ihr ganz -unmöglich vor, ihm die Hand zu geben. Sie hat indes einen guten Platz -gefunden, sie steht in dem neuen Stall und schaut zu einem der Fenster -hinaus. Sie trägt ein blauseidenes Band um den Hals, das hatte sie -vorher nicht gehabt, und das merkwürdigste ist, daß sie Zeit gefunden -hat, es umzubinden. Da geht er vorbei, er ist etwas klein und rund, mit -flinken Beinen, hat einen blonden Vollbart und ist acht bis zehn Jahre -älter als sie. Er ist ganz nett, sollte sie meinen. - -Spät in der Nacht zwischen Sonntag und Montag kamen die Kirchgänger -wieder zurück. Alles war gut gegangen, die kleine Rebekka hatte auf -der Heimfahrt während der letzten Stunden geschlafen, und sie wurde -auch schlafend aus dem Wagen gehoben und ins Haus getragen. Sivert hat -viel Neues erfahren, aber als die Mutter fragt: Was gibt's denn Neues? -sagt er nur: Oh, nichts Besonderes. Der Axel hat eine Mähmaschine und -einen Reolpflug. -- Was du sagst? ruft der Vater mit großem Interesse. -Hast du sie gesehen? -- Ja, ich habe sie gesehen, sie standen am -Landungsplatz. -- So, deshalb ist er also in der Stadt gewesen! sagt -der Vater. Und Sivert sitzt dick geschwollen von besserem Wissen da, -sagt aber kein Wort mehr. - -Mochte der Vater glauben, Axel sei in die Stadt gefahren, um eine -Mähmaschine und einen Reolpflug zu kaufen; auch die Mutter sollte das -nur glauben. Ach, aber keines der beiden Eltern glaubte das wirklich, -sie hatten auch munkeln hören, daß das mit einem neuen Kindsmord in -der Gegend zusammenhing. -- Geh du jetzt nur zu Bett! sagt der Vater -schließlich. - -Sivert, dick geschwollen von Wissen, geht und legt sich zu Bett. Axel -ist zu einer Verhandlung vorgeladen, es war eine große Sache, der -Lensmann ist mit ihm hingereist. Es war eine so große Sache, daß auch -die Frau Lensmann, die wahrhaftig wieder ein Kleines hatte, ihr Kind -verließ und mit in die Stadt reiste. Sie hatte gesagt, sie wolle ein -Wort mit dem Gericht reden. - -Nun schwirrten Klatsch und allerlei Gerüchte durchs Dorf, und Sivert -merkte gut, daß auch wieder von einem älteren Kindsmord geflüstert -wurde. Vor der Kirche stockte jede Unterhaltung, wenn er sich nahte, -und wäre er nicht der gewesen, der er war, so hätten ihm die Leute -vielleicht den Rücken gekehrt. Es war recht gut, Sivert zu sein, -erstens einmal von einem großen Hof zu stammen, eines reichen Mannes -Sohn zu sein und dann auch selbst für einen tüchtigen Kerl, für -einen guten Arbeiter zu gelten. Er wurde von anderen geschätzt und -hochgeachtet, und er hatte auch jederzeit die Volksgunst genossen. -Wenn jetzt nur nicht Jensine zu viel hörte, ehe sie wieder nach Hause -fuhren. Sivert hatte übrigens so seine eigenen Gründe zur Beängstigung, -auch die Leute auf dem Ödland können erröten und erbleichen. Er sah, -wie Jensine mit der kleinen Rebekka aus der Kirche trat, sie hatte auch -ihn gesehen, war aber einfach vorbeigegangen. So wartet er eine Weile -und fährt dann beim Schmied vor, um die beiden abzuholen. - -Beim Schmied wird zu Mittag gegessen, das ganze Haus ist versammelt, -und auch Sivert wird etwas zu essen angeboten, aber er hat schon -gegessen und dankt. Sie wußten, daß er um diese Zeit kommen werde, sie -hätten auch die kleine Weile auf ihn warten können, in Sellanraa hätte -man das getan, aber hier tat man es nicht. -- Ach nein, du bist es -jedenfalls besser gewöhnt, sagt die Frau des Schmieds. -- Hast du in -der Kirche etwas Neues erfahren? fragte der Schmied, obgleich er selbst -in der Kirche gewesen ist. - -Als Jensine und die kleine Rebekka auf dem Wagen sitzen, sagt die -Schmiedfrau zu ihrer Tochter: Ja, ja, Jensine, laß es nun nicht zu -lange anstehen, bis du wieder nach Hause kommst. -- Das kann man auf -zwei Arten verstehen, dachte Sivert, aber er mischte sich nicht in die -Sache. Wäre die Rede ein klein wenig bestimmter gewesen, so hätte er -vielleicht Antwort gegeben. Er runzelt die Stirne und wartet -- nein, -nichts mehr. - -Sie fahren heimwärts, und die kleine Rebekka ist die einzige, die etwas -zu plaudern hat, sie ist erfüllt von dem Erlebnis ihres Kirchganges, -von dem Geistlichen in seinem schwarzen Talar mit dem silbernen Kreuz, -von dem Lichterglanz und dem Orgelschall. Nach einer langen Weile sagt -Jensine: Das mit Barbro ist eine Schande! -- Was hat deine Mutter damit -gemeint, daß du bald wieder nach Hause kommen sollest? fragt Sivert. --- Was sie damit meinte? -- Willst du uns verlassen? -- Einmal muß ich -ja doch wieder nach Hause, sagt sie. -- Prrr! ruft Sivert und hält das -Pferd an. Soll ich jetzt gleich wieder mit dir umdrehen? fragt er. --- Jensine sieht ihn an, er ist blaß wie der Tod. -- Nein, erwidert -sie, und gleich darauf fängt sie an zu weinen. Die kleine Rebekka -sieht erstaunt von einem zum andern. Ach, die kleine Rebekka war sehr -nützlich auf einer solchen Fahrt, sie ergriff Partei für Jensine, -streichelte sie und brachte sie wieder dazu, daß sie lächelte. Und als -die kleine Rebekka ihrem Bruder drohte, sie werde vom Wagen springen -und sich einen Stecken für ihn suchen, da mußte auch Sivert lächeln. -- -Aber nun muß ich fragen, was du gemeint hast? sagt Jensine. -- Sivert -antwortet ohne Bedenken: Ich meinte, daß wir, wenn du uns verlassen -wollest, eben sehen müßten, ohne dich fertig zu werden. -- Lange Zeit -darauf sagte Jensine: Jawohl, die Leopoldine ist ja nun erwachsen und -kann meine Arbeit tun. - -Es wurde eine wehmütige Heimfahrt. - - - - -7 - - -Ein Mann geht übers Ödland hinauf. Es stürmt und regnet, die -Herbstregen haben begonnen, aber darum kümmert sich dieser Mann -nicht, er sieht froh aus und ist es auch; es ist Axel Ström, er -kommt vom Verhör, wo er freigesprochen worden ist. Und er ist froh: -erstens stehen eine Mähmaschine und ein Reolpflug für ihn drunten -am Landungsplatz, und zweitens ist er freigesprochen. Er hat nicht -geholfen, ein Kind zu ermorden. So kann es gehen! - -Aber was für schwere Stunden hat er durchgemacht! Als er dastand und -Zeugnis ablegte, hatte dieser sich in täglicher Arbeit abmühende Mann -die schwerste Arbeit seines Lebens vor sich gehabt. Er hatte keinen -Nutzen davon, Barbros Schuld zu vergrößern, deshalb nahm er sich in -acht, ja nicht zuviel zu sagen, ja, er sagte nicht einmal alles, was -er wußte, jedes Wort mußte aus ihm herausgefragt werden, und meistens -antwortete er nur mit ja und nein. War das nicht genug? Sollte die -Sache noch größer gemacht werden, als sie schon war? Ach, es sah häufig -aus, als ob es Ernst werden wollte; die hohe Obrigkeit war gar so -schwarz gekleidet und gefährlich, mit wenigen Worten hätte sie alles -zum Schlimmsten wenden und ihn vielleicht gar verurteilen können. Aber -es waren nette Leute, sie wollten seinen Untergang nicht. Und außerdem -traf es sich auch noch so, daß mächtige Kräfte in Tätigkeit waren, um -Barbro zu retten, und das gereichte auch ihm zum Nutzen. - -Was in aller Welt konnte ihm nun noch geschehen? - -Barbro selbst konnte doch wohl nicht auf die Gedanken kommen, Aussagen -zu machen, die ihren gewesenen Hausherrn und Liebsten belastet hätten; -er war im Besitz eines gar zu furchtbaren Wissens, sowohl um diese wie -um eine frühere Kindsangelegenheit, so dumm war Barbro nicht. Oh, -und sie war schlau genug, sie lobte Axel und sagte, er habe nicht das -mindeste von ihrer Niederkunft gewußt, bis alles vorüber gewesen sei. -Er sei ziemlich eigen, und sie stimmten nicht überein, aber er sei ein -stiller Mann und ein ausgezeichneter Mensch. Nein, daß er ein neues -Grab gegraben und die Leiche hineingetan habe, das sei viel später -geschehen, und zwar nur deshalb, weil er meinte, das erste Grab sei -nicht trocken genug; das sei es übrigens doch gewesen, nur sei Axel -eben gar so eigen. - -Was konnte also Axel geschehen, wenn Barbro so die ganze Schuld -auf sich nahm? Und für Barbro selbst waren sehr mächtige Kräfte in -Bewegung; die Frau Lensmann Heyerdahl war in Bewegung. - -Sie ging zu Hoch und Nieder und schonte sich keineswegs, sie verlangte -als Zeugin verhört zu werden und hielt vor Gericht eine große Rede. Als -sie an die Reihe kam, stand sie vor den Schranken als recht vornehme -Dame, sie erfaßte die Frage des Kindsmordes in ihrer ganzen Breite -und hielt dem Gericht eine Vorlesung; man hätte meinen können, sie -habe sich die Erlaubnis dazu im voraus erwirkt. Man konnte von der -Frau Lensmann sonst denken, was man wollte, aber Reden halten konnte -sie, und gelehrt in Politik und allen sozialen Fragen war sie. Es war -nur ein Wunder, wo sie alle die Worte hernahm. Ab und zu hatte es den -Anschein, als wolle der Vorsitzende versuchen, sie zu veranlassen, -etwas mehr zur Sache zu kommen, aber er hatte augenscheinlich nicht -das Herz, sie zu unterbrechen, und so ließ er sie weiterreden. Und zum -Schluß förderte sie einige brauchbare Aufklärungen zutage und machte -dem Gericht einen aufsehenerregenden Vorschlag. - -Von rechtstechnischen Weitläufigkeiten abgesehen, ging die Geschichte -zu wie folgt: - -Wir Frauen, sagte die Frau Lensmann, wir sind die unglückliche und -unterdrückte Hälfte der Menschheit. Die Männer machen die Gesetze, -wir Frauen haben keinen Einfluß darauf. Aber kann sich nun etwa ein -Mann hineinversetzen in das, was es für eine Frau heißt, ein Kind zu -gebären? Hat er ihre Angst gefühlt, hat er die unsäglichen Schmerzen -gefühlt, und hat er ihre Weheschreie ausgestoßen? - -In dem Falle hier ist es ein Dienstmädchen, das ein Kind geboren -hat. Sie ist unverheiratet, sie muß also die ganze Zeit ihrer -Schwangerschaft über ihren Zustand zu verbergen suchen. Warum muß sie -ihn verbergen? Der Vorurteile der menschlichen Gesellschaft wegen. -Diese Gesellschaft verachtet die Ledige, die ein Kind unter dem Herzen -trägt. Sie beschützt sie nicht allein nicht, nein, sie verfolgt sie -auch noch mit Schande und Verachtung. Ist das nicht haarsträubend? -Jawohl, und jeder Mensch mit einem Herz im Leibe muß sich darüber -empören! Das Mädchen muß nicht nur ein Kind gebären, was an sich schon -schlimm genug wäre, nein, es soll auch noch dafür als Verbrecherin -gebrandmarkt werden. Ich kann nur sagen, für dieses Mädchen hier -auf der Anklagebank war es ein Glück, daß ihr Kind durch einen -unglücklichen Zufall im Bach zur Welt kam und sofort ersticken mußte. -Es war ein Glück für sie und für das Kind. Solange die Gesellschaft so -ist wie jetzt, müßte eine ledige Mutter straffrei ausgehen, und wenn -sie auch ihr Kind absichtlich umbringt! - -Hier läßt der Vorsitzende ein schwaches Murren hören. - -Oder jedenfalls dürfte sie nur unbedeutend bestraft werden, sagt die -Frau Lensmann. Selbstverständlich sind wir alle darüber einig, daß das -Leben des Kindes erhalten bleiben muß, sagte sie, aber sollte denn -von allen Gesetzen der Menschlichkeit gar kein einziges auch für die -unglückliche Mutter gelten? Stellen Sie sich doch einmal vor, was sie -alles während der Schwangerschaft durchgemacht hat, welche Qualen sie -erduldet hat, um ihren Zustand zu verbergen, und wie sie keinen Ausweg -mehr wußte weder für sich selbst, noch für ihr Kind. Darein kann sich -überhaupt kein Mensch versetzen, sagte sie. Das Kind stirbt jedenfalls -eines wohlgemeinten Todes. Die Mutter wünscht weder sich selbst noch -diesem lieben Kinde etwas so Böses, daß es leben soll, die Schande -ist ihr zu schwer zu tragen, und indessen reift der Plan in ihr, das -Kind zu töten. So gebiert sie im geheimen, und vierundzwanzig Stunden -lang ist sie so von Sinnen, daß sie bei der Tat unzurechnungsfähig -ist. Sie hat sie sozusagen gar nicht wirklich verübt, so von Sinnen -ist sie. Während ihr noch von der Niederkunft jeder Knochen und jeder -Muskel im Leibe weh tut, muß sie das Kind umbringen und die Leiche -wegschaffen -- stellen Sie sich einmal die Willensanspannung vor, die -zu dieser Arbeit gehört! Aber natürlich wünschen wir alle, daß die -Kinder am Leben bleiben, und es ist schwer zu beklagen, daß das Leben -von einigen ausgelöscht wird. Aber das ist einzig und allein die Schuld -der menschlichen Gesellschaft, dieser hoffnungslosen, unbarmherzigen, -verleumderischen, verfolgungswütigen, boshaften Gesellschaft, die -allzeit auf der Wacht steht, um die ledige Mutter mit allen Mitteln zu -erdrosseln! - -Aber selbst nach dieser Behandlung seitens der Gesellschaft können sich -die mißhandelten Mütter wieder erheben. Sehr oft fangen gerade diese -Mädchen nach ihrem gesellschaftlichen Fehltritt an, ihre besten und -edelsten Eigenschaften zu entwickeln. Das Gericht könnte sich ja einmal -bei den Vorsteherinnen der Asyle, in denen Mutter und Kind aufgenommen -werden, erkundigen, ob das nicht wahr ist! Und es ist erfahrungsgemäß -erwiesen, daß gerade die Mädchen, die -- ja, die von der Gesellschaft -gezwungen worden sind, ihr Kind zu töten, ausgezeichnete Kindermädchen -werden. Das sollte doch jedermann Stoff zum Nachdenken geben. - -Eine andere Seite der Sache ist die: Warum soll der Mann straffrei -ausgehen? Die Mutter, die einen Kindsmord begangen hat, wird gepeinigt -und ins Gefängnis geworfen, er jedoch, der Vater des Kindes, der -Verführer, dem geschieht nichts. Aber solange er der Urheber des Kindes -ist, hat er auch teil an dem Morde, und zwar den größeren Anteil, ohne -ihn wäre das Unglück überhaupt nicht geschehen. Warum geht er frank und -frei aus? Weil die Gesetze von den Männern gemacht werden, das ist die -Antwort. Man sollte laut den Himmel um Schutz gegen diese Männergesetze -ausrufen! Und das wird niemals besser, solange wir Frauen nicht bei -den Wahlen und in den gesetzgebenden Versammlungen ein Wort mitzureden -haben. - -Aber, sagt die Frau Lensmann, wenn nun dieses grausame Gesetz die -schuldige -- oder mehr oder minder schuldige -- unverheiratete Mutter -trifft, die einen Kindsmord begeht, was sollen wir dann von der -unschuldigen sagen, die nur des Mordes verdächtigt wird und gar keinen -Kindsmord begangen hat? Welche Genugtuung gibt die Gesellschaft diesem -ihrem Opfer? Keinerlei Genugtuung! Ich bezeuge, daß ich das hier -sitzende angeklagte Mädchen kenne, seit es ein Kind gewesen ist; sie -war in meinen Diensten, ihr Vater ist meines Mannes Amtsdiener. Wir -Frauen erlauben uns, gerade entgegengesetzt zu denken und zu fühlen als -die Männer mit ihren Anklagen und Verfolgungen, wir erlauben uns, eine -Ansicht über die Dinge zu haben. Das Mädchen hier ist verhaftet und -ihrer Freiheit beraubt, verdächtigt, erstens einmal im geheimen geboren -und zweitens ihr Kind umgebracht zu haben. Sie hat -- daran zweifle -ich durchaus nicht -- beides nicht getan. Das Gericht wird selbst zu -dieser sonnenklaren Schlußfolgerung kommen. Im geheimen? Sie hat am -hellen Tag geboren. Wohl ist sie allein gewesen, aber wer hätte bei -ihr sein sollen? Sie wohnte weit droben im Ödland, der einzige Mensch -außer ihr selbst, der zur Stelle war, das war ein Mann; hätte sie einen -solchen in diesem Augenblick zur Hilfe rufen sollen? Wir Frauen empören -uns schon allein bei diesem Gedanken, wir schlagen schamvoll die Augen -nieder. -- Und dann soll sie das Kind getötet haben? Es wurde in einem -Bach geboren, sie lag da in dem eiskalten Wasser, als sie gebar. Wie -ist sie in den Bach gekommen? Sie ist ein Dienstmädchen, also eine -Sklavin, sie hat ihre täglichen Pflichten zu erfüllen, sie wollte in -den Wald, um Wacholder zum Scheuern ihres Melkeimers zu holen. Als sie -durch den Bach watet, gleitet sie aus und fällt. Sie bleibt liegen, das -Kind wird geboren und erstickt im Wasser. - -Die Frau Lensmann hält inne. Sie konnte es den Richtern und den -Zuhörern ansehen, daß sie wunderbar gut gesprochen hatte, es war -mäuschenstill im Saal, und nur Barbro trocknete sich von Zeit zu -Zeit die Augen vor Rührung. Dann schließt die Frau Lensmann: Wir -Frauen haben ein Herz; ich habe meine eigenen Kinder fremden Händen -anvertraut, um hierherreisen, um für das unglückliche Mädchen, das hier -sitzt, Zeugnis ablegen zu können. Männergesetze können einer Frau nicht -verbieten zu denken: ich denke, daß das Mädchen hier ausreichend dafür -bestraft ist, überhaupt nichts Böses getan zu haben. Sprechen Sie die -Angeklagte frei, dann werde ich sie mit nach Hause nehmen, und sie wird -das ausgezeichnetste Kindermädchen werden, das ich je gehabt habe. - -Die Frau Lensmann ist zu Ende. - -Der Vorsitzende bemerkt: Ja, aber wären es nun nach der Rede der Frau -Lensmann nicht eigentlich die Kindsmörderinnen, die die ausgezeichneten -Kindermädchen geben sollen? Oh, aber der Vorsitzende war nicht uneinig -mit Frau Lensmann Heyerdahl, ganz im Gegenteil, auch er fühlte -menschlich, ganz priesterlich mild. Während der Staatsanwalt dann noch -ein paar Fragen an die Frau Lensmann richtete, saß der Vorsitzende -ruhig auf seinem Stuhl und schrieb sich Anmerkungen auf. - -Es war nicht viel mehr als eine Vormittagsverhandlung, da nur sehr -wenige Zeugen zu verhören waren und die Sache ja auch ganz klar -lag. Axel Ström saß da und hoffte das Beste, da schienen sich indes -plötzlich der Staatsanwalt und die Frau Lensmann zu vereinigen, um -ihn in Ungelegenheiten zu bringen, weil er die Kindsleiche begraben -hatte, statt den Todesfall zu melden. Er wurde mit Strenge verhört und -hätte vielleicht diesen Punkt nicht allzu gut erklären können, wenn er -nicht hinten im Saal Geißler wahrgenommen hätte. Ganz richtig, da saß -Geißler! Das gab Axel eine Art Stütze, er fühlte sich nicht mehr einsam -und verlassen der Obrigkeit gegenüber, die ihm zu Leibe wollte; Geißler -nickte ihm zu. - -Jawohl, Geißler war in die Stadt gekommen. Er hatte sich zwar nicht als -Zeuge gemeldet, aber er war doch zur Stelle. Er hatte auch vor Beginn -der Verhandlung einige Tage dazu verwendet, sich Einsicht in den Fall -zu verschaffen und das aufzuschreiben, was er noch von Axels Bericht -auf Maaneland wußte. Die meisten der vorliegenden Dokumente waren in -Geißlers Augen nur Wische; dieser Lensmann Heyerdahl war ein sehr -beschränkter Mensch, er hatte es bei seiner Untersuchung von Anfang -an darauf angelegt, Axel zum Mitwisser an dem Kindsmord zu stempeln. -Dieser Esel, dieser Dummkopf, er verstand nicht das mindeste vom Leben -im Ödland, er sah nicht ein, daß dieses Kind gerade das Band war, das -die weibliche Hilfskraft an Axels Hof fesseln sollte. - -Geißler redete mit dem Staatsanwalt, aber er gewann den Eindruck, daß -dies gar nicht nötig gewesen wäre. Er wollte Axel dazu verhelfen, daß -er wieder auf seinen Hof im Ödland kam, aber Axel brauchte gar keine -Hilfe. Nein, denn es sah ja sogar ganz vielversprechend für Barbro -selbst aus, und wenn sie freigesprochen wurde, fiel Axels Mitschuld von -selbst weg. Es kam nur noch auf die Zeugenaussagen an. - -Nachdem die paar Zeugen verhört waren -- Oline war nicht vorgeladen, -aber der Lensmann, Axel, ein Sachverständiger und ein paar Mädchen aus -der Gemeinde --, nachdem also diese verhört waren, wurde Mittagspause -gemacht, und Geißler ging wieder zu dem Staatsanwalt hin. Nein, der -Staatsanwalt hatte die Ansicht, daß es immer noch vielversprechend für -Barbro aussehe. Frau Lensmann Heyerdahls Zeugnis war von großem Einfluß -gewesen. Es komme auf die Geschworenen an. - -Nehmen Sie besonderen Anteil an diesem Mädchen? erkundigte sich der -Staatsanwalt. -- Einigermaßen, erwiderte Geißler. Eigentlich nehme -ich mehr Anteil an dem Manne. -- Hat sie auch bei Ihnen gedient? --- Nein, sie hat nicht bei mir gedient. -- Ach so, an dem Manne -also? Aber das Mädchen? Die Teilnahme des Gerichtes ist auf ihrer -Seite. -- Nein, sie hat nicht bei mir gedient. -- Der Mann ist mehr -verdächtig, sagt der Staatsanwalt. Er geht ganz allein hin und begräbt -die Kindsleiche mitten im Wald. Das ist entschieden verdächtig. -- -Er wollte das Kind wohl nur richtig begraben, sagt Geißler, das war -beim erstenmal nicht geschehen. -- Nun, sie war eine Frau und hatte -nicht die Kraft eines Mannes zum Graben, und in dem Zustand, in dem -sie sich befand, vermochte sie es nicht. Im großen ganzen, sagt der -Staatsanwalt, haben wir uns zu einer menschlicheren Ansicht über diese -Kindsmorde durchgerungen. Ich möchte es als Richter nicht auf mich -nehmen, dieses Mädchen zu verurteilen, und wie die Sache liegt, kann -ich ihre Verurteilung nicht beantragen. -- Das ist sehr erfreulich, -sagte Geißler mit einer Verbeugung. -- Der Staatsanwalt fuhr fort: Als -Mensch und Privatmann würde ich sogar noch weitergehen: ich würde keine -einzige ledige Mutter, die ihr Kind umbringt, zur Strafe verurteilen. --- Es ist sehr interessant, daß der Herr Staatsanwalt und die Dame, -die heute Zeugnis abgelegt hat, gleicher Ansicht sind. -- Ach sie! Sie -hat übrigens gut gesprochen. Aber wozu alle diese Verurteilungen? Eine -ledige Mutter hat schon zum voraus so unerhörte Qualen erduldet und -sie wird durch die Härte und Brutalität der Welt in allen menschlichen -Verhältnissen so tief hinuntergedrückt, daß das Strafe genug ist. --- Geißler erhob sich und sagte zum Schluß: Ja, aber die Kinder? --- Allerdings, mit den Kindern ist es sehr traurig, erwiderte der -Staatsanwalt. Aber schließlich ist es ja auch für die Kinder ein Segen. -Und gerade solchen unehelichen Kindern, wie schlecht geht es ihnen -gewöhnlich! Was wird aus ihnen? -- Geißler wollte vielleicht diesen -wohlgenährten Mann ein wenig reizen, oder vielleicht wollte er sich -auch nur als tiefsinnig und geheimnisvoll aufspielen, er sagte: Erasmus -war ein lediges Kind. -- Erasmus? -- Erasmus von Rotterdam. -- Ach so. --- Und Leonardo war ein lediges Kind. -- Leonardo da Vinci? So. Ja, -Ausnahmen kommen natürlich vor, sie bestätigen nur die Regel. Aber im -großen und ganzen! -- Wir schützen Vögel und Tiere, sagte Geißler, -und es klingt etwas sonderbar, daß kleine Kinder nicht auch geschützt -werden sollen. -- Der Staatsanwalt griff langsam und würdevoll nach -einigen Papieren, zum Zeichen, daß er jetzt abbrechen müsse. Ja, -sagte er geistesabwesend, ja, jawohl. Geißler bedankte sich für die -außerordentlich lehrreiche Unterredung, der er gewürdigt worden sei, -und ging. - -Er setzte sich in den Gerichtssaal, um beizeiten da zu sein. Seine -geheime Macht kitzelte ihn wohl sehr: er wußte von einem gewissen -abgeschnittenen Hemd, in dem -- Besenreis geholt werden sollte, und -von einer Kindsleiche, die einmal im Stadthafen herumtrieb; er konnte -das Gericht aufsitzen lassen, ein Wort von ihm würde so gut sein wie -tausend Schwerter. Aber Geißler hatte gewiß nicht im Sinn, dieses -Wort jetzt auszusprechen, wenn es nicht notwendig wurde. Das war ja -ausgezeichnet, sogar der öffentliche Ankläger stand auf seiten der -Angeklagten! - -Der Saal füllte sich, und das Gericht trat wieder zusammen. - -Das wurde eine reizende Komödie in der kleinen Stadt, der ermahnende -Ernst des Staatsanwalts, des Verteidigers rührselige Beredsamkeit. Die -Geschworenen saßen da und horchten zu, was sie wohl über Barbro und den -Tod ihres Kindes zu denken hätten. - -Allerdings, so ganz einfach war es nun doch nicht, das herauszufinden. -Der Staatsanwalt war ein schöner Mann von Ansehen, und er war gewiß -auch ein guter Mensch, aber etwas mußte ihn ganz kürzlich erst -geärgert haben, oder vielleicht war ihm eingefallen, daß er in der -norwegischen Rechtspflege einen Standpunkt aufrechtzuerhalten habe, -wer weiß! Es war unbegreiflich, aber er war nicht mehr so zugänglich -wie am Vormittag, er rügte die Missetat, falls sie geschehen sei, -scharf, sagte, es sei ein dunkles Blatt, wenn mit Bestimmtheit gesagt -werden könne, daß die Sache wirklich so dunkel sei, wie man nach -einzelnen Zeugenaussagen glauben und meinen könne. Darüber hätten die -Gerichtsbeisitzer zu entscheiden. Er selbst möchte die Aufmerksamkeit -auf drei Punkte lenken: der erste Punkt sei der, ob hier eine Geburt im -geheimen vorliege, ob diese Frage den Herren Richtern klar sei? Hier -machte er einige persönliche Bemerkungen. Der zweite Punkt sei das -Kleidungsstück, das halbe Hemd, wozu die Angeklagte das mitgenommen -habe? Ob sie eine Ahnung gehabt habe, daß sie es brauchen werde? Er -entwickelte diesen Punkt noch weiter. Der dritte Punkt sei das sehr -verdächtige heimliche Begräbnis, ohne den Todesfall dem Geistlichen -und dem Lensmann zu melden. Hierbei sei der hier anwesende Mann die -Hauptperson gewesen, und es sei von der größten Wichtigkeit für -die Geschworenen, sich hier die richtige Ansicht zu bilden. Denn -es sei ja doch einleuchtend, daß der Mann Mitwisser sei, und wenn -er das Begräbnis auf eigene Hand vorgenommen hatte, so mußte sein -Dienstmädchen eine Missetat begangen haben, deren Mitwisser er geworden -war. - -Hm! ertönte es im Saale. - -Axel Ström merkte, daß er wieder in Gefahr war; er begegnete, als er -aufsah, nicht einem einzigen Blick, aller Augen hingen an dem Redner. -Aber ganz hinten im Saale saß Geißler wieder, er sah äußerst überlegen -aus, als ob er platzen wolle vor Hochmut, mit seiner vorgeschobenen -Unterlippe und mit gen Himmel gewandtem Gesicht. Diese ungeheure -Gleichgültigkeit gegen den Ernst des Gerichtes, dieses laute gen Himmel -gesandte Hm wirkte ermunternd auf Axel, er fühlte sich wieder der -ganzen Welt gegenüber nicht mehr allein. - -Und nun kam endlich die Sache ins Blei, dieser Staatsanwalt schien -endlich zu der Einsicht zu kommen, daß es nun genug sei, er hatte so -viel Bosheit und Verdacht gegen Axel verbreitet, als irgend möglich -war, nun hielt er inne. Ja, der Herr Staatsanwalt machte gewissermaßen -vollkommen kehrt, er beantragte nicht einmal Barbros Verurteilung. Er -sagte zum Schluß geradeheraus, daß er selbst nach den vorliegenden -Zeugenaussagen nicht die Verurteilung der Angeklagten beantragen könne. - -Das ist ja sehr gut, dachte Axel. Dann hat die Geschichte ein Ende. - -Nun legte sich der Verteidiger ins Zeug, ein junger Mann, der die -Juristerei studiert hatte und dem nun in diesem prächtigen Fall die -Verteidigung anvertraut worden war. Es war auch nachher nur eine Stimme -darüber, noch niemals sei ein Mann so sicher gewesen, eine Unschuldige -zu verteidigen. Im Grunde war ihm diese Frau Lensmann Heyerdahl -zuvorgekommen, sie hatte ihm am Vormittag verschiedene Argumente -gestohlen, er war sehr unzufrieden damit, daß sie die Gesellschaft -ausgenützt hatte. -- Oh, die Gesellschaft hatte auch bei ihm sehr viel -auf dem Kerbholz! Er war ärgerlich auf den Vorsitzenden, daß er Frau -Heyerdahl das Wort nicht entzogen hatte. Das war ja eine ganz richtige -Verteidigungsrede gewesen, die sie gehalten hatte; was blieb da ihm -noch übrig? - -Er fing mit dem allerersten Anfang von Barbro Bredes Lebenslauf an; -sie stammte aus kleinen Verhältnissen, übrigens von strebsamen und -achtungswerten Eltern, sie sei frühzeitig in den Dienst gekommen, -und zwar zuerst zu dem Lensmann. Wir haben heute die Ansicht gehört, -die ihre Dienstherrin, Frau Heyerdahl, von ihr hatte, sie könnte -nicht strahlender sein. Dann sei Barbro nach Bergen gekommen. Der -Verteidiger verbreitet sich eingehend über das sehr wohlmeinende -Zeugnis, das ihr von den beiden Kontoristen in Bergen, bei denen sie -eine Vertrauensstellung eingenommen hatte, ausgestellt worden war. Dann -sei Barbro wieder heimgekommen, als Haushälterin bei einem Junggesellen -draußen im Ödland. Hier habe ihr Unglück angefangen. - -Von diesem Junggesellen habe sie ein Kind unter dem Herzen getragen. -Der geehrte Herr Staatsanwalt habe -- übrigens auf die allertaktvollste -und schonendste Weise -- die Möglichkeit einer Geburt im geheimen -angedeutet. Ob Barbro ihren Zustand verborgen, ob sie ihn verhehlt -habe? Die beiden Zeuginnen, Mädchen aus ihrem Heimatdorf, hatten -gemeint, daß sie guter Hoffnung sei, und als sie sie fragten, leugnete -sie durchaus nicht, sie ging nur kurz darüber weg. So machten es junge -Mädchen in diesen Fällen, sie gingen kurz darüber weg. Sonst sei Barbro -überhaupt von niemand gefragt worden. Ob sie zu ihrer Frau gegangen sei -und ihr gebeichtet habe? Sie habe keine Frau gehabt, sie sei selbst die -Frau gewesen. Einen Hausherrn habe sie allerdings gehabt; aber so ein -junges Mädchen gehe mit einem solchen Geheimnis nicht zu ihrem Herrn, -sie trage ihr Kreuz allein, sie spreche nicht davon, sie flüstere nicht -einmal, sie sei eine Trappistin. Sie verstecke sich nicht, aber sie -halte sich in der Einsamkeit. - -Das Kind werde geboren, es sei ein ausgetragener und wohlgebildeter -Junge, er habe nach der Geburt gelebt und geatmet, aber er sei -erstickt. Das Schwurgericht kenne die näheren Umstände bei dieser -Geburt, sie sei im Wasser vor sich gegangen, die Mutter sei im Bach -gestürzt und habe dort geboren, sie sei nicht imstande gewesen, das -Kind zu retten, sie habe liegenbleiben müssen und sich selbst erst -nachher ans Land retten können. Nun gut, an dem Kinde sei keine Spur -von ihm angetaner Gewalt zu entdecken gewesen, es trage keine Spuren -davon an seinem Leibe, niemand habe seinen Tod gewollt, es sei im -Wasser erstickt. Es sei gar nicht möglich, eine natürlichere Erklärung -für seinen Tod zu finden. - -Der geehrte Herr Staatsanwalt habe auf ein Kleidungsstück hingedeutet: -es sei ein dunkler Punkt, daß sie dieses halbe Hemd mit auf ihren Gang -genommen habe. Aber nichts sei klarer als diese Dunkelheit; sie habe -den Lappen mitgenommen, um Wacholderreis darein zu sammeln. Sie hätte -ja auch -- sagen wir einmal -- einen Kissenbezug mitnehmen können, -aber sie habe nun einmal das Stück Hemd mitgenommen; etwas habe sie -ja doch haben müssen, sie hätte das Wacholderreis nicht in den Händen -heimtragen können. Nein, hierüber könne sich das Gericht vollständig -beruhigen. - -Aber es gäbe da noch einen anderen Punkt, der nicht ganz so klar sei. -Ist der Angeklagten die Unterstützung und die Sorgfalt zuteil geworden, -die ihr Zustand zu jener Zeit verlangte? Wurde sie von ihrem Hausherrn -mit Schonung behandelt? Schön, wenn er es getan hat. Das Mädchen -habe hier während des Verhörs mit Anerkennung von ihrem Hausherrn -gesprochen, das deute auf eine gute und edle Gesinnung von ihr. Der -Mann selbst, Axel Ström, habe in seinen Aussagen die Beklagte durchaus -nicht belastet -- und darin habe er auch ganz recht getan, um nicht zu -sagen klug, denn mit ihr würde auch er freigesprochen werden. Möglichst -viel Schuld auf sie zu werfen, würde ja, wenn es zu ihrer Verurteilung -führte, ihn selbst mit ins Verderben reißen. - -Es sei unmöglich, sich in der vorliegenden Sache in die Akten zu -vertiefen, ohne vom innigsten Mitleid mit diesem Mädchen und ihrer -Verlassenheit ergriffen zu werden. Und dennoch habe sie nicht nötig, -die Barmherzigkeit anzurufen, sie wende sich nur an die Gerechtigkeit -und das Verständnis. Sie und ihr Hausherr seien gewissermaßen verlobt -miteinander, aber Uneinigkeit und entgegengesetzte Interessen schlössen -die Ehe aus. Bei diesem Mann könne dieses Mädchen in der Zukunft nicht -das Glück finden. Es sei nicht angenehm, davon zu reden, aber um noch -einmal auf das mitgenommene Kleidungsstück zu kommen, wenn man der -Sache nähertrete, so habe das Mädchen nicht eines von ihren eigenen, -sondern eines von den Hemden ihres Hausherrn mitgenommen. Wir haben -uns selbst gleich zu Anfang gefragt: War ihr dieses Hemd von ihm zur -Verfügung gestellt worden? sagte der Verteidiger. Hier, meinten wir, -könnte eine Möglichkeit bestehen, daß der Mann Axel die Hand mit im -Spiel gehabt habe. - -Hm! machte es hinten im Saale. Das klang so hart und laut, daß der -Redner innehielt, aller Augen suchten nach dem Urheber dieser -Unterbrechung, und der Vorsitzende schleuderte einen scharfen Blick in -jene Richtung. - -Aber, fuhr der Verteidiger fort, nachdem er sich wieder gefaßt hatte, -auch über diesen Punkt können wir völlig beruhigt sein, dank der -Angeklagten selbst. Obgleich es in ihrem Vorteil gelegen hätte, hier -die Hälfte der Schuld von sich abzuwälzen, hat sie das doch nicht -getan. Sie hat auf das bestimmteste Axel Ström von dem Verdacht -freigesprochen, er habe etwas davon gewußt, daß sie sein Hemd statt des -ihrigen an den Bach mitgenommen hatte -- ich meine, mit in den Wald, um -Wacholderreis zu holen. Es liegt nicht der mindeste Grund vor, an den -Worten der Angeklagten zu zweifeln; diese haben überall Stich gehalten -und halten auch hier Stich. Hätte sie das Hemd aus des Mannes Hand -entgegengenommen, so würde das den vollendeten Kindsmord voraussetzen, -und die Angeklagte mit ihrer Wahrheitsliebe will nicht dazu beitragen, -den Mann zu einem Verbrecher zu stempeln, der er gar nicht ist. Im -ganzen genommen macht sie redliche und offene Aussagen und hat nicht -versucht, irgendwelche Schuld auf andere zu schieben. Dieser schöne -Zug, gegen andere gut zu sein, zeigt sich überall bei ihr, so hat -sie zum Beispiel die kleine Leiche auf die beste Art und mit großer -Sorgfalt eingehüllt. In diesem Zustand hat sie der Lensmann im Grabe -gefunden. - -Der Vorsitzende will -- der Ordnung halber -- darauf hinweisen, daß es -das Grab Nummer zwei war, das der Lensmann fand, und in das habe ja -Axel das Kind gelegt. - -Jawohl, das ist so, und ich danke dem Herrn Vorsitzenden! sagt der -Verteidiger mit all der Ehrerbietung, die man der Justiz schuldig -ist. Jawohl, das ist so. Aber nun hat doch Axel selbst ausgesagt, er -habe die Leiche nur in das neue Grab hinübergehoben und sie darein -gebettet. Und es ist doch unzweifelhaft, daß eine Frau ein Kind besser -einzuhüllen versteht als ein Mann. Und wer hüllt es am allerbesten -ein? Doch eine Mutter mit ihren liebevollen Händen! - -Der Vorsitzende nickt beifällig. - -Übrigens hätte nicht das Mädchen -- wenn es wirklich zu der Sorte -gehört hätte -- das Kind einfach nackt begraben können? Ich will so -weit gehen, zu sagen, sie hätte es in einen Kehrichteimer legen können. -Sie hätte es über der Erde unter einem Baum liegenlassen können, daß es -hätte erfrieren müssen -- das heißt, wenn es nicht schon tot gewesen -wäre. Sie hätte es in einem unbewachten Augenblick in den Ofen stecken -und verbrennen können. Sie hätte es an den Bach von Sellanraa tragen -und es dort hineinwerfen können. Aber von dem allem hat diese Mutter -nichts getan, sie hat das Kind sorgfältig eingehüllt und begraben. Und -wenn es so schön und gut eingewickelt war, wie es gefunden wurde, so -ist es von einer Frau eingehüllt worden und nicht von einem Mann. - -Nun sagte der Verteidiger, jetzt hätten die Geschworenen darüber -abzuurteilen, was von Schuld an dem Mädchen Barbro übrigbleibe, nach -des Verteidigers Meinung bleibe keine übrig. Es könnte höchstens -sein, daß die Geschworenen sie deshalb verurteilen wollten, weil sie -den Todesfall nicht angezeigt habe. Aber das Kind sei nun einmal tot -gewesen, es sei weit draußen im Ödland und viele Meilen zum Pfarrer und -Lensmann, es habe seinen ewigen Schlaf in einem schönen Grabe im Walde -schlafen dürfen. Wenn es ein Verbrechen sei, es so begraben zu haben, -so teile die Beklagte dieses Verbrechen mit dem Vater des Kindes, -aber dieses Verbrechen sei in jedem Fall verzeihlich. Man sei immer -mehr davon abgekommen, die Verbrecher zu bestrafen, man suche sie zu -bessern. In alten Zeiten sei man für alles mögliche gestraft worden, -das sei nach dem Gesetz der Rache im Alten Testament gegangen: Auge um -Auge, Zahn um Zahn. Nein, das sei nicht mehr der Geist, der jetzt in -der Gesetzgebung walte; die moderne Rechtspflege sei menschlich; sie -suche sich dem Grad der verbrecherischen _Gesinnung_ anzupassen, die -die Betreffenden bewiesen hätten. - -Darum verurteilt dieses Mädchen nicht! rief der Verteidiger. Es -handelt sich hier nicht darum, einen Verbrecher mehr zu fassen, nein, -es handelt sich darum, der menschlichen Gesellschaft ein gutes und -nützliches Mitglied zurückzugeben! Der Verteidiger deutete darauf -hin, daß der Angeklagten nun in einer neuen Stelle, die ihr angeboten -sei, die sorgfältigste Aufsicht zuteil werden würde. Frau Lensmann -Heyerdahl habe aus reicher mütterlicher Erfahrung und weil sie Barbro -seit vielen Jahren kenne, dieser ihr Haus weit aufgetan. Das Gericht -möge nun im Vollgefühl seiner Verantwortung das Mädchen verurteilen -oder freisprechen. Zum Schluß dankte der Verteidiger dem Staatsanwalt, -daß er keine Verurteilung beantragt habe. Daran erkenne man sein tiefes -menschliches Verständnis. - -Der Verteidiger setzte sich. - -Der Rest der Verhandlung nahm nicht mehr viel Zeit in Anspruch. Das -Referat wiederholte dasselbe, von zwei Seiten gesehen, noch einmal, es -gab eine kurze Übersicht über den ganzen Vorgang, trocken, langweilig -und würdevoll. Es war alles sehr trefflich gegangen, sowohl der -Staatsanwalt als der Verteidiger hatten in das Gebiet des Vorsitzenden -hinübergegriffen, sie hatten ihm sein Amt leicht gemacht. - -Es wurde Licht angesteckt, zwei Hängelampen brannten und gaben ein -erbärmliches Licht, bei dem der Vorsitzende kaum seine Anmerkungen -lesen konnte. Er tadelte äußerst scharf, daß der Tod des Kindes den -Behörden nicht gemeldet worden war; aber, sagte er, das wäre unter -den vorliegenden Umständen weit eher dem Kindsvater zugekommen als -der Mutter, da sie zu schwach dazu gewesen sei. Nun hätten also die -Geschworenen zu entscheiden, ob Geburt im geheimen und Kindsmord -vorliege. Alles wurde noch einmal von Anfang bis zu Ende erklärt. -Darauf folgte die gebräuchliche Ermahnung, der Verantwortung eingedenk -zu sein, warum das Gericht eingesetzt sei, und endlich der bekannte -Rat, im Zweifelsfalle zugunsten der Angeklagten zu entscheiden. - -Nun war alles klar. - -Die Geschworenen verließen den Saal und zogen sich zurück. Sie sollten -sich über den Fragebogen beraten, der dem einen von ihnen mitgegeben -worden war. Fünf Minuten waren sie weg, dann traten sie wieder ein mit -einem Nein auf alle Fragen. - -Nein, das Mädchen Barbro hatte ihr Kind nicht getötet. - -Nun redete der Vorsitzende noch einige Worte und erklärte, das Mädchen -Barbro sei frei. - -Die Zuhörer verließen den Saal. Die Komödie war zu Ende ... - -Irgend jemand ergreift Axel am Arm, es ist Geißler. Er sagt: So, nun -bist du also die Geschichte los. -- Ja, sagte Axel. -- Und sie haben -dich ganz unnötig vorgeladen. -- Ja, sagte Axel wieder. Aber inzwischen -hatte er sich etwas gefaßt und fuhr fort: Ich bin aber doch recht froh, -daß ich so davongekommen bin. -- Das hätte auch gerade noch gefehlt! -rief Geißler, und er betonte jedes Wort nachdrücklich. -- Davon bekam -Axel den Eindruck, daß Geißler die Hand im Spiel gehabt, daß er -eingegriffen habe. Gott mochte wissen, ob nicht am Ende Geißler das -Gericht gelenkt und den Erfolg, den er selbst gewollt, herbeigeführt -hatte. Das war dunkel. - -Allein so viel begriff Axel doch, daß Geißler den ganzen Tag über auf -seiner Seite gestanden hatte. Ja, ich danke Euch vielmals, sagte er -und wollte Geißler die Hand drücken. -- Wofür? fragte Geißler. -- -Für -- ja für alles miteinander. -- Geißler wies ihn kurz ab. Ich -hatte gar nicht im Sinn, etwas zu tun, es war nicht der Mühe wert. --- Aber Geißler hatte darum doch vielleicht nichts gegen diesen Dank -einzuwenden, es war, als hätte er darauf gewartet und hätte ihn nun -erhalten. Ich habe keine Zeit, mich gerade jetzt noch länger mit dir zu -unterhalten, sagte er. Gehst du morgen wieder nach Hause? Das ist gut. -Leb wohl und auf Wiedersehen! Geißler ging die Straße hinunter ... - -Auf der Heimfahrt traf Axel auf dem Dampfschiff den Lensmann und -seine Frau, Barbro und die zwei Mädchen, die als Zeuginnen vorgeladen -gewesen waren. Nun, bist du nicht froh über den Ausgang der Sache? -fragte die Frau Lensmann. -- Doch, erwiderte Axel, er sei sehr froh, -daß die Geschichte zu Ende sei. Auch der Lensmann ergriff das Wort und -sagte: Das ist nun der zweite Kindsmordprozeß, den ich in der Gegend -gehabt habe, der erste galt Inger von Sellanraa, jetzt bin ich auch den -zweiten los. Nein, man darf solche Fälle nicht nur so hingehen lassen, -dem Recht muß Genüge geschehen. - -Aber die Frau Lensmann begriff wohl, daß Axel ihr, wegen ihrer -Aussagen gestern, nicht wohlgeneigt sein konnte, jetzt wollte sie das -verwischen, wollte es wieder gutmachen. Du hast doch gestern begriffen, -warum ich gegen dich gesprochen habe? sagte sie. -- Ja, jawohl, -erwiderte Axel. -- Ja, du hast es gewiß eingesehen. Du hast doch sicher -nicht gemeint, ich wolle dir schaden? Dich habe ich jederzeit für einen -prächtigen Mann gehalten, das kann ich dir wohl sagen. -- So! war -alles, was Axel sagte, allein er war froh und gerührt. -- Jawohl, das -habe ich, sagte die Frau Lensmann. Aber ich war genötigt, dir einen -kleinen Teil von der Schuld zuzuschieben, sonst wäre Barbro verurteilt -worden, und du mit ihr. Es geschah meinerseits in der besten Absicht. --- Jawohl, ja, und ich danke Euch bestens. -- Ich bin es gewesen und -sonst niemand anders, die in der Stadt von Herodes zu Pilatus gelaufen -ist und für euch beide gewirkt hat. Und du hast doch wohl begriffen, -daß wir alle, wie wir es vor Gericht getan haben, einen Teil Schuld auf -dich laden mußten, um euch beide frei zu bekommen! -- Ja, sagte Axel. --- Und du hast doch wohl keinen Augenblick geglaubt, daß ich gegen dich -sei, nicht wahr? Ich gegen dich sein, wo ich dich doch für so einen -ausgezeichneten Mann halte! - -Wie tat das gut nach all den Demütigungen! Axel war jetzt jedenfalls -so gerührt, daß er wahrhaftig der Frau Lensmann etwas schenken wollte, -irgend etwas, um ihr seine Dankbarkeit zu beweisen, vielleicht ein -Stück Schlachtvieh im Herbst. Er hatte einen jungen Ochsen. - -Die Frau Lensmann Heyerdahl hielt Wort: sie nahm Barbro zu sich. Auch -schon hier auf dem Schiff nahm sie sich ihrer an und ließ sie weder -frieren noch hungern, und sie duldete auch nicht, daß Barbro mit dem -bergenschen Steuermann schäkerte. Als es das erstemal geschah, sagte -Frau Heyerdahl nichts darüber, sie rief nur Barbro zu sich. Aber siehe -da, bald stand Barbro wieder bei dem Steuermann und schäkerte mit ihm, -sie machte einen schiefen Kopf, sprach bergenschen Dialekt und lächelte -hold; da rief Frau Heyerdahl sie abermals zu sich und sagte: Es will -mir nicht gefallen, Barbro, daß du dich jetzt auf Unterhaltungen mit -Mannsleuten einläßt. Denk doch daran, was du durchgemacht hast und -wo du herkommst. -- Ich habe nur gehört, daß er aus Bergen ist, und -deshalb ein paar Worte mit ihm gesprochen, erwiderte Barbro. - -Axel sprach nicht mit ihr. Er bemerkte aber, daß ihre Haut fein und -blaß war und daß sie schöne Zähne bekommen hatte. Seine Ringe trug sie -nicht an den Fingern. - -Und nun schreitet Axel also wieder durchs Ödland hinauf. Es stürmt und -regnet zwar, aber er ist seelenvergnügt, er hat die Mähmaschine und -den Reolpflug am Landungsplatz gesehen. Ach, dieser Geißler! Kein Wort -hat er in der Stadt von dieser Sendung verlauten lassen. Er war ein -merkwürdiger Herr. - - - - -8 - - -Axel hatte daheim keine lange Ruhezeit; mit den Herbststürmen begann -eine persönliche Mühe und ein großer Verdruß, den er sich selbst -zugezogen hatte: Der Telegraph an seiner Wand meldete, daß die Linie in -Unordnung sei. - -Ach, er war zu gierig nach dem baren Geld gewesen, als er diesen Posten -übernommen hatte! Alles war von Anfang an unangenehm gewesen, Brede -Olsen hatte ihm gewissermaßen gedroht, als er die Telegraphensachen und -das Werkzeug bei ihm abholte; er hatte gesagt: Du denkst wohl nicht -mehr daran, daß ich dir im Winter das Leben gerettet habe? -- Oline -hat mir das Leben gerettet, erwiderte Axel. -- So, habe ich dich nicht -auf meinem eigenen armen Rücken nach Hause getragen? Und außerdem hast -du im Sommer nur darauf gepaßt, mir meinen Hof abzukaufen und mich für -den Winter heimatlos zu machen. Ja, Brede war tief gekränkt, er sagte: -Nimm du nur den Telegraphen und das ganze Zeug mit dir. Ich und meine -Familie, wir lassen uns im Dorf nieder und fangen etwas an; was es ist, -weißt du nicht, aber es ist etwas mit einem Hotel und einem Platz, -wo die Leute Kaffee trinken können. Oh, meinst du, wir werden nicht -durchkommen? Meine Frau kann alle Arten von Lebensmitteln verkaufen, -und ich selbst kann Geschäfte machen und viel mehr dabei verdienen als -du. Aber ich will dir nur sagen, Axel, ich könnte dir allerlei Possen -spielen, da ich den ganzen Telegraphen sehr gut kenne; ich könnte -Stangen umwerfen und Drähte abreißen. Dann müßtest du mitten in der -dringendsten Arbeit hinaus. Das will ich dir nur sagen, und du kannst -es dir hinter die Ohren schreiben ... - -Jetzt aber hätte Axel notwendig die Maschinen vom Landungsplatz -heraufholen sollen -- ach, jede davon war so schön vergoldet und bunt -bemalt wie ein Bild, er hätte sie heute haben und sie besehen und -sich genau in ihrem Gebrauch unterrichten können -- jetzt mußten sie -stehenbleiben. Es war nicht gut, wenn er wegen der Telegraphenlinie -wichtige Arbeit versäumen mußte. Aber es brachte doch Geld ein. - -Oben auf dem Berg trifft er Aronsen. Der Kaufmann Aronsen steht da und -schaut in den Sturm hinaus, ja, er stand da wie eine Erscheinung. Was -wollte er da oben? Er hatte wohl keine Ruhe mehr gehabt und war in die -Berge gegangen, um selbst die Gruben zu untersuchen. Seht, das tat der -Kaufmann Aronsen aus reiner Besorgnis für sich und seine Zukunft. Nun -steht er da auf dem verlassenen Berg vor lauter Elend und Zerstörung: -verrostete Maschinen, Handwerkszeug, Fuhrwerke, vieles davon unter -freiem Himmel, alles ganz trostlos. An verschiedenen Stellen waren an -den Wänden der Baracken geschriebene Zettel angeheftet, die verboten, -die Gebäude, Gerätschaften und Wagen der Gesellschaft zu beschädigen -oder etwas davon mitzunehmen. - -Axel fängt ein Gespräch mit dem zornigen Krämer an und fragt: Seid -Ihr auf der Jagd? -- Ja, wenn ich ihn nur getroffen hätte! antwortete -Aronsen. -- Wen hättet Ihr denn gerne getroffen? -- Wen denn sonst, als -den Mann, der mich und alle hier herum ins Verderben bringt? Den Mann, -der seinen Berg nicht verkaufen will und weder Bewegung, noch Handel, -noch Geld unter die Leute kommen läßt. -- Meint Ihr den Geißler? -- -Ja, gerade den Kerl meine ich. Er müßte erschossen werden! -- Axel -lacht und sagt: Der Geißler war jetzt vor wenigen Tagen in der Stadt, -da hättet Ihr ihn treffen können. Aber nach meiner geringen Meinung -glaube ich nicht, daß Ihr den Mann dafür verantwortlich machen solltet. --- Warum nicht? fragte Aronsen wütend. -- Ich fürchte, er wäre etwas -zu unergründlich und zu hochangesehen für Euch. -- Sie stritten eine -Weile darüber, und Aronsen wurde immer heftiger. Zum Schluß fragte -Axel im Scherz: Na, Ihr werdet uns hier im Ödland doch nicht stecken -lassen und ganz von hier fortziehen wollen? -- Meinst du etwa, ich -wolle hier in euren Sümpfen verfaulen und nicht einmal den Tabak für -meine Pfeife verdienen? rief Aronsen ärgerlich. Wenn du mir einen -Käufer verschaffst, so verkaufe ich auf der Stelle. -- Einen Käufer? -rief Axel. Auf Eurem Grundstück ist guter Boden, wenn Ihr ihn bebauen -wolltet. Bei der Größe des Grundstücks nährt es seinen Mann. -- Du -hörst doch, daß ich nicht in der Erde graben mag! rief Aronsen wieder -in den Sturm hinaus. Ich kann etwas Besseres tun. -- Axel meinte, ein -Käufer werde wohl zu finden sein, aber Aronsen verhöhnte den bloßen -Gedanken daran. Im ganzen Ödland ist kein einziger Mann, der mich -auszahlen könnte. -- Nein, nicht gerade hier im Ödland. Aber es gibt -noch andere. -- Ach, hier ist nichts als Armut und Elend! rief Aronsen -wütend. -- Ja, das mag sein. Aber der Isak auf Sellanraa könnte Euch -jeden Tag auszahlen, sagte Axel beleidigt. -- Das glaube ich nicht, -entgegnete Aronsen. -- Es ist mir gleichgültig, was Ihr glaubt, sagte -Axel und wollte weitergehen. -- Aber Aronsen rief ihm nach: Wart doch -einen Augenblick! Meinst du wirklich, Isak könnte mich von Storborg -befreien? -- Ja, erwidert Axel. Von fünf Storborg, was das Geld und die -Mittel anbelangt. - -Aronsen war beim Aufstieg um Sellanraa herumgegangen, er hatte sich -nicht sehen lassen wollen, jetzt auf dem Heimweg ging er hinein und -hatte eine Unterredung mit Isak. Nein, sagte Isak und schüttelte nur -den Kopf. Daran habe ich noch nie gedacht und habe es auch nicht im -Sinn. -- - -Aber als Eleseus zu Weihnachten nach Hause kam, war Isak nicht mehr -ganz so ablehnend. Er selbst hatte jedenfalls noch nie so etwas -Verrücktes gehört, wie Storborg zu kaufen, dieser Einfall wäre ihm -jedenfalls nicht selbst gekommen, wenn aber Eleseus meinte, das -Geschäft sei etwas für ihn, dann konnte man sich die Sache ja überlegen. - -Eleseus selbst schwankte. Er war nicht dafür, aber auch auch nicht -dagegen. Blieb er jetzt zu Hause, so war es gewissermaßen mit ihm aus -und vorbei; das Ödland war nicht die Stadt. - -Im Herbst, als die Leute aus der Gegend zu dem großen Verhör in der -Stadt vorgeladen waren, vermied er es, sich zu zeigen, er hatte keine -Lust, mit diesen Dörflern zusammenzutreffen, sie gehörten einer anderen -Welt an. Und sollte er nun selbst in diese Welt zurückkehren? - -Seine Mutter wollte, man solle kaufen. Sivert wollte auch, daß gekauft -werde; die beiden taten sich mit Eleseus zusammen, und eines schönen -Tages fuhren alle drei nach Storborg hinunter, um sich dort die -Herrlichkeit zu beschauen. - -Aber mit der Aussicht, sein Gut loszuwerden, wurde Aronsen sofort ein -ganz anderer: er habe nicht nötig, zu verkaufen! Wenn er von hier -fortgehe, so könne der Hof einfach liegenbleiben, der Hof sei bom -konstant, ein prächtiges Gut, er könne es jeden Tag verkaufen. Ihr -zahlt mir doch nicht, was ich dafür haben will, behauptete Aronsen. --- Sie gingen durch alle Räume, waren im Stall, im Vorratshaus, sie -besahen sich die armseligen Reste von Waren: einige Mundharmoniken, -Uhrketten, Schachteln mit rosa Papier, Hängelampen mit Prismen, lauter -bei den Ansiedlern unverkäufliche Sachen. Außerdem war noch ein Rest -Baumwollstoffe vorhanden und einige Kisten mit Nägeln. - -Eleseus spielte sich auf und beschaute alles mit Sachkenntnis. Für -diese Art Waren hab' ich keine Verwendung, sagte er. -- Ihr braucht -sie ja nicht zu kaufen, erwiderte Aronsen. -- Aber ich biete Euch -fünfzehnhundert Kronen für den Hof, so wie er dasteht, mit Waren und -Viehstand und allem zusammen, sagte Eleseus. Oh, es war ihm sehr -gleichgültig, sein Angebot war nur ein Spott, er wollte sich aufspielen. - -Dann fuhren sie wieder nach Hause. Nein, es wurde nichts aus dem -Geschäft. Eleseus hatte Aronsen ein Schandangebot gemacht und ihn damit -beleidigt: Ich höre überhaupt gar nicht hin, was du sagst, erklärte -Aronsen und duzte ihn, duzte diesen städtischen Springinsfeld, der den -Kaufmann Aronsen über Waren belehren wollte. -- Soviel ich weiß, habe -ich nicht Brüderschaft mit dir getrunken, sagte Eleseus ebenso erzürnt. -Oh, das mußte eine lebenslängliche Feindschaft geben! - -Aber warum war Aronsen vom ersten Augenblick an so aufgeblasen gewesen -und hatte getan, wie wenn er nicht zum Verkaufen genötigt wäre? Das -hatte seinen Grund, Aronsen hatte nämlich wieder eine Art Hoffnung. - -Im Dorf unten war eine Versammlung abgehalten worden, um den Zustand -zu besprechen, der dadurch eingetreten war, daß Geißler seinen Berg -nicht verkaufen wollte. Nicht nur das Ödland litt darunter, der ganze -Bezirk kämpfte mit dem Tode. Aber warum konnten denn die Menschen -jetzt nicht mehr ebenso gut oder schlecht leben wie damals, bevor der -Versuchsbetrieb in Angriff genommen war? Nein, das konnten die Menschen -nicht! Sie hatten sich jetzt an weiße Grütze gewöhnt und an weißes -Brot, an gekaufte Kleiderstoffe, hohe Löhne, ein flottes Leben, ja, -die Menschen hatten sich daran gewöhnt, viel Geld zu haben. Doch nun -war der Geldstrom versiegt, wie ein Heringszug war er wieder im Meer -verschwunden; lieber Gott, was war das für eine Not, was ließ sich da -machen? - -Es war kein Zweifel, der ehemalige Lensmann Geißler wollte sich am -Dorfe rächen, weil es dem Amtmann beigestanden hatte, ihn abzusetzen, -und es war auch gar kein Zweifel, daß das Dorf diesen Mann unterschätzt -hatte. Er war nicht so dumm. Mit dem ganz einfachen Mittel, eine -schamlose Viertelmillion für ein Stück Berg zu verlangen, hielt er -die ganze Entwicklung der Gemeinde auf. War er nicht mächtig? Axel -Ström von Maaneland konnte hier mitreden, er hatte Geißler zuletzt -gesprochen. Barbro, Bredes Tochter, war in der Stadt vor Gericht -geladen gewesen und freigesprochen wieder nach Hause gekommen, und da -war Geißler während der ganzen Verhandlung zugegen gewesen! Und wer -etwa meinte, der Geißler habe abgewirtschaftet und liege danieder wie -irgendein armer Schlucker, der brauchte ja nur die teuren Maschinen zu -betrachten, die er Axel zum Geschenk gemacht hatte! - -Dieser Mann hielt also das Geschick des Bezirks in seiner Hand, und -man mußte sich mit ihm abfinden. Um wieviel würde Geißler wohl im -allerletzten Fall seinen Berg verkaufen? Darüber mußte man ins reine -kommen. Die Schweden hatten ihm fünfundzwanzigtausend geboten, das -hatte Geißler abgelehnt. Aber wie, wenn nun das Dorf, wenn die Gemeinde -den Rest zuschoß, damit das Geschäft zustande kam? Wenn es nicht eine -gar zu ungereimte Summe war, würde es sich lohnen. Sowohl der Kaufmann -unten an der Küste, als auch der Kaufmann Aronsen auf Storborg würden -ganz in der Stille und in aller Heimlichkeit einen Beitrag geben; -eine solche jetzt gemachte Auslage würde ihnen mit der Zeit wieder -hereinkommen. - -Schließlich waren zwei Mann beauftragt worden, zu Geißler zu reisen und -mit ihm zu reden. Und die wurden nun bald zurückerwartet. - -Seht, darum hatte Aronsen wieder Hoffnung gefaßt und glaubte, einen -Mann, der Storborg kaufen wollte, hochfahrend behandeln zu können. Aber -er sollte nicht lange hochfahrend bleiben. - -Nach einer Woche kamen die zwei Abgesandten mit einer unbedingten -Ablehnung heim. Ach, das schlimme an der Sache war schon von Anfang -an, daß einer der beiden Abgesandten Brede Olsen war -- weil er so gut -Zeit hatte. Die Männer hatten Geißler ganz richtig aufgefunden, aber -Geißler hatte nur den Kopf geschüttelt und gelacht. Reist nur wieder -nach Hause! hatte er gesagt; aber er hatte ihnen die Heimreise bezahlt. - -Und so mußte nun also der ganze Bezirk untergehen! - -Nachdem Aronsen eine Zeitlang getobt hatte und allmählich immer -ratloser geworden war, ging er eines Tages hinauf nach Sellanraa und -schloß den Handel ab. Ja, das tat Aronsen. Eleseus bekam, was er haben -wollte, einen Hof mit Gebäuden und Vieh und Waren für fünfzehnhundert -Kronen. Allerdings zeigte es sich bei der Übernahme, daß Aronsens Frau -den größten Teil des Baumwollzeugs an sich genommen hatte; um solche -Kleinigkeiten kümmerte sich jedoch ein Mann wie Eleseus nicht. Man darf -nicht kleinlich sein! sagte er. - -Aber im ganzen genommen war Eleseus nichts weniger als entzückt. Nun -war sein Lebenslauf also besiegelt, das Ödland würde sein Grab werden. -Er mußte alle seine großen Pläne fahren lassen; Büroschreiber war er -nicht mehr, Lensmann konnte er nicht werden, nein, er war nicht einmal -ein städtischer Herr. Seinem Vater und den andern daheim gegenüber -tat er ein wenig groß damit, daß er Storborg genau um den Preis, den -er geboten, auch bekommen hatte, da konnten sie sehen, daß er sich auf -die Sache verstand! Aber dieser kleine Triumph reichte nicht weit. Er -hatte auch die Befriedigung, den Ladendiener Andresen mit übernehmen -zu können, der ging gewissermaßen bei dem Handel mit drein, Aronsen -brauchte ihn nicht mehr, solange er kein neues Geschäft hatte. Es -kitzelte Eleseus ganz eigenartig, als Andresen kam und fragte, ob er -nicht bleiben dürfe; da war er nun zum erstenmal Herr und Meister. Du -kannst bleiben! sagte er. Ich muß hier am Platz einen Stellvertreter -haben, wenn ich meine Geschäftsreisen mache und Handelsverbindungen mit -Bergen und Drontheim anknüpfe, sagte er. - -Und Andresen war kein schlechter Stellvertreter, das sah er gleich; -er war fleißig und hielt gute Aufsicht, während der Herr und Meister -Eleseus abwesend war. Nur im Anfang hatte der Ladendiener Andresen hier -im Ödland den großen und feinen Herrn herausgekehrt, und daran war -sein Herr, Aronsen, schuld gewesen. Jetzt war es anders geworden. Als -im Frühjahr die Moore etwas aufgetaut waren, kam Sivert von Sellanraa -nach Storborg hinunter und fing an, bei seinem Bruder Gräben zu ziehen --- und da ging wahrhaftig auch der Ladendiener Andresen hinaus aufs -Moor und half Gräben ziehen aus was für einem Grunde es auch geschehen -mochte, da er es eigentlich nicht nötig hatte; aber ein Mann von -solcher Art war er. Der Boden war noch so wenig aufgetaut, daß sie -lange nicht tief genug graben konnten, aber sie taten einstweilen -wenigstens die halbe Arbeit, und das war schon viel getan. Es war des -alten Isaks Gedanke, auf Storborg die Moore zu entwässern und Ackerbau -zu treiben, der kleine Kramhandel sollte nur so nebenbei betrieben -werden, daß die Leute im Ödland nicht nötig hatten, ins Dorf zu gehen, -wenn sie eine Rolle Faden brauchten. - -So zogen also Sivert und Andresen Gräben und verschnauften sich -zuweilen und führten eine muntere Unterhaltung. Andresen war auf -irgendeine Weise in den Besitz eines goldenen Zwanzigkronenstücks -gekommen, und nach diesem blitzblanken Goldstück verspürte Sivert -großes Gelüste; aber Andresen wollte sich nicht davon trennen, er -wickelte es in Seidenpapier und verwahrte es in seiner Truhe. Sivert -schlug vor, sie wollten um das Geldstück losen, sie wollten darum -kämpfen, aber darauf wagte Andresen sich nicht einzulassen. Sivert bot -ihm dann zwanzig Kronen in Papier, und außerdem wollte er das ganze -Moor allein entwässern, wenn er das Geldstück bekomme. Aber da war der -Ladendiener Andresen beleidigt und sagte: So, damit du deinen Leuten -zu Hause erzählen könntest, ich brächte es nicht fertig, im Moor zu -arbeiten! Zuletzt einigten sie sich über fünfundzwanzig Kronen in -Papier für das Goldstück, und Sivert lief in der Nacht nach Sellanraa -und bekam das Papiergeld von seinem Vater. - -Ein jugendlicher Einfall, ein Einfall der wackeren, lebenskräftigen -Jugend! Eine durchwachte Nacht, eine Meile hin, eine Meile her, -den Tag darauf wieder die volle Arbeit -- das war nichts für den -kräftigen jungen Mann, und es war ein schönes Goldstück. Es war nicht -ausgeschlossen, daß sich Andresen wegen dieses guten Handels ein wenig -über ihn lustig machte; aber da wußte Sivert guten Rat, er brauchte -nur ein Wort von Leopoldine verlauten zu lassen, etwa: Ach ja, das ist -wahr, ich sollte dich von Leopoldine grüßen! so hörte Andresen sofort -auf und wurde dunkelrot. - -Es waren vergnügliche Tage für die beiden, während sie im Moor -arbeiteten und sich zum Spaß stritten, wieder arbeiteten und wieder -stritten. Zuweilen kam Eleseus zu ihnen heraus und half mit, aber -er wurde rasch müde, er hatte weder einen starken Körper noch einen -starken Willen, aber er war der liebenswürdigste Mensch. -- Da kommt -die Oline! konnte der Schäker Sivert sagen. Nun mußt du heimgehen und -ihr wieder ein halbes Pfund Kaffee verkaufen! Und das tat Eleseus -gerne. Er ging hin und verkaufte Oline irgendeine Kleinigkeit. Solange -brauchte er doch keine Schollen umzukehren. - -Und die arme Oline, sie mußte von Zeit zu Zeit ein paar Kaffeebohnen -haben, ob sie nun ein seltenes Mal das Geld dazu von Axel bekam oder -sich die Bohnen für einen kleinen Ziegenkäse eintauschte. Oline war -nicht mehr so ganz unverändert, der Dienst auf Maaneland war im Grunde -zu schwer für dies alte Weib und hatte an ihr gezehrt, aber doch nicht -so sehr, daß sie ihr Alter oder ihre Hinfälligkeit zugegeben hätte, -hoho, sie hätte ihre Meinung ordentlich gesagt, wenn ihr aufgekündigt -worden wäre! Sie war zäh und nicht unterzukriegen, tat ihre Arbeit und -fand noch Zeit, zu den Nachbarn zu wandern und einen kleinen, unendlich -angenehmen Schwatz zu halten, den sie daheim vermissen mußte, denn Axel -war kein Redner. - -Sie war unzufrieden mit der Gerichtsverhandlung, enttäuscht von dem -Ausfall der Verhandlung, dem Freispruch auf der ganzen Linie. Daß -Barbro, Bredes Tochter, ohne Strafe davonkam, wenn Inger auf Sellanraa -acht Jahre bekommen hatte, das konnte Oline nicht fassen und begreifen, -sie nahm ein ganz unchristliches Ärgernis daran, daß man gegen eine -andere „so gütig gewesen war”. -- Aber der Allmächtige hat seine -Meinung noch nicht kundgetan! sagte Oline und nickte mit dem Kopfe. -Sie stellte damit ein mögliches späteres himmlisches Strafgericht in -Aussicht. Natürlich war Oline außerstande, ihr Mißvergnügen über die -Sache bei sich zu behalten; besonders wenn sie mit ihrem Hausherrn -über das eine oder andere uneinig wurde, machte sie auf ihre Weise -Andeutungen und wurde äußerst spitzig: Ja, ich weiß nicht, wie das -Gesetz jetzt gegen die Sünder von Sodom und Gomorra geworden ist. Ich -aber halte mich an Gottes Wort, so einfältig bin ich. - -Ach, Axel war seiner Haushälterin mehr als überdrüssig und wünschte sie -dahin, wo der Pfeffer wächst. Nun kam das Frühjahr wieder, und er mußte -wieder alle Feldarbeit allein verrichten. Dann kam die Heuernte, und -er war verraten und verkauft. Das waren Aussichten! Seine Schwägerin -auf Breidablick hatte heim nach Helgeland geschrieben und versucht, -eine ordentliche weibliche Hilfskraft für ihn aufzutreiben, aber bis -jetzt war es ihr noch nicht geglückt. Und jedenfalls hätte er dann das -Reisegeld bezahlen müssen. - -Nein, das war eine böse und schlechte Tat von Barbro gewesen, das -kleine Kind auf die Seite zu schaffen und selbst auf und davon zu -gehen. Zwei Winter und einen Sommer hatte er sich nun mit Oline -behelfen müssen, und es sah ganz so aus, als ob es noch länger so -bleiben müßte. Aber nahm sich Barbro, die schlechte Person, dies -irgendwie zu Herzen? Er hatte einmal während des Winters drunten -im Dorf einige Worte mit ihr gesprochen, aber keine Träne war ihr -langsam heruntergerollt und da festgefroren. -- Was ist aus den Ringen -geworden, die ich dir gegeben habe? fragte er. -- Ringe? sagte sie. -- -Ja, Ringe. -- Die hab' ich nicht mehr. -- So, du hast sie nicht mehr? --- Zwischen uns war ja alles aus, sagte sie, da konnte ich doch die -Ringe nicht mehr tragen. Das ist nicht der Brauch, wenn doch alles aus -ist. -- Ich möchte nur wissen, was du damit angefangen hast. -- Willst -du sie wiederhaben? fragte sie. Ich hätte dich nicht für so gemein -gehalten. -- Axel überlegte einen Augenblick, dann sagte er: Ich hätte -dich dafür entschädigen können. Du hättest sie nicht umsonst hergeben -müssen. - -Aber nichts da, Barbro hatte die Ringe abgelegt und gab Axel nicht -einmal Gelegenheit, um einen billigen Preis zu einem goldenen und einem -silbernen Ring zu kommen. - -Übrigens war Barbro nicht roh und häßlich, nein, das war sie -keineswegs. Sie trug eine lange Schürze mit Trägern und Falten, und um -ihren Hals stand ein weißer Streifen in die Höhe, das war hübsch. Die -Leute behaupteten, sie habe sich im Dorf bereits wieder einen Schatz -angeschafft, aber das war vielleicht nur Gerede; die Frau Lensmann -hielt sie jedenfalls gut im Zaum und ließ sie in diesem Jahr durchaus -nicht zum Weihnachtstanz gehen. - -Na, diese Frau Lensmann paßte wahrlich gut auf; während Axel auf der -Straße mit seiner früheren Magd über zwei Ringe verhandelte, trat die -Frau Lensmann plötzlich dazwischen und sagte: Du solltest mir doch -etwas aus dem Laden holen, Barbro! -- Barbro lief davon. Nun wandte -sich die Frau an Axel und sagte: Könntest du mir nicht irgendein Stück -Schlachtvieh verkaufen? -- Hm! war alles, was Axel erwiderte, und er -grüßte höflich. - -Es war ja gerade diese Frau Lensmann gewesen, die ihn im Herbst als -einen ausgezeichneten, ja als einen der allerausgezeichnetsten Menschen -gelobt und gepriesen hatte, das verdiente wohl ein Entgegenkommen. -Axel kannte von früher her die ländliche Art des Benehmens, den -großen Herren und der Obrigkeit gegenüber, und es hatte ihm ja auch -gleich ein Stück Schlachtvieh, ein junges Rind, das er opfern könnte, -vorgeschwebt. Aber es verging ein Tag um den andern, der ganze Herbst -verging und ein Monat nach dem andern, und er sparte das Rind. Es sah -nicht danach aus, als ob irgend etwas Schlimmes geschehen würde, wenn -er es ganz behielte; er wäre jedenfalls um so viel ärmer, wenn er es -weggäbe, und es war ein Staatsrind. - -Hm. Guten Tag! Nein, sagte Axel und schüttelte den Kopf, er habe kein -Schlachtvieh. -- Es war, als ob die Frau seine innersten Gedanken -erriete, denn sie sagte: Ich habe gehört, du habest ein junges Rind. --- Jawohl, das hab' ich, erwiderte er. -- Willst du es aufziehen? -- -Ja, ich will es aufziehen. -- So, sagte die Frau Lensmann. Und hast du -nicht einen Hammel? -- Nein, jetzt nicht. Ich habe nämlich nicht mehr -Vieh behalten, als ich großziehen will. -- Nun ja, dann ist es eben -nichts, sagte die Frau Lensmann, nickte ihm zu und ging. - -Axel fuhr nach Hause, aber er dachte weiter über diese Unterredung -nach, und er fürchtete, er habe sich am Ende dumm benommen. Die -Frau Lensmann war doch einmal eine wichtige Zeugin gewesen, für ihn -und gegen ihn, aber eine wichtige Zeugin. Man hatte ihm ja allerlei -nachgesagt, aber er war doch aus einer schwierigen und unheimlichen -Geschichte mit einer Kindsleiche in seinem Walde glatt herausgekommen. -Er mußte am Ende doch einen Hammel opfern. - -Übrigens merkwürdig, dieser Gedanke stand in einem fernen Zusammenhang -mit Barbro. Wenn er mit einem Hammel zu ihrer Herrin kam, mußte Barbro -doch einen gewissen Eindruck von ihm bekommen. - -Aber wieder verging ein Tag um den andern, und es geschah nichts -Schlimmes durch den Aufschub. Als er wieder ins Dorf hinunterfuhr, -nahm er keinen Hammel mit, nein; das tat er nicht. Aber im letzten -Augenblick nahm er ein Lamm mit. Es war übrigens ein großes Lamm, also -kein geringes Tier, und als er damit ankam, sagte er: Die Hammel haben -ein zähes Fleisch, ich wollte Ihnen etwas wirklich Gutes bringen. -- -Aber die Frau Lensmann wollte nichts von einem Geschenk hören. Sag, -was du für das Lamm haben willst, sagte sie. Diese Dame hielt etwas -auf öffentliche Ordnung. Nein, danke, sie nahm keine Geschenke von den -Leuten entgegen. Und die Sache lief wahrhaftig darauf hinaus, daß Axel -sein Lamm gut bezahlt bekam. - -Barbro bekam er nicht zu Gesicht. Die Frau Lensmann hatte ihn wohl -kommen sehen und Barbro aus dem Wege geschafft. Na, Glück zu, Barbro -hatte ihn anderthalb Jahre lang um seine weibliche Hilfskraft betrogen! - - - - -9 - - -Im Frühjahr ereignete sich etwas höchst Unerwartetes und dabei sehr -Bedeutungsvolles: der Betrieb in den Kupfergruben sollte wieder -aufgenommen werden, Geißler hatte seinen Berg verkauft. War das -Unglaubliche geschehen? Ach, dieser Geißler war nun einmal ein -unergründlicher Herr, er konnte tun und konnte lassen, verneinend den -Kopf schütteln und bejahend nicken. Er konnte ein ganzes Dorf wieder -zum Lächeln bringen. - -Hatte ihm am Ende doch das Gewissen geschlagen und wollte er den -Bezirk, in dem er Lensmann gewesen war, nicht länger mit selbstgebauter -Grütze und mit Geldmangel strafen? Oder hatte er gar seine -Viertelmillion bekommen? Oder war vielleicht die Sache so, daß Geißler -selbst Geld brauchte und den Berg für das, was er eben dafür bekam, -verkaufen mußte? Fünfundzwanzigtausend oder fünfzigtausend sind ja -schließlich auch ein schönes Geld. Es wurde übrigens behauptet, sein -Sohn habe in seinem Namen das Geschäft abgeschlossen. - -Jedenfalls aber wurde der Betrieb wieder aufgenommen; derselbe -Ingenieur mit verschiedener Arbeiterschaft kehrte zurück, und dieselbe -Arbeit fing wieder an. Dieselbe Arbeit, ja, aber auf eine ganz andere -Weise als früher, gerade umgekehrt. - -Alles schien ganz in Ordnung zu sein; die Schweden kamen mit Leuten -und Dynamit und Geld, was konnte da noch fehlen? Und auch Aronsen -kam wieder, der Kaufmann Aronsen, und wollte durchaus Storborg wieder -kaufen. -- Nein, erklärte Eleseus, ich verkaufe nicht. -- Ihr werdet -doch gewiß verkaufen, wenn Ihr Geld genug bekommt? -- Nein. - -Nein, Eleseus wollte Storborg nicht verkaufen. Die Sache war die, sein -Dasein als Kaufmann auf dem Ödland kam ihm nicht mehr gar so elend -vor; er hatte eine schöne Veranda mit bunten Glasscheiben, er hatte -einen Ladendiener, der die Arbeit tat, er selbst konnte auf Reisen -sein. Ja, reisen auf dem ersten Platz, zusammen mit vornehmen Leuten. -Wenn er nur einmal ganz bis nach Amerika kommen könnte, daran hatte -er schon oft gedacht. Schon allein von diesen Geschäftsreisen in die -Städte im Süden, um Verbindungen anzuknüpfen, konnte er nachher immer -noch lange zehren. Nicht, als ob er üppig gelebt hätte, mit eigenem -Dampfschiff gefahren wäre und Orgien gefeiert hätte. Er und Orgien! -Er war eigentlich ein sonderbarer Mensch, um Mädchen bekümmerte er -sich gar nicht mehr, er ließ sie links liegen, hatte alles Herz für -sie verloren. Nein, aber natürlich war er der Sohn des Markgrafen, -der auf dem ersten Platz fuhr und vielerlei Waren kaufte. Er selbst -kam jedesmal von seinen Ausflügen ein wenig feiner und vornehmer nach -Hause, das letztemal kam er mit Galoschen an den Füßen zurück. Trägst -du zwei Paar Schuhe? wurde er gefragt. -- Ja, ich leide an kalten -Füßen, erklärte Eleseus. Und da hatte man herzliches Mitleid mit seinen -kalten Füßen. - -Glückselige Tage, ein Herrenleben und Müßiggang! Nein, er wollte -Storborg nicht verkaufen. Sollte er wieder in das Städtchen -zurückkehren, von neuem in dem kleinen Bauernkramladen stehen und -keinen Ladendiener unter sich haben? Übrigens hoffte er auch darauf, es -werde sich von nun an ein ungeheurer Betrieb auf Storborg entwickeln; -die Schweden waren zurückgekehrt und würden die Gegend mit Geld -überschwemmen, er wäre ein Narr, wenn er verkaufen würde. Aronsen mußte -einmal ums andere mit einer Absage seines Weges ziehen und entsetzte -sich immer mehr über seine eigene Dummheit, das Ödland verlassen zu -haben. - -Ach, Aronsen hätte mit seinen Selbstvorwürfen Maß halten und ebenso -hätte Eleseus seine großen Erwartungen einschränken dürfen; aber vor -allen Dingen hätten die Ansiedler und die Dorfbewohner weniger große -Hoffnungen hegen und nicht lächeln und sich die Hände reiben sollen, -wie es die Englein tun, weil sie selig sind; nein, das hätten die -Ansiedler und Dorfbewohner durchaus nicht tun sollen, denn nun wurde -die Enttäuschung gewaltig. Sollte man es glauben: die Grubenarbeit -begann zwar ganz richtig, aber sie begann auf der andern Seite des -Berges, zwei Meilen weit entfernt, am südlichen Ende von Geißlers -Gebiet, weit drinnen in einem anderen Kirchspiel, das die diesseitigen -Bewohner nichts anging. Von da aus sollte sich die Arbeit langsam nach -Norden zu durchfressen, bis zu der ersten Fundstelle des Kupfers, bis -zu Isaks Fundstelle, und ein Segen für das Ödland und das Dorf werden. -Das würde im besten Fall viele Jahre dauern, vielleicht Menschenalter. - -Diese Erkenntnis kam und wirkte wie die ärgste Dynamitsprengung mit -Bewußtlosigkeit und Taubheit. Die Dorfbewohner versanken in Kummer und -Sorgen. Einige schimpften auf Geißler: dieser verfluchte Geißler habe -ihnen wieder einen Possen gespielt; andere krochen zu einer Versammlung -zusammen und schickten eine neue Gesandtschaft von Vertrauensmännern -aus, diesmal zu der Grubengesellschaft, zu dem Ingenieur. Dieser -Schritt führte zu gar nichts; der Ingenieur setzte ihnen auseinander, -daß er mit der Arbeit auf der Südseite beginnen müsse, weil es von -dort näher zum Meere sei, dort brauche man keine Luftbahn, dort sei -fast gar kein Transport nötig. Nein, die Arbeit müsse auf der Südseite -anfangen. Damit basta! - -Da reiste Aronsen sofort hinüber auf das neue Arbeitsfeld zu der neuen -Goldgrube. Er wollte auch den Ladendiener Andresen mitnehmen. Wozu -willst du hier im Ödland bleiben? sagte er. Es ist viel besser für -dich, wenn du mit mir gehst. -- Aber der Ladendiener Andresen wollte -das Ödland nicht verlassen, es war unbegreiflich, aber es war gerade, -als ob ihn etwas hier fesselte; es schien ihm hier zu gefallen, er -war hier festgewurzelt. Andresen selbst mußte sich verändert haben, -das Ödland hatte sich nicht geändert. Hier waren die Leute und die -Verhältnisse noch genau so wie früher: der Bergwerksbetrieb war zwar -aus der Gegend verschwunden, aber keiner der Ödlandbewohner hatte -darüber den Kopf verloren, sie hatten ihre Landwirtschaft, ihre Ernten -und ihren Viehbestand. Bares Geld gab es allerdings nicht so viel bei -ihnen, sie hatten alle Lebensbedürfnisse, einfach alle. Nicht einmal -Eleseus verzweifelte darüber, daß der Geldstrom an ihm vorüberfloß; -das schlimmste war, daß er in der ersten Begeisterung eine Menge -unverkäuflicher Waren angeschafft hatte. Nun, die mußten eben vorläufig -lagern bleiben, sie putzten den Laden heraus und dienten ihm zur Ehre. - -Nein, der Ödlandbauer verlor den Kopf nicht. Er fand die Luft nicht -ungesund, hatte Bewunderer genug für seine neuen Kleider, er vermißte -die Diamanten nicht, und Wein kannte er nur von der Hochzeit zu Kanaan. -Der Ödlandbewohner quälte sich nicht wegen der Herrlichkeiten, auf die -er verzichten mußte: Kunst, Zeitungen, Luxus, Politik waren gerade -soviel wert, als die Menschen dafür bezahlen wollten, nicht mehr. Der -Erntesegen aber mußte erarbeitet werden um jeden Preis, das war der -Ursprung, die Quelle von allem und jedem. - -Was, das Leben des Ödlandbewohners öde und traurig? Hoho, nichts -dergleichen! Er hatte seine höheren Mächte, seine Träume, sein -Liebesleben, seinen reichen Aberglauben. Eines Abends geht Sivert -den Fluß entlang und bleibt plötzlich stehen: im Wasser liegen zwei -Wildenten, Ente und Enterich. Sie haben ihn entdeckt, haben den -Menschen gesehen und sind scheu geworden, einer der Vögel sagt etwas, -er stößt einen kurzen Laut aus, eine Melodie in drei Tönen, und der -andere antwortet gleichlautend. Im selben Augenblick heben sie die -Flügel und sausen wie zwei kleine Räder einen Steinwurf weit den Fluß -hinauf, wo sie sich wieder aufs Wasser niederlassen. Da sagt der eine -wieder etwas, und der andere antwortet; es ist dieselbe Sprache, wie -das erstemal, aber so innig befreit, daß es eine kleine Seligkeit -ist: die Töne sind zwei Oktaven höher gestimmt. Sivert steht da und -betrachtet die Vögel, sieht an ihnen vorbei und weit ins Land der -Träume hinein. Ein Laut ist in ihm erklungen, eine Süßigkeit in ihm -aufgestiegen, er stand da mit einer zarten, feinen Erinnerung an etwas -Wildes und Schönes, etwas früher Erlebtes, von dem die Erinnerung in -ihm erloschen ist. Stille geht er nach Hause, er spricht nicht davon, -plaudert nicht darüber, irdische Worte reichten dazu nicht aus. Es war -Sivert von Sellanraa, jung und durchschnittlich ging er eines Tages aus -und hatte dieses Erlebnis. - -Und das war nicht sein einziges Abenteuer, er erlebte noch andere. Aber -er mußte auch das Abenteuer erleben, daß Jensine Sellanraa verließ. Das -brachte große Unordnung in Siverts Gemütsleben. - -Ja, es kam wirklich so weit, daß Jensine fortging, sie wollte selbst -gehen. Ach, Jensine war nicht die erste beste, das konnte niemand -behaupten! Sivert hatte ihr einmal angeboten, sie wieder nach Hause -zu fahren; bei der Gelegenheit hatte sie leider geweint, später aber -hatten ihre Tränen sie gereut, und sie zeigte, daß sie bereute, sie -kündigte. Jawohl, in aller Ordnung. - -Und nichts auf der Welt wäre Inger auf Sellanraa erwünschter gewesen, -als daß Jensine ging; Inger hatte angefangen, unzufrieden mit ihrer -Magd zu sein. Das war merkwürdig, denn sie hatte nichts an ihr -auszusetzen, aber sie schien sie nur mit Überwindung ansehen und ihre -Anwesenheit auf dem Hofe kaum noch ertragen zu können. Das hing wohl -mit Ingers Gemütszustand zusammen: sie war den ganzen Winter über -schwermütig und fromm gewesen und kam nicht darüber hinweg. Du willst -gehen? Jawohl, geh nur, sagte Inger. Das war ein Segen, eine Erhörung -nächtlicher Gebete. Es blieben trotzdem noch zwei erwachsene weibliche -Personen auf dem Hofe, was sollte diese lebensfrische und mannbare -Jensine hier? Mit Unwillen betrachtete Inger diese Mannbarkeit, und sie -dachte wohl: gerade wie ich damals! - -Ihre große Frömmigkeit ließ nicht nach. Sie war nicht an sich -lasterhaft, sie hatte gekostet, jawohl, sie hatte genippt, aber sie -hatte nicht im Sinn, das bis ins Alter zu treiben, keine Rede davon. -Inger wies diesen Gedanken mit Entsetzen von sich. Der Grubenbetrieb -hörte auf, und alle Arbeiter verschwanden -- lieber Gott, nichts hätte -besser sein können! Die Tugend war nicht nur erträglich, sie war -notwendig, ein notwendiges Gut, eine Gnade. - -Allein die Welt war schlecht. Seht, da war nun Leopoldine, die kleine -Leopoldine, ein Fruchtkeim, ein kleines Kind, und war zum Überfließen -voll Gesundheit und Sünde. Wenn sich ihr ein Arm um die Mitte legte, so -würde sie zusammensinken, pfui! Sie hatte Finnen im Gesicht bekommen, -das deutete auf Wildheit im Blute, ach, die Mutter erinnerte sich -wohl daran, damit begann die Wildheit im Blute. Die Mutter verdammte -die Tochter durchaus nicht wegen dieser Finnen im Gesicht, aber sie -wollte ihnen ein Ende machen. Leopoldine sollte damit aufhören. Was -hatte auch dieser Ladendiener Andresen an den Sonntagen nach Sellanraa -heraufzukommen und mit Isak von der Landwirtschaft zu schwatzen? -Bildeten sich denn diese beiden Mannsleute ein, daß die kleine -Leopoldine gar nichts merke? Oh, die Jugend war schon früher verrückt -gewesen, vor dreißig, vierzig Jahren, aber jetzt war sie schlimmer -geworden. - -Ja, wie es nun auch geht! sagte Isak, als sie davon sprachen. Jetzt -ist das Frühjahr da, und Jensine ist fort, und wen können wir für die -Sommerarbeit bekommen? -- Die Leopoldine und ich werden arbeiten, -erklärte Inger. Lieber will ich Tag und Nacht arbeiten! rief sie erregt -und dem Weinen nahe. -- Isak konnte sich diesen heftigen Ausbruch -nicht erklären, aber er hatte seine eigenen Ansichten, deshalb ging -er mit Hacke und Spaten an den Waldrand und fing an, einen Stein zu -bearbeiten. Nein, wahrhaftig, Isak konnte nicht verstehen, daß die Magd -Jensine fortgegangen war, sie war doch ein tüchtiges Mädchen gewesen. -Er verstand im ganzen nur das Nächstliegende, die Arbeit, gesetzliches -und natürliches Tun. Er war von rundem und gewaltigem Körperbau, -niemand war weniger astral wie er, er aß wie ein rechter Mann, und es -bekam ihm gut, deshalb kam er auch höchst selten aus dem Gleichgewicht. - -Da war nun also dieser Stein. Es waren noch viele andere Steine da, -aber mit einem mußte er nun einmal anfangen. Isak sieht den Tag kommen, -da er hier ein Häuschen bauen muß, eine Heimstätte für sich und Inger. -Er will den Bauplatz ein wenig ebnen, während Sivert drunten auf -Storborg ist, sonst muß er seinem Sohn eine Erklärung geben, und das -möchte er vermeiden. Natürlich wird der Tag kommen, wo Sivert alle -Gebäude auf dem Hofe für sich selbst braucht, dann müssen die Eltern -eine Wohnung haben. Sie kamen ja mit dem Bauen auf Sellanraa niemals -zu Ende, der große Futterboden auf dem steinernen Stall war auch noch -nicht gebaut. Aber die Balken und die Bretter dazu lagen fertig da. - -Also da war nun dieser Stein. Was davon aus der Erde hervorragte, sah -nicht besonders groß aus, aber er rührte und regte sich nicht, er mußte -also doch ein gewaltiger Brocken sein. Isak grub rund darum herum und -machte einen Versuch mit dem Spaten, aber der Stein rührte sich nicht. -Er grub noch tiefer und versuchte es wieder -- nein. Nun mußte Isak -nach Hause und eine Schaufel holen, um die lose Erde wegzuschaffen. -Dann grub er wieder und probierte -- nein. Das ist einmal ein Block! -dachte Isak in all seiner Geduld. Er grub nun schon eine gute Weile, -der Stein reichte immer tiefer in die Erde hinunter, und er konnte -ihn nirgends richtig anpacken. Es wäre doch recht ärgerlich, wenn er -genötigt wäre, den Stein zu sprengen. Dann wären die Schläge, um das -Bohrloch zu machen, weithin zu hören und würden alle Hausbewohner -herbeirufen. Isak grub weiter, aber dann holte er eine Hebestange -und versuchte es damit -- nein. Er grub wieder. Nun fing Isak doch -allmählich an, etwas ärgerlich auf den Stein zu werden; er runzelte die -Stirn und schaute ihn an, wie wenn er eben nur gekommen wäre, um die -Steine hier ein wenig zu beaufsichtigen, und wie wenn gerade dieser -Stein hier besonders dumm wäre. Er kritisierte ihn, er war so rund und -dumm, er war nirgends zu fassen, ja, er meinte beinahe, er habe eine -ganz verkehrte Form. Sollte er ihn sprengen? Keine Rede davon, wozu -auch noch Pulver an ihn verschwenden! Oder sollte er ihn aufgeben, -sollte er eine Art von Furcht zeigen, der Stein könnte ihm überlegen -sein? - -Isak grub. Er mühte sich im Schweiße seines Angesichts, aber was war -der Erfolg? Endlich bekam er die Spitze der Hebestange darunter und -machte einen Versuch -- der Stein rührte sich nicht. Sachgemäß war an -seinem Vorgehen nichts auszusetzen, aber es hatte keinen Erfolg. Was -war denn das? Hatte er denn nicht auch sonst schon Steine ausgebrochen? -War er alt geworden? Komisch, hehe! Lächerlich. Er hatte ja wohl -neulich einmal Anzeichen von abnehmender Kraft bemerkt, das heißt, -er hatte es nicht bemerkt, er hatte sich nicht darum gekümmert, es -war Einbildung gewesen. Und nun geht er wieder an den Stein, völlig -entschlossen, ihn zu heben. - -Oh, das war keine Kleinigkeit, wenn Isak sich über eine Hebestange -legte und sich schwer machte! Da liegt er vorgebeugt und hebt und hebt, -zyklopisch und mit außerordentlicher Kraft, mit einem Oberkörper, der -bis zu den Knien zu reichen scheint. Es war ein gewisser Pomp und eine -Pracht über ihm, sein Äquator war ungeheuer. - -Allein der Stein rührte sich nicht. - -Es half alles nichts, er mußte noch tiefer graben. Sollte er den Stein -sprengen? Schweig still! Nein, aber er mußte noch tiefer graben. Er -wurde sehr eifrig. Der Stein mußte und sollte heraus! Man konnte nicht -sagen, es sei in diesem Trieb von seiten Isaks etwas Perverses gewesen; -es war die alte Liebe des Ackerbauern zur Urbarmachung des Bodens, aber -gänzlich ohne Zärtlichkeit. Es sah ganz närrisch aus, erst umkreiste -er den Stein von allen Seiten, ehe er sich dranmachte, dann grub er -ringsherum und betastete ihn und schaufelte die Erde mit den bloßen -Händen weg, ja, das tat er. Aber das alles waren keine Liebkosungen. -Es war ihm heiß geworden, aber heiß vor Eifer. Wie, wenn er es jetzt -wieder mit der Hebestange versuchte? Er setzte sie da an, wo er sich am -meisten Erfolg versprach -- nein. War das einmal ein merkwürdiger Trotz -und Eigensinn von einem Stein! Aber jetzt schien es zu gehen. Isak -versucht es noch einmal und bekommt Hoffnung, der Erdarbeiter hatte es -im Gefühl, daß der Stein nicht mehr unüberwindlich war. Da glitt die -Hebestange ab und warf Isak zu Boden. Verdammt! sagte er. Das fuhr ihm -so heraus. Seine Mütze hatte zu gleicher Zeit einen Schupps gekriegt -und saß nun so schief, daß er ganz spanisch, ganz räubermäßig aussah. -Er spuckte aus. - -Da kommt Inger dahergegangen. Du mußt jetzt zum Essen kommen, Isak, -sagt sie ganz lieb und freundlich. -- Ja, gibt er zur Antwort, aber -er will nicht, daß sie näher herankommt, und er will kein Gerede. -Ach, diese Inger, sie merkte gar nichts, sie kam näher. Was hast du -dir jetzt wieder ausgedacht? fragt sie, denn sie möchte ihm damit -schmeicheln, daß er sich fast jeden Tag etwas Neues und Großartiges -ausdenkt. -- Aber Isak ist sehr grimmig, fürchterlich grimmig ist er, -er erwidert: Das weiß ich nicht. -- Und Inger ihrerseits ist sehr -töricht, sie fragt ihn und plaudert ihm noch allerlei vor und geht -nicht. -- Da du es nun doch einmal gesehen hast, ich will diesen Stein -herausheben, sagt er. -- So, du willst ihn herausheben? fragt sie. -- -Ja. -- Ich kann dir wohl nicht helfen? -- Isak schüttelt den Kopf. Aber -es war doch ein hübscher Zug von Inger, daß sie ihm helfen wollte, und -er konnte sie nicht länger zurückweisen. Wenn du ein klein wenig warten -willst, sagt er und läuft nach Hause, um den Schmiedehammer und einen -Meißel zu holen. - -Wenn er den Stein an der richtigen Stelle etwas uneben machte, indem -er einen Splitter abschlug, so bekam die Hebestange einen besseren -Halt. Inger hält den Meißel, und Isak schlägt zu. Ja, es gelingt, ein -Splitter fällt ab. -- Ich danke dir für die Hilfe, sagt Isak. Und du -sollst vorerst mit dem Essen nicht auf mich warten, ich will erst -diesen Stein heraus haben. - -Allein Inger geht nicht, und im Grunde genommen ist es Isak auch lieb, -daß sie stehenbleibt und ihm bei seiner Arbeit zuschaut, das hatte -er schon in jungen Tagen gern gehabt. Und siehe da, er findet einen -prächtigen Halt für die Hebestange und hebt -- der Stein bewegt sich! --- Er bewegt sich! sagt Inger. -- Du willst mich doch nicht foppen? -fragt Isak. -- Ich foppen! Er bewegt sich! - -Soweit war er gekommen, wahrhaftig, der Stein bewegte sich, er hatte -den Stein für die Sache gewonnen, jetzt arbeiteten sie zusammen. -Isak hebt und wiegt die Stange hin und her, und der Stein bewegt -sich ein wenig, aber nicht mehr. Isak macht eine Weile so weiter, -allein es führt zu nichts. Plötzlich sieht er ein, daß es sich nicht -darum handelt, ob sein Körpergewicht zureicht, er hat nicht mehr -die alte Kraft, das ist die Sache, er hat die zähe Biegsamkeit des -Körpers eingebüßt. Körpergewicht? Es wäre ja gar nichts gewesen, sich -über die schwere Stange zu legen und sie abzubrechen. Aber er hatte -an Kraft verloren, so sah es aus. Das erfüllte den duldsamen Mann -mit Bitterkeit; wenn nur wenigstens nicht Inger dabeigestanden und -zugeschaut hätte! - -Plötzlich läßt er die Stange fahren und ergreift den Schmiedehammer. -Der Zorn hatte ihn erfaßt, er war in der Stimmung, Gewalt zu -gebrauchen. Seht, er hat immer noch die Mütze auf dem Ohre sitzen und -sieht räubermäßig aus, jetzt läuft er mit gewaltigen Schritten rund -um den Stein herum, als ob er sich selbst dem Stein gegenüber in das -richtige Licht setzen wollte, ho, es sah aus, als ob er jetzt diesen -Stein als eine Ruine hinter sich zurücklassen wollte. Warum sollte er -das nicht tun? Einen Stein, den man tödlich haßt, zu zerschmettern, das -ist nur Formsache. Und wenn der Stein Widerstand leistete, wenn er sich -nicht zerschmettern ließ? Oh, es würde sich schon zeigen, wer von ihnen -beiden der Überlebende sein würde! - -Aber jetzt redet Inger ein wenig ängstlich, denn sie merkt wohl, was in -dem Manne gärt, sie sagt: Wie wär's, wenn wir uns beide auf den Balken -da legten? und mit dem Balken meinte sie die Hebestange. -- Nein! rief -Isak rasend. Aber nach einem Augenblick des Nachdenkens sagt er: ja, -wenn du doch schon einmal da bist, aber ich begreife nicht, warum du -nicht nach Hause gehst. Wir wollen's einmal versuchen! - -Und nun gelingt es ihnen, den Stein auf die Kante zu drehen. Es glückt. -Puh! sagt Isak. - -Allein nun offenbart sich vor ihren Augen etwas Unerwartetes: die -Unterseite des Steines ist eine Fläche, eine große schöne Fläche, -eben, glatt wie der Fußboden. Der Stein ist also nur die Hälfte eines -Steines, die andere Hälfte muß irgendwo in der Nähe liegen. Isak wußte -wohl, daß die beiden Hälften eines Steines sehr gut eine verschiedene -Lage in der Erde haben konnten, es war wohl der Frost gewesen, der sie -im Laufe langer Zeiträume voneinander entfernt hatte. Aber dieser ganze -Fund freut ihn außerordentlich. Oh, dieser Stein ist brauchbar, er gibt -eine prächtige Türschwelle. Selbst eine größere Geldsumme würde das -Herz des Ödlandbewohners nicht mit solcher Befriedigung erfüllt haben. -Das ist eine feine Türschwelle, sagt er stolz, und Inger bricht im -guten Glauben in die Worte aus: Ich begreife nur nicht, wie du das hast -wissen können! -- Hm! sagt Isak. Meinst du, ich hätte für nichts hier -in der Erde gegraben? - -Sie gehen zusammen nach Hause, Isak hat sich eine unverdiente -Bewunderung erschlichen; die schmeckt aber nicht viel anders als die -verdiente. Er setzt auseinander, daß er die ganze Zeit über auf der -Jagd nach einer ordentlichen Türschwelle gewesen sei, jetzt habe er -eine gefunden. Von jetzt an war es auch nicht mehr verdächtig, wenn er -auf dem Bauplatz arbeitete, er konnte dort unter dem Vorwand nach der -zweiten Hälfte der Türschwelle zu suchen, roden, soviel er wollte. Und -als Sivert nach Hause kam, ließ sich Isak sogar von dem Sohne helfen. - -Aber wenn es so weit gekommen war, daß er nicht mehr allein hingehen -und einen Stein aus der Erde brechen konnte, dann hatte sich viel -geändert, dann sah es gefährlich aus, dann eilte es mit dem Bauplatz. -Das Alter hatte Isak eingeholt, er fing an, für die Ausdingstube -reif zu werden. Der Triumph, den er sich angeeignet hatte, als er -die Türschwelle fand, verglühte im Laufe der Tage, er war unecht und -undauerhaft gewesen. Isak fing an, etwas gebeugt zu gehen. - -War er denn nicht einstmals in seinem Leben aufmerksam und hellhörig -geworden, sobald nur jemand Stein oder Graben zu ihm gesagt hatte? Das -war noch gar nicht lange her, nur einige Jahre. Und damals mußte sich -ja einer, der ein trocken gelegtes Moor nur mit einem schiefen Blick -ansah, vor ihm in acht nehmen. Jetzt fing er so langsam und allmählich -an, derartiges mit mehr Ruhe aufzufassen, ach ja, Herrgott im Himmel! -Nichts war mehr so wie früher, das ganze Ödland hatte sich verändert, -dieser breite Telegraphenweg durch den Wald war früher nicht da, die -Berge droben am Wasser waren früher nicht gesprengt und durchwühlt -gewesen. Und die Menschen? Sagten sie noch Grüß Gott! wenn sie kamen, -und Behüt dich Gott! wenn sie gingen? Sie nickten nur, und oft das -nicht einmal. - -Aber früher hatte es auch kein Sellanraa gegeben, nur eine Torfgamme; -aber was war es jetzt? Und dann war auch früher kein Markgraf dagewesen. - -Ja, und was war der Markgraf jetzt! Nichts als ein trauriger und -vertrockneter alter Mann. Was nützte es zu essen und gute Gedärme zu -haben, wenn das keine Kraft mehr gab? Jetzt war es Sivert, der Kräfte -hatte, und gottlob, daß er sie hatte; aber wie, wenn auch Isak selbst -sie gehabt hätte! Wozu sollte es gut sein, daß sein Rad anfing sich -langsamer zu drehen? Er hatte geschafft wie ein rechter Mann, sein -Rücken hatte die Lasten eines Lasttiers getragen, jetzt sollte er -Ausdauer darin zeigen, auf einem Hocker herumzusitzen. - -Isak ist mißvergnügt, Isak ist schwermütig. - -Da liegt ein alter Südwester auf dem Hügel und vermodert. Der Sturm -hat ihn hierher an den Waldessaum geweht, oder vielleicht haben ihn -auch die Kinder dorthin gebracht, als sie noch klein waren. Da liegt -er nun ein Jahr ums andere und vermodert immer mehr, und er war doch -einmal ein neuer Südwester gewesen, ein schöner gelber Südwester. Isak -erinnert sich noch, wie er damit vom Kaufmann nach Hause kam, und wie -Inger sagte, das sei ein schöner Südwester. Ein paar Jahre später ging -er damit zum Maler ins Dorf hinunter und ließ ihn glänzend schwarz -lackieren und den Schirm daran grün malen. Als er damit nach Hause kam, -sagte Inger, er sei jetzt schöner als je. Inger gefiel immer alles -ausgezeichnet, ach, das war eine schöne Zeit; er schlug Klafterholz, -und Inger sah ihm zu, das war seine beste Zeit im Leben gewesen. Und -wenn der März und April kam, dann wurden er und Inger verliebt, gerade -wie die Vögel und Tiere des Waldes, und wenn der Mai kam, dann säte er -Korn und legte Kartoffeln und arbeitete Tag und Nacht. Es gab Schlaf -und Arbeit, Liebe und Träumerei, er war wie sein erster großer Stier, -und der war ein Wundertier gewesen, groß und glänzend wie ein König, -wenn er in seiner Pracht einherschritt. Aber einen solchen Mai bringen -die Jahre jetzt nicht mehr, das gibt es nicht mehr. - -Einige Tage lang war Isak niedergeschlagen. Das waren dunkle -Tage. Er fühlte weder Lust noch Kraft in sich, mit dem Aufbau des -Futterspeichers zu beginnen. Das wird einmal Siverts Sache sein, jetzt -galt es, das Ausdinghäuschen fertigzustellen. Auf die Dauer konnte er -es nicht vor Sivert verborgen halten, daß es ein Bauplatz war, den er -hier am Waldrand rodete, und eines Tages offenbarte er die Sache: Das -da ist ein guter Stein, wenn wir einmal wieder etwas mauern wollen, -sagte er. -- Und das da ist auch ein guter Stein, sagte er. -- Sivert -verzog keine Miene, er erwiderte: Prächtige Grundsteine. -- Ja, was -meinst du? sagt der Vater. Wir haben nun hier so lange nach der zweiten -Türschwelle gegraben, daß ein ganz schöner Bauplatz entstanden ist. -Aber ich weiß nicht. -- Das wäre wirklich kein dummer Bauplatz, sagte -Sivert und läßt seinen Blick über den Platz hingleiten. -- So, meinst -du? Wir könnten ja hier ein kleines Häuschen bauen für Besuche, wenn -jemand kommt. -- Ja. -- Es müßte wohl eine Stube und eine Kammer -sein? Du hast ja gesehen, wie es war, als die schwedischen Herren das -letztemal hier waren, und jetzt haben wir keinen Neubau für sie. Aber -was meinst du, eine kleine Küche müßte doch auch dabei sein, falls sie -kochen wollten? -- Ja, ohne eine kleine Küche könnten sie nicht sein, -sie müßten uns ja auslachen, sagt Sivert. -- So, meinst du? - -Der Vater schwieg. Aber der Sivert war doch ein wunderbarer Junge, wie -schnell er begriff und einsah, was schwedische Herren alles notwendig -brauchten; nicht eine einzige Frage stellte er, er sagte nur: Wenn ich -du wäre, so würde ich an die Nordwand eine kleine Scheune anbauen. -Es wäre sehr bequem für sie, wenn sie eine Scheune hätten, falls sie -einmal nasse Kleider zum Trocknen aufhängen wollten. - -Der Vater fällt sofort ein: Da hast du recht! - -Nun schweigen beide und arbeiten an ihren Steinen weiter. Nach einer -Weile fragt der Vater: Ist Eleseus noch nicht heimgekommen? -- Sivert -erwidert ausweichend: Er kommt jetzt bald. - -Die Sache mit Eleseus war die, er war sehr häufig fort, wollte -beständig reisen. Hätte er denn die Waren nicht auch schriftlich -bestellen können, statt selbst hinzureisen und sie einzukaufen? Er -bekam sie allerdings viel billiger, aber wieviel kosteten die Reisen! -Er hatte eine so merkwürdige Art zu denken. Und was wollte er denn -mit noch mehr Baumwollstoff und seidenen Bändern für Taufhäubchen und -schwarzen und weißen Strohhüten und langen Tabakspfeifen? Derartiges -kaufte doch kein Ödlandbewohner, und die Kunden aus dem Dorf kamen nur -nach Storborg herauf, wenn sie kein Geld hatten. Eleseus war in seiner -Art recht tüchtig, oh, man mußte nur einmal sehen, wie geschickt er -auf Papier schrieb oder mit der Kreide rechnete! Wenn ich nur deinen -Kopf hätte! sagten die Leute bei solchen Gelegenheiten. Das alles war -ganz richtig, aber er hatte zuviel Geld ausstehen. Diese Dorfleute -bezahlten ja niemals, was sie schuldig waren, und selbst so ein -Bettelmann wie Brede Olsen war im Winter nach Storborg gekommen und -hatte Baumwollstoff und Kaffee und Sirup und Kerzen auf Borg erhalten. - -Isak hat ja nun schon sehr viel Geld für Eleseus und sein Geschäft und -seine Reisen ausgegeben, und so sehr viel von dem Reichtum, den er für -den Kupferberg erhalten hat, ist nicht mehr übrig, und was dann? -- Wie -glaubst du, daß das mit Eleseus weitergehen wird? fragt Isak plötzlich. --- Weitergehen? fragt Sivert zurück, um Zeit zu gewinnen. -- Es sieht -nicht aus, als ob es gehen wollte. -- Er selbst ist voll der besten -Hoffnung, sagt Sivert. -- So, hast du mit ihm darüber gesprochen? -- -Nein, Andresen hat es gesagt. -- Der Vater denkt darüber nach und -schüttelt den Kopf: Nein, es geht nicht, sagt er. Aber es ist schade um -Eleseus! - -Und der Vater wird immer finsterer und war doch schon vorher nicht -allzu leichten Sinnes gewesen. - -Da rückt Sivert mit einer Neuigkeit heraus: Es kommen jetzt noch -mehr Ansiedler ins Ödland. -- Wieso? -- Ja, zwei neue Ansiedler. Sie -haben sich noch weiter oben als wir angekauft. -- Isak bleibt mit dem -Spaten in der Hand stehen, das war eine große Neuigkeit und eine gute -Neuigkeit, eine von den besten. Dann sind wir zehn Ödlandbauern, sagt -er. Isak bekommt nähere Auskunft, wo sich die neuen Ansiedler angekauft -haben, er hat die ganze Geographie im Kopf und nickt: Ja, da haben sie -recht getan, dort haben sie einen guten Wald für Brennholz und auch -Hochstämme. Das Grundstück neigt sich gegen Südosten. - -Nein, nichts konnte die Ansiedler zurückhalten; es kamen immer mehr -neue Leute her. Der Bergwerksbetrieb hörte allerdings auf, aber das war -ja nur zum Nutzen der Landwirtschaft, es war nicht wahr, daß das Ödland -tot dalag, im Gegenteil, es wimmelte da von Leben, zwei neue Ansiedler -mehr, vier Hände mehr, Äcker, Wiesen und Häuser. Ach, die freien, -grünen Halden im Walde, Hütten und Quellen, Kinder und Tiere! Korn -wächst auf den Mooren, wo zuvor nur Schachtelhalme gestanden hatten, -blaue Glockenblumen nicken von den Hügeln, Sonnengold leuchtet auf dem -blühenden Hornklee vor den Häusern. Und Menschen sind da und sprechen -und denken und sind eins mit Himmel und Erde. - -Hier steht nun der erste, der sich im Ödland niedergelassen hat. Als er -kam, watete er bis an die Knie in Sumpf und Heide, er fand eine sonnige -Halde und siedelte sich da an. Andere kamen nach ihm, sie traten einen -Fußpfad durch die unbebaute Allmende, noch andere kamen, der Fußpfad -wurde zu einem Fahrweg, nun fuhren sie mit Karren darauf. Isak muß sich -zufrieden fühlen, Stolz muß ihn durchzucken, er hat den Grund zu dieser -ganzen Ansiedlung gelegt, er ist der Markgraf. - -Ja, ja, aber wir können nicht ewig hier auf diesem Bauplatz -weiterroden, wenn wir in diesem Jahr noch den Futterspeicher aufrichten -wollen, sagt er. - -Und das sagte er wohl in einer plötzlichen frohen Laune, mit neuem -Lebensmut. - - - - -10 - - -Eine Frau wandert durch das Ödland hinauf. Es fällt ein milder -Sommerregen, sie wird naß, aber darum kümmert sie sich nicht, sie hat -anderes zu denken, sie ist sehr gespannt, ob -- es ist Barbro, und -keine andere, Barbro, Bredes Tochter. Jawohl, sie darf wohl gespannt -sein, sie kann nicht wissen, wie dieses Abenteuer ablaufen wird, aber -sie ist von der Frau Lensmann entlassen und ist fort aus dem Dorf. So -steht es. - -Sie macht einen Bogen um alle Ansiedlungen im Ödland herum, denn sie -möchte alle Menschen vermeiden. Jedermann würde ja gleich erraten, -wohin sie will, denn sie trägt ein Bündel mit Kleidern auf dem Rücken. -Jawohl, sie will nach Maaneland und will wieder dort bleiben. - -Zehn Monate lang hat sie bei der Frau Lensmann gedient, und das ist -keine kurze Zeit, wenn man sie in Tage und Nächte umrechnet, aber wenn -man den Zwang und alle die hinausziehenden Gedanken bedenkt, dann ist -es eine Ewigkeit. Im Anfang ging alles wirklich gut; Frau Heyerdahl war -sehr besorgt um Barbro und gab ihr Schürzen und putzte sie heraus, es -war eine Freude, in so schönen Kleidern in den Kaufladen geschickt zu -werden. Barbro war ja schon als Kind hier im Dorf gewesen, sie kannte -alle Leute von der Zeit her, wo sie hier in die Schule gegangen war -und die Jungen geküßt und mit Steinen und Muscheln allerlei Spiele -gespielt hatte. Ein paar Monate ging alles gut. Aber dann umsorgte die -Frau Heyerdahl sie immer noch mehr, und als die Weihnachtsvergnügungen -angingen, wurde Frau Heyerdahl streng. Aber wozu das alles, doch nur -um das gute Verhältnis zu stören! Barbro hätte es überhaupt nicht -ausgehalten, wenn sie nicht gewisse Nachtstunden für sich gehabt hätte: -von zwei Uhr an bis morgens um sechs konnte sie ziemlich sicher sein, -und sie gestattete sich manche verstohlene Freuden in diesen Stunden. -Aber was für ein Mädchen war denn die Köchin, daß sie Barbro nicht -anzeigte? Sie war das ganz gewöhnliche Dienstmädchen und ging selbst -unerlaubterweise aus. Die beiden hielten abwechselnd Wache. - -Es verging auch eine recht lange Zeit, ehe sie entdeckt wurden. Barbro -war keineswegs so leichtsinnig, daß ihr an die Stirn geschrieben -gewesen wäre, an ihr sei nichts mehr zu verderben. Verderben? -Sie widerstand so viel als nötig war. Wenn ein Bursche sie zum -Weihnachtstanz einlud, so sagte sie das erstemal nein, das zweitemal -auch, aber das drittemal sagte sie: Ich will sehen, ob ich von zwei -bis sechs Uhr kommen kann. Seht, so antwortet ein anständiges Mädchen -und macht sich nicht schlechter, als sie ist, und läßt keine Frechheit -sehen. Sie war ein Dienstmädchen und diente die ganze Zeit und kannte -kein anderes Vergnügen als Ausgelassenheit. Das war auch alles, was sie -begehrte. Die Frau Lensmann hielt ihr lange Reden und borgte ihr Bücher --- die Närrin! Barbro bildende Bücher leihen, die in Bergen gewesen -war, Zeitungen gelesen und das Theater besucht hatte! Sie war doch -nicht Gottes Wort vom Lande! - -Aber die Frau Lensmann mußte doch Verdacht geschöpft haben, eines -Morgens um drei Uhr steht sie vor der Mägdekammer und ruft: Barbro! --- Ja, antwortet die Köchin. -- Ist Barbro nicht da? Mach auf! -- -Die Köchin schließt auf und gibt die zuvor vereinbarte Erklärung: -Barbro habe ganz notwendig auf der Stelle nach Hause laufen müssen. --- Nach Hause, auf der Stelle? Es ist drei Uhr in der Nacht, sagt -Frau Heyerdahl und hält mit ihrer Verwunderung darüber nicht zurück. -Am anderen Morgen gab es ein großes Verhör; Brede wurde gerufen, und -die Frau Lensmann fragte: Ist Barbro heute nacht um drei Uhr bei euch -gewesen? -- Brede war nicht vorbereitet, aber er sagt sofort ja. -- -Jawohl um drei Uhr in der Nacht. Wir waren sogar solange aufgeblieben, -weil wir etwas Wichtiges zu besprechen hatten, antwortete Barbros -Vater. -- Darauf verkündet die Frau Lensmann feierlich: Barbro geht bei -Nacht nicht mehr aus! -- Nein, gewiß nicht, erwidert Brede. -- Solange -sie in meinem Hause ist wenigstens nicht. -- Nein. Ja, da hörst du's, -Barbro, ich habe es dir gleich gesagt! spricht der Vater. -- Du kannst -zuweilen vormittags zu deinen Eltern gehen, bestimmt die Frau Lensmann. - -Aber die wachsame Frau Lensmann hat darum ihren Verdacht doch nicht -ganz aufgegeben; sie läßt eine Woche verstreichen, dann macht sie um -vier Uhr morgens eine Stichprobe. Barbro! rief sie. Oh, aber diesmal -war die Köchin aus, Barbro war daheim, und die Mägdekammer glänzte in -Unschuld. Die Frau mußte schnell einen Vorwand erfinden. Hast du die -Wäsche gestern abend hereingeholt? -- Ja! -- Das ist gut, denn es fängt -an zu stürmen. Gute Nacht. - -Es war übrigens recht lästig für Frau Heyerdahl, sich von ihrem Mann in -der Nacht wecken zu lassen und selbst zu den Mädchen hinüberzutappen, -um nachzusehen, ob sie zu Hause seien! Geschehe, was da wolle, sie tat -es nicht mehr. - -Und wenn nun das Glück sie nicht im Stich gelassen hätte, so hätte -es Barbro auf diese Weise das Jahr durch mit ihrer Herrin aushalten -können. Aber vor einigen Tagen hatte es einen Krach zwischen ihnen -gegeben. - -Es war frühmorgens in der Küche. Zuerst hatte sich Barbro ein wenig -mit der Köchin gezankt, ja, nicht nur so ganz wenig, sie sprachen -lauter und lauter und vergaßen, daß Frau Heyerdahl kommen könnte. -Die Köchin hatte sich schlecht benommen und hatte sich außer der -Reihe fortgeschlichen, weil es Sonntagnacht gewesen war. Und womit -entschuldigte sie sich? Sagte sie, sie habe fort müssen, um sich von -einer teuren Schwester zu verabschieden, die nach Amerika reise? -Keine Spur, sie entschuldigte sich gar nicht, sondern behauptete, sie -habe diese Sonntagnacht gut gehabt. -- Daß du auch gar keine Ehre und -Wahrhaftigkeit im Leibe hast, du Canaille! rief Barbro. - -Da stand Frau Heyerdahl unter der Tür. - -Sie hatte sich vielleicht ursprünglich nur eine Erklärung für dieses -laute Geschrei ausbitten wollen, erwiderte auch noch den Mädchen ihren -Morgengruß, aber dann sah sie plötzlich Barbro scharf an, sah Barbros -Brusttuch an, beugte sich vor und sah noch näher zu. Das fing an -unheimlich zu werden. Und plötzlich stößt Frau Heyerdahl einen Schrei -aus und weicht zur Tür zurück. Was in aller Welt ist das? denkt Barbro -und schaut an sich herunter. Lieber Gott, nichts als eine Laus! Barbro -muß ein wenig lächeln, und da es ihr nicht ungewohnt ist, auch in -außerordentlichen Umständen zu wissen, was sie zu tun hat, knipst sie -die Laus weg. -- -- Was, auf den Fußboden! schreit die Frau Lensmann. -Bist du verrückt! Gleich nimm das Tier auf! -- Ja, Barbro beginnt -zu suchen und ist wieder rasch gefaßt, sie tut, als ob sie die Laus -gefunden hätte und wirft sie großartig ins Küchenfeuer. - -Wo hast du die her? fragt die Frau erregt. -- Wo ich die her habe? -antwortet Barbro. -- Ja, ich will wissen, wo du gewesen bist und sie -dir geholt hast. Antworte! -- Nun machte Barbro den großen Fehler, daß -sie nicht sagte: Im Kaufladen! Das wäre das einzig richtige gewesen. -Nein, sie wußte nicht, wo sie die Laus aufgelesen haben könnte, aber -sie deutete an, sie habe sie vielleicht durch die Köchin bekommen. Da -fuhr die Köchin plötzlich hoch auf: Du von mir! Du bringst es für dich -allein fertig, dir Läuse zu holen! -- Aber du warst es doch, die heute -nacht aus war! - -Abermals ein großer Fehler, das hätte sie niemals sagen sollen. Nun -hatte die Köchin auch keinen Grund mehr zu schweigen, und alles von -den unglückseligen Nächten außer dem Hause kam an den Tag. Frau -Heyerdahl ist in höchster Erregung; von der Köchin will sie nichts, -ihre Erregung gilt Barbro, dem Mädchen, für das sie eingestanden ist. -Und dennoch hätte vielleicht auch jetzt noch alles gerettet werden -können, wenn Barbro ihr Haupt gebeugt hätte wie ein Schilfrohr, und zu -Boden gesunken wäre und sich hoch und teuer verschworen hätte, es in -Zukunft nie mehr zu tun. Aber nein, Frau Heyerdahl mußte schließlich -ihr Kindermädchen daran erinnern, was sie alles für sie getan hatte, -und da gab Barbro wahrhaftig Antwort, sie trumpfte auf, so dumm war -sie. Ja, oder vielleicht war sie auch so klug, vielleicht wollte sie -die Sache auf die Spitze treiben, um von da wegzukommen. Frau Heyerdahl -sagte: Ich habe dich aus den Klauen des Löwen gerissen. -- Was das -betrifft, erwiderte Barbro, so wäre es mir ebenso lieb, wenn Ihr es -nicht getan hättet. -- Ist das der ganze Dank, den ich bekomme? rief -Frau Heyerdahl. -- Ach, was soll das Gerede! sagte Barbro. Vielleicht -wäre ich verurteilt worden, aber mehr als ein paar Monate hätte man mir -jedenfalls nicht gegeben, und dann wäre ich die Geschichte los! -- Frau -Heyerdahl ist einen Augenblick sprachlos, ja, eine Weile steht sie nur -da, öffnet den Mund und schließt ihn wieder. Das erste Wort, das sie -herausbringt, ist die Kündigung. -- Ja, ganz wie Ihr wollt, ist alles, -was Barbro erwidert. - -Während der Tage, die seither verflossen sind, hat sich Barbro bei -ihren Eltern aufgehalten. Aber dort konnte sie nicht immer bleiben. -Oh, es ging ihnen nicht schlecht, die Mutter trieb jetzt einen -Kaffeeausschank, und es kamen immer viele Leute ins Haus; aber davon -konnte Barbro nicht leben, und sie konnte ja auch andere gute Gründe -haben, warum sie wieder in eine feste Stellung kommen wollte. So nahm -sie also heute einen Sack mit Kleidern auf den Rücken und wanderte ins -Ödland hinauf. Nun kam es darauf an, ob Axel Ström sie wieder aufnehmen -würde! Aber sie hatte am letzten Sonntag das Aufgebot verkünden lassen. - -Es regnet, der Weg ist schmutzig, aber Barbro geht weiter. Es wird -Abend, und da der Sankt-Olafstag noch nicht gewesen ist, wird es nicht -dunkel. Arme Barbro, sie schont sich nicht, sie hat eine bestimmte -Absicht, sie hat ein Ziel, und so nimmt sie den ersten Kampf auf. -Sie hat sich im Grunde niemals geschont, ist niemals träge gewesen, -darum ist sie auch ein schönes und feines Geschöpf. Barbro hat eine -leichte Auffassungsgabe, gebraucht sie jedoch oftmals zu ihrem eigenen -Verderben. Was war auch anderes zu erwarten? Sie hat gelernt, sich -von einer Not in die andere zu retten, aber sie hat verschiedene gute -Eigenschaften behalten; der Tod eines Kindes ist ihr nichts, aber ein -lebendes Kind könnte es gut bei ihr haben. Außerdem hat sie ein sehr -musikalisches Ohr, sie klimpert weich und richtig auf der Gitarre und -singt mit etwas heiserer Stimme dazu, was angenehm und etwas wehmütig -anzuhören ist. Sich selbst schonen? Ho, so wenig, daß sie sich selbst -völlig weggeworfen und den Verlust nicht einmal empfunden hatte. Dann -und wann weinte sie, und das Herz wollte ihr über dies und jenes in -ihrem Leben fast brechen; das gehört dazu, das kommt von den rührenden -Liedern, die sie singt, das ist die Poesie und die süße Wonne der -Wehmut in ihr, sie hat häufig sich selbst und andere damit angeführt. -Hätte sie ihre Gitarre mit sich nehmen können, so hätte sie heute abend -Axel etwas vorgeklimmpert. - -Sie richtet sich so ein, daß sie spät anlangt, und auf Maaneland ist -alles still, als sie den Hofraum betritt. Sieh, Axel hat schon in der -Nähe des Hauses mit dem Mähen begonnen und wahrhaftig auch schon etwas -trockenes Heu eingefahren! Nun überlegt sich Barbro, die alte Oline -werde drinnen in der Schlafkammer schlafen und Axel in der Heuscheune, -wo sie selbst früher geschlafen hatte. Wie ein Dieb in der Nacht -schleicht sie auf die bekannte Tür zu, dann ruft sie leise: Axel! -- -Was gibt's? antwortet Axel sofort. -- Ich bin's nur, sagt Barbro und -tritt zu ihm ein. Kannst du mich über Nacht hierbehalten? - -Axel schaut sie an, er ist etwas langsam, er sitzt in seinen -Unterkleidern da und schaut sie an. So, du bist's? sagt er. Wo willst -du hin? -- Ja, das kommt nun zuerst darauf an, ob du eine Hilfe für -die Sommerarbeit brauchst, erwidert sie. -- Axel denkt darüber nach -und fragt: Bleibst du nicht mehr dort, wo du gewesen bist? -- Nein, -bei Lensmanns hab' ich Schluß gemacht. -- Ich könnte recht gut eine -Hilfe für die Sommerzeit brauchen, sagt Axel. Aber was soll das heißen, -willst du etwa wiederkommen? -- Nein, du brauchst dich gar nicht um -mich zu kümmern, wehrt Barbro ab. Morgen geh ich weiter, ich geh nach -Sellanraa und über die Berge, dort hab' ich eine Stelle. -- So, du hast -dich verdingt? -- Ja. -- Ich könnte wohl eine Hilfe für den Sommer -brauchen, wiederholt Axel. - -Barbro ist ganz naß, sie hat Kleider in ihrem Bündel bei sich und muß -sich umziehen. Kümmere dich gar nicht darum, daß ich hier bin, sagt -Axel und weicht nur ein wenig nach der Tür zurück. Barbro zieht die -nassen Kleider aus, und währenddessen sprechen sie miteinander, und -Axel dreht öfters den Kopf nach ihr um. -- Aber jetzt mußt du ein wenig -hinausgehen, sagt Barbro. -- Hinausgehen? fragt er. Und es war auch -wirklich kein Wetter zum Hinausgehen. Er steht da und sieht zu, wie -sie immer nackter wird, er kann kein Auge von ihr abwenden; und wie -gedankenlos Barbro ist, sie hätte gut immer ein trockenes Stück anlegen -können, wenn sie das nasse abzog, aber das tat sie nicht. Ihr Hemd -ist ganz dünn und klebt an ihrem Körper, sie knöpft es auf der einen -Achsel auf und wendet sich um, sie ist sehr geübt. In diesem Augenblick -schweigt Axel bumsstill und sieht, daß sie nur einen Griff oder zwei -braucht, um das Hemd abzuziehen. Das ist prachtvoll gemacht, denkt er. -Und da bleibt sie nun ganz gedankenlos stehen. - -Später liegen sie im Heu und unterhalten sich. Jawohl, er brauche eine -Hilfe für den Sommer, das sei schon wahr. -- Ja, so sagte man mir, -stimmt Barbro bei. -- Er habe auch in diesem Jahr wieder allein mit -dem Mähen und Heumachen anfangen müssen, Barbro könne wohl verstehen, -wie ratlos er sei. -- Ja, Barbro verstand alles. -- Andrerseits sei es -doch gerade Barbro gewesen, die damals davongelaufen sei und ihn ohne -weibliche Hilfe zurückgelassen habe; das könne er nicht vergessen, und -die Ringe habe sie auch mitgenommen. Und zu aller Schmach sei auch -noch ihre Zeitung immer weiter gekommen, diese Bergensche Zeitung, -die er gar nicht loswerden konnte, und er habe sie hinterher noch -für ein ganzes Jahr bezahlen müssen. -- Das war ja ein schändliches -Blatt, sagte Barbro und stellte sich die ganze Zeit auf seine Seite. -Aber bei so großer Willfährigkeit konnte auch Axel kein Unmensch -sein, er gab zu, daß Barbro Grund gehabt haben könnte, sich auch über -ihn zu ärgern, weil er die Aufsicht über die Telegraphenlinie ihrem -Vater weggenommen hatte. Übrigens kann dein Vater den Telegraphen -wiederhaben, ich mache mir nichts daraus, es ist nur Zeitverlust. --- Ja, sagte Barbro. -- Axel überlegte eine Weile, dann fragte er -geradezu: Ja, wie ist das, willst du nur den Sommer über bleiben? -- -Ach, das soll so werden, wie du es haben willst, entgegnete Barbro. -- -So, ist das deine aufrichtige Meinung? -- Ja, genau was du willst, das -will ich auch. Du brauchst nicht mehr an mir zu zweifeln. -- So. -- -Nein. Und ich hab' uns auch in der Kirche aufbieten lassen. - -So. Das war keine schlimme Kunde. Axel blieb ruhig liegen und -überlegte. Wenn es diesmal Ernst war und nicht wieder ein schändlicher -Verrat, so hatte er die eigene Frau im Hause, und es war ihm für alle -Zeit geholfen. -- Ich hätte eine Frau von daheim haben können, sagte -er. Sie hat geschrieben, sie wolle mich haben. Aber ich hätte ihr die -Rückreise von Amerika bezahlen müssen. -- Barbro fragt: So, ist sie in -Amerika? -- Ja, sie ist voriges Jahr hingereist; aber es gefällt ihr -nicht dort. -- Nein, du mußt dich nicht um sie kümmern! erklärt Barbro. -Was würde sonst aus mir? fragt sie und beginnt zu weinen. -- Darum hab' -ich es auch nicht fest mit ihr gemacht, sagt Axel. - -Nun wollte Barbro aber auch nicht zurückstehen, sie bekannte, daß sie -in Bergen einen Mann hätte haben können, er sei Bierführer bei einer -gewaltig großen Brauerei, und ihm sei viel anvertraut. Und er grämt -sich gewiß immer noch um mich, sagt Barbro schluchzend. Aber weißt du, -wenn zwei Leute so viel miteinander gehabt haben wie du und ich, Axel, -dann kann ich nicht vergessen, wenn du auch längst vergessen hast. -- -Wer, ich? erwidert Axel. Nein, darum brauchst du nicht zu weinen, ich -habe dich niemals vergessen. -- So. - -Dieses Zugeständnis ist Barbro eine große Hilfe, und sie sagt: -Unsinn, was willst du denn das viele Reisegeld ganz von Amerika -herüber bezahlen, wenn du es doch nicht nötig hast. -- Sie rät ihm von -der ganzen Sache ab, es würde zu teuer, und er sei doch nicht dazu -gezwungen. Barbro schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, sein -Glück selbst zu begründen. - -Im Lauf der Nacht werden sie einig. Sie waren einander ja nicht fremd -und hatten schon oft alles miteinander besprochen. Auch die notwendige -Trauung sollte noch vor dem Sankt-Olafstag und der Heuernte vor sich -gehen, sie hatten nicht nötig, sich zu verstellen, und Barbro drängte -jetzt selbst am eifrigsten. Axel stieß sich nicht daran, daß Barbro -es jetzt so eilig hatte, und es erweckte auch keinen Verdacht in ihm, -im Gegenteil, ihre Eile schmeichelte ihm und feuerte ihn an. Jawohl, -er war ein Ödlandbewohner, ein wetterfester Mann, er nahm es nicht so -genau, war wahrlich nicht überfein, er war zu allerlei genötigt, er sah -auf den Nutzen. Dazu kam noch, daß ihm Barbro wieder ganz neu und schön -erschien, beinahe reizender als zuvor. Sie war ein frischer Apfel, und -er biß hinein. Sie waren ja bereits aufgeboten. - -Über die Kindsleiche und die Gerichtsverhandlung schwiegen alle beide. - -Dagegen redeten sie von Oline, und wie sie sie loswerden könnten? Ja, -sie muß zum Hause hinaus, erklärte Barbro. Wir sind ihr keinen Dank -schuldig. Sie ist nichts als ein Klatschweib voller Bosheit. -- Aber es -erwies sich als sehr schwierig, Oline loszuwerden. - -Gleich am ersten Morgen, als Barbro zum Vorschein kam, ahnte Oline -ihr Schicksal. Ihr wurde sofort schlimm zumute, aber sie verbarg das -und nickte und bot Barbro einen Stuhl an. Es war doch auf Maaneland -einen Tag nach dem andern gegangen. Axel hatte Wasser und Brennholz -herbeigetragen und ihr die schwersten Arbeiten abgenommen, und den -Rest hatte Oline fertiggebracht. Im Lauf der Zeit hatte sie sich -entschlossen, bis zum Ende ihres Lebens auf der Ansiedlung zu bleiben, -aber da kam diese Barbro und machte diesen Plan zunichte. - -Wenn eine Kaffeebohne im Hause wäre, so hätte ich dir einen Kaffee -gemacht, sagte sie zu Barbro. Willst du noch weiter hinauf in die -Berge? -- Nein, erwiderte Barbro. -- So, du willst nicht weiter hinauf? --- Nein. -- Nun, mich geht es ja nichts an, sagte Oline. Willst du -wieder hinunter? -- Nein, auch das nicht, ich bleibe jetzt wieder hier. --- So, du willst wieder hierbleiben? -- Ja, so wird's wohl kommen. - -Oline wartet eine Weile, sie gebraucht ihren alten Kopf, der steckt -bereits voller Politik: Ja, sagt sie. Dann kann ich hier loskommen. -Das freut mich sehr. -- So, ist Axel ein so scharfer Herr gewesen? -sagt Barbro im Scherz. -- Scharf? Er? Geh doch und treibe nicht deinen -Spaß mit einer alten Frau, die nur noch auf die Erlösung wartet. Er, -der Axel ist wie ein Vater und eine höhere Fügung für mich gewesen, -jeden Tag und jede Stunde, anders kann ich nicht sagen. Aber ich habe -nun einmal niemand von den Meinigen hier in der Gegend, ich stehe -einsam und verlassen auf anderer Leute Eigentum und habe alle meine -Angehörigen auf der andern Seite des Gebirges. - -Aber Oline blieb da. Sie war nicht eher als nach der Trauung zu -entbehren, und Oline sträubte sich lange, sagte aber endlich ja, sie -wolle ihnen die Gefälligkeit erweisen und das Haus hüten und für -das Vieh sorgen, während sie getraut würden. Das nahm zwei Tage in -Anspruch. Als aber die Neuverheirateten heimkamen, ging Oline doch -nicht. Sie verschob es immer wieder, den einen Tag behauptete sie, es -sei ihr nicht gut, den andern sah es aus, als ob es regnen wollte. -Sie schmeichelte Barbro, es sei jetzt auf Maaneland mit der Kost ganz -anders geworden und doch auch Kaffee im Hause! Oh, Oline scheute vor -nichts zurück, sie fragte Barbro bei Dingen um Rat, die sie selbst viel -besser wußte. Was meinst du, soll ich die Kühe nach der Reihe melken, -wie sie im Stall stehen, oder soll ich Bordelin zuerst nehmen? -- Das -kannst du halten, wie du willst. -- Ja, hab' ich es nicht gesagt! ruft -Oline. Du bist draußen in der Welt unter hohen und vornehmen Leuten -gewesen und hast alles gelernt. Mir armen Person ist's nicht so gut -gegangen. - -Nein, Oline scheute vor nichts zurück, sondern trieb Politik Tag und -Nacht. Erzählte sie nicht Barbro, wie sehr gut Freund sie mit ihrem -Vater, mit Brede Olsen, sei! Ho, sie habe manche vergnügte Stunde mit -ihm verplaudert, er sei so ein netter und freundlicher Mann, der Brede, -nie höre man ein unfreundliches Wort aus seinem Munde! - -Aber es ging doch nicht auf die Dauer, weder Axel noch Barbro wollte -Oline länger im Hause behalten, und Barbro nahm ihr alle Arbeit aus der -Hand. Oline beklagte sich nicht, aber sie sagte mit einem gefährlichen -Seitenblick auf die Hausfrau und mit leicht verändertem Tone: Ja, ihr -seid jetzt große Leute, sagte sie. Der Axel hat letzten Herbst eine -Reise in die Stadt gemacht, hast du ihn dort getroffen? Ach nein, du -bist ja in den Bergen gewesen. Er hatte etwas in der Stadt zu besorgen, -er hat eine Mähmaschine und einen Reolpflug gekauft. Was sind die auf -Sellanraa gegen euch? Gar nicht zu vergleichen! - -Oline versetzte kleine Nadelstiche, allein auch das half nichts, die -Herrschaft fürchtete sich nicht vor ihr, Axel sagte ihr eines Tages -geradeheraus, daß sie jetzt gehen müsse. -- Gehen? fragte Oline. Wie -denn? Muß ich kriechen? Sie weigerte sich zu gehen unter dem Vorwand, -daß sie nicht recht gesund sei und die Beine nicht rühren könne. Und so -schlimm mußte es wirklich gehen: als ihr die Arbeit abgenommen war und -sie kein Feld der Tätigkeit mehr hatte, da fiel sie zusammen und wurde -tatsächlich krank. Sie schleppte sich noch eine Woche lang umher, Axel -schaute sie wütend an, aber Oline blieb aus lauter Bosheit, und zuletzt -mußte sie sich zu Bett legen. - -Aber nun lag sie keineswegs nur da und wartete auf ihre Erlösung, sie -sprach im Gegenteil stundenlang davon, daß sie bald wieder gesund -werde. Sie begehrte den Doktor, eine Großartigkeit, die im Ödland -völlig unbekannt war. -- Den Doktor? sagte Axel fragend. Bist du nicht -bei Trost? -- Wieso? fragte Oline sanft zurück und verstand rein gar -nichts. Ja, sie war ganz sanft und mild und sprach sich so erfreut aus, -daß sie niemand zur Last falle, sie könne den Doktor selbst bezahlen. --- So, das kannst du? sagte Axel. -- So, kann ich es vielleicht nicht? -entgegnete Oline. Und außerdem werde ich doch nicht angesichts des -Erlösers wie ein Tier hier verenden sollen? -- Jetzt mischte sich -Barbro ein und fragte unvorsichtigerweise: Was fehlt dir denn? Ich -bringe dir doch deine Mahlzeiten. Aber den Kaffee habe ich dir in guter -Absicht versagt. -- Bist das du, Barbro? fragt Oline und dreht nur die -Augen nach ihr hin. Sie ist sehr elend und sieht mit den verdrehten -Augen ganz unheimlich aus. Es wird wohl so sein, wie du sagst, Barbro, -daß ich von einem winzigen Tröpfchen Kaffee, einem Löffelchen voll -Kaffee viel kränker würde. -- Wenn du wärest wie ich, so hättest du -jetzt an anderes zu denken als an Kaffee, sagte Barbro. -- Habe ich es -nicht gesagt? Du hast noch nie eines Menschen Tod gewollt, sondern daß -er sich bekehre und lebe. Aber was -- was sehe ich? Bist du denn in -der Hoffnung, Barbro? -- Ich! rief Barbro und fügte wütend hinzu: Du -gehörst auf den Mist geworfen mit deinem Mundwerk! - -Hier schweigt die Kranke einen Augenblick nachdenklich, und ihr Mund -zittert, als ob er durchaus lächeln möchte und doch nicht dürfe. -- -Ich habe heute nacht jemand rufen hören, sagt sie. -- Sie ist nicht -bei sich! flüstert Axel. -- Doch, ich bin ganz bei mir. Es war gerade, -als ob jemand riefe. Es kam aus dem Wald oder vom Bach her. Es war -sonderbar, gerade wie das Schreien eines kleinen Kindes. Ist Barbro -hinausgegangen? -- Ja, sagte Axel, sie will deine Narrheiten nicht -länger mit anhören. -- Ich spreche keine Narrheiten, ich bin nicht -so von Sinnen, wie ihr meint, sagte Oline. Nein, das ist nicht des -Allmächtigen Wunsch und Wille, daß ich jetzt schon mit allem, was ich -von Maaneland weiß, zum Thron des Lammes eingehen soll. Ich werde wohl -wieder gesund. Aber du sollst mir den Doktor holen, Axel, dann geht es -schneller. Was ist das für eine Kuh, die du mir geben willst? -- Was -für eine Kuh? -- Die Kuh, die du mir versprochen hast. Ist es Bordelin? --- Du sprichst in den Tag hinein, sagt Axel. -- Du weißt, daß du mir -eine Kuh versprochen hast, damals, als ich dir das Leben rettete. -- -Nein, das weiß ich nicht. - -Da hebt Oline den Kopf und schaut ihn an. Sie ist ganz kahlköpfig und -grau, ihr Kopf sitzt auf einem langen Vogelhals, sie sieht hexenmäßig -und fürchterlich aus, Axel fährt zurück und greift rückwärts nach der -Türklinke. -- So, sagt Oline, du bist von der Sorte! Dann sprechen wir -vorerst nicht mehr davon. Ich kann auch ohne die Kuh leben und werde -sie nicht mehr in den Mund nehmen. Aber es ist gut, daß du dich genau -als der Mann gezeigt hast, der du bist, so weiß ich es für ein andermal. - -Aber in der Nacht starb Oline, zu irgendeiner Stunde in der Nacht, -jedenfalls war sie bereits kalt, als sie morgens zu ihr hereinkamen. - -Die alte Oline, geboren und gestorben ... - -Es war weder Axel noch Barbro unlieb, daß sie Oline für immer begraben -konnten, sie brauchten jetzt nicht mehr so auf der Hut zu sein, sie -konnten vergnügt leben. Barbro klagt wieder über Zahnweh, sonst ist -alles gut. Aber dieses ewige wollene Tuch um den Mund, das sie immer -wegziehen muß, wenn sie ein Wort reden will, ist keine kleine Plage, -und Axel kann das viele Zahnweh nicht begreifen. Er hatte wohl die -ganze Zeit her ihre vorsichtige Art zu kauen beobachtet, aber es fehlte -ihr doch kein Zahn im Mund. -- Hast du dir denn keine neuen Zähne -machen lassen? fragt er. -- Doch. -- Ja, tun die denn auch weh? -- -Spotte nicht so! erwidert Barbro erzürnt, obgleich er wirklich in gutem -Glauben gefragt hatte. Und in ihrer Bitterkeit kommt sie dazu, bessere -Auskunft zu geben: Du siehst doch, wie es mit mir steht. - -Wie es mit ihr stand? Axel sieht etwas näher zu und bemerkt, daß -sie bereits anfängt einen dicken Leib zu bekommen. -- Du bist doch -nicht in der Hoffnung? fragt er. -- Doch, das weißt du wohl, erwidert -sie. -- Etwas vor den Kopf geschlagen starrt er sie an. In all -seiner Langsamkeit sitzt er da und rechnet eine Weile: eine Woche, -zwei Wochen, in der dritten Woche. -- Weiß ich das? sagt er. -- -Barbro ist sehr gereizt durch dieses Zwiegespräch und fängt an laut -hinauszuweinen, ja gekränkt zu weinen. Du kannst mich nur auch gleich -in die Erde graben, dann bist du mich los! ruft sie. - -Merkwürdig, was die Weiberleute für Gründe zum Weinen finden können! - -Nein, Axel will Barbro durchaus nicht in die Erde graben, er ist ein -handfester Mann, der auf den Nutzen sieht; in einem Blumenflor zu -waten, dazu hat er keine Lust. -- Dann kannst du im Sommer nicht auf -dem Feld arbeiten? fragt er. -- Was, nicht auf dem Feld arbeiten? -erwidert sie entsetzt. Und lieber Gott, worüber ein Frauenzimmer doch -plötzlich wieder lächeln kann! Als es Axel auf diese Weise nahm, -rieselte ein hysterisches Glücksgefühl durch Barbros Körper, und sie -rief: Für zwei werde ich arbeiten! Du wirst sehen, Axel, daß ich alles -arbeite, wobei du mich anstellst, und noch viel mehr. Ich will mich -abrackern und noch vergnügt dabei sein, wenn du nur zufrieden bist! - -Es gab noch mehr Tränen und Lächeln und Zärtlichkeiten. Die beiden -waren allein im Ödland, niemand war zu fürchten, offene Türen, -Sommerwärme, Fliegengesumm. Sie war so willfährig und hingebend, alles -wollte sie genau so wie er. - -Nach Sonnenuntergang ist Axel damit beschäftigt, seine Mähmaschine -anzuspannen, er will noch ein kleines Stück abmähen für den nächsten -Morgen. Barbro kommt hastig herausgelaufen, als ob sie etwas Wichtiges -zu besorgen hätte, und sagt: Du, Axel, wie hast du überhaupt daran -denken können, dir jemand aus Amerika kommen zu lassen? Sie wäre ja -erst bis zum Winter hier gewesen, und was hättest du da noch mit ihr -angefangen? -- Seht, auf diesen Gedanken war Barbro verfallen, und nun -kam sie damit angelaufen, wie wenn das notwendig wäre! - -Aber es war keineswegs notwendig, Axel hatte von der ersten Stunde an -eingesehen, daß er eine weibliche Hilfe für ein ganzes Jahr gewann, -wenn er Barbro wieder zu sich nahm. Dieser Mann schwankt nicht, und -er träumt sich nicht zu den Sternen hinauf. Nun hat er die eigene -Frau im Hause und kann auch die Telegraphenlinie noch eine Zeitlang -behalten. Im Jahre macht das doch viel Geld aus, und das ist ihm sehr -willkommen, solange er nicht viel vom Ertrag des Hofes verkaufen kann. -Alles geht und fügt sich ineinander, er ist mitten in der Wirklichkeit. -Und von Brede, der jetzt sein Schwiegervater ist, erwartet er auf der -Telegraphenlinie keinen Überfall mehr. - -Das Glück fängt an, Axel mit seinen Gaben zu überschütten. - - - - -11 - - -Die Zeit vergeht, der Winter vergeht, es wird wieder Frühling. -Natürlich mußte Isak eines Tages notwendig ins Dorf. Es wurde gefragt, -was er dort wolle. Ich weiß es nicht recht, sagte er. Aber er putzte -den Karren sehr rein, stellte den Sitz darauf und fuhr davon. Und -natürlich hatte er verschiedentliche Eßwaren für Eleseus auf Storborg -bei sich. Es fuhr ja kein Wagen von Sellanraa ab, der nicht irgend -etwas für Eleseus mitnahm. - -Wenn Isak das Ödland hinunterfuhr, so war das kein unbedeutendes -Ereignis; er selbst tat es nur selten, Sivert pflegte es an seiner -Statt zu tun. In den zwei ersten Ansiedlungen stehen die Leute unter -der Gammentür und sagen zueinander: das ist der Isak selbst, ich möchte -nur wissen, warum er heute fährt. Als er nach Maaneland kommt, steht -Barbro mit einem Kind auf dem Arm unter dem Fenster, und als sie ihn -sieht, denkt sie: das ist der Isak selbst! - -Er kommt nach Storborg und hält an: Prrr! Ist Eleseus daheim? -- -Eleseus kommt heraus. Jawohl, er ist daheim, er ist noch nicht -abgereist, aber er will abreisen, er will seinen Frühlingsausflug nach -den Städten im Süden antreten. -- Da schickt dir die Mutter etwas, sagt -der Vater. Ich weiß nicht, was es ist, es wird weiter nichts Besonderes -sein. -- Eleseus nimmt die Gefäße entgegen, dankt und fragt: Hast du -nicht auch einen Brief oder so etwas? -- Doch, antwortet der Vater -und sucht in seinen Taschen. Er ist wohl von der kleinen Rebekka. -- -Eleseus bekommt den Brief, darauf hat er gewartet, er sieht, daß er -schön dick ist, und sagt zu seinem Vater: Es ist sehr schade, daß du so -früh kommst, zwei Tage zu früh. Aber wenn du ein bißchen warten willst, -kannst du meinen Koffer gleich mitnehmen. - -Isak steigt ab und bindet das Pferd an. Dann macht er einen Gang -über die Felder. Der kleine Ladendiener Andresen ist kein schlechter -Landwirt auf Eleseus' Grund und Boden, Sivert ist ihm allerdings mit -den Pferden von Sellanraa zu Hilfe gekommen, aber er hat auch auf -eigene Faust Moor entwässert und einen Mann zu Hilfe genommen, der die -Gräben mit Steinen auslegte. In diesem Jahr braucht auf Storborg kein -Futter gekauft zu werden, und im nächsten Jahr konnte sich Eleseus -vielleicht ein eigenes Pferd halten. Das hatte er Andresens Freude an -der Landwirtschaft zu verdanken. - -Nach einiger Zeit ruft Eleseus, daß er seinen Koffer gepackt habe und -fertig sei. Er selbst steht auch fertig da und will mitkommen, er -hat einen schönen blauen Anzug an und trägt einen weißen Kragen um -den Hals, Galoschen an den Füßen und einen Spazierstock in der Hand. -Allerdings kommt er so mehr als zwei Tage zu früh für das Postboot, -aber das macht nichts, er kann ja im Dorf solange warten; es