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+Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for
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-The Project Gutenberg eBook of Die Hexe, by Wilhelm Weigand
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you
-will have to check the laws of the country where you are located before
-using this eBook.
-
-Title: Die Hexe
-
-Author: Wilhelm Weigand
-
-Release Date: September 29, 2022 [eBook #69066]
-
-Language: German
-
-Produced by: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team
- at https://www.pgdp.net (This file was produced from images
- generously made available by The Internet Archive)
-
-*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HEXE ***
-
-
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-
- Die Hexe
-
- Eine Erzählung
-
- von
-
- Wilhelm Weigand
-
-
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-
- Im Insel-Verlag zu Leipzig
-
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-
-An einem schönen Maimorgen des Jahres 1751 fuhr eine festliche
-Gesellschaft in einem Dutzend alter Staatskutschen aus dem Falkentor
-der Reichsstadt Frankenthal auf das Appental los. Es galt, der
-Grundsteinlegung des Schlosses Monrepos anzuwohnen, das der
-Fürstbischof Adam Friedrich von Helmstätt nach den Plänen Johann
-Balthasar Neumanns für seinen Neffen, den jungen Fürsten Lothar Franz
-von Weiningen, der sich just auf seiner Kavalierstour durch Europa
-befand, an der Stelle eines alten Jagdhauses errichten ließ. Am
-Vorabend des bedeutsamen Ereignisses war der Domherr Withold von Hutten
-als Vertreter seines Herrn, der in Würzburg an der Gicht darniederlag,
-mit einem würdigen Gefolge von Weltgeistlichen und bischöflichen
-Beamten in Frankenthal angelangt, um die Ehrengäste auf dem Bauplatze
-zu begrüßen und nach der Grundsteinlegung unter einem offenen Zelte
-zu bewirten. Auf der Herreise war er in dem Wallfahrtsorte Walldürn
-mit einem Sohne des kurmainzischen Oberamtmanns zu Bischofsheim, dem
-jungen Freiherrn Emmerich Rüdt von Collenberg, zusammengetroffen, der
-in einer Familienangelegenheit an den Hof nach Mainz ging und die
-berühmte Reichsstadt nur auf der Durchreise zu berühren gedachte. Doch
-das Unglück wollte es, daß der vorausfahrende Kutscher des Freiherrn,
-ein gewalttätiger Bursche, in der engen Torgasse gegen einen Prellstein
-fuhr und die Achse seines Reisewagens brach. Der junge Herr gab dem
-Tölpel einen Fußtritt; aber er mußte sich, trotz aller Eile, wohl
-oder übel entschließen, bis zur Ausbesserung des Schadens in der
-Stadt zu verweilen, und der Domherr zeigte sich hocherfreut, unter
-den zahlreichen Gästen einen Bekannten zu wissen, dessen Späße ihm
-die Fahrt kurzweilig gemacht hatten. Der junge Fant machte kein Hehl
-aus seinem Wesen: er war für den Hofdienst in Mainz bestimmt; er war
-in Venedig und in Paris gewesen, und was er von dem Leben der guten
-Gesellschaft an diesen Lustorten der höhern Welt zu erzählen wußte,
-ließ die kleinen Äuglein des beleibten geistlichen Herrn bei der
-Erinnerung an dieses festliche Treiben immer wieder erglänzen. --
-
-In der ersten Festkutsche fuhr der Domherr mit dem Bürgermeister Adam
-Lienlein und zwei geistlichen Herren, dem katholischen Dekan Lotter und
-dem evangelischen Propst Veit Schlegelmilch, einher; in einer zweiten
-folgte die Bürgermeisterin mit den Gattinnen dreier Ratsherren; die
-dritte Kutsche war vollbepackt mit Jugend und Schönheit: unter den
-vier geputzten Mädchen, die da lachend und kichernd in den Morgen
-hineinfuhren, saß ein blondes elfenhaftes Wesen, die Tochter des
-verstorbenen Oberförsters von Weiningen, Babette Glock, aufrecht wie
-eine junge Königin auf dem Rücksitz und wechselte schelmische Blicke
-mit dem Junker Emmerich Rüdt, der in französischem Reitrock neben der
-bemalten Kutsche einherritt und unter seinem Federhut mit den Augen
-eines glücklichen Siegers auf die zwitschernde Weiblichkeit in dem
-Wagen herabsah. Je lustiger aber das Lachen der Mädchen klang, desto
-finsterer blickten die jungen Herren drein, die in einem wackeligen
-Gefährt hinter dem dritten Wagen einherrasselten: da saß, außer zwei
-Ratsherrnsöhnen, der einzige Sohn des Bürgermeisters, Kaspar Lienlein,
-der im Frühjahr von der Akademie zu Mainz nach Hause gekommen war,
-neben dem neuen Stadtschreiber oder Kanzler Friedrich Lerch, den
-der große Rat just am Tag zuvor erst gewählt hatte und der nun der
-Bestätigung seiner Wahl nicht ohne Bangen entgegensah: denn es war,
-von alters her, der Brauch in Frankenthal, daß auf einen katholischen
-Stadtschreiber ein evangelischer folgte, und Friedrich Lerch war, wie
-sein Vorgänger, im katholischen Glauben geboren und erzogen und zudem
-kein Frankenthaler Kind. Der lustige Junker Emmerich, der hoch zu Roß
-neben den jungen Demoiselles einherritt, war den jungen Frankenthaler
-Herren ein Dorn im Auge: sie betrachteten den Sohn des kurfürstlichen
-Amtmanns als Eindringling in ein Reich, wo die Frankenthaler von jeher
-keinen Nebenbuhler zu dulden geneigt waren, und sannen mit gerunzelten
-Stirnen darüber nach, welchen Possen sie dem verfluchten Windhund, der
-nach Ambra und Moschus duftete, vor seiner Abreise spielen könnten. --
-
-Als die Kutschen an dem Bauplatz vorfuhren, begann zunächst ein
-würdiges Komplimentieren und Begrüßen, wobei sich der Junker
-Collenberg wie ein frisch ausgeschlüpfter Schmetterling unter den
-Gästen umherbewegte. Er küßte alten und jungen Damen die Fingerspitzen
-mit einer Grazie, vor deren Leichtigkeit die jungen Frankenthaler
-Herren vor Neid erblaßten, und sein dünner Zierdegen stach wie ein
-Blitz in die Luft, wenn er sich auf eine Frauenhand niederbeugte,
-um seine gespitzten Lippen draufzudrücken. Da der Meister Neumann
-studierenshalber in Paris weilte und zurzeit dort krank zu Bette lag,
-geleitete sein Gehilfe, ein in schwarze Seide gekleideter Italiener,
-die Herrschaften beim Klange eines Festmarsches zu den Fundamenten,
-wo der Stadtpfarrer die Weihe vornahm, worauf der Domherr von Hutten
-den Bau dem Schutz der jungfräulichen Himmelsmutter, der Patronin
-Frankens, anempfahl und im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit
-den ersten Hammerschlag tat. Die Bürgermeisterin Lienlein, als die
-erste Frau des festlichen Kreises, versenkte sodann ein versiegeltes
-Dokument und eine gehäufte Schale voller silberner und goldener
-Münzen in den Stein, worauf ihn die anwesenden Mädchen mit den ersten
-Rosen des Jahres bewarfen. Während von den Ehrengästen jeder sein
-Hammerschläglein tat, bliesen vier Hornisten, die abseits auf einer
-Wiese standen, einen Choral und stimmten sodann einen Marsch an, als
-die Gesellschaft in feierlicher Stimmung nach dem Zelte aufbrach, wo
-eine schweigende Dienerschaft in der bischöflichen Haustracht um die
-geschmückte Festtafel bereitstand. Der Domherr von Hutten gedachte,
-seinen jungen Reisefreund bei Tisch in seine Nähe zu ziehen; aber
-der Fant zog es vor, sich an das andere Ende, zu den jungen Mädchen,
-zu setzen, von wo sofort, als die Diener süßen Wein in spitzen
-Gläsern reichten, helles und dunkles Lachen wie ein vielstimmiges
-Glockengeläute über die festlich schimmernde Tafel hereinbrach.
-
-Das elfenhafte Fräulein Babette Glock saß anfangs schweigend und wie
-von innerem Glücke glühend unter ihren Freundinnen da. Sie hielt ihre
-Augenlider gesenkt; aber wenn sie ihre großen blauen Augen aufschlug,
-ging ein Leuchten über ihr Gesicht und blieb als Lächeln stehen, wenn
-ihre Blicke zu dem Kanzler Friedrich Lerch hinüberschweiften, auf
-dessen ernstem Gesicht der Abglanz seiner künftigen Amtswürde lag.
-Der Junker Emmerich aber führte das große Wort; er behauptete, die
-zierlichsten Füße der Welt habe er in Frankenthal zu Gesicht bekommen,
-und als endlich, gegen Ende der Festmahlzeit, einige besonders edle
-alte Weine aus dem ehrwürdigen Juliusspitalkeller in die Römer flossen,
-erklomm die Lustigkeit des jungen Freiherrn, der sich unter den
-lachenden Frauen mehr und mehr als Hahn im Korbe fühlte, die höchste
-Staffel. Beim ersten Anstoßen mit dem schweren Tranke neigte er sich zu
-seiner Nachbarin und raunte ihr eine leise Mitteilung ins Ohr. Babette
-Glock hielt den Blick gesenkt, während ihr Nachbar sein Geheimnis
-preisgab, und nahm die Miene eines erstaunten Kindes an, als sie mit
-sanftester Stimme entgegnete: „Ich kann es fast nicht glauben, daß der
-Herr nur dieser Sache wegen nach Mainz geht!“
-
-Der Junker lachte und tat erstaunt: „Hat die Demoiselle von der Sache
-läuten hören? Ich mache die Gesellschaft zum Richter meines Herrn
-Vaters. Der ist ein Mann von Geschmack: er weiß, daß man auch zum Beten
-eine würdige Umgebung braucht. Was tut er also? Er läßt einen alten
-baufälligen Altar, den sogenannten Schleieraltar, abbrechen und an
-den freigewordenen Pfeiler, mitten in der Pfarrkirche, eine richtige
-Gebetsloge bauen, -- ~du meilleur goût, je puis l’assurer~, -- mit
-Spiegeln, gepolsterten Gebetstühlen und einer bequemen Rückenlehne,
--- den Vorhang nicht zu vergessen. Es soll ja vorkommen, daß die
-Predigten einer hochwürdigen Geistlichkeit, besonders an gewöhnlichen
-Sonntagen, hie und da einschläfernd wirken, und da wäre es, ~parbleu~,
-eine böse Sache, wenn fromme alte Jungfern plötzlich sähen, daß der
-würdige Mund des kurfürstlichen Amtmanns sich während der Messe oder
-der Vesper zu etwas anderem öffnete als zu einem Vaterunser oder
-einem Ave-Maria. Der Vorhang, der solche mißliche Blicke abhalten
-soll, ist aus schwerem violettem Samt, und die rosigen kleinen Engel,
-die ihn oben zusammenraffen und festhalten, von der Hand eines
-Meisters: ich habe, ~parole d’honneur~, selbst in Venedig oder in
-Paris, wo ähnliche Liebesengel allerdings andere Vorhänge vor anderen
-Gebetstellen in Ordnung halten, keine besseren gesehen. Ich bin also
-nicht nur als Sohn, sondern auch als Kenner gezwungen, meinem Herrn
-Vater vollständig recht zu geben. Der hochwürdigste Herr Stadtpfarrer
-Ferdinand Bingemer, ~un cafard~, ist allerdings anderer Meinung: er hat
-beim erzbischöflichen Kommissariat in Mainz Beschwerde gegen unsere
-Familiengebetsloge eingelegt und meinen Vater auch noch durch ein paar
-Domherren, die uns, ich weiß nicht warum, nicht riechen können, wegen
-anderem mehr weltlicher Art anschwärzen lassen. Und diese Sache soll
-ich in Ordnung bringen, was ich auch zu tun gedenke --“
-
-Schüchtern wie ein Kapellenglöcklein bemerkte Babette: „Aber es
-heißt, es sei bei dem Niederreißen des Altars eine kostbare Reliquie
-verschwunden.“
-
-„Ah, Mademoiselle meint den sogenannten Schleier der Mutter Gottes? Es
-bestand ja allerdings der Glaube, daß der Schleier der jungfräulichen
-Mutter Gottes auf dem Altar aufbewahrt wurde, der unserer Gebetsloge
-weichen mußte. Aber, ~mesdames~, niemand wird mich persuadieren, daß
-die Jungfrau Maria einen solchen Schleier getragen hat: denn ich habe
-ihn mit meinen eigenen Augen gesehen und weiß, was ein Schleier ist,
-oder sein soll. Das Testament, in welchem sie, wie man sagt, den
-Schleier unserer Pfarrkirche vermacht haben soll, hat noch kein Mensch
-zu Gesicht bekommen, obwohl die Stadt Messina ja, wie ich auf meiner
-Tour in Italien an verschiedenen Orten hörte, ein paar Briefe von
-ihrer himmlischen Hand besitzen will. Dieser angebliche Marienschleier
-war nämlich aus einem grauen, unscheinbaren Zeug, und ich muß sagen:
-wenn ich die Mutter Gottes gewesen wäre, ich hätte einen ganz andern
-Schleier getragen, aus venezianischen oder Brüsseler Spitzen, ~qui sont
-si délicieuses à chiffonner~. Der verschwundene Schleier war wirklich,
-wie mir die Damen glauben dürfen, zu simpel für die künftige Königin
-des Himmels, und es ist nicht schade darum.“
-
-Jetzt mischte sich der rothaarige Sohn des Bürgermeisters, dessen
-tückische Augen vor Ingrimm funkelten, in das Gespräch: „Der Herr
-sollte nicht über heilige Dinge spotten,“ zischte er mit bebender
-Stimme.
-
-Der Junker Emmerich öffnete vor Erstaunen seinen Mund und wandte
-sich an die Mädchen: „O la la! Ist der Herr am Ende Bürgermeister?
-Man wird bald nicht mehr lachen dürfen. Ich hoffe jedoch, seiner
-kurfürstlichen Durchlaucht eine angenehme Stunde zu bereiten, indem
-ich ihr die Geschichte von dem Schleier erzähle. ~Son Altesse aime à
-rire, comme tous les vrais grandseigneurs.~ Übrigens“ -- so fuhr er,
-nach einem kräftigen Schluck Steinwein, zu dem Sohne des Bürgermeisters
-gewandt, fort -- „haben wir uns nicht schon in Venedig gesehen? Als
-ich die Gondel zur Abfahrt nach Padua bestieg -- ich wohnte mit meinem
-Hofmeister in der ~Stella d’oro~ --, wurde gerade ein Reisender
-verprügelt, der Ihnen aufs Haar glich. Solche Schläge habe ich noch nie
-mit angesehen und, ~ma foi~, auch noch nie erhalten. Der Herr darf mir
-glauben: es ist auch eine Kunst, Schläge mit Grazie einzustecken! Der
-Tanz eines Knüppels erinnert mich immer an gewisse Bauerntänze, die
-einer Gavotte gleichsehen wie ein Bär dem Hermelin. Sie waren es also
-wirklich nicht, der seine Prügel mit solcher Würde einsackte? Das tut
-mir leid -- ~pardon~, ich wollte sagen, ich bedaure ~infiniment~, daß
-Sie Venedig noch nicht kennen. Eine einzige Stadt, in der man seine
-blauen Wunder erleben kann! Dort wäre meinem Herrn Vater die Geschichte
-mit dem Gebetstuhl nicht passiert; aber ich säße auch nicht hier in
-diesem aimablen Kreise, ~où la grâce règne en maîtresse~.“
-
-Die Mädchen lachten errötend, und der Sohn des Bürgermeisters wurde rot
-wie ein abgekanzelter Schuljunge.
-
-Am obersten Tischende, wo die Ehrengäste beisammensaßen und die Gläser
-tiefer klangen, hatte das Gespräch einen anderen Weg betreten: die
-Herren sprachen von den Hexenbränden, die, nach langer Zwischenzeit,
-hie und da wieder in fränkischen Landen aufflammten, und nickten
-nachdenklich mit den weinroten Köpfen: vor zwei Jahren war die
-Superiorin Maria Renata Singer in Würzburg verbrannt worden; ein Jahr
-darauf fingen die Gerolzhofer, die nicht hinter der Bischofsstadt
-zurückbleiben wollten, eine junge Hexe, die Frau eines Ofenmachers, um
-sie dem gleichen Schicksal zu überantworten, und nun hieß es, da und
-dort sei man einem heimlichen Hexlein auf die Spur geraten und werde,
-wie früher, wüste Dinge erleben.
-
-„Sie glauben wohl auch nicht an Hexen, Herr Baron?“ fragte der Sohn
-des Bürgermeisters, der einen Brocken des Hexengesprächs aufgeschnappt
-hatte, den angeheiterten Junker mit scharfer und hämischer Stimme.
-
-Dieser lachte: „O doch! Ich habe in Paris Hexen kennen gelernt,
-die auch dem hartgesottensten Philosophen den Glauben an das Hexen
-beizubringen vermochten; aber dort denkt kein Mensch an Hexenbrand,
-sondern die Männer, die Männer, mein Herr, verbrennen im Feuer einer
-Liebe, deren Wirkung ich beinah leider auch am eigenen Leib erfahren
-hätte. An andere Hexen, von denen es heißt, daß sie Schloßenwetter
-machen und andere Zaubereien verüben können, glaube ich nie und nimmer.“
-
-Kaspar Lienlein fuhr fort, indem er den Junker herausfordernd mit den
-Blicken maß: „Die Ofenmacherin in Gerolzhofen hat ihre Hexereien selber
-eingestanden, Herr Baron! Sie ist selbst zum Hexenrichter gekommen und
-hat sich der Hexerei bezichtigt: sie habe vor sechs Jahren Gott und
-allen Heiligen abgeschworen; sie sei ganz arm und ohne Brot gewesen,
-da sei der Böse zu ihr gekommen in einem schönen grünen Kleid. Er
-habe sich Federkiel genannt und habe ihr versprochen, wenn sie sein
-Eigentum sein wolle, wolle er ihr Geld geben. Er habe ihr auch einen
-Vierbätzner gegeben, wofür sie sich Brot gekauft habe; dann habe sie
-einen Fastentanz auf dem Galgensteig mitgemacht, wo auch die Pfarrmagd
-Margret und eine Beckin aus Grünsfeld mitgetanzt hätten. Der grüne
-Pfeifer sei mitten in der Linde gesessen und habe den Burlebanz
-gepfiffen. Den Wein hat man in ledernen Flaschen gebracht, und dazu
-haben sie gebratene Vöglein, wie Spatzen und Finken, doch ohne Salz,
-gegessen. Die Ofenmacherin hat von dem Grünen eine Hexensalbe in
-einem hölzernen Büchslein erhalten. Das Ammenfräulein hatte solche
-verfertigt. Dazu hat sie ein uneheliches Pfaffenkind aus dem Kirchhof
-ausgegraben, in ein Tuch gewickelt und zu Haus gesotten. Mit der Salbe
-hat sie zu Weihnachten ein Kieselwetter gemacht, indem sie in des
-Teufels Namen Kornähren, Weinaugen, Birnen- und Apfelknospen in den
-Main geworfen hat.“
-
-Bei jeder dieser Feststellungen, die der Bürgermeisterssohn mit Ingrimm
-hervorstieß, fuhr er auch mit dem Finger nach vorn, als ob er seinen
-Gegner aufspießen wolle. Babette aber begleitete den Rhythmus dieser
-Erregung mit einem goldenen Kuchenmesserchen, indem sie es ganz leicht
-auf dem damastnen Tischtuch tanzen ließ. --
-
-Der Junker von Collenberg aber spitzte seinen vollen Mund und fragte
-mit dem Ernste eines Schalks: „Der Herr hat einen Tanz erwähnt, der mir
-neu ist. Ich kenne Gavotten, Sarabanden und -- Allemandes, die auch
-ihre Vorzüge haben; aber der Burlebanz ist mir unbekannt. Ich entnehme
-übrigens Ihrer geschätzten Mitteilung, daß unsere hiesigen Hexen Musik
-und Tanz lieben. Das macht der Stadt, ~où le sexe est si aimable~, alle
-Ehre. Wissen Sie vielleicht, Herr Hexenrichter, auf welchem Instrument
-der Grüne diesen famosen -- wie sagten Sie? -- Burlebanz geblasen oder
-gepfiffen hat?“
-
-„Ein Hörnchen war’s!“
-
-„Nein, ein Flötchen!“ rief Babette lachend. Sie hatte ein wenig zu viel
-von dem schweren Steinwein genippt und wiederholte nun, halb singend,
-im Übermut: „Ein Flötchen war’s! Ein Flötchen! Ein kleines goldenes
-Flötchen --“
-
-Der Junker Emmerich fragte lachend: „Woher wissen Sie denn das?“
-
-Babette warf dem Kanzler Lerch, der mürrisch in sein volles Glas
-stierte, einen flüchtigen Blick zu und lachte: „Woher ich das weiß? O,
-vielleicht bin ich auch schon bei einem Hexentänzchen gewesen --“
-
-Der Stadtschreiber Lerch runzelte die Stirn und sah mit gestrenger
-Miene zu der Übermütigen herüber, die indessen keinen Blick mehr für
-ihn übrig zu haben schien, sondern dem Junker mit lachenden Wangen
-zuzwinkerte. Dieser aber erhob sich und zog die Fingerspitzen Babettens
-an seinen Mund: „Wenn das so ist, möchte ich die Demoiselle bitten, mit
-mir zu einem Hexentänzchen anzutreten.“
-
-Die andern jungen Leute standen ebenfalls vom Tische auf; denn ein
-Wink des Domherrn von Hutten bezeigte, daß die Tafel aufgehoben sei.
-Nur die älteren Festgäste waren noch nicht gesonnen, so bald schon
-von den trefflichen Prälatenweinen Abschied zu nehmen; sie blieben
-schwatzend und trinkend an der gedeckten Tafel sitzen, und auch die
-vier Musikanten, die in den Pausen dem Wein kräftig zusprachen, blieben
-auf ihren Stühlen hocken und bliesen von Zeit zu Zeit ihre alten Weisen
-weiter. Die Mädchen aber flogen auf verschiedensten Wegen auseinander,
-und bald tauchte da und dort ein helles Gewand unter den alten Buchen
-des Waldhangs auf, den nah und fern helles Gelächter mit seinem Hall
-erfüllte. Der junge Herr von Collenberg trat einen Augenblick zu dem
-Domherrn von Hutten, um ihm für das schöne Fest zu danken, das er einem
-glücklichen Reisezufall verdankte. Als er sich aber umwandte, um nach
-seiner Nachbarin zu spähen, war Babette verschwunden, und er wußte
-nicht, welchen Weg er einschlagen sollte, um sie zu erreichen, da der
-ganze grüne Maienwald von Sang und Lachen widerhallte.
-
-Babette aber war, von einem plötzlichen Ernst erfaßt, auf einem kleinen
-Wiesenpfade, neben dem ein silberklares Forellenbächlein auf grünem
-Kressengrund herlief, taleinwärts gegangen. Es bedrückte sie, daß
-Friedrich Lerch, für den sie doch im Grunde dieses ganze Lustspiel
-an der Tafel aufgeführt, ihr während des ganzen Festes keinen lieben
-Blick gegönnt hatte, und ein leiser Groll gegen den Stillen quoll
-mählich in ihr empor, während sie bald langsam, bald schneller für sich
-dahinging und hie und da eine Kuckucksblume oder ein Maiglöckchen aus
-dem Untergebüsch des Waldhangs herausholte. Als sie nach einer Weile
-langsamen Gehens unwillig umkehren wollte, stand plötzlich Kaspar
-Lienlein vor ihr; der Rothaarige atmete hastig, während er stotternd
-und mit flehendem Blicke fragte: „Darf ich der Jungfer Babette Geleit
-geben?“
-
-Babette entgegnete schnippisch: „Der Weg ist für alle da!“ Und sie
-schlug eine schnellere Gangart an, wobei sie unverwandt auf das
-schwatzende Wässerlein zur Rechten blickte, in dem die Forellen
-sprangen.
-
-Da wurde die Stimme Kaspar Lienleins weich und stockend: „Ich -- ich
-würde die Jungfer auf den Händen tragen.“
-
-Babette blieb stumm und blickte den Sohn des Bürgermeisters von der
-Seite an; sie sah nur die Häßlichkeit des Menschen, der mit glühendem
-Gesicht neben ihr atmete, und es empörte sie, daß er es wagte, von
-Liebe zu sprechen, während ihr der andere, dessen ernste Augen nun wie
-ein Vorwurf vor ihrer Seele standen, fernblieb. „Dich nehm ich nicht,“
-schrie sie mit zornfunkelnden Augen, „und wenn du der Kaiser wärst, du
-roter Fuchs, mit deinen Roßmucken [Sommersprossen] auf der Hand.“
-
-Und ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie wie ein Windspiel davon,
-um zu der Gesellschaft ihrer Freundinnen zurückzukehren, deren ferner
-Gesang aus den dunkelnden Tiefen des Buchenwaldes sehnsüchtig und
-gedämpft zu ihr herüberklang.
-
-Der Abgewiesene blieb wie angewurzelt an der Stelle stehen, wo ihm
-Babette seine Rothaarigkeit vorgeworfen hatte; seine Lippen bewegten
-sich mechanisch. „Wart, wart,“ sagte er ein über das andere Mal,
-während ein paar Mädchen, lachend und schäkernd, an dem Erstarrten
-vorbeihuschten und ihn im Vorbeigehen mit frisch gepflückten
-Distelschossen bewarfen: denn Kaspar Lienlein galt als halber Tölpel,
-vor dessen tückischer Gemütsart sich indessen die halbe Stadt fürchtete.
-
-Babette aber lief, ehe sie an den Festplatz gelangte, wo Friedrich
-Lerch mit seinem verschlossenen Amtsgesicht in der Gesellschaft der
-würdigsten Ehrengäste auf und ab wandelte, dem alten Ratsherrn und
-Spitalpfleger Christopher Kemmeter in die Arme. Der lange dürre Kauz
-stellte sich breitbeinig über den Weg, als Babette mit glühendem
-Gesichtchen daherstürmte, und spitzte seinen faltigen Mund, als
-wolle er sie mit einem Kusse aufspießen. Sie mußte lachen, als sie
-den Alten gewahrte, der nun sein linkes Aug zusammenkniff und mit
-seinem rechten Daumen über die Achsel nach dem Festplatz deutete. Der
-Spitalpfleger war ihr, wie der ganzen Gegend, von Jugend her wegen
-seiner Absonderlichkeiten bekannt: er trug an Werkeltagen niemals
-eine andere Tracht als das Gewand eines fränkischen Weinbauern, gelbe
-hirschlederne Hosen, grobe Schnallenschuhe, einen langen Tuchrock mit
-breiten Silberknöpfen und einen abgeschabten Dreispitz, auf den er,
-wenn es nur ging, eine Blume, eine Nelke, eine Rose oder eine Kornrade,
-zu stecken pflegte. Auf der Straße schritt er stets mit gesenktem Kopf
-und vor sich hinmurmelnd einher, wobei er von Zeit zu Zeit mit seinem
-Krückstock nach rechts und links ausschlug, als wolle er die Beine
-seiner Feinde und Widersacher absäbeln. Er besaß die besten Weinberge
-der Stadt und trieb einen schwunghaften Handel mit Südweinen aus Zypern
-und Spanien, die er durch einen Mainzer Hofjuden in Venedig oder Genua
-einkaufen ließ. Im Herbste, wenn die Lesewagen mit den schweren Kufen
-in die Keltern fuhren, wich er nicht von der Seite seiner Winzer, die
-Tag für Tag eine ausgesuchte Nahrung und einen guten Trank aus seinem
-Keller erhielten, damit sie beim Lesen weniger Trauben schmausten. In
-der Stadt und im Rat besaß er wenig Freunde: er galt als reich und
-filzig, und seine Feinde behaupteten, alle Dinge, in die der ehemalige
-Armenadvokat die Hand stecke, verfilzten sich zu einem unauflösbaren
-Knäuel, von dem man am besten die Hände lasse. Babette wußte, daß
-ihm Friedrich Lerch seine Ernennung zum Ratsschreiber verdankte:
-Christoph Kemmeter gehörte zwar der Augsburger Konfession an; aber
-er war seit Jahren mit dem protestantischen Stadtpfarrer und Propst
-Veit Schlegelmilch verfeindet und tat, was er nur konnte, um seine
-Glaubensgenossen und deren Seelenhirten bei jeder Gelegenheit zu
-ärgern. So hatte er es auch durchgesetzt, daß der katholische Friedrich
-Lerch, dessen Vater dem Fürsten von Weiningen als Kammerdirektor
-gedient hatte, gegen jedes Herkommen zum Kanzler gewählt wurde. --
-
-Als er bemerkte, daß Babettens Blicke über ihn weg nach dem Festplatz
-flogen, fragte er: „Hat die Jungfer Babett gesehen, wie die Forellen
-springen? Weiß Sie, was das bedeutet? Entweder kommt ein Wetter, oder
-es ist ein Hecht unter die Fische geraten. Junge Hechte sind gefräßig
-und haben viel Gräten!“
-
-Babette wußte nicht, was sie zu dieser Feststellung sagen solle. Da
-beschloß sie, den Stier bei den Hörnern zu packen, indem sie plötzlich
-fragte: „Werden sie den neuen Stadtschreiber bestätigen?“
-
-Der Ratsherr lachte: „Wenn die Jungfer mir ein Küßchen gibt, will ich
-ihr den Beschluß des Geheimen Rats wortwörtlich sagen.“
-
-„Das Küßchen erhält der Herr nach meiner Hochzeit,“ sagte Babette
-lachend.
-
-Der Spitalpfleger verzog den Mund: „Das ist, wie hier die Hasen
-laufen, ein unsicherer Wechsel. Aber ich will Ihr glauben und mich
-zufriedengeben.“
-
-Er kannte Babette seit ihrer frühesten Kindheit, und schon an dem
-Kinde war ihm, wenn er nach Weiningen kam, um dem regierenden Fürsten
-seine Aufwartung zu machen und seine Freunde unter den fürstlichen
-Beamten zu besuchen, die bezaubernde Anmut, aber auch eine seltsame
-Eigenwilligkeit und spielerische Gemütsart des kleinen Mädchens
-aufgefallen.
-
-Als er eines Tages die Gewächshäuser in Weiningen durchschritt, um bei
-dem fürstlichen Hofgärtner Tulpenzwiebeln für seinen Blumengarten zu
-bestellen, gewahrte er die kleine Babette, die heftig auf den jüngsten
-Sohn des Kammerdirektors, den kleinen Friedrich Lerch, einsprach: das
-kleine Frauenzimmerchen, das in seiner Puppenhaftigkeit doch schon
-etwas Frauliches in seinem Wesen hatte, deutete auf eine Orange, die
-im Gezweig eines Topfbaumes hing, und verlangte, daß der Knabe sie
-vom Aste breche. Dieser starrte wie gebannt auf die goldene Frucht,
-ohne die Hand zu rühren, und sagte nur leise: „Das darf man nicht.“
-Da bemerkte der Zuschauer, daß die Kleine über diese Weigerung in
-die hellste Wut geriet; sie stampfte mit den Füßen, sie schlug den
-Spielgenossen mit den Blumen, die sie im Händchen trug, und sprang wie
-eine Wilde an dem Stamm empor, ohne die Frucht zu erreichen. Selbst
-die belehrende Verweisung, die der herzutretende Zuschauer der kleinen
-Wilden zuteil werden ließ, vermochte ihren Groll nicht zu stillen: sie
-blieb mit zusammengekniffenem Gesichtchen stehen und lief plötzlich
-wie ein Wiesel davon, um ihrer Beschämung zu entgehen. Später, auf
-dem Heimweg von der Gärtnerei, bekam der Ratsherr die beiden Kinder
-noch einmal zu Gesicht: Friedrich zog ein Wägelchen, in dem die kleine
-Babette, mit einem Kränzlein in dem Blondhaar, saß und wie eine
-kleine Göttin um sich blickte, die in einem Triumphwagen einherfährt.
