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-The Project Gutenberg eBook of Landesverein Sächsischer Heimatschutz
--- Mitteilungen Band XI, Heft 10-12, by Landesverein Sächsischer
-Heimatschutz
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you
-will have to check the laws of the country where you are located before
-using this eBook.
-
-Title: Landesverein Sächsischer Heimatschutz -- Mitteilungen Band XI,
- Heft 10-12
- Monatsschrift für Heimatschutz und Denkmalpflege
-
-Author: Landesverein Sächsischer Heimatschutz
-
-Release Date: November 15, 2022 [eBook #69359]
-
-Language: German
-
-Produced by: The Online Distributed Proofreading Team at
- https://www.pgdp.net
-
-*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LANDESVEREIN SÄCHSISCHER
-HEIMATSCHUTZ -- MITTEILUNGEN BAND XI, HEFT 10-12 ***
-
-
-
-
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original
- unterstrichener oder gesperrter Text ist _so ausgezeichnet_.
- Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so markiert~. Im
- Original fetter Text ist =so dargestellt=.
-
- Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des
- Buches.
-
-
-
-
- Landesverein Sächsischer
- Heimatschutz
- Dresden
-
- Mitteilungen
- Heft
- 10 bis 12
-
- Monatsschrift für Heimatschutz und Denkmalpflege
-
- Band XI
-
- _Inhalt_: Weihnachtsspiele der Sächsischen Oberlausitz –
- Wiedersberg – Zur Geschichte des Jägerhofes zu Dresden –
- Das obere sächsische Erzgebirge – Die Schlösser im Walde,
- Moritzburg und Fasanenschlößchen – Ludwig Richters
- Weihnachtskunst – Edgar Hahnewald: Sächsische Landschaften –
- Jagdschloß Rehefeld – Eine wiedergefundene alte Postmeilensäule –
- Das Kamenzer Forstfest – Postmeilensäulen – Karl Schmidt †
-
- Einzelpreis dieses Heftes M. 200.–, Bezugspreis für einen Band
- (aus 12 Nummern bestehend) M. 200.–, für Behörden und Büchereien
- M. 100.–. Mitglieder erhalten die Mitteilungen kostenlos,
- _Mindest_jahresbeitrag M. 100.–, freiwillige Einschätzung
- erbeten
-
- Geschäftsstelle: Dresden-A., Schießgasse 24
-
- Postscheckkonto: Leipzig 13987, Dresden 15835
- Stadtgirokrasse Dresden 610
-
- Dresden 1922
-
-
-
-
-Dank und Bitte an unsre werten Mitglieder!
-
-
-Ein Jahr nähert sich dem Ende, das in seiner zweiten Hälfte eine
-Teuerung brachte, die jede und alle Berechnung unmöglich machte. Wenn
-wir trotzdem bis hierher durchkamen und dieses stattliche letzte
-diesjährige Heft unsrer Mitteilungen in uneingeschränktem Umfang, in
-alter Ausstattung – wie früher – herausgeben konnten, so zeugt dies von
-der Festigkeit der wirtschaftlichen Lage unsres Vereins, von unserm
-unbeugsamen Willen »Durchzuhalten«. Tausende von Zuschriften mit
-diesem Wort und reichen Geldspenden haben uns dazu ermuntert und dies
-ermöglicht. Wir konnten nicht jedem einzelnen danken – und das lag auch
-nicht in der Absicht unsrer Spender –, den Dank unseres Vereins statten
-wir durch das weitere Erscheinen der grünen Hefte, durch unsre weitere
-Tätigkeit ab. Und dazu bitten wir erneut – was eigentlich in dieser
-schweren Zeit selbstverständlich ist – um die Hilfe, die Unterstützung
-aller unsrer Mitglieder. Wenn wir den diesjährigen Jahresbeitrag
-rückwirkend auf mindestens 100 M. erhöhen müssen, so bedeutet diese
-Summe bei der heutigen Teuerung ein so kleines Entgelt bei dem vielen,
-das wir bieten, daß wir, um bestehen zu können, auf erneute freiwillige
-Beiträge von allen denen, die dazu _irgendwie_ in der Lage sind, direkt
-angewiesen sind. Das Postgeld jedes Heftes kostet uns heute schon
-12 M., ab 15. Dezember 24 M. Würden wir die alljährlichen Gesamtkosten
-unsrer Mitteilungen auf die Zahl unsrer Mitglieder umlegen, so müßten
-wir einen Jahresbeitrag von 300 M. fordern. Das wollen und können wir
-nicht, weil wir sonst die vielen wirtschaftlich schwachen Mitglieder,
-Rentner, Schüler, Schülerinnen und viele andere verlieren würden, und
-warum sollen wir so vielen unsrer Volksgenossen die Zugehörigkeit zu
-ihrem Heimatverein unmöglich machen, zu einem Verein der ihnen das
-letzte, was wir besitzen, die Heimat erst lieb und wert macht.
-
-Bei der Bemessung eines freiwilligen Weihnachtsbeitrages für uns, der
-zur Beschaffung des Papiers für unsre nächstjährigen Mitteilungen
-verwendet werden soll, bitten wir an die heutigen Kosten der
-illustrierten Zeitschriften und der Tageszeitungen zu denken, um einen
-Maßstab für unsre Leistungsfähigkeit zu erhalten. Von der Höhe der
-eingehenden Beträge wird das weitere Erscheinen unsrer Mitteilungen
-wesentlich abhängen. Wir bitten daher herzlich, uns im schweren Kampf
-ums Dasein auch weiter zu helfen und dadurch die größte sächsische
-Kulturbewegung lebensfähig zu erhalten zur eigenen Freude.
-
-=Mögen alle bedenken, daß bei uns eine Arbeit geleistet wird, wo uns
-kein politischer Trennungsgraben zerklüftet, auf der uns und unsren
-Nachfahren eine verjüngende Freude an Heimat und Vaterland erwachsen
-wird.=
-
- =Weihnachten 1922.=
-
- =Landesverein Sächsischer Heimatschutz=
-
- =Dresden-A., Schießgasse.=
-
-
-
-
- Band XI, Heft 10/12 1922
-
-[Illustration: Landesverein Sächsischer Heimatschutz
-
-Dresden]
-
-Die Mitteilungen des Vereins werden in Bänden zu 12 Nummern
-herausgegeben
-
-Abgeschlossen am 1. November 1922
-
-
-
-
-Weihnachtsspiele der Sächsischen Oberlausitz
-
-Von _Friedrich Sieber_, Crostau bei Schirgiswalde
-
-
-Ich weiß noch, wie freudig erregt wir Chorjungen eines kleinen Dorfes
-der Südlausitz am ersten Adventsonntag auf unsren Chorplätzen saßen,
-wie wir mit hellen Stimmen der festlichen Gemeinde das strahlende
-Lied entgegenjubelten: »Macht hoch die Tür, die Tor’ macht weit, es
-kommt der Herr der Herrlichkeit!« Lag doch das Totenfest mit seinen
-Novembernebeln und düstern Melodien hinter uns, war doch endlich die
-gleichförmige Zeit der festlosen Trinitatissonntage vorüber! Nun war
-die Zeit wieder ahnungsreich geworden. Schnee und Weihnachten dufteten
-von ferne. Und am Abende kamen die ersten Boten des hellen Festes: das
-Christkind mit seiner wunder- und schauerreichen Begleitung zog durch
-das dunkle, schweigende Dorf ...
-
-Weihnachtsspiele sind bis zur Gegenwart in vielen Ortschaften der
-Oberlausitz lebendig geblieben. Aber von Jahr zu Jahr werden die
-Aufführungen seltner. Die Kinder spielen die Stücke für sich als
-Kinderspiel. Dadurch werden Texte und Melodien immer entstellter. Oft
-flattern nur noch schwerverständliche Bruchstücke durch die Köpfe. Und
-doch lassen die Trümmer des noch Vorhandenen deutlich erkennen, daß in
-unsrer Heimat die Überlieferung einst so üppig und breit strömte, wie
-etwa in Schlesien. (Vergleiche das erschöpfende Werk Friedrich Vogts:
-Die schlesischen Weihnachtsspiele, Teubner 1901.) Die Oberlausitzer
-Weihnachtsspiele zerfallen ihrem Stoffcharakter nach in drei Gruppen:
-Adventspiele, Christgeburtspiele, Herodesspiele. Innerhalb der
-Oberlausitz bestehen in der Spielüberlieferung augenscheinliche
-landschaftliche Besonderheiten. In der nördlichen Lausitz ist
-die Überlieferung offenbar treuer und reichhaltiger. Vielleicht
-ist dies durch die überwiegend landwirtschaftliche Bevölkerung
-bedingt, vielleicht auch durch den Einfluß wendischen Volkstums, das
-volkstümlichen Überlieferungen ausgeprägt konservativ gegenüberzustehen
-pflegt.
-
-In der Südlausitz ist das kurze Adventspiel, aus drei oder vier
-Personen bestehend, gebräuchlich. Zu dieser Art gehört auch das von
-Kruschwitz in den »Bunten Bildern aus dem Sachsenlande« mitgeteilte
-Spiel vom Eigenschen Kreise. Engel, Christkind, Ruprecht treten
-nacheinander auf. Der Engel übernimmt die Rolle des Ankündigers,
-des Anklägers der Kinder, und als das Christkind daraufhin Ernst
-macht, mit seinen Gaben zurückzuhalten, die Rolle des erfolgreichen
-Verteidigers. Das Christkind, von einem Mädchen gespielt, ist milde,
-sanfte Schenkerin. Der Ruprecht spielt die eigentlich pädagogische
-Rolle. Das Ziel seines Auftretens ist Einschüchterung, die als erste
-Stufe zur Besserung betrachtet wird. Worte und Gebaren sind aber mit
-so reichlicher Plumpheit und gewollter Komik verbunden, daß er nur
-bei den ganz Kleinen seinen Zweck erreicht, für die Größeren wird er
-zur lustigen Figur, die allerdings noch mit einem angenehmen Gruseln
-umwoben ist. Die drei immer wiederkehrenden Forderungen, die Ruprecht
-den Kindern auferlegt und worüber er sie examiniert, sind: Ihr sollt
-fleißig beten! Ihr sollt fleißig in der Schule sein! Ihr sollt den
-Eltern gehorchen!
-
-In der Zittauer Gegend wird das Spiel durch die Einführung des Petrus
-erweitert. (Vergleiche die von Paul Stöbe in der »Oberlausitzer
-Heimatzeitung« Nummer 7, 1919, mitgeteilten Zittauer Weihnachtsspiele.)
-Aber die Gestalt des Petrus ist in der Südlausitz ziemlich
-charakterlos. Er kommt über seine Selbstvorstellung als gewissenhafter,
-strenger Schließer des Himmels nicht hinaus. Sowohl die Spiele mit
-drei als auch mit vier Personen sind ihrer Art nach nahe verwandt
-mit denen, die Friedrich Vogt im Riesengebirge sammelte und sammeln
-ließ (Agnetendorf, Schreiberhau, Warmbrunn, Liebau). Es finden sich
-zahlreiche, wörtlich übereinstimmende Versgruppen, zum Beispiel die
-Einführungsworte des Ruprecht:
-
- Flietz, Flatz, Fladerwiesch,
- Drauß’n is mer’sch goar ze friesch,
- War mich a de Stube mach’n
- Und ’n Kinnern vertreib’n ’s Lach’n.
-
-Oberlausitzer Spiele, die mit den bei Vogt aufgeführten völlig
-übereinstimmten, wenn auch nur in ihrem Aufbau, habe ich nicht
-gefunden. Aber nicht nur die Texte weichen voneinander ab; große
-Teile der Spiele werden psalmodierend gesungen oder im Sprechgesang
-vorgetragen. Melodie sowohl als Sprechgesang sind in der Oberlausitz
-den schlesischen Spielen gegenüber oft von eigenartiger selbständiger
-Prägung. Die melodische Grundfigur des kurzen Südlausitzer Spiels
-klingt folgendermaßen. Der Engel als Spieleröffner singt im
-Sprechgesang:
-
- Gut’n Ab’nd, gut’n Ab’nd zu dieser Frist,
- hierher schickt mich der heil’ge Christ;
- ich sollte frag’n in der Gemein,
- ob fromme Kinder drinne sein.
- Ruprecht, Ruprecht komm herein.
-
-[Music:
-
- Gut’n Ab’nd, gut’n Ab’nd zu dieser Frist, hierher schickt mich der
- heil’ge Christ; ich sollte frag’n in der Gemein, ob
- fromme Kinder drinne sein. Ruprecht, Ruprecht komm herein.
-]
-
-In der Nordlausitz ist das Adventspiel mit dem Christgeburtspiele
-zu einer innigen Einheit verschmolzen. In der Südlausitz ist mir
-keine Überlieferung des Christgeburtspiels zu Gesicht oder zu Gehör
-gekommen, trotzdem Zittau wegen seiner ausgelassenen Christaufführungen
-berühmt und berüchtigt war. Bestand doch hier um 1700 unter der
-Handwerkerschaft sogar ein »Heiliger Christrat«, der die Spiele
-in Szene setzte. Das Adventspiel der Nordlausitz weist einige
-Besonderheiten auf. Spielankündiger ist das Schäfermädchen. Es tritt
-im Dirndlkleid auf, mit einem Hirtenstab, einem Schäfchen und einer
-Klingel in den Händen. Es rezitiert im Sprechgesang:
-
- Guten Abend, guten Abend, ich komm herein geschritten
- Und möchte Frau Wirtin bitten,
- Ob sie uns wolle vergönn’n
- Ein Liedelein zu sing’n.
- Maria und Joseph kommt auch herein
- Mit euerm kleinen Jesulein.
-
-[Music:
-
- Guten Abend, guten Abend, ich komm herein geschritten
- und möchte Frau Wirtin bitten, ob sie uns wolle vergönn’n
- ein Liedelein zu sing’n. Maria und Joseph kommt
- auch herein mit euerm kleinen Jesulein.
-]
-
-Diese eigenartige Spieleröffnerin hat das Nordlausitzer Adventspiel
-gemeinsam mit einem Spiele aus der Reichenberger Gegend. Während
-des Spiels bleibt das Schäfermädchen geradezu die Spielleiterin. Es
-ruft alle erforderlichen Personen mit Klingelzeichen herein. Das
-Schäfermädchen hat den Engel aus seiner Rolle verdrängt. Damit ist eine
-durchaus volkstümliche, tief im Heimatleben wurzelnde Gestalt in das
-Spiel eingedrungen, war doch die Schäferei an den Sudetenhängen und im
-Vorlande der Sudeten ein wichtiger Erwerbszweig der Bewohner. In diesem
-Zusammenhang ist auch der von Stöbe (a. a. O.) mitgeteilte Hirtenspruch
-zu erwähnen:
-
- O Frede, über Frede,
- Ihr Nubbern kummt und hirt,
- Wos jetzt ei unsrer Hede
- Fer Wunnerding possiert.
- Do koam dohar a Ängel
- Zu huher Mitternacht,
- Ha sung wuhl a Gesängel,
- Doaß ’s Harz an Leibe lacht.
-
-Der Spruch wurde 1753 erstmalig gedruckt und gehört dem kurzen Spiel
-»Vom guten Hirten« an, das in das Christgeburtspiel aufging. Das zur
-Einheit verschmolzne Nordlausitzer Advent- und Christgeburtspiel ist
-verhältnismäßig personenreich. Nach dem Schäfermädchen treten Maria
-und Joseph auf, Maria im langen Rock, das Gesicht mit weißem Tuche
-verhangen, Joseph in langen schwarzen Hosen, Hemdärmeln, Schnurrbart,
-Halbzylinder, Stock, Quirl, Töpfchen in der einen Hand; in der andern
-trägt er mit Maria die Wiege, in der das Jesulein als Puppe liegt. Die
-Melodie ihres Eingangsliedes klingt an alte kirchliche Tonarten an:
-
- Guten Abend, guten Abend, wir geben euch Gott,
- Wir komm’n zu euch ohn allen Spott.
- Habt ihr auch kleine Kinderlein,
- Die Vater und Mutter nicht gehorsam sein,
- So woll’n wir rufen Knecht Ruprecht herein,
- Der soll sie tragen zur Höllenpein.
-
-[Music:
-
- Gut’n Ab’nd, gut’n Ab’nd, wir geb’n euch Gott, wir komm’n zu euch
- ohn allen
- Spott; habt ihr auch kleine Kinderlein, die Vat’r und Mutt’r nicht
- gehorsam
- sein, so woll’n wir ruf’n Knecht Ruprecht rein, der soll sie trag’n
- zur Höllenpein.
-]
-
-In dieser letzten Drohung ist noch der düstre Teufelscharakter
-Ruprechts angedeutet. Noch in den gelehrten Weihnachtsspielen des
-siebzehnten Jahrhunderts erscheint Ruprecht als eine Art Teufel, der
-dem heiligen Christ die Seelen der Kinder abspenstig machen will.
-Nun wird vom Schäfermädchen das Christkind hereingerufen. Es trägt
-ein weißes Kleid mit Sternen übersät, Stern auf dem Kopfe, Flügel,
-geschmücktes Christbäumchen in der Hand. Mit dem Auftreten des
-großen Christkindes neben dem kleinen ist das Volk einer beliebten
-Darstellungseigentümlichkeit treu geblieben. Es liebt es, eine Person
-in einer großen und einer kleinen Ausgabe vor Augen zu stellen und
-findet darin nicht den geringsten Widerspruch. Dem Christkind folgt der
-Engel Gabriel, dessen Tätigkeit infolge seiner Verdrängung durch das
-Schäfermädchen nur darin besteht, zwei Strophen des »Vom Himmel hoch«
-zu singen. Eine scharf ausgeprägte Persönlichkeit ist Petrus. Er ist
-der heilige, leidenschaftliche Eiferer. Er trägt Vollbart, eine Krone
-auf dem Haupte, Zepter und Schlüssel in der Hand:
-
- Petrus, Petrus bin ich genannt,
- Das Zepter hab’ ich in meiner rechten Hand,
- Die Schlüssel hab’ ich alle hier,
- Damit ich aufschließen kann die Himmelstür.
- Die Kinder, wenn sie aus der Schule gehn,
- Auf allen Gassen bleiben sie stehn,
- Die Bücher zerreißen sie,
- Blätter in alle Winkel schmeißen sie,
- Ranzen rumschmeißen sie,
- Ja solchen Unfug treiben sie.
- Christkind, Christkind, wenn ich so wär’ wie du,
- Mit Ruten und Peitschen hieb ich zu.
-
-Während alle Personen in mehr oder weniger reinem Hochdeutsch sprechen,
-dröhnt Ruprecht in derbster Mundart herein:
-
- Holler, woller, kumm ich rei gewollert,
- Hoa an gruß’n Zipplsak,
- Sibmsibzsch Kinner sein schun drinne,
- Die anern, die ne fulg’n, kumm olle no rei,
- Doas sull ane Strofe sein.
- Hätt’ mich de Mutt’r gewosch’n mit ’n Schwomm,
- Wär ’ch weiß wie a Lomm,
- Su hut se mich gewosch’n mit ’n Ufnlopp’n,
- Do bi ’ch schworz wie a Ropp’n.
-
-Besonders lehrreich ist das letzte vierreihige rhythmische Gefüge.
-Es ist aus dem Dreikönigsspiel (der erste Teil des Herodesspiels)
-hierher verweht worden und wird ursprünglich vom Mohrenkönig
-gesprochen. Wir gewinnen hier einen tiefen Einblick in die Art und
-Weise, wie die Spiele gestaltet werden. Um typische Persönlichkeiten
-hat sich ein verwirrender Reichtum sprachlicher Formen gelagert,
-die ihr Wesen ausdrücken. Die Hauptsorge der Überlieferung besteht
-nicht darin, die Sprachformen getreu zu erhalten, sondern die
-typischen Persönlichkeitscharaktere unverfälscht zu bewahren. So
-herrscht in der Aneinanderreihung der Wortformen ziemliche Willkür.
-Zahlreiche Abweichungen und Lesarten entstehen. Wir werden an die
-Form der italienischen Stegreifkomödie (~comoedia dell’ arte~)
-erinnert. In dem oben erwähnten Falle findet eine Annäherung zweier
-Persönlichkeitssphären statt. Komik hier – Komik da: die Wortform
-springt von der einen Sphäre in die andre über.
-
-Nach dem Auftreten des Ruprecht zieht singend der Engelchor ein. Das
-Adventspiel bricht ab, das Christgeburtspiel beginnt. Gemessen an
-der, an dieser Stelle besonders breiten schlesischen Überlieferung,
-sind die in der Nordlausitz noch lebendigen Reste dürftig zu nennen.
-Es fehlt die Herbergsuche, die Erscheinung der Engel, das zögernde,
-bäurisch-komische Aufbrechen der Hirten, die Hirtenanbetung, die
-Beschenkung des Kindes, die Reue des Wirtes. Es hat sich erhalten der
-wertvollste lyrische Kern des Stückes: das Kindelwiegen. Die Szene ist
-von außerordentlicher Zartheit und Innigkeit. Sie geht zurück auf ein
-hessisches Weihnachtsspiel des fünfzehnten Jahrhunderts. Die älteste
-Form des Zwiegesanges zwischen Maria und Joseph ist uns in einer
-Leipziger Aufzeichnung vom Jahre 1305 erhalten.
-
-Maria (singt):
-
- Joseph, liber neve myn,
- hilff mir wiegen daß kindelin,
- das got dyn lôner muße syn
- im hymmelrich, der meyde sone Maria.
-
-Joseph:
-
- Gerne, libe mume myn,
- helff ich dir wiegen dyn kindelin,
- das got muß myn lôner syn
- im hymmelrich, der meyde son Maria.
-
-Das Lied wurde im Gottesdienst von Knaben und Mädchen gesungen, die den
-Reihen um die Krippe schlangen, die am Altarplatz stand. Die gemessenen
-Bewegungen wurden von Hymnen begleitet. Das Kindelwiegen hat in der
-nördlichen Lausitz folgende Form angenommen:
-
-[Music:
-
-Maria:
-
- Joseph, lieber Joseph mein, hilf mir wiegen das Kindlein ein.
- Nani, nani, nein, trust, trust, trein, hilf mir wiegen das
- Kindlein ein.
-
-Chor der Darsteller wiederholt:
-
-Nani, nani, nein, trust, trust, trein, hilf mir wiegen das Kindlein
-ein.]
-
-Maria (singt):
-
- Joseph, lieber Joseph mein,
- Hilf mir wiegen das Kindlein ein.
- Nani, nani, nein, trust, trust, trein,
- Hilf mir wiegen das Kindlein ein.
-
-Joseph (spricht):
-
- Wie kann ich denn das Kindel wiegen,
- Kann selber men’ krumm’n Buckel ne biegen.
-
-Chor der Darsteller wiederholt:
-
- Nani, nani, nein, trust, trust, trein,
- Kann selber men’ krumm’n Buckel ne biegen.
-
-In dieser Art wiederholt der Chor während der ganzen Szene, was der
-Chorführer vorsingt oder spricht.
-
-Maria (singt):
-
- Joseph zieh dein Hemde aus,
- Mach dem Kind zwei Windlein draus.
- Nani, nani, nein, trust, trust, trein,
- Mach dem Kind zwei Windlein draus.
-
-Joseph (singt):
-
- Wie kann ich denn mein Hemd ausziehn,
- Kann mit dem Buckel ne nackicht giehn.
-
-Maria (singt):
-
- Joseph, lieber Joseph mein,
- Koch dem Kind ein Breielein.
- Nani, nani, nein, trust, trust, trein,
- Koch dem Kind ein Breielein.
-
-Joseph (bückt sich und quirlt).
-
-Schäfermädchen (singt):
-
- Maria breit dein Schürztuch aus,
- Schenk dem Kind Gold, Weihrauch draus.
- Nani, nani, nein, trust, trust, trein,
- Schenk dem Kind Gold, Weihrauch draus.
-
-Maria (tut es).
-
-Die Lausitzer Form des Kindelwiegens zeigt allen schlesischen Lesarten
-gegenüber folgende Eigentümlichkeiten auf: es fehlt in Schlesien die
-Aufforderung zum Breikochen, die Aufforderung des Schäfermädchens an
-Maria, es fehlt der immer wiederkehrende Wiegengesang nani, nani,
-nein, der vielleicht einen Rest hymnischer Gesänge darstellt; die
-Melodie ist durchaus selbständig, auch der von Bernhard Schneider in
-seiner wertvollen Sammlung mitgeteilten gegenüber (»Lied und Spiel
-zum Preise des Christkinds«. A. Huhle, 1913, Heft 5). Der allgemeine
-Abschiedsgesang aller Darsteller, der im Anfang an die bei Vogt
-mitgeteilte Schreiberhauer Lesart erinnert, schließt das Spiel ab:
-
- Ade, wir müssen scheiden,
- Wir müssen weiter ziehn,
- Die Zeit will uns nicht reichen,
- Wir müssen zum Himmel einziehn.
-
- Ade, wir könn’n nicht länger warten,
- Wir müssen gehn zum Himmelsgarten,
- Ade, wir könn’n nicht länger stehn,
- Wir müssen zum Himmel eingehn.
-
- Und hab’n wir auch das Liedel nicht recht gemacht,
- So wünschen wir euch eine gute Nacht.
-
-[Music:
-
- Ade, wir müssen scheiden, wir müssen weiter ziehn; die
- Zeit will uns nicht reichen, wir müssen zum Himmel einziehn.
- Ade, wir könn’n nicht länger warten, wir müssen gehn zum
- Himmelsgarten.
- Ade, wir könn’n nicht länger stehn, wir
- müssen zum Himmel eingehn. Und hab’n wir euch das Liedel nicht
- recht gemacht,
- so wünschen wir euch eine gute Nacht.
-]
-
-Die dritte Gruppe der Weihnachtsspiele bilden die Herodesspiele. Für
-sie fließt meiner Erfahrung nach die Überlieferung in der Oberlausitz
-am spärlichsten. Bekannt geworden ist das von Professor ~Dr.~ Curt
-Müller im Schulprogramm der Realschule zu Löbau (1900) bearbeitete
-Markersdorfer Herodesspiel. Eine nah verwandte, bruchstückartige
-Fassung habe ich in Crostau vorgefunden. Das Oberlausitzer Spiel
-gehört zu dem Typus, der auf Hans Sachs zurückzuführen ist. Nach einem
-kurzen Vorspruch des ersten Weisen hört Herodes ein Geräusch. In
-schlesischen Lesarten klopft es, oder Trompeten werden geblasen, oder
-ein fürchterlicher Knall erdröhnt.
-
-Bei uns spricht Herodes:
-
- Was hör’ ich denn jetzt für ein Singen!
- Wer will mich um die Krone bringen?
-
-Der Marschall (Diener) holt die drei Könige, die Urheber des
-Geräusches, herbei. Herodes erkundet Zweck und Ziel der Reise. Jüdische
-Schriftgelehrte werden um Rat gefragt. Die Weisen brechen von Herodes
-auf. Nun fehlen im Oberlausitzer Spiel wichtige Stücke: die Anbetung
-in Bethlehem, die Engelsbotschaft. Dargestellt ist wieder, wie die
-Weisen erwachen, ihren Traum austauschen und beschließen, auf andern
-Wegen heimwärts zu ziehen. Am Hofe des Herodes herrscht Unruhe über
-das Ausbleiben der Weisen. Herodes gibt dem Marschall den Befehl zum
-Kindermord. Der Marschall meldet den Vollzug des Befehls. Der Tod
-tritt zu Herodes mit der Sense (nicht mit dem Pfeil) und nimmt ihn in
-vergeltender Gerechtigkeit mit in sein Totenhaus.
-
-Es ist nicht verwunderlich, daß die Überlieferung für das Herodesspiel
-spärlicher fließt. Der Stoff ist starr und spröde und widersetzt
-sich der ästhetischen Verzauberung. Die Form ist in weiten Teilen
-der Dialog. Das Spiel ist melodienarm. Trotzdem weist es ausgeprägte
-volkstümliche Eigenheiten auf. Die Personen sind in derben Strichen
-flächenhaft umrissen. Nuancierende und vertiefende Linien fehlen. Das
-Herodesspiel gleicht wie kein andres einem kräftigen, grell bemalten
-Holzschnitt. Adventspiel und Christgeburtspiel sind mehr musikalisch
-als bildhaft. Sie bringen in überwiegender Weise seelischen Ausdruck,
-nicht raum-zeithafte Darstellung. Der reine Sprechvortrag nimmt in
-ihnen nur geringen Raum ein. Er steigert sich zum Sprechgesang, um an
-den Höhepunkten in reine Ausdruckskunst, Lyrik und Musik, überzugehen.