ist ganz -einerlei, wo er sich aufhält. - -Vater und Sohn fahren ab. Der Ladendiener Andresen steht unter der -Ladentür und wünscht: Glückliche Reise! - -Der Vater ist besorgt für seinen Sohn und will ihm den Sitz allein -überlassen, aber Eleseus lehnt sofort entschieden ab und setzt sich -neben den Vater. Sie kommen an Breidablick vorbei, da fällt es Eleseus -plötzlich ein, daß er etwas vergessen hat. Prrr! Was denn? fragt der -Vater. Oh, es ist der Regenschirm, Eleseus hat seinen Regenschirm -vergessen; das kann er nicht offen sagen, deshalb sagt er nur: Das -hilft jetzt nichts, fahr zu! -- Wollen wir nicht umkehren? -- Nein, -fahr zu! -- Aber es war eine verwünschte Sache, daß er auch so -vergeßlich sein mußte! Das kam von der großen Eile, weil der Vater über -die Felder wanderte und auf ihn wartete. Nun mußte sich Eleseus aber, -wenn er nach Drontheim kam, einen neuen Regenschirm kaufen. Es tat ja -auch nichts, wenn er zwei Regenschirme hatte. Aber er ist so ärgerlich -auf sich selbst, daß er abspringt und hinter dem Wagen hergeht. - -Auf diese Weise können die beiden nicht viel miteinander reden, weil -sich der Vater nun bei jedem Wort umdrehen und über die Achsel reden -muß. Der Vater fragt: Wie lange bleibst du weg? und Eleseus antwortete: -Drei bis vier Wochen etwa. -- Der Vater spricht seine Verwunderung aus -darüber, daß sich die Leute in den großen Städten nicht verirren, aber -Eleseus sagt ihm, er sei selbst an die großen Städte gewöhnt, er habe -sich noch nie verirrt. -- Nun meint der Vater, es sei eine Schande, daß -er allein auf dem Wagen sitze, und er sagt: Mußt du eine Weile fahren, -ich mag nicht mehr. Eleseus will jedoch seinen Vater um keinen Preis -von dem Sitz vertreiben und steigt lieber selbst wieder zu ihm auf. -Aber vorher halten sie eine Mahlzeit aus des Vaters schönem Mundvorrat. -Dann fahren sie weiter. - -Endlich kommen sie zu den beiden Ansiedlungen, die am weitesten unten -im Tal liegen, und man merkt jetzt wohl, daß man in der Nähe des -Dorfes ist; auf beiden Neusiedlungen hängen wahrhaftig an dem kleinen -Stubenfenster, das nach der Straße geht, weiße Vorhänge, und auf dem -Dachfirst des Heubodens ist eine kleine Stange für die Flagge zu Ehren -des siebzehnten Mai aufgepflanzt. -- Das ist der Isak selbst, sagen die -Leute der beiden Ansiedlungen, als sie die Reisenden sehen. - -Endlich vermag Eleseus seine Gedanken so weit von seiner eigenen -Person und seinen eigenen Angelegenheiten abzulenken, daß er fragt: -Was hast du eigentlich heute vor? -- Hm! eigentlich nichts Besonderes, -erwidert sein Vater. Aber Eleseus reiste ja jedenfalls ab, so konnte -es also nichts schaden, wenn er erfuhr, was der Vater vorhatte. -- Die -Jensine vom Schmied will ich holen, erklärte der Vater, ja, gesteht er -wirklich zu. -- Mußt du dir selbst die Mühe machen; hätte denn nicht -Sivert fahren können? fragt Eleseus. -- Seht, Eleseus verstand es nicht -besser, er meinte also, Sivert werde Jensine mit dem Wagen wiederholen, -nachdem sie einmal so hochmütig getan hatte und von Sellanraa -fortgegangen war! - -Nein, es war letztes Jahr mit dem Heumachen gar nicht gegangen. -Inger hatte sich allerdings sehr darangehalten, wie sie versprochen -hatte, Leopoldine tat auch ihre Arbeit, und dazu hatten sie auch den -Heurechen, der von einem Pferd gezogen wurde. Aber das Heu war zum -Teil schweres Timotheusgras und die Wiesen weit vom Hause entfernt. -Sellanraa war jetzt ein großes Gut, die Frauen hatten dort anderes zu -tun, als Heu zu machen; all das viele Vieh mußte versorgt werden, das -Essen mußte zur rechten Zeit fertig sein, das Buttern und Käsemachen -war zu besorgen, desgleichen das Waschen und das Backen, Mutter und -Tochter schafften sich gar zu sehr ab. Einen solchen Sommer wollte -Isak nicht noch einmal erleben, er bestimmte kurz und gut, daß -Jensine wiederkommen solle, wenn sie zu haben sei. Inger hatte jetzt -auch nichts mehr dagegen, sie hatte ihren Verstand wieder und sagte: -Meinetwegen mach es, wie du willst. Oh, Inger war jetzt fügsamer -geworden, es ist keine kleine Sache, wenn man seinen verlorenen -Verstand wiederkriegt. Inger hatte keine heiße Glut mehr zu verstecken, -keine innere Leidenschaft mehr im Zaum zu halten, der Winter hatte sie -abgekühlt, sie hatte nur noch Glut genug für den Hausgebrauch. Sie fing -jetzt an, an Körperfülle zuzunehmen, schön und stattlich sah sie aus. -Es war merkwürdig, wie wenig sie alterte, sie wurde nicht stückweise -alt und welk, vielleicht kam es daher, weil sie erst so spät aufgeblüht -war. Gott mag wissen, woher alles kommt, nichts hat nur eine einzige -Ursache, alles hat eine Ursachen_reihe_! Und hatte nicht Inger das -größte Lob bei der Frau des Schmieds? Was konnte die Schmiedfrau -ihr vorwerfen? Durch ihr verunziertes Gesicht war sie um ihren Lenz -betrogen worden, später war sie in künstliche Luft versetzt worden, und -dadurch waren ihr sechs Jahre ihres Sommers gestohlen; da sie aber doch -heißes Blut hatte, mußte ihr Herbst wilde Schößlinge treiben. Inger -ist besser als so eine Schmiedfrau, zwar ein bißchen beschädigt, ein -bißchen verzerrt, aber eine gute Natur, eine tüchtige Natur ... - -Vater und Sohn fahren weiter, sie fahren an Brede Olsens Herberge vor -und führen das Pferd in den Schuppen. Es ist Abend geworden. Sie selbst -gehen ins Haus. - -Brede Olsen hat dieses Haus gemietet, es ist eigentlich ein -Nebengebäude, das dem Kaufmann gehört, jetzt sind zwei Stuben und zwei -Schlafkammern darin eingerichtet; es ist ganz erträglich, und die Lage -ist gut, das Haus wird von Kaffeegästen besucht und außerdem von den -Leuten in der Umgegend, die mit dem Postschiff fahren wollen. - -Brede scheint wirklich einmal Glück gehabt zu haben, er ist auf den -richtigen Platz gekommen, und das hat er seiner Frau zu verdanken. -Bredes Frau kam auf den Gedanken, dieses Kaffeehaus und diese Herberge -einzurichten, als sie während der Versteigerung auf Breidablick -Kaffee verkaufte; das war damals sehr unterhaltend gewesen, es war -angenehm, Münze zwischen den Fingern zu haben, bares Geld. Seit sie -hierhergekommen sind, ist alles gut gegangen, die Frau verkauft jetzt -im Ernst Kaffee und beherbergt allerlei Leute, die kein Dach über dem -Kopf haben. Sie wird auch von den Reisenden recht gelobt. Natürlich -ist ihre Tochter Katrine, die jetzt ein großes Mädchen und eine flinke -Aufwärterin ist, eine gute Hilfe. Aber ebenso natürlich ist es nur eine -Zeitfrage, bis wann die kleine Katrine nicht mehr im Hause ihrer Eltern -sein und da aufwarten wird. Aber inzwischen geht es ganz ordentlich -mit dem Umsatz, und das ist die Hauptsache. Der Anfang war entschieden -gut gewesen und hätte noch besser sein können, wenn sich der Kaufmann -genügend mit Brezeln und Spekulatius zum Kaffee vorgesehen hätte; da -saßen nun alle Leute, die den siebzehnten Mai feiern wollten, und -riefen vergebens nach Kuchen zum Kaffee: Kaffeekuchen! Da lernte es der -Kaufmann, sich mit Backwaren für die Feste des Dorfes zu versehen. - -Brede und die ganze Familie leben von diesem Betrieb, so gut es geht. -Zu gar vielen Mahlzeiten gibt es nichts als Kaffee mit übriggebliebenem -Kaffeekuchen, aber auch das hält Leib und Seele zusammen, und die -Kinder bekommen davon ein feines, ja sozusagen ein verfeinertes -Aussehen. Es haben nicht alle Kuchen zum Kaffee! sagten die Leute im -Dorf. Der Familie Brede scheint es gut zu gehen, sie halten sogar -einen Hund, der bei den Gästen herumschleicht, Bissen erschnappt und -fett wird. Was ist doch so ein fetter Hund eine Anpreisung für die -Verpflegung in einer Herberge! - -Brede Olsen nimmt also die Stelle des Hausherrn in diesem Betrieb ein -und hat sich auch nebenher emporgearbeitet. Er ist wieder der Begleiter -und Amtsdiener des Lensmannes geworden und hatte in dieser Stellung -eine Zeitlang viel zu tun. Aber letzten Herbst hat seine Tochter -Barbro mit der Frau Lensmann Streit bekommen, wegen einer Kleinigkeit, -geradeheraus gesagt, wegen einer Laus, und seit der Zeit ist auch Brede -bei der Herrschaft nicht mehr gern gesehen. Aber Brede hat dadurch -nicht viel verloren, er hat andere Herrschaften, die ihn, gerade um -die Frau Lensmann zu ärgern, aufsuchen, so daß er als Doktorkutscher -ein gesuchter Mann ist, und die Frau Pfarrer hat gar nicht so viele -Schweine, als sie Brede gerne schlachten lassen würde -- das sind seine -eigenen Worte. - -Manchmal ist allerdings auch jetzt noch bei der Familie Brede -Schmalhans Küchenmeister, und nicht alle sind so fett wie der Hund. -Aber Gott sei Dank, Brede hat einen leichten Sinn: Die Kinder werden -alle Tage größer, sagt er, obgleich auch immer wieder neue kleine -dazukommen. Die Großen, die fortgezogen sind, sorgen ja nun für sich -selbst und schicken zuweilen auch eine Kleinigkeit nach Hause. Barbro -ist auf Maaneland verheiratet, und Helge ist beim Heringsfang; sie -geben den Eltern Waren oder Geld, wenn sie es möglich machen können, -ja, sogar Katrine, die zu Hause die Gäste bedient, hat im Winter -einmal, als es recht trübe aussah, ihrem Vater einen Fünfkronenschein -zustecken können. Das ist ein Mädchen! rühmte Brede, und er fragte -nicht danach, von wem und wofür sie den Schein bekommen habe. So war -es recht, die Kinder sollten ein Herz für ihre Eltern haben und ihnen -beistehen! - -Mit seinem Sohn Helge ist Brede nicht ebenso zufrieden; zuweilen -steht er im Kaufladen und entwickelt allen, die ihm zuhören wollen, -seine Ansichten über die Pflichten der Kinder ihren Eltern gegenüber: -Nehmt zum Beispiel meinen Sohn Helge. Wenn er ein bißchen Tabak -raucht und gelegentlich einmal ein Gläschen trinkt, so hab' ich gar -nichts dagegen, wir sind alle einmal jung gewesen. Aber er soll uns -nicht einen Brief um den andern schicken mit nichts darin als schönen -Grüßen. Er soll nicht die Ursache sein, daß seine Mutter weint. Das ist -unrecht. In früherer Zeit war es anders. In früheren Zeiten waren sich -die Kinder nicht zu gut dazu, sie gingen in einen Dienst und halfen -ihren Eltern. So sollte es immer sein. Haben nicht Vater und Mutter sie -unter dem Herzen getragen und blutigen Schweiß geschwitzt, bis sie sie -großgezogen hatten? Das sollten sie nie vergessen. - -Es war gerade, als hätte Helge diese Rede seines Vaters mit angehört, -denn eben jetzt kam ein Brief von ihm mit einem Geldschein, einem -ganzen Fünfzigkronenschein. Und nun fing in der Familie Brede ein -Herrenleben an; sie kauften in ihrem Übermut Fisch und Fleisch zum -Mittagessen und eine Hängelampe mit Prismen dran in die beste Stube der -Herberge. - -So verging ein Tag nach dem andern, und was will man mehr? Die Familie -Brede lebte weiter, lebte von der Hand in den Mund, aber ohne sich -große Sorgen zu machen, und was will man mehr? - -Das ist einmal ein seltener Besuch! rief Brede und führte Isak und -Eleseus in die Stube mit der Prismenlampe. Aber was sehe ich! Du, Isak, -wirst doch nicht verreisen wollen! -- Nein, ich habe nur beim Schmied -etwas zu besorgen. -- So, dann ist es wohl Eleseus, der wieder seine -Reise in die Städte antritt? - -Eleseus ist an das Leben in Gasthäusern gewöhnt, er macht sich's -bequem, hängt seinen Überzieher und seinen Stock auf und verlangt -Kaffee. Etwas zu essen hat der Vater mit. Katrine kommt mit Kaffee. --- Nein, ihr dürft nichts bezahlen, erklärt Brede. Ich bin schon -sooft in Sellanraa bewirtet worden, und bei Eleseus stehe ich auch im -Schuldbuch. Du nimmst keine Öre, Katrine! -- Aber Eleseus bezahlt, -er zieht den Beutel und bezahlt und gibt noch zwanzig Öre Trinkgeld. -Nichts da! Kein Geschwätz! - -Isak geht zum Schmied, und Eleseus setzt sich wieder. - -Mit Katrine spricht er das Notwendigste, aber nicht mehr, er unterhält -sich lieber mit ihrem Vater. Nein, Eleseus macht sich nichts aus den -Mädchen, er ist einmal von ihnen schlecht behandelt worden, und jetzt -will er nichts mehr von ihnen wissen. Vielleicht hat er überhaupt nie -einen Liebesdrang gehabt, der der Rede wert gewesen wäre, da er sich -gar nicht um sie kümmert. Ein wunderbarer Mann im Ödland, ein Herr mit -schmächtigen Schreiberhänden und ganz weiblichem Sinn für Putz und -Regenschirm und Spazierstock und Gummischuhe. Verschroben, verdreht, -ein unverständlicher Junggeselle. Auf einer Oberlippe will nicht einmal -ein rechter Bart wachsen. Aber vielleicht hatte dieser Junge einmal -gute Anlagen gehabt, war einmal von Natur ordentlich ausgesteuert -gewesen, war aber dann in unnatürliche Verhältnisse gekommen und zum -Wechselbalg geworden. Ist er so fleißig auf einem Büro und in einem -Kaufladen gewesen, daß all seine Ursprünglichkeit verlorengegangen -ist? Vielleicht war es so. Jedenfalls ist er nun da, gewandt und -leidenschaftslos, etwas schwächlich, etwas gleichgültig, und geht -weiter und weiter auf seinem Abweg. Er könnte jeden einzelnen Mann im -Ödland beneiden, allein nicht einmal dazu ist er imstande. - -Katrine ist daran gewöhnt, mit den Gästen zu scherzen, und nun zieht -sie ihn auf, er wolle wohl wieder gen Süden zu seiner Liebsten? -- Ich -habe andere Dinge im Kopf, erwidert Eleseus. Ich will Geschäfte machen, -Verbindungen anknüpfen. -- Du mußt besseren Leuten gegenüber nicht so -zudringlich sein, Katrine, ermahnt sie ihr Vater. Oh, Brede Olsen ist -sehr höflich gegen Eleseus, ganz ungeheuer respektvoll. Das darf er -auch wohl sein, es ist klug von ihm, er ist auf Storborg Geld schuldig -und steht seinem Gläubiger gegenüber. Und Eleseus? Ho, ihm gefällt -diese Höflichkeit, und er ist dafür gut und gnädig. Hochverehrtester! -heißt er Brede im Spaß und spielt sich auf. Er spricht davon, daß er -wieder seinen Regenschirm vergessen habe. Gerade in dem Augenblick, -als wir an Breidablick vorbeifuhren, fiel mir mein Regenschirm ein! -- -Brede fragt: Ihr werdet wohl heute abend bei unserm kleinen Kaufmann -ein Glas Toddy trinken? -- Und Eleseus antwortet: Ja, wenn ich allein -wäre! Aber ich habe meinen Vater bei mir. -- Brede tut ganz behaglich -und plaudert weiter: Übermorgen kommt ein Mann hierher, der wieder nach -Amerika zurück will. -- Ist er zu Besuch daheim gewesen? -- Ja. Er -ist vom Oberdorf. Er ist eine lange Reihe von Jahren drüben gewesen, -aber nun hat er den Winter daheim zugebracht. Sein Koffer ist schon -mit einer Fuhre heruntergekommen, das ist ein Riesenkoffer. -- Ich -hab' auch schon daran gedacht, nach Amerika zu gehen, sagt Eleseus -aufrichtig. -- Ihr? ruft Brede. Ihr habt das doch nicht nötig. -- Ich -bliebe wahrscheinlich auch nicht für Zeit und Ewigkeit drüben, ich -weiß nicht. Aber ich habe schon so viele Reisen gemacht, da könnte ich -auch diese einmal machen. -- Gewiß. Und man muß drüben in dem Amerika -wüst Geld verdienen. Nehmen wir nur einmal den Mann an, von dem ich -vorhin gesprochen habe. Er hat jetzt im Winter droben im Oberdorf -ein Weihnachtsvergnügen nach dem andern bezahlt, und wenn er zu mir -kommt, so sagt er: Ich will einen ganzen Kessel Kaffee haben und allen -Kaffeekuchen, den du hast! Ja, so sagt er. Wollt Ihr seinen Koffer -sehen? - -Sie gingen in den Gang hinaus und betrachteten den Koffer. Ein wahres -Weltwunder, glänzte auf allen Seiten von Metall und Beschlägen, mit -drei Schnappschlössern dran, noch außer dem eigentlichen Schloß. -- -Diebssicher! sagte Brede, wie wenn er den Versuch gemacht hätte. - -Sie gingen wieder ins Zimmer hinein, aber Eleseus war still geworden. -Dieser Mann aus dem Oberdorf machte ihn völlig zunichte, der trat -auf Reisen wie der größte Beamte auf; Brede war augenscheinlich ganz -von diesem Menschen erfüllt. Eleseus verlangte noch mehr Kaffee und -versuchte auch reich zu tun; er verlangte Kuchen zu seinem Kaffee und -fütterte den Hund damit. Ach ja, aber er fühlte sich dennoch gering -und niedergeschmettert. Was war sein eigener Koffer diesem Wunderwerk -gegenüber? Da stand er, schwarzes Wachstuch, die Ecken verstoßen -und weiß geworden, ein Handkoffer -- bei Gott, er wollte sich einen -prachtvollen Koffer kaufen, wenn er hinunterkam -- paßt nur auf! Gebt -doch dem Hund nichts! sagte Brede. -- Aber Eleseus war wieder ein -bißchen Mensch geworden und spielte sich auf. Das ist einmal ein riesig -fetter Hund! sagte er. - -Von dem einen Gedanken kam er auf den andern, er brach die Unterhaltung -mit Brede ab und ging hinaus, ging in den Schuppen zu dem Pferd. Dort -machte er den Brief auf, den er in der Tasche hatte. Er hatte ihn nur -eingesteckt und nicht nachgesehen, wieviel Geld er enthielt; er hatte -solche Briefe von zu Hause schon öfters erhalten, und es waren immer -verschiedene Geldscheine darin gewesen, eine Beisteuer zu der Reise. -Was war aber jetzt das? Ein großes Stück graues Papier, über und über -bemalt von der kleinen Rebekka für ihren lieben Bruder Eleseus, dabei -ein Briefchen von der Mutter. Was sonst noch? Nichts mehr. Kein Geld. - -Die Mutter schrieb, sie habe den Vater nicht mehr um Geld bitten -können, denn es sei jetzt von dem Reichtum, den sie seinerzeit für den -Kupferberg bekommen hätten, nicht mehr viel übrig. Das Geld sei für den -Ankauf von Storborg und seither für alle die Waren und für die vielen -Reisen draufgegangen. Nun müsse er versuchen, sich das Geld für die -Reise diesmal selbst zu beschaffen, denn das Geld, das jetzt noch da -sei, müßten seine Geschwister bekommen, die dürften auch nicht ganz -leer ausgehen. Glückliche Reise und herzliche Grüße! - -Kein Geld. - -Eleseus hatte selbst nicht genug Geld für die Reise, er hatte seine -Ladenkasse umgekehrt, aber nicht viel darin gefunden. Ach, wie dumm war -er gewesen; er hatte erst neulich seinem Lieferanten in Bergen einen -Geldbrief geschickt und einige Rechnungen bezahlt. Das hätte warten -können. Natürlich war es auch allzu sorglos von ihm gewesen, sich auf -den Weg zu machen, ohne vorher den Brief zu öffnen, da hätte er sich -die Wagenfahrt ins Dorf mit seinem elenden Koffer sparen können. Jetzt -stand er da ... - -Der Vater kam vom Schmied zurück mit wohlgelungener Besorgung: Jensine -wollte morgen mit ihm kommen. Seht, Jensine war durchaus nicht -querköpfig gewesen und hatte sich nicht lange bitten lassen, sie hatte -sofort begriffen, daß man auf Sellanraa eine Hilfe für die Sommerarbeit -brauchte und hatte nichts dagegen, wiederzukommen. Wieder ein glatter -Bescheid. - -Während der Vater erzählt, denkt Eleseus über seine eigenen -Angelegenheiten nach. Er zeigt dem Vater den Koffer des Amerikaners und -sagt: Ich wäre froh, wenn ich da stünde, wo dieser Koffer hergekommen -ist! -- Und der Vater erwidert: Ja, das wäre noch nicht das schlimmste -... - -Am nächsten Morgen macht sich der Vater zur Heimfahrt bereit; er -frühstückt, spannt an und fährt beim Schmied vor, um Jensine und ihre -Truhe abzuholen. Eleseus sieht ihnen lange nach, und als der Wagen im -Walde verschwunden ist, bezahlt er in der Herberge und gibt wieder ein -Trinkgeld. Laß meinen Koffer da stehen, bis ich zurückkomme, sagt er zu -Katrine und geht fort. - -Wo geht Eleseus hin? Er hat nur einen Ort, wo er hingehen kann, er -dreht um, er muß in sein Heim zurückkehren. Er nimmt den Weg hinauf -unter die Füße und gibt sich Mühe, dem Vater und Jensine so nahe als -möglich zu bleiben, ohne von ihnen gesehen zu werden. Er geht und -geht, und jetzt fängt er wirklich an, jeden einzelnen Ödlandbauern zu -beneiden. - -Es ist schade um Eleseus, er ist vom Leben so verdreht worden. - -Betreibt er denn nicht auf Storborg einen Kaufladen? Jawohl, aber -dort Herr zu sein, das will doch gar nichts heißen, er macht zu viele -vergnügliche Reisen, um Geschäftsverbindungen anzuknüpfen, die kosten -zuviel, er reist nicht billig. Nur nicht kleinlich sein! sagt Eleseus -und gibt zwanzig Öre Trinkgeld, wo zehn auch genug wären. Diesen -flotten Herrn kann sein Geschäft nicht erhalten, er braucht Zuschuß von -zu Hause. Jetzt erntet man auf Storborg Kartoffeln, Heu und Korn für -den Haushalt, aber der Belag aufs Brot muß von Sellanraa kommen. Ist -das alles? Sivert muß alle Waren umsonst von der Küste herauffahren. -Ist das jetzt alles? Die Mutter muß ihm vom Vater das Geld zu seinen -Reisen verschaffen. Ist das jetzt alles? - -Das Schlimmste kommt noch. - -Eleseus betreibt sein Geschäft wie ein Narr. Er fühlt sich so -geschmeichelt, wenn die Leute aus dem Dorf zu ihm heraufkommen, um -einzukaufen, daß er ihnen gern auf Borg gibt. Und als das einmal -bekannt wird, kommen mehr und immer mehr und kaufen auf Borg; Eleseus -ist entgegenkommend und borgt, sein Laden wird leer und füllt sich -wieder. Das alles kostet Geld. Wer bezahlt? Der Vater. - -Im Anfang war die Mutter seine gläubige Fürsprecherin: Eleseus sei der -helle Kopf in der Familie, man müsse ihm ordentlich vorwärts helfen. -Bedenke nur, wie billig er Storborg bekommen hat, und wie er gleich -haarscharf sagte, was er dafür geben wolle! Wenn der Vater meinte, -Eleseus' Geschäft sei allmählich die reine Komödie, so erwiderte seine -Mutter: Was ist das für ein Geschwätz! und sie gebrauchte so deutliche -Redensarten, daß es war, als sei der gute Isak Eleseus gegenüber doch -gar zu familiär geworden. - -Seht, die Mutter war selbst weggewesen und hatte Reisen gemacht, sie -begriff, daß Eleseus hier im Ödland nicht recht gedeihen konnte, er war -an feinere Sitten gewöhnt, hatte sich in allerlei Gesellschaftskreisen -bewegt, und hier fehlten ihm Ebenbürtige. Allerdings, er borgte armen -Leuten zuviel; aber das tat Eleseus nicht aus Bosheit und um seine -Eltern zu ruinieren, er tat es aus guter und vornehmer Veranlagung, -er hatte den Drang, den Leuten, die unter ihm standen, zu helfen. -Du liebe Zeit, er war der einzige Mensch im Ödland mit einem weißen -Taschentuch, das fortwährend gewaschen werden mußte. Wenn sich die -Leute vertrauensvoll an ihn wandten und um Kredit baten und er hätte -nein gesagt, so hätte das mißverstanden werden können, als sei er -nicht der ausgezeichnete Mensch, für den er galt. Außerdem hatte er -auch Pflichten als der Städter und das Genie unter den Bewohnern des -Ödlandes. - -Dies alles zog die Mutter wohl in Betracht. - -Aber der Vater, der davon keinen Deut begriff, öffnete ihr eines Tages -die Augen und die Ohren und sagte: Sieh her, das ist jetzt der Rest von -dem Geld für das Kupferbergwerk. -- So, so, sagte sie. Und wo ist denn -das andere hingekommen? -- Das hat alles Eleseus bekommen. -- Dann soll -er endlich einmal seinen Verstand gebrauchen! - -Armer Eleseus, er ist zerfahren und verpfuscht. Er hätte Ödlandbauer -bleiben sollen, jetzt ist er ein Mensch, der Buchstaben zu schreiben -gelernt hat, er hat keinen Unternehmungsgeist, keine Tiefe. Aber ein -kohlschwarzer Teufelskerl ist er auch nicht, er ist nicht verliebt und -nicht ehrgeizig, er ist eigentlich gar nichts, nicht einmal ein großer -Übeltäter. - -Der junge Mann hatte etwas Unglückliches, etwas Verurteiltes an -sich, wie wenn er in seinem Innern Schaden genommen hätte. Der gute -Bezirksingenieur aus der Stadt hätte ihn lieber in seiner Jugend -nicht entdecken, ihn nicht zu sich nehmen und nicht etwas aus ihm -machen sollen, da wurden dem Kinde die Wurzeln abgerissen, und es fuhr -schlecht dabei. Alles, was er jetzt vornimmt, läßt einen Schaden bei -ihm erkennen, etwas Dunkles auf hellem Grunde ... - -Eleseus geht und geht. Die beiden auf dem Wagen sind an Storborg -vorbeigefahren. Eleseus macht einen Bogen darum herum und wandert auch -an Storborg vorbei; was sollte er daheim in seinem Kaufladen? Die zwei -auf dem Wagen kamen mit Anbruch der Nacht auf Sellanraa an, Eleseus -ist ihnen dicht auf den Fersen. Er sieht, daß Sivert auf den Hofplatz -herauskommt und verwundert Jensine betrachtet; die beiden geben -einander die Hand und lachen ein wenig, dann nimmt Sivert das Pferd am -Zügel und führt es in den Stall. - -Jetzt wagt sich auch Eleseus hervor, er, der Stolz der Familie wagt -sich hervor. Er geht nicht, er schleicht, er trifft Sivert im Stall. -Ich bin's nur, sagt er. -- Was, du bist auch da? ruft Sivert und ist -von neuem verwundert. - -Die beiden Brüder reden leise miteinander, es handelt sich darum, ob -Sivert wohl die Mutter dazu bringen kann, Geld herbeizuschaffen, eine -Rettung, Reisegeld. So wie jetzt könne es nicht weitergehen. - -Eleseus habe es jetzt satt, er habe schon oft daran gedacht, und heute -nacht solle es nun geschehen, eine lange Reise, Amerika, jetzt in -dieser Nacht noch. -- Amerika! sagt Sivert laut. -- Pst! Ich habe schon -oft daran gedacht, jetzt mußt du die Mutter dazu bringen, es geht so -nicht weiter, ich habe schon oft daran gedacht. -- Aber Amerika! sagt -Sivert. Nein, das darfst du nicht tun. -- Unbedingt! Ich gehe auf der -Stelle wieder zurück, ich erreiche das Postschiff noch. -- Du wirst -doch wohl vorher etwas essen? -- Ich bin nicht hungrig. -- Willst du -nicht ein wenig schlafen? -- Nein. - -Sivert will seinem Bruder wohl und sucht ihn zurückzuhalten, allein -Eleseus ist standhaft, zum erstenmal standhaft. Sivert ist ganz -verwirrt, zuerst, als er Jensine sah, war ihm schon ein wenig sonderbar -zumut geworden, und nun will Eleseus das Ödland vollständig verlassen, -sozusagen diese Welt verlassen. -- Was willst du mit Storborg anfangen? -fragt er. -- Andresen kann es haben, antwortet Eleseus. -- Andresen -kann es haben, wieso denn? -- Bekommt er denn nicht Leopoldine? -- Das -weiß ich nicht. Doch das kann wohl sein. - -Sie reden und reden immer leise weiter. Sivert meinte, es wäre am -besten, wenn der Vater selbst herauskäme, so daß Eleseus mit ihm reden -könnte; aber nein, nein! flüstert Eleseus zurück. Nein, das könne -er nicht; er hat es noch nie vermocht, Gefahren von solcher Art ins -Angesicht zu schauen, er hat stets einen Vermittler nötig gehabt. -Sivert sagt: Du weißt ja, wie die Mutter ist. Mit ihr kommst du nicht -weiter vor lauter Tränen und Zuständen, sie darf es nicht wissen. -- -Nein, sagt auch Eleseus, sie darf es nicht wissen. - -Sivert geht ins Haus, er bleibt eine Ewigkeit weg und kommt mit Geld -zurück, mit viel Geld. Da sieh her, das ist alles, was er hat; meinst -du, es sei genug? Zähl nach, er hat das Geld nicht gezählt. -- Was -hat der Vater gesagt? -- Er hat nicht viel gesagt. Jetzt mußt du noch -einen Augenblick warten, ich zieh nur noch etwas an und komme mit dir. --- Das darfst du nicht, du mußt schlafen gehen. -- So? Fürchtest du -dich vielleicht, wenn du in der Dunkelheit eine Weile allein im Stall -bleiben sollst? fragt Sivert mit einem schwachen Versuch zu scherzen. - -Er bleibt nur einen Augenblick weg, kommt fertig angezogen zurück -und bringt auch des Vaters Rucksack mit dem Mundvorrat mit. Wie sie -hinausgehen, steht plötzlich der Vater vor ihnen: Was höre ich, du -willst so weit fort? sagt er. -- Ja, erwiderte Eleseus, aber ich komme -wieder. -- Ach, ich steh nur da und halte dich auf, murmelt der Alte -und kehrt um. Glückliche Reise! ruft er noch mit sonderbar heiserer -Stimme zurück und geht rasch seines Weges. - -Die Brüder wandern zusammen den Weg hinunter, und nach einer Weile -setzen sie sich und essen. Eleseus ist hungrig, er kann kaum gesättigt -werden. Es ist die herrlichste Frühlingsnacht, auf allen Hügeln balzen -die Auerhähne, und dieser heimische Laut macht den Auswanderer einen -Augenblick verzagt. Es ist schönes Wetter, sagt er. Aber jetzt mußt du -umdrehen, Sivert. -- So, sagt Sivert und geht weiter. -- Sie kommen -an Storborg vorbei, an Breidablick vorbei, die Auerhähne balzen auf -dem ganzen Weg auf dem und jenem Hügel; es ist keine Hornmusik wie in -den Städten, nein, aber es sind Stimmen, das öffentliche Aufgebot, das -den Frühling verkündigt. Plötzlich hören sie den ersten Singvogel vom -Gipfel eines Baumes, er weckt auch andere, sie fragen und antworten von -allen Seiten, das ist mehr als ein Gesang, das ist ein Lobgesang. Der -Auswanderer fühlt etwas Heimweh in sich aufsteigen, etwas Hilfloses, er -soll nach Amerika, niemand ist dazu so reif wie er. -- Aber jetzt mußt -du umkehren, Sivert, sagt er. -- Ja, erwiderte der Bruder, da du es -durchaus willst. - -Sie setzen sich am Waldrand nieder und sehen das Dorf vor sich liegen, -den Kaufladen, den Landungsplatz, Bredes Herberge. Beim Postschiff -laufen einige Leute hin und her und machen sich zur Abreise fertig. - -Ich habe keine Zeit mehr, noch länger hier sitzenzubleiben, sagt -Eleseus und steht wieder auf. -- Es ist recht schade, daß du so weit -fortgehst, sagt Sivert. -- Eleseus erwidert: Aber ich komme wieder. Und -dann reise ich nicht bloß mit einem Wachstuchkoffer. - -Als sie einander Lebewohl sagen, steckt Sivert dem Bruder ein kleines -Ding zu, etwas, das in Papier gewickelt ist. -- Was ist das? fragt -Eleseus. -- Sivert entgegnet: Schreib auch fleißig! dann geht er. - -Eleseus macht das Papier auf und sieht nach: es ist das Goldstück, die -zwanzig Kronen in Gold. -- Nein, das sollst du mir nicht geben! ruft -er dem Bruder nach. -- Aber Sivert geht weiter. - -Er geht eine Weile, dann dreht er um und setzt sich wieder am Waldrand -nieder. Um das Postschiff her wird es immer lebhafter, er sieht, wie -die Leute an Bord gehen, auch sein Bruder geht an Bord, und das Schiff -fährt ab. Da reist Eleseus nach Amerika. - -Er kam niemals wieder. - - - - -12 - - -Ein merkwürdiger Zug kommt nach Sellanraa herauf, vielleicht als Zug -ein bißchen lächerlich, aber doch nicht nur lächerlich: es sind drei -Männer mit ungeheuren Lasten auf dem Rücken, mit Säcken, die ihnen -über die Brust und den Rücken herunterhängen. Sie gehen im Gänsemarsch -und rufen einander Scherzworte zu, aber sie haben schwer zu tragen. -Der kleine Ladendiener Andresen geht als erster im Zug, übrigens ist -es auch sein Zug; er hat sich selbst, Sivert von Sellanraa und einen -dritten, Fredrik Ström von Breidablick, zu diesem Zug ausgerüstet. Ein -verfluchter kleiner Kerl, dieser Ladendiener Andresen; seine Schultern -sind fast bis zur Erde gebeugt, und seine Jacke ist ihm vom Hals -heruntergezerrt, aber er schleppt, er schleppt seine Last. - -Er hat nicht einfach Storborg und den Kaufladen gekauft, dazu hat er -kein Geld, lieber wartet er eine Weile und bekommt dann vielleicht -alles umsonst. Andresen ist kein unbrauchbarer Mensch, er hat -einstweilen Storborg gepachtet und betreibt den Handel weiter. - -Er hat den ganzen Warenvorrat durchgesehen und da eine Menge -unverkäuflicher Sachen vorgefunden, von Zahnbürsten an bis zu -gestickten Tischläufern, ja, bis zu kleinen Vögeln auf Drähten, die -„piep” sagten, wenn man sie an der richtigen Stelle klemmte. - -Mit all diesen Waren ist er jetzt auf die Wanderschaft gezogen, er will -sie an die Grubenarbeiter jenseits des Berges verkaufen. Er hat von -Aronsens Tagen her Erfahrung darin, daß Grubenarbeiter mit Geld in der -Hand alles in der Welt kaufen. Jetzt ärgert er sich nur darüber, daß er -sechs Schaukelpferde, die Eleseus auf seiner letzten Reise nach Bergen -eingekauft hatte, zurücklassen mußte. - -Die Karawane kommt in den Hofraum von Sellanraa herein, und die Männer -legen ihre Lasten ab. Sie ruhen nicht lange; nachdem sie Milch zu -trinken bekommen und zum Spaß ihre Waren allen Leuten auf dem Hof -angeboten haben, nehmen sie ihre Lasten wieder auf und gehen weiter. -Sie sind nicht bloß zum Scherz ausgezogen. In südlicher Richtung durch -den Wald schwanken sie mit ihrer Last weiter. - -Sie gehen bis zur Mittagszeit, essen zu Mittag und wandern dann weiter, -bis es Abend wird. Dann machen sie ein Feuer an, lagern sich und -schlafen eine Weile. Sivert schläft sitzend auf einem Stein, den er -seinen Polsterstuhl nennt. Ja, Sivert versteht sich auf das Leben im -Ödland, die Sonne hat den ganzen Tag auf den Stein gebrannt, und es -ist gut darauf zu sitzen und zu schlafen. Seine Kameraden sind nicht -so erfahren und nehmen auch keinen guten Rat an, sie legen sich ins -Heidekraut und wachen frierend und niesend auf. Dann frühstücken sie -und gehen weiter. - -Jetzt fangen sie an, die Ohren zu spitzen, ob sie keine Schüsse hören, -und sie hoffen, im Laufe des Tages auf Leute zu stoßen und an die -Gruben zu kommen. Die Arbeit kann inzwischen wohl von der See her weit -in der Richtung auf Sellanraa zu vorgerückt sein. Sie hören keinen -Schuß. Sie gehen bis zur Mittagszeit und begegnen keinem Menschen, aber -sie kommen von Zeit zu Zeit an großen Löchern in der Erde vorbei, die -die Leute zur Probe gegraben haben. Wie hängt das zusammen? Es muß -wohl so sein, daß das Erz auf dieser Seite des Berges ganz überaus -reich ist; es wird also im reinen, schweren Kupfer gearbeitet, und die -Arbeiter rücken von der See her kaum vor. - -Nachmittags stoßen sie auf noch mehr Gruben, aber immer noch keine -Menschen; sie gehen weiter bis zum Abend und erblicken schon das Meer -unter sich, sie wandern durch ein Ödland von verlassenen Gruben und -vernehmen keinen einzigen Schuß. Das ist doch gar zu merkwürdig, aber -sie müssen noch einmal ein Feuer machen und sich wieder für die Nacht -lagern. Sie beraten: Ist die Arbeit hier zu Ende? Sollen sie mit ihren -Lasten wieder umkehren? Kein Gedanke! sagt der Ladendiener Andresen. - -Am nächsten Morgen kommt ein Mann an ihr Lager, ein blasser und -vergrämter Mann, der die Brauen runzelt, die Leute betrachtet, sie -mustert. Bist du das, Andresen? fragt er. Es ist Aronsen, der Kaufmann -Aronsen; er hat nichts dagegen, von der Karawane Kaffee und etwas zu -essen zu bekommen, und läßt sich bei den Männern nieder. Ich hab' -euern Rauch gesehen und wollte ergründen, was das sei, erklärt er. Ich -dachte: du wirst sehen, sie nehmen Vernunft an und beginnen wieder mit -der Arbeit! Und nun seid nur ihr es! Wo wollt ihr hin? -- Wir wollen -hierher. -- Was habt ihr in euren Säcken? -- Waren! -- Waren? schreit -Aronsen. Wollt ihr hier Waren verkaufen? Hier wohnt niemand. Sie sind -am Samstag abgezogen. -- Wer ist abgezogen? -- Alle miteinander. Hier -ist alles leer und verlassen. Und außerdem hab' ich Waren genug; den -ganzen Laden voll. Ihr könnt bei mir kaufen. - -Ach, nun ist der Kaufmann Aronsen wieder übel daran, mit dem -Grubenbetrieb ist es zu Ende! - -Sie beruhigen ihn mit noch etwas mehr Kaffee und fragen ihn dann aus. - -Aronsen schüttelt ganz zerschmettert den Kopf: Es ist nicht zu sagen, -es ist ganz unbegreiflich! sagt er. Alles war sehr gut gegangen, er -hatte Waren verkauft und viel Geld eingenommen, das ganze Kirchspiel -rund umher blühte und konnte sich weiße Grütze, ein neues Schulhaus -und Lampen mit Prismen dran und städtisches Schuhwerk leisten. Da -fanden die Herren plötzlich, daß es sich nicht mehr lohne, und sie -machten Schluß. Lohnte es sich wirklich nicht mehr? Es hatte sich doch -seither gelohnt, nicht wahr? Kam denn nicht das Kupfererz bei jeder -Sprengung zutage? Das war einfach Betrug. Und sie bedenken nicht, daß -sie damit einen Mann wie mich in die größten Ungelegenheiten bringen, -sagte Aronsen. Aber es ist wohl so, wie behauptet wird, daß der Geißler -wieder an allem schuld ist. Er ist genau in dem Augenblick gekommen, -als die Arbeit stillgelegt wurde; es ist gerade, als ob er es gerochen -hätte! - -Ist Geißler hier? - -Ob er hier ist! Er gehört erschossen! Er kam eines Tages mit dem -Postschiff an und fragte den Ingenieur: Nun, wie geht's? -- Gut, soviel -ich weiß, antwortet der Ingenieur. Aber der Geißler fragte nun noch -einmal: So, es geht also gut? -- Ja, könnte nicht besser gehen, soviel -ich weiß! erwiderte der Ingenieur. Na, ich danke! Als die Post geöffnet -wurde, war ein Brief und ein Telegramm an den Ingenieur dabei, daß sich -die Arbeit nicht mehr lohne, er solle Schluß machen. - -Die Teilnehmer der Karawane schauen einander an; aber der Führer, der -schlaue Kerl Andresen, hat den Mut augenscheinlich noch nicht verloren. --- Kehrt nur wieder um! rät Aronsen. -- Das tun wir nicht, sagt -Andresen und packt den Kaffeekessel ein. -- Aronsen starrt alle drei -einen nach dem andern an. Ihr seid verrückt! sagt er. - -Seht, der Ladendiener Andresen kümmert sich nicht sehr um seinen -früheren Herrn, jetzt ist er selbst Herr, er hat diesen Zug in ferne -Gaue ausgerüstet, er würde an Ansehen einbüßen, wenn er hier auf dem -Berge umkehrte. -- Aber wo wollt ihr denn hin? fragt Aronsen erbittert. --- Das weiß ich nicht, sagt Andresen. Aber er hat doch wohl seine -Absicht, er denkt vielleicht an die Eingeborenen: daß er hier drei Mann -stark mit Glasperlen und Fingerringen herkommt. -- Kommt, wir wollen -gehen! sagt er zu seinen Kameraden. - -Nun hatte sich Aronsen eigentlich diesen Morgen länger draußen -aufhalten wollen; da er einmal unterwegs war, wollte er vielleicht -nachsehen, ob wirklich alle Gruben verlassen seien, ob es wahr sei, daß -alle Menschen fort waren. Aber da diese Hausierer so eigensinnig sind -und weiter wollen, wird er eigentlich an seinem Vorhaben gehindert, -er muß ihnen immer und immer wieder von ihrem Weitermarsch abreden. -Aronsen ist rasend, er geht vor der Karawane her den Berg hinunter, -er dreht sich immer im Kreise und schreit ihnen zu, hält sie auf, er -verteidigt sein Gebiet. So kommen sie zu der Barackenstadt hinunter. - -Da sieht es leer und trostlos aus. Die wichtigsten Geräte und Maschinen -sind unter Dach gebracht, aber Balken, Bretter, zerbrochene Wagen, -Kisten und Fässer liegen überall umher. An einigen Häusern prangt ein -Plakat, das den Zutritt verbietet. - -Da seht ihr! ruft Aronsen. Nirgends ein Mensch! Wo wollt ihr denn hin? -Und er droht der Karawane mit großem Unheil und mit dem Lensmann; er -selbst wolle sie Schritt für Schritt begleiten und zusehen, ob sie -nicht ungesetzliche Waren verkauften. Darauf stehe Zuchthaus und die -Galeeren, bom konstant. - -Plötzlich wird Sivert von jemand angerufen. Die Stadt ist also doch -nicht völlig verlassen, nicht ganz ausgestorben. Ein Mann an einer -Hausecke winkt ihnen. Sivert schwankt mit seiner Last auf ihn zu und -erkennt sofort, wer es ist: Es ist Geißler. - -Ein merkwürdiges Zusammentreffen! sagt Geißler. Er hat ein blühend -rosiges Gesicht, aber seine Augen scheinen in der hellen Frühlingssonne -Schaden gelitten zu haben, denn er trägt einen grauen Zwicker. Er -spricht lebhaft wie immer. Ein glückliches Zusammentreffen! sagt -er. Das spart mir den Weg nach Sellanraa, ich habe so viel zu -besorgen. Wie viele Ansiedlungen sind jetzt dort auf der Allmende? -- -Zehn. -- Zehn Ansiedlungen? Das gefällt mir, da bin ich zufrieden. -Zweiunddreißigtausend solche Männer wie dein Vater sollten im Lande -sein, ich hab' es ausgerechnet! sagt er und nickt dazu. - -Kommst du, Sivert? ruft die Karawane. -- Geißler horcht auf und -antwortet rasch: Nein! -- Ich komme nach! ruft Sivert und legt seine -Last ab. - -Die beiden setzen sich und reden zusammen; über Geißler ist der Geist -gekommen, und er schweigt nur, sooft Sivert eine kurze Antwort gibt, -dann legt er wieder los: Ein ganz einzigartiges Zusammentreffen! Ich -komme gar nicht davon weg! Meine ganze Reise ist so ausgezeichnet -verlaufen, und nun treffe ich dich auch noch hier und kann mir -den Umweg über Sellanraa sparen! Wie geht's zu Hause? -- Dank -der Nachfrage. -- Habt ihr schon den Heuboden auf dem steinernen -Stallgebäude aufgeschlagen? -- Ja. -- Ja, ich bin sehr überlastet, die -Geschäfte wachsen mir allmählich über den Kopf. Sieh dir doch einmal -an, wo wir jetzt sitzen, lieber Sivert! Auf der Ruine einer Stadt. Die -haben nun die Menschen ihrem eigenen Vorteil gerade entgegen aufgebaut. -Eigentlich bin ich die Ursache von dem allem, das heißt, ich bin einer -der Vermittler in einem kleinen Komödienspiel des Schicksals. Es hat -damit angefangen, daß dein Vater im Gebirge einige Steine fand und -dich damit spielen ließ, als du noch ein Kind warst. Damit hat es -angefangen. Ich wußte es ganz genau, daß diese Steine nur den Wert -hatten, den die Menschen ihnen beilegten; gut, ich setzte einen Preis -dafür fest und kaufte sie. Von da an gingen die Steine von Hand zu Hand -und plünderten die Leute aus. Die Zeit verging. Vor einigen Tagen bin -ich hier heraufgekommen, und weißt du, was ich hier will? Die Steine -wieder zurückkaufen! - -Geißler schweigt und schaut Sivert an. Dabei fällt ihm auch der große -Sack in die Augen, und er fragt plötzlich: Was hast du da? -- Waren -antwortet Sivert. Wir wollen damit hinunter ins Kirchspiel. - -Geißler bezeigt keine besondere Teilnahme für diese Antwort, er hat sie -vielleicht gar nicht gehört, er fährt fort: Ich will also die Steine -zurückkaufen. Das letztemal ließ ich meinen Sohn verkaufen, der ist ein -junger Mann deines Alters und weiter nichts. Er ist der Blitz in der -Familie, ich bin der Nebel. Ich gehöre zu denen, die das Rechte wissen, -aber es nicht tun. Er ist der Blitz, zurzeit hat er sich in den Dienst -der Industrie gestellt. Er hat das letztemal in meinem Namen verkauft. -Ich bin etwas, aber er ist nichts; er ist nur der Blitz, der rasche -Mann der Gegenwart. Aber der Blitz als solcher ist unfruchtbar. Nehmen -wir einmal euch Leute auf Sellanraa. Ihr seht alle Tage blaue Berge -vor euch; das sind keine erfundenen Dinge, das sind alte Berge, die -stehen da seit alter grauer Vorzeit, aber sie sind eure Kameraden. So -geht ihr zusammen mit Himmel und Erde, seid eins mit ihnen, seid eins -mit dieser Weite und seid bodenständig. Ihr braucht kein Schwert in der -Faust, ihr geht unbewehrten Hauptes und mit unbewehrter Faust durchs -Leben, umgeben von großer Freundlichkeit. Sieh, da ist die Natur, sie -gehört dir und den Deinen. Der Mensch und die Natur bekämpfen einander -nicht, sie geben einander recht, sie treten nicht in Wettbewerb, laufen -nicht um die Wette irgendeinem Vorteil nach, sie gehen Hand in Hand. -Mittendrin geht ihr Leute auf Sellanraa und gedeiht. Die Berge, der -Wald, die Moore, die Matten, der Himmel und die Sterne -- ach, das -alles ist nicht armselig und karg zugemessen, das ist ohne alles Maß! -Hör auf mich, Sivert, sei zufrieden mit deinem Los! Ihr habt alles, -was ihr zum Leben braucht, alles, wofür ihr lebt; ihr werdet geboren -und erzeugt neue Geschlechter, ihr seid notwendig auf der Erde. Das -sind nicht alle, aber ihr seid es: notwendig auf der Erde. Ihr erhaltet -das Leben. Bei euch folgt ein Geschlecht dem andern, wenn das eine -stirbt, tritt das nächste an seine Stelle. Das eben ist unter dem -ewigen Leben zu verstehen. Und was habt ihr dafür? Ein Dasein in Recht -und Gerechtigkeit, ein Dasein in wahrer und aufrichtiger Stellung zu -allem. Was habt ihr weiter dafür? Nichts unterjocht und beherrscht -euch Leute von Sellanraa, ihr habt Ruhe und Macht und Gewalt, ihr seid -umschlossen von der großen Freundlichkeit. Das habt ihr dafür. Ihr -liegt an einem warmen Busen und spielt mit einer weichen Mutterhand -und trinkt euch satt. Ich denke an deinen Vater, er ist einer von den -zweiunddreißigtausend. Was ist so mancher andere? Ich bin etwas, ich -bin der Nebel, ich bin hier und ich bin dort, ich woge hin und her, -zuweilen bin ich der Regen auf einer dürren Stätte. Aber die anderen? -Mein Sohn ist der Blitz, der eigentlich nichts ist, ein nutzloses -Aufleuchten, er kann Handel treiben. Mein Sohn ist der Typus des -Menschen unserer Zeit, er glaubt aufrichtig an das, was die Zeit ihn -gelehrt hat, was der Jude und der Yankee ihn gelehrt haben; ich jedoch -schüttle den Kopf dazu. Aber ich bin nichts Geheimnisvolles, nur in -meiner eigenen Familie bin ich der Nebel, da sitze ich und schüttle den -Kopf. Die Sache ist die, mir fehlt die Gabe zu einem reuelosen Handeln. -Hätte ich diese Gabe, dann könnte ich selbst der Blitz sein. So bin ich -der Nebel. - -Plötzlich kommt Geißler gleichsam wieder zu sich und fragt: Habt ihr -den Heuboden auf eurem steinernen Stallgebäude aufgeschlagen? -- Ja. -Und der Vater hat auch noch ein Wohnhaus gebaut. -- Noch ein Wohnhaus? --- Ja, für den Fall, daß jemand kommt, sagt er, für den Fall, daß der -Geißler kommt, sagt er. -- Geißler denkt darüber nach und erklärt: Dann -muß ich gewiß kommen. Doch, dann komm ich, sag das deinem Vater. Aber -ich habe so viele Geschäfte. Jetzt bin ich hier heraufgekommen und habe -zu dem Ingenieur gesagt: Grüßen Sie die Herren in Schweden und sagen -Sie, ich sei Käufer. Und nun müssen wir sehen, was daraus wird. Mir -ist es einerlei, ich habe keine Eile. Du hättest den Ingenieur sehen -sollen! Er hat hier den Betrieb im Gang gehalten mit Menschen und -Pferden und Geld und Maschinen und allem Zeug, er glaubte das Rechte -zu tun, er wußte es nicht anders. Er meint, je mehr Steine er zu Geld -mache, desto besser sei es und er tue etwas Verdienstvolles damit, daß -er dem Kirchspiel, daß er dem Lande Geld verschafft, es rast mit ihm -immer mehr dem Untergang entgegen, und er merkt es nicht. Nicht Geld -braucht das Land, das Land hat Geld mehr als genug. Solche Männer, wie -dein Vater einer ist, davon hat es nicht genug. Wenn man bedenkt, daß -sie das Mittel zum Zweck machen und stolz darauf sind! Sie sind krank -und verrückt, sie arbeiten nicht, sie kennen den Pflug nicht, sie -kennen nur den Würfel. Haben sie denn keine Verdienste? sie reiben sich -ja auf mit ihrer Narretei. Sieh sie an, setzen sie denn nicht ihr alles -ein? Der Fehler dabei ist nur, daß dieses Spiel nicht Übermut ist, -nicht einmal Mut, es ist Schrecken. Weißt du, was Glücksspiel ist? Es -ist Angst, die einem den Schweiß auf die Stirne treibt, das ist es. Der -Fehler ist, daß sie nicht im Takt mit dem Leben schreiten wollen, sie -wollen rascher gehen als das Leben, sie jagen, sie treiben sich selbst -wie Keile ins Leben hinein. Aber dann sagen ja ihre Flanken -- halt, -es knackt, such einen Ausweg, halt inne, die Flanken! Dann zerbricht -sie das Leben, höflich, aber bestimmt. Und dann beginnen die Klagen -über das Leben, das Toben gegen das Leben. Jeder nach seinem Gefallen, -einige haben wohl Grund zur Klage, andere nicht, aber niemand sollte -gegen das Leben toben. Man sollte das Leben nicht hart und streng -und gerecht beurteilen, man sollte barmherzig gegen es sein und es -verteidigen: bedenke doch, mit welchen Mitspielern das Leben sein Spiel -spielen muß! - -Geißler kommt wieder zu sich und sagt: Wir wollen das auf sich -beruhen lassen. Er ist augenscheinlich müde, er gähnt. Willst du -hinunter? fragt er. -- Ja. -- Das eilt nicht. Du bist mir noch einen -weiten Gang über die Berge schuldig, lieber Sivert, weißt du noch? -Ich erinnere mich noch an alles und jedes. Ich erinnere mich noch, -wie ich anderthalb Jahre alt war: da stand ich schwankend auf der -Scheunenbrücke auf dem Hof Garmo in Lom und roch einen bestimmten -Geruch. Diesen Geruch kenne ich immer noch. Aber wir wollen auch das -auf sich beruhen lassen. Wir hätten jetzt den Gang über die Berge -machen können, wenn du nicht den Sack da tragen müßtest. Was hast du in -dem Sack? -- Waren. Andresen will sie verkaufen. -- Ich bin also ein -Mann, der das Richtige weiß, aber es nicht tut, sagt Geißler. Das ist -buchstäblich zu verstehen. Ich bin der Nebel. An einem der nächsten -Tage kaufe ich vielleicht den Berg wieder, das ist gar nicht unmöglich. -Aber in diesem Falle stelle ich mich nicht hin, schaue in die Luft -und sage: Luftbahn, Südamerika! Das ist etwas für Glücksspieler. Die -Leute hier meinen, ich sei der leibhaftige Teufel, weil ich wußte, daß -es hier einen Krach geben werde. Aber es ist nichts Geheimnisvolles -an mir, die ganze Sache ist sehr einfach: die neuen Kupferlager in -Montana. Die Yankees sind schlauere Spieler als wir, die schlagen uns -mit ihrem Wettbewerb in Südamerika tot. Unser Erz ist zu arm. Mein -Sohn ist der Blitz, er hörte ein Vögelchen davon singen, da bin ich -hergeschwommen. So einfach ist es. Ich war nur den Herren in Schweden -ein paar Stunden voraus, das ist alles. - -Geißler gähnt wieder, steht auf und sagt: Wenn du hinunter willst, so -wollen wir jetzt gehen. - -Sie gehen miteinander den Berg hinunter, Geißler stapft hinterdrein und -ist schlapp und müde. Die Karawane hat am Landungsplatz haltgemacht, -der muntere Fredrik Ström ist dabei, Aronsen steigen zu lassen. Ich -habe keinen Tabak mehr, habt ihr Tabak? -- Ich werde dir Tabak geben! -ruft Aronsen. -- Fredrik lacht und tröstet ihn: Nehmt es doch nicht -so schwer, Aronsen! Wir wollen jetzt nur diese Waren vor Euren Augen -verkaufen, dann gehen wir wieder heim. -- Halt deinen ungewaschenen -Mund! ruft Aronsen erbost. -- Hahaha, nein, Ihr sollt nicht so -aufgeregt umherlaufen, Ihr sollt wie eine ruhige Landschaft sein! - -Geißler ist müde, sehr müde, nicht einmal der graue Zwicker hilft -mehr, die Augen wollen ihm in dem hellen Frühlingsschein zufallen. Leb -wohl, lieber Sivert! sagt er plötzlich. Nein, ich kann diesmal doch -nicht nach Sellanraa kommen, sag das deinem Vater. Ich habe so viel zu -besorgen. Aber sag ihm, daß ich später einmal komme. -- - -Aronsen spuckt hinter ihm aus und sagt noch einmal: Er gehört -totgeschossen! - -In drei Tagen verkauft die Karawane ihre Säcke leer und bekommt gute -Preise. Es wurde ein glänzendes Geschäft. Die Leute des Kirchspiels -hatten noch herrlich viel Geld trotz des Krachs und waren in -bester Übung, es auszugeben; sie brauchten diese Vögel auf Draht -notwendig, sie stellten sie auf ihre Kommoden und kauften auch schöne -Papiermesser, um ihre Kalender damit aufzuschneiden. Aronsen tobte: -Als ob ich nicht geradeso schöne Sachen in meinem Laden hätte! - -Der Kaufmann Aronsen war in großer Not, er wollte ja dabeisein und -diese Hausierer bewachen, aber die trennten sich, und jeder ging -allein seines Wegs, und er hätte sich in Stücke reißen müssen, um -allen dreien nachzulaufen. So gab er zuerst Fredrik Ström auf, der das -ungewaschenste Mundwerk hatte, dann Sivert, der ihm niemals auch nur -ein einziges Wort erwiderte, sondern nur immer verkaufte. Aronsen zog -vor, seinem alten Ladendiener Andresen nachzulaufen und in den Häusern -gegen ihn zu arbeiten. Oh, aber der Ladendiener Andresen kannte ja -seinen alten Herrn und dessen Unwissenheit in Beziehung aufs Geschäft -und auf verbotene Waren. So, englischer Faden ist nicht verboten? -fragte Aronsen und stellte sich kundig. -- Doch, erwiderte Andresen. -Ich habe aber auch keine einzige Fadenrolle hier. Die kann ich im -Ödland auch verkaufen. Ich habe keine einzige Fadenrolle, da seht -selbst! -- Das ist schon möglich. Aber du siehst, ich weiß auch, was -verboten ist, da machst du mir nichts weis. - -Einen Tag lang hielt es Aronsen aus, dann gab er auch Andresen auf und -ging heim. Die Hausierer hatten jetzt keine Aufsicht mehr. - -Und von nun an ging alles ausgezeichnet. In jenen Tagen trugen die -Frauen falsche Haarzöpfe, und der Ladendiener Andresen war ein Meister -darin, solche Zöpfe zu verkaufen, ja, im Notfall verkaufte er helle -Zöpfe an schwarzhaarige Mädchen und bedauerte nur, daß er nicht noch -hellere Zöpfe habe, oder graue, die die teuersten seien. Jeden Abend -kamen die drei jungen Männer an einem vorher bestimmten Platz zusammen -und erstatteten Bericht und halfen einander mit nicht ausverkauften -Sachen aus, und Andresen setzte sich dann gerne mit einer Feile in der -Hand hin und feilte eine deutsche Fabrikmarke auf einer Jagdflinte aus -oder entfernte den Namen Faber von den Bleistiften. Andresen war und -blieb ein Teufelskerl. - -Sivert dagegen war eine Enttäuschung. Nicht als ob er faul gewesen wäre -und keine Waren abgesetzt hätte, er setzte sogar die meisten ab. Aber -er bekam zuwenig Geld dafür. Du sprichst nicht genug, erklärte Andresen. - -Nein, Sivert hielt keine langen Reden, er war ein Ödlandbauer, war -wortkarg und gelassen. Was war da lange zu schwatzen? Außerdem wollte -Sivert bis zum Sonntag fertig sein und wieder nach Hause gehen, -es gab gar viel Arbeit auf dem Ödland. -- Die Jensine zieht ihn, -behauptete Fredrik Ström. -- Derselbe Fredrik hatte übrigens selbst -die Frühjahrsbestellung zu besorgen und wenig Zeit zu verlieren, aber -trotzdem mußte er am letzten Tag noch zu Aronsen gehen und eine Weile -mit ihm streiten. Ich will ihm die leeren Säcke verkaufen, sagte er. - -Andresen und Sivert gingen wieder hinaus und warteten auf ihn. Sie -hörten den herrlichsten Wortwechsel aus dem Kaufladen herausdringen und -ab und zu auch Fredriks Gelächter. Dann machte Aronsen seine Ladentür -auf und wies den Gast hinaus. Oh, aber Fredrik kam nicht, nein, er ließ -sich Zeit und redete in einem fort; das letzte, was sie hörten, war, -daß er den Versuch machte, die Schaukelpferde an Aronsen zu verhandeln. - -Dann zog die Karawane heimwärts, drei junge Männer voll Jugendlust -und Gesundheit. Sie sangen, während sie dahinschritten, schliefen -eine Weile im Gebirge und wanderten dann weiter. Als sie am Montag -in Sellanraa ankamen, hatte Isak mit dem Säen begonnen. Es war das -richtige Wetter dazu: feuchte Luft, dann und wann drang die Sonne -durch, und ein ungeheurer Regenbogen spannte sich über den Himmel hin. - -Die Karawane löste sich auf: Leb wohl, leb wohl! ... - -Dort schreitet Isak übers Feld und sät, er ist ein Mühlengeist von -Gestalt, ein Klotz. Er trägt hausgewebte Kleider, die Wolle stammt von -seinen eigenen Schafen, die Stiefel stammen von seinen eigenen Kälbern -und Kühen. Er geht nach frommer Sitte barhaupt, während er sät; auf dem -Wirbel ist er kahl, sonst aber überaus haarig, ein ganzer Kranz von -Haar und Bart steht um seinen Kopf. Das ist Isak der Markgraf. - -Er wußte selten das genaue Datum, wozu hätte er es wissen sollen? Er -hatte keine Papiere einzulösen. Die Kreuze im Kalender zeigten an, -wann jede Kuh kalben sollte. Aber er wußte, daß bis zum Sankt-Olafstag -im Herbst alles Heu hereingebracht sein mußte, und er wußte, wann im -Frühjahr der Viehmarkt war und daß drei Wochen danach der Bär aus -seiner Höhle ging. Da mußte die Saat in der Erde sein. Das Notwendige -wußte er. - -Er ist Ödlandbauer bis in die Knochen und Landwirt vom Scheitel bis -zur Sohle. Ein Wiedererstandener aus der Vorzeit, der in die Zukunft -hinausdeutet, ein Mann aus der Zeit des Ackerbaus, ein Landnamsmann, -neunhundert Jahre alt und doch auch wieder der Mann des Tages. - -Nein, er hatte nichts mehr übrig von dem Geld für den Kupferberg, das -war in alle Winde verflogen. Und wer hatte jetzt noch etwas davon, da -der Berg wieder verlassen war? Aber die Allmende liegt da und trägt -zehn Neusiedlungen und wartet auf weitere Hunderte. - -Wächst und gedeiht hier nichts? Hier wächst und gedeiht alles, Menschen -und Tiere und die Früchte des Feldes. Isak sät. Die Abendsonne -bescheint das Korn, er streut es im Bogen aus seiner Hand, und wie ein -Goldregen sinkt es auf die Erde. Da kommt Sivert und eggt, nachher -walzt er, dann eggt er wieder. Der Wald und die Berge stehen da und -schauen zu, alles ist Macht und Hoheit, hier ist ein Zusammenhang und -ein Ziel. - -Klingeling! sagen die Kuhglocken auf den Halden, sie kommen näher -und näher, das Vieh zieht seinem Stalle zu. Es sind fünfzehn Kühe -und fünfundvierzig Stück Kleinvieh, im ganzen sechzig Stück Vieh. Da -gehen die Frauen mit ihren Melkkübeln dem Sommerstall zu, sie tragen -sie am Joch über den Schultern, es ist Leopoldine, Jensine und die -kleine Rebekka. Alle drei gehen barfuß. Die Markgräfin, Inger selbst, -ist nicht mit dabei, sie ist im Haus, sie kocht das Abendessen; hoch -und stattlich schreitet sie durch ihr Haus, eine Vestalin, die das -Feuer in einem Kochherd unterhält. Nun, Inger ist auf das weite Meer -hinausgesegelt, sie ist in der Stadt gewesen, jetzt ist sie wieder -daheim. Die Welt ist weit, es wimmelt auf ihr von Punkten, Inger hat -mitgewimmelt. Sie war beinahe ein Nichts unter den Menschen, nur ein -einzelner unter ihnen. - -Und nun wird es Abend. - - - - -[Illustration] - - -Dieses Werk ist eine Veröffentlichung der - - Deutschen Buch-Gemeinschaft - - Wien Berlin SW 68 New York - - Alte Jakobstraße 156/157 - - Guten und doch billigen Büchern in vorbildlicher Formgebung - und bester Ausstattung den Weg in alle Schichten - unseres Volkes zu bahnen, ist die Aufgabe der Deutschen - Buch-Gemeinschaft. Sie erreicht dies durch Herstellung und - Vertrieb in eigenem Wirkungsbereich. - - Jedermann wird durch Beitritt zur Deutschen Buch-Gemeinschaft - die vorteilhafteste Gelegenheit gegeben, sich unter neuen - Bezugsformen eine eigene und wertvolle Hausbibliothek - anzuschaffen. - -Ausführliche, reich illustrierte Werbeschrift wird auf Wunsch kostenlos -zugesandt. - - - Druck von - A. Seydel & Cie. Aktiengesellschaft, - Berlin ~SW~ 61 - - - - - +----------------------------------------------------------------+ - | Anmerkungen zur Transkription | - | | - | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen | - | gebräuchlich waren, wie: | - | | - | anderen -- andern | - | daheimbleiben -- daheim bleiben | - | Felsenspalte -- Felsspalte | - | Kindesleiche -- Kindsleiche | - | Lensmannes -- Lensmanns | - | Mühlengeist -- Mühlgeist | - | sollest -- sollst | - | unserem -- unserm | - | | - | Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. | - | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: | - | | - | S. 29 »halbangekleidet« in »halb angekleidet« geändert. | - | S. 48 »wie wie du selbst« in »wie du selbst« geändert. | - | S. 152 »Aband« in »Abend« geändert. | - | S. 168 »Gebirgsee« in »Gebirgssee« geändert. | - | S. 170 »bei sei« in »bei sich« geändert. | - | S. 197 »Handwerkzeug« in »Handwerkszeug« geändert. | - | S. 205 »Gofolgschaft« in »Gefolgschaft« geändert. | - | S. 236 »mit mit Eleseus« in »mit Eleseus« geändert. | - | S. 281 »bemerkstelligen« in »bewerkstelligen« geändert. | - | S. 338 »Inge« in »Inger« geändert. | - | S. 339 »Tausendsasa« in »Tausendsassa« geändert. | - | S. 366 »Jetzt aben« in »Jetzt aber« geändert. | - | S. 407 »Tröpfen Kaffee« in »Tröpfchen Kaffee« geändert. | - | S. 418 »keinen Öre« in »keine Öre« geändert. | - | S. 439 »Aronson« in »Aronsen« geändert. | - +----------------------------------------------------------------+ - -*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SEGEN DER ERDE *** - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the -United States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for an eBook, except by following -the terms of the trademark license, including paying royalties for use -of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for -copies of this eBook, complying with the trademark license is very -easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation -of derivative works, reports, performances and research. Project -Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away--you may -do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected -by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark -license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country other than the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you will have to check the laws of the country where - you are located before using this eBook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase "Project -Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format -other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg-tm website -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain -Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works -provided that: - -* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation." - -* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm - works. - -* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - -* You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of -the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the Foundation as set -forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's business office is located at 809 North 1500 West, -Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up -to date contact information can be found at the Foundation's website -and official page at www.gutenberg.org/contact - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without -widespread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our website which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This website includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/66326-0.zip b/old/66326-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 9a2193d..0000000 --- a/old/66326-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/66326-h.zip b/old/66326-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index ad7780e..0000000 --- a/old/66326-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/66326-h/66326-h.htm b/old/66326-h/66326-h.htm deleted file mode 100644 index edbef15..0000000 --- a/old/66326-h/66326-h.htm +++ /dev/null @@ -1,17518 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - <head> - <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=utf-8" /> - <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> - <title> - The Project Gutenberg eBook of Segen Der Erde, by Knut Hamsun . - </title> - <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> - <style type="text/css"> - -body { - margin-left: 10%; - margin-right: 10%; -} - -h1,h2,h3 { - text-align: center; /* all headings centered */ - clear: both; -} - -.pagebreak { margin-top: 4em;} -@media handheld,print {.pagebreak { page-break-before: always;}} - -p { - margin-top: .51em; - text-align: justify; - margin-bottom: .49em; - text-indent: 1em; -} - -.p2 {margin-top: 2em;} -.p4 {margin-top: 4em;} -.p6 {margin-top: 6em;} -.big140 {font-size: 140%;} -.big160 {font-size: 160%;} -.werbung { text-indent: 0em; margin-left: 20%; margin-right: 20%;} - -hr { - width: 33%; - margin-top: 2em; - margin-bottom: 2em; - margin-left: auto; - margin-right: auto; - clear: both; -} - -hr.chap {width: 65%;margin-left: 17.5%;margin-right: 17.5%;} - -ul.index { list-style-type: none; } - -table { - margin-left: auto; - margin-right: auto; -} - -table.center { - display: inline-block; - margin-left: auto; - margin-right: auto; -} - -.pagenum { /* uncomment the next line for invisible page numbers */ - /* visibility: hidden; */ - position: absolute; - left: 92%; - font-size: smaller; - text-align: right; - text-indent: 0em; -} /* page numbers */ - - -.center {text-align: center; text-indent: 0em;} - -.smcap {font-variant: small-caps;} - -.gesperrt -{ - letter-spacing: 0.2em; - margin-right: -0.2em; -} - -em.gesperrt -{ - font-style: normal; -} - -@media handheld,print { - .gesperrt - { - font-style: italic; - letter-spacing: 0.05em; - margin-right: -0.05em; - } - em.gesperrt { - font-style: italic; - margin-right: 0em; - } -} - -.antiqua -{ - font-style: normal; - font-family: sans-serif; - font-size: 90%; -} - - -/* Images */ -img { - max-width: 100%; - max-height: 100%; - height:auto; -} - -.signet { - margin: auto; - text-align: center; - max-width: 5em; -} - - -/* Transcriber's notes */ -.transnote {background-color: #E6E6FA; - color: black; - font-size:smaller; - padding:0.5em; - margin-bottom:5em; - font-family:sans-serif, serif; } - </style> - </head> -<body> - -<div style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold'>The Project Gutenberg eBook of Segen der Erde, by Knut Hamsun</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and -most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online -at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you -are not located in the United States, you will have to check the laws of the -country where you are located before using this eBook. -</div> - -<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: Segen der Erde</p> - -<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Knut Hamsun</div> - -<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Translator: Pauline Klaiber-Gottschau</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'>Release Date: September 17, 2021 [eBook #66326]</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'>Language: German</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'>Character set encoding: UTF-8</div> - -<div style='display:block; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Produced by: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net</div> - -<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SEGEN DER ERDE ***</div> - - -<p class="center big140">Knut Hamsun / Segen der Erde</p> - - - -<p class="center pagebreak big160"><i>Knut Hamsun</i></p> - - - - -<h1>Segen<br /> -der<br /> -Erde</h1> - -<p class="center big160 p2"><i>Roman</i></p> - -<div class="signet" style="width: 376px;"> -<img src="images/signet.png" width="376" height="532" alt="" /> -</div> - - -<div class="center p2"> -<table class="center" border="0" cellpadding="4" cellspacing="0" summary="Verlagsangaben"> -<tr><td align="center" colspan="5"><span class="big160"><i>Deutsche Buch-Gemeinschaft</i></span></td></tr> -<tr><td align="center"><span class="antiqua">G.</span></td><td align="center"><span class="antiqua">m.</span></td><td /><td align="center"><span class="antiqua">b.</span></td><td align="center"><span class="antiqua">H.</span></td></tr> -<tr><td /><td /><td align="center"><span class="smcap big160"><span class="antiqua">Berlin</span></span></td><td /><td /></tr> -</table> -</div> - - - - -<p class="center pagebreak p6">Berechtigte Übersetzung von</p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Pauline Klaiber-Gottschau</em></p> - -<p class="center">Revidiert von</p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">J. Sandmeier</em></p> - -<p class="center">Copyright 1918 by Albert Langen, Munich</p> - -<p class="center">Printed in Germany</p> - -<p class="center">Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, -Dramatisierung, Verfilmung und Radiosendung, -vorbehalten -</p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Knut Hamsun</em> <em class="gesperrt">Albert Langen</em> -</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span></p> - - - - -<h2>Erster Teil</h2> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span></p> - - -<h3>1</h3> - - -<p>Der lange, lange Pfad über das Moor in den -Wald hinein — wer hat ihn ausgetreten? Der -Mann, der Mensch, der erste, der hier war. Für -ihn war noch kein Pfad vorhanden. Später folgte dann -das eine oder andere Tier der schwachen Spur über -Sümpfe und Moore und machte sie deutlicher, und wieder -später schnupperte allmählich der oder jener Lappe -den Pfad auf und benützte ihn, wenn er von Berg zu -Berg wanderte, um nach seinen Renntieren zu sehen. So -entstand der Weg durch die weite Allmende, die niemand -gehörte, durch das herrenlose Land.</p> - -<p>Der Mann kommt in nördlicher Richtung gegangen. -Er trägt einen Sack, den Sack, der Mundvorrat und -einiges Handwerkszeug enthält. Der Mann ist stark und -derb, er hat einen rostigen Bart und kleine Narben im -Gesicht und an den Händen — diese Wundenzeichen, hat -er sie sich bei der Arbeit oder im Kampf geholt? Er -kommt vielleicht aus dem Gefängnis und will sich verbergen, -vielleicht ist er ein Philosoph und sucht Frieden, -jedenfalls aber kommt er dahergewandert, ein Mensch -mitten in dieser ungeheuren Einsamkeit. Er geht und geht, -still ist es ringsum, kein Vogel, kein Tier ist zu hören, -bisweilen redet er ein paar Worte mit sich selbst. Ach ja, -Herrgott im Himmel! sagt er. Wenn er auf seiner Wanderung -an Moore und wirtliche Stellen oder offene<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> -freie Plätze im Walde kommt, legt er seinen Sack ab, -geht umher und untersucht die Bodenverhältnisse; nach -einer Weile kehrt er zurück, nimmt seinen Sack wieder -auf den Rücken und wandert weiter. Dies währt den -ganzen Tag, er sieht an der Sonne, welche Zeit es ist, -es wird Nacht, und er wirft sich ins Heidekraut und -schläft auf seinem Arm.</p> - -<p>Nach einigen Stunden geht er wieder weiter. Ach ja, -Herrgott im Himmel! geht wieder geradeaus nach Norden, -sieht an der Sonne die Tageszeit, hält Mittagsrast -mit einem Stück Hartbrot und Ziegenkäse, trinkt Wasser -aus einem Bach dazu und setzt seinen Weg fort. Auch -diesen ganzen Tag wandert er ununterbrochen weiter, -denn er muß sehr viele wirtliche Plätze im Walde untersuchen. -Was sucht er? Land, Erde? Er ist vielleicht ein -Auswanderer aus den Dörfern, denn er schaut sich scharf -und spähend um, manchmal ersteigt er auch einen Hügel -und späht von da umher. Jetzt ist die Sonne wieder am -Untergehen.</p> - -<p>Er befindet sich jetzt auf der Westseite eines langgestreckten -Tales mit gemischtem Wald, hier ist auch -Laubwald, und Weideflächen mischen sich darein, stundenlang -geht es so fort; es dämmert, aber der Mann hört -das leise Rauschen eines Flusses, und dieses leichte Rauschen -ist wie etwas Lebendiges und muntert ihn auf. Als -er die Höhe erreicht, sieht er das Tal im Halbdunkel -vor sich liegen und weit draußen nach Süden den Himmel -darüber. Nun legt er sich schlafen.</p> - -<p>Am Morgen sieht er eine Landschaft mit Wald und -Weideland vor sich ausgebreitet. Er steigt hinunter: da -ist ein grüner Berghang, weit unten erblickt er ein Stück -des Flusses und einen Hasen, der in einem Sprung darüber -hinwegsetzt. Der Mann nickt, als sei es ihm gerade -recht, daß der Fluß nicht breiter ist als ein Hasensprung. -Ein brütendes Schneehuhn flattert plötzlich zu seinen<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span> -Füßen auf und zischt ihn wild an, und wieder nickt der -Mann: hier sind Tiere und Vögel, das ist abermals gerade -recht! Seine Füße waten durch Blaubeerenbüsche -und Preiselbeerkraut, durch siebengezackte Waldsterne -und niedere Farnkräuter; wenn er da und dort anhält -und mit einem Eisen in der Erde gräbt, findet er hier -Walderde und dort mit Laub und verrotteten Zweigen -seit Tausenden von Jahren gedüngten Moorboden. Der -Mann nickt, hier will er sich niederlassen, ja, hier sich -niederlassen, das will er. Noch zwei weitere Tage streift -er in der Gegend umher, kehrt aber am Abend immer -wieder zu dieser Halde zurück. Des Nachts schläft er auf -seinem Lager aus Tannenzweigen, er ist ganz daheim -hier, er hat ja schon ein Lager unter einem Felsvorsprung.</p> - -<p>Das schlimmste war gewesen, den Ort zu finden, einen -Ort, der niemand gehörte, der sein war; jetzt kamen die -Tage der Arbeit. Er fing sofort an, in den etwas weiter -entfernten Wäldern Rinde von den Birken zu schälen, -jetzt, während der Saft noch in den Bäumen war. Dann -legte er die Rinden fest zusammen, beschwerte sie mit -Steinen und ließ sie trocknen. Wenn er eine große Last -beisammen hatte, trug er sie die vielen Meilen zurück ins -Dorf und verkaufte sie als Baumaterial. Und auf seine -Halde dort droben brachte er neue Säcke mit Lebensmitteln -und Werkzeug heim: Mehl, Speck, einen Kochtopf, -einen Spaten; unverdrossen wanderte er den Pfad -hin und her und schleppte sich ab. Ein geborener Lastträger, -ein Prahm, der durch die Wälder ging, oh, es -war, als liebe er diesen seinen Beruf, viel zu geben -und viel zu tragen, als dünke ihn, ohne Last auf dem -Rücken zu gehen, ein faules Dasein, das für ihn nicht -passe.</p> - -<p>Eines Tages kam er dahergewandert mit seiner schweren -Last auf dem Rücken und außerdem mit zwei Ziegen -und einem jungen Bock an der Leine. Er war so beglückt<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> -über die Ziegen, gerade als seien es Kühe, und er war -gut gegen sie. Der erste fremde Mensch kam vorüber, -ein wandernder Lappe. Dieser sah die Ziegen und erriet, -daß er auf einen Mann traf, der sich da niedergelassen -hatte, und sagte:</p> - -<p>Willst du hier dauernd wohnen? — Ja, antwortete -der Mann. — Wie heißt du? — Isak. Weißt du keine -Magd für mich? — Nein, aber ich will darüber reden, -dort, wo ich vorüberkomme. — Ja, tu das! Sage, daß -ich Haustiere habe, aber niemand, der sie besorgt.</p> - -<p>Isak also, ja, auch das wollte der Lappe ausrichten. -Der Mann auf der Halde war kein Flüchtling, er sagte -seinen Namen. Er ein Flüchtling? Dann hätte man ihn -aufgespürt. Er war nur ein unverdrossener Arbeiter, er -sammelte Winterfutter für seine Ziegen, fing an Boden -urbar zu machen, einen Acker zu roden, Steine wegzuschaffen, -Steinwälle aufzurichten. Im Herbst hatte er -eine Wohnung fertig, eine Erdhütte, eine Gamme, die -war dicht und warm, sie krachte nicht in den Fugen beim -Sturm, und sie konnte nicht abbrennen. Er konnte in -diese Heimstätte hineingehen, die Türe hinter sich zumachen -und da drinnen bleiben, oder er konnte vor der -Türöffnung stehen und sich als den Herrn seines Hauses -zeigen, wenn jemand vorbeikäme. Die Gamme war in -zwei Teile geteilt, in dem einen wohnte er selbst, im -andern seine Tiere. Ganz innen unter dem Felsen hatte -er seinen Heuboden errichtet. Alles war da.</p> - -<p>Wieder kommen ein paar Lappen vorüber, Vater und -Sohn. Sie bleiben stehen, stützen sich mit beiden Händen -auf ihre langen Stöcke, betrachten die Hütte und das -urbar gemachte Land und hören die Ziegenglocken oben -am Hang.</p> - -<p>Ja, guten Tag, sagen sie, hier sind ja große Leute hergekommen. -Die Lappen schmeicheln immer.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span></p> - -<p>Ihr wißt wohl keine Magd für mich? versetzt Isak, -denn er hat nur das eine im Kopf.</p> - -<p>Eine Magd zur Hilfe? Nein. Aber wir wollen es weitersagen. -— Ja, wenn ihr so gut sein wollt. Und daß ich -ein Haus und Ackerland und Vieh habe, aber keine Magd -zur Hilfe, das sollt ihr sagen.</p> - -<p>Ach, sooft er mit seinen Birkenrinden drunten im -Dorfe war, hatte er nach dieser Magd zur Hilfe ausgeschaut, -aber keine gefunden. Sie hatten ihn betrachtet, -eine Witwe, ein paar ältere Mädchen, es aber nicht gewagt, -ihm Hilfe zu versprechen; woher das kommen -mochte, das begriff Isak nicht. Begriff er es wirklich -nicht? Wer wollte bei einem Manne dienen, draußen im -Ödland, meilenweit von den Menschen, ja eine Tagereise -von der nächsten menschlichen Behausung entfernt! Und -der Mann selbst war nicht die Spur lieb und hübsch, im -Gegenteil, wenn er sprach, war er kein Tenor mit gen -Himmel gerichteten Augen, sondern hatte eine etwas tierische -und grobe Stimme.</p> - -<p>Dann mußte er eben allein bleiben.</p> - -<p>Im Winter machte er große Holztröge, verkaufte diese -im Dorfe und kam mit Säcken voll Lebensmitteln und -Werkzeug durch den Schnee zurück. Das waren harte -Tage, ja er hatte eine schwere Last. Er hatte ja Haustiere, -und die konnte er nicht längere Zeit verlassen. Wie hielt -er es da? Die Not macht erfinderisch, sein Gehirn war -stark und unverbraucht, und er übte es immer mehr. -Das erste, was er tat, wenn er fortging, war, die Ziegen -loszulassen, so daß sie an den Zweigen im Walde ihren -Hunger stillen konnten. Aber er wußte auch noch einen -anderen Ausweg. Er hängte am Fluß ein großes Holzgefäß -auf und ließ ein kleines Rinnsal hineinlaufen; es -dauerte vierzehn Stunden, bis dies Gefäß voll war. -Wenn das Gefäß bis zum Überlaufen voll war, dann -hatte es gerade das rechte Gewicht, daß es heruntersank,<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span> -aber indem es sank, zog es an einer Leine, die mit dem -Heuboden in Verbindung stand, eine Luke öffnete sich, -drei abgemessene Geißenmahlzeiten fielen herunter, und -die Tiere hatten ihre Nahrung.</p> - -<p>Auf diese Weise machte er es.</p> - -<p>Eine geistreiche Erfindung, ja vielleicht eine Eingebung -von Gott, dem Manne war geholfen. Es ging gut bis -in den Spätherbst, dann kam Schnee, dann Regen, dann -wieder Schnee, dauernd Schnee; da wirkte die Einrichtung -mit der Heuversorgung verkehrt, das Gefäß füllte -sich mit Regenwasser und öffnete die Luke vor der Zeit. -Der Mann deckte das Gefäß zu, dann ging es wieder eine -Weile gut, aber als der Winter einsetzte, fror das Rinnsal -ein, und die Einrichtung versagte gänzlich.</p> - -<p>Da mußten die Ziegen und auch der Mann selbst entbehren -lernen.</p> - -<p>Das waren harte Tage, der Mann mußte Hilfe haben, -hatte jedoch keine. Er wurde aber deshalb doch nicht ratlos. -Er schaffte an seinem Heim weiter, machte ein Fenster -in die Hütte, ein Fenster mit zwei Glasscheiben. Das -war ein merkwürdiger und heller Tag in seinem Leben, -als er nicht auf dem Herd Feuer anzünden mußte, um -sehen zu können, nun konnte er drinnen sitzenbleiben und -bei Tageslicht Tröge aus Holz anfertigen. Es wurde -besser für ihn und lichter. Ach ja, Herrgott im Himmel! -Er las nie in einem Buche, seine Gedanken beschäftigten -sich aber oft mit Gott, er konnte nicht anders, Vertrauen -und Ehrfurcht wohnten in seiner Seele. Der Sternenhimmel, -das Rauschen des Waldes, die Einsamkeit, die -Schneemassen, die Gewalten auf der Erde und über der -Erde stimmten ihn oftmals am Tage nachdenklich und -andächtig; er fühlte sich sündig und war gottesfürchtig, -des Sonntags wusch er sich zur Ehre des Feiertages, -arbeitete aber sonst wie alle Tage.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span></p> - -<p>Der Frühling kam heran, er bebaute seinen kleinen -Acker und steckte Kartoffeln. Er hatte jetzt einen größeren -Viehbestand, jede Ziege hatte Zwillinge gebracht, es -waren jetzt sieben Geißen, groß und klein zusammengerechnet. -Mit der Zukunft vor Augen erweiterte er seinen -Stall und setzte auch da ein paar Fensterscheiben ein. -Es wurde heller und tagte in jeder Weise.</p> - -<p>Eines Tages kam die Hilfe. Droben auf der Halde -wanderte sie lange hin und her, ehe sie sich hervorwagte. -Es wurde Abend, bis sie herankam, aber dann kam sie — -ein großes, braunäugiges Mädchen; sie war so üppig und -derb, mit festen guten Händen, mit Lappenschuhen an den -Füßen, obgleich sie keine Lappin war, und mit einem -Kalbfellsack auf dem Rücken. Sie war wohl schon etwas -bei Jahren, höflich gesprochen, nahe an den Dreißigern.</p> - -<p>Warum sollte sie sich denn fürchten? Sie grüßte, fügte -jedoch rasch hinzu: Ich muß nur über die Berge, darum -bin ich diesen Weg gegangen. — So, sagte der Mann. Er -verstand sie nicht ganz, sie redete undeutlich und wendete -überdies das Gesicht weg. — Ja, sagte sie. Und es ist ein -sehr weiter Weg. — Ja, antwortete er. Willst du über -das Gebirge? — Ja. — Was willst du dort? — Ich habe -meine Leute dort. — So, hast du deine Leute dort? Wie -heißt du? — Inger, und wie heißt du? — Isak. — So, -Isak. Wohnst du hier? — Ja, ich wohne hier und habe -es so, wie du hier siehst. — Das ist wohl nicht übel, sagte -sie lobend.</p> - -<p>Isak war im Denken ein ganzer Mann geworden, und -nun kam ihm der Gedanke, daß sie wohl im Auftrag von -jemand gekommen sei und nicht weiter wolle. Sie hatte -vielleicht gehört, daß ihm weibliche Hilfe fehle.</p> - -<p>Komm herein und ruh dich aus! sagte er.</p> - -<p>Sie traten in die Hütte, aßen von ihrem Mundvorrat -und tranken von seiner Geißenmilch; dann kochten sie -Kaffee, den sie in einer Blase bei sich hatte. Sie hatten<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span> -es sehr behaglich beim Kaffee, ehe sie schlafen gingen. -Nachts lag er da und war gierig nach ihr und bekam sie.</p> - -<p>Am Morgen ging sie nicht wieder weg und den Tag -über auch nicht; sie machte sich nützlich, melkte die Ziegen -und scheuerte die Holzgefäße mit feinem Sand und -machte sie sauber. Sie ging nie wieder fort. Inger hieß -sie, Isak hieß er.</p> - -<p>Nun begann ein anderes Leben für den einsamen -Mann. Das einzige war, daß seine Frau undeutlich redete -und wegen einer Hasenscharte immer das Gesicht wegwendete, -aber das war nichts, um sich darüber zu beklagen. -Ohne diesen verunstalteten Mund wäre sie wohl nie -zu ihm gekommen, die Hasenscharte war sein Glück. Und -er selbst, war er ohne Fehl? Isak mit dem rostigen Vollbart -und dem zu untersetzten Körper, er war wie ein -greulicher Mühlgeist, ja wie durch eine verzerrende Fensterscheibe -gesehen. Und wer sonst ging mit einem solchen -Ausdruck im Gesicht umher? Es war, als könne er jeden -Augenblick eine Art von Barrabas loslassen. Es bedeutete -schon viel, daß Inger nicht davonlief.</p> - -<p>Sie lief nicht davon. Wenn er fort war und wieder -heimkam, war Inger bei der Hütte, die beiden waren -eins, die Hütte und sie.</p> - -<p>Er hatte nun einen Menschen mehr zu versorgen, aber -es lohnte sich, er konnte länger fort sein, er konnte sich -rühren. Da war der Fluß, ein freundlicher Fluß, der -neben seinem freundlichen Aussehen auch tief und raschen -Laufes war; es war durchaus kein geringer Fluß, er mußte -aus einem großen See droben im Gebirge kommen. Nun -verschaffte Isak sich Fischgeräte und suchte diesen See -auf; wenn er dann am Abend heimkam, brachte er eine -ordentliche Anzahl Forellen und Alpensalme mit. Inger -empfing ihn mit großer Verwunderung, sie war ganz -überwältigt, schlug die Hände zusammen und rief: Um -alles in der Welt! Sie merkte wohl, wie erfreut und stolz<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span> -er über ihr Lob war, und da sagte sie noch mehr freundliche -Worte: daß sie so etwas noch nie gesehen habe und -gar nicht verstehe, wie er das zuwege bringen konnte.</p> - -<p>Auch auf andere Weise war Inger ein Segen für ihn. -Obgleich sie nicht gerade ein schönes Gesicht und Verstand -im Kopfe hatte, so hatte sie doch bei einem ihrer Leute -zwei Schafe mit ihren Lämmern stehen, und die holte sie. -Das war das Notwendigste, was jetzt in die Gamme gebracht -werden konnte, Schafe mit Wolle und Lämmern, -vier lebende Tiere, der Viehstand vermehrte sich im großen -Stil, wunderbar war es, wie er zunahm. Inger holte -außerdem noch ihre Kleider und andere Sachen, die ihr -gehörten, einen Spiegel, eine Schnur mit einigen hübschen -Glasperlen daran, Kardätschen und ein Spinnrad. Sieh, -wenn sie so weiter machte, war bald alles voll vom Boden -bis zur Decke, und die Gamme hatte nicht Raum für -alles! Isak war natürlich sehr bewegt beim Anblick dieser -irdischen Reichtümer; aber da er von Natur wortkarg -war, fiel es ihm schwer, sich darüber auszusprechen, er -ging hinaus vors Haus, sah nach dem Wetter und kam -wieder herein. Ja, gewiß hatte er großes Glück gehabt, -und er fühlte immer mehr einen heißen Drang in sich aufsteigen, -Zuneigung oder Liebe, oder was es nun genannt -werden konnte.</p> - -<p>Du brauchst nicht so viel mitzubringen, sagte er. — -Ich habe sogar anderswo noch mehr. Und dann habe ich -den Oheim Sivert, den Bruder meiner Mutter, hast du -von ihm gehört? — Nein. — Das ist ein reicher Mann, -er ist Bezirkskassierer der Gemeinde.</p> - -<p>Die Liebe macht den Klugen dumm; Isak wollte sich -auf seine Weise angenehm zeigen, und da tat er zuviel.</p> - -<p>Was ich sagen wollte, begann er; du sollst die Kartoffeln -nicht hacken. Ich werde sie hacken, wenn ich heute -abend heimkomme.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span></p> - -<p>Damit nahm er die Axt und ging in den Wald. Sie -hörte ihn im Walde Bäume fällen, es war nicht weit -weg, und sie hörte am Krachen, daß er große Stämme -fällte. Nachdem sie eine Weile zugehört hatte, ging sie -hinaus und hackte die Kartoffeln. Die Liebe macht den -Dummen klug.</p> - -<p>Am Abend kam er mit einem großen Balken an, den -er an einem Seil hinter sich herschleppte. Ach, der grobe, -treuherzige Isak, er machte so viel Lärm mit dem Balken, -als er nur konnte, räusperte sich und hustete, damit sie -herauskommen und sich nicht wenig über ihn verwundern -sollte.</p> - -<p>Ganz richtig, als er daherkam, rief sie auch: Ich glaube, -du bist verrückt! Du bist doch wohl ein Mensch! sagte sie. -Der Mann erwiderte nichts. Das fiel ihm nicht ein. Im -Vergleich zu einem Baumstamm etwas mehr als ein -Mensch zu sein, das war nicht der Rede wert. — Und -wozu willst du denn den Stamm? fragte sie. — Ach, das -weiß ich selbst noch nicht, antwortete er wichtig tuend.</p> - -<p>Aber jetzt sah er, daß sie die Kartoffeln schon gehackt -hatte, und dadurch zeigte sie sich fast ebenso tüchtig wie er. -Das war jedoch nicht nach seinem Sinn, da machte er das -Seil von dem Baumstamm los und ging damit fort. -Gehst du wieder? fragte sie. — Ja, antwortete er beleidigt.</p> - -<p>Er kam mit einem zweiten Baumstamm daher, -schnaufte nicht, lärmte nicht, sondern zog ihn nur wie ein -Ochse bis zur Gamme heran und ließ ihn da liegen.</p> - -<p>Im Laufe des Sommers schleppte er noch viele Baumstämme -vor die Gamme.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span></p> - - - - -<h3>2</h3> - - -<p>Eines Tages legte Inger wieder Mundvorrat in -ihren Kalbfellsack und sagte: Jetzt mach ich wieder -einen kurzen Besuch bei meinen Leuten. — So, -sagte Isak. — Ja, ich muß nur einiges mit ihnen besprechen.</p> - -<p>Isak ging nicht zugleich mit ihr hinaus, sondern zögerte -noch lange in der Gamme. Als er endlich auf die Schwelle -trat und gar nicht neugierig tat, aber voll banger Ahnungen -war, verschwand Inger gerade am Waldesrand. Hm. -Kommst du wieder? konnte er nicht unterlassen, ihr nachzurufen. -— Nicht wiederkommen! erwiderte sie. Ich -glaube, du spottest. — So.</p> - -<p>Dann war er wieder allein. Ach ja, Herrgott im Himmel! -Mit seinen Arbeitskräften und seiner Arbeitslust -konnte er nicht nur in der Gamme aus und ein gehen -und sich nur selbst im Wege sein, da fing er an zu arbeiten; -er zweigte seine Baumstämme ab und hieb sie auf zwei -Seiten flach. Bis zum Abend schaffte er daran, dann -melkte er die Ziegen und legte sich schlafen.</p> - -<p>Öde und stille war's in der Gamme, dumpfes Schweigen -schlug ihm entgegen vom Lehmboden und von den -Torfwänden. Aber das Spinnrad und die Kardätschen -waren an ihrem Platz, und die Perlen an ihrem Faden -lagen wohlverwahrt in einem Beutel unter dem Dach. -Inger hatte nichts mitgenommen. Isak war jedoch so -unendlich dumm, daß er sich in der hellen Sommernacht -vor der Dunkelheit fürchtete und bald dies, bald das an -den Fensterscheiben vorbeischleichen sah. Als es nach der -Helligkeit draußen ungefähr zwei Uhr sein mochte, stand -er lieber wieder auf und aß sein Frühstück. Er kochte -eine ungeheure Schüssel Grütze, gleich für den ganzen -Tag, damit er nicht noch mehr Zeit aufs Kochen ver<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span>wenden -müßte. Bis zum Abend brach er zur Erweiterung -des Kartoffelackers Neuland um.</p> - -<p>Drei Tage lang behaute er abwechslungsweise Baumstämme -und brach Land um, am nächsten Tag kam dann -wohl Inger. Es wäre nicht zuviel, wenn er bei ihrer Ankunft -Fische für sie bereit hätte, dachte er; aber er wollte -sich nicht auf den Weg machen und ihr geradeswegs übers -Gebirge entgegengehen, deshalb machte er einen Umweg -nach dem Fischplatz. Dabei kam er in unbekannte Gegenden -des Gebirges; da waren nun graue Felsen und braunes -Geröll, ganz schwere Steine, die aus Blei oder -Kupfer sein konnten. Vieles konnte in diesen Steinen enthalten -sein, vielleicht Silber und Gold; er verstand sich -jedoch nicht darauf, und so konnte es ihm einerlei sein. -Er kam an das Fischwasser; die Fische bissen bei dem -schnakenvollen Wetter in dieser Nacht gut an, es gab wieder -eine schwere Menge Salme und Forellen, und Inger -würde aufschauen. Als er bei Tagesanbruch auf demselben -Umweg, auf dem er hergekommen war, wieder zurückging, -nahm er ein paar Stücke von dem Geröll mit, sie -waren braun mit dunkelblauen Flecken darin und gewaltig -schwer.</p> - -<p>Inger war nicht gekommen und kam auch nicht. Nun -war es schon der vierte Tag. Er melkte die Ziegen wie damals, -wo er noch allein mit ihnen gewesen war und niemand -anderen zu dieser Arbeit hatte, dann ging er zur -Geröllhalde und trug große Haufen zu einer Mauer passender -Steine auf den Hofplatz. Er hatte wahrlich vielerlei -Arbeit.</p> - -<p>Am fünften Abend ging er mit leisem Mißtrauen im -Herzen zu Bett, im übrigen waren ja aber das Spinnrad -und die Kardätschen noch da und auch die Perlen. Dieselbe -Öde in der Hütte und nirgends ein Laut! Das wurden -lange Stunden, und als er endlich eine Art Schritt draußen -vernahm, dachte er, das sei nur etwas, was er sich<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> -einbilde. Ach ja, Herrgott im Himmel! sagte er in seiner -Verlassenheit, und solche Worte sprach Isak nicht, wenn -er sie nicht wirklich meinte. Jetzt hörte er die Schritte aufs -neue, und kurz nachher sah er etwas am Fenster vorbeigleiten, -was es nun auch sein mochte, aber etwas mit -Hörnern war es, leibhaftig. Er sprang auf und zum -Hause hinaus, und da sah er etwas! Gott oder Teufel! -murmelte er, und so etwas sagte Isak nicht, ohne daß er -sich dazu gezwungen fühlte. Er sah eine Kuh, Inger und -eine Kuh, die im Stalle verschwanden.</p> - -<p>Wenn er nun nicht Inger im Stall noch leise mit der -Kuh hätte reden hören, hätte er wahrlich seinen Augen -nicht getraut, aber er hörte sie, und im selben Augenblick -stieg ihm eine böse Ahnung auf: Himmel! Natürlich war -sie eine ausgezeichnete, verteufelte Frau, aber zu viel war -zu viel. Spinnrad und Kardätsche, das mochte hingehen, -die Perlen waren bedenklich vornehm, aber auch die mochten -hingehen. Aber eine Kuh, vielleicht auf einem Weg -oder auf der Weide eines Bauern gefunden, die von dem -Besitzer vermißt wurde und nach der man forschen würde!</p> - -<p>Jetzt trat Inger wieder aus dem Stall und sagte stolz -lächelnd: Ich habe nur meine Kuh mitgebracht! — So, -erwiderte er. — Es dauerte so lange, weil ich nicht rascher -mit ihr übers Gebirge konnte; sie ist trächtig. — Hast du -eine Kuh mitgebracht? sagte er. — Ja, antwortete sie, -und war vom Reichtum dieser Erde bis zum Zerspringen -erfüllt. Oder meinst du, ich lüge dich an? sagte sie. Isak -fürchtete das Schlimmste, hielt sich aber im Zaum und -sagte nur: Komm jetzt herein und iß etwas.</p> - -<p>Hast du die Kuh gesehen? Ist sie nicht schön? — -Prächtig. Woher hast du sie? fragte er so gleichgültig, als -er konnte. — Sie heißt Goldhorn. Was willst du mit der -Mauer, die du da aufgeführt hast? Du schindest dich -noch zu Tode, ja, das tust du. Ach, komm und sieh dir -die Kuh an!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span></p> - -<p>Sie gingen hinaus, Isak war in Unterkleidern, aber -das tat nichts. Sie betrachteten die Kuh unendlich genau -und von allen Seiten, den Kopf, das Euter, das Kreuz, -die Lenden; rot und weiß, gut gebaut.</p> - -<p>Isak sagte vorsichtig: Für wie alt hältst du sie? — -Halten? entgegnete Inger. Sie ist ganz genau, aufs -Tüpfelchen genau, im vierten Sommer. Ich habe sie selbst -aufgezogen, und alle sagten damals, es sei das netteste -Kalb, das sie von ihrer Kindheit an gesehen hätten. Was -meinst du, haben wir Futter für sie?</p> - -<p>Isak fing an, das zu glauben, was er gerne glauben -wollte, und erklärte: Was das Futter betrifft, so werden -wir genug für sie haben.</p> - -<p>Dann gingen sie hinein und aßen und tranken und -legten sich zur Ruhe. Aber sie redeten noch lange von der -Kuh, von dem großen Ereignis. Ja, aber ist es nicht eine -schöne Kuh? Jetzt bekommt sie das zweite Kalb. Sie heißt -Goldhorn. Schläfst du, Isak? — Nein. — Und denk -dir, sie hat mich sofort wiedererkannt und ist mir gestern -wie ein Lamm gefolgt. Wir haben heute nacht eine Weile -auf dem Gebirge ausgeruht. — So? — Wir müssen sie -aber den ganzen Sommer auf der Weide anbinden, sonst -reißt sie aus, denn Kuh ist Kuh. — Wo ist sie vorher -gewesen? fragte Isak schließlich. — Bei meinen Leuten, -die haben sie versorgt. Sie wollten sie nicht hergeben, und -die Kinder weinten, als ich sie mitnahm.</p> - -<p>War es möglich, daß Inger so herrlich lügen konnte? -Sie sprach natürlich die Wahrheit, und die Kuh gehörte -ihr. Nun wurde es großartig und behaglich auf dem -Hofe, bald gab es nichts mehr, was noch fehlte! O diese -Inger, er liebte sie, und sie liebte ihn wieder, sie waren -genügsam, sie lebten im Zeitalter des Holzlöffels und -hatten es gut. Wir wollen schlafen! dachten sie. Und -dann schliefen sie. Bei Morgengrauen erwachten sie zum -nächsten Tag; es gab wohl allerlei, mit dem man sich<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span> -abplagen mußte, jawohl, Kampf und Freude, wie das -Leben eben ist.</p> - -<p>Da waren nun zum Beispiel diese Balken. Sollte er -versuchen, sie aufzulegen? Isak hatte sich wohl umgesehen, -als er im Dorfe war, und sich die Bauart ausgedacht, -er konnte eine Eckfuge aushauen. Und mußte er -es nicht durchaus tun? Jetzt waren Schafe auf den Hof -gekommen, eine Kuh war gekommen, der Ziegen waren -es viele geworden und würden immer mehr werden, der -Viehstand sprengte den einen Raum der Gamme, er -mußte einen Ausweg finden. Am besten war es, er fing -gleich an, solange die Kartoffeln blühten und die Heuernte -noch nicht begonnen hatte; Inger mußte da und -dort mit Hand anlegen.</p> - -<p>In der Nacht erwacht Isak und steht auf. Inger schläft, -fest und tief schläft sie nach ihrer Wanderung. Er geht -wieder in den Stall. Jetzt redet er die Kuh ja nicht so an, -daß es in widerliche Schmeicheleien übergeht, aber er -tätschelt sie freundlich und untersucht sie aufs neue nach -allen Richtungen, ob sie nicht irgendein Merkmal, ein -Zeichen von einem fremden Eigentümer habe. Aber er -findet kein Zeichen und geht erleichtert fort.</p> - -<p>Da liegt das Bauholz. Er fängt an, es auseinander -zu rollen, es in einem Viereck auf die Mauer zu heben, ein -großes Viereck für die Stube und ein kleines Viereck für -die Kammer. Es war sehr unterhaltend und nahm ihn so -in Anspruch, daß er darüber die Zeit vergaß. Jetzt rauchte -es aus dem Dachloch der Gamme, Inger trat heraus und -meldete, das Frühstück sei fertig. Und was hast du denn -hier vor? fragte sie. — Bist du aufgestanden? erwiderte -Isak.</p> - -<p>Seht, dieser Isak, er tat sehr geheimnisvoll, aber es -gefiel ihm gut, daß sie fragte und neugierig war und ein -Wesen aus seinem Vorhaben machte. Als er gegessen<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span> -hatte, blieb er noch ziemlich lange in der Gamme sitzen, -ehe er wieder hinausging. Worauf wartete er?</p> - -<p>Nein, ich bleibe hier sitzen! sagte er schließlich und -stand auf. Und ich habe doch so viel zu tun! sagte er. — -Baust du ein Haus? fragte sie. Kannst du nicht antworten? -— Er antwortete aus Gnade, ja, er fühlte sich -außerordentlich groß, weil er ein Haus baute und dem -Ganzen vorstand, deshalb antwortete er: Du siehst doch -wohl, daß ich baue. — So? Ja, ja. — Kann ich denn -anders? sagte er. Du kommst wahrhaftig mit einer ganzen -Kuh daher, und da muß ich doch einen Stall für sie -haben.</p> - -<p>Arme Inger, sie war nicht so unmenschlich klug wie er, -wie Isak, der Herr der Schöpfung. Und es war, ehe sie -ihn kennenlernte, ehe sie seine Art zu sprechen verstand. -Inger sagte: Aber du wirst doch nicht am Ende einen -Stall bauen? — So, sagte er. — Du führst mich wohl -an, denn es wäre ja viel besser, du bautest ein Haus. — -So, meinst du das? erwiderte er und sah sie mit verstellt -ausdrucksloser Miene an, ja, als ob ihm bei ihrer Frage -erst ein Licht aufginge. — Ja, dann können die Tiere die -Gamme bekommen. — Er überlegte und sagte dann: -Ich glaube wirklich, so wird es am besten sein! — Da -siehst du, sagte die siegende Inger, ich bin auch nicht so -ganz auf den Kopf gefallen. — Nein. Und was meinst du -zu einer Kammer neben der Stube? — Eine Kammer? -Dann wäre es bei uns wie bei anderen Leuten. Ja, wenn -uns das widerfahren würde.</p> - -<p>Und es widerfuhr ihnen. Isak baute und hieb Eckfugen -aus; er legte die Balken im Viereck, und zugleich mauerte -er eine Feuerstelle aus dazu passenden Steinen; aber diese -letzte Arbeit gelang ihm am wenigsten, und er war zuzeiten -recht unzufrieden mit sich. Als die Heuernte begann, -muß er von seinem Bauwerk heruntersteigen, um weitum<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> -in den Halden das Gras zu mähen; danach trug er das -Heu in ungeheuren Lasten nach Hause.</p> - -<p>An einem Regentag sagte Isak, er müsse hinunter ins -Dorf.</p> - -<p>Was willst du dort? fragte Inger. — Ich weiß es -selbst nicht genau, antwortete er.</p> - -<p>Er ging, war zwei volle Tage abwesend und brachte -dann einen Kochherd angeschleppt — der Prahm kam -durch den Wald dahergesegelt mit einem Kochherd auf -dem Rücken.</p> - -<p>Du bist nicht wie ein Mensch gegen dich selbst, sagte -Inger. Nun riß Isak die Feuerstelle, die sich in dem neuen -Haus so schlecht ausnahm, wieder ein und stellte den -Herd an ihren Platz. Nicht alle Leute haben einen Kochherd, -sagte Inger, und nun haben wir einen! sagte sie.</p> - -<p>Die Heuernte ging ihren Gang, Isak brachte Heu in -Massen heim, denn Waldgras ist leider nicht dasselbe -wie Wiesengras, sondern viel geringer. Nun konnte er -bloß an Regentagen an seinem Haus bauen, da ging es -langsam vorwärts, und im August, als Isak alles Heu -unter dem Felsenhang wohlgeborgen hatte, war das -neue Haus erst halb gebaut.</p> - -<p>Im September sagte Isak zu Inger: So geht es nicht, -ich glaube, du mußt hinunter ins Dorf gehen und mir -einen Mann zur Hilfe holen. Inger aber war in der letzten -Zeit etwas schweratmig geworden und konnte nicht -mehr so schnell laufen, doch machte sie sich selbstverständlich -fertig, seinen Auftrag auszurichten.</p> - -<p>Aber indessen hatte der Mann es sich anders überlegt, -er wurde wieder hoffärtig und wollte alles allein machen. -Es ist nicht der Mühe wert, die Leute darum anzugehen, -sagte er, ich bringe es schon allein fertig. — Nein, du -kannst es nicht schaffen, versetzte Inger. — Doch, hilf -mir nur mit den Balken.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span></p> - -<p>Als der Oktober herangekommen war, sagte Inger: -Ich kann nicht mehr! Das war nun sehr schlimm. Die -Dachbalken sollten und mußten aufgesetzt werden, damit -das Haus gedeckt wurde, ehe die Herbstregen einsetzten, -es war höchste Zeit. Was hatte Inger nur? Sie wurde -doch nicht krank?</p> - -<p>Wohl bereitete sie ab und zu noch Ziegenkäse, sonst -aber leistete sie nichts mehr, als die Kuh Goldhorn auf -der Weide viele Male am Tage an einen andern Platz -anzubinden. — Bring einen großen Korb oder eine Kiste -oder so etwas mit, wenn du wieder ins Dorf gehst, hatte -Inger gesagt. — Was willst du damit? fragte Isak. — -Ich brauche es, antwortete sie nur.</p> - -<p>Isak zog die Dachbalken an Seilen hinauf, und Inger -schob mit einer Hand nach; es war, als helfe es schon, -wenn sie nur dabei war. Allmählich ging es doch vorwärts; -es war ja kein sehr hohes Dach, aber die Balken -waren abenteuerlich groß und dick für das kleine Haus.</p> - -<p>Das gute Herbstwetter hielt sich einigermaßen, Inger -hackte alle Kartoffeln allein heraus, und Isak bekam das -Haus unter Dach, ehe der Regen endgültig einsetzte. Die -Ziegen waren jetzt schon nachts bei den Menschen in der -Hütte drinnen, auch das ging, alles ging. Die Menschen -klagten nicht darüber. Isak machte sich wieder zu einem -seiner Gänge ins Dorf fertig. Du solltest für mich einen -großen Korb oder eine Kiste mitbringen, sagte Inger -wieder, und es klang wie ein demütiger Wunsch. — Ich -habe mir einige Fenster mit Glasscheiben bestellt, die ich -holen muß, erwiderte Isak. Und ich habe auch zwei angestrichene -Türen bestellt, fügte er überlegen hinzu. — Nun -ja, dann muß der Korb eben warten. — Was willst du -mit dem? — Was ich damit will? Ja, hast du denn keine -Augen im Kopf?</p> - -<p>In tiefe Gedanken versunken, ging Isak seines Wegs -dahin, und als er nach zwei Tagen zurückkam, brachte er<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> -nicht allein ein Fenster, eine Tür zur Wohnstube und eine -Tür zur Schlafkammer mit, sondern über die Brust herunter -hing ihm auch die Kiste für Inger, und in der -Kiste waren verschiedene Eßwaren.</p> - -<p>Inger sagte: Wenn du dich nur nicht eines Tages noch -zu Tode abschleppst! — Hoho, zu Tode! Isak war so -unendlich weit davon entfernt, sich zu Tode zu schleppen, -daß er aus seiner Tasche eine Arzneiflasche mit Naphtha -zog und sie Inger mit der Ermahnung übergab, recht -tüchtig davon zu trinken, damit sie wieder gesund werde. -Und da waren nun die Fenster und die angestrichenen -Türen, mit denen er großtun konnte, und er machte sich -auch gleich daran, sie einzusetzen. Ach, diese kleinen Türen, -und gebraucht waren sie auch schon, aber gemalt waren -sie hübsch mit weißen und roten Farben, die schmückten -die Stuben wie Bilder an den Wänden.</p> - -<p>Jetzt zogen sie in das neue Haus ein, und der Viehbestand -wurde in der ganzen Gamme verteilt. Zu der -Kuh wurde ein Mutterschaf mit seinen Lämmern hineingestellt, -damit sie es nicht gar so einsam hätte.</p> - -<p>Die Leute auf dem Ödland hatten es nun weit gebracht, -wunderbar weit!</p> - - - -<h3>3</h3> - - -<p>Solange das Erdreich noch weich war, brach Isak -Steine und Wurzelstöcke heraus und richtete sein -Land fürs nächste Jahr, und als dann der Boden -gefror, ging er in den Wald und fällte große Mengen -Klafterholz.</p> - -<p>Was willst du mit all dem Holz? konnte Inger fragen. -— Das weiß ich nicht so genau, antwortete Isak; aber er -wußte es recht wohl. Der alte düstere Urwald stand noch -zu dicht ans Haus heran und versperrte jede Erweiterung -des Wiesenlandes, außerdem wollte er das Klafterholz<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span> -während des Winters auf irgendeine Weise ins Dorf hinunterschaffen -und es an Leute verkaufen, die kein Brennholz -hatten. Isak war überzeugt, daß das ein sehr guter -Gedanke sei, deshalb fällte er fleißig Bäume und hieb sie -zu Klafterholz zurecht. Inger kam oft heraus und sah -ihm zu; er tat zwar, als sei ihm das gleichgültig und als -sei das gar nicht notwendig von ihr, aber sie fühlte doch, -daß sie ihm dadurch wohltat.</p> - -<p>Manchmal fielen dabei merkwürdige Worte zwischen -ihnen. Hast du nichts anderes zu tun, als hier herauszulaufen -und dich zu Tode zu frieren? sagte Isak. — Ich -friere nicht, antwortete Inger, aber du wirst dich noch -krank schaffen. — Jetzt ziehst du gleich meine Jacke an, -die dort drüben liegt. — Das fiele mir gerade noch ein, -ich kann doch nicht hierbleiben, wenn Goldhorn eben am -Kalben ist. — Ach so, Goldhorn ist am Kalben? — Hast -du das nicht gewußt? Und was meinst du, sollen wir das -Kalb aufziehen? — Das machst du, wie du willst, ich -weiß es nicht. — Aber wir können doch das Kalb nicht -aufessen, so viel ist gewiß. Denn dann hätten wir immer -wieder nur eine einzige Kuh. — Und ich bin auch fest -überzeugt, du möchtest gar nicht, daß wir das Kalb aufäßen, -sagte Isak.</p> - -<p>Diese einsamen Menschen, so ungeschlacht und zu sehr -ihren Trieben ergeben, aber voller Güte gegeneinander, -gegen das Vieh und gegen die Erde!</p> - -<p>Dann brachte Goldhorn ein Kalb zur Welt. Das war -ein bedeutungsvoller Tag im Ödland, eine überaus große -Freude und ein großes Glück. Goldhorn bekam guten -Mehltrank, und Isak sagte: Spar nicht am Mehl! obgleich -er es auf seinem Rücken heraufgetragen hatte. Da -lag nun ein hübsches Kalb, eine Schönheit von einem -Kalb, rosig war es auch, sonderbar verwirrt nach dem -Wunder, das es durchgemacht hatte. In ein paar Jahren -würde es selbst Mutter sein. Dieses Kalb wird eine pracht<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span>volle -Kuh werden, sagte Inger, und ich weiß gar nicht, -wie es heißen soll, sagte sie. Inger war etwas kindisch -und hatte für so etwas nur eine schlechte Erfindungsgabe. -— Heißen? sagte Isak. Du kannst keinen passenderen -Namen finden als Silberhorn.</p> - -<p>Nun fiel der erste Schnee, und sobald der Schnee fest -und tragfähig war, zog Isak hinunter ins Dorf. Er tat -geheimnisvoll wie immer und wollte Inger nicht sagen, -was er im Sinn hatte. Und er kehrte zurück, zur größten -Überraschung — mit Pferd und Schlitten. Ich glaube, du -treibst deinen Scherz, sagte Inger, und du hast doch wohl -das Pferd nicht genommen? — Ich, das Pferd genommen! -— Gefunden, meine ich! Ach, wenn Isak jetzt hätte -sagen können: mein Pferd, unser Pferd! Aber er hatte -es nur für einige Zeit leihweise bekommen, er wollte sein -Klafterholz mit ihm hinunterführen.</p> - -<p>Isak fuhr Klafterholz ins Dorf und brachte dafür -allerlei Eßwaren und Mehl und Heringe mit herauf. Und -einmal kam er mit einem jungen Stier auf dem Schlitten, -er hatte ihn unglaublich billig bekommen, weil im Dorf -bereits Futtermangel herrschte. Mager und zottig war -der Stier, und er konnte nicht so recht brüllen, aber er -war keine Mißgeburt und würde sich bei guter Pflege -bald herausmachen, er war eben zweijährig. Inger sagte: -Du bringst doch alles mit.</p> - -<p>Ja, Isak brachte alles; er brachte Planken und Bretter, -die er für Klafterholz eingetauscht hatte, er brachte einen -Schleifstein, ein Waffeleisen, Handwerkszeug, alles für -Klafterholz eingetauscht. Inger schwoll vor Reichtum, -und sie sagte jedesmal: Bringst du noch mehr? Jetzt -haben wir einen Stier und alles, was wir uns nur denken -können! — Und eines Tages antwortete Isak: Nein, jetzt -bringe ich übrigens nichts mehr.</p> - -<p>Sie hatten jetzt genug für lange Zeit und waren wohlgeborgene -Leute. Was würde sich Isak nun im Frühjahr<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> -vornehmen? An die hundertmal hatte er es sich ausgedacht, -wenn er hinter seiner Holzfuhre hergeschritten -war: er wollte auf der Halde weiter umroden, wollte den -Boden urbar machen, Klafterholz zurechtmachen, es im -Sommer trocknen lassen und im nächsten Winter noch -einmal so viel hinunterfahren. Die Rechnung stimmte, -es war kein Fehler darin. Und an die hundertmal hatte -Isak auch an etwas anderes gedacht, nämlich an die Kuh -Goldhorn. Woher kam sie, wem gehörte sie? So eine -Frau wie Inger gab es nicht mehr, oh, sie war ein tolles -Mädchen, und sie wollte alles, was er von ihr wollte und -war zufrieden damit. Aber eines schönen Tages konnte -jemand kommen und Goldhorn zurückverlangen und sie -an einem Strick davonführen. Und viel Schlimmeres -konnte daraus erwachsen. Du hast doch wohl das Pferd -nicht genommen oder es gefunden? hatte Inger gesagt. -Das war ihr erster Gedanke gewesen; man konnte ihr -wohl nicht so recht glauben, und was sollte er tun? Daran -hatte er gedacht. Hatte er nicht auch einen Stier für Goldhorn, -vielleicht für eine gestohlene Kuh erstanden?</p> - -<p>Und nun mußte das Pferd zurückgegeben werden. Das -war schade, denn das Pferd war klein und rund und sehr -zutraulich geworden. O ja, aber du hast schon sehr Großes -damit geleistet, sagte Inger tröstend. — Aber im Frühjahr -sollte ich eben das Pferd haben, da würde ich es so -notwendig brauchen! versetzte Isak.</p> - -<p>Im Morgendämmern fuhr er mit seiner letzten Holzladung -langsam von zu Hause fort und blieb zwei volle -Tage weg. Als er wieder zu Fuß heimwärts wanderte, -hörte er vor dem Hause einen sonderbaren Ton. Was -konnte das sein? Er blieb lauschend stehen. Kindergeschrei -— ach ja, Herrgott im Himmel, es war nicht anders, -aber es war schrecklich und sonderbar, und Inger hatte -nichts gesagt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span></p> - -<p>Er trat ein und sah zuerst die Kiste, die vielbesprochene -Kiste, die er auf seiner Brust heraufgetragen hatte! Sie -hing nun an zwei Stricken vom Dachfirst herunter und -war eine Wiege und eine Schaukel für das Kind. Inger -ging halb angekleidet umher, ja, sie hatte wahrhaftig auch -die Kuh und die Ziegen gemolken!</p> - -<p>Als das Kind schwieg, fragte Isak: Hast du das alles -schon getan? — Ja, jetzt ist es getan. — So. — Es kam -an dem Tag, an dem du wegfuhrst, am Abend. — So. -— Ich mußte mich nur noch recken, um die Kiste aufzuhängen, -dann war alles vorbereitet; aber das konnte ich -nicht ertragen, es wurde mir übel danach. — Warum hast -du mir nichts davon gesagt? — Konnte ich denn die Zeit -so genau wissen? Es ist ein Junge. — Ach so, es ist ein -Junge. — Und wenn ich jetzt nur wüßte, wie er heißen -soll! sagte Inger.</p> - -<p>Isak durfte das kleine rote Gesicht sehen; es war wohlgeformt -und hatte keine Hasenscharte, und es hatte dichtes -Haar auf dem Kopf. Ein hübscher kleiner Kerl war er, -seinem Stand und seiner Stellung nach, wie er da in -seiner Kiste lag. Isak war es ganz seltsam zumute, und -er fühlte sich ordentlich schwach; der Mühlengeist stand -vor dem Wunder; es war einmal in einem heiligen Nebel -entstanden, es zeigte sich im Leben mit einem kleinen -Gesicht wie ein Sinnbild. Tage und Jahre würden das -Wunder zu einem Menschen machen.</p> - -<p>Komm und iß etwas, sagte Inger ...</p> - -<p>Isak fällt Bäume und schichtet Klafterholz. Er ist jetzt -weitergekommen, als er war. Er hat eine Säge. Er sägt -Brennholz, und die Klafterbeugen werden gewaltig groß, -er macht eine Straße aus ihnen, ein ganzes Dorf. Inger -ist jetzt mehr ans Haus gebunden und kann den Mann -nicht bei seiner Arbeit besuchen, aber dafür macht Isak -kleine Abstecher zu ihr. Putzig mit so einem winzigen Kerl -in einer Kiste! Es konnte Isak nicht einfallen, sich um<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span> -ihn zu kümmern, und außerdem war es ja nur ein kleiner -Wurm, mochte er da liegenbleiben! Aber man war doch -ein Mensch und konnte das Geschrei nicht teilnahmslos -mit anhören, so ein kleines Geschrei.</p> - -<p>Nein, faß ihn nicht an! sagte Inger. Denn du hast -gewiß Harz an den Händen, sagte sie. — Ich, Harz an -den Händen? Du bist wohl verrückt! erwiderte Isak. -Seit das Haus fertig geworden ist, habe ich kein Harz -mehr an den Händen gehabt. Gib den Jungen her, dann -will ich ihn in Schlaf wiegen! — Nein, jetzt ist er gleich -still ...</p> - -<p>Im Mai kommt eine fremde Frauensperson übers Gebirge -zu der einsamen Ansiedlung; sie ist eine Verwandte -von Inger und wird gut aufgenommen. Sie sagt: Ich -wollte nur sehen, wie es Goldhorn geht, seit sie von uns -fortgekommen ist! — Die Leute fragen nicht viel nach -dir, nach so einem kleinen Kerl, flüstert Inger betrübt -dem Kinde zu. — Ach, er — nun das seh ich ja, wie es -ihm geht. Es ist ein prächtiger Junge, das seh ich! Und -wenn mir jemand das vor einem Jahr gesagt hätte, daß -ich dich hier wiederfinden würde, Inger, mit Mann und -Kind und Haus und allem übrigen! — Von mir sollst -du nicht reden, das ist nicht der Mühe wert. Aber da ist -nun er, der mich so genommen hat, wie ich war! — Seid -ihr getraut? So, ihr seid noch nicht getraut? — Aber wir -werden jetzt sehen, wenn der Kleine getauft wird, sagt -Inger. Wir haben uns schon trauen lassen wollen, aber -es hat sich nicht einrichten lassen. Was sagst du dazu, -Isak? — Ja, trauen lassen — versteht sich. — Kannst du -nicht nach der Heuernte hierherkommen, Oline, und das -Vieh versorgen, während wir die Reise machen? fragte -Inger. — O doch, das versprach der Besuch. — Wir werden -dich dafür schadlos halten. — Ja, das wisse sie -wohl ... Und nun wollt ihr noch weiter bauen, sehe ich. -Was baut ihr denn? Habt ihr noch nicht genug? — Inger<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span> -schüttelt den Kopf und sagt: Ja, frag du ihn, ich bekomme -es nicht zu wissen. — Was ich baue? sagt Isak, -es ist nicht der Rede wert. Einen kleinen Schuppen, für -den Fall, daß ich einen brauche. Aber du hast ja nach -Goldhorn gefragt, willst du sie sehen? fragt er den Gast.</p> - -<p>Sie gehen in den Stall, Kuh und Kalb werden gezeigt. -Der Stier ist ein prächtiges Stück Vieh, der Gast nickt -wohlgefällig über das Vieh und den Stall, sagt, sie seien -von bester Art, und die ausgesuchte Reinlichkeit, die sei -großartig. Ich stehe bei Inger für alles ein, was gute -und erfahrene Behandlung der Tiere betrifft, sagte die -Verwandte.</p> - -<p>Isak fragt: So, also die Kuh Goldhorn ist vorher bei -dir gewesen? — Ja, von ihrer Geburt an! Ja, nicht gerade -bei mir, sondern bei meinem Sohn; aber das ist -dasselbe. Wir haben sogar noch ihre Mutter in unserm -Stall!</p> - -<p>Isak hatte seit langer Zeit keine angenehmere Botschaft -gehört, und ein Stein fiel ihm vom Herzen, jetzt war -Goldhorn mit Recht seine und Ingers Kuh. Um die -Wahrheit zu sagen, so hatte er sich halb und halb den -traurigen Ausweg aus seiner Ungewißheit ausgedacht gehabt, -Goldhorn im Herbst zu schlachten, die Haare von -der Haut zu schaben, die Hörner in der Erde zu vergraben -und so jegliche Spur von der Kuh Goldhorn zu vertilgen. -Jetzt war dies unnötig. Er wurde so stolz auf Inger, daß -er sagte: Reinlich? Ja, so wie sie gibt es keine mehr. Es -muß mir wahrhaftig vorher bestimmt gewesen sein, daß -ich eine vermögliche Frau bekommen sollte! — Das war -nicht anders zu erwarten! sagt die Verwandte.</p> - -<p>Diese Frau von jenseits des Gebirges, eine freundliche -Person mit wohlgesetzter Rede, ein verständiges -Menschenkind namens Oline, sie blieb nur ein paar Tage -da und schlief in der Kammer nebenan. Als sie wieder -fortging, bekam sie etwas Wolle von Ingers Schafen,<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> -die sie jedoch, einerlei aus welchem Grunde, vor Isak -verbarg.</p> - -<p>Das Kind, Isak und die Frau — die Welt wurde dann -wieder dieselbe, tägliche Arbeit, viele kleine und große -Freuden, Goldhorn gab reichlich Milch, die Ziegen hatten -junge Zicklein und gaben auch reichlich Milch, Inger verfertigte -eine Reihe weißer und roter Käse und stellte sie -zum Reifen auf. Ihr Plan war, so viele Käslaibe herzustellen, -daß sie sich einen Webstuhl dafür kaufen konnte -— o diese Inger, sie konnte weben!</p> - -<p>Und Isak baute einen Schuppen, auch er hatte wohl -einen Plan. Er errichtete den neuen Anbau an die Gamme -mit einer doppelten Bretterwand, machte eine Tür hinein -und ein nettes kleines Fenster mit vier Scheiben; dann -legte er vorläufig ein Notdach darauf und wartete mit -der Birkenrinde, bis der Boden auftauen würde und er -Wasen ausstechen könnte. Nur das Notwendigste wurde -gemacht, kein Bretterboden, keine gehobelten Wände, aber -Isak zimmerte einen Stand wie für ein Pferd und machte -eine Krippe.</p> - -<p>Es war schon Ende Mai, als die Sonne die Hügel aufgetaut -hatte und Isak seinen Schuppen mit Wasen decken -konnte; nun war das neue Gebäude fertig. Dann eines -Morgens aß er eine Mahlzeit, die einen Tag ausreichen -konnte, nahm außerdem noch Mundvorrat mit, legte -Hacke und Spaten über die Schulter und ging ins Dorf.</p> - -<p>Kannst du vier Ellen Zitz mitbringen? rief ihm Inger -nach. — Was willst du damit? versetzte Isak.</p> - -<p>Es sah aus, als wollte er für immer fortbleiben. Inger -sah jeden Tag nach dem Wetter, nach der Windrichtung, -als erwarte sie ein Schiff, ging in der Nacht hinaus und -lauschte, sie dachte daran, das Kind auf den Arm zu -nehmen und ihm nachzulaufen. Endlich kehrte er zurück -mit Pferd und Wagen. Ptro! sagte Isak laut vor der -Tür, und obgleich das Pferd ruhig und fromm dastand<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span> -und wiedererkennend nach der Hütte wieherte, rief Isak -ins Haus hinein: Kannst du herauskommen und das -Pferd ein wenig halten?</p> - -<p>Inger kam heraus. Was ist das? rief sie. Sag, hast -du es wirklich wieder entlehnen können? Wo bist du denn -die ganze Zeit gewesen? Heut ist der siebente Tag. — Wo -sollte ich gewesen sein? Ich mußte an vielen Stellen erst -den Weg bahnen, um mit meinem Wagen durchzukommen. -Halt das Pferd ein wenig, hab ich gesagt! — Mit -deinem Wagen? Du hast doch, soviel ich weiß, den Wagen -nicht gekauft?</p> - -<p>Isak blieb stumm, ganz geschwollen vor Stummheit. -Er fängt an, den Karren abzuladen; Pflug und Egge, -die er sich angeschafft hat, Nägel, Eßwaren, einen Spaten, -einen Sack voll Saatkorn. Wie geht es dem Kinde? -fragt er.</p> - -<p>Das Kind leidet keine Not. Hast du den Karren gekauft? -frage ich. Und ich quäle und quäle mich um einen -Webstuhl ab, sagt sie richtig scherzhaft, so froh war sie, -daß er wieder daheim war.</p> - -<p>Isak schwieg wieder eine lange Weile und war mit sich -selbst beschäftigt. Er überlegte und schaute sich um, wo er -alle die Waren und die Geräte unterbringen sollte. Es -schien gar nicht so leicht, auf dem Hofe Platz für alles -zu finden. Aber als Inger es aufgab, noch weiter zu fragen -und statt dessen mit dem Pferde plauderte, brach -Isak das Schweigen und sagte: Hast du schon einen Hof -ohne Pferd und Wagen und Pflug und Egge und alles, -was noch dazu gehört, gesehen? Und da du es wissen -willst, ja, ich habe das Pferd und den Karren und alles, -was darauf ist, gekauft. — Danach konnte Inger nur -den Kopf schütteln und sagen: Um alles in der Welt!</p> - -<p>Und nun war Isak nicht klein und verzagt, es war, -als habe er wie ein großer Herr für Goldhorn bezahlt: -Bitte — in runder Summe meinerseits ein Pferd! Er<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span> -war so muskelstark, daß er den Pflug noch einmal aufnahm, -ihn mit einer Hand an die Hauswand trug und da -aufstellte. So ein Herrscher war er! Und dann trug er -die Egge, den Spaten, eine neue Heugabel, die er gekauft -hatte, alle die teuren landwirtschaftlichen Geräte, die -Kleinode, in den Neubau. Großartig, oh, volle Ausrüstung, -jetzt fehlte nichts mehr!</p> - -<p>Hm. Und es wird wohl auch zu einem Webstuhl reichen, -sagte er, vorausgesetzt, daß ich gesund bleibe. Da -ist der Zitz, sie hatten nichts anderes als diesen blauen -Kattun.</p> - -<p>Er war grundlos und schöpfte immer mehr. So war's -immer, wenn er vom Dorf kam.</p> - -<p>Inger sagte: Es war recht schade, daß die Oline nicht -das alles zu sehen bekam, solange sie hier war.</p> - -<p>Lauter Getue und Eitelkeit von seiten des Weibes, und -der Mann lächelte verächtlich über ihre Worte. Oh, aber -er hätte gewiß nichts dagegen gehabt, wenn Oline diese -ganze Herrlichkeit gesehen hätte.</p> - -<p>Das Kind weinte.</p> - -<p>Geh wieder zu dem Jungen hinein, sagte Isak. Denn -nun hat sich das Pferd beruhigt.</p> - -<p>Er spannt aus und führt das Pferd in den Stall hinein -— stellte sein Pferd in den Stall. Er füttert und -striegelt es und liebkost es. Was er für Pferd und Karren -schuldig war? Alles, die ganze Summe, eine sehr große -Schuld, aber sie sollte nicht älter werden, als bis Ende -des Sommers. Er hatte Klafterholz dafür, etwas getrocknete -Birkenrinde zum Bauen vom vorigen Jahr und -schließlich noch einige gute Stämme. Aber das hielt nicht -vor. Als sich später die Spannkraft und der kecke Mut -etwas gelegt hatten, stellte sich manche bittere Stunde -der Furcht und Besorgnis ein; jetzt kam alles auf den -Sommer und den Herbst an!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span></p> - -<p>Die Tage waren mit Feldarbeit ausgefüllt, mit immer -mehr Feldarbeit! Er reinigte neue Strecken von Wurzeln -und Steinen, pflügte sie um, düngte, pflügte, hackte, zerkleinerte -Klumpen mit den Händen und mit den Absätzen, -war überall ein fleißiger Ackermann und machte -den Acker so glatt wie Plüsch. Dann wartete er ein paar -Tage, und als es nach Regen aussah, säte er Korn.</p> - -<p>Seit mehreren hundert Jahren hatten wohl seine Vorfahren -Korn gesät. Das war eine Arbeit, die an einem -milden, windstillen Abend in Andacht vollbracht wurde, -am liebsten bei einem geeigneten feinen Staubregen, so es -möglich war, am liebsten, gleich wenn die Wildgänse gezogen -kamen. Die Kartoffel war eine neue Frucht, da -war nichts Geheimnisvolles dabei, nichts Religiöses. -Frauen und Kinder konnten beim Legen dabeisein, beim -Legen dieser Erdäpfel, die von einem fremden Lande -kamen, gerade wie der Kaffee, ein großartiges, herrliches -Lebensmittel, aber von der Familie der Rüben. -Korn, das war das Brot, Korn oder nicht Korn, das -war Leben oder Tod. Isak schritt barhäuptig und in Jesu -Namen dahin und säte; er war wie ein Baumstumpf mit -Händen, aber innerlich war er wie ein Kind. Auf jeden -seiner Samenwürfe verwendete er größte Sorgfalt, er -war freundlich und ergeben gestimmt. Seht, jetzt keimt -das Korn und wird zu Ähren mit vielen Körnern, und so -ist es auf der ganzen Welt, wenn Korn gesät wird. Im -Morgenland, in Amerika, im Gudbrandstal — ach, wie -groß die Erde ist, und das winzig kleine Feld, auf das -Isak säte! Das war der Mittelpunkt von allem. Fächer -von Körnern strahlten aus seiner Hand. Der Himmel -war bewölkt und günstig, es sah nach einem ganz feinen -Staubregen aus.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span></p> - - - - -<h3>4</h3> - - -<p>Zwischen Frühjahrs- und Herbstarbeit kamen und -gingen die Tage, aber Oline kam nicht.</p> - -<p>Isak hatte jetzt seine Felder bestellt, er richtete -zwei Sensen und zwei Rechen zur Heuernte, machte -einen langen Boden auf seinen Karren, damit er Heu -darauf laden konnte, richtete sich auch Kufen und geeignetes -Holz zu einem Arbeitsschlitten für den Winter -her. Er machte viele gute Sachen. Und was zwei Borte -an der Wand in der Stube betraf, so brachte er auch diese -an, so daß man die verschiedensten Dinge darauf legen -konnte, den Kalender, den er sich endlich gekauft hatte, -und Quirle und Schöpfkellen, die nicht im Gebrauch -waren. Inger sagte, diese beiden Bretter seien etwas -außerordentlich Gutes.</p> - -<p>Inger fand alles außerordentlich gut. Seht, Goldhorn -wollte nun nicht mehr durchgehen, sondern sie vergnügte -sich mit dem Kalb und dem Stier und weidete den -lieben langen Tag im Walde. Seht, die Ziegen gediehen -so, daß ihre schweren Euter fast auf dem Boden schleppten. -Inger nähte ein langes Kleidchen aus blauem Kattun -und ein Mützchen von demselben Stoff, es war das Hübscheste, -was man sehen konnte, es war der Taufanzug. -Das Kind selbst lag ganz still da und verfolgte das Werk -mit seinen Augen, es war schon ein rechter Junge geworden, -und wenn er durchaus Eleseus heißen sollte, so -wollte sich Isak auch nicht länger dagegen sträuben. Als -das Kleidchen fertig war, hatte es eine zwei Ellen lange -Schleppe, und jede Elle kostete ihr Geld, aber das half -nichts, das Kind war nun einmal der Erstgeborene. — -Wenn dein Perlenhalsband einmal getragen werden soll, -so ist es wohl diesmal an der Zeit, sagte Isak. — Oh, -Inger hatte auch schon an die Perlen gedacht, sie war -nicht umsonst Mutter, sondern durchaus einfältig und<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span> -stolz. Die Perlen reichten dem Jungen nicht um den -Hals, aber sie würden vorne auf der Mütze hübsch aussehen, -und da brachte sie sie an.</p> - -<p>Aber Oline kam nicht.</p> - -<p>Wäre es nicht wegen der Tiere gewesen, dann hätten -alle Bewohner das Haus verlassen und mit dem getauften -Kinde nach drei bis vier Tagen zurückkommen -können. Und wäre es nicht wegen der Trauung gewesen, -so hätte Inger allein reisen können. — Ob wir nicht die -Trauung so lange verschieben könnten? sagte Isak. — -Aber Inger antwortete: Es wird zehn bis zwölf Jahre -dauern, bis Eleseus daheim bleiben und melken kann.</p> - -<p>Nun, da mußte Isak seinen Verstand gebrauchen. -Eigentlich war das Ganze nicht am Anfang begonnen -worden, und die Trauung war vielleicht ebenso notwendig -wie die Taufe, was wußte er. Jetzt sah es nach Trockenheit -aus, nach richtiger böser Trockenheit; wenn nicht bald -Regen kam, verbrannte der Ertrag der Felder, aber alles -stand in Gottes Hand. Isak machte sich fertig, ins Dorf -hinunterzueilen und sich nach einem Menschen zur Aushilfe -umzusehen. Da mußte er wieder viele Meilen laufen.</p> - -<p>All diese Beschwer einer Trauung und einer Taufe -wegen! Die Leute im Ödland haben wirklich viele kleine -und große Sorgen!</p> - -<p>Dann kam Oline ...</p> - -<p>Jetzt waren sie verheiratet und getauft, alles war in -Ordnung, sie waren sogar darauf bedacht gewesen, sich -zuerst trauen zu lassen, damit das Kind ehelich wurde. -Aber die Trockenheit hielt an, und nun verbrannten die -kleinen Kornäcker, verbrannten diese Plüschteppiche, und -warum nur? Alles stand in Gottes Hand. Isak mähte -seine Wiesenstücke, aber es stand kein hohes Gras darauf, -obgleich der Boden im Frühjahr gedüngt worden war. Er -mähte und mähte auch auf weit entfernten Halden und -wurde nicht müde, zu mähen, zu trocknen und Futter<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> -heimzuführen, denn er hatte ja jetzt ein Pferd und einen -großen Viehstand. Aber mitten im Juli mußte er auch -das Korn zu Grünfutter mähen, zu anderem war es nicht -zu gebrauchen. So, und nun kam es nur noch auf die -Kartoffeln an.</p> - -<p>Wie stand es mit der Kartoffel? War sie nur eine -Kaffeeart aus fremdem Lande, die entbehrt werden -konnte? Oh, die Kartoffel ist eine unvergleichliche Frucht, -sie steht draußen in Trockenheit, steht in Nässe, wächst -aber doch. Sie trotzt dem Wetter und hält viel aus, bekommt -sie nur eine einigermaßen gute Behandlung von -den Menschen, so lohnt sie es fünfzehnfach. Seht, die -Kartoffel hat nicht das Blut der Traube, aber sie hat das -Fleisch der Kastanie, man kann sie braten und kochen und -zu allem benutzen. Ein Mensch kann Mangel an Brot -haben, hat er Kartoffeln, dann ist er nicht ohne Nahrung. -Die Kartoffeln können in warmer Asche gebraten werden -und ein Abendessen sein, sie können in Wasser gekocht -werden und zum Frühstück dienen. Was brauchen sie an -Zuspeise? Wenig. Die Kartoffeln sind genügsam, eine -Schale Milch, ein Hering ist genug für sie. Der Reichtum -ißt Butter dazu, die Armut taucht sie in ein bißchen Salz -auf einem Teller. Isak verzehrte sie als Sonntagsspeise -mit ein wenig Sahne von Goldhorns Milch. Die mißachtete, -gesegnete Kartoffel!</p> - -<p>Aber jetzt spukte es auch für die Kartoffel.</p> - -<p>Unzählige Male am Tag sah Isak nach dem Himmel. -Der Himmel war blau. Manchen Abend sah es nach -einem Regenschauer aus. Dann ging Isak hinein und -sagte: Möchte wissen, ob es nicht doch Regen gibt. Aber -nach ein paar Stunden war alle Hoffnung wieder verschwunden.</p> - -<p>Jetzt hatte die Trockenheit schon sieben Wochen gedauert, -und die Hitze war sehr groß. Die Kartoffel stand -in all dieser Zeit in voller Blüte, sie blühte unnatürlich<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> -und wunderbar prächtig. Die Äcker sahen von ferne aus -wie Schneefelder. Wie sollte das schließlich werden? Der -Kalender gab keinen Wink, der derzeitige Kalender war -nicht mehr wie früher, der taugte gar nichts. Jetzt sah -es wieder nach Regen aus, und Isak ging zu Inger hinein -und sagte: Mit Gottes Hilfe wird nun heute nacht doch -Regen kommen! — Sieht es nach Regen aus? — Ja, -und das Pferd schüttelt sich im Geschirr.</p> - -<p>Inger schaute zur Tür hinaus und sagte: Ja, jetzt wirst -du sehen! — Ein paar Tropfen fielen. Die Stunden vergingen, -die Leute legten sich zur Ruhe, und als Isak in -der Nacht einmal hinausging, um nachzusehen, war der -Himmel blau.</p> - -<p>Ach du lieber Gott im Himmel! sagte Inger. Nun, -dann wird morgen auch dein letztes Laub trocken, sagte -sie und tröstete, so gut sie konnte.</p> - -<p>Jawohl, Isak hatte auch Laub gesammelt und besaß -nun eine Menge vom besten Laub. Das war wertvolles -Futter, er behandelte es wie Heu und bedeckte es mit -Birkenrinde im Walde. Jetzt war nur noch ein kleiner -Rest draußen, deshalb antwortete er Inger tief verzweifelt -und gleichgültig: Ich nehme es nicht herein, und -wenn es auch ganz austrocknet. — Du weißt nicht, was -du redest, versetzte Inger.</p> - -<p>Am nächsten Tag holte er es also nicht herein — da er -es nun einmal gesagt hatte, holte er das Laub nicht herein. -Es konnte draußen bleiben, es kam ja doch kein -Regen, mochte es in Gottes Namen draußen sein! Er -konnte es vor Weihnachten einmal hereinnehmen, wenn -es bis dahin die Sonne nicht ganz und gar versengt habe.</p> - -<p>Ganz tief und vollständig gekränkt fühlte er sich, es -war ihm keine Freude mehr, unter der Haustür zu sitzen -und über seinen Grund und Boden hinzusehen und alles -zu besitzen. Da standen nun die Kartoffeläcker, blühten -wie verrückt und vertrockneten, dann mochte auch das<span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span> -Laub bleiben, wo es war, bitte! Oh, aber Isak — vielleicht -hatte er mitten in seiner dicken Treuherzigkeit doch -einen kleinen schlauen Hintergedanken, vielleicht tat er -es aus Berechnung und wollte versuchen, jetzt beim -Mondwechsel den blauen Himmel herauszufordern.</p> - -<p>Am Abend sah es wiederum nach Regen aus. Du -hättest das Laub hereinholen sollen, sagte Inger. — -Warum denn? fragte Isak und tat äußerst unzugänglich. -— Ja, ja, du spottest, aber es könnte jetzt doch Regen -kommen. — Du siehst doch wohl, daß in diesem Jahr -kein Regen kommt.</p> - -<p>Aber in der Nacht war es doch, als würden die Glasscheiben -ganz dunkel, und es war auch, als jage etwas dagegen -und mache sie naß, was es nun auch sein mochte.</p> - -<p>Inger erwachte und sagte: Es regnet! Sieh die Fenster -an. — Isak schnaubte nur verächtlich und erwiderte: -Regen? Das ist kein Regen. Ich verstehe nicht, was du -sagst. — Ach, du sollst nicht spotten, sagte Inger.</p> - -<p>Isak spottete, ja. Und er betrog sich nur selbst. Gewiß -regnete es, und zwar einen tüchtigen Schauer; aber als -Isaks Laub ordentlich durchnäßt war, hörte es auf zu -regnen. Der Himmel war wieder blau. Ich hab' es ja vorhergesagt, -daß kein Regen kommt, sagte Isak eigensinnig -und recht sündhaft.</p> - -<p>Für die Kartoffeln nützte dieser Regenschauer nichts, -die Tage kamen und gingen. Der Himmel war blau. Da -machte sich Isak an die Herstellung seines Holzschlittens. -Er gab sich alle Mühe damit. Er beugte sein Herz und -hobelte demütig Kufen und Stangen. Ach ja, Herrgott im -Himmel! Seht, die Tage kamen und gingen ja, das Kind -wuchs heran, Inger machte Butter und Käse, es war -eigentlich nicht so schlimm, ein Mißjahr überlebten tüchtige -Leute draußen im Ödland wohl. Und außerdem — -als neun Wochen vergangen waren, kam auch richtiger, -segensreicher Regen; einen ganzen Tag und eine ganze<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span> -Nacht hindurch regnete es, sechzehn Stunden lang goß -es in Strömen, die Himmel hatten sich geöffnet. Wenn -es nun vierzehn Tage früher gewesen wäre, dann hätte -Isak gesagt: Es ist zu spät. Jetzt aber sagte er zu Inger: -Du wirst sehen, es hilft den Kartoffeln doch noch ein -wenig auf. — O ja, antwortete Inger tröstend, es hilft -ihnen noch ganz und gar.