-Im Schimmer dieser Erinnerungen erhob der alte Kemmeter den Finger,
-um Babetten zu drohen, und dann geleitete er sie zur Tafel, wo die
-älteren Herren noch immer beim Weine saßen und den Worten des Domherrn
-von Hutten lauschten. Dieser ließ den Schloßbau mit seinen Hallen,
-Gärten, Tempelchen, Bosketts und Springbrunnen vor den Augen der
-weinseligen Zuhörer erstehen und verfehlte nicht, die Vorteile, die
-der Gegend aus der Bautätigkeit des Kirchenfürsten und der Anwesenheit
-des durchlauchtigen jungen Fürsten Franz Lothar erwachsen würden,
-ins hellste Licht zu stellen. Als besonderen Spaß tischte er die
-Neuigkeit auf, daß der Fürstbischof Adam Friedrich beschlossen habe,
-seinen seligen Hofnarren in Stein aushauen und das Standbild über dem
-Zufahrtstore aufstellen zu lassen. Die Frankenthaler zwinkerten und
-nickten beifällig mit den Köpfen: solche Späße gehörten in das Reich
-der eigenen Lustbarkeiten, von deren Schwankhaftigkeit Geschlecht um
-Geschlecht zehrte. Dazwischen aber überlegte der eine und der andere,
-wie man die Anwesenheit des italienischen Baumeisters, der wie ein
-Aal unter den Festgästen umherschlüpfte, zu eigenem Nutz und Fromm
-verwenden könnte. Der eine besaß einen geräumigen Ziergarten, in dem
-sich ein kleines Lusthaus mit breiten Fenstern und Muschelnischen gut
-ausnehmen würde; ein anderer wohnte in einem Hause, dessen Vorderseite
-der Erneuerung bedurfte, und jener träumte im Schweifen des Gesprächs
-von einer gelb lackierten Kutsche, wie sie mit Bereitern und Läufern
-die Welt auf glatten Herrenstraßen durchsausten. So blickten sie im
-Bann des schweren Weins in eine neue Zeit, deren Grundstein dort unter
-Rosen versteckt in der Erde ruhte und der wachsenden Mauern harrte. --
-
-Der Ratsherr Kemmeter nahm am Tische Platz und hob seine Hand ans Ohr,
-um nur ja kein Wort der kostbaren Rede zu verlieren. Auch Babette
-blieb einen Augenblick lauschend stehen; als sie aber bemerkte, daß
-der ehrfurchtsvoll lauschende Friedrich Lerch mit seiner würdigen
-Amtsmiene noch immer ihren Blicken auswich, rümpfte sie das Näschen
-und ging auf den Junker Collenberg zu, der sie mit einer französischen
-Verbeugung begrüßte und ihr die Hand zu einem Tanze auf dem Rasen vor
-dem Zelte bot. Und da die Bläser einen deutschen Tanz anstimmten,
-flog sie im Nu mit dem Junker im Tanz dahin. Sie schloß die Augen,
-um im Arm ihres Tänzers nur die Raserei des Schwebens zu empfinden,
-und als die Bläser absetzten, huschte sie auf die Musikanten zu und
-bat sie mit fliegenden Worten um die Wiederholung des Tanzes. Sie
-merkte nicht, daß ihre Gespielinnen, hämisch flüsternd und tuschelnd,
-die Köpfe zusammensteckten; sie sah auch nicht, daß Kaspar Lienlein
-neben seiner Mutter unter der Zeltöffnung stand und jede Bewegung der
-Tanzenden mit gierigem Blick verschlang. Sie verlor ihren rechten
-Schuh und tanzte im weißen Strumpfe auf dem Rasen weiter; sie spürte
-es nicht, daß sich ihr Busentuch löste und wie ein geblähtes Segel zu
-den Füßen gestrenger Mütter hinfiel; sie fühlte im rasenden Drehen und
-Schweben nur das eine: daß eine seltsame Traurigkeit in ihr aufquoll,
-durch die ein bitterer Groll wie ein Wässerlein unter Steinen in ihr
-emporsickerte. Und als ihr Tänzer sie ins Zelt zurückbegleitete, blieb
-sie mit gesenkten Augen vor der Tafel stehen, wo die Herren noch immer
-beim Weine saßen und würdige Gespräche pflogen. Sie atmete erst auf,
-als dumpfes Grollen ein nahendes Gewitter verkündete und die ganze
-Gesellschaft in das Zelt zusammenscheuchte. Da die Festkutschen erst
-gegen Abend aus der Stadt erwartet wurden, mußten die Gäste vor dem
-Unwetter in einem nahen Bauernhause Schutz suchen, und die Mädchen
-kamen erst zu Beginn der Dämmerung wie durchnäßte Mäuse vor dem
-Tore an, wo sie kichernd und lachend auseinanderhuschten. Der Junker
-Emmerich bekam Babette nicht mehr zu Gesicht; er nahm feierlichen
-Abschied von dem Domherrn von Hutten und gab seinem Kutscher Befehl,
-mit dem Reisewagen in einer Stunde vorzufahren.
-
-Als Babette das alte Haus am Lochgraben, in dem sie mit ihrer Tante
-Lioba Hippler, der Witwe des städtischen Kellers [Rentmeisters] wohnte,
-in der Dämmerung betrat, fand sie die alte Frau in heller Aufregung.
-Die Lioba Hippler war seit zehn Jahren auf beiden Augen blind und
-pflegte ihre ganze Zeit mit Spinnen zu verbringen. Sie saß dabei mit
-ihrem mächtigen Spinnrad auf einem erhöhten Fenstersitz, von wo aus sie
-alle Geräusche des stillen Stadtwinkels hören konnte. Jeder Ton, den
-sie vernahm, ging wie ein Licht oder ein Zucken über das friedliche
-Gesicht der alten Frau, die jeden Nachbarn an seinem Schritt erkannte.
-Heute aber fand Babette ihre Tante in seltsamer Unruhe: „Gott sei Dank,
-daß du nur da bist,“ sagte die Alte, die ihr bis an die Tür entgegenkam
-und dann sofort auf ihren Fenstersitz zuging, um das geliebte Spinnrad
-wieder in Bewegung zu setzen. „Ich hab mit einem Male eine solche Angst
-gefühlt, wie wenn dir was passiert wär.“
-
-Babette strich ihr zärtlich über die Backen und erzählte mit ruhigen
-Worten von dem herrlichen Feste, ohne des Junkers von Collenberg mit
-einem Worte zu erwähnen; dann huschte sie, leicht wie ein Hauch, die
-Bodentreppe hinauf in ihr Gemach, um ein anderes Kleid anzuziehen.
-Sie blieb ein Weilchen im bloßen Hemd vor ihrem Spiegel stehen,
-legte ein feines Kettlein, an dem ein Herzchen mit Haaren von ihrer
-verstorbenen Mutter hing, um den Hals, probierte eine Stutzhaube,
-deren breite Atlasbänder bis an ihre Kniee niederwallten, und zog aus
-dem schadhaften Haubenboden einen vergoldeten Draht heraus, den sie
-mit versonnenem Lächeln um ihren linken Zeigefinger wickelte. Dann
-warf sie einen Blick in den gefüllten Schrank, in dem das duftige
-Linnenzeug ihrer Ausstattung gehäuft beisammenlag, und fuhr mit
-zärtlichen Fingern über die blühweißen Tücher, die alle von ihrer
-Mutter stammten. Während sie dann in dem schmalen Giebelgelasse wieder
-vor dem Spiegel saß, zuckte es wieder wie ein feines Possenspiel
-um ihr schmollendes Mündchen: sie probierte die Miene, mit der sie
-Friedrich Lerch am Abend, wenn er käme, zu empfangen gedachte, und das
-Armesünderbewußtsein, das sich, fast gegen ihren Willen, für einen
-Augenblick auf ihre Züge legte, erfüllte sie jählings mit solchem
-Übermut, daß sie hell auflachte und voll seliger Unrast aufstand, um in
-dem schmalen Gemach, wo ihre ganze mütterliche Habe in Schränken und
-Kommoden verwahrt lag, in halbem Tanzschritt auf und ab zu schreiten.
-Sie zweifelte keinen Augenblick, daß der neue Stadtschreiber auch
-heute, wie gewöhnlich gegen acht Uhr, kommen werde, um ein Stündchen
-bei ihr und ihrer blinden Tante zu versitzen; sie hielt schon ihre
-schönsten Blicke für ihn bereit und nahm sich vor, ihn auch noch dahin
-zu bringen, daß er sie um Verzeihung für sein mürrisches Wesen bat, das
-doch allein schuld an ihrem Spiel mit dem lustigen Junker war. Während
-eine geheime Zärtlichkeit ihr Aug mit sehnsüchtigem Leuchten füllte,
-beschloß sie, ihn auch noch ein Weilchen mit allerlei Anspielungen auf
-den vornehmen Courmacher zu quälen, und ihm dann, zum Seelentrost, ein
-Schälchen voll eingemachter Kirschen vorzusetzen, die der Schlecker
-gerne aß, und ihm ihr eigenes Kinderlöffelchen dazu zu geben. Als
-jedoch plötzlich über die abendlichen Dächer her das Horn eines
-Postillions aufklang, der das alte Lied blies:
-
- Komm heraus, komm heraus, du schöne, schöne Braut,
- Deine guten Tage sind alle, alle aus,
- O weiele weh!
-
-da schnitt Babette eine Fratze und lief, die Melodie vor sich
-hinsingend, im schönsten Sommerstaat zu ihrer Tante herab, die noch
-immer vor ihrem Spinnrad saß. Es war ihr, als sie das dunkle Gemach
-betrat, so wohlig zumute wie seit langem nicht, obwohl eine leise
-Sehnsucht ihr Herz mit seltsamer Unruh erfüllte. Die Blinde fuhr ihr,
-nach ihrer Gewohnheit, zum Gruß über das rosige Gesichtchen, und als
-ihre Hände nichts Besonderes fanden, netzte sie den Finger an ihrem
-welken Munde, um schweigend weiterzuspinnen. Das leise Schnurren des
-Rades erfüllte den Raum mit einem Laut, der Babettes Gedanken, die mit
-der sinkenden Dämmerung immer ernster wurden, wie eine leise Musik
-begleitete und ihre Erwartung immer sehnsüchtiger stimmte. So saß sie,
-mäuschenstill und auf nahende Schritte lauschend, auf einem niederen
-Stühlchen da; und nur einmal schlich sie auf den Zehenspitzen an das
-Fenster, um auf die Gasse zu spähen, aus deren Dunkel ein leises
-Mädchenlachen zu ihr emporklang. Als jedoch der Abend weiter vorrückte
-und Friedrich Lerch noch immer nicht kam, riß sie in jäh aufwallender
-Wut ihr Batisttüchlein von den Schultern und nahm sich vor, dem
-Unverschämten das nächste Mal, und wenn er auch als reuiger Sünder
-käme, überhaupt keinen Blick zu gönnen. --
-
-Doch Friedrich Lerch ließ sich weder an diesem noch an den folgenden
-Tagen in dem alten Hause am Lochgraben sehen, und es war nicht Groll,
-was ihn von der Geliebten fernhielt, sondern ein kummervolles Gefühl
-der Scham, weil jene gegen das Bild gefrevelt hatte, das er von ihr in
-seiner Seele trug. --
-
-Babette aber verlor mit einem Male die Lust am Singen, und in
-Frankenthal trugen sich, von heute auf morgen, ganz seltsame Dinge
-zu: am Montag streckte die beste Milchkuh des Büchsenmachers Kaspar
-Bundschuh plötzlich alle viere von sich, und die Augen, mit denen
-die Verreckte vor sich hinstarrte, zeigten jedem, der etwas von der
-Sache verstand, klipp und klar, daß sie den leibhaftigen Bösen vorher
-gesehen hatten; am Dienstag weigerten sich die Geißen des lutherischen
-Totengräbers Johannes Felgentreff, Milch zu geben, und weder
-gütliches Zureden, noch das beste Grünfutter vermochte die meckernde
-Gesellschaft von ihrer höllischen Halsstarrigkeit abzubringen; in der
-Nacht von Mittwoch auf den Donnerstag entstand in dem Hühnerstall
-des Brückenbecken Wiedehopf ein solcher Aufruhr, daß die ganze
-Nachbarschaft aus dem Schlafe aufgeschreckt wurde, und als die Beckin
-am Morgen das aufgeregt gackernde Hühnervolk aus dem Stalle ließ, fand
-sie, daß die gelegten Eier samt und sonders hohl waren.
-
-Am meisten Anlaß zu Gerede bot das Verhalten des Bürgermeistersohnes
-Kaspar Lienlein: der saß wie von einem bösen Geist besessen stumm
-und stöckisch in einem Winkel seines Zimmers, und wenn seine Mutter
-mit seinen Lieblingsspeisen kam, um ihn zu trösten, sah er sie mit
-bösen Augen an oder fletschte seine Zähne wie ein Hund, dem man seinen
-Mittagsfraß stört. Dazu brachte jeder Tag, trotzdem der Mai noch nicht
-zu Ende war, ein Unwetter nach dem andern, und alte und junge Weiber
-schwelgten in dem Geraun und Gerede, daß solche Kieselwetter teuflisch
-Hexenwerk seien. In ganz Kleinfranken, in Gerolzhofen, in Prozelten,
-in Freudenberg und anderen Orten waren die Teufelsweiber am Werke,
-und im niederen Volke zweifelte bald niemand, daß auch Frankenthal
-eine Hexe beherbergte. Bald wurde auch der Name der Hexe, der Stadt
-und Gegend die alltäglichen Kieselwetter verdankte, heimlich genannt,
-und die Brückenbeckin erzählte jedem, der es hören wollte, daß sie
-selbst in der Nacht vor dem ersten Mai ein faselnacktes Hexlein um
-den Türmersturm habe fliegen sehen: es sei ganz zusammengekauert
-auf einem langen Besenstiel gehockt, und sein loses Haar sei wie
-ein feuriger Schweif hinter ihm dreingeflogen, als es mit ein paar
-feueräugigen Eulen hinter dem Stadtwald, dem Stöckicht, verschwand.
-Aber die schlimmste Verhexung war doch, wie alle munkelten, dem Sohn
-des Bürgermeisters Lienlein, dem roten Kaspar, passiert, der wie
-zerschlagen in der Stadt herumging und jeden mit Augen anschaute, aus
-denen der leibhaftige Teufel in die Welt guckte. --
-
-Nach acht Tagen waren alle Hexengläubigen darüber einig, daß die Stadt
-in der Babette Glock ein ausbündiges Hexlein bekommen habe, und schon
-fingen die kleinen Buben an, „Hexle, hex“ hinter ihr herzuschreien,
-wenn sie mit ihrem Körbchen am Arm durch die Gassen ging, um eine
-Freundin zu besuchen oder Gewürz beim Krämer einzukaufen.
-
-An einem heißen Juniabend, am Tage vor Fronleichnam, ließ sich
-endlich auch der Kanzler Friedrich Lerch bei der blinden Hipplerin
-sehen. Babette, die gerade an einem Kuchenteig knetete, gönnte ihm
-keinen Blick, als er eintrat und sich, nach einem scheuen Gruße, zu
-der Blinden setzte. Diese streichelte ihm das Gesicht und verlangte
-zu wissen, warum er so lange weggeblieben sei. Der Stadtschreiber
-entschuldigte sein Fernbleiben mit Arbeit und der Sorge um seine
-Stellung; denn seine Bestätigung war noch immer nicht erfolgt, und noch
-immer sah er sich einer ungewissen Zukunft gegenüber. Als Babette einen
-Augenblick hinausging, um den Teig an einen warmen Ort zu stellen,
-folgte ihr Friedrich Lerch auf den Flur, wo er stehen blieb, bis sie
-aus der Küche zurückkam.
-
-„Der Herr Stadtschreiber will schon gehen?“ sagte sie schnippisch,
-während sie ihre Hand an ihrer weißen Schürze abwischte.
-
-„Die Jungfer Babett hat Verwandte in Aschaffenburg,“ entgegnete er,
-indem er scheu auf die Seite blickte. „Ich würde Ihr raten, eine
-Sommerreise dahin zu machen.“
-
-Diese feierliche Haltung und der Umstand, daß er sie nicht mehr duzte,
-erbitterte Babette aufs heftigste; sie höhnte: „Wenn ich das tät,
-bekäme ich den Herrn Stadtschreiber nicht mehr zu sehen, und das bräch
-mir das Herz.“ Sie funkelte ihn dabei mit zornigen Augen an; er aber
-überlegte, ob er das wilde Wesen seinem Schicksal überlassen solle oder
-nicht, und sagte dann: „Es gibt in der Stadt alte Weiber, die an Hexen
-glauben.“
-
-Sie lachte höhnisch: „So sag Er doch gleich, daß ich eine Hex bin!
-Hat Er nicht gehört, daß ich erst vorgestern auf der Galgenweide
-beim Hexentanz gewesen bin? Und weiß Er auch, daß der Grüne, der ein
-Flötchen, nein, ein Hörnchen -- ein Hörnchen geblasen hat, Ihm ähnlich
-sieht? Ja -- ja --.“
-
-Friedrich Lerchs Gemüt wurde weich: „Jungfer Babett,“ sagte er leise,
-„man soll mit dem Unglück nicht spaßen.“
-
-Dieses gedrückte Wesen brachte Babette noch mehr auf; sie lachte: „Wenn
-ich nur wüßt, wo eine Hexenschul wär, ging ich noch heut hinein. Kann
-Er mir keinen Rat geben? Er ist doch in der Welt 'rumgekommen --“
-
-Da ging Friedrich Lerch, den dieses Wesen in der Seele quälte, ohne ein
-Wort weiterer Entgegnung die hölzerne Treppe hinunter: er gedachte,
-eine günstigere Stunde abzuwarten, um Babette zu warnen und zu einer
-Reise zu bewegen. Babette blieb jäh verstummend an der Treppe stehen:
-sie wußte nicht, was sie von dieser Flucht halten sollte, und dachte
-einen Augenblick daran, den Jugendgespielen zurückzurufen; aber sie
-brachte es nicht über sich, ein Wort zu sagen, und der Stadtschreiber
-hörte beim Beschreiten der Haustürschwelle nur ein gelles Lachen, das
-ihn auf seinem Gang durch die Stadt verfolgte. --
-
-Am nächsten Morgen aber, in aller Frühe, kamen zwei Stadtknechte, um
-die Barbara Glock, die noch im Schlummer lag und just von ihrer eigenen
-Hochzeit träumte, aus dem Bett zu holen und in Gewahrsam zu nehmen.
-Sie schrie und heulte und stampfte mit dem Fuße, als die Knechte mit
-dem Befehl des Rates in ihr Stübchen drangen und sie aus dem Bette
-zerrten; allein kein Weinen und kein Bitten half, und auch die blinde
-Hipplerin, über deren runzelige Backen die dicksten Tränen herabliefen,
-versuchte vergeblich, ihre Nichte loszubitten. Die Gefangene wurde
-mit gebundenen Händen in den Hexenturm gebracht, wo sie der städtische
-Stockmeister sofort mit einer langen Eisenkette an einen Mauerring
-anschloß. Sie konnte sich in kleinem Umkreis umherbewegen und sich am
-Tisch, der nicht weit von der tiefen Fensternische in einer dunklen
-Ecke stand, auf einen Stuhl setzen. Sonst geschah ihr vorerst nichts;
-denn die Frankenthaler pflegten ihre Hexen, zum Unterschied von anderen
-Städten, gut zu behandeln, solange sie noch nicht des Vergehens der
-Hexerei geständig oder überführt waren.
-
-Da saß nun die lachende Babette und hatte Zeit, über ihr Schicksal
-nachzudenken. Sie ahnte, von welcher Seite der Schlag kam, der sie aus
-heiterem Himmel traf; aber sie war empörter gegen den Stadtschreiber
-als gegen den rothaarigen Sohn des Bürgermeisters, dem sie es doch
-verdankte, daß sie gefesselt und gefangen im Hexenturme saß. Wenn
-sie des Gefühls gedachte, das jener verschmäht hatte, stürzten ihr
-Tränen der Wut in die Augen, und jedesmal, wenn sie sich eines lieben
-Augenblicks in seiner Gesellschaft erinnerte, stampfte sie mit dem
-Fuße und warf einen Blick nach der Türe, als ob er jeden Augenblick
-hereintreten müßte, um seine Strafe in Empfang zu nehmen. Aber es
-kam niemand, und der lange Tag erschien ihr wie eine öde Ewigkeit.
-Erst gegen Abend, als es schon dämmerte, trat der Stockmeister,
-ein klapperdürres Hutzelmännchen mit schielenden Triefaugen, ein
-und setzte ein gebranntes Mehlsüpplein als Hexenfutter auf den
-wurmstichigen Holztisch. Er zwinckerte vergnügt vor sich hin, als er
-Babette mit einer Handbewegung einlud, das Schüsselchen auszulöffeln;
-denn in seiner Erinnerung glänzte noch das letzte Hexenmahl, das
-der Rat, altem Brauch zufolge, den Stadtknechten und dem Türmer nach
-der Verbrennung zu geben verpflichtet war, als herrlichstes der
-Frankenthaler Feste her: es hatte einundzwanzig Gulden gekostet,
-und der Stockmeister schnalzte im Gedanken an die Leckerbissen, die
-damals aufgefahren wurden, noch jetzt mit der Zunge. Babette floh in
-die tiefe Fensternische zurück und starrte mit wütenden Augen auf
-den verhutzelten Hexentürmer, der nah und näher an sie herantrat.
-Hundertmal war sie früher an dem Hexenturm vorbeigegangen und hatte den
-Stockmeister gesehen, wie er mit seiner Frau, einer kahlköpfigen Alten,
-zankend und keifend auf einem hölzernen Bänklein vor der Turmtür saß;
-nun erfüllte sie der Blick des schielenden Alten mit Wut und Abscheu;
-sie stampfte mit dem Fuße und schrie: „Geh, geh, du Aff!“
-
-Doch der Türmer blieb vor der Nische stehen und zwinkerte sie
-liebäugelnd an: „Wo hast denn das Hexen gelernt, Mädle?“ fragte er mit
-meckernder Stimme; „hätt net gedacht, daß ich auf meine alten Täg noch
-mal erleb, daß man eine Hex fängt. Die Hexen werden immer rarer. Am
-Himmelfahrtstag sind’s fünfunddreißig Jahr her, seit wir die letzte
-auf dem Marktplatz verbrannt haben. Wenn ich dir einen Rat geben därf,
-so gesteh nur gleich. Was sein muß, muß sein. Hihi, wir Frankenthaler
-haben noch keine Hex verbrannt, ohne daß sie gestanden hätt. Verbietet
-auch die hochnotpeinliche Gerichtsordnung, daß eine Hex ans Feuerlein
-kommt, ehe sie alles bis auf das Tipfele gestanden hat, hehe. Ich weiß,
--- ich bin net dumm, -- ich weiß, du denkst: die können lang warten,
-bis ich sag, was ich weiß. Aber da legen sie dir die Daumenschrauben
-an: die pressen dir die Knöchle, daß du alle Engel im Himmel singen
-hörst. Dann wirst du in die spanischen Stiefel geschnürt. Wenn ich dich
-aus der Stube lassen dürft, könnt ich dir das gekerbte Brettle zeigen,
-das sich beim Zuschrauben ans Schienbein legt. Und wenn du dann noch
-nicht sagst, wann du’s letztemal mit dem Junker Federkiel getanzt hast,
-kommst du auf die Leiter, die ist ärger wie’s Fegfeuer. Du wirst mit
-Winden in die Höh gezogen, und an die Füß hängt man dir ein volles
-Essigfäßle. -- Ich hab in meiner Jugend baumstarke Männer gesehen, wo
-von der Leiter runterkommen sind und gestöhnt haben: Wir wöllen lieber
-zehnmal sterben als einmal die Leiter besteigen! Und wenn du von der
-Leiter 'runterkommst und immer noch dein Hexengöschle hältst, bekommst
-du den gespickten Hasen zu schmecken. --“
-
-Babette hörte nicht mehr, was der Türmer sprach; sie hielt sich
-die Ohren zu und blickte durch das verstaubte Gitterfensterchen
-auf den Stadtwall, wo in der sinkenden Dämmerung ein paar Dutzend
-Gassenbuben standen und warteten, ob das eingetürmte Hexlein vielleicht
-geneigt sei, seine Künste zu zeigen und einen Ausflug zu wagen. Die
-schadenfrohe Lustigkeit der Stadtjugend erschien ihr erträglicher als
-die Folteraugen des Alten, der nun mit einem Mal zu jammern begann:
-„Ja, ja, die Zeiten werden immer schlechter, und die Taxordnung is kein
-Hellerle wert. Weißt, Mädle, was ich fürs Ohrabschneiden bekomm? Zwei
-Schilling und sechs Pfennig. Und für jeden Brand zwei Schilling zwölf
-Pfennig. Fürs Auspeitschen gibt mir der Rat nur den Gotteslohn, und
-wenn ich nicht am Salben was verdienen tät, könnt ich kein Schöpple
-Gützberger trinken --“
-
-Nun aber fuhr Babette mit solchen Augen auf das Männlein los, daß
-dieses den Rückzug antrat und vor sich hinmeckernd die schmale
-Gefängnistür mit den mächtigen Riegeln verschloß. Sie lehnte ihre Wange
-an die verstaubten Scheiben und ließ ihre Tränen stillschweigend auf
-ihre Hände herunterfallen, die gekreuzt in ihrem Schoße lagen. So blieb
-sie die ganze Nacht hindurch sitzen, als ob alles, alles Leben aus
-ihr geflohen wäre, und erst am Morgen warf sie sich auf den hölzernen
-Schragen, der anstatt eines Bettes in einem Winkel des Turmgemaches
-stand.
-
-Obwohl sich die Frankenthaler sonst zu allem Zeit und Ruhe ließen,
-schien es dem hochmögenden Rate doch geboten, das Verhör der Barbara
-Glock schon am nächsten Morgen zu beginnen. In aller Herrgottsfrühe
-durchschritt ein Ratsknecht mit der Schelle die Straßen, um den
-Einwohnern die hochnotpeinliche Vernehmung anzukündigen, indem er mit
-lauter Stimme zu den Fenstern der Gerichtsherren hinaufsang:
-
- „Höret, ihr Ratsherrn, jung und alten,
- Heut früh wird Halsgericht gehalten
- Über eine gefangene Person,
- Die große Übeltat geton!
- Zu solchem Rechtstag sollt ihr kommen,
- Gemeinem Wesen zu Nutz und Frommen.“
-
-Als der Spitalpfleger Christopher Kemmeter die Ratsschelle hörte,
-befahl er seiner Schwester Margret, die ihm den Haushalt führte,
-ein starkes Weinsüpplein zu kochen und, zu besonderer Süßung,
-gehörig Zimt und Zucker hineinzutun. Dann zog er seinen Bürgerrock
-an, stopfte sich eine holländische Kreidepfeife und nahm ein altes
-Buch zur Hand, in dem die besonderen Rechtsfälle der Stadt seit dem
-Jahre 1594 verzeichnet standen. Nicht ohne Seufzen öffnete er das
-dickleibige Werk: er wußte, was er von der Frankenthaler Festfreude
-erwarten durfte, wenn die Leidenschaft des Volkes erregt war, und
-hegte keinen Zweifel, daß dieser Streich gegen das hübsche Babettle
-von den Anhängern des Bürgermeisters Lienlein ausging, den er nicht
-riechen konnte; denn der Gestrenge trug die Schuld, daß er mit seiner
-Schwester als Junggeselle hausen mußte, weil er ihm, als er auf
-Freiersfüßen ging, sein Schätzlein, die ehrsame Jungfer Katharina
-Ziegenspeck, vor der Nase wegstibitzt hatte. Von diesem Erlebnis war
-ihm nicht nur ein alter Groll gegen den regierenden Herrn, sondern
-auch eine Geringschätzung der Weiber geblieben, denen er lange Haare
-und kurze Gedanken nachsagte, obwohl er seiner leiblichen Schwester
-einen scharfen Verstand zubilligen mußte: von der Jungfer Margret
-Kemmeter hieß es in der Stadt, sie sei mit Haaren auf den Zähnen auf
-die Welt gekommen und schlafe wie ein Drache auf dem Strumpf, in dem
-sie ihre Reichstaler verwahre. Als die Schwester des Ratsherrn mit
-dem dampfenden Weinsüpplein in das Zimmer trat, sah sie, daß die
-Runzeln in dem Gesicht ihres Bruders seltsam zuckten: sie kannte
-dieses Schelmengesicht, auf dem das Lachen nicht zum Ausbruch kam,
-und gab dem vergnügten Kracher einen Rippenstoß, den er mit einem
-meckernden Gelächter beantwortete; aber er war nicht zu bewegen, das
-Geheimnis, das ihn in heimliches Behagen versetzte, preiszugeben, und
-als er sein süßes Süppchen ausgelöffelt hatte, nahm er sofort Hut und
-Stock, um, wie er sagte, auf die Ratsstube zu gehen und da vor der
-Hexengerichtssitzung noch einen Herrenschoppen zu stechen und für
-die Kehlenklärung des hochweisen Gerichtskollegiums zu sorgen. Er
-machte aber, da es noch zeitig am Tage war und er nicht tief in die
-Kanne zu steigen gedachte, einen Umweg durch die Talgärten, wo er dem
-staatsmäßig in schwarzen Strümpfen und mit dem Dreispitz unterm Arm
-einherwandelnden Stadtschreiber Lerch begegnete.
-
-„Er sucht sich wohl ein Taubenhaus aus, wo Er nach der Hochzeit mit
-Seiner Lalage schnäbeln kann?“ fragte er den Trübseligen, und fügte
-dann hinzu:
-
- „Es geht doch, sagt mir, was ihr wollt,
- Nichts über Wald- und Gartenleben,
- Und schlürfen ein dein trinkbar Gold,
- O Morgensonn’, und sorglos schweben
- Daher im frischen Blumenduft
- Und mit dem sanften Weben
- Der freien Luft,
- Als wie aus tausend offnen Sinnen
- Dich in sich ziehn, Natur, und ganz in dir zerrinnen.“
-
-„Es ist schrecklich,“ entgegnete der Stadtschreiber.
-
-„Meint Er das alamodische Carmen?“ entgegnete der Alte, den das
-gedrückte Wesen seines Schützlings reizte. Und plötzlich fuhr er auf:
-„Seh Er sich nach einem andern Schätzchen um. Was hat Er an dem kecken
-Ding? Ein hübsches Lärvchen und ein Spatzenseelchen, weiter nichts.“
-
-„Sie werden sie verbrennen,“ seufzte Friedrich Lerch wieder.
-
-„Hat Er’s aus hochmögendem Mund gehört, oder hat Er’s aus den Akten
-herausgefischt, daß die Frankenthaler noch jede Hexe verbrannt haben?
-Er ist ein gewissenhafter Mensch; deswegen sollte Er auch wissen, daß
-es noch viele andere hübsche Frauenzimmer in der Welt gibt. Ob Er nun
-hier oder sonstwo an eine Hexe gerät, ist gleich: denn Hexen sind sie
-alle. Ich bin in meinem Leben mindestens zehnmal verhext worden, aber
-durch die Gnade unseres Herrgotts immer heil und gesund davongekommen.“
-
-Friedrich Lerch lächelte säuerlich, um seinem Gönner zu zeigen, daß er
-dessen Scherze verstehe und zu würdigen wisse; aber in Wirklichkeit war
-ihm wund und weh zumute: denn seit Babette im Hexenturm gefangen saß,
-quälte ihn die Frage, ob er ihr im Geist doch nicht unrecht getan habe,
-in einem fort, und die Erinnerung an die Stunden stummen Glücks, da er
-beim Surren des Spinnrades an ihrer Seite gesessen, erfüllte ihn mit
-quälender Sehnsucht.
-
-Als der Ratsherr sah, daß sein Schützling zu keinem Gespräch zu
-bringen war, ließ er ihn unwirsch stehen, um noch einen Blick in
-die Ratstrinkstube zu werfen, wo die zwölf Gerichtsherren vor der
-Sitzung jeweils einen gehörigen Frühtrunk zu tun pflegten. Er fand die
-Trinkstube voll wie an höchsten Festtagen. Es saßen da würdige Männer,
-die mit ihrer Meinung, daß sich die Stadt mit dieser Hexengeschichte
-ein böses Süpplein eingebrockt und, zum mindesten, lächerlich gemacht
-habe, nicht hinterm Zaun hielten; aber dafür fehlte es unter den alten
-Hochmögenden auch nicht an solchen, die sich im Auftischen saftiger
-Hexenstücklein gar nicht genug tun konnten, und wer von ihnen selbst
-nicht behext worden war, wußte zu berichten, daß wenigstens sein
-Urgroßvater oder dessen Geschwisterkind die schönsten Hexen, wie es
-keine mehr gebe, gekannt habe.
-
-Der Ratsherr Kemmeter hängte seinen Dreispitz an einen Nagel und
-stopfte umständlich seine holländische Pfeife; dann ließ er sich von
-dem Ratsküfer einen Becher Faßwein reichen und ging von einem der
-alten Stecher zum andern, und sein Becher klang beim Anstoßen so klar
-und regelrecht wie die kleinen Glocken der Kilianskirche. Aber jeder
-der Herren, mit dem er anstieß, bekam eine Bosheit zu hören, ohne daß
-die Kracher aus dem Häuschen gerieten: denn sie kannten die Gewohnheit
-des alten Spitalpflegers, allen Leuten einen Floh ins Ohr zu setzen,
-und die Alten lasen aus den Mienen Kemmeters einen Spaß heraus, von
-dem sie sicher waren, daß er zu dem bevorstehenden Hexenspektakel
-paßte. Die Gerichtsherren waren samt und sonders voll süßen und sauern
-Weins, als sie endlich auf schwankenden Ratsherrnbeinen in die große
-Gerichtsstube hinaufstiegen, wo der neue Kanzler Friedrich Lerch, dem
-auch das Amt eines Zehntschreibers oblag, mit käseweißem Gesicht schon
-hinter seinem Amtstische saß. Er hielt eine neugeschnittene Rabenfeder
-in der Hand, und auf seinen Zügen lag ein solcher Kummer, daß der alte
-Kemmeter auf ihn zuging und ihn derb am Ohre zupfte. --
-
-Babette war schon vorher, nach altem Frankenthaler Rechtsbrauche, aus
-dem Hexenturm in eine „feine Stube“ des Rathauses verbracht worden, wo
-der Dekan Lotter ihrer wartete, um sie durch geistlichen Zuspruch auf
-das Verhör in dem Hexenrichtercollegio vorzubereiten. Der geistliche
-Herr nahm es gelassen hin, daß sein Beichtkind alle Schuld bestritt;
-aber es mißstimmte ihn, daß Babette allem Zuspruch ein hartnäckiges
-Schweigen entgegensetzte, die Hand, mit der er ihr die Backe streicheln
-wollte, voller Abscheu wegschlug und sich mit gesenktem Köpfchen an die
-Tür stellte, wo der Stockmeister auf einem hölzernen Stühlchen hockte.
-Die Tränen liefen ihr noch wie helle Perlen über die Wangen, als sie,
-von zwei Ratsknechten geführt, in die Gerichtsstube trat, wo die zwölf
-Richter hinter einem langen Tische beisammen saßen. Auf Befragen des
-uralten Hexenrichters Götz Schlegelmilch erklärte sie schluchzend, daß
-jedermann sie kenne: sie sei von ihrer Tante in christlicher Zucht und
-Ehrbarkeit erzogen worden; sie habe wohl gehört, daß es Hexen gebe;
-aber sie wisse nicht, was Hexerei sei, und glaube auch nicht, daß in
-Frankenthal Hexen zu finden seien. Da erhob sich der Gerichtsherr
-Valtin Zipfel und sagte stammelnd aus, als er aus der Trinkstube
-gekommen, habe er plötzlich, im Vorraum vor dem Gerichtssaal, einen
-solchen unterirdischen Ruch von Rosen um sich gespürt, daß er vermeine,
-solches könne nur die Frucht des teuflischen Hexenwerks sein.
