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- -Release Date: December 28, 2021 [eBook #67033] - -Language: German
- -Produced by: Peter Becker, Jens Sadowski, and the Online Distributed - Proofreading Team at https://www.pgdp.net. This file was - produced from images generously made available by The - Internet Archive. - -*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KRIEG IM WESTEN *** - - - - - - Der Krieg im Westen - - - Kriegsberichte - von - Bernhard Kellermann - - - 1915 - S. Fischer, Verlag - Berlin - - - Erstes bis zehntes Tausend. - Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung. - Copyright 1915 S. Fischer, Verlag. - - - - - Inhalt - - - Zur Westfront 7 - Das Feuer von Ypern 12 - Die Feldschanze 17 - Die Schlachtfelder in Flandern 24 - Nach den Schlachten 30 - Ein Flieger über Brügge 38 - Die Schlacht bei Arras 44 - Die Lorettohöhe unter Feuer 48 - Nachtkämpfe bei Arras 57 - Ein tapferes Regiment 64 - Gefangene aus der Arrasschlacht 73 - Die Gewitterstadt 80 - Die Kämpfe bei Moulin-sous-Touvent 87 - Granaten auf die Vororte von Soissons 94 - Fliegerangriff auf Fesselballone 102 - Der gefangene Sozialist 109 - Die Grabenkämpfe bei Souchez 115 - Der Kirchhof von Souchez 123 - Die Überlebenden aus dem Kirchhof von Souchez 129 - Das Schlachtfeld Arras-Souchez-Lorettohöhe vom Fesselballon aus 137 - Der Argonnerwald 142 - Die Kämpfe in den Argonnen 150 - Höhe 285 154 - Der Krieg unter der Erde 159 - La Bassée 165 - Die Gräben bei La Bassée 171 - Dicke Luft 177 - Der Herr der Haubitzen 183 - Der siegreiche Angriff in den Argonnen am 8. September 189 - - - - - Zur Westfront - - - 3. Mai 1915 - -Das besetzte Frankreich ist heute Friede und Sonne. Der Zug fliegt -dahin, sorglos und leicht, als ob er Vergnügungsreisende an Bord habe, -durch grüne Täler und blühende Landschaften. Er hat nichts Martialisches -mehr an sich. Vor Monaten keuchte und klirrte er, wie ein schwerer -Krieger, der in die Schlacht geht, er rasselte wie Panzer und tastete -sich zornig vorwärts. Heute ist er ein gutmütiger europäischer D-Zug -geworden, der unbekümmert seine Meilen abfährt. Fern ist der Krieg. Auf -den Höhen der Ardennen liegt die Sonne, die Luft schmeichelt, die junge -Saat leuchtet. Die Felder sind bestellt, säuberlich bunt wie ein -Teppich. Nur da und dort liegt ein Acker grau und welk, vergessen und -verödet, ungepflegt und stumpf, wie ein Mensch, der trauert. Man sieht -ihn meilenweit! Was an Leuten zurückgeblieben ist und nicht vor dem -Krieg entfloh, arbeitet in den Fluren. Es sind nur spärliche, dünne -Trupps, die in der Sonne zerrinnen. Viele, die diese fruchtbare Erde -gebar, sind fort, und viele kommen nicht wieder. Eine leise -Beklommenheit liegt auf dem Lande. Halbwüchsige Burschen, Frauen und -Greise streuen die Saat und verrichten heuer jene Arbeit, die sonst den -Kräftigsten, Blühendsten und Erfahrensten zusteht. Hingegeben und ganz -bei der Sache, voll heißer Wünsche, denn das Brot ist kostbar, schreiten -sie durch die Äcker und schwingen den Arm, mit jener schönen und freien -Geste, die ein Symbol des Friedens und der Wiedergeburt ist. Der Pflug -ist hinter den Kanonen hergekommen und nahm seine Arbeit wieder auf. Die -Schützengräben hier und da, wo der Krieg seine Zähne einschlug, sind -längst zugeschüttet, Narben in der gemarterten Erde, und der Pflug geht -darüber. Bald wird sich das Korn hier wiegen und das Land wird -vergessen. Verbrannte Häuser und Dörfer, im hellen Schrecken verlodert, -erwecken heute, in der Sonne, in der summenden heißen Luft, den -Eindruck, als seien sie einem Schadenfeuer zum Opfer gefallen. Nicht -anders sehen sie aus. Sie jammern und schreien nicht mehr wie im Herbst -und Winter, wo sie ihre rauchgeschwärzten, verstümmelten Mauern in den -Himmel streckten. Der Frühling deckt sie zu. Sie schweigen. Grün und -Blüten verhüllen ihren Gram. Ein blühender Kirschbaum steht jung und -schön, triumphierend inmitten der rauchgebeizten Trümmer einer Mühle, -und Gras und Blumen sind dabei, die verbrannte Erde zurückzuerobern. Das -Leben ist stärker als der Tod und der liebe Gott läßt sich nicht durch -Granaten imponieren! Im November war ich im zerschossenen Longwy, alles -war durchlöchert, zerschmettert, verbrannt – aber schon trieben die -angekohlten Platanen des Kirchplatzes wieder starke grüne Knospen. -Herden von Rindern weiden friedlich im Gras, dem Geschäft des Fressens -hingegeben, und Väterchen hütet sie, das alte nämliche französische -Väterchen, mit Holzschuhen, einem verwilderten grauen Bart, hager und -mit entzündeten Augen, die flache Mütze auf dem kahlen Schädel. Weidende -Pferde, Stuten mit ihren Füllen. Eine glückliche Schwangerschaft hat sie -vor schwerem Dienst bewahrt. - -Der Bahnhof von Sedan ist so still, daß ich ihn kaum wiedererkenne. Im -Oktober stand hier Zug an Zug, Gewühl, Lärm, Staub, Kanonen, Truppen, -Sanitäter, Schwestern, Gefangene, Verwundete, Schmutz und Blut. Er war -ein krachendes Rad am Kriegswagen. Heute ist es der Bahnhof einer -kleinen Provinzstadt mit mäßigem Verkehr. Nichts sonst. Zwei endlos -lange Lazarettzüge stehen da, aber sie sind beide unbelegt. Sie stehen -in der grellen Sonne, alle Türen und Fenster offen, und schlafen. Das -Personal sitzt und sonnt sich. Eine kleine rotbäckige Schwester gähnt -und klopft sich auf den Mund, als sie sich beobachtet sieht. Ein -Krankenwärter sitzt auf dem Trittbrett und schneidet sich sorgfältig die -Nägel; ein andrer wäscht sich, er hat eben ausgeschlafen. Im Arztwagen -ist keine Seele zu sehen. Wahrhaftig, wäre es nicht frivol, so könnte -man sagen, die Lazarettzüge sehen wie Badehotels aus, die auf Gäste -warten. Bei den Rampen stehen auf den Loren zwei nagelneue Flugzeuge, -die Flügel zusammengeklappt, wie Schmetterlinge, die eben aus der Hülle -schlüpfen und sich die Flügel von der Sonne trocknen und ausbügeln -lassen. Bald werden sie hoch oben auf der sonnigen Luft liegen. Vom -Frühling ausgebrütet, glänzend neu, liegt Material da und dort auf den -Stationen: Lastautomobile, ohne Tadel, grüngestrichene Pumpen, feldgraue -Karren; ein Trupp Infanterie, mit neuen Uniformen und frischen, roten -Gesichtern, wie Knospen, gerade vom Gärtner geschnitten. Auf einem in -der Sonne blitzenden Geleise stehen ein paar Geschütze. Neu wie das Gras -auf der Wiese. Sie haben noch kein Blut geschluckt, es sind -Kanonenjungfrauen; drall, massiv, die Haut glatt und kalt. In ihre -ehernen runden Hüften gestützt, harmlos und unschuldig wie junge -Raubtiere, glotzen sie mit ihren runden Mäulern, von dem Instinkt ihrer -Rasse getrieben, in die Richtung, in der sie den Feind wittern. - -Der Zug fliegt weiter, läßt die Jungfern hinter sich, die neugierig und -dumm noch immer in die gleiche Richtung starren, bis sie plötzlich -hinter einem Berg von Blüten verschwinden. Ja, die Geschütze werden bis -an den Hals in Blumen versinken, aber feuern werden sie doch! Eine -Feldwache liegt unten im Schatten von Kastanien und schreit nach -Zeitungen. Auch sie, die Biedern und Treuen, haben ein frühlingshaftes -und friedlicheres Aussehen bekommen. Früher, in den kalten Monaten, -eingemummt in Decken, Tücher und Mäntel, erschien jeder einzelne, der an -der Strecke stand, wie ein festmontierter Panzerturm, drohend und -unerbittlich. Heute, mitten im Grün, sehen sie lachend und friedfertig -aus, wie gutmütige, treuherzige Burschen, die sie sind. Das herrliche -Wetter hat sie aus ihren Löchern und Bauten gelockt und sie sonnen sich -und genießen. Sie haben es redlich verdient. Ich konstatiere mit -Freuden, daß der Winter ihnen nichts geschadet hat. Wohlgenährt, rosig -und blühend sehen sie aus. Sie sind guter Laune und nun ganz zu Hause. -Eine Wache hat große Wäsche und wirtschaftet schwitzend und halbnackt im -Garten. Die Herrlichkeiten bleichen auf dem Rasen. Ein Dienstfreier hat -soeben sein Bad genommen. Nur mit einer hochgekrempten Leinenhose -bekleidet, sitzt er im saftigen Gras und schmort. Er hat ein Handtuch -wie einen Turban um den rotglühenden Schädel geschlungen, da sitzt er -wie ein Sultan und glänzt vor Gesundheit und guter Laune. Neben ihm -hockt ein winziger weißer Hund, kaum acht Tage alt. Andre stehen -vergnügt in einem Kreise von Weibern und Kindern und winken dem Zuge zu. -Häufiger und häufiger aber werden die Angler! - -Ist es das französische Wasser, das zum Angeln lockt? Ist es der -französische Fisch? Jedenfalls sitzen sie genau wie Stockfranzosen -geduldig und aufmerksam mit der Rute da, wie gewiegte Sportsleute und -Kenner und ergeben sich der Hypnose des glitzernden Wassers. Es handelt -sich hier um einen Sport wie jeden andern, und der Erfolg ist nicht die -Hauptsache. Sie sitzen an Pfützen und Löchern, wo gar keine Fische sein -können, aber das ist einerlei. Auf einer Station trete ich an einen -feldgrauen Angler heran, der so angespannt arbeitet, daß er nicht einmal -nach dem Zug umblickt. Ich erlaube mir die Frage, ob er schon etwas -gefangen habe? Der Angler dreht bedächtig den roten Nacken. Ob ich nicht -sehen könne? Er ist Württemberger. Ach so! Entschuldigen Sie. In einer -Blechbüchse neben ihm schwimmen zwei winzige Sardinen. - -Aber was ist das? Eine Rudergesellschaft! Fünf Feldgraue befahren in -einem gebrechlichen Nachen einen Wassergraben, kaum zwei Schritt breit. -Sie haben so voll geladen, daß der Mann im Heck schon mehr im Wasser -sitzt als im Boot. Mit ihren primitiven Rudern legen sie einen Knoten in -der Stunde zurück. Aber Sport ist Sport. Plötzlich schreien sie laut und -wild und lachen: sie sind auf Grund gelaufen. - -So viel frohe und helle Stimmen sind in der Luft. Die Hühner gackern in -den Gärten, Vögel zwitschern, Kinder wälzen sich lärmend im Gras, die -Luft summt von Insekten. Der Himmel strahlt Zuversichten und Hoffnungen. -Man atmet auf. Viele Monate hat man an einem schweren Gedanken getragen -... - -Ich will in den Speisewagen gehen und frühstücken. Aber gerade als ich -die schlingernden Korridore entlang balanciere, beginnt es in der Ferne -zu brummen. Ich horche auf. Es rollt, murrt, grollt wie Gewitter, ein -Satz ferner Kanonenschläge. Er steht immer noch da draußen, der blutige -Trommler und schlägt seine Wirbel! Ich hatte ihn fast vergessen. - - - - - Das Feuer von Ypern - - - 8. Mai 1915 - -Während die verbündeten Armeen in Westgalizien das russische Tor aus den -Angeln brechen, sind wir hier oben im Westen dabei, die -englisch-französische Panzertür einzurennen. Der Gegner hier oben ist -zäher und intelligenter und läßt sich die Zähne aus dem Maul schießen, -bevor er weicht. Die Kämpfe sind wütend. In aufrechten Sturmkolonnen -liefen die Engländer da und dort gegen das Feuer unsrer Gräben an. Man -ist guten Muts und voller Zuversicht. Wie ich höre, haben sich unsere -Truppen in höllischen Nahkämpfen wie Rasende geschlagen. Sie gingen wie -glühende Teufel vor. Ich sah sie heiß und dampfend aus den Stellungen -zurückkehren, und der Rausch des Kampfes lag noch in ihren siedenden -Augen und über den rauchenden, marschierenden Kompanien. Einige trugen -Verbände, die meisten hatten schon wieder den Weg in die Wirklichkeit -zurückgefunden und lachten. Seit den letzten Tagen dröhnt hier Himmel -und Erde vom Donner der Geschütze. Die Kraterkette, die die deutschen -Batterien in weitem Bogen gegen Ypern vorschoben, speit täglich Hunderte -von Tonnen Eisen in den Hexenkessel von Ypern hinein. Ein Hauptmann -versicherte mir, das Feuer sei heftiger, als es vor Antwerpen war. - -Heute morgen um sechs Uhr war ich an der Front, die im Südosten an das -Operationsgebiet von Ypern stößt. Die Kanonen sind noch früher -aufgestanden. Sie pochen, atemlos, wie schwere Schmiedehämmer, die im -Akkord arbeiten, und die Luft wettert von den wütenden Schlägen. Auch -nicht eine einzige kleine Sekunde Pause gönnen sie sich. Sie sind ein -Rudel von Gewittern im Hochgebirge, die knurren und grollen, verstört -hin und her irren und nicht zur Ruhe kommen. Häufig fallen die Schläge -zusammen, und dann dröhnt und rollt es, als donnere eine Bergwand zu -Tal. Sie stampfen über und unter der Erde, sie sind ringsum, überall. -Der ganze Horizont brandet. Sie saugen die Atmosphäre ein und schnauben -sie aus. Das Gebäude der Luft wankt. Je näher das Auto jagt, desto -wütender und wilder wird das Feuer. Deutlich hört man aus dem atemlos -auf und ab wogenden Pochen und Stampfen das böse, tiefe Raubtierknurren -der schwersten Geschütze heraus, die die andern überbrüllen. - -Wir halten in einem zerschossenen Gehöft, einige hundert Meter von den -englischen Stellungen entfernt, und der Boden rollt ununterbrochen unter -meinen Füßen, wie von schweren Lastautomobilen. Die Seismographen, denke -ich, müssen die Erschütterung der Erdkruste auf Hunderte von Meilen im -Umkreis anzeigen, falls sie etwas taugen. Ich habe noch kein Erdbeben -erlebt, aber es kann kaum anders sein. Es ist richtiges wildes -Trommelfeuer (ein neues Wort für mich) und zuweilen verschlägt es mir -den Atem, obschon ich einigen Lärm vertrage. Schlag auf Schlag, bebend -von Leidenschaft, unerbittlich und rasend, Salvenhiebe eines Boxers, der -den Gegner erbarmungslos niederhämmert. Die Geschütze schütteln sich vor -Wut, sie glühen und taumeln, kochenden Schaum vor dem Maul, und speien -ihren Haß hinüber. - -Der Morgen ist göttlich. Die Welt leuchtet und die Vögel singen -unbekümmert. Aber ich sehe und höre nicht, ich ergebe mich der lauten -Brandung des Feuers, die mächtig, wie der Ozean, daherrollt. Zuweilen -wage ich es, einen kleinen scheuen Blick zum Himmel emporzuwerfen, der -in seiner Herrlichkeit blendet, zuweilen erbleiche ich im Innern, und -manchmal hätte ich Lust, mich zu bekreuzen. Ich bin, ohne mich’s zu -versehen, mitten in ein Gewitter der Urzeit geraten, da die Erde sich -spaltete und die Gebirge gebar. Oder was ist es? Führt die Erde Krieg -mit der Sonne und befeuert sie aus ihren Vulkanen rasend das Gestirn am -Himmel? Poltern Unholde im Raum, die ich nicht sehe und die rings um -mich toben? So unheimlich und mächtig ist das Toben, von solch -elementarer Wucht, daß meine Maßstäbe versagen, wie vor den Zahlen der -Astronomen, und es mir schwer wird zu glauben, daß hier Menschen kämpfen -und auf Fleisch und Knochen geschossen wird. Ja, verstehst du wohl, es -ist der Mensch, von menschlichen Müttern geboren, der hier eine Sache -unter sich ausmacht. Auf seine Art, mit seinen Maschinen und seinem -Zorn. Der Dämon der Erde, angefüllt mit urweltlichen Instinkten, die -lange schlafen und die ein Nichts wecken kann. Ich bin, wenn man will, -in ein Völkergewitter geraten, das sich wütend entlädt, bei dem es Eisen -hagelt und Blut regnet. - -Ich muß gestehen, ich möchte heute nicht in Ypern und in der Umgebung -Yperns sein. Ich möchte auch nicht, daß ein Freund und Bruder von mir -dort wäre. Selbst für englische Nerven, denke ich, muß es genügen, und -ich bin sicher, heute gehen ihnen die Pfeifen aus. Ich spreche gar nicht -von den Franzosen und Farbigen, die mit der Hälfte zufrieden wären. Sie -– die Engländer – wissen recht gut, daß es uns Ernst ist, und täuschen -sich nicht über die Lage. Unerbittlich und mitleidlos ist die Sprache -der Geschütze. In ganzen Rudeln stoßen ihre Flugzeuge aus dem Feuerloch, -aufgescheucht und unruhig, und kreuzen hartnäckig und verzweifelt über -unsern Stellungen, um die Geschütze zu finden. Wie zornige Raubvögel, -deren Horst brennt, kreisen sie hoch oben und spähen nach dem Feind. -Heute morgen, vor fünf, hat mich schon das Krachen der Abwehrkanonen aus -den Federn getrieben. Nun, da der Tag wächst, stehen bald rechts, -bald links hoch oben am blauen Himmel die Reihen der weißen -Schrapnellwölkchen. Plötzlich kracht es auch dicht neben mir, ein harter -und naher Knall, und eine Granate zischt gierig und böse knirschend über -meinen Kopf hinweg in den Himmel empor. Ein englischer Doppeldecker in -eiliger Fahrt, gut 2000 Meter hoch. Das Schrapnell explodiert hinter -ihm. Zwei, drei. Wie Raketen fauchen sie in die Höhe. Vier, fünf. Ein -Maschinengewehr rasselt und streut eine Fontäne von Spitzkugeln in den -Äther. Nun reißt ein Geschütz in einiger Entfernung links ab und der -Engländer bekommt Stirnfeuer. Prächtige Schüsse! Ein Schrapnell muß -dicht über ihn weggeflogen sein. Der Engländer hat genug, er wendet in -toller Kurve und geht mit dem Wind davon. Aber er kommt wieder. Dreimal -versucht er es, hartnäckig und kühn, unsre Stellungen zu überfliegen, -und dreimal muß er zurück. Das Maschinengewehr hämmert wie toll und kann -sich nicht mehr beruhigen. - -Das Geschützfeuer aber rollt und pocht, ohne Atem zu holen, die Salven -dröhnen. Die Schlacht geht weiter. Wie sage ich? Sie hat erst -_begonnen_. Es ist sieben Uhr. - -Am Abend sah ich die Sonne im Westen versinken, blutrot, groß und -düster, wie sie an großen historischen Schlachttagen gesunken sein soll. -Sie sah aus wie ein blutüberströmtes Antlitz, die Sonne von Ypern, naß, -zerschossen, und sterbend noch voll Majestät. - -Die Geschütze aber schlugen noch immer. - - - - - Die Feldschanze - - - Mai 1915 - -Der Adlerwagen fegt die Landstraße hinunter, als sei der böse Feind -hinter ihm her. Er springt in langen Sätzen über die frischbeschotterten -Granattrichter hinweg und sucht so rasch wie möglich in Deckung des -zerschossenen Gehöftes zu kommen, auf das die staubige Straße -schnurgerade zuführt. Die Sache ist die: gewöhnlich setzt es hier eine -Lage, und die feindlichen Geschütze sind, wie ein Blinder sehen kann, -verteufelt genau eingeschossen. Allein nichts geschieht. Der Wagen duckt -sich hinter eine Backsteinbaracke, ein ehemaliges Wirtshaus, dessen -Stirn jämmerlich zerschmettert ist wie von Keulenhieben. Hier pflegen -die Granaten gewöhnlich einzuschlagen. - -Der Begleitoffizier hegt noch immer Hoffnungen. Er lauscht hinüber, und -ich sehe ihm deutlich an, daß er enttäuscht ist. Er hatte mir die Lage -angekündigt und empfindet es als eine Störung des Programms, daß der -Feind zu faul ist zu schießen. - -„Dann bekommen wir sie sicher auf der Rückfahrt!“ Das ist ein gewisser -Trost. - -Zu Fuß geht es weiter, denn er – der Feind – würde es als eine -Achtungsverletzung betrachten, wenn man auch die allerletzte Strecke zu -den Gräben noch im Auto zurücklegte. Es gibt immerhin Grenzen. -Eigentümlich ist das Gefühl, zu Fuß zwei Kilometer in der hellen Sonne -eine Landstraße entlang zu promenieren, ohne jede Deckung, knappe -achthundert Meter an den feindlichen Gräben entlang. Sie können uns ja -deutlich sehen, mit bloßem Auge, und die roten Streifen der -Offiziersmützen leuchten weithin. Weshalb schießt er nicht? – „Sie -frühstücken, sie rasieren sich.“ – Drüben liegen Engländer. Sie trinken -jetzt wohl Tee und essen Marmelade dazu, was mögen sie tun? Immerhin, es -liegen Hunderte von Gewehren schußbereit. Vielleicht reizt sie das kecke -Rot der Offiziersmützen, vielleicht haben sie schlecht geschlafen, oder -vielleicht sind sie mit dem Frühstücken gerade fertig geworden und haben -Lust, ein wenig zu arbeiten. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß uns -ein Offizier durch das Glas genau beobachtet, in unsern Mienen mit den -Blicken herumtastet, und es lediglich von seiner Laune abhängt, ob er -feuern lassen will. Nichts ereignet sich. Auf dem Rückweg allerdings, -ich will das vorausnehmen, summten ganz unvermittelt ein paar Kugeln -über uns weg – aber nur weil wir stehengeblieben waren, um einen Flieger -zu beobachten. Es gibt eben hier Sitten wie überall, gehen ist erlaubt, -stehenbleiben wird als Unhöflichkeit angesehen. - -In dem von Granaten übel zugerichteten Dorf empfängt uns der Kommandeur -des Regiments. Ein Mann wie aus Wurzelholz geschnitzt, knorrig, stark -und schlicht, ohne Pose und ohne Phrase. Das gibt es hier außen nicht. -Er hat die Augen des Frontoffiziers, _Frontaugen_, die aus Hunderten -herauszufinden ich mich jederzeit erbiete. Sie sind glänzend und rein, -bewußt, ein wenig nachdenklich und voll Anteilnahme. Der Mensch ohne -Lack und Firnis blickt aus ihnen. Es sind Augen, wie Menschen sie haben, -die der Tod anschauerte, die er zuweilen mit seinem Finger berührte und -denen er ein kleines Wort zu irgendeinem Augenblick ins Ohr flüsterte. - -Wir steigen in die Schanze ein. Hier stand früher einmal eine Brauerei. -Früher! Die Granaten sind heißhungrig darüber hergefallen und haben nur -Trümmer übriggelassen. Sie haben die Mauern zerfressen, die Kamine mit -Stumpf und Stiel verschlungen und Kessel und Röhren zu Klumpen zerkaut. -Fanden sie nichts andres, so fraßen sie tiefe Löcher aus der Erde. -Laufgänge und Schützengräben durchspinnen und umspinnen den Komplex der -Ruine. Mit Sandsäcken und erdgefüllten Bierfässern hat der Kommandeur -ein Fort aus den Trümmern gebaut, eine groteske und musterhafte Festung, -in der man vor Gewehrkugeln wenigstens ziemlich sicher ist, wenn man -nicht allzu großes Pech hat. Wieder und wieder versucht der Feind, die -Schanze durch Granaten zu zerstören, immer wieder wird geflickt, gebaut -und verrammelt. Bombensichere Mannschaftsunterstände mit winzigen -Eingängen – Villa Duck dich, Villa Frieden usw. – mit kleinen blühenden -Gärtchen davor. Hier und da ein paar blumengeschmückte Gräber. Der -„Friedhof der Leichtsinnigen“. Hier ruhen zur Warnung für die Lebenden -jene Tapferen, die aus Unvorsichtigkeit und Leichtsinn dem Tod -entgegenliefen. Sie streckten den Kopf aus dem Graben, um zu sehen, ob -etwas los wäre, sie krochen aus dem Graben heraus, obgleich es verboten -ist, nur um einmal etwas _Neues_ zu tun. Nun liegen sie da, dicht neben -den Blumenbeeten, und die Kameraden pfeifen ihr Liedchen über ihr Grab. -Das ist, ganz kurz, was es hier oben zu sehen gibt, zwischen den Wällen -sozusagen. Die eigentliche Festung aber liegt in den Kellern der -Brauerei, zweistöckig und labyrinthisch. Nasse, finstere, niedrige Gänge -wie in einer Schauerburg. Trübes Bier schwimmt in einem Graben, Treppen -und Verschläge, die in pechschwarze Stollen und Kamine hinabführen, -Mauern aus Sandsäcken und Fässern. Schießscharten dazwischen, vorsichtig -mit Ziegelsteinen verschlossen. Sehr freundlich sieht es hier nicht aus. -In den Kellerräumen, wo die Mauern am dicksten sind, schlafen die -Mannschaften beim trübseligen Schein einer verstaubten, elektrischen -Lampe. Sie liegen, dicht nebeneinander gepackt, in Uniformen und -schweren Stiefeln, so wie sie aus den Gräben kommen. Wie verwunschene -Bergleute, von einem Zauber eingeschläfert, liegen sie da. Sie wachen -nicht auf, wenn wir eintreten. Der Schweiß perlt auf ihren eckigen -Stirnen, es ist heiß hier unten. Sie genießen den Schlaf, sie klammern -sich an ihn. Heute sind sie soundsoviel, morgen sind sie einer oder zwei -weniger. Ein Platz wird leer sein oder zwei oder mehr. Daran sind sie -gewöhnt. Sie leben von heute auf morgen, und sie gehen vom Leben in den -Tod, wie man eine Tür zumacht, und niemand sieht sie wieder. Wenn sie -heute das erste Wort sprechen, so wissen sie nicht, ob es nicht ihr -letztes ist. Ein junger Schläfer schwitzt stärker als die andern, seine -Wimpern sind nahezu weiß. Auf seinen roten Backen flimmern feine -Härchen. Sein Mund steht offen und zeigt die weißen starken Zähne. Er -scheint zu lachen im Schlaf und schläft so ruhig und gesund wie in -seinem Dorf zu Hause. Neben ihm liegt ein Dunkelhaariger, mit gelber -Gesichtsfarbe und dichten Bartstoppeln. Er schläft unruhig und röchelt -gepreßt. Träumt er? Träumt er, daß der Engländer kommt und ungeniert in -den Drahtverhauen wirtschaftet, und er schießt und schießt, aber der -Engländer ist nicht zu treffen, er zieht eine Zange heraus und fängt an, -in aller Gemütsruhe die Drähte zu durchschneiden ... Plötzlich öffnet er -die Augen, sie blicken grünlich, und starrt mich an. Sobald er sich -regt, taucht hinten ein fahles Gesicht empor. Aber im nächsten -Augenblick schlafen sie wieder, und alle schlafen, dicht -aneinandergedrückt, tief und traumlos, als ob sie keine Lust hätten -aufzuwachen. - -Luft, Licht. Wir tauchen aus dem dunkeln Bergwerk empor in die grelle -Sonne. Über meinem Kopfe rasselt und trommelt plötzlich ein Kobold in -den Kupfertöpfen der Brauerei. Eine Kugel. Sahen sie uns an den -Schießscharten vorübergehen? Die Gräben sind das Letzte an -Bequemlichkeit und Umsicht. Tief eingeschnitten, so daß man sich nicht -zu bücken braucht, die Schießscharten solid verschalt wie tiefe Nischen. -Bei jeder ein Täfelchen mit dem Namen des Schützen. Der Boden ist mit -Brettern ausgelegt, und da und dort steht: Nicht ausspucken! Es spuckt -auch niemand aus. Eine Dame könnte in einem Ballkleid hier gehen. Ich -habe von französischen Gräben gehört, wo sie in ihrem eignen Dreck -herumlaufen und ihre Toten, mit einer Lage Erde darüber, als Diele -benützen. Ein Toter ist tot und spürt nichts mehr, aber trotzdem ... - -„Sehen Sie etwas?“ - -„Ja. Einer guckt immer mit dem Kopfe raus. In der Nacht haben sie eine -Puppe an einer Stange aufgehängt. Dort!“ - -Durch die kleine, rechteckige Schießscharte blickt man in das grüne Land -hinein, wie durch ein Fernrohr. Unsere Drahtverhaue, dann eine Wiese, -die leicht im Winde schwankt. Dahinter dünnes, wirres Gestrüpp. Das sind -_seine_ Drahtverhaue. Ein kleiner Wall aufgeworfener Erde. Sonst ist -nichts zu sehen, so sehr ich mich auch anstrenge. Auf diesem Streifen -Wiesenland, ein paar hundert Meter breit, bewegt sich nichts, seit -vielen Monaten nichts. Es ist ein verfluchter Streifen Land. Das Gras -wächst, weil es keine Vernunft hat, aber kein Falter, kein kleiner Vogel -lebt hier. Nur die Kugeln spinnen ihr Netz darüber. Plötzlich erschrecke -ich. Da steht, man mag es glauben oder nicht, wahrhaftig ein Mensch -aufrecht und unbekümmert auf dem Erdwall drüben! Ich erschrecke für ihn, -obwohl ich es ja nicht bin, der da drüben steht, und ich erschrecke vor -allem, weil sich auf diesem leblosen Streifen Land überhaupt etwas -zeigt. Ist er toll geworden? Aber das ist ja die Puppe! Dann und wann -knallt es da drüben, in der Ferne rumpelt Geschützdonner. Die Schanze -aber schweigt. Sie hat seit zwei Tagen keinen Schuß abgegeben. „Es ist -ein richtiger Spaß! Er soll glauben, daß wir fort sind.“ Aber er glaubt -es ja doch nicht. Gestern hat er alle Schießscharten einzeln -abgestrichen und die Schanze hatte zwei Tote. - -Sonderbar ist so ein winziges rechteckiges Fensterchen ins grüne Land. -Es ist ein Fenster ins Jenseits ... Es ist möglich, daß in dem gleichen -Augenblick, in dem der Feldgraue hinaussieht, der Tod hereinblickt, und -der Feldgraue erschrickt und fällt hintenüber ... - -Ein Gewirr sind die Gräben, auf, ab, hin und her. Maschinengewehre, sie -haben den schönsten Platz. Überall stehen Posten. Sie stehen hier Tag -und Nacht, heute, morgen und in diesem Augenblick. Seit dem Herbst, da -das Laub fiel, und jetzt ist es wieder grün. - -In den letzten Tagen hat die Festung ein neues Fort dazubekommen. Der -Feind hat einen Minengang vorgetrieben und gesprengt. Es ist ein Krater, -rund und groß wie ein Karussell, und der Rand des Kraters ist schon -wieder ausgebaut und befestigt. Ideal ist das Fort, es flankiert unsere -Gräben. Leider hat es drei von unsern tapfern Leuten gekostet. Sie -liegen tief unten in der Erde, so tief, daß man sie nicht holen kann. So -hat hier jeder Tag seine Ereignisse, und die nächste Minute kann sie -bringen. Er kann ja eine neue Mine hochfliegen lassen, Gott weiß, -worüber er jetzt, in dieser Sekunde, brütet? - -Ein Laufgang führt mitten durch das zerschossene Dorf zum Unterstand des -Kommandeurs. Hübsch und freundlich ist es hier unten, eine Schiffskabine -erster Klasse unter der Erde. Hierher kommen die Offiziere zuweilen des -Abends, sozusagen, wenn sie ausgehen wollen. Es sind nur hundert -Schritte, aber es ist immerhin eine Abwechslung. Nur eine Schattenseite -hat dieser Salon unter der Erde. Er stößt direkt an den Friedhof. Die -Granate ist ein böses Tier ohne Vernunft. So ist sie wiederholt in den -Friedhof gefahren, wo sie nichts zu suchen hatte, und hat die Gräber der -französischen Bürger aufgerissen. Sie warf die Grabsteine durcheinander, -hat die Gebeine mit in die Tiefe gerissen, und in einer Familiengruft -schwimmt ein Kindersarg. Von der Treppe des unterirdischen Salons aus -sieht man über eine Reihe frischer Gräber. Das sind die Toten der -Schanze. Der frühere Kommandeur, Offiziere, Unteroffiziere und -Mannschaften. Nebeneinander liegen sie, so wie sie auf der Schanze -nebeneinander kämpften. - -Ja, hier liegen sie, aber in Wahrheit sind sie nicht tot. In Wahrheit -leben sie, denn sie sind unvergessen. Sie leben mit den Kameraden auf -der Feldschanze, ganz wie früher. Sie wandern durch die Schlafgewölbe -und sehen nach, ob sie noch nicht aufstehen, sie sitzen auf den Gräbern -und lauschen auf die Gespräche der Kameraden. Bei den Maschinengewehren -stehen sie und lugen aus. In der Nacht wandern sie in den Gräben. Sie -warnen die Kameraden, sie richten ihnen die Gewehre, sie zeigen ihnen -den Feind: _dort, dort_ ... - - - - - Die Schlachtfelder in Flandern - - - Mai 1915 - -Durch die Luke in der Kirchturmspitze hat man einen weiten Blick über -das Land: unten liegt winzig und verwinkelt das Dorf. Ein paar Häuser -sind zerschossen. Soldaten hantieren vor den Häusern. Eine -Radfahrerabteilung – braune Marinesoldaten, das Gewehr auf dem Rücken – -schlängelt sich über den kleinen Marktplatz. Ein großes Postauto tutet -und überholt sie. Karren, trottende Pferde, die roten Gesichter der -Fuhrleute sind alle nach oben gerichtet. Zwei Flugzeuge kreuzen unter -den grauen Wolken. Rasch und klein wie eine Maus läuft das entferntere -am Himmel entlang. Hinter dem kleinen Dorf aber breitet sich das Land. -Flandern. Es ist grün von den Wiesen und gelb von den blühenden Rüben, -ganz flach; trübe und resigniert duckt es sich unter dem hängenden -Gewölk. Silhouetten von Alleen, die die Landstraßen begleiten, stehen -geisterhaft auf dem Lande, eine hinter der andern, wie Schleier, die -herabhängen, und alle scheinen sie parallel, quer durch das Land zu -laufen, bis zum Horizont, wo eine graue Regenwolke Ypern verbirgt. -Dazwischen flache graue Wolken, die auf der Erde liegen, Wälder und -Wäldchen, die niemand kannte, und die plötzlich einen Namen bekamen: -Polygonenwald, das Wäldchen von St. Julien. Hier standen die vier großen -englischen Geschütze. Hinter den geisterhaften Silhouetten der Alleen -Dörfer, Reste von Dörfern, dem Auge kaum erkennbar. _Zonnebeke_, _St. -Julien_, _Langemark_. Im Frieden werden Orte berühmt durch ihre Kultur -und ihren Geist, im Krieg durch ihr Unglück. Da liegen sie und -verstecken sich in der Erde. Still und verzweifelt liegt das Land, und -der Donner der Geschütze rollt darüber weg. - -Heute, Flandern, mit deinen geisterhaften Alleen, die stillstehen und -sich nicht bewegen, erscheinst du mir wie ein großer Friedhof. - -Eine knappe Viertelstunde von dem Kirchturm entfernt zieht sich ein -lehmiges ausgetrocknetes Flußbett in weitem Bogen durch die Landschaft. -Oft nähern sich die Ränder bis auf dreißig Meter, oft entfernen sie sich -bis auf ein paar hundert. Die Ränder sind tief ausgegraben, unterhöhlt, -gewunden und verzweigt, wie Bauten von Bibern. Das sind die verlassenen -Stellungen. - -Hier auf diesem Gürtel Landes lagen sie einander sechs lange Monate -gegenüber, Tag und Nacht, und Tag und Nacht saß der Tod dicht angelehnt -neben jedem einzelnen Mann. Hier lagen die Gewehre und hier, man sieht -es noch deutlich, standen die Maschinengewehre. Zwischen den Gräben -lagen die Leichen, wo sie gerade hinfielen, und da lagen sie und blieben -liegen, und die Kugeln durchlöcherten sie noch hundertfach, obschon sie -schon zehnfach gestorben waren. Tausendfach starb hier jeder einzelne -Mann, auch der, den der Zufall verschonte. Oft raste der Tod hier wie -ein Orkan, mit Finsternis, Feuer, Eisen und erstickenden Gasen. Die -Gräben wurden eingetrommelt, Meter für Meter. Einmal hatten sie drüben -Besuch (nicht in den Gräben, sondern weit dahinten!), zwei Könige und -einen Präsidenten. An diesem einzigen Tage warfen sie _siebzigtausend_ -Granaten herüber – und wir hatten keine dreißig Mann Verluste. Sie gaben -den hohen Herrschaften eine Vorstellung und schossen ein Vermögen in die -Luft hinein. Die Komödie auf dem Schlachtfelde! So und nicht anders ging -es hier zu. Der Soldat kroch in die Erde. Aber da kam ihm das Wasser -entgegen. Bis an die Knie wateten die Tapfern im Wasser. Jedes Haus -hinten war zerschossen und die Trümmer unausgesetzt unter Feuer. Es -entstanden ganze Städte unter der Erde, Städte in Wäldern, die -Mannschaften ruhten aus in Eisenbahnzügen, die zurück mußten, sobald das -Feuer zu stark wurde. - -Die Erde bei den Gräben ist zerrissen. Trichter an Trichter. Der Regen -spritzt heute in den kreisrunden Lehmtümpeln. Auch die Allee hat -mitgekämpft. Die hohen Bäume schlugen der Länge nach hin, wie Riesen, -von der Granate in den Wurzelbau getroffen und hochgeschleudert. Sie -wurden in der Mitte abgerissen. Ihre Kronen stürzten zersplittert in das -Feld, und so stehen sie noch. Kein Baum, der nicht seine Wunde hätte, -manche sind von oben bis unten zerfetzt. Die Allee hat sich tapfer -geschlagen, die Allee von Poel-Capelle nach St. Julien. Eine Armee von -Krüppeln steht an der Straße. - -Die verlassenen Gräben sind mit allerlei Schutt angefüllt. -Konservenbüchsen, Waffenteile, zerweichte und unleserlich gewordene -Briefe. Ein blutiger Tuchfetzen, den einer an die Wunde preßte, -erblassend und zu Tode erschrocken. Sie sprechen eine grauenhafte -Sprache und ihr Flüstern verfolgt mich. Es ist sehr still hier und es -hat den Anschein, als ob die Stille sich über den Gräben verdichtete und -über all den Dingen, die einst Menschen gehörten. Ich wünschte wohl, sie -kämen hierher, die drei hohen Herrschaften, zu deren Ehre einmal so -furchtbar laut geschossen wurde, sie kämen hierher und _hörten sich die -Stille an_. Vielleicht würden sie den süßlichen Geruch spüren, der aus -den Gräben steigt, vielleicht würde sich ihr Auge schließen vor all dem -Grauenhaften, das der Schutt in den Gräben deckt. Sie würden gehen und -nun würden sie stolpern! Bei jedem Schritt würden sie über Gräber -stolpern. Gräber hier, Gräber dort. Franzosen, Schottländer, Kanadier, -Kolumbier, Farbige und Schwarze. Sie würden die Namen auf den Kreuzen -lesen. Sie würden die verstümmelte Allee hinabgehen, und links und -rechts würden die Kreuze ihnen folgen. Sie würden bei St. Julien die -Massengräber sehen. Hier lagen die Kanadier so dicht, daß die -Fliegerphotographien aus 2000 Meter Höhe die Leichenhaufen zeigten. Nun -würden sie begreifen, daß sie in einen Friedhof geraten sind, der naß -ist von Blut und Tränen. - -Aber weiter. Die Kanonen krachen. In Erdhöhlen hocken Soldaten um die -dampfenden Kochtöpfe und sind guter Dinge, denn sie leben. - -_Langemark_, berühmt geworden durch sein Unglück, wie viele andre Orte, -ist das grinsende Skelett einer kleinen Stadt. Die wenigen Häuser, die -noch stehen, zeigen fröstelnd das nackte Gebälk. Die Ziegel sind ohne -Ausnahme herabgerasselt, als die schweren Geschosse einschlugen. Wie -Gespenster von Häusern stehen sie inmitten der Trümmerhaufen. Der -Kirchturm sieht aus wie ein verwitterter Sandsteinfelsen, rostrot und -brüchig steht er am Rande eines niedergemähten Parkes. Ein Haus ist mit -dem Schieferdach niedergebrochen, wie ein gefallener Elefant, der sich -auf die Stoßzähne stützt. Es ist deutsche Arbeit, sie ist gründlich, das -muß man sagen. Hut ab vor unsern Kanonieren! - -Aus dem Keller irgendeines zerschossenen Hauses steigt langsam und still -ein General, in den weiten Mantel gehüllt. Er scheint das einzige -lebende Wesen weit und breit zu sein. Gelassen und würdevoll, ein wenig -gelangweilt, zeigt er uns sein Heim. Das Haus ist verschüttet, es liegen -noch Leichen unter dem Schutt. „Hier lebe ich nun, im Keller,“ sagt er -mit leiser, gelangweilter Stimme. „Sie schießen oft wütend herein. Sehen -Sie die Trichter? Es sind ganz große Dinger. Na, man gewöhnt sich an -alles.“ Wir gehen und der General promeniert ruhig, in seinen Mantel -gewickelt, im Regen auf und ab. - -In dieser Gegend sieht man kein Tier und kein lebendes Wesen. Zuweilen -ein paar Soldaten, die laut und fröhlich antworten, wenn man sie anruft. -Aber die Geschütze krachen ringsum, obschon man sie nicht sieht. - -Sie sind trotz des schlechten Wetters fleißig bei der Arbeit und die -Luft dröhnt wie von Explosionen, hart und metallen. Die Geschosse toben -in die Höhe, es röhrt und wühlt in der Luft, sie _pflügen_ sich hinauf. -Die Luft zischt, genau wie das Wasser unter dem Kiel eines Rennbootes. -Es gurgelt gierig da oben, wie Gurgeln voller Blut. Unwillkürlich sucht -der Blick das Geschoß, obwohl es natürlich zu rasch ist, als daß man es -sehen könnte. Aber es scheint greifbar nahe zu sein. Ja, ich sehe es -auch, wie es in seiner Kurve dahinjagt. Es ist gelb und dreht sich -rasend um die Längsachse, eine donnernde, dröhnende Röhre von -Luftwirbeln als Schleppe, den blanken Zünder zischend in die dicke, -graue Regenluft bohrend. Die gelbe Farbe verbrennt rauchend auf seiner -Hülle. Nun ist nur noch das schleifende Zischen der Luft zu hören. Es -ist hinüber! Links und rechts schlagen die Geschütze, es kracht wie von -einschlagenden Blitzen. Alle paar Minuten dröhnt hinter mir ein hellerer -Schlag und eine Granate jagt gurgelnd und zischend über mich hinweg. Die -Luft ist voller Eisen. In den Pausen der Geschütze hört man das hastige, -heisere Kläffen der Maschinengewehre und das Knattern der Gewehre. - -So ist es hier. Es ist das Morgenkonzert, das gewöhnliche. Und so ist -das Abend- und Nachtkonzert. Man gewöhnt sich daran, und das flandrische -Land hat seit vielen Monaten nichts andres gehört. Die Front ist um -einige Kilometer vorgerückt, sonst hat sich nichts geändert. - - - - - Nach den Schlachten - - - Mai 1915 - -Die Welt des Feldsoldaten ist groß und erhaben. Der sausende Himmel, die -Sterne, die Wolken und das freie Feld: das ist seine Wohnung. Vertraute -Wege und bekannte Dörfer, die Heimat in der Ferne, Briefe, Zeitungen, -alles gehört ihm. Kameraden, bekannte Gesichter, neue, immer neue -Gesichter, neues Gelächter und neue Stimmen. Ein spukhaftes Dasein, voll -des Unbekannten, stetig Wechselnden. Die alltäglichsten Dinge, Essen, -Schlafen, abenteuerlich und absonderlich. Außergewöhnlich, groß und -unerhört, voll nie gekannten Grauens und nie gekannter Wonnen sind seine -Empfindungen. Der Feldsoldat ist kein gewöhnlicher Mensch mehr, er ist -der Erkorene, er ist das _Volk_ selbst, für das er kämpft. Wäre es -anders, nicht den zehnten Teil der Anstrengungen, die das Feld fordert, -könnte er ertragen. Wenn er sein Geschütz abreißt, so ist es nicht seine -Faust, die Millionen Fäuste seines Volkes reißen das Geschütz ab, und -sein Volk sendet den großen Fluch hinüber zum Feinde. - -Wehe aber, wenn er das Unglück hat, gefangengenommen zu werden! Seine -große und stolze Welt bricht in einer einzigen unglückseligen Stunde -zusammen. Er ist nicht mehr sein Volk, er ist ein gefangener Soldat, -nichts andres. In einer Sekunde sind seine Tressen und seine -Auszeichnungen verblaßt, die Bewunderung seiner Kameraden, die ihn -belebte, ist verstummt. Kennt hier jemand seine Geschichte, seine -Geschichte als Soldat, meine ich? Weiß hier jemand, wie er sich schlug, -welch kühne Patrouillengänge er hinter sich hat, daß seine Offiziere ihm -die Hand drückten und ihn vor versammelter Mannschaft lobten? Fremde -Gesichter, fremde Worte, eine fremde Welt. Eine Ewigkeit trennt ihn von -seinen Kameraden, seinem Pferde, seiner Batterie, seiner Heimat, seinen -Angehörigen, unwirklich scheinen schon jetzt die Bilder zu sein, an die -sein Gedächtnis sich klammert. Sein Mut, sein Ehrgeiz, sein Rausch, sie -sind dahin. Er war alles, jetzt ist er nichts. Eine Nummer in den Listen -der Gefangenenlager ist er, in dem das Herz seines ganzen Volkes schlug, -geworden. Nüchtern, klein und erbärmlich ist jetzt seine Welt. - -Sieht man Gefangene gehen, so versteht man alles. Sie trotten müde -dahin, gleichgültig, ohne Haltung, aber nichts wäre verkehrter, als von -Gefangenen auf die Truppe zu schließen, der sie angehörten. Häufig wird -der stolzeste und stärkste Soldat der gebrochenste Gefangene sein. - -Schlimmer noch, um vieles schlimmer ist es, verwundet in Gefangenschaft -zu geraten. Noch kleiner und elender ist die Welt des verwundeten -Gefangenen. Ein Bett, ein getünchter Saal, die Gesichter der Pfleger und -Pflegerinnen und der Ärzte, nichts sonst. Der Schritt der Wache vor der -Tür. Droben in Flandern habe ich verwundete Gefangene besucht, und von -ihnen will ich erzählen. - -Ich trete ein, und sofort sind alle Augen auf mich gerichtet. Ein neues -Gesicht! Seit vielen Tagen, seit Wochen das erste neue Gesicht. Was will -er, was tut er hier, was bringt er uns? All diese glänzenden Augen -forschen neugierig und aufmerksam in meinen Zügen. Einzelne haben sich -aufgerichtet, um mich besser sehen zu können. Niemand spricht ein Wort, -alle stellen die Ohren und es ist ganz einerlei, in welcher Sprache ich -rede, die Hauptsache ist, daß sie eine neue Stimme hören. - -Da ist zunächst ein Neger. Schwarz und glänzend wie ein gewichster -Stiefel, das Gebiß blendend weiß. Er ist eines der hübschesten -Exemplare, die ich je sah, das sauberste gewiß, fast noch ein Kind, und -versucht sofort, meine Milde durch ein naives, vertrauliches Lächeln zu -gewinnen. Ich rede ihn englisch an, da ich bis heute nur Englisch mit -Negern gesprochen habe, aber siehe da, er antwortet französisch. Aus dem -Senegal. Und wie alt? Zwanzig. „Wo hast du gekämpft?“ – Er zeigt sein -schönes Tiergebiß und lächelt. Er weiß es nicht. „Bei Ypern?“ – „Ja, bei -Ypern. _Chemin de fer_, hin und her, immer hin und her, _chemin de fer_“ -– er radebrecht, gestikuliert, nein, er weiß gar nichts. Vergnügt legt -er sich in das weiße Kissen zurück. Nie in seinem ganzen Negerleben ging -es ihm so gut, nie so sauber, Gott, er wird sich nie mehr zu waschen -brauchen. Er hatte zwei Lungenschüsse, aber das schadete ihm -ebensowenig, wie wenn man eine Katze anschießt. - -Neben ihm liegt ein Engländer, ebenfalls Lungenschuß. Ein junger, -zarter, hellblonder Bursche, der eben aus dem Jenseits zurückkommt. Er -hat noch die großen, glänzenden Augen, die man von dort mitbringt, und -die durchsichtigen, schmalen Wangen. Er ist aus Birmingham, Kaufmann. -Aufrecht sitzt er in seinem Bett, die beiden Hände auf der Decke, und -sein Kopf sinkt schwach von einer Seite auf die andre, während er -flüsternd antwortet. Er trägt eine Kette mit einem kleinen Kreuz um den -dünnen Hals. – „Was bedeutet das Kreuz? Seid ihr Katholiken in -Birmingham?“ – „Nein, ich war protestantisch, aber nun bin ich -katholisch geworden.“ Eine Nonne steht neben dem Bett, eine belgische -Schwester, rotbäckig und gesund, und blickt auf ihr blondes Lämmchen. - -„Hier sind Kanadier!“ sagt der Arzt. - -Ja, das sind sie. Schmale, feste Schädel, klar gezeichnete Gesichter, -kräftige Augen, breite Schultern, die Arme lang gemessen, das Haar weich -und kurz. Es sind Amerikaner, ohne jeden Zweifel, wenn sie auch etwas -nördlich von den Staaten geboren wurden. Ich sehe mir sie an, und sie -betrachten mich mit der gleichen Aufmerksamkeit. Sie wissen genau, daß -sie nun an die Reihe kommen, und haben keine Angst. - -„Wer von euch war beim Sturmangriff von St. Julien dabei?“ - -„Wir alle.“ - -Nun sehe ich, daß sie geschient und verbunden sind. Trotzdem sehen sie -gesund und kräftig aus. Es sind Leute, die einen Stoß vertragen können, -ausgezeichnetes Material. Sie antworten höflich, aber sie sagen nicht -mehr als gerade nötig ist. Allmählich erst werden sie etwas -gesprächiger. Sie sind zufrieden, sie beklagen sich über nichts. Jeder -deutsche Soldat, mit dem sie es zu tun hatten, war „gut“ zu ihnen. „Nach -dem Kriege werden wir uns die Hände drücken.“ – „Aber die englischen -Zeitungen? Sie sind die gemeinsten Lügner der Welt!“ – Ihre Augen stehen -auf Abwehr. – „Wann seid ihr herübergekommen?“ – „Ich im September, die -andern später.“ – „Wieviel wart ihr? Seid ihr in England gelandet oder -in Frankreich?“ – Die schönen Augen des Clerks von Toronto sehen mich -offen an und schweigen. Er will nicht sprechen. Aber später, als wir -mehr Vertrauen zueinander gefaßt hatten, kam er ganz von selbst auf den -Transport zurück und sagte mir, daß sie 30000 waren, 21 Dampfer, drei -Wochen auf See, in Plymouth gelandet, in England noch ein paar Monate -gedrillt. Es war sehr schlechtes Wetter, immerzu Regen, einer ist am -Regen gestorben. - -„Am Regen gestorben?“ – „Ja!“ - -Der Seemann im Nachbarbett, dessen Fuß zerschossen ist, lacht. „Es war -verdammt schlechtes Wetter, Sir!“ - -Sie erzählen mir alles mögliche, und ich bemühe mich, sie gesprächig zu -halten. Die Deutschen schießen gut, sie würden es niemand raten, den -Kopf auch nur eine Sekunde aus dem Graben zu strecken. Weshalb sie aus -Kanada herüberkamen, um gegen uns zu kämpfen, das wollen sie mir auf der -Stelle sagen. „Die Neutralität Belgiens, Sir! Wir sind gekommen, um euch -aus Belgien zu vertreiben.“ – „Weshalb überlaßt ihr das nicht den -Engländern, haben sie nicht genug junge Leute? Weshalb sollt ihr -Kanadier die Arbeit der jungen Engländer tun?“ – Das Gespräch wird -lebhafter und die Franzosen auf der andern Seite recken die Hälse. - -„Und St. Julien? Wie war es da?“ - -Der hübsche Clerk mit dem geschienten Arm, drei Kugeln, richtet sich im -Bett auf, so gut es geht: Sie kamen also da in Gräben, in denen vorher -Engländer lagen. Aus welchem Grunde gewechselt wurde, wußten sie -vorläufig noch nicht. Später erst begriffen sie es. Zwei Tage lagen sie -da. Sie wußten gar nichts, weshalb, warum, nichts. Essen gab es nicht -regelmäßig. Die Straßen um Ypern herum lagen unausgesetzt unter Feuer. -Plötzlich aber hieß es vorgehen! Weshalb, warum, wohin, kein Mensch -wußte es. Nun aber bekamen sie furchtbares Feuer, schwere Granaten, auf -offenem Felde, ohne jede Deckung. „Ich lag hinter einem Haufen von -gefallenen Kameraden, den rechten Arm zerschossen. Die Kameraden -stürmten weiter, plötzlich Maschinengewehrfeuer, Flankenfeuer, -Gewehrfeuer. Die Kameraden fielen wie hingemäht. Es war zu Ende.“ - -Er sieht mich an. „Wie groß sind die Verluste, Sir?“ Seine Augen fragen, -er denkt, ich könnte mich jetzt recht wohl revanchieren für die Angaben, -die er mir über die Transporte machte. Aber ich weiß es wirklich nicht. -Sehr große Verluste! - -Der Clerk nickt und wendet den Blick ab. „Ich glaube nicht, daß viele -davongekommen sind!“ sagt er ruhig und schlicht. - -„Sie haben wohl genug vom Krieg?“ frage ich ihn, indem ich mich -verabschiede. „Werden Sie wieder gegen uns kämpfen?“ - -Er lächelt. „Nein!“ Und leiser, so daß es die Kameraden nicht hören, -fügt er hinzu: „Es war die Hölle, Sir!“ - -Nun kommen die Franzosen an die Reihe. Sie haben die ganze Zeit -aufmerksam zugehört, die Ohren gespitzt, auf jede Bewegung geachtet, -damit ihnen ja nichts entgehe; verstanden haben sie kein Wort. Sie -wußten, daß auch ihre Zeit kommen würde. Höflich und gefällig erwidern -sie den Gruß. Selbst der Landwirt aus der Gegend von Rouen nickt mit dem -dicken rechteckigen Schädel, obwohl er Schmerzen hat und fiebert. Mich -interessiert mehr als alle andern der Greis an seiner Seite, ein -schmächtiger Mann mit ausgeprägt französischen Zügen. Sein weißgraues -Haar zieht mich an und seine lebendigen, fröhlichen Augen. Er stammt aus -der Bretagne, und da ich mich dort auskenne, so haben wir gleich ein -Thema, um bekannt zu werden. - -„Wann wurden Sie verwundet?“ frage ich. „Im Herbst.“ Er hebt die Decke -in die Höhe, und nun sehe ich, daß ihm das linke Bein bis zur Hüfte -amputiert ist. - -„Wie alt sind Sie?“ - -„Siebenunddreißig Jahre, mein Herr.“ - -Um meine Überraschung zu verbergen frage ich rasch nach dem Alter des -Landwirts aus Rouen. Er ist zwei Jahre jünger. - -„Sie fühlen sich jetzt gesund?“ „Sehr wohl!“ Und der Mann aus der -Bretagne sprudelt seine Geschichte heraus, ungeheuer lebhaft, mit vielen -plastischen Gesten. „Ja, man muß Glück haben, mein Herr, das ist alles. -Es war im Herbst, hier oben in Flandern. Wir mußten zurück, die -Deutschen waren hinter uns her. O, lala, wir hatten es eilig! Da – eine -Granate zerreißt mir den Fuß. Ich verkrieche mich in ein Loch in der -Erde und warte. Die Kameraden sind fort, alle weg, niemand zu sehen. Ich -warte, immer in meinem Loch. Zweiunddreißig Stunden liege ich da, aber -nun hören Sie! Plötzlich Schritte. Ich spitze aus meinem Loch hinaus. -Ein Sergeant vom Roten Kreuz. Ich rufe, er hört. Ich strecke die Arme -hoch – so – er kommt heran und sagt: ‚Rühren Sie sich nicht!‘ Zwei -Stunden später war ich im Lazarett. Man muß Glück haben.“ - -Fröhlich und heiter ist der Mann aus der Bretagne. Er hat dem Tod ein -Bein hingeworfen wie einem Haifisch und triumphiert über den Handel. Im -Krieg wird der Mensch bescheiden. - -Unten im Garten des Klosters treffe ich einen Scheich, mit Turban, -würdigem Bart, elfenbeinernem Gesicht und elfenbeinernen Händen. Er -bittet mich um eine Zigarette. Vielleicht hat er ein Dutzend Frauen zu -Hause, vielleicht ist es Sünde, daß er etwas aus meinen Händen -entgegennimmt, vielleicht verliert er seine Kaste. Einerlei, es ist nun -doch so weit mit ihm gekommen, daß er bettelt. - - - - - Ein Flieger über Brügge - - - Im Mai - -Brügge, das tote Brügge, ist heute keineswegs tot. Es lebt. Aber noch -weiß es nicht recht, ob es wirklich erwacht ist oder ob es nur träumt. -Einen wunderlichen, wirren Traum, grotesk, unfaßbar und unterhaltend, -aus dem aber jeden Augenblick der Schrecken züngeln kann wie eine -Stichflamme roten Feuers. So liegt es, zwischen Wachen und Schlaf, ein -heiteres Lächeln auf den Zügen und einen kleinen Tropfen Angstschweiß -auf der Stirn. - -Seine stillen verwinkelten Gassen hallen wider von schweren genagelten -Stiefeln, die ungeniert auftreten wie zu Hause, und an den Klöpplerinnen -vorüber, die fleißig vor den kleinen Häuschen sitzen, rumpeln schwere -Lastautomobile, so daß der Boden erbebt. Auf dem Fischmarkt hocken -putzige Weiber und ziehen den Aalen die Haut über den Kopf, und während -sie schaben und feilschen, rasselt eine Maschinengewehrabteilung an -ihnen vorbei. Aus dem Schmuckkästchen der Rue de l’Ane Aveugle quillt -ein Bilderbuch: Weiber mit weißen Hauben, Krausen und sonderbaren -Umhängen, und plötzlich weichen sie zur Seite, und der Teufel in der -Vermummung eines Motorradfahrers prasselt und knallt mitten durch sie -hindurch und bewedelt sie mit seinem langen Schweife aus Schwefeldämpfen -und Gestank. Die herrliche Grande Place wimmelt von Leben. Wachen, -Autos, Karren, Züge brauner Marinesoldaten, heiß und staubig, das Gewehr -auf dem Rücken. Die Zeitungsjungen schreien und rennen, um die neuesten -Blätter aus Berlin, Frankfurt und Köln an den Mann zu bringen, und wenn -jemand es wagt, einen scheuen Blick auf die Wunder von Architektur -ringsum zu werfen, so ist eine Meute von Postkartenverkäufern hinter ihm -her. Die Bevölkerung Brügges ist auf den Beinen, denn es ist immer etwas -zu sehen, und die Soldaten sind auf den Beinen, um die Bevölkerung zu -sehen. Ein paar Mönche in braunen Kutten rudern durch einen Schwarm -Feldgrauer. Drei Jahrhunderte fließen auf der Grande Place zusammen, -nicht mehr und nicht weniger. Aber jede Viertelstunde singt das -Glockenspiel oben auf dem Beffroi seinen Choral, fromm und gottergeben, -während unten die Motoren prasseln und rattern. - -Der Krieg ging an Brügge vorüber, und Brügge freut sich, daß es lebt. Es -ist eine Stadt des Friedens, eine Stadt auf Urlaub. Kommt man von da -draußen, wo die Häuser keine Dächer mehr haben und mit Sandsäcken -ausgestopft sind, so wirkt Brügge wie eine Großstadt, in der man nun -ruhig Atem holen will. - -Ein Lehmfarbiger stolpert vor mir über den Platz. An seinen Stiefeln -hängt noch der Schmutz der flandrischen Gräben. Er stolpert, weil er -nicht mehr gewohnt ist, auf richtigem Pflaster zu gehen, er torkelt vor -Verwunderung und kann sich gar nicht zurechtfinden. Hier gibt es noch -Häuser ohne Granatlöcher, und hier sehen wirklich und wahrhaftig -Menschen, Zivilisten, aus den Fenstern und nicht Soldaten und Pferde! Er -dreht den gebräunten Hals hin und her und kratzt sich den golden -schimmernden Stoppelbart. Und hier gibt es – Frauen! Er betrachtet sie -aufmerksam und eingehend, als ob er sie kaufen wolle, von den Schuhen -angefangen bis hinauf zum Scheitel. Er bleibt stehen und glotzt ihnen -direkt ins Gesicht. Zeitungen? Nein, Zeitungen will er nicht. Er will -nichts wissen vom Krieg, er will nichts als dieses Leben hier, diese -Welt, in der er fast ein Fremder geworden ist, und die ihm, weiß Gott -wann, abhanden kam. Hätte er je gedacht, daß es noch eine Stadt gäbe wie -diese, unversehrt, friedlich und sonnig, eine Stadt, genau so wie Städte -früher waren? Er begreift es nicht. Aber nun kommt ein Mädchen über den -Platz, rotweiß gestreiftes Kleid, blondes Haar, hochbusig und mit -Hüften, die sich sehen lassen können. Eine Köchin. Der Lehmfarbige steht -wie angewurzelt, er beginnt zu wachsen, seine Brust wird breiter, und -sein heller Blick strahlt der Köchin entgegen. Sein braunes, mageres -Gesicht ist ernst und ohne jede Bewegung, aber sein Blick folgt jedem -Schritt des Mädchens und sein Gedanke ist so stark, daß die Köchin -instinktiv einen Bogen macht, als sie nahe kommt. Und nun betrachtet er -sie von hinten! Dann stolpert er weiter, bestaunt die Läden, die Frauen, -und immer wieder bleibt er stehen und läßt den Blick über den Platz -wandern. Die Großstadt Brügge hat ihn berauscht! Ein kleines Café, schon -ist er drinnen. Ich genieße das Behagen, mit dem er ein Glas Bier -hinuntergießt. Ein Schluck. Zahlen, gehen. Man sieht, er hat nicht eine -Minute Zeit zu verschwenden. Ein kleines Restaurant, hinein. Beim -dritten Glas verlasse ich ihn. Ich gehe nahe an ihm vorbei und sehe, daß -seine linke Backe eine Anzahl Schmisse trägt. Der Lehmfarbene ist -Student, Gott weiß, wer er ist, momentan ist er gemeiner Soldat, und das -genügt. - -In der Stunde, in der ich in dem verzauberten Brügge eintraf, hatte das -Leben auf der Grande Place gerade seinen Höhepunkt erreicht. Die -Matrosenkapelle konzertierte. Sie spielte laut und vergnügt wie in einem -Badeort an der Ostsee, Warnemünde oder Arendsee. Das Glockenspiel des -Beffroi klingelte seine fromme Weise bescheiden dazwischen. Der Platz -wimmelte von Menschen, und der Waffelbäcker in seinem weißen -Jahrmarktskarren machte glänzende Geschäfte. Plötzlich krachten die -Kanonen in nächster Nähe. Es klang wie Kirchweihschießen, lustig und -ermunternd. Unter dem grauen Gewölk, hoch oben, hing, kaum zu sehen, ein -grauer Doppeldecker, mit direktem Kurs auf den Beffroi. Alle Gesichter -wandten sich nach oben. Die Fenster füllten sich mit Köpfen. Aus den -Haustüren, den Läden strömten die Leute und standen dicht gedrängt auf -dem Platze; ganze Scharen von Kindern. Brügge bekam Besuch, und -jedermann wollte sehen, wie er herankam über den Giebeldächern. Alles -zappelte vor Neugier und Spannung. Die Neugier des Volkes ist immer -größer als seine Angst. Aber es kam noch etwas andres dazu! Mehr oder -weniger freundlich gesinnt, mehr oder weniger gleichgültig, mehr oder -weniger feindlich, die Leute von Brügge waren im Herzen alle Belgier -geblieben, und die da oben in der Luft waren Freunde von ihnen, Belgier, -Franzosen, Engländer, einerlei. Man hatte sie nicht vergessen, da -drüben, hinter dem Yserkanal, auf dem letzten Fleckchen belgischen -Landes. Sie waren Boten, die man ihnen sandte. Mochten sie nun ein paar -Leute, ein paar Bürger töten, darauf kam es nicht an. Es kam darauf an, -daß sie mit der Absicht hierherkamen, dem Feinde zu schaden. Hätten sie -es gewagt, so hätten sie dem Flieger zugejubelt, obwohl er sie töten -konnte, denn er war einer der _ihrigen_! Die graue Maschine kam rasch -näher. Die Kanonen krachten, Schlag auf Schlag. Ein Maschinengewehr -kläffte wütend in die Höhe. Die Schrapnelle platzten rings um die graue -Maschine, in einem Rahmen grauer Tupfen stand sie. Sie stieg höher, -hinein in die Wolke, aber die Schrapnelle folgten ihr in die Wolke -hinein. Es blitzte in der Wolke wie Büschel scharfer Messer, die sich -gegen die Maschine zückten. Es knisterte. In all den Lärm hinein sang -plötzlich das Glockenspiel seinen friedlichen, frommen Choral, -unbekümmert um den Lärm der Welt, und es wird seine Weise singen, sollte -einmal Brügge in Flammen aufgehen, was Gott verhüten möge. Da fiel mein -Blick auf einen Mönch, der neben mir stand. Er hatte den Kopf halb in -die Kutte gezogen und sah mit großen, warmen Augen zum Flugzeug empor. -Im Schoß hielt er ein kleines Gebetbuch. Dieser Mönch verhielt sich zu -den Leuten da oben wie der fromme Singsang des Beffroi zum Krachen der -Geschütze. An Stelle des Gebetbuchs hielten sie Bomben im Schoß, und mit -zusammengekniffenen kalten Augen fegten sie dahin. Es waren, wie gesagt, -die Jahrhunderte, die sich hier auf der Grande Place von Brügge -begegnen. - -Nun aber wurde es Ernst! Er kam heran, so wütend auch das -Maschinengewehr hämmerte. In ein paar Sekunden mußte er über dem Platze -schweben. Wie der Tod auf Flügeln kam er daher. - -Wie auf ein Signal rissen die Leute aus. Die Panik setzte ein, und die -Menge explodierte. Nach allen Seiten, _strahlenförmig_, machten sie sich -davon, die Kinder auf raschen, dünnen Beinen voran. Sie stürzten in die -Gassen, in die Haustüren, in die Kaffeehäuser. Die Erde verschluckte -sie, und die Köpfe verschwanden aus den Fenstern. So erstaunlich ihr Mut -vor einigen Sekunden war, so komisch wirkte diese überstürzte Flucht. -Mein Mönch? Er war wie weggeblasen. - -Ich zog mich unter ein solides Portal zurück, und man kann mir glauben, -wenn ich sage, daß ich das Portal vorher genau auf seine Konstruktion -untersuchte. - -Leer lag der Platz, wie reingefegt. Keine Seele weit und breit, kein -Gesicht in einer Tür, einem Fenster. Es war wie Zauberei. Nicht einmal -ein Hund war zu sehen. - -Der Kampfplatz war dem Maschinengewehr, den Geschützen und dem Flugzeug -unter den schmutzigen Wolken überlassen. Die Maschine schwebte eine -Sekunde über dem Rande des Platzes, dann, gerade im entscheidenden -Moment, bog sie scharf nach rechts aus. Es war ihr zu ungemütlich -geworden. Sie stieg höher, verschwand in der Wolke und machte den -Versuch, zurückzukehren. Aber eine Salve von Schrapnellen fuhr ihr -entgegen, eine ganze Mauer grauer Wölkchen. Sie kehrte um. - -Ein paar Minuten blieb der Platz leer, dann aber strömte das Leben -wieder auf ihn zurück. Kinder, Mädchen, Hunde, der Waffelbäcker, -Feldgraue und Lehmfarbene. Die Chauffeure, die ausgerückt waren, standen -plötzlich wieder bei ihren Wagen. - -Das Glockenspiel des Beffroi bimmelte wieder seine fromme, gottergebene -Weise. - -Nichts war geschehen. Das träumende Brügge war zusammengeschauert in -seinem Traum. Das war alles. - - - - - Die Schlacht bei Arras - - - 4. Juni - -Auf der Lorettohöhe, die gestern noch niemand kannte und die heute in -aller Munde ist, stand eine Kapelle, die berühmte Kapelle von Notre Dame -de Lorette. Nach einer französischen Legende sollte sie in diesem Kriege -eine geheimnisvolle und wunderbare Rolle spielen. Die Kapelle existiert -heute nicht mehr, sie ist ein Schutthaufen. Zusammenstürzend hat sie die -Legende unter ihren Trümmern begraben. - -Joffres zweiter, größter und wütendster Durchbruchsversuch ist -gescheitert. Diesmal sollte es geschehen! Es handelte sich nicht um ein -paar lumpige Gräben, es handelte sich um die Zerschmetterung der -feindlichen Menschenmauer. Die Fahnen des französischen Marschalls -flatterten bereits in Lille, in Valenciennes. Es ist nichts daraus -geworden. - -Sorgfältig und umsichtig, wohldurchdacht waren Joffres Vorbereitungen. -Sie reichen bis in den April zurück. Truppenverschiebungen, Heranziehen -der Reserven, das Herbeischaffen von Munition, jener Berge von Munition, -die der Marschall brauchte, um uns zuzudecken. Das alles mußte so -geheimnisvoll wie möglich geschehen, heute, wo die Augen der Heere hoch -oben in der Luft hängen. Eine bedeutende Leistung! Eine Provinz wollte -Joffre erobern, ein Riesenheer setzte er in Bewegung, ein paar Dörfer -und Schützengräben hat er gewonnen. Sie kosteten ihn eine ungeheure Zahl -von Menschenleben. - -Und heute, nach beinahe vier Wochen, ist diese ungeheure Schlacht noch -nicht zu Ende. Noch immer stampfen und pochen die Geschütze. Die ganze -letzte Nacht hindurch schlugen sie. Aber es ist nicht mehr die Wut des -Orkans, der ausbricht, es ist die hohe Dünung nach dem Sturm. - -Vier Tage vor dem 9. Mai begann der Feind unsre Stellungen unter -schweres Feuer zu nehmen. Am 9. Mai, dem Tage des Angriffs, in aller -Frühe, eröffnete er, ganz wie im Frühjahr in der Champagne, ein -beispielloses Trommelfeuer auf unsre Gräben. Er trommelte sie auf der -ganzen Front ab, von Arras angefangen bis hinauf in die Höhe von Lille, -eine Strecke von vierundzwanzig Kilometern. Es war die Hölle. Die Erde -dort ist durchsiebt von Granaten. Dann gingen seine Kolonnen in dichten -Staffeln vor. Aber das Unmögliche geschah: _unsre Truppen hielten stand_ -gegen die mehrfache Übermacht. Wir wollen sie nicht vergessen, die Leute -von Ecurie, Neuville, Ablain, Carency und wie sie heißen! Was sie taten -für uns, das wird die Geschichte später verkünden. Es war -übermenschlich, mehr als Heldentum. Ein paar Gräben gingen verloren, -Carency und Ablain mußten geräumt werden von uns, das war alles. -Unbedeutende vorgeschobene kleinere Stellungen gaben wir freiwillig auf. - -Zu gleicher Zeit, am 9. Mai, griffen die Engländer im Norden an. -Südwestlich von Neuve Chapelle, östlich von Richebourg. Im Vergleich zu -dem wütenden, heroischen und fanatischen Angriff der Franzosen war ihr -Sturm matt. Nach einem aufgefundenen Befehl stand uns hier ebenfalls -eine große Übermacht gegenüber. In drei Linien griffen die Engländer an. -Das erste Regiment ging zurück. Ein zweites englisches Regiment, das -vorgeworfen wurde, versagte gänzlich. Es streikte. Wie so häufig -überließen die Engländer die schwere Arbeit den andern. Nun stürmten die -Schotten vor, das Regiment Scotch Blackwatch. Es wurde durch unser Feuer -fast gänzlich niedergemäht. Nach Aussagen von Gefangenen zählte man an -diesem Tage achthundert Tote. Zwei Schotten, die bis an unsre Gräben -gelangt waren, ergaben sich. Sie konnten nicht hereingenommen werden und -lagen vor der Brustwehr von fünf Uhr nachmittags bis sechs Uhr früh, und -unsre Leute mußten über ihre Körper wegfeuern. - -Der wütende Ansturm kam zum Stehen. Unsre Heeresverwaltung ließ ihren -Apparat spielen und warf Reserven und Truppenmassen ins Gefecht: Joffres -Durchbruch war mißglückt. - -Zu einem einheitlichen Angriff großen Stils fehlte dem Gegner seit -dieser Zeit die Kraft. Indessen fanden Tag und Nacht größere und -kleinere Teilangriffe statt. Der Erfolg schwankt hin und her. Zuweilen -gelingt es dem Feind, in unsre Gräben einzudringen, er wird durch -Handgranaten vertrieben. Ein Angriff ohne Artillerievorbereitung, den er -am 12. unternahm, erstarb schon im Feuer unsrer Geschütze. Nahkämpfe, -bei denen Bajonett, Kolben und Handgranaten arbeiten, sind alltäglich. -Alles in allem zählte man sechsundvierzig Angriffe gegen verschiedene -Stellungen unsrer Front, seit dem 9. Mai. Unter diesen sechsundvierzig -Angriffen waren acht von größerer Bedeutung. - -Wieder und wieder, hartnäckig und verbissen, läuft der Feind gegen -Punkte unsrer Front an, die strategisch besonders wichtig sind. So gegen -unsre Stellungen an der Straße Souchez-Aix-Noulette. Bei Ablain, das -wir, wie erwähnt, geräumt haben. Gegen die Höhe nördlich Neuville. Im -Dorfe Neuville selbst wird Tag und Nacht gekämpft, und hier werden die -Kämpfe noch lange wüten. Vor einigen Tagen überrannte hier der Feind -unsre Barrikaden, aber nach halbstündigem erbitterten Kampf wurde er -wieder zurückgeworfen. Gegen den starken Riegel, den wir über die -Lorettohöhe zogen. Die Trümmerstätte der Kapelle selbst ist in den -Händen des Feindes. Gegen die Straße Ecurie-Roclincourt. Hier hatte der -Feind bei La-Maison-blanche ungeheure Verluste, und die Erde trank das -französische Blut in Strömen. Gegen unsre vorspringende Front nördlich -von Ecurie. Hier fanden wiederholt wütende Angriffe statt. Unsre -Geschütze legten einen Kranz von Geschossen vor unsre Gräben. So heftig -war das Feuer, daß ein französischer Offizier überlief, er war fertig -mit den Nerven. Das oft genannte Labyrinth bei Ecurie befindet sich noch -in unsrem Besitz. - -Die Engländer im Norden haben in der letzten Zeit größere Angriffe nicht -unternommen. - -Obwohl unsre Heeresleitung keine andre Absicht verfolgte als unsre -Stellungen zu halten, sich also rein defensiv verhielt, haben wir in den -letzten Kämpfen doch acht Offiziere und fünfzehnhundert Mann zu -Gefangenen gemacht. Joffre gewann etwas Terrain. Auf einer Front von -vier Kilometern rückte er achthundert bis fünfzehnhundert Meter vor. -Dieser geringe und unwesentliche Geländegewinn steht in einem tragischen -Mißverhältnis zu dem Aufwand an Kampfmitteln und den Verlusten. Wenn -Joffre seine Toten beerdigt, so wird er finden, daß er einen Friedhof -erobert hat. - - - - - Die Lorettohöhe unter Feuer - - - Im Juni - -Der Tag ist heiß, und die Schlacht wütet. Es ist immer dieselbe -Schlacht, eine der furchtbarsten und größten dieses Krieges, die -Schlacht bei Arras. Sie dauert schon Wochen, wird sie nie enden? In der -schwülen Nacht polterten und schlugen die Geschütze, und sie poltern und -schlagen in den heißen, glühenden Tag hinein. Die Kanoniere schlafen -nicht mehr. Je näher der Wagen kommt, desto lauter krachen die harten -Schläge der Kanonen. - -Die Landschaft ändert sich. Aus dem Grün der Wiesen und Felder heben -sich riesige, unförmige Aschenhaufen, grauschwarz und öde, die -Schlackenberge der Kohlenzechen. Plump und häßlich liegen die -Schutthalden da, unproportioniert, die Wohnstätten der Menschen, die -grünen Baumwipfel überragend, unfruchtbar inmitten der fruchtbaren Erde. -Sie sehen aus wie die Krater erloschener Vulkane. Hohe Kamine, -Fördertürme, Backsteingebäude, Beton- und Eisenfachwerk. Hier vorn, in -der Feuerzone, stehen die Zechen still. Weiter hinten rauchen Schlote. -Im Norden, im Dunst der Sonne, steht auch die feine Rauchfahne der Zeche -von Courrière, deren Unglück vor Jahren das Herz der ganzen Welt -erschütterte. Damals eilten westfälische Bergleute herbei, um ihren -französischen Kameraden Hilfe zu bringen. Es handelte sich um zwei- bis -dreihundert Bergleute, die in der harten Schlacht um das tägliche Brot -fielen, und die Welt brachte ihnen jene Summe von Mitgefühl entgegen, -die im geraden menschlichen Verhältnis zu der Katastrophe stand. Man hat -es vergessen. Viele tausend Jahre liegen zwischen der Schlacht von Arras -und jenem denkwürdigen Tage, da deutsche Männer ihren französischen -Kameraden im gleichen Landstrich zu Hilfe eilten! Heute handelt es sich -um Hunderttausende, um mehr. Die Welt schweigt! Mehr als das: die ganze -Welt arbeitet fieberhaft, um Material zu liefern, das die Legionen der -Opfer vermehrt. Die Welt will leben, damit andre sterben. Das ist die -Wahrheit. - -Auch drüben beim Feinde rauchen die Schlote! Sie fördern sogar in der -Feuerzone, sie brauchen Kohle. Selbst wenn hineingefunkt wird, stellen -sie den Betrieb nicht ein. So ist der Krieg. - -Das Auto biegt in einen Zechenhof ein. Es ist still hier und so sauber -wie in einem Tanzsaal. Die Zeche steht still, sie ist längst ersoffen. -Wo es früher rasselte und zischte, daß man sein eignes Wort nicht -verstehen konnte, herrscht jetzt Feiertagsschweigen. Stille Leute sind -hier eingezogen, Verwundete und Ärzte. Die Zeche ist ein Lazarett. - -In dem großen Zechensaal liegen sie, die Tapferen, die für uns gekämpft -haben, in langen Reihen. Der Saal ist hoch, luftig und rein und die -Betten schneeweiß. Die Fenster stehen offen. Von dem Saal aus blickt man -direkt in die Baderäume, die früher den Bergleuten dienten. Nichts -fehlt, nichts ist vergessen, für alles ist hier wohl gesorgt. Ärzte und -Pfleger bewegen sich zwischen den Betten, Schwestern gibt es hier außen -nicht. Leichter oder schwerer verwundet, je nachdem die Schlacht sie -losließ, liegen sie da und leiden heroisch, so wie sie vorher heroisch -kämpften. Viele schlafen. Sie sind erschöpft, oder das Morphium hilft -ihnen über die schlimmsten Schmerzen hinweg. Einzelne stöhnen im Schlaf. -Einer hat das Gesicht mit einem Tuch bedeckt, und seine Hände zupfen im -Schlaf leicht an der Decke. Es gibt hier blutige Verbände und viel -Schreckliches, daß einem das Herz stehenbleibt, aber ohne Blut und -Wunden gibt es keinen Krieg. Die meisten sind erst heute nacht und in -den letzten Tagen eingeliefert worden. Einer hat den Kopf vollkommen -eingewickelt, so daß er aussieht wie eine Wattekugel. Aber zwei frische -und muntere Augen blicken aus den Binden hervor. Es gibt hier Gesichter -von allen möglichen Farben. Ein gelbes Gesicht mit geweiteten Augen -verfolgt mich lange. Der Mann war am Tode, aber der Arzt versichert mir, -daß für ihn keine Gefahr mehr besteht. Die meisten Gesichter aber sind, -so erstaunlich es ist, braun und frisch, es sind robuste Burschen, die -etwas vertragen. - -Einer sitzt in seinem Bett, der geschiente linke Arm ist hoch gelagert -und an einem richtigen Strick aufgehängt. Mit der Rechten schreibt er -eine Feldpostkarte. Ja, er schreibt an seine Frau, daß es ihm gut geht, -und er hat keine Lust, sich lange stören zu lassen. Ein junger -Unteroffizier lächelt mir mit roten Wangen und hellblauen Augen -entgegen. Er ist achtzehn Jahre, blond und frisch, Zögling einer -Unteroffizierschule. Er bekam einen Schuß in den Schenkel, wuchtig wie -eine große Keule warf ihn die kleine Kugel nieder. Er hat keine -Schmerzen, nein, zuweilen ein bißchen, morgen geht es in die Heimat, und -bald kommt er wieder. - -Aber es gibt hier viele, die nicht schreiben und nicht fröhlich -plaudern, und hier gibt es manche, die ihre Heimat nicht mehr sehen -werden. - -Im Hof sind zwei Krankenautos vorgefahren. Eine Tragbahre steht auf der -Erde, und darin liegt ein Kanonier mit verbundenem rechten Arm. -Schmutzig und zerrissen, wie er aus der Schlacht getragen wurde, liegt -er da, und sein Verband rötet sich langsam vom Blute. Die Stiefel hat -man ihm ausgezogen. Sein Gesicht ist braun, fast schwarz und sein Blick -stark. Ich sehe, daß er die Zehen in den Socken verkrampft. Die Mütze, -eine runde, schirmlose, verstaubte und verknüllte Mütze, hat er noch -keck auf dem Kopfe sitzen. - -„Haben Sie Schmerzen?“ frage ich ihn und sehe, wie seine Zehen arbeiten. - -Er schüttelt den Kopf. „Ein bißchen Schmerzen muß man schon aushalten, -es schadet nichts. Ein Volltreffer kam in die Batterie, schweres -Kaliber, drei Mann tot, fünf verletzt.“ Er spricht, als stünde er mit -Granaten auf du und du. „Die andern sind im Wagen.“ - -Ich blicke hinein. Es stöhnt da drinnen. Ich gehe. - -Im Zimmer des Zechenpförtners liegt ein Franzose. Er liegt allein, nicht -weil er ein Franzose ist, sondern weil es schlecht um ihn steht. Seine -Wunde ist zu furchtbar, als daß man ihm wünschte, durchzukommen. Er ist -ein schöner junger Mann, vielleicht fünfundzwanzig. Sein schmales -Gesicht ist bleich und still, seine Augen tiefbraun und noch voller -Leben und Bewußtsein. Tagelang wird er noch unterwegs sein, bevor er -sein Ziel erreicht. - -Die beiden Krankenwagen fahren aus dem Hof, ein voller Wagen kommt -herein. Herrlich ist die Hilfsbereitschaft und Unermüdlichkeit der Ärzte -und Pfleger und Krankenträger. Es gibt viel zu tun in diesen Tagen. - -Mit der Landschaft haben sich die menschlichen Wohnstätten und die -Menschen geändert. Es sind keine anmutigen Dörfer mehr, es sind -Arbeiterviertel, aus der Großstadt in die Landschaft geworfen. Rußige -Backsteinhäuser, staubige Straßen, schmucklose Fenster mit ein paar -Fetzen schmutziger Gardinen. Die Bewohner sind keine Dörfler und Bauern, -es sind Städter aus den Kellerwohnungen, in billigen, verschlissenen -Kleidern. Bleich, schlecht genährt und schwindsüchtig stehen sie untätig -vor den Haustüren und starren dem Wagen mit stumpfen Blicken nach. -Fahle, greisenhafte Kinder, mit einer Spur von Schönheit, die in den -Geschlechtern verklingt, halbwüchsige Burschen mit kecken Mützen, die -Zigarette zwischen den schmalen Lippen. Sie greifen an die Mütze, wenn -man vorbeikommt, und strecken die Zunge heraus, sobald man vorüber ist. -Nur ganz selten kann ich jenen schönen und helläugigen Typus des -Arbeiters entdecken, den die Arbeit nicht vernichtete. - -In das Industriedorf B. wird zuweilen hineingeschossen. Ein paar Dächer -sind abgedeckt, ein paar Häuser zeigen Granatlöcher. Gestern kamen -einige Granaten herüber und töteten eine Frau und zwei Kinder. Heute -sitzen Weiber und Kinder schon wieder an der Straße, als sei nichts -geschehen. - -Gleich hinter diesem Dorf sinkt die Straße ins Tal, in die breite -Talmulde hinab. Und drüben liegt sie ausgebreitet wie ein Panorama, die -berühmte Höhe, die so viel Blut getrunken hat, die Lorettohöhe. - -Sie sieht anmutig aus. Golden und grün steigt sie aus der grünen -Talmulde empor, breit und sanft, ein flacher Höhenzug, von Hügelketten -flankiert. Oben ist sie bewaldet, Laubwald, das Bois de Bovigny. Sie -liegt in der glühenden Sonne, und Wolkenschatten ziehen darüber hin. Sie -sieht aus wie eine sonnige Höhe in Franken oder in Thüringen oder -irgendwo, es ist gar nichts Besonderes an ihr. Ein breiter, sanfter -Höhenzug in der Junisonne, der Dunst der Hitze darüber und etwas Wald -auf der Kappe, nichts sonst. Und doch ist diese anmutige, sonnige Höhe, -die so friedlich aussieht, daß man glauben könnte, Schafe würden dort -weiden und Kinder spielen in den Wiesen, heute nichts als ein großer -Grabhügel, ein Riesengrab. Tausende und aber Tausende liegen dort, -Freund wie Feind. Sie fielen im Herbst, im Winter, im Frühjahr. Viele -konnten nicht begraben werden. Sie lagen monatelang in der Sonne, im -Schnee, im Regen, und die Erde zerrte an ihnen und zerrte sie langsam in -sich hinein. Des Nachts starrten sie aus ihren offenen Augen in die -glitzernden Sterne empor, in jene Welt des Friedens und der -Herrlichkeit, wo ihre Seelen jetzt wanderten, während ihre Leiber in der -Hölle dieser Erde lagen. So furchtbar ist die Wut des Krieges, daß die -Gegner sich nicht einmal die Zeit zur Bestattung ihrer Toten gewähren -können, wie es Heiden und Wilde taten. - -Man wird nun einsehen, daß die Anmut und Lieblichkeit dieser Höhe eine -Lüge ist. Dort oben gibt es schauerliche Dinge, an die niemand gern -denkt. Es gibt dort Sumpfstreifen, in denen die Toten langsam versunken -sind, so daß heute nur noch ein Stiefel oder ein Ellbogen heraussieht. -Es gibt Gräber voller Unheimlichkeiten, halb voll Wasser und Schlamm, -und ein Schnurrbart sieht aus dem Wasser. Es gibt hier Dinge, die man -nicht erzählen kann. Wenn der Bauer einst hier wieder pflügt, so wird er -bei jedem Schritt auf Knochen stoßen, auf Stiefel und zerbrochene -Gewehre. - -Hier oben stand die oft genannte Kapelle von Notre Dame de Lorette. Sie -ist heute ein Haufen Trümmer. - -Hier oben hat jeder Quadratmeter Boden seine Kämpfe gehabt, seine Toten, -sein Entsetzen. Die Erde ist zerfetzt von Granaten. Hier oben hat jeder -Weg, hat jede Besonderheit ihren Namen, und an all diesen Namen hängt -viel Blut und Heldenmut. Diese Namen werden weiterleben, und die -Soldaten, die die Höhe freigab, werden von ihnen sprechen, wenn sie alt -sein werden. Da ist die Kanzel, der Hohlweg, der Barrikadenweg, die -Schlammulde, die Totenwiese. Diese Namen kehren wieder in den -Gefechtsbüchern der Regimenter, die hier kämpften. - -Hat jemand gewußt, welche Bedeutung diese Höhe in diesem Kriege hat? -Niemand. Zuweilen wurde sie in kurzen Telegrammen genannt. Man wird -anfangen, an sie zu denken. - -Seit Wochen ist sie unter schwerem Feuer. Auch heute. - -Sie _raucht_. - -Auf den ersten Blick sieht es aus, als würden auf dem goldgrünen sanften -Abhang der Höhe, über den still die Wolkenschatten ziehen, Feuer von -Kartoffelkräutern abgebrannt, deren rostbrauner Qualm senkrecht in die -heiße Luft steigt. Als ständen hinter der Höhe, hinter dem Bois de -Bovigny, Reihen von Fabrikschlöten, die ihren Rauch emporwirbeln lassen. -Aber diese dicken Säulen rostbraunen Qualms entstehen urplötzlich, ohne -jede Vorbereitung, drei, vier fahren nebeneinander aus der Erde. Sie -wechseln ebenso urplötzlich den Ort, bald stehen sie höher, bald tiefer, -bald ein paar Kilometer rechts, bald links. Sie sind rostbraun und -rostrot und zuweilen schwarz wie Ruß. Es sind die Einschläge der -französischen Granaten, die unsere Gräben eindecken wollen. Die Gräben -selbst kann man von hier aus nicht sehen, aber an den Einschlägen der -Granaten kann man ihre Kurve verfolgen, die sich quer über den Fuß der -breiten Höhe zieht. Auch hört man die Einschläge nicht, denn die -Geschütze donnern und rollen ohne Pause. - -Aus dem Bois de Bovigny wirbelt eine pechschwarze Rauchwolke empor, -turmhoch, und in der nächsten Sekunde eine zweite, deren Qualm sich hoch -oben mit dem Qualm des ersten Einschlages vereinigt. Deutsche Granaten. -Die schwarzen Rauchfahnen hinter dem Wald wehen hin und her, sie steigen -an verschiedenen Stellen zur gleichen Zeit in die Höhe, stehen -minutenlang und nehmen die Form von Pinien an. Sie verblassen, und ein -neuer Krater speit Schwärze und Finsternis in die Luft empor. - -In der Talmulde, die so friedlich und sonnig aussieht, hinter den -winzigen Häusern da unten, wälzt sich eine safranfarbene Wetterwolke. -Sie schwankt schwer und unheilvoll am Boden, hebt sich hoch und steigt -dick geballt in die Luft, einen Teil der Höhe verdeckend. Eine schwere -Granate, die einer unserer Batterien galt. Wütende Abschüsse. Schlag auf -Schlag, die Luft dröhnt. Hinter dem Bois de Bovigny, im Tal gegen Ablain -zu, steigt eine schwarze Wetterwand in den blauen Himmel. Wir bleiben -ihnen nichts schuldig! - -Plötzlich kommt unten in der Talmulde eine rostbraune Granatwolke ins -Laufen. Es sieht merkwürdig aus. Es ist ein spitzer Kegel, ein spitzer -Wirbel von rostbraunem Rauch, der sich rasch dahinbewegt wie der Rauch -eines Eisenbahnzuges. Es ist ein Auto, das da drunten auf dem staubigen -Straßenfaden wie toll dahinfegt. Es fährt um sein Leben. Ein weißes -Wölkchen steht urplötzlich über dem Auto im heißen Blau des Himmels. Ein -Schrapnell. Zu hoch. Ein zweites. Das Auto läuft wie eine Maus, die -Angst hat. Es ist toll, hier zu fahren! Droben im Bois de Bovigny sitzt -der Franzose mit seinen Scherenfernrohren und sieht jede Katze im Tal. -Es sind Offiziere, Befehlsüberbringer. Es muß sein. Durch! - -Die Sonne brennt. Es ist drückend heiß, und der Schweiß läuft mir über -das Gesicht. - -Die Lorettohöhe blinzelt und blinkt. Ein unsichtbares wütendes Fabeltier -stampft auf ihr hin und her und reißt den Boden mit den Hörnern auf und -schleudert die Erde in die Höhe. Heiß, heiß wie die Hölle muß es dort -drüben in den Gräben sein, wo unsere tapferen Jungen liegen. Der Himmel -sei ihnen gnädig. - - - - - Nachtkämpfe bei Arras - - - Im Juni - -Erstickend heiß, staubig und lärmend waren die Straßen am Tage, und nun -genieße ich es, in die sinkende Nacht hinauszufahren. Schon stehen die -Sterne blaß am Himmel. Die Bäume rauschen, und die Luft ist lau und -erfrischend. Die Dunkelheit erquickt die Augen, die entzündet sind von -Staub und Schweiß. Es ist die Zeit, da die Kröten aus den Löchern -kommen. - -Auf all den dunkeln Straßen der flachen Landschaft wandert und knirscht -und knarrt es. Aber es ist ein Lärm ohne Hast und Geschrei, ein Lärm wie -im Frieden, wenn die Bauern auf den Markt fahren. Die Kolonnen sind -unterwegs. An endlosen Wagenzügen fahren wir entlang, und die schweren -Pferde strecken die Schenkel, sobald sie die Hupe hören. Große, vom -Lichtschein erschreckte Pferdeaugen glotzen uns argwöhnisch von der -Seite an. Es ist das Futter für die unersättlichen Schlünde der Kanonen. -Langsam knarren die Wagen dahin. Sie haben keine Eile. Sie haben das -Futter zur bestimmten Zeit gefaßt, sie sind zur bestimmten Zeit -aufgebrochen, und sie werden auf den Punkt dort eintreffen, wo sie hin -sollen. Keine Erregung, kein lautes Wort. Die Fahrer rauchen die Pfeife, -sie haben sich behaglich und faul zurechtgesetzt, aber sobald der Wagen -vorbeikommt, werfen sie mit einem kurzen Ruck die Nase in die Luft. Die -Pfeife behalten sie dabei zwischen den Zähnen, aber niemand verlangt, -daß sie hier außen die Pfeife aus dem Mund nehmen. Hier draußen ist -vieles anders. Es geht auch so. - -Zwischen den dunkeln stummen Pappeln marschiert ohne Tritt eine -Kompanie. Auch sie traben gemächlich dahin, sie haben keine Eile. Auf -den Punkt werden sie dort sein, und auf den Punkt werden sie im Graben -stehen. Ihre grauen Helme wackeln hin und her, und die schweren Stiefel -schlagen Staub aus der Straße. Junge Gesichter fliegen vorüber, bärtige, -rasche, neugierige Blicke, ein Scherzwort. Sie sind gut ausgeruht, -frisch gewaschen und gehen gleichmütig ins Gefecht, als gingen sie zur -Arbeit. „Rechts getreten!“ Der Zug an der Spitze tritt zur Seite. - -Wieder eine Munitionskolonne. Ein Zug Lazarettwagen kommt ihr entgegen. -Wir müssen halten und uns an den muskulösen Schenkeln der Lastpferde -vorbeidrücken. In den Lazarettwagen haben sie die Leinwand -zurückgeschlagen, um frische Luft zu bekommen. Still und ergeben liegen -sie in den Wagen. Einzelne, mit Binden um den Kopf oder mit -Armschlingen, sitzen auf dem Bock. Auf der einen Seite ziehen sie -hinaus, auf der andern zurück. So ist der Krieg. Neuville, die -Zuckerfabrik, Souchez und die Lorettohöhe kosten viel Opfer. Tag und -Nacht. - -Überall wandert und trappelt es in der Nacht. Am Tag ist hier nicht viel -zu sehen, ein paar Autos, ein paar Karren, fast keine Soldaten. Denn am -Tage wimmelt es hier von Fliegern wie an keiner Stelle der Front. Am -Tage ist hier Ebbe, aber in der Nacht kehrt die Flut zurück, um Gräben -und Batterien da draußen zu speisen, und sie verschlingen viel. Nacht um -Nacht ist es das gleiche, bei uns wie bei ihnen da drüben. - -Achtung! Wir müssen zur Seite. Ein paar Autos kommen wie die Hölle -angeritten. Es sind Befehlsempfänger, die von den Stäben zum -Oberkommando jagen, und sie kennen keine Gnade. Die Mützen über den -Schädel gestülpt, die Köpfe eingezogen im Luftzug, fliegen sie vorüber. - -Ein schweres Geschütz, von sechs Pferden gezogen, kraucht durch die -Nacht. Zur Front, wie alles. Es läßt den Kopf hängen und scheint auf der -Lafette zu schlafen wie ein müdes ergrautes Walroß. Aber die Kanoniere -da draußen werden es wachrütteln, und es wird seine Arbeit wieder -aufnehmen wie in der letzten Nacht. Wird seinen grauen Kopf heben und -zum Himmel emporbellen. - -Ein matterleuchtetes Fenster. Ein Dorf. Der Posten tritt vor und mustert -rasch Wagen und Insassen. Das Dorf ist stockfinster. Keine Lampe, -nichts, keine Bewohner. Ein paar Soldaten sitzen in Hemdärmeln in den -finsteren Haustüren. Wieder Chaussee. Wieder Kolonnen. Stille finstere -Dörfer. Der Wagen biegt ab, passiert eine schnurgerade Straße schwarzer -Arbeiterhäuser. Er hält bei einer Zeche. - -In wenigen Minuten sind wir oben auf dem dunkeln, öden Schlackenhaufen. -Ich hole Atem. Was ich sehe, ist ein nächtlicher Spuk. - -Ich will versuchen, es zu beschreiben, obschon es unmöglich ist. Niemals -aber werde ich imstande sein, mein Erstaunen auszudrücken, als ich es -zum erstenmal sah: nicht mehr ist es und nicht weniger als ein Feuerwerk -des Teufels. - -Zuerst sehe ich nichts. Die dunkle Halde, der Zechenhof. Ein paar -Fabrikschlöte, der Förderturm, dunkle Wände mit schwarzen hohen -Kirchenfenstern. Schuppen, Bahngeleise. Die Dächer einer -Arbeiteransiedlung, alle gleich hoch, gleich groß, wie Treibhäuser. - -„Dort unten liegen zwei französische Spione begraben,“ sagt die Stimme -des Offiziers an meiner Seite. „Dort bei den Schuppen. Vor dem kleinen -Schuppen, ein paar Schritte nach rechts.“ - -Nun entdeckte ich den Grabhügel. „Waren es wirkliche Spione?“ - -„Ja. Zwei Offiziere. Sie hielten sich lange Monate in Douai verborgen. -Dann verkleideten sie sich als Frauen, ein schmutziges Straßenmädchen -nahmen sie noch mit. Aber sie wurden gefaßt.“ - -Ich bin ungläubig. Es klingt wie ein Märchen. - -„Es ist wahr. Ich sah sie sterben. Sie leugneten gar nicht, sie -gestanden es ein. Sie starben gefaßt und mit Würde, wie Offiziere. Es -waren zwei mutige Burschen.“ - -Elend sieht dieser helle Fleck bei den Schuppen drunten aus. Mich -fröstelt. Die Frösche quaken in den Wiesen, die dunkeln Baumwipfel -bewegen sich. Die Kanonen brummen und pochen. Man gewöhnt sich daran; -Tag und Nacht hört man hier nichts anderes, selbst wenn man schläft. Man -hört nicht mehr hin, nur wenn eine schwere Batterie donnert und -trommelt, wendet man den Kopf. Hinter den Arbeiterhäusern dehnt sich das -mächtige Land, gespensterhaft durchsichtig im Licht der Sterne. Und aus -dem fahlen Lande, am Horizont, steigen dunkle Höhenzüge empor, scharf -abgegrenzt gegen den graublauen Nachthimmel. - -„Das da links ist die Höhe von Vimy. In der Mitte, der breite Rücken, -das ist die Lorettohöhe, und rechts davon, das sind die Höhen hinter -Aix-Noulette.