</p> - -<p>Und dann sah es allmählich besser aus; jeden Tag fiel -ein Regenschauer, das Gras wurde wieder grün wie durch -Zauber, die Kartoffeln blühten, jawohl, und zwar mehr -als zuerst, und an den Stengeln wuchsen große Beeren, -und das war eigentlich ganz richtig, aber niemand wußte, -was unten an den Wurzeln war; Isak wagte nicht nachzusehen. -Dann kam eines Tages Inger daher, und sie -hatte unter einem Stock zwanzig kleine Kartoffeln gefunden. -Und jetzt haben sie noch fünf Wochen zum Wachsen! -sagte Inger. — Diese Inger, sie mußte immerfort -trösten und gut zureden mit ihrer Hasenscharte! Und eine -jämmerliche Stimme hatte sie, sie zischte, es war, wie -wenn ein Ventil etwas Dampf herausläßt; aber ihr Trösten -war eine Wohltat draußen im Ödland. Und eine -lebensfrohe Natur hatte sie auch. — Wenn du noch eine -Bettstatt zimmern könntest, sagte sie zu Isak. — So? -sagte er. — Ja, ja, es eilt nicht gerade, sagte sie.</p> - -<p>Sie machten sich an die Kartoffelernte und wurden -nach altem Herkommen bis Michaelis damit fertig. Es -wurde ein mittelmäßiges Jahr, ein gutes Jahr; es zeigte -sich wieder, daß die Kartoffeln nicht so sehr vom Wetter -abhängig sind, sondern viel aushalten und doch heranwachsen. -Natürlich war es, wenn sie genau nachrechneten, -nicht gerade ein so recht mittelmäßiges und gutes Jahr, -aber in diesem Jahr konnten sie nicht so genau nachrechnen. -Eines Tages war ein Lappe vorübergekommen und -hatte sich über all die Kartoffeln auf der Ansiedlung<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> -sehr verwundert; in den Dörfern sei es viel schlimmer, -sagte er.</p> - -<p>Dann hatte Isak wieder einige Wochen vor sich, während -der er Land roden konnte, ehe die Kälte einsetzte und -der Boden gefror. Jetzt weidete das Vieh auf den Feldern -und wo es wollte. Es machte Isak Freude, mit den -Tieren zusammen zu arbeiten und ihre Glocken zu hören. -Es hielt ihn zwar auch von der Arbeit ab, denn der Stier -stieß gar zu gerne mit seinen Hörnern in die Laubhaufen -hinein, oder die Geißen waren droben und drunten und -überall, sogar auf dem Dach der Hütte.</p> - -<p>Kleine und große Sorgen!</p> - -<p>Eines Tages hörte Isak einen lauten Schrei. Inger -steht vor dem Hause mit dem Kind auf dem Arm und -deutet auf den Stier und die kleine Kuh Silberhorn; die -sind Liebesleute. Isak wirft die Haue weg und rennt hinunter, -aber es ist zu spät, das Unglück ist geschehen. Sieh -die Hexe, die ist zeitig dran, erst ein Jahr alt, ein halbes -Jahr zu früh, die Hexe, das Kind. Isak bringt sie in den -Stall hinein, aber es ist wohl zu spät. Ja, ja, sagt Inger, -es ist nun gewissermaßen gut, sonst wären beide Kühe -im Herbst trächtig geworden. — Ach, diese Inger, nein, -sie hatte keinen guten Kopf, aber sie hatte vielleicht gewußt, -was sie tat, als sie am Morgen Silberhorn und -den Stier zusammen herausließ.</p> - -<p>Es wurde Winter, Inger kardätschte und spann, Isak -fuhr Klafterholz zu Tal, ungeheure Ladungen von trockenem -Holz auf guter Schlittenbahn; alle Schulden wurden -getilgt, Pferd und Wagen, Pflug und Egge gehörten -nun ihm. Er fuhr mit Ingers Ziegenkäse zu Tal und -brachte Webgarn, Webstuhl, Haspel und Scherbaum dafür -nach Hause, und wieder brachte er Mehl und Eßwaren, -und wieder Bretter, Dielen und Nägel; eines -Tages kam er sogar mit einer Lampe an. So wahr ich hier -dastehe, rief Inger, du bist verrückt! Aber sie hatte schon<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span> -lange erraten, daß die Lampe kommen würde. Am Abend -zündeten sie sie an und waren wie im Paradies, der kleine -Eleseus glaubte gewiß, es sei die Sonne. Siehst du, wie -verwundert er ist! sagte Isak. Von da an konnte Inger -bei Lampenlicht spinnen.</p> - -<p>Isak brachte Leinwand zu Hemden und neue Schuhe -für Inger. Sie hatte ihn um verschiedene Farben zum -Färben der Wolle gebeten, und er brachte auch diese. -Aber eines Tages kam er wahrhaftig mit einer Uhr an! -Mit was? Mit einer Uhr! Da war Inger wie aus den -Wolken gefallen, und sie konnte eine Weile kein Wort -herausbringen.</p> - -<p>Isak hing die Uhr mit vorsichtigen Händen an die -Wand und stellte sie nach seiner Schätzung; er zog die -Gewichte auf und ließ die Uhr schlagen. Das Kind drehte -die Augen nach dem tiefen Klang und sah dann die Mutter -an. Ja, du kannst dich wohl verwundern! sagte sie und -nahm den Jungen auf den Schoß und war selbst gerührt. -Denn von allem Guten hier in der Einsamkeit konnte sich -nichts mit der Wanduhr vergleichen, die den ganzen dunklen -Winter hindurch ging und die Stunden richtig schlug.</p> - -<p>Dann war alles Holz fortgeschafft, Isak ging wieder -in den Wald und fällte wieder Bäume; er machte seine -Straßen und seine Stadt aus Klafterholzstapeln für den -nächsten Winter. Er mußte jetzt immer weiter von seinem -Haus weggehen, eine große, weite Halde lag da schon -zum Bebauen bereit, und er wollte jetzt nicht noch mehr -Boden ganz abholzen, sondern von jetzt an nur die ältesten -Bäume mit vertrockneten Wipfeln fällen.</p> - -<p>Natürlich hatte er auch schon längst verstanden, warum -Inger von einem zweiten Bett gesprochen hatte, jetzt -durfte er es wohl nicht länger hinausschieben, sondern -mußte sich beeilen. Als er an einem dunklen Abend aus -dem Walde heimkehrte, da war es geschehen: die Familie -hatte sich vermehrt, wieder um einen Jungen. Inger lag<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> -zu Bett. Diese Inger! Am Morgen hatte sie ihn ins Dorf -hinunterschicken wollen. Du solltest das Pferd ein wenig -bewegen, hatte sie gesagt. Denn es steht nur in seinem -Stand und scharrt. — Ich habe keine Zeit zu solchem Unsinn, -sagte Isak und ging fort. Jetzt merkte er, daß sie -ihn nur aus dem Wege hatte haben wollen, aber warum? -Es wäre doch vielleicht gut gewesen, wenn sie ihn in der -Nähe gehabt hätte. — Wie kommt es nur, daß du einem -nie ein Zeichen geben kannst? sagte er. — Nun mußt du -dir eine eigene Bettstatt richten und in der Kammer schlafen, -erwiderte sie.</p> - -<p>Aber mit der Bettlade war es nicht getan, es gehörten -auch Bettstücke hinein. Sie hatten keine zwei Felldecken -und konnten sich auch vor dem nächsten Herbst, wo sie -einige Hämmel schlachten würden, keine zweite Felldecke -verschaffen; aber selbst von zwei Hämmeln bekam man -noch keine Decke. In der nächsten Zeit hatte es Isak nicht -gut, er fror jämmerlich bei Nacht. Er versuchte, sich in -das Heu unter dem Felsenhang einzugraben, versuchte, -bei den Kühen zu schlafen, obdachlos war er. Zum Glück -war es schon Mai, dann kam der Juni, der Juli ...</p> - -<p>Merkwürdig, wieviel hier in nur drei Jahren zustande -gebracht worden war: eine Behausung für Menschen, ein -Stall und urbar gemachtes Land. Was baute Isak jetzt? -Einen neuen Schuppen, eine Scheune, einen Anbau ans -Wohnhaus? Es dröhnte durchs Haus, wenn er die acht -Zoll langen Nägel hineinschlug, und Inger kam ab und -zu heraus und bat um Gnade für die Kleinen. Jawohl, -die Kleinen! Unterhalte sie einstweilen. Sing ihnen was -vor, gib dem Eleseus den Eimerdeckel, dann kann er damit -lärmen! Die großen Nägel werden bald hineingeschlagen -sein, sie müssen eben gerade hier sitzen, in den Streckbalken, -mit denen der Anbau am Haus festgemacht wird. -Nachher hab' ich nur noch Bretter und zweieinhalb Zoll -lange Nägel, das ist das reine Kinderspiel.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span></p> - -<p>Hätte er es vermeiden können, zu hämmern? Bisher -wurden die Heringstonne, das Mehl und andere Eßwaren -im Stall aufbewahrt, damit sie nicht unter freiem -Himmel stehen mußten; aber der Speck bekam einen -Stallgeschmack, eine Vorratskammer war die reinste Notwendigkeit. -Die kleinen Jungen mußten sich auch an so -ein paar Hammerschläge an die Wand gewöhnen; Eleseus -war allerdings etwas zart und schwächlich geworden, aber -der andere saugte wie ein Posaunenengel, und wenn er -nicht schrie, dann schlief er. Ein prächtiger Junge! Isak -wollte sich dem nicht widersetzen, daß er Sivert heißen -sollte, es war vielleicht am besten so, obgleich er abermals -an den Namen Jakob gedacht hatte. In manchen Fällen -hatte Inger recht, Eleseus war nach ihrem Pfarrer getauft, -und es war ein vornehmer Name, aber Sivert hieß -Ingers Oheim, der Bezirkskassierer, der ein Junggeselle -und ein vermöglicher Mann ohne Erben war. Was hätte -dem Kinde Besseres widerfahren können, als Sivert zu -heißen!</p> - -<p>Dann kam wieder die Frühjahrsarbeit, und alles wurde -vor Pfingsten in die Erde gelegt. Damals, als Inger nur -Eleseus ihr eigen nannte, hatte sie nie Zeit gehabt, ihrem -Manne zu helfen, so sehr hatte sie der Erstgeborene in -Anspruch genommen. Jetzt, da sie zwei Kinder hatte, -jätete sie das Unkraut aus und verrichtete noch vieles andere; -sie half viele Stunden lang beim Kartoffellegen, -säte auch Karotten und Rüben. Eine solche Frau fand sich -nicht so leicht wieder. Und hatte sie nicht auch Tuch auf -dem Webstuhl? Jeden Augenblick nützte sie aus, um in -die Kammer zu laufen und ein paar Spulen abzuweben; -es war halbwollenes Tuch zu Wäsche für den Winter. -Nachdem das Garn gefärbt war, webte sie blau und roten -Kleiderstoff für sich und die Kinder; dann legte sie noch -mehr Farben ein und machte Bettbezüge für Isak. Lauter -notwendige, nützliche und höchst dauerhafte Sachen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span></p> - -<p>Seht, nun war die Familie im Ödland schon recht heraufgekommen, -und wenn dieses Jahr gut einschlug, waren -die Ansiedler geradezu zu beneiden. Was fehlte ihnen -noch? Ein Heuschuppen natürlich, eine Scheune mit einer -Tenne in der Mitte, das war ein Zukunftsziel, und es -würde erreicht werden wie die andern Ziele auch. Mit der -Zeit, ja! Jetzt hatte die kleine Silberhorn ein Kalb, und -die Ziegen hatten Zicklein, und die Schafe hatten Lämmer, -es wimmelte von kleinen Tieren auf der Weide. Und die -Menschen? Eleseus konnte schon auf seinen eigenen Beinen -gehen, wohin er wollte, und der kleine Sivert war -getauft. Und Inger? Sie war gewiß schon wieder guter -Hoffnung, sie sah so rundlich aus. Was war auch ein -Kind für sie? Nichts — das heißt große Dinge, nette -kleine Leute, sie war stolz auf ihre Kinder und gab zu -verstehen, daß Gott nicht allen Leuten solche großen, -hübschen Kinder anvertraue. Inger war ganz davon in -Anspruch genommen, jung zu sein. Sie hatte ein verunstaltetes -Gesicht und hatte ihre ganze Jugend als eine -Ausgestoßene verbracht, die Burschen hatten sie nicht angesehen, -obgleich sie tanzen und arbeiten konnte, sie hatten -ihre gute Weiblichkeit verschmäht, sie hatten sich weggewendet -— jetzt war ihre Zeit, sie entfaltete sich, sie stand -ununterbrochen in voller Blüte und war guter Hoffnung. -Isak selbst, der Hausvater, war und blieb ein ernster -Mann, aber er hatte guten Erfolg gehabt und war zufrieden. -Wie und womit er sich das Leben erträglich gemacht -hatte, ehe Inger kam, war sehr dunkel; mit Kartoffeln -und Ziegenmilch, ja mit gewagten Gerichten ohne -Namen; jetzt hatte er alles, was ein Mann in seinen Verhältnissen -nur verlangen konnte.</p> - -<p>Wieder kam große Trockenheit, wieder ein Mißjahr. -Der Lappe Os-Anders, der mit seinem Hund vorüberkam, -konnte berichten, daß die Leute im Dorfe schon alles -Getreide zu Viehfutter abgemäht hätten. — So, sie hat<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span>ten -also keine Hoffnung mehr? fragte Inger. — Nein, -aber dafür haben sie einen guten Heringsfang gemacht. -Dein Oheim Sivert bekommt seinen Anteil als Strandbesitzer. -Und er hat doch vorher schon ein bißchen etwas -in Küche und Keller gehabt. Gerade wie du, Inger. — -Ja, Gott sei Dank, ich habe nichts zu klagen. Was sagen -sie denn daheim von mir? — Os-Anders wiegt den Kopf -hin und her und sagt schmeichlerisch, er habe keine Worte -dafür! — Wenn du eine Schale süße Milch möchtest, so -brauchst du es nur zu sagen, versetzt Inger. — Du sollst -dich nicht in Unkosten stürzen. Aber hast du ein wenig für -den Hund?</p> - -<p>Die Milch kam, das Futter für den Hund auch. Der -Lappe hörte Musik aus der Stube heraus und lauschte: -Was ist das? — Das ist unsere Wanduhr, die schlägt, -sagt Inger; sie ist am Platzen vor lauter Stolz.</p> - -<p>Wieder wiegte der Lappe den Kopf hin und her und -sagte: Ihr habt Haus und Pferd und Wohlbehagen, -kannst du mir sagen, was ihr nicht habt? — Nein, wir -können Gott nicht genug danken. — Oline hat mir einen -Gruß an dich aufgetragen. — So. Wie geht es ihr? — -Es geht. Wo ist dein Mann? — Er ist auf dem Feld -draußen. — Es heißt, er habe nicht gekauft! wirft der -Lappe hin. — Gekauft? Wer sagt das? — Es heißt so. -— Von wem sollte er denn kaufen? Es ist Allmende. — -Ja, ja. — Und viele Schweißtropfen hat er in diesen -Grund und Boden hineinfallen lassen. — Es heißt, euer -Boden gehöre dem Staat.</p> - -<p>Inger verstand davon nichts und sagte: Ja, das kann -schon sein. Hat etwa sie, die Oline, das gesagt? — Ich erinnere -mich nicht, wer es war, antwortete der Lappe, und -er ließ seine unsteten Augen in allen Richtungen umherschweifen. -Inger wunderte sich darüber, daß er nicht um -etwas bettelte, das tat Os-Anders sonst immer, alle Lappen -betteln. Os-Anders aber sitzt ruhig da, stopft seine<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span> -kurze Kreidepfeife und zündet sie an. Das ist eine Pfeife! -Er raucht und pafft so, daß sein ganzes runzliges Gesicht -aussieht wie ein Rindenstück. — Ja, ich brauche nicht -zu fragen, ob das deine Kinder sind, sagte er noch schmeichlerischer. -Denn sie sind dir so ähnlich. Genau so nett wie -du selbst, als du klein warst.</p> - -<p>Inger, die eine Mißgeburt und ein Auswurf gewesen -war — natürlich war es verkehrt, aber ihr Herz schwoll -doch vor Stolz. Selbst ein Lappe kann ein Mutterherz -froh machen. Wenn dein Sack nicht schon so voll wäre, -so würde ich dir ein bißchen was hineintun, sagte sie. — -Nein, du sollst dich nicht in Unkosten stürzen!</p> - -<p>Inger geht mit dem Kind auf dem Arm hinein, während -Eleseus bei dem Lappen draußen bleibt. Die beiden -kommen gut miteinander aus. Der Junge darf etwas -Merkwürdiges aus des Lappen Sack sehen, etwas Haariges, -er darf es streicheln. Der Hund winselt und bellt. -Als Inger mit etwas Mundvorrat herauskommt, stößt -sie einen kleinen Seufzer aus und sinkt auf die Türschwelle. -Was hast du da? fragt sie. — Ach nichts, es -ist ein Hase. — Das hab' ich gesehen. — Dein Kleiner -wollte ihn sehen. Mein Hund hat ihn heute gejagt und -umgebracht. — Da ist dein Essen, sagt Inger.</p> - - - -<h3>5</h3> - - -<p>Es ist eine alte Erfahrung, daß wenigstens zwei -Mißjahre aufeinander folgen. Isak war geduldig -geworden und fand sich in sein Los. Das Getreide -verbrannte auf dem Felde, und die Heuernte war mittelmäßig, -aber die Kartoffeln sahen wieder aus, als würden -sie sich erholen; es war demnach zwar schlimm genug, -aber doch keine Not. Isak hatte auch noch Klafterholz und -Balken, die er ins Dorf hinunterschaffen konnte, und da<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span> -an der ganzen Küste der Heringsfang gut ausgefallen -war, hatten die Leute Geld genug zum Holzkaufen. Es -sah fast wie eine Fügung aus, daß die Getreideernte fehlschlug, -denn wie hätte er dieses Korn dreschen sollen, ohne -eine Scheune mit einer Tenne? Ja, laß Fügung Fügung -sein, das schadet auf die Dauer nichts!</p> - -<p>Eine andere Sache war die, daß Neues auftauchte und -ihn beunruhigte. Was war nun das, was ein gewisser -Lappe im Sommer zu Inger gesagt hatte — daß er nicht -gekauft habe? Hätte er kaufen sollen, warum denn? Der -Boden lag ja da, der Wald stand da, er machte Land -urbar, errichtete sich ein Haus mitten in der Urnatur, ernährte -seine Familie und seinen Viehstand, war niemand -etwas schuldig, arbeitete, arbeitete. Schon wiederholt hatte -er, wenn er drunten im Dorfe war, daran gedacht, mit -dem Lensmann zu sprechen, dies aber immer wieder hinausgeschoben. -Der Lensmann war nicht beliebt, und Isak -war wortkarg. Was sollte er sagen, wenn er ankam, welchen -Grund angeben, warum er gekommen sei?</p> - -<p>Eines Tages im Winter kam indes der Lensmann -selbst in die Ansiedlung dahergefahren; er hatte einen -Mann bei sich und brachte eine von Papieren strotzende -Tasche mit — und es war der Lensmann Geißler selbst. -Er sah die große offene Halde, die abgeholzt war und -glatt und eben unter dem Schnee lag, und er meinte -wohl, die ganze weite Fläche sei angebaut, deshalb sagte -er: Das ist ja ein großes Anwesen, meinst du, das bekommst -du umsonst?</p> - -<p>Nun war es da! Isak erschrak bis ins innerste Mark -und erwiderte nichts.</p> - -<p>Du hättest zu mir kommen und den Boden kaufen sollen, -sagte der Lensmann. — Ja. — Der Lensmann sprach -von Einschätzung, von Grenzscheiden, von Steuer, „Kronsteuer”, -sagte er; als Isak einigermaßen Aufklärung bekam, -fand er es immer weniger ungereimt. Der Lensmann<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span> -neckte seinen Begleiter und sagte: Nun, du Schätzungsmann, -wie groß ist die Ansiedlung? Aber er wartete nicht -auf Antwort, sondern schrieb die Größe aufs Geratewohl -hin. Dann fragte er Isak nach den Heulasten und nach -den Kartoffeltonnen. Und wie sie es mit der Grenzscheide -halten wollten? Sie könnten doch nicht die Grenzscheide -in mannshohem Schnee abschreiten, und im Sommer -könnten Menschen nicht hier heraufkommen. Was Isak -sich selbst als Weideland und Wald ausgedacht habe? — -Das wußte Isak nicht, bis jetzt hatte er, so weit er blickte, -für sein Eigentum betrachtet. Der Lensmann sagte, der -Staat setzt Grenzen. Je mehr Land du bekommst, desto -mehr kostet es, sagte er. — So? — Ja, du bekommst -nicht so viel, als du überschauen kannst, sondern so viel, -als du brauchst. — So? —</p> - -<p>Inger setzte Milch vor, und der Lensmann und sein -Begleiter tranken. Sie brachte noch mehr Milch. Der -Lensmann sollte streng sein? Er strich sogar Eleseus übers -Haar und sagte: Spielt er mit Steinen? Laß mich die -Steine mal sehen! Was ist denn das? Die sind aber -schwer, da ist gewiß irgendein Metall drin! — Ja, von -denen gibt's genug oben im Gebirge, sagt Isak.</p> - -<p>Der Lensmann kehrte zum Geschäftlichen zurück. — -Südlich und westlich ist es wohl am vorteilhaftesten für -dich? sagte er zu Isak. Sagen wir eine Viertelmeile südwärts! -— Was, eine ganze Viertelmeile? rief der Begleiter -des Lensmannes. — Du allerdings könntest keine -zweihundert Ellen umbrechen, versetzte der Lensmann -kurz. — Isak fragte: Was kostet eine Viertelmeile? — -Das weiß ich nicht, antwortete der Lensmann, das weiß -niemand. Aber ich werde einen niederen Preis vorschlagen. -Es ist ja meilenweit im Ödland drinnen, ohne jegliche -Zufahrt.</p> - -<p>Ja, aber eine ganze Viertelmeile! sagte der Begleiter -wieder.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span></p> - -<p>Der Lensmann schrieb eine Viertelmeile südwärts und -fragte: Und aufwärts nach den Bergen? — Ja, da muß -ich es bis zum See haben. Dort ist ein großer See, antwortete -Isak.</p> - -<p>Der Lensmann schrieb weiter. Jetzt nach Norden? — -Da kommt es nicht so genau drauf an, auf dem Moor ist -kein ordentlicher Wald, meinte Isak.</p> - -<p>Der Lensmann schrieb nach seinem eigenen Kopf eine -halbe Viertelmeile. Nach Osten? — Da ist es auch nicht -so genau. Dort ist nur Gebirge nach Schweden hinüber.</p> - -<p>Der Lensmann schrieb.</p> - -<p>Als er fertig war, rechnete er das Ganze in einem -Augenblick zusammen und sagte: Natürlich wird das ein -großes Besitztum, und wenn es drunten in der Gemeinde -läge, könnte niemand es kaufen. Ich will hundert Taler -für alles miteinander vorschlagen. Was meinst du? fragte -er seinen Begleiter. — Das ist ja gar kein Preis, antwortete -dieser. — Hundert Taler! sagte Inger. Du -brauchst gar nicht so viel Land. — Nein, sagte Isak. — -Der Begleiter fiel ein: Es ist, wie ich sage. Was wolltet -ihr mit so viel Land?</p> - -<p>Der Lensmann sagte: Es roden.</p> - -<p>Nun hatte er dagesessen, sich abgemüht und niedergeschrieben; -ab und zu schrie ein Kind in der Stube, er hätte -nur ungern das Ganze noch einmal geschrieben, er kam -auch erst spät in der Nacht wieder heim, nein, erst gegen -Morgen sogar. So steckte er entschlossen die Urkunde in -seine Tasche. Geh hinaus und spann an! befahl er seinem -Begleiter. Dann wendete er sich an Isak und sagte: -Eigentlich hättest du den Platz umsonst haben sollen und -noch Bezahlung obendrein, so wie du geschafft hast. Und -das will ich bei meinem Vorschlag auch sagen. Dann werden -wir sehen, was der Staat für einen Kaufbrief verlangt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span></p> - -<p>Isak — Gott weiß, wie ihm zumute war. Es war, als -hätte er nichts dagegen, daß ein hoher Preis für seine Ansiedlung -und seine ungeheure Arbeit hier angesetzt würde. -Er hielt es wohl nicht für unmöglich, mit der Zeit hundert -Taler abzubezahlen, deshalb sagte er nichts mehr; er -konnte wie vorher arbeiten, das Land bebauen und überständigen -Wald in Klafterholz umwandeln. Isak gehörte -nicht zu denen, die umherspähen, er stand nicht auf dem -Ausguck nach Glückszufällen, er arbeitete.</p> - -<p>Inger bedankte sich beim Lensmann und bat ihn, beim -Staat ein gutes Wort für sie einzulegen.</p> - -<p>Jawohl. Aber die Entscheidung liegt ja nicht bei mir, -ich gebe nur mein Gutachten dazu. Wie alt ist denn der -Kleinste da? — Gut ein halbes Jahr. — Junge oder -Mädchen? — Ein Junge.</p> - -<p>Der Lensmann war nicht hart, sondern oberflächlich -und wenig gewissenhaft. Seinen Vertrauens- und -Schätzungsmann, den Gerichtsboten Brede Olsen, hörte -er nicht an, das wichtige Geschäft ordnete er aufs Geratewohl -und nach Gutdünken; diese große Sache, entscheidend -für Isak und seine Frau und entscheidend auch für -ihre Nachkommen vielleicht in zahllosen Geschlechtern, -entschied er auf gut Glück, er schrieb nur so hin. Aber er -erwies den Ansiedlern viel Freundlichkeit, er zog ein glänzendes -Geldstück aus der Tasche und gab es dem kleinen -Sivert in die Hand, dann nickte er noch freundlich und -ging hinaus zum Schlitten.</p> - -<p>Plötzlich fragte er: Wie heißt der Ort?</p> - -<p>Heißen? — Welchen Namen hat er? Wir müssen ihm -einen Namen geben.</p> - -<p>Daran hatten die Leute nicht gedacht, und Inger und -Isak sahen einander an.</p> - -<p>Sellanraa? sagte der Lensmann. Er hatte diesen -Namen wohl erfunden, es war vielleicht gar kein Name, -aber er wiederholte: Sellanraa! nickte und fuhr davon.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span></p> - -<p>Alles aufs Geratewohl, die Grenzscheide, den Preis, -den Namen ...</p> - -<p>Einige Wochen später, als Isak im Dorfe war, hörte -er, daß es mit dem Lensmann Schwierigkeiten gegeben -habe. Es war nach verschiedenen Geldern geforscht worden, -über die er nicht Rechenschaft hatte ablegen können, -und man hatte ihn deshalb beim Landrichter angezeigt. -So schlimm kann es kommen; manche Menschen taumeln -so durchs Leben dahin, dann kommen sie an denen, die -bedächtigen Schrittes gehen, zu Fall!</p> - -<p>Eines Tages, als Isak mit einer seiner letzten Holzfuhren -im Dorf gewesen war und sich auf dem Heimweg -befand, geschah es, daß er den Lensmann fahren sollte. -Der Lensmann trat ohne weiteres mit einer Reisetasche -in der Hand aus dem Walde heraus und sagte: Laß mich -bei dir aufsitzen!</p> - -<p>Sie fuhren eine Weile, keiner von beiden sprach ein -Wort. Ab und zu zog der Lensmann eine Flasche heraus -und trank einen Schluck; er bot auch Isak an, der aber -dankte. Ich fürchte für meinen Magen auf dieser Reise, -sagte der Lensmann.</p> - -<p>Dann sprach er von Isaks Hofangelegenheit und sagte: -Ich habe die Sache gleich weiterbefördert und sie warm -empfohlen. Sellanraa ist ein hübscher Name. Eigentlich -hättest du das Land umsonst haben sollen, aber wenn ich -das geschrieben hätte, wäre der Staat unverschämt geworden -und hätte seinen eigenen Preis angesetzt. Ich habe -fünfzig Taler geschrieben. — Ach so, habt Ihr also nicht -hundert Taler geschrieben? — Der Lensmann runzelte die -Stirn und überlegte, dann sagte er: Soviel ich mich erinnere, -habe ich fünfzig Taler geschrieben.</p> - -<p>Wohin reist Ihr jetzt? fragte Isak. — Nach Vesterbotten, -zur Familie meiner Frau. — In dieser Jahreszeit? -Das ist ein böser Weg, um da hinüberzukommen. -— Oh, es wird schon gehen. Kannst du mich nicht ein<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> -Stück weit begleiten? — Doch. Ihr dürft nicht allein -gehen.</p> - -<p>Sie erreichten die Ansiedlung, und der Lensmann übernachtete -in der Kammer. Am Morgen nahm er wieder -einen Schluck aus seiner Flasche und sagte: Ich ruiniere -mir gewiß den Magen auf dieser Reise. Sonst war er -ganz wie bei seinem letzten Besuch, wohlwollend entschieden, -aber etwas fahrig und nur wenig mit seinem eigenen -Schicksal beschäftigt; vielleicht war es auch gar nicht so -trostlos. Als Isak sagte, nicht die ganze Halde sei angebaut, -sondern nur ein kleines Stück davon, nur ein paar -Felder, gab der Lensmann die überraschende Antwort: -Das hab' ich wohl verstanden, als ich damals hier saß und -schrieb. Aber mein Fuhrmann Brede verstand nichts davon, -er ist ein Esel. Das Ministerium hat eine Art Tabelle. -Wenn nun auf so einer großen Landstrecke so wenig -Heulasten und so wenig Kartoffeltonnen geerntet werden, -dann sagt die Tabelle des Ministeriums, das sei -elender Boden, billiger Boden. Ich bin auf deiner Seite -gewesen, und ich verpfände gern meine Seligkeit auf dieses -Schelmenstück. Ja, zwei- bis dreitausend solcher Männer, -wie du einer bist, sollten wir hier im Lande haben. -Der Lensmann nickte und wendete sich dann an Inger: -Wie alt ist der Kleinste? — Jetzt ist er dreiviertel Jahr -alt. — Und es ist ein Junge? — Ja. —</p> - -<p>Aber du mußt dich ins Zeug legen und deine Hofangelegenheit -so rasch wie möglich in Ordnung bringen, -sagte der Lensmann zu Isak. Es ist noch ein Mann da, -der ungefähr auf halbem Wege zwischen hier und dem -Dorf kaufen will, und dann steigt der Boden im Wert. -Kauf du nur zuerst, dann mag der Preis nachher steigen. -Du aber hast dann doch etwas von all deiner Arbeit. Du -hast den Anfang gemacht hier im Ödland.</p> - -<p>Die Leute waren ihm dankbar für seinen Rat und fragten -ihn, ob er denn nicht selbst die Angelegenheit zum<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span> -Abschluß bringen werde. Er antwortete, er habe nun das -seinige dabei getan, es komme jetzt nur noch auf den -Staat an. Ich reise jetzt nach Vesterbotten und kehre nicht -mehr hierher zurück, sagte er geradeheraus.</p> - -<p>Er gab Inger ein Geldstück, aber das war wirklich zu -viel. Vergiß nicht, meiner Familie im Dorf etwas zum -Schlachten mitzubringen, ein Kalb oder ein Schaf, meine -Frau bezahlt dir's. Nimm auch ab und zu ein paar Ziegenkäse -mit, meine Kinder essen ihn so gern, sagte er.</p> - -<p>Isak begleitet ihn übers Gebirge; auf der Höhe lag -fester Harsch, man konnte also gut vorwärts kommen. -Isak bekam einen ganzen Taler.</p> - -<p>So zog denn Lensmann Geißler fort und kehrte nicht -mehr ins Dorf zurück. Die Leute sagten, es sei ihnen -einerlei; man hielt ihn für einen unzuverlässigen Menschen -und einen Abenteurer. Nicht, daß er nicht genug gewußt -hätte, er war ein wohlunterrichteter Mann, der viel -gelernt hatte, aber er tat sich zu viel darauf zugut und -verbrauchte anderer Leute Geld. Es wurde ruchbar, daß -er auf ein scharfes Schreiben von Amtmann Pleym hin -durchgebrannt war; aber seiner Familie geschah nichts -Böses, sie bestand aus der Frau und drei Kindern, und -die blieben noch längere Zeit in der Gemeinde wohnen. -Übrigens dauerte es nicht lange, bis die fehlenden Gelder -von Schweden aus geschickt wurden; die Lensmannsfamilie -war dann nicht mehr als Pfand da, sondern blieb -aus freiem Willen, weil sie selbst es wollte.</p> - -<p>Für Isak und Inger war dieser Geißler kein schlechter -Mensch gewesen, im Gegenteil. Gott mochte wissen, wie -sich nun der neue Lensmann zu der Sache stellen würde, -ob am Ende das ganze Geschäft mit der Ansiedlung noch -einmal gemacht werden mußte!</p> - -<p>Der Amtmann schickte einen von seinen Schreibern in -die Gemeinde, das war der neue Lensmann. Es war ein -Mann in den Vierzigern, der Sohn eines Vogts und<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span> -hieß Heyerdahl; er war zu arm gewesen, um zu studieren -und Beamter zu werden, aber er hatte auf einer Gerichtsstube -gesessen und war da fünfzehn Jahre lang -Schreiber gewesen. Da er niemals Geld genug zum Heiraten -gehabt hatte, war er Junggeselle; der Amtmann -Pleym hatte ihn von seinem Vorgänger geerbt und gab -ihm dasselbe armselige Gehalt, das er vorher bezogen -hatte. Heyerdahl empfing sein Gehalt und schrieb weiter. -Er wurde ein mißmutiger, vertrockneter, aber zuverlässiger -und rechtschaffener Mann, war dabei auch, soweit -seine Begabung reichte, sehr tüchtig zu den Arbeiten, die -er einmal gelernt hatte. Jetzt, da er Lensmann geworden -war, stieg sein Selbstgefühl bedeutend.</p> - -<p>Isak faßte sich ein Herz und ging zu ihm.</p> - -<p>Die Sache Sellanraa — ja, da ist sie, vom Ministerium -zurückgekommen. Die Herren wollen über vieles -noch Aufklärung haben, das Ganze ist ja von der Hand -dieses Geißlers das reine Durcheinander, sagte der Lensmann. -Das Königliche Ministerium will wissen, ob da -vielleicht große herrliche Multebeerenmoore auf dem -Platze sind. Ob Hochwald da ist. Ob sich möglicherweise -Erze und verschiedene andere Metalle in den Bergen -ringsum finden. Es sei ein großer Gebirgssee genannt, -ob es da Fische gebe. Dieser Geißler hat allerdings einige -Aufklärung gegeben, aber es ist ja kein Verlaß auf ihn, -ich muß hier alles von ihm genau durchgehen. Ich werde -also so bald wie möglich auf deine Ansiedlung nach -Sellanraa hinaufkommen und alles untersuchen und es -einschätzen. Wie viele Meilen ist es hinauf? Das Königliche -Ministerium will, daß die Grenzen ordentlich abgeschritten -werden. — Es wird sehr schwierig sein, die -Grenzscheide vor dem Sommer abzuschreiten, sagte Isak. -— Ach, es wird sich schon machen lassen. Wir können das -Ministerium nicht bis zum Sommer auf Antwort warten -lassen, versetzte Heyerdahl. Ich komme in den nächsten<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span> -Tagen hinauf. Bei derselben Gelegenheit soll vom Staat -aus auch noch an einen andern Mann Siedlungsland verkauft -werden. — Ist das der Mann, der auf halbem -Wege von der Gemeinde bis zu mir herauf Land kaufen -will? — Das weiß ich nicht, aber vielleicht ist er es. Ein -Mann von hier übrigens, mein Schätzungsmann, mein -Amtsdiener. Er hat schon bei Geißler wegen des Kaufs -angefragt; aber Geißler hatte ihn abgewiesen und gesagt, -er könne ja nicht einmal zweihundert Ellen umgraben. -Da hat der Mann an das Landgericht selbst geschrieben, -und jetzt ist mir die Sache zur Begutachtung übergeben. -Ja, dieser Geißler!</p> - -<p>Lensmann Heyerdahl kam zur Ansiedlung und hatte -den Schätzungsmann Brede bei sich. Sie waren sehr naß -geworden beim Überschreiten des Moors und wurden noch -nasser, als sie dann im schmelzenden Frühjahrsschnee die -Grenze den Berghang hinauf abschreiten sollten. Am -ersten Tag war der Lensmann sehr eifrig, am zweiten -ging er müde dahin und blieb weit unten stehen, rief nur -und deutete. Nein, es war nicht mehr die Rede davon, -die „Berge ringsum abzuschürfen”, und die Multebeermoore -sollten erst auf dem Heimweg genau untersucht -werden, sagte er.</p> - -<p>Das Ministerium hatte viele Fragen gestellt, es hatte -wohl wieder eine Tabelle vor; die einzige von diesen Fragen, -die einen Sinn hatte, war die nach dem Walde. -Ganz richtig, es war etwas Hochwald da, und er stand -innerhalb Isaks Viertelmeile, aber es war kein Bauholz -zum Verkauf da, nur gerade genug für den eigenen Bedarf. -Aber selbst wenn hier Bauholz gestanden hätte, -wer hätte es meilenweit ins Dorf hinunterschaffen sollen? -Das konnte nur der Mühlengeist Isak, wenn er im Laufe -des Winters ein paar Stämme hinunterfuhr und dafür -Balken und Bretter bekam.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span></p> - -<p>Es zeigte sich, daß dieser merkwürdige Mann Geißler -eine Darstellung gegeben hatte, die man nicht außer acht -lassen konnte. Da saß nun der neue Lensmann und versuchte, -seinem Vorgänger etwas am Zeuge zu flicken und -Fehler zu finden, mußte dieses Bemühen aber aufgeben. -So fragte er nur öfter als Geißler seinen Begleiter und -Schätzungsmann um Rat und richtete sich nach dessen -Worten, und derselbe Schätzungsmann mußte sich wohl -bekehrt und eine andere Ansicht bekommen haben, seit er -selbst Allmende vom Staat kaufen wollte. — Was denkst -du über diesen Preis? fragte der Lensmann. — Fünfzig -Taler ist mehr als genug für den, der es kaufen muß, -antwortete der Schätzungsmann. — Der Lensmann faßte -das Gesuch in wohlgesetzten Worten ab. Geißler hatte -geschrieben: Der Mann will von jetzt an auch jährliche -Steuer bezahlen, er sieht sich nicht in der Lage, eine höhere -Kaufsumme zu entrichten als fünfzig Taler, auf zehn -Jahre verteilt. Der Staat muß dieses Angebot annehmen -oder dem Mann sein Land und seine Arbeit entziehen. -— Heyerdahl schrieb: Der Mann ersucht ehrerbietig das -hohe Ministerium, das Grundstück, das ihm nicht gehört, -auf das er aber bedeutende Arbeit verwendet hat, behalten -zu dürfen für 50 — fünfzig — Speziestaler, zu -bezahlen in Terminen nach dem wohlwollenden Ermessen -des Ministeriums.</p> - -<p>Ich glaube, es wird mir gelingen, dir das Grundstück -zu sichern, sagte Lensmann Heyerdahl zu Isak.</p> - - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span></p> - - - - -<h3>6</h3> - - -<p>Heute soll der große Stier fortgeführt werden. Er -ist ein ungeheures Tier geworden und zu wertvoll, -um noch länger auf der Ansiedlung zu bleiben. -Isak will hinunter ins Dorf mit ihm, ihn verkaufen -und dafür einen netten jungen Stier mitbringen.</p> - -<p>Inger ist es, die das durchgesetzt hat, und Inger wußte -wohl, was sie tat, wenn sie Isak gerade an diesem Tag -fort haben wollte.</p> - -<p>Wenn du gehen willst, muß es heute sein, sagte sie. -Der Stier ist gemästet, gemästete Ware steht im Frühjahr -gut im Preis, er kann in die Stadt geschickt werden. -Da werden Riesensummen bezahlt. — Ja, ja, sagte Isak. -— Die einzige Gefahr ist, daß der Stier auf dem Hinunterweg -wild werden könnte, fuhr Inger fort. — Darauf -gab Isak keine Antwort. — Aber seit einer Woche -ist er immer etwas draußen gewesen, hat sich umgesehen -und sich ans Freie gewöhnt. — Isak schwieg; aber er -hängte ein großes Messer am Riemen um und führte -den Stier heraus.</p> - -<p>Ach, was für ein Koloß, prächtig und furchtbar zugleich, -seine Lenden schwankten bei jedem Schritt! Er war -ziemlich kurzbeinig; wenn er dahinschritt, brach er mit -der Brust den Jungwald nieder, er war wie eine Lokomotive. -Sein Hals war gewaltig bis zur Unförmigkeit, -in diesem Hals wohnte die Stärke eines Elefanten.</p> - -<p>Wenn er jetzt nur nicht wild wird und auf dich losgeht, -sagte Inger. — Erst nach einer Weile antwortete -Isak: Nun, dann muß ich ihn eben unterwegs schlachten -und das Fleisch fortschaffen.</p> - -<p>Inger setzte sich auf die Türschwelle. Es war ihr übel, -und ihr Gesicht war brennend rot. Sie hatte sich aufrecht -gehalten, bis Isak gegangen war, jetzt verschwand er mit -dem Stier im Walde, und Inger konnte ohne Gefahr<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span> -stöhnen. Der kleine Eleseus kann schon sprechen, und er -fragt: Mutter weh? — Ja, weh. — Er ahmt seine -Mutter nach, greift sich nach dem Rücken und stöhnt -auch. Klein-Sivert schläft.</p> - -<p>Inger nimmt Eleseus mit sich hinein, gibt ihm allerlei -Sachen, womit er auf dem Boden spielen kann, und -legt sich selbst zu Bett. Ihre Stunde war gekommen. -Sie ist die ganze Zeit bei vollem Bewußtsein, gibt auf -Eleseus acht, läßt ihren Blick über die Wiege hinschweifen -und sieht auf die Uhr an der Wand. Sie schreit nicht, -bewegt sich kaum; ein Kampf geht in ihren Eingeweiden -vor sich, eine Last gleitet plötzlich von ihr ab. Fast im -selben Augenblick hört sie ein fremdes Geschrei in ihrem -Bett, ein liebes Stimmchen weint. Und jetzt hat Inger -keine Ruhe mehr, sie richtet sich auf und schaut an sich -hinunter. Was sieht sie? Ihr Gesicht wird im selben -Augenblick aschgrau und starr, ohne Ausdruck und Verstand, -ein Ächzen wird laut, ein so unnatürliches, so erschütterndes, -wie ein Heulen aus ihrem Innersten heraus.</p> - -<p>Sie sinkt zurück. Eine Minute vergeht, sie hat keine -Ruhe, das Weinen im Bett wird lauter, sie richtet sich -wieder auf und schaut — ach Gott, das schlimmste von -allem, ohne Gnade, und das Kind ist überdies ein -Mädchen!</p> - -<p>Isak konnte vielleicht noch nicht eine halbe Meile weit -gekommen sein, und es war jetzt kaum eine Stunde vergangen, -seit er den Hof verlassen hatte. In zehn Minuten -war das Kind geboren und umgebracht ...</p> - -<p>Am dritten Tag kehrte Isak zurück; er führte einen -mageren, halb verhungerten Stier, der kaum vorwärts -kommen konnte, an der Leine, deshalb war er so lange -unterwegs gewesen.</p> - -<p>Wie ist es gegangen? fragte Inger, und doch war sie -selbst recht gedrückt und krank.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span></p> - -<p>Oh, es war ganz leidlich gegangen. Ja, ja, während der -letzten halben Meile war der Stier allerdings wild geworden. -Isak hatte ihn anbinden und Hilfe aus dem -Dorfe holen müssen. Als er zurück kam, hatte der Stier -sich losgerissen, und sie hatten ihn lange suchen müssen. -Na, es war ja alles noch gut abgelaufen. Der Händler, -der Schlachtvieh für die Stadt aufkaufte, hatte gut bezahlt. -— Und da ist nun der neue Stier, sagte Isak, -bring die Kinder heraus und seht ihn euch an!</p> - -<p>Das gleiche Interesse für jedes neue Stück Vieh. Inger -betrachtete den Stier, befühlte ihn und fragte nach dem -Preis. Klein-Sivert durfte auf seinem Rücken sitzen. — -Es tut mir leid um den großen Stier, sagte Inger, er -war so glänzend und brav! Wenn sie ihn jetzt nur ordentlich -abschlachten!</p> - -<p>Die Tage waren mit Frühjahrsarbeit ausgefüllt, die -Tiere waren hinausgelassen worden, in dem leeren Stall -standen Kisten und Kasten voll Saatkartoffeln. Isak säte -in diesem Jahr mehr Korn als sonst und wandte seinen -äußersten Fleiß auf, um es gut in die Erde zu bringen, -er richtete Beete für Karotten und Rüben, und Inger -streute den Samen hinein. Alles ging wie früher.</p> - -<p>Eine Zeitlang trug Inger ein Heukissen auf dem Leib, -um dick auszusehen. Allmählich verminderte sie das Heu, -und schließlich ließ sie den Sack weg. Endlich eines Tages -fiel es Isak auf, und er fragte verwundert: Was ist denn -das? Ist diesmal nichts daraus geworden? — Nein, -sagte sie, diesmal nicht. — So, warum nicht? — Ach, -es war eben so. Was glaubst du, Isak, bis wann du alles -das umgebrochen haben wirst, das wir da vor uns sehen? -— Ist es eine Fehlgeburt gewesen? fragte er. — Ja. — -So. Und du hast keinen Schaden davongetragen? — -Nein. Du, Isak, ich habe schon sooft gedacht, ob wir -uns nicht Schweine aufziehen sollten. — Isak, der sehr -bedächtig war, sagte nach einer Weile: Ja, ein Schwein.<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> -Ich hab' in jedem Frühjahr daran gedacht. Aber solange -wir nicht mehr Eßkartoffeln und auch Futterkartoffeln -und etwas mehr Getreide haben, haben wir kein Futter -für ein Schwein. Nun, wir wollen in diesem Jahr einmal -sehen. — Es wäre sehr schön, wenn wir ein Schwein -hätten. — Ja.</p> - -<p>Die Tage vergehen. Regen fällt, und Acker und Wiese -stehen schön, in diesem Jahr darf man auf Gutes hoffen! -Große und kleine Erlebnisse folgen einander, es gibt -Mahlzeiten, Schlaf und Arbeit, Sonntage mit rein gewaschenen -Gesichtern und gekämmten Haaren, Isak trägt -sein neues rotes Hemd, das Inger gewebt und genäht -hat. Da geschieht es, daß das gleichmäßige Leben durch -ein großes Ereignis aufgescheucht wird. Ein Mutterschaf -mit seinem Lamm hat sich in einem Felsenspalt eingeklemmt; -die anderen Schafe kommen am Abend heim, -Inger vermißt sofort die beiden, die fehlen. Isak geht -hinaus, sie zu suchen. Sein erster Gedanke ist, wenn ein -Unglück geschehen sei, so sei es nur gut, daß es gerade -Sonntag sei und er somit nicht von der Arbeit weg müsse. -Er sucht stundenlang, endlos ist das Weideland, er geht -und geht. Daheim ist das ganze Haus in Aufregung; -die Mutter beschwichtigt ihre Kinder mit kurzen Worten: -Zwei Schafe fehlen, schweigt! Alle tragen an der Sorge -mit, die ganze kleine Gesellschaft, selbst die Kühe merken, -daß etwas Ungewöhnliches vorgeht, und brüllen, denn bisweilen -ist Inger draußen und lockt mit lauter Stimme -nach dem Walde hin, obgleich die Nacht schon herannaht. -Dies ist ein Ereignis im Ödland, ein allgemeines Unglück. -Als Inger die Kinder zu Bett gebracht hat, geht sie selbst -hinaus und sucht auch; dazwischen ruft sie, bekommt aber -keine Antwort, Isak ist wohl auch weit weg.</p> - -<p>Wo können die Schafe nur sein, was ist ihnen geschehen? -Sind Bären unterwegs? Sind Wölfe von Schweden -und Finnland übers Gebirge herübergekommen?<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span> -Keins von beiden. Als Isak die Vermißten findet, ist -das Mutterschaf in eine Felsenspalte eingeklemmt mit -einem gebrochenen Bein und stark verletztem Euter. Es -muß lange in der Felsenspalte festgehalten worden sein, -denn obgleich es ernstlich verwundet ist, hat es doch das -Gras um sich her bis an die Wurzeln abgenagt. Isak hebt -das Schaf heraus, und das erste, was dieses tut, ist, nach -Futter zu suchen. Das Lamm saugt sofort an der Mutter, -es ist die reine Heilung für das arme wunde Euter, daß -es geleert wird.</p> - -<p>Nun sucht Isak Steine und wirft sie in die gefährliche -Felsenspalte; diese heimtückische Öffnung soll nie wieder -ein Schafbein brechen! Isak trägt lederne Hosenträger, -er zieht sie aus, legt sie um das Schaf und hält dadurch -das aufgerissene Euter an seinem Platz. Dann hebt er -das Schaf auf seine Schulter und trägt es heim. Das -Lamm läuft hinter ihm her.</p> - -<p>Und nachher? Schienen und Teerlappen. In einigen -Tagen fängt das Schaf an, mit dem kranken Fuß zu -zappeln, weil die Wunde beißt und heilt. Ja, alles miteinander -wird wieder gut — bis sich wieder etwas ereignet.</p> - -<p>Das tägliche Leben, Ereignisse, die das Leben der Ansiedler -ganz ausfüllen. Ach, das sind keineswegs Kleinigkeiten, -es ist das Schicksal, es gilt Glück, Behagen und -Wohlfahrt.</p> - -<p>Isak benutzt die Zeit zwischen Frühjahr- und Sommerarbeit, -um ein paar neue Stämme zu behauen, die -gefällt daliegen; er hat wohl einen Plan mit ihnen. -Außerdem bricht er viele nützliche Steine aus und schafft -sie zum Hofe hin. Wenn er genug Steine beisammen hat, -schichtet er sie zu einer Mauer. Wäre es nun noch wie vor -einem Jahr gewesen, so wäre Inger neugierig geworden -und hätte sich gefragt, was denn ihr Mann im Sinne -habe; aber jetzt beschäftigte sie sich lieber mit ihren eigenen<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span> -Sachen und stellte keine Fragen mehr. Inger ist so -fleißig wie früher; sie versorgt das Haus und die Kinder -und die Tiere, aber sie hat angefangen zu singen, und -das tat sie früher nicht. Sie hat Eleseus ein Abendgebet -gelehrt, das hatte sie früher nicht getan. Isak vermißt -ihre Fragen; ihre Neugierde und ihr Lob über das, was -er leistete, waren es, die ihn zu einem zufriedenen und -einem ausgezeichneten Mann gemacht hatten. Jetzt geht -sie an ihm vorbei und sagt höchstens, er werde sich noch -zu Tode schinden. Es muß ihr beim letztenmal doch recht -schlecht gegangen sein! denkt Isak.</p> - -<p>Oline kommt wieder zu Besuch. Wäre es nun noch wie -im vorigen Jahre gewesen, so hätte man sie sehr willkommen -geheißen; aber jetzt ist es anders. Inger begegnet -ihr vom ersten Augenblick an feindselig; was nun -auch der Grund sein mag, aber Inger ist ihr feindselig -gesinnt.</p> - -<p>Ich dachte halb und halb, ich würde zu rechter Zeit -kommen, sagt Oline mit feiner Anspielung. — Wieso? -— Ja, daß das dritte getauft werden sollte. Wie steht -es damit? — Ach, sagte Inger, darum hättest du dich -nicht herzubemühen brauchen. — So.</p> - -<p>Dann fängt Oline an zu loben, die beiden Jungen -seien so groß und hübsch geworden, und Isak sei so -fleißig, und es sehe aus, als wolle er wieder bauen — -großartig sei es hier, so einen Hof gebe es nicht wieder! -Und kannst du mir sagen, was er jetzt bauen will? — -Nein, das kann ich nicht, du mußt ihn selbst danach fragen. -— Nein, sagt Oline, das geht mich nichts an. Ich -wollte nur sehen, wie es euch geht, denn dies ist eine -große Freude und Beruhigung für mich. Nach Goldhorn -will ich gar nicht fragen oder ihren Namen in den Mund -nehmen, sie hat es ja so gut wie nur möglich.</p> - -<p>Eine Weile vergeht unter guter Unterhaltung, und -Inger ist nicht mehr so unfreundlich. Als die Uhr an der<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span> -Wand ihre herrlichen Schläge ertönen läßt, treten Oline -die Tränen in die Augen; sie sagt, sie habe in ihrem -ganzen armen Leben noch nie so eine Kirchenorgel gehört. -Da fühlt sich Inger wieder reich und großmütig aufgelegt -gegen die arme Verwandte, und sie sagt: Komm mit -in die Kammer, ich zeig dir meinen Webstuhl.</p> - -<p>Oline bleibt den Tag über da. Sie spricht mit Isak -und lobt alles, was er getan hat. — Ich höre, du hast -nach jeder Richtung hin eine Meile gekauft, hättest du -es nicht umsonst haben können? Wer hat es dir mißgönnt?</p> - -<p>Jetzt bekam Isak die Lobsprüche, die ihm gefehlt hatten, -und er fühlte sich wieder mehr anerkannt und obenauf. -Ich kaufe es von der Regierung, antwortet er. — -Jawohl, aber sie soll nicht wie ein Raubtier gegen dich -sein, diese Regierung. Was baust du? — Das weiß ich -noch nicht. Es wird nichts Besonderes herauskommen. -— Du schindest dich und baust, du hast gemalte Türen -und eine Wanduhr in der Stube, dann baust du wohl -eine Großstube? — Ach, spotte nicht! erwidert Isak. Aber -es gefällt ihm gut, und er sagt zu Inger: Kannst du -nicht ein klein wenig Sahnengrütze für unsern Gast -kochen? — Nein, antwortete Inger, denn ich habe erst gebuttert. -— Ich spotte nicht, ich bin nur ein einfältiges -Frauenzimmer, das Fragen stellt, beeilte sich Oline einzuwerfen. -Na ja, wenn es keine Großstube ist, so wird -es wohl ein mächtiges Gebäude zu einer Scheune. Du -hast Acker und Wiesen, und alles wächst heran, und es -ist so, wie es in der Bibel steht, hier fließen Milch und -Honig.</p> - -<p>Isak fragt: Wie sind die Aussichten heuer in eurer -Gegend? — Ach, es geht an. Wenn nur unser Herrgott -nicht auch diesmal Feuer drauf fallen und es verbrennen -läßt, Gott verzeih mir meine Sünden! Alles steht in<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span> -seiner Hand und Allmacht. Aber so großartig wie hier -bei euch steht es nirgends bei uns, o weit, weit entfernt!</p> - -<p>Inger erkundigte sich nach einigen von ihren anderen -Verwandten, besonders nach dem Oheim Sivert, dem -Bezirkskassierer, der ist der große Mann der Familie, -besitzt ein Großnetz und einen Bootsschuppen, er weiß -bald nicht mehr, was er mit all seinem Reichtum anfangen -soll.</p> - -<p>Während dieser Unterhaltung versinkt Isak mehr und -mehr in Gedanken, und sein neuer Bauplan ist vergessen. -Schließlich sagt er: Nun, da du es durchaus wissen willst, -Oline, so ist es eben eine kleine Scheune mit einer Dreschtenne, -die ich zu bauen versuchen will.</p> - -<p>Das hab' ich mir gedacht, sagte Oline. Rechte Leute -pflegen vorwärts und rückwärts zu denken und alles im -Kopf zu haben. Hier ist keine Kanne und kein Gefäß, -die du dir nicht im voraus ausgedacht hättest. Und mit -einer Tenne, hast du gesagt, nicht wahr?</p> - -<p>Isak ist ein großes Kind, Olines Lobhudeleien steigen -ihm zu Kopf, und er macht sich ein wenig lächerlich. Ja, -was das neue Haus betrifft, so soll eine Tenne drinnen -sein, das ist meine Meinung und Absicht, sagt er. — Eine -Tenne! sagt Oline bewundernd und wiegt den Kopf hin -und her. — Ja, denn was sollen wir mit Korn auf dem -Acker, wenn wir es nicht dreschen können? sagt er. — -Es ist, wie ich sage, du denkst dir alles im Kopf aus, -versetzt Oline.</p> - -<p>Inger ist wieder unfreundlich geworden, das Gerede -zwischen den beiden hat sie wohl aufgeregt, und sie sagt -plötzlich: Sahnengrütze — wo soll ich denn die Sahne -hernehmen? Gibt es etwa Sahne im Fluß?</p> - -<p>Oline weicht der Gefahr aus. Liebste, beste Inger, versteh -mich doch recht! Du brauchst dich nicht wegen der -Sahnengrütze zu entschuldigen oder auch nur ein Wort<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span> -darüber zu verlieren. Wegen einer Person wie ich, die -sich nur auf den Höfen herumtreibt!</p> - -<p>Isak bleibt noch eine Weile sitzen, dann sagt er: Nein, -hier sitze ich und sollte doch Steine zu meiner Mauer ausbrechen. -— Ja, zu so einer Mauer wie diese hier braucht -man viele Steine! — Viele Steine? erwiderte Isak. Ja, -es ist gerade, als wären es niemals genug.</p> - -<p>Als Isak gegangen ist, werden die beiden Frauen wieder -einträchtiger, sie haben so viel über die Gemeinde -miteinander zu reden. Die Stunden vergehen. Am Abend -bekommt Oline zu sehen, wie der Viehstand gewachsen -ist. Zwei Kühe mit dem Stier, zwei Kälber, ein Gewimmel -von Ziegen und Schafen. Wo will das noch hinaus! -sagt Oline und schlägt die Augen zum Himmel auf.</p> - -<p>Sie bleibt über Nacht.</p> - -<p>Aber am nächsten Tag geht sie. Wieder hat sie etwas -in einem Bündel mitbekommen; da Isak im Steinbruch -ist, macht sie einen kleinen Umweg, um ihn zu vermeiden.</p> - -<p>Zwei Stunden später erscheint Oline wieder in der Ansiedlung; -sie tritt ein und fragt: Wo ist Isak?</p> - -<p>Inger ist beim Geschirraufwaschen. Sie merkt, daß -Oline bei Isak und den Kindern, die im Steinbruch sind, -vorbeigekommen sein muß, und sie ahnt gleich Unrat. -Oline, was willst du von Isak? fragt sie. — Oh, nichts -Besonderes! Aber ich habe ihm nicht Lebewohl gesagt. -— Schweigen. Oline sinkt ohne weiteres auf eine Bank -nieder, wie wenn sie ihre Beine nicht mehr tragen wollten. -Sie läßt absichtlich etwas Ungewöhnliches ahnen, -gerade indem sie zeigt, daß sie am Umsinken ist. Nun -kann sich Inger nicht länger beherrschen, ihr Gesicht ist -verzerrt und drückt Wut und Entsetzen aus. Sie sagt: -Ich hab' einen Gruß von dir bekommen durch Os-Anders. -Es war ein netter Gruß. — Was denn? — Es war ein -Hase. — Was du nicht sagst? versetzte Oline merkwürdig -freundlich. — Wage nicht, es zu leugnen! ruft Inger<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span> -mit irren Augen. Ich schlage dir mit der Holzkelle hier -mitten ins Gesicht! So, da!</p> - -<p>Schlug sie zu? Ja, gewiß. Und da Oline nicht beim -ersten Schlag zurücktaumelt, sondern im Gegenteil aufsässig -wird und ruft: Nimm dich in acht! Ich weiß, was -ich von dir weiß! da gebraucht Inger die Holzkelle weiter -und schlägt Oline zu Boden, zwingt sie unter sich und -setzt ihr das Knie auf die Brust.</p> - -<p>Willst du mich ganz töten? fragt Oline. Sie hatte -diesen schrecklichen Hasenmund über sich, eine große, -starke Frau mit einem wahren Prügel von einem Holzlöffel -in der Hand. Oline hatte schon Beulen von den -Schlägen, sie blutete, aber sie knurrte noch mehr und -gab nicht nach. So, du willst mich <em class="gesperrt">auch</em> umbringen? -— Ja — dich umbringen, antwortet Inger und schlägt -weiter. Da hast du! Ich werde dich totschlagen! — Sie -hatte jetzt die Gewißheit, daß Oline ihr Geheimnis -kannte, und es war ihr alles einerlei. — Da hast du eins -auf deinen Rachen! — Meinen Rachen! <em class="gesperrt">Du</em> hast einen -Rachen! stöhnt Oline. Unser Herrgott hat dir ein Kreuz -ins Gesicht geschnitten.</p> - -<p>Da Oline zu zäh ist, um überwältigt werden zu können, -ja, verdammt zäh, muß Inger mit ihren Schlägen -aufhören; es nützt alles nichts, sie erschöpft sich nur -selbst. Aber sie droht — oh, sie droht Oline mit der -Holzkelle dicht vor den Augen, oh, sie werde noch bekommen, -sie werde noch für alle Zeiten genug bekommen! -Ich hab' auch ein Küchenmesser, du wirst es gleich -sehen!</p> - -<p>Sie richtet sich auf, wie um nach dem Messer zu greifen, -nach dem großen Tischmesser; aber jetzt ist ihre erste -Aufregung vorüber, und sie gebraucht nur noch den -Mund. Oline richtet sich auch auf und setzt sich wieder -auf die Bank, blau und gelb im Gesicht, voller Beulen -und blutig. Sie streicht sich das Haar zurück, rückt ihr<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span> -Kopftuch zurecht, spuckt aus; ihr Mund ist verschwollen! -Du Vieh! sagt sie.</p> - -<p>Du bist im Wald gewesen und hast herumgeschnüffelt! -ruft Inger; dazu hast du die Stunden angewendet, und -du hast das kleine Grab gefunden. Aber du hättest gleich -ein Loch für dich selbst graben sollen! — Du wirst schon -sehen! erwidert Oline, und ihre Augen funkeln vor Rachgier. -Ich sage nichts mehr, aber nun wirst du keine Stube -nebst Kammer und Orgelwerk mehr haben. — Das -kannst du nicht bestimmen! — Oh, das werden die Oline -und ich bestimmen!</p> - -<p>Die zwei Weiber zanken sich weiter. Oline ist nicht so -grob und laut, sie ist in ihrer häßlichen Bosheit geradezu -friedlich, aber sie ist verbissen und gefährlich. Ich gehe, -um mein Bündel zu holen, ich bereue, daß ich es im -Wald hab' liegen lassen. Ich gebe dir die Wolle zurück, -ich will sie gar nicht haben. — So, du denkst wohl, ich -hätte sie gestohlen. — Das weißt du selbst, was du getan -hast.</p> - -<p>Darüber zanken sie sich wieder. Inger sagt, sie wolle -das Schaf zeigen, von dem sie die Wolle geschoren habe. -Oline erwidert friedlich und gelassen: Jawohl, aber wer -weiß, wo du das erste Schaf herhast? — Inger nennt -Namen und Ort, wo ihre ersten Schafe und Lämmer in -Futter gestanden haben. Und das sag ich dir, nimm dich -ein für allemal mit deinem Mund in acht! droht sie. -— Haha! lacht Oline verächtlich. Sie hat immer eine -Antwort bereit und gibt nicht nach. Meinen Mund! Und -deinen eigenen Mund! Sie deutet auf Ingers Hasenscharte -und sagt, sie sei ein Abscheu vor Gott und den -Menschen. Inger antwortet wutschnaubend, und da Oline -dick ist, schimpft sie sie einen Fettwanst — ein solcher -gemeiner Fettwanst, wie du bist! Und ich danke dir auch -für den Hasen, den du mir geschickt hast. — Hasen? -Wenn ich in allem so frei von Schuld wäre wie bei dem<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span> -Hasen! Wie sah er denn aus? — Wie sieht ein Hase -aus? — Wie du! Ganz genau wie du! Und du hättest -es gar nicht nötig, Hasen anzusehen. — Jetzt machst du, -daß du hinauskommst! schreit Inger. Du hast Os-Anders -mit dem Hasen hierhergeschickt. Ich werde dich -strafen lassen. — Strafen lassen! Hast du strafen lassen -gesagt? — Du bist voller Neid, du gönnst mir nichts von -allem, was ich habe, und du verbrennst fast vor Neid darüber, -fährt Inger fort. Seit ich verheiratet bin und -Isak und alles, was hier ist, bekommen habe, hast du -vor lauter Mißgunst fast kein Auge mehr zugetan. -Großer Gott und Vater im Himmel, was willst du denn -von mir? Ist es meine Schuld, daß deine Kinder nicht -irgendwohin kamen, wo etwas aus ihnen geworden ist? -Du kannst es nicht ertragen, daß meine Kinder wohlgestaltet -sind und schönere Namen haben als die deinigen, aber -kann ich etwas dafür, daß sie von besserem Fleisch und -Blut sind, als deine waren!</p> - -<p>Konnte etwas Oline rasend machen, so war es dies. -Sie hatte so viele Kinder geboren und besaß nichts als -diese Kinder, so wie sie nun einmal waren; sie sagte, sie -seien gut und prahlte mit ihnen, sie log ihnen Verdienste -an, die sie nicht hatten, und verbarg ihre Fehler. — -Was hast du gesagt? erwiderte sie Inger. Daß du nicht -vor Scham in die Erde versinkst. Meine Kinder, die im -Vergleich zu den deinen wie eine himmlische Engelschar -waren! Wagst du es, meine Kinder in den Mund zu -nehmen? Alle sieben waren als klein wahre Gottesgeschöpfe -und jetzt als erwachsen sind sie alle miteinander -groß und wohlgestaltet. Nimm dich in acht, du! — -Und die Lise, kam sie nicht ins Gefängnis, wie war denn -das? fragt Inger. — Sie hatte nichts getan, sie war so -unschuldig wie eine Blume, sagt Oline. Und jetzt ist sie in -Bergen verheiratet und geht im Hut. Aber was tust du? -— Und wie war's mit Nils? — Es ist mir nicht der<span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span> -Mühe wert, dir zu antworten. Aber du hast eines drüben -im Walde liegen, was hast du mit dem getan? Du hast -es umgebracht. — Pack dich und mach, daß du hinauskommst! -schreit Inger wieder, und sie dringt aufs neue -auf Oline ein.</p> - -<p>Aber Oline weicht nicht, sie steht nicht einmal auf. -Diese Unerschrockenheit, die wie Verstocktheit aussieht, -lähmt Inger abermals, und sie sagt nur: Jetzt hole ich -aber gleich das Hackmesser! — Laß das lieber sein, rät -Oline, ich gehe schon von selbst. Aber was das betrifft, -daß du deine eigenen Verwandten hinauswirfst, so bist -du ein Vieh. — Ja, aber mach nur, daß du fortkommst.</p> - -<p>Aber Oline geht nicht. Die beiden Frauen zanken sich -noch eine gute Weile, und sooft die Wanduhr halb oder -ganz schlägt, stößt Oline ein Hohngelächter aus und macht -Inger rasend. Schließlich beruhigen sich beide doch ein -wenig, und Oline macht sich zum Gehen fertig. Ich habe -einen weiten Weg und die Nacht vor mir, sagt sie. Und -es war recht dumm, ich hätte von daheim etwas zum -Essen mitnehmen sollen, sagt sie.</p> - -<p>Darauf gibt Inger keine Antwort, sie ist jetzt wieder -vernünftig geworden; sie füllt Wasser in ein Becken und -sagt: Da, wenn du dich abreiben willst! Oline sieht ein, -daß sie sich waschen muß, ehe sie geht, aber da sie nicht -weiß, wo sie blutig ist, wäscht sie an den verkehrten Stellen. -Inger sieht ihr eine Weile zu, dann deutet sie. Da -— fahr auch über die Schläfe, nein, die andere Schläfe, -ich deute ja darauf. — Hab' ich wissen können, auf welche -Seite du gedeutet hast? versetzt Oline. — An deinem -Mund sitzt auch noch etwas. Bist du vielleicht wasserscheu? -fragt Inger.</p> - -<p>Schließlich muß Inger selbst die Verwundete waschen -und ihr ein Handtuch hinwerfen.</p> - -<p>Was ich sagen wollte, beginnt Oline, während sie sich -abtrocknet, und sie ist jetzt wieder vollkommen friedlich,<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span> -wie soll Isak mit den Kindern das überstehen? — Weiß -er's? fragt Inger. — Ob er es weiß! Er kam dazu und -sah es. — Was sagte er? — Was konnte er sagen! Er -war sprachlos, wie ich auch.</p> - -<p>Schweigen.</p> - -<p>Du, du bist an allem miteinander schuld! klagt Inger -und bricht in Tränen aus. — Wenn ich nur an allem so -frei von Schuld wäre! — Ich werde ihn, den Os-Anders, -fragen, darauf kannst du dich verlassen! — Ja, tu das!</p> - -<p>Sie sprechen es in Ruhe durch, und Oline scheint jetzt -weniger rachsüchtig zu sein. Oh, sie ist ein Politikus ersten -Ranges und gewohnt, Auswege zu finden, jetzt äußert -sie sogar eine Art Mitgefühl, indem sie sagt, wenn es nun -herauskomme, dann täten ihr Isak und auch die Kinder -herzlich leid. — Ja, sagt Inger und weint noch mehr. -Ich habe Tag und Nacht gegrübelt und gegrübelt. Als -Ausweg fällt es nun Oline plötzlich ein, daß sie eine Hilfe -sein könne, sie könne vielleicht herkommen und auf der -Ansiedlung bleiben, wenn Inger ins Gefängnis müsse.</p> - -<p>Jetzt weint Inger nicht mehr, sie horcht gleichsam -plötzlich auf und überlegt. Nein, du versorgst die Kinder -nicht, sagt sie. — Soll ich die Kinder nicht versorgen? -Du spottest! — So. — Ja, denn wenn ich für etwas -ein Herz habe, so sind es Kinder. — Ja, für deine eigenen, -aber wie wirst du gegen die meinigen sein? Und -wenn ich daran denke, daß du mir den Hasen geschickt -hast, nur um mich zu verderben, so bist du ganz und gar -schuld daran. — Ich? fragt Oline. Meinst du mich? — -Ja, dich meine ich, antwortet Inger mit lautem Schluchzen. -Du bist das größte Scheusal gegen mich gewesen, -und ich trau dir nichts Gutes zu. Und außerdem würdest -du uns nur alle Wolle stehlen, wenn du hierher kämst. -Und einen Ziegenkäse nach dem andern würden deine -Leute bekommen und nicht die meinigen. — Du bist ein -Vieh, sagt Oline.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span></p> - -<p>Inger weint, wischt sich die Augen und spricht ab und -zu ein paar Worte. Oline sagt, sie wolle sich gewiß nicht -aufdrängen, denn sie könne bei ihrem Sohn Nils sein, -wo sie schon immer gewohnt habe. Wenn nun aber Inger -ins Gefängnis komme, so wäre Isak mit den unschuldigen -Kleinen ganz verlassen, da könne sie hierher kommen -und auf sie aufpassen. Sie stellt das recht verlockend -hin, es werde gewiß nicht schlimm gehen. Du kannst es -dir nun überlegen, sagt sie.</p> - -<p>Inger ist mutlos; sie weint und schüttelt den Kopf -und schaut zu Boden. Wie eine Schlafwandlerin geht sie -in die Vorratskammer und macht für den Gast Mundvorrat -zurecht. — Nein, du sollst dich nicht in Unkosten -stürzen, sagt Oline. — Und du sollst nicht ohne Mundvorrat -übers Gebirge gehen, entgegnet Inger.</p> - -<p>Als Oline gegangen ist, schleicht sich Inger hinaus, -sieht sich um, horcht. Kein Laut vom Steinbruch herüber! -Sie geht näher hin und hört die Kinder; sie spielen -mit Geröll. Isak hat sich gesetzt; er hält den Spaten -zwischen den Knien und stützt sich darauf, wie auf einen -Stock. Da sitzt er.</p> - -<p>Inger schleicht sich zum Waldsaum hin. Sie hatte ein -kleines Kreuz in die Erde gesteckt; das Kreuz liegt am -Boden, aber da, wo es gestanden hat, ist der Rasen weggenommen -und die Erde aufgewühlt. Inger setzt sich -nieder und scharrt die Erde mit den Händen wieder zusammen. -Und da sitzt sie.</p> - -<p>Sie kam aus Neugier, um zu sehen, wie tief Oline in -dem kleinen Grab gewühlt hat, sie bleibt sitzen, weil die -Haustiere noch nicht heimgekommen sind. Sie weint und -schüttelt den Kopf und sieht zu Boden.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span></p> - - - - -<h3>7</h3> - - -<p>Die Tage vergehen. Es ist ein ausgezeichnetes Wetter -für das Feld, mit Sonnenschein und Regenschauern, -und die Frucht wächst dementsprechend -heran. Die Ansiedler sind mit der Heuernte schon fast fertig, -und sie bekommen eine Menge Heu; fast ist nicht -alles unter Dach und Fach zu bringen, sie stopfen es unter -vorspringende Felsen, in den Stall, unter das Wohnhaus, -räumen das Vorratshaus ganz aus und stopfen dieses -auch bis zum Dache voll. Früh und spät arbeitet Inger -mit als unentbehrliche Hilfe und Stütze. Isak benützt jeden -Regenaugenblick, um die neue Scheune unter Dach -zu bringen und auf jeden Fall die Südseite vollständig -fertigzumachen, dann kann so viel Heu untergebracht -werden, als es nur gibt. Es geht tüchtig vorwärts, es -wird schon recht werden!</p> - -<p>Das große, traurige Ereignis mit seiner Sorge war da, -die Tat war getan, und die Folgen würden nicht ausbleiben. -Das Gute geht oft einen spurlosen Weg, das -Böse zieht immer seine Folgen nach sich. Isak faßte die -Sache von Anfang an verständig auf und sagte nichts -weiter zu seiner Frau, als: Wie bist du nur dazu gekommen? -— Darauf antwortete Inger nichts. Und nach einer -Weile sagte Isak wieder: Hast du es erwürgt? — Ja, -sagte Inger. — Das hättest du nicht tun sollen. — -Nein, antwortete sie. — Und ich verstehe nicht, wie du -es hast tun können. — Sie hat genau so ausgesehen wie -ich, sagte Inger. — Wieso? — Am Mund. — Isak -dachte lange nach, dann sagte er: Ja, ja.</p> - -<p>Weiter wurde vorerst nichts darüber gesprochen, und -als die Tage genau so ruhig vergingen wie vorher und -außerdem sehr viel Heu hereingeschafft und untergebracht -werden mußte, auch besonders viel Feldarbeit zu verrichten -war, trat die Missetat allmählich in ihren Ge<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span>danken -zurück. Aber sie hing die ganze Zeit über den -Menschen und über der ganzen Ansiedlung. Die Eheleute -konnten nicht hoffen, daß Oline schweigen würde, das -war zu unsicher. Und selbst wenn Oline schwieg, konnten -dann die stummen Zeugen nicht eine Stimme bekommen, -die Wände des Hauses oder die Bäume im Walde rings -um das kleine Grab? Os-Anders konnte Andeutungen -machen, Inger selbst konnte sich wachend oder schlafend -verraten. Sie waren auf das Schlimmste gefaßt.</p> - -<p>Was konnte Isak anders tun, als die Sache verständig -auffassen? Jetzt begriff er, warum Inger jedesmal bei -der Geburt hatte allein sein wollen, allein hatte sie die -große Angst über die Wohlgestaltetheit des Kindes ausstehen, -allein der Gefahr entgegengehen wollen. Dreimal -hatte sich das wiederholt. Isak schüttelte den Kopf, und -sie tat ihm sehr leid mit ihrem Unglück, die arme Inger. -Und als er von der Sendung des Lappen mit dem Hasen -hörte, da sprach er Inger frei. Das führte zu großer -Liebe zwischen ihnen, einer verrückten Liebe, sie schmiegten -sich aneinander an in der Gefahr, sie war voll urwüchsiger -Süßigkeit gegen ihn, und er wurde wild und unmäßig -gierig nach ihr, der Mühlengeist, der Klotz. Als Schuhwerk -gebrauchte sie nur Lappenschuhe, aber sie hatte nichts -von einer Lappennatur an sich, sie war nicht klein und -welk, sondern im Gegenteil herrlich und groß. Jetzt im -Sommer ging sie barfuß und kurzgeschürzt, mit nackten -Waden, und von diesen nackten Waden konnte Isak seine -Augen nicht losreißen.</p> - -<p>Den ganzen Sommer hindurch sang sie Bruchstücke -von Kirchenliedern und lehrte auch Eleseus Gebete hersagen; -aber sie haßte alle Lappen ganz unchristlich und -sagte denen, die vorbeizogen, ihre Meinung geradeheraus. -Sie könnten ja wieder von jemand geschickt sein, -könnten einen Hasen in ihrem Fellsack haben, sie sollten -nur weitergehen! — Einen Hasen? Was für einen Hasen?<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span> -— Na, hast du nicht gehört, was Os-Anders getan -hat? — Nein. — Ich kann es dir gern selbst sagen. Er -kam mit einem Hasen hierher, als ich guter Hoffnung -war. — Hat man je so etwas gehört? Hast du einen -Schaden davon gehabt? — Das kümmert dich nichts, -geh jetzt nur! Da hast du einen Bissen und dann mach, -daß du weiterkommst! — Du hast wohl nicht ein Stück -Leder, womit ich meine Schuhe ausbessern kann? — -Nein, aber einen Stecken kannst du zu fühlen bekommen, -wenn du jetzt nicht gehst.</p> - -<p>Ein Lappe bettelt demütig, bekommt er jedoch nichts, -dann wird er rachsüchtig und droht. Jetzt kam ein Lappenpaar -mit zwei Kindern an der Siedlung vorüber; die -Kinder wurden ins Haus geschickt, um zu betteln, sie -kamen zurück und meldeten, es sei niemand daheim. Die -Familie blieb eine Weile stehen und redete lappisch miteinander, -dann ging der Mann hinein, um nachzusehen. -Er kam nicht wieder. Da ging die Frau ihm nach und -zuletzt auch die Kinder, sie blieben alle in der Stube stehen -und flüsterten in der Lappensprache. Der Mann steckt -den Kopf in die Kammer hinein, auch da war niemand. -Jetzt schlägt die Wanduhr, die Familie lauscht verwundert -und bleibt stehen.</p> - -<p>Inger mußte geahnt haben, daß fremde Leute auf den -Hof kamen, jetzt lief sie rasch die Halde herunter. Als -sie sieht, daß es Lappen sind, und dazu Lappen, die sie -nicht kennt, sagt sie geradeheraus: Was wollt ihr hier? -Habt ihr nicht gesehen, daß niemand daheim war? — -O ja, sagt der Mann. — Inger sagt: Macht, daß ihr -fortkommt!</p> - -<p>Die Familie rückt langsam und widerwillig hinaus. -Wir sind stehengeblieben und haben dieser Uhr zugehört, -sagt der Mann. Sie hat so wundervoll geschlagen. — Du -hast wohl nicht einen Brotlaib für uns? sagt die Frau. -— Woher kommt ihr? fragt Inger. — Von Vatnan auf<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span> -der andern Seite. Wir sind die ganze Nacht hindurch -gewandert. — Wohin wollt ihr? — Übers Gebirge.</p> - -<p>Inger geht hinein und richtet etwas Mundvorrat; als -sie wieder herauskommt, bettelt die Frau noch um Stoff -zu einer Mütze, um einen Knäuel Wolle, um ein Stück -Ziegenkäse, alles kann sie gebrauchen. Inger hat keine -Zeit, Isak und die Kinder sind auf der gemähten Wiese. -Jetzt geht nur, sagt sie.</p> - -<p>Die Frau versucht es mit Schmeicheln: Wir haben -dein Vieh auf der Weide gesehen, es sind so viele Tiere, -gerade wie die Sterne am Himmel. — Großartig! sagt -auch der Mann. Hättest du nicht ein paar alte Lappenschuhe?</p> - -<p>Inger schließt die Haustür und geht zu ihrer Arbeit -zurück. Da rief der Mann ihr etwas nach, sie tat jedoch, -als höre sie es nicht, und ging nur weiter, aber sie hatte -es gut gehört. Ist es richtig, daß du Hasen kaufst?</p> - -<p>Das war nicht mißzuverstehen. Der Lappe hatte vielleicht -in gutem Glauben gefragt, vielleicht hatte es ihm -jemand weisgemacht, vielleicht fragte er auch aus Bosheit, -aber Inger hatte jedenfalls eine Warnung erhalten. -Das Schicksal meldete sich ...</p> - -<p>Die Tage vergingen. Die Ansiedler waren gesunde -Menschen, was kommen sollte, mochte kommen, sie taten -ihre Arbeit und warteten. Sie lebten dicht beieinander -wie Tiere im Walde, sie schliefen und aßen, die Jahreszeit -war schon so vorgeschritten, daß sie die neuen Kartoffeln -versuchten; sie waren groß und mehlig. Der -Schlag — warum fiel der Schlag nicht? Jetzt war es -schon Ende August, bald kam der September, sollten sie -den Winter über verschont bleiben? Sie waren beständig -auf der Wacht, jeden Abend krochen sie in ihrer Höhle -zusammen, froh darüber, daß der Tag ohne etwas -Schlimmes vergangen war. So verstrich die Zeit bis zum -Oktober, da erschien der Lensmann mit einem Mann und<span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span> -einer Aktenmappe bei ihnen. Das Gesetz schritt zur Tür -herein.</p> - -<p>Die Nachforschungen brauchten Zeit, Inger wurde -unter vier Augen verhört. Sie leugnete nichts; das Grab -im Walde wurde geöffnet und geleert und die kleine -Leiche zur Untersuchung eingeschickt. Die kleine Leiche war -in Eleseus' Taufkleid gehüllt und hatte die Mütze mit den -Perlen auf dem Köpfchen.</p> - -<p>Da fand Isak gleichsam seine Sprache wieder. Ja, ja, -jetzt steht es so schlimm für uns, als es nur kann, sagte -er. Ich sage eben auch jetzt noch dasselbe, du hättest es -nicht tun sollen. — Nein, gibt Inger zu. — Wie hast du -es gemacht? — Inger gab keine Antwort. — Und daß -du es übers Herz hast bringen können! — Sie war genau -so wie ich. Da legte ich sie aufs Gesicht. Isak schüttelte -den Kopf. — Und dann starb sie, fuhr Inger fort und -brach in lautes Weinen aus. Isak schwieg eine Weile. -Ja, ja, jetzt ist es zu spät zum Weinen, sagte er dann. — -Sie hatte braunes Haar im Nacken, schluchzte Inger.</p> - -<p>Damit war die Angelegenheit wieder zu Ende.</p> - -<p>Und wieder vergingen die Tage. Inger wurde nicht -festgenommen, die Obrigkeit ließ Milde walten. Lensmann -Heyerdahl fragte sie aus, wie er jeden anderen -Menschen ausgefragt hätte, und sagte nur: Es ist traurig, -daß so etwas vorkommt! Als Inger fragte, wer sie angezeigt -habe, antwortete der Lensmann, niemand, es seien -ihm von verschiedenen Seiten Andeutungen über die -Sache gemacht worden. Ob sie sich nicht selbst teilweise -bei einigen Lappen verraten habe? — Inger antwortete: -Ja, sie habe einigen Lappen von Os-Anders erzählt, der -mitten im Sommer mit einem Hasen zu ihr gekommen -sei, und davon habe das Kind unter ihrem Herzen eine -Hasenscharte bekommen. Und Oline habe doch sicher den -Hasen geschickt! — Davon wußte der Lensmann nichts. -Aber wie es auch sein mochte, solche Unwissenheit und<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span> -solchen Aberglauben würde er nicht einmal in sein Protokoll -aufnehmen. — Meine Mutter bekam einen Hasen -zu sehen, als sie mich unter dem Herzen trug, sagte -Inger ...</p> - -<p>Die Scheune war fertig, es war eine geräumige Hütte -mit einem Heuverschlag auf beiden Seiten und einer -Tenne in der Mitte. Das Vorratshaus und die anderen -vorläufigen Aufbewahrungsorte wurden geräumt und -das Heu in die Scheune geschafft. Das Korn wurde geschnitten, -auf Heinzen getrocknet und dann eingefahren. -Inger grub die Karotten und Rüben heraus. Nun war -alles unter Dach. Jetzt wäre alles gut gewesen, Wohlstand -herrschte auf der Ansiedlung, Isak rodete wieder -Neuland, bevor der Frost kam, und vergrößerte den Kornacker, -und er war ein wirklicher Roder, das war er. Aber -im November sagte Inger: Jetzt wäre sie ein halbes -Jahr alt und hätte uns alle gekannt! — Da ist nichts -mehr daran zu ändern, sagte Isak.</p> - -<p>Im Winter drosch Isak auf der neuen Scheunentenne -Korn, Inger half ihm viele Stunden lang und führte -ihren Dreschflegel so gut wie er, während die Kinder im -Heu spielten. Die Ähren gaben große dicke Körner. Gegen -Neujahr war eine gute Schlittenbahn, und Isak fing an -Klafterholz fürs Dorf zu richten; er hatte jetzt feste Käufer, -und sein im Sommer getrocknetes Holz wurde gut -bezahlt.</p> - -<p>Eines Tages kam er mit Inger überein, das fette -Kalb, das von Goldhorn stammte, mitzunehmen und es -zu Madam Geißler zu bringen nebst einem Ziegenkäse. -Die Madam war entzückt und fragte ihn, was die Sachen -kosteten. — Nichts, sagte Isak, der Lensmann hat es -schon bezahlt. — Gott segne ihn, hat er das getan? sagte -Frau Geißler gerührt. Sie gab Isak für Eleseus und -Sivert Bilderbücher und Kuchen und Spielsachen mit. Als -Isak heimkam und Inger die Sachen sah, wendete sie sich<span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span> -ab und begann zu weinen. Was hast du denn? fragte -Isak. — Nichts, antwortete Inger. Aber gerade jetzt -wäre sie ein Jahr alt gewesen und hätte alles dieses sehen -können. — Jawohl, aber du weißt doch, wie sie gewesen -ist, erwiderte Isak, um Inger zu trösten. Und außerdem -ist es möglich, daß es nicht so schlimm ausfällt. Ich habe -mich erkundigt, wo Geißler sich aufhält. — Inger horchte -auf. Ja, kann er uns denn helfen? fragte sie. — Das -weiß ich nicht.</p> - -<p>Dann fuhr Isak das Korn in die Mühle, es wurde gemahlen, -und er brachte Mehl nach Hause. Dann ging er -wieder in den Wald und fällte Bäume für das Klafterholz -des nächsten Jahres. Sein Leben ging von einer -Arbeit zur andern, je nach den Jahreszeiten vom Feld -in den Wald und vom Wald wieder aufs Feld. Jetzt -hatte Isak sechs Jahre auf seiner Ansiedlung gearbeitet -und Inger fünf; alles war recht und gut, wenn es so -weiter ging. Aber es ging nicht so weiter. Inger warf das -Weberschiffchen hin und her und versorgte ihren Viehstand, -sie sang auch fleißig geistliche Lieder, aber, ach, du -lieber Gott, ihr Gesang war eine Glocke ohne Klöppel!</p> - -<p>Sobald der Weg gangbar war, wurde sie zum Verhör -ins Dorf hinuntergeholt. Isak mußte daheim bleiben. -Während er da allein war, nahm er sich vor, nach Schweden -hinüberzuwandern und Geißler aufzusuchen, der -wohlwollende Lensmann würde den Leuten auf Sellanraa -vielleicht noch einmal freundlich entgegenkommen. Aber -als Inger zurückkam, hatte sie schon nach allem gefragt -und wußte über das Urteil einigermaßen Bescheid. Eigentlich -sei es lebenslänglich, Paragraph 1, aber ... Seht, -sie hatte sich mitten vor den heiligen Richterstuhl des Gesetzes -hingestellt und einfach alles gestanden; die beiden -Zeugen der Gemeinde hatten sie mitleidig angesehen, und -der Hardesvogt hatte sie freundlich ausgefragt; aber sie -war den hellen Köpfen der Herren vom Gesetz doch unter<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span>legen. -Die hohen Herren Juristen sind so tüchtig, die kennen -ihre Paragraphen, sie haben sie auswendig gelernt -und im Gedächtnis, so helle Köpfe sind sie. Und sie sind -auch nicht ohne Verstand neben ihrem Amt, nicht einmal -ohne Herz. Inger konnte sich nicht über das Gericht beklagen; -sie hatte nichts von dem Hasen gesagt, aber als sie -unter Tränen gestand, daß sie ihrem mißgestalteten Kind -nichts so Böses habe antun wollen, wie es am Leben zu -lassen, da hatte der Hardesvogt ernst und sachte mit dem -Kopf genickt. Aber, hatte er gesagt, du hast ja selbst eine -Hasenscharte, und dir ist es doch gut ergangen. — Ja, -Gott sei Dank! hatte Inger nur geantwortet. Und sie -hatte nichts von den geheimen Leiden ihrer Kindheit und -Jugend vorbringen können.</p> - -<p>Aber der Hardesvogt mußte doch das eine und andere -gemerkt haben, er schleppte selbst einen Klumpfuß herum -und hatte niemals tanzen können. Das Urteil — nein, -das weiß ich noch nicht. Eigentlich ist es lebenslängliches -Gefängnis, aber ... Und ich weiß nicht, ob wir es in die -nächsten Stufen hinunterbringen, in die zweite oder dritte -Stufe, fünfzehn bis zwölf, zwölf bis neun Jahre. Da -sitzen einige Männer und humanisieren das Strafgesetz, -werden aber nicht damit fertig. Aber wir müssen das -Beste hoffen, sagte er.</p> - -<p>Inger kam in einer stumpfen Gelassenheit zurück, es -war nicht nötig gewesen, sie in Haft zu behalten. Ein -paar Monate vergingen, und als Isak eines Abends vom -Fischen heimkam, waren der Lensmann und sein neuer -Gerichtsbote auf Sellanraa gewesen. Inger war lieb und -gut gegen Isak und lobte ihn, obgleich er nicht viel Fische -gefangen hatte.</p> - -<p>Was wollte ich doch sagen, sind Fremde hier gewesen? -fragte er. — Fremde? Warum fragst du? — Ich sehe -neue Fußstapfen draußen. Spuren von Stiefeln. — Es -ist niemand anders dagewesen als der Lensmann und<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span> -noch einer. — So. Was wollten sie? — Das wirst du -dir denken können. — Wollten sie dich holen? — Mich -holen? Nein, es war nur das Urteil. Und das kann ich -dir sagen, Isak, Gott ist gnädig gewesen, es ist nicht so, -wie ich gefürchtet habe. — So, sagte Isak gespannt, -dann ist es vielleicht doch nicht sehr lang? — Nein, nur -einige Jahre. — Wie viele? — Ja, ja, du wirst wohl finden, -es seien viele Jahre, aber ich danke Gott, daß ich -wenigstens mit dem Leben davonkomme.</p> - -<p>Inger nannte die Zahl nicht. Später am Abend fragte -Isak, um welche Zeit man sie holen würde; aber das -wußte sie nicht, oder sie wollte es nicht sagen. Sie war -jetzt wieder sehr nachdenklich, redete davon, daß sie nicht -wisse, wie alles gehen solle, aber Oline werde wohl kommen, -und Isak wußte auch keinen anderen Ausweg. Wo -war übrigens Oline geblieben? Sie war in diesem Jahr -nicht wie sonst gekommen. War es ihre Absicht, ganz -wegzubleiben, nachdem sie bei ihnen alles aus dem Geleise -gebracht hatte? Sie machten die Feldarbeit, aber -Oline kam nicht. Sollte man sie vielleicht holen? Ach, -sie würde schon dahergeschwankt kommen, der Fettwanst, -das Untier!</p> - -<p>Endlich eines Tages kam sie. Welch ein Frauenzimmer! -Es war, als sei zwischen ihr und dem Ehepaar gar nichts -vorgefallen, sie strickte sogar ein Paar gereifelte Strümpfe -für Eleseus, wie sie sagte. Ich wollte nur sehen, wie ihr -es hier auf dieser Seite des Gebirges habt, begann sie. -Es zeigte sich, daß sie ihre Kleider und Sachen in einem -Sack im Walde liegen hatte und darauf eingerichtet war, -dazubleiben.</p> - -<p>Am Abend nahm Inger ihren Mann auf die Seite und -sagte: Hast du nicht gesagt, du wollest versuchen, Geißler -aufzufinden? Jetzt ist ruhige Zeit. — Ja, antwortete -Isak, da Oline jetzt da ist, breche ich gleich morgen früh -auf. — Inger sagte, sie wäre ihm dankbar dafür. Und<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span> -du mußt alles bare Geld mitnehmen, das du hast, sagte -sie. — So. Kannst du es nicht aufheben? — Nein.</p> - -<p>Inger machte reichlich Mundvorrat für ihn zurecht, -und Isak wachte bereits in der Nacht auf und machte sich -zum Aufbruch fertig. Inger begleitete ihn bis zur Haustür, -sie weinte nicht und jammerte nicht, aber sie sagte: -Jetzt können sie jeden Tag kommen, um mich zu holen. -— Weißt du etwas? — Nein, wie sollte ich etwas wissen? -Und es wird wohl auch noch nicht so bald sein, -aber ... Wenn du jetzt nur den Geißler fändest und er -dir irgendeinen guten Rat geben könnte!</p> - -<p>Was hätte Geißler jetzt noch tun können? Nichts. Aber -Isak ging doch.</p> - -<p>Aber ja, Inger hatte wohl etwas gewußt. Sie hatte -vielleicht auch durch irgend jemand Oline Nachricht zukommen -lassen. Als Isak von Schweden heimkam, war -Inger abgeholt worden, und Oline war bei den beiden -Kindern geblieben.</p> - -<p>Das war eine traurige Nachricht für Isak bei seiner -Heimkehr, als er mit lauter Stimme nach Inger rief und -keine Antwort bekam. Ist sie fort? fragte er. — Ja, -antwortete Oline. — An welchem Tag war es? — Am -Tag, nachdem du weggegangen warst. — Jetzt erriet -Isak, daß Inger bei der Entscheidung wieder allein hatte -sein wollen und sie ihn deshalb auch gebeten hatte, alles -Geld mitzunehmen. Ach, Inger hätte gern ein paar -Groschen für die große Reise haben können!</p> - -<p>Aber die kleinen Jungen waren gleich ganz in Anspruch -genommen von dem netten gelben Ferkelchen, das Isak -mitgebracht hatte. Das war übrigens auch das einzige, -was er mitbrachte. Geißlers Adresse war veraltet. Geißler -war nicht mehr in Schweden, er war in Drontheim. -Aber das Ferkelchen hatte Isak auf seinen Armen von -Schweden herübergetragen, er hatte es mit Milch aus -seiner Flasche geatzt und im Gebirge mit ihm auf der<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span> -Brust geschlafen. Er hatte Inger eine Freude machen -wollen, jetzt spielten Eleseus und Sivert damit und hatten -großen Spaß daran. Das zerstreute Isak ein wenig. Dazu -kam noch, daß Oline vom Lensmann grüßen konnte und -ausrichtete, der Staat sei endlich auf den Verkauf von -Sellanraa eingegangen, und Isak solle nur in die Amtsstube -des Lensmanns hinunterkommen und bezahlen. Das -war eine gute Nachricht, und sie riß Isak aus seiner tiefsten -Niedergeschlagenheit heraus. Obgleich er noch recht -müde und steifbeinig von seiner Reise war, packte er neuen -Mundvorrat zusammen und wanderte gleich ins Dorf -hinunter. Er hatte wohl eine leise Hoffnung, Inger noch -dort zu treffen.</p> - -<p>Aber diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung, Inger -war fort, für acht Jahre. Isak wurde es öde und düster -zumute, und er verstand nur das eine und andere von -dem, was der Lensmann sagte. Es sei traurig, daß so -etwas vorkommen könne. Er hoffe, es werde Inger eine -Lehre sein, daß sie sich bekehre und ein besserer Mensch -werde und ihre Kinder nicht mehr umbringe.</p> - -<p>Lensmann Heyerdahl war seit dem vorigen Jahr verheiratet. -Seine Frau wollte nicht Mutter werden und -wollte keine Kinder haben — sie bedankte sich dafür. -Und sie hatte auch keine.</p> - -<p>Endlich kann ich auch die Sache Sellanraa abschließen, -sagte der Lensmann dann. Das Königliche Ministerium -ist einigermaßen nach meinen Vorschlägen auf den Verkauf -eingegangen. — So, sagte Isak. — Es hat lang -gedauert, aber ich habe die Befriedigung, daß meine -Arbeit nicht vergeblich gewesen ist! Was ich geschrieben -habe, ist beinahe Punkt für Punkt durchgegangen. — -Punkt für Punkt, wiederholte Isak und nickte. — Hier -ist die Urkunde. Du kannst sie beim nächsten Thing -verlesen lassen. — Ja, sagte Isak. Was muß ich bezahlen? -— Zehn Taler jährlich. Hier hat das Ministerium<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span> -allerdings eine kleine Veränderung vorgenommen, anstatt -fünf Taler jährlich zehn. Ich weiß nicht, wie du das -aufnimmst? — Wenn ich es nur leisten kann, antwortete -Isak. — Und zehn Jahre lang. — Isak sah erschrocken -auf. — Ja, das Ministerium will auf nichts anderes eingehen, -sagte der Lensmann. — Und das ist auch gar keine -Bezahlung für ein so großes Grundstück, urbar gemacht -und so angebaut, wie es nun dasteht.</p> - -<p>Isak hatte die zehn Taler für dieses Jahr, er hatte sie -für Klafterholz und die Ziegenkäse bekommen, die Inger -zusammengespart hatte. Er bezahlte, und es blieb ihm -noch ein Rest übrig.</p> - -<p>Es ist wirklich ein Glück für dich, daß das Ministerium -nichts von der Tat deiner Frau erfahren hat, fuhr der -Lensmann fort. Sonst hätten sie vielleicht einen anderen -Käufer dafür genommen. — So, sagte Isak, und dann -fragte er: Und sie ist also nun für volle acht Jahre fort? -— Ja, das läßt sich nicht ändern, die Gerechtigkeit muß -ihren Lauf haben. Ihre Strafe ist übrigens milder als -mild. Das nächste, was du nun zu tun hast, ist, eine deutliche -Grenzscheide zwischen dir und dem Staatseigentum -auszuhauen. Rode alles mit Stumpf und Stiel aus, in -gerader Linie nach den Merkzeichen, die ich angegeben und -in mein Protokoll eingetragen habe. Das Holz gehört -dir. Ich werde später hinaufkommen und nachsehen.</p> - -<p>Isak wanderte heim.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span></p> - - - - -<h3>8</h3> - - -<p>Die Jahre vergehen rasch? Ja, für den, der altert. -Isak war weder alt noch geschwächt, ihm wurden -die Jahre lang. Er arbeitete auf seinem -Hofe und ließ seinen rostroten Bart wachsen, wie er -wollte.</p> - -<p>Ab und zu, wenn ein Lappe vorbeikam oder sich dies -und jenes im Viehstand ereignete, wurde die Einförmigkeit -im Ödland unterbrochen. Einmal kamen viele Männer -vorbeigewandert; sie ruhten auf Sellanraa aus, aßen -und tranken Milch dazu und fragten Isak und Oline nach -dem Weg übers Gebirge aus; sie sollten eine Telegraphenlinie -abschreiten, sagten sie. Ein anderes Mal erschien -Geißler — kein Geringerer als Geißler. Er kam -frisch und froh vom Dorfe heraufmarschiert und hatte -zwei Mann bei sich mit Bergwerksgeräten und Pickel und -Spaten.</p> - -<p>Dieser Geißler! Er war ganz derselbe wie früher, ganz -unverändert. Er sagte guten Tag, plauderte mit den Kindern, -ging ins Haus und kam wieder heraus, betrachtete -die Felder, öffnete die Türen von Stall und Scheune und -schaute hinein. Ausgezeichnet! sagte er. Isak, hast du die -kleinen Steine noch? — Die kleinen Steine? — Ja, die -kleinen schweren Steine, mit denen dein Junge gespielt -hat, als ich das letztemal hier war?</p> - -<p>Die Steine waren im Vorratshaus, sie lagen als Gewicht -auf den Mausefallen, nun wurden sie hereingeholt. -Der Lensmann und die beiden Männer untersuchten sie, -besprachen sich darüber, klopften darauf und wogen sie -in der Hand. Schwarzkupfer! sagten sie. — Kannst du -mit ins Gebirge gehen und uns zeigen, wo du die Steine -gefunden hast? fragte der Lensmann.</p> - -<p>Alle miteinander gingen in die Berge, und es war nicht -weit bis zur Fundstätte; aber sie wanderten doch ein paar<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span> -Tage umher, suchten nach Metall und sprengten da und -dort einen Stein los. Als sie in den Hof zurückkehrten, -brachten sie zwei schwere Säcke voll Steine mit.</p> - -<p>Währenddem hatte Isak mit Geißler seine ganze Lage -besprochen, auch daß der Preis für den Hof auf hundert -Taler anstatt auf fünfzig festgesetzt worden war. — Ach, -das spielt keine Rolle, sagte Geißler leichthin. Du hast -vielleicht Kostbarkeiten in deinem Gestein, die Tausende -wert sind. — So, sagte Isak. — Aber du mußt die gerichtliche -Bestätigung der Urkunde so rasch wie möglich -ins Werk setzen. — Ja. — Damit dir der Staat nicht -einen Prügel in den Weg wirft, verstehst du? sagte er. — -Isak verstand. Ja, ja, aber das Schlimmste ist doch die -Sache mit Inger, erwiderte er. — Ach ja, sagte Geißler, -und er überlegte für seine Art ungewöhnlich lange. Der -Fall könnte vielleicht noch einmal aufgenommen werden. -Wenn alles an den Tag käme, würde ihre Strafe vielleicht -etwas heruntergesetzt. Aber wir könnten vielleicht -um Begnadigung einkommen und damit ungefähr dasselbe -erreichen. — So, meint Ihr das? — Um Begnadigung -können wir zwar vorderhand noch nicht einkommen, -da muß erst einige Zeit verstrichen sein. Aber was ich -sagen wollte: Du hast meiner Familie ein Kalb und -Ziegenkäse gebracht, was bin ich dir dafür schuldig? — -Nichts, Ihr habt schon dafür bezahlt. — Ich? — Und -Ihr habt uns so viel geholfen. — Nein, sagte Geißler -kurz, indem er einige Talerscheine auf den Tisch legte. -Hier nimm dies! sagte er.</p> - -<p>Er war ein Mann, der nichts umsonst wollte, und es -schienen auch noch genug Geldscheine in seiner Brusttasche -zu stecken, so dick war sie. Gott mochte wissen, ob -er wirklich so reich war!</p> - -<p>Aber sie schreibt, sie habe es gut, sagte Isak, der nur -an seine Angelegenheiten dachte. — Ach so, deine Frau? -— Ja, seit sie das kleine Mädchen bekommen hat — sie<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span> -hat ein kräftiges, wohlgestaltetes Mädchen bekommen. — -Das ist ausgezeichnet! — Ja, und die anderen helfen ihr -alle miteinander, und jedermann sei gut gegen sie, schreibt -sie.</p> - -<p>Geißler sagte: Jetzt schicke ich diese kleinen Steine hier -an einige gesteinskundige Herren, um zu erfahren, -woraus sie bestehen. Wenn ordentlich Kupfer drin ist, -bekommst du viel Geld. — So, sagte Isak. Und wann -meint Ihr wohl, daß wir um Begnadigung einkommen -können? — In einiger Zeit. Ich werde für dich hinschreiben, -und ich komme später auch selbst wieder her. -Was hast du gesagt? Hat deine Frau ein Kind bekommen, -seit sie von hier fort ist? — Ja. — Dann haben sie sie -in schwangerem Zustand hier weggeholt? Das hätten sie -nicht dürfen. — Nicht? — Nein, und das ist ein Grund -mehr, daß sie nach einer bestimmten Zeit frei wird. — -Das wäre ja sehr gut, sagte Isak dankbar.</p> - -<p>Isak wußte nicht, daß die Obrigkeit schon viele und -lange Aktenstücke wegen der schwangeren Frau hatte hin -und her schicken müssen. Sie hatte es seinerzeit aus zweierlei -Gründen unterlassen, Inger von ihrem Hause weg in -Haft zu nehmen. Erstens hatte es an einem Arrestlokal -für sie gefehlt, und zweitens hatte die Obrigkeit milde -sein wollen. Die Folgen waren unberechenbar. Später, -als Inger festgenommen werden sollte, hatte niemand -nach ihrem Zustand gefragt, und sie selbst hatte nichts -gesagt. Vielleicht hatte sie auch absichtlich geschwiegen, um -das Kind in den bösen Jahren in ihrer Nähe zu haben; -wenn sie sich gut aufführte, durfte sie es vielleicht ab -und zu einmal sehen. Vielleicht war sie aber auch nur -stumpf gewesen und war trotz ihres Zustandes gleichgültig -darauf eingegangen, von zu Hause fortgeführt zu werden.</p> - -<p>Isak arbeitete auf seinem Grund und Boden, er entwässerte -und brach seine Äcker um, hieb die Grenzscheide -zwischen sich und dem Staat aus, und die dabei gefällten<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> -Bäume gaben Klafterholz für ein ganzes Jahr. Aber da -er Inger nicht mehr hatte, die ihn mit ihren Lobsprüchen -anfeuerte, so schaffte er mehr aus Gewohnheit als aus -Lust. Nun hatte er auch schon zwei Thinge vorübergehen -lassen, ohne die Bestätigung seiner Urkunde einzuholen, -weil es ihm eben nicht so sehr am Herzen gelegen hatte. -Jetzt erst im Herbst raffte er sich dazu auf. Es stand bei -ihm nicht alles, wie es sein sollte. Geduldig und besonnen, -ja gewiß, das war er, aber er war geduldig und besonnen, -weil er von Natur dazu angelegt war. Er suchte seine -Häute zusammen, seine Ziegenfelle und Kalbfelle, legte -sie in den Fluß, schabte später die Haare herunter, gerbte -sie und machte sie zur Verarbeitung für Schuhwerk fertig. -Im Winter stellte er schon beim ersten Schnee sein Saatkorn -fürs nächste Frühjahr auf die Seite, damit das getan -war, denn es war am besten, wenn es bereit stand; -er war ein Mann der Ordnung. Aber er war ein freudloser, -einsamer Mann geworden, ach ja, wieder ein unverheirateter -Mann mit allem, was drum und dran war.</p> - -<p>Welche Freude war es für ihn jetzt, am Sonntag in -seiner Stube zu sitzen, gewaschen und sauber in seinem -roten Hemd, wenn er niemand mehr hatte, für den er -sich hübsch machen konnte? Die Sonntage waren die längsten -von allen Tagen, sie verdammten ihn zum Müßiggang -und zu traurigen Gedanken; er konnte nichts tun, -als sich auf seinem Grundstück umhertreiben und nach -allem sehen, was getan werden mußte. Jedesmal nahm -er seine kleinen Jungen mit, immer einen von ihnen -auf dem Arm. Es war so nett, ihr Geplauder anzuhören -und auf ihre Fragen zu antworten.</p> - -<p>Die alte Oline hatte er, weil er niemand andern hatte. -Und im Grunde genommen war es nicht so übel, Oline zu -haben. Sie kardätschte Wolle und spann, strickte Strümpfe -und Fausthandschuhe, bereitete auch Ziegenkäse; aber sie -hatte keine glückliche Hand und arbeitete ohne Liebe; von<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span> -dem, was sie in die Hand nahm, gehörte ihr ja nichts zu -eigen. Da hatte nun Isak einmal zu Ingers Zeit eine besonders -hübsche Dose beim Händler gekauft, die ihren -Platz auf dem Wandbrett hatte, sie war aus Ton und -hatte einen Hundekopf auf dem Deckel, eigentlich war es -eine Art Tabaksdose; Oline nahm einmal den Deckel ab -und ließ ihn auf den Boden fallen. Inger hatte einige -Fuchsiaableger in einer Kiste hinterlassen, die mit Glas -zugedeckt waren; Oline nahm die Gläser ab und drückte -sie nachher hart und fest wieder darauf. — Am nächsten -Tage waren alle Ableger tot. Es war wohl nicht so ganz -leicht für Isak, all dies mit anzusehen, und er machte -vielleicht ein Gesicht, und da nichts Weiches oder -Schwammhaftes an ihm war, so war es vielleicht ein -gefährliches Gesicht. Oline war unverfroren und zungenfertig -und muckte auf. Kann ich etwas dafür? sagte sie. -— Das weiß ich nicht, erwiderte Isak, aber du hättest -die Hand davon lassen können. — Ich werde ihre Blumen -nicht mehr anrühren, sagte Oline darauf; aber nun -waren sie ja tot.</p> - -<p>Und wozu kamen jetzt sooft Lappen nach Sellanraa, -jetzt viel öfters als früher? Was hatte Os-Anders da zu -tun, konnte er nicht einfach vorübergehen? In einem -Sommer kam er zweimal übers Gebirge gewandert; aber -Os-Anders hatte ja keine Renntiere, nach denen er hätte -sehen müssen, sondern lebte vom Bettel und von Besuchen -bei anderen Lappen. Wenn er auf die Ansiedlung -kam, ließ Oline alle Arbeit liegen und klatschte mit ihm -über alle Leute im Dorfe, und wenn er wieder ging, war -sein Sack schwer von allem möglichen. Zwei Jahre lang -schwieg Isak geduldig dazu.</p> - -<p>Dann wollte Oline wieder neue Schuhe haben, und da -schwieg er nicht länger. Es war im Herbst, und Oline -trug jeden Tag Lederschuhe, anstatt in Lappenschuhen oder -Holzpantinen zu gehen. Isak sagte: Es ist schönes Wetter<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span> -heute. Hm! So fing er an. — Ja, sagte Oline. — Hast -du nicht heute morgen an den Ziegenkäsen bis auf zehn -gezählt, Eleseus? fragte Isak. — Doch, antwortete Eleseus. -— Aber jetzt sind es nur noch neun.</p> - -<p>Eleseus zählte wieder nach und überlegte in seinem -kleinen Kopf, dann sagte er: Ja, und dann der, den Os-Anders -bekommen hat, dann sind es zehn.</p> - -<p>Schweigen rings in der Stube. Aber der kleine Sivert -wollte auch zählen, und so wiederholte er die Worte des -Bruders: Dann sind es zehn.</p> - -<p>Wieder Schweigen ringsum. Da mußte Oline schließlich -eine Erklärung geben. Ja, er hat einen ganz kleinen -Käse bekommen, ich habe nicht gedacht, daß das etwas -ausmacht. Aber die Kinder sind noch nicht groß, und es -zeigt sich jetzt schon, was in ihnen steckt. Ich kann wohl -sehen und ausrechnen, wem sie nachschlagen! Dir jedenfalls -nicht, Isak, das weiß ich.</p> - -<p>Das war eine Andeutung, die Isak zurückweisen mußte. -Die Kinder sind schon recht, sagte er. Aber kannst du mir -sagen, welche Wohltaten Os-Anders mir und den Meinigen -erwiesen hat? — Wohltaten? versetzte Oline. — -Ja. — Er, Os-Anders? wiederholte sie. — Ja, weil ich -ihm Ziegenkäse schuldig bin. — Oline hat nun Zeit zum -Überlegen gehabt und gibt folgende Antwort: Gott bewahre -mich, Isak! Bin ich es gewesen, die mit Os-Anders -angefangen hat, so soll mich gleich der Schlag rühren!</p> - -<p>Ausgezeichnet! Isak muß nachgeben, wie so manches -Mal vorher.</p> - -<p>Oline gab nicht nach: Und wenn ich jetzt, wo es dem -Winter zugeht, hier barfuß laufen und das nicht zu eigen -haben soll, was Gott zu Schuhen für die Füße geschaffen -hat, dann sag es lieber geradeheraus. Schon vor drei -bis vier Wochen habe ich von Schuhen gesprochen, aber -ich habe noch nichts von ihnen gesehen und muß nun mit<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span> -denen hier herumlaufen. — Isak erwiderte: Was fehlt -denn eigentlich deinen Holzschuhen, daß du sie nicht -trägst? — Was ihnen fehlt? fragte Oline überrumpelt. -— Ja, das möchte ich fragen. — Den Holzschuhen? — -Ja. — Du sagst nichts davon, daß ich Wolle kardätsche -und spinne, das Vieh versorge und die Kinder aufziehe, -davon sagst du nichts. Und zum Kuckuck, deine Frau, die -im Gefängnis sitzt, die ist doch wohl auch nicht barfuß -im Schnee herumgelaufen. — Nein, sie trug Holzschuhe, -sagte Isak. Und wenn sie in die Kirche oder zu ordentlichen -Leuten ging, dann trug sie Lappenschuhe, sagte er. — -Ja, ja, antwortete Oline, sie war eben soviel besser! — -Ja, das war sie. Und wenn sie im Sommer Lappenschuhe -trug, so hatte sie nichts als dürres Gras darin. Aber du, -du trägst das ganze Jahr Strümpfe und Schuhe.</p> - -<p>Oline sagte: Was das betrifft, so werde ich meine Holzschuhe -wohl noch abnützen. Ich habe nicht geglaubt, daß -es so große Eile hätte, meine eigenen Holzschuhe durchzulaufen. -— Sie sprach leise und gedämpft, aber sie kniff -die Augen halb zu, oh, sie war klug und schlau. Die -Inger, sagt sie, der Wechselbalg, wie wir sie genannt -haben, ist unter meinen Kindern umhergegangen und hat -da in all den Jahren dies und jenes gelernt. Jetzt haben -wir den Dank dafür. Wenn meine Tochter in Bergen -einen Hut trägt, dann tut das Inger vielleicht südwärts -da drunten auch, ja, vielleicht ist sie nach Drontheim gereist, -um sich einen Hut zu kaufen, haha!</p> - -<p>Isak stand auf und wollte hinausgehen. Aber jetzt -war Oline das Herz aufgegangen, und sie zeigte, wie -schwarz es war, ja, sie strahlte wahrhaftig Dunkelheit -aus, sagte, keine von ihren Töchtern habe ein Gesicht -wie ein feuerspeiendes Raubtier, könne sie gern sagen, -aber deshalb seien sie doch gut genug. Nicht alle hätten -Geschick dazu, Kinder umzubringen. — Jetzt nimm dich -aber in acht! rief Isak, und um sich recht klar verständlich<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span> -zu machen, fügte er noch hinzu: Du verdammtes Weibsbild.</p> - -<p>Aber Oline nahm sich nicht in acht, nein. Haha! sagte -sie und sah zum Himmel auf und deutete an, daß es -eigentlich übertrieben sei, mit einer solchen Hasenscharte -herumzulaufen wie gewisse Leute. Man könne auch darin -Maß halten.</p> - -<p>Isak war wohl froh, als er endlich glücklich aus dem -Hause draußen war. Und was blieb ihm anderes übrig, -als Oline Lederschuhe zu verschaffen! Er war ein Ansiedler -im Walde und war nicht einmal so weit den Göttern -ähnlich, daß er seine Arme über der Brust kreuzen -und zu seinem Dienstboten sagen konnte: Geh! Eine so -unentbehrliche Haushälterin wie Oline war in Sicherheit, -sie mochte sagen und tun, was sie wollte.</p> - -<p>Die Nächte sind kühl, und es ist Vollmond, die Moore -erstarren so weit, daß sie zur Not einen Mann tragen; bei -Tag taut die Sonne sie wieder auf und macht sie ungangbar. -Isak wandert in einer kühlen Nacht ins Dorf -hinunter, um Schuhe für Oline zu bestellen. Er hat zwei -Ziegenkäse mit für Frau Geißler.</p> - -<p>Auf halbem Wege nach dem Dorf hat sich nun der -neue Ansiedler niedergelassen. Er war wohl ein vermöglicher -Mann, da er Zimmerleute vom Dorfe bestellt hatte, -die ihm sein Haus bauten, und dazu noch Taglöhner, um -ein Stück sandiges Moor für Kartoffeln umzugraben; er -selbst tat nichts oder nur wenig. Der Mann war Brede -Olsen, Amtsdiener und Gerichtsbote, ein Mann, an den -man sich wenden mußte, wenn der Doktor geholt oder -bei der Pfarrfrau ein Schwein geschlachtet werden sollte. -Brede Olsen war noch nicht dreißig Jahre alt, hatte aber -schon vier Kinder zu versorgen, außer seiner Frau, die -eigentlich auch noch ein Kind war. Ach, Bredes Mittel -waren wohl nicht so sehr groß, es warf nicht so sehr viel -ab, Topf und Pfanne zu sein und zu Auspfändungen zu<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> -fahren; jetzt wollte er es mit der Landwirtschaft versuchen. -Für seinen Hausbau hatte er auf der Bank Geld aufgenommen. -Sein Grundstück hieß Breidablick, Lensmann -Heyerdahls Frau hatte ihm diesen herrlichen Namen gegeben.</p> - -<p>Isak geht an der Ansiedlung vorüber und nimmt sich -nicht Zeit, hineinzugehen, aber so früh am Morgen es -auch ist, am Fenster stehen schon dichtgedrängt die Kinder -und schauen heraus. Isak eilt vorüber, er will beim nächsten -Nachtfrost schon wieder hier zurück sein. Im Ödland -draußen hat ein Mann gar viel zu bedenken und sich zu -überlegen, wie er es auf die beste Weise einrichtet. Er hat -zwar jetzt gerade nicht so übermäßig viel Arbeit, aber er -hat Heimweh nach den Kindern, die daheim bei Oline -zurückgeblieben sind.</p> - -<p>Während er so dahinschreitet, muß er unwillkürlich an -seine erste Wanderung hier denken. Die Zeit ist dahingegangen, -die beiden letzten Jahre sind sehr lang gewesen; -vieles ist gut gewesen auf Sellanraa, aber etwas ist -schlimm gewesen, ach ja, Herrgott im Himmel! Nun war -also eine neue Ansiedlung hier entstanden; Isak erkannte -die Stelle gut wieder, dies war einer von den wirklichen -Plätzen, die er auf seiner ersten Wanderung untersucht, -dann aber wieder aufgegeben hatte. Es war hier näher -beim Dorf, jawohl, aber der Wald war nicht so gut; es -war hier Ebene, aber Moor, die Erde war leicht umzubrechen, -aber das Entwässern war schwierig. Der gute -Brede hatte noch keinen Acker damit, daß er Moorboden -umgrub. Und was sollte das heißen, wollte denn Brede -nicht einen Schuppen an die Scheune anbauen für Geräte -und Fahrzeuge? Isak sah einen zweirädrigen Karren -unter offenem Himmel gerade vor dem Hause stehen.</p> - -<p>Er macht seine Besorgung beim Schuhmacher, aber -Geißler ist weggereist; da verkauft er seine Ziegenkäse -an den Krämer. Am Abend geht er heimwärts. Es gefriert<span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span> -immer mehr, so daß man leicht übers Moor gehen kann; -aber Isaks Gang ist schwer. Gott mochte wissen, wann -Geißler nun wiederkam, da seine Frau verreist war, vielleicht -kam er nie wieder. Inger war fort, die Zeit verging.</p> - -<p>Er geht auch jetzt auf dem Rückweg nicht zu Bredes -hinein, nein, er macht einen Bogen um Breidablick herum -und kommt so ungesehen vorbei. Er will nicht mit -Menschen reden, er will nur weitergehen. Noch immer -steht Bredes Fuhrwerk im Freien. Ich möchte wissen, ob -es da stehenbleibt? denkt Isak. Na, jeder hat das Seine! -Jetzt hat er ja selbst, er, Isak, ein Fuhrwerk und einen -Schuppen dazu, aber es ist deshalb doch nicht besser gegangen, -sein Heim ist nur halb, einmal war es ganz, jetzt -ist es nur halb.</p> - -<p>Als er bei vollem Tageslicht so weit gekommen ist, daß -er sein Haus auf der Halde droben sehen kann, wird ihm -leichter ums Herz, obgleich er müde und matt ist nach der -zweitägigen Wanderung. Die Gebäude stehen noch da. -Rauch steigt vom Schornstein auf, beide Jungen sind -im Freien, sowie sie ihn sehen, stürmen sie ihm entgegen. -Er geht hinein, in der Stube sitzen zwei Lappen. Oline -steht überrascht vom Hocker auf und sagt: Was — bist -du schon wieder da? Sie kocht Kaffee auf dem Herd. -Kaffee? Kaffee!</p> - -<p>Isak hat es wohl schon früher bemerkt: wenn Os-Anders -oder andere Lappen dagewesen sind, kocht Oline -sich lange Zeit nachher in Ingers kleinem Kessel Kaffee. -Sie tut es, wenn Isak im Wald oder auf dem Feld ist; -und wenn er unerwartet heimkommt und es sieht, -schweigt er. Aber er weiß, daß er jedesmal um ein Bündel -Wolle oder einen Ziegenkäse ärmer geworden ist. Deshalb -ist es sehr gut von Isak, daß er Oline jetzt nicht -packt und zwischen seinen Händen zerschmettert für ihre -Niedertracht. Ja, im ganzen genommen versucht es Isak -in Wahrheit, ein immer besserer Mensch zu werden, was<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span> -er auch dabei im Sinne haben mag, ob er es um des -lieben Friedens willen tut oder weil er hofft, Gott werde -ihm dann Inger früher zurückgeben. Er hat einen Hang -zum Grübeln und zum Aberglauben; selbst die Bauernschlauheit, -die er hat, ist treuherzig. Jetzt eben im Herbst -hatte es sich gezeigt, daß das Torfdach auf seinem Stall -auf das Pferd herabzusinken drohte; da kaute Isak ein -paarmal an seinem rostigen Bart, aber dann lächelte er -wie jemand, der einen Spaß versteht, er richtete das -Dach auf und stützte es mit Sparren. Kein böses Wort -entfuhr ihm. Ein anderer Zug: Das Vorratshaus, in dem -alle seine Lebensmittel untergebracht waren, stand nur -mit den Ecken auf hohen steinernen Füßen. Nun gelangten -durch die große Öffnung in der Grundmauer kleine -Vögel ins Vorratshaus hinein, flatterten darin herum -und fanden den Weg nicht mehr hinaus. Oline klagte, die -kleinen Vögel pickten an den Eßwaren herum, liefen auf -dem Speck hin und her, ja, sie täten auch das, was noch -schlimmer sei, darauf. Isak sagte: Ja, es ist auch schlimm, -daß die kleinen Vögel hereinkommen und den Weg nicht -mehr hinausfinden! Und mitten in der strengen Arbeitszeit -brach er Steine aus und füllte die Mauer damit auf.</p> - -<p>Gott mochte wissen, was er sich dabei dachte, ob er -hoffte, er werde, wenn er sich so gut aufführe, Inger -schon bald zurückbekommen.</p> - - - -<h3>9</h3> - - -<p>Die Jahre vergehen.</p> - -<p>Wieder kam ein Ingenieur mit einem Vorarbeiter -und zwei Arbeitern nach Sellanraa, und sie wollten -wieder eine Telegraphenlinie übers Gebirge abschreiten. -So, wie sie jetzt abschritten, würde die Linie nicht weit -von Isaks Haus zu liegen kommen, und ein gerader Weg -würde durch den Wald geführt werden. Aber das schadete<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span> -nichts, es würde den Ort weniger öde machen, die Welt -würde hereinkommen und ihn erhellen.</p> - -<p>Der Ingenieur sagte: Dieser Platz hier wird nun der -Mittelpunkt zwischen zwei Tälern, man wird dir vielleicht -die Aufsicht über die Linie nach beiden Seiten hin -anbieten. — So, sagte Isak. — Du bekommst fünfundzwanzig -Taler im Jahr dafür. — So, sagte Isak, aber -was habe ich dafür zu tun? — Die Leitung in Ordnung -halten, die Drähte ausbessern, wenn sie abgerissen sind, -die Büsche weghauen, wenn sie in die Linie hineinwachsen. -Du bekommst eine nette kleine Maschine an deine Wand, -die dir zeigt, wenn du hinaus mußt. Dann mußt du -augenblicklich alles liegen und stehen lassen und gehen.</p> - -<p>Isak überlegte: Im Winter könnte ich die Arbeit übernehmen, -sagte er dann. — Nein, es muß das ganze Jahr -hindurch sein, das ganze Jahr natürlich, Sommer wie -Winter. — Aber Isak erklärte: Im Frühjahr und im -Sommer und im Herbst habe ich meine Feldarbeit und -keine Zeit für anderes.</p> - -<p>Da mußte der Ingenieur Isak eine gute Weile ansehen, -ehe er die folgende erstaunte Frage tat: Kannst -du damit mehr verdienen? — Verdienen? sagte Isak. — -Ob du an den Tagen, die du bei der Aufsicht der Telegraphenlinie -verbringen mußt, mit Feldarbeit mehr verdienen -kannst? — Das weiß ich nicht, antwortete Isak. -Aber es ist nun einmal so, daß ich wegen der Felder hier -bin. Ich habe für das Leben von vielen Menschen und von -noch mehr Haustieren zu sorgen. Wir leben von dem -Grundstück. — Ja, ja, ich kann den Posten auch einem -andern anbieten, versetzte der Ingenieur.</p> - -<p>Diese Drohung schien wahrhaftig Isak das Herz nur -zu erleichtern, er wollte dem hohen Herrn wohl nur ungern -eine abschlägige Antwort geben, und so erklärte er: -Ich habe ein Pferd und fünf Kühe, dazu einen Stier. -Dann habe ich zwanzig Schafe und sechzehn Ziegen. Die<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span> -Tiere geben uns Nahrung und Wolle und Felle, sie -müssen Futter haben. — Ja, das ist klar, sagte der Ingenieur -kurz. — Jawohl. Und nun sage ich nichts weiter -als, wie sollte ich das Futter für sie herschaffen, wenn -ich mitten in der Heuernte fortgehen müßte und nach dem -Telegraphen sehen? — Der Ingenieur erwiderte: Wir -wollen gar nicht mehr darüber reden. Der Mann da -unten, Brede Olsen, soll die Aufsicht bekommen, er übernimmt -sie wohl gerne. — Dann wendete er sich an seine -Leute und befahl: Kommt, wir wollen weitergehen!</p> - -<p>Nun erriet wohl Oline an dem Ton, daß Isak steif und -unvernünftig gewesen war, das mußte ihr zugute kommen. -Was hast du gesagt, Isak? Sechzehn Ziegen? Es -sind doch nicht mehr als fünfzehn. — Isak sah sie an, -und Oline sah ihn an, sah ihm mitten ins Gesicht. — -Sind es nicht sechzehn Ziegen? — Nein, versetzte sie und -sah den fremden Herrn über Isaks Unvernunft ratlos -an. — So, sagte Isak leise. Er nahm einen Büschel seines -Bartes zwischen die Zähne und begann darauf zu kauen.</p> - -<p>Der Ingenieur und seine Leute entfernten sich.</p> - -<p>Wenn es nun Isak darum zu tun gewesen wäre, sich -mit Oline unzufrieden zu zeigen und sie vielleicht zu schlagen, -so hätte er jetzt eine gute Gelegenheit, oh, eine herrliche -Gelegenheit dazu gehabt. Sie waren wieder allein -in der Stube, die Kinder waren mit den Fremden hinausgelaufen -und verschwunden. Isak stand mitten im -Zimmer, und Oline saß am Herd. Isak räusperte sich ein -paarmal, um sie verstehen zu lassen, daß er nicht weit -davon entfernt sei, sich auszusprechen. Aber er schwieg. -Das war seine Seelenstärke. Sollte er etwa nicht wissen, -wie viele Ziegen er hatte, konnte er sie nicht an den Fingern -herzählen, war das Weib verrückt? Sollte eines von -den Tieren im Stall, mit denen er persönlich umging, -mit denen er täglich plauderte, verschwunden sein, eine -von den Ziegen, die sechzehn an der Zahl waren! Dann<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span> -hatte wohl Oline die eine Ziege um irgend etwas vertauscht, -gestern, als die Frau von Breidablick dagewesen -war und sich umgesehen hatte.</p> - -<p>Hm! sagte Isak, und er war nahe daran, noch mehr -zu sagen. Was hatte Oline getan? Es war vielleicht nicht -geradezu ein Mord, aber doch nicht weit davon. Er konnte -in tödlichem Ernst von der sechzehnten Ziege reden.</p> - -<p>Er konnte jedoch nicht in alle Ewigkeit hier mitten in -der Stube stehen und schweigen. Er sagte: Hm! So, es -sind also jetzt nicht mehr als fünfzehn Ziegen? — Nein, -antwortete Oline freundlich. Ja, du kannst sie ja selbst -zählen, ich bekomme nicht mehr als fünfzehn heraus.</p> - -<p>Jetzt, in diesem Augenblick hätte er es tun können: die -Hände ausstrecken und Oline in der Gestalt bedeutend -verändern, nur mit einem guten Griff. Das hätte er tun -können. Er tat es nicht, aber er sagte laut, indem er nach -der Tür ging: Ich sage jetzt nichts weiter! Damit ging er -hinaus, wie wenn es beim nächsten Male von seiner Seite -nicht an deutlichen Worten fehlen sollte.</p> - -<p>Eleseus! rief er.</p> - -<p>Wo war Eleseus, wo waren beide Jungen geblieben? -Der Vater wollte eine Frage an sie stellen, sie waren jetzt -große Jungen und hatten Augen im Kopfe. Er fand sie -unter dem Scheunenboden, sie waren da ganz hineingekrochen -und vollständig unsichtbar, aber sie verrieten -sich durch ein ängstliches Flüstern. Dann kamen sie zum -Vorschein wie zwei Sünder.</p> - -<p>Die Sache war die, daß Eleseus ein Stück farbigen -Bleistift gefunden hatte, das dem Ingenieur gehörte; -aber als er ihm damit nachlaufen wollte, waren die weitausschreitenden -erwachsenen Männer schon ein Stück droben -im Walde drin, und Eleseus blieb stehen. Der Gedanke -stieg in ihm auf, er könnte am Ende den Bleistift -behalten — ach, wenn er das könnte! Er zog den kleinen -Sivert mit sich fort, damit er die Verantwortung<span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span> -nicht allein hätte, und dann krochen die zwei mit ihrer -Beute in einen Winkel unter dem Scheunenboden. Ach, -dieses kurze Stück Bleistift — es war eine Merkwürdigkeit -in ihrem Leben, ein Wunder! Sie suchten sich Holzspäne -und bedeckten sie mit allerlei Strichen, und der -Bleistift zeichnete rot mit dem einen Ende und blau mit -dem andern; die Jungen wechselten ab, wer ihn haben -durfte. Als nun der Vater so eindringlich und laut rief, -flüsterte Eleseus: Die Fremden sind wohl zurückgekommen, -um den Bleistift zu holen! Da war die Freude daran -plötzlich verschwunden, sie war wie aus ihrer Seele -weggewischt, und die kleinen Herzen begannen ängstlich -zu schlagen und zu hämmern. Die Brüder krochen hervor; -Eleseus hielt dem Vater den Bleistift auf Armlänge -entgegen, um ihm zu zeigen, daß sie ihn nicht zerbrochen -hatten, aber sie wünschten, sie hätten ihn nie -gesehen.</p> - -<p>Doch sie sahen keinen Ingenieur, da beruhigten sich -ihre Herzen wieder und fühlten einen wahren Gottesfrieden -nach der Spannung.</p> - -<p>War gestern eine Frau hier? fragte der Vater. — -Ja. — Die Frau von drunten? Habt ihr sie gesehen, als -sie wegging? — Ja. — Hatte sie eine Ziege bei sich? — -Nein, sagten die Kinder. Eine Ziege? — Hatte sie nicht -eine Ziege bei sich, als sie wieder heimging? — Nein. -Was für eine Ziege?</p> - -<p>Isak überlegte und grübelte nach, und am Abend, als -das Vieh von der Weide zurückkam, zählte er die Ziegen -zum erstenmal: es waren sechzehn. Er zählte sie noch einmal, -zählte fünfmal — es waren sechzehn Ziegen. Keine -fehlte.</p> - -<p>Isak atmete erleichtert auf. Wie war das zu verstehen? -Oline, diese Kreatur, hatte wohl nicht bis sechzehn zählen -können. Er sagte in ärgerlichem Ton zu ihr: Was faselst -du denn, es sind ja sechzehn Ziegen! — Sind es sechzehn?<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> -fragte sie unschuldig. — Ja. — So, ja, ja. — Ja, du -bist mir ein guter Rechenmeister. — Darauf erwiderte -Oline ruhig und gekränkt: Nun, wenn alle Ziegen da sind, -dann hat Oline Gott sei Dank keine von ihnen aufgefressen. -Ich bin recht froh für sie!</p> - -<p>Sie verwirrte ihn mit diesem Streich und brachte ihn -dazu, sich die Sache aus dem Kopf zu schlagen. Er zählte -nun den Viehstand nicht mehr, es fiel ihm auch nicht ein, -die Schafe zu zählen. Natürlich war Oline nicht so -schlimm, sie führte ihm gewissermaßen das Hauswesen, -versorgte sein Vieh, sie war nur sehr dumm — aber -dadurch schadet sie sich selbst und nicht ihm. Mochte sie -dableiben und weiterleben, sie war nicht mehr wert. Aber -es war düster und freudlos, in einem solchen Leben der -Isak zu sein.</p> - -<p>Die Jahre waren vergangen. Jetzt war Gras auf dem -Hausdach gewachsen, ja, sogar das Scheunendach, das -mehrere Jahre jünger war, stand grün. Die Eingeborene -des Waldes, die Feldmaus, hatte längst im Vorratshaus -ihren Einzug gehalten. Es schwirrte von Meisen und anderen -kleinen Vögeln auf der Ansiedlung, auf der Halde -gab es Auerhähne, ja, auch Krähen und Elstern waren -herbeigekommen. Aber das Merkwürdigste hatte sich doch -im letzten Sommer begeben, da waren Möwen von der -Meeresküste heraufgeflogen und hatten sich auf dieses -Grundstück im Ödland herabgesenkt. So bekannt war die -Ansiedlung unter der ganzen Schöpfung geworden. Und -was meint ihr, welche Gedanken in Eleseus und dem kleinen -Sivert aufstiegen, als sie die Möwen sahen? Oh, es -waren fremde Vögel von weit her, und sie waren nicht -sehr zahlreich, aber es waren doch sechs Stück, weiße -Vögel, alle ganz gleich; sie spazierten auf den Feldern -umher, zuweilen bissen sie Gras ab. — Vater, warum -sind sie hierhergekommen? fragten die kleinen Buben. — -Weil sie auf dem Meer einen Sturm erwarteten. — Ach,<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span> -wie sonderbar und geheimnisvoll war das mit den -Möwen!</p> - -<p>Und vieles andere Gute lehrte Isak seine Kinder. Sie -waren jetzt so alt, daß sie in die Schule gehen sollten, -aber die Schule war drunten im Dorfe, viele Meilen -entfernt und nicht zu erreichen. An den Sonntagen hatte -Isak den Kindern selbst das Abc beigebracht, aber irgendeinem -höheren Unterricht war er nicht gewachsen, nein, -dazu war dieser geborene Landmann nicht geschaffen. Der -Katechismus, die biblische Geschichte lagen deshalb ruhig -auf dem Wandbrett neben den Ziegenkäsen. So wie Isak -die Kinder heranwachsen ließ, mußte er wohl denken, -Unkenntnis in Buchweisheit sei für den Menschen bis zu -einem gewissen Grad eine Kraft. Beide Jungen waren -ihm eine Herzensfreude; Isak mußte oft daran denken, -wie ihre Mutter, als sie noch ganz klein waren, ihm verboten -hatte, sie anzufassen, weil er Harz an den Händen -habe. Oh, Harz, das Reinste auf der Welt! Teer und -Ziegenmilch und zum Beispiel Mark — sind auch gesund -und vortrefflich; aber Harz, Tannenharz — o schweigt!</p> - -<p>Ja, da gingen also die Kinder in einem Paradies von -Schmutz und Unwissenheit umher; aber es waren hübsche -Kinder, wenn sie sich ein seltenes Mal wuschen, und -Klein-Sivert war geradezu ein Prachtkerl; aber Eleseus -war feiner und tiefer angelegt. — Ja, aber woher können -die Möwen wissen, daß ein Sturm droht? fragte er. -— Sie werden wetterkrank, antwortete der Vater. Aber -außerdem sind sie nicht mehr wetterkrank als die Fliegen, -fuhr er fort, was diese auch haben mögen, ob sie Gicht -bekommen oder ob ihnen schwindlig wird oder so etwas. -Aber schlagt nie nach einer Fliege, denn dann wird sie -nur schlimmer, sagte er. Vergeßt das nicht, Jungen! Die -Bremse ist von anderer Art, sie stirbt von selbst. Ganz -unversehens kommt die Bremse im Sommer eines Tages -daher, und hast du nicht gesehen, so ist sie auch wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> -verschwunden! — Wo bleibt sie? fragte Eleseus. — Wo -sie bleibt? Das Fett erstarrt in ihr, und dann bleibt sie -liegen!</p> - -<p>An jedem Tag mehr Gelehrsamkeit: Wenn die Kinder -von hohen Felsblöcken heruntersprangen, sollten sie die -Zunge gut im Munde behalten, damit sie ihnen nicht -zwischen die Zähne komme. Wenn sie größer würden und -für die Kirche gut riechen wollten, sollten sie sich mit -etwas Rainfarn, der auf der Halde droben wuchs, einreiben. -Der Vater war voller Weisheit. Er erzählte den -Kindern von den Steinen und vom Feuerstein, und daß -der weiße Stein härter sei als der graue; aber wenn er -einen Feuerstein fand, mußte er auch einen Feuerschwamm -suchen, den er in Lauge kochte und aus dem er dann Zunder -machte. Dann schlug er Feuer. Er erzählte ihnen vom -Mond und sagte, wenn sie mit der linken Hand in die -Mondsichel hineingreifen könnten, dann sei der Mond -im Zunehmen, könnten sie das aber mit der rechten tun, -dann sei er im Abnehmen. — Vergeßt das nicht, Jungen! -Ein seltenes Mal ging Isak indes zu weit, und da wurde -er sonderbar und unverständlich: einmal kam er mit -einem Ausspruch daher, der darauf hinauslief, es sei -schwieriger für ein Kamel in den Himmel zu kommen, als -für einen Menschen durch ein Nadelöhr zu gehen. Ein -anderes Mal, als er ihnen von dem Glanz der Engel -berichtete, sagte er, die Engel hätten die Sterne statt Beschlägen -an die Absätze ihrer Schuhe genagelt. Das war -ein guter, treuherziger Unterricht, der auf die Ansiedlung -paßte, der Schullehrer im Dorf drunten würde darüber -gelächelt haben; Isaks Kinder dagegen nährten ihre -Phantasie ziemlich stark damit. Sie wurden für ihre -eigene enge Welt erzogen und unterrichtet; was hätte -besser sein können? Beim Schlachten im Herbst waren -die Jungen höchst neugierig; für die Tiere, die geschlachtet -werden sollten, hatten sie große Angst, und ihre kleinen<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span> -Herzen waren tief betrübt. Da mußte nun Isak mit der -einen Hand das Tier festhalten und mit der andern zustechen, -und Oline rührte das Blut um. Jetzt wurde der -alte Bock herausgeführt, weiß und bärtig war er, die -beiden kleinen Burschen standen an der Hausecke und -guckten hervor.</p> - -<p>Das ist doch ein abscheulicher Wind heuer, sagte Eleseus -und wendete sich ab und wischte sich die Augen. Der -kleine Sivert weinte offenherziger, er konnte sich nicht -beherrschen, sondern rief: Ach, der arme alte Bock!</p> - -<p>Als der Bock gestochen war, trat Isak zu seinen Kindern -und gab ihnen folgende Lehre: Ihr sollt nie ein -Schlachtopfer bedauern und nicht armes Tier sagen. -Denn sonst wird es nur lebenszäher. Vergeßt das nicht!</p> - -<p>So waren die Jahre vergangen, und abermals näherte -sich der Frühling.</p> - -<p>Inger hatte wieder geschrieben, daß sie es gut habe -und in der Anstalt sehr viel lerne. Ihr kleines Kind sei -jetzt ein großes Mädchen, sie heiße Leopoldine nach dem -Tag ihrer Geburt, dem 15. November. Sie könne alles -und sei ein wahres Genie im Häkeln und Nähen, alles -sei wunderschön gearbeitet, einerlei, ob auf Stoff oder -Stramin.</p> - -<p>Das Merkwürdige an diesem letzten Brief war, daß -Inger ihn selbst buchstabiert und geschrieben hatte. Isak -war nicht so geschickt, er mußte sich den Brief beim Händler -im Dorf vorlesen lassen; aber als er ihn erst im Kopf -hatte, saß er auch fest darin, und als Isak heimkam, -konnte er ihn auswendig.</p> - -<p>Nun setzte er sich mit großer Feierlichkeit oben an den -Tisch, breitete den Brief aus und las ihn seinen Jungen -vor. Oline sollte auch gerne sehen, daß er Geschriebenes -fließend lesen konnte, aber sonst richtete er nicht einmal -das Wort an sie. Als er fertig war, sagte er: Da könnt -ihr hören, du, Eleseus, und du, Sivert, eure Mutter hat<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span> -diesen Brief selbst geschrieben und hat alles mögliche gelernt. -Und euer kleines Schwesterchen kann jetzt schon -mehr als wir alle miteinander. Vergeßt das nicht, Jungen! -— Die Kinder saßen ganz still da und wunderten -sich. — Ja, das ist großartig, sagte Oline.</p> - -<p>Was meinte sie damit? Zog sie Ingers Wahrhaftigkeit -in Zweifel? Oder traute sie Isaks Vorlesen nicht? -Olines wahre Meinung war nicht leicht zu ergründen, -wenn sie mit ihrem sanften Gesicht so dasaß und Zweideutigkeiten -sagte. Isak beschloß, sie gar nicht zu beachten.</p> - -<p>Und wenn eure Mutter nun heimkommt, dann müßt -ihr auch schreiben lernen, sagte er zu den beiden Kindern.</p> - -<p>Oline machte sich mit ein paar Kleidungsstücken zu -schaffen, die am Ofen zum Trocknen hingen, schob einen -Kessel hin und her, hängte die Kleidungsstücke wieder um -und tat überhaupt sehr geschäftig. Aber sie überlegte die -ganze Zeit. — Wenn es dann so großartig hier im Walde -wird, dann hättest du auch ein halbes Pfund Kaffee -kaufen und mitbringen können, sagte sie. — <em class="gesperrt">Kaffee?</em> -sagte Isak, das Wort entfuhr ihm unwillkürlich. — Oline -antwortete ruhig: Bis jetzt habe ich immer ein wenig -von meinem eigenen Geld gekauft.</p> - -<p>Kaffee, der für Isak ein Traum und ein Märchen -war, ein Regenbogen! Oline spottete natürlich, er wurde -nicht böse auf sie; aber schließlich fiel dem langsam denkenden -Mann Olines Tauschhandel mit den Lappen ein, -und er sagte zornig: Ja, ich werde dir Kaffee kaufen! -Ein halbes Pfund hast du gesagt? Du hättest ein ganzes -Pfund sagen sollen. Es soll wahrlich nicht fehlen. — Du -brauchst nicht so zu spotten, Isak, sagte sie. Mein Bruder -Nils hat Kaffee, und drunten bei Bredes auf Breidablick -haben sie Kaffee. — Jawohl, denn sie haben keine Milch, -gar keine Milch. — Nun, das weiß ich nicht, und es ist -mir auch einerlei. Aber du, der so viel weiß und Geschriebenes -so gut lesen kann wie eine Renntierkuh laufen,<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> -du weißt wohl, daß es jetzt in allen Häusern Kaffee gibt. -— Kreatur! sagte Isak.</p> - -<p>Da setzte sich Oline auf den Hocker und wollte durchaus -nicht schweigen. Und was Inger betrifft, sagte sie, -wenn ich ein so großes Wort überhaupt in den Mund -nehmen darf. — Du kannst sagen, was du willst, ich -kümmere mich nicht darum. — Sie kommt heim und hat -alles gelernt. Und dann hat sie wohl Perlen und Federn -auf dem Hut? — Ja, das hat sie wohl. — Ja, ja, sagte -Oline, nun kann sie sich bei mir ein bißchen für alle diese -Größe bedanken, die sie erreicht hat. — Bei dir? entfuhr -es Isak. — Oline antwortete demütig: Da ich ja als geringes -Werkzeug dazu gedient habe, sie fortzubringen.</p> - -<p>Darauf konnte Isak nichts mehr sagen, die Worte blieben -ihm im Halse stecken, er saß still da und starrte vor -sich hin. Hatte er recht gehört? Oline sah aus, als habe -sie gar nichts Besonderes gesagt. Nein, in einem Wortstreit -zog Isak den kürzeren.</p> - -<p>Düsteren Sinnes trieb er sich draußen herum. Oline, -dieses Vieh, das sich von Bosheit nährte und fett dabei -wurde — oh, es war wohl verkehrt von ihm gewesen, daß -er sie nicht gleich im ersten Jahr erschlagen hatte, dachte -er und tat vor sich selbst groß. Dazu hätte er der Mann -sein sollen, dachte er weiter. Mann — er? O ja, niemand -konnte fürchterlicher sein.</p> - -<p>Und nun folgt ein komischer Auftritt: er geht in den -Stall und zählt seine Ziegen; da stehen sie mit ihren -Zicklein und sind vollzählig. Er zählt die Kühe, das -Schwein, vierzehn Hühner, zwei Kälber. Und die Schafe -habe ich fast vergessen! sagt er laut zu sich selbst. Er zählt -auch die Schafe und tut, als sei er sehr gespannt, ob sie -vollzählig sind. Isak weiß sehr wohl, daß ein Schaf fehlt, -ja, er hat es schon lange gewußt, warum also tun, als -wüßte er es nicht? Die Sache ist die: Oline hatte ihn ja -damals verwirrt gemacht und eine Ziege verleugnet, ob<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span>gleich -alle Ziegen dagewesen waren. Damals war er tüchtig -ins Zeug gefahren, es war aber nichts dabei herausgekommen. -Bei einem Streit mit Oline kam nie etwas -heraus. Als er im Herbst schlachten wollte, hatte er gleich -gemerkt, daß ein Mutterschaf fehlte, aber er hatte nicht -das Herz gehabt, sofort Rechenschaft dafür zu verlangen, -und auch später war ihm der Mut dazu nicht gekommen.</p> - -<p>Aber heute ist er grimmig, ja, heute ist Isak grimmig, -Oline hat ihn wütend gemacht. Er zählt die Schafe noch -einmal, legt den Zeigefinger auf jedes einzelne und zählt -laut. — Oline darf es gern hören, falls sie draußen steht -und horcht. Und er sagt mit lauter Stimme viel Schlechtes -über Oline: sie habe eine ganz neue Art, die Schafe -zu füttern, so daß plötzlich eines verschwinde, ein Mutterschaf! -Sie sei eine abgefeimte Diebshure, ob sie das verstehe! -Oh, Oline dürfe gern vor der Tür stehen und einen -ordentlichen Schrecken bekommen!</p> - -<p>Er schreitet zum Stall hinaus, geht in den Pferdestall -und zählt das Pferd, von da will er ins Haus gehen und -sich aussprechen. Er geht so schnell, daß sein Kittel wie -ein erregter Kittel von seinem Rücken wegsteht. Aber -Oline hat vielleicht vom Fenster aus dies und jenes gemerkt, -sie tritt ruhig und sicher zur Haustür heraus, die -Milcheimer in den Händen, und will in den Stall gehen.</p> - -<p>Was hast du mit dem Mutterschaf mit den flachen -Ohren gemacht? fragt er. — Mit dem Mutterschaf? — -Ja, und wenn es hier gewesen wäre, hätte es jetzt schon -zwei Lämmer; was hast du mit ihm gemacht? Es hatte -immer zwei Lämmer. Auf diese Weise hast du mir drei -Schafe genommen; verstehst du das?</p> - -<p>Oline ist ganz überwältigt, vollständig vernichtet von -der Beschuldigung, sie wackelt mit dem Kopf, und ihre -Beine scheinen unter ihr wegzuschmelzen, so daß sie -schließlich umfallen und sich einen Schaden antun kann. -Aber ihr Kopf überlegt die ganze Zeit, ihre Geistesgegen<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span>wart -hat ihr immer geholfen, hatte ihr immer Vorteile -gebracht, sie durfte sie auch jetzt nicht verlassen.</p> - -<p>Ich stehle Ziegen und ich stehle Schafe, sagt sie still. -Ich möchte wissen, was ich mit ihnen tue. Ich esse sie -wohl auf. — Ja, das weißt du selbst, was du damit tust. -— So, dann müßte ich hier in deinem Haus, Isak, nicht -Essen und Trinken im Überfluß haben, ich wäre gezwungen, -mir dazu zu stehlen. Aber das kann ich hinter deinem -Rücken sagen, daß ich das in all diesen Jahren nicht -nötig gehabt habe. — Aber was hast du dann mit dem -Schaf gemacht? Hat Os-Anders es bekommen? — Os-Anders? -Oline muß geradezu die Melkeimer abstellen -und die Hände zusammenschlagen: Wenn ich nur so frei -von aller Schuld wäre! Was ist denn das für ein Schaf -mit seinen Lämmern, von dem du redest? Ist es die eine -Ziege, die flache Ohren hat? — Kreatur! sagt Isak und -will gehen. — Du bist doch ein komischer Kauz, Isak. Da -hast du nun genug Vieh von jeder Art und ein wahres -Sternenheer von Tieren in deinem Stall, aber du hast -noch nicht genug! Kann ich wissen, welches Schaf und -welche Lämmer du von mir verlangst? Du müßtest Gott -für seine Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied danken. -Wenn jetzt dieser Sommer und ein Stück vom Winter -vorbei sind, dann werfen deine Schafe wieder Lämmer, -und du bekommst dreimal soviel, als du jetzt hast!</p> - -<p>O diese Oline!</p> - -<p>Isak ging fort, wie ein Bär brummend. Was für ein -Dummkopf war ich, daß ich sie nicht am ersten Tag erschlagen -habe! sagte er sich und warf sich selbst allerlei -Schimpfnamen an den Kopf. Was für ein Narr, ein -Roßdreck war ich doch! Aber es ist noch nicht zu spät, -warte nur, mag sie in den Stall gehen! Es ist nicht ratsam, -an diesem Abend noch etwas mit ihr anzufangen, -aber morgen, da ist es ratsam. Drei Schafe verloren! -Kaffee! sagte sie.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span></p> - - - - -<h3>10</h3> - - -<p>Der nächste Tag sollte ein großes Ereignis bringen: -Gäste kamen auf die Ansiedlung, Geißler -kam. Auf den Mooren war es noch nicht einmal -Sommer, aber Geißler machte sich nichts aus dem Weg, -er kam zu Fuß in prächtigen Schaftstiefeln mit breitem -lackiertem Umschlag; gelbe Handschuhe hatte er an, und er -sah vornehm aus. Ein Mann aus dem Dorfe trug sein -Gepäck.