-
-Darauf erklärte der Ratsherr Kemmeter, auch er habe diesen Ruch
-mit seiner Nase wahrgenommen; aber der sei, wie er beim Evangelio
-beschwören könne, aus den zinnernen Bechern der Ratsstube
-emporgestiegen, von einem Jahrgang Wein, den er, vor zehn Jahren,
-zu sechs Gulden das Fuder und also um einen Jammerpreis, an den
-hochmögenden Rat geliefert habe. Im übrigen müsse er bemerken, daß der
-Stechheber, mit dem der Ratsküfer den Schoppenwein aus den hahnenlosen
-Fässern ziehe, schon längst schadhaft sei, weil er nicht genug geputzt
-und gescheuert werde; er selbst habe hie und da mit Abscheu beim ersten
-Schluck ein vermischtes Geschmäcklein auf der Zunge verschmeckt, was,
-gegen alles städtische Herkommen, aus zwei Fässern zugleich stammte,
-und eine solche Schlamperei sei dazu angetan, Geschmack und Wein der
-Stadt in schlechten Geruch bei den Nachbarn zu bringen.
-
-Dies brachte den Hexenrichter Götz Schlegelmilch in Harnisch: er
-bekundete, daß er jüngst, als er von einem Nachttrunk heimgekehrt, aus
-der Hottenlochgasse ein solch teuflisches Getöse, Toben, Schreien,
-Singen vernommen, daß er nicht anders meine, als diese Lustbarkeit sei
-von dem Erzfeind und Teufel wider alles Verbot der Obrigkeit angestellt
-worden, um eine Hexe zu feiern und sein Reich zu heben. Worauf der
-Ratsherr Kemmeter zwinkernd im Kreis umherblickte und erklärte: Daß
-Weinsümpfe doppelt sähen, habe er gewußt; daß sie doppelt hörten, habe
-er nun erfahren. Im übrigen rühre aber dies Geschrei, das guten Bürgern
-die Nachtruhe störe, von den welschen Arbeitern am Schloßbau her, die
-mit ihren Menschern die halbe Nacht durchtanzten und das Messer los im
-Sacke trügen.
-
-Doch der Gerichtsherr Schlegelmilch blieb bei seiner Aussage und
-verlangte, daß die Malefikantin Barbara Glock alsogleich, nach altem
-Brauch, zu Recht nackt ausgezogen, auf ihre Hexenmale untersucht und,
-wenn solche nicht gefunden würden, mit Schrauben gepreßt werde.
-
-Worauf der Ratsherr Christopher Kemmeter erwiderte: Er müsse die Schuld
-an besagter Augentrübung des Hexenrichters noch einmal auf den schlecht
-gehaltenen Wein schieben, der es bewirkt habe, daß er seine eigenen
-Miträte auf dem Vorplatz für Hexenmeister genommen habe; er schlage
-vor, den Ratsküfer ~edictaliter~ zu zitieren, um ihn zu christlicher
-Verwaltung seines Amtes zu vermahnen, die Füllung der Weinfässer durch
-ein wohlbestalltes Kollegium prüfen zu lassen und zwei Stechheber,
-einen für die Katholiken und einen für die Evangelischen, auf Kosten
-der Republik Frankenthal anzuschaffen.
-
-Während die Ratsherren die Köpfe zusammensteckten, um über die
-vorgebrachten Anträge zu beraten, ließ der Stadtschreiber Friedrich
-Lerch Babette nicht aus dem Auge. Der Anblick des blassen Köpfchens,
-das seinen Blicken auswich, erfüllte ihn mit unendlichem Mitleid, und
-immer wieder gedachte er der Augenblicke, wo ihm das Licht ihrer Augen
-das wunderbarste Glück verhieß.
-
-Das eifrige Getuschel und Gerede der Gerichtsherren fand jedoch
-ein jähes Ende, als sich der alte Kemmeter wieder erhob und mit
-flötenweicher Stimme erklärte, er müsse, noch ehe ein Bescheid des
-Hohen Collegii ergehe, die hochmögenden Gerichtsherren auf eine alte
-Verordnung vom 13. Aprilis de anno 1563 hinweisen, wonach es den
-Katholischen nicht erlaubt sei, eine Hexe allein der hochnotpeinlichen
-Halsgerichtsbarkeit zu überliefern, sondern wonach es zu Recht bestehe,
-daß die Lutherischen ebenfalls eine Hexe beizubringen hätten, wenn
-den Katholischen der Fang eines solchen Tierleins gelungen wäre,
-und so verlange er, als Bekenner der Augsburger Konfession, daß man
-das peinliche Verfahren aussetze, bis es auch den Evangelischen
-beliebe, eine Hexe ihres Glaubens aufzustöbern und der von Gott mit
-scharfem Verstand begabten Obrigkeit zu peinlicher Rechtfertigung oder
-Aburteilung zu übergeben. Seit der Glaube an die höllische Hexenzunft
-bestehe, sei in Frankenthal niemals eine Hexe allein geschwemmt oder
-verbrannt worden, und dies gleichzeitige Verfahren habe dem Stadtsäckel
-manchen Batzen erspart, der dann auf schicklichere Weise, in einem
-guten Trunk oder Schmaus, vertan worden sei. Auch sei es in Frankenthal
-von alters her der Brauch, daß vor Vernehmung einer beschuldigten
-Person ein dreitägiges Fasten für die Gerichtsherren aufzuschreiben
-sei, womit verhindert werde, daß üble Dünste aus dem Magen aufwärts
-steigen und die Helligkeit des Hirns trüben. Er heische übrigens noch
-einmal die Herbeiführung eines Ratskonklusums über die Anschaffung
-zweier neuer Stechheber, und falls sie der Ratsküfer in Zukunft nicht
-paritätisch blank und sauber halte, solle er, zu Pfingsten und zu
-Weihnachten, gestäupt und bei widerspenstiger Beharrung in seiner
-Faulheit seines Amtes zu Ungnaden enthoben werden. Die Ratsherren sahen
-sich mit langen Gesichtern an: der eine oder der andere hatte von der
-alten Verordnung munkeln gehört, und da die Reichsstadt wegen der
-Treue, mit der sie an den Verordnungen der Väter hing, in ganz Franken
-berühmt war, so erging denn zunächst der Bescheid, daß Babette Glock,
-die ob des Gehörten an allen Gliedern zitterte, ohne Verweilen zu
-weiterem Gewahrsam in den Hexenturm zurückgebracht werde. --
-
-Inzwischen redeten und schrien die Hochmögenden, die nun deutlich in
-zwei feindliche Gegnerschaften auseinander traten, mit vorgestreckten
-Gesichtern und spitzen Fingern aufeinander ein. Der alte Kemmeter aber
-stand wie ein Fels dazwischen, rieb sich die Hände und zwinkerte den
-Stadtschreiber Lerch mit vergnügten Äuglein an: er wußte zwar noch
-nicht, wie die Regierenden seinen Antrag aufnehmen würden und was
-daraus entstehen mochte; allein die Tatsache, daß er den hochmögenden
-Herren einen richtigen Kemmeterstreich gespielt und einen Stein in den
-Frankenthaler Karpfenteich geworfen habe, erfüllte ihn mit einer wahren
-Weinfreude: entweder, so sagte er sich, gingen seine Glaubensgenossen
-selbst daran, eine lutherische Hexe in den Turm zu liefern, damit das
-hochnotpeinliche Gericht seinen Fortgang nehmen konnte, und dann sah
-sich der Propst Schlegelmilch, der aus seinem geläuterten Rationalismus
-kein Hehl machte, in einer üblen Lage; oder die Katholiken machten sich
-selbst auf die Hexenjagd, um ein evangelisches Hexenstück zu erwischen,
-und dann konnte es geschehen, daß Mord und Todschlag einrissen. Zwar
-waren die Evangelischen in früheren Zeiten immer von dem löblichsten
-Wetteifer geplagt gewesen, nicht weniger Hexen zu liefern als ihre
-katholischen Mitbürger; aber sie hatten es stets aus freien Stücken
-getan, ohne daß der hie und da aufflammende Glaubenszwist der beiden
-Konfessionen bei diesen Hexenstreitigkeiten eine Milderung erlitten
-hätte; ja, er war gerade bei derartigen Gelegenheiten in solche
-Heftigkeit ausgeartet, daß sogar die Hexen beim Verhör erzählten, es
-habe niemals eine lutherische Hexe mit einer katholischen auf einem
-Maientanz tanzen mögen. Auch war es vorgekommen, daß die Aussagen der
-Hexen über die Gebräuche bei den Walpurgisnachttänzen manchmal, je nach
-dem Glauben der Beklagten, ganz wesentlich voneinander abwichen: bei
-dem großen Hexenbrand im Jahre 1617 war, wie aus den Aufzeichnungen des
-ehrsamen Ratschreibers Veit Unruh hervorging, ein gewaltiger Streit
-zwischen den beiden angeklagten Hexen entstanden, weil die lutherische
-Hexe steif und fest behauptete, bei dem Hexenmahl sei süßer Wein
-getrunken worden, während die katholische selbst in den spanischen
-Stiefeln nicht von ihrer Aussage abzubringen war, der Wein, den ein
-rothaariger Küfer mit einer Feder hinter dem Ohr auf den Tisch gestellt
-habe, sei so sauer gewesen, daß sie ihn heimlich, damit der Grüne es
-nicht sehe, weggespien habe. --
-
-An den nun folgenden Tagen summte und brummte die alte Reichsstadt
-wie ein Bienenkorb vor dem Schwärmen. Meister und Gesellen verließen
-ihre Arbeit und standen feiernd an den Straßenecken beieinander.
-Die breitesten Gassen rochen wie eine dampfende Wurstküche, und die
-zahlreichen Becken, die ein ererbtes Schenkrecht ausübten, sowie die
-Zunftküfer und Weinwirte des niederen Volkes mußten ihre ältesten
-Fässer anstechen, um den Hexenbrand der Meister und Gesellen zu
-löschen, die sich hinter den Kannen mit listigen Äuglein maßen. Die
-alten evangelischen Mainfischer schrien in ihrer Mundart, daß sie
-sich kein Brotkrümlein von ihrem Rechte abzwicken ließen; denn es
-sei eine Frechheit, wenn die Katholischen sich herausnähmen, ein
-eigenes Hexenrecht zu schaffen. Die Aufgeklärten, die sich in solche
-Konventikel verirrten, suchten die wilden Männer zu beruhigen, indem
-sie erklärten, daß es in Frankenthal schon seit einer halben Ewigkeit
-keine Hexen mehr gebe, weil die Vorväter, in vorausschauender Weisheit,
-die ganze Brut schon längst mit Stumpf und Stiel ausgerottet hätten.
-Daraufhin erklärten die Parteigänger des Bürgermeisters Lienlein, daß
-man schon eine protestantische Hexe finden könne, wenn man nur wolle:
-denn daß noch ungefangene Hexenweiber in Frankenthal herumgingen,
-beweise der Umstand, daß der Sohn des Bürgermeisters in der Nacht
-zuvor, als er an dem Hexenturm vorbeigegangen, von unsichtbaren Fäusten
-so zerbläut worden sei, daß er die blau und gelben Male noch an seinem
-Körper trage. Bald hieß es auch, daß Kaspar Lienlein, der seit einer
-Woche die halbe Nacht in dem Weinhaus „Zur warmen Wand“ liege, mit
-seinen Freunden auf eigene Faust und Gefahr ein evangelisches Hexlein
-zu fangen gedenke, damit die eingetürmte Babette Glock endlich dem
-Urteil überantwortet und geschwemmt oder zu Asche verbrannt werde.
-Indessen ging es auf dieser Jagd dem Sohne des Bürgermeisters schlecht:
-er wurde von unbekannten Händen in eine randvolle Jauchengrube
-geworfen, und als man den jämmerlich Schreienden herauszog, fand es
-sich, daß ihm sein rechtes Auge heraushing. --
-
-Da unter solchen Umständen der Bürgerkrieg in Frankenthal drohte,
-traten die beiden Geistlichen, der protestantische Propst Ehrwürden
-Veit Schlegelmilch und der katholische Dekan Kilian Lotter, zu einer
-Beratung zusammen. Die beiden Herren lächelten süß, als sie sich in
-einem Ratszimmer trafen, um diese leidige Sache zu erwägen und mit
-Gottes Hilfe einen Ausweg zu finden. Der Dekan Lotter, dessen feistes
-Prälatengesicht den Himmel auf Erden widerspiegelte, beklagte zunächst
-den Umstand, daß man ein Kind seines Glaubens der Hexerei bezichtige;
-aber weder seine Miene noch seine Worte verrieten die geringste
-Unruhe: er erklärte, er habe dem fürstbischöflichen Kommissariat einen
-Bericht erstattet und sehe nun allen Weiterungen mit der Ruhe eines
-guten Gewissens entgegen. Da jedoch in jedem geistlichen Gemüt ein
-Flickereien Rost glänzt oder ein Tröpfchen Bosheit giert, belehrte er
-den Propst, daß schon der Pater Friedrich Spee sein Leben daran gesetzt
-habe, den greulichen Hexenwahn zu bekämpfen, und der Eindruck, den
-der fromme Priester von dem Elend der Hexenprozesse gewonnen, sei so
-groß gewesen, daß sein Haar im schönsten Mannesalter weiß wie frischer
-Schnee geworden sei, wie aus seinem Buche „~Cautio criminalis~“
-hervorgehe. Und als Gegenstück zu dieser frommen Lichtgestalt ließ
-er den sächsischen Kanzler und Protestanten Carpzow auftauchen, der
-allein das Todesurteil von zwanzigtausend Hexen unterzeichnet habe.
-
-Der Propst Schlegelmilch hörte diese Unterweisung mit mildem
-evangelischen Lächeln an; sein Gemüt war zwiespältig: während er einem
-gemäßigten Vernunftglauben zuneigte, ging seine Seele heimlich in
-verschlossenen Seelengärtchen spazieren, wo Liebeswunder herrnhutischen
-Gepräges geschahen und Weltliches und Geistliches wie Rosen- und
-Liliendüfte ineinanderflossen. Er bedauerte den Geist der Stadt, der
-allzusehr an Altem hänge und nicht davor zurückschrecke, um eines
-Festes willen sein Seelenheil aufs Spiel zu setzen; aber im stillen
-gelobte er sich, seinem katholischen Amtsbruder die Anspielung auf den
-lutherischen Kanzler Carpzow bei Gelegenheit mit Zins und Zinseszinsen
-heimzuzahlen und bei der Verteilung des städtischen Deputatholzes
-darauf zu sehen, daß die katholischen Holzknechte nicht die schönsten
-Scheite ihrem Seelenhirten zu übermäßigen Klaftern schichteten. --
-
-So verlief die Unterredung der beiden Geistlichen, ohne eine Wendung
-im Schicksal der Babette Glock herbeizuführen. Dafür beschlossen die
-beiden Gerichtsherren Unruh und Zipfel, bei dem störrischen Babettchen
-selbst auf den Busch zu klopfen, um aus ihrem Munde zu erfahren,
-mit welchen Hexen sie zu Pfingsten auf der Galgenweide getanzt und
-geschmaust habe. Sie fanden die Gefangene blaß, aber gefaßt in der
-Fensternische ihres Turmes sitzen: sie dachte just des Tages, da ihr
-Jugendgespiele Friedrich Lerch, von der Akademie heimkehrend, zum
-erstenmal in die Stube bei ihrer Tante getreten war, und ein Gefühl
-glücklicher Erwartung erquoll aufs neue in ihrer Brust. Als die beiden
-Kracher von dem Hexentanz anfingen, flammte das alte Wesen in ihr
-auf: sie ging mit geballten Fäusten auf die Alten los, so daß diese
-mit aufgehobenen Händen bis an die schwere Eisentür des Verließes
-zurückwichen, von wo aus sie erschreckt und zitternd auf das bebende
-Mädchen blickten.
-
-Der Ratsherr Zipfel begann als erster zu lachen: „He, Jungfer Glock,
-nichts für ungut, mit Euch möcht ich selbst ein Hexentänzchen wagen.“
-Und er spitzte den Mund, als ob er ein Schmätzlein pflücken wolle.
-Im stillen war er jedoch voll Ärgers, daß er nicht allein gekommen
-war, um dem schönen Kind das Hexenherzchen schwer zu machen. Er trat,
-da Babette ruhig blieb, wieder einen Schritt näher und fuhr meckernd
-fort: „Aber so sagt uns doch nur, mit welchen Hexen Ihr beim letzten
-Tanz zusammen waret. Ist kein lutherisch Hexle dabei gewesen? Aus der
-Hottenlochgasse, wo die Hexen von alters her wachsen? So sagt es doch.
-Verbrannt werdet Ihr doch; denn es ist noch niemals erlebt worden, daß
-eine Frankenthaler Hexe freigekommen ist.“
-
-Da ging Babette in jäh ausbrechender Wut wieder auf die Alten los,
-und aus ihren Augen flammte ein solches Licht, daß die Gerichtsherren
-zähneklappernd die Flucht ergriffen. Sie vergaßen sogar, die eichene
-Gefängnistüre mit dem Schlüssel zu schließen, und keiner wußte zu
-sagen, wie er die ausgetretene Wendeltreppe heruntergekommen war. Der
-Ratsherr Unruh erzählte am Abend in der Ratsstube, er habe nun auch den
-Rosengeruch gespürt, der den Gerichtsherren dazumalen, beim Gang aus
-der Ratstrinkstube, in die Nase gestiegen sei; aber es sei ihm dabei
-so elendiglich zumute geworden, daß er in seiner Seele nicht mehr froh
-geworden, bis er bei seinem ehelichen Weib zu Hause gesessen und drei
-Rosenkränze nebst der lauretanischen Litanei gebetet habe. --
-
-Unterdessen geschah es in der aufgewühlten Stadt, daß bald diese
-oder jene Frankenthalerin als Hexe genannt wurde. Infolge dieses
-heimlichen Geredes kam es an verschiedenen Abenden zu blutigen
-Schlägereien zwischen Katholiken und Evangelischen, und da auch die
-Frankenthalerinnen ihre Zungen gehen ließen, gerieten die Gemüter in
-solche Erhitzung, daß bald jede Frau in jeder andern eine heimliche
-Hexe sah.
-
-Indessen saß Babette weltverlassen in ihrem Turm und brütete in
-wechselnder Gemütsart vor sich hin. Sie konnte es nicht begreifen,
-daß kein Wunder geschah und Tag um Tag verging, ohne daß der Geliebte
-erschien, um sie aus dem Jammer fortzuführen. Der Blick, den er
-ihr zugeworfen, als sie den Rathaussaal verlassen hatte, wo die
-leibhaftigen Teufel in Ratsherrengestalt auf ihren hochlehnigen Stühlen
-hockten, glänzte noch immer vor ihr her, und wenn sie unwillig wegen
-seiner Schüchternheit werden wollte, die alles verschuldet habe,
-löschte dieser lange Blick jeden Groll in ihrer Seele aus. Sie schloß
-ihre Augen, um diesen Blick immer wieder mit vollem Herzen zu genießen,
-und das Glück, das sie ersehnte, stand dabei so klar vor ihrer Seele,
-daß sich ihre Wangen mit brennendem Rot färbten, wenn sie seiner
-gedachte. Von einem Augenblicke seligen Beisammenseins spann sich ein
-goldenes Fädchen in ähnliche Augenblicke späteren Daseins hinüber, und
-wenn sie die Augen aufschlug und das blecherne Eßgeschirr vor sich
-stehen sah, floh sie eiligst in die Mauernische, wo sie nur den Schrei
-der Dohlen vernahm, die den Knauf des alten Hexenturms umschwärmten.
-Dann quoll ein seltsames Mitleid mit sich selbst, das doch nicht ohne
-Süße war, in ihrem Herzen auf, und die Gassenbuben, die vom Stadtwall
-aus nach dem Hexenturm herüberblickten, erschienen ihr, wie durch einen
-Schleier hindurch, zum Greifen nah und doch unendlich ferne.
-
-Als aber Tag für Tag verfloß, ohne daß der Geliebte ein Zeichen seines
-Daseins oder seiner Hilfsbereitschaft gab, flammte wieder die alte
-Empörung gegen dessen ganzes Wesen in ihr auf, und nun wandte sich
-ihr Sehnen und Denken der Gestalt des Junkers Emmerich zu, dem sie
-nun in hellem Trotz alle Mannesherrlichkeit, allen Wagemut und alle
-Liebestreue andichtete. Sie durchlebte noch einmal die Stunden des
-Festes der Grundsteinlegung mit sehnendem Gemüte, und der Ton der
-Stimme, die sie zu hören glaubte, drang wie ein Strahl himmlischer
-Wonne in ihr Herz. Sie zweifelte nicht, daß jener auf den ersten Ruf
-erscheinen werde, um sie aus diesem Kerker, in dem nur alte triefäugige
-Männer Zutritt hatten, hinwegzuführen. Doch die Tage vergingen, ohne
-daß ein Zeichen sorgender Liebe in das muffige Düster des Hexengemaches
-drang. Als einziges Liebeszeichen legte eines Abends der Stockmeister
-ein Stück Kuchen neben die blecherne Suppenschüssel; da wußte sie, daß
-die blinde Tante ihrer gedachte, und brach in bittere Tränen aus, die
-noch flossen, als sie wie in einem Traum den ersten Biß in den frischen
-Kuchen tat. --
-
-In der Nische, wo sie tagsüber saß und in das Grün des nahen Waldhangs
-hinüberblickte, hausten Spinnen, kleine schwarze Tierlein. Als sie
-zum ersten Male ihrer gewahr wurde, hatte sie voller Abscheu ihre
-zarten Gewebe zerstört, die wie gebauschte Segel in den verstaubten
-Ecken hingen. Als aber die schwarzen Spinnerinnen sofort wieder daran
-gingen, einen Faden zu ziehen und ihr Fangnetz in der halben Dämmerung
-aufzuhängen, ließ sie die Emsigen gewähren und sah neugierig zu, wie
-zuweilen ein Mücklein in das gebauschte Netz geriet und von der Spinne
-zu künftigem Fraße eingewickelt wurde. Ja, es regte sich bei diesem
-Spiel eine seltsame Grausamkeit in ihr, und diese bösartige Regung
-wurde schwärend, als sie eines Tages von ihrer Nische aus drei ihrer
-besten Freundinnen erblickte, die Arm in Arm auf dem Waldpfad über dem
-Stadtgraben standen und nach dem Fenster des Gemaches herüberäugten,
-in dem Babette gefangen saß. Sie floh in den hintersten Winkel des
-Hexengemaches zurück, um diesem Anblick zu entgehen, und wünschte, voll
-jähen Grimms, wirklich eine Hexe zu sein, um diesen Docken jedes Übel
-anzutun; aber das helle Lachen ihrer Freundinnen trieb sie wieder ans
-Fenster zurück, und als bald darauf die Mädchen singend weitergingen
-und im Wald verschwanden, überfiel sie ein Frösteln, das nicht weichen
-wollte. Und wieder suchten ihre Gedanken Trost und Zuflucht bei dem
-Junker, dessen Gestalt bei dem Gedanken, daß er in Mainz in Glanz und
-Ehren weile, mit überwältigendem Zauber vor ihre Seele trat. --
-
-Doch als auch dieser Seelentrost wie ein Schein erblich, regte sich
-in ihrer Seele ein seltsam Gären und Schwären: alles was sie an
-Spinnabenden von Knechten und Mägden über Hexen und Hexenbräuche,
-Marientänze, Salben und Wettermachen gehört hatte, begann ihr Denken
-in einen Hexenring zu ziehen. Und wenn sie voll heimlichen Grauens
-sich selber fragte, ob es wirklich Frauen gebe, die zum Heuberg oder
-zur Galgenweide führen, vermischte sich der Durst nach Rache an ihren
-Peinigern wie ein süßes Labsal mit diesem Denken und Sinnen. Und
-noch süßer als der Wunsch, die ganze Stadt in einem Kieselwetter zu
-ersäufen, erschien ihr der Gedanke, sich dem Geliebten, der sie in
-solchem Jammer schmachten ließ, als triumphierende Hexe zu zeigen und
-sich an seinem staunenden Entsetzen zu ergötzen und zu laben. Indessen
-nahm auch dieses Spiel mit Hohn und Bitterkeit ein Ende, und da der
-geifernde Hexentürmer wieder von der Folterung zu faseln begann, geriet
-sie in eine verzweiflungsvolle Erwartung unentrinnbar nahen Entsetzens.
-
-Da fuhr sie, eines Tages, in aller Frühe aus einem bleiern schweren
-Schlummer auf: ganz deutlich hörte sie, aus naher Ferne her, das Horn
-des Kutschers, der das Lied von der jungen schönen Braut blies, unter
-dessen Klängen einst der Junker Emmerich Rüdt von Collenberg aus den
-Toren der Stadt gefahren war. Endlich war ihr Retter erschienen! Sie
-sprang von dem Schragen auf und lief an die verriegelte Türe und pochte
-mit den Füßchen an die dicken Bohlen. Und da der Ton des Posthorns
-laut und lauter näher kam, hielt sie fast den Atem an, und ein klarer
-Plan reifte jählings in ihrem Gemüt. Als der Hexentürmer gleich darauf
-mit dem gebrannten Morgensüpplein daherhumpelte, verlangte sie,
-stammelnd vor Hast, vor ihre Richter geführt zu werden. Der Alte, der
-ein Geständnis witterte und nun seinen Hexenschmaus ganz nah gerückt
-sah, schlurfte eilends davon, und eine Stunde darauf wußte schon die
-halbe Stadt, daß die Hexe Babette Glock endlich mürb geworden sei und
-ihre Hexereien gestehen wolle. Die Katholiken unter den Hexengläubigen
-hofften, endlich zu erfahren, ob nicht doch eine evangelische Hexe
-unter ihnen weile, und die Evangelischen versahen sich mit Stöcken und
-Prügeln, um lose Mäuler mit ungebrannter Asche zu stopfen. Um neun Uhr
-schon waren die zwölf Gerichtsherren und der ganze Rat auf dem Rathaus
-versammelt. Wie eine Mauer aber stand das Volk, der Hexe harrend,
-links und rechts auf dem Platze vor dem Hexenturm, und als endlich der
-Schlüssel knarrte und Babette, bleich und abgezehrt, wie ein Schatten,
-über die Schwelle trat, legte sich auf die Harrenden eine atemlose
-Stille, in die, über die nahen Dächer her, plötzlich wieder, klar und
-kräftig, das Posthorn hereinklang. Die Mütter drückten ihre Kinder an
-die Brust, damit der Blick der Hexe ihnen kein Unheil antun könne, und
-die männliche Jugend, der beim Anblick der hübschen Babette das Wasser
-im Mund zusammenlief, blickte sich zwinkernd an.
-
-Hinter der Hexe ging der Türmer, mit einem alten Hütchen auf dem
-Kopf, und hielt den Strick, an dessen Enden die Hände der Gefangenen
-gefesselt waren, in seinen zitternden Fäusten fest.
-
-Da aber geschah etwas Unerwartetes: das bleiche Mädchen, das vor den
-Blicken der Menge den Blick niedergeschlagen und nur zögernd den Fuß
-auf die Gasse gesetzt hatte, erhob beim Aufklingen des Posthorns
-jählings den Kopf: dieser Ton bedeutete Heil und Rettung, und mit einem
-jähen Ruck riß sich Babette los und flog wie eine aufgescheuchte Taube
-zwischen der erstarrten Menge hindurch. Niemand wagte es, in der ersten
-Überraschung, nach der Fliehenden zu greifen, und erst als sie in
-einem Seitengäßchen verschwunden war, brach die Menge zusammenflutend
-in ein wildes Geheul aus. Ein altes Männlein schrie, es hätte den Atem
-des leibhaftigen Satans gespürt; den jungen Frauen tanzten schon die
-Höllenfunken vor den Augen, und die alten guckten gleich in die Höhe,
-denn sie zweifelten keinen Augenblick, daß die Hexe sofort ein Wetter
-machen werde, um die Stadt in einer Sintflut zu ersäufen.
-
-Doch nichts von alledem geschah. Wie der Wind durcheilte Babette ein
-paar winkelige Gassen und Gäßchen, um den Marktplatz zu erreichen,
-wo der Gasthof „Zum Elefanten“ stand, in dem die vornehmen Fremden
-abzusteigen pflegten. Auf dem weiten Platze blieb sie einen Augenblick
-stehen, um zu verschnaufen. Ihr einziger Gedanke war gewesen, den
-Reisewagen des Junkers von Collenberg vor dem Gasthaus zu erreichen;
-da aber kein Fuhrwerk vor der Treppe hielt, flog sie weiter, um durch
-das Falkentor zu entkommen. Doch schon gellte der Volksruf: „Fangt
-die Hexe!“ hinter ihr her und erregte die Aufmerksamkeit einiger
-Fuhrknechte, die vor dem halbverschlossenen Tore beieinander standen
-und rasch die Arme ausstreckten, um die Fliehende abzufangen. Da bog
-sie wie der Wind in ein anderes Seitengäßchen ein; doch überall, wohin
-sie sich auch wenden mochte, überall begegnete sie feindseligen oder
-lachenden Gesichtern: denn den Frankenthalern war es inzwischen zum
-Bewußtsein gekommen, daß für die Hexe kein Türlein zum Entwischen offen
-stand, und nun gedachten sie die Atemlose wie eine Maus bis zu letzter
-Erschöpfung im Kreise herumzuhetzen und sie erst zu fangen, wenn sie
-keinen Fuß mehr heben konnte.
-
-So gelangte sie in wilder Hatz ein zweites Mal vor das Falkentor,
-über dessen Zinnendach nun der Ton des Posthorns noch einmal wie ein
-ersterbender Hauch aus weitester Ferne hereinklang. Einen Augenblick
-stand die Atemlose still, um sich zu besinnen: da hörte sie, wie sich
-das Gejohl und Geschrei ihrer Verfolger nah und näher wälzte, wie
-es gellend und pfeifend aus allen Gassen zusammenbrauste und über
-den Dächern zusammenschlug. In jäher Todesangst floh sie in den Turm
-und stürmte die schmale Holztreppe empor, die aus der Torhalle auf
-den uralten Wehrgang hinter der Stadtmauer führte, und eilte unter
-der niederen Bedachung des Umgangs weiter. Und wie ein himmlischer
-Schutzort glänzte ganz plötzlich das Haus des Ratsherrn Kemmeter vor
-ihr her, dessen Garten, wie ihr nun einfiel, an die Stadtmauer grenzte.
-Sie mußte allerdings, um in den Garten zu gelangen, einen Sprung in
-die Tiefe wagen. Da sie aber schon die Tritte der Verfolger zu hören
-glaubte, ließ sie sich ohne langes Besinnen von der hölzernen Brüstung
-des Wehrganges auf ein umgegrabenes Beet fallen und gelangte, bis zum
-Tode erschöpft, vor die Hintertüre des Flures, deren Klinke dem Drucke
-ihrer Hand nachgab. Margret, die Schwester des Spitalpflegers, die
-gerade eine Windel für ein Waisenkindchen säumte, machte große Augen,
-als Babette Glock wie ein gehetztes Wild in die Stube stürzte und mit
-hauchloser Stimme um einen Zufluchtsort bat. Die alte Jungfer sah
-nicht gerade mit liebevollen Augen auf das Mädchen, das als keckes,
-mundfertiges Wesen in ihrem Gedächtnis lebte und nun, da sie als
-Flüchtige kam, vielleicht Sorge und Belästigung in das Haus brachte.
-Da sie nicht wußte, was der nächste Augenblick bringen würde, und sie
-gewohnt war, nichts ohne ihren Bruder zu tun, löste sie den Strick von
-den Händen der Erschöpften und sperrte, ohne ein Wort zu sagen, das
-still vor sich hinweinende Mädchen in eine Bodenkammer. Dann verschloß
-sie, der weiteren Dinge harrend, die Gassentüre des Hauses. Nach einer
-Weile hörte sie, wie eine johlende Menge in dem Wehrgang über dem
-Garten hin und her stürmte; aber es erschien niemand in dem Hause, um
-nach der Entflohenen zu spähen, und so hielt sie es für angebracht,
-die dumpf vor sich Hinbrütende zu heiligem Schweigen zu mahnen, da die
-Magd bald vom Markte heimkäme. Sie fragte unwirsch, ob Babette ein
-Gläschen Wein wolle, und brummte wie ein Hausdrache vor sich hin, als
-die Erschöpfte mit aufgehobenen Händen und erloschener Stimme nach dem
-Ratsherrn verlangte. --
-
-Als der Spitalpfleger eine Stunde später nach Hause kam, ließ sich die
-Jungfer Margret erst die Flucht der Hexe erzählen, und dann geleitete
-sie, ohne einen Muckser von sich zu geben, ihren Bruder in die Kammer,
-wo Babette mit weiten Augen und schwer atmend auf einer niedern Truhe
-saß. Sie hatte in dem dunklen Gelaß jede Hoffnung auf Rettung verloren
-und war gewärtig, jeden Augenblick ergriffen zu werden.
-
-„Du hast uns da ein hübsches Süpple eingebrockt,“ sagte der Ratsherr
-unwirsch, als er gewahrte, wie die Tränen über die Wangen der Gehetzten
-niederrannen. „Und ich soll’s ausessen, gelt? Aber so ist die Jugend:
-nur wenn sie uns braucht, kommt sie zu uns, damit wir die Fädchen,
-an denen sie zappelt, zu einem seidenen Stricklein drehen, um das
-Glück an ein rechtes Handgelenk zu binden. Wenn wir aber auch am
-Tischle sitzen wollen, wo sie aus vollen Bechern trinkt, dann heißt
-es: Geh, du hast dein Teil gehabt! Die Jungfer weiß vielleicht, daß
-ich französisch parlieren kann und zwei Jahre auf der Akademie in
-Straßburg gemeines und kirchliches Recht studiert hab? Aber Sie weiß
-nicht, daß ich mich da auch um andere Dinge gekümmert habe, die auf
-keinem Kirschbaum wachsen. Und einen Trost von da hab ich mitgebracht:
-Es kommt immer anders! Die Jungfer muß erst Großmutter werden, eh Sie
-versteht, was das besagen will. Was aber sollen wir mit Ihr anfangen?
-Nun, was das Hexensüpplein anbelangt, so soll mir der Rat beim Essen
-helfen und tüchtig blasen, damit er sich die Zunge nicht verbrennt
-und, ~vel votando vel consulendo~, lernt, wie Hexenmählchen schmecken.