“ - -Plötzlich steigt hinter der Lorettohöhe ein weißer, sprühender Mond -empor und bleibt minutenlang stehen. Kreidebleich ist ein Teil der Höhe. -Der Mond sieht aus wie ein Leuchtfeuer, das auf das Meer hinaussprüht. -Plötzlich aber sind es zwei, drei, sechs Monde, die über den Höhenzügen -schweben, ein Viertel des Horizontes beherrschen sie. Hinter den dunkeln -Höhen wetterleuchtet es unaufhörlich, ein Feuerstrahl, rot und flammend, -dick wie ein Balken fährt schräg aus dem Wald auf der Höhe heraus. Die -Monde sinken, ganz langsam, und verlöschen. Aber schon stehen neue über -den Höhen. Weitab links blinzelt ein rötliches Feuer am Himmel, wie ein -entzündetes Auge. Ein Blinkfeuer im Dunst. Im Norden antwortet eine -grüne Kugel, die rasch steigt und rasch verlischt. Die Geschütze -trommeln. Ein paar sanfte schöne Sterne versprühen, Schrapnelle. Aus der -Lorettohöhe schießen, dicht nebeneinander, zwei Fühlhörner empor, mit -glühenden Kugeln an den Enden. Blitze fahren über das Land und den -dunkeln Himmel. Die Sterne verblassen. In der Ebene poltert und kracht -es. Fahle Lichtgarben, stumpf wie Rasierpinsel, stehen in der Ebene: -Einschläge von Granaten. Ein Rudel roter Leuchtkugeln. Ein gelber -Halbmond, der traurig und trüb verglimmt, schauerlich wie über -hoffnungsloser See. - -Es ist wie ein toller Spuk, ein Traumgesicht. Das höllische Feuerwerk -zuckt und spielt, jede Sekunde sprüht es anders, schöner, wilder. - -Diese Lichtsignale sprechen zu den Batterien. Alles können sie lautlos -in den Himmel emporsprühen. Und die Geschütze antworten, sie verstehen -alles, sie antworten präzis und unerbittlich. - -Früher dauerten Schlachten ein paar Stunden, höchstens ein paar Tage. In -der Nacht standen sie still. Heute dauern sie wochenlang und der Tag ist -zu kurz, in der Nacht wüten sie weiter. - -Über der Lorettohöhe stehen nebeneinander, in gleicher Höhe, drei rote -Monde und glühen zu uns herüber. Grüne Raketen fahren gespenstisch in -die Höhe. Horch! Durch das Poltern und Trommeln der Geschütze hindurch, -in den sekundenlangen Pausen zwischen den dumpfen Schlägen hört man -deutlich das rollende Gewehrfeuer und das Knattern der Maschinengewehre. -Es klingt, als würde ein Wagen voll Kohlen ausgeschüttet. Angriff! - -Wieder greift Joffre an. Gestern nacht griff er an sechs verschiedenen -Stellen an und dreimal an ein und derselben. Um zehn, um ein Uhr und um -drei Uhr. Unsere Leute sind hart wie Stahl. Sie halten Unmögliches aus. -Die Maschinengewehre mähen die französischen Kolonnen dahin, ganze Züge -fliegen in die Luft, Lawinen von Leibern rollen über die Abhänge. Aber -Joffre greift an! Man hat mir gesagt, wie hoch man seine -Verluste schätzt, es sind irrsinnige Zahlen, ich wage sie nicht -niederzuschreiben. Und doch wirft er Regiment um Regiment ins Feuer. Er -erscheint mir wie ein nervös gewordener Spieler, der verloren hat und -nun sein Geld aus allen Taschen reißt, Ringe und Uhr, und alles auf den -Spieltisch schmeißt, um das Glück zu zwingen. - -„Es ist bei der Schlammulde,“ sagt mein Begleiter. - -Nichts ist mehr zu hören. Die Stimmen der Kanonen überbrummen alles, die -Dunkelheit deckt alles zu, was dort geschieht und geschehen ist. Besser, -es nicht zu sehen! Es mitzumachen ist möglich, es mitanzusehen, wäre -unmöglich. - -Feuerschein steht hinter der Höhe von Vimy. Er verblaßt. Es blitzt und -wetterleuchtet, donnert und rumort. Feuerbalken fahren aus dem dunkeln -Wald der Lorettohöhe wie ungeheure Stichflammen in die Nacht. Und -ununterbrochen steigen Monde und fremde, nie gesehene Sonnen in die -Nacht empor. Sie stehen da und dort, überall, bald sechs, acht zur -gleichen Zeit, bald zwei, bald nahe, bald fern! Ein Mond sinkt herab und -blinzelt im Fall, Scheinwerfer tasten: das Mündungsfeuer ferner -Batterien. In der dunkeln Ebene tanzen fahle Lichtgarben. Grüne, rote -Meteoriten, die hochfliegen und langsam sinken. Schwer und gewaltig -schlägt eine deutsche Batterie da unten, sie saugt den ganzen Lärm auf -und schlägt einen rasenden Wirbel. Und wieder steigt ein Schwarm -gespenstischer leuchtender Bälle in die Nacht. - -Es ist eine Gespensterküste mit hundert wechselnden und fremden Feuern, -die sprühen und blinzeln, eine höllische Küste mit unverständlichen -Signalen. Ich kann mir denken, daß ein Seemann, der ein Leben lang die -Küsten aller Kontinente ansteuerte, im Fieber, im Wahnsinn eine Küste -wie diese erblickt und verzweifelt vor diesen fremden, verwirrenden -Feuern. - -Ja, wohlverstanden, es ist die Küste eines fremden, geheimnisvollen -Landes, und viele von denen, die da drüben kämpfen, werden noch in -dieser Nacht, in dieser Stunde ihren Fuß auf das ferne, unbekannte -Gestade setzen. - - - - - Ein tapferes Regiment - - - Im Juni - -Was ist das Regiment? Das Regiment ist alles. Es ist Anfang und Ende, -Offizier und Mann sterben dafür. Offizier und Mann gehören sich nicht -mehr selbst, sie gehören dem Regiment. Ihre Ehre ist die Ehre des -Regiments. Sie haben zu seiner Fahne geschworen, seine Fahne ist heilig, -und die Eide werden besiegelt mit heißem Blut. Das Regiment will! Es -geschieht. Das Regiment befiehlt! Es ist getan. Offizier und Soldat, sie -können sterben bis zum letzten Mann, das Regiment stirbt nicht. Das -Regiment ist ein Glaube, eine Religion, es ist alles. So war es, seit es -Regimenter gab, und so muß es sein, solange es Regimenter gibt. - -Hunderte stehen heute am Feind, Hunderte von Regimentern. Alle, Offizier -und Mann, von all den Hunderten von Regimentern wissen wohl, was es -bedeutet: _das Regiment_! Und die Kommandeure all der Regimenter, sie -wissen es wohl. Sie sterben für die kleinste Faser der heiligen -Standarte. So muß es sein. - -Hier soll berichtet werden von einem tapferen badischen Regiment. Es ist -nicht tapferer als andere, es ist ebenso tapfer wie sie, aber es hatte -schwere Arbeit zu leisten in den ersten Maitagen, droben auf der -Lorettohöhe, und deshalb will ich von ihm berichten. - -Am 20. November bezog das Regiment die Stellungen auf der Höhe. Diese -Stellungen! Mit ihren Gräben, Sappen, Verbindungsgängen und Horchstollen -sehen sie auf der Karte aus wie das feine Geäder des Auges. Bei Ablain -begannen sie, stiegen hinauf zur „Kanzel“, einer Kuppe, und zogen quer -über den Ostabhang der Lorettohöhe, an der Kapelle Notre Dame de Lorette -vorüber, hinab zur Schlammulde. - -Im November lag etwas Schnee auf der kahlen Höhe, aber das Vergnügen -dauerte nicht lange. Regen setzte ein, ein ganz verfluchter dünner -grauer Regen, wie die Soldaten ihn nie erlebt hatten. Es regnete -wochenlang. Der feine Nebelregen durchdrang alles, Haut und Haare, -Kleider, Riemenzeug und Schuhe, es gab keine Rettung vor ihm. Wenn sie -aus den Gräben kamen, so sahen sie nicht mehr menschlich aus. In der -Schlammulde versank man im Morast. He, Kamerad! Zu Hilfe! Und man mußte -ziehen, mit vereinten Kräften, um den Pechvogel zu befreien. Mancher -Stiefel blieb im Dreck stecken. Na, das war natürlich nicht sehr -schlimm, dieser Regen und Schmutz, davon nur nebenbei, es war das -_Allerleichteste_. Nebenher wurde auch noch gekämpft! Es ging scharf zu, -da oben, Tag und Nacht. Man brauchte sich nur zu rühren, schon knallte -es. Alles buddelte, die Gräben rückten auf zwanzig, auf fünfzehn Meter -heran. Es regnete Handgranaten und Minen. Du hockst im Graben, den Blick -nach oben gerichtet, und lauerst. Nun kommt sie heran. Wohin wird sie -fliegen? Fällt sie in den Graben, so heißt es verschwinden. Nägel und -Schrauben und Fetzen von Eisen speit sie nach dir und spickt dich damit. -Fällt sie in deine nächste Nähe, dann bleibt dir keine Wahl mehr. Du -mußt ihr entgegengehen! Immer rasch, angefaßt und zurückgeschleudert, -bevor sie explodiert. So ging es da oben zu, es war so, daß man sich in -jeder Sekunde sagen mußte: diesmal – - -Noch schlimmer war es oben auf der Kanzel. Von dieser Kuppe aus konnte -man die Straße Souchez-Ablain einsehen. Fiel die Kanzel in die Hände des -Feindes, so sah die Sache bös aus. Keine Katze konnte sich mehr auf der -Straße zeigen, Zufuhr, Ablösung, alles in Frage gestellt. Nein, die -Kanzel durfte er nicht haben! Das Regiment sagte es und das Regiment -hielt die Kanzel! Die französischen Batterien standen bei der -Topartmühle, im Bois de Bovigny, im Bois de la Haie. Sie beschossen die -Gräben von vorn, von der Flanke und im Rücken. Täglich trommelten sie -die Gräben auf der Kanzel ein. Nachts wurde fieberhaft gebaut, -Sandsäcke, Brustwehren, Drahtverhaue, am nächsten Tag war alles wieder -zum Teufel. Oft waren die Gräben verschüttet, sie hockten in Löchern, -sie hockten in Granattrichtern, Angriff auf Angriff, aber das Regiment -hielt die Kanzel. - -So ging es also da oben zu. Wohlgemerkt und wohlverstanden: _sechs -Monate lang_! Fast ohne jede Unterbrechung und Ruhe. - -Anders ist die bewegliche, die fließende und flutende Schlacht. Sie -rauscht dahin über die Felder. Gefahr und Tod, Rausch, Wut, Entsetzen, -Schrecken und Triumph in ein paar Stunden gepreßt. Sie kann zwei, drei -Tage, eine Woche dauern, einmal ist sie doch zu Ende. Atemholen, neue -Quartiere, neue Abenteuer. Der Stellungskrieg zehrt am Mann. Immer das -gleiche, aber immer die gleiche Gefahr, tagaus, tagein. Kein sichtbarer -Erfolg, kein Abenteuer im großen Stil, keine neuen Quartiere, Gegenden -und Menschen. Hier ist der Graben, und davor liegen die Toten. -Übermenschlich muß die Energie des Mannes im Graben sein, übermenschlich -seine moralische Kraft. So gewiß es ist, daß Offizier und Mann im Westen -genau das gleiche leisten wie Offizier und Mann im Osten, so gewiß ist -es, daß sie, du brauchst sie nur zu fragen, ohne zu zögern ihren Graben -mit Polen, Karpathen und Rußland vertauschen würden. Augenblicklich, -lieber heute als morgen. Trotz den Läusen und schlechten Quartieren. -Denn Läuse gibt es auch hier und die Quartiere sind nicht viel besser, -wenigstens in der Feuerzone. - -Aber, es muß gesagt werden, unser Regiment hatte auch seine Abwechslung. -Am 17. Dezember wies es Joffres Angriffe ab. Es ging blutig zu. Mitte -Januar nahmen ihm die Franzosen ein paar Grabenstücke weg, aber das -Regiment revanchierte sich und nahm seinerseits den Franzosen zwei -ausgedehnte Gräben. Am 3. März ging es wieder vor. Das Regiment nahm die -Gräben bei Notre Dame de Lorette. Die schlichte Kapelle auf der Höhe -ging dabei in Trümmer, die Glocke, die frei in dem durchbrochenen -Türmchen hing, stürzte in den Schutt. Die Arbeit am 3. war schwer, und -schwerer noch war sie am 22. Die französischen Gräben waren angehäuft -mit Leichen, und man begrub und begrub, es wollte kein Ende nehmen. Mit -Schaudern sprechen sie davon. - -Aber all das war nur Vorbereitung, eine Art _Training_! - -Der 9. Mai kam heran! Offizier und Mann werden ihn nie mehr vergessen. -Er kam heran, und nun mußte es sich zeigen, was eigentlich in ihm -steckte, in dem badischen Regiment Nummer X! Nun mußte es sich zeigen, -ob die Höhe, die blutgierige und verfluchte Höhe, das Regiment gestählt -hatte in der halbjährigen harten Schulung oder nicht. Es mußte sich -zeigen, ob das Regiment imstande wäre, sich selbst um das Doppelte und -Dreifache, das Zehnfache zu überbieten! Darum handelte es sich, um -nichts Geringeres. Joffre wollte die Höhe! Er wollte sie um jeden Preis! -Über Souchez von unten, die Schlammulde von oben, über Ablain und die -Kanzel von hinten wollte er vor. Zwischen Souchez und Schlammulde wollte -er abdrosseln. Das war die Lage. Es ging ums Ganze, das Regiment mußte -zeigen, was in ihm steckte. - -Und das Regiment zeigte es! - -Um sieben Uhr morgens fing es an. Die französische schwere Artillerie -begann die vordersten Grabenlinien einzutrommeln. Wirbelfeuer, -schwerstes Kaliber. Dieses Höllenfeuer dauerte bis elf Uhr dreißig -Minuten. - -Der Kommandeur des Regiments: „Als ich von unserem Beobachtungsstand aus -das Feuer beobachtete, da dachte ich mir, es kann kein Mann mehr in den -Gräben am Leben sein!“ - -Der Reservist aus Bretten: „Die habe uns die Gräbe hübsch -zusammengewichst. So was war noch gar nicht da. Alles war schwarz!“ - -Die Drahtverhaue und Barrikaden waren niedergetrommelt, die vorderen -Gräben existierten nicht mehr. Sie waren Granatlöcher. Die Kompanien -lagen in den zweiten Gräben. Alles war schwarzer und gelber Qualm, -glühende Rasiermesser zischten über die Gräben hin. - -Halb elf wurde das Feuer weiter zurück, auf die zweiten Gräben gelegt. -Was ist zu tun? Frage die Soldaten, die in diesen Gräben waren. Nichts -kann man tun. Man liegt der Länge nach im Graben, den Kopf in die Erde -gedrückt. Einer schreit auf, einer stöhnt. Was man denkt? Man denkt -nichts, nichts, gar nichts! So ist es also, ohne jede Phrase. Es ist die -_Agonie_. Punkt elf Uhr dreißig schweigt plötzlich das Feuer. Was noch -kann, erhebt sich. Gewehre fertig. Ein Maschinengewehr ist noch intakt, -ein einziges. Los! Schon kommen sie! - -Sie kommen heran in dichten Kolonnen, mit unerhörter Bravur, -bewundernswürdig. Nie vorher sah man Franzosen so stürmen. Das -Maschinengewehr hämmert. Sie fallen, in Reihen. Schnellfeuer. Sie -brausen näher. Ein Offizier an der Spitze, mit gezücktem Degen! Er -überspringt den ersten Graben, will seine Leute mitreißen, allein, ganz -allein stürmt er weiter. Er fällt. Nahkampf. Angriff erledigt! Aber was -ist das? Sie sind im Rücken! Eine halbe feindliche Kompanie ist in die -Verbindungsgräben eingedrungen und kommt in den Graben. Sandsäcke!! Nun -gilt es. Der Offizier schreit, der Mann. Jeder einzelne Mann ist jetzt -Offizier, Kommandeur, er muß handeln, rasch und klar. Sandsäcke! -Handgranaten! Die Barrikade ist fertig, die Handgranaten fliegen in -Schwärmen zum Feind über die Sandsäcke hinüber. Der Feind ist -abgeschlossen. Aber neue Sturmkolonnen kommen heran, sie fliegen die -Höhe herunter. Salvenfeuer, das Maschinengewehr schnarrt. Es sind ihrer -zu viele, immer neue Kolonnen. Aber der Kommandeur hat seine Leute nicht -vergessen und den kühlen Kopf bewahrt. Artillerie! Plötzlich schlagen -Granaten in die feindlichen Sturmkolonnen. Fontänen von Leibern, -Kleidungsstücken, Köpfen und Gliedmaßen fliegen hoch. Es ist zwei Uhr, -schon nahen die Bataillone, die in Ruhestellung waren. - -Nein, allein hätten sie es nicht schaffen können, gewiß nicht. Alle -Regimenter, von Neuville bis hinauf nach Aix-Noulette, mußten mithelfen, -mit gleicher Tapferkeit, alle Batterien, Munitionskolonnen, -Telephonisten, Beobachter, Flieger, jeder einzelne Mann. Frage die -Soldaten des tapferen badischen Regiments. Sie sprechen nicht von sich -allein. Sie sagen: Souchez war unter Feuer, daß die Häuser auf die -Straße flogen. Es waren Torpedogranaten, schwere Dinger, die sich tief -einbohren und dann alles in die Luft schmeißen. Die Munitionskolonnen -fuhren mitten durch Souchez! Eine Kolonne raste auf offener Landstraße -dahin. Granaten rechts und links. Zur Batterie, abgeladen, weiter. -Zurück denselben Weg. Ohne einen Mann, ein Pferd zu verlieren. Eine -Batterie ist zusammengeschossen. Noch zwei Geschütze. Sie verfeuert noch -rasch 1300 Granaten, immer hinein in die Sturmkolonnen, Verschlußstücke -abgeschraubt und aus dem Staube gemacht ... - -Nein, allein hätten sie es nicht geschafft, aber ihre Arbeit war -mörderisch hart und schwer. Und sie hielten die Gräben, die Granatlöcher -besser gesagt. In Abständen von fünf Metern lag der Feind eingegraben, -_fünf Metern_! Fünfzehn und zwanzig Meter Abstände wurden gar nicht mehr -für schwierig empfunden. Einen Tag und eine Nacht, und noch einen Tag -und noch eine Nacht. Was sie mühsam zusammenbauten in den Sekunden, in -denen die Leuchtkugeln sie nicht abblendeten, war in einer Stunde wieder -zusammengeschossen. Angriff auf Angriff. Heroisch kämpfte der Franzose, -wie nie zuvor. - -Die Soldaten, die da oben kämpften, sprechen mit Ehrerbietung vom Feind. - -„Und der Kommandeur?“ - -„Der Kommandeur kam jeden Tag zu uns herauf in die Gräben. Es war ein -Wunder, daß es ihn nicht erwischte. Wir waren jedesmal erstaunt, wenn -wir ihn heil wiedersahen.“ - -Dann kamen Reserven, Verstärkungen. Die Krisis war überstanden. Das -Regiment war zurückgegangen auf seine zweiten und dritten Gräben, aber -es hatte die Stellung gehalten. Joffre kam nicht durch, das war es! -Frage nicht, wieviele des tapferen Regiments da oben fielen, es sind -ihrer nicht wenige, aber das Regiment stand wie eine Mauer. - -Der Kommandeur des Regiments, Major G., hat mich empfangen. Ein -schlichter, gerader und einfacher Mann. Ein Soldat der Front! Ich kam -zwei Stunden zu spät, aber das war ihm einerlei, er kümmert sich nicht -um lumpige Formalitäten. - -Major G. sagte: „Ich glaube wohl behaupten zu können, daß das Regiment -seine Pflicht getan hat.“ - -Das glaube ich auch! - -Hoch das Regiment! - - - - - Gefangene aus der Arrasschlacht - - - Im Juni - -Sie stehen in einer Reihe, wie die Orgelpfeifen, dicht neben dem -Misthaufen des Bauernhofes. Der größte rechts, seine zwei Meter hoch, -der kleinste am linken Flügel, immer noch gut einen Meter -fünfundsiebzig. Es sind prächtige Burschen, wie man sie sonst nur bei -Hagenbeck sieht. Sie stecken in graugelben Khakiuniformen, graue -Wickelgamaschen, derbe Rohlederstiefel, alles ohne Tadel. Auf den -schmalen Schädeln tragen sie Turbane, ein verblaßtes Zitronengelb, -einzelne ein verstaubtes Blaugrau. Übrigens sind es keine faltenreichen, -schwellenden Turbane, sondern Tuchstreifen, die eng um den Kopf -geschlungen sind und den Turban nur noch andeuten. Ihre Gesichter sind -scharf und fein geschnitten, von der edlen Färbung gedunkelten -Elfenbeins. Die Sonne glänzt auf ihren Stirnknochen. Ihre Augen sind -tiefbraun, glänzend und unergründlich wie Tieraugen. Die vollen Lippen -sind bläulich und grau. Ihre langen, sehnigen, braungelben Hände liegen -an den Hosennähten, Nase geradeaus. - -„Was für Leute seid ihr? Regiment?“ – „Kiff, Kiff!“ - -„Französisch, spanisch, englisch? Was versteht ihr?“ - -„Kiff, Kiff!“ - -Kiff bedeutet eins – erstes Regiment. - -„_Français?_“ - -Der blaßgelbe Turban schüttelt sich. Der Adamsapfel zuckt, ein Maul -voller Zähne, eine rollende Zunge, die Kehle kracht und schnarrt: -_marrrroc – maroc_. _Eh bien_, es sind Marokkaner. Sie verstehen keine -Silbe Französisch, und es ist nichts aus ihnen herauszubringen. Wie -Statuen stehen sie, Hände an der Hosennaht, Nase geradeaus, und es ist -unmöglich, ihre Erstarrung zu lösen. - -Sie sind Automaten. Die Zivilisation hat sie an ihre Brust genommen und -ihnen beigebracht, wie man vor dem weißen Mann stramm zu stehen habe. -Die Dressur erstreckte sich auf die Künste der Zivilisation, auf -rechtsum und linksum, das Abfeuern des Gewehrs, und damit hatte die -Zivilisation ihre Aufgabe erfüllt. Sie waren mechanische Puppen -geworden, und nichts in der Welt konnte sie wieder in Menschen -zurückverwandeln. Sie standen wie Säulen und wagten keinen Finger zu -rühren, denn bei Gott, was konnte der weiße Mann tun, wenn sie es -wagten? Er konnte sie mit einem Fußtritt auf den Misthaufen befördern, -er konnte – ja, was konnte er nicht? Man sah es ihnen an, daß sie die -Zivilisation des weißen Mannes begriffen hatten! Ihr Gott war der -Korporal. - -Dabei hatten sie Namen wie in den Märchen. Mohammed ben Abdel Kader! -Jeder Name ein Fürst! Sie stammten aus Casablanca, Sous-Maroc, Mogador. -Sie hatten keine Vorstellung, wo sie sich befanden, ihre Gehirne -träumten, aber sie wußten, daß der weiße Mann sie hinschicken konnte, -wohin er wollte, denn sie waren wilde Völker, Kiff, Kiff. - -Um die Handgelenke, sehnig und edel wie die Fesseln von Tigern, trugen -sie dünne Kettchen und daran hingen die Erkennungsmarken, Name, -Regiment, Heimat, Nummer. Es waren kokette Armreife, anmutige Geschenke -der Zivilisation, die sie, die Zivilisation, für ihre Register und -Bücher nötig hatte, wenn man die gelben Kadaver in die Massengräber -fegte. - -Mitten in der Reihe der gelben Automaten stand ein Franzose. Auch er -stand in militärischer Haltung, aber man sah auf den ersten Blick, daß -er keine Maschine, sondern ein Mensch war. Seine Haltung war locker, -frei und würdig. Sie waren Statisten auf dem Kriegsschauplatz, er war -Soldat. Sein Kopf war rund wie eine Kugel, gespickt mit blonden -Haarstoppeln, oben und unten, sein Blick blau und seine Backen rot. Er -war ein guter Bursche, der typische _bon garçon_, Spaßvogel und -pfiffiger Junge in einer Person. Noch war er ein wenig eingeschüchtert -durch das Unglück, das ihn betroffen hatte, aber das würde sich bald -wieder geben, keine Sorge. - -Wieso er hierher käme? – Oh, ja, _pardon_ – seine Hände lösen sich, denn -er brauchte sie zum Sprechen – er hatte eben Pech! Nichts andres. „_Que -voulez-vous, monsieur?_“ Er war Koch und arbeitete in der berühmten -Zuckerfabrik zwischen Souchez und Ablain. Er steigt also vom Garten aus -in seine Küche hinunter, um anzufangen. Zwei deutsche Gefangene sitzen -da unten im Keller, sonst aber ist niemand zu sehen. Das ist ein bißchen -merkwürdig, nicht wahr? Also steigt er die Treppe hinauf, und die zwei -deutschen Gefangenen begleiten ihn, da sie ja nichts zu tun haben. Kaum -aber stecken sie die Köpfe in den Korridor – na, was sagst du dazu: die -Deutschen sind da! – Man kann es nicht leugnen, das ist solides Pech! - -Der Koch zieht den Kopf zwischen die Schultern und breitet die Arme aus. -„_Eh, bien! Que voulez-vous_ ...“ - -„Können Sie sich denn mit diesen Gelben hier verständigen?“ Ein Blick, -ein Ruck, ein verächtliches Achselzucken: „Mit diesen Gelben? Kein Wort, -mein Herr!“ – - -Man weiß, daß wir in diesen Kämpfen bei Arras fünfzehnhundert Gefangene -gemacht haben. Heute sind es schon mehr. Das ist eine hübsche Anzahl, -wenn man sich daran erinnert, daß wir uns rein defensiv verhielten, und -für den Westen ist es ein großer Erfolg. Denn hier regnen die Regimenter -nicht von den Bäumen wie in Rußland, sie hocken zäh in ihren Dachsbauten -und jeder Mann muß sozusagen einzeln geholt werden. Die Fünfzehnhundert -sind längst abtransportiert, aber heute nacht sind neue eingebracht -worden, und ich besuchte sie in einem Nebenhofe der Kaserne. Im -eigentlichen Kasernenhof exerzieren ein paar Kompanien unsrer -Feldgrauen, und hier, drei Schritte davon entfernt, kauern sie, die -gestern noch kämpften, und denen man die Waffe aus der Hand nahm. - -Es sind ungefähr fünfzig. Sie sitzen und liegen in der Sonne, mit -Schmutz und Blut bespritzt, so wie die Schlacht sie auslieferte. -Einzelne starren bis hinauf zur Brust von trockenem Lehm. Der eine und -der andre hat einen Verband, eine leichte Verletzung an der Hand, am -Kopf. Einer sitzt mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, starrt zum -Himmel und friert trotz der höllischen Hitze. Die meisten aber haben -sich schon wieder zurechtgefunden, ihr Blick ist klar und ruhig. Nur -zwei, drei rote Hosen sind darunter. Alle andern stecken in taubengrauen -oder, wenn man will, taubenblauen, langen Röcken aus solidem filzartigen -Tuch, die taubengraue Mütze auf dem Kopf. Es sind Elitetruppen. - -„Die Leute über vierzig sollen vortreten!“ Sie kommen heran, sechs, -acht, zehn. Aus fünfzig! Gott weiß, ob sie alle über vierzig sind, -vielleicht denken sie, hier werden an ältere Semester Zigaretten oder -Vergünstigungen, man kann es nie wissen, verteilt. Jedenfalls aber sind -sie alle keine jungen Leute mehr, manche sind schon grau. Ich bin so -überrascht, so erschüttert, daß ich keine Worte finde. Wie fürchterlich -muß der Krieg unter Frankreichs Männern gewütet haben, daß sie hier -stehen, zehn aus fünfzig, Familienväter, Ergraute und Gealterte. Sie -sind alle gefaßt und wissen sich zu benehmen. Die meisten von ihnen sind -Bauern und Handwerker. Ja es war furchtbar! Es war das furchtbarste -Feuer, das man sich vorstellen kann. Sie wurden abgeschnitten von einem -Riegel trommelnder Granaten. Sie haben genug! „Ja, mein Herr, man -schlägt sich, man ist nicht gerade feige, man kämpft für sein Vaterland, -das man liebt, wie Sie das Ihrige lieben, man schlägt sich bis zum -letzten Atemzug – aber was zuviel ist, ist zuviel. Die menschlichen -Nerven sind nicht berechnet für Explosionen dieser Gewalt. Nein, es war -genug, genug, zuviel, zuviel. Ich war in der Champagne, im Frühjahr, -bah, nichts gegen diese Kämpfe! Nichts! Ich kann Ihnen sagen – nein, es -gibt keine Worte, um das zu schildern ...“ - -„Sie haben schwere Verluste gehabt?“ - -„Ho, ho, ho!! Schwere Verluste! Hatten wir nicht schwere Verluste? Ja, -mein Herr, wir hatten fürchterliche – aber auch Sie, auch Sie hatten -schwere Verluste, Sie können es nicht leugnen. Was für ein Krieg!“ - -Einer, ein Hagerer, Langer, mit krankem gelben Gesicht und entzündetem -rechten Auge, schüttelt unausgesetzt verstört den Kopf. Furchtbares -Feuer – er schüttelt den Kopf, schwere Verluste – er schüttelt den Kopf, -genug, genug, er schüttelt den Kopf und hustet dabei. Ja, gewiß, genug, -genug. Er ist noch ganz vernichtet. Er spricht nichts, aber er -bestätigt, er unterstreicht. Er ist ein trauriges, melancholisches Echo. - -Ein Granatsplitter fegte an seinem Gesicht vorbei, nahm ein Stückchen -der Braue mit, ein kleines Eckchen des Lides und eine Spur des -Nasenrückens. Ich beglückwünsche ihn, ein wenig tiefer und was wäre aus -Ihnen geworden? - -Aber er schüttelt den gelben Kopf und blickt mich mit seinen kranken -Augen an. Ah, wozu? Für ihn gibt es keinen Trost. - -Es ist nicht leicht, mit Gefangenen zu plaudern. Ein Wort, ein Blick, -eine Änderung der Haltung und ihr Vertrauen ist wie weggeblasen. Sie -stoßen einander an, sie starren auf den Sprecher, daß er verstummt, sie -schweigen. Dann ist es vorbei, nichts kann mehr ihre Zunge lösen. Man -muß es fühlen, wenn dieser Augenblick droht, und dem Gespräch eine neue, -harmlose Wendung geben. - -Die Geschichte mit den „schweren Verlusten“ war der kritische Moment. -Der Sprecher hatte zuviel gesagt, obwohl er ja nichts verriet, sie -fühlten es, und weil sie es fühlten, fühlte er es auch. Sie erkalteten. - -„Ihr habt euch bewunderungswürdig geschlagen!“ sage ich. Sie rekeln -sich, bescheiden, verlegen, sie schweigen. - -Ich greife mir einen Mann heraus, der einen dünnen, schäbigen -Leinwandkittel anstatt des Blaugrauen trägt. - -„_Et toi, mon ami_, wie siehst du aus?“ - -Die Kameraden, die Blaugrauen und Eleganten lachen. Wie er sich schämt, -es ist rührend. Er blickt auf sie, auf mich, er windet sich vor -Feinfühligkeit. Er stellt mit der ausgebreiteten Hand eine Grenze her -zwischen den Kameraden und mir: „Mein Herr!“ - -Ja, eine Granate hat ihn ausgezogen. Er flog in einen Granattrichter, -sein Rock verbrannte und die Lumpen fielen ihm von den Schultern. Ebenso -erging es seinen Pantalons. Es ist nur gut, daß es warm ist! Er -deklamiert und seine Kameraden lachen. - -„Sie sind ein tapfrer Soldat wie die andern. Es ist ja ganz egal, wie -Sie aussehen.“ - -„Ja, aber es ist nicht schick!“ - -Das Mißtrauen ist verschwunden. Sie fragen, wohin man sie wohl bringen -wird? Ob sie ihren Angehörigen Nachricht geben können? „Ich bin von -Roubaix, kann ich nicht an meine Frau schreiben? Ich konnte ihr seit dem -Herbst keine Nachricht geben.“ – Ich will mit dem Offizier sprechen. - -Einen Trost, einen gewichtigen und wunderbaren Trost kann man Gefangenen -immer geben: „Der Krieg ist für euch zu Ende!“ - -Ihre Blicke ruhen stumm und klar auf mir. Diese Blicke sollen sagen: -Nennen Sie es einen Trost, gefangen zu sein? Wir sind Soldaten, viel -lieber möchten wir für unser Land weiter kämpfen! Sie sind stolz, und -sie möchten nicht, daß ein Fremder ihre Freude sähe, daß die Sache ein -Ende habe für sie und daß sie – lebten. Aber sie nicken und ihre Mienen -erheitern sich. Der Verstörte schwingt den gelben Kopf und stößt einen -tiefen Seufzer aus, während er die Finger krampfhaft ineinander flicht. -Ja, ja, ja ... - -Aber der im Leinenkittel lacht über das ganze Gesicht und strahlt vor -Entzücken: „Ja, Gott sei Dank, mein Herr, der Krieg ist für uns zu -Ende!“ - - - - - Die Gewitterstadt - - - Im Juni - -Seit vielen Wochen hat Douai Gewitter. Es sind Gewitter jeden Formats, -fürchterliche, wovon die Stadt erzittert, und harmlosere, die nur leise -knurren. Sie währen Tag und Nacht. Sie ziehen in Rudeln um die Stadt, -prallen aufeinander, toben und poltern, im grauen Morgen rumoren sie -ferner, mit jeder Stunde des Tages aber kommen sie wieder näher. Am -Abend wüten sie am lautesten. Dabei ist der Himmel über den Dächern der -Stadt blau und heiß. - -Eines Nachmittags zog ein wirkliches, ein natürliches Gewitter über die -Stadt herauf, aber es konnte nicht aufkommen gegen die Konkurrenz, es -brummte ein bißchen und war wieder weg. - -Die Kanonen von Arras, Loretto und Souchez aber schlugen weiter, dumpf -und zornig, wie seit Wochen. Die Bewohner von Douai kennen es nicht -anders, sie gehen mit Kanonenschlägen zu Bett. Wie der Müller erwacht, -wenn das Rad stehen bleibt, so werden Douais Bürger einmal erschrocken -auffahren, wenn der Geschützdonner plötzlich schweigen sollte. - -Jeden Tag aber, einmal, zweimal und öfter, löst sich aus dem großen -Gewitter ein kleines Separatgewitter los und erscheint direkt über der -Stadt. Dann kracht und poltert es ganz in der Nähe, die Stadt selbst -kracht. Douai bekommt Besuch. Der fällige Flieger erscheint, klein und -golden wie eine Mistfliege, um nachzusehen, ob Douai noch steht, um -seinen Landsleuten ein paar Bomben auf die Köpfe zu schmeißen und um -nach Neuigkeiten in den Straßen und auf dem Bahnhof zu schnüffeln. Dann -sieht man die Schrapnelle oben im heißen Blau des Himmels platzen. Man -sieht die weißen Schrapnellwölkchen, während man seinen Kaffee trinkt, -und man sieht sie, wenn man zufällig einmal den Kopf zum Fenster -hinaussteckt. Der Flieger gehört hier zum täglichen Brot, wenn man so -sagen kann. Einmal kamen sie in der Nacht und warfen achtundsechzig -Bomben; sie warfen neulich fünfzig auf den Flugplatz bei der Stadt, ohne -eine Katze zu treffen, sie warfen wiederholt auf den Bahnhof; man ist -hier nie ganz sicher, ob nicht eine Bombe unterwegs ist. Vor drei Tagen -warfen sie Zeitungen herunter, eine gutgemeinte Aufforderung an unsre -Soldaten, nach Hause zu gehen, da ja nun auch Italien das Messer für sie -wetze ... - -Seit einigen Tagen kommen sie seltener, und wenn sie kommen, fliegen sie -in Rekordhöhe. Sobald sie gemeldet werden, erscheint der deutsche -Kampfflieger über der Stadt, der _Luftpolizist_. Er brummt hoch über den -Dächern dahin, zieht weite Kreise um den Beffroi, dann stellt er den -Motor ab und sticht wie ein Habicht in die Tiefe, um zu landen. Ein paar -Minuten später ist er schon wieder oben und brummt. Zwei Franzosen hat -er in den letzten Tagen ohne viele Umstände abgeschossen. Ich habe die -Luftpolizisten gesehen und auch die Maschine. Sie haben mir ihre -Schliche erklärt und den Apparat vorgeführt. Es sind reizende Leute, -aber ich möchte ihnen nicht da oben begegnen, so in 2000 Meter Höhe. - -Das große Gewitter aber grollt weiter, während die Abwehrkanonen -knallen. - -Douai ist eine mittlere Provinzstadt, mit einem rechteckigen Marktplatz, -wie ihn alle französischen kleinen Provinzstädte hier im Norden haben. -Ein paar Droschken stehen da, mit jämmerlichen Pferden, ganz wie in -Berlin. Zum Glück haben sie nie etwas zu tun. Ein paar schöne alte -Kirchen, ein hübscher Stadtpark mit ein paar modernen Denkmälern im -Geschmack der Provinz, gewundene, nicht gerade breite Straßen – schon -ist Douai zu Ende, und die Industrie, die Kohle beginnt. Es gibt noch -prächtige Sachen hier zu kaufen: feinste, allerfeinste Kuchen, Orangen, -Zitronen, Spargel, Artischocken, Konserven, Butter, Streichhölzer, -Tabak, kurz alles, was ein Europäer nötig hat. Die Leute leiden keine -Not. Unerschöpflich müssen ihre Vorräte und Reserven sein. Im November -war ich hier, und aus dem Keller eines Händlers wurde ein großes Weinfaß -gerollt und auf einen Wagen geladen. Heute sah ich aus dem gleichen -Keller riesige Fässer rollen. Es ist mir unbegreiflich! Und doch wird -hier nicht wenig getrunken, das kann niemand behaupten. In der Nähe des -Rathauses hat sich eine deutsche Bierhalle aufgetan, aber fast immer -hängt an der geschlossenen Türe ein Plakat: Ausverkauft! Nur einmal traf -ich es glücklich, die Halle war geöffnet. Die Feldgrauen spülten sich -den Staub hinunter, am nächsten Tage schon wieder: Ausverkauft. Wie -wunderbar und rätselhaft ist dagegen der Weinkeller des französischen -Händlers! Wenn ich das Faß im November nicht gesehen hätte, so würde ich -gar nichts sagen, aber nun rollen sie hier schon monatelang Fässer -heraus ... - -Im Herbst zogen in Douai fünf Feldgraue ein, besahen sich die Stadt und -verschwanden wieder. Ein paar Wochen später kamen mehr, und nun gingen -sie nicht wieder fort. Die französischen Soldaten, die geflüchtet waren, -verbargen sich in den Häusern und warfen Uniformen und Gewehre auf die -Straße. Welche Angst, welch schreckliche Angst hatten die Leute von -Douai anfangs vor den deutschen Soldaten. Aber es zeigte sich, daß alles -Schwindel war. _Les journaux!_ Nichts begeistert die Franzosen mehr, als -sich tüchtig belügen zu lassen. Die Lüge ist Phantasie, Rausch, Genie, -die Wahrheit ist allzu nüchtern. Kurz und gut, Douai setzte seine -Papiergeldpresse in Bewegung und damit war die Sache im Gange. Unsre -Verwaltung ist einsichtsvoll und der Bürgermeister ist vernünftig, also -wurden größere Reibungen vermieden. Douai hat sein Schicksal, aber man -muß gestehen, es trägt es mit Würde. Die Leute sind höflich und -taktvoll, sie haben sich an die Feldgrauen gewöhnt. Ja, eines Tages, -eines Tages werden sie ja doch wieder verschwinden. Es ist nicht für -ewig. - -„_La guerre est triste, pour nous, pour vous, pour tout le monde!_“ -Jedermann gebraucht hier diese Redensart, der Kaufmann, die Verkäuferin, -der Kellner. Sie leiern diese Phrase ohne jede Betonung und ohne zu -denken herunter, wie einen Spruch, den man hundertmal am Tage hersagt. - -Oder: „_Oh, cette guerre, quand sera-t-elle finie?_“ – Gott allein weiß -es. (Origineller drückte sich ein Kellner aus: „Dieser Krieg ist eine -internationale Schweinerei, mein Herr, ich bin Kosmopolit!“) - -Mitte Mai hatte Douai seine großen Tage. Es war in der Zeit der wütenden -französischen Vorstöße. Man buk Kuchen und band Blumensträuße. -Auffallend viele Zylinder und schwarze Gehröcke erschienen in der -Straße. Der Bürger schnupperte in der Luft. Man wartete! Joffre hatte -gesagt (so erzählt man!), er hatte gesagt, er werde am 12. in Douai -soupieren. In Lens wollte er frühstücken und am Abend des gleichen -Tages, wie gesagt, in Douai soupieren. Er sagte nicht: ich komme, -sondern er sagte ausdrücklich, er wolle am 12. in Douai soupieren, -obwohl es doch eigentlich selbstverständlich ist, daß er speisen würde, -wenn er käme. Wie, wo, wann und zu wem er es gesagt hatte, wußte -niemand. Aber daß er käme, das stand fest. - -Es ist begreiflich, daß sich in einer seit sechs Monaten besetzten Stadt -die Nervosität bis zur äußersten Spannung steigern kann. Nun, Joffre kam -nicht. Er kam nicht am 13., 14., 15. Die Zylinder verschwanden langsam, -und heute habe ich nur noch zwei gezählt. Douai sank ermattet in seine -Resignation zurück, und heute glaubt es nicht mehr, daß Joffre in der -nächsten Zeit kommen werde. Nein, ich sah es Douai deutlich an. - -Heute braust und donnert Douai vom kriegerischen Lärm eines Heeres, das -Menschen, Material und Energie im Überfluß hat. Es ist eine der -lautesten Städte Europas, und die Rue St. Jacques schlägt spielend die -großen Pariser Boulevards in der Hochsaison. Die Gewitterstadt rasselt -und bebt in einer Atmosphäre von Krieg. Lastautos poltern vorüber, -Automobile schnarren, zwitschern und trompeten. Regimentsmusik, laut und -breit. Zwei Bataillone Feldgrauer marschieren vorbei, frisch gewaschen, -ausgeruht, mit hartem, tapfrem Tritt, der weder Erschöpfung noch -Müdigkeit zeigt. Es sind jene Bataillone, die Joffre daran hinderten, in -Douai am 12. zu soupieren, sie lagen oben auf der Lorettohöhe. Frisch -und guter Laune sind sie – denn sie leben! Ein Auto schnarrt vorbei: -zwei blaugraue Offiziere sitzen darin. Französische Fliegeroffiziere, -die gestern bei Vimy abgeschossen wurden. Dann kommen Kolonnen, endlose -Kolonnen, von schweren Bierbrauerpferden gezogen, die mit den Hufen -Funken aus dem Pflaster schlagen. Sie nehmen kein Ende, und alle -Fensterscheiben der Rue St. Jacques klirren. Tag und Nacht gibt es hier -keine Ruhe. - -Im Hotel du Cerf – ein vernachlässigtes, schmutziges, ödes Hotel, das -ich hiermit verfluche! – spielen ein paar Kriegsfreiwillige, noch den -Schmutz der Gräben an den Stiefeln, einen flotten Tango, in einer -Nebenstraße marschieren Soldaten und singen ein fröhlich schallendes -Lied. Plötzlich knallt es: ein Flieger. - -In das ewige Getrappel der Pferde und Tuten der Automobile tönt -getragene Musik. Der Chopinsche Trauermarsch. Ein Major wird zur letzten -Ruhe geleitet. Wieder tuten und trompeten die Autos. Am Abend gehe ich -selbst hinter dem Sarg eines gefallenen jungen Offiziers her zum -Bahnhof. Ein Güterwagen nimmt den Sarg und die Blumen auf. Daneben steht -eine Lore mit einem neuen Geschütz. Heute mittag passierte uns, nicht -mir, eine äußerst peinliche Sache. Wir waren, ein paar Bekannte und ich, -beim Delegierten des Roten Kreuzes zum Frühstück geladen. Wir wußten, -daß ein junger Offizier gefallen war, der den Namen eines bekannten -Sportmannes trug, aber wir wußten nicht, war es der bekannte Sportmann -selbst oder sein Bruder. Ein Herr fragt bei Tisch: „Ist der bekannte -Sportmann gefallen oder sein Bruder?“ Der Wirt sieht den Fragenden an -und deutet auf einen anwesenden jungen Offizier: „Hier sitzt der Bruder -des Gefallenen. Er ist der bekannte Sportmann.“ - -Ja, man soll hier außen nie derartige Fragen stellen. - -An diesem Abend trafen wir in der Rue St. Jacques einen Dragoner, der in -hohen Stiefeln dahinstampfte und lustig pfiff. Was pfiff er? Den -Chopinschen Trauermarsch. Wir fragen: „Sagen Sie mal, was pfeifen Sie -eigentlich da?“ - -Der Dragoner geschmeichelt, verlegen: „Es ist so ne neue Sache. Das -Neueste, das man hat, von Berlin in den Theatern –“ - -Ein merkwürdiges Pflaster, dieses Douai! – Wenn die Sonne untergeht und -die Lichter des Himmels verlöschen, versinkt die Gewitterstadt in -Dunkelheit, in rabenschwarze Nacht. Die Estaminets, die kleinen -Gastwirtschaften, die kleinen Cafés schließen. Kein Licht, kein Mensch, -kein Hund. Der Beffroi, die Kirchen, Giebel, Bäume ragen schwarz und -stumm zum Himmel empor. Eine _verkohlte_ Stadt. Geht man über den -Marktplatz, so schallt es, als käme eine Kompanie daher, und man -erschrickt, solch einen furchtbaren Lärm zu machen. Man ist verloren und -auf den „Cerf“ angewiesen. Hier ist wenigstens Licht. Aber es kommt vor, -daß auch hier das Licht plötzlich ohne jede Warnung ausgeht und man eine -Stunde im Dunkeln sitzt. Ein Flieger ist irgendwo. Die Wachen klappen -auf ihren schweren Stiefeln draußen vorbei, Autos ohne Lichter -schleichen dahin. Es knarrt von Rädern, Kolonnen, Transporte von -Verwundeten. Douai ist tot. Aber horch! - -Um so lauter und härter rollt der Donner der Geschütze. Wie die Brandung -des wilden, nächtigen Meeres an einer schrecklichen, öden Küste. - - - - - Die Kämpfe bei Moulin-sous-Touvent - - - Im Juni - -Der Franzmann – so nennen die Frontsoldaten den Franzosen – der -Franzmann versucht sein Heil an verschiedenen Stellen, die ihm einige -Aussicht auf Erfolg zu bieten scheinen. Seit sechs Wochen trommelt er -oben bei Arras, und am 16. und 17. Juni sah es dort aus, als wolle er -Frankreich in Grund und Boden schießen. Er hat keine Zeit mehr zu -versäumen, das weiß er recht wohl. Vorwärts, Regiment um Regiment wirft -er gegen die Gewehre, jeder Schritt kostet ihm Tausende. Bei Arras -verbiß er sich, er kam nicht weiter, und so versuchte er es an andrer -Stelle. Bei Moulin-sous-Touvent, etwa zwanzig Kilometer nordwestlich von -Soissons. Er wollte durch, er wollte zum mindesten Truppen und Geschütze -fesseln, abziehen von da oben, und er ging mit großartiger Energie zu -Werke. Es war umsonst. Er gewann einen Graben, aber er bezahlte ihn zu -teuer, viel zu teuer. Man legt sich hundert Meter dahinter, und nun -liegt man wieder mit geschliffenen Zähnen, die Maschinengewehre stehen -an ihrem Platz, Gräben, Drahtverhaue, alles wie früher. - -Die Kämpfe aber waren furchtbarer, als die paar Zeilen in den -Wolff-Telegrammen es ahnen lassen. Sie waren ein kleines Arras, ein -Stück Arras, es ging hier zu ganz wie da oben bei Souchez und Neuville. -Aber die gleichen Leute wie bei Souchez und Neuville standen auch hier, -und sie stehen überall an der Front, wo Joffre anklopft. Je näher man -unsre Leute kennenlernt, desto mehr überraschen sie. Sie waren niemals -weich, o nein, aber der Krieg hat sie stahlhart geschweißt. Sie sind -braun und hart wie Erz. Sie waren tapfer, nun aber, nach langen Monaten, -sind sie unüberwindlich. Jeder einzelne ist ein Panzerturm für sich, ein -Graben mit Drahtverhauen ringsum, und jeden einzelnen Mann muß Joffre -einzeln mit Granaten zusammentrommeln, anders geht es nun nicht mehr. -Sieht man einen Kanonier in seinen schweren Stiefeln, so scheint er -selbst wie ein Mörser zu sein, ein Mörser, mit dem nicht zu spaßen ist. -Ein Schrapnell zerspritzt vor der Batterie, der Hauptmann schreit: „Weg -da!“ Der Kanonier rührt sich nicht: „Wegen mir, Herr Hauptmann, da muß -schon ne Lage kommen.“ Ja, Kerle sind sie, das muß man sagen! - -Wären sie anders, dann wäre es bei Arras und Moulin-sous-Touvent nicht -so gegangen! Hundert Meter zurück und alles wie früher, nein ... denn -er, der Franzmann, ist ein Gegner, vor dem man den Degen senken muß. Im -Friedhof zu Anizy-le-Château ruht ein französischer Batteriechef, der -Kapitän Lerroy Beaulieu. Seine Batterie war zerschossen, die Mannschaft -tot, ganz allein bediente er noch das letzte Geschütz, und dann feuerte -er mit dem Revolver auf unsre stürmenden Grauen. Ein Hurra unsern -Grauen, ein Hurra dem Kapitän Lerroy Beaulieu! Solche tapferen Leute -haben sie viele da drüben. Nicht wir allein besitzen sie, es wäre -falsch, das zu denken. - -Ich habe einen Oberleutnant gesprochen, der bei Moulin-sous-Touvent in -den letzten vierzehn Tagen ununterbrochen kämpfte. Er war lang und -hager, sein Gesicht scharf und kantig gemeißelt. Seine Augen stahlhart, -und immer zeigte er ein wenig die obern Zähne. Er war nicht gerade -elegant, aber er legte auch keinen Wert darauf. Sein langer, grauer -Mantel war an einzelnen Stellen abgeschliffen, voller Falten, und -schimmerte von den Farben der Erde und des Grases und einem sonderbaren -Rostrot. Die ganzen vierzehn Tage hatte er kaum ein Auge zugemacht, hier -und da zehn Minuten, das war alles. Es ging nicht anders! Sie hockten in -rasch aufgeworfenen Gräben, aber er hatte keine Zeit, an sich selbst und -die persönliche Gefahr zu denken. Es gab zu tun. Die Truppe, nichts -andres als die Truppe! Kein andrer Gedanke. Er ist der Kopf und das Herz -der Leute. Man darf nicht vergessen, daß die Flagge, die schwarzweißrote -Flagge des Reiches, unsichtbar all die vierzehn Tage und vierzehn Nächte -über seinem Kopfe und seiner schiefen, verknüllten und staubigen Mütze -knatterte, das darf man nicht vergessen – anders wäre es ihm und den -andern wohl nicht möglich gewesen, die vierzehn Tage und Nächte -auszuhalten. - -So war es also bei Moulin-sous-Touvent, und so ist es zum Teil noch -heute. - -Am 5. Juni nachmittags begann der Franzose zu trommeln, und er trommelte -volle drei Stunden lang. Am 6., am Sonntag, trommelte er weiter von -sieben Uhr bis zehn, ein halb elf. Die Drahtverhaue müssen eingetrommelt -sein, die vordersten Gräben, denn anders ist ein Sturm unmöglich, will -man nicht, daß ein ganzes Regiment in den Drähten hängen bleibt. Dazu -hielt er alle Zugänge und Verbindungswege unter Feuer, damit niemand vor -und zurück konnte. So ist es jedesmal, die Taktik steht fest. Dieses -Wirbelfeuer war das fürchterlichste, das mein Oberleutnant je erlebte. -Und dann kamen die Schwarzen angefegt! Das Plateau ist eben, Gras und -Halme, so kamen sie heran, die schwarzen Kugelfänger der Franzosen, die -den ersten Regen von Geschossen mit ihren dicken Mäulern schlucken -sollen. In einer Breite von zwölfhundert Metern, in mehreren Kolonnen, -kamen sie näher. Erst die Granaten, dann die Schwarzen, es ist immer das -gleiche Rezept. Der Franzose weiß wohl einen Unterschied zwischen -Schwarz und Weiß zu machen! O, ganz gewiß. Afrika _brütet_. Die -dunkelhäutigen Mütter sind Tiere, die Junge werfen, und die -dunkelhäutigen Mütter haben keine Augen, um Tränen zu vergießen. Nein! -Dein schönes, edles Antlitz, Frankreich, auf das du so stolz bist, und -das du so gern bewundern läßt, es ist geschändet. In deinen Salons und -Parlamenten, in denen so viel gesprochen wird von Menschenwürde, -Menschlichkeit und Gleichheit und ähnlichen Dingen, wird für ewig ein -Gestank sein, der Gestank von hunderttausend schwarzen, faulenden -Kadavern, die du in diesem Kriege zynisch geschlachtet hast. Nie, nie -wirst du diesen Gestank mit deinen Parfümen ersticken können, niemals, -du weißt es wohl! Wohlgemerkt, ich habe deinem tapfern Kapitän Lerroy -Beaulieu ein Hurra gebracht, denn ich liebe und bewundere ihn, er ist -das Frankreich von einst, aber ich verabscheue dich, wenn du, roh und -schamlos, die Peitsche des Tierbändigers schwingst. Afrika wird dir nie -vergeben, denke an mich! Es wird dir ja nicht gelingen alle Schwarzen -abzuschlachten, und einige werden wohl oder übel zurückkehren in ihre -Dörfer. Sie sprechen deine Sprache nicht, aber dort können sie sich -verständlich machen, und man wird sie verstehen. Man wird dir die -Rechnung vorlegen, und du wirst erbleichen, denke an mich! Sie werden -deine Bataillone niedermetzeln und ihre Köpfe auf Spieße stecken. Dann -wirst du schreien, sie sind Tiere, und das unwissende, belogene und -verlogene Europa wird dir glauben, daß sie Tiere sind, und vor Empörung -beben. - -Kurz und gut, die Schwarzen müssen vor! Ein gerader, nicht -mißzuverstehender Blick ins Auge, ein Griff an den Revolver – du -verstehst mich wohl! – Maschinengewehre im Rücken, der Schwarze -versteht. Er schnellt vor wie ein Tier, das um sein Leben läuft, -Maschinengewehre voraus, Maschinengewehre im Rücken, der Todesschweiß -glänzt auf den dunkelhäutigen Gesichtern. - -So kamen sie heran bei Moulin-sous-Touvent in den heißen Stunden der -Schlacht. Sie fielen wie Hammel, in die der Blitz schlägt. Dann erst -fluteten die Wellen der französischen Infanterie heran. Die Übermacht -war so groß, daß es Wahnsinn gewesen wäre, sie in zerschossenen Gräben -und Granattrichtern zu erwarten. Man ging zurück. Aber die flankierenden -Gräben standen wie Festungen und gaben Flankenfeuer. Verlängerungen -wurden vorgetrieben, um die Flankenstellungen auszudehnen. Die Schlacht -war im Gange. Reserven kamen blitzschnell heran, vorwärts, Sturm! Um -sechs Uhr abends war der Feind wieder zurückgeworfen. Was er noch hielt, -waren zwei zusammengetrommelte Gräben von etwa hundert Meter Tiefe. Die -ganze Nacht hagelten die Granaten bis acht Uhr morgens. Die Kämpfe wogen -hin und her. Die Gewehre peitschen, die Maschinengewehre hämmern, Minen, -Handgranaten. Unsre Grauen hocken in rasch aufgeworfenen Gräben, -Sandsäcke vor, es ist heiß, staubig und stickig. Sappen, Gräben, man -beißt sich langsam durch die Erde näher. So geht es fort, ohne Pause, -bis zum 14. Es ist immer das gleiche. Das heißt, es ist immer _gleich -furchtbar, gleich blutig_, es erfordert immer den gleichen Mut, die -gleiche Ausdauer, die gleiche unmenschliche Anstrengung! - -Am 14. abends setzten wir zum Gegenstoß an und nahmen den Franzosen -einen Graben weg. Unsre Geschütze trommelten nun ihrerseits. Die -feindlichen Reserven wurden zugedeckt. Ein feindliches Bataillon in -Reservestellung geriet, wie Gefangene aussagten, derart in die Zähne -unsrer Haubitzen, daß der Kommandeur das Kommando: „_Sauve qui peut!_“ -gab. So ging es hin und her. Am 16. machte der Franzose drei wütende -Vorstöße. Den Tag leitete er mit Wirbelfeuer ein wie gewöhnlich. Um elf -Uhr brach er nördlich von Moulin bei der Ferme Quennevie vor. Die -kleinen Vorteile, die er dort errang, nahmen ihm unsre Grauen am Abend -wieder ab, und somit war es wieder nichts. Ein Angriff etwas südlicher -scheiterte. Um drei Uhr nachmittags griff er zum dritten Male an diesem -Tage an. In dichten Kolonnen stürmte er vor, kühn und tapfer, aber der -Sturm brach in unsrem Infanteriefeuer zusammen. - -In den ersten Tagen des Angriffs hatte er schwere Verluste, am 16. aber -ungeheure. Ein kleines Grabenstück, das nicht den geringsten Wert hat, -war das Resultat der vierzehntägigen Schlacht, die, wie mir mein hagerer -Oberleutnant versicherte, heißer war als die Schlachten bei Soissons und -Vailly. Sie ist noch nicht ganz zu Ende, es flackert immer noch auf da -oben – aber eines ist gewiß: so wenig es Joffre gelang bei Arras -durchzubrechen, so wenig gelang ihm sein verzweifelter Versuch bei -Moulin-sous-Touvent. Und er wird ihm nicht gelingen. Er mag anklopfen, -wo er will, immer wird er auf die gleichen Leute stoßen wie bei Arras -und Moulin-sous-Touvent – ob sie nun sächsisch sprechen oder bayrisch -oder märkisch oder schwäbisch – es sind immer die gleichen. Es sind -Kerle, braun und hart wie Erz. - - - - - Granaten auf die Vororte von Soissons - - - Im Juni - -Ich frage, was hat die Granate dort links mitten im Feld zu suchen? Sie -kam heran, ohne besondern Lärm zu machen, und klang wie der Abschuß -irgendeines der Geschütze, die hier in der Umgebung stehen und zuweilen -in den heißen Morgen hineinfeuern. Unsern Ohren muß der Krach -anscheinend aber doch nicht geheuer vorgekommen sein, denn instinktiv -drehten wir alle den Kopf. Nun raucht sie in der grellen Sonne wie der -Qualm eines Kartoffelkrautfeuers. Ein Reiter trabt auf seinem Pferd -feldein. Er reitet in einer Mulde und ist vom Feind nicht einzusehen. -Plötzlich stutzt er, hält das Pferd an und betrachtet den grauweißen -Rauchklumpen im Felde, der sich langsam in die Höhe zieht. Er reitet -weiter, hält wieder an, blickt auf den Rauch, den Himmel, das Feld -ringsum und auf unser Auto. Er dreht bei, siehst du wohl, und macht sich -langsam und in aller Ruhe davon. - -Auf dem Felde ist nichts zu sehen, es ist unberührt, hier war nie etwas, -weder ein Graben noch eine Batterie. Ohne Zweifel, die Granate galt uns, -aber sie fiel zu kurz. Wir halten auf der weißen, sonnigen Landstraße, -über das Feld ragen Höhenzüge empor, und dort sitzt der Franzose mit -seinen Fernrohren. Der Hauptmann, der mich fährt, mager und geschmeidig -wie ein Panther, spitzt die Ohren, horcht auf die Abschüsse und äugt -durch das Monokel auf das öde heiße Feld, um den nächsten Einschlag zu -beobachten. Nichts mehr. Sie wollten uns nur andeuten, daß sie immerhin -noch da seien und alles sähen. - -Wir fahren weiter. Es ist das Prinzip meines Hauptmanns „lieber etwas zu -riskieren, als zuviel zu laufen“. So sagt er. Gestern schleppte er mich -bei einer Höllenhitze quer über die Abhänge bei Vailly, und hier gab es -Striche, die nackt vor den Franzosen dalagen. Mit dem bloßen Auge -konnten sie uns sehen. Da hieß es dann trab, trab, eins, zwei, drei, -hundert Schritte Abstand und hinüber. Zuletzt kamen wir auf eine -kalkweiße Landstraße auf der leeren Höhe, von der wir uns wie -Tintenflecke abhoben. Wir mußten schließlich in ein Rübenfeld hinein und -durch die hochgeschossenen Samenstauden hindurch. Gelb, wie von -Insektenpulver zugedeckt, tauchten wir wieder auf. Selbst das Monokel -des Hauptmanns war gelb. Der Schweiß lief uns übers Gesicht. Das nannte -mein Hauptmann „abschneiden“. - -„Lieber ein bißchen riskieren, aber nur keine Umwege.“ So ist er also -und nicht zu ändern. - -Diese Felder ringsum, die in der mörderischen Sonne zittern, sind das -Schlachtfeld von Soissons. Soissons? Es klingt schon, als wäre es in -einem andern Krieg gewesen. So lange ist dieser Krieg! Hier gingen sie -vor, im Januar ... Die Felder sind verlassen und öde. Die Rüben sind ins -Kraut geschossen, der Weizen ist von selbst gewachsen und steht -dazwischen in langen Halmen. Ein grellrotes Feld von Mohn. Verwildert -und verwahrlost sehen diese Felder aus, kein Mensch, kein Tier. Wie ein -verfluchtes Land, das kein Fuß mehr betritt. Die Hitze kocht darüber, -und die Halme stehen regungslos, wie tot. Die Felder haben einmal den -wilden Lärm gehört: Keuchen und Schreien, Röcheln, Kommando, Granaten -und den lauten Fall von vielen Männern. Nun aber schweigen sie. Die -Toten ruhen unter der Erde. Hier! Sie ruhen unter der Erde, ja, aber sie -sind nicht vergessen! In der Sonne kann ich sie ja stehen sehen, im -grellen, lichten Tage, die Mütter, Bräute und Schwestern, die -hierhergekommen sind auf diese heißen Felder, ohne Regung stehen sie und -weinen leise und können es noch immer nicht fassen, daß ihre Lieben -unter dieser Erde ruhen. So stehen sie, die Frauen, ich sehe sie -deutlich, und so werden sie noch viele Jahre stehen und leise weinen, -bis sie selbst in die Erde sinken. Aber noch nach fünfzig Jahren werden -einzelne hier stehen, bis es nach sechzig, siebzig nur noch eine einzige -ist, und auch sie wird in diese Erde hineinsinken. Und auch dann sind -sie noch nicht vergessen, die Toten von Soissons. Verflucht und verrucht -wäre Deutschland, vergäße es sie je! Einer, nach tausend Jahren, schlägt -ein Buch auf, und was schreit ihm entgegen? Schlacht bei Soissons, 11. -bis 15. Januar 1915, Regimenter, Bataillone, Divisionen, Kommandeure und -Generale, der Steinbruch, La Perrière, Crony, das Zuavenwäldchen – und -er, der in einer glücklicheren Zeit lebt, der Kriege so fern sind wie -uns Hexenverbrennungen, er wird der Toten von Soissons gedenken. - -Die Gräben und Sappen sind überwuchert von Kräutern und blühenden -Wicken. Sie sind heiß wie Backöfen. Hier ist der Steinbruch, Sandsäcke, -Barrikaden, alles ist noch da. Selbst die Sturmleitern, acht Meter hoch -und sechs Meter breit, stehen noch an Ort und Stelle. Hier mußten sie -hinauf und vor! Hinein in das zischende Feuer. Hier ist der Verhau des -sächsischen Scharfschützen, der vom grauenden Morgen bis in die sinkende -Nacht hier hockte und gar keine Zeit für etwas andres hatte, selbst das -Essen ließ er sich bringen. Zerschmetterte Bäume. Ein Haus, durch das -ein „großer Minenhund“ ging und es glatt zerlegte. La Perrière. -Zerschossen und ausgestorben. - -„Sehen Sie her, hier unten liegen die Schwarzen!“ - -Eine Schlucht wie ein tiefer, runder Brunnen. Ein breiter Erdhügel hebt -sich daraus, nahezu hoch bis zur Straße, Sand, Erde, Schmutz, Moder. -Darunter liegen sie. Man mußte sie aus dem Wege räumen und warf sie -hinein, die Schwarzen, es waren viele. Chlorkalk und Erde darauf, und -fertig war die Sache. Unten bei Berry-au-Bac sah ich an zweitausend -Schwarze vor unsern Stellungen liegen. Sie waren noch unbeerdigt. So ist -der Krieg. Eine Fliege kommt aus dem Brunnen und brummt mich an. Sie -wohnt da unten bei ihnen. Ich fahre zurück. Grauen und Entsetzen trägt -die schmutzige Fliege auf ihren kleinen Flügeln mit herauf. Sie ist die -Seele der Schwarzen und kommt herauf, um Protest zu erheben dagegen, daß -ich hinuntersehe. Fort mit dir! An meinem Schritt schon hat sie erkannt, -daß hier ein Weißer kommt. Sie ist zornig und hartnäckig und treibt mich -in die Flucht. Ich lasse die Schwarzen allein mit ihrer Fliege. Sie ist -alles, was sie haben. - -Gräber. Eine ganze Reihe. Es sind die Unsrigen. Die Granaten haben in -letzter Zeit die Kreuze etwas zerzaust und schief geschlagen. Das ist -den Toten einerlei. Die Höllenmaschinen dieser Erde können ihnen nichts -mehr anhaben. - -Dicht neben dem Friedhof hat sich ein Major eine Baude gezimmert. Die -Decke, der Plafond besser gesagt, besteht aus zwei gehäkelten -Bettdecken, die eine Art Baldachin bilden. Ein vergoldeter Sessel, -Empire, sehr nobel. An der Wand ein Öldruck: _Salut aux blessés_. -Französische Offiziere, hoch zu Roß, an einer Landstraße. Ein Trupp -deutscher Gefangener wird vorbeigeführt. Die Gefangenen sind große, -blonde Männer, verwundet, die Offiziere lüften das Käppi. Der Major ist -ein Mann von Welt und zieht sofort eine Flasche auf. Leider kann er uns -keine Zigarren anbieten. Sitzt er da gestern hier in seinem Sessel, sein -Wachtmeister dort, auf dem Tisch stehen die Zigarren, kommt ein -Granatsplitter angefegt und zerschlägt ausgerechnet die Zigarren. An der -Wand sind Bretter und Stäbe zersplittert. - -Mein Hauptmann entschließt sich nun doch, das Auto stehen zu lassen. Er -kann schließlich nicht bis in die Gräben fahren. Es geht bergan. -Wegweiser, Holzbrettchen mit Aufschriften: Batterie X, Geschütz Y, -Beobachtungsstand Z. Dahin wollen wir. Auf Schleichwegen gelangen wir -ans Ziel. - -Der Beobachtungsstand Z. ist keineswegs so nobel wie die Baude des -Majors unten. Er ist ein dunkles Erdloch. Eine Ruhebank, ein Stuhl, ein -Telephonapparat, das ist die ganze Einrichtung. Zwei Schatten hausen in -der dunklen Höhle. Ein Offizier und ein Soldat. Verbeugungen -gegenseitig, ein Händedruck, wir sind zu Hause. - -Hier ist es kühl und schattig. - -Durch einen Spalt, einen knappen Meter lang und eine Spanne hoch, fällt -das Licht des Tages. Vor dem Schlitz steht das Scherenfernrohr. Wie ein -eleganter Teufel auf dünnen Spinnenbeinen, mit grauen, dicken Hörnern. - -Und da unten, zum Greifen nahe, liegt _Soissons_! - -Eine Stadt! Dicht aneinandergedrängt stehen Häuser und Giebel, -schiefergrau und staubig rostgelb. Man blickt in Straßen hinein, kann an -den Krümmungen der Giebelreihen das Gewimmel von Straßen, Gassen und -Plätzen haarscharf erkennen. Aus der Stadt erheben sich Kirchen und -Türme, auffallend hoch, denn selten sieht man eine Stadt aus der Höhe. -St. Jean des Vignes, zwei spitze Türme, einer etwas niedriger als der -andre, Gotik, alles ganz genau. Rechts davon die Kathedrale. Sie scheint -einfacher gehalten zu sein. Der stumpfe Turm leuchtet in der Sonne. Oben -rechts ein weißer Fleck. Ein Loch? Durch das Glas sieht man, daß eine -Granate in den Kantenpfeiler gefahren ist. Es ist weiter nicht schlimm. -Regierungsgebäude, langgestreckt und ehrwürdig grau, Schuppendächer beim -Bahnhof, Fabriken. Mit bloßem Auge sieht man die einzelnen Fenster, mit -dem Glas die Fensterkreuze. Die Stadt aber ist tot. Kein Fenster blinkt -beim Schließen oder Öffnen, kein einziger der Kamine auf den Giebeln -raucht. Auch nicht eine Spur von Leben, und doch hausen Tausende von -Menschen in der stillen Stadt. Sie stellt sich tot, nur in der Nacht, -wenn es ganz finster ist, kann sie ein wenig Atem holen. Die Vororte -strahlen von ihr aus in das grüne Tal der Aisne. Neue Häusergruppen, -Schuppen, Fabriken. Eine leuchtend gelbe Fabrik auf dem ansteigenden -Hang hinter der Stadt, blendend in der Sonne wie ein Schloß. - -Breit und sonnig liegt das Flußtal. Ein paar Krümmungen der Aisne -blitzen in der Sonne. Erlengebüsche, Baumgruppen, Dörfer und die Hügel, -grün, zum Teil bewaldet. Hoch oben und fern ein paar Häuser. Alles -schweigt. Ein paar Geschütze feuern zuweilen, sonst regt sich nichts. -Unten, in Deckung, hantieren Leute, so groß wie Fliegen. Es sind -Feldgraue. Einer sägt Holz. Straßen, staubige Landstraßen, die sich aus -Soissons emporwinden, ohne Leben. Ich streiche mit dem Scherenfernrohr -die Hügel ab, die Landstraße, Hänge und Wäldchen, vielleicht sehe ich -einen Menschen von Baum zu Baum huschen, oder einige – eins, zwei, drei -und hinüber. Nichts. - -„Sehen Sie denn nichts?“ frage ich den Offizier. - -„Nein, gar nichts. Vor einer Viertelstunde sah ich einen Mann im Feld. -Heute morgen hoch oben ein Reiter.“ - -Wo der Fluß blinkt, im Feld, sind die Gräben. Man sieht die gelben -Striche mit dem bloßen Auge. Aber selbst mit dem ausgezeichneten Glas -kann man keine Spur von Leben in den Gräben entdecken. Bei der -Baumschule dort, an einer Telegraphenstange, hängt eine französische -Flagge. Sie wurde heute nacht angebracht. - -Plötzlich aber entdecke ich doch etwas! Aus einem grauen Dorf, gerade -gegenüber, einem Vorort, steigt eine runde Wolke wie von Wasserdampf. -Aber nichts regt sich, keine Seele. Das Dorf scheint verlassen. Die -Wolke verdichtet sich, reckt sich höher, es kommt Leben in sie, Nahrung, -die Granate hat gezündet. Fünf Minuten und sie wächst und wächst. -Plötzlich aber wird sie rasch kleiner und kleiner: es sind also doch -Menschen dort in dem toten Dorf! Französische Reserven liegen dort. - -Es kracht in der Nähe. Abschuß! Eine Granate rauscht und gurgelt über -unsre Köpfe hinweg, hinüber nach Soissons. Die Sekunden vergehen. Wo -wird sie aufschlagen? Eine weiße Wolke, dort bei den roten, neuen -Schuppen. Dann erst der scharfe Knall des Aufschlags. Die Schuppen sind -die letzten Häuser des Vororts St. Paul. Nichts regt sich, kein Mensch -erscheint, um nachzusehen, was die Granate hier bei den Schuppen will. -Die weiße Wolke zerstiebt. - -Abschuß! Mächtig schleift die Granate durch die Luft. Sie schlägt vor -den Schuppen in eine Baumgruppe ein. Die Bäume rauchen. Plötzlich röhrt -und rauscht es näher über dem Unterstand. Bekommen wir Antwort? Nein. -Der Abschuß fiel mit dem Krach der einschlagenden Granate zusammen. Eine -graue Wolke hängt über der Baumgruppe, ein gespenstischer, grauer -Oktopus, der seine Fangarme langsam nach den Bäumen ausstreckt. Ein -Schrapnell. - -Soissons aber liegt und regt sich nicht. Wie die Gazelle vor den Augen -des Tigers liegt es da. - - - - - Fliegerangriff auf Fesselballone - - - Im Juli - -Gegen sieben Uhr abends fahren wir, der Rittmeister v. B. und ich, in -das Arbeiterdorf X. Y. ein. Wir haben hier zu tun. Der Rittmeister läßt -halten, um nebenher einem Bekannten guten Tag zu sagen. Kaum ist er -fort, so gibt es einen Knall. Was ist los? Ringsum schlagen die -Geschütze, und ich beachte den Knall nicht weiter. Aber Leute und Kinder -laufen zu einer Stelle neben der Straße. Oben brummt ein Motor. Ein -Flieger hat eine Bombe geworfen! Sie fiel zweihundert Meter vor dem Auto -nieder, und es ist gut, daß wir zufällig hielten. Ein Arbeiter wird -weggeführt. Erschrocken und verstört sieht er aus. Ein Splitter hat ihn -am Arm verletzt. Er rauchte gerade seine Feierabendpfeife ganz friedlich -und dachte an nichts. Da kam die Bombe aus der Luft. „Ist die Verletzung -schwer?“ frage ich einen Arzt. „Nein, nein, eine Kleinigkeit.“ - -Ein Rudel von Kindern hockt um das Loch herum, das die Bombe schlug. Sie -graben mit ihren schwarzen Pfoten, hastig und gierig wie Hunde, ob sich -nicht irgend etwas findet. Die Splitter haben Fetzen aus den -geschwärzten Backsteinmauern geschlagen. Eine Mauer ist wie von scharfen -Krallen zerkratzt. Man kann genau den Streuungskegel feststellen. In -zwanzig Meter Entfernung schlugen die Splitter einen knappen Meter hoch -ein. - -Der Rittmeister kommt zurück. „Was ist los?“ - -„Ein Flieger hat eine Bombe geworfen.“ - -„Nicht möglich!“ Er lacht vergnügt und gleichmütig und blickt durch das -Monokel zum heißen Himmel empor, wo eine Gruppe von Schrapnellwölkchen -steht. Er hat nicht einmal den Knall gehört. Wir trennen uns. Ich will -einen Regimentskommandeur besuchen, und der Rittmeister hat Geschäfte -irgendwo in der Nähe. Die Kinder wühlen noch immer in dem Bombenloch. -Ich bin keine hundert Schritte an ihnen vorbei, als mich ein Offizier -anruft. „Nehmen Sie Deckung. Ein Flieger kommt. Er wird gleich werfen.“ -Ah, schon wieder einer! Er hält direkten Kurs auf mich zu, ganz, als -wolle er mich persönlich aufsuchen. Schon hört man seinen Motor summen, -gleichmäßig und wundervoll brummen die hundert Pferde da oben! Aber ein -Schrapnell platzt dicht vor seiner Nase, und er biegt aus. Dem -Rittmeister indessen hat er, wie ich später erfuhr, eine Bombe in den -Garten geworfen. - -Dieses X. Y. ist ein Bombennest ersten Ranges. Ich wußte es, man hatte -es mir erzählt, aber ich hatte nicht recht daran geglaubt. Weshalb -gerade dieses Arbeiterdorf? Nun, überall bilden sich Gewohnheiten aus! -Es liegt auf dem Wege Souchez-Douai, genau in der Mitte, und die -Luftstraße geht darüber hin. Es bekommt seine Bomben, früh und abends, -und die Bomben gehören zu X. Y., ganz wie der Geschützdonner und das -Schnarren und Trompeten der Automobile. Wenn die Franzosen nach Douai -fliegen, so werfen sie eine Bombe ab, und alles, was sie in Douai nicht -an den Mann bringen konnten, aus irgendeinem Grunde, bekommt X. Y. auf -dem Rückwege. Das schmutzige und schwarze Fabrikdorf hat im Grunde -genommen nur eine einzige, schnurgerade Straße, die Chaussee. Diese -Chaussee steuern die Flieger an, und wenn sie in genauem Kurs -darüberliegen, so werfen sie den Vogel über Bord. X. Y. hat seine Bombe. -Da man aber den Trick kennt, so nimmt man Reißaus, und infolgedessen -passiert verhältnismäßig wenig. Freilich, wenn man seine Feiertagspfeife -raucht und gemächlich auf der Chaussee herumstochert, so kann die Sache -schlecht ausgehen. - -Ich blieb eine halbe Stunde bei dem Regimentskommandeur, und als ich -wieder auf die Straße trat, war eine wütende Knallerei ausgebrochen. Der -ganze Himmel stand voll Schrapnellwolken. Was war geschehen? Ja, auf den -ersten Blick konnte man es sehen: Während ich bei dem Kommandeur saß und -plauderte, waren zwei Fesselballone hochgegangen und feindliche -Flugzeuge griffen sie an. Der eine der Ballone stand etwa einen -Kilometer weit entfernt, der andere aber stand nahezu über meinem Kopfe, -etwas westlich vom Dorf. Er war drei- bis vierhundert Meter hoch, -vielleicht höher, und leuchtete hell in der Abendsonne. Die Luftströmung -hatte ihn herübergetrieben, ich sah zuweilen das schrägstehende -Drahtseil aufblitzen, das ihn festhielt. Deutlich sah ich den Korb, und -daraus kam etwas Rundes hervor, das war der Kopf des Beobachters. Da saß -er nun hoch oben, beobachtete die Einschläge der Geschosse, -telephonierte, dirigierte. Ganz wie er, saß drüben der andere, und beide -lasen in den feindlichen Höhenzügen wie in einem aufgeschlagenen Buch. -Das war ihnen ein bißchen zuviel! Augenblicklich kamen ihre Flieger -herbei. Zuerst sah ich nur einen. Winzig, wie eine goldene Libelle, kam -er auf den entfernteren Ballon zugeflogen. Jeden Moment verlor ich ihn -aus den Augen, so stand er im Licht. Die platzenden Schrapnelle, hoch -oben, nicht größer als ein Kopf, zeigten seine Bahn. Es waren zwanzig, -dreißig, er sollte auf keinen Fall herankommen und den Beobachter im -Korb stören! Eine ganze Wiese von Schrapnellwölkchen stand da oben. Sie -entstehen ganz urplötzlich am blauen Himmel, haarscharf ausgeschnitten, -sind rund wie eine Kugel, aus der langsam der Rauch tropft, schimmern -und opalisieren wie feinster Zigarettenrauch. Lieblich und unschuldig -sehen sie aus, oft berauschend schön. Die goldene Libelle aber flog -näher, unbekümmert und frech, in dreitausend Meter Höhe. Plötzlich, nahe -über dem entfernteren Ballon angelangt, blitzte sie breit und golden -auf. Sie hatte eine Kurve gemacht, stach in die Tiefe und schoß nun -direkt auf unseren Ballon zu. Aber unsere Kanoniere schliefen nicht! Die -Granaten fauchten über das Dorf hoch, eine hinter der anderen her, immer -rascher und wütender, und ein Dutzend blitzender Messer und Dolche, wie -von einer Kanone hochgeschossen, zuckten um die Libelle auf. In der -nächsten Sekunde schon hatten sie sich in schöne, grünlich schimmernde -Wölkchen verwandelt. Die Libelle wich nach Norden aus, überflog in -rasender Fahrt, brummend und surrend, das Dorf und stieg in einer großen -Spirale hoch. Die Dolche folgten ihr blitzend und funkelnd, sie stieg -und stieg und nahm Reißaus. Plötzlich aber drehte sie bei und kam mit -direktem Kurs zurück! - -„_Voilà un autre!_“ - -Das ganze Dorf steht auf der Straße und sieht zu. Ein Arbeiter in -Hemdärmeln, unter der Tür einer Kneipe, deutet in die entgegengesetzte -Richtung. Seht an, ein zweiter! Ich sehe nur das Feld von -Schrapnellwölkchen, ein Rudel, zu dem immer neue kommen, aber der -Arbeiter hat die Maschine gefunden. Rechts neben dem Schlot, über den -drei kleinen Wolken, die dicht beisammen stehen! Richtig. Klein und zart -wie eine Schwalbe zieht sie näher. Sie hat es nicht auf unsern Ballon -abgesehen, sondern auf den anderen. Sie bekommt Feuer von allen Seiten, -und ein Streifen des blauen Himmels ist wie mit Lämmerwölkchen bedeckt. -Sie kann nicht heran und zieht meilenweite Kreise. Unten an der Straße -verschwinden die Leute in den Häusern: es sind Sprengstücke von den -Abwehrgeschützen heruntergekommen. - -Aber wir haben die Libelle ganz außer acht gelassen. Plötzlich steht sie -wieder über dem Dorf. Sie ist von hinten heimtückisch wieder -herangeschlichen. Unsere Kanoniere aber behielten sie wohl im Auge. Über -dem Dorf bekommt sie Feuer und muß höher gehen. Sie biegt aus, kommt in -einem kühnen Bogen zurück, und es gelingt ihr, unseren Ballon zu -überfliegen. Aber in solch enormer Höhe, daß es sinnlos von ihr wäre, -eine Bombe zu werfen. Das ist ja der Sinn der Beschießung. Trifft man -sie auch nicht, so sollen sie wenigstens hochgehalten werden. Sie macht -sich davon wie das erstemal, klein wie ein Punkt sieht sie jetzt aus, -aber sie kehrt wiederum zurück. - -Nach Süden zu, noch ferne, erscheinen ebenfalls Gruppen von -Schrapnellwölkchen. Zwei Striche, ja nichts anderes als zwei feine -Gedankenstriche untereinander, kommen heran. Ein Doppeldecker. In -unerhört rascher Fahrt zieht er näher. In den heißen Luftschichten -scheint er manchmal etwas höher und manchmal etwas tiefer zu stehen. -Durch irgendwelche höllische Künste gelingt es ihm, sich streckenweise -vollkommen unsichtbar zu machen. Unsere Geschütze legen eine Barriere -von Schrapnellen vor ihn, aber das ist ihm ganz einerlei. Er kommt -heran, unwiderstehlich und kühn, fliegt zwischen den Ballonen hindurch -und fegt in abenteuerlicher Höhe über meinem Kopf hinweg. Über dem Dorfe -macht er halt! Das heißt, er legt sich in die Kurve, daß er nahezu auf -den Flügelkanten steht, und kommt, ehe die Geschütze sich neu einstellen -können, den gleichen Weg zurück. Eine ganze Lage sitzt falsch! Er -überfliegt unsern Ballon und stürzt sich auf den anderen. Man muß es -zugeben, es sind _Leute_, die da oben in den Apparaten sitzen! - -Nunmehr ist aber auch die Libelle zurückgekommen. Grau und unscheinbar -sieht sie aus. Sie fliegt viel niedriger und scheint es nun ernst zu -meinen. - -Der Kampf geht weiter. Die Schrapnelle platzen, und die Geschütze speien -ganze Kurven von blitzenden Dolchen in den blauen Himmel. Die Flugzeuge -suchen ein Loch, um durchstoßen zu können, um ihre Bombe anbringen zu -können mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Erfolg. Kühn und großartig -versuchen sie es wieder und wieder, man muß es ihnen lassen. - -Gleichgültig und stumpf stehen die Ballone währenddessen am Himmel, als -gehe sie die ganze Sache nichts an. Sie rühren sich nicht. Sie sind wie -fliegende Elefanten, denen es gegeben ist, an Ort und Stelle in der Luft -stehen zu bleiben. Die Beobachter sitzen und telephonieren und -dirigieren, während die Geschütze feuern. Sie würden sitzen und -beobachten, wenn der Himmel über sie herabbräche. Es muß sein, und so -tun sie es, ohne überhaupt ein Wort darüber zu reden. - -Die Libelle scheint, wie ich sagte, nunmehr ernste Absichten zu haben. -Sie steuert unseren Ballon kaltblütig und tollkühn an, in zweitausend -Meter Höhe, trotz des wütenden Feuers. Plötzlich platzt ein Schrapnell -unmittelbar rechts von ihr. Sie blitzt golden auf, wendet und zieht -schnurstracks nach Hause! Sie ist getroffen. Ja, die Libelle ist fertig. -Sie streckt die Flügel, so sehr es geht, aber es gelingt ihr doch nicht -mehr, über unsre Linien zu kommen. Sie muß landen und ist gefangen. - -Der rasche Doppeldecker und die kleine Schwalbe, die ich immer wieder -aus den Augen verlor, setzen die Angriffe fort. Nur noch wenige Minuten, -dann kommt ein neuer, sehr rascher Doppeldecker dazu. Er überfliegt in -großer Höhe das Dorf, unsern Ballon – aber er bekommt kein Feuer. Es ist -einer von uns, ein Kampfflugzeug. Die Franzosen haben ihn gesehen, er -ist rascher und stärker als sie, es wäre Unsinn, sich mit ihm -einzulassen. Zwei von den ihrigen hat er schon ohne viele Umstände -heruntergeschossen. Ehe er noch nahekommen kann, geben sie Fersengeld. -Sie entfliehen in einer Gabel, der Doppeldecker nach Westen, die -Schwalbe nach Südwesten. Der Kampfflieger jagt in der Mitte hinter ihnen -her, um einen, wenn möglich, abzuschneiden. Die Schwalbe wird zu einem -dunkeln Punkt, der Doppeldecker zu zwei goldenen, feinen Strichen. Der -Kampfflieger verblaßt. - -Nun aber bekommt er Feuer, von der Lorettohöhe herüber. Schmutziggraue -Tupfen stehen unter ihm. Es hat keinen Zweck mehr, er macht kehrt. In -toller Fahrt, brummend und summend, fliegt er über das Dorf zurück. Wie -eine Bulldogge, die ein paar Kläffer in die Flucht schlug und nun höchst -zufrieden nach Hause galoppiert. Die Schrapnellwölkchen zerfließen am -Himmel. - -Im Westen, ferne, steht ein Feld safrangelber Schrapnelltupfen. Ein -später Flieger, der Feuer bekommt. - -Über die Lorettohöhe steigt die erste bleiche Leuchtkugel empor. Die -Geschütze schlagen lauter. Die Nacht kommt. - - - - - Der gefangene Sozialist - - - Im Juli - -„Ist der Schriftsteller hier? Er soll vortreten!“ - -Der Knäuel der Gefangenen kommt in Bewegung. Ein brauner, -breitschulteriger Soldat in verstaubtem, blaugrauem Mantel tritt vor. -Sein derbes Gesicht ist heiß und schmutzig, seine Hände sind hart und -groß. Sein Blick ist fragend und fest auf mich gerichtet. Er sieht aus -wie ein Soldat, ganz wie die anderen, keineswegs wie ein Mann der Feder. - -„Sie sind Schriftsteller?“ – „Ja, mein Herr. Ich bin Journalist.“ – „Ich -bin ein Kollege von Ihnen und möchte mit Ihnen sprechen.“ – „Zu Ihrer -Verfügung.“ - -Die andern sind stumm und hingerissen vor Neugierde. Sie verlieren -vollkommen ihre militärische Haltung und verwandeln sich in Bauern und -Handwerker, die zuhören wollen und ihre Neugierde nicht verbergen. Sogar -der mit dem verbundenen Kopf ist herbeigekommen und dreht neugierig den -Hals, soweit es seine Verwundung erlaubt. - -„Gehen wir ein wenig.“ Ich winke den französischen Kollegen heran, und -wir gehen in dem heißen Hofe hin und her. - -„Wann wurden Sie gefangengenommen?“ – „Gestern abend. Im Labyrinth. Wir -waren in den deutschen Graben eingedrungen und wurden abgeschnitten. Wir -konnten weder vor noch zurück. Es war nichts mehr zu machen.“ – „Wie -haben unsre Soldaten euch aufgenommen?“ – Er sieht mich an. – „Sie haben -uns als Soldaten behandelt, ganz wie es bei uns zu sein pflegt, wenn wir -deutsche Gefangene machen.“ - -Da vorn, ganz vorn, wo Mann gegen Mann steht, lernt der Soldat den -Gegner achten. Ich sprach einen Feldgrauen, von einem badischen -Regiment, der vierundzwanzig Stunden in französischer Gefangenschaft -war. Er wurde bei einem Patrouillengang abgeknüpft. Wie es ihm drüben -erging? Es ging ihm glänzend! Die Aufnahme war die allerherzlichste. Man -brachte ihn in einen Unterstand, gab ihm Zigaretten, Kognak, Kaffee und -Suppe. Man hänselte ihn ein wenig, aber das kümmerte den Schwaben nicht, -denn er verstand keine Silbe. Es war auch nicht böse gemeint, das konnte -er sehen, alle lachten vergnügt. Ein Offizier fragte ihn, wie der -Kommandeur seines Regiments hieß? Der Schwabe weigerte sich, es zu -sagen. „Na schön,“ sagte der Offizier, „ein rechter Soldat verrät -nichts, hier, rauchen Sie!“ Dem Schwaben ging es, wie gesagt, gut. -Fußtritte und Faustschläge sind auf jeden Fall nicht die Regel. - -„Waren Sie früher Soldat, oder wurden Sie erst im Laufe des Krieges -ausgebildet?“ frage ich den Franzosen und reiche ihm meine Zigaretten -hin. - -„Danke!“ Er verbeugt sich leicht und sein warmer Blick trifft mich. -Seine Hand, hart und derb von Gewehr und Spaten, zittert heftig. Mit der -Wollust des Rauchers zieht er den Rauch in die Lunge und stößt ihn durch -Mund und Nase heraus. „Ich wurde im Januar eingezogen, ich bin -vierunddreißig Jahre alt. An der Front war ich vier Wochen. Soldat war -ich nie gewesen, nein. Ich war froh, daß man mich seinerzeit nicht -tauglich fand. Offen gestanden bin ich nie ein Freund von allem gewesen, -was Militär heißt. Ich bin Sozialist.“ - -„Sie sind Sozialist?“ - -„Ja, ich schreibe für sozialistische Zeitungen und Revuen.“ - -„Vielleicht können Sie mir dann die Stellung erklären, die Ihre -Kameraden und Parteifreunde diesem Kriege gegenüber einnehmen?“ - -„Das kann ich wohl, so in großen Umrissen natürlich nur. Es ist -selbstverständlich, daß wir im Prinzip gegen jeden Krieg waren. Heute -macht man uns Vorwürfe, ob mit Recht oder Unrecht, daß wir die Mittel -zur nationalen Verteidigung beschnitten. Heute ist alles anders -geworden, ohne Frage. Wer hielt diesen Krieg ernstlich für möglich? -Niemand. Zwei Tage vorher lachte man noch darüber. Ich war im Süden, in -Marseille, um die Sitten des Südens zu studieren. Nein, ich glaubte -nicht daran. Wir kämpften gegen die Wiedereinführung der dreijährigen -Dienstzeit. Wir taten alles, was in unserer Macht stand. Aber Sie, Sie -rüsteten immer weiter.“ - -„Glauben Sie nicht, daß wir durch Ihr Bündnis mit Rußland und England -dazu gezwungen wurden?“ - -„Unsere Bündnisse waren eine Folge – aber ich bin weit davon entfernt, -Ihnen und nur Ihnen allein Schuld an dieser Katastrophe zuzuschreiben. -Es wurden überall Fehler gemacht; bei allen beteiligten Völkern. Die -Völker müssen noch viel lernen! Nachdem es zu spät war und die -Katastrophe hereinbrach, waren wir natürlich verpflichtet, uns für unser -Land zu schlagen, genau wie Sie es waren. Es war zu spät. Jaurès wurde -ermordet. Aber auch er hätte das Unglück nicht mehr aufzuhalten -vermocht. Ich wenigstens glaube es nicht. Nur ein Wunder, aber es gibt -keine Wunder mehr in unserer Zeit! Alles ist fürchterlich.“ - -Er schweigt, und wir gehen stumm, jeder in sich versunken, über den -heißen Hof. Müde und gebückt schlürft er neben mir einher, staubig und -schmutzig, die zerknüllte Mütze unordentlich auf das schweißige Haar -gedrückt. Seine Augen sind eingesunken und verquält. Plötzlich gähnt er. -Lange und herzhaft. Und mit derselben erschöpften Miene und dem gleichen -verquälten Ausdruck in den Augen sagt er: „Ich habe eine Frau und ein -Kind. Ich werde sie wiedersehen.“ Nein, er atmet nicht auf bei diesem -Gedanken, er, der die Hölle von Arras lebendig durchschritt, hat noch -nicht die Kraft, sich zu freuen! - -„Sie sind glücklicher als viele andere!“ - -„O ja, mein Herr, gewiß. Aber –“ - -Er findet, daß es zu wenig ist, was er aus diesem Leben gerettet hat, -seine Frau, sein Kind – – - -Ich beginne von gleichgültigen Dingen zu sprechen, um ihn abzulenken, -von Marseille, von den südlichen Provinzen Frankreichs, aber in den -nächsten Minuten sind wir von selbst wieder beim Krieg und der Politik -angelangt. Es geht nicht anders. Unsere Debatte wird lebhafter. Langsam -finde ich mich in seinen Zügen zurecht. Ich taste mich zu seinem -früheren Gesicht durch, wie es aussah, bevor er mit Gewehr und Spaten -arbeiten lernte. Es ist weniger das Gesicht eines außergewöhnlich -klugen, als vielmehr eines aufrichtigen Menschen. - -„Glauben Sie,“ frage ich ihn, „daß das Verhältnis zwischen dem deutschen -und dem französischen Volk in absehbarer Zeit wieder freundschaftliche -Formen wird annehmen können?“ - -Er schüttelt den Kopf und verzerrt die Lippen. „Nein,“ sagt er, „ich -glaube es nicht, leider. Ich kenne Deutschland, ich war in Stuttgart, -München, Dresden. Aber nein. Jahre, Jahre wird es dauern.“ - -„Veröffentlicht Ihre Regierung noch immer keine Verlustlisten? Wie kommt -es, daß Frankreich sich so etwas gefallen läßt?“ - -„Man klagt viel darüber. Aber man hat sich damit abgefunden. Es ist ein -Opfer wie manches andere, aber das französische Volk ist bereit, dieses -Opfer zu bringen.“ - -„Und wie ist die Stimmung im allgemeinen? In Paris? Im Volk?“ - -Er bleibt stehen. „Die Stimmung? Paris? Ich bin seit dem Januar nicht -wieder nach Paris gekommen. Seit ich an der Front bin, seit vier Wochen -habe ich überhaupt nichts mehr gehört. Wir werden hin und her geworfen -und sind seit Wochen ohne jede Verbindung mit der Heimat. Ich weiß -nicht, was in den letzten vier Wochen vor sich ging, von rein -kriegerischen Ereignissen abgesehen. Ich weiß nur, daß unser Volk mutig -ist und unerhörte Opfer bringt, weil es sein muß. Auch bei Ihnen zu -Hause wird die Stimmung ja keineswegs rosig sein, wir haben den Feind im -Lande, wir leiden mehr unter dem Krieg, das ist nur natürlich. Dieser -Krieg hat Frankreich sehr unglücklich gemacht, ich brauche Ihnen das -nicht erst zu sagen. Die Stimmung bei uns, mein Herr, soweit ich -urteilen und beobachten kann, ist – nun, sie ist keineswegs glücklich.“ - -Eine Viertelstunde später stehe ich vor einem gefangenen französischen -Offizier. Er ist rasiert, gewaschen und gebürstet, ein schöner junger -Mann mit edel gezeichnetem Gesicht und klaren, klugen Augen. Man -erzählte mir, daß er sich hervorragend geschlagen habe. - -Klar, ohne Pose, ohne den leisesten Verdacht von Hochmut und -Provokation, im schlichtesten und natürlichsten Ton der Welt versichert -mir dieser Offizier: „Die Stimmung in Frankreich ist ausgezeichnet. Nie -war sie besser. Wir werden uns bis zum letzten Mann schlagen. Vergessen -Sie nicht, mein Herr, daß unser Heer nicht mehr jenes vom Anfang des -Krieges ist. Es ist reformiert, es wird besser mit jedem Monat!“ - - - - - Die Grabenkämpfe bei Souchez - - - Im Juni - -Ich habe sie gesehen und gesprochen, sie, die sich da draußen schlagen, -in den Gräben von Souchez. Sie sind in Ruhe. Heute nacht müssen sie -wieder hin. Die Straßen und Wege liegen nachts unter Feuer. Die Granaten -krachen und flammen wie Höllengeister. Da müssen sie hindurch. Dann sind -sie in Souchez. Was ist Souchez? Es ist ein Nest, ein Dorf, das niemand -kannte und das nun viele nie mehr vergessen können. Es ist gezeichnet -für immer, wie Gravelotte und Wörth. Wenn die Hölle Buch führt, so wird -sie auch den Namen Souchez eingetragen haben, denn er kann sich sehen -lassen neben den andern. - -Souchez ist heute zusammengeschossen. Die Häuser verließen ihren Platz -und sprangen auf die Straße. Man räumt die Trümmer zur Seite, aber es -sind immer wieder neue Trümmer da. Durch Souchez fließt ein Bach, der -Carencybach. Die Granaten haben sein Bett zerwühlt, durch das er hundert -Jahre lang und länger friedlich rieselte und gluckste, sie haben die -Ufer zerstampft, so daß er verzweifelt sein Bett verließ und sich einen -neuen Weg durch die Granattrichter suchte. Trüb und lehmig ist er -geworden. Er verbirgt seine Geheimnisse. - -Sind die Grauen durch den Schlamm gewatet, so sind sie noch lange nicht -da. Die Gräben liegen ein paar hundert Meter ab vom Dorf. Hier liegt ein -Feuerriegel. Die Erde öffnet sich und speit haushoch Feuer und Qualm. Da -müssen sie hindurch! Hier gibt es keine Annäherungsgräben, er da droben -auf der Lorettohöhe läßt es nicht zu. Übers freie Feld heißt es hier und -hinein in den Graben. Nun erst sind sie da! - -Aber vorläufig haben sie noch ein paar Stunden Zeit und machen sich -keine Gedanken. Sie sind alle sauber gewaschen und gebürstet, braun wie -Nüsse, und die Hitze schält ihnen die Haut von Nase und Ohren. Ihre -Uniformen sind eine Geschichte für sich. Sie waren alle einmal grau, nun -aber sind sie verschossen, ausgewaschen und ausgeschwefelt. Bei Gott, -man sieht es ihnen an, daß sie nicht in der Etappe saßen! Der rote -Streifen der runden Mützen ist mit grauem Tuch vernäht, die Mützen -sitzen alle tief in der Stirn, so gehört es sich. Es sind Grabenleute. -Der Feldwebel aber sieht aus, als käme er gerade vom Schneider. Kein -Flecken. Seine Hände sind gepflegt, und mit dem spitzen Nagel des -kleinen Fingers zeigt er mir auf der Karte ihre Stellung. Vielleicht war -er in seinem früheren Leben Lehrer oder Kaufmann, ich weiß es nicht. Er -ist jetzt Soldat, und er ist so sehr Soldat, daß ich ihn zu fragen -vergaß. - -„Hier also ist unsere Stellung. Dieser Graben.“ Es ist ein rechter -Winkel, und sein Fingernagel deutet auf den der Lorettohöhe zugewandten -Schenkel. „Wir bekamen schweres Artilleriefeuer, Wirbelfeuer, den ganzen -Tag über lag es auf dem Graben. Von sieben Uhr morgens bis neun Uhr -abends. Achtundzwanziger! Der Graben sah aus, als wenn ein Dampfpflug -ihn eingeebnet hätte. Wir sahen nichts mehr und wir hörten nichts mehr. -Wir hatten natürlich Verluste. Anders geht es nicht. Zurück gibt es -nicht! Eine 28er schlägt neben mir ein, jagt in die Höhe. Es ist nicht -so schlimm. Der Graben ist zugeschüttet. Auch ich bin verschüttet. (Er -war also verschüttet, aber keinem seiner Fingernägel hat es etwas -getan!) Niemand glaubt, daß noch ein menschliches Wesen im Graben -existieren kann. Um neun Uhr springt das Feuer zurück, hinter den -Graben, damit keine Reserven herankommen können. Aha! Es geht los! Unser -Leutnant, noch keine neunzehn Jahre alt, schreit. Es ist wie in einem -Ameisenhaufen. Überall krabbelt es. Sie kommen alle heraus. Die meisten -Gewehre sind unbrauchbar geworden. Also Handgranaten. Die Franzosen -kommen heran. Es fällt hier ziemlich ab, und sie kommen rasch herunter. -Die Handgranaten fliegen. Wir stehen hier, in den Granatlöchern, und der -Rauch ist so dick, daß keiner den andern mehr sieht. Eine neue Kolonne -stürmt. Sie denken, wir sind erledigt, aber wir, wir schreien Hurra! Wir -brüllen und johlen, ja wir jodeln und lachen. Da stutzen sie doch. Nun -aber sehe ich, daß sie von da her kommen, sehen Sie!“ Er deutet auf den -Scheitelpunkt des Winkels. Hier stoßen die beiden deutschen Gräben -zusammen, rechtwinklig, der Schenkel zur Lorettohöhe und der Schenkel -gegen die Zuckerfabrik. Man darf aber nicht glauben, daß es mit dem -Scheitelpunkt zu Ende ist! Dort ist eine Barriere, und dahinter setzt -sich der Graben fort. Dieser Abschnitt gehört den Franzosen. So ist es -hier! Aber, wie gesagt, aus diesem Abschnitt klettern die Franzosen -heraus. Er sieht sie, im Rauch, wie sie herausquellen ... - -‚Ein Mann vor mit Handgranaten!‘ - -Nun, ein Mann geht vor, zum Scheitelpunkt, und wirft Granate um Granate -in die herausquellenden Franzosen. - -„Wer war es doch gleich? Ist er nicht hier?“ - -„Ich war es.“ - -„Na, dann erzähle du!“ - -Es ist ein schlesischer Landwirt, ein Bauer, und seine Uniform ist -olivengrün geworden da draußen. - -„Ja, also, ich nehme den Arm voll Handgranaten und pfeffere hinein, wie -es eben trifft. Sobald sie wiederkommen, schmeiße ich. Dann bin ich -fertig mit den Handgranaten, und nun heißt es: fort! Ich laufe quer über -das Feld, ohne jede Deckung. Sie schießen hinter mir her, sie treffen -mich aber nicht. Ich springe hinten in den Graben.“ - -Gut hat er seine Sache gemacht, man muß es ihm lassen! Hoffentlich -bekommt er das Kreuz! Er erzählt schlecht, er stottert, er schämt sich, -zu berichten, was er tat, weil alle ihn ansehen und grinsen. - -„Na, nun war nichts mehr zu machen. Nun kamen sie.“ Der Feldwebel mit -den gepflegten Fingernägeln und blanken Augen blickt sich im Kreise um. -„Wer hat übrigens das Grabenstück besetzt gehabt? War das nicht die –?“ - -„Wir!“ Ein junger Bursche mit runden Augen, knapp zwanzig, die Mütze bis -zur Nasenwurzel, Flaum auf den braunen Backen, tritt vor. - -„Warum habt ihr das Grabenstück geräumt? Ihr habt ja das Loch -aufgemacht!“ Die Augen des jungen Feldwebels blicken vorwurfsvoll auf -den Bauernjungen. - -Der Bauernjunge bekommt einen roten Kopf. Er ist Soldat und hat seine -Ehre. „Wir waren zusammengeschossen, Herr Feldwebel. Der Graben war – es -war überhaupt nichts mehr da.“ - -Der Feldwebel wird spöttisch. „Aber das ist doch kein Grund -zurückzugehen?“ - -„Wir waren nur noch zwölf. Wenn wir so viel waren.“ - -„Zwölf? Ja, wieviel glaubt ihr denn, daß wir waren? Wenn ihr natürlich -gleich das Loch aufmacht –?“ - -„Wir hatten Befehl –“ - -„Na, schön. Bei uns gibt es das nicht. Also nun kamen sie, durch das -Loch, das die da (!) aufmachten – nun kamen sie also. Sie kamen ganz -langsam daher. Sie dachten, die Sache ist in Ordnung und es ist weiter -nichts zu tun. Aber unser Leutnant sagt sich, na, wartet mal, ihr Kerle! -Acht Mann mit Gewehr hinaus aus dem Graben! Hinaus aufs Feld. Sie -klettern und rutschen also raus und schwärmen aus und setzen sich in -Granatlöcher und fangen an zu feuern. Die Franzosen kommen in so dichten -Reihen daher, daß jeder Schuß treffen muß. Eine Schwarmlinie und eine -Sturmkolonne. Sie haben furchtbare Verluste, denken Gott weiß, wieviel -da feuern, und gehen zurück. Ja, so wurde das gemacht. Bei uns verliert -man nicht gleich den Kopf. Es waren also, wie gesagt, nur sechs oder -acht Mann. Dann kamen ein paar mehr aus dem Graben. Unterdessen hielten -wir aber den Angriff von vorn ab. Sie wären uns in den Rücken gekommen, -ja, sie waren schon im Rücken ... Maschinengewehre bauten sie schon -auf.