-Das, was den Spielen bei allen technischen Unbeholfenheiten
-unaussprechlichen Zauber verleiht, ist ihr Hervorströmen aus einer
-machtvollen, innig und tief erlebten Geisteswelt. Der volkstümliche
-Spieler steht im magischen Banne zwingender Überlieferung und spricht
-sie ergriffen aus. Er wird zum Instrument einer übersinnlichen,
-symbolhaft erschauten Welt. Seine engumschränkte Einzelpersönlichkeit
-wird dabei ausgelöscht. Ich kann nicht verschweigen, daß ich so
-ergreifende Darstellungen in der Oberlausitz nur von Kindern erlebt
-habe. In früheren Jahrzehnten hat, wie mir erzählt wurde, ein ähnlich
-würdiger Ernst die erwachsenen Spieler beseelt, wie wir es etwa heute
-noch in Oberammergau erleben können. Aber zu so ergriffenen Spielern
-gehört eine ebenso ergriffene Zuhörerschaft. Die Darstellungen der
-Volksspiele waren keine Theateraufführungen; allen gemeinsames
-innerstes Seelentum trat bild- und klanghaft vor die Sinne. Über den
-Szenen schwebten die magischen Zauber des kultischen Ursprungs. Die
-meisten Wiederbelebungsversuche der Spiele durch Erwachsene sind
-heute aus tiefen entwicklungspsychologischen Gründen unecht. Der
-Durchschnittserwachsene ist ungläubig. Er ist ausgeprägtes Individuum.
-Er steht vor seinem Publikum. Neben der Tradition zeigt er sich, er
-spielt Theater ... Er weiß, daß er in diesen Spielen eine Rarität vor
-sich hat, und all das vernichtet die Wirkung der schlichten Stücke
-im Keime. Nur auserlesenen frommen Seelen mag es in hingebender
-Liebe und eindringendem Eifer heute noch hier und da gelingen, die
-heilige Einfalt, die tiefe Gebundenheit und Innigkeit der Spiele
-zum Ausdruck zu bringen (Haas-Berkow). Aber was die fortschreitende
-individualistische Zerstäubung dem Erwachsenen genommen hat, das ist
-im Kinde lebendig geblieben. Das Kind unsrer Heimat steht noch im
-tiefen Banne des Weihnachtszaubers. Mag es auch bereits bei vielen
-Gelegenheiten individueller Schauspieler sein: beim Weihnachtsspiel ist
-es erklingende Saite großer Symbole. Damit haben die Weihnachtsspiele
-wie manches andre uralte Volksgut ihre letzte Pflege- und
-Zufluchtstätte erreicht: das Kind ...
-
-
-
-
-Wiedersberg
-
-Von _Paul Apitzsch_, Ölsnitz i. V.
-
-
-Unweit der sächsisch-bayrischen Grenze, etwas abseits der Staatsstraße
-Plauen-Hof, hockt zwischen den schräggeneigten Waldhängen des oberen
-Feilebachtales ein Häuflein Häuser: das vogtländische Kirchdorf
-_Wiedersberg_. Hoch über Tal und Dorf liegen im dichten Mischwalde
-versteckt die Mauerüberreste des gleichnamigen alten Raubschlosses. Es
-ist eigenartig, daß über Entstehung, Geschichte und Verfall der wenigen
-vogtländischen Burg- und Kirchenruinen geheimnisvolles Dämmerdunkel
-ausgebreitet ist. Oder vielmehr nicht eigenartig. Zahlreiche Kriege und
-Brandschatzungen des Mittelalters haben in dem alten Durchzugslande
-zwischen Mittel- und Süddeutschland Schloßarchive und Rathausakten,
-Klosterurkunden und Kirchenbücher vernichtet. Daß man die Zeit
-der Erbauung der Burg Elsterberg, des Schlosses Libau, der Veste
-Wiedersberg, der Wallfahrtskirchen am Burgstein nicht mit Bestimmtheit
-anzugeben vermag, nimmt weiter nicht wunder. Aber daß man über Zeit
-und Art ihres plötzlichen oder allmählichen Untergangs so gar nichts
-weiß, daß man nicht einmal anzugeben imstande ist, ob Zerstörung, Brand
-oder Verfall vorliegt, ist doch immerhin merkwürdig. So soll die Veste
-Elsterberg bereits in dem sogenannten Vogtländischen Kriege 1354 in
-Trümmer gesunken sein. Von den andern drei weiß man nicht, ob sie auch
-schon in diesem Kriege oder im Hussitenkriege oder im Dreißigjährigen
-Kriege zerstört worden sind oder ob sie überhaupt auf gewaltsame Weise
-ihren Untergang gefunden haben. Möglicherweise teilen sie alle das
-Schicksal eines fünften Schlosses, des zu Geilsdorf. Von diesem ist
-urkundlich nachweisbar, daß es 1667 durch den Grafen Tattenbach erbaut
-worden ist. Ebenso sicher ist, daß keinerlei Kriegsnöte an seinem Mark
-gezehrt haben und daß lediglich der berühmte und berüchtigte Zahn der
-Zeit die Ursache seines Dahinscheidens war.
-
-[Illustration: =Schloß Wiedersberg=
-
- Nach einer Schwarzweißzeichnung von Kunstmaler Enders
-]
-
-Völlig sagenhaft ist die von einzelnen Historikern vertretene Ansicht,
-_Schloß Wiedersberg_ sei von Kaiser Heinrich I. (919 bis 936) zum
-Schutze gegen die Sorben angelegt worden. Vielmehr wird 1203 zum
-ersten Male eine Burg Wiedersberg erwähnt und 1288 ein Eberhard von
-Wiedersperch. Im Jahre 1386 belehnte Markgraf Wilhelm I. von Meißen
-den Ritter Jan Rabe mit Wiedersberg. 1421 verkauften die Rabe das
-Besitztum an die Familie von Machwitz, die es bis 1580 besaß. Der
-Rittersitz wechselte dann rasch nacheinander seinen Eigentümer und
-gehört seit 1840 der Familie Gräf. Eine ausführliche Geschichte der
-Veste Wiedersberg brachte A. Moschkau im Jahrgange 1878 der Zeitschrift
-»Saxonia« (Seite 36, 49 und 56).
-
-Die _Ruinen_ sind gegenwärtig von sehr geringem Umfange. Sie bestehen
-aus einem viereckigen Turm, einigen Mauerresten und dreifachen
-Schanzgräben. Ein stark angekohlter Balken im Wartturm deutet auf
-Brand. Indes kann dies auch in ursächlichem Zusammenhange mit
-der bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts hier betriebenen
-Pechsiederei stehen. Denn unmittelbar darunter liegen, halb im
-Erdreich vergraben, zwei alte, geborstene Griebenherde. Das neben den
-Mauerüberresten stehende ehemalige herrschaftliche Jägerhäuschen ist
-in ein bescheidenes _Bergwirtshaus_ umgewandelt worden. Der in dieser
-winzigen Waldklause hausende Pächter, Namens Bauer, hat den Krieg 1870
-bis 1871 mitgemacht, wurde verwundet und ins Lazarett nach Dresden
-gebracht. Dort gehörte er zu denen, die sich der besonderen Fürsorge
-der damaligen Kronprinzessin und nachmaligen Königin Carola zu erfreuen
-hatten. Nach Gesundung und Rückkehr in die vogtländische Heimat
-entspann sich ein interessanter Briefwechsel zwischen der Königin und
-dem einfachen Tischlermeister Bauer in Wiedersberg. Bis zum Tode der
-Königin währte das gewiß seltene Freundschaftsband. Der alte Veteran
-weiß recht anregend davon zu plaudern und zeigt auf Verlangen die
-Originale der zahlreichen Briefe, die er pietätvoll in einer großen
-Mappe vereinigt hat. Seine Behausung gleicht dem Knusperhäuschen
-der Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel. Vor dem Eingange krallt
-eine mächtige knorrige Kiefer ihre Wurzeln ins Felsgestein, und am
-prächtigsten zeigt sich der Wiedersberger Burgberg, wenn im Frühherbst
-die buntfarbigen Laubbäume aus dem dunklen Grün der Fichten und Föhren
-hervorleuchten.
-
-Auf steinigem Wege steigen wir hinunter ins _Dorf Wiedersberg_. Ein
-steiler, beschwerlicher Abstieg. Der Klausner im Knusperhäuschen ist
-neben seinem Doppelberufe als Gastwirt und Tischlermeister auch noch
-als Standesbeamter tätig, und die guten Wiedersberger, die sich dem
-Ehejoche zu beugen gedenken, treten einen schweren Gang an, wenn sie
-zum Standesamte wallen.
-
-Im Dorfe selbst sind drei bemerkenswerte Gebäude: Rittergut, Kirche und
-Gasthof, welche, wie auch anderswo, eng beisammenliegen. Die _Pfarrei
-Wiedersberg_ gehörte nebst Sachsgrün, Eichigt, Krebes und einigen
-anderen zu den sogenannten »Streitpfarren«. Obwohl in Sachsen gelegen,
-übte in diesen ehemals zum Erzbistum Bamberg gehörigen Kirchgemeinden
-die Krone Bayern das Patronatsrecht aus, und erst 1845 wurde dieses
-Recht durch Vergleich an Sachsen abgetreten. Das _Wiedersberger
-Gotteshaus_ enthält zwei Holzschnitzwerke unbekannter Meister: einen
-Taufengel und den mit der Kanzel verbundenen Hochaltar. Den Taufengel
-mit dem »hölzernen Wiesenblumenstrauß« hat Kurt Arnold Findeisen in
-seinem ersten Versbuch »Mutterland« besungen.
-
- Zu Wiedersberg im schmalen Gotteshaus
- Steht ein großer Engel vor den Bänken,
- Der trägt seit Menschengedenken
- In der Hand einen hölzernen Wiesenblumenstrauß.
- Mit der andern stützt er in Himmelsgeduld
- Das samtbeschlagene Lesepult.
-
-Der Schnitzaltar ist kein Kunstwerk, ist vielmehr in seiner
-köstlichen Naivität als Arbeit eines bäuerlichen oder bürgerlichen
-Handwerksmeisters anzusprechen. Zwischen den lebensgroßen Figuren
-des Petrus und Paulus ist eine etwas kleinere Kreuzigungsgruppe
-dargestellt. Als eine Art Predella erhebt sich unmittelbar über
-dem Altartisch eine stark realistische »Einsetzung des heiligen
-Abendmahls«. Der unbekannte Schnitzmeister war nicht imstande, den
-an der Brust Jesu liegenden Lieblingsjünger Johannes naturwahr
-darzustellen. Diese Einzelfigur wirkt in ihrer mißratenen Kleinheit
-als Knabengestalt. Sehr geschickt dagegen sind die links und rechts
-herabhängenden Blumenbänder ausgearbeitet.
-
-Ein wahres Juwel echter Heimatkunst ist der in der Mitte des
-Dorfes gelegene, im Jahre 1711 erbaute _Gasthof_. Das an derselben
-Stelle stehende frühere Wiedersberger Wirtshaus beherbergte, wie
-eine in Dresden liegende Urkunde berichtet, den im Jahre 1354
-hier durchreisenden Kaiser Karl IV. Eine Stange ragt vom braunen
-Fachwerkbau weit über die schmale Dorfstraße. Am vorderen Ende dieser
-Stange hängt ein altertümliches, wertvolles Wirtshausschild. Kein
-Geringerer als _Hermann Vogel_ hat das Wiedersberger Gasthaus samt
-dem Wirtshausschilde im Bilde festgehalten, und zwar im »Märchen
-von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen« in der illustrierten
-Ausgabe der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen: An der rechten Seite
-der Dorfstraße der Gasthof, links das Holzgeländer am Feilebach.
-Droben auf waldiger Höhe das Raubschloß. Auf der Straße der Wirt mit
-dem tapferen Junker. Und das Malersignum ~H. V.~ ist eingedrückt dem
-feisten Hinterschenkel eines über den Weg laufenden – Schweines. Der
-Märchenmaler, der so gern hier oben im abgelegenen Feilebachtal seine
-Staffelei aufstellte, ruht nun schon seit zwei Jahren im kleinen
-Krebeser Dorfkirchhofe. Zwei noch lebende heimische Künstler traten
-sein geistiges Erbe an. Das Mittelalter ging in der künstlerischen
-Innen- und Außenschmückung von Gebäuden lediglich bei Schlössern
-und Rathäusern, Kirchen- und Patrizierwohnungen über das rein
-Handwerksmäßige hinaus. Die neuere Zeit hat das höchst anerkennenswerte
-Bestreben, auch bei Neu- und Umbauten großstädtischer Warenhäuser und
-Banken, Fabrikanlagen und Fremdenhöfe, Dielen und Bars hervorragende
-Künstler und Kunstgewerbler zur Mitarbeit heranzuziehen. Daß aber
-ein vom Kunstbetriebe der Großstadt weit abgelegener Dorfgasthof
-sich etwas derartiges leistet, dürfte doch wohl zu den Seltenheiten
-gehören. Die fünf graugrün gestrichenen Fensterläden des Wiedersberger
-Gasthauses sind von den Kunstmalern _Albin Enders, Weischlitz_ und
-_Alfred Hofmann, Stollberg_ mit Originalbildern und Sinnsprüchen
-geziert worden. Die geräumige _Gaststube_ atmet wohltuende
-Beschaulichkeit, und ihre ländlich-einfache Innenausstattung zeugt
-von feinem, künstlerischem Empfinden. Buntgeblümte Vorhänge an den
-niedrigen Fenstern. Geranien und Levkoien auf allen Simsen. Eine
-von der Diele bis zur Decke reichende altmodische Ticktackuhr. Ein
-glänzender Spiegel aus Urgroßvaters Zeiten über dem Sofa in der Ecke.
-Überhaupt diese Ecke! Die ganze Wand ist bedeckt mit Radierungen von
-Albin Enders – Ruine Burgstein, Rittergut Wiedersberg und Rathaus
-Plauen –, mit alten Stichen in braungetönten Holzrahmen und allerhand
-andern Köstlichkeiten. In der Mitte des Tisches steht ein Strauß
-leuchtender Chrysanthemen, blaublütiger Glockenblumen und purpurner
-Kuckuckslichtnelken. Daneben liegt, mit seinem buntgekästelten
-Buchdeckel stimmungsvoll dazu passend, Kurt Arnold Findeisens
-»Mutterland«. In der rechten Wandecke eingebaut, ein kleiner Schrank
-mit dem _Fremdenbuch_. Dies Buch ist es wert, daß man ein geruhsam
-Stündlein sich mit ihm abgibt. Hier ist Albin Enders, der Hausmaler,
-zum Hauspoeten geworden. Das von ihm verfaßte und eigenhändig
-eingetragene Geleitwort lautet:
-
- Trägst sinnig froher Wandrer du, in dieses Buch dich ein,
- So wird es eine Freude auch für jeden andern sein.
- Und kehrst du selbst nach Jahr und Tag in Wanderlust zurück,
- Wirst abermals genießen dann ein längstvergangnes Glück.
-
-Und dann folgen in bunter Reihe Beiträge von Louis Riedel, Emil
-Schwarz und anderen bekannten und unbekannten Poeten des Vogtlandes.
-Das Wertvollste aber sind zahlreiche Federzeichnungen des zweiten
-Wiedersberger Hauskünstlers Alfred Hofmann, Stollberg. Es gibt im
-Vogtlande nur noch _ein_ Fremdenbuch, das sich an künstlerischem Werte
-dem Wiedersberger an die Seite stellen könnte: das Burgsteinalbum der
-Rahmig-Milda.
-
-So ist der kleine Raum geweiht durch Eigenarbeiten begnadeter
-heimischer Maler und Dichter.
-
-Die Heimat ist auch in ihren unbedeutendsten und abgelegensten Winkeln
-groß und bedeutend für den, der mit offenem Auge und warmem Herzschlag
-ihre Schönheiten schaut.
-
-
-
-
-Zur Geschichte des Jägerhofes zu Dresden
-
-Von ~Dr.~ _Koepert_
-
-
-Bei den nahen Beziehungen des _Landesvereins Sächsischer Heimatschutz_
-und dem _Verein für Sächsische Volkskunde und Volkskunst_ dürfte
-auch die Geschichte des _Jägerhofes_, in dessen Restgebäude der
-letztgenannte Verein sein herrliches Volksmuseum untergebracht hat,
-für unsere Leser von Interesse sein. Handelt es sich doch hier um ein
-Baudenkmal, das in früheren jagdfrohen Zeiten von großer Bedeutung war,
-wie die folgenden Ausführungen beweisen werden.
-
-Was nun zunächst die _Baugeschichte_ betrifft, so sei bemerkt, daß das
-älteste Jägerhaus, von dem berichtet wird, vor dem Wilsdruffer Tor an
-der Weißeritz gelegen war. Sein Erbauer war Herzog _Albrecht_. Im Jahre
-1492 schenkte Herzog _Georg der Bärtige_ dieses Haus einem alten Diener
-seines Vaters wegen treuer Dienste mit dem dazugehörigen Garten. Als
-Ersatz hierfür errichtete er in der Nähe des Jakobihospitals ein neues
-Jägerhaus, das gleichfalls die Jagdgerätschaften beherbergte, für die
-Jäger aber keine Unterkunft bot. Diesem Zwecke diente vielmehr ein
-in der Nähe des Schlosses gelegenes Förstereihaus. Kurfürst _August_
-(1553–1586) begnügte sich nicht mit der Jagd auf inländisches Wild,
-sondern erwarb einige Löwen, die bei Kampfjagden Verwendung finden
-sollten und zu deren Unterbringung er die Herstellung eines besonderen
-Löwenzwingers auf der Elbbrücke durch folgendes Schreiben an den
-Brückenmeister anordnete: »Lieber getrewer. Wir haben unsern Oberzeug-
-und Baumeister und lieben und getrewen Kaspar Vogt ein Baw uf der
-ElbBrücken zu Behaltung ezlicher Lewen zu thun befolhen, dargegen
-wir begern, Ihr wollet den zum forderlichsten seiner Angabe nach
-machen und fertigen lassen, dergleichen Torhaus auch vollenden, wie
-er euch anzeigen wirdt und ihn den nichts verhindern lasset, darum
-thut er unsere Meinung. Datum Dresden den 8. Tag Aprilis 1554. An den
-Brücken Meister.« Daß das Gebäude wirklich vollendet und seinem Zwecke
-dienstbar gemacht wurde, geht aus der Tatsache hervor, daß 1558 die
-»Brückenlöwen« aus ihren Fängen zu einem Kampfjagen herbeigeführt
-wurden. Im Jahre 1612 wurde ein besonderes _Löwenhaus_ auf der
-Schössergasse in Form eines viereckigen niedrigen Turmes erbaut, der
-aber 1839 wieder abgetragen wurde. Im Jahre 1568 verlegte Kurfürst
-August die Jägerei nach Altdresden, der jetzigen Neustadt, und zwar
-»um allda, weil selbige Stadt (die jetzige Altstadt) damals ganz offen
-und unverschlossen gestanden, der Wildbahne zum Fürsuchen, Spüren und
-in Sonderheit den Wolfsjagden desto näher zu sein.« Damit war der
-Grund zu dem »_Jägerhofe_« gelegt, dessen Lage noch jetzt ungefähr an
-dem stehengebliebenen Restgebäude zu erkennen ist. Der Jägerhof hat
-im Laufe der Jahrhunderte mancherlei Erweiterungen und Veränderungen
-erfahren, die sich bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
-hinein erstreckten. Nachdem schon die beiden Kurfürsten _Christian_
-I. und II. (1582–1611) den Jägerhof vergrößert hatten, erfolgte
-durch Kurfürst _Johann Georg_ I. eine wesentliche Verschönerung und
-Vergrößerung, die ihren Abschluß fand in der im Juli 1617 erfolgten
-feierlichen Einweihung. Über einige Grundstückserwerbungen, die
-für die Vergrößerung benötigt wurden, gibt ein Aktenstück vom 28.
-März 1611 Auskunft, das mir gelegentlich meiner Forschungen über
-altsächsische Jagdgeschichte im hiesigen Hauptstaatsarchiv zu Gesicht
-kam. Dasselbe behandelt eine Grundstückserwerbung aus dem Jahre 1608
-und lautet: »Ew. churfürstliche Gnaden sind meine unterthänigste,
-gehorsambste Dienste treuen Vleißes jederzeit zuvorn; gnädigster Herr,
-Euer fürstlichen Gnaden soll ich unterthänigst nicht vorbehalten, das
-wir Euer fürstlichen Gnaden vor drey Jahren (1608) das Jägerhauß zu
-Altdresden erweitern lassen, uf Euer fürstlichen Gnaden gnedigstes
-Begern Ich meinen Garten darzu, vor und umb 300 Fl. Meißnische Werung,
-21 Groschen für ein Gulden gerechnet, welche der schösser mir davor
-einheischigk geworden, und Michaelis 1608 zalett werden sollen,
-unterthänigst hinlassen müssen, welcher dann zum teill zu solchem
-Jägerhaus gezogen, zum teill aber mit andern daran stoßenden Stücken
-verwechselt worden. Wan ich aber solche 300 Fl. bishero nicht bekommen,
-viel weniger einige Zinsen davon erlanget, und mir armen gesellen
-solcher verzugk zu größtem Schaden gereihen tut, also gelanget an Euer
-fürstlichen Gnaden mein unterthänigstes höchst vleißiges Bitten, Euer
-fürstlichen Gnaden wollen gnedigst zu befehligen geruhen, das mir 300
-Fl. zu sambt den Zinsen sonder ferneren verzugk gefolget werden mögen.
-Unterschrieb: Kilian Prager.« 1625 verkaufte der Bürger und Leineweber
-Martin Schilling dem Kurfürsten für 450 Gulden einen Acker, um dessen
-Bezahlung er 1628 bittet. Eine bedeutende Erweiterung erfolgte 1632,
-als durch Vermittlung des Schössers wieder eine Anzahl Häuser, die auf
-der Klostergasse gelegen waren, angekauft wurden. Hierüber ist folgende
-Designation, datiert vom 28. Januar 1632, vorhanden:
-
-1. Auf der Nachtseite, den Röhrenkasten und Weinbergen zu: Christoph
-Fröhlich, ein Handelsmann, welcher zwar wegen leibesbeschwerung nicht
-selbst erscheinen kann, hat sich durch seine Hausfrau Catharine
-erbieten lassen, das er seine beiden wohnhäuser, als eins nach der
-gassen, das andre nach der Wiesen gelegen, nebst ein Garthen und
-Weinberglein, ganz bezahlt, Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu
-schuldigen, unterthänigst Gehorsamb umb und vor 1200 Thaler abtreten
-und abfolgen lassen will, ungeachtet es ihm um viel mehreres kostete.
-
-2. Joachim Koch, Jagt-Zeugknecht, berichtet, das er sein Hauß umb
-und vor 145 Thaler bahrgeld anno 1629 erkaufft, so er auch albereit
-bahr bezahlt, erbietet sich, solches umb 145 Thaler, wie er dasselbe
-erkaufft, wiederum abzutreten, weil er noch wenig darin gebessert hat.
-
-3. Valentin Hieße, Jagtzeugschneider, hat sein Hauß vermöge des
-Kaufbriefs umb 220 Thaler erkauft; darauf er 150 Thaler bezahlt und ist
-die übrigen 70 Thaler wie auch, was an Steuern und andern gefällen,
-bis dato fellig, noch zu bezahlen schuldig, erbietet sich bey obiger
-Kaufsumme solches wiederumb abzutreten.
-
-4. Hanns Wolff, Thorwärter im Jägerhauß, hat sein Haus umb 185 Thaler
-bahrgeldt erkaufft und bezahlt, auch über 70 Thaler darin verbauet,
-will solches um 200 Thaler wieder abtreten.
-
-Auf der linken Seite, gegen den Althan zu:
-
-5. Anna Baßin, Hans Andreas Witbe, helt ihr Hauß umb 400 Thaler, weil
-es ihr unlängst so viel gelten wolle; Ist eine arme Witbe und viel
-schuldig; 20 Thaler ist an der Kaufsumme ihr zurückgehandelt worden,
-verbliebe 380 Thaler.
-
-6. Christian Eckardt, helt sein Hauß umb 400 Thaler. Ist endlich auf
-300 Thaler gehandelt worden.
-
-7. Silvester Kahlhorn, Trommelschläger, hat sein Hauß anfangs umb 480
-Thaler erkaufft, 60 Thaler darin verbessert und gebauet, und 9 Thaler
-15 Groschen der Herrschaft vor den Raum geben, will solches umb 350
-Thaler wieder abtreten.
-
-8. Christian Urban Hoffmanns Witbe, hat ihr Häußlein vor 24 Jahren
-umb 160 Thaler bahr geldt erkaufft und bezahlt und diese Zeit über
-30 Thaler darin gebessert, will solches, als eine arme Witbe, um 190
-Thaler wieder hinlassen.
-
-Summe der ganzen Kaufsumme aller ob specifizirten Häußer thuts 2985
-Thaler.
-
-Für eine Erweiterung des Jägerhofes hatten auch 1639 mehrere Bürger in
-Altdresden ihre Grundstücke verkauft. Auf ihre Bitte um Bezahlung ihrer
-Häuser äußert sich Kurfürst _Johann Georg_ I. in einem an den Schösser
-Paul Weber für den Rat zu Dresden gerichteten Schreiben wie folgt:
-»Liebe getrewe, Ihr wißet Euch zu erinnern, was wir wegen Abtragung
-teils Häußer auf der Klostergaßen und den Kohlmarkt zu Altdresden
-mündlich befohlen. Was es dann aus derlei angeführten vrsachen nicht
-zu endern gehet, also begehren wir hiermit, ihr wollet solchen
-unsern Befehlich gehorsambst nachkommen, zu verhütung aber vielen
-besorglichen Klagens vorher mit den Besizern einen ungefähren Kauff
-schließen, die noch rückständigen Herrschaftsgefälle an Landtsteuern,
-Jagddienst, Raumgeldern und dergleichen abziehen undt _Sie im übrigen
-biß zu beßer Zeit zur gedult vermahnen lassen_, sodann, wie ihr dieser
-unser verordnungk nachgekommen, unterthänigst berichten, und unser
-~ratificatio~ darüber erwartten« ...
-
-Demnach scheint in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges das Geld sehr
-knapp gewesen zu sein, denn wegen obiger Schuld hatten sich die Bürger
-Georg Wolf, Soldat in der Untergarde, Michael Basse, Büchsenmacher,
-und Martha Tobias Pohlens, »Defensioners allhier selige nachgelassene
-arme lahme Witbe« an den Nachfolger Kurfürst _Johann Georg_ II. mit
-folgendem Schuldverzeichnis gewandt (5. Dezember 1556): Verzeichniß,
-was wir nachgesetzte arme Bürger und Witbe wegen Ihro Churfürstlichen
-Durchlaucht nahe gelegenen Jägerhauses anno 1639 im Monat Marty
-unser abgebrochenen Häußer, nach Abzug aller Churfürstlichen sowohl
-Ratsgefälle annoch zu fordern und bitten unterthänigst, daß Ihro
-Churfürstliche Durchlaucht solche uns von den izo einkommenden
-Hufengeldern gnädigst bezahlen lassen wollten. Als: 176 Thaler 9
-Groschen 5 Pfennige Michael Basse, dessen Hauß im Kauf 200 Thaler galt;
-163 Thaler 4 Groschen George Wolf, dem Kaufe nach 200 Thaler; 276
-Thaler 20 Groschen 11 Pfennige Tobias Pohlens Witbe, dem Kaufe nach 300
-Thaler. Thut 616 Thaler 8 Groschen 4 Pfennige.
-
-Eine ausführliche Beschreibung des Jägerhofes findet sich in der
-_Dresdner Chronik_ von Weck vom Jahre 1680. Hier sind auch die in den
-Sälen befindlichen Gemälde ausführlicher geschildert, ferner ist die
-Rede von einem Löwenhaus, in welches die früher im Löwenhause auf der
-Schössergasse aufbewahrten ausländischen Raubtiere überführt wurden.
-In dem Festsaal des Jägerhofes wird vor allem ein Gemälde erwähnt, das
-den Einzug des Kaisers _Matthias_, König von Böhmen, nebst Erzherzog
-_Ferdinand_ in Altdresden (1617), ferner die Jagden, die ihnen zu Ehren
-auf dem Altmarkt stattfanden, darstellt; ein anderes Gemälde stellt die
-1602 erfolgte Rettung des Kurfürsten aus Lebensgefahr dar, als derselbe
-auf einem Schiff infolge einer Pulverexplosion bei Pillnitz beinahe
-ums Leben gekommen wäre. Auch befand sich in gedachtem Saal eine große
-Tafel, auf welcher alle Tiere, welche Seine Churfürstliche Durchlaucht
-von 1611 bis 1653 gefangen, geschossen und gehetzt hat, verzeichnet
-sind und deren Zahl sich auf 113629 Stück erstreckte.