-He, Jungfer Glock, Ihr könnt Euch rühmen, den alten Bienenkorb fein in
-Aufruhr gebracht zu haben. Hört Ihr den Lärm? Nun wird sich zeigen,
-ob Seine Ehrwürden der Propst recht hat, wenn er behauptet, die Zeit
-himmlischer Erleuchtung sei nie näher gewesen als heute, Apokalypse
-dies oder jenes Kapitel. Es wäre zum Lachen, wenn ein fliehendes
-Frauenzimmerchen den Herren dieses Lichtlein aufgesteckt hätte, damit
-sie auch sehen, welches Süpplein sie blasen. Und auch die Zunft der
-Bader wird heut zu tun bekommen.“
-
-Da Babette schwieg, hob Christopher Kemmeter das Kinn der Sitzenden
-empor und lachte dann: „Was seht Ihr mich an? Habt Ihr vielleicht schon
-einen schöneren Jüngling gesehen? Was würdet Ihr sagen, wenn ich Euch
-bei der keuschen Susanna im Bad ersuchte, meine liebwerte Ehefrau zu
-werden? Ich möchte auch einmal, wenn ich abends aus dem Ratskeller nach
-Hause komme, von weichen Pfoten gekrault werden. Meine Schwester ist
-ein altes Fegefeuer und hat nicht die Hand dazu.“
-
-„Der Herr von Collenberg ist durchgefahren?“ fragte Babette, mit einem
-Blick, aus dem fast kein Leben leuchtete.
-
-„Mit einer Braut, die sich der Batzenschmelzer aus Mainz geholt hat.
-Laßt ihn fahren; den seht Ihr niemals wieder.“
-
-Babette Glock sank auf die Truhe zurück und starrte vor sich hin: was
-sie da vernahm, stieß sie wieder in den Jammer öder Hoffnungslosigkeit
-zurück, und doch wunderte es sie selbst, daß sie keinen tieferen
-Schmerz ob dieser Nachricht empfand. Der Spitalpfleger scherzte
-indessen weiter: „Und ich gefall Euch nicht?“
-
-Da überkam die Reglose jählings ein Gefühl der Beruhigung, und
-plötzlich erwachte die Schelmin in ihr: „Ich will keine Wittib werden,“
-sagte sie seufzend, während ihr die hellen Tränen in die Augen schossen.
-
-Der Ratsherr zwinkerte mit den Äuglein unter seinen buschigen Brauen:
-„Ihr verurteilt mich ja zu einem raschen Sterben! Aber was habt Ihr,
-wenn Ihr einen verängstigten Hungerleider nehmt, der nicht lachen kann
-und seine Bettelsuppe mit saurem Gesicht ißt?“
-
-„Ich hab zuviel gelacht,“ seufzte sie, worauf sie in ihre vorige
-Trübsal zurücksank.
-
-„Wenn es der Geiß zu wohl wird, geht sie gern aufs Eis. Nichts für
-ungut, Jungfer: Ihr habt ein Schelmenaug, das schlimmere Dinge verrät,
-als ein roter Mädchenmund sagen kann. Ich würde Euch gern einen Mann
-schicken, der meine Sache führen soll; aber ich kenne keinen: zu
-Frankenthaler Kanzlern nimmt man niemals aufrechte Männer, weil man sie
-in diesem Amt nicht brauchen kann.“
-
-„Ihr sollt nichts Schlimmes über ihn sagen,“ bat Babette mit leiser
-Stimme.
-
-„Frauenwille, Gotteswille,“ drohte Christoph Kemmeter mit erhobenem
-Finger, und in ausbrechender Sorge fügte er hinzu: „Nun aber halt dich
-still. Es darf keine Seele erfahren, daß wir ein Hexlein beherbergen.
-Und muckse nicht, wenn unsere Magd, die alte Urschel, auf dem Speicher
-rumort: den Schlüssel zu der Kammer da hab ich verloren, wenn sie ihn
-verlangt. Und deiner Tante will ich zur Gemütsberuhigung sagen, sie
-soll uns doch noch einen Hochzeitskuchen, einen echten Frankenthaler
-Blatz mit Weinbeeren, backen.“
-
-Da saß nun Babette zum zweiten Male in Gefangenschaft und hatte
-Muße, über das Wesen der Menschen nachzudenken. Von dem schmalen
-Giebelfensterchen aus konnte sie einen Teil des Gartens überblicken,
-der sich hinter dem Hause des Spitalpflegers bis an die Mauer
-erstreckte, und wenn sie das Köpfchen aus dem Fenster streckte, konnte
-sie den Duft der Blumen riechen, der aus der stillen Mauergartenwelt
-in ihre Kammer emporstieg. In dem ummauerten Garten herrschte ein
-geheimnisvolles Leben: die Amseln huschten zankend über die Beete,
-ein Brünnlein perlte in ein zerborstenes Becken, und die ersten Rosen
-glühten aus der grünen Tiefe. Einmal sah sie auch den alten Kemmeter,
-wie er mit einem Kännchen von Beet zu Beet ging und dann die Faust
-gegen den Wehrgang schüttelte, über dessen Brüstung von Zeit zu Zeit
-neugierige Gesichter lugten. Da zog sie sich in das Innere zurück. Sie
-hatte gehofft, der alte Ratsherr werde in einem Stündchen schon mit
-dem Geliebten daherkommen, damit sie gemeinsam berieten, wie sie zu
-ihrer Base in Zell entkommen könne; doch die Stunden zogen sich hin,
-und erst gegen Abend erschien der Ratsherr mit der Nachricht, der Herr
-Stadtschreiber habe sich bei einem Hexengespräch gegen jede Würde
-hinreißen lassen, in einer Weinstube die Hand gegen ein paar Laffen aus
-der Freundschaft des Bürgermeisters zu erheben, und liege nun mit einer
-Stirnwunde zu Bette.
-
-„Sie hat den Heldengeist in ihm geweckt,“ scherzte der Alte, und
-Babette entgegnete leise, aber fest: „Ich werde noch ganz andere Dinge
-in ihm wecken.“ Aber sie zeigte, zum Erstaunen des Ratsherrn, weiter
-keine Neugier, Näheres über diese Schlägerei zu erfahren, sondern
-fragte nur: „Wann kann ich ihn sehen?“
-
-Der Alte versprach, ihren Wunsch zu erfüllen; er habe ihr Versteck noch
-nicht verraten; aber er werde den Helden am nächsten Tage lebendig oder
-tot herbeischaffen, und Babette, die in dieser Nacht zum erstenmal
-wieder traumlos ruhig schlief, erbat sich am nächsten Morgen ein
-Nähzeug, um ihr Busentuch auszubessern. Die Jungfer Margret sah ihr
-dabei ein Weilchen zu und brachte dann ein paar Waisenhemdchen herbei,
-die Babette säumen sollte. Sie hatte sich vorgenommen, dem kecken Ding
-gehörig auf die Finger zu gucken; aber wenn Babette die leuchtenden
-Augen aufschlug, blieben der alten Jungfer die Scheltworte in der Kehle
-stecken, und nur ein Knurren der Abziehenden verriet, daß sie mit sich
-selber unzufrieden war.
-
-Mit sinkender Nacht betrat Friedrich Lerch, den Dreispitz tief auf
-die Stutzperücke gedrückt, das Haus des Spitalpflegers. Dieser ließ
-sich zuerst des weiten und breiten berichten, was die Frankenthaler
-über die verschwundene Hexe hin und her redeten und wem das Fell von
-Prügeln juckte; dann ging er hüstelnd in dem Gemach auf und ab, guckte
-in ein Schränkchen und schloß es wieder zu, stopfte seine holländische
-Pfeife und holte endlich aus dem Keller eine Kanne Wein, aus der
-er dem Stadtschreiber fleißig einschenkte. Als er selbst ein paar
-Gläser getrunken hatte, fing er an: „Friedrich Lerch, ich hab Seinen
-Vater gekannt, und weiß Er, was mir mein guter Freund, der selige
-Kammerdirektor Lerch, eines Tages, auf einer Schweinshatz, sagte: ‚Ich
-hab sieben Buben, und einen, der ist zu allem unbrauchbar. Nicht einmal
-zum Haferschneiden weiß er sich anzuschicken.‘ -- Ich tröstete den
-Vater dieses Sorgenbuben und sagte: ‚Laßt ihn lateinisch lernen!‘ Hat
-Er’s gelernt? Weiß Er, was Horaz vom Tage sagt? ~Carpe diem!~“
-
-Ein bitteres Lächeln umflog den Mund des unbestätigten Kanzlers;
-doch der Alte fuhr fort: „Hat Er so an den Kosttischen gelächelt,
-die Er in Altdorf ausgefressen? Nichts für ungut: daß Er mit Seinen
-Brüdern nicht aus dem Vollen schöpfen konnte, kam daher, daß sich mein
-getreuer Freund, Sein seliger Vater, zu früh aus dem Staub gemacht
-hat in ein besseres Jenseits. Nicht ohne Grund: denn ich könnte
-allerlei Geschichten erzählen, wie man an kleinen Höfen lebt und
-seine Leute preßt. Als ich das letztemal bei Seinem Herrn Vater in
-Weiningen weilte, gab er mir ein Reskript zu lesen, dessen Wortlaut
-ich mir eingeprägt habe. ‚Von Gottes Gnaden, Wir Ulrich Ernst, Fürst
-von Weiningen (und das und das und so weiter). Lieber, Getreuer!
-Nachdem Unsere Fürstliche Gemahlin Durchlaucht eine Reise ins Bad nach
-Pyrmont vorzunehmen gnädigst beschlossen haben, hiezu aber noch ein
-Reisezuschuß von 500 Dukaten in Gold unumgänglich erforderlich ist,
-also befehlen Wir dir in Gnaden, besagte Summe aus deiner Amtskasse,
-in Ermanglung deren aber aus eigenen Mitteln, binnen vierundzwanzig
-Stunden, bei Vermeidung der Exekution, herbeizuschaffen.‘
-
-Und weiß Er, was Sein Vater tat? Er meldete, daß er aus seinem eigenen
-Säckel bereits 150 Gulden in die Hofküche gespendet, worauf ihm ein
-Schreiben zukam: ‚Wir u. s. w. Lieber, Getreuer! Nachdem Wir aus
-deinem untertänigen Bericht ~de dato hesterno et praesentato hodierno~
-in Gnaden ersehen haben, daß ~Pars prima rescripti nostri~ nicht in
-Anwendung zu bringen, also hat es bei ~Pars secunda~ desselben sein
-unausbleibliches Bewenden.‘ Das wollte besagen, daß die besagten 500
-Dukaten von dem Kammerdirektor Lerch beschafft werden mußten, und daß
-Seine Mutter später mit der Rentkasse im Streit lag, um ihren hungrigen
-Buben das Vorgeschossene zu erstreiten. Er weiß auch, daß Sein Vater
-längere Zeit gelähmt dalag und nur noch das eine Wort ‚Hundsfötter‘
-hervorbringen konnte. Ich weiß nicht, wen er damit meinte, kann mir’s
-aber denken. -- Hundsfötter und Herrgötter gibt einen Reim, womit
-ich übrigens keine Blasphemie gegen unsern lieben alten Herrgott und
-Seligmacher an den Mann gebracht haben möchte. Doch nun frag ich Ihn:
-Was gedenkt Er zu tun?“
-
-Friedrich Lerch zuckte die Achseln.
-
-Doch der Alte fuhr fort, und aus seiner Stimme klang es wie Hohn und
-Grimm: „Er ist ein studierter Mann. Weiß Er nicht, daß alle Dinge an
-ein Fädchen geknüpft und so miteinander verstrickt und verwoben sind,
-daß man kein Mäschlein auflösen kann, ohne ein Löchlein in das Geweb zu
-machen? Und daß, wer A sagt, auch B sagen muß? Und daß des Herrgotts
-Boten so leis zur Tür hereinkommen, daß wir gar keine Zeit finden, sie
-hinauszuwerfen, ehe sie ihre Botschaft an den Mann gebracht haben? Er
-ist eine brave, aber furchtsame Seele. Hat Er sich’s schon überlegt,
-daß man damit den Weibsen nicht in die Augen sticht?“
-
-Friedrich Lerch seufzte.
-
-„So denkt Er immer noch an die Hexe? Schlag Er sich das Frauenzimmer
-aus dem Sinn. Er ist nicht gemacht, um mit Hexen zu leben. Ich rate
-Ihm, eine gestandene Jungfer zu nehmen, die eine doppelte Aussteuer in
-ihrer Kammer, einen Gültbrief in ihrem Laden und hundert Kronentaler in
-ihrem Strumpf versteckt hat. Zwölf Kinder soll Er bekommen, und beim
-dreizehnten kann Er mich zum Dot bitten.“
-
-„Sie werden sie wieder fangen,“ seufzte der Stadtschreiber, der in
-einem fort an Babette dachte.
-
-„O, la la,“ lachte der Alte.
-
-„Und ich könnte sie alle an den Galgen bringen, wenn es noch Recht und
-Gerechtigkeit gäbe,“ schrie Friedrich Lerch, in dem nun der Wein zu
-wirken begann, ganz plötzlich auf. „Ich habe erst einen Blick in die
-Vetterleswirtschaft am Ort getan und weiß doch schon, daß sie alle, die
-hochmögenden Herren, Taschen mit doppelten Böden haben. Der hat einen
-Sohn und jener eine Tochter, die alle meinen, es schmecke kein Kuchen
-so süß als der, den sie aus dem Stadtmehl backen. --“
-
-Der Ratsherr lachte aus vollem Halse: „Er ist toll. Weiß Er am End
-auch schon, daß man am weichsten auf dem Leder geht, das man aus
-dem Rücken der anderen schneidet? Hat Er darüber nachgedacht, warum
-wir von der gleichen Konfession die gleiche Anzahl Ratsherren,
-Pfaffen, Stadtausrufer, Hochzeitansager, Büchsenmacher, Glockengießer,
-Apotheker, Ärzte und Scharfrichter haben, warum aber nur ein
-Bürgermeister regiert? Hat Er noch nicht bemerkt, daß der katholische
-Totengräber seine Leute mit einem anderen Gesicht eingräbt als der
-lutherische? Und was will Er machen, wenn Er, wie ich als Armenadvokat,
-eines Tages zum Waisenvater und Rentmeister des Waisenhauses zugleich
-ernannt wird und in die seltsamste Zwickmühle gerät? Setz Er den
-Fall, der Waisenvater -- Er -- befehle dem Rentmeister -- Ihm --, den
-unglücklichen Waisenkindern einen Osterkuchen aus Weizenmehl backen zu
-lassen, und der Rentmeister weigere sich, Seinem Befehl zu gehorchen,
-weil kein Geld in der Kasse ist? Wird Er den Lümmel nicht koramisieren?
-Wird Er -- als Waisenvater -- dulden, daß der Rentmeister Ihm auf
-ein ungeschriebenes ~Promemoria~ von hundert Seiten keine Antwort
-gibt, sondern Ihn vielleicht gar auf die immerwährende Frankenthaler
-Kirchweih lädt? Wenn Er in solchen Lagen, wie ich sie zu hundert
-Malen durchgemacht habe, nicht zum voraus Bescheid weiß, versteht
-Er nichts ~in politicis~, und ich rat Ihm als guter Freund, lieber
-heut als morgen eine gut dotierte Stellung in dem Utopien des weiland
-Kanzlers Morus zu suchen, nicht aber in einer paritätischen Republik,
-deren Verfassung auf dem Westfälischen Frieden gutgeheißen wurde und
-dem kaiserlichen Hofrat in Wien auch heut noch zuweilen den heiligen
-Amtsschlaf stört. Ich will Ihm, falls Er als Scriba beim Amt zu
-bleiben und das Juramentum zu leisten gedenkt, einen guten Rat geben:
-Trag Er nur fein immer den Hut in der Hand, wenn Er dem regierenden
-Herrn Bürgermeister oder einem hochmögenden Ratsherrn begegnet, und
-katzenbuckle Er wie ein Hungerleider, der Schlehen für Pflaumen frißt,
-wenn die Not an den Mann geht. Und wenn von der hochmögenden Obrigkeit
-die Rede ist, die, wie ich jüngst in einem alten Hexenurteil gelesen,
-von Gott eingesetzt und mit scharfem Verstand begabt ist, so sitz Er
-mit ehrfürchtigem Gesicht da und laß Er Seine Ohren hängen, wie es die
-bockigen Esel tun. Sollte Er zufällig ein Weinglas vor sich stehen
-haben, so kann Er trinken; aber Er lasse es nicht merken, daß Er es
-vielleicht tut, um Seinen Ärger hinabzuspülen. Vor allem aber mach
-Er sich nie mit der Geistlichkeit zu schaffen; denn da wird Er, wie
-ich Ihm auf Eid und Treu versichern kann, immer den kürzeren ziehen,
-obwohl ich Leute kenne, welche die wohlehrwürdigen, großachtbaren und
-hochgelahrten Herren mit und ohne Beffchen zu eigenem Gaudio hie und
-da hübsch gezaust haben, hihi. Und wenn Er Geld hat, laß Er es nie
-merken, sondern sperre Seine errackerten Kronentaler in einen Strumpf
-ohne Loch; denn die Strümpfe sind nicht dazu da, daß man darauf gehe,
-sondern daß man sie voller Batzen im Bettstroh verstecke. Und wenn Er,
-was nicht immer ein Glück ist, Söhne bekommt, so laß Er sie nicht in
-den metaphysischen ~Terris incognitis~ herumvagieren, sondern laß Er
-sie wieder Stadtschreiber werden, welches Amt mit Gehalt und Gefällen
-seinen Mann redlich und kümmerlich nährt in Ewigkeit. Amen.“
-
-„Sie hat keinen Menschen auf der Welt,“ jammerte der Stadtschreiber,
-der immer wieder an Babette dachte, weiter.
-
-„Will Er um eines Weibsbilds willen auf die schönste Stadtschreiberei
-in der schönsten Stadt Kleinfrankens verzichten, über deren Rathaustor
-die vielsagenden Buchstaben ~S. P. Q. F.~, das heißt ~Senatus
-Populusque Frankenthalensis~, eingemeißelt stehen? Weiß Er, wie Hunger
-tut, und wie kleine Kinder schreien, wenn sie kein Brot haben? Meint
-Er, Verliebte leben von Nektar und Ambrosia? Oder will Er wirklich in
-der Welt draußen Seinen gelahrten Mann stellen und sehen, wie Er sich
-in den Händeln ein Haus zimmert?“
-
-„Den Bettel werf ich ihnen vor die Füße,“ schrie der Kanzler.
-
-„Weiß Er, daß man an weltlichen Höfen kriechen und an geistlichen ein
-Aug zudrücken muß, falls man eine schöne Frau mitbringt?“
-
-„Heut noch geh ich aus der Stadt.“
-
-„Will Er das wirklich? Nun, vielleicht ist Er der Mann, um an einem
-geistlichen Hof besser fortzukommen als in dieser Stadt, von der ihre
-Nachbarn seit Methusalems Zeiten absonderliche Schwänke erzählen.
-Es heißt, unter dem Krummstab ist gut wohnen, und die hochgeborenen
-Domherren in Mainz, Würzburg oder Bamberg haben Leute, die nach dem
-Verse ‚~On trouve avec le ciel des accommodements~‘ leben, nicht ungern
-um sich. Aber wenn Er solche Pläne in Seinem Cerebro wälzt, so nehm
-Er sich auch gefälligst eine gute Lehre von dem Mohren mit, der auf
-unserem alten Wachturm dem ganzen heiligen römischen Reich die Zunge
-zeigt und den Leuten mit dieser Geste verkündet, was ein Biedermann von
-ihnen und der Welt ~sub rosa~ zu denken hat. Aber eh Er Seine Höhle
-aufsucht, will ich Ihm noch etwas Hübsches zeigen.“
-
-Ehe er sich erhob, blickte Christopher Kemmeter mit gespitztem Mund in
-die Kanne, um zu sehen, ob sie leer sei, und dann nahm er den wild
-dreinblickenden Kanzler am Arm, führte ihn eine knarrende Holztreppe
-hinauf und stieß ihn in eine Gerümpelkammer, wo Babette blaß und gefaßt
-bei einer geschnäbelten Öllampe am Tische saß und ein Waisenhemdlein
-säumte. Sie wollte aufflammen, als Friedrich Lerch stolpernd eintrat;
-als sie aber sein gedrücktes Wesen bemerkte, warf sie sich in seine
-Arme und brach in herzzerreißendes Weinen aus. Er streichelte ihr
-zärtlich die blassen abgemagerten Backen; aber er wagte noch lange kein
-Wort zu reden, bis sie endlich tief aufseufzte und fragte: „Was soll
-nun werden?“
-
-Da erwachte der Mann in Friedrich Lerch, und er besaß mit einem Male
-eine Menge von Talenten und Schlichen, mit deren Hilfe er es zu einem
-schönen Ämtchen in einem der zahllosen Ländchen des Gaus zu bringen
-gedachte. Er tat, als ob er zeit seines Lebens nur mit Domherren,
-Kammerdirektoren, Rentmeistern und Sekretären Umgang gepflogen hätte,
-und ließ sein Rößlein immer wilder steigen. Babette hörte ernsthaft
-zu; als er aber mit dem Auskramen seiner Pläne fertig war und wieder
-in seine alte Mutlosigkeit zurücksinken wollte, gab sie ihm einen
-zärtlichen Rippenstoß, und als er ihre schimmernden Augen gewahrte,
-empfand er die tröstliche Gewißheit, daß die alte Babette noch lebe,
-und glückselig schloß er die Erglühende zum erstenmal in seinem Leben
-in die Arme.
-
-So saßen sie eine Weile wortlos da, bis die wie ein Vögelein sich
-duckende Babette sich plötzlich losmachte und fragte: „Wenn ich nun
-aber doch ein Hexle wär?“ Und als Friedrich Lerch leise lachte, verzog
-sie schmollend ihr blühendes Mündchen und seufzte: „Ach ja, das kommt
-davon!“
-
-Die Wahl des Friedrich Lerch zum Stadtschreiber wurde von den
-hochmögenden Regierenden in Frankenthal nicht bestätigt. Die
-Evangelischen setzten es durch, daß, nach altem Recht und Brauch,
-einer der Ihrigen an die Stelle kam, und zu ihrem Erstaunen erhob der
-Spitalpfleger Christopher Kemmeter keine Einsprache. Er wurde überhaupt
-in diesen Tagen selten in der Stadt und im Rat gesehen, und wenn Gaffer
-kamen, um nach ihm zu sehen, erzählte er ihnen des langen und breiten,
-daß sein guter Freund, der Abt von Fulda, drei Fässer Zypernwein bei
-ihm bestellt habe, die er in nächster Zeit zu liefern gedenke. Wenn die
-Rede auf die verschwundene Hexe kam, spielte er den Schwerhörigen, und
-wenn ihm einer auf den Kopf zusagte, daß er bei dem Handel die Hand
-im Spiele habe, brummte er, ihm tue nur leid, daß die Gerichtsherren
-um ihr dreitägig Fasten gekommen seien. Er wußte, daß die Anhänger
-des Bürgermeisters sein Haus umschlichen und auch draußen, vor den
-Mauern, ihre Späher hatten; allein die Späher fanden es doch in der
-Ordnung, daß eine Woche nach dem Verschwinden Babettes ein Wagen mit
-drei Fässern vor dem Keller des Ratsherrn hielt, und kein Mensch ahnte,
-daß Babette unter dem mittleren, das keinen Boden hatte, saß und mit
-angstvollen Ohren dem Spiel des Postillions lauschte, der eine fromme
-Weise blies, als er langsam aus dem Falkentore fuhr. --
-
-Friedrich Lerch selbst war eines Tages ohne Sang und Klang aus der
-Stadt verschwunden, und ein Gerücht wollte bald darauf wissen, er sei
-mit der Hexe Babette Glock in Bischofsheim gesehen worden.
-
-Der Ratsherr Christoph Kemmeter erbot sich daraufhin, bei dem
-kurmainzischen Oberamtmann, dem Herrn Hans Rüdt von Collenberg, Klage
-zu erheben, falls das Gerücht von dem sündhaften Hexenschutz auf
-Wahrheit beruhen sollte. Als er in einem alten Roquelaure, der seit
-zwanzig Jahren unbenützt im Schranke hing und da und dort Mottenlöcher
-sehen ließ, in den Postwagen steigen wollte, hörte er, daß zwei
-Wäscherinnen im Nachbarsgarten die Hexe Babette Glock gesehen haben
-wollten, wie sie, mit fliegendem Haar und auf einem Besenstiel reitend,
-dreimal um den Türmersturm geflogen sei und dem zungenreckenden Mohren
-ihr spitzes Zünglein gezeigt habe. Die beiden Gevatterinnen schwuren
-hoch und teuer, daß ihnen das Luder nicht mehr entwischen werde, wenn
-sie sie wieder fangen würden. Der Herr Spitalpfleger ließ sich die
-Geschichte zweimal erzählen und bemerkte dann, die Nürnberger hätten
-noch nie eine Hexe verbrannt, ohne sie zu haben, und so riet er auch
-den beiden Gevatterinnen, doch ja den Rat dafür zu stimmen, daß dieser
-löbliche Rechtsbrauch der Nürnberger nicht in Verfall gerate.
-
-In der alten Tauberstadt ging er erst seinen Weingeschäften nach und
-ließ sich dann bei dem Junker Emmerich melden, den er in dem schmalen
-Schloßgarten zwischen zwei geputzten Frauenzimmern auf und ab wandelnd
-fand: es waren die junge Freifrau Ottilie und Babette, die nun ganz
-französisch ausstaffiert war und ein bemaltes Fächerchen in der Hand
-trug, an der ein goldenes Ringlein glänzte. Sie lief leichtfüßig auf
-den alten Ratsherrn zu, gab ihm einen Kuß und flüsterte ihm ins Ohr:
-„Wir halten übermorgen Hochzeit. Und dann will ich _ihn_ ziehen.“
-Und dann floh sie wieder zu ihrer neuen Freundin und faßte sie, wie
-Zuflucht suchend, am Arm, während der Junker seine Fahrt an den Hof zu
-Mainz erzählte und dem Gast den beklagten Gebetsstuhl der Familie von
-Collenberg zur Verfügung stellte. --
-
-Da in diesem Augenblicke Friedrich Lerch aus der Rentstube daherkam,
-um seinen Gönner zu begrüßen, benützte dieser die Gelegenheit zu einem
-Scherze; er rief: „Er kommt gelegen. Er kennt doch die Geschichte von
-dem Gebetsstuhl, den mir der Herr Baron soeben zum Gebrauch für eine
-Hochzeit angeboten? So sag Er mir doch, welchen Bescheid Er hätte
-ergehen lassen, wenn Er Geheimer Rat des durchlauchtigsten Erzkanzlers
-gewesen wär.“
-
-Friedrich Lerch sah Babette an und entgegnete nach einer Weile: „Wir
-Johann Karl Friedrich von Gottes Gnaden, des Heiligen Römischen Reiches
-durch Germanien Erzkanzler und Kurfürst etc. fügen Unserm lieben
-getreuen Amtmann zu wissen, daß der beklagte Gebetsstuhl in Unserer
-Pfarrkirche zu Bischofsheim an seinem Platz zu bleiben hat; aber Wir
-geben ihm den wohlmeinenden Rat, den Vorhang offen zu halten, wenn
-der Herr Dekan predigt oder das Hochamt zelebriert, und die beklagte
-Schließung des Vorhangs, die Wir seiner christlichen Demut zugute
-halten wollen, für die Predigten und stillen Messen der Vikare und
-Kapläne zu versparen --“
-
-Der Ratsherr lachte: „Er hat etwas gelernt! Er wird Sein Glück an einem
-Hof machen.“
-
-Doch da mischte sich Babette ins Gespräch: „Und wie haben wir uns im
-Betstuhl zu verhalten?“
-
-Der Frankenthaler Ratsherr entgegnete: „Die Jungfer wird nie das
-Gelüsten haben, den Vorhang zuzuziehen; denn die Frauenzimmer wollen
-auch beim Beten gesehen werden.“
-
-Babette knickste und ergriff die Hand ihres Liebsten, um mit der
-Gesellschaft den Gang in die Kirche anzutreten, wo der Betstuhl in
-seiner funkelnagelneuen Pracht mitten in dem Hauptgang vor dem Chore
-stand. --
-
-Christopher Kemmeter kam erst nach einer vollen Woche mit einem
-Hochzeitssträußchen an seinem Roquelaure und einem verschmitzten
-Gesicht heim. Er sprach zuerst bei der Margret Hippler vor, die wie
-sonst mit friedlichem Gesicht an ihrem Spinnrad saß, und erzählte dann
-in der Trinkstube und im Geheimen Rat, daß er in der Stadt der heiligen
-Lioba zwar auch einen festen, runden Hexenturm, aber keine Hexe darin
-gefunden habe, da die Hexen im Taubergrunde gründlich ausgestorben
-seien.
-
-Friedrich Lerch half dem kurmainzischen Amtmann Collenberg eine
-Zeitlang bei dessen Amtsgeschäften, und später, als der Graf Stadion
-den Junker Emmerich als Rat des Erzkanzlers nach Mainz zog, begleitete
-er den jungen Herrn an den kurfürstlichen Hof, wo er selbst bald darauf
-eine Stellung als Geheimschreiber fand und durch Josef II. in den
-Adelsstand erhoben wurde. Babette Glock schenkte ihm ein einziges
-Töchterchen, das sich im Blütenalter von sechzehn Jahren mit dem
-Hauptmann Ignaz von Schreckenbach vermählte und sieben Söhne zur Welt
-brachte, die nach Wien gerieten und da in kaiserliche Dienste traten.
-Sie hatten alle sieben das Gemüt ihrer Großmutter geerbt, und wenn es
-heute unter den vielgepriesenen Wienerinnen noch viele heimliche Hexen
-gibt, so ist diese Wesenheit gewiß zu einem kleinen Teil auf das Blut
-der letzten Frankenthaler Hexe zurückzuführen.
-
-
-
-
- Im Insel-Verlag zu Leipzig
-
- erschienen von
-
- Wilhelm Weigand
-
-
-
-
- Die Frankenthaler. Roman. 11.-15. Tausend.
-
- Der Ring. Ein Novellenkreis.
-
- Wendelins Heimkehr. Eine Erzählung aus der Fremdenlegion.
- (Insel-Bücherei Nr. 167.)
-
- Der verschlossene Garten. Gedichte aus den Jahren 1901-1909.
-
- Könige. Ein Schauspiel in fünf Akten.
-
- Psyches Erwachen. Ein Schauspiel in drei Akten.
-
- Stendhal und Balzac. Essays.
-
-
-Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m. b. H., Leipzig
-
-*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HEXE ***
-
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-<div lang='en' xml:lang='en'>
-<p style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold'>The Project Gutenberg eBook of <span lang='de' xml:lang='de'>Die Hexe</span>, by Wilhelm Weigand</p>
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
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-</div>
-
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: <span lang='de' xml:lang='de'>Die Hexe</span></p>
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Wilhelm Weigand</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Release Date: September 29, 2022 [eBook #69066]</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Language: German</p>
- <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em; text-align:left'>Produced by: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)</p>
-<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DIE HEXE</span> ***</div>
-
-<h1>Die Hexe</h1>
-
-<p class="title">Eine Erzählung</p>
-
-<p class="title">von</p>
-
-<p class="title">Wilhelm Weigand</p>
-
-<div class="figcenter illowp75 spaced" id="inselschiff" style="max-width: 7.5em;">
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-<hr />
-<p class="center">Im Insel-Verlag zu Leipzig</p>
-
-<div class="chapter spaced">
-<p class="drop-cap">An einem schönen Maimorgen des Jahres 1751 fuhr
-eine festliche Gesellschaft in einem Dutzend alter
-Staatskutschen aus dem Falkentor der Reichsstadt
-Frankenthal auf das Appental los. Es galt, der Grundsteinlegung
-des Schlosses Monrepos anzuwohnen, das der
-Fürstbischof Adam Friedrich von Helmstätt nach den Plänen
-Johann Balthasar Neumanns für seinen Neffen, den jungen
-Fürsten Lothar Franz von Weiningen, der sich just auf
-seiner Kavalierstour durch Europa befand, an der Stelle
-eines alten Jagdhauses errichten ließ. Am Vorabend des
-bedeutsamen Ereignisses war der Domherr Withold von
-Hutten als Vertreter seines Herrn, der in Würzburg an
-der Gicht darniederlag, mit einem würdigen Gefolge von
-Weltgeistlichen und bischöflichen Beamten in Frankenthal
-angelangt, um die Ehrengäste auf dem Bauplatze zu begrüßen
-und nach der Grundsteinlegung unter einem offenen
-Zelte zu bewirten. Auf der Herreise war er in dem Wallfahrtsorte
-Walldürn mit einem Sohne des kurmainzischen
-Oberamtmanns zu Bischofsheim, dem jungen Freiherrn
-Emmerich Rüdt von Collenberg, zusammengetroffen, der in
-einer Familienangelegenheit an den Hof nach Mainz ging
-und die berühmte Reichsstadt nur auf der Durchreise zu berühren
-gedachte. Doch das Unglück wollte es, daß der
-vorausfahrende Kutscher des Freiherrn, ein gewalttätiger
-Bursche, in der engen Torgasse gegen einen Prellstein fuhr
-und die Achse seines Reisewagens brach. Der junge Herr
-gab dem Tölpel einen Fußtritt; aber er mußte sich, trotz
-aller Eile, wohl oder übel entschließen, bis zur Ausbesserung
-des Schadens in der Stadt zu verweilen, und der Domherr
-zeigte sich hocherfreut, unter den zahlreichen Gästen einen
-Bekannten zu wissen, dessen Späße ihm die Fahrt kurzweilig
-gemacht hatten. Der junge Fant machte kein Hehl
-aus seinem Wesen: er war für den Hofdienst in Mainz bestimmt;
-er war in Venedig und in Paris gewesen, und was
-er von dem Leben der guten Gesellschaft an diesen Lustorten
-der höhern Welt zu erzählen wußte, ließ die kleinen Äuglein
-des beleibten geistlichen Herrn bei der Erinnerung an dieses
-festliche Treiben immer wieder erglänzen. &mdash;</p>
-</div>
-<p>In der ersten Festkutsche fuhr der Domherr mit dem
-Bürgermeister Adam Lienlein und zwei geistlichen Herren,
-dem katholischen Dekan Lotter und dem evangelischen Propst
-Veit Schlegelmilch, einher; in einer zweiten folgte die
-Bürgermeisterin mit den Gattinnen dreier Ratsherren; die
-dritte Kutsche war vollbepackt mit Jugend und Schönheit:
-unter den vier geputzten Mädchen, die da lachend und
-kichernd in den Morgen hineinfuhren, saß ein blondes elfenhaftes
-Wesen, die Tochter des verstorbenen Oberförsters
-von Weiningen, Babette Glock, aufrecht wie eine junge
-Königin auf dem Rücksitz und wechselte schelmische Blicke
-mit dem Junker Emmerich Rüdt, der in französischem Reitrock
-neben der bemalten Kutsche einherritt und unter seinem
-Federhut mit den Augen eines glücklichen Siegers auf die
-zwitschernde Weiblichkeit in dem Wagen herabsah. Je lustiger
-aber das Lachen der Mädchen klang, desto finsterer blickten
-die jungen Herren drein, die in einem wackeligen Gefährt hinter
-dem dritten Wagen einherrasselten: da saß, außer zwei
-Ratsherrnsöhnen, der einzige Sohn des Bürgermeisters,
-Kaspar Lienlein, der im Frühjahr von der Akademie zu
-Mainz nach Hause gekommen war, neben dem neuen Stadtschreiber
-oder Kanzler Friedrich Lerch, den der große Rat
-just am Tag zuvor erst gewählt hatte und der nun der Bestätigung
-seiner Wahl nicht ohne Bangen entgegensah: denn
-es war, von alters her, der Brauch in Frankenthal, daß
-auf einen katholischen Stadtschreiber ein evangelischer
-folgte, und Friedrich Lerch war, wie sein Vorgänger, im
-katholischen Glauben geboren und erzogen und zudem kein
-Frankenthaler Kind. Der lustige Junker Emmerich, der
-hoch zu Roß neben den jungen Demoiselles einherritt, war
-den jungen Frankenthaler Herren ein Dorn im Auge: sie
-betrachteten den Sohn des kurfürstlichen Amtmanns als
-Eindringling in ein Reich, wo die Frankenthaler von jeher
-keinen Nebenbuhler zu dulden geneigt waren, und sannen
-mit gerunzelten Stirnen darüber nach, welchen Possen sie
-dem verfluchten Windhund, der nach Ambra und Moschus
-duftete, vor seiner Abreise spielen könnten. &mdash;</p>
-
-<p>Als die Kutschen an dem Bauplatz vorfuhren, begann
-zunächst ein würdiges Komplimentieren und Begrüßen,
-wobei sich der Junker Collenberg wie ein frisch ausgeschlüpfter
-Schmetterling unter den Gästen umherbewegte.