“ - -„Na, also jetzt, weiter unten. Wie war es denn da weiter unten? Wer war -da weiter unten?“ - -Er meint in dem Graben gegen die Zuckerfabrik, der sich weiter entfernt -von dem durchbrochenen Grabenstück befand. - -„Ich!“ Ein Polacke, Unteroffizier, mit grünen Augen tritt auf. - -„Ihr habt den Graben gehalten?“ - -„Haben wir gehalten, Herr Feldwebel, jawohl. Haben wir bis zuletzt -gehalten. - -Haben wir Feuer gehabt, den ganzen Tag. Haben wir gesessen und gewartet. -Graben ganz kaputt. Sind die Franzosen gekommen. Haben wir sie gesehen -kommen durch den Rauch. Haben wir geschossen, bis Gewehr heiß war. Haben -wir in Flanke geschossen. Haben wir Barrikade gebaut, daß Franzose nicht -hereinkam zu uns. Haben wir Handgranaten geworfen. Hin und her. So sind -sie geflogen, immerzu, daß Stiele in der Luft tanzen, so. Alles Rauch. -Ist Morgen gekommen. Hat Franzose einen Graben gebaut, so, hier hat er -gebaut, quer.“ - -Die Franzosen, heißt das, haben einen Graben vorgetrieben, der senkrecht -stand zu dem Graben des Polacken, von dem eroberten Grabenstück aus, und -im Rücken des Grabens lief, den der junge Feldwebel mit den blanken -Augen hielt. - -Der Polacke fährt fort: „Haben wir gesagt, Franzose hat Graben gebaut. -Haben wir Handgranaten geworfen, immerfort. Wenn wir was sehen, daß Sand -aufgeschüttet wird, warfen wir gleich. Plötzlich bekommen wir Feuer von -Granaten. Ein paar Stunden lang, gleich furchtbares Feuer. Die Sandsäcke -fliegen. Ich war gar nicht mehr zu sehen! (Grinsen ringsum!) Plötzlich -bekommt auch er Feuer. Artillerie schießt in seinen Graben, wo er gebaut -hat in der Nacht. Jeder Schuß mitten im Graben! Jeder! Habe ich gesehen! -Französische Artillerie schießt auf unseren Graben, unsere Artillerie -schießt auf französischen Graben. Wie weit? Nicht hundert Meter! Der -Fähnrich wird verwundet. Sagt: Unteroffizier, übernehmen Sie den Zug! -Wie komm ich dazu, den Zug zu übernehmen? (Grinsen ringsum!) Nu, gut, -ich übernehme Zug. Ein Volltreffer nach dem anderen in französischen -Graben. Die Franzosen kommen näher her zu uns. Wollen Schutz suchen. Ich -steh ganz vorn. Jeden einzelnen seh ich. Peng! Weg! Sie flüchten vor -deutschen Granaten, kommen näher. Peng! Seh ich einen, trägt Verwundeten -auf dem Rücken. Peng! Beide fallen sie. Sandsäcke fliegen. Peng! -Handgranaten. Franzosen kriechen aus dem Graben. Wir schießen. Kommt die -Nacht. Schweres Artilleriefeuer auf uns. Seh ich in der Nacht Franzosen -schleichen. Ganz deutlich. Leuchtrakete geht hoch, sehe ich sie kommen. -Sie kommen nicht diesen Weg, diesen Weg kommen sie –“ - -Er deutet auf die Karte. - -„Welchen Weg?“ - -„Diesen Weg!“ - -„Das ist ja Blödsinn!“ Man hört sofort, daß der nüchterne Feldwebel -spricht! - -Der Polacke wird unsicher, gibt nach. „Diesen Weg, ja. Wir schießen. Ich -höre sie röcheln und schreien. Einer ruft. Ganz nahe. Ich verstehe -nicht, was er will. Was soll ich tun? Soll ich hinaus, ihn holen? Ich -denke, vielleicht macht er uns Schwierigkeiten (!) und werfe -Handgranate. Am Tag sehe ich ihn, es war ein Schwarzer. Er war tot. Am -Morgen wieder Granaten. Eine neben die andere. Wir müssen zurück –.“ - -„Was müßt ihr –?!“ Der Feldwebel, der das Zurückgehen nicht schmecken -kann! - -„Wir waren nur noch _vier_, Herr Feldwebel –.“ - -Wem gehörte nun der Graben? Den Franzosen oder den tapferen Grauen? Das -ist die Frage. Die Wahrheit aber ist die: er gehörte niemand. - -Ein anderer Grauer tritt vor, der zuweilen blinzelt und einen -eigentümlichen scharfen Blick hat. „Ich bin heute nacht draußen -gewesen,“ sagt er, „ich sollte nachsehen – Befehl. Ich kam durch den -Bach und kroch über das Feld. Es ist nichts zu sehen und nichts zu -hören. Ich steige in den zerschossenen Graben. Niemand ist hier. Tote. -Sandsäcke und zerschlagene Gewehre. Aber kein Mensch. Ich gehe bis -hinauf in die französische Sappe und hier liegt alles voller Leichen, -kein lebendes Wesen. Der Franzose hat den Graben geräumt. Daraufhin -haben wir ihn wieder besetzt.“ – - -So geht es also dort zu, in den Gräben bei Souchez, wohin sie heute -nacht wieder gehen müssen. Ich habe die tapferen Grauen selbst sprechen -lassen, denn sie erzählen zehnmal besser, als ich es je könnte. - - - - - Der Kirchhof von Souchez - - - Im Juli - -Der Oberst ist ein großer, breitschulteriger Mann mit ernsten, -nachdenklichen Zügen. Er trägt die Verantwortung für viele tausend -Männer, und das Gewicht auf seinen Schultern ist nicht leicht. Es könnte -ja sein, daß einer, einer seiner Feldgrauen des Nachts im Schlafe zu ihm -käme und fragte: Oberst, warum hast du nicht an mich gedacht? – Für -jeden einzelnen der Grauen, die aus allen Teilen des Reiches stammen, -muß er Sorge tragen wie ein Vater. Es ist fast zu viel für einen Mann, -der sich der Größe seiner Pflicht klar bewußt ist. - -Liebenswürdig begrüßt er mich in der Halle seines Quartiers, aber der -Ernst weicht nicht aus seinem starken, wetterbraunen Gesicht. Er sagt: -„Wir haben heute nacht angegriffen. Der Ausgang des Gefechts ist noch -nicht bekannt.“ - -Es ist der Angriff auf den Kirchhof von Souchez. Es ist neun Uhr. Noch -nichts bekannt? Wird noch gekämpft, wie fielen die Würfel? Nur wer weiß, -wie es dort zugeht, was es mit diesen Grabenkämpfen bei Souchez auf sich -hat, kann begreifen, daß noch keine Nachricht eingelaufen ist. Dort gibt -es keine Gräben mit elektrischem Licht und einer Telephonleitung, durch -die man ohne jede Mühe glatt mit Berlin sprechen kann. Die Drähte werden -in jeder Nacht ein paarmal entzweigeschossen. Die Gräben sind -zusammengetrommelt. Es kann sein, daß zehn Leute einen Granattrichter -halten, mit einem Maschinengewehr, oder nur mit Gewehren, oder nur mit -Handgranaten, daß sie, sage ich, dieses Erdloch halten, vierundzwanzig, -achtundvierzig Stunden, bis Verstärkung kommt oder eine Sappe zum -Trichter vorgetrieben werden konnte. So sieht es dort aus. Es ist -unmöglich, den Kopf herauszustrecken, geschweige denn den Graben zu -verlassen, um Nachricht zu geben. - -Souchez ist eine böse Ecke. Unsere Stellungen umklammern es in weitem -Bogen, und die Regimenter sind entschlossen, diesen Bogen, diesen -Riegel, zu halten. Keinen Meter Boden soll der Franzose haben! Zudem -böte der Besitz von Souchez den Franzosen noch größere Vorteile der -Beobachtung, als sie sie jetzt schon mit der Lorettohöhe besitzen. Ich -war oben im Fesselballon und habe es mit eigenen Augen gesehen: flach -wie eine Pfanne läge die Ebene dann vor ihnen. Um jede kleine Bodenwelle -wird dort gekämpft, um jedes Gebüsch, um jeden Straßengraben. Der -Franzose weiß recht wohl, was er will, und macht einen Vorstoß nach dem -andern. Es war ihm auf Tage gelungen, sich da und dort in unserm Bogen -festzusetzen. Südlich von Souchez, gegen Givenchy zu, hatte er seine -Stellungen vorgeschoben (das sogenannte große Franzosennest), im -Kirchhof hatte er sich festgebissen und westlich von Souchez, gegen die -Zuckerfabrik und Lorettohöhe, hatte er sich vorgewühlt (das kleine -Franzosennest). - -Hin und her geht der Kampf um zerstampfte Gräben und Granattrichter. -Dieser Kirchhof von Souchez, wohlverstanden, ist über seine Ufer -getreten, genau wie der Carency-Bach, seine Mauern sind gefallen und er -wächst und wächst. - -Zwischen dem 21. und 24. Juni wurde das „große Franzosennest“ -ausgehoben. Es waren wütende Nachtkämpfe! Der Angriff wurde von allen -Seiten durch Sappen vorgeführt und das tiefeinschneidende Franzosennest -abgeschnürt. Damit war das große „Franzosennest“ erledigt. Ein großer -Erfolg! Ein paar Tage später – ich spreche hier nur von größeren -Kämpfen, gekämpft wird hier Tag und Nacht! – griffen die Franzosen -wütend unsere Gräben bei der Zuckerfabrik an. Aber unsere Grauen warfen -sie zurück, so oft sie kamen. Die Kämpfe wurden rasender und rasender. -Am siebenten verschwanden unsere Grauen unter einem Hagel von Stahl. Es -half nichts, sie mußten zurück und die Franzosen besetzten 800 Meter -zusammengetrommelte Gräben. Am achten warfen unsere Grauen sie wieder -hinaus, räumten Gräben und Sappen und Trichter bis auf ein Grabenstück -von 150 Metern, das der Franzose halten konnte. Die Gräben waren Ketten -von Granattrichtern geworden, man wußte oft nicht, saßen Franzosen im -Trichter drüben oder die Unsrigen. Um die 150 Meter wird seitdem -erbittert gekämpft, hin und her, Vorstoß auf Vorstoß. Zäh und toll -schlägt sich der Gegner. Die Handgranaten fliegen hinüber, herüber ... - -In der Nacht vom 11. auf den 12. kam der Kirchhof an die Reihe. - -Ich habe im Tagebuch eines Gefangenen geblättert. Der letzte Eintrag -lautet: „Heute ist mein Geburtstag. Wir liegen im Kirchhof von Souchez, -die Granaten schlagen ein und die Kreuze und Marmorblöcke und Gerippe -fliegen nur so in der Luft herum. Diesen Geburtstag werde ich nie -vergessen, solange ich lebe.“ Ein hübscher Geburtstag, alle Wetter! Es -ist ja immerhin schon merkwürdig, seinen Geburtstag auf einem Kirchhof -zu verbringen, aber auf einem Kirchhof unter Granatfeuer, das ist eine -Sache, die nicht oft vorkommt. - -Es sind unsere Granaten, die, wie man aus dem zerweichten, verblaßten -Tagebuch des _piou-piou_ ersehen kann, den Tanz eröffnen. Sie kommen in -ganzen Schwärmen an, in Schwärmen heulender und zischender Geister, die -aus der Luft stürzen, auf die feindlichen Gräben. Sie krachen, der -Kirchhof erbebt bis hinab zu den Särgen. Schwarze und rostbraune Wolken -wälzen sich zwischen den Grabsteinen. Die Steine fliegen in die Luft, -die Blechkränze und Holzkreuze. Es wird Ernst, kein Zweifel! Bis hinab -zu den Särgen fressen sich die Granaten. Nun kommen die Bretter. Die -Toten da unten hören nichts, sie liegen in tiefem, tiefem Schlaf. Aber -dann kommen sie doch herauf, selbst die Toten erweckt dieser Lärm. Sie -kommen herauf, um nachzusehen, was es gibt. Das Jüngste Gericht, ist das -Jüngste Gericht gekommen? Konnten die Lebenden, diese Toren, die das -Geheimnis und die Weisheit da unten unter der Erde nicht ahnen, konnten -sie sich nicht einen andern Ort aussuchen, wenn sie etwas unter sich -auszumachen hatten? Schrecklich, dreimal schrecklich eine Welt, in der -man selbst im Sarge nicht zur Ruhe kommt! Die Gerippe, die sich zwischen -den Grabhügeln und Blechkränzen aufrichten, zerstieben. Weg damit! Der -Granate ist der Tote im Weg, sie sucht den Lebendigen und sie wiehert -über die anmaßende Philosophie der Skelette. Weg, fort! Sie hat nur -einen schrecklichen Willen: zu töten! - -Gespenster aus der Erde, Geister aus der Luft, es ist kein Wunder, daß -das Herz des tapferen Franzosen schlägt. - -Seine Leuchtraketen steigen. Hilfe! Seine Granaten tasten nach unsern -Gräben. Unsicher. Er kann das Feuer nicht mehr dirigieren. Es ist Nacht. -Der Sturm bläst und die Bäume rauschen, bis die Granate sie -zerschmettert. Seine Leuchtkugeln steigen verzweifelt. Hilfe, Hilfe! O, -jawohl, seine tapferen Kameraden, glaubt es mir, sie würden nicht zögern -zu kommen, wenn sie könnten. Aber sie können nicht! Der ernste und -nachdenkliche Oberst hat alles mit schrecklicher Genauigkeit -vorbereitet, denn er denkt für seine Söhne. Es liegt Sperrfeuer auf den -Verbindungswegen der Franzosen, furchtbares Feuer, nicht einmal ein -Engel, ein unverwundbarer Engel käme durch den Feuerriegel! Sie sind -verloren. Hier gibt es keine Wunder. Hier herrscht die Granate, Stahl, -Sprengstoffe, nichts sonst. Sie sind umzingelt. - -Das Feuer schweigt. Hurra! Vier Kompanien gehen vor zum Sturm. Wie -Furien kommen sie daher. Tod oder Sieg! Es gibt nichts anderes. - -Der Franzose aber ist nicht tot. Es wimmelt zwischen den Sandsäcken, es -wühlt in den Gräben. Maschinengewehre, ein Schwarm zischender -Spitzkugeln. Der schwere Fall von Männern, Handgranaten. Geschrei und -Taumeln. Pardon! Pardon! Hände strecken sich aus den Gräben und Gräbern. -Wir ergeben uns! - -Der Kirchhof ist genommen! - -Die Gefangenen werden abgeführt. Die Verwundeten schleppen sich davon. -Die Krankenträger tragen die Schwerverletzten. Der Tag graut. Nebel. Der -ernste und nachdenkliche Oberst geht in seinem Zimmer hin und her und -wartet auf Botschaft. - -Der Kirchhof hat neue Gäste bekommen. Was sind dagegen die paar Toten, -die in ihrer Ruhe gestört wurden! - -Hier liegen tausend Franzosen, hier liegen Feldgraue, alle Söhne von -Müttern – – - -„Der Kirchhof von Souchez ist erobert.“ Eine Zeile. Die Leute sagen: Nun -ist der Kirchhof von Souchez wieder genommen worden, Gott sei Dank! Sie -denken sich nicht viel dabei, sie ahnen es nicht –! - -Es ist möglich, daß die Franzosen wieder ein Regiment opfern, um den -Kirchhof zurückzugewinnen, es ist sicher, daß wir ihn dann wieder -stürmen werden. So ist es hier. - -Wir haben den Riegel um Souchez vorgeschoben, wir haben ihn fester -geschweißt, die Feldgrauen schweißten ihn fester mit ihrem roten Blut. - -Die Gefangenen marschieren durch Souchez. Die Überlebenden aus dem -Kirchhof! Auch das Geburtstagskind ist darunter, er hat Glück gehabt, -diesen Geburtstag zu überleben. Schwerverletzt liegt der französische -Kapitän auf der Bahre. Noch sind sie keineswegs in Sicherheit, denn die -französischen Granaten fegen in das Dorf. Aber sie hoffen wieder. Die -Sonne geht auf. - -Ich treffe den ernsten Oberst wieder. Die Gefangenen stehen in Reih und -Glied. Er mustert sie schweigend. Er spricht kein Wort. Wozu? Ich trete -an ihn heran, grüße und beglückwünsche ihn zu seinem Erfolg. - -Er nickt. Ein höfliches Lächeln. Aber sofort ist sein starkes Gesicht -wieder ernst und voll schwerer Gedanken. Viele seiner Söhne, für die er -sorgte wie ein Vater, sind nicht wiedergekommen, zwei seiner tapferen -Kompaniechefs sind gefallen! - - - - - Die Überlebenden aus dem Kirchhof von Souchez - - - Im Juli - -Die Tür öffnet sich und herein tritt ein französischer Unteroffizier in -blaugrauer Uniform. Er klappt die Stiefel zusammen und legt salutierend -die Hand an die Mütze. Ein junger Mann von vier-, fünfundzwanzig Jahren, -mit blondem Schnurrbärtchen und blauen, blanken, flachen Augen, schlank -und geschmeidig. Seine Haltung ist nicht preußisch stramm, nein, aber -sie ist militärisch ordentlich und drückt ebensoviel Selbstachtung wie -Respekt vor dem Offizier aus, der das Verhör leitet. Seine Kleidung ist -sauber, und niemand käme auf den Gedanken, daß er aus einem -zusammengeschossenen Graben kommt. Er gehört zu jener Klasse von -Pedanten, die immerzu bürsten und kein Stäubchen sehen können, ohne -krank zu werden. - -Hinter ihm tritt ein gewöhnlicher Soldat ins Zimmer, gut ausgepolstert -mit Wollsachen, dunkeläugig, mit schwarzen Haaren und einem dünnen -schwarzen Bart ums Kinn. Auch er grüßt, aber er nimmt es nicht so genau. -Er hat Fett angesetzt in den Gräben, blickt gutmütig und gleichgültig -umher, und ich wette, daß er zum weitverbreiteten französischen Orden -der „Jemenfoutisten“ gehört. - -„Nehmen Sie, bitte, Platz!“ sagt der Offizier und ladet die Gefangenen -höflich ein, sich zu setzen. „Sie wurden beide im Kirchhof gefangen -genommen?“ - -„Ja, mein Offizier.“ - -„Der Kampf war sehr erbittert?“ - -„Er war äußerst heftig!“ Der Dunkle nickt nur und schiebt die Unterlippe -bezeichnend vor. Ihm war der Kampf sicherlich heftig genug. - -„Erzählen Sie, wie er vor sich ging.“ Der Blonde erzählt: „Trommelfeuer, -heftige Teilangriffe, Umzingelung, zuletzt ein wütender Sturm der -Deutschen.“ - -„Sie lagen da und da in Reserve, Sie gehörten zum X. Korps?“ - -„Ich weiß nicht, zu welchem Korps wir gehörten. War es das X.?“ - -Der Dunkle: „Ja, zum X. Korps.“ Er ist viel klüger und weiß, daß der -verhörende Offizier über diesen Punkt genau orientiert ist. - -„Haben Sie am 7. Juli Joffre gesehen?“ - -„Joffre?“ - -„Ja. Er war am 7. Juli in Caucourt und hielt eine Ansprache an die -Truppen, in der er ihre Tapferkeit lobte.“ Zum Dunklen: „Haben Sie -Joffre gesehen?“ - -„Nie in meinem Leben.“ Der Dunkle legt, wie man aus seinem Ton hören -kann, darauf auch nicht den geringsten Wert. - -„Welche Meinung hat die Truppe vom Generalissimus?“ - -„Man denkt, daß er sehr gut ist.“ - -„Sie schießen in der letzten Zeit weniger. Haben Sie Artillerie -herausgezogen oder haben Sie Mangel an Munition?“ - -„Ich bin nicht im geringsten über die Artillerie unterrichtet.“ - -Auf eine Reihe von Fragen antworten sie ausweichend. Auf dem fleischigen -Gesicht des Dunkeln liegt ein pfiffiges Lächeln. - -Der verhörende Offizier dringt nicht weiter in sie. Er springt ab: -„Welchen Beruf haben Sie?“ - -Der Blonde: „Ich bin _cultivateur_ (Landwirt). Ich habe das Seminar -besucht und dann den väterlichen Besitz übernommen.“ - -Der Dunkle: „Ich arbeite im Versicherungsgeschäft.“ - -„Welche Art Versicherungen?“ - -„Lebensversicherungen, Feuer, Unfall, Diebstahl, alles, was Sie wollen. -Ich lebe in Paris.“ - -Ah, dachte ich es nicht gleich? Ich sehe ihn vor mir in dunklem Gehrock, -den Zylinder auf dem pomadisierten Scheitel, das Bärtchen gewichst, die -Mappe unterm Arm, ein bißchen verstaubt und verschwitzt, den kleinen -Pariser Beamten. Wie er würdevoll und großartig in ein bescheidenes -Restaurant tritt, an den Speisen herumkritisiert und über Zugluft klagt. -Aus diesem Grunde ist er auch jetzt, im Sommer, so mit Wollsachen -ausgepolstert. - -„Seit wann sind Sie im Felde?“ - -„Seit dem Anfang,“ erwidert er mit einem bedeutungsvollen Blick. - -„Wünschen Sie Zigarren? Wünschen Sie Tee?“ fragt der Offizier. - -Die Gefangenen stecken sich Zigarren an. Tee lehnen sie ab, da sie erst -Kaffee getrunken hätten. - -Zigarren? Tee? Ich sehe es zornrot werden, das feiste Gesicht des -biedern Bürgers hinter seinem Schoppen. Zigarren, Tee!? Man sollte –!! O -nein. Ich empfehle ihm vierundzwanzig Stunden Lorettohöhe, nicht mehr, -vierundzwanzig Stunden, und er wird den rechten Ton finden! Ich sah -einen General einen gefangenen Offizier grüßen. Er grüßte ihn mit -besonderer Aufmerksamkeit und Achtung, er grüßte den tapfern Gegner in -ihm, die französische Armee. Dieser Krieg wird mit solch unsäglicher -Erbitterung geführt, man schlägt sich die Schädel mit Spaten ein und -erlaubt einander nicht, seine Toten zu begraben, daß man diese -Ritterlichkeit dem gefangenen Gegner gegenüber nicht hoch genug schätzen -kann. Auch der Franzose wird ja nicht ganz seine Traditionen verleugnen! -Übrigens, das nebenbei, gibt es in diesem entsetzlichsten aller Kriege -selbst während des Kampfes noch Beispiele von Ritterlichkeit, bei uns -und auch bei ihnen. Nur eines: der Gegner stürmt, der Sturm ist matt, -die Hälfte ist im Graben geblieben, die andre Hälfte flutet im Feuer -zurück. Ein Offizier stürmt ganz allein weiter. Plötzlich schweigt das -Feuer. Der Offizier stutzt, sieht sich um, senkt resigniert den Degen -und geht langsam, ganz langsam zu seinem Graben zurück. Keiner unsrer -Grauen schoß, es bedurfte nicht erst eines Befehls. Also, mein Lieber, -nicht: man sollte –! Laß sie nur machen, sie wissen schon, was sie tun -müssen, denn, siehst du wohl, sie waren da oben auf der Lorettohöhe! – -Doch das gehört nicht hierher. - -Sie rauchen also und wir plaudern. Der Blonde liest „La Croix,“ eine -katholische Zeitung. Der Pariser liest alles, was er in die Hand -bekommt. Der Blonde ist der Ansicht, daß das religiöse Gefühl des -Soldaten sich vertieft habe, aber der Pariser zweifelt daran, sehr stark -sogar. Priester gibt es ja genug bei ihnen, das sei wahr, jedes Regiment -habe seinen Priester, und die Priester kommen in die Gräben, bei -stärkstem Feuer, trösten, beten und leisten Beistand, wo es nötig ist. -Die Verpflegung ist ausgezeichnet, und die Post funktioniert glänzend, -wenigstens jetzt funktioniert sie überraschend gut. Sie kommen viel in -Ruhe. Jedes Regiment stürmt meistens nur einmal, dann hat es lange -nichts Besondres zu tun. Über die Engländer wissen sie nichts. Sie tun -ihre Pflicht, wenigstens wären alle Franzosen dieser Überzeugung. Von -den Italienern hätten sie sich von Anfang an nicht viel versprochen. -Lieber Friede als Krieg, natürlich, aber man schlage sich, solange es -sein müsse. _La guerre, oui, cette guerre, oh lala!_ Es sei kein Krieg -mehr, sondern eine schreckliche Schlächterei, _une terrible boucherie_, -möchte man sagen. Aber wie gesagt, man schlage sich, sie und wir, -natürlich, solange es eben sein müsse, bis einer einmal sage: Halt! Sie -bekämen alle Nachrichten sehr rasch. „Lemberg“ haben sie einen Tag -darauf gehört. Sie glauben nicht an die monströsen Geschichten, die ihre -Zeitungen ihnen auftischen, von geschlachteten Kindern und ähnlichen -Dingen – nein, daran glauben sie nicht, denn, bei Gott! – Der Pariser -lacht und hustet – sie haben ja jetzt die intime Bekanntschaft der -deutschen Soldaten gemacht: fürchterlich im Kampf, aber sonst ein guter -Bursche. – - -Die Gefangenen löffeln im Schulhof die Abendsuppe. Der Hof ist klein, -und sie müssen in zwei Schichten essen, wie im Speisewagen, wenn der Zug -überfüllt ist. Es sind über zweihundert, die den Kirchhof lebend -verließen. Die großen Kessel dampfen. Sie schöpfen, schlürfen und -löffeln. Sie sind ganz bei der Sache und beachten uns nicht. In ihren -blaugrauen weiten Rockmänteln, die trotz der neuen Farbe immer noch -etwas an Maskerade erinnern, schlürfen sie mit den Suppennäpfen hin und -her, die stille selige Gier in den Augen, sich zu sättigen. Das Regiment -(Jäger) stammt aus einem südlichen Departement, und die Leute sehen -vorzüglich aus, stark und gesund. Nur zwei, drei haben ergraute -Schläfen, die meisten sind zwischen fünfundzwanzig und dreißig. Der -erste Hunger ist gestillt, sie plaudern und scherzen, ganz als ob sie -noch da drüben wären. Sie kamen aus Gräbern und Särgen gestiegen, aus -dem Tod, aber man merkt ihnen nichts mehr an. Die Überlebenden aus dem -Kirchhof von Souchez sind äußerst vergnügt. - -Die Posten stehen mit aufgepflanztem Bajonett. Keine Angst, sie laufen -nicht weg! Wer diesen Feuergürtel zwischen den Gräben lebendig -durchschritt, hat keine Lust mehr zurückzukehren. - -Auf dem Fenstersims seines Zimmers sitzt mit gekreuzten Armen ein -gefangener Offizier. Ein junger Mann von etwa vierundzwanzig Jahren, mit -hübschem leichtsinnigen Gesicht und graublauen vergnügten Augen. Er -strahlt vor Freude, daß die Sache ein Ende hat, und es fällt ihm gar -nicht ein, uns etwas vorzumachen. Vor fünf Tagen noch war er in Lyon, -auf Urlaub. Herrliche Tage und Nächte, er hat im Graben alles eingehend -aufgeschrieben. Und sie, wie entzückend war sie! Nun also, so ist der -Krieg, jetzt sitzt er hier auf dem Fensterbrett eines kleinen -Schulzimmers. - -Er trägt ein blaues Hemd, seine Brust ist offen, Kragen oder sonst eine -Binde hat er nicht. Auf seinen dünnen braunen Haaren sitzt kokett ein -blaugraues Barett, wie es die Pariser Studenten tragen, und vorn ist in -Silber ein kleines Waldhorn gestickt. - -„Sie hatten das Unglück, in Gefangenschaft zu geraten,“ begrüße ich ihn. - -Er zuckt lächelnd die Achsel: „Was wollen Sie? Wir waren vollkommen -abgeschnitten. Es war nichts mehr zu tun.“ - -„Sind Sie aktiver Offizier?“ - -„Ja, aktiver.“ Er spricht sogar etwas Deutsch. - -Neben ihm taucht der rothaarige Kopf eines Sergeanten auf. Er blickt mit -kalten, feindseligen Augen auf mich und erinnert mich an ein -Eichhörnchen. Ich bin überzeugt, daß er die Schauergeschichten glaubt, -die die französischen Schmutzblätter über uns schreiben. - -„Wie lange wird Joffre die Sache bei Souchez und Loretto noch -fortsetzen?“ frage ich den jungen Offizier. Ich weiß genau, was er -antworten wird, aber man plaudert. - -„Noch lange! Wir haben noch große Reserven.“ - -„Wie denkt man in Frankreich über einen zweiten Winter?“ - -„Man ist darauf gefaßt und bereitet vor.“ - -„Genau wie wir. Wir haben diesmal noch dickere Mäntel machen lassen, -damit unsre Leute nicht frieren.“ - -„Glauben Sie nicht, daß eine Möglichkeit besteht, mit Frankreich einen -Separatfrieden zu schließen?“ - -Der Offizier lächelt und schüttelt den Kopf. „Daran ist nicht zu denken. -Je länger der Krieg dauert, desto mehr wachsen unsre Chancen.“ - -„Niemals!“ mischt sich das Eichhörnchen ein. „Niemals! Sagen Sie mir, -wer hat diesen Krieg begonnen?“ - -Es ist sehr unhöflich, gleich das schwerste Geschütz aufzufahren. Der -hübsche Offizier, Europäer und Gentleman, streift den Sergeanten mit -einem nachsichtigen Lächeln. Ich sage: „Sie! Man hat Sie gefragt, Sie -hätten ja aus der Sache bleiben können!“ Ich beachte das Eichhörnchen -fortan nicht mehr. - -Beim Abschied fragt mich der Offizier, wann sie wohl in Deutschland sein -dürften. Ich erkundige mich. In vier, fünf Tagen. - -„Schon! Dann kann ich wohl schreiben?“ - -„Natürlich.“ - -Freude fliegt über sein leichtsinniges, hübsches Gesicht. Ich weiß wohl, -an wen er schreiben wird. - - - - - Das Schlachtfeld Arras-Souchez-Lorettohöhe vom Fesselballon aus. - - - Im Juli - -Der Ballon wird aus dem Stall gezerrt. Er ist tot, er schläft. Aber -sobald er nur den dicken Schädel heraussteckt und die frische Luft -schnuppert, kommt augenblicklich Leben in ihn, und seine Seele kehrt -zurück. Das Wetter ist stürmisch. Bei jedem Windstoß rollt er den dicken -Leib hin und her und schleift die Feldgrauen, die wie Trauben an seinen -dünnen Fadenbeinen hängen, über den Rasen. Wie ein gutmütiger -Betrunkener, dem es ein tolles Vergnügen macht, seine Begleitmannschaft -ins Torkeln zu bringen. - -„Langsam rechts einschwenken!“ - -Auf seinen Fadenbeinen schwankt er ins freie Feld. Er stampft auf und ab -wie ein Schleppdampfer in hoher See, er begräbt die Ameisen, die an -seinen Beinen zerren, unter sich, wälzt sich zum Spaß auf ihnen herum, -reckt sich hoch und nickt, im Winde liegend, ein paarmal befriedigt mit -dem Kopf. - -Nun steht er da! - -Ungeheuer komisch sieht er aus. Wie ein riesiger grauer Kofferfisch, -prall und glatthäutig, vollgefressen bis zum Platzen, das runde Maul -mitten im dicken Kopf. Unter dem feisten Leib hat er ein zweites, -sackartiges Freßwerkzeug, und damit kaut er gefräßig und gierig die -Luft. An den Seiten hat er kleine schmale Flossen und als Schwanz ein -paar aufgespannte Regenschirme. So kunstvoll er gebaut ist, scheint er -doch das primitivste Geschöpf zu sein, das sich an der Front -herumtreibt. Ein Freiballon ist eine Kugel, ein Zeppelin ein -Kriegsschiff in der Luft, aber er ist ein Tier, ein Fisch, von äußerster -Gutmütigkeit und ohne jeden Verstand. So sieht er wenigstens aus. - -Die Gondel wird unter seinem Leib befestigt, er erhält ein Drahtseil -durch den Nasenring gezogen. Einsteigen! Wir turnen in den engen Korb, -der Leutnant und ich. - -„Ballon langsam hoch lassen!“ Der Hauptmann schreit. - -Der Luftfisch springt mit einem Satz vom Boden hoch. Er bohrt den Kopf -in den Wind, reißt am Seil und tummelt sich vergnügt, so daß der Korb -schlingert. Dann aber gleitet er ruhig in die Höhe. Er ist in seinem -Element. - -Die Feldgrauen stieben strahlenförmig über das Feld, werden kleiner und -winziger, und die sechs Pferde, die die Kabelwinde ziehen, werden zu -einem Spielzeug. Das kleine Dorf wird zu einer Honigwabe. Wir steigen -rasch. - -Sonderbar, dieser Ballon, niemand versprach sich viel von ihm im Kriege. -Er diente im Manöver dazu, das Signal: „Das Ganze halt!“ zu geben, das -war so ziemlich seine Hauptrolle. Er war nur Statist. Die Flieger -sollten die ganze Arbeit leisten. Er war eine veraltete Sache, die man -nur, weil man sie hatte, ins Feld mitschleppte. Aber in diesem Kriege, -in diesem Stellungskriege ist er zu ungeahnten Ehren gekommen. Überall, -an der ganzen Front entlang, sieht man ihn am Himmel stehen! Wo Schneid -und Intelligenz zusammengehen wie bei der Luftschifferabteilung, bei der -ich zu Gaste bin, wird er zu einer furchtbaren Waffe. - -Man steigt mit ganzen Kanonen von photographischen Apparaten hoch und -photographiert die kleinste Falte im Antlitz des Feindes. Der Flieger -rast mit hundert und mehr Kilometern dahin und hat nicht die Muße wie -der Mann im Ballon. Der Ballon steht still. Er steht stundenlang da, -tagelang, und wenn der Beobachter auch seekrank wird, er bleibt oben. -Der Ballon ist das Auge der Artillerie, er beobachtet Kolonnen, -Bewegungen des Gegners, das Aufblitzen feindlicher Geschütze, er -dirigiert das Feuer der eignen. - -Er ist, wie gesagt, eine ganz gefährliche Sache, und aus diesem Grunde -hat er seine Feinde. Schrapnelle und Granaten tasten nach ihm. Gottlob -treffen sie selten. Der Ballon geht tiefer oder höher, oder er reißt mit -seinen sechs Pferden überhaupt aus. Sein kritischer Augenblick ist die -Landung. Aber seine erbittertsten Gegner sind die Flieger, die -Konkurrenz. Sie kommen in ganzen Schwärmen. Mein Begleiter, der -Leutnant, wurde neulich von drei Flugzeugen gleichzeitig angegriffen, -aber er riß nicht aus, fiel ihm gar nicht ein. Den Hauptmann besuchte -neulich ein ganzes Geschwader, er bekam vierundfünfzig Bomben, aber er -blieb oben in seinem Korb und beobachtete. - -Es gehören _Leute_ dazu!! - -Wir steigen und steigen, und der Wind pfeift hier oben, daß mir das -Wasser aus den Augen läuft. Die Landschaft wächst, die Welt ist -plötzlich viel größer geworden. - -Aber diese ganze Landschaft da unten, von Nordwest bis Südost, ist ein -einziges riesiges Schlachtfeld, auf dem sich zwei Völker zerfleischen, -weil das Schicksal es so will. Zwei Völker, die Kathedralen haben, -Universitäten, Museen, Konzertsäle, Hospitäler, Sprachen, die den -erhabensten Gedanken Ausdruck zu verleihen vermögen, die Männer -hervorbrachten, die wie Fackeln über der Welt leuchten, zwei Völker, die -Gedanken geboren haben, die die Welt regieren! – Nun liegen sie einander -gegenüber in Erdlöchern, den Willen gespannt zum Töten, ihre Geschütze -pochen und stampfen. Die Granatwolken wälzen sich in den Feldern, hier, -da, dort, sie steigen aus den Dörfern, wohin man blickt. Und kein -Mensch, kein Eisenbahnzug, kein Wagen ist zu sehen, keine lebende Seele -weit und breit. Der Mensch hat sich vor dem Menschen verkrochen. - -Das Licht ist kalt wie im September. Graue Wolken jagen dahin. Müde -Sonne wechselt mit dunklen Wolkenschatten. Strichweise sieht die -Landschaft aus wie durch ein gelbliches Glas gesehen, gealtert, zermürbt -und zerknittert, müde des endlosen Mordens und Krachens der Granaten. -Wie das Gesicht eines Schlaflosen. Strichweise friedlich und -unbekümmert. Schornsteine rauchen in der Ferne, die Zechen, die der -Franzose noch in Händen hat. Friedliche Weiler und Dörfer, von der -schwachen Sonne beleuchtet. Aber plötzlich tanzt eine graue Wolke auf -den Dächern, wieder eine, da, dort. Dörfer, die der Franzose befunkt, um -seine Männer und Weiber zu töten. Lievin, Angres, Givenchy. Sie kauern -geduckt neben Anhöhen in Wäldchen, aber die Granate findet sie doch. - -In der Mitte liegt breit die Lorettohöhe, die verfluchte! Das Bois de -Bovigny sitzt wie der Kamm eines Hahnes darauf. Der Wald ist dunkel, die -Höhe selbst hell, gelbgrün wie Heide und unbestellte Felder. Von der -Spitze des Waldes zieht quer über die Höhe eine breite lehmfarbene -Schleifbahn bis hinab in die Talmulde, eine klaffende Wunde in der Höhe: -das sind unsre Gräben, die der Franzose im Mai zusammenschoß. Weiter -unten zieht, entlang der Talmulde, eine schmälere, neue Schleifbahn: das -sind die heutigen Stellungen. Man erkennt sie sofort, denn graue und -rostrote Granatwolken stehen darauf und wälzen sich im Winde. - -„Sehen Sie das weiße Schloß?“ sagt der Leutnant. „In der Waldkuppe -rechts von der Lorettohöhe. Dort! Das ist Schloß Noulette. Weiter hinten -sehen Sie eine Ferme. Ferme Marqueffoes. In französischen Händen. Im -Bois Bovigny sehen Sie zuweilen einen gelben Streifen. Der französische -Annäherungsgraben. Auf dem Abhang dort neben der Baumgruppe stehen -französische Batterien.“ - -Wir sehen alles, wir lesen wie in einem aufgeschlagenen Buch. - -Die Lorettohöhe wird flacher und flacher. Souchez erscheint, Rauch und -Dunst liegt darüber, Ablain, die „Kanzel“, die unsre Grauen wie Teufel -verteidigt haben. Das Hinterland taucht empor, Waldstreifen, -Feldstreifen, ferner und ferner, bis zum Horizont. - -Links versinkt die Vimyhöhe, die wir halten, und in der beschatteten -Talmulde dahinter taucht ein Düster von Häusern auf mit einem fahlen -zweitürmigen Dom in der Mitte: _Arras_! Es sieht aus wie ein Grab. Die -Kathedrale wie der Schemen eines Domes. Sie geriet vor einigen Tagen in -Brand, und ihre Turmspitzen sind zusammengestürzt. Sie erscheint nahezu -weiß, aus welchem Grunde weiß ich nicht, wie der Geist einer Kirche -steigt sie aus der toten, düstern Stadt empor. - -Auch hinter der Vimyhöhe, bis gegen Arras stehen kleine Granatwolken, -sie tanzen wie Gespenster an der ganzen langen Front entlang. Unter uns -fährt aus der düstern Landschaft da und dort ein Feuerdolch: unsre -Geschütze, die feuern. - -Wir sind 400-500 Meter hoch und geben Flaggensignal. Langsam steigen wir -herunter. Wie ein störrisches Pferd am Halfter muß der Ballon zur Winde -gezogen werden. Über dem Boden wälzt er sich ein paarmal hin und her, -dann steht er still. - -Ich steige aus. Im nächsten Augenblick schon jagt er wieder mit dem -Beobachter in die Höhe. - - - - - Der Argonnerwald - - - Im Juli - - „_Moi, je suis tombé dans un sale - coin, je suis aux Argonnes._“ - - Aus dem Briefe eines Gefangenen. - -Es regnet in Strömen. Das Wasser wird in Fässern aus den bleigrauen -Wolken geschüttet, die niedrig über die Wälder ziehen. Die Bäume brausen -im Wind und schütteln Wasserfälle aus ihren Kronen. Die Wege sind Lehm, -Bäche stürzen über die Abhänge. In den Unterständen sind die Öfen -geheizt. - -Es ist der Argonnerwald, wie er leibt und lebt. Er verstellt sich nicht -und zeigt sein wahres Gesicht. Es ist ein Wald wie der Spessart und die -böhmischen Wälder, ein Wald für Köhler, Räuberbanden und Wildschweine. -Der Wald hat seine Gegenwart, das ist nicht zu leugnen, der Wald hatte -seine Vergangenheit, das ist sicher. Man ging hinein und verschwand, man -schlug das Kreuz und war tot. Im Dickicht lauerte der Mörder. Es gibt -hier Stellen, die sonderbare Namen tragen: _la fille morte, l’homme -mort_. Es wird wohl seine Bewandtnis damit haben! Aber diese ganze -düstere Räubervergangenheit des Waldes ist ein Idyll gegen heute, eine -Schäferszene, das sage ich gleich! Welche Zeit könnte sich in diesen -Dingen überhaupt mit der unsrigen messen? Wir haben alles glatt -geschlagen ... - -Wir steigen in einen Rollwagen, ein total zerweichtes Pferd mit einem -total zerweichten Reiter darauf wird vorgespannt und wir rollen los, -höher und tiefer in den Wald hinein. Der Regen strömt, Roß und Reiter -verschwinden zuweilen in einer Wasserblase. Ich bin durchnäßt bis auf -die Haut, dieser verfluchte Argonnenregen geht durch den Gummimantel, -und friere wie ein Hund. - -Dieser Wald ist kein Wald für Menschen! Er ist dreistöckig. Hohe Bäume, -zumeist Eichen, vereinzelt, dann das Unterholz, junge Eichen, Buchen, -Birken, Erlen, dicht beisammen, und unter ihnen Gestrüpp: Brombeeren, -Dornen, Farnkräuter, Ginster, Schlingpflanzen, ein natürlicher -Drahtverhau, wie er heimtückischer nicht angelegt werden könnte. Es ist -ein Wald für einen haarigen, gorillaartigen Waldteufel, der mit einem -Prügel in der Faust durchs Dickicht kriecht und Lehm frißt. Der Mensch -betritt ihn mit Grauen im Herzen. - -Das zerweichte Pferd streckt die glänzenden Schenkel, tastet durch Lehm -und Wasser. Zuweilen wird es abgehängt, dann rollen wir mit eigner Kraft -über wacklige Schienen hinunter. Dann geht es wieder bergan. Ist es -möglich, daß es noch stärker regnet? Ja, bei Gott, es ist möglich! Wir -fahren in einer Wasserhose. Vor uns kriecht eine Batterie von -Gulaschkanonen, von Pferden gezogen wie wir. Kommt ein Taleinschnitt, so -rollen alle vier Gulaschkanonen mit eigner Kraft hinab und wir -hinterher. Wir begegnen einem Transport von leeren Minenkörben, -meterhohen Zuckerhüten aus Ruten geflochten. Der Transport muß -rangieren, damit wir vorüber können. Auf die Feldküchen klatscht der -Regen. Die Leute haben Zeltbahnen um die Schultern gehängt, aber es -hilft nicht viel. Station. Ein durchnäßter Grauer tritt an unsern -Rollwagen und meldet: „Station Rixdorf, belegt mit zwei Telephonisten!“ -Ordnung muß sein. Ein Transport kommt zu Tal. Sie stehen aufrecht im -Wagen. Sie sind müde und erschöpft. Ihre Arme und Köpfe sind verbunden. -Es sind Verwundete aus den Gräben da oben. Der Wald frißt, der Wald -frißt, der Wald frißt täglich Menschen! Einer liegt, mit einer -Pferdedecke zugedeckt. Man unterscheidet nur die Formen des Mannes. Der -Regen fegt auf die Verwundeten herab, aber sie kümmern sich nicht darum. -Und er, der unter der Decke, der liegt und sich nicht regt, ihm kann der -Regen, alle Mächte der Hölle können ihm nichts mehr anhaben ... - -Unser Pferd streckt die Schenkel. Es geht bergan. Nasse Zweige gießen -ihr Wasser über uns aus. Der Wald poltert. Die einschlagenden Granaten -krachen wie Donnerschläge. - -Eine halbe Stunde währt die Rollwagenfahrt, eine Stunde. Wir steigen aus -und schütteln uns wie Hunde, die aus dem Wasser kommen. - -Wir gehen quer durch den Wald. Die Wege sind hier mit Knüppeln -gepflastert, ein Knüppel hübsch neben dem andern, peinlich genaue -Arbeit, anders wäre es nicht möglich, hier einen Schritt zu machen. -Granattrichter. Zerschossene Bäume. Mannsdicke Eichen, die Granate traf -sie in der Mitte, zerriß sie und warf sie aufs Gesicht. So liegen sie -nun da und sterben. Hier gibt es sonderbare Hünengräber, mitten im -Walde, Stein- und Erdhügel. Blickt man aber näher hin, so sind es -Batterien. Die grauen Kanonen stehen darin, anständige Kaliber! Sie -feuern glatt durch Laub und Zweige hindurch. Wir steuern ein Hünengrab -an und steigen in die Erde hinein. Wir klopfen und treten ein. Hier -brennt die Hängelampe, obschon es elf Uhr vormittags ist. Ein Mann in -einer Wollweste empfängt uns. Hier hausen Pionieroffiziere, Leute von -Welt. Sie haben gute Laune, Kognak und einen herrlichen heißen eisernen -Ofen, der sofort zischt, wenn man ihm nahe kommt. Sie hausen hier schon -– tuh, tuh, das Telephon tutet: ein Stollen im Graben so und so, wird -gemacht – sie hausen hier schon seit Ende September! Unter der -Balkendecke, zwei Meter Schotter darüber, ein paar Schlafkojen. Urlaub, -nein, Urlaub nahmen sie noch nicht. Sie haben keine Lust, sie sind hier -nötig. In den Gräben arbeiten sie, ganz vorn, in den Minenstollen. Was -sie tun, davon will ich später einmal berichten. Ihre Gedanken, ihre -Pläne, ihre Frauen – alles haben sie hingegeben, mag es kommen, wie es -will, sie werden auf ihrem Posten stehen. Unvergeßlich sind sie, jung -und stark und kühn. - -Es gießt noch immer. Düster und unheimlich rauscht der Wald. Es ist ein -Wald der Unterwelt, erfüllt von einem schauerlichen und nie gehörten -Lärm. Er hustet, das furchtbare Husten eines Unholds, der in den -Schluchten haust. Er lacht heiser und keuchend wie ein Teufel, dem etwas -schrecklichen Spaß macht. Riesenspechte klopfen. Es kracht wie ein -schwerer Schmiedehammer, den nicht Menschen, sondern Zyklopen bedienen. -Sie fluchen zur Arbeit, rufen und poltern. Zuweilen nehmen sie die Axt -und schlagen, eins, zwei in den eisenharten Stamm der Eiche, daß die -Berge hallen. Die Eiche schlägt krachend hin. Man hört, wie die Zyklopen -die Eiche zerknacken zwischen ihren Fäusten und ins Feuer werfen, daß es -prasselt. Das alles hört man ganz genau, aber man sieht die Einäugigen -nicht. Dann und wann streicht ein Gespenstervogel unsichtbar und klagend -über die brausenden Wälder. (Eine Granate.) Ja, Gott stehe mir bei, -dieser Wald ist keineswegs gemütlich. - -Aus dem Dickicht tritt ein Mensch. Seine Stiefel sind voller Lehm, seine -Kleider naß und schmutzig. Am Gürtel hängen Flaschen und Säcke und -Ledertaschen, auf dem Rücken das Gewehr. Sein Gesicht ist schwarzbraun, -schmutzig und verwittert. Die Augen stehen wie _Lampen_ darin. Es ist -ein Feldgrauer, der aus den Gräben da oben kommt. Die „Argonnentype“, -wie sie leibt und lebt. Die Argonnentype grüßt, so nebenher, grinst beim -Anruf und verschwindet im Regen. Sie sind es, die diesen höllischen -Spektakel machen, keine Zyklopen, sondern kleine Menschen. - -Plötzlich hört es auf zu regnen. Die Sonne bricht heiß durch die Wolken. - -Wir treffen, bei seiner Batterie, einen Oberleutnant, Jurist, auch er -lebt seit dem Herbst im Walde. Aber der Wald konnte ihm nichts anhaben, -elegant sieht er aus und seine schmalen Hände sind gepflegt. Zusammen -mit ihm klettern wir in den Wipfel einer Eiche empor. Die Eiche braust, -und wir schwanken, oben angelangt, wie Äste hin und her. Wir blicken -über den Wald! - -Drüben liegt die Kuppe von Vauquois. Bis zum Kamm gehört sie uns. Dicht -dahinter liegt der Franzose. Im Tal das Dorf Boureuilles. Mit bloßem -Auge sieht man die Drahtverhaue der Franzosen, sie liegen im Tal hinter -dem Dorf. Nach rechts aber, über dem Walde, liegt die berühmte _Höhe -285_, die unsre Tapfern vor acht Tagen stürmten. - -Die Höhe ist braun und kahl! Es ist dem Menschen hier gelungen, den Wald -weithin auszuroden, das muß man sagen. Die Bäume sind zerschmettert, -liegen durcheinander, verkohlt und zerschossen, das Unterholz ist -gänzlich verschwunden. Die Erde ist aufgewühlt. Gräben, Sappen, -Sprengtrichter. Die Kuppe ist in hundert Risse geborsten. Ein -Maschinengewehr bellt, die Gewehre husten. Ohne Pause wird da oben -gekämpft. Ein schweres Geschütz feuert. Es kracht wie ein Donnerschlag, -und das Echo poltert in den Schluchten. - -Ziehe die Luft ein, riechst du es nicht? Es riecht wie in den Gängen -eines Hospitals. Es riecht nach _Chlor_ und allen möglichen Dingen. -Diesen Geruch habe ich schon heute morgen verspürt, als wir uns dem -Argonnerwald _näherten_. Dieser ganze Wald, trächtig von Feuchtigkeit, -Erde und Wurzeln, hat diesen sonderbaren Geruch angenommen. Er stammt -von den Gasbomben der Franzosen, von den Gasen der stündlich -einschlagenden Granaten, von den Massengräbern, die mit Chlorkalk -zugeschüttet sind. - -Fürchterlich, dreimal fürchterlich muß es hier zugegangen sein! Der Wald -hat seine Geschichte, und sie ist schrecklich wie die Geschichte wilder -Meere. Heute noch findet man im Dickicht verstreut Leichen und Skelette. -Man sieht in den Gebüschen einen Soldaten, das Gewehr im Anschlag, man -ruft ihn an, er antwortet nicht. Er ist tot und in seiner letzten -Stellung von den Dornen festgehalten worden. Man mußte sich den Weg -bahnen wie in einem Urwald. Man bekam Feuer aus nächster Nähe. Man sah -keinen Feind. Der Franzose saß auf den Bäumen, mit Maschinengewehren saß -er oben. Man hörte den Gegner sprechen, die Offiziere Befehle erteilen, -aber man sah nichts, rein nichts. Man grub sich gegenüber ein, schoß das -Dickicht mit Maschinengewehren ab, um Luft zu bekommen, drang vor – der -Feind zog sich zehn Schritt zurück, und es war die alte Sache. Es war -ein Indianerkrieg und die Argonnen bilden ein Kapitel für sich in der -Geschichte dieses Feldzuges. Hier gab es keine Pausen, keine Ruhe, hier -wurde erbittert gekämpft, Tag und Nacht, viele Monate hindurch, und das -Wasser in den Gräben stand häufig bis zur Hüfte. Man lag sich und liegt -sich an manchen Stellen zehn Schritt gegenüber, ein lautes Wort bedeutet -den Tod. Handgranaten, Minenstollen und Wurfminen. - -In den letzten Wochen fanden hier wütende Gefechte und Schlachten statt, -am 2. Juli, am 14. Juli – doch davon später. – - -Ein Knüppelweg führt ins Tal hinab. An einer verborgenen Stelle wartet -unser Auto. „Hat er hergeschossen?“ Nein – na, also los! - -Wir fahren eine Strecke in Sicht des Feindes, wir jagen in eine -zerschossene und zerstörte Stadt hinein. Sie erinnert an eine zerfallene -italienische Ortschaft. Es ist Varennes. Jene Stadt, in der Ludwig XVI. -mit seiner Gemahlin auf der Flucht erkannt und festgenommen wurde. -Varennes ist ständig unter Feuer. Das Auto beginnt wie toll zu jagen. Es -fegt eine schnurgerade Chaussee hinab in einem Höllentempo. Eile tut -hier not, denn wir fahren in etwa 1000 Meter Entfernung an den -feindlichen Stellungen vorüber, und es ist eine Anfängeraufgabe, uns -hier abzuschießen. Die Höhe von Vauquois, die Kirche von Montfaucon, -oben auf einem Berge in der Abendsonne. Ein paar Granatfahnen rauchen -aus Apremont, während wir vorüberfliegen. Neben der Chaussee sind Serien -von Granattrichtern. Sie sind ganz frisch, die Erde liegt noch locker -und feucht. Der Abendsegen. – - - - - - Die Kämpfe in den Argonnen - - - Im Juli - - „_Les Argonnes, c’est l’enfer!_“ - - Aus dem Tagebuch eines - französischen Offiziers. - -Am 20. Juni begann die Sache in den Westargonnen, am 2. Juli war sie zu -Ende. 37 Offiziere gefangen, 2700 Mann! 100 Minenwerfer, 28 -Maschinengewehre, 5000 Gewehre und 30000 Handgranaten! 1600 tote Feinde -bestattet! Es ist ein Erfolg, der sich sehen lassen kann! - -Man muß im Auge behalten, daß es sich hier um Waldkämpfe handelt. Der -Franzose hat Erdwerke angelegt, Festungen unter der Erde. Er hat -Blockhäuser in die Erde gerammt, jedes ein Fort. Die Dachkante ragt aus -dem Boden, nichts sonst. Schießscharten, Maschinengewehre, Drahtverhaue -vor den Gräben, eine Schlucht mit einem Wassergraben. Wenn ich sage, wie -der Argonnenkämpfer stürmt, so wird man alles begreifen: den Stahlschild -vorgehalten, Handgranaten am Gürtel, Handgranaten in der Faust, das -Gewehr auf dem Rücken und die Gasschutzmaske vor dem Gesicht – so geht -er vor! Es ist kein Spaziergang, o nein! Es ist keineswegs wie auf jener -Photographie, die eine Berliner Zeitung kürzlich brachte und die einen -„Sturmangriff in den Argonnen“ vorstellen sollte. Mit dem aufgepflanzten -Bajonett läuft da eine Kolonne gegen einen idyllischen Waldrand an. O, -hoho! Es ist mehr als kindisch, es ist eine Schmach. Der Argonnenkämpfer -wird sich totlachen über den naiven Schwindel, wenn er das Bild zu sehen -bekommt. - -Am 20. Juni, wie gesagt, fing es an. Die Minenwerfer begannen ihre -höllische Arbeit und deckten die französischen Gräben und Verhaue zu. -Die Granaten hagelten herab. Los! Die Pioniere sind die ersten. Mit -Drahtscheren gehen sie vor, mit Brückenstegen aus Knüppelholz gezimmert. -Sie stürzen nieder, auf, die Stacheldrähte zerfetzen ihnen die Kleider, -vorwärts! Der Kampf ist im Gange. Hier kämpft Gruppe gegen Gruppe, Mann -gegen Mann, die Handgranaten krachen. Um jedes winzige Grabenstück, um -jeden Granattrichter wird verzweifelt gerungen. Unsichtbar ist der -Feind. Aus dem Dickicht schwirren die Geschosse eines Maschinengewehrs. -Ein Trupp Württemberger stürmt hinein. Leutnant Sommer klettert mit ein -paar Leuten auf das Dach eines versteckten Blockhauses, aus dem das -Maschinengewehr feuert. Revolver, Handgranaten durch die Schießscharten, -die Besatzung ist erledigt. Leutnant Sommer fällt. Er ist tot, aber er -ist unsterblich! Einem andern Offizier, Leutnant Walker, gelingt es, in -die Gräben der Labordère-Stellung einzudringen. Er ist abgeschnitten, -umzingelt, aber er hält stand in einem höllischen Feuer, mit einer -Handvoll Leuten, bis acht Uhr abends(!) Entsatz kommt. Zwei Leutnante, -Spindler und Kurz, springen in den Graben und schlagen sich nach links -und rechts, bis sie fallen. Sie sind tot, aber ihre Namen werden -weiterleben! Es geht heiß zu, es geht verzweifelt zu. - -Am Abend ist die Stellung genommen! - -Es ist nur der Anfang. Die Franzosen trommeln auf die eroberten Gräben. -Acht Tage lang machen sie einen verzweifelten Versuch nach dem andern, -die Gräben zurückzuerobern. Vom 21. bis zum 29. Sie versuchen es mit -allen Mitteln, Gasbomben und brennender Flüssigkeit. - -Am 30. Juni geht es weiter. Niemals hat der Argonnerwald solch ein Feuer -gehört! Die französischen Gräben werden zu Brei geschossen. Die Toten -liegen wie das Getreide nach einem Hagelwetter. Ein Handgranatenlager -fliegt in die Luft. Aber der Franzose kämpft wie ein Teufel. Im -vordersten Graben fällt Mann um Mann. Niemand ergibt sich! In einer -halben Stunde sind die Werke Central und Cimetière gestürmt. Unsre -Grauen sind nicht zu halten. Eine Kompanie Grenadiere jagt bis ins Tal -der Biesme vor. Auf dem östlichen Flügel der kämpfenden Linien liegen -auf der sogenannten Rheinbabenhöhe die Grauen in den Gräben. Es wird -gekämpft, sie halten es nicht mehr aus in den Gräben und greifen aus -freiem Entschluß an. Württemberger Freiwillige nehmen die Reste des -Labordère-Werkes. - -Der Franzose ist geworfen, aber kleine Verbände wehren sich noch -tollkühn in kleinen Grabenstücken und Blockhäusern. Ein Unteroffizier -pirscht sich an ein Blockhaus, das wütend feuert, heran und wirft eine -Handgranate hinein. Nun wird es drinnen still! - -Es wird Nacht. Keine Ruhe, kein Schlaf, nein, daran ist nicht zu denken. -Sie wühlen und graben die ganze Nacht durch, der Morgen muß sie bereit -finden! Auch der Feind schanzt fieberhaft. Die Leuchtkugeln steigen. Die -ganze vorgeschobene Gräbenkette der Franzosen ist in unsrer Hand: -Labordère, Central, Cimetière, Bagatelle – aber dahinter hat er im Wald -ein Verteidigungswerk, den „grünen Graben“, bezogen, die Fetzen der -französischen Kompanien haben ihn besetzt und zu einer Festung -ausgebaut. - -2. Juli Angriff auf den „grünen Graben“! - -Der 1. Juli ist kein Ruhetag, das darf man nicht glauben. Ohne eine -Minute Pause wird gearbeitet. Die Leichen werden geborgen, -schauerlichste Arbeit des Soldaten! Lebensmittel und Wasser -herbeigeschafft, Munition, Handgranaten, Minenhunde. Die Minenwerfer -schießen sich ein, die Artilleriebeobachter kriechen durch die Gräben -und lassen ein paar Granaten zur Probe kommen. Fertig, alles bereit! - -Am 2. Juli donnert der Wald und der Boden zittert. Bis fünf Uhr -nachmittags hageln die Granaten auf den grünen Graben herab. Um fünf Uhr -gehen die Grenadiere vor. Bis zur Dunkelheit wogt der Kampf hin und her. -Er ist mörderisch. Hier wird nur mit Handgranaten und Kolben gekämpft. -Wir gewinnen Boden, Schritt für Schritt. Der Feind schlägt sich -bewundernswert, alle Grauen gestehen es ohne weiteres zu. Ein Bataillon -bricht durch, in der Richtung auf das Dörfchen La Harazée. Es kommt dem -grünen Graben in den Rücken. Von der Rheinbabenhöhe her, von St. Hubert -stürmen unsre Truppen. Der grüne Graben ist nahezu umzingelt. Die Lage -des Feindes ist hoffnungslos, aber er ergibt sich nicht. Da ist ein -Major im grünen Graben, Major Remy, der wie ein Rasender ficht und seine -Leute zum Äußersten anpeitscht. Er fällt. Der grüne Graben ist genommen! - -Die Verwundeten werden fortgeschafft. Die Gefangenen abtransportiert. -Die Toten liegen, wo sie liegen. Noch gibt es keine Pause. Denn der -Graben muß sofort wieder zur Verteidigung eingerichtet werden. Er ist -stellenweise bis zur Sohle eingetrommelt. Die Sandsäcke, die die -Granaten durch den Wald schleuderten, werden zusammengeschleppt, -aufgebaut. Die Stahlschilde eingerammt, die Maschinengewehre -aufgestellt. - -Kommt der Feind, so ist man bereit. Und er kam und man war bereit! - -Es wird still. Es ist Nacht. Die erste Nacht seit Wochen, die ruhig ist, -keine Granaten, keine Minen. Der Soldat schläft, tief und traumlos, wie -die Kameraden, die da draußen liegen und alles vergessen haben. - -Die Horchposten kauern im Gebüsch, die Wachen stehen im finstern Graben. -Das Telephon ist schon wieder eingerichtet. - - - - - Höhe 285 - - - Im Juli - -Früher war sie grün. Das Unterholz war so dicht, daß man sich wie durch -einen Urwald vorwärtsarbeiten mußte. Dazwischen standen mannsdicke -Eichen und sonstige Bäume, vielleicht alle zehn Schritte ein hoher Baum. -Wir lagen ihnen auf vierzig bis fünfzig Schritt gegenüber. Zu sehen war -nichts. Sie hatten ein Labyrinth von Gräben angelegt, Blockhäuser und -große Unterstände. Aber man sah nichts! Regte man sich, so pfiffen die -Kugeln. Woher, das wußte man nicht, sie saßen irgendwo in den Bäumen. -Sie waren oben, wir unten, also sehr im Nachteil. - -Seit Ende September pfiffen hier die Kugeln. Die Bäume und die Stämme -des Unterholzes wurden hundertfach durchlöchert, bis sie abstarben. Die -Granaten knickten die Eichen, das Laub wirbelte. Es wurde allmählich, -ganz langsam, lichter. - -Man trieb Sappen vor und kam einander näher. Die Wurfminen flogen von -Graben zu Graben. Man trieb Stollen vor, unter der Erde, wir und er. Die -Sprengungen rissen die Bäume in die Luft. Es wurde immer lichter. - -Als ich die Höhe 285 sah, war sie _ganz kahl_. Sie ist so groß, daß eine -kleine Stadt darauf Platz hätte. Kein grüner Fleck. Zerschmetterte und -zerfetzte Bäume, das ist alles, was geblieben ist. Ein Schutthaufe, auf -den ein Wolkenbruch niederprasselte und Rinnen, Furchen, Gräben und -krumme Schluchten wühlte. So sah sie aus. - -Sie bot große Vorteile. Sie beherrschte einen Teil der Höhenzüge -ringsum, das Tal gegen Boureuille; er konnte unsre Straßen einsehen, -unsre Zufuhr unter Feuer nehmen. Das war keineswegs angenehm. Die Höhe -285 mit La Fille morte dahinter war, klar ausgedrückt, ein Dorn, der uns -im Fleisch saß. Der Dorn mußte weg! Der Franzose mußte hinter die Höhe -geworfen werden, weil er dann nichts mehr sehen konnte. - -Es mußte sein und wurde vollbracht! Am 13. Juli. - -Es war eine Höllenarbeit, denn er hatte sich eine vollkommene -unterirdische Festung gebaut, in der er bombensicher eingedeckt lag. Nur -bei gewissenhaftester Vorbereitung konnte der Sturm gelingen. - -Tagelang vorher schleppten die Pioniere die zentnerschweren Wurfminen -durch die engen Gräben in die Depots. Tausende von Handgranaten wurden -herangeschafft, Munition aller Art. Die unterirdischen Gänge wurden -ausgebaut, so daß man nur die Decke einzustoßen brauchte, und man war im -Freien. Jeder Mann kannte seinen Platz und wußte, wohin er den Fuß zu -setzen hatte, sobald er den Graben verließ. Im Kopfe hatte jeder Mann -den Sturm schon vollendet, bevor die erste Granate krepierte. Er wußte, -in welchen Graben er zu gehen hatte, wenn er verwundet wurde. Er wußte, -durch welchen Graben die Gefangenen geführt werden sollten. Alles war -vorher festgesetzt und besprochen. Die Reserven genau instruiert. Die -Gräben sind ein Labyrinth, und nichts ist leichter, als sich darin zu -verlaufen. - -Noch eines: die vorderste Sturmkolonne muß formiert werden. Freiwillige -vor! Da melden sich alle. Man verstehe recht: nach einem Jahr Krieg, -nach Monaten von Argonnenkrieg, Monaten von Mühen, Entbehrungen und -Gefahren! Woher schöpfen sie, die Grauen, diese Kraft? frage ich. Es -mußte _gelost_ werden. - -Nun also gut, so war es, als der 13. tagte. - -Die erste Granate kommt über den morgengrauen Wald und schlägt krachend -auf der Höhe ein. Das ist das Signal. Die Geschütze, da hinten, stehen -schon bereit, ausgerichtet, fertig zum Schuß. Hauptleute und Kanoniere -sind auf dem Posten. Los! Der Wald ist ein einziges Donnern. Die Kanonen -geben Schnellfeuer, ein Maschinengewehrfeuer von Granaten wirbelt auf -die Stellungen des Feindes nieder. Die schweren Minenhunde rauschen -durch den Morgen. Die Höhe ist eine einzige Staub- und Rauchwolke. Die -Grauen stecken die Köpfe aus den Gräben, um die rauchende Hölle drüben -zu sehen. Die Geschütze rasen. - -Der Feind bleibt nicht müßig und antwortet mit wütendem Feuer. - -Kaltblütig stehen unsre Artilleriebeobachter in den vordersten Gräben -und dirigieren das Feuer, unbekümmert um Granaten und Minen, die ringsum -krachen. Die Sturmkolonnen kauern dicht gedrängt in den Unterständen und -warten auf ihr Kommando. Sie liegen in den Sappen bereit, mit -Handgranaten am Gürtel und im Arm, soviel sie schleppen können. Sie -kauern in den unterirdischen Stollen, die unter unsren Drahtverhauen -hindurchführen. - -Plötzlich schweigt das Feuer. - -In der nächsten Minute stürzen die schlesischen Jäger vor. Aus Sappen, -Stollen, Gräben. Der Feind legt einen Feuerriegel vor unsre Gräben. -Hindurch! Ein Leutnant setzt mit einem Sprung über einen vier Meter -breiten feindlichen Drahtverhau. In sieben Minuten sind die vordersten -Gräben überrannt. - -Ungeheuer sind die französischen Verluste! Seine Gräben wimmelten von -Truppen, denn er hatte selbst einen Angriff geplant, und wir waren ihm -um einen Tag zuvorgekommen. Eine Mine war in ein Lager von Handgranaten -eingeschlagen und hatte furchtbare Verwüstungen angerichtet. In einem -einzigen Unterstand fand man einhundertundfünf Tote. Seine Verbände -waren zersprengt, aber noch keineswegs geschlagen. - -Sie kämpfen wie Rasende. - -Gräben, Sappen, Verbindungsgänge, Sprengtrichter und Granatlöcher, -überall sitzen sie wie festgeschraubt und zerren so viel Feinde mit in -den Tod, wie sie können. In einem Verbindungsgraben hat sich, mit zwei -Gewehren, ein französischer Offizier eingenistet, der unaufhörlich -feuert. Ein Soldat hockt neben ihm und ladet ihm die Gewehre. Es ist ein -Einzelgefecht im großen Kampfe, bis es gelingt, den kühnen Gegner zu -vernichten. Ein Hauptmann bedient einen verborgenen Minenwerfer, obschon -seine Leute ringsum gefallen sind. Er kämpft mit äußerster -Todesverachtung, bis ihn ein Schlesier niederschlägt. - -Schon beginnt wieder das Dickicht. Tausendfach schwirrt der Tod durch -den Wald. Ein Fort, ein eingegrabenes Blockhaus. Ein paar Pioniere -heran, Sprengladung angebracht, fort! Das Blockhaus fliegt in die Luft. -Der Feind läßt eine Mine hochgehen, Steine und Erde hagelt es aus der -Luft. Im nächsten Augenblick sitzen unsre Grauen im Sprengtrichter und -verteidigen ihn nach allen Seiten. Es sind rasche Teufel, man muß es -zugeben! - -Der Feind ist zersprengt, gefangen, geschlagen. - -Die Argonnenleute sind nicht zum Stehen zu bringen. Sie jagen weiter, -die Höhe hinunter. Sie stürmen ein französisches Lager, vernichten, was -sie vernichten können. Für all diese Fälle sind sie schon vorbereitet. -Sie haben Beile bei sich! Sie stürmen bis zu den feindlichen Geschützen -vor und ringen mit den grauen Untieren, um sie wegzuschleppen, um sie -auf die Höhe zu schaffen. Mit, alles mit, was mitgehen kann! Aber die -Geschütze sind zu schwer, zu fest eingebaut – es ist menschenunmöglich, -sie gefangenzunehmen und schon nahen französische Reserven. Kurzer -Prozeß! Sie schlagen kaputt, was sich kaputt schlagen läßt, die -Richtvorrichtungen, die Verschlüsse. Sie schieben den grauen Untieren -noch rasch ein paar Handgranaten ins Maul, um sie zu zerstören. - -Es ist höchste Zeit! Einer wirft noch rasch eine Handgranate in das -Munitionslager und es fliegt in die Luft. - -Zurück! In stehender Schützenlinie feuern sie auf die anrückenden -Reserven ... - -Der einzelne zählt hier, der einzelne Mann, er muß rasch, kühn, verwegen -handeln. - - - - - Der Krieg unter der Erde - - - Im Juli - -In die Erde sind die Gräben eingewühlt, tiefe, krumme Rinnen. Sie laufen -quer durch Felder und Wälder, Dörfer und Friedhöfe, sie nehmen keine -Rücksicht. Vor den Gräben sind die Drahtverhaue, niedrige, kriechende -Gestrüppe mit eisernen Dornen. Diese Dornengestrüppe sind Geschöpfe des -Menschen von heute. Sie tragen keine Früchte, der Mensch stirbt in ihnen -wie die Fliege in den Haarborsten der fleischfressenden Pflanze. -Zwischen den Drahtverhauen, hinüber und herüber, schwirren die -Gewehrkugeln. Aus dem wassergekühlten Lauf des Maschinengewehres stürzen -sich die zischenden Schwärme. Die Granate kommt aus weiter Ferne herüber -und tastet nach allem, was lebt. Mehr, noch mehr. Die zentnerschweren -Wurfminen stürzen aus den Gräben heraus, in die feindlichen Gräben -hinüber. Die Handgranaten fliegen. Das ist noch lange nicht alles! Wir, -die wir in der Luft, im Wasser, unter dem Wasser, auf den Schneefeldern -und in der Wüste kämpfen, wir kämpfen heute auch unter der Erde. Wo die -Gräben sich einander nähern, kommt zum Grabenkrieg noch der Minenkrieg. -Weiter geht es nicht. - -Es ist der Krieg der Pioniere! - -Erst waren sie hinten, Stege und Brücken, dann kamen sie vor, -Unterstände, Gräben und Drahtverhaue. Und schließlich begannen sie ihren -eigenen Krieg, auf ihre Weise. Heute sind sie vorn bei den Vordersten, -und wo der Mann fällt, fällt der Pionier mit ihm. - -Sie sind Teufelskerle und ohne sie geht es nicht mehr. Sie sind -unentbehrlich, geliebt und bewundert. - -Also sie kommen, Offizier und Mann, und betrachten sich die Sache. Sie -zögern nicht lange, es ist nicht ihre Art, lange zu fackeln. Sie fangen -an. Hinein in die Erde! Es ist ein Loch, ein Brunnen, ein Schacht. Ganze -Stockwerke tief. Knüppelleitern und Leitern von Stricken führen hinab. -Dann geht es vorwärts, unter den Gräben und Drahtverhauen hindurch. Von -da aus geht es nach rechts und nach links. Der Stollen wächst. Eine -Anzahl von Schächten wird in die Erde getrieben, und die Stollen -strahlen von ihnen aus. Galerien und Korridore verbinden die Stollen -unter der Erde. Da unten in der Dunkelheit sind neue Laufgräben -entstanden. Spitzhacke und Spaten und Druckluftbohrer fressen sich durch -Erde und Stein und es entsteht ein richtiges Bergwerk. - -„Wir haben da und dort eine Mine gesprengt.“ Wer denkt sich etwas dabei? -Niemand. Wer kennt die furchtbare Arbeit? - -Sie suchen hier unter der Erde nicht nach Erzen, sie suchen nach dem -Menschen, sie wollen ihn von unten fassen, da es von oben nicht genügt. - -Schwer und hart ist die Arbeit des Pioniers. Acht Stunden lang schleppt -er ununterbrochen Erde und Gestein durch die düsteren Stollen. Oben, im -Licht der Sonne, schüttet er die Erde aus, und wenn der Feind sieht, daß -neue Erdwälle entstehen, so schießt er augenblicklich mit Granaten -hinein. Aber der Pionier? Nun, der Pionier tut seine Pflicht. - -Mit Kompaß und Meßband wird hier unten gearbeitet. Es handelt sich um -geringste Winkel, Gefälle und Steigung, um Meter und halbe Meter. Züge -mit Grubenhölzern rollen heran, die Pioniere schleppen Tag und Nacht -Holz und Balken durch die Stollen, um sie auszubauen, damit sie ihnen -nicht über dem Kopf zusammenbrechen eines Tages. Das wäre eine hübsche -Geschichte! Kilometerlang sind oft Gänge und Galerien unter der Erde. -Aber niemand sieht sie, niemand kennt die Arbeit der Pioniere. - -Es ist eine Arbeit von Wochen und Monaten, eine Arbeit von Schweiß, -Überlegung und Mut. - -Wie steht es? Baut auch _er_? Der Pionier lauscht drunten in seiner -Nacht. Der Pionier lugt aus, ob nicht drüben bei ihm auffallend viel -Erde aufgeworfen wird. Es regnet in Strömen, tagelang, und der Pionier -horcht: Ja, seine Pumpen spielen! Er hat Wasser in die Stollen bekommen. - -Natürlich baut er, der Franzose. Er hat den Anfang damit gemacht und ist -Meister in diesen Dingen. - -Mit List und größter Vorsicht wird dieser Krieg unter der Erde, in der -Finsternis, geführt, viele Meter unter dem Boden. Eines Tages, in einer -Stunde der Nacht, während draußen die Gewehre peitschen und die -Leuchtkugeln alles taghell beleuchten, in einer glücklichen Minute hört -man ihn schaben und scharren, ihn, der von drüben herübergekommen ist, -in den Wochen, in den Monaten, und der, wie wir, versucht, den Feind von -unten zu packen, weil es von oben nicht genügt. Der Pionier, der ein -ganzer Kerl ist und seine Sache versteht, weiß genau, was er zu tun hat. -Mit seinen feinen Ohren horcht er und sagt sich, es sind vier Meter, es -sind sechs Meter. Ist er rechts, links, oben, unten, feine Ohren gehören -dazu. Der Offizier liegt in seinem Unterstand auf seiner Pritsche und -schläft, da tutet das Telephon: Es sind vier Meter, ich glaube, er ist -über uns. Nun schön, sagt der Offizier, ich komme morgen in aller Frühe. - -Nun heißt es handeln! Man muß arbeiten und schaben, damit er drüben -nicht merkt, daß man ihn gehört hat. Es ist ja wahrscheinlich, daß auch -er es gehört hat mit seinen feinen Ohren. Der große Augenblick ist -gekommen. Es handelt sich um Minuten. Die Sprengladung wird -herbeigeschafft. Sandsäcke, ganze Berge von Sandsäcken werden durch den -Brunnenschacht hinunter in den Stollen getragen. Die Pioniere wimmeln -wie Ratten in der Dunkelheit, aber die Leute vorn arbeiten weiter. Sie -markieren die Arbeit, aber es muß verdammt geschickt gemacht werden. Die -Art des Schlagens und Schabens, obwohl nur markiert wird, darf sich um -nichts von der wirklichen Arbeit unterscheiden, denn er drüben in den -Stollen ist listig wie ein Fuchs. Er wird sich in den Bart lachen und -sagen: Sie markieren jetzt, aber fünf Minuten früher werde _ich_ -sprengen. Dann lebt wohl, Pioniere, Offizier und Mann! - -Peinlich genau werden die Kisten mit der Sprengladung aufgebaut, mit -Sprengkapseln versehen, aber währenddessen wird ohne Pause das Wühlen -und Graben fortgesetzt, und er, der die Sache macht, muß ein Künstler -sein, soll das Werk gelingen. Rasch, rasch! - -Die Pioniere hocken im düsteren Stollen. Die Sandsäcke wandern in -fieberhafter Hast von Arm zu Arm. Die Sprengladung muß eingebaut und ein -meterdicker fester Wall davor gerammt werden. Sonst würde die Ladung -unsre Stollen zerreißen und nicht hoch gehen. Die Säcke wandern rascher -und rascher, und der Schweiß stürzt in Strömen über das Gesicht der -Pioniere. Mann für Mann gibt sein Letztes her! Der vorderste arbeitet -wie ein Besessener, stark und geschickt muß er sein, und baut die Mauer. -Rasch, immer rascher muß es gehen. Er spürt seine Arme nicht mehr, wenn -die Arbeit getan ist. Zurück! Die Leitungsdrähte werden sorgfältig -durchgezogen, die Pioniere stieben rückwärts, rasch, rasch! Und der -Offizier, der Offizier der Pioniere, sagt zu den Grauen in den Gräben: -Also jetzt geht es los, Achtung! In drei Minuten wird gesprengt. Die -Grauen verschwinden in den Unterständen und ziehen die Köpfe ein. - -Der Boden wankt, die Mine fliegt hoch! Sie zerreißt die Erde, der Boden -öffnet sich und Steine und Erde jagen Hunderte von Metern hoch. Ein -Vulkan speit. Schwarz und grau steht turmhoch die Rauch- und Staubsäule. -In dem Rauch jagen Sandsäcke und Menschenleiber in die Höhe und flattern -Kleidungsstücke, die der Luftdruck von den Körpern riß. Achtung! Nun -kommen sie herunter. Die Steine prasseln auf die Gräben herab. - -Aber noch regnet es Steine und Trümmer und der Rauch steht noch -undurchdringlich: da sind die Grauen schon aus den Gräben, schon vorn! -Und ehe der Rauch sich verzogen hat, sitzen sie schon in dem -Sprengtrichter, der groß ist wie eine Zirkusmanege. Alles war -vorbereitet, sie hatten nur gelauert. Alles war bereit, Gewehre, -Munition, Handgranaten, Maschinengewehre. Und mit den Grauen sind auch -schon die Pioniere da, mit Sandsäcken, und beginnen wie die Ameisen zu -bauen. Wälle, Schutzschilde, provisorische Unterstände: Nun mag er -kommen! Und schon sind die Pioniere _hinten_ an der Arbeit, um eine -Sappe zu der neuen Festung vorzutreiben. Wir haben zwanzig Meter, -dreißig Meter gewonnen, wir haben unsere Stellung verbessert, wir haben -seine unterirdischen Stollen zerstört. - -In den Zeitungen steht die Notiz: Da und dort haben wir eine Mine -gesprengt. Aber niemand weiß, welche Arbeit, wieviel List und Kühnheit -dazu gehört. Die Pioniere sind Leute, die nicht viel reden. - -Das ist der Krieg unter der Erde, der neueste, der furchtbarste. Tag und -Nacht wird gegraben und gewühlt. Eine Mine fliegt hoch, an dieser und -jener Stelle der Front. Man treibt die Stollen bis unter die Gräben der -Feinde, und ein Grabenstück mit allem, was da drinnen ist, geht in die -Luft, Menschen, Munition, Kochgeschirre und Waffen. - -Für den Sturm werden Stollen vorbereitet und fliegen auf in der Sekunde, -in der es sein muß. - -Wehe aber, wenn er zuerst sprengt, eine Minute früher: Offizier und -Pionier, sie gruben ihr eigenes Grab. Aber sie wissen, was sie tun, sie -wissen, wofür sie es tun. - - - - - La Bassée - - - Im August - -Um sechs Uhr nachmittags verschwinden die Leute von Lille von der -Straße. Um neun Uhr wird es Nacht und Lille ist tot. Nur vereinzelt ein -erleuchtetes Fenster und Stimmen dahinter. Die Schritte hallen. Ein -Polizeisoldat, ein Feldgrauer mit der schwarzweißroten Binde am Arm, -schlürft an den verschlossenen, finsteren Häusern entlang. Eine -Radfahrerpatrouille gleitet schweigend durch die nächtige Straße. Ein -paar verspätete Offiziere. Man kann stundenlang durch Straßen und -Boulevards wandern, keine Katze regt sich. Lille schläft. - -Von draußen, aus der Nacht, dringt der Lärm des Gewehrfeuers. Man hört -es ganz deutlich, jeden einzelnen Schuß. So nahe sind die Gräben! Es -pocht, dumpf und hart, wie eine Negertrommel. Eine Reihe von Schlägen, -dazwischen ein rollender Wirbel. Dann beginnt es zu prasseln und zu -knattern, metallen. Die Maschinengewehre hämmern. Ein Nachtgefecht, ein -paar Gräben sind lebendig geworden. Das Feuer wird lebhafter, es -prasselt minutenlang ohne jede Pause. Aber Lille schläft. Es öffnet sich -kein Fenster, kein Kopf lauscht hinaus in die Nacht. Kein Herz schlägt -rascher, erregt von einer leisen Hoffnung. Nein! Sie wissen es jetzt. -Seit Monaten, seit dem Herbst hören sie das Rollen des Gewehrfeuers in -der Nacht, sie wissen, es bedeutet – nichts. Sie schlafen, sie halten -sich die Ohren zu, um es nicht zu hören, lange genug haben sie sich -betrogen mit Hoffnungen, Ahnungen, Gerüchten, sie glauben es nicht mehr. -Morgen um fünf Uhr wird der Flieger, klein wie ein Punkt, über der Stadt -erscheinen, und die Abwehrgeschütze werden krachen, aber sie wissen, -auch das bedeutet – nichts. Das Quälendste für den Menschen ist das -Warten, es tötet alle Kraft zu hoffen. - -Nein, Lille schläft, es will nicht aufwachen! - -Niemals war eine Stadt so still und so dunkel. Punkt drei Uhr kommt das -Auto, das mich hinausbringen soll zu den Gräben, und wir machen uns auf -die Reise. - -Das Feuer hat aufgehört, die Stadt ist noch stiller geworden. Sie -schläft nicht, sie liegt in einer Art von Totenstarre. Das Auto gleitet -zwischen schwarzen Häusern dahin. Kein Schnarchen hinter den dunkeln -Fenstern, kein Kinderweinen, stumm, alles stumm. Die große Stadt ist -tot. Wir rollen durch finstere Straßen, über öde Plätze und leere -Boulevards. Eine rote Lampe schwingt am Ende der Straße hin und her. Aus -der Finsternis taucht ein massiges schwarzes Festungstor. Die Wache -tritt vor und blendet mit der Lampe über Wagen und Insassen. Weiter! - -Nun ist es plötzlich noch finsterer geworden. Die Lampe des Autos -leuchtet wie ein Scheinwerfer in die Nacht hinein. Wir jagen an fahlen -Baumstämmen vorüber, durch Grotten von bleichgrünem Laub. Alleen, -Straßen. Der Wagen nimmt Erhöhungen der Straße wie ein Segelboot die -Woge, er tanzt, in den Kurven fegt er haarscharf an den Bäumen entlang -und die Zweige peitschen unsere Gesichter. Es ist kalt und die satte -Luft der Nacht stürzt uns entgegen. Die Bäume rauschen und brausen im -Wind. Aufgescheuchte Tiere, kalkbleich, huschen über den Weg und Funken -stieben blitzschnell vorüber. Das sind Motten, vom Lichtkegel getroffen -und vom Luftdruck zur Seite geschleudert. Tote, schlafende Dörfer. Kein -Laut, kein Mensch. Der Motor donnert. Rote Backsteinhäuser flammen im -Lichtschein auf und sinken augenblicklich wieder in die Finsternis -zurück. Die erschrockenen Augen einer schneeweißen Katze. Ein Posten. -Ein paar laute Rufe wehen vorbei. Weiter! Der Wagen fliegt. Herrlich ist -die Fahrt. Über uns stehen glitzernd und klar die Sterne des -Sommerhimmels. Wir schweigen. Jeder ist in seine Gedanken versunken. - -Hier auf dieser Straße marschierten sie, die Kolonnen, Kompanien, -Regimenter, im Herbst. In die Schlacht von La Bassée. Freiwillige, -Studenten. Sie stürmten dahin, sie sangen, ihre Augen sprühten. -Vorwärts! Viele kehrten diese Straße nicht zurück! An der Straße stehen -seltsam geformte Büsche; wie Frauengestalten, die die Hände vor das -Gesicht breiten, erscheinen sie in der Nacht. Hier, dort, überall. An -der Straße stehen Steine, die aufleuchten, sich gespensterhaft neben der -Straße emporrichten, wie Geister, die uns betrachten wollen, die alles -sehen wollen, was diese Straße kommt. Kleine weiße Kreuze stehen an der -Straße, man sieht sie weithin leuchten, wenn der Lichtkegel sie trifft. -Und fliegen wir vorüber, so drehen sie sich mit einem Ruck uns zu. Der -Herbst ist nahe und immer noch marschieren hier die Kolonnen, die -Kompanien und Regimenter. In der Nacht wandern sie dahin. Sie singen -nicht mehr. Wenn sie sängen, so kämen die Granaten. Dies ist der Grund, -weshalb sie nicht mehr singen. - -Von den Gräben her hallen Schüsse. Sie klingen näher und näher, denn wir -sind rasch. Dann und wann schlägt dumpf ein Geschütz, irgendwo. Auch -nachts kann es hier außen keine Ruhe geben. Seit Monaten lärmt hier der -Mensch. Ein paar Furagewagen knarren die Straße entlang. Die Pferde -schlafen im Gehen und fahren unruhig auf, sobald der Lichtkegel sie -faßt. Die Kutscher reißen sich zusammen. Neben der Straße werden die -Granattrichter häufiger. Viele sind ganz frisch. Der Wagen humpelt über -Erde und Steine. Die Granate schlug mitten in den Weg. Vor ein paar -Stunden war es hier keineswegs gemütlich. Zweige und Äste, das Laub noch -grün und saftig, liegen auf der Chaussee. Baumkronen sind zerfetzt, -Splitter hängen von den Stämmen. Plötzlich zieht der Fahrer mit einem -Ruck die Handbremse an und hält. Ein Baum ist quer über die Straße -gestürzt. Er ist gefallen wie ein Soldat und hingeschlagen. Die Granate -schnitt ihn über der Wurzel glatt durch und warf ihn aufs Gesicht. Seine -Zweige sind noch grün und rauschen im Wind, wälzen sich hin und her und -wissen noch nichts. Der Motor brummt, die Räder springen in die Höhe, -hinüber. - -Ein Dorf. Der Posten winkt. Wir müssen die Lampe löschen. Durch die -Dunkelheit tasten wir uns weiter. Die Gewehre knallen. Ein schweres -Geschütz in der Nähe reißt laut krachend ab und die Granate rauscht in -das Dunkel hinein. Kein Zweifel, die Nacht geht zu Ende. Draußen bei den -Gräben steigt zuweilen eine Leuchtkugel empor. Bleich und sprühend, wie -ein gleißender Mond steht sie über der nächtigen Erde. Die Gewehre -lärmen aufgescheucht, dann wird es wieder still. Die Leuchtkugel sinkt -erblassend, ganz langsam, zur dunklen Erde herab. Nun aber steht rechts, -zwischen den Pappeln, ein funkelndes Leuchtfeuer, grellweiß und drohend. -Wiederum kracht das schwere Geschütz, und die Granate nimmt fauchend und -gurgelnd ihre Bahn über unsere Köpfe hinweg. - -Die Sterne erblassen, die Landschaft wird fahl. Nebel steigt aus den -Feldern. Das Auto fliegt. Wir haben Eile, denn die Straße liegt in Sicht -des Feindes. Bevor es tagt, müssen wir an Ort und Stelle sein. - -Aus dem grauenden Morgen heben sich die fahlen, verschwimmenden Umrisse -einer Stadt: _La Bassée_. Ein paar Soldaten in Hemdsärmeln, fröstelnd in -der Morgenkühle, stehen an der Straße. Leichenhaft erscheint La Bassée -im frühen Licht. Kein Mensch, kein Tier ist hier zurückgeblieben. Von -ein paar Wachen abgesehen, haust hier kein Soldat. Die letzten Einwohner -mußten schon vor Wochen den Ort verlassen, denn La Bassée liegt ständig -unter schwerem Feuer. Die Kirche ist ein Trümmerhaufen, ganze Häuser -sind in die Luft geflogen. Granateinschläge überall. Die Stadt sieht aus -wie von einem Erdbeben zerrissen. Erst schossen wir hinein, dann -übernahm es der Engländer. Hunderte, Tausende von Granaten fielen auf La -Bassée. Es gibt nur wenig Häuser, die unversehrt sind. - -Der Musikpavillon aber steht noch auf dem Marktplatz wie im Frieden. - -Das Auto biegt in eine schmale Gasse ein. Sie ist düster und voller -Qualm. Ein Haus brennt, von einer Granate in der Nacht in Brand gesetzt. -Niemand löscht, niemand kümmert sich darum. Laß es brennen! Die Flammen -lecken aus den Fenstern, sie sind ganz allein, niemand stört sie, und -sie arbeiten ruhig und langsam weiter. Qualm wirbelt durch das verkohlte -Gebälk. Im Hause drinnen klettert das Feuer über eine purpurrote Tapete -mit zarten Empiregirlanden. Die Scherben des geplatzten Spiegels -funkeln. Hier lebten einst Menschen. - -Wir tasten uns durch den ätzenden Rauch, der Chauffeur flucht. Wir -fahren weiter, hinaus zu den Gräben. - - - - - Die Gräben bei La Bassée - - - Im August - -Der Kommandeur ist frühzeitig aufgestanden. Fix und fertig angekleidet -kommt er aus seinem Unterstand geklettert. Sein Gesicht ist gerötet von -der Frische des Morgens. Ein kleiner, rührender Friedhof mit Kreuzen auf -den Gräbern und Blumen, Granattrichter und ein Haufe zusammengestürzten -Mauerwerks, das ist seine Aussicht. Das Regiment liegt hier seit -Monaten, aber der Kommandeur sieht aus, als sei er auf weitere Monate -eingestellt. Er ist in seinem Dachsbau zu Hause, und was die Aussicht -anbetrifft, so ist ihm das vollkommen gleichgültig. - -Er telephoniert seinen Offizieren, daß sie uns einen Führer durch den -Annäherungsgraben entgegenschicken sollen, damit wir uns nicht verirren, -und wir steigen in den Graben. - -„Fünf Uhr dreißig Minuten werden unsere 21er die neuen englischen Gräben -eindecken. Seien Sie bis dahin zurück, denn es ist wahrscheinlich, daß -er antwortet. Alles Gute!“ - -Wir trollen zwischen den Lehmwänden und Sandsäcken dahin. Eine -Viertelstunde sind wir unterwegs, Geschütze pochen, da pfeift und saust -es in der Luft, ein sonderbares und nicht zu verkennendes Pfeifen. Wir -ducken uns zusammen. Mit einem höllischen Sang, böse zischend, fährt die -Granate über unsere Köpfe weg. Kaum ist sie vorüber, kommt die zweite -angefegt, in der nächsten Sekunde die dritte und dahinter die vierte. In -einem Höllentempo jagen sie dahin, eins, zwei, als wollten sie einander -einholen. Im Bruchteil einer Sekunde sind sie vorüber, man sieht sie -nicht, aber in meiner Vorstellung haben sie die Gestalt von Schlangen -angenommen, von höllischen Vipern, die langgestreckt zischend durch die -Luft fahren. Die Einschläge klingen nahezu wie ein einziger Krach, als -würden ein paar schwere Eisentüren fast gleichzeitig ins Schloß -geschmettert. - -So! Aber wir haben uns kaum von dem Schrecken erholt, als die zweite -Lage pfeifend und fauchend angefegt kommt und uns über die Köpfe zischt. -Eins, zwei, drei, vier und Schluß. Das war die Begrüßung. - -„Es sind Flachbahngeschosse,“ sagt der Hauptmann, „sie zischen so -blödsinnig!“ - -In den Gräben ist man schon munter. Die Gewehre peitschen, und die -Spitzkugeln fahren summend und singend über uns dahin. Die Engländer -haben die Morgenarbeit aufgenommen und knallen, um vollends wach zu -werden. Sie passen verflucht auf. Sobald man die Mütze über die -Sandsäcke streckt, kommt eine Kugel herüber. Draußen ist nichts zu -sehen: Drahtverhaue, eine verwilderte Wiese, ein Erdwall, hinter dem es -sich zuweilen bewegt. Das ist alles. - -Unsere Grauen sind auf dem Posten. Die runde Mütze in die Stirn -gedrückt, stehen sie und lugen durch Schießscharten und Spiegelapparate. -Sie rücken die Gewehre, tasten hin und her, setzen ab, zielen von neuem. -Plötzlich erstarrt das Gesicht auf eine Sekunde: Schuß! Sie spaßen -nicht, o nein, sie nehmen es verdammt ernst und gewissenhaft. Sie sind -ganz bei der Sache. Alle paar Schritte steht ein Grauer und lauert. - -So stehen sie von der Nordsee angefangen bis hinunter zur Schweiz. So -stehen Hunderttausende, Tag und Nacht, seit zehn Monaten, jetzt und in -dieser Sekunde. So stehen sie, bis die tausendste Kugel kommt und sie in -den Graben wirft. Wer sie gesehen hat, die Treuen, muß immer an sie -denken: wie sie stehen, lauern, zielen, feuern, unermüdlich. - -Eine unheimliche Spannung herrscht zwischen den beiden Labyrinthen der -Gräben. Wie zwischen zwei Gewitterwolken. Sie verdichtet sich, die Kugel -blitzt hinüber, herüber. - -Die andern frühstücken. Sie trinken Kaffee aus Blechbüchsen, streichen -sich Butterbrote, schneiden Fleisch aus den Dosen. Über ihren Köpfen die -Ballen von Sandsäcken, die Maschinengewehre, das Gespinst der raschen -Kugeln. Andre liegen in ihren kleinen Nischen, die schmutzigen Stiefel -unter den Mantel gezogen, und schnarchen. Sie liegen schlafend mitten im -Graben, und man muß über sie hinwegklettern. Sind sie tot, leben sie? -Man kann es nicht sagen. - -Ein Teil der Gräben ist zusammengetrommelt und wird instand gesetzt. Die -Sandsäcke sind durcheinandergeschleudert, aufgeschlitzt und gelb von den -Schwefelgranaten, die der Engländer feuert. Ich greife rasch nach einer -Zigarette. Hier stinkt es grauenvoll! Der unsagbare Gestank wirft mich -nahezu um. Schon beim Gedanken an diesen Gestank wird mir übel. Es ist -der penetrante Geruch von Raubtieren, verhundertfacht, vermischt mit -allerlei Unsagbarem und Scheußlichem, es ist die Pest, es ist der -_verwesende Mensch_. Die Engländer faulen hier! - -Arme Schufte, für ein paar Schillinge die Woche –. French jagte sie hier -in den Tod. - -Der Engländer schont seine Regimenter. Er spart Soldaten. Gott weiß, ob -er sie nicht einmal gut gebrauchen kann, so gegen den Schluß zu, wenn -der Partner genug hat? Dann ist es immer eine herrliche Sache, ein paar -frische und nagelneue Divisionen an der Hand zu haben, die im -Hintergrund in Paradestellung verharren, während man mit dem Partner in -aller Höflichkeit über die Bedingungen verhandelt. Aber von Zeit zu Zeit -ist es unbedingt notwendig, so zu tun, als mache man ernsthaft mit. Dann -opfert French ein paar Regimenter, um den Franzosen seine Verlustlisten -unter die Nase halten zu können. In erster Linie gibt er den Kanadiern, -Irländern und Indern Gelegenheit, Beweise ihrer Loyalität zu geben. -Siehe Ypern, Neuve Chapelle. Wird es Ernst, so zieht er gern seine -englischen Regimenter aus den Gräben und wirft Überseeische und Farbige -nach vorn. Man muß zugeben, er versteht seine Sache! Aber sie allein -können ja nicht _alle_ schwere Arbeit verrichten, das ist natürlich. - -Als die Franzosen sich bei Arras und Souchez verbluteten, konnte er -nicht ganz müßig bleiben. Es galt Truppen und Artillerie abzuziehen. Er -entschloß sich, anzugreifen, und es muß gesagt werden, er meinte es -diesmal bitter ernst! Trommelfeuer, Angriff auf Angriff. Erbitterte -Grabenkämpfe. Die Toten liegen in Haufen vor unsern Drähten. Unsere -Grauen wanken und weichen nicht. - -Gegen die Gräben, durch die ich mich jetzt winde, gegen die sogenannte -Trichterstellung, warf er drei Divisionen. Er faßt Fuß, aber eine Stunde -später fliegt er wieder hinaus. Der Angriff war furchtbar, er wurde -trotz der Übermacht abgewiesen. So geht es nicht. - -Er versucht es von neuem. Er versucht es ohne Artillerievorbereitung. Er -will uns überraschen. Seine Sturmkolonnen fluten heran. Aber die Grauen -sind auf dem Posten! Innerhalb von 30 Sekunden (dreißig Sekunden) legt -unsere Artillerie einen Feuerriegel vor die Gräben, daß den Engländern -Hören und Sehen vergeht. Sie müssen zurück, ungeheuer sind ihre -Verluste. - -Es ging auch so nicht. Nicht einen Meter haben sie gewonnen. - -Sie haben genug, sie haben den Franzosen gezeigt, daß sie es ernst -meinten – aber es ging nicht. Sie geben es auf. Aber sie werden die -Gräben von Givenchy und Festubert nicht vergessen. – - -Nun liegen sie in den Massengräbern, die unsere Grauen schaufelten, und -verwesen. Hier sind einige Wassertümpel voll einer gelben dicken Jauche, -und auch diese Tümpel strömen denselben furchtbaren Gestank aus. Niemand -wagt zu denken, wie es da unten aussieht! – Unsere Grauen aber -frühstücken, schneiden Fleisch aus den Büchsen und schmieren sich dicke -Butterbrote. An alles gewöhnt sich der Mensch. - -Wir überschreiten auf einer Planke die gelbe Tümpelkette. Hier gibt es -keine Deckung, und so rasch es geht huschen wir hinüber. Einer hinter -dem andern. Aber die Schufte haben uns doch gesehen. Ein paar Minuten -sind wir in der Sappe unterwegs, da weint es in der Luft und die Granate -schlägt krachend ein. Wir machen uns aus dem Staub. Granate um Granate -segelt daher. Vorsichtig lugen wir aus dem Graben und sehen die -Einschläge rauchen. Weitab! Aber plötzlich kommen sie wieder näher und -schließlich müssen wir die Beine strecken. – - -Punkt fünf Uhr dreißig Minuten, auf die Sekunde, nehmen die 21er das -Feuer auf. Die Granate winselt hoch über uns durch die Luft. Drei -Sekunden Stille, dann ein Krachen, als stürze ein Haus aus Eisen -zusammen. Der Boden bebt unter unsern Füßen. Schon kommt die nächste -Granate angeweint. Sie braucht eine unendlich lange Zeit, bis sie ihre -Bahn durchfegt. Einschlag auf Einschlag! Es ist wie ein schweres -Gewitter mit harten Donnerschlägen. Der Engländer antwortet. Er sucht -aufgeregt und wütend unsere Haubitzen. Geradeaus, am Horizont, stehen -die Rauchfahnen seiner Granaten, schwarz und schiefergrau. - -Wir sitzen im Bataillonsunterstand und trinken Kaffee. Die Granaten -weinen über uns hin. Die schweren Geschütze erschüttern die Luft mit -ihrem Gebrumm. - -„Fragen Sie telephonisch an, wie es steht.“ - -Das Telephon tutet. Von den Gräben kommt die Antwort zurück: „Der Erfolg -ist überraschend günstig.“ - -Es ist ein Morgen wie jeder andere. Ein Duell zwischen ein paar -Batterien, nichts sonst. Die Berichte bringen nicht eine Silbe darüber. - - - - - „Dicke Luft“ - - - Im August - -In den Argonnen riecht es nach Chlor, in den Gräben nach Verwesung und -schrecklichen Dingen, aber hier außen, in der Gegend von La Bassée – ist -es nicht sonderbar? – duftet es wohlriechend wie in den Gemächern einer -verwöhnten Dame. Es riecht nach Parfüm, nach Flieder, Veilchen und -anderen schönen Dingen. Seit dem Herbst liegt dieser zarte Parfümgeruch -über dem Lande, einmal schwächer, einmal stärker, je nach dem Winde. -Dieser Duft stammt von den Parfümfabriken in Illies, die im Herbst -zerstört wurden. - -Das ist aber auch alles, was aus einer Zeit herrührt, da man noch an -eine Verschönerung des Daseins dachte. Heute handelt es sich für -Millionen darum, das Leben zu retten, das nackte Leben ohne alle -Zusätze. - -Die ganze Gegend bei La Bassée ist jammervoll. Leer, elend. Gräber, -Granattrichter, zersplitterte Bäume. Die Felder verkommen und -verwildert. Wo sind die Menschen? Sie sind längst geflohen vor den -englischen Granaten! Sie wurden zerrissen in ihren Bauernbetten, die -Granate zerschmetterte sie, während sie Futter für ihre Ziege holten. So -blieb ihnen nichts anderes übrig, den Unglücklichen, die sich -verzweifelt an ihre Scholle klammerten. Sie hielten es wochenlang, -monatelang aus. Im Herbst sah ich oben bei Illies in einem Dorf eine -alte Frau vor ihrem Häuschen sitzen und Kartoffeln schälen, während das -Dorf (ich glaube Herlies) unter schwerem Feuer lag. Es gab bleiche -Gesichter unter den Soldaten, aber die Alte schälte inmitten des -Geschützgewitters ihre Kartoffeln ruhig und gleichmütig, und zu ihren -Füßen spielte ein sechsjähriges Mädchen. Sie wollte lieber sterben, als -das Stück Erde verlassen, das sie seit sechzig Jahren bewohnte. Viele -starben so. Dorf um Dorf beschoß der Engländer; um einen Soldaten zu -töten, tötete er drei Franzosen, aber es waren ja keine Engländer, auf -die er feuerte. Die Dörfer leerten sich, eines ums andere, und heute -sind sie ausgestorben. - -Dörfer, Städtchen, Weiler und Gehöfte, wie mit einem großen Hammer -zerschlagen sehen sie aus. Sie sinken zusammen, täglich etwas mehr, die -Granate frißt sie auf. Sie sind nur noch Gespenster und Gerippe von -Wohnstätten, aber der Engländer funkt täglich in die Ruinen, bald wird -keine Mauer mehr stehen. Es ist ein billiges Vergnügen und kostet ihn -keinen Pfennig. Sind es etwa seine Dörfer und Häuser? _Oh, by Jove, no!