-
-Ein interessantes Aktenstück, das ich der Güte des Herrn Hofrat
-Professor _Seyfert_ verdanke, gibt Kunde von einer Reparierung der
-Dächer und Aufsetzen des neu vergoldeten Turmknopfes im Jägerhofe und
-enthält noch mancherlei wissenswerte Einzelheiten aus der Zeit um 1671;
-es sei hier auszugsweise wiedergegeben: »Demnach der Durchlauchtigste
-Hochgeborene Fürst und Herr, Herr Johann Georg der Andere, Hertzog zu
-Sachßen, Jülich, Kleve und Bergk des Heil. Röm. Reichs Ertz-Marschall
-und Churfürst Landtgraff in Düringen, Marggraff zu Meißen, auch
-Ober- und Nieder Lausitz, Burggraf zu Magdeburg, Graff zu der Marck
-und Ravensberg, Herr zum Ravenstein, Unser allerseits gnädigster
-Herr und gütigster Landes-Vater, Bey nothwendiger Reparierung dieses
-Churf. Sächß. Jägerhauses und derer Dächer-Außbeßerung, unter
-andern auch diesen Thurm besteigen, und selbigen Knopff, weil er
-ziemlich wandelbar befunden, den 15. Septembris des 1671sten Jahres
-herunter nehmen, hingegen diesen sambt der Fahne gantz neu verfertigt
-vergüldeten, den 19ten dieses umb 2 Uhr wieder hinaufsetzen lassen,
-haben Höchstermeldte Ihr Churf. Durchl. der werten Posterität zu gutem
-Andenken in gegenwertigen Knopff, welcher guter 3. Viertel übern
-Diameter, nachfolgende kurtz entworffene Nachricht hinein zu legen und
-zu verwahren vor gut befunden und gnädigst anbefohlen, Und zwar, so
-soll anitzo nicht weitläuffig berühret, was etwan im Römischen Reich
-und andern Orten hin und wieder dieses Jahr geschehen, welches denen
-Historien: Chronic und Novellen Schreibern zu überlassen, sondern
-nur dieses, was vor weniger Zeit allhier in unsern Landen geschehen.
-Wir haben Gott lob und Danck wohlfeile Zeiten, wir wissen von keiner
-ungesunden Lufft und graßirenden Seuche, keine so wohl öffentl. als
-innerlichen Kriege und rebellion, sondern es blühet und grünet annoch
-heutigen Tages bei unß der Anno 1648 durch göttliche Gnade im Heil.
-Röm. Reich allgemeine sowol Religion- als Profan Friede, daß dannenhero
-dero Churfürstenthum und Lande an Einwohnern und Unterthanen sehr wohl
-zugenommen, also daß sowohl in Städten als Dörffern die liebe Jugend
-in starker Anzahl heran gewachßen und daß Land sich umb ein merkliches
-gebessert, zu welchem ende dann Unser gnädigster Herr aus Landes
-Väterl. Vorsorge in seinem gantzen Lande anitzo eine Revision durch
-die Herren Ober Consistoriales und hierzu verordnete Commißarien unter
-denen geistlichen angestellet die schwachen Pfarren sonderl. aufm Lande
-und in den Dörffern von dem benachbarten verstercket, die starcken mit
-einsetzung noch eines pfarrers, damit der Gottesdienst desto besser
-und füglicher abgewartet, einem Seelsorger auch sein Ambt nicht so
-schwer wird: Zertheilet, die Winckel Schüler abgeschafft, hingegen
-die öffentlichen Stadt- und Landschulen erweitert ... Inzwischen ist
-nicht zu vergessen, daß an der vor drey Jahren durch einen starcken
-unversehenen Donnerschlag hohen biß auff den innern Gang gantz
-herunter geschlagenen Kreutzthurm Haube und Seiten Thürmchen, nach der
-Schule zu in Neu-Dresden, wie auch in diesem Jägerhause nechst den
-Bärengarten an einem Löwenhause (so den 8ten July instehenden Jahres
-von Churf. Durchl. selbst eigner Person, neben hohen Cavalieren und
-hierzu verordnete Baumeister durch legung des Ersten Grundsteins zu
-bauen angefangen worden) annoch sehr starck gearbeitet wird, zu dem
-ende, damit Stadt Dresden desto ehe wieder gezieret und die beyden
-vom Großhertzog von Florentz Ihr Churf. Durchl. von dort aus allhier
-nacher Dreßden zu einem Präsent geschickten Löwen, welche nach einem
-verflossenen Jahre drey junge Löwen, als in diesen Landen noch nicht
-erhört, gezeuget und zumahl wegen des alten in Neu-Dreßden zu kleinen
-und sehr baufälligen Löwenhauses [in der Schössergasse] wie auch
-besserer Lauff und Bequemlichkeit vor Selbige, mit der Zeit hinein
-gethan würden, umb so viel desto mehr und weiln die hiergezeugten
-Jungen Löwen eine fürtreffliche rarität beym Hause Sachsen sind, soll
-dieses itztgedachte Löwenhauß vor eilff Wochen nunmehr angefangen
-und zehn Ellen über die Erden aufgeführt, auch zu einer sonderbaren
-künftigen Zierde des Jägerhauses, der vierte Theil davon noch vor
-winters ins Dach gebracht werden. Im übrigen ist zum Schluß zu
-vermelden,
-
-Was an Churf. Durchl. und dero Bedienten damahls noch am Leben gewesen
-
- als:
-
-Churfürst Johann Georg der Andere dieses Namens als itzt regierender
-Herr und Churfürst, sambt dero Vielgel. Herrn Brüdern als: Hertzog
-August zu Halle, Hertzog Christian zu Merseburg und Hertzog Moritz zu
-Zeitz, wie auch derselben allerseits jungen Herrlein und Fräulein die
-Durchlauchtigste Churfürstin zu Sachßen, Frau Magdalena Sibylla geb.
-Markgräfin zu Brandenburg. (Folgen die übrigen Prinzen.)
-
-Die Barmhertzigkeit des Höchsten lasse das Churhaus Sachßen
-zu mächtigen Schutz und Schirm der Evangelischen reinen Lehre
-unveränderter Augsburgischen Confession unter den Fittichen seiner
-väterl. Huld kräftiglich erwachsen, für allen geist- und leibl. Feinden
-siegreich bestehen und in seinem allerheyligsten Namen zeitlich und
-ewig gesegnet seyn!
-
- Von Jägerey Bedienten:
-
-Der Oberjägermeister Herr Loth. von Bomsdorff auf Medingen, der
-Oberforstmeister Herr Wolff Siegm. von Pflug, der Pirschmeister Herr
-Johann Georg Sittich, der Wagenmeister Herr Christian Angermann.
-
- Von Steinmetzen, Maurern und Zimmerleuten:
-
-Nikolaß Sauter, Hofsteinmetz, Andreas Hoffmeister und Jakob Richter,
-beyde Hofmaurermeister, Caspar Hempel, Jägermaurermeister, Matthes
-Schumann, Hofzimmermeister, Michel Fuchs, Jagtzimmermeister.
-
- Von Bau-Ambts Bedienten:
-
-Der Oberlandbaumeister Wolff Caspar von Klengel auf Radeburg und
-Nauendorff, welcher zu itztgedachten Löwen Hause die invention gegeben
-und der Landbaumeister Johann Albert Eckart, welcher gedachtes Gebäude
-fortstellet.«
-
-Neubauten entstanden noch 1720, 1722, 1723. Im Jahre 1740 kam der
-90 Ellen lange und 14 Ellen breite englische Hundestall hinzu.
-1743 beantragte der Oberhofjägermeister Graf Wolffersdorf den Bau
-eines Stockwerks auf das große Vordergebäude des Jägerhofes als
-Dienstwohnung für sich und erbot sich, die Baukosten von 10000 Talern
-gegen ratenweise Rückzahlung vorzuschießen. Das Bauholz wurde der
-Heide entnommen. Nach einem Plan, der die Lage des Jägerhofes ums Jahr
-1750 zeigt, enthält dieser folgende Gebäude und Plätze: Der Jägerhof,
-ein freier Platz, auf dem Wassertröge für die Hunde und einige große
-Linden standen, wurde umsäumt nach Westen von dem langen und alten
-Zeughaus, das nach Süden in das Hauptgebäude nach der Straßenfront zu
-überging, dasselbe enthielt im Parterre die englischen Hundeställe,
-darüber war der große Jägersaal. Im Parterre waren noch die Reise-
-und Jagdwagen untergebracht. In dem anschließenden westlichen Flügel
-war die Pirschmeisterwohnung. Auf der anderen Seite des Eingangstores
-war das vordere hohe Zeughaus. Der Jägerhofplatz wurde nach Norden
-abgeschlossen durch das Wildbretgewölbe, den Hundezwinger und das
-Jägerwirtshaus. Hinter diesem Gebäudeblock war zunächst das hohe
-Zeughaus, von ihm durch einen schmalen Gang getrennt die Gebäude für
-die wilden Tiere: die sogenannten Affenstuben, Tiger- und Löwenfänge
-und die Wohnung für den Löwenwärter. Die ganze Anlage hieß das
-Löwenhaus, zu dem noch ein großer freier Platz gehörte. Gleich neben
-dieser Anlage befand sich der Bärengarten mit dem Bärenfang. Der
-Bärengarten wurde nach Süden von einem Wagenschuppen, nach Westen
-vom sogenannten Winterlager und nach Norden von den Ställen für die
-Kommissariatspferde abgeschlossen. Weitere Plätze waren noch der
-Jagdzimmerhof, Jagdröhrenhof und Auslaufplätze für die Hunde.
-
-Es liegt auf der Hand, daß bei so einer großen Anlage fortwährend
-kleinere Umbauten, Reparaturen usw. sich nötig machten, daher man auch
-besondere Handwerker anstellte, z. B. Jagdtischler, Jagdschlosser,
-Jagdglaser. So z. B. wurden 1728 vier Fänge neu gemacht für das
-Löwenhaus. Der vom Zimmermeister Johann Breißner gemachte Anschlag von
-119 Taler 23 Groschen 3 Pfennig wurde vom damaligen Landbaumeister
-Pöppelmann geprüft und auf 107 Taler 2 Groschen herabgesetzt. Die
-Glanzzeit des Jägerhofes fällt entschieden in die erste Hälfte des
-achtzehnten Jahrhunderts, aber auch schon Mitte des siebzehnten
-Jahrhunderts waren die Hundeställe und Menagerie gut besetzt, wie aus
-einem Bericht aus dem Jahre 1654 hervorgeht. Es kamen nämlich wegen
-einer Auseinandersetzung in der Jülich-Hatzfeldschen und Erfurtischen
-Sache auf Veranlassung des Kurfürsten Johann Georg I. der ~Dr.~ Georg
-Franzke, Fürstl. Sächs. Geh. Rat und Kanzler zu Gotha, und ~Dr.~
-Rudolf Wilhelm Krauße, Fürstl. Sächs. Konsistorialrat zu Weimar, nach
-Dresden und besuchten außer andern Sehenswürdigkeiten auch das Jagdhaus
-in Altdresden. An Jagdzeug ohne Reh-, Wolf- und Hasennetze waren
-über dreihundert Fuder zu finden, ohne die, die die Kurfürstlichen
-Forstmeister auf dem Lande hatten. Mit den Netzen konnte man fünfzehn
-Meilen Weges stellen. Drei große Häuser mit allerhand Jagdzeugen waren
-vorhanden, in welchen die Wagen vierfach standen.
-
-Über das, was die Zeughäuser des Jägerhofes enthielten, sind wir
-genau unterrichtet, da aus dem Jahre 1725 ein Inventurverzeichnis,
-angefertigt vom Proviantverwalter Johann Friedrich Heylandt, vorhanden
-ist. Es waren vorhanden: 22 Fuder und 2 Tücher, hohe Tücher so
-grüngefärbete. – 2 Fuder Schuß-Tücher, an 4 Tüchern. – 1 Fuder hohe
-Zwilligten Tücher, an 5 Tüchern so bey Lustjagen aufm Schloßhofe wie
-auch im Jägerhofe gebrauchet worden. – 14 Fuder Mittel-Tücher, an
-42 Tüchern. – 9 Fuder Schmahle Tücher, an 27 Tüchern. – 1 Quertuch
-mit dem gemachten Churf. Wappen. – 4 Lauff-Flügel-Tücher. – 6 Fuder
-dänisches Zeug, an 36 Tüchern, 5 Tücher oder sog. Fußlappen. – 18 Fuder
-und 1 Gebund Hirschlappen, an 361 Gebunden. – 9 Fuder Fang-Netze,
-an 25 Netzen. – 1 Fuder Fang-Netze so schwächer, an 13 Netzen. –
-2 Krumb-Ruthen-Netze. – 5 Fuder Spiegel-Netze, an 11 Netzen. – 7
-Prell-Netze. – 1 Quertuch-Netze. – 3 Rehe-Netzgen, ums Rehehäusgen zu
-stellen. – 11 Rehe- und Hasen-Netze. – 110 Wolfs-Netze. – 1 Netz in
-Fuchszwinger gehörig. – 2 Kaninchen-Netze. – 60 Lerchen-Schlebnetze.
-– 90 Zwilligtne Wagendecken. – 90 Wagen mit zugehörigen Hemmketten
-und Vorläge-Wangen, Zum Hohen-, Mittel- und dähnischen Tüchern,
-Lappen und Netzen. – 1 Rock-Wagen. – 1 Wirck-Wagen. – 1 Wagen zur
-Blauhuts-Mondur. – 1 Wagen mit der Feldschmiede. – 2 Pirsch-Wagen. –
-1 Roll-Wagen. – 5 Schirmwagen. – 1 langer Hunde-Wagen. – 4 Wagen zum
-Hirsch-Kasten. – 1 Wagen zum Rehhäusgen. – 1 Kalesche zur Hirsch- und
-Schweins-Waage. – 4 eiserne grüngemahlte Gitterwagen vor die Löwen,
-Tiger und Bäre. – 3 Bären-Wagen [mit denen die im Lande gefangenen
-Bären aus den an verschiedenen Orten z. B. Hohnstein, Augustusburg
-befindliche Bärengärten nach Dresden in den Jägerhof transportiert
-wurden]. – 9 Zeug-Schlitten, worbey das Stellzeug an Forrkeln,
-Gabeln, Schlegeln, Haarken, Krum-Ruthen, Äxten, Picken, Stickeln,
-Radehauen, Lampen und Wagen-Winden, desgl. die Bären-, Hirsch-, Sau-,
-Wolfs-, Lux-, Fuchs- und Haasenkästen, nicht weniger die Schieß- und
-Hundeschirme, Fürstenhäusergen [aus denen die Fürstlichkeiten bei
-eingestellten Tagen das Wild beschossen], Fuchsprellen, Wolfs- und
-Fuchszeugen, Wolfskeulen, Biber- und Fischottergabeln, auch wenn
-was sonsten zur Jagerey gehörig, wegen dessen Weitläufigkeit, nicht
-spezificiert ist.
-
-[Illustration: Abb. 1]
-
-Nach diesem Verzeichnisse des Proviantverwalters Heylandt kann man
-ermessen, wie große Anforderungen an die Jägerei gestellt wurden
-und wie umständlich der Jagdbetrieb in der damaligen Zeit sich
-gestaltete. In dem bekannten Werke von Fleming: »Der Vollkommene
-Teutsche Jäger«, Leipzig 1719 finden sich nähere Angaben über die
-damals üblichen Jagdmethoden. Leider ist uns vieles von diesen
-Jagdgerätschaften verloren gegangen, aber vieles findet sich vielleicht
-noch in den Forstämtern und auf dem Lande zerstreut unbeachtet vor,
-dessen Erhaltung und Sammlung aus heimatlichem Interesse äußerst
-wünschenswert wäre. Wie schön und erstrebenswert wäre es, wenn in
-dem jetzt noch erhaltenen Teile des Jägerhofes, in unserm herrlichen
-volkskundlichen Museum, alles das gesammelt und aufgestellt würde,
-was von der Altsächsischen Jägerei noch erhalten geblieben ist. Unser
-Hofrat _Seyfert_ würde sich gewiß einer solchen Sammlung gegenüber,
-die so recht eigentlich im Jägerhof am rechten Platz ist, nicht
-ablehnend verhalten und ihr ein bescheidenes Plätzchen einräumen. Es
-hat sich auch zu diesem Zweck ein Ausschuß gebildet, denen Herren vom
-Deutschen Jagdschutzverein, höhere Forstbeamte und Mitglieder des
-Landesvereins Sächsischer Heimatschutz angehören. Hoffentlich nimmt
-dieser Ausschuß bald Veranlassung, mit einem diesbezüglichen Aufruf an
-die Öffentlichkeit zu treten und zur Sammlung und Ablieferung alter,
-auf die Jagd bezüglicher Gebrauchsgegenstände aufzufordern.
-
-Von lebendem Inventar waren in den Hundeställen vorhanden: 37 große
-englische Doggen und Bärenbeißer, jeder an einer eisernen Kette, 30
-Leithunde, 20 Jagdleithunde, 20 Besuchknechtsleithunde, 40 Hirschhunde,
-40 Koppeljagdhunde, 5 Leib- und Kammerhunde, 50 englische Hunde, 40
-Saufinder, 50 Dachsschleifer, 20 Streichweidhunde. In besonderen
-Behältnissen waren damals 40 Bären zu sehen. Im Löwenhaus befanden sich
-zwei weiße Füchse, ein Kreuzfuchs, ein indianischer Fuchs, 25 Luchse,
-vier weiße und ein schwarzer Bär, ein Tigertier, gelb mit schwarzen
-Flecken (also wahrscheinlich ein Leopard), ein Löwe, eine Löwin, jedes
-in einem absonderlichen Behältnis, ein »halber Pavian« und ein Affe.
-
-Die ausländischen wilden Tiere wurden teils angekauft, teils erhielt
-sie der Kurfürst als Geschenk von anderen Fürsten. So erhielt König
-Friedrich August I. vom König von Schweden 1731 einen Löwen, zwei
-Löwinnen, einen Tiger, eine indische Katze, Tiere, welche ihm selbst
-vom Dey von Algier und Tunis geschenkt und durch einen aus Holstein
-stammenden freigelassenen Sklaven überbracht worden waren. 1728 erhielt
-er vom Markgrafen von Bayreuth vier Tiger geschenkt. Es scheint
-übrigens, als ob es sich öfter statt Tigern um Leoparden gehandelt
-hat, da auch die Wendung: »ein gefleckt Tigerthier« vorkommt. Der
-König Friedrich August I. kaufte auf der Leipziger Ostermesse 1727
-drei Affen, ebenso 1731 ein Stachelschwein, 1729 eine Löwin, einen
-Tiger, einen Pavian, ein »arabisch Tier«; 1726 wurden erworben ein
-schwarzer Fuchs, Mammarcke genannt, und ein roter afrikanischer Fuchs
-(wahrscheinlich Schakal). Im Jahre 1730 rüstete _August der Starke_
-sogar eine Expedition nach Afrika aus, mit der Aufgabe, seltene Tiere
-entweder lebendig oder in Häuten, Skeletten oder Abbildungen zu
-erlangen.
-
-K. von _Weber_ hat über diese _sächsische Expedition nach Afrika_
-genaueres im Archiv für die Sächsische Geschichte (Bd. III, 1865)
-berichtet. Der Leiter der Expedition, _Hebenstreit_, studierte in
-Leipzig Medizin und ward 1729 Doktor. Durch den ihm befreundeten
-Leibmedikus von Heucher wurde er dem König empfohlen, dem er einen
-Plan einer Entdeckungsreise nach Afrika zur Erlangung seltener Tiere
-und Pflanzen entwickelte. Der Plan fand den Beifall des Königs, der
-Hebenstreit veranlaßte, sich tüchtige Reisegefährten auszusuchen. Er
-wählte als Zeichner Chr. Aug. Ebersbach, als Botanist Chr. Gottlieb
-Ludwig, als Anatomist Zach. Phil. Schulze, als Mechanist Joh.
-Heinr. Buchner, als Maler Chr. Friedr. Schuberth. In Hebenstreits
-Instruktion war bestimmt, daß er in Afrika »für die königlichen
-Cabinette und die Menagerie Thiere, Vögel, Kräuter, Blumen, Gewächse,
-Steine nebst anderen Dingen, für welche er eine aparte Spezifikation
-bekommen, sammeln solle« usw.; lebendige Tiere sollte er in mehreren
-Exemplaren kaufen und zu ihrer Wartung Leute annehmen oder Sklaven
-und Mohren kaufen. Er sollte flüchtig alle Sachen abmalen lassen und
-als Schildereien überschicken. Aus der Hofapotheke wurden ihm die
-nötigen Medikamente verabfolgt; außerdem erhielt er zwei Büchsen, zwei
-Flinten und zwei Paar Pistolen. Die Reisedauer war auf zwei bis drei
-Jahre bestimmt. Am 28. September 1731 wurde Hebenstreit durch den
-Kabinettsminister Grafen Brühl vereidigt und am 30. Oktober 1731 wurde
-von Leipzig aus die Reise angetreten. Am 24. Januar 1732 schifften sich
-die Reisenden auf einem englischen Schiffe nach Algier ein, dessen
-Dey die Fremdlinge wohlwollend aufnahm. Dem leidenden Sohne des Dey
-konnte Hebenstreit durch seine ärztliche Kunst helfen, und er erhielt
-als ärztliches Honorar eine junge Löwin und zwei Stachelschweine. Von
-der Stadt Algier reisten sie nach Blida und besuchten das Innere von
-Algier. In der Landschaft Amùrah erhielt Hebenstreit vom Aga einen
-jungen Löwen und einen jungen Bacheraluasch, ~bubalum Aldrovandi~
-oder wilden Ochsen, »der die Gestalt eines Hirsches habe, dem er in
-allem gleiche, bis auf die Beine und Hörner, welche letztere denen
-der Gazelle gleichen«. Das noch junge Tier wurde mit der Milch
-einiger Ziegen, welche Hebenstreit kaufte, aufgezogen. Ein Marabout
-(Priester) beschenkte ihn ebenfalls mit einem Bacheraluasch, und zwar
-einem Weibchen. Hebenstreit hatte sich dem Aga angeschlossen, der mit
-zahlreicher bewaffneter Begleitung die Steuern eintrieb. Bei einer
-botanischen Exkursion erlangte Hebenstreit ein Chamäleon, das ihm
-von sehr großer Seltenheit erschien. Am 26. Mai 1732 traf er wieder
-in Algier ein und sandte seine Tiere auf einem englischen Schiffe
-nach Marseille. Es waren ein junger Löwe, drei Bacheraluasche, die
-aber auf dem Schiffe starben, zwei Gazellen, zwei Strauße, zwei
-Genetten, zwei Frettchen, zwei afrikanische Hühner und ein schöner
-Falke. Zum Wärter bestellte er einen von ihm freigekauften Sklaven,
-den Chirurgus Renneberg aus Schleitz. Er selbst blieb noch in Algier,
-von wo aus er nach Konstantia, Tunis und Tripolis ging. An der Küste
-in der Nähe von Bona, lernte Hebenstreit auch die Korallenfischerei
-kennen. In Biserta gelang es ihm, verschiedene Tiere, wie Strauße
-und Flamingos, sowie auch schöne Pferde zu erlangen. Zwei Mitglieder
-seiner Gesellschaft ließ er nebst den Tieren in Tunis zurück und
-ging selbst mit drei Gefährten nach Tripolis. Am 19. Dezember 1732
-schifften sich die Reisenden nach Malta ein, um am 1. Februar wieder
-nach Tunis zurückzukehren und von da aus ganz Numidien zu bereisen. In
-Zaguan bekam er zwei einjährige Löwen, welche die Einwohner in einer
-Höhle gefangengehalten hatten. In dem seichten Kanal, den die Insel
-Querquenor bildet, beobachtete Hebenstreit das Fischen der Schwämme
-und gelangte auch in den Besitz von acht Antilopen, die dort sehr
-häufig waren. In dem Wüstenorte Capra erhielt er ein von ihm Audét
-genanntes Tier, das von der Ziege die Hörner, vom Hirsch den Kopf,
-die wolligen Haare vom Schaf entlehnt zu haben schien. Von Tunis aus
-sandte Hebenstreit am 17. April 1733 seinen Gefährten Ludwig wegen
-dessen schwacher Gesundheit mit den erlangten Tieren und Sammlungen
-auf einem Hamburger Schiff nach Europa zurück. Ludwig wurde später in
-Leipzig Professor der Medizin und veröffentlichte als Ergebnis seiner
-Reiseerfahrungen eine ~Epistola de vomitu navigantium~. Da Friedrich
-August I. am 1. Dezember 1733 gestorben war, wurde Hebenstreit von
-dessen Nachfolger Friedrich August II. zurückgerufen. Im Mai 1733
-landete er in Marseille. Für das Kgl. Naturalien- und Raritätenkabinett
-brachte er eine reiche Sammlung von Pflanzen, Muscheln und anderen
-ausländischen Seltenheiten mit. Die Zahl der lebenden Tiere war im
-Verhältnis zu den Kosten und der Dauer der Reise gering. Dazu kam,
-daß eine große Anzahl Tiere noch auf der Seereise umkam, wie z. B.
-Antilopen, Chamäleons, zwei Strauße. Von lebenden Tieren gelangten
-mit Hebenstreit nach Hamburg: sieben Strauße, welche dann in einem
-Gehege bei Moritzburg untergebracht wurden, zwei bunte Esel (Zebras),
-einige Schafe mit großen Schwänzen und Hörnern, zwei guinäische
-Schafe, ein Tiger (!?), ein Löwe, ein Dabba oder afrikanischer
-Wolf, ein Dieb (afrikanischer Fuchs), zwei Stachelschweine, eine
-Demoiselle (Jungfernkranich), vier afrikanische Mäuse (wahrscheinlich
-Springmäuse), fünf guinäische Hühner, zwei Geier, ein Adler, drei
-Meerkatzen, zwei Affen, allerhand Tauben. In dem mitangeführten Tiger
-hat man wohl einen Leopard zu vermuten, da die Verbreitung der Tiger
-auf Asien beschränkt ist.
-
-Hebenstreit wirkte dann bis zu seinem im Jahre 1757 erfolgten Tode in
-der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig als Professor der
-Pathologie und Therapie.
-
-[Illustration: Abb. 2 =Abbildung des Jägerhofes= (aus Weck, Churf.
-Sächs. Residenz u. Haupt Vestung, Dresden 1685)]
-
-Die Bedürfnisse für die Tiere wurden meist durch den
-Oberhofjägermeister beim Kammerkollegium beantragt, und zwar für jedes
-Tier einzeln. Jedoch kümmerte sich König August der Starke persönlich
-eingehend um die Angelegenheiten des Jägerhofes und ließ sich Bericht
-erstatten. Das tägliche Deputat für einen Löwen betrug acht Pfund
-Rindfleisch, ebenso für den Leoparden; für den Tiger waren fünf Pfund
-Rindfleisch bewilligt, für den afrikanischen Fuchs wurden täglich zwei
-Groschen Verpflegungsgeld bewilligt, für einen Affen ein Groschen.
-Ein Luchs erhielt drei Pfund Rindfleisch. Für die Verpflegung des
-Stachelschweins, von dem übrigens ein Paar vorhanden war, waren zwei
-Groschen täglich ausgesetzt. Diese hatten sich wiederholt vermehrt,
-und so wurde für jedes Junge, nachdem es selbständig geworden war,
-ein Groschen bewilligt. Indes die mit der Auszahlung des Geldes
-beauftragten Beamten scheinen sehr säumig gewesen zu sein, da sich
-der mit der Verpflegung der Stachelschweine betraute Löwenwärter
-Naumann mehrfach an den König selbst wendet und um Auszahlung des
-rückständigen Verpflegungsgeldes bittet. Trotz der großen Summen, die
-die Unterhaltung der Jägerei kostete, war man doch bestrebt, möglichst
-sparsam zu wirtschaften, wie aus folgendem Aktenstück hervorgeht.
-
- »Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König und Herr!
-
- Ew. Kgl. Majestät und Churf. Durchlaucht haben zwar
- dem am 16. Okt. verwichenen Jahres in dero Löwenhaus
- anhero gebrachten Leopard zur tägl. Unterhaltung 8 Pfund
- Schöpsenfleisch allergnädigst geordnet, welches ich auch
- bis ultimo Dezember verwichenen Jahres um denjenigen Preyß,
- davor 14 Pf. gleichwie das Rindfleisch mir bezahlet wird,
- an den Löwenwärter geliefert. Nachdem aber bekannt, daß
- besagtes Schöpsenfleisch jedesmahl im Sommer im Preyß zu
- steigen pfleget, daß solches vielmahls das Pfund zu 18, 20
- und mehr Pfennigen zu stehen kommt, welches dann bei heuriger
- notorischen Theuerung umb so viel mehr zu besorgen stehet, ich
- aber erwehntes Schöpsenfleisch um besagten Preyß weiter nicht
- zu liefern vermögend bin. Und aber der Löwenwärter vermöge
- beiliegenden Attestates vorzugeben weiß und anführet, wie das
- Rindfleisch diesem Leopard zur Speisung viel zuträglicher
- als Schöpsenfleisch sei, indem er hierdurch besser gedeyen
- und Kraft bekäme, überlasse zu Ew. Kgl. Majestät allergnäd.
- resolution, ob dieselbe geruhen wolle, statt des in der
- Verordnung enthaltenen Schöpsenfleisches nunmehro Rindfleisch,
- welches ich das ganze Jahr über vor 14 Pf. zu liefern verbunden
- bin, allergn. zu verwilligen und solches vom 1. Januar a. c.