-Er küßte alten und jungen Damen die Fingerspitzen mit
-einer Grazie, vor deren Leichtigkeit die jungen Frankenthaler
-Herren vor Neid erblaßten, und sein dünner Zierdegen
-stach wie ein Blitz in die Luft, wenn er sich auf eine
-Frauenhand niederbeugte, um seine gespitzten Lippen draufzudrücken.
-Da der Meister Neumann studierenshalber in
-Paris weilte und zurzeit dort krank zu Bette lag, geleitete
-sein Gehilfe, ein in schwarze Seide gekleideter Italiener,
-die Herrschaften beim Klange eines Festmarsches zu den
-Fundamenten, wo der Stadtpfarrer die Weihe vornahm,
-worauf der Domherr von Hutten den Bau dem Schutz der
-jungfräulichen Himmelsmutter, der Patronin Frankens,
-anempfahl und im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit
-den ersten Hammerschlag tat. Die Bürgermeisterin Lienlein,
-als die erste Frau des festlichen Kreises, versenkte sodann
-ein versiegeltes Dokument und eine gehäufte Schale voller
-silberner und goldener Münzen in den Stein, worauf ihn
-die anwesenden Mädchen mit den ersten Rosen des Jahres
-bewarfen. Während von den Ehrengästen jeder sein Hammerschläglein
-tat, bliesen vier Hornisten, die abseits auf einer
-Wiese standen, einen Choral und stimmten sodann einen
-Marsch an, als die Gesellschaft in feierlicher Stimmung
-nach dem Zelte aufbrach, wo eine schweigende Dienerschaft
-in der bischöflichen Haustracht um die geschmückte Festtafel
-bereitstand. Der Domherr von Hutten gedachte, seinen
-jungen Reisefreund bei Tisch in seine Nähe zu ziehen; aber
-der Fant zog es vor, sich an das andere Ende, zu den jungen
-Mädchen, zu setzen, von wo sofort, als die Diener süßen
-Wein in spitzen Gläsern reichten, helles und dunkles Lachen
-wie ein vielstimmiges Glockengeläute über die festlich schimmernde
-Tafel hereinbrach.</p>
-
-<p>Das elfenhafte Fräulein Babette Glock saß anfangs
-schweigend und wie von innerem Glücke glühend unter ihren
-Freundinnen da. Sie hielt ihre Augenlider gesenkt; aber
-wenn sie ihre großen blauen Augen aufschlug, ging ein
-Leuchten über ihr Gesicht und blieb als Lächeln stehen, wenn
-ihre Blicke zu dem Kanzler Friedrich Lerch hinüberschweiften,
-auf dessen ernstem Gesicht der Abglanz seiner künftigen
-Amtswürde lag. Der Junker Emmerich aber führte das
-große Wort; er behauptete, die zierlichsten Füße der Welt
-habe er in Frankenthal zu Gesicht bekommen, und als endlich,
-gegen Ende der Festmahlzeit, einige besonders edle alte
-Weine aus dem ehrwürdigen Juliusspitalkeller in die Römer
-flossen, erklomm die Lustigkeit des jungen Freiherrn,
-der sich unter den lachenden Frauen mehr und mehr als
-Hahn im Korbe fühlte, die höchste Staffel. Beim ersten
-Anstoßen mit dem schweren Tranke neigte er sich zu seiner
-Nachbarin und raunte ihr eine leise Mitteilung ins Ohr.
-Babette Glock hielt den Blick gesenkt, während ihr Nachbar
-sein Geheimnis preisgab, und nahm die Miene eines
-erstaunten Kindes an, als sie mit sanftester Stimme entgegnete:
-„Ich kann es fast nicht glauben, daß der Herr nur
-dieser Sache wegen nach Mainz geht!“</p>
-
-<p>Der Junker lachte und tat erstaunt: „Hat die Demoiselle
-von der Sache läuten hören? Ich mache die Gesellschaft
-zum Richter meines Herrn Vaters. Der ist ein Mann von
-Geschmack: er weiß, daß man auch zum Beten eine würdige
-Umgebung braucht. Was tut er also? Er läßt einen alten
-baufälligen Altar, den sogenannten Schleieraltar, abbrechen
-und an den freigewordenen Pfeiler, mitten in der Pfarrkirche,
-eine richtige Gebetsloge bauen, &mdash; <span class="antiqua">du meilleur goût,
-je puis l’assurer</span>, &mdash; mit Spiegeln, gepolsterten Gebetstühlen
-und einer bequemen Rückenlehne, &mdash; den Vorhang
-nicht zu vergessen. Es soll ja vorkommen, daß die Predigten
-einer hochwürdigen Geistlichkeit, besonders an gewöhnlichen
-Sonntagen, hie und da einschläfernd wirken, und da wäre
-es, <span class="antiqua">parbleu</span>, eine böse Sache, wenn fromme alte Jungfern
-plötzlich sähen, daß der würdige Mund des kurfürstlichen
-Amtmanns sich während der Messe oder der Vesper zu etwas
-anderem öffnete als zu einem Vaterunser oder einem Ave-Maria.
-Der Vorhang, der solche mißliche Blicke abhalten
-soll, ist aus schwerem violettem Samt, und die rosigen kleinen
-Engel, die ihn oben zusammenraffen und festhalten, von
-der Hand eines Meisters: ich habe, <span class="antiqua">parole d’honneur</span>, selbst
-in Venedig oder in Paris, wo ähnliche Liebesengel allerdings
-andere Vorhänge vor anderen Gebetstellen in Ordnung
-halten, keine besseren gesehen. Ich bin also nicht nur
-als Sohn, sondern auch als Kenner gezwungen, meinem
-Herrn Vater vollständig recht zu geben. Der hochwürdigste
-Herr Stadtpfarrer Ferdinand Bingemer, <span class="antiqua">un cafard</span>, ist
-allerdings anderer Meinung: er hat beim erzbischöflichen
-Kommissariat in Mainz Beschwerde gegen unsere Familiengebetsloge
-eingelegt und meinen Vater auch noch durch ein
-paar Domherren, die uns, ich weiß nicht warum, nicht riechen
-können, wegen anderem mehr weltlicher Art anschwärzen
-lassen. Und diese Sache soll ich in Ordnung
-bringen, was ich auch zu tun gedenke &mdash;“</p>
-
-<p>Schüchtern wie ein Kapellenglöcklein bemerkte Babette:
-„Aber es heißt, es sei bei dem Niederreißen des Altars eine
-kostbare Reliquie verschwunden.“</p>
-
-<p>„Ah, Mademoiselle meint den sogenannten Schleier der
-Mutter Gottes? Es bestand ja allerdings der Glaube, daß
-der Schleier der jungfräulichen Mutter Gottes auf dem
-Altar aufbewahrt wurde, der unserer Gebetsloge weichen
-mußte. Aber, <span class="antiqua">mesdames</span>, niemand wird mich persuadieren,
-daß die Jungfrau Maria einen solchen Schleier getragen
-hat: denn ich habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen und
-weiß, was ein Schleier ist, oder sein soll. Das Testament, in
-welchem sie, wie man sagt, den Schleier unserer Pfarrkirche
-vermacht haben soll, hat noch kein Mensch zu Gesicht bekommen,
-obwohl die Stadt Messina ja, wie ich auf meiner
-Tour in Italien an verschiedenen Orten hörte, ein paar
-Briefe von ihrer himmlischen Hand besitzen will. Dieser
-angebliche Marienschleier war nämlich aus einem grauen,
-unscheinbaren Zeug, und ich muß sagen: wenn ich die Mutter
-Gottes gewesen wäre, ich hätte einen ganz andern Schleier
-getragen, aus venezianischen oder Brüsseler Spitzen, <span class="antiqua">qui
-sont si délicieuses à chiffonner</span>. Der verschwundene Schleier
-war wirklich, wie mir die Damen glauben dürfen, zu simpel
-für die künftige Königin des Himmels, und es ist nicht
-schade darum.“</p>
-
-<p>Jetzt mischte sich der rothaarige Sohn des Bürgermeisters,
-dessen tückische Augen vor Ingrimm funkelten, in das Gespräch:
-„Der Herr sollte nicht über heilige Dinge spotten,“
-zischte er mit bebender Stimme.</p>
-
-<p>Der Junker Emmerich öffnete vor Erstaunen seinen
-Mund und wandte sich an die Mädchen: „O la la! Ist der
-Herr am Ende Bürgermeister? Man wird bald nicht mehr
-lachen dürfen. Ich hoffe jedoch, seiner kurfürstlichen Durchlaucht
-eine angenehme Stunde zu bereiten, indem ich ihr
-die Geschichte von dem Schleier erzähle. <span class="antiqua">Son Altesse aime
-à rire, comme tous les vrais grandseigneurs.</span> Übrigens“
-&mdash; so fuhr er, nach einem kräftigen Schluck Steinwein, zu
-dem Sohne des Bürgermeisters gewandt, fort &mdash; „haben
-wir uns nicht schon in Venedig gesehen? Als ich die Gondel
-zur Abfahrt nach Padua bestieg &mdash; ich wohnte mit
-meinem Hofmeister in der <span class="antiqua">Stella d’oro</span> &mdash;, wurde gerade
-ein Reisender verprügelt, der Ihnen aufs Haar glich.
-Solche Schläge habe ich noch nie mit angesehen und, <span class="antiqua">ma
-foi</span>, auch noch nie erhalten. Der Herr darf mir glauben:
-es ist auch eine Kunst, Schläge mit Grazie einzustecken!
-Der Tanz eines Knüppels erinnert mich immer an gewisse
-Bauerntänze, die einer Gavotte gleichsehen wie ein Bär
-dem Hermelin. Sie waren es also wirklich nicht, der seine
-Prügel mit solcher Würde einsackte? Das tut mir leid &mdash;
-<span class="antiqua">pardon</span>, ich wollte sagen, ich bedaure <span class="antiqua">infiniment</span>, daß Sie
-Venedig noch nicht kennen. Eine einzige Stadt, in der man
-seine blauen Wunder erleben kann! Dort wäre meinem
-Herrn Vater die Geschichte mit dem Gebetstuhl nicht passiert;
-aber ich säße auch nicht hier in diesem aimablen Kreise, <span class="antiqua">où
-la grâce règne en maîtresse</span>.“</p>
-
-<p>Die Mädchen lachten errötend, und der Sohn des
-Bürgermeisters wurde rot wie ein abgekanzelter Schuljunge.</p>
-
-<p>Am obersten Tischende, wo die Ehrengäste beisammensaßen
-und die Gläser tiefer klangen, hatte das Gespräch
-einen anderen Weg betreten: die Herren sprachen von den
-Hexenbränden, die, nach langer Zwischenzeit, hie und da
-wieder in fränkischen Landen aufflammten, und nickten nachdenklich
-mit den weinroten Köpfen: vor zwei Jahren war
-die Superiorin Maria Renata Singer in Würzburg verbrannt
-worden; ein Jahr darauf fingen die Gerolzhofer,
-die nicht hinter der Bischofsstadt zurückbleiben wollten, eine
-junge Hexe, die Frau eines Ofenmachers, um sie dem gleichen
-Schicksal zu überantworten, und nun hieß es, da und
-dort sei man einem heimlichen Hexlein auf die Spur geraten
-und werde, wie früher, wüste Dinge erleben.</p>
-
-<p>„Sie glauben wohl auch nicht an Hexen, Herr Baron?“
-fragte der Sohn des Bürgermeisters, der einen Brocken
-des Hexengesprächs aufgeschnappt hatte, den angeheiterten
-Junker mit scharfer und hämischer Stimme.</p>
-
-<p>Dieser lachte: „O doch! Ich habe in Paris Hexen kennen
-gelernt, die auch dem hartgesottensten Philosophen den
-Glauben an das Hexen beizubringen vermochten; aber dort
-denkt kein Mensch an Hexenbrand, sondern die Männer,
-die Männer, mein Herr, verbrennen im Feuer einer Liebe,
-deren Wirkung ich beinah leider auch am eigenen Leib erfahren
-hätte. An andere Hexen, von denen es heißt, daß sie
-Schloßenwetter machen und andere Zaubereien verüben
-können, glaube ich nie und nimmer.“</p>
-
-<p>Kaspar Lienlein fuhr fort, indem er den Junker herausfordernd
-mit den Blicken maß: „Die Ofenmacherin in Gerolzhofen
-hat ihre Hexereien selber eingestanden, Herr Baron!
-Sie ist selbst zum Hexenrichter gekommen und hat
-sich der Hexerei bezichtigt: sie habe vor sechs Jahren Gott
-und allen Heiligen abgeschworen; sie sei ganz arm und ohne
-Brot gewesen, da sei der Böse zu ihr gekommen in einem
-schönen grünen Kleid. Er habe sich Federkiel genannt und
-habe ihr versprochen, wenn sie sein Eigentum sein wolle,
-wolle er ihr Geld geben. Er habe ihr auch einen Vierbätzner
-gegeben, wofür sie sich Brot gekauft habe; dann
-habe sie einen Fastentanz auf dem Galgensteig mitgemacht,
-wo auch die Pfarrmagd Margret und eine Beckin aus
-Grünsfeld mitgetanzt hätten. Der grüne Pfeifer sei mitten
-in der Linde gesessen und habe den Burlebanz gepfiffen.
-Den Wein hat man in ledernen Flaschen gebracht, und dazu
-haben sie gebratene Vöglein, wie Spatzen und Finken,
-doch ohne Salz, gegessen. Die Ofenmacherin hat von dem
-Grünen eine Hexensalbe in einem hölzernen Büchslein erhalten.
-Das Ammenfräulein hatte solche verfertigt. Dazu
-hat sie ein uneheliches Pfaffenkind aus dem Kirchhof ausgegraben,
-in ein Tuch gewickelt und zu Haus gesotten.
-Mit der Salbe hat sie zu Weihnachten ein Kieselwetter gemacht,
-indem sie in des Teufels Namen Kornähren, Weinaugen,
-Birnen- und Apfelknospen in den Main geworfen
-hat.“</p>
-
-<p>Bei jeder dieser Feststellungen, die der Bürgermeisterssohn
-mit Ingrimm hervorstieß, fuhr er auch mit dem Finger
-nach vorn, als ob er seinen Gegner aufspießen wolle. Babette
-aber begleitete den Rhythmus dieser Erregung mit
-einem goldenen Kuchenmesserchen, indem sie es ganz leicht
-auf dem damastnen Tischtuch tanzen ließ. &mdash;</p>
-
-<p>Der Junker von Collenberg aber spitzte seinen vollen
-Mund und fragte mit dem Ernste eines Schalks: „Der
-Herr hat einen Tanz erwähnt, der mir neu ist. Ich kenne
-Gavotten, Sarabanden und &mdash; Allemandes, die auch ihre
-Vorzüge haben; aber der Burlebanz ist mir unbekannt.
-Ich entnehme übrigens Ihrer geschätzten Mitteilung, daß
-unsere hiesigen Hexen Musik und Tanz lieben. Das macht
-der Stadt, <span class="antiqua">où le sexe est si aimable</span>, alle Ehre. Wissen
-Sie vielleicht, Herr Hexenrichter, auf welchem Instrument
-der Grüne diesen famosen &mdash; wie sagten Sie? &mdash; Burlebanz
-geblasen oder gepfiffen hat?“</p>
-
-<p>„Ein Hörnchen war’s!“</p>
-
-<p>„Nein, ein Flötchen!“ rief Babette lachend. Sie hatte
-ein wenig zu viel von dem schweren Steinwein genippt
-und wiederholte nun, halb singend, im Übermut: „Ein
-Flötchen war’s! Ein Flötchen! Ein kleines goldenes Flötchen
-&mdash;“</p>
-
-<p>Der Junker Emmerich fragte lachend: „Woher wissen
-Sie denn das?“</p>
-
-<p>Babette warf dem Kanzler Lerch, der mürrisch in sein
-volles Glas stierte, einen flüchtigen Blick zu und lachte:
-„Woher ich das weiß? O, vielleicht bin ich auch schon bei
-einem Hexentänzchen gewesen &mdash;“</p>
-
-<p>Der Stadtschreiber Lerch runzelte die Stirn und sah
-mit gestrenger Miene zu der Übermütigen herüber, die indessen
-keinen Blick mehr für ihn übrig zu haben schien,
-sondern dem Junker mit lachenden Wangen zuzwinkerte.
-Dieser aber erhob sich und zog die Fingerspitzen Babettens
-an seinen Mund: „Wenn das so ist, möchte ich die Demoiselle
-bitten, mit mir zu einem Hexentänzchen anzutreten.“</p>
-
-<p>Die andern jungen Leute standen ebenfalls vom Tische
-auf; denn ein Wink des Domherrn von Hutten bezeigte,
-daß die Tafel aufgehoben sei. Nur die älteren Festgäste
-waren noch nicht gesonnen, so bald schon von den trefflichen
-Prälatenweinen Abschied zu nehmen; sie blieben schwatzend
-und trinkend an der gedeckten Tafel sitzen, und auch die vier
-Musikanten, die in den Pausen dem Wein kräftig zusprachen,
-blieben auf ihren Stühlen hocken und bliesen von Zeit zu
-Zeit ihre alten Weisen weiter. Die Mädchen aber flogen
-auf verschiedensten Wegen auseinander, und bald tauchte
-da und dort ein helles Gewand unter den alten Buchen
-des Waldhangs auf, den nah und fern helles Gelächter mit
-seinem Hall erfüllte. Der junge Herr von Collenberg trat
-einen Augenblick zu dem Domherrn von Hutten, um ihm
-für das schöne Fest zu danken, das er einem glücklichen
-Reisezufall verdankte. Als er sich aber umwandte, um nach
-seiner Nachbarin zu spähen, war Babette verschwunden,
-und er wußte nicht, welchen Weg er einschlagen sollte, um
-sie zu erreichen, da der ganze grüne Maienwald von Sang
-und Lachen widerhallte.</p>
-
-<p>Babette aber war, von einem plötzlichen Ernst erfaßt,
-auf einem kleinen Wiesenpfade, neben dem ein silberklares
-Forellenbächlein auf grünem Kressengrund herlief, taleinwärts
-gegangen. Es bedrückte sie, daß Friedrich Lerch,
-für den sie doch im Grunde dieses ganze Lustspiel an der
-Tafel aufgeführt, ihr während des ganzen Festes keinen
-lieben Blick gegönnt hatte, und ein leiser Groll gegen den
-Stillen quoll mählich in ihr empor, während sie bald langsam,
-bald schneller für sich dahinging und hie und da eine
-Kuckucksblume oder ein Maiglöckchen aus dem Untergebüsch
-des Waldhangs herausholte. Als sie nach einer Weile
-langsamen Gehens unwillig umkehren wollte, stand plötzlich
-Kaspar Lienlein vor ihr; der Rothaarige atmete hastig,
-während er stotternd und mit flehendem Blicke fragte: „Darf
-ich der Jungfer Babette Geleit geben?“</p>
-
-<p>Babette entgegnete schnippisch: „Der Weg ist für alle
-da!“ Und sie schlug eine schnellere Gangart an, wobei sie
-unverwandt auf das schwatzende Wässerlein zur Rechten
-blickte, in dem die Forellen sprangen.</p>
-
-<p>Da wurde die Stimme Kaspar Lienleins weich und
-stockend: „Ich &mdash; ich würde die Jungfer auf den Händen
-tragen.“</p>
-
-<p>Babette blieb stumm und blickte den Sohn des Bürgermeisters
-von der Seite an; sie sah nur die Häßlichkeit des
-Menschen, der mit glühendem Gesicht neben ihr atmete, und
-es empörte sie, daß er es wagte, von Liebe zu sprechen,
-während ihr der andere, dessen ernste Augen nun wie ein
-Vorwurf vor ihrer Seele standen, fernblieb. „Dich nehm
-ich nicht,“ schrie sie mit zornfunkelnden Augen, „und wenn
-du der Kaiser wärst, du roter Fuchs, mit deinen Roßmucken [Sommersprossen]
-auf der Hand.“</p>
-
-<p>Und ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie wie ein
-Windspiel davon, um zu der Gesellschaft ihrer Freundinnen
-zurückzukehren, deren ferner Gesang aus den dunkelnden
-Tiefen des Buchenwaldes sehnsüchtig und gedämpft zu ihr
-herüberklang.</p>
-
-<p>Der Abgewiesene blieb wie angewurzelt an der Stelle
-stehen, wo ihm Babette seine Rothaarigkeit vorgeworfen
-hatte; seine Lippen bewegten sich mechanisch. „Wart, wart,“
-sagte er ein über das andere Mal, während ein paar Mädchen,
-lachend und schäkernd, an dem Erstarrten vorbeihuschten
-und ihn im Vorbeigehen mit frisch gepflückten
-Distelschossen bewarfen: denn Kaspar Lienlein galt als halber
-Tölpel, vor dessen tückischer Gemütsart sich indessen die
-halbe Stadt fürchtete.</p>
-
-<p>Babette aber lief, ehe sie an den Festplatz gelangte, wo
-Friedrich Lerch mit seinem verschlossenen Amtsgesicht in der
-Gesellschaft der würdigsten Ehrengäste auf und ab wandelte,
-dem alten Ratsherrn und Spitalpfleger Christopher Kemmeter
-in die Arme. Der lange dürre Kauz stellte sich breitbeinig
-über den Weg, als Babette mit glühendem Gesichtchen
-daherstürmte, und spitzte seinen faltigen Mund, als
-wolle er sie mit einem Kusse aufspießen. Sie mußte lachen,
-als sie den Alten gewahrte, der nun sein linkes Aug zusammenkniff
-und mit seinem rechten Daumen über die Achsel
-nach dem Festplatz deutete. Der Spitalpfleger war ihr,
-wie der ganzen Gegend, von Jugend her wegen seiner Absonderlichkeiten
-bekannt: er trug an Werkeltagen niemals
-eine andere Tracht als das Gewand eines fränkischen
-Weinbauern, gelbe hirschlederne Hosen, grobe Schnallenschuhe,
-einen langen Tuchrock mit breiten Silberknöpfen und
-einen abgeschabten Dreispitz, auf den er, wenn es nur ging,
-eine Blume, eine Nelke, eine Rose oder eine Kornrade, zu
-stecken pflegte. Auf der Straße schritt er stets mit gesenktem
-Kopf und vor sich hinmurmelnd einher, wobei er von Zeit zu
-Zeit mit seinem Krückstock nach rechts und links ausschlug, als
-wolle er die Beine seiner Feinde und Widersacher absäbeln.
-Er besaß die besten Weinberge der Stadt und trieb einen
-schwunghaften Handel mit Südweinen aus Zypern und
-Spanien, die er durch einen Mainzer Hofjuden in Venedig
-oder Genua einkaufen ließ. Im Herbste, wenn die Lesewagen
-mit den schweren Kufen in die Keltern fuhren, wich
-er nicht von der Seite seiner Winzer, die Tag für Tag eine
-ausgesuchte Nahrung und einen guten Trank aus seinem
-Keller erhielten, damit sie beim Lesen weniger Trauben
-schmausten. In der Stadt und im Rat besaß er wenig
-Freunde: er galt als reich und filzig, und seine Feinde
-behaupteten, alle Dinge, in die der ehemalige Armenadvokat
-die Hand stecke, verfilzten sich zu einem unauflösbaren
-Knäuel, von dem man am besten die Hände lasse. Babette
-wußte, daß ihm Friedrich Lerch seine Ernennung zum Ratsschreiber
-verdankte: Christoph Kemmeter gehörte zwar der
-Augsburger Konfession an; aber er war seit Jahren mit dem
-protestantischen Stadtpfarrer und Propst Veit Schlegelmilch
-verfeindet und tat, was er nur konnte, um seine Glaubensgenossen
-und deren Seelenhirten bei jeder Gelegenheit
-zu ärgern. So hatte er es auch durchgesetzt, daß der katholische
-Friedrich Lerch, dessen Vater dem Fürsten von Weiningen
-als Kammerdirektor gedient hatte, gegen jedes
-Herkommen zum Kanzler gewählt wurde. &mdash;</p>
-
-<p>Als er bemerkte, daß Babettens Blicke über ihn weg
-nach dem Festplatz flogen, fragte er: „Hat die Jungfer
-Babett gesehen, wie die Forellen springen? Weiß Sie,
-was das bedeutet? Entweder kommt ein Wetter, oder es
-ist ein Hecht unter die Fische geraten. Junge Hechte sind
-gefräßig und haben viel Gräten!“</p>
-
-<p>Babette wußte nicht, was sie zu dieser Feststellung sagen
-solle. Da beschloß sie, den Stier bei den Hörnern zu packen,
-indem sie plötzlich fragte: „Werden sie den neuen Stadtschreiber
-bestätigen?“</p>
-
-<p>Der Ratsherr lachte: „Wenn die Jungfer mir ein Küßchen
-gibt, will ich ihr den Beschluß des Geheimen Rats
-wortwörtlich sagen.“</p>
-
-<p>„Das Küßchen erhält der Herr nach meiner Hochzeit,“
-sagte Babette lachend.</p>
-
-<p>Der Spitalpfleger verzog den Mund: „Das ist, wie hier
-die Hasen laufen, ein unsicherer Wechsel. Aber ich will Ihr
-glauben und mich zufriedengeben.“</p>
-
-<p>Er kannte Babette seit ihrer frühesten Kindheit, und schon
-an dem Kinde war ihm, wenn er nach Weiningen kam, um dem
-regierenden Fürsten seine Aufwartung zu machen und seine
-Freunde unter den fürstlichen Beamten zu besuchen, die bezaubernde
-Anmut, aber auch eine seltsame Eigenwilligkeit und
-spielerische Gemütsart des kleinen Mädchens aufgefallen.</p>
-
-<p>Als er eines Tages die Gewächshäuser in Weiningen
-durchschritt, um bei dem fürstlichen Hofgärtner Tulpenzwiebeln
-für seinen Blumengarten zu bestellen, gewahrte
-er die kleine Babette, die heftig auf den jüngsten Sohn des
-Kammerdirektors, den kleinen Friedrich Lerch, einsprach:
-das kleine Frauenzimmerchen, das in seiner Puppenhaftigkeit
-doch schon etwas Frauliches in seinem Wesen hatte,
-deutete auf eine Orange, die im Gezweig eines Topfbaumes
-hing, und verlangte, daß der Knabe sie vom Aste breche.
-Dieser starrte wie gebannt auf die goldene Frucht, ohne
-die Hand zu rühren, und sagte nur leise: „Das darf man
-nicht.“ Da bemerkte der Zuschauer, daß die Kleine über
-diese Weigerung in die hellste Wut geriet; sie stampfte mit
-den Füßen, sie schlug den Spielgenossen mit den Blumen,
-die sie im Händchen trug, und sprang wie eine Wilde an
-dem Stamm empor, ohne die Frucht zu erreichen. Selbst
-die belehrende Verweisung, die der herzutretende Zuschauer
-der kleinen Wilden zuteil werden ließ, vermochte ihren
-Groll nicht zu stillen: sie blieb mit zusammengekniffenem
-Gesichtchen stehen und lief plötzlich wie ein Wiesel davon,
-um ihrer Beschämung zu entgehen. Später, auf dem Heimweg
-von der Gärtnerei, bekam der Ratsherr die beiden
-Kinder noch einmal zu Gesicht: Friedrich zog ein Wägelchen,
-in dem die kleine Babette, mit einem Kränzlein in dem
-Blondhaar, saß und wie eine kleine Göttin um sich blickte,
-die in einem Triumphwagen einherfährt. Im Schimmer
-dieser Erinnerungen erhob der alte Kemmeter den Finger,
-um Babetten zu drohen, und dann geleitete er sie zur Tafel,
-wo die älteren Herren noch immer beim Weine saßen und
-den Worten des Domherrn von Hutten lauschten. Dieser
-ließ den Schloßbau mit seinen Hallen, Gärten, Tempelchen,
-Bosketts und Springbrunnen vor den Augen der
-weinseligen Zuhörer erstehen und verfehlte nicht, die Vorteile,
-die der Gegend aus der Bautätigkeit des Kirchenfürsten
-und der Anwesenheit des durchlauchtigen jungen
-Fürsten Franz Lothar erwachsen würden, ins hellste Licht
-zu stellen. Als besonderen Spaß tischte er die Neuigkeit
-auf, daß der Fürstbischof Adam Friedrich beschlossen habe,
-seinen seligen Hofnarren in Stein aushauen und das Standbild
-über dem Zufahrtstore aufstellen zu lassen. Die Frankenthaler
-zwinkerten und nickten beifällig mit den Köpfen:
-solche Späße gehörten in das Reich der eigenen Lustbarkeiten,
-von deren Schwankhaftigkeit Geschlecht um Geschlecht
-zehrte. Dazwischen aber überlegte der eine und der
-andere, wie man die Anwesenheit des italienischen Baumeisters,
-der wie ein Aal unter den Festgästen umherschlüpfte,
-zu eigenem Nutz und Fromm verwenden könnte. Der eine
-besaß einen geräumigen Ziergarten, in dem sich ein kleines
-Lusthaus mit breiten Fenstern und Muschelnischen gut ausnehmen
-würde; ein anderer wohnte in einem Hause, dessen
-Vorderseite der Erneuerung bedurfte, und jener träumte im
-Schweifen des Gesprächs von einer gelb lackierten Kutsche,
-wie sie mit Bereitern und Läufern die Welt auf glatten
-Herrenstraßen durchsausten. So blickten sie im Bann des
-schweren Weins in eine neue Zeit, deren Grundstein dort
-unter Rosen versteckt in der Erde ruhte und der wachsenden
-Mauern harrte. &mdash;</p>
-
-<p>Der Ratsherr Kemmeter nahm am Tische Platz und
-hob seine Hand ans Ohr, um nur ja kein Wort der kostbaren
-Rede zu verlieren. Auch Babette blieb einen Augenblick
-lauschend stehen; als sie aber bemerkte, daß der ehrfurchtsvoll
-lauschende Friedrich Lerch mit seiner würdigen
-Amtsmiene noch immer ihren Blicken auswich, rümpfte
-sie das Näschen und ging auf den Junker Collenberg zu,
-der sie mit einer französischen Verbeugung begrüßte und
-ihr die Hand zu einem Tanze auf dem Rasen vor dem
-Zelte bot. Und da die Bläser einen deutschen Tanz anstimmten,
-flog sie im Nu mit dem Junker im Tanz dahin.