</p> - -<p>Er komme nun eigentlich, um eine Strecke Bergland -von Isak zu kaufen, eine Kupfermine, welchen Preis er -dafür verlange? Übrigens könne er von Inger grüßen — -eine tüchtige Frau, sehr beliebt; er komme von Drontheim -und habe sie da gesprochen. Isak, du hast ja hier mächtig -gearbeitet! — O ja. So, Ihr habt mit Inger gesprochen? -— Was ist das dort drüben? Hast du eine Mühle errichtet? -Und mahlst du dein eigenes Mehl? Ausgezeichnet. -Und du hast sehr viel Boden umgebrochen, seit ich -das letztemal hier war. — Und es ging ihr gut? — Ja, -es geht gut. Ach so, deiner Frau! Ja, jetzt sollst du hören. -Komm, wir wollen in die Kammer gehen. — Nein, es -ist nicht so schön drinnen, sagt Oline, aus mehreren Gründen -abwehrend.</p> - -<p>Aber die beiden gingen doch in die Kammer und machten -die Tür hinter sich zu; Oline stand allein in der -Stube und bekam nichts zu hören.</p> - -<p>Der Lensmann Geißler setzte sich, schlug sich einmal -kräftig auf die Knie und saß da mit Isaks Schicksal in -der Hand. Du hast doch wohl dein Kupferfeld nicht verkauft? -fragte er. — Nein. — Gut. Ich kaufe es. Ja, -ich habe mit Inger und mit mehreren andern gesprochen. -Sie wird gewiß in allernächster Zeit frei, es liegt jetzt -beim König. — Beim König! — Beim König. Ich bin zu -deiner Frau gegangen, für mich hatte es natürlich keine<span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span> -Schwierigkeiten, hineinzukommen, und wir haben lange -miteinander gesprochen: Nun, Inger, es geht dir ja gut, -richtig gut? — Ja, ich habe nichts zu klagen. — Sehnst -du dich nicht nach Hause? — Doch, das kann ich nicht -leugnen. — Du sollst bald heimkommen, sagte ich. Und -das kann ich dir sagen, Isak, sie ist ein tüchtiges Weib; -keine Tränen, im Gegenteil, sie lächelte und lachte — ihr -Mund ist übrigens operiert und zusammengenäht worden. -Nun lebe wohl, sagte ich zu ihr, du sollst nicht mehr -lange hierbleiben, mein Wort darauf.</p> - -<p>Dann ging ich zum Direktor, es hätte ja nur gefehlt, -daß er mich nicht empfangen hätte. Sie haben eine Frau -hier, die hinaus und wieder heim gehört, sagte ich, Inger -Sellanraa. — Inger? versetzte er. Ja, sie ist ein guter -Mensch, ich würde sie gerne zwanzig Jahre hier behalten, -sagte er. — Davon kann keine Rede sein, sagte ich, sie ist -schon zu lange hier gewesen. — Zu lange? sagte er. Kennen -Sie den Fall? — Ja, ich kenne den Fall von Grund -aus, ich bin ihr Lensmann gewesen. — Bitte, setzen Sie -sich, sagte er da. — Es hätte auch gerade noch gefehlt! — -Ja, wir sorgen so gut wie möglich für Inger, sagte der -Direktor, und auch für ihr kleines Mädchen, jawohl. So, -die Frau ist also aus Ihrer Gegend? Wir haben ihr zu -einer eigenen Nähmaschine verholfen, sie hat ihr Gesellenstück -in der Werkstatt gemacht, und wir haben sie -in Verschiedenem unterrichtet; sie hat ordentlich weben, -ordentlich nähen, färben und schneidern gelernt. Und -Sie sagen, sie sei schon zu lange hier gewesen? — Ich -wußte wohl, was ich zu antworten hatte, aber ich wollte -damit noch etwas warten, und so sagte ich: Ja, der Fall -ist schlecht geführt worden und muß wieder aufgenommen -werden, jetzt nach der Revision des Strafgesetzes würde -sie vielleicht ganz freigesprochen werden. Es ist ihr ein -Hase zugeschickt worden, als sie schwanger war. — Ein -Hase? fragte der Direktor. — Ein Hase, sagte ich. Und<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span> -das Kind bekam eine Hasenscharte. — Der Direktor -lächelte. So also. Ihrer Meinung nach ist also auf diesen -Punkt nicht genug Rücksicht genommen worden? — Nein, -antwortete ich, dieser Punkt wurde gar nicht berührt. — -Nun, das ist wohl auch nicht so gefährlich. — Für sie war -es gefährlich genug. — Meinen Sie, ein Hase könne -Wundertaten verrichten? — Ich erwiderte: Wieweit ein -Hase Wundertaten verrichten kann oder nicht, damit will -ich Sie nicht unterhalten, Herr Direktor. Die Frage ist die, -welche Wirkung der Anblick eines Hasen unter gewissen -Umständen auf eine Frau, die eine Hasenscharte hat, -haben kann! — Der Direktor überlegte eine Weile, dann -sagte er: Ja, ja, aber hier in der Anstalt haben wir die -Verurteilten ja nur aufzunehmen, wir revidieren das -Urteil nicht. Nach dem Urteil ist Inger nicht zu lange hier -gewesen.</p> - -<p>Jetzt kam ich mit dem heraus, was gesagt werden -mußte. Bei der Inhaftnehmung von Inger Sellanraa -sind Fehler gemacht worden. — Fehler? — Erstens hätte -sie in dem Zustand, in dem sie war, gar nicht transportiert -werden dürfen. — Der Direktor sah mich scharf an. — -Das ist richtig, sagte er dann. Aber das ist nicht unsere -Sache hier im Gefängnis. — Zweitens, fuhr ich fort, hätte -sie nicht zwei Monate lang in vollem Gewahrsam sein -dürfen, bis ihr Zustand der Behörde hier am Gefängnis -offenbar wurde. Das saß. Der Direktor schwieg lange. — -Haben Sie Vollmacht, für die Frau zu handeln? fragte -er. — Ja, sagte ich. — Wie gesagt, wir sind hier zufrieden -mit Inger und behandeln sie auch danach, schwatzte -der Direktor, und wieder zählte er auf, was Inger alles -gelernt habe, ja, sie hätten sie auch schreiben gelehrt, sagte -er. Und die kleine Tochter hätten sie bei jemand gut untergebracht -und so weiter. — Ich erklärte ihm, wie die Verhältnisse -in Ingers Heim seien: da auch zwei kleine Kinder, -gemietete Hilfe, um sie zu versorgen, und so weiter.<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> -Ich habe eine Darlegung von ihrem Manne, sagte ich, die -kann beigelegt werden, ob der Fall nun wieder aufgenommen -werden soll oder ob man für die Frau um Begnadigung -einkommen will. — Lassen Sie mich diese -Darlegung sehen, sagte der Direktor. — Ich werde sie -Ihnen morgen in der Besuchszeit bringen, versetzte ich.</p> - -<p>Isak hörte aufmerksam zu, das war ergreifend, ein -Märchen aus fremdem Land. Unverwandt hingen seine -Augen an Geißlers Mund.</p> - -<p>Geißler erzählte weiter. Ich ging zurück ins Gasthaus -und setzte eine Darlegung auf, ich machte die Sache zu -der meinigen und unterschrieb Isak Sellanraa. Aber du -mußt ja nicht glauben, ich hätte ein Wort davon verlauten -lassen, daß im Gefängnis etwas Unrichtiges gemacht -worden sei. Keine Silbe davon! Rührte nicht daran. -Und am nächsten Tage brachte ich das Dokument hin. -— Bitte setzen Sie sich! sagte der Direktor sofort. Er -las meine Darlegung, nickte ab und zu, schließlich sagte -er: Ausgezeichnet. Sie genügt zwar nicht zur Wiederaufnahme -des Falles, aber ... — Doch, mit einer Beilage, -die ich ebenfalls hier habe, sagte ich, und ich traf da wieder -recht gut. Der Direktor beeilte sich zu sagen: Ich habe -mir die Sache seit gestern überlegt und finde gute Gründe -dafür, ein Gesuch um Begnadigung für Inger einzureichen. -— Das Sie im gegebenen Fall unterstützen werden, -Herr Direktor? fragte ich. — Ich werde es befürworten, -es warm befürworten. — Da verbeugte ich mich -und sagte: Dann ist die Begnadigung sicher. Ich danke -Ihnen im Namen eines unglücklichen Mannes und eines -verlassenen Hauses. — Ich glaube nicht, daß wir weitere -Auskunft aus Ihrem Heimatort einzuholen brauchen, -sagte der Direktor, Sie kennen sie ja? — Ich erriet wohl, -warum die Sache sozusagen in aller Stille abgemacht -werden sollte, und erwiderte: Die Auskunft von daheim -würde die Sache nur in die Länge ziehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span></p> - -<p>Da hast du die ganze Geschichte, Isak. — Geißler sah -auf seine Uhr. Und nun zur Sache selbst! Kannst du -mich noch einmal nach dem Kupferberg begleiten?</p> - -<p>Isak war ein Stein und ein Klotz, er konnte nicht so -augenblicklich von einem zum andern überspringen. Aufs -höchste verwundert und in tiefe Gedanken versunken, saß -er da; dann stellte er noch allerlei Fragen. Er erfuhr, -daß das Gesuch an den König abgegangen war und in -einer der ersten Sitzungen des Staatsrats entschieden werden -konnte! Wunderbar! sagte er.</p> - -<p>Sie gingen auf den Berg. Geißler, sein Begleiter und -Isak, und sie blieben ein paar Stunden weg. In dieser -kurzen Zeit verfolgte Geißler den Lauf der Kupferader -über einen langen Berg hin und steckte die Grenzen für -den Bereich ab, den er kaufen wollte. Wie ein Wiesel lief -er. Aber dumm war der Mann nicht, sein rasches Urteil -war merkwürdig sicher.</p> - -<p>Als er auf den Hof zurückkam — mit einem Sack voll -neuer Gesteinsproben —, bat er um Feder und Tinte und -Papier und setzte sich zum Schreiben hin. Aber er schrieb -nicht immerfort eilig, sondern plauderte auch dazwischen: -Ja, Isak, große Summen bekommst du diesmal nicht -für deinen Berg, aber ein paar hundert Taler kannst du -haben! Dann schrieb er wieder. Vergiß nicht, mich daran -zu erinnern, daß ich auch noch deine Mühle ansehen will, -ehe ich gehe, sagte er. Dann fielen ihm einige rote und -blaue Striche an dem Webstuhl auf, und er sagte: Wer -hat das gezeichnet? — Ja, Eleseus hatte ein Pferd und -einen Bock gezeichnet, er versuchte sich mit seinem bunten -Bleistift auf dem Webstuhl und anderem Holzwerk, weil -er kein Papier hatte. Geißler sagte: Das ist gar nicht -schlecht gemacht, und schenkte Eleseus eine Münze.</p> - -<p>Wieder schrieb Geißler eine Weile, dann sagte er: Es -werden jetzt wohl bald mehrere neue Ansiedler durchs -Ödland hier heraufkommen! — Sein Begleiter fiel ein:<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span> -Sie sind schon gekommen. — Wer denn? — Vorerst ist -da Breidablick, wie sie es nennen, der Brede auf Breidablick -drunten. — Ach der! lächelte Geißler verächtlich. — -Jawohl, und dann haben noch ein paar andere Grund -und Boden gekauft. — Wenn sie nur etwas taugen, -sagte Geißler. Und da er in demselben Augenblick entdeckte, -daß zwei kleine Jungen in der Stube waren, zog -er Klein-Sivert zu sich heran und gab auch ihm eine -Münze. Ein merkwürdiger Mann, dieser Geißler! Jetzt -waren überdies seine Augen wie etwas entzündet, die -Ränder waren wie von rotem Reif umgeben. Das konnte -von Nachtwachen kommen, manchmal kommt aber so -etwas auch von starken Getränken. Aber er machte nicht -den Eindruck, als gehe es bergab mit ihm; während er -so über alles mögliche schwatzte, dachte er gewiß die ganze -Zeit an das Dokument vor sich, denn plötzlich ergriff er -rasch die Feder wieder und schrieb ein Stück weiter.</p> - -<p>Jetzt schien er fertig zu sein.</p> - -<p>Er wendete sich an Isak. Ja, wie gesagt, ein reicher -Mann wirst du nicht bei diesem Geschäft. Aber es kann -später noch mehr werden. Wir wollen es so aufsetzen, -daß du später mehr bekommst. Zweihundert kannst du -jedoch jetzt gleich haben.</p> - -<p>Isak verstand nicht viel vom Ganzen, aber zweihundert -Taler, das war jedenfalls wieder ein Wunder und eine -großartige Bezahlung. Er würde sie wohl nur auf dem -Papier bekommen, natürlich nicht bar, aber es war ihm -auch so recht; er hatte ganz anderes im Kopf und fragte: -Und Ihr glaubt, daß sie begnadigt wird? — Deine Frau? -Wenn ein Telegraph im Dorf wäre, dann würde ich in -Drontheim anfragen, ob sie nicht schon frei ist, antwortete -Geißler. — Isak hatte wohl vom Telegraphen reden -hören; das war etwas Merkwürdiges, ein Draht auf -hohen Stangen, etwas Überirdisches — jetzt schlich sich -fast etwas wie Mißtrauen gegen Geißlers große Worte<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span> -in sein Herz, und er wendete ein: Aber wenn es der König -abschlägt? — In dem Fall schicke ich meine Beilage -zu der Darlegung ein, die alles enthält, und dann <em class="gesperrt">muß</em> -deine Frau frei werden. Zweifle nicht daran!</p> - -<p>Dann las er vor, was er geschrieben hatte, den Kaufvertrag -für den Berg, zweihundert Taler in die Hand -und später ordentlich hohe Prozente beim Betrieb oder -bei einem Weiterverkauf des Kupferfundes. Unterschreib, -hier! sagte Geißler.</p> - -<p>Isak würde augenblicklich unterschrieben haben, aber -er war kein Schriftkundiger, sein ganzes Leben lang hatte -er nur Buchstaben in Holz geschnitten. Ach, und da stand -die abscheuliche Oline und sah zu! Er ergriff die Feder, -diesen Greuel von einem leichten Ding, neigte das richtige -Ende nach unten und <em class="gesperrt">schrieb</em> — schrieb seinen -Namen. Danach setzte Geißler noch etwas darunter, vermutlich -eine Erklärung, und sein Begleiter unterschrieb -als Zeuge.</p> - -<p>Fertig.</p> - -<p>Aber immer noch blieb Oline unbeweglich stehen, ja, -eigentlich wurde sie jetzt erst steif. Was würde geschehen?</p> - -<p>Stell das Essen auf den Tisch, Oline! sagte Isak, und -er war vielleicht ein wenig hochmütig, seit er auf Papier -geschrieben hatte. Ihr müßt eben vorliebnehmen, wie wir -es haben! sagte er zu Geißler.</p> - -<p>Es riecht gut nach Fleisch und Brühe, sagte Geißler. -Da sieh her, Isak, hier ist das Geld! — Damit zog Geißler -sein Taschenbuch heraus, das dick und strotzend war, -er nahm zwei Bündel Banknoten heraus, zählte sie und -legte sie auf den Tisch: Zähl selbst! sagte er.</p> - -<p>Schweigen. Stille.</p> - -<p>Isak! rief Geißler.</p> - -<p>Ja. Na ja, sagte Isak, und er murmelte überwältigt: -Das ist nun nicht mein Anspruch — nach allem, was Ihr -schon getan habt. — Es müssen zehn Zehner und zwanzig<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span> -Fünfer sein, sagte Geißler kurz. Ich hoffe, es wird einmal -viel mehr für dich herauskommen.</p> - -<p>Da kam Oline wieder zu sich. Das Wunder war geschehen. -Sie stellte das Essen auf den Tisch.</p> - -<p>Am nächsten Morgen ging Geißler nach dem Flusse -und besah sich die Mühle. Alles war klein und roh zusammengezimmert, -ja, es war wie eine Mühle für die -Unterirdischen, aber stark und nützlich zum Gebrauch für -Menschen. Isak führte seinen Gast noch etwas weiter den -Fluß hinauf und zeigte ihm eine zweite Stromschnelle, -wo er auch schon etwas gearbeitet hatte; es sollte ein kleines -Sägewerk werden, wenn ihm Gott die Gesundheit -erhielt.</p> - -<p>Das einzige ist, daß wir hier so weit von der Schule -entfernt sind, sagte er. Ich muß die Jungen drunten im -Dorf in Kost geben. — Der bewegliche Geißler sah darin -keine größere Unannehmlichkeit. Gerade jetzt lassen sich -immer mehr Ansiedler hier in dieser Gegend nieder, und -dann kommt eine Schule her. — Ach, das kommt wohl -erst so weit, wenn meine Kleinen groß sind. — Und was -tut's, wenn du sie drunten unterbringst? Du fährst mit -den Jungen und mit Lebensmitteln hinunter und holst -sie nach drei oder sechs Wochen wieder ab, das ist doch -gar nichts für dich. — Nein.</p> - -<p>Nein, eigentlich war es gar nichts, wenn Inger jetzt -heim kam. Haus und Hof, Nahrung und sonst viel Schönes -hatte er, viel Geld hatte er also jetzt auch und dazu -eine eiserne Gesundheit. O diese Gesundheit, stark und -ungeschwächt in jeder Beziehung, die Gesundheit eines -ganzen Mannes!</p> - -<p>Als Geißler abgezogen war, begann Isak über viele -hoffärtige Dinge nachzudenken. Jawohl, denn dieser gute -Geißler hatte zum Schlusse noch die aufmunternden -Worte gesagt, daß er Isak gleich Nachricht schicken wolle, -sobald er zum Telegraphen komme. In vierzehn Tagen<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span> -kannst du drunten auf der Post einmal nachfragen, hatte -er gesagt. Das allein war schon etwas Großen, und Isak -machte sich nun daran, eine Sitzbank auf seinem Karren -zu verfertigen. Wahrhaftig einen Wagenstuhl, der zu den -Feldarbeiten abgenommen, aber wieder aufgesetzt wurde, -wenn man ins Dorf fuhr. Als jedoch der Wagenstuhl -fertig war, sah er so weiß und neu aus, daß er etwas -dunkler angestrichen werden mußte. Und außerdem, was -war nicht alles zu machen! Der ganze Hof mußte angestrichen -werden. Hatte Isak nicht schon seit Jahren daran -gedacht, eine große Scheuer mit einer Einfahrtsbrücke -zu bauen, um das Heu in den oberen Raum hineinfahren -zu können? Und hatte er nicht das Sägewerk bald -fertigstellen, sein ganzes Grundstück einfriedigen und ein -Boot für den Gebirgssee bauen wollen? Vieles hatte er -sich vorgenommen. Aber es half alles nichts, und wenn -er auch seine Kräfte vertausendfachen könnte, die <em class="gesperrt">Zeit</em> -reichte nicht aus. Es war Sonntag, ehe er sich's versah, -und gleich darauf war es schon wieder Sonntag.</p> - -<p>Aber anstreichen wollte er jedenfalls. Die Häuser standen -ja jetzt so nackt und grau da wie Häuser in Hemdärmeln. -Er hatte noch Zeit vor der Feldarbeit, es war ja -noch gar nicht eigentlich Frühling, das Kleinvieh war -zwar schon draußen, aber der Boden war noch überall -gefroren.</p> - -<p>Isak packt einige Mandeln Eier ein, um sie zu verkaufen, -geht ins Dorf und kehrt mit Ölfarbe zurück. Sie -reichte zu einem Gebäude, zu der Scheune, diese wurde -rot angestrichen. Er holt neue Farbe und gelben Ocker -fürs Wohnhaus. — Ja, es ist, wie ich sage, hier wird's -jetzt vornehm, murmelt Oline täglich. O Oline, sie -merkte wohl, daß ihre Zeit auf Sellanraa bald zu Ende -sein würde, sie war zäh und stark genug, es zu ertragen, -aber doch nicht ohne Bitterkeit. Isak seinerseits hielt nun -keine Abrechnung mehr mit ihr, obgleich sie in der letzten<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> -Zeit gehörig stahl und unterschlug. Isak schenkte ihr sogar -einen jungen Widder, denn sie war ja eigentlich jetzt -schon recht lange um wenig Lohn bei ihm. Übrigens war -Oline auch nicht schlecht gegen seine Kinder gewesen; sie -war nicht streng und rechtschaffen und dergleichen, aber -sie hatte eine bequeme Art für die Kinder, gab Rede und -Antwort, wenn sie fragten, und erlaubte ihnen fast alles. -Kamen sie herbei, wenn sie Käse machte, dann durften -sie versuchen, und wenn sie an einem Sonntag einmal -vor dem Gesichtwaschen auskneifen wollten, dann ließ -sie sie laufen.</p> - -<p>Als die Häuser mit der Grundfarbe angestrichen -waren, holte Isak im Dorf so viel Farbe, als er nur tragen -konnte, und das war nicht wenig. Dreimal strich er -die Häuser an, und die Fensterkreuze und -rahmen machte -er weiß. Wenn er jetzt aus dem Dorfe zurückkam und -sein Heim da auf der Halde sah, war es ihm, als sehe er -das Märchenschloß Soria Moria vor sich! Das Ödland -war bebaut und nicht mehr zu erkennen, Segen ruhte darauf, -Leben war entstanden aus einem langen Traum, -Menschen lebten da, Kinder spielten um die Häuser her. -Bis hinauf zu den blauen Bergen dehnte sich schöner großer -Wald aus.</p> - -<p>Und als Isak wieder einmal zum Kaufmann kam, gab -dieser ihm einen blauen Brief mit einem Wappen drauf, -und der Brief kostete fünf Schilling. Der Brief war ein -Telegramm, das mit der Post weitergeschickt worden war, -und es war vom Lensmann Geißler. Nein, dieser Geißler, -was für ein merkwürdiger Mensch war er doch! Er telegraphierte -die wenigen Worte: Inger frei, kommt baldigst, -Geißler.</p> - -<p>Aber jetzt drehte sich der Kaufladen im Kreise vor -Isak, und es war, als wichen der Ladentisch und die -Menschen weit, weit in den Hintergrund zurück. Er fühlte -mehr, als er es vernahm, daß er sagte: Gott sei Lob und<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span> -Dank! — Du kannst sie möglicherweise schon morgen hier -haben, wenn sie zeitig genug von Drontheim abgereist -ist. — So, sagte Isak.</p> - -<p>Er wartete bis zum nächsten Tag. Das Boot, das die -Post von der Dampfschiffstation mitbrachte, kam allerdings, -aber Inger war nicht an Bord. — Dann kann -sie erst in der nächsten Woche hier sein, sagte der Kaufmann.</p> - -<p>Es war fast gut, daß Isak so viel Zeit vor sich hatte, -denn es war noch sehr viel zu tun. Sollte er alles vergessen -und seine Felder vernachlässigen? Er geht heim -und fährt den Dung hinaus. Das ist bald geschehen. Er -sticht mit dem Spaten in die Erde und verfolgt das Auftauen -von Tag zu Tag. Die Sonne steht jetzt kräftig -und groß am Himmel, der Schnee ist verschwunden, es -grünt überall, auch das Rindvieh ist aus dem Stalle. An -einem Tag pflügt Isak, ein paar Tage darauf sät er sein -Korn und legt Kartoffeln. Die kleinen Jungen legen die -Kartoffeln wie mit Engelshänden, sie haben sehr geschickte -Hände und kommen dem Vater weit voraus.</p> - -<p>Dann wäscht Isak seinen Wagen am Fluß und befestigt -den Sitz darauf. Dann spricht er mit den Kindern von -einem Ausflug, den er nach dem Dorfe machen müsse. — -Aber gehst du denn nicht zu Fuß? fragen sie. — Nein, -ich habe die Absicht, diesmal mit Wagen und Pferd zu -fahren. — Dürfen wir nicht auch mitfahren? — Nein, -ihr müßt artige Jungen sein und diesmal zu Hause bleiben. -Jetzt kommt eure Mutter heim, und dann könnt ihr -vieles bei ihr lernen. — Eleseus, der gerne lernen will, -fragt: Als du damals auf Papier geschrieben hast, wie -war denn das? — Ich habe es fast nicht gefühlt, antwortete -der Vater, es ist, als sei die Hand ganz leer -dabei. — Will sie nicht davonlaufen, gerade wie auf dem -Eis? — Wer? — Die Feder, mit der du geschrieben hast?<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span> -— O doch. Jawohl, aber man muß eben lernen, sie zu -lenken.</p> - -<p>Der kleine Sivert jedoch war von anderer Art und sagte -nichts von der Feder, er wollte aufsitzen, wollte nur auf -dem Wagenbrett sitzen, einen unbespannten Wagen antreiben -und ungeheuer schnell fahren. Er brachte es so -weit, daß der Vater beide Jungen ein großes Stück Wegs -mitfahren ließ.</p> - - - -<h3>11</h3> - - -<p>Isak fährt, bis er an ein Moorloch kommt. Da hält -er an. Ein schwarzes, tiefes Moorloch, die blaue -Wasserfläche liegt regungslos da; Isak wußte, wozu -sie gut war, er hatte wohl kaum je in seinem Leben -einen anderen Spiegel gebraucht als ein solches Moorloch. -Seht, er ist heute in seinem roten Hemd sehr hübsch und -ordentlich angezogen, jetzt zieht er eine Schere heraus und -schneidet sich den Bart. Der eitle Mühlengeist, wollte er -sich geradezu prachtvoll machen und sich von seinem fünf -Jahre alten Vollbart trennen? Er schneidet und schneidet -und besieht sich im Wasser. Natürlich hätte er diese Arbeit -heute auch daheim verrichten können; aber er scheute -sich vor Oline, es war schon sehr viel gewesen, daß er gerade -vor ihrer Nase das rote Hemd angezogen hatte. Er -schert und schert, ein gutes Teil Barthaare fallen auf den -Spiegel. Als das Pferd nicht länger ruhig stehen will, -hört er auf und erklärt sich für fertig. O jawohl, er fühlt -sich bedeutend jünger. — Ja zum Kuckuck, wenn er es -verstand, auch bedeutend schlanker sogar.</p> - -<p>Dann fährt er ins Dorf.</p> - -<p>Am nächsten Tag kommt das Boot. Isak sitzt auf -einem Felsblock neben dem Schuppen des Kaufmanns -und späht hinaus, aber auch diesmal erscheint Inger nicht.<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span> -Lieber Gott, es stiegen ziemlich viel Reisende aus, Erwachsene -und Kinder, aber Inger war nicht darunter. -Isak hatte sich im Hintergrund gehalten, sich auf diesen -Felsblock gesetzt, nun hatte er keinen Grund mehr, noch -länger da sitzenzubleiben, und so ging er zum Boot hin. -Immer noch kamen Kisten und Tonnen, Leute und Postsachen -aus dem Achtriemer heraus, aber Isak sah Inger -nicht. Dagegen sah er eine Frau mit einem kleinen Mädchen, -die schon drüben an der Tür des Bootshauses -stand, aber die Frau war hübscher als Inger, obgleich -Inger nicht häßlich war. — Aber wie — das <em class="gesperrt">war</em> ja -Inger. Hm! sagte Isak und eilte hinüber. Sie begrüßten -einander; Inger sagte guten Tag und reichte ihm die -Hand, etwas erkältet und blaß noch von der Seekrankheit -und der Reise. Isak stand ganz still da, schließlich sagte -er: Ja, es ist recht schönes Wetter! — Ich habe dich gut -dort drüben gesehen, sagte Inger, aber ich wollte mich -nicht durchdrängen. Bist du heute ohnedies im Dorf? -fragte sie. — Ja. Hm. — Es geht euch allen doch wohl -gut? — Ja, danke der Nachfrage. — Dies ist die Leopoldine, -sie ist auf der Reise viel wohler gewesen als ich. -Sieh, das ist dein Vater, nun mußt du deinen Vater -begrüßen, Leopoldine. — Hm! sagte Isak auch jetzt wieder; -es war ihm höchst sonderbar zumute, oh, er war ein -Fremder unter ihnen. — Inger sagte: Wenn du am Boot -drunten eine Nähmaschine siehst — sie gehört mir. Und -dann habe ich noch eine Kiste. — Isak ging sofort; mehr -als gerne ging er. Die Bootsleute zeigten ihm die Kiste, -aber wegen der Nähmaschine mußte Inger selbst kommen -und sie heraussuchen. Es war ein schöner Kasten von unbekannter -Form, mit einem runden Deckel und einem -Henkel zum Tragen — eine Nähmaschine in dieser -Gegend! Isak lud sich die Kiste und die Nähmaschine auf -und sagte zu seiner Familie: Ich laufe rasch mit diesem -hinauf ins Dorf, komme aber gleich wieder und trage<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> -dann sie, sagte er. — Wen tragen? fragte Inger lächelnd. -Meinst du, das große Mädchen könne nicht gehen?</p> - -<p>Sie gingen miteinander zu dem Pferd und dem Wagen -hin. Hast du ein neues Pferd gekauft? fragte Inger. -Und hast du einen Wagen mit einem Wagenstuhl? — -Ja, das versteht sich. Doch was ich sagen wollte: Möchtest -du nicht erst ein wenig essen? Ich habe Mundvorrat mitgebracht. -— Das kann warten, bis wir das Dorf hinter -uns haben, sagte sie. Was meinst du, Leopoldine, kannst -du allein da sitzen? — Aber das wollte der Vater nicht -leiden. Nein, sie könnte auf die Räder herunterfallen. -Setz du dich mit ihr hinauf und nimm selbst die Zügel.</p> - -<p>So fuhren sie ab, und Isak ging hinter dem Wagen her.</p> - -<p>Er betrachtete die beiden auf dem Wagen. Da war -nun Inger gekommen, fremd nach Anzug und Aussehen, -vornehm, ohne Hasenscharte, nur mit einem roten Streifen -auf der Oberlippe. Sie zischte nicht mehr, das war -das Merkwürdige, sie sprach ganz rein. Ein grau und rot -gestreiftes wollenes Kopftuch mit Fransen daran sah -prachtvoll aus zu ihrem dunklen Haar. Sie wendete sich -auf dem Sitz um und sagte: Es wäre gut, wenn du ein -Fell mitgebracht hättest, es kann heute abend kühl für -das Kind werden. — — Sie kann meine Jacke haben, -und wenn wir erst im Wald sind, so ist dort ein Fell, -ich habe es dort hinterlegt. — So, du hast ein Fell im -Wald! — Ja, ich habe es nicht den ganzen Weg auf dem -Wagen mitnehmen wollen, falls ihr heute nicht gekommen -wäret. — So. Was hast du gesagt, geht es den beiden -Jungen auch gut? — Jawohl, danke der Nachfrage. -— Sie werden jetzt groß sein, das kann ich mir denken. -— Ja, daran fehlt's nicht. Sie haben jetzt gerade die -Kartoffeln gelegt. — Ach so, sagte die Mutter und schüttelte -den Kopf. Können sie schon Kartoffeln legen? — -Eleseus geht mir bis hierher und Sivert bis hierher, versetzte -Isak und maß an sich.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span></p> - -<p>Die kleine Leopoldine bat um etwas zu essen. Ach, das -nette kleine Geschöpf, ein Marienkäferchen auf einem -Fuhrwerk. Sie sprach mit einem singenden Tonfall, in -einer merkwürdigen Sprache von Drontheim, der Vater -mußte es sich bisweilen übersetzen lassen. Sie hatte dieselben -Züge wie die Jungen, die braunen Augen und die -länglichen Wangen, die alle drei Kinder von der Mutter -geerbt hatten; die Kinder waren der Mutter Kinder, und -das war gut so! Isak war seinem Töchterchen gegenüber -ein wenig schüchtern, angesichts ihrer kleinen Schuhe, der -langen dünnen Wollstrümpfe und des kurzen Kleides! -Als sie den fremden Vater begrüßte, hatte sie sich verneigt -und ihm ein winziges Händchen hingereicht.</p> - -<p>Im Walde angekommen, rasteten sie und aßen, das -Pferd bekam sein Futter, und Leopoldine hüpfte mit ihrem -Brot in der Hand im Heidekraut umher.</p> - -<p>Du hast dich nicht sehr verändert, sagte Inger, indem -sie ihren Mann betrachtete. — Isak sah auf die Seite und -antwortete: So, meinst du? Aber du bist sehr vornehm -geworden! — Haha! Nein, ich bin jetzt alt, erwiderte sie -so recht scherzhaft. — Es war offenbar, Isak fühlte sich -nicht recht sicher, er blieb zurückhaltend, war wie verschüchtert. -Wie alt war wohl seine Frau? Sie konnte -nicht jünger als dreißig sein — das heißt, sie konnte nicht -mehr sein, unmöglich. Und obgleich Isak aß, riß er doch -ein Zweiglein Heidekraut ab und kaute auch daran. Was, -ißt du auch Heidekraut? rief Inger lachend. Isak warf -das Heidekraut weg und steckte einen Bissen in den -Mund, dann ging er hin und hob das Pferd vorne in -die Höhe. Inger folgte diesem Auftritt mit Erstaunen, -sie sah, daß das Pferd auf zwei Beinen stand. — Warum -tust du das? fragte sie. — Es ist so zutraulich, sagte er -von dem Pferd und ließ es wieder los. Warum hatte er -das nur getan? Er hatte wohl eine mächtige Lust dazu<span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span> -verspürt. Vielleicht hatte er seine Verlegenheit dahinter -verbergen wollen.</p> - -<p>Dann brachen sie wieder auf, und alle drei gingen eine -Strecke zu Fuß. Eine Ansiedlung kam in Sicht. Was ist -das? fragte Inger. — Das ist Bredes Grundstück, er -hat es gekauft. — Brede? — Und es heißt Breidablick! -Es sind große Moore da, aber wenig Wald. — Als sie -an Breidablick vorbei waren, sprachen sie weiter darüber, -Isak aber hatte gesehen, daß Bredes Wagen unter freiem -Himmel stand.</p> - -<p>Doch jetzt wurde das Kind schläfrig, da nahm der Vater -es fürsorglich auf den Arm und trug es. Sie wanderten -weiter, Leopoldine war bald eingeschlafen, und Inger -sagte: Nun legen wir sie in dem Fell auf den Wagen, -dann kann sie schlafen, solange sie will. — Sie wird da -so sehr gerüttelt, meinte der Vater und wollte sie lieber -tragen. Sie kommen über das Moor und in den Wald -hinein, und Ptro sagt Inger. Sie hält das Pferd an, -nimmt Isak das Kind ab und sagt, er solle die Kiste und -die Nähmaschine zusammenrücken, dann könne Leopoldine -hinten im Wagen liegen. Da wird sie gar nicht geschüttelt -und gerüttelt, was ist das für Unsinn! — Isak -tut, wie sie sagt, hüllt seine kleine Tochter in das Fell und -schiebt ihr seine Jacke unter den Kopf. Dann fahren sie -weiter.</p> - -<p>Der Mann und die Frau gehen zu Fuß und reden von -Verschiedenem. Die Sonne scheint bis spät am Abend, und -das Wetter ist warm. Oline — wo schläft sie für gewöhnlich? -fragt Inger. — In der Kammer. — So, und -die Buben? — Die liegen in ihrem eigenen Bett in der -Stube. Es sind zwei Bettladen in der Stube, noch genau -so wie damals, als du fortgegangen bist. — Ich betrachte -dich immerfort, sagt Inger, du siehst genau so -aus wie früher. Und allerlei Lasten haben deine Schultern -durchs Ödland heraufgetragen, aber sie sind darum<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span> -nicht schwächer geworden. — O nein. Aber was ich sagen -wollte: ist es dir in allen den Jahren erträglich gegangen? -— Oh, Isak war ganz bewegt, bei dieser Frage zitterte -ihm die Stimme. Inger antwortete, ja, sie könne nicht -klagen.</p> - -<p>Es kam zu einer gefühlvollen Aussprache zwischen -ihnen, und Isak fragte, ob sie nicht müde sei und lieber -fahren wolle. — Nein, danke, antwortete Inger. Aber -ich weiß nicht, was mit mir ist, seit sich die Seekrankheit -ganz verzogen hat, bin ich immerfort hungrig. — Möchtest -du noch etwas essen? — Ja, wenn ich uns nicht zu -sehr aufhalte. O diese Inger, sie selbst war wohl nicht -hungrig, aber sie gönnte Isak noch etwas, er hatte ja -seine letzte Mahlzeit mit dem Heidekrautstengel unterbrochen.</p> - -<p>Da der Abend warm und hell war und sie noch einen -weiten Weg vor sich hatten, fingen sie wieder an zu essen.</p> - -<p>Inger holte ein Paket aus ihrer Kiste heraus und -sagte: Ich habe ein paar Sachen für die kleinen Buben. -Komm, wir wollen zu dem Gebüsch hinübergehen, da -ist es sonnig. — Sie setzten sich unter das Gebüsch, und -Inger zeigte die Sachen für die Jungen: hübsche Hosenträger -mit Schnallen daran, Schreibbücher mit Vorschriften -darin, für jeden einen Bleistift, ein Taschenmesser für -jeden. Für sich selbst hatte sie ein ausgezeichnetes Buch. -Hier sieh, mein Name steht darauf, es ist ein Andachtsbuch. -Sie hatte es von dem Direktor zur Erinnerung -bekommen. Isak bewunderte alles mit leisen Worten. Sie -zeigte auch eine Anzahl Kragen, die Leopoldine gehörten, -und Isak gab sie ein schwarzes, wie Seide glänzendes -Halstuch. — Soll ich das haben? fragte er. — Ja, das -bekommst du. — Isak nahm es vorsichtig in die Hand -und strich darüber hin. — Ist es nicht hübsch? — Ach, -hübsch! Damit könnte ich in der ganzen Welt umher<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span>reisen! -Aber seine Finger waren so rauh, daß sie an der -merkwürdigen Seide überall hängen blieben.</p> - -<p>Jetzt hatte Inger nichts mehr vorzuweisen, aber als -sie wieder zusammenpackte, saß sie so, daß ihre Waden -in den rotgestreiften Strümpfen zum Vorschein kamen. -— Hm! Das sind wohl Stadtstrümpfe? fragte er. — -Ja, es ist Garn aus der Stadt, aber ich habe sie selbst -geknüpft — gestrickt, wie wir dort sagten. Es sind ganz -lange Strümpfe, bis über die Knie, sieh her ... Kurz -darauf hörte sie sich selbst flüstern: Du — du bist noch -ganz derselbe — wie früher!</p> - -<p>Eine Weile später fuhren sie weiter, Inger sitzt jetzt -droben und lenkt das Pferd. Ich habe auch ein Paket -Kaffee mitgebracht, sagt sie, aber heute abend kannst du -ihn nicht mehr versuchen, denn er ist noch nicht gebrannt. -— Du sollst dich auch nicht damit plagen, erwidert er.</p> - -<p>Wieder nach einer Weile ist die Sonne untergegangen, -und es wird kühl. Inger will absteigen und gehen. Sie -decken Leopoldine dichter mit dem Fell zu und lächeln darüber, -daß sie so lange schlafen kann. Dann unterhalten -sich Mann und Frau wieder im Weitergehen. Es ist ein -wahres Vergnügen, Inger jetzt sprechen zu hören, niemand -hätte besser sprechen können, als Inger jetzt sprach.</p> - -<p>Haben wir nicht vier Kühe? fragt sie. — O nein, wir -haben jetzt mehr, antwortet er stolz, wir haben acht. — -<em class="gesperrt">Acht</em> Kühe! — Ja, wenn man den Stier mitrechnet. — -Habt ihr Butter verkauft? — O ja, und Eier. — Haben -wir denn auch Hühner? — Ja, das versteht sich. Und -ein Schwein. — Inger muß sich über die Maßen verwundern, -sie kann das Gehörte kaum fassen und hält -einen Augenblick das Pferd an: Ptro! Und Isak ist stolz -und legt es darauf an, sie ganz zu überwältigen. Der -Geißler, sagt er, du weißt, der Geißler, der ist vor kurzem -hier gewesen. — So? — Ja, und er hat uns einen -Kupferberg abgekauft. — So, was ist denn das, ein<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> -Kupferberg? — Ein Berg aus Kupfer. Er liegt droben -im Gebirge an der ganzen Nordseite des Sees. — So. -Und das ist etwas, für das du eine Bezahlung bekommen -hast? — Jawohl, der Geißler ist nicht der Mann, der -nicht bezahlt. — Was hast du bekommen? — Hm. Du -wirst es nicht glauben wollen, aber es sind zweihundert -Taler. — Die hast du bekommen! ruft Inger und hält -wieder einen Augenblick das Pferd an: Ptro! — Habe -ich bekommen, jawohl. Und den Hof habe ich auch längst -bezahlt. — Ach, du bist großartig!</p> - -<p>Es war in Wahrheit ein Vergnügen, Inger in Verwunderung -zu setzen und sie zu einer reichen Frau zu -machen; deshalb fügte Isak noch hinzu, daß er auch weder -beim Kaufmann noch bei sonst jemand Schulden stehen -habe. Und er habe nicht allein Geißlers zweihundert -Taler noch unberührt daliegen, sondern noch mehr, noch -hundertsechzig Taler darüber. Sie hätten also allen -Grund, Gott dankbar zu sein. Sie sprachen noch weiter -von Geißler, und Inger konnte Aufklärung über das -geben, was er für ihre Freilassung getan hatte. Es war -doch nicht alles so glatt gegangen; er hatte lange damit -zu tun gehabt und war sehr oft beim Direktor gewesen. -Geißler hatte auch ein Schreiben an die Staatsräte selbst -oder an einige andere von der Behörde geschickt, aber das -hatte er hinter dem Rücken des Direktors getan, und -als der Direktor das erfuhr, war er böse geworden und -hatte sich gekränkt gefühlt, was ja auch nicht anders zu -erwarten gewesen war. Aber Geißler hatte sich dadurch -nicht einschüchtern lassen, er verlangte ein neues Verhör -und ein neues Gerichtsverfahren und alles miteinander. -Und da hatte der König unterschreiben müssen.</p> - -<p>Der frühere Lensmann Geißler war für diese beiden -Menschen immer ein guter Herr gewesen, und sie hatten -sich oft besonnen, aus welchem Grunde er es wohl getan -haben mochte, er hatte alles miteinander um den ein<span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span>fachen -Dank getan, es war nicht zu begreifen. Inger -hatte in Drontheim mit ihm gesprochen, war aber dadurch -nicht klüger geworden. Alle andern in der Gemeinde -sind ihm ganz einerlei, ausgenommen wir, erklärte -Inger. — Hat er das gesagt? — Ja, er ist wütend -auf die Gemeinde hier. Und er werde es ihr schon noch -zeigen! sagte er. — So. — Und sie würden es schon noch -bereuen, daß sie ihn verloren hätten, sagte er.</p> - -<p>Jetzt kamen sie aus dem Wald heraus, und da lag -Sellanraa vor ihnen. Es waren mehr Gebäude als -früher, die Häuser waren hübsch angestrichen; Inger -kannte sich nicht mehr aus und hielt jäh an: Du willst -doch nicht sagen, daß das da — daß das da bei uns ist! -rief sie aus.</p> - -<p>Die kleine Leopoldine erwachte endlich und richtete sich -auf. Sie war ganz ausgeruht, wurde heruntergehoben, -durfte zu Fuß gehen! Gehen wir dorthin? fragte sie. — -Ja, ist es nicht schön?</p> - -<p>Drüben am Haus bewegten sich kleine Gestalten; das -waren Eleseus und Sivert, die Ausguck hielten, nun -kamen sie dahergelaufen. Inger schien plötzlich erkältet -zu sein, sie hatte heftigen Husten und Schnupfen. Ja, -die Erkältung zog ihr sogar in die Augen, sie standen voll -Wasser. Man erkältet sich so leicht an Bord, ganz nasse -Augen bekommt man vor lauter Schnupfen.</p> - -<p>Aber als die kleinen Burschen näher herankamen, hielten -sie mitten in ihrem Lauf inne und starrten nur noch. -Wie ihre Mutter aussah, das hatten sie vergessen, und -ihre kleine Schwester hatten sie ja noch nie gesehen. Aber -der Vater — ihn erkannten sie erst wieder, als er ganz -nahe herangekommen war. Er hatte sich seinen großen -Bart abgeschnitten.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span></p> - - - - -<h3>12</h3> - - -<p>Nun ist alles gut. Isak sät seinen Hafer, eggt ihn -und führt die Walze darüber. Leopoldine kommt -heraus und will auf der Walze sitzen. Was, auf -einer Walze sitzen — sie ist so klein und kennt so was gar -nicht, ihre Brüder wissen es besser, es ist ja kein Sitz auf -Vaters Walze.</p> - -<p>Aber den Vater freut es, daß die kleine Leopoldine zu -ihm herkommt und schon so zutraulich ist; er redet mit -ihr und sagt, sie müsse vorsichtig auf den Acker treten, -damit sie nicht die Schuhe voll Erde bekomme. Ja, und -was seh ich, du hast wahrhaftig heute ein blaues Kleid -an! Laß mich sehen, ja gewiß, es ist blau. Und einen Gürtel -hast du daran und alles miteinander. Kannst du dich -an das große Schiff erinnern, auf dem du hergefahren -bist? Hast du die Maschine darin gesehen? Ja, jetzt geh -nur mit deinen Brüdern hinein, dann spielen sie mit dir.</p> - -<p>Seit Oline abgezogen ist, hat Inger ihre alte Arbeit -in Haus und Stall wieder übernommen. Sie übertreibt -es vielleicht ein wenig mit der Reinlichkeit und Ordnung, -um zu zeigen, daß die Dinge jetzt eine andere Art bekommen -sollen, und es war auch merkwürdig, welche -große Veränderung bald mit allem vorging, sogar die -Glasscheiben in der Viehgamme wurden gewaschen und -die Stände gescheuert.</p> - -<p>Aber das war nur in den ersten Tagen, in der ersten -Woche so, dann ließ Inger nach. Eigentlich war es nicht -nötig, im Stall alles so blitzblank zu machen, die Zeit -konnte besser angewendet werden. Inger hatte in der -Stadt viel gelernt, und dieses Wissen sollte ihr nun zugute -kommen. Sie nahm wieder Spinnrad und Webstuhl -in Gebrauch, und wahrlich, sie war noch geschickter -und flinker geworden, etwas zu flink, hui! besonders für -Isak, wenn er ihr zusah; er begriff nicht, daß ein Mensch<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span> -es lernen konnte, so mit seinen Fingern umzugehen, diese -langen, hübschen Finger an Ingers großer Hand! Aber -mittendrin gab Inger die eine Arbeit auf und machte -sich an eine andere. Jawohl, sie hatte jetzt verschiedenes -mehr zu besorgen als früher und in größerem Umfang, -vielleicht war sie auch nicht ganz so geduldigen Herzens -wie einst, etwas Unruhe hatte sich ihr wohl ins Herz -geschlichen.</p> - -<p>Gleich zuerst waren da die Blumen, die sie mitgebracht -hatte, es waren Knollen und Ableger, kleine Leben, an -die auch gedacht werden mußte. Die Fenster waren zu -klein dafür, die Gesimse zu schmal, man konnte da keine -Blumentöpfe aufstellen, sie hatte auch keine Töpfe, und -Isak mußte ihr ganz kleine Kästen für Begonien, Fuchsien -und Rosen anfertigen. Und überdies genügte auch -ein Fenster nicht, was war ein Fenster für eine ganze -Stube!</p> - -<p>Und außerdem, sagte Inger, habe ich auch kein Bügeleisen. -Ich sollte ein Bügeleisen zum Plätten haben, wenn -ich Kleider und Anzüge nähe; niemand kann im Nähen -etwas Ordentliches leisten, wenn er nicht eine Art Plätteisen -hat.</p> - -<p>Isak versprach, den Schmied im Dorfe zu veranlassen, -ein recht gutes Bügeleisen zu schmieden. Oh, Isak wollte -alles tun, wollte immer nur tun, was Inger verlangte; -denn das merkte er wohl, Inger hatte sehr viel gelernt -und war außerordentlich tüchtig geworden. Auch ihre -Sprache war eine andere geworden, eine bessere, gewähltere. -Sie rief ihn jetzt nie mehr mit den alten Worten: -Komm herein und iß! sondern sie sagte: Bitte zum Essen! -Alles war anders geworden. In den alten Tagen hatte er -höchstens gesagt: Ja, und noch eine gute Weile weitergearbeitet, -ehe er hineinging. Jetzt antwortete er: Ja, -danke, und kam sofort. Die Liebe macht den Klugen -dumm, manchmal antwortete Isak: Danke, danke! Ja,<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span> -gewiß war alles anders geworden, aber wurde es nicht -allmählich ein wenig zu vornehm? Wenn Isak in der -Muttersprache der Landwirtschaft redete und <em class="gesperrt">Mist</em> sagte, -sagte Inger <em class="gesperrt">Dung</em>, der Kinder wegen.</p> - -<p>Sie war sehr sorgfältig mit den Kindern, unterrichtete -sie in allem und brachte sie vorwärts; die kleinwinzige -Leopoldine machte Fortschritte im Häkeln und die Buben -im Schreiben und in anderen Schulfächern, sie würden -also nicht ganz unvorbereitet in die Dorfschule kommen. -Besonders Eleseus war recht tüchtig geworden, der kleine -Sivert dagegen war, geradeheraus gesagt, nichts Besonderes, -nur ein Spaßvogel, ein Wildfang, er wagte es -sogar, an der Nähmaschine seiner Mutter ein wenig zu -drehen und hatte mit seinem Taschenmesser auch schon -am Tisch und an den Stühlen herumgeschnitzelt. Jetzt -war ihm schon mit der Wegnahme des Taschenmessers -gedroht worden.</p> - -<p>Übrigens hatten die Kinder alle Tiere des Hofes zur -Unterhaltung, und Eleseus hatte außerdem noch seinen -farbigen Bleistift. Er gebrauchte ihn sehr vorsichtig und -lieh ihn dem Bruder nur höchst ungern; mit der Zeit -waren indes alle Wände mit Zeichnungen bedeckt, und der -Bleistift wurde bedenklich kleiner. Schließlich sah sich -Eleseus gezwungen, Sivert auf Ration zu setzen und ihm -den Bleistift nur noch am Sonntag zu einer Zeichnung -zu leihen. Das war nun nicht nach Siverts eigenem -Wunsch, aber Eleseus war nicht der Mann, der sich etwas -abhandeln ließ. Nicht gerade, weil Eleseus der Stärkere -gewesen wäre, aber er hatte längere Arme und konnte -sich bei Streitigkeiten besser herauswinden.</p> - -<p>Aber dieser Sivert! Ab und zu fand er ein Schneehuhnnest -im Walde, einmal redete er von einem Mäusenest -und machte sich groß damit, wieder einmal faselte -er von einer Forelle im Fluß, die so groß sei wie ein -Mensch; aber es war die reine Erfindung von ihm, er<span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span> -war nicht ganz frei davon, zu schwarz weiß zu sagen, -aber sonst war er ein guter Kerl. Als die Katze Junge -bekam, war er es, der ihr Milch brachte, weil sie Eleseus -zu wütend anzischte, und Sivert wurde nicht müde, in -die unruhige Kiste hineinzuschauen, diese Heimstätte, wo -es von kleinen Pfoten wimmelte.</p> - -<p>Und dann die Hühner, die er täglich beobachtete! Da -war der große Hahn mit seinem Kamm und seiner -Federnpracht, die Hühner, die umherliefen und gackerten -und Sand aufpickten und nach dem Eierlegen plötzlich -ungeheuer verletzt zu schreien anfingen. Da war auch der -große Widder. Der kleine Sivert war jetzt im Vergleich -zu früher sehr belesen, konnte aber doch nicht von dem -Widder sagen: Gott, welch eine römische Nase er hat! -Nein, das konnte er nicht. Aber Sivert konnte das, was -besser war: er kannte den Widder von klein auf, wo er -noch ein kleines Lamm gewesen war; er liebte ihn und -war eins mit ihm, wie mit einem Verwandten, einem -Mitgeschöpf. Einmal war ein geheimnisvoller Ureindruck -durch seine Sinne geflattert, und das war ein Augenblick, -den Sivert nie mehr vergaß. Der Widder war draußen -auf der Wiese und weidete, plötzlich warf er den Kopf -zurück und fraß nicht mehr, blieb nur stehen und starrte -geradeaus. Sivert sah unwillkürlich in dieselbe Richtung. -— Nein, nichts Merkwürdiges! Aber da fühlte Sivert -etwas Merkwürdiges in seinem Innern. Es ist fast, als -sehe er in den Garten Eden hinein! dachte Sivert.</p> - -<p>Von den Kühen hatten die Kinder auch jeder zwei für -sich, große, schwer schreitende Tiere, gutmütige, freundliche -Tiere, die sich von den kleinen Menschenkindern -jeden Augenblick einholen und streicheln ließen. Dann -war da das Schwein, weiß und peinlich sauber mit seiner -Person, wenn es gut gehalten wurde, das auf jeden Ton -horchte, ein Komiker, gierig auf sein Futter aus, dabei -kitzlig und scheu wie ein junges Mädchen. Und dann der<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span> -Bock — es war immer ein alter Ziegenbock auf Sellanraa; -wenn der eine das Leben lassen mußte, rückte ein -anderer an seine Stelle. Aber etwas so Bockmäßiges im -Gesicht wie ein Bock! Gerade in diesen Tagen hatte er -auf sehr viele Geißen aufzupassen; bisweilen jedoch wurde -er seiner ganzen Gesellschaft überdrüssig und legte sich, -grüblerisch und langbärtig wie er war, auf den Boden, -ein Vater Abraham! Und dann plötzlich richtete er sich -wieder auf die Knie auf und trottete den Geißen nach. Wo -er ging, hinterließ er eine Wolke von scharfem Geruch.</p> - -<p>Das tägliche Leben auf dem Hofe geht weiter. Wenn -ein seltenes Mal ein Wanderer, der über das Gebirge -will, vorbeikommt und fragt: Und euch geht es wohl -gut?, da antwortet Isak und antwortet Inger: Ja, danke -für die Nachfrage!</p> - -<p>Isak schafft und schafft, und für jede einzelne Arbeit -zieht er den Kalender zu Rat, er gibt auf den Mondwechsel -acht und richtet sich nach den Wetterzeichen, -schafft, schafft.</p> - -<p>Nun hat er ja durch das Ödland einen einigermaßen -ordentlichen Weg hergestellt, so daß er mit Wagen und -Pferd bis ins Dorf hinunterfahren kann, aber meist -geht er lieber schwerbeladen zu Fuß, und da trägt er dann -Ziegenkäse oder Felle oder Birkenrinde, Butter und Eier, -lauter Waren, die er verkauft, und für die er andere -Waren einholt. Nein, im Sommer fährt er nicht oft, -weil der Weg von Breidablick bis vollends hinunter sehr -schlecht ist. Er hat Brede Olsen aufgefordert, beim Herstellen -des Weges mit Hand anzulegen, und Brede hat es -wohl auch versprochen, aber nie Wort gehalten. Nun will -Isak ihn nicht noch einmal darum bitten. Lieber trägt er -schwere Lasten auf seinem Rücken. Inger sagt dann: Ich -verstehe gar nicht, wie du das kannst! Du hältst alles -aus! Ja, er hielt alles aus. Er hatte Stiefel, die waren so -abenteuerlich dick und schwer, unter den Sohlen ganz<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> -mit Eisen beschlagen, sogar die Schnürriemen waren mit -Nietnägeln angeheftet — schon das, daß ein Mann in -solchen Stiefeln gehen konnte, war etwas Merkwürdiges!</p> - -<p>Als er nun wieder einmal ins Dorf hinuntergeht, trifft -er an mehreren Stellen kleine Gruppen von Arbeitern. -Sie mauern steinerne Grundpfeiler ein und stellen Telegraphenstangen -auf. Die Leute sind teilweise aus der Gemeinde, -Brede Olsen ist auch dabei, obgleich er sich hier -niedergelassen hat, um Ackerbau zu treiben. Daß er Zeit -übrig hat! denkt Isak.</p> - -<p>Der Aufseher fragt Isak, ob er Telegraphenstangen -verkaufen wolle. — Nein. — Auch nicht gegen gute Bezahlung? -— Nein. — Oh, Isak ging es jetzt rascher von -der Hand, er konnte nun schneller antworten. Wenn er -jetzt Stangen verkaufte, bekam er nur etwas mehr Geld, -einige Taler mehr, aber er hatte keinen Wald mehr, was -für ein Vorteil war dann dabei? Nun kommt der Ingenieur -selbst herbei und wiederholt sein Verlangen; aber -Isak schlägt es auch ihm ab. — Wir haben Stangen genug, -sagte der Ingenieur, aber es wäre uns nur bequemer, -sie in deinem Walde zu holen und die lange -Herbeischaffung zu sparen. — Ich habe selbst zuwenig -Stangen und Stämme, erwiderte Isak; ich wollte mir -übrigens ein kleines Sägewerk einrichten, denn ich habe -keine Scheune und keine Wirtschaftsgebäude.</p> - -<p>Jetzt mischt Brede Olsen sich darein und sagt: Wenn ich -du wäre, würde ich die Stangen verkaufen, Isak. — -Da blitzten die Augen des geduldigen Isak Brede wahrhaftig -scharf an, und er erwiderte: Ja, das glaube ich -schon. — Wieso? fragte Brede. — Aber ich bin eben nicht -du, sagte Isak.</p> - -<p>Einige von den Arbeitern kicherten ein wenig über diese -Antwort.</p> - -<p>Jawohl, Isak hatte einen besonderen Grund, seinen -Nachbar etwas zurückzuweisen, gerade heute hatte er<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> -nämlich drei Schafe auf Breidablicks Grundstück gesehen, -und das eine davon hatte Isak wiedererkannt, das -mit den flachen Ohren, das Oline im Tauschhandel weggegeben -hatte. Meinethalben mag Brede das Schaf behalten, -dachte er da und ging seines Weges weiter, -meinethalben können Brede und seine Frau sich an dem -Schaf bereichern!</p> - -<p>Und ganz richtig. Das Sägewerk hatte er auch immer -im Kopf. O ja, schon im Winter, als der Boden fest war, -hatte er die große Kreissäge und die notwendigen Beschläge, -die ihm der Kaufmann von Drontheim hatte -kommen lassen, heraufgeschafft. Nun lagen diese Maschinenteile -mit Leinöl bestrichen, um sie gegen Rost zu -schützen, in seinem Schuppen. Einige von den Balken zum -Sperrwerk hatte er auch schon herbeigefahren, er hätte -mit dem Aufrichten des Gebäudes jeden Tag anfangen -können, schob es aber noch hinaus. Was war das? Er -begriff es nicht, nahmen seine Kräfte etwa allmählich -ab? Andere würden sich nicht darüber wundern, aber -ihm selbst kam es ganz unglaublich vor. War er schwindlig -geworden? Früher war er vor keiner Arbeit zurückgescheut, -hatte er sich denn verändert, seit er das Mahlhaus -über einem ebenso großen Wasserfall errichtet hatte? -Er konnte sich ja Hilfe vom Dorf nehmen, aber nun -wollte er es erst einmal wieder allein versuchen und in -den nächsten Tagen damit anfangen; Inger sollte ein -wenig mit Hand anlegen.</p> - -<p>Er sprach mit Inger darüber. Hm, sagte er, wenn du -einmal ein paar Stunden Zeit übrig hast, könntest du -mir bei dem Sägewerk helfen. — Inger überlegte. Ja, -wenn ich es einrichten kann, sagte sie. So, du willst ein -Sägewerk bauen? — Ja, das ist meine Absicht. Ich habe -es mir jetzt genau überlegt. — Ist es schwieriger als -das Mahlhaus? — Viel schwieriger, zehnmal schwieriger, -prahlte er. Was denkst du denn? Da muß alles bis<span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span> -aufs aller-, allergenaueste ineinanderpassen, und die -große Kreissäge muß in der Mitte laufen. — Wenn du -es nur zustande bringst, Isak, entgegnete Inger in ihrer -Gedankenlosigkeit. — Isak fühlte sich von diesen Worten -gekränkt und erwiderte: Das wird sich ja zeigen. — -Kannst du nicht einen in dieser Sache kundigen Mann -zu Hilfe nehmen? — Nein. — Nun, dann wirst du es -auch nicht zustande bringen, sagte sie und hielt nicht mit -ihrer Meinung zurück.</p> - -<p>Isak hob langsam die Hand an seinen Kopf, es war, -als hebe ein Bär die Tatze auf. — Gerade das fürchte -ich ja, daß ich es nicht fertigbringe, sagte er, deshalb -sollst du, die es versteht, ja auch Hand mit anlegen, sagte -er. — Jawohl, da hatte der Bär getroffen, aber er errang -keinen Sieg damit. Inger warf den Kopf zurück, -wurde widerspenstig und schlug es ab, beim Sägewerk zu -helfen. — So, sagte Isak. — Ja, soll ich vielleicht im -Fluß stehen und meine Gesundheit aufs Spiel setzen? -Und wer soll mit der Maschine nähen und das Vieh und -den Haushalt und alles miteinander versorgen? — Nein, -nein, sagte Isak.</p> - -<p>Ach, aber es handelte sich ja nur um die vier Eckbalken -und die zwei Mittelbalken auf den beiden Langseiten, -nur dazu hätte sie ihm helfen sollen, sonst zu nichts! -War denn Inger im tiefsten Innern während ihres langen -Stadtlebens so zimperlich geworden?</p> - -<p>Jawohl, Inger hatte sich sehr verändert und dachte -nicht mehr beständig an ihr gemeinsames Beste, sondern -an sich selbst. Wohl hatte sie Kardätschen und Spinnrad -und Webstuhl wieder in Gebrauch genommen, aber sie -saß viel lieber an ihrer Nähmaschine, und als der Schlosser -ihr ein Bügeleisen geschmiedet hatte, war sie fertig -ausgerüstet, um sich im Schneidern als regelrecht ausgebildet -zu zeigen. Das war ihr Beruf. Zuerst nähte sie -ein paar Kleider für die kleine Leopoldine. Isak gefielen<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> -sie, und er lobte sie vielleicht ein wenig zu sehr; Inger -deutete an, das sei noch gar nichts im Vergleich zu dem, -was sie könne. — Aber sie sind zu kurz, sagte Isak. — -So werden sie in der Stadt getragen, sagte Inger, das -verstehst du eben nicht. — Isak war also zu weit gegangen, -und er stellte Inger dafür ein Stück Tuch zu eigenem -Gebrauch in Aussicht. — Tuch zu einem Mantel? fragte -Inger. — Ja, oder wozu du es sonst willst. — Inger -entschied sich zu Tuch für einen Mantel und beschrieb -Isak, wie es sein sollte.</p> - -<p>Aber als sie den Mantel fertig hatte, mußte sie auch -jemand haben, dem sie sich darin zeigen konnte; sie begleitete -deshalb die beiden Jungen ins Dorf, als sie dort -in die Schule gebracht wurden. Und diese Reise war nicht -von geringem Nutzen, sie hinterließ Spuren.</p> - -<p>Zuerst kamen sie an Breidablick vorüber, da kam die -Frau mit ihren Kindern heraus und starrte die Vorüberfahrenden -an. Inger und ihre beiden kleinen Jungen saßen -auf dem Wagen, und sie fuhren wie Herrenleute, die -beiden Jungen kamen wahrhaftig in die Schule, und -Inger hatte einen Tuchmantel an! Bei diesem Anblick -ging der Frau auf Breidablick ein Stich durchs Herz, den -Mantel konnte sie entbehren, sie war gottlob nicht eitel, -aber sie hatte selbst Kinder, das große Mädchen Barbro, -Helge, den Zweitältesten, und Katrine, alle schulpflichtig. -Natürlich waren die beiden älteren im Dorf schon in der -Schule gewesen, aber als die Familie aufs Moor und -auf dieses abgelegene Breidablick heraufzog, mußten ja -die Kinder wieder Heiden werden.</p> - -<p>Hast du Lebensmittel für deine Buben mit? fragte die -Frau. — Lebensmittel, jawohl. Siehst du die Kiste da -nicht? Das ist mein Reisekoffer, den ich mitgebracht habe, -und der ist ganz mit Lebensmitteln angefüllt. — Was -hast du mitgenommen? — Was ich mitgenommen habe? -Speck und Fleisch fürs Mittagessen und Butter und Brot<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span> -und Käse für die anderen Mahlzeiten. — Ja, ihr habt -es großartig da droben, sagte die Frau, und ihre armen -bleichwangigen Kinder sperrten Augen und Ohren auf, -als diese herrlichen Sachen aufgezählt wurden. — Wo -willst du sie unterbringen? fragte die Frau weiter. — -Beim Schmied. — So, sagte die Frau. Ja, die meinigen -sollen jetzt auch wieder in die Schule, und sie werden beim -Lensmann wohnen. — So, sagte Inger. — Ja, oder -beim Doktor oder beim Pfarrer. Brede ist eben mit allen -den Großen so gut bekannt, daher kommt es. — Da -strich Inger ihren Mantel zurecht und schob etliche -schwarzseidene Fransen vorteilhaft hervor. — Wo hast -du den Mantel gekauft? fragte die Frau. Hast du ihn -mitgebracht? — Ich habe ihn selbst genäht. — Ja, es ist, -wie ich sage, ihr da droben sitzt bis über die Ohren in -Geld und Herrlichkeit.</p> - -<p>Als Inger weiterfuhr, war ihr froh zumute, und sie -war recht hochmütig, und als sie ins Dorf kam, ließ -sie das ein wenig zu sehr hervortreten, jedenfalls nahm -die Frau Lensmann Heyerdahl Ärgernis daran, daß sie -in einem Mantel ankam. Sie sagte, die Frau auf Sellanraa -vergesse offenbar, wer sie sei; ob sie denn vergessen -habe, woher sie nach sechsjähriger Abwesenheit gekommen -war? Aber Inger hatte nun jedenfalls ihren Mantel gezeigt, -und weder die Frau des Kaufmanns noch die Frau -des Schmieds noch die Frau des Schullehrers würden -etwas dagegen gehabt haben, wenn sie selbst einen solchen -Mantel besessen hätten; aber kommt Zeit, kommt Rat.</p> - -<p>Es dauerte gar nicht lange, bis Inger Kundschaft bekam. -Einige Weiber von der andern Seite des Gebirges -kamen aus Neugier. Oline hatte wohl gegen ihren Willen -allerlei von Inger erzählt, und die nun kamen, brachten -Nachrichten von Ingers Heimatort mit; dafür wurde -ihnen aufgewartet, und sie durften die Nähmaschine -sehen. Junge Mädchen kamen zu zwei und zwei von der<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> -Gemeinde an der Küste herauf und berieten sich mit -Inger: es war Herbst, sie hatten zu einem neuen Kleid -gespart, und nun konnte ihnen Inger über die Mode in -der Welt draußen Auskunft geben, ja ab und zu auch den -Stoff zuschneiden. Bei diesen Besuchen lebte Inger auf, -sie blühte förmlich, war freundlich und hilfreich und dabei -so tüchtig in ihrem Fach, daß sie aus freier Hand zuschneiden -konnte; bisweilen nähte sie auch lange Säume -auf ihrer Maschine ganz umsonst und gab dann den jungen -Mädchen den Stoff zurück mit den herrlich scherzhaften -Worten: So, die Knöpfe kannst du jetzt selbst -annähen!</p> - -<p>Später, im Herbst, wurde Inger sogar gebeten, ins -Dorf herunterzukommen und für die Großen zu nähen. -Aber das konnte sie nicht, sie hatte ihre Familie und das -Vieh und die häuslichen Pflichten, und sie hatte kein -Dienstmädchen. Was hatte sie nicht? Ein Dienstmädchen!</p> - -<p>Sie sagte zu Isak: Wenn ich eine Hilfe hätte, könnte -ich ruhiger an meiner Näharbeit bleiben. — Isak verstand -nicht, was sie meinte. Hilfe? fragte er. — Ja, Hilfe -im Hause, ein Dienstmädchen. — Da drehte sich wohl -alles im Kreise vor Isak, denn er lachte ein wenig in -seinen roten Bart und hielt es für Spaß: Jawohl, wir -sollten ein Dienstmädchen haben, sagte er. — Das haben -alle Hausfrauen in der Stadt, versetzte Inger. — Ach -so, sagte Isak.</p> - -<p>Seht, er war vielleicht nicht besonders froh und freundlich -gestimmt, nicht gut aufgelegt, denn nun hatte er mit -dem Bau seines Sägewerks angefangen, und es war -nicht schnell vorwärtsgegangen; er konnte nicht mit der -einen Hand den Pfosten halten, ihn mit der andern wagerecht -leiten und zugleich die Schräghölzer befestigen. -Aber als dann die Jungen wieder von der Schule heimkamen, -ging es besser, die guten Jungen waren ihm eine -große Hilfe. Sivert besonders war merkwürdig gewandt<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> -beim Einschlagen der Nägel, aber Eleseus war tüchtiger -beim Loten mit der Schnur. Nach Verlauf von einer -Woche hatten Isak und die Jungen wirklich die Pfosten -aufgerichtet und mit Schräghölzern so dick wie Balken -stark befestigt. Eine große Arbeit war bewältigt.</p> - -<p>Es ging — alles ging. Aber woher es auch kommen -mochte, Isak war jetzt an den Abenden oft müde. Es -handelte sich ja nicht nur darum, ein Sägewerk zu bauen -und damit Punktum, alles andere mußte auch getan werden. -Das Heu war unter Dach, aber das Korn stand noch -draußen und färbte sich allmählich golden, bald mußte -es geschnitten und untergebracht werden, und auch die -Kartoffelernte stand vor der Tür. — Aber Isak hatte -eine ausgezeichnete Hilfe an seinen Jungen. Er bedankte -sich indes nicht bei ihnen, das war nicht Sitte unter Leuten -wie er und die Seinen, aber er war ungeheuer zufrieden -mit ihnen. Ab und zu, jedoch nur selten einmal, -setzten sie sich wohl auch mitten in der Arbeit zusammen -und unterhielten sich miteinander, und da konnte der -Vater sich im Ernst mit den Jungen darüber beraten, -was sie zuerst und was nachher tun wollten. Das waren -stolze Augenblicke für Eleseus und Sivert, und sie lernten -dabei wohl zu überlegen, ehe sie redeten, um nicht unrecht -zu bekommen. — Es wäre doch schlimm, wenn wir -das Sägewerk nicht unter Dach brächten, ehe die Herbststürme -einsetzen, sagte der Vater.</p> - -<p>Wenn nur Inger noch wie in den alten Tagen gewesen -wäre! Aber Ingers Gesundheit war wohl eben leider -nicht mehr so gut wie früher, was ja auch nach der langen -Einsperrung nicht anders zu erwarten war. Daß ihr Sinn -sich verändert hatte, war eine Sache für sich, ach, sie war -jetzt so viel weniger nachdenklich, war gleichsam oberflächlicher, -leichtsinniger. Von dem Kinde, das sie umgebracht -hatte, sagte sie: Ich bin eine recht dumme Person -gewesen, wir hätten sie operieren und ihren Mund<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> -zunähen lassen können, dann hätte ich nicht nötig gehabt, -sie zu erwürgen. Und niemals ging sie hinaus in den -Wald an ein kleines Grab, wo sie einstmals die Erde mit -den Händen zusammengescharrt und ein kleines Kreuz -darauf gesetzt hatte.</p> - -<p>Aber Inger war keine unmenschliche Mutter, sie sorgte -treulich für ihre anderen Kinder, hielt sie in Ordnung, -nähte für sie und konnte bis spät in die Nacht hinein -aufsitzen, um ihre Kleider zu flicken. Es war ihr höchster -Traum, daß etwas Rechtes aus ihnen werden sollte.</p> - -<p>Dann wurde das Korn eingefahren, dann wurden die -Kartoffeln herausgehackt, und dann wurde es Winter. -Ach nein, das Sägewerk kam nicht unter Dach im Herbst! -Aber da war nun nichts zu machen, es ging ja auch nicht -ums Leben, und bis zum Sommer kam wohl Zeit und -Rat.</p> - - - -<h3>13</h3> - - -<p>Und im Winter kam die gewohnte Arbeit an die -Reihe, Holz wurde gefahren, die Wirtschaftsgeräte -und die Fuhrwerke wurden hergerichtet, Inger -versorgte das Haus, schaffte und nähte, und die Jungen -waren wieder für lange Zeit in der Schule. Seit mehreren -Jahren schon hatten sie miteinander ein Paar Schneeschuhe -gehabt, und dies eine Paar hatte für beide genügt, -solange sie daheim gewesen waren. Da hatte der eine gewartet, -solange der andere lief, oder der eine stellte sich -hinter dem andern auf. Oh, es war gut gegangen, etwas -Schöneres hatten sie sich gar nicht vorstellen können, sie -waren unschuldig. Aber drunten im Dorf waren die Verhältnisse -größer, in der Schule wimmelte es von Schneeschuhen, -ja, es zeigte sich, daß sogar die Kinder auf Breidablick -jedes ein eigenes Paar hatte. Da mußte schließlich<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span> -Isak ein neues Paar für Eleseus machen, und Sivert -durfte die alten behalten.</p> - -<p>Isak tat mehr, er kaufte den Jungen Winteranzüge -und unzerreißbare Stiefel. Aber als dies getan war, ging -Isak zum Kaufmann und bestellte einen Ring. — Einen -Ring? fragte der Kaufmann. — Ja, einen Fingerring. -Ich bin so hoffärtig geworden, daß ich meiner Frau einen -Fingerring schenken will. — Soll es ein silberner oder -ein goldener sein oder nur einer aus Messing, der im -Goldbad gewesen ist? — Es soll ein silberner sein. — -Der Kaufmann überlegte lange, dann sagte er: Wenn du -das tun willst, Isak, und wenn du deiner Frau einen -Ring verehren willst, den sie zeigen kann — so kaufe ihr -einen goldenen Ring. — Was? sagte Isak laut. Aber im -innersten Herzen hatte er wohl selbst an einen goldenen -Ring gedacht.</p> - -<p>Sie besprachen es nach allen Richtungen und einigten -sich schließlich über Größe und Preis des Ringes; aber -noch immer überlegte Isak und schüttelte den Kopf und -meinte, das sei doch ein teures Stück; aber der Kaufmann -wollte eben durchaus einen echt goldenen Ring -bestellen. Als Isak heimwärts wanderte, war er eigentlich -froh über seinen Entschluß, aber zugleich entsetzte er -sich über die Ausgaben, zu denen einen die Liebe bringen -konnte.</p> - -<p>Es war ein richtiger Schneewinter, und als gegen Neujahr -eine gute Bahn war, fingen die Leute aus dem Dorf -an, Telegraphenstangen über die Moore heraufzufahren -und sie in gewissen Abständen voneinander abzuladen. -Sie fuhren mit vielen Pferden an Breidablick vorüber, -kamen auch an Sellanraa vorbei — schließlich trafen -sie mit anderen Pferden zusammen, die von jenseits des -Gebirges Stangen herauffuhren, und da war die ganze -Linie vollständig.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span></p> - -<p>So verging ein Tag um den andern ohne große Ereignisse. -Was hätte geschehen sollen? Im Frühling begann -man mit dem Aufstellen der Telegraphenstangen, -Brede Olsen war auch wieder dabei, obgleich er die Frühjahrsarbeit -auf seinem Hofe hätte besorgen sollen. Daß -er Zeit dazu hat! fragte sich Isak wieder.</p> - -<p>Isak selbst hatte kaum Ruhe zum Essen und Schlafen, -er konnte kaum alles zur rechten Zeit fertigbringen, -seine Felder waren jetzt recht groß geworden.</p> - -<p>Aber dann vor der Erntezeit brachte er das Sägewerk -unter Dach und konnte sich nun an das Einsetzen der -Säge machen. Seht, es war kein Wunderwerk von einem -Holzbau, den er fertiggebracht hatte, aber der Bau war -riesenstark und stand nun da und war von großem -Nutzen. Die Säge ging, die Säge schnitt, Isak hatte seine -Augen gebraucht, wenn er drunten im Dorf in der Sägemühle -gewesen war, und hatte sich alles wohl gemerkt. -Es war eine herzlich kleine Sägemühle, die er da errichtet -hatte, aber er war zufrieden mit ihr, er hieb die Jahreszahl -über der Tür ein und setzte sein Hauszeichen darunter.</p> - -<p>Und in diesem Sommer ereignete sich nun doch mehr -als gewöhnlich auf Sellanraa.</p> - -<p>Die Telegraphenarbeiter waren jetzt so weit heraufgekommen, -daß die erste Gruppe eines Abends an dem -Hofe anklopfte und um Obdach bat. Die Leute durften -in der Scheune schlafen. Als die Tage vergingen, kam -auch die zweite Gruppe, und alle fanden Obdach auf -Sellanraa. Die Linie wurde am Hof vorbei weiter hinaufgeführt, -aber die Leute kamen trotzdem noch auf den -Hof, um da zu übernachten. Und an einem Samstagabend -erschien der Ingenieur, um die Löhne auszuzahlen.</p> - -<p>Als Eleseus den Ingenieur sah, bekam er Herzklopfen, -und er schlich sich zur Tür hinaus, um nicht nach dem -farbigen Bleistift gefragt zu werden. Ach, das war ein<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> -böser Augenblick, und Sivert kam auch nicht heraus, an -dem er ein wenig eine Stütze hätte haben können! Wie -ein bleiches Gespenst glitt Eleseus um die Hausecke; endlich -traf er die Mutter. Eleseus bat sie gleich, sie möchte -Sivert herausschicken, er konnte sich nicht anders helfen.</p> - -<p>Sivert nahm die Sache weniger schwer, er hatte ja -auch nicht die große Schuld auf sich liegen. Die Brüder -setzten sich in ziemlicher Entfernung nieder, und Eleseus -sagte: Wenn du es auf dich nehmen würdest! — Ich? -sagte Sivert. — Denn du bist soviel kleiner, dir würde -er nichts tun. — Sivert überlegte, er sah, daß der Bruder -in großer Not war, und es schmeichelte ihm auch, -daß Eleseus ihn brauchte. — Ich könnte dir vielleicht -eine Handreichung tun, sagte er altklug. — Du mußt es -tun! rief Eleseus und drückte einfach seinem Bruder das -Stückchen, das noch von dem farbigen Bleistift übrig -war, in die Hand. Es soll dir gehören, sagte er.</p> - -<p>Sie wollten miteinander wieder hineingehen, aber -Eleseus sagte, er habe noch etwas am Sägewerk zu tun -oder vielmehr im Mahlhaus, etwas, was er nachsehen -müsse, es gehe nicht so schnell, er werde kaum vor einer -guten Weile fertig sein. Sivert ging allein hinein.</p> - -<p>Da saß der Ingenieur mit Silbergeld und Banknoten -vor sich und zahlte die Löhne aus. Als das geschehen war, -setzte ihm Inger einen Topf Milch nebst Glas vor, und -er war dankbar dafür. Er trank. Dann plauderte er mit -der kleinen Leopoldine, und als er die Zeichnungen an -den Wänden sah, fragte er gleich, wer denn der Meister -sei, der sie gemacht habe. Bist du es? fragte er Sivert. -Der Ingenieur wollte sich wohl bei der Mutter für die -Gastfreundschaft dankbar erweisen. Er erfreute die Mutter, -indem er die Zeichnungen lobte, und Inger gab eine -gute Erklärung. Ihre Buben hätten die Zeichnungen gemacht, -beide Buben; bis sie heimgekommen und dafür -gesorgt habe, hätten die Kinder kein Papier gehabt und<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span> -deshalb die Wände bekritzelt, nun habe sie das Herz -nicht, es abzuwaschen. — Laß es nur stehen, sagte der Ingenieur. -Papier? sagte er und legte eine Menge großer -Bogen auf den Tisch. Da, zeichnet nur weiter, bis ich das -nächste Mal wiederkomme! Wie steht es denn mit Bleistiften? -— Da trat Sivert ganz einfach mit dem Bleistiftstümpfchen -vor und zeigte, wie klein es war. Und siehe, -er bekam einen neuen, noch ungespitzten farbigen Bleistift! -Zeichnet nur drauflos! Aber macht lieber das Pferd -rot und den Bock blau. Nicht wahr, du hast noch kein -blaues Pferd gesehen?</p> - -<p>Dann ging der Ingenieur wieder fort.</p> - -<p>Am selben Abend kam ein Mann vom Dorf herauf -mit einem Ranzen auf dem Rücken. Er gab einige Flaschen -für die Arbeiter ab und entfernte sich dann wieder. -Aber nachdem er gegangen war, blieb es nicht mehr so -still auf Sellanraa; die Ziehharmonika ertönte, es wurde -laut gesprochen und gesungen und auf dem Hofplatz getanzt. -Einer der Arbeiter forderte Inger zu einem kleinen -Drehum auf, und Inger — ja, wer verstand sich auf sie? -Sie kicherte und tanzte wahrhaftig ein paarmal im Kreise -herum. Als dies getan war, wollten die andern auch mit -ihr tanzen, und da tanzte sie recht flott mit.</p> - -<p>Wer verstand sich auf Inger! Hier tanzte sie nun vielleicht -ihren ersten seligen Tanz in ihrem Leben; man riß -sich um sie, dreißig Männer waren hinter ihr her, sie war -allein, die einzige, die gewählt werden konnte, keine andere -stach sie aus. Und wie flott diese riesenhaften Telegraphenarbeiter -sie vom Boden aufhoben! Warum nicht -tanzen? Eleseus und Sivert schliefen schon drinnen in der -Kammer wie Säcke trotz des Tumultes auf dem Hofe, -die kleine Leopoldine aber war noch auf und stand dabei -und sah mit großen verwunderten Augen den Sprüngen -der Mutter zu.</p> - -<p>Isak war indessen die ganze Zeit nach dem Abendessen<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span> -draußen auf dem Feld gewesen. Als er wieder hereinkam, -um zu Bett zu gehen, wurde ihm aus einer Flasche zu -trinken angeboten, und er trank auch ein wenig. Er setzte -sich, nahm Leopoldine auf den Schoß und sah dem Tanzen -zu. Da kannst du dich ordentlich herumschwingen! -sagte er gutmütig zu Inger. Da kannst du wahrlich die -Füße regen!</p> - -<p>Aber nach einer Weile hörte der Musikant auf zu spielen, -und der Tanz war vorbei. Die Arbeiter machten sich -nun fertig, den noch übrigen Teil der Nacht und den -ganzen nächsten Tag im Dorf zu verbringen und erst am -Montagmorgen wiederzukommen. Bald lag Sellanraa -wieder ganz still da, nur ein paar ältere Männer blieben -zurück und legten sich in der Scheune schlafen.</p> - -<p>Isak sah sich nach Inger um, damit sie hineingehe -und Leopoldine zu Bett bringe; als er sie dann nirgends -erblickte, ging er hinein und legte das Kind zu Bett. Und -er selbst ging auch zur Ruhe.</p> - -<p>Gegen Morgen erwachte er, aber Inger war nicht da. -Ist sie im Stall? dachte er. Dann stand er auf und ging -in den Stall. Inger? fragte er. Keine Antwort. Die Kühe -drehten die Köpfe und sahen ihn an. Alles war still. Aus -alter Gewohnheit zählte er das Vieh, zählte auch das -Kleinvieh, das eine Mutterschaf blieb so gern die Nacht -über draußen — jetzt war es wieder draußen geblieben. -Inger? fragte er wieder. Auch jetzt keine Antwort. Sie ist -doch sicher nicht ganz mit hinunter ins Dorf gegangen, -dachte er.</p> - -<p>Die Sommernacht war hell und warm; Isak blieb eine -Weile unter der Haustür sitzen, dann stand er auf und -ging in den Wald, um nach dem Mutterschaf zu sehen. -Er fand Inger. Inger hier? Ja, Inger und noch einer. -Sie saßen im Heidekraut, Inger ließ seine Schildmütze -auf ihrem Zeigefinger tanzen, sie sprachen miteinander, -Inger war wieder umworben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span></p> - -<p>Isak ging leise zu ihnen hin. Inger wendete sich um -und sah ihn. Da wurde sie weiß wie ein Leintuch, der -Kopf sank ihr auf die Brust, sie ließ die Mütze fallen, -war vernichtet. — Hm! Weißt du, daß das Mutterschaf -wieder fehlt? sagte Isak. Aber das weißt du natürlich -nicht, sagte er.</p> - -<p>Der junge Telegraphenarbeiter hob seine Mütze auf -und verzog sich seitwärts in die Büsche. Ich muß wohl -den anderen nachgehen, sagte er. Ja, gute Nacht, sagte -er und ging. Niemand erwiderte seinen Gruß.</p> - -<p>So, du sitzest hier? sagte Isak. Mußt du hier sitzen?</p> - -<p>Er wendete sich heimwärts, und Inger richtete sich auf -die Knie auf; sie kam auf die Füße und ging ihm nach. -So gingen sie dahin, der Mann voraus, die Frau hinterdrein, -Tandem. Sie kamen heim.</p> - -<p>Inger hatte wohl indessen Zeit gehabt, sich zu fassen. -Und sie faßte sich: Ich wollte gerade nach dem Mutterschaf -sehen, sagte sie, denn ich hatte gesehen, daß es nicht -da war. Dann kam der Mann, er hat mir beim Suchen -geholfen. Wir hatten uns kaum hingesetzt gehabt, als du -kamst. Wo willst du jetzt hin?</p> - -<p>Ich? Ich muß wohl nach dem Tier sehen.</p> - -<p>Nein, jetzt sollst du zu Bett gehen. Und wenn noch -jemand suchen soll, so werde ich es tun. Geh du nur zur -Ruhe, du kannst sie notwendig brauchen. Im übrigen -kann das Schaf auch draußen übernachten, das hat es -schon öfters getan.</p> - -<p>Ja, um von Raubtieren aufgefressen zu werden, sagte -Isak und ging.</p> - -<p>Nein, du darfst nicht! rief sie und holte ihn ein. Du -brauchst Schlaf, ich will gehen.</p> - -<p>Isak ließ sich überreden. Aber er wollte auch nichts -davon hören, daß Inger noch nach dem Schaf suchen -sollte, und so gingen beide hinein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span></p> - -<p>Inger sah sofort nach den Kindern. Sie ging in die -Kammer, trat an das Bett und tat, als sei sie aus den -erlaubtesten Gründen draußen gewesen, ja, sie war nicht -ganz frei davon, mit Isak ein wenig zu liebäugeln, wie -wenn sie von ihm noch eine ganz andere Zuneigung erwartete, -als ihr an dem ganzen Abend entgegengebracht -worden war — denn jetzt hatte er ja eine volle Erklärung, -meinte sie. Aber nein, danke! Isak war nicht so -leicht herumzubringen, er hätte es am liebsten gesehen, -wenn sie so recht betrübt gewesen wäre und nicht gewußt -hätte, was sie vor Reue tun sollte. Das hätte er am liebsten -gesehen. Was war denn das, daß sie im Wald draußen -etwas zusammengesunken war, das ärmliche bißchen -Schrecken, als er sie im Wald entdeckt hatte — was half -das, wenn es so schnell wieder verflog!</p> - -<p>Am nächsten Tag, der doch ein Sonntag war, zeigte -sich Isak noch durchaus nicht versöhnt, er wanderte draußen -umher, sah nach seinem Sägewerk und seiner Mühle -und betrachtete seine Felder, teils mit den Kindern, teils -allein. Als Inger sich einmal anzuschließen versuchte, ging -Isak gleich seines Wegs und sagte: Ich muß an den Fluß -hinauf und nach etwas sehen. Irgend etwas nagte offenbar -an ihm, aber er trug es in der Stille und donnerte -nicht los. Oh, Isak war ein Großer, zum Beispiel Israel, -dem das gelobte Land wohl verheißen war, der jedoch -darum betrogen worden war, aber dennoch gläubig blieb.</p> - -<p>Am Montag war die Stimmung bedeutend leichter, -und als die Tage vergingen, begann der ärgerliche Eindruck -von jener Nacht sich allmählich zu verwischen. Die -Zeit macht gar vieles wieder gut, mit Spucke und Lappen, -mit Schlaf und Essen heilt sie alle Wunden. Isak war -nicht zum schlimmsten dabei gefahren, er hatte nicht einmal -Gewißheit, ob ihm Unrecht angetan worden war, -außerdem hatte er an vieles andre zu denken, denn jetzt -fing die Ernte an. Und schließlich war ja die Telegraphen<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span>linie -bald fertig, dann würde es wohl wieder ruhig auf -dem Hof werden. Eine breite helle Straße zog sich nun -durch den Laubwald hin, in ihrer Mitte standen die Stangen -mit Drähten bis ganz hinauf aufs Gebirge.</p> - -<p>Am nächsten Samstag, an dem die letzte Lohnauszahlung -stattfand, richtete es Isak so ein, daß er von zu -Hause abwesend war; er wollte es selbst so. Er ging mit -Butter und Käse ins Dorf hinunter und kam erst in der -Nacht zum Montag wieder zurück. Die Arbeiter hatten -da alle miteinander die Scheune verlassen, beinahe alle, -der letzte Mann schwankte mit einem Sack auf dem -Rücken eben zum Hof hinaus, beinahe der letzte Mann. -Daß es doch noch nicht ganz sicher war, erriet Isak an -einer Eßkiste, die noch in der Scheune stand; wo der -Eigentümer war, wußte er nicht, wollte es auch nicht -wissen, aber eine Schildmütze lag als anstößiger Beweis -auf der Eßkiste.</p> - -<p>Isak schleuderte die Eßkiste auf den Hofplatz hinaus, -und die Mütze flog hinterdrein, dann schloß er die -Scheune ab, ging in den Stall und guckte durchs Fenster -hinaus. Mag die Kiste da stehen und die Mütze da liegen -bleiben, dachte er wohl; es ist mir einerlei, wem sie gehören, -es ist eine schlechte Kiste, und ich verachte sie, dachte -er wohl. Aber wenn er jetzt seine Eßkiste holen will, dann -wird Isak hinausgehen und ihn ein wenig am Arm nehmen, -daß er blau und grün wird. Und wo der Weg zum -Hof hinausgeht, das soll er auch erfahren!</p> - -<p>Damit verließ Isak das Fenster im Pferdestall und -ging zu den Kühen hinein und sah von dort aus zum Fenster -hinaus und fand keine Ruhe. Die Kiste war mit -einem Strick zusammengeschnürt, der jämmerliche Kerl -hatte nicht einmal ein Schloß daran; der Strick war aufgegangen -— hatte Isak wohl die Kiste zu fest angepackt? -Woher es auch kommen mochte, aber Isak war nicht mehr -so ganz sicher, ob er auch recht gehandelt habe. Bei seinem<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span> -Gang durchs Dorf hatte er nach seinem neuen Reolpflug -gefragt, einem besonders starken zum Umroden von Ödland, -den er bestellt hatte; oh, eine ausgezeichnete Maschine, -eine Gottesgabe, ja, und diese war eben angekommen! -Da war es ihm gewesen, als komme Segen mit ihr -in sein Haus. Die höhere Macht, die die Schritte der -Menschen lenkt, war vielleicht jetzt nahe und sah ihm zu, -ob er den Segen verdiene oder nicht; Isak war immer -mit den höheren Mächten beschäftigt, ja, in einer Herbstnacht -hatte er im Walde draußen Gott mit eigenen Augen -gesehen; das war vor allem ein merkwürdiger Anblick -gewesen.</p> - -<p>Isak ging auf den Hofplatz hinaus und blieb bei der -fremden Kiste stehen. Noch überlegte er, ja, er schob seinen -Hut schief und kratzte sich am Kopfe, dabei sah er ganz -keck und flott aus, wie ein Spanier sah er aus. Aber -dann mußte er ungefähr so gedacht haben: Ach, da stehe -ich und bin weit davon entfernt, ein prächtiger, ausgezeichneter -Mensch zu sein, ich bin ein Hund! Dann schnürte -er den Strick um die Kiste fest zu, hob die Mütze auf und -trug beides wieder in die Scheune hinein. Nun war es -getan.</p> - -<p>Als er wieder aus der Scheune heraustrat und sich -nach der Mühle wandte, weg von seinem Hause, weg von -allem, da stand Inger nicht am Fenster, nein. Nun wohl, -mag sie stehen, wo sie will, übrigens war sie wohl in -ihrem Bett, wo hätte sie sonst sein sollen? Aber in den -alten Tagen, in den ersten unschuldigen Jahren auf der -Ansiedlung, da hatte Inger keine Ruhe gehabt, sondern -war aufgeblieben und hatte auf ihn gewartet, wenn er -auf dem Heimweg vom Dorfe war. Das war jetzt anders -geworden, alles war anders geworden. Auch als er ihr -den Ring gab — ach, hätte etwas mehr mißglückt sein -können? Isak war übermäßig bescheiden gewesen und weit -entfernt, von einem echt goldenen Ring zu sprechen. Es<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span> -ist nichts Besonderes, hatte er gesagt, steck ihn einmal an -den Finger und probier, ob er dir paßt. — Ist das Gold? -fragte sie. — Ja, aber er ist nicht sehr breit, versetzte er. -— Doch! hätte sie erwidern sollen, sie sagte indes: Nein, -aber gerade recht. — Du kannst ihn ja jetzt behalten wie -sonst eine Kleinigkeit, sagte er schließlich niedergeschlagen.</p> - -<p>Aber Inger war doch dankbar für den Ring, sie trug -ihn an der rechten Hand und ließ ihn funkeln, wenn sie -nähte; ab und zu durften ihn die Mädchen anprobieren -und ihn eine Weile am Finger behalten, wenn sie bei ihr -waren und sie wegen eines neuen Kleides um Rat fragten. -Begriff denn Isak nicht, daß sie ungeheuer stolz auf -den Ring war! ...</p> - -<p>Aber es war sehr einsam, da in der Mühle zu sitzen -und die ganze lange Nacht dem Brausen des Sturzbaches -zuzuhören. Isak hatte nichts Unrechtes getan und brauchte -sich nicht zu verstecken, er ging also von der Mühle fort, -heimwärts, in sein Haus. —</p> - -<p>Und nun wurde Isak ganz beschämt, wahrlich beschämt -und froh. Brede Olsen saß da, der Nachbar, niemand -anderer, er saß da und trank Kaffee. Ja, Inger war auf, -die beiden saßen nur beieinander und tranken Kaffee. -Da ist Isak! sagte Inger in freundlichem Ton, indem sie -aufstand und ihm auch eine Schale Kaffee einschenkte. -Guten Abend! sagte Brede ebenso freundlich.</p> - -<p>Isak merkte wohl, daß Brede bei dem Abschiedsfest der -Telegraphenarbeiter mit dabei gewesen war; er sah übernächtigt -aus, aber das tat nichts, er war fröhlich und -freundlich. Natürlich tat er ein wenig groß: Eigentlich -habe er keine Zeit zu dieser Telegraphenarbeit, denn er -habe ja seinen Hof, aber er habe nicht nein sagen können, -der Ingenieur sei so sehr in ihn gedrungen. Und dann -habe es ja auch dazu geführt, daß Brede nun die Inspektorstelle -über die Linie übernehmen müsse. Es sei -nicht wegen der Bezahlung, sagte Brede, er könnte im<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span> -Dorf drunten viel mehr verdienen, aber er habe nicht ungefällig -sein wollen. Nun habe man ihm eine kleine glänzende -Maschine an der Wand angebracht, die sei ganz -unterhaltend, fast ein Telegraph selbst.</p> - -<p>Isak konnte mit dem besten Willen über diesen Prahlhans -und Faulpelz nicht böse sein, dafür fühlte er sich zu -erleichtert, als er an diesem Abend anstatt eines Fremden -seinen Nachbar in seinem Hause vorfand. Isak hatte -das Gleichgewicht des Bauern, dessen einfache Gefühle, -dessen Handfestigkeit, dessen Langsamkeit; er stimmte -Brede zu und nickte zu seiner Oberflächlichkeit. Hast du -nicht noch eine Schale Kaffee für Brede? fragte er Inger. -Und Inger schenkte ein.</p> - -<p>Übrigens erzählte Inger, der Ingenieur sei ein ganz -ausgezeichnet freundlicher Herr. Er habe sich die Zeichnungen -und das Geschriebene der Kinder angesehen und -habe dann gesagt, er wolle Eleseus zu sich nehmen. — -Zu sich nehmen? fragte Isak. — Ja, mit in die Stadt. -Er solle für ihn schreiben, solle Schreiber auf seinem -Büro werden, so sehr hätten ihm Eleseus' Zeichnungen -und das Geschriebene gefallen. — So, sagte Isak. — -Ja, was meinst du dazu? Er will ihn auch dort konfirmieren -lassen. Das sind doch schöne Aussichten, nicht -wahr? — Das meine ich auch, sagte Brede. Und soweit -kenne ich den Ingenieur, wenn der schon so etwas sagt, -dann meint er es auch. — Wir haben hier auf der Ansiedlung -keinen Eleseus, den wir entbehren könnten, sagte -Isak.</p> - -<p>Nach diesen Worten wurde es eine Weile ganz still und -unbehaglich in der Stube. Natürlich war Isak nicht der -Mann, mit dem sich reden ließ. — Wenn nun aber der -Junge selbst vorwärtskommen will, und wenn er das -Genie hat, etwas Rechtes zu werden! sagte Inger schließlich. -— Wieder Stille. Doch nun sagte Brede lächelnd: -Wenn doch der Ingenieur eines von meinen Kindern neh<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span>men -wollte! Ich habe genug Kinder. Aber das älteste ist -die Barbro, und das ist ein Mädchen. — Ja, ja, die -Barbro ist recht und gut, sagte Inger, um höflich zu -sein. — O ja, daran fehlt es nicht, stimmte Brede bei, -die Barbro ist ein tüchtiges Mädchen, sie kommt jetzt -zum Lensmann in Dienst. — Zum Lensmann? — Ja, -ich habe es durchaus versprechen müssen. Die Frau Lensmann -hat mir gar keine Ruhe gelassen.</p> - -<p>Es war jetzt schon gegen Morgen, und Brede rüstete -sich zum Aufbruch. — Ich habe noch meine Mütze und -meine Eßkiste in eurer Scheune stehen, sagte er. Wenn -nicht etwa die Burschen alles miteinander mitgenommen -haben, fügte er scherzhaft hinzu.</p> - - - -<h3>14</h3> - - -<p>Und die Zeit verging.</p> - -<p>Ja, natürlich kam Eleseus in die Stadt, Inger -setzte es durch. Nachdem er ein Jahr dort gewesen -war, wurde er konfirmiert, dann blieb er fest auf dem -Büro des Ingenieurs und wurde immer tüchtiger im -Schreiben. Oh, was waren das für Briefe, die er heimschickte, -bisweilen mit roter und blauer Tinte geschrieben, -die reinen Gemälde! Und wie die Sprache darin, die -Sätze! Ab und zu bat Eleseus um Geld, bat um Unterstützung: -er brauchte Geld zu einer Taschenuhr samt Kette, -damit er am Morgen nicht zu lange schlief; dann zu einer -Pfeife und Tabak, wie es die andern jungen Schreiber in -der Stadt hatten; dann zu etwas, das er Taschengeld -nannte; dann zu etwas, das Abendschule hieß, wo er -Zeichnen und Turnen und andere für seinen Stand und -seine Stellung notwendige Dinge lernte. Alles in allem -war Eleseus in einer Stellung in der Stadt nicht billig -zu haben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span></p> - -<p>Taschengeld? fragte Isak. Ist das Geld, das man in -der Tasche hat? — Ja, das muß wohl so sein, man tut -es wohl, damit man nicht ganz leer daherkommt. Und es -ist ja gar nicht so viel, ein Taler ab und zu. — Ganz -richtig, ein Taler hier und ein Taler dort, antwortete -Isak zornig. Aber er war zornig, weil Eleseus ihm fehlte -und er ihn daheim haben wollte. Aber schließlich werden -es viele Taler, fuhr er fort. Ich kann das nicht leisten, du -mußt ihm schreiben, daß er nichts mehr bekommt. — So, -na ja, sagte Inger beleidigt. — Der Sivert, was bekommt -denn der als Taschengeld? fragte Isak. — Inger -erwiderte: Du bist nie in einer Stadt gewesen und verstehst -das nicht, der Sivert braucht kein Taschengeld. Und -im übrigen kommt der Sivert nicht zu kurz, wenn sein -Oheim Sivert einmal stirbt. — Das weißt du nicht. — -Doch, das weiß ich.</p> - -<p>Und das war gewissermaßen richtig, der Oheim Sivert -hatte sich dahin ausgesprochen, daß Klein-Sivert ihn beerben -solle. Oheim Sivert hatte an Eleseus' Prahlerei -und Vornehmtuerei in der Stadt Anstoß genommen, er -hatte genickt und die Lippen zusammengekniffen und gesagt, -ein Schwestersohn, der nach ihm genannt sei — nach -dem Oheim Sivert — brauche keineswegs zu verhungern. -Aber was besaß der Oheim Sivert wohl? Besaß er neben -seinem vernachlässigten Hof und seinem Bootsschuppen -auch noch einen so großen Haufen Geld, wie man allgemein -annahm? Niemand wußte es. Und dazu kam noch, -daß Oheim Sivert ein eigensinniger Mensch war, er verlangte, -Klein-Sivert solle zu ihm kommen und bei ihm -bleiben. Oheim Sivert betrachtete das als Ehrensache: -er wollte Klein-Sivert zu sich nehmen, wie der Ingenieur -Eleseus zu sich genommen hatte. Aber wie sollte Klein-Sivert -von zu Hause wegkommen? Das war unmöglich. -Er war des Vaters einzige Hilfe. Außerdem hatte der -Junge auch keine große Lust, zu dem Oheim zu gehen,<span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span> -dem berühmten Bezirkskassierer; er war schon einmal dort -gewesen, aber dann lieber wieder heimgegangen. Er war -jetzt konfirmiert, reckte und streckte sich und wuchs heran, -feiner Flaum sproßte ihm auf den Wangen, und er hatte -starke Hände mit Schwielen daran. Er schaffte wie ein -Mann.</p> - -<p>Isak hätte ohne Siverts Hilfe niemals die neue -Scheune aufrichten können, aber jetzt stand sie mit der -Einfahrtsbrücke und den Luken und allem ebenso groß da -wie die Pfarrscheune selbst. Natürlich war sie nur aus -Fachwerk mit Bretterverschalung, aber besonders solid -gebaut mit eisernen Klammern an den Ecken und mit -zolldicken Brettern aus der eigenen Sägemühle verschalt. -Ja, und da hatte Klein-Sivert mehr als einen Nagel -eingeschlagen und hatte die schweren Balken fürs Sparrenwerk -aufgehoben, daß er fast darunter umgesunken -war. Sivert verstand sich ausgezeichnet mit seinem Vater -und arbeitete ständig an seiner Seite, er war von des -Vaters Art. Und er war nicht so fein und so verwöhnt, -sondern ging nur jedesmal, ehe er sich auf den Weg zur -Kirche machte, auf die Halde hinauf und rieb sich mit ein -wenig Rainfarn ab, um einen guten Geruch an sich zu -haben. Da fing wahrlich die kleine Leopoldine an, größere -Ansprüche zu machen, was man ja auch nicht anders erwarten -konnte, da sie ein Mädchen und dazu die einzige -Tochter war. Jetzt im Sommer hatte sie ihre abendliche -Grütze nicht ohne Sirup darauf essen können, nein, das -gewann sie nicht über sich. Und sie leistete auch nicht viel -bei der Arbeit.</p> - -<p>Inger hatte den Gedanken an ein Dienstmädchen nicht -aufgegeben, und jeden Frühling hatte sie aufs neue davon -angefangen, aber jedesmal war Isak unnachgiebig -geblieben. Wieviel mehr Kleider hätte sie zuschneiden -können, wieviel mehr nähen und feine Stoffe weben und -gestickte Pantoffeln fertigbringen, wenn sie Zeit gehabt<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span> -hätte! Aber eigentlich zeigte sich Isak gar nicht mehr so -unnachgiebig wie früher, wenn er auch noch brummte. -Hoho, beim erstenmal hatte er eine lange Rede gehalten, -nicht aus Rechtsgefühl und Verständigkeit, auch nicht -aus Hochmut, sondern leider nur aus Schwäche, aus -Wut. Aber jetzt war es, als habe er etwas nachgegeben, -und als schäme er sich.</p> - -<p>Wenn ich Hilfe im Haus haben soll, so ist jetzt die -Zeit dazu, sagte Inger. Denn später ist Leopoldine größer -und kann dies und jenes tun. — Hilfe? fragte Isak, -wobei sollst du dir denn helfen lassen? — Wobei ich mir -helfen lassen will? Läßt du dir etwa nicht helfen? Wozu -ist denn Sivert da?</p> - -<p>Was sollte Isak auf solchen Unverstand entgegnen? Er -sagte: Ja, ja, wenn du eine Magd bekommst, dann werdet -ihr wohl pflügen und ernten und den Hof besorgen. -Dann können Sivert und ich unserer Wege gehen.</p> - -<p>Wie das auch sein mag, entgegnete Inger, jedenfalls -könnte ich jetzt Barbro als Magd bekommen, sie hat -ihrem Vater darüber geschrieben. — Welche Barbro? -fragte Isak. Etwa Bredes Barbro? — Ja, sie ist in Bergen. -— Bredes Barbro will ich nicht hier in meinem -Hause haben, sagte er. Wen du auch sonst nehmen magst, -fügte er hinzu.</p> - -<p>Er wies also nicht jede andere zurück.</p> - -<p>Seht, in Barbro von Breidablick hatte Isak kein Vertrauen; -sie war unbeständig und oberflächlich wie der -Vater — vielleicht auch wie die Mutter —, war flüchtigen -Sinnes, ohne Ausdauer. Beim Lensmann war sie nicht -lange geblieben, nur ein Jahr; als sie dann konfirmiert -war, kam sie zum Kaufmann, blieb aber auch da nur -ein Jahr. Dann war sie erweckt und fromm geworden, -und als die Heilsarmee ins Dorf kam, trat sie in diese ein, -bekam eine rote Binde um den Arm und eine Gitarre -in die Hände. In dieser Ausstaffierung reiste sie auf der<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span> -Jacht des Kaufmanns nach Bergen. Das war im vorigen -Jahr gewesen, und jetzt eben hatte sie ihre Photographie -heim nach Breidablick geschickt; Isak hatte sie gesehen: -ein fremdes Fräulein mit gekräuseltem Haar und einer -langen Uhrkette über die Brust herunter. Die Eltern -waren stolz auf ihre kleine Barbro und zeigten das Bild -jedem, der an Breidablick vorbeikam; es war großartig, -wie sie sich herausgemacht hatte, und sie hatte keine rote -Binde mehr um den Arm und keine Gitarre mehr in den -Händen.</p> - -<p>Ich habe es mitgenommen und es der Frau des Lensmanns -gezeigt, die erkannte sie gar nicht wieder, sagte -Brede. — Bleibt sie in Bergen? fragte Isak mißtrauisch. -— Sie bleibt in Bergen, solange sie dort ihr Brot verdient, -antwortete Brede. Wenn sie nicht lieber nach Christiania -reist, setzte er hinzu. Was soll sie hier daheim! -Sie hat jetzt eine neue Stelle, ist Haushälterin bei zwei -Junggesellen, feinen Kontorherren. Und was sie für einen -großen Lohn hat! — Wieviel? fragte Isak. — Das gibt -sie in ihrem Brief nicht genau an. Aber daß er etwas -Ungeheures ist gegen hier im Dorf, das merke ich daran, -daß sie Weihnachtsgeschenke und viele andere Geschenke -bekommen hat, ohne daß am Lohn etwas abgezogen worden -wäre. — So, sagt Isak. — Ja, du möchtest sie -wohl nicht als Magd haben? fragte Brede. — Ich? entfuhr -es Isak. — Nein, hehe, ich hab' nur so gefragt. -Denn die Barbro soll nur bleiben, wo sie ist. Aber was -ich sagen wollte: Du hast nichts Besonderes am Telegraphen -droben bemerkt? — Am Telegraphen? Nein. — -Ach nein, es ist nicht oft etwas in Unordnung daran, seit -ich ihn übernommen habe. Und dann habe ich ja meine -eigene Maschine an der Wand, die mir's anzeigt, wenn -etwas daran fehlt. In den nächsten Tagen muß ich aber -einmal die Linie abschreiten und nachsehen. Ich habe eben -viel zuviel zu tun und zu besorgen, ein einziger Mann<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> -kann das nicht alles leisten. Aber da ich nun einmal Inspektor -hier bin und dies öffentliche Amt habe, muß ich -ihm eben auch nachkommen, solange ich es habe. — Isak -fragte: Du denkst doch nicht daran, es aufzugeben? — -Ich weiß nicht, antwortete Brede, ich bin noch nicht entschlossen. -Aber man läßt mir keine Ruhe, ich soll wieder -ins Dorf hinunterkommen. — Wer läßt dir keine Ruhe? -fragte Isak. — Alle miteinander. Der Lensmann möchte -mich wieder als Gerichtsdiener, dem Doktor fehle ich -zum Überlandfahren, und die Frau Pfarrer hätte mich -schon mehr als einmal zur Hilfe haben wollen, wenn -nur nicht der Weg so weit wäre. Nun, wie war es denn, -Isak, hast du wirklich so viel Geld für deinen Berg bekommen? -— Ja, das ist nicht gelogen, antwortete Isak. -— Aber was wollte denn der Geißler damit? Nun liegt -er da. Das ist doch etwas Merkwürdiges. Jetzt ist ein -Jahr ums andere darüber hingegangen. — Isak hatte -selbst oft über dieses Rätsel nachgegrübelt, er hatte auch -mit dem Lensmann darüber geredet, hatte nach Geißlers -Adresse gefragt, um ihm zu schreiben. Gewiß war die -Sache merkwürdig. — Ich weiß nichts, sagte Isak.</p> - -<p>Brede verbarg nicht, daß ihn dieser Handel mit dem -Berg sehr interessiere: Es heißt, es seien noch mehrere -Berge wie die deinigen droben in der Allmende, sagte -er; da können große Dinge drin sein, wir aber gehen hier -umher wie die stummen Tiere und sehen es nicht. Ich -habe mich nun entschlossen, an einem Tag einmal hinaufzugehen -und da zu untersuchen. — Ach so, du verstehst -dich auf Felsen und Gesteinsarten? fragte Isak. — Ja, -ein wenig schon, und ich habe auch andere darüber befragt. -Und wie es auch sein mag, so muß ich irgend etwas -für mich finden, ich kann mit all den Meinen nicht von -dem Hofe hier leben. Zum Kuckuck, das ist einfach unmöglich. -Bei dir ist es ganz anders, du hast lauter Wald -und guten Ackerboden. Bei mir ist nichts als Moor. —<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> -Moor ist guter Boden, sagte Isak kurz. Ich habe selbst -Moor. — Es ist ganz unmöglich, es auszutrocknen, erwiderte -Brede ...</p> - -<p>Aber es war nicht unmöglich, das Moor auszutrocknen. -Als Isak an diesem Tag weiter hinunterkam, stieß er -auf neue Ansiedlungen. Zwei lagen weiter unten, dem -Dorfe zu, aber eine war hoch droben zwischen Breidablick -und Sellanraa — oh, es wurde allmählich im Ödland -gearbeitet, in Isaks erster Zeit lag es ganz menschenleer -da. Und diese drei Ansiedler waren von auswärts, es -schienen Leute mit Verstand zu sein; das erste, was sie -taten, war nicht, Geld aufzunehmen und sich ein Haus -zu bauen, sie kamen in einem Jahr her, zogen Gräben -und verschwanden wieder, genau wie wenn sie gestorben -wären. Das war die richtige Art: Gräben ziehen, pflügen, -säen. Axel Ström war jetzt Isaks nächster Nachbar, ein -tüchtiger Mann, Junggeselle, von Geburt ein Helgeländer; -er hatte Isaks neuen Reolpflug entlehnt, um seinen -Moorboden damit umzupflügen, und erst im zweiten -Jahr hatte er sich einen Heuschuppen und eine Gamme -errichtet und sich ein paar Stück Vieh angeschafft. Sein -Besitztum hieß Maaneland, Mondland, weil der Mond -so schön darauf schien. Er hatte keine eigene Frauensperson -zur Hilfe, und Hilfe im Sommer war an diesem -abgelegenen Ort nur schwer zu haben, aber wie er seine -Arbeit einteilte und ausführte, das war ganz und gar -die richtige Art. Oder hätte er etwa wie Brede zuerst ein -Haus bauen und dann mit seiner Familie und vielen -kleinen Kindern ins Ödland kommen sollen, ohne Vieh -oder Äcker, von denen er leben konnte? Was verstand -Brede Olsen vom Entwässern des Moores oder Urbarmachen -des Ödlandes?</p> - -<p>Brede Olsen verstand es, die Zeit mit Lappalien zu -vergeuden; da kam er wirklich eines Tages an Sellanraa -vorüber und wollte hinauf auf die Berge, um nach edlen<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span> -Metallen zu suchen! Am Abend kehrte er zurück, hatte -aber nichts Bestimmtes gefunden. Nur ein paar Anzeichen, -sagte er und nickte dazu. Er wollte den Gang -bald noch einmal machen und wollte auch die Berge nach -Schweden zu untersuchen.</p> - -<p>Und ganz richtig, Brede kam wieder. Er hatte wohl -Geschmack daran gewonnen, er schob es auf die Telegraphenlinie, -er müsse sie nachsehen. Indessen versorgten -Frau und Kinder den Hof daheim oder ließen alles ungetan -liegen. Isak bekam Bredes Besuche bald satt, und -er ging aus dem Hause, wenn er kam. Dann schwätzten -Inger und Brede herzlich miteinander. Was konnten sie -nur zu schwätzen haben? Oh, Brede war oft im Dorf -drunten und wußte immer etwas Neues von den Großen -dort, Inger aber hatte ihrerseits ihre berühmte Reise nach -Drontheim und ihren Aufenthalt, von dem sie erzählen -konnte. In den Jahren, die sie fortgewesen war, hatte sie -schwätzen gelernt, sie fing mit jedermann gleich eine -Unterhaltung an. Nein, sie war nicht mehr dieselbe treuherzige, -rechtschaffene Inger von früher.</p> - -<p>Immer noch kamen Frauen und Mädchen nach Sellanraa, -um sich Kleider zuschneiden oder im Handumdrehen -wohl auch einen langen Saum auf der Maschine -nähen zu lassen, und Inger unterhielt sie gut dabei. -Auch Oline kam wieder, sie konnte es wahrscheinlich -nicht aushalten, wegzubleiben, denn sie kam sowohl im -Frühjahr als im Herbst, aalglatt, butterweich und falsch. -— Ich mußte einmal sehen, wie es bei euch steht, sagte -sie jedesmal. Und ich habe so Heimweh nach den kleinen -Knaben, sagte sie, ich habe sie so in mein Herz geschlossen, -die lieben Engel, die sie damals waren. Ja, ja, jetzt sind -es große Burschen; aber es ist ganz merkwürdig, ich muß -immer daran denken, wie sie noch so klein waren und -ich für sie zu sorgen hatte. Und ihr baut und baut und -macht den Hof zu einer ganzen Stadt. Werdet ihr auch<span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span> -eine Glocke auf dem neuen Scheunendach anbringen, gerade -wie im Pfarrhaus?</p> - -<p>Als Oline wieder einmal auf Sellanraa ankam, brachte -sie eine andere Frau mit, und die beiden Frauen und -Inger hatten einen guten Tag zusammen. Je mehr Menschen -Inger um sich herumsitzen hatte, desto besser und -desto schneller hantierte sie mit der Schere und nähte auf -der Maschine; sie tat groß, schwang ihre Schere oder -das Plätteisen. Das erinnerte sie an die Zeit in der Anstalt, -wo sie so viele gewesen waren. Inger verbarg durchaus -nicht, wo sie ihre Kunst und ihr Wissen her hatte, -von Drontheim hatte sie's. Es war, als habe sie nicht auf -gewöhnliche Weise dort eine Strafe abgesessen, sondern -als sei sie in der Lehre gewesen: Schneidern, Weben, -Färben und Schreiben, in all dem hatte sie Unterricht in -Drontheim gehabt. Von der Anstalt redete sie mit einem -gewissen Heimatgefühl, es waren so viele Leute dagewesen: -Vorsteher und Aufsichtsbeamte und Wächter; als -sie damals wieder heimgekommen war, sei es sehr einsam -für sie gewesen, und es sei ihr überaus hart gefallen, -sich von dem Gesellschaftsleben, an das sie nun gewohnt -gewesen, zurückzuziehen. Sie tat sogar, als habe sie sich -erkältet, weil sie in der rauhen Luft draußen gewesen -war, ja, noch jahrelang nach ihrer Rückkehr sei es ihr -nicht gut bekommen, in Wind und Wetter draußen zu -sein. Zu der Arbeit außer dem Hause müßte sie eigentlich -eine Magd haben. — Ja, aber Herrgott im Himmel, -sagte Oline, du mit deiner Gelehrsamkeit und mit deinem -großen Haus, du müßtest doch eine Magd halten können!</p> - -<p>Es war recht angenehm, auf Verständnis zu stoßen, -und Inger widersprach Oline nicht. Sie rasselte mit ihrer -Maschine, daß es dröhnte, und ließ den Ring an ihrem -Finger funkeln.</p> - -<p>Nun siehst du selbst, sagte Oline zu der andern Frau, -ist es nicht wahr, daß Inger einen goldenen Ring be<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span>kommen -hat? — Wollt ihr ihn sehen? fragte Inger und -zog ihn ab. Oline griff danach, sie schien nicht ganz sicher -zu sein und untersuchte den Ring, wie ein Affe eine Nuß -untersucht: sah auch nach dem Stempel: Ja, es ist, wie -ich sagte, diese Inger mit all ihrem Reichtum und all -ihren Mitteln. — Die andere Frau nahm den Ring mit -Ehrfurcht in die Hand und lächelte demütig. — Du darfst -ihn eine Weile anbehalten, sagte Inger. Steck ihn nur -an, er geht nicht entzwei!</p> - -<p>Und Inger war freundlich und gutherzig. Sie erzählte -von der Domkirche in Drontheim und begann: Ihr habt -wohl die Domkirche in Drontheim nicht gesehen? Nein, -ihr seid ja nicht in Drontheim gewesen! Diese Domkirche -war gleichsam Ingers eigene Domkirche; sie verteidigte -sie, prahlte mit ihr, gab Höhe und Breite an, sie sei wie -ein Märchen! Sieben Pfarrer predigten gleichzeitig in -ihr und hörten doch nichts voneinander. Dann habt ihr -wohl den Brunnen des heiligen Olaf auch nicht gesehen? -Er liegt mitten in der Domkirche auf der einen Seite, -und dieser Brunnen ist grundlos. Als wir da hingingen, -hatten wir einen Stein mitgenommen, und den ließen -wir hineinfallen, aber er erreichte den Grund nicht. — -Er erreichte den Grund nicht! flüsterten die Frauen und -schüttelten die Köpfe. — Aber außerdem sind noch tausend -andere Dinge in der Domkirche! rief Inger entzückt -aus. Da ist nun der silberne Schrein, das ist der Schrein -von Sankt Olaf dem Heiligen, ihm gehört er. Aber die -Marmorkirche, die eine kleine Kirche ganz und gar aus -Marmor war, aber diese Kirche, die haben uns die Dänen -im Krieg genommen ...</p> - -<p>Die Frauen mußten aufbrechen. Oline zog Inger auf -die Seite und mit sich in die Vorratskammer hinein, wo, -wie sie wußte, die Käse lagen, und machte die Tür hinter -sich zu. — Was willst du von mir? fragte Inger. — -Oline flüsterte: Der Os-Anders wagt nicht mehr hierher<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span>zukommen. -Ich habe es ihm gesagt. — Ach so, sagte -Inger. — Ich habe ihm gesagt, er solle es nur wagen, -nach dem, was er dir angetan hat! — Ja, ja, sagte Inger. -Aber er ist seither mehrere Male hier gewesen, und im -übrigen kann er gerne kommen, ich fürchte mich nicht vor -ihm! — Nein, sagte Oline, aber ich weiß, was ich weiß, -und wenn du es willst, werde ich ihn anzeigen. — So, -sagte Inger, nein, das sollst du nicht tun.</p> - -<p>Aber es war ihr nicht widerwärtig, daß Oline auf ihrer -Seite stand; es kostete sie zwar einen kleinen Ziegenkäse, -aber Oline bedankte sich großartig dafür. Es ist, wie ich -sage und immer gesagt habe. Inger besinnt sich nicht -lange, wenn sie gibt, dann gebraucht sie beide Hände. -Nein, du hast keine Angst vor Os-Anders, aber ich habe -ihm nun verboten, dir je wieder unter die Augen zu -kommen. Das war das mindeste, was ich für dich tun -konnte. — Da sagte Inger: Was kann es mir ausmachen, -wenn er kommt, mir kann er nicht mehr schaden. — -Oline spitzte die Ohren: So, hast du ein Mittel dagegen -erfahren? — Ich bekomme keine Kinder mehr, sagte -Inger.</p> - -<p>Da standen sie ja auf gleichem Fuß und hatten beide -gleich gute Trümpfe. Oline wußte ja, daß der Lappe Os-Anders -vorgestern gestorben war ...</p> - -<p>Warum sollte Inger keine Kinder mehr bekommen? -Sie lebte nicht in Feindschaft mit ihrem Mann, sie waren -nicht wie Hund und Katze, weit entfernt! Alle beide hatten -ihre Eigenheiten, aber sie stritten sich selten und nie lange, -nachher war alles wieder gut. Oftmals konnte auch Inger -wieder wie in den alten Tagen sein und im Stall und -auf den Feldern große Arbeit leisten; es war, als ginge -sie da in sich und bekomme gesunde Rückfälle. Dann sah -Isak seine Frau mit dankbaren Augen an, und wenn er -zu denen gehört hätte, die sich gleich aussprechen, würde -er wohl gesagt haben: Was? Hm! Was machst du für<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span> -einen Spaß! oder etwas anderes Anerkennendes. Allein -er schwieg zu lange, und sein Lob kam zu spät. Aber auf -diese Weise machte es Inger keine Freude, und es lag -nichts daran, ständig tüchtig zu sein.</p> - -<p>Sie hätte über fünfzig Jahre alt sein und noch Kinder -bekommen können, aber so wie sie aussah, sich drehte und -wendete, war sie vielleicht nicht einmal vierzig. Alles hatte -sie in der Anstalt gelernt — hatte sie wohl auch einige -Kunstgriffe für ihre Person gelernt? Außerordentlich -wohlüberlegt und wohlunterrichtet kehrte sie von dem -Umgang mit den andern Mörderinnen heim, vielleicht -hatte sie auch dies und jenes von den Herren gehört, -von den Aufsehern, den Ärzten? Einmal erzählte sie Isak, -ein junger Mediziner habe über ihr ganzes Verbrechen -gesagt: Warum sollte man jemand strafen, wenn er Kinder -umbringt, ja, sogar gesunde Kinder, sogar wohlgestaltete? -Die sind da doch nichts anderes als Fleischklumpen. -— Isak erwiderte: War er denn ein Untier? — Er! rief -Inger, und dann erzählte sie, wie gut er gegen sie gewesen -sei, gegen sie, Inger selbst, er gerade habe ja einen -anderen Arzt veranlaßt, ihren Mund zu operieren und -sie zu einem Menschen zu machen. Ja, jetzt habe sie nur -eine Narbe.</p> - -<p>Ja, jetzt hatte sie nur eine Narbe, und sie war eine recht -hübsche Frau geworden, groß, ohne Fettansatz, mit bräunlicher -Haut und dichtem Haarwuchs. Im Sommer ging -sie meist barfuß und hoch aufgeschürzt mit freimütigen -Beinen. Isak sah sie, wer sah sie nicht!</p> - -<p>Sie stritten sich nicht, nein, Isak hatte nicht die Gabe -dazu, und seine Frau war jetzt viel mundfertiger geworden. -Zu einem guten gründlichen Streit brauchte dieser -Klotz, dieser Mühlengeist Zeit, er verwirrte sich in -ihren Worten und brachte nicht viel heraus, und außerdem -hatte er auch ein Herz für sie, eine kräftige Liebe. -Er brauchte sich auch gar nicht oft zu verteidigen, Inger<span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span> -griff ihn nicht an, er war in vieler Beziehung ein ausgezeichneter -Mann, und Inger ließ ihn ungerügt. Worüber -hätte sie sich beklagen sollen? Wahrlich, Isak war -nicht zu verachten, sie hätte einen schlimmeren Mann bekommen -können. War er alt geworden, abgerackert? Freilich -hatte sie Anzeichen von Müdigkeit an ihm bemerkt, -aber nicht so, daß es etwas ausgemacht hätte. Er war, -sozusagen, erfüllt von alter Gesundheit und Unverbrauchtheit -ebenso wie sie, und im Nachsommer ihrer Ehe leistete -er seinen Teil an Zärtlichkeit mindestens ebenso warm -wie sie.</p> - -<p>Aber eine besondere Pracht oder Schönheit war keineswegs -an ihm. Nein, darin war Inger ihm überlegen. -Bisweilen dachte sie wohl auch, sie habe schon Schöneres -gesehen, Männer in feinen Kleidern und mit Spazierstöcken; -Herren mit Taschentüchern und gestärkten Kragen, -o diese Stadtherren! Deshalb behandelte sie Isak -auch nur als den, der er war, sozusagen nur nach Verdienst, -nicht besser: er war ein Ansiedler im Walde; wäre -ihr Mund von jeher recht gewesen, so hätte sie ihn nie -genommen, das wußte sie jetzt. Nein, dann hätte sie einen -andern kriegen können. Diese Heimat, die ihr geworden -war, dieses ganze öde Dasein, das ihr Isak bereitet hatte, -war im Grunde genommen recht mäßig; jedenfalls hätte -sie drunten in ihrer Heimatgemeinde verheiratet sein und -Gesellschaft und Umgang genug haben können, anstatt -hier oben im Ödland eine Hexe zu werden. Hier paßte sie -nicht mehr her, sie hatte jetzt andere Anschauungen.</p> - -<p>War es nicht merkwürdig, wie sich die Ansichten ändern -konnten! Es gelang Inger nicht mehr, sich über ein besonders -schönes Kalb zu freuen oder die Hände vor Verwunderung -zusammenzuschlagen, wenn Isak mit einer -recht großen Beute vom Fischfang heimkam, nein, sie hatte -sechs Jahre lang in größeren Verhältnissen gelebt. Ja, so -ganz allmählich waren auch die Tage vorüber, wo sie ihn<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span> -freundlich und liebreich zu den Mahlzeiten hereinrief. -Jetzt sagte sie: Kommst du denn nicht zum Essen? War -das eine Art! Zuerst wunderte er sich ein wenig über diese -Veränderung, über eine so verdammt verdrießliche und -unhöfliche Art, und er erwiderte: Ich habe nicht gewußt, -daß das Essen fertig ist. — Aber als sie behauptete, er -müsse das doch einigermaßen nach dem Stand der Sonne -wissen, hörte er auf, etwas zu entgegnen und noch ein -Wort darüber zu verlieren.</p> - -<p>Oh, aber einmal, da ertappte er sie und griff tüchtig -zu! Das war, als sie ihm Geld stehlen wollte. Nicht weil -er selbst so sehr aufs Geld aus gewesen wäre, sondern -weil es durchaus und ganz allein ihm gehörte. Hoho, da -hätte sie fürs ganze Leben einen Leibschaden davontragen -können! Und doch war Inger da nicht ganz verworfen -und gottvergessen gewesen; Eleseus sollte ja das Geld -haben, der liebe Eleseus in der Stadt, der wieder um -einen Taler gebeten hatte. Sollte er da zwischen all den -andern feinen Leuten mit leeren Taschen umhergehen -müssen? Hatte sie nicht ein Mutterherz? Sie hatte Geld -von Isak verlangt, und da dies nicht half, hatte sie selbst -zugegriffen. Woher es nun aber kommen mochte, ob Isak -ihr mißtraute, oder ob es ein Zufall war — der böse -Streich wurde jedenfalls gleich entdeckt, und in demselben -Augenblick fühlte sich Inger an beiden Armen gefaßt; -sie fühlte, daß sie zuerst in die Höhe gehoben und dann -schwer auf den Boden gestoßen wurde. Das war etwas -Ungewöhnliches, eine Art Bergsturz. Oh, da waren Isaks -Hände nicht abgeschafft und müde! Inger stöhnte laut -auf, ihr Kopf sank nach hinten, sie zitterte und streckte -ihm den Taler hin.</p> - -<p>Auch jetzt sprach sich Isak nicht weiter aus, obgleich -Inger ihn nicht daran hinderte, zu Wort zu kommen, er -stieß eigentlich nur schnaufend hervor: Prügel gehören -dir, sonst kann man dich nicht mehr im Zaum halten!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span></p> - -<p>Er war nicht wiederzuerkennen. Oh, er machte wohl -lang unterdrücktem Ärger Luft!</p> - -<p>Nun verging ein trauriger Tag und eine lange Nacht -und noch ein weiterer Tag. Isak ging fort und schlief -draußen, obgleich er trockenes Heu liegen hatte, das eingefahren -werden sollte; Sivert war bei dem Vater. Inger -hatte Leopoldine und die Tiere um sich, aber sie fühlte -sich allein, weinte die ganze Zeit und schüttelte den Kopf -über sich selbst: eine so große Gemütsbewegung hatte -sie nur einmal in ihrem Leben durchgemacht; jetzt mußte -sie an damals denken, als sie ihr neugeborenes Kind -umbrachte.</p> - -<p>Wo waren Isak und der Sohn? Sie waren nicht müßig -gewesen; wohl stahlen sie einen Tag und mehr von der -Heuernte, aber sie bauten ein Boot droben am Bergsee. -Allerdings ein plumpes Fahrzeug ohne alle Ausschmückung, -aber stark und dicht war es wie alles, was -sie machten, und nun hatten sie ein Boot und konnten -mit dem Netze fischen.</p> - -<p>Als sie wieder heimkamen, lag das Heu noch ebenso -trocken da. Sie hatten dem Himmel den Streich gespielt, -sich auf ihn zu verlassen, und hatten dabei noch gewonnen, -der Vorteil war auf ihrer Seite. Da deutete Sivert -plötzlich hinüber und rief: Die Mutter hat geheut! — Der -Vater sah auf die Wiese hinunter und sagte: So. — -Isak hatte ja gleich gesehen, daß ein Teil des Heus verschwunden -war, jetzt war Inger wohl drinnen bei der -Hausarbeit. Das war eine ganz besondere Leistung, nachdem -er ihr gestern mit Schlägen gedroht und sie geschüttelt -hatte. Und es war schweres, kräftiges Heu, sie hatte -hart arbeiten müssen, und außerdem hatte sie auch noch -alle Kühe und Ziegen zu melken gehabt. — Geh hinein -und iß! sagte Isak zu Sivert. — Du nicht auch? — Nein.</p> - -<p>Als Sivert eine Weile drinnen gewesen war, kam -Inger heraus; sie blieb demütig auf der Türschwelle<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span> -stehen und sagte: Kannst du dir's nicht selbst gönnen, daß -du auch hereinkommst und etwas ißt? — Darauf knurrte -Isak nur und sagte: Hm. Aber Inger demütig zu sehen, -war in der letzten Zeit ein so seltenes Erlebnis geworden, -daß er in seinem Starrsinn etwas erschüttert wurde. — -Wenn du mir ein paar Zähne in meinen Rechen einsetzen -würdest, dann könnte ich weiter rechen, sagte sie. -Sie wendete sich mit einer Bitte an den Herrn des Hofes, -an das Oberhaupt von allem, und sie war dankbar, daß -er ihr nicht eine höhnische, abschlägige Antwort gab. — Du -hast jetzt genug gerecht und eingefahren, sagte er. — -Nein, es ist noch nicht genug. — Ich habe jetzt keine Zeit, -deinen Rechen zu flicken, du siehst, daß Regen kommt.</p> - -<p>Damit ging Isak an die Arbeit.</p> - -<p>Er wollte sie wohl schonen; die paar Minuten Zeit, die -das Flicken des Rechens in Anspruch genommen hätte, -wären zehnmal aufgewogen worden, wenn Inger mit auf -der Wiese geblieben wäre. Nun kam überdies Inger mit -dem Rechen, so wie er war, herbei und begann Heu zusammenzurechen, -daß es eine Art hatte. Sivert kam mit -Pferd und Heuwagen, alle strengten sich aufs äußerste -an, der Schweiß lief ihnen herunter, und das Heu wurde -geborgen. Das war ein Meisterstück. Und wieder versank -Isak in Gedanken an jene höhere Macht, die alle unsere -Schritte lenkt, von dem Stehlen eines Talers an bis zum -Bergen einer großen Menge trockenen Heus. Außerdem -lag nun auch das Boot fertig droben; nachdem er ein halbes -Menschenalter lang über ein solches nachgegrübelt -hatte, lag es nun droben im Gebirgssee. Ach ja, Herrgott -im Himmel! sagte er.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span></p> - - - - -<h3>15</h3> - - -<p>Im ganzen genommen wurde das ein merkwürdiger -Abend, ein Wendepunkt; Inger, die seit langer Zeit -neben dem Geleise hergegangen war, war durch ein -einziges Aufheben vom Boden wieder auf den richtigen -Platz gekommen. Keines von ihnen sprach von dem Geschehenen; -Isak hatte sich später wegen dieses Talers, der -ja nicht viel Geld war, und den er doch herausgeben -mußte, weil er selbst ihn dem Eleseus gönnte, geschämt. -Und gehörte der Taler nicht überdies ebensogut Inger -wie ihm? Es kam eine Zeit, da Isak der Demütige war.</p> - -<p>Es kamen allerhand Zeiten; Inger hatte also wieder -ihren Sinn geändert. Ja, sie änderte sich wieder, gab -allmählich ihre Vornehmtuerei auf und wurde wieder -eine ernste und herzliche Frau auf einer Ansiedlung. Daß -die Fäuste eines Mannes so Großes ausrichten konnten! -Aber so sollte es sein, es handelte sich hier um ein starkes, -tüchtiges Frauenzimmer, das ein langer Aufenthalt in -künstlicher Luft verwirrt gemacht hatte — sie stieß nach -dem Manne, der aber zu fest auf seinen Füßen stand. -Er hatte seinen natürlichen Platz auf der Erde, auf seinem -Grund und Boden, nicht einen Augenblick verlassen. Er -konnte nicht weggeschoben werden.</p> - -<p>Es kamen vielerlei Zeiten; im nächsten Jahr herrschte -wieder Trockenheit, und wahrlich, sie verminderte die -Ernte und zehrte am Mut der Menschen. Das Korn auf -dem Felde verbrannte, die Kartoffeln jedoch — die merkwürdigen -Kartoffeln — wurden nicht versengt, sondern -blühten, blühten. Die Wiesen sahen allmählich grau aus, -aber die Kartoffeln blühten. Eine höhere Macht leitete -alle Dinge, aber die Wiesen fingen an grau zu werden.</p> - -<p>Da, eines Tages erschien Geißler, der frühere Lensmann -Geißler, endlich kam er wieder. Es war wirklich<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> -seltsam, daß er nicht tot war, sondern wieder auftauchte. -Warum kam er wohl?</p> - -<p>Diesmal hatte Geißler allerdings kein großes Gepäck -und allerlei Dokumente über Gebirgskäufe und so weiter -bei sich, er war im Gegenteil recht einfach gekleidet, sein -Haar und Bart waren ergraut und seine Augen rot umrändert. -Er brachte niemand mit, der ihm seine Sachen -trug, er hatte nur eine Tasche mit Schriftstücken und -nicht einmal einen Reisesack bei sich.</p> - -<p>Guten Tag! sagte Geißler.</p> - -<p>Guten Tag! erwiderten Isak und Inger. Seid Ihr -wieder auf Reisen?</p> - -<p>Geißler nickte.</p> - -<p>Und ich danke auch für den Besuch in Drontheim! -fügte Inger noch hinzu.</p> - -<p>Dazu nickte auch Isak und sagte: Ja, wir beide sagen -schönen Dank dafür.</p> - -<p>Aber Geißler hatte die Gewohnheit, nicht nur Herz -und Gefühl zu zeigen, er sagte gleich: Ich will übers -Gebirge nach Schweden hinüber.</p> - -<p>Obgleich die Leute auf dem Hofe wegen der Trockenheit -niedergedrückt waren, wurden sie durch Geißlers Besuch -doch aufgeheitert; sie bewirteten ihn reichlich. Es -war eine große Freude für sie, ihn herzlich aufnehmen -zu können, er hatte ihnen ja so viel Gutes getan.</p> - -<p>Geißler selbst war nicht niedergedrückt; er redete sofort -von allem möglichen, sah auf die Felder hinaus und -nickte; oh, er war noch immer ganz aufrecht und sah aus, -als habe er mehrere hundert Taler bei sich. Mit ihm kam -Leben und Aufmunterung ins Haus; nicht daß er gelärmt -hätte, aber er führte eine lebhafte Unterhaltung.</p> - -<p>Ein herrlicher Ort, dieses Sellanraa! sagte er. Und -jetzt ziehen immer mehr Leute hier herauf, Isak, fünf -Ansiedlungen hab' ich gezählt, oder sind es noch mehr?</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span></p> - -<p>Sieben im ganzen, die beiden andern kann man vom -Weg aus nicht sehen.</p> - -<p>Sieben Höfe, sagen wir fünfzig Menschen. Die Umgebung -hier wird allmählich dicht bebaut. Habt ihr nicht -auch schon eine Schulgerechtigkeit und eine Schulstube?</p> - -<p>Doch.</p> - -<p>Das habe ich gehört. Ein Schulhaus auf Bredes -Grundstück, weil das mehr in der Mitte liegt. Also, Brede -ist ein Ansiedler geworden! Geißler lachte verächtlich. Von -dir habe ich reden hören, Isak, du bist der Meister hier. -Das freut mich. Du sollst ja jetzt auch ein Sägewerk -haben?</p> - -<p>Ja, so, wie es eben ist. Aber ich fahre gut dabei. Und -ich habe auch schon öfters einen Balken für die da unten -gesägt.</p> - -<p>So soll es sein!</p> - -<p>Es würde mich freuen, zu hören, was Ihr darüber -sagt, Herr Lensmann, wenn Ihr mitgehen und das Sägewerk -ansehen wolltet.</p> - -<p>Geißler nickte, wie wenn er ein Fachmann wäre, und -sagte, das wolle er gerne tun, ja, er werde sich das Sägewerk -ansehen und alles genau betrachten. Er fragte: Du -hast doch <em class="gesperrt">zwei</em> Jungen, wo ist denn der andere? In der -Stadt? Auf einem Büro? Hm! sagte Geißler. Aber -dieser dort sieht aus wie ein Prachtkerl! Wie heißt du?</p> - -<p>Sivert.</p> - -<p>Und der andere?</p> - -<p>Eleseus.</p> - -<p>Auf so einem Ingenieurbüro ist er? Was lernt er -denn dort? Das ist nur Hungerleiderei. Er hätte zu mir -kommen können, sagte Geißler.</p> - -<p>O ja, versetzte Isak nur, um sich höflich zu zeigen. -Geißler tat ihm leid. Oh, der gute Geißler sah nicht aus, -als könne er sich jetzt fremde Hilfe halten, er hatte es<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span> -vielleicht jetzt allein schwer genug, sein Rock war ja an -den Handgelenken geradezu ausgefranst.</p> - -<p>Möchtet Ihr nicht ein Paar trockene Strümpfe anziehen? -fragte Inger, indem sie ein Paar von ihren eigenen -neuen herbeibrachte, ein Paar gereifelte und dünne -aus ihren eigenen vornehmsten Tagen.</p> - -<p>Nein, danke, sagte Geißler kurz, obgleich er gewiß -triefend nasse Füße hatte.</p> - -<p>Er hätte lieber zu mir kommen sollen, sagte er von -Eleseus. Ich könnte ihn sehr notwendig brauchen, sagte -er, indem er eine kleine silberne Tabaksdose aus der -Tasche zog und damit spielte. Das war vielleicht das einzige -Prachtstück, das er von früher her noch besaß.</p> - -<p>Aber er hatte keine rechte Ruhe und hielt sich nicht -lange bei einem Gegenstand auf. Die silberne Dose wurde -wieder eingesteckt, und er fing von etwas Neuem an. -Aber wie grau doch die Wiese da draußen aussieht! Vorhin -dachte ich, es sei der Schatten. Warum muß denn -der Boden hier verbrennen? Komm einmal mit mir, -Sivert!</p> - -<p>Rasch stand er von dem gedeckten Tisch auf, wendete -sich der Tür zu, dankte Inger für das Essen und verschwand. -Sivert ging mit ihm.</p> - -<p>Sie gingen nach dem Fluß. Geißler spähte die ganze -Zeit mit klugen Augen umher; plötzlich blieb er stehen -und sagte: Hier! Und dann erklärte er: Es geht durchaus -nicht an, daß ihr den Boden verbrennen laßt, wenn -ihr doch einen allmächtigen Fluß habt, wo ihr Wasser -holen könnt. Morgen soll die Wiese wieder grün sein.</p> - -<p>Der erstaunte Sivert sagte nur: Ja.</p> - -<p>Jetzt hebst du hier schräg herunter einen mäßigen Graben -aus, der Boden ist eben, und am Einlauf machen -wir eine Rinne. Da ihr eine Sägemühle habt, habt ihr -wohl auch ein paar lange Bretter? Gut! Hol Hacke und<span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span> -Spaten und fang hier an, ich komme gleich wieder und -stecke die Linie ordentlich ab.</p> - -<p>Er lief wieder ins Haus hinein, es quietschte in seinen -Stiefeln, so naß waren sie. Er stellte Isak bei den Holzrinnen -an; er müsse viele Rinnen machen, und sie müßten -da und dort, wo der Boden nicht durch einen Graben aufgerissen -werden dürfe, gelegt werden. Isak versuchte einzuwenden, -daß das Wasser vielleicht nicht bis dahin dringen -würde, es sei ein sehr weiter Weg, der trockene Boden -werde es aufsaugen, ehe es bis an die versengten Stellen -gelange. Geißler erklärte, ja, es werde wohl eine Weile -dauern, die Erde werde zuerst tüchtig aufschlucken, aber -dann werde die Feuchtigkeit weitergehen. — Morgen um -diese Zeit werden Acker und Wiese wieder grün sein! — -So, sagte Isak und nagelte aus Leibeskräften Rinnen -zusammen.</p> - -<p>Geißler ging zu Sivert zurück. So ist's recht, sagte -er, mach nur so weiter, ich habe gleich gesehen, daß du -ein Prachtkerl bist! Die Linie muß nach diesen Pflöcken -laufen. Triffst du auf große Steine oder Felsblöcke, so -weich aus, aber bleib in der gleichen Höhe. Verstehst du, -in derselben Höhe!</p> - -<p>Wieder ging's zurück zu Isak. Jetzt hast du eine Rinne -fertig, aber wir brauchen sechs. Spute dich, Isak, morgen -wird alles grün sein, und deine Ernte ist gerettet!</p> - -<p>Geißler setzte sich auf den Hügel, legte beide Hände -auf die Knie und war entzückt; er plauderte, blitzschnell -kamen ihm die Gedanken. Hast du Pech, hast du Werg? -Das ist ausgezeichnet, alles hast du. Denn im Anfang -werden ja die Rinnen lecken, dann aber ziehen sie an -und werden so dicht wie Flaschen. Du sagst, du habest -Werg und Pech vom Bootbauen, nun, wo ist das Boot? -Droben im Gebirgssee? Das will ich mir auch ansehen.</p> - -<p>Oh, der Geißler versprach so viel! Er war ein flüchtiger -Herr und war noch unruhiger geworden als früher,<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span> -alles mußte bei ihm sozusagen im Sprung geschehen. -Aber dann ging es auch im Sturm. Er war nicht ohne -Überlegenheit. Natürlich war er zu Übertreibungen geneigt. -Acker und Wiese konnten unmöglich über Nacht -grün werden; aber Geißler war rasch im Erfassen und -Beschließen; wenn die Ernte auf Sellanraa gerettet wurde, -war es wirklich diesem merkwürdigen Mann zu verdanken.</p> - -<p>Wie viele Rinnen hast du jetzt? Das ist zu wenig. Je -mehr Holzrinnen du hast, desto glatter läuft das Wasser. -Wenn du zehn bis zwölf zehn Ellen lange Rinnen zusammennagelst, -so fährst du gut dabei. Was sagst du, du -habest zwölf Ellen lange Bretter? Dann nimm sie, es -bezahlt sich bis zum Herbst.</p> - -<p>Danach hatte Geißler wieder keine Ruhe mehr. Er -stand auf und lief abermals zu Sivert hinüber. Großartig, -Sivert, jetzt geht's gut! Dein Vater hämmert die -Rinnen zusammen und dichtet sie, wir bekommen mehr, -als ich mir zuerst dachte; geh jetzt und hole die Rinnen, -wir wollen anfangen!</p> - -<p>Den ganzen Nachmittag herrschte ein großes Gehetze, -das war die tollste Arbeit, die Sivert je mitgemacht hatte, -ein ihm ganz unbekanntes Tempo. Sie gönnten sich -keine Zeit, zum Essen hineinzugehen. Aber jetzt lief das -Wasser! Da und dort mußten sie tiefer graben, da und -dort mußte eine Rinne gehoben oder tiefer gelegt werden, -aber das Wasser lief! Bis zum späten Abend gingen -die drei Männer umher, verbesserten und förderten ihre -Arbeit und waren ernsthaft davon erfüllt; und als die -Flüssigkeit anfing, über die ausgetrockneten Stellen hinzurieseln, -blitzte ein heller Freudenstrahl in den Herzen -der Hofbewohner auf.</p> - -<p>Ich habe meine Uhr vergessen, wieviel Uhr ist es denn? -fragte Geißler. Ja, grün, morgen um diese Zeit! sagte er.</p> - -<p>Sogar in der Nacht stand Sivert auf und sah nach der<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> -Wasserleitung. Er begegnete seinem Vater, der zu demselben -Zweck draußen war. Ach Gott, welche Spannung -und welches Ereignis im Ödland!</p> - -<p>Aber am nächsten Tag lag Geißler lange zu Bett und -war schlaff; der Eifer hatte ihn verlassen. Er hatte keine -Lust, das Boot droben anzusehen, und nur weil er sich -schämte, ging er wenigstens nach dem Sägewerk. Nicht -einmal für die Wasserleitung hatte er noch dasselbe Interesse. -Als er sah, daß weder Acker noch Wiese über -Nacht grün geworden waren, verlor er den Mut; er -dachte nicht daran, daß das Wasser immer weiter lief -und sich immer weiter ausbreitete. Doch hielt er sich -einigermaßen aufrecht, und so sagte er: Möglicherweise -kann es bis morgen dauern, ehe du den Erfolg siehst, -aber du darfst den Mut nicht verlieren.</p> - -<p>Gegen Abend kam Brede Olsen dahergeschlendert. Er -brachte Gesteinsproben mit, die er Geißler zeigen wollte. -Sie sind meiner Ansicht nach außerordentlich merkwürdig, -sagte er. — Aber Geißler wollte Bredes Steine -nicht sehen. Treibst du auf diese Weise Ackerbau hier, -indem du herumläufst und Reichtümer entdecken willst? -fragte er höhnisch. — Brede hatte indes keine Lust mehr, -von seinem früheren Lensmann Zurechtweisungen hinzunehmen, -er gab es ihm tüchtig heim, fing an, ihn zu -duzen, und sagte: Ich kümmere mich nicht um dich! — -Du tust ja heute noch nichts Rechtes, treibst nichts als -Lappalien, versetzte Geißler. — Und du etwa? sagte -Brede. Was hast denn du diese ganze Zeit über getan? -Du hast einen Berg da droben gekauft, der gar nichts -wert ist und nur so daliegt. Hehe, ja, du bist mir der -Rechte, du! — Mach, daß du fortkommst! sagte Geißler. -— Und Brede hielt sich auch nicht länger auf, er hob -seinen kleinen Sack auf die Schulter und kehrte ohne -Abschied in sein Nest zurück.</p> - -<p>Geißler setzte sich wieder, blätterte in einigen Papieren<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> -und dachte eifrig nach. Es war, als habe er Blut geleckt -und wolle nun nachsehen, wie es sich mit dem Kupferberg -verhielt, mit dem Kontrakt, der Analyse: es war ja fast -reines Kupfer, Schwarzkupfer da, er mußte etwas damit -anfangen, durfte nicht wieder zusammenklappen.</p> - -<p>Der Grund, warum ich eigentlich gekommen bin, ist, -dies hier in Ordnung zu bringen, sagte er zu Isak. Ich -habe die Absicht, recht viele Leute hierherzuziehen und -droben im Gebirge einen großen Betrieb einzurichten. -Was denkst du dazu?</p> - -<p>Isak tat er wieder leid, deshalb widersprach er nicht.</p> - -<p>Das ist nicht gleichgültig für dich, fuhr Geißler fort. -Es kommen dann viele Menschen hierher, und es gibt viel -Umtrieb und Lärm und Sprengungen, ich weiß nicht, wie -dir das gefallen wird. Aber andrerseits kommt Leben und -Bewegung in den Bezirk, und du wirst großen Absatz -für die Erzeugnisse deiner Milchwirtschaft bekommen. Du -kannst dafür verlangen, was du willst.</p> - -<p>Ja, sagte Isak.</p> - -<p>Gar nicht davon zu reden, daß du von dem, was aus -dem Berg gewonnen wird, hohe Prozente erhältst. Das -wird viel Geld, Isak.</p> - -<p>Isak antwortete: Ich habe schon zu viel von Euch bekommen -...</p> - -<p>Am nächsten Morgen verließ Geißler den Hof und -wanderte in östlicher Richtung weiter, Schweden zu. Als -Isak sich erhob, ihn zu begleiten, sagte er kurz: Nein, ich -danke. Es tat Isak fast weh, als er ihn so arm und allein -fortgehen sah. Inger hatte ihm einen prächtigen Mundvorrat -mitgegeben, sie hatte sogar Waffeln für ihn gebacken, -aber sie waren bei weitem nicht gut genug, er -hätte auch noch Sahne in einer Flasche und eine Menge -Eier mitnehmen sollen; aber das wollte er nicht tragen. -Inger war recht enttäuscht darüber.