- den Anfang nehmen lassen.
-
- Dresden 1. Febr. 1727.
-
- Ew. Kgl. Maj. u. Churf. Durchlaucht
- Johann Georg Geym, Hofmetzger.«
-
-Mit Bezug auf vorstehendes berichtet der Löwenwärter Christian
-Naumann: »Ein leobardt ist Anno 1726 den 16. oktober inß Königs
-Löwenhauß gebracht worden. Darauf ist täglich gegeben worden 8 Pf.
-Schebsenfleisch, nachdem aber solch fleisch nicht umb den Preiß kan
-geliefert werden, so hab ich dem leobardt Rindfleisch gegeben und
-befindet sich bey Rindfleisch besser als bei Schebsenfleisch. Dahero
-ich bei dem Hofmetzger angehalten umb Rindfleisch, bekam auch solches
-richtig und ist der anfang gemacht worden.«
-
-[Illustration: Abb. 3 =Das Landesmuseum für Sächsische Volkskunst=]
-
-In den Streckenberichten erscheinen zum ersten Male ausländische
-Tiere, die bei Kampfjagen usw. verwandt wurden, bei Johann Georg II.,
-welcher fünf Löwen, vier Löwinnen, zwei Tiger, vier Affen erlegte;
-bei Johann Georg III. erschienen ein Löwe, ein Leopard, ein Panther
-im Streckenbericht, während König August der Starke drei Löwen, zwei
-Panther, fünf Tiger, sechs Affen, ein Tier »Menschenfresser« genannt,
-und ein Stachelschwein (!) zur Strecke brachte.
-
-Daß der Verkehr mit den wilden Tieren auch im Jägerhofe nicht ohne
-Gefahr für die Wärter war, zeigt folgender dem »Sammler« entnommener
-Bericht: »An bestimmten Tagen wurden diese Tiere aus ihren Tierkästen
-gelassen, um diese von Unrat zu reinigen; nachher trieb man sie wieder
-in ihr Behältnis und legte ein Schloß vor die Tür. An einem Tage läßt
-man einen Tiger aus Unvorsichtigkeit aus dem Kasten bleiben, welcher
-sich in einem Winkel des Tiergartens versteckt hatte. Der Hüter begibt
-sich, seiner Verbindlichkeit nach, nach dem Tiergarten und wird
-plötzlich von dem Tiger, der sich aufrichtet, angefallen. Die Gefahr
-flößt dem Manne eine außerordentliche Herzhaftigkeit ein. Er ergriff
-mit der linken Hand den Hals dieser Bestie und hat noch Entschließung
-genug, um dem Tiere geschwinde die Luftröhre zusammenzudrücken. Er
-greift auch mit der rechten Hand zu und drängt mit solcher Gewalt
-seine Brust an die Brust des Tieres, daß dieses weder mit seinen
-Zähnen noch mit seinen Tatzen dem Leibe des Hüters schaden konnte. In
-diesem kläglichen Zustande stunden sie beide vier oder fünf Minuten
-gegeneinander angeklemmt. Endlich verzweifelt der Hüter an der längeren
-Fortdauer seiner Kräfte, ließ die Bestie plötzlich mit aller Macht aus
-seinen Händen und stieß sie weit zurück. In dieser Bestürzung wich sie
-geschwind nach dem Winkel des Kastens und ließ ihrem Überwinder Zeit
-genug, um in der Flucht wiewohl halbtot die Türe zu erreichen. Eben
-dieser Hüter mußte sich 1738 mit einer starken Meerkatze oder einem
-Affen herumschlagen, welche sich von der Kette losgerissen hatte.
-Dieser Kampf fiel so unglücklich aus, daß er mit großer Not mit dem
-Leben davon kam. Seine rechte Hand ward abscheulich zugerichtet und er
-lag sehr lange krank.«
-
-Mit König August III. war der Höhepunkt der sächsischen Jägerei
-erreicht, wenigstens was den Aufwand für dieselbe betrifft. König
-Friedrich August der Gerechte liebte zwar die Jagd auch, aber
-seiner einfachen sparsamen Natur entsprach auch ein einfacher
-Jagdbetrieb. Beim Jägerhof waren 1826 noch folgende Offizianten
-angestellt: ein Jagdzeughauswagenmeister, ein Jäger bei den Hunden,
-ein Jägerhausbursche, ein Rauchmeister, acht Jagd- und Zeugdiener,
-ein Pirschkarrenknecht, zwölf Jagdstalleute, ein Hundsbursche.
-Dazu kamen noch sieben Jagdhandwerker. 1830 wurde der Jägerhof in
-eine Kavalleriekaserne umgewandelt. Über das fernere Schicksal des
-Jägerhofes geben die beiden folgenden Schriftstücke Auskunft. Das
-erste, ausgestellt am 12. September 1837, lautet: »Unter der Regierung
-Sr. Majestät des König Friedrich August II. wurde im Jahre 1837
-der Reiterkasernenflügel ~E~ nebst den daran befindlichen Thürmen
-mit Blitzableitern versehen, und deshalb die Spillen und Knöpfe
-letzterer abgenommen und so wie die Dächer repariret, wobey die darinn
-vorgefundenen älteren Nachrichten hiermit wieder im Originale beygelegt
-worden. Wir fügen noch nachrichtlich bey, daß im Jahre 1831 unter
-der Regierung Sr. Maj. des höchstsel. Königs Anton, der bis dahin
-bestandene Jägerhof mit Ausschluß der Kreis-Oberforstmeisterwohnung,
-an die Militärbehörde abgetreten, die alten unpassenden und höchst
-schadhaften Gebäude, bis auf den Flügel ~E~ und ~F~ nebst dem alten
-Zeugschuppen, abgetragen und aus den gewonnenen Räumen die Flügel ~A~
-~B~ ~C~ und ~D~, sowie das Reitbahngebäude und Arresthaus, nach dem
-Entwurfe und unter der Oberleitung des damaligen Commandanten des
-Ingenieur-Corps und Direktors des Militär-Oberbauamts, Oberstleutn.
-Johann Carl Anton Ulrich neu erbauet wurden ... Die Reparatur der
-Thürme besorgte der Schieferdecker Johann Friedrich Streubel.«
-
-Und endlich in einem aus dem Jahre 1858 stammenden Aktenstück heißt
-es: »Als Ergänzung zur Geschichte des ehemaligen Jägerhofes, derzeit
-Neustädter Reiter-Caserne genannt, über dessen Einrichtung die Urkunde
-vom 12. Sept. 1837 das Nähere besagt, ist noch zu erwähnen, daß der
-im Jahre 1831 stehengebliebene alte Jagdzeugschuppen im Jahre 1851
-abgetragen und an dessen Stelle ein neuer Flügel unter der Bezeichnung
-›Flügel ~G~ der Neustädter Reiter-Caserne‹ zu erbauen angefangen worden
-ist. In demselben Jahre 1851 wurde auch die große Hälfte des Flügels
-~E~ der Neustädter Reiter-Caserne zu Lokalitäten einer allgemeinen
-Offiziers-Speiseanstalt für die Dresdner Garnison eingerichtet, welche
-sich bisher im Flügel ~F~ derselben Caserne befanden. Zu erwähnen
-ist noch, daß bei Umwandlung des Jägerhofs in die Reiter-Caserne
-der sogen. ›kleine Jägerhof‹ zu einer Pionier-Kaserne eingerichtet
-wurde, bestehend aus einem Vordergebäude, dem Hintergebäude und
-zwei Stallgebäuden ...« Mit der Verlegung der Kasernen in die sog.
-Albertstadt wurde ein Gebäude nach dem andern des alten Jägerhofes
-abgebrochen, bis auf eins, in dem sich nach einem zweckmäßigen
-Umbau das im September 1913 eröffnete _Landesmuseum für Sächsische
-Volkskunst_ befindet.
-
-
-
-
-Das obere sächsische Erzgebirge
-
-Wanderbilder aus der Heimat von _Max Esch_
-
-Bilder von _A. Heinicke_, Freiberg
-
-
-Der Tiefstand der deutschen Mark hat der regelmäßig vor dem
-Kriege eintretenden Reisewut ins Ausland jetzt einen jähen Riegel
-vorgeschoben, von welcher Tatsache die landschaftlich hervorragenden
-Gegenden Deutschlands, namentlich auch die Gebirge, den meisten Vorteil
-hatten. Noch nie hat unser Erzgebirge einen solch starken Fremdenstrom
-zu verzeichnen gehabt, wie in diesem Sommer. Namentlich das obere
-Erzgebirge und die dortigen drei einzelnen Berge wiesen Massenbesuch
-auf, aber auch stille, verschwiegene Winkel in Seitentälern wurden
-nicht übersehen, und jedermann war des Lobes voll von den Schönheiten,
-dem steten Auf und Ab des Gebirges.
-
-Das Erzgebirge mit seiner herben Schönheit – im Reiche noch leider viel
-zu wenig gewürdigt, denn der Massenbesuch in diesem Sommer entstammte
-in der großen Hauptsache aus Sachsen – besitzt ja auch so viele
-Gegenden, die wohl verdienen, aufgesucht zu werden. So bringt die Bahn
-den Fremden von _Flöha_ – an der Dresden–Chemnitzer Hauptbahnlinie
-gelegen – bereits in eines der schönsten deutschen Mittelgebirgstäler,
-das der mittleren _Zschopau_, und gibt ihm so förmlich einen Hinweis
-auf das, was seiner nun wartet.
-
-Durch ein enges, vielfach gewundenes Tal mit turmhohen üppig bewaldeten
-Felsenwänden, die auch vielfach nackte, zerfurchte basteiartige
-Vorsprünge und Felsnasen aus dem umrahmenden Grün hervorstrecken, fährt
-die Bahn, fast immer nur wenige Meter über dem Zschopauspiegel bleibend
-und den Windungen des wild dahinstürmenden Flüßchens folgend, ins
-Gebirge hinein, an den ältesten Siedlungen des Erzgebirges vorüber. Von
-links grüßt aus einer Talspalte bei Erdmannsdorf, nur wenige Kilometer
-hinter Flöha, die Wartburg des Erzgebirges, die _Augustusburg_, nach
-der hinauf eine Drahtseilbahn führt, mit ihren kompakten Türmen nach
-dem Zschopautal hinüber. In malerisch schöner Umgebung liegt das
-Städtchen _Zschopau_ in dreihundertsiebzig Metern Höhe. Die Gründung
-der Burganlage in dem Städtchen, _Wildeck_, wird dem Sachsenherrscher
-Heinrich I. zugeschrieben. Noch heute heißt der älteste Teil der
-Burganlage (zwischen 920 und 930 erbaut), der auf dem Hofe stehende
-Burgfried, der »dicke Heinrich«. Sonst können uns die kleinen Häuschen
-des Städtchens, wie überhaupt die in allen Gebirgsorten zumeist nicht
-viel Charakteristisches zeigen. Die Nöte des Dreißigjährigen Krieges
-haben auch die alten Siedlungen im Erzgebirge nicht verschont, in ihnen
-ging das wertvolle Alte an Gebäuden zu Grunde, an deren Stelle trat
-ärmliches, nüchternes Bauwerk.
-
-Man tut gut, in Zschopau die Reise zu unterbrechen, um eine
-Fußwanderung zschopauaufwärts bis Wolkenstein durch den romantischsten
-Teil des Flußtales zu unternehmen.
-
-Über _Scharfenstein_ mit seinem hoch oben liegenden alten Schlosse, das
-nach dem großen Brande im Mai 1921 wieder in alter Gestalt erstanden
-ist, führt der Weg. Auch die Burg Scharfenstein reicht in ihren
-ältesten Anfängen bis in die frühesten Jahrhunderte zurück. Sie wird
-dann in der Geschichte 1312 erwähnt, als Friedrich der Freudige sie
-erstürmte. Seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts befindet sie sich
-im Besitz des v. Einsiedelschen Geschlechtes. Weiter ist Scharfenstein
-auch der Geburtsort des in ganz Sachsen bekannt gewordenen kühnen
-Wildschützen _Karl Stülpner_, dessen abenteuerliches Leben in den
-Schluchten und Wäldern des Gebirges vom Volke mit dem Mantel der
-Romantik umgeben wurde.
-
-[Illustration: Abb. 1 =Schloß Wildeck= (Zschopau)]
-
-Hinter Hopfgarten beginnt die sogenannte _Wolkensteiner Schweiz_
-mit ihrem prächtigen Hochwalde, den pittoresken Felsgebilden und
-Steilwänden. Straße und Bahn führen unmittelbar an der Zschopau
-entlang. Vor Wolkenstein liegt in einem Seitentale das _Warmbad
-Wolkenstein_, das schon im dreizehnten Jahrhundert durch seine heißen
-Heilquellen von sich reden machte und das unzähligen Leidenden
-die Gesundheit wieder brachte. _Wolkenstein_ selbst liegt weiter
-flußaufwärts. Hoch oben erhebt sich das Städtchen auf steiler,
-grünumsponnener Felsenwand noch heute im Schutze des alten trutzigen
-Schlosses, überragt von dem alten Kirchlein. Vierhundertneunzig
-Meter am rechten Ufer der Zschopau thront Wolkenstein hoch, während
-der Marktplatz zwanzig Meter tiefer und der Bahnhof gar nur
-dreihunderteinundneunzig Meter, also fast hundert Meter tiefer, gelegen
-ist. Wuchtig blickt die altersgraue Burganlage, die bereits im elften
-Jahrhundert in ihren Grundrissen erbaut worden ist, über die Stadt
-weit ins Tal hinein. Wir befinden uns hier an einer der ältesten
-Siedlungen des Erzgebirges, an einem ehemaligen Zentralpunkte. Es ist
-so interessant hier, daß sich der Naturfreund nur schwer von diesem
-wunderbaren Erdenfleckchen trennen kann. Die Wanderung von Zschopau
-aus beansprucht nur einige Stunden, so daß es ratsam erscheint, noch
-weiter nach _Wiesenbad_ – ebenfalls Heilbad – im Tale durch den schönen
-Fichtenhochwald und vielfach auch an der Zschopau entlang, zu wandern.
-Prächtige Landschaftsbilder erblickt der Wanderer auch hier in reicher
-Fülle, so daß die mehrstündige Wanderung wie im Fluge verstrichen ist.
-Halbwegs zwischen Wolkenstein und Wiesenbad mündet das romantische
-_Preßnitztal_ in das der Zschopau. Den Besuch dieses Tales, das von
-Wolkenstein aus durch eine Kleinbahn nach Jöhstadt erschlossen ist
-und eine gute Straße im Grunde des Tales aufweist, sollte sich kein
-Besucher des Erzgebirges entgehen lassen.
-
-Von Wiesenbad an würde ich bis Annaberg die Benützung der Bahn
-vorschlagen. Zwar interessant ist auch das Zschopautal bis
-Schönfeld-Wiesa noch, und ebenso das Sehmatal, in das die Bahnlinie
-dann einmündet, doch den schönsten Teil hat der Wanderer, der meinem
-Ratschlage gefolgt ist, bereits hinter sich.
-
-Schnell genug erblickt der Reisende den Hauptort des oberen Erzgebirges
-am Westabfall des achthundertzweiunddreißig Meter hohen _Pöhlberges_,
-dessen wuchtiger und umfangreicher Fuß sich aus dem Sehma- und aus dem
-östlich benachbarten Pöhlbachtal erhebt, um sich nach oben kegelartig
-zuzuspitzen und schließlich zu einer gegen hundert Meter abfallenden
-breiten tafelförmigen Basaltkuppe auszuwachsen, die mit ihrem dichten
-Fichtenhochwalde, von einem der benachbarten Berge gesehen, einer
-riesigen Pelzmütze gleicht.
-
-_Annaberg_ mit seinen gegen zwanzigtausend Einwohnern bildet in jeder
-Weise den geschäftlichen und gesellschaftlichen Zentralpunkt des oberen
-Gebirges. Es liegt hoch über dem Sehmatal und zieht sich den Hang
-nach dem Pöhlberge zu hinauf, klettert auch stellenweise mit seinen
-Häuschen ins Tal hinab, doch der Reisende erblickt das freundliche
-Stadtbild mit dem hohen Turm der St. Annenkirche, dem niederen des
-Bergkirchleins, dem Rathausturm und dem gelblichroten neuen und
-umfangreichen Seminargebäude als zusammenhängendes Ganzes auf dem
-Bergrücken über dem Tal, überragt von dem dunklen Pöhlberge mit seinem
-hellen Unterkunftshause und dem dreißig Meter hohen Aussichtsturm.
-Posamenten-, Präge-, Kartonnagen-Industrie, Perldrechslerei,
-Perltaschenfabrikation und -handel, Pappen- und Papierfabrikation,
-letztere im Tale, wo auch Holzschleifereien vorhanden sind, bilden die
-Erwerbszweige der Bevölkerung. Annaberg liegt über sechshundert Meter
-hoch.
-
-Kein Besucher Annabergs sollte sich bei klarem Wetter die Besteigung
-des Pöhlbergs, der von den drei einzelnen oberen Basaltbergen
-allein einen gut instand gehaltenen Rundgang um den ganzen Berg
-aufweist, entgehen lassen. Er genießt von dem Aussichtsturm einen
-umfassenden Rundblick über das ganze Erzgebirge und weit ins Tiefland
-hinein. Sehenswert ist auch das Innere der Annenkirche und das
-gegenüberliegende Erzgebirgsmuseum.
-
-[Illustration: Abb. 2 =Blick auf Oberwiesenthal=]
-
-Daran, daß Annaberg dem Erzbergbau seine Entstehung und Blüte verdankt,
-wie auch die Schwesterstadt _Buchholz_, erinnern in der Gegend noch
-zahlreiche alte Halden, die mit ihrem Buschwerk und Baumbestand
-namentlich den westlichen Sehmahöhen, gegenüber von Buchholz und
-Annaberg, einen parkartigen Anstrich geben. Gegenüber von Annaberg,
-am Fuße des sechshundertsechsundsechzig Meter hohen Schreckenberges,
-von dem man einen prächtigen Überblick über das zusammenhängende
-Bild Annaberg–Frohnau–Buchholz–Cunersdorf hat, liegt ebenfalls ein
-Zeuge aus jenen fernen Glanztagen, der _Frohnauer Hammer_, der das
-älteste deutsche Hammerwerk, das in seiner ursprünglichen Gestalt
-auf uns überkommen ist, enthält. Er wird bereits um 1300 herum als
-Mühlwerk urkundlich erwähnt. Seine Entstehung aber läßt sich nicht
-nachweisen. Aus der Mühle wurde zunächst ein Silber-, dann ein
-Kupferhammer und schließlich ein Eisenhammer. Die drei alten Hämmer
-sind noch in ursprünglicher Gestalt vorhanden, ebenso die beiden großen
-Schmiedefeuer mit den riesigen Holzblasebälgen. Sehenswert ist auch
-das ehemalige, 1697 erbaute Herrenhaus mit dem reichen Holzwerk, den
-Holzdecken und dem dreistöckigen hohen Schieferdach. Es befindet sich
-jetzt die weit im Gebirge bekannte gemütliche Hammerschenke (Pächter
-Max Lorenz), in der besonders erzgebirgische Lieder zur Laute gepflegt
-werden, in dem Gebäude. Der Hammer ist in Heft 5, Band I 1909, dieser
-Zeitschrift eingehend gewürdigt.
-
-Von Annaberg sollte niemand versäumen, dem angrenzenden Buchholz
-einen Besuch abzustatten. Beide Städte stoßen aneinander. Tief unten,
-wohl gegen hundert Meter tiefer, windet sich die Sehma in engem Tale
-dahin, überall eingeengt von steiler baumbewachsener Felsenwand.
-_Buchholz_ zählt nicht ganz zehntausend Einwohner und kann die gleiche
-Industrie wie Annaberg aufweisen. Es ist, was sein Stadtbild betrifft,
-eins der interessantesten Städtchen Sachsens. Die Häuser ziehen sich
-terrassenartig die Bergwände, namentlich die an der westlichen Seite,
-steil hinauf, so daß es den Anschein erweckt, als ob sieben und noch
-mehr ganz stattliche Gebäude übereinanderstehen. Während die Talstraße
-an der Sehma eine Höhenlage von gegen fünfhundertzwanzig Metern hat,
-weist die Höhenmarke am Rathause fünfhundertachtundfünfzig Meter auf,
-und die alte Schlettauer Straße mit ihren Häuschen steigt die steile
-Wand bis auf gegen siebenhundert Meter hinan. Im Mittelpunkt aber liegt
-die Katharinenkirche mit ihrem reichgegliederten Turme. Von Buchholz
-aus kann die Weiterfahrt ins obere Gebirge nun vom Bahnhof Königstraße
-oder vom Buchholzer Hauptbahnhofe fortgesetzt werden.
-
-[Illustration: Abb. 3 =Erzgebirgler bei Oberwiesenthal=]
-
-Durch das Sehmatal geht die Fahrt aufwärts durch Sehma und Cranzahl
-hindurch. In _Cranzahl_ zweigt die Schmalspurbahn nach Oberwiesenthal
-ab, während die Hauptbahn in einem großen Bogen um den Fuß des
-achthundertachtundneunzig Meter hohen bewaldeten _Bärensteins_
-herum nach Bärenstein und weiter nach Weipert fährt. Der Bärenstein
-ähnelt in seinem Aussehen und dem westlichen Steilabsturz nicht nur
-dem Pöhlberge, sondern auch dem westlich an der oberen Zschopau
-sich erhebenden achthundertsieben Meter hohen _Scheibenberge_. Die
-Entfernung zwischen Bärenstein und Pöhlberg beträgt in der Luftlinie
-sechseinhalb Kilometer, die zwischen Bärenstein und Scheibenberg
-sieben Kilometer. Durch eine Linie verbunden bilden die drei Berge ein
-Dreieck. Auch die letzteren beiden besitzen Unterkunftshäuser mit je
-dreißig Meter hohen Aussichtstürmen.
-
-[Illustration: Abb. 4 =Altes Fachwerkhaus bei Zwönitz=]
-
-Von Cranzahl aus bringt die Kleinbahn uns durch das wohl eine Meile
-lange _Neudorf_ im Sehmatale nach dem höchsten Städtchen Deutschlands,
-_Oberwiesenthal_, an den Fuß der Kuppe des Fichtelberges, die sich nur
-gegen dreihundert Meter höher erhebt und von Oberwiesenthal aus bequem
-zu ersteigen ist. Es ist eine interessante Bergfahrt, die namentlich,
-wenn die Bahn die Fichtelbergvorberge, vom Sehmatale abbiegend,
-erklettert, von hohem landschaftlichen Reize ist.
-
-Gleich einer dunklen senkrecht aufstrebenden Mauer erheben sich
-die Vorberge des Fichtelberges aus dem Sehmatalkessel bis zu
-eintausendfünfzig Meter, abgerahmt von dem dunklen stumpfen Kegel des
-eintausendzweihundertfünfzehn Meter hohen _Fichtelbergs_ und dem gegen
-dreißig Meter höheren des benachbarten böhmischen _Keilbergs_.
-
-Die Gegend um den Fichtelberg weist auch an klaren Herbst- und
-Wintertagen einen regen Verkehr auf. Bei den Schneeschuhläufern
-ganz Deutschlands sind die weiten Hänge um den Berg beliebt. In
-schneereichen Wintern gibt der Fremdenverkehr in Oberwiesenthal
-dem in den Sommer- und Herbstmonaten kaum viel nach, da außer den
-Wintersportlern auch Naturfreunde die weiße Bergespracht zu schätzen
-wissen, das Zauber- und Feenreich, das der Winter mit seiner dicken
-Schnee- und Eisdecke hier aufbaut. Freilich, den Fichten und den
-Kronen der übrigen Bäume hier oben rasiert die Schneelast nur zu oft
-ganze Seiten fort, so daß die Bäume hier oft ein merkwürdiges Aussehen
-angenommen haben.
-
-[Illustration: Abb. 5 =Beim Klöppeln=]
-
-Umfassend aber ist bei klarer Sicht der Rundblick vom dreißig Meter
-hohen Turme des Unterkunftshauses. Da liegt das ganze Erzgebirge um
-uns ausgebreitet, zu unseren Füßen die drei Wiesenthal: Ober- mit
-Unter-, Böhmisch- und Hammer-Unterwiesenthal. Im Westen blauen in der
-Ferne einzelne Thüringer und Harzberge in schwachen Umrissen, im Osten
-reichen die Blicke bis nach dem Lausitzer Gebirge, überall aber um uns
-liegt das Erzgebirge mit seinen Bergen, Graten, welligen Hochflächen
-und gewundenen Tallinien, erheben sich Ortschaften unter grauen
-Schieferdächern in unendlicher Zahl, deren Namen niemand zu nennen weiß.
-
-Oberwiesenthal, das auch nach seiner Verschmelzung mit Unterwiesenthal
-noch nicht dreitausend Einwohner zählt, kann für sich den Ruhm in
-Anspruch nehmen, das höchstgelegenste Städtchen Deutschlands zu
-sein (neunhundertachtzehn Meter). Es liegt am tiefeingeschnittenen
-Grenz-Pöhlbachtale und bildet mit den benachbarten Ortschaften dies-
-und jenseits des Bachlaufes fast eine zusammenhängende Linie bis nach
-dem deutsch-böhmischen Städtchen _Weipert_, dem Bärenstein gegenüber.
-
-Die kleinen, zumeist in hellen Farbtönen gehaltenen Häuschen
-Oberwiesenthals mit den niedrigen Fenstern und den grauschwärzlichen
-Schieferdächern scheinen sich um die weiße stattliche Kirche mit
-dem hohen Turm und um das Rathaus im Rechtecke zu gruppieren. Sie
-bieten nicht viel des Interessanten, heimeln aber gerade ihrer
-Schlichtheit wegen ungemein an. Dem Fremdenverkehr entsprechend
-besitzt das Städtchen eine ganze Anzahl einfacher und auch vornehmerer
-Unterkunftsstätten, von denen das stattliche Sporthotel und das
-Fichtelberg-Unterkunftshaus auch den verwöhntesten Ansprüchen genügen
-können, ersteres auch hinsichtlich der Preise. Oberwiesenthal verdankt
-seine Gründung gleich Annaberg und Buchholz dem Silberbergbau, der
-indes im ganzen oberen Erzgebirge schon vor langen Zeiten eingestellt
-worden ist. Jetzt gibt einige Industrie und der lebhafte Fremdenverkehr
-der Bewohnerschaft Verdienstmöglichkeiten. In Oberwiesenthal wirkte
-auch der Malermeister _Hertel_, der sogenannte erzgebirgische
-»Herrgottschnitzer«, dessen Weihnachtsberge weit über Sachsen hinaus
-einen guten Ruf genossen. Nach einem arbeitsreichen Leben hat er im
-vergangenen Jahre die müden Augen für immer geschlossen. Schüler des
-Meisters setzen sein Werk fort. Das Stadtbild Oberwiesenthals wird
-recht wirkungsvoll abgerahmt durch die langgestreckten Keilberg- und
-Fichtelbergrücken.
-
-Vom Fichtelberge aus haben ihren Ursprung die große _Mittweida_,
-die nach Nordwesten abfließt, _Zschopau_, _Sehma_ und _Pöhlbach_,
-die beinahe nördlich in gewundene Täler hinabeilen. Gute Straßen
-führen hinab nach _Crottendorf_ ins obere Zschopautal, ins Sehma- und
-Pöhlbachtal, so daß der Abstieg vom Fichtelberg nach allen Richtungen
-aus angetreten werden kann, da außer den eben genannten Straßen
-auch solche nach dem _Keilberg_ und nach _Gottesgab_ ins Böhmische
-hineinführen. Über Crottendorf gelangen wir über den _Scheibenberg_ mit
-seiner prachtvollen Fernsicht über das westliche Gebirge nach dem an
-seiner Kuppe nur etwas über einhundertfünfzig Meter niedriger liegenden
-gleichnamigen Städtchen, von dort in das schöne Mittweidatal über Ober-
-und Unter-Scheibe nach Mittweida-Markersbach, Raschau, Grünstädtel
-nach _Schwarzenberg_ ins romantische Schwarzwassertal. Eine reichliche
-Tagestour aber ist dazu erforderlich. Bilder hoher Romantik und solche
-wunderbarer Lieblichkeit wechseln in steter Folge. Von Schwarzenberg
-ist es bis _Aue_ nicht allzu fern. Beide Städte liegen an der
-Werdau–Zwickau–Aue–Buchholz–Annaberger Bahnlinie, die das Erzgebirge
-von Westen erschließt. Es würde den Raum aber weit überschreiten
-heißen, wollte ich hier des Näheren auf diese Route eingehen.
-
-Die Wege ins Sehmatal und in das des Pöhlbaches bringen uns wieder den
-alten Weg zurück, den wir gekommen sind. Nur daß das Pöhlbachtal weiter
-östlicher verläuft und in Sachsen nach _Bärenstein_ noch _Königswalde_,
-in prächtiger Talmulde gelegen, _Geyersdorf_ am Ostfuße des Pöhlberges
-aufzuweisen hat.