-Sie schloß die Augen, um im Arm ihres Tänzers nur die
-Raserei des Schwebens zu empfinden, und als die Bläser
-absetzten, huschte sie auf die Musikanten zu und bat sie mit
-fliegenden Worten um die Wiederholung des Tanzes. Sie
-merkte nicht, daß ihre Gespielinnen, hämisch flüsternd und
-tuschelnd, die Köpfe zusammensteckten; sie sah auch nicht,
-daß Kaspar Lienlein neben seiner Mutter unter der Zeltöffnung
-stand und jede Bewegung der Tanzenden mit gierigem
-Blick verschlang. Sie verlor ihren rechten Schuh
-und tanzte im weißen Strumpfe auf dem Rasen weiter;
-sie spürte es nicht, daß sich ihr Busentuch löste und wie ein
-geblähtes Segel zu den Füßen gestrenger Mütter hinfiel;
-sie fühlte im rasenden Drehen und Schweben nur das eine:
-daß eine seltsame Traurigkeit in ihr aufquoll, durch die ein
-bitterer Groll wie ein Wässerlein unter Steinen in ihr
-emporsickerte. Und als ihr Tänzer sie ins Zelt zurückbegleitete,
-blieb sie mit gesenkten Augen vor der Tafel stehen,
-wo die Herren noch immer beim Weine saßen und würdige
-Gespräche pflogen. Sie atmete erst auf, als dumpfes Grollen
-ein nahendes Gewitter verkündete und die ganze Gesellschaft
-in das Zelt zusammenscheuchte. Da die Festkutschen erst
-gegen Abend aus der Stadt erwartet wurden, mußten die
-Gäste vor dem Unwetter in einem nahen Bauernhause
-Schutz suchen, und die Mädchen kamen erst zu Beginn der
-Dämmerung wie durchnäßte Mäuse vor dem Tore an, wo
-sie kichernd und lachend auseinanderhuschten. Der Junker
-Emmerich bekam Babette nicht mehr zu Gesicht; er nahm
-feierlichen Abschied von dem Domherrn von Hutten und
-gab seinem Kutscher Befehl, mit dem Reisewagen in einer
-Stunde vorzufahren.</p>
-
-<p>Als Babette das alte Haus am Lochgraben, in dem sie mit
-ihrer Tante Lioba Hippler, der Witwe des städtischen Kellers [Rentmeisters]
-wohnte, in der Dämmerung betrat, fand sie die alte Frau in
-heller Aufregung. Die Lioba Hippler war seit zehn Jahren
-auf beiden Augen blind und pflegte ihre ganze Zeit mit Spinnen
-zu verbringen. Sie saß dabei mit ihrem mächtigen
-Spinnrad auf einem erhöhten Fenstersitz, von wo aus sie alle
-Geräusche des stillen Stadtwinkels hören konnte. Jeder Ton,
-den sie vernahm, ging wie ein Licht oder ein Zucken über
-das friedliche Gesicht der alten Frau, die jeden Nachbarn
-an seinem Schritt erkannte. Heute aber fand Babette ihre
-Tante in seltsamer Unruhe: „Gott sei Dank, daß du nur
-da bist,“ sagte die Alte, die ihr bis an die Tür entgegenkam
-und dann sofort auf ihren Fenstersitz zuging, um das geliebte
-Spinnrad wieder in Bewegung zu setzen. „Ich hab
-mit einem Male eine solche Angst gefühlt, wie wenn dir
-was passiert wär.“</p>
-
-<p>Babette strich ihr zärtlich über die Backen und erzählte
-mit ruhigen Worten von dem herrlichen Feste, ohne des
-Junkers von Collenberg mit einem Worte zu erwähnen;
-dann huschte sie, leicht wie ein Hauch, die Bodentreppe
-hinauf in ihr Gemach, um ein anderes Kleid anzuziehen.
-Sie blieb ein Weilchen im bloßen Hemd vor ihrem Spiegel
-stehen, legte ein feines Kettlein, an dem ein Herzchen mit
-Haaren von ihrer verstorbenen Mutter hing, um den Hals,
-probierte eine Stutzhaube, deren breite Atlasbänder bis an
-ihre Kniee niederwallten, und zog aus dem schadhaften
-Haubenboden einen vergoldeten Draht heraus, den sie mit
-versonnenem Lächeln um ihren linken Zeigefinger wickelte.
-Dann warf sie einen Blick in den gefüllten Schrank, in dem
-das duftige Linnenzeug ihrer Ausstattung gehäuft beisammenlag,
-und fuhr mit zärtlichen Fingern über die blühweißen
-Tücher, die alle von ihrer Mutter stammten. Während
-sie dann in dem schmalen Giebelgelasse wieder vor dem
-Spiegel saß, zuckte es wieder wie ein feines Possenspiel um
-ihr schmollendes Mündchen: sie probierte die Miene, mit
-der sie Friedrich Lerch am Abend, wenn er käme, zu empfangen
-gedachte, und das Armesünderbewußtsein, das sich,
-fast gegen ihren Willen, für einen Augenblick auf ihre Züge
-legte, erfüllte sie jählings mit solchem Übermut, daß sie hell
-auflachte und voll seliger Unrast aufstand, um in dem schmalen
-Gemach, wo ihre ganze mütterliche Habe in Schränken
-und Kommoden verwahrt lag, in halbem Tanzschritt auf
-und ab zu schreiten. Sie zweifelte keinen Augenblick, daß der
-neue Stadtschreiber auch heute, wie gewöhnlich gegen acht
-Uhr, kommen werde, um ein Stündchen bei ihr und ihrer
-blinden Tante zu versitzen; sie hielt schon ihre schönsten Blicke
-für ihn bereit und nahm sich vor, ihn auch noch dahin zu
-bringen, daß er sie um Verzeihung für sein mürrisches Wesen
-bat, das doch allein schuld an ihrem Spiel mit dem lustigen
-Junker war. Während eine geheime Zärtlichkeit ihr
-Aug mit sehnsüchtigem Leuchten füllte, beschloß sie, ihn auch
-noch ein Weilchen mit allerlei Anspielungen auf den vornehmen
-Courmacher zu quälen, und ihm dann, zum Seelentrost,
-ein Schälchen voll eingemachter Kirschen vorzusetzen,
-die der Schlecker gerne aß, und ihm ihr eigenes Kinderlöffelchen
-dazu zu geben. Als jedoch plötzlich über die abendlichen
-Dächer her das Horn eines Postillions aufklang, der
-das alte Lied blies:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Komm heraus, komm heraus, du schöne, schöne Braut,</div>
- <div class="verse indent0">Deine guten Tage sind alle, alle aus,</div>
- <div class="verse indent0">O weiele weh!</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>da schnitt Babette eine Fratze und lief, die Melodie vor sich
-hinsingend, im schönsten Sommerstaat zu ihrer Tante herab,
-die noch immer vor ihrem Spinnrad saß. Es war ihr, als sie
-das dunkle Gemach betrat, so wohlig zumute wie seit langem
-nicht, obwohl eine leise Sehnsucht ihr Herz mit seltsamer
-Unruh erfüllte. Die Blinde fuhr ihr, nach ihrer Gewohnheit,
-zum Gruß über das rosige Gesichtchen, und als ihre
-Hände nichts Besonderes fanden, netzte sie den Finger an
-ihrem welken Munde, um schweigend weiterzuspinnen. Das
-leise Schnurren des Rades erfüllte den Raum mit einem
-Laut, der Babettes Gedanken, die mit der sinkenden Dämmerung
-immer ernster wurden, wie eine leise Musik begleitete
-und ihre Erwartung immer sehnsüchtiger stimmte. So saß sie,
-mäuschenstill und auf nahende Schritte lauschend, auf einem
-niederen Stühlchen da; und nur einmal schlich sie auf den
-Zehenspitzen an das Fenster, um auf die Gasse zu spähen, aus
-deren Dunkel ein leises Mädchenlachen zu ihr emporklang.
-Als jedoch der Abend weiter vorrückte und Friedrich Lerch
-noch immer nicht kam, riß sie in jäh aufwallender Wut ihr
-Batisttüchlein von den Schultern und nahm sich vor, dem
-Unverschämten das nächste Mal, und wenn er auch als
-reuiger Sünder käme, überhaupt keinen Blick zu gönnen. &mdash;</p>
-
-<p>Doch Friedrich Lerch ließ sich weder an diesem noch an
-den folgenden Tagen in dem alten Hause am Lochgraben
-sehen, und es war nicht Groll, was ihn von der Geliebten
-fernhielt, sondern ein kummervolles Gefühl der Scham,
-weil jene gegen das Bild gefrevelt hatte, das er von ihr in
-seiner Seele trug. &mdash;</p>
-
-<p>Babette aber verlor mit einem Male die Lust am Singen,
-und in Frankenthal trugen sich, von heute auf morgen, ganz
-seltsame Dinge zu: am Montag streckte die beste Milchkuh
-des Büchsenmachers Kaspar Bundschuh plötzlich alle viere
-von sich, und die Augen, mit denen die Verreckte vor sich
-hinstarrte, zeigten jedem, der etwas von der Sache verstand,
-klipp und klar, daß sie den leibhaftigen Bösen vorher gesehen
-hatten; am Dienstag weigerten sich die Geißen des
-lutherischen Totengräbers Johannes Felgentreff, Milch zu
-geben, und weder gütliches Zureden, noch das beste Grünfutter
-vermochte die meckernde Gesellschaft von ihrer höllischen
-Halsstarrigkeit abzubringen; in der Nacht von Mittwoch
-auf den Donnerstag entstand in dem Hühnerstall des
-Brückenbecken Wiedehopf ein solcher Aufruhr, daß die ganze
-Nachbarschaft aus dem Schlafe aufgeschreckt wurde, und
-als die Beckin am Morgen das aufgeregt gackernde Hühnervolk
-aus dem Stalle ließ, fand sie, daß die gelegten Eier
-samt und sonders hohl waren.</p>
-
-<p>Am meisten Anlaß zu Gerede bot das Verhalten des
-Bürgermeistersohnes Kaspar Lienlein: der saß wie von
-einem bösen Geist besessen stumm und stöckisch in einem
-Winkel seines Zimmers, und wenn seine Mutter mit seinen
-Lieblingsspeisen kam, um ihn zu trösten, sah er sie mit bösen
-Augen an oder fletschte seine Zähne wie ein Hund, dem man
-seinen Mittagsfraß stört. Dazu brachte jeder Tag, trotzdem
-der Mai noch nicht zu Ende war, ein Unwetter nach dem
-andern, und alte und junge Weiber schwelgten in dem Geraun
-und Gerede, daß solche Kieselwetter teuflisch Hexenwerk
-seien. In ganz Kleinfranken, in Gerolzhofen, in Prozelten,
-in Freudenberg und anderen Orten waren die Teufelsweiber
-am Werke, und im niederen Volke zweifelte
-bald niemand, daß auch Frankenthal eine Hexe beherbergte.
-Bald wurde auch der Name der Hexe, der Stadt und
-Gegend die alltäglichen Kieselwetter verdankte, heimlich
-genannt, und die Brückenbeckin erzählte jedem, der es hören
-wollte, daß sie selbst in der Nacht vor dem ersten Mai ein
-faselnacktes Hexlein um den Türmersturm habe fliegen
-sehen: es sei ganz zusammengekauert auf einem langen
-Besenstiel gehockt, und sein loses Haar sei wie ein feuriger
-Schweif hinter ihm dreingeflogen, als es mit ein paar feueräugigen
-Eulen hinter dem Stadtwald, dem Stöckicht, verschwand.
-Aber die schlimmste Verhexung war doch, wie
-alle munkelten, dem Sohn des Bürgermeisters Lienlein,
-dem roten Kaspar, passiert, der wie zerschlagen in der Stadt
-herumging und jeden mit Augen anschaute, aus denen der
-leibhaftige Teufel in die Welt guckte. &mdash;</p>
-
-<p>Nach acht Tagen waren alle Hexengläubigen darüber
-einig, daß die Stadt in der Babette Glock ein ausbündiges
-Hexlein bekommen habe, und schon fingen die kleinen Buben
-an, „Hexle, hex“ hinter ihr herzuschreien, wenn sie mit ihrem
-Körbchen am Arm durch die Gassen ging, um eine Freundin
-zu besuchen oder Gewürz beim Krämer einzukaufen.</p>
-
-<p>An einem heißen Juniabend, am Tage vor Fronleichnam,
-ließ sich endlich auch der Kanzler Friedrich Lerch bei der
-blinden Hipplerin sehen. Babette, die gerade an einem
-Kuchenteig knetete, gönnte ihm keinen Blick, als er eintrat
-und sich, nach einem scheuen Gruße, zu der Blinden setzte.
-Diese streichelte ihm das Gesicht und verlangte zu wissen,
-warum er so lange weggeblieben sei. Der Stadtschreiber
-entschuldigte sein Fernbleiben mit Arbeit und der Sorge
-um seine Stellung; denn seine Bestätigung war noch immer
-nicht erfolgt, und noch immer sah er sich einer ungewissen
-Zukunft gegenüber. Als Babette einen Augenblick hinausging,
-um den Teig an einen warmen Ort zu stellen, folgte
-ihr Friedrich Lerch auf den Flur, wo er stehen blieb, bis sie
-aus der Küche zurückkam.</p>
-
-<p>„Der Herr Stadtschreiber will schon gehen?“ sagte sie
-schnippisch, während sie ihre Hand an ihrer weißen Schürze
-abwischte.</p>
-
-<p>„Die Jungfer Babett hat Verwandte in Aschaffenburg,“
-entgegnete er, indem er scheu auf die Seite blickte. „Ich
-würde Ihr raten, eine Sommerreise dahin zu machen.“</p>
-
-<p>Diese feierliche Haltung und der Umstand, daß er sie
-nicht mehr duzte, erbitterte Babette aufs heftigste; sie höhnte:
-„Wenn ich das tät, bekäme ich den Herrn Stadtschreiber
-nicht mehr zu sehen, und das bräch mir das Herz.“ Sie
-funkelte ihn dabei mit zornigen Augen an; er aber überlegte,
-ob er das wilde Wesen seinem Schicksal überlassen solle
-oder nicht, und sagte dann: „Es gibt in der Stadt alte
-Weiber, die an Hexen glauben.“</p>
-
-<p>Sie lachte höhnisch: „So sag Er doch gleich, daß ich
-eine Hex bin! Hat Er nicht gehört, daß ich erst vorgestern
-auf der Galgenweide beim Hexentanz gewesen bin? Und
-weiß Er auch, daß der Grüne, der ein Flötchen, nein, ein
-Hörnchen &mdash; ein Hörnchen geblasen hat, Ihm ähnlich sieht?
-Ja &mdash; ja &mdash;.“</p>
-
-<p>Friedrich Lerchs Gemüt wurde weich: „Jungfer Babett,“
-sagte er leise, „man soll mit dem Unglück nicht spaßen.“</p>
-
-<p>Dieses gedrückte Wesen brachte Babette noch mehr auf;
-sie lachte: „Wenn ich nur wüßt, wo eine Hexenschul wär,
-ging ich noch heut hinein. Kann Er mir keinen Rat geben?
-Er ist doch in der Welt 'rumgekommen &mdash;“</p>
-
-<p>Da ging Friedrich Lerch, den dieses Wesen in der Seele
-quälte, ohne ein Wort weiterer Entgegnung die hölzerne
-Treppe hinunter: er gedachte, eine günstigere Stunde abzuwarten,
-um Babette zu warnen und zu einer Reise zu
-bewegen. Babette blieb jäh verstummend an der Treppe
-stehen: sie wußte nicht, was sie von dieser Flucht halten
-sollte, und dachte einen Augenblick daran, den Jugendgespielen
-zurückzurufen; aber sie brachte es nicht über sich, ein
-Wort zu sagen, und der Stadtschreiber hörte beim Beschreiten
-der Haustürschwelle nur ein gelles Lachen, das ihn
-auf seinem Gang durch die Stadt verfolgte. &mdash;</p>
-
-<p>Am nächsten Morgen aber, in aller Frühe, kamen zwei
-Stadtknechte, um die Barbara Glock, die noch im Schlummer
-lag und just von ihrer eigenen Hochzeit träumte, aus dem
-Bett zu holen und in Gewahrsam zu nehmen. Sie schrie
-und heulte und stampfte mit dem Fuße, als die Knechte mit
-dem Befehl des Rates in ihr Stübchen drangen und sie
-aus dem Bette zerrten; allein kein Weinen und kein Bitten
-half, und auch die blinde Hipplerin, über deren runzelige
-Backen die dicksten Tränen herabliefen, versuchte vergeblich,
-ihre Nichte loszubitten. Die Gefangene wurde mit gebundenen
-Händen in den Hexenturm gebracht, wo sie der städtische
-Stockmeister sofort mit einer langen Eisenkette an einen
-Mauerring anschloß. Sie konnte sich in kleinem Umkreis
-umherbewegen und sich am Tisch, der nicht weit von der
-tiefen Fensternische in einer dunklen Ecke stand, auf einen
-Stuhl setzen. Sonst geschah ihr vorerst nichts; denn die
-Frankenthaler pflegten ihre Hexen, zum Unterschied von
-anderen Städten, gut zu behandeln, solange sie noch nicht
-des Vergehens der Hexerei geständig oder überführt waren.</p>
-
-<p>Da saß nun die lachende Babette und hatte Zeit, über
-ihr Schicksal nachzudenken. Sie ahnte, von welcher Seite
-der Schlag kam, der sie aus heiterem Himmel traf; aber
-sie war empörter gegen den Stadtschreiber als gegen den
-rothaarigen Sohn des Bürgermeisters, dem sie es doch verdankte,
-daß sie gefesselt und gefangen im Hexenturme saß.
-Wenn sie des Gefühls gedachte, das jener verschmäht hatte,
-stürzten ihr Tränen der Wut in die Augen, und jedesmal,
-wenn sie sich eines lieben Augenblicks in seiner Gesellschaft
-erinnerte, stampfte sie mit dem Fuße und warf einen
-Blick nach der Türe, als ob er jeden Augenblick hereintreten
-müßte, um seine Strafe in Empfang zu nehmen. Aber es
-kam niemand, und der lange Tag erschien ihr wie eine öde
-Ewigkeit. Erst gegen Abend, als es schon dämmerte, trat
-der Stockmeister, ein klapperdürres Hutzelmännchen mit
-schielenden Triefaugen, ein und setzte ein gebranntes Mehlsüpplein
-als Hexenfutter auf den wurmstichigen Holztisch.
-Er zwinckerte vergnügt vor sich hin, als er Babette mit einer
-Handbewegung einlud, das Schüsselchen auszulöffeln; denn
-in seiner Erinnerung glänzte noch das letzte Hexenmahl, das
-der Rat, altem Brauch zufolge, den Stadtknechten und dem
-Türmer nach der Verbrennung zu geben verpflichtet war,
-als herrlichstes der Frankenthaler Feste her: es hatte einundzwanzig
-Gulden gekostet, und der Stockmeister schnalzte
-im Gedanken an die Leckerbissen, die damals aufgefahren
-wurden, noch jetzt mit der Zunge. Babette floh in die tiefe
-Fensternische zurück und starrte mit wütenden Augen auf den
-verhutzelten Hexentürmer, der nah und näher an sie herantrat.
-Hundertmal war sie früher an dem Hexenturm vorbeigegangen
-und hatte den Stockmeister gesehen, wie er mit seiner
-Frau, einer kahlköpfigen Alten, zankend und keifend auf
-einem hölzernen Bänklein vor der Turmtür saß; nun erfüllte
-sie der Blick des schielenden Alten mit Wut und Abscheu; sie
-stampfte mit dem Fuße und schrie: „Geh, geh, du Aff!“</p>
-
-<p>Doch der Türmer blieb vor der Nische stehen und zwinkerte
-sie liebäugelnd an: „Wo hast denn das Hexen gelernt,
-Mädle?“ fragte er mit meckernder Stimme; „hätt
-net gedacht, daß ich auf meine alten Täg noch mal erleb,
-daß man eine Hex fängt. Die Hexen werden immer rarer.
-Am Himmelfahrtstag sind’s fünfunddreißig Jahr her, seit
-wir die letzte auf dem Marktplatz verbrannt haben. Wenn
-ich dir einen Rat geben därf, so gesteh nur gleich. Was sein
-muß, muß sein. Hihi, wir Frankenthaler haben noch keine
-Hex verbrannt, ohne daß sie gestanden hätt. Verbietet auch
-die hochnotpeinliche Gerichtsordnung, daß eine Hex ans
-Feuerlein kommt, ehe sie alles bis auf das Tipfele gestanden
-hat, hehe. Ich weiß, &mdash; ich bin net dumm, &mdash; ich weiß,
-du denkst: die können lang warten, bis ich sag, was ich weiß.
-Aber da legen sie dir die Daumenschrauben an: die pressen
-dir die Knöchle, daß du alle Engel im Himmel singen
-hörst. Dann wirst du in die spanischen Stiefel geschnürt.
-Wenn ich dich aus der Stube lassen dürft, könnt ich dir das
-gekerbte Brettle zeigen, das sich beim Zuschrauben ans
-Schienbein legt. Und wenn du dann noch nicht sagst, wann
-du’s letztemal mit dem Junker Federkiel getanzt hast, kommst
-du auf die Leiter, die ist ärger wie’s Fegfeuer. Du wirst
-mit Winden in die Höh gezogen, und an die Füß hängt
-man dir ein volles Essigfäßle. &mdash; Ich hab in meiner Jugend
-baumstarke Männer gesehen, wo von der Leiter runterkommen
-sind und gestöhnt haben: Wir wöllen lieber zehnmal
-sterben als einmal die Leiter besteigen! Und wenn du von
-der Leiter 'runterkommst und immer noch dein Hexengöschle
-hältst, bekommst du den gespickten Hasen zu schmecken. &mdash;“</p>
-
-<p>Babette hörte nicht mehr, was der Türmer sprach; sie
-hielt sich die Ohren zu und blickte durch das verstaubte
-Gitterfensterchen auf den Stadtwall, wo in der sinkenden
-Dämmerung ein paar Dutzend Gassenbuben standen und
-warteten, ob das eingetürmte Hexlein vielleicht geneigt sei,
-seine Künste zu zeigen und einen Ausflug zu wagen. Die
-schadenfrohe Lustigkeit der Stadtjugend erschien ihr erträglicher
-als die Folteraugen des Alten, der nun mit einem
-Mal zu jammern begann: „Ja, ja, die Zeiten werden immer
-schlechter, und die Taxordnung is kein Hellerle wert. Weißt,
-Mädle, was ich fürs Ohrabschneiden bekomm? Zwei Schilling
-und sechs Pfennig. Und für jeden Brand zwei Schilling
-zwölf Pfennig. Fürs Auspeitschen gibt mir der Rat
-nur den Gotteslohn, und wenn ich nicht am Salben was
-verdienen tät, könnt ich kein Schöpple Gützberger trinken &mdash;“</p>
-
-<p>Nun aber fuhr Babette mit solchen Augen auf das Männlein
-los, daß dieses den Rückzug antrat und vor sich hinmeckernd
-die schmale Gefängnistür mit den mächtigen Riegeln
-verschloß. Sie lehnte ihre Wange an die verstaubten
-Scheiben und ließ ihre Tränen stillschweigend auf ihre
-Hände herunterfallen, die gekreuzt in ihrem Schoße lagen.
-So blieb sie die ganze Nacht hindurch sitzen, als ob alles,
-alles Leben aus ihr geflohen wäre, und erst am Morgen
-warf sie sich auf den hölzernen Schragen, der anstatt eines
-Bettes in einem Winkel des Turmgemaches stand.</p>
-
-<p>Obwohl sich die Frankenthaler sonst zu allem Zeit und
-Ruhe ließen, schien es dem hochmögenden Rate doch geboten,
-das Verhör der Barbara Glock schon am nächsten
-Morgen zu beginnen. In aller Herrgottsfrühe durchschritt
-ein Ratsknecht mit der Schelle die Straßen, um den Einwohnern
-die hochnotpeinliche Vernehmung anzukündigen,
-indem er mit lauter Stimme zu den Fenstern der Gerichtsherren
-hinaufsang:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">„Höret, ihr Ratsherrn, jung und alten,</div>
- <div class="verse indent0">Heut früh wird Halsgericht gehalten</div>
- <div class="verse indent0">Über eine gefangene Person,</div>
- <div class="verse indent0">Die große Übeltat geton!</div>
- <div class="verse indent0">Zu solchem Rechtstag sollt ihr kommen,</div>
- <div class="verse indent0">Gemeinem Wesen zu Nutz und Frommen.“</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Als der Spitalpfleger Christopher Kemmeter die Ratsschelle
-hörte, befahl er seiner Schwester Margret, die ihm
-den Haushalt führte, ein starkes Weinsüpplein zu kochen
-und, zu besonderer Süßung, gehörig Zimt und Zucker hineinzutun.
-Dann zog er seinen Bürgerrock an, stopfte sich eine
-holländische Kreidepfeife und nahm ein altes Buch zur Hand,
-in dem die besonderen Rechtsfälle der Stadt seit dem Jahre
-1594 verzeichnet standen. Nicht ohne Seufzen öffnete er
-das dickleibige Werk: er wußte, was er von der Frankenthaler
-Festfreude erwarten durfte, wenn die Leidenschaft des
-Volkes erregt war, und hegte keinen Zweifel, daß dieser
-Streich gegen das hübsche Babettle von den Anhängern
-des Bürgermeisters Lienlein ausging, den er nicht riechen
-konnte; denn der Gestrenge trug die Schuld, daß er mit
-seiner Schwester als Junggeselle hausen mußte, weil er ihm,
-als er auf Freiersfüßen ging, sein Schätzlein, die ehrsame
-Jungfer Katharina Ziegenspeck, vor der Nase wegstibitzt
-hatte. Von diesem Erlebnis war ihm nicht nur ein alter
-Groll gegen den regierenden Herrn, sondern auch eine Geringschätzung
-der Weiber geblieben, denen er lange Haare
-und kurze Gedanken nachsagte, obwohl er seiner leiblichen
-Schwester einen scharfen Verstand zubilligen mußte: von
-der Jungfer Margret Kemmeter hieß es in der Stadt, sie
-sei mit Haaren auf den Zähnen auf die Welt gekommen
-und schlafe wie ein Drache auf dem Strumpf, in dem sie
-ihre Reichstaler verwahre. Als die Schwester des Ratsherrn
-mit dem dampfenden Weinsüpplein in das Zimmer
-trat, sah sie, daß die Runzeln in dem Gesicht ihres Bruders
-seltsam zuckten: sie kannte dieses Schelmengesicht, auf
-dem das Lachen nicht zum Ausbruch kam, und gab dem vergnügten
-Kracher einen Rippenstoß, den er mit einem meckernden
-Gelächter beantwortete; aber er war nicht zu bewegen,
-das Geheimnis, das ihn in heimliches Behagen versetzte,
-preiszugeben, und als er sein süßes Süppchen ausgelöffelt
-hatte, nahm er sofort Hut und Stock, um, wie er sagte, auf
-die Ratsstube zu gehen und da vor der Hexengerichtssitzung
-noch einen Herrenschoppen zu stechen und für die Kehlenklärung
-des hochweisen Gerichtskollegiums zu sorgen. Er
-machte aber, da es noch zeitig am Tage war und er nicht
-tief in die Kanne zu steigen gedachte, einen Umweg durch die
-Talgärten, wo er dem staatsmäßig in schwarzen Strümpfen
-und mit dem Dreispitz unterm Arm einherwandelnden
-Stadtschreiber Lerch begegnete.</p>
-
-<p>„Er sucht sich wohl ein Taubenhaus aus, wo Er nach
-der Hochzeit mit Seiner Lalage schnäbeln kann?“ fragte er
-den Trübseligen, und fügte dann hinzu:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">„Es geht doch, sagt mir, was ihr wollt,</div>
- <div class="verse indent0">Nichts über Wald- und Gartenleben,</div>
- <div class="verse indent0">Und schlürfen ein dein trinkbar Gold,</div>
- <div class="verse indent0">O Morgensonn’, und sorglos schweben</div>
- <div class="verse indent0">Daher im frischen Blumenduft</div>
- <div class="verse indent0">Und mit dem sanften Weben</div>
- <div class="verse indent0">Der freien Luft,</div>
- <div class="verse indent0">Als wie aus tausend offnen Sinnen</div>
- <div class="verse indent0">Dich in sich ziehn, Natur, und ganz in dir zerrinnen.“</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>„Es ist schrecklich,“ entgegnete der Stadtschreiber.</p>
-
-<p>„Meint Er das alamodische Carmen?“ entgegnete der
-Alte, den das gedrückte Wesen seines Schützlings reizte.
-Und plötzlich fuhr er auf: „Seh Er sich nach einem andern
-Schätzchen um. Was hat Er an dem kecken Ding? Ein
-hübsches Lärvchen und ein Spatzenseelchen, weiter nichts.“</p>
-
-<p>„Sie werden sie verbrennen,“ seufzte Friedrich Lerch
-wieder.</p>
-
-<p>„Hat Er’s aus hochmögendem Mund gehört, oder hat
-Er’s aus den Akten herausgefischt, daß die Frankenthaler
-noch jede Hexe verbrannt haben? Er ist ein gewissenhafter
-Mensch; deswegen sollte Er auch wissen, daß es noch viele
-andere hübsche Frauenzimmer in der Welt gibt. Ob Er
-nun hier oder sonstwo an eine Hexe gerät, ist gleich: denn
-Hexen sind sie alle. Ich bin in meinem Leben mindestens
-zehnmal verhext worden, aber durch die Gnade unseres
-Herrgotts immer heil und gesund davongekommen.“</p>
-
-<p>Friedrich Lerch lächelte säuerlich, um seinem Gönner zu
-zeigen, daß er dessen Scherze verstehe und zu würdigen
-wisse; aber in Wirklichkeit war ihm wund und weh zumute:
-denn seit Babette im Hexenturm gefangen saß, quälte ihn
-die Frage, ob er ihr im Geist doch nicht unrecht getan habe,
-in einem fort, und die Erinnerung an die Stunden stummen
-Glücks, da er beim Surren des Spinnrades an ihrer Seite
-gesessen, erfüllte ihn mit quälender Sehnsucht.</p>
-
-<p>Als der Ratsherr sah, daß sein Schützling zu keinem
-Gespräch zu bringen war, ließ er ihn unwirsch stehen, um
-noch einen Blick in die Ratstrinkstube zu werfen, wo die
-zwölf Gerichtsherren vor der Sitzung jeweils einen gehörigen
-Frühtrunk zu tun pflegten. Er fand die Trinkstube
-voll wie an höchsten Festtagen. Es saßen da würdige Männer,
-die mit ihrer Meinung, daß sich die Stadt mit dieser
-Hexengeschichte ein böses Süpplein eingebrockt und, zum
-mindesten, lächerlich gemacht habe, nicht hinterm Zaun hielten;
-aber dafür fehlte es unter den alten Hochmögenden
-auch nicht an solchen, die sich im Auftischen saftiger Hexenstücklein
-gar nicht genug tun konnten, und wer von ihnen
-selbst nicht behext worden war, wußte zu berichten, daß
-wenigstens sein Urgroßvater oder dessen Geschwisterkind die
-schönsten Hexen, wie es keine mehr gebe, gekannt habe.</p>
-
-<p>Der Ratsherr Kemmeter hängte seinen Dreispitz an einen
-Nagel und stopfte umständlich seine holländische Pfeife; dann
-ließ er sich von dem Ratsküfer einen Becher Faßwein reichen
-und ging von einem der alten Stecher zum andern, und
-sein Becher klang beim Anstoßen so klar und regelrecht wie
-die kleinen Glocken der Kilianskirche. Aber jeder der Herren,
-mit dem er anstieß, bekam eine Bosheit zu hören, ohne daß
-die Kracher aus dem Häuschen gerieten: denn sie kannten
-die Gewohnheit des alten Spitalpflegers, allen Leuten
-einen Floh ins Ohr zu setzen, und die Alten lasen aus den
-Mienen Kemmeters einen Spaß heraus, von dem sie sicher
-waren, daß er zu dem bevorstehenden Hexenspektakel paßte.
-Die Gerichtsherren waren samt und sonders voll süßen
-und sauern Weins, als sie endlich auf schwankenden Ratsherrnbeinen
-in die große Gerichtsstube hinaufstiegen, wo
-der neue Kanzler Friedrich Lerch, dem auch das Amt eines
-Zehntschreibers oblag, mit käseweißem Gesicht schon hinter
-seinem Amtstische saß. Er hielt eine neugeschnittene Rabenfeder
-in der Hand, und auf seinen Zügen lag ein solcher
-Kummer, daß der alte Kemmeter auf ihn zuging und ihn
-derb am Ohre zupfte. &mdash;</p>
-
-<p>Babette war schon vorher, nach altem Frankenthaler
-Rechtsbrauche, aus dem Hexenturm in eine „feine Stube“
-des Rathauses verbracht worden, wo der Dekan Lotter ihrer
-wartete, um sie durch geistlichen Zuspruch auf das Verhör
-in dem Hexenrichtercollegio vorzubereiten. Der geistliche
-Herr nahm es gelassen hin, daß sein Beichtkind alle Schuld
-bestritt; aber es mißstimmte ihn, daß Babette allem Zuspruch
-ein hartnäckiges Schweigen entgegensetzte, die Hand,
-mit der er ihr die Backe streicheln wollte, voller Abscheu
-wegschlug und sich mit gesenktem Köpfchen an die Tür stellte,
-wo der Stockmeister auf einem hölzernen Stühlchen hockte.
-Die Tränen liefen ihr noch wie helle Perlen über die Wangen,
-als sie, von zwei Ratsknechten geführt, in die Gerichtsstube
-trat, wo die zwölf Richter hinter einem langen Tische beisammen
-saßen. Auf Befragen des uralten Hexenrichters
-Götz Schlegelmilch erklärte sie schluchzend, daß jedermann
-sie kenne: sie sei von ihrer Tante in christlicher Zucht und
-Ehrbarkeit erzogen worden; sie habe wohl gehört, daß es
-Hexen gebe; aber sie wisse nicht, was Hexerei sei, und glaube
-auch nicht, daß in Frankenthal Hexen zu finden seien. Da
-erhob sich der Gerichtsherr Valtin Zipfel und sagte stammelnd
-aus, als er aus der Trinkstube gekommen, habe er
-plötzlich, im Vorraum vor dem Gerichtssaal, einen solchen
-unterirdischen Ruch von Rosen um sich gespürt, daß er vermeine,
-solches könne nur die Frucht des teuflischen Hexenwerks
-sein.</p>
-
-<p>Darauf erklärte der Ratsherr Kemmeter, auch er habe
-diesen Ruch mit seiner Nase wahrgenommen; aber der sei,
-wie er beim Evangelio beschwören könne, aus den zinnernen
-Bechern der Ratsstube emporgestiegen, von einem Jahrgang
-Wein, den er, vor zehn Jahren, zu sechs Gulden das
-Fuder und also um einen Jammerpreis, an den hochmögenden
-Rat geliefert habe. Im übrigen müsse er bemerken, daß der
-Stechheber, mit dem der Ratsküfer den Schoppenwein aus
-den hahnenlosen Fässern ziehe, schon längst schadhaft sei,
-weil er nicht genug geputzt und gescheuert werde; er selbst
-habe hie und da mit Abscheu beim ersten Schluck ein vermischtes
-Geschmäcklein auf der Zunge verschmeckt, was, gegen
-alles städtische Herkommen, aus zwei Fässern zugleich
-stammte, und eine solche Schlamperei sei dazu angetan,
-Geschmack und Wein der Stadt in schlechten Geruch bei
-den Nachbarn zu bringen.</p>
-
-<p>Dies brachte den Hexenrichter Götz Schlegelmilch in
-Harnisch: er bekundete, daß er jüngst, als er von einem
-Nachttrunk heimgekehrt, aus der Hottenlochgasse ein solch
-teuflisches Getöse, Toben, Schreien, Singen vernommen,
-daß er nicht anders meine, als diese Lustbarkeit sei von dem
-Erzfeind und Teufel wider alles Verbot der Obrigkeit angestellt
-worden, um eine Hexe zu feiern und sein Reich zu
-heben. Worauf der Ratsherr Kemmeter zwinkernd im Kreis
-umherblickte und erklärte: Daß Weinsümpfe doppelt sähen,
-habe er gewußt; daß sie doppelt hörten, habe er nun erfahren.