</p> - -<p>Geißler wurde es gewiß schwer, Sellanraa zu ver<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span>lassen, -ohne für seinen Aufenthalt zu bezahlen, wie er -es gewohnt war. Er tat deshalb, als habe er bezahlt, als -habe er wirklich einen größeren Geldschein hingelegt, denn -er sagte zu der kleinen Leopoldine: Und nun sollst du auch -noch etwas haben. Hier nimm! Damit gab er ihr seine -Tabaksdose, die silberne Dose! — Du kannst sie auswaschen -und Nadeln drin aufheben. Übrigens paßt sie -nicht gut dazu; wenn ich nur geschwind nach Hause -könnte, dann solltest du etwas anderes bekommen, ich -habe ja verschiedenes ...</p> - -<p>Aber die Wasserleitung lag nach Geißlers Besuch noch -da, sie lag da und schaffte Tag und Nacht, Woche um -Woche, sie machte die Felder grün, half den Kartoffeln -zum Verblühen, half dem Korn in den Halm zu schießen.</p> - -<p>Die Ansiedler von weiter unten kamen einer nach dem -andern herauf, um sich das Wunderwerk anzusehen. Auch -Axel Ström kam, der Besitzer von Maaneland, der unverheiratet -war und keine eigene weibliche Hilfe hatte, -sondern alles selbst besorgte, auch er kam. Er war heute -aufgeräumter und sagte, es sei ihm nun ein Mädchen zur -Hilfe für den Sommer versprochen worden, nun sei dieser -Kummer gestillt! Er nannte den Namen des Mädchens -nicht, und Isak fragte nicht danach; aber es war Bredes -Barbro, die man ihm versprochen hatte, es sollte ihn -nur ein Telegramm nach Bergen kosten. Na, und Axel -legte ja das Geld für dieses Telegramm aus, obgleich er -gewiß ein äußerst sparsamer Mann, ja geradezu etwas -geizig war.</p> - -<p>Die Wasserleitung war es, die Axel an diesem Tag -heraufgelockt hatte; er sah sie sich von dem einen Ende -bis zum andern an und interessierte sich ungeheuer dafür. -Auf seinem Grundstück war zwar kein größerer -Fluß, aber doch ein Bach, auch hatte er keine Bretter -zu Rinnen, aber er wollte den ganzen Wasserlauf in -die Erde graben, das ließ sich auch machen. Es sehe auch<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span> -auf seinem tiefgelegenen Grundstück nicht so schlimm aus, -wenn aber die Trockenheit anhalte, müsse er auch bewässern. -— Als er das gesehen hatte, was er hatte sehen -wollen, sagte er Lebewohl. Isak und seine Frau luden -ihn ein, hereinzukommen, aber er sagte, er habe keine -Zeit, er wolle an diesem Abend noch mit dem Graben -anfangen; dann ging er.</p> - -<p>Das war ein anderer Mann als Brede!</p> - -<p>Oh, jetzt hatte Brede Grund, über die Moore zu laufen, -um über die Wasserleitung und das Wunderwerk -auf Sellanraa zu schwatzen! Ja, es ist nicht gut, wenn -man zu fleißig auf seinem Grundstück ist, sagte er. Da -hat nun der Isak so viele Gräben zum Austrocknen gezogen, -daß er jetzt wieder wässern muß.</p> - -<p>Isak war geduldig, aber er wünschte oft, er könnte -diesen Menschen loswerden, diesen Schwätzer in der Nähe -von Sellanraa. Brede war verpflichtet, die Telegraphenlinie -in Ordnung zu halten, da er ja regelrecht dazu angestellt -war. Aber die Telegraphenbehörde hatte ihm schon -mehrere Male wegen seiner Nachlässigkeit einen Rüffel -erteilen müssen, und jetzt war Isak abermals die Stelle -angeboten worden. Nein, mit dem Telegraphen war -Brede nicht beschäftigt, sondern mit den Metallen in den -Bergen; es war eine wahre Sucht bei ihm geworden, -eine fixe Idee.</p> - -<p>Jetzt geschah es auch recht oft, daß er in Sellanraa -einkehrte und meinte, er habe den Schatz gefunden. Er -nickte dann und sagte: Ich sag jetzt nichts mehr, aber -ich habe etwas ganz Besonderes gefunden, das leugne ich -nicht. Er verschwendete seine Zeit und seine Kräfte um -nichts und wieder nichts. Wenn er dann müde in sein -Haus zurückkehrte, warf er einen kleinen mit Gesteinsproben -gefüllten Sack auf den Boden, pustete und -schnaufte nach seinem Tagewerk und meinte, niemand -arbeite so hart für seinen Unterhalt wie er. Er baute<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span> -etwas Kartoffeln auf saurem Moorboden, mähte die -Grasplätze ab, die von selbst um sein Haus her wuchsen, -das war seine Feldarbeit. Er war in ein falsches Fahrwasser -geraten, es mußte ein schlimmes Ende mit ihm -nehmen. Jetzt war schon sein Torfdach zerfetzt und die -Küchentreppe von der Dachtraufe verfault, ein kleiner -Schleifstein lag umgestürzt am Boden, und das Fuhrwerk -stand ewig unter freiem Himmel.</p> - -<p>Brede hatte es insofern gut, als er sich über solche -Kleinigkeiten durchaus nicht abgrämte. Wenn die Kinder -den Schleifstein beim Spielen umherrollten, war der -Vater sehr gutmütig und lieb, ja, er half bisweilen selbst -beim Rollen. Eine leichte und faule Natur, ohne Ernst, -aber auch ohne Schwerlebigkeit, ein schwacher Charakter -ohne Verantwortlichkeitsgefühl, aber er fand Auswege, -sich den Lebensunterhalt zu verschaffen, wie er auch sein -mochte; so lebte er mit den Seinen von der Hand in -den Mund, sie lebten alle miteinander. Aber natürlich -konnte der Kaufmann Brede und seine Familie nicht in -alle Ewigkeit am Leben erhalten, das hatte er schon oft -gesagt, und jetzt sagte er es in strengem Ton. Brede sah -das selbst ein und versprach, nun werde er die Sache in -Ordnung bringen; er wolle sein Grundstück verkaufen, -vielleicht verdiene er gut dabei, und dann werde er den -Kaufmann bezahlen.</p> - -<p>Ja, selbst wenn er daran verlor, wollte Brede verkaufen, -was sollte er mit einem Grundstück! Er sehnte -sich wieder ins Dorf hinunter, nach Leichtsinn, Klatschereien -und dem Kaufladen — dahin sehnte er sich, anstatt -ruhig hier zu schaffen und zu wirken und die große Welt -zu vergessen. Ach, hätte er die Weihnachtsfeiern mit -dem Lichterbaum oder das Nationalfest am siebzehnten -Mai oder die Wohltätigkeitsverkäufe im Gemeindehaus -vergessen können! Er liebte es ja über alles, mit -den Leuten zu schwatzen, sich nach Neuigkeiten zu erkun<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span>digen, -aber mit wem hätte er sich hier auf den Mooren -unterhalten können? Inger auf Sellanraa hatte eine -Weile Anlage dazu gezeigt, jetzt war sie wieder ganz anders -geworden, wieder ganz wortkarg. Und übrigens war -sie im Gefängnis gewesen, und er war ein öffentlich angestellter -Mann, das schickte sich nicht.</p> - -<p>Nein, er hatte sich selbst auf die Seite gestellt, als -er das Dorf verließ. Jetzt sah er mit Eifersucht, daß der -Lensmann einen andern Gerichtsboten und daß der Doktor -einen andern Kutscher hatte; er war von den Menschen, -die ihn brauchten, fortgelaufen, jetzt, da er nicht -mehr zur Hand war, behalfen sie sich ohne ihn. Aber -welch ein Gerichtsbote und welch ein Kutscher! Eigentlich -müßte er — Brede — mit Wagen und Pferd ins Dorf -zurückgeholt werden!</p> - -<p>Aber da war nun Barbro, und warum hatte er denn -versucht, sie auf Sellanraa unterzubringen? Oh, das -hatte er nach reiflicher Überlegung mit seiner Frau getan. -Wenn alles richtig ging, so hätte das Mädchen da -Aussichten für die Zukunft gehabt, ja, vielleicht wären -da Aussichten für die ganze Familie Brede gewesen. Die -Haushälterinstelle bei den zwei Kontoristen in Bergen -war ja schon recht, aber Gott mochte wissen, was Barbro -da schließlich bekam? Barbro war ja hübsch und auf ihren -Vorteil aus, sie hätte vielleicht hier bessere Gelegenheit, -vorwärtszukommen. Es waren zwei Söhne auf Sellanraa.</p> - -<p>Aber als Brede merkte, daß dieser Plan fehlschlug, -dachte er sich einen andern aus. Oh, im Grunde war es -wirklich nichts Erstrebenswertes, mit Inger verwandt zu -werden, mit einer bestraften Person, es gab noch andere -Burschen als die auf Sellanraa! Da war nun Axel -Ström. Er hatte Hof und Gamme, er war ein Mann, -der schaffte und sparte und sich allmählich Vieh und -andere Besitztümer anschaffte, aber keine Frau und keine<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span> -weibliche Hilfe hatte. Das kann ich dir sagen, wenn du -Barbro bekommst, so hast du alle Hilfe, die dir not tut! -sagte er zu Axel. Und hier kannst du ihre Photographie -sehen, sagte er.</p> - -<p>Ein paar Wochen vergingen, dann kam Barbro. Ja, -Axel war nun schon mitten in der Heuernte, er mußte bei -Nacht mähen und bei Tag wenden und hatte alles allein -zu leisten; aber nun kam Barbro. Sie kam wie ein wirkliches -Geschenk. Es zeigte sich auch, daß sie arbeiten -konnte; sie scheuerte das Geschirr, wusch die Kleider und -kochte das Essen, sie melkte die Tiere und half draußen -beim Heurechen, jawohl, sie war mit draußen beim Heu -und trug es mit herein, es fehlte nichts. Axel entschloß -sich, ihr einen guten Lohn zu geben, er gewann doch noch -dabei.</p> - -<p>Hier war sie nicht nur die Photographie einer feinen -Dame. Barbro war groß und schlank, sie hatte eine etwas -heisere Stimme, zeigte Reife und Erfahrung in vielem -und war durchaus keine Neukonfirmierte. Axel begriff -nicht, warum ihr Gesicht so mager und elend aussah: Ich -sollte dich eigentlich vom Ansehen kennen, aber du gleichst -deiner Photographie gar nicht. — Das kommt von der -Reise, erwiderte sie. Ja und von der Stadtluft. — Es -dauerte auch nicht lange, da wurde sie wieder rund und -hübsch, und sie sagte: Glaub mir, so eine Reise und so -eine Stadtluft, die zehren tüchtig an einem! Sie spielte -auch auf die Versuchungen in Bergen an — da müsse -man sich in acht nehmen! Aber während sie sich weiter -unterhielten, sagte sie, Axel solle sich auf eine Zeitung, -eine Bergener Zeitung abonnieren, damit sie auch sehen -könne, was in der Welt vorgehe. Sie sei jetzt ans Lesen, -an Theater und Musik gewöhnt, hier sei es sehr einsam, -sagte sie.</p> - -<p>Da Axel Ström mit seiner Sommeraushilfe so Glück -gehabt hatte, abonnierte er auf die Zeitung und ertrug<span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span> -auch die Familie Brede, die recht oft auf seine Ansiedlung -kam und da aß und trank. Er wollte seiner Dienstmagd -Freude machen. Nichts konnte behaglicher sein als die -Sonntagabende, wenn Barbro die Saiten ihrer Gitarre -schlug und mit ihrer etwas heiseren Stimme dazu sang; -Axel war über die fremden hübschen Lieder und darüber, -daß wirklich jemand auf der Ansiedlung bei ihm war und -sang, gerührt.</p> - -<p>Im Laufe des Sommers lernte er Barbro allerdings -auch von anderen Seiten kennen, aber im großen und -ganzen war er zufrieden. Sie war nicht ohne Launen, -und sie konnte rasche Antworten geben, etwas zu rasche. -An jenem Sonnabend, als Axel notwendig ins Dorf hinunter -zum Kaufmann mußte, hätte Barbro das Vieh -und die Hütte nicht verlassen und auch alles andere nicht -einfach im Stich lassen dürfen. Die Ursache dazu war ein -kleiner Streit gewesen. Und wo war sie hingegangen? -Nur nach Hause, nach Breidablick, aber trotzdem. Als -Axel in der Nacht zurückkam, war Barbro nicht da, er -versorgte die Tiere, aß und ging schlafen. Gegen Morgen -erschien Barbro. — Ich wollte wieder einmal fühlen, -wie es einem in einem Haus mit einem Bretterboden zumut -ist, sagte sie recht höhnisch. — Darauf konnte Axel -eigentlich nichts erwidern, denn er hatte ja nur eine Torfhütte -mit einem Lehmboden, aber er antwortete, er habe -immerhin auch Bretter und werde wohl auch einmal ein -Haus mit einem Bretterboden haben! — Da war es, -als gehe sie in sich; nein, schlimmer war Barbro nicht, -und obgleich es Sonntag war, ging sie rasch in den Wald, -holte Wacholderzweige für den Lehmboden und machte -ihn hübsch.</p> - -<p>Aber da sie so ausgezeichnet und von Herzen gut war, -mußte ja auch Axel mit dem hübschen Kopftuch herausrücken, -das er am vorhergehenden Abend für sie gekauft -hatte; er hatte eigentlich gedacht, er wolle es aufheben,<span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span> -um ordentlich etwas von ihr dafür zu erreichen. Aber -nun gefiel es ihr sehr gut, sie probierte es sofort auf, -ja, sie fragte ihn, ob es ihr nicht gut stehe. O doch, sehr -gut, aber sie könnte gerne sein Felleisen auf den Kopf -setzen, es würde ihr auch stehen. Da lachte sie und wollte -auch recht liebenswürdig sein, deshalb sagte sie: Ich gehe -lieber mit diesem Kopftuch in die Kirche und zum Abendmahl -als im Hut. In Bergen trugen wir ja alle Hüte, -ja, ausgenommen gewöhnliche Dienstmädchen, die vom -Lande hereinkamen.</p> - -<p>Wieder lauter Freundschaft!</p> - -<p>Und als Axel mit der Zeitung herausrückte, die ihm -auf der Post mitgegeben worden war, setzte sich Barbro -hin und las die neuesten Nachrichten von der Welt draußen: -von einem Einbruch bei einem Goldschmied in der -Strandstraße, von einer Schlägerei zwischen Zigeunern, -von einer Kindsleiche, die in den Stadtfjord hereingetrieben -und in ein altes, unter den Armen quer abgeschnittenes -Hemd eingewickelt gewesen war. Wer kann nur das -Kind ins Wasser geworfen haben? fragte Barbro. Aus -alter Gewohnheit las sie auch noch die Marktpreise.</p> - -<p>Und die Zeit verging.</p> - - - -<h3>16</h3> - - -<p>Auf Sellanraa gab es große Veränderungen.</p> - -<p>Ja, nichts war von der ersten Zeit her wiederzuerkennen. -Hier waren nun verschiedene Gebäude, -ein Sägewerk und eine Mühle, und die öden Strecken -waren wohlbebautes Land geworden. Und noch mehr stand -bevor. Aber Inger war vielleicht noch am merkwürdigsten, -ganz anders wieder und überaus tüchtig.</p> - -<p>Die Krise vom letzten Sommer hatte wohl nicht auf -einmal ihren Leichtsinn besiegen können, im Anfang hatte -sie mehrere Rückfälle; sie ertappte sich darauf, daß sie<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span> -von der Anstalt und von Drontheims Domkirche sprechen -wollte. Ach, so kleine unschuldige Dinge! Ihren Ring -zog sie vom Finger, und ihre so freimütig kurzen Röcke -machte sie länger. Sie war nachdenklich geworden, es -wurde stiller auf dem Hofe, die Besuche nahmen ab, die -fremden Mädchen und Frauen aus dem Dorf kamen seltener, -weil sie sich nicht mehr mit ihnen einließ. Niemand -kann im Ödland leben und nur immer lachen und -scherzen, Freude ist nicht Lustigkeit.</p> - -<p>Droben im Ödland hat jede Jahreszeit ihre Wunder, -aber immer und unveränderlich sind die dunklen, unermeßlichen -Laute von Himmel und Erde, das Umringtsein -nach allen Seiten hin, die Waldesdunkelheit, die Freundlichkeit -der Bäume. Alles ist schwer und weich zugleich, -kein Gedanke ist da unmöglich. Nördlich von Sellanraa -lag ein ganz kleiner Teich, eine Lache, nur so groß wie ein -Aquarium. Da tummelten sich winzige Fischkinder, die -nie größer wurden; sie lebten und starben und waren zu -nichts nütze, lieber Gott, zu rein gar nichts! Eines Abends -stand Inger da und horchte auf die Kuhglocken. Sie -hörte nichts, denn alles war totenstill ringsum, aber -plötzlich vernahm sie Gesang aus dem Aquarium. Er war -sehr schwach und beinahe nicht vernehmlich, nur wie hinsterbend. -Das war das Lied der kleinwinzigen Fische.</p> - -<p>Sellanraa lag so günstig, daß die Bewohner jeden -Herbst und Frühjahr die Wildgänse, die über das Ödland -hinflogen, sahen und ihr Rufen und Locken in der -Luft droben hören konnten, es klang wie verwirrtes Reden. -Und dann war es, als stehe die Welt stille, bis der -Zug vorüber war. Fühlten sich die Menschen da nicht von -einer Art Schwäche überfallen? Sie nahmen ihre Arbeit -wieder auf, aber zuvor taten sie einen tiefen Atemzug, -ein Hauch aus dem Jenseits hatte sie gestreift.</p> - -<p>Große Wunder umgaben sie zu allen Zeiten. Im Winter -die Sterne und auch die Nordlichter, ein flammendes<span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span> -Firmament, eine Feuersbrunst droben bei Gott. Hier und -da, nicht oft, nicht für gewöhnlich, aber hier und da vernahmen -sie auch donnern. Das war hauptsächlich im -Herbst, und es war düster und feierlich für Menschen -und Tiere. Die Haustiere, die auf der nahen Wiese weideten, -drängten sich zusammen und blieben beieinander -stehen. Worauf horchten sie? Warteten sie auf das Ende? -Und worauf warteten die Menschen im Ödland, wenn sie -beim Grollen des Donners mit gesenktem Kopfe dastanden?</p> - -<p>Der Frühling — jawohl, dessen Eile und Ausgelassenheit -und Entzücken; aber der Herbst! Der stimmte die -Leute anders. Da fürchteten sie sich oft in der Dunkelheit, -und sie nahmen ihre Zuflucht zum Abendgebet, sie -wurden hellseherisch und hörten Vorboten. Manchmal -gingen sie an einem Herbsttag hinaus, um etwas hereinzuholen, -die Männer vielleicht Holz, die Frauen das -Vieh, das jetzt wie unsinnig nach Pilzen suchte — und -sie kehrten zurück, das Herz von geheimnisvollen Dingen -erfüllt. Waren sie unversehens auf eine Ameise getreten -und hatten deren Hinterleib auf dem Pfad festgetreten, -so daß der Vorderkörper nicht mehr loskommen konnte? -Oder waren sie einem Schneehuhnnest zu nahe gekommen -und war ihnen eine Mutter zischend entgegengeflattert? -Und nicht einmal die großen Kuhpilze waren ohne -Bedeutung. Der Mensch wird nicht starr und bleich, wenn -er sie nur ansieht. Ein Kuhpilz blüht nicht und rührt sich -nicht von der Stelle, aber es ist etwas Überwältigendes -an ihm, und er ist ein Ungeheuer, er gleicht einer Lunge, -die nackt und ohne hüllenden Körper ein eigenes Leben -führt.</p> - -<p>Inger wurde schließlich recht schwermütig, das Ödland -bedrückte sie, sie wurde fromm. Hätte sie dem entgehen -können? Niemand im Ödland kann dem entgehen, da -gibt es nicht nur irdisches Streben und Weltlichkeit, da<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span> -ist Frömmigkeit und Gottesfurcht und viel Aberglauben. -Inger meinte wohl, sie habe mehr Grund als andere, -der Züchtigung des Himmels gewärtig sein zu müssen, -diese würde wohl nicht ausbleiben; sie wußte, daß Gott -an den Abenden durch das ganze Ödland streifte und -fabelhaft gute Augen hatte, er würde sie schon finden. In -ihrem täglichen Leben war nicht so sehr viel, was sie -hätte anders machen können. Oh, sie konnte den goldenen -Ring zuunterst in ihrer Truhe verbergen, und sie konnte -an Eleseus schreiben, er solle sich auch bekehren; aber -außerdem blieb wohl nichts anderes übrig, als selbst gute -Arbeit zu leisten und sich nicht zu schonen. Ja, eines -konnte sie doch noch tun! Sich in demütige Kleider hüllen -und nur am Sonntag ein schmales blauseidenes Band -um den Hals tragen, um einen Unterschied vom Werktag -zu machen. Diese unechte und unnotwendige Armut war -der Ausdruck für eine Art Philosophie, für Selbsterniedrigung, -Stoizismus. Das blauseidene Band war nicht -mehr neu, war von einer Mütze abgetrennt, die Leopoldine -zu klein geworden war, es war da und dort verblichen -und geradeheraus gesagt auch etwas schmutzig -— nun gebrauchte es Inger als einen demütigen Sonntagsstaat. -Jawohl, sie übertrieb und machte die Armut in -der Hütte nach, sie trug eine falsche Armut zur Schau -— wäre ihr Verdienst größer gewesen, wenn sie zu einem -so geringen Staat gezwungen gewesen wäre? Laßt sie in -Frieden, sie hat ein Recht auf Frieden!</p> - -<p>Sie übertrieb großartig und tat mehr, als sie mußte. -Es waren zwei Männer auf dem Hofe, aber Inger paßte -wohl auf, bis sie fort waren, und sägte dann Holz; wozu -sollte nun diese Qual und Züchtigung gut sein? Sie war -ein ganz unbedeutender, ganz geringer Mensch, ihre -Fähigkeiten waren recht gewöhnlich, ihr Tod oder ihr -Leben würde nirgends im Lande gemerkt werden, außer -hier im Ödland. Hier war sie beinahe groß, jedenfalls<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span> -war sie die größte, und sie meinte, sie sei aller der Züchtigung, -die sie auf sich selbst verwendete, wohl wert. — -Ihr Mann sagte: Sivert und ich haben darüber gesprochen, -wir wollen nichts davon wissen, daß du unser Holz -sägst und dich überschaffst. — Ich tue es um meines -Gewissens willen, entgegnete Inger.</p> - -<p>Um des Gewissens willen? Das stimmte Isak wieder -nachdenklich; er war jetzt ein Mann in Jahren, langsam -im Überlegen, aber gewichtig, wenn er schließlich seine -Ansicht sagte. Das Gewissen mußte doch recht kräftig -sein, wenn es Inger so vollständig hatte umwenden können. -Und was es nun auch sein mochte, aber Ingers Bekehrung -wirkte auch auf ihn ein, sie steckte ihren Mann -an, er wurde grüblerisch und zahm. Das war ein sehr -schwerer, fast unüberwindlicher Winter; Isak suchte die -Einsamkeit, suchte Verborgenheit. Um seinen eigenen -Wald zu schonen, hatte er nun im Staatswald an der -schwedischen Grenze einige Dutzend gute Stämme gekauft -— er wollte beim Fällen dieser Bäume niemand zu -Hilfe haben, er wollte allein sein; Sivert wurde befohlen, -daheim zu bleiben und auf die Mutter aufzupassen, damit -sie sich nicht zu sehr anstrenge.</p> - -<p>In den kurzen Wintertagen ging also Isak noch in der -Dunkelheit zum Wald und kam erst bei Dunkelheit wieder -heim. Nicht immer schienen Mond und Sterne, -manchmal waren seine eigenen Fußstapfen vom Morgen -wieder zugeschneit, dann konnte er sich nur schwer zurechtfinden. -Und an einem Abend hatte er ein Erlebnis.</p> - -<p>Er hatte schon den größten Teil des Wegs zurückgelegt, -und bei dem hellen Mondschein sah er Sellanraa schon -drüben auf der Halde liegen; da lag es hübsch und wohl -gebaut, aber klein, fast wie ein unterirdisches Gehöft anzusehen, -weil es so tief eingeschneit war. Aber jetzt bekam -er wieder Bauholz, und Inger sowie die Kinder -würden sich sehr verwundern, wozu er das Holz ver<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span>wenden -wollte, an was für ein überirdisches Gebäude er -dachte. Er setzte sich in den Schnee und wollte ein wenig -ausruhen, um nicht erschöpft heimzukommen.</p> - -<p>Ringsum ist es ganz still, und Gott sei Dank für diese -Stille und seine eigene nachdenkliche Stimmung, sie ist -nur vom Guten! Isak ist ja ein Ansiedler, und er schaut -nach seinem Grundstück hinüber, wo er noch mehr Ödland -umgraben muß. Er bricht in Gedanken große Steine aus, -er hat ein entschiedenes Talent zum Entwässern. Und er -weiß, dort drüben liegt noch eine recht tiefe Sumpfstrecke -auf seinem Eigentum. Dieser Sumpf ist voller Erz, eine -metallische Haut steht auf jeder Lache, den will er jetzt -trockenlegen. Mit den Augen teilt er den Boden in Vierecke -ein, er hat Pläne und Absichten mit diesen Vierecken, -er will sie recht grün und fruchtbar machen. Oh, -ein urbar gemachtes Feld war etwas sehr Gutes, es -wirkte auf ihn wie Ordnung und Recht und dazu wie -Genuß ...</p> - -<p>Er stand auf und fand sich nicht mehr ganz zurecht. -Hm! Was war geschehen? Nichts, er hatte nur ein wenig -ausgeruht. Jetzt aber steht etwas vor ihm, ein Wesen, -ein Geist, graue Seide — nein, es war nichts. Es wurde -ihm sonderbar zumut, er machte einen kurzen unsicheren -Schritt vorwärts und ging geradeswegs auf einen Blick -zu, einen großen Blick, zwei Augen, gleichzeitig fangen -die Espen in der Nähe zu rauschen und zu raunen an. Nun -weiß jedermann, daß die Espe eine ganz infame, unbehagliche -Art zu rauschen hat, jedenfalls hatte Isak noch niemals -ein widerlicheres Rauschen gehört als jetzt, und -er fühlte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Er -griff auch mit der Hand nach vorne, aber dies war vielleicht -die hilfloseste Bewegung, die diese Hand je gemacht -hatte.</p> - -<p>Aber was war nun das da vor ihm, und hatte es eine -Gestalt oder nicht? Isak hatte ja seiner Lebtag darauf<span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span> -geschworen, daß es eine höhere Macht gebe, und einmal -hatte er sie auch gesehen, aber das, was er jetzt sah, glich -Gott nicht. Ob der Heilige Geist wohl so aussah? Aber -warum stand er dann jetzt hier — auf dem weiten Feld -zwei Augen, ein Blick und sonst nichts? War es, um ihn -zu holen, um seine Seele zu holen, dann mochte es so -sein, einmal würde es ja doch geschehen, dann wurde er -selig und kam in den Himmel.</p> - -<p>Isak war gespannt, was geschehen würde, ein Schauder -durchrieselte ihn, die Gestalt strömte ja Kälte und -Frost aus, es mußte der Teufel sein. Hier betrat Isak -sozusagen bekannten Boden, es war nicht unmöglich, daß -es der Teufel war; aber was wollte er hier? Auf was -hatte er Isak jetzt eben ertappt? Auf dem Gedanken, Ödland -umzubrechen, aber das konnte ihn doch unmöglich -geärgert haben. Von einer anderen Sünde, die er begangen -haben konnte, wußte Isak nichts, er war nur -auf dem Heimweg vom Walde, ein müder und hungriger -Arbeiter, er wollte nach Sellanraa, alles in guter -Absicht.</p> - -<p>Wieder machte er einen Schritt vorwärts, aber es war -kein langer Schritt, und er wich überdies sofort wieder -ebenso weit zurück. Da die Erscheinung nicht weichen -wollte, runzelte Isak wahrhaftig die Stirne, als traue -er der Sache nicht mehr recht. Wenn es der Teufel war, -so mochte es der Teufel sein, der hatte jedoch nicht die -höchste Macht. Luther hatte ihn einstmals beinahe umgebracht, -und es gab viele, die ihn mit dem Kreuzeszeichen -und Jesu Namen verscheucht hatten. Nicht, daß -Isak die Gefahr herausgefordert und sich dann hingesetzt -und darüber gelacht hätte, aber das Sterben und Seligwerden, -das er zuerst im Sinne gehabt hatte, diesen Gedanken -gab er jedenfalls auf, und jetzt machte er zwei -Schritte auf die Erscheinung zu, bekreuzigte sich und rief: -Im Namen Jesu!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span></p> - -<p>Hm? Als er seine eigene Stimme hörte, war es, als -komme er plötzlich wieder zu sich, und er sah Sellanraa -auf der Halde liegen. Die Espen rauschten nicht mehr, die -beiden Augen waren aus der Luft verschwunden.</p> - -<p>Er zögerte nicht länger auf dem Weg und forderte die -Gefahr nicht heraus. Aber als er auf seiner eigenen Türschwelle -stand, räusperte er sich kräftig und erleichtert, -und er ging erhobenen Hauptes in die Stube hinein wie -ein Mann, ja, wie ein Held.</p> - -<p>Inger stutzte und fragte, warum er so leichenblaß aussähe.</p> - -<p>Da leugnete er nicht, daß er dem Teufel begegnet sei.</p> - -<p>Wo? fragte sie.</p> - -<p>Dort drüben. Uns gerade gegenüber.</p> - -<p>Inger zeigte keinen Neid. Ja, sie lobte ihn nicht gerade -deshalb, aber in ihrer Miene lag nichts, was einem bösen -Wort oder einem Fußtritt geglichen hätte. Ach, Ingers -Gemüt hatte sich im Gegenteil in den letzten Tagen etwas -aufgehellt, und sie war freundlicher geworden, woher es -auch kommen mochte; nun fragte sie nur:</p> - -<p>Ist es der Teufel selbst gewesen?</p> - -<p>Isak nickte und sagte, soweit er habe sehen können, sei -er es selbst gewesen.</p> - -<p>Wie bist du ihn losgeworden?</p> - -<p>Ich ging im Namen Jesu auf ihn los, antwortete Isak.</p> - -<p>Inger wiegte überwältigt den Kopf hin und her, und -es dauerte eine Weile, bis sie das Essen auftragen konnte. -Jedenfalls darfst du aber jetzt nicht mehr ganz allein -in den Wald gehen, sagte sie.</p> - -<p>Sie zeigte sich besorgt um ihn, das tat ihm wohl. Er -tat, als sei er noch gleich mutig und als kümmere er sich -durchaus nicht um irgendeine Begleitung in den Wald, -aber er tat nur so, um Inger mit seinem unheimlichen -Erlebnis nicht mehr als notwendig zu erschrecken. Er war<span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span> -ja der Mann und das Oberhaupt des Hauses, der Schutz -aller.</p> - -<p>Inger durchschaute ihn auch und sagte: Ja, ja, du willst -mich nur nicht ängstlich machen, aber du mußt Sivert -mitnehmen. — Isak lächelte nur verächtlich. — Du kannst -im Walde krank und elend werden, und ich glaube, du -bist auch in der letzten Zeit nicht so recht gesund gewesen. -— Wieder lächelte Isak verächtlich. Krank? Abgeschunden -und müde, jawohl; aber krank? Inger solle ihn nicht -lächerlich machen, er sei und bleibe gesund, er esse, schlafe -und arbeite, er sei ja geradezu unheilbar gesund. Einmal -sei ein gefällter Baum auf ihn gestürzt und habe ihm das -Ohr abgerissen, er habe das Ohr aufgehoben und es mit -der Mütze Tag und Nacht an seinem Platz festgehalten, -und da sei es wieder angewachsen. Für innere Unpäßlichkeiten -nehme er Süßholzsaft in kochender Milch und -komme dadurch in Schweiß, Lakritze also, die er beim -Kaufmann hole, ein erprobtes Mittel, das Theriak der -Alten. Wenn er sich in die Hand haue, lasse er sein Wasser -über die Wunde laufen und salze sie ein, dann sei es -in wenigen Tagen geheilt. Der Doktor sei noch nie nach -Sellanraa geholt worden.</p> - -<p>Nein, Isak war nicht krank. Eine Begegnung mit dem -Teufel konnte schließlich der Gesündeste haben. Isak -fühlte auch von dem gefährlichen Abenteuer keine Nachwehen, -im Gegenteil, es war, als sei er dadurch gestärkt -worden. Als sich der Winter seinem Ende zuneigte und -der Frühling nicht mehr so ewig weit entfernt war, fühlte -sich der Mann und das Oberhaupt allmählich als eine -Art Held: Ich verstehe mich auf solche Dinge, wir müssen -nur meinem Rat folgen, zur Not kann ich sogar bannen.</p> - -<p>Im ganzen genommen waren ja die Tage länger und -heller, Ostern war vorüber, die gefällten Bäume waren -heimgefahren, alles leuchtete, die Menschen atmeten nach -dem überstandenen Winter auf.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span></p> - -<p>Inger war wieder die erste, die sich aufrichtete, sie -war jetzt schon lange in guter Laune. Woher das kam? -Hoho, es hatte seine guten Gründe, sie war wieder dick -geworden, sollte wieder ein Kind bekommen. Alles ebnete -sich in ihrem Leben, nichts versagte. Aber das war ja die -größte Barmherzigkeit nach all dem, was sie verbrochen -hatte, sie hatte Glück, das Glück verfolgte sie! Isak wurde -wahrhaftig eines Tages aufmerksam und mußte sie fragen: -Ich glaube wirklich, es wird wieder etwas, wie ist -das möglich? — Ja, gottlob, es wird gewiß etwas! antwortete -sie. — Beide waren gleich überrascht. Natürlich -war Inger nicht zu alt; Isak kam sie nicht zu alt vor, -aber trotzdem, wieder ein Kind, ja, ja! Die kleine Leopoldine -war ja schon mehrere Male im Jahr für längere Zeit -in der Schule auf Breidablick, da hatten sie keine Kleinen -mehr zu Hause, und außerdem war Leopoldine jetzt auch -schon ein großes Mädchen.</p> - -<p>Einige Tage vergingen, aber am nächsten Samstag -machte sich Isak energisch auf den Weg ins Dorf, und -er wollte erst am Montagmorgen zurückkommen. Er -wollte nicht sagen, was er im Sinne hatte, aber siehe da, -er kam mit einer Magd zurück. Sie hieß Jensine. — Du -bist wohl nicht recht klug, sagte Inger, ich brauche sie -nicht. — Isak erwiderte, jawohl, jetzt brauche sie eine -Magd.</p> - -<p>Und jedenfalls war das nun ein so hübscher und gutherziger -Einfall von Isak, daß Inger ganz beschämt und -gerührt war; das neue Mädchen war die Tochter des -Schmieds; sie sollte vorerst den Sommer über dableiben, -später werde man weitersehen.</p> - -<p>Und außerdem, sagte Isak, habe ich an Eleseus telegraphiert.</p> - -<p>Inger zuckte zusammen. Telegraphiert? Wollte Isak -sie rein umbringen mit seiner Gutherzigkeit? Seht, es -war ja seit langer Zeit ihr großer Schmerz, daß Eleseus<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span> -in der Stadt war, in der ruchlosen Stadt! Sie hatte an -ihn vom lieben Gott geschrieben und ihm außerdem auch -erklärt, der Vater werde allmählich alt, der Hof aber -immer größer, Klein-Sivert könne nicht alles leisten, und -er solle ja auch den Oheim Sivert einmal beerben — und -sie hatte ihm für alle Fälle einmal auch das Reisegeld geschickt. -Aber Eleseus war ein Stadtmensch geworden und -sehnte sich nicht ins Bauernleben zurück, er erwiderte, -was er denn daheim ungefähr tun solle? Ob er auf dem -Hofe schaffen und all sein Wissen und seine Gelehrtheit -wegwerfen solle? Und tatsächlich habe ich keine Lust dazu, -schrieb er. Und wenn du mir wieder etwas Stoff zu -Wäsche schicken kannst, dann brauche ich deshalb keine -Schulden zu machen, schrieb er. — O ja, die Mutter -schickte Stoff zu Wäsche, sandte merkwürdig oft Stoff -zu Wäsche; aber als sie erweckt und fromm geworden -war, da war es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen, -und sie begriff, daß Eleseus den Stoff unter der -Hand verkaufte und das Geld zu anderem benutzte.</p> - -<p>Dasselbe begriff auch der Vater. Er sagte nie ein Wort -darüber, denn er wußte, daß Eleseus der Augapfel der -Mutter war, daß sie über ihn weinte und den Kopf schüttelte; -trotzdem aber verschwand ein Stück doppelseitiges -Tuch nach dem andern. Darüber war sich Isak ganz klar, -daß kein Mensch auf der weiten Welt soviel Wäsche auftragen -könnte. Wenn er also alles in allem betrachtete, -so mußte Isak deshalb als Mann und Oberhaupt wieder -eingreifen. So ein Telegramm durch den Kaufmann -kostete allerdings unverhältnismäßig viel, aber teils -würde das Telegramm sicher eine ungeheure Wirkung -auf den Sohn ausüben, teils war es ja für Isak selbst -etwas ganz Außergewöhnliches, wenn er bei seiner Rückkehr -Inger von dem Telegramm mitteilen konnte. Als -er heimwärts wanderte, trug er sogar noch den Koffer -der Magd auf dem Rücken; und er fühlte sich ebenso stolz<span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span> -und so geheimnisvoll wie an jenem Tage, als er Inger -den goldenen Ring mitgebracht hatte ...</p> - -<p>Es kam eine herrliche Zeit, Inger wußte gar nicht, -was Nützliches und Gutes sie nun alles tun sollte. Wie -in alten Tagen sagte sie oft zu ihrem Mann: Du kannst -alles zustande bringen! Und ein anderes Mal: Du schaffst -dich zu Tode! Und abermals: Nein, jetzt mußt du hereinkommen -und essen, ich habe Waffeln für dich gebacken! -Um ihm eine Freude zu machen, fragte sie: Ich möchte -nur wissen, was du mit diesen Balken vorhast und was -du eigentlich bauen willst? — Nein, das weiß ich noch -nicht recht, antwortete er und tat sehr wichtig.</p> - -<p>Es war jetzt wieder ganz wie in den alten Tagen. Und -nachdem das Kind geboren war — es war ein Mädchen, -ein großes, wohlgestaltetes Mädchen —, hätte Isak ein -Stein oder ein Hund sein müssen, wenn er nicht Gott -dankbar gewesen wäre. Aber was wollte er bauen? Das -wäre etwas für Oline, darüber könnte sie klatschen: einen -Anbau ans Haus, noch eine Stube. Seht, die Familie -auf Sellanraa war nun sehr zahlreich geworden: sie -hatten eine Magd, sie erwarteten Eleseus nach Hause, -und ein funkelnagelneues kleines Mädchen war angekommen -— die alte Stube mußte nun Schlafkammer werden, -anders ging es nicht.</p> - -<p>Und natürlich mußte Isak das Inger eines Tages erzählen; -sie war ja so neugierig darauf, es zu erfahren, -und obgleich Inger das ganze Geheimnis vielleicht schon -von Sivert gehört hatte — sie tuschelten ja oft miteinander -—, so tat sie ordentlich überrascht, ließ die Arme -sinken und sagte: Das ist doch wohl nicht dein Ernst? — -Aber zum Platzen voll von innerem Glück erwiderte er: -Du kommst mit so vielen neuen Kindern daher, wie soll -ich sie denn unterbringen?</p> - -<p>Die Mannsleute waren nun jeden Tag eifrig beim -Steinausbrechen für die neue Grundmauer. Sie waren<span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span> -einander jetzt ungefähr gleich bei dieser Arbeit; der eine -frisch und fest in seinem jungen Körper und rasch im Erfassen -der günstigsten Lage, im Erkennen der passendsten -Steine, der andere alternd und zäh, mit langen Armen -und das Brecheisen mit ungeheurem Gewicht einsetzend. -Und wenn sie einmal so ein richtiges Kraftstück ausgeführt -hatten, schnauften sie gerne eine Weile aus und -hielten einen scherzhaften und zurückhaltenden Schwatz -miteinander.</p> - -<p>Brede will ja verkaufen, sagte der Vater. — Ja, versetzte -der Sohn. — Möchte wissen, wieviel er verlangt. -— Ja, wieviel wohl? — Du hast nichts gehört? — Nein, -doch, zweihundert. — Der Vater überlegte eine Weile, -dann sagte er: Was meinst du, gibt das hier einen Eckstein? -— Es kommt darauf an, ob wir ihn zuhauen können, -antwortete Sivert und stand augenblicklich auf, -reichte dem Vater den Setzhammer und nahm selbst den -Vorhammer. Er wurde rot und heiß, richtete sich in seiner -ganzen Größe auf und ließ den Vorhammer niedersausen, -richtete sich wieder auf und ließ ihn abermals niederfallen -— zwanzig gleiche Schläge, zwanzig Donnerschläge! -Er schonte weder das Werkzeug noch sich selbst, -er leistete tüchtige Arbeit, das Hemd kroch ihm über die -Hose heraus und entblößte ihm den Bauch, bei jedem -Schlag richtete er sich auf die Zehenspitzen auf, um dem -Hammer noch größere Wucht zu verleihen. Zwanzig -Schläge!</p> - -<p>Nun wollen wir sehen! rief der Vater. — Der Sohn -hielt inne und fragte: Hat er einen Sprung bekommen? -— Alle beide legten sich nieder und untersuchten den -Stein, untersuchten den Kerl, den Halunken, nein, er -hatte keinen Sprung bekommen. — Jetzt will ich es einmal -mit dem Vorhammer allein probieren, sagte der -Vater und richtete sich auf. Noch gröbere Arbeit, einzig -und allein mit Kraft, der Vorhammer wurde heiß, der<span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span> -Stahl gab nach, die Feder, mit der Isak schrieb, wurde -stumpf. Er geht vom Stiel ab, sagte er von dem Vorhammer -und hörte auf zu schlagen. Ich kann auch nicht -mehr, sagte Isak. Oh, das meinte er nicht, daß er nicht -mehr könne!</p> - -<p>Dieser Vater, dieser Prahm, unansehnlich, voller Geduld -und Güte, er gönnte es dem Sohn, den letzten -Schlag zu tun und den Stein zu spalten. — Da lag er -nun in zwei Teilen. Ja, du hast einen kleinen Kniff dabei, -sagte der Vater. Hm. Aus Breidablick könnte man -schon etwas machen. — Ja, das sollte ich meinen. — -Ja, wenn das Moor mit Gräben durchzogen und umgegraben -würde. — Das Haus müßte hergerichtet werden. -— Ja, selbstverständlich, das Haus müßte hergerichtet -werden, oh, es würde viel zu arbeiten geben dort, -aber ... Wie war es, hast du gehört, ob die Mutter am -Sonntag in die Kirche will? — Ja, sie hat davon gesprochen. -— So. Aber komm, nun müssen wir uns -ordentlich umschauen, damit wir eine schöne Steinschwelle -für den Anbau finden. Du hast wohl noch nichts Passendes -dazu gesehen? — Nein, antwortete Sivert.</p> - -<p>Dann arbeiteten sie weiter.</p> - -<p>Ein paar Tage später meinten beide, nun hätten sie -genug Steine zu der Mauer. Es war an einem Freitagabend, -sie setzten sich, um auszuschnaufen, und plauderten -wieder eine Weile.</p> - -<p>Hm. Nun, was meinst du, sagte der Vater, wollen wir -ein wenig an Breidablick denken? — Warum? fragte -Sivert. Was sollen wir damit? — Ja, das weiß ich -nicht. Das Schulhaus ist auch dort, und Breidablick liegt -mittendrin. — Ja, und? fragte der Sohn. — Ich wüßte -gar nichts damit anzufangen, denn man kann es zu nichts -verwenden. — Hast du daran gedacht? fragte Sivert. — -Der Vater antwortete: Nein. Ich denke an Eleseus, ob -er wohl darauf arbeiten möchte? — Eleseus? — Ja, aber<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span> -ich weiß nicht. — Lange Überlegung auf beiden Seiten. -Dann sammelte der Vater das Handwerkszeug zusammen, -lud es sich auf und wendete sich heimwärts. — Ich -meine, du solltest mit ihm darüber reden, sagte Sivert -schließlich. Und der Vater schloß das Gespräch mit den -Worten: Nun haben wir auch heute keinen schönen Stein -zu der Türschwelle gefunden.</p> - -<p>Der nächste Tag war ein Samstag, und da mußten sie -schon sehr früh aufbrechen, um mit dem Kinde rechtzeitig -übers Gebirge zu kommen. Jensine, die Magd, sollte auch -mit, da hatten sie die eine Patin, die andern Gevattern -mußten jenseits des Gebirges unter Ingers Verwandten -aufgetrieben werden.</p> - -<p>Inger war sehr hübsch, sie hatte sich ein besonders -kleidsames Kattunkleid genäht und trug überdies weiße -Streifen um den Hals und an den Handgelenken. Das -Kind war ganz in Weiß, nur unten am Saum war ein -neues blauseidenes Band durchgezogen; aber es war ja -auch ein ganz besonderes Kind, es lächelte und plauderte -schon und horchte auf, wenn die Stubenuhr schlug. Der -Vater hatte den Namen ausgewählt. Ihm kam dies zu, -er wollte hier eingreifen — laßt uns nur meinem Rat -folgen! Er hatte zwischen Jakobine und Rebekka, die -beide etwas mit Isak zusammenhingen, geschwankt, -schließlich war er zu Inger gegangen und hatte ängstlich -gesagt: Hm. Was meinst du zu Rebekka? — O ja, antwortete -Inger. — Als Isak dies hörte, wurde er ordentlich -männlich und sagte barsch: Wenn sie etwas heißen -soll, so soll sie Rebekka heißen. Dafür stehe ich ein!</p> - -<p>Und natürlich wollte er mit in der Kirche sein, der -Ordnung halber und auch, um das Kind zu tragen, der -kleinen Rebekka sollte ein gutes Taufgeleite nicht fehlen. -Er stutzte sich den Bart, zog wie in jüngeren Jahren ein -frisches rotes Hemd an; es war zwar in der größten -Hitze, aber er hatte einen schönen neuen Winteranzug, den<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> -legte er an. Übrigens war Isak nicht der Mann, der sich -Verschwendung und Flottheit zur Pflicht machte, deshalb -zog er zu der Wanderung übers Gebirge ein Paar von -seinen märchenhaften Siebenmeilenstiefeln an.</p> - -<p>Sivert und Leopoldine mußten bei den Haustieren daheim -bleiben.</p> - -<p>Sie ruderten im Boot über den Gebirgssee, und das -war eine große Erleichterung gegen früher, wo sie immer -außen herum hatten wandern müssen. Aber mitten auf -dem Wasser, als Inger der Kleinen die Brust geben -wollte, sah Isak etwas Glänzendes an einem Faden um -ihren Hals hängen. — Was konnte das sein? In der -Kirche bemerkte er, daß sie den goldenen Ring am Finger -trug. Oh, diese Inger, sie hatte sich es nicht versagen -können!</p> - - - -<h3>17</h3> - - -<p>Eleseus kam nach Hause.</p> - -<p>Er war jetzt mehrere Jahre fort gewesen und war -größer als der Vater geworden, mit langen weißen -Händen und einem kleinen dunklen Schnurrbart. Er -spielte sich nicht auf, sondern schien sich ein natürliches, -freundliches Wesen zur Pflicht zu machen; die Mutter -war verwundert und froh darüber. Er bekam mit Sivert -zusammen die Kammer, die Brüder waren gut Freund -miteinander und spielten einander manchen Schabernack, -an dem sie sich höchlich ergötzten. Aber natürlich mußte -Eleseus beim Zimmern des Anbaus helfen, und da wurde -er bald müde und erschöpft, weil er körperlicher Arbeit -ganz ungewohnt war. Ganz schlimm wurde es, als Sivert -die Arbeit aufgeben und sie den beiden andern überlassen -mußte — ja, da war dem Vater eher geschadet als gedient.</p> - -<p>Und wohin ging Sivert? Ja, war nicht eines Tages -Oline übers Gebirge dahergekommen mit der Botschaft<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span> -von Oheim Sivert, daß er im Sterben liege! Mußte da -nicht Klein-Sivert hingehen? Das war ein Zustand! — -Niemals hätte das Verlangen des Oheims, Sivert jetzt -bei sich zu haben, ungelegener kommen können; aber da -war nichts zu machen.</p> - -<p>Oline sagte: Ich hatte gar keine Zeit, den Auftrag zu -übernehmen, nein, ganz und gar nicht, aber ich habe nun -einmal die Liebe zu allen den Kindern hier und für Klein-Sivert -besonders, und so wollte ich ihm zu seinem Erbe -verhelfen. — Ist denn der Oheim Sivert sehr krank? — -Ach du lieber Gott, er nimmt mit jedem Tag mehr ab! -— Liegt er zu Bett? — Zu Bett! Herr des Himmels, -ihr solltet nicht so freventlich herausreden. Sivert springt -und läuft nicht mehr auf dieser Welt.</p> - -<p>Nach dieser Antwort mußten sie ja annehmen, daß es -mit dem Oheim Sivert stark auf das Ende zugehe, und -Inger trieb Klein-Sivert noch tüchtig zur Eile an; sofort -sollte er gehen.</p> - -<p>Aber der Oheim Sivert, der Halunke, der Schelm, -lag durchaus nicht im Sterben, er lag nicht einmal beständig -zu Bett. Als Klein-Sivert ankam, fand er eine -fürchterliche Unordnung und Vernachlässigung auf dem -kleinen Hofe vor, ja, die Frühjahrsarbeit war nicht einmal -ordentlich getan worden, nein, nicht einmal der Winterdung -war hinausgefahren, aber der Tod schien nicht -augenblicklich bevorzustehen. Der Oheim Sivert war -allerdings ein alter Mann, über siebzig, er war hinfällig -und trieb sich halb angezogen im Hause umher, lag auch -oft zu Bett und mußte für verschiedenes notwendig Hilfe -haben; zum Beispiel mußte das Heringsnetz, das im -Bootsschuppen hing und da schlecht aufgehoben war, ausgebessert -werden. O ja, aber der Oheim war durchaus -nicht so am Ende, daß er nicht noch gepökelte Fische essen -und sein Pfeifchen rauchen konnte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span></p> - -<p>Nachdem Sivert eine halbe Stunde dagewesen war -und gesehen hatte, wie alles zusammenhing, wollte er -gleich wieder heim. — Heim? fragte der Alte. — Ja, -wir bauen eine Stube, und dem Vater fehlt meine Hilfe. -— So, sagte der Alte, ist denn nicht Eleseus daheim? — -Doch, aber der ist diese Arbeit nicht gewohnt. — Warum -bist du dann gekommen? — Sivert erklärte, welche Botschaft -Oline gebracht habe. — Im Sterben? fragte der -Alte. Meinte sie, ich liege im Sterben? Zum Teufel auch! -— Hahaha! lachte Sivert. — Der Alte sah den Neffen gekränkt -an und sagte: Du machst dich über einen Sterbenden -lustig, und du bist nach mir getauft worden! — -Sivert war zu jung, um eine betrübte Miene aufzusetzen, -er hatte sich nie etwas aus dem Oheim gemacht, und jetzt -wollte er wieder heim.</p> - -<p>Na, und du hast also auch gemeint, ich liege im Sterben -und bist da gleich hergerannt, sagte der Alte. — -Oline hat es gesagt, beharrte Sivert. — Nach kurzem -Schweigen machte der Oheim ein Angebot: Wenn du -mein Netz im Bootsschuppen flickst, darfst du etwas bei -mir sehen. — So, sagte Sivert, und was ist es? — Ach, -das geht dich nichts an, versetzte der Alte mürrisch und -legte sich wieder zu Bett.</p> - -<p>Die Verhandlungen brauchten offenbar Zeit. Sivert -wußte nicht recht, was tun. Er ging hinaus und sah sich -um, alles war unordentlich und vernachlässigt, die Arbeit -hier in Angriff nehmen zu sollen, wäre ein Unding gewesen. -Als er wieder hereinkam, war der Oheim auf und -saß am Ofen.</p> - -<p>Siehst du dies? fragte er und deutete auf einen eichenen -Schrein, der zwischen seinen Füßen auf dem Boden -stand. Das war der Geldschrein. In Wirklichkeit war es -einer von jenen Flaschenkasten, mit vielen Abteilungen, -den Beamte und andere vornehme Leute in alten Tagen -auf ihren Reisen mit sich geführt hatten; es waren jetzt<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span> -keine Flaschen mehr drin, der alte Bezirkskassierer bewahrte -Rechnungen und Gelder darin auf. Oh, diese -Flaschenkiste, die Sage ging, daß sie den Reichtum der -ganzen Welt berge, die Leute im Dorfe pflegten zu sagen: -Wenn ich nur das Geld hätte, das der Sivert in seinem -Schrein hat!</p> - -<p>Der Oheim Sivert entnahm dem Schrein ein Papier -und sagte feierlich: Du kannst doch wohl Geschriebenes -lesen? Lies dies Dokument! — Klein-Sivert war durchaus -nicht überlegen im Lesen von Schriftstücken, nein, -das war er nicht, aber jetzt las er, daß er zum Erben der -ganzen Hinterlassenschaft des Oheims eingesetzt sei. — -Und nun kannst du tun, was du willst, sagte der Alte und -legte das Dokument wieder in den Schrein.</p> - -<p>Sivert fühlte sich nicht besonders gerührt, das Dokument -berichtete ihm eigentlich nicht mehr, als was er vorher -gewußt hatte, schon von Kind auf hatte er ja nichts -anderes gehört, als daß er den Oheim einmal beerben -werde. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn er in dem -Schrein Kostbarkeiten hätte zu sehen bekommen. — Es -ist wohl viel Merkwürdiges in dem Schrein, sagte er. -— Mehr als du denkst, versetzte der Oheim kurz.</p> - -<p>Er war so enttäuscht und ärgerlich über den Neffen, -daß er den Schrein zuschloß und wieder zu Bett ging. Da -lag er dann und gab verschiedene Mitteilungen kund: -Dreißig Jahre lang bin ich hier im Dorf Bevollmächtigter -und Herr der Gelder gewesen, ich habe es nicht nötig, -jemand um eine Handreichung anzuflehen. Woher wußte -denn Oline, daß ich am Sterben sei? Kann ich nicht, -wenn ich will, drei Mann zum Doktor fahren lassen? -Ihr sollt nicht euren Spott mit mir treiben. Und du, -Sivert, kannst nicht warten, bis ich meinen Geist ausgehaucht -habe. Ich will dir nur eins sagen: Jetzt hast du -das Dokument gelesen, und es liegt in meinem Geldschrein; -mehr sag ich nicht. Aber wenn du von mir fort<span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span>gehst, -dann richte deinem Bruder Eleseus aus, daß er -hierherkommen soll. Er heißt nicht nach mir und trägt -nicht meinen irdischen Namen — aber er soll nur -kommen!</p> - -<p>Trotz der Drohung, die in diesen Worten lag, überlegte -Sivert sich die Sache und sagte dann: Ich werde -Eleseus deinen Auftrag ausrichten.</p> - -<p>Oline war noch auf Sellanraa, als Sivert zurückkam. -Sie hatte Zeit gehabt, einen Gang durch die Gegend zu -machen, ja sogar bis zu Axel Ström und Barbros Ansiedlung, -dann kam sie wieder zurück und tat äußerst -wichtig und geheimnisvoll. Die Barbro ist dicker geworden, -sagte sie flüsternd, das wird doch nichts zu bedeuten -haben? Aber sagt es niemand! Was, da bist du ja wieder, -Sivert, da brauche ich ja wohl nicht erst zu fragen, ob -dein Oheim entschlafen ist? Ja, ja, er war ein alter Mann -und ein Greis am Rande des Grabes. Was — er ist also -nicht tot? Gott sei Lob und Dank! Was, ich hätte nur ein -leeres Geschwätz verführt, sagst du? Wenn ich nur bei -allem so frei von Schuld wäre! Konnte ich denn wissen, -daß dein Oheim Gott ins Angesicht log? Er nimmt ab, -das waren meine Worte, und diese werde ich einmal vor -Gottes Thron wiederholen. Was sagst du, Sivert? Ja, -aber lag nicht dein Oheim zu Bett und rauchte und faltete -beide Hände auf der Brust und sagte, nun liege er da und -kämpfe es aus?</p> - -<p>Mit Oline konnte man sich unmöglich in einen Streit -einlassen, sie überwältigte ihren Gegner mit ihrem Geschwätz -und machte ihn mundtot. Als sie hörte, daß der -Oheim Sivert Eleseus zu sich rief, ergriff sie auch diesen -Umstand sofort und verwendete ihn zu ihrem Vorteil. Da -könnt ihr hören, ob ich ein leeres Geschwätz im Munde -geführt habe. Der alte Sivert ruft seine Verwandten herbei -und schmachtet nach seinem Fleisch und Blut, es ist -am letzten bei ihm. Du mußt ihm das nicht abschlagen,<span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span> -Eleseus, geh nur gleich, damit du deinen Oheim noch am -Leben triffst. Ich muß auch übers Gebirge, da können -wir zusammen gehen.</p> - -<p>Oline verließ indes Sellanraa nicht, bis sie Inger auf -die Seite gezogen und ihr noch über Barbro zugeflüstert -hatte: Sag es niemand, aber sie hat die Anzeichen! Und -nun meint sie wohl, sie werde die Frau auf der Ansiedlung. -Manche Leute kommen obenauf, ob sie auch von -Anfang an so klein sind wie Sandkörner am Meeresstrand. -Wer hätte nun das von Barbro geglaubt! Axel -ist sicher ein fleißiger Mann, und so große Güter und -Höfe wie hier im Ödland gibt es nicht auf unserer Seite -des Gebirges, das weißt du auch, Inger, du stammst ja -aus unserer Gemeinde und bist dort geboren. Barbro -hatte ein paar Pfund Wolle in einer Kiste, es war lauter -Winterwolle, ich habe keine davon verlangt, und sie hat -mir auch keine davon angeboten; wir sagten nur Grüßgott -und Gutentag, obgleich ich sie von Kindesbeinen an -gekannt habe, damals, als ich hier auf Sellanraa war, -und du, Inger, fort in der Lehre —</p> - -<p>Jetzt weint die kleine Rebekka, warf Inger rasch ein, -und dann steckte sie Oline noch eine Handvoll Wolle zu.</p> - -<p>Große Dankesbezeugung von Oline: Ja, ist es nicht, -wie ich eben zu der Barbro gesagt habe, so freigebig wie -die Inger gibt es niemand mehr, sie schenkt sich wahrhaftig -lahm und wund und murrt nie darüber. Ja, geh -nur hinein zu dem kleinen Engel, noch nie hat ein Kind -seiner Mutter so ähnlich gesehen wie die kleine Rebekka -dir. Ob sich Inger erinnern könne, was sie einmal gesagt -habe, daß sie keine Kinder mehr bekomme? Da könne sie -nun sehen! Nein, man solle auf die Alten hören, die -selbst Kinder gehabt hätten, denn Gottes Wege sind unerforschlich, -sagte Oline.</p> - -<p>Dann trabte sie hinter Eleseus durch den Wald aufwärts, -vor Alter gebückt, fahl und grau und neugierig,<span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span> -immer dieselbe. Nun würde sie zum alten Sivert gehen -und zu ihm sagen, sie — Oline — sei es gewesen, die -Eleseus bestimmt habe, zu ihm zu kommen.</p> - -<p>Aber Eleseus hatte sich durchaus nicht nötigen lassen, -es war nicht schwer gewesen, ihn zu überreden. Seht, im -Grunde genommen war er besser, als es den Anschein -hatte, er war wirklich auf seine Art ein guter Bursche, -gutmütig und freundlich von Natur, nur ohne große körperliche -Kräfte. Daß er aus der Stadt nur ungern aufs -Land zurückkehrte, hatte seinen guten Grund, er wußte -ja wohl, daß die Mutter wegen Kindsmord in der Strafanstalt -gewesen war, in der Stadt hörte er nichts davon, -aber da auf dem Lande wußten es wohl alle. War er nun -nicht mehrere Jahre lang mit Kameraden zusammen gewesen, -die ihm ein feineres Empfinden beigebracht hatten, -als er früher gehabt hatte? War nicht eine Gabel ebenso -notwendig wie ein Messer? Hatte er nicht alle Tage da -drinnen nach Kronen und Öre gerechnet, und hier rechnete -man immer noch nach dem alten Talerfuß. O ja, er wanderte -sehr gern übers Gebirge in eine andere Gegend, -daheim auf dem väterlichen Hofe mußte er ja jeden -Augenblick seine Überlegenheit im Zaume halten. Er gab -sich Mühe, sich den andern anzupassen, und es gelang ihm -auch, aber er mußte auf der Hut sein, zum Beispiel, als -er vor ein paar Wochen nach Sellanraa heimgekommen -war. Er hatte ja einen hellgrauen Frühjahrsüberzieher -mitgenommen, obgleich man mitten im Sommer war; -als er ihn an einem Nagel in der Wohnstube aufhängte, -hätte er gut das silberne Schild mit seinen Buchstaben -darauf nach außen drehen können, aber er hatte es nicht -getan. Ebenso war es mit dem Stock, dem Spazierstock! -Es war allerdings nur ein Regenschirmstock, von dem er -den Stoff und die Stahlschienen abgemacht hatte, aber -auf Sellanraa hatte er ihn nicht getragen und lustig ge<span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span>schwungen, -weit entfernt, er hatte ihn verborgen am -Schenkel angelegt getragen.</p> - -<p>Nein, es war nicht verwunderlich, daß Eleseus übers -Gebirge ging. Er taugte nicht zum Hausbauen, er taugte -dazu, Buchstaben zu schreiben, das konnte nicht der erste -beste, aber in seiner Heimat war niemand, der seine Gelehrsamkeit -und seine Kunst zu schätzen wußte, ausgenommen -vielleicht die Mutter. So wanderte er fröhlichen -Herzens vor Oline her den Wald hinauf, er wollte weiter -oben auf sie warten, er lief wie ein Kalb, hetzte ordentlich -vorwärts. Eleseus hatte sich gewissermaßen vom Hofe -weggestohlen, er hatte Angst, gesehen zu werden, jawohl, -denn er hatte den Frühjahrsüberzieher und den Spazierstock -mitgenommen. Jenseits des Gebirges konnte er ja -hoffen, bessere Leute zu treffen und auch selbst gesehen -zu werden, vielleicht sogar in die Kirche zu kommen. Deshalb -plagte er sich in der Sonnenhitze mit dem überflüssigen -Überrock.</p> - -<p>Und er hinterließ keine Lücke, wurde nicht vermißt beim -Hausbau, im Gegenteil, nun bekam ja der Vater den -Sivert wieder, der Sivert war von viel größerem Nutzen -und hielt vom Morgen bis Abend aus. Sie brauchten -auch nicht viel Zeit zum Aufrichten des Gebäudes, es war -nur ein Anbau, drei Wände; sie brauchten auch die -Stämme nicht zuzuhauen, das wurde im Sägewerk gemacht. -Die Schwartenbretter kamen ihnen dann gleich -beim Dachbau zugute. Eines schönen Tages stand wirklich -die Stube vor ihren Augen fertig da, gedeckt, mit -gelegtem Boden und eingesetzten Fenstern. Weiter konnten -sie vor der Ernte nicht mehr damit kommen. Das -Verschalen und Anstreichen mußte auf später warten.</p> - -<p>Da kam plötzlich Geißler mit großer Gefolgschaft -übers Gebirge daher! Und das Gefolge war zu Pferde, -auf glänzenden Pferden mit gelben Sätteln; es waren -wohl reiche Reisende, sie waren sehr schwer und dick, die<span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span> -Pferde bogen sich unter ihnen durch. Mitten unter diesen -großen Herren ging Geißler zu Fuß. Es waren im ganzen -vier Herren und Geißler, dazu noch zwei Diener, von -denen jeder ein Lastpferd führte.</p> - -<p>Auf dem Hofplatz stiegen die Reiter ab, und Geißler -sagte: Da haben wir Isak, den Markgrafen selbst. Guten -Tag, Isak! Du siehst, da komme ich wieder, wie ich gesagt -habe.</p> - -<p>Geißler war noch ganz der alte; obgleich er zu Fuß -kam, schien er sich keineswegs geringer zu fühlen als -die andern, ja, sein abgetragener Rock hing ihm lang und -leer über seinen eingefallenen Rücken hinunter, aber sein -Gesicht zeigte einen überlegenen und hochmütigen Ausdruck. -Er sagte: Diese Herren und ich haben die Absicht, -ein Stück weit den Berg hinaufzuwandern; sie sind zu -dick und möchten ein wenig Speck loswerden.</p> - -<p>Die Herren waren übrigens freundlich und gutmütig; -sie lächelten zu Geißlers Worten und entschuldigten sich, -daß sie wie im Krieg über den Hof hereinbrächen. Sie -hätten Mundvorrat bei sich, würden ihn also nicht arm -fressen, wären aber dankbar, wenn sie für die Nacht ein -Dach über den Kopf bekommen könnten. Vielleicht dürften -sie in dem neuen Gebäude da übernachten.</p> - -<p>Als sie eine Weile ausgeruht hatten und Geißler bei -Inger und den Kindern drin gewesen war, gingen alle -die Gäste auf den Berg und blieben bis zum späten Abend -weg. Am Nachmittag hatten die Leute auf dem Hofe ab -und zu ganz unerklärliche Laute, Schüsse, gehört, und -bei der Rückkehr brachten die Herren neue Gesteinsproben -in Säcken mit. Schwarzkupfer, sagten sie und -nickten über den Steinen. Es entspann sich eine lange, gelehrte -Unterredung, und sie guckten dabei in eine Karte, -die sie in groben Strichen gezeichnet hatten. Unter den -Herren waren ein Sachverständiger und ein Ingenieur, -einer wurde Landrat genannt, einer Hüttenbesitzer. Luft<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span>bahn, -sagten sie, Seilbahn, sagten sie. Geißler warf ab -und zu ein Wort ein, und das schien die Herren jedesmal -richtig aufzuklären; es wurde großes Gewicht auf seine -Worte gelegt.</p> - -<p>Wem gehört das Land südlich vom See? fragte der -Landrat Isak. — Dem Staat, antwortete Geißler flugs. -Er war wachsam und klug, in der Hand hielt er das -Dokument, das Isak einst mit seinem Namenszeichen -unterschrieben hatte. — Ich habe ja schon gesagt, daß -es dem Staat gehört, warum fragst du noch einmal danach? -sagte er. Wenn du mich kontrollieren willst, bitte!</p> - -<p>Später am Abend nahm Geißler Isak allein mit sich -hinein und sagte: Wollen wir den Kupferberg verkaufen? -— Isak antwortete: Aber der Herr Lensmann hat mir -ja den Berg schon einmal abgekauft und bezahlt. — -Richtig, sagte Geißler, ich habe den Berg gekauft. Aber -du sollst doch auch Prozente vom weiteren Verkauf oder -vom Betrieb haben; willst du diese Prozente verkaufen? -— Das verstand Isak nicht, und Geißler mußte es ihm -erklären. Isak könne keine Grube in Betrieb setzen, er -sei ein Landmann, er mache Land urbar; er, Geißler, -könne aber auch keine Grube betreiben. Aber Geld, Kapital? -Oh, soviel er wolle! Aber er habe keine Zeit, er habe -gar so vielerlei vor, sei ständig auf Reisen, müsse für -seine Güter im Norden und im Süden sorgen. Nun wolle -er — Geißler — an diese schwedischen Herren verkaufen, -sie seien alle Verwandte seiner Frau und reiche Leute, -Fachleute, sie könnten die Grube eröffnen und in Betrieb -nehmen. Ob Isak es nun verstehe? — Ich will, -wie Sie wollen, sagte Isak.</p> - -<p>Merkwürdig — dieses große Zutrauen tat dem armen -Geißler wohl: Ja, ich weiß nun nicht, ob du gut dabei -fährst, sagte er und überlegte. Doch plötzlich wurde er -sicher und fuhr fort: Aber wenn du mir freie Hand gibst, -werde ich jedenfalls besser für dich handeln, als du es<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span> -selbst tun könntest. — Isak fing an: Hm. Ihr seid von -der ersten Stunde an hier ein guter Herr für uns gewesen -... Geißler runzelte die Stirn und unterbrach ihn: -Also, es ist gut!</p> - -<p>Am nächsten Morgen setzten sich die Herren hin, um -zu schreiben. Sehr ernsthafte Sachen schrieben sie; zuerst -einen Kaufkontrakt auf vierzigtausend Kronen für den -Kupferberg, dann ein Dokument, worin Geißler zugunsten -seiner Frau und seiner Kinder auf jeden Heller von -diesen vierzigtausend verzichtete. Isak und Sivert wurden -hereingerufen, um diese Papiere als Zeugen zu unterschreiben. -Als dies getan war, wollten die Herren Isak -seine Prozente für eine Bagatelle abkaufen, für fünfhundert -Kronen. Aber Geißler unterbrach sie mit den -Worten: Scherz beiseite!</p> - -<p>Isak verstand nicht viel vom Ganzen, er hatte einmal -verkauft und seine Bezahlung dafür erhalten, und -im übrigen, Kronen — das war gar nichts, es waren -keine Taler. Sivert dagegen dachte sich mehr dabei, der -Ton der Verhandlungen war ihm auffallend: das war -gewiß eine Familiensache, die hier beigelegt und abgemacht -wurde. So sagte einer der Herren: Lieber Geißler, -du brauchtest wirklich nicht so rote Ränder um die Augen -zu haben! Worauf Geißler scharfsinnig aber ausweichend -antwortete: Nein, das brauche ich wirklich nicht. Aber es -geht eben nicht nach Verdienst in dieser Welt.</p> - -<p>War es so, daß Frau Geißlers Brüder und Verwandte -ihren Mann abfinden, sich vielleicht mit einem Schlag -von seinen Besuchen befreien und die widerwärtige Verwandtschaft -loswerden wollten? Nun war ja der Kupferberg -wahrscheinlich nicht wertlos, das wurde von keinem -behauptet, aber er war sehr abgelegen, die Herren sagten -geradezu, sie kauften ihn jetzt, um ihn weiterzuverhandeln -an Leute, die viel leichter eine Grube in Betrieb -setzen und ausbauen könnten als sie. Darin lag nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span> -Unnatürliches. Sie sagten auch offen, sie wüßten nicht, -wieviel der Berg eintragen könnte. Wenn eine Grube -eröffnet würde, seien vielleicht vierzigtausend Kronen -keine Bezahlung; wenn aber der Berg so liegen bleibe, -wie er jetzt sei, dann sei es hinausgeworfenes Geld. Aber -jedenfalls wollten sie reinen Tisch machen, und deshalb -böten sie Isak fünfhundert Kronen für seinen Anteil.</p> - -<p>Ich bin Isaks Bevollmächtigter, sagte Geißler, und -ich verkaufe sein Recht nicht unter zehn Prozent der Kaufsumme.</p> - -<p>Viertausend! sagten die Herren.</p> - -<p>Viertausend! beharrte Geißler. Der Berg ist Isaks -Eigentum gewesen, er erhält viertausend. Mir hat er nicht -gehört, ich bekomme vierzigtausend. Wollen sich die Herren -wohl die Mühe nehmen und das bedenken.</p> - -<p>Ja, aber viertausend!</p> - -<p>Geißler stand auf und sagte: Jawohl oder gar kein -Verkauf.</p> - -<p>Sie überlegten, tuschelten miteinander und gingen auf -den Hofplatz hinaus, zogen die Sache in die Länge. Richtet -die Pferde! riefen sie dann den Dienern zu. Einer der -Herren ging zu Inger hinein, bezahlte fürstlich für den -Kaffee, einige Eier und das Nachtquartier. Geißler ging -anscheinend gleichgültig umher, aber er war noch ebenso -wachsam: Wie ist es mit der Wasserleitung im vorigen -Jahr gegangen? fragte er Sivert. — Sie hat uns die -ganze Ernte gerettet. — Ich sehe, ihr habt den Sumpf -dort umgerodet, seit ich das letztemal hier war. — Ja. -— Ihr müßt euch noch ein Pferd anschaffen, sagte Geißler. -Er sah alles.</p> - -<p>Komm jetzt her, damit wir fertig werden! rief der -Hüttenbesitzer.</p> - -<p>Darauf gingen alle miteinander in den Neubau, und -Isaks viertausend wurden aufgezählt. Geißler bekam eine -Urkunde; er steckte sie nachlässig in die Tasche, als hätte<span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span> -sie gar keinen Wert. Heb sie wohl auf, sagten die andern -zu ihm, und deiner Frau wird das Bankbuch in einigen -Tagen zugestellt werden, sagten sie. — Geißler runzelte -die Stirne und erwiderte: Es ist gut!</p> - -<p>Aber sie waren noch nicht fertig mit Geißler. Nicht -als ob er den Mund aufgetan hätte, um etwas für sich -zu verlangen, aber da stand er nun, und sie sahen, wie -er dastand; vielleicht hatte er sich auch selbst einen kleinen -Teil des Geldes ausbedungen. Als der Hüttenbesitzer ihm -ein Banknotenbündel reichte, nickte Geißler nur und sagte -wieder, es sei gut. Und nun trinken wir noch ein Glas -mit Geißler, sagte der Hüttenbesitzer.</p> - -<p>Sie tranken, dann waren sie fertig und verabschiedeten -sich von Geißler.</p> - -<p>In diesem Augenblick kam Brede Olsen einher. Was -wollte der nun? Brede hatte natürlich die dröhnenden -Schüsse am gestrigen Tage gehört und verstanden, daß -droben im Gebirge etwas vor sich ging. Jetzt kam er -und wollte auch Gebirgsstrecken verkaufen. Er ging an -Geißler vorbei, wendete sich an die Herren und sagte: er -habe einige merkwürdige Gesteinsarten entdeckt, ganz -wunderbare, die einen seien rot wie Blut, andere hell -wie Silber; er kenne jeden Winkel da droben und könne -rasch mit den Herren hinaufgehen, er wisse mehrere lange -Metalladern — was das wohl für eine Art Metall sein -könne? — Hast du Proben bei dir? fragte der Bergbaukundige. -— Ja. Aber ob sie nicht ebensogut auf den -Berg hinaufgehen könnten? Es sei nicht weit, Proben, -jawohl! Viele Säcke voll, viele Kisten voll, er habe sie -zwar nicht bei sich, aber daheim in seinem Hause; er -könne rasch hinlaufen und sie holen. Aber er könne in -kürzerer Zeit von den Bergen droben holen, wenn die -Herren warten wollten. Die Herren jedoch schüttelten -den Kopf und ritten davon.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span></p> - -<p>Brede sah ihnen gekränkt nach. Wenn die Hoffnung -einen Augenblick in ihm aufgetaucht war, dann erlosch -sie jetzt wieder; er arbeitete unter der Ungunst des Schicksals, -nichts wollte ihm glücken. Nur gut, daß er einen -leichten Sinn hatte, um das Leben trotzdem ertragen zu -können. Er sah den Reitern nach und sagte schließlich: Na, -viel Glück auf die Reise!</p> - -<p>Aber jetzt zeigte er sich wieder unterwürfig gegen Geißler, -seinen früheren Lensmann, er duzte ihn nicht mehr, -sondern verbeugte sich und sagte Ihr. Geißler hatte unter -irgendeinem Vorwand seine Brieftasche herausgezogen -und ließ sehen, wie sie von Banknoten strotzte. — Könnt -Ihr mir nicht helfen, Lensmann! sagte Brede. — Geh -heim und grabe dein Moor um! sagte Geißler und half -ihm nicht im geringsten. — Ich hätte gut eine ganze -Traglast voll Steine mitbringen können, aber wäre es -denn nicht viel besser gewesen, die Herren hätten die -Berge selbst angesehen, da sie nun doch einmal hier -waren? — Geißler tat, als höre er nicht, was Brede -sagte, sondern fragte Isak: Weißt du nicht, was ich mit -dem Dokument gemacht habe? Es war äußerst wichtig, -viele tausend Kronen wert. Ach, da ist es, mitten zwischen -den Banknoten. — Was waren denn das für Leute, -haben sie nur einen Ausflug zu Pferde gemacht? fragte -Brede.</p> - -<p>Geißler war wohl vorher in großer Spannung gewesen, -jetzt fiel er merklich ab. Aber er hatte doch noch -Lust und Leben genug, um noch allerlei auszurichten. -Sivert sollte mit ihm hinauf auf den Berg, Geißler -hatte ein großes Papier bei sich, da zeichnete er die Grenze -auf der Südseite des Wassers deutlich darauf ein. — -Was er wohl für einen Gedanken dabei hatte! Als er -ein paar Stunden später wieder auf den Hof zurückkam, -war Brede noch da, aber Geißler beantwortete keine ein<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span>zige -von seinen Fragen, sondern war müde und winkte -ihm nur mit der Hand ab.</p> - -<p>Er schlief ununterbrochen bis zum nächsten Morgen, -da stand er mit der Sonne auf und war wieder ganz -frisch. Sellanraa! sagte er, als er auf dem Hofplatz stand -und weit umherschaute.</p> - -<p>All das Geld, das ich bekommen habe, soll denn das -mir gehören? fragte Isak.</p> - -<p>Was du sagst! erwiderte Geißler. Verstehst du denn -nicht, daß du mehr hättest haben sollen? Und eigentlich -hättest du sie nach unserem Kontrakt von mir haben -sollen, aber wie du gesehen hast, ließ sich das nicht -machen. Wieviel hast du bekommen? Nach alter Rechnung -nur tausend Taler. Ich denke eben darüber nach, -daß du noch ein Pferd für den Hof haben mußt. — Ja. -— Ich weiß dir ein Pferd. Der jetzige Gerichtsbote bei -Lensmann Heyerdahl läßt seinen Hof verfallen, das Herumreisen -und die Leute auspfänden ist ihm unterhaltender. -Er hat schon einen Teil seines Viehstandes verkauft, -jetzt will er auch seinen Gaul los sein. — Ich werde mit -ihm reden, sagte Isak.</p> - -<p>Geißler deutete mit der Hand weit herum und sagte: -Alles gehört dem Markgrafen! Du hast Haus und Vieh -und wohlbestellte Felder, niemand kann dich aushungern.</p> - -<p>Nein, antwortete Isak, wir haben alles, was Gott geschaffen -hat.</p> - -<p>Geißler lief noch eine Weile auf dem Hof umher, -dann ging er plötzlich zu Inger hinein. Kannst du wohl -auch heute etwas Mundvorrat entbehren? fragte er. Wieder -ein paar Waffeln, aber ohne Butter und Käse darauf; -sie sind allein schon nahrhaft und fett genug. Nein, -tu, wie ich sage, ich will nicht noch mehr tragen.</p> - -<p>Geißler ging wieder hinaus. Er hatte wohl allerlei -Gedanken im Kopf. Im Neubau setzte er sich an den -Tisch und begann zu schreiben. Er hatte sich die Sache<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span> -schon vorher ausgedacht, deshalb brauchte er nicht viel -Zeit dazu. Es sei eine Eingabe an den Staat, sagte er -überlegen zu Isak. An das Ministerium des Innern, -sagte er. Ich habe für so vieles zu sorgen!</p> - -<p>Als er seinen Mundvorrat bekommen hatte und sich -verabschiedete, war es, als falle ihm plötzlich noch etwas -ein. Ja, richtig, als ich das letztemal fortging, vergaß -ich gewiß — ich hatte einen Schein aus meiner Brieftasche -genommen, hatte ihn dann aber in meine Westentasche -gesteckt. Da habe ich ihn nachher gefunden. Ich -habe so vielerlei Geschäfte. Damit steckte er Inger etwas -in die Hand und ging.</p> - -<p>Ja, dann ging Geißler, und er schien ganz getrosten -Mutes zu sein. Er war durchaus nicht herunter und starb -auch noch lange nicht, kam auch wieder nach Sellanraa, -und erst viele Jahre später starb er. Die Hofleute vermißten -ihn aber sehr, als er nun gegangen war; Isak -hatte ihn wegen Breidablick um Rat fragen wollen, war -aber nicht dazu gekommen. Geißler hätte ihm wohl auch -abgeraten, den Hof zu kaufen — für einen Kontoristen -wie Eleseus Ödland zu kaufen!</p> - - - -<h3>18</h3> - - -<p>Oheim Sivert war doch am Sterben. Eleseus war -ungefähr drei Wochen bei dem Alten gewesen, da -war er tot. Eleseus bestellte das Begräbnis und -war recht tüchtig in dieser Richtung, er holte da und dort -in den Häusern einige Fuchsiastöcke, entlehnte eine Flagge -und hing sie auf Halbmast, kaufte schwarzen Flor beim -Kaufmann zu heruntergelassenen Vorhängen. Isak und -Inger wurden benachrichtigt und kamen zum Begräbnis. -Eleseus war der eigentliche Wirt und verstand sich sehr<span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span> -wohl auf die Aufwartung für die Eingeladenen, ja, nachdem -am Sarg noch gesungen worden war, sprach Eleseus -sogar einige passende Worte, worüber seine Mutter vor -lauter Stolz und Rührung ihr Taschentuch gebrauchen -mußte. Alles ging ausgezeichnet.</p> - -<p>Auf dem Heimweg in seines Vaters Gesellschaft mußte -Eleseus seinen Überzieher offen tragen, den Spazierstock -aber verbarg er in seinem Ärmel. Es ging alles gut, bis -sie im Boot übers Wasser fuhren; da stieß Isak aus Versehen -an den Rock, und ein Krach ließ sich hören. — Was -war das? fragte Isak. — O nichts, antwortete Eleseus.</p> - -<p>Aber der zerbrochene Stock wurde nicht weggeworfen; -als sie heimkamen, suchte Eleseus nach einem passenden -Ring um die Bruchstelle. — Können wir ihn nicht speideln? -fragte Sivert, der große Spaßvogel. Sieh hier, -wenn wir auf beiden Seiten einen guten Holzspan legen -und mit Pechdraht umwickeln ...? — Ja, ich werde dich -mit Pechdraht umwickeln! erwiderte Eleseus. — Hahaha! -Ach so, du willst wohl lieber ein rotes Strumpfband herumwickeln? -— Hahaha! lachte auch Eleseus, aber dann -ging er zu seiner Mutter hinein, und bei ihr bekam er -einen alten Fingerhut, von dem er den oberen Teil abfeilte, -wodurch er dann einen sehr schönen Ring für den -Spazierstock bekam. Oh, Eleseus war gar nicht so ungeschickt -mit seinen langen Fingern.</p> - -<p>Die Brüder trieben immer noch ihren Spaß miteinander. -Bekomme ich das, was der Oheim Sivert hinterlassen -hat? fragte Eleseus. — Ob du es bekommst? Wieviel -ist es? versetzte Sivert. — Hahaha! Du willst zuerst -wissen, wieviel es ist, du Geizhals! — Ja, du kannst es -gern haben, sagte Sivert. — Es wird zwischen fünf- -und zehntausend sein. — Talern? rief Sivert; er konnte -die Frage nicht zurückhalten. — Eleseus rechnete ja nicht -nach Talern, aber jetzt paßte es ihm, er nickte und ließ -Sivert bis zum nächsten Tag in diesem Glauben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span></p> - -<p>Dann kam Eleseus wieder auf die Sache zurück. Reut -dich wohl dein Geschenk von gestern? fragte er. — Du -Dummkopf, versetzte Sivert; allerdings, aber fünftausend -Taler waren nun einmal fünftausend Taler und keine -Kleinigkeit; wenn der Bruder nicht ein Geizhals oder ein -schlechter Kerl war, dann teilte er mit ihm. — Nun will -ich dir etwas sagen, erklärte endlich Eleseus, ich glaube -nicht, daß ich von der Erbschaft fett werde. — Sivert -sah ihn überrascht an: So, nicht? — Nein, nicht besonders -und nicht <span class="antiqua">par excellence</span> fett.</p> - -<p>Eleseus hatte ja gelernt, sich in Rechnungen auszukennen; -der Schrein des Oheims, der berühmte Flaschenkasten, -war vor ihm geöffnet worden, und er hatte alle -Papiere und Summen durchgehen und Kassensturz halten -müssen. Oheim Sivert hatte seinen Neffen nicht zu Landarbeit -oder zum Flicken des Fischnetzes verwendet, sondern -ihn in eine fürchterliche Unordnung von Zahlen und -Rechnungen hineinversetzt. Wenn ein Steuerzahler vor -zehn Jahren mit einer Ziege oder einer Kiste getrocknetem -Kohlfisch bezahlt hatte, dann stand weder die Ziege noch -der Kohlfisch da, sondern der alte Sivert holte den Mann -aus seinem Gedächtnis hervor und sagte: Er hat bezahlt. -— Nun, dann streichen wir diesen Posten, sagte Eleseus.</p> - -<p>Hier war Eleseus der rechte Mann, er war freundlich -und munterte den Kranken damit auf, daß er sagte, es -stehe alles gut; die beiden hatten sich gut zusammen eingelebt, -ja, ab und zu hatten sie sogar ihren Spaß miteinander. -Eleseus war ja wohl in dem einen oder andern -töricht, aber das war der alte Sivert auch; sie hatten -geradezu hochtrabende Dokumente abgefaßt, nicht nur -zum Vorteil von Klein-Sivert, sondern auch fürs Dorf, -die Gemeinde, der der Alte dreißig Jahre gedient hatte. -— Herrliche Tage waren es! — Ich hätte wahrlich niemand -Besseren bekommen können als dich, Eleseus! sagte -Oheim Sivert. Er schickte jemand fort und ließ mitten<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span> -im Sommer ein geschlachtetes Schaf kaufen, die Fische -wurden ihm frisch aus dem Meer gebracht, und Eleseus -wurde befohlen, aus dem Schrein zu bezahlen; sie lebten -recht gut miteinander.</p> - -<p>Sie ließen Oline kommen, und sie hätten niemand -Besseren haben können, um an einem Festmahl teilzunehmen, -auch war niemand besser dazu geschaffen als -sie, von des alten Siverts letzten Tagen großen Ruhm -zu verbreiten. Und die Befriedigung war gegenseitig. Ich -meine, wir sollten Oline auch mit einer kleinen Erbschaft -bedenken, sagte der Oheim, sie ist jetzt Witwe und hat -es recht knapp. Es bleibt trotzdem noch genug für Klein-Sivert. -— Es kostete Eleseus nur ein paar Federstriche -mir geübter Hand, einen Nachtrag zu dem letzten Willen, -und dann war auch Oline unter die Erben eingereiht. — -Ich werde für dich sorgen, sagte der alte Sivert zu ihr; -falls ich nicht wieder gesund werden sollte und nicht mehr -auf der Erde leben werde, will ich, daß du nicht Hunger -leiden mußt, sagte er. — Oline rief, sie sei sprachlos; -aber das war sie gar nicht, sie war gerührt und weinte -und dankte; niemand hätte solche Verbindung zwischen -einer irdischen Gabe und zum Beispiel „der großen -himmlischen Wiedervergeltung im Jenseits” finden können -wie Oline. Nein, sprachlos war sie nicht.</p> - -<p>Aber Eleseus? Waren ihm vielleicht im Anfang die -Verhältnisse des Oheims günstig und zufriedenstellend -vorgekommen, so mußte er sich doch später die Sache -neu überlegen und mit der Wahrheit herausrücken. Er -versuchte es mit einem schwachen Einwand: Die Kasse ist -ja nicht so ganz in Ordnung, sagte er. — Jawohl, aber -da ist ja alles, was ich sonst hinterlasse. — Ja, und dann -hast du wohl auch noch da und dort Geld auf der Bank? -fragte Eleseus, denn so ging das Gerücht. — Na, antwortete -der Alte, das kann nun sein, wie es will. Aber -das Großnetz, der Hof und die Häuser und das Vieh,<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span> -und weiße Kühe und rote Kühe! Ich glaube, du faselst, -mein guter Eleseus!</p> - -<p>Eleseus wußte nicht, wieviel das Großnetz wert sein -konnte; aber das Vieh hatte er jedenfalls gesehen: es -bestand aus einer Kuh. Sie war weiß und rot. Oheim -Sivert redete vielleicht irre. Und Eleseus verstand auch -des Alten Rechnungen nicht alle; sie waren in einem -großen Durcheinander, der reine Wirrwarr, besonders seit -dem Jahr, in dem der Münzfuß von Talern in Kronen -übergegangen war. Der Bezirkskassierer hatte oft die kleinen -Kronen für volle Taler gerechnet. Kein Wunder, daß -er sich für reich hielt! Aber Eleseus fürchtete, wenn erst -einmal alles geordnet sein würde, werde nicht viel übrigbleiben, -vielleicht nichts, ja, vielleicht werde es nicht einmal -hinreichen.</p> - -<p>Oh, Klein-Sivert konnte ihm leicht das versprechen, -was der Oheim hinterlassen würde!</p> - -<p>Die Brüder scherzten darüber, Sivert war nicht niedergeschlagen, -im Gegenteil, vielleicht hätte er sich schließlich -mehr gegrämt, wenn er wirklich fünftausend Taler verschleudert -hätte. Er wußte wohl, daß er aus reiner Berechnung -nach dem Oheim genannt worden war, er hatte -also auch nichts von ihm verdient. Jetzt zwang er Eleseus -die Erbschaft förmlich auf: Ja, gewiß mußt du sie annehmen, -komm, wir wollen es schriftlich machen! sagte -er. Ich gönne es dir, wenn du reich wirst. Verschmäh es -nicht!</p> - -<p>Sie hatten viel Spaß miteinander. Sivert war in der -Tat der, der Eleseus am meisten half, das Leben daheim -auszuhalten, vieles wäre ohne Sivert schwerer für -Eleseus gewesen.</p> - -<p>Jetzt war übrigens Eleseus wieder tüchtig verdorben -worden, die drei Wochen Müßiggang jenseits des Gebirges -waren nicht vom Guten für ihn gewesen; er war<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span> -da auch in die Kirche gegangen und hatte sich gut herausgeputzt, -ja, er war auch mit jungen Mädchen zusammengetroffen. -Daheim auf Sellanraa gab es keine. Jensine, -die Magd, war nicht zu rechnen, sie war nur ein Arbeitstier, -sie paßte besser für Sivert. — Ich möchte wohl wissen, -wie die Barbro von Breidablick geworden ist, seit sie -erwachsen ist, sagte er. — Geh hinunter zu Axel Ström -und sieh sie dir an, entgegnete Sivert.</p> - -<p>An einem Sonntag machte sich Eleseus auf den Weg. -Jawohl, er war auswärts gewesen und hatte Mut und -Lustigkeit wiedergefunden, hatte Blut geleckt, in Axels -Gamme lebte er wieder auf. Barbro selbst war keineswegs -zu verachten, jedenfalls war sie die einzige hier -in der Gegend; sie spielte Gitarre und war witzig, außerdem -roch sie nicht nach Rainfarn, sondern nach echten -Sachen, nach Haarwasser. Seinerseits gab Eleseus zu -verstehen, daß er nur in den Ferien daheim sei, das -Büro werde ihn bald zurückberufen. Immerhin sei es -angenehm, wieder einmal daheim zu sein, wieder in der -alten Heimat, und er habe jetzt droben die Kammer für -sich allein zum Bewohnen. Aber es sei eben doch nicht die -Stadt!</p> - -<p>Nein, das weiß Gott, daß das Ödland nicht die Stadt -ist! stimmte Barbro bei.</p> - -<p>Axel selbst kam diesen beiden Stadtkindern gegenüber -nicht recht zur Geltung. Er langweilte sich und ging hinaus -auf seine Felder. Nun hatten die beiden freie Hand, -und Eleseus war großartig. Er erzählte, er sei im Nachbardorfe -gewesen und habe dort einen Oheim begraben, -auch vergaß er nicht zu sagen, daß er am Sarge eine Rede -gehalten hatte.</p> - -<p>Als er ging, sagte er zu Barbro, sie solle ihn ein Stück -Wegs begleiten. Aber nein, danke! — Ist es Sitte und -Brauch in der Stadt, daß die Damen die Herren heim<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span>begleiten? -fragte sie. — Da wurde Eleseus wahrhaftig -rot und verstand, daß er sie beleidigt hatte.</p> - -<p>Trotzdem ging er am nächsten Sonntag wieder aufs -Nachbargut, und da trug er den Spazierstock in der Hand. -Die beiden unterhielten sich wieder wie das letztemal, -und Axel wurde wieder übersehen: Dein Vater hat jetzt -einen großen Hof, er hat sehr viel gebaut, sagte er. — -O ja, und er hat auch das Geld zum Bauen. Vater kann -alles, was er will! antwortete Eleseus und prahlte drauflos; -für uns andere arme Schlucker ist es nicht so leicht. -— Wieso? — Na, habt ihr es nicht gehört? Jetzt eben -sind einige schwedische Millionäre bei ihm gewesen und -haben ihm einen Kupferberg abgekauft. — Was du da -sagst? Und hat er viel Geld dafür bekommen? — Kolossal -viel. Ja, ja, ich will nicht prahlen, aber es waren -jedenfalls viele Tausend. Aber was ich sagen wollte: -Bauen, sagtest du? Ich sehe, du hast Zimmerholz draußen -liegen, wann willst du selbst bauen? — Niemals, -warf Barbro ein.</p> - -<p>Niemals! Das war nun Vorwitz oder Übertreibung. -Axel hatte im letzten Herbst Steine ausgebrochen und sie -im Winter hergefahren; jetzt im Sommer hatte er die -Mauer samt Keller und allem andern fertiggemacht, er -brauchte nur noch das Haus aufzurichten. Er sagte, er -hoffe das Haus schon im Herbst unter Dach zu bringen, -er habe auch schon daran gedacht, Sivert zu bitten, ihm -ein paar Tage zu helfen, was Eleseus dazu meine? — -O ja, meinte Eleseus. Aber du kannst mich bekommen, -fügte er lächelnd hinzu. — Euch? sagte Axel ehrerbietig -und redete ihn plötzlich mit Euch an. Ihr habt Genie für -andere Sachen. — Wie das schmeckte, sogar hier im Ödland -anerkannt zu werden. Ich fürchte sehr, daß diese -meine Hände nicht dazu taugen, sagte Eleseus auch und -tat äußerst vornehm. — Laß mich sehen! sagte Barbro, -indem sie seine Hand ergiff.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span></p> - -<p>Axel fühlte sich wieder auf die Seite gesetzt und ging -hinaus; nun waren die beiden abermals allein. Sie waren -gleichaltrig, waren zusammen in die Schule gegangen, -hatten miteinander gespielt, umhergetollt und sich geküßt; -jetzt frischten sie mit unendlicher Überlegenheit die -Kindheitserinnerungen auf, und Barbro spielte sich -ordentlich auf, das war nicht zu verkennen. Natürlich war -Eleseus nicht zu vergleichen mit den großen Kontoristen -in Bergen, die Kneifer und goldene Uhren hatten, aber -hier auf dem Ödland war er unleugbar ein richtiger Herr. -Und nun holte sie ihre Photographie von Bergen herbei -und zeigte sie ihm: so habe sie damals ausgesehen, und -wie jetzt! — Was soll dir denn jetzt fehlen? fragte er. — -So, du meinst, ich habe nicht verloren? — Verloren? Ich -will dir nur ein für allemal sagen, daß du jetzt doppelt -so hübsch bist, überhaupt voller geworden, sagte er. Verloren? -Nein, das ist klassisch! sagte er. — Aber findest -du mein Kleid, das am Hals und im Rücken ausgeschnitten -ist, auf dem Bild nicht hübsch? Und dann hatte ich -auch, wie du siehst, eine silberne Kette, die habe ich von -einem der Kontoristen, bei denen ich war, geschenkt bekommen. -Aber dann habe ich sie verloren; das heißt nicht -geradezu verloren, sondern ich brauchte Geld, als ich heimreiste. -— Eleseus fragte: Kann ich nicht die Photographie -bekommen? — Sie bekommen? Und was bekomme ich -dafür? Oh, Eleseus wußte recht gut, was er am liebsten -geantwortet hätte, aber er wagte es nicht zu sagen. Ich -werde mich photographieren lassen, wenn ich wieder in der -Stadt bin, dann bekommst du meine auch, sagte er dagegen. -Sie aber nahm das Bild wieder an sich und sagte: -Nein, ich habe nur noch die eine. — Da wurde es düster -in seinem jungen Herzen, und er streckte die Hand nach -dem Bild aus. — Ja, ja, dann gib mir gleich etwas dafür! -sagte sie lachend. Oh, da griff er zu und küßte sie -herzlich ab.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span></p> - -<p>Nun wurde es ungezwungener; Eleseus entfaltete sich, -er wurde großartig. Sie liebäugelten und lachten und -scherzten. Als du nach meiner Hand gefaßt hast, war das -so weich wie ein Samtpfötchen, sagte er. — Ja, ja, -nun fährst du bald wieder in die Stadt, und dann kommst -du wohl nie mehr hierher, sagte Barbro. — Hältst du -mich für so schlecht? versetzte Eleseus. — Hast du niemand -dort, der dich zurückhält? — Nein. Unter uns -gesagt, ich bin nicht verlobt, sagte er. — Doch, das bist -du gewiß. — Nein, es ist tatsächlich wahr, was ich sage.</p> - -<p>Sie scherzten und liebäugelten lange miteinander, -Eleseus war ganz verliebt. Ich werde dir schreiben, sagte -er, darf ich das? — Ja, antwortete sie. — Ja, denn ich -will nicht kleinlich sein und es nicht ohne Erlaubnis tun! -Doch plötzlich wurde er eifersüchtig und fragte: Es heißt, -du seiest mit Axel hier verlobt. Ist es so? — Mit ihm, -dem Axel! sagte sie so verächtlich, daß es ihn tröstete. Er -wird sich brennen! sagte sie. Dann bereute sie ihre Worte, -und sie fügte hinzu: Der Axel ist schon recht. Und er hält -eine Zeitung für mich und macht mir sehr oft Geschenke, -ich kann nichts anderes sagen. — Gott bewahre mich, er -kann in seiner Art ein höchst vorzüglicher und unvergleichlicher -Mann sein, gab Eleseus zu, aber das ist nun einmal -nicht der Kernpunkt.</p> - -<p>Aber bei dem Gedanken an Axel mußte sich Barbro -wohl etwas beunruhigt fühlen, sie stand auf und sagte zu -Eleseus: Nein, jetzt mußt du gehen, ich muß in den Stall.</p> - -<p>Am nächsten Sonntag ging Eleseus bedeutend später -als sonst hinunter, und er hatte den Brief selbst mitgenommen. -Das war ein Brief. Das Entzücken und -Kopfzerbrechen einer ganzen Woche hatten ihn zustande -gebracht, ihn ausgedacht! An Fräulein Barbro Bredesen, -zwei- bis dreimal habe ich nun das für mich so unaussprechliche -Glück gehabt, dich wiederzusehen ...</p> - -<p>Wenn er nun so spät am Abend ankam, mußte wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span> -Barbro im Stall fertig sein, ja, sie war vielleicht eben -zu Bett gegangen. Doch das schadete nichts, es paßte im -Gegenteil gerade gut.</p> - -<p>Barbro war jedoch auf und saß in der Gamme. Aber -jetzt sah es plötzlich aus, als wolle sie gar nicht mehr -zärtlich sein, nein, durchaus nicht. Eleseus bekam den Eindruck, -daß Axel wohl hinter ihr her gewesen sein und sie -ermahnt haben mußte. — Bitte, hier ist der Brief, den -ich dir versprochen habe. — Danke! sagte sie, indem sie -den Brief öffnete und ihn ohne ersichtliche Freude las. — -Ich hätte wohl ebensogut schreiben können wie du! sagte -sie. — Er war enttäuscht, was hatte sie nur? Und wo -war Axel? Fort. Er war dieser törichten Sonntagsbesuche -vielleicht überdrüssig und wollte nicht dabeisein; aber er -konnte ja auch eine notwendige Besorgung gehabt haben, -so daß er gestern ins Dorf hinuntergegangen war. Fort -war er jedenfalls.</p> - -<p>Warum sitzt du denn an einem so schönen Abend in der -dumpfen Gamme? Komm mit heraus! sagte Eleseus. — -Ich warte auf Axel, antwortete sie. — Auf Axel? Kannst -du nicht ohne den Axel sein? — Doch, aber soll er etwa -nichts zu essen haben, wenn er kommt?</p> - -<p>Die Zeit verging, sie war vergeudet, die beiden kamen -sich nicht näher; Barbro war und blieb launisch. Er versuchte -ihr wieder vom Nachbardorf zu erzählen und vergaß -wieder nicht, daß er eine Rede gehalten hatte: Ich -hatte allerdings nicht so besonders viel zu sagen, aber -einige waren doch zu Tränen gerührt. — So, sagte sie. -— Und an einem Sonntag bin ich in der Kirche gewesen. -— Hast du da mit einer angebändelt? — Ob ich mit einer -angebändelt habe? Ich war nur dort und habe mich umgesehen. -Der Pfarrer predigte nicht besonders nach meiner -unmaßgeblichen Meinung, er hatte keinen guten -Vortrag.</p> - -<p>Die Zeit verging.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span></p> - -<p>Was meinst du wohl, was Axel denken wird, wenn er -dich so spät hier antrifft? fragte Barbro plötzlich. — Ach, -wenn sie ihm einen Stoß vor die Brust versetzt hätte, -hätte er nicht mutloser werden können. Hatte sie denn -das letztemal ganz vergessen? War nicht verabredet worden, -daß er am heutigen Abend kommen sollte? Er war -schwer gekränkt und murmelte: Ich kann ja wieder -gehen! — Darüber schien sie sich nicht zu entsetzen. — -Was habe ich dir getan? fragte er mit bebenden Lippen. -Es schien ihm sehr tief zu gehen, er war in großer Not. -— Mir getan? Ach, du hast mir nichts getan. — Aber -was ist denn mit dir heute abend? — Mit mir? Hahaha! -Aber im übrigen kann ich mich nicht darüber wundern, -wenn Axel böse wird. — Ich werde gehen, wiederholte -Eleseus. Aber sie erschrak wieder nicht darüber, sie machte -sich nichts aus ihm, und es war ihr einerlei, daß er da -vor ihr saß und mit seinen Gefühlen kämpfte. Oh, sie war -eine Canaille!</p> - -<p>Nun begann der Ärger in ihm aufzukochen. Zuerst -äußerte er ihn in feiner Weise: sie sei wahrlich keine vorteilhafte -Repräsentantin des weiblichen Geschlechtes. Und -als das nichts half — oh, er hätte lieber schweigen und -ertragen sollen, sie wurde nur immer schlimmer. Aber -er wurde auch nicht besser, sondern sagte: Wenn ich gewußt -hätte, wie du bist, wäre ich heute abend gar nicht -heruntergekommen. — Und was dann? versetzte sie. -Dann hättest du deinen Stock, den du da in der Hand -hältst, nicht spazierengetragen. — Oh, Barbro war in -Bergen gewesen, sie konnte spotten, sie hatte auch ordentliche -Spazierstöcke gesehen, deshalb konnte sie jetzt so unverschämt -fragen, was das für ein geflickter Regenschirmstock -sei, mit dem er anstolziert komme? — Er ertrug es. -Dann möchtest du wohl auch deine Photographie wiederhaben? -fragte er. — Wenn das nicht wirkte, dann wirkte -nichts mehr. Ein Geschenk zurücknehmen, das war das<span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span> -Äußerste, was man sich im Ödland denken konnte! Was -machst du dir denn daraus? antwortete sie ausweichend. -— Gut, erklärte er keck, ich werde sie dir sofort zurückschicken. -Gib mir nun auch meinen Brief wieder.</p> - -<p>Damit stand er auf.</p> - -<p>Jawohl, sie gab ihm den Brief, aber da traten ihr -auch die Tränen in die Augen, und ihre Laune schlug -plötzlich um. Das Dienstmädchen war gerührt, der Freund -verließ sie, leb' wohl zum letztenmal! Du brauchst nicht -zu gehen, sagte sie, ich mache mir nichts daraus, was -Axel glaubt. — Aber jetzt wollte er seinen Vorteil ausnützen, -und so verabschiedete er sich. Denn wenn eine -Dame so ist wie du, dann absentiere ich mich, sagte er.</p> - -<p>Langsam wanderte er von der Gamme weg heimwärts, -er pfiff und schwang seinen Stock und tat ganz -unbekümmert. Bah! Eine kleine Weile nachher kam Barbro -auch heraus und rief ihm ein paarmal nach. Jawohl, -er blieb stehen, das tat er, aber er war ein beleidigter -Löwe. Sie setzte sich ins Heidekraut und schien ihr Benehmen -zu bereuen, sie zerrte an einem Heidekrautbüschel, -und allmählich wurde er wieder vernünftiger, ja, er bat -sie sogar noch um einen Kuß, zum letzten Abschied, sagte -er. — Nein, das wollte sie nicht. — So sei doch so reizend -wie das letztemal! sagte er. Er schwänzelte von allen Seiten -um sie herum und ging immer rascher und rascher, um -womöglich eine Gelegenheit zu erwischen. Aber sie wollte -nicht reizend sein, sie erhob sich, und da stand sie. Da -nickte er nur und ging.</p> - -<p>Als er außer Sehweite war, trat plötzlich Axel hinter -einigen Büschen hervor. Barbro fuhr zusammen und -fragte: Wie ist denn das, kommst du von oben herunter? -— Nein, ich komme von unten herauf, antwortete er, -aber ich habe euch beide hier heraufgehen sehen. — Ach -so, wirklich! Ja, davon wirst du fett werden! rief sie auf<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span> -einmal rasend, sie war auch jetzt ebenso schlechter Laune -wie vorher! Was brauchst du da herumzuschnüffeln? -Was geht es dich an? — Axel war auch nicht gerade -freundlich. — So, er ist also heute auch wieder hier gewesen? -— Und wenn auch? Was willst du von ihm? — -Was <em class="gesperrt">ich</em> von ihm will? Nein, was willst <em class="gesperrt">du</em> von ihm? -Du solltest dich schämen! — Mich schämen? Sollen wir -darüber schweigen, oder sollen wir darüber reden? fragte -Barbro nach einer alten Redensart. Ich will nicht wie ein -altes Steinbild in deiner Gamme sitzen, daß du es weißt. -Warum ich mich schämen sollte? Wenn du eine andere -Haushälterin nehmen willst, dann gehe ich meiner Wege. -Du brauchst nur deinen Mund zu halten, wenn es nicht -schändlich ist, dich überhaupt darum zu bitten. Da hast du -meine Antwort. Jetzt werde ich auf der Stelle hineingehen, -dir dein Essen anrichten und Kaffee kochen, dann -kann ich nachher tun, was ich will.</p> - -<p>Unter fortwährendem Zanken ging sie hinein.</p> - -<p>Nein, Axel und Barbro waren nicht immer einig. Sie -war nun schon zwei Jahre bei ihm, aber es hatte immer -ab und zu Streit gegeben, hauptsächlich weil Barbro -wieder fort wollte. Er drang in sie, wollte, sie solle für -immer dableiben, sich ganz bei ihm niederlassen und seine -Gamme und sein Leben mit ihm teilen, er wußte, wie -schlimm es wäre, wenn er wieder ohne Hilfe sein müßte -— sie hatte ihm auch schon mehrere Male versprochen, -seinen Antrag anzunehmen, ja, in liebevollen Stunden -konnte sie sich gar nichts anderes denken als dazubleiben. -Aber sobald sich ein Streit entspann, drohte sie mit dem -Fortgehen, und wenn sie auch nichts anderes sagte als: -sie wolle in die Stadt und ihre Zähne herrichten lassen, -sie fielen ihr sonst aus. Fortgehen, fortgehen! Er mußte -sie irgendwie an den Ort fesseln können.</p> - -<p>Fesseln? Es klang, als höhne sie einer jeden Fessel.</p> - -<p>So, du willst auch jetzt fortgehen? sagte er. — Und<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span> -wenn dem so wäre? versetzte sie. — <em class="gesperrt">Kannst</em> du denn -reisen? — Kann ich nicht? Du meinst, ich sei in Not, -weil es dem Winter zugeht, aber ich kann in Bergen -jederzeit eine Stelle bekommen. — Da sagte Axel sehr -ruhig: Das kannst du jedenfalls vorderhand nicht! Du -sollst doch ein Kind bekommen? — Ein Kind? Nein, -von was für einem Kind redest du da? — Axel starrte sie -an. War Barbro verrückt geworden?</p> - -<p>Etwas anderes war, daß Axel selbst vielleicht etwas zu -wenig nachsichtig war: seit er nun diesen Anspruch auf sie -hatte, war er mit etwas zu großer Sicherheit aufgetreten; -das war unklug, er brauchte ihr ja nicht sooft zu widersprechen -und sie zu reizen; es wäre nicht notwendig gewesen, -ihr im Frühjahr geradezu zu befehlen, die Kartoffeln -zu legen, er hätte sie zur Not allein legen können. -Wenn sie erst verheiratet wären, würde schon die Zeit -kommen, wo er sich zum Herrn aufwerfen konnte, aber -bis dahin mußte er seinen Verstand gebrauchen und nachgeben.</p> - -<p>Aber das Schmähliche war eben die Sache mit diesem -Kontoristen, dem Eleseus, der mit glatten Redensarten -und einem Spazierstock einhergeschlendert kam. War nun -das ein Benehmen für ein verlobtes Mädchen in ihrem -Zustand? War so etwas überhaupt zu begreifen? Bis jetzt -war Axel ohne Nebenbuhler hier gewesen. Ja, so änderte -sich die Lage!</p> - -<p>Hier sind neue Zeitungen für dich, sagte Axel. Und hier -ist eine Kleinigkeit, die ich für dich gekauft habe. Du -kannst nun sehen, ob es dir gefällt. — Sie war kalt. -Obgleich alle beide kochend heißen Kaffee tranken, antwortete -sie eiskalt: Ich wette, es ist ein goldener Ring, -den du mir schon seit über einem Jahr versprochen hast.</p> - -<p>Da hatte sie sich jedenfalls vergaloppiert, denn es war -tatsächlich der Ring. Ein goldener Ring war es allerdings<span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span> -nicht, und einen solchen hatte er ihr auch nie versprochen, -daran erinnerte sie sich jetzt: aber es war ein silberner -Ring mit zwei vergoldeten Händen darauf, also ein echter -karatgestempelter. Aber ach, der unglückselige Aufenthalt -in Bergen! Barbro hatte dort richtige Verlobungsringe -gesehen, man sollte ihr nur nichts weismachen wollen! -— Diesen Ring kannst du selbst behalten, sagte sie. — -Was fehlt denn daran? — Was daran fehlt? Nichts -fehlt daran, antwortete sie. Damit stand sie auf und -begann den Tisch abzuräumen. — Du kannst ja diesen -vorläufig haben, später wird sich dann vielleicht auch noch -ein anderer finden, sagte Axel. — Darauf erwiderte Barbro -nichts.</p> - -<p>Übrigens war Barbro an dem Abend recht schlecht. -War nicht ein neuer silberner Ring dankenswert? Dieser -vornehme Kontorist hatte ihr wohl den Kopf verdreht. -Axel konnte sich nicht enthalten zu sagen, was dieser -Eleseus immer hier zu suchen habe. Was will er von dir? -— Von mir? — Ja, sieht denn der Mensch nicht, wie es -um dich bestellt ist? Sieht er dich denn nicht an? — Barbro -stellte sich vor Axel hin und sagte: So, du meinst -wohl, du habest mich nun an dich gebunden, aber du sollst -sehen, daß das erlogen ist. — So, sagte Axel. — Ja, -und du sollst sehen, daß ich auch von hier fortgehe. — -Darauf verzog Axel nur den Mund zu einem leichten -Lächeln, aber er tat es nicht einmal offen und in die -Augen fallend, denn er wollte sie nicht reizen. Dann sagte -er beruhigend wie zu einem Kinde: Nun sei einmal artig, -Barbro. Du weißt ja, du und ich!</p> - -<p>Und natürlich, spät in der Nacht endete es damit, daß -Barbro wieder freundlich wurde und sogar mit dem silbernen -Ring am Finger einschlief.</p> - -<p>Oh, es würde wohl alles wieder gut werden!</p> - -<p>Für die beiden in der Gamme wurde wirklich alles<span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span> -wieder gut, aber für Eleseus war es schlimmer. Es fiel -ihm schwer, die Kränkung, die er erlitten hatte, zu überwinden. -Da er sich nicht auf Hysterie verstand, glaubte -er, er sei aus reiner Bosheit genarrt worden; die Barbro -auf Breidablick war ein wenig zu keck gewesen, selbst -wenn man mit in Rechnung zog, daß sie in Bergen gewesen -war.</p> - -<p>Die Photographie hatte er Barbro auf diese Weise zurückgeschickt, -daß er sie selbst in einer Nacht zurückbrachte -und zu ihr in den Heuboden hineinwarf, wo sie ihre -Schlafstelle hatte. — Er hatte es aber durchaus nicht in -grober, unhöflicher Form getan, nein, weit entfernt; er -hatte lange an der Tür herumgetastet, um sie aufzuwecken, -und als sie sich auf den Ellbogen aufrichtete und -fragte: Findest du denn heut nacht den Weg nicht herein? -hatte diese vertrauliche Frage ihn wie mit einer Nadel -oder einem Degen gestochen; aber er hatte nicht geschrien, -sondern nur die Photographie hübsch auf den Fußboden -hineingleiten lassen. Und dann war er seiner Wege gegangen. -Gegangen? Tatsächlich war er nur ein paar Schritte -gegangen, dann fing er an zu laufen, zu laufen; er war -sehr aufgeregt, ja, förmlich lustig, das Herz hämmerte -ihm in der Brust; hinter einem Buschwerk hielt er an und -schaute zurück, nein, sie kam ihm nicht nach! Ach, er hatte -es halb gehofft! Und wenn sie ihm wenigstens so annähernd -Zuneigung gezeigt hätte. Aber zum Kuckuck, -dann brauchte er auch nicht so zu laufen, wenn sie ihm -nicht auf den Fersen folgte, nur im Hemd und Unterrock, -verzweifelt, ja, zerschmettert über sich selbst und über die -vertrauliche Frage, die nicht für ihn bestimmt gewesen -war!</p> - -<p>Er wanderte heimwärts, ohne Stock und ohne zu -pfeifen, nein, er war kein großer Herr mehr. Ein Stich -in die Brust ist keine Kleinigkeit.</p> - -<p>Und war es damit zu Ende?</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span></p> - -<p>An einem Sonntag ging er wieder hinunter, nur um -Ausschau zu halten. Mit einer fast krankhaften unglaublichen -Geduld lag er lauernd hinter dem Gebüsch und -starrte nach der Hütte hinüber. Als sich endlich Leben und -Bewegung zeigte, war es, als sollte er vollends vernichtet -werden. Axel und Barbro traten beide aus der -Gamme und gingen zusammen in den Stall. Sie waren -jetzt zärtlich zueinander, ja, sie hatten eine freundliche -Stunde, sie gingen Arm in Arm, er wollte ihr wohl im -Stall helfen. Sieh einer!</p> - -<p>Eleseus betrachtete das Paar mit einer Miene, als -habe er alles verloren, als sei er zugrunde gerichtet. Vielleicht -dachte er ungefähr so: sie geht Arm in Arm mit -Axel Ström, wie sie dazu gekommen ist, weiß ich nicht, -einmal hat sie ihre Arme um mich geschlungen.</p> - -<p>Sie verschwanden im Stall.</p> - -<p>Na, meinetwegen! Bah! Sollte er hier im Gebüsch -liegen und sich selbst vergessen? Das sollte er wohl tun, -sich flach auf die Erde legen und sich so vergessen? Wer -war sie? Aber er war der, der er war. Oh, noch einmal: -Bah!</p> - -<p>Er sprang auf und stand aufrecht da. Dann streifte -er Blätter und Heidekraut von seinen Hosen und richtete -sich wieder hoch auf. Sein Zorn und sein Übermut -traten auf seltsame Art zutage: er war desperat und -fing an ein Lied von nicht unbedeutender Leichtfertigkeit -anzustimmen. Und wenn er dann die schlimmsten Stellen -recht absichtlich viel lauter sang, dann lag auf seinem -Gesicht ein inniger Ausdruck.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span></p> - - - - -<h3>19</h3> - - -<p>Isak kam mit einem Pferd aus dem Dorfe zurück. -Jawohl, er hatte das Pferd des Amtsdieners gekauft, -es war, wie Geißler gesagt hatte, zu haben, -aber es kostete zweihundertvierzig Kronen, gleich sechzig -Taler. Die Pferdepreise waren jetzt ins Unerschwingliche -gestiegen, in Isaks Kindheit hatte man die besten Pferde -für fünfzig Taler haben können.</p> - -<p>Aber warum hatte er nicht selbst Pferde gezüchtet? -Oh, er hatte es sich wohl überlegt, hatte an ein junges -Füllen gedacht — das er ein und auch zwei Jahre hätte -aufziehen müssen. Das konnte der tun, dem seine Feldarbeit -Zeit dazu ließ, einer, der seine Sümpfe so daliegen -lassen konnte und sie nicht umzuroden brauchte, -bis er einmal ein Pferd hatte, das ihm die Ernte heimfuhr. -Wie der Amtsdiener sagte: Ich habe keine Lust, ein -Pferd zu füttern; das Heu, das ich habe, können meine -Frauenzimmer hereintragen, während ich auf Verdienst -auswärts bin.</p> - -<p>Das neue Pferd war schon ein alter Gedanke von Isak, -ein mehrjähriger Gedanke, nicht Geißler hatte ihn ihm -erst in den Kopf gesetzt. Deshalb hatte er ja auch soweit -möglich Vorbereitungen dafür getroffen, noch eine Raufe, -noch einen Weidepfahl für den Sommer; Wagen und -Karren hatte er mehrere, und weitere wollte er im Herbst -anfertigen. Das Wichtigste von allem, das Futter, hatte -er natürlich auch nicht vergessen; warum wäre es sonst -so notwendig gewesen, das letzte Stück Moor schon im -letzten Jahre umzubrechen, wenn er nicht hätte vorbeugen -wollen, weil er sonst seinen Kuhbestand hätte vermindern -müssen! Jetzt war auf dem Moor Grünfutter gesät worden, -das war für die kalbenden Kühe bestimmt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span></p> - -<p>Ja, alles war bedacht worden. Inger hatte wieder -guten Grund, wie in alten Tagen vor Verwunderung die -Hände zusammenzuschlagen.</p> - -<p>Isak brachte Neuigkeiten aus dem Dorf mit: Breidablick -sollte verkauft werden, jetzt war es vom Kirchplatz -aus bekanntgemacht worden. Die wenigen Felder, die -bebaut waren, die Wiesen und die Kartoffeläcker, alles -war inbegriffen, vielleicht auch das Vieh, ein paar Haustiere, -Kleinvieh. Will er denn rump und stump alles verkaufen -und sich ganz ausziehen? rief Inger. Und wo will -er denn hinziehen? — Ins Dorf. —</p> - -<p>Das war ganz richtig, Brede wollte ins Dorf ziehen. -Allerdings hatte er zuerst versucht, sich bei Axel Ström -einzuquartieren, wo ja Barbro schon war. Das ging jedoch -nicht. Brede wollte um alles in der Welt das Verhältnis -zwischen seiner Tochter und Axel nicht zerstören, -und so nahm er sich wohl in acht, aufdringlich zu werden, -aber natürlich war es ihm ein böser Strich durch -die Rechnung. Axel wollte ja bis zum Herbst das neue -Haus unter Dach bringen, wenn dann er und Barbro -hineinzogen, hätte da nicht Brede mit seiner Familie die -Gamme bekommen können? Nein! Seht, Brede dachte -nicht als Ansiedler, er verstand nicht, daß Axel ausziehen -mußte, weil er die Gamme für seinen wachsenden Viehstand -brauchte; die Gamme mußte auch hier in den Stall -verwandelt werden. Aber selbst nachdem Brede alles erklärt -worden war, blieb ihm dieser Gedankengang fremd. -Die Menschen kommen doch wohl vor den Tieren, sagte -er. — Nein, das war nicht des Ansiedlers Ansicht, oh, weit -entfernt! Die Tiere zuerst, die Menschen konnten sich -immer einen Winteraufenthalt verschaffen. — Da mischte -sich Barbro drein und sagte: So, du stellst die Tiere über -die Menschen? Es ist gut, daß ich das erfahren habe! -— Wahrlich, Axel machte sich ja eine ganze Familie zum -Feind, weil er kein Obdach für sie hatte. Aber er gab nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span> -nach. Er war ja auch nicht dumm und gutmütig, sondern -im Gegenteil allmählich immer geiziger geworden; er -wußte wohl, daß bei einer solchen Einquartierung mehr -Mägen zu befriedigen sein würden.</p> - -<p>Brede beschwichtigte seine Tochter und gab ihr zu verstehen, -daß er am liebsten wieder ins Dorf ziehe; er könne -es auf dem Ödland nicht aushalten, sagte er, und allein -aus diesem Grunde verkaufe er seinen Hof.</p> - -<p>Ja, aber im Grunde genommen war es nun nicht -Brede Olsen, der verkaufte, sondern die Bank und der -Kaufmann waren es, die Breidablick zu Geld machten, -aber um den Schein zu wahren, sollte es in Bredes -Namen geschehen. Auf diese Weise glaubte er der Schande -zu entgehen. Und Brede war auch gar nicht so sehr niedergedrückt, -als Isak mit ihm zusammentraf, er tröstete -sich damit, daß er ja immer noch Inspektor über die -Telegraphenlinie sei; das sei eine sichere Einnahme, und -mit der Zeit werde er sich schon wieder zu seiner alten -Stellung im Dorfe, zum allgemeinen Helfer und Begleiter -des Lensmanns, emporarbeiten.</p> - -<p>Natürlich war Brede auch gerührt gewesen. Das gehörte -dazu: es sei ja so eine Sache, sich von der Stelle, -die er liebgewonnen und wo er so viele Jahre lang gelebt -und geschafft und gearbeitet habe, zu trennen. Aber der -gute Brede ließ sich nie dauernd unterkriegen, das war -seine gute Seite, das Anziehende an ihm. Er hatte einmal -die Eingebung bekommen, Ödland urbar zu machen, -dieser Versuch war nicht glücklich ausgefallen; aber auf -dieselbe lustige Weise hatte er auch in anderen Fragen -gehandelt, und da war es ihm besser gelungen. Ja, wer -konnte wissen, ob er nicht mit seinen Gesteinsproben noch -einmal gewaltige Geschäfte machte! Und jedenfalls war -da Barbro, die er auf Maaneland untergebracht hatte! -Sie komme ja nie wieder von Axel Ström weg, das -dürfe man wohl sagen, es sei jedermann offenkundig!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span></p> - -<p>Nein, solange er seine Gesundheit habe und für sich -und die Seinen schaffen könne, stehe es nicht schlecht, -sagte Brede Olsen. Und gerade jetzt seien alle seine Kinder -allmählich erwachsen, sie zögen fort und sorgten für sich -selbst, sagte er. Helge sei schon bei der Heringsfischerei, -und Katrine komme zu Doktors in Dienst. Dann hätten -sie nur zwei kleinere Kinder daheim — allerdings komme -bald noch ein drittes dazu, aber ...</p> - -<p>Isak brachte aus dem Dorf eine Neuigkeit mit: Die -Frau des Lensmannes hatte ein Kleines bekommen. — -Inger fragte plötzlich lebhaft: Einen Jungen oder ein -Mädchen? — Das habe ich nicht gehört, antwortete Isak.</p> - -<p>Also die Frau des Lensmannes hatte ein Kind bekommen, -sie, die immer im Frauenverein gegen die überhandnehmenden -Geburten bei den Armen geeifert hatte. Man -solle der Frau das Stimmrecht geben und ihr Einfluß -auf ihr eigenes Schicksal einräumen, hatte sie gesagt. Jetzt -war sie gefangen. Ja, sagte die Frau Pastor, sie hat -ihren Einfluß wohl angewendet, hahaha, und doch ist -sie ihrem Schicksal nicht entgangen! Dieses witzige Wort -über Frau Heyerdahl ging im ganzen Dorf herum und -wurde von sehr vielen verstanden; auch Inger verstand -es vielleicht, nur Isak verstand nichts.</p> - -<p>Isak verstand zu arbeiten, verstand seine Hantierung -zu betreiben. Er war jetzt ein reicher Mann mit einem -großen Hof, aber von dem vielen baren Geld, das ihm -der Zufall in den Schoß geworfen hatte, machte er nur -einen schlechten Gebrauch: er hob es auf. Das Ödland -rettete ihn. Hätte Isak im Dorf gewohnt, dann hätte vielleicht -die große Welt auch etwas auf ihn eingewirkt; dort -war so viel Schönes, so vornehme Verhältnisse, er würde -Unnötiges gekauft haben und wäre am Werktag in einem -roten Hemd gegangen. Hier im Ödland war er gegen -alle Verschwendung geschützt, er lebte in reiner Luft, -wusch sich am Sonntagmorgen und badete, wenn er<span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span> -droben am Gebirgssee war. Die tausend Taler — jawohl, -ein Geschenk vom Himmel, jeden Heller davon zum Aufbewahren! -Wozu sonst? Isak konnte seine gewöhnlichen -Ausgaben mit Leichtigkeit durch den Verkauf seiner Erträgnisse -von dem Viehbestand und den Feldern bestreiten.</p> - -<p>Eleseus wußte ja besser Bescheid, er hatte dem Vater -geraten, sein Geld auf der Bank anzulegen. Es war auch -wohl möglich, daß dies das verständigste gewesen wäre, -aber jedenfalls war es aufgeschoben worden, wurde vielleicht -nie getan. Nicht, weil Isak immer den Rat des -Sohnes überhört hätte, Eleseus war wahrlich nicht so -schlimm, das hatte Isak in der letzten Zeit herausgefunden. -Jetzt in der Heuernte hatte er es mit dem Mähen -versucht — nein, ein Meister wurde er darin nicht, und -er mußte sich in Siverts Nähe halten und sich von ihm -jedesmal die Sense wetzen lassen, aber Eleseus hatte lange -Arme und konnte das Heu wie ein ganzer Mann zusammenraffen. -Jetzt waren er und Sivert und Leopoldine -und Jensine drüben auf der Wiese und setzten das erste -Heu auf Heinzen, und Eleseus schonte sich da auch nicht, -sondern arbeitete mit dem Rechen, bis er Blasen bekam -und mit verbundenen Händen gehen mußte. Seit mehreren -Wochen schon hatte er keinen rechten Appetit gehabt, -war aber deshalb doch nicht arbeitsscheu geworden. Über -den Jungen mußte etwas Neues gekommen sein, es sah -aus, als sei ein gewisses Mißgeschick in einer gewissen -Liebesangelegenheit oder etwas anderes in dieser Richtung, -ein großer Schmerz oder eine Enttäuschung, vom -Guten für ihn gewesen. Seht, jetzt hat er sogar seinen -letzten von der Stadt mitgebrachten Tabak aufgeraucht, -und das hätte vielleicht unter anderen Umständen einen -Kontoristen dazu bringen können, die Türe zuzuschlagen -oder sich über dies und jenes scharf auszusprechen; aber<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span> -nein, Eleseus wurde dadurch nur ein gesetzter Bursche, -fester in der Haltung, ja, wahrlich ein Mann.</p> - -<p>Auf was verfiel aber dann der Spaßvogel Sivert, -um ihn zu reizen?</p> - -<p>An diesem Tag knieten beide Brüder auf Steinen im -Fluß und tranken, und Sivert war so unvorsichtig, Eleseus -anzubieten, ihm ein besonders gutes Moos zu Tabak -zu trocknen — oder vielleicht willst du es roh rauchen? -sagte er. — Ich werde dir Tabak geben, versetzte Eleseus, -indem er den Arm ausstreckte und den Bruder bis an die -Schultern ins Wasser tauchte. Ha, da bekam er's! Sivert -lief noch lange mit einem nassen Kopf umher.</p> - -<p>Ich glaube, Eleseus wächst sich allmählich zu einem -tüchtigen Kerl heraus, dachte der Vater, wenn er den -Sohn bei der Arbeit sah. — Hm. Ob der Eleseus nun -für ganz daheimbleiben will? fragte er Inger. — Sie -sagte ebenso sonderbar vorsichtig: Das könnte ich nicht -sagen. Nein, das will er nicht. — So, hast du mit ihm -darüber gesprochen? — Ach nein. Doch, ich habe nur -ein ganz klein wenig gesagt. Aber ich errate es. — Ich -möchte wissen, wie es wäre, wenn er einen eigenen Hof -hätte? — Wieso? — Ob er ihn bebauen würde? — Nein. -— So, hast du mit ihm darüber geredet? — Darüber -geredet? Siehst du nicht, wie verändert er ist? Ich kenne -ihn gar nicht mehr. — Du brauchst ihn nicht schlecht zu -machen, sagte Isak unparteiisch. Ich sehe nichts anderes, -als daß er draußen ein gutes Tagewerk vollbringt. — -So, ja, ja, antwortete Inger schüchtern. — Ich weiß -nicht, was du gegen den Jungen hast! rief Isak erzürnt. -Er leistet mit jedem Tag bessere Arbeit, kannst du mehr -erwarten? — Inger murmelte: Er ist nicht mehr, wie -er war. Du solltest mit ihm wegen der Westen sprechen. -— Wegen der Westen? Wieso? — Er sagt, daß er im -Sommer in der Stadt weiße Westen getragen habe. — -Isak dachte darüber nach und begriff nichts. Aber kann<span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span> -er denn nicht eine weiße Weste bekommen? fragte er. -Isak war verwirrt, das Ganze war natürlich nur ein -Weibergeschwätz, er meinte, der Junge sei mit der weißen -Weste im Recht und begriff überdies nicht, was das bedeuten -sollte, er wollte also rasch darüber weggehen. Nun, -was würdest du dazu sagen, wenn er Bredes Ansiedlung -zum Heraufarbeiten bekäme? — Wer? fragte Inger. — -Eleseus. — Breidablick? fragte Inger. Tu das ja nicht.</p> - -<p>Die Sache war nämlich die, daß sie den Plan schon mit -Eleseus durchgesprochen hatte, sie kannte ihn wohl -von Sivert, der den Mund nicht hatte halten können. -Und im übrigen — warum hätte Sivert über den Plan -schweigen sollen, den der Vater sicher nur deshalb verraten -hatte, damit er durchgesprochen würde? Es war -nicht das erstemal, daß er Sivert auf diese Weise zum -Vermittler machte. Na, aber was hatte Eleseus geantwortet? -Wie früher, wie in seinen Briefen aus der Stadt: -Nein, ich will das, was ich gelernt habe, nicht wegwerfen -und wieder der reine Garnichts sein! Das hatte er geantwortet. -Ja, dann war ja die Mutter mit ihren guten -Gründen herausgerückt, aber Eleseus hatte für alles nur -abschlägige Antworten gehabt und gesagt, er habe andere -Pläne für sein Leben. Das junge Herz hat seine unerforschlichen -Gründe; nach dem, was geschehen war, -fand er es vielleicht auch unmöglich, der Nachbar von -Barbro zu werden. Das konnte niemand wissen. Er hatte -der Mutter gegenüber nur obenhin Auskunft gegeben und -gesagt, er könne in der Stadt eine bessere Stelle bekommen, -als er jetzt habe; er könne auch Schreiber beim -Landrichter oder Landrat werden; man müsse hinaufkommen, -in einigen Jahren werde er vielleicht Lensmann -oder Leuchtturmwächter, oder er komme aufs Zollamt. -Es gebe so viele Möglichkeiten für den, der etwas gelernt -habe.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[S. 237]</a></span></p> - -<p>Woher es nun auch kam, aber jedenfalls wurde die -Mutter bekehrt, wurde mitgerissen, und sie war ja selbst -so wenig sicher, die Welt konnte sie gar leicht wieder in -ihre Schlingen ziehen. Im Winter hatte sie sogar in einem -gewissen ausgezeichneten Andachtsbuch gelesen, das sie bei -ihrem Weggang in der Anstalt in Drontheim bekommen -hatte; aber jetzt? Ob denn Eleseus wirklich Lensmann -werden könne? — Jawohl, antwortete Eleseus. Was ist -denn der Lensmann Heyerdahl anderes als ein früherer -Schreiber auf einer Amtsstube?</p> - -<p>Große Aussichten! Die Mutter wollte Eleseus geradezu -abraten, sein Leben zu ändern und sich wegzuwerfen. -Was sollte ein solcher Mann im Ödland?</p> - -<p>Aber warum gab sich Eleseus jetzt so viele Mühe und -schaffte so fleißig auf den Feldern der Heimat? Gott -mochte es wissen, er hatte vielleicht eine Absicht dabei! -Etwas Bauernehrgeiz hatte er wohl auch, er wollte nicht -zurückstehen. Außerdem schadete es nicht, wenn er an dem -Tag, an dem er die Heimat wieder verließ, mit dem -Vater gut Freund war. Um die Wahrheit zu sagen, so -hatte er verschiedene kleine Schulden in der Stadt, es -wäre gut, wenn er diese bereinigen könnte. Das würde -großen neuen Kredit bedeuten. Und hier handelte es sich -nicht nur um einen Hundertkronenschein, sondern um -etwas, das etwas war.</p> - -<p>Eleseus war nicht dumm, oh, weit entfernt, er war -sogar auf seine Art schlau. Er hatte den Vater wohl heimkommen -sehen und wußte, daß er in diesem Augenblick -drinnen am Fenster saß und herüberschaute. Wenn sich -da nun Eleseus besondere Mühe bei der Arbeit gab, gereichte -ihm das vielleicht gerade jetzt zum Vorteil, und -es geschah ja niemand ein Unrecht dadurch.</p> - -<p>Eleseus hatte etwas Verfeinertes an sich, was es nun -auch sein mochte, aber zugleich auch etwas Verpfuschtes -wie etwas Zerstörtes, er war nicht böse, aber ein wenig<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[S. 238]</a></span> -verstockt. Hatte ihm in den verflossenen Jahren eine -starke Hand über sich gefehlt? Was konnte die Mutter -jetzt für ihn tun? Einzig und allein ihm helfen. Sie -konnte sich von den großen Zukunftsaussichten des Sohnes -blenden lassen und ihm beim Vater die Stange halten. -Das konnte sie.</p> - -<p>Aber Isak wurde schließlich ärgerlich über ihre abweisende -Haltung, seiner Meinung nach war der Plan -mit Breidablick gar nicht so übel. Heute auf dem Heimweg -hatte er sogar der Versuchung nachgegeben und das -Pferd angehalten, um sich in aller Eile einen sachkundigen -Überblick über die vernachlässigte Ansiedlung zu verschaffen: -unter arbeitsamen Händen konnte etwas daraus -werden. — Warum soll ich es nicht wagen? fragte -er Inger jetzt. Ich habe so viel Herz für Eleseus übrig, -daß ich ihm dazu verhelfen will. — Ach, wenn du ein -Herz für ihn hast, so nenne Breidablick vor ihm nicht -mehr, versetzte sie. — So. — Nein, denn er hat viel -größere Gedanken als wir.</p> - -<p>Isak ist ja selbst seiner Sache nicht ganz sicher, er -kann also nicht so recht gewichtig reden, aber es ärgert -ihn, daß er mit diesem Plan herausgerückt ist und so unvorsichtig -offen geredet hat, deshalb will er ihn nur ungern -aufgeben. Er soll tun, was er will, erklärte Isak -plötzlich. Und er sagt es mit lauter, drohender Stimme -zum Besten für Inger, falls sie zufällig nicht gut hören -sollte. Ja, sieh mich nur an, aber ich sage jetzt nichts -mehr. Das Schulhaus ist dort, und es ist auf dem halben -Wege vom Dorfe hierher, und alles miteinander, was -sind denn das für große Gedanken, die er hat? Mit -einem Sohne wie er könnte ich leicht verhungern, ist das -etwa besser? Aber nun frage ich, wie es kommt, daß -mein eigenes Fleisch und Blut ungehorsam gegen — mein -eigenes Fleisch und Blut sein kann? — Isak schwieg. Er -begriff wohl, je mehr er redete, desto schlimmer wurde<span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[S. 239]</a></span> -es. Er wollte jetzt erst einmal die Sonntagskleider ausziehen, -in denen er im Dorfe gewesen war; aber nein, -er änderte diesen Entschluß wieder und wollte so bleiben, -wie er war — was er wohl damit wollte? Du mußt -versuchen, es mit Eleseus ins reine zu bringen, sagte er -dann. — Inger antwortete: Es wäre am besten, du würdest -es ihm selbst sagen. Mir folgt er nicht! — Jawohl, -Isak ist das Haupt für alle, das wollte er meinen. Eleseus -sollte es nur versuchen, sich zu mucksen! Aber ob es -nun war, weil er eine Niederlage befürchtete — Isak -weicht jetzt aus und sagt: Ja, das könnte ich tun, ich -könnte es ihm selbst sagen. Aber da ich so vieles andere -zu besorgen habe, so muß ich jetzt an anderes denken. — -So? fragt Inger verwundert.</p> - -<p>Nun geht Isak wieder fort, nur bis an die Grenze des -Grundstücks, aber jedenfalls fort. Er ist sehr geheimnisvoll -und will allein sein. Die Sache ist die, er ist heute -mit einer dritten Neuigkeit vom Dorf zurückgekommen, -und diese dritte ist größer als die beiden anderen, sie ist -ungeheuer groß; er hat sie am Waldessaum versteckt. -Da steht sie, in Sackleinwand und Papier eingebunden. -Er packt sie aus, und es ist eine große Maschine. Seht, -sie ist rot und blau, wunderbar, mit vielen Zähnen und -vielen Messern, mit Gelenken, mit Armen, Rädern, -Schrauben, eine Mähmaschine. Natürlich wäre das neue -Pferd nicht gerade an diesem Tag geholt worden, wenn -es nicht wegen der Mähmaschine hätte sein müssen.</p> - -<p>Isak steht mit einem ungeheuer scharfsinnigen Gesicht -da und versucht, die Gebrauchsanweisung, die der Kaufmann -ihm vorgelesen hatte, von einem Ende zum andern -aus seinem Gedächtnis hervorzuholen; er befestigt eine -Stahlfeder da und schiebt dort einen Bolzen ein, dann -ölt er jedes Loch und jede Ritze, dann sieht er das Ganze -noch einmal nach. Noch nie hat Isak einen solchen Augenblick -erlebt. Eine Feder in die Hand nehmen und sein<span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[S. 240]</a></span> -Hauszeichen unter ein Dokument setzen — jawohl, auch -das ist eine große Gefahr und Schwierigkeit. Ebenso mit -dem Reolpflug, der viele gebogene Messer hat, die ineinandergreifen -müssen. Und dann die große Kreissäge -im Sägewerk, die haargenau in ihrem Lager ruhen muß -und nicht nach Ost und West ausweichen oder gar herausspringen -darf. Aber die Mähmaschine — ein wahres -Elsternest aus stählernen Zweigen und Haken und Vorrichtungen -und Hunderten von Schrauben. Oh, Ingers -Nähmaschine war nur eine Kleinigkeit dagegen!</p> - -<p>Dann spannte sich Isak selbst vor und probierte die -Maschine. Das war gerade der große Augenblick. Deshalb -wollte er zuerst im verborgenen mit der Maschine -bleiben und auch sein eigenes Pferd sein.</p> - -<p>Denn wie, wenn nun die Maschine falsch zusammengesetzt -war und ihre Arbeit nicht verrichtete, sondern mit -einem Knall zersprang? Aber das geschah nicht, die Maschine -mähte Gras. Das würde auch gerade noch fehlen! -Isak hatte hier in tiefes Studium versunken stundenlang -gestanden, die Sonne war indessen untergegangen. Wieder -spannt er sich vor und probiert, die Maschine mäht -Gras. Das fehlte auch gerade noch!</p> - -<p>Als gleich nach dem heißen Tag der Tau fiel und die -beiden Brüder, jeder mit seiner Sense, auf der Wiese -standen, um für den nächsten Tag zu mähen, tauchte -Isak bei den Häusern auf und sagte: Hängt eure Sensen -heute abend nur wieder hinein. Ihr könnt das neue -Pferd anschirren und mit ihm hinüber an den Wald -kommen.</p> - -<p>Damit ging aber Isak nicht ins Haus hinein, um sein -Abendbrot zu essen, was die andern schon getan hatten, -sondern er drehte auf dem Hofplatz gleich wieder um und -ging aufs neue dahin, woher er gekommen war.</p> - -<p>Sollen wir den Karren anspannen? rief ihm Sivert -nach.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[S. 241]</a></span></p> - -<p>Nein, antwortete der Vater und ging weiter.</p> - -<p>Er strotzte förmlich von Geheimniskrämerei und war -ganz übermütig, bei jedem Schritt wiegte er sich in den -Knien, so nachdrücklich schritt er dahin. Ging es dem -Tod und Untergang entgegen, so war er jedenfalls ein -mutiger Mann, er trug nichts in den Händen, mit dem -er sich hätte verteidigen können.</p> - -<p>Die Jungen kamen mit dem Pferd nach, jetzt sahen -sie die Maschine, und sie hielten jäh an. Das war die -erste Mähmaschine hier im Ödland, die erste auch im -Dorfe, rot und blau, prachtvoll anzusehen. Der Vater, -das Oberhaupt aller, rief gleichgültig und ganz wie sonst: -Kommt her und spannt das Pferd vor diese Mähmaschine! -— Die Söhne spannten ein.</p> - -<p>Dann fuhren sie, der Vater fuhr. Brr! sagte die Maschine -und mähte das Gras nieder. Die Söhne hinterher, -ohne etwas in den Händen, ohne zu arbeiten, lächelnd. -Jetzt hielt der Vater an und sah zurück — na, es könnte -besser gemäht sein. Er schraubte an ein paar Stellen, -um die Messer näher an den Boden zu legen, und probierte -wieder. Nein, so wird ungleich gemäht, uneben gemäht. -Die Scheide, an der alle Messer sind, wackelt ein -wenig auf und nieder. Vater und Söhne wechselten ein -paar Worte. Eleseus hat die Gebrauchsanweisung gefunden -und liest darin.</p> - -<p>Da steht, daß du dich auf den Sitz setzen sollst, Vater, -dann gehe die Maschine ruhiger, sagt er. — So, versetzte -der Vater. Ja, das weiß ich wohl, fügte er hinzu, -ich habe alles genau studiert. — Er setzt sich auf den -Sitz und fährt wieder, nun geht es ruhig. Aber plötzlich -mäht die Maschine nicht mehr, nein, alle Messer stehen -auf einmal still. Ho! Was nun? Der Vater springt vom -Sitz herunter, aber jetzt ist er nicht mehr übermütig, sondern -beugt ein kummervolles, fragendes Gesicht über die -Maschine. Vater und Söhne starren diese an; etwas ist<span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[S. 242]</a></span> -verkehrt. Eleseus hat die Gebrauchsanweisung in der -Hand. — Da liegt ein kleiner Bolzen! sagt Sivert, indem -er ihn vom Boden aufhebt. — Ach so, es ist gut, -daß du ihn gefunden hast, sagt der Vater, als wäre das -alles, was er brauchte, um die Maschine wieder in Ordnung -zu bringen. Gerade diesen Bolzen habe ich gesucht. -— Aber nun konnten sie das Loch nicht finden; wo zum -Kuckuck war das Loch zu dem Bolzen? Da, sagt Eleseus -und deutet mit dem Finger.</p> - -<p>Und jetzt mußte sich Eleseus wohl der Sache etwas -gewachsen fühlen, seine Fähigkeit, eine Gebrauchsanweisung -zu erforschen, war hier unersetzlich; er deutete überflüssig -lange auf das Loch und sagte: Nach der Illustration -zu verstehen, muß der Bolzen hier hinein! — Jawohl -muß er hier hinein, sagte auch der Vater, da hatte ich -ihn ja eingesetzt! Und um seine Autorität wieder herzustellen, -befahl er Sivert, nach noch weiteren Bolzen im -Gras zu suchen. Es muß noch einer da sein, sagte er mit -ungeheuer wichtiger Miene, wie wenn er alles im Kopf -hätte. Findest du keinen mehr? Na, dann sitzt er wohl -noch in seinem Loch!</p> - -<p>Dann wollte der Vater wieder fahren.</p> - -<p>Aber das ist falsch! ruft Eleseus. Oh, Eleseus steht -mit der Zeichnung in der Hand, mit dem Gesetz in der -Hand da, ihn darf man nicht auf die Seite schieben. -Diese Feder hier muß außen sein! — Ja? fragt der -Vater. — Jawohl, aber jetzt ist sie unten, du hast sie -unten hingesetzt. Es ist eine Stahlfeder, die muß außen -sein, sonst springt der Bolzen wieder heraus, und dann -stehen alle Messer still. Hier steht es auf der Abbildung! -— Ich habe meine Brille nicht bei mir, deshalb kann ich -die Zeichnung nicht deutlich sehen, sagte der Vater kleinlauter. -Hier, du hast bessere Augen, schraube du die Feder -ein. Aber mach es nun richtig. Wenn es nicht so weit -wäre, würde ich meine Brille holen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_243" id="Seite_243">[S. 243]</a></span></p> - -<p>Jetzt ist alles in Ordnung, und der Vater sitzt auf. -Eleseus ruft ihm nach: Und dann mußt du ein bißchen -schnell fahren, dann schneiden die Messer besser! Hier -steht es!</p> - -<p>Isak fährt und fährt, und alles geht gut, und Brr! -sagt die Maschine. Sie hinterläßt einen breiten Weg von -gemähtem Gras, in einer schönen Linie liegt es da, fertig -zum Ausbreiten. Jetzt kann man Isak vom Hause aus -sehen, und alle Frauenzimmer eilen heraus. Inger trägt -die kleine Rebekka auf dem Arm, obgleich die kleine -Rebekka längst laufen kann. Aber jetzt kommen sie daher, -vier Frauenzimmer, große und kleine, und sie eilen -mit weit aufgerissenen Augen zu dem Wunderwerk hin, -sie umdrängen es. Oh, wie mächtig Isak jetzt ist und -richtig stolz; frei auf der Maschine droben sitzt er, im -Sonntagsgewand, in vollem Staat, in Rock und Hut, -obgleich ihm der Schweiß von der Stirne tropft. Er -fährt in vier großen Winkeln über ein passendes Wiesenstück, -schwingt um, fährt, mäht, kommt an den Frauen -vorüber, die wie aus den Wolken gefallen sind, sie begreifen -es nicht, und Brr! sagt die Maschine.</p> - -<p>Dann hält Isak an und steigt herunter. Seht, er sehnt -sich gewißlich danach, zu hören, was die Menschen auf -der Erde sagen, was sie jetzt wohl sprechen werden! Er -hört leise Ausrufe, die Menschen wollen ihn auf seinem -großen Posten nicht stören, aber sie stellen ängstliche -Fragen aneinander, und diese Fragen hört Isak. Und -jetzt, um ein freundliches väterliches Oberhaupt für alle -zu sein, muntert Isak sie auf, indem er sagt: Ja, ja, ich -mähe nun dieses Wiesenstück, dann könnt ihr das Heu -morgen ausbreiten. — Du hast wohl gar keine Zeit, hereinzukommen -und zu essen? fragt Inger überwältigt. — -Nein, ich habe jetzt anderes zu tun, erwidert er.</p> - -<p>Dann ölt er die Maschine noch einmal und gibt den -anderen zu verstehen, daß es sich hier um eigentliche<span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[S. 244]</a></span> -Wissenschaft handle. Dann fährt er wieder und mäht -weiter. Schließlich gehen die Frauenzimmer wieder hinein.</p> - -<p>Glücklicher Isak! Glückliche Menschen auf Sellanraa!</p> - -<p>Isak erwartet sehr bald, die Nachbarn von drunten ankommen -zu sehen. Axel Ström hat sehr viel Interesse, er -kommt vielleicht schon morgen. Aber Brede von Breidablick -ist imstande und kommt noch heute nacht. Isak hätte -gar nichts dagegen, ihnen die Mähmaschine zu erklären -und darzutun, wie gut er sie in allem regieren kann. Er -will darauf hinweisen, daß man mit der Sense unmöglich -so glatt und gleichmäßig mähen könne. Aber was eine -solche erstklassige blau und rote Mähmaschine kostet, das -ist auch gar nicht zu sagen!</p> - -<p>Glücklicher Isak!