_ -Er wird eines Tages seine Kanonen zusammenpacken und nach Hause fahren, -und der Franzose kann bezahlen. Man soll ihm nicht nachsagen können, er -habe nicht gearbeitet. Von der Nordsee bis südlich La Bassée hat er -alles kurz und klein geschossen. – - -Die Sonne blendet durch die zerfetzten, zerfallenen Häuser. Kein Mensch -weit und breit. Granatlöcher größten Formats, viele ganz frisch. Ein -zertrümmerter Wagen. Die Granate packte ihn und warf ihn ins Feld. Ein -Schild: Violaines. Das Dorf ist ein Grab, mich fröstelt trotz der heißen -Sonne. - -Wir verlassen die Straße und wandern querfeldein, um nach La Bassée -zurückzukehren. Die Geschütze brummen. - -Plötzlich weint es böse in der Luft, eine, zwei Sekunden, und mit -lautem, hartem Krach schlägt die Granate in das letzte Haus von -Violaines, das wir soeben verlassen haben. Die Dachziegel fliegen durch -die Luft wie ein aufgescheuchter Taubenschwarm, und schwarz wälzt sich -die Wolke aus dem Hause. Wir sehen einander an. Was nun? Wieder schlägt -dumpf ein Geschütz. Wir horchen. Schon kommt sie näher, sie -weint und klagt, mit hoher Stimme, krach! Panzerplatten, die -gegeneinanderschlagen. Grauschwarz, mit böse gekräuselten Rändern, wie -Hagelwolken sie haben, brodelt die Wolke empor. Es sind schwere -Schiffsgeschütze, Kaliber 28. Nun machen sie Ernst! Das Geschütz -schlägt, unser Geschütz, wir kennen nun seine Stimme. - -Wir schwingen die Beine. Aber sobald die Granate da oben weint und -winselt, bleiben wir stehen und horchen. Qualm wirbelt aus einer Scheune -in die grelle Sonne. Der nächste Einschlag ist gottlob ferner. Ein -schwefelgelber Rauchklumpen, der braungelb verweht, liegt im Felde und -reckt sich. Eine Schwefelgranate. Das Feuer zieht sich nach La Bassée -hin. Dazwischen kracht es scharf und hart: ein Schrapnell. Es streckt -seine grauweißen Fangarme gierig in die leere Luft. Wir stoßen auf eine -Batterie, die im Feld eingegraben ist. - -Die Kanoniere, sechs an der Zahl, stehen hinter den Geschützen, die Arme -verschränkt, in Hemdärmeln, lachend und vergnügt, als fingen sie 28er -Schiffsgranaten mit der bloßen Hand auf. Sie haben nur eine kleine Mauer -aus Sandsäcken aufgebaut, die ihnen den Rücken decken soll, wenn sie an -den Geschützen arbeiten. Neugierig lassen sie uns herankommen. Sie -stehen keineswegs in Deckung, sie stehen im freien Felde, wie es sich -für einen Kanonier gehört. - -Meine Begleiter sind hohe Stabsoffiziere, aber das kümmert die Kanoniere -wenig. Sie sind die Herren dieses Feldes, das ist offenbar, und es ist -schon eine große Freundlichkeit, wenn sie uns passieren lassen. - -„Guten Morgen!“ - -„Gut’ Morg’n!“ - -Sie wackeln ein bißchen mit den Beinen, rücken die Stiefel zusammen und -bringen die Hände flüchtig in die Gegend der Hosennaht. Große Umstände -machen sie nicht mit uns. Offizier und Mann, sagen sie sich, hier außen -ist das schon so ziemlich eine Sache. - -Es sind ganz prachtvolle Burschen. Kaltblütig und ruhig stehen sie hier, -während ein paar hundert Meter entfernt die schweren Granaten einhauen -und jederzeit eine Granate abschwenken kann. - -Ein langer, der größte von ihnen, blinzelt belustigt. „Dicke Luft!“ sagt -er und freut sich. Die Mütze sitzt ihm keck auf dem Ohr, die nackten -braunen Arme hat er über dem offenen Hemd verschränkt. „Dicke Luft,“ -sagen die Grauen, wenn es etwas lebhaft zugeht. - -„Kann man quer durchs Feld nach La Bassée gehen?“ - -„Das kann man schon!“ antwortet der Lange. - -„Übernehmen Sie die Garantie?“ - -„Jawohl, die übernehme ich. Aber bleiben Sie bei der Fabrik dort nicht -stehen. Da schießt er immer hin!“ Keck und forsch ist der Lange. Seine -Kameraden sollen sehen, daß er nicht gleich die Fassung verliert, wenn -ein paar Stabsoffiziere kommen. Das wäre noch schöner. - -Wir sind keine zwanzig Schritt gegangen, da ruft uns der Lange nach: -„Immer ein bißchen fix, sonst garantiere ich für nichts.“ Sie lachen. -Ich drehe mich um und sehe, daß sie die Mäuler vor Vergnügen aufreißen. -Es amüsiert sie, daß wir durch die „dicke Luft“ hindurch müssen, während -sie es so behaglich bei ihrem Dutzend Sandsäcken haben. Kleiner und -dünner werden sie im Feld, aber ihre roten Gesichter sind immer noch auf -uns gerichtet. Sie wollen sehen, wie wir hinüberkommen. - -Die Granate singt und pfeift, hoch oben, und schlägt links in die -Fabrik. Hat er es nicht gesagt, der Tausendsasa? Rechts liegt das Feuer -auf La Bassée und links auf der Fabrik. In der Mitte müssen wir -hindurch, denn wir haben unser Auto in La Bassée eingestellt. Die -englischen Granaten haben eine unserer Batterien aufgeweckt, und nun -kracht sie dazwischen. Fegt die Granate hinüber, herüber? Es ist schwer -zu sagen. - -Das ist eine hübsche Sache geworden, alle Wetter! Wir gehen -hintereinander und pflügen uns den Weg durch Kräuter und Stauden. Die -Sonne brennt, und der Schweiß steht auf unseren Gesichtern. Alle paar -Augenblicke müssen wir über Telephondraht klettern. Und wieder schlägt -unser Geschütz. Wir hören es deutlich aus dem Brummen und Pochen in der -Ferne heraus. Nun haben sie abgerissen und die zwei Zentner auf die -Reise geschickt. Die Granate fegt ihre Bahn. Es dauert viele Sekunden, -bis sie herankommt. Sie weint, sie klagt, als sei sie in der Klemme und -nicht wir. Näher, immer näher. Was in der nächsten Sekunde geschehen -wird, wissen wir nicht. Sie ist vorüber. Einschlag – dort! - -La Bassée kommt näher, ganz langsam. - -Es ist ein großer Unterschied, ob man selbst feuert und zusieht, wie -etwas beschossen wird, oder ob man persönlich dabei engagiert ist, ohne -Frage. - -Bei den ersten Häusern kommt eine Granate angewinselt, näher und näher, -aber plötzlich ist sie wie weggeblasen. Ein Blindgänger. - -Nun, da sind wir. Wir atmen auf. Die Häuser geben ein Gefühl der -Sicherheit. Gegen einen Volltreffer ist nichts zu machen, natürlich, -aber gegen Splitter ist man immerhin einigermaßen gedeckt. - -Die erste Straße ist ganz leer. In der zweiten sehen ein paar Feldgraue -gemütlich aus dem Fenster. Sie sind unbekümmert und sorglos wie die -Kanoniere draußen im Felde. Ja, sonderbare Burschen sind diese Grauen, -das muß man sagen! - -„Was macht ihr hier?“ - -„Wache!“ - -Sie rauchen und haben es sich in der Stube behaglich gemacht. Daß ein -bißchen geschossen wird, das kümmert sie nicht. Stürzt das Haus -zusammen, so ziehen sie eine Tür weiter. - -In der leeren Straße will ein Fuhrwerk umwenden. Es ist mit zwei starken -Pferden bespannt, und die Stränge sind in Unordnung gekommen. Vor, -zurück, die schweren Pferde drängen gegen die Deichsel. Ärgerlich steigt -der Fahrer vom Bock, und Mann und Kutscher fluchen. Es ist schließlich -kein Vergnügen, in einer Stadt, die unter Feuer ist, stecken zu bleiben. -– - -An den Hauswänden der toten, zerfetzten Stadt wandern wir entlang, und -sobald die Granate pfeift, nehmen wir Deckung. - -Auto. Wir fegen mit Vollgas davon. - -Lebe wohl, La Bassée! - -Es passieren aber doch die sonderbarsten Dinge! An einer Wegkreuzung -halten wir. Ein General, hoch zu Roß, kommt des Weges. Exzellenz -befinden sich auf dem Morgenritt. - -„Geht es hier nach La Bassée?“ fragt der General. - -„Jawohl, Exzellenz.“ - -Der General reitet weiter. Wir sehen einander verblüfft an. Nun, -Exzellenz werden heute wohl den Morgenritt abkürzen! - - - - - Der Herr der Haubitzen - - - Im September - -Draußen in den Gräben von La Bassée und Violaines hörte ich plötzlich -seinen Namen wieder. Von einer berühmten Batterie war die Rede. Als die -Engländer einen Überfall ohne Artillerievorbereitung ausführen wollten, -legte die Batterie innerhalb von dreißig Sekunden ein Höllenfeuer vor -unsere Drähte, der Überfall brach kläglich zusammen. Dreißig Sekunden -nach dem telephonischen Anruf krachte der erste Schuß! Ich verstehe -nichts von Artillerie, aber ich begreife, daß es etwas ganz Unerhörtes -ist. Laden, richten, Schuß! Und darauf Wirbelfeuer. Überhaupt diese -Batterie! Man brauchte nur anzuklingeln und hatte die Granaten gerade -da, wo man sie haben wollte, Tag und Nacht, es war ganz einerlei. Die -Offiziere priesen die Batterie, ein Kanonengenie, Hauptmann H. heißt er. - -Ich kenne ihn. Plötzlich erinnerte ich mich auch, daß er, der mich durch -sein ganzes Wesen bestach, so daß ich ihn nicht mehr vergessen werde, -daß er mir sagte, er stehe gegenwärtig bei Violaines. Seht an, er war es -also! - -Ich fuhr mit ihm im Zuge, und er erzählte. Er fuhr in Urlaub, seit -Kriegsbeginn zum erstenmal. Er hatte Glück, es gab viel Arbeit, und -eigentlich war es gerade jetzt unmöglich abzukommen, aber er hatte, wie -gesagt, Glück. Er hatte keine Batterie mehr, und aus diesem Grunde -konnte er nach Hause fahren. Auf ein paar Tage. - -Keine Batterie mehr? - -Ja, sie hatten ihm ein paar Geschütze kaputt geschossen in den letzten -Tagen, schweres Kaliber, englische Schiffsgeschütze, und das übrige -Zeug, das er hatte, war total ausgeschossen. Das Dreifache, Vierfache -hatte er gefeuert, was man normalerweise einem Rohr zumuten dürfe, in -Friedenszeiten, aber schließlich sei es eben doch mit den Rohren zu Ende -gegangen. Nun also müsse er neue Geschütze haben, denn es ginge einfach -nicht mehr, und diesem Umstand verdanke er seinen Urlaub. - -Er trauerte seinen Geschützen nicht nach! Er war in bester Laune. - -Mein lieber Hauptmann, denke ich mir, Sie haben Ihre Batterie verloren -und sind nicht im geringsten niedergeschlagen? Am Ende verstehen Sie -Ihre Sache doch nicht recht? - -Aber es war ihm ganz einerlei, was ich dachte. Er war seiner Sache -sicher und guter Dinge. - -Übrigens sah ich außen an der Front nie einen Offizier, der so viele -Auszeichnungen trug. Alle Knopflöcher hatte er voll und das Eiserne -Erster auf der Brust. Das machte mich immerhin stutzig. Denn er war sehr -jung, kaum fünfunddreißig. Er sah gut aus und war von jener seltenen -Männlichkeit, die es sich leisten kann, anmutig und liebenswürdig zu -sein, ohne feminin zu wirken. Er glich Theodor Körner, er war schön. -Einmal nahm er die Mütze ab, und da sah ich, daß er hellblondes Haar -hatte, das sich in Locken legte wie bei Knaben. Seine Augen waren -hellblau und heiter. - -Und doch war er (wie ich später erfuhr!) der berühmte Batteriechef H. – -Trommelfeuer in dreißig Sekunden, auf telephonischen Anruf, usw. - -Er sprach sehr laut, er schrie, wie Leute, die immer in freier Luft -leben und ein lärmendes Handwerk betreiben. - -Er erzählte hundert Dinge im Gespräch durcheinander, aber was ihn als -Batteriechef beleuchtet, das will ich hier wiedergeben. - -Er war an vielen Stellen der Front während des Krieges. Wo es besonders -heiß herging, da war er dabei. Zeitweise war er eine reisende Batterie, -die Gastspiele gab. In den schweren Tagen von Ypern wurde er hinauf in -die Gegend von Langemark geworfen. Es ging toll zu, und er mußte -augenblicklich eingreifen. Er fuhr auf und feuerte los! Ja, seine -Kanoniere, was sind das für Burschen! Ehe man sich umdreht, versinken -die Geschütze in der Erde, eins, zwei und weg sind sie! Sie werden -eingebaut, daß sie sich nach dem Schuß kaum regen, und das neue -Einstellen geht blitzschnell. Das alles machen sie, ohne daß er ein Wort -zu sagen hätte, sie verstehen es viel besser, als er es je verstehen -könnte, es ist gar nicht zu sagen, was sie im Laufe des Krieges gelernt -haben. Es sind Kerle! Richten also ist kaum mehr nötig nach dem Schuß. -Ja, Donnerwetter, was für Richtkanoniere er aber auch hat. Und dann geht -es los, wie gesagt. Granate eingeschoben, Verschlußstück zugeschraubt, -ausgerichtet und Schuß! Sie haben die Sache nun heraus. Die Granaten -wandern blitzschnell über Arme und Hände, es ist richtiges Schnellfeuer, -und niemand hielt es früher für möglich, so rasch zu feuern, dreimal -rascher als zu Anfang des Krieges; einfach unglaublich. Rasch, immer -rasch! Sie kümmern sich Tod und Teufel um die Granaten, die -herüberkommen, sie feuern. - -Ja, bei Langemark, alle Achtung, da wurden sie schon nach einer halben -Stunde zugedeckt. Es wimmelte von Fliegern in der Luft. Abrücken! Im -Feuer! Ein Geschütz geht zum Teufel, ein paar Leute bekommen etwas ab -und zwei Pferde bleiben liegen. Weiter! - -An anderer Stelle haben sie mehr Glück. Sie feuern, bis sie umfallen. -Befehl, abends: da- und dorthin. Verladen in der Nacht, am nächsten -Morgen sind sie schon wieder in Stellung. Hier steht Rad an Rad, die -guten Plätze sind besetzt, Flieger oben, schon sind sie entdeckt. -Abrücken. Strahlenförmig spritzen die Geschütze mitten im Feuer übers -Feld. Doch nichts geschieht. Haha, ja es war wirklich eine tolle -Geschichte. - -Nun haben sie es aber gut getroffen. Sie liegen ein paar Wochen -unentdeckt. Hundert Meter von der Batterie steht ein zerschossenes -Gehöft, und so oft ein Flieger erscheint, machen sie Rauch in dem -Gehöft, und die Engländer feuern wütend in die Ruine. Am Abend und in -der Nacht lassen sie einen Feuerstrahl aus dem Gehöft fahren, bei jedem -Schuß, den sie abgeben, und der Engländer schießt das Gemäuer in Grund -und Boden. Und die Kanoniere lachen, es macht ihnen heidenmäßigen Spaß. -Wochenlang denselben Scherz, sie lachen bei jeder Granate, die in das -Gehöft fährt, denn sie haben Sinn für Komik. Überhaupt, was für Leute! - -Der Hauptmann rückt begeistert die Mütze über das blonde Haar. - -Dann kamen sie zur Lorettoschlacht in eine ganz windige Ecke. Später -nach La Bassée hinauf. Im Herbst waren sie in Lothringen. Vom ersten -Tage waren sie dabei. Er, der Hauptmann, fast täglich vorn in den Gräben -zur Beobachtung. Fesselballon, Flugzeug. In Lothringen, seinerzeit, -gelang ihm eine glänzende Sache. Es kamen da plötzlich ganz schwere -Dinger auf die Gräben geflogen. Alle Welt staunte, was war das? Flieger -gingen hoch. Nichts zu finden. Der Franzose mußte ein außergewöhnlich -weittragendes Geschütz aufgestellt haben. Aus den Gräben kam die -Meldung, daß man die Granaten kurz vor dem Aufschlag ankommen sehe. -Sofort ist der Hauptmann draußen. Es gehören Nerven dazu, den Kopf -gerade in dem Augenblick aus dem Graben zu stecken, da so ein „alter -Herr“ ankommt und einschlägt. Erst zuckt der Hauptmann zurück, aber es -muß sein. Jawohl, man sieht sie kommen. Er schneidet die Kurve an, -berechnet und findet auf diese Weise ungefähr Richtung und Standort. -Flugzeug! Immer höher und weiter. Nichts regt sich, aber in der Nähe des -berechneten Standortes kommt dem Hauptmann ein Wäldchen verdächtig vor. -Dahin dirigiert er das Feuer seiner Haubitzen. Am andern Morgen fliegt -er wieder darüber: das Wäldchen ist zerschossen. Das weittragende -Geschütz ist seither verstummt. - -Und so geht es weiter. Haubitzen, Granaten, Beobachtungsstände, -Sprengstoffe, Flugzeuge, Trommelfeuer. Die helle Stimme des frischen, -jungen Hauptmanns mit den vielen Bändern klingt und schmettert. Die -Batterie, ja, er liebt seine Batterie, er liebt es, darauf loszufeuern, -er liebt seine Leute. In acht Tagen wird er ganz neue Geschütze haben, -dann kann es wieder losgehen. Zwölf Monate lang macht er die Sache schon -mit, zwölf Monate ohne Unterbrechung lacht er dem Tod ins Gesicht. Seine -Kanoniere fielen, seine Kameraden sanken in die Erde, Tausende von -Feinden hat er vernichtet, er, der Herr der Haubitzen. Ich suche in -seinem jungen Gesicht nach irgendeinem kleinen Zug von Ermüdung, -Nervosität, Leid – nicht eine Spur ist zu finden. Hut ab vor dem -Hauptmann! - -Neulich aber wäre es ihm bald übel gegangen. Er hatte sich da seinen -Beobachtungsstand in ein zerschossenes Haus aufs Dach gebaut, plötzlich -kam eine Granate und schlug ausgerechnet in das Haus. Im nächsten -Augenblick stürzten sie, sein Unteroffizier und er, mit Balken und -Brettern vom Dachfirst in das Erdgeschoß hinab. Sie fielen durch eine -rote qualmende Wolke und waren ein paar Minuten betäubt. Nichts -geschehen, ein paar Schrammen, das war alles. Der Unteroffizier aber -sagt: „Ich muß hinauf, Herr Hauptmann und den Batterieplan holen!“ – - -Der Hauptmann lacht. Ein kerniges und gewinnendes Lachen. - -„Hat er ihn geholt?“ - -„Natürlich! Das ist ja ein prachtvoller Kerl, dieser Unteroffizier, den -sollten Sie kennen – haha!“ - -Ich steige aus. Der Hauptmann fährt weiter. Morgen nachmittag um sieben -Uhr wird er in Starnberg sein, bei seiner Frau. Sie weiß nicht, daß er -kommt. Er will sie überraschen. - -Wie eine Granate kommt er aus La Bassée in das stille Haus am -Starnberger See geflogen. - - - - - Der siegreiche Angriff in den Argonnen am 8. September - - - 1 - - 10. September - -Am Vorabend des Kampfes erlebe ich den Angriff in allen seinen Phasen -auf der Karte. Ich bin Gast bei Exzellenz, dem Kommandierenden, und -seine Offiziere erklären mir die geplanten Operationen. Sie sprechen -sachlich und klar, mit der Ruhe von Leuten, die ihrer Sache sicher sind. -Weiß zieht und gewinnt, matt in drei Zügen. Auf dem Papier sieht es aus -wie eine Schachpartie, aber nur auf dem Papier. Unsere Figuren sind aus -Fleisch und Blut, und Regeln und Gesetze gibt es in dieser blutigen -Partie nur so lange, als man die Kraft hat, sie dem Gegner -vorzuschreiben. - -Aus den Argonnen dröhnt dumpf Geschützdonner, aber es ist das normale -Abendfeuer, und niemand hört es mehr, so sehr sind sie daran gewöhnt. -Die Karte liegt auf dem Tisch unter der elektrischen Lampe, und mein -Instruktor, der Jäger, treibt mit den feinen gepflegten Händen die -Regimenter vor bis zur Linie, die sie erreichen sollen. Er läßt die im -Wald und in den Bergkuppen stehenden Batterien feuern, die Minenwerfer, -er trommelt die feindlichen Gräben ein, umgeht, flankiert starke -Stellungen. Ich sehe den ganzen Sturm vor Augen. - -Das Telephon klingelt. Herr Major. „Jawohl, die und die Batterie feuert -soundsoviel Schüsse, zu der und der Zeit. Das ist das Zeichen, jawohl. -Guten Abend!“ Trotz aller Ruhe schwingt eine leise Erregung im Hause. In -den Argonnen bin ich nicht mehr fremd. Ich finde mich auf der Karte -leicht zurecht, ich kenne zum Teil das Terrain und unsere Stellungen. -Hier ist Four de Paris, nahe am Tal der Biesme. Die Gräben klettern von -hier aus über die Hubertushöhe. Dann werden sie unterbrochen von der -Schlucht des Charmesbaches, setzen sich fort über die Höhe, die den -sonderbaren Namen Eselsnase trägt, bis hinüber zur Houyettemulde. Zum -großen Teil sind dies die Stellungen, die die Argonnenleute dem Feinde -im Juni und in den ersten Tagen des Juli wegnahmen. Jene Barre aus -Stacheldraht, Maschinengewehren und Minenstollen, die sich Cimetière, -Bagatelle, Grüner Graben, nannte. - -In diese Stellung hinein ragt bogenförmig ein neues starkes -französisches Werk, eine Festung aus Stollen, spanischen Reitern, -Drahtbarren, Minengängen, Schluchten und Blockhäusern und unterirdischen -Forts, eine Festung, aus der der Tod in hunderttausendfältiger Gestalt -springt, wenn man sich ihr nähert: das Werk Marie-Thérèse. - -Morgen soll es in unserer Hand sein. Morgen Punkt acht Uhr werden die -Batterien einen Hagel von Eisen auf das Werk werfen, sie werden es in -Stücke zerreißen, morgen um elf Uhr werden wir es stürmen! - -Ob ich alles verstanden habe? Jawohl, alles. Nichts ist einfacher, -klarer. Nichts ist verwickelter und unverständlicher. Es ist ein -Schachspiel, in dem der Zufall eine mächtige Rolle spielt. So scheint es -mir. Der Jäger zu Pferd telephoniert an die verschiedenen Stellen, die -Uhren müssen genau gerichtet werden. Ein paar Minuten Differenz können -zum Verhängnis werden. Jede Kleinigkeit ist besprochen, alle -Vorbereitungen sind bis in die kleinsten Details getroffen. -Minenstollen, Munition, Handgranaten, Gasmasken, Granaten, Wasser, -Nahrungsmittel. Jede Kompanie weiß genau, was sie zu tun hat, jeder Zug, -jeder Pioniertrupp, jeder einzelne Mann. Sobald er den Fuß aus dem -Graben setzt, folgt er einer Reihe genau gegebener Befehle, – wenn er -nicht fällt. Was moderne Kriegskunst vermag, ist geschehen. Der Angriff -ist schon gelungen, Marie-Thérèse gehört in Wahrheit schon uns, – obwohl -noch kein Mann die Gräben verließ. So muß es sein. - -Wir begeben uns in den Gesellschaftsraum und sitzen in Sesseln um den -Kamin. Vom Angriff wird nicht mehr gesprochen. Die Politik und ein -schwarzgefleckter weißer Terrier treiben das Gespräch. Aber die -Unterhaltung wird nie lebhaft und laut. Das Telephon klingelt häufig. -Frühzeitig geht man zur Ruhe. - -In meiner Dachkammer habe ich Muße nachzudenken. Dann und wann schlägt -im Walde dumpf ein Geschütz. Es grollt in der Nacht und poltert irgendwo -in der Ferne. Unsere Grauen, die jetzt in den Gräben draußen im Walde -liegen, sie wissen es ganz genau. Sie wissen, daß er auf unser Feuer -antworten wird, und um elf Uhr, Punkt elf Uhr, werden sie aus dem Graben -klettern. Sie bereiten sich vor auf den Sturm, so und so. Viele Herzen -schlagen rascher, und viele schlafen heute nicht in ihrem Lehmloch. Wenn -sie den Kopf über den Graben strecken, so pfeift der Tod daher, springen -sie in die feindliche Sappe, so kann es sein, daß sie dem Tod in die -Arme springen. Offizier und Mann, sie wissen nicht, wie es morgen abend -sein wird. Sie sind Soldaten und sie kämpfen. Marie-Thérèse ist alles, -nicht ihre eigene Person! - -Aber sie, drüben in Marie-Thérèse, sie wissen nichts, sie ahnen nichts. -Nun, so schlafen sie wenigstens noch diese eine Nacht ohne Qual. -Marie-Thérèse ist vieler Grab, morgen um diese Zeit. Der Jäger zu Pferde -rechnet nicht mit dem Zufall. Wie aber, wenn der Franzose heute nacht -angriffe? Wenn er in einem Nachbarabschnitt morgen im Morgengrauen -vorginge? Aus dem Wald grollt das Rollen eines schweren Geschützes. Es -feuert fast ohne Pause. Ich horche. Beginnt es zu trommeln? Nein, es ist -ein Bursche, der nebenan in der Bodenkammer schnarcht. Übrigens soll ich -morgen um vier Uhr hinaus in die vordersten Gräben der Eselsnase, um mir -das Werk Marie-Thérèse in der Nähe zu betrachten. - - - 2 - -Um vier Uhr morgens ist es bitterkalt in den Argonnen. Wir fahren, in -unsere Mäntel eingehüllt, in die stockschwarze Nacht hinein. Die Sterne -glitzern groß und kalt wie im Winter. Ich bekomme einen bitteren -Geschmack im Mund, wenn ich die Sterne betrachte. Es ist keine Zeit für -die Sterne. Wir sind in die Erde gesunken, ohne jeden Zweifel und haben -keine Zeit mehr, die Sterne zu betrachten. Geschütze schlagen dumpf. -Auch in der Nacht muß hier gearbeitet werden. Das Feuer ist normal, mit -Befriedigung stellen wir es fest. Er hat nichts gemerkt, er bereitet -nicht an irgendeiner anderen Stelle etwas vor. Ein zerschossenes Dorf. -Im Wald wird die Straße morastig. Es hat hier seit acht Tagen nicht -geregnet, aber die Straßen sind zerweicht, und das Auto rutscht wie ein -Schlitten durch den Schmutz. Ein Fuhrwerk begegnet uns, wir biegen aus, -kommen ins Schlingern, der Chauffeur geht auf den zweiten Gang, und wir -mahlen uns aus dem Dreck. Hier gibt es Löcher und Granattrichter, so daß -wir nur langsam vorwärts kommen. - -Wir durchqueren den Wald, die schwarzen Bäume rauschen, die Sterne -blitzen durch die Wipfel, es ist schön, trotz des schlechten Weges. Ein -zerschossenes Dorf. Menschen tauchen auf. Eine Sanitätskolonne in -Marschbereitschaft. Sind sie jetzt schon auf den Beinen? Die Leute in -den Gräben da oben sind noch gesund und munter, aber hier stehen schon -die Leute, im grauen Morgen, die sie verbinden sollen. Wir löschen die -Lampen. Wieder ein zerschossenes Dorf. Wir gehen zu Fuß weiter. Es wird -langsam Tag. Nebelgestalten huschen an der Wegseite, Feldküchen, -Krankenträger, Reserven. Wir steigen bergan. Ein Weg, der gangbar -gemacht wurde dadurch, daß man Baumstamm an Baumstamm reihte. Das Holz -der Stämme ist abgeschabt und zermahlen durch die vielen Räder und -Stiefel, die hier bergan und bergab gingen. Der Wald wird plötzlich -lichter. Es wird Tag. Die Schlucht erweitert sich, und vor uns liegt -eine zerschossene kahle Bergkuppe. Wir steigen in die erste Zone ein. -Die erste Zone, das sind die Gräben, um die im Winter gerungen wurde. -Die hohen Bäume sind vernichtet, aber das Unterholz grünte wieder. Diese -Zone hat das Aussehen eines Weinberges, einer Hopfenpflanzung. Gräben, -Schutt, Granattrichter. Dann aber kommt die zweite Zone, der Berg -selbst. Wie sieht er aus? Unnatürlich, ohne jeden Vergleich! Man denke -sich einen wild erregten Ozean mit zornigen, dichtgedrängten Wellen, das -wilde Meer bei Sturm. Aber dieses Meer ist aus Lehm und plötzlich in -einer Sekunde erstarrt. Ich übertreibe nicht. So und nicht anders sieht -der Berg aus. - -Wogen, Zacken, Abgründe. Das erstarrte Meer wälzt sich gegen die Höhe. -Dazwischen stehen Stumpen toter Bäume. Von Tausenden von Gewehrkugeln -wurden sie durchlöchert, bis sie wie ein Sieb waren und ein Windstoß sie -zu Boden warf. So sieht es hier aus, es ist das Trostloseste und -Schrecklichste, was die Phantasie erdenken kann. Gräben, Sprengtrichter -an Sprengtrichter, viele Meter tief und breit. Diese erstarrten -Lehmwogen sind das Ergebnis der Kämpfe von vielen Monaten. Es riecht -hier nach Leichen und schrecklichen Dingen. Teile menschlicher Körper -ragen aus den Lehmkrusten, Tuchfetzen, zerschlagene Blechgeschirre -liegen in den Löchern. Um jeden Granattrichter wurde hier gekämpft. -Langsam, Schritt für Schritt, mußten unsere Truppen sich zur Höhe -emporkämpfen. Sie standen bis an die Hüfte im Wasser. Es gibt hier einen -Weg, der den Namen „Selbstmörderweg“ trägt. Ein Annäherungsgraben, der -nur flach ausgehoben worden war, und den die feindlichen -Maschinengewehre bestrichen. Die Leute wollten lieber das Leben -riskieren, als ewig im Wasser waten! Tausende haben diese erstarrten -Lehmwogen verschlungen, Freund wie Feind. Nun schweigen sie. - -Früher trug diese Wüstenei Namen: es sind die berühmten Werke Central, -Cimetière, Bagatelle, die im Juni und Juli genommen wurden. - -Rot und dunstig steigt die Sonne über das tote Lehmmeer empor, das in -seiner höchsten Wildheit erstarrte. Granaten winseln durch die Luft, -Einschläge krachen. Ein schweres deutsches Geschütz schießt. Dumpf und -fern klingt der Abschuß, als gehöre das Geschütz einem anderen Teil der -Kampflinie an. Aber mächtig rauscht die Granate über uns dahin, und ein -paar Sekunden später kracht der Berg. Drei Granaten feuert es herüber, -dann schweigt es. Aber andere Geschütze schlagen. Eine Granate singt -doppelstimmig durch die Luft, ein Querschläger. Das hört sich drollig -an. Vereinzelte Gewehrkugeln summen über den Lehmberg dahin, ein -Maschinengewehr bellt heiser. Plötzlich kommt eine ganze Horde -feindlicher Granaten durch die Luft getrillert, eine hinter der anderen, -in wahnsinniger Eile. Es kracht, daß die Erde zittert. Der Franzose -schleudert Wurfminen. - -Es ist die gewöhnliche Morgenarbeit, ganz „normales“ Feuer. Alles geht -gut. - -Durch den Annäherungsgraben kommen die Leute aus den Feldküchen hinter -uns her. Immer zwei tragen an einer Stange auf den Schultern einen -schweren eisernen Kessel. „Bringt ihr Kaffee?“ – „Nein, Suppe, es muß -heute früher gegessen werden.“ – Heute! Ja, heute ist ein besonderer -Tag. - -Die Sonne scheint, zum erstenmal treffe ich im Argonnenwald schönes -Wetter, aber die Grabenwände strömen eisige Kälte aus. - -In den Gräben auf der Eselsnase ist schon alles munter. Zuerst kommen -wir zu den Württembergern, dann zu den Reichsländern und Preußen. -Draußen, fünfzig Meter, dreißig Meter entfernt liegt hinter einer Barre -von Stacheldrähten das Werk Marie-Thérèse. Eine blaue Rauchmauer steht -darüber, der Rauch von den Granaten und Minen der „Morgenarbeit“. -Granaten winseln und schlagen ein. Die schweren feindlichen Wurfminen -krachen wie Donnerschläge. Die Posten stehen am Gewehr, die -Maschinengewehre lauern. Handgranaten, Minenwerfer mit Munition, alles -ist bereit. Kupferdrähte führen hinaus in eine Sappe: um elf Uhr soll -die Mine hochfliegen! Überall ist man geschäftig, in aller Ruhe, denn -man hat Zeit. Ausfallstufen werden gegraben. Ernst und still sind die -Leute, etwas stiller als sonst, denn sie wissen, was der Tag für sie -bedeutet. Spricht man sie an, so reißen sie sich zusammen, entschlossen -und kühn blicken ihre Augen. - -„Macht eure Sache gut, heute!“ – „An uns soll’s nicht fehlen! Heute -hau’n wir sie wieder zusammen.“ - -Sie machen auch Witze. - -Die Offiziere kriechen aus ihren Unterständen und begrüßen uns. -Hauptleute, Leutnants. Sie sind zuversichtlich und frisch. Sie erteilen -uns Ratschläge, Warnungen, _sie_! Ein paar böse Ecken, wo sie -Handgranaten schmeißen, Minen. Ach, und ein paar Stunden später waren -einige der prächtigen Leute schon tot! - -Wir gehen weiter. Minen krachen wie einstürzende Häuser. Ein Grauer -schaufelt; eine Mine hat ihm Erde in den Graben geworfen. Plötzlich ist -der Graben zugeschüttet. Ein paar Leute graben. „Was gibt es?“ – „Unsere -Offiziere sind eben verschüttet worden!“ – Mit Schaudern sah ich es, mit -Schaudern spreche ich davon, aber es ist Krieg, das darf man nicht -vergessen. Die Mine hatte den Graben vollkommen eingedeckt. Ein -Armstumpen ohne Hand ragte aus der Erde. Um die Ecke – – nein! Neben mir -kauerte mit angezogenen Knien ein Toter, sein Kopf hing auf die Brust -herab. Er sah nicht aus wie ein toter Mensch. Über und über mit grauer -Erde eingestäubt, Kopf, Gesicht und Kleider, erschien er wie die Statue -eines Schläfers mit angezogenen Knien, die man ausgegraben hatte. Sie -alle, zwei Offiziere und vier oder fünf Mann, waren gefallen vor dem -Sturm beim alltäglichen Morgenkampf. Ehre euch und Ehre dir, kleiner -grauer stiller Schläfer! - -„Achtung!“ Eine Mine kam durch die Luft und schlug hinter uns krachend -ein. Der Jäger zu Pferd, dessen Augen so grün sind wie seine Uniform, -prüfte, ob wir über den verschütteten Graben wegrutschen könnten. Aber -es war unmöglich. Dreißig Meter querab lauerten die französischen -Gewehre. - -Wir mußten zurück. Aber nun kamen die Minen, eine nach der anderen. Bald -mußten wir rechts, bald links ausweichen. Eine schlug vor uns ein, das -heißt nicht in den Graben, sondern draußen, ganz nahe, aber sie -explodierte nicht. In solchen Momenten ist man ganz ruhig. Man zittert -nicht, und das Herz schlägt nicht rascher. Man ist längst über die Zone -der Angst hinaus. Man weiß, daß man vollkommen in der Hand des -Schicksals ist, und damit fertig. - -Hoch oben durch das Blau des Himmels zieht die Wurfmine. Sie erscheint -nicht größer als ein Habicht. Deutlich sind ihre Flügel, ihre Schwingen -zu erkennen, die ihr den ruhigen Flug verleihen. Sie rast eilig dahin, -in herrlicher Kurve, und sieht wundervoll aus. Wir stehen und folgen ihr -mit den Blicken. Plötzlich sticht sie wie ein Habicht herab, wird mit -jeder Sekunde größer, häßlicher und – gefährlicher. Achtung! - -Der Teufel hat diese Minen erfunden. - -Auf dem Heimweg in der Sappe begegnen wir wieder den Suppenträgern und -zwängen uns an den Kesseln vorbei. Sobald sie den dumpfen, unscheinbaren -Abschuß des Minenwerfers hören, lugen sie aus. Züge von Feldgrauen -schieben sich an uns vorüber, Gewehre, Handgranaten, Gasmasken. Einzelne -schleppen große Stahlschilde. Einer trägt auf dem Gewehr ein paar -Feldpostpakete. Die Gräben werden aufgefüllt. Immer näher kommt die -Stunde – - -Wir überqueren das erstarrte Meer aus Lehmwogen. Das Morgenfeuer wird -ruhiger. - -Der Jäger zu Pferde zieht die Uhr. - -„Noch fünf Minuten!“ - -In fünf Minuten ist es acht. Da soll es losgehen. - - - 3 - -Punkt acht Uhr ging es los. - -Mit der Sekunde feuerte ein Geschütz schweren Kalibers, und die Argonnen -krachten. Die Wälder horchten auf. Das schwere Geschütz gab eine Salve -krachender Schüsse ab. Pause. Dann begann es von allen Seiten. Ja! Die -Kanoniere standen schon überall bereit, glühend vor Kampfbegierde. Die -Granaten steckten schon in den Rohren, die Geschütze waren gerichtet und -nun rissen sie ab! Die Hölle tobte, krachte, lachte, rasselte. Es -fauchte, zischte, heulte in der Luft, es pochte, stampfte, rumpelte und -knurrte. Zuweilen klang es, als ob ein Riese, groß wie ein Berg, mit -einem Hammer auf eine Stahlwand losschlage, wütend und betrunken. Die -Kanoniere, ja diese Kanoniere mußten arbeiten wie verrückte Teufel! Die -Granaten mußten von selbst in die heißen Rohre springen, eine hinter der -andern, Schuß, laden, Schuß, laden. Der Schweiß läuft ihnen übers -Gesicht, aber so lieben sie es. Immer hinaus, was die Rohre hergeben -können. - -Links oben von mir, an meinem linken Ohr, feuert mit harten, zornigen -Schlägen eine schwere Batterie, daß der Boden zittert. Die Geschosse -rauschen und klirren durch die Luft wie ein Eisenbahnzug, der über eine -Eisenbahnbrücke hämmert. Rechts oben, an meinem rechten Ohr, knallt eine -Batterie, und die Granaten gehen mit einem Zischen hinaus, wie wenn eine -Lokomotive mit Überdampf die Ventile löst. Dazu das Krachen und Knattern -der Einschläge, das wir deutlich hören, denn wir sind ja nicht weit -davon entfernt. Es ist ein Rauschen in der Luft, wie wenn ein Zug ein -Tal, eine Schlucht passiert. Zuweilen kommen Schreie und Winseln von -oben, wie wenn Menschen von Dämonen entführt würden und verzweifelt -klagten. - -Das ist der Anfang. Drei Stunden, drei volle Stunden, bis elf Uhr, soll -dieses Feuer dauern! - -Es ist nur die Eröffnung. Das Schachspiel, das mir der Jäger zu Pferde -gestern abend auf dem Papier erklärte, es setzt sich in die Wirklichkeit -um. Mudra spielt! Es ist die Eröffnung Mudras, und bei Gott, ich möchte -nicht mit ihm diese Partie spielen! - -Ich sehe auf die Uhr. Es ist acht Uhr zwölf Minuten! - -Alles ist auf die Straße gelaufen, wenn man so sagen kann. Die Straße -ist ein erbärmlicher Knüppelweg im Walde. Nebenan liegt der -Verbandplatz. Ärzte, Krankenträger, Ordonnanzen, Feldbäcker und -Chauffeure, alles steht auf der Straße, um sich das Feuer anzuhören und -anzusehen, obschon es nichts zu sehen gibt. Es rauscht und schleift in -der Luft, das ist alles. Alle sind in erregter und begeisterter -Stimmung. (Niemand denkt an Marie-Thérèse!!) Ich weiß recht gut, daß -eine Beethovensche Symphonie etwas anderes ist, aber das Feuer hat etwas -Berauschendes an sich! Es ist die Musik feuerspeiender Berge und -Urgewitter. - -Wie sieht es droben in den Gräben aus, von denen ich eben komme? Sie -ducken sich hinter die Erdwälle, so furchtbar zischen die Granaten. Wie -sieht es in Marie-Thérèse aus, das ich eben sah? Die blaue Rauchmauer -ist ein dicker, gelbgrauer Wall geworden, und nichts Lebendiges ist zu -sehen. Fontänen von Erde jagen in die Höhe. - -Es ist acht Uhr dreißig Minuten. - -Der Franzose antwortet. Er kommt nur langsam in Gang. Er feuert -verwirrt. Es sind Granaten, die er gerade bei der Hand hat, es sind -Batterien, die noch nicht – nach der Morgenarbeit – frühstücken gingen. -Telephondrähte sind zerschossen. Die Batterien warten auf Befehl. Das -ist eine elende Situation. Mudras Eröffnung war zu unregelmäßig. Erst -acht Uhr dreißig Minuten kommt System in das französische Feuer. Nun -rauschen seine Lagen herüber – - -Ein deutscher Flieger brummt über dem Wald. - -Neben dem Verbandplatz treffe ich den Divisionär, Exzellenz Graf v. Pf. -Der Divisionär steht unter dem Schleifen und Rauschen der Granaten, -gleichmütig und ruhig, als ob er zu Hause wäre. Und doch kann jeden -Augenblick eine Granate hereinfegen, daß die Späne fliegen. Die Granate -ist blind und hat keinen Respekt vor gestickten Kragen. - -„Es ist das Inferno!“ sagt der Divisionär gelassen, mit einem leisen -Unterton von Verwunderung und Bedauern. - -Ja, in der Tat, trüge ich nicht ganz klare und festgefügte Vorstellungen -aus einer Zeit des Friedens und einer Welt ohne Kanonen in mir, -Vorstellungen, die die schwersten Kaliber nicht erschüttern können und -die dieses grausige Völkergewitter meinem Bewußtsein als ein blutiges, -aber vorübergehendes Kapitel einreihen, wäre es nicht so, sage ich, so -würde ich jetzt kapitulieren und bekennen, daß diese Erde, auf der wir -leben, schon die Hölle ist, von der die Pfarrer immer sprechen. - -Das Geschützgewitter kracht in den Bergen. - -„Nun wird er lebhaft,“ sagt der Divisionär in aller Ruhe, „es wird nicht -lange dauern, da schießt er hierher.“ - -Eine Granate saust über unsere Köpfe dahin wie eine blitzschnelle -bösartige Riesenbremse, und auf der Waldhöhe, dicht gegenüber, steigt -urplötzlich eine schwarze Riesenpinie aus Dreck und Rauch empor, höher -als die höchsten Eichen. Eigentümlich, die schwarze Einschlagsäule stand -schon im Wald, während das Ohr noch das Zischen des Geschosses aufnahm. -Ein grauer Rauchklumpen zerstäubt zwischen den Bäumen. Dann kommen ein -paar Granaten mit Brennzünder. Er tastet nach unseren Batterien. - -„Na, was sagte ich!“ sagt der Divisionär und lacht. „Da kann er lange -hinschießen.“ - -Und unsere Haubitzen krachen, daß der Boden bebt. - -Zwischen den Eichen, wo eben die Granaten einschlugen, klettert ein -Soldat den Wald herunter. Zum Teufel, was hat er da zu suchen? - -Der Divisionär erzählt aus seinen Feldzugserlebnissen, von den Argonnen, -von seinen prachtvollen Truppen. (Ja, das sind sie!) Er erzählt, daß er -einen Fonds für die Hinterbliebenen seiner Division gegründet habe, der -schon die Höhe von über dreißigtausend Mark erreicht habe. Wir plaudern, -als säßen wir irgendwo behaglich bei einer Zigarre. - -Nebenan, im Verbandplatz, ist schon alles bis aufs letzte vorbereitet. -Hier führt ein freundlicher Arzt den Oberbefehl. Er sprüht von Leben und -Arbeitseifer und steht sicherlich auf dem rechten Platze. Welch eine -Wohltat muß es sein, verwundet aus dem Gefecht unter diese Hände und -Augen zu kommen! Operationstisch, Verbandzeug, Instrumente, alles ist -bereit, blitzblank sind die kleinen Kammern. Die Ärzte warten. - -Der Jäger zu Pferde führt mich durch den Wald hinauf zu einer kleinen -Baude. Hier haust während des Kampfes der Brigadegeneral v. K. mit -seinem Stabe. Der General heißt mich willkommen und erlaubt mir, zu -bleiben, solange ich will. Freundlicher wurde ich selten aufgenommen wie -bei den Leuten im Argonner Wald. - -Hier in dieser Baude wird fieberhaft (und doch mit welcher Ruhe!) -gearbeitet. Der Adjutant, Hauptmann B., sitzt dauernd am Telephon. -„Geben Sie mir diese und jene Stelle, rufen Sie Herrn Soundso! Wie? Das -Feuer liegt vorzüglich. – Bei den Franzosen hat man eine Explosion -beobachtet. Es wird ein Munitionslager in die Luft gegangen sein. – -Teilen Sie Herrn X. Y. mit, daß die Batterie Z. glänzende Resultate hat. -Ein Flieger hat es gemeldet. Erster Schuß saß sofort in Harazée (ein -kleines Dorf), ebenso erster Schuß in Vienne-le-Château. Jawohl, danke -schön. – Ich werde jetzt auf diesen und jenen Punkt feuern lassen. Es -liegt Meldung vor, daß der Franzose versucht, da und dort Verstärkungen -vorzuschieben.“ - -Das Telephon tutet. Ohne Pause geht es so fort. - -Das kleine Fenster der Baude rasselt bei jedem Geschützschlag. Draußen -scheint die Sonne. Die Granaten rauschen mächtig dahin. Zuweilen summt -es in der Luft oder es klingt klirrend, wie wenn eine Stahlseite -zerspringt, es pfeift: Sprengstücke, verirrte Kugeln, die durch den Wald -fliegen. - -Das Feuer hat um etwas nachgelassen, aber es ist noch immer ein -infernalisches Dröhnen und Krachen. - -Das Telephon tutet. „Jawohl?“ Das Regiment X. meldet, daß unser Feuer zu -kurz liegt und die eigenen Gräben gefährdet. – „Das ist unmöglich,“ -antwortet der Adjutant. „Es werden feindliche Einschläge sein.“ Er bekam -recht. Ein paar Minuten später geht die Meldung ein, daß zwei feindliche -Flieger in der Luft sind und das Feuer der Artillerie auf den -betreffenden Graben lenken. „Ich werde einen Flieger hochschicken!“ -antwortet der Adjutant. Eine andere Stelle muß schon Meldung gemacht -haben, denn fünf Minuten später brummt ein deutscher Doppeldecker hoch -oben über den Wäldern. - -Wir essen zu Mittag: „Denn essen muß der Mensch, trotz allem.“ Der -Adjutant sitzt in der engen Stube mit dem Rücken gegen das Telephon, um -nur die Hand nach dem Hörer ausstrecken zu müssen. Dutzendmal wird er -unterbrochen, aber doch findet er noch Zeit, mir zuzureden und -nachzusehen, ob mir auch ja nichts fehlt. - -Gegen elf Uhr schwillt das Feuer wieder zur früheren Raserei an. Die -Geschütze taumeln vor Grimm. Immer hinaus, was die Rohre hergeben -können! Dann kracht der Wald von furchtbaren Explosionen: die Minen -wurden gesprengt. Die Erde zittert. - -Und nun ist es elf Uhr. Jetzt müssen sie aus den Gräben! Es sind Minuten -der größten Spannung. - - - 4 - -Ja, nun steigen sie aus den Gräben! Auf der ganzen Linie von zwei -Kilometern. - -Über die Ausfallstaffeln klettern sie empor, durch die Sappen stürzen -sie sich gegen den Feind. Handgranaten am Gürtel, Rauchmasken, -Schutzschilde, eine Handgranate in der Rechten, fertig zum Abreißen, das -Gewehr über der Schulter, bereit zum Schuß, bereit zum Zuschlagen. Die -Kugeln schwirren. - -Ein Mann fällt, während er sich aus dem Graben schwingt, ein Mann fällt -auf den Grabenwall, ein Mann fällt nach drei Schritten – aber die -Kameraden stürmen weiter, mit Hurra und Geschrei, hinein in Dunst und -Rauch. - -Der Gegner ist zusammengetrommelt, aber keineswegs erledigt. Aus -Grabenlöchern feuert er, aus Granattrichtern, mitten in Schutt und Erde -richtet er das Maschinengewehr, das noch intakt ist. In einer Sappe hat -er sich zusammengedrängt, die Handgranaten krachen, weiter! Es fällt der -Mann im Dunst, im Rauch. Ein paar Grenadiere bringen ein feindliches -Maschinengewehr in Stellung. Sie fallen. Weitab sind schon die -Kameraden. Vorwärts! Es fällt der Offizier. - -Auf einer Linie von zwei Kilometern branden sie so vor. Heiß ist der -Nahkampf. – – - -Unsere Gedanken sind oben bei ihnen, unsere Wünsche, unsere Hoffnungen -und unsere Angst. Die Spannung schmerzt, im Herzen, im Gehirn. Wird es -gelingen? Im ganzen Umfang? Und wird es mit geringen Opfern gelingen? - -Es ist ganz still in unserer Baude. - -„Wollen wir hören, ob viel Infanteriefeuer hörbar ist. Denn das bedeutet -nichts Gutes,“ sagt der General, und wir treten hinaus. - -Es ist fast gar kein Infanteriefeuer vernehmbar. Es steht gut! Die -Geschütze krachen und wettern ohne Pause. Sie schießen nun natürlich -nicht mehr auf Marie-Thérèse, sie feuern auf die feindlichen Batterien -und Zugangswege. Die feindlichen Einschläge krachen in den Wäldern. Aber -durch die kurzen Pausen des Krachens hindurch lauschen wir gespannt nach -oben. Nur vereinzelte Schüsse. Da beginnt ein Maschinengewehr hohl zu -klopfen. - -„Ein französisches Maschinengewehr! Das ist schrecklich!“ sagt ein -Offizier leise vor sich hin. - -Aller Herzen sind oben bei ihnen, die jetzt kämpfen für die deutsche -Sache. - -Es kommt die Meldung, daß alles gut stände. Wir atmen auf. - -Elf Uhr dreißig Minuten trifft die erste bestimmte Meldung ein. Das -Regiment X. hat zwei Gräben genommen, gegen hundert Gefangene. Es geht -gut vorwärts. - -Der Adjutant sitzt am Telephon, und sobald er eine Meldung -entgegengenommen hat, teilt er sie uns mit. - -Elf Uhr vierzig Minuten. Das Regiment Y. hat ein paar Gräben überrannt, -eine Anzahl Gefangene, Maschinengewehre, Minenwerfer. Es sind die Leute -von der Eselsnase, bei denen ich heute morgen war. Das Regiment ist -berühmt und gefürchtet beim Gegner. - -Ein anderes Regiment meldet, daß es infolge starken Artilleriefeuers nur -mühsam aus dem Graben kam, jetzt aber rasche Fortschritte mache. Leider -einige Offiziere gefallen. Kompanieführer X., Leutnant Z. – Vor ein paar -Stunden sprach ich noch mit ihnen. - -Der General blickt vor sich hin und holt tief Atem. - -Es ist Krieg, Krieg, man darf es nicht eine Minute vergessen. - -Meldung um Meldung. Das Regiment Z. meldet, daß es einhundertundfünfzig -Gefangene gemacht habe. Punkt erreicht. Anschluß an Nachbarregiment. - -Die Meldungen lauten alle gleich günstig. Hundert Gefangene, -zweihundert, dreihundertfünfzig – kein Zweifel: der Angriff ist -geglückt. Wir haben gewonnen! - -Um zwölf Uhr meldet der Bursche: „Herr General, die ersten Gefangenen!“ - -Wir sehen einander erstaunt an. „Schon,“ sagt der General, und wir gehen -durch den Wald, hinüber zum Knüppelweg. - -Da stehen sie. Drei Stück. Verschwitzt und bestaubt kommen sie aus den -Gräben. Sie machen einen jämmerlichen Eindruck. Einer trägt ein Käppi. -Er ist ganz grau, Bretone, einundvierzig Jahre alt. Seine schmutzigen -groben Hände zittern vor Erregung. Die beiden anderen sind junge -Burschen, gegen zwanzig, klein, schwarzhaarig, mit runden schwarzen -Glotzaugen. Sie tragen blaugraue Stahlhelme auf den runden Köpfen, -Helme, die den alten Sturmhauben des Mittelalters ähneln und ganz neu -sind. Die Burschen gefallen mir nicht. Und als ich anfange, sie -auszufragen, bekommen sie auch sofort Streit. Einer wirft dem andern -vor, sich im Unterstand versteckt zu haben. Sie hatten es eilig, in -Gefangenschaft zu geraten, das kann ich sehen. Es sind Leute aus -Toulouse. - -„Was wird man mit uns tun?“ fragt einer der Tapferen mit dem Stahlhelm -mit einem ängstlichen Blick. - -„Man wird euch in ein Lager nach Deutschland schicken,“ antworte ich. Er -ist befriedigt. Was dachte er denn –?? - -Nun aber wimmelt es auf dem Waldweg. Eine Feldbahn führt in der Nähe -vorüber. Darauf laufen Karren, von vier Krankenträgern geschoben, und -auf den Karren sitzen und liegen die Verwundeten. Auf einer Karre hockt -oben ein junger Franzose und jammert und stöhnt in gleichen -Zwischenräumen. Sonst hört man nur selten einen Schmerzenslaut. - -Eine Bahre wird vorübergetragen. Ein Feldgrauer liegt ausgestreckt -darin. - -„Wo fehlt’s?“ fragt der General. - -„Beinschuß!“ - -„Nun, immer rasch zum Verbandplatz.“ - -Eine zweite Bahre wippt auf den Schultern der Träger vorüber. Bleich und -still liegt darin ein Franzose. - -Leichtverwundete kommen allein an. Der General hat für jeden ein -ermunterndes Wort, einen freundlichen Zuruf. „Was ist mit Ihnen?“ fragt -er einen Grauen, dessen rechte Hand in blutigem Verbandzeug steckt. -„Granatsplitter.“ – „Na, es wird nicht so schlimm sein. Wissen Sie den -Verbandplatz? Gleich da drüben.“ Wie ein Vater spricht der General -seinen Leuten zu. „Wie steht es oben?“ – „Wir haben drei Gräben -genommen, Herr General!“ – „Na, das ist prachtvoll. Immer rasch zum -Verbandplatz.“ - -Bahren, Karren. - -Ein Grenadier mit verbundenem Arm, gestützt von einem Krankenträger, -kommt festen Schrittes, stolz und aufgerichtet des Weges, obschon ihm -Schmerz und Schrecken im Gesicht sitzen. Ein Lob des Generals läßt seine -Miene aufleuchten. - -Auf einer Karre sitzt ein Verwundeter. Sein Kopf ist nichts als ein -weißes Knäuel mit blutigen Flecken. Aber er sitzt mit verschränkten -Armen, ganz behaglich. - -So strömt es unaufhörlich vorüber, und die Granaten rauschen und zischen -ohne Pause über den Wald. - -Ein Grauer, mit blutigem Kopfverband, tritt an den General heran und -schlägt die Absätze zusammen. - -„Wo kann ich Herrn Major Soundso sprechen? Ich habe eine Meldung zu -machen.“ Das Blut tropft dem Tapferen übers Gesicht. - -„Was soll es sein?“ - -„Das Regiment hat drei Gräben genommen und über zweihundert Gefangene.“ - -„Ich werde es bestellen lassen. Aber nun schauen Sie, daß Sie sich mal -erst ordentlich verbinden lassen.“ - -Der Graue klappt mit den Stiefeln. Ab. Ja, was für Leute das sind! - -Ein anderer kommt vorbei, den Kopf verbunden. Er war schon vor dem Sturm -verwundet worden, machte aber noch den ganzen Angriff mit. - -Die Gefangenen fluten in dichten Zügen heran. Sie werden aufgestellt und -gezählt. Fast alle tragen diese blaugrau angestrichenen Stahlhelme. -Vereinzelte nur tragen Käppis oder haben sich ein Schnupftuch um den -Kopf gebunden. Sie sind schmutzig, verwildert, zerfetzt und verstaubt, -stumpf, bleich und erschöpft und kleinlaut, wie alle Soldaten, die aus -der Schlacht kommen und in Gefangenschaft gerieten. Aber sie machen -einen weitaus besseren Eindruck als die ersten drei. Es sind Leute teils -aus den nördlichen Departements, Bretagne, teils aus dem Süden, -Toulouse, Nîmes, Marseille. Manche rauchen schon wieder ihre Pfeife oder -den Zigarettenstummel. Einer trägt einen halben Laib Brot, einer eine -Decke. Sie zeigen die Photographien ihrer Frauen und Kinder und fragen, -ob sie sie behalten dürfen. Natürlich dürfen sie das! Zuweilen schütteln -sich ein paar die Hand, die sich hier wiederfinden. Es ist ein langes, -bedeutsames Händeschütteln! - -Manche sind verwundet und tragen Verbände. Einem ist die Hand -zerschmettert, dem anderen hat eine Kugel den Arm durchschlagen. - -Der General steht und läßt die Augen über die Kolonnen schweifen. Sobald -er einen Verwundeten sieht, läßt er ihn herankommen, fragt, forscht: -„Ulan, bringen Sie den Mann zum Verbandplatz.“ Aus jeder Kolonne -scheidet ein Trüppchen Verwundeter aus und hinkt, humpelt und taumelt -hinter den Führern her. - -Aber der General hat seine Augen überall. Er sieht auch, was hinter den -Kolonnen vorbeikommt, ruft, ermuntert, lobt. - -Da kommt auch mein Grenadier mit den zwei Postpaketen am Gewehr zurück. -Heute morgen sah ich ihn in die Gräben hinaufgehen. Da ist er wieder. -Eine Handgranate hat ihn leicht am Gesicht verletzt. Er hatte gar nicht -Zeit, seine Paketchen zu öffnen. - -Es werden immer mehr Gefangene. Es sind ganze Züge und Kompanien – und -auf der anderen Seite des Berges soll es auch in die Hunderte gehen! - -Der General kann unmöglich alle übersehen, und so gehe ich die Kolonnen -entlang und suche die Verwundeten heraus. – „Herr General, hier ist ein -Mann mit einem Armschuß.“ – „Ulan, zum Verbandplatz.“ – Väterlich sorgt -der General für den Feind. Sein Ton ihnen gegenüber ist freundlich und -schlicht. - -Ein Gefangener fragt mich, ob er nicht ebenfalls verbunden werden -könnte. Ich sehe ihn an, er sieht etwas erschrocken aus, aber ich sehe -keine Verwundung. Er hat Schüsse da unten, sagt er. Augenblicklich läßt -er die Hose herunter, und ich sehe, daß er einen Schuß im rechten -Oberschenkel und einen über dem Gesäß hat. - -Ich führe ihn zum General. Auch hier will er sofort die Hose -herunterlassen, aber der General glaubt ihm so. - -„Nehmen Sie den Mann da noch mit, Ulan. Stützen Sie ihn, so, immer -vorwärts.“ - -Kolonnen um Kolonnen ziehen vorbei. Jetzt, um ein Uhr, sind schon -eintausendvierhundert Gefangene gemeldet. Im ganzen wurden es -zweitausend. Immer neue strömen aus dem Wald. Karren, Bahren, -Verwundete. Nie werde ich diesen Weg im Argonnerwald vergessen. - -Vor dem Verbandplatz liegen und stehen die Verwundeten herum. Sie sind -ruhig und fühlen sich geborgen. Die Ärzte sind drinnen an der Arbeit. -Ich sehe, wie der freundliche, lebenslustige Chefarzt ernst und -hingegeben einen blutigen Lappen mit der Schere abtrennt. - -Das ist die Kehrseite von Hurra und Siegesjubel. Es ist Krieg, man darf -es nicht vergessen. - -Die Geschütze dröhnen, die Einschläge krachen, die Granaten gurgeln und -pflügen durch die Luft. Verirrte Kugeln und Sprengstücke surren und -klirren. Zwischen den Bäumen wandern wie eine blaugraue Schlange die -Gefangenen. - -Droben in den Gräben aber geht es weiter, heiß und blutig. Die eroberten -Gräben müssen instand gesetzt, Schutzschilde und Sandsäcke auf die -andere Seite gebracht werden. Die Gewehre peitschen, Maschinengewehre -hämmern, der Kampf geht weiter. Bis die Nacht kommt, und auch in der -Nacht wird es keine Ruhe geben. - -Wir fahren los und jagen quer durch die Argonnen, um zu hören, wie es -auf der anderen Seite des Berges ging. - - - 5 - -Auch auf der anderen Seite des Argonnerwaldes war alles nach Wunsch -gegangen. Wie auf der Eselsnase waren die Tapferen auf der Hubertushöhe -aus den Gräben geschnellt und hatten den Feind geworfen. Bis jetzt, -nachmittags, hatten sie über achthundert Gefangene gemacht. Das ist eine -hübsche Anzahl im Grabenkrieg! - -Die krumme bucklige Straße des armseligen Argonnendorfes ist -überschwemmt von blaugrauen Franzosen. Und oben erscheint schon eine -neue Kolonne. Ein ganzes Bataillon ist hier versammelt. Die Bewohner des -Dorfes stehen vor den Haustüren und begaffen ihre Landsleute. Zuweilen -habe ich in dem und jenem Orte gesehen, daß Frauen weinten, wenn -Gefangene vorübergeführt wurden. Hier nehmen sie es gelassen. Hunderte -und Tausende sind schon aus den Wäldern herunter in ihr Dorf gekommen. - -Fast alle tragen den blaugrau gestrichenen Stahlhelm, der tief über den -Kopf gestülpt ist, so daß sie gerade noch geradeaus blicken können. -Einzelne haben ihn verloren oder fortgeworfen und sich Sacktücher über -den Kopf gebunden. Einer trägt nur das Lederfutter des Helmes. Der Helm -gibt ihnen allen ein ungewohntes und leise komisches Aussehen. Ich bin -sicher, daß es drüben bei ihnen großes Gelächter und Scherzen gab, als -die ersten mit diesem Möbel anrückten. Viel Wert kann der Helm nicht -haben. Dafür ist er zu dünn. Gegen Splitter, Steinschlag höchstens, aber -das würde auch der Schädel aushalten. Immerhin ist er schwer genug, um -dem Mann das Schwitzen beizubringen. Sie schwitzen alle jämmerlich, die -armen Burschen. - -Sie sind zumeist erschöpft und abgestumpft vom Kampf. Groß, klein, -Grauhaarige, halbe Knaben, ernste Männer und unreife Bengel, -schwarzäugig, blauäugig, hager und rund, Bärte, Milchgesichter, alle -verschieden groß. Die blaugrauen Rockärmel voller Lehm und Schmutz, die -Schuhe zerweicht, die Wickelgamaschen zerrissen. Sie kommen aus der -Schlacht, das muß man festhalten, die Ausrüstung ist jedenfalls gut. -Einzelne tragen rote Wollschärpen um den Leib, andere Wollwesten, einer -steckt in einem blauen Arbeiteranzug. Die Verwundeten sind schon alle -ausgeschieden. Einzelne nur haben Verbände an Hand oder Kopf, leichte -Schrammen. Sie kauen, rauchen, kramen die paar Habseligkeiten aus der -Tasche, die sie aus der Katastrophe retteten. Manche lachen schon -wieder. Sie sind eine etwas zusammengewürfelte Gesellschaft, ohne jeden -Zweifel. Zumeist vom Süden. Sie sollen sich indessen wacker geschlagen -haben. - -Abseits stehet ihr Bezwinger: der Kronprinz und der Kommandierende, und -betrachten sie und tauschen Beobachtungen aus. - -Der Kronprinz tritt an zwei junge Burschen heran, die sich aus den -Tabakresten ihrer Hosentaschen Zigaretten drehten und kein Feuer haben. -Er reicht ihnen seine Streichholzschachtel und spricht sie an. Nun, -besonders gute Manieren haben die zwei jungen Bengel nicht, es sind -Hafenarbeiter aus Toulouse. Sie plaudern lebhaft, paffen und lachen. Sie -sind froh, aus der Sache heraus zu sein, sie machen kein Hehl daraus. -Aber der Kronprinz spricht mit ihnen, freundlich und schlicht, wie er -mit seinen eigenen Soldaten redet. Sie haben sich geschlagen für ihr -Land, der Tod ging da oben hundertfach dicht an ihnen vorüber, es kommt -also hier nicht so sehr auf die Manieren an. - -Links, ein paar Schritte abseits von den dichtgedrängten Reihen der -schwitzenden, schmutzigen Gefangenen, steht eine Gruppe gefangener -Offiziere. Ihre Haltung ist würdig. Die Uniform ist einfach, weit und -bequem geschnitten, es ist nahezu die Uniform des gemeinen Mannes. Keine -Dekorationen, keine Abzeichen. Am Ärmelaufschlag zwei schmale, drei -Zentimeter lange wagrechte verblaßte goldene Borten, das ist alles. Für -die Eitelkeit ist diese Uniform nicht geschaffen, das kann niemand -behaupten. Sie tragen blaugraue Käppis. Wohin ist die prunkvolle -Maskerade des französischen Heeres gekommen? - -Ernst und nachdenklich sehen sie vor sich hin. Qualvoll und demütigend -ist ihre Situation, obschon jedermann bestrebt ist, ihre Gefühle zu -respektieren. Ein Offizier, der äußerste, ist blaß wie eine Wand und -vollkommen erschöpft. Sein Blick geht ins Leere. Neben ihm steht ein -junger Leutnant, keine vierundzwanzig, mit vornehm geformten energischen -Zügen. Die Muskeln seines Gesichtes zucken, er blickt zum Himmel empor, -zur Erde herab, er nagt an der Lippe, er kämpft mit den Tränen. - -Sie alle leiden. Aber ihre Leute fangen an, sich mehr und mehr mit der -Lage abzufinden. Sie schwatzen und lachen. Sie sind allzu eifrig, mir zu -erklären, daß „sie sich beglückwünschen“, aus der Sache heraus zu sein. -Jeder beglückwünscht sich. _Je me félicite –!_ „Ja, da oben ging es -schlimm zu, große Verluste. Ich wurde verschüttet, grub mich aus, mit -Hilfe eines Kameraden. Da waren die Deutschen schon da, überall, wir -sehen einen Trupp Gefangener und laufen hin. Ihr Angriff war gut -gemacht, chic! Ich beglückwünsche mich, offen gestanden.“ - -Ich nehme einen jungen, intelligent aussehenden Burschen zur Seite, gebe -ihm eine Zigarette und plaudere mit ihm. Er stammt ebenfalls aus dem -Süden. Er war in einer Sappe, die zugeschüttet war, die Deutschen warfen -Handgranaten hinein, sie selbst schossen heraus, Geschrei, Rauch, schon -war er gefangen. Er breitet die Arme aus und deutet auf die Landschaft: -„Ich sehe mein Land, ich sehe alles in bester Ordnung. Ich sehe hier das -Dorf und die Leute, es ist alles sauber, die Felder sind bestellt, Vieh -gibt es hier. Und man hat uns gesagt, daß die Deutschen alles plündern -und niederbrennen. Ich traue meinen Augen nicht.“ Gleich darauf -beglückwünschte auch er sich. - -Ich gebe ja jedem Soldaten das Recht, sich zu freuen, daß er lebendig -aus der Schlacht kam, denn selbst der Tod fürs Vaterland ist schwer, so -leicht er auch vielen Leuten erscheint, die nie eine Granate sausen -hörten – allein, es ist schließlich nicht nötig, daß er die -Gefangenschaft als die beste Lösung preist. Es ist auch nicht nötig, daß -sie mir erzählen, ihre höheren Offiziere hätten Reißaus genommen, denn -es ist nicht wahr, das weiß ich von anderen. - -Ich habe schon bessere französische Regimenter gesehen. - -Immer neue Gefangene strömen ins Dorf. Über den Wäldern wird ein -feindlicher Flieger beschossen. Die Geschütze krachen und pochen noch -immer wütend. Gegen Abend steigert sich das Feuer mehr und mehr, und in -der Nacht rollt es pausenlos und zornig. Trommelfeuer. - -Am Morgen sehe ich die Gefangenen abmarschieren. Ein langes blaues Band -schlängelt sich ins Tal. Der junge Offizier hat sich gefaßt und -schreitet still und ergeben wie ein Leidtragender in einem Trauerzug -hinter den blauen Stahlhelmen her. - -Eine Stahlhaube ist neben einem Baum liegen geblieben. - -Da eilt ein französischer Hauptmann aus dem Dorf hervor. Er hat sich -verspätet. Sein Kopf ist verbunden, ich habe ihn gestern nicht gesehen. -Er geht eilig auf den Jäger zu Pferde zu und schüttelt ihm die Hand, -erschüttert, gebrochen, verzweifelt, wie man in schwerem Leid einem -Freund die Hand schüttelt, sicher seines Verstehens, Vertrauens, -Glaubens. Es gibt Beziehungen zwischen den Völkern, die alle Diplomatie, -mangelhafte und perfide, nicht zerstören kann. - -„Trösten Sie sich,“ sagt der Jäger zu Pferde, „es ist der Krieg!“ - -Der Hauptmann antwortet nichts, er schüttelt gebrochen den verbundenen -Kopf, und mit verzweifelten großen Schritten stürzt er seiner Truppe -nach. – - -Die Schlacht ist zu Ende, die Schlacht ist gewonnen. Zweitausend -Gefangene, große Beute, auf einer Front von zwei Kilometern der Feind -zurückgeworfen. Es ist ein großer Erfolg. Nehmt den Hut ab vor den -Argonnenkämpfern! - -Aber wie erstaunt war ich, im französischen Bericht zu lesen, daß es -wieder einmal nichts war. Die Armee des Kronprinzen hatte überhaupt -keinen Erfolg errungen. Zwei mißglückte Angriffe – unser Bericht -enthalte phantastische Zahlen, es sei klug, diese Zahlen in derartigen -Fällen immer durch zehn zu dividieren. – – - -Großes Frankreich, dein Erbe ist in bedenkliche Hände geraten. Dein -Geist ist bei deinen Erben zur Phrase geworden und die Phrase zur Lüge. - - - Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig - - - - - Anzeigen - - - - - Werke von Bernhard Kellermann - - - Yester und Li - - Die Geschichte einer Sehnsucht. (Fischers Romanbibliothek.) - - Gebunden 1 Mark, in Leinen 1 Mark 25 Pfennig. - - Die Geschichte einer Sehnsucht ist es, die der Verfasser erzählt – - einer zarten, zitternden, tastenden Sehnsucht. Einer so - verzehrenden, wahnwitzigen, ungeheuerlichen Liebessehnsucht, wie sie - nur ein Dichter, ein Auserwählter unter den Menschen, zu einem - auserwählten, seltenen, wundervollen Weibe empfinden kann. – - Wunderbar ergreifend ist der Schluß. Ein Dichter hat dies Buch - geschrieben. Ein wirklicher Dichter. Mit sanfter, zagender Hand sind - die letzten Hüllen von menschlichen Seelen gezogen. Und doch - erscheint alles wie durch zarte Schleier, von einem seltsamen matten - Glanz umsponnen. Letzte Menschlichkeiten werden aufgedeckt. Feines, - Leises wird gegeben, wie mit dem Silberstift gezeichnet. - - (Königsberger Allgemeine Zeitung) - - - Ingeborg - - Roman. 30. Auflage. Geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. - - Ganz trunken von Schönheit und Schmerz ist das Buch. Es schlägt Töne - an, die man schwer vergißt ... Selten ist etwas Glühenderes und - Sanfteres geschrieben worden wie die Schilderung dieser Liebe. Eine - erhobene Sprache geht durch die Blätter des Buches, ohne doch uns - der Erde zu entrücken ... Wenig und einfach ist, was geschieht, aber - die Feinheit und Intensität der Schilderung macht es zu einem - Äußersten als Seelenerlebnis sowohl wie als Kunst. - - (Der Tag, Berlin) - - Frauen und Jünglinge, leset dies neue Buch – Ingeborg – diesen - zweiten Roman von Bernhard Kellermann. Die Liebe lebt darin und die - Romantik. Und der Wald lebt darin und alle Jahreszeiten. Jung ist - es, ganz jung-jung, und das Blut macht es unruhig, es fiebert von - Liebe. Mit einer kindlich zarten und zugleich unerhört verfeinerten - Gabe wird hier von den heiligsten und besten Dingen gesprochen. Von - Gott, von der Liebe, vom Wald ... Ich will mich mit diesem Buche - nicht allein freuen. Jedem möchte ich es in die Hände drücken, der - überhaupt noch einen Roman lesen kann. - - (Die Zeit, Wien) - - - Der Tor - - Roman. 14. Auflage. Geheftet 5 Mark, gebunden 6 Mark. - - Die Leser von „Ingeborg“ werden ihren Dichter in diesem Buche - wiederfinden, aber er wird ihnen als ein Größerer begegnen, reifer - und reicher geworden in den wenigen Jahren, die zwischen den beiden - Werken liegen. Sein Blick hat sich von den wolkengleich umrissenen - Gestalten der Liebeslegende tiefer erdenwärts gewandt und schaut - jetzt den Kreaturen des täglichen Lebens zu, wie sie, gehämmert, - zerstoßen und verkrümmt von der Unerbittlichkeit der Verhältnisse, - ihr Dasein zu Ende führen. Der Tor ist ein junger, reiner Mensch, - der in einem Städtchen auftaucht, um das Unrecht zu sühnen, das - Menschen an einer Verstorbenen geübt haben. Bald sieht er ein, wie - vieles es im kleinsten Kreise gutzumachen gibt, woran die Menschen - keine Schuld haben, und sein Drang weist ihm den Weg zu den Hütten - der Elendesten, Bejammernswertesten. So ist auch dies Buch ein Buch - der Liebe geworden, aber der Liebe des einen zu allen. - - (Hannoverscher Kurier) - - - Das Meer - - Roman. 18 Auflage. Geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. - - Es ist ein Werk, das man mit Ehrfurcht und Freude aus der Hand legt, - im sicheren Bewußtsein, einen Schatz gefunden zu haben, von dem man - immer wieder gern genießen wird. Ein kulturmüder Mann lebt einen - Sommer hindurch auf einer bretonischen Fischerinsel. Er versinkt - ganz in dem kräftigen, urwüchsigen Dasein dieser einsamen Welt. - Trinkt, flucht, liebt und haßt wie die Bewohner der Insel, die - gleich abgeschlossen ist von den Moralbegriffen wie dem - Rechtsempfinden der Welt da draußen ... Manchem wird die wilde - Schönheit unverständlich bleiben, manchen wird auch die feinste - Sprachkunst nicht darüber hinwegsetzen, daß es immer wieder nur das - Meer ist – und nur das Meer, von dem er lesen muß. Wer sich aber in - dies Werk ernstlich vertieft, dem wird es seine Mannigfaltigkeit - wohl erschließen. Und er wird meine Freude darüber teilen, daß auch - einem Deutschen der Entdeckerflug in die unbekannten Reiche der - Natur gelungen ist, der bisher Männern wie Kipling oder Loti - vorbehalten schien. Nur daß Kellermanns Empfindung wärmer, seine - Anschauungskraft stärker, seine Sehnsucht tiefer ist. - - (B. Z. am Mittag, Berlin) - - - Der Tunnel - - Roman. 120. Tausend. Geheftet 3 Mark 50 Pfennig, in Leinen - gebunden 4 Mark 50 Pfennig, Geschenkband 6 Mark. - - In diesem Buch rollt der Donner ungeheuerer moderner Maschinen. - Weite und Welthorizonte sind in ihm. Aber alles wirbelt und tanzt - und dreht sich, und man sieht nur große Konturen, sieht nur Massen, - zusammengeballt und mit fortgerissen in der rasenden Bewegung dieser - Zeit. Man spürt das unerhörte Tempo der Gegenwart, der heutigen - Epoche, während man dieses Buch liest. Man spürt gleichsam die Erde - ringsum vibrieren, als erbebe sie bis in ihren Grund unter der - zugreifenden Gewalt des Menschen. Man spürt das Fiebern, Keuchen, - Wüten und geniale Delirieren der unermeßlichen Arbeit, die rund um - uns her verrichtet wird. Und das ist zuerst ein beklemmendes Gefühl, - dann aber ein befreiendes Glücksbewußtsein. Man wird niedergedrückt - und gleich darauf angefeuert, hoch emporgehoben und wie berauscht - von Mut, von Entschlußfreude und Zuversicht und von Seligkeit, - dieses schäumende Leben von heute mitleben zu dürfen. - - (Neue Freie Presse, Wien) - - - - - Im gleichen Verlag ist erschienen: - - - Aage Madelung: Mein Kriegstagebuch - - 7. Tausend. Geheftet 2 Mark, in Leinen 3 Mark. - - Die Schilderungen Madelungs zeichnen sich durch schmucklose, - anschauliche Schlichtheit aus. Nicht immer ist der Krieg eine - unerbittliche Trennung; hier ereignet es sich, daß ein germanischer - Nordländer begeisterte, glühende Liebe zu einer ihm fernstehenden - Nation faßt. Madelung wird enthusiastisch, sowie er von Ungarn und - den Ungarn spricht. - - (Wiener Zeitung) - - - Aage Madelung: - Jagd auf Tiere und Menschen - - 5. Tausend. Geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. - - Ein Urwaldmensch und ein Raffinierter. Welch seltsamer Widerspruch! - Und ebenso widersprechend: in Sumpf und Moor ein wilder, - weidlüsterner Jäger, und dann, am einsamen Reisigfeuer, ein vor sich - hingrübelnder kosmischer Philosoph. Diesen Menschen muß man näher - kennen lernen. Man findet seinesgleichen nicht alle Tage. - - (Neue Freie Presse, Wien) - - - London und Paris im Krieg - - Reiseerlebnisse in Kriegszeit von Norbert Jacques - - 17. Tausend. Geheftet 1 Mark 50 Pfennig, gebunden 2 Mark. - - Das Buch ist Impressionismus in bestem Sinn; das gibt ihm einen - hohen dokumentarischen Wert in alle Zukunft für den - franko-englischen Gemütszustand im allgemeinen und für das - französische Delirium im speziellen. - - (B. Z. am Mittag, Berlin) - - - - - Sammlung von Schriften zur Zeitgeschichte - - Jeder Band gebunden 1 Mark - - 1. Band: Aus den Kämpfen um Lüttich. Von einem Sanitätssoldaten. - 2. Band: Weltwirtschaft und Nationalwirtschaft. Von Franz - Oppenheimer. - 3. Band: Der englische Charakter, heute wie gestern. Von Theodor - Fontane. - 4. Band: Preußische Prägung. Von Lucia Dora Frost. - 5. Band: Friedrich und die große Koalition. Von Thomas Mann. - 6. Band: Die Fahrten der Emden und der Ayesha. Von Emil Ludwig. - Mit 20 Abbildungen. - 7. Band: In England – Ostpreußen – Südösterreich. Von Arthur - Holitscher. - 8. Band: Der deutsche Mensch. Von Leopold Ziegler. - 9. Band: Russischer Volksimperialismus. Von Karl Leuthner. - 10. Band: Die Flüchtlinge. Von einer Reise durch Holland hinter die - belgische Front. Von Norbert Jacques. - 11. Band: Zwischen Lindau und Memel während des Kriegs. Von Paul - Schlenther. - 12. Band: Deutsche Kunst. Von Karl Scheffler. - - - - - S. Fischer · Verlag · Berlin - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - -Offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere -Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher): - - [S. 114]: - ... „Und wie ist die Stimmung im allgemeinen. In ... - ... „Und wie ist die Stimmung im allgemeinen? In ... - - [S. 156]: - ... Man verstehe recht: nach einem Jahr Krieg, noch Monaten ... - ... Man verstehe recht: nach einem Jahr Krieg, nach Monaten ... - - [S. 175]: - ... und Festhubert nicht vergessen. – ... - ... und Festubert nicht vergessen. – ... - - -*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KRIEG IM WESTEN *** - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the -United States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. 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Redistribution is subject to the trademark -license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. 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Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online -at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you -are not located in the United States, you will have to check the laws of the -country where you are located before using this eBook. -</div> - -<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: Der Krieg im Westen</p> - <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Bernhard Kellermann</p> -<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Release Date: December 28, 2021 [eBook #67033]</p> -<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Language: German</p> - <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em; text-align:left'>Produced by: Peter Becker, Jens Sadowski, and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net. This file was produced from images generously made available by The Internet Archive.</p> -<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KRIEG IM WESTEN ***</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<div class="centerpic logo"> -<img src="images/logo.jpg" alt="" /></div> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<h1 class="title"> -Der Krieg im Westen -</h1> - -<p class="aut"> -<span class="line1">Kriegsberichte</span><br /> -<span class="line2">von</span><br /> -<span class="line3">Bernhard Kellermann</span> -</p> - -<p class="pub"> -<span class="line1">1915</span><br /> -<span class="line2">S. Fischer, Verlag</span><br /> -<span class="line3">Berlin</span> -</p> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="cop"> -Erstes bis zehntes Tausend.<br /> -Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung.<br /> -Copyright 1915 S. Fischer, Verlag. -</p> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="toc" id="INHALT"> -<a id="page-5" class="pagenum" title="5"></a> -Inhalt -</h2> - -</div> - -<div class="table"> -<table class="toc tocn" summary=""> -<tbody> - <tr> - <td class="col1"><a href="#ZURWESTFRONT">Zur Westfront</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-7">7</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DASFEUERVONYPERN">Das Feuer von Ypern</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-12">12</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIEFELDSCHANZE">Die Feldschanze</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-17">17</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIESCHLACHTFELDERINFLANDERN">Die Schlachtfelder in Flandern</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-24">24</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#NACHDENSCHLACHTEN">Nach den Schlachten</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-30">30</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#EINFLIEGERYYBERBRYYGGE">Ein Flieger über Brügge</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-38">38</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIESCHLACHTBEIARRAS">Die Schlacht bei Arras</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-44">44</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIELORETTOHYYHEUNTERFEUER">Die Lorettohöhe unter Feuer</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-48">48</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#NACHTKYYMPFEBEIARRAS">Nachtkämpfe bei Arras</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-57">57</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#EINTAPFERESREGIMENT">Ein tapferes Regiment</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-64">64</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#GEFANGENEAUSDERARRASSCHLACHT">Gefangene aus der Arrasschlacht</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-73">73</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIEGEWITTERSTADT">Die Gewitterstadt</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-80">80</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIEKYYMPFEBEIMOULINSOUSTOUVENT">Die Kämpfe bei Moulin-sous-Touvent</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-87">87</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#GRANATENAUFDIEVORORTEVONSOISSONS">Granaten auf die Vororte von Soissons</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-94">94</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#FLIEGERANGRIFFAUFFESSELBALLONE">Fliegerangriff auf Fesselballone</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-102">102</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DERGEFANGENESOZIALIST">Der gefangene Sozialist</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-109">109</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIEGRABENKYYMPFEBEISOUCHEZ">Die Grabenkämpfe bei Souchez</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-115">115</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DERKIRCHHOFVONSOUCHEZ">Der Kirchhof von Souchez</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-123">123</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIEYYBERLEBENDENAUSDEMKIRCHHOFVONSOUCHEZ">Die Überlebenden aus dem Kirchhof von Souchez</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-129">129</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DASSCHLACHTFELDARRASSOUCHEZLORETTOHYYHEVOMFESSELBALLONAUS">Das Schlachtfeld Arras-Souchez-Lorettohöhe vom Fesselballon aus</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-137">137</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a id="page-6" class="pagenum" title="6"></a><a href="#DERARGONNERWALD">Der Argonnerwald</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-142">142</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIEKYYMPFEINDENARGONNEN">Die Kämpfe in den Argonnen</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-150">150</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#HYYHE285">Höhe 285</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-154">154</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DERKRIEGUNTERDERERDE">Der Krieg unter der Erde</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-159">159</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#LABASSYYE">La Bassée</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-165">165</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DIEGRYYBENBEILABASSYYE">Die Gräben bei La Bassée</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-171">171</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DICKELUFT">Dicke Luft</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-177">177</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DERHERRDERHAUBITZEN">Der Herr der Haubitzen</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-183">183</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><a href="#DERSIEGREICHEANGRIFFINDENARGONNENAM8SEPTEMBER">Der siegreiche Angriff in den Argonnen am 8. September</a></td> - <td class="col_page"><a href="#page-189">189</a></td> - </tr> -</tbody> -</table> -</div> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="ZURWESTFRONT"> -<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a> -Zur Westfront -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -3. Mai 1915 -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">as</span> besetzte Frankreich ist heute Friede und Sonne. -Der Zug fliegt dahin, sorglos und leicht, als ob er Vergnügungsreisende -an Bord habe, durch grüne Täler -und blühende Landschaften. Er hat nichts Martialisches -mehr an sich. Vor Monaten keuchte und klirrte er, wie -ein schwerer Krieger, der in die Schlacht geht, er rasselte -wie Panzer und tastete sich zornig vorwärts. Heute ist -er ein gutmütiger europäischer D-Zug geworden, der -unbekümmert seine Meilen abfährt. Fern ist der Krieg. -Auf den Höhen der Ardennen liegt die Sonne, die Luft -schmeichelt, die junge Saat leuchtet. Die Felder sind bestellt, -säuberlich bunt wie ein Teppich. Nur da und dort -liegt ein Acker grau und welk, vergessen und verödet, -ungepflegt und stumpf, wie ein Mensch, der trauert. -Man sieht ihn meilenweit! Was an Leuten zurückgeblieben -ist und nicht vor dem Krieg entfloh, arbeitet in -den Fluren. Es sind nur spärliche, dünne Trupps, -die in der Sonne zerrinnen. Viele, die diese fruchtbare -Erde gebar, sind fort, und viele kommen nicht wieder. -Eine leise Beklommenheit liegt auf dem Lande. Halbwüchsige -Burschen, Frauen und Greise streuen die Saat -und verrichten heuer jene Arbeit, die sonst den Kräftigsten, -Blühendsten und Erfahrensten zusteht. Hingegeben und -<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a> -ganz bei der Sache, voll heißer Wünsche, denn das Brot -ist kostbar, schreiten sie durch die Äcker und schwingen den -Arm, mit jener schönen und freien Geste, die ein Symbol -des Friedens und der Wiedergeburt ist. Der Pflug ist -hinter den Kanonen hergekommen und nahm seine -Arbeit wieder auf. Die Schützengräben hier und da, -wo der Krieg seine Zähne einschlug, sind längst zugeschüttet, -Narben in der gemarterten Erde, und der -Pflug geht darüber. Bald wird sich das Korn hier -wiegen und das Land wird vergessen. Verbrannte -Häuser und Dörfer, im hellen Schrecken verlodert, erwecken -heute, in der Sonne, in der summenden heißen -Luft, den Eindruck, als seien sie einem Schadenfeuer zum -Opfer gefallen. Nicht anders sehen sie aus. Sie jammern -und schreien nicht mehr wie im Herbst und Winter, -wo sie ihre rauchgeschwärzten, verstümmelten Mauern -in den Himmel streckten. Der Frühling deckt sie zu. -Sie schweigen. Grün und Blüten verhüllen ihren Gram. -Ein blühender Kirschbaum steht jung und schön, triumphierend -inmitten der rauchgebeizten Trümmer einer -Mühle, und Gras und Blumen sind dabei, die verbrannte -Erde zurückzuerobern. Das Leben ist stärker als der -Tod und der liebe Gott läßt sich nicht durch Granaten -imponieren! Im November war ich im zerschossenen -Longwy, alles war durchlöchert, zerschmettert, verbrannt -– aber schon trieben die angekohlten Platanen -des Kirchplatzes wieder starke grüne Knospen. Herden -von Rindern weiden friedlich im Gras, dem Geschäft -des Fressens hingegeben, und Väterchen hütet sie, das -alte nämliche französische Väterchen, mit Holzschuhen, -<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a> -einem verwilderten grauen Bart, hager und mit entzündeten -Augen, die flache Mütze auf dem kahlen -Schädel. Weidende Pferde, Stuten mit ihren Füllen. -Eine glückliche Schwangerschaft hat sie vor schwerem -Dienst bewahrt. -</p> - -<p> -Der Bahnhof von Sedan ist so still, daß ich ihn kaum -wiedererkenne. Im Oktober stand hier Zug an Zug, -Gewühl, Lärm, Staub, Kanonen, Truppen, Sanitäter, -Schwestern, Gefangene, Verwundete, Schmutz und Blut. -Er war ein krachendes Rad am Kriegswagen. Heute ist -es der Bahnhof einer kleinen Provinzstadt mit mäßigem -Verkehr. Nichts sonst. Zwei endlos lange Lazarettzüge -stehen da, aber sie sind beide unbelegt. Sie stehen in der -grellen Sonne, alle Türen und Fenster offen, und -schlafen. Das Personal sitzt und sonnt sich. Eine kleine -rotbäckige Schwester gähnt und klopft sich auf den Mund, -als sie sich beobachtet sieht. Ein Krankenwärter sitzt auf -dem Trittbrett und schneidet sich sorgfältig die Nägel; ein -andrer wäscht sich, er hat eben ausgeschlafen. Im Arztwagen -ist keine Seele zu sehen. Wahrhaftig, wäre es -nicht frivol, so könnte man sagen, die Lazarettzüge sehen -wie Badehotels aus, die auf Gäste warten. Bei den -Rampen stehen auf den Loren zwei nagelneue Flugzeuge, -die Flügel zusammengeklappt, wie Schmetterlinge, die -eben aus der Hülle schlüpfen und sich die Flügel von der -Sonne trocknen und ausbügeln lassen. Bald werden -sie hoch oben auf der sonnigen Luft liegen. Vom Frühling -ausgebrütet, glänzend neu, liegt Material da und -dort auf den Stationen: Lastautomobile, ohne Tadel, -grüngestrichene Pumpen, feldgraue Karren; ein Trupp -<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a> -Infanterie, mit neuen Uniformen und frischen, roten -Gesichtern, wie Knospen, gerade vom Gärtner geschnitten. -Auf einem in der Sonne blitzenden Geleise stehen ein -paar Geschütze. Neu wie das Gras auf der Wiese. Sie -haben noch kein Blut geschluckt, es sind Kanonenjungfrauen; -drall, massiv, die Haut glatt und kalt. In ihre -ehernen runden Hüften gestützt, harmlos und unschuldig -wie junge Raubtiere, glotzen sie mit ihren runden Mäulern, -von dem Instinkt ihrer Rasse getrieben, in die -Richtung, in der sie den Feind wittern. -</p> - -<p> -Der Zug fliegt weiter, läßt die Jungfern hinter sich, -die neugierig und dumm noch immer in die gleiche -Richtung starren, bis sie plötzlich hinter einem Berg von -Blüten verschwinden. Ja, die Geschütze werden bis an -den Hals in Blumen versinken, aber feuern werden sie -doch! Eine Feldwache liegt unten im Schatten von -Kastanien und schreit nach Zeitungen. Auch sie, die -Biedern und Treuen, haben ein frühlingshaftes und -friedlicheres Aussehen bekommen. Früher, in den kalten -Monaten, eingemummt in Decken, Tücher und Mäntel, -erschien jeder einzelne, der an der Strecke stand, wie ein -festmontierter Panzerturm, drohend und unerbittlich. -Heute, mitten im Grün, sehen sie lachend und friedfertig -aus, wie gutmütige, treuherzige Burschen, die sie sind. -Das herrliche Wetter hat sie aus ihren Löchern und -Bauten gelockt und sie sonnen sich und genießen. Sie -haben es redlich verdient. Ich konstatiere mit Freuden, -daß der Winter ihnen nichts geschadet hat. Wohlgenährt, -rosig und blühend sehen sie aus. Sie sind guter Laune -und nun ganz zu Hause. Eine Wache hat große Wäsche -<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a> -und wirtschaftet schwitzend und halbnackt im Garten. -Die Herrlichkeiten bleichen auf dem Rasen. Ein Dienstfreier -hat soeben sein Bad genommen. Nur mit einer -hochgekrempten Leinenhose bekleidet, sitzt er im saftigen -Gras und schmort. Er hat ein Handtuch wie einen Turban -um den rotglühenden Schädel geschlungen, da sitzt -er wie ein Sultan und glänzt vor Gesundheit und guter -Laune. Neben ihm hockt ein winziger weißer Hund, -kaum acht Tage alt. Andre stehen vergnügt in einem -Kreise von Weibern und Kindern und winken dem Zuge -zu. Häufiger und häufiger aber werden die Angler! -</p> - -<p> -Ist es das französische Wasser, das zum Angeln lockt? -Ist es der französische Fisch? Jedenfalls sitzen sie genau -wie Stockfranzosen geduldig und aufmerksam mit der -Rute da, wie gewiegte Sportsleute und Kenner und ergeben -sich der Hypnose des glitzernden Wassers. Es -handelt sich hier um einen Sport wie jeden andern, und -der Erfolg ist nicht die Hauptsache. Sie sitzen an Pfützen -und Löchern, wo gar keine Fische sein können, aber das -ist einerlei. Auf einer Station trete ich an einen feldgrauen -Angler heran, der so angespannt arbeitet, daß -er nicht einmal nach dem Zug umblickt. Ich erlaube mir -die Frage, ob er schon etwas gefangen habe? Der -Angler dreht bedächtig den roten Nacken. Ob ich nicht -sehen könne? Er ist Württemberger. Ach so! Entschuldigen -Sie. In einer Blechbüchse neben ihm schwimmen -zwei winzige Sardinen. -</p> - -<p> -Aber was ist das? Eine Rudergesellschaft! Fünf -Feldgraue befahren in einem gebrechlichen Nachen einen -Wassergraben, kaum zwei Schritt breit. Sie haben so -<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a> -voll geladen, daß der Mann im Heck schon mehr im -Wasser sitzt als im Boot. Mit ihren primitiven Rudern -legen sie einen Knoten in der Stunde zurück. Aber Sport -ist Sport. Plötzlich schreien sie laut und wild und lachen: -sie sind auf Grund gelaufen. -</p> - -<p> -So viel frohe und helle Stimmen sind in der Luft. -Die Hühner gackern in den Gärten, Vögel zwitschern, -Kinder wälzen sich lärmend im Gras, die Luft summt von -Insekten. Der Himmel strahlt Zuversichten und Hoffnungen. -Man atmet auf. Viele Monate hat man an -einem schweren Gedanken getragen ... -</p> - -<p> -Ich will in den Speisewagen gehen und frühstücken. -Aber gerade als ich die schlingernden Korridore entlang -balanciere, beginnt es in der Ferne zu brummen. Ich -horche auf. Es rollt, murrt, grollt wie Gewitter, ein -Satz ferner Kanonenschläge. Er steht immer noch da -draußen, der blutige Trommler und schlägt seine Wirbel! -Ich hatte ihn fast vergessen. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DASFEUERVONYPERN"> -Das Feuer von Ypern -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -8. Mai 1915 -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">W</span><span class="postfirstchar">ährend</span> die verbündeten Armeen in Westgalizien das -russische Tor aus den Angeln brechen, sind wir hier oben -im Westen dabei, die englisch-französische Panzertür einzurennen. -Der Gegner hier oben ist zäher und intelligenter -und läßt sich die Zähne aus dem Maul schießen, -bevor er weicht. Die Kämpfe sind wütend. In aufrechten -Sturmkolonnen liefen die Engländer da und dort -gegen das Feuer unsrer Gräben an. Man ist guten -<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a> -Muts und voller Zuversicht. Wie ich höre, haben sich -unsere Truppen in höllischen Nahkämpfen wie Rasende -geschlagen. Sie gingen wie glühende Teufel vor. Ich -sah sie heiß und dampfend aus den Stellungen zurückkehren, -und der Rausch des Kampfes lag noch in ihren -siedenden Augen und über den rauchenden, marschierenden -Kompanien. Einige trugen Verbände, die meisten -hatten schon wieder den Weg in die Wirklichkeit zurückgefunden -und lachten. Seit den letzten Tagen dröhnt -hier Himmel und Erde vom Donner der Geschütze. -Die Kraterkette, die die deutschen Batterien in weitem -Bogen gegen Ypern vorschoben, speit täglich Hunderte -von Tonnen Eisen in den Hexenkessel von Ypern hinein. -Ein Hauptmann versicherte mir, das Feuer sei heftiger, -als es vor Antwerpen war. -</p> - -<p> -Heute morgen um sechs Uhr war ich an der Front, -die im Südosten an das Operationsgebiet von Ypern -stößt. Die Kanonen sind noch früher aufgestanden. -Sie pochen, atemlos, wie schwere Schmiedehämmer, die -im Akkord arbeiten, und die Luft wettert von den wütenden -Schlägen. Auch nicht eine einzige kleine Sekunde -Pause gönnen sie sich. Sie sind ein Rudel von Gewittern -im Hochgebirge, die knurren und grollen, verstört hin -und her irren und nicht zur Ruhe kommen. Häufig fallen -die Schläge zusammen, und dann dröhnt und rollt es, -als donnere eine Bergwand zu Tal. Sie stampfen über -und unter der Erde, sie sind ringsum, überall. Der -ganze Horizont brandet. Sie saugen die Atmosphäre -ein und schnauben sie aus. Das Gebäude der Luft -wankt. Je näher das Auto jagt, desto wütender und -<a id="page-14" class="pagenum" title="14"></a> -wilder wird das Feuer. Deutlich hört man aus dem -atemlos auf und ab wogenden Pochen und Stampfen -das böse, tiefe Raubtierknurren der schwersten Geschütze -heraus, die die andern überbrüllen. -</p> - -<p> -Wir halten in einem zerschossenen Gehöft, einige -hundert Meter von den englischen Stellungen entfernt, -und der Boden rollt ununterbrochen unter meinen -Füßen, wie von schweren Lastautomobilen. Die Seismographen, -denke ich, müssen die Erschütterung der -Erdkruste auf Hunderte von Meilen im Umkreis anzeigen, -falls sie etwas taugen. Ich habe noch kein Erdbeben -erlebt, aber es kann kaum anders sein. Es ist -richtiges wildes Trommelfeuer (ein neues Wort für -mich) und zuweilen verschlägt es mir den Atem, obschon -ich einigen Lärm vertrage. Schlag auf Schlag, bebend -von Leidenschaft, unerbittlich und rasend, Salvenhiebe -eines Boxers, der den Gegner erbarmungslos niederhämmert. -Die Geschütze schütteln sich vor Wut, sie -glühen und taumeln, kochenden Schaum vor dem Maul, -und speien ihren Haß hinüber. -</p> - -<p> -Der Morgen ist göttlich. Die Welt leuchtet und die -Vögel singen unbekümmert. Aber ich sehe und höre nicht, -ich ergebe mich der lauten Brandung des Feuers, die -mächtig, wie der Ozean, daherrollt. Zuweilen wage ich -es, einen kleinen scheuen Blick zum Himmel emporzuwerfen, -der in seiner Herrlichkeit blendet, zuweilen erbleiche -ich im Innern, und manchmal hätte ich Lust, -mich zu bekreuzen. Ich bin, ohne mich’s zu versehen, -mitten in ein Gewitter der Urzeit geraten, da die Erde -sich spaltete und die Gebirge gebar. Oder was ist es? -<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a> -Führt die Erde Krieg mit der Sonne und befeuert sie -aus ihren Vulkanen rasend das Gestirn am Himmel? -Poltern Unholde im Raum, die ich nicht sehe und die -rings um mich toben? So unheimlich und mächtig ist -das Toben, von solch elementarer Wucht, daß meine -Maßstäbe versagen, wie vor den Zahlen der Astronomen, -und es mir schwer wird zu glauben, daß hier Menschen -kämpfen und auf Fleisch und Knochen geschossen wird. -Ja, verstehst du wohl, es ist der Mensch, von menschlichen -Müttern geboren, der hier eine Sache unter sich -ausmacht. Auf seine Art, mit seinen Maschinen und -seinem Zorn. Der Dämon der Erde, angefüllt mit urweltlichen -Instinkten, die lange schlafen und die ein -Nichts wecken kann. Ich bin, wenn man will, in ein -Völkergewitter geraten, das sich wütend entlädt, bei -dem es Eisen hagelt und Blut regnet. -</p> - -<p> -Ich muß gestehen, ich möchte heute nicht in Ypern -und in der Umgebung Yperns sein. Ich möchte auch nicht, -daß ein Freund und Bruder von mir dort wäre. Selbst -für englische Nerven, denke ich, muß es genügen, und -ich bin sicher, heute gehen ihnen die Pfeifen aus. Ich -spreche gar nicht von den Franzosen und Farbigen, -die mit der Hälfte zufrieden wären. Sie – die Engländer -– wissen recht gut, daß es uns Ernst ist, und -täuschen sich nicht über die Lage. Unerbittlich und mitleidlos -ist die Sprache der Geschütze. In ganzen Rudeln -stoßen ihre Flugzeuge aus dem Feuerloch, aufgescheucht -und unruhig, und kreuzen hartnäckig und verzweifelt -über unsern Stellungen, um die Geschütze zu finden. -Wie zornige Raubvögel, deren Horst brennt, kreisen sie -<a id="page-16" class="pagenum" title="16"></a> -hoch oben und spähen nach dem Feind. Heute morgen, -vor fünf, hat mich schon das Krachen der Abwehrkanonen -aus den Federn getrieben. Nun, da der Tag -wächst, stehen bald rechts, bald links hoch oben am blauen -Himmel die Reihen der weißen Schrapnellwölkchen. -Plötzlich kracht es auch dicht neben mir, ein harter und -naher Knall, und eine Granate zischt gierig und böse -knirschend über meinen Kopf hinweg in den Himmel -empor. Ein englischer Doppeldecker in eiliger Fahrt, -gut 2000 Meter hoch. Das Schrapnell explodiert hinter -ihm. Zwei, drei. Wie Raketen fauchen sie in die Höhe. -Vier, fünf. Ein Maschinengewehr rasselt und streut eine -Fontäne von Spitzkugeln in den Äther. Nun reißt ein -Geschütz in einiger Entfernung links ab und der Engländer -bekommt Stirnfeuer. Prächtige Schüsse! Ein -Schrapnell muß dicht über ihn weggeflogen sein. Der -Engländer hat genug, er wendet in toller Kurve und geht -mit dem Wind davon. Aber er kommt wieder. Dreimal versucht -er es, hartnäckig und kühn, unsre Stellungen zu überfliegen, -und dreimal muß er zurück. Das Maschinengewehr -hämmert wie toll und kann sich nicht mehr beruhigen. -</p> - -<p> -Das Geschützfeuer aber rollt und pocht, ohne Atem -zu holen, die Salven dröhnen. Die Schlacht geht weiter. -Wie sage ich? Sie hat erst <em>begonnen</em>. Es ist sieben Uhr. -</p> - -<p> -Am Abend sah ich die Sonne im Westen versinken, -blutrot, groß und düster, wie sie an großen historischen -Schlachttagen gesunken sein soll. Sie sah aus wie ein -blutüberströmtes Antlitz, die Sonne von Ypern, naß, -zerschossen, und sterbend noch voll Majestät. -</p> - -<p> -Die Geschütze aber schlugen noch immer. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIEFELDSCHANZE"> -<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a> -Die Feldschanze -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Mai 1915 -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">er</span> Adlerwagen fegt die Landstraße hinunter, als -sei der böse Feind hinter ihm her. Er springt in langen -Sätzen über die frischbeschotterten Granattrichter hinweg -und sucht so rasch wie möglich in Deckung des zerschossenen -Gehöftes zu kommen, auf das die staubige -Straße schnurgerade zuführt. Die Sache ist die: gewöhnlich -setzt es hier eine Lage, und die feindlichen Geschütze -sind, wie ein Blinder sehen kann, verteufelt genau -eingeschossen. Allein nichts geschieht. Der Wagen duckt -sich hinter eine Backsteinbaracke, ein ehemaliges Wirtshaus, -dessen Stirn jämmerlich zerschmettert ist wie von -Keulenhieben. Hier pflegen die Granaten gewöhnlich -einzuschlagen. -</p> - -<p> -Der Begleitoffizier hegt noch immer Hoffnungen. -Er lauscht hinüber, und ich sehe ihm deutlich an, daß er -enttäuscht ist. Er hatte mir die Lage angekündigt und -empfindet es als eine Störung des Programms, daß -der Feind zu faul ist zu schießen. -</p> - -<p> -„Dann bekommen wir sie sicher auf der Rückfahrt!“ -Das ist ein gewisser Trost. -</p> - -<p> -Zu Fuß geht es weiter, denn er – der Feind – würde -es als eine Achtungsverletzung betrachten, wenn man -auch die allerletzte Strecke zu den Gräben noch im Auto -zurücklegte. Es gibt immerhin Grenzen. Eigentümlich -ist das Gefühl, zu Fuß zwei Kilometer in der hellen Sonne -eine Landstraße entlang zu promenieren, ohne jede -Deckung, knappe achthundert Meter an den feindlichen -Gräben entlang. Sie können uns ja deutlich sehen, -<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a> -mit bloßem Auge, und die roten Streifen der Offiziersmützen -leuchten weithin. Weshalb schießt er nicht? – -„Sie frühstücken, sie rasieren sich.“ – Drüben liegen -Engländer. Sie trinken jetzt wohl Tee und essen Marmelade -dazu, was mögen sie tun? Immerhin, es liegen -Hunderte von Gewehren schußbereit. Vielleicht reizt -sie das kecke Rot der Offiziersmützen, vielleicht haben -sie schlecht geschlafen, oder vielleicht sind sie mit dem -Frühstücken gerade fertig geworden und haben Lust, ein -wenig zu arbeiten. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, -daß uns ein Offizier durch das Glas genau beobachtet, -in unsern Mienen mit den Blicken herumtastet, und es -lediglich von seiner Laune abhängt, ob er feuern lassen -will. Nichts ereignet sich. Auf dem Rückweg allerdings, -ich will das vorausnehmen, summten ganz unvermittelt -ein paar Kugeln über uns weg – aber nur weil wir -stehengeblieben waren, um einen Flieger zu beobachten. -Es gibt eben hier Sitten wie überall, gehen ist erlaubt, -stehenbleiben wird als Unhöflichkeit angesehen. -</p> - -<p> -In dem von Granaten übel zugerichteten Dorf -empfängt uns der Kommandeur des Regiments. Ein -Mann wie aus Wurzelholz geschnitzt, knorrig, stark und -schlicht, ohne Pose und ohne Phrase. Das gibt es hier -außen nicht. Er hat die Augen des Frontoffiziers, -<em>Frontaugen</em>, die aus Hunderten herauszufinden ich -mich jederzeit erbiete. Sie sind glänzend und rein, bewußt, -ein wenig nachdenklich und voll Anteilnahme. -Der Mensch ohne Lack und Firnis blickt aus ihnen. -Es sind Augen, wie Menschen sie haben, die der Tod -anschauerte, die er zuweilen mit seinem Finger berührte -<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a> -und denen er ein kleines Wort zu irgendeinem Augenblick -ins Ohr flüsterte. -</p> - -<p> -Wir steigen in die Schanze ein. Hier stand früher einmal -eine Brauerei. Früher! Die Granaten sind heißhungrig -darüber hergefallen und haben nur Trümmer -übriggelassen. Sie haben die Mauern zerfressen, die -Kamine mit Stumpf und Stiel verschlungen und Kessel -und Röhren zu Klumpen zerkaut. Fanden sie nichts -andres, so fraßen sie tiefe Löcher aus der Erde. Laufgänge -und Schützengräben durchspinnen und umspinnen -den Komplex der Ruine. Mit Sandsäcken und erdgefüllten -Bierfässern hat der Kommandeur ein Fort aus -den Trümmern gebaut, eine groteske und musterhafte -Festung, in der man vor Gewehrkugeln wenigstens ziemlich -sicher ist, wenn man nicht allzu großes Pech hat. -Wieder und wieder versucht der Feind, die Schanze -durch Granaten zu zerstören, immer wieder wird geflickt, -gebaut und verrammelt. Bombensichere Mannschaftsunterstände -mit winzigen Eingängen – Villa Duck dich, -Villa Frieden usw. – mit kleinen blühenden Gärtchen -davor. Hier und da ein paar blumengeschmückte Gräber. -Der „Friedhof der Leichtsinnigen“. Hier ruhen zur -Warnung für die Lebenden jene Tapferen, die aus Unvorsichtigkeit -und Leichtsinn dem Tod entgegenliefen. -Sie streckten den Kopf aus dem Graben, um zu sehen, -ob etwas los wäre, sie krochen aus dem Graben heraus, -obgleich es verboten ist, nur um einmal etwas <em>Neues</em> zu -tun. Nun liegen sie da, dicht neben den Blumenbeeten, -und die Kameraden pfeifen ihr Liedchen über ihr Grab. -Das ist, ganz kurz, was es hier oben zu sehen gibt, -<a id="page-20" class="pagenum" title="20"></a> -zwischen den Wällen sozusagen. Die eigentliche Festung -aber liegt in den Kellern der Brauerei, zweistöckig und -labyrinthisch. Nasse, finstere, niedrige Gänge wie in -einer Schauerburg. Trübes Bier schwimmt in einem -Graben, Treppen und Verschläge, die in pechschwarze -Stollen und Kamine hinabführen, Mauern aus Sandsäcken -und Fässern. Schießscharten dazwischen, vorsichtig -mit Ziegelsteinen verschlossen. Sehr freundlich sieht es -hier nicht aus. In den Kellerräumen, wo die Mauern -am dicksten sind, schlafen die Mannschaften beim trübseligen -Schein einer verstaubten, elektrischen Lampe. -Sie liegen, dicht nebeneinander gepackt, in Uniformen -und schweren Stiefeln, so wie sie aus den Gräben kommen. -Wie verwunschene Bergleute, von einem Zauber eingeschläfert, -liegen sie da. Sie wachen nicht auf, wenn -wir eintreten. Der Schweiß perlt auf ihren eckigen -Stirnen, es ist heiß hier unten. Sie genießen den Schlaf, -sie klammern sich an ihn. Heute sind sie soundsoviel, -morgen sind sie einer oder zwei weniger. Ein Platz wird -leer sein oder zwei oder mehr. Daran sind sie gewöhnt. -Sie leben von heute auf morgen, und sie gehen vom -Leben in den Tod, wie man eine Tür zumacht, und -niemand sieht sie wieder. Wenn sie heute das erste Wort -sprechen, so wissen sie nicht, ob es nicht ihr letztes ist. -Ein junger Schläfer schwitzt stärker als die andern, seine -Wimpern sind nahezu weiß. Auf seinen roten Backen -flimmern feine Härchen. Sein Mund steht offen und -zeigt die weißen starken Zähne. Er scheint zu lachen im -Schlaf und schläft so ruhig und gesund wie in seinem -Dorf zu Hause. Neben ihm liegt ein Dunkelhaariger, -<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a> -mit gelber Gesichtsfarbe und dichten Bartstoppeln. Er -schläft unruhig und röchelt gepreßt. Träumt er? Träumt -er, daß der Engländer kommt und ungeniert in den -Drahtverhauen wirtschaftet, und er schießt und schießt, -aber der Engländer ist nicht zu treffen, er zieht eine -Zange heraus und fängt an, in aller Gemütsruhe die -Drähte zu durchschneiden ... Plötzlich öffnet er die -Augen, sie blicken grünlich, und starrt mich an. Sobald -er sich regt, taucht hinten ein fahles Gesicht empor. -Aber im nächsten Augenblick schlafen sie wieder, und alle -schlafen, dicht aneinandergedrückt, tief und traumlos, als -ob sie keine Lust hätten aufzuwachen. -</p> - -<p> -Luft, Licht. Wir tauchen aus dem dunkeln Bergwerk -empor in die grelle Sonne. Über meinem Kopfe rasselt -und trommelt plötzlich ein Kobold in den Kupfertöpfen -der Brauerei. Eine Kugel. Sahen sie uns an den Schießscharten -vorübergehen? Die Gräben sind das Letzte -an Bequemlichkeit und Umsicht. Tief eingeschnitten, -so daß man sich nicht zu bücken braucht, die Schießscharten -solid verschalt wie tiefe Nischen. Bei jeder ein Täfelchen -mit dem Namen des Schützen. Der Boden ist mit -Brettern ausgelegt, und da und dort steht: Nicht ausspucken! -Es spuckt auch niemand aus. Eine Dame -könnte in einem Ballkleid hier gehen. Ich habe von -französischen Gräben gehört, wo sie in ihrem eignen -Dreck herumlaufen und ihre Toten, mit einer Lage Erde -darüber, als Diele benützen. Ein Toter ist tot und spürt -nichts mehr, aber trotzdem ... -</p> - -<p> -„Sehen Sie etwas?“ -</p> - -<p> -„Ja. Einer guckt immer mit dem Kopfe raus. In -<a id="page-22" class="pagenum" title="22"></a> -der Nacht haben sie eine Puppe an einer Stange aufgehängt. -Dort!“ -</p> - -<p> -Durch die kleine, rechteckige Schießscharte blickt man -in das grüne Land hinein, wie durch ein Fernrohr. -Unsere Drahtverhaue, dann eine Wiese, die leicht im -Winde schwankt. Dahinter dünnes, wirres Gestrüpp. -Das sind <em>seine</em> Drahtverhaue. Ein kleiner Wall aufgeworfener -Erde. Sonst ist nichts zu sehen, so sehr ich -mich auch anstrenge. Auf diesem Streifen Wiesenland, -ein paar hundert Meter breit, bewegt sich nichts, seit vielen -Monaten nichts. Es ist ein verfluchter Streifen Land. -Das Gras wächst, weil es keine Vernunft hat, aber kein -Falter, kein kleiner Vogel lebt hier. Nur die Kugeln -spinnen ihr Netz darüber. Plötzlich erschrecke ich. Da -steht, man mag es glauben oder nicht, wahrhaftig ein -Mensch aufrecht und unbekümmert auf dem Erdwall -drüben! Ich erschrecke für ihn, obwohl ich es ja nicht -bin, der da drüben steht, und ich erschrecke vor allem, -weil sich auf diesem leblosen Streifen Land überhaupt -etwas zeigt. Ist er toll geworden? Aber das ist ja die -Puppe! Dann und wann knallt es da drüben, in der -Ferne rumpelt Geschützdonner. Die Schanze aber -schweigt. Sie hat seit zwei Tagen keinen Schuß abgegeben. -„Es ist ein richtiger Spaß! Er soll glauben, -daß wir fort sind.“ Aber er glaubt es ja doch nicht. -Gestern hat er alle Schießscharten einzeln abgestrichen -und die Schanze hatte zwei Tote. -</p> - -<p> -Sonderbar ist so ein winziges rechteckiges Fensterchen -ins grüne Land. Es ist ein Fenster ins Jenseits ... -Es ist möglich, daß in dem gleichen Augenblick, in dem -<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a> -der Feldgraue hinaussieht, der Tod hereinblickt, und -der Feldgraue erschrickt und fällt hintenüber ... -</p> - -<p> -Ein Gewirr sind die Gräben, auf, ab, hin und her. -Maschinengewehre, sie haben den schönsten Platz. Überall -stehen Posten. Sie stehen hier Tag und Nacht, heute, -morgen und in diesem Augenblick. Seit dem Herbst, -da das Laub fiel, und jetzt ist es wieder grün. -</p> - -<p> -In den letzten Tagen hat die Festung ein neues Fort -dazubekommen. Der Feind hat einen Minengang vorgetrieben -und gesprengt. Es ist ein Krater, rund und -groß wie ein Karussell, und der Rand des Kraters ist -schon wieder ausgebaut und befestigt. Ideal ist das -Fort, es flankiert unsere Gräben. Leider hat es drei -von unsern tapfern Leuten gekostet. Sie liegen tief -unten in der Erde, so tief, daß man sie nicht holen kann. -So hat hier jeder Tag seine Ereignisse, und die nächste -Minute kann sie bringen. Er kann ja eine neue Mine -hochfliegen lassen, Gott weiß, worüber er jetzt, in dieser -Sekunde, brütet? -</p> - -<p> -Ein Laufgang führt mitten durch das zerschossene -Dorf zum Unterstand des Kommandeurs. Hübsch und -freundlich ist es hier unten, eine Schiffskabine erster -Klasse unter der Erde. Hierher kommen die Offiziere -zuweilen des Abends, sozusagen, wenn sie ausgehen -wollen. Es sind nur hundert Schritte, aber es ist immerhin -eine Abwechslung. Nur eine Schattenseite hat dieser -Salon unter der Erde. Er stößt direkt an den Friedhof. -Die Granate ist ein böses Tier ohne Vernunft. So ist -sie wiederholt in den Friedhof gefahren, wo sie nichts zu -suchen hatte, und hat die Gräber der französischen Bürger -<a id="page-24" class="pagenum" title="24"></a> -aufgerissen. Sie warf die Grabsteine durcheinander, -hat die Gebeine mit in die Tiefe gerissen, und in einer -Familiengruft schwimmt ein Kindersarg. Von der -Treppe des unterirdischen Salons aus sieht man über -eine Reihe frischer Gräber. Das sind die Toten der -Schanze. Der frühere Kommandeur, Offiziere, Unteroffiziere -und Mannschaften. Nebeneinander liegen sie, -so wie sie auf der Schanze nebeneinander kämpften. -</p> - -<p> -Ja, hier liegen sie, aber in Wahrheit sind sie nicht tot. -In Wahrheit leben sie, denn sie sind unvergessen. Sie -leben mit den Kameraden auf der Feldschanze, ganz wie -früher. Sie wandern durch die Schlafgewölbe und sehen -nach, ob sie noch nicht aufstehen, sie sitzen auf den Gräbern -und lauschen auf die Gespräche der Kameraden. Bei -den Maschinengewehren stehen sie und lugen aus. In -der Nacht wandern sie in den Gräben. Sie warnen die -Kameraden, sie richten ihnen die Gewehre, sie zeigen -ihnen den Feind: <em>dort, dort</em> ... -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIESCHLACHTFELDERINFLANDERN"> -Die Schlachtfelder in Flandern -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Mai 1915 -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">urch</span> die Luke in der Kirchturmspitze hat man einen -weiten Blick über das Land: unten liegt winzig und verwinkelt -das Dorf. Ein paar Häuser sind zerschossen. -Soldaten hantieren vor den Häusern. Eine Radfahrerabteilung -– braune Marinesoldaten, das Gewehr auf -dem Rücken – schlängelt sich über den kleinen Marktplatz. -Ein großes Postauto tutet und überholt sie. -Karren, trottende Pferde, die roten Gesichter der Fuhrleute -<a id="page-25" class="pagenum" title="25"></a> -sind alle nach oben gerichtet. Zwei Flugzeuge -kreuzen unter den grauen Wolken. Rasch und klein wie -eine Maus läuft das entferntere am Himmel entlang. -Hinter dem kleinen Dorf aber breitet sich das Land. -Flandern. Es ist grün von den Wiesen und gelb von -den blühenden Rüben, ganz flach; trübe und resigniert -duckt es sich unter dem hängenden Gewölk. Silhouetten -von Alleen, die die Landstraßen begleiten, stehen geisterhaft -auf dem Lande, eine hinter der andern, wie Schleier, -die herabhängen, und alle scheinen sie parallel, quer durch -das Land zu laufen, bis zum Horizont, wo eine graue -Regenwolke Ypern verbirgt. Dazwischen flache graue -Wolken, die auf der Erde liegen, Wälder und Wäldchen, -die niemand kannte, und die plötzlich einen Namen bekamen: -Polygonenwald, das Wäldchen von St. Julien. -Hier standen die vier großen englischen Geschütze. Hinter -den geisterhaften Silhouetten der Alleen Dörfer, Reste -von Dörfern, dem Auge kaum erkennbar. <em>Zonnebeke</em>, -<em>St. Julien</em>, <em>Langemark</em>. Im Frieden werden Orte -berühmt durch ihre Kultur und ihren Geist, im Krieg -durch ihr Unglück. Da liegen sie und verstecken sich in -der Erde. Still und verzweifelt liegt das Land, und -der Donner der Geschütze rollt darüber weg. -</p> - -<p> -Heute, Flandern, mit deinen geisterhaften Alleen, -die stillstehen und sich nicht bewegen, erscheinst du mir -wie ein großer Friedhof. -</p> - -<p> -Eine knappe Viertelstunde von dem Kirchturm entfernt -zieht sich ein lehmiges ausgetrocknetes Flußbett in -weitem Bogen durch die Landschaft. Oft nähern sich -die Ränder bis auf dreißig Meter, oft entfernen sie sich -<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a> -bis auf ein paar hundert. Die Ränder sind tief ausgegraben, -unterhöhlt, gewunden und verzweigt, wie -Bauten von Bibern. Das sind die verlassenen Stellungen. -</p> - -<p> -Hier auf diesem Gürtel Landes lagen sie einander -sechs lange Monate gegenüber, Tag und Nacht, und Tag -und Nacht saß der Tod dicht angelehnt neben jedem einzelnen -Mann. Hier lagen die Gewehre und hier, man -sieht es noch deutlich, standen die Maschinengewehre. -Zwischen den Gräben lagen die Leichen, wo sie gerade -hinfielen, und da lagen sie und blieben liegen, und die -Kugeln durchlöcherten sie noch hundertfach, obschon sie -schon zehnfach gestorben waren. Tausendfach starb hier -jeder einzelne Mann, auch der, den der Zufall verschonte. -Oft raste der Tod hier wie ein Orkan, mit Finsternis, -Feuer, Eisen und erstickenden Gasen. Die Gräben -wurden eingetrommelt, Meter für Meter. Einmal -hatten sie drüben Besuch (nicht in den Gräben, sondern -weit dahinten!), zwei Könige und einen Präsidenten. -An diesem einzigen Tage warfen sie <em>siebzigtausend</em> Granaten -herüber – und wir hatten keine dreißig Mann Verluste. -Sie gaben den hohen Herrschaften eine Vorstellung -und schossen ein Vermögen in die Luft hinein. -Die Komödie auf dem Schlachtfelde! So und nicht -anders ging es hier zu. Der Soldat kroch in die Erde. -Aber da kam ihm das Wasser entgegen. Bis an die -Knie wateten die Tapfern im Wasser. Jedes Haus hinten -war zerschossen und die Trümmer unausgesetzt unter -Feuer. Es entstanden ganze Städte unter der Erde, -Städte in Wäldern, die Mannschaften ruhten aus in -<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a> -Eisenbahnzügen, die zurück mußten, sobald das Feuer -zu stark wurde. -</p> - -<p> -Die Erde bei den Gräben ist zerrissen. Trichter an -Trichter. Der Regen spritzt heute in den kreisrunden -Lehmtümpeln. Auch die Allee hat mitgekämpft. Die -hohen Bäume schlugen der Länge nach hin, wie Riesen, -von der Granate in den Wurzelbau getroffen und hochgeschleudert. -Sie wurden in der Mitte abgerissen. Ihre -Kronen stürzten zersplittert in das Feld, und so stehen -sie noch. Kein Baum, der nicht seine Wunde hätte, -manche sind von oben bis unten zerfetzt. Die Allee hat -sich tapfer geschlagen, die Allee von Poel-Capelle nach -St. Julien. Eine Armee von Krüppeln steht an der -Straße. -</p> - -<p> -Die verlassenen Gräben sind mit allerlei Schutt angefüllt. -Konservenbüchsen, Waffenteile, zerweichte und -unleserlich gewordene Briefe. Ein blutiger Tuchfetzen, -den einer an die Wunde preßte, erblassend und zu Tode -erschrocken. Sie sprechen eine grauenhafte Sprache und -ihr Flüstern verfolgt mich. Es ist sehr still hier und es -hat den Anschein, als ob die Stille sich über den Gräben -verdichtete und über all den Dingen, die einst Menschen -gehörten. Ich wünschte wohl, sie kämen hierher, die drei -hohen Herrschaften, zu deren Ehre einmal so furchtbar -laut geschossen wurde, sie kämen hierher und <em>hörten sich -die Stille an</em>. Vielleicht würden sie den süßlichen Geruch -spüren, der aus den Gräben steigt, vielleicht würde sich -ihr Auge schließen vor all dem Grauenhaften, das der -Schutt in den Gräben deckt. Sie würden gehen und -nun würden sie stolpern! Bei jedem Schritt würden -<a id="page-28" class="pagenum" title="28"></a> -sie über Gräber stolpern. Gräber hier, Gräber dort. -Franzosen, Schottländer, Kanadier, Kolumbier, Farbige -und Schwarze. Sie würden die Namen auf den Kreuzen -lesen. Sie würden die verstümmelte Allee hinabgehen, -und links und rechts würden die Kreuze ihnen folgen. -Sie würden bei St. Julien die Massengräber sehen. -Hier lagen die Kanadier so dicht, daß die Fliegerphotographien -aus 2000 Meter Höhe die Leichenhaufen zeigten. -Nun würden sie begreifen, daß sie in einen Friedhof -geraten sind, der naß ist von Blut und Tränen. -</p> - -<p> -Aber weiter. Die Kanonen krachen. In Erdhöhlen -hocken Soldaten um die dampfenden Kochtöpfe und -sind guter Dinge, denn sie leben. -</p> - -<p> -<em>Langemark</em>, berühmt geworden durch sein Unglück, -wie viele andre Orte, ist das grinsende Skelett einer -kleinen Stadt. Die wenigen Häuser, die noch stehen, -zeigen fröstelnd das nackte Gebälk. Die Ziegel sind ohne -Ausnahme herabgerasselt, als die schweren Geschosse -einschlugen. Wie Gespenster von Häusern stehen sie inmitten -der Trümmerhaufen. Der Kirchturm sieht aus -wie ein verwitterter Sandsteinfelsen, rostrot und brüchig -steht er am Rande eines niedergemähten Parkes. Ein -Haus ist mit dem Schieferdach niedergebrochen, wie ein -gefallener Elefant, der sich auf die Stoßzähne stützt. -Es ist deutsche Arbeit, sie ist gründlich, das muß man -sagen. Hut ab vor unsern Kanonieren! -</p> - -<p> -Aus dem Keller irgendeines zerschossenen Hauses steigt -langsam und still ein General, in den weiten Mantel -gehüllt. Er scheint das einzige lebende Wesen weit und breit -zu sein. Gelassen und würdevoll, ein wenig gelangweilt, -<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a> -zeigt er uns sein Heim. Das Haus ist verschüttet, es -liegen noch Leichen unter dem Schutt. „Hier lebe ich -nun, im Keller,“ sagt er mit leiser, gelangweilter Stimme. -„Sie schießen oft wütend herein. Sehen Sie die Trichter? -Es sind ganz große Dinger. Na, man gewöhnt sich an -alles.“ Wir gehen und der General promeniert ruhig, -in seinen Mantel gewickelt, im Regen auf und ab. -</p> - -<p> -In dieser Gegend sieht man kein Tier und kein lebendes -Wesen. Zuweilen ein paar Soldaten, die laut und -fröhlich antworten, wenn man sie anruft. Aber die -Geschütze krachen ringsum, obschon man sie nicht sieht. -</p> - -<p> -Sie sind trotz des schlechten Wetters fleißig bei der -Arbeit und die Luft dröhnt wie von Explosionen, hart -und metallen. Die Geschosse toben in die Höhe, es röhrt -und wühlt in der Luft, sie <em>pflügen</em> sich hinauf. Die Luft -zischt, genau wie das Wasser unter dem Kiel eines Rennbootes. -Es gurgelt gierig da oben, wie Gurgeln voller -Blut. Unwillkürlich sucht der Blick das Geschoß, obwohl -es natürlich zu rasch ist, als daß man es sehen könnte. -Aber es scheint greifbar nahe zu sein. Ja, ich sehe es -auch, wie es in seiner Kurve dahinjagt. Es ist gelb und -dreht sich rasend um die Längsachse, eine donnernde, -dröhnende Röhre von Luftwirbeln als Schleppe, den -blanken Zünder zischend in die dicke, graue Regenluft -bohrend. Die gelbe Farbe verbrennt rauchend auf -seiner Hülle. Nun ist nur noch das schleifende Zischen -der Luft zu hören. Es ist hinüber! Links und rechts -schlagen die Geschütze, es kracht wie von einschlagenden -Blitzen. Alle paar Minuten dröhnt hinter mir ein -hellerer Schlag und eine Granate jagt gurgelnd und -<a id="page-30" class="pagenum" title="30"></a> -zischend über mich hinweg. Die Luft ist voller Eisen. -In den Pausen der Geschütze hört man das hastige, -heisere Kläffen der Maschinengewehre und das Knattern -der Gewehre. -</p> - -<p> -So ist es hier. Es ist das Morgenkonzert, das gewöhnliche. -Und so ist das Abend- und Nachtkonzert. -Man gewöhnt sich daran, und das flandrische Land hat -seit vielen Monaten nichts andres gehört. Die Front -ist um einige Kilometer vorgerückt, sonst hat sich nichts -geändert. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="NACHDENSCHLACHTEN"> -Nach den Schlachten -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Mai 1915 -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">ie</span> Welt des Feldsoldaten ist groß und erhaben. Der -sausende Himmel, die Sterne, die Wolken und das freie -Feld: das ist seine Wohnung. Vertraute Wege und bekannte -Dörfer, die Heimat in der Ferne, Briefe, Zeitungen, -alles gehört ihm. Kameraden, bekannte Gesichter, -neue, immer neue Gesichter, neues Gelächter -und neue Stimmen. Ein spukhaftes Dasein, voll des -Unbekannten, stetig Wechselnden. Die alltäglichsten -Dinge, Essen, Schlafen, abenteuerlich und absonderlich. -Außergewöhnlich, groß und unerhört, voll nie gekannten -Grauens und nie gekannter Wonnen sind seine -Empfindungen. Der Feldsoldat ist kein gewöhnlicher -Mensch mehr, er ist der Erkorene, er ist das <em>Volk</em> selbst, -für das er kämpft. Wäre es anders, nicht den zehnten -Teil der Anstrengungen, die das Feld fordert, könnte er -ertragen. Wenn er sein Geschütz abreißt, so ist es nicht -<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a> -seine Faust, die Millionen Fäuste seines Volkes reißen -das Geschütz ab, und sein Volk sendet den großen Fluch -hinüber zum Feinde. -</p> - -<p> -Wehe aber, wenn er das Unglück hat, gefangengenommen -zu werden! Seine große und stolze Welt -bricht in einer einzigen unglückseligen Stunde zusammen. -Er ist nicht mehr sein Volk, er ist ein gefangener -Soldat, nichts andres. In einer Sekunde sind seine -Tressen und seine Auszeichnungen verblaßt, die Bewunderung -seiner Kameraden, die ihn belebte, ist verstummt. -Kennt hier jemand seine Geschichte, seine Geschichte als -Soldat, meine ich? Weiß hier jemand, wie er sich schlug, -welch kühne Patrouillengänge er hinter sich hat, daß seine -Offiziere ihm die Hand drückten und ihn vor versammelter -Mannschaft lobten? Fremde Gesichter, fremde -Worte, eine fremde Welt. Eine Ewigkeit trennt ihn von -seinen Kameraden, seinem Pferde, seiner Batterie, seiner -Heimat, seinen Angehörigen, unwirklich scheinen schon -jetzt die Bilder zu sein, an die sein Gedächtnis sich klammert. -Sein Mut, sein Ehrgeiz, sein Rausch, sie sind dahin. -Er war alles, jetzt ist er nichts. Eine Nummer in -den Listen der Gefangenenlager ist er, in dem das Herz -seines ganzen Volkes schlug, geworden. Nüchtern, klein -und erbärmlich ist jetzt seine Welt. -</p> - -<p> -Sieht man Gefangene gehen, so versteht man alles. -Sie trotten müde dahin, gleichgültig, ohne Haltung, -aber nichts wäre verkehrter, als von Gefangenen auf -die Truppe zu schließen, der sie angehörten. Häufig wird -der stolzeste und stärkste Soldat der gebrochenste Gefangene -sein. -</p> - -<p> -<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a> -Schlimmer noch, um vieles schlimmer ist es, verwundet -in Gefangenschaft zu geraten. Noch kleiner und -elender ist die Welt des verwundeten Gefangenen. -Ein Bett, ein getünchter Saal, die Gesichter der Pfleger -und Pflegerinnen und der Ärzte, nichts sonst. Der -Schritt der Wache vor der Tür. Droben in Flandern -habe ich verwundete Gefangene besucht, und von ihnen -will ich erzählen. -</p> - -<p> -Ich trete ein, und sofort sind alle Augen auf mich -gerichtet. Ein neues Gesicht! Seit vielen Tagen, seit -Wochen das erste neue Gesicht. Was will er, was tut -er hier, was bringt er uns? All diese glänzenden Augen -forschen neugierig und aufmerksam in meinen Zügen. -Einzelne haben sich aufgerichtet, um mich besser sehen zu -können. Niemand spricht ein Wort, alle stellen die Ohren -und es ist ganz einerlei, in welcher Sprache ich rede, die -Hauptsache ist, daß sie eine neue Stimme hören. -</p> - -<p> -Da ist zunächst ein Neger. Schwarz und glänzend wie -ein gewichster Stiefel, das Gebiß blendend weiß. Er -ist eines der hübschesten Exemplare, die ich je sah, das -sauberste gewiß, fast noch ein Kind, und versucht sofort, -meine Milde durch ein naives, vertrauliches Lächeln zu -gewinnen. Ich rede ihn englisch an, da ich bis heute nur -Englisch mit Negern gesprochen habe, aber siehe da, er -antwortet französisch. Aus dem Senegal. Und wie alt? -Zwanzig. „Wo hast du gekämpft?“ – Er zeigt sein -schönes Tiergebiß und lächelt. Er weiß es nicht. „Bei -Ypern?“ – „Ja, bei Ypern. <span class="antiqua" lang="fr">Chemin de fer</span>, hin und -her, immer hin und her, <span class="antiqua" lang="fr">chemin de fer</span>“ – er radebrecht, -gestikuliert, nein, er weiß gar nichts. Vergnügt legt er -<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a> -sich in das weiße Kissen zurück. Nie in seinem ganzen -Negerleben ging es ihm so gut, nie so sauber, Gott, -er wird sich nie mehr zu waschen brauchen. Er hatte zwei -Lungenschüsse, aber das schadete ihm ebensowenig, wie -wenn man eine Katze anschießt. -</p> - -<p> -Neben ihm liegt ein Engländer, ebenfalls Lungenschuß. -Ein junger, zarter, hellblonder Bursche, der eben -aus dem Jenseits zurückkommt. Er hat noch die großen, -glänzenden Augen, die man von dort mitbringt, und -die durchsichtigen, schmalen Wangen. Er ist aus Birmingham, -Kaufmann. Aufrecht sitzt er in seinem Bett, die -beiden Hände auf der Decke, und sein Kopf sinkt schwach von -einer Seite auf die andre, während er flüsternd antwortet. -Er trägt eine Kette mit einem kleinen Kreuz um den dünnen -Hals. – „Was bedeutet das Kreuz? Seid ihr Katholiken -in Birmingham?“ – „Nein, ich war protestantisch, -aber nun bin ich katholisch geworden.“ Eine Nonne steht -neben dem Bett, eine belgische Schwester, rotbäckig und -gesund, und blickt auf ihr blondes Lämmchen. -</p> - -<p> -„Hier sind Kanadier!“ sagt der Arzt. -</p> - -<p> -Ja, das sind sie. Schmale, feste Schädel, klar gezeichnete -Gesichter, kräftige Augen, breite Schultern, -die Arme lang gemessen, das Haar weich und kurz. -Es sind Amerikaner, ohne jeden Zweifel, wenn sie auch -etwas nördlich von den Staaten geboren wurden. Ich -sehe mir sie an, und sie betrachten mich mit der gleichen -Aufmerksamkeit. Sie wissen genau, daß sie nun an die -Reihe kommen, und haben keine Angst. -</p> - -<p> -„Wer von euch war beim Sturmangriff von St. -Julien dabei?“ -</p> - -<p> -<a id="page-34" class="pagenum" title="34"></a> -„Wir alle.“ -</p> - -<p> -Nun sehe ich, daß sie geschient und verbunden sind. -Trotzdem sehen sie gesund und kräftig aus. Es sind -Leute, die einen Stoß vertragen können, ausgezeichnetes -Material. Sie antworten höflich, aber sie sagen nicht -mehr als gerade nötig ist. Allmählich erst werden sie -etwas gesprächiger. Sie sind zufrieden, sie beklagen sich -über nichts. Jeder deutsche Soldat, mit dem sie es zu -tun hatten, war „gut“ zu ihnen. „Nach dem Kriege -werden wir uns die Hände drücken.“ – „Aber die englischen -Zeitungen? Sie sind die gemeinsten Lügner der -Welt!“ – Ihre Augen stehen auf Abwehr. – „Wann -seid ihr herübergekommen?“ – „Ich im September, -die andern später.“ – „Wieviel wart ihr? Seid ihr in -England gelandet oder in Frankreich?“ – Die schönen -Augen des Clerks von Toronto sehen mich offen an und -schweigen. Er will nicht sprechen. Aber später, als wir -mehr Vertrauen zueinander gefaßt hatten, kam er ganz -von selbst auf den Transport zurück und sagte mir, -daß sie 30000 waren, 21 Dampfer, drei Wochen auf -See, in Plymouth gelandet, in England noch ein paar -Monate gedrillt. Es war sehr schlechtes Wetter, immerzu -Regen, einer ist am Regen gestorben. -</p> - -<p> -„Am Regen gestorben?“ – „Ja!“ -</p> - -<p> -Der Seemann im Nachbarbett, dessen Fuß zerschossen -ist, lacht. „Es war verdammt schlechtes Wetter, Sir!“ -</p> - -<p> -Sie erzählen mir alles mögliche, und ich bemühe mich, -sie gesprächig zu halten. Die Deutschen schießen gut, sie -würden es niemand raten, den Kopf auch nur eine -Sekunde aus dem Graben zu strecken. Weshalb sie aus -<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a> -Kanada herüberkamen, um gegen uns zu kämpfen, -das wollen sie mir auf der Stelle sagen. „Die Neutralität -Belgiens, Sir! Wir sind gekommen, um euch aus -Belgien zu vertreiben.“ – „Weshalb überlaßt ihr das -nicht den Engländern, haben sie nicht genug junge Leute? -Weshalb sollt ihr Kanadier die Arbeit der jungen Engländer -tun?“ – Das Gespräch wird lebhafter und die -Franzosen auf der andern Seite recken die Hälse. -</p> - -<p> -„Und St. Julien? Wie war es da?“ -</p> - -<p> -Der hübsche Clerk mit dem geschienten Arm, drei -Kugeln, richtet sich im Bett auf, so gut es geht: Sie -kamen also da in Gräben, in denen vorher Engländer -lagen. Aus welchem Grunde gewechselt wurde, wußten -sie vorläufig noch nicht. Später erst begriffen sie es. -Zwei Tage lagen sie da. Sie wußten gar nichts, weshalb, -warum, nichts. Essen gab es nicht regelmäßig. Die Straßen -um Ypern herum lagen unausgesetzt unter Feuer. -Plötzlich aber hieß es vorgehen! Weshalb, warum, wohin, -kein Mensch wußte es. Nun aber bekamen sie furchtbares -Feuer, schwere Granaten, auf offenem Felde, -ohne jede Deckung. „Ich lag hinter einem Haufen von -gefallenen Kameraden, den rechten Arm zerschossen. -Die Kameraden stürmten weiter, plötzlich Maschinengewehrfeuer, -Flankenfeuer, Gewehrfeuer. Die Kameraden -fielen wie hingemäht. Es war zu Ende.“ -</p> - -<p> -Er sieht mich an. „Wie groß sind die Verluste, Sir?“ -Seine Augen fragen, er denkt, ich könnte mich jetzt recht -wohl revanchieren für die Angaben, die er mir über die -Transporte machte. Aber ich weiß es wirklich nicht. Sehr -große Verluste! -</p> - -<p> -<a id="page-36" class="pagenum" title="36"></a> -Der Clerk nickt und wendet den Blick ab. „Ich glaube -nicht, daß viele davongekommen sind!“ sagt er ruhig und -schlicht. -</p> - -<p> -„Sie haben wohl genug vom Krieg?“ frage ich ihn, -indem ich mich verabschiede. „Werden Sie wieder gegen -uns kämpfen?“ -</p> - -<p> -Er lächelt. „Nein!“ Und leiser, so daß es die Kameraden -nicht hören, fügt er hinzu: „Es war die Hölle, Sir!“ -</p> - -<p> -Nun kommen die Franzosen an die Reihe. Sie haben -die ganze Zeit aufmerksam zugehört, die Ohren gespitzt, -auf jede Bewegung geachtet, damit ihnen ja nichts entgehe; -verstanden haben sie kein Wort. Sie wußten, daß -auch ihre Zeit kommen würde. Höflich und gefällig erwidern -sie den Gruß. Selbst der Landwirt aus der -Gegend von Rouen nickt mit dem dicken rechteckigen -Schädel, obwohl er Schmerzen hat und fiebert. Mich -interessiert mehr als alle andern der Greis an seiner -Seite, ein schmächtiger Mann mit ausgeprägt französischen -Zügen. Sein weißgraues Haar zieht mich an -und seine lebendigen, fröhlichen Augen. Er stammt aus -der Bretagne, und da ich mich dort auskenne, so haben -wir gleich ein Thema, um bekannt zu werden. -</p> - -<p> -„Wann wurden Sie verwundet?“ frage ich. „Im -Herbst.“ Er hebt die Decke in die Höhe, und nun sehe -ich, daß ihm das linke Bein bis zur Hüfte amputiert ist. -</p> - -<p> -„Wie alt sind Sie?“ -</p> - -<p> -„Siebenunddreißig Jahre, mein Herr.“ -</p> - -<p> -Um meine Überraschung zu verbergen frage ich rasch -nach dem Alter des Landwirts aus Rouen. Er ist zwei -Jahre jünger. -</p> - -<p> -<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a> -„Sie fühlen sich jetzt gesund?“ „Sehr wohl!“ Und -der Mann aus der Bretagne sprudelt seine Geschichte -heraus, ungeheuer lebhaft, mit vielen plastischen Gesten. -„Ja, man muß Glück haben, mein Herr, das ist alles. -Es war im Herbst, hier oben in Flandern. Wir mußten -zurück, die Deutschen waren hinter uns her. O, lala, -wir hatten es eilig! Da – eine Granate zerreißt mir -den Fuß. Ich verkrieche mich in ein Loch in der Erde -und warte. Die Kameraden sind fort, alle weg, niemand -zu sehen. Ich warte, immer in meinem Loch. Zweiunddreißig -Stunden liege ich da, aber nun hören Sie! -Plötzlich Schritte. Ich spitze aus meinem Loch hinaus. -Ein Sergeant vom Roten Kreuz. Ich rufe, er hört. -Ich strecke die Arme hoch – so – er kommt heran und -sagt: ‚Rühren Sie sich nicht!‘ Zwei Stunden später war -ich im Lazarett. Man muß Glück haben.“ -</p> - -<p> -Fröhlich und heiter ist der Mann aus der Bretagne. -Er hat dem Tod ein Bein hingeworfen wie einem Haifisch -und triumphiert über den Handel. Im Krieg wird -der Mensch bescheiden. -</p> - -<p> -Unten im Garten des Klosters treffe ich einen Scheich, -mit Turban, würdigem Bart, elfenbeinernem Gesicht -und elfenbeinernen Händen. Er bittet mich um eine -Zigarette. Vielleicht hat er ein Dutzend Frauen zu -Hause, vielleicht ist es Sünde, daß er etwas aus meinen -Händen entgegennimmt, vielleicht verliert er seine Kaste. -Einerlei, es ist nun doch so weit mit ihm gekommen, daß -er bettelt. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="EINFLIEGERYYBERBRYYGGE"> -<a id="page-38" class="pagenum" title="38"></a> -Ein Flieger über Brügge -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Mai -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">B</span><span class="postfirstchar">rügge,</span> das tote Brügge, ist heute keineswegs tot. -Es lebt. Aber noch weiß es nicht recht, ob es wirklich -erwacht ist oder ob es nur träumt. Einen wunderlichen, -wirren Traum, grotesk, unfaßbar und unterhaltend, aus -dem aber jeden Augenblick der Schrecken züngeln kann -wie eine Stichflamme roten Feuers. So liegt es, zwischen -Wachen und Schlaf, ein heiteres Lächeln auf den Zügen -und einen kleinen Tropfen Angstschweiß auf der Stirn. -</p> - -<p> -Seine stillen verwinkelten Gassen hallen wider von -schweren genagelten Stiefeln, die ungeniert auftreten -wie zu Hause, und an den Klöpplerinnen vorüber, die -fleißig vor den kleinen Häuschen sitzen, rumpeln schwere -Lastautomobile, so daß der Boden erbebt. Auf dem -Fischmarkt hocken putzige Weiber und ziehen den Aalen -die Haut über den Kopf, und während sie schaben und -feilschen, rasselt eine Maschinengewehrabteilung an ihnen -vorbei. Aus dem Schmuckkästchen der Rue de l’Ane -Aveugle quillt ein Bilderbuch: Weiber mit weißen -Hauben, Krausen und sonderbaren Umhängen, und -plötzlich weichen sie zur Seite, und der Teufel in der Vermummung -eines Motorradfahrers prasselt und knallt -mitten durch sie hindurch und bewedelt sie mit seinem -langen Schweife aus Schwefeldämpfen und Gestank. -Die herrliche Grande Place wimmelt von Leben. Wachen, -Autos, Karren, Züge brauner Marinesoldaten, heiß -und staubig, das Gewehr auf dem Rücken. Die Zeitungsjungen -schreien und rennen, um die neuesten Blätter -aus Berlin, Frankfurt und Köln an den Mann zu bringen, -<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a> -und wenn jemand es wagt, einen scheuen Blick auf -die Wunder von Architektur ringsum zu werfen, so ist -eine Meute von Postkartenverkäufern hinter ihm her. -Die Bevölkerung Brügges ist auf den Beinen, denn es -ist immer etwas zu sehen, und die Soldaten sind auf -den Beinen, um die Bevölkerung zu sehen. Ein paar -Mönche in braunen Kutten rudern durch einen Schwarm -Feldgrauer. Drei Jahrhunderte fließen auf der Grande -Place zusammen, nicht mehr und nicht weniger. Aber -jede Viertelstunde singt das Glockenspiel oben auf dem -Beffroi seinen Choral, fromm und gottergeben, während -unten die Motoren prasseln und rattern. -</p> - -<p> -Der Krieg ging an Brügge vorüber, und Brügge freut -sich, daß es lebt. Es ist eine Stadt des Friedens, eine -Stadt auf Urlaub. Kommt man von da draußen, wo -die Häuser keine Dächer mehr haben und mit Sandsäcken -ausgestopft sind, so wirkt Brügge wie eine Großstadt, -in der man nun ruhig Atem holen will. -</p> - -<p> -Ein Lehmfarbiger stolpert vor mir über den Platz. -An seinen Stiefeln hängt noch der Schmutz der flandrischen -Gräben. Er stolpert, weil er nicht mehr gewohnt -ist, auf richtigem Pflaster zu gehen, er torkelt vor Verwunderung -und kann sich gar nicht zurechtfinden. Hier -gibt es noch Häuser ohne Granatlöcher, und hier sehen -wirklich und wahrhaftig Menschen, Zivilisten, aus den -Fenstern und nicht Soldaten und Pferde! Er dreht den -gebräunten Hals hin und her und kratzt sich den golden -schimmernden Stoppelbart. Und hier gibt es – Frauen! -Er betrachtet sie aufmerksam und eingehend, als ob er -sie kaufen wolle, von den Schuhen angefangen bis hinauf -<a id="page-40" class="pagenum" title="40"></a> -zum Scheitel. Er bleibt stehen und glotzt ihnen direkt -ins Gesicht. Zeitungen? Nein, Zeitungen will er nicht. -Er will nichts wissen vom Krieg, er will nichts als dieses -Leben hier, diese Welt, in der er fast ein Fremder geworden -ist, und die ihm, weiß Gott wann, abhanden -kam. Hätte er je gedacht, daß es noch eine Stadt gäbe -wie diese, unversehrt, friedlich und sonnig, eine Stadt, -genau so wie Städte früher waren? Er begreift es nicht. -Aber nun kommt ein Mädchen über den Platz, rotweiß -gestreiftes Kleid, blondes Haar, hochbusig und mit -Hüften, die sich sehen lassen können. Eine Köchin. Der -Lehmfarbige steht wie angewurzelt, er beginnt zu wachsen, -seine Brust wird breiter, und sein heller Blick strahlt der -Köchin entgegen. Sein braunes, mageres Gesicht ist -ernst und ohne jede Bewegung, aber sein Blick folgt -jedem Schritt des Mädchens und sein Gedanke ist so -stark, daß die Köchin instinktiv einen Bogen macht, als -sie nahe kommt. Und nun betrachtet er sie von hinten! -Dann stolpert er weiter, bestaunt die Läden, die Frauen, -und immer wieder bleibt er stehen und läßt den Blick -über den Platz wandern. Die Großstadt Brügge hat -ihn berauscht! Ein kleines Café, schon ist er drinnen. -Ich genieße das Behagen, mit dem er ein Glas Bier -hinuntergießt. Ein Schluck. Zahlen, gehen. Man sieht, -er hat nicht eine Minute Zeit zu verschwenden. Ein -kleines Restaurant, hinein. Beim dritten Glas verlasse -ich ihn. Ich gehe nahe an ihm vorbei und sehe, daß seine -linke Backe eine Anzahl Schmisse trägt. Der Lehmfarbene -ist Student, Gott weiß, wer er ist, momentan ist er gemeiner -Soldat, und das genügt. -</p> - -<p> -<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a> -In der Stunde, in der ich in dem verzauberten Brügge -eintraf, hatte das Leben auf der Grande Place gerade -seinen Höhepunkt erreicht. Die Matrosenkapelle konzertierte. -Sie spielte laut und vergnügt wie in einem Badeort -an der Ostsee, Warnemünde oder Arendsee. Das -Glockenspiel des Beffroi klingelte seine fromme Weise -bescheiden dazwischen. Der Platz wimmelte von Menschen, -und der Waffelbäcker in seinem weißen Jahrmarktskarren -machte glänzende Geschäfte. Plötzlich -krachten die Kanonen in nächster Nähe. Es klang wie -Kirchweihschießen, lustig und ermunternd. Unter dem -grauen Gewölk, hoch oben, hing, kaum zu sehen, ein -grauer Doppeldecker, mit direktem Kurs auf den Beffroi. -Alle Gesichter wandten sich nach oben. Die Fenster -füllten sich mit Köpfen. Aus den Haustüren, den Läden -strömten die Leute und standen dicht gedrängt auf dem -Platze; ganze Scharen von Kindern. Brügge bekam -Besuch, und jedermann wollte sehen, wie er herankam -über den Giebeldächern. Alles zappelte vor Neugier -und Spannung. Die Neugier des Volkes ist immer -größer als seine Angst. Aber es kam noch etwas andres -dazu! Mehr oder weniger freundlich gesinnt, mehr -oder weniger gleichgültig, mehr oder weniger feindlich, -die Leute von Brügge waren im Herzen alle Belgier -geblieben, und die da oben in der Luft waren Freunde -von ihnen, Belgier, Franzosen, Engländer, einerlei. -Man hatte sie nicht vergessen, da drüben, hinter dem -Yserkanal, auf dem letzten Fleckchen belgischen Landes. Sie -waren Boten, die man ihnen sandte. Mochten sie nun -ein paar Leute, ein paar Bürger töten, darauf kam es -<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a> -nicht an. Es kam darauf an, daß sie mit der Absicht -hierherkamen, dem Feinde zu schaden. Hätten sie es -gewagt, so hätten sie dem Flieger zugejubelt, obwohl er -sie töten konnte, denn er war einer der <em>ihrigen</em>! Die -graue Maschine kam rasch näher. Die Kanonen krachten, -Schlag auf Schlag. Ein Maschinengewehr kläffte wütend -in die Höhe. Die Schrapnelle platzten rings um -die graue Maschine, in einem Rahmen grauer Tupfen -stand sie. Sie stieg höher, hinein in die Wolke, aber die -Schrapnelle folgten ihr in die Wolke hinein. Es blitzte -in der Wolke wie Büschel scharfer Messer, die sich gegen -die Maschine zückten. Es knisterte. In all den Lärm -hinein sang plötzlich das Glockenspiel seinen friedlichen, -frommen Choral, unbekümmert um den Lärm der Welt, -und es wird seine Weise singen, sollte einmal Brügge in -Flammen aufgehen, was Gott verhüten möge. Da fiel -mein Blick auf einen Mönch, der neben mir stand. Er -hatte den Kopf halb in die Kutte gezogen und sah mit -großen, warmen Augen zum Flugzeug empor. Im -Schoß hielt er ein kleines Gebetbuch. Dieser Mönch verhielt -sich zu den Leuten da oben wie der fromme Singsang -des Beffroi zum Krachen der Geschütze. An Stelle -des Gebetbuchs hielten sie Bomben im Schoß, und mit -zusammengekniffenen kalten Augen fegten sie dahin. -Es waren, wie gesagt, die Jahrhunderte, die sich hier auf -der Grande Place von Brügge begegnen. -</p> - -<p> -Nun aber wurde es Ernst! Er kam heran, so wütend -auch das Maschinengewehr hämmerte. In ein paar -Sekunden mußte er über dem Platze schweben. Wie der -Tod auf Flügeln kam er daher. -</p> - -<p> -<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a> -Wie auf ein Signal rissen die Leute aus. Die Panik -setzte ein, und die Menge explodierte. Nach allen Seiten, -<em>strahlenförmig</em>, machten sie sich davon, die Kinder auf -raschen, dünnen Beinen voran. Sie stürzten in die -Gassen, in die Haustüren, in die Kaffeehäuser. Die Erde -verschluckte sie, und die Köpfe verschwanden aus den -Fenstern. So erstaunlich ihr Mut vor einigen Sekunden -war, so komisch wirkte diese überstürzte Flucht. Mein -Mönch? Er war wie weggeblasen. -</p> - -<p> -Ich zog mich unter ein solides Portal zurück, und -man kann mir glauben, wenn ich sage, daß ich das -Portal vorher genau auf seine Konstruktion untersuchte. -</p> - -<p> -Leer lag der Platz, wie reingefegt. Keine Seele weit -und breit, kein Gesicht in einer Tür, einem Fenster. Es -war wie Zauberei. Nicht einmal ein Hund war zu sehen. -</p> - -<p> -Der Kampfplatz war dem Maschinengewehr, den Geschützen -und dem Flugzeug unter den schmutzigen Wolken -überlassen. Die Maschine schwebte eine Sekunde über -dem Rande des Platzes, dann, gerade im entscheidenden -Moment, bog sie scharf nach rechts aus. Es war ihr zu -ungemütlich geworden. Sie stieg höher, verschwand in -der Wolke und machte den Versuch, zurückzukehren. -Aber eine Salve von Schrapnellen fuhr ihr entgegen, -eine ganze Mauer grauer Wölkchen. Sie kehrte um. -</p> - -<p> -Ein paar Minuten blieb der Platz leer, dann aber -strömte das Leben wieder auf ihn zurück. Kinder, Mädchen, -Hunde, der Waffelbäcker, Feldgraue und Lehmfarbene. -Die Chauffeure, die ausgerückt waren, standen -plötzlich wieder bei ihren Wagen. -</p> - -<p> -<a id="page-44" class="pagenum" title="44"></a> -Das Glockenspiel des Beffroi bimmelte wieder seine -fromme, gottergebene Weise. -</p> - -<p> -Nichts war geschehen. Das träumende Brügge war -zusammengeschauert in seinem Traum. Das war alles. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIESCHLACHTBEIARRAS"> -Die Schlacht bei Arras -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -4. Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">A</span><span class="postfirstchar">uf</span> der Lorettohöhe, die gestern noch niemand kannte -und die heute in aller Munde ist, stand eine Kapelle, -die berühmte Kapelle von Notre Dame de Lorette. -Nach einer französischen Legende sollte sie in diesem -Kriege eine geheimnisvolle und wunderbare Rolle -spielen. Die Kapelle existiert heute nicht mehr, sie ist -ein Schutthaufen. Zusammenstürzend hat sie die Legende -unter ihren Trümmern begraben. -</p> - -<p> -Joffres zweiter, größter und wütendster Durchbruchsversuch -ist gescheitert. Diesmal sollte es geschehen! Es -handelte sich nicht um ein paar lumpige Gräben, es -handelte sich um die Zerschmetterung der feindlichen -Menschenmauer. Die Fahnen des französischen Marschalls -flatterten bereits in Lille, in Valenciennes. Es -ist nichts daraus geworden. -</p> - -<p> -Sorgfältig und umsichtig, wohldurchdacht waren -Joffres Vorbereitungen. Sie reichen bis in den April -zurück. Truppenverschiebungen, Heranziehen der Reserven, -das Herbeischaffen von Munition, jener Berge von -Munition, die der Marschall brauchte, um uns zuzudecken. -Das alles mußte so geheimnisvoll wie möglich -geschehen, heute, wo die Augen der Heere hoch oben in -<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a> -der Luft hängen. Eine bedeutende Leistung! Eine -Provinz wollte Joffre erobern, ein Riesenheer setzte er -in Bewegung, ein paar Dörfer und Schützengräben hat -er gewonnen. Sie kosteten ihn eine ungeheure Zahl -von Menschenleben. -</p> - -<p> -Und heute, nach beinahe vier Wochen, ist diese ungeheure -Schlacht noch nicht zu Ende. Noch immer stampfen -und pochen die Geschütze. Die ganze letzte Nacht hindurch -schlugen sie. Aber es ist nicht mehr die Wut des Orkans, -der ausbricht, es ist die hohe Dünung nach dem Sturm. -</p> - -<p> -Vier Tage vor dem 9. Mai begann der Feind unsre -Stellungen unter schweres Feuer zu nehmen. Am 9. Mai, -dem Tage des Angriffs, in aller Frühe, eröffnete er, -ganz wie im Frühjahr in der Champagne, ein beispielloses -Trommelfeuer auf unsre Gräben. Er trommelte -sie auf der ganzen Front ab, von Arras angefangen bis -hinauf in die Höhe von Lille, eine Strecke von vierundzwanzig -Kilometern. Es war die Hölle. Die Erde dort -ist durchsiebt von Granaten. Dann gingen seine Kolonnen -in dichten Staffeln vor. Aber das Unmögliche -geschah: <em>unsre Truppen hielten stand</em> gegen die mehrfache -Übermacht. Wir wollen sie nicht vergessen, die -Leute von Ecurie, Neuville, Ablain, Carency und wie -sie heißen! Was sie taten für uns, das wird die Geschichte -später verkünden. Es war übermenschlich, mehr als -Heldentum. Ein paar Gräben gingen verloren, Carency -und Ablain mußten geräumt werden von uns, das war -alles. Unbedeutende vorgeschobene kleinere Stellungen -gaben wir freiwillig auf. -</p> - -<p> -Zu gleicher Zeit, am 9. Mai, griffen die Engländer -<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a> -im Norden an. Südwestlich von Neuve Chapelle, östlich -von Richebourg. Im Vergleich zu dem wütenden, -heroischen und fanatischen Angriff der Franzosen war -ihr Sturm matt. Nach einem aufgefundenen Befehl -stand uns hier ebenfalls eine große Übermacht gegenüber. -In drei Linien griffen die Engländer an. Das -erste Regiment ging zurück. Ein zweites englisches -Regiment, das vorgeworfen wurde, versagte gänzlich. -Es streikte. Wie so häufig überließen die Engländer die -schwere Arbeit den andern. Nun stürmten die Schotten -vor, das Regiment Scotch Blackwatch. Es wurde durch -unser Feuer fast gänzlich niedergemäht. Nach Aussagen -von Gefangenen zählte man an diesem Tage achthundert -Tote. Zwei Schotten, die bis an unsre Gräben -gelangt waren, ergaben sich. Sie konnten nicht hereingenommen -werden und lagen vor der Brustwehr von -fünf Uhr nachmittags bis sechs Uhr früh, und unsre -Leute mußten über ihre Körper wegfeuern. -</p> - -<p> -Der wütende Ansturm kam zum Stehen. Unsre -Heeresverwaltung ließ ihren Apparat spielen und warf -Reserven und Truppenmassen ins Gefecht: Joffres -Durchbruch war mißglückt. -</p> - -<p> -Zu einem einheitlichen Angriff großen Stils fehlte -dem Gegner seit dieser Zeit die Kraft. Indessen fanden -Tag und Nacht größere und kleinere Teilangriffe statt. -Der Erfolg schwankt hin und her. Zuweilen gelingt es -dem Feind, in unsre Gräben einzudringen, er wird durch -Handgranaten vertrieben. Ein Angriff ohne Artillerievorbereitung, -den er am 12. unternahm, erstarb schon -im Feuer unsrer Geschütze. Nahkämpfe, bei denen -<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a> -Bajonett, Kolben und Handgranaten arbeiten, sind -alltäglich. Alles in allem zählte man sechsundvierzig -Angriffe gegen verschiedene Stellungen unsrer Front, -seit dem 9. Mai. Unter diesen sechsundvierzig Angriffen -waren acht von größerer Bedeutung. -</p> - -<p> -Wieder und wieder, hartnäckig und verbissen, läuft -der Feind gegen Punkte unsrer Front an, die strategisch -besonders wichtig sind. So gegen unsre Stellungen an -der Straße Souchez-Aix-Noulette. Bei Ablain, das -wir, wie erwähnt, geräumt haben. Gegen die Höhe -nördlich Neuville. Im Dorfe Neuville selbst wird Tag -und Nacht gekämpft, und hier werden die Kämpfe noch -lange wüten. Vor einigen Tagen überrannte hier der -Feind unsre Barrikaden, aber nach halbstündigem erbitterten -Kampf wurde er wieder zurückgeworfen. -Gegen den starken Riegel, den wir über die Lorettohöhe -zogen. Die Trümmerstätte der Kapelle selbst ist in den -Händen des Feindes. Gegen die Straße Ecurie-Roclincourt. -Hier hatte der Feind bei La-Maison-blanche ungeheure -Verluste, und die Erde trank das französische -Blut in Strömen. Gegen unsre vorspringende Front -nördlich von Ecurie. Hier fanden wiederholt wütende -Angriffe statt. Unsre Geschütze legten einen Kranz von -Geschossen vor unsre Gräben. So heftig war das Feuer, -daß ein französischer Offizier überlief, er war fertig mit -den Nerven. Das oft genannte Labyrinth bei Ecurie -befindet sich noch in unsrem Besitz. -</p> - -<p> -Die Engländer im Norden haben in der letzten Zeit -größere Angriffe nicht unternommen. -</p> - -<p> -Obwohl unsre Heeresleitung keine andre Absicht verfolgte -<a id="page-48" class="pagenum" title="48"></a> -als unsre Stellungen zu halten, sich also rein -defensiv verhielt, haben wir in den letzten Kämpfen -doch acht Offiziere und fünfzehnhundert Mann zu Gefangenen -gemacht. Joffre gewann etwas Terrain. -Auf einer Front von vier Kilometern rückte er achthundert -bis fünfzehnhundert Meter vor. Dieser geringe -und unwesentliche Geländegewinn steht in einem tragischen -Mißverhältnis zu dem Aufwand an Kampfmitteln -und den Verlusten. Wenn Joffre seine Toten -beerdigt, so wird er finden, daß er einen Friedhof erobert -hat. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIELORETTOHYYHEUNTERFEUER"> -Die Lorettohöhe unter Feuer -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">er</span> Tag ist heiß, und die Schlacht wütet. Es ist immer -dieselbe Schlacht, eine der furchtbarsten und größten -dieses Krieges, die Schlacht bei Arras. Sie dauert schon -Wochen, wird sie nie enden? In der schwülen Nacht -polterten und schlugen die Geschütze, und sie poltern und -schlagen in den heißen, glühenden Tag hinein. Die -Kanoniere schlafen nicht mehr. Je näher der Wagen -kommt, desto lauter krachen die harten Schläge der -Kanonen. -</p> - -<p> -Die Landschaft ändert sich. Aus dem Grün der Wiesen -und Felder heben sich riesige, unförmige Aschenhaufen, -grauschwarz und öde, die Schlackenberge der Kohlenzechen. -Plump und häßlich liegen die Schutthalden da, -unproportioniert, die Wohnstätten der Menschen, die -grünen Baumwipfel überragend, unfruchtbar inmitten -<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a> -der fruchtbaren Erde. Sie sehen aus wie die Krater erloschener -Vulkane. Hohe Kamine, Fördertürme, Backsteingebäude, -Beton- und Eisenfachwerk. Hier vorn, -in der Feuerzone, stehen die Zechen still. Weiter hinten -rauchen Schlote. Im Norden, im Dunst der Sonne, -steht auch die feine Rauchfahne der Zeche von Courrière, -deren Unglück vor Jahren das Herz der ganzen Welt -erschütterte. Damals eilten westfälische Bergleute herbei, -um ihren französischen Kameraden Hilfe zu bringen. -Es handelte sich um zwei- bis dreihundert Bergleute, -die in der harten Schlacht um das tägliche Brot fielen, -und die Welt brachte ihnen jene Summe von Mitgefühl -entgegen, die im geraden menschlichen Verhältnis zu -der Katastrophe stand. Man hat es vergessen. Viele -tausend Jahre liegen zwischen der Schlacht von Arras -und jenem denkwürdigen Tage, da deutsche Männer -ihren französischen Kameraden im gleichen Landstrich -zu Hilfe eilten! Heute handelt es sich um Hunderttausende, -um mehr. Die Welt schweigt! Mehr als das: -die ganze Welt arbeitet fieberhaft, um Material zu -liefern, das die Legionen der Opfer vermehrt. Die -Welt will leben, damit andre sterben. Das ist die -Wahrheit. -</p> - -<p> -Auch drüben beim Feinde rauchen die Schlote! Sie -fördern sogar in der Feuerzone, sie brauchen Kohle. -Selbst wenn hineingefunkt wird, stellen sie den Betrieb -nicht ein. So ist der Krieg. -</p> - -<p> -Das Auto biegt in einen Zechenhof ein. Es ist still -hier und so sauber wie in einem Tanzsaal. Die Zeche -steht still, sie ist längst ersoffen. Wo es früher rasselte -<a id="page-50" class="pagenum" title="50"></a> -und zischte, daß man sein eignes Wort nicht verstehen -konnte, herrscht jetzt Feiertagsschweigen. Stille Leute -sind hier eingezogen, Verwundete und Ärzte. Die Zeche -ist ein Lazarett. -</p> - -<p> -In dem großen Zechensaal liegen sie, die Tapferen, die -für uns gekämpft haben, in langen Reihen. Der Saal -ist hoch, luftig und rein und die Betten schneeweiß. Die -Fenster stehen offen. Von dem Saal aus blickt man -direkt in die Baderäume, die früher den Bergleuten -dienten. Nichts fehlt, nichts ist vergessen, für alles ist -hier wohl gesorgt. Ärzte und Pfleger bewegen sich -zwischen den Betten, Schwestern gibt es hier außen nicht. -Leichter oder schwerer verwundet, je nachdem die Schlacht -sie losließ, liegen sie da und leiden heroisch, so wie sie -vorher heroisch kämpften. Viele schlafen. Sie sind erschöpft, -oder das Morphium hilft ihnen über die schlimmsten -Schmerzen hinweg. Einzelne stöhnen im Schlaf. -Einer hat das Gesicht mit einem Tuch bedeckt, und seine -Hände zupfen im Schlaf leicht an der Decke. Es gibt -hier blutige Verbände und viel Schreckliches, daß einem -das Herz stehenbleibt, aber ohne Blut und Wunden gibt -es keinen Krieg. Die meisten sind erst heute nacht und -in den letzten Tagen eingeliefert worden. Einer hat den -Kopf vollkommen eingewickelt, so daß er aussieht wie -eine Wattekugel. Aber zwei frische und muntere Augen -blicken aus den Binden hervor. Es gibt hier Gesichter -von allen möglichen Farben. Ein gelbes Gesicht mit -geweiteten Augen verfolgt mich lange. Der Mann war -am Tode, aber der Arzt versichert mir, daß für ihn keine -Gefahr mehr besteht. Die meisten Gesichter aber sind, -<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a> -so erstaunlich es ist, braun und frisch, es sind robuste -Burschen, die etwas vertragen. -</p> - -<p> -Einer sitzt in seinem Bett, der geschiente linke Arm ist -hoch gelagert und an einem richtigen Strick aufgehängt. -Mit der Rechten schreibt er eine Feldpostkarte. Ja, er -schreibt an seine Frau, daß es ihm gut geht, und er hat -keine Lust, sich lange stören zu lassen. Ein junger Unteroffizier -lächelt mir mit roten Wangen und hellblauen -Augen entgegen. Er ist achtzehn Jahre, blond und frisch, -Zögling einer Unteroffizierschule. Er bekam einen Schuß -in den Schenkel, wuchtig wie eine große Keule warf ihn -die kleine Kugel nieder. Er hat keine Schmerzen, nein, -zuweilen ein bißchen, morgen geht es in die Heimat, und -bald kommt er wieder. -</p> - -<p> -Aber es gibt hier viele, die nicht schreiben und nicht -fröhlich plaudern, und hier gibt es manche, die ihre -Heimat nicht mehr sehen werden. -</p> - -<p> -Im Hof sind zwei Krankenautos vorgefahren. Eine -Tragbahre steht auf der Erde, und darin liegt ein Kanonier -mit verbundenem rechten Arm. Schmutzig und zerrissen, -wie er aus der Schlacht getragen wurde, liegt er -da, und sein Verband rötet sich langsam vom Blute. -Die Stiefel hat man ihm ausgezogen. Sein Gesicht ist -braun, fast schwarz und sein Blick stark. Ich sehe, daß -er die Zehen in den Socken verkrampft. Die Mütze, eine -runde, schirmlose, verstaubte und verknüllte Mütze, hat -er noch keck auf dem Kopfe sitzen. -</p> - -<p> -„Haben Sie Schmerzen?“ frage ich ihn und sehe, -wie seine Zehen arbeiten. -</p> - -<p> -Er schüttelt den Kopf. „Ein bißchen Schmerzen muß -<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a> -man schon aushalten, es schadet nichts. Ein Volltreffer -kam in die Batterie, schweres Kaliber, drei Mann tot, -fünf verletzt.“ Er spricht, als stünde er mit Granaten -auf du und du. „Die andern sind im Wagen.“ -</p> - -<p> -Ich blicke hinein. Es stöhnt da drinnen. Ich gehe. -</p> - -<p> -Im Zimmer des Zechenpförtners liegt ein Franzose. -Er liegt allein, nicht weil er ein Franzose ist, sondern -weil es schlecht um ihn steht. Seine Wunde ist zu furchtbar, -als daß man ihm wünschte, durchzukommen. Er -ist ein schöner junger Mann, vielleicht fünfundzwanzig. -Sein schmales Gesicht ist bleich und still, seine Augen -tiefbraun und noch voller Leben und Bewußtsein. Tagelang -wird er noch unterwegs sein, bevor er sein Ziel -erreicht. -</p> - -<p> -Die beiden Krankenwagen fahren aus dem Hof, ein -voller Wagen kommt herein. Herrlich ist die Hilfsbereitschaft -und Unermüdlichkeit der Ärzte und Pfleger und -Krankenträger. Es gibt viel zu tun in diesen Tagen. -</p> - -<p> -Mit der Landschaft haben sich die menschlichen Wohnstätten -und die Menschen geändert. Es sind keine anmutigen -Dörfer mehr, es sind Arbeiterviertel, aus der -Großstadt in die Landschaft geworfen. Rußige Backsteinhäuser, -staubige Straßen, schmucklose Fenster mit -ein paar Fetzen schmutziger Gardinen. Die Bewohner -sind keine Dörfler und Bauern, es sind Städter aus den -Kellerwohnungen, in billigen, verschlissenen Kleidern. -Bleich, schlecht genährt und schwindsüchtig stehen sie -untätig vor den Haustüren und starren dem Wagen -mit stumpfen Blicken nach. Fahle, greisenhafte Kinder, -mit einer Spur von Schönheit, die in den Geschlechtern -<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a> -verklingt, halbwüchsige Burschen mit kecken Mützen, die -Zigarette zwischen den schmalen Lippen. Sie greifen an -die Mütze, wenn man vorbeikommt, und strecken die -Zunge heraus, sobald man vorüber ist. Nur ganz selten -kann ich jenen schönen und helläugigen Typus des Arbeiters -entdecken, den die Arbeit nicht vernichtete. -</p> - -<p> -In das Industriedorf B. wird zuweilen hineingeschossen. -Ein paar Dächer sind abgedeckt, ein paar Häuser -zeigen Granatlöcher. Gestern kamen einige Granaten -herüber und töteten eine Frau und zwei Kinder. Heute -sitzen Weiber und Kinder schon wieder an der Straße, -als sei nichts geschehen. -</p> - -<p> -Gleich hinter diesem Dorf sinkt die Straße ins Tal, -in die breite Talmulde hinab. Und drüben liegt sie ausgebreitet -wie ein Panorama, die berühmte Höhe, die -so viel Blut getrunken hat, die Lorettohöhe. -</p> - -<p> -Sie sieht anmutig aus. Golden und grün steigt sie -aus der grünen Talmulde empor, breit und sanft, ein -flacher Höhenzug, von Hügelketten flankiert. Oben ist -sie bewaldet, Laubwald, das Bois de Bovigny. Sie liegt -in der glühenden Sonne, und Wolkenschatten ziehen -darüber hin. Sie sieht aus wie eine sonnige Höhe in -Franken oder in Thüringen oder irgendwo, es ist gar -nichts Besonderes an ihr. Ein breiter, sanfter Höhenzug -in der Junisonne, der Dunst der Hitze darüber und etwas -Wald auf der Kappe, nichts sonst. Und doch ist diese -anmutige, sonnige Höhe, die so friedlich aussieht, daß -man glauben könnte, Schafe würden dort weiden und -Kinder spielen in den Wiesen, heute nichts als ein großer -Grabhügel, ein Riesengrab. Tausende und aber Tausende -<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a> -liegen dort, Freund wie Feind. Sie fielen im Herbst, im -Winter, im Frühjahr. Viele konnten nicht begraben -werden. Sie lagen monatelang in der Sonne, im Schnee, -im Regen, und die Erde zerrte an ihnen und zerrte sie -langsam in sich hinein. Des Nachts starrten sie aus ihren -offenen Augen in die glitzernden Sterne empor, in jene -Welt des Friedens und der Herrlichkeit, wo ihre Seelen -jetzt wanderten, während ihre Leiber in der Hölle dieser -Erde lagen. So furchtbar ist die Wut des Krieges, daß -die Gegner sich nicht einmal die Zeit zur Bestattung ihrer -Toten gewähren können, wie es Heiden und Wilde taten. -</p> - -<p> -Man wird nun einsehen, daß die Anmut und Lieblichkeit -dieser Höhe eine Lüge ist. Dort oben gibt es schauerliche -Dinge, an die niemand gern denkt. Es gibt dort -Sumpfstreifen, in denen die Toten langsam versunken -sind, so daß heute nur noch ein Stiefel oder ein Ellbogen -heraussieht. Es gibt Gräber voller Unheimlichkeiten, -halb voll Wasser und Schlamm, und ein Schnurrbart -sieht aus dem Wasser. Es gibt hier Dinge, die man nicht -erzählen kann. Wenn der Bauer einst hier wieder pflügt, -so wird er bei jedem Schritt auf Knochen stoßen, auf -Stiefel und zerbrochene Gewehre. -</p> - -<p> -Hier oben stand die oft genannte Kapelle von Notre -Dame de Lorette. Sie ist heute ein Haufen Trümmer. -</p> - -<p> -Hier oben hat jeder Quadratmeter Boden seine Kämpfe -gehabt, seine Toten, sein Entsetzen. Die Erde ist zerfetzt -von Granaten. Hier oben hat jeder Weg, hat jede -Besonderheit ihren Namen, und an all diesen Namen -hängt viel Blut und Heldenmut. Diese Namen werden -weiterleben, und die Soldaten, die die Höhe freigab, -<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a> -werden von ihnen sprechen, wenn sie alt sein werden. -Da ist die Kanzel, der Hohlweg, der Barrikadenweg, die -Schlammulde, die Totenwiese. Diese Namen kehren -wieder in den Gefechtsbüchern der Regimenter, die hier -kämpften. -</p> - -<p> -Hat jemand gewußt, welche Bedeutung diese Höhe in -diesem Kriege hat? Niemand. Zuweilen wurde sie in -kurzen Telegrammen genannt. Man wird anfangen, an -sie zu denken. -</p> - -<p> -Seit Wochen ist sie unter schwerem Feuer. Auch heute. -</p> - -<p> -Sie <em>raucht</em>. -</p> - -<p> -Auf den ersten Blick sieht es aus, als würden auf dem -goldgrünen sanften Abhang der Höhe, über den still die -Wolkenschatten ziehen, Feuer von Kartoffelkräutern abgebrannt, -deren rostbrauner Qualm senkrecht in die heiße -Luft steigt. Als ständen hinter der Höhe, hinter dem -Bois de Bovigny, Reihen von Fabrikschlöten, die ihren -Rauch emporwirbeln lassen. Aber diese dicken Säulen -rostbraunen Qualms entstehen urplötzlich, ohne jede -Vorbereitung, drei, vier fahren nebeneinander aus der -Erde. Sie wechseln ebenso urplötzlich den Ort, bald stehen -sie höher, bald tiefer, bald ein paar Kilometer rechts, -bald links. Sie sind rostbraun und rostrot und zuweilen -schwarz wie Ruß. Es sind die Einschläge der französischen -Granaten, die unsere Gräben eindecken wollen. Die -Gräben selbst kann man von hier aus nicht sehen, aber -an den Einschlägen der Granaten kann man ihre Kurve -verfolgen, die sich quer über den Fuß der breiten Höhe -zieht. Auch hört man die Einschläge nicht, denn die -Geschütze donnern und rollen ohne Pause. -</p> - -<p> -<a id="page-56" class="pagenum" title="56"></a> -Aus dem Bois de Bovigny wirbelt eine pechschwarze -Rauchwolke empor, turmhoch, und in der nächsten Sekunde -eine zweite, deren Qualm sich hoch oben mit dem -Qualm des ersten Einschlages vereinigt. Deutsche -Granaten. Die schwarzen Rauchfahnen hinter dem Wald -wehen hin und her, sie steigen an verschiedenen Stellen -zur gleichen Zeit in die Höhe, stehen minutenlang und -nehmen die Form von Pinien an. Sie verblassen, und -ein neuer Krater speit Schwärze und Finsternis in die -Luft empor. -</p> - -<p> -In der Talmulde, die so friedlich und sonnig aussieht, -hinter den winzigen Häusern da unten, wälzt sich eine -safranfarbene Wetterwolke. Sie schwankt schwer und -unheilvoll am Boden, hebt sich hoch und steigt dick geballt -in die Luft, einen Teil der Höhe verdeckend. Eine schwere -Granate, die einer unserer Batterien galt. Wütende -Abschüsse. Schlag auf Schlag, die Luft dröhnt. Hinter -dem Bois de Bovigny, im Tal gegen Ablain zu, steigt -eine schwarze Wetterwand in den blauen Himmel. Wir -bleiben ihnen nichts schuldig! -</p> - -<p> -Plötzlich kommt unten in der Talmulde eine rostbraune -Granatwolke ins Laufen. Es sieht merkwürdig aus. -Es ist ein spitzer Kegel, ein spitzer Wirbel von rostbraunem -Rauch, der sich rasch dahinbewegt wie der Rauch eines -Eisenbahnzuges. Es ist ein Auto, das da drunten auf -dem staubigen Straßenfaden wie toll dahinfegt. Es -fährt um sein Leben. Ein weißes Wölkchen steht urplötzlich -über dem Auto im heißen Blau des Himmels. -Ein Schrapnell. Zu hoch. Ein zweites. Das Auto -läuft wie eine Maus, die Angst hat. Es ist toll, hier zu -<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a> -fahren! Droben im Bois de Bovigny sitzt der Franzose -mit seinen Scherenfernrohren und sieht jede Katze im -Tal. Es sind Offiziere, Befehlsüberbringer. Es muß -sein. Durch! -</p> - -<p> -Die Sonne brennt. Es ist drückend heiß, und der -Schweiß läuft mir über das Gesicht. -</p> - -<p> -Die Lorettohöhe blinzelt und blinkt. Ein unsichtbares -wütendes Fabeltier stampft auf ihr hin und her und reißt -den Boden mit den Hörnern auf und schleudert die Erde -in die Höhe. Heiß, heiß wie die Hölle muß es dort drüben -in den Gräben sein, wo unsere tapferen Jungen liegen. -Der Himmel sei ihnen gnädig. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="NACHTKYYMPFEBEIARRAS"> -Nachtkämpfe bei Arras -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">E</span><span class="postfirstchar">rstickend</span> heiß, staubig und lärmend waren die -Straßen am Tage, und nun genieße ich es, in die -sinkende Nacht hinauszufahren. Schon stehen die Sterne -blaß am Himmel. Die Bäume rauschen, und die Luft -ist lau und erfrischend. Die Dunkelheit erquickt die -Augen, die entzündet sind von Staub und Schweiß. Es -ist die Zeit, da die Kröten aus den Löchern kommen. -</p> - -<p> -Auf all den dunkeln Straßen der flachen Landschaft -wandert und knirscht und knarrt es. Aber es ist ein Lärm -ohne Hast und Geschrei, ein Lärm wie im Frieden, wenn -die Bauern auf den Markt fahren. Die Kolonnen sind -unterwegs. An endlosen Wagenzügen fahren wir entlang, -und die schweren Pferde strecken die Schenkel, sobald sie -<a id="page-58" class="pagenum" title="58"></a> -die Hupe hören. Große, vom Lichtschein erschreckte -Pferdeaugen glotzen uns argwöhnisch von der Seite -an. Es ist das Futter für die unersättlichen Schlünde -der Kanonen. Langsam knarren die Wagen dahin. Sie -haben keine Eile. Sie haben das Futter zur bestimmten -Zeit gefaßt, sie sind zur bestimmten Zeit aufgebrochen, -und sie werden auf den Punkt dort eintreffen, wo sie -hin sollen. Keine Erregung, kein lautes Wort. Die -Fahrer rauchen die Pfeife, sie haben sich behaglich und -faul zurechtgesetzt, aber sobald der Wagen vorbeikommt, -werfen sie mit einem kurzen Ruck die Nase in die Luft. -Die Pfeife behalten sie dabei zwischen den Zähnen, aber -niemand verlangt, daß sie hier außen die Pfeife aus dem -Mund nehmen. Hier draußen ist vieles anders. Es -geht auch so. -</p> - -<p> -Zwischen den dunkeln stummen Pappeln marschiert -ohne Tritt eine Kompanie. Auch sie traben gemächlich -dahin, sie haben keine Eile. Auf den Punkt werden sie -dort sein, und auf den Punkt werden sie im Graben -stehen. Ihre grauen Helme wackeln hin und her, und die -schweren Stiefel schlagen Staub aus der Straße. Junge -Gesichter fliegen vorüber, bärtige, rasche, neugierige -Blicke, ein Scherzwort. Sie sind gut ausgeruht, frisch -gewaschen und gehen gleichmütig ins Gefecht, als gingen -sie zur Arbeit. „Rechts getreten!“ Der Zug an der -Spitze tritt zur Seite. -</p> - -<p> -Wieder eine Munitionskolonne. Ein Zug Lazarettwagen -kommt ihr entgegen. Wir müssen halten und uns -an den muskulösen Schenkeln der Lastpferde vorbeidrücken. -In den Lazarettwagen haben sie die Leinwand -<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a> -zurückgeschlagen, um frische Luft zu bekommen. Still und -ergeben liegen sie in den Wagen. Einzelne, mit Binden -um den Kopf oder mit Armschlingen, sitzen auf dem Bock. -Auf der einen Seite ziehen sie hinaus, auf der andern -zurück. So ist der Krieg. Neuville, die Zuckerfabrik, -Souchez und die Lorettohöhe kosten viel Opfer. Tag -und Nacht. -</p> - -<p> -Überall wandert und trappelt es in der Nacht. Am -Tag ist hier nicht viel zu sehen, ein paar Autos, ein paar -Karren, fast keine Soldaten. Denn am Tage wimmelt -es hier von Fliegern wie an keiner Stelle der Front. -Am Tage ist hier Ebbe, aber in der Nacht kehrt die Flut -zurück, um Gräben und Batterien da draußen zu speisen, -und sie verschlingen viel. Nacht um Nacht ist es das -gleiche, bei uns wie bei ihnen da drüben. -</p> - -<p> -Achtung! Wir müssen zur Seite. Ein paar Autos -kommen wie die Hölle angeritten. Es sind Befehlsempfänger, -die von den Stäben zum Oberkommando -jagen, und sie kennen keine Gnade. Die Mützen über -den Schädel gestülpt, die Köpfe eingezogen im Luftzug, -fliegen sie vorüber. -</p> - -<p> -Ein schweres Geschütz, von sechs Pferden gezogen, -kraucht durch die Nacht. Zur Front, wie alles. Es läßt -den Kopf hängen und scheint auf der Lafette zu schlafen -wie ein müdes ergrautes Walroß. Aber die Kanoniere -da draußen werden es wachrütteln, und es wird seine -Arbeit wieder aufnehmen wie in der letzten Nacht. Wird -seinen grauen Kopf heben und zum Himmel emporbellen. -</p> - -<p> -Ein matterleuchtetes Fenster. Ein Dorf. Der Posten -<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a> -tritt vor und mustert rasch Wagen und Insassen. Das -Dorf ist stockfinster. Keine Lampe, nichts, keine Bewohner. -Ein paar Soldaten sitzen in Hemdärmeln in den finsteren -Haustüren. Wieder Chaussee. Wieder Kolonnen. Stille -finstere Dörfer. Der Wagen biegt ab, passiert eine schnurgerade -Straße schwarzer Arbeiterhäuser. Er hält bei -einer Zeche. -</p> - -<p> -In wenigen Minuten sind wir oben auf dem dunkeln, -öden Schlackenhaufen. Ich hole Atem. Was ich sehe, -ist ein nächtlicher Spuk. -</p> - -<p> -Ich will versuchen, es zu beschreiben, obschon es unmöglich -ist. Niemals aber werde ich imstande sein, mein -Erstaunen auszudrücken, als ich es zum erstenmal sah: -nicht mehr ist es und nicht weniger als ein Feuerwerk -des Teufels. -</p> - -<p> -Zuerst sehe ich nichts. Die dunkle Halde, der Zechenhof. -Ein paar Fabrikschlöte, der Förderturm, dunkle -Wände mit schwarzen hohen Kirchenfenstern. Schuppen, -Bahngeleise. Die Dächer einer Arbeiteransiedlung, alle -gleich hoch, gleich groß, wie Treibhäuser. -</p> - -<p> -„Dort unten liegen zwei französische Spione begraben,“ -sagt die Stimme des Offiziers an meiner Seite. „Dort -bei den Schuppen. Vor dem kleinen Schuppen, ein paar -Schritte nach rechts.“ -</p> - -<p> -Nun entdeckte ich den Grabhügel. „Waren es wirkliche -Spione?“ -</p> - -<p> -„Ja. Zwei Offiziere. Sie hielten sich lange Monate -in Douai verborgen. Dann verkleideten sie sich als -Frauen, ein schmutziges Straßenmädchen nahmen sie -noch mit. Aber sie wurden gefaßt.“ -</p> - -<p> -<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a> -Ich bin ungläubig. Es klingt wie ein Märchen. -</p> - -<p> -„Es ist wahr. Ich sah sie sterben. Sie leugneten -gar nicht, sie gestanden es ein. Sie starben gefaßt und -mit Würde, wie Offiziere. Es waren zwei mutige -Burschen.“ -</p> - -<p> -Elend sieht dieser helle Fleck bei den Schuppen drunten -aus. Mich fröstelt. Die Frösche quaken in den Wiesen, -die dunkeln Baumwipfel bewegen sich. Die Kanonen -brummen und pochen. Man gewöhnt sich daran; Tag -und Nacht hört man hier nichts anderes, selbst wenn man -schläft. Man hört nicht mehr hin, nur wenn eine schwere -Batterie donnert und trommelt, wendet man den Kopf. -Hinter den Arbeiterhäusern dehnt sich das mächtige -Land, gespensterhaft durchsichtig im Licht der Sterne. -Und aus dem fahlen Lande, am Horizont, steigen dunkle -Höhenzüge empor, scharf abgegrenzt gegen den graublauen -Nachthimmel. -</p> - -<p> -„Das da links ist die Höhe von Vimy. In der Mitte, -der breite Rücken, das ist die Lorettohöhe, und rechts -davon, das sind die Höhen hinter Aix-Noulette.“ -</p> - -<p> -Plötzlich steigt hinter der Lorettohöhe ein weißer, -sprühender Mond empor und bleibt minutenlang stehen. -Kreidebleich ist ein Teil der Höhe. Der Mond sieht aus -wie ein Leuchtfeuer, das auf das Meer hinaussprüht. -Plötzlich aber sind es zwei, drei, sechs Monde, die über -den Höhenzügen schweben, ein Viertel des Horizontes -beherrschen sie. Hinter den dunkeln Höhen wetterleuchtet -es unaufhörlich, ein Feuerstrahl, rot und flammend, dick -wie ein Balken fährt schräg aus dem Wald auf der Höhe -heraus. Die Monde sinken, ganz langsam, und verlöschen. -<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a> -Aber schon stehen neue über den Höhen. Weitab links -blinzelt ein rötliches Feuer am Himmel, wie ein entzündetes -Auge. Ein Blinkfeuer im Dunst. Im Norden -antwortet eine grüne Kugel, die rasch steigt und rasch -verlischt. Die Geschütze trommeln. Ein paar sanfte schöne -Sterne versprühen, Schrapnelle. Aus der Lorettohöhe -schießen, dicht nebeneinander, zwei Fühlhörner empor, -mit glühenden Kugeln an den Enden. Blitze fahren über -das Land und den dunkeln Himmel. Die Sterne verblassen. -In der Ebene poltert und kracht es. Fahle -Lichtgarben, stumpf wie Rasierpinsel, stehen in der Ebene: -Einschläge von Granaten. Ein Rudel roter Leuchtkugeln. -Ein gelber Halbmond, der traurig und trüb verglimmt, -schauerlich wie über hoffnungsloser See. -</p> - -<p> -Es ist wie ein toller Spuk, ein Traumgesicht. Das -höllische Feuerwerk zuckt und spielt, jede Sekunde sprüht es -anders, schöner, wilder. -</p> - -<p> -Diese Lichtsignale sprechen zu den Batterien. Alles -können sie lautlos in den Himmel emporsprühen. Und -die Geschütze antworten, sie verstehen alles, sie antworten -präzis und unerbittlich. -</p> - -<p> -Früher dauerten Schlachten ein paar Stunden, -höchstens ein paar Tage. In der Nacht standen sie still. -Heute dauern sie wochenlang und der Tag ist zu kurz, -in der Nacht wüten sie weiter. -</p> - -<p> -Über der Lorettohöhe stehen nebeneinander, in gleicher -Höhe, drei rote Monde und glühen zu uns herüber. -Grüne Raketen fahren gespenstisch in die Höhe. Horch! -Durch das Poltern und Trommeln der Geschütze hindurch, -in den sekundenlangen Pausen zwischen den -<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a> -dumpfen Schlägen hört man deutlich das rollende -Gewehrfeuer und das Knattern der Maschinengewehre. -Es klingt, als würde ein Wagen voll Kohlen ausgeschüttet. -Angriff! -</p> - -<p> -Wieder greift Joffre an. Gestern nacht griff er an -sechs verschiedenen Stellen an und dreimal an ein und -derselben. Um zehn, um ein Uhr und um drei Uhr. -Unsere Leute sind hart wie Stahl. Sie halten Unmögliches -aus. Die Maschinengewehre mähen die französischen -Kolonnen dahin, ganze Züge fliegen in die Luft, -Lawinen von Leibern rollen über die Abhänge. Aber -Joffre greift an! Man hat mir gesagt, wie hoch man -seine Verluste schätzt, es sind irrsinnige Zahlen, ich wage -sie nicht niederzuschreiben. Und doch wirft er Regiment -um Regiment ins Feuer. Er erscheint mir wie ein nervös -gewordener Spieler, der verloren hat und nun sein -Geld aus allen Taschen reißt, Ringe und Uhr, und -alles auf den Spieltisch schmeißt, um das Glück zu -zwingen. -</p> - -<p> -„Es ist bei der Schlammulde,“ sagt mein Begleiter. -</p> - -<p> -Nichts ist mehr zu hören. Die Stimmen der Kanonen -überbrummen alles, die Dunkelheit deckt alles zu, was -dort geschieht und geschehen ist. Besser, es nicht zu sehen! -Es mitzumachen ist möglich, es mitanzusehen, wäre -unmöglich. -</p> - -<p> -Feuerschein steht hinter der Höhe von Vimy. Er -verblaßt. Es blitzt und wetterleuchtet, donnert und -rumort. Feuerbalken fahren aus dem dunkeln Wald -der Lorettohöhe wie ungeheure Stichflammen in die -Nacht. Und ununterbrochen steigen Monde und fremde, -<a id="page-64" class="pagenum" title="64"></a> -nie gesehene Sonnen in die Nacht empor. Sie stehen da -und dort, überall, bald sechs, acht zur gleichen Zeit, bald -zwei, bald nahe, bald fern! Ein Mond sinkt herab und -blinzelt im Fall, Scheinwerfer tasten: das Mündungsfeuer -ferner Batterien. In der dunkeln Ebene tanzen -fahle Lichtgarben. Grüne, rote Meteoriten, die hochfliegen -und langsam sinken. Schwer und gewaltig schlägt -eine deutsche Batterie da unten, sie saugt den ganzen -Lärm auf und schlägt einen rasenden Wirbel. Und wieder -steigt ein Schwarm gespenstischer leuchtender Bälle in -die Nacht. -</p> - -<p> -Es ist eine Gespensterküste mit hundert wechselnden -und fremden Feuern, die sprühen und blinzeln, eine -höllische Küste mit unverständlichen Signalen. Ich kann -mir denken, daß ein Seemann, der ein Leben lang die -Küsten aller Kontinente ansteuerte, im Fieber, im Wahnsinn -eine Küste wie diese erblickt und verzweifelt vor -diesen fremden, verwirrenden Feuern. -</p> - -<p> -Ja, wohlverstanden, es ist die Küste eines fremden, -geheimnisvollen Landes, und viele von denen, die da -drüben kämpfen, werden noch in dieser Nacht, in dieser -Stunde ihren Fuß auf das ferne, unbekannte Gestade -setzen. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="EINTAPFERESREGIMENT"> -Ein tapferes Regiment -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">W</span><span class="postfirstchar">as</span> ist das Regiment? Das Regiment ist alles. Es -ist Anfang und Ende, Offizier und Mann sterben dafür. -Offizier und Mann gehören sich nicht mehr selbst, sie -<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a> -gehören dem Regiment. Ihre Ehre ist die Ehre des -Regiments. Sie haben zu seiner Fahne geschworen, -seine Fahne ist heilig, und die Eide werden besiegelt -mit heißem Blut. Das Regiment will! Es geschieht. -Das Regiment befiehlt! Es ist getan. Offizier und -Soldat, sie können sterben bis zum letzten Mann, -das Regiment stirbt nicht. Das Regiment ist ein -Glaube, eine Religion, es ist alles. So war es, seit -es Regimenter gab, und so muß es sein, solange es -Regimenter gibt. -</p> - -<p> -Hunderte stehen heute am Feind, Hunderte von -Regimentern. Alle, Offizier und Mann, von all den -Hunderten von Regimentern wissen wohl, was es bedeutet: -<em>das Regiment</em>! Und die Kommandeure all -der Regimenter, sie wissen es wohl. Sie sterben für -die kleinste Faser der heiligen Standarte. So muß -es sein. -</p> - -<p> -Hier soll berichtet werden von einem tapferen badischen -Regiment. Es ist nicht tapferer als andere, es ist ebenso -tapfer wie sie, aber es hatte schwere Arbeit zu leisten in den -ersten Maitagen, droben auf der Lorettohöhe, und deshalb -will ich von ihm berichten. -</p> - -<p> -Am 20. November bezog das Regiment die Stellungen -auf der Höhe. Diese Stellungen! Mit ihren Gräben, -Sappen, Verbindungsgängen und Horchstollen sehen -sie auf der Karte aus wie das feine Geäder des Auges. -Bei Ablain begannen sie, stiegen hinauf zur „Kanzel“, -einer Kuppe, und zogen quer über den Ostabhang der -Lorettohöhe, an der Kapelle Notre Dame de Lorette -vorüber, hinab zur Schlammulde. -</p> - -<p> -<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a> -Im November lag etwas Schnee auf der kahlen -Höhe, aber das Vergnügen dauerte nicht lange. -Regen setzte ein, ein ganz verfluchter dünner grauer -Regen, wie die Soldaten ihn nie erlebt hatten. Es -regnete wochenlang. Der feine Nebelregen durchdrang -alles, Haut und Haare, Kleider, Riemenzeug und -Schuhe, es gab keine Rettung vor ihm. Wenn sie -aus den Gräben kamen, so sahen sie nicht mehr -menschlich aus. In der Schlammulde versank man im -Morast. He, Kamerad! Zu Hilfe! Und man mußte -ziehen, mit vereinten Kräften, um den Pechvogel zu -befreien. Mancher Stiefel blieb im Dreck stecken. Na, -das war natürlich nicht sehr schlimm, dieser Regen und -Schmutz, davon nur nebenbei, es war das <em>Allerleichteste</em>. -Nebenher wurde auch noch gekämpft! Es ging -scharf zu, da oben, Tag und Nacht. Man brauchte -sich nur zu rühren, schon knallte es. Alles buddelte, die -Gräben rückten auf zwanzig, auf fünfzehn Meter heran. -Es regnete Handgranaten und Minen. Du hockst im -Graben, den Blick nach oben gerichtet, und lauerst. Nun -kommt sie heran. Wohin wird sie fliegen? Fällt sie in -den Graben, so heißt es verschwinden. Nägel und -Schrauben und Fetzen von Eisen speit sie nach dir und -spickt dich damit. Fällt sie in deine nächste Nähe, dann -bleibt dir keine Wahl mehr. Du mußt ihr entgegengehen! -Immer rasch, angefaßt und zurückgeschleudert, -bevor sie explodiert. So ging es da oben zu, es war -so, daß man sich in jeder Sekunde sagen mußte: diesmal -– -</p> - -<p> -Noch schlimmer war es oben auf der Kanzel. Von dieser -<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a> -Kuppe aus konnte man die Straße Souchez-Ablain -einsehen. Fiel die Kanzel in die Hände des Feindes, so -sah die Sache bös aus. Keine Katze konnte sich mehr -auf der Straße zeigen, Zufuhr, Ablösung, alles in Frage -gestellt. Nein, die Kanzel durfte er nicht haben! Das -Regiment sagte es und das Regiment hielt die Kanzel! -Die französischen Batterien standen bei der Topartmühle, -im Bois de Bovigny, im Bois de la Haie. Sie -beschossen die Gräben von vorn, von der Flanke und im -Rücken. Täglich trommelten sie die Gräben auf der -Kanzel ein. Nachts wurde fieberhaft gebaut, Sandsäcke, -Brustwehren, Drahtverhaue, am nächsten Tag war alles -wieder zum Teufel. Oft waren die Gräben verschüttet, -sie hockten in Löchern, sie hockten in Granattrichtern, -Angriff auf Angriff, aber das Regiment hielt die -Kanzel. -</p> - -<p> -So ging es also da oben zu. Wohlgemerkt und wohlverstanden: -<em>sechs Monate lang</em>! Fast ohne jede -Unterbrechung und Ruhe. -</p> - -<p> -Anders ist die bewegliche, die fließende und flutende -Schlacht. Sie rauscht dahin über die Felder. Gefahr -und Tod, Rausch, Wut, Entsetzen, Schrecken und -Triumph in ein paar Stunden gepreßt. Sie kann zwei, -drei Tage, eine Woche dauern, einmal ist sie doch zu -Ende. Atemholen, neue Quartiere, neue Abenteuer. -Der Stellungskrieg zehrt am Mann. Immer das gleiche, -aber immer die gleiche Gefahr, tagaus, tagein. Kein -sichtbarer Erfolg, kein Abenteuer im großen Stil, keine -neuen Quartiere, Gegenden und Menschen. Hier ist der -Graben, und davor liegen die Toten. Übermenschlich -<a id="page-68" class="pagenum" title="68"></a> -muß die Energie des Mannes im Graben sein, übermenschlich -seine moralische Kraft. So gewiß es ist, daß -Offizier und Mann im Westen genau das gleiche leisten -wie Offizier und Mann im Osten, so gewiß ist es, daß -sie, du brauchst sie nur zu fragen, ohne zu zögern ihren -Graben mit Polen, Karpathen und Rußland vertauschen -würden. Augenblicklich, lieber heute als morgen. Trotz -den Läusen und schlechten Quartieren. Denn Läuse gibt -es auch hier und die Quartiere sind nicht viel besser, -wenigstens in der Feuerzone. -</p> - -<p> -Aber, es muß gesagt werden, unser Regiment hatte -auch seine Abwechslung. Am 17. Dezember wies es -Joffres Angriffe ab. Es ging blutig zu. Mitte Januar -nahmen ihm die Franzosen ein paar Grabenstücke weg, -aber das Regiment revanchierte sich und nahm seinerseits -den Franzosen zwei ausgedehnte Gräben. Am 3. März -ging es wieder vor. Das Regiment nahm die Gräben -bei Notre Dame de Lorette. Die schlichte Kapelle auf der -Höhe ging dabei in Trümmer, die Glocke, die frei in dem -durchbrochenen Türmchen hing, stürzte in den Schutt. -Die Arbeit am 3. war schwer, und schwerer noch war -sie am 22. Die französischen Gräben waren angehäuft -mit Leichen, und man begrub und begrub, es -wollte kein Ende nehmen. Mit Schaudern sprechen sie -davon. -</p> - -<p> -Aber all das war nur Vorbereitung, eine Art -<em>Training</em>! -</p> - -<p> -Der 9. Mai kam heran! Offizier und Mann werden -ihn nie mehr vergessen. Er kam heran, und nun mußte -es sich zeigen, was eigentlich in ihm steckte, in dem badischen -<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a> -Regiment Nummer X! Nun mußte es sich zeigen, ob -die Höhe, die blutgierige und verfluchte Höhe, das Regiment -gestählt hatte in der halbjährigen harten Schulung -oder nicht. Es mußte sich zeigen, ob das Regiment -imstande wäre, sich selbst um das Doppelte und Dreifache, -das Zehnfache zu überbieten! Darum handelte es sich, -um nichts Geringeres. Joffre wollte die Höhe! Er -wollte sie um jeden Preis! Über Souchez von unten, -die Schlammulde von oben, über Ablain und die Kanzel -von hinten wollte er vor. Zwischen Souchez und Schlammulde -wollte er abdrosseln. Das war die Lage. Es ging -ums Ganze, das Regiment mußte zeigen, was in ihm -steckte. -</p> - -<p> -Und das Regiment zeigte es! -</p> - -<p> -Um sieben Uhr morgens fing es an. Die französische -schwere Artillerie begann die vordersten Grabenlinien -einzutrommeln. Wirbelfeuer, schwerstes Kaliber. Dieses -Höllenfeuer dauerte bis elf Uhr dreißig Minuten. -</p> - -<p> -Der Kommandeur des Regiments: „Als ich von -unserem Beobachtungsstand aus das Feuer beobachtete, -da dachte ich mir, es kann kein Mann mehr in den Gräben -am Leben sein!“ -</p> - -<p> -Der Reservist aus Bretten: „Die habe uns die Gräbe -hübsch zusammengewichst. So was war noch gar nicht -da. Alles war schwarz!“ -</p> - -<p> -Die Drahtverhaue und Barrikaden waren niedergetrommelt, -die vorderen Gräben existierten nicht mehr. -Sie waren Granatlöcher. Die Kompanien lagen in den -zweiten Gräben. Alles war schwarzer und gelber Qualm, -glühende Rasiermesser zischten über die Gräben hin. -</p> - -<p> -<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a> -Halb elf wurde das Feuer weiter zurück, auf die -zweiten Gräben gelegt. Was ist zu tun? Frage die -Soldaten, die in diesen Gräben waren. Nichts kann -man tun. Man liegt der Länge nach im Graben, den -Kopf in die Erde gedrückt. Einer schreit auf, einer -stöhnt. Was man denkt? Man denkt nichts, nichts, -gar nichts! So ist es also, ohne jede Phrase. Es ist -die <em>Agonie</em>. Punkt elf Uhr dreißig schweigt plötzlich -das Feuer. Was noch kann, erhebt sich. Gewehre fertig. -Ein Maschinengewehr ist noch intakt, ein einziges. -Los! Schon kommen sie! -</p> - -<p> -Sie kommen heran in dichten Kolonnen, mit -unerhörter Bravur, bewundernswürdig. Nie vorher -sah man Franzosen so stürmen. Das Maschinengewehr -hämmert. Sie fallen, in Reihen. Schnellfeuer. -Sie brausen näher. Ein Offizier an der Spitze, mit -gezücktem Degen! Er überspringt den ersten Graben, -will seine Leute mitreißen, allein, ganz allein stürmt er -weiter. Er fällt. Nahkampf. Angriff erledigt! Aber -was ist das? Sie sind im Rücken! Eine halbe feindliche -Kompanie ist in die Verbindungsgräben eingedrungen -und kommt in den Graben. Sandsäcke!! Nun gilt es. -Der Offizier schreit, der Mann. Jeder einzelne Mann -ist jetzt Offizier, Kommandeur, er muß handeln, rasch -und klar. Sandsäcke! Handgranaten! Die Barrikade -ist fertig, die Handgranaten fliegen in Schwärmen zum -Feind über die Sandsäcke hinüber. Der Feind ist abgeschlossen. -Aber neue Sturmkolonnen kommen heran, -sie fliegen die Höhe herunter. Salvenfeuer, das Maschinengewehr -schnarrt. Es sind ihrer zu viele, immer -<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a> -neue Kolonnen. Aber der Kommandeur hat seine Leute -nicht vergessen und den kühlen Kopf bewahrt. Artillerie! -Plötzlich schlagen Granaten in die feindlichen Sturmkolonnen. -Fontänen von Leibern, Kleidungsstücken, -Köpfen und Gliedmaßen fliegen hoch. Es ist zwei -Uhr, schon nahen die Bataillone, die in Ruhestellung -waren. -</p> - -<p> -Nein, allein hätten sie es nicht schaffen können, gewiß -nicht. Alle Regimenter, von Neuville bis hinauf nach -Aix-Noulette, mußten mithelfen, mit gleicher Tapferkeit, -alle Batterien, Munitionskolonnen, Telephonisten, Beobachter, -Flieger, jeder einzelne Mann. Frage die Soldaten -des tapferen badischen Regiments. Sie sprechen -nicht von sich allein. Sie sagen: Souchez war unter -Feuer, daß die Häuser auf die Straße flogen. Es waren -Torpedogranaten, schwere Dinger, die sich tief einbohren -und dann alles in die Luft schmeißen. Die Munitionskolonnen -fuhren mitten durch Souchez! Eine Kolonne -raste auf offener Landstraße dahin. Granaten rechts -und links. Zur Batterie, abgeladen, weiter. Zurück -denselben Weg. Ohne einen Mann, ein Pferd zu verlieren. -Eine Batterie ist zusammengeschossen. Noch zwei -Geschütze. Sie verfeuert noch rasch 1300 Granaten, -immer hinein in die Sturmkolonnen, Verschlußstücke -abgeschraubt und aus dem Staube gemacht ... -</p> - -<p> -Nein, allein hätten sie es nicht geschafft, aber ihre -Arbeit war mörderisch hart und schwer. Und sie hielten -die Gräben, die Granatlöcher besser gesagt. In Abständen -von fünf Metern lag der Feind eingegraben, <em>fünf -Metern</em>! Fünfzehn und zwanzig Meter Abstände -<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a> -wurden gar nicht mehr für schwierig empfunden. Einen -Tag und eine Nacht, und noch einen Tag und noch eine -Nacht. Was sie mühsam zusammenbauten in den -Sekunden, in denen die Leuchtkugeln sie nicht abblendeten, -war in einer Stunde wieder zusammengeschossen. Angriff -auf Angriff. Heroisch kämpfte der Franzose, wie nie -zuvor. -</p> - -<p> -Die Soldaten, die da oben kämpften, sprechen mit -Ehrerbietung vom Feind. -</p> - -<p> -„Und der Kommandeur?“ -</p> - -<p> -„Der Kommandeur kam jeden Tag zu uns herauf in -die Gräben. Es war ein Wunder, daß es ihn nicht -erwischte. Wir waren jedesmal erstaunt, wenn wir ihn -heil wiedersahen.“ -</p> - -<p> -Dann kamen Reserven, Verstärkungen. Die Krisis -war überstanden. Das Regiment war zurückgegangen -auf seine zweiten und dritten Gräben, aber es hatte die -Stellung gehalten. Joffre kam nicht durch, das war es! -Frage nicht, wieviele des tapferen Regiments da oben -fielen, es sind ihrer nicht wenige, aber das Regiment -stand wie eine Mauer. -</p> - -<p> -Der Kommandeur des Regiments, Major G., hat -mich empfangen. Ein schlichter, gerader und einfacher -Mann. Ein Soldat der Front! Ich kam zwei Stunden -zu spät, aber das war ihm einerlei, er kümmert sich nicht -um lumpige Formalitäten. -</p> - -<p> -Major G. sagte: „Ich glaube wohl behaupten zu -können, daß das Regiment seine Pflicht getan hat.“ -</p> - -<p> -Das glaube ich auch! -</p> - -<p> -Hoch das Regiment! -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="GEFANGENEAUSDERARRASSCHLACHT"> -<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a> -Gefangene aus der Arrasschlacht -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">S</span><span class="postfirstchar">ie</span> stehen in einer Reihe, wie die Orgelpfeifen, dicht -neben dem Misthaufen des Bauernhofes. Der größte -rechts, seine zwei Meter hoch, der kleinste am linken -Flügel, immer noch gut einen Meter fünfundsiebzig. -Es sind prächtige Burschen, wie man sie sonst nur bei -Hagenbeck sieht. Sie stecken in graugelben Khakiuniformen, -graue Wickelgamaschen, derbe Rohlederstiefel, -alles ohne Tadel. Auf den schmalen Schädeln tragen sie -Turbane, ein verblaßtes Zitronengelb, einzelne ein verstaubtes -Blaugrau. Übrigens sind es keine faltenreichen, -schwellenden Turbane, sondern Tuchstreifen, -die eng um den Kopf geschlungen sind und den Turban -nur noch andeuten. Ihre Gesichter sind scharf und fein -geschnitten, von der edlen Färbung gedunkelten Elfenbeins. -Die Sonne glänzt auf ihren Stirnknochen. Ihre -Augen sind tiefbraun, glänzend und unergründlich wie -Tieraugen. Die vollen Lippen sind bläulich und grau. -Ihre langen, sehnigen, braungelben Hände liegen an -den Hosennähten, Nase geradeaus. -</p> - -<p> -„Was für Leute seid ihr? Regiment?“ – „Kiff, Kiff!“ -</p> - -<p> -„Französisch, spanisch, englisch? Was versteht ihr?“ -</p> - -<p> -„Kiff, Kiff!“ -</p> - -<p> -Kiff bedeutet eins – erstes Regiment. -</p> - -<p> -„<span class="antiqua" lang="fr">Français?</span>“ -</p> - -<p> -Der blaßgelbe Turban schüttelt sich. Der Adamsapfel -zuckt, ein Maul voller Zähne, eine rollende Zunge, die -Kehle kracht und schnarrt: <span class="antiqua" lang="fr">marrrroc – maroc</span>. <span class="antiqua" lang="fr">Eh -bien</span>, es sind Marokkaner. Sie verstehen keine Silbe -<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a> -Französisch, und es ist nichts aus ihnen herauszubringen. -Wie Statuen stehen sie, Hände an der Hosennaht, Nase -geradeaus, und es ist unmöglich, ihre Erstarrung zu -lösen. -</p> - -<p> -Sie sind Automaten. Die Zivilisation hat sie an ihre -Brust genommen und ihnen beigebracht, wie man vor -dem weißen Mann stramm zu stehen habe. Die Dressur -erstreckte sich auf die Künste der Zivilisation, auf rechtsum -und linksum, das Abfeuern des Gewehrs, und damit -hatte die Zivilisation ihre Aufgabe erfüllt. Sie waren -mechanische Puppen geworden, und nichts in der Welt -konnte sie wieder in Menschen zurückverwandeln. Sie -standen wie Säulen und wagten keinen Finger zu rühren, -denn bei Gott, was konnte der weiße Mann tun, wenn -sie es wagten? Er konnte sie mit einem Fußtritt auf -den Misthaufen befördern, er konnte – ja, was konnte -er nicht? Man sah es ihnen an, daß sie die Zivilisation -des weißen Mannes begriffen hatten! Ihr Gott war -der Korporal. -</p> - -<p> -Dabei hatten sie Namen wie in den Märchen. Mohammed -ben Abdel Kader! Jeder Name ein Fürst! Sie -stammten aus Casablanca, Sous-Maroc, Mogador. -Sie hatten keine Vorstellung, wo sie sich befanden, ihre -Gehirne träumten, aber sie wußten, daß der weiße Mann -sie hinschicken konnte, wohin er wollte, denn sie waren -wilde Völker, Kiff, Kiff. -</p> - -<p> -Um die Handgelenke, sehnig und edel wie die Fesseln -von Tigern, trugen sie dünne Kettchen und daran hingen -die Erkennungsmarken, Name, Regiment, Heimat, -Nummer. Es waren kokette Armreife, anmutige Geschenke -<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a> -der Zivilisation, die sie, die Zivilisation, für ihre -Register und Bücher nötig hatte, wenn man die gelben -Kadaver in die Massengräber fegte. -</p> - -<p> -Mitten in der Reihe der gelben Automaten stand ein -Franzose. Auch er stand in militärischer Haltung, aber -man sah auf den ersten Blick, daß er keine Maschine, -sondern ein Mensch war. Seine Haltung war locker, -frei und würdig. Sie waren Statisten auf dem Kriegsschauplatz, -er war Soldat. Sein Kopf war rund wie eine -Kugel, gespickt mit blonden Haarstoppeln, oben und -unten, sein Blick blau und seine Backen rot. Er war ein -guter Bursche, der typische <span class="antiqua" lang="fr">bon garçon</span>, Spaßvogel und -pfiffiger Junge in einer Person. Noch war er ein wenig -eingeschüchtert durch das Unglück, das ihn betroffen -hatte, aber das würde sich bald wieder geben, keine -Sorge. -</p> - -<p> -Wieso er hierher käme? – Oh, ja, <span class="antiqua" lang="fr">pardon</span> – seine -Hände lösen sich, denn er brauchte sie zum Sprechen – -er hatte eben Pech! Nichts andres. „<span class="antiqua" lang="fr">Que voulez-vous, -monsieur?</span>“ Er war Koch und arbeitete in der berühmten -Zuckerfabrik zwischen Souchez und Ablain. Er steigt -also vom Garten aus in seine Küche hinunter, um anzufangen. -Zwei deutsche Gefangene sitzen da unten im -Keller, sonst aber ist niemand zu sehen. Das ist ein -bißchen merkwürdig, nicht wahr? Also steigt er die -Treppe hinauf, und die zwei deutschen Gefangenen begleiten -ihn, da sie ja nichts zu tun haben. Kaum aber -stecken sie die Köpfe in den Korridor – na, was sagst du -dazu: die Deutschen sind da! – Man kann es nicht -leugnen, das ist solides Pech! -</p> - -<p> -<a id="page-76" class="pagenum" title="76"></a> -Der Koch zieht den Kopf zwischen die Schultern und -breitet die Arme aus. „<span class="antiqua" lang="fr">Eh, bien! Que voulez-vous</span> ...“ -</p> - -<p> -„Können Sie sich denn mit diesen Gelben hier verständigen?“ -Ein Blick, ein Ruck, ein verächtliches Achselzucken: -„Mit diesen Gelben? Kein Wort, mein Herr!“ – -</p> - -<p> -Man weiß, daß wir in diesen Kämpfen bei Arras -fünfzehnhundert Gefangene gemacht haben. Heute -sind es schon mehr. Das ist eine hübsche Anzahl, wenn -man sich daran erinnert, daß wir uns rein defensiv verhielten, -und für den Westen ist es ein großer Erfolg. -Denn hier regnen die Regimenter nicht von den Bäumen -wie in Rußland, sie hocken zäh in ihren Dachsbauten und -jeder Mann muß sozusagen einzeln geholt werden. -Die Fünfzehnhundert sind längst abtransportiert, aber -heute nacht sind neue eingebracht worden, und ich besuchte -sie in einem Nebenhofe der Kaserne. Im eigentlichen -Kasernenhof exerzieren ein paar Kompanien -unsrer Feldgrauen, und hier, drei Schritte davon entfernt, -kauern sie, die gestern noch kämpften, und denen -man die Waffe aus der Hand nahm. -</p> - -<p> -Es sind ungefähr fünfzig. Sie sitzen und liegen in -der Sonne, mit Schmutz und Blut bespritzt, so wie die -Schlacht sie auslieferte. Einzelne starren bis hinauf zur -Brust von trockenem Lehm. Der eine und der andre hat -einen Verband, eine leichte Verletzung an der Hand, -am Kopf. Einer sitzt mit dem Rücken gegen die Wand -gelehnt, starrt zum Himmel und friert trotz der höllischen -Hitze. Die meisten aber haben sich schon wieder zurechtgefunden, -ihr Blick ist klar und ruhig. Nur zwei, drei -rote Hosen sind darunter. Alle andern stecken in taubengrauen -<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a> -oder, wenn man will, taubenblauen, langen -Röcken aus solidem filzartigen Tuch, die taubengraue -Mütze auf dem Kopf. Es sind Elitetruppen. -</p> - -<p> -„Die Leute über vierzig sollen vortreten!“ Sie -kommen heran, sechs, acht, zehn. Aus fünfzig! Gott -weiß, ob sie alle über vierzig sind, vielleicht denken sie, -hier werden an ältere Semester Zigaretten oder Vergünstigungen, -man kann es nie wissen, verteilt. Jedenfalls -aber sind sie alle keine jungen Leute mehr, manche -sind schon grau. Ich bin so überrascht, so erschüttert, -daß ich keine Worte finde. Wie fürchterlich muß der -Krieg unter Frankreichs Männern gewütet haben, daß -sie hier stehen, zehn aus fünfzig, Familienväter, Ergraute -und Gealterte. Sie sind alle gefaßt und wissen -sich zu benehmen. Die meisten von ihnen sind Bauern -und Handwerker. Ja es war furchtbar! Es war das -furchtbarste Feuer, das man sich vorstellen kann. Sie -wurden abgeschnitten von einem Riegel trommelnder -Granaten. Sie haben genug! „Ja, mein Herr, man -schlägt sich, man ist nicht gerade feige, man kämpft für -sein Vaterland, das man liebt, wie Sie das Ihrige -lieben, man schlägt sich bis zum letzten Atemzug – -aber was zuviel ist, ist zuviel. Die menschlichen Nerven -sind nicht berechnet für Explosionen dieser Gewalt. -Nein, es war genug, genug, zuviel, zuviel. Ich war in -der Champagne, im Frühjahr, bah, nichts gegen diese -Kämpfe! Nichts! Ich kann Ihnen sagen – nein, es -gibt keine Worte, um das zu schildern ...“ -</p> - -<p> -„Sie haben schwere Verluste gehabt?“ -</p> - -<p> -„Ho, ho, ho!! Schwere Verluste! Hatten wir nicht -<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a> -schwere Verluste? Ja, mein Herr, wir hatten fürchterliche -– aber auch Sie, auch Sie hatten schwere Verluste, -Sie können es nicht leugnen. Was für ein Krieg!“ -</p> - -<p> -Einer, ein Hagerer, Langer, mit krankem gelben Gesicht -und entzündetem rechten Auge, schüttelt unausgesetzt -verstört den Kopf. Furchtbares Feuer – er -schüttelt den Kopf, schwere Verluste – er schüttelt den -Kopf, genug, genug, er schüttelt den Kopf und hustet -dabei. Ja, gewiß, genug, genug. Er ist noch ganz -vernichtet. Er spricht nichts, aber er bestätigt, er unterstreicht. -Er ist ein trauriges, melancholisches Echo. -</p> - -<p> -Ein Granatsplitter fegte an seinem Gesicht vorbei, -nahm ein Stückchen der Braue mit, ein kleines Eckchen -des Lides und eine Spur des Nasenrückens. Ich beglückwünsche -ihn, ein wenig tiefer und was wäre aus -Ihnen geworden? -</p> - -<p> -Aber er schüttelt den gelben Kopf und blickt mich mit -seinen kranken Augen an. Ah, wozu? Für ihn gibt -es keinen Trost. -</p> - -<p> -Es ist nicht leicht, mit Gefangenen zu plaudern. Ein -Wort, ein Blick, eine Änderung der Haltung und ihr -Vertrauen ist wie weggeblasen. Sie stoßen einander an, -sie starren auf den Sprecher, daß er verstummt, sie schweigen. -Dann ist es vorbei, nichts kann mehr ihre Zunge -lösen. Man muß es fühlen, wenn dieser Augenblick droht, -und dem Gespräch eine neue, harmlose Wendung geben. -</p> - -<p> -Die Geschichte mit den „schweren Verlusten“ war der -kritische Moment. Der Sprecher hatte zuviel gesagt, -obwohl er ja nichts verriet, sie fühlten es, und weil sie -es fühlten, fühlte er es auch. Sie erkalteten. -</p> - -<p> -<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a> -„Ihr habt euch bewunderungswürdig geschlagen!“ -sage ich. Sie rekeln sich, bescheiden, verlegen, sie schweigen. -</p> - -<p> -Ich greife mir einen Mann heraus, der einen dünnen, -schäbigen Leinwandkittel anstatt des Blaugrauen trägt. -</p> - -<p> -„<span class="antiqua" lang="fr">Et toi, mon ami</span>, wie siehst du aus?“ -</p> - -<p> -Die Kameraden, die Blaugrauen und Eleganten -lachen. Wie er sich schämt, es ist rührend. Er blickt auf -sie, auf mich, er windet sich vor Feinfühligkeit. Er stellt -mit der ausgebreiteten Hand eine Grenze her zwischen -den Kameraden und mir: „Mein Herr!“ -</p> - -<p> -Ja, eine Granate hat ihn ausgezogen. Er flog in -einen Granattrichter, sein Rock verbrannte und die -Lumpen fielen ihm von den Schultern. Ebenso erging -es seinen Pantalons. Es ist nur gut, daß es warm ist! -Er deklamiert und seine Kameraden lachen. -</p> - -<p> -„Sie sind ein tapfrer Soldat wie die andern. Es ist -ja ganz egal, wie Sie aussehen.“ -</p> - -<p> -„Ja, aber es ist nicht schick!“ -</p> - -<p> -Das Mißtrauen ist verschwunden. Sie fragen, wohin -man sie wohl bringen wird? Ob sie ihren Angehörigen -Nachricht geben können? „Ich bin von Roubaix, kann -ich nicht an meine Frau schreiben? Ich konnte ihr seit -dem Herbst keine Nachricht geben.“ – Ich will mit dem -Offizier sprechen. -</p> - -<p> -Einen Trost, einen gewichtigen und wunderbaren -Trost kann man Gefangenen immer geben: „Der Krieg -ist für euch zu Ende!“ -</p> - -<p> -Ihre Blicke ruhen stumm und klar auf mir. Diese -Blicke sollen sagen: Nennen Sie es einen Trost, gefangen -zu sein? Wir sind Soldaten, viel lieber möchten -<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a> -wir für unser Land weiter kämpfen! Sie sind stolz, und -sie möchten nicht, daß ein Fremder ihre Freude sähe, -daß die Sache ein Ende habe für sie und daß sie – -lebten. Aber sie nicken und ihre Mienen erheitern sich. -Der Verstörte schwingt den gelben Kopf und stößt einen -tiefen Seufzer aus, während er die Finger krampfhaft -ineinander flicht. Ja, ja, ja ... -</p> - -<p> -Aber der im Leinenkittel lacht über das ganze Gesicht -und strahlt vor Entzücken: „Ja, Gott sei Dank, mein -Herr, der Krieg ist für uns zu Ende!“ -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIEGEWITTERSTADT"> -Die Gewitterstadt -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">S</span><span class="postfirstchar">eit</span> vielen Wochen hat Douai Gewitter. Es sind Gewitter -jeden Formats, fürchterliche, wovon die Stadt -erzittert, und harmlosere, die nur leise knurren. Sie -währen Tag und Nacht. Sie ziehen in Rudeln um die -Stadt, prallen aufeinander, toben und poltern, im -grauen Morgen rumoren sie ferner, mit jeder Stunde -des Tages aber kommen sie wieder näher. Am Abend -wüten sie am lautesten. Dabei ist der Himmel über -den Dächern der Stadt blau und heiß. -</p> - -<p> -Eines Nachmittags zog ein wirkliches, ein natürliches -Gewitter über die Stadt herauf, aber es konnte nicht -aufkommen gegen die Konkurrenz, es brummte ein -bißchen und war wieder weg. -</p> - -<p> -Die Kanonen von Arras, Loretto und Souchez aber -schlugen weiter, dumpf und zornig, wie seit Wochen. -Die Bewohner von Douai kennen es nicht anders, sie -<a id="page-81" class="pagenum" title="81"></a> -gehen mit Kanonenschlägen zu Bett. Wie der Müller -erwacht, wenn das Rad stehen bleibt, so werden Douais -Bürger einmal erschrocken auffahren, wenn der Geschützdonner -plötzlich schweigen sollte. -</p> - -<p> -Jeden Tag aber, einmal, zweimal und öfter, löst sich -aus dem großen Gewitter ein kleines Separatgewitter -los und erscheint direkt über der Stadt. Dann kracht -und poltert es ganz in der Nähe, die Stadt selbst kracht. -Douai bekommt Besuch. Der fällige Flieger erscheint, -klein und golden wie eine Mistfliege, um nachzusehen, -ob Douai noch steht, um seinen Landsleuten ein paar -Bomben auf die Köpfe zu schmeißen und um nach Neuigkeiten -in den Straßen und auf dem Bahnhof zu schnüffeln. -Dann sieht man die Schrapnelle oben im heißen -Blau des Himmels platzen. Man sieht die weißen -Schrapnellwölkchen, während man seinen Kaffee trinkt, -und man sieht sie, wenn man zufällig einmal den Kopf -zum Fenster hinaussteckt. Der Flieger gehört hier zum -täglichen Brot, wenn man so sagen kann. Einmal kamen -sie in der Nacht und warfen achtundsechzig Bomben; -sie warfen neulich fünfzig auf den Flugplatz bei der -Stadt, ohne eine Katze zu treffen, sie warfen wiederholt -auf den Bahnhof; man ist hier nie ganz sicher, ob nicht -eine Bombe unterwegs ist. Vor drei Tagen warfen sie -Zeitungen herunter, eine gutgemeinte Aufforderung -an unsre Soldaten, nach Hause zu gehen, da ja nun auch -Italien das Messer für sie wetze ... -</p> - -<p> -Seit einigen Tagen kommen sie seltener, und wenn sie -kommen, fliegen sie in Rekordhöhe. Sobald sie gemeldet -werden, erscheint der deutsche Kampfflieger über -<a id="page-82" class="pagenum" title="82"></a> -der Stadt, der <em>Luftpolizist</em>. Er brummt hoch über den -Dächern dahin, zieht weite Kreise um den Beffroi, dann -stellt er den Motor ab und sticht wie ein Habicht in die -Tiefe, um zu landen. Ein paar Minuten später ist er -schon wieder oben und brummt. Zwei Franzosen hat -er in den letzten Tagen ohne viele Umstände abgeschossen. -Ich habe die Luftpolizisten gesehen und auch die Maschine. -Sie haben mir ihre Schliche erklärt und den Apparat -vorgeführt. Es sind reizende Leute, aber ich möchte -ihnen nicht da oben begegnen, so in 2000 Meter Höhe. -</p> - -<p> -Das große Gewitter aber grollt weiter, während die -Abwehrkanonen knallen. -</p> - -<p> -Douai ist eine mittlere Provinzstadt, mit einem rechteckigen -Marktplatz, wie ihn alle französischen kleinen -Provinzstädte hier im Norden haben. Ein paar Droschken -stehen da, mit jämmerlichen Pferden, ganz wie in Berlin. -Zum Glück haben sie nie etwas zu tun. Ein paar schöne -alte Kirchen, ein hübscher Stadtpark mit ein paar -modernen Denkmälern im Geschmack der Provinz, gewundene, -nicht gerade breite Straßen – schon ist Douai -zu Ende, und die Industrie, die Kohle beginnt. Es gibt -noch prächtige Sachen hier zu kaufen: feinste, allerfeinste -Kuchen, Orangen, Zitronen, Spargel, Artischocken, -Konserven, Butter, Streichhölzer, Tabak, kurz -alles, was ein Europäer nötig hat. Die Leute leiden -keine Not. Unerschöpflich müssen ihre Vorräte und -Reserven sein. Im November war ich hier, und aus -dem Keller eines Händlers wurde ein großes Weinfaß -gerollt und auf einen Wagen geladen. Heute sah ich -aus dem gleichen Keller riesige Fässer rollen. Es ist mir -<a id="page-83" class="pagenum" title="83"></a> -unbegreiflich! Und doch wird hier nicht wenig getrunken, -das kann niemand behaupten. In der Nähe des Rathauses -hat sich eine deutsche Bierhalle aufgetan, aber -fast immer hängt an der geschlossenen Türe ein Plakat: -Ausverkauft! Nur einmal traf ich es glücklich, die -Halle war geöffnet. Die Feldgrauen spülten sich den -Staub hinunter, am nächsten Tage schon wieder: Ausverkauft. -Wie wunderbar und rätselhaft ist dagegen -der Weinkeller des französischen Händlers! Wenn ich -das Faß im November nicht gesehen hätte, so würde ich -gar nichts sagen, aber nun rollen sie hier schon monatelang -Fässer heraus ... -</p> - -<p> -Im Herbst zogen in Douai fünf Feldgraue ein, besahen -sich die Stadt und verschwanden wieder. Ein -paar Wochen später kamen mehr, und nun gingen sie -nicht wieder fort. Die französischen Soldaten, die geflüchtet -waren, verbargen sich in den Häusern und warfen -Uniformen und Gewehre auf die Straße. Welche -Angst, welch schreckliche Angst hatten die Leute von Douai -anfangs vor den deutschen Soldaten. Aber es zeigte -sich, daß alles Schwindel war. <span class="antiqua" lang="fr">Les journaux!</span> Nichts -begeistert die Franzosen mehr, als sich tüchtig belügen zu -lassen. Die Lüge ist Phantasie, Rausch, Genie, die -Wahrheit ist allzu nüchtern. Kurz und gut, Douai setzte -seine Papiergeldpresse in Bewegung und damit war die -Sache im Gange. Unsre Verwaltung ist einsichtsvoll -und der Bürgermeister ist vernünftig, also wurden -größere Reibungen vermieden. Douai hat sein Schicksal, -aber man muß gestehen, es trägt es mit Würde. Die -Leute sind höflich und taktvoll, sie haben sich an die Feldgrauen -<a id="page-84" class="pagenum" title="84"></a> -gewöhnt. Ja, eines Tages, eines Tages werden -sie ja doch wieder verschwinden. Es ist nicht für ewig. -</p> - -<p> -„<span class="antiqua" lang="fr">La guerre est triste, pour nous, pour vous, pour tout -le monde!</span>“ Jedermann gebraucht hier diese Redensart, -der Kaufmann, die Verkäuferin, der Kellner. Sie leiern -diese Phrase ohne jede Betonung und ohne zu denken -herunter, wie einen Spruch, den man hundertmal am -Tage hersagt. -</p> - -<p> -Oder: „<span class="antiqua" lang="fr">Oh, cette guerre, quand sera-t-elle finie?</span>“ – -Gott allein weiß es. (Origineller drückte sich ein Kellner -aus: „Dieser Krieg ist eine internationale Schweinerei, -mein Herr, ich bin Kosmopolit!“) -</p> - -<p> -Mitte Mai hatte Douai seine großen Tage. Es war -in der Zeit der wütenden französischen Vorstöße. Man -buk Kuchen und band Blumensträuße. Auffallend viele -Zylinder und schwarze Gehröcke erschienen in der Straße. -Der Bürger schnupperte in der Luft. Man wartete! -Joffre hatte gesagt (so erzählt man!), er hatte gesagt, -er werde am 12. in Douai soupieren. In Lens wollte -er frühstücken und am Abend des gleichen Tages, wie -gesagt, in Douai soupieren. Er sagte nicht: ich komme, -sondern er sagte ausdrücklich, er wolle am 12. in Douai -soupieren, obwohl es doch eigentlich selbstverständlich ist, -daß er speisen würde, wenn er käme. Wie, wo, wann -und zu wem er es gesagt hatte, wußte niemand. Aber -daß er käme, das stand fest. -</p> - -<p> -Es ist begreiflich, daß sich in einer seit sechs Monaten -besetzten Stadt die Nervosität bis zur äußersten Spannung -steigern kann. Nun, Joffre kam nicht. Er kam -nicht am 13., 14., 15. Die Zylinder verschwanden langsam, -<a id="page-85" class="pagenum" title="85"></a> -und heute habe ich nur noch zwei gezählt. Douai -sank ermattet in seine Resignation zurück, und heute -glaubt es nicht mehr, daß Joffre in der nächsten Zeit -kommen werde. Nein, ich sah es Douai deutlich an. -</p> - -<p> -Heute braust und donnert Douai vom kriegerischen -Lärm eines Heeres, das Menschen, Material und Energie -im Überfluß hat. Es ist eine der lautesten Städte -Europas, und die Rue St. Jacques schlägt spielend die -großen Pariser Boulevards in der Hochsaison. Die Gewitterstadt -rasselt und bebt in einer Atmosphäre von -Krieg. Lastautos poltern vorüber, Automobile schnarren, -zwitschern und trompeten. Regimentsmusik, laut und -breit. Zwei Bataillone Feldgrauer marschieren vorbei, -frisch gewaschen, ausgeruht, mit hartem, tapfrem Tritt, -der weder Erschöpfung noch Müdigkeit zeigt. Es sind -jene Bataillone, die Joffre daran hinderten, in Douai -am 12. zu soupieren, sie lagen oben auf der Lorettohöhe. -Frisch und guter Laune sind sie – denn sie leben! Ein -Auto schnarrt vorbei: zwei blaugraue Offiziere sitzen -darin. Französische Fliegeroffiziere, die gestern bei -Vimy abgeschossen wurden. Dann kommen Kolonnen, -endlose Kolonnen, von schweren Bierbrauerpferden gezogen, -die mit den Hufen Funken aus dem Pflaster -schlagen. Sie nehmen kein Ende, und alle Fensterscheiben -der Rue St. Jacques klirren. Tag und Nacht -gibt es hier keine Ruhe. -</p> - -<p> -Im Hotel du Cerf – ein vernachlässigtes, schmutziges, -ödes Hotel, das ich hiermit verfluche! – spielen ein paar -Kriegsfreiwillige, noch den Schmutz der Gräben an -den Stiefeln, einen flotten Tango, in einer Nebenstraße -<a id="page-86" class="pagenum" title="86"></a> -marschieren Soldaten und singen ein fröhlich schallendes -Lied. Plötzlich knallt es: ein Flieger. -</p> - -<p> -In das ewige Getrappel der Pferde und Tuten der -Automobile tönt getragene Musik. Der Chopinsche -Trauermarsch. Ein Major wird zur letzten Ruhe geleitet. -Wieder tuten und trompeten die Autos. Am -Abend gehe ich selbst hinter dem Sarg eines gefallenen -jungen Offiziers her zum Bahnhof. Ein Güterwagen -nimmt den Sarg und die Blumen auf. Daneben steht -eine Lore mit einem neuen Geschütz. Heute mittag -passierte uns, nicht mir, eine äußerst peinliche Sache. -Wir waren, ein paar Bekannte und ich, beim Delegierten -des Roten Kreuzes zum Frühstück geladen. Wir -wußten, daß ein junger Offizier gefallen war, der den -Namen eines bekannten Sportmannes trug, aber wir -wußten nicht, war es der bekannte Sportmann selbst -oder sein Bruder. Ein Herr fragt bei Tisch: „Ist der -bekannte Sportmann gefallen oder sein Bruder?“ -Der Wirt sieht den Fragenden an und deutet auf einen -anwesenden jungen Offizier: „Hier sitzt der Bruder des -Gefallenen. Er ist der bekannte Sportmann.“ -</p> - -<p> -Ja, man soll hier außen nie derartige Fragen stellen. -</p> - -<p> -An diesem Abend trafen wir in der Rue St. Jacques -einen Dragoner, der in hohen Stiefeln dahinstampfte -und lustig pfiff. Was pfiff er? Den Chopinschen Trauermarsch. -Wir fragen: „Sagen Sie mal, was pfeifen Sie -eigentlich da?“ -</p> - -<p> -Der Dragoner geschmeichelt, verlegen: „Es ist so ne -neue Sache. Das Neueste, das man hat, von Berlin in -den Theatern –“ -</p> - -<p> -<a id="page-87" class="pagenum" title="87"></a> -Ein merkwürdiges Pflaster, dieses Douai! – Wenn -die Sonne untergeht und die Lichter des Himmels verlöschen, -versinkt die Gewitterstadt in Dunkelheit, in -rabenschwarze Nacht. Die Estaminets, die kleinen Gastwirtschaften, -die kleinen Cafés schließen. Kein Licht, -kein Mensch, kein Hund. Der Beffroi, die Kirchen, -Giebel, Bäume ragen schwarz und stumm zum Himmel -empor. Eine <em>verkohlte</em> Stadt. Geht man über den -Marktplatz, so schallt es, als käme eine Kompanie daher, -und man erschrickt, solch einen furchtbaren Lärm zu -machen. Man ist verloren und auf den „Cerf“ angewiesen. -Hier ist wenigstens Licht. Aber es kommt vor, -daß auch hier das Licht plötzlich ohne jede Warnung ausgeht -und man eine Stunde im Dunkeln sitzt. Ein Flieger -ist irgendwo. Die Wachen klappen auf ihren schweren -Stiefeln draußen vorbei, Autos ohne Lichter schleichen -dahin. Es knarrt von Rädern, Kolonnen, Transporte -von Verwundeten. Douai ist tot. Aber horch! -</p> - -<p> -Um so lauter und härter rollt der Donner der Geschütze. -Wie die Brandung des wilden, nächtigen Meeres -an einer schrecklichen, öden Küste. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIEKYYMPFEBEIMOULINSOUSTOUVENT"> -Die Kämpfe bei Moulin-sous-Touvent -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">er</span> Franzmann – so nennen die Frontsoldaten den -Franzosen – der Franzmann versucht sein Heil an verschiedenen -Stellen, die ihm einige Aussicht auf Erfolg zu -bieten scheinen. Seit sechs Wochen trommelt er oben -bei Arras, und am 16. und 17. Juni sah es dort aus, -<a id="page-88" class="pagenum" title="88"></a> -als wolle er Frankreich in Grund und Boden schießen. -Er hat keine Zeit mehr zu versäumen, das weiß er recht -wohl. Vorwärts, Regiment um Regiment wirft er -gegen die Gewehre, jeder Schritt kostet ihm Tausende. -Bei Arras verbiß er sich, er kam nicht weiter, und so -versuchte er es an andrer Stelle. Bei Moulin-sous-Touvent, -etwa zwanzig Kilometer nordwestlich von Soissons. -Er wollte durch, er wollte zum mindesten Truppen -und Geschütze fesseln, abziehen von da oben, und er ging -mit großartiger Energie zu Werke. Es war umsonst. -Er gewann einen Graben, aber er bezahlte ihn zu teuer, -viel zu teuer. Man legt sich hundert Meter dahinter, -und nun liegt man wieder mit geschliffenen Zähnen, -die Maschinengewehre stehen an ihrem Platz, Gräben, -Drahtverhaue, alles wie früher. -</p> - -<p> -Die Kämpfe aber waren furchtbarer, als die paar -Zeilen in den Wolff-Telegrammen es ahnen lassen. Sie -waren ein kleines Arras, ein Stück Arras, es ging hier -zu ganz wie da oben bei Souchez und Neuville. Aber -die gleichen Leute wie bei Souchez und Neuville standen -auch hier, und sie stehen überall an der Front, wo Joffre -anklopft. Je näher man unsre Leute kennenlernt, desto -mehr überraschen sie. Sie waren niemals weich, o nein, -aber der Krieg hat sie stahlhart geschweißt. Sie sind -braun und hart wie Erz. Sie waren tapfer, nun aber, -nach langen Monaten, sind sie unüberwindlich. Jeder -einzelne ist ein Panzerturm für sich, ein Graben mit -Drahtverhauen ringsum, und jeden einzelnen Mann -muß Joffre einzeln mit Granaten zusammentrommeln, -anders geht es nun nicht mehr. Sieht man einen Kanonier -<a id="page-89" class="pagenum" title="89"></a> -in seinen schweren Stiefeln, so scheint er selbst wie -ein Mörser zu sein, ein Mörser, mit dem nicht zu spaßen ist. -Ein Schrapnell zerspritzt vor der Batterie, der Hauptmann -schreit: „Weg da!“ Der Kanonier rührt sich nicht: -„Wegen mir, Herr Hauptmann, da muß schon ne Lage -kommen.“ Ja, Kerle sind sie, das muß man sagen! -</p> - -<p> -Wären sie anders, dann wäre es bei Arras und -Moulin-sous-Touvent nicht so gegangen! Hundert -Meter zurück und alles wie früher, nein ... denn er, -der Franzmann, ist ein Gegner, vor dem man den -Degen senken muß. Im Friedhof zu Anizy-le-Château -ruht ein französischer Batteriechef, der Kapitän Lerroy -Beaulieu. Seine Batterie war zerschossen, die Mannschaft -tot, ganz allein bediente er noch das letzte Geschütz, -und dann feuerte er mit dem Revolver auf unsre stürmenden -Grauen. Ein Hurra unsern Grauen, ein Hurra -dem Kapitän Lerroy Beaulieu! Solche tapferen Leute -haben sie viele da drüben. Nicht wir allein besitzen sie, -es wäre falsch, das zu denken. -</p> - -<p> -Ich habe einen Oberleutnant gesprochen, der bei -Moulin-sous-Touvent in den letzten vierzehn Tagen ununterbrochen -kämpfte. Er war lang und hager, sein Gesicht -scharf und kantig gemeißelt. Seine Augen stahlhart, -und immer zeigte er ein wenig die obern Zähne. Er -war nicht gerade elegant, aber er legte auch keinen Wert -darauf. Sein langer, grauer Mantel war an einzelnen -Stellen abgeschliffen, voller Falten, und schimmerte -von den Farben der Erde und des Grases und einem -sonderbaren Rostrot. Die ganzen vierzehn Tage hatte -er kaum ein Auge zugemacht, hier und da zehn Minuten, -<a id="page-90" class="pagenum" title="90"></a> -das war alles. Es ging nicht anders! Sie hockten in -rasch aufgeworfenen Gräben, aber er hatte keine Zeit, -an sich selbst und die persönliche Gefahr zu denken. Es -gab zu tun. Die Truppe, nichts andres als die Truppe! -Kein andrer Gedanke. Er ist der Kopf und das Herz -der Leute. Man darf nicht vergessen, daß die Flagge, -die schwarzweißrote Flagge des Reiches, unsichtbar all -die vierzehn Tage und vierzehn Nächte über seinem Kopfe -und seiner schiefen, verknüllten und staubigen Mütze -knatterte, das darf man nicht vergessen – anders wäre -es ihm und den andern wohl nicht möglich gewesen, die -vierzehn Tage und Nächte auszuhalten. -</p> - -<p> -So war es also bei Moulin-sous-Touvent, und so ist -es zum Teil noch heute. -</p> - -<p> -Am 5. Juni nachmittags begann der Franzose zu -trommeln, und er trommelte volle drei Stunden lang. -Am 6., am Sonntag, trommelte er weiter von sieben -Uhr bis zehn, ein halb elf. Die Drahtverhaue müssen -eingetrommelt sein, die vordersten Gräben, denn anders -ist ein Sturm unmöglich, will man nicht, daß ein -ganzes Regiment in den Drähten hängen bleibt. Dazu -hielt er alle Zugänge und Verbindungswege unter -Feuer, damit niemand vor und zurück konnte. So ist -es jedesmal, die Taktik steht fest. Dieses Wirbelfeuer -war das fürchterlichste, das mein Oberleutnant je erlebte. -Und dann kamen die Schwarzen angefegt! Das -Plateau ist eben, Gras und Halme, so kamen sie heran, -die schwarzen Kugelfänger der Franzosen, die den ersten -Regen von Geschossen mit ihren dicken Mäulern schlucken -sollen. In einer Breite von zwölfhundert Metern, in -<a id="page-91" class="pagenum" title="91"></a> -mehreren Kolonnen, kamen sie näher. Erst die Granaten, -dann die Schwarzen, es ist immer das gleiche -Rezept. Der Franzose weiß wohl einen Unterschied -zwischen Schwarz und Weiß zu machen! O, ganz gewiß. -Afrika <em>brütet</em>. Die dunkelhäutigen Mütter sind Tiere, -die Junge werfen, und die dunkelhäutigen Mütter haben -keine Augen, um Tränen zu vergießen. Nein! Dein -schönes, edles Antlitz, Frankreich, auf das du so stolz -bist, und das du so gern bewundern läßt, es ist geschändet. -In deinen Salons und Parlamenten, in -denen so viel gesprochen wird von Menschenwürde, -Menschlichkeit und Gleichheit und ähnlichen Dingen, -wird für ewig ein Gestank sein, der Gestank von hunderttausend -schwarzen, faulenden Kadavern, die du in diesem -Kriege zynisch geschlachtet hast. Nie, nie wirst du diesen -Gestank mit deinen Parfümen ersticken können, niemals, -du weißt es wohl! Wohlgemerkt, ich habe deinem -tapfern Kapitän Lerroy Beaulieu ein Hurra gebracht, -denn ich liebe und bewundere ihn, er ist das Frankreich -von einst, aber ich verabscheue dich, wenn du, roh und -schamlos, die Peitsche des Tierbändigers schwingst. -Afrika wird dir nie vergeben, denke an mich! Es wird -dir ja nicht gelingen alle Schwarzen abzuschlachten, und -einige werden wohl oder übel zurückkehren in ihre Dörfer. -Sie sprechen deine Sprache nicht, aber dort können -sie sich verständlich machen, und man wird sie verstehen. -Man wird dir die Rechnung vorlegen, und du wirst erbleichen, -denke an mich! Sie werden deine Bataillone -niedermetzeln und ihre Köpfe auf Spieße stecken. Dann -wirst du schreien, sie sind Tiere, und das unwissende, belogene -<a id="page-92" class="pagenum" title="92"></a> -und verlogene Europa wird dir glauben, daß sie -Tiere sind, und vor Empörung beben. -</p> - -<p> -Kurz und gut, die Schwarzen müssen vor! Ein -gerader, nicht mißzuverstehender Blick ins Auge, ein -Griff an den Revolver – du verstehst mich wohl! – -Maschinengewehre im Rücken, der Schwarze versteht. -Er schnellt vor wie ein Tier, das um sein Leben läuft, -Maschinengewehre voraus, Maschinengewehre im Rücken, -der Todesschweiß glänzt auf den dunkelhäutigen Gesichtern. -</p> - -<p> -So kamen sie heran bei Moulin-sous-Touvent in -den heißen Stunden der Schlacht. Sie fielen wie Hammel, -in die der Blitz schlägt. Dann erst fluteten die -Wellen der französischen Infanterie heran. Die Übermacht -war so groß, daß es Wahnsinn gewesen wäre, -sie in zerschossenen Gräben und Granattrichtern zu erwarten. -Man ging zurück. Aber die flankierenden -Gräben standen wie Festungen und gaben Flankenfeuer. -Verlängerungen wurden vorgetrieben, um die -Flankenstellungen auszudehnen. Die Schlacht war im -Gange. Reserven kamen blitzschnell heran, vorwärts, -Sturm! Um sechs Uhr abends war der Feind wieder zurückgeworfen. -Was er noch hielt, waren zwei zusammengetrommelte -Gräben von etwa hundert Meter Tiefe. Die -ganze Nacht hagelten die Granaten bis acht Uhr morgens. -Die Kämpfe wogen hin und her. Die Gewehre peitschen, -die Maschinengewehre hämmern, Minen, Handgranaten. -Unsre Grauen hocken in rasch aufgeworfenen -Gräben, Sandsäcke vor, es ist heiß, staubig und stickig. -Sappen, Gräben, man beißt sich langsam durch die -<a id="page-93" class="pagenum" title="93"></a> -Erde näher. So geht es fort, ohne Pause, bis zum 14. -Es ist immer das gleiche. Das heißt, es ist immer <em>gleich -furchtbar, gleich blutig</em>, es erfordert immer den -gleichen Mut, die gleiche Ausdauer, die gleiche unmenschliche -Anstrengung! -</p> - -<p> -Am 14. abends setzten wir zum Gegenstoß an und -nahmen den Franzosen einen Graben weg. Unsre -Geschütze trommelten nun ihrerseits. Die feindlichen -Reserven wurden zugedeckt. Ein feindliches Bataillon -in Reservestellung geriet, wie Gefangene aussagten, -derart in die Zähne unsrer Haubitzen, daß der Kommandeur -das Kommando: „<span class="antiqua" lang="fr">Sauve qui peut!</span>“ gab. So -ging es hin und her. Am 16. machte der Franzose drei -wütende Vorstöße. Den Tag leitete er mit Wirbelfeuer -ein wie gewöhnlich. Um elf Uhr brach er nördlich von -Moulin bei der Ferme Quennevie vor. Die kleinen -Vorteile, die er dort errang, nahmen ihm unsre Grauen -am Abend wieder ab, und somit war es wieder nichts. -Ein Angriff etwas südlicher scheiterte. Um drei Uhr nachmittags -griff er zum dritten Male an diesem Tage an. -In dichten Kolonnen stürmte er vor, kühn und tapfer, -aber der Sturm brach in unsrem Infanteriefeuer zusammen. -</p> - -<p> -In den ersten Tagen des Angriffs hatte er schwere -Verluste, am 16. aber ungeheure. Ein kleines Grabenstück, -das nicht den geringsten Wert hat, war das Resultat -der vierzehntägigen Schlacht, die, wie mir mein hagerer -Oberleutnant versicherte, heißer war als die Schlachten -bei Soissons und Vailly. Sie ist noch nicht ganz zu -Ende, es flackert immer noch auf da oben – aber eines -<a id="page-94" class="pagenum" title="94"></a> -ist gewiß: so wenig es Joffre gelang bei Arras durchzubrechen, -so wenig gelang ihm sein verzweifelter Versuch -bei Moulin-sous-Touvent. Und er wird ihm nicht -gelingen. Er mag anklopfen, wo er will, immer wird -er auf die gleichen Leute stoßen wie bei Arras und Moulin-sous-Touvent -– ob sie nun sächsisch sprechen oder -bayrisch oder märkisch oder schwäbisch – es sind immer -die gleichen. Es sind Kerle, braun und hart wie Erz. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="GRANATENAUFDIEVORORTEVONSOISSONS"> -Granaten auf die Vororte von Soissons -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">I</span><span class="postfirstchar">ch</span> frage, was hat die Granate dort links mitten im -Feld zu suchen? Sie kam heran, ohne besondern Lärm -zu machen, und klang wie der Abschuß irgendeines der -Geschütze, die hier in der Umgebung stehen und zuweilen -in den heißen Morgen hineinfeuern. Unsern Ohren -muß der Krach anscheinend aber doch nicht geheuer vorgekommen -sein, denn instinktiv drehten wir alle den -Kopf. Nun raucht sie in der grellen Sonne wie der -Qualm eines Kartoffelkrautfeuers. Ein Reiter trabt -auf seinem Pferd feldein. Er reitet in einer Mulde und -ist vom Feind nicht einzusehen. Plötzlich stutzt er, hält -das Pferd an und betrachtet den grauweißen Rauchklumpen -im Felde, der sich langsam in die Höhe zieht. -Er reitet weiter, hält wieder an, blickt auf den Rauch, -den Himmel, das Feld ringsum und auf unser Auto. -Er dreht bei, siehst du wohl, und macht sich langsam und -in aller Ruhe davon. -</p> - -<p> -Auf dem Felde ist nichts zu sehen, es ist unberührt, -<a id="page-95" class="pagenum" title="95"></a> -hier war nie etwas, weder ein Graben noch eine Batterie. -Ohne Zweifel, die Granate galt uns, aber sie fiel zu -kurz. Wir halten auf der weißen, sonnigen Landstraße, -über das Feld ragen Höhenzüge empor, und dort sitzt -der Franzose mit seinen Fernrohren. Der Hauptmann, -der mich fährt, mager und geschmeidig wie ein Panther, -spitzt die Ohren, horcht auf die Abschüsse und äugt durch -das Monokel auf das öde heiße Feld, um den nächsten -Einschlag zu beobachten. Nichts mehr. Sie wollten -uns nur andeuten, daß sie immerhin noch da seien und -alles sähen. -</p> - -<p> -Wir fahren weiter. Es ist das Prinzip meines Hauptmanns -„lieber etwas zu riskieren, als zuviel zu laufen“. -So sagt er. Gestern schleppte er mich bei einer Höllenhitze -quer über die Abhänge bei Vailly, und hier gab es -Striche, die nackt vor den Franzosen dalagen. Mit dem -bloßen Auge konnten sie uns sehen. Da hieß es dann -trab, trab, eins, zwei, drei, hundert Schritte Abstand -und hinüber. Zuletzt kamen wir auf eine kalkweiße Landstraße -auf der leeren Höhe, von der wir uns wie Tintenflecke -abhoben. Wir mußten schließlich in ein Rübenfeld -hinein und durch die hochgeschossenen Samenstauden -hindurch. Gelb, wie von Insektenpulver zugedeckt, -tauchten wir wieder auf. Selbst das Monokel des Hauptmanns -war gelb. Der Schweiß lief uns übers Gesicht. -Das nannte mein Hauptmann „abschneiden“. -</p> - -<p> -„Lieber ein bißchen riskieren, aber nur keine Umwege.“ -So ist er also und nicht zu ändern. -</p> - -<p> -Diese Felder ringsum, die in der mörderischen Sonne -zittern, sind das Schlachtfeld von Soissons. Soissons? -<a id="page-96" class="pagenum" title="96"></a> -Es klingt schon, als wäre es in einem andern Krieg gewesen. -So lange ist dieser Krieg! Hier gingen sie vor, -im Januar ... Die Felder sind verlassen und öde. Die -Rüben sind ins Kraut geschossen, der Weizen ist von selbst -gewachsen und steht dazwischen in langen Halmen. Ein grellrotes -Feld von Mohn. Verwildert und verwahrlost sehen -diese Felder aus, kein Mensch, kein Tier. Wie ein verfluchtes -Land, das kein Fuß mehr betritt. Die Hitze kocht darüber, -und die Halme stehen regungslos, wie tot. Die -Felder haben einmal den wilden Lärm gehört: Keuchen -und Schreien, Röcheln, Kommando, Granaten und den -lauten Fall von vielen Männern. Nun aber schweigen -sie. Die Toten ruhen unter der Erde. Hier! Sie ruhen -unter der Erde, ja, aber sie sind nicht vergessen! In der -Sonne kann ich sie ja stehen sehen, im grellen, lichten -Tage, die Mütter, Bräute und Schwestern, die hierhergekommen -sind auf diese heißen Felder, ohne Regung -stehen sie und weinen leise und können es noch immer -nicht fassen, daß ihre Lieben unter dieser Erde ruhen. -So stehen sie, die Frauen, ich sehe sie deutlich, und so -werden sie noch viele Jahre stehen und leise weinen, -bis sie selbst in die Erde sinken. Aber noch nach fünfzig -Jahren werden einzelne hier stehen, bis es nach sechzig, -siebzig nur noch eine einzige ist, und auch sie wird in diese -Erde hineinsinken. Und auch dann sind sie noch nicht -vergessen, die Toten von Soissons. Verflucht und verrucht -wäre Deutschland, vergäße es sie je! Einer, nach -tausend Jahren, schlägt ein Buch auf, und was schreit -ihm entgegen? Schlacht bei Soissons, 11. bis 15. Januar -1915, Regimenter, Bataillone, Divisionen, Kommandeure -<a id="page-97" class="pagenum" title="97"></a> -und Generale, der Steinbruch, La Perrière, -Crony, das Zuavenwäldchen – und er, der in einer -glücklicheren Zeit lebt, der Kriege so fern sind wie uns -Hexenverbrennungen, er wird der Toten von Soissons -gedenken. -</p> - -<p> -Die Gräben und Sappen sind überwuchert von -Kräutern und blühenden Wicken. Sie sind heiß wie -Backöfen. Hier ist der Steinbruch, Sandsäcke, Barrikaden, -alles ist noch da. Selbst die Sturmleitern, acht -Meter hoch und sechs Meter breit, stehen noch an Ort -und Stelle. Hier mußten sie hinauf und vor! Hinein -in das zischende Feuer. Hier ist der Verhau des sächsischen -Scharfschützen, der vom grauenden Morgen bis -in die sinkende Nacht hier hockte und gar keine Zeit für -etwas andres hatte, selbst das Essen ließ er sich bringen. -Zerschmetterte Bäume. Ein Haus, durch das ein „großer -Minenhund“ ging und es glatt zerlegte. La Perrière. -Zerschossen und ausgestorben. -</p> - -<p> -„Sehen Sie her, hier unten liegen die Schwarzen!“ -</p> - -<p> -Eine Schlucht wie ein tiefer, runder Brunnen. Ein -breiter Erdhügel hebt sich daraus, nahezu hoch bis zur -Straße, Sand, Erde, Schmutz, Moder. Darunter -liegen sie. Man mußte sie aus dem Wege räumen und -warf sie hinein, die Schwarzen, es waren viele. Chlorkalk -und Erde darauf, und fertig war die Sache. Unten -bei Berry-au-Bac sah ich an zweitausend Schwarze -vor unsern Stellungen liegen. Sie waren noch unbeerdigt. -So ist der Krieg. Eine Fliege kommt aus dem -Brunnen und brummt mich an. Sie wohnt da unten -bei ihnen. Ich fahre zurück. Grauen und Entsetzen trägt -<a id="page-98" class="pagenum" title="98"></a> -die schmutzige Fliege auf ihren kleinen Flügeln mit -herauf. Sie ist die Seele der Schwarzen und kommt -herauf, um Protest zu erheben dagegen, daß ich hinuntersehe. -Fort mit dir! An meinem Schritt schon hat sie -erkannt, daß hier ein Weißer kommt. Sie ist zornig und -hartnäckig und treibt mich in die Flucht. Ich lasse die -Schwarzen allein mit ihrer Fliege. Sie ist alles, was -sie haben. -</p> - -<p> -Gräber. Eine ganze Reihe. Es sind die Unsrigen. -Die Granaten haben in letzter Zeit die Kreuze etwas -zerzaust und schief geschlagen. Das ist den Toten einerlei. -Die Höllenmaschinen dieser Erde können ihnen nichts -mehr anhaben. -</p> - -<p> -Dicht neben dem Friedhof hat sich ein Major eine -Baude gezimmert. Die Decke, der Plafond besser gesagt, -besteht aus zwei gehäkelten Bettdecken, die eine -Art Baldachin bilden. Ein vergoldeter Sessel, Empire, -sehr nobel. An der Wand ein Öldruck: <span class="antiqua" lang="fr">Salut aux -blessés</span>. Französische Offiziere, hoch zu Roß, an einer -Landstraße. Ein Trupp deutscher Gefangener wird vorbeigeführt. -Die Gefangenen sind große, blonde Männer, -verwundet, die Offiziere lüften das Käppi. Der Major -ist ein Mann von Welt und zieht sofort eine Flasche auf. -Leider kann er uns keine Zigarren anbieten. Sitzt er -da gestern hier in seinem Sessel, sein Wachtmeister dort, -auf dem Tisch stehen die Zigarren, kommt ein Granatsplitter -angefegt und zerschlägt ausgerechnet die Zigarren. -An der Wand sind Bretter und Stäbe zersplittert. -</p> - -<p> -Mein Hauptmann entschließt sich nun doch, das Auto -stehen zu lassen. Er kann schließlich nicht bis in die -<a id="page-99" class="pagenum" title="99"></a> -Gräben fahren. Es geht bergan. Wegweiser, Holzbrettchen -mit Aufschriften: Batterie X, Geschütz Y, -Beobachtungsstand Z. Dahin wollen wir. Auf Schleichwegen -gelangen wir ans Ziel. -</p> - -<p> -Der Beobachtungsstand Z. ist keineswegs so nobel -wie die Baude des Majors unten. Er ist ein dunkles -Erdloch. Eine Ruhebank, ein Stuhl, ein Telephonapparat, -das ist die ganze Einrichtung. Zwei Schatten -hausen in der dunklen Höhle. Ein Offizier und ein -Soldat. Verbeugungen gegenseitig, ein Händedruck, wir -sind zu Hause. -</p> - -<p> -Hier ist es kühl und schattig. -</p> - -<p> -Durch einen Spalt, einen knappen Meter lang und -eine Spanne hoch, fällt das Licht des Tages. Vor dem -Schlitz steht das Scherenfernrohr. Wie ein eleganter -Teufel auf dünnen Spinnenbeinen, mit grauen, dicken -Hörnern. -</p> - -<p> -Und da unten, zum Greifen nahe, liegt <em>Soissons</em>! -</p> - -<p> -Eine Stadt! Dicht aneinandergedrängt stehen Häuser -und Giebel, schiefergrau und staubig rostgelb. Man -blickt in Straßen hinein, kann an den Krümmungen der -Giebelreihen das Gewimmel von Straßen, Gassen und -Plätzen haarscharf erkennen. Aus der Stadt erheben -sich Kirchen und Türme, auffallend hoch, denn selten -sieht man eine Stadt aus der Höhe. St. Jean des -Vignes, zwei spitze Türme, einer etwas niedriger als -der andre, Gotik, alles ganz genau. Rechts davon die -Kathedrale. Sie scheint einfacher gehalten zu sein. Der -stumpfe Turm leuchtet in der Sonne. Oben rechts ein -weißer Fleck. Ein Loch? Durch das Glas sieht man, -<a id="page-100" class="pagenum" title="100"></a> -daß eine Granate in den Kantenpfeiler gefahren ist. -Es ist weiter nicht schlimm. Regierungsgebäude, langgestreckt -und ehrwürdig grau, Schuppendächer beim -Bahnhof, Fabriken. Mit bloßem Auge sieht man die -einzelnen Fenster, mit dem Glas die Fensterkreuze. -Die Stadt aber ist tot. Kein Fenster blinkt beim -Schließen oder Öffnen, kein einziger der Kamine auf -den Giebeln raucht. Auch nicht eine Spur von Leben, -und doch hausen Tausende von Menschen in der stillen -Stadt. Sie stellt sich tot, nur in der Nacht, wenn es -ganz finster ist, kann sie ein wenig Atem holen. Die Vororte -strahlen von ihr aus in das grüne Tal der Aisne. -Neue Häusergruppen, Schuppen, Fabriken. Eine leuchtend -gelbe Fabrik auf dem ansteigenden Hang hinter der -Stadt, blendend in der Sonne wie ein Schloß. -</p> - -<p> -Breit und sonnig liegt das Flußtal. Ein paar Krümmungen -der Aisne blitzen in der Sonne. Erlengebüsche, -Baumgruppen, Dörfer und die Hügel, grün, zum Teil -bewaldet. Hoch oben und fern ein paar Häuser. Alles -schweigt. Ein paar Geschütze feuern zuweilen, sonst regt -sich nichts. Unten, in Deckung, hantieren Leute, so groß -wie Fliegen. Es sind Feldgraue. Einer sägt Holz. -Straßen, staubige Landstraßen, die sich aus Soissons -emporwinden, ohne Leben. Ich streiche mit dem Scherenfernrohr -die Hügel ab, die Landstraße, Hänge und Wäldchen, -vielleicht sehe ich einen Menschen von Baum zu -Baum huschen, oder einige – eins, zwei, drei und -hinüber. Nichts. -</p> - -<p> -„Sehen Sie denn nichts?“ frage ich den Offizier. -</p> - -<p> -„Nein, gar nichts. Vor einer Viertelstunde sah ich -<a id="page-101" class="pagenum" title="101"></a> -einen Mann im Feld. Heute morgen hoch oben ein -Reiter.“ -</p> - -<p> -Wo der Fluß blinkt, im Feld, sind die Gräben. Man -sieht die gelben Striche mit dem bloßen Auge. Aber -selbst mit dem ausgezeichneten Glas kann man keine -Spur von Leben in den Gräben entdecken. Bei der -Baumschule dort, an einer Telegraphenstange, hängt -eine französische Flagge. Sie wurde heute nacht angebracht. -</p> - -<p> -Plötzlich aber entdecke ich doch etwas! Aus einem -grauen Dorf, gerade gegenüber, einem Vorort, steigt -eine runde Wolke wie von Wasserdampf. Aber nichts -regt sich, keine Seele. Das Dorf scheint verlassen. Die -Wolke verdichtet sich, reckt sich höher, es kommt Leben in -sie, Nahrung, die Granate hat gezündet. Fünf Minuten -und sie wächst und wächst. Plötzlich aber wird sie rasch -kleiner und kleiner: es sind also doch Menschen dort in -dem toten Dorf! Französische Reserven liegen dort. -</p> - -<p> -Es kracht in der Nähe. Abschuß! Eine Granate rauscht -und gurgelt über unsre Köpfe hinweg, hinüber nach -Soissons. Die Sekunden vergehen. Wo wird sie aufschlagen? -Eine weiße Wolke, dort bei den roten, neuen -Schuppen. Dann erst der scharfe Knall des Aufschlags. -Die Schuppen sind die letzten Häuser des Vororts St. -Paul. Nichts regt sich, kein Mensch erscheint, um nachzusehen, -was die Granate hier bei den Schuppen will. -Die weiße Wolke zerstiebt. -</p> - -<p> -Abschuß! Mächtig schleift die Granate durch die Luft. -Sie schlägt vor den Schuppen in eine Baumgruppe ein. -Die Bäume rauchen. Plötzlich röhrt und rauscht es -<a id="page-102" class="pagenum" title="102"></a> -näher über dem Unterstand. Bekommen wir Antwort? -Nein. Der Abschuß fiel mit dem Krach der einschlagenden -Granate zusammen. Eine graue Wolke hängt über der -Baumgruppe, ein gespenstischer, grauer Oktopus, der -seine Fangarme langsam nach den Bäumen ausstreckt. -Ein Schrapnell. -</p> - -<p> -Soissons aber liegt und regt sich nicht. Wie die Gazelle -vor den Augen des Tigers liegt es da. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="FLIEGERANGRIFFAUFFESSELBALLONE"> -Fliegerangriff auf Fesselballone -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">G</span><span class="postfirstchar">egen</span> sieben Uhr abends fahren wir, der Rittmeister -v. B. und ich, in das Arbeiterdorf X. Y. ein. Wir haben -hier zu tun. Der Rittmeister läßt halten, um nebenher -einem Bekannten guten Tag zu sagen. Kaum ist er fort, -so gibt es einen Knall. Was ist los? Ringsum schlagen -die Geschütze, und ich beachte den Knall nicht weiter. -Aber Leute und Kinder laufen zu einer Stelle neben der -Straße. Oben brummt ein Motor. Ein Flieger hat -eine Bombe geworfen! Sie fiel zweihundert Meter vor -dem Auto nieder, und es ist gut, daß wir zufällig hielten. -Ein Arbeiter wird weggeführt. Erschrocken und verstört -sieht er aus. Ein Splitter hat ihn am Arm verletzt. Er -rauchte gerade seine Feierabendpfeife ganz friedlich und -dachte an nichts. Da kam die Bombe aus der Luft. -„Ist die Verletzung schwer?“ frage ich einen Arzt. „Nein, -nein, eine Kleinigkeit.“ -</p> - -<p> -Ein Rudel von Kindern hockt um das Loch herum, -das die Bombe schlug. Sie graben mit ihren schwarzen -<a id="page-103" class="pagenum" title="103"></a> -Pfoten, hastig und gierig wie Hunde, ob sich nicht irgend -etwas findet. Die Splitter haben Fetzen aus den geschwärzten -Backsteinmauern geschlagen. Eine Mauer ist -wie von scharfen Krallen zerkratzt. Man kann genau den -Streuungskegel feststellen. In zwanzig Meter Entfernung -schlugen die Splitter einen knappen Meter hoch ein. -</p> - -<p> -Der Rittmeister kommt zurück. „Was ist los?“ -</p> - -<p> -„Ein Flieger hat eine Bombe geworfen.“ -</p> - -<p> -„Nicht möglich!“ Er lacht vergnügt und gleichmütig -und blickt durch das Monokel zum heißen Himmel -empor, wo eine Gruppe von Schrapnellwölkchen steht. -Er hat nicht einmal den Knall gehört. Wir trennen uns. -Ich will einen Regimentskommandeur besuchen, und der -Rittmeister hat Geschäfte irgendwo in der Nähe. Die -Kinder wühlen noch immer in dem Bombenloch. Ich -bin keine hundert Schritte an ihnen vorbei, als mich ein -Offizier anruft. „Nehmen Sie Deckung. Ein Flieger -kommt. Er wird gleich werfen.“ Ah, schon wieder einer! -Er hält direkten Kurs auf mich zu, ganz, als wolle er -mich persönlich aufsuchen. Schon hört man seinen Motor -summen, gleichmäßig und wundervoll brummen die -hundert Pferde da oben! Aber ein Schrapnell platzt dicht -vor seiner Nase, und er biegt aus. Dem Rittmeister indessen -hat er, wie ich später erfuhr, eine Bombe in den -Garten geworfen. -</p> - -<p> -Dieses X. Y. ist ein Bombennest ersten Ranges. Ich -wußte es, man hatte es mir erzählt, aber ich hatte nicht -recht daran geglaubt. Weshalb gerade dieses Arbeiterdorf? -Nun, überall bilden sich Gewohnheiten aus! -Es liegt auf dem Wege Souchez-Douai, genau in der -<a id="page-104" class="pagenum" title="104"></a> -Mitte, und die Luftstraße geht darüber hin. Es bekommt -seine Bomben, früh und abends, und die Bomben -gehören zu X. Y., ganz wie der Geschützdonner und das -Schnarren und Trompeten der Automobile. Wenn die -Franzosen nach Douai fliegen, so werfen sie eine Bombe -ab, und alles, was sie in Douai nicht an den Mann -bringen konnten, aus irgendeinem Grunde, bekommt -X. Y. auf dem Rückwege. Das schmutzige und schwarze -Fabrikdorf hat im Grunde genommen nur eine einzige, -schnurgerade Straße, die Chaussee. Diese Chaussee -steuern die Flieger an, und wenn sie in genauem Kurs -darüberliegen, so werfen sie den Vogel über Bord. -X. Y. hat seine Bombe. Da man aber den Trick kennt, -so nimmt man Reißaus, und infolgedessen passiert -verhältnismäßig wenig. Freilich, wenn man seine -Feiertagspfeife raucht und gemächlich auf der Chaussee -herumstochert, so kann die Sache schlecht ausgehen. -</p> - -<p> -Ich blieb eine halbe Stunde bei dem Regimentskommandeur, -und als ich wieder auf die Straße trat, -war eine wütende Knallerei ausgebrochen. Der ganze -Himmel stand voll Schrapnellwolken. Was war geschehen? -Ja, auf den ersten Blick konnte man es sehen: -Während ich bei dem Kommandeur saß und plauderte, -waren zwei Fesselballone hochgegangen und feindliche -Flugzeuge griffen sie an. Der eine der Ballone stand -etwa einen Kilometer weit entfernt, der andere aber stand -nahezu über meinem Kopfe, etwas westlich vom Dorf. -Er war drei- bis vierhundert Meter hoch, vielleicht höher, -und leuchtete hell in der Abendsonne. Die Luftströmung -hatte ihn herübergetrieben, ich sah zuweilen das schrägstehende -<a id="page-105" class="pagenum" title="105"></a> -Drahtseil aufblitzen, das ihn festhielt. Deutlich -sah ich den Korb, und daraus kam etwas Rundes hervor, -das war der Kopf des Beobachters. Da saß er nun -hoch oben, beobachtete die Einschläge der Geschosse, telephonierte, -dirigierte. Ganz wie er, saß drüben der andere, -und beide lasen in den feindlichen Höhenzügen wie in -einem aufgeschlagenen Buch. Das war ihnen ein bißchen -zuviel! Augenblicklich kamen ihre Flieger herbei. Zuerst -sah ich nur einen. Winzig, wie eine goldene Libelle, kam -er auf den entfernteren Ballon zugeflogen. Jeden Moment -verlor ich ihn aus den Augen, so stand er im Licht. -Die platzenden Schrapnelle, hoch oben, nicht größer als -ein Kopf, zeigten seine Bahn. Es waren zwanzig, dreißig, -er sollte auf keinen Fall herankommen und den Beobachter -im Korb stören! Eine ganze Wiese von Schrapnellwölkchen -stand da oben. Sie entstehen ganz urplötzlich -am blauen Himmel, haarscharf ausgeschnitten, sind rund -wie eine Kugel, aus der langsam der Rauch tropft, -schimmern und opalisieren wie feinster Zigarettenrauch. -Lieblich und unschuldig sehen sie aus, oft berauschend -schön. Die goldene Libelle aber flog näher, unbekümmert -und frech, in dreitausend Meter Höhe. Plötzlich, nahe -über dem entfernteren Ballon angelangt, blitzte sie breit -und golden auf. Sie hatte eine Kurve gemacht, stach in -die Tiefe und schoß nun direkt auf unseren Ballon zu. -Aber unsere Kanoniere schliefen nicht! Die Granaten -fauchten über das Dorf hoch, eine hinter der anderen her, -immer rascher und wütender, und ein Dutzend blitzender -Messer und Dolche, wie von einer Kanone hochgeschossen, -zuckten um die Libelle auf. In der nächsten Sekunde schon -<a id="page-106" class="pagenum" title="106"></a> -hatten sie sich in schöne, grünlich schimmernde Wölkchen -verwandelt. Die Libelle wich nach Norden aus, überflog -in rasender Fahrt, brummend und surrend, das Dorf -und stieg in einer großen Spirale hoch. Die Dolche -folgten ihr blitzend und funkelnd, sie stieg und stieg und -nahm Reißaus. Plötzlich aber drehte sie bei und kam -mit direktem Kurs zurück! -</p> - -<p> -„<span class="antiqua" lang="fr">Voilà un autre!</span>“ -</p> - -<p> -Das ganze Dorf steht auf der Straße und sieht zu. -Ein Arbeiter in Hemdärmeln, unter der Tür einer Kneipe, -deutet in die entgegengesetzte Richtung. Seht an, ein -zweiter! Ich sehe nur das Feld von Schrapnellwölkchen, -ein Rudel, zu dem immer neue kommen, aber der -Arbeiter hat die Maschine gefunden. Rechts neben dem -Schlot, über den drei kleinen Wolken, die dicht beisammen -stehen! Richtig. Klein und zart wie eine Schwalbe -zieht sie näher. Sie hat es nicht auf unsern Ballon -abgesehen, sondern auf den anderen. Sie bekommt -Feuer von allen Seiten, und ein Streifen des blauen -Himmels ist wie mit Lämmerwölkchen bedeckt. Sie -kann nicht heran und zieht meilenweite Kreise. Unten -an der Straße verschwinden die Leute in den Häusern: -es sind Sprengstücke von den Abwehrgeschützen heruntergekommen. -</p> - -<p> -Aber wir haben die Libelle ganz außer acht gelassen. -Plötzlich steht sie wieder über dem Dorf. Sie ist von -hinten heimtückisch wieder herangeschlichen. Unsere -Kanoniere aber behielten sie wohl im Auge. Über dem -Dorf bekommt sie Feuer und muß höher gehen. Sie biegt -aus, kommt in einem kühnen Bogen zurück, und es gelingt -<a id="page-107" class="pagenum" title="107"></a> -ihr, unseren Ballon zu überfliegen. Aber in solch enormer -Höhe, daß es sinnlos von ihr wäre, eine Bombe zu -werfen. Das ist ja der Sinn der Beschießung. Trifft -man sie auch nicht, so sollen sie wenigstens hochgehalten -werden. Sie macht sich davon wie das erstemal, klein -wie ein Punkt sieht sie jetzt aus, aber sie kehrt wiederum -zurück. -</p> - -<p> -Nach Süden zu, noch ferne, erscheinen ebenfalls -Gruppen von Schrapnellwölkchen. Zwei Striche, ja nichts -anderes als zwei feine Gedankenstriche untereinander, -kommen heran. Ein Doppeldecker. In unerhört rascher -Fahrt zieht er näher. In den heißen Luftschichten scheint -er manchmal etwas höher und manchmal etwas tiefer -zu stehen. Durch irgendwelche höllische Künste gelingt es -ihm, sich streckenweise vollkommen unsichtbar zu machen. -Unsere Geschütze legen eine Barriere von Schrapnellen -vor ihn, aber das ist ihm ganz einerlei. Er kommt heran, -unwiderstehlich und kühn, fliegt zwischen den Ballonen -hindurch und fegt in abenteuerlicher Höhe über meinem -Kopf hinweg. Über dem Dorfe macht er halt! Das -heißt, er legt sich in die Kurve, daß er nahezu auf den -Flügelkanten steht, und kommt, ehe die Geschütze sich -neu einstellen können, den gleichen Weg zurück. Eine -ganze Lage sitzt falsch! Er überfliegt unsern Ballon und -stürzt sich auf den anderen. Man muß es zugeben, es -sind <em>Leute</em>, die da oben in den Apparaten sitzen! -</p> - -<p> -Nunmehr ist aber auch die Libelle zurückgekommen. -Grau und unscheinbar sieht sie aus. Sie fliegt viel -niedriger und scheint es nun ernst zu meinen. -</p> - -<p> -Der Kampf geht weiter. Die Schrapnelle platzen, -<a id="page-108" class="pagenum" title="108"></a> -und die Geschütze speien ganze Kurven von blitzenden -Dolchen in den blauen Himmel. Die Flugzeuge suchen -ein Loch, um durchstoßen zu können, um ihre Bombe -anbringen zu können mit einiger Wahrscheinlichkeit auf -Erfolg. Kühn und großartig versuchen sie es wieder und -wieder, man muß es ihnen lassen. -</p> - -<p> -Gleichgültig und stumpf stehen die Ballone währenddessen -am Himmel, als gehe sie die ganze Sache nichts an. -Sie rühren sich nicht. Sie sind wie fliegende Elefanten, -denen es gegeben ist, an Ort und Stelle in der Luft -stehen zu bleiben. Die Beobachter sitzen und telephonieren -und dirigieren, während die Geschütze feuern. Sie -würden sitzen und beobachten, wenn der Himmel über -sie herabbräche. Es muß sein, und so tun sie es, ohne -überhaupt ein Wort darüber zu reden. -</p> - -<p> -Die Libelle scheint, wie ich sagte, nunmehr ernste Absichten -zu haben. Sie steuert unseren Ballon kaltblütig -und tollkühn an, in zweitausend Meter Höhe, trotz des -wütenden Feuers. Plötzlich platzt ein Schrapnell unmittelbar -rechts von ihr. Sie blitzt golden auf, wendet -und zieht schnurstracks nach Hause! Sie ist getroffen. -Ja, die Libelle ist fertig. Sie streckt die Flügel, so sehr -es geht, aber es gelingt ihr doch nicht mehr, über unsre -Linien zu kommen. Sie muß landen und ist gefangen. -</p> - -<p> -Der rasche Doppeldecker und die kleine Schwalbe, die -ich immer wieder aus den Augen verlor, setzen die -Angriffe fort. Nur noch wenige Minuten, dann kommt -ein neuer, sehr rascher Doppeldecker dazu. Er überfliegt -in großer Höhe das Dorf, unsern Ballon – aber er -bekommt kein Feuer. Es ist einer von uns, ein Kampfflugzeug. -<a id="page-109" class="pagenum" title="109"></a> -Die Franzosen haben ihn gesehen, er ist rascher -und stärker als sie, es wäre Unsinn, sich mit ihm einzulassen. -Zwei von den ihrigen hat er schon ohne viele -Umstände heruntergeschossen. Ehe er noch nahekommen -kann, geben sie Fersengeld. Sie entfliehen in einer -Gabel, der Doppeldecker nach Westen, die Schwalbe nach -Südwesten. Der Kampfflieger jagt in der Mitte hinter -ihnen her, um einen, wenn möglich, abzuschneiden. Die -Schwalbe wird zu einem dunkeln Punkt, der Doppeldecker -zu zwei goldenen, feinen Strichen. Der Kampfflieger -verblaßt. -</p> - -<p> -Nun aber bekommt er Feuer, von der Lorettohöhe -herüber. Schmutziggraue Tupfen stehen unter ihm. -Es hat keinen Zweck mehr, er macht kehrt. In toller -Fahrt, brummend und summend, fliegt er über das -Dorf zurück. Wie eine Bulldogge, die ein paar Kläffer -in die Flucht schlug und nun höchst zufrieden nach Hause -galoppiert. Die Schrapnellwölkchen zerfließen am Himmel. -</p> - -<p> -Im Westen, ferne, steht ein Feld safrangelber Schrapnelltupfen. -Ein später Flieger, der Feuer bekommt. -</p> - -<p> -Über die Lorettohöhe steigt die erste bleiche Leuchtkugel -empor. Die Geschütze schlagen lauter. Die Nacht kommt. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DERGEFANGENESOZIALIST"> -Der gefangene Sozialist -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar"><span class="prefirstchar">„</span>I</span><span class="postfirstchar">st</span> der Schriftsteller hier? Er soll vortreten!“ -</p> - -<p> -Der Knäuel der Gefangenen kommt in Bewegung. -Ein brauner, breitschulteriger Soldat in verstaubtem, -blaugrauem Mantel tritt vor. Sein derbes Gesicht ist -<a id="page-110" class="pagenum" title="110"></a> -heiß und schmutzig, seine Hände sind hart und groß. -Sein Blick ist fragend und fest auf mich gerichtet. Er -sieht aus wie ein Soldat, ganz wie die anderen, keineswegs -wie ein Mann der Feder. -</p> - -<p> -„Sie sind Schriftsteller?“ – „Ja, mein Herr. Ich -bin Journalist.“ – „Ich bin ein Kollege von Ihnen und -möchte mit Ihnen sprechen.“ – „Zu Ihrer Verfügung.“ -</p> - -<p> -Die andern sind stumm und hingerissen vor Neugierde. -Sie verlieren vollkommen ihre militärische Haltung und -verwandeln sich in Bauern und Handwerker, die zuhören -wollen und ihre Neugierde nicht verbergen. Sogar der -mit dem verbundenen Kopf ist herbeigekommen und -dreht neugierig den Hals, soweit es seine Verwundung -erlaubt. -</p> - -<p> -„Gehen wir ein wenig.“ Ich winke den französischen -Kollegen heran, und wir gehen in dem heißen Hofe hin -und her. -</p> - -<p> -„Wann wurden Sie gefangengenommen?“ – „Gestern -abend. Im Labyrinth. Wir waren in den deutschen Graben -eingedrungen und wurden abgeschnitten. Wir konnten -weder vor noch zurück. Es war nichts mehr zu machen.“ -– „Wie haben unsre Soldaten euch aufgenommen?“ – -Er sieht mich an. – „Sie haben uns als Soldaten behandelt, -ganz wie es bei uns zu sein pflegt, wenn wir -deutsche Gefangene machen.“ -</p> - -<p> -Da vorn, ganz vorn, wo Mann gegen Mann steht, -lernt der Soldat den Gegner achten. Ich sprach einen -Feldgrauen, von einem badischen Regiment, der vierundzwanzig -Stunden in französischer Gefangenschaft -war. Er wurde bei einem Patrouillengang abgeknüpft. -<a id="page-111" class="pagenum" title="111"></a> -Wie es ihm drüben erging? Es ging ihm glänzend! -Die Aufnahme war die allerherzlichste. Man brachte -ihn in einen Unterstand, gab ihm Zigaretten, Kognak, -Kaffee und Suppe. Man hänselte ihn ein wenig, aber -das kümmerte den Schwaben nicht, denn er verstand -keine Silbe. Es war auch nicht böse gemeint, das konnte -er sehen, alle lachten vergnügt. Ein Offizier fragte ihn, -wie der Kommandeur seines Regiments hieß? Der -Schwabe weigerte sich, es zu sagen. „Na schön,“ sagte -der Offizier, „ein rechter Soldat verrät nichts, hier, -rauchen Sie!“ Dem Schwaben ging es, wie gesagt, -gut. Fußtritte und Faustschläge sind auf jeden Fall -nicht die Regel. -</p> - -<p> -„Waren Sie früher Soldat, oder wurden Sie erst -im Laufe des Krieges ausgebildet?“ frage ich den Franzosen -und reiche ihm meine Zigaretten hin. -</p> - -<p> -„Danke!“ Er verbeugt sich leicht und sein warmer -Blick trifft mich. Seine Hand, hart und derb von Gewehr -und Spaten, zittert heftig. Mit der Wollust des -Rauchers zieht er den Rauch in die Lunge und stößt ihn -durch Mund und Nase heraus. „Ich wurde im Januar -eingezogen, ich bin vierunddreißig Jahre alt. An der -Front war ich vier Wochen. Soldat war ich nie gewesen, -nein. Ich war froh, daß man mich seinerzeit -nicht tauglich fand. Offen gestanden bin ich nie ein -Freund von allem gewesen, was Militär heißt. Ich -bin Sozialist.“ -</p> - -<p> -„Sie sind Sozialist?“ -</p> - -<p> -„Ja, ich schreibe für sozialistische Zeitungen und -Revuen.“ -</p> - -<p> -<a id="page-112" class="pagenum" title="112"></a> -„Vielleicht können Sie mir dann die Stellung erklären, -die Ihre Kameraden und Parteifreunde diesem -Kriege gegenüber einnehmen?“ -</p> - -<p> -„Das kann ich wohl, so in großen Umrissen natürlich -nur. Es ist selbstverständlich, daß wir im Prinzip gegen -jeden Krieg waren. Heute macht man uns Vorwürfe, -ob mit Recht oder Unrecht, daß wir die Mittel zur -nationalen Verteidigung beschnitten. Heute ist alles -anders geworden, ohne Frage. Wer hielt diesen Krieg -ernstlich für möglich? Niemand. Zwei Tage vorher -lachte man noch darüber. Ich war im Süden, in Marseille, -um die Sitten des Südens zu studieren. Nein, -ich glaubte nicht daran. Wir kämpften gegen die Wiedereinführung -der dreijährigen Dienstzeit. Wir taten alles, -was in unserer Macht stand. Aber Sie, Sie rüsteten -immer weiter.“ -</p> - -<p> -„Glauben Sie nicht, daß wir durch Ihr Bündnis mit -Rußland und England dazu gezwungen wurden?“ -</p> - -<p> -„Unsere Bündnisse waren eine Folge – aber ich bin -weit davon entfernt, Ihnen und nur Ihnen allein Schuld -an dieser Katastrophe zuzuschreiben. Es wurden überall -Fehler gemacht; bei allen beteiligten Völkern. Die -Völker müssen noch viel lernen! Nachdem es zu spät war -und die Katastrophe hereinbrach, waren wir natürlich -verpflichtet, uns für unser Land zu schlagen, genau wie -Sie es waren. Es war zu spät. Jaurès wurde ermordet. -Aber auch er hätte das Unglück nicht mehr aufzuhalten -vermocht. Ich wenigstens glaube es nicht. Nur ein -Wunder, aber es gibt keine Wunder mehr in unserer -Zeit! Alles ist fürchterlich.“ -</p> - -<p> -<a id="page-113" class="pagenum" title="113"></a> -Er schweigt, und wir gehen stumm, jeder in sich versunken, -über den heißen Hof. Müde und gebückt schlürft -er neben mir einher, staubig und schmutzig, die zerknüllte -Mütze unordentlich auf das schweißige Haar gedrückt. -Seine Augen sind eingesunken und verquält. Plötzlich -gähnt er. Lange und herzhaft. Und mit derselben erschöpften -Miene und dem gleichen verquälten Ausdruck -in den Augen sagt er: „Ich habe eine Frau und ein -Kind. Ich werde sie wiedersehen.“ Nein, er atmet nicht -auf bei diesem Gedanken, er, der die Hölle von Arras -lebendig durchschritt, hat noch nicht die Kraft, sich zu -freuen! -</p> - -<p> -„Sie sind glücklicher als viele andere!“ -</p> - -<p> -„O ja, mein Herr, gewiß. Aber –“ -</p> - -<p> -Er findet, daß es zu wenig ist, was er aus diesem -Leben gerettet hat, seine Frau, sein Kind – – -</p> - -<p> -Ich beginne von gleichgültigen Dingen zu sprechen, -um ihn abzulenken, von Marseille, von den südlichen -Provinzen Frankreichs, aber in den nächsten Minuten -sind wir von selbst wieder beim Krieg und der Politik -angelangt. Es geht nicht anders. Unsere Debatte wird -lebhafter. Langsam finde ich mich in seinen Zügen zurecht. -Ich taste mich zu seinem früheren Gesicht durch, wie es -aussah, bevor er mit Gewehr und Spaten arbeiten -lernte. Es ist weniger das Gesicht eines außergewöhnlich -klugen, als vielmehr eines aufrichtigen Menschen. -</p> - -<p> -„Glauben Sie,“ frage ich ihn, „daß das Verhältnis -zwischen dem deutschen und dem französischen Volk in -absehbarer Zeit wieder freundschaftliche Formen wird -annehmen können?“ -</p> - -<p> -<a id="page-114" class="pagenum" title="114"></a> -Er schüttelt den Kopf und verzerrt die Lippen. „Nein,“ -sagt er, „ich glaube es nicht, leider. Ich kenne Deutschland, -ich war in Stuttgart, München, Dresden. Aber nein. -Jahre, Jahre wird es dauern.“ -</p> - -<p> -„Veröffentlicht Ihre Regierung noch immer keine -Verlustlisten? Wie kommt es, daß Frankreich sich so -etwas gefallen läßt?“ -</p> - -<p> -„Man klagt viel darüber. Aber man hat sich damit -abgefunden. Es ist ein Opfer wie manches andere, aber -das französische Volk ist bereit, dieses Opfer zu bringen.“ -</p> - -<p> -„Und wie ist die Stimmung im allgemeinen<a id="corr-1"></a>? In -Paris? Im Volk?“ -</p> - -<p> -Er bleibt stehen. „Die Stimmung? Paris? Ich bin -seit dem Januar nicht wieder nach Paris gekommen. Seit -ich an der Front bin, seit vier Wochen habe ich überhaupt -nichts mehr gehört. Wir werden hin und her geworfen -und sind seit Wochen ohne jede Verbindung mit der -Heimat. Ich weiß nicht, was in den letzten vier Wochen -vor sich ging, von rein kriegerischen Ereignissen abgesehen. -Ich weiß nur, daß unser Volk mutig ist und unerhörte -Opfer bringt, weil es sein muß. Auch bei Ihnen zu -Hause wird die Stimmung ja keineswegs rosig sein, -wir haben den Feind im Lande, wir leiden mehr unter -dem Krieg, das ist nur natürlich. Dieser Krieg hat -Frankreich sehr unglücklich gemacht, ich brauche Ihnen -das nicht erst zu sagen. Die Stimmung bei uns, mein -Herr, soweit ich urteilen und beobachten kann, ist – -nun, sie ist keineswegs glücklich.“ -</p> - -<p> -Eine Viertelstunde später stehe ich vor einem gefangenen -französischen Offizier. Er ist rasiert, gewaschen -<a id="page-115" class="pagenum" title="115"></a> -und gebürstet, ein schöner junger Mann mit edel gezeichnetem -Gesicht und klaren, klugen Augen. Man erzählte -mir, daß er sich hervorragend geschlagen habe. -</p> - -<p> -Klar, ohne Pose, ohne den leisesten Verdacht von -Hochmut und Provokation, im schlichtesten und natürlichsten -Ton der Welt versichert mir dieser Offizier: -„Die Stimmung in Frankreich ist ausgezeichnet. Nie -war sie besser. Wir werden uns bis zum letzten Mann -schlagen. Vergessen Sie nicht, mein Herr, daß unser -Heer nicht mehr jenes vom Anfang des Krieges ist. Es -ist reformiert, es wird besser mit jedem Monat!“ -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIEGRABENKYYMPFEBEISOUCHEZ"> -Die Grabenkämpfe bei Souchez -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juni -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">I</span><span class="postfirstchar">ch</span> habe sie gesehen und gesprochen, sie, die sich da -draußen schlagen, in den Gräben von Souchez. Sie sind -in Ruhe. Heute nacht müssen sie wieder hin. Die Straßen -und Wege liegen nachts unter Feuer. Die Granaten -krachen und flammen wie Höllengeister. Da müssen sie -hindurch. Dann sind sie in Souchez. Was ist Souchez? -Es ist ein Nest, ein Dorf, das niemand kannte und das -nun viele nie mehr vergessen können. Es ist gezeichnet -für immer, wie Gravelotte und Wörth. Wenn die Hölle -Buch führt, so wird sie auch den Namen Souchez eingetragen -haben, denn er kann sich sehen lassen neben den -andern. -</p> - -<p> -Souchez ist heute zusammengeschossen. Die Häuser -verließen ihren Platz und sprangen auf die Straße. -Man räumt die Trümmer zur Seite, aber es sind immer -<a id="page-116" class="pagenum" title="116"></a> -wieder neue Trümmer da. Durch Souchez fließt ein -Bach, der Carencybach. Die Granaten haben sein -Bett zerwühlt, durch das er hundert Jahre lang und -länger friedlich rieselte und gluckste, sie haben die Ufer -zerstampft, so daß er verzweifelt sein Bett verließ und -sich einen neuen Weg durch die Granattrichter suchte. -Trüb und lehmig ist er geworden. Er verbirgt seine -Geheimnisse. -</p> - -<p> -Sind die Grauen durch den Schlamm gewatet, so -sind sie noch lange nicht da. Die Gräben liegen ein paar -hundert Meter ab vom Dorf. Hier liegt ein Feuerriegel. -Die Erde öffnet sich und speit haushoch Feuer und Qualm. -Da müssen sie hindurch! Hier gibt es keine Annäherungsgräben, -er da droben auf der Lorettohöhe läßt es nicht -zu. Übers freie Feld heißt es hier und hinein in den -Graben. Nun erst sind sie da! -</p> - -<p> -Aber vorläufig haben sie noch ein paar Stunden Zeit -und machen sich keine Gedanken. Sie sind alle sauber -gewaschen und gebürstet, braun wie Nüsse, und die -Hitze schält ihnen die Haut von Nase und Ohren. Ihre -Uniformen sind eine Geschichte für sich. Sie waren alle -einmal grau, nun aber sind sie verschossen, ausgewaschen -und ausgeschwefelt. Bei Gott, man sieht es ihnen an, -daß sie nicht in der Etappe saßen! Der rote Streifen -der runden Mützen ist mit grauem Tuch vernäht, die -Mützen sitzen alle tief in der Stirn, so gehört es sich. -Es sind Grabenleute. Der Feldwebel aber sieht aus, -als käme er gerade vom Schneider. Kein Flecken. -Seine Hände sind gepflegt, und mit dem spitzen Nagel -des kleinen Fingers zeigt er mir auf der Karte ihre -<a id="page-117" class="pagenum" title="117"></a> -Stellung. Vielleicht war er in seinem früheren Leben -Lehrer oder Kaufmann, ich weiß es nicht. Er ist jetzt -Soldat, und er ist so sehr Soldat, daß ich ihn zu fragen -vergaß. -</p> - -<p> -„Hier also ist unsere Stellung. Dieser Graben.“ Es -ist ein rechter Winkel, und sein Fingernagel deutet auf -den der Lorettohöhe zugewandten Schenkel. „Wir -bekamen schweres Artilleriefeuer, Wirbelfeuer, den ganzen -Tag über lag es auf dem Graben. Von sieben Uhr -morgens bis neun Uhr abends. Achtundzwanziger! Der -Graben sah aus, als wenn ein Dampfpflug ihn eingeebnet -hätte. Wir sahen nichts mehr und wir hörten nichts mehr. -Wir hatten natürlich Verluste. Anders geht es nicht. -Zurück gibt es nicht! Eine 28er schlägt neben mir -ein, jagt in die Höhe. Es ist nicht so schlimm. Der -Graben ist zugeschüttet. Auch ich bin verschüttet. (Er war -also verschüttet, aber keinem seiner Fingernägel hat es -etwas getan!) Niemand glaubt, daß noch ein menschliches -Wesen im Graben existieren kann. Um neun Uhr springt -das Feuer zurück, hinter den Graben, damit keine Reserven -herankommen können. Aha! Es geht los! Unser -Leutnant, noch keine neunzehn Jahre alt, schreit. Es ist wie -in einem Ameisenhaufen. Überall krabbelt es. Sie kommen -alle heraus. Die meisten Gewehre sind unbrauchbar geworden. -Also Handgranaten. Die Franzosen kommen -heran. Es fällt hier ziemlich ab, und sie kommen rasch -herunter. Die Handgranaten fliegen. Wir stehen hier, -in den Granatlöchern, und der Rauch ist so dick, daß keiner -den andern mehr sieht. Eine neue Kolonne stürmt. Sie -denken, wir sind erledigt, aber wir, wir schreien Hurra! -<a id="page-118" class="pagenum" title="118"></a> -Wir brüllen und johlen, ja wir jodeln und lachen. Da -stutzen sie doch. Nun aber sehe ich, daß sie von da her -kommen, sehen Sie!“ Er deutet auf den Scheitelpunkt -des Winkels. Hier stoßen die beiden deutschen Gräben -zusammen, rechtwinklig, der Schenkel zur Lorettohöhe -und der Schenkel gegen die Zuckerfabrik. Man darf aber -nicht glauben, daß es mit dem Scheitelpunkt zu Ende ist! -Dort ist eine Barriere, und dahinter setzt sich der Graben -fort. Dieser Abschnitt gehört den Franzosen. So ist es -hier! Aber, wie gesagt, aus diesem Abschnitt klettern -die Franzosen heraus. Er sieht sie, im Rauch, wie sie -herausquellen ... -</p> - -<p> -‚Ein Mann vor mit Handgranaten!‘ -</p> - -<p> -Nun, ein Mann geht vor, zum Scheitelpunkt, und -wirft Granate um Granate in die herausquellenden -Franzosen. -</p> - -<p> -„Wer war es doch gleich? Ist er nicht hier?“ -</p> - -<p> -„Ich war es.“ -</p> - -<p> -„Na, dann erzähle du!“ -</p> - -<p> -Es ist ein schlesischer Landwirt, ein Bauer, und seine -Uniform ist olivengrün geworden da draußen. -</p> - -<p> -„Ja, also, ich nehme den Arm voll Handgranaten -und pfeffere hinein, wie es eben trifft. Sobald sie -wiederkommen, schmeiße ich. Dann bin ich fertig mit -den Handgranaten, und nun heißt es: fort! Ich laufe -quer über das Feld, ohne jede Deckung. Sie schießen -hinter mir her, sie treffen mich aber nicht. Ich springe -hinten in den Graben.“ -</p> - -<p> -Gut hat er seine Sache gemacht, man muß es ihm -lassen! Hoffentlich bekommt er das Kreuz! Er erzählt -<a id="page-119" class="pagenum" title="119"></a> -schlecht, er stottert, er schämt sich, zu berichten, was er -tat, weil alle ihn ansehen und grinsen. -</p> - -<p> -„Na, nun war nichts mehr zu machen. Nun kamen -sie.“ Der Feldwebel mit den gepflegten Fingernägeln -und blanken Augen blickt sich im Kreise um. „Wer hat -übrigens das Grabenstück besetzt gehabt? War das -nicht die –?“ -</p> - -<p> -„Wir!