-
-[Illustration: Abb. 6 =Der Frohnauer Hammer=]
-
-Eine prachtvolle Wanderung, hart an der Grenze entlang führt uns von
-Bärenstein aus durch schönen Fichtenhochwald über Berg und Tal nach
-dem Grenzstädtchen _Jöhstadt_ (siebenhundertneunundvierzig Meter).
-Es liegt zum Teil tief unten im Schwarzwassertale, teils oben auf
-der Höhe und zeigt den Charakter eines echten Erzgebirgsstädtchens.
-Das forellenreiche, über Felsgestein einhertollende Schwarzwasser
-stürmt der Preßnitz zu, das es bei _Schmalzgrube_ erreicht.
-Höhenzüge, Bergkuppen und -wellen von achthundertzwölf,
-achthundertsiebenundzwanzig, siebenhundertvierundneunzig,
-siebenhunderteinundachtzig, siebenhundertachtundachtzig,
-achthundertachtundfünfzig, achthunderteinundzwanzig Metern Höhe geben
-uns mit ihren dunklen Waldbekrönungen das stete Geleit auf dieser
-Wanderung nach dem Preßnitztal.
-
-Schmalzgrube selbst besteht nur aus wenigen im Walde fast versteckten
-und verstreuten Häusern und Gehöften und ist von allen Seiten von
-Bergen umschlossen. Ruhe und Einsamkeit kann der Naturfreund in diesem
-Tale auskosten und daneben ladet die Schönheit der Natur, die köstlich
-reine Höhenwaldluft, die durch keinen Essenrauch verpestet wird,
-unwillkürlich zum Verweilen ein. Wald und Berge, soweit das Auge reicht!
-
-Gern wird man in dem freundlichen Ort übernachten, um am nächsten
-Morgen eine Talwanderung nach Wolkenstein anzutreten oder aber mit der
-Kleinbahn dorthin zu fahren, denn auch diese führt das Tal, nur wenige
-Meter über der Preßnitz gelegen, und den vielen Windungen des Flüßchens
-treu folgend, hinab.
-
-Das Preßnitztal mit seinen hohen Talwänden gehört zu den Perlen des
-oberen Erzgebirges und sollte viel mehr aufgesucht werden. Es besitzt
-romantische, aber noch mehr idyllische Reize auf engem Raume vereint
-und trägt bald Thüringer Charakter. Ich möchte es mit dem oberen
-Schwarzatale zwischen Katzhütte und Schwarzburg vergleichen. Schmale
-Bachtäler münden zudem von allen Seiten in das Tal und gestalten
-die Szenerie noch mannigfaltiger. Dazu kommt, daß das sächsische
-Preßnitztal von Schmalzgrube bis nach der Mündung eine gute Straße
-aufweist, die etwa drei Meilen lang ist, so daß die Talwanderung in
-einer bequemen Tagestour mit reichlichen Rastpunkten zu erledigen ist.
-Noch manche schöne Wanderung könnte ich hier anführen, doch befürchte
-ich, den Leser zu ermüden und auch den mir zur Verfügung stehenden Raum
-zu überschreiten. Vielleicht in späteren Wanderbildern etwas mehr vom
-Erzgebirge.
-
-
-
-
-Die Schlösser im Walde
-
-Moritzburg und Fasanenschlößchen
-
-Von _K. Berger_, Leipzig
-
-Aufnahmen von _Walter Hahn_, Dresden
-
-
-Es liegt eine tiefe Symbolik darin, wie die deutsche Sprache die
-Entfernung und Entfremdung von der heimatlichen Scholle bezeichnet:
-»Elend« hieß im Mittelalter der Landfremde und »bodenlos«, das ist
-uns mehr als schlimm noch heute. Und daß gerade wir Deutschen die so
-tiefsinnige und weise Sage von Antäus, dessen Kraft sich immer wieder
-erneute, so oft er Mutter Erde berührte, so wohl nachzuempfinden
-vermögen, das beweist allein überzeugender als dicke Folianten die
-Seelenverwandtschaft, die über Zeiten und Meere das Volk Hölderlins
-und Winkelmanns mit dem begnadeten Stamme im klassischen Griechenland
-verbindet.
-
-Ja, draußen, vor der Stadt, wo der frische Wind das dicke graue Gewölk
-der Alltagssorgen, etwas unsanft vielleicht, aber desto nachhaltiger
-hinwegfegt, draußen in Feld und Heide, von denen so viele kräftige
-Sprüche und frohe deutsche Lieder wissen, dort suche dir Erholung und
-Belebung zugleich. Trotz Winters und aller Not der Zeit wirst du sie
-dort auch jetzt noch immer neu finden.
-
-[Illustration: Abb. 1 =Jagdschloß Moritzburg=]
-
-Dichter gütiger Schnee deckt nach Wochen rauhen Barfrostes Wald und
-Wiesen und so manche Verunzierungen älterer und neuester Zeit, indes
-wir langsam durch den Lößnitzgrund aufwärts steigen. Ganz still ist es,
-so still, daß es leise seidig knistert, so oft einer der gefiederten,
-heute, ach, so kleinlaut verstimmten Sänger mit seiner Schwinge Schnee
-von einem Zweige streift. Hinter der Meierei weitet sich das Tal;
-eine Wiese, rings umhegt von herben Kiefern und schütteren Birken.
-Ein Häuschen in Efeu steht am Rande. Spielplatz der Waldelfen im
-sommerlichen Mittagsflirren oder doch der Ferienkinder mit Zupfgeige
-und bunten Bändern und viel Sonnenglanz auf Wangen und in Augen. Wie
-lange noch? Vom Hange rechts ist schon mancher stattliche Stamm in den
-letzten Monaten zuviel abgeschlagen worden, und doppelt solange als auf
-gutem Boden, wird es auf dem kargen Hange währen, bis in Menschenaltern
-auch nur ein Baum wieder erwachsen ist, wie er, zwei Handbreit im
-Durchmesser, auf dem Stamme selbst heute nur wenige _Papier_taler
-erbringt. Das geltende Recht, noch stehend unter den Nachwirkungen der
-Freihandelslehre, die auch dem sächsischen »Heimatschutzgesetz« von
-1909 noch allenthalben grundsätzlichen Widerspruch entgegensetzte,
-gestattet leider den Schutz des reinen Naturdenkmals nur erst in
-sehr kümmerlichem Umfange. Möchte bald in unserer Zeit der gedanken-
-und bedenkenlosen Geldmacher und der heimatlosen wirtschaftlichen
-Machthaber solchem Tun durch Maßnahmen (Forstschutzgesetz!) gesteuert
-werden, die die Erschöpfung der besten Kraftquellen und Jungbrunnen
-unserer Städte und ihrer Kinder durch Fortentwicklung des geltenden
-Rechtes wirksam und entsprechend der Überzeugung weitester und bester
-Teile der Bevölkerung des Landes künftig unmöglich machen. _Bannwald_,
-Freiwald, »Friedewald« – das Blockhaus der Eisenbahnstation, die wir
-inzwischen durchschreiten, erinnert noch daran –, das war gerade der
-Forst ringsum, die spätere Burggrafenheide von der Meißner Gegend
-bis nach Klotzsche, selbst schon in grauen, rauheren Jahrhunderten
-mittelalterlicher Geschichte.
-
-Bei Dippelsdorf endet der Grund. Jenseits liegt ein großer Teich,
-der den Namen des Dorfes trägt. Mitten hindurch führt auf schmalem
-Damme die Bahn. Wie brauste und wogte er damals, als sich tausend und
-abertausend weiße Wellenkämme in jenen Tag- und Nachtgleichestürmen
-überstürzten, die an dem Septembersonntage 1914, mit der Kunde von
-dem großen Siege an den masurischen Seen zugleich, brausend über das
-deutsche Land fuhren und drüben an der Landstraße zum Moritzburger
-Schlosse so manchen Stamm krachend zerpellten. Heute freilich liegen
-all die Teiche in der Runde tot unter Winters lähmender kalter Faust,
-so wie das deutsche Land ringsum.
-
-[Illustration: Abb. 2 =Jagdschloß Moritzburg, Monströsensaal=]
-
-Aber es wird ein Auferstehen kommen in neuen Lenzen nach Jahren
-der Not, der Raffsucht und des Neides; ein echteres dauernderes
-Auferstehen und Leben wird es sein als jenes, das die Treibhausluft
-der Filmwelt der Moritzburger Wald- und Wasserherrlichkeit und
-seinem ehrwürdigen Schlosse bereitet hat. Der Film wollte diese
-großartige großlinige Landschaft zur billigen Staffage herausgeputzter
-Herrschaften herabdrücken. Doch da rächte sie sich und erdrückte all
-ihr turbulentes Gewimmel so, daß von zweihundert Brokatgewändern und
-vierhundert Perücken weniger Erinnerung übrig blieb als von dem _einen_
-naturgetreuen Bilde des sonnenbeschienenen Sees mit der schlanken
-Gondel und der Insel, die auf seinen Wassern schwimmt.
-
-Und die kleine Insel mit den wispernden und doch diskreten Espen
-träumt auch heute vor unseren entzückten Augen friedvoll, ahnungslos
-sozusagen, nun wir durch die große Allee allmählich den Schloßteich
-erreicht haben, vorbei an dem Kuppelbau der Kirche, die in den Maßen
-etwas überheblich erscheint und vorüber am Landstallamt, an dessen
-Tore ein weiser oder doch launiger Herrscher seinen churfürstlichen
-Hofnarren Fröhlich und Schmiedel zum Dank für manche erfrischende
-Wahrheit Büsten setzen ließ.
-
-[Illustration: Abb. 3 =Jagdschloß Moritzburg, Speisesaal=]
-
-Der Schloßteich ist erst in den Jahren 1722 bis 1730 durch umfangreiche
-Ausschachtungen aus drei kleineren Weihern entstanden. August der
-Starke war es, der aus dem kleinen Jagdschlosse, das Kurfürst
-Moritz 1542 begonnen hatte, durch den Meister des Zwingers, Daniel
-Pöppelmann, den Bau in der heutigen Gestalt mit seiner bezwingend
-selbstverständlichen Ausgeglichenheit der Maße und Massen errichten
-ließ. Die besten Meister standen ihm bei: Longuelune, der auch die
-vornehm verhaltene Pracht des Japanischen Palais in Dresden erschuf,
-Knöffel und Permoser als Plastiker, Louis Silvester als Maler. Ihrem
-Zusammenwirken danken wir all die beruhigten und beruhigenden Harmonien
-des Zusammenklangs und Ineinanderfließens ihrer Künste im Innern wie im
-Äußern und in der Umgebung dieses wahrhaft königlichen Waldschlosses.
-Nur die Türme des Baues gehen im wesentlichen noch bis auf das
-sechzehnte Jahrhundert zurück. Damals aber verband sie wie es noch
-jetzt im Hermsdorfer Schlosse des Fürsten Schönburg zu sehen ist, nur
-eine Mauer, _innerhalb_ deren das weit kleinere alte Jagdschloß stand.
-Auch die Kapelle stammt aus älterer Zeit. 1661–1672 erbaute sie der
-jagdfrohe Johann Georg der Zweite, der sich 1638 mit der Tochter des
-Kurfürsten von Brandenburg in Moritzburg vermählt hatte. In jener hohen
-Zeit des Weidwerks und des Weines ließ der Fürst eine Tafel anbringen,
-darauf stand:
-
- »Ich ergetze meinen Fürsten,
- Den nach Jagtlust pflegt zu dürsten;
- Kurtzweill ist hier gut zu treiben,
- Wer nicht kann, der laß es bleiben.«
-
-Und in den Grundstein der Kapelle mauerte er eine Kapsel mit einer
-Flasche roten und weißen Weines. – – Es war derselbe Fürst, der sich
-auch das Schlößchen Hoflößnitz unten in den Weinbergen erbauen und so
-lebensfroh auszieren ließ. Seine Mahnung aber fand genug Nachahmung:
-Aurora von Königsmarck und Peter der Große, Friedrich der Große und der
-erste Napoleon, sein Bruder König »Lustigk« von Westfalen und noch im
-Weltkriege der Kaiser Karl von Österreich und mit ihm die Kaiserin aus
-Welschland auf dem wohl letzten feierlichen Fürstenbesuche alten Stils,
-den Moritzburg und Sachsen überhaupt sah. Nur einige der glänzenden
-Gäste sind das, die die Säle des Schlosses im Laufe der Jahrhunderte
-durchschritten.
-
-[Illustration: Abb. 4 =Moritzburg, Fasanenschlößchen=]
-
-Sollen wir auch von den einzelnen Räumen noch sprechen? Wer in Sachsen
-Sinn für ehrwürdige und kunstreiche Pracht hat, kennt sie ja: den
-Speisesaal und den Monströsensaal mit den stärksten und seltsamsten
-Edelhirschgeweihen, die überhaupt bekannt sind, Geweihe wie sie nur
-bei der freien Wildbahn und der reichlichen Tierfütterung früherer
-Jahrhunderte sich überhaupt entwickeln konnten, darunter jener
-einzigartige 66-Ender. Und er kennt auch die Zimmer mit den alten
-China- und Japanporzellanen auf den Kaminen in dämmriger Pracht, den
-Gobelins und Intarsien, den vergoldeten Ledertapeten und all der andern
-Herrlichkeit.
-
-Eher noch wäre von dem Schlößchen eine halbe Stunde ostwärts, jenseits
-der durch Roheit und Habsucht der letzten Jahre fast verwaisten
-Wildfütterung zu erzählen, drüben am alten Fasanengehege mit der leider
-abgebrochenen Volière voll umständlicher ländlicher Schnitzarbeit,
-die der weidfrohe Sieger von Beaumont so liebte. Um 1775 baute es
-sich Friedrich August der Gerechte am Ufer des sanften Großteiches,
-dessen Lieblichkeit ein düsterer Leuchtturm und die dräuende
-»Dardanellen«mauer vergeblich ins Heroische zu steigern versuchen.
-Er entsprach der Wesensart des fürstlichen Bauherrn, der beinahe der
-sächsische Zeitgenosse und Geistesverwandte Friedrich Wilhelms des
-Dritten war, und anderen Formats des Leibes wie des Lebenszuschnitts
-als August der Starke. Und auch das zierliche Rokoko und Empire und
-die spielerischen Chinoiserien seines _Fasanenschlößchens_ spiegeln
-seine Wesensart ähnlich wieder wie etwa die saubere Bürgerlichkeit
-des Schlößchens auf der Potsdamer Pfaueninsel die des Gemahls der
-Königin Luise und umgekehrt der große kraftvolle Zug des Moritzburger
-Jagdschlosses selbst die Vollkraft seiner beiden großen Bauherrn Moritz
-und August.
-
-Aber das Beste, das dem Wanderer beschieden, ist vielleicht gar nicht
-der langsam verdunkelnde äußere Glanz im Innern dieser Schlösser,
-für die jetzt leider, wenn nicht Pflege, so doch Leben, Nimbus, und
-zumal Ehrfurcht allzusehr schon oder noch fehlen. Das Beste ist, was
-nicht sichtbar um die Mauern und Statuen und auf den Teichen webt und
-raunt, und was dem nie fehlen wird, der den Weg zur Mutter Natur zu
-finden weiß und dabei immerhin bei Frau Historia einmal mit beschaulich
-einkehren mag. Die beiden Chinesen auf dem geschweiften Dache des
-Fasanenpalais nicken im Winde bestätigend. Und sie sind alt genug, die
-Welt zu kennen.
-
-
-
-
-Ludwig Richters Weihnachtskunst
-
-Von _Walther Hoffmann_
-
-
- O Weihnacht! Weihnacht! Höchste Feier,
- Wir fassen ihre Wonnen nicht,
- Sie hüllt in ihre heil’gen Schleier
- Das seligste Geheimnis dicht.
-
-Diese Worte von Nikolaus Lenau finden auch in dieser trüben Zeit
-in unsern Herzen den stärksten Widerhall. Lenau war auch einer der
-deutschen Romantiker. Und die deutsche Romantik in der ersten Hälfte
-des neunzehnten Jahrhunderts ist es ja gewesen, die, wie allen unsern
-Sitten, Bräuchen und Liedern, so auch unserm Weihnachtsfest seine
-schönsten Geheimnisse abgelauscht und sich in seinen Zauber am tiefsten
-versenkt hat. Ihr entstammen unsere liebsten Weihnachtslieder, sowie
-die Sitte des Christbaums, von dem z. B. Schleiermacher in einer
-Schrift von 1806 noch nichts weiß. Zwar hatte auch das achtzehnte
-Jahrhundert schon sein Weihnachten. Ein Brief von Goethe aus Frankfurt,
-am Christtag früh 1772 geschrieben, bezeugt es. »Ich habe diese Zeit
-des Jahres gar lieb, die Lieder, die man singt, und die Kälte, die
-eingefallen ist, macht mich vollends vergnügt.« Des Türmers Lied:
-»Gelobet seyst du Jesu Christ« hat ihn ergriffen. Am Christabend ist er
-über den Markt gegangen und sah »die vielen Lichter und Spielsachen«.
-Aber wenn wir uns solch eine Weihnachtsstube des achtzehnten
-Jahrhunderts mit der steifen, aus Stöcken gezimmerten Lichterpyramide
-auf einem der alten Stiche des bekannten Berliner Kupferstechers
-Chodowiecki ansehen, und das nicht minder steife Gehaben der Menschen
-darauf, bis herab zu den Kindern, so mutet uns das alles doch recht
-wenig volkstümlich und kindertümlich an.
-
-[Illustration: Abb. 1 Aus: Illustr. Zeitung für die Jugend. 1847]
-
-Die Romantik brachte uns eine Rückkehr zur Natur, auch zur menschlichen
-Natürlichkeit. Und sie schenkte uns einen Künstler, in dessen ganzer
-Erscheinung das natürliche Wesen so wahr und echt uns entgegentritt und
-zugleich wie von einem verklärenden Schimmer umflossen ist. Das ist
-Ludwig Richter. Und in seiner Weihnachtskunst tritt uns dies alles ganz
-besonders vor Augen.
-
-Richters Weihnachtskunst ist, wie es jedes echte Kunstwerk sein muß,
-aus seinem Leben erwachsen. Seine Kindheit und das Leben im Elternhaus
-war nüchtern. Dort und in der Schule blieb das religiöse Bedürfnis
-unbefriedigt und ungenährt. Und es ist bezeichnend, daß er aus seiner
-Jugend, aus der er sonst in seinen herrlichen »Lebenserinnerungen«
-jeden anheimelnden Zug mit Liebe festgehalten hat, niemals etwas von
-Weihnachten erzählt, als nur das eine, daß er Weihnachten 1820 in
-Frankreich »mit den Gedanken viel daheim« war und am zweiten Feiertag
-an einen Ball denken mußte, den er vor Jahr und Tag mit seiner Braut
-Auguste besucht hatte.
-
-Das große Erwachen kam über ihn erst in Rom, wo er durch die Güte des
-Dresdner Buchhändlers Christoph Arnold seit Herbst 1823 leben und sich
-weiter ausbilden durfte. Dort ist ihm das Weihnachten 1824 zu einem
-besonders tiefen Erlebnis geworden. Wehmütig sehnte er sich heimwärts
-inmitten der Herrlichkeiten Roms. »O hätte ich doch ein kleines
-Stündchen in Dresden sein können, um unerkannt durch die nächtlichen
-Gassen zu laufen und die erleuchteten Fenster zu sehen!« Es verlangte
-ihn, daheim »diese alten, schönen Feste recht innig zu begehen unter
-lieben Freunden oder an der Seite der Geliebten«. Da schwärmt er nun
-doch in seinem Tagebuche von den »schönen, süßen Zeiten«, von »unsern
-alten, heiligen, herrlichen Gebräuchen«, ohne die der Deutsche nicht
-leben könne, ohne kalt und endlich schlecht zu werden. Das ist es,
-was ihm unter dem Klang aller Glocken Roms zum Bewußtsein kam. Und es
-fielen ihm Schillers Worte ein:
-
-[Illustration: Abb. 2 Aus: An der Krippe zu Bethlehem. 1852]
-
- Wortgehalten wird in jenen Räumen
- Jedem schönen, gläubigen Gefühl!
- Wer es glaubt, dem ist das Heil’ge nah!
-
-Am Neujahrstag 1825 aber schrieb er in sein Tagebuch: »Mir ist um
-Mitternacht ein neu Gestirn aufgegangen, es leuchtet und wärmt zum
-Leben, und ich fange nun erst an zu leben, nämlich im Glauben und in
-der Wahrheit.« Diese Worte beziehen sich auf den Silvesterabend, den
-er wenige Stunden vorher mit seinen drei vertrautesten Freunden in
-dem Dachstübchen einer engen Gasse verbracht hatte. Unter dem Läuten
-aller Glocken der ewigen Stadt feierten sie das Neujahr mit dem Choral
-»Nun danket alle Gott«. Dieser Abend hatte die weihevolle Stimmung
-vom Weihnachtstag her noch verstärkt und vertieft, und Richter hat
-später wiederholt von jenen Tagen als den entscheidendsten seines
-Lebens gesprochen. »Die Weihnachts- und Neujahrszeit ist mir immer
-doppelt lieb und heilig, weil es die Zeit meiner zweiten Geburt zu
-einem wahrhaften und besseren Leben geworden ist.« Liegt über Richters
-Briefen auch sonst immer ein Hauch zarten, feinen Empfindens, so
-erhalten vollends die um die Jahreswende geschriebenen immer einen
-besonderen tiefen Klang.
-
-[Illustration: Abb. 3 Aus: An der Krippe zu Bethlehem. 1852]
-
-Dies alles kann nicht übergangen werden, wenn wir uns nach Richters
-Weihnachtskunst umschauen. Denn hier zeigt sich das, was auch aus
-seinen Bildern spricht, daß er nicht nur die ästhetischen Werte,
-sondern auch die religiösen Kräfte dieses Festes aller Feste
-nachzuerleben wußte. Und aus diesem frommen Erleben, nicht nur aus
-der künstlerischen Begabung, erklärt sich der Reichtum, die Kraft
-und Lebendigkeit seiner Weihnachtsbilder. Der große Dichter Otto
-Ludwig, der damals auch in Dresden lebte, labte sich noch auf seinem
-letzten Krankenlager an Richters Bildern, fuhr mit knöchernem Finger
-darüber hin und sagte: »Das ist noch einer, der den Kindern ihren
-Weihnachtsbaum anzünden kann. Nach ihm wird’s keiner mehr so können.«
-
-[Illustration: Abb. 4 Aus: Knecht Ruprecht. 1854]
-
-Ja, es müssen doch schöne Jahre gewesen sein, die stillen vierziger
-und fünfziger Jahre, die solche edlen Früchte deutscher Kunst und
-deutschen Gemütes zeitigten. Da verging kaum ein Weihnachten, zu dem
-nicht unser Dresdner Meister seinem Volk ein Werk von seiner Hand auf
-den Weihnachtstisch legte: 1840 die Geschichte des deutschen Volkes
-von Duller mit vierundvierzig Holzschnitten, 1841 den Landprediger von
-Wakefield, 1842 Musäus’ Volksmärchen mit sogar hunderteinundfünfzig
-Holzschnitten, 1844 die köstlichen Illustrationen zu den
-Studentenliedern, denen 1846 die Volkslieder folgten und so fort bis zu
-dem großen Bechstein von 1853 mit seinen hundertsiebzig meisterhaften
-Märchenbildern. Aber das sind nur die bekanntesten. Dazwischen laufen
-die alljährlich erscheinenden Volkskalender von Nieritz und die
-»Spinnstuben« des rheinischen Volksschriftstellers W. O. von Horn. Vor
-allem aber weihnachtlichen Charakter trugen die kleinen, heute fast
-vergessenen und verschollenen Kinderbücher des Dresdner Schriftstellers
-und Buchhändlers Löschke, der sich Traugott nannte: An der Krippe zu
-Bethlehem, Familienlieder und der in drei Jahren wiederkehrende Knecht
-Ruprecht. Das alles waren Gaben an das deutsche Volk, die sich trotz
-ihrer äußeren Schlichtheit mit allem messen dürfen, was nachmals »für
-den Büchertisch« zu Weihnachten geschaffen worden ist. Und es ist
-bemerkenswert, daß auch jetzt noch immer die Bücher und Mappen Ludwig
-Richters sich auf dem Bücher-Weihnachtsmarkt siegreich behaupten.
-
-[Illustration: Abb. 5 Aus: Beschauliches und Erbauliches. 1855]
-
-Leider läßt sich meine Absicht nicht durchführen, Richters
-Weihnachtsbilder in größerer Zahl hier darzubieten. Man nehme mit den
-wenigen Proben vorlieb. Sein ältestes Weihnachtsbild finde ich in dem
-Büchlein »Bilder und Reime für Kinder«, das zuerst 1844 bei Justus
-Naumann in Dresden erschien. Da ist der Christmarkt dargestellt, eine
-Weihnachtsbude, um die sich die Kinder drängen, mit der stolzen Firma
-»Caspar Mops aus Chemnitz«. Die erste Darstellung aber des lieblichen
-Wunders von Bethlehem, der sich mit immer neuer Gestaltungslust unsres
-Meisters so viele anreihten, erschien 1847 (Abb. 1) in einer heute
-fast unauffindbaren Illustrierten Jugendzeitung (Leipzig, Brockhaus).
-Wie ist hier das hohe Thema, das die Kunst ganzer Jahrhunderte in
-allen Variationen gespielt und bis zum Höchsten gesteigert hatte, so
-ganz ins Schlicht-Menschliche übertragen! Am ersten werden wir dabei
-noch an Meister Dürer erinnert, dessen geniale, derbe, ausdrucksfähige
-Holzschnittkunst ja auch auf Richter wie eine Offenbarung wirkte. In
-Rom hatte er beim Freunde Veit zum ersten Male diese Blätter gesehen,
-und seinen Einzug in Meißen als junger Ehemann feierte er, der damals
-am allerwenigsten zu brechen und zu beißen hatte, mit dem Erwerb von
-Dürers Marienleben für zweiundzwanzig harte Taler. Gerade Richters
-Weihnachtskunst bestätigt es, daß diese für ihn bedeutende Summe
-»reiche Zinsen getragen« hat. Doch diese starke Anregung des deutschen
-Altmeisters hat ihn nicht zu schwächlicher Nachahmung verleitet.
-Richter blieb ein Eigener, so sehr, daß man ihn in seinen Holzschnitten
-sofort erkennt. Er ist weicher, kindlicher als Dürer, aber nicht
-weichlich, nicht sentimental wie die »Nazarener« jener Zeit, sondern
-immer gesund, natürlich, einfältig.
-
-[Illustration: Abb. 6 Aus: Beschauliches und Erbauliches. 1855]
-
-Man soll gerade auch Richters frühe Arbeiten im kleineren Format nicht
-übersehen. Sie gehören zu seinen schönsten und ursprünglichsten.
-Zwei Perlen sind die Abb. 2 und 3 aus dem Büchlein »An der Krippe zu
-Bethlehem« von 1852, der nächtliche, vom Öllämpchen erleuchtete Stall
-mit den Dudelsack blasenden Hirten und vor allem das ganz zarte Bild
-des schwebenden Kindleins in der Krippe unter dem Christbaum mit den
-singenden Engeln. Aus dem »Knecht Ruprecht« von 1854 ist dann die
-versonnene »Flucht nach Ägypten« durch den deutschen Wald, aus dessen
-Dunkel die heilige Familie heraustritt (Abb. 4).
-
-[Illustration: Abb. 7 Aus: Gesammeltes. 1869]
-
-Mit den Jahren nimmt Richters Kunst einen größeren Stil an. So schuf er
-1855 für die Mappe »Beschauliches und Erbauliches« den Weihnachtschoral
-vom alten Meißner Stadtturm (Abb. 5). Christmorgen ist es. Das erste
-Tageslicht dämmert unter den Sternen herauf. In den Häusern brennen
-die Lichter, denn man rüstet sich zum Gang in die Christmette. Im
-Turm aber schwingt die Weihnachtsglocke. Und nun schwingen die Klänge
-des Chorals über der eben erwachenden Stadt. Die Kinder sind so
-munter, wie sonst nie im ganzen Jahr in so früher Morgenstunde. Hell
-bescheinen die Kerzen und Windlaternen ihre pausbäckigen Gesichter. Ihr
-Gesang aber wird von dem schwarzen Kater auf dem Dach akkompagniert.
-Ja, es ist so vieles in diesem Bilde, was wir uns auch für unsre
-Weihnachtsfeier wieder herbeiwünschen möchten. Richter hat dieses Bild
-geschaffen mit wundem und wehem Herzen, als ihm sein liebes Weib durch
-einen Herzschlag plötzlich entrissen worden war. Er hat sich nicht
-verbittern lassen, er wußte nun noch viel besser, was Weihnachtsfreude
-ist: »Christenfreude«, wie er ein ganzes Buch aus demselben Jahr, ein
-rechtes Bekenntnisbuch seiner selbst und Trostbuch für das deutsche
-Haus, betitelte.