</p> - -<p>Aber als er die Maschine zum drittenmal anhält und -wieder ölt, fällt ihm wahrhaftig die Brille aus der -Tasche. Und das schlimmste ist, daß seine Söhne es gesehen -haben. War eine höhere Macht dabei im Spiel, war -es eine Ermahnung, etwas weniger hochmütig zu sein? -Er hatte ja auf dem Heimweg oft die Brille aufgesetzt -und die Gebrauchsanweisung studiert, sie aber eben nicht -verstanden, da hatte Eleseus eintreten müssen. Ach Gott -im Himmel, ja, Kenntnisse sind etwas Gutes! Und um sich -selbst zu demütigen, will Isak es nun aufgeben, Eleseus -zum Landmann zu machen, er wollte nicht mehr davon -reden. Nicht, daß die Jungen aus dem Mißgeschick mit -der Brille eine große Sache gemacht hätten, im Gegenteil; -der Spaßvogel Sivert konnte zwar nicht an sich -halten, nein, das konnte er nicht, er zupfte Eleseus am -Ärmel und sagte: Komm, jetzt gehen wir hinein und verbrennen -unsere Sensen; Vater mäht für uns! — Dieser -Scherz kam im rechten Augenblick.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[S. 245]</a></span></p> - - - -<h2>Zweiter Teil</h2> - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[S. 247]</a></span></p> - - - - -<h3>1</h3> - - -<p>Sellanraa ist nicht länger eine unbewohnte Stätte, -sieben Menschen leben hier mit groß und klein. -Aber während der kurzen Zeit der Heuernte kam -auch noch der eine oder andere Besuch dazu, Leute, die -gerne die Mähmaschine sehen wollten, Brede natürlich -als der erste; aber auch Axel Ström kam und die Nachbarn -bis zum Dorf hinunter. Und von der andern Seite -des Gebirges kam Oline; sie war unverwüstlich.</p> - -<p>Auch diesmal kam Oline nicht ohne Neuigkeiten aus -ihrem Dorfe; sie stellte sich nie leer ein: Jetzt war die -Verrechnung von dem Nachlaß des alten Sivert fertig -geworden, und es blieb kein Vermögen übrig! Gar -keines!</p> - -<p>Hier kniff Oline den Mund zusammen, und ihre Blicke -schweiften gespannt von einem zum andern. Na, tönte -denn kein Seufzer durch die Stube, fiel nicht die Decke -ein? Eleseus war der erste, der lächelte. Wie ist's denn, -bist du nicht nach dem Ohm Sivert getauft? fragte er -mit gedämpfter Stimme. Und Klein-Sivert antwortete -ebenso gedämpft: Doch. Aber ich habe ja seinen ganzen -Nachlaß dir verehrt. — Wieviel war's denn? — Zwischen -fünf- und zehntausend. — Taler? rief Eleseus -schnell und machte Sivert genau nach.</p> - -<p>Oline meinte, es sei jetzt nicht Zeit zu spaßen, ach, wie -war sie selbst geprellt worden, und sie hatte doch am<span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[S. 248]</a></span> -Sarg des alten Sivert ihre ganze zähe Willenskraft aufgeboten -und Tränen geweint. Eleseus wußte ja selbst am -besten, was er geschrieben hatte: soundso viel für Oline -als Stab und Stütze für ihr Alter. Was war aus diesem -Stab geworden? Übers Knie gelegt und gebrochen.</p> - -<p>Arme Oline, sie hätte wohl eine Kleinigkeit erben dürfen, -das wäre der einzige lichte Punkt in ihrem Leben -gewesen! Sie war nicht verwöhnt. Geübt im Bösen, jawohl, -daran gewöhnt, sich von Tag zu Tag mit Kniffen -und kleinen Betrügereien durchzuschlagen, groß allein in -der Kunst, Klatsch zu verbreiten, ihre Zunge gefürchtet zu -machen, jawohl. Nichts hätte sie jetzt noch schlimmer -machen können, eine Erbschaft am allerwenigsten. Sie -hatte ihr ganzes Leben lang gearbeitet, hatte Kinder geboren -und ihnen ihre eigenen paar Handfertigkeiten beigebracht, -hatte für sie gebettelt, vielleicht auch gestohlen, -aber sie doch ernährt — eine Mutter in kleinen Verhältnissen. -Ihre Gaben waren nicht geringer als die -Gaben anderer Politiker, sie wirkte und schaffte für sich -und die Ihrigen, richtete sich nach dem Augenblick und -brachte sich durch, verdiente ein Käschen da und eine -Handvoll Wolle dort und würde in alltäglicher und unaufrichtiger -Schlagfertigkeit leben und sterben. Oline — -vielleicht hatte sich der alte Sivert an die Zeit erinnert, -wo er sie noch als jung, rotwangig und hübsch gekannt -hatte. Aber nun war sie alt und häßlich, ein Bild der -Vergänglichkeit, sie sollte lieber tot sein. Wo wird sie begraben? -Sie besitzt kein eigenes Erbbegräbnis, wahrscheinlich -wird sie einmal in irgendeinem Kirchhof bei -lauter fremden und unbekannten Knochenresten unter den -Boden gebracht, da wird sie einmal landen. Oline, geboren -und gestorben. Auch sie war einmal jung. Eine -Erbschaft für sie jetzt noch zur elften Stunde! Jawohl, -ein einziger lichter Punkt, und die Hände einer Sklavin -der Arbeit würden sich für einen Augenblick gefaltet<span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[S. 249]</a></span> -haben. Die Gerechtigkeit hätte ihr noch einen verspäteten -Lohn gespendet, weil sie für ihre Kinder gebettelt, vielleicht -auch gestohlen, sie aber jedenfalls ernährt hatte. Für -einen Augenblick — und wieder hätte Dunkel in ihr geherrscht, -die Augen hätten geschielt, die Hände gesucht und -getastet: Wieviel ist es? würde sie sagen. Was, nicht -mehr? würde sie sagen. Und sie hätte wieder recht. Sie -war vielfache Mutter und verstand das Leben einzuschätzen, -das war großen Lohnes wert.</p> - -<p>Alles schlug fehl. Die Rechnungen des alten Sivert -waren jetzt, nachdem Eleseus sie durchgesehen hatte, wohl -einigermaßen in Ordnung, aber der kleine Hof und die -Kuh, der Bootsschuppen und das Großnetz deckten nur -knapp den Fehlbetrag in der Kasse. Und daß es überhaupt -einigermaßen so gut ging, wie es ging, das war zum -Teil Oline zu verdanken; sie war sehr versessen darauf, -daß ein Rest für sie übrigbleibe, und so zog sie vergessene -Posten, von denen sie als alte Klatschbase wußte, oder -Posten, die der Revisor absichtlich übersehen hatte, um -nicht achtenswerte Dorfgenossen in Schaden zu bringen, -ans Licht. Diese verflixte Oline! Und sie beschuldigte nicht -einmal den alten Sivert selbst; er hatte ja sicherlich aus -gutem Herzen testiert und hätte auch reichlich Geld hinterlassen, -jawohl; nein, die beiden Vertreter der Kreisverwaltung, -die die Sache zu ordnen hatten, die hatten sie -geprellt. Aber einst wird auch dies dem Allwissenden zu -Ohren kommen! sagte Oline drohend.</p> - -<p>Merkwürdigerweise sah sie nichts Lächerliches darin, -daß sie im Testamente genannt war; das war trotz allem -eine Ehre, niemand sonst von den Ihrigen stand darin.</p> - -<p>Die Leute auf Sellanraa trugen das Unglück mit Geduld, -sie waren ja auch nicht ganz unvorbereitet. Inger -konnte es allerdings nicht recht fassen: Der Oheim -Sivert, der seiner Lebtag so reich gewesen ist! sagte sie. -— Er hätte als aufrechter und reicher Mann vor den<span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[S. 250]</a></span> -Thron des Lammes treten können, aber sie haben ihn -beraubt! behauptete Oline. — Isak war im Begriff, fortzugehen, -und Oline sagte: Das ist sehr dumm, Isak, daß -du fort willst, so kriege ich ja die Mähmaschine nicht zu -sehen. Du hast doch eine Mähmaschine, nicht wahr? — -Jawohl. — Ja, jedermann spricht davon. Und daß sie -rascher mäht als hundert Sensen. Was du dir nicht alles -anschaffen kannst, Isak, mit deinem Geld und deinem -Vermögen! Unser Pfarrer hat einen neuen Pflug mit -zwei Pflugscharen, aber was ist der Pfarrer neben dir! -Das würde ich ihm offen ins Gesicht sagen. — Sivert -kann dir mit der Maschine vormähen, er kann es schon -viel besser als ich, sagte Isak und ging fort.</p> - -<p>Isak ging fort. Auf Breidablick ist Versteigerung gerade -um die Mittagsstunde, und er kann eben noch rechtzeitig -hinkommen.</p> - -<p>Nicht als ob Isak noch daran dachte, die Ansiedlung -zu kaufen, aber das ist nun die erste Versteigerung in der -Gegend, und da will er dabeisein.</p> - -<p>Als er bis nach Maaneland gekommen ist und Barbro -da sieht, will er nur grüßen und weitergehen, aber Barbro -redet ihn an und fragt ihn, ob er dort hinunter wolle? -— Ja, antwortet er und will weitergehen. Es ist Barbros -Kinderheimat, die versteigert wird, deshalb antwortet -er so kurz angebunden. — Willst du zur Versteigerung? -fragt sie. — Zur Versteigerung? Na, ich -gehe eben einmal hinunter. Wo ist denn Axel? — Axel? -Ich weiß nicht, wo er ist. Er ist zur Versteigerung gegangen, -er will wohl auch dies oder jenes zu einem Spottpreis -ergattern.</p> - -<p>Wie dick doch Barbro war, und wie bissig, ganz rasend!</p> - -<p>Die Versteigerung hat schon angefangen. Isak hört -des Lensmanns Aufrufe und sieht viele Leute. Als er -näher kommt, sieht er, daß er nicht alle kennt; es sind -verschiedene Leute von auswärts da, aber Brede treibt<span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[S. 251]</a></span> -sich in seinem besten Anzug umher und ist lebhaft und -gesprächig: Guten Tag, Isak! So, du erweist mir auch -die Ehre und kommst zu meiner Versteigerung. Ich danke -dir! Wir sind viele Jahre lang Nachbarn und gute -Freunde gewesen, und niemals hat es ein böses Wort -zwischen uns gegeben. — Brede wird ganz gerührt: Es -ist ja sonderbar, wenn man sich vorstellt, daß man einen -Ort verlassen soll, für den man gelebt und gestrebt und -den man liebgewonnen hat. Aber was hilft es, wenn es -einem nun einmal so bestimmt ist. — Vielleicht wird es -jetzt für dich viel besser, tröstet Isak. — Ja, weißt du, -das glaube ich auch, erwiderte Brede rasch gefaßt. Es -ist mir nicht leid, durchaus nicht. Ich habe hier auf dem -Lande keine Seide gesponnen, das wird jetzt besser werden, -die Kinder werden größer und fliegen aus dem Nest -— na, die Frau sorgt ja wieder für ein Kleines, aber -trotzdem! Und plötzlich sagt Brede klipp und klar: Ich -habe den Telegraphen aufgekündigt. — Was? fragt -Isak. — Ich habe den Telegraphen aufgekündigt. — -Du hast den Telegraphen aufgekündigt? — Ja, zu -Neujahr. Was soll ich weiter damit? Und wenn ich im -Verdienen wäre und den Lensmann oder den Pfarrer -fahren müßte, dann hätte immer der Telegraph zu allererst -kommen müssen. Nein, das gibt es nicht. Das kann -einer machen, der überflüssige Zeit hat; die Telegraphenlinie -entlang rennen, über Berg und Tal für eine kleine -oder gar keine Bezahlung, das tut der Brede nicht! Und -außerdem habe ich mich mit dem Vorstand, der mein -Vorgesetzter ist, verkracht.</p> - -<p>Der Lensmann wiederholt immer noch die Angebote -auf die Ansiedlung, und sie haben nun die wenigen hundert -Kronen erreicht, die das Gut geschätzt wird, deshalb -werden jetzt nur noch fünf oder zehn Kronen mehr -auf einmal geboten. Ich glaube wahrhaftig, jetzt bietet -der Axel! sagt Brede plötzlich und eilt neugierig zu ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[S. 252]</a></span> -hinüber. Willst du meinen Hof kaufen? Ist dir deiner -nicht groß genug? — Ich biete für einen andern Mann, -erwidert Axel etwas ausweichend. — Na ja, das ist mir -einerlei, so ist das nicht gemeint. — Der Lensmann hebt -den Hammer, ein neues Gebot wird gemacht, hundert -Kronen mehr auf einmal; niemand geht höher, der Lensmann -nennt das letzte Angebot noch ein paarmal, wartet -eine Weile mit erhobenem Hammer und schlägt dann zu.</p> - -<p>Wer hatte geboten?</p> - -<p>Axel Ström. Für einen andern Mann.</p> - -<p>Der Lensmann schreibt ins Protokoll: Axel Ström -pr. Kommission.</p> - -<p>Für wen kaufst du? fragte Brede. Nicht, als ob es -mir nicht ganz einerlei wäre.</p> - -<p>Aber nun stecken einige Herren am Tische des Lensmannes -die Köpfe zusammen. Da sitzt ein Vertreter der -Bank, der Kaufmann ist, mit seinem Ladendiener da, -etwas hat sich ereignet, die Forderungen der Gläubiger -sind nicht gedeckt! Brede wird gerufen, leicht und sorglos -kommt er daher und nickt nur, jawohl, ganz derselben -Ansicht. Wer hätte auch denken können, daß der -Hof nicht mehr bringen werde, sagte er. Und plötzlich -verkündet er allen Anwesenden mit lauter Stimme: Da -wir nun mit der Versteigerung fertig sind und ich doch -einmal den Lensmann herbemüht habe, so will ich alles -verkaufen, was ich hier habe. Den Wagen, die Tiere, -eine Mistgabel, den Schleifstein, das brauche ich alles -nicht mehr, ich verkaufe Rump und Stump.</p> - -<p>Geringe Angebote. Bredes Frau, auch sie leichtfüßig -und sorglos, trotz ihres ungeheuren Umfangs, hat inzwischen -begonnen, an einem Tisch Kaffee zu verkaufen; -sie findet diese Beschäftigung unterhaltend, sie lächelt, -und als Brede selbst kommt und Kaffee trinkt, verlangt -sie zum Spaß auch von ihm Bezahlung. Und Brede zieht<span class="pagenum"><a name="Seite_253" id="Seite_253">[S. 253]</a></span> -wirklich seinen mageren Beutel und bezahlt. Seht doch -nur die Frau an! sagt er zu der ganzen Versammlung. -Sie versteht's! sagt er.</p> - -<p>Der Wagen ist nicht viel wert, er hat zu oft unter -freiem Himmel gestanden; aber Axel bietet schließlich noch -ganze fünf Kronen mehr und ersteht auch den Wagen. -Dann kauft Axel nichts mehr. Aber alles verwundert -sich, daß der vorsichtige Mann so viel gekauft hat.</p> - -<p>Nun ging's an die Tiere. Sie standen heute im Stall, -um in der Nähe zu sein. Was sollte Brede mit Tieren, -wenn er kein Weideland mehr dafür hatte! Kühe hatte -er gar nicht, er hatte seine Landwirtschaft mit zwei Geißen -begonnen, jetzt hatte er vier. Außerdem hatte er sechs -Schafe. Ein Pferd besaß er nicht.</p> - -<p>Isak kaufte ein gewisses Schaf mit flachen Ohren. -Als Bredes Kinder dieses Schaf aus dem Stall herausführten, -bot er sofort darauf; das erregte Aufmerksamkeit; -Isak von Sellanraa war ja ein reicher und angesehener -Mann, der brauchte doch nicht noch mehr Schafe, -als er schon hatte. Bredes Frau hält einen Augenblick -mit ihrem Kaffeeverkauf inne und sagt: Zu diesem Schaf -kann man dir nur zureden, Isak; es ist zwar alt, aber -es wirft jedes Jahr zwei oder drei Lämmer. — Ja, das -weiß ich, erwidert Isak und sieht sie voll an. Ich kenne -das Schaf.</p> - -<p>Er macht sich mit Axel Ström zusammen auf den -Heimweg und führt sein Schaf am Strick. Axel ist -schweigsam, und irgend etwas scheint ihn zu wurmen, -was es nun auch sein mag. Aber er hat doch eigentlich -keine äußere Ursache, niedergeschlagen zu sein, denkt Isak. -Seine Wirtschaft ist in gutem Stande, er hat das meiste -Futter schon hereingebracht, und er ist eben dabei, sein -Wohnhaus aufzurichten. Es geht bei Axel Ström, wie -es gehen soll, ein wenig langsam, aber sicher. Jetzt hat -er sich auch ein Pferd angeschafft.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[S. 254]</a></span></p> - -<p>Du hast Bredes Hof gekauft, sagt Isak. Willst du ihn -bewirtschaften? — Nein, ich will ihn nicht bewirtschaften. -Ich habe ihn für einen andern gekauft. — So. — -Was meinst du, habe ich zuviel bezahlt? — O nein. Er -hat gute Moore, wenn sie entwässert werden. — Ich -habe den Hof für meinen Bruder in Helgeland gekauft. -— So. — Aber ich habe so halb und halb daran gedacht, -mit ihm zu tauschen. — Du willst mit ihm tauschen? — -Wenn Barbro lieber da unten wohnen möchte.</p> - -<p>Schweigend gehen sie ein gutes Stück. Dann sagt -Axel: Man ist sehr hinter mir her, ich soll den Telegraphen -übernehmen. — Den Telegraphen? So. Ja, ich -habe gehört, der Brede habe ihn aufgekündigt. — So, -antwortet Axel lächelnd; das ist nicht ganz genau so gewesen, -ihm, dem Brede, ist aufgekündigt worden. — -Ja, ja, sagte Isak und versuchte Brede ein wenig zu -entschuldigen; der Telegraph nimmt viel Zeit weg. — -Sie haben ihm zu Neujahr gekündigt, wenn er sich nicht -bessere. — So. — Meinst du nicht, ich könnte den Posten -übernehmen? — Isak dachte lange nach und antwortete -dann: Ja, ja, das bringt Geld. — Sie wollen mir mehr -geben. — Wieviel? — Das Doppelte. — Das Doppelte? -Ja, dann meine ich, du könntest es dir überlegen. — Aber -die Strecke ist etwas länger geworden. Nein, ich weiß -doch nicht, was ich tun soll; es läßt sich jedoch jetzt weniger -aus dem Wald herausschlagen als zu deiner Zeit, und -ich muß mir noch mehr Geräte anschaffen, ich habe jetzt -zu wenig. An bar Geld fehlt es immer, und mein Viehstand -ist nicht so groß, daß ich davon verkaufen könnte. -Ich meine, ich sollte es einmal ein Jahr mit dem Telegraphen -versuchen ... Keinem der beiden fiel es ein, daß -Brede sich bessern und seinen Posten behalten könnte.</p> - -<p>Als sie nach Maaneland kamen, ist auch Oline auf -ihrem Heimweg dort angelangt, ja, Oline ist merkwürdig, -sie kriecht fett und rund daher wie eine Raupe und<span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[S. 255]</a></span> -ist doch über siebzig Jahre, aber sie kommt weiter. Sie -sitzt in der Gamme und trinkt Kaffee, aber als sie die -Männer gewahr wird, läßt sie alles liegen und stehen -und kommt heraus. Guten Tag, Axel, zurück von der -Versteigerung? fragt sie. Du hast doch nichts dagegen, -daß ich Barbro einen Besuch mache? Und du baust ein -Wohnhaus und wirst ein immer größerer Herr? Du hast -ein Schaf gekauft, Isak? — Ja, erwidert Isak, kommt -es dir nicht bekannt vor? — Ob es mir bekannt vorkommt? -Nein. — Es hat aber doch diese flachen Ohren, -sieh nur. — Flache Ohren, wieso denn? Und wenn auch? -Ja, was ich sagen wollte: Wer hat denn Bredes Hof -gekauft? Eben habe ich zu der Barbro gesagt, wer wohl -ihr Nachbar werden würde, habe ich gesagt. Die arme -Barbro sitzt nur da und weint, wie nicht anders zu erwarten -ist. Aber der Allmächtige hat ihr eine zweite Heimat -hier auf Maaneland beschert. Flache Ohren? Ich -habe in meinem Leben schon viele Schafe mit flachen -Ohren gesehen. Und das ist wahr, Isak, diese Maschine, -die du hast, ist fast mehr als meine alten Augen fassen -können. Und was sie gekostet hat, danach will ich lieber -gar nicht fragen, so hoch kann ich gar nicht zählen. Wenn -du sie gesehen hast, Axel, dann weißt du, was ich meine, -es war mir, als sähe ich Elias in seinem feurigen Wagen; -Gott verzeih mir die Sünde ...</p> - -<p>Als das Heu unter Dach war, fing Eleseus an, sich -zur Abreise zu rüsten. Er hatte dem Ingenieur geschrieben, -er komme jetzt wieder, aber darauf die sonderbare -Antwort erhalten, daß die Zeiten schlecht seien, man müsse -sich einschränken, der Ingenieur könne den Posten nicht -mehr besetzen und müsse von nun an alles selbst schreiben.</p> - -<p>Das war doch eine verfluchte Sache! Aber wozu -brauchte auch dieser Bezirksingenieur einen Schreiber? -Damals, als er den kleinen Jungen Eleseus von seinem -Elternhaus wegnahm, wollte er sich wohl nur als großer<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[S. 256]</a></span> -Mann in der Gegend zeigen, und wenn er ihn bis über -die Konfirmation genährt und gekleidet hatte, so hatte -er auch ein wenig Hilfe auf dem Büro dafür gehabt. -Jetzt war der Junge erwachsen, nun war es eine andere -Sache.</p> - -<p>Aber, schrieb der Ingenieur, wenn Du zurückkommst, -so will ich tun, was ich kann, um Dich auf einem anderen -Büro unterzubringen, obgleich es wahrscheinlich -schwierig sein wird. Es gibt so überflüssig viele junge -Leute hier, die diese Laufbahn einschlagen. Freundliche -Grüße.</p> - -<p>Gewiß wollte Eleseus zurück in die Stadt, ja, ganz -zweifellos. Sollte er sich wegwerfen? Er wollte doch weiterkommen -in der Welt. Und Eleseus sagte den Seinigen -nichts von der veränderten Sachlage; das führte doch zu -nichts, und außerdem war er etwas schlapp, also schwieg -er. Das Leben auf Sellanraa wirkte wieder auf ihn, -es war ein ruhmloses und alltägliches Dasein, es -war ruhig und einschläfernd, man wurde ein Träumer, -da war niemand, vor dem er sich hätte aufspielen, niemand, -mit dem er sich hätte messen können. Das Stadtleben -hatte sein Wesen gespalten, hatte ihn vornehmer -gemacht als die andern, aber auch schwächer, er fühlte -sich jetzt eigentlich überall heimatlos. Daß er wieder anfing, -den Geruch des Rainfarn angenehm zu finden — -nun gut! Aber es hatte doch keinen Sinn, wenn ein -Bauernjunge, der abends seine Mutter die Kühe melken -hörte, dabei auf folgenden Gedanken kam: Jetzt wird -gemolken, hör doch nur, es ist beinahe wunderbar anzuhören, -es ist wie eine Art Lied, in lauter einzelnen Strahlen, -ganz anders als die Hornmusik in der Stadt oder die -Heilsarmee oder die Pfeife des Dampfschiffs. Der Milchstrahl, -der in ein Gefäß rinnt ...</p> - -<p>Es war nicht Brauch auf Sellanraa, seine Gefühle -sehr zu zeigen, und Eleseus fürchtete sich vor dem Augen<span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[S. 257]</a></span>blick -des Abschieds. Er war jetzt gut ausgestattet, er sollte -wieder einen Ballen Leinwand zu Unterzeug mitbekommen, -und der Vater hatte Geld bereitgelegt, das Eleseus -eingehändigt werden sollte, wenn er die Schwelle überschritt. -Geld — konnte Isak wirklich Geld entbehren? -Aber es ging nicht anders, Inger deutete ja an, daß es -zum letztenmal sei. Eleseus werde bald aufrücken und für -sich selbst sorgen. — So, sagte Isak. — Die Stimmung -wurde feierlich, im Hause wurde es still, alle hatten zum -Abschiedsessen ein gekochtes Ei bekommen, und Sivert -stand schon draußen, fertig gerüstet, mitzugehen und das -Gepäck zu tragen. Eleseus konnte mit dem Abschied anfangen.</p> - -<p>Er fing bei Leopoldine an. Ja, sie sagte ihm auch Lebewohl -und machte das recht nett. Ebenso wiederholte die -Magd Jensine, die eben Wolle kardätschte, den Abschiedsgruß. -Aber beide Mädchen glotzten ihn ganz verflucht an, -nur weil er vielleicht ein klein wenig rote Augen hatte. -Er reichte seiner Mutter die Hand, und sie weinte natürlich -laut auf und kümmerte sich den Henker darum, daß -er das Weinen nicht leiden konnte. Laß dir's gut gehen! -schluchzte sie. Der Abschied vom Vater war der schlimmste, -unbedingt, aus tausend Gründen: er war so abgearbeitet -und so unendlich getreu, hatte die Kinder auf den Armen -getragen, ihnen von Möwen und anderen Vögeln erzählt -und von Tieren und allen Wundern des Feldes. -Das war gar nicht lange her, ein paar Jahre ...</p> - -<p>Der Vater steht am Fenster, dann dreht er sich plötzlich -um, ergreift die Hand des Sohnes und sagt laut und -ärgerlich: Ja, ja, leb wohl! Ich sehe, das neue Pferd hat -sich dort losgerissen! Und hinaus läuft er und rennt davon. -Ach, und er hatte sich ja selbst kurz vorher hingeschlichen -und das Pferd losgebunden, und das wußte -der Spitzbube Sivert recht gut, der draußen stand und<span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[S. 258]</a></span> -dem Vater lächelnd nachschaute. Und außerdem war ja -das Pferd auf der Nachmahd.</p> - -<p>Dann war Eleseus fertig.</p> - -<p>Doch da kam ihm die Mutter auf die Türschwelle -nach, schluchzte noch mehr und sagte: Gott sei mit dir! -und drückte ihm etwas in die Hand. Dies hier — und -du sollst ihm nicht danken, das mag er nicht. Und schreib -auch fleißig!</p> - -<p>Zweihundert Kronen.</p> - -<p>Eleseus sah hinüber. Der Vater strengte sich ungeheuer -an, einen Tüderpflock in die Erde zu rammen, was ihm -anscheinend gar nicht gelingen wollte, obgleich es doch -weicher Wiesengrund war.</p> - -<p>Die Brüder schritten fleißig aus, sie kamen nach -Maaneland, da stand Barbro auf der Schwelle und lud -sie ins Haus ein. Gehst du wieder fort, Eleseus? Dann -mußt du aber hereinkommen und wenigstens eine Tasse -Kaffee trinken.</p> - -<p>Sie gehen in die Gamme, und Eleseus ist nicht mehr -verrückt vor Liebe und will zum Fenster hinausspringen -oder Gift nehmen, nein, er legt seinen hellen Überrock -über die Knie und sorgt dafür, daß das silberne Schild -obenhin zu liegen kommt, danach fährt er sich mit dem -Taschentuch übers Haar, und dann macht er die sehr -feine Bemerkung: Ein klassisches Wetter heute!</p> - -<p>Barbro hat auch nicht die Fassung verloren, sie spielt -mit ihrem silbernen Ring an der einen Hand und mit -dem goldenen an der andern — ja, sie hatte wahrhaftig -jetzt auch den goldenen Ring bekommen —, und sie hat -eine Schürze an, die vom Hals bis zu den Füßen geht, -so sieht man ihr wenigstens ihre Rundlichkeit nicht an. -Und nachdem sie den Kaffee gekocht hat und während -die Gäste ihn trinken, näht sie erst ein bißchen an einem<span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[S. 259]</a></span> -weißen Tuch und häkelt dann ein bißchen an einem Kragen -und betreibt allerlei jungfrauenhafte Arbeiten. Barbro -ist nicht in Verlegenheit über den Besuch, und das -ist gut, dadurch wird der Ton natürlich, und Eleseus -kann wieder so obenhin und einnehmend tun.</p> - -<p>Wo ist denn Axel? fragt Sivert.</p> - -<p>Wo er ist? Irgendwo, antwortet Barbro und richtet -sich auf. Ja, jetzt kommst du wohl nie wieder heim aufs -Land? fragt sie Eleseus. — Das ist höchst unwahrscheinlich, -erwidert er. — Hier ist nicht der rechte Ort für jemand, -der an die Stadt gewöhnt ist. Ich wäre froh, -wenn ich mit dir reisen könnte. — Ach, das ist dir nicht -Ernst. — Nicht, meinst du? Oh, ich habe es erfahren, -wie es ist, wenn man in der Stadt wohnt, und wie es -auf dem Lande ist. Ich bin in einer größeren Stadt gewesen -als du. Da ist es kein Wunder, wenn es mir hier -nicht gefällt. — Gewiß, so habe ich es nicht gemeint, du -bist ja sogar in Bergen gewesen, beeilte er sich zu sagen. -Es war ja schrecklich, wie hochfahrend sie war! — Ja, -wenn ich die Zeitung nicht hätte, so liefe ich sofort davon, -sagte Barbro. — Aber der Axel und alles miteinander, -das habe ich gemeint. — Ach, der Axel, das -ginge mich nichts an. Und du selbst, hast du nicht vielleicht -jemand in der Stadt, der auf dich wartet? — Nun -konnte Eleseus nicht anders, er mußte sich ein wenig aufspielen, -er kniff die Augen zu und ließ es auf der Zunge -zerschmelzen: daß er allerdings doch vielleicht jemand in -der Stadt habe, der auf ihn warte. Ach ja, aber er hätte -das alles noch ganz anders ausnützen können, wenn -Sivert nicht dabeigesessen hätte; so konnte er nur sagen: -Ach, Unsinn! — Na, sagte sie verletzt, und es war eigentlich -eine Schande, wie übellaunig sie war: Unsinn! Ja, du -kannst von den Leuten auf Maaneland nicht mehr erwarten, -wir sind nicht so großartig.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[S. 260]</a></span></p> - -<p>Aber Eleseus kümmerte sich den Henker um sie, sie war -recht fleckig im Gesicht geworden, und ihr Zustand war -jetzt sogar seinen Kinderaugen aufgegangen. — Willst -du nicht ein wenig Gitarre spielen? fragte er. — Nein, -erwiderte sie kurz angebunden. Was ich sagen wollte, -Sivert, kannst du nicht kommen und Axel ein paar Tage -beim Aufrichten des neuen Hauses helfen? Wie wär's, -wenn du gleich morgen dabliebst, wenn du vom Dorf -zurückkommst? — Sivert überlegte: Ja, aber ich habe -keinen Arbeitsanzug da, sagte er. — Ich will heut abend -hinlaufen und deine Werktagskleider holen, daß du sie -hast, wenn du zurückkommst. — Na ja, sagte Sivert, ich -will mir's überlegen. — Barbro wurde unnötig eifrig. -Du mußt es aber gern tun! Der Sommer vergeht, und -das Wohnhaus sollte noch vor den Herbsttagen aufgerichtet -und gedeckt sein. Axel hat dich schon oft darum -bitten wollen, aber er kommt immer nicht dazu. Nein, -du mußt uns diese Handreichung gern tun. — Wenn ich -etwas helfen kann, dann tu ich es auch gern, erwiderte -Sivert.</p> - -<p>Das war also abgemacht.</p> - -<p>Aber nun ist Eleseus wirklich berechtigt, sich beleidigt -zu fühlen. Er sieht ja ein, daß es von Barbro recht klug -ist, wenn sie um ihrer selbst und um Axels willen darauf -aus ist, Hilfe für den Hausbau zu bekommen; aber -sie tut das zu offenkundig. Sie ist noch nicht die Hausfrau -auf dem Hofe, und es ist noch keine Ewigkeit her, -seit er selbst sie geküßt hat, dieses Frauenzimmer! Hatte -sie denn gar keine Scham im Leibe? — Doch, sagt er -darum plötzlich, ich werde wiederkommen und bei dir -Gevatter stehen. — Barbro warf ihm einen Blick zu und -sagte ärgerlich: Gevatter? Und du willst von Unsinn -sprechen! Außerdem werde ich dir Nachricht schicken, wenn -ich einmal um einen Gevatter verlegen sein sollte. — -Was konnte Eleseus anderes tun, als beschämt lächeln<span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[S. 261]</a></span> -und sich weit weg wünschen! — Besten Dank für den -Kaffee, sagte Sivert. — Ja, Dank für den Kaffee, sagte -auch Eleseus, aber er stand nicht auf und verbeugte sich -auch nicht, nein, zum Henker; sie schwoll ja vor Gift -und Galle!</p> - -<p>Laß doch einmal sehen, sagte Barbro. Ja, die Kontorherren, -bei denen ich war, die hatten auch silberne Schildchen -in den Röcken, noch viel größere, sagte sie. Nun, -also du kommst zurück und bleibst hier über Nacht, -Sivert? Ich hole deine Kleider.</p> - -<p>Das war der Abschied.</p> - -<p>Die Brüder gingen weiter, Eleseus hatte zwei große -Banknoten in der Brusttasche, und die Barbro konnte -seinetwegen der Kuckuck holen. Die Brüder hüteten sich -wohl, auf irgendeinen rührenden Gesprächsstoff zu kommen, -auf des Vaters sonderbaren Abschied und der Mutter -Tränen, sie machten einen Umweg um Breidablick -herum, um dort nicht angehalten zu werden, und führten -scherzhafte Reden über diesen Streich. Als sie so weit -hinuntergekommen waren, daß sie das Dorf sehen konnten, -wo Sivert umdrehen sollte, übermannte es sie beide -doch ein wenig. Sivert sagte: Es kann wohl sein, daß es -jetzt ohne dich ein wenig einförmig wird. — Da fing -Eleseus an zu pfeifen und seine Schuhe zu untersuchen, -und er sah, daß er einen Spreißel im Finger hatte, und -suchte in seinen Taschen — nach Papieren, sagte er —, -oh, wie schlau! Aber es wäre dennoch schlimm gegangen, -wenn nicht Sivert sie beide gerettet hätte: Den Letzten! -rief er, gab dem Bruder einen Schlag auf den Rücken -und lief davon. Das half, sie riefen einander noch einige -Abschiedsworte zu, und dann zog jeder seines Weges.</p> - -<p>Schicksal oder Glückszufall! Eleseus kehrte trotz allem -in die Stadt zurück auf einen Posten, den er nicht mehr -innehatte, aber durch dieselbe besondere Fügung bekam -Axel Ström einen Arbeiter. Am 21. August fingen sie<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[S. 262]</a></span> -an das Blockhaus aufzurichten, und zehn Tage später -war es unter Dach. Ach, es war kein großartiges Wohnhaus -und nur ein paar Balkenlagen hoch, aber es war -doch ein Blockhaus und keine Erdhütte, und das Vieh -konnte nun in dem Raum, der seither menschliche Wohnung -gewesen war, einen herrlichen Winterstall bekommen.</p> - - - -<h3>2</h3> - - -<p>Am dritten September verschwand Barbro, das -heißt, ganz verschwand sie nicht, sie war nur bei -den Gebäuden nirgend zu finden. Axel schreinerte, -so gut er konnte, er war dabei, ein Fenster und eine Tür -in den Neubau einzusetzen, und war sehr in seine Arbeit -vertieft. Als aber die Mittagszeit vorbei war und man -ihn immer noch nicht hineinrief, ging er in die Gamme. -Niemand war da. Er suchte sich selbst etwas Essen zusammen -und schaute sich um, während er aß; Barbros Kleider -hingen alle da, sie konnte also nur draußen irgendwo -sein. Er ging wieder an seine Arbeit im Neubau und -schaffte dort eine Weile, dann schaute er wieder in die -Gamme — noch immer niemand da. Sie mußte irgendwo -liegengeblieben sein.</p> - -<p>Barbro! ruft er. Nichts. Er sucht in der Umgebung -der Häuser, geht hinüber zu einigen Gebüschen bei den -Feldern, er sucht lange, vielleicht eine Stunde, er ruft -— nichts! Endlich findet er sie weit entfernt; sie liegt -auf der Erde hinter Gebüsch versteckt, der Bach läuft an -ihren Füßen vorbei, sie ist barhäuptig und barfuß, und -sie ist bis in den Rücken hinauf tropfnaß.</p> - -<p>Hier liegst du? sagt er. Warum hast du keine Antwort -gegeben? — Ich konnte nicht, flüsterte sie und war stockheiser. -— Was — hast du denn im Wasser gelegen? —<span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[S. 263]</a></span> -Ja, ich bin ausgeglitten. Oh! — Ist dir schlecht? — Ja. -Es ist vorbei. — Ist es vorbei? fragt er. — Ja. Jetzt -mußt du mir helfen, daß ich nach Hause komme. — Wo -ist —? — Was? — Wo ist das Kind? — Es war tot. -— War es tot? — Ja.</p> - -<p>Axel rührt sich nicht, er bleibt stehen. Wo ist es? -fragt er.</p> - -<p>Das brauchst du nicht zu wissen, erwidert sie. Hilf -mir nach Hause. Es war tot. Ich kann selbst gehen, wenn -du mich nur ein wenig unter dem Arme faßt.</p> - -<p>Axel trägt sie nach Haus und setzt sie auf einen Stuhl, -das Wasser läuft an ihr herab. — Ist es tot gewesen? -fragt er. — Du hörst es ja, erwidert sie. — Wo hast du -es? — Du willst es wohl ausschnüffeln? Hast du etwas -zu essen gefunden, während ich fort war? — Was wolltest -du denn dort am Bach? — Was ich am Bach wollte? -Ich wollte Wacholder holen. — Wacholder? — Für die -Milcheimer. — Dort wächst doch kein Wacholder, sagt er. -— So geh doch an deine Arbeit! ruft sie heiser und ungeduldig. -Was ich am Bach wollte? Ich wollte mir -Besenreis holen. Ob du gegessen hast? frag ich. — Gegessen? -wiederholte er. Ist es dir sehr schlecht? — Ach -nein! — Ich will den Doktor holen. — Ja, untersteh -dich! erwidert sie. Damit steht sie auf und fängt an, sich -trockene Kleider zum Umziehen herbeizuholen. Weißt du -sonst gar nicht, wie du dein Geld wegwerfen sollst?</p> - -<p>Axel geht wieder an seine Arbeit, verrichtet indes nicht -viel; aber er klopft ein wenig und hobelt ein wenig, -damit ihn Barbro hört; schließlich keilt er das Fenster -ein und dichtet es mit Moos.</p> - -<p>Am Abend hat Barbro nicht viel Hunger, aber sie -arbeitet hier ein wenig und dort ein wenig, sie geht in -den Stall und melkt und steigt nur etwas vorsichtiger -als sonst über die hohen Schwellen. Wie gewöhnlich, legte -sie sich im Heustall schlafen, und die beiden Male, die<span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[S. 264]</a></span> -Axel während der Nacht nach ihr schaute, schlief sie fest. -Sie hatte eine gute Nacht.</p> - -<p>Am nächsten Morgen war Barbro beinahe wie sonst, -nur gänzlich stimmlos vor Heiserkeit, und sie hatte sich -einen langen Strumpf um den Hals gewickelt. Sie konnten -nichts miteinander reden. Die Tage vergingen, und -das Ereignis wurde alt, andere Dinge traten in den Vordergrund. -Der Neubau sollte eigentlich leer stehen, daß -die Balken sich setzen konnten, damit das Haus dicht und -zugfrei werde, aber es blieb keine Zeit, das abzuwarten, -es mußte sofort beziehbar gemacht und der Stall eingerichtet -werden. Nachdem dies geschehen und der Umzug -vollendet war, wurden die Kartoffeln herausgenommen -und nachher das Korn geschnitten. Das Leben lief im -gewohnten Geleise.</p> - -<p>Aber an vielen kleinen und großen Dingen merkte -Axel, daß ihre Beziehungen lockerer geworden waren, -Barbro fühlte sich in Maaneland jetzt nicht mehr zu -Hause und auch nicht mehr gebunden als jedes andere -Dienstmädchen. Das Band zwischen ihnen hatte sich gelockert, -als das Kind starb. Axel hatte immer so großartig -gedacht: Warte nur, bis das Kind da ist! Aber das Kind -kam und ging wieder. Zuletzt legte Barbro auch noch die -Fingerringe ab und trug keinen mehr davon. — Was -soll das bedeuten? fragte er. — Was das bedeuten soll? -sagte sie und warf den Kopf zurück.</p> - -<p>Aber das konnte doch nichts anderes als Arglist und -Verrat von ihrer Seite sein.</p> - -<p>Jetzt hatte er die kleine Leiche am Ufer des Baches gefunden. -Nicht als ob er weiter danach gesucht hätte, er -wußte ja beinahe genau das Plätzchen, wo sie liegen -mußte, aber er ließ es träge auf sich beruhen. Der Zufall -wollte, daß er es nicht ganz vergaß: Vögel fingen an, -über dieser Stätte zu kreisen, schreiende Elstern und<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[S. 265]</a></span> -Raben und eine Weile später auch ein Adlerpaar in -schwindelnder Höhe. Es war gerade, als ob zuerst eine -einzelne Elster gesehen hätte, daß hier etwas niedergelegt -worden war, und als ob sie dann auch gerade wie ein -Mensch nicht darüber hätte schweigen können, sondern -hätte darüber schwatzen müssen. Dadurch wurde auch Axel -aus seiner Gleichgültigkeit geweckt, und er wartete einen -passenden Augenblick ab, sich hinzuschleichen. Er fand die -Leiche unter Moos und Zweigen und ein paar Steinplatten -in ein Tuch, einen großen Lappen, gewickelt. Mit einer -Mischung von Neugier und Grausen öffnete er das Bündel -ein wenig — geschlossene Augen, dunkle Haare, ein -Junge, gekreuzte Beine, mehr sah er nicht. Der Lappen -war naß gewesen und war halb getrocknet, das Ganze -sah aus wie ein halb ausgewundenes Bündel von Wäsche.</p> - -<p>Axel konnte die Leiche nicht so offen liegenlassen, im -Innersten hatte er wohl auch Angst für sich selbst und -für sein Haus; er lief heim, holte einen Spaten und -machte das Grab tiefer; aber da es so nah am Bach war, -sickerte das Wasser herein, und er mußte weiter oben am -Hügel ein neues Grab schaufeln. Währenddem schwand -seine Furcht, Barbro könnte kommen und ihn hier finden, -er wurde trotzig und dachte, seinetwegen könne sie -wohl kommen, ja, dann könnte sie, bitte, die kleine Leiche -nett und ordentlich einhüllen, ob das Kind nun totgeboren -war oder nicht. Er sah sehr wohl ein, was er mit -dem Tode dieses Kindes verloren, daß er nun alle Aussicht -hatte, in seinem Neubau ohne Hilfe zu sitzen, und -zwar gerade jetzt, wo sein Viehstand mehr als dreimal so -groß war wie vorher. Bitte schön, es wäre gar nicht zu -viel, wenn sie käme! Aber Barbro — es kann gut sein, -daß sie entdeckt hatte, womit er beschäftigt war, jedenfalls -kam sie nicht, er mußte selbst die kleine Leiche einhüllen, -so gut er konnte, und sie in das neue Grab legen. -Dann breitete er schließlich die Rasenstücke wieder darüber<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[S. 266]</a></span> -und verwischte jede Spur; nun war nichts weiter zu -sehen als ein kleiner grüner Hügel im Gebüsch.</p> - -<p>Als er heimkehrte, traf er Barbro im Hofe. Wo bist -du gewesen? fragte sie. — Die Bitterkeit in seinem Herzen -hatte sich wohl verloren, denn er antwortete: Nirgends. -Wo bist denn du gewesen? Aber Barbro las wohl -eine Warnung aus seinem Gesichtsausdruck, sie ging ins -Haus, ohne noch ein Wort zu sagen.</p> - -<p>Axel ging ihr nach.</p> - -<p>Was soll denn das bedeuten, daß du deine Fingerringe -nicht mehr trägst? fragte er geradezu. — Vielleicht -fand sie es am ratsamsten, ein klein wenig nachzugeben, -sie lachte und sagte: Du bist so grimmig, daß -ich lachen muß. Wenn du aber willst, daß ich die Ringe -zuschanden arbeite, wenn ich sie werktags trage, so kann -ich es ja tun! Damit suchte sie sie hervor und steckte -sie an.</p> - -<p>Aber nun sah sie wohl, daß sein Gesicht einen dumm-zufriedenen -Ausdruck annahm, und sie fragte dreist: Hast -du noch mehr an mir auszusetzen? — Ich habe nichts -an dir auszusetzen, erwiderte er. Du sollst nur wieder -sein, wie du früher gewesen bist, ganz zu Anfang, als du -herkamst. Das meine ich. — Es ist nicht so leicht, immer -gleich zu sein, sagte sie. — Er fuhr fort: Daß ich deines -Vaters Gut kaufte, geschah nur deshalb, daß wir dorthin -ziehen könnten, wenn du lieber dort wohnen möchtest. -Was meinst du dazu? — Ho, nun hatte er verspielt, oh, -er hatte nur Angst, er könnte seine weibliche Hilfe verlieren -und mit seinem Viehstand und seinem Haushalt -allein bleiben, das merkte sie gut. — Das hast du schon -einmal gesagt, erwiderte sie abweisend. — Jawohl, aber -ich habe keine Antwort erhalten. — Antwort? sagte sie. -Ich ertrage es nicht, das noch einmal zu hören.</p> - -<p>Axel meinte, er sei ihr weit entgegengekommen. Er -hatte die Familie Brede weiter auf Breidablick wohnen<span class="pagenum"><a name="Seite_267" id="Seite_267">[S. 267]</a></span> -lassen, und obgleich er den kleinen Ertrag mit dem Gut -gekauft hatte, so hatte er doch nur einige Fuhren Heu -eingeführt und die Kartoffeln der Familie überlassen. -Es war eine große Ungereimtheit von Barbro, jetzt böse -zu werden, aber ihr war das ganz einerlei; sie fragte, als -ob sie tief gekränkt wäre: Sollten wir nach Breidablick -ziehen und meine ganze Familie obdachlos machen?</p> - -<p>Hörte er denn recht? Mit offenem Mund saß er da, -dann fing er an zu schlucken, als bereite er sich zu einer -langen Antwort vor, aber es wurde nichts daraus, und -er fragte nur: Ziehen sie denn nicht ins Dorf? — Das -weiß ich nicht, erwiderte sie. Hast du ihnen vielleicht dort -eine Wohnung gemietet?</p> - -<p>Axel wollte nicht weiter mit ihr rechten, aber er konnte -doch nicht ganz verschweigen, daß sie ihn einigermaßen -in Verwunderung gesetzt habe, und so sagte er: Du wirst -immer halsstarriger und verstockter, aber du meinst es -nicht so. — Ich meine alles, was ich sage, entgegnete sie. -Und nun sag mir einmal, warum konnten meine Leute -nicht lieber hierher ziehen? Dann hätte ich doch etwas -Hilfe von meiner Mutter gehabt. Aber du meinst ja, ich -hätte nicht so viel zu tun, daß ich Hilfe brauche.</p> - -<p>Sie hatte damit natürlich einigermaßen recht, aber auch -sehr viel unrecht: Die Familie Brede hätte ja dann in -der Gamme wohnen müssen, und Axel hätte wieder nicht -gewußt, wohin mit seinem Vieh. Wo wollte sie denn hinaus, -fehlte ihr denn aller Sinn und Verstand? — Ich -will dir etwas sagen, es ist besser, du bekommst eine -Magd. — Jetzt im Winter, wo es nicht mehr so viel zu -tun gibt? Nein, ich danke. Damals, als ich eine brauchte, -da hätte ich eine bekommen sollen, jawohl.</p> - -<p>Wieder hatte sie einigermaßen recht: sie hätte eine -Magd haben müssen, als sie nicht wohl und in gesegneten -Umständen war. Aber Barbro war ja niemals mit ihrer -Arbeit im Rückstand geblieben, sie war eigentlich jetzt<span class="pagenum"><a name="Seite_268" id="Seite_268">[S. 268]</a></span> -ebenso flink und tüchtig, tat alles, was geschehen mußte, -und ließ niemals ein Wort von einer Magd verlauten. -Aber sie hätte eine haben sollen. Ja, dann verstehe ich es -nicht, sagte er mutlos.</p> - -<p>Schweigen.</p> - -<p>Dann fragte Barbro: Ich habe sagen hören, du wollest -den Telegraphen übernehmen, den mein Vater hat? — -Wieso, wer hat das gesagt? — Es geht das Gerede. — -Ja, es ist nicht unmöglich, erklärte Axel. — So. — -Warum fragst du? — Ich frage, weil du meinem Vater -Haus und Hof abgenommen hast und ihm nun auch noch -seinen Lebensunterhalt nehmen willst.</p> - -<p>Schweigen.</p> - -<p>Aber nun wollte sich Axel doch nicht noch mehr gefallen -lassen, und er rief: Ich will dir etwas sagen, du -bist das gar nicht wert, was ich für dich und die Deinen -tue.</p> - -<p>So, sagte Barbro.</p> - -<p>Nein! rief er und schlug mit der Faust auf den Tisch. -Dann stand er auf.</p> - -<p>Du brauchst nicht zu meinen, daß du mir Angst machen -kannst, piepste sie mit schwacher Stimme und drückte sich -näher an die Wand.</p> - -<p>Dir Angst machen! machte er ihr nach und blies verächtlich. -Aber jetzt ist es Ernst, und ich will wissen, wie -es mit dem Kind gewesen ist. Hast du es ertränkt?</p> - -<p>Ertränkt?</p> - -<p>Ja, es ist doch im Wasser gewesen.</p> - -<p>So, du hast das gesehen? sagte sie. Du hast wohl — -daran gerochen, hätte sie beinahe gesagt, wagte es aber -nicht, denn es war vielleicht jetzt gerade nicht mit ihm -zu spaßen. Du hast es also gesehen?</p> - -<p>Ich habe gesehen, daß es im Wasser gelegen hat.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_269" id="Seite_269">[S. 269]</a></span></p> - -<p>Ach, das hast du wohl sehen dürfen, versetzte sie. Es -wurde im Wasser geboren, ich glitt aus und konnte nicht -mehr aufstehen.</p> - -<p>So, du bist ausgeglitten?</p> - -<p>Ja, und in demselben Augenblick kam auch das Kind.</p> - -<p>So, sagte er. Aber du hast doch einen Lappen mitgenommen. -Hast du geahnt, daß du ausgleiten würdest?</p> - -<p>Einen Lappen mitgenommen? wiederholte sie.</p> - -<p>Einen großen weißen Lappen, eines von meinen Hemden, -das du quer abgeschnitten hattest.</p> - -<p>Jawohl, den Lappen habe ich mitgenommen, um Wacholder -drin nach Hause zu tragen, sagte Barbro.</p> - -<p>Wacholder?</p> - -<p>Ja, Wacholder. Habe ich dir nicht gesagt, daß ich -Wacholder holen wollte?</p> - -<p>Ja, oder Besenreis.</p> - -<p>Ach, das ist doch einerlei, was es war ...</p> - -<p>Allein trotz dieses starken Zusammenstoßes wurde es -wieder gut zwischen den beiden, das heißt, es wurde nicht -mehr gut, aber erträglich; Barbro war klug und zeigte -sich nachgiebiger, sie witterte Gefahr. Aber unter diesen -Verhältnissen wurde ja das Leben auf Maaneland immer -gezwungener und unerträglicher, ohne Vertrauen, ohne -Freude, immer auf der Hut. Es ging immer nur einen -Tag um den andern, aber solange es überhaupt ging, -mußte Axel zufrieden sein. Er hatte nun einmal dieses -Mädchen zu sich genommen, er brauchte es, war ihr Liebster -gewesen, hatte sich an sie gebunden, es war keine -leichte Sache, sich und sein ganzes Leben zu ändern. Barbro -wußte alles, was mit dem Neubau zusammenhing, -wo Hab und Gut aufbewahrt war, wann die Kühe und -Geißen werfen würden, ob das Winterfutter kärglich oder -reichlich war, welche Milch zu Käsen bestimmt war und -welche im Haushalt verbraucht werden durfte — eine<span class="pagenum"><a name="Seite_270" id="Seite_270">[S. 270]</a></span> -Fremde wurde von nichts eine Ahnung haben, und eine -Fremde war vielleicht gar nicht aufzutreiben.</p> - -<p>Ach, aber oft schon hatte Axel doch daran gedacht, -Barbro fortzuschicken und ein anderes Mädchen dafür zu -nehmen; sie war zuweilen ein wahrer Zankapfel, und er -fürchtete sich beinahe vor ihr. Selbst zu der Zeit, in der -er das Unglück gehabt hatte, Glück bei ihr zu haben, war -er bisweilen vor ihrer merkwürdig grimmigen und unliebenswürdigen -Art zurückgewichen. Allein sie war schön -und hatte auch ihre süßen Stunden und begrub ihn gut -in ihren Umarmungen. Doch das war einmal, jetzt hatte -es aufgehört. Nein, danke schön, diese elende Geschichte -wollte sie nicht noch einmal durchmachen! Aber es ist -nicht so leicht, sich und sein ganzes Leben umzuformen. -Dann wollen wir sofort heiraten, sagte Axel dringend. -— Sofort? erwiderte sie. Nein, ich fahre zuerst in die -Stadt und lasse meine Zähne herrichten. Ich habe sie ja -vor lauter Zahnweh beinahe alle verloren.</p> - -<p>Da mußte es nun eben weitergehen wie seither; Barbro -bekam keinen bestimmten Lohn mehr, aber sie bekam -viel mehr als ihren Lohn, und sooft sie Geld begehrte -und es auch erhielt, dankte sie dafür, als ob es ein Geschenk -wäre. Übrigens begriff Axel nicht, wozu sie das -Geld brauchte; was sollte sie hier auf dem Lande mit -Geld? Sparte sie es zusammen? Aber wozu in aller Welt -sparte sie jahraus, jahrein zusammen?</p> - -<p>Es war da sehr viel, was Axel nicht begriff: hatte sie -denn nicht den Verlobungsring, ja sogar einen goldenen -Ring bekommen? Es hatte ja auch lange Zeit nach diesem -letzten großen Geschenk ein gutes Verhältnis zwischen -ihnen geherrscht, aber in alle Ewigkeit wirkte es doch nicht, -keineswegs, und er konnte ihr doch nicht immer wieder -Ringe kaufen. Kurz und gut: wollte ihn Barbro nicht? -Frauenzimmer sind doch merkwürdige Geschöpfe! Stand -sonst noch irgendwo ein Mann mit schönem Viehstand und<span class="pagenum"><a name="Seite_271" id="Seite_271">[S. 271]</a></span> -einem neuen Wohnhaus für sie bereit? Axel hatte alles -Recht, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen über die -Dummheit und Launenhaftigkeit der Weiber.</p> - -<p>Es war ganz merkwürdig, Barbro schien keinen andern -Gedanken im Kopf zu haben als das Leben in der Stadt -und in Bergen. Aber um Gottes willen, warum war sie -dann überhaupt wieder herauf in den Norden gekommen? -Ein Telegramm ihres Vaters allein hätte sie nicht dazu -vermocht, auch nur einen Fuß vor den andern zu setzen, -sie mußte einen andern Grund gehabt haben. Hier war sie -doch Jahr um Jahr von morgens bis abends unzufrieden. -Holzgeschirre statt solcher aus Blech und Eisen, Kessel -statt Kasserollen; dieses ewige Melken statt eines Spaziergangs -in die Meierei; Bauernstiefel, Schmierseife, -einen Heusack unter dem Kopf, niemals Hornmusik, -keine Menschen. Hier war sie ...</p> - -<p>Nach dem großen Zusammenstoß haderten sie noch oftmals -miteinander. Sollen wir darüber schweigen oder sollen -wir darüber reden? sagte Barbro. Du denkst wohl -gar nicht mehr daran, was du meinem Vater angetan -hast? sagte sie. — Axel fragte: So, was habe ich denn -getan? — Das weißt du selbst am besten, sagte sie. Aber -Inspektor wirst du nun übrigens doch nicht. — So. — -Nein, das glaube ich nicht, bis ich es sehe. — Du meinst -wohl, ich sei nicht klug genug dazu? — Es ist ja ganz gut -für dich, wenn du klug bist, aber du liest nicht und du -schreibst nicht, du nimmst auch niemals nur eine Zeitung -in die Hand. — Ich kann so viel lesen und schreiben, als -ich nötig habe, sagte er; aber du bist nichts als ein großes -Lästermaul. — Da hast du deinen Ring! schrie sie und -warf den silbernen Ring auf den Tisch. — So, und wo ist -denn der andere? fragte er nach einer Weile. — Wenn -du deine Ringe wiedernehmen willst, so kannst du sie -haben, sagte sie und mühte sich, den goldenen Ring abzu<span class="pagenum"><a name="Seite_272" id="Seite_272">[S. 272]</a></span>streifen. -— Dein Zorn macht keinen Eindruck auf mich, -sagte er und ging hinaus.</p> - -<p>Und natürlich trug sie sehr bald beide Ringe wieder.</p> - -<p>Es machte Barbro auf die Dauer auch nichts aus, daß -er sie wegen des Todes des Kindes im Verdacht hatte. -Ganz im Gegenteil, sie pfiff darauf und war hochmütig. -Nicht als ob sie etwas eingestanden hätte, aber sie sagte: -Ja, und wenn ich es auch ertränkt hätte! Du lebst hier -in der Einöde und weißt nichts davon, wie es sonst in der -Welt zugeht. — Als sie wieder einmal über diese Frage -sprachen, dachte sie, sie wolle ihm einen Begriff davon -beibringen, daß er die Sache viel zu ernsthaft nehme; -sie selbst legte einem Kindsmord nicht mehr Wichtigkeit -bei, als er verdiente. Sie wußte von zwei Mädchen in -Bergen zu erzählen, die ihre Kinder umgebracht hatten, -und die eine hatte einige Monate Strafe erhalten, weil -sie so dumm gewesen war und es nicht selbst umgebracht, -sondern es ausgesetzt hatte, damit es erfrieren sollte, und -die andere war freigesprochen worden. Nein, das Gesetz -ist jetzt hierin nicht mehr so unmenschlich wie früher, -sagte Barbro. Und außerdem kommt es auch gar nicht -immer heraus, sagte sie. Eines der Mädchen, die im Hotel -in Bergen dienten, hat zwei Kinder umgebracht; sie war -aus Christiania und trug einen Hut mit Federn darauf. -Für das letzte Kind bekam sie drei Monate, aber das mit -dem ersten ist nicht herausgekommen, erzählte Barbro.</p> - -<p>Axel hörte zu, und es graute ihm immer mehr vor -ihr. Er suchte zu begreifen, suchte in dieser Finsternis -irgend etwas zu erkennen, aber im Grunde hatte sie recht. -Er nahm die Sache viel zu ernsthaft. Sie war mit all -ihrer banalen Verderbtheit eines ernsthaften Gedankens -gar nicht wert. Ein Kindsmord war für sie gar kein Begriff, -hatte gar nichts Außerordentliches an sich, es war -nur der Ausschlag der ganzen moralischen Sittenlosigkeit -und des Leichtsinns, der von einem Dienstmädchen zu er<span class="pagenum"><a name="Seite_273" id="Seite_273">[S. 273]</a></span>warten -war. Das zeigte sich auch in den Tagen, die darauf -folgten: da gab es keine Stunde des Nachdenkens, sie -war genau wie früher voll überflüssigen Geschwätzes, -ganz Dienstmädchen. Ich muß fort wegen meiner Zähne, -sagte sie. Und dann sollte ich ein Mantlett haben. Ein -„Mantlett” war eine Art kurzen Kragens, der nur bis -zur Mitte reichte, das war einige Jahre lang Mode gewesen, -und Barbro wollte auch ein Mantlett haben.</p> - -<p>Wenn Barbro alles so selbstverständlich hinnahm, was -blieb Axel dann übrig, als sich auch zu beruhigen? Sein -Verdacht stand auch nicht immer ganz fest, und sie gestand -ja niemals etwas ein, im Gegenteil, sie hatte einmal -ums andere alle Schuld geleugnet, ohne Zorn, ohne -Halsstarrigkeit, aber zum Henker, genau so, wie ein -Dienstmädchen leugnet, eine Schüssel zerschlagen zu -haben, selbst wenn sie es getan hat. Ein paar Wochen -vergingen, dann wurde es Axel doch zuviel, er blieb eines -Tages mitten in der Stube stehen und hatte eine Offenbarung. -Aber du großer Gott, alle hatten doch ihren Zustand -gesehen, daß sie rund und dick und in anderen Umständen -war! Und jetzt war sie wieder schlank, wo aber -war das Kind? Wenn nun alle Menschen kämen und -suchten? Sie würden eines Tages eine Erklärung verlangen. -Und wenn also nichts Schlimmes geschehen war, -so wäre es viel besser gewesen, die Leiche auf dem Friedhof -zu begraben. Dann wäre sie fort aus dem Gebüsch, -fort aus Maaneland.</p> - -<p>Nein, das hätte mir nur Unannehmlichkeiten bereitet, -erklärte Barbro. Sie hätten das Kind geöffnet, und es -hätte ein Verhör gegeben. Das wollte ich nicht haben.</p> - -<p>Wenn es nur später nicht viel schlimmer wird, sagte er.</p> - -<p>Barbro entgegnete: Warum denkst du so viel darüber -nach? Laß es doch im Gebüsch! Ja, sie fragte lächelnd: -Meinst du vielleicht, es komme hinter dir her? Du<span class="pagenum"><a name="Seite_274" id="Seite_274">[S. 274]</a></span> -mußt nur den Mund halten und dich nicht mehr darum -kümmern.</p> - -<p>So, na ja.</p> - -<p>Habe ich vielleicht das Kind ertränkt? Nein, es hat -sich selbst ertränkt, als ich ins Wasser fiel. Es ist ja unglaublich, -was du für Gedanken hast! Und außerdem -kommt es nie heraus, sagte sie.</p> - -<p>Mit Inger von Sellanraa ist es doch auch herausgekommen, -wie ich gehört habe, wendete er ein.</p> - -<p>Barbro dachte nach. Das beunruhigt mich gar nicht! -sagte sie. Das Gesetz ist seither anders geworden; wenn -du die Zeitung lesen würdest, hättest du es gesehen. Viele -kriegen Kinder und töten sie, und niemand tut ihnen -deshalb weiter etwas zuleide! Barbro sucht ihm das zu -erklären, und sie versteht etwas von der Sache, sie ist -nicht umsonst draußen in der Welt gewesen und hat viel -gehört und gesehen und gelernt; jetzt saß sie vor ihm -und war gescheiter als er. Sie hatte drei Hauptgründe, -die sie immer wieder vorbrachte: erstens hatte sie es -nicht getan, zweitens wäre es gar nicht so gefährlich, -selbst wenn sie es getan hätte, und drittens würde es niemals -herauskommen.</p> - -<p>Ich habe gemeint, es komme alles heraus, wendete -er ein.</p> - -<p>O nein, bei weitem nicht! entgegnete sie. Und ob sie -ihn nun verblüffen oder ihm Mut machen wollte, oder -ob es aus Eitelkeit oder aus Großtuerei geschah, sie ließ -in diesem Augenblick eine Bombe platzen: Ich habe selbst -etwas getan, das nicht herausgekommen ist, sagte sie.</p> - -<p>Du? sagte er ungläubig. Was hast du denn getan?</p> - -<p>Was ich getan habe? Ich habe getötet.</p> - -<p>Vielleicht hatte sie nicht beabsichtigt, ganz so weit zu -gehen, jetzt mußte sie aber noch weiter gehen, er saß ja -da und starrte sie an. Ach, es war nicht einmal grenzenlose -Frechheit von ihr, es war Zanksucht, Großtuerei, sie<span class="pagenum"><a name="Seite_275" id="Seite_275">[S. 275]</a></span> -wollte überlegen sein und das letzte Wort behalten: -Glaubst du mir nicht? rief sie. Erinnerst du dich an die -Kindsleiche im Hafen? Die hatte ich hineingeworfen.</p> - -<p>Was! rief er.</p> - -<p>Die Kindsleiche damals. Du weißt auch gar nichts -mehr! Wir haben doch in der Zeitung davon gelesen.</p> - -<p>Nach einer Weile brach er los: Du bist ein entsetzliches -Weib!</p> - -<p>Aber seine Verwirrung stärkte sie, flößte ihr eine Art -unnatürlicher Kraft ein, so daß sie Einzelheiten berichten -konnte: Ich hatte es mit in meinem Koffer — ja, es war -tot, das hatte ich gleich getan, als es geboren war. Und -als wir in den Hafen kamen, warf ich es hinaus.</p> - -<p>Axel saß finster und schweigend da; aber Barbro redete -weiter, das sei jetzt schon lange her, schon mehrere Jahre, -es sei damals gewesen, als sie nach Maaneland kam. Da -könne er sehen, daß nicht alles herauskomme, bei weitem -nicht alles. Was er meine, wie das wäre, wenn alles -herauskäme, was alle Leute täten? Und was erst die verheirateten -Leute in der Stadt täten! Die brächten ihre -Kinder um, ehe sie geboren seien, es gebe besondere Ärzte -dafür. Diese Leute wollten nicht mehr als ein Kind, höchstens -zwei Kinder haben, und darum tötete es der Doktor -im Mutterleib. Axel könne ihr glauben, daß das draußen -in der Welt nicht schwer genommen werde.</p> - -<p>Axel fragte: Na, dann hast du wohl das zweite Kind -auch umgebracht?</p> - -<p>Nein, erwiderte sie äußerst gleichgültig. Das habe ich -nicht nötig gehabt, sagte sie. Aber sie kam noch einmal -darauf zurück, daß es gar nicht so gefährlich gewesen -wäre. Sie schien daran gewöhnt, dieser Frage in die -Augen zu sehen, deshalb blieb sie so gleichgültig dabei. -Beim erstenmal war es allerdings vielleicht etwas grausig, -ein klein wenig unheimlich für sie gewesen, ein Kind -umzubringen, aber das zweitemal? Sie konnte mit einer<span class="pagenum"><a name="Seite_276" id="Seite_276">[S. 276]</a></span> -Art von geschichtlichem Gefühl an die Tat denken: das -war geschehen und geschah auch wieder.</p> - -<p>Mit schwerem Kopf verließ Axel die Stube. Es focht -ihn weiter nicht sehr an, daß Barbro ihr erstes Kind -umgebracht hatte; das ging ihn nichts an. Und daß sie -dieses Kind überhaupt gehabt hatte, darüber war auch -nicht viel zu sagen. Eine Unschuld war sie nicht gewesen, -und sie hatte sich auch nicht dafür ausgegeben, im Gegenteil, -sie hatte ihre Erfahrenheit durchaus nicht verborgen -und ihn sogar in manchem dunkeln Spiel unterwiesen. -Gut. Aber dieses letzte Kind hätte er gerne behalten, ein -kleiner Junge, ein weißes Geschöpfchen in einen Lappen -gewickelt! Wenn sie schuld war an des Kindes Tod, so -hatte sie ihm ein Unrecht zugefügt, ein Band zerschnitten, -das ihm wertvoll war, und das ihm nie mehr ersetzt -wurde. Aber es konnte ja sein, daß er ihr unrecht tat, daß -sie wirklich im Bach ausgeglitten war und sich nicht mehr -aufrichten konnte. Allerdings, der Lappen war ja da, das -halbe Hemd, das sie mitgenommen hatte ...</p> - -<p>Die Stunden gingen auch jetzt hin, es wurde Mittag -und es wurde Abend. Und als Axel zu Bett gegangen -war und lange genug ins Dunkel hineingestarrt hatte, -schlief er ein und schlief bis an den Morgen. Ein neuer -Tag brach an, und nach diesem Tag kamen noch andere -Tage.</p> - -<p>Barbro blieb immer dieselbe. Sie wußte sehr viel von -der Welt und behandelte solche Kleinigkeiten, die hier -auf dem Lande Gefahren waren und Schrecken verbreiteten, -mit Gleichgültigkeit. Das war auch wieder tröstlich, -sie war gescheit für beide, unbesorgt für beide. Übrigens -sah sie auch nicht aus wie ein gefährlicher Mensch. Barbro -ein Ungeheuer? Keine Spur. Sie war im Gegenteil ein -schönes Mädchen, blauäugig mit einem Stumpfnäschen, -und die Arbeit ging ihr flink von der Hand. Die Ansiedlung -war ihr nur ein wenig verleidet, und verleidet waren<span class="pagenum"><a name="Seite_277" id="Seite_277">[S. 277]</a></span> -ihr auch die Holzgeschirre, die sooft gescheuert werden -mußten, und vielleicht war ihr auch der ganze Axel verleidet -und das ganze verflucht zurückgezogene Leben, das -sie führte. Aber sie brachte keines der Tiere um und stand -auch nicht bei Nacht mit gezücktem Messer über ihm.</p> - -<p>Nur noch einmal kam es dazu, daß die beiden über die -Kindsleiche draußen im Walde miteinander sprachen. Axel -wiederholte noch einmal, sie hätte auf dem Kirchhof begraben -und mit Erde bedeckt werden sollen, aber Barbro -blieb auch jetzt dabei, daß ihre Handlungsweise ganz recht -gewesen sei. Bei dieser Gelegenheit sagte sie etwas, das -zeigte, daß auch sie überlegte, ho, und schlau war, und -weiter sah, als ihre Nase reichte, ja, daß sie mit einem -kleinen ärmlichen Negergehirn dachte: Und wenn es auch -aufkommt, dann spreche ich mit dem Lensmann, ich habe -bei ihm gedient, und die Frau Heyerdahl hilft mir. Es -stehen nicht alle so gut wie ich, und sie werden doch freigesprochen. -Und außerdem steht Vater gut mit den großen -Herren, er ist Gerichtsbote und alles, was drum und -dran ist.</p> - -<p>Axel schüttelte nur den Kopf.</p> - -<p>Du glaubst es nicht?</p> - -<p>Was du dir einbildest, daß dein Vater ausrichten -könne!</p> - -<p>Was weißt denn du davon? rief sie ärgerlich. Denk -daran, daß du ihn ins Elend gebracht hast, du hast ihm -seinen Hof und seinen Lebensunterhalt genommen!</p> - -<p>Sicherlich hatte sie eine Art Vorstellung davon, daß -ihres Vaters Ansehen in der letzten Zeit eingebüßt hatte -und daß dies zum Schaden für sie selbst ausschlagen -könnte. Was sollte Axel darauf antworten? Er schwieg. -Er war ein Mann des Friedens, ein Mann der Arbeit.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_278" id="Seite_278">[S. 278]</a></span></p> - - - - -<h3>3</h3> - - -<p>Als es dem Winter zuging, war Axel wieder der -einzige Mensch auf Maaneland. Barbro war gegangen. -Ja, das war das Ende. Ihre Reise in die -Stadt solle nicht lange dauern, sagte sie. Es sei ja keine -Reise nach Bergen, aber sie wolle nicht einen Zahn nach -dem andern verlieren und einen Mund bekommen wie ein -Kalb. Was das kosten werde? fragte Axel. — Wie kann -ich das wissen? erwiderte sie. Dich wird's jedenfalls nichts -kosten, ich werde es abverdienen.</p> - -<p>Sie hatte ihm auch auseinandergesetzt, warum es am -besten sei, wenn sie die Reise jetzt mache; jetzt seien nur -zwei Kühe zu melken, bis zum Frühjahr würden noch -zwei kalben und auch die Geißen Junge werfen, die Heuernte -würde kommen, die Arbeit würde drängen bis über -den Juni hinaus. — Tu, was du willst, sagte Axel.</p> - -<p>Die Sache sollte ihn nichts kosten, gar nichts. Aber -sie müsse doch etwas Geld haben, nur eine kleine Summe; -sie brauche Geld zur Reise und für den Zahnarzt, außerdem -brauche sie ein Mantlett und noch verschiedenes andere, -aber das müsse ja nicht sein, wenn es ihm unangenehm -sei. — Du hast bis jetzt schon Geld genug bekommen, -sagte Axel. — So, erwiderte sie. Das ist aber -jedenfalls nicht mehr da. — Hast du denn nichts zurückgelegt? -— Zurückgelegt? Du kannst ja in meiner Kiste -nachsuchen. Ich habe auch in Bergen nichts zurückgelegt, -und dort hatte ich doch einen viel größeren Lohn. — -Ich habe kein Geld für dich, sagte er.</p> - -<p>Axel hatte keinen rechten Glauben daran, daß Barbro -von dieser Reise zurückkommen werde, und sie hatte seine -Geduld mit ihrer Unliebenswürdigkeit so über alle Maßen -geprüft, daß er anfing, ihrer überdrüssig zu werden. Es -gelang ihr schließlich auch nicht, eine nennenswerte -Summe aus ihm herauszuwinden, aber er sah durch die<span class="pagenum"><a name="Seite_279" id="Seite_279">[S. 279]</a></span> -Finger, als sie sich einen ungeheuren Mundvorrat einpackte, -ja, er selbst fuhr sie und ihre Kiste hinunter ins -Dorf zum Postboot.</p> - -<p>Nun war es also geschehen.</p> - -<p>Er hätte ganz gut wieder allein auf der Ansiedlung -sein können, er war es von früher her gewöhnt, aber er -war jetzt durch seinen Viehstand allzusehr gebunden, und -wenn er einmal von Hause abwesend sein mußte, waren -die Tiere nicht versorgt. Der Kaufmann hatte ihm geraten, -sich Oline kommen zu lassen, sie sei doch einmal -mehrere Jahre auf Sellanraa gewesen, allerdings sei sie -jetzt alt, aber noch rührig und arbeitsam. Ja, Axel hatte -nach Oline geschickt, aber sie war nicht gekommen, und -er hatte auch nichts von ihr gehört.</p> - -<p>Während Axel auf sie wartet, fällt er Holz im Walde, -drischt seine kleine Kornernte und besorgt seinen Viehstand. -Es war einsam und still um ihn. Ab und zu kam -Sivert von Sellanraa vorbei auf der Fahrt ins Dorf -oder vom Dorf zurück; hinunter führte er Brennholz -oder Häute oder Käse, aber zurück kam er fast immer -leer, der Hof Sellanraa brauchte nicht viel Waren zu -kaufen.</p> - -<p>Dann und wann kam auch Brede Olsen an Maaneland -vorbei und in der letzten Zeit häufiger als sonst — wer -konnte wissen, was er hier so eifrig, so fleißig zu laufen -hatte! Es war, als ob er sich noch in den letzten Wochen -an der Telegraphenlinie unentbehrlich machen und den -Posten behalten wolle. Seit Barbro abgereist war, kam -er nie mehr zu Axel herein, sondern ging nur rasch vorbei, -und das war doch vielleicht ein gar zu arger Hochmut -von ihm, da er immer noch auf Breidablick wohnen blieb -und nicht abgezogen war. Eines Tages, als er vorbeigehen -wollte, ohne auch nur zu grüßen, hielt ihn Axel -an und fragte, bis wann er den Hof zu räumen gedenke. -— Auf welche Weise hast du dich von Barbro getrennt?<span class="pagenum"><a name="Seite_280" id="Seite_280">[S. 280]</a></span> -fragte Brede dagegen. Das eine Wort gab das andere: -Du hast sie ohne alle Mittel fortgeschickt. Es war nahe -daran, daß sie nicht einmal bis Bergen gekommen wäre.</p> - -<p>So, sie ist also in Bergen? — Ja, schließlich sei sie -hingekommen, schreibt sie, aber dir hat sie nicht dafür -zu danken. — Ich werde dich jetzt sofort aus Breidablick -hinauswerfen, sagte Axel. — Ja, weil du seither so gutherzig -gewesen bist, erwiderte der andere spöttisch. Nach -Neujahr werfen wir uns selbst hinaus, fuhr er fort und -ging dann seines Weges.</p> - -<p>So, Barbro war nach Bergen gereist, es war also -genau so gegangen, wie Axel sich gedacht hatte. Er war -nicht betrübt darüber. Betrübt? Weit entfernt, sie war -ein Zankteufel, aber bis jetzt hatte er doch noch nicht -alle Hoffnung aufgegeben gehabt, sie würde doch vielleicht -wiederkommen. Er wußte beim Henker nicht, wie -es zuging, er hing doch ein bißchen zu fest an dieser Person, -an diesem Ungeheuer; zuzeiten konnte sie ihre süßen -Stunden haben, unvergeßliche Stunden, und gerade, um -sie daran zu hindern, ganz bis Bergen durchzubrennen, -war er beim Abschied mit Geld so geizig gewesen. Und -nun war sie doch auf und davon gegangen. Von ihren -Kleidern hing noch dies und das da, und ein Strohhut -mit einem Flügel darauf lag in Papier gehüllt droben -auf dem Bodenraum; aber sie kam nicht, ihr Eigentum -zu holen. Ach ja, vielleicht war er doch ein wenig betrübt! -Wie Spott und Hohn erschien es ihm, daß er immer -noch ihre Zeitung erhielt, und das würde wohl auch vor -Neujahr nicht aufhören.</p> - -<p>Aber schließlich hatte er doch an anderes zu denken, -er mußte ein Mann sein.</p> - -<p>Im Frühjahr mußte er an der Nordwand des Neubaus -eine Scheune anfügen, jetzt im Winter mußten die -Stämme dazu gefällt und die Bretter gesägt werden. -Axel hatte keinen zusammenhängenden Wald mit großen<span class="pagenum"><a name="Seite_281" id="Seite_281">[S. 281]</a></span> -Bäumen, aber da und dort standen auf seinem Grund -und Boden mächtige Föhren, und er suchte sich solche am -Wege nach Sellanraa aus, damit sich das Hinschaffen -der Stämme nach dem Sägewerk leichter bewerkstelligen -ließe.</p> - -<p>Eines Morgens füttert er sein Vieh sehr reichlich, damit -es bis zum Abend aushalten kann, schließt die Türen -hinter sich zu und geht in den Wald; außer Axt und -Mundvorrat nimmt er noch eine hölzerne Schneeschaufel -mit. Das Wetter ist mild, gestern tobte ein schwerer -Sturm mit Niederschlägen, aber heute ist es still. Er -geht den ganzen Weg an der Telegraphenlinie entlang, -bis er zur Stelle ist; dort zieht er seine Jacke aus und -fängt an zu hacken. Jeden Baum, den er fällt, zweigt er -sofort ab, haut die Stämme glatt und schichtet Zweige -und Äste auf Haufen.</p> - -<p>Brede Olsen kommt den Weg herauf, dann ist also die -Linie wohl durch den gestrigen Sturm in Unordnung geraten. -Aber vielleicht lief Brede auch ohne besonderen -Grund die Linie ab, er war sehr eifrig im Dienst geworden, -er hatte sich also doch gebessert. Die Männer -sprachen nicht miteinander und grüßten sich auch nicht.</p> - -<p>Axel merkt wohl, daß das Wetter im Begriff ist umzuschlagen, -der Wind wird immer stärker, aber Axel arbeitet -nur eifrig weiter. Die Mittagsstunde ist längst vorbei, -aber er hat noch nichts gegessen. Jetzt eben fällt er -eine große Föhre, und diese schlägt ihn in ihrem Fall zu -Boden. Wie ist das zugegangen? Unglück war unterwegs. -Eine Riesenföhre schwankt auf ihrer Wurzel, der Mensch -bestimmt ihr eine Seite zum Fallen, der Sturm eine -andere. Der Mensch verliert. Es wäre noch angegangen, -allein der Schnee deckte den unebenen Boden, Axel trat -fehl, sprang auf die Seite und kam mit einem Bein -in eine Felsspalte, nun lag er zwischen Felsen eingeklemmt -und hatte eine große Föhre über sich.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_282" id="Seite_282">[S. 282]</a></span></p> - -<p>Jawohl, es hätte trotzdem noch angehen können, allein -er lag so ausgesucht verdreht, allerdings, soweit er fühlen -konnte, mit ganzen Gliedern, aber schief und ohne eine -Möglichkeit, sich unter dem schweren Gewicht hervorzuarbeiten. -Nach einer Weile hatte er die eine Hand frei, -auf der andern aber liegt er, und er kann die Axt nicht -erreichen. Er sieht sich um und überlegt, wie jedes gefangene -Tier es auch gemacht hätte, sieht sich um und -überlegt und arbeitet und müht sich unter dem Baum ab. -Brede muß in einiger Zeit auf dem Rückweg wieder vorbeikommen, -denkt er und müht sich ab und atmet schwer.</p> - -<p>Im Anfang nimmt Axel die Sache leicht und ist nur -ärgerlich, daß er durch diesen Zufall, dieses elende Ungefähr -festgehalten ist, er ist keine Spur besorgt für seine -Gesundheit und noch weniger für sein Leben. Allerdings -fühlt er, daß die Hand, auf der er liegt, allmählich gefühllos -wird, und auch das Bein in der Felsenspalte -wird kalt und auch gefühllos, aber das geht ja immer -noch an. Brede kommt wohl bald.</p> - -<p>Aber Brede kommt nicht.</p> - -<p>Der Sturm nimmt zu und treibt Axel den Schnee -gerade ins Gesicht. Jetzt wird's Ernst! denkt er, ist aber -immer noch unbekümmert, ja, es ist beinahe, als ob er -sich selbst durch den Schnee zublinzle: Aufgepaßt, jetzt -wird's nämlich Ernst! Nach einer langen Weile stößt er -einen einzelnen Hilferuf aus. Der ist wohl bei dem -Sturm nicht weit zu hören, aber er geht die Linie entlang -zu Brede. Axel liegt da mit ganz wertlosen Gedanken: -wenn er doch nur die Axt erreichen könnte, dann könnte -er sich vielleicht freihacken! Wenn er nur die Hand hervorziehen -könnte! Diese lag auf etwas Spitzem, einem -Stein, und der bohrte sich langsam und höflich allmählich -in den Handrücken ein. Wenn nur dieser verflixte Stein -weg gewesen wäre! Aber noch niemals hat jemand von -einem Stein einen rührenden Zug berichten können.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_283" id="Seite_283">[S. 283]</a></span></p> - -<p>Die Zeit vergeht, das Schneetreiben wird schlimmer. -Axel wird zugeschneit; er ist ganz hilflos, der Schnee legt -sich harmlos und unschuldig auf sein Gesicht, eine Weile -schmilzt er, dann wird das Gesicht kalt, und der Schnee -schmilzt nicht mehr. Nun wird es wirklich Ernst!</p> - -<p>Jetzt stößt er zwei laute Hilferufe aus und horcht -dann hinaus.</p> - -<p>Nun wird auch seine Axt zugeschneit, er sieht nur noch -ein Stückchen Schaft hervorragen. Dort drüben hängt -sein Beutel mit dem Mundvorrat; hätte er ihn nur erreichen -können, dann hätte er etwas gegessen, einen -ordentlichen Happen. Und wenn er schon in seinen Ansprüchen -an das Leben so dreist war, so konnte er sich -gleich auch seine Jacke herwünschen, denn es wird kalt. -Wieder stößt er einen gewaltigen Ruf aus.</p> - -<p>Da steht Brede. Er ist stehengeblieben und sieht hinüber -zu dem rufenden Mann, er bleibt nur einen Augenblick -stehen und sieht hinüber, wie um zu ergründen, was -los ist. Komm her und gib mir meine Axt! ruft Axel -etwas kläglich. — Brede sieht weg, er hat ergründet, -was los ist, jetzt schaut er in die Höhe zu dem Telegraphendraht -hinauf und will augenscheinlich anfangen -zu pfeifen! War er denn verrückt? — Komm her und -gib mir die Axt, ich liege unter einem Baum! wiederholte -Axel etwas lauter als vorher. Aber Brede hat sich so sehr -gebessert und ist so eifrig in seinem Dienste, daß er nichts -sieht als den Telegraphendraht und nur eifrig pfeift. -Und wohlgemerkt, munter und rachgierig pfeift er! — -So, du willst mich umbringen und mir nicht einmal die -Axt reichen! ruft Axel. — Aber jetzt muß Brede offenbar -notwendig noch weiter die Linie entlang gehen und -nach dem Draht schauen, und er verschwindet im Schneetreiben.</p> - -<p>So, na ja! Aber jetzt wäre es doch ein rechter Staatsstreich, -wenn Axel sich selbst so weit frei machte, daß er<span class="pagenum"><a name="Seite_284" id="Seite_284">[S. 284]</a></span> -die Axt erreichen könnte! Er spannt Leib und Brust an, -um die ungeheure Last zu heben, die ihn daniederhält, er -bewegt den Baum, schüttelt ihn, erreicht aber damit nur, -daß noch mehr Schnee auf ihn herabrieselt. Nach einigen -vergeblichen Versuchen gibt er es auf.</p> - -<p>Es fängt an zu dunkeln. Brede ist gegangen, aber wie -weit kann er inzwischen gekommen sein? Nicht sehr weit, -Axel ruft wieder und redet dabei von der Leber weg: -Willst du mich hier einfach liegenlassen, du Mörder? -ruft er. Denkst du nicht an deiner Seelen Seligkeit? Du -weißt, du könntest für eine einzige kleine Handreichung -eine Kuh von mir bekommen, aber du bist ein Hund, -Brede, und du willst mich umbringen! Aber ich werde -dich anzeigen, so wahr ich hier liege, merk dir's! Kannst -du nicht herkommen und mir die Axt geben?</p> - -<p>Stille. Axel strengt sich wieder unter seinem Baume -an, hebt ihn ein wenig mit dem Leib und erreicht damit, -daß immer noch mehr Schnee auf ihn herunterfällt. -Dann ergibt er sich in sein Schicksal und seufzt, matt und -schläfrig wird er auch. Sein Vieh steht jetzt in der Gamme -und brüllt, es hat seit heute morgen nicht naß und nicht -trocken bekommen, Barbro füttert es nicht mehr, sie ist -davongelaufen, mit beiden Fingerringen noch dazu. Es -wird dunkel, jawohl, es wird Abend, und es wird Nacht, -aber das ginge ja noch an, allein es wird auch kalt, sein -Bart vereist, seine Augen werden auch bald vereisen, die -Jacke dort am Baume würde ihm guttun, und ist es denn -möglich, das eine Bein ist bis zur Hüfte wie tot? Alles -steht in Gottes Vaterhand! sagt er, er kann augenscheinlich -ganz fromm reden, wenn er will. Es wird dunkel, -jawohl, er kann auch ohne angezündete Lampe sterben! -Er wird ganz weich und gut, und um recht demütig zu -sein, lächelt er freundlich und albern ins Unwetter hinein, -es ist ja der Schnee des Herrn, der unschuldige -Schnee! Ja, er kann es ja auch lassen, Brede anzuzeigen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_285" id="Seite_285">[S. 285]</a></span></p> - -<p>Er wird still und immer schläfriger, ganz lahm, als -ob er vergiftet wäre, er sieht so viel Weiß vor den Augen, -Wälder und Ebenen, große Schwingen, weiße Schleier, -weiße Segel, weiß, weiß — was kann das sein? Unsinn, -er weiß ganz gut, daß das Schnee ist, er liegt im Freien, -es ist kein Wahn, daß er unter einem Baum begraben ist. -Dann ruft er wieder aufs Geratewohl, brüllt, da unten -im Schnee liegt seine gewaltige haarige Brust und brüllt, -es muß bis in die Gamme bei dem Vieh zu hören sein, -er brüllt ein ums andere Mal. Du bist ein Schwein, -ein Untier! ruft er Brede nach. Hast du bedacht, was du -tust, wenn du mich so verkommen läßt? Willst du mir -die Axt geben? frag ich. Bist du ein gemeines Vieh oder -ein Mensch? Aber Glück zu, wenn es deine Absicht ist, -mich hier liegenzulassen —</p> - -<p>Er muß geschlafen haben, er liegt ganz steif und leblos -da, aber seine Augen stehen offen, zwar mit Eis -umrändert, aber offen, er kann nicht damit blinzeln; -hat er mit offenen Augen geschlafen? Vielleicht hat er -nur ein paar Minuten oder auch eine Stunde geschlummert, -Gott weiß es, aber jetzt steht Oline da. Axel hört, -daß sie fragt: Im Namen Jesu Christi, lebst du noch? -Und weiter fragt sie, warum er da liege, ob er verrückt -sei? Jedenfalls steht Oline da.</p> - -<p>Ja, Oline hat etwas Witterndes, etwas Schakalartiges, -sie taucht auf, wenn ein Unglück um den Weg ist, -sie hat eine sehr scharfe Witterung. Wie hätte Oline im -Leben vorwärtskommen können, wenn sie nicht so eifrig -gewesen wäre und keine so scharfe Witterung gehabt -hätte? Jetzt hatte sie also Axels Botschaft erhalten und -war trotz ihrer siebzig Jahre über das Gebirge gekommen, -um ihm zu helfen. Gestern hat sie der Sturm in Sellanraa -festgehalten, heute kam sie nach Maaneland, fand -niemand zu Hause, fütterte das Vieh, trat unter die<span class="pagenum"><a name="Seite_286" id="Seite_286">[S. 286]</a></span> -Tür und horchte hinaus, melkte das Vieh, lauschte dann -wieder, sie begriff gar nicht —</p> - -<p>Da hörte sie rufen und sagte sich: Entweder ist es der -Axel oder einer der Unterirdischen, in beiden Fällen ist -es der Mühe wert, ein wenig nachzusehen, die ewige -Weisheit des Allmächtigen in so viel Unruhe im Walde -zu ergründen — und mir tut er nichts, ich bin nicht -wert, ihm die Schuhriemen zu lösen —</p> - -<p>Hier steht sie nun.</p> - -<p>Die Axt? Oline gräbt und gräbt im Schnee und findet -die Axt nicht. Sie versucht ohne Axt fertig zu werden -und gibt sich Mühe, den Baum, so wie er daliegt, zu -heben; aber sie ist wie ein kleines Kind und vermag nur -die äußersten Zweige zu schütteln. Sie sucht wieder nach -der Axt, es ist finster, aber sie gräbt mit Händen und -Füßen. Axel kann nicht deuten, er kann nur sagen, wo die -Axt einmal gelegen hatte, aber da ist sie nicht mehr. Wenn -es nur nach Sellanraa nicht so weit wäre! sagt Axel. -Aber nun fängt Oline an, nach ihrem eigenen Kopf zu -suchen, und Axel ruft ihr zu, nein, nein, dort sei sie nicht. -— Nein, nein, sagt Oline, ich will nur überall nachsehen. -Und was ist denn das? fragt sie. — Hast du sie gefunden? -fragt Axel. — Ja, mit des Allmächtigen Beistand -erwidert Oline hochtrabend. Aber Axel ist nicht sehr hochgemut, -er gibt zu, daß er vielleicht nicht recht bei Verstand -sei, er ist beinahe fertig. Und was denn Axel mit -der Axt wolle? Er könne sich ja nicht rühren, sie, Oline, -müsse ihn loshacken. Oh, Oline habe schon mehr Äxte in -der Hand gehabt, habe schon mehr als einmal in ihrem -Leben Holz gespalten!</p> - -<p>Axel kann nicht gehen, das eine Bein ist ihm bis zur -Hälfte wie abgestorben, der Rücken ist ihm wie gerädert, -heftige Stiche bringen ihn beinahe zum Heulen, im ganzen -genommen fühlt er sich kaum als lebendiger Mensch, -ein Teil von ihm liegt immer noch unter dem Baum.<span class="pagenum"><a name="Seite_287" id="Seite_287">[S. 287]</a></span> -Es ist so sonderbar, und ich verstehe es nicht, sagt er. -Oline versteht es gut und erklärt das Ganze mit wunderbaren -Worten: ja, sie hat einen Menschen vom Tode -errettet, und so viel weiß sie, der Allmächtige hat sie als -sein geringes Werkzeug gebraucht, er hat keine himmlischen -Heerscharen schicken wollen. Ob Axel nicht seinen -weisen Ratschluß erkenne? Und wenn der Herr einen -Wurm in der Erde hätte zu Hilfe schicken wollen, so -hätte er das tun können. — Ja, das weiß ich wohl, aber -es ist mir so sonderbar zumut, sagte Axel. — Sonderbar? -Er solle nur ein ganz klein wenig warten, sich bewegen, -sich vorbeugen und wieder aufrichten, ja, so, immer nur -ein wenig auf einmal, seine Gelenke seien eingerostet und -abgestorben, er solle seine Jacke anziehen, damit er warm -werde. In ihrem ganzen Leben werde sie nun und nimmer -den Engel des Herrn vergessen, der sie das letztemal -vor die Tür gerufen habe — und da hörte sie Rufe aus -dem Walde. Es sei wie in den Tagen des Paradieses gewesen, -als mit Posaunen geblasen wurde bei den Mauern -von Jericho.</p> - -<p>Wunderbar! Aber während dieses Geschwätzes hat Axel -Zeit, er übt seine Gelenke und lernt gehen.</p> - -<p>Langsam geht's dem Hause zu, Oline ist immer noch -der Retter in der Not und stützt Axel. So geht es ganz -gut. Als sie ein Stück Weges hinuntergekommen sind, -begegnen sie Brede. — Was ist denn das? fragt Brede. -Bist du krank? Soll ich dir helfen? sagt er. — Axel -schweigt abweisend. Er hat Gott gelobt, sich nicht zu -rächen und Brede nicht anzuzeigen, aber weiter ist er -nicht gegangen. Und weshalb war Brede nun wieder auf -dem Wege bergauf? Hatte er gesehen, daß Oline nach -Maaneland gekommen war, und begriffen, daß sie die -Hilferufe hören mußte? — So, du bist da, Oline? sagt -Brede geschwätzig. Wo hast du ihn gefunden? Unter einem -Baum? Ja, ist es nicht sonderbar mit uns Menschen!<span class="pagenum"><a name="Seite_288" id="Seite_288">[S. 288]</a></span> -legt er los. Ich sah eben die Telegraphenlinie nach, da -hörte ich rufen. Wer sich sofort auf die Beine machte, -das war ich; ich wollte Hilfe leisten, falls es nötig sein -sollte. Also du bist es gewesen, Axel? Und du hast unter -einem Baum gelegen? — Jawohl, und du hast es gehört -und gesehen, als du herunterkamst, aber du bist an mir -vorbeigegangen, antwortete Axel. — Gott sei mir Sünder -gnädig! ruft Oline über solch schwarze Bosheit. — -Brede erklärt, wie es gewesen sei. Dich gesehen? Ich hab' -dich gut gesehen. Aber du hättest mich doch rufen können, -warum hast du nicht gerufen? Ich sah dich ausgezeichnet, -aber ich dachte, du hättest dich ein wenig zum Ausruhen -hingelegt. — Willst du den Mund halten! ruft Axel -drohend. Du hast mich absichtlich liegenlassen.</p> - -<p>Oline sieht ein, daß Brede jetzt nicht eingreifen darf, -das würde ihre eigene Unentbehrlichkeit verringern und -ihr Rettungswerk nicht mehr ganz vollständig erscheinen -lassen. Sie verhinderte Brede, Axel hilfreiche Hand zu -reichen, ja, er darf nicht einmal den Rucksack oder die Axt -tragen. Oh, in diesem Augenblick ist Oline vollständig auf -Axels Seite; wenn sie später einmal zu Brede kommt und -hinter einer Schale Kaffee sitzt, wird sie ganz auf seiner -Seite sein. — Laß mich doch wenigstens die Axt oder die -Schneeschaufel tragen, sagt Brede. — Nein! erwidert -Oline an Axels Statt. Die will er selbst tragen. — Brede -bleibt dabei: Du hättest mich doch rufen können, Axel. -Wir sind doch nicht so verfeindet, daß du mir das Wort -nicht hättest gönnen können. Du hast gerufen? So, dann -hättest du lauter rufen müssen, du mußt doch wissen, was -für ein Schneesturm tobte. Und außerdem hättest du mir -mit der Hand winken können. — Ich hatte keine Hand -frei, mit der ich hätte winken können, erwidert Axel. Du -hast wohl gesehen, daß ich wie gefesselt dalag. — Nein, -das hab' ich nicht gesehen. So etwas ist mir doch noch -nie vorgekommen! Laß mich doch deine Sachen tragen,<span class="pagenum"><a name="Seite_289" id="Seite_289">[S. 289]</a></span> -hörst du! — Oline sagt: Laß Axel in Frieden! Er ist -krank.</p> - -<p>Aber jetzt hat auch Axels Hirn sich wieder erholt. Er -hat schon früher allerlei von der alten Oline gehört und -begreift, daß sie für alle Zukunft teuer und lästig für -ihn werden würde, wenn sie die einzige wäre, die ihm das -Leben gerettet hatte. Er will den Triumph ein wenig verteilen, -Brede darf wirklich den Rucksack und die Werkzeuge -tragen, ja, Axel ließ ein Wort fallen, daß ihm das -eine Erleichterung sei, daß es ihm wohltue. Allein Oline -will sich nicht darein finden, sie zerrt an dem Rucksack -und erklärt, daß sie und sonst niemand tragen werde, was -zu tragen sei. Die schlaue Einfalt ist im Streit von allen -Seiten. Axel steht einen Augenblick ohne Stütze da, und -Brede muß wahrhaftig den Rucksack fahren lassen, um -Axel zu stützen, obgleich dieser gar nicht mehr wankt.</p> - -<p>Und nun geht es in der Weise weiter, daß Brede den -schwachen Mann stützt und Oline die Last trägt. Sie -schleppt und schleppt und ist voll Grimm und Bosheit. -Sie hat sich den geringsten und gröbsten Teil der Arbeit -auf dem Heimwege zuschieben lassen müssen! Was, zum -Teufel, hatte Brede hier verloren? — Du, Brede, sagte -sie. Was muß ich hören? Dein Hof ist dir verkauft worden? -— Warum fragst du? erwiderte Brede keck. — -Warum ich frage? Ich hab' nicht gewußt, daß das geheimgehalten -werden soll. — Unsinn, Oline, du hättest -kommen und auf den Hof bieten sollen! — Ich? Du -treibst deinen Spott mit einem alten Weibe. — So, bist -du denn nicht reich geworden? Es heißt doch, du habest -des alten Sivert Goldschrein geerbt, hahaha! — Es -stimmte Oline nicht milder, daß sie an das fehlgeschlagene -Erbe erinnert wurde. Ja, er, der alte Sivert, hat mir -alles Gute gegönnt, das kann man nicht anders sagen, -erwidert sie. Aber als er tot war, wurde er all seines -irdischen Gutes beraubt. Du weißt es ja auch, Brede, wie<span class="pagenum"><a name="Seite_290" id="Seite_290">[S. 290]</a></span> -es ist, wenn man ausgeplündert wird und kein eigenes -Dach mehr über dem Kopf hat. Aber der alte Sivert, -der hat jetzt große Säle und Paläste, und du und ich, -Brede, wir sind noch auf der Erde, und jedermann wischt -die Schuhe an uns ab. — Was gehst denn du mich an, -sagt Brede und wendet sich an Axel. Ich bin sehr froh, -daß ich gerade vorbeigekommen bin und dir nach Hause -helfen kann. Gehe ich dir auch nicht zu schnell? — Nein.</p> - -<p>Aber mit Oline streiten, ein Wortgefecht mit Oline! -Unmöglich! Niemals gab sie nach, und niemand kam -ihr darin gleich, Himmel und Erde zusammenzumischen -zu einem einzigen Gebräu von Bosheit und Freundschaft, -Gift und Gefasel. Nun muß sie auch noch hören, daß es -eigentlich Brede ist, der Axel nach Hause hilft. — Was ich -sagen wollte, fing sie an. Hast du eigentlich den großen -Herren, die damals auf Sellanraa waren, deine Säcke -mit Steinen gezeigt? — Wenn du willst, Axel, so nehme -ich dich einfach auf den Rücken und trage dich, sagt Brede. -— Nein, erwidert Axel. Aber ich danke dir für den guten -Willen.</p> - -<p>Unterdessen gehen sie immer weiter, sie sind nun bald -zu Hause, und Oline begreift, daß sie keine Zeit verlieren -darf, wenn sie noch etwas erreichen will: Es wäre am -besten gewesen, Brede, wenn <em class="gesperrt">du</em> Axel vom Tode errettet -hättest, sagt sie. Aber wie war das, Brede, du hast seine -Not gesehen und hast seine Hilferufe gehört und bist einfach -vorbeigegangen? — Halt nur deinen Mund, Oline! -sagt Brede.</p> - -<p>Mundhalten wäre nun eigentlich auch das bequemste -für sie gewesen, sie watete im Schnee und hatte schwer -zu tragen; sie keuchte, aber den Mund hielt sie dennoch -nicht. Sie hatte sich einen Trumpf für zuletzt aufgespart, -eine gefährliche Sache, sollte sie es wagen? — Und die -Barbro, die ist also auf und davon gegangen? fragt sie. -— Ja, erwidert Brede leichtfertig. Und dadurch hast du<span class="pagenum"><a name="Seite_291" id="Seite_291">[S. 291]</a></span> -einen Winterverdienst bekommen. — Aber hier bot sich -Oline wieder eine gute Gelegenheit, sie konnte zu verstehen -geben, wie sehr sie gesucht sei, begehrt weit herum -in ihrer Gemeinde. Sie hätte zwei Plätze, ja eigentlich -drei haben können. Im Pfarrhaus wolle man sie auch -haben. Und zu gleicher Zeit gab sie etwas zu verstehen, -was Axel wohl hören durfte, das konnte nichts schaden: -es sei ihr soundso viel für den Winter geboten worden, -dazu ein Paar neue Schuhe und das Futter für ein Schaf -obendrein. Aber sie wisse, daß sie hier auf Maaneland -zu einem besonders guten Mann komme, der sie überreich -belohnen werde, und darum komme sie lieber hierher. -Nein, Brede solle sich nur keine Sorge machen, bis -jetzt habe ja der himmlische Vater eine Tür nach der andern -vor ihr aufgetan und sie aufgefordert, einzutreten. -Und es sehe ja aus, als ob Gott eine besondere Absicht -dabei gehabt habe, als er sie nach Maaneland schickte, -denn sie habe heute abend einen Menschen vom Tode -errettet.</p> - -<p>Jetzt ist Axel ganz ermattet, und sein Bein versagt. -Merkwürdig, bis dahin ist es immer besser gegangen, je -mehr Wärme und Leben in seine Glieder zurückkehrten, -jetzt jedoch hat er Brede dringend nötig, um sich aufrecht -halten zu können! Es schien anzufangen, als Oline von -ihrem Lohn sprach, und später, als sie ihm wieder das -Leben gerettet hatte, da wurde es ganz schlimm. Wollte -er ihren Triumph noch einmal herabsetzen? Gott weiß -es, aber sein Hirn war jedenfalls wieder ganz in Ordnung. -Als sie sich den Häusern nähern, bleibt Axel stehen -und sagt: Ich glaube nicht, daß ich bis nach Hause kommen -kann. Brede nimmt ihn ohne weiteres auf den -Rücken. Und nun geht's weiter, Oline voll Gift und -Galle, Axel, so lang er ist, auf Bredes Rücken. Aber wie -ist denn das, sollte Barbro nicht ein Kind bekommen? -— Ein Kind? stöhnt Brede unter seiner Last. Es ist ein<span class="pagenum"><a name="Seite_292" id="Seite_292">[S. 292]</a></span> -äußerst sonderbarer Aufzug, Axel läßt sich bis auf die -Türschwelle tragen.</p> - -<p>Brede keucht unmäßig. Ja, oder war es etwa kein -Kind? fragt Oline. — Hier fällt Axel ein und sagt zu -Brede: Ich weiß wirklich nicht, wie ich heute abend hätte -heimkommen sollen, wenn du nicht gewesen wärest! Aber -er vergißt auch Oline nicht und sagt: Ich danke auch dir, -Oline, du bist die erste gewesen, die mich gefunden hat. -Ich danke euch allen beiden.</p> - -<p>Das war der Abend, an dem Axel gerettet wurde.</p> - -<p>In den folgenden Tagen ist Oline schwer dazu zu bringen, -von etwas anderem zu reden als von dem großen -Ereignis. Axel hat genug zu tun, sie etwas in den Schranken -zu halten. Oline kann das Plätzchen in der Stube -zeigen, wo sie stand, als der Engel des Herrn sie vor die -Tür rief, damit sie die Hilferufe höre; Axel hat wieder -anderes zu denken und muß ein Mann sein. Er fängt seine -Arbeit im Walde wieder an, und als er mit dem Baumfällen -fertig ist, fährt er die Stämme nach Sellanraa in -die Sägemühle.</p> - -<p>Das ist eine glatte und ebene Winterarbeit: Stämme -hinauf und zugeschnittene Bretter herunter! Aber es gilt, -sich zu beeilen und vor Neujahr fertig zu werden, bevor -der starke Frost einsetzt und das Sägewerk einfriert. Es -geht sehr gut, alles wird fertig. Wenn Sivert von Sellanraa -gerade leer aus dem Dorf zurückkommt, nimmt -auch er einen Stamm auf seinen Schlitten und hilft seinem -Nachbar. Die beiden halten dann einen ordentlichen -Schwatz zusammen und haben ihre Freude aneinander.</p> - -<p>Was gibt's Neues im Dorf? fragt Axel. — Nichts, -erwidert Sivert. Es soll ein neuer Ansiedler hierherkommen.</p> - -<p>Ein neuer Ansiedler, oh, das war nicht nichts, es war -nur Siverts Art zu sprechen. Jedes Jahr kam ein neuer -Ansiedler in die Gegend und ließ sich da nieder; es waren<span class="pagenum"><a name="Seite_293" id="Seite_293">[S. 293]</a></span> -jetzt fünf Ansiedlungen unterhalb von Breidablick, oberhalb -ging es langsamer mit dem Kolonisieren, obgleich -der Boden nach Süden zu überall mehr Ackerkrume und -weniger Moorland aufwies. Der Ansiedler, der sich am -weitesten hinausgewagt hatte, war Isak, als er Sellanraa -gründete, er war der mutigste und klügste. Nach ihm -kam Axel Ström. Nun hatte sich also ein neuer Mann angekauft. -Der neue Mann sollte eine große Strecke Moorland -zum Entwässern und Wald unterhalb Maaneland -gekauft haben — es war ja genug da.</p> - -<p>Hast du gehört, was für ein Mann es ist? fragt Axel. -— Nein, erwidert Sivert. Er kommt mit fertigen Häusern, -die er herführen läßt und im Handumdrehen aufstellt. -— So, dann hat er also Geld? — Das muß er -wohl haben. Er kommt mit Familie, mit einer Frau und -drei Kindern. Und er hat Vieh und Pferde. — Ja, dann -hat er Geld, sagt Axel. Hast du sonst nichts gehört? — -Nein. Er sei dreiunddreißig Jahre alt. — Wie heißt er -denn? — Aron, wird behauptet. Seinen Hof hat er Storborg -genannt. — So, also Storborg, die große Burg. Ja, -ja, das ist nicht klein. — Er ist von der Küste. Es heißt, -er sei bis jetzt beim Fischhandel gewesen. — Dann kommt -es also darauf an, ob er etwas von der Landwirtschaft -versteht, sagt Axel. Hast du sonst nichts von ihm gehört? -— Nein. Er hat bar bezahlt, als er den Kaufbrief bekam. -Sonst hab' ich nichts gehört. Aber es heißt, er habe -ein Heidengeld mit seiner Fischerei verdient. Jetzt wolle er -sich hier niederlassen und Handel treiben. Ja, das wird -behauptet. — So, er will also Handel treiben!</p> - -<p>Das war das allerwichtigste, und die beiden Nachbarn -besprachen die Sache nach allen Seiten, während sie dahinfuhren. -Es war eine große Neuigkeit, vielleicht die -größte in der ganzen Geschichte der Ansiedlung, und es -gab viel zu besprechen: Mit wem wollte der neue Ansiedler -Handel treiben? Mit den acht Gehöften auf der<span class="pagenum"><a name="Seite_294" id="Seite_294">[S. 294]</a></span> -Allmende? Oder hoffte er auch auf Kunden aus dem -Dorfe? Auf jeden Fall würde ein Kaufladen von großer -Bedeutung sein, vielleicht vermehrte das auch die Kolonisierung, -und die Güter stiegen im Preise, wer konnte es -wissen!</p> - -<p>Wie sie redeten und der Sache nicht müde wurden! -Diese beiden Männer hatten ihre Interessen und ihre -Ziele, die ebenso wichtig waren wie die anderer, das Land -war ihre Welt, die Arbeit, die Jahreszeiten, die Ernte -waren die Abenteuer, die sie erlebten. War dabei nicht -auch Spannung? Ho, Spannung genug! Oftmals konnten -sie nur kurze Zeit schlafen, oftmals mußten sie über -die Mahlzeiten weg arbeiten, sie konnten das ertragen, -sie hatten die Gesundheit dazu; sieben Stunden unter -einem Föhrenstamm schadete ihnen nichts an Leben und -Gesundheit, wenn die Knochen ganz geblieben waren. Ein -Leben in einer Welt ohne Weite, ohne Ausblick? So! -Aber welch eine Welt von Ausblick bot dieses Storborg -mit seinem Handel draußen auf dem Ödland!</p> - -<p>Bis Weihnachten wurde darüber geredet ...</p> - -<p>Axel hatte einen Brief erhalten, einen großen Brief -mit einem Löwen darauf, der war vom Staate: er solle -die Telegraphendrähte, die Geräte und das Werkzeug bei -Brede Olsen abholen und von Neujahr an die Aufsicht -über die Linie übernehmen.</p> - - - -<h3>4</h3> - - -<p>Mit vielen Pferden wird über das Moor gefahren, -die Häuser werden dem neuen Ansiedler -zugefahren, eine Wagenladung nach der andern, -tagelang. An einer Stelle, die später Storborg heißen -soll, wird abgeladen; das Anwesen wird auch gewiß -einmal sehr groß, vier Mann sind drüben am Hang und -brechen Steine zu einer Mauer und zwei Kellern aus.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_295" id="Seite_295">[S. 295]</a></span></p> - -<p>Es wird gefahren und gefahren. Jeder Balken ist -schon genau zugehauen, sie brauchen, wenn der Frühling -kommt, nur zusammengefügt werden, das ist fein ausgerechnet; -die Balken haben laufende Nummern, und es -fehlt keine Tür, kein Fenster, ja nicht eine farbige Glasscheibe -für die Veranda. Und eines Tages kommt ein -Wagen mit einer hohen Last von Latten daher. Was ist -das? Einer von den Ansiedlern unterhalb von Breidablick -weiß es; er ist aus dem Süden und hat das schon -früher gesehen. Das gibt einen Gartenzaun, sagt er. — -Der neue Mann will sich also hier im Ödland einen Garten -anlegen, einen großen Garten.</p> - -<p>Das schien sich gut anzulassen, noch niemals hatte es -einen solchen Verkehr über die Moore gegeben, und viele -Pferdebesitzer verdienten ein schönes Geld durch Fuhren, -die sie leisteten. Sie besprachen auch die Sache mündlich -unter sich: Nun war Aussicht auf zukünftigen Verdienst, -der Kaufmann würde seine Waren aus dem In- und -Ausland beziehen, und sie mußten mit vielen Pferden -von der See heraufgeführt werden.</p> - -<p>Es sah aus, als ob alles recht großartig werden würde. -Ein junger Aufseher oder Bevollmächtigter war angekommen, -der den Fuhrbetrieb leitete, er trieb und drängte -und schien nicht Pferde genug auftreiben zu können, obgleich -nicht mehr allzu viele Wagenladungen übrig waren. -Es sind ja gar nicht so viele Wagenladungen von den -Häusern mehr übrig, wurde ihm gesagt. — Ja, aber -alle Waren, erwiderte er. — Sivert von Sellanraa kam -wieder wie gewöhnlich mit leerem Wagen dahergefahren, -und der Aufseher rief ihm zu: Warum kommst du leer? -Du hättest doch eine Wagenladung für uns bis Storborg -mitnehmen können. — Das hätte ich wohl können, aber -ich wußte nichts davon, entgegnete Sivert. — Er ist von -Sellanraa, und sie haben dort zwei Pferde, flüsterte -jemand dem Aufseher zu. — Ist es wahr, daß ihr zwei<span class="pagenum"><a name="Seite_296" id="Seite_296">[S. 296]</a></span> -Pferde habt? fragte dieser. Komm mit beiden her und -leiste Fuhren für uns, hier ist Geld zu verdienen. — Ja, -das wäre nicht so uneben, meinte Sievert. Aber jetzt gerade -haben wir schlecht Zeit! — Hast du keine Zeit, Geld -zu verdienen? fragte der Aufseher.</p> - -<p>Nein, auf Sellanraa hatten sie nicht immer übrige -Zeit, es war da gar zu viel zu tun. Und jetzt hatten sie -sogar zum erstenmal Männer zur Hilfe gedingt, zwei -schwedische Maurer sprengten Steine zu einem Stall.</p> - -<p>Dieser Stall war seit vielen Jahren Isaks großer Gedanke -gewesen, die Gamme für das Vieh wurde allmählich -zu klein und zu dürftig, ein steinerner Stall mit -doppelten Mauern und einer richtigen Dungstätte sollte es -werden. Aber es war so vieles, was gemacht werden -sollte, das eine zog immer wieder das andere nach sich; -jedenfalls hörte das Bauen niemals auf. Isak hatte ein -Sägewerk und eine Mühle und einen Sommerstall, warum -sollte er nicht auch eine Schmiede haben? Nur eine -kleine Schmiede zur Nothilfe, es war ja so weit ins Dorf, -wenn der Vorhammer sich bog oder man ein paar neue -Hufeisen brauchte. Eine Esse und einen Amboß, warum -sollte er die nicht haben? Im ganzen entstanden ja so -viele große und kleine Gebäude auf Sellanraa.</p> - -<p>Der Hof wird immer größer, wird gewaltig groß, es -geht auch nicht mehr ohne Dienstmagd, und Jensine muß -ganz dableiben. Ihr Vater, der Schmied, fragt gelegentlich -nach ihr, und ob sie nicht bald wieder heimkomme, -aber er besteht nicht darauf, er ist sehr nachgiebig und -hat wohl eine Absicht dabei. Sellanraa liegt am höchsten -in der Allmende und nimmt immer mehr zu, nimmt zu -an Häusern und an Grund und Boden, die Menschen sind -immer dieselben. Die Lappen kommen jetzt nicht mehr -vorbei und spielen sich als Herren in der Ansiedlung auf, -das hat längst aufgehört. Die Lappen kommen überhaupt<span class="pagenum"><a name="Seite_297" id="Seite_297">[S. 297]</a></span> -nicht mehr oft vorbei, sie machen lieber einen großen -Bogen um den Hof herum, jedenfalls kommen sie nicht -mehr ins Haus herein, sie bleiben draußen stehen, wenn -sie überhaupt stehenbleiben. Die Lappen treiben sich in -der Einöde, im Dunkeln herum; wenn sie in Licht und -Luft gebracht werden, gehen sie ein wie Maden und Ungeziefer. -Ab und zu verschwindet an einer entlegenen -Stelle ein Kalb oder ein Lamm, ganz weit draußen, wo -Sellanraa aufhört. Dagegen ist nichts zu machen. Natürlich -kann Sellanraa das tragen. Und wenn Sivert auch -schießen könnte, so hätte er doch keine Flinte, aber er -kann nicht schießen, er ist lustig und unkriegerisch, ein -großer Schelm. Außerdem ist das Abschießen von Lappen -wohl verboten, sagt er.</p> - -<p>Sellanraa kann kleine Verluste seines Viehstandes verschmerzen, -denn es ist groß und stark, aber es ist nicht -ohne Sorgen, ach nein! Inger ist keineswegs das ganze -Jahr hindurch mit sich und ihrem Leben zufrieden, nein, -sie hat einmal eine große Reise gemacht, und da ist wohl -eine Art verderblicher Abgespanntheit über sie gekommen. -Die verschwindet und kommt wieder. Sie ist rasch und -fleißig wie in ihren besten Tagen, und sie ist eine hübsche -und gesunde Frau für ihren Mann, für den Mühlengeist, -aber hat sie nicht auch Erinnerungen von Drontheim? -Träumt sie niemals? Doch und besonders während des -Winters. Da gärt zuweilen eine ganz verfluchte Lebenslust -in ihr, und da sie nicht allein tanzen kann, gibt es -keinen Ball. Schwere Gedanken und ein Andachtsbuch? -Ach ja, jawohl, aber Gott weiß, das andere ist auch schön -und herrlich! Sie ist genügsam geworden; die schwedischen -Maurer sind jedenfalls fremde Menschen und ungewohnte -Stimmen auf dem Hofe, aber es sind ältere und ruhige -Männer, die nicht spielen, sondern arbeiten. Aber sie sind -doch besser als gar nichts, sie bringen doch etwas Leben -mit sich, der eine singt wunderschön, und Inger bleibt<span class="pagenum"><a name="Seite_298" id="Seite_298">[S. 298]</a></span> -bisweilen stehen und hört ihm zu. Der Mann heißt -Hjalmar.</p> - -<p>Aber damit ist noch nicht alles gut und recht auf Sellanraa. -Da ist zum Beispiel die große Enttäuschung mit -Eleseus. Von ihm war ein Brief gekommen, daß seine -Stelle bei dem Ingenieur aufgehört habe, aber er werde -bald eine andere bekommen, er müsse nur warten. Dann -kam ein Brief, er könne, während er auf einen hohen -Posten in einem Büro warte, nicht von nichts leben, -und als ihm von zu Hause ein Hundertkronenschein geschickt -wurde, schrieb er zurück, das habe gerade genügt, -einige kleine Schulden zu decken. — So, sagte Isak. Aber -nun haben wir die Maurer und allerlei Auslagen, frag -du nur den Eleseus, ob er nicht lieber heimkommen -wolle und uns helfen! — Inger schrieb, aber Eleseus -wollte nicht wieder heimkommen, nein, er wollte die Reise -nicht unnötig noch einmal machen, lieber wollte er -hungern.</p> - -<p>Seht, es war wohl in der ganzen Stadt keine hohe -Stelle in einem Büro frei, und Eleseus war vielleicht -auch nicht Draufgänger genug, sich seinen Weg zu bahnen. -Gott weiß, vielleicht war er auch nicht besonders -tüchtig. Geschickt und fleißig im Schreiben war er wohl, -aber ob er auch klug und gescheit war? Und wenn nicht, -wie würde es ihm dann gehen?</p> - -<p>Als er mit den zweihundert Kronen von zu Hause in -die Stadt zurückkehrte, kam diese sofort mit ihren unbezahlten -Rechnungen daher, und nachdem er diese beglichen -hatte, mußte er sich einen Stock kaufen, der alte -Regenschirmstock tat es nicht mehr. Verschiedene andere -Dinge, die er sich anschaffen mußte, lagen auch nahe, eine -Pelzmütze für den Winter, wie alle seine Kameraden eine -hatten, ein Paar Schlittschuhe, einen silbernen Zahnstocher, -um sich damit die Zähne zu stochern und elegant -damit zu deuten, wenn man bei einem Gläschen zu<span class="pagenum"><a name="Seite_299" id="Seite_299">[S. 299]</a></span>sammensaß -und schwatzte. Und solange er noch reich war, -hielt er die andern frei, so gut er konnte; bei seinem Ankunftsfest -ließ er mit der größten Sparsamkeit ein halbes -Dutzend Bierflaschen aufziehen. — Was, du gibst der -Kellnerin zwanzig Öre? wurde er gefragt. Wir geben -zehn. — Nur nicht kleinlich sein! sagte Eleseus.</p> - -<p>Er war nicht kleinlich, nein, das stand ihm gar nicht -an, er stammte von einem großen Hof, ja, von einem -Herrenhof, sein Vater, der Markgraf, besaß unendliche -Wälder und vier Pferde, dreißig Kühe und drei Mähmaschinen. -Eleseus war kein Lügenbeutel, und nicht er -hatte die Märe von dem Herrenhof Sellanraa verbreitet, -das hatte der Bezirksingenieur seinerzeit getan und in -der Stadt damit geprahlt. Aber es war Eleseus nicht gerade -zuwider, daß dieses Märchen so halb und halb geglaubt -wurde. Da er selber nichts war, konnte er wenigstens -der Sohn von jemand sein, das verschaffte ihm Kredit, -und er konnte sich durchschlagen. Aber auf die Dauer -ging das doch nicht, endlich sollte er doch einmal bezahlen, -und da saß er fest. Einer seiner Kameraden verschaffte -ihm dann eine Anstellung im Geschäft seines Vaters. Es -war ein Laden mit Bauernkundschaft, der die verschiedensten -Waren führte; aber es war immerhin besser als gar -nichts. Es war recht unangenehm für einen so alten Knaben, -mit einem Anfängergehalt in einem Kramladen zu -stehen, wenn er sich doch zum Lensmann hatte ausbilden -wollen; aber er verdiente wenigstens seinen Lebensunterhalt -dabei, es war ein vorläufiger Ausweg, ach, es war -eigentlich gar nicht so schlimm. Eleseus war auch hier -freundlich und gefällig und war bei den Kunden beliebt. -Und er schrieb nach Hause, er sei jetzt zum Handel übergegangen.</p> - -<p>Aber das war nun die große Enttäuschung seiner Mutter. -Wenn Eleseus hinter einem Ladentisch stand, so war -er ja auch nicht mehr als der Ladendiener beim Kaufmann<span class="pagenum"><a name="Seite_300" id="Seite_300">[S. 300]</a></span> -im Dorfe drunten. Früher war er unvergleichlich viel -mehr gewesen, außer ihm hatte niemand je das Dorf -verlassen und auf einem Büro gearbeitet. Hatte er denn -sein großes Ziel aus dem Auge verloren? Inger war -nicht so dumm, sie wußte, daß es einen Unterschied gab -zwischen dem Gewöhnlichen und dem Ungewöhnlichen, -aber sie konnte das vielleicht nicht so genau unterscheiden. -Isak war einfältiger und einfacher, er rechnete jetzt immer -weniger mit Eleseus, wenn er rechnete; sein ältester Sohn -war gewissermaßen aus seinem Gesichtskreis hinausgeglitten, -er hörte auf, sich Sellanraa zwischen seinen beiden -Söhnen geteilt zu denken, wenn er einmal nicht mehr -dasein sollte.</p> - -<p>Im Frühjahr kamen Ingenieure und Arbeiter aus -Schweden; sie sollten Wege bauen, Baracken errichten, -Grundstücke ausebnen, sprengen, Verbindungen mit Lebensmittellieferanten, -mit Pferdebesitzern, mit Grundbesitzern -an der See abschließen — wozu das alles? Sind -wir denn nicht im Ödland, wo alles still und tot ist? -Doch, aber jetzt sollte ein Versuchsbetrieb auf dem Kupferberg -eröffnet werden.</p> - -<p>So, nun wurde also doch etwas aus der Sache, Geißler -hatte keine leeren Umtriebe gemacht.</p> - -<p>Es waren nicht dieselben großen Herren wie das letztemal, -der Landrat fehlte, der Grubenbesitzer fehlte, aber -es war der alte Sachverständige und der alte Ingenieur. -Sie kauften Isak alle seine gesägten Bretter ab, die er nur -entbehren konnte, sie kauften Nahrungsmittel und Getränke -und bezahlten gut, dann unterhielten sie sich und -waren freundlich und sagten, Sellanraa gefalle ihnen. -Eine Seilbahn! sagten sie. Eine Luftbahn vom Berggipfel -hinunter an die See, sagten sie. — Über alle Moore weg? -fragte Isak, denn er war schwach im Denken. — Ach, da -mußten sie lachen! Auf der andern Seite, sagten sie, nicht -auf dieser Seite, das würde ja viele Meilen weit sein.<span class="pagenum"><a name="Seite_301" id="Seite_301">[S. 301]</a></span> -Nein, auf der andern Seite des Berges, gleich zum Meer -hinunter, da ist starkes Gefälle und gar keine Entfernung. -Wir lassen das Erz durch die Luft in eisernen Trögen hinunter, -du wirst sehen, es wird großartig! Aber zum Anfang -wird das Erz hinuntergefahren, wir bauen einen -Weg und lassen es mit den Pferden hinunterfahren — -oh, mit wenigstens fünfzig Pferden, auch das wird großartig. -Und wir sind auch nicht nur so wenig Leute, wie du -hier siehst. Was sind denn wir? Nichts! Von der andern -Seite kommen noch mehr; ein ganzer Zug Arbeiter und -fertige Baracken und Nahrungsmittel und alle Art von -Gerätschaften, wir treffen oben auf der Höhe zusammen. -Es kommt Zug in die Sache, Millionen, und das Erz -kommt nach Südamerika. — Ist der Landrat nicht mit -dabei? fragte Isak. — Was für ein Landrat? Ach der? -Nein, der hat verkauft! — Und der Grubenbesitzer? — -Der hat auch verkauft. So, du erinnerst dich an sie? Nein, -die haben verkauft. Und die von ihnen abgekauft haben, -haben wieder verkauft. Jetzt gehört der Kupferberg einer -großen Gesellschaft, ungeheuer reichen Leuten. — Wo -mag wohl Geißler sein? fragte Isak. — Geißler? Kenne -ich nicht. — Der Lensmann Geißler, der damals den -Kupferberg verkauft hat. — Ach der! Hat der Geißler -geheißen? Gott weiß, wo er hingekommen ist. Erinnerst -du dich an den auch noch?</p> - -<p>Dann sprengten sie und arbeiteten in den Bergen mit -vielen Leuten den ganzen Sommer über, es war ein großer -Betrieb. Inger hatte einen ausgedehnten Handel mit -Milch und Käse, und sie fand es recht unterhaltend, -Handel zu treiben und viele Menschen kommen und gehen -zu sehen. Isak schritt mit seinem dröhnenden Gang weit -aus und bestellte sein Land, er ließ sich durch nichts stören. -Die zwei Maurer und Sivert bauten den Stall. Es wurde -ein großer Bau; aber es dauerte lange, bis er aufgerichtet -war, es waren zu wenig Mann bei der Arbeit, und Sivert<span class="pagenum"><a name="Seite_302" id="Seite_302">[S. 302]</a></span> -war außerdem oft nicht dabei, weil er bei der Feldarbeit -helfen mußte. Jetzt war es gut, daß sie eine Mähmaschine -hatten und drei flinke Frauenzimmer beim Heuwenden.</p> - -<p>Alles war gut geworden, das Ödland war zum Leben -erwacht, Geld blühte allenthalben.</p> - -<p>Seht doch nur den Handelsplatz Storborg, war das -nicht ein Geschäft im großen Stil? Dieser Aron mußte -doch ein verfluchter Kerl sein, er mußte seinerzeit von der -bevorstehenden Grubenarbeit Wind bekommen haben und -war sofort heraufgezogen mit seinem Kramladen; er handelte, -oh, er handelte wie eine Regierung, ja, wie ein -König. Zuallererst verkaufte er allerlei Haushaltungsgegenstände -und Arbeiteranzüge; aber die Grubenarbeiter, -die Geld haben, sind nicht so sparsam damit, daß sie alle -nur das Notwendige kaufen, nein, sie kaufen alles. Besonders -an den Sonntagabenden wimmelte es auf dem -Handelsplatz Storborg von Käufern, und Aron strich -Geld ein; er hatte seinen Ladendiener und seine Frau zur -Hilfe hinter dem Ladentisch und verkaufte selbst, was er -vermochte, aber es wurde nicht leer in seinem Laden bis -tief in die Nacht hinein. Und es zeigte sich, daß die -Pferdebesitzer im Dorfe recht behielten, es gab einen gewaltigen -Fuhrwerksbetrieb mit Waren hinauf nach Storborg, -die Straße mußte an verschiedenen Stellen verlegt -und ordentlich instand gesetzt werden, jetzt war es etwas -ganz anderes als Isaks schmaler Fußweg durchs Ödland. -Aron wurde der reine Wohltäter für die Gegend mit -seinem Handel und seiner Straße. Er hieß übrigens nicht -Aron, das war nur sein Taufname, er hieß Aronsen, -so nannte er sich wenigstens selbst, und so hieß ihn seine -Frau. Die Familie tat recht großartig und hielt zwei -Dienstmägde und einen Knecht.</p> - -<p>Der Grund und Boden auf Storborg blieb vorläufig -unbebaut liegen, sie hatten keine Zeit für Landwirtschaft, -wer hätte auch im Moor Gräben ziehen wollen! Dafür<span class="pagenum"><a name="Seite_303" id="Seite_303">[S. 303]</a></span> -hatte Aronsen einen Garten mit einem Lattenzaun und -mit Johannisbeerensträuchern und Astern und Ebereschen -und anderen gepflanzten Bäumen, einen feinen Garten. -Es war ein breiter Gang darin, auf dem Aronsen an den -Sonntagen auf und ab gehen und eine lange Pfeife rauchen -konnte. Im Hintergrund lag die Veranda des Hauses -mit roten und gelben und blauen Scheiben. Storborg! -Drei kleine hübsche Kinder liefen herum, das Mädchen -sollte lernen, Haustochter eines Kaufmanns zu sein, die -Söhne sollten selbst die Handelsschaft erlernen; oh, drei -Kinder mit einer Zukunft vor sich!</p> - -<p>Hätte Aronsen nicht an die Zukunft gedacht, so wäre -er überhaupt nicht hierhergekommen. Er hätte bei seiner -Fischerei bleiben, und wenn er Glück hatte, auch dabei viel -Geld verdienen können; aber das war nicht so vornehm -wie ein Handelsgeschäft, es brachte nicht so viel Hochachtung -ein, die Hüte flogen da nicht vor einem von den -Köpfen. Aronsen hatte seither gerudert, in Zukunft wollte -er segeln. Er hatte eine Redensart: bom konstant. Seine -Kinder sollten es mehr bom konstant haben, als er es -gehabt hatte, sagte er, damit meinte er, sie sollten weniger -hart arbeiten müssen.</p> - -<p>Und siehe da, die Sache ließ sich gut an, er und seine -Frau, ja sogar seine Kinder wurden höflich gegrüßt. Man -durfte es nicht gering anschlagen, daß sogar die Kinder -gegrüßt wurden. Die Grubenarbeiter kamen vom Berg -herunter und hatten seit langer Zeit keine Kinder mehr -gesehen. Aronsens Kinder liefen ihnen bis vor den Hof -entgegen, und die Arbeiter redeten gleich so freundlich -mit ihnen, als hätten sie drei Pudelhunde vor sich. Sie -hätten den Kindern gerne Geld geschenkt, weil es aber -die Kinder des Kaufmanns waren, spielten sie ihnen statt -dessen auf der Mundharmonika vor. Gustaf kam, der -junge Wildfang mit dem Hut auf einem Ohre und dem -munteren Geplauder, ja er kam herbei und schäkerte eine<span class="pagenum"><a name="Seite_304" id="Seite_304">[S. 304]</a></span> -gute Weile mit den Kindern. Die Kinder kannten ihn -auch gleich, wenn er ankam, und liefen ihm entgegen, -er lud sie sich alle drei auf den Rücken und tanzte mit -ihnen herum. Ho! sagte Gustaf und tanzte. Dann nahm -er seine Mundharmonika und blies Lieder und Weisen, -so schön, daß die beiden Dienstmägde herauskamen und -Gustafs Spiel mit nassen Augen zuhörten. Gustaf wußte, -was er tat, der ausgelassene Kerl!</p> - -<p>Nach einer Weile ging er in den Laden und klimperte -mit seinem Geld und füllte seinen ganzen Rucksack mit -den verschiedensten Sachen, und als er dann wieder heim -in die Berge ging, hatte er einen ganzen kleinen Kramladen -bei sich, den er auf Sellanraa auspackte und vorwies. -Er hatte Briefpapier mit Blumen darauf und eine -neue Pfeife und ein neues Hemd und ein Halstuch mit -Fransen dran, hatte Süßigkeiten, die er an die Frauen -austeilte; er hatte glänzende Sachen, eine Uhrkette mit -einem Kompaß daran, ein Federmesser; ja, er hatte eine -Menge Sachen, unter anderem auch Raketen, die er sich -für den Sonntag gekauft hatte, um sich und andere damit -zu unterhalten. Inger setzte ihm Milch zu trinken -vor, und er spaßte mit Leopoldine und hob die kleine -Rebekka hoch in die Luft. — Na, steht der Stall bald? -fragte er seine Landsleute, die Maurer, und war auch mit -diesen gut Freund. — Nein, sie hätten nicht Hilfe genug, -sagten die Maurer. — Dann wolle er ihnen helfen, sagte -Gustaf zum Spaß. — Das wäre sehr gut, meinte Inger, -denn der Stall sollte bis zum Herbst fertig sein, wenn -das Vieh nicht mehr draußen bleiben könne.</p> - -<p>Nun ließ Gustaf eine Rakete steigen, und nachdem er -einmal eine abgebrannt hatte, konnte er auch gleich alle -sechse steigen lassen, und die Weiberleute und die Kinder -hielten den Atem an vor lauter Verwunderung über dieses -Hexenwerk und den Hexenmeister, der es gemacht -hatte. Inger hatte noch niemals eine Rakete gesehen, aber<span class="pagenum"><a name="Seite_305" id="Seite_305">[S. 305]</a></span> -dieser sonderbare Blitz erinnerte sie an die große Welt. -Was wollte jetzt eine Nähmaschine bedeuten! Und als -Gustaf schließlich auch noch die Mundharmonika spielte, -wäre ihm Inger am liebsten nachgezogen vor lauter Rührung...</p> - -<p>Die Grubenarbeit geht ihren Gang, und das Erz wird -mit Pferden an die See hinuntergefahren; ein Dampfschiff -ist schon damit beladen worden und nach Südamerika -abgedampft, und dafür ist ein neues angekommen. -Großer Betrieb. Jedermann, der überhaupt gehen -kann, ist im Gebirge gewesen und hat sich die Wunder -angeschaut, auch Brede Olsen ist mit seinen Gesteinsproben -dort gewesen, ist jedoch abgewiesen worden, weil -der Sachverständige wieder nach Schweden abgereist war. -An den Sonntagen war große Völkerwanderung aus dem -Dorfe, ja sogar Axel Ström, der keine Zeit zu verlieren -hat, ist ein paarmal, als er die Linie nachsah, dagewesen. -Jetzt gibt es bald niemand mehr, der die Wunder noch -nicht gesehen hat. Da zieht wahrhaftig sogar Inger -Sellanraa ihre schönen Kleider an, steckt den goldenen -Ring an den Finger und geht in die Berge.</p> - -<p>Was will sie dort?</p> - -<p>Sie will eigentlich gar nichts, sie ist nicht einmal neugierig, -zu sehen, wie der Berg geöffnet wird, sie will -nur sich sehen lassen. Als Inger sah, daß andere Frauen -in die Berge gingen, spürte sie, daß auch sie ihnen nach -mußte. Sie hat eine entstellende Narbe an der Oberlippe -und hat erwachsene Kinder, aber sie will den andern -nach. Es ärgert sie, daß diese jung sind, aber sie will versuchen, -es mit ihnen aufzunehmen; sie hat noch nicht angefangen, -dick zu werden, sie ist groß und hübsch und -sieht gut aus. Natürlich ist sie nicht mehr rot und weiß, -und ihre zarte Pfirsichhaut ist schon längst vergangen, -aber man würde schon sehen, sie kamen sicher, nickten und -sagten: Die ist recht!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_306" id="Seite_306">[S. 306]</a></span></p> - -<p>Die Arbeiter kommen ihr mit großer Freundlichkeit -entgegen, sie haben von Inger manchen Topf Milch erhalten -und kennen sie; sie führen sie in den Gruben, in -den Baracken, in den Ställen, in der Küche, im Keller, -im Vorratshaus umher, die dreistesten unter ihnen rücken -ihr auf den Leib und nehmen sie ein wenig in den Arm; -aber das macht Inger nichts, das tut ihr wohl. Wenn -sie Stufen hinauf- oder hinuntergeht, hebt sie den Rock -hoch auf und läßt ihre Waden sehen, aber sie ist ganz gelassen -dabei und tut, als ob nichts geschehen wäre. Die -ist recht! denken die Arbeiter.</p> - -<p>Das alte Ding, sie ist trotz allem rührend: es war -leicht zu merken, ein ihr zugeworfener Blick von diesen -warmblütigen Mannsleuten kam ihr unerwartet, sie war -dankbar dafür und vergalt ihn, es tat ihr ordentlich wohl, -in Gefahr zu sein, sie war ein Frauenzimmer wie andere. -Sie war wohl aus Mangel an Versuchung bisher ehrbar -gewesen.</p> - -<p>Das alte Ding!</p> - -<p>Gustaf kam auch dazu. Er überließ zwei Mädchen aus -dem Dorf einem Kameraden, nur um herbeikommen zu -können. Gustaf wußte, was er tat; er schüttelte Inger -mit überflüssiger Wärme die Hand zum Gruße, aber er -drängte sich nicht auf. — Na, Gustaf, kommst du nicht -bald und hilfst uns beim Stallbau? fragte Inger und -wird dabei dunkelrot. — Gustaf antwortet, ja, nun -komme er bald. Seine Kameraden hören das und sagen, -sie kämen nun bald alle miteinander. — Ja, werdet ihr -denn nicht den ganzen Winter hier in den Bergen bleiben? -fragt Inger. Die Arbeiter antworten zurückhaltend, -nein, es sehe nicht danach aus. Gustaf ist kecker, er sagt -lachend, sie hätten nun bald alles vorhandene Kupfer -herausgekratzt. — Das ist nicht dein Ernst! ruft Inger. -— Nein, erwiderten die andern Arbeiter, Gustaf solle sich -in acht nehmen, so etwas zu sagen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_307" id="Seite_307">[S. 307]</a></span></p> - -<p>Aber Gustaf nahm sich nicht in acht, er sagte lachend -noch viel mehr, und was Inger betrifft, so gewann er -sie für sich allein, obgleich er nicht zudringlich war. Ein -anderer junger Mann spielte die Ziehharmonika, aber -das war lange nicht dasselbe, wie wenn Gustaf die -Mundharmonika blies. Ein dritter junger Mann, auch -ein Tausendsassa, suchte dadurch die Aufmerksamkeit auf -sich zu ziehen, daß er auswendig ein Lied zur Ziehharmonika -sang; aber es war auch das nichts Besonderes, -obgleich er eine rollende Stimme hatte. Nach kurzer Zeit -hatte Gustaf wahrhaftig Ingers goldenen Ring an seinem -kleinen Finger stecken. Und wie war das zugegangen, -da er sich doch nicht aufgedrängt hatte? Ei, er drängte -sich genügend herzu, aber er machte es in aller Stille, -gerade wie sie auch, es ging ohne Worte, sie tat, wie -wenn sie es gar nicht merkte, als er sich mit ihrer Hand -zu schaffen machte. Als sie dann später in der Barackenküche -saß und Kaffee trank, hörte sie draußen etwas -Lärm und Streit, und sie begriff, daß dies sozusagen ihr -zu Ehren war. Das reizte sie auf, das alte Birkhuhn saß -da und lauschte auf ein angenehmes Geräusch.</p> - -<p>Wie Inger an jenem Sonntagabend von den Bergen -nach Hause kam? Ho, ausgezeichnet, ebenso tugendhaft, -wie sie gegangen war, nicht mehr und nicht minder. Viele -Männer gaben ihr das Geleite, und die vielen Männer -wollten nicht umkehren, solange Gustaf bei ihr war, sie -gaben nicht nach, sie wollten nicht nachgeben! Nicht einmal -draußen in der großen Welt hatte es Inger so unterhaltend -gehabt. — Ob Inger nichts vermisse, fragten sie -schließlich. — Vermissen, nein. — Den goldenen Ring! -sagten sie. — Nun mußte Gustaf damit herausrücken, -er hatte ein ganzes Heer gegen sich. — Es ist gut, daß -du ihn gefunden hast, sagte Inger und beeilte sich, von -ihrem Gefolge Abschied zu nehmen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_308" id="Seite_308">[S. 308]</a></span></p> - -<p>Sie näherte sich Sellanraa und sah die vielen Dächer, -dort unten war ihr Heim. Sie erwachte wieder zu der -tüchtigen Frau, die sie war; sie geht einen Fußweg am -Sommerstall vorbei, um nach dem Vieh zu sehen, und -auf dem Wege dahin kommt sie an einer Stelle vorbei, -die sie gut kennt: hier lag einmal ein kleines Kind begraben, -sie hatte die Erde mit den Händen zusammengescharrt -und ein kleines Kreuz darauf gesteckt. Ach, -wie lange war das her! Und gleich denkt sie weiter: Ob -wohl die Mädchen gemolken und für den Abend alles in -Ordnung gebracht haben!</p> - -<p>Die Grubenarbeit geht weiter, jawohl, aber es wird gemunkelt, -daß der Berg nicht halte, was er versprochen -habe. Der Sachkundige, der nach Hause gereist war, -kommt wieder und hat noch einen zweiten Sachkundigen -bei sich, sie bohren und sprengen und untersuchen gründlich. -Was ist denn nicht in Ordnung? Das Kupfer ist -fein genug, daran fehlt es nicht, aber die Ader ist dünn, -sie nimmt nach Süden an Dicke zu und fängt gerade da, -wo die Grenzlinie der Gesellschaft geht, erst an, dick und -herrlich zu werden, aber da ist die Allmende. Seht, die -ersten Käufer hatten sich wohl nicht viel bei ihrem Kauf -gedacht, es war ein Familienrat, Verwandte, die auf -Spekulation kauften; sie hatten sich nicht den ganzen Berg -gesichert, all die vielen Meilen bis zum nächsten Tale, -nein, sie kauften ein Stückchen von Isak Sellanraa und -Geißler und verkauften dann wieder.</p> - -<p>Und was ist nun zu tun? Die Herren und die Vorarbeiter -und die Sachkundigen wissen das sehr gut, sie -müssen sofort mit dem Staat verhandeln. Sie schicken -also eine Stafette nach Hause mit Briefschaften und -Karten und reiten danach selbst zum Lensmann, um Beschlag -auf den ganzen Bergzug auf der Südseite des -Wassers zu legen. Aber jetzt treffen sie auf allerlei -Schwierigkeiten. Das Gesetz steht ihnen im Weg, sie sind<span class="pagenum"><a name="Seite_309" id="Seite_309">[S. 309]</a></span> -Ausländer, sie können nicht direkt kaufen. Das wissen -sie wohl, da haben sie vorgesorgt. Allein die Südseite -des Berges ist bereits verkauft, das haben sie nicht gewußt. -— Verkauft? sagen die Herren. — Schon lange, -schon seit mehreren Jahren. — Wer hat das Land gekauft? -— Geißler. — Was für ein Geißler? Ach der? -— Verbrieft und versiegelt, sagt der Lensmann. Es ist -kahler Fels, er hat ihn beinahe für nichts bekommen. — -Aber zum Kuckuck, was ist denn das für ein Geißler, -von dem wir immer wieder hören! Wo ist er? — Gott -weiß, wo er ist.</p> - -<p>Die Herren mußten eine neue Stafette nach Schweden -schicken. Und sie mußten ja auch versuchen, herauszubringen, -wer dieser Geißler war. Vorläufig konnten sie -nicht mehr mit voller Mannschaft weiterarbeiten lassen.</p> - -<p>Nun kam Gustaf hinunter nach Sellanraa; er trug all -sein irdisch Gut auf dem Rücken und sagte, nun komme -er! Jawohl, Gustaf hatte den Dienst bei der Gesellschaft -verlassen, das heißt, er hatte sich am letzten Sonntag -etwas zu offenherzig über den Kupferberg geäußert, seine -Worte waren dem Vorarbeiter und dem Ingenieur hinterbracht -worden, und Gustaf hatte den Abschied erhalten. -Glückliche Reise, und außerdem war es vielleicht gerade -das, was er gewollt hatte: nun erweckte es keinen -Verdacht, wenn er nach Sellanraa ging. Er bekam sofort -Arbeit beim Stallbau.</p> - -<p>Sie mauern und mauern, und als kurz darauf noch -ein Mann von den Bergen kommt, findet auch er einen -Platz bei der Arbeit; nun konnten zwei Schichten gemacht -werden, und die Arbeit ging rasch von der Hand. Der -Stall würde bis zum Herbst doch noch fertig werden.</p> - -<p>Aber ein Arbeiter nach dem andern kam von den Bergen -herunter, allen war aufgekündigt worden, und sie -zogen wieder heim nach Schweden. Der Versuchsbetrieb -sollte aufhören. Im Dorfe drunten ging es wie ein Seufzer<span class="pagenum"><a name="Seite_310" id="Seite_310">[S. 310]</a></span> -durch alle Menschen; seht, sie waren so töricht, sie begriffen -nicht, daß ein Probebetrieb ein Betrieb auf Probe -ist, aber das war es. Mißmut und schlimme Ahnungen -ergriffen die Menschen im Dorfe, das Geld wurde seltener, -die Löhne wurden herabgesetzt, der Handelsplatz -Storborg verödete. Was sollte das alles bedeuten? Nun -war doch alles so schön im Gang, Aronsen hatte sich eine -Flaggenstange und eine Flagge angeschafft, er hatte sich -für den Winter ein Eisbärfell für seinen Familienschlitten -gekauft und die ganze Familie mit großartigen -Kleidern ausstaffiert. Das waren ja nur Kleinigkeiten, -aber es waren auch große Dinge geschehen: zwei neue -Ansiedler hatten sich Rodeland in der Gegend gekauft, -hoch oben zwischen Maaneland und Sellanraa, das war -keine unbedeutende Sache für diese kleine abgelegene -Welt. Die beiden Ansiedler hatten ihre Gammen errichtet, -hatten gerodet und Moore entwässert, es waren fleißige -Leute, sie waren in kurzer Zeit weit gekommen. Den -ganzen Sommer über hatten sie ihre Nahrungsmittel -in Storborg gekauft, aber als sie das letztemal kamen, -war fast nichts mehr zu haben. Waren — was sollte -Aronsen mit Waren, wenn der Grubenbetrieb aufgehört -hatte? Nun hatte er beinahe keine Waren mehr, er hatte -nur Geld. Von allen Leuten in der Gegend war vielleicht -Aronsen der mißmutigste; er hatte sich mit seinem Überschlag -gar zu sehr verrechnet. Als ihm geraten wurde, -sein Land zu bebauen und bis bessere Zeiten kämen, davon -zu leben, antwortete er: Das Land bebauen? Dazu bin -ich mit den Meinen nicht hierhergekommen.</p> - -<p>Zuletzt hielt es Aronsen nicht mehr aus, er wollte selbst -hinauf zu den Gruben und einmal nach der Sache sehen. -Es war an einem Sonntag. Als er nach Sellanraa kam, -wollte er Isak mit hinaufnehmen; aber Isak hatte noch -keinen Fuß ins Gebirge gesetzt, seit dort der Betrieb angefangen -hatte, er gedieh am besten auf seiner Halde.<span class="pagenum"><a name="Seite_311" id="Seite_311">[S. 311]</a></span> -Inger mußte sich ins Mittel legen. Kannst du denn nicht -mit Aronsen gehen, wenn er dich darum bittet, sagte sie. -Sieh einmal an, Inger hatte wohl nichts dagegen, wenn -Isak eine Weile von zu Hause weg war! Es war Sonntag, -sie wollte ihn wohl gerne ein paar Stunden los sein. -So ging Isak also mit.</p> - -<p>Sie sahen allerlei Neues auf dem Berge, Isak kannte -sich in dieser neuen Stadt von Baracken und Wagenschuppen -und gähnenden Gruben gar nicht mehr aus. Der -Ingenieur selbst führte sie herum. Vielleicht war dem -guten Ingenieur zurzeit nicht so ganz leicht zumute, aber -er versuchte, der schweren Stimmung, die auf der ganzen -Gegend und auf der Gemeinde lastete, entgegenzuarbeiten. -Da war nun eine gute Gelegenheit, der Markgraf -von Sellanraa selbst und der Kaufmann von Storborg -waren auf dem Platze.</p> - -<p>Der Ingenieur erklärte die Gesteinsarten: Kies, -Kupferkies, der enthielt Kupfer, Eisen und Schwefel. -Ja, er wußte bis aufs Tüpfelchen, was der Berg enthielt, -er enthielt sogar ein wenig Silber und Gold. Man -trieb nicht Bergbau, ohne seine Sache zu können. Aber -soll das nun aufhören? fragte Aronsen. — Aufhören? -wiederholte der Ingenieur erstaunt. Damit wäre Südamerika -nicht gedient. Mit dem Versuchsbetrieb würde -nun eine Weile Schluß gemacht, sie hätten ja jetzt gesehen, -was vorhanden war, jetzt würde erst die Luftbahn -gebaut, und dann erst werde es in dem Gebirge nach -Süden zu losgehen. Isak wisse wohl nicht, wo dieser -Geißler hingekommen sei? — Nein. — Na, er werde -schon zu finden sein. Dann gehe es erst recht im Ernst -los. Was, aufhören!</p> - -<p>Isak ist in Verwunderung und Bewegung geraten über -eine kleine Maschine, die mit dem Fuß getreten wird; -er erkennt sofort, was das ist; das ist ja eine kleine<span class="pagenum"><a name="Seite_312" id="Seite_312">[S. 312]</a></span> -Schmiede, die auf einem Karren geführt und überall -aufgestellt werden kann. — Was kostet eine solche Maschine? -fragt Isak. — Diese? Die Feldesse? Oh, die kostet -nicht viel. Sie hätten mehrere solche, aber sie hätten ganz -andere Maschinen und Einrichtungen drunten an der See, -ungeheure Maschinen. Isak werde wohl begreifen, daß -man solchen tiefen Tälern und Abgründen in den Bergen -nicht mit Nägeln zu Leibe gehen könne, hahaha.</p> - -<p>Sie gehen weiter, und der Ingenieur erzählt, daß er -in den nächsten Tagen nach Schweden abzureisen gedenke. -— Aber Ihr kommt doch wieder? fragt Aronsen. -— Natürlich. Der Ingenieur war sich nichts bewußt, -weshalb ihn die Regierung oder die Polizei zu Hause -festsetzen könnte. Isak richtete es so ein, daß sie noch -einmal vor die kleine Schmiede zu stehen kamen. Wieviel -kann solch eine Esse kosten? fragt er. — Kosten. Das -wußte der Ingenieur wahrhaftig nicht mehr. Sie kostet -ja wohl einiges Geld, aber bei einem so großen Betrieb -kommt das gar nicht in Betracht. Der prächtige Ingenieur, -vielleicht war ihm jetzt gerade nicht ganz leicht -zu Sinn, aber er wahrte den Schein und tat großartig bis -zuletzt. Ob Isak eine Feldesse brauchen könne? Dann solle -er nur diese nehmen. Seine Gesellschaft sei mächtig genug, -sie schenke ihm die Feldesse!</p> - -<p>Eine Stunde später wandern Isak und Aronsen wieder -nach Hause. Aronsen ist ruhiger geworden und hat -ein wenig Hoffnung geschöpft, Isak schreitet den Berg -hinunter mit der kostbaren Feldesse auf dem Rücken. Der -alte Prahm war es gewöhnt, Lasten zu tragen! Der Ingenieur -hatte angeboten, am nächsten Tag das Kleinod -durch einen Mann nach Sellanraa zu schicken, aber Isak -dankte und sagte, das sei nicht nötig. Er dachte, wie die -zu Hause sich verwundern würden, wenn er mit einer -Schmiede auf dem Rücken ankam!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_313" id="Seite_313">[S. 313]</a></span></p> - -<p>Aber es war Isak, der sich verwundern mußte, als er -heimkam.</p> - -<p>Dort kam gerade ein Pferd mit einer ganz sonderbaren -Wagenladung auf den Hof gefahren. Der Kutscher -war ein Mann aus dem Dorfe, aber nebenher schritt ein -Herr, den Isak verwundert anstarrte: es war Geißler.</p> - - - -<h3>5</h3> - - -<p>Isak hätte sich auch sonst noch über das eine oder -andere verwundern können, aber er war nicht dazu -geschaffen, an viele Dinge auf einmal zu denken. -Wo ist Inger? fragte er nur, als er an der Küchentür -vorbeikam, denn er dachte daran, daß Geißler ordentlich -bewirtet werden müsse.