“ Ein junger Bursche mit runden Augen, -knapp zwanzig, die Mütze bis zur Nasenwurzel, Flaum -auf den braunen Backen, tritt vor. -</p> - -<p> -„Warum habt ihr das Grabenstück geräumt? Ihr -habt ja das Loch aufgemacht!“ Die Augen des jungen -Feldwebels blicken vorwurfsvoll auf den Bauernjungen. -</p> - -<p> -Der Bauernjunge bekommt einen roten Kopf. Er ist -Soldat und hat seine Ehre. „Wir waren zusammengeschossen, -Herr Feldwebel. Der Graben war – es war -überhaupt nichts mehr da.“ -</p> - -<p> -Der Feldwebel wird spöttisch. „Aber das ist doch kein -Grund zurückzugehen?“ -</p> - -<p> -„Wir waren nur noch zwölf. Wenn wir so viel waren.“ -</p> - -<p> -„Zwölf? Ja, wieviel glaubt ihr denn, daß wir waren? -Wenn ihr natürlich gleich das Loch aufmacht –?“ -</p> - -<p> -„Wir hatten Befehl –“ -</p> - -<p> -„Na, schön. Bei uns gibt es das nicht. Also nun -kamen sie, durch das Loch, das die da (!) aufmachten – -nun kamen sie also. Sie kamen ganz langsam daher. -Sie dachten, die Sache ist in Ordnung und es ist weiter -nichts zu tun. Aber unser Leutnant sagt sich, na, wartet -mal, ihr Kerle! Acht Mann mit Gewehr hinaus aus dem -Graben! Hinaus aufs Feld. Sie klettern und rutschen -<a id="page-120" class="pagenum" title="120"></a> -also raus und schwärmen aus und setzen sich in Granatlöcher -und fangen an zu feuern. Die Franzosen kommen -in so dichten Reihen daher, daß jeder Schuß treffen muß. -Eine Schwarmlinie und eine Sturmkolonne. Sie haben -furchtbare Verluste, denken Gott weiß, wieviel da feuern, -und gehen zurück. Ja, so wurde das gemacht. Bei uns -verliert man nicht gleich den Kopf. Es waren also, wie -gesagt, nur sechs oder acht Mann. Dann kamen ein paar -mehr aus dem Graben. Unterdessen hielten wir aber -den Angriff von vorn ab. Sie wären uns in den Rücken -gekommen, ja, sie waren schon im Rücken ... Maschinengewehre -bauten sie schon auf.“ -</p> - -<p> -„Na, also jetzt, weiter unten. Wie war es denn da -weiter unten? Wer war da weiter unten?“ -</p> - -<p> -Er meint in dem Graben gegen die Zuckerfabrik, der -sich weiter entfernt von dem durchbrochenen Grabenstück -befand. -</p> - -<p> -„Ich!“ Ein Polacke, Unteroffizier, mit grünen Augen -tritt auf. -</p> - -<p> -„Ihr habt den Graben gehalten?“ -</p> - -<p> -„Haben wir gehalten, Herr Feldwebel, jawohl. Haben -wir bis zuletzt gehalten. -</p> - -<p> -Haben wir Feuer gehabt, den ganzen Tag. Haben -wir gesessen und gewartet. Graben ganz kaputt. Sind -die Franzosen gekommen. Haben wir sie gesehen kommen -durch den Rauch. Haben wir geschossen, bis Gewehr -heiß war. Haben wir in Flanke geschossen. Haben wir -Barrikade gebaut, daß Franzose nicht hereinkam zu uns. -Haben wir Handgranaten geworfen. Hin und her. So -sind sie geflogen, immerzu, daß Stiele in der Luft tanzen, -<a id="page-121" class="pagenum" title="121"></a> -so. Alles Rauch. Ist Morgen gekommen. Hat Franzose -einen Graben gebaut, so, hier hat er gebaut, quer.“ -</p> - -<p> -Die Franzosen, heißt das, haben einen Graben vorgetrieben, -der senkrecht stand zu dem Graben des Polacken, -von dem eroberten Grabenstück aus, und im Rücken des -Grabens lief, den der junge Feldwebel mit den blanken -Augen hielt. -</p> - -<p> -Der Polacke fährt fort: „Haben wir gesagt, Franzose -hat Graben gebaut. Haben wir Handgranaten geworfen, -immerfort. Wenn wir was sehen, daß Sand aufgeschüttet -wird, warfen wir gleich. Plötzlich bekommen wir -Feuer von Granaten. Ein paar Stunden lang, gleich -furchtbares Feuer. Die Sandsäcke fliegen. Ich war gar -nicht mehr zu sehen! (Grinsen ringsum!) Plötzlich -bekommt auch er Feuer. Artillerie schießt in seinen -Graben, wo er gebaut hat in der Nacht. Jeder Schuß -mitten im Graben! Jeder! Habe ich gesehen! Französische -Artillerie schießt auf unseren Graben, unsere -Artillerie schießt auf französischen Graben. Wie weit? -Nicht hundert Meter! Der Fähnrich wird verwundet. -Sagt: Unteroffizier, übernehmen Sie den Zug! Wie -komm ich dazu, den Zug zu übernehmen? (Grinsen -ringsum!) Nu, gut, ich übernehme Zug. Ein Volltreffer -nach dem anderen in französischen Graben. Die Franzosen -kommen näher her zu uns. Wollen Schutz suchen. Ich -steh ganz vorn. Jeden einzelnen seh ich. Peng! Weg! -Sie flüchten vor deutschen Granaten, kommen näher. -Peng! Seh ich einen, trägt Verwundeten auf dem -Rücken. Peng! Beide fallen sie. Sandsäcke fliegen. -Peng! Handgranaten. Franzosen kriechen aus dem -<a id="page-122" class="pagenum" title="122"></a> -Graben. Wir schießen. Kommt die Nacht. Schweres -Artilleriefeuer auf uns. Seh ich in der Nacht Franzosen -schleichen. Ganz deutlich. Leuchtrakete geht hoch, sehe -ich sie kommen. Sie kommen nicht diesen Weg, diesen -Weg kommen sie –“ -</p> - -<p> -Er deutet auf die Karte. -</p> - -<p> -„Welchen Weg?“ -</p> - -<p> -„Diesen Weg!“ -</p> - -<p> -„Das ist ja Blödsinn!“ Man hört sofort, daß der -nüchterne Feldwebel spricht! -</p> - -<p> -Der Polacke wird unsicher, gibt nach. „Diesen Weg, -ja. Wir schießen. Ich höre sie röcheln und schreien. -Einer ruft. Ganz nahe. Ich verstehe nicht, was er will. -Was soll ich tun? Soll ich hinaus, ihn holen? Ich -denke, vielleicht macht er uns Schwierigkeiten (!) und -werfe Handgranate. Am Tag sehe ich ihn, es war ein -Schwarzer. Er war tot. Am Morgen wieder Granaten. -Eine neben die andere. Wir müssen zurück –.“ -</p> - -<p> -„Was müßt ihr –?!“ Der Feldwebel, der das -Zurückgehen nicht schmecken kann! -</p> - -<p> -„Wir waren nur noch <em>vier</em>, Herr Feldwebel –.“ -</p> - -<p> -Wem gehörte nun der Graben? Den Franzosen oder -den tapferen Grauen? Das ist die Frage. Die Wahrheit -aber ist die: er gehörte niemand. -</p> - -<p> -Ein anderer Grauer tritt vor, der zuweilen blinzelt -und einen eigentümlichen scharfen Blick hat. „Ich bin -heute nacht draußen gewesen,“ sagt er, „ich sollte nachsehen -– Befehl. Ich kam durch den Bach und kroch über -das Feld. Es ist nichts zu sehen und nichts zu hören. -Ich steige in den zerschossenen Graben. Niemand ist hier. -<a id="page-123" class="pagenum" title="123"></a> -Tote. Sandsäcke und zerschlagene Gewehre. Aber kein -Mensch. Ich gehe bis hinauf in die französische Sappe -und hier liegt alles voller Leichen, kein lebendes Wesen. -Der Franzose hat den Graben geräumt. Daraufhin -haben wir ihn wieder besetzt.“ – -</p> - -<p> -So geht es also dort zu, in den Gräben bei Souchez, -wohin sie heute nacht wieder gehen müssen. Ich habe -die tapferen Grauen selbst sprechen lassen, denn sie -erzählen zehnmal besser, als ich es je könnte. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DERKIRCHHOFVONSOUCHEZ"> -Der Kirchhof von Souchez -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">er</span> Oberst ist ein großer, breitschulteriger Mann mit -ernsten, nachdenklichen Zügen. Er trägt die Verantwortung -für viele tausend Männer, und das Gewicht -auf seinen Schultern ist nicht leicht. Es könnte ja sein, -daß einer, einer seiner Feldgrauen des Nachts im Schlafe -zu ihm käme und fragte: Oberst, warum hast du nicht -an mich gedacht? – Für jeden einzelnen der Grauen, -die aus allen Teilen des Reiches stammen, muß er Sorge -tragen wie ein Vater. Es ist fast zu viel für einen Mann, -der sich der Größe seiner Pflicht klar bewußt ist. -</p> - -<p> -Liebenswürdig begrüßt er mich in der Halle seines -Quartiers, aber der Ernst weicht nicht aus seinem -starken, wetterbraunen Gesicht. Er sagt: „Wir haben -heute nacht angegriffen. Der Ausgang des Gefechts ist -noch nicht bekannt.“ -</p> - -<p> -Es ist der Angriff auf den Kirchhof von Souchez. -Es ist neun Uhr. Noch nichts bekannt? Wird noch gekämpft, -<a id="page-124" class="pagenum" title="124"></a> -wie fielen die Würfel? Nur wer weiß, wie es dort zugeht, -was es mit diesen Grabenkämpfen bei Souchez auf sich -hat, kann begreifen, daß noch keine Nachricht eingelaufen -ist. Dort gibt es keine Gräben mit elektrischem Licht und -einer Telephonleitung, durch die man ohne jede Mühe -glatt mit Berlin sprechen kann. Die Drähte werden in -jeder Nacht ein paarmal entzweigeschossen. Die Gräben -sind zusammengetrommelt. Es kann sein, daß zehn Leute -einen Granattrichter halten, mit einem Maschinengewehr, -oder nur mit Gewehren, oder nur mit Handgranaten, -daß sie, sage ich, dieses Erdloch halten, vierundzwanzig, -achtundvierzig Stunden, bis Verstärkung kommt oder -eine Sappe zum Trichter vorgetrieben werden konnte. -So sieht es dort aus. Es ist unmöglich, den Kopf herauszustrecken, -geschweige denn den Graben zu verlassen, um -Nachricht zu geben. -</p> - -<p> -Souchez ist eine böse Ecke. Unsere Stellungen umklammern -es in weitem Bogen, und die Regimenter -sind entschlossen, diesen Bogen, diesen Riegel, zu halten. -Keinen Meter Boden soll der Franzose haben! Zudem -böte der Besitz von Souchez den Franzosen noch größere -Vorteile der Beobachtung, als sie sie jetzt schon mit der -Lorettohöhe besitzen. Ich war oben im Fesselballon und -habe es mit eigenen Augen gesehen: flach wie eine -Pfanne läge die Ebene dann vor ihnen. Um jede kleine -Bodenwelle wird dort gekämpft, um jedes Gebüsch, um -jeden Straßengraben. Der Franzose weiß recht wohl, -was er will, und macht einen Vorstoß nach dem andern. -Es war ihm auf Tage gelungen, sich da und dort in -unserm Bogen festzusetzen. Südlich von Souchez, gegen -<a id="page-125" class="pagenum" title="125"></a> -Givenchy zu, hatte er seine Stellungen vorgeschoben (das -sogenannte große Franzosennest), im Kirchhof hatte er -sich festgebissen und westlich von Souchez, gegen die -Zuckerfabrik und Lorettohöhe, hatte er sich vorgewühlt -(das kleine Franzosennest). -</p> - -<p> -Hin und her geht der Kampf um zerstampfte Gräben -und Granattrichter. Dieser Kirchhof von Souchez, wohlverstanden, -ist über seine Ufer getreten, genau wie der -Carency-Bach, seine Mauern sind gefallen und er wächst -und wächst. -</p> - -<p> -Zwischen dem 21. und 24. Juni wurde das „große -Franzosennest“ ausgehoben. Es waren wütende Nachtkämpfe! -Der Angriff wurde von allen Seiten durch -Sappen vorgeführt und das tiefeinschneidende Franzosennest -abgeschnürt. Damit war das große „Franzosennest“ -erledigt. Ein großer Erfolg! Ein paar Tage später – -ich spreche hier nur von größeren Kämpfen, gekämpft -wird hier Tag und Nacht! – griffen die Franzosen -wütend unsere Gräben bei der Zuckerfabrik an. Aber -unsere Grauen warfen sie zurück, so oft sie kamen. Die -Kämpfe wurden rasender und rasender. Am siebenten -verschwanden unsere Grauen unter einem Hagel von -Stahl. Es half nichts, sie mußten zurück und die Franzosen -besetzten 800 Meter zusammengetrommelte Gräben. -Am achten warfen unsere Grauen sie wieder hinaus, -räumten Gräben und Sappen und Trichter bis auf ein -Grabenstück von 150 Metern, das der Franzose halten -konnte. Die Gräben waren Ketten von Granattrichtern -geworden, man wußte oft nicht, saßen Franzosen im -Trichter drüben oder die Unsrigen. Um die 150 Meter -<a id="page-126" class="pagenum" title="126"></a> -wird seitdem erbittert gekämpft, hin und her, Vorstoß -auf Vorstoß. Zäh und toll schlägt sich der Gegner. Die -Handgranaten fliegen hinüber, herüber ... -</p> - -<p> -In der Nacht vom 11. auf den 12. kam der Kirchhof -an die Reihe. -</p> - -<p> -Ich habe im Tagebuch eines Gefangenen geblättert. -Der letzte Eintrag lautet: „Heute ist mein Geburtstag. -Wir liegen im Kirchhof von Souchez, die Granaten -schlagen ein und die Kreuze und Marmorblöcke und -Gerippe fliegen nur so in der Luft herum. Diesen Geburtstag -werde ich nie vergessen, solange ich lebe.“ Ein -hübscher Geburtstag, alle Wetter! Es ist ja immerhin -schon merkwürdig, seinen Geburtstag auf einem Kirchhof -zu verbringen, aber auf einem Kirchhof unter Granatfeuer, -das ist eine Sache, die nicht oft vorkommt. -</p> - -<p> -Es sind unsere Granaten, die, wie man aus dem zerweichten, -verblaßten Tagebuch des <span class="antiqua" lang="fr">piou-piou</span> ersehen -kann, den Tanz eröffnen. Sie kommen in ganzen Schwärmen -an, in Schwärmen heulender und zischender Geister, -die aus der Luft stürzen, auf die feindlichen Gräben. -Sie krachen, der Kirchhof erbebt bis hinab zu den Särgen. -Schwarze und rostbraune Wolken wälzen sich zwischen -den Grabsteinen. Die Steine fliegen in die Luft, die -Blechkränze und Holzkreuze. Es wird Ernst, kein Zweifel! -Bis hinab zu den Särgen fressen sich die Granaten. -Nun kommen die Bretter. Die Toten da unten hören -nichts, sie liegen in tiefem, tiefem Schlaf. Aber dann -kommen sie doch herauf, selbst die Toten erweckt dieser -Lärm. Sie kommen herauf, um nachzusehen, was es -gibt. Das Jüngste Gericht, ist das Jüngste Gericht -<a id="page-127" class="pagenum" title="127"></a> -gekommen? Konnten die Lebenden, diese Toren, die -das Geheimnis und die Weisheit da unten unter der -Erde nicht ahnen, konnten sie sich nicht einen andern Ort -aussuchen, wenn sie etwas unter sich auszumachen hatten? -Schrecklich, dreimal schrecklich eine Welt, in der man -selbst im Sarge nicht zur Ruhe kommt! Die Gerippe, -die sich zwischen den Grabhügeln und Blechkränzen aufrichten, -zerstieben. Weg damit! Der Granate ist der -Tote im Weg, sie sucht den Lebendigen und sie wiehert -über die anmaßende Philosophie der Skelette. Weg, -fort! Sie hat nur einen schrecklichen Willen: zu töten! -</p> - -<p> -Gespenster aus der Erde, Geister aus der Luft, es ist -kein Wunder, daß das Herz des tapferen Franzosen -schlägt. -</p> - -<p> -Seine Leuchtraketen steigen. Hilfe! Seine Granaten -tasten nach unsern Gräben. Unsicher. Er kann das -Feuer nicht mehr dirigieren. Es ist Nacht. Der Sturm -bläst und die Bäume rauschen, bis die Granate sie zerschmettert. -Seine Leuchtkugeln steigen verzweifelt. Hilfe, -Hilfe! O, jawohl, seine tapferen Kameraden, glaubt es -mir, sie würden nicht zögern zu kommen, wenn sie könnten. -Aber sie können nicht! Der ernste und nachdenkliche Oberst -hat alles mit schrecklicher Genauigkeit vorbereitet, denn -er denkt für seine Söhne. Es liegt Sperrfeuer auf den -Verbindungswegen der Franzosen, furchtbares Feuer, -nicht einmal ein Engel, ein unverwundbarer Engel -käme durch den Feuerriegel! Sie sind verloren. Hier -gibt es keine Wunder. Hier herrscht die Granate, Stahl, -Sprengstoffe, nichts sonst. Sie sind umzingelt. -</p> - -<p> -Das Feuer schweigt. Hurra! Vier Kompanien -<a id="page-128" class="pagenum" title="128"></a> -gehen vor zum Sturm. Wie Furien kommen sie daher. -Tod oder Sieg! Es gibt nichts anderes. -</p> - -<p> -Der Franzose aber ist nicht tot. Es wimmelt zwischen -den Sandsäcken, es wühlt in den Gräben. Maschinengewehre, -ein Schwarm zischender Spitzkugeln. Der -schwere Fall von Männern, Handgranaten. Geschrei und -Taumeln. Pardon! Pardon! Hände strecken sich aus -den Gräben und Gräbern. Wir ergeben uns! -</p> - -<p> -Der Kirchhof ist genommen! -</p> - -<p> -Die Gefangenen werden abgeführt. Die Verwundeten -schleppen sich davon. Die Krankenträger tragen die -Schwerverletzten. Der Tag graut. Nebel. Der ernste -und nachdenkliche Oberst geht in seinem Zimmer hin -und her und wartet auf Botschaft. -</p> - -<p> -Der Kirchhof hat neue Gäste bekommen. Was sind -dagegen die paar Toten, die in ihrer Ruhe gestört wurden! -</p> - -<p> -Hier liegen tausend Franzosen, hier liegen Feldgraue, -alle Söhne von Müttern – – -</p> - -<p> -„Der Kirchhof von Souchez ist erobert.“ Eine Zeile. -Die Leute sagen: Nun ist der Kirchhof von Souchez wieder -genommen worden, Gott sei Dank! Sie denken sich nicht -viel dabei, sie ahnen es nicht –! -</p> - -<p> -Es ist möglich, daß die Franzosen wieder ein Regiment -opfern, um den Kirchhof zurückzugewinnen, es ist sicher, -daß wir ihn dann wieder stürmen werden. So ist es hier. -</p> - -<p> -Wir haben den Riegel um Souchez vorgeschoben, wir -haben ihn fester geschweißt, die Feldgrauen schweißten -ihn fester mit ihrem roten Blut. -</p> - -<p> -Die Gefangenen marschieren durch Souchez. Die -Überlebenden aus dem Kirchhof! Auch das Geburtstagskind -<a id="page-129" class="pagenum" title="129"></a> -ist darunter, er hat Glück gehabt, diesen Geburtstag -zu überleben. Schwerverletzt liegt der französische -Kapitän auf der Bahre. Noch sind sie keineswegs in -Sicherheit, denn die französischen Granaten fegen in -das Dorf. Aber sie hoffen wieder. Die Sonne geht auf. -</p> - -<p> -Ich treffe den ernsten Oberst wieder. Die Gefangenen -stehen in Reih und Glied. Er mustert sie schweigend. Er -spricht kein Wort. Wozu? Ich trete an ihn heran, grüße -und beglückwünsche ihn zu seinem Erfolg. -</p> - -<p> -Er nickt. Ein höfliches Lächeln. Aber sofort ist sein -starkes Gesicht wieder ernst und voll schwerer Gedanken. -Viele seiner Söhne, für die er sorgte wie ein Vater, sind -nicht wiedergekommen, zwei seiner tapferen Kompaniechefs -sind gefallen! -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIEYYBERLEBENDENAUSDEMKIRCHHOFVONSOUCHEZ"> -Die Überlebenden aus dem Kirchhof -von Souchez -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">ie</span> Tür öffnet sich und herein tritt ein französischer -Unteroffizier in blaugrauer Uniform. Er klappt die -Stiefel zusammen und legt salutierend die Hand an die -Mütze. Ein junger Mann von vier-, fünfundzwanzig -Jahren, mit blondem Schnurrbärtchen und blauen, -blanken, flachen Augen, schlank und geschmeidig. Seine -Haltung ist nicht preußisch stramm, nein, aber sie ist -militärisch ordentlich und drückt ebensoviel Selbstachtung -wie Respekt vor dem Offizier aus, der das Verhör -leitet. Seine Kleidung ist sauber, und niemand -käme auf den Gedanken, daß er aus einem zusammengeschossenen -<a id="page-130" class="pagenum" title="130"></a> -Graben kommt. Er gehört zu jener Klasse -von Pedanten, die immerzu bürsten und kein Stäubchen -sehen können, ohne krank zu werden. -</p> - -<p> -Hinter ihm tritt ein gewöhnlicher Soldat ins Zimmer, -gut ausgepolstert mit Wollsachen, dunkeläugig, mit -schwarzen Haaren und einem dünnen schwarzen Bart -ums Kinn. Auch er grüßt, aber er nimmt es nicht so -genau. Er hat Fett angesetzt in den Gräben, blickt gutmütig -und gleichgültig umher, und ich wette, daß er zum -weitverbreiteten französischen Orden der „Jemenfoutisten“ -gehört. -</p> - -<p> -„Nehmen Sie, bitte, Platz!“ sagt der Offizier und ladet -die Gefangenen höflich ein, sich zu setzen. „Sie wurden -beide im Kirchhof gefangen genommen?“ -</p> - -<p> -„Ja, mein Offizier.“ -</p> - -<p> -„Der Kampf war sehr erbittert?“ -</p> - -<p> -„Er war äußerst heftig!“ Der Dunkle nickt nur und -schiebt die Unterlippe bezeichnend vor. Ihm war der -Kampf sicherlich heftig genug. -</p> - -<p> -„Erzählen Sie, wie er vor sich ging.“ Der Blonde -erzählt: „Trommelfeuer, heftige Teilangriffe, Umzingelung, -zuletzt ein wütender Sturm der Deutschen.“ -</p> - -<p> -„Sie lagen da und da in Reserve, Sie gehörten zum -X. Korps?“ -</p> - -<p> -„Ich weiß nicht, zu welchem Korps wir gehörten. -War es das X.?“ -</p> - -<p> -Der Dunkle: „Ja, zum X. Korps.“ Er ist viel klüger -und weiß, daß der verhörende Offizier über diesen Punkt -genau orientiert ist. -</p> - -<p> -„Haben Sie am 7. Juli Joffre gesehen?“ -</p> - -<p> -<a id="page-131" class="pagenum" title="131"></a> -„Joffre?“ -</p> - -<p> -„Ja. Er war am 7. Juli in Caucourt und hielt eine -Ansprache an die Truppen, in der er ihre Tapferkeit lobte.“ -Zum Dunklen: „Haben Sie Joffre gesehen?“ -</p> - -<p> -„Nie in meinem Leben.“ Der Dunkle legt, wie man -aus seinem Ton hören kann, darauf auch nicht den geringsten -Wert. -</p> - -<p> -„Welche Meinung hat die Truppe vom Generalissimus?“ -</p> - -<p> -„Man denkt, daß er sehr gut ist.“ -</p> - -<p> -„Sie schießen in der letzten Zeit weniger. Haben Sie -Artillerie herausgezogen oder haben Sie Mangel an -Munition?“ -</p> - -<p> -„Ich bin nicht im geringsten über die Artillerie unterrichtet.“ -</p> - -<p> -Auf eine Reihe von Fragen antworten sie ausweichend. -Auf dem fleischigen Gesicht des Dunkeln liegt ein pfiffiges -Lächeln. -</p> - -<p> -Der verhörende Offizier dringt nicht weiter in sie. Er -springt ab: „Welchen Beruf haben Sie?“ -</p> - -<p> -Der Blonde: „Ich bin <span class="antiqua" lang="fr">cultivateur</span> (Landwirt). Ich -habe das Seminar besucht und dann den väterlichen -Besitz übernommen.“ -</p> - -<p> -Der Dunkle: „Ich arbeite im Versicherungsgeschäft.“ -</p> - -<p> -„Welche Art Versicherungen?“ -</p> - -<p> -„Lebensversicherungen, Feuer, Unfall, Diebstahl, alles, -was Sie wollen. Ich lebe in Paris.“ -</p> - -<p> -Ah, dachte ich es nicht gleich? Ich sehe ihn vor mir in -dunklem Gehrock, den Zylinder auf dem pomadisierten -Scheitel, das Bärtchen gewichst, die Mappe unterm -<a id="page-132" class="pagenum" title="132"></a> -Arm, ein bißchen verstaubt und verschwitzt, den kleinen -Pariser Beamten. Wie er würdevoll und großartig in -ein bescheidenes Restaurant tritt, an den Speisen herumkritisiert -und über Zugluft klagt. Aus diesem Grunde -ist er auch jetzt, im Sommer, so mit Wollsachen ausgepolstert. -</p> - -<p> -„Seit wann sind Sie im Felde?“ -</p> - -<p> -„Seit dem Anfang,“ erwidert er mit einem bedeutungsvollen -Blick. -</p> - -<p> -„Wünschen Sie Zigarren? Wünschen Sie Tee?“ -fragt der Offizier. -</p> - -<p> -Die Gefangenen stecken sich Zigarren an. Tee lehnen -sie ab, da sie erst Kaffee getrunken hätten. -</p> - -<p> -Zigarren? Tee? Ich sehe es zornrot werden, das feiste -Gesicht des biedern Bürgers hinter seinem Schoppen. -Zigarren, Tee!? Man sollte –!! O nein. Ich -empfehle ihm vierundzwanzig Stunden Lorettohöhe, -nicht mehr, vierundzwanzig Stunden, und er wird den -rechten Ton finden! Ich sah einen General einen gefangenen -Offizier grüßen. Er grüßte ihn mit besonderer -Aufmerksamkeit und Achtung, er grüßte den tapfern -Gegner in ihm, die französische Armee. Dieser Krieg -wird mit solch unsäglicher Erbitterung geführt, man -schlägt sich die Schädel mit Spaten ein und erlaubt einander -nicht, seine Toten zu begraben, daß man diese -Ritterlichkeit dem gefangenen Gegner gegenüber nicht -hoch genug schätzen kann. Auch der Franzose wird ja -nicht ganz seine Traditionen verleugnen! Übrigens, das -nebenbei, gibt es in diesem entsetzlichsten aller Kriege -selbst während des Kampfes noch Beispiele von Ritterlichkeit, -<a id="page-133" class="pagenum" title="133"></a> -bei uns und auch bei ihnen. Nur eines: der -Gegner stürmt, der Sturm ist matt, die Hälfte ist im -Graben geblieben, die andre Hälfte flutet im Feuer -zurück. Ein Offizier stürmt ganz allein weiter. Plötzlich -schweigt das Feuer. Der Offizier stutzt, sieht sich um, -senkt resigniert den Degen und geht langsam, ganz langsam -zu seinem Graben zurück. Keiner unsrer Grauen -schoß, es bedurfte nicht erst eines Befehls. Also, mein -Lieber, nicht: man sollte –! Laß sie nur machen, sie -wissen schon, was sie tun müssen, denn, siehst du wohl, -sie waren da oben auf der Lorettohöhe! – Doch das -gehört nicht hierher. -</p> - -<p> -Sie rauchen also und wir plaudern. Der Blonde liest -„La Croix,“ eine katholische Zeitung. Der Pariser liest -alles, was er in die Hand bekommt. Der Blonde ist -der Ansicht, daß das religiöse Gefühl des Soldaten sich -vertieft habe, aber der Pariser zweifelt daran, sehr stark -sogar. Priester gibt es ja genug bei ihnen, das sei wahr, -jedes Regiment habe seinen Priester, und die Priester -kommen in die Gräben, bei stärkstem Feuer, trösten, -beten und leisten Beistand, wo es nötig ist. Die Verpflegung -ist ausgezeichnet, und die Post funktioniert -glänzend, wenigstens jetzt funktioniert sie überraschend -gut. Sie kommen viel in Ruhe. Jedes Regiment stürmt -meistens nur einmal, dann hat es lange nichts Besondres -zu tun. Über die Engländer wissen sie nichts. Sie tun -ihre Pflicht, wenigstens wären alle Franzosen dieser -Überzeugung. Von den Italienern hätten sie sich von -Anfang an nicht viel versprochen. Lieber Friede als -Krieg, natürlich, aber man schlage sich, solange es sein -<a id="page-134" class="pagenum" title="134"></a> -müsse. <span class="antiqua" lang="fr">La guerre, oui, cette guerre, oh lala!</span> Es sei -kein Krieg mehr, sondern eine schreckliche Schlächterei, -<span class="antiqua" lang="fr">une terrible boucherie</span>, möchte man sagen. Aber wie -gesagt, man schlage sich, sie und wir, natürlich, solange -es eben sein müsse, bis einer einmal sage: Halt! Sie -bekämen alle Nachrichten sehr rasch. „Lemberg“ haben -sie einen Tag darauf gehört. Sie glauben nicht an die -monströsen Geschichten, die ihre Zeitungen ihnen auftischen, -von geschlachteten Kindern und ähnlichen Dingen -– nein, daran glauben sie nicht, denn, bei Gott! – Der -Pariser lacht und hustet – sie haben ja jetzt die intime -Bekanntschaft der deutschen Soldaten gemacht: fürchterlich -im Kampf, aber sonst ein guter Bursche. – -</p> - -<p> -Die Gefangenen löffeln im Schulhof die Abendsuppe. -Der Hof ist klein, und sie müssen in zwei Schichten -essen, wie im Speisewagen, wenn der Zug überfüllt ist. -Es sind über zweihundert, die den Kirchhof lebend verließen. -Die großen Kessel dampfen. Sie schöpfen, -schlürfen und löffeln. Sie sind ganz bei der Sache und -beachten uns nicht. In ihren blaugrauen weiten Rockmänteln, -die trotz der neuen Farbe immer noch etwas -an Maskerade erinnern, schlürfen sie mit den Suppennäpfen -hin und her, die stille selige Gier in den Augen, -sich zu sättigen. Das Regiment (Jäger) stammt aus -einem südlichen Departement, und die Leute sehen vorzüglich -aus, stark und gesund. Nur zwei, drei haben ergraute -Schläfen, die meisten sind zwischen fünfundzwanzig -und dreißig. Der erste Hunger ist gestillt, sie -plaudern und scherzen, ganz als ob sie noch da drüben -wären. Sie kamen aus Gräbern und Särgen gestiegen, -<a id="page-135" class="pagenum" title="135"></a> -aus dem Tod, aber man merkt ihnen nichts mehr an. -Die Überlebenden aus dem Kirchhof von Souchez sind -äußerst vergnügt. -</p> - -<p> -Die Posten stehen mit aufgepflanztem Bajonett. Keine -Angst, sie laufen nicht weg! Wer diesen Feuergürtel -zwischen den Gräben lebendig durchschritt, hat keine Lust -mehr zurückzukehren. -</p> - -<p> -Auf dem Fenstersims seines Zimmers sitzt mit gekreuzten -Armen ein gefangener Offizier. Ein junger -Mann von etwa vierundzwanzig Jahren, mit hübschem -leichtsinnigen Gesicht und graublauen vergnügten Augen. -Er strahlt vor Freude, daß die Sache ein Ende hat, und -es fällt ihm gar nicht ein, uns etwas vorzumachen. -Vor fünf Tagen noch war er in Lyon, auf Urlaub. -Herrliche Tage und Nächte, er hat im Graben alles eingehend -aufgeschrieben. Und sie, wie entzückend war sie! -Nun also, so ist der Krieg, jetzt sitzt er hier auf dem Fensterbrett -eines kleinen Schulzimmers. -</p> - -<p> -Er trägt ein blaues Hemd, seine Brust ist offen, -Kragen oder sonst eine Binde hat er nicht. Auf seinen -dünnen braunen Haaren sitzt kokett ein blaugraues -Barett, wie es die Pariser Studenten tragen, und vorn -ist in Silber ein kleines Waldhorn gestickt. -</p> - -<p> -„Sie hatten das Unglück, in Gefangenschaft zu geraten,“ -begrüße ich ihn. -</p> - -<p> -Er zuckt lächelnd die Achsel: „Was wollen Sie? Wir -waren vollkommen abgeschnitten. Es war nichts mehr -zu tun.“ -</p> - -<p> -„Sind Sie aktiver Offizier?“ -</p> - -<p> -„Ja, aktiver.“ Er spricht sogar etwas Deutsch. -</p> - -<p> -<a id="page-136" class="pagenum" title="136"></a> -Neben ihm taucht der rothaarige Kopf eines Sergeanten -auf. Er blickt mit kalten, feindseligen Augen -auf mich und erinnert mich an ein Eichhörnchen. Ich -bin überzeugt, daß er die Schauergeschichten glaubt, die -die französischen Schmutzblätter über uns schreiben. -</p> - -<p> -„Wie lange wird Joffre die Sache bei Souchez und -Loretto noch fortsetzen?“ frage ich den jungen Offizier. -Ich weiß genau, was er antworten wird, aber man plaudert. -</p> - -<p> -„Noch lange! Wir haben noch große Reserven.“ -</p> - -<p> -„Wie denkt man in Frankreich über einen zweiten -Winter?“ -</p> - -<p> -„Man ist darauf gefaßt und bereitet vor.“ -</p> - -<p> -„Genau wie wir. Wir haben diesmal noch dickere -Mäntel machen lassen, damit unsre Leute nicht frieren.“ -</p> - -<p> -„Glauben Sie nicht, daß eine Möglichkeit besteht, mit -Frankreich einen Separatfrieden zu schließen?“ -</p> - -<p> -Der Offizier lächelt und schüttelt den Kopf. „Daran -ist nicht zu denken. Je länger der Krieg dauert, desto -mehr wachsen unsre Chancen.“ -</p> - -<p> -„Niemals!“ mischt sich das Eichhörnchen ein. „Niemals! -Sagen Sie mir, wer hat diesen Krieg begonnen?“ -</p> - -<p> -Es ist sehr unhöflich, gleich das schwerste Geschütz aufzufahren. -Der hübsche Offizier, Europäer und Gentleman, -streift den Sergeanten mit einem nachsichtigen -Lächeln. Ich sage: „Sie! Man hat Sie gefragt, Sie -hätten ja aus der Sache bleiben können!“ Ich beachte -das Eichhörnchen fortan nicht mehr. -</p> - -<p> -Beim Abschied fragt mich der Offizier, wann sie wohl -in Deutschland sein dürften. Ich erkundige mich. In -vier, fünf Tagen. -</p> - -<p> -<a id="page-137" class="pagenum" title="137"></a> -„Schon! Dann kann ich wohl schreiben?“ -</p> - -<p> -„Natürlich.“ -</p> - -<p> -Freude fliegt über sein leichtsinniges, hübsches Gesicht. -Ich weiß wohl, an wen er schreiben wird. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DASSCHLACHTFELDARRASSOUCHEZLORETTOHYYHEVOMFESSELBALLONAUS"> -Das Schlachtfeld Arras-Souchez-Lorettohöhe -vom Fesselballon aus. -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">er</span> Ballon wird aus dem Stall gezerrt. Er ist tot, -er schläft. Aber sobald er nur den dicken Schädel heraussteckt -und die frische Luft schnuppert, kommt augenblicklich -Leben in ihn, und seine Seele kehrt zurück. Das Wetter -ist stürmisch. Bei jedem Windstoß rollt er den dicken -Leib hin und her und schleift die Feldgrauen, die wie -Trauben an seinen dünnen Fadenbeinen hängen, über den -Rasen. Wie ein gutmütiger Betrunkener, dem es ein tolles -Vergnügen macht, seine Begleitmannschaft ins Torkeln -zu bringen. -</p> - -<p> -„Langsam rechts einschwenken!“ -</p> - -<p> -Auf seinen Fadenbeinen schwankt er ins freie Feld. -Er stampft auf und ab wie ein Schleppdampfer in hoher -See, er begräbt die Ameisen, die an seinen Beinen -zerren, unter sich, wälzt sich zum Spaß auf ihnen herum, -reckt sich hoch und nickt, im Winde liegend, ein paarmal -befriedigt mit dem Kopf. -</p> - -<p> -Nun steht er da! -</p> - -<p> -Ungeheuer komisch sieht er aus. Wie ein riesiger -grauer Kofferfisch, prall und glatthäutig, vollgefressen -bis zum Platzen, das runde Maul mitten im dicken Kopf. -<a id="page-138" class="pagenum" title="138"></a> -Unter dem feisten Leib hat er ein zweites, sackartiges -Freßwerkzeug, und damit kaut er gefräßig und gierig die -Luft. An den Seiten hat er kleine schmale Flossen und -als Schwanz ein paar aufgespannte Regenschirme. -So kunstvoll er gebaut ist, scheint er doch das primitivste -Geschöpf zu sein, das sich an der Front herumtreibt. -Ein Freiballon ist eine Kugel, ein Zeppelin ein Kriegsschiff -in der Luft, aber er ist ein Tier, ein Fisch, von äußerster -Gutmütigkeit und ohne jeden Verstand. So sieht er -wenigstens aus. -</p> - -<p> -Die Gondel wird unter seinem Leib befestigt, er erhält -ein Drahtseil durch den Nasenring gezogen. Einsteigen! -Wir turnen in den engen Korb, der Leutnant und ich. -</p> - -<p> -„Ballon langsam hoch lassen!“ Der Hauptmann -schreit. -</p> - -<p> -Der Luftfisch springt mit einem Satz vom Boden hoch. -Er bohrt den Kopf in den Wind, reißt am Seil und -tummelt sich vergnügt, so daß der Korb schlingert. -Dann aber gleitet er ruhig in die Höhe. Er ist in seinem -Element. -</p> - -<p> -Die Feldgrauen stieben strahlenförmig über das Feld, -werden kleiner und winziger, und die sechs Pferde, die -die Kabelwinde ziehen, werden zu einem Spielzeug. Das -kleine Dorf wird zu einer Honigwabe. Wir steigen rasch. -</p> - -<p> -Sonderbar, dieser Ballon, niemand versprach sich viel -von ihm im Kriege. Er diente im Manöver dazu, das -Signal: „Das Ganze halt!“ zu geben, das war so ziemlich -seine Hauptrolle. Er war nur Statist. Die Flieger -sollten die ganze Arbeit leisten. Er war eine veraltete -Sache, die man nur, weil man sie hatte, ins Feld mitschleppte. -<a id="page-139" class="pagenum" title="139"></a> -Aber in diesem Kriege, in diesem Stellungskriege -ist er zu ungeahnten Ehren gekommen. Überall, -an der ganzen Front entlang, sieht man ihn am Himmel -stehen! Wo Schneid und Intelligenz zusammengehen -wie bei der Luftschifferabteilung, bei der ich zu Gaste bin, -wird er zu einer furchtbaren Waffe. -</p> - -<p> -Man steigt mit ganzen Kanonen von photographischen -Apparaten hoch und photographiert die kleinste Falte -im Antlitz des Feindes. Der Flieger rast mit hundert -und mehr Kilometern dahin und hat nicht die Muße wie -der Mann im Ballon. Der Ballon steht still. Er steht -stundenlang da, tagelang, und wenn der Beobachter -auch seekrank wird, er bleibt oben. Der Ballon ist das -Auge der Artillerie, er beobachtet Kolonnen, Bewegungen -des Gegners, das Aufblitzen feindlicher Geschütze, er -dirigiert das Feuer der eignen. -</p> - -<p> -Er ist, wie gesagt, eine ganz gefährliche Sache, und -aus diesem Grunde hat er seine Feinde. Schrapnelle -und Granaten tasten nach ihm. Gottlob treffen sie -selten. Der Ballon geht tiefer oder höher, oder er reißt -mit seinen sechs Pferden überhaupt aus. Sein kritischer -Augenblick ist die Landung. Aber seine erbittertsten Gegner -sind die Flieger, die Konkurrenz. Sie kommen in ganzen -Schwärmen. Mein Begleiter, der Leutnant, wurde -neulich von drei Flugzeugen gleichzeitig angegriffen, -aber er riß nicht aus, fiel ihm gar nicht ein. Den Hauptmann -besuchte neulich ein ganzes Geschwader, er bekam -vierundfünfzig Bomben, aber er blieb oben in seinem -Korb und beobachtete. -</p> - -<p> -Es gehören <em>Leute</em> dazu!! -</p> - -<p> -<a id="page-140" class="pagenum" title="140"></a> -Wir steigen und steigen, und der Wind pfeift hier oben, -daß mir das Wasser aus den Augen läuft. Die Landschaft -wächst, die Welt ist plötzlich viel größer geworden. -</p> - -<p> -Aber diese ganze Landschaft da unten, von Nordwest -bis Südost, ist ein einziges riesiges Schlachtfeld, auf dem -sich zwei Völker zerfleischen, weil das Schicksal es so will. -Zwei Völker, die Kathedralen haben, Universitäten, -Museen, Konzertsäle, Hospitäler, Sprachen, die den erhabensten -Gedanken Ausdruck zu verleihen vermögen, -die Männer hervorbrachten, die wie Fackeln über der -Welt leuchten, zwei Völker, die Gedanken geboren haben, -die die Welt regieren! – Nun liegen sie einander gegenüber -in Erdlöchern, den Willen gespannt zum Töten, -ihre Geschütze pochen und stampfen. Die Granatwolken -wälzen sich in den Feldern, hier, da, dort, sie steigen -aus den Dörfern, wohin man blickt. Und kein Mensch, -kein Eisenbahnzug, kein Wagen ist zu sehen, keine lebende -Seele weit und breit. Der Mensch hat sich vor dem -Menschen verkrochen. -</p> - -<p> -Das Licht ist kalt wie im September. Graue Wolken -jagen dahin. Müde Sonne wechselt mit dunklen Wolkenschatten. -Strichweise sieht die Landschaft aus wie durch -ein gelbliches Glas gesehen, gealtert, zermürbt und zerknittert, -müde des endlosen Mordens und Krachens der -Granaten. Wie das Gesicht eines Schlaflosen. Strichweise -friedlich und unbekümmert. Schornsteine rauchen -in der Ferne, die Zechen, die der Franzose noch in Händen -hat. Friedliche Weiler und Dörfer, von der schwachen -Sonne beleuchtet. Aber plötzlich tanzt eine graue Wolke -auf den Dächern, wieder eine, da, dort. Dörfer, die der -<a id="page-141" class="pagenum" title="141"></a> -Franzose befunkt, um seine Männer und Weiber zu töten. -Lievin, Angres, Givenchy. Sie kauern geduckt neben Anhöhen -in Wäldchen, aber die Granate findet sie doch. -</p> - -<p> -In der Mitte liegt breit die Lorettohöhe, die verfluchte! -Das Bois de Bovigny sitzt wie der Kamm eines -Hahnes darauf. Der Wald ist dunkel, die Höhe selbst -hell, gelbgrün wie Heide und unbestellte Felder. Von -der Spitze des Waldes zieht quer über die Höhe eine -breite lehmfarbene Schleifbahn bis hinab in die Talmulde, -eine klaffende Wunde in der Höhe: das sind -unsre Gräben, die der Franzose im Mai zusammenschoß. -Weiter unten zieht, entlang der Talmulde, eine schmälere, -neue Schleifbahn: das sind die heutigen Stellungen. -Man erkennt sie sofort, denn graue und rostrote Granatwolken -stehen darauf und wälzen sich im Winde. -</p> - -<p> -„Sehen Sie das weiße Schloß?“ sagt der Leutnant. -„In der Waldkuppe rechts von der Lorettohöhe. Dort! -Das ist Schloß Noulette. Weiter hinten sehen Sie eine -Ferme. Ferme Marqueffoes. In französischen Händen. -Im Bois Bovigny sehen Sie zuweilen einen gelben -Streifen. Der französische Annäherungsgraben. Auf -dem Abhang dort neben der Baumgruppe stehen französische -Batterien.“ -</p> - -<p> -Wir sehen alles, wir lesen wie in einem aufgeschlagenen -Buch. -</p> - -<p> -Die Lorettohöhe wird flacher und flacher. Souchez -erscheint, Rauch und Dunst liegt darüber, Ablain, die -„Kanzel“, die unsre Grauen wie Teufel verteidigt haben. -Das Hinterland taucht empor, Waldstreifen, Feldstreifen, -ferner und ferner, bis zum Horizont. -</p> - -<p> -<a id="page-142" class="pagenum" title="142"></a> -Links versinkt die Vimyhöhe, die wir halten, und in -der beschatteten Talmulde dahinter taucht ein Düster -von Häusern auf mit einem fahlen zweitürmigen Dom -in der Mitte: <em>Arras</em>! Es sieht aus wie ein Grab. Die -Kathedrale wie der Schemen eines Domes. Sie geriet -vor einigen Tagen in Brand, und ihre Turmspitzen sind -zusammengestürzt. Sie erscheint nahezu weiß, aus -welchem Grunde weiß ich nicht, wie der Geist einer Kirche -steigt sie aus der toten, düstern Stadt empor. -</p> - -<p> -Auch hinter der Vimyhöhe, bis gegen Arras stehen -kleine Granatwolken, sie tanzen wie Gespenster an der -ganzen langen Front entlang. Unter uns fährt aus der -düstern Landschaft da und dort ein Feuerdolch: unsre -Geschütze, die feuern. -</p> - -<p> -Wir sind 400-500 Meter hoch und geben Flaggensignal. -Langsam steigen wir herunter. Wie ein störrisches -Pferd am Halfter muß der Ballon zur Winde gezogen -werden. Über dem Boden wälzt er sich ein paarmal hin -und her, dann steht er still. -</p> - -<p> -Ich steige aus. Im nächsten Augenblick schon jagt er -wieder mit dem Beobachter in die Höhe. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DERARGONNERWALD"> -Der Argonnerwald -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<div class="container"> - <div class="epi"> -<p class="epi"> -„<span class="antiqua" lang="fr">Moi, je suis tombé dans un sale -coin, je suis aux Argonnes.</span>“ -</p> - -<p class="attr"> -Aus dem Briefe eines Gefangenen. -</p> - - </div> -</div> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">E</span><span class="postfirstchar">s</span> regnet in Strömen. Das Wasser wird in Fässern -aus den bleigrauen Wolken geschüttet, die niedrig über -die Wälder ziehen. Die Bäume brausen im Wind und -<a id="page-143" class="pagenum" title="143"></a> -schütteln Wasserfälle aus ihren Kronen. Die Wege sind -Lehm, Bäche stürzen über die Abhänge. In den Unterständen -sind die Öfen geheizt. -</p> - -<p> -Es ist der Argonnerwald, wie er leibt und lebt. Er -verstellt sich nicht und zeigt sein wahres Gesicht. Es ist -ein Wald wie der Spessart und die böhmischen Wälder, -ein Wald für Köhler, Räuberbanden und Wildschweine. -Der Wald hat seine Gegenwart, das ist nicht zu leugnen, -der Wald hatte seine Vergangenheit, das ist sicher. -Man ging hinein und verschwand, man schlug das Kreuz -und war tot. Im Dickicht lauerte der Mörder. Es gibt -hier Stellen, die sonderbare Namen tragen: <span class="antiqua" lang="fr">la fille -morte, l’homme mort</span>. Es wird wohl seine Bewandtnis -damit haben! Aber diese ganze düstere Räubervergangenheit -des Waldes ist ein Idyll gegen heute, eine Schäferszene, -das sage ich gleich! Welche Zeit könnte sich in -diesen Dingen überhaupt mit der unsrigen messen? -Wir haben alles glatt geschlagen ... -</p> - -<p> -Wir steigen in einen Rollwagen, ein total zerweichtes -Pferd mit einem total zerweichten Reiter darauf wird -vorgespannt und wir rollen los, höher und tiefer in den -Wald hinein. Der Regen strömt, Roß und Reiter verschwinden -zuweilen in einer Wasserblase. Ich bin durchnäßt -bis auf die Haut, dieser verfluchte Argonnenregen -geht durch den Gummimantel, und friere wie ein Hund. -</p> - -<p> -Dieser Wald ist kein Wald für Menschen! Er ist dreistöckig. -Hohe Bäume, zumeist Eichen, vereinzelt, dann -das Unterholz, junge Eichen, Buchen, Birken, Erlen, -dicht beisammen, und unter ihnen Gestrüpp: Brombeeren, -Dornen, Farnkräuter, Ginster, Schlingpflanzen, ein natürlicher -<a id="page-144" class="pagenum" title="144"></a> -Drahtverhau, wie er heimtückischer nicht angelegt -werden könnte. Es ist ein Wald für einen haarigen, -gorillaartigen Waldteufel, der mit einem Prügel in der -Faust durchs Dickicht kriecht und Lehm frißt. Der Mensch -betritt ihn mit Grauen im Herzen. -</p> - -<p> -Das zerweichte Pferd streckt die glänzenden Schenkel, -tastet durch Lehm und Wasser. Zuweilen wird es abgehängt, -dann rollen wir mit eigner Kraft über wacklige -Schienen hinunter. Dann geht es wieder bergan. Ist -es möglich, daß es noch stärker regnet? Ja, bei Gott, -es ist möglich! Wir fahren in einer Wasserhose. Vor -uns kriecht eine Batterie von Gulaschkanonen, von -Pferden gezogen wie wir. Kommt ein Taleinschnitt, so -rollen alle vier Gulaschkanonen mit eigner Kraft hinab -und wir hinterher. Wir begegnen einem Transport -von leeren Minenkörben, meterhohen Zuckerhüten aus -Ruten geflochten. Der Transport muß rangieren, damit -wir vorüber können. Auf die Feldküchen klatscht -der Regen. Die Leute haben Zeltbahnen um die Schultern -gehängt, aber es hilft nicht viel. Station. Ein -durchnäßter Grauer tritt an unsern Rollwagen und -meldet: „Station Rixdorf, belegt mit zwei Telephonisten!“ -Ordnung muß sein. Ein Transport kommt zu -Tal. Sie stehen aufrecht im Wagen. Sie sind müde und -erschöpft. Ihre Arme und Köpfe sind verbunden. Es -sind Verwundete aus den Gräben da oben. Der Wald -frißt, der Wald frißt, der Wald frißt täglich Menschen! -Einer liegt, mit einer Pferdedecke zugedeckt. Man unterscheidet -nur die Formen des Mannes. Der Regen fegt -auf die Verwundeten herab, aber sie kümmern sich nicht -<a id="page-145" class="pagenum" title="145"></a> -darum. Und er, der unter der Decke, der liegt und sich -nicht regt, ihm kann der Regen, alle Mächte der Hölle -können ihm nichts mehr anhaben ... -</p> - -<p> -Unser Pferd streckt die Schenkel. Es geht bergan. -Nasse Zweige gießen ihr Wasser über uns aus. Der -Wald poltert. Die einschlagenden Granaten krachen wie -Donnerschläge. -</p> - -<p> -Eine halbe Stunde währt die Rollwagenfahrt, eine -Stunde. Wir steigen aus und schütteln uns wie Hunde, -die aus dem Wasser kommen. -</p> - -<p> -Wir gehen quer durch den Wald. Die Wege sind hier -mit Knüppeln gepflastert, ein Knüppel hübsch neben dem -andern, peinlich genaue Arbeit, anders wäre es nicht -möglich, hier einen Schritt zu machen. Granattrichter. -Zerschossene Bäume. Mannsdicke Eichen, die Granate -traf sie in der Mitte, zerriß sie und warf sie aufs Gesicht. -So liegen sie nun da und sterben. Hier gibt es sonderbare -Hünengräber, mitten im Walde, Stein- und Erdhügel. -Blickt man aber näher hin, so sind es Batterien. -Die grauen Kanonen stehen darin, anständige Kaliber! -Sie feuern glatt durch Laub und Zweige hindurch. Wir -steuern ein Hünengrab an und steigen in die Erde hinein. -Wir klopfen und treten ein. Hier brennt die Hängelampe, -obschon es elf Uhr vormittags ist. Ein Mann -in einer Wollweste empfängt uns. Hier hausen Pionieroffiziere, -Leute von Welt. Sie haben gute Laune, Kognak -und einen herrlichen heißen eisernen Ofen, der sofort -zischt, wenn man ihm nahe kommt. Sie hausen hier -schon – tuh, tuh, das Telephon tutet: ein Stollen im -Graben so und so, wird gemacht – sie hausen hier schon -<a id="page-146" class="pagenum" title="146"></a> -seit Ende September! Unter der Balkendecke, zwei -Meter Schotter darüber, ein paar Schlafkojen. Urlaub, -nein, Urlaub nahmen sie noch nicht. Sie haben keine -Lust, sie sind hier nötig. In den Gräben arbeiten sie, -ganz vorn, in den Minenstollen. Was sie tun, davon -will ich später einmal berichten. Ihre Gedanken, ihre -Pläne, ihre Frauen – alles haben sie hingegeben, -mag es kommen, wie es will, sie werden auf ihrem Posten -stehen. Unvergeßlich sind sie, jung und stark und kühn. -</p> - -<p> -Es gießt noch immer. Düster und unheimlich rauscht -der Wald. Es ist ein Wald der Unterwelt, erfüllt von -einem schauerlichen und nie gehörten Lärm. Er hustet, -das furchtbare Husten eines Unholds, der in den Schluchten -haust. Er lacht heiser und keuchend wie ein Teufel, -dem etwas schrecklichen Spaß macht. Riesenspechte -klopfen. Es kracht wie ein schwerer Schmiedehammer, -den nicht Menschen, sondern Zyklopen bedienen. Sie -fluchen zur Arbeit, rufen und poltern. Zuweilen nehmen -sie die Axt und schlagen, eins, zwei in den eisenharten -Stamm der Eiche, daß die Berge hallen. Die Eiche -schlägt krachend hin. Man hört, wie die Zyklopen die -Eiche zerknacken zwischen ihren Fäusten und ins Feuer -werfen, daß es prasselt. Das alles hört man ganz genau, -aber man sieht die Einäugigen nicht. Dann und wann -streicht ein Gespenstervogel unsichtbar und klagend über -die brausenden Wälder. (Eine Granate.) Ja, Gott -stehe mir bei, dieser Wald ist keineswegs gemütlich. -</p> - -<p> -Aus dem Dickicht tritt ein Mensch. Seine Stiefel -sind voller Lehm, seine Kleider naß und schmutzig. -Am Gürtel hängen Flaschen und Säcke und Ledertaschen, -<a id="page-147" class="pagenum" title="147"></a> -auf dem Rücken das Gewehr. Sein Gesicht ist -schwarzbraun, schmutzig und verwittert. Die Augen -stehen wie <em>Lampen</em> darin. Es ist ein Feldgrauer, der -aus den Gräben da oben kommt. Die „Argonnentype“, -wie sie leibt und lebt. Die Argonnentype grüßt, so -nebenher, grinst beim Anruf und verschwindet im Regen. -Sie sind es, die diesen höllischen Spektakel machen, keine -Zyklopen, sondern kleine Menschen. -</p> - -<p> -Plötzlich hört es auf zu regnen. Die Sonne bricht heiß -durch die Wolken. -</p> - -<p> -Wir treffen, bei seiner Batterie, einen Oberleutnant, -Jurist, auch er lebt seit dem Herbst im Walde. Aber der -Wald konnte ihm nichts anhaben, elegant sieht er aus -und seine schmalen Hände sind gepflegt. Zusammen mit -ihm klettern wir in den Wipfel einer Eiche empor. Die -Eiche braust, und wir schwanken, oben angelangt, wie -Äste hin und her. Wir blicken über den Wald! -</p> - -<p> -Drüben liegt die Kuppe von Vauquois. Bis zum -Kamm gehört sie uns. Dicht dahinter liegt der Franzose. -Im Tal das Dorf Boureuilles. Mit bloßem Auge -sieht man die Drahtverhaue der Franzosen, sie liegen im -Tal hinter dem Dorf. Nach rechts aber, über dem Walde, -liegt die berühmte <em>Höhe 285</em>, die unsre Tapfern vor -acht Tagen stürmten. -</p> - -<p> -Die Höhe ist braun und kahl! Es ist dem Menschen -hier gelungen, den Wald weithin auszuroden, das muß -man sagen. Die Bäume sind zerschmettert, liegen durcheinander, -verkohlt und zerschossen, das Unterholz ist -gänzlich verschwunden. Die Erde ist aufgewühlt. Gräben, -Sappen, Sprengtrichter. Die Kuppe ist in hundert -<a id="page-148" class="pagenum" title="148"></a> -Risse geborsten. Ein Maschinengewehr bellt, die Gewehre -husten. Ohne Pause wird da oben gekämpft. -Ein schweres Geschütz feuert. Es kracht wie ein Donnerschlag, -und das Echo poltert in den Schluchten. -</p> - -<p> -Ziehe die Luft ein, riechst du es nicht? Es riecht wie in -den Gängen eines Hospitals. Es riecht nach <em>Chlor</em> und -allen möglichen Dingen. Diesen Geruch habe ich schon heute -morgen verspürt, als wir uns dem Argonnerwald <em>näherten</em>. -Dieser ganze Wald, trächtig von Feuchtigkeit, Erde -und Wurzeln, hat diesen sonderbaren Geruch angenommen. -Er stammt von den Gasbomben der Franzosen, von den -Gasen der stündlich einschlagenden Granaten, von den -Massengräbern, die mit Chlorkalk zugeschüttet sind. -</p> - -<p> -Fürchterlich, dreimal fürchterlich muß es hier zugegangen -sein! Der Wald hat seine Geschichte, und sie ist -schrecklich wie die Geschichte wilder Meere. Heute noch -findet man im Dickicht verstreut Leichen und Skelette. -Man sieht in den Gebüschen einen Soldaten, das Gewehr -im Anschlag, man ruft ihn an, er antwortet nicht. -Er ist tot und in seiner letzten Stellung von den Dornen -festgehalten worden. Man mußte sich den Weg bahnen -wie in einem Urwald. Man bekam Feuer aus nächster -Nähe. Man sah keinen Feind. Der Franzose saß auf -den Bäumen, mit Maschinengewehren saß er oben. -Man hörte den Gegner sprechen, die Offiziere Befehle -erteilen, aber man sah nichts, rein nichts. Man grub sich -gegenüber ein, schoß das Dickicht mit Maschinengewehren -ab, um Luft zu bekommen, drang vor – der Feind zog -sich zehn Schritt zurück, und es war die alte Sache. -Es war ein Indianerkrieg und die Argonnen bilden ein -<a id="page-149" class="pagenum" title="149"></a> -Kapitel für sich in der Geschichte dieses Feldzuges. -Hier gab es keine Pausen, keine Ruhe, hier wurde erbittert -gekämpft, Tag und Nacht, viele Monate hindurch, -und das Wasser in den Gräben stand häufig bis zur -Hüfte. Man lag sich und liegt sich an manchen Stellen -zehn Schritt gegenüber, ein lautes Wort bedeutet den -Tod. Handgranaten, Minenstollen und Wurfminen. -</p> - -<p> -In den letzten Wochen fanden hier wütende Gefechte -und Schlachten statt, am 2. Juli, am 14. Juli – doch -davon später. – -</p> - -<p> -Ein Knüppelweg führt ins Tal hinab. An einer verborgenen -Stelle wartet unser Auto. „Hat er hergeschossen?“ -Nein – na, also los! -</p> - -<p> -Wir fahren eine Strecke in Sicht des Feindes, wir -jagen in eine zerschossene und zerstörte Stadt hinein. -Sie erinnert an eine zerfallene italienische Ortschaft. -Es ist Varennes. Jene Stadt, in der Ludwig XVI. -mit seiner Gemahlin auf der Flucht erkannt und festgenommen -wurde. Varennes ist ständig unter Feuer. -Das Auto beginnt wie toll zu jagen. Es fegt eine schnurgerade -Chaussee hinab in einem Höllentempo. Eile tut -hier not, denn wir fahren in etwa 1000 Meter Entfernung -an den feindlichen Stellungen vorüber, und es ist eine -Anfängeraufgabe, uns hier abzuschießen. Die Höhe -von Vauquois, die Kirche von Montfaucon, oben auf -einem Berge in der Abendsonne. Ein paar Granatfahnen -rauchen aus Apremont, während wir vorüberfliegen. -Neben der Chaussee sind Serien von Granattrichtern. -Sie sind ganz frisch, die Erde liegt noch locker -und feucht. Der Abendsegen. – -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIEKYYMPFEINDENARGONNEN"> -<a id="page-150" class="pagenum" title="150"></a> -Die Kämpfe in den Argonnen -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<div class="container"> - <div class="epi"> -<p class="epi"> -„<span class="antiqua" lang="fr">Les Argonnes, c’est l’enfer!</span>“ -</p> - -<p class="attr"> -Aus dem Tagebuch eines französischen Offiziers. -</p> - - </div> -</div> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">A</span><span class="postfirstchar">m</span> 20. Juni begann die Sache in den Westargonnen, -am 2. Juli war sie zu Ende. 37 Offiziere gefangen, -2700 Mann! 100 Minenwerfer, 28 Maschinengewehre, -5000 Gewehre und 30000 Handgranaten! 1600 tote -Feinde bestattet! Es ist ein Erfolg, der sich sehen lassen -kann! -</p> - -<p> -Man muß im Auge behalten, daß es sich hier um Waldkämpfe -handelt. Der Franzose hat Erdwerke angelegt, -Festungen unter der Erde. Er hat Blockhäuser in die -Erde gerammt, jedes ein Fort. Die Dachkante ragt -aus dem Boden, nichts sonst. Schießscharten, Maschinengewehre, -Drahtverhaue vor den Gräben, eine Schlucht -mit einem Wassergraben. Wenn ich sage, wie der Argonnenkämpfer -stürmt, so wird man alles begreifen: den -Stahlschild vorgehalten, Handgranaten am Gürtel, -Handgranaten in der Faust, das Gewehr auf dem Rücken -und die Gasschutzmaske vor dem Gesicht – so geht er -vor! Es ist kein Spaziergang, o nein! Es ist keineswegs -wie auf jener Photographie, die eine Berliner Zeitung -kürzlich brachte und die einen „Sturmangriff in den -Argonnen“ vorstellen sollte. Mit dem aufgepflanzten -Bajonett läuft da eine Kolonne gegen einen idyllischen -Waldrand an. O, hoho! Es ist mehr als kindisch, es -ist eine Schmach. Der Argonnenkämpfer wird sich totlachen -über den naiven Schwindel, wenn er das Bild zu -sehen bekommt. -</p> - -<p> -<a id="page-151" class="pagenum" title="151"></a> -Am 20. Juni, wie gesagt, fing es an. Die Minenwerfer -begannen ihre höllische Arbeit und deckten die -französischen Gräben und Verhaue zu. Die Granaten -hagelten herab. Los! Die Pioniere sind die ersten. -Mit Drahtscheren gehen sie vor, mit Brückenstegen aus -Knüppelholz gezimmert. Sie stürzen nieder, auf, die -Stacheldrähte zerfetzen ihnen die Kleider, vorwärts! -Der Kampf ist im Gange. Hier kämpft Gruppe gegen -Gruppe, Mann gegen Mann, die Handgranaten krachen. -Um jedes winzige Grabenstück, um jeden Granattrichter -wird verzweifelt gerungen. Unsichtbar ist der Feind. -Aus dem Dickicht schwirren die Geschosse eines Maschinengewehrs. -Ein Trupp Württemberger stürmt hinein. -Leutnant Sommer klettert mit ein paar Leuten auf das -Dach eines versteckten Blockhauses, aus dem das Maschinengewehr -feuert. Revolver, Handgranaten durch -die Schießscharten, die Besatzung ist erledigt. Leutnant -Sommer fällt. Er ist tot, aber er ist unsterblich! Einem -andern Offizier, Leutnant Walker, gelingt es, in die -Gräben der Labordère-Stellung einzudringen. Er ist -abgeschnitten, umzingelt, aber er hält stand in einem -höllischen Feuer, mit einer Handvoll Leuten, bis acht -Uhr abends(!) Entsatz kommt. Zwei Leutnante, Spindler -und Kurz, springen in den Graben und schlagen sich -nach links und rechts, bis sie fallen. Sie sind tot, aber -ihre Namen werden weiterleben! Es geht heiß zu, es -geht verzweifelt zu. -</p> - -<p> -Am Abend ist die Stellung genommen! -</p> - -<p> -Es ist nur der Anfang. Die Franzosen trommeln auf -die eroberten Gräben. Acht Tage lang machen sie einen -<a id="page-152" class="pagenum" title="152"></a> -verzweifelten Versuch nach dem andern, die Gräben -zurückzuerobern. Vom 21. bis zum 29. Sie versuchen -es mit allen Mitteln, Gasbomben und brennender Flüssigkeit. -</p> - -<p> -Am 30. Juni geht es weiter. Niemals hat der Argonnerwald -solch ein Feuer gehört! Die französischen Gräben -werden zu Brei geschossen. Die Toten liegen wie das -Getreide nach einem Hagelwetter. Ein Handgranatenlager -fliegt in die Luft. Aber der Franzose kämpft wie -ein Teufel. Im vordersten Graben fällt Mann um -Mann. Niemand ergibt sich! In einer halben Stunde -sind die Werke Central und Cimetière gestürmt. Unsre -Grauen sind nicht zu halten. Eine Kompanie Grenadiere -jagt bis ins Tal der Biesme vor. Auf dem östlichen -Flügel der kämpfenden Linien liegen auf der sogenannten -Rheinbabenhöhe die Grauen in den Gräben. Es wird -gekämpft, sie halten es nicht mehr aus in den Gräben -und greifen aus freiem Entschluß an. Württemberger -Freiwillige nehmen die Reste des Labordère-Werkes. -</p> - -<p> -Der Franzose ist geworfen, aber kleine Verbände -wehren sich noch tollkühn in kleinen Grabenstücken und -Blockhäusern. Ein Unteroffizier pirscht sich an ein Blockhaus, -das wütend feuert, heran und wirft eine Handgranate -hinein. Nun wird es drinnen still! -</p> - -<p> -Es wird Nacht. Keine Ruhe, kein Schlaf, nein, daran -ist nicht zu denken. Sie wühlen und graben die ganze -Nacht durch, der Morgen muß sie bereit finden! Auch -der Feind schanzt fieberhaft. Die Leuchtkugeln steigen. -Die ganze vorgeschobene Gräbenkette der Franzosen ist -in unsrer Hand: Labordère, Central, Cimetière, Bagatelle -<a id="page-153" class="pagenum" title="153"></a> -– aber dahinter hat er im Wald ein Verteidigungswerk, -den „grünen Graben“, bezogen, die Fetzen der -französischen Kompanien haben ihn besetzt und zu einer -Festung ausgebaut. -</p> - -<p> -2. Juli Angriff auf den „grünen Graben“! -</p> - -<p> -Der 1. Juli ist kein Ruhetag, das darf man nicht -glauben. Ohne eine Minute Pause wird gearbeitet. -Die Leichen werden geborgen, schauerlichste Arbeit des -Soldaten! Lebensmittel und Wasser herbeigeschafft, -Munition, Handgranaten, Minenhunde. Die Minenwerfer -schießen sich ein, die Artilleriebeobachter kriechen -durch die Gräben und lassen ein paar Granaten zur -Probe kommen. Fertig, alles bereit! -</p> - -<p> -Am 2. Juli donnert der Wald und der Boden zittert. -Bis fünf Uhr nachmittags hageln die Granaten auf den -grünen Graben herab. Um fünf Uhr gehen die Grenadiere -vor. Bis zur Dunkelheit wogt der Kampf hin und her. -Er ist mörderisch. Hier wird nur mit Handgranaten -und Kolben gekämpft. Wir gewinnen Boden, Schritt -für Schritt. Der Feind schlägt sich bewundernswert, -alle Grauen gestehen es ohne weiteres zu. Ein Bataillon -bricht durch, in der Richtung auf das Dörfchen La Harazée. -Es kommt dem grünen Graben in den Rücken. Von der -Rheinbabenhöhe her, von St. Hubert stürmen unsre -Truppen. Der grüne Graben ist nahezu umzingelt. Die -Lage des Feindes ist hoffnungslos, aber er ergibt sich -nicht. Da ist ein Major im grünen Graben, Major -Remy, der wie ein Rasender ficht und seine Leute zum -Äußersten anpeitscht. Er fällt. Der grüne Graben ist -genommen! -</p> - -<p> -<a id="page-154" class="pagenum" title="154"></a> -Die Verwundeten werden fortgeschafft. Die Gefangenen -abtransportiert. Die Toten liegen, wo sie -liegen. Noch gibt es keine Pause. Denn der Graben muß -sofort wieder zur Verteidigung eingerichtet werden. Er -ist stellenweise bis zur Sohle eingetrommelt. Die Sandsäcke, -die die Granaten durch den Wald schleuderten, -werden zusammengeschleppt, aufgebaut. Die Stahlschilde -eingerammt, die Maschinengewehre aufgestellt. -</p> - -<p> -Kommt der Feind, so ist man bereit. Und er kam und -man war bereit! -</p> - -<p> -Es wird still. Es ist Nacht. Die erste Nacht seit Wochen, -die ruhig ist, keine Granaten, keine Minen. Der Soldat -schläft, tief und traumlos, wie die Kameraden, die da -draußen liegen und alles vergessen haben. -</p> - -<p> -Die Horchposten kauern im Gebüsch, die Wachen stehen -im finstern Graben. Das Telephon ist schon wieder eingerichtet. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="HYYHE285"> -Höhe 285 -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">F</span><span class="postfirstchar">rüher</span> war sie grün. Das Unterholz war so dicht, -daß man sich wie durch einen Urwald vorwärtsarbeiten -mußte. Dazwischen standen mannsdicke Eichen und -sonstige Bäume, vielleicht alle zehn Schritte ein hoher -Baum. Wir lagen ihnen auf vierzig bis fünfzig Schritt -gegenüber. Zu sehen war nichts. Sie hatten ein Labyrinth -von Gräben angelegt, Blockhäuser und große -Unterstände. Aber man sah nichts! Regte man sich, -so pfiffen die Kugeln. Woher, das wußte man nicht, -<a id="page-155" class="pagenum" title="155"></a> -sie saßen irgendwo in den Bäumen. Sie waren oben, -wir unten, also sehr im Nachteil. -</p> - -<p> -Seit Ende September pfiffen hier die Kugeln. Die -Bäume und die Stämme des Unterholzes wurden hundertfach -durchlöchert, bis sie abstarben. Die Granaten -knickten die Eichen, das Laub wirbelte. Es wurde allmählich, -ganz langsam, lichter. -</p> - -<p> -Man trieb Sappen vor und kam einander näher. -Die Wurfminen flogen von Graben zu Graben. Man -trieb Stollen vor, unter der Erde, wir und er. Die -Sprengungen rissen die Bäume in die Luft. Es wurde -immer lichter. -</p> - -<p> -Als ich die Höhe 285 sah, war sie <em>ganz kahl</em>. Sie ist -so groß, daß eine kleine Stadt darauf Platz hätte. Kein -grüner Fleck. Zerschmetterte und zerfetzte Bäume, -das ist alles, was geblieben ist. Ein Schutthaufe, auf -den ein Wolkenbruch niederprasselte und Rinnen, Furchen, -Gräben und krumme Schluchten wühlte. So sah -sie aus. -</p> - -<p> -Sie bot große Vorteile. Sie beherrschte einen Teil -der Höhenzüge ringsum, das Tal gegen Boureuille; -er konnte unsre Straßen einsehen, unsre Zufuhr unter -Feuer nehmen. Das war keineswegs angenehm. Die -Höhe 285 mit La Fille morte dahinter war, klar ausgedrückt, -ein Dorn, der uns im Fleisch saß. Der Dorn -mußte weg! Der Franzose mußte hinter die Höhe geworfen -werden, weil er dann nichts mehr sehen konnte. -</p> - -<p> -Es mußte sein und wurde vollbracht! Am 13. Juli. -</p> - -<p> -Es war eine Höllenarbeit, denn er hatte sich eine vollkommene -unterirdische Festung gebaut, in der er bombensicher -<a id="page-156" class="pagenum" title="156"></a> -eingedeckt lag. Nur bei gewissenhaftester Vorbereitung -konnte der Sturm gelingen. -</p> - -<p> -Tagelang vorher schleppten die Pioniere die zentnerschweren -Wurfminen durch die engen Gräben in die -Depots. Tausende von Handgranaten wurden herangeschafft, -Munition aller Art. Die unterirdischen Gänge -wurden ausgebaut, so daß man nur die Decke einzustoßen -brauchte, und man war im Freien. Jeder Mann -kannte seinen Platz und wußte, wohin er den Fuß zu -setzen hatte, sobald er den Graben verließ. Im Kopfe -hatte jeder Mann den Sturm schon vollendet, bevor die -erste Granate krepierte. Er wußte, in welchen Graben -er zu gehen hatte, wenn er verwundet wurde. Er wußte, -durch welchen Graben die Gefangenen geführt werden -sollten. Alles war vorher festgesetzt und besprochen. Die -Reserven genau instruiert. Die Gräben sind ein Labyrinth, -und nichts ist leichter, als sich darin zu verlaufen. -</p> - -<p> -Noch eines: die vorderste Sturmkolonne muß formiert -werden. Freiwillige vor! Da melden sich alle. -Man verstehe recht: nach einem Jahr Krieg, <a id="corr-5"></a>nach Monaten -von Argonnenkrieg, Monaten von Mühen, Entbehrungen -und Gefahren! Woher schöpfen sie, die -Grauen, diese Kraft? frage ich. Es mußte <em>gelost</em> werden. -</p> - -<p> -Nun also gut, so war es, als der 13. tagte. -</p> - -<p> -Die erste Granate kommt über den morgengrauen -Wald und schlägt krachend auf der Höhe ein. Das ist -das Signal. Die Geschütze, da hinten, stehen schon bereit, -ausgerichtet, fertig zum Schuß. Hauptleute und Kanoniere -sind auf dem Posten. Los! Der Wald ist ein einziges -Donnern. Die Kanonen geben Schnellfeuer, ein -<a id="page-157" class="pagenum" title="157"></a> -Maschinengewehrfeuer von Granaten wirbelt auf die -Stellungen des Feindes nieder. Die schweren Minenhunde -rauschen durch den Morgen. Die Höhe ist eine -einzige Staub- und Rauchwolke. Die Grauen stecken -die Köpfe aus den Gräben, um die rauchende Hölle -drüben zu sehen. Die Geschütze rasen. -</p> - -<p> -Der Feind bleibt nicht müßig und antwortet mit -wütendem Feuer. -</p> - -<p> -Kaltblütig stehen unsre Artilleriebeobachter in den -vordersten Gräben und dirigieren das Feuer, unbekümmert -um Granaten und Minen, die ringsum -krachen. Die Sturmkolonnen kauern dicht gedrängt in -den Unterständen und warten auf ihr Kommando. Sie -liegen in den Sappen bereit, mit Handgranaten am -Gürtel und im Arm, soviel sie schleppen können. Sie -kauern in den unterirdischen Stollen, die unter unsren -Drahtverhauen hindurchführen. -</p> - -<p> -Plötzlich schweigt das Feuer. -</p> - -<p> -In der nächsten Minute stürzen die schlesischen Jäger -vor. Aus Sappen, Stollen, Gräben. Der Feind legt -einen Feuerriegel vor unsre Gräben. Hindurch! Ein -Leutnant setzt mit einem Sprung über einen vier Meter -breiten feindlichen Drahtverhau. In sieben Minuten -sind die vordersten Gräben überrannt. -</p> - -<p> -Ungeheuer sind die französischen Verluste! Seine -Gräben wimmelten von Truppen, denn er hatte selbst -einen Angriff geplant, und wir waren ihm um einen -Tag zuvorgekommen. Eine Mine war in ein Lager von -Handgranaten eingeschlagen und hatte furchtbare Verwüstungen -angerichtet. In einem einzigen Unterstand -<a id="page-158" class="pagenum" title="158"></a> -fand man einhundertundfünf Tote. Seine Verbände -waren zersprengt, aber noch keineswegs geschlagen. -</p> - -<p> -Sie kämpfen wie Rasende. -</p> - -<p> -Gräben, Sappen, Verbindungsgänge, Sprengtrichter -und Granatlöcher, überall sitzen sie wie festgeschraubt -und zerren so viel Feinde mit in den Tod, wie -sie können. In einem Verbindungsgraben hat sich, -mit zwei Gewehren, ein französischer Offizier eingenistet, -der unaufhörlich feuert. Ein Soldat hockt neben ihm -und ladet ihm die Gewehre. Es ist ein Einzelgefecht im -großen Kampfe, bis es gelingt, den kühnen Gegner zu -vernichten. Ein Hauptmann bedient einen verborgenen -Minenwerfer, obschon seine Leute ringsum gefallen sind. -Er kämpft mit äußerster Todesverachtung, bis ihn ein -Schlesier niederschlägt. -</p> - -<p> -Schon beginnt wieder das Dickicht. Tausendfach -schwirrt der Tod durch den Wald. Ein Fort, ein eingegrabenes -Blockhaus. Ein paar Pioniere heran, Sprengladung -angebracht, fort! Das Blockhaus fliegt in die -Luft. Der Feind läßt eine Mine hochgehen, Steine und -Erde hagelt es aus der Luft. Im nächsten Augenblick -sitzen unsre Grauen im Sprengtrichter und verteidigen -ihn nach allen Seiten. Es sind rasche Teufel, man muß -es zugeben! -</p> - -<p> -Der Feind ist zersprengt, gefangen, geschlagen. -</p> - -<p> -Die Argonnenleute sind nicht zum Stehen zu bringen. -Sie jagen weiter, die Höhe hinunter. Sie stürmen ein -französisches Lager, vernichten, was sie vernichten -können. Für all diese Fälle sind sie schon vorbereitet. -Sie haben Beile bei sich! Sie stürmen bis zu den feindlichen -<a id="page-159" class="pagenum" title="159"></a> -Geschützen vor und ringen mit den grauen Untieren, -um sie wegzuschleppen, um sie auf die Höhe zu -schaffen. Mit, alles mit, was mitgehen kann! Aber -die Geschütze sind zu schwer, zu fest eingebaut – es ist -menschenunmöglich, sie gefangenzunehmen und schon -nahen französische Reserven. Kurzer Prozeß! Sie -schlagen kaputt, was sich kaputt schlagen läßt, die Richtvorrichtungen, -die Verschlüsse. Sie schieben den grauen -Untieren noch rasch ein paar Handgranaten ins Maul, -um sie zu zerstören. -</p> - -<p> -Es ist höchste Zeit! Einer wirft noch rasch eine Handgranate -in das Munitionslager und es fliegt in die Luft. -</p> - -<p> -Zurück! In stehender Schützenlinie feuern sie auf die -anrückenden Reserven ... -</p> - -<p> -Der einzelne zählt hier, der einzelne Mann, er muß -rasch, kühn, verwegen handeln. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DERKRIEGUNTERDERERDE"> -Der Krieg unter der Erde -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im Juli -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">I</span><span class="postfirstchar">n</span> die Erde sind die Gräben eingewühlt, tiefe, krumme -Rinnen. Sie laufen quer durch Felder und Wälder, -Dörfer und Friedhöfe, sie nehmen keine Rücksicht. Vor -den Gräben sind die Drahtverhaue, niedrige, kriechende -Gestrüppe mit eisernen Dornen. Diese Dornengestrüppe -sind Geschöpfe des Menschen von heute. Sie tragen -keine Früchte, der Mensch stirbt in ihnen wie die Fliege -in den Haarborsten der fleischfressenden Pflanze. -Zwischen den Drahtverhauen, hinüber und herüber, -schwirren die Gewehrkugeln. Aus dem wassergekühlten -<a id="page-160" class="pagenum" title="160"></a> -Lauf des Maschinengewehres stürzen sich die zischenden -Schwärme. Die Granate kommt aus weiter Ferne -herüber und tastet nach allem, was lebt. Mehr, noch -mehr. Die zentnerschweren Wurfminen stürzen aus den -Gräben heraus, in die feindlichen Gräben hinüber. -Die Handgranaten fliegen. Das ist noch lange nicht -alles! Wir, die wir in der Luft, im Wasser, unter dem -Wasser, auf den Schneefeldern und in der Wüste kämpfen, -wir kämpfen heute auch unter der Erde. Wo die Gräben -sich einander nähern, kommt zum Grabenkrieg noch der -Minenkrieg. Weiter geht es nicht. -</p> - -<p> -Es ist der Krieg der Pioniere! -</p> - -<p> -Erst waren sie hinten, Stege und Brücken, dann -kamen sie vor, Unterstände, Gräben und Drahtverhaue. -Und schließlich begannen sie ihren eigenen Krieg, auf ihre -Weise. Heute sind sie vorn bei den Vordersten, und wo -der Mann fällt, fällt der Pionier mit ihm. -</p> - -<p> -Sie sind Teufelskerle und ohne sie geht es nicht mehr. -Sie sind unentbehrlich, geliebt und bewundert. -</p> - -<p> -Also sie kommen, Offizier und Mann, und betrachten -sich die Sache. Sie zögern nicht lange, es ist nicht ihre -Art, lange zu fackeln. Sie fangen an. Hinein in die -Erde! Es ist ein Loch, ein Brunnen, ein Schacht. Ganze -Stockwerke tief. Knüppelleitern und Leitern von Stricken -führen hinab. Dann geht es vorwärts, unter den Gräben -und Drahtverhauen hindurch. Von da aus geht es nach -rechts und nach links. Der Stollen wächst. Eine Anzahl -von Schächten wird in die Erde getrieben, und die -Stollen strahlen von ihnen aus. Galerien und Korridore -verbinden die Stollen unter der Erde. Da unten -<a id="page-161" class="pagenum" title="161"></a> -in der Dunkelheit sind neue Laufgräben entstanden. -Spitzhacke und Spaten und Druckluftbohrer fressen sich -durch Erde und Stein und es entsteht ein richtiges -Bergwerk. -</p> - -<p> -„Wir haben da und dort eine Mine gesprengt.“ Wer -denkt sich etwas dabei? Niemand. Wer kennt die furchtbare -Arbeit? -</p> - -<p> -Sie suchen hier unter der Erde nicht nach Erzen, sie -suchen nach dem Menschen, sie wollen ihn von unten -fassen, da es von oben nicht genügt. -</p> - -<p> -Schwer und hart ist die Arbeit des Pioniers. Acht -Stunden lang schleppt er ununterbrochen Erde und -Gestein durch die düsteren Stollen. Oben, im Licht der -Sonne, schüttet er die Erde aus, und wenn der Feind -sieht, daß neue Erdwälle entstehen, so schießt er augenblicklich -mit Granaten hinein. Aber der Pionier? Nun, -der Pionier tut seine Pflicht. -</p> - -<p> -Mit Kompaß und Meßband wird hier unten gearbeitet. -Es handelt sich um geringste Winkel, Gefälle -und Steigung, um Meter und halbe Meter. Züge mit -Grubenhölzern rollen heran, die Pioniere schleppen -Tag und Nacht Holz und Balken durch die Stollen, um -sie auszubauen, damit sie ihnen nicht über dem Kopf -zusammenbrechen eines Tages. Das wäre eine hübsche -Geschichte! Kilometerlang sind oft Gänge und Galerien -unter der Erde. Aber niemand sieht sie, niemand kennt -die Arbeit der Pioniere. -</p> - -<p> -Es ist eine Arbeit von Wochen und Monaten, eine -Arbeit von Schweiß, Überlegung und Mut. -</p> - -<p> -Wie steht es? Baut auch <em>er</em>? Der Pionier lauscht -<a id="page-162" class="pagenum" title="162"></a> -drunten in seiner Nacht. Der Pionier lugt aus, ob nicht -drüben bei ihm auffallend viel Erde aufgeworfen wird. -Es regnet in Strömen, tagelang, und der Pionier -horcht: Ja, seine Pumpen spielen! Er hat Wasser in die -Stollen bekommen. -</p> - -<p> -Natürlich baut er, der Franzose. Er hat den Anfang -damit gemacht und ist Meister in diesen Dingen. -</p> - -<p> -Mit List und größter Vorsicht wird dieser Krieg unter -der Erde, in der Finsternis, geführt, viele Meter unter -dem Boden. Eines Tages, in einer Stunde der Nacht, -während draußen die Gewehre peitschen und die Leuchtkugeln -alles taghell beleuchten, in einer glücklichen Minute -hört man ihn schaben und scharren, ihn, der von drüben -herübergekommen ist, in den Wochen, in den Monaten, -und der, wie wir, versucht, den Feind von unten zu -packen, weil es von oben nicht genügt. Der Pionier, -der ein ganzer Kerl ist und seine Sache versteht, weiß -genau, was er zu tun hat. Mit seinen feinen Ohren -horcht er und sagt sich, es sind vier Meter, es sind sechs -Meter. Ist er rechts, links, oben, unten, feine Ohren -gehören dazu. Der Offizier liegt in seinem Unterstand -auf seiner Pritsche und schläft, da tutet das Telephon: -Es sind vier Meter, ich glaube, er ist über uns. Nun -schön, sagt der Offizier, ich komme morgen in aller -Frühe. -</p> - -<p> -Nun heißt es handeln! Man muß arbeiten und -schaben, damit er drüben nicht merkt, daß man ihn gehört -hat. Es ist ja wahrscheinlich, daß auch er es gehört -hat mit seinen feinen Ohren. Der große Augenblick ist -gekommen. Es handelt sich um Minuten. Die Sprengladung -<a id="page-163" class="pagenum" title="163"></a> -wird herbeigeschafft. Sandsäcke, ganze Berge -von Sandsäcken werden durch den Brunnenschacht hinunter -in den Stollen getragen. Die Pioniere wimmeln -wie Ratten in der Dunkelheit, aber die Leute vorn arbeiten -weiter. Sie markieren die Arbeit, aber es muß verdammt -geschickt gemacht werden. Die Art des Schlagens -und Schabens, obwohl nur markiert wird, darf sich um -nichts von der wirklichen Arbeit unterscheiden, denn er -drüben in den Stollen ist listig wie ein Fuchs. Er wird -sich in den Bart lachen und sagen: Sie markieren jetzt, -aber fünf Minuten früher werde <em>ich</em> sprengen. Dann -lebt wohl, Pioniere, Offizier und Mann! -</p> - -<p> -Peinlich genau werden die Kisten mit der Sprengladung -aufgebaut, mit Sprengkapseln versehen, aber -währenddessen wird ohne Pause das Wühlen und -Graben fortgesetzt, und er, der die Sache macht, muß -ein Künstler sein, soll das Werk gelingen. Rasch, rasch! -</p> - -<p> -Die Pioniere hocken im düsteren Stollen. Die Sandsäcke -wandern in fieberhafter Hast von Arm zu Arm. -Die Sprengladung muß eingebaut und ein meterdicker -fester Wall davor gerammt werden. Sonst würde die -Ladung unsre Stollen zerreißen und nicht hoch gehen. -Die Säcke wandern rascher und rascher, und der Schweiß -stürzt in Strömen über das Gesicht der Pioniere. Mann -für Mann gibt sein Letztes her! Der vorderste arbeitet -wie ein Besessener, stark und geschickt muß er sein, und -baut die Mauer. Rasch, immer rascher muß es gehen. -Er spürt seine Arme nicht mehr, wenn die Arbeit getan -ist. Zurück! Die Leitungsdrähte werden sorgfältig -durchgezogen, die Pioniere stieben rückwärts, rasch, rasch! -<a id="page-164" class="pagenum" title="164"></a> -Und der Offizier, der Offizier der Pioniere, sagt zu den -Grauen in den Gräben: Also jetzt geht es los, Achtung! -In drei Minuten wird gesprengt. Die Grauen verschwinden -in den Unterständen und ziehen die Köpfe ein. -</p> - -<p> -Der Boden wankt, die Mine fliegt hoch! Sie zerreißt -die Erde, der Boden öffnet sich und Steine und Erde -jagen Hunderte von Metern hoch. Ein Vulkan speit. -Schwarz und grau steht turmhoch die Rauch- und Staubsäule. -In dem Rauch jagen Sandsäcke und Menschenleiber -in die Höhe und flattern Kleidungsstücke, die der -Luftdruck von den Körpern riß. Achtung! Nun kommen -sie herunter. Die Steine prasseln auf die Gräben -herab. -</p> - -<p> -Aber noch regnet es Steine und Trümmer und der -Rauch steht noch undurchdringlich: da sind die Grauen -schon aus den Gräben, schon vorn! Und ehe der Rauch -sich verzogen hat, sitzen sie schon in dem Sprengtrichter, -der groß ist wie eine Zirkusmanege. Alles war vorbereitet, -sie hatten nur gelauert. Alles war bereit, Gewehre, -Munition, Handgranaten, Maschinengewehre. -Und mit den Grauen sind auch schon die Pioniere da, -mit Sandsäcken, und beginnen wie die Ameisen zu -bauen. Wälle, Schutzschilde, provisorische Unterstände: -Nun mag er kommen! Und schon sind die Pioniere -<em>hinten</em> an der Arbeit, um eine Sappe zu der neuen -Festung vorzutreiben. Wir haben zwanzig Meter, -dreißig Meter gewonnen, wir haben unsere Stellung verbessert, -wir haben seine unterirdischen Stollen zerstört. -</p> - -<p> -In den Zeitungen steht die Notiz: Da und dort -haben wir eine Mine gesprengt. Aber niemand weiß, -<a id="page-165" class="pagenum" title="165"></a> -welche Arbeit, wieviel List und Kühnheit dazu gehört. -Die Pioniere sind Leute, die nicht viel reden. -</p> - -<p> -Das ist der Krieg unter der Erde, der neueste, der -furchtbarste. Tag und Nacht wird gegraben und gewühlt. -Eine Mine fliegt hoch, an dieser und jener Stelle -der Front. Man treibt die Stollen bis unter die Gräben -der Feinde, und ein Grabenstück mit allem, was da -drinnen ist, geht in die Luft, Menschen, Munition, -Kochgeschirre und Waffen. -</p> - -<p> -Für den Sturm werden Stollen vorbereitet und -fliegen auf in der Sekunde, in der es sein muß. -</p> - -<p> -Wehe aber, wenn er zuerst sprengt, eine Minute -früher: Offizier und Pionier, sie gruben ihr eigenes -Grab. Aber sie wissen, was sie tun, sie wissen, wofür -sie es tun. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="LABASSYYE"> -La Bassée -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im August -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">U</span><span class="postfirstchar">m</span> sechs Uhr nachmittags verschwinden die Leute von -Lille von der Straße. Um neun Uhr wird es Nacht und -Lille ist tot. Nur vereinzelt ein erleuchtetes Fenster und -Stimmen dahinter. Die Schritte hallen. Ein Polizeisoldat, -ein Feldgrauer mit der schwarzweißroten Binde -am Arm, schlürft an den verschlossenen, finsteren Häusern -entlang. Eine Radfahrerpatrouille gleitet schweigend -durch die nächtige Straße. Ein paar verspätete Offiziere. -Man kann stundenlang durch Straßen und Boulevards -wandern, keine Katze regt sich. Lille schläft. -</p> - -<p> -Von draußen, aus der Nacht, dringt der Lärm des -<a id="page-166" class="pagenum" title="166"></a> -Gewehrfeuers. Man hört es ganz deutlich, jeden einzelnen -Schuß. So nahe sind die Gräben! Es pocht, -dumpf und hart, wie eine Negertrommel. Eine Reihe -von Schlägen, dazwischen ein rollender Wirbel. Dann -beginnt es zu prasseln und zu knattern, metallen. Die -Maschinengewehre hämmern. Ein Nachtgefecht, ein -paar Gräben sind lebendig geworden. Das Feuer wird -lebhafter, es prasselt minutenlang ohne jede Pause. -Aber Lille schläft. Es öffnet sich kein Fenster, kein Kopf -lauscht hinaus in die Nacht. Kein Herz schlägt rascher, -erregt von einer leisen Hoffnung. Nein! Sie wissen es -jetzt. Seit Monaten, seit dem Herbst hören sie das Rollen -des Gewehrfeuers in der Nacht, sie wissen, es bedeutet -– nichts. Sie schlafen, sie halten sich die Ohren zu, -um es nicht zu hören, lange genug haben sie sich betrogen -mit Hoffnungen, Ahnungen, Gerüchten, sie glauben -es nicht mehr. Morgen um fünf Uhr wird der Flieger, -klein wie ein Punkt, über der Stadt erscheinen, und die -Abwehrgeschütze werden krachen, aber sie wissen, auch -das bedeutet – nichts. Das Quälendste für den Menschen -ist das Warten, es tötet alle Kraft zu hoffen. -</p> - -<p> -Nein, Lille schläft, es will nicht aufwachen! -</p> - -<p> -Niemals war eine Stadt so still und so dunkel. Punkt -drei Uhr kommt das Auto, das mich hinausbringen soll -zu den Gräben, und wir machen uns auf die Reise. -</p> - -<p> -Das Feuer hat aufgehört, die Stadt ist noch stiller -geworden. Sie schläft nicht, sie liegt in einer Art von -Totenstarre. Das Auto gleitet zwischen schwarzen Häusern -dahin. Kein Schnarchen hinter den dunkeln Fenstern, -kein Kinderweinen, stumm, alles stumm. Die große -<a id="page-167" class="pagenum" title="167"></a> -Stadt ist tot. Wir rollen durch finstere Straßen, über -öde Plätze und leere Boulevards. Eine rote Lampe -schwingt am Ende der Straße hin und her. Aus der -Finsternis taucht ein massiges schwarzes Festungstor. -Die Wache tritt vor und blendet mit der Lampe über -Wagen und Insassen. Weiter! -</p> - -<p> -Nun ist es plötzlich noch finsterer geworden. Die -Lampe des Autos leuchtet wie ein Scheinwerfer in die -Nacht hinein. Wir jagen an fahlen Baumstämmen -vorüber, durch Grotten von bleichgrünem Laub. Alleen, -Straßen. Der Wagen nimmt Erhöhungen der Straße -wie ein Segelboot die Woge, er tanzt, in den Kurven -fegt er haarscharf an den Bäumen entlang und die -Zweige peitschen unsere Gesichter. Es ist kalt und die satte -Luft der Nacht stürzt uns entgegen. Die Bäume rauschen -und brausen im Wind. Aufgescheuchte Tiere, kalkbleich, -huschen über den Weg und Funken stieben blitzschnell -vorüber. Das sind Motten, vom Lichtkegel getroffen -und vom Luftdruck zur Seite geschleudert. -Tote, schlafende Dörfer. Kein Laut, kein Mensch. Der -Motor donnert. Rote Backsteinhäuser flammen im -Lichtschein auf und sinken augenblicklich wieder in die -Finsternis zurück. Die erschrockenen Augen einer schneeweißen -Katze. Ein Posten. Ein paar laute Rufe wehen -vorbei. Weiter! Der Wagen fliegt. Herrlich ist die -Fahrt. Über uns stehen glitzernd und klar die Sterne -des Sommerhimmels. Wir schweigen. Jeder ist in seine -Gedanken versunken. -</p> - -<p> -Hier auf dieser Straße marschierten sie, die Kolonnen, -Kompanien, Regimenter, im Herbst. In die Schlacht -<a id="page-168" class="pagenum" title="168"></a> -von La Bassée. Freiwillige, Studenten. Sie stürmten -dahin, sie sangen, ihre Augen sprühten. Vorwärts! -Viele kehrten diese Straße nicht zurück! An der Straße -stehen seltsam geformte Büsche; wie Frauengestalten, -die die Hände vor das Gesicht breiten, erscheinen sie in -der Nacht. Hier, dort, überall. An der Straße stehen -Steine, die aufleuchten, sich gespensterhaft neben der -Straße emporrichten, wie Geister, die uns betrachten -wollen, die alles sehen wollen, was diese Straße kommt. -Kleine weiße Kreuze stehen an der Straße, man sieht sie -weithin leuchten, wenn der Lichtkegel sie trifft. Und -fliegen wir vorüber, so drehen sie sich mit einem Ruck -uns zu. Der Herbst ist nahe und immer noch marschieren -hier die Kolonnen, die Kompanien und Regimenter. -In der Nacht wandern sie dahin. Sie singen -nicht mehr. Wenn sie sängen, so kämen die Granaten. -Dies ist der Grund, weshalb sie nicht mehr singen. -</p> - -<p> -Von den Gräben her hallen Schüsse. Sie klingen -näher und näher, denn wir sind rasch. Dann und wann -schlägt dumpf ein Geschütz, irgendwo. Auch nachts -kann es hier außen keine Ruhe geben. Seit Monaten -lärmt hier der Mensch. Ein paar Furagewagen knarren -die Straße entlang. Die Pferde schlafen im Gehen und -fahren unruhig auf, sobald der Lichtkegel sie faßt. Die -Kutscher reißen sich zusammen. Neben der Straße werden -die Granattrichter häufiger. Viele sind ganz frisch. -Der Wagen humpelt über Erde und Steine. Die -Granate schlug mitten in den Weg. Vor ein paar Stunden -war es hier keineswegs gemütlich. Zweige und -Äste, das Laub noch grün und saftig, liegen auf der -<a id="page-169" class="pagenum" title="169"></a> -Chaussee. Baumkronen sind zerfetzt, Splitter hängen -von den Stämmen. Plötzlich zieht der Fahrer mit einem -Ruck die Handbremse an und hält. Ein Baum ist quer -über die Straße gestürzt. Er ist gefallen wie ein Soldat -und hingeschlagen. Die Granate schnitt ihn über der -Wurzel glatt durch und warf ihn aufs Gesicht. Seine -Zweige sind noch grün und rauschen im Wind, wälzen -sich hin und her und wissen noch nichts. Der Motor -brummt, die Räder springen in die Höhe, hinüber. -</p> - -<p> -Ein Dorf. Der Posten winkt. Wir müssen die Lampe -löschen. Durch die Dunkelheit tasten wir uns weiter. -Die Gewehre knallen. Ein schweres Geschütz in der -Nähe reißt laut krachend ab und die Granate rauscht -in das Dunkel hinein. Kein Zweifel, die Nacht geht -zu Ende. Draußen bei den Gräben steigt zuweilen -eine Leuchtkugel empor. Bleich und sprühend, wie -ein gleißender Mond steht sie über der nächtigen -Erde. Die Gewehre lärmen aufgescheucht, dann wird -es wieder still. Die Leuchtkugel sinkt erblassend, ganz -langsam, zur dunklen Erde herab. Nun aber steht rechts, -zwischen den Pappeln, ein funkelndes Leuchtfeuer, grellweiß -und drohend. Wiederum kracht das schwere Geschütz, -und die Granate nimmt fauchend und gurgelnd -ihre Bahn über unsere Köpfe hinweg. -</p> - -<p> -Die Sterne erblassen, die Landschaft wird fahl. Nebel -steigt aus den Feldern. Das Auto fliegt. Wir haben -Eile, denn die Straße liegt in Sicht des Feindes. Bevor -es tagt, müssen wir an Ort und Stelle sein. -</p> - -<p> -Aus dem grauenden Morgen heben sich die fahlen, -verschwimmenden Umrisse einer Stadt: <em>La Bassée</em>. Ein -<a id="page-170" class="pagenum" title="170"></a> -paar Soldaten in Hemdsärmeln, fröstelnd in der Morgenkühle, -stehen an der Straße. Leichenhaft erscheint -La Bassée im frühen Licht. Kein Mensch, kein Tier ist -hier zurückgeblieben. Von ein paar Wachen abgesehen, -haust hier kein Soldat. Die letzten Einwohner mußten -schon vor Wochen den Ort verlassen, denn La Bassée liegt -ständig unter schwerem Feuer. Die Kirche ist ein Trümmerhaufen, -ganze Häuser sind in die Luft geflogen. -Granateinschläge überall. Die Stadt sieht aus wie von -einem Erdbeben zerrissen. Erst schossen wir hinein, -dann übernahm es der Engländer. Hunderte, Tausende -von Granaten fielen auf La Bassée. Es gibt nur wenig -Häuser, die unversehrt sind. -</p> - -<p> -Der Musikpavillon aber steht noch auf dem Marktplatz -wie im Frieden. -</p> - -<p> -Das Auto biegt in eine schmale Gasse ein. Sie ist -düster und voller Qualm. Ein Haus brennt, von einer -Granate in der Nacht in Brand gesetzt. Niemand löscht, -niemand kümmert sich darum. Laß es brennen! Die -Flammen lecken aus den Fenstern, sie sind ganz allein, -niemand stört sie, und sie arbeiten ruhig und langsam -weiter. Qualm wirbelt durch das verkohlte Gebälk. -Im Hause drinnen klettert das Feuer über eine purpurrote -Tapete mit zarten Empiregirlanden. Die Scherben -des geplatzten Spiegels funkeln. Hier lebten einst -Menschen. -</p> - -<p> -Wir tasten uns durch den ätzenden Rauch, der Chauffeur -flucht. Wir fahren weiter, hinaus zu den Gräben. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DIEGRYYBENBEILABASSYYE"> -<a id="page-171" class="pagenum" title="171"></a> -Die Gräben bei La Bassée -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im August -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">er</span> Kommandeur ist frühzeitig aufgestanden. Fix -und fertig angekleidet kommt er aus seinem Unterstand -geklettert. Sein Gesicht ist gerötet von der Frische des -Morgens. Ein kleiner, rührender Friedhof mit Kreuzen -auf den Gräbern und Blumen, Granattrichter und ein -Haufe zusammengestürzten Mauerwerks, das ist seine -Aussicht. Das Regiment liegt hier seit Monaten, aber -der Kommandeur sieht aus, als sei er auf weitere Monate -eingestellt. Er ist in seinem Dachsbau zu Hause, und was -die Aussicht anbetrifft, so ist ihm das vollkommen gleichgültig. -</p> - -<p> -Er telephoniert seinen Offizieren, daß sie uns einen -Führer durch den Annäherungsgraben entgegenschicken -sollen, damit wir uns nicht verirren, und wir steigen in -den Graben. -</p> - -<p> -„Fünf Uhr dreißig Minuten werden unsere 21er die -neuen englischen Gräben eindecken. Seien Sie bis dahin -zurück, denn es ist wahrscheinlich, daß er antwortet. Alles -Gute!“ -</p> - -<p> -Wir trollen zwischen den Lehmwänden und Sandsäcken -dahin. Eine Viertelstunde sind wir unterwegs, -Geschütze pochen, da pfeift und saust es in der Luft, ein -sonderbares und nicht zu verkennendes Pfeifen. Wir -ducken uns zusammen. Mit einem höllischen Sang, -böse zischend, fährt die Granate über unsere Köpfe weg. -Kaum ist sie vorüber, kommt die zweite angefegt, in der -nächsten Sekunde die dritte und dahinter die vierte. -In einem Höllentempo jagen sie dahin, eins, zwei, als -<a id="page-172" class="pagenum" title="172"></a> -wollten sie einander einholen. Im Bruchteil einer -Sekunde sind sie vorüber, man sieht sie nicht, aber in -meiner Vorstellung haben sie die Gestalt von Schlangen -angenommen, von höllischen Vipern, die langgestreckt -zischend durch die Luft fahren. Die Einschläge klingen -nahezu wie ein einziger Krach, als würden ein paar schwere -Eisentüren fast gleichzeitig ins Schloß geschmettert. -</p> - -<p> -So! Aber wir haben uns kaum von dem Schrecken -erholt, als die zweite Lage pfeifend und fauchend angefegt -kommt und uns über die Köpfe zischt. Eins, zwei, -drei, vier und Schluß. Das war die Begrüßung. -</p> - -<p> -„Es sind Flachbahngeschosse,“ sagt der Hauptmann, -„sie zischen so blödsinnig!