-Im übrigen rühre aber dies Geschrei, das guten
-Bürgern die Nachtruhe störe, von den welschen Arbeitern
-am Schloßbau her, die mit ihren Menschern die halbe
-Nacht durchtanzten und das Messer los im Sacke trügen.</p>
-
-<p>Doch der Gerichtsherr Schlegelmilch blieb bei seiner
-Aussage und verlangte, daß die Malefikantin Barbara
-Glock alsogleich, nach altem Brauch, zu Recht nackt ausgezogen,
-auf ihre Hexenmale untersucht und, wenn solche
-nicht gefunden würden, mit Schrauben gepreßt werde.</p>
-
-<p>Worauf der Ratsherr Christopher Kemmeter erwiderte:
-Er müsse die Schuld an besagter Augentrübung des Hexenrichters
-noch einmal auf den schlecht gehaltenen Wein schieben,
-der es bewirkt habe, daß er seine eigenen Miträte auf dem
-Vorplatz für Hexenmeister genommen habe; er schlage vor,
-den Ratsküfer <span class="antiqua">edictaliter</span> zu zitieren, um ihn zu christlicher
-Verwaltung seines Amtes zu vermahnen, die Füllung der
-Weinfässer durch ein wohlbestalltes Kollegium prüfen zu
-lassen und zwei Stechheber, einen für die Katholiken und
-einen für die Evangelischen, auf Kosten der Republik Frankenthal
-anzuschaffen.</p>
-
-<p>Während die Ratsherren die Köpfe zusammensteckten,
-um über die vorgebrachten Anträge zu beraten, ließ der
-Stadtschreiber Friedrich Lerch Babette nicht aus dem Auge.
-Der Anblick des blassen Köpfchens, das seinen Blicken auswich,
-erfüllte ihn mit unendlichem Mitleid, und immer
-wieder gedachte er der Augenblicke, wo ihm das Licht ihrer
-Augen das wunderbarste Glück verhieß.</p>
-
-<p>Das eifrige Getuschel und Gerede der Gerichtsherren
-fand jedoch ein jähes Ende, als sich der alte Kemmeter wieder
-erhob und mit flötenweicher Stimme erklärte, er müsse, noch
-ehe ein Bescheid des Hohen Collegii ergehe, die hochmögenden
-Gerichtsherren auf eine alte Verordnung vom 13. Aprilis
-de anno 1563 hinweisen, wonach es den Katholischen nicht
-erlaubt sei, eine Hexe allein der hochnotpeinlichen Halsgerichtsbarkeit
-zu überliefern, sondern wonach es zu Recht
-bestehe, daß die Lutherischen ebenfalls eine Hexe beizubringen
-hätten, wenn den Katholischen der Fang eines solchen Tierleins
-gelungen wäre, und so verlange er, als Bekenner der
-Augsburger Konfession, daß man das peinliche Verfahren
-aussetze, bis es auch den Evangelischen beliebe, eine
-Hexe ihres Glaubens aufzustöbern und der von Gott mit
-scharfem Verstand begabten Obrigkeit zu peinlicher Rechtfertigung
-oder Aburteilung zu übergeben. Seit der Glaube
-an die höllische Hexenzunft bestehe, sei in Frankenthal niemals
-eine Hexe allein geschwemmt oder verbrannt worden,
-und dies gleichzeitige Verfahren habe dem Stadtsäckel manchen
-Batzen erspart, der dann auf schicklichere Weise, in
-einem guten Trunk oder Schmaus, vertan worden sei.
-Auch sei es in Frankenthal von alters her der Brauch, daß
-vor Vernehmung einer beschuldigten Person ein dreitägiges
-Fasten für die Gerichtsherren aufzuschreiben sei, womit
-verhindert werde, daß üble Dünste aus dem Magen aufwärts
-steigen und die Helligkeit des Hirns trüben. Er heische
-übrigens noch einmal die Herbeiführung eines Ratskonklusums
-über die Anschaffung zweier neuer Stechheber, und
-falls sie der Ratsküfer in Zukunft nicht paritätisch blank und
-sauber halte, solle er, zu Pfingsten und zu Weihnachten, gestäupt
-und bei widerspenstiger Beharrung in seiner Faulheit
-seines Amtes zu Ungnaden enthoben werden. Die Ratsherren
-sahen sich mit langen Gesichtern an: der eine oder
-der andere hatte von der alten Verordnung munkeln gehört,
-und da die Reichsstadt wegen der Treue, mit der sie an den
-Verordnungen der Väter hing, in ganz Franken berühmt
-war, so erging denn zunächst der Bescheid, daß Babette
-Glock, die ob des Gehörten an allen Gliedern zitterte, ohne
-Verweilen zu weiterem Gewahrsam in den Hexenturm zurückgebracht
-werde. &mdash;</p>
-
-<p>Inzwischen redeten und schrien die Hochmögenden, die
-nun deutlich in zwei feindliche Gegnerschaften auseinander
-traten, mit vorgestreckten Gesichtern und spitzen Fingern
-aufeinander ein. Der alte Kemmeter aber stand wie ein
-Fels dazwischen, rieb sich die Hände und zwinkerte den
-Stadtschreiber Lerch mit vergnügten Äuglein an: er wußte
-zwar noch nicht, wie die Regierenden seinen Antrag aufnehmen
-würden und was daraus entstehen mochte; allein
-die Tatsache, daß er den hochmögenden Herren einen richtigen
-Kemmeterstreich gespielt und einen Stein in den
-Frankenthaler Karpfenteich geworfen habe, erfüllte ihn mit
-einer wahren Weinfreude: entweder, so sagte er sich, gingen
-seine Glaubensgenossen selbst daran, eine lutherische Hexe
-in den Turm zu liefern, damit das hochnotpeinliche Gericht
-seinen Fortgang nehmen konnte, und dann sah sich der Propst
-Schlegelmilch, der aus seinem geläuterten Rationalismus
-kein Hehl machte, in einer üblen Lage; oder die Katholiken
-machten sich selbst auf die Hexenjagd, um ein evangelisches
-Hexenstück zu erwischen, und dann konnte es geschehen, daß
-Mord und Todschlag einrissen. Zwar waren die Evangelischen
-in früheren Zeiten immer von dem löblichsten
-Wetteifer geplagt gewesen, nicht weniger Hexen zu liefern
-als ihre katholischen Mitbürger; aber sie hatten es stets aus
-freien Stücken getan, ohne daß der hie und da aufflammende
-Glaubenszwist der beiden Konfessionen bei diesen Hexenstreitigkeiten
-eine Milderung erlitten hätte; ja, er war gerade
-bei derartigen Gelegenheiten in solche Heftigkeit ausgeartet,
-daß sogar die Hexen beim Verhör erzählten, es habe niemals
-eine lutherische Hexe mit einer katholischen auf einem
-Maientanz tanzen mögen. Auch war es vorgekommen, daß
-die Aussagen der Hexen über die Gebräuche bei den Walpurgisnachttänzen
-manchmal, je nach dem Glauben der Beklagten,
-ganz wesentlich voneinander abwichen: bei dem großen
-Hexenbrand im Jahre 1617 war, wie aus den Aufzeichnungen
-des ehrsamen Ratschreibers Veit Unruh hervorging,
-ein gewaltiger Streit zwischen den beiden angeklagten Hexen
-entstanden, weil die lutherische Hexe steif und fest behauptete,
-bei dem Hexenmahl sei süßer Wein getrunken worden, während
-die katholische selbst in den spanischen Stiefeln nicht
-von ihrer Aussage abzubringen war, der Wein, den ein
-rothaariger Küfer mit einer Feder hinter dem Ohr auf den
-Tisch gestellt habe, sei so sauer gewesen, daß sie ihn heimlich,
-damit der Grüne es nicht sehe, weggespien habe. &mdash;</p>
-
-<p>An den nun folgenden Tagen summte und brummte die
-alte Reichsstadt wie ein Bienenkorb vor dem Schwärmen.
-Meister und Gesellen verließen ihre Arbeit und standen
-feiernd an den Straßenecken beieinander. Die breitesten
-Gassen rochen wie eine dampfende Wurstküche, und die zahlreichen
-Becken, die ein ererbtes Schenkrecht ausübten, sowie
-die Zunftküfer und Weinwirte des niederen Volkes
-mußten ihre ältesten Fässer anstechen, um den Hexenbrand
-der Meister und Gesellen zu löschen, die sich hinter den Kannen
-mit listigen Äuglein maßen. Die alten evangelischen
-Mainfischer schrien in ihrer Mundart, daß sie sich kein Brotkrümlein
-von ihrem Rechte abzwicken ließen; denn es sei
-eine Frechheit, wenn die Katholischen sich herausnähmen,
-ein eigenes Hexenrecht zu schaffen. Die Aufgeklärten, die
-sich in solche Konventikel verirrten, suchten die wilden Männer
-zu beruhigen, indem sie erklärten, daß es in Frankenthal
-schon seit einer halben Ewigkeit keine Hexen mehr gebe,
-weil die Vorväter, in vorausschauender Weisheit, die ganze
-Brut schon längst mit Stumpf und Stiel ausgerottet hätten.
-Daraufhin erklärten die Parteigänger des Bürgermeisters
-Lienlein, daß man schon eine protestantische Hexe finden
-könne, wenn man nur wolle: denn daß noch ungefangene
-Hexenweiber in Frankenthal herumgingen, beweise der Umstand,
-daß der Sohn des Bürgermeisters in der Nacht zuvor,
-als er an dem Hexenturm vorbeigegangen, von unsichtbaren
-Fäusten so zerbläut worden sei, daß er die blau und gelben
-Male noch an seinem Körper trage. Bald hieß es auch, daß
-Kaspar Lienlein, der seit einer Woche die halbe Nacht in
-dem Weinhaus „Zur warmen Wand“ liege, mit seinen
-Freunden auf eigene Faust und Gefahr ein evangelisches
-Hexlein zu fangen gedenke, damit die eingetürmte Babette
-Glock endlich dem Urteil überantwortet und geschwemmt
-oder zu Asche verbrannt werde. Indessen ging es auf dieser
-Jagd dem Sohne des Bürgermeisters schlecht: er wurde
-von unbekannten Händen in eine randvolle Jauchengrube
-geworfen, und als man den jämmerlich Schreienden herauszog,
-fand es sich, daß ihm sein rechtes Auge heraushing. &mdash;</p>
-
-<p>Da unter solchen Umständen der Bürgerkrieg in Frankenthal
-drohte, traten die beiden Geistlichen, der protestantische
-Propst Ehrwürden Veit Schlegelmilch und der katholische
-Dekan Kilian Lotter, zu einer Beratung zusammen. Die
-beiden Herren lächelten süß, als sie sich in einem Ratszimmer
-trafen, um diese leidige Sache zu erwägen und mit Gottes
-Hilfe einen Ausweg zu finden. Der Dekan Lotter, dessen
-feistes Prälatengesicht den Himmel auf Erden widerspiegelte,
-beklagte zunächst den Umstand, daß man ein Kind seines
-Glaubens der Hexerei bezichtige; aber weder seine Miene
-noch seine Worte verrieten die geringste Unruhe: er erklärte,
-er habe dem fürstbischöflichen Kommissariat einen Bericht
-erstattet und sehe nun allen Weiterungen mit der Ruhe
-eines guten Gewissens entgegen. Da jedoch in jedem geistlichen
-Gemüt ein Flickereien Rost glänzt oder ein Tröpfchen
-Bosheit giert, belehrte er den Propst, daß schon der Pater
-Friedrich Spee sein Leben daran gesetzt habe, den greulichen
-Hexenwahn zu bekämpfen, und der Eindruck, den der fromme
-Priester von dem Elend der Hexenprozesse gewonnen, sei so
-groß gewesen, daß sein Haar im schönsten Mannesalter
-weiß wie frischer Schnee geworden sei, wie aus seinem
-Buche „<span class="antiqua">Cautio criminalis</span>“ hervorgehe. Und als Gegenstück
-zu dieser frommen Lichtgestalt ließ er den sächsischen
-Kanzler und Protestanten Carpzow auftauchen, der allein
-das Todesurteil von zwanzigtausend Hexen unterzeichnet
-habe.</p>
-
-<p>Der Propst Schlegelmilch hörte diese Unterweisung mit
-mildem evangelischen Lächeln an; sein Gemüt war zwiespältig:
-während er einem gemäßigten Vernunftglauben
-zuneigte, ging seine Seele heimlich in verschlossenen Seelengärtchen
-spazieren, wo Liebeswunder herrnhutischen Gepräges
-geschahen und Weltliches und Geistliches wie Rosen-
-und Liliendüfte ineinanderflossen. Er bedauerte den Geist
-der Stadt, der allzusehr an Altem hänge und nicht davor
-zurückschrecke, um eines Festes willen sein Seelenheil aufs
-Spiel zu setzen; aber im stillen gelobte er sich, seinem katholischen
-Amtsbruder die Anspielung auf den lutherischen Kanzler
-Carpzow bei Gelegenheit mit Zins und Zinseszinsen heimzuzahlen
-und bei der Verteilung des städtischen Deputatholzes
-darauf zu sehen, daß die katholischen Holzknechte nicht
-die schönsten Scheite ihrem Seelenhirten zu übermäßigen
-Klaftern schichteten. &mdash;</p>
-
-<p>So verlief die Unterredung der beiden Geistlichen, ohne
-eine Wendung im Schicksal der Babette Glock herbeizuführen.
-Dafür beschlossen die beiden Gerichtsherren Unruh
-und Zipfel, bei dem störrischen Babettchen selbst auf den
-Busch zu klopfen, um aus ihrem Munde zu erfahren, mit
-welchen Hexen sie zu Pfingsten auf der Galgenweide getanzt
-und geschmaust habe. Sie fanden die Gefangene blaß, aber
-gefaßt in der Fensternische ihres Turmes sitzen: sie dachte
-just des Tages, da ihr Jugendgespiele Friedrich Lerch, von
-der Akademie heimkehrend, zum erstenmal in die Stube
-bei ihrer Tante getreten war, und ein Gefühl glücklicher
-Erwartung erquoll aufs neue in ihrer Brust. Als die beiden
-Kracher von dem Hexentanz anfingen, flammte das alte
-Wesen in ihr auf: sie ging mit geballten Fäusten auf die
-Alten los, so daß diese mit aufgehobenen Händen bis an
-die schwere Eisentür des Verließes zurückwichen, von wo
-aus sie erschreckt und zitternd auf das bebende Mädchen
-blickten.</p>
-
-<p>Der Ratsherr Zipfel begann als erster zu lachen: „He,
-Jungfer Glock, nichts für ungut, mit Euch möcht ich selbst
-ein Hexentänzchen wagen.“ Und er spitzte den Mund, als
-ob er ein Schmätzlein pflücken wolle. Im stillen war er
-jedoch voll Ärgers, daß er nicht allein gekommen war, um
-dem schönen Kind das Hexenherzchen schwer zu machen.
-Er trat, da Babette ruhig blieb, wieder einen Schritt näher
-und fuhr meckernd fort: „Aber so sagt uns doch nur, mit
-welchen Hexen Ihr beim letzten Tanz zusammen waret. Ist
-kein lutherisch Hexle dabei gewesen? Aus der Hottenlochgasse,
-wo die Hexen von alters her wachsen? So sagt es
-doch. Verbrannt werdet Ihr doch; denn es ist noch niemals
-erlebt worden, daß eine Frankenthaler Hexe freigekommen
-ist.“</p>
-
-<p>Da ging Babette in jäh ausbrechender Wut wieder auf
-die Alten los, und aus ihren Augen flammte ein solches
-Licht, daß die Gerichtsherren zähneklappernd die Flucht ergriffen.
-Sie vergaßen sogar, die eichene Gefängnistüre
-mit dem Schlüssel zu schließen, und keiner wußte zu sagen,
-wie er die ausgetretene Wendeltreppe heruntergekommen
-war. Der Ratsherr Unruh erzählte am Abend in der Ratsstube,
-er habe nun auch den Rosengeruch gespürt, der den
-Gerichtsherren dazumalen, beim Gang aus der Ratstrinkstube,
-in die Nase gestiegen sei; aber es sei ihm dabei so
-elendiglich zumute geworden, daß er in seiner Seele nicht
-mehr froh geworden, bis er bei seinem ehelichen Weib zu
-Hause gesessen und drei Rosenkränze nebst der lauretanischen
-Litanei gebetet habe. &mdash;</p>
-
-<p>Unterdessen geschah es in der aufgewühlten Stadt, daß
-bald diese oder jene Frankenthalerin als Hexe genannt
-wurde. Infolge dieses heimlichen Geredes kam es an verschiedenen
-Abenden zu blutigen Schlägereien zwischen Katholiken
-und Evangelischen, und da auch die Frankenthalerinnen
-ihre Zungen gehen ließen, gerieten die Gemüter in
-solche Erhitzung, daß bald jede Frau in jeder andern eine
-heimliche Hexe sah.</p>
-
-<p>Indessen saß Babette weltverlassen in ihrem Turm und
-brütete in wechselnder Gemütsart vor sich hin. Sie konnte
-es nicht begreifen, daß kein Wunder geschah und Tag um
-Tag verging, ohne daß der Geliebte erschien, um sie aus dem
-Jammer fortzuführen. Der Blick, den er ihr zugeworfen,
-als sie den Rathaussaal verlassen hatte, wo die leibhaftigen
-Teufel in Ratsherrengestalt auf ihren hochlehnigen Stühlen
-hockten, glänzte noch immer vor ihr her, und wenn sie unwillig
-wegen seiner Schüchternheit werden wollte, die alles
-verschuldet habe, löschte dieser lange Blick jeden Groll in
-ihrer Seele aus. Sie schloß ihre Augen, um diesen Blick
-immer wieder mit vollem Herzen zu genießen, und das
-Glück, das sie ersehnte, stand dabei so klar vor ihrer Seele,
-daß sich ihre Wangen mit brennendem Rot färbten, wenn sie
-seiner gedachte. Von einem Augenblicke seligen Beisammenseins
-spann sich ein goldenes Fädchen in ähnliche Augenblicke
-späteren Daseins hinüber, und wenn sie die Augen aufschlug
-und das blecherne Eßgeschirr vor sich stehen sah, floh
-sie eiligst in die Mauernische, wo sie nur den Schrei der
-Dohlen vernahm, die den Knauf des alten Hexenturms umschwärmten.
-Dann quoll ein seltsames Mitleid mit sich selbst,
-das doch nicht ohne Süße war, in ihrem Herzen auf, und
-die Gassenbuben, die vom Stadtwall aus nach dem Hexenturm
-herüberblickten, erschienen ihr, wie durch einen Schleier
-hindurch, zum Greifen nah und doch unendlich ferne.</p>
-
-<p>Als aber Tag für Tag verfloß, ohne daß der Geliebte
-ein Zeichen seines Daseins oder seiner Hilfsbereitschaft gab,
-flammte wieder die alte Empörung gegen dessen ganzes
-Wesen in ihr auf, und nun wandte sich ihr Sehnen und
-Denken der Gestalt des Junkers Emmerich zu, dem sie nun
-in hellem Trotz alle Mannesherrlichkeit, allen Wagemut
-und alle Liebestreue andichtete. Sie durchlebte noch einmal
-die Stunden des Festes der Grundsteinlegung mit sehnendem
-Gemüte, und der Ton der Stimme, die sie zu hören glaubte,
-drang wie ein Strahl himmlischer Wonne in ihr Herz. Sie
-zweifelte nicht, daß jener auf den ersten Ruf erscheinen
-werde, um sie aus diesem Kerker, in dem nur alte triefäugige
-Männer Zutritt hatten, hinwegzuführen. Doch die Tage
-vergingen, ohne daß ein Zeichen sorgender Liebe in das
-muffige Düster des Hexengemaches drang. Als einziges
-Liebeszeichen legte eines Abends der Stockmeister ein Stück
-Kuchen neben die blecherne Suppenschüssel; da wußte sie,
-daß die blinde Tante ihrer gedachte, und brach in bittere
-Tränen aus, die noch flossen, als sie wie in einem Traum
-den ersten Biß in den frischen Kuchen tat. &mdash;</p>
-
-<p>In der Nische, wo sie tagsüber saß und in das Grün des
-nahen Waldhangs hinüberblickte, hausten Spinnen, kleine
-schwarze Tierlein. Als sie zum ersten Male ihrer gewahr
-wurde, hatte sie voller Abscheu ihre zarten Gewebe zerstört,
-die wie gebauschte Segel in den verstaubten Ecken hingen.
-Als aber die schwarzen Spinnerinnen sofort wieder daran
-gingen, einen Faden zu ziehen und ihr Fangnetz in der halben
-Dämmerung aufzuhängen, ließ sie die Emsigen gewähren
-und sah neugierig zu, wie zuweilen ein Mücklein in das gebauschte
-Netz geriet und von der Spinne zu künftigem Fraße
-eingewickelt wurde. Ja, es regte sich bei diesem Spiel eine
-seltsame Grausamkeit in ihr, und diese bösartige Regung
-wurde schwärend, als sie eines Tages von ihrer Nische aus
-drei ihrer besten Freundinnen erblickte, die Arm in Arm auf
-dem Waldpfad über dem Stadtgraben standen und nach
-dem Fenster des Gemaches herüberäugten, in dem Babette
-gefangen saß. Sie floh in den hintersten Winkel des Hexengemaches
-zurück, um diesem Anblick zu entgehen, und
-wünschte, voll jähen Grimms, wirklich eine Hexe zu sein,
-um diesen Docken jedes Übel anzutun; aber das helle Lachen
-ihrer Freundinnen trieb sie wieder ans Fenster zurück, und
-als bald darauf die Mädchen singend weitergingen und im
-Wald verschwanden, überfiel sie ein Frösteln, das nicht
-weichen wollte. Und wieder suchten ihre Gedanken Trost
-und Zuflucht bei dem Junker, dessen Gestalt bei dem Gedanken,
-daß er in Mainz in Glanz und Ehren weile, mit
-überwältigendem Zauber vor ihre Seele trat. &mdash;</p>
-
-<p>Doch als auch dieser Seelentrost wie ein Schein erblich,
-regte sich in ihrer Seele ein seltsam Gären und Schwären:
-alles was sie an Spinnabenden von Knechten und Mägden
-über Hexen und Hexenbräuche, Marientänze, Salben und
-Wettermachen gehört hatte, begann ihr Denken in einen
-Hexenring zu ziehen. Und wenn sie voll heimlichen Grauens
-sich selber fragte, ob es wirklich Frauen gebe, die zum Heuberg
-oder zur Galgenweide führen, vermischte sich der Durst
-nach Rache an ihren Peinigern wie ein süßes Labsal mit
-diesem Denken und Sinnen. Und noch süßer als der
-Wunsch, die ganze Stadt in einem Kieselwetter zu ersäufen,
-erschien ihr der Gedanke, sich dem Geliebten, der sie in solchem
-Jammer schmachten ließ, als triumphierende Hexe zu
-zeigen und sich an seinem staunenden Entsetzen zu ergötzen
-und zu laben. Indessen nahm auch dieses Spiel mit Hohn
-und Bitterkeit ein Ende, und da der geifernde Hexentürmer
-wieder von der Folterung zu faseln begann, geriet sie in
-eine verzweiflungsvolle Erwartung unentrinnbar nahen
-Entsetzens.</p>
-
-<p>Da fuhr sie, eines Tages, in aller Frühe aus einem
-bleiern schweren Schlummer auf: ganz deutlich hörte sie,
-aus naher Ferne her, das Horn des Kutschers, der das
-Lied von der jungen schönen Braut blies, unter dessen Klängen
-einst der Junker Emmerich Rüdt von Collenberg aus den
-Toren der Stadt gefahren war. Endlich war ihr Retter
-erschienen! Sie sprang von dem Schragen auf und lief an
-die verriegelte Türe und pochte mit den Füßchen an die dicken
-Bohlen. Und da der Ton des Posthorns laut und lauter
-näher kam, hielt sie fast den Atem an, und ein klarer Plan
-reifte jählings in ihrem Gemüt. Als der Hexentürmer gleich
-darauf mit dem gebrannten Morgensüpplein daherhumpelte,
-verlangte sie, stammelnd vor Hast, vor ihre Richter
-geführt zu werden. Der Alte, der ein Geständnis witterte
-und nun seinen Hexenschmaus ganz nah gerückt sah, schlurfte
-eilends davon, und eine Stunde darauf wußte schon die
-halbe Stadt, daß die Hexe Babette Glock endlich mürb geworden
-sei und ihre Hexereien gestehen wolle. Die Katholiken
-unter den Hexengläubigen hofften, endlich zu erfahren,
-ob nicht doch eine evangelische Hexe unter ihnen weile,
-und die Evangelischen versahen sich mit Stöcken und Prügeln,
-um lose Mäuler mit ungebrannter Asche zu stopfen.
-Um neun Uhr schon waren die zwölf Gerichtsherren und der
-ganze Rat auf dem Rathaus versammelt. Wie eine Mauer
-aber stand das Volk, der Hexe harrend, links und rechts auf
-dem Platze vor dem Hexenturm, und als endlich der Schlüssel
-knarrte und Babette, bleich und abgezehrt, wie ein Schatten,
-über die Schwelle trat, legte sich auf die Harrenden eine
-atemlose Stille, in die, über die nahen Dächer her, plötzlich
-wieder, klar und kräftig, das Posthorn hereinklang. Die
-Mütter drückten ihre Kinder an die Brust, damit der Blick
-der Hexe ihnen kein Unheil antun könne, und die männliche
-Jugend, der beim Anblick der hübschen Babette das Wasser
-im Mund zusammenlief, blickte sich zwinkernd an.</p>
-
-<p>Hinter der Hexe ging der Türmer, mit einem alten Hütchen
-auf dem Kopf, und hielt den Strick, an dessen Enden
-die Hände der Gefangenen gefesselt waren, in seinen zitternden
-Fäusten fest.</p>
-
-<p>Da aber geschah etwas Unerwartetes: das bleiche Mädchen,
-das vor den Blicken der Menge den Blick niedergeschlagen
-und nur zögernd den Fuß auf die Gasse gesetzt
-hatte, erhob beim Aufklingen des Posthorns jählings den
-Kopf: dieser Ton bedeutete Heil und Rettung, und mit
-einem jähen Ruck riß sich Babette los und flog wie eine
-aufgescheuchte Taube zwischen der erstarrten Menge hindurch.
-Niemand wagte es, in der ersten Überraschung, nach der
-Fliehenden zu greifen, und erst als sie in einem Seitengäßchen
-verschwunden war, brach die Menge zusammenflutend
-in ein wildes Geheul aus. Ein altes Männlein
-schrie, es hätte den Atem des leibhaftigen Satans gespürt;
-den jungen Frauen tanzten schon die Höllenfunken vor den
-Augen, und die alten guckten gleich in die Höhe, denn sie
-zweifelten keinen Augenblick, daß die Hexe sofort ein Wetter
-machen werde, um die Stadt in einer Sintflut zu ersäufen.</p>
-
-<p>Doch nichts von alledem geschah. Wie der Wind durcheilte
-Babette ein paar winkelige Gassen und Gäßchen, um
-den Marktplatz zu erreichen, wo der Gasthof „Zum Elefanten“
-stand, in dem die vornehmen Fremden abzusteigen pflegten.
-Auf dem weiten Platze blieb sie einen Augenblick stehen, um
-zu verschnaufen. Ihr einziger Gedanke war gewesen, den
-Reisewagen des Junkers von Collenberg vor dem Gasthaus
-zu erreichen; da aber kein Fuhrwerk vor der Treppe hielt,
-flog sie weiter, um durch das Falkentor zu entkommen. Doch
-schon gellte der Volksruf: „Fangt die Hexe!“ hinter ihr her
-und erregte die Aufmerksamkeit einiger Fuhrknechte, die
-vor dem halbverschlossenen Tore beieinander standen und
-rasch die Arme ausstreckten, um die Fliehende abzufangen.
-Da bog sie wie der Wind in ein anderes Seitengäßchen
-ein; doch überall, wohin sie sich auch wenden mochte, überall
-begegnete sie feindseligen oder lachenden Gesichtern: denn
-den Frankenthalern war es inzwischen zum Bewußtsein
-gekommen, daß für die Hexe kein Türlein zum Entwischen
-offen stand, und nun gedachten sie die Atemlose wie eine
-Maus bis zu letzter Erschöpfung im Kreise herumzuhetzen
-und sie erst zu fangen, wenn sie keinen Fuß mehr heben
-konnte.</p>
-
-<p>So gelangte sie in wilder Hatz ein zweites Mal vor das
-Falkentor, über dessen Zinnendach nun der Ton des Posthorns
-noch einmal wie ein ersterbender Hauch aus weitester
-Ferne hereinklang. Einen Augenblick stand die Atemlose
-still, um sich zu besinnen: da hörte sie, wie sich das Gejohl
-und Geschrei ihrer Verfolger nah und näher wälzte, wie
-es gellend und pfeifend aus allen Gassen zusammenbrauste
-und über den Dächern zusammenschlug. In jäher Todesangst
-floh sie in den Turm und stürmte die schmale Holztreppe
-empor, die aus der Torhalle auf den uralten Wehrgang
-hinter der Stadtmauer führte, und eilte unter der
-niederen Bedachung des Umgangs weiter. Und wie ein
-himmlischer Schutzort glänzte ganz plötzlich das Haus des
-Ratsherrn Kemmeter vor ihr her, dessen Garten, wie ihr
-nun einfiel, an die Stadtmauer grenzte. Sie mußte allerdings,
-um in den Garten zu gelangen, einen Sprung in
-die Tiefe wagen. Da sie aber schon die Tritte der Verfolger
-zu hören glaubte, ließ sie sich ohne langes Besinnen von der
-hölzernen Brüstung des Wehrganges auf ein umgegrabenes
-Beet fallen und gelangte, bis zum Tode erschöpft, vor die
-Hintertüre des Flures, deren Klinke dem Drucke ihrer Hand
-nachgab. Margret, die Schwester des Spitalpflegers, die
-gerade eine Windel für ein Waisenkindchen säumte, machte
-große Augen, als Babette Glock wie ein gehetztes Wild in
-die Stube stürzte und mit hauchloser Stimme um einen
-Zufluchtsort bat. Die alte Jungfer sah nicht gerade mit
-liebevollen Augen auf das Mädchen, das als keckes, mundfertiges
-Wesen in ihrem Gedächtnis lebte und nun, da sie
-als Flüchtige kam, vielleicht Sorge und Belästigung in das
-Haus brachte. Da sie nicht wußte, was der nächste Augenblick
-bringen würde, und sie gewohnt war, nichts ohne ihren
-Bruder zu tun, löste sie den Strick von den Händen der
-Erschöpften und sperrte, ohne ein Wort zu sagen, das still
-vor sich hinweinende Mädchen in eine Bodenkammer. Dann
-verschloß sie, der weiteren Dinge harrend, die Gassentüre
-des Hauses. Nach einer Weile hörte sie, wie eine johlende
-Menge in dem Wehrgang über dem Garten hin und her
-stürmte; aber es erschien niemand in dem Hause, um nach
-der Entflohenen zu spähen, und so hielt sie es für angebracht,
-die dumpf vor sich Hinbrütende zu heiligem Schweigen zu
-mahnen, da die Magd bald vom Markte heimkäme. Sie
-fragte unwirsch, ob Babette ein Gläschen Wein wolle, und
-brummte wie ein Hausdrache vor sich hin, als die Erschöpfte
-mit aufgehobenen Händen und erloschener Stimme nach
-dem Ratsherrn verlangte. &mdash;</p>
-
-<p>Als der Spitalpfleger eine Stunde später nach Hause
-kam, ließ sich die Jungfer Margret erst die Flucht der Hexe
-erzählen, und dann geleitete sie, ohne einen Muckser von sich
-zu geben, ihren Bruder in die Kammer, wo Babette mit
-weiten Augen und schwer atmend auf einer niedern Truhe
-saß. Sie hatte in dem dunklen Gelaß jede Hoffnung auf
-Rettung verloren und war gewärtig, jeden Augenblick ergriffen
-zu werden.</p>
-
-<p>„Du hast uns da ein hübsches Süpple eingebrockt,“ sagte
-der Ratsherr unwirsch, als er gewahrte, wie die Tränen
-über die Wangen der Gehetzten niederrannen. „Und ich
-soll’s ausessen, gelt? Aber so ist die Jugend: nur wenn sie
-uns braucht, kommt sie zu uns, damit wir die Fädchen, an
-denen sie zappelt, zu einem seidenen Stricklein drehen, um
-das Glück an ein rechtes Handgelenk zu binden. Wenn wir
-aber auch am Tischle sitzen wollen, wo sie aus vollen Bechern
-trinkt, dann heißt es: Geh, du hast dein Teil gehabt! Die
-Jungfer weiß vielleicht, daß ich französisch parlieren kann
-und zwei Jahre auf der Akademie in Straßburg gemeines
-und kirchliches Recht studiert hab? Aber Sie weiß nicht, daß
-ich mich da auch um andere Dinge gekümmert habe, die auf
-keinem Kirschbaum wachsen. Und einen Trost von da hab
-ich mitgebracht: Es kommt immer anders! Die Jungfer
-muß erst Großmutter werden, eh Sie versteht, was das besagen
-will. Was aber sollen wir mit Ihr anfangen? Nun,
-was das Hexensüpplein anbelangt, so soll mir der Rat beim
-Essen helfen und tüchtig blasen, damit er sich die Zunge nicht
-verbrennt und, <span class="antiqua">vel votando vel consulendo</span>, lernt, wie
-Hexenmählchen schmecken. He, Jungfer Glock, Ihr könnt
-Euch rühmen, den alten Bienenkorb fein in Aufruhr gebracht
-zu haben. Hört Ihr den Lärm? Nun wird sich zeigen, ob
-Seine Ehrwürden der Propst recht hat, wenn er behauptet,
-die Zeit himmlischer Erleuchtung sei nie näher gewesen als
-heute, Apokalypse dies oder jenes Kapitel. Es wäre zum
-Lachen, wenn ein fliehendes Frauenzimmerchen den Herren
-dieses Lichtlein aufgesteckt hätte, damit sie auch sehen, welches
-Süpplein sie blasen. Und auch die Zunft der Bader
-wird heut zu tun bekommen.“</p>
-
-<p>Da Babette schwieg, hob Christopher Kemmeter das Kinn
-der Sitzenden empor und lachte dann: „Was seht Ihr mich
-an? Habt Ihr vielleicht schon einen schöneren Jüngling gesehen?