-
-[Illustration: Abb. 8 Aus: Schillers Lied von der Glocke. 1857]
-
-Dieselbe Mappe enthält auch das Bild vom Dresdner Weihnachtsmarkt
-(Abb. 6) mit dem Schloßturm im Hintergrunde, wo das kümmerliche Dasein
-dieser kleinen Geschäftsleute mit ihren Pflaumenmännern durch goldenen
-Humor verklärt wird.
-
-Uralte Volkssitte steigt vor uns auf in dem Bilde aus Richters
-Spätzeit, den heiligen drei Königen (Abb. 7), diesem alten Mummenschanz
-der Weihnachtszeit. Die volkstümliche Theatralik der drei Darsteller
-ist köstlich getroffen. Aber auch der ganze Friede der stillen heiligen
-Nacht umschwebt dieses Bild.
-
-Ja, Friede! Das ist auch der Inhalt des letzten Bildes, das wir hier
-zeigen (Abb. 8), aus Schillers Glocke, obwohl es kein Weihnachtsbild
-ist. Friede auf Erden! Weihnachten bringt ihn uns, auch in einer
-friedlosen Zeit. Es ist die Aufgabe des deutschen Hauses, sich trotz
-allen Kämpfen draußen auch jetzt dem Geiste des Friedens von neuem
-zu öffnen, besonders in der Weihnachtszeit. Und Ludwig Richter ist
-der Mann, der mit seiner Weihnachtskunst auch uns den Weg zeigt, zur
-rechten Christfreude zu kommen und selber die rechte Weihnachtskunst
-zu lernen. Denn Weihnachten zu feiern ist auch eine Kunst, die gelernt
-und geübt sein will. Möchte darum gerade Ludwig Richter unser guter
-treuer Hausfreund bleiben und noch viel mehr werden, bei alt und jung,
-besonders in der Winters- und Weihnachtszeit[1].
-
-
-Fußnoten:
-
- [1] Anmerkung der Schriftleitung. Wir verweisen auf die
- köstliche Veröffentlichung des Verfassers »Ludwig Richter
- als Radierer«. Großquart, 80 Seiten mit 51 Bildern, hart
- gebunden. Preis M. 1200,–, zu beziehen beim Heimatschutz,
- Dresden-A., Schießgasse 24.
-
-
-
-
-Edgar Hahnewald: Sächsische Landschaften
-
-III. Band der Heimatbücherei des Landesvereins Sächsischer
-Heimatschutz, Dresden 1922[2]
-
-
-»Sehne dich und wandre«, unter dieses Leitwort sind die Schilderungen
-des neuen Bandes der Heimatbücherei gestellt. Ja, Sehnsucht lernt man
-und fühlt man, wenn man im Geiste mit ihm geht. Man spürt fühlbar einen
-Reiz und innerlichen Zwang, hinauszuwandern in die so mannigfaltigen
-sächsischen Landschaften, deren Fülle und Reichtum an Formen, Farben
-und Gestalten hier so stimmungsvoll an uns vorüberziehen.
-
-Das Auge des Malers, der Mund des Dichters, die Gestaltungskraft des
-Künstlers vereinen sich, um uns mitten hineinzuführen und erleben zu
-lassen, was uns das Herz warm macht und die Augen hell, wie schön die
-Heimat ist und wie köstlich das Wandern und Schauen in ihrem seligen
-Raum. Vor allem aber spürt man in dem Buche das Herzpochen eines,
-der seine Heimat heiß liebt und mit immer neuer Sehnsucht sucht. Er
-liegt im grünen Grase unter schwanken Halmen. »Im Felde schlägt die
-Wachtel. Und da draußen, grün und blau, duftig und glasklar liegen die
-sächsischen Lande. Sie sind unsre Heimat. Und in sie hinauszuschauen,
-war lange ein ersehntes Glück.« »Du bist meine Heimat, du bist der
-Boden, auf dem mein Geschlecht durch die Jahrhunderte wuchs, auf dem
-es die Scholle grub, in Dörfern webte, in Städten strebte, auf dem es
-lebte und liebte und litt und lachte und starb ...
-
-Du bist Orplid, mein Land ...!«
-
-Diese Heimatliebe und Bodenständigkeit machen ihn zum rechten Führer,
-der zu schauen, zu beseelen und zu deuten weiß. Nicht bloß im
-Sonnenschein und blühenden Sommerwinde, nein auch in triefendem Regen
-unter grauem Gewölk, auf leuchtenden, blaubeschatteten Schneepfaden und
-in stiebendem Flockenwirbel und auch in duftender Nacht auf holprigem
-Steig im schwarzen Walde werden wir von ihm heimatfroh gemacht.
-
-Eine wunderbare Fülle von Farben tönt in seinen Worten wieder und
-köstliche Bilder leuchten in seinen Schilderungen wie schimmernder
-Schmuck auf.
-
-»Alte Kastanien senken ihre Zweige tief zur Wiese hinab und ihre
-Blätterhände scheinen weiße Blütenleuchter behutsam aus dem Grase zu
-heben.« So werden tausendfach gesehene Dinge zu Bildern voll poetischen
-Reizes und schimmernder Farbigkeit. –
-
-Möge das Buch hinausgehen und die Freude und Liebe zur Heimat vermehren
-und vertiefen. In unsrer Armut und Knechtschaft sind wir noch reich,
-denn unsrer Heimat Herrlichkeit ist uns geblieben. Wir wollen sie uns
-nicht rauben lassen, sondern immer tiefer und fester erfassen. Ein
-berufener Mund ist es, der sie uns hier kündet. Laß dich von ihm zur
-Heimatfreude führen, zum Heimatstolz erheben, mit neuer Heimatliebe
-segnen.
-
- Rieß, Freiberg.
-
-
-Fußnoten:
-
- [2] Preis M. 950,–. Bestellkarte in diesem Heft.
-
-
-
-
-Jagdschloß Rehefeld
-
-Von _A. Klengel_
-
-
-Auf der Wanderung durchs deutsche Märchenland führt uns der Weg oft
-an verwunschenen Schlössern vorüber! Burgen liegen, unnahbar unserm
-Schritt, verträumt auf hohen Bergen, Schlösser einsam und versteckt
-im tiefen Walde, durch einen Machtspruch verzaubert und der Erlösung
-harrend.
-
-Weit hinter uns liegt heute dies Traumland unsrer Kindheit, kaum die
-Erinnerung ist geblieben an die Märchen, denen wir einst so gern und
-andächtig lauschten. Und doch tauchen auf unsern Wanderungen durchs
-schöne Heimatland zuweilen Gestalten auf, die urplötzlich in uns
-wachrufen, was eingeschlummert war unter den Eindrücken des Alltags,
-was verweht schien in den Stürmen des Lebens. Dann liegt greifbar vor
-uns, was einst das Kinderherz erfreute, das kindliche Gemüt beseelte.
-
-Ein solches Märchenbild ist das Jagdschloß Rehefeld droben an der
-Landesgrenze im meilenweiten Hochwald des Erzgebirges. Einsam und
-verlassen liegt das turmüberragte und erkergeschmückte Bauwerk hoch am
-Hange des Weißeritztales. Zum verwunschenen Märchenschloß wurde es,
-als das Königspaar Albert und Carola dahingegangen war. Das muntere
-Treiben königlicher Weidmannsherrlichkeit verstummte, des Jagdhorns
-letzter Ton war verhallt, die Läden schlossen sich über den blinkenden
-Fenstern des Schlosses und nur ernstes Waldesrauschen umklingt noch die
-Stätte, wo einst ein edles Herrscherpaar, fern von höfischen Pflichten,
-Erholung suchte in unberührter Waldnatur und Mensch war auf herbschöner
-Heimaterde.
-
-Ein Märchenschloß liegt vor uns! Dicht heran drängt sich der dunkle
-Wald und des Waldes Tiere suchen vertraut seine Nähe. Zu Füßen des
-Schloßberghanges strömt die Weißeritz in jugendlicher Schnelle talwärts
-und bietet mit den verstreut liegenden Holzhäuschen der Dörfer Zaunhaus
-und Rehefeld ein Bild, das in seiner schlichten Anmut an ein einsames
-Hochgebirgstal erinnert. Und darüber hinaus, soweit das Auge reicht,
-breitet sich dunkler, harzduftender Fichtenwald aus in ernster, herber
-Schönheit.
-
-[Illustration: =Rehefeld=
-
- Aufnahme von Walter Hahn, Dresden
-]
-
-Die weiten Wälder um das Jagdschloß Rehefeld sind mit der nun
-Geschichte gewordenen alten kursächsischen und königlichen
-Weidmannsherrlichkeit untrennbar verbunden. Schon Name und Entstehung
-der beiden nahen Dörfchen Zaunhaus und Rehefeld lassen dies erkennen.
-Zaunhaus verdankt seinen Ursprung dem Zaun- und Forsthause, das
-Kurfürst Moritz um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts als
-Amtswohnung des Zaunknechtes am großen Wildzaun an der nahen
-böhmischen Grenze errichtete. Der eigentliche Ort entstand im
-achtzehnten Jahrhundert, als sich Waldarbeiter auf Räumen ansiedelten,
-die man ihnen aus den kurfürstlichen Waldungen »vererbte«. Einen
-ähnlichen Ursprung hat das Dörfchen Rehefeld. Kurfürst Johann Georg
-II. errichtete um 1670 dort im Wald ein Forsthäuschen, das dem
-Oberforstmeister überwiesen wurde und später, gleich einem kleinen
-Rittergut, Schriftsässigkeit und Jurisdiktion erhielt; es ist das
-heutige Forstamt. Auch hier siedelten sich Waldarbeiter auf geräumtem
-Kahlschlag am Weißeritzufer an. Es entstand ein Dörfchen, das
-ursprünglich Sorgenfrey genannt wurde, aber vom König August II. bei
-einer Jagd den Namen Rehefeld erhielt.
-
-Die weiten und zum Teil unwegsamen Waldungen boten dem Wild seit alter
-Zeit treffliche, geschützte Standorte und den Landesherren reiches
-Weidmannsheil. Zwar fließen die Quellen, die von der Erlegung des
-ritterlichen Wildes vergangener Tage – Bär, Wolf und Sau – in dieser
-Gegend berichten, nur spärlich; daß jedoch ein urwüchsiger Wildbestand
-vorhanden war, ist daraus zu erkennen, daß noch im Jahre 1715 in der
-Nähe ein Vielfraß (~Gulo borealis~) erlegt wurde.
-
-Von größter Bedeutung für diese heimatlichen Jagdgründe war jedoch
-immer das stolze Edelwild unsrer Gebirgswälder, der Rothirsch. Der
-Hirschjagd und Hirschhege, die unter König Albert dort ihren Höhepunkt
-erreichten, verdankt auch das Jagdschloß Rehefeld sein Dasein.
-Infolge der ums Jahr 1860 einsetzenden sorgsamen Hege hatte sich
-der etwas verkümmerte Edelhirsch des östlichen Erzgebirges prächtig
-entwickelt und gut vermehrt, standen doch z. B. im Jahre 1892 auf
-dem etwa sechzehntausend Hektar umfassenden Rehefelder Jagdrevier
-gegen siebenhundert Stück Rotwild. Stattliche Vierzehnender mit einer
-Stangenhöhe bis zu ein Meter zehn Zentimeter waren keine Seltenheit und
-noch heute erzählen die alten Gebirgsbewohner gern von den gewaltigen
-Rudeln prächtiger Edelhirsche, die im hohen Schnee zur Fütterung zogen
-und von den kapitalen Platzhirschen, die an nebelfeuchten Herbsttagen
-mit dumpfdröhnendem Brunftschrei ihre Rivalen zum Kampfe riefen.
-
-König Albert lag schon als Kronprinz oft und auf längere Zeit
-dem Weidwerk in Rehefeld ob. Da er und seine oft zahlreichen
-Jagdgäste in den kleinen und weit voneinander entfernten Orten
-nur unter Schwierigkeiten Unterkunft fanden, wurde im Jahre 1869
-das schlichte Jagdschlößchen erbaut. Der überaus zierliche, in
-nordischer Bauweise ausgeführte Holzbau ist ein Weihnachtsgeschenk der
-damaligen Kronprinzessin Carola an ihren Gemahl. Auch die fürstliche
-Geschenkgeberin hatte Gefallen gefunden an dem herrlichen Fleckchen
-Erde, auf dem Rehefeld liegt. Bis zu ihrem Tode verbrachte sie die
-Sommerwochen im Jagdschloß Rehefeld, im freundnachbarlichen Verkehr mit
-den schlichten Gebirgsbewohnern und von ihnen geliebt und verehrt.
-
-Obwohl das Schlößchen das Königspaar regelmäßig auf längere
-Zeit beherbergte, ist seine innere Ausführung und Ausstattung
-außerordentlich bescheiden. Es reicht jedenfalls bei weitem nicht an
-das heran, was man gemeinhin unter einem vornehmen Landhause versteht,
-von höfischem Prunk kann überhaupt keine Rede sein. Die innere
-Ausstattung, der sogar die gemütliche erzgebirgische Ofenbank um den
-mächtigen Kachelofen des Eßzimmers nicht fehlt, ist ganz dazu angetan,
-Naturfreunden ein trauliches Heim zu bieten, die schwerer Pflichten
-ledig für einige Zeit ganz der herrlichen Waldumgebung leben wollen.
-
-Den Bedürfnissen eines längeren Aufenthalts der Besitzer und
-ihrer Gäste entsprechend, machten sich später einige Ergänzungen
-erforderlich. In der Nähe entstand ein Stallgebäude und ein schlichtes
-Haus für Hofpersonal und Küche. Ein Schmuckstück für sich ist die
-im Jahre 1879 nach Plänen der Meyerschen Kunstanstalt in München in
-skandinavischer Bauweise errichtete winzige Kapelle. In den neunziger
-Jahren des vorigen Jahrhunderts erhielt die Südseite des Schlosses
-einen niedrigen spitzbedachten Turm. War das Bauwerk, streng genommen,
-zuerst nur ein Jagdhaus gewesen, so konnte es nunmehr Anspruch auf
-den Namen Schloß erheben; denn nach landläufigen Begriffen gehört nun
-einmal zu jedem Schloß ein Turm.
-
-Das Schloß und seine Nebengebäude sind bis auf die Grundmauern durchweg
-aus Holz erbaut. Es darf deshalb nicht wundernehmen, daß uns beim
-Eintritt in die Vorhalle das Bild des St. Florian entgegenleuchtet, des
-Schutzheiligen gegen Feuersgefahr, zu dem man in Süddeutschland einst
-betete: O du heil’ger Florian, laß stehn dies Haus, zünd’ andre an!
-Die schmückende Ausstattung des Jagdschlosses entspricht ganz seiner
-Bestimmung und Umgebung. Außer Gemälden der Jagdmaler Mühlig und Guido
-Hammer bildet eine Sammlung starker Geweihe von Hirschen, die König
-Albert auf Rehefelder Revier erlegte, die Hauptzierde. Dazu gesellen
-sich andre jagdliche Erinnerungen aus König Alberts Zeit.
-
-Nach König Alberts Ableben verblaßte der Stern Rehefelds. Zwar hielt
-sich die Königin Carola bis zu ihrem Tode noch alljährlich längere Zeit
-dort auf, doch die Bedeutung des Schlößchens als Stätte fröhlichen
-Weidwerks war geschwunden. Der reiche Bestand an Edelhirschen wurde
-herabgemindert, und was heute dort noch durch den Wald zieht als alter
-deutscher Weidmannsherrlichkeit letztes Vermächtnis ist kaum ein
-schwacher Abglanz aus der Zeit, da die schwarzgelbe Standarte auf dem
-Schloßturme verkündete, daß der greise königliche Jäger seine geliebten
-Rehefelder Jagdgründe aufgesucht hatte und daß die Königin gekommen
-war, um mit der Rehefelder Jugend schlicht-fröhliche Kinderfeste zu
-feiern.
-
-Fest verriegelt sind heute Türen und Fenster des vom Wind und Wetter
-gebräunten Jagdschlosses. Vergeblich klopft der Wandrer, Einlaß
-begehrend, beim Schloßverwalter an; Rehefeld ist als Privateigentum für
-jeden Besuch gesperrt!
-
-Man tut recht daran! Warum die wenigen Sehenswürdigkeiten des Schlosses
-öffentlicher Schaulust preisgeben? Das Königspaar wohnte hier, um
-sich der herrlichen Waldnatur zu freuen, die selten so schön und
-ursprünglich erhalten ist, wie hier im stillen Weißeritztal. Auch den
-sinnigen Wandrer schlägt der Heimatwald in seinen Bann, er freut sich
-seiner Schönheit und zieht zufrieden seine Straße, auch ohne den Fuß
-über die Schwelle des Schlosses gesetzt zu haben.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Eine wiedergefundene alte Postmeilensäule
-
-
-Erfreulicherweise haben die in diesen Blättern wiederholt gegebenen
-Hinweise jetzt zur Auffindung einer der so selten gewordenen
-Halbe-Meilensäulen aus der Zeit August des Starken geführt.
-
-[Illustration: =Wiederaufgerichtete Postmeilensäule an der Staatsstraße
-von Öderan nach Freiberg=]
-
-Seit alters stand an der Staatsstraße von Öderan nach Freiberg, in
-der Nähe des Öderaner Schützenhauses eine alte Steinbank. Architekt
-Kempe aus Öderan, dem die eigenartige Form des Steinsitzes aufgefallen
-war, ließ in diesem Sommer die Bank abbrechen und es ergab sich, daß
-diese aus Teilen einer der alten Postmeilensäulen aufgebaut war. Die
-Initialen, Posthorn und Jahreszahl 1722 waren noch wohl erhalten,
-desgleichen auch die Entfernungsangaben: Öderan ½ Stunde und Chemnitz
-5¹/₈ Stunde. Mit dankenswerter Hilfe des Erzgebirgsvereins Öderan und
-des Landesamtes für Denkmalpflege gelang es den Bemühungen des Herrn
-Kempe, das seltene Stück wieder am alten Platz aufzustellen, wo es nun
-als Zeuge vergangener sächsischer Geschichte eindringlich und reizvoll
-im Landschaftsbilde steht (siehe Abbildung).
-
- ~Dr.~ _Bachmann_.
-
-
-
-
-Das Kamenzer Forstfest
-
-Von ~Dr. phil.~ _Gerhard Stephan_
-
-
-Wohl jedes Dorf und auch die meisten kleineren Städte haben ihre
-Schulfeste. Was diese Feiern vor vielen andern besonders in den
-jetzigen Zeiten auszeichnet, ist ihr ganz und gar unpolitischer
-Charakter: arm und reich, hoch und niedrig nehmen daran teil und freuen
-sich an dem Jubel der Kinder. Alle Gegensätze sind verschwunden und
-jeder fühlt sich als ein Teil des Ganzen. Wenn es doch im Staatsleben
-auch so wäre!
-
-An Größe wohl, kaum aber an Bedeutung und innerem Werte dürfte eine
-Stadt oder ein Dorf durch das Kamenzer Forstfest übertroffen werden,
-das jährlich in der Zeit des Bartholomäustages (24. August) gefeiert
-wird. Fast eine ganze Woche, vom Montag, oder wenn man will, gar vom
-Sonntag an bis zum Freitag wird da unser Städtchen in Atem gehalten.
-Ich vermag es selbst nicht zu sagen, was es ist, das dieses Fest für
-einen Kamenzer so lieb macht, denn der Jahrmarktsrummel im nahen
-»Forst«, von dem diese Schulfeier seinen Namen hat, mit seinen
-Karussells, Luftschaukeln, Schieß-, Würstchen- und Würfelbuden ist ja
-überall anzutreffen und auch der Kinderauszug gehört eigentlich auch
-anderswo zur Veranstaltung, wenn auch vielleicht nicht in derartig
-reicher Ausstattung. Tatsache ist und bleibt jedenfalls, daß man einen
-Kamenzer nie tiefer beleidigen kann, als wenn man über »sein« Forstfest
-spottet oder überhaupt daran herummäkelt. Für ihn gibt es eben nur
-dieses Fest, es sind sozusagen seine Nationalfeiertage, die er da
-erlebt. Wer sich in der Fremde aufhält, sieht zu, daß er seine Ferien
-zur Forstzeit legen kann, und es gibt viele unsrer Landsleute, die
-jahre- und jahrzehntelang nicht in ihre Heimat gekommen sind, dann aber
-plötzlich zum Forstfest eintreffen[3].
-
-Die Sage hat diese Kinderfeiertage umrankt. Zur Hussitenzeit, so
-erzählt man – die Geschichte ähnelt ganz der von Naumburg – lag
-ein feindlicher Fürst mit seinen Horden vor der Stadt und drohte,
-ungeduldig ob ihres langen Widerstandes und ergrimmt über den Tod
-vieler seiner Krieger, mit dem Schlimmsten. In der Stadt aber sah
-es übel aus, der Hunger mußte bald die Übergabe erzwingen. Man bot
-dem Tschechen Geld, daß er den Ort schone, doch der Böhme hatte sich
-verschworen, Kamenz auszuplündern und niederzubrennen. Da, in der
-höchsten Not, zog der Schulmeister mit den Kindern, jedes im weißen
-Sterbekleide, ins Lager hinaus vor das Zelt des feindlichen Führers
-und stimmte dort das Lied »Du Friedensfürst, Herr Jesu Christ« an. Der
-wilde Slawe wurde von dem Gesang der unschuldigen Kinder so gerührt,
-daß er noch in der Nacht abzog und Kamenz unbehelligt ließ.
-
-Der böse Historikus freilich hat an dieser schönen Erzählung nichts
-Wahres gelassen. Die Geschichte weiß vielmehr nur von Greueln dieser
-fanatischen Glaubensstreiter zu berichten. Im Jahre 1429 drangen
-sie durch das baufällige Schloß in die Stadt ein und brannten
-sie nieder. Und zwei Jahre später, als sie wiederkamen, mußte man
-ein schweres Lösegeld zahlen, um sie loszuwerden. – Man wird es
-dem Lokalpatriotismus des Kamenzers zugute rechnen, wenn er, sich
-derartiger unangenehmer Sachen ungern erinnernd, sie durch jene hübsche
-Sage zu verdecken sucht, aber freilich, diese Entschuldigung zählt bei
-dem Kritiker nicht.
-
-[Illustration: =Das Kamenzer Forstfest=]
-
-Doch der Geschichtsforscher suchte nach einem anderen Grund und glaubte
-ihn in den alten Stadtannalen des trefflichen Caspar Haferkorn gefunden
-zu haben, der etwa folgendes berichtet: Im Jahre 1520 herrschte
-infolge langanhaltender Hitze eine große Dürre. Um Regen vom Himmel zu
-erflehen, zogen der Schulmeister, seine Kinder und über dreihundert
-Jungfrauen in weißen Kleidern, ein Wermutkränzlein auf dem Kopf und ein
-Paternoster in den Händen, barfuß nach den umliegenden Kapellen St.
-Just, St. Anna, St. Walpurgis, St. Jacob und St. Wolfgang. Gott erhörte
-ihr Gebet und sandte am nächsten Tag den langersehnten Regen. Der
-alte Oberlehrer Klix, ein besonders um die Familie Lessing verdienter
-Forscher, vermutete nun, daß diese Prozessionen, von denen diese eine
-wegen ihrer gewaltigen Wirkung in der Stadtchronik Aufnahme gefunden
-hat, die Ursache zum Forstfeste sei. Doch dieser Grund befriedigt
-ebensowenig – an einer Prozession pflegen auch Erwachsene teilzunehmen
-– wie der, daß der Ursprung des Forstfestes in den Gregoriusfesten des
-Mittelalters, Kinderfeiern, die am Gregoriustage abgehalten wurden,
-läge. Denn der Gregoriustag fällt in das Frühjahr – 12. März.
-
-In der vorjährigen »Forstfestzeitung« – auch eine solche gibt es! –
-hat nun Georg Uhlig, der derzeitige Stadtarchivar, eine den Ursprung
-des Festes wohl richtigtreffende Deutung gegeben, wenn er es als
-Nachfolgerin der alten Schülerfeste der Lateinschulen erklärt. Ob
-es sich nun um den »Rutenzug« (~virgatum~), – das heißt die Schüler
-zogen aus und schnitten die Ruten, mit denen sie dann das Jahr über
-verprügelt wurden – oder eine Ursache anderer Art handelt, ist letzten
-Endes gleichgültig. – – – –
-
-Forstfest! Die Kinder träumen das ganze Jahr davon. »Nach den Großen
-Ferien ham mer ’ne Woche Schule – da wird nischt gemacht – und dann
-– nu da is eben Forscht.« Und die guten Mütters haben Arbeit über
-Arbeit, daß ja das weiße Kleid, der weiße Anzug, die weißen Schuhe und
-Strümpfe, die Schärpen und was weiß ich, in Ordnung sind. Die Mädels
-gehen seit den Großen Ferien meist recht merkwürdig frisiert, ihre
-Haare sind alle ganz fest an den Kopf zu kleinen Röllchen (Schnecken
-nennt sie der Volksmund) zusammengedreht »von wegen der Locken«.
-Weißwarenhändler, Schuhmacher und alle verwandten Handarbeiter machen
-glänzende Geschäfte, und die Gärtner haben alle Hände voll zu tun, um
-die Kränze, Girlanden, Blumenkörbchen, Bögen herzustellen, Gere und
-Marschallstäbe zu umwinden. Manch einer geht freilich auch mit einem
-großen Korb zu dem nahen Busch und holt sich da sein Eichenlaub, und
-Gott sei Dank verträgt unser Kamenzer Wald diese kleine Schädigung,
-ebenso die Heide, die auch ihre roten Blüten zum Schmuck hergeben muß.
-
-Sonntag. Im »Forst« entwickelt sich das eifrigste Jahrmarktsleben und
-der Städter eilt hinaus, um schon die Vorfreuden des nahenden Festes
-zu genießen. Auch der Landmann ist hergekommen, um für seine Lieben
-was zu erhaschen, er hat in der Woche meist keine Zeit für solche
-»Albernheiten«, aber Sonntags – ja das ist ganz was anderes,
-
-Forstfest-Montag. Überall regen sich fleißige Hände, um die Straßen
-zu schmücken: Girlanden werden von einem Hause zum gegenüberliegenden
-gespannt, Kränze aufgehängt, Fahnen hochgezogen. Einige fremde
-Schulen mit ihren Lehrern pilgern durch die Straßen und begucken
-einstweilen die »Sehenswürdigkeiten«, wobei sie meist das Innere des
-Andreasbrunnens interessanter finden als den schmucken Renaissancebau
-darüber, der von ~Dr. Andreas Guntherius proconsul Camicianus~ meldet,
-daß er »~patriae pietate impulsus~« (also »aus Heimatliebe«!) den
-Brunnen auf seine Kosten habe 1570 erbauen lassen.
-
-½12 Uhr. Eifriges Streben der festlich geputzten Kleinen mit ihren
-Kränzlein und Fähnchen zur Schule. Für gewöhnlich haben sie es nicht
-so eilig, aber heute! Die Alten suchen sich inzwischen einen Platz
-auf dem Schulhofe zu sichern, sie wollen das Forstfestlied hören,
-das sie einst als Kinder selbst gesungen haben. Die Turner mit ihrem
-schmucken Eichenzweig am Hut und die gestrenge »Polizei«, an der heute
-hocherhobenen Hauptes mancher Junge vorbeischreitet: »Achtung, jetzt
-komme ich, heute kannst du mir nichts tun,« ja, sie haben eifrig
-aufzupassen, damit hübsch Ordnung gehalten wird, und die Kinder ins
-Schulhaus hereinkommen.
-
-12 Uhr. Die Musik setzt ein, die Schultore öffnen sich und hervor
-ergießt sich der Kinderschwarm. Es sind weit über tausend, die da
-herausmarschiert kommen. Voran einige ältere mit Kränzen, sie dienen
-zum festen Halt, denn hinter ihnen strömen die ganz kleinen, die dies
-Jahr das erstemal mitfeiern. Von den Jungens einige mit Kränzen um
-ihren Ersten, der die Klassenfahne trägt, die Mehrzahl mit Fähnchen,
-wobei die jüngsten beiden Jahrgänge die Stadtfarben rot-weiß tragen.
-Die nächsten die Landesfarben weiß-grün, die älteren die Reichsfarben,
-bis voriges Jahr schwarz-weiß-rot, heuer schwarz-rot-gold (neben
-mir stand ein Graubart, dem man ansieht, daß er in seinem Leben
-gearbeitet, der meinte, wie im Selbstgespräch: »Unser Schwarzweißrot
-war doch schöner! Das sind außerdem die jahrhundertealten (!!)
-Farben!« – Volksmeinung, wann wird sie von unsern »Volksvertretern«
-einmal respektiert werden?). Die ältesten Jungen trugen efeuumwundene
-Gere. Die Mädels bieten ein fast noch abwechslungsreicheres Bild:
-Blumenkörbchen wechseln mit Girlanden, ihnen folgen Bogen und Kränze.