</p> - -<p>Inger? Sie war in die Beeren gegangen, war in den -Beeren gewesen, seit Isak auf den Berg gestiegen war, -sie mit Gustaf, dem Schweden. Das alte Ding, sie war -so toll und verliebt; es ging zwar dem Herbst und dem -Winter zu, aber sie fühlte wieder Sommerhitze in sich, -ihr Herz blühte! Komm und zeig mir, wo Multebeeren -wachsen, sagte Gustaf. Wer hätte da widerstehen können! -Sie lief in ihre Kammer und war einige Minuten lang -ernst und fromm; aber er stand draußen und wartete, -die Welt war ihr dicht auf den Fersen; sie ordnete ihre -Haare, beschaute sich nach allen Seiten im Spiegel und -ging dann wieder hinaus. Was weiter, wer hätte das -auch nicht getan! Die Frauen können den einen Mann -nicht von dem andern unterscheiden, nicht immer, nicht -oft. —</p> - -<p>Sie gehen also in die Beeren und pflücken, pflücken -Multebeeren auf dem Moor, sie steigen von einem Erdhaufen -auf den andern, sie hebt ihre Röcke in die Höhe -und läßt ihre schönen Waden sehen. Rundum ist es still,<span class="pagenum"><a name="Seite_314" id="Seite_314">[S. 314]</a></span> -das Schneehuhn hat schon große Junge und zischt nicht -mehr, es gibt weiche Plätzchen im Gebüsch auf dem Moor. -Sie sind noch nicht eine Stunde gegangen, und schon -ruhen sie aus. Inger sagt: Bist du so einer! Ach, sie ist -so schwach ihm gegenüber, sie lächelt verlegen, denn sie -ist sehr verliebt; ach, wie ist doch Verliebtsein süß und -bitter zugleich! Schick und Brauch verlangen wohl, sich -zu wehren. Ja, um endlich doch nachzugeben. Inger ist -sehr verliebt, sterblich und ohne Gnade verliebt, sie will -ihm wohl und ist nur gut und herzlich gegen ihn.</p> - -<p>Das alte Ding!</p> - -<p>Wenn der Stall fertig ist, dann gehst du fort, sagt sie. -— Nein, er gehe nicht fort. Natürlich müsse er einmal -fortgehen, aber nicht schon in einer Woche. — Wollen -wir nicht heimgehen? fragt sie. — Nein.</p> - -<p>Sie pflücken Beeren, und nach einer Weile finden sie -wieder weiche Plätzchen im Gebüsch, und Inger sagt: Du -bist verrückt, Gustaf! Die Stunden vergehen, jetzt sind -sie wohl im Gebüsch eingeschlafen. Sind sie eingeschlafen? -Das ist ausgezeichnet, mitten im Ödland, in Eden. Da -setzt sich Inger auf und horcht und sagt: Ich meine, ich -höre weit drüben auf dem Weg einen Wagen fahren.</p> - -<p>Die Sonne sinkt; während sie heimgehen, werden die -Heidehügel im Schatten dunkler. Sie kommen noch an -vielen geschützten Stellen vorbei, Gustaf sieht sie, und -Inger sieht sie wohl auch, aber sie meint die ganze Zeit, -es fahre jemand vor ihnen her. Aber sich auf dem ganzen -Heimweg gegen einen närrischen hübschen Jungen wehren -müssen? Inger ist sehr schwach, sie lächelt nur und -sagt: Nein, so einen wie dich hab' ich doch noch nie gesehen!</p> - -<p>Inger kommt allein nach Hause. Es ist gut, daß sie -jetzt kommt, großartig ist es, eine Minute später wäre -nicht so gut gewesen. Isak ist gerade mit seiner Schmiede<span class="pagenum"><a name="Seite_315" id="Seite_315">[S. 315]</a></span> -und mit Aronsen in den Hof getreten, und ein Pferd -mit einem Wagen hält auch eben vor der Tür.</p> - -<p>Guten Tag! sagt Geißler und begrüßt dann auch -Inger.</p> - -<p>Da stehen diese Menschen und schauen einander an. -Es könnte nicht besser passen.</p> - -<p>Geißler ist wiedergekommen. Er ist einige Jahre weggewesen, -aber jetzt ist er wieder da, etwas älter und -grauer, aber lebhaft wie immer, und jetzt ist er fein gekleidet, -trägt eine weiße Weste und eine goldene Kette. -Der Teufel versteht diesen Mann!</p> - -<p>Hat er Kunde erhalten, daß jetzt auf dem Kupferberg -etwas vor sich ging, und wollte er die Sache untersuchen? -Gut, hier war er. Er sieht hell wach aus, mustert Häuser -und Felder, indem er den Kopf sachte hin und her -dreht und die Blicke wandern läßt; er sieht große Veränderungen, -der Markgraf hat seine Herrschaft erweitert. -Geißler nickt befriedigt.</p> - -<p>Was schleppst du denn da herbei? fragte er Isak. Das -ist ja eine ganze Pferdelast! sagt er. — Eine Schmiedeesse, -erklärt Isak. Die wird mir hier auf der Ansiedlung -manches liebe Mal zugute kommen, sagt er und -heißt Sellanraa immer noch eine Ansiedlung. — Wo -hast du sie her? — Der Ingenieur droben auf dem Berg -hat sie mir geschenkt. — Ist auf dem Berg ein Ingenieur? -fragt Geißler, wie wenn er es nicht wüßte.</p> - -<p>Sollte Geißler hinter dem Ingenieur auf dem Berg -zurückstehen? Ich habe gehört, daß du dir eine Mähmaschine -gekauft hast, jetzt habe ich dir dazu einen Heurechen -mitgebracht, sagt er und deutet auf den Wagen. Da -stand die Maschine, rot und blau, ein unmäßig großer -Kamm, ein Heurechen, der von einem Pferd gezogen -wurde. Sie hoben die Maschine vom Wagen und betrachteten -sie, Isak spannte sich vor und versuchte sie auf der -nackten Erde. Der Mund stand ihm offen vor Verwunde<span class="pagenum"><a name="Seite_316" id="Seite_316">[S. 316]</a></span>rung. -Ein Wunder nach dem andern war nach Sellanraa -gekommen.</p> - -<p>Sie sprachen über den Kupferberg, über das Bergwerk. -Sie haben dort eifrig nach Euch gefragt, sagt Isak. — -Wer hat gefragt? — Der Ingenieur und alle die Herren. -Sie müßten Euch unbedingt auffinden, sagten sie. Ach, -Isak machte sicher zuviel aus der Sache, Geißler vertrug -das vielleicht nicht, er machte einen steifen Nacken und -sagte: Da bin ich, wenn sie etwas von mir wollen.</p> - -<p>Den Tag darauf kamen die beiden Stafetten aus -Schweden zurück, und mit ihnen kamen zwei von den -Eigentümern des Bergwerks; sie waren zu Pferd, vornehme, -dicke Herren und allem Anschein nach steinreich. -Sie hielten auf Sellanraa fast nicht an, sondern erkundigten -sich nur vom Pferd aus nach dem Wege und ritten -weiter nach dem Berge zu. Sie taten, als ob sie Geißler -gar nicht sähen, obgleich er ganz in der Nähe stand. Die -Stafetten mit den beladenen Packpferden ruhten eine -Stunde aus, unterhielten sich mit den Maurern, die am -Stall arbeiteten, erfuhren, daß der alte Herr mit der -weißen Weste und der goldenen Kette Geißler sei, und -dann zogen auch sie weiter. Aber die eine der Stafetten -kam noch am selben Abend wieder auf den Hof herunter -mit der mündlichen Botschaft, Geißler solle zu den Herren -hinaufkommen. Hier bin ich, wenn sie etwas von mir -wollen, ließ Geißler antworten.</p> - -<p>Geißler war großartig geworden, er dachte vielleicht, -er habe die ganze Welt in der Tasche, oder fand er eine -mündliche Botschaft gar zu nachlässig? Aber wie ging -es zu, daß er gerade in dem Augenblick nach Sellanraa -kam, wo man ihn brauchte? War er denn allwissend? -Na, als die Herren auf dem Berge diese Antwort bekamen, -mußten sie sich wohl oder übel nach Sellanraa -herabbemühen. Der Ingenieur und die beiden Sachverständigen -kamen mit.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_317" id="Seite_317">[S. 317]</a></span></p> - -<p>Aber es waren noch allerlei Wendungen und Winkelzüge -notwendig, ehe die Zusammenkunft zustande kam. -Das versprach nicht viel Gutes, Geißler tat ungeheuer -großartig.</p> - -<p>Die Herren waren jetzt recht höflich, sie baten Geißler, -zu entschuldigen, daß sie gestern nach ihm geschickt hätten, -sie seien von der Reise sehr ermüdet gewesen. Geißler war -auch wieder höflich, er erwiderte, auch er sei von seiner -Reise ermüdet gewesen, sonst wäre er hinaufgekommen. -Ja, aber nun zur Sache: Ob er den Berg auf der Südseite -des Wassers verkaufen wolle? — Sind die Herren -selbst Käufer oder spreche ich mit Zwischenhändlern? — -Das war die reine Bosheit von Geißlers Seite, er mußte -doch sehen, daß diese vornehmen und dicken Herren keine -Zwischenhändler sein konnten. Dann ging es weiter: Der -Preis? fragten sie. — Ja, der Preis! sagte auch Geißler -und überlegte. Zwei Millionen, sagte er dann. — Ach -so, sagten die Herren und lächelten. — Aber Geißler -lächelte nicht.</p> - -<p>Der Ingenieur und die Sachverständigen hatten so -obenhin den Berg untersucht, hatten einige Löcher gebohrt -und gesprengt, und das Ergebnis lautete also: Das Vorkommen -des Kupfers war auf Eruptionen zurückzuführen, -die Kupferfunde waren sehr ungleich verteilt, nach -der vorläufigen Untersuchung waren sie am mächtigsten -an der Grenze zwischen dem Eigentum der Gesellschaft -und dem von Geißler, weiterhin nahmen sie wieder ab. -Auf der letzten halben Meile kam kein abbauwürdiger -Kupferkies mehr vor.</p> - -<p>Geißler hörte diesem Bericht mit der größten Gleichgültigkeit -zu. Er zog einige Dokumente aus der Tasche, die -er aufmerksam durchsah, aber es waren keine Karten, -und Gott weiß, ob sie überhaupt den Kupferberg betrafen. -— Es ist nur nicht tief genug gebohrt worden, -sagte er, als ob er das aus seinen Papieren entnehme.<span class="pagenum"><a name="Seite_318" id="Seite_318">[S. 318]</a></span> -Das gaben die Herren sofort zu; aber der Ingenieur -fragte, wie Geißler das wissen könne, er habe ja überhaupt -gar nicht gebohrt. — Da lächelte Geißler, als ob -er mindestens ein paar hundert Meter tief in den Erdball -hineingebohrt, aber dann die Bohrlöcher unkenntlich gemacht -habe.</p> - -<p>Bis Mittag redeten sie hin und her, dann schauten die -Herren auf ihre Uhren. Geißler war mit seinen Ansprüchen -bis auf eine Viertelmillion heruntergegangen, -aber weiter herunter ging er nicht um Haaresbreite. Nein, -sie mußten ihn ernstlich verletzt haben, sie gingen von -der Anschauung aus, daß er gerne verkaufen würde, daß -er genötigt sei zu verkaufen; aber das war er nicht, hoho, -konnten sie denn nicht sehen, daß er beinahe ebenso vornehm -und großartig war wie sie? — Fünfzehn- bis -zwanzigtausend seien auch eine schöne Summe, meinten -die Herren. — Geißler sagte: Dagegen sei nichts einzuwenden, -wenn man das Geld gerade nötig habe, aber -zweihundertundfünfzigtausend seien mehr. — Da sagte -einer von den Herren, und er sagte das, um Geißler -gleichsam niederzudrücken: Eben fällt mir ein, wir sollen -Sie von Frau Geißlers Verwandten in Schweden grüßen. -— Danke! sagte Geißler. — Apropos! sagte der andere -Herr, da dies nichts genützt hatte. Eine Viertelmillion! -Es ist doch aber kein Gold, sondern Kupferkies. — Geißler -nickte. Ja, es ist Kupferkies.</p> - -<p>Da wurden die Herren alle miteinander ungeduldig, -fünf Uhrendeckel sprangen auf und klappten wieder zu, -und jetzt war keine Zeit mehr zum Scherzen, jetzt war -Mittag. Die Herren verlangten kein Essen auf Sellanraa, -sie ritten zurück zu den Gruben und speisten dort ihr -eigenes Essen.</p> - -<p>So verlief diese Zusammenkunft.</p> - -<p>Geißler blieb allein zurück.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_319" id="Seite_319">[S. 319]</a></span></p> - -<p>Was waren das wohl für Überlegungen, die ihn bewegten? -Vielleicht gar keine, vielleicht war es ihm gleichgültig, -und er überlegte gar nicht. O nein, er überlegte, -aber er ließ keinerlei Unruhe merken. Nach dem Mittagessen -sagte er zu Isak: Ich wollte eigentlich einen weiten -Gang über meinen Berg machen und hätte wie das letztemal -Sivert gerne mitgenommen. — Isak sagte augenblicklich -zu. — Nein, er hat anderes zu tun, erklärte -Geißler. — Er soll sofort mit Euch gehen, sagte Isak -und rief Sivert von seiner Maurerarbeit ab. — Aber -Geißler hob die Hand und sagte kurz: Nein!</p> - -<p>Er trieb sich auf dem ganzen Hof herum, kam auch -mehrere Male wieder bei den Maurern vorbei und unterhielt -sich da lebhaft mit ihnen. Daß er das konnte, wo -ihn doch eben erst so etwas Wichtiges in Anspruch genommen -hatte! Oh, vielleicht hatte er solange in unsicheren -Verhältnissen gelebt, daß eigentlich für ihn gar -nichts mehr auf dem Spiele zu stehen schien, einen schwindelnden -Sturz würde er auf keinen Fall tun.</p> - -<p>Hier stand er nun vor einem reinen Glücksfall. Nachdem -er das kleine Grubenstück an die Verwandten seiner -Frau verkauft hatte, ging er stracks hin und kaufte den -ganzen übrigen Berg; warum hatte er das getan? Wollte -er die jetzigen Eigentümer dadurch ärgern, daß er ihr -nächster Nachbar wurde? Ursprünglich hatte er wohl nur -auf der Südseite des Wassers, da, wohin die Grubenstadt -kommen mußte, wenn je ein Bergwerk errichtet -wurde, einen Streifen haben wollen; Eigentümer des -ganzen Berges aber wurde er, weil ihn dies beinahe nichts -kostete, und weil er sich die Mühe einer weitläufigen -Grenzabsperrung sparen wollte. Er wurde Bergkönig aus -Gleichgültigkeit, ein kleiner Bauplatz für Baracken und -Maschinenschuppen wurde zu einem Reiche, das bis hinunter -ans Meer ging.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_320" id="Seite_320">[S. 320]</a></span></p> - -<p>In Schweden ging der erste kleine Grubenteil von -Hand zu Hand, und Geißler hielt sich über dessen Schicksal -stets unterrichtet. Natürlich hatten die ersten Besitzer -dumm gekauft, verrückt dumm, der Familienrat war -nicht sachverständig gewesen, und die Herren hatten sich -kein genügend großes Stück des Berges gesichert, sie hatten -nur einen gewissen Geißler abfinden und sich ihn vom -Halse schaffen wollen. Aber die neuen Besitzer waren -nicht weniger komische Leute, sie waren gewaltige Männer, -die sich einen Scherz erlauben und nur so zum Vergnügen, -etwa bei einem Gelage, kaufen konnten, wer -weiß! Aber als es nun zu einem Versuchsbetrieb kam -und Ernst aus der Sache wurde, standen sie plötzlich vor -einer Mauer: Geißler.</p> - -<p>Sie sind Kinder! dachte Geißler vielleicht von seiner -Höhe herunter, er war sehr mutig und steifnackig geworden. -Die Herren hatten allerdings versucht, ihn mit -kaltem Wasser zu begießen, sie hatten geglaubt, vor einem -Dürftigen zu stehen und deshalb ein Wörtlein von so -fünfzehn bis zwanzigtausend fallen lassen. Sie waren -Kinder, sie kannten Geißler nicht. Hier stand er.</p> - -<p>Die Herren kamen an diesem Tage nicht mehr vom -Berg herunter, sie meinten wohl, klug zu handeln, wenn -sie sich nicht gar so eifrig zeigten. Am nächsten Morgen -kamen sie indes doch, hatten ihr Packpferd bei sich und -waren auf der Heimreise. Aber da war Geißler weggegangen.</p> - -<p>War Geißler weggegangen?</p> - -<p>Die Herren konnten unter diesen Umständen nichts -vom Pferde aus abmachen, sie mußten absteigen und -warten. Wohin war Geißler gegangen? Niemand wußte -es, er ging überall herum, er interessierte sich für Sellanraa, -zuletzt war er bei dem Sägewerk gesehen worden. -Die Stafetten wurden ausgesandt, ihn zu suchen, aber er -mußte wohl weit weggegangen sein, denn er gab keine<span class="pagenum"><a name="Seite_321" id="Seite_321">[S. 321]</a></span> -Antwort, als er gerufen wurde. Die Herren schauten nach -ihren Uhren und waren anfänglich sehr ärgerlich und -sagten: Wir werden doch nicht die Narren sein und warten. -Wenn Geißler verkaufen will, so soll er auch auf dem -Platze sein! O ja, aber der große Ärger der Herren legte -sich, sie warteten, ja, sie wurden scherzhaft, das war ja -zum Verzweifeln, sie mußten hier an der Grenzscheide -des Berges über Nacht bleiben. Das geht ja brillant, -sagten sie. Unsere Angehörigen werden dereinst unsere gebleichten -Gebeine finden!</p> - -<p>Endlich kam Geißler. Er hatte sich auf dem ganzen -Gute umgesehen, und jetzt kam er eben vom Sommerstall. -Es kommt mir vor, als ob auch der Sommerstall -für dich zu klein würde, sagte er zu Isak. Wieviel Stück -Vieh hast du denn alles in allem da droben? — So -konnte er sprechen, obgleich die Herren mit der Uhr in -der Hand dastanden. Geißler hatte eine merkwürdige -Röte im Gesicht, als ob er starke Getränke genossen hätte. -Puh, ist mir von dem Gang warm geworden! sagte er.</p> - -<p>Wir hatten einigermaßen erwartet, Sie würden auf -dem Platze sein, sagte einer der Herren. — Darum hatten -mich die Herren nicht gebeten, erwiderte Geißler. Sonst -wäre ich auf dem Platze gewesen. — Na, und der Handel? -Ob Geißler heute ein vernünftiges Gebot annehmen -wolle? Es würden ihm doch wohl nicht jeden Tag fünfzehn- -bis zwanzigtausend angeboten, oder doch? — Diese -neue Andeutung verletzte Geißler bedeutend. War das -auch eine Art? Und die Herren hätten sicherlich nicht so -gesprochen, wenn sie nicht ärgerlich gewesen wären, und -Geißler wäre nicht auf der Stelle blaß geworden, wenn -er nicht vorher an einem einsamen Ort gewesen und rot -geworden wäre. Jetzt erbleichte er und erwiderte kalt: -Ich will nicht andeuten, was den Herren zu bezahlen vielleicht -erschwinglich ist, dagegen weiß ich, was ich haben -will. Ich will das Kindergeschwätz über den Berg nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_322" id="Seite_322">[S. 322]</a></span> -mehr hören. Mein Preis ist derselbe wie gestern. — Eine -Viertelmillion Kronen? — Ja. —</p> - -<p>Die Herren stiegen zu Pferd.</p> - -<p>Jetzt will ich Ihnen etwas sagen, Geißler, begann der -eine. Wir wollen bis auf fünfundzwanzigtausend gehen. -— Sie sind immer noch scherzhaft aufgelegt, erwiderte -Geißler. Ich will Ihnen einen ernsthaft gemeinten Gegenvorschlag -machen: Wollen Sie mir Ihr kleines Grubenstückchen -verkaufen? — Ja, das lasse sich überlegen, -sagten die einigermaßen überrumpelten Herren. — Dann -werde ich es kaufen, erklärte Geißler.</p> - -<p>Oh, dieser Geißler! Der ganze Hof stand voller Menschen, -die ihn reden hörten, alle Leute von Sellanraa -und die Maurer und die Herren und die Stafetten; er -konnte sich vielleicht überhaupt kein Geld zu einem solchen -Geschäft verschaffen, aber Gott weiß, ob er es nicht -am Ende doch konnte, wer verstand sich auf ihn! Auf -jeden Fall brachte er mit seinen wenigen Worten eine -kleine Revolution unter den Herren hervor. Wollte er -ihnen ein Schnippchen schlagen? Meinte er, seinen Berg -durch dieses Vorgehen wertvoller zu machen?</p> - -<p>Die Herren überlegten wirklich, die Herren fingen an, -leise miteinander darüber zu reden, sie stiegen wieder von -den Pferden. Da mischte sich der Ingenieur in die Sache, -sie kam ihm wohl zu erbärmlich vor, und er schien auch -die Macht und die Gewalt dazu zu haben. Jetzt stand -ja der ganze Hof voll von Leuten, die alle zuhörten. — -Wir verkaufen nicht! erklärte er bestimmt. — Nicht? -fragten die Herren. — Nein!</p> - -<p>Sie flüsterten ein Weilchen zusammen, dann stiegen -sie wirklich im Ernst zu Pferd. — Fünfundzwanzigtausend! -rief einer der Herren. — Geißler gab keine -Antwort, er drehte sich um und ging wieder zu den -Maurern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_323" id="Seite_323">[S. 323]</a></span></p> - -<p>Und so verlief die letzte Zusammenkunft.</p> - -<p>Geißler tat den Folgen gegenüber ganz gleichgültig, er -ging hin und her und sprach von dem und jenem, jetzt -war er ganz davon hingenommen, daß die Maurer eben -gewaltig große Deckenbalken über den ganzen Stall legten. -Sie wollten noch in dieser Woche mit dem Stall -fertig werden, es sollte nur ein Notdach errichtet werden, -später würde man noch einen Heuboden auf den Stall -aufsetzen.</p> - -<p>Isak hielt Sivert von der Arbeit am Stall zurück und -ließ ihn nichts tun, damit Geißler zu jeder Zeit den jungen -Mann zu einem Gang in die Berge bereit finde. Das -war eine unnütze Vorsorge, Geißler hatte seine Absicht -aufgegeben oder sie vielleicht auch vergessen. Nachdem -er von Inger etwas Mundvorrat bekommen hatte, schlug -er gegen Abend den Weg nach dem Dorf hinunter ein -und blieb über das Abendessen fort.</p> - -<p>Er kam an den beiden neuen Ansiedlungen unterhalb -Sellanraa vorbei und sprach mit den Leuten dort, er kam -bis nach Maaneland und wollte sehen, was Ström in -den letzten Jahren ausgerichtet hatte. Es war mit ihm -nicht so sehr vorwärtsgegangen, aber er hatte doch viel -Land urbar gemacht. Geißler interessierte sich auch für -diese Ansiedlung und fragt: Hast du ein Pferd? — Ja. -— Unten, weiter südlich, habe ich eine Mähmaschine und -einen Reolpflug stehen, neue Sachen, die will ich dir -schicken. — Was! rief Axel und konnte sich eine solche -Freigebigkeit gar nicht vorstellen; er dachte an Abzahlung. -— Ich will dir die Geräte schenken, sagte Geißler. — -Das ist doch nicht möglich! meinte Axel. — Aber du mußt -deinen beiden Nachbarn helfen und ihnen ein Stück Neuland -umbrechen, verlangte Geißler. — Das soll nicht -fehlen, versprach Axel, aber er konnte den ganzen Geißler -nicht verstehen. So, dann habt Ihr also Grundbesitz -und Maschinen im Süden? fragte er. — Geißler ant<span class="pagenum"><a name="Seite_324" id="Seite_324">[S. 324]</a></span>wortete: -Ach, ich habe gar vielerlei. — Seht, das hatte -Geißler vielleicht gar nicht, er hatte nicht vielerlei Geschäfte, -aber er tat oft so. Diese Mähmaschine und diesen -Reolpflug brauchte er ja nur in irgendeiner Stadt zu -kaufen und heraufzuschicken.</p> - -<p>Er hatte ein langes Gespräch mit Axel Ström über -die andern Ansiedler in der Gegend, über das Handelshaus -Storborg, über Axels Bruder, einen jung verheirateten -Mann, der jetzt nach Breidablick gekommen war und -angefangen hatte, die Moore zu entwässern. Axel beklagte -sich darüber, daß keine weibliche Hilfe zu bekommen -sei, er habe nur eine alte Frau namens Oline, sie -sei nicht viel nütze, aber er müsse doch froh sein, solange -er sie halten könne. Im Sommer habe er eine Zeitlang -Tag und Nacht arbeiten müssen. Er hätte vielleicht eine -weibliche Hilfe aus seinem Heimatort, aus Helgeland, -bekommen können, aber dann hätte er ihr außer dem -Lohn auch noch das Reisegeld bezahlen müssen. Er habe -Ausgaben nach allen Seiten. Axel erzählte weiter, daß -er die Aufsicht über die Telegraphenlinie übernommen -habe, aber das reue ihn einigermaßen. — Das ist etwas -für Leute wie Brede, sagte Geißler. — Ja, das ist sehr -richtig gesagt, gab Axel zu. Aber es war wegen des Geldes. -— Wie viele Kühe hast du? fragte Geißler. — -Vier. Und einen jungen Stier. Es ist sehr weit bis nach -Sellanraa zum Stier.</p> - -<p>Aber eine viel wichtigere Sache, die er mit Geißler besprechen -wollte, lag Axel Ström auf dem Herzen. Es -war jetzt eine Untersuchung im Gang gegen Barbro. Ja, -natürlich war die Sache herausgekommen. Barbro war -guter Hoffnung gewesen, aber sie war frank und frei -und ohne Kind von hier abgereist. Wie hing das zusammen? -Als Geißler vernahm, um was es sich handelte, -sagte er kurz und gut: Komm mit! und führte Axel -weit von den Gebäuden weg. Dann setzte er eine äußerst<span class="pagenum"><a name="Seite_325" id="Seite_325">[S. 325]</a></span> -wichtige Miene auf und benahm sich wie eine Art Obrigkeit. -Sie ließen sich am Waldessaum nieder, und Geißler -sagte: So, nun laß mich hören!</p> - -<p>Natürlich war die Sache herausgekommen, wie hätte -es auch anders gehen können! Die Gegend war nicht mehr -menschenleer, und außerdem war Oline gekommen. Was -hatte Oline mit der Sache zu tun? Oh, die! Und außerdem -hatte sich Brede mit ihr verkracht. Jetzt war an -Oline nicht mehr länger vorbeizukommen, sie wohnte an -Ort und Stelle und konnte Axel selbst allmählich ausforschen; -sie lebte ja für verdächtige Sachen, ja sie lebte -zum Teil davon, da war also wieder etwas mit der richtigen -Witterung! Eigentlich war Oline jetzt zu alt, um -Haus und Vieh auf Maaneland zu versorgen, sie hätte -es aufgeben sollen, aber konnte sie das? Hätte sie einen -Ort, wo ein so großes Geheimnis verborgen lag, ruhig -verlassen können? Sie brachte die Winterarbeit fertig, -ja sie schindete sich auch noch den Sommer hindurch, es -kostete sie große Anstrengung, und sie hielt sich nur durch -die Aussicht aufrecht, einer Tochter von Brede etwas nachweisen -zu können. Kaum fing im Frühjahr der Schnee -an zu schmelzen, so schnupperte Oline bereits in der Gegend -umher, sie fand den kleinen Hügel am Bach und -erkannte sofort, daß der Rasen in Stücken aufgelegt war; -sie hatte auch eines Tages das Glück gehabt, Axel zu -treffen, wie er das kleine Grab festtrat und es ebnete. -Axel wußte also auch von der Sache. Oline nickte mit -ihrem grauen Kopf, jetzt war ihre Zeit gekommen.</p> - -<p>Nicht Axels wegen. Axel war gar kein unguter Mann, -um bei ihm zu sein, aber er war sehr genau und zählte -seine Käse und wußte Bescheid von jedem Büschel Wolle. -Oline hatte durchaus nicht freie Hand. Und bei der Rettung -letztes Jahr, hatte sich Axel da als Herr gezeigt und -sich freigebig erwiesen? Nein, im Gegenteil, er bestand -auf seiner Teilung des Triumphes. Jawohl, sagte er,<span class="pagenum"><a name="Seite_326" id="Seite_326">[S. 326]</a></span> -wäre Oline nicht gekommen, so hätte er in der Nacht erfrieren -müssen, aber Brede sei ihm auf dem Heimweg -auch eine gute Hilfe gewesen! Das war der Dank! Oline -meinte, da müsse sich der Allmächtige über die Menschen -empören! Hätte nicht Axel eine Kuh am Strick ergreifen, -sie herausführen und sagen können: Das ist deine Kuh, -Oline! Aber nein.</p> - -<p>Jetzt kam's darauf an, ob es ihn nicht mehr kosten -würde als eine Kuh.</p> - -<p>Den Sommer über paßte Oline jeden einzelnen Menschen -ab, der vorbeiging, sie flüsterte mit ihm und nickte -und vertraute sich ihm an. Aber kein Wort weitersagen! -gebot sie. Oline war auch ein paarmal drunten im Dorf. -Und nun schwirrte es mit Gerüchten in der Gegend, die -waren wie ein Nebel, der sich um die Gesichter legt und -in die Ohren dringt, selbst die Kinder, die auf Breidablick -in die Schule gingen, fingen an zu nicken und geheimnisvoll -zu tun. Schließlich mußte sich auch der Lensmann -rühren, mußte Bericht erstatten und seine Befehle entgegennehmen. -Eines Tages kam er mit einem Begleiter -und einem Protokoll nach Maaneland und untersuchte -und schrieb und ging wieder heim. Aber drei Wochen danach -kam er wieder und untersuchte und schrieb noch mehr, -und diesmal öffnete er auch einen kleinen grünen Hügel -am Bach und holte die Kindesleiche heraus. Oline war -ihm dabei eine unentbehrliche Hilfe, und als Entgelt für -ihre Mühe mußte er ihre vielen Fragen beantworten, und -da sagte er unter anderem auch, ja, es könnte schon die -Rede davon sein, Axel zu verhaften. Da schlug Oline die -Hände zusammen über all die Schändlichkeit, in die sie -hier hineingekommen sei, und wünschte sich weg, weit -weg! Aber sie, die Barbro? flüsterte sie. — Das Mädchen -Barbro sitzt verhaftet in Bergen, sagte der Lensmann. Die -Gerechtigkeit muß ihren Gang gehen, sagte er. Dann -nahm er die Leiche mit sich und fuhr wieder fort.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_327" id="Seite_327">[S. 327]</a></span></p> - -<p>Es war also nicht verwunderlich, daß Axel in großer -Spannung war. Er hatte dem Lensmann seine Aussagen -gemacht und nichts geleugnet. Das Kind war sein, und -er hatte ihm mit eigener Hand ein Grab gegraben. Nun -erkundigte er sich bei Geißler, wie es wohl weitergehen -werde. Er müsse wohl in die Stadt und ein viel schlimmeres -Verhör und sonstige Widerwärtigkeiten erdulden?</p> - -<p>Geißler war nicht mehr der gleiche wie zuvor, nein, -die umständliche Erzählung hatte ihn ermüdet, er schien -schläfrig zu werden — was nun auch der Grund sein -mochte; ob vielleicht der Geist vom Morgen nicht mehr -über ihm war? Er sah auf seine Uhr, stand auf und sagte: -Das muß gründlich überlegt werden, ich will darüber -nachdenken. Du sollst meine Antwort bekommen, ehe ich -abreise.</p> - -<p>Damit ging Geißler.</p> - -<p>Gegen Abend kam er nach Sellanraa zurück, aß ein -wenig und ging zu Bett. Er schlief bis tief in den Tag -hinein, schlief und ruhte aus; er war wohl ermattet nach -der Zusammenkunft mit den schwedischen Grubenbesitzern. -Erst zwei Tage nachher machte er sich zur Abreise fertig. -Da war er wieder großartig und überlegen, bezahlte reichlich -und schenkte der kleinen Rebekka ein neues Kronenstück.</p> - -<p>Isak hielt er eine Rede und sagte: Es ist ganz einerlei, -daß es jetzt nicht zu einem Verkauf gekommen ist, das -wird schon noch werden. Vorläufig lege ich den Betrieb -dort oben lahm. Das waren rechte Kinder, sie meinten -mich übers Ohr hauen zu können. Hast du gehört, daß -sie mir fünfundzwanzigtausend boten? — Ja, sagte Isak. -— Nun, erwiderte Geißler und scheuchte mit einer Kopfbewegung -jede Art von Schandangebot und jegliches -Staubkorn weit weg. Es schadet dem Bezirk hier oben gar -nichts, wenn ich den Betrieb lahmlege, im Gegenteil, es -wird die Leute veranlassen, ihr Land zu bebauen. Aber<span class="pagenum"><a name="Seite_328" id="Seite_328">[S. 328]</a></span> -drunten im Dorf, da wird man's merken. Es ist ja im -Sommer viel Geld unter die Leute gekommen, schöne -Kleider und süßen Brei gab's für jedermann; damit ist -es jetzt aus. Siehst du, das Dorf hätte wohl gut Freund -mit mir sein können, dann wäre es vielleicht anders gegangen. -Jetzt habe <em class="gesperrt">ich</em> zu bestimmen.</p> - -<p>Er sah nun allerdings nicht so aus, als habe er über -viel zu gebieten; als er ging, trug er ein Päckchen mit -Mundvorrat in der Hand, und seine Weste war nicht mehr -blendend weiß. Vielleicht hatte ihn seine gute Frau mit -dem Rest der vierzigtausend Kronen, die sie einmal erhalten -hatte, für diese Reise ausgestattet, Gott weiß, ob -das nicht der Fall war. Aber nun kommt er kahl heim!</p> - -<p>Geißler vergaß nicht, auf dem Heimweg bei Axel -Ström einzutreten und ihm Bescheid zu sagen. Ich habe -darüber nachgedacht, die Sache ist nun einmal im Gang, -du kannst jetzt nichts tun. Du wirst zu einem Verhör vorgeladen -werden und mußt deine Aussagen machen ... -Das war nur so ein Gerede, Geißler hatte vielleicht gar -nicht mehr an die Sache gedacht. Und Axel sagte niedergeschlagen -zu allem ja. Zum Schluß aber blies sich Geißler -wieder zu einem gewaltigen Mann auf, er zog die -Brauen hoch und sagte nachdenklich: Ob ich vielleicht in -die Stadt kommen und bei der Verhandlung anwesend -sein könnte? — Ach ja, wenn Ihr das könntet! rief Axel. -— Im nächsten Augenblick entschied Geißler: Ich will -sehen, ob ich nicht Zeit finden kann. Für heute leb wohl! -Ich werde dir die Maschinen schicken.</p> - -<p>Geißler ging.</p> - -<p>Ob das nun wohl seine letzte Reise in die Gegend gewesen -war?</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_329" id="Seite_329">[S. 329]</a></span></p> - - - - -<h3>6</h3> - - -<p>Die letzte Gruppe von Arbeitern kommt vom Berg -herunter, der Betrieb hat völlig aufgehört, jetzt -liegt der Berg wieder verödet da. Auch der gemauerte -Stall auf Sellanraa ist nun fertig. Er hat ein -Notdach aus Rasenstücken für den Winter bekommen. -Der große Raum ist in einzelne kleinere Räume eingeteilt, -helle Räume, ein gewaltig großer Salon in der Mitte -und große Kabinette an den beiden Enden, ja, es ist gerade -wie für die Menschen. Isak hat einmal hier auf dem -Platz mit einigen Geißen zusammen in einer Gamme gewohnt; -jetzt ist auf Sellanraa keine Gamme mehr zu -finden.</p> - -<p>Der Stall wird mit Abteilungen, mit Ständen und -Holzverschlägen eingerichtet. Damit das alles rasch fertig -wird, sind die beiden Maurer immer noch da, aber Gustaf -sagt, er verstehe nichts von der Holzarbeit, und will nun -weiter. Gustaf hat sich bei der Maurerarbeit als sehr -brauchbar erwiesen und hat Lasten gehoben wie ein Bär. -Abends war er allen zur Freude und Aufmunterung gewesen; -er hatte die Mundharmonika gespielt und hatte -außerdem den Frauen geholfen, schwere Kufen hinunter -an den Fluß und wieder heraufzutragen. Aber jetzt will -er abreisen. Nein, die Holzarbeit verstehe er nicht, sagt er. -Es ist gerade, als ob er durchaus fort wolle.</p> - -<p>Du könntest wohl noch bis morgen bleiben, sagt Inger. -— Nein, es gebe jetzt hier keine Arbeit mehr für ihn, und -er habe auch in den letzten Grubenarbeitern Begleitung -übers Gebirge. — Wer wird mir jetzt beim Wasserholen -helfen? sagt Inger und lächelt wehmütig dabei. — Da -weiß der flinke Gustaf sofort einen guten Rat; er nennt -Hjalmar. — Hjalmar war der jüngste von den beiden -Maurern, aber keiner von beiden war so jung wie Gustaf -oder sonst im mindesten wie er. — Ach was, der Hjal<span class="pagenum"><a name="Seite_330" id="Seite_330">[S. 330]</a></span>mar! -erwidert Inger verächtlich. Aber plötzlich faßt sie -sich und will Gustaf reizen und sagt: Jawohl, der Hjalmar -ist gar nicht so übel. Und draußen auf dem Felsblock -singt er schön. — Ein Tausendsassa! sagt Gustaf, ohne -sich reizen zu lassen. — Aber er könne doch die Nacht -über noch bleiben, meint Inger. — Nein, dann ginge er -der Begleitung verlustig.</p> - -<p>Oh, nun war Gustaf der Sache überdrüssig geworden. -Es war ja prächtig gewesen, sie den Kameraden vor der -Nase wegzuschnappen und sie die paar Wochen über, die -er da arbeitete, zu haben. Aber nun wollte er weiter, an -andere Arbeit, vielleicht zu einer Liebsten daheim, das -waren neue Aussichten. Sollte er sich Ingers wegen hier -ohne Arbeit umhertreiben? Er hatte so gute Gründe, ein -Ende zu machen, daß es Inger doch wohl einsehen mußte. -Aber sie war so keck geworden, dachte an keine Verantwortung -mehr und kümmerte sich um nichts. Sehr lange -war es allerdings nicht so zwischen den beiden gewesen, -aber doch so lange, als die Maurerarbeit währte.</p> - -<p>Inger ist wirklich traurig, ja, sie geht in ihrer verirrten -Treue so weit, daß sie sich grämt. Das ist nicht gut für -sie, sie ist ohne Getue, einfach offen und ehrlich verliebt. -Nein, sie schämt sich dessen nicht, sie ist ein kraftstrotzendes -Weib voller Schwachheit, sie geht nur mit der Natur -um sie her, sie ist voller Herbstglut. Während sie etwas -Mundvorrat für Gustaf zusammenpackt, wogt ihr der -Busen vor heftigen Gefühlen. Sie denkt nicht darüber -nach, ob sie ein Recht dazu hat, oder ob Gefahr dabei -sein könnte, sie gibt sich einfach hin, sie ist gierig geworden, -zu schmecken, zu genießen. Isak könnte sie noch einmal -bis an die Decke heben und sie dann wieder auf den -Boden stoßen — jawohl, sie enthielte sich dennoch nicht.</p> - -<p>Nun geht sie mit ihrem Mundvorrat hinaus und gibt -ihn ab. Sie hatte neben der Treppe eine Kufe zurechtgestellt, -die ihr Gustaf zum letztenmal an den Fluß hin<span class="pagenum"><a name="Seite_331" id="Seite_331">[S. 331]</a></span>untertragen -helfen sollte. Vielleicht wollte sie ihm noch -etwas sagen, vielleicht ihm etwas zustecken, den goldenen -Ring, Gott weiß, es ist ihr alles zuzutrauen. Aber das -muß jetzt ein Ende haben, Gustaf dankt für den Mundvorrat, -sagt Lebewohl und geht. Und geht.</p> - -<p>Da steht sie.</p> - -<p>Hjalmar! ruft sie laut, ganz unnötig laut. Es klingt -wie ein trotziger Jubelruf, wie ein Notschrei.</p> - -<p>Gustaf geht ...</p> - -<p>Den Herbst über wird nun in der ganzen Gegend bis -zum Dorf hinunter die gewöhnliche Arbeit getan; die -Kartoffeln werden herausgehackt, das Korn hereingeschafft, -die Kühe werden auf die Weide gelassen. Es sind -acht Ansiedlungen, und überall drängt die Arbeit; aber -auf dem Handelsplatz Storborg haben sie kein Vieh und -kein bestelltes Land, sie haben nur einen Garten, und -Handel haben sie auch keinen mehr, auf Storborg gibt's -keine dringende Arbeit.</p> - -<p>Auf Sellanraa haben sie eine neue Hackfrucht, die Turnips -heißt, die steht grün und riesengroß da und weht mit -den Blättern, und es ist ganz unmöglich, die Kühe davon -fernzuhalten, diese brechen alle Gatter nieder und stürmen -brüllend darauf zu. Darum müssen nun Leopoldine -und die kleine Rebekka das Turnipsfeld hüten, die kleine -Rebekka hat eine große Rute in der Hand und jagt die -Kühe mit wütendem Eifer. Der Vater arbeitet in der -Nähe, und von Zeit zu Zeit kommt er her, befühlt ihre -Hände und Füße und fragt, ob sie nicht friere. Leopoldine, -die groß und beinahe erwachsen ist, strickt beim Hüten -Strümpfe und Socken für den Winter. Sie ist in Drontheim -geboren und war fünf Jahre alt, als sie nach Sellanraa -kam; die Erinnerung an eine große Stadt mit -vielen Menschen und an eine weite Reise auf dem Dampfschiff -gleitet bei ihr immer mehr in den Hintergrund, sie -ist ein Landkind und kennt keine andere große Welt als<span class="pagenum"><a name="Seite_332" id="Seite_332">[S. 332]</a></span> -das Dorf dort unten, wo sie einige Male in der Kirche -gewesen und wo sie letztes Jahr konfirmiert worden ist ...</p> - -<p>Jetzt kommen einige Nebenarbeiten an die Reihe, so -der Weg abwärts, der an einigen Stellen kaum fahrbar -ist. Da die Erde noch nicht gefroren ist, fangen Isak -und Sivert eines schönen Tages an, an dem Wege Gräben -zu ziehen. Es sind noch zwei Stücke Moorland da, -die entwässert werden müssen.</p> - -<p>Axel Ström hat versprochen, sich an dieser Arbeit zu -beteiligen, weil auch er ein Pferd hat und den Weg -braucht. Aber nun hat Axel ein dringendes Geschäft in der -Stadt — was in aller Welt wollte er denn dort —, -es sei eine ganz dringende Sache, sagte er. Statt seiner -schickt er seinen Bruder von Breidablick zu dem Wegbau. -Fredrik heißt er.</p> - -<p>Dieser Mann war jung und neu verheiratet, ein leichtlebiger -Kunde, der gerne sein Späßchen macht und trotzdem -brauchbar ist. Er und Sivert sind einander recht -ähnlich. Nun war Fredrik, als er morgens heraufkam, -bei seinem nächsten Nachbarn Aronsen auf Storborg gewesen -und noch ganz erfüllt von dem, was ihm der Kaufmann -gesagt hatte. Es hatte damit angefangen, daß Fredrik -eine Rolle Tabak verlangte. Ich werde dir eine Rolle -Tabak verehren, wenn ich selbst eine habe, sagte Aronsen. -— So, habt Ihr nicht einmal mehr Tabak? — Nein, und -ich lasse auch keinen mehr kommen, es ist ja niemand -mehr da, der ihn kauft. Was meinst du denn, daß ich an -einer Rolle Tabak verdiene? Aronsen war in recht schlechter -Laune gewesen, er war der Ansicht, die schwedische -Grubengesellschaft habe ihn an der Nase herumgeführt. -Nun hatte er sich hier in der Einöde niedergelassen, um -Handel zu treiben, und da wurde der Grubenbetrieb eingestellt!</p> - -<p>Fredrik lächelt behaglich über Aronsen und spottet über -ihn: Nein, er hat gar kein Land bestellt und hat nicht ein<span class="pagenum"><a name="Seite_333" id="Seite_333">[S. 333]</a></span>mal -Futter für sein Vieh, das kauft er! Er ist bei mir -gewesen und wollte Heu kaufen. Nein, ich hatte kein -Heu zu verkaufen. So, du brauchst also kein Geld? fragte -er, der Aronsen. Er meint, es sei alles, wenn man nur -Geld habe, warf einen Hundertkronenschein auf den Tisch -und sagte: Da ist Geld. — Ja, Geld ist etwas Schönes, -sagte ich. — Das ist bom konstant, sagte er. Es ist gerade, -als sei er ab und zu ein bißchen närrisch, und seine Frau -läuft am hellen Werktag mit einer Taschenuhr umher — -was das nur für eine wichtige Stunde sein mag, die sie -nicht vergessen darf.</p> - -<p>Sivert fragt: Hat der Aronsen nichts von einem Mann -gesagt, der Geißler heißt? — Doch, das sei einer, der -seinen Berganteil nicht verkaufen wolle, sagte er. Aronsen -war rasend: Ein abgesetzter Lensmann, sagte er, der vielleicht -keine fünf Kronen im Beutel hat, er sollte totgeschossen -werden! — Ihr müßt nur ein wenig warten, -sagte ich. Vielleicht verkauft er später. — Nein, sagte -der Aronsen, das darfst du nicht glauben. Das begreife -ich als Kaufmann ganz gut, wenn die eine Partei zweihundertfünfzigtausend -verlangt und die andere fünfundzwanzigtausend -bietet, dann steht zuviel zwischen ihnen, -das gibt kein Geschäft. Aber Glück zu! sagte der Aronsen, -wenn nur ich mit den Meinigen den Fuß niemals in dieses -Loch gesetzt hätte. — Ja, denkt Ihr vielleicht daran, -zu verkaufen? fragte ich. — Ja, sagte er, genau an das -denke ich. Diese Moorsümpfe, dieses Loch und diese Einöde! -Ich nehme ja keine Krone mehr am Tag ein, -sagte er.</p> - -<p>Die Männer lachten über Aronsen und hatten keinerlei -Mitleid mit ihm. Glaubst du, daß er wirklich verkauft? -fragte Isak. — Ja, er tat so. Und er hat auch -schon den Knecht entlassen. Ja, der Aronsen ist ein komischer -Kerl, das ist gewißlich wahr. Den Knecht entläßt -er, der das Holz für den Winter schlagen und mit seinem<span class="pagenum"><a name="Seite_334" id="Seite_334">[S. 334]</a></span> -eigenen Pferd Heu einführen könnte, aber den Ladendiener -behält er. Es ist wohl wahr, er verkauft nicht für -eine Krone am Tag, denn er hat keine Waren mehr in -seinem Laden, aber wozu braucht er dann den Ladendiener? -Ich glaube, es ist nur Hochmut, Großtuerei. Er -muß einen Mann haben, der am Pult steht und in große -Bücher schreibt. Hahaha, ja, es ist gerade, als ob der -Aronsen ein ganz klein wenig verrückt wäre.</p> - -<p>Die drei Männer arbeiten bis zur Mittagsstunde, verzehren -dann ihr mitgebrachtes Essen und plaudern noch -ein Weilchen. Sie haben ihre eigenen Angelegenheiten zu -bereden, das Wohl und Wehe der Gegend und der Ansiedler, -das sind keine Kleinigkeiten, aber sie behandeln -sie mit Gelassenheit, sie sind gesetzte Männer, ihre Nerven -sind unverbraucht und tun nicht, was sie nicht tun -sollten. Nun kommt das Spätjahr, rundum im Wald -ist es still geworden, die Berge stehen hier und die Sonne -steht dort, am Abend kommen die Sterne und der Mond, -das sind alles feste Verhältnisse, sie sind voller Freundlichkeit -wie eine Umarmung. Hier haben die Menschen -noch Zeit, sich im Heidekraut auszuruhen, mit dem einen -Arm als Kopfkissen.</p> - -<p>Fredrik spricht von Breidablick und daß er dort noch -nicht viel habe ausrichten können. Doch, sagte Isak, du -hast schon viel getan, das hab' ich gesehen, als ich drunten -war. — Dieses Lob von dem ältesten Ansiedler in der -Gegend, dem Riesen, tut Fredrik augenscheinlich wohl, -er fragt ehrlich: Meint Ihr wirklich? Nein, es muß -immer noch besser kommen. Ich bin in diesem Jahr sooft -abgehalten worden. Das Wohnhaus mußte hergerichtet -werden, es war nicht dicht und wurde immer schlimmer, -und den Heuschuppen mußte ich einreißen und neu aufstellen. -Die Stallgamme war zu klein, ich habe Kühe -und Kälber, was der Brede zu seiner Zeit nicht gehabt -hat, sagt Fredrik stolz. — Gefällt es dir hier? fragt<span class="pagenum"><a name="Seite_335" id="Seite_335">[S. 335]</a></span> -Isak. — Ja, mir gefällt es, und meiner Frau gefällt es -auch, warum sollte es uns nicht gefallen? Wir haben -einen weiten Blick und sehen die Straße hinauf und hinunter. -Das kleine Gehölz beim Hause ist nach unserer -Meinung sehr hübsch, es sind Birken und Weiden darin, -und wenn ich Zeit habe, will ich auf der andern Seite des -Hofplatzes noch mehr Bäume pflanzen. Es ist großartig, -wie trocken das Moor schon geworden ist, seit ich im -Frühjahr Gräben gezogen habe. Nun wollen wir sehen, -was heuer darauf wächst! Ob es uns gefällt? O ja, wenn -doch meine Frau und ich Haus und Hof und Grund -und Boden haben! — Na, wollt ihr immer nur zu zweit -bleiben? fragt Sivert listig. — Nein, weißt du, es kann -wohl sein, daß wir mehr werden, erwidert Fredrik munter. -Und wenn wir schon davon reden, ob es uns hier gefällt, -so habe ich meine Frau noch nie so gedeihlich gesehen -wie jetzt.</p> - -<p>Sie arbeiten bis zum Abend. Zuweilen richten sie sich -auf und schwatzen miteinander. Du hast also keinen Tabak -bekommen? fragt Sivert. — Nein, und das tat mir -auch nicht leid. Ich rauche nicht, erwidert Fredrik. — Du -rauchst nicht? — Nein. Ich bin zu dem Aronsen nur hingegangen, -um zu hören, was er sagt. Da lachten die beiden -Spitzbuben und freuten sich diebisch.</p> - -<p>Auf dem Heimweg sind Vater und Sohn schweigsam -wie gewöhnlich. Aber Isak muß sich etwas ausgedacht -haben, denn er sagt: Du, Sivert? — Ja? erwidert -Sivert. — Ach, nichts Besonderes, sagt Isak. — Sie -gehen eine lange Strecke weiter, dann spricht der Vater -wieder: Kann denn Aronsen Handel treiben, wenn er -keine Waren mehr hat? — Nein, sagt Sivert. Aber es -sind jetzt nicht mehr viele Menschen da, für die er Waren -braucht. — So, meinst du? Ja, du kannst recht haben. — -Sivert wundert sich ein wenig über diese Worte seines -Vaters, und dieser fährt fort: Es sind jetzt allerdings<span class="pagenum"><a name="Seite_336" id="Seite_336">[S. 336]</a></span> -nur acht Ansiedlungen hier, aber es können mehr und -immer mehr werden. Wer weiß! — Sivert wundert sich -noch mehr, woran denkt sein Vater? Oh, an nichts. Wieder -gehen die beiden eine lange Strecke weiter und sind -beinahe zu Hause. Da fragt der Alte: Hm. Was meinst -du wohl, daß der Aronsen für den Hof haben will? — -Ja, das kommt nun darauf an! antwortet Sivert. Willst -du ihn kaufen? sagt er im Spaß. Aber plötzlich geht ihm -ein Licht auf, wo sein Vater hinaus will: An Eleseus -denkt der Alte. Oho, er hat ihn wohl nie vergessen gehabt, -er hat ebenso getreulich an ihn gedacht wie die -Mutter, nur auf seine eigene Weise, näher bei der Erde -und auch näher bei Sellanraa. Da sagt Sivert: Der -Preis wird wohl erschwinglich sein. Und als Sivert so viel -gesagt hat, da merkt der Vater seinerseits, daß er verstanden -worden ist, und wie wenn er Angst hätte, zu -deutlich geworden zu sein, sagt er nun schnell ein paar -Worte über den Wegbau und daß es gut sei, den hinter -sich zu haben.</p> - -<p>In den nächsten Tagen steckten Sivert und seine Mutter -die Köpfe zusammen, sie ratschlagten und hatten viel -zu flüstern, auch schrieben sie einen Brief, und als der -Samstag kam, bezeigte Sivert Lust, ins Dorf zu gehen. -— Was willst du denn schon wieder im Dorfe? du läufst -nur unnötig deine Schuhe durch, sagte der Vater sehr -ärgerlich, oh, viel grimmiger im Gesicht, als natürlich -gewesen wäre; er merkte wohl, daß Sivert auf die Post -wollte. — Ich will in die Kirche, sagte Sivert. — Einen -besseren Grund fand er nicht, und der Vater sagte: Ja, -wenn es nicht anders sein kann.</p> - -<p>Aber wenn Sivert schon einmal in die Kirche wollte, -dann konnte er auch einspannen und die kleine Rebekka -mitnehmen. Der kleinen Rebekka konnte man doch wirklich -zum erstenmal in ihrem Leben dieses Vergnügen -machen, sie hatte ja so eifrig das Turnipsfeld gehütet<span class="pagenum"><a name="Seite_337" id="Seite_337">[S. 337]</a></span> -und war im großen ganzen die Blüte und die Perle von -allen auf dem Hofe; ja, das war sie. Es wurde also angespannt, -und Rebekka bekam die Magd Jensine zur Begleitung -mit — wogegen Sivert nichts einzuwenden -hatte.</p> - -<p>Während sie fort sind, geschieht es, daß der Ladendiener -von Storborg daherkommt. Was nun? Ei, nichts -Besonderes, nur daß ein Ladendiener, ein Mann namens -Andresen daherkommt; er soll in die Berge hinauf, sein -Herr schickt ihn. Weiter ist es nichts. Und dieses Geschehnis -bringt auch keine große Aufregung auf Sellanraa -hervor, es ist nicht wie in alten Tagen, wo ein Fremder -ein seltener Anblick auf der Ansiedlung war und Inger -sich mehr oder minder darüber aufregte. Nein, Inger -ist wieder in sich gegangen und ist still und ruhig.</p> - -<p>Ein merkwürdiges Ding, dieses Andachtsbuch, ein -Führer, ja, ein Arm um den Hals! Als Inger sich selbst -verloren hatte und in den Beeren irregegangen war, -fand sie sich wieder beim Gedanken an ihre Kammer und -an das Andachtsbuch, und zurzeit war sie wieder in sich -versunken und gottesfürchtig. Sie gedenkt der längst verflossenen -Jahre, als sie, wenn sie nähte und sich in den -Finger stach, der Teufel auch! sagte. Das lernte sie von -ihren Mitschwestern an dem großen Tisch in der Nähstube. -Jetzt sticht sie sich mit der Nadel, daß es blutet, -und saugt schweigsam das Blut aus. Es gehört nicht -wenig Überwindung zu solcher Umkehr! Aber Inger ging -noch weiter. Als der steinerne Stall fertiggebaut war -und alle Arbeiter sich entfernt hatten und ganz Sellanraa -wieder einsam und verlassen dalag, da hatte Inger -eine Krisis und weinte viel und litt schwere Not. Sie -bürdete niemand als sich selbst die Schuld dafür auf, -und sie war tief demütig. Wenn sie nur mit Isak hätte -reden und sich das Herz erleichtern können; aber auf -Sellanraa sprach niemand von seinen Gefühlen, und nie<span class="pagenum"><a name="Seite_338" id="Seite_338">[S. 338]</a></span>mand -bekannte seine Fehler. So holte sie ihren Mann -sehr fürsorglich zu den Mahlzeiten herein; sie ging dazu -bis zu ihm hin und forderte ihn auf, statt nur unter -der Haustür zu rufen, und abends sah sie seine Kleider -durch und nähte die Knöpfe an. Ja, Inger ging sogar -noch weiter. Eines Nachts stützte sie sich auf den Ellbogen -und sagte: Du, Isak. — Was gibt's? fragt Isak. -— So, wachst du? — Ja. — Ach, nichts Besonderes, -sagt Inger. Aber ich bin nicht gewesen, wie ich hätte sein -sollen. — Was? fragt Isak. Das entfuhr ihm, und auch -er richtete sich auf den Ellbogen auf. Dann redeten sie -weiter miteinander, sie ist nun eben doch eine prächtige -Frau und hat das Herz voll. Ich bin nicht so gegen dich -gewesen, wie ich hätte sein sollen, sagt sie. Das tut mir -sehr leid. — Diese einfachen Worte rühren ihn, sie rühren -den Mühlengeist, und er will Inger gerne trösten; -er versteht zwar nichts von der Sache, versteht nur so -viel, daß es keine mehr gibt wie sie. — Deshalb brauchst -du nicht zu weinen, sagt Isak. Wir sind alle nicht, wie wir -sein sollten. — Ach nein, sagt sie dankbar. Oh, Isak -hatte eine gesunde Art, die Dinge zu behandeln, er richtete -sie wieder auf, wenn sie umfallen wollten. Wer ist, -wie er sein sollte! Er hatte recht; der Gott des Herzens -selbst, der doch ein Gott ist, geht auf Abenteuer aus, -und wir können es ihm ansehen, dem Wildfang: an einem -Tag taucht er in einen Rosenreichtum unter und wiegt -sich wohlig darin und leckt sich die Lippen, am anderen -Tag hat er sich einen Dorn in den Fuß getreten und zieht -ihn mit verzweifeltem Gesicht heraus. Stirbt er daran? -Oh, keine Spur. Er ist so gesund wie vorher. Das wäre -was Schönes, wenn er daran stürbe!</p> - -<p>Auch mit Inger kam das alles wieder in die Reihe, sie -überwindet es, aber sie bleibt bei ihren Andachtstunden -und findet ihren Trost darin. Inger ist jeden Tag fleißig -und geduldig und herzensgut, sie schätzt Isak vor allen<span class="pagenum"><a name="Seite_339" id="Seite_339">[S. 339]</a></span> -Männern und wünscht sich keinen andern als ihn. Natürlich -ist er dem äußeren Anschein nach kein Tausendsassa -und Sänger, aber er ist schon recht, hoho, das wollte -sie meinen! Und es bewahrheitete sich wieder, daß es ein -großer Gewinn ist, gottesfürchtig und genügsam zu sein.</p> - -<p>Und nun kam also dieser kleine Ladenjüngling von -Storborg, dieser Andresen, er kam Sonntags nach Sellanraa, -und Inger wurde darüber nicht erregt, durchaus -nicht, sie wollte nicht einmal selbst mit einem Topf Milch -zu ihm hineingehen, und da die Magd nicht zu Hause -war, schickte sie Leopoldine mit der Milch. Und Leopoldine -trug ja auch den Topf Milch recht nett hinein und -sagte Bitte! und wurde rot, obgleich sie doch ihre Sonntagskleider -trug und keinen Grund hatte sich zu schämen. -— Danke, das ist allzuviel, sagte Andresen. Ist dein -Vater zu Hause? fragte er. — Jawohl, er ist draußen -irgendwo. — Andresen trank, wischte sich den Mund mit -dem Taschentuch ab und sah nach der Uhr. Ist es weit bis -zu den Gruben? fragte er. — Nein, es ist kaum eine -Stunde. — Ich soll hinauf und sie mir für Aronsen, -bei dem ich angestellt bin, ansehen. — So. — Ja, du -kennst mich doch. Ich bin der Ladendiener bei Aronsen; -du bist schon bei uns gewesen und hast eingekauft. — -Ja. — Ich erinnere mich deiner ganz gut, du hast zweimal -bei uns eingekauft. — Das ist mehr, als ich erwarten -konnte, daß Ihr Euch meiner erinnert, sagte Leopoldine, -dann aber waren ihre Kräfte erschöpft, und sie -hielt sich an einem Stuhl fest. Andresen jedoch hatte noch -Kräfte übrig, er fuhr fort: Warum sollte ich mich nicht -mehr an dich erinnern? Und weiter fragte er: Kannst du -nicht mit mir zu den Gruben hinaufgehen?</p> - -<p>Allmählich wurde es Leopoldine ganz rot und sonderbar -vor den Augen, der Fußboden schwankte unter ihr, -und der Ladendiener Andresen sprach wie aus weiter -Ferne: Hast du keine Zeit? — Nein, sagte sie. Gott<span class="pagenum"><a name="Seite_340" id="Seite_340">[S. 340]</a></span> -weiß, wie sie wieder hinauskam in die Küche. Die Mutter -sah sie an und fragte: Was fehlt dir denn? — Nichts.</p> - -<p>Nichts, o nein! Aber seht, jetzt war Leopoldine an der -Reihe, erregt zu werden, nun begann der Kreislauf bei -ihr. Sie war ganz geeignet dazu, rund und hübsch und -neukonfirmiert, sie gab ein schönes Opfer. Ein Vogel -zwitschert in ihrer Brust, ihre langen Hände sind wie die -ihrer Mutter voller Zärtlichkeit, voller Weiblichkeit. -Konnte sie nicht tanzen? O doch. Es war ein Wunder, -wo sie es lernten, aber sie lernten tanzen, auch auf -Sellanraa, Sivert konnte es, Leopoldine konnte es, es -war ein Tanz, im Ödland entstanden, ein bodenständiges -Drehen und Wenden mit vielen Kräften, Schottisch, Mazurka, -Rheinländer und Walzer. Und warum sollte Leopoldine -nicht auch sich putzen und verliebt sein und mit -offenen Augen träumen? Genau wie andere! Als sie konfirmiert -wurde, lieh ihr die Mutter ihren goldenen Ring, -es war kein sündiger Gedanke dabei, es war nur hübsch, -und am nächsten Tag, als sie zum Abendmahl ging, -steckte sie übrigens den Ring erst an, als alles überstanden -war. Sie konnte wohl mit einem goldenen Ring am -Finger vor dem Altar stehen, sie war die Tochter eines -mächtigen Mannes, des Markgrafen.</p> - -<p>Als der Ladendiener Andresen wieder vom Berg herunterkam, -traf er Isak an und wurde ins Haus geladen. -Er bekam Mittagessen und Kaffee. Alle Hausbewohner -waren jetzt in der Stube versammelt und nahmen teil -an der Unterhaltung. Der Ladendiener erklärte, Aronsen -habe ihn hinaufgeschickt, er solle einmal untersuchen, wie -es mit den Gruben stehe, ob Anzeichen zu sehen seien, -daß der Betrieb und die Arbeit wieder aufgenommen werden -würden. Gott weiß, der Ladendiener schwindelte vielleicht -gewaltig, wenn er sagte, er sei geschickt worden, -vielleicht hatte er den Gang auf eigene Rechnung gemacht, -und jedenfalls konnte er in der kurzen Zeit, die er weg<span class="pagenum"><a name="Seite_341" id="Seite_341">[S. 341]</a></span>gewesen -war, nicht bis an die Gruben hinaufgekommen -sein. — So von außen kann man nicht sehen, ob die -Gesellschaft wieder anfangen will, sagte Isak. — Nein, -das räumte der Ladendiener ein, aber Aronsen habe ihn -nun einmal heraufgeschickt, und es sei ja auch wahr, vier -Augen sähen mehr als zwei.</p> - -<p>Aber nun konnte sich Inger nicht mehr halten, sie -fragte: Ist es wahr, was die Leute sagen, daß der Aronsen -verkaufen will? — Der Ladendiener antwortete: Er -spricht davon. Und ein Mann wie er kann tun, was er -will, er hat das Geld zu allem. — Na, hat er wirklich -soviel Geld? — Ja, erwidert der Ladendiener und nickt, -daran fehlt es nicht. — Wieder kann Inger nicht schweigen, -sie fragt: Was will er wohl für das Gut? — Doch -jetzt greift Isak ein, er ist vielleicht noch neugieriger als -Inger, aber der Gedanke, Storborg zu kaufen, soll nun -einmal durchaus nicht von ihm herrühren, und so tut -er, als ob ihn das gar nichts anginge. Er sagt: Weshalb -fragst du denn, Inger? — Ach, ich frage nur so, erwidert -sie. — Beide sehen gespannt den Ladendiener an und -warten. Endlich rückt er mit der Antwort heraus.</p> - -<p>Er spricht sehr zurückhaltend, von dem Preis weiß er -nichts, aber er weiß, was Aronsen selbst gesagt hat, daß -Storborg ihn gekostet habe. — Und wieviel ist das? fragt -Inger, denn sie vermag nicht zu schweigen und den Mund -zu halten. — Sechzehnhundert Kronen, erwidert der -Ladendiener. — Ach so! Inger schlägt sofort die Hände -zusammen, denn wenn die Weiberleute etwas nicht haben, -so ist es, in Beziehung auf Güterpreise, Witz und Verstand. -Aber sechzehnhundert Kronen sind nun einmal -keine kleine Summe hier im Ödland, und Inger hat nur -<em class="gesperrt">eine</em> Angst, daß sich nämlich Isak dadurch abschrecken -lassen könnte. Aber Isak ist unerschütterlich wie ein Fels -und sagt nur: Das machen die großen Häuser. — Ja,<span class="pagenum"><a name="Seite_342" id="Seite_342">[S. 342]</a></span> -sagt auch der Ladendiener Andresen, das machen die gewaltig -großen Häuser.</p> - -<p>Kurz ehe der Ladendiener geht, hat sich Leopoldine zur -Tür hinausgedrückt. Es ist höchst sonderbar, aber es -kommt ihr ganz unmöglich vor, ihm die Hand zu geben. -Sie hat indes einen guten Platz gefunden, sie steht in -dem neuen Stall und schaut zu einem der Fenster hinaus. -Sie trägt ein blauseidenes Band um den Hals, das hatte -sie vorher nicht gehabt, und das merkwürdigste ist, daß -sie Zeit gefunden hat, es umzubinden. Da geht er vorbei, -er ist etwas klein und rund, mit flinken Beinen, hat -einen blonden Vollbart und ist acht bis zehn Jahre älter -als sie. Er ist ganz nett, sollte sie meinen.</p> - -<p>Spät in der Nacht zwischen Sonntag und Montag -kamen die Kirchgänger wieder zurück. Alles war gut gegangen, -die kleine Rebekka hatte auf der Heimfahrt während -der letzten Stunden geschlafen, und sie wurde auch -schlafend aus dem Wagen gehoben und ins Haus getragen. -Sivert hat viel Neues erfahren, aber als die Mutter -fragt: Was gibt's denn Neues? sagt er nur: Oh, nichts -Besonderes. Der Axel hat eine Mähmaschine und einen -Reolpflug. — Was du sagst? ruft der Vater mit großem -Interesse. Hast du sie gesehen? — Ja, ich habe sie gesehen, -sie standen am Landungsplatz. — So, deshalb ist -er also in der Stadt gewesen! sagt der Vater. Und Sivert -sitzt dick geschwollen von besserem Wissen da, sagt aber -kein Wort mehr.</p> - -<p>Mochte der Vater glauben, Axel sei in die Stadt gefahren, -um eine Mähmaschine und einen Reolpflug zu -kaufen; auch die Mutter sollte das nur glauben. Ach, -aber keines der beiden Eltern glaubte das wirklich, sie -hatten auch munkeln hören, daß das mit einem neuen -Kindsmord in der Gegend zusammenhing. — Geh du -jetzt nur zu Bett! sagt der Vater schließlich.</p> - -<p>Sivert, dick geschwollen von Wissen, geht und legt sich<span class="pagenum"><a name="Seite_343" id="Seite_343">[S. 343]</a></span> -zu Bett. Axel ist zu einer Verhandlung vorgeladen, es -war eine große Sache, der Lensmann ist mit ihm hingereist. -Es war eine so große Sache, daß auch die Frau -Lensmann, die wahrhaftig wieder ein Kleines hatte, ihr -Kind verließ und mit in die Stadt reiste. Sie hatte gesagt, -sie wolle ein Wort mit dem Gericht reden.</p> - -<p>Nun schwirrten Klatsch und allerlei Gerüchte durchs -Dorf, und Sivert merkte gut, daß auch wieder von einem -älteren Kindsmord geflüstert wurde. Vor der Kirche -stockte jede Unterhaltung, wenn er sich nahte, und wäre -er nicht der gewesen, der er war, so hätten ihm die Leute -vielleicht den Rücken gekehrt. Es war recht gut, Sivert -zu sein, erstens einmal von einem großen Hof zu stammen, -eines reichen Mannes Sohn zu sein und dann auch -selbst für einen tüchtigen Kerl, für einen guten Arbeiter -zu gelten. Er wurde von anderen geschätzt und hochgeachtet, -und er hatte auch jederzeit die Volksgunst genossen. -Wenn jetzt nur nicht Jensine zu viel hörte, ehe -sie wieder nach Hause fuhren. Sivert hatte übrigens so -seine eigenen Gründe zur Beängstigung, auch die Leute -auf dem Ödland können erröten und erbleichen. Er sah, -wie Jensine mit der kleinen Rebekka aus der Kirche trat, -sie hatte auch ihn gesehen, war aber einfach vorbeigegangen. -So wartet er eine Weile und fährt dann beim -Schmied vor, um die beiden abzuholen.</p> - -<p>Beim Schmied wird zu Mittag gegessen, das ganze -Haus ist versammelt, und auch Sivert wird etwas zu -essen angeboten, aber er hat schon gegessen und dankt. -Sie wußten, daß er um diese Zeit kommen werde, sie -hätten auch die kleine Weile auf ihn warten können, in -Sellanraa hätte man das getan, aber hier tat man es -nicht. — Ach nein, du bist es jedenfalls besser gewöhnt, -sagt die Frau des Schmieds. — Hast du in der Kirche -etwas Neues erfahren? fragte der Schmied, obgleich er -selbst in der Kirche gewesen ist.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_344" id="Seite_344">[S. 344]</a></span></p> - -<p>Als Jensine und die kleine Rebekka auf dem Wagen -sitzen, sagt die Schmiedfrau zu ihrer Tochter: Ja, ja, -Jensine, laß es nun nicht zu lange anstehen, bis du wieder -nach Hause kommst. — Das kann man auf zwei -Arten verstehen, dachte Sivert, aber er mischte sich nicht -in die Sache. Wäre die Rede ein klein wenig bestimmter -gewesen, so hätte er vielleicht Antwort gegeben. Er runzelt -die Stirne und wartet — nein, nichts mehr.</p> - -<p>Sie fahren heimwärts, und die kleine Rebekka ist die -einzige, die etwas zu plaudern hat, sie ist erfüllt von -dem Erlebnis ihres Kirchganges, von dem Geistlichen in -seinem schwarzen Talar mit dem silbernen Kreuz, von -dem Lichterglanz und dem Orgelschall. Nach einer langen -Weile sagt Jensine: Das mit Barbro ist eine Schande! -— Was hat deine Mutter damit gemeint, daß du bald -wieder nach Hause kommen sollest? fragt Sivert. — -Was sie damit meinte? — Willst du uns verlassen? — -Einmal muß ich ja doch wieder nach Hause, sagt sie. — -Prrr! ruft Sivert und hält das Pferd an. Soll ich jetzt -gleich wieder mit dir umdrehen? fragt er. — Jensine -sieht ihn an, er ist blaß wie der Tod. — Nein, erwidert -sie, und gleich darauf fängt sie an zu weinen. Die kleine -Rebekka sieht erstaunt von einem zum andern. Ach, die -kleine Rebekka war sehr nützlich auf einer solchen Fahrt, -sie ergriff Partei für Jensine, streichelte sie und brachte -sie wieder dazu, daß sie lächelte. Und als die kleine Rebekka -ihrem Bruder drohte, sie werde vom Wagen springen -und sich einen Stecken für ihn suchen, da mußte -auch Sivert lächeln. — Aber nun muß ich fragen, was -du gemeint hast? sagt Jensine. — Sivert antwortet ohne -Bedenken: Ich meinte, daß wir, wenn du uns verlassen -wollest, eben sehen müßten, ohne dich fertig zu werden. -— Lange Zeit darauf sagte Jensine: Jawohl, die Leopoldine -ist ja nun erwachsen und kann meine Arbeit tun.</p> - -<p>Es wurde eine wehmütige Heimfahrt.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_345" id="Seite_345">[S. 345]</a></span></p> - - - - -<h3>7</h3> - - -<p>Ein Mann geht übers Ödland hinauf. Es stürmt -und regnet, die Herbstregen haben begonnen, aber -darum kümmert sich dieser Mann nicht, er sieht -froh aus und ist es auch; es ist Axel Ström, er kommt -vom Verhör, wo er freigesprochen worden ist. Und er ist -froh: erstens stehen eine Mähmaschine und ein Reolpflug -für ihn drunten am Landungsplatz, und zweitens ist er -freigesprochen. Er hat nicht geholfen, ein Kind zu ermorden. -So kann es gehen!</p> - -<p>Aber was für schwere Stunden hat er durchgemacht! -Als er dastand und Zeugnis ablegte, hatte dieser sich in -täglicher Arbeit abmühende Mann die schwerste Arbeit -seines Lebens vor sich gehabt. Er hatte keinen Nutzen davon, -Barbros Schuld zu vergrößern, deshalb nahm er -sich in acht, ja nicht zuviel zu sagen, ja, er sagte nicht -einmal alles, was er wußte, jedes Wort mußte aus ihm -herausgefragt werden, und meistens antwortete er nur -mit ja und nein. War das nicht genug? Sollte die Sache -noch größer gemacht werden, als sie schon war? Ach, es -sah häufig aus, als ob es Ernst werden wollte; die hohe -Obrigkeit war gar so schwarz gekleidet und gefährlich, -mit wenigen Worten hätte sie alles zum Schlimmsten -wenden und ihn vielleicht gar verurteilen können. Aber -es waren nette Leute, sie wollten seinen Untergang nicht. -Und außerdem traf es sich auch noch so, daß mächtige -Kräfte in Tätigkeit waren, um Barbro zu retten, und -das gereichte auch ihm zum Nutzen.</p> - -<p>Was in aller Welt konnte ihm nun noch geschehen?</p> - -<p>Barbro selbst konnte doch wohl nicht auf die Gedanken -kommen, Aussagen zu machen, die ihren gewesenen -Hausherrn und Liebsten belastet hätten; er war im Besitz -eines gar zu furchtbaren Wissens, sowohl um diese -wie um eine frühere Kindsangelegenheit, so dumm war<span class="pagenum"><a name="Seite_346" id="Seite_346">[S. 346]</a></span> -Barbro nicht. Oh, und sie war schlau genug, sie lobte -Axel und sagte, er habe nicht das mindeste von ihrer -Niederkunft gewußt, bis alles vorüber gewesen sei. Er -sei ziemlich eigen, und sie stimmten nicht überein, aber -er sei ein stiller Mann und ein ausgezeichneter Mensch. -Nein, daß er ein neues Grab gegraben und die Leiche hineingetan -habe, das sei viel später geschehen, und zwar -nur deshalb, weil er meinte, das erste Grab sei nicht -trocken genug; das sei es übrigens doch gewesen, nur -sei Axel eben gar so eigen.</p> - -<p>Was konnte also Axel geschehen, wenn Barbro so die -ganze Schuld auf sich nahm? Und für Barbro selbst -waren sehr mächtige Kräfte in Bewegung; die Frau Lensmann -Heyerdahl war in Bewegung.</p> - -<p>Sie ging zu Hoch und Nieder und schonte sich keineswegs, -sie verlangte als Zeugin verhört zu werden und -hielt vor Gericht eine große Rede. Als sie an die Reihe -kam, stand sie vor den Schranken als recht vornehme -Dame, sie erfaßte die Frage des Kindsmordes in ihrer -ganzen Breite und hielt dem Gericht eine Vorlesung; -man hätte meinen können, sie habe sich die Erlaubnis -dazu im voraus erwirkt. Man konnte von der Frau Lensmann -sonst denken, was man wollte, aber Reden halten -konnte sie, und gelehrt in Politik und allen sozialen Fragen -war sie. Es war nur ein Wunder, wo sie alle die -Worte hernahm. Ab und zu hatte es den Anschein, als -wolle der Vorsitzende versuchen, sie zu veranlassen, etwas -mehr zur Sache zu kommen, aber er hatte augenscheinlich -nicht das Herz, sie zu unterbrechen, und so ließ er sie -weiterreden. Und zum Schluß förderte sie einige brauchbare -Aufklärungen zutage und machte dem Gericht einen -aufsehenerregenden Vorschlag.</p> - -<p>Von rechtstechnischen Weitläufigkeiten abgesehen, ging -die Geschichte zu wie folgt:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_347" id="Seite_347">[S. 347]</a></span></p> - -<p>Wir Frauen, sagte die Frau Lensmann, wir sind die -unglückliche und unterdrückte Hälfte der Menschheit. Die -Männer machen die Gesetze, wir Frauen haben keinen -Einfluß darauf. Aber kann sich nun etwa ein Mann hineinversetzen -in das, was es für eine Frau heißt, ein Kind -zu gebären? Hat er ihre Angst gefühlt, hat er die unsäglichen -Schmerzen gefühlt, und hat er ihre Weheschreie -ausgestoßen?</p> - -<p>In dem Falle hier ist es ein Dienstmädchen, das ein -Kind geboren hat. Sie ist unverheiratet, sie muß also -die ganze Zeit ihrer Schwangerschaft über ihren Zustand -zu verbergen suchen. Warum muß sie ihn verbergen? -Der Vorurteile der menschlichen Gesellschaft wegen. -Diese Gesellschaft verachtet die Ledige, die ein Kind unter -dem Herzen trägt. Sie beschützt sie nicht allein nicht, -nein, sie verfolgt sie auch noch mit Schande und Verachtung. -Ist das nicht haarsträubend? Jawohl, und jeder -Mensch mit einem Herz im Leibe muß sich darüber empören! -Das Mädchen muß nicht nur ein Kind gebären, -was an sich schon schlimm genug wäre, nein, es soll auch -noch dafür als Verbrecherin gebrandmarkt werden. Ich -kann nur sagen, für dieses Mädchen hier auf der Anklagebank -war es ein Glück, daß ihr Kind durch einen -unglücklichen Zufall im Bach zur Welt kam und sofort -ersticken mußte. Es war ein Glück für sie und für das -Kind. Solange die Gesellschaft so ist wie jetzt, müßte eine -ledige Mutter straffrei ausgehen, und wenn sie auch ihr -Kind absichtlich umbringt!</p> - -<p>Hier läßt der Vorsitzende ein schwaches Murren hören.</p> - -<p>Oder jedenfalls dürfte sie nur unbedeutend bestraft -werden, sagt die Frau Lensmann. Selbstverständlich sind -wir alle darüber einig, daß das Leben des Kindes erhalten -bleiben muß, sagte sie, aber sollte denn von allen -Gesetzen der Menschlichkeit gar kein einziges auch für die -unglückliche Mutter gelten? Stellen Sie sich doch ein<span class="pagenum"><a name="Seite_348" id="Seite_348">[S. 348]</a></span>mal -vor, was sie alles während der Schwangerschaft -durchgemacht hat, welche Qualen sie erduldet hat, um -ihren Zustand zu verbergen, und wie sie keinen Ausweg -mehr wußte weder für sich selbst, noch für ihr Kind. -Darein kann sich überhaupt kein Mensch versetzen, sagte -sie. Das Kind stirbt jedenfalls eines wohlgemeinten -Todes. Die Mutter wünscht weder sich selbst noch diesem -lieben Kinde etwas so Böses, daß es leben soll, die -Schande ist ihr zu schwer zu tragen, und indessen reift -der Plan in ihr, das Kind zu töten. So gebiert sie im -geheimen, und vierundzwanzig Stunden lang ist sie so -von Sinnen, daß sie bei der Tat unzurechnungsfähig -ist. Sie hat sie sozusagen gar nicht wirklich verübt, so von -Sinnen ist sie. Während ihr noch von der Niederkunft -jeder Knochen und jeder Muskel im Leibe weh tut, muß -sie das Kind umbringen und die Leiche wegschaffen — -stellen Sie sich einmal die Willensanspannung vor, die -zu dieser Arbeit gehört! Aber natürlich wünschen wir -alle, daß die Kinder am Leben bleiben, und es ist schwer -zu beklagen, daß das Leben von einigen ausgelöscht wird. -Aber das ist einzig und allein die Schuld der menschlichen -Gesellschaft, dieser hoffnungslosen, unbarmherzigen, verleumderischen, -verfolgungswütigen, boshaften Gesellschaft, -die allzeit auf der Wacht steht, um die ledige Mutter -mit allen Mitteln zu erdrosseln!</p> - -<p>Aber selbst nach dieser Behandlung seitens der Gesellschaft -können sich die mißhandelten Mütter wieder erheben. -Sehr oft fangen gerade diese Mädchen nach ihrem -gesellschaftlichen Fehltritt an, ihre besten und edelsten -Eigenschaften zu entwickeln. Das Gericht könnte sich ja -einmal bei den Vorsteherinnen der Asyle, in denen Mutter -und Kind aufgenommen werden, erkundigen, ob das nicht -wahr ist! Und es ist erfahrungsgemäß erwiesen, daß gerade -die Mädchen, die — ja, die von der Gesellschaft gezwungen -worden sind, ihr Kind zu töten, ausgezeichnete<span class="pagenum"><a name="Seite_349" id="Seite_349">[S. 349]</a></span> -Kindermädchen werden. Das sollte doch jedermann Stoff -zum Nachdenken geben.</p> - -<p>Eine andere Seite der Sache ist die: Warum soll der -Mann straffrei ausgehen? Die Mutter, die einen Kindsmord -begangen hat, wird gepeinigt und ins Gefängnis -geworfen, er jedoch, der Vater des Kindes, der Verführer, -dem geschieht nichts. Aber solange er der Urheber -des Kindes ist, hat er auch teil an dem Morde, und -zwar den größeren Anteil, ohne ihn wäre das Unglück -überhaupt nicht geschehen. Warum geht er frank und -frei aus? Weil die Gesetze von den Männern gemacht -werden, das ist die Antwort. Man sollte laut den Himmel -um Schutz gegen diese Männergesetze ausrufen! Und -das wird niemals besser, solange wir Frauen nicht bei -den Wahlen und in den gesetzgebenden Versammlungen -ein Wort mitzureden haben.</p> - -<p>Aber, sagt die Frau Lensmann, wenn nun dieses grausame -Gesetz die schuldige — oder mehr oder minder -schuldige — unverheiratete Mutter trifft, die einen Kindsmord -begeht, was sollen wir dann von der unschuldigen -sagen, die nur des Mordes verdächtigt wird und gar -keinen Kindsmord begangen hat? Welche Genugtuung -gibt die Gesellschaft diesem ihrem Opfer? Keinerlei Genugtuung! -Ich bezeuge, daß ich das hier sitzende angeklagte -Mädchen kenne, seit es ein Kind gewesen ist; sie -war in meinen Diensten, ihr Vater ist meines Mannes -Amtsdiener. Wir Frauen erlauben uns, gerade entgegengesetzt -zu denken und zu fühlen als die Männer mit -ihren Anklagen und Verfolgungen, wir erlauben uns, eine -Ansicht über die Dinge zu haben. Das Mädchen hier ist -verhaftet und ihrer Freiheit beraubt, verdächtigt, erstens -einmal im geheimen geboren und zweitens ihr Kind umgebracht -zu haben. Sie hat — daran zweifle ich durchaus -nicht — beides nicht getan. Das Gericht wird selbst zu -dieser sonnenklaren Schlußfolgerung kommen. Im ge<span class="pagenum"><a name="Seite_350" id="Seite_350">[S. 350]</a></span>heimen? -Sie hat am hellen Tag geboren. Wohl ist sie -allein gewesen, aber wer hätte bei ihr sein sollen? Sie -wohnte weit droben im Ödland, der einzige Mensch außer -ihr selbst, der zur Stelle war, das war ein Mann; hätte -sie einen solchen in diesem Augenblick zur Hilfe rufen -sollen? Wir Frauen empören uns schon allein bei diesem -Gedanken, wir schlagen schamvoll die Augen nieder. — -Und dann soll sie das Kind getötet haben? Es wurde in -einem Bach geboren, sie lag da in dem eiskalten Wasser, -als sie gebar. Wie ist sie in den Bach gekommen? Sie -ist ein Dienstmädchen, also eine Sklavin, sie hat ihre -täglichen Pflichten zu erfüllen, sie wollte in den Wald, -um Wacholder zum Scheuern ihres Melkeimers zu holen. -Als sie durch den Bach watet, gleitet sie aus und fällt. -Sie bleibt liegen, das Kind wird geboren und erstickt im -Wasser.</p> - -<p>Die Frau Lensmann hält inne. Sie konnte es den Richtern -und den Zuhörern ansehen, daß sie wunderbar gut -gesprochen hatte, es war mäuschenstill im Saal, und -nur Barbro trocknete sich von Zeit zu Zeit die Augen vor -Rührung. Dann schließt die Frau Lensmann: Wir Frauen -haben ein Herz; ich habe meine eigenen Kinder fremden -Händen anvertraut, um hierherreisen, um für das unglückliche -Mädchen, das hier sitzt, Zeugnis ablegen zu -können. Männergesetze können einer Frau nicht verbieten -zu denken: ich denke, daß das Mädchen hier ausreichend -dafür bestraft ist, überhaupt nichts Böses getan zu haben. -Sprechen Sie die Angeklagte frei, dann werde ich sie mit -nach Hause nehmen, und sie wird das ausgezeichnetste -Kindermädchen werden, das ich je gehabt habe.</p> - -<p>Die Frau Lensmann ist zu Ende.</p> - -<p>Der Vorsitzende bemerkt: Ja, aber wären es nun nach -der Rede der Frau Lensmann nicht eigentlich die Kindsmörderinnen, -die die ausgezeichneten Kindermädchen -geben sollen? Oh, aber der Vorsitzende war nicht uneinig<span class="pagenum"><a name="Seite_351" id="Seite_351">[S. 351]</a></span> -mit Frau Lensmann Heyerdahl, ganz im Gegenteil, auch -er fühlte menschlich, ganz priesterlich mild. Während der -Staatsanwalt dann noch ein paar Fragen an die Frau -Lensmann richtete, saß der Vorsitzende ruhig auf seinem -Stuhl und schrieb sich Anmerkungen auf.</p> - -<p>Es war nicht viel mehr als eine Vormittagsverhandlung, -da nur sehr wenige Zeugen zu verhören waren und -die Sache ja auch ganz klar lag. Axel Ström saß da und -hoffte das Beste, da schienen sich indes plötzlich der -Staatsanwalt und die Frau Lensmann zu vereinigen, -um ihn in Ungelegenheiten zu bringen, weil er die Kindsleiche -begraben hatte, statt den Todesfall zu melden. Er -wurde mit Strenge verhört und hätte vielleicht diesen -Punkt nicht allzu gut erklären können, wenn er nicht hinten -im Saal Geißler wahrgenommen hätte. Ganz richtig, -da saß Geißler! Das gab Axel eine Art Stütze, er fühlte -sich nicht mehr einsam und verlassen der Obrigkeit gegenüber, -die ihm zu Leibe wollte; Geißler nickte ihm zu.</p> - -<p>Jawohl, Geißler war in die Stadt gekommen. Er hatte -sich zwar nicht als Zeuge gemeldet, aber er war doch zur -Stelle. Er hatte auch vor Beginn der Verhandlung einige -Tage dazu verwendet, sich Einsicht in den Fall zu verschaffen -und das aufzuschreiben, was er noch von Axels -Bericht auf Maaneland wußte. Die meisten der vorliegenden -Dokumente waren in Geißlers Augen nur Wische; -dieser Lensmann Heyerdahl war ein sehr beschränkter -Mensch, er hatte es bei seiner Untersuchung von Anfang -an darauf angelegt, Axel zum Mitwisser an dem Kindsmord -zu stempeln. Dieser Esel, dieser Dummkopf, er -verstand nicht das mindeste vom Leben im Ödland, er -sah nicht ein, daß dieses Kind gerade das Band war, das -die weibliche Hilfskraft an Axels Hof fesseln sollte.</p> - -<p>Geißler redete mit dem Staatsanwalt, aber er gewann -den Eindruck, daß dies gar nicht nötig gewesen wäre. Er -wollte Axel dazu verhelfen, daß er wieder auf seinen Hof<span class="pagenum"><a name="Seite_352" id="Seite_352">[S. 352]</a></span> -im Ödland kam, aber Axel brauchte gar keine Hilfe. -Nein, denn es sah ja sogar ganz vielversprechend für -Barbro selbst aus, und wenn sie freigesprochen wurde, -fiel Axels Mitschuld von selbst weg. Es kam nur noch auf -die Zeugenaussagen an.</p> - -<p>Nachdem die paar Zeugen verhört waren — Oline war -nicht vorgeladen, aber der Lensmann, Axel, ein Sachverständiger -und ein paar Mädchen aus der Gemeinde —, -nachdem also diese verhört waren, wurde Mittagspause -gemacht, und Geißler ging wieder zu dem Staatsanwalt -hin. Nein, der Staatsanwalt hatte die Ansicht, daß es -immer noch vielversprechend für Barbro aussehe. Frau -Lensmann Heyerdahls Zeugnis war von großem Einfluß -gewesen. Es komme auf die Geschworenen an.</p> - -<p>Nehmen Sie besonderen Anteil an diesem Mädchen? -erkundigte sich der Staatsanwalt. — Einigermaßen, erwiderte -Geißler. Eigentlich nehme ich mehr Anteil an -dem Manne. — Hat sie auch bei Ihnen gedient? — Nein, -sie hat nicht bei mir gedient. — Ach so, an dem Manne -also? Aber das Mädchen? Die Teilnahme des Gerichtes -ist auf ihrer Seite. — Nein, sie hat nicht bei mir gedient. -— Der Mann ist mehr verdächtig, sagt der Staatsanwalt. -Er geht ganz allein hin und begräbt die Kindsleiche -mitten im Wald. Das ist entschieden verdächtig. — Er -wollte das Kind wohl nur richtig begraben, sagt Geißler, -das war beim erstenmal nicht geschehen. — Nun, sie -war eine Frau und hatte nicht die Kraft eines Mannes -zum Graben, und in dem Zustand, in dem sie sich befand, -vermochte sie es nicht. Im großen ganzen, sagt der -Staatsanwalt, haben wir uns zu einer menschlicheren Ansicht -über diese Kindsmorde durchgerungen. Ich möchte es -als Richter nicht auf mich nehmen, dieses Mädchen zu -verurteilen, und wie die Sache liegt, kann ich ihre Verurteilung -nicht beantragen. — Das ist sehr erfreulich, -sagte Geißler mit einer Verbeugung. — Der Staats<span class="pagenum"><a name="Seite_353" id="Seite_353">[S. 353]</a></span>anwalt -fuhr fort: Als Mensch und Privatmann würde -ich sogar noch weitergehen: ich würde keine einzige ledige -Mutter, die ihr Kind umbringt, zur Strafe verurteilen. -— Es ist sehr interessant, daß der Herr Staatsanwalt -und die Dame, die heute Zeugnis abgelegt hat, gleicher -Ansicht sind. — Ach sie! Sie hat übrigens gut gesprochen. -Aber wozu alle diese Verurteilungen? Eine ledige Mutter -hat schon zum voraus so unerhörte Qualen erduldet und -sie wird durch die Härte und Brutalität der Welt in allen -menschlichen Verhältnissen so tief hinuntergedrückt, daß -das Strafe genug ist. — Geißler erhob sich und sagte -zum Schluß: Ja, aber die Kinder? — Allerdings, mit -den Kindern ist es sehr traurig, erwiderte der Staatsanwalt. -Aber schließlich ist es ja auch für die Kinder ein -Segen. Und gerade solchen unehelichen Kindern, wie -schlecht geht es ihnen gewöhnlich! Was wird aus ihnen? -— Geißler wollte vielleicht diesen wohlgenährten Mann -ein wenig reizen, oder vielleicht wollte er sich auch nur -als tiefsinnig und geheimnisvoll aufspielen, er sagte: -Erasmus war ein lediges Kind. — Erasmus? — -Erasmus von Rotterdam. — Ach so. — Und Leonardo -war ein lediges Kind. — Leonardo da Vinci? So. Ja, -Ausnahmen kommen natürlich vor, sie bestätigen nur -die Regel. Aber im großen und ganzen! — Wir schützen -Vögel und Tiere, sagte Geißler, und es klingt etwas -sonderbar, daß kleine Kinder nicht auch geschützt werden -sollen. — Der Staatsanwalt griff langsam und würdevoll -nach einigen Papieren, zum Zeichen, daß er jetzt -abbrechen müsse. Ja, sagte er geistesabwesend, ja, jawohl. -Geißler bedankte sich für die außerordentlich lehrreiche -Unterredung, der er gewürdigt worden sei, und -ging.</p> - -<p>Er setzte sich in den Gerichtssaal, um beizeiten da zu -sein. Seine geheime Macht kitzelte ihn wohl sehr: er wußte -von einem gewissen abgeschnittenen Hemd, in dem —<span class="pagenum"><a name="Seite_354" id="Seite_354">[S. 354]</a></span> -Besenreis geholt werden sollte, und von einer Kindsleiche, -die einmal im Stadthafen herumtrieb; er konnte -das Gericht aufsitzen lassen, ein Wort von ihm würde so -gut sein wie tausend Schwerter. Aber Geißler hatte gewiß -nicht im Sinn, dieses Wort jetzt auszusprechen, wenn -es nicht notwendig wurde. Das war ja ausgezeichnet, -sogar der öffentliche Ankläger stand auf seiten der Angeklagten!</p> - -<p>Der Saal füllte sich, und das Gericht trat wieder zusammen.</p> - -<p>Das wurde eine reizende Komödie in der kleinen Stadt, -der ermahnende Ernst des Staatsanwalts, des Verteidigers -rührselige Beredsamkeit. Die Geschworenen saßen -da und horchten zu, was sie wohl über Barbro und den -Tod ihres Kindes zu denken hätten.</p> - -<p>Allerdings, so ganz einfach war es nun doch nicht, das -herauszufinden. Der Staatsanwalt war ein schöner Mann -von Ansehen, und er war gewiß auch ein guter Mensch, -aber etwas mußte ihn ganz kürzlich erst geärgert haben, -oder vielleicht war ihm eingefallen, daß er in der norwegischen -Rechtspflege einen Standpunkt aufrechtzuerhalten -habe, wer weiß! Es war unbegreiflich, aber er war -nicht mehr so zugänglich wie am Vormittag, er rügte die -Missetat, falls sie geschehen sei, scharf, sagte, es sei ein -dunkles Blatt, wenn mit Bestimmtheit gesagt werden -könne, daß die Sache wirklich so dunkel sei, wie man nach -einzelnen Zeugenaussagen glauben und meinen könne. -Darüber hätten die Gerichtsbeisitzer zu entscheiden. Er -selbst möchte die Aufmerksamkeit auf drei Punkte lenken: -der erste Punkt sei der, ob hier eine Geburt im geheimen -vorliege, ob diese Frage den Herren Richtern klar sei? -Hier machte er einige persönliche Bemerkungen. Der -zweite Punkt sei das Kleidungsstück, das halbe Hemd, -wozu die Angeklagte das mitgenommen habe? Ob sie -eine Ahnung gehabt habe, daß sie es brauchen werde?<span class="pagenum"><a name="Seite_355" id="Seite_355">[S. 355]</a></span> -Er entwickelte diesen Punkt noch weiter. Der dritte Punkt -sei das sehr verdächtige heimliche Begräbnis, ohne den -Todesfall dem Geistlichen und dem Lensmann zu melden. -Hierbei sei der hier anwesende Mann die Hauptperson -gewesen, und es sei von der größten Wichtigkeit -für die Geschworenen, sich hier die richtige Ansicht zu -bilden. Denn es sei ja doch einleuchtend, daß der Mann -Mitwisser sei, und wenn er das Begräbnis auf eigene -Hand vorgenommen hatte, so mußte sein Dienstmädchen -eine Missetat begangen haben, deren Mitwisser er geworden -war.</p> - -<p>Hm! ertönte es im Saale.</p> - -<p>Axel Ström merkte, daß er wieder in Gefahr war; -er begegnete, als er aufsah, nicht einem einzigen Blick, -aller Augen hingen an dem Redner. Aber ganz hinten -im Saale saß Geißler wieder, er sah äußerst überlegen -aus, als ob er platzen wolle vor Hochmut, mit seiner vorgeschobenen -Unterlippe und mit gen Himmel gewandtem -Gesicht. Diese ungeheure Gleichgültigkeit gegen den Ernst -des Gerichtes, dieses laute gen Himmel gesandte Hm -wirkte ermunternd auf Axel, er fühlte sich wieder der ganzen -Welt gegenüber nicht mehr allein.</p> - -<p>Und nun kam endlich die Sache ins Blei, dieser Staatsanwalt -schien endlich zu der Einsicht zu kommen, daß es -nun genug sei, er hatte so viel Bosheit und Verdacht gegen -Axel verbreitet, als irgend möglich war, nun hielt er inne. -Ja, der Herr Staatsanwalt machte gewissermaßen vollkommen -kehrt, er beantragte nicht einmal Barbros Verurteilung. -Er sagte zum Schluß geradeheraus, daß er -selbst nach den vorliegenden Zeugenaussagen nicht die -Verurteilung der Angeklagten beantragen könne.</p> - -<p>Das ist ja sehr gut, dachte Axel. Dann hat die Geschichte -ein Ende.</p> - -<p>Nun legte sich der Verteidiger ins Zeug, ein junger -Mann, der die Juristerei studiert hatte und dem nun in<span class="pagenum"><a name="Seite_356" id="Seite_356">[S. 356]</a></span> -diesem prächtigen Fall die Verteidigung anvertraut worden -war. Es war auch nachher nur eine Stimme darüber, -noch niemals sei ein Mann so sicher gewesen, eine Unschuldige -zu verteidigen. Im Grunde war ihm diese Frau -Lensmann Heyerdahl zuvorgekommen, sie hatte ihm am -Vormittag verschiedene Argumente gestohlen, er war sehr -unzufrieden damit, daß sie die Gesellschaft ausgenützt -hatte. — Oh, die Gesellschaft hatte auch bei ihm sehr -viel auf dem Kerbholz! Er war ärgerlich auf den Vorsitzenden, -daß er Frau Heyerdahl das Wort nicht entzogen -hatte. Das war ja eine ganz richtige Verteidigungsrede -gewesen, die sie gehalten hatte; was blieb da ihm -noch übrig?</p> - -<p>Er fing mit dem allerersten Anfang von Barbro Bredes -Lebenslauf an; sie stammte aus kleinen Verhältnissen, -übrigens von strebsamen und achtungswerten -Eltern, sie sei frühzeitig in den Dienst gekommen, und -zwar zuerst zu dem Lensmann. Wir haben heute die Ansicht -gehört, die ihre Dienstherrin, Frau Heyerdahl, von -ihr hatte, sie könnte nicht strahlender sein. Dann sei Barbro -nach Bergen gekommen. Der Verteidiger verbreitet -sich eingehend über das sehr wohlmeinende Zeugnis, das -ihr von den beiden Kontoristen in Bergen, bei denen sie -eine Vertrauensstellung eingenommen hatte, ausgestellt -worden war. Dann sei Barbro wieder heimgekommen, -als Haushälterin bei einem Junggesellen draußen im -Ödland. Hier habe ihr Unglück angefangen.</p> - -<p>Von diesem Junggesellen habe sie ein Kind unter dem -Herzen getragen. Der geehrte Herr Staatsanwalt habe -— übrigens auf die allertaktvollste und schonendste Weise -— die Möglichkeit einer Geburt im geheimen angedeutet. -Ob Barbro ihren Zustand verborgen, ob sie ihn verhehlt -habe? Die beiden Zeuginnen, Mädchen aus ihrem Heimatdorf, -hatten gemeint, daß sie guter Hoffnung sei, und -als sie sie fragten, leugnete sie durchaus nicht, sie ging<span class="pagenum"><a name="Seite_357" id="Seite_357">[S. 357]</a></span> -nur kurz darüber weg. So machten es junge Mädchen in -diesen Fällen, sie gingen kurz darüber weg. Sonst sei -Barbro überhaupt von niemand gefragt worden. Ob sie -zu ihrer Frau gegangen sei und ihr gebeichtet habe? Sie -habe keine Frau gehabt, sie sei selbst die Frau gewesen. -Einen Hausherrn habe sie allerdings gehabt; aber so ein -junges Mädchen gehe mit einem solchen Geheimnis nicht -zu ihrem Herrn, sie trage ihr Kreuz allein, sie spreche -nicht davon, sie flüstere nicht einmal, sie sei eine Trappistin. -Sie verstecke sich nicht, aber sie halte sich in der -Einsamkeit.</p> - -<p>Das Kind werde geboren, es sei ein ausgetragener -und wohlgebildeter Junge, er habe nach der Geburt gelebt -und geatmet, aber er sei erstickt. Das Schwurgericht -kenne die näheren Umstände bei dieser Geburt, sie sei im -Wasser vor sich gegangen, die Mutter sei im Bach gestürzt -und habe dort geboren, sie sei nicht imstande gewesen, das -Kind zu retten, sie habe liegenbleiben müssen und sich -selbst erst nachher ans Land retten können. Nun gut, -an dem Kinde sei keine Spur von ihm angetaner Gewalt -zu entdecken gewesen, es trage keine Spuren davon -an seinem Leibe, niemand habe seinen Tod gewollt, -es sei im Wasser erstickt. Es sei gar nicht möglich, eine natürlichere -Erklärung für seinen Tod zu finden.</p> - -<p>Der geehrte Herr Staatsanwalt habe auf ein Kleidungsstück -hingedeutet: es sei ein dunkler Punkt, daß -sie dieses halbe Hemd mit auf ihren Gang genommen -habe. Aber nichts sei klarer als diese Dunkelheit; sie habe -den Lappen mitgenommen, um Wacholderreis darein zu -sammeln. Sie hätte ja auch — sagen wir einmal — -einen Kissenbezug mitnehmen können, aber sie habe nun -einmal das Stück Hemd mitgenommen; etwas habe sie ja -doch haben müssen, sie hätte das Wacholderreis nicht in -den Händen heimtragen können. Nein, hierüber könne -sich das Gericht vollständig beruhigen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_358" id="Seite_358">[S. 358]</a></span></p> - -<p>Aber es gäbe da noch einen anderen Punkt, der nicht -ganz so klar sei. Ist der Angeklagten die Unterstützung -und die Sorgfalt zuteil geworden, die ihr Zustand zu -jener Zeit verlangte? Wurde sie von ihrem Hausherrn -mit Schonung behandelt? Schön, wenn er es getan hat. -Das Mädchen habe hier während des Verhörs mit Anerkennung -von ihrem Hausherrn gesprochen, das deute -auf eine gute und edle Gesinnung von ihr. Der Mann -selbst, Axel Ström, habe in seinen Aussagen die Beklagte -durchaus nicht belastet — und darin habe er auch ganz -recht getan, um nicht zu sagen klug, denn mit ihr würde -auch er freigesprochen werden. Möglichst viel Schuld auf -sie zu werfen, würde ja, wenn es zu ihrer Verurteilung -führte, ihn selbst mit ins Verderben reißen.</p> - -<p>Es sei unmöglich, sich in der vorliegenden Sache in -die Akten zu vertiefen, ohne vom innigsten Mitleid mit -diesem Mädchen und ihrer Verlassenheit ergriffen zu -werden. Und dennoch habe sie nicht nötig, die Barmherzigkeit -anzurufen, sie wende sich nur an die Gerechtigkeit und -das Verständnis. Sie und ihr Hausherr seien gewissermaßen -verlobt miteinander, aber Uneinigkeit und entgegengesetzte -Interessen schlössen die Ehe aus. Bei diesem -Mann könne dieses Mädchen in der Zukunft nicht das -Glück finden. Es sei nicht angenehm, davon zu reden, aber -um noch einmal auf das mitgenommene Kleidungsstück -zu kommen, wenn man der Sache nähertrete, so habe das -Mädchen nicht eines von ihren eigenen, sondern eines -von den Hemden ihres Hausherrn mitgenommen. Wir -haben uns selbst gleich zu Anfang gefragt: War ihr dieses -Hemd von ihm zur Verfügung gestellt worden? sagte -der Verteidiger. Hier, meinten wir, könnte eine Möglichkeit -bestehen, daß der Mann Axel die Hand mit im -Spiel gehabt habe.</p> - -<p>Hm! machte es hinten im Saale. Das klang so hart -und laut, daß der Redner innehielt, aller Augen suchten<span class="pagenum"><a name="Seite_359" id="Seite_359">[S. 359]</a></span> -nach dem Urheber dieser Unterbrechung, und der Vorsitzende -schleuderte einen scharfen Blick in jene Richtung.</p> - -<p>Aber, fuhr der Verteidiger fort, nachdem er sich wieder -gefaßt hatte, auch über diesen Punkt können wir völlig -beruhigt sein, dank der Angeklagten selbst. Obgleich es -in ihrem Vorteil gelegen hätte, hier die Hälfte der Schuld -von sich abzuwälzen, hat sie das doch nicht getan. Sie hat -auf das bestimmteste Axel Ström von dem Verdacht freigesprochen, -er habe etwas davon gewußt, daß sie sein -Hemd statt des ihrigen an den Bach mitgenommen hatte -— ich meine, mit in den Wald, um Wacholderreis zu -holen. Es liegt nicht der mindeste Grund vor, an den -Worten der Angeklagten zu zweifeln; diese haben überall -Stich gehalten und halten auch hier Stich. Hätte sie -das Hemd aus des Mannes Hand entgegengenommen, -so würde das den vollendeten Kindsmord voraussetzen, -und die Angeklagte mit ihrer Wahrheitsliebe will nicht -dazu beitragen, den Mann zu einem Verbrecher zu stempeln, -der er gar nicht ist. Im ganzen genommen macht -sie redliche und offene Aussagen und hat nicht versucht, -irgendwelche Schuld auf andere zu schieben. Dieser schöne -Zug, gegen andere gut zu sein, zeigt sich überall bei ihr, so -hat sie zum Beispiel die kleine Leiche auf die beste Art -und mit großer Sorgfalt eingehüllt. In diesem Zustand -hat sie der Lensmann im Grabe gefunden.</p> - -<p>Der Vorsitzende will — der Ordnung halber — darauf -hinweisen, daß es das Grab Nummer zwei war, das der -Lensmann fand, und in das habe ja Axel das Kind gelegt.</p> - -<p>Jawohl, das ist so, und ich danke dem Herrn Vorsitzenden! -sagt der Verteidiger mit all der Ehrerbietung, -die man der Justiz schuldig ist. Jawohl, das ist so. Aber -nun hat doch Axel selbst ausgesagt, er habe die Leiche nur -in das neue Grab hinübergehoben und sie darein gebettet. -Und es ist doch unzweifelhaft, daß eine Frau ein -Kind besser einzuhüllen versteht als ein Mann. Und wer<span class="pagenum"><a name="Seite_360" id="Seite_360">[S. 360]</a></span> -hüllt es am allerbesten ein? Doch eine Mutter mit ihren -liebevollen Händen!</p> - -<p>Der Vorsitzende nickt beifällig.</p> - -<p>Übrigens hätte nicht das Mädchen — wenn es wirklich -zu der Sorte gehört hätte — das Kind einfach nackt begraben -können? Ich will so weit gehen, zu sagen, sie -hätte es in einen Kehrichteimer legen können. Sie hätte -es über der Erde unter einem Baum liegenlassen können, -daß es hätte erfrieren müssen — das heißt, wenn -es nicht schon tot gewesen wäre. Sie hätte es in einem -unbewachten Augenblick in den Ofen stecken und verbrennen -können. Sie hätte es an den Bach von Sellanraa -tragen und es dort hineinwerfen können. Aber von dem -allem hat diese Mutter nichts getan, sie hat das Kind -sorgfältig eingehüllt und begraben. Und wenn es so schön -und gut eingewickelt war, wie es gefunden wurde, so ist -es von einer Frau eingehüllt worden und nicht von einem -Mann.</p> - -<p>Nun sagte der Verteidiger, jetzt hätten die Geschworenen -darüber abzuurteilen, was von Schuld an dem Mädchen -Barbro übrigbleibe, nach des Verteidigers Meinung -bleibe keine übrig. Es könnte höchstens sein, daß die Geschworenen -sie deshalb verurteilen wollten, weil sie den -Todesfall nicht angezeigt habe. Aber das Kind sei nun -einmal tot gewesen, es sei weit draußen im Ödland und -viele Meilen zum Pfarrer und Lensmann, es habe seinen -ewigen Schlaf in einem schönen Grabe im Walde schlafen -dürfen. Wenn es ein Verbrechen sei, es so begraben zu -haben, so teile die Beklagte dieses Verbrechen mit dem -Vater des Kindes, aber dieses Verbrechen sei in jedem -Fall verzeihlich. Man sei immer mehr davon abgekommen, -die Verbrecher zu bestrafen, man suche sie zu bessern. -In alten Zeiten sei man für alles mögliche gestraft -worden, das sei nach dem Gesetz der Rache im Alten -Testament gegangen: Auge um Auge, Zahn um Zahn.<span class="pagenum"><a name="Seite_361" id="Seite_361">[S. 361]</a></span> -Nein, das sei nicht mehr der Geist, der jetzt in der Gesetzgebung -walte; die moderne Rechtspflege sei menschlich; -sie suche sich dem Grad der verbrecherischen <em class="gesperrt">Gesinnung</em> -anzupassen, die die Betreffenden bewiesen -hätten.</p> - -<p>Darum verurteilt dieses Mädchen nicht! rief der Verteidiger. -Es handelt sich hier nicht darum, einen Verbrecher -mehr zu fassen, nein, es handelt sich darum, der -menschlichen Gesellschaft ein gutes und nützliches Mitglied -zurückzugeben! Der Verteidiger deutete darauf hin, -daß der Angeklagten nun in einer neuen Stelle, die ihr -angeboten sei, die sorgfältigste Aufsicht zuteil werden -würde. Frau Lensmann Heyerdahl habe aus reicher mütterlicher -Erfahrung und weil sie Barbro seit vielen Jahren -kenne, dieser ihr Haus weit aufgetan. Das Gericht möge -nun im Vollgefühl seiner Verantwortung das Mädchen -verurteilen oder freisprechen. Zum Schluß dankte der -Verteidiger dem Staatsanwalt, daß er keine Verurteilung -beantragt habe. Daran erkenne man sein tiefes -menschliches Verständnis.</p> - -<p>Der Verteidiger setzte sich.</p> - -<p>Der Rest der Verhandlung nahm nicht mehr viel Zeit -in Anspruch. Das Referat wiederholte dasselbe, von zwei -Seiten gesehen, noch einmal, es gab eine kurze Übersicht -über den ganzen Vorgang, trocken, langweilig und würdevoll. -Es war alles sehr trefflich gegangen, sowohl der -Staatsanwalt als der Verteidiger hatten in das Gebiet -des Vorsitzenden hinübergegriffen, sie hatten ihm sein -Amt leicht gemacht.</p> - -<p>Es wurde Licht angesteckt, zwei Hängelampen brannten -und gaben ein erbärmliches Licht, bei dem der Vorsitzende -kaum seine Anmerkungen lesen konnte. Er tadelte äußerst -scharf, daß der Tod des Kindes den Behörden nicht gemeldet -worden war; aber, sagte er, das wäre unter den -vorliegenden Umständen weit eher dem Kindsvater zu<span class="pagenum"><a name="Seite_362" id="Seite_362">[S. 362]</a></span>gekommen -als der Mutter, da sie zu schwach dazu gewesen -sei. Nun hätten also die Geschworenen zu entscheiden, -ob Geburt im geheimen und Kindsmord vorliege. -Alles wurde noch einmal von Anfang bis zu Ende -erklärt. Darauf folgte die gebräuchliche Ermahnung, der -Verantwortung eingedenk zu sein, warum das Gericht -eingesetzt sei, und endlich der bekannte Rat, im Zweifelsfalle -zugunsten der Angeklagten zu entscheiden.</p> - -<p>Nun war alles klar.</p> - -<p>Die Geschworenen verließen den Saal und zogen sich -zurück. Sie sollten sich über den Fragebogen beraten, der -dem einen von ihnen mitgegeben worden war. Fünf Minuten -waren sie weg, dann traten sie wieder ein mit -einem Nein auf alle Fragen.</p> - -<p>Nein, das Mädchen Barbro hatte ihr Kind nicht getötet.</p> - -<p>Nun redete der Vorsitzende noch einige Worte und erklärte, -das Mädchen Barbro sei frei.</p> - -<p>Die Zuhörer verließen den Saal. Die Komödie war zu -Ende ...</p> - -<p>Irgend jemand ergreift Axel am Arm, es ist Geißler. -Er sagt: So, nun bist du also die Geschichte los. — Ja, -sagte Axel. — Und sie haben dich ganz unnötig vorgeladen. -— Ja, sagte Axel wieder. Aber inzwischen hatte -er sich etwas gefaßt und fuhr fort: Ich bin aber doch -recht froh, daß ich so davongekommen bin. — Das hätte -auch gerade noch gefehlt! rief Geißler, und er betonte -jedes Wort nachdrücklich. — Davon bekam Axel den Eindruck, -daß Geißler die Hand im Spiel gehabt, daß er -eingegriffen habe. Gott mochte wissen, ob nicht am Ende -Geißler das Gericht gelenkt und den Erfolg, den er selbst -gewollt, herbeigeführt hatte. Das war dunkel.</p> - -<p>Allein so viel begriff Axel doch, daß Geißler den ganzen -Tag über auf seiner Seite gestanden hatte. Ja, ich<span class="pagenum"><a name="Seite_363" id="Seite_363">[S. 363]</a></span> -danke Euch vielmals, sagte er und wollte Geißler die -Hand drücken. — Wofür? fragte Geißler. — Für — -ja für alles miteinander. — Geißler wies ihn kurz ab. -Ich hatte gar nicht im Sinn, etwas zu tun, es war nicht -der Mühe wert. — Aber Geißler hatte darum doch vielleicht -nichts gegen diesen Dank einzuwenden, es war, als -hätte er darauf gewartet und hätte ihn nun erhalten. -Ich habe keine Zeit, mich gerade jetzt noch länger mit -dir zu unterhalten, sagte er. Gehst du morgen wieder nach -Hause? Das ist gut. Leb wohl und auf Wiedersehen! -Geißler ging die Straße hinunter ...</p> - -<p>Auf der Heimfahrt traf Axel auf dem Dampfschiff den -Lensmann und seine Frau, Barbro und die zwei Mädchen, -die als Zeuginnen vorgeladen gewesen waren. Nun, bist -du nicht froh über den Ausgang der Sache? fragte die -Frau Lensmann. — Doch, erwiderte Axel, er sei sehr -froh, daß die Geschichte zu Ende sei. Auch der Lensmann -ergriff das Wort und sagte: Das ist nun der zweite -Kindsmordprozeß, den ich in der Gegend gehabt habe, der -erste galt Inger von Sellanraa, jetzt bin ich auch den -zweiten los. Nein, man darf solche Fälle nicht nur so -hingehen lassen, dem Recht muß Genüge geschehen.</p> - -<p>Aber die Frau Lensmann begriff wohl, daß Axel ihr, -wegen ihrer Aussagen gestern, nicht wohlgeneigt sein -konnte, jetzt wollte sie das verwischen, wollte es wieder -gutmachen. Du hast doch gestern begriffen, warum ich -gegen dich gesprochen habe? sagte sie. — Ja, jawohl, -erwiderte Axel. — Ja, du hast es gewiß eingesehen. Du -hast doch sicher nicht gemeint, ich wolle dir schaden? Dich -habe ich jederzeit für einen prächtigen Mann gehalten, -das kann ich dir wohl sagen. — So! war alles, was -Axel sagte, allein er war froh und gerührt. — Jawohl, -das habe ich, sagte die Frau Lensmann. Aber ich war -genötigt, dir einen kleinen Teil von der Schuld zuzuschieben, -sonst wäre Barbro verurteilt worden, und du<span class="pagenum"><a name="Seite_364" id="Seite_364">[S. 364]</a></span> -mit ihr. Es geschah meinerseits in der besten Absicht. — -Jawohl, ja, und ich danke Euch bestens. — Ich bin es -gewesen und sonst niemand anders, die in der Stadt von -Herodes zu Pilatus gelaufen ist und für euch beide gewirkt -hat. Und du hast doch wohl begriffen, daß wir -alle, wie wir es vor Gericht getan haben, einen Teil -Schuld auf dich laden mußten, um euch beide frei zu bekommen! -— Ja, sagte Axel. — Und du hast doch wohl -keinen Augenblick geglaubt, daß ich gegen dich sei, nicht -wahr? Ich gegen dich sein, wo ich dich doch für so einen -ausgezeichneten Mann halte!</p> - -<p>Wie tat das gut nach all den Demütigungen! Axel -war jetzt jedenfalls so gerührt, daß er wahrhaftig der -Frau Lensmann etwas schenken wollte, irgend etwas, um -ihr seine Dankbarkeit zu beweisen, vielleicht ein Stück -Schlachtvieh im Herbst. Er hatte einen jungen Ochsen.</p> - -<p>Die Frau Lensmann Heyerdahl hielt Wort: sie nahm -Barbro zu sich. Auch schon hier auf dem Schiff nahm -sie sich ihrer an und ließ sie weder frieren noch hungern, -und sie duldete auch nicht, daß Barbro mit dem bergenschen -Steuermann schäkerte. Als es das erstemal geschah, -sagte Frau Heyerdahl nichts darüber, sie rief nur Barbro -zu sich. Aber siehe da, bald stand Barbro wieder bei dem -Steuermann und schäkerte mit ihm, sie machte einen schiefen -Kopf, sprach bergenschen Dialekt und lächelte hold; -da rief Frau Heyerdahl sie abermals zu sich und sagte: -Es will mir nicht gefallen, Barbro, daß du dich jetzt auf -Unterhaltungen mit Mannsleuten einläßt. Denk doch -daran, was du durchgemacht hast und wo du herkommst. -— Ich habe nur gehört, daß er aus Bergen ist, und deshalb -ein paar Worte mit ihm gesprochen, erwiderte -Barbro.</p> - -<p>Axel sprach nicht mit ihr. Er bemerkte aber, daß ihre -Haut fein und blaß war und daß sie schöne Zähne bekommen -hatte. Seine Ringe trug sie nicht an den Fingern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_365" id="Seite_365">[S. 365]</a></span></p> - -<p>Und nun schreitet Axel also wieder durchs Ödland hinauf. -Es stürmt und regnet zwar, aber er ist seelenvergnügt, -er hat die Mähmaschine und den Reolpflug am -Landungsplatz gesehen. Ach, dieser Geißler! Kein Wort -hat er in der Stadt von dieser Sendung verlauten lassen. -Er war ein merkwürdiger Herr.</p> - - - -<h3>8</h3> - - -<p>Axel hatte daheim keine lange Ruhezeit; mit den -Herbststürmen begann eine persönliche Mühe und -ein großer Verdruß, den er sich selbst zugezogen -hatte: Der Telegraph an seiner Wand meldete, daß die -Linie in Unordnung sei.</p> - -<p>Ach, er war zu gierig nach dem baren Geld gewesen, -als er diesen Posten übernommen hatte! Alles war von -Anfang an unangenehm gewesen, Brede Olsen hatte ihm -gewissermaßen gedroht, als er die Telegraphensachen und -das Werkzeug bei ihm abholte; er hatte gesagt: Du denkst -wohl nicht mehr daran, daß ich dir im Winter das Leben -gerettet habe? — Oline hat mir das Leben gerettet, erwiderte -Axel. — So, habe ich dich nicht auf meinem eigenen -armen Rücken nach Hause getragen? Und außerdem -hast du im Sommer nur darauf gepaßt, mir meinen Hof -abzukaufen und mich für den Winter heimatlos zu -machen. Ja, Brede war tief gekränkt, er sagte: Nimm -du nur den Telegraphen und das ganze Zeug mit dir. -Ich und meine Familie, wir lassen uns im Dorf nieder -und fangen etwas an; was es ist, weißt du nicht, aber -es ist etwas mit einem Hotel und einem Platz, wo die -Leute Kaffee trinken können. Oh, meinst du, wir werden -nicht durchkommen? Meine Frau kann alle Arten von -Lebensmitteln verkaufen, und ich selbst kann Geschäfte -machen und viel mehr dabei verdienen als du. Aber ich<span class="pagenum"><a name="Seite_366" id="Seite_366">[S. 366]</a></span> -will dir nur sagen, Axel, ich könnte dir allerlei Possen -spielen, da ich den ganzen Telegraphen sehr gut kenne; -ich könnte Stangen umwerfen und Drähte abreißen. -Dann müßtest du mitten in der dringendsten Arbeit hinaus. -Das will ich dir nur sagen, und du kannst es dir -hinter die Ohren schreiben ...</p> - -<p>Jetzt aber hätte Axel notwendig die Maschinen vom -Landungsplatz heraufholen sollen — ach, jede davon war -so schön vergoldet und bunt bemalt wie ein Bild, er hätte -sie heute haben und sie besehen und sich genau in ihrem -Gebrauch unterrichten können — jetzt mußten sie stehenbleiben. -Es war nicht gut, wenn er wegen der Telegraphenlinie -wichtige Arbeit versäumen mußte. Aber es -brachte doch Geld ein.</p> - -<p>Oben auf dem Berg trifft er Aronsen. Der Kaufmann -Aronsen steht da und schaut in den Sturm hinaus, ja, er -stand da wie eine Erscheinung. Was wollte er da oben? -Er hatte wohl keine Ruhe mehr gehabt und war in die -Berge gegangen, um selbst die Gruben zu untersuchen. -Seht, das tat der Kaufmann Aronsen aus reiner Besorgnis -für sich und seine Zukunft. Nun steht er da auf -dem verlassenen Berg vor lauter Elend und Zerstörung: -verrostete Maschinen, Handwerkszeug, Fuhrwerke, vieles -davon unter freiem Himmel, alles ganz trostlos. An verschiedenen -Stellen waren an den Wänden der Baracken -geschriebene Zettel angeheftet, die verboten, die Gebäude, -Gerätschaften und Wagen der Gesellschaft zu beschädigen -oder etwas davon mitzunehmen.</p> - -<p>Axel fängt ein Gespräch mit dem zornigen Krämer an -und fragt: Seid Ihr auf der Jagd? — Ja, wenn ich ihn -nur getroffen hätte! antwortete Aronsen. — Wen hättet -Ihr denn gerne getroffen? — Wen denn sonst, als den -Mann, der mich und alle hier herum ins Verderben -bringt? Den Mann, der seinen Berg nicht verkaufen will -und weder Bewegung, noch Handel, noch Geld unter die<span class="pagenum"><a name="Seite_367" id="Seite_367">[S. 367]</a></span> -Leute kommen läßt. — Meint Ihr den Geißler? — Ja, -gerade den Kerl meine ich. Er müßte erschossen werden! -— Axel lacht und sagt: Der Geißler war jetzt vor wenigen -Tagen in der Stadt, da hättet Ihr ihn treffen können. -Aber nach meiner geringen Meinung glaube ich nicht, daß -Ihr den Mann dafür verantwortlich machen solltet. — -Warum nicht? fragte Aronsen wütend. — Ich fürchte, -er wäre etwas zu unergründlich und zu hochangesehen für -Euch. — Sie stritten eine Weile darüber, und Aronsen -wurde immer heftiger. Zum Schluß fragte Axel im -Scherz: Na, Ihr werdet uns hier im Ödland doch nicht -stecken lassen und ganz von hier fortziehen wollen? — -Meinst du etwa, ich wolle hier in euren Sümpfen verfaulen -und nicht einmal den Tabak für meine Pfeife verdienen? -rief Aronsen ärgerlich. Wenn du mir einen Käufer -verschaffst, so verkaufe ich auf der Stelle. — Einen -Käufer? rief Axel. Auf Eurem Grundstück ist guter Boden, -wenn Ihr ihn bebauen wolltet. Bei der Größe des -Grundstücks nährt es seinen Mann. — Du hörst doch, -daß ich nicht in der Erde graben mag! rief Aronsen wieder -in den Sturm hinaus. Ich kann etwas Besseres tun. -— Axel meinte, ein Käufer werde wohl zu finden sein, -aber Aronsen verhöhnte den bloßen Gedanken daran. Im -ganzen Ödland ist kein einziger Mann, der mich auszahlen -könnte. — Nein, nicht gerade hier im Ödland. Aber es -gibt noch andere. — Ach, hier ist nichts als Armut und -Elend! rief Aronsen wütend. — Ja, das mag sein. Aber -der Isak auf Sellanraa könnte Euch jeden Tag auszahlen, -sagte Axel beleidigt. — Das glaube ich nicht, entgegnete -Aronsen. — Es ist mir gleichgültig, was Ihr -glaubt, sagte Axel und wollte weitergehen. — Aber Aronsen -rief ihm nach: Wart doch einen Augenblick! Meinst -du wirklich, Isak könnte mich von Storborg befreien? -— Ja, erwidert Axel. Von fünf Storborg, was das -Geld und die Mittel anbelangt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_368" id="Seite_368">[S. 368]</a></span></p> - -<p>Aronsen war beim Aufstieg um Sellanraa herumgegangen, -er hatte sich nicht sehen lassen wollen, jetzt -auf dem Heimweg ging er hinein und hatte eine Unterredung -mit Isak. Nein, sagte Isak und schüttelte nur -den Kopf. Daran habe ich noch nie gedacht und habe es -auch nicht im Sinn. —</p> - -<p>Aber als Eleseus zu Weihnachten nach Hause kam, -war Isak nicht mehr ganz so ablehnend. Er selbst hatte -jedenfalls noch nie so etwas Verrücktes gehört, wie Storborg -zu kaufen, dieser Einfall wäre ihm jedenfalls nicht -selbst gekommen, wenn aber Eleseus meinte, das Geschäft -sei etwas für ihn, dann konnte man sich die Sache -ja überlegen.</p> - -<p>Eleseus selbst schwankte. Er war nicht dafür, aber auch -auch nicht dagegen. Blieb er jetzt zu Hause, so war es gewissermaßen -mit ihm aus und vorbei; das Ödland war -nicht die Stadt.</p> - -<p>Im Herbst, als die Leute aus der Gegend zu dem -großen Verhör in der Stadt vorgeladen waren, vermied -er es, sich zu zeigen, er hatte keine Lust, mit diesen Dörflern -zusammenzutreffen, sie gehörten einer anderen Welt -an. Und sollte er nun selbst in diese Welt zurückkehren?</p> - -<p>Seine Mutter wollte, man solle kaufen. Sivert wollte -auch, daß gekauft werde; die beiden taten sich mit Eleseus -zusammen, und eines schönen Tages fuhren alle drei nach -Storborg hinunter, um sich dort die Herrlichkeit zu beschauen.</p> - -<p>Aber mit der Aussicht, sein Gut loszuwerden, wurde -Aronsen sofort ein ganz anderer: er habe nicht nötig, zu -verkaufen! Wenn er von hier fortgehe, so könne der Hof -einfach liegenbleiben, der Hof sei bom konstant, ein -prächtiges Gut, er könne es jeden Tag verkaufen. Ihr -zahlt mir doch nicht, was ich dafür haben will, behauptete -Aronsen. — Sie gingen durch alle Räume, waren im -Stall, im Vorratshaus, sie besahen sich die armseligen<span class="pagenum"><a name="Seite_369" id="Seite_369">[S. 369]</a></span> -Reste von Waren: einige Mundharmoniken, Uhrketten, -Schachteln mit rosa Papier, Hängelampen mit Prismen, -lauter bei den Ansiedlern unverkäufliche Sachen. Außerdem -war noch ein Rest Baumwollstoffe vorhanden und -einige Kisten mit Nägeln.</p> - -<p>Eleseus spielte sich auf und beschaute alles mit Sachkenntnis. -Für diese Art Waren hab' ich keine Verwendung, -sagte er. — Ihr braucht sie ja nicht zu kaufen, erwiderte -Aronsen. — Aber ich biete Euch fünfzehnhundert Kronen -für den Hof, so wie er dasteht, mit Waren und Viehstand -und allem zusammen, sagte Eleseus. Oh, es war -ihm sehr gleichgültig, sein Angebot war nur ein Spott, er -wollte sich aufspielen.</p> - -<p>Dann fuhren sie wieder nach Hause. Nein, es wurde -nichts aus dem Geschäft. Eleseus hatte Aronsen ein -Schandangebot gemacht und ihn damit beleidigt: Ich höre -überhaupt gar nicht hin, was du sagst, erklärte Aronsen -und duzte ihn, duzte diesen städtischen Springinsfeld, der -den Kaufmann Aronsen über Waren belehren wollte. — -Soviel ich weiß, habe ich nicht Brüderschaft mit dir getrunken, -sagte Eleseus ebenso erzürnt. Oh, das mußte -eine lebenslängliche Feindschaft geben!</p> - -<p>Aber warum war Aronsen vom ersten Augenblick an -so aufgeblasen gewesen und hatte getan, wie wenn er -nicht zum Verkaufen genötigt wäre? Das hatte seinen -Grund, Aronsen hatte nämlich wieder eine Art Hoffnung.</p> - -<p>Im Dorf unten war eine Versammlung abgehalten -worden, um den Zustand zu besprechen, der dadurch eingetreten -war, daß Geißler seinen Berg nicht verkaufen -wollte. Nicht nur das Ödland litt darunter, der ganze -Bezirk kämpfte mit dem Tode. Aber warum konnten -denn die Menschen jetzt nicht mehr ebenso gut oder schlecht -leben wie damals, bevor der Versuchsbetrieb in Angriff -genommen war? Nein, das konnten die Menschen nicht!<span class="pagenum"><a name="Seite_370" id="Seite_370">[S. 370]</a></span> -Sie hatten sich jetzt an weiße Grütze gewöhnt und an -weißes Brot, an gekaufte Kleiderstoffe, hohe Löhne, ein -flottes Leben, ja, die Menschen hatten sich daran gewöhnt, -viel Geld zu haben. Doch nun war der Geldstrom versiegt, -wie ein Heringszug war er wieder im Meer verschwunden; -lieber Gott, was war das für eine Not, was -ließ sich da machen?</p> - -<p>Es war kein Zweifel, der ehemalige Lensmann Geißler -wollte sich am Dorfe rächen, weil es dem Amtmann beigestanden -hatte, ihn abzusetzen, und es war auch gar -kein Zweifel, daß das Dorf diesen Mann unterschätzt -hatte. Er war nicht so dumm. Mit dem ganz einfachen -Mittel, eine schamlose Viertelmillion für ein Stück Berg -zu verlangen, hielt er die ganze Entwicklung der Gemeinde -auf. War er nicht mächtig? Axel Ström von -Maaneland konnte hier mitreden, er hatte Geißler zuletzt -gesprochen. Barbro, Bredes Tochter, war in der -Stadt vor Gericht geladen gewesen und freigesprochen -wieder nach Hause gekommen, und da war Geißler während -der ganzen Verhandlung zugegen gewesen! Und wer -etwa meinte, der Geißler habe abgewirtschaftet und liege -danieder wie irgendein armer Schlucker, der brauchte ja -nur die teuren Maschinen zu betrachten, die er Axel zum -Geschenk gemacht hatte!</p> - -<p>Dieser Mann hielt also das Geschick des Bezirks in -seiner Hand, und man mußte sich mit ihm abfinden. -Um wieviel würde Geißler wohl im allerletzten Fall seinen -Berg verkaufen? Darüber mußte man ins reine kommen. -Die Schweden hatten ihm fünfundzwanzigtausend geboten, -das hatte Geißler abgelehnt. Aber wie, wenn nun -das Dorf, wenn die Gemeinde den Rest zuschoß, damit -das Geschäft zustande kam? Wenn es nicht eine gar zu -ungereimte Summe war, würde es sich lohnen. Sowohl -der Kaufmann unten an der Küste, als auch der Kaufmann -Aronsen auf Storborg würden ganz in der Stille<span class="pagenum"><a name="Seite_371" id="Seite_371">[S. 371]</a></span> -und in aller Heimlichkeit einen Beitrag geben; eine solche -jetzt gemachte Auslage würde ihnen mit der Zeit wieder -hereinkommen.</p> - -<p>Schließlich waren zwei Mann beauftragt worden, zu -Geißler zu reisen und mit ihm zu reden. Und die wurden -nun bald zurückerwartet.</p> - -<p>Seht, darum hatte Aronsen wieder Hoffnung gefaßt -und glaubte, einen Mann, der Storborg kaufen wollte, -hochfahrend behandeln zu können. Aber er sollte nicht -lange hochfahrend bleiben.</p> - -<p>Nach einer Woche kamen die zwei Abgesandten mit -einer unbedingten Ablehnung heim. Ach, das schlimme -an der Sache war schon von Anfang an, daß einer der -beiden Abgesandten Brede Olsen war — weil er so gut -Zeit hatte. Die Männer hatten Geißler ganz richtig aufgefunden, -aber Geißler hatte nur den Kopf geschüttelt -und gelacht. Reist nur wieder nach Hause! hatte er gesagt; -aber er hatte ihnen die Heimreise bezahlt.</p> - -<p>Und so mußte nun also der ganze Bezirk untergehen!</p> - -<p>Nachdem Aronsen eine Zeitlang getobt hatte und allmählich -immer ratloser geworden war, ging er eines -Tages hinauf nach Sellanraa und schloß den Handel ab. -Ja, das tat Aronsen. Eleseus bekam, was er haben -wollte, einen Hof mit Gebäuden und Vieh und Waren -für fünfzehnhundert Kronen. Allerdings zeigte es sich -bei der Übernahme, daß Aronsens Frau den größten Teil -des Baumwollzeugs an sich genommen hatte; um solche -Kleinigkeiten kümmerte sich jedoch ein Mann wie Eleseus -nicht. Man darf nicht kleinlich sein! sagte er.</p> - -<p>Aber im ganzen genommen war Eleseus nichts weniger -als entzückt. Nun war sein Lebenslauf also besiegelt, das -Ödland würde sein Grab werden. Er mußte alle seine -großen Pläne fahren lassen; Büroschreiber war er nicht -mehr, Lensmann konnte er nicht werden, nein, er war -nicht einmal ein städtischer Herr. Seinem Vater und den<span class="pagenum"><a name="Seite_372" id="Seite_372">[S. 372]</a></span> -andern daheim gegenüber tat er ein wenig groß damit, -daß er Storborg genau um den Preis, den er geboten, -auch bekommen hatte, da konnten sie sehen, daß er sich -auf die Sache verstand! Aber dieser kleine Triumph -reichte nicht weit. Er hatte auch die Befriedigung, den -Ladendiener Andresen mit übernehmen zu können, der -ging gewissermaßen bei dem Handel mit drein, Aronsen -brauchte ihn nicht mehr, solange er kein neues Geschäft -hatte. Es kitzelte Eleseus ganz eigenartig, als Andresen -kam und fragte, ob er nicht bleiben dürfe; da war er nun -zum erstenmal Herr und Meister. Du kannst bleiben! -sagte er. Ich muß hier am Platz einen Stellvertreter -haben, wenn ich meine Geschäftsreisen mache und Handelsverbindungen -mit Bergen und Drontheim anknüpfe, -sagte er.</p> - -<p>Und Andresen war kein schlechter Stellvertreter, das -sah er gleich; er war fleißig und hielt gute Aufsicht, -während der Herr und Meister Eleseus abwesend war. -Nur im Anfang hatte der Ladendiener Andresen hier im -Ödland den großen und feinen Herrn herausgekehrt, und -daran war sein Herr, Aronsen, schuld gewesen. Jetzt war -es anders geworden. Als im Frühjahr die Moore etwas -aufgetaut waren, kam Sivert von Sellanraa nach Storborg -hinunter und fing an, bei seinem Bruder Gräben zu -ziehen — und da ging wahrhaftig auch der Ladendiener -Andresen hinaus aufs Moor und half Gräben ziehen aus -was für einem Grunde es auch geschehen mochte, da -er es eigentlich nicht nötig hatte; aber ein Mann von -solcher Art war er. Der Boden war noch so wenig aufgetaut, -daß sie lange nicht tief genug graben konnten, -aber sie taten einstweilen wenigstens die halbe Arbeit, und -das war schon viel getan. Es war des alten Isaks Gedanke, -auf Storborg die Moore zu entwässern und Ackerbau -zu treiben, der kleine Kramhandel sollte nur so nebenbei -betrieben werden, daß die Leute im Ödland nicht nötig<span class="pagenum"><a name="Seite_373" id="Seite_373">[S. 373]</a></span> -hatten, ins Dorf zu gehen, wenn sie eine Rolle Faden -brauchten.</p> - -<p>So zogen also Sivert und Andresen Gräben und verschnauften -sich zuweilen und führten eine muntere Unterhaltung. -Andresen war auf irgendeine Weise in den Besitz -eines goldenen Zwanzigkronenstücks gekommen, und -nach diesem blitzblanken Goldstück verspürte Sivert großes -Gelüste; aber Andresen wollte sich nicht davon trennen, er -wickelte es in Seidenpapier und verwahrte es in seiner -Truhe. Sivert schlug vor, sie wollten um das Geldstück -losen, sie wollten darum kämpfen, aber darauf wagte -Andresen sich nicht einzulassen. Sivert bot ihm dann -zwanzig Kronen in Papier, und außerdem wollte er das -ganze Moor allein entwässern, wenn er das Geldstück bekomme. -Aber da war der Ladendiener Andresen beleidigt -und sagte: So, damit du deinen Leuten zu Hause erzählen -könntest, ich brächte es nicht fertig, im Moor zu arbeiten! -Zuletzt einigten sie sich über fünfundzwanzig Kronen in -Papier für das Goldstück, und Sivert lief in der Nacht -nach Sellanraa und bekam das Papiergeld von seinem -Vater.</p> - -<p>Ein jugendlicher Einfall, ein Einfall der wackeren, -lebenskräftigen Jugend! Eine durchwachte Nacht, eine -Meile hin, eine Meile her, den Tag darauf wieder die -volle Arbeit — das war nichts für den kräftigen jungen -Mann, und es war ein schönes Goldstück. Es war nicht -ausgeschlossen, daß sich Andresen wegen dieses guten -Handels ein wenig über ihn lustig machte; aber da wußte -Sivert guten Rat, er brauchte nur ein Wort von Leopoldine -verlauten zu lassen, etwa: Ach ja, das ist wahr, ich -sollte dich von Leopoldine grüßen! so hörte Andresen sofort -auf und wurde dunkelrot.</p> - -<p>Es waren vergnügliche Tage für die beiden, während -sie im Moor arbeiteten und sich zum Spaß stritten, wieder -arbeiteten und wieder stritten. Zuweilen kam Eleseus<span class="pagenum"><a name="Seite_374" id="Seite_374">[S. 374]</a></span> -zu ihnen heraus und half mit, aber er wurde rasch müde, -er hatte weder einen starken Körper noch einen starken -Willen, aber er war der liebenswürdigste Mensch. — -Da kommt die Oline! konnte der Schäker Sivert sagen. -Nun mußt du heimgehen und ihr wieder ein halbes Pfund -Kaffee verkaufen! Und das tat Eleseus gerne. Er ging -hin und verkaufte Oline irgendeine Kleinigkeit. Solange -brauchte er doch keine Schollen umzukehren.</p> - -<p>Und die arme Oline, sie mußte von Zeit zu Zeit ein -paar Kaffeebohnen haben, ob sie nun ein seltenes Mal -das Geld dazu von Axel bekam oder sich die Bohnen für -einen kleinen Ziegenkäse eintauschte. Oline war nicht mehr -so ganz unverändert, der Dienst auf Maaneland war im -Grunde zu schwer für dies alte Weib und hatte an ihr -gezehrt, aber doch nicht so sehr, daß sie ihr Alter oder ihre -Hinfälligkeit zugegeben hätte, hoho, sie hätte ihre Meinung -ordentlich gesagt, wenn ihr aufgekündigt worden -wäre! Sie war zäh und nicht unterzukriegen, tat ihre -Arbeit und fand noch Zeit, zu den Nachbarn zu wandern -und einen kleinen, unendlich angenehmen Schwatz zu -halten, den sie daheim vermissen mußte, denn Axel war -kein Redner.</p> - -<p>Sie war unzufrieden mit der Gerichtsverhandlung, -enttäuscht von dem Ausfall der Verhandlung, dem Freispruch -auf der ganzen Linie. Daß Barbro, Bredes Tochter, -ohne Strafe davonkam, wenn Inger auf Sellanraa -acht Jahre bekommen hatte, das konnte Oline nicht fassen -und begreifen, sie nahm ein ganz unchristliches Ärgernis -daran, daß man gegen eine andere „so gütig gewesen -war”. — Aber der Allmächtige hat seine Meinung noch -nicht kundgetan! sagte Oline und nickte mit dem Kopfe. -Sie stellte damit ein mögliches späteres himmlisches -Strafgericht in Aussicht. Natürlich war Oline außerstande, -ihr Mißvergnügen über die Sache bei sich zu behalten; -besonders wenn sie mit ihrem Hausherrn über<span class="pagenum"><a name="Seite_375" id="Seite_375">[S. 375]</a></span> -das eine oder andere uneinig wurde, machte sie auf ihre -Weise Andeutungen und wurde äußerst spitzig: Ja, ich -weiß nicht, wie das Gesetz jetzt gegen die Sünder von -Sodom und Gomorra geworden ist. Ich aber halte mich -an Gottes Wort, so einfältig bin ich.</p> - -<p>Ach, Axel war seiner Haushälterin mehr als überdrüssig -und wünschte sie dahin, wo der Pfeffer wächst. Nun kam -das Frühjahr wieder, und er mußte wieder alle Feldarbeit -allein verrichten. Dann kam die Heuernte, und er war -verraten und verkauft. Das waren Aussichten! Seine -Schwägerin auf Breidablick hatte heim nach Helgeland -geschrieben und versucht, eine ordentliche weibliche Hilfskraft -für ihn aufzutreiben, aber bis jetzt war es ihr noch -nicht geglückt. Und jedenfalls hätte er dann das Reisegeld -bezahlen müssen.</p> - -<p>Nein, das war eine böse und schlechte Tat von Barbro -gewesen, das kleine Kind auf die Seite zu schaffen und -selbst auf und davon zu gehen. Zwei Winter und einen -Sommer hatte er sich nun mit Oline behelfen müssen, -und es sah ganz so aus, als ob es noch länger so bleiben -müßte. Aber nahm sich Barbro, die schlechte Person, dies -irgendwie zu Herzen? Er hatte einmal während des Winters -drunten im Dorf einige Worte mit ihr gesprochen, -aber keine Träne war ihr langsam heruntergerollt und -da festgefroren. — Was ist aus den Ringen geworden, -die ich dir gegeben habe? fragte er. — Ringe? sagte sie. -— Ja, Ringe. — Die hab' ich nicht mehr. — So, du -hast sie nicht mehr? — Zwischen uns war ja alles aus, -sagte sie, da konnte ich doch die Ringe nicht mehr tragen. -Das ist nicht der Brauch, wenn doch alles aus ist. — Ich -möchte nur wissen, was du damit angefangen hast. — -Willst du sie wiederhaben? fragte sie. Ich hätte dich nicht -für so gemein gehalten. — Axel überlegte einen Augenblick, -dann sagte er: Ich hätte dich dafür entschädigen -können. Du hättest sie nicht umsonst hergeben müssen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_376" id="Seite_376">[S. 376]</a></span></p> - -<p>Aber nichts da, Barbro hatte die Ringe abgelegt und -gab Axel nicht einmal Gelegenheit, um einen billigen -Preis zu einem goldenen und einem silbernen Ring zu -kommen.</p> - -<p>Übrigens war Barbro nicht roh und häßlich, nein, das -war sie keineswegs. Sie trug eine lange Schürze mit -Trägern und Falten, und um ihren Hals stand ein weißer -Streifen in die Höhe, das war hübsch. Die Leute behaupteten, -sie habe sich im Dorf bereits wieder einen Schatz -angeschafft, aber das war vielleicht nur Gerede; die Frau -Lensmann hielt sie jedenfalls gut im Zaum und ließ sie -in diesem Jahr durchaus nicht zum Weihnachtstanz gehen.</p> - -<p>Na, diese Frau Lensmann paßte wahrlich gut auf; -während Axel auf der Straße mit seiner früheren Magd -über zwei Ringe verhandelte, trat die Frau Lensmann -plötzlich dazwischen und sagte: Du solltest mir doch etwas -aus dem Laden holen, Barbro! — Barbro lief davon. -Nun wandte sich die Frau an Axel und sagte: Könntest -du mir nicht irgendein Stück Schlachtvieh verkaufen? -— Hm! war alles, was Axel erwiderte, und er grüßte -höflich.</p> - -<p>Es war ja gerade diese Frau Lensmann gewesen, die -ihn im Herbst als einen ausgezeichneten, ja als einen der -allerausgezeichnetsten Menschen gelobt und gepriesen -hatte, das verdiente wohl ein Entgegenkommen. Axel -kannte von früher her die ländliche Art des Benehmens, -den großen Herren und der Obrigkeit gegenüber, und es -hatte ihm ja auch gleich ein Stück Schlachtvieh, ein junges -Rind, das er opfern könnte, vorgeschwebt. Aber es verging -ein Tag um den andern, der ganze Herbst verging -und ein Monat nach dem andern, und er sparte das Rind. -Es sah nicht danach aus, als ob irgend etwas Schlimmes -geschehen würde, wenn er es ganz behielte; er wäre jedenfalls -um so viel ärmer, wenn er es weggäbe, und es -war ein Staatsrind.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_377" id="Seite_377">[S. 377]</a></span></p> - -<p>Hm. Guten Tag! Nein, sagte Axel und schüttelte den -Kopf, er habe kein Schlachtvieh. — Es war, als ob die -Frau seine innersten Gedanken erriete, denn sie sagte: -Ich habe gehört, du habest ein junges Rind. — Jawohl, -das hab' ich, erwiderte er. — Willst du es aufziehen? -— Ja, ich will es aufziehen. — So, sagte die Frau -Lensmann. Und hast du nicht einen Hammel? — Nein, -jetzt nicht. Ich habe nämlich nicht mehr Vieh behalten, -als ich großziehen will. — Nun ja, dann ist es eben -nichts, sagte die Frau Lensmann, nickte ihm zu und ging.</p> - -<p>Axel fuhr nach Hause, aber er dachte weiter über diese -Unterredung nach, und er fürchtete, er habe sich am Ende -dumm benommen. Die Frau Lensmann war doch einmal -eine wichtige Zeugin gewesen, für ihn und gegen ihn, -aber eine wichtige Zeugin. Man hatte ihm ja allerlei -nachgesagt, aber er war doch aus einer schwierigen und -unheimlichen Geschichte mit einer Kindsleiche in seinem -Walde glatt herausgekommen. Er mußte am Ende doch -einen Hammel opfern.</p> - -<p>Übrigens merkwürdig, dieser Gedanke stand in einem -fernen Zusammenhang mit Barbro. Wenn er mit einem -Hammel zu ihrer Herrin kam, mußte Barbro doch einen -gewissen Eindruck von ihm bekommen.</p> - -<p>Aber wieder verging ein Tag um den andern, und es -geschah nichts Schlimmes durch den Aufschub. Als er -wieder ins Dorf hinunterfuhr, nahm er keinen Hammel -mit, nein; das tat er nicht. Aber im letzten Augenblick -nahm er ein Lamm mit. Es war übrigens ein großes -Lamm, also kein geringes Tier, und als er damit ankam, -sagte er: Die Hammel haben ein zähes Fleisch, ich wollte -Ihnen etwas wirklich Gutes bringen. — Aber die Frau -Lensmann wollte nichts von einem Geschenk hören. Sag, -was du für das Lamm haben willst, sagte sie. Diese -Dame hielt etwas auf öffentliche Ordnung. Nein, danke, -sie nahm keine Geschenke von den Leuten entgegen. Und<span class="pagenum"><a name="Seite_378" id="Seite_378">[S. 378]</a></span> -die Sache lief wahrhaftig darauf hinaus, daß Axel sein -Lamm gut bezahlt bekam.</p> - -<p>Barbro bekam er nicht zu Gesicht. Die Frau Lensmann -hatte ihn wohl kommen sehen und Barbro aus dem Wege -geschafft. Na, Glück zu, Barbro hatte ihn anderthalb -Jahre lang um seine weibliche Hilfskraft betrogen!</p> - - - -<h3>9</h3> - - -<p>Im Frühjahr ereignete sich etwas höchst Unerwartetes -und dabei sehr Bedeutungsvolles: der Betrieb -in den Kupfergruben sollte wieder aufgenommen -werden, Geißler hatte seinen Berg verkauft. War das -Unglaubliche geschehen? Ach, dieser Geißler war nun einmal -ein unergründlicher Herr, er konnte tun und konnte -lassen, verneinend den Kopf schütteln und bejahend nicken. -Er konnte ein ganzes Dorf wieder zum Lächeln bringen.</p> - -<p>Hatte ihm am Ende doch das Gewissen geschlagen und -wollte er den Bezirk, in dem er Lensmann gewesen war, -nicht länger mit selbstgebauter Grütze und mit Geldmangel -strafen? Oder hatte er gar seine Viertelmillion -bekommen? Oder war vielleicht die Sache so, daß Geißler -selbst Geld brauchte und den Berg für das, was er -eben dafür bekam, verkaufen mußte? Fünfundzwanzigtausend -oder fünfzigtausend sind ja schließlich auch ein -schönes Geld. Es wurde übrigens behauptet, sein Sohn -habe in seinem Namen das Geschäft abgeschlossen.</p> - -<p>Jedenfalls aber wurde der Betrieb wieder aufgenommen; -derselbe Ingenieur mit verschiedener Arbeiterschaft -kehrte zurück, und dieselbe Arbeit fing wieder an. Dieselbe -Arbeit, ja, aber auf eine ganz andere Weise als -früher, gerade umgekehrt.</p> - -<p>Alles schien ganz in Ordnung zu sein; die Schweden -kamen mit Leuten und Dynamit und Geld, was konnte<span class="pagenum"><a name="Seite_379" id="Seite_379">[S. 379]</a></span> -da noch fehlen? Und auch Aronsen kam wieder, der Kaufmann -Aronsen, und wollte durchaus Storborg wieder -kaufen. — Nein, erklärte Eleseus, ich verkaufe nicht. — -Ihr werdet doch gewiß verkaufen, wenn Ihr Geld genug -bekommt? — Nein.</p> - -<p>Nein, Eleseus wollte Storborg nicht verkaufen. Die -Sache war die, sein Dasein als Kaufmann auf dem Ödland -kam ihm nicht mehr gar so elend vor; er hatte eine -schöne Veranda mit bunten Glasscheiben, er hatte einen -Ladendiener, der die Arbeit tat, er selbst konnte auf Reisen -sein. Ja, reisen auf dem ersten Platz, zusammen mit -vornehmen Leuten. Wenn er nur einmal ganz bis nach -Amerika kommen könnte, daran hatte er schon oft gedacht. -Schon allein von diesen Geschäftsreisen in die -Städte im Süden, um Verbindungen anzuknüpfen, -konnte er nachher immer noch lange zehren. Nicht, als -ob er üppig gelebt hätte, mit eigenem Dampfschiff gefahren -wäre und Orgien gefeiert hätte. Er und Orgien! -Er war eigentlich ein sonderbarer Mensch, um Mädchen -bekümmerte er sich gar nicht mehr, er ließ sie links liegen, -hatte alles Herz für sie verloren. Nein, aber natürlich -war er der Sohn des Markgrafen, der auf dem ersten -Platz fuhr und vielerlei Waren kaufte. Er selbst kam -jedesmal von seinen Ausflügen ein wenig feiner und vornehmer -nach Hause, das letztemal kam er mit Galoschen -an den Füßen zurück. Trägst du zwei Paar Schuhe? -wurde er gefragt. — Ja, ich leide an kalten Füßen, erklärte -Eleseus. Und da hatte man herzliches Mitleid mit -seinen kalten Füßen.</p> - -<p>Glückselige Tage, ein Herrenleben und Müßiggang! -Nein, er wollte Storborg nicht verkaufen. Sollte er wieder -in das Städtchen zurückkehren, von neuem in dem -kleinen Bauernkramladen stehen und keinen Ladendiener -unter sich haben? Übrigens hoffte er auch darauf, es -werde sich von nun an ein ungeheurer Betrieb auf Stor<span class="pagenum"><a name="Seite_380" id="Seite_380">[S. 380]</a></span>borg -entwickeln; die Schweden waren zurückgekehrt und -würden die Gegend mit Geld überschwemmen, er wäre -ein Narr, wenn er verkaufen würde. Aronsen mußte einmal -ums andere mit einer Absage seines Weges ziehen -und entsetzte sich immer mehr über seine eigene Dummheit, -das Ödland verlassen zu haben.