-Was würdet Ihr sagen, wenn ich Euch bei der keuschen
-Susanna im Bad ersuchte, meine liebwerte Ehefrau zu
-werden? Ich möchte auch einmal, wenn ich abends aus dem
-Ratskeller nach Hause komme, von weichen Pfoten gekrault
-werden. Meine Schwester ist ein altes Fegefeuer und hat
-nicht die Hand dazu.“</p>
-
-<p>„Der Herr von Collenberg ist durchgefahren?“ fragte
-Babette, mit einem Blick, aus dem fast kein Leben leuchtete.</p>
-
-<p>„Mit einer Braut, die sich der Batzenschmelzer aus Mainz
-geholt hat. Laßt ihn fahren; den seht Ihr niemals wieder.“</p>
-
-<p>Babette Glock sank auf die Truhe zurück und starrte vor
-sich hin: was sie da vernahm, stieß sie wieder in den Jammer
-öder Hoffnungslosigkeit zurück, und doch wunderte es sie
-selbst, daß sie keinen tieferen Schmerz ob dieser Nachricht
-empfand. Der Spitalpfleger scherzte indessen weiter: „Und
-ich gefall Euch nicht?“</p>
-
-<p>Da überkam die Reglose jählings ein Gefühl der Beruhigung,
-und plötzlich erwachte die Schelmin in ihr: „Ich
-will keine Wittib werden,“ sagte sie seufzend, während ihr
-die hellen Tränen in die Augen schossen.</p>
-
-<p>Der Ratsherr zwinkerte mit den Äuglein unter seinen
-buschigen Brauen: „Ihr verurteilt mich ja zu einem raschen
-Sterben! Aber was habt Ihr, wenn Ihr einen verängstigten
-Hungerleider nehmt, der nicht lachen kann und seine Bettelsuppe
-mit saurem Gesicht ißt?“</p>
-
-<p>„Ich hab zuviel gelacht,“ seufzte sie, worauf sie in ihre
-vorige Trübsal zurücksank.</p>
-
-<p>„Wenn es der Geiß zu wohl wird, geht sie gern aufs
-Eis. Nichts für ungut, Jungfer: Ihr habt ein Schelmenaug,
-das schlimmere Dinge verrät, als ein roter Mädchenmund
-sagen kann. Ich würde Euch gern einen Mann
-schicken, der meine Sache führen soll; aber ich kenne keinen:
-zu Frankenthaler Kanzlern nimmt man niemals aufrechte
-Männer, weil man sie in diesem Amt nicht brauchen kann.“</p>
-
-<p>„Ihr sollt nichts Schlimmes über ihn sagen,“ bat Babette
-mit leiser Stimme.</p>
-
-<p>„Frauenwille, Gotteswille,“ drohte Christoph Kemmeter
-mit erhobenem Finger, und in ausbrechender Sorge fügte
-er hinzu: „Nun aber halt dich still. Es darf keine Seele
-erfahren, daß wir ein Hexlein beherbergen. Und muckse
-nicht, wenn unsere Magd, die alte Urschel, auf dem Speicher
-rumort: den Schlüssel zu der Kammer da hab ich verloren,
-wenn sie ihn verlangt. Und deiner Tante will ich zur Gemütsberuhigung
-sagen, sie soll uns doch noch einen Hochzeitskuchen,
-einen echten Frankenthaler Blatz mit Weinbeeren,
-backen.“</p>
-
-<p>Da saß nun Babette zum zweiten Male in Gefangenschaft
-und hatte Muße, über das Wesen der Menschen nachzudenken.
-Von dem schmalen Giebelfensterchen aus konnte
-sie einen Teil des Gartens überblicken, der sich hinter dem
-Hause des Spitalpflegers bis an die Mauer erstreckte, und
-wenn sie das Köpfchen aus dem Fenster streckte, konnte sie
-den Duft der Blumen riechen, der aus der stillen Mauergartenwelt
-in ihre Kammer emporstieg. In dem ummauerten
-Garten herrschte ein geheimnisvolles Leben: die Amseln
-huschten zankend über die Beete, ein Brünnlein perlte in ein
-zerborstenes Becken, und die ersten Rosen glühten aus der
-grünen Tiefe. Einmal sah sie auch den alten Kemmeter,
-wie er mit einem Kännchen von Beet zu Beet ging und
-dann die Faust gegen den Wehrgang schüttelte, über dessen
-Brüstung von Zeit zu Zeit neugierige Gesichter lugten. Da
-zog sie sich in das Innere zurück. Sie hatte gehofft, der
-alte Ratsherr werde in einem Stündchen schon mit dem
-Geliebten daherkommen, damit sie gemeinsam berieten, wie
-sie zu ihrer Base in Zell entkommen könne; doch die Stunden
-zogen sich hin, und erst gegen Abend erschien der Ratsherr
-mit der Nachricht, der Herr Stadtschreiber habe sich bei
-einem Hexengespräch gegen jede Würde hinreißen lassen, in
-einer Weinstube die Hand gegen ein paar Laffen aus der
-Freundschaft des Bürgermeisters zu erheben, und liege nun
-mit einer Stirnwunde zu Bette.</p>
-
-<p>„Sie hat den Heldengeist in ihm geweckt,“ scherzte der
-Alte, und Babette entgegnete leise, aber fest: „Ich werde
-noch ganz andere Dinge in ihm wecken.“ Aber sie zeigte,
-zum Erstaunen des Ratsherrn, weiter keine Neugier, Näheres
-über diese Schlägerei zu erfahren, sondern fragte nur:
-„Wann kann ich ihn sehen?“</p>
-
-<p>Der Alte versprach, ihren Wunsch zu erfüllen; er habe
-ihr Versteck noch nicht verraten; aber er werde den Helden
-am nächsten Tage lebendig oder tot herbeischaffen, und Babette,
-die in dieser Nacht zum erstenmal wieder traumlos
-ruhig schlief, erbat sich am nächsten Morgen ein Nähzeug,
-um ihr Busentuch auszubessern. Die Jungfer Margret sah
-ihr dabei ein Weilchen zu und brachte dann ein paar Waisenhemdchen
-herbei, die Babette säumen sollte. Sie hatte sich
-vorgenommen, dem kecken Ding gehörig auf die Finger zu
-gucken; aber wenn Babette die leuchtenden Augen aufschlug,
-blieben der alten Jungfer die Scheltworte in der Kehle
-stecken, und nur ein Knurren der Abziehenden verriet, daß
-sie mit sich selber unzufrieden war.</p>
-
-<p>Mit sinkender Nacht betrat Friedrich Lerch, den Dreispitz
-tief auf die Stutzperücke gedrückt, das Haus des Spitalpflegers.
-Dieser ließ sich zuerst des weiten und breiten
-berichten, was die Frankenthaler über die verschwundene
-Hexe hin und her redeten und wem das Fell von Prügeln
-juckte; dann ging er hüstelnd in dem Gemach auf und ab,
-guckte in ein Schränkchen und schloß es wieder zu, stopfte
-seine holländische Pfeife und holte endlich aus dem Keller
-eine Kanne Wein, aus der er dem Stadtschreiber fleißig
-einschenkte. Als er selbst ein paar Gläser getrunken hatte,
-fing er an: „Friedrich Lerch, ich hab Seinen Vater gekannt,
-und weiß Er, was mir mein guter Freund, der selige
-Kammerdirektor Lerch, eines Tages, auf einer Schweinshatz,
-sagte: ‚Ich hab sieben Buben, und einen, der ist zu allem
-unbrauchbar. Nicht einmal zum Haferschneiden weiß er sich
-anzuschicken.‘ &mdash; Ich tröstete den Vater dieses Sorgenbuben
-und sagte: ‚Laßt ihn lateinisch lernen!‘ Hat Er’s gelernt?
-Weiß Er, was Horaz vom Tage sagt? <span class="antiqua">Carpe diem!</span>“</p>
-
-<p>Ein bitteres Lächeln umflog den Mund des unbestätigten
-Kanzlers; doch der Alte fuhr fort: „Hat Er so an den Kosttischen
-gelächelt, die Er in Altdorf ausgefressen? Nichts für
-ungut: daß Er mit Seinen Brüdern nicht aus dem Vollen
-schöpfen konnte, kam daher, daß sich mein getreuer Freund,
-Sein seliger Vater, zu früh aus dem Staub gemacht hat
-in ein besseres Jenseits. Nicht ohne Grund: denn ich könnte
-allerlei Geschichten erzählen, wie man an kleinen Höfen
-lebt und seine Leute preßt. Als ich das letztemal bei Seinem
-Herrn Vater in Weiningen weilte, gab er mir ein Reskript
-zu lesen, dessen Wortlaut ich mir eingeprägt habe. ‚Von
-Gottes Gnaden, Wir Ulrich Ernst, Fürst von Weiningen
-(und das und das und so weiter). Lieber, Getreuer! Nachdem
-Unsere Fürstliche Gemahlin Durchlaucht eine Reise ins
-Bad nach Pyrmont vorzunehmen gnädigst beschlossen haben,
-hiezu aber noch ein Reisezuschuß von 500 Dukaten in Gold
-unumgänglich erforderlich ist, also befehlen Wir dir in Gnaden,
-besagte Summe aus deiner Amtskasse, in Ermanglung
-deren aber aus eigenen Mitteln, binnen vierundzwanzig
-Stunden, bei Vermeidung der Exekution, herbeizuschaffen.‘</p>
-
-<p>Und weiß Er, was Sein Vater tat? Er meldete, daß
-er aus seinem eigenen Säckel bereits 150 Gulden in die
-Hofküche gespendet, worauf ihm ein Schreiben zukam: ‚Wir
-u.&nbsp;s.&nbsp;w. Lieber, Getreuer! Nachdem Wir aus deinem untertänigen
-Bericht <span class="antiqua">de dato hesterno et praesentato hodierno</span>
-in Gnaden ersehen haben, daß <span class="antiqua">Pars prima rescripti nostri</span>
-nicht in Anwendung zu bringen, also hat es bei <span class="antiqua">Pars secunda</span>
-desselben sein unausbleibliches Bewenden.‘ Das
-wollte besagen, daß die besagten 500 Dukaten von dem Kammerdirektor
-Lerch beschafft werden mußten, und daß Seine
-Mutter später mit der Rentkasse im Streit lag, um ihren
-hungrigen Buben das Vorgeschossene zu erstreiten. Er
-weiß auch, daß Sein Vater längere Zeit gelähmt dalag und
-nur noch das eine Wort ‚Hundsfötter‘ hervorbringen konnte.
-Ich weiß nicht, wen er damit meinte, kann mir’s aber denken.
-&mdash; Hundsfötter und Herrgötter gibt einen Reim, womit
-ich übrigens keine Blasphemie gegen unsern lieben alten
-Herrgott und Seligmacher an den Mann gebracht haben
-möchte. Doch nun frag ich Ihn: Was gedenkt Er zu tun?“</p>
-
-<p>Friedrich Lerch zuckte die Achseln.</p>
-
-<p>Doch der Alte fuhr fort, und aus seiner Stimme klang
-es wie Hohn und Grimm: „Er ist ein studierter Mann.
-Weiß Er nicht, daß alle Dinge an ein Fädchen geknüpft und
-so miteinander verstrickt und verwoben sind, daß man kein
-Mäschlein auflösen kann, ohne ein Löchlein in das Geweb
-zu machen? Und daß, wer A sagt, auch B sagen muß?
-Und daß des Herrgotts Boten so leis zur Tür hereinkommen,
-daß wir gar keine Zeit finden, sie hinauszuwerfen, ehe
-sie ihre Botschaft an den Mann gebracht haben? Er ist eine
-brave, aber furchtsame Seele. Hat Er sich’s schon überlegt,
-daß man damit den Weibsen nicht in die Augen sticht?“</p>
-
-<p>Friedrich Lerch seufzte.</p>
-
-<p>„So denkt Er immer noch an die Hexe? Schlag Er sich
-das Frauenzimmer aus dem Sinn. Er ist nicht gemacht,
-um mit Hexen zu leben. Ich rate Ihm, eine gestandene
-Jungfer zu nehmen, die eine doppelte Aussteuer in ihrer
-Kammer, einen Gültbrief in ihrem Laden und hundert
-Kronentaler in ihrem Strumpf versteckt hat. Zwölf Kinder
-soll Er bekommen, und beim dreizehnten kann Er mich zum
-Dot bitten.“</p>
-
-<p>„Sie werden sie wieder fangen,“ seufzte der Stadtschreiber,
-der in einem fort an Babette dachte.</p>
-
-<p>„O, la la,“ lachte der Alte.</p>
-
-<p>„Und ich könnte sie alle an den Galgen bringen, wenn
-es noch Recht und Gerechtigkeit gäbe,“ schrie Friedrich Lerch,
-in dem nun der Wein zu wirken begann, ganz plötzlich auf.
-„Ich habe erst einen Blick in die Vetterleswirtschaft am
-Ort getan und weiß doch schon, daß sie alle, die hochmögenden
-Herren, Taschen mit doppelten Böden haben. Der hat
-einen Sohn und jener eine Tochter, die alle meinen, es
-schmecke kein Kuchen so süß als der, den sie aus dem Stadtmehl
-backen. &mdash;“</p>
-
-<p>Der Ratsherr lachte aus vollem Halse: „Er ist toll.
-Weiß Er am End auch schon, daß man am weichsten auf
-dem Leder geht, das man aus dem Rücken der anderen
-schneidet? Hat Er darüber nachgedacht, warum wir von
-der gleichen Konfession die gleiche Anzahl Ratsherren,
-Pfaffen, Stadtausrufer, Hochzeitansager, Büchsenmacher,
-Glockengießer, Apotheker, Ärzte und Scharfrichter haben,
-warum aber nur ein Bürgermeister regiert? Hat Er noch
-nicht bemerkt, daß der katholische Totengräber seine Leute
-mit einem anderen Gesicht eingräbt als der lutherische? Und
-was will Er machen, wenn Er, wie ich als Armenadvokat,
-eines Tages zum Waisenvater und Rentmeister des Waisenhauses
-zugleich ernannt wird und in die seltsamste Zwickmühle
-gerät? Setz Er den Fall, der Waisenvater &mdash; Er
-&mdash; befehle dem Rentmeister &mdash; Ihm &mdash;, den unglücklichen
-Waisenkindern einen Osterkuchen aus Weizenmehl backen
-zu lassen, und der Rentmeister weigere sich, Seinem Befehl
-zu gehorchen, weil kein Geld in der Kasse ist? Wird Er
-den Lümmel nicht koramisieren? Wird Er &mdash; als Waisenvater
-&mdash; dulden, daß der Rentmeister Ihm auf ein ungeschriebenes
-<span class="antiqua">Promemoria</span> von hundert Seiten keine Antwort
-gibt, sondern Ihn vielleicht gar auf die immerwährende
-Frankenthaler Kirchweih lädt? Wenn Er in solchen Lagen,
-wie ich sie zu hundert Malen durchgemacht habe, nicht zum
-voraus Bescheid weiß, versteht Er nichts <span class="antiqua">in politicis</span>, und
-ich rat Ihm als guter Freund, lieber heut als morgen eine
-gut dotierte Stellung in dem Utopien des weiland Kanzlers
-Morus zu suchen, nicht aber in einer paritätischen Republik,
-deren Verfassung auf dem Westfälischen Frieden gutgeheißen
-wurde und dem kaiserlichen Hofrat in Wien auch heut noch
-zuweilen den heiligen Amtsschlaf stört. Ich will Ihm, falls
-Er als Scriba beim Amt zu bleiben und das Juramentum
-zu leisten gedenkt, einen guten Rat geben: Trag Er nur
-fein immer den Hut in der Hand, wenn Er dem regierenden
-Herrn Bürgermeister oder einem hochmögenden Ratsherrn
-begegnet, und katzenbuckle Er wie ein Hungerleider, der
-Schlehen für Pflaumen frißt, wenn die Not an den Mann
-geht. Und wenn von der hochmögenden Obrigkeit die Rede
-ist, die, wie ich jüngst in einem alten Hexenurteil gelesen,
-von Gott eingesetzt und mit scharfem Verstand begabt ist,
-so sitz Er mit ehrfürchtigem Gesicht da und laß Er Seine
-Ohren hängen, wie es die bockigen Esel tun. Sollte Er
-zufällig ein Weinglas vor sich stehen haben, so kann Er
-trinken; aber Er lasse es nicht merken, daß Er es vielleicht
-tut, um Seinen Ärger hinabzuspülen. Vor allem aber
-mach Er sich nie mit der Geistlichkeit zu schaffen; denn da
-wird Er, wie ich Ihm auf Eid und Treu versichern kann,
-immer den kürzeren ziehen, obwohl ich Leute kenne, welche
-die wohlehrwürdigen, großachtbaren und hochgelahrten
-Herren mit und ohne Beffchen zu eigenem Gaudio hie und
-da hübsch gezaust haben, hihi. Und wenn Er Geld hat, laß
-Er es nie merken, sondern sperre Seine errackerten Kronentaler
-in einen Strumpf ohne Loch; denn die Strümpfe sind
-nicht dazu da, daß man darauf gehe, sondern daß man sie
-voller Batzen im Bettstroh verstecke. Und wenn Er, was
-nicht immer ein Glück ist, Söhne bekommt, so laß Er sie
-nicht in den metaphysischen <span class="antiqua">Terris incognitis</span> herumvagieren,
-sondern laß Er sie wieder Stadtschreiber werden,
-welches Amt mit Gehalt und Gefällen seinen Mann redlich
-und kümmerlich nährt in Ewigkeit. Amen.“</p>
-
-<p>„Sie hat keinen Menschen auf der Welt,“ jammerte der
-Stadtschreiber, der immer wieder an Babette dachte, weiter.</p>
-
-<p>„Will Er um eines Weibsbilds willen auf die schönste
-Stadtschreiberei in der schönsten Stadt Kleinfrankens verzichten,
-über deren Rathaustor die vielsagenden Buchstaben
-<span class="antiqua">S.&nbsp;P.&nbsp;Q.&nbsp;F.</span>, das heißt <span class="antiqua">Senatus Populusque Frankenthalensis</span>,
-eingemeißelt stehen? Weiß Er, wie Hunger tut, und
-wie kleine Kinder schreien, wenn sie kein Brot haben? Meint
-Er, Verliebte leben von Nektar und Ambrosia? Oder will Er
-wirklich in der Welt draußen Seinen gelahrten Mann stellen
-und sehen, wie Er sich in den Händeln ein Haus zimmert?“</p>
-
-<p>„Den Bettel werf ich ihnen vor die Füße,“ schrie der
-Kanzler.</p>
-
-<p>„Weiß Er, daß man an weltlichen Höfen kriechen und
-an geistlichen ein Aug zudrücken muß, falls man eine schöne
-Frau mitbringt?“</p>
-
-<p>„Heut noch geh ich aus der Stadt.“</p>
-
-<p>„Will Er das wirklich? Nun, vielleicht ist Er der Mann,
-um an einem geistlichen Hof besser fortzukommen als in
-dieser Stadt, von der ihre Nachbarn seit Methusalems
-Zeiten absonderliche Schwänke erzählen. Es heißt, unter
-dem Krummstab ist gut wohnen, und die hochgeborenen
-Domherren in Mainz, Würzburg oder Bamberg haben Leute,
-die nach dem Verse ‚<span class="antiqua">On trouve avec le ciel des accommodements</span>‘
-leben, nicht ungern um sich. Aber wenn Er solche
-Pläne in Seinem Cerebro wälzt, so nehm Er sich auch gefälligst
-eine gute Lehre von dem Mohren mit, der auf unserem
-alten Wachturm dem ganzen heiligen römischen Reich
-die Zunge zeigt und den Leuten mit dieser Geste verkündet,
-was ein Biedermann von ihnen und der Welt <span class="antiqua">sub rosa</span> zu
-denken hat. Aber eh Er Seine Höhle aufsucht, will ich Ihm
-noch etwas Hübsches zeigen.“</p>
-
-<p>Ehe er sich erhob, blickte Christopher Kemmeter mit gespitztem
-Mund in die Kanne, um zu sehen, ob sie leer sei,
-und dann nahm er den wild dreinblickenden Kanzler am
-Arm, führte ihn eine knarrende Holztreppe hinauf und stieß
-ihn in eine Gerümpelkammer, wo Babette blaß und gefaßt
-bei einer geschnäbelten Öllampe am Tische saß und ein
-Waisenhemdlein säumte. Sie wollte aufflammen, als Friedrich
-Lerch stolpernd eintrat; als sie aber sein gedrücktes
-Wesen bemerkte, warf sie sich in seine Arme und brach in
-herzzerreißendes Weinen aus. Er streichelte ihr zärtlich die
-blassen abgemagerten Backen; aber er wagte noch lange
-kein Wort zu reden, bis sie endlich tief aufseufzte und fragte:
-„Was soll nun werden?“</p>
-
-<p>Da erwachte der Mann in Friedrich Lerch, und er besaß
-mit einem Male eine Menge von Talenten und Schlichen,
-mit deren Hilfe er es zu einem schönen Ämtchen in einem
-der zahllosen Ländchen des Gaus zu bringen gedachte. Er
-tat, als ob er zeit seines Lebens nur mit Domherren, Kammerdirektoren,
-Rentmeistern und Sekretären Umgang gepflogen
-hätte, und ließ sein Rößlein immer wilder steigen.
-Babette hörte ernsthaft zu; als er aber mit dem Auskramen
-seiner Pläne fertig war und wieder in seine alte Mutlosigkeit
-zurücksinken wollte, gab sie ihm einen zärtlichen Rippenstoß,
-und als er ihre schimmernden Augen gewahrte, empfand
-er die tröstliche Gewißheit, daß die alte Babette noch
-lebe, und glückselig schloß er die Erglühende zum erstenmal
-in seinem Leben in die Arme.</p>
-
-<p>So saßen sie eine Weile wortlos da, bis die wie ein
-Vögelein sich duckende Babette sich plötzlich losmachte und
-fragte: „Wenn ich nun aber doch ein Hexle wär?“ Und als
-Friedrich Lerch leise lachte, verzog sie schmollend ihr blühendes
-Mündchen und seufzte: „Ach ja, das kommt davon!“</p>
-
-<p>Die Wahl des Friedrich Lerch zum Stadtschreiber wurde
-von den hochmögenden Regierenden in Frankenthal nicht
-bestätigt. Die Evangelischen setzten es durch, daß, nach altem
-Recht und Brauch, einer der Ihrigen an die Stelle kam,
-und zu ihrem Erstaunen erhob der Spitalpfleger Christopher
-Kemmeter keine Einsprache. Er wurde überhaupt in diesen
-Tagen selten in der Stadt und im Rat gesehen, und wenn
-Gaffer kamen, um nach ihm zu sehen, erzählte er ihnen des
-langen und breiten, daß sein guter Freund, der Abt von
-Fulda, drei Fässer Zypernwein bei ihm bestellt habe, die er
-in nächster Zeit zu liefern gedenke. Wenn die Rede auf die
-verschwundene Hexe kam, spielte er den Schwerhörigen, und
-wenn ihm einer auf den Kopf zusagte, daß er bei dem Handel
-die Hand im Spiele habe, brummte er, ihm tue nur leid,
-daß die Gerichtsherren um ihr dreitägig Fasten gekommen
-seien. Er wußte, daß die Anhänger des Bürgermeisters
-sein Haus umschlichen und auch draußen, vor den Mauern,
-ihre Späher hatten; allein die Späher fanden es doch in
-der Ordnung, daß eine Woche nach dem Verschwinden Babettes
-ein Wagen mit drei Fässern vor dem Keller des Ratsherrn
-hielt, und kein Mensch ahnte, daß Babette unter dem
-mittleren, das keinen Boden hatte, saß und mit angstvollen
-Ohren dem Spiel des Postillions lauschte, der eine fromme
-Weise blies, als er langsam aus dem Falkentore fuhr. &mdash;</p>
-
-<p>Friedrich Lerch selbst war eines Tages ohne Sang und
-Klang aus der Stadt verschwunden, und ein Gerücht wollte
-bald darauf wissen, er sei mit der Hexe Babette Glock in
-Bischofsheim gesehen worden.</p>
-
-<p>Der Ratsherr Christoph Kemmeter erbot sich daraufhin,
-bei dem kurmainzischen Oberamtmann, dem Herrn Hans
-Rüdt von Collenberg, Klage zu erheben, falls das Gerücht
-von dem sündhaften Hexenschutz auf Wahrheit beruhen
-sollte. Als er in einem alten Roquelaure, der seit zwanzig
-Jahren unbenützt im Schranke hing und da und dort Mottenlöcher
-sehen ließ, in den Postwagen steigen wollte, hörte er,
-daß zwei Wäscherinnen im Nachbarsgarten die Hexe Babette
-Glock gesehen haben wollten, wie sie, mit fliegendem
-Haar und auf einem Besenstiel reitend, dreimal um den
-Türmersturm geflogen sei und dem zungenreckenden Mohren
-ihr spitzes Zünglein gezeigt habe. Die beiden Gevatterinnen
-schwuren hoch und teuer, daß ihnen das Luder nicht mehr entwischen
-werde, wenn sie sie wieder fangen würden. Der Herr
-Spitalpfleger ließ sich die Geschichte zweimal erzählen und
-bemerkte dann, die Nürnberger hätten noch nie eine Hexe
-verbrannt, ohne sie zu haben, und so riet er auch den beiden
-Gevatterinnen, doch ja den Rat dafür zu stimmen, daß dieser
-löbliche Rechtsbrauch der Nürnberger nicht in Verfall gerate.</p>
-
-<p>In der alten Tauberstadt ging er erst seinen Weingeschäften
-nach und ließ sich dann bei dem Junker Emmerich
-melden, den er in dem schmalen Schloßgarten zwischen zwei
-geputzten Frauenzimmern auf und ab wandelnd fand: es
-waren die junge Freifrau Ottilie und Babette, die nun ganz
-französisch ausstaffiert war und ein bemaltes Fächerchen in
-der Hand trug, an der ein goldenes Ringlein glänzte. Sie
-lief leichtfüßig auf den alten Ratsherrn zu, gab ihm einen
-Kuß und flüsterte ihm ins Ohr: „Wir halten übermorgen
-Hochzeit. Und dann will ich <em class="gesperrt">ihn</em> ziehen.“ Und dann floh sie
-wieder zu ihrer neuen Freundin und faßte sie, wie Zuflucht
-suchend, am Arm, während der Junker seine Fahrt an den
-Hof zu Mainz erzählte und dem Gast den beklagten Gebetsstuhl
-der Familie von Collenberg zur Verfügung stellte. &mdash;</p>
-
-<p>Da in diesem Augenblicke Friedrich Lerch aus der Rentstube
-daherkam, um seinen Gönner zu begrüßen, benützte
-dieser die Gelegenheit zu einem Scherze; er rief: „Er kommt
-gelegen. Er kennt doch die Geschichte von dem Gebetsstuhl,
-den mir der Herr Baron soeben zum Gebrauch für eine
-Hochzeit angeboten? So sag Er mir doch, welchen Bescheid
-Er hätte ergehen lassen, wenn Er Geheimer Rat des durchlauchtigsten
-Erzkanzlers gewesen wär.“</p>
-
-<p>Friedrich Lerch sah Babette an und entgegnete nach einer
-Weile: „Wir Johann Karl Friedrich von Gottes Gnaden,
-des Heiligen Römischen Reiches durch Germanien Erzkanzler
-und Kurfürst etc. fügen Unserm lieben getreuen Amtmann zu
-wissen, daß der beklagte Gebetsstuhl in Unserer Pfarrkirche zu
-Bischofsheim an seinem Platz zu bleiben hat; aber Wir geben
-ihm den wohlmeinenden Rat, den Vorhang offen zu halten,
-wenn der Herr Dekan predigt oder das Hochamt zelebriert,
-und die beklagte Schließung des Vorhangs, die Wir seiner
-christlichen Demut zugute halten wollen, für die Predigten
-und stillen Messen der Vikare und Kapläne zu versparen &mdash;“</p>
-
-<p>Der Ratsherr lachte: „Er hat etwas gelernt! Er wird
-Sein Glück an einem Hof machen.“</p>
-
-<p>Doch da mischte sich Babette ins Gespräch: „Und wie
-haben wir uns im Betstuhl zu verhalten?“</p>
-
-<p>Der Frankenthaler Ratsherr entgegnete: „Die Jungfer
-wird nie das Gelüsten haben, den Vorhang zuzuziehen; denn
-die Frauenzimmer wollen auch beim Beten gesehen werden.“</p>
-
-<p>Babette knickste und ergriff die Hand ihres Liebsten, um
-mit der Gesellschaft den Gang in die Kirche anzutreten, wo
-der Betstuhl in seiner funkelnagelneuen Pracht mitten in
-dem Hauptgang vor dem Chore stand. &mdash;</p>
-
-<p>Christopher Kemmeter kam erst nach einer vollen Woche
-mit einem Hochzeitssträußchen an seinem Roquelaure und
-einem verschmitzten Gesicht heim. Er sprach zuerst bei der
-Margret Hippler vor, die wie sonst mit friedlichem Gesicht
-an ihrem Spinnrad saß, und erzählte dann in der Trinkstube
-und im Geheimen Rat, daß er in der Stadt der heiligen
-Lioba zwar auch einen festen, runden Hexenturm, aber keine
-Hexe darin gefunden habe, da die Hexen im Taubergrunde
-gründlich ausgestorben seien.</p>
-
-<p>Friedrich Lerch half dem kurmainzischen Amtmann Collenberg
-eine Zeitlang bei dessen Amtsgeschäften, und später,
-als der Graf Stadion den Junker Emmerich als Rat des
-Erzkanzlers nach Mainz zog, begleitete er den jungen Herrn
-an den kurfürstlichen Hof, wo er selbst bald darauf eine
-Stellung als Geheimschreiber fand und durch Josef II. in
-den Adelsstand erhoben wurde. Babette Glock schenkte
-ihm ein einziges Töchterchen, das sich im Blütenalter von
-sechzehn Jahren mit dem Hauptmann Ignaz von Schreckenbach
-vermählte und sieben Söhne zur Welt brachte, die
-nach Wien gerieten und da in kaiserliche Dienste traten.
-Sie hatten alle sieben das Gemüt ihrer Großmutter geerbt,
-und wenn es heute unter den vielgepriesenen Wienerinnen
-noch viele heimliche Hexen gibt, so ist diese Wesenheit gewiß
-zu einem kleinen Teil auf das Blut der letzten Frankenthaler
-Hexe zurückzuführen.</p>
-
-<div class="chapter">
-<p class="center spaced gesperrt">Im Insel-Verlag zu Leipzig</p>
-<hr />
-<p class="center">erschienen von</p>
-
-<p class="title">Wilhelm Weigand</p>
-</div>
-<hr class="tb" />
-
-<p class="book">Die Frankenthaler.<span class="sp"> Roman. 11.-15. Tausend.</span></p>
-
-<p class="book">Der Ring. <span class="sp">Ein Novellenkreis.</span></p>
-
-<p class="book">Wendelins Heimkehr. <span class="sp">Eine Erzählung aus der
-Fremdenlegion. (Insel-Bücherei Nr. 167.)</span></p>
-
-<p class="book">Der verschlossene Garten. <span class="sp">Gedichte aus den
-Jahren 1901-1909.</span></p>
-
-<p class="book">Könige. <span class="sp">Ein Schauspiel in fünf Akten.</span></p>
-
-<p class="book">Psyches Erwachen. <span class="sp">Ein Schauspiel in drei Akten.</span></p>
-
-<p class="book">Stendhal und Balzac. <span class="sp">Essays.</span></p>
-
-<hr class="full"/>
-<p class="center small">Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.&nbsp;m.&nbsp;b.&nbsp;H., Leipzig</p>
-
-<div lang='en' xml:lang='en'>
-<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DIE HEXE</span> ***</div>
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-Defect you cause.
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg&#8482;
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; is synonymous with the free distribution of
-electronic works in formats readable by the widest variety of
-computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
-exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
-from people in all walks of life.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg&#8482;&#8217;s
-goals and ensuring that the Project Gutenberg&#8482; collection will
-remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
-and permanent future for Project Gutenberg&#8482; and future
-generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation&#8217;s EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
-U.S. federal laws and your state&#8217;s laws.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Foundation&#8217;s business office is located at 809 North 1500 West,
-Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
-to date contact information can be found at the Foundation&#8217;s website
-and official page at www.gutenberg.org/contact
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; depends upon and cannot survive without widespread
-public support and donations to carry out its mission of
-increasing the number of public domain and licensed works that can be
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-array of equipment including outdated equipment. Many small donations
-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
-status with the IRS.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Foundation is committed to complying with the laws regulating
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-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
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-While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
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-</div>
-
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-any statements concerning tax treatment of donations received from
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-</div>
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-ways including checks, online payments and credit card donations. To
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-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 5. General Information About Project Gutenberg&#8482; electronic works
-</div>
-
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-Gutenberg&#8482; concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
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-volunteer support.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
-necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
-edition.
-</div>
-
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