-Die Realschule als Schluß zieht in ihren rotweißen Schulfarben heraus,
-Jungens, Mädels und wieder Jungens, ihrer schönen seidenen Fahne
-folgend. Nach mancherlei Verschlingungen hat sich alles im weiten
-Umkreis aufgestellt. Die Musik macht eine kleine Pause, dann setzt sie
-von neuem ein und heraus treten die Fahnengruppen mit den alten, einst
-von Jugendfreunden gestifteten Bannern.
-
-Auch sie nehmen Aufstellung und nun ertönt das liebe Forstfestlied (es
-ist erst in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Ausnahme
-des ersten Verses entstanden (Melodie ~Gaudeamus igitur~)):
-
- Festlich schwebt ein Freudentag
- Unserm Kreise nieder,
- Jeder Stunde dumpfer Schlag
- Hallt uns Wonne wieder.
- Wer ein Herz im Busen trägt,
- Wem es laut und feurig schlägt,
- Singe Jubellieder.
-
- Wiederkehrt die Forstfestlust
- Mit den Blütenkränzen,
- Freudig hebt sich jede Brust,
- Aller Augen glänzen!
- Kinderfreude, Elternglück!
- Manchen sel’gen Augenblick
- Bringen diese Tage!
-
- Wer in unsern Reihen stand,
- Denket gern der Stunden,
- Da auch ihm der Liebe Hand
- Kränze einst gewunden
- In die Locken, an den Stab!
- Welche Jugendwonne gab
- Uns des Festes Zauber!
-
- Mögen noch in später Zeit
- Forstfestlieder tönen,
- Die dem Vaterland geweiht,
- Allem Guten, Schönen!
- Für mein Kamenz schlägt mein Herz,
- Sein gedenk ich allerwärts,
- Haltet hoch die Fahnen!
-
-Der alte Kamenzer Oberlehrer Klix war es, der dieses Gedicht einst
-verfertigt[4], es spricht so recht jedem Kamenzer aus dem Herzen und
-man sieht gar oft manches Auge tränengefüllt, wenn das Lied erklingt.
-Da denkt erst mancher an seine Kindheit zurück, die nun so weit und
-unwiederbringlich zurückliegt »da auch ihm der Liebe Hand Kränze einst
-gewunden«.
-
-Was soll ich nun, nach dem eigentlichen Höhepunkt des Festes, noch
-erzählen? Der Schuldirektor spricht einige Worte, dann ertönt ein neues
-Lied, hierauf setzt sich der Zug durchs Klostertor nach dem Markt in
-Bewegung, singt hier, nach vollendetem Aufmarsch, abermals und rückt
-dann durch die Bautzner Straße bis zum Eulenberg, wo er sich auflöst.
-Alles eilt nach Hause, oft von der treusorgenden Mutter oder dem lieben
-Vater oder Bruder in Empfang genommen, die dann den schweren Kranz
-abnehmen, um ihn nach Hause zu tragen. Dort aber läßt es der »kleinen
-Welt« keine Ruhe, sie können kaum Kaffee trinken, dann gehts eiligst
-nach den Wiesen auf dem Forstfestplatz, wo die Kleineren spielen, die
-Größeren kegeln oder schießen. »Herr Manke, wir wollen mal das machen,«
-bittet so ein kleines Mädel und flüstert ihrem geduldigen Lehrer ihre
-Wünsche ins Ohr, »Herr Klugmann, kanns losgehen?« meint ein größerer
-Junge schon selbstbewußt, denn er brennt darauf, als erster den bunten
-Vogel da oben um einen Span zu erleichtern, und ist dann wenig erbaut,
-als, unter Freudegeheul der ganzen Meute, sein Schuß »in weitem stets
-geschweiftem Bogen hinauf bis in des Himmels Blau« fliegt. Die lieben
-Angehörigen stehen dabei, um ein bißchen zuzusehen, aber ihre »Herren«
-Kinder haben heute meist keine Zeit, denn da gilts bald mal einen
-großen Zwieback zu holen, der dieses Jahr an Stelle des »Würstchens
-mit Semmel« getreten war und auch nur deshalb, weil die Stadtväter
-in kluger Berechnung auf die gute Laune der Forstfestbesucher eine
-allgemeine Feststeuer in Höhe von fünf Meter eingeführt hatten, bald
-»muß« man auf der Riesenbahn, der Luftschaukel oder dem Karussell
-fahren oder »~Modo homo~« (!) dem lebenden Toten, von dem sein Herr in
-eindringlicher Sprache versichert, daß ganze Berge Geschirr vor ihm
-zerworfen werden könnten, ohne daß er aus seiner Suggestion erwache
-(»er hat gut reden, nur wird heute kein Geschirr zerschmissen,« meinte
-einer recht trocken), während das Fräulein an der Kasse ebenfalls in
-Hypnose fällt, aber jedesmal wieder erwacht, wenn einer sich zur Kasse
-»drängt«, einen Besuch abzustatten. Ja, ja, die guten Eltern werden
-eigentlich erst dann wieder gebraucht, wenn das nötige Kleingeld
-fehlt. – – –
-
-Den folgenden Tag ziehen nur die oberen Klassen aus, hinaus in den
-Forst zum Schauturnen. Am Mittwoch ist »Lehrerschießen« – es soll meist
-recht »fröhlich« dabei zugehen, doch darüber schweigt des Sängers
-Höflichkeit. Und am Donnerstag wiederholt sich nur der Auszug vom
-Montag, ebenso das Spielen und Schießen.
-
-Abends aber bei Dunkelwerden ist der »Einzug« der Kinder mit Musik und
-Buntfeuer. Die meisten Häuser, durch die sich der Zug bewegt, haben
-illuminiert und der Jubelruf der Kleinen mit ihrem »Vivat, vivat hoch!«
-will kein Ende nehmen. Bis zum Markt bewegt sich der Strom, dort findet
-das schöne Fest mit einer kurzen Rede des Direktors, dessen Schlußworte
-meist die typische Wendung haben: »Morgen früh um 8 Uhr auf Wiedersehn!
-Gute Nacht!« und dem schönen Leuthener Choral »Nun danket alle Gott«
-seinen offiziellen Schluß.
-
-»Offiziell« sage ich, denn daran halten sich die Bogenschützen absolut
-nicht, denn dieses Völkchen zieht vielmehr am Freitag mit großem
-Tschingterassassa durch alle Straßen der Stadt, um, wie es »offiziell«
-heißt, die Würdenträger des vorigen Jahres, die Fahne und so weiter
-abzuholen, aber ich glaube, sie wollen auch die Stadt ein bißchen
-aus dem Schlafe wecken nach dem bekannten Unteroffiziers-Weckruf:
-»Aufstehen, ich muß auch aufstehen!« Nun, jedenfalls macht das viele
-Herumziehen auch durstig, und deshalb wird öfters mal Halt gemacht und
-eingekehrt, einmal beim »Schützenbruder« Büsche, dann im »Feuerhaus«,
-und so geht das erst noch eine Weile so fort. Jedenfalls ist es meist
-schon etwas spät–er, bis man sich zum regelrechten Ausmarsch aufmacht
-– natürlich in den Forst, wo auch wieder eifrig ge–so–en, i nu,
-geschossen wird.
-
-Damit ist aber nun auch wirklich das Forstfest ganz zu Ende und die
-Schaubudenleutchen und Luftschaukelbesitzer müssen ihr Krämchen
-zumachen – bis zum nächsten Male.
-
-
-Fußnoten:
-
- [3] So war in diesem Jahre (1922) aus dem fernen Amerika ein
- Kamenzer hergekommen, und hat – dank der Valuta – manchem
- Kinde und auch Erwachsenen mit seinen Dollars eine Freude
- gemacht.
-
- [4] Mit Ausnahme des ersten Verses, dessen Verfasser mir
- unbekannt ist. Früher – vor 1892 – wurde der erste Vers des
- jetzigen Liedes gesungen und dann als zweiter, dritter und
- vierter Vers die entsprechenden des alten: Brüder laßt uns
- lustig sein! von Joh. Christian Günther.
-
-
-
-
-Die kursächsischen Postmeilensäulen
-
-
-Zu meiner Abhandlung in Heft 4 bis 6 der Mitteilungen habe ich eine
-große Zahl von Zuschriften erhalten, in denen mir Postzeichen genannt
-werden, die in meinen Verzeichnissen fehlen. Ich will versuchen, diese
-Funde nach und nach an ihren Standorten selbst aufzusuchen und werde im
-Sommer nächsten Jahres in Form eines Nachtrages darüber berichten.
-
-Ich bitte deshalb auch weiterhin, mich auf unbekannte Stücke, mit
-möglichst genauer Beschreibung von Standort und Aussehen (Skizze)
-aufmerksam zu machen.
-
- ~Dr.~ _Kuhfahl_,
- Dresden-A., Lipsiusstraße 14.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Karl Schmidt †
-
-
-Am 7. Oktober ist in Dresden, in seinem Heim an der Dresdner Heide,
-der Begründer und der erste Vorsitzende des Landesvereins Sächsischer
-Heimatschutz, unser Geheimer Baurat ~Dr. ing. e. h.~ _Karl Schmidt_ in
-die ewige Heimat gegangen. Während des Druckes dieses Heftes erreichte
-uns die Trauerbotschaft. Mit nie ermüdetem Schaffen hat er unsern
-Verein geleitet und betreut, hat ihn mit seinen zweiundzwanzigtausend
-Mitgliedern zu dem stärksten und einflußreichsten in unserm deutschen
-Vaterlande gestaltet, und erst der Tod konnte seinem rastlosen Mühen
-ein Ende bereiten. In schweren Zeiten führte er den »Heimatschutz« zu
-der Höhe, die er jetzt einnimmt, unserm Volke zum Segen. Wohl ist er
-von uns geschieden, sein Werk wird aber so lange leben, als Heimatliebe
-lebt.
-
-Karl Schmidt wurde am 16. November 1853 in Erfurt geboren. Er
-studierte an der Berliner Bauakademie und am Dresdner Polytechnikum.
-Er war 1878 bis 1882 beim Rate zu Dresden als Hilfsarchitekt
-tätig, um dann in den Staatsdienst einzutreten. Hier wurde er 1885
-Landbau-Assistent, 1888 Regierungsbaumeister und 1891 Landbauinspektor.
-In dieser Zeit war er den Bauämtern Dresden und Zwickau und der
-Zentralstelle der Hochbauverwaltung in Dresden zuerteilt. Als
-Landbaumeister, welchen Titel er 1898 erhielt, hatte er die technische
-Leitung des Ständehausneubaues in Dresden, dessen künstlerische
-Gestaltung Meister Wallot schuf. Die Leitung des Landbauamtes
-Meißen vertauschte er im Jahre 1900 mit der des Amtes Dresden I. Im
-Jahre 1900 wurde er zum Baurat, 1902 zum Finanz- und Baurat und zum
-Vorstand des hochbautechnischen Bureaus und damit zum Stellvertreter
-der hochbautechnischen Räte und zum Mitglied des Technischen
-Oberprüfungsamtes ernannt. Zugleich trat er in die Kommission zur
-Erhaltung der Kunstdenkmäler ein. In vielseitigen Ämtern wirkte er, der
-inzwischen Oberbaurat und Geheimer Baurat geworden war, bis zum Jahre
-1913, wo er in das Ministerium als Vortragender Rat berufen wurde. Am
-1. Juli 1919 trat er in den Ruhestand. Die Technische Hochschule zu
-Hannover zeichnete ihn aus, indem sie ihn zu ihrem Ehrendoktor erwählte.
-
-[Illustration: Geh. Baurat ~Dr. ing. e. h.~ =Karl Schmidt=, Gründer und
-Führer des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz bis zu seinem Tode.
-† 7. Oktober 1922]
-
-In seinen Stellungen, die ihn zur Gestaltung zahlreicher staatlicher
-Bauten beriefen, hat er mit allen Kräften zur Gesundung unsres
-Bauwesens gewirkt. Er hat es verstanden, hinsichtlich der sächsischen
-staatlichen Hochbauverwaltung die frühere künstlerische Unterwertigkeit
-der »amtlichen« Baukunst zu beseitigen. Ganz besonders aber hat er
-sich um den _Kleinwohnungsbau_ verdient gemacht. Wenn ihm dies in
-geradezu vorbildlicher Weise gelungen ist, so verdankt er das zumal
-der überzeugenden Art, wie er die Behörden und jedermann für seine
-Ideen zu gewinnen wußte. Was Karl Schmidt wollte, kann man mit kurzen
-Worten als bodenständige Bauweise, Rückkehr zur Einfachheit und
-Selbstverständlichkeit im Bauwesen bezeichnen. Noch ist es allen, die
-sich mit diesen wichtigen Fragen beschäftigt haben, in der Erinnerung,
-wie nüchtern und schematisch in der zweiten Hälfte des vorigen
-Jahrhunderts die staatlichen Bauten auf dem Lande gestaltet waren, wie
-immer mehr und mehr die Nachahmung _städtischer_ Formen die _ländliche_
-Bauweise in Dorfkirchen, Pfarr- und Schulhäusern und Wohngebäuden
-verdrängt hatte, wie die Vorstädte der Großstädte nach charakterlosen
-Bauplänen emporwuchsen.
-
-Da besann man sich allmählich auf die alten trefflichen Grundsätze
-unserer Vorfahren. Der Gedanke des _Heimatschutzes_ brach sich Bahn.
-Und unser Schmidt stellte sich mit Gleichgesinnten begeistert an die
-Spitze der neuen Bewegung.
-
-Bereits im Jahre 1896 bei der Ausstellung des sächsischen Handwerkes
-und Kunstgewerbes in Dresden, der eine Alte Stadt, eine Dorfanlage
-sowie zwei Museen ländlicher Kunst angegliedert waren, bei der weiter
-das große Volkstrachtenfest veranstaltet ward, trat Karl Schmidt mit
-seinen Freunden tatkräftig für den neuen Gedanken ein.
-
-Im Verfolg dieser Bestrebungen, die dem Volkstum und der Wiederbelebung
-der bodenständigen Bauweise gewidmet waren, wurde 1897 der Verein
-für Sächsische Volkskunde (und Volkskunst) gegründet, aus dem dann
-der Landesverein zur Pflege heimatlicher Natur, Kunst und Bauweise
-emporwuchs, der später den Namen Landesverein Sächsischer Heimatschutz
-annahm. Die Gründung des letzteren ist Schmidts eigenstes Werk.
-
-Schmidt hat, um seine Gedanken in die weitesten Kreise zu tragen, eine
-große Anzahl wertvoller Veröffentlichungen geschaffen. Dadurch konnte
-er auch seine überraschenden Erfolge verzeichnen.
-
-Im Anfang blieben ihm Anfechtungen nicht erspart. Der Vorwurf, der
-Heimatschutz gehe auf Nachahmung überlebter Formen im Bauwesen aus,
-die nicht mehr zeitgemäß seien, traf aber in _keiner Weise_ den
-Kern des Heimatschutzgedankens. Nur der Geist, nur die Gesinnung
-der alten Bauweise sollten wieder aufleben, die harmonischen Bilder
-in der Stadt und auf dem Lande wollte Karl Schmidt gewahrt wissen,
-nichts Fremdartiges sollte in unsre Städte und Dörfer, in unsere
-Forsten hineingetragen werden. Den _neuen_ Errungenschaften aber
-sollte Rechnung getragen werden. Durchschlagend und überzeugend war
-auch der vielfach von Schmidt geführte Nachweis, daß die Bauten in
-bodenständiger Bauweise wirtschaftlicher und sparsamer sind, als
-die bekämpften. Ausschlaggebend wirkten hier zumal die wiederholten
-Ausstellungen von Beispielen und Gegenbeispielen, in denen häßliche
-und mustergültige Industriebauten, harmonische Stadtbilder und
-Dorfansichten mit solchen, die durch gefühllose Neubauten gestört
-waren, gute Bauernhäuser mit städtisch empfundenen Neubauten
-zusammengestellt waren. Daß bei den empfohlenen Beispielen stets auch
-in erster Linie die wirtschaftlichen Bedürfnisse berücksichtigt waren,
-hat nicht an letzter Stelle den neuen Gedanken, die Schmidt verfocht,
-zum Siege verholfen.
-
-Kein geringes Verdienst Schmidts war es, daß er immer die richtigen
-Männer zur Ausführung seiner Pläne zu finden wußte, daß sich
-wieder Baukünstler fanden, die es nicht verschmähten, ihre Kräfte
-den einfachen Aufgaben zu widmen, die ihnen der Heimatschutz
-entgegenbrachte, die wieder schlichte Häuser und Wohnungen in
-künstlerischem Sinne durchzugestalten lernten, anstatt nur in hoher
-Architektur zu machen. Und seine Gründung, der Landesverein Sächsischer
-Heimatschutz, seine Mitarbeiter und gleichgesinnte Männer waren bei
-all seinen Bestrebungen getreue Helfer. Die Worte, die der zweite
-Vorsitzende unsres Vereins, der langjährige Freund des Entschlafenen,
-Hofrat Professor O. Seyffert, am Sarge des Verewigten sprach, seien
-hier angeführt:
-
-Wer älter wird, muß oft, sehr oft von lieben Freunden Abschied nehmen,
-deren Leben und Schaffen ein Teil des eigenen Lebens und Schaffens war.
-
-Heute stehen Alte und Junge, Männer und Frauen an der Bahre des Mannes,
-der ihr Freund, ihr Führer gewesen ist. Heute trauern Tausende des
-sächsischen Volkes um Einen, der unendlich viel gegeben hat und dessen
-reiches Geschenk in unserer harten, schweren Zeit immer bedeutsamer,
-immer kostbarer wird. Er hat der Heimat gedient in jenen Zeiten, wo
-wir Alten jung waren, er hat uns dereinst zur Mitarbeit aufgerufen,
-er hat uns unser Leben wünschenswert gemacht, da er mit uns _uns_ und
-_anderen_ die Heimat eroberte, nicht in Kampf und Streit, sondern in
-friedvoller Arbeit. Und Segen krönte sein Werk.
-
-Wandern wir heute durch unser sächsisches Vaterland, so werden wir
-überall an unsern Karl Schmidt gemahnt, überall werden wir die Spuren
-seines Heimatschutzes antreffen. Da rauscht es aus den Bächen, da tönt
-es aus den Gipfeln alter Bäume, da jubelt es im Sange der Vögel, da
-klingt es aus den Volksliedern wanderfroher Gesellen, da leuchtet es
-von den schlichten Dorfkirchen, Friedhöfen und traulichen Forsthäusern
-und anderen Menschenwerken: _Heimatschutz_.
-
-Wer seine Heimat liebt, liebt auch sein Volk.
-
-Und wir wollen sagen: Wer seine Heimat liebt, den liebt auch das Volk.
-
-Und so erntete er, der reichen Segen spendete, reichen Dank.
-
-Als der Weltkrieg beendet war, als es galt, die Heimat vor dem
-Materialismus, der sein widerwärtiges Haupt erhob, zu schützen, wo
-unser Vaterland mehr Liebe als je gebrauchte, weil es krank und siech
-war, wo so manches zusammenbrach, was wir dereinst hoffnungsfroh
-errichtet, war es wieder unser Führer, der rastlos uns zu neuer Arbeit
-rief.
-
-Und er war tätig bis in die letzte Zeit, wo seine Kräfte anfingen,
-nachzulassen, wo er Anrecht hatte, vom Schaffen auszuruhen. Er tat es
-nicht, der Nimmermüde, da er selbst seine Aufgabe nicht erfüllt sah.
-Nun hat ihn der Tod in die ewige Heimat gerufen und seiner Arbeit ein
-Ende gesetzt.
-
-Aber eins wissen wir. Uns ist er nicht gestorben, uns lebt er weiter.
-Und wir wissen noch mehr. Wenn wir Alten ihm folgen werden, treten
-die Jungen, die mit uns schon jetzt am gemeinsamen Werk arbeiteten,
-in unsere vordersten Reihen, denn unsre heilige Sache ist nicht an
-Personen gebunden. Sie wird uns stark machen, das Lebenswerk des
-Heimgegangenen zwar nicht zu vollenden, aber weiterzuführen: denn
-vollenden kann es ja niemand in der sich ewig neugestaltenden Welt, die
-nicht alt wird wie wir Menschen, sondern jung bleibt. Aber die Liebe
-wird nimmer aufhören, die dem Menschen mit seiner Heimat verbindet.
-
-Und das ist unser Trost und unser Glaube. Nun gilt es Abschied nehmen
-von unsrem Freunde. Noch einmal sagen wir unseren Dank. Wir geloben,
-wir Alten und wir Jungen, weiter zu wirken und zu schaffen im Dienste
-_seines_ Heimatschutzes. Und dies Gelöbnis, lieber Karl Schmidt, ist
-unser Dank, und so wirst du in uns und in späteren Geschlechtern
-weiterleben.
-
-
-Gedächtnisrede
-
-Von Pfarrer _W. Hoffmann_, Chemnitz
-
- Müder Glanz der Sonne,
- blasses Himmelsblau,
- von verklungner Wonne
- träumet still die Au.
-
- Von der letzten Rose
- löset lebenssatt
- sich das letzte lose
- bleiche Blumenblatt.
-
- Der Herbst ist wieder ins Land gekommen. Er ist die Zeit
- des Sterbens. Aber auch er hat seine Schönheit und seinen
- besonderen Segen. Denn er ist auch die Zeit der Ernte und
- der Frucht. Wenn aber ein geliebter Mensch uns durch den Tod
- entrissen wird, und das bittere Weh des Scheidens und Sterbens
- über uns kommt, dann soll es uns ein Trost sein, daß wir auch
- das menschliche Leben als eine Saat und Ernte anschauen dürfen.
- Ihr, liebe trauernde Freunde, steht jetzt noch ganz unter den
- dunklen Schatten des Todes. Die letzten Tage und Wochen, die
- vielen bangen, schweren Stunden bis zum letzten Atemzug Eures
- Heißgeliebten haben sich Euren Herzen aufs tiefste eingeprägt.
- Zum letzten Male habt Ihr in sein stilles bleiches Antlitz
- geschaut und seine erkalteten Hände gefaßt, die sonst so warm
- in den Euren lagen. Und doch geht es auch durch diese dunklen
- Tage wie ein stilles Leuchten. Denn welch’ ein reiches,
- gesegnetes Leben ist hier zum Ziele gekommen! Und wenn wir
- nun in dieser Stunde in Liebe und Verehrung und in großer
- Dankbarkeit dieses Mannes gedenken, der so vielen teuer war, so
- dürfen wir es tun mit dem Wort des Neuen Testaments:
-
- Wer da säet im Segen, der wird auch ernten im Segen.
-
- Er war ein gesegneter Mann. Indem wir das aussprechen, geben
- wir Gott die Ehre und danken ihm für dieses nun vollendete
- Mannesleben. Gott hatte ihn gesegnet mit reichen Gaben, mit
- körperlicher Kraft und Rüstigkeit bis ins Alter, und mit
- den besonderen Geistesgaben, die ihn hinleiteten zu seinem
- Lebensberuf. Und er hat den Acker seines Lebens nicht brach
- liegen lassen. Im Segen hat er gesäet, hat sich in seinen
- Lehrjahren die gründliche Ausbildung und Durchbildung
- verschafft, die ihn dann befähigte, in seinen Meisterjahren so
- große Aufgaben zu erfüllen. Das Geheimnis seiner Erfolge beruht
- vor allem auch darin, daß er auch als Schaffender immer ein
- Lernender blieb, getreu dem Goethewort:
-
- Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen,
- ein Werdender wird immer dankbar sein.
-
- Durfte er doch die Wiedergeburt der so tief daniederliegenden
- deutschen Baukunst mit erleben und mit heraufführen helfen. Im
- Staatsdienst allmählich zu leitenden Stellungen und zuletzt zur
- höchsten für ihn erreichbaren Stelle emporsteigend, hat er das
- Bauwesen in unserm engeren Vaterland entscheidend beeinflußt.
- Viele öffentlichen Bauwerke geben Zeugnis von seinem Schaffen.
- Auch die Baukunst ist beseelte Kunst. Sie weckt den harten,
- toten Stein zu einem neuen Leben. Auch in den Bauten eines
- Volkes offenbart sich sein Geist und sein Charakter. Denn es
- ist der Geist, der sich den Körper baut. Unser Entschlafener
- aber hat als einer der Ersten erkannt, daß wir auch auf diesem
- Gebiet unsere Stammesart pflegen müssen. Darum ging er bei
- unsern Vätern in die Schule, nicht um in falscher Altertümelei
- und Deutschtümelei ihre Weise nachzuahmen, wie man es wohl
- früher versuchte, sondern um in dieser Schule der Alten das
- wiederzugewinnen, was wir verloren hatten, den Sinn für unsre
- deutsche Eigenart, insbesondere den Sinn für Schlichtheit
- und Klarheit. Daß er sich so als ein immer Lernender in den
- Geist seiner Kunst versenkte, das war eine Saat, aus der dann,
- besonders in den letzten Jahren vor dem Kriege, eine reiche
- Ernte hervorging. So aber gehört auch er zu den Männern, die
- uns den Weg in die Zukunft gewiesen haben. Denn wenn wir jetzt
- durch die Not der Zeit zur Einfachheit geradezu gezwungen sind,
- so hat die Lebensarbeit dieses klarschauenden Mannes schon seit
- Jahren diesen Weg bahnen helfen.
-
- Doch mitten in seinem Schaffen blieb er ein Mensch mit einem
- warmen Herzen. Auch von seinem persönlichen Leben dürfen wir
- es sagen. Wer da säet im Segen, der wird auch ernten im Segen.
- Viele danken ihm heute für seine treue Hilfsbereitschaft
- und Liebe. Vor allen aber danken es ihm die Seinen. Vierzig
- Jahre sollten sich in diesem Herbst vollenden, seit er mit
- der Erwählten seines Herzens den Lebensbund schloß. Und heute
- bezeugt es ihm die Gattin wieder, daß jener 20. November ein
- Segenstag gewesen ist. Liebe hat einst das Band geknüpft, und
- Treue hat es befestigt von Jahr zu Jahr. Liebe und Treue sind
- die gute Saat gewesen, die Euch einen herrlichen Lebenssommer
- schenkte und Euch auch den Herbst Eures Lebens vergoldete,
- selbst noch die letzten Tage, als die sorgende Liebe der
- Gattin nicht vom Bette des Kranken wich. Wo die echte Liebe
- in zwei Herzen Wurzel geschlagen hat, da wird ja jeder Tag
- des gemeinsamen Lebens, auch der Alltag mit seinen Pflichten
- und Sorgen, ja selbst der Tag der Trübsal und der Schmerzen
- zu einem goldnen Erntetag. So habt Ihr’s erleben dürfen, und
- dafür dankt Ihr Gott. Und wie habt Ihr, seine drei Söhne, unter
- dem besonderen Segen dieses Mannes, Eures Vaters, gestanden.
- Des Vaters Segen bauet den Kindern Häuser, sagt ein anderes
- Bibelwort. Er hat so viele Häuser im Lande gebaut. Aber Euch
- half er bauen am Bau Eures eigenen Lebens, und jedes gute Wort,
- jeder väterliche Rat, jede Warnung und Ermutigung und sein
- ganzes Vorbild durften Euch als Bausteine dazu dienen. Und
- _seine_ Freude war es, daß er selber den Segen seiner Liebe
- ernten durfte im Blick auf seine Kinder und Schwiegerkinder und
- im Anblick der jungen Enkelkinder, die er noch ganz besonders
- in sein Herz geschlossen hatte. Auch er durfte sagen mitten in
- allen Kämpfen, die ihm in seinem Wirken nicht erspart geblieben
- sind:
-
- Laß Neider neiden, laß Hasser hassen,
- was Gott mir gibt, das müssen sie mir lassen.
-
- Der Friede des Hauses, das Glück der Familie, die Gemeinschaft
- der innig Verbundenen, das war die Ernte seiner Liebe, die Gott
- ihm gegeben.
-
- Was Gott mir gibt, das müssen sie mir lassen. Das gilt aber
- auch von einem besonderen Werke, dem er gedient, ja das er
- selbst ins Leben gerufen hat. Das Herz wird mir warm, wenn
- ich nun sprechen darf im Namen vieler Tausende hier an diesem
- Sarge. Du gesegneter Mann, was bist du uns geworden als ein
- Vorkämpfer für die deutsche Heimat und für alles, was uns
- die Heimat lieb und wert macht! Unter deiner Führung haben
- wir erkannt, daß wir nicht nur im Kriege, sondern auch im
- Frieden die Heimat schützen müssen, unsre Hände halten müssen
- über all den Schätzen, die durch Natur und Geschichte, durch
- Gottes Hand und durch die Hände unsrer Väter dem Heimatlande
- geschenkt sind. Es sind jene Schätze, die nichts mit der Valuta
- und mit dem Marktwert zu tun haben, die aber eben darum unsre
- kostbarsten sind. Es sind die Güter, in denen unsre Gemütswerte
- ruhen. Diese Werte zu schützen gegenüber den allbeherrschenden
- materiellen Interessen, und zugleich in dem, was Neues
- geschaffen wird, den Sinn für das Heimatliche und Bodenständige
- neu zu wecken, das ist unsrem Freunde und Führer die besondere
- Aufgabe seines späteren Lebens geworden. Aus den Erfahrungen
- seines Berufes ist ihm diese neue Aufgabe erwachsen. Und er
- griff sie auf mit der ganzen Wärme seines Herzens, zugleich
- aber auch mit der ganzen Tatkraft seines Willens. Weil sich
- in ihm das Starke und das Milde paarten, das zarte, feine
- Verständnis für alles Heimatliche und der überlegene Wille,
- diesem Verständnis neue Geltung in unsrem Volke zu schaffen,
- darum war er der berufene Mann, unsren Sächsischen Heimatschutz
- ins Leben zu rufen und ihn zur stärksten derartigen
- Organisation in Deutschland zu machen. Bald genug freilich
- mußte er die Wahrheit des Wortes erfahren:
-
- Leicht beieinander wohnen die Gedanken,
- Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.