</p> - -<p>Ach, Aronsen hätte mit seinen Selbstvorwürfen Maß -halten und ebenso hätte Eleseus seine großen Erwartungen -einschränken dürfen; aber vor allen Dingen hätten -die Ansiedler und die Dorfbewohner weniger große Hoffnungen -hegen und nicht lächeln und sich die Hände reiben -sollen, wie es die Englein tun, weil sie selig sind; nein, -das hätten die Ansiedler und Dorfbewohner durchaus -nicht tun sollen, denn nun wurde die Enttäuschung gewaltig. -Sollte man es glauben: die Grubenarbeit begann -zwar ganz richtig, aber sie begann auf der andern Seite -des Berges, zwei Meilen weit entfernt, am südlichen -Ende von Geißlers Gebiet, weit drinnen in einem anderen -Kirchspiel, das die diesseitigen Bewohner nichts anging. -Von da aus sollte sich die Arbeit langsam nach Norden -zu durchfressen, bis zu der ersten Fundstelle des Kupfers, -bis zu Isaks Fundstelle, und ein Segen für das Ödland -und das Dorf werden. Das würde im besten Fall viele -Jahre dauern, vielleicht Menschenalter.</p> - -<p>Diese Erkenntnis kam und wirkte wie die ärgste Dynamitsprengung -mit Bewußtlosigkeit und Taubheit. Die -Dorfbewohner versanken in Kummer und Sorgen. Einige -schimpften auf Geißler: dieser verfluchte Geißler habe -ihnen wieder einen Possen gespielt; andere krochen zu einer -Versammlung zusammen und schickten eine neue Gesandtschaft -von Vertrauensmännern aus, diesmal zu der Grubengesellschaft, -zu dem Ingenieur. Dieser Schritt führte -zu gar nichts; der Ingenieur setzte ihnen auseinander, -daß er mit der Arbeit auf der Südseite beginnen müsse, -weil es von dort näher zum Meere sei, dort brauche man<span class="pagenum"><a name="Seite_381" id="Seite_381">[S. 381]</a></span> -keine Luftbahn, dort sei fast gar kein Transport nötig. -Nein, die Arbeit müsse auf der Südseite anfangen. Damit -basta!</p> - -<p>Da reiste Aronsen sofort hinüber auf das neue Arbeitsfeld -zu der neuen Goldgrube. Er wollte auch den Ladendiener -Andresen mitnehmen. Wozu willst du hier im -Ödland bleiben? sagte er. Es ist viel besser für dich, -wenn du mit mir gehst. — Aber der Ladendiener Andresen -wollte das Ödland nicht verlassen, es war unbegreiflich, -aber es war gerade, als ob ihn etwas hier fesselte; es -schien ihm hier zu gefallen, er war hier festgewurzelt. -Andresen selbst mußte sich verändert haben, das Ödland -hatte sich nicht geändert. Hier waren die Leute und die -Verhältnisse noch genau so wie früher: der Bergwerksbetrieb -war zwar aus der Gegend verschwunden, aber -keiner der Ödlandbewohner hatte darüber den Kopf verloren, -sie hatten ihre Landwirtschaft, ihre Ernten und -ihren Viehbestand. Bares Geld gab es allerdings nicht -so viel bei ihnen, sie hatten alle Lebensbedürfnisse, einfach -alle. Nicht einmal Eleseus verzweifelte darüber, daß -der Geldstrom an ihm vorüberfloß; das schlimmste war, -daß er in der ersten Begeisterung eine Menge unverkäuflicher -Waren angeschafft hatte. Nun, die mußten eben -vorläufig lagern bleiben, sie putzten den Laden heraus -und dienten ihm zur Ehre.</p> - -<p>Nein, der Ödlandbauer verlor den Kopf nicht. Er fand -die Luft nicht ungesund, hatte Bewunderer genug für -seine neuen Kleider, er vermißte die Diamanten nicht, und -Wein kannte er nur von der Hochzeit zu Kanaan. Der -Ödlandbewohner quälte sich nicht wegen der Herrlichkeiten, -auf die er verzichten mußte: Kunst, Zeitungen, -Luxus, Politik waren gerade soviel wert, als die Menschen -dafür bezahlen wollten, nicht mehr. Der Erntesegen aber -mußte erarbeitet werden um jeden Preis, das war der -Ursprung, die Quelle von allem und jedem.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_382" id="Seite_382">[S. 382]</a></span></p> - -<p>Was, das Leben des Ödlandbewohners öde und traurig? -Hoho, nichts dergleichen! Er hatte seine höheren -Mächte, seine Träume, sein Liebesleben, seinen reichen -Aberglauben. Eines Abends geht Sivert den Fluß entlang -und bleibt plötzlich stehen: im Wasser liegen zwei -Wildenten, Ente und Enterich. Sie haben ihn entdeckt, -haben den Menschen gesehen und sind scheu geworden, -einer der Vögel sagt etwas, er stößt einen kurzen Laut -aus, eine Melodie in drei Tönen, und der andere antwortet -gleichlautend. Im selben Augenblick heben sie die -Flügel und sausen wie zwei kleine Räder einen Steinwurf -weit den Fluß hinauf, wo sie sich wieder aufs Wasser -niederlassen. Da sagt der eine wieder etwas, und der -andere antwortet; es ist dieselbe Sprache, wie das erstemal, -aber so innig befreit, daß es eine kleine Seligkeit -ist: die Töne sind zwei Oktaven höher gestimmt. Sivert -steht da und betrachtet die Vögel, sieht an ihnen vorbei -und weit ins Land der Träume hinein. Ein Laut ist in -ihm erklungen, eine Süßigkeit in ihm aufgestiegen, er -stand da mit einer zarten, feinen Erinnerung an etwas -Wildes und Schönes, etwas früher Erlebtes, von dem -die Erinnerung in ihm erloschen ist. Stille geht er nach -Hause, er spricht nicht davon, plaudert nicht darüber, -irdische Worte reichten dazu nicht aus. Es war Sivert -von Sellanraa, jung und durchschnittlich ging er eines -Tages aus und hatte dieses Erlebnis.</p> - -<p>Und das war nicht sein einziges Abenteuer, er erlebte -noch andere. Aber er mußte auch das Abenteuer erleben, -daß Jensine Sellanraa verließ. Das brachte große Unordnung -in Siverts Gemütsleben.</p> - -<p>Ja, es kam wirklich so weit, daß Jensine fortging, sie -wollte selbst gehen. Ach, Jensine war nicht die erste beste, -das konnte niemand behaupten! Sivert hatte ihr einmal -angeboten, sie wieder nach Hause zu fahren; bei der Gelegenheit -hatte sie leider geweint, später aber hatten ihre<span class="pagenum"><a name="Seite_383" id="Seite_383">[S. 383]</a></span> -Tränen sie gereut, und sie zeigte, daß sie bereute, sie -kündigte. Jawohl, in aller Ordnung.</p> - -<p>Und nichts auf der Welt wäre Inger auf Sellanraa -erwünschter gewesen, als daß Jensine ging; Inger hatte -angefangen, unzufrieden mit ihrer Magd zu sein. Das -war merkwürdig, denn sie hatte nichts an ihr auszusetzen, -aber sie schien sie nur mit Überwindung ansehen und ihre -Anwesenheit auf dem Hofe kaum noch ertragen zu können. -Das hing wohl mit Ingers Gemütszustand zusammen: -sie war den ganzen Winter über schwermütig und -fromm gewesen und kam nicht darüber hinweg. Du willst -gehen? Jawohl, geh nur, sagte Inger. Das war ein -Segen, eine Erhörung nächtlicher Gebete. Es blieben -trotzdem noch zwei erwachsene weibliche Personen auf dem -Hofe, was sollte diese lebensfrische und mannbare Jensine -hier? Mit Unwillen betrachtete Inger diese Mannbarkeit, -und sie dachte wohl: gerade wie ich damals!</p> - -<p>Ihre große Frömmigkeit ließ nicht nach. Sie war nicht -an sich lasterhaft, sie hatte gekostet, jawohl, sie hatte genippt, -aber sie hatte nicht im Sinn, das bis ins Alter zu -treiben, keine Rede davon. Inger wies diesen Gedanken -mit Entsetzen von sich. Der Grubenbetrieb hörte auf, und -alle Arbeiter verschwanden — lieber Gott, nichts hätte -besser sein können! Die Tugend war nicht nur erträglich, -sie war notwendig, ein notwendiges Gut, eine Gnade.</p> - -<p>Allein die Welt war schlecht. Seht, da war nun Leopoldine, -die kleine Leopoldine, ein Fruchtkeim, ein kleines -Kind, und war zum Überfließen voll Gesundheit und -Sünde. Wenn sich ihr ein Arm um die Mitte legte, so -würde sie zusammensinken, pfui! Sie hatte Finnen im -Gesicht bekommen, das deutete auf Wildheit im Blute, -ach, die Mutter erinnerte sich wohl daran, damit begann -die Wildheit im Blute. Die Mutter verdammte die Tochter -durchaus nicht wegen dieser Finnen im Gesicht, aber -sie wollte ihnen ein Ende machen. Leopoldine sollte da<span class="pagenum"><a name="Seite_384" id="Seite_384">[S. 384]</a></span>mit -aufhören. Was hatte auch dieser Ladendiener Andresen -an den Sonntagen nach Sellanraa heraufzukommen -und mit Isak von der Landwirtschaft zu schwatzen? -Bildeten sich denn diese beiden Mannsleute ein, daß die -kleine Leopoldine gar nichts merke? Oh, die Jugend war -schon früher verrückt gewesen, vor dreißig, vierzig Jahren, -aber jetzt war sie schlimmer geworden.</p> - -<p>Ja, wie es nun auch geht! sagte Isak, als sie davon -sprachen. Jetzt ist das Frühjahr da, und Jensine ist fort, -und wen können wir für die Sommerarbeit bekommen? -— Die Leopoldine und ich werden arbeiten, erklärte -Inger. Lieber will ich Tag und Nacht arbeiten! rief sie -erregt und dem Weinen nahe. — Isak konnte sich diesen -heftigen Ausbruch nicht erklären, aber er hatte seine eigenen -Ansichten, deshalb ging er mit Hacke und Spaten an -den Waldrand und fing an, einen Stein zu bearbeiten. -Nein, wahrhaftig, Isak konnte nicht verstehen, daß die -Magd Jensine fortgegangen war, sie war doch ein tüchtiges -Mädchen gewesen. Er verstand im ganzen nur das -Nächstliegende, die Arbeit, gesetzliches und natürliches -Tun. Er war von rundem und gewaltigem Körperbau, -niemand war weniger astral wie er, er aß wie ein rechter -Mann, und es bekam ihm gut, deshalb kam er auch -höchst selten aus dem Gleichgewicht.</p> - -<p>Da war nun also dieser Stein. Es waren noch viele -andere Steine da, aber mit einem mußte er nun einmal -anfangen. Isak sieht den Tag kommen, da er hier ein -Häuschen bauen muß, eine Heimstätte für sich und -Inger. Er will den Bauplatz ein wenig ebnen, während -Sivert drunten auf Storborg ist, sonst muß er seinem -Sohn eine Erklärung geben, und das möchte er vermeiden. -Natürlich wird der Tag kommen, wo Sivert alle -Gebäude auf dem Hofe für sich selbst braucht, dann müssen -die Eltern eine Wohnung haben. Sie kamen ja mit -dem Bauen auf Sellanraa niemals zu Ende, der große<span class="pagenum"><a name="Seite_385" id="Seite_385">[S. 385]</a></span> -Futterboden auf dem steinernen Stall war auch noch nicht -gebaut. Aber die Balken und die Bretter dazu lagen fertig -da.</p> - -<p>Also da war nun dieser Stein. Was davon aus der -Erde hervorragte, sah nicht besonders groß aus, aber er -rührte und regte sich nicht, er mußte also doch ein gewaltiger -Brocken sein. Isak grub rund darum herum und -machte einen Versuch mit dem Spaten, aber der Stein -rührte sich nicht. Er grub noch tiefer und versuchte es -wieder — nein. Nun mußte Isak nach Hause und eine -Schaufel holen, um die lose Erde wegzuschaffen. Dann -grub er wieder und probierte — nein. Das ist einmal -ein Block! dachte Isak in all seiner Geduld. Er grub nun -schon eine gute Weile, der Stein reichte immer tiefer in -die Erde hinunter, und er konnte ihn nirgends richtig -anpacken. Es wäre doch recht ärgerlich, wenn er genötigt -wäre, den Stein zu sprengen. Dann wären die Schläge, -um das Bohrloch zu machen, weithin zu hören und würden -alle Hausbewohner herbeirufen. Isak grub weiter, -aber dann holte er eine Hebestange und versuchte es damit -— nein. Er grub wieder. Nun fing Isak doch allmählich -an, etwas ärgerlich auf den Stein zu werden; er -runzelte die Stirn und schaute ihn an, wie wenn er eben -nur gekommen wäre, um die Steine hier ein wenig zu beaufsichtigen, -und wie wenn gerade dieser Stein hier besonders -dumm wäre. Er kritisierte ihn, er war so rund -und dumm, er war nirgends zu fassen, ja, er meinte beinahe, -er habe eine ganz verkehrte Form. Sollte er ihn -sprengen? Keine Rede davon, wozu auch noch Pulver -an ihn verschwenden! Oder sollte er ihn aufgeben, sollte -er eine Art von Furcht zeigen, der Stein könnte ihm -überlegen sein?</p> - -<p>Isak grub. Er mühte sich im Schweiße seines Angesichts, -aber was war der Erfolg? Endlich bekam er die -Spitze der Hebestange darunter und machte einen Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_386" id="Seite_386">[S. 386]</a></span>such -— der Stein rührte sich nicht. Sachgemäß war an -seinem Vorgehen nichts auszusetzen, aber es hatte keinen -Erfolg. Was war denn das? Hatte er denn nicht auch -sonst schon Steine ausgebrochen? War er alt geworden? -Komisch, hehe! Lächerlich. Er hatte ja wohl neulich einmal -Anzeichen von abnehmender Kraft bemerkt, das -heißt, er hatte es nicht bemerkt, er hatte sich nicht darum -gekümmert, es war Einbildung gewesen. Und nun geht -er wieder an den Stein, völlig entschlossen, ihn zu heben.</p> - -<p>Oh, das war keine Kleinigkeit, wenn Isak sich über eine -Hebestange legte und sich schwer machte! Da liegt er vorgebeugt -und hebt und hebt, zyklopisch und mit außerordentlicher -Kraft, mit einem Oberkörper, der bis zu den -Knien zu reichen scheint. Es war ein gewisser Pomp und -eine Pracht über ihm, sein Äquator war ungeheuer.</p> - -<p>Allein der Stein rührte sich nicht.</p> - -<p>Es half alles nichts, er mußte noch tiefer graben. -Sollte er den Stein sprengen? Schweig still! Nein, aber -er mußte noch tiefer graben. Er wurde sehr eifrig. Der -Stein mußte und sollte heraus! Man konnte nicht sagen, -es sei in diesem Trieb von seiten Isaks etwas Perverses -gewesen; es war die alte Liebe des Ackerbauern zur Urbarmachung -des Bodens, aber gänzlich ohne Zärtlichkeit. -Es sah ganz närrisch aus, erst umkreiste er den Stein von -allen Seiten, ehe er sich dranmachte, dann grub er ringsherum -und betastete ihn und schaufelte die Erde mit den -bloßen Händen weg, ja, das tat er. Aber das alles waren -keine Liebkosungen. Es war ihm heiß geworden, aber heiß -vor Eifer. Wie, wenn er es jetzt wieder mit der Hebestange -versuchte? Er setzte sie da an, wo er sich am meisten -Erfolg versprach — nein. War das einmal ein merkwürdiger -Trotz und Eigensinn von einem Stein! Aber -jetzt schien es zu gehen. Isak versucht es noch einmal und -bekommt Hoffnung, der Erdarbeiter hatte es im Gefühl, -daß der Stein nicht mehr unüberwindlich war. Da glitt<span class="pagenum"><a name="Seite_387" id="Seite_387">[S. 387]</a></span> -die Hebestange ab und warf Isak zu Boden. Verdammt! -sagte er. Das fuhr ihm so heraus. Seine Mütze hatte -zu gleicher Zeit einen Schupps gekriegt und saß nun so -schief, daß er ganz spanisch, ganz räubermäßig aussah. -Er spuckte aus.</p> - -<p>Da kommt Inger dahergegangen. Du mußt jetzt zum -Essen kommen, Isak, sagt sie ganz lieb und freundlich. -— Ja, gibt er zur Antwort, aber er will nicht, daß sie -näher herankommt, und er will kein Gerede. Ach, diese -Inger, sie merkte gar nichts, sie kam näher. Was hast du -dir jetzt wieder ausgedacht? fragt sie, denn sie möchte ihm -damit schmeicheln, daß er sich fast jeden Tag etwas Neues -und Großartiges ausdenkt. — Aber Isak ist sehr grimmig, -fürchterlich grimmig ist er, er erwidert: Das weiß -ich nicht. — Und Inger ihrerseits ist sehr töricht, sie fragt -ihn und plaudert ihm noch allerlei vor und geht nicht. — -Da du es nun doch einmal gesehen hast, ich will diesen -Stein herausheben, sagt er. — So, du willst ihn herausheben? -fragt sie. — Ja. — Ich kann dir wohl nicht -helfen? — Isak schüttelt den Kopf. Aber es war doch -ein hübscher Zug von Inger, daß sie ihm helfen wollte, -und er konnte sie nicht länger zurückweisen. Wenn du -ein klein wenig warten willst, sagt er und läuft nach -Hause, um den Schmiedehammer und einen Meißel zu -holen.</p> - -<p>Wenn er den Stein an der richtigen Stelle etwas uneben -machte, indem er einen Splitter abschlug, so bekam -die Hebestange einen besseren Halt. Inger hält den Meißel, -und Isak schlägt zu. Ja, es gelingt, ein Splitter -fällt ab. — Ich danke dir für die Hilfe, sagt Isak. Und -du sollst vorerst mit dem Essen nicht auf mich warten, -ich will erst diesen Stein heraus haben.</p> - -<p>Allein Inger geht nicht, und im Grunde genommen -ist es Isak auch lieb, daß sie stehenbleibt und ihm bei -seiner Arbeit zuschaut, das hatte er schon in jungen Tagen<span class="pagenum"><a name="Seite_388" id="Seite_388">[S. 388]</a></span> -gern gehabt. Und siehe da, er findet einen prächtigen -Halt für die Hebestange und hebt — der Stein bewegt -sich! — Er bewegt sich! sagt Inger. — Du willst mich -doch nicht foppen? fragt Isak. — Ich foppen! Er bewegt -sich!</p> - -<p>Soweit war er gekommen, wahrhaftig, der Stein bewegte -sich, er hatte den Stein für die Sache gewonnen, -jetzt arbeiteten sie zusammen. Isak hebt und wiegt die -Stange hin und her, und der Stein bewegt sich ein wenig, -aber nicht mehr. Isak macht eine Weile so weiter, allein -es führt zu nichts. Plötzlich sieht er ein, daß es sich nicht -darum handelt, ob sein Körpergewicht zureicht, er hat -nicht mehr die alte Kraft, das ist die Sache, er hat die -zähe Biegsamkeit des Körpers eingebüßt. Körpergewicht? -Es wäre ja gar nichts gewesen, sich über die schwere -Stange zu legen und sie abzubrechen. Aber er hatte an -Kraft verloren, so sah es aus. Das erfüllte den duldsamen -Mann mit Bitterkeit; wenn nur wenigstens nicht -Inger dabeigestanden und zugeschaut hätte!</p> - -<p>Plötzlich läßt er die Stange fahren und ergreift den -Schmiedehammer. Der Zorn hatte ihn erfaßt, er war -in der Stimmung, Gewalt zu gebrauchen. Seht, er hat -immer noch die Mütze auf dem Ohre sitzen und sieht -räubermäßig aus, jetzt läuft er mit gewaltigen Schritten -rund um den Stein herum, als ob er sich selbst dem -Stein gegenüber in das richtige Licht setzen wollte, ho, -es sah aus, als ob er jetzt diesen Stein als eine Ruine -hinter sich zurücklassen wollte. Warum sollte er das nicht -tun? Einen Stein, den man tödlich haßt, zu zerschmettern, -das ist nur Formsache. Und wenn der Stein Widerstand -leistete, wenn er sich nicht zerschmettern ließ? Oh, -es würde sich schon zeigen, wer von ihnen beiden der -Überlebende sein würde!</p> - -<p>Aber jetzt redet Inger ein wenig ängstlich, denn sie -merkt wohl, was in dem Manne gärt, sie sagt: Wie<span class="pagenum"><a name="Seite_389" id="Seite_389">[S. 389]</a></span> -wär's, wenn wir uns beide auf den Balken da legten? -und mit dem Balken meinte sie die Hebestange. — Nein! -rief Isak rasend. Aber nach einem Augenblick des Nachdenkens -sagt er: ja, wenn du doch schon einmal da bist, -aber ich begreife nicht, warum du nicht nach Hause gehst. -Wir wollen's einmal versuchen!</p> - -<p>Und nun gelingt es ihnen, den Stein auf die Kante zu -drehen. Es glückt. Puh! sagt Isak.</p> - -<p>Allein nun offenbart sich vor ihren Augen etwas Unerwartetes: -die Unterseite des Steines ist eine Fläche, -eine große schöne Fläche, eben, glatt wie der Fußboden. -Der Stein ist also nur die Hälfte eines Steines, die andere -Hälfte muß irgendwo in der Nähe liegen. Isak -wußte wohl, daß die beiden Hälften eines Steines sehr -gut eine verschiedene Lage in der Erde haben konnten, es -war wohl der Frost gewesen, der sie im Laufe langer -Zeiträume voneinander entfernt hatte. Aber dieser ganze -Fund freut ihn außerordentlich. Oh, dieser Stein ist -brauchbar, er gibt eine prächtige Türschwelle. Selbst eine -größere Geldsumme würde das Herz des Ödlandbewohners -nicht mit solcher Befriedigung erfüllt haben. Das -ist eine feine Türschwelle, sagt er stolz, und Inger bricht -im guten Glauben in die Worte aus: Ich begreife nur -nicht, wie du das hast wissen können! — Hm! sagt Isak. -Meinst du, ich hätte für nichts hier in der Erde gegraben?</p> - -<p>Sie gehen zusammen nach Hause, Isak hat sich eine -unverdiente Bewunderung erschlichen; die schmeckt aber -nicht viel anders als die verdiente. Er setzt auseinander, -daß er die ganze Zeit über auf der Jagd nach einer ordentlichen -Türschwelle gewesen sei, jetzt habe er eine gefunden. -Von jetzt an war es auch nicht mehr verdächtig, wenn -er auf dem Bauplatz arbeitete, er konnte dort unter dem -Vorwand nach der zweiten Hälfte der Türschwelle zu<span class="pagenum"><a name="Seite_390" id="Seite_390">[S. 390]</a></span> -suchen, roden, soviel er wollte. Und als Sivert nach Hause -kam, ließ sich Isak sogar von dem Sohne helfen.</p> - -<p>Aber wenn es so weit gekommen war, daß er nicht -mehr allein hingehen und einen Stein aus der Erde -brechen konnte, dann hatte sich viel geändert, dann sah -es gefährlich aus, dann eilte es mit dem Bauplatz. Das -Alter hatte Isak eingeholt, er fing an, für die Ausdingstube -reif zu werden. Der Triumph, den er sich angeeignet -hatte, als er die Türschwelle fand, verglühte im Laufe -der Tage, er war unecht und undauerhaft gewesen. Isak -fing an, etwas gebeugt zu gehen.</p> - -<p>War er denn nicht einstmals in seinem Leben aufmerksam -und hellhörig geworden, sobald nur jemand Stein -oder Graben zu ihm gesagt hatte? Das war noch gar nicht -lange her, nur einige Jahre. Und damals mußte sich ja -einer, der ein trocken gelegtes Moor nur mit einem schiefen -Blick ansah, vor ihm in acht nehmen. Jetzt fing er so -langsam und allmählich an, derartiges mit mehr Ruhe -aufzufassen, ach ja, Herrgott im Himmel! Nichts war -mehr so wie früher, das ganze Ödland hatte sich verändert, -dieser breite Telegraphenweg durch den Wald war -früher nicht da, die Berge droben am Wasser waren -früher nicht gesprengt und durchwühlt gewesen. Und die -Menschen? Sagten sie noch Grüß Gott! wenn sie kamen, -und Behüt dich Gott! wenn sie gingen? Sie nickten nur, -und oft das nicht einmal.</p> - -<p>Aber früher hatte es auch kein Sellanraa gegeben, nur -eine Torfgamme; aber was war es jetzt? Und dann war -auch früher kein Markgraf dagewesen.</p> - -<p>Ja, und was war der Markgraf jetzt! Nichts als ein -trauriger und vertrockneter alter Mann. Was nützte es -zu essen und gute Gedärme zu haben, wenn das keine -Kraft mehr gab? Jetzt war es Sivert, der Kräfte hatte, -und gottlob, daß er sie hatte; aber wie, wenn auch Isak -selbst sie gehabt hätte! Wozu sollte es gut sein, daß sein<span class="pagenum"><a name="Seite_391" id="Seite_391">[S. 391]</a></span> -Rad anfing sich langsamer zu drehen? Er hatte geschafft -wie ein rechter Mann, sein Rücken hatte die Lasten eines -Lasttiers getragen, jetzt sollte er Ausdauer darin zeigen, -auf einem Hocker herumzusitzen.</p> - -<p>Isak ist mißvergnügt, Isak ist schwermütig.</p> - -<p>Da liegt ein alter Südwester auf dem Hügel und vermodert. -Der Sturm hat ihn hierher an den Waldessaum -geweht, oder vielleicht haben ihn auch die Kinder dorthin -gebracht, als sie noch klein waren. Da liegt er nun -ein Jahr ums andere und vermodert immer mehr, und -er war doch einmal ein neuer Südwester gewesen, ein -schöner gelber Südwester. Isak erinnert sich noch, wie er -damit vom Kaufmann nach Hause kam, und wie Inger -sagte, das sei ein schöner Südwester. Ein paar Jahre -später ging er damit zum Maler ins Dorf hinunter und -ließ ihn glänzend schwarz lackieren und den Schirm daran -grün malen. Als er damit nach Hause kam, sagte Inger, -er sei jetzt schöner als je. Inger gefiel immer alles ausgezeichnet, -ach, das war eine schöne Zeit; er schlug Klafterholz, -und Inger sah ihm zu, das war seine beste Zeit -im Leben gewesen. Und wenn der März und April kam, -dann wurden er und Inger verliebt, gerade wie die Vögel -und Tiere des Waldes, und wenn der Mai kam, dann -säte er Korn und legte Kartoffeln und arbeitete Tag und -Nacht. Es gab Schlaf und Arbeit, Liebe und Träumerei, -er war wie sein erster großer Stier, und der war ein -Wundertier gewesen, groß und glänzend wie ein König, -wenn er in seiner Pracht einherschritt. Aber einen solchen -Mai bringen die Jahre jetzt nicht mehr, das gibt es nicht -mehr.</p> - -<p>Einige Tage lang war Isak niedergeschlagen. Das -waren dunkle Tage. Er fühlte weder Lust noch Kraft in -sich, mit dem Aufbau des Futterspeichers zu beginnen. -Das wird einmal Siverts Sache sein, jetzt galt es, das -Ausdinghäuschen fertigzustellen. Auf die Dauer konnte er<span class="pagenum"><a name="Seite_392" id="Seite_392">[S. 392]</a></span> -es nicht vor Sivert verborgen halten, daß es ein Bauplatz -war, den er hier am Waldrand rodete, und eines Tages -offenbarte er die Sache: Das da ist ein guter Stein, wenn -wir einmal wieder etwas mauern wollen, sagte er. — -Und das da ist auch ein guter Stein, sagte er. — Sivert -verzog keine Miene, er erwiderte: Prächtige Grundsteine. -— Ja, was meinst du? sagt der Vater. Wir haben nun -hier so lange nach der zweiten Türschwelle gegraben, daß -ein ganz schöner Bauplatz entstanden ist. Aber ich weiß -nicht. — Das wäre wirklich kein dummer Bauplatz, sagte -Sivert und läßt seinen Blick über den Platz hingleiten. -— So, meinst du? Wir könnten ja hier ein kleines -Häuschen bauen für Besuche, wenn jemand kommt. — -Ja. — Es müßte wohl eine Stube und eine Kammer -sein? Du hast ja gesehen, wie es war, als die schwedischen -Herren das letztemal hier waren, und jetzt haben wir -keinen Neubau für sie. Aber was meinst du, eine kleine -Küche müßte doch auch dabei sein, falls sie kochen wollten? -— Ja, ohne eine kleine Küche könnten sie nicht sein, -sie müßten uns ja auslachen, sagt Sivert. — So, meinst -du?</p> - -<p>Der Vater schwieg. Aber der Sivert war doch ein wunderbarer -Junge, wie schnell er begriff und einsah, was -schwedische Herren alles notwendig brauchten; nicht eine -einzige Frage stellte er, er sagte nur: Wenn ich du wäre, -so würde ich an die Nordwand eine kleine Scheune anbauen. -Es wäre sehr bequem für sie, wenn sie eine -Scheune hätten, falls sie einmal nasse Kleider zum Trocknen -aufhängen wollten.</p> - -<p>Der Vater fällt sofort ein: Da hast du recht!</p> - -<p>Nun schweigen beide und arbeiten an ihren Steinen -weiter. Nach einer Weile fragt der Vater: Ist Eleseus -noch nicht heimgekommen? — Sivert erwidert ausweichend: -Er kommt jetzt bald.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_393" id="Seite_393">[S. 393]</a></span></p> - -<p>Die Sache mit Eleseus war die, er war sehr häufig -fort, wollte beständig reisen. Hätte er denn die Waren -nicht auch schriftlich bestellen können, statt selbst hinzureisen -und sie einzukaufen? Er bekam sie allerdings viel -billiger, aber wieviel kosteten die Reisen! Er hatte eine -so merkwürdige Art zu denken. Und was wollte er denn -mit noch mehr Baumwollstoff und seidenen Bändern für -Taufhäubchen und schwarzen und weißen Strohhüten -und langen Tabakspfeifen? Derartiges kaufte doch kein -Ödlandbewohner, und die Kunden aus dem Dorf kamen -nur nach Storborg herauf, wenn sie kein Geld hatten. -Eleseus war in seiner Art recht tüchtig, oh, man mußte -nur einmal sehen, wie geschickt er auf Papier schrieb oder -mit der Kreide rechnete! Wenn ich nur deinen Kopf hätte! -sagten die Leute bei solchen Gelegenheiten. Das alles war -ganz richtig, aber er hatte zuviel Geld ausstehen. Diese -Dorfleute bezahlten ja niemals, was sie schuldig waren, -und selbst so ein Bettelmann wie Brede Olsen war im -Winter nach Storborg gekommen und hatte Baumwollstoff -und Kaffee und Sirup und Kerzen auf Borg erhalten.</p> - -<p>Isak hat ja nun schon sehr viel Geld für Eleseus und -sein Geschäft und seine Reisen ausgegeben, und so sehr -viel von dem Reichtum, den er für den Kupferberg erhalten -hat, ist nicht mehr übrig, und was dann? — Wie -glaubst du, daß das mit Eleseus weitergehen wird? fragt -Isak plötzlich. — Weitergehen? fragt Sivert zurück, um -Zeit zu gewinnen. — Es sieht nicht aus, als ob es gehen -wollte. — Er selbst ist voll der besten Hoffnung, sagt -Sivert. — So, hast du mit ihm darüber gesprochen? — -Nein, Andresen hat es gesagt. — Der Vater denkt darüber -nach und schüttelt den Kopf: Nein, es geht nicht, -sagt er. Aber es ist schade um Eleseus!</p> - -<p>Und der Vater wird immer finsterer und war doch -schon vorher nicht allzu leichten Sinnes gewesen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_394" id="Seite_394">[S. 394]</a></span></p> - -<p>Da rückt Sivert mit einer Neuigkeit heraus: Es kommen -jetzt noch mehr Ansiedler ins Ödland. — Wieso? — -Ja, zwei neue Ansiedler. Sie haben sich noch weiter oben -als wir angekauft. — Isak bleibt mit dem Spaten in -der Hand stehen, das war eine große Neuigkeit und eine -gute Neuigkeit, eine von den besten. Dann sind wir zehn -Ödlandbauern, sagt er. Isak bekommt nähere Auskunft, -wo sich die neuen Ansiedler angekauft haben, er hat die -ganze Geographie im Kopf und nickt: Ja, da haben sie -recht getan, dort haben sie einen guten Wald für Brennholz -und auch Hochstämme. Das Grundstück neigt sich -gegen Südosten.</p> - -<p>Nein, nichts konnte die Ansiedler zurückhalten; es -kamen immer mehr neue Leute her. Der Bergwerksbetrieb -hörte allerdings auf, aber das war ja nur zum Nutzen der -Landwirtschaft, es war nicht wahr, daß das Ödland tot -dalag, im Gegenteil, es wimmelte da von Leben, zwei -neue Ansiedler mehr, vier Hände mehr, Äcker, Wiesen -und Häuser. Ach, die freien, grünen Halden im Walde, -Hütten und Quellen, Kinder und Tiere! Korn wächst auf -den Mooren, wo zuvor nur Schachtelhalme gestanden -hatten, blaue Glockenblumen nicken von den Hügeln, -Sonnengold leuchtet auf dem blühenden Hornklee vor -den Häusern. Und Menschen sind da und sprechen und -denken und sind eins mit Himmel und Erde.</p> - -<p>Hier steht nun der erste, der sich im Ödland niedergelassen -hat. Als er kam, watete er bis an die Knie in -Sumpf und Heide, er fand eine sonnige Halde und siedelte -sich da an. Andere kamen nach ihm, sie traten einen -Fußpfad durch die unbebaute Allmende, noch andere -kamen, der Fußpfad wurde zu einem Fahrweg, nun fuhren -sie mit Karren darauf. Isak muß sich zufrieden fühlen, -Stolz muß ihn durchzucken, er hat den Grund zu -dieser ganzen Ansiedlung gelegt, er ist der Markgraf.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_395" id="Seite_395">[S. 395]</a></span></p> - -<p>Ja, ja, aber wir können nicht ewig hier auf diesem -Bauplatz weiterroden, wenn wir in diesem Jahr noch den -Futterspeicher aufrichten wollen, sagt er.</p> - -<p>Und das sagte er wohl in einer plötzlichen frohen -Laune, mit neuem Lebensmut.</p> - - - -<h3>10</h3> - - -<p>Eine Frau wandert durch das Ödland hinauf. Es -fällt ein milder Sommerregen, sie wird naß, aber -darum kümmert sie sich nicht, sie hat anderes zu -denken, sie ist sehr gespannt, ob — es ist Barbro, und -keine andere, Barbro, Bredes Tochter. Jawohl, sie darf -wohl gespannt sein, sie kann nicht wissen, wie dieses -Abenteuer ablaufen wird, aber sie ist von der Frau Lensmann -entlassen und ist fort aus dem Dorf. So steht es.</p> - -<p>Sie macht einen Bogen um alle Ansiedlungen im Ödland -herum, denn sie möchte alle Menschen vermeiden. -Jedermann würde ja gleich erraten, wohin sie will, denn -sie trägt ein Bündel mit Kleidern auf dem Rücken. Jawohl, -sie will nach Maaneland und will wieder dort -bleiben.</p> - -<p>Zehn Monate lang hat sie bei der Frau Lensmann gedient, -und das ist keine kurze Zeit, wenn man sie in -Tage und Nächte umrechnet, aber wenn man den Zwang -und alle die hinausziehenden Gedanken bedenkt, dann ist -es eine Ewigkeit. Im Anfang ging alles wirklich gut; -Frau Heyerdahl war sehr besorgt um Barbro und gab -ihr Schürzen und putzte sie heraus, es war eine Freude, -in so schönen Kleidern in den Kaufladen geschickt zu werden. -Barbro war ja schon als Kind hier im Dorf gewesen, -sie kannte alle Leute von der Zeit her, wo sie hier -in die Schule gegangen war und die Jungen geküßt und -mit Steinen und Muscheln allerlei Spiele gespielt hatte.<span class="pagenum"><a name="Seite_396" id="Seite_396">[S. 396]</a></span> -Ein paar Monate ging alles gut. Aber dann umsorgte die -Frau Heyerdahl sie immer noch mehr, und als die Weihnachtsvergnügungen -angingen, wurde Frau Heyerdahl -streng. Aber wozu das alles, doch nur um das gute Verhältnis -zu stören! Barbro hätte es überhaupt nicht ausgehalten, -wenn sie nicht gewisse Nachtstunden für sich -gehabt hätte: von zwei Uhr an bis morgens um sechs -konnte sie ziemlich sicher sein, und sie gestattete sich manche -verstohlene Freuden in diesen Stunden. Aber was für ein -Mädchen war denn die Köchin, daß sie Barbro nicht anzeigte? -Sie war das ganz gewöhnliche Dienstmädchen und -ging selbst unerlaubterweise aus. Die beiden hielten abwechselnd -Wache.</p> - -<p>Es verging auch eine recht lange Zeit, ehe sie entdeckt -wurden. Barbro war keineswegs so leichtsinnig, daß ihr -an die Stirn geschrieben gewesen wäre, an ihr sei nichts -mehr zu verderben. Verderben? Sie widerstand so viel als -nötig war. Wenn ein Bursche sie zum Weihnachtstanz -einlud, so sagte sie das erstemal nein, das zweitemal auch, -aber das drittemal sagte sie: Ich will sehen, ob ich von -zwei bis sechs Uhr kommen kann. Seht, so antwortet ein -anständiges Mädchen und macht sich nicht schlechter, als -sie ist, und läßt keine Frechheit sehen. Sie war ein Dienstmädchen -und diente die ganze Zeit und kannte kein anderes -Vergnügen als Ausgelassenheit. Das war auch alles, -was sie begehrte. Die Frau Lensmann hielt ihr lange -Reden und borgte ihr Bücher — die Närrin! Barbro -bildende Bücher leihen, die in Bergen gewesen war, Zeitungen -gelesen und das Theater besucht hatte! Sie war -doch nicht Gottes Wort vom Lande!</p> - -<p>Aber die Frau Lensmann mußte doch Verdacht geschöpft -haben, eines Morgens um drei Uhr steht sie vor -der Mägdekammer und ruft: Barbro! — Ja, antwortet -die Köchin. — Ist Barbro nicht da? Mach auf! — Die -Köchin schließt auf und gibt die zuvor vereinbarte Er<span class="pagenum"><a name="Seite_397" id="Seite_397">[S. 397]</a></span>klärung: -Barbro habe ganz notwendig auf der Stelle -nach Hause laufen müssen. — Nach Hause, auf der -Stelle? Es ist drei Uhr in der Nacht, sagt Frau Heyerdahl -und hält mit ihrer Verwunderung darüber nicht -zurück. Am anderen Morgen gab es ein großes Verhör; -Brede wurde gerufen, und die Frau Lensmann fragte: -Ist Barbro heute nacht um drei Uhr bei euch gewesen? — -Brede war nicht vorbereitet, aber er sagt sofort ja. — -Jawohl um drei Uhr in der Nacht. Wir waren sogar -solange aufgeblieben, weil wir etwas Wichtiges zu besprechen -hatten, antwortete Barbros Vater. — Darauf -verkündet die Frau Lensmann feierlich: Barbro geht bei -Nacht nicht mehr aus! — Nein, gewiß nicht, erwidert -Brede. — Solange sie in meinem Hause ist wenigstens -nicht. — Nein. Ja, da hörst du's, Barbro, ich habe es -dir gleich gesagt! spricht der Vater. — Du kannst zuweilen -vormittags zu deinen Eltern gehen, bestimmt die -Frau Lensmann.</p> - -<p>Aber die wachsame Frau Lensmann hat darum ihren -Verdacht doch nicht ganz aufgegeben; sie läßt eine Woche -verstreichen, dann macht sie um vier Uhr morgens eine -Stichprobe. Barbro! rief sie. Oh, aber diesmal war die -Köchin aus, Barbro war daheim, und die Mägdekammer -glänzte in Unschuld. Die Frau mußte schnell einen Vorwand -erfinden. Hast du die Wäsche gestern abend hereingeholt? -— Ja! — Das ist gut, denn es fängt an zu -stürmen. Gute Nacht.</p> - -<p>Es war übrigens recht lästig für Frau Heyerdahl, sich -von ihrem Mann in der Nacht wecken zu lassen und selbst -zu den Mädchen hinüberzutappen, um nachzusehen, ob -sie zu Hause seien! Geschehe, was da wolle, sie tat es -nicht mehr.</p> - -<p>Und wenn nun das Glück sie nicht im Stich gelassen -hätte, so hätte es Barbro auf diese Weise das Jahr durch<span class="pagenum"><a name="Seite_398" id="Seite_398">[S. 398]</a></span> -mit ihrer Herrin aushalten können. Aber vor einigen -Tagen hatte es einen Krach zwischen ihnen gegeben.</p> - -<p>Es war frühmorgens in der Küche. Zuerst hatte sich -Barbro ein wenig mit der Köchin gezankt, ja, nicht nur -so ganz wenig, sie sprachen lauter und lauter und vergaßen, -daß Frau Heyerdahl kommen könnte. Die Köchin -hatte sich schlecht benommen und hatte sich außer der -Reihe fortgeschlichen, weil es Sonntagnacht gewesen -war. Und womit entschuldigte sie sich? Sagte sie, sie habe -fort müssen, um sich von einer teuren Schwester zu -verabschieden, die nach Amerika reise? Keine Spur, sie -entschuldigte sich gar nicht, sondern behauptete, sie habe -diese Sonntagnacht gut gehabt. — Daß du auch gar -keine Ehre und Wahrhaftigkeit im Leibe hast, du Canaille! -rief Barbro.</p> - -<p>Da stand Frau Heyerdahl unter der Tür.</p> - -<p>Sie hatte sich vielleicht ursprünglich nur eine Erklärung -für dieses laute Geschrei ausbitten wollen, erwiderte -auch noch den Mädchen ihren Morgengruß, aber -dann sah sie plötzlich Barbro scharf an, sah Barbros -Brusttuch an, beugte sich vor und sah noch näher zu. -Das fing an unheimlich zu werden. Und plötzlich stößt -Frau Heyerdahl einen Schrei aus und weicht zur Tür -zurück. Was in aller Welt ist das? denkt Barbro und -schaut an sich herunter. Lieber Gott, nichts als eine Laus! -Barbro muß ein wenig lächeln, und da es ihr nicht ungewohnt -ist, auch in außerordentlichen Umständen zu -wissen, was sie zu tun hat, knipst sie die Laus weg. — -— Was, auf den Fußboden! schreit die Frau Lensmann. -Bist du verrückt! Gleich nimm das Tier auf! — Ja, -Barbro beginnt zu suchen und ist wieder rasch gefaßt, sie -tut, als ob sie die Laus gefunden hätte und wirft sie -großartig ins Küchenfeuer.</p> - -<p>Wo hast du die her? fragt die Frau erregt. — Wo -ich die her habe? antwortet Barbro. — Ja, ich will<span class="pagenum"><a name="Seite_399" id="Seite_399">[S. 399]</a></span> -wissen, wo du gewesen bist und sie dir geholt hast. Antworte! -— Nun machte Barbro den großen Fehler, daß -sie nicht sagte: Im Kaufladen! Das wäre das einzig -richtige gewesen. Nein, sie wußte nicht, wo sie die Laus -aufgelesen haben könnte, aber sie deutete an, sie habe sie -vielleicht durch die Köchin bekommen. Da fuhr die Köchin -plötzlich hoch auf: Du von mir! Du bringst es für dich -allein fertig, dir Läuse zu holen! — Aber du warst es -doch, die heute nacht aus war!</p> - -<p>Abermals ein großer Fehler, das hätte sie niemals -sagen sollen. Nun hatte die Köchin auch keinen Grund -mehr zu schweigen, und alles von den unglückseligen -Nächten außer dem Hause kam an den Tag. Frau Heyerdahl -ist in höchster Erregung; von der Köchin will sie -nichts, ihre Erregung gilt Barbro, dem Mädchen, für -das sie eingestanden ist. Und dennoch hätte vielleicht auch -jetzt noch alles gerettet werden können, wenn Barbro -ihr Haupt gebeugt hätte wie ein Schilfrohr, und zu -Boden gesunken wäre und sich hoch und teuer verschworen -hätte, es in Zukunft nie mehr zu tun. Aber nein, Frau -Heyerdahl mußte schließlich ihr Kindermädchen daran erinnern, -was sie alles für sie getan hatte, und da gab -Barbro wahrhaftig Antwort, sie trumpfte auf, so dumm -war sie. Ja, oder vielleicht war sie auch so klug, vielleicht -wollte sie die Sache auf die Spitze treiben, um von da -wegzukommen. Frau Heyerdahl sagte: Ich habe dich aus -den Klauen des Löwen gerissen. — Was das betrifft, -erwiderte Barbro, so wäre es mir ebenso lieb, wenn Ihr -es nicht getan hättet. — Ist das der ganze Dank, den -ich bekomme? rief Frau Heyerdahl. — Ach, was soll das -Gerede! sagte Barbro. Vielleicht wäre ich verurteilt worden, -aber mehr als ein paar Monate hätte man mir jedenfalls -nicht gegeben, und dann wäre ich die Geschichte los! -— Frau Heyerdahl ist einen Augenblick sprachlos, ja, eine -Weile steht sie nur da, öffnet den Mund und schließt ihn<span class="pagenum"><a name="Seite_400" id="Seite_400">[S. 400]</a></span> -wieder. Das erste Wort, das sie herausbringt, ist die -Kündigung. — Ja, ganz wie Ihr wollt, ist alles, was -Barbro erwidert.</p> - -<p>Während der Tage, die seither verflossen sind, hat sich -Barbro bei ihren Eltern aufgehalten. Aber dort konnte -sie nicht immer bleiben. Oh, es ging ihnen nicht schlecht, -die Mutter trieb jetzt einen Kaffeeausschank, und es -kamen immer viele Leute ins Haus; aber davon konnte -Barbro nicht leben, und sie konnte ja auch andere gute -Gründe haben, warum sie wieder in eine feste Stellung -kommen wollte. So nahm sie also heute einen Sack mit -Kleidern auf den Rücken und wanderte ins Ödland hinauf. -Nun kam es darauf an, ob Axel Ström sie wieder -aufnehmen würde! Aber sie hatte am letzten Sonntag -das Aufgebot verkünden lassen.</p> - -<p>Es regnet, der Weg ist schmutzig, aber Barbro geht -weiter. Es wird Abend, und da der Sankt-Olafstag noch -nicht gewesen ist, wird es nicht dunkel. Arme Barbro, -sie schont sich nicht, sie hat eine bestimmte Absicht, sie hat -ein Ziel, und so nimmt sie den ersten Kampf auf. Sie hat -sich im Grunde niemals geschont, ist niemals träge gewesen, -darum ist sie auch ein schönes und feines Geschöpf. -Barbro hat eine leichte Auffassungsgabe, gebraucht sie jedoch -oftmals zu ihrem eigenen Verderben. Was war auch -anderes zu erwarten? Sie hat gelernt, sich von einer Not -in die andere zu retten, aber sie hat verschiedene gute -Eigenschaften behalten; der Tod eines Kindes ist ihr -nichts, aber ein lebendes Kind könnte es gut bei ihr haben. -Außerdem hat sie ein sehr musikalisches Ohr, sie klimpert -weich und richtig auf der Gitarre und singt mit etwas -heiserer Stimme dazu, was angenehm und etwas wehmütig -anzuhören ist. Sich selbst schonen? Ho, so wenig, -daß sie sich selbst völlig weggeworfen und den Verlust -nicht einmal empfunden hatte. Dann und wann weinte -sie, und das Herz wollte ihr über dies und jenes in ihrem<span class="pagenum"><a name="Seite_401" id="Seite_401">[S. 401]</a></span> -Leben fast brechen; das gehört dazu, das kommt von -den rührenden Liedern, die sie singt, das ist die Poesie -und die süße Wonne der Wehmut in ihr, sie hat häufig -sich selbst und andere damit angeführt. Hätte sie ihre -Gitarre mit sich nehmen können, so hätte sie heute abend -Axel etwas vorgeklimmpert.</p> - -<p>Sie richtet sich so ein, daß sie spät anlangt, und auf -Maaneland ist alles still, als sie den Hofraum betritt. -Sieh, Axel hat schon in der Nähe des Hauses mit dem -Mähen begonnen und wahrhaftig auch schon etwas trockenes -Heu eingefahren! Nun überlegt sich Barbro, die alte -Oline werde drinnen in der Schlafkammer schlafen und -Axel in der Heuscheune, wo sie selbst früher geschlafen -hatte. Wie ein Dieb in der Nacht schleicht sie auf die bekannte -Tür zu, dann ruft sie leise: Axel! — Was gibt's? -antwortet Axel sofort. — Ich bin's nur, sagt Barbro -und tritt zu ihm ein. Kannst du mich über Nacht hierbehalten?</p> - -<p>Axel schaut sie an, er ist etwas langsam, er sitzt in -seinen Unterkleidern da und schaut sie an. So, du bist's? -sagt er. Wo willst du hin? — Ja, das kommt nun zuerst -darauf an, ob du eine Hilfe für die Sommerarbeit -brauchst, erwidert sie. — Axel denkt darüber nach und -fragt: Bleibst du nicht mehr dort, wo du gewesen bist? -— Nein, bei Lensmanns hab' ich Schluß gemacht. — Ich -könnte recht gut eine Hilfe für die Sommerzeit brauchen, -sagt Axel. Aber was soll das heißen, willst du etwa -wiederkommen? — Nein, du brauchst dich gar nicht um -mich zu kümmern, wehrt Barbro ab. Morgen geh ich -weiter, ich geh nach Sellanraa und über die Berge, dort -hab' ich eine Stelle. — So, du hast dich verdingt? — Ja. -— Ich könnte wohl eine Hilfe für den Sommer brauchen, -wiederholt Axel.</p> - -<p>Barbro ist ganz naß, sie hat Kleider in ihrem Bündel -bei sich und muß sich umziehen. Kümmere dich gar nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_402" id="Seite_402">[S. 402]</a></span> -darum, daß ich hier bin, sagt Axel und weicht nur ein -wenig nach der Tür zurück. Barbro zieht die nassen Kleider -aus, und währenddessen sprechen sie miteinander, und -Axel dreht öfters den Kopf nach ihr um. — Aber jetzt -mußt du ein wenig hinausgehen, sagt Barbro. — Hinausgehen? -fragt er. Und es war auch wirklich kein Wetter -zum Hinausgehen. Er steht da und sieht zu, wie sie immer -nackter wird, er kann kein Auge von ihr abwenden; und -wie gedankenlos Barbro ist, sie hätte gut immer ein -trockenes Stück anlegen können, wenn sie das nasse abzog, -aber das tat sie nicht. Ihr Hemd ist ganz dünn und -klebt an ihrem Körper, sie knöpft es auf der einen Achsel -auf und wendet sich um, sie ist sehr geübt. In diesem -Augenblick schweigt Axel bumsstill und sieht, daß sie -nur einen Griff oder zwei braucht, um das Hemd abzuziehen. -Das ist prachtvoll gemacht, denkt er. Und da -bleibt sie nun ganz gedankenlos stehen.</p> - -<p>Später liegen sie im Heu und unterhalten sich. Jawohl, -er brauche eine Hilfe für den Sommer, das sei -schon wahr. — Ja, so sagte man mir, stimmt Barbro bei. -— Er habe auch in diesem Jahr wieder allein mit dem -Mähen und Heumachen anfangen müssen, Barbro könne -wohl verstehen, wie ratlos er sei. — Ja, Barbro verstand -alles. — Andrerseits sei es doch gerade Barbro gewesen, -die damals davongelaufen sei und ihn ohne weibliche -Hilfe zurückgelassen habe; das könne er nicht vergessen, -und die Ringe habe sie auch mitgenommen. Und -zu aller Schmach sei auch noch ihre Zeitung immer weiter -gekommen, diese Bergensche Zeitung, die er gar nicht -loswerden konnte, und er habe sie hinterher noch für ein -ganzes Jahr bezahlen müssen. — Das war ja ein schändliches -Blatt, sagte Barbro und stellte sich die ganze Zeit -auf seine Seite. Aber bei so großer Willfährigkeit konnte -auch Axel kein Unmensch sein, er gab zu, daß Barbro -Grund gehabt haben könnte, sich auch über ihn zu ärgern,<span class="pagenum"><a name="Seite_403" id="Seite_403">[S. 403]</a></span> -weil er die Aufsicht über die Telegraphenlinie ihrem Vater -weggenommen hatte. Übrigens kann dein Vater den Telegraphen -wiederhaben, ich mache mir nichts daraus, es -ist nur Zeitverlust. — Ja, sagte Barbro. — Axel überlegte -eine Weile, dann fragte er geradezu: Ja, wie ist -das, willst du nur den Sommer über bleiben? — Ach, -das soll so werden, wie du es haben willst, entgegnete -Barbro. — So, ist das deine aufrichtige Meinung? — -Ja, genau was du willst, das will ich auch. Du brauchst -nicht mehr an mir zu zweifeln. — So. — Nein. Und ich -hab' uns auch in der Kirche aufbieten lassen.</p> - -<p>So. Das war keine schlimme Kunde. Axel blieb ruhig -liegen und überlegte. Wenn es diesmal Ernst war und -nicht wieder ein schändlicher Verrat, so hatte er die eigene -Frau im Hause, und es war ihm für alle Zeit geholfen. -— Ich hätte eine Frau von daheim haben können, sagte -er. Sie hat geschrieben, sie wolle mich haben. Aber ich -hätte ihr die Rückreise von Amerika bezahlen müssen. — -Barbro fragt: So, ist sie in Amerika? — Ja, sie ist -voriges Jahr hingereist; aber es gefällt ihr nicht dort. — -Nein, du mußt dich nicht um sie kümmern! erklärt Barbro. -Was würde sonst aus mir? fragt sie und beginnt -zu weinen. — Darum hab' ich es auch nicht fest mit ihr -gemacht, sagt Axel.</p> - -<p>Nun wollte Barbro aber auch nicht zurückstehen, sie -bekannte, daß sie in Bergen einen Mann hätte haben -können, er sei Bierführer bei einer gewaltig großen -Brauerei, und ihm sei viel anvertraut. Und er grämt -sich gewiß immer noch um mich, sagt Barbro schluchzend. -Aber weißt du, wenn zwei Leute so viel miteinander gehabt -haben wie du und ich, Axel, dann kann ich nicht -vergessen, wenn du auch längst vergessen hast. — Wer, -ich? erwidert Axel. Nein, darum brauchst du nicht zu weinen, -ich habe dich niemals vergessen. — So.</p> - -<p>Dieses Zugeständnis ist Barbro eine große Hilfe, und<span class="pagenum"><a name="Seite_404" id="Seite_404">[S. 404]</a></span> -sie sagt: Unsinn, was willst du denn das viele Reisegeld -ganz von Amerika herüber bezahlen, wenn du es doch -nicht nötig hast. — Sie rät ihm von der ganzen Sache -ab, es würde zu teuer, und er sei doch nicht dazu gezwungen. -Barbro schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, -sein Glück selbst zu begründen.</p> - -<p>Im Lauf der Nacht werden sie einig. Sie waren einander -ja nicht fremd und hatten schon oft alles miteinander -besprochen. Auch die notwendige Trauung sollte -noch vor dem Sankt-Olafstag und der Heuernte vor sich -gehen, sie hatten nicht nötig, sich zu verstellen, und Barbro -drängte jetzt selbst am eifrigsten. Axel stieß sich nicht -daran, daß Barbro es jetzt so eilig hatte, und es erweckte -auch keinen Verdacht in ihm, im Gegenteil, ihre Eile -schmeichelte ihm und feuerte ihn an. Jawohl, er war ein -Ödlandbewohner, ein wetterfester Mann, er nahm es -nicht so genau, war wahrlich nicht überfein, er war zu -allerlei genötigt, er sah auf den Nutzen. Dazu kam noch, -daß ihm Barbro wieder ganz neu und schön erschien, beinahe -reizender als zuvor. Sie war ein frischer Apfel, -und er biß hinein. Sie waren ja bereits aufgeboten.</p> - -<p>Über die Kindsleiche und die Gerichtsverhandlung -schwiegen alle beide.</p> - -<p>Dagegen redeten sie von Oline, und wie sie sie loswerden -könnten? Ja, sie muß zum Hause hinaus, erklärte -Barbro. Wir sind ihr keinen Dank schuldig. Sie ist nichts -als ein Klatschweib voller Bosheit. — Aber es erwies -sich als sehr schwierig, Oline loszuwerden.</p> - -<p>Gleich am ersten Morgen, als Barbro zum Vorschein -kam, ahnte Oline ihr Schicksal. Ihr wurde sofort schlimm -zumute, aber sie verbarg das und nickte und bot Barbro -einen Stuhl an. Es war doch auf Maaneland einen Tag -nach dem andern gegangen. Axel hatte Wasser und -Brennholz herbeigetragen und ihr die schwersten Arbeiten -abgenommen, und den Rest hatte Oline fertiggebracht.<span class="pagenum"><a name="Seite_405" id="Seite_405">[S. 405]</a></span> -Im Lauf der Zeit hatte sie sich entschlossen, bis zum Ende -ihres Lebens auf der Ansiedlung zu bleiben, aber da kam -diese Barbro und machte diesen Plan zunichte.</p> - -<p>Wenn eine Kaffeebohne im Hause wäre, so hätte ich dir -einen Kaffee gemacht, sagte sie zu Barbro. Willst du -noch weiter hinauf in die Berge? — Nein, erwiderte -Barbro. — So, du willst nicht weiter hinauf? — Nein. -— Nun, mich geht es ja nichts an, sagte Oline. Willst -du wieder hinunter? — Nein, auch das nicht, ich bleibe -jetzt wieder hier. — So, du willst wieder hierbleiben? — -Ja, so wird's wohl kommen.</p> - -<p>Oline wartet eine Weile, sie gebraucht ihren alten Kopf, -der steckt bereits voller Politik: Ja, sagt sie. Dann kann -ich hier loskommen. Das freut mich sehr. — So, ist -Axel ein so scharfer Herr gewesen? sagt Barbro im -Scherz. — Scharf? Er? Geh doch und treibe nicht deinen -Spaß mit einer alten Frau, die nur noch auf die Erlösung -wartet. Er, der Axel ist wie ein Vater und eine höhere -Fügung für mich gewesen, jeden Tag und jede Stunde, -anders kann ich nicht sagen. Aber ich habe nun einmal niemand -von den Meinigen hier in der Gegend, ich stehe einsam -und verlassen auf anderer Leute Eigentum und habe -alle meine Angehörigen auf der andern Seite des Gebirges.</p> - -<p>Aber Oline blieb da. Sie war nicht eher als nach der -Trauung zu entbehren, und Oline sträubte sich lange, -sagte aber endlich ja, sie wolle ihnen die Gefälligkeit erweisen -und das Haus hüten und für das Vieh sorgen, -während sie getraut würden. Das nahm zwei Tage in -Anspruch. Als aber die Neuverheirateten heimkamen, -ging Oline doch nicht. Sie verschob es immer wieder, den -einen Tag behauptete sie, es sei ihr nicht gut, den andern -sah es aus, als ob es regnen wollte. Sie schmeichelte -Barbro, es sei jetzt auf Maaneland mit der Kost ganz -anders geworden und doch auch Kaffee im Hause! Oh,<span class="pagenum"><a name="Seite_406" id="Seite_406">[S. 406]</a></span> -Oline scheute vor nichts zurück, sie fragte Barbro bei Dingen -um Rat, die sie selbst viel besser wußte. Was meinst -du, soll ich die Kühe nach der Reihe melken, wie sie im -Stall stehen, oder soll ich Bordelin zuerst nehmen? — -Das kannst du halten, wie du willst. — Ja, hab' ich es -nicht gesagt! ruft Oline. Du bist draußen in der Welt -unter hohen und vornehmen Leuten gewesen und hast -alles gelernt. Mir armen Person ist's nicht so gut gegangen.</p> - -<p>Nein, Oline scheute vor nichts zurück, sondern trieb -Politik Tag und Nacht. Erzählte sie nicht Barbro, wie -sehr gut Freund sie mit ihrem Vater, mit Brede Olsen, -sei! Ho, sie habe manche vergnügte Stunde mit ihm verplaudert, -er sei so ein netter und freundlicher Mann, der -Brede, nie höre man ein unfreundliches Wort aus seinem -Munde!</p> - -<p>Aber es ging doch nicht auf die Dauer, weder Axel noch -Barbro wollte Oline länger im Hause behalten, und Barbro -nahm ihr alle Arbeit aus der Hand. Oline beklagte -sich nicht, aber sie sagte mit einem gefährlichen Seitenblick -auf die Hausfrau und mit leicht verändertem Tone: -Ja, ihr seid jetzt große Leute, sagte sie. Der Axel hat letzten -Herbst eine Reise in die Stadt gemacht, hast du ihn -dort getroffen? Ach nein, du bist ja in den Bergen gewesen. -Er hatte etwas in der Stadt zu besorgen, er hat -eine Mähmaschine und einen Reolpflug gekauft. Was -sind die auf Sellanraa gegen euch? Gar nicht zu vergleichen!</p> - -<p>Oline versetzte kleine Nadelstiche, allein auch das half -nichts, die Herrschaft fürchtete sich nicht vor ihr, Axel -sagte ihr eines Tages geradeheraus, daß sie jetzt gehen -müsse. — Gehen? fragte Oline. Wie denn? Muß ich -kriechen? Sie weigerte sich zu gehen unter dem Vorwand, -daß sie nicht recht gesund sei und die Beine nicht rühren -könne. Und so schlimm mußte es wirklich gehen: als ihr<span class="pagenum"><a name="Seite_407" id="Seite_407">[S. 407]</a></span> -die Arbeit abgenommen war und sie kein Feld der Tätigkeit -mehr hatte, da fiel sie zusammen und wurde tatsächlich -krank. Sie schleppte sich noch eine Woche lang umher, -Axel schaute sie wütend an, aber Oline blieb aus -lauter Bosheit, und zuletzt mußte sie sich zu Bett legen.</p> - -<p>Aber nun lag sie keineswegs nur da und wartete auf -ihre Erlösung, sie sprach im Gegenteil stundenlang davon, -daß sie bald wieder gesund werde. Sie begehrte den -Doktor, eine Großartigkeit, die im Ödland völlig unbekannt -war. — Den Doktor? sagte Axel fragend. Bist du -nicht bei Trost? — Wieso? fragte Oline sanft zurück und -verstand rein gar nichts. Ja, sie war ganz sanft und -mild und sprach sich so erfreut aus, daß sie niemand zur -Last falle, sie könne den Doktor selbst bezahlen. — So, -das kannst du? sagte Axel. — So, kann ich es vielleicht -nicht? entgegnete Oline. Und außerdem werde ich doch -nicht angesichts des Erlösers wie ein Tier hier verenden -sollen? — Jetzt mischte sich Barbro ein und fragte unvorsichtigerweise: -Was fehlt dir denn? Ich bringe dir -doch deine Mahlzeiten. Aber den Kaffee habe ich dir in -guter Absicht versagt. — Bist das du, Barbro? fragt -Oline und dreht nur die Augen nach ihr hin. Sie ist sehr -elend und sieht mit den verdrehten Augen ganz unheimlich -aus. Es wird wohl so sein, wie du sagst, Barbro, daß -ich von einem winzigen Tröpfchen Kaffee, einem Löffelchen -voll Kaffee viel kränker würde. — Wenn du wärest -wie ich, so hättest du jetzt an anderes zu denken als an -Kaffee, sagte Barbro. — Habe ich es nicht gesagt? Du -hast noch nie eines Menschen Tod gewollt, sondern daß -er sich bekehre und lebe. Aber was — was sehe ich? Bist -du denn in der Hoffnung, Barbro? — Ich! rief Barbro -und fügte wütend hinzu: Du gehörst auf den Mist geworfen -mit deinem Mundwerk!</p> - -<p>Hier schweigt die Kranke einen Augenblick nachdenklich, -und ihr Mund zittert, als ob er durchaus lächeln<span class="pagenum"><a name="Seite_408" id="Seite_408">[S. 408]</a></span> -möchte und doch nicht dürfe. — Ich habe heute nacht -jemand rufen hören, sagt sie. — Sie ist nicht bei sich! -flüstert Axel. — Doch, ich bin ganz bei mir. Es war gerade, -als ob jemand riefe. Es kam aus dem Wald oder -vom Bach her. Es war sonderbar, gerade wie das Schreien -eines kleinen Kindes. Ist Barbro hinausgegangen? — -Ja, sagte Axel, sie will deine Narrheiten nicht länger -mit anhören. — Ich spreche keine Narrheiten, ich bin -nicht so von Sinnen, wie ihr meint, sagte Oline. Nein, -das ist nicht des Allmächtigen Wunsch und Wille, daß -ich jetzt schon mit allem, was ich von Maaneland weiß, -zum Thron des Lammes eingehen soll. Ich werde wohl -wieder gesund. Aber du sollst mir den Doktor holen, Axel, -dann geht es schneller. Was ist das für eine Kuh, die du -mir geben willst? — Was für eine Kuh? — Die Kuh, -die du mir versprochen hast. Ist es Bordelin? — Du -sprichst in den Tag hinein, sagt Axel. — Du weißt, daß -du mir eine Kuh versprochen hast, damals, als ich dir -das Leben rettete. — Nein, das weiß ich nicht.</p> - -<p>Da hebt Oline den Kopf und schaut ihn an. Sie ist -ganz kahlköpfig und grau, ihr Kopf sitzt auf einem langen -Vogelhals, sie sieht hexenmäßig und fürchterlich aus, -Axel fährt zurück und greift rückwärts nach der Türklinke. -— So, sagt Oline, du bist von der Sorte! Dann -sprechen wir vorerst nicht mehr davon. Ich kann auch ohne -die Kuh leben und werde sie nicht mehr in den Mund -nehmen. Aber es ist gut, daß du dich genau als der Mann -gezeigt hast, der du bist, so weiß ich es für ein andermal.</p> - -<p>Aber in der Nacht starb Oline, zu irgendeiner Stunde -in der Nacht, jedenfalls war sie bereits kalt, als sie morgens -zu ihr hereinkamen.</p> - -<p>Die alte Oline, geboren und gestorben ...</p> - -<p>Es war weder Axel noch Barbro unlieb, daß sie Oline -für immer begraben konnten, sie brauchten jetzt nicht mehr -so auf der Hut zu sein, sie konnten vergnügt leben. Bar<span class="pagenum"><a name="Seite_409" id="Seite_409">[S. 409]</a></span>bro -klagt wieder über Zahnweh, sonst ist alles gut. Aber -dieses ewige wollene Tuch um den Mund, das sie immer -wegziehen muß, wenn sie ein Wort reden will, ist keine -kleine Plage, und Axel kann das viele Zahnweh nicht -begreifen. Er hatte wohl die ganze Zeit her ihre vorsichtige -Art zu kauen beobachtet, aber es fehlte ihr doch kein -Zahn im Mund. — Hast du dir denn keine neuen Zähne -machen lassen? fragt er. — Doch. — Ja, tun die denn -auch weh? — Spotte nicht so! erwidert Barbro erzürnt, -obgleich er wirklich in gutem Glauben gefragt hatte. Und -in ihrer Bitterkeit kommt sie dazu, bessere Auskunft zu -geben: Du siehst doch, wie es mit mir steht.</p> - -<p>Wie es mit ihr stand? Axel sieht etwas näher zu und -bemerkt, daß sie bereits anfängt einen dicken Leib zu bekommen. -— Du bist doch nicht in der Hoffnung? fragt -er. — Doch, das weißt du wohl, erwidert sie. — Etwas -vor den Kopf geschlagen starrt er sie an. In all seiner -Langsamkeit sitzt er da und rechnet eine Weile: eine -Woche, zwei Wochen, in der dritten Woche. — Weiß ich -das? sagt er. — Barbro ist sehr gereizt durch dieses -Zwiegespräch und fängt an laut hinauszuweinen, ja gekränkt -zu weinen. Du kannst mich nur auch gleich in die -Erde graben, dann bist du mich los! ruft sie.</p> - -<p>Merkwürdig, was die Weiberleute für Gründe zum -Weinen finden können!</p> - -<p>Nein, Axel will Barbro durchaus nicht in die Erde -graben, er ist ein handfester Mann, der auf den Nutzen -sieht; in einem Blumenflor zu waten, dazu hat er keine -Lust. — Dann kannst du im Sommer nicht auf dem -Feld arbeiten? fragt er. — Was, nicht auf dem Feld -arbeiten? erwidert sie entsetzt. Und lieber Gott, worüber -ein Frauenzimmer doch plötzlich wieder lächeln kann! Als -es Axel auf diese Weise nahm, rieselte ein hysterisches -Glücksgefühl durch Barbros Körper, und sie rief: Für -zwei werde ich arbeiten! Du wirst sehen, Axel, daß ich<span class="pagenum"><a name="Seite_410" id="Seite_410">[S. 410]</a></span> -alles arbeite, wobei du mich anstellst, und noch viel mehr. -Ich will mich abrackern und noch vergnügt dabei sein, -wenn du nur zufrieden bist!</p> - -<p>Es gab noch mehr Tränen und Lächeln und Zärtlichkeiten. -Die beiden waren allein im Ödland, niemand war -zu fürchten, offene Türen, Sommerwärme, Fliegengesumm. -Sie war so willfährig und hingebend, alles -wollte sie genau so wie er.</p> - -<p>Nach Sonnenuntergang ist Axel damit beschäftigt, seine -Mähmaschine anzuspannen, er will noch ein kleines Stück -abmähen für den nächsten Morgen. Barbro kommt hastig -herausgelaufen, als ob sie etwas Wichtiges zu besorgen -hätte, und sagt: Du, Axel, wie hast du überhaupt daran -denken können, dir jemand aus Amerika kommen zu lassen? -Sie wäre ja erst bis zum Winter hier gewesen, -und was hättest du da noch mit ihr angefangen? — -Seht, auf diesen Gedanken war Barbro verfallen, und -nun kam sie damit angelaufen, wie wenn das notwendig -wäre!</p> - -<p>Aber es war keineswegs notwendig, Axel hatte von -der ersten Stunde an eingesehen, daß er eine weibliche -Hilfe für ein ganzes Jahr gewann, wenn er Barbro wieder -zu sich nahm. Dieser Mann schwankt nicht, und er -träumt sich nicht zu den Sternen hinauf. Nun hat er die -eigene Frau im Hause und kann auch die Telegraphenlinie -noch eine Zeitlang behalten. Im Jahre macht das -doch viel Geld aus, und das ist ihm sehr willkommen, -solange er nicht viel vom Ertrag des Hofes verkaufen -kann. Alles geht und fügt sich ineinander, er ist mitten -in der Wirklichkeit. Und von Brede, der jetzt sein Schwiegervater -ist, erwartet er auf der Telegraphenlinie keinen -Überfall mehr.</p> - -<p>Das Glück fängt an, Axel mit seinen Gaben zu überschütten.</p> - - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_411" id="Seite_411">[S. 411]</a></span></p> - - - - -<h3>11</h3> - - -<p>Die Zeit vergeht, der Winter vergeht, es wird wieder -Frühling. Natürlich mußte Isak eines Tages -notwendig ins Dorf. Es wurde gefragt, was er -dort wolle. Ich weiß es nicht recht, sagte er. Aber er putzte -den Karren sehr rein, stellte den Sitz darauf und fuhr davon. -Und natürlich hatte er verschiedentliche Eßwaren für -Eleseus auf Storborg bei sich. Es fuhr ja kein Wagen von -Sellanraa ab, der nicht irgend etwas für Eleseus mitnahm.</p> - -<p>Wenn Isak das Ödland hinunterfuhr, so war das kein -unbedeutendes Ereignis; er selbst tat es nur selten, Sivert -pflegte es an seiner Statt zu tun. In den zwei ersten Ansiedlungen -stehen die Leute unter der Gammentür und -sagen zueinander: das ist der Isak selbst, ich möchte nur -wissen, warum er heute fährt. Als er nach Maaneland -kommt, steht Barbro mit einem Kind auf dem Arm -unter dem Fenster, und als sie ihn sieht, denkt sie: das -ist der Isak selbst!</p> - -<p>Er kommt nach Storborg und hält an: Prrr! Ist -Eleseus daheim? — Eleseus kommt heraus. Jawohl, er ist -daheim, er ist noch nicht abgereist, aber er will abreisen, -er will seinen Frühlingsausflug nach den Städten im -Süden antreten. — Da schickt dir die Mutter etwas, sagt -der Vater. Ich weiß nicht, was es ist, es wird weiter -nichts Besonderes sein. — Eleseus nimmt die Gefäße entgegen, -dankt und fragt: Hast du nicht auch einen Brief -oder so etwas? — Doch, antwortet der Vater und sucht -in seinen Taschen. Er ist wohl von der kleinen Rebekka. -— Eleseus bekommt den Brief, darauf hat er gewartet, -er sieht, daß er schön dick ist, und sagt zu seinem Vater: -Es ist sehr schade, daß du so früh kommst, zwei Tage zu -früh. Aber wenn du ein bißchen warten willst, kannst du -meinen Koffer gleich mitnehmen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_412" id="Seite_412">[S. 412]</a></span></p> - -<p>Isak steigt ab und bindet das Pferd an. Dann macht -er einen Gang über die Felder. Der kleine Ladendiener -Andresen ist kein schlechter Landwirt auf Eleseus' Grund -und Boden, Sivert ist ihm allerdings mit den Pferden -von Sellanraa zu Hilfe gekommen, aber er hat auch auf -eigene Faust Moor entwässert und einen Mann zu Hilfe -genommen, der die Gräben mit Steinen auslegte. In -diesem Jahr braucht auf Storborg kein Futter gekauft -zu werden, und im nächsten Jahr konnte sich Eleseus vielleicht -ein eigenes Pferd halten. Das hatte er Andresens -Freude an der Landwirtschaft zu verdanken.</p> - -<p>Nach einiger Zeit ruft Eleseus, daß er seinen Koffer -gepackt habe und fertig sei. Er selbst steht auch fertig da -und will mitkommen, er hat einen schönen blauen Anzug -an und trägt einen weißen Kragen um den Hals, Galoschen -an den Füßen und einen Spazierstock in der Hand. -Allerdings kommt er so mehr als zwei Tage zu früh für -das Postboot, aber das macht nichts, er kann ja im -Dorf solange warten; es ist ganz einerlei, wo er sich -aufhält.</p> - -<p>Vater und Sohn fahren ab. Der Ladendiener Andresen -steht unter der Ladentür und wünscht: Glückliche Reise!</p> - -<p>Der Vater ist besorgt für seinen Sohn und will ihm -den Sitz allein überlassen, aber Eleseus lehnt sofort entschieden -ab und setzt sich neben den Vater. Sie kommen -an Breidablick vorbei, da fällt es Eleseus plötzlich ein, -daß er etwas vergessen hat. Prrr! Was denn? fragt der -Vater. Oh, es ist der Regenschirm, Eleseus hat seinen -Regenschirm vergessen; das kann er nicht offen sagen, -deshalb sagt er nur: Das hilft jetzt nichts, fahr zu! — -Wollen wir nicht umkehren? — Nein, fahr zu! — Aber -es war eine verwünschte Sache, daß er auch so vergeßlich -sein mußte! Das kam von der großen Eile, weil der Vater -über die Felder wanderte und auf ihn wartete. Nun -mußte sich Eleseus aber, wenn er nach Drontheim kam,<span class="pagenum"><a name="Seite_413" id="Seite_413">[S. 413]</a></span> -einen neuen Regenschirm kaufen. Es tat ja auch nichts, -wenn er zwei Regenschirme hatte. Aber er ist so ärgerlich -auf sich selbst, daß er abspringt und hinter dem Wagen -hergeht.</p> - -<p>Auf diese Weise können die beiden nicht viel miteinander -reden, weil sich der Vater nun bei jedem Wort -umdrehen und über die Achsel reden muß. Der Vater -fragt: Wie lange bleibst du weg? und Eleseus antwortete: -Drei bis vier Wochen etwa. — Der Vater spricht seine -Verwunderung aus darüber, daß sich die Leute in den -großen Städten nicht verirren, aber Eleseus sagt ihm, -er sei selbst an die großen Städte gewöhnt, er habe sich -noch nie verirrt. — Nun meint der Vater, es sei eine -Schande, daß er allein auf dem Wagen sitze, und er sagt: -Mußt du eine Weile fahren, ich mag nicht mehr. Eleseus -will jedoch seinen Vater um keinen Preis von dem Sitz -vertreiben und steigt lieber selbst wieder zu ihm auf. Aber -vorher halten sie eine Mahlzeit aus des Vaters schönem -Mundvorrat. Dann fahren sie weiter.</p> - -<p>Endlich kommen sie zu den beiden Ansiedlungen, die -am weitesten unten im Tal liegen, und man merkt jetzt -wohl, daß man in der Nähe des Dorfes ist; auf beiden -Neusiedlungen hängen wahrhaftig an dem kleinen Stubenfenster, -das nach der Straße geht, weiße Vorhänge, -und auf dem Dachfirst des Heubodens ist eine kleine -Stange für die Flagge zu Ehren des siebzehnten Mai -aufgepflanzt. — Das ist der Isak selbst, sagen die Leute -der beiden Ansiedlungen, als sie die Reisenden sehen.</p> - -<p>Endlich vermag Eleseus seine Gedanken so weit von -seiner eigenen Person und seinen eigenen Angelegenheiten -abzulenken, daß er fragt: Was hast du eigentlich heute -vor? — Hm! eigentlich nichts Besonderes, erwidert sein -Vater. Aber Eleseus reiste ja jedenfalls ab, so konnte es -also nichts schaden, wenn er erfuhr, was der Vater vorhatte. -— Die Jensine vom Schmied will ich holen, er<span class="pagenum"><a name="Seite_414" id="Seite_414">[S. 414]</a></span>klärte -der Vater, ja, gesteht er wirklich zu. — Mußt du -dir selbst die Mühe machen; hätte denn nicht Sivert fahren -können? fragt Eleseus. — Seht, Eleseus verstand -es nicht besser, er meinte also, Sivert werde Jensine mit -dem Wagen wiederholen, nachdem sie einmal so hochmütig -getan hatte und von Sellanraa fortgegangen war!</p> - -<p>Nein, es war letztes Jahr mit dem Heumachen gar -nicht gegangen. Inger hatte sich allerdings sehr darangehalten, -wie sie versprochen hatte, Leopoldine tat auch -ihre Arbeit, und dazu hatten sie auch den Heurechen, der -von einem Pferd gezogen wurde. Aber das Heu war zum -Teil schweres Timotheusgras und die Wiesen weit vom -Hause entfernt. Sellanraa war jetzt ein großes Gut, die -Frauen hatten dort anderes zu tun, als Heu zu machen; -all das viele Vieh mußte versorgt werden, das Essen -mußte zur rechten Zeit fertig sein, das Buttern und Käsemachen -war zu besorgen, desgleichen das Waschen und -das Backen, Mutter und Tochter schafften sich gar zu -sehr ab. Einen solchen Sommer wollte Isak nicht noch -einmal erleben, er bestimmte kurz und gut, daß Jensine -wiederkommen solle, wenn sie zu haben sei. Inger hatte -jetzt auch nichts mehr dagegen, sie hatte ihren Verstand -wieder und sagte: Meinetwegen mach es, wie du willst. -Oh, Inger war jetzt fügsamer geworden, es ist keine kleine -Sache, wenn man seinen verlorenen Verstand wiederkriegt. -Inger hatte keine heiße Glut mehr zu verstecken, -keine innere Leidenschaft mehr im Zaum zu halten, der -Winter hatte sie abgekühlt, sie hatte nur noch Glut genug -für den Hausgebrauch. Sie fing jetzt an, an Körperfülle -zuzunehmen, schön und stattlich sah sie aus. Es war -merkwürdig, wie wenig sie alterte, sie wurde nicht stückweise -alt und welk, vielleicht kam es daher, weil sie erst -so spät aufgeblüht war. Gott mag wissen, woher alles -kommt, nichts hat nur eine einzige Ursache, alles hat eine -Ursachen<em class="gesperrt">reihe</em>! Und hatte nicht Inger das größte Lob<span class="pagenum"><a name="Seite_415" id="Seite_415">[S. 415]</a></span> -bei der Frau des Schmieds? Was konnte die Schmiedfrau -ihr vorwerfen? Durch ihr verunziertes Gesicht war -sie um ihren Lenz betrogen worden, später war sie in -künstliche Luft versetzt worden, und dadurch waren ihr -sechs Jahre ihres Sommers gestohlen; da sie aber doch -heißes Blut hatte, mußte ihr Herbst wilde Schößlinge -treiben. Inger ist besser als so eine Schmiedfrau, zwar -ein bißchen beschädigt, ein bißchen verzerrt, aber eine gute -Natur, eine tüchtige Natur ...</p> - -<p>Vater und Sohn fahren weiter, sie fahren an Brede -Olsens Herberge vor und führen das Pferd in den Schuppen. -Es ist Abend geworden. Sie selbst gehen ins Haus.</p> - -<p>Brede Olsen hat dieses Haus gemietet, es ist eigentlich -ein Nebengebäude, das dem Kaufmann gehört, jetzt -sind zwei Stuben und zwei Schlafkammern darin eingerichtet; -es ist ganz erträglich, und die Lage ist gut, das -Haus wird von Kaffeegästen besucht und außerdem von -den Leuten in der Umgegend, die mit dem Postschiff -fahren wollen.</p> - -<p>Brede scheint wirklich einmal Glück gehabt zu haben, -er ist auf den richtigen Platz gekommen, und das hat er -seiner Frau zu verdanken. Bredes Frau kam auf den -Gedanken, dieses Kaffeehaus und diese Herberge einzurichten, -als sie während der Versteigerung auf Breidablick -Kaffee verkaufte; das war damals sehr unterhaltend gewesen, -es war angenehm, Münze zwischen den Fingern -zu haben, bares Geld. Seit sie hierhergekommen sind, -ist alles gut gegangen, die Frau verkauft jetzt im Ernst -Kaffee und beherbergt allerlei Leute, die kein Dach über -dem Kopf haben. Sie wird auch von den Reisenden recht -gelobt. Natürlich ist ihre Tochter Katrine, die jetzt ein -großes Mädchen und eine flinke Aufwärterin ist, eine -gute Hilfe. Aber ebenso natürlich ist es nur eine Zeitfrage, -bis wann die kleine Katrine nicht mehr im Hause ihrer -Eltern sein und da aufwarten wird. Aber inzwischen geht<span class="pagenum"><a name="Seite_416" id="Seite_416">[S. 416]</a></span> -es ganz ordentlich mit dem Umsatz, und das ist die Hauptsache. -Der Anfang war entschieden gut gewesen und hätte -noch besser sein können, wenn sich der Kaufmann genügend -mit Brezeln und Spekulatius zum Kaffee vorgesehen -hätte; da saßen nun alle Leute, die den siebzehnten -Mai feiern wollten, und riefen vergebens nach Kuchen -zum Kaffee: Kaffeekuchen! Da lernte es der Kaufmann, -sich mit Backwaren für die Feste des Dorfes zu versehen.</p> - -<p>Brede und die ganze Familie leben von diesem Betrieb, -so gut es geht. Zu gar vielen Mahlzeiten gibt es nichts -als Kaffee mit übriggebliebenem Kaffeekuchen, aber auch -das hält Leib und Seele zusammen, und die Kinder bekommen -davon ein feines, ja sozusagen ein verfeinertes -Aussehen. Es haben nicht alle Kuchen zum Kaffee! sagten -die Leute im Dorf. Der Familie Brede scheint es gut zu -gehen, sie halten sogar einen Hund, der bei den Gästen -herumschleicht, Bissen erschnappt und fett wird. Was ist -doch so ein fetter Hund eine Anpreisung für die Verpflegung -in einer Herberge!</p> - -<p>Brede Olsen nimmt also die Stelle des Hausherrn in -diesem Betrieb ein und hat sich auch nebenher emporgearbeitet. -Er ist wieder der Begleiter und Amtsdiener -des Lensmannes geworden und hatte in dieser Stellung -eine Zeitlang viel zu tun. Aber letzten Herbst hat seine -Tochter Barbro mit der Frau Lensmann Streit bekommen, -wegen einer Kleinigkeit, geradeheraus gesagt, wegen -einer Laus, und seit der Zeit ist auch Brede bei der Herrschaft -nicht mehr gern gesehen. Aber Brede hat dadurch -nicht viel verloren, er hat andere Herrschaften, die ihn, -gerade um die Frau Lensmann zu ärgern, aufsuchen, so -daß er als Doktorkutscher ein gesuchter Mann ist, und -die Frau Pfarrer hat gar nicht so viele Schweine, als sie -Brede gerne schlachten lassen würde — das sind seine eigenen -Worte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_417" id="Seite_417">[S. 417]</a></span></p> - -<p>Manchmal ist allerdings auch jetzt noch bei der Familie -Brede Schmalhans Küchenmeister, und nicht alle sind so -fett wie der Hund. Aber Gott sei Dank, Brede hat einen -leichten Sinn: Die Kinder werden alle Tage größer, sagt -er, obgleich auch immer wieder neue kleine dazukommen. -Die Großen, die fortgezogen sind, sorgen ja nun -für sich selbst und schicken zuweilen auch eine Kleinigkeit -nach Hause. Barbro ist auf Maaneland verheiratet, und -Helge ist beim Heringsfang; sie geben den Eltern Waren -oder Geld, wenn sie es möglich machen können, ja, sogar -Katrine, die zu Hause die Gäste bedient, hat im -Winter einmal, als es recht trübe aussah, ihrem Vater -einen Fünfkronenschein zustecken können. Das ist ein -Mädchen! rühmte Brede, und er fragte nicht danach, von -wem und wofür sie den Schein bekommen habe. So war -es recht, die Kinder sollten ein Herz für ihre Eltern haben -und ihnen beistehen!</p> - -<p>Mit seinem Sohn Helge ist Brede nicht ebenso zufrieden; -zuweilen steht er im Kaufladen und entwickelt allen, -die ihm zuhören wollen, seine Ansichten über die Pflichten -der Kinder ihren Eltern gegenüber: Nehmt zum Beispiel -meinen Sohn Helge. Wenn er ein bißchen Tabak -raucht und gelegentlich einmal ein Gläschen trinkt, so -hab' ich gar nichts dagegen, wir sind alle einmal jung -gewesen. Aber er soll uns nicht einen Brief um den andern -schicken mit nichts darin als schönen Grüßen. Er -soll nicht die Ursache sein, daß seine Mutter weint. Das -ist unrecht. In früherer Zeit war es anders. In früheren -Zeiten waren sich die Kinder nicht zu gut dazu, sie gingen -in einen Dienst und halfen ihren Eltern. So sollte es -immer sein. Haben nicht Vater und Mutter sie unter -dem Herzen getragen und blutigen Schweiß geschwitzt, bis -sie sie großgezogen hatten? Das sollten sie nie vergessen.</p> - -<p>Es war gerade, als hätte Helge diese Rede seines -Vaters mit angehört, denn eben jetzt kam ein Brief von<span class="pagenum"><a name="Seite_418" id="Seite_418">[S. 418]</a></span> -ihm mit einem Geldschein, einem ganzen Fünfzigkronenschein. -Und nun fing in der Familie Brede ein Herrenleben -an; sie kauften in ihrem Übermut Fisch und Fleisch -zum Mittagessen und eine Hängelampe mit Prismen dran -in die beste Stube der Herberge.</p> - -<p>So verging ein Tag nach dem andern, und was will -man mehr? Die Familie Brede lebte weiter, lebte von der -Hand in den Mund, aber ohne sich große Sorgen zu -machen, und was will man mehr?</p> - -<p>Das ist einmal ein seltener Besuch! rief Brede und -führte Isak und Eleseus in die Stube mit der Prismenlampe. -Aber was sehe ich! Du, Isak, wirst doch nicht verreisen -wollen! — Nein, ich habe nur beim Schmied etwas -zu besorgen. — So, dann ist es wohl Eleseus, der wieder -seine Reise in die Städte antritt?</p> - -<p>Eleseus ist an das Leben in Gasthäusern gewöhnt, er -macht sich's bequem, hängt seinen Überzieher und seinen -Stock auf und verlangt Kaffee. Etwas zu essen hat der -Vater mit. Katrine kommt mit Kaffee. — Nein, ihr -dürft nichts bezahlen, erklärt Brede. Ich bin schon sooft -in Sellanraa bewirtet worden, und bei Eleseus stehe ich -auch im Schuldbuch. Du nimmst keine Öre, Katrine! — -Aber Eleseus bezahlt, er zieht den Beutel und bezahlt -und gibt noch zwanzig Öre Trinkgeld. Nichts da! Kein -Geschwätz!</p> - -<p>Isak geht zum Schmied, und Eleseus setzt sich wieder.</p> - -<p>Mit Katrine spricht er das Notwendigste, aber nicht -mehr, er unterhält sich lieber mit ihrem Vater. Nein, -Eleseus macht sich nichts aus den Mädchen, er ist einmal -von ihnen schlecht behandelt worden, und jetzt will er -nichts mehr von ihnen wissen. Vielleicht hat er überhaupt -nie einen Liebesdrang gehabt, der der Rede wert gewesen -wäre, da er sich gar nicht um sie kümmert. Ein wunderbarer -Mann im Ödland, ein Herr mit schmächtigen -Schreiberhänden und ganz weiblichem Sinn für Putz und<span class="pagenum"><a name="Seite_419" id="Seite_419">[S. 419]</a></span> -Regenschirm und Spazierstock und Gummischuhe. Verschroben, -verdreht, ein unverständlicher Junggeselle. Auf -einer Oberlippe will nicht einmal ein rechter Bart wachsen. -Aber vielleicht hatte dieser Junge einmal gute Anlagen -gehabt, war einmal von Natur ordentlich ausgesteuert -gewesen, war aber dann in unnatürliche Verhältnisse -gekommen und zum Wechselbalg geworden. Ist er -so fleißig auf einem Büro und in einem Kaufladen gewesen, -daß all seine Ursprünglichkeit verlorengegangen -ist? Vielleicht war es so. Jedenfalls ist er nun da, gewandt -und leidenschaftslos, etwas schwächlich, etwas -gleichgültig, und geht weiter und weiter auf seinem Abweg. -Er könnte jeden einzelnen Mann im Ödland beneiden, -allein nicht einmal dazu ist er imstande.</p> - -<p>Katrine ist daran gewöhnt, mit den Gästen zu scherzen, -und nun zieht sie ihn auf, er wolle wohl wieder gen -Süden zu seiner Liebsten? — Ich habe andere Dinge im -Kopf, erwidert Eleseus. Ich will Geschäfte machen, Verbindungen -anknüpfen. — Du mußt besseren Leuten -gegenüber nicht so zudringlich sein, Katrine, ermahnt sie -ihr Vater. Oh, Brede Olsen ist sehr höflich gegen Eleseus, -ganz ungeheuer respektvoll. Das darf er auch wohl sein, -es ist klug von ihm, er ist auf Storborg Geld schuldig und -steht seinem Gläubiger gegenüber. Und Eleseus? Ho, ihm -gefällt diese Höflichkeit, und er ist dafür gut und gnädig. -Hochverehrtester! heißt er Brede im Spaß und spielt sich -auf. Er spricht davon, daß er wieder seinen Regenschirm -vergessen habe. Gerade in dem Augenblick, als wir an -Breidablick vorbeifuhren, fiel mir mein Regenschirm ein! -— Brede fragt: Ihr werdet wohl heute abend bei unserm -kleinen Kaufmann ein Glas Toddy trinken? — Und -Eleseus antwortet: Ja, wenn ich allein wäre! Aber ich -habe meinen Vater bei mir. — Brede tut ganz behaglich -und plaudert weiter: Übermorgen kommt ein Mann hierher, -der wieder nach Amerika zurück will. — Ist er zu<span class="pagenum"><a name="Seite_420" id="Seite_420">[S. 420]</a></span> -Besuch daheim gewesen? — Ja. Er ist vom Oberdorf. -Er ist eine lange Reihe von Jahren drüben gewesen, aber -nun hat er den Winter daheim zugebracht. Sein Koffer -ist schon mit einer Fuhre heruntergekommen, das ist ein -Riesenkoffer. — Ich hab' auch schon daran gedacht, nach -Amerika zu gehen, sagt Eleseus aufrichtig. — Ihr? ruft -Brede. Ihr habt das doch nicht nötig. — Ich bliebe wahrscheinlich -auch nicht für Zeit und Ewigkeit drüben, ich -weiß nicht. Aber ich habe schon so viele Reisen gemacht, da -könnte ich auch diese einmal machen. — Gewiß. Und man -muß drüben in dem Amerika wüst Geld verdienen. Nehmen -wir nur einmal den Mann an, von dem ich vorhin -gesprochen habe. Er hat jetzt im Winter droben im Oberdorf -ein Weihnachtsvergnügen nach dem andern bezahlt, -und wenn er zu mir kommt, so sagt er: Ich will einen -ganzen Kessel Kaffee haben und allen Kaffeekuchen, den -du hast! Ja, so sagt er. Wollt Ihr seinen Koffer sehen?</p> - -<p>Sie gingen in den Gang hinaus und betrachteten den -Koffer. Ein wahres Weltwunder, glänzte auf allen Seiten -von Metall und Beschlägen, mit drei Schnappschlössern -dran, noch außer dem eigentlichen Schloß. — -Diebssicher! sagte Brede, wie wenn er den Versuch gemacht -hätte.</p> - -<p>Sie gingen wieder ins Zimmer hinein, aber Eleseus -war still geworden. Dieser Mann aus dem Oberdorf -machte ihn völlig zunichte, der trat auf Reisen wie der -größte Beamte auf; Brede war augenscheinlich ganz von -diesem Menschen erfüllt. Eleseus verlangte noch mehr -Kaffee und versuchte auch reich zu tun; er verlangte -Kuchen zu seinem Kaffee und fütterte den Hund damit. -Ach ja, aber er fühlte sich dennoch gering und niedergeschmettert. -Was war sein eigener Koffer diesem Wunderwerk -gegenüber? Da stand er, schwarzes Wachstuch, die -Ecken verstoßen und weiß geworden, ein Handkoffer — -bei Gott, er wollte sich einen prachtvollen Koffer kaufen,<span class="pagenum"><a name="Seite_421" id="Seite_421">[S. 421]</a></span> -wenn er hinunterkam — paßt nur auf! Gebt doch dem -Hund nichts! sagte Brede. — Aber Eleseus war wieder -ein bißchen Mensch geworden und spielte sich auf. Das ist -einmal ein riesig fetter Hund! sagte er.</p> - -<p>Von dem einen Gedanken kam er auf den andern, er -brach die Unterhaltung mit Brede ab und ging hinaus, -ging in den Schuppen zu dem Pferd. Dort machte er den -Brief auf, den er in der Tasche hatte. Er hatte ihn nur -eingesteckt und nicht nachgesehen, wieviel Geld er enthielt; -er hatte solche Briefe von zu Hause schon öfters erhalten, -und es waren immer verschiedene Geldscheine darin -gewesen, eine Beisteuer zu der Reise. Was war aber -jetzt das? Ein großes Stück graues Papier, über und über -bemalt von der kleinen Rebekka für ihren lieben Bruder -Eleseus, dabei ein Briefchen von der Mutter. Was sonst -noch? Nichts mehr. Kein Geld.</p> - -<p>Die Mutter schrieb, sie habe den Vater nicht mehr um -Geld bitten können, denn es sei jetzt von dem Reichtum, -den sie seinerzeit für den Kupferberg bekommen hätten, -nicht mehr viel übrig. Das Geld sei für den Ankauf von -Storborg und seither für alle die Waren und für die -vielen Reisen draufgegangen. Nun müsse er versuchen, -sich das Geld für die Reise diesmal selbst zu beschaffen, -denn das Geld, das jetzt noch da sei, müßten seine Geschwister -bekommen, die dürften auch nicht ganz leer ausgehen. -Glückliche Reise und herzliche Grüße!</p> - -<p>Kein Geld.</p> - -<p>Eleseus hatte selbst nicht genug Geld für die Reise, er -hatte seine Ladenkasse umgekehrt, aber nicht viel darin -gefunden. Ach, wie dumm war er gewesen; er hatte erst -neulich seinem Lieferanten in Bergen einen Geldbrief geschickt -und einige Rechnungen bezahlt. Das hätte warten -können. Natürlich war es auch allzu sorglos von ihm gewesen, -sich auf den Weg zu machen, ohne vorher den -Brief zu öffnen, da hätte er sich die Wagenfahrt ins Dorf<span class="pagenum"><a name="Seite_422" id="Seite_422">[S. 422]</a></span> -mit seinem elenden Koffer sparen können. Jetzt stand er -da ...</p> - -<p>Der Vater kam vom Schmied zurück mit wohlgelungener -Besorgung: Jensine wollte morgen mit ihm kommen. -Seht, Jensine war durchaus nicht querköpfig gewesen -und hatte sich nicht lange bitten lassen, sie hatte sofort -begriffen, daß man auf Sellanraa eine Hilfe für die -Sommerarbeit brauchte und hatte nichts dagegen, wiederzukommen. -Wieder ein glatter Bescheid.</p> - -<p>Während der Vater erzählt, denkt Eleseus über seine -eigenen Angelegenheiten nach. Er zeigt dem Vater den -Koffer des Amerikaners und sagt: Ich wäre froh, wenn -ich da stünde, wo dieser Koffer hergekommen ist! — Und -der Vater erwidert: Ja, das wäre noch nicht das -schlimmste ...</p> - -<p>Am nächsten Morgen macht sich der Vater zur Heimfahrt -bereit; er frühstückt, spannt an und fährt beim -Schmied vor, um Jensine und ihre Truhe abzuholen. -Eleseus sieht ihnen lange nach, und als der Wagen im -Walde verschwunden ist, bezahlt er in der Herberge und -gibt wieder ein Trinkgeld. Laß meinen Koffer da stehen, -bis ich zurückkomme, sagt er zu Katrine und geht fort.</p> - -<p>Wo geht Eleseus hin? Er hat nur einen Ort, wo er hingehen -kann, er dreht um, er muß in sein Heim zurückkehren. -Er nimmt den Weg hinauf unter die Füße und -gibt sich Mühe, dem Vater und Jensine so nahe als möglich -zu bleiben, ohne von ihnen gesehen zu werden. Er geht -und geht, und jetzt fängt er wirklich an, jeden einzelnen -Ödlandbauern zu beneiden.</p> - -<p>Es ist schade um Eleseus, er ist vom Leben so verdreht -worden.</p> - -<p>Betreibt er denn nicht auf Storborg einen Kaufladen? -Jawohl, aber dort Herr zu sein, das will doch gar nichts -heißen, er macht zu viele vergnügliche Reisen, um Geschäftsverbindungen -anzuknüpfen, die kosten zuviel, er<span class="pagenum"><a name="Seite_423" id="Seite_423">[S. 423]</a></span> -reist nicht billig. Nur nicht kleinlich sein! sagt Eleseus -und gibt zwanzig Öre Trinkgeld, wo zehn auch genug -wären. Diesen flotten Herrn kann sein Geschäft nicht erhalten, -er braucht Zuschuß von zu Hause. Jetzt erntet -man auf Storborg Kartoffeln, Heu und Korn für den -Haushalt, aber der Belag aufs Brot muß von Sellanraa -kommen. Ist das alles? Sivert muß alle Waren umsonst -von der Küste herauffahren. Ist das jetzt alles? Die -Mutter muß ihm vom Vater das Geld zu seinen Reisen -verschaffen. Ist das jetzt alles?</p> - -<p>Das Schlimmste kommt noch.</p> - -<p>Eleseus betreibt sein Geschäft wie ein Narr. Er fühlt -sich so geschmeichelt, wenn die Leute aus dem Dorf zu ihm -heraufkommen, um einzukaufen, daß er ihnen gern auf -Borg gibt. Und als das einmal bekannt wird, kommen -mehr und immer mehr und kaufen auf Borg; Eleseus ist -entgegenkommend und borgt, sein Laden wird leer und -füllt sich wieder. Das alles kostet Geld. Wer bezahlt? Der -Vater.</p> - -<p>Im Anfang war die Mutter seine gläubige Fürsprecherin: -Eleseus sei der helle Kopf in der Familie, man müsse -ihm ordentlich vorwärts helfen. Bedenke nur, wie billig -er Storborg bekommen hat, und wie er gleich haarscharf -sagte, was er dafür geben wolle! Wenn der Vater meinte, -Eleseus' Geschäft sei allmählich die reine Komödie, so erwiderte -seine Mutter: Was ist das für ein Geschwätz! und -sie gebrauchte so deutliche Redensarten, daß es war, als -sei der gute Isak Eleseus gegenüber doch gar zu familiär -geworden.</p> - -<p>Seht, die Mutter war selbst weggewesen und hatte -Reisen gemacht, sie begriff, daß Eleseus hier im Ödland -nicht recht gedeihen konnte, er war an feinere Sitten gewöhnt, -hatte sich in allerlei Gesellschaftskreisen bewegt, -und hier fehlten ihm Ebenbürtige. Allerdings, er borgte -armen Leuten zuviel; aber das tat Eleseus nicht aus Bos<span class="pagenum"><a name="Seite_424" id="Seite_424">[S. 424]</a></span>heit -und um seine Eltern zu ruinieren, er tat es aus guter -und vornehmer Veranlagung, er hatte den Drang, den -Leuten, die unter ihm standen, zu helfen. Du liebe Zeit, -er war der einzige Mensch im Ödland mit einem weißen -Taschentuch, das fortwährend gewaschen werden mußte. -Wenn sich die Leute vertrauensvoll an ihn wandten und -um Kredit baten und er hätte nein gesagt, so hätte das -mißverstanden werden können, als sei er nicht der ausgezeichnete -Mensch, für den er galt. Außerdem hatte er -auch Pflichten als der Städter und das Genie unter den -Bewohnern des Ödlandes.</p> - -<p>Dies alles zog die Mutter wohl in Betracht.</p> - -<p>Aber der Vater, der davon keinen Deut begriff, öffnete -ihr eines Tages die Augen und die Ohren und sagte: Sieh -her, das ist jetzt der Rest von dem Geld für das Kupferbergwerk. -— So, so, sagte sie. Und wo ist denn das andere -hingekommen? — Das hat alles Eleseus bekommen. — -Dann soll er endlich einmal seinen Verstand gebrauchen!</p> - -<p>Armer Eleseus, er ist zerfahren und verpfuscht. Er -hätte Ödlandbauer bleiben sollen, jetzt ist er ein Mensch, -der Buchstaben zu schreiben gelernt hat, er hat keinen -Unternehmungsgeist, keine Tiefe. Aber ein kohlschwarzer -Teufelskerl ist er auch nicht, er ist nicht verliebt und nicht -ehrgeizig, er ist eigentlich gar nichts, nicht einmal ein -großer Übeltäter.</p> - -<p>Der junge Mann hatte etwas Unglückliches, etwas -Verurteiltes an sich, wie wenn er in seinem Innern -Schaden genommen hätte. Der gute Bezirksingenieur aus -der Stadt hätte ihn lieber in seiner Jugend nicht entdecken, -ihn nicht zu sich nehmen und nicht etwas aus ihm machen -sollen, da wurden dem Kinde die Wurzeln abgerissen, -und es fuhr schlecht dabei. Alles, was er jetzt vornimmt, -läßt einen Schaden bei ihm erkennen, etwas Dunkles auf -hellem Grunde ...</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_425" id="Seite_425">[S. 425]</a></span></p> - -<p>Eleseus geht und geht. Die beiden auf dem Wagen -sind an Storborg vorbeigefahren. Eleseus macht einen -Bogen darum herum und wandert auch an Storborg -vorbei; was sollte er daheim in seinem Kaufladen? Die -zwei auf dem Wagen kamen mit Anbruch der Nacht auf -Sellanraa an, Eleseus ist ihnen dicht auf den Fersen. Er -sieht, daß Sivert auf den Hofplatz herauskommt und verwundert -Jensine betrachtet; die beiden geben einander die -Hand und lachen ein wenig, dann nimmt Sivert das -Pferd am Zügel und führt es in den Stall.</p> - -<p>Jetzt wagt sich auch Eleseus hervor, er, der Stolz der -Familie wagt sich hervor. Er geht nicht, er schleicht, er -trifft Sivert im Stall. Ich bin's nur, sagt er. — Was, -du bist auch da? ruft Sivert und ist von neuem verwundert.</p> - -<p>Die beiden Brüder reden leise miteinander, es handelt -sich darum, ob Sivert wohl die Mutter dazu bringen -kann, Geld herbeizuschaffen, eine Rettung, Reisegeld. So -wie jetzt könne es nicht weitergehen.</p> - -<p>Eleseus habe es jetzt satt, er habe schon oft daran gedacht, -und heute nacht solle es nun geschehen, eine lange -Reise, Amerika, jetzt in dieser Nacht noch. — Amerika! -sagt Sivert laut. — Pst! Ich habe schon oft daran gedacht, -jetzt mußt du die Mutter dazu bringen, es geht so -nicht weiter, ich habe schon oft daran gedacht. — Aber -Amerika! sagt Sivert. Nein, das darfst du nicht tun. — -Unbedingt! Ich gehe auf der Stelle wieder zurück, ich erreiche -das Postschiff noch. — Du wirst doch wohl vorher -etwas essen? — Ich bin nicht hungrig. — Willst du nicht -ein wenig schlafen? — Nein.</p> - -<p>Sivert will seinem Bruder wohl und sucht ihn zurückzuhalten, -allein Eleseus ist standhaft, zum erstenmal -standhaft. Sivert ist ganz verwirrt, zuerst, als er Jensine -sah, war ihm schon ein wenig sonderbar zumut geworden,<span class="pagenum"><a name="Seite_426" id="Seite_426">[S. 426]</a></span> -und nun will Eleseus das Ödland vollständig verlassen, -sozusagen diese Welt verlassen. — Was willst du mit -Storborg anfangen? fragt er. — Andresen kann es -haben, antwortet Eleseus. — Andresen kann es haben, -wieso denn? — Bekommt er denn nicht Leopoldine? — -Das weiß ich nicht. Doch das kann wohl sein.</p> - -<p>Sie reden und reden immer leise weiter. Sivert -meinte, es wäre am besten, wenn der Vater selbst herauskäme, -so daß Eleseus mit ihm reden könnte; aber nein, -nein! flüstert Eleseus zurück. Nein, das könne er nicht; -er hat es noch nie vermocht, Gefahren von solcher Art ins -Angesicht zu schauen, er hat stets einen Vermittler nötig -gehabt. Sivert sagt: Du weißt ja, wie die Mutter ist. -Mit ihr kommst du nicht weiter vor lauter Tränen und -Zuständen, sie darf es nicht wissen. — Nein, sagt auch -Eleseus, sie darf es nicht wissen.</p> - -<p>Sivert geht ins Haus, er bleibt eine Ewigkeit weg und -kommt mit Geld zurück, mit viel Geld. Da sieh her, das -ist alles, was er hat; meinst du, es sei genug? Zähl nach, -er hat das Geld nicht gezählt. — Was hat der Vater gesagt? -— Er hat nicht viel gesagt. Jetzt mußt du noch einen -Augenblick warten, ich zieh nur noch etwas an und komme -mit dir. — Das darfst du nicht, du mußt schlafen gehen. -— So? Fürchtest du dich vielleicht, wenn du in der Dunkelheit -eine Weile allein im Stall bleiben sollst? fragt -Sivert mit einem schwachen Versuch zu scherzen.</p> - -<p>Er bleibt nur einen Augenblick weg, kommt fertig angezogen -zurück und bringt auch des Vaters Rucksack mit -dem Mundvorrat mit. Wie sie hinausgehen, steht plötzlich -der Vater vor ihnen: Was höre ich, du willst so weit -fort? sagt er. — Ja, erwiderte Eleseus, aber ich komme -wieder. — Ach, ich steh nur da und halte dich auf, murmelt -der Alte und kehrt um. Glückliche Reise! ruft er -noch mit sonderbar heiserer Stimme zurück und geht rasch -seines Weges.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_427" id="Seite_427">[S. 427]</a></span></p> - -<p>Die Brüder wandern zusammen den Weg hinunter, -und nach einer Weile setzen sie sich und essen. Eleseus ist -hungrig, er kann kaum gesättigt werden. Es ist die herrlichste -Frühlingsnacht, auf allen Hügeln balzen die Auerhähne, -und dieser heimische Laut macht den Auswanderer -einen Augenblick verzagt. Es ist schönes Wetter, sagt er. -Aber jetzt mußt du umdrehen, Sivert. — So, sagt Sivert -und geht weiter. — Sie kommen an Storborg vorbei, an -Breidablick vorbei, die Auerhähne balzen auf dem ganzen -Weg auf dem und jenem Hügel; es ist keine Hornmusik -wie in den Städten, nein, aber es sind Stimmen, das -öffentliche Aufgebot, das den Frühling verkündigt. Plötzlich -hören sie den ersten Singvogel vom Gipfel eines -Baumes, er weckt auch andere, sie fragen und antworten -von allen Seiten, das ist mehr als ein Gesang, das ist -ein Lobgesang. Der Auswanderer fühlt etwas Heimweh -in sich aufsteigen, etwas Hilfloses, er soll nach Amerika, -niemand ist dazu so reif wie er. — Aber jetzt mußt du -umkehren, Sivert, sagt er. — Ja, erwiderte der Bruder, -da du es durchaus willst.</p> - -<p>Sie setzen sich am Waldrand nieder und sehen das Dorf -vor sich liegen, den Kaufladen, den Landungsplatz, Bredes -Herberge. Beim Postschiff laufen einige Leute hin und -her und machen sich zur Abreise fertig.</p> - -<p>Ich habe keine Zeit mehr, noch länger hier sitzenzubleiben, -sagt Eleseus und steht wieder auf. — Es ist recht -schade, daß du so weit fortgehst, sagt Sivert. — Eleseus -erwidert: Aber ich komme wieder. Und dann reise ich nicht -bloß mit einem Wachstuchkoffer.</p> - -<p>Als sie einander Lebewohl sagen, steckt Sivert dem -Bruder ein kleines Ding zu, etwas, das in Papier gewickelt -ist. — Was ist das? fragt Eleseus. — Sivert entgegnet: -Schreib auch fleißig! dann geht er.</p> - -<p>Eleseus macht das Papier auf und sieht nach: es ist -das Goldstück, die zwanzig Kronen in Gold. — Nein, das<span class="pagenum"><a name="Seite_428" id="Seite_428">[S. 428]</a></span> -sollst du mir nicht geben! ruft er dem Bruder nach. — -Aber Sivert geht weiter.</p> - -<p>Er geht eine Weile, dann dreht er um und setzt sich -wieder am Waldrand nieder. Um das Postschiff her wird -es immer lebhafter, er sieht, wie die Leute an Bord gehen, -auch sein Bruder geht an Bord, und das Schiff fährt ab. -Da reist Eleseus nach Amerika.</p> - -<p>Er kam niemals wieder.</p> - - - -<h3>12</h3> - - -<p>Ein merkwürdiger Zug kommt nach Sellanraa herauf, -vielleicht als Zug ein bißchen lächerlich, aber -doch nicht nur lächerlich: es sind drei Männer mit -ungeheuren Lasten auf dem Rücken, mit Säcken, die ihnen -über die Brust und den Rücken herunterhängen. Sie -gehen im Gänsemarsch und rufen einander Scherzworte -zu, aber sie haben schwer zu tragen. Der kleine Ladendiener -Andresen geht als erster im Zug, übrigens ist es -auch sein Zug; er hat sich selbst, Sivert von Sellanraa -und einen dritten, Fredrik Ström von Breidablick, zu -diesem Zug ausgerüstet. Ein verfluchter kleiner Kerl, dieser -Ladendiener Andresen; seine Schultern sind fast bis -zur Erde gebeugt, und seine Jacke ist ihm vom Hals heruntergezerrt, -aber er schleppt, er schleppt seine Last.</p> - -<p>Er hat nicht einfach Storborg und den Kaufladen gekauft, -dazu hat er kein Geld, lieber wartet er eine Weile -und bekommt dann vielleicht alles umsonst. Andresen ist -kein unbrauchbarer Mensch, er hat einstweilen Storborg -gepachtet und betreibt den Handel weiter.</p> - -<p>Er hat den ganzen Warenvorrat durchgesehen und da -eine Menge unverkäuflicher Sachen vorgefunden, von -Zahnbürsten an bis zu gestickten Tischläufern, ja, bis<span class="pagenum"><a name="Seite_429" id="Seite_429">[S. 429]</a></span> -zu kleinen Vögeln auf Drähten, die „piep” sagten, wenn -man sie an der richtigen Stelle klemmte.</p> - -<p>Mit all diesen Waren ist er jetzt auf die Wanderschaft -gezogen, er will sie an die Grubenarbeiter jenseits des -Berges verkaufen. Er hat von Aronsens Tagen her Erfahrung -darin, daß Grubenarbeiter mit Geld in der Hand -alles in der Welt kaufen. Jetzt ärgert er sich nur darüber, -daß er sechs Schaukelpferde, die Eleseus auf seiner letzten -Reise nach Bergen eingekauft hatte, zurücklassen mußte.</p> - -<p>Die Karawane kommt in den Hofraum von Sellanraa -herein, und die Männer legen ihre Lasten ab. Sie ruhen -nicht lange; nachdem sie Milch zu trinken bekommen und -zum Spaß ihre Waren allen Leuten auf dem Hof angeboten -haben, nehmen sie ihre Lasten wieder auf und gehen -weiter. Sie sind nicht bloß zum Scherz ausgezogen. In -südlicher Richtung durch den Wald schwanken sie mit ihrer -Last weiter.</p> - -<p>Sie gehen bis zur Mittagszeit, essen zu Mittag und -wandern dann weiter, bis es Abend wird. Dann machen -sie ein Feuer an, lagern sich und schlafen eine Weile. -Sivert schläft sitzend auf einem Stein, den er seinen -Polsterstuhl nennt. Ja, Sivert versteht sich auf das Leben -im Ödland, die Sonne hat den ganzen Tag auf den Stein -gebrannt, und es ist gut darauf zu sitzen und zu schlafen. -Seine Kameraden sind nicht so erfahren und nehmen -auch keinen guten Rat an, sie legen sich ins Heidekraut -und wachen frierend und niesend auf. Dann frühstücken -sie und gehen weiter.</p> - -<p>Jetzt fangen sie an, die Ohren zu spitzen, ob sie keine -Schüsse hören, und sie hoffen, im Laufe des Tages auf -Leute zu stoßen und an die Gruben zu kommen. Die -Arbeit kann inzwischen wohl von der See her weit in der -Richtung auf Sellanraa zu vorgerückt sein. Sie hören -keinen Schuß. Sie gehen bis zur Mittagszeit und begegnen -keinem Menschen, aber sie kommen von Zeit zu Zeit<span class="pagenum"><a name="Seite_430" id="Seite_430">[S. 430]</a></span> -an großen Löchern in der Erde vorbei, die die Leute zur -Probe gegraben haben. Wie hängt das zusammen? Es -muß wohl so sein, daß das Erz auf dieser Seite des Berges -ganz überaus reich ist; es wird also im reinen, schweren -Kupfer gearbeitet, und die Arbeiter rücken von der -See her kaum vor.</p> - -<p>Nachmittags stoßen sie auf noch mehr Gruben, aber -immer noch keine Menschen; sie gehen weiter bis zum -Abend und erblicken schon das Meer unter sich, sie wandern -durch ein Ödland von verlassenen Gruben und vernehmen -keinen einzigen Schuß. Das ist doch gar zu merkwürdig, -aber sie müssen noch einmal ein Feuer machen -und sich wieder für die Nacht lagern. Sie beraten: Ist -die Arbeit hier zu Ende? Sollen sie mit ihren Lasten wieder -umkehren? Kein Gedanke! sagt der Ladendiener Andresen.</p> - -<p>Am nächsten Morgen kommt ein Mann an ihr Lager, -ein blasser und vergrämter Mann, der die Brauen runzelt, -die Leute betrachtet, sie mustert. Bist du das, Andresen? -fragt er. Es ist Aronsen, der Kaufmann Aronsen; -er hat nichts dagegen, von der Karawane Kaffee und -etwas zu essen zu bekommen, und läßt sich bei den Männern -nieder. Ich hab' euern Rauch gesehen und wollte -ergründen, was das sei, erklärt er. Ich dachte: du wirst -sehen, sie nehmen Vernunft an und beginnen wieder mit -der Arbeit! Und nun seid nur ihr es! Wo wollt ihr hin? -— Wir wollen hierher. — Was habt ihr in euren Säcken? -— Waren! — Waren? schreit Aronsen. Wollt ihr hier -Waren verkaufen? Hier wohnt niemand. Sie sind am -Samstag abgezogen. — Wer ist abgezogen? — Alle miteinander. -Hier ist alles leer und verlassen. Und außerdem -hab' ich Waren genug; den ganzen Laden voll. Ihr könnt -bei mir kaufen.</p> - -<p>Ach, nun ist der Kaufmann Aronsen wieder übel daran, -mit dem Grubenbetrieb ist es zu Ende!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_431" id="Seite_431">[S. 431]</a></span></p> - -<p>Sie beruhigen ihn mit noch etwas mehr Kaffee und -fragen ihn dann aus.</p> - -<p>Aronsen schüttelt ganz zerschmettert den Kopf: Es ist -nicht zu sagen, es ist ganz unbegreiflich! sagt er. Alles -war sehr gut gegangen, er hatte Waren verkauft und -viel Geld eingenommen, das ganze Kirchspiel rund umher -blühte und konnte sich weiße Grütze, ein neues Schulhaus -und Lampen mit Prismen dran und städtisches Schuhwerk -leisten. Da fanden die Herren plötzlich, daß es sich -nicht mehr lohne, und sie machten Schluß. Lohnte es sich -wirklich nicht mehr? Es hatte sich doch seither gelohnt, -nicht wahr? Kam denn nicht das Kupfererz bei jeder -Sprengung zutage? Das war einfach Betrug. Und sie -bedenken nicht, daß sie damit einen Mann wie mich in die -größten Ungelegenheiten bringen, sagte Aronsen. Aber es -ist wohl so, wie behauptet wird, daß der Geißler wieder -an allem schuld ist. Er ist genau in dem Augenblick gekommen, -als die Arbeit stillgelegt wurde; es ist gerade, -als ob er es gerochen hätte!</p> - -<p>Ist Geißler hier?</p> - -<p>Ob er hier ist! Er gehört erschossen! Er kam eines -Tages mit dem Postschiff an und fragte den Ingenieur: -Nun, wie geht's? — Gut, soviel ich weiß, antwortet der -Ingenieur. Aber der Geißler fragte nun noch einmal: So, -es geht also gut? — Ja, könnte nicht besser gehen, soviel -ich weiß! erwiderte der Ingenieur. Na, ich danke! Als -die Post geöffnet wurde, war ein Brief und ein Telegramm -an den Ingenieur dabei, daß sich die Arbeit nicht -mehr lohne, er solle Schluß machen.</p> - -<p>Die Teilnehmer der Karawane schauen einander an; -aber der Führer, der schlaue Kerl Andresen, hat den Mut -augenscheinlich noch nicht verloren. — Kehrt nur wieder -um! rät Aronsen. — Das tun wir nicht, sagt Andresen -und packt den Kaffeekessel ein. — Aronsen starrt alle -drei einen nach dem andern an. Ihr seid verrückt! sagt er.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_432" id="Seite_432">[S. 432]</a></span></p> - -<p>Seht, der Ladendiener Andresen kümmert sich nicht sehr -um seinen früheren Herrn, jetzt ist er selbst Herr, er hat -diesen Zug in ferne Gaue ausgerüstet, er würde an Ansehen -einbüßen, wenn er hier auf dem Berge umkehrte. -— Aber wo wollt ihr denn hin? fragt Aronsen erbittert. -— Das weiß ich nicht, sagt Andresen. Aber er hat doch -wohl seine Absicht, er denkt vielleicht an die Eingeborenen: -daß er hier drei Mann stark mit Glasperlen und Fingerringen -herkommt. — Kommt, wir wollen gehen! sagt -er zu seinen Kameraden.</p> - -<p>Nun hatte sich Aronsen eigentlich diesen Morgen länger -draußen aufhalten wollen; da er einmal unterwegs war, -wollte er vielleicht nachsehen, ob wirklich alle Gruben verlassen -seien, ob es wahr sei, daß alle Menschen fort waren. -Aber da diese Hausierer so eigensinnig sind und weiter -wollen, wird er eigentlich an seinem Vorhaben gehindert, -er muß ihnen immer und immer wieder von ihrem Weitermarsch -abreden. Aronsen ist rasend, er geht vor der -Karawane her den Berg hinunter, er dreht sich immer -im Kreise und schreit ihnen zu, hält sie auf, er verteidigt -sein Gebiet. So kommen sie zu der Barackenstadt hinunter.</p> - -<p>Da sieht es leer und trostlos aus. Die wichtigsten Geräte -und Maschinen sind unter Dach gebracht, aber Balken, -Bretter, zerbrochene Wagen, Kisten und Fässer liegen -überall umher. An einigen Häusern prangt ein Plakat, -das den Zutritt verbietet.</p> - -<p>Da seht ihr! ruft Aronsen. Nirgends ein Mensch! Wo -wollt ihr denn hin? Und er droht der Karawane mit großem -Unheil und mit dem Lensmann; er selbst wolle sie -Schritt für Schritt begleiten und zusehen, ob sie nicht ungesetzliche -Waren verkauften. Darauf stehe Zuchthaus und -die Galeeren, bom konstant.</p> - -<p>Plötzlich wird Sivert von jemand angerufen. Die Stadt -ist also doch nicht völlig verlassen, nicht ganz ausgestor<span class="pagenum"><a name="Seite_433" id="Seite_433">[S. 433]</a></span>ben. -Ein Mann an einer Hausecke winkt ihnen. Sivert -schwankt mit seiner Last auf ihn zu und erkennt sofort, -wer es ist: Es ist Geißler.</p> - -<p>Ein merkwürdiges Zusammentreffen! sagt Geißler. Er -hat ein blühend rosiges Gesicht, aber seine Augen scheinen -in der hellen Frühlingssonne Schaden gelitten zu haben, -denn er trägt einen grauen Zwicker. Er spricht lebhaft wie -immer. Ein glückliches Zusammentreffen! sagt er. Das -spart mir den Weg nach Sellanraa, ich habe so viel zu -besorgen. Wie viele Ansiedlungen sind jetzt dort auf der -Allmende? — Zehn. — Zehn Ansiedlungen? Das gefällt -mir, da bin ich zufrieden. Zweiunddreißigtausend solche -Männer wie dein Vater sollten im Lande sein, ich hab' -es ausgerechnet! sagt er und nickt dazu.</p> - -<p>Kommst du, Sivert? ruft die Karawane. — Geißler -horcht auf und antwortet rasch: Nein! — Ich komme -nach! ruft Sivert und legt seine Last ab.</p> - -<p>Die beiden setzen sich und reden zusammen; über Geißler -ist der Geist gekommen, und er schweigt nur, sooft -Sivert eine kurze Antwort gibt, dann legt er wieder los: -Ein ganz einzigartiges Zusammentreffen! Ich komme gar -nicht davon weg! Meine ganze Reise ist so ausgezeichnet -verlaufen, und nun treffe ich dich auch noch hier und -kann mir den Umweg über Sellanraa sparen! Wie geht's -zu Hause? — Dank der Nachfrage. — Habt ihr schon -den Heuboden auf dem steinernen Stallgebäude aufgeschlagen? -— Ja. — Ja, ich bin sehr überlastet, die Geschäfte -wachsen mir allmählich über den Kopf. Sieh dir -doch einmal an, wo wir jetzt sitzen, lieber Sivert! Auf der -Ruine einer Stadt. Die haben nun die Menschen ihrem -eigenen Vorteil gerade entgegen aufgebaut. Eigentlich bin -ich die Ursache von dem allem, das heißt, ich bin einer -der Vermittler in einem kleinen Komödienspiel des -Schicksals. Es hat damit angefangen, daß dein Vater im -Gebirge einige Steine fand und dich damit spielen ließ,<span class="pagenum"><a name="Seite_434" id="Seite_434">[S. 434]</a></span> -als du noch ein Kind warst. Damit hat es angefangen. -Ich wußte es ganz genau, daß diese Steine nur den Wert -hatten, den die Menschen ihnen beilegten; gut, ich setzte -einen Preis dafür fest und kaufte sie. Von da an gingen -die Steine von Hand zu Hand und plünderten die Leute -aus. Die Zeit verging. Vor einigen Tagen bin ich hier -heraufgekommen, und weißt du, was ich hier will? Die -Steine wieder zurückkaufen!</p> - -<p>Geißler schweigt und schaut Sivert an. Dabei fällt -ihm auch der große Sack in die Augen, und er fragt plötzlich: -Was hast du da? — Waren antwortet Sivert. Wir -wollen damit hinunter ins Kirchspiel.</p> - -<p>Geißler bezeigt keine besondere Teilnahme für diese Antwort, -er hat sie vielleicht gar nicht gehört, er fährt fort: -Ich will also die Steine zurückkaufen. Das letztemal ließ -ich meinen Sohn verkaufen, der ist ein junger Mann deines -Alters und weiter nichts. Er ist der Blitz in der Familie, -ich bin der Nebel. Ich gehöre zu denen, die das -Rechte wissen, aber es nicht tun. Er ist der Blitz, zurzeit -hat er sich in den Dienst der Industrie gestellt. Er hat das -letztemal in meinem Namen verkauft. Ich bin etwas, aber -er ist nichts; er ist nur der Blitz, der rasche Mann der -Gegenwart. Aber der Blitz als solcher ist unfruchtbar. -Nehmen wir einmal euch Leute auf Sellanraa. Ihr seht -alle Tage blaue Berge vor euch; das sind keine erfundenen -Dinge, das sind alte Berge, die stehen da seit alter -grauer Vorzeit, aber sie sind eure Kameraden. So geht -ihr zusammen mit Himmel und Erde, seid eins mit ihnen, -seid eins mit dieser Weite und seid bodenständig. Ihr -braucht kein Schwert in der Faust, ihr geht unbewehrten -Hauptes und mit unbewehrter Faust durchs Leben, umgeben -von großer Freundlichkeit. Sieh, da ist die Natur, -sie gehört dir und den Deinen. Der Mensch und die Natur -bekämpfen einander nicht, sie geben einander recht, sie -treten nicht in Wettbewerb, laufen nicht um die Wette<span class="pagenum"><a name="Seite_435" id="Seite_435">[S. 435]</a></span> -irgendeinem Vorteil nach, sie gehen Hand in Hand. -Mittendrin geht ihr Leute auf Sellanraa und gedeiht. Die -Berge, der Wald, die Moore, die Matten, der Himmel -und die Sterne — ach, das alles ist nicht armselig und -karg zugemessen, das ist ohne alles Maß! Hör auf mich, -Sivert, sei zufrieden mit deinem Los! Ihr habt alles, was -ihr zum Leben braucht, alles, wofür ihr lebt; ihr werdet -geboren und erzeugt neue Geschlechter, ihr seid notwendig -auf der Erde. Das sind nicht alle, aber ihr seid es: notwendig -auf der Erde. Ihr erhaltet das Leben. Bei euch -folgt ein Geschlecht dem andern, wenn das eine stirbt, -tritt das nächste an seine Stelle. Das eben ist unter dem -ewigen Leben zu verstehen. Und was habt ihr dafür? Ein -Dasein in Recht und Gerechtigkeit, ein Dasein in wahrer -und aufrichtiger Stellung zu allem. Was habt ihr weiter -dafür? Nichts unterjocht und beherrscht euch Leute von -Sellanraa, ihr habt Ruhe und Macht und Gewalt, ihr -seid umschlossen von der großen Freundlichkeit. Das habt -ihr dafür. Ihr liegt an einem warmen Busen und spielt -mit einer weichen Mutterhand und trinkt euch satt. Ich -denke an deinen Vater, er ist einer von den zweiunddreißigtausend. -Was ist so mancher andere? Ich bin -etwas, ich bin der Nebel, ich bin hier und ich bin dort, -ich woge hin und her, zuweilen bin ich der Regen auf -einer dürren Stätte. Aber die anderen? Mein Sohn ist der -Blitz, der eigentlich nichts ist, ein nutzloses Aufleuchten, -er kann Handel treiben. Mein Sohn ist der Typus des -Menschen unserer Zeit, er glaubt aufrichtig an das, was -die Zeit ihn gelehrt hat, was der Jude und der Yankee -ihn gelehrt haben; ich jedoch schüttle den Kopf dazu. Aber -ich bin nichts Geheimnisvolles, nur in meiner eigenen -Familie bin ich der Nebel, da sitze ich und schüttle den -Kopf. Die Sache ist die, mir fehlt die Gabe zu einem reuelosen -Handeln. Hätte ich diese Gabe, dann könnte ich -selbst der Blitz sein. So bin ich der Nebel.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_436" id="Seite_436">[S. 436]</a></span></p> - -<p>Plötzlich kommt Geißler gleichsam wieder zu sich und -fragt: Habt ihr den Heuboden auf eurem steinernen -Stallgebäude aufgeschlagen? — Ja. Und der Vater hat -auch noch ein Wohnhaus gebaut. — Noch ein Wohnhaus? -— Ja, für den Fall, daß jemand kommt, sagt er, für den -Fall, daß der Geißler kommt, sagt er. — Geißler denkt -darüber nach und erklärt: Dann muß ich gewiß kommen. -Doch, dann komm ich, sag das deinem Vater. Aber ich -habe so viele Geschäfte. Jetzt bin ich hier heraufgekommen -und habe zu dem Ingenieur gesagt: Grüßen Sie die -Herren in Schweden und sagen Sie, ich sei Käufer. Und -nun müssen wir sehen, was daraus wird. Mir ist es einerlei, -ich habe keine Eile. Du hättest den Ingenieur sehen -sollen! Er hat hier den Betrieb im Gang gehalten mit -Menschen und Pferden und Geld und Maschinen und -allem Zeug, er glaubte das Rechte zu tun, er wußte es -nicht anders. Er meint, je mehr Steine er zu Geld mache, -desto besser sei es und er tue etwas Verdienstvolles damit, -daß er dem Kirchspiel, daß er dem Lande Geld verschafft, -es rast mit ihm immer mehr dem Untergang entgegen, -und er merkt es nicht. Nicht Geld braucht das -Land, das Land hat Geld mehr als genug. Solche Männer, -wie dein Vater einer ist, davon hat es nicht genug. -Wenn man bedenkt, daß sie das Mittel zum Zweck machen -und stolz darauf sind! Sie sind krank und verrückt, sie -arbeiten nicht, sie kennen den Pflug nicht, sie kennen nur -den Würfel. Haben sie denn keine Verdienste? sie reiben -sich ja auf mit ihrer Narretei. Sieh sie an, setzen sie denn -nicht ihr alles ein? Der Fehler dabei ist nur, daß dieses -Spiel nicht Übermut ist, nicht einmal Mut, es ist -Schrecken. Weißt du, was Glücksspiel ist? Es ist Angst, -die einem den Schweiß auf die Stirne treibt, das ist es. -Der Fehler ist, daß sie nicht im Takt mit dem Leben schreiten -wollen, sie wollen rascher gehen als das Leben, sie -jagen, sie treiben sich selbst wie Keile ins Leben hinein.<span class="pagenum"><a name="Seite_437" id="Seite_437">[S. 437]</a></span> -Aber dann sagen ja ihre Flanken — halt, es knackt, such -einen Ausweg, halt inne, die Flanken! Dann zerbricht -sie das Leben, höflich, aber bestimmt. Und dann beginnen -die Klagen über das Leben, das Toben gegen das -Leben. Jeder nach seinem Gefallen, einige haben wohl -Grund zur Klage, andere nicht, aber niemand sollte gegen -das Leben toben. Man sollte das Leben nicht hart und -streng und gerecht beurteilen, man sollte barmherzig gegen -es sein und es verteidigen: bedenke doch, mit welchen -Mitspielern das Leben sein Spiel spielen muß!</p> - -<p>Geißler kommt wieder zu sich und sagt: Wir wollen -das auf sich beruhen lassen. Er ist augenscheinlich müde, -er gähnt. Willst du hinunter? fragt er. — Ja. — Das -eilt nicht. Du bist mir noch einen weiten Gang über die -Berge schuldig, lieber Sivert, weißt du noch? Ich erinnere -mich noch an alles und jedes. Ich erinnere mich noch, wie -ich anderthalb Jahre alt war: da stand ich schwankend -auf der Scheunenbrücke auf dem Hof Garmo in Lom und -roch einen bestimmten Geruch. Diesen Geruch kenne ich -immer noch. Aber wir wollen auch das auf sich beruhen -lassen. Wir hätten jetzt den Gang über die Berge machen -können, wenn du nicht den Sack da tragen müßtest. Was -hast du in dem Sack? — Waren. Andresen will sie verkaufen. -— Ich bin also ein Mann, der das Richtige weiß, -aber es nicht tut, sagt Geißler. Das ist buchstäblich zu verstehen. -Ich bin der Nebel. An einem der nächsten Tage -kaufe ich vielleicht den Berg wieder, das ist gar nicht unmöglich. -Aber in diesem Falle stelle ich mich nicht hin, -schaue in die Luft und sage: Luftbahn, Südamerika! Das -ist etwas für Glücksspieler. Die Leute hier meinen, ich sei -der leibhaftige Teufel, weil ich wußte, daß es hier einen -Krach geben werde. Aber es ist nichts Geheimnisvolles -an mir, die ganze Sache ist sehr einfach: die neuen -Kupferlager in Montana. Die Yankees sind schlauere -Spieler als wir, die schlagen uns mit ihrem Wettbewerb<span class="pagenum"><a name="Seite_438" id="Seite_438">[S. 438]</a></span> -in Südamerika tot. Unser Erz ist zu arm. Mein Sohn ist -der Blitz, er hörte ein Vögelchen davon singen, da bin ich -hergeschwommen. So einfach ist es. Ich war nur den -Herren in Schweden ein paar Stunden voraus, das ist -alles.</p> - -<p>Geißler gähnt wieder, steht auf und sagt: Wenn du -hinunter willst, so wollen wir jetzt gehen.</p> - -<p>Sie gehen miteinander den Berg hinunter, Geißler -stapft hinterdrein und ist schlapp und müde. Die Karawane -hat am Landungsplatz haltgemacht, der muntere -Fredrik Ström ist dabei, Aronsen steigen zu lassen. Ich -habe keinen Tabak mehr, habt ihr Tabak? — Ich werde -dir Tabak geben! ruft Aronsen. — Fredrik lacht und -tröstet ihn: Nehmt es doch nicht so schwer, Aronsen! Wir -wollen jetzt nur diese Waren vor Euren Augen verkaufen, -dann gehen wir wieder heim. — Halt deinen ungewaschenen -Mund! ruft Aronsen erbost. — Hahaha, nein, Ihr -sollt nicht so aufgeregt umherlaufen, Ihr sollt wie eine -ruhige Landschaft sein!</p> - -<p>Geißler ist müde, sehr müde, nicht einmal der graue -Zwicker hilft mehr, die Augen wollen ihm in dem hellen -Frühlingsschein zufallen. Leb wohl, lieber Sivert! sagt er -plötzlich. Nein, ich kann diesmal doch nicht nach Sellanraa -kommen, sag das deinem Vater. Ich habe so viel zu besorgen. -Aber sag ihm, daß ich später einmal komme. —</p> - -<p>Aronsen spuckt hinter ihm aus und sagt noch einmal: -Er gehört totgeschossen!</p> - -<p>In drei Tagen verkauft die Karawane ihre Säcke leer -und bekommt gute Preise. Es wurde ein glänzendes Geschäft. -Die Leute des Kirchspiels hatten noch herrlich viel -Geld trotz des Krachs und waren in bester Übung, es -auszugeben; sie brauchten diese Vögel auf Draht notwendig, -sie stellten sie auf ihre Kommoden und kauften auch -schöne Papiermesser, um ihre Kalender damit aufzuschnei<span class="pagenum"><a name="Seite_439" id="Seite_439">[S. 439]</a></span>den. -Aronsen tobte: Als ob ich nicht geradeso schöne -Sachen in meinem Laden hätte!</p> - -<p>Der Kaufmann Aronsen war in großer Not, er wollte -ja dabeisein und diese Hausierer bewachen, aber die trennten -sich, und jeder ging allein seines Wegs, und er hätte -sich in Stücke reißen müssen, um allen dreien nachzulaufen. -So gab er zuerst Fredrik Ström auf, der das -ungewaschenste Mundwerk hatte, dann Sivert, der ihm -niemals auch nur ein einziges Wort erwiderte, sondern -nur immer verkaufte. Aronsen zog vor, seinem alten -Ladendiener Andresen nachzulaufen und in den Häusern -gegen ihn zu arbeiten. Oh, aber der Ladendiener Andresen -kannte ja seinen alten Herrn und dessen Unwissenheit in -Beziehung aufs Geschäft und auf verbotene Waren. So, -englischer Faden ist nicht verboten? fragte Aronsen und -stellte sich kundig. — Doch, erwiderte Andresen. Ich habe -aber auch keine einzige Fadenrolle hier. Die kann ich im -Ödland auch verkaufen. Ich habe keine einzige Fadenrolle, -da seht selbst! — Das ist schon möglich. Aber du siehst, -ich weiß auch, was verboten ist, da machst du mir nichts -weis.</p> - -<p>Einen Tag lang hielt es Aronsen aus, dann gab er -auch Andresen auf und ging heim. Die Hausierer hatten -jetzt keine Aufsicht mehr.</p> - -<p>Und von nun an ging alles ausgezeichnet. In jenen -Tagen trugen die Frauen falsche Haarzöpfe, und der -Ladendiener Andresen war ein Meister darin, solche Zöpfe -zu verkaufen, ja, im Notfall verkaufte er helle Zöpfe -an schwarzhaarige Mädchen und bedauerte nur, daß er -nicht noch hellere Zöpfe habe, oder graue, die die teuersten -seien. Jeden Abend kamen die drei jungen Männer an -einem vorher bestimmten Platz zusammen und erstatteten -Bericht und halfen einander mit nicht ausverkauften -Sachen aus, und Andresen setzte sich dann gerne mit einer -Feile in der Hand hin und feilte eine deutsche Fabrik<span class="pagenum"><a name="Seite_440" id="Seite_440">[S. 440]</a></span>marke -auf einer Jagdflinte aus oder entfernte den Namen -Faber von den Bleistiften. Andresen war und blieb ein -Teufelskerl.</p> - -<p>Sivert dagegen war eine Enttäuschung. Nicht als ob -er faul gewesen wäre und keine Waren abgesetzt hätte, -er setzte sogar die meisten ab. Aber er bekam zuwenig -Geld dafür. Du sprichst nicht genug, erklärte Andresen.</p> - -<p>Nein, Sivert hielt keine langen Reden, er war ein -Ödlandbauer, war wortkarg und gelassen. Was war da -lange zu schwatzen? Außerdem wollte Sivert bis zum -Sonntag fertig sein und wieder nach Hause gehen, es -gab gar viel Arbeit auf dem Ödland. — Die Jensine zieht -ihn, behauptete Fredrik Ström. — Derselbe Fredrik hatte -übrigens selbst die Frühjahrsbestellung zu besorgen und -wenig Zeit zu verlieren, aber trotzdem mußte er am letzten -Tag noch zu Aronsen gehen und eine Weile mit ihm -streiten. Ich will ihm die leeren Säcke verkaufen, sagte er.</p> - -<p>Andresen und Sivert gingen wieder hinaus und warteten -auf ihn. Sie hörten den herrlichsten Wortwechsel -aus dem Kaufladen herausdringen und ab und zu auch -Fredriks Gelächter. Dann machte Aronsen seine Ladentür -auf und wies den Gast hinaus. Oh, aber Fredrik kam -nicht, nein, er ließ sich Zeit und redete in einem fort; das -letzte, was sie hörten, war, daß er den Versuch machte, die -Schaukelpferde an Aronsen zu verhandeln.</p> - -<p>Dann zog die Karawane heimwärts, drei junge Männer -voll Jugendlust und Gesundheit. Sie sangen, während -sie dahinschritten, schliefen eine Weile im Gebirge -und wanderten dann weiter. Als sie am Montag in -Sellanraa ankamen, hatte Isak mit dem Säen begonnen. -Es war das richtige Wetter dazu: feuchte Luft, dann und -wann drang die Sonne durch, und ein ungeheurer Regenbogen -spannte sich über den Himmel hin.</p> - -<p>Die Karawane löste sich auf: Leb wohl, leb wohl! ...</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_441" id="Seite_441">[S. 441]</a></span></p> - -<p>Dort schreitet Isak übers Feld und sät, er ist ein Mühlengeist -von Gestalt, ein Klotz. Er trägt hausgewebte -Kleider, die Wolle stammt von seinen eigenen Schafen, -die Stiefel stammen von seinen eigenen Kälbern und -Kühen. Er geht nach frommer Sitte barhaupt, während -er sät; auf dem Wirbel ist er kahl, sonst aber überaus -haarig, ein ganzer Kranz von Haar und Bart steht um -seinen Kopf. Das ist Isak der Markgraf.</p> - -<p>Er wußte selten das genaue Datum, wozu hätte er es -wissen sollen? Er hatte keine Papiere einzulösen. Die -Kreuze im Kalender zeigten an, wann jede Kuh kalben -sollte. Aber er wußte, daß bis zum Sankt-Olafstag im -Herbst alles Heu hereingebracht sein mußte, und er -wußte, wann im Frühjahr der Viehmarkt war und daß -drei Wochen danach der Bär aus seiner Höhle ging. Da -mußte die Saat in der Erde sein. Das Notwendige -wußte er.</p> - -<p>Er ist Ödlandbauer bis in die Knochen und Landwirt -vom Scheitel bis zur Sohle. Ein Wiedererstandener aus -der Vorzeit, der in die Zukunft hinausdeutet, ein Mann -aus der Zeit des Ackerbaus, ein Landnamsmann, neunhundert -Jahre alt und doch auch wieder der Mann des -Tages.</p> - -<p>Nein, er hatte nichts mehr übrig von dem Geld für -den Kupferberg, das war in alle Winde verflogen. Und -wer hatte jetzt noch etwas davon, da der Berg wieder -verlassen war? Aber die Allmende liegt da und trägt -zehn Neusiedlungen und wartet auf weitere Hunderte.</p> - -<p>Wächst und gedeiht hier nichts? Hier wächst und gedeiht -alles, Menschen und Tiere und die Früchte des -Feldes. Isak sät. Die Abendsonne bescheint das Korn, er -streut es im Bogen aus seiner Hand, und wie ein Goldregen -sinkt es auf die Erde. Da kommt Sivert und eggt, -nachher walzt er, dann eggt er wieder. Der Wald und die<span class="pagenum"><a name="Seite_442" id="Seite_442">[S. 442]</a></span> -Berge stehen da und schauen zu, alles ist Macht und -Hoheit, hier ist ein Zusammenhang und ein Ziel.</p> - -<p>Klingeling! sagen die Kuhglocken auf den Halden, sie -kommen näher und näher, das Vieh zieht seinem Stalle -zu. Es sind fünfzehn Kühe und fünfundvierzig Stück -Kleinvieh, im ganzen sechzig Stück Vieh. Da gehen die -Frauen mit ihren Melkkübeln dem Sommerstall zu, sie -tragen sie am Joch über den Schultern, es ist Leopoldine, -Jensine und die kleine Rebekka. Alle drei gehen barfuß. -Die Markgräfin, Inger selbst, ist nicht mit dabei, sie ist -im Haus, sie kocht das Abendessen; hoch und stattlich -schreitet sie durch ihr Haus, eine Vestalin, die das Feuer -in einem Kochherd unterhält. Nun, Inger ist auf das -weite Meer hinausgesegelt, sie ist in der Stadt gewesen, -jetzt ist sie wieder daheim. Die Welt ist weit, es wimmelt -auf ihr von Punkten, Inger hat mitgewimmelt. Sie -war beinahe ein Nichts unter den Menschen, nur ein -einzelner unter ihnen.</p> - -<p>Und nun wird es Abend.</p> - -<hr class="chap" /> - - - - - -<h2 class="pagebreak" title="Werbung"></h2> - -<div class="signet" style="width: 376px;"> -<img src="images/signet.png" width="376" height="532" alt="" /> -</div> - - -<p class="center">Dieses Werk ist eine Veröffentlichung der</p> - -<p class="center big160">Deutschen Buch-Gemeinschaft</p> - -<p class="center"> -Wien Berlin SW 68 New York</p> -<p class="center"> -<small>Alte Jakobstraße 156/157</small> -</p> - -<p class="werbung">Guten und doch billigen Büchern in vorbildlicher -Formgebung und bester Ausstattung -den Weg in alle Schichten -unseres Volkes zu bahnen, ist die Aufgabe -der Deutschen Buch-Gemeinschaft. Sie -erreicht dies durch Herstellung und Vertrieb -in eigenem Wirkungsbereich.</p> - -<p class="werbung">Jedermann wird durch Beitritt zur -Deutschen Buch-Gemeinschaft die vorteilhafteste -Gelegenheit gegeben, sich unter -neuen Bezugsformen eine eigene und -wertvolle Hausbibliothek anzuschaffen.</p> - -<p class="center">Ausführliche, reich illustrierte Werbeschrift wird auf -Wunsch kostenlos zugesandt.</p> - - - -<p class="pagebreak center p6"> -<small>Druck von<br /> -A. Seydel & Cie. Aktiengesellschaft,<br /> -Berlin <span class="antiqua">SW</span> 61</small> -</p> - - - -<div class="transnote pagebreak p4"> -<h2>Anmerkungen zur Transkription.</h2> - -Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen -gebräuchlich waren, wie: - -<ul class="index"> -<li>anderen — andern</li> -<li>daheimbleiben — daheim bleiben</li> -<li>Felsenspalte — Felsspalte</li> -<li>Kindesleiche — Kindsleiche</li> -<li>Lensmannes — Lensmanns</li> -<li>Mühlengeist — Mühlgeist</li> -<li>sollest — sollst</li> -<li>unserem — unserm</li> -</ul> - - -Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. -Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: - -<ul class="index"> -<li>S. 29 »halbangekleidet« in »halb angekleidet« geändert.</li> -<li>S. 48 »wie wie du selbst« in »wie du selbst« geändert.</li> -<li>S. 152 »Aband« in »Abend« geändert.</li> -<li>S. 168 »Gebirgsee« in »Gebirgssee« geändert.</li> -<li>S. 170 »bei sei« in »bei sich« geändert.</li> -<li>S. 197 »Handwerkzeug« in »Handwerkszeug« geändert.</li> -<li>S. 205 »Gofolgschaft« in »Gefolgschaft« geändert.</li> -<li>S. 236 »mit mit Eleseus« in »mit Eleseus« geändert.</li> -<li>S. 281 »bemerkstelligen« in »bewerkstelligen« geändert.</li> -<li>S. 338 »Inge« in »Inger« geändert.</li> -<li>S. 339 »Tausendsasa« in »Tausendsassa« geändert.</li> -<li>S. 366 »Jetzt aben« in »Jetzt aber« geändert.</li> -<li>S. 407 »Tröpfen Kaffee« in »Tröpfchen Kaffee« geändert.</li> -<li>S. 418 »keinen Öre« in »keine Öre« geändert.</li> -<li>S. 439 »Aronson« in »Aronsen« geändert.</li> -</ul> - - -</div> - -<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SEGEN DER ERDE ***</div> -<div style='text-align:left'> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Updated editions will replace the previous one—the old editions will -be renamed. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for an eBook, except by following -the terms of the trademark license, including paying royalties for use -of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for -copies of this eBook, complying with the trademark license is very -easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation -of derivative works, reports, performances and research. Project -Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away--you may -do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected -by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark -license, especially commercial redistribution. -</div> - -<div style='margin:0.83em 0; font-size:1.1em; text-align:center'>START: FULL LICENSE<br /> -<span style='font-size:smaller'>THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE<br /> -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK</span> -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase “Project -Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg™ License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person -or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™ -electronic works. See paragraph 1.E below. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the -Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™ -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg™ License when -you share it without charge with others. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country other than the United States. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work -on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the -phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: -</div> - -<blockquote> - <div style='display:block; margin:1em 0'> - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most - other parts of the world at no cost and with almost no restrictions - whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms - of the Project Gutenberg License included with this eBook or online - at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you - are not located in the United States, you will have to check the laws - of the country where you are located before using this eBook. - </div> -</blockquote> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase “Project -Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™ -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™ -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg™. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg™ License. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format -other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg™ website -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain -Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works -provided that: -</div> - -<div style='margin-left:0.7em;'> - <div style='text-indent:-0.7em'> - • You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation.” - </div> - - <div style='text-indent:-0.7em'> - • You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™ - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™ - works. - </div> - - <div style='text-indent:-0.7em'> - • You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - </div> - - <div style='text-indent:-0.7em'> - • You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg™ works. - </div> -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of -the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set -forth in Section 3 below. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™ -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right -of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg™ -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any -Defect you cause. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™ -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s -goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg™ and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state’s laws. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, -Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up -to date contact information can be found at the Foundation’s website -and official page at www.gutenberg.org/contact -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread -public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state -visit <a href="https://www.gutenberg.org/donate/">www.gutenberg.org/donate</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Please check the Project Gutenberg web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of -volunteer support. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Most people start at our website which has the main PG search -facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -This website includes information about Project Gutenberg™, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. -</div> - -</div> - -</body> -</html> diff --git a/old/66326-h/images/cover.jpg b/old/66326-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index bb5e7cf..0000000 --- a/old/66326-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/66326-h/images/signet.png b/old/66326-h/images/signet.png Binary files differdeleted file mode 100644 index f3292c7..0000000 --- a/old/66326-h/images/signet.png +++ /dev/null |