“ -</p> - -<p> -In den Gräben ist man schon munter. Die Gewehre -peitschen, und die Spitzkugeln fahren summend und -singend über uns dahin. Die Engländer haben die -Morgenarbeit aufgenommen und knallen, um vollends -wach zu werden. Sie passen verflucht auf. Sobald man -die Mütze über die Sandsäcke streckt, kommt eine Kugel -herüber. Draußen ist nichts zu sehen: Drahtverhaue, -eine verwilderte Wiese, ein Erdwall, hinter dem es sich -zuweilen bewegt. Das ist alles. -</p> - -<p> -Unsere Grauen sind auf dem Posten. Die runde Mütze -in die Stirn gedrückt, stehen sie und lugen durch Schießscharten -und Spiegelapparate. Sie rücken die Gewehre, -tasten hin und her, setzen ab, zielen von neuem. Plötzlich -erstarrt das Gesicht auf eine Sekunde: Schuß! Sie -spaßen nicht, o nein, sie nehmen es verdammt ernst und -gewissenhaft. Sie sind ganz bei der Sache. Alle paar -Schritte steht ein Grauer und lauert. -</p> - -<p> -<a id="page-173" class="pagenum" title="173"></a> -So stehen sie von der Nordsee angefangen bis hinunter -zur Schweiz. So stehen Hunderttausende, Tag -und Nacht, seit zehn Monaten, jetzt und in dieser Sekunde. -So stehen sie, bis die tausendste Kugel kommt und sie -in den Graben wirft. Wer sie gesehen hat, die Treuen, -muß immer an sie denken: wie sie stehen, lauern, zielen, -feuern, unermüdlich. -</p> - -<p> -Eine unheimliche Spannung herrscht zwischen den beiden -Labyrinthen der Gräben. Wie zwischen zwei Gewitterwolken. -Sie verdichtet sich, die Kugel blitzt hinüber, herüber. -</p> - -<p> -Die andern frühstücken. Sie trinken Kaffee aus Blechbüchsen, -streichen sich Butterbrote, schneiden Fleisch aus -den Dosen. Über ihren Köpfen die Ballen von Sandsäcken, -die Maschinengewehre, das Gespinst der raschen -Kugeln. Andre liegen in ihren kleinen Nischen, die -schmutzigen Stiefel unter den Mantel gezogen, und -schnarchen. Sie liegen schlafend mitten im Graben, und -man muß über sie hinwegklettern. Sind sie tot, leben -sie? Man kann es nicht sagen. -</p> - -<p> -Ein Teil der Gräben ist zusammengetrommelt und -wird instand gesetzt. Die Sandsäcke sind durcheinandergeschleudert, -aufgeschlitzt und gelb von den Schwefelgranaten, -die der Engländer feuert. Ich greife rasch -nach einer Zigarette. Hier stinkt es grauenvoll! Der unsagbare -Gestank wirft mich nahezu um. Schon beim -Gedanken an diesen Gestank wird mir übel. Es ist der -penetrante Geruch von Raubtieren, verhundertfacht, -vermischt mit allerlei Unsagbarem und Scheußlichem, -es ist die Pest, es ist der <em>verwesende Mensch</em>. Die Engländer -faulen hier! -</p> - -<p> -<a id="page-174" class="pagenum" title="174"></a> -Arme Schufte, für ein paar Schillinge die Woche –. -French jagte sie hier in den Tod. -</p> - -<p> -Der Engländer schont seine Regimenter. Er spart -Soldaten. Gott weiß, ob er sie nicht einmal gut gebrauchen -kann, so gegen den Schluß zu, wenn der Partner -genug hat? Dann ist es immer eine herrliche Sache, -ein paar frische und nagelneue Divisionen an der Hand -zu haben, die im Hintergrund in Paradestellung verharren, -während man mit dem Partner in aller Höflichkeit -über die Bedingungen verhandelt. Aber von Zeit -zu Zeit ist es unbedingt notwendig, so zu tun, als mache -man ernsthaft mit. Dann opfert French ein paar Regimenter, -um den Franzosen seine Verlustlisten unter die -Nase halten zu können. In erster Linie gibt er den Kanadiern, -Irländern und Indern Gelegenheit, Beweise -ihrer Loyalität zu geben. Siehe Ypern, Neuve Chapelle. -Wird es Ernst, so zieht er gern seine englischen Regimenter -aus den Gräben und wirft Überseeische und -Farbige nach vorn. Man muß zugeben, er versteht seine -Sache! Aber sie allein können ja nicht <em>alle</em> schwere Arbeit -verrichten, das ist natürlich. -</p> - -<p> -Als die Franzosen sich bei Arras und Souchez verbluteten, -konnte er nicht ganz müßig bleiben. Es galt -Truppen und Artillerie abzuziehen. Er entschloß sich, -anzugreifen, und es muß gesagt werden, er meinte es -diesmal bitter ernst! Trommelfeuer, Angriff auf Angriff. -Erbitterte Grabenkämpfe. Die Toten liegen in -Haufen vor unsern Drähten. Unsere Grauen wanken -und weichen nicht. -</p> - -<p> -Gegen die Gräben, durch die ich mich jetzt winde, -<a id="page-175" class="pagenum" title="175"></a> -gegen die sogenannte Trichterstellung, warf er drei -Divisionen. Er faßt Fuß, aber eine Stunde später fliegt -er wieder hinaus. Der Angriff war furchtbar, er wurde -trotz der Übermacht abgewiesen. So geht es nicht. -</p> - -<p> -Er versucht es von neuem. Er versucht es ohne -Artillerievorbereitung. Er will uns überraschen. Seine -Sturmkolonnen fluten heran. Aber die Grauen sind -auf dem Posten! Innerhalb von 30 Sekunden (dreißig -Sekunden) legt unsere Artillerie einen Feuerriegel vor -die Gräben, daß den Engländern Hören und Sehen -vergeht. Sie müssen zurück, ungeheuer sind ihre Verluste. -</p> - -<p> -Es ging auch so nicht. Nicht einen Meter haben sie -gewonnen. -</p> - -<p> -Sie haben genug, sie haben den Franzosen gezeigt, -daß sie es ernst meinten – aber es ging nicht. Sie -geben es auf. Aber sie werden die Gräben von Givenchy -und <a id="corr-6"></a>Festubert nicht vergessen. – -</p> - -<p> -Nun liegen sie in den Massengräbern, die unsere Grauen -schaufelten, und verwesen. Hier sind einige Wassertümpel -voll einer gelben dicken Jauche, und auch diese -Tümpel strömen denselben furchtbaren Gestank aus. -Niemand wagt zu denken, wie es da unten aussieht! – -Unsere Grauen aber frühstücken, schneiden Fleisch aus den -Büchsen und schmieren sich dicke Butterbrote. An alles -gewöhnt sich der Mensch. -</p> - -<p> -Wir überschreiten auf einer Planke die gelbe Tümpelkette. -Hier gibt es keine Deckung, und so rasch es geht -huschen wir hinüber. Einer hinter dem andern. Aber -die Schufte haben uns doch gesehen. Ein paar Minuten -<a id="page-176" class="pagenum" title="176"></a> -sind wir in der Sappe unterwegs, da weint es in der -Luft und die Granate schlägt krachend ein. Wir machen -uns aus dem Staub. Granate um Granate segelt -daher. Vorsichtig lugen wir aus dem Graben und sehen -die Einschläge rauchen. Weitab! Aber plötzlich kommen -sie wieder näher und schließlich müssen wir die Beine -strecken. – -</p> - -<p> -Punkt fünf Uhr dreißig Minuten, auf die Sekunde, -nehmen die 21er das Feuer auf. Die Granate winselt hoch -über uns durch die Luft. Drei Sekunden Stille, dann ein -Krachen, als stürze ein Haus aus Eisen zusammen. Der -Boden bebt unter unsern Füßen. Schon kommt die -nächste Granate angeweint. Sie braucht eine unendlich -lange Zeit, bis sie ihre Bahn durchfegt. Einschlag auf -Einschlag! Es ist wie ein schweres Gewitter mit harten -Donnerschlägen. Der Engländer antwortet. Er sucht -aufgeregt und wütend unsere Haubitzen. Geradeaus, -am Horizont, stehen die Rauchfahnen seiner Granaten, -schwarz und schiefergrau. -</p> - -<p> -Wir sitzen im Bataillonsunterstand und trinken Kaffee. -Die Granaten weinen über uns hin. Die schweren Geschütze -erschüttern die Luft mit ihrem Gebrumm. -</p> - -<p> -„Fragen Sie telephonisch an, wie es steht.“ -</p> - -<p> -Das Telephon tutet. Von den Gräben kommt die -Antwort zurück: „Der Erfolg ist überraschend günstig.“ -</p> - -<p> -Es ist ein Morgen wie jeder andere. Ein Duell zwischen -ein paar Batterien, nichts sonst. Die Berichte bringen -nicht eine Silbe darüber. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DICKELUFT"> -<a id="page-177" class="pagenum" title="177"></a> -„Dicke Luft“ -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im August -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">I</span><span class="postfirstchar">n</span> den Argonnen riecht es nach Chlor, in den Gräben -nach Verwesung und schrecklichen Dingen, aber hier -außen, in der Gegend von La Bassée – ist es nicht -sonderbar? – duftet es wohlriechend wie in den Gemächern -einer verwöhnten Dame. Es riecht nach Parfüm, -nach Flieder, Veilchen und anderen schönen Dingen. -Seit dem Herbst liegt dieser zarte Parfümgeruch über -dem Lande, einmal schwächer, einmal stärker, je nach -dem Winde. Dieser Duft stammt von den Parfümfabriken -in Illies, die im Herbst zerstört wurden. -</p> - -<p> -Das ist aber auch alles, was aus einer Zeit herrührt, -da man noch an eine Verschönerung des Daseins dachte. -Heute handelt es sich für Millionen darum, das Leben -zu retten, das nackte Leben ohne alle Zusätze. -</p> - -<p> -Die ganze Gegend bei La Bassée ist jammervoll. -Leer, elend. Gräber, Granattrichter, zersplitterte Bäume. -Die Felder verkommen und verwildert. Wo sind die -Menschen? Sie sind längst geflohen vor den englischen -Granaten! Sie wurden zerrissen in ihren Bauernbetten, -die Granate zerschmetterte sie, während sie -Futter für ihre Ziege holten. So blieb ihnen nichts -anderes übrig, den Unglücklichen, die sich verzweifelt -an ihre Scholle klammerten. Sie hielten es wochenlang, -monatelang aus. Im Herbst sah ich oben bei Illies in -einem Dorf eine alte Frau vor ihrem Häuschen sitzen -und Kartoffeln schälen, während das Dorf (ich glaube -Herlies) unter schwerem Feuer lag. Es gab bleiche Gesichter -unter den Soldaten, aber die Alte schälte inmitten -<a id="page-178" class="pagenum" title="178"></a> -des Geschützgewitters ihre Kartoffeln ruhig und gleichmütig, -und zu ihren Füßen spielte ein sechsjähriges -Mädchen. Sie wollte lieber sterben, als das Stück Erde -verlassen, das sie seit sechzig Jahren bewohnte. Viele -starben so. Dorf um Dorf beschoß der Engländer; -um einen Soldaten zu töten, tötete er drei Franzosen, -aber es waren ja keine Engländer, auf die er feuerte. -Die Dörfer leerten sich, eines ums andere, und heute -sind sie ausgestorben. -</p> - -<p> -Dörfer, Städtchen, Weiler und Gehöfte, wie mit -einem großen Hammer zerschlagen sehen sie aus. Sie -sinken zusammen, täglich etwas mehr, die Granate frißt -sie auf. Sie sind nur noch Gespenster und Gerippe von -Wohnstätten, aber der Engländer funkt täglich in die -Ruinen, bald wird keine Mauer mehr stehen. Es ist ein -billiges Vergnügen und kostet ihn keinen Pfennig. -Sind es etwa seine Dörfer und Häuser? <span class="antiqua" lang="en">Oh, by Jove, no!</span> -Er wird eines Tages seine Kanonen zusammenpacken und -nach Hause fahren, und der Franzose kann bezahlen. -Man soll ihm nicht nachsagen können, er habe nicht gearbeitet. -Von der Nordsee bis südlich La Bassée hat er -alles kurz und klein geschossen. – -</p> - -<p> -Die Sonne blendet durch die zerfetzten, zerfallenen -Häuser. Kein Mensch weit und breit. Granatlöcher -größten Formats, viele ganz frisch. Ein zertrümmerter -Wagen. Die Granate packte ihn und warf ihn ins Feld. -Ein Schild: Violaines. Das Dorf ist ein Grab, mich -fröstelt trotz der heißen Sonne. -</p> - -<p> -Wir verlassen die Straße und wandern querfeldein, um -nach La Bassée zurückzukehren. Die Geschütze brummen. -</p> - -<p> -<a id="page-179" class="pagenum" title="179"></a> -Plötzlich weint es böse in der Luft, eine, zwei Sekunden, -und mit lautem, hartem Krach schlägt die Granate in das -letzte Haus von Violaines, das wir soeben verlassen -haben. Die Dachziegel fliegen durch die Luft wie ein aufgescheuchter -Taubenschwarm, und schwarz wälzt sich die -Wolke aus dem Hause. Wir sehen einander an. Was -nun? Wieder schlägt dumpf ein Geschütz. Wir horchen. -Schon kommt sie näher, sie weint und klagt, mit hoher -Stimme, krach! Panzerplatten, die gegeneinanderschlagen. -Grauschwarz, mit böse gekräuselten Rändern, -wie Hagelwolken sie haben, brodelt die Wolke empor. -Es sind schwere Schiffsgeschütze, Kaliber 28. Nun -machen sie Ernst! Das Geschütz schlägt, unser Geschütz, -wir kennen nun seine Stimme. -</p> - -<p> -Wir schwingen die Beine. Aber sobald die Granate -da oben weint und winselt, bleiben wir stehen und -horchen. Qualm wirbelt aus einer Scheune in die grelle -Sonne. Der nächste Einschlag ist gottlob ferner. Ein -schwefelgelber Rauchklumpen, der braungelb verweht, -liegt im Felde und reckt sich. Eine Schwefelgranate. -Das Feuer zieht sich nach La Bassée hin. Dazwischen -kracht es scharf und hart: ein Schrapnell. Es streckt seine -grauweißen Fangarme gierig in die leere Luft. Wir -stoßen auf eine Batterie, die im Feld eingegraben ist. -</p> - -<p> -Die Kanoniere, sechs an der Zahl, stehen hinter den -Geschützen, die Arme verschränkt, in Hemdärmeln, -lachend und vergnügt, als fingen sie 28er Schiffsgranaten -mit der bloßen Hand auf. Sie haben nur -eine kleine Mauer aus Sandsäcken aufgebaut, die -ihnen den Rücken decken soll, wenn sie an den Geschützen -<a id="page-180" class="pagenum" title="180"></a> -arbeiten. Neugierig lassen sie uns herankommen. Sie -stehen keineswegs in Deckung, sie stehen im freien Felde, -wie es sich für einen Kanonier gehört. -</p> - -<p> -Meine Begleiter sind hohe Stabsoffiziere, aber das -kümmert die Kanoniere wenig. Sie sind die Herren -dieses Feldes, das ist offenbar, und es ist schon eine große -Freundlichkeit, wenn sie uns passieren lassen. -</p> - -<p> -„Guten Morgen!“ -</p> - -<p> -„Gut’ Morg’n!“ -</p> - -<p> -Sie wackeln ein bißchen mit den Beinen, rücken die -Stiefel zusammen und bringen die Hände flüchtig in -die Gegend der Hosennaht. Große Umstände machen -sie nicht mit uns. Offizier und Mann, sagen sie sich, -hier außen ist das schon so ziemlich eine Sache. -</p> - -<p> -Es sind ganz prachtvolle Burschen. Kaltblütig und -ruhig stehen sie hier, während ein paar hundert Meter -entfernt die schweren Granaten einhauen und jederzeit -eine Granate abschwenken kann. -</p> - -<p> -Ein langer, der größte von ihnen, blinzelt belustigt. -„Dicke Luft!“ sagt er und freut sich. Die Mütze sitzt ihm -keck auf dem Ohr, die nackten braunen Arme hat er über -dem offenen Hemd verschränkt. „Dicke Luft,“ sagen die -Grauen, wenn es etwas lebhaft zugeht. -</p> - -<p> -„Kann man quer durchs Feld nach La Bassée gehen?“ -</p> - -<p> -„Das kann man schon!“ antwortet der Lange. -</p> - -<p> -„Übernehmen Sie die Garantie?“ -</p> - -<p> -„Jawohl, die übernehme ich. Aber bleiben Sie bei -der Fabrik dort nicht stehen. Da schießt er immer hin!“ -Keck und forsch ist der Lange. Seine Kameraden sollen -sehen, daß er nicht gleich die Fassung verliert, wenn -<a id="page-181" class="pagenum" title="181"></a> -ein paar Stabsoffiziere kommen. Das wäre noch -schöner. -</p> - -<p> -Wir sind keine zwanzig Schritt gegangen, da ruft uns -der Lange nach: „Immer ein bißchen fix, sonst garantiere -ich für nichts.“ Sie lachen. Ich drehe mich um und -sehe, daß sie die Mäuler vor Vergnügen aufreißen. Es -amüsiert sie, daß wir durch die „dicke Luft“ hindurch -müssen, während sie es so behaglich bei ihrem Dutzend -Sandsäcken haben. Kleiner und dünner werden sie im -Feld, aber ihre roten Gesichter sind immer noch auf uns -gerichtet. Sie wollen sehen, wie wir hinüberkommen. -</p> - -<p> -Die Granate singt und pfeift, hoch oben, und schlägt -links in die Fabrik. Hat er es nicht gesagt, der Tausendsasa? -Rechts liegt das Feuer auf La Bassée und links -auf der Fabrik. In der Mitte müssen wir hindurch, -denn wir haben unser Auto in La Bassée eingestellt. -Die englischen Granaten haben eine unserer Batterien -aufgeweckt, und nun kracht sie dazwischen. Fegt die -Granate hinüber, herüber? Es ist schwer zu sagen. -</p> - -<p> -Das ist eine hübsche Sache geworden, alle Wetter! -Wir gehen hintereinander und pflügen uns den Weg -durch Kräuter und Stauden. Die Sonne brennt, und -der Schweiß steht auf unseren Gesichtern. Alle paar -Augenblicke müssen wir über Telephondraht klettern. -Und wieder schlägt unser Geschütz. Wir hören es deutlich -aus dem Brummen und Pochen in der Ferne heraus. -Nun haben sie abgerissen und die zwei Zentner auf die -Reise geschickt. Die Granate fegt ihre Bahn. Es dauert -viele Sekunden, bis sie herankommt. Sie weint, sie -klagt, als sei sie in der Klemme und nicht wir. Näher, -<a id="page-182" class="pagenum" title="182"></a> -immer näher. Was in der nächsten Sekunde geschehen -wird, wissen wir nicht. Sie ist vorüber. Einschlag – -dort! -</p> - -<p> -La Bassée kommt näher, ganz langsam. -</p> - -<p> -Es ist ein großer Unterschied, ob man selbst feuert -und zusieht, wie etwas beschossen wird, oder ob man -persönlich dabei engagiert ist, ohne Frage. -</p> - -<p> -Bei den ersten Häusern kommt eine Granate angewinselt, -näher und näher, aber plötzlich ist sie wie weggeblasen. -Ein Blindgänger. -</p> - -<p> -Nun, da sind wir. Wir atmen auf. Die Häuser geben -ein Gefühl der Sicherheit. Gegen einen Volltreffer ist -nichts zu machen, natürlich, aber gegen Splitter ist man -immerhin einigermaßen gedeckt. -</p> - -<p> -Die erste Straße ist ganz leer. In der zweiten sehen -ein paar Feldgraue gemütlich aus dem Fenster. Sie -sind unbekümmert und sorglos wie die Kanoniere draußen -im Felde. Ja, sonderbare Burschen sind diese Grauen, -das muß man sagen! -</p> - -<p> -„Was macht ihr hier?“ -</p> - -<p> -„Wache!“ -</p> - -<p> -Sie rauchen und haben es sich in der Stube behaglich -gemacht. Daß ein bißchen geschossen wird, das kümmert -sie nicht. Stürzt das Haus zusammen, so ziehen sie eine -Tür weiter. -</p> - -<p> -In der leeren Straße will ein Fuhrwerk umwenden. -Es ist mit zwei starken Pferden bespannt, und die Stränge -sind in Unordnung gekommen. Vor, zurück, die schweren -Pferde drängen gegen die Deichsel. Ärgerlich steigt der -Fahrer vom Bock, und Mann und Kutscher fluchen. Es -<a id="page-183" class="pagenum" title="183"></a> -ist schließlich kein Vergnügen, in einer Stadt, die unter -Feuer ist, stecken zu bleiben. – -</p> - -<p> -An den Hauswänden der toten, zerfetzten Stadt -wandern wir entlang, und sobald die Granate pfeift, -nehmen wir Deckung. -</p> - -<p> -Auto. Wir fegen mit Vollgas davon. -</p> - -<p> -Lebe wohl, La Bassée! -</p> - -<p> -Es passieren aber doch die sonderbarsten Dinge! An -einer Wegkreuzung halten wir. Ein General, hoch zu -Roß, kommt des Weges. Exzellenz befinden sich auf dem -Morgenritt. -</p> - -<p> -„Geht es hier nach La Bassée?“ fragt der General. -</p> - -<p> -„Jawohl, Exzellenz.“ -</p> - -<p> -Der General reitet weiter. Wir sehen einander verblüfft -an. Nun, Exzellenz werden heute wohl den -Morgenritt abkürzen! -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DERHERRDERHAUBITZEN"> -Der Herr der Haubitzen -</h2> - -</div> - -<p class="date"> -Im September -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">raußen</span> in den Gräben von La Bassée und Violaines -hörte ich plötzlich seinen Namen wieder. Von einer -berühmten Batterie war die Rede. Als die Engländer -einen Überfall ohne Artillerievorbereitung ausführen -wollten, legte die Batterie innerhalb von dreißig Sekunden -ein Höllenfeuer vor unsere Drähte, der Überfall -brach kläglich zusammen. Dreißig Sekunden nach dem -telephonischen Anruf krachte der erste Schuß! Ich verstehe -nichts von Artillerie, aber ich begreife, daß es etwas -ganz Unerhörtes ist. Laden, richten, Schuß! Und darauf -<a id="page-184" class="pagenum" title="184"></a> -Wirbelfeuer. Überhaupt diese Batterie! Man brauchte -nur anzuklingeln und hatte die Granaten gerade da, -wo man sie haben wollte, Tag und Nacht, es war ganz -einerlei. Die Offiziere priesen die Batterie, ein Kanonengenie, -Hauptmann H. heißt er. -</p> - -<p> -Ich kenne ihn. Plötzlich erinnerte ich mich auch, daß -er, der mich durch sein ganzes Wesen bestach, so daß ich -ihn nicht mehr vergessen werde, daß er mir sagte, er -stehe gegenwärtig bei Violaines. Seht an, er war es -also! -</p> - -<p> -Ich fuhr mit ihm im Zuge, und er erzählte. Er fuhr in -Urlaub, seit Kriegsbeginn zum erstenmal. Er hatte -Glück, es gab viel Arbeit, und eigentlich war es gerade -jetzt unmöglich abzukommen, aber er hatte, wie gesagt, -Glück. Er hatte keine Batterie mehr, und aus diesem -Grunde konnte er nach Hause fahren. Auf ein paar Tage. -</p> - -<p> -Keine Batterie mehr? -</p> - -<p> -Ja, sie hatten ihm ein paar Geschütze kaputt geschossen -in den letzten Tagen, schweres Kaliber, englische Schiffsgeschütze, -und das übrige Zeug, das er hatte, war total -ausgeschossen. Das Dreifache, Vierfache hatte er gefeuert, -was man normalerweise einem Rohr zumuten -dürfe, in Friedenszeiten, aber schließlich sei es eben doch -mit den Rohren zu Ende gegangen. Nun also müsse er -neue Geschütze haben, denn es ginge einfach nicht mehr, -und diesem Umstand verdanke er seinen Urlaub. -</p> - -<p> -Er trauerte seinen Geschützen nicht nach! Er war in -bester Laune. -</p> - -<p> -Mein lieber Hauptmann, denke ich mir, Sie haben -Ihre Batterie verloren und sind nicht im geringsten -<a id="page-185" class="pagenum" title="185"></a> -niedergeschlagen? Am Ende verstehen Sie Ihre Sache -doch nicht recht? -</p> - -<p> -Aber es war ihm ganz einerlei, was ich dachte. Er -war seiner Sache sicher und guter Dinge. -</p> - -<p> -Übrigens sah ich außen an der Front nie einen Offizier, -der so viele Auszeichnungen trug. Alle Knopflöcher hatte -er voll und das Eiserne Erster auf der Brust. Das -machte mich immerhin stutzig. Denn er war sehr jung, -kaum fünfunddreißig. Er sah gut aus und war von -jener seltenen Männlichkeit, die es sich leisten kann, anmutig -und liebenswürdig zu sein, ohne feminin zu -wirken. Er glich Theodor Körner, er war schön. Einmal -nahm er die Mütze ab, und da sah ich, daß er hellblondes -Haar hatte, das sich in Locken legte wie bei Knaben. -Seine Augen waren hellblau und heiter. -</p> - -<p> -Und doch war er (wie ich später erfuhr!) der berühmte -Batteriechef H. – Trommelfeuer in dreißig -Sekunden, auf telephonischen Anruf, usw. -</p> - -<p> -Er sprach sehr laut, er schrie, wie Leute, die immer in -freier Luft leben und ein lärmendes Handwerk betreiben. -</p> - -<p> -Er erzählte hundert Dinge im Gespräch durcheinander, -aber was ihn als Batteriechef beleuchtet, das will -ich hier wiedergeben. -</p> - -<p> -Er war an vielen Stellen der Front während des -Krieges. Wo es besonders heiß herging, da war er dabei. -Zeitweise war er eine reisende Batterie, die Gastspiele -gab. In den schweren Tagen von Ypern wurde er hinauf -in die Gegend von Langemark geworfen. Es ging -toll zu, und er mußte augenblicklich eingreifen. Er fuhr -auf und feuerte los! Ja, seine Kanoniere, was sind das -<a id="page-186" class="pagenum" title="186"></a> -für Burschen! Ehe man sich umdreht, versinken die Geschütze -in der Erde, eins, zwei und weg sind sie! Sie -werden eingebaut, daß sie sich nach dem Schuß kaum -regen, und das neue Einstellen geht blitzschnell. Das -alles machen sie, ohne daß er ein Wort zu sagen hätte, -sie verstehen es viel besser, als er es je verstehen könnte, -es ist gar nicht zu sagen, was sie im Laufe des Krieges -gelernt haben. Es sind Kerle! Richten also ist kaum mehr -nötig nach dem Schuß. Ja, Donnerwetter, was für -Richtkanoniere er aber auch hat. Und dann geht es los, -wie gesagt. Granate eingeschoben, Verschlußstück zugeschraubt, -ausgerichtet und Schuß! Sie haben die -Sache nun heraus. Die Granaten wandern blitzschnell -über Arme und Hände, es ist richtiges Schnellfeuer, -und niemand hielt es früher für möglich, so rasch zu -feuern, dreimal rascher als zu Anfang des Krieges; -einfach unglaublich. Rasch, immer rasch! Sie kümmern -sich Tod und Teufel um die Granaten, die herüberkommen, -sie feuern. -</p> - -<p> -Ja, bei Langemark, alle Achtung, da wurden sie schon -nach einer halben Stunde zugedeckt. Es wimmelte von -Fliegern in der Luft. Abrücken! Im Feuer! Ein Geschütz -geht zum Teufel, ein paar Leute bekommen etwas -ab und zwei Pferde bleiben liegen. Weiter! -</p> - -<p> -An anderer Stelle haben sie mehr Glück. Sie feuern, -bis sie umfallen. Befehl, abends: da- und dorthin. -Verladen in der Nacht, am nächsten Morgen sind sie -schon wieder in Stellung. Hier steht Rad an Rad, die -guten Plätze sind besetzt, Flieger oben, schon sind sie entdeckt. -Abrücken. Strahlenförmig spritzen die Geschütze -<a id="page-187" class="pagenum" title="187"></a> -mitten im Feuer übers Feld. Doch nichts geschieht. -Haha, ja es war wirklich eine tolle Geschichte. -</p> - -<p> -Nun haben sie es aber gut getroffen. Sie liegen ein -paar Wochen unentdeckt. Hundert Meter von der Batterie -steht ein zerschossenes Gehöft, und so oft ein Flieger erscheint, -machen sie Rauch in dem Gehöft, und die Engländer -feuern wütend in die Ruine. Am Abend und in -der Nacht lassen sie einen Feuerstrahl aus dem Gehöft -fahren, bei jedem Schuß, den sie abgeben, und der Engländer -schießt das Gemäuer in Grund und Boden. -Und die Kanoniere lachen, es macht ihnen heidenmäßigen -Spaß. Wochenlang denselben Scherz, sie -lachen bei jeder Granate, die in das Gehöft fährt, denn -sie haben Sinn für Komik. Überhaupt, was für Leute! -</p> - -<p> -Der Hauptmann rückt begeistert die Mütze über das -blonde Haar. -</p> - -<p> -Dann kamen sie zur Lorettoschlacht in eine ganz -windige Ecke. Später nach La Bassée hinauf. Im Herbst -waren sie in Lothringen. Vom ersten Tage waren sie -dabei. Er, der Hauptmann, fast täglich vorn in den -Gräben zur Beobachtung. Fesselballon, Flugzeug. In -Lothringen, seinerzeit, gelang ihm eine glänzende Sache. -Es kamen da plötzlich ganz schwere Dinger auf die Gräben -geflogen. Alle Welt staunte, was war das? Flieger -gingen hoch. Nichts zu finden. Der Franzose mußte -ein außergewöhnlich weittragendes Geschütz aufgestellt -haben. Aus den Gräben kam die Meldung, daß man -die Granaten kurz vor dem Aufschlag ankommen sehe. -Sofort ist der Hauptmann draußen. Es gehören Nerven -dazu, den Kopf gerade in dem Augenblick aus dem Graben -<a id="page-188" class="pagenum" title="188"></a> -zu stecken, da so ein „alter Herr“ ankommt und einschlägt. -Erst zuckt der Hauptmann zurück, aber es muß -sein. Jawohl, man sieht sie kommen. Er schneidet die -Kurve an, berechnet und findet auf diese Weise ungefähr -Richtung und Standort. Flugzeug! Immer höher -und weiter. Nichts regt sich, aber in der Nähe des berechneten -Standortes kommt dem Hauptmann ein -Wäldchen verdächtig vor. Dahin dirigiert er das Feuer -seiner Haubitzen. Am andern Morgen fliegt er wieder -darüber: das Wäldchen ist zerschossen. Das weittragende -Geschütz ist seither verstummt. -</p> - -<p> -Und so geht es weiter. Haubitzen, Granaten, Beobachtungsstände, -Sprengstoffe, Flugzeuge, Trommelfeuer. -Die helle Stimme des frischen, jungen Hauptmanns -mit den vielen Bändern klingt und schmettert. -Die Batterie, ja, er liebt seine Batterie, er liebt es, -darauf loszufeuern, er liebt seine Leute. In acht Tagen -wird er ganz neue Geschütze haben, dann kann es wieder -losgehen. Zwölf Monate lang macht er die Sache schon -mit, zwölf Monate ohne Unterbrechung lacht er dem -Tod ins Gesicht. Seine Kanoniere fielen, seine Kameraden -sanken in die Erde, Tausende von Feinden hat er -vernichtet, er, der Herr der Haubitzen. Ich suche in seinem -jungen Gesicht nach irgendeinem kleinen Zug von Ermüdung, -Nervosität, Leid – nicht eine Spur ist zu -finden. Hut ab vor dem Hauptmann! -</p> - -<p> -Neulich aber wäre es ihm bald übel gegangen. Er -hatte sich da seinen Beobachtungsstand in ein zerschossenes -Haus aufs Dach gebaut, plötzlich kam eine -Granate und schlug ausgerechnet in das Haus. Im -<a id="page-189" class="pagenum" title="189"></a> -nächsten Augenblick stürzten sie, sein Unteroffizier und er, -mit Balken und Brettern vom Dachfirst in das Erdgeschoß -hinab. Sie fielen durch eine rote qualmende -Wolke und waren ein paar Minuten betäubt. Nichts -geschehen, ein paar Schrammen, das war alles. Der -Unteroffizier aber sagt: „Ich muß hinauf, Herr Hauptmann -und den Batterieplan holen!“ – -</p> - -<p> -Der Hauptmann lacht. Ein kerniges und gewinnendes -Lachen. -</p> - -<p> -„Hat er ihn geholt?“ -</p> - -<p> -„Natürlich! Das ist ja ein prachtvoller Kerl, dieser -Unteroffizier, den sollten Sie kennen – haha!“ -</p> - -<p> -Ich steige aus. Der Hauptmann fährt weiter. Morgen -nachmittag um sieben Uhr wird er in Starnberg sein, bei -seiner Frau. Sie weiß nicht, daß er kommt. Er will sie -überraschen. -</p> - -<p> -Wie eine Granate kommt er aus La Bassée in das -stille Haus am Starnberger See geflogen. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="chapter" id="DERSIEGREICHEANGRIFFINDENARGONNENAM8SEPTEMBER"> -Der siegreiche Angriff in den Argonnen -am 8. September -</h2> - -</div> - -<h3 class="section" id="N1"> -1 -</h3> - -<p class="date"> -10. September -</p> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">A</span><span class="postfirstchar">m</span> Vorabend des Kampfes erlebe ich den Angriff -in allen seinen Phasen auf der Karte. Ich bin Gast bei -Exzellenz, dem Kommandierenden, und seine Offiziere -erklären mir die geplanten Operationen. Sie sprechen -sachlich und klar, mit der Ruhe von Leuten, die ihrer -<a id="page-190" class="pagenum" title="190"></a> -Sache sicher sind. Weiß zieht und gewinnt, matt in drei -Zügen. Auf dem Papier sieht es aus wie eine Schachpartie, -aber nur auf dem Papier. Unsere Figuren sind -aus Fleisch und Blut, und Regeln und Gesetze gibt es -in dieser blutigen Partie nur so lange, als man die Kraft -hat, sie dem Gegner vorzuschreiben. -</p> - -<p> -Aus den Argonnen dröhnt dumpf Geschützdonner, -aber es ist das normale Abendfeuer, und niemand hört -es mehr, so sehr sind sie daran gewöhnt. Die Karte liegt -auf dem Tisch unter der elektrischen Lampe, und mein -Instruktor, der Jäger, treibt mit den feinen gepflegten -Händen die Regimenter vor bis zur Linie, die sie erreichen -sollen. Er läßt die im Wald und in den Bergkuppen -stehenden Batterien feuern, die Minenwerfer, er trommelt -die feindlichen Gräben ein, umgeht, flankiert starke -Stellungen. Ich sehe den ganzen Sturm vor Augen. -</p> - -<p> -Das Telephon klingelt. Herr Major. „Jawohl, die -und die Batterie feuert soundsoviel Schüsse, zu der und -der Zeit. Das ist das Zeichen, jawohl. Guten Abend!“ -Trotz aller Ruhe schwingt eine leise Erregung im Hause. -In den Argonnen bin ich nicht mehr fremd. Ich finde -mich auf der Karte leicht zurecht, ich kenne zum Teil das -Terrain und unsere Stellungen. Hier ist Four de Paris, -nahe am Tal der Biesme. Die Gräben klettern von hier -aus über die Hubertushöhe. Dann werden sie unterbrochen -von der Schlucht des Charmesbaches, setzen sich -fort über die Höhe, die den sonderbaren Namen Eselsnase -trägt, bis hinüber zur Houyettemulde. Zum großen -Teil sind dies die Stellungen, die die Argonnenleute -dem Feinde im Juni und in den ersten Tagen des Juli -<a id="page-191" class="pagenum" title="191"></a> -wegnahmen. Jene Barre aus Stacheldraht, Maschinengewehren -und Minenstollen, die sich Cimetière, Bagatelle, -Grüner Graben, nannte. -</p> - -<p> -In diese Stellung hinein ragt bogenförmig ein neues -starkes französisches Werk, eine Festung aus Stollen, -spanischen Reitern, Drahtbarren, Minengängen, Schluchten -und Blockhäusern und unterirdischen Forts, eine -Festung, aus der der Tod in hunderttausendfältiger -Gestalt springt, wenn man sich ihr nähert: das Werk -Marie-Thérèse. -</p> - -<p> -Morgen soll es in unserer Hand sein. Morgen Punkt -acht Uhr werden die Batterien einen Hagel von Eisen -auf das Werk werfen, sie werden es in Stücke zerreißen, -morgen um elf Uhr werden wir es stürmen! -</p> - -<p> -Ob ich alles verstanden habe? Jawohl, alles. Nichts -ist einfacher, klarer. Nichts ist verwickelter und unverständlicher. -Es ist ein Schachspiel, in dem der Zufall eine -mächtige Rolle spielt. So scheint es mir. Der Jäger -zu Pferd telephoniert an die verschiedenen Stellen, die -Uhren müssen genau gerichtet werden. Ein paar Minuten -Differenz können zum Verhängnis werden. Jede Kleinigkeit -ist besprochen, alle Vorbereitungen sind bis in die -kleinsten Details getroffen. Minenstollen, Munition, -Handgranaten, Gasmasken, Granaten, Wasser, Nahrungsmittel. -Jede Kompanie weiß genau, was sie zu -tun hat, jeder Zug, jeder Pioniertrupp, jeder einzelne -Mann. Sobald er den Fuß aus dem Graben setzt, -folgt er einer Reihe genau gegebener Befehle, – wenn -er nicht fällt. Was moderne Kriegskunst vermag, ist -geschehen. Der Angriff ist schon gelungen, Marie-Thérèse -<a id="page-192" class="pagenum" title="192"></a> -gehört in Wahrheit schon uns, – obwohl noch -kein Mann die Gräben verließ. So muß es sein. -</p> - -<p> -Wir begeben uns in den Gesellschaftsraum und sitzen -in Sesseln um den Kamin. Vom Angriff wird nicht mehr -gesprochen. Die Politik und ein schwarzgefleckter weißer -Terrier treiben das Gespräch. Aber die Unterhaltung wird -nie lebhaft und laut. Das Telephon klingelt häufig. -Frühzeitig geht man zur Ruhe. -</p> - -<p> -In meiner Dachkammer habe ich Muße nachzudenken. -Dann und wann schlägt im Walde dumpf ein Geschütz. -Es grollt in der Nacht und poltert irgendwo in der Ferne. -Unsere Grauen, die jetzt in den Gräben draußen im -Walde liegen, sie wissen es ganz genau. Sie wissen, daß -er auf unser Feuer antworten wird, und um elf Uhr, -Punkt elf Uhr, werden sie aus dem Graben klettern. -Sie bereiten sich vor auf den Sturm, so und so. Viele -Herzen schlagen rascher, und viele schlafen heute nicht in -ihrem Lehmloch. Wenn sie den Kopf über den Graben -strecken, so pfeift der Tod daher, springen sie in die -feindliche Sappe, so kann es sein, daß sie dem Tod in die -Arme springen. Offizier und Mann, sie wissen nicht, wie -es morgen abend sein wird. Sie sind Soldaten und sie -kämpfen. Marie-Thérèse ist alles, nicht ihre eigene -Person! -</p> - -<p> -Aber sie, drüben in Marie-Thérèse, sie wissen nichts, -sie ahnen nichts. Nun, so schlafen sie wenigstens noch -diese eine Nacht ohne Qual. Marie-Thérèse ist vieler -Grab, morgen um diese Zeit. Der Jäger zu Pferde -rechnet nicht mit dem Zufall. Wie aber, wenn der Franzose -heute nacht angriffe? Wenn er in einem Nachbarabschnitt -<a id="page-193" class="pagenum" title="193"></a> -morgen im Morgengrauen vorginge? Aus -dem Wald grollt das Rollen eines schweren Geschützes. -Es feuert fast ohne Pause. Ich horche. Beginnt es zu -trommeln? Nein, es ist ein Bursche, der nebenan in der -Bodenkammer schnarcht. Übrigens soll ich morgen um -vier Uhr hinaus in die vordersten Gräben der Eselsnase, -um mir das Werk Marie-Thérèse in der Nähe zu betrachten. -</p> - -<h3 class="section" id="N2"> -2 -</h3> - -<p class="noindent"> -Um vier Uhr morgens ist es bitterkalt in den Argonnen. -Wir fahren, in unsere Mäntel eingehüllt, in -die stockschwarze Nacht hinein. Die Sterne glitzern groß -und kalt wie im Winter. Ich bekomme einen bitteren -Geschmack im Mund, wenn ich die Sterne betrachte. -Es ist keine Zeit für die Sterne. Wir sind in die Erde -gesunken, ohne jeden Zweifel und haben keine Zeit mehr, -die Sterne zu betrachten. Geschütze schlagen dumpf. -Auch in der Nacht muß hier gearbeitet werden. Das -Feuer ist normal, mit Befriedigung stellen wir es fest. -Er hat nichts gemerkt, er bereitet nicht an irgendeiner -anderen Stelle etwas vor. Ein zerschossenes Dorf. Im -Wald wird die Straße morastig. Es hat hier seit acht -Tagen nicht geregnet, aber die Straßen sind zerweicht, -und das Auto rutscht wie ein Schlitten durch den Schmutz. -Ein Fuhrwerk begegnet uns, wir biegen aus, kommen -ins Schlingern, der Chauffeur geht auf den zweiten -Gang, und wir mahlen uns aus dem Dreck. Hier gibt es -Löcher und Granattrichter, so daß wir nur langsam -vorwärts kommen. -</p> - -<p> -<a id="page-194" class="pagenum" title="194"></a> -Wir durchqueren den Wald, die schwarzen Bäume -rauschen, die Sterne blitzen durch die Wipfel, es ist schön, -trotz des schlechten Weges. Ein zerschossenes Dorf. -Menschen tauchen auf. Eine Sanitätskolonne in Marschbereitschaft. -Sind sie jetzt schon auf den Beinen? Die -Leute in den Gräben da oben sind noch gesund und -munter, aber hier stehen schon die Leute, im grauen -Morgen, die sie verbinden sollen. Wir löschen die Lampen. -Wieder ein zerschossenes Dorf. Wir gehen zu Fuß -weiter. Es wird langsam Tag. Nebelgestalten huschen -an der Wegseite, Feldküchen, Krankenträger, Reserven. -Wir steigen bergan. Ein Weg, der gangbar gemacht -wurde dadurch, daß man Baumstamm an Baumstamm -reihte. Das Holz der Stämme ist abgeschabt und zermahlen -durch die vielen Räder und Stiefel, die hier bergan -und bergab gingen. Der Wald wird plötzlich lichter. -Es wird Tag. Die Schlucht erweitert sich, und vor uns -liegt eine zerschossene kahle Bergkuppe. Wir steigen in die -erste Zone ein. Die erste Zone, das sind die Gräben, -um die im Winter gerungen wurde. Die hohen Bäume -sind vernichtet, aber das Unterholz grünte wieder. Diese -Zone hat das Aussehen eines Weinberges, einer Hopfenpflanzung. -Gräben, Schutt, Granattrichter. Dann -aber kommt die zweite Zone, der Berg selbst. Wie sieht -er aus? Unnatürlich, ohne jeden Vergleich! Man denke -sich einen wild erregten Ozean mit zornigen, dichtgedrängten -Wellen, das wilde Meer bei Sturm. Aber -dieses Meer ist aus Lehm und plötzlich in einer Sekunde -erstarrt. Ich übertreibe nicht. So und nicht anders sieht -der Berg aus. -</p> - -<p> -<a id="page-195" class="pagenum" title="195"></a> -Wogen, Zacken, Abgründe. Das erstarrte Meer wälzt -sich gegen die Höhe. Dazwischen stehen Stumpen toter -Bäume. Von Tausenden von Gewehrkugeln wurden -sie durchlöchert, bis sie wie ein Sieb waren und ein Windstoß -sie zu Boden warf. So sieht es hier aus, es ist das -Trostloseste und Schrecklichste, was die Phantasie erdenken -kann. Gräben, Sprengtrichter an Sprengtrichter, -viele Meter tief und breit. Diese erstarrten Lehmwogen -sind das Ergebnis der Kämpfe von vielen Monaten. -Es riecht hier nach Leichen und schrecklichen Dingen. -Teile menschlicher Körper ragen aus den Lehmkrusten, -Tuchfetzen, zerschlagene Blechgeschirre liegen in den -Löchern. Um jeden Granattrichter wurde hier gekämpft. -Langsam, Schritt für Schritt, mußten unsere Truppen -sich zur Höhe emporkämpfen. Sie standen bis an die -Hüfte im Wasser. Es gibt hier einen Weg, der den -Namen „Selbstmörderweg“ trägt. Ein Annäherungsgraben, -der nur flach ausgehoben worden war, und den -die feindlichen Maschinengewehre bestrichen. Die Leute -wollten lieber das Leben riskieren, als ewig im Wasser -waten! Tausende haben diese erstarrten Lehmwogen -verschlungen, Freund wie Feind. Nun schweigen sie. -</p> - -<p> -Früher trug diese Wüstenei Namen: es sind die berühmten -Werke Central, Cimetière, Bagatelle, die im -Juni und Juli genommen wurden. -</p> - -<p> -Rot und dunstig steigt die Sonne über das tote Lehmmeer -empor, das in seiner höchsten Wildheit erstarrte. -Granaten winseln durch die Luft, Einschläge krachen. -Ein schweres deutsches Geschütz schießt. Dumpf und -fern klingt der Abschuß, als gehöre das Geschütz einem -<a id="page-196" class="pagenum" title="196"></a> -anderen Teil der Kampflinie an. Aber mächtig rauscht -die Granate über uns dahin, und ein paar Sekunden -später kracht der Berg. Drei Granaten feuert es herüber, -dann schweigt es. Aber andere Geschütze schlagen. Eine -Granate singt doppelstimmig durch die Luft, ein Querschläger. -Das hört sich drollig an. Vereinzelte Gewehrkugeln -summen über den Lehmberg dahin, ein Maschinengewehr -bellt heiser. Plötzlich kommt eine ganze Horde -feindlicher Granaten durch die Luft getrillert, eine hinter -der anderen, in wahnsinniger Eile. Es kracht, daß die -Erde zittert. Der Franzose schleudert Wurfminen. -</p> - -<p> -Es ist die gewöhnliche Morgenarbeit, ganz „normales“ -Feuer. Alles geht gut. -</p> - -<p> -Durch den Annäherungsgraben kommen die Leute -aus den Feldküchen hinter uns her. Immer zwei tragen -an einer Stange auf den Schultern einen schweren -eisernen Kessel. „Bringt ihr Kaffee?“ – „Nein, Suppe, -es muß heute früher gegessen werden.“ – Heute! Ja, -heute ist ein besonderer Tag. -</p> - -<p> -Die Sonne scheint, zum erstenmal treffe ich im -Argonnenwald schönes Wetter, aber die Grabenwände -strömen eisige Kälte aus. -</p> - -<p> -In den Gräben auf der Eselsnase ist schon alles -munter. Zuerst kommen wir zu den Württembergern, -dann zu den Reichsländern und Preußen. Draußen, -fünfzig Meter, dreißig Meter entfernt liegt hinter einer -Barre von Stacheldrähten das Werk Marie-Thérèse. -Eine blaue Rauchmauer steht darüber, der Rauch von -den Granaten und Minen der „Morgenarbeit“. Granaten -winseln und schlagen ein. Die schweren feindlichen -<a id="page-197" class="pagenum" title="197"></a> -Wurfminen krachen wie Donnerschläge. Die Posten -stehen am Gewehr, die Maschinengewehre lauern. -Handgranaten, Minenwerfer mit Munition, alles ist -bereit. Kupferdrähte führen hinaus in eine Sappe: -um elf Uhr soll die Mine hochfliegen! Überall ist man -geschäftig, in aller Ruhe, denn man hat Zeit. Ausfallstufen -werden gegraben. Ernst und still sind die Leute, -etwas stiller als sonst, denn sie wissen, was der Tag für -sie bedeutet. Spricht man sie an, so reißen sie sich zusammen, -entschlossen und kühn blicken ihre Augen. -</p> - -<p> -„Macht eure Sache gut, heute!“ – „An uns soll’s -nicht fehlen! Heute hau’n wir sie wieder zusammen.“ -</p> - -<p> -Sie machen auch Witze. -</p> - -<p> -Die Offiziere kriechen aus ihren Unterständen und begrüßen -uns. Hauptleute, Leutnants. Sie sind zuversichtlich -und frisch. Sie erteilen uns Ratschläge, Warnungen, -<em>sie</em>! Ein paar böse Ecken, wo sie Handgranaten -schmeißen, Minen. Ach, und ein paar Stunden später -waren einige der prächtigen Leute schon tot! -</p> - -<p> -Wir gehen weiter. Minen krachen wie einstürzende -Häuser. Ein Grauer schaufelt; eine Mine hat ihm Erde -in den Graben geworfen. Plötzlich ist der Graben zugeschüttet. -Ein paar Leute graben. „Was gibt es?“ – -„Unsere Offiziere sind eben verschüttet worden!“ – -Mit Schaudern sah ich es, mit Schaudern spreche ich -davon, aber es ist Krieg, das darf man nicht vergessen. -Die Mine hatte den Graben vollkommen eingedeckt. -Ein Armstumpen ohne Hand ragte aus der Erde. Um -die Ecke – – nein! Neben mir kauerte mit angezogenen -Knien ein Toter, sein Kopf hing auf die Brust herab. -<a id="page-198" class="pagenum" title="198"></a> -Er sah nicht aus wie ein toter Mensch. Über und über -mit grauer Erde eingestäubt, Kopf, Gesicht und Kleider, -erschien er wie die Statue eines Schläfers mit angezogenen -Knien, die man ausgegraben hatte. Sie alle, -zwei Offiziere und vier oder fünf Mann, waren gefallen -vor dem Sturm beim alltäglichen Morgenkampf. Ehre -euch und Ehre dir, kleiner grauer stiller Schläfer! -</p> - -<p> -„Achtung!“ Eine Mine kam durch die Luft und schlug -hinter uns krachend ein. Der Jäger zu Pferd, dessen -Augen so grün sind wie seine Uniform, prüfte, ob wir über -den verschütteten Graben wegrutschen könnten. Aber es -war unmöglich. Dreißig Meter querab lauerten die -französischen Gewehre. -</p> - -<p> -Wir mußten zurück. Aber nun kamen die Minen, -eine nach der anderen. Bald mußten wir rechts, bald -links ausweichen. Eine schlug vor uns ein, das heißt -nicht in den Graben, sondern draußen, ganz nahe, aber -sie explodierte nicht. In solchen Momenten ist man ganz -ruhig. Man zittert nicht, und das Herz schlägt nicht -rascher. Man ist längst über die Zone der Angst hinaus. -Man weiß, daß man vollkommen in der Hand des -Schicksals ist, und damit fertig. -</p> - -<p> -Hoch oben durch das Blau des Himmels zieht die -Wurfmine. Sie erscheint nicht größer als ein Habicht. -Deutlich sind ihre Flügel, ihre Schwingen zu erkennen, -die ihr den ruhigen Flug verleihen. Sie rast eilig dahin, -in herrlicher Kurve, und sieht wundervoll aus. Wir -stehen und folgen ihr mit den Blicken. Plötzlich sticht -sie wie ein Habicht herab, wird mit jeder Sekunde größer, -häßlicher und – gefährlicher. Achtung! -</p> - -<p> -<a id="page-199" class="pagenum" title="199"></a> -Der Teufel hat diese Minen erfunden. -</p> - -<p> -Auf dem Heimweg in der Sappe begegnen wir wieder -den Suppenträgern und zwängen uns an den Kesseln -vorbei. Sobald sie den dumpfen, unscheinbaren Abschuß -des Minenwerfers hören, lugen sie aus. Züge von Feldgrauen -schieben sich an uns vorüber, Gewehre, Handgranaten, -Gasmasken. Einzelne schleppen große Stahlschilde. -Einer trägt auf dem Gewehr ein paar Feldpostpakete. -Die Gräben werden aufgefüllt. Immer näher -kommt die Stunde – -</p> - -<p> -Wir überqueren das erstarrte Meer aus Lehmwogen. -Das Morgenfeuer wird ruhiger. -</p> - -<p> -Der Jäger zu Pferde zieht die Uhr. -</p> - -<p> -„Noch fünf Minuten!“ -</p> - -<p> -In fünf Minuten ist es acht. Da soll es losgehen. -</p> - -<h3 class="section" id="N3"> -3 -</h3> - -<p class="noindent"> -Punkt acht Uhr ging es los. -</p> - -<p> -Mit der Sekunde feuerte ein Geschütz schweren Kalibers, -und die Argonnen krachten. Die Wälder horchten auf. -Das schwere Geschütz gab eine Salve krachender Schüsse -ab. Pause. Dann begann es von allen Seiten. Ja! -Die Kanoniere standen schon überall bereit, glühend vor -Kampfbegierde. Die Granaten steckten schon in den -Rohren, die Geschütze waren gerichtet und nun rissen sie -ab! Die Hölle tobte, krachte, lachte, rasselte. Es fauchte, -zischte, heulte in der Luft, es pochte, stampfte, rumpelte -und knurrte. Zuweilen klang es, als ob ein Riese, groß -wie ein Berg, mit einem Hammer auf eine Stahlwand -losschlage, wütend und betrunken. Die Kanoniere, ja -<a id="page-200" class="pagenum" title="200"></a> -diese Kanoniere mußten arbeiten wie verrückte Teufel! -Die Granaten mußten von selbst in die heißen Rohre -springen, eine hinter der andern, Schuß, laden, Schuß, -laden. Der Schweiß läuft ihnen übers Gesicht, aber so -lieben sie es. Immer hinaus, was die Rohre hergeben -können. -</p> - -<p> -Links oben von mir, an meinem linken Ohr, feuert -mit harten, zornigen Schlägen eine schwere Batterie, -daß der Boden zittert. Die Geschosse rauschen und -klirren durch die Luft wie ein Eisenbahnzug, der über -eine Eisenbahnbrücke hämmert. Rechts oben, an meinem -rechten Ohr, knallt eine Batterie, und die Granaten -gehen mit einem Zischen hinaus, wie wenn eine Lokomotive -mit Überdampf die Ventile löst. Dazu das -Krachen und Knattern der Einschläge, das wir deutlich -hören, denn wir sind ja nicht weit davon entfernt. Es -ist ein Rauschen in der Luft, wie wenn ein Zug ein Tal, -eine Schlucht passiert. Zuweilen kommen Schreie und -Winseln von oben, wie wenn Menschen von Dämonen -entführt würden und verzweifelt klagten. -</p> - -<p> -Das ist der Anfang. Drei Stunden, drei volle Stunden, -bis elf Uhr, soll dieses Feuer dauern! -</p> - -<p> -Es ist nur die Eröffnung. Das Schachspiel, das mir -der Jäger zu Pferde gestern abend auf dem Papier erklärte, -es setzt sich in die Wirklichkeit um. Mudra spielt! -Es ist die Eröffnung Mudras, und bei Gott, ich möchte -nicht mit ihm diese Partie spielen! -</p> - -<p> -Ich sehe auf die Uhr. Es ist acht Uhr zwölf Minuten! -</p> - -<p> -Alles ist auf die Straße gelaufen, wenn man so sagen -kann. Die Straße ist ein erbärmlicher Knüppelweg im -<a id="page-201" class="pagenum" title="201"></a> -Walde. Nebenan liegt der Verbandplatz. Ärzte, Krankenträger, -Ordonnanzen, Feldbäcker und Chauffeure, alles -steht auf der Straße, um sich das Feuer anzuhören und -anzusehen, obschon es nichts zu sehen gibt. Es rauscht -und schleift in der Luft, das ist alles. Alle sind in erregter -und begeisterter Stimmung. (Niemand denkt an -Marie-Thérèse!!) Ich weiß recht gut, daß eine Beethovensche -Symphonie etwas anderes ist, aber das Feuer -hat etwas Berauschendes an sich! Es ist die Musik feuerspeiender -Berge und Urgewitter. -</p> - -<p> -Wie sieht es droben in den Gräben aus, von denen -ich eben komme? Sie ducken sich hinter die Erdwälle, so -furchtbar zischen die Granaten. Wie sieht es in Marie-Thérèse -aus, das ich eben sah? Die blaue Rauchmauer -ist ein dicker, gelbgrauer Wall geworden, und nichts -Lebendiges ist zu sehen. Fontänen von Erde jagen in -die Höhe. -</p> - -<p> -Es ist acht Uhr dreißig Minuten. -</p> - -<p> -Der Franzose antwortet. Er kommt nur langsam in -Gang. Er feuert verwirrt. Es sind Granaten, die er -gerade bei der Hand hat, es sind Batterien, die noch nicht -– nach der Morgenarbeit – frühstücken gingen. Telephondrähte -sind zerschossen. Die Batterien warten auf -Befehl. Das ist eine elende Situation. Mudras Eröffnung -war zu unregelmäßig. Erst acht Uhr dreißig -Minuten kommt System in das französische Feuer. -Nun rauschen seine Lagen herüber – -</p> - -<p> -Ein deutscher Flieger brummt über dem Wald. -</p> - -<p> -Neben dem Verbandplatz treffe ich den Divisionär, -Exzellenz Graf v. Pf. Der Divisionär steht unter dem -<a id="page-202" class="pagenum" title="202"></a> -Schleifen und Rauschen der Granaten, gleichmütig und -ruhig, als ob er zu Hause wäre. Und doch kann jeden -Augenblick eine Granate hereinfegen, daß die Späne -fliegen. Die Granate ist blind und hat keinen Respekt -vor gestickten Kragen. -</p> - -<p> -„Es ist das Inferno!“ sagt der Divisionär gelassen, -mit einem leisen Unterton von Verwunderung und -Bedauern. -</p> - -<p> -Ja, in der Tat, trüge ich nicht ganz klare und festgefügte -Vorstellungen aus einer Zeit des Friedens und -einer Welt ohne Kanonen in mir, Vorstellungen, die -die schwersten Kaliber nicht erschüttern können und die -dieses grausige Völkergewitter meinem Bewußtsein als -ein blutiges, aber vorübergehendes Kapitel einreihen, -wäre es nicht so, sage ich, so würde ich jetzt kapitulieren -und bekennen, daß diese Erde, auf der wir leben, schon -die Hölle ist, von der die Pfarrer immer sprechen. -</p> - -<p> -Das Geschützgewitter kracht in den Bergen. -</p> - -<p> -„Nun wird er lebhaft,“ sagt der Divisionär in aller -Ruhe, „es wird nicht lange dauern, da schießt er hierher.“ -</p> - -<p> -Eine Granate saust über unsere Köpfe dahin wie eine -blitzschnelle bösartige Riesenbremse, und auf der Waldhöhe, -dicht gegenüber, steigt urplötzlich eine schwarze -Riesenpinie aus Dreck und Rauch empor, höher als die -höchsten Eichen. Eigentümlich, die schwarze Einschlagsäule -stand schon im Wald, während das Ohr noch das -Zischen des Geschosses aufnahm. Ein grauer Rauchklumpen -zerstäubt zwischen den Bäumen. Dann kommen -ein paar Granaten mit Brennzünder. Er tastet nach -unseren Batterien. -</p> - -<p> -<a id="page-203" class="pagenum" title="203"></a> -„Na, was sagte ich!“ sagt der Divisionär und lacht. -„Da kann er lange hinschießen.“ -</p> - -<p> -Und unsere Haubitzen krachen, daß der Boden bebt. -</p> - -<p> -Zwischen den Eichen, wo eben die Granaten einschlugen, -klettert ein Soldat den Wald herunter. Zum -Teufel, was hat er da zu suchen? -</p> - -<p> -Der Divisionär erzählt aus seinen Feldzugserlebnissen, -von den Argonnen, von seinen prachtvollen Truppen. -(Ja, das sind sie!) Er erzählt, daß er einen Fonds für -die Hinterbliebenen seiner Division gegründet habe, der -schon die Höhe von über dreißigtausend Mark erreicht -habe. Wir plaudern, als säßen wir irgendwo behaglich -bei einer Zigarre. -</p> - -<p> -Nebenan, im Verbandplatz, ist schon alles bis aufs -letzte vorbereitet. Hier führt ein freundlicher Arzt den -Oberbefehl. Er sprüht von Leben und Arbeitseifer und -steht sicherlich auf dem rechten Platze. Welch eine Wohltat -muß es sein, verwundet aus dem Gefecht unter diese -Hände und Augen zu kommen! Operationstisch, Verbandzeug, -Instrumente, alles ist bereit, blitzblank sind -die kleinen Kammern. Die Ärzte warten. -</p> - -<p> -Der Jäger zu Pferde führt mich durch den Wald hinauf -zu einer kleinen Baude. Hier haust während des -Kampfes der Brigadegeneral v. K. mit seinem Stabe. -Der General heißt mich willkommen und erlaubt mir, -zu bleiben, solange ich will. Freundlicher wurde ich selten -aufgenommen wie bei den Leuten im Argonner Wald. -</p> - -<p> -Hier in dieser Baude wird fieberhaft (und doch mit -welcher Ruhe!) gearbeitet. Der Adjutant, Hauptmann -B., sitzt dauernd am Telephon. „Geben Sie mir diese -<a id="page-204" class="pagenum" title="204"></a> -und jene Stelle, rufen Sie Herrn Soundso! Wie? Das -Feuer liegt vorzüglich. – Bei den Franzosen hat man -eine Explosion beobachtet. Es wird ein Munitionslager -in die Luft gegangen sein. – Teilen Sie Herrn X. Y. -mit, daß die Batterie Z. glänzende Resultate hat. Ein -Flieger hat es gemeldet. Erster Schuß saß sofort in -Harazée (ein kleines Dorf), ebenso erster Schuß in -Vienne-le-Château. Jawohl, danke schön. – Ich werde -jetzt auf diesen und jenen Punkt feuern lassen. Es liegt -Meldung vor, daß der Franzose versucht, da und dort -Verstärkungen vorzuschieben.“ -</p> - -<p> -Das Telephon tutet. Ohne Pause geht es so fort. -</p> - -<p> -Das kleine Fenster der Baude rasselt bei jedem Geschützschlag. -Draußen scheint die Sonne. Die Granaten -rauschen mächtig dahin. Zuweilen summt es in der Luft -oder es klingt klirrend, wie wenn eine Stahlseite zerspringt, -es pfeift: Sprengstücke, verirrte Kugeln, die -durch den Wald fliegen. -</p> - -<p> -Das Feuer hat um etwas nachgelassen, aber es ist -noch immer ein infernalisches Dröhnen und Krachen. -</p> - -<p> -Das Telephon tutet. „Jawohl?“ Das Regiment X. -meldet, daß unser Feuer zu kurz liegt und die eigenen -Gräben gefährdet. – „Das ist unmöglich,“ antwortet -der Adjutant. „Es werden feindliche Einschläge sein.“ -Er bekam recht. Ein paar Minuten später geht die Meldung -ein, daß zwei feindliche Flieger in der Luft sind -und das Feuer der Artillerie auf den betreffenden Graben -lenken. „Ich werde einen Flieger hochschicken!“ antwortet -der Adjutant. Eine andere Stelle muß schon -Meldung gemacht haben, denn fünf Minuten später -<a id="page-205" class="pagenum" title="205"></a> -brummt ein deutscher Doppeldecker hoch oben über den -Wäldern. -</p> - -<p> -Wir essen zu Mittag: „Denn essen muß der Mensch, -trotz allem.“ Der Adjutant sitzt in der engen Stube mit -dem Rücken gegen das Telephon, um nur die Hand nach -dem Hörer ausstrecken zu müssen. Dutzendmal wird er -unterbrochen, aber doch findet er noch Zeit, mir zuzureden -und nachzusehen, ob mir auch ja nichts fehlt. -</p> - -<p> -Gegen elf Uhr schwillt das Feuer wieder zur früheren -Raserei an. Die Geschütze taumeln vor Grimm. Immer -hinaus, was die Rohre hergeben können! Dann kracht -der Wald von furchtbaren Explosionen: die Minen -wurden gesprengt. Die Erde zittert. -</p> - -<p> -Und nun ist es elf Uhr. Jetzt müssen sie aus den -Gräben! Es sind Minuten der größten Spannung. -</p> - -<h3 class="section" id="N4"> -4 -</h3> - -<p class="noindent"> -Ja, nun steigen sie aus den Gräben! Auf der ganzen -Linie von zwei Kilometern. -</p> - -<p> -Über die Ausfallstaffeln klettern sie empor, durch die -Sappen stürzen sie sich gegen den Feind. Handgranaten -am Gürtel, Rauchmasken, Schutzschilde, eine Handgranate -in der Rechten, fertig zum Abreißen, das Gewehr -über der Schulter, bereit zum Schuß, bereit zum Zuschlagen. -Die Kugeln schwirren. -</p> - -<p> -Ein Mann fällt, während er sich aus dem Graben -schwingt, ein Mann fällt auf den Grabenwall, ein Mann -fällt nach drei Schritten – aber die Kameraden stürmen -weiter, mit Hurra und Geschrei, hinein in Dunst und -Rauch. -</p> - -<p> -<a id="page-206" class="pagenum" title="206"></a> -Der Gegner ist zusammengetrommelt, aber keineswegs -erledigt. Aus Grabenlöchern feuert er, aus -Granattrichtern, mitten in Schutt und Erde richtet er -das Maschinengewehr, das noch intakt ist. In einer -Sappe hat er sich zusammengedrängt, die Handgranaten -krachen, weiter! Es fällt der Mann im Dunst, im Rauch. -Ein paar Grenadiere bringen ein feindliches Maschinengewehr -in Stellung. Sie fallen. Weitab sind schon die -Kameraden. Vorwärts! Es fällt der Offizier. -</p> - -<p> -Auf einer Linie von zwei Kilometern branden sie so -vor. Heiß ist der Nahkampf. – – -</p> - -<p> -Unsere Gedanken sind oben bei ihnen, unsere Wünsche, -unsere Hoffnungen und unsere Angst. Die Spannung -schmerzt, im Herzen, im Gehirn. Wird es gelingen? -Im ganzen Umfang? Und wird es mit geringen Opfern -gelingen? -</p> - -<p> -Es ist ganz still in unserer Baude. -</p> - -<p> -„Wollen wir hören, ob viel Infanteriefeuer hörbar -ist. Denn das bedeutet nichts Gutes,“ sagt der General, -und wir treten hinaus. -</p> - -<p> -Es ist fast gar kein Infanteriefeuer vernehmbar. Es -steht gut! Die Geschütze krachen und wettern ohne -Pause. Sie schießen nun natürlich nicht mehr auf Marie-Thérèse, -sie feuern auf die feindlichen Batterien und Zugangswege. -Die feindlichen Einschläge krachen in den -Wäldern. Aber durch die kurzen Pausen des Krachens -hindurch lauschen wir gespannt nach oben. Nur vereinzelte -Schüsse. Da beginnt ein Maschinengewehr hohl zu klopfen. -</p> - -<p> -„Ein französisches Maschinengewehr! Das ist schrecklich!“ -sagt ein Offizier leise vor sich hin. -</p> - -<p> -<a id="page-207" class="pagenum" title="207"></a> -Aller Herzen sind oben bei ihnen, die jetzt kämpfen für -die deutsche Sache. -</p> - -<p> -Es kommt die Meldung, daß alles gut stände. Wir -atmen auf. -</p> - -<p> -Elf Uhr dreißig Minuten trifft die erste bestimmte Meldung -ein. Das Regiment X. hat zwei Gräben genommen, -gegen hundert Gefangene. Es geht gut vorwärts. -</p> - -<p> -Der Adjutant sitzt am Telephon, und sobald er eine -Meldung entgegengenommen hat, teilt er sie uns mit. -</p> - -<p> -Elf Uhr vierzig Minuten. Das Regiment Y. hat ein -paar Gräben überrannt, eine Anzahl Gefangene, Maschinengewehre, -Minenwerfer. Es sind die Leute von der -Eselsnase, bei denen ich heute morgen war. Das -Regiment ist berühmt und gefürchtet beim Gegner. -</p> - -<p> -Ein anderes Regiment meldet, daß es infolge starken -Artilleriefeuers nur mühsam aus dem Graben kam, -jetzt aber rasche Fortschritte mache. Leider einige Offiziere -gefallen. Kompanieführer X., Leutnant Z. – Vor -ein paar Stunden sprach ich noch mit ihnen. -</p> - -<p> -Der General blickt vor sich hin und holt tief Atem. -</p> - -<p> -Es ist Krieg, Krieg, man darf es nicht eine Minute vergessen. -</p> - -<p> -Meldung um Meldung. Das Regiment Z. meldet, -daß es einhundertundfünfzig Gefangene gemacht habe. -Punkt erreicht. Anschluß an Nachbarregiment. -</p> - -<p> -Die Meldungen lauten alle gleich günstig. Hundert -Gefangene, zweihundert, dreihundertfünfzig – kein -Zweifel: der Angriff ist geglückt. Wir haben gewonnen! -</p> - -<p> -Um zwölf Uhr meldet der Bursche: „Herr General, -die ersten Gefangenen!“ -</p> - -<p> -<a id="page-208" class="pagenum" title="208"></a> -Wir sehen einander erstaunt an. „Schon,“ sagt der -General, und wir gehen durch den Wald, hinüber zum -Knüppelweg. -</p> - -<p> -Da stehen sie. Drei Stück. Verschwitzt und bestaubt -kommen sie aus den Gräben. Sie machen einen jämmerlichen -Eindruck. Einer trägt ein Käppi. Er ist ganz grau, -Bretone, einundvierzig Jahre alt. Seine schmutzigen groben -Hände zittern vor Erregung. Die beiden anderen sind -junge Burschen, gegen zwanzig, klein, schwarzhaarig, -mit runden schwarzen Glotzaugen. Sie tragen blaugraue -Stahlhelme auf den runden Köpfen, Helme, die -den alten Sturmhauben des Mittelalters ähneln und -ganz neu sind. Die Burschen gefallen mir nicht. Und -als ich anfange, sie auszufragen, bekommen sie auch sofort -Streit. Einer wirft dem andern vor, sich im Unterstand -versteckt zu haben. Sie hatten es eilig, in Gefangenschaft -zu geraten, das kann ich sehen. Es sind Leute aus -Toulouse. -</p> - -<p> -„Was wird man mit uns tun?“ fragt einer der -Tapferen mit dem Stahlhelm mit einem ängstlichen -Blick. -</p> - -<p> -„Man wird euch in ein Lager nach Deutschland schicken,“ -antworte ich. Er ist befriedigt. Was dachte er denn –?? -</p> - -<p> -Nun aber wimmelt es auf dem Waldweg. Eine Feldbahn -führt in der Nähe vorüber. Darauf laufen Karren, -von vier Krankenträgern geschoben, und auf den Karren -sitzen und liegen die Verwundeten. Auf einer Karre -hockt oben ein junger Franzose und jammert und stöhnt -in gleichen Zwischenräumen. Sonst hört man nur selten -einen Schmerzenslaut. -</p> - -<p> -<a id="page-209" class="pagenum" title="209"></a> -Eine Bahre wird vorübergetragen. Ein Feldgrauer -liegt ausgestreckt darin. -</p> - -<p> -„Wo fehlt’s?“ fragt der General. -</p> - -<p> -„Beinschuß!“ -</p> - -<p> -„Nun, immer rasch zum Verbandplatz.“ -</p> - -<p> -Eine zweite Bahre wippt auf den Schultern der -Träger vorüber. Bleich und still liegt darin ein Franzose. -</p> - -<p> -Leichtverwundete kommen allein an. Der General -hat für jeden ein ermunterndes Wort, einen freundlichen -Zuruf. „Was ist mit Ihnen?“ fragt er einen Grauen, -dessen rechte Hand in blutigem Verbandzeug steckt. -„Granatsplitter.“ – „Na, es wird nicht so schlimm sein. -Wissen Sie den Verbandplatz? Gleich da drüben.“ Wie -ein Vater spricht der General seinen Leuten zu. „Wie -steht es oben?“ – „Wir haben drei Gräben genommen, -Herr General!“ – „Na, das ist prachtvoll. Immer rasch -zum Verbandplatz.“ -</p> - -<p> -Bahren, Karren. -</p> - -<p> -Ein Grenadier mit verbundenem Arm, gestützt von -einem Krankenträger, kommt festen Schrittes, stolz und -aufgerichtet des Weges, obschon ihm Schmerz und -Schrecken im Gesicht sitzen. Ein Lob des Generals läßt -seine Miene aufleuchten. -</p> - -<p> -Auf einer Karre sitzt ein Verwundeter. Sein Kopf ist -nichts als ein weißes Knäuel mit blutigen Flecken. Aber -er sitzt mit verschränkten Armen, ganz behaglich. -</p> - -<p> -So strömt es unaufhörlich vorüber, und die Granaten -rauschen und zischen ohne Pause über den Wald. -</p> - -<p> -Ein Grauer, mit blutigem Kopfverband, tritt an den -General heran und schlägt die Absätze zusammen. -</p> - -<p> -<a id="page-210" class="pagenum" title="210"></a> -„Wo kann ich Herrn Major Soundso sprechen? Ich -habe eine Meldung zu machen.“ Das Blut tropft dem -Tapferen übers Gesicht. -</p> - -<p> -„Was soll es sein?“ -</p> - -<p> -„Das Regiment hat drei Gräben genommen und über -zweihundert Gefangene.“ -</p> - -<p> -„Ich werde es bestellen lassen. Aber nun schauen -Sie, daß Sie sich mal erst ordentlich verbinden -lassen.“ -</p> - -<p> -Der Graue klappt mit den Stiefeln. Ab. Ja, was für -Leute das sind! -</p> - -<p> -Ein anderer kommt vorbei, den Kopf verbunden. Er -war schon vor dem Sturm verwundet worden, machte -aber noch den ganzen Angriff mit. -</p> - -<p> -Die Gefangenen fluten in dichten Zügen heran. Sie -werden aufgestellt und gezählt. Fast alle tragen diese -blaugrau angestrichenen Stahlhelme. Vereinzelte nur -tragen Käppis oder haben sich ein Schnupftuch um den -Kopf gebunden. Sie sind schmutzig, verwildert, zerfetzt -und verstaubt, stumpf, bleich und erschöpft und kleinlaut, -wie alle Soldaten, die aus der Schlacht kommen und in -Gefangenschaft gerieten. Aber sie machen einen weitaus -besseren Eindruck als die ersten drei. Es sind Leute teils -aus den nördlichen Departements, Bretagne, teils aus -dem Süden, Toulouse, Nîmes, Marseille. Manche -rauchen schon wieder ihre Pfeife oder den Zigarettenstummel. -Einer trägt einen halben Laib Brot, einer eine -Decke. Sie zeigen die Photographien ihrer Frauen und -Kinder und fragen, ob sie sie behalten dürfen. Natürlich -dürfen sie das! Zuweilen schütteln sich ein paar die -<a id="page-211" class="pagenum" title="211"></a> -Hand, die sich hier wiederfinden. Es ist ein langes, bedeutsames -Händeschütteln! -</p> - -<p> -Manche sind verwundet und tragen Verbände. Einem -ist die Hand zerschmettert, dem anderen hat eine Kugel -den Arm durchschlagen. -</p> - -<p> -Der General steht und läßt die Augen über die Kolonnen -schweifen. Sobald er einen Verwundeten sieht, -läßt er ihn herankommen, fragt, forscht: „Ulan, bringen -Sie den Mann zum Verbandplatz.“ Aus jeder Kolonne -scheidet ein Trüppchen Verwundeter aus und hinkt, -humpelt und taumelt hinter den Führern her. -</p> - -<p> -Aber der General hat seine Augen überall. Er sieht -auch, was hinter den Kolonnen vorbeikommt, ruft, ermuntert, -lobt. -</p> - -<p> -Da kommt auch mein Grenadier mit den zwei Postpaketen -am Gewehr zurück. Heute morgen sah ich ihn -in die Gräben hinaufgehen. Da ist er wieder. Eine -Handgranate hat ihn leicht am Gesicht verletzt. Er hatte -gar nicht Zeit, seine Paketchen zu öffnen. -</p> - -<p> -Es werden immer mehr Gefangene. Es sind ganze -Züge und Kompanien – und auf der anderen Seite -des Berges soll es auch in die Hunderte gehen! -</p> - -<p> -Der General kann unmöglich alle übersehen, und so -gehe ich die Kolonnen entlang und suche die Verwundeten -heraus. – „Herr General, hier ist ein Mann mit einem -Armschuß.“ – „Ulan, zum Verbandplatz.“ – Väterlich -sorgt der General für den Feind. Sein Ton ihnen -gegenüber ist freundlich und schlicht. -</p> - -<p> -Ein Gefangener fragt mich, ob er nicht ebenfalls verbunden -werden könnte. Ich sehe ihn an, er sieht etwas -<a id="page-212" class="pagenum" title="212"></a> -erschrocken aus, aber ich sehe keine Verwundung. Er -hat Schüsse da unten, sagt er. Augenblicklich läßt er die -Hose herunter, und ich sehe, daß er einen Schuß im rechten -Oberschenkel und einen über dem Gesäß hat. -</p> - -<p> -Ich führe ihn zum General. Auch hier will er sofort -die Hose herunterlassen, aber der General glaubt ihm so. -</p> - -<p> -„Nehmen Sie den Mann da noch mit, Ulan. Stützen -Sie ihn, so, immer vorwärts.“ -</p> - -<p> -Kolonnen um Kolonnen ziehen vorbei. Jetzt, um ein -Uhr, sind schon eintausendvierhundert Gefangene gemeldet. -Im ganzen wurden es zweitausend. Immer -neue strömen aus dem Wald. Karren, Bahren, Verwundete. -Nie werde ich diesen Weg im Argonnerwald -vergessen. -</p> - -<p> -Vor dem Verbandplatz liegen und stehen die Verwundeten -herum. Sie sind ruhig und fühlen sich geborgen. -Die Ärzte sind drinnen an der Arbeit. Ich sehe, wie der -freundliche, lebenslustige Chefarzt ernst und hingegeben -einen blutigen Lappen mit der Schere abtrennt. -</p> - -<p> -Das ist die Kehrseite von Hurra und Siegesjubel. -Es ist Krieg, man darf es nicht vergessen. -</p> - -<p> -Die Geschütze dröhnen, die Einschläge krachen, die -Granaten gurgeln und pflügen durch die Luft. Verirrte -Kugeln und Sprengstücke surren und klirren. Zwischen -den Bäumen wandern wie eine blaugraue Schlange die -Gefangenen. -</p> - -<p> -Droben in den Gräben aber geht es weiter, heiß und -blutig. Die eroberten Gräben müssen instand gesetzt, -Schutzschilde und Sandsäcke auf die andere Seite gebracht -werden. Die Gewehre peitschen, Maschinengewehre -<a id="page-213" class="pagenum" title="213"></a> -hämmern, der Kampf geht weiter. Bis die -Nacht kommt, und auch in der Nacht wird es keine Ruhe -geben. -</p> - -<p> -Wir fahren los und jagen quer durch die Argonnen, um -zu hören, wie es auf der anderen Seite des Berges ging. -</p> - -<h3 class="section" id="N5"> -5 -</h3> - -<p class="noindent"> -Auch auf der anderen Seite des Argonnerwaldes war -alles nach Wunsch gegangen. Wie auf der Eselsnase -waren die Tapferen auf der Hubertushöhe aus den -Gräben geschnellt und hatten den Feind geworfen. Bis -jetzt, nachmittags, hatten sie über achthundert Gefangene -gemacht. Das ist eine hübsche Anzahl im Grabenkrieg! -</p> - -<p> -Die krumme bucklige Straße des armseligen Argonnendorfes -ist überschwemmt von blaugrauen Franzosen. -Und oben erscheint schon eine neue Kolonne. Ein ganzes -Bataillon ist hier versammelt. Die Bewohner des -Dorfes stehen vor den Haustüren und begaffen ihre -Landsleute. Zuweilen habe ich in dem und jenem Orte gesehen, -daß Frauen weinten, wenn Gefangene vorübergeführt -wurden. Hier nehmen sie es gelassen. Hunderte -und Tausende sind schon aus den Wäldern herunter in -ihr Dorf gekommen. -</p> - -<p> -Fast alle tragen den blaugrau gestrichenen Stahlhelm, -der tief über den Kopf gestülpt ist, so daß sie gerade noch -geradeaus blicken können. Einzelne haben ihn verloren -oder fortgeworfen und sich Sacktücher über den Kopf -gebunden. Einer trägt nur das Lederfutter des Helmes. -Der Helm gibt ihnen allen ein ungewohntes und leise -komisches Aussehen. Ich bin sicher, daß es drüben bei -<a id="page-214" class="pagenum" title="214"></a> -ihnen großes Gelächter und Scherzen gab, als die ersten -mit diesem Möbel anrückten. Viel Wert kann der Helm -nicht haben. Dafür ist er zu dünn. Gegen Splitter, -Steinschlag höchstens, aber das würde auch der Schädel -aushalten. Immerhin ist er schwer genug, um dem -Mann das Schwitzen beizubringen. Sie schwitzen alle -jämmerlich, die armen Burschen. -</p> - -<p> -Sie sind zumeist erschöpft und abgestumpft vom Kampf. -Groß, klein, Grauhaarige, halbe Knaben, ernste Männer -und unreife Bengel, schwarzäugig, blauäugig, hager und -rund, Bärte, Milchgesichter, alle verschieden groß. Die -blaugrauen Rockärmel voller Lehm und Schmutz, die -Schuhe zerweicht, die Wickelgamaschen zerrissen. Sie -kommen aus der Schlacht, das muß man festhalten, die -Ausrüstung ist jedenfalls gut. Einzelne tragen rote -Wollschärpen um den Leib, andere Wollwesten, einer -steckt in einem blauen Arbeiteranzug. Die Verwundeten -sind schon alle ausgeschieden. Einzelne nur haben Verbände -an Hand oder Kopf, leichte Schrammen. Sie -kauen, rauchen, kramen die paar Habseligkeiten aus der -Tasche, die sie aus der Katastrophe retteten. Manche -lachen schon wieder. Sie sind eine etwas zusammengewürfelte -Gesellschaft, ohne jeden Zweifel. Zumeist -vom Süden. Sie sollen sich indessen wacker geschlagen -haben. -</p> - -<p> -Abseits stehet ihr Bezwinger: der Kronprinz und -der Kommandierende, und betrachten sie und tauschen -Beobachtungen aus. -</p> - -<p> -Der Kronprinz tritt an zwei junge Burschen heran, -die sich aus den Tabakresten ihrer Hosentaschen Zigaretten -<a id="page-215" class="pagenum" title="215"></a> -drehten und kein Feuer haben. Er reicht ihnen -seine Streichholzschachtel und spricht sie an. Nun, besonders -gute Manieren haben die zwei jungen Bengel -nicht, es sind Hafenarbeiter aus Toulouse. Sie plaudern -lebhaft, paffen und lachen. Sie sind froh, aus der Sache -heraus zu sein, sie machen kein Hehl daraus. Aber der -Kronprinz spricht mit ihnen, freundlich und schlicht, -wie er mit seinen eigenen Soldaten redet. Sie haben -sich geschlagen für ihr Land, der Tod ging da oben hundertfach -dicht an ihnen vorüber, es kommt also hier nicht so -sehr auf die Manieren an. -</p> - -<p> -Links, ein paar Schritte abseits von den dichtgedrängten -Reihen der schwitzenden, schmutzigen Gefangenen, -steht eine Gruppe gefangener Offiziere. Ihre Haltung -ist würdig. Die Uniform ist einfach, weit und bequem -geschnitten, es ist nahezu die Uniform des gemeinen -Mannes. Keine Dekorationen, keine Abzeichen. Am -Ärmelaufschlag zwei schmale, drei Zentimeter lange -wagrechte verblaßte goldene Borten, das ist alles. -Für die Eitelkeit ist diese Uniform nicht geschaffen, das -kann niemand behaupten. Sie tragen blaugraue Käppis. -Wohin ist die prunkvolle Maskerade des französischen -Heeres gekommen? -</p> - -<p> -Ernst und nachdenklich sehen sie vor sich hin. Qualvoll -und demütigend ist ihre Situation, obschon jedermann -bestrebt ist, ihre Gefühle zu respektieren. Ein Offizier, -der äußerste, ist blaß wie eine Wand und vollkommen -erschöpft. Sein Blick geht ins Leere. Neben ihm steht ein -junger Leutnant, keine vierundzwanzig, mit vornehm -geformten energischen Zügen. Die Muskeln seines -<a id="page-216" class="pagenum" title="216"></a> -Gesichtes zucken, er blickt zum Himmel empor, zur Erde -herab, er nagt an der Lippe, er kämpft mit den Tränen. -</p> - -<p> -Sie alle leiden. Aber ihre Leute fangen an, sich mehr -und mehr mit der Lage abzufinden. Sie schwatzen und -lachen. Sie sind allzu eifrig, mir zu erklären, daß „sie -sich beglückwünschen“, aus der Sache heraus zu sein. -Jeder beglückwünscht sich. <span class="antiqua" lang="fr">Je me félicite –!</span> „Ja, da -oben ging es schlimm zu, große Verluste. Ich wurde -verschüttet, grub mich aus, mit Hilfe eines Kameraden. -Da waren die Deutschen schon da, überall, wir sehen einen -Trupp Gefangener und laufen hin. Ihr Angriff war -gut gemacht, chic! Ich beglückwünsche mich, offen gestanden.“ -</p> - -<p> -Ich nehme einen jungen, intelligent aussehenden -Burschen zur Seite, gebe ihm eine Zigarette und plaudere -mit ihm. Er stammt ebenfalls aus dem Süden. Er -war in einer Sappe, die zugeschüttet war, die Deutschen -warfen Handgranaten hinein, sie selbst schossen heraus, -Geschrei, Rauch, schon war er gefangen. Er breitet die -Arme aus und deutet auf die Landschaft: „Ich sehe mein -Land, ich sehe alles in bester Ordnung. Ich sehe hier das -Dorf und die Leute, es ist alles sauber, die Felder sind -bestellt, Vieh gibt es hier. Und man hat uns gesagt, -daß die Deutschen alles plündern und niederbrennen. -Ich traue meinen Augen nicht.“ Gleich darauf beglückwünschte -auch er sich. -</p> - -<p> -Ich gebe ja jedem Soldaten das Recht, sich zu freuen, -daß er lebendig aus der Schlacht kam, denn selbst der -Tod fürs Vaterland ist schwer, so leicht er auch vielen -Leuten erscheint, die nie eine Granate sausen hörten – -<a id="page-217" class="pagenum" title="217"></a> -allein, es ist schließlich nicht nötig, daß er die Gefangenschaft -als die beste Lösung preist. Es ist auch nicht nötig, -daß sie mir erzählen, ihre höheren Offiziere hätten Reißaus -genommen, denn es ist nicht wahr, das weiß ich von -anderen. -</p> - -<p> -Ich habe schon bessere französische Regimenter gesehen. -</p> - -<p> -Immer neue Gefangene strömen ins Dorf. Über -den Wäldern wird ein feindlicher Flieger beschossen. -Die Geschütze krachen und pochen noch immer wütend. -Gegen Abend steigert sich das Feuer mehr und mehr, -und in der Nacht rollt es pausenlos und zornig. Trommelfeuer. -</p> - -<p> -Am Morgen sehe ich die Gefangenen abmarschieren. -Ein langes blaues Band schlängelt sich ins Tal. Der -junge Offizier hat sich gefaßt und schreitet still und ergeben -wie ein Leidtragender in einem Trauerzug hinter -den blauen Stahlhelmen her. -</p> - -<p> -Eine Stahlhaube ist neben einem Baum liegen geblieben. -</p> - -<p> -Da eilt ein französischer Hauptmann aus dem Dorf -hervor. Er hat sich verspätet. Sein Kopf ist verbunden, -ich habe ihn gestern nicht gesehen. Er geht eilig auf den -Jäger zu Pferde zu und schüttelt ihm die Hand, erschüttert, -gebrochen, verzweifelt, wie man in schwerem -Leid einem Freund die Hand schüttelt, sicher seines Verstehens, -Vertrauens, Glaubens. Es gibt Beziehungen -zwischen den Völkern, die alle Diplomatie, mangelhafte -und perfide, nicht zerstören kann. -</p> - -<p> -„Trösten Sie sich,“ sagt der Jäger zu Pferde, „es ist -der Krieg!“ -</p> - -<p> -<a id="page-218" class="pagenum" title="218"></a> -Der Hauptmann antwortet nichts, er schüttelt gebrochen -den verbundenen Kopf, und mit verzweifelten -großen Schritten stürzt er seiner Truppe nach. – -</p> - -<p> -Die Schlacht ist zu Ende, die Schlacht ist gewonnen. -Zweitausend Gefangene, große Beute, auf einer Front -von zwei Kilometern der Feind zurückgeworfen. Es ist -ein großer Erfolg. Nehmt den Hut ab vor den Argonnenkämpfern! -</p> - -<p> -Aber wie erstaunt war ich, im französischen Bericht zu -lesen, daß es wieder einmal nichts war. Die Armee des -Kronprinzen hatte überhaupt keinen Erfolg errungen. -Zwei mißglückte Angriffe – unser Bericht enthalte -phantastische Zahlen, es sei klug, diese Zahlen in derartigen -Fällen immer durch zehn zu dividieren. – – -</p> - -<p> -Großes Frankreich, dein Erbe ist in bedenkliche Hände -geraten. Dein Geist ist bei deinen Erben zur Phrase -geworden und die Phrase zur Lüge. -</p> - -<p class="printer"> -<span class="line1">Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig</span> -</p> - -<div class="ads"> -<p class="adh"> -Anzeigen -</p> - -<hr /> - -<p class="adh"> -Werke von Bernhard Kellermann -</p> - -<hr /> - -<p class="adb"> -Yester und Li -</p> - -<p class="ads"> -Die Geschichte einer Sehnsucht. (Fischers Romanbibliothek.) -</p> - -<p class="adp"> -Gebunden 1 Mark, in Leinen 1 Mark 25 Pfennig. -</p> - -<p> -Die Geschichte einer Sehnsucht ist es, die der Verfasser erzählt – -einer zarten, zitternden, tastenden Sehnsucht. Einer so verzehrenden, -wahnwitzigen, ungeheuerlichen Liebessehnsucht, wie sie nur ein -Dichter, ein Auserwählter unter den Menschen, zu einem auserwählten, -seltenen, wundervollen Weibe empfinden kann. – Wunderbar -ergreifend ist der Schluß. Ein Dichter hat dies Buch geschrieben. -Ein wirklicher Dichter. Mit sanfter, zagender Hand sind die letzten -Hüllen von menschlichen Seelen gezogen. Und doch erscheint alles -wie durch zarte Schleier, von einem seltsamen matten Glanz umsponnen. -Letzte Menschlichkeiten werden aufgedeckt. Feines, Leises -wird gegeben, wie mit dem Silberstift gezeichnet. -</p> - -<p class="attr"> -(Königsberger Allgemeine Zeitung) -</p> - -<hr /> - -<p class="adb"> -Ingeborg -</p> - -<p class="adp"> -Roman. 30. Auflage. Geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. -</p> - -<p> -Ganz trunken von Schönheit und Schmerz ist das Buch. Es schlägt -Töne an, die man schwer vergißt ... Selten ist etwas Glühenderes -und Sanfteres geschrieben worden wie die Schilderung dieser Liebe. -Eine erhobene Sprache geht durch die Blätter des Buches, ohne -doch uns der Erde zu entrücken ... Wenig und einfach ist, was geschieht, -aber die Feinheit und Intensität der Schilderung macht es -zu einem Äußersten als Seelenerlebnis sowohl wie als Kunst. -</p> - -<p class="attr"> -(Der Tag, Berlin) -</p> - -<p> -Frauen und Jünglinge, leset dies neue Buch – Ingeborg – diesen -zweiten Roman von Bernhard Kellermann. Die Liebe lebt darin -und die Romantik. Und der Wald lebt darin und alle Jahreszeiten. -Jung ist es, ganz jung-jung, und das Blut macht es unruhig, es -fiebert von Liebe. Mit einer kindlich zarten und zugleich unerhört -verfeinerten Gabe wird hier von den heiligsten und besten Dingen -gesprochen. Von Gott, von der Liebe, vom Wald ... Ich will -mich mit diesem Buche nicht allein freuen. Jedem möchte ich es in -die Hände drücken, der überhaupt noch einen Roman lesen kann. -</p> - -<p class="attr"> -(Die Zeit, Wien) -</p> - -<hr /> - -<p class="adb"> -Der Tor -</p> - -<p class="adp"> -Roman. 14. Auflage. Geheftet 5 Mark, gebunden 6 Mark. -</p> - -<p> -Die Leser von „Ingeborg“ werden ihren Dichter in diesem Buche -wiederfinden, aber er wird ihnen als ein Größerer begegnen, reifer -und reicher geworden in den wenigen Jahren, die zwischen den beiden -Werken liegen. Sein Blick hat sich von den wolkengleich umrissenen -Gestalten der Liebeslegende tiefer erdenwärts gewandt und -schaut jetzt den Kreaturen des täglichen Lebens zu, wie sie, gehämmert, -zerstoßen und verkrümmt von der Unerbittlichkeit der Verhältnisse, -ihr Dasein zu Ende führen. Der Tor ist ein junger, reiner Mensch, -der in einem Städtchen auftaucht, um das Unrecht zu sühnen, das -Menschen an einer Verstorbenen geübt haben. Bald sieht er ein, -wie vieles es im kleinsten Kreise gutzumachen gibt, woran die -Menschen keine Schuld haben, und sein Drang weist ihm den Weg -zu den Hütten der Elendesten, Bejammernswertesten. So ist auch -dies Buch ein Buch der Liebe geworden, aber der Liebe des einen -zu allen. -</p> - -<p class="attr"> -(Hannoverscher Kurier) -</p> - -<hr /> - -<p class="adb"> -Das Meer -</p> - -<p class="adp"> -Roman. 18 Auflage. Geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. -</p> - -<p> -Es ist ein Werk, das man mit Ehrfurcht und Freude aus der Hand -legt, im sicheren Bewußtsein, einen Schatz gefunden zu haben, von -dem man immer wieder gern genießen wird. Ein kulturmüder Mann -lebt einen Sommer hindurch auf einer bretonischen Fischerinsel. -Er versinkt ganz in dem kräftigen, urwüchsigen Dasein dieser einsamen -Welt. Trinkt, flucht, liebt und haßt wie die Bewohner der -Insel, die gleich abgeschlossen ist von den Moralbegriffen wie dem -Rechtsempfinden der Welt da draußen ... Manchem wird die wilde -Schönheit unverständlich bleiben, manchen wird auch die feinste -Sprachkunst nicht darüber hinwegsetzen, daß es immer wieder nur -das Meer ist – und nur das Meer, von dem er lesen muß. Wer sich -aber in dies Werk ernstlich vertieft, dem wird es seine Mannigfaltigkeit -wohl erschließen. Und er wird meine Freude darüber teilen, -daß auch einem Deutschen der Entdeckerflug in die unbekannten Reiche -der Natur gelungen ist, der bisher Männern wie Kipling oder Loti -vorbehalten schien. Nur daß Kellermanns Empfindung wärmer, -seine Anschauungskraft stärker, seine Sehnsucht tiefer ist. -</p> - -<p class="attr"> -(B. Z. am Mittag, Berlin) -</p> - -<hr /> - -<p class="adb"> -Der Tunnel -</p> - -<p class="adp"> -Roman. 120. Tausend. Geheftet 3 Mark 50 Pfennig, in Leinen -gebunden 4 Mark 50 Pfennig, Geschenkband 6 Mark. -</p> - -<p> -In diesem Buch rollt der Donner ungeheuerer moderner Maschinen. -Weite und Welthorizonte sind in ihm. Aber alles wirbelt und tanzt -und dreht sich, und man sieht nur große Konturen, sieht nur Massen, -zusammengeballt und mit fortgerissen in der rasenden Bewegung -dieser Zeit. Man spürt das unerhörte Tempo der Gegenwart, der -heutigen Epoche, während man dieses Buch liest. Man spürt gleichsam -die Erde ringsum vibrieren, als erbebe sie bis in ihren Grund -unter der zugreifenden Gewalt des Menschen. Man spürt das Fiebern, -Keuchen, Wüten und geniale Delirieren der unermeßlichen Arbeit, -die rund um uns her verrichtet wird. Und das ist zuerst ein beklemmendes -Gefühl, dann aber ein befreiendes Glücksbewußtsein. Man -wird niedergedrückt und gleich darauf angefeuert, hoch emporgehoben -und wie berauscht von Mut, von Entschlußfreude und Zuversicht und -von Seligkeit, dieses schäumende Leben von heute mitleben zu dürfen. -</p> - -<p class="attr"> -(Neue Freie Presse, Wien) -</p> - -<hr /> - -<p class="adh"> -Im gleichen Verlag ist erschienen: -</p> - -<hr /> - -<p class="adb"> -Aage Madelung: Mein Kriegstagebuch -</p> - -<p class="adp"> -7. Tausend. Geheftet 2 Mark, in Leinen 3 Mark. -</p> - -<p> -Die Schilderungen Madelungs zeichnen sich durch schmucklose, anschauliche -Schlichtheit aus. Nicht immer ist der Krieg eine unerbittliche -Trennung; hier ereignet es sich, daß ein germanischer Nordländer -begeisterte, glühende Liebe zu einer ihm fernstehenden Nation -faßt. Madelung wird enthusiastisch, sowie er von Ungarn und den -Ungarn spricht. -</p> - -<p class="attr"> -(Wiener Zeitung) -</p> - -<p class="adb"> -Aage Madelung:<br /> -Jagd auf Tiere und Menschen -</p> - -<p class="adp"> -5. Tausend. Geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. -</p> - -<p> -Ein Urwaldmensch und ein Raffinierter. Welch seltsamer Widerspruch! -Und ebenso widersprechend: in Sumpf und Moor ein wilder, weidlüsterner -Jäger, und dann, am einsamen Reisigfeuer, ein vor sich -hingrübelnder kosmischer Philosoph. Diesen Menschen muß man -näher kennen lernen. Man findet seinesgleichen nicht alle Tage. -</p> - -<p class="attr"> -(Neue Freie Presse, Wien) -</p> - -<hr /> - -<p class="adb"> -London und Paris im Krieg -</p> - -<p class="ads"> -Reiseerlebnisse in Kriegszeit von Norbert Jacques -</p> - -<p class="adp"> -17. Tausend. Geheftet 1 Mark 50 Pfennig, gebunden 2 Mark. -</p> - -<p> -Das Buch ist Impressionismus in bestem Sinn; das gibt ihm einen -hohen dokumentarischen Wert in alle Zukunft für den franko-englischen -Gemütszustand im allgemeinen und für das französische Delirium -im speziellen. -</p> - -<p class="attr"> -(B. Z. am Mittag, Berlin) -</p> - -<hr /> - -<p class="adh"> -Sammlung von Schriften -zur Zeitgeschichte -</p> - -<p class="adp"> -Jeder Band gebunden 1 Mark -</p> - -<hr /> - - <div class="table"> -<table class="ads" summary=""> -<tbody> - <tr> - <td class="col1">1.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Aus den Kämpfen um Lüttich.</span> Von einem Sanitätssoldaten.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">2.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Weltwirtschaft und Nationalwirtschaft.</span> Von Franz Oppenheimer.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">3.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Der englische Charakter, heute wie gestern.</span> Von Theodor Fontane.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">4.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Preußische Prägung.</span> Von Lucia Dora Frost.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">5.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Friedrich und die große Koalition.</span> Von Thomas Mann.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">6.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Die Fahrten der Emden und der Ayesha.</span> Von Emil Ludwig. Mit 20 Abbildungen.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">7.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">In England – Ostpreußen – Südösterreich.</span> Von Arthur Holitscher.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">8.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Der deutsche Mensch.</span> Von Leopold Ziegler.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">9.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Russischer Volksimperialismus.</span> Von Karl Leuthner.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">10.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Die Flüchtlinge.</span> Von einer Reise durch Holland hinter die belgische Front. Von Norbert Jacques.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">11.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Zwischen Lindau und Memel während des Kriegs.</span> Von Paul Schlenther.</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">12.</td> - <td class="col2">Band:</td> - <td class="col3"><span class="adb">Deutsche Kunst.</span> Von Karl Scheffler.</td> - </tr> -</tbody> -</table> - </div> -<hr /> - -<p class="adh"> -S. Fischer · Verlag · Berlin -</p> - -</div> - -<div class="trnote chapter"> -<p class="transnote"> -Anmerkungen zur Transkription -</p> - -<p> -Offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert. -Weitere Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher): -</p> - - - -<ul> - -<li> -... „Und wie ist die Stimmung im allgemeinen<span class="underline">.</span> In ...<br /> -... „Und wie ist die Stimmung im allgemeinen<a href="#corr-1"><span class="underline">?</span></a> In ...<br /> -</li> - -<li> -... Man verstehe recht: nach einem Jahr Krieg, <span class="underline">noch</span> Monaten ...<br /> -... Man verstehe recht: nach einem Jahr Krieg, <a href="#corr-5"><span class="underline">nach</span></a> Monaten ...<br /> -</li> - -<li> -... und <span class="underline">Festhubert</span> nicht vergessen. – ...<br /> -... und <a href="#corr-6"><span class="underline">Festubert</span></a> nicht vergessen. – ...<br /> -</li> -</ul> -</div> - - -<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KRIEG IM WESTEN ***</div> -<div style='text-align:left'> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Updated editions will replace the previous one—the old editions will -be renamed. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Redistribution is subject to the trademark -license, especially commercial redistribution. -</div> - -<div style='margin:0.83em 0; font-size:1.1em; text-align:center'>START: FULL LICENSE<br /> -<span style='font-size:smaller'>THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE<br /> -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK</span> -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase “Project -Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg™ License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person -or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. 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