-
- Aber in den Kämpfen um die Verwirklichung des
- Heimatschutzgedankens hat er es immer wieder wahr gemacht:
- Was Gott mir gibt, das müssen sie mir lassen. So hat er
- sich als ein wahrer Freund seines Volkes bewährt. Er hat
- mitgekämpft für das große Ziel, jedem Deutschen ein wirkliches
- Heim und ein Stück Heimaterde zu verschaffen. Und sind wir
- auch von diesem Ziele noch weit entfernt, so ist es ihm doch
- beschieden gewesen, auch hier aus seiner Saat schon eine reiche
- Ernte hervorgehen zu sehen. Der Gedanke des Heimatschutzes
- marschiert. Er kann nicht mehr aufgehalten werden. Die Idee hat
- sich stärker erwiesen, als die ihr entgegenstehenden Mächte.
- Sie ist schon eine Macht und ein Segen geworden. Wer da säet im
- Segen, der wird auch ernten im Segen.
-
- Wo aber Ideen lebendig sind, die das System der bloßen
- Nützlichkeit und des nackten persönlichen Vorteils
- durchbrechen, wo der Sinn für das Ganze und die Liebe zum
- Volke erwacht, da ist Gott. Wir danken Gott, daß er uns diesen
- Mann schenkte und vielen zum Segen werden ließ. Und dem
- allmächtigen, gnädigen Gott dürfen wir ihn getrost befehlen.
- Sein Heimgang lenke unsre Blicke in die ewige Heimat, und die
- hoffenden Herzen sprechen: Die Heimat der Seele ist droben im
- Licht. Amen.
-
-Unter den Klängen des Liedes »Stille Nacht, heilige Nacht«, des
-Lieblingsliedes des Verewigten, senkten wir am 10. Oktober auf dem
-Inneren Neustädter Friedhof in Dresden die sterblichen Überreste
-unseres unvergeßlichen Gründers und Führers in die Erde.
-
-[Illustration]
-
-
- Für die Schriftleitung des Textes verantwortlich: Werner Schmidt
- – Druck: Lehmannsche Buchdruckerei
- Klischees von Römmler & Jonas, sämtlich in Dresden.
-
-
-
-
-Soeben erschienen:
-
-Edgar Hahnewald
-
-Sächsische Landschaften
-
-Band III der Heimatbücherei
-
-des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz
-
-Großoktav 250 Seiten ✤ hart gebunden
-
-_Vorzugspreis_ für Mitglieder des Landesvereins Sächsischer
-Heimatschutz =M. 950.–=
-
-Bestellkarte in diesem Heft
-
-
-Gerhard Platz »Vom Wandern und Weilen im Heimatland«, der erste
-Band unsrer Heimatbücherei ist vergriffen und wird Ostern 1923 neu
-erscheinen. Der zweite Band: Max Zeibig »Bunte Gassen, helle Straßen«
-ist noch vorrätig und kostet jetzt M. 400.–. Nun reiht sich diesen
-beiden köstlichen Büchern Edgar Hahnewalds »Sächsische Landschaften«
-an. Stadtbaurat Rieß gab ihm auf Seite 253 dieses Heftes einige
-warmherzige Einführungsworte. Und so hoffen wir, daß auch das dritte
-Buch unsrer Heimatbücherei seinen Weg nehmen, die Sachsen Daheim und in
-der Fremde erfreuen und unserm Heimatlande zum Segen gereichen möge. Es
-entstand mit einem Kostenaufwand von mehreren Millionen Mark in einer
-der wirtschaftlich schwersten Zeit Deutschlands, in einer Zeit, wo
-viele verzagten.
-
-
-
-
-Weihnachts-Verkaufs-Ausstellung
-
-sächsischer Volks- und Kleinkunst
-
-Spielwaren, Töpfereien, Holzarbeiten, Trachtenpuppen, erzgebirgische
-Klöppelarbeiten, Spankorbwaren usw.
-
-Landesverein Sächsischer Heimatschutz
-
-Dresden-A., Schießgasse 24
-
-gegenüber dem Polizeipräsidium
-
-Besichtigung ohne Kaufzwang gern gestattet
-
-
-Lehmannsche Buchdruckerei, Dresden-A.
-
-
-
-
- Weitere Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die
- Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. Die Sperrung
- der Autorennamen der Artikel wurde vereinheitlicht.
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-*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LANDESVEREIN SÄCHSISCHER
-HEIMATSCHUTZ -- MITTEILUNGEN BAND XI, HEFT 10-12 ***
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- Mitteilungen Band XI, Heft 10 bis 12, by Landesverein Sächsischer Heimatschutz—A Project Gutenberg eBook
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-<p style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold'>The Project Gutenberg eBook of <span lang='de' xml:lang='de'>Landesverein Sächsischer Heimatschutz -- Mitteilungen Band XI, Heft 10-12</span>, by Landesverein Sächsischer Heimatschutz</p>
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online
-at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you
-are not located in the United States, you will have to check the laws of the
-country where you are located before using this eBook.
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-</div>
-
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: <span lang='de' xml:lang='de'>Landesverein Sächsischer Heimatschutz -- Mitteilungen Band XI, Heft 10-12</span></p>
-<p style='display:block; margin-left:2em; text-indent:0; margin-top:0; margin-bottom:1em;'><span lang='de' xml:lang='de'>Monatsschrift für Heimatschutz und Denkmalpflege</span></p>
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Landesverein Sächsischer Heimatschutz</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Release Date: November 15, 2022 [eBook #69359]</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Language: German</p>
- <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em; text-align:left'>Produced by: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net</p>
-<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>LANDESVEREIN SÄCHSISCHER HEIMATSCHUTZ -- MITTEILUNGEN BAND XI, HEFT 10-12</span> ***</div>
-
-<div class="transnote">
-<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Das Original ist in Fraktur gesetzt.
-Im Original gesperrter Text ist <em class="gesperrt">so ausgezeichnet</em>.
-Im Original in Antiqua gesetzter Text ist <em class="antiqua">so markiert</em>.
-</p>
-
-<p>Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich
-am <a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p>
-</div>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="cover">
- <img class="w100" src="images/cover.jpg" alt="Cover" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="h2">Landesverein Sächsischer
-Heimatschutz<br />
-Dresden</p>
-
-<h1>Mitteilungen<br />
-Heft<br />
-10 bis 12</h1>
-
-<p class="center larger">Monatsschrift für Heimatschutz und Denkmalpflege</p>
-
-<p class="h2">Band XI</p>
-
-<div class="blockquot">
-<p class="noind"><em class="gesperrt">Inhalt</em>:
-<a href="#Weihnachtsspiele_der_Saechsischen_Oberlausitz">Weihnachtsspiele der Sächsischen Oberlausitz</a> –
-<a href="#Wiedersberg">Wiedersberg</a> –
-<a href="#Zur_Geschichte_des_Jaegerhofes_zu_Dresden">Zur Geschichte des Jägerhofes zu Dresden</a> –
-<a href="#Das_obere_saechsische_Erzgebirge">Das obere sächsische Erzgebirge</a> –
-<a href="#Die_Schloesser_im_Walde">Die Schlösser im Walde, Moritzburg und Fasanenschlößchen</a> –
-<a href="#Ludwig_Richters_Weihnachtskunst">Ludwig Richters Weihnachtskunst</a> –
-<a href="#Edgar_Hahnewald_Saechsische_Landschaften">Edgar Hahnewald: Sächsische Landschaften</a> –
-<a href="#Jagdschlo_Rehefeld">Jagdschloß Rehefeld</a> –
-<a href="#Eine_wiedergefundene_alte_Postmeilensaeule">Eine wiedergefundene alte Postmeilensäule</a> –
-<a href="#Das_Kamenzer_Forstfest">Das Kamenzer Forstfest</a> –
-<a href="#Die_kursaechsischen_Postmeilensaeulen">Postmeilensäulen</a> –
-<a href="#Karl_Schmidt-X">Karl Schmidt †</a></p>
-</div>
-
-<p class="noind">Einzelpreis dieses Heftes M. 200.–, Bezugspreis für einen Band (aus 12 Nummern
-bestehend) M. 200.–, für Behörden und Büchereien M. 100.–. Mitglieder erhalten
-die Mitteilungen kostenlos, <em class="gesperrt u">Mindest</em>jahresbeitrag M. 100.–, freiwillige Einschätzung
-erbeten</p>
-
-<p class="center">Geschäftsstelle: Dresden-A., Schießgasse 24</p>
-
-<div class="smaller p2">
-<div class="bleft">Postscheckkonto: Leipzig 13 987, Dresden 15 835</div>
-<div class="bright">Stadtgirokrasse Dresden 610</div>
-</div>
-
-<p class="center">Dresden 1922
-</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Dank_und_Bitte">Dank und Bitte an unsre werten Mitglieder!</h2>
-</div>
-
-<p>Ein Jahr nähert sich dem Ende, das in seiner zweiten Hälfte eine
-Teuerung brachte, die jede und alle Berechnung unmöglich machte. Wenn
-wir trotzdem bis hierher durchkamen und dieses stattliche letzte diesjährige
-Heft unsrer Mitteilungen in uneingeschränktem Umfang, in alter Ausstattung
-– wie früher – herausgeben konnten, so zeugt dies von der
-Festigkeit der wirtschaftlichen Lage unsres Vereins, von unserm unbeugsamen
-Willen »Durchzuhalten«. Tausende von Zuschriften mit diesem Wort
-und reichen Geldspenden haben uns dazu ermuntert und dies ermöglicht.
-Wir konnten nicht jedem einzelnen danken – und das lag auch nicht
-in der Absicht unsrer Spender –, den Dank unseres Vereins statten
-wir durch das weitere Erscheinen der grünen Hefte, durch unsre weitere
-Tätigkeit ab. Und dazu bitten wir erneut – was eigentlich in dieser
-schweren Zeit selbstverständlich ist – um die Hilfe, die Unterstützung aller
-unsrer Mitglieder. Wenn wir den diesjährigen Jahresbeitrag rückwirkend
-auf mindestens 100 M. erhöhen müssen, so bedeutet diese Summe
-bei der heutigen Teuerung ein so kleines Entgelt bei dem vielen, das
-wir bieten, daß wir, um bestehen zu können, auf erneute freiwillige
-Beiträge von allen denen, die dazu <em class="gesperrt">irgendwie</em> in der Lage sind, direkt
-angewiesen sind. Das Postgeld jedes Heftes kostet uns heute schon
-12 M., ab 15. Dezember 24 M. Würden wir die alljährlichen Gesamtkosten
-unsrer Mitteilungen auf die Zahl unsrer Mitglieder umlegen, so
-müßten wir einen Jahresbeitrag von 300 M. fordern. Das wollen
-und können wir nicht, weil wir sonst die vielen wirtschaftlich schwachen
-Mitglieder, Rentner, Schüler, Schülerinnen und viele andere verlieren
-würden, und warum sollen wir so vielen unsrer Volksgenossen die Zugehörigkeit
-zu ihrem Heimatverein unmöglich machen, zu einem Verein
-der ihnen das letzte, was wir besitzen, die Heimat erst lieb und wert macht.</p>
-
-<p>Bei der Bemessung eines freiwilligen Weihnachtsbeitrages für uns,
-der zur Beschaffung des Papiers für unsre nächstjährigen Mitteilungen
-verwendet werden soll, bitten wir an die heutigen Kosten der illustrierten
-Zeitschriften und der Tageszeitungen zu denken, um einen Maßstab für
-unsre Leistungsfähigkeit zu erhalten. Von der Höhe der eingehenden
-Beträge wird das weitere Erscheinen unsrer Mitteilungen wesentlich
-abhängen. Wir bitten daher herzlich, uns im schweren Kampf ums
-Dasein auch weiter zu helfen und dadurch die größte sächsische Kulturbewegung
-lebensfähig zu erhalten zur eigenen Freude.</p>
-
-<p><b>Mögen alle bedenken, daß bei uns eine Arbeit geleistet wird, wo
-uns kein politischer Trennungsgraben zerklüftet, auf der uns und
-unsren Nachfahren eine verjüngende Freude an Heimat und Vaterland
-erwachsen wird.</b></p>
-
-<p class="noind">
-<b>Weihnachten 1922.</b>
-</p>
-<div class="bright0">
-<p class="center">
-<span class="larger"><b>Landesverein Sächsischer Heimatschutz</b></span><br />
-<b>Dresden-A., Schießgasse.</b>
-</p>
-</div>
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum" id="Seite_201">[201]</span></p>
-
-<div class="bleft">Band XI, Heft 10/12</div>
-<div class="bright">1922</div>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-003">
- <img class="w100" src="images/illu-003.jpg" alt="Landesverein Sächsischer Heimatschutz" />
-</div>
-
-<p class="center">Die Mitteilungen des Vereins werden in Bänden zu 12 Nummern herausgegeben</p>
-
-<p class="center">Abgeschlossen am 1. November 1922</p>
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Weihnachtsspiele_der_Saechsischen_Oberlausitz">Weihnachtsspiele der Sächsischen Oberlausitz</h2>
-</div>
-
-<p class="center">Von <em class="gesperrt">Friedrich Sieber</em>, Crostau bei Schirgiswalde</p>
-
-<p>Ich weiß noch, wie freudig erregt wir Chorjungen eines kleinen Dorfes der
-Südlausitz am ersten Adventsonntag auf unsren Chorplätzen saßen, wie wir mit
-hellen Stimmen der festlichen Gemeinde das strahlende Lied entgegenjubelten: »Macht
-hoch die Tür, die Tor’ macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!« Lag doch
-das Totenfest mit seinen Novembernebeln und düstern Melodien hinter uns, war
-doch endlich die gleichförmige Zeit der festlosen Trinitatissonntage vorüber! Nun
-war die Zeit wieder ahnungsreich geworden. Schnee und Weihnachten dufteten
-von ferne. Und am Abende kamen die ersten Boten des hellen Festes: das Christkind
-mit seiner wunder- und schauerreichen Begleitung zog durch das dunkle,
-schweigende Dorf …</p>
-
-<p>Weihnachtsspiele sind bis zur Gegenwart in vielen Ortschaften der Oberlausitz
-lebendig geblieben. Aber von Jahr zu Jahr werden die Aufführungen seltner.
-Die Kinder spielen die Stücke für sich als Kinderspiel. Dadurch werden Texte
-und Melodien immer entstellter. Oft flattern nur noch schwerverständliche Bruchstücke
-durch die Köpfe. Und doch lassen die Trümmer des noch Vorhandenen
-deutlich erkennen, daß in unsrer Heimat die Überlieferung einst so üppig und breit
-strömte, wie etwa in Schlesien. (Vergleiche das erschöpfende Werk Friedrich Vogts:<span class="pagenum" id="Seite_202">[202]</span>
-Die schlesischen Weihnachtsspiele, Teubner 1901.) Die Oberlausitzer Weihnachtsspiele
-zerfallen ihrem Stoffcharakter nach in drei Gruppen: Adventspiele, Christgeburtspiele,
-Herodesspiele. Innerhalb der Oberlausitz bestehen in der Spielüberlieferung
-augenscheinliche landschaftliche Besonderheiten. In der nördlichen Lausitz ist die
-Überlieferung offenbar treuer und reichhaltiger. Vielleicht ist dies durch die überwiegend
-landwirtschaftliche Bevölkerung bedingt, vielleicht auch durch den Einfluß
-wendischen Volkstums, das volkstümlichen Überlieferungen ausgeprägt konservativ
-gegenüberzustehen pflegt.</p>
-
-<p>In der Südlausitz ist das kurze Adventspiel, aus drei oder vier Personen
-bestehend, gebräuchlich. Zu dieser Art gehört auch das von Kruschwitz in den
-»Bunten Bildern aus dem Sachsenlande« mitgeteilte Spiel vom Eigenschen Kreise.
-Engel, Christkind, Ruprecht treten nacheinander auf. Der Engel übernimmt die
-Rolle des Ankündigers, des Anklägers der Kinder, und als das Christkind daraufhin
-Ernst macht, mit seinen Gaben zurückzuhalten, die Rolle des erfolgreichen
-Verteidigers. Das Christkind, von einem Mädchen gespielt, ist milde, sanfte
-Schenkerin. Der Ruprecht spielt die eigentlich pädagogische Rolle. Das Ziel seines
-Auftretens ist Einschüchterung, die als erste Stufe zur Besserung betrachtet wird.
-Worte und Gebaren sind aber mit so reichlicher Plumpheit und gewollter Komik
-verbunden, daß er nur bei den ganz Kleinen seinen Zweck erreicht, für die Größeren
-wird er zur lustigen Figur, die allerdings noch mit einem angenehmen Gruseln
-umwoben ist. Die drei immer wiederkehrenden Forderungen, die Ruprecht den
-Kindern auferlegt und worüber er sie examiniert, sind: Ihr sollt fleißig beten! Ihr
-sollt fleißig in der Schule sein! Ihr sollt den Eltern gehorchen!</p>
-
-<p>In der Zittauer Gegend wird das Spiel durch die Einführung des Petrus
-erweitert. (Vergleiche die von Paul Stöbe in der »Oberlausitzer Heimatzeitung«
-Nummer 7, 1919, mitgeteilten Zittauer Weihnachtsspiele.) Aber die Gestalt des
-Petrus ist in der Südlausitz ziemlich charakterlos. Er kommt über seine Selbstvorstellung
-als gewissenhafter, strenger Schließer des Himmels nicht hinaus. Sowohl
-die Spiele mit drei als auch mit vier Personen sind ihrer Art nach nahe verwandt
-mit denen, die Friedrich Vogt im Riesengebirge sammelte und sammeln ließ (Agnetendorf,
-Schreiberhau, Warmbrunn, Liebau). Es finden sich zahlreiche, wörtlich übereinstimmende
-Versgruppen, zum Beispiel die Einführungsworte des Ruprecht:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Flietz, Flatz, Fladerwiesch,</div>
- <div class="verse indent0">Drauß’n is mer’sch goar ze friesch,</div>
- <div class="verse indent0">War mich a de Stube mach’n</div>
- <div class="verse indent0">Und ’n Kinnern vertreib’n ’s Lach’n.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Oberlausitzer Spiele, die mit den bei Vogt aufgeführten völlig übereinstimmten,
-wenn auch nur in ihrem Aufbau, habe ich nicht gefunden. Aber nicht nur die
-Texte weichen voneinander ab; große Teile der Spiele werden psalmodierend
-gesungen oder im Sprechgesang vorgetragen. Melodie sowohl als Sprechgesang
-sind in der Oberlausitz den schlesischen Spielen gegenüber oft von eigenartiger
-selbständiger Prägung. Die melodische Grundfigur des kurzen Südlausitzer Spiels
-klingt folgendermaßen. Der Engel als Spieleröffner singt im Sprechgesang:</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_203">[203]</span></p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Gut’n Ab’nd, gut’n Ab’nd zu dieser Frist,</div>
- <div class="verse indent0">hierher schickt mich der heil’ge Christ;</div>
- <div class="verse indent0">ich sollte frag’n in der Gemein,</div>
- <div class="verse indent0">ob fromme Kinder drinne sein.</div>
- <div class="verse indent0">Ruprecht, Ruprecht komm herein.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="music-005a">
- <img class="w100" src="images/music-005a.jpg" alt="Musikbeispiel" />
-</div>
-
-<p>In der Nordlausitz ist das Adventspiel mit dem Christgeburtspiele zu einer innigen
-Einheit verschmolzen. In der Südlausitz ist mir keine Überlieferung des Christgeburtspiels
-zu Gesicht oder zu Gehör gekommen, trotzdem Zittau wegen seiner
-ausgelassenen Christaufführungen berühmt und berüchtigt war. Bestand doch hier
-um 1700 unter der Handwerkerschaft sogar ein »Heiliger Christrat«, der die Spiele
-in Szene setzte. Das Adventspiel der Nordlausitz weist einige Besonderheiten auf.
-Spielankündiger ist das Schäfermädchen. Es tritt im Dirndlkleid auf, mit einem
-Hirtenstab, einem Schäfchen und einer Klingel in den Händen. Es rezitiert im
-Sprechgesang:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Guten Abend, guten Abend, ich komm herein geschritten</div>
- <div class="verse indent0">Und möchte Frau Wirtin bitten,</div>
- <div class="verse indent0">Ob sie uns wolle vergönn’n</div>
- <div class="verse indent0">Ein Liedelein zu sing’n.</div>
- <div class="verse indent0">Maria und Joseph kommt auch herein</div>
- <div class="verse indent0">Mit euerm kleinen Jesulein.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="music-005b">
- <img class="w100" src="images/music-005b.jpg" alt="Musikbeispiel" />
-</div>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_204">[204]</span></p>
-
-<p>Diese eigenartige Spieleröffnerin hat das Nordlausitzer Adventspiel gemeinsam mit
-einem Spiele aus der Reichenberger Gegend. Während des Spiels bleibt das
-Schäfermädchen geradezu die Spielleiterin. Es ruft alle erforderlichen Personen mit
-Klingelzeichen herein. Das Schäfermädchen hat den Engel aus seiner Rolle verdrängt.
-Damit ist eine durchaus volkstümliche, tief im Heimatleben wurzelnde Gestalt in
-das Spiel eingedrungen, war doch die Schäferei an den Sudetenhängen und im
-Vorlande der Sudeten ein wichtiger Erwerbszweig der Bewohner. In diesem
-Zusammenhang ist auch der von Stöbe (a. a. O.) mitgeteilte Hirtenspruch zu
-erwähnen:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">O Frede, über Frede,</div>
- <div class="verse indent0">Ihr Nubbern kummt und hirt,</div>
- <div class="verse indent0">Wos jetzt ei unsrer Hede</div>
- <div class="verse indent0">Fer Wunnerding possiert.</div>
- <div class="verse indent0">Do koam dohar a Ängel</div>
- <div class="verse indent0">Zu huher Mitternacht,</div>
- <div class="verse indent0">Ha sung wuhl a Gesängel,</div>
- <div class="verse indent0">Doaß ’s Harz an Leibe lacht.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Der Spruch wurde 1753 erstmalig gedruckt und gehört dem kurzen Spiel »Vom
-guten Hirten« an, das in das Christgeburtspiel aufging. Das zur Einheit verschmolzne
-Nordlausitzer Advent- und Christgeburtspiel ist verhältnismäßig personenreich. Nach
-dem Schäfermädchen treten Maria und Joseph auf, Maria im langen Rock, das
-Gesicht mit weißem Tuche verhangen, Joseph in langen schwarzen Hosen, Hemdärmeln,
-Schnurrbart, Halbzylinder, Stock, Quirl, Töpfchen in der einen Hand; in
-der andern trägt er mit Maria die Wiege, in der das Jesulein als Puppe liegt.
-Die Melodie ihres Eingangsliedes klingt an alte kirchliche Tonarten an:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Guten Abend, guten Abend, wir geben euch Gott,</div>
- <div class="verse indent0">Wir komm’n zu euch ohn allen Spott.</div>
- <div class="verse indent0">Habt ihr auch kleine Kinderlein,</div>
- <div class="verse indent0">Die Vater und Mutter nicht gehorsam sein,</div>
- <div class="verse indent0">So woll’n wir rufen Knecht Ruprecht herein,</div>
- <div class="verse indent0">Der soll sie tragen zur Höllenpein.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="music-006">
- <img class="w100" src="images/music-006.jpg" alt="Musikbeispiel" />
-</div>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_205">[205]</span></p>
-
-<p>In dieser letzten Drohung ist noch der düstre Teufelscharakter Ruprechts angedeutet.
-Noch in den gelehrten Weihnachtsspielen des siebzehnten Jahrhunderts
-erscheint Ruprecht als eine Art Teufel, der dem heiligen Christ die Seelen der Kinder
-abspenstig machen will. Nun wird vom Schäfermädchen das Christkind hereingerufen.
-Es trägt ein weißes Kleid mit Sternen übersät, Stern auf dem Kopfe, Flügel,
-geschmücktes Christbäumchen in der Hand. Mit dem Auftreten des großen Christkindes
-neben dem kleinen ist das Volk einer beliebten Darstellungseigentümlichkeit
-treu geblieben. Es liebt es, eine Person in einer großen und einer kleinen Ausgabe
-vor Augen zu stellen und findet darin nicht den geringsten Widerspruch. Dem
-Christkind folgt der Engel Gabriel, dessen Tätigkeit infolge seiner Verdrängung
-durch das Schäfermädchen nur darin besteht, zwei Strophen des »Vom Himmel
-hoch« zu singen. Eine scharf ausgeprägte Persönlichkeit ist Petrus. Er ist der
-heilige, leidenschaftliche Eiferer. Er trägt Vollbart, eine Krone auf dem Haupte,
-Zepter und Schlüssel in der Hand:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Petrus, Petrus bin ich genannt,</div>
- <div class="verse indent0">Das Zepter hab’ ich in meiner rechten Hand,</div>
- <div class="verse indent0">Die Schlüssel hab’ ich alle hier,</div>
- <div class="verse indent0">Damit ich aufschließen kann die Himmelstür.</div>
- <div class="verse indent0">Die Kinder, wenn sie aus der Schule gehn,</div>
- <div class="verse indent0">Auf allen Gassen bleiben sie stehn,</div>
- <div class="verse indent0">Die Bücher zerreißen sie,</div>
- <div class="verse indent0">Blätter in alle Winkel schmeißen sie,</div>
- <div class="verse indent0">Ranzen rumschmeißen sie,</div>
- <div class="verse indent0">Ja solchen Unfug treiben sie.</div>
- <div class="verse indent0">Christkind, Christkind, wenn ich so wär’ wie du,</div>
- <div class="verse indent0">Mit Ruten und Peitschen hieb ich zu.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p class="noind">Während alle Personen in mehr oder weniger reinem Hochdeutsch sprechen, dröhnt
-Ruprecht in derbster Mundart herein:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Holler, woller, kumm ich rei gewollert,</div>
- <div class="verse indent0">Hoa an gruß’n Zipplsak,</div>
- <div class="verse indent0">Sibmsibzsch Kinner sein schun drinne,</div>
- <div class="verse indent0">Die anern, die ne fulg’n, kumm olle no rei,</div>
- <div class="verse indent0">Doas sull ane Strofe sein.</div>
- <div class="verse indent0">Hätt’ mich de Mutt’r gewosch’n mit ’n Schwomm,</div>
- <div class="verse indent0">Wär ’ch weiß wie a Lomm,</div>
- <div class="verse indent0">Su hut se mich gewosch’n mit ’n Ufnlopp’n,</div>
- <div class="verse indent0">Do bi ’ch schworz wie a Ropp’n.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Besonders lehrreich ist das letzte vierreihige rhythmische Gefüge. Es ist aus dem
-Dreikönigsspiel (der erste Teil des Herodesspiels) hierher verweht worden und
-wird ursprünglich vom Mohrenkönig gesprochen. Wir gewinnen hier einen tiefen
-Einblick in die Art und Weise, wie die Spiele gestaltet werden. Um typische
-Persönlichkeiten hat sich ein verwirrender Reichtum sprachlicher Formen gelagert,
-die ihr Wesen ausdrücken. Die Hauptsorge der Überlieferung besteht nicht darin,<span class="pagenum" id="Seite_206">[206]</span>
-die Sprachformen getreu zu erhalten, sondern die typischen Persönlichkeitscharaktere
-unverfälscht zu bewahren. So herrscht in der Aneinanderreihung der Wortformen
-ziemliche Willkür. Zahlreiche Abweichungen und Lesarten entstehen. Wir werden
-an die Form der italienischen Stegreifkomödie (<em class="antiqua">comoedia dell’ arte</em>) erinnert. In
-dem oben erwähnten Falle findet eine Annäherung zweier Persönlichkeitssphären
-statt. Komik hier – Komik da: die Wortform springt von der einen Sphäre
-in die andre über.</p>
-
-<p>Nach dem Auftreten des Ruprecht zieht singend der Engelchor ein. Das
-Adventspiel bricht ab, das Christgeburtspiel beginnt. Gemessen an der, an dieser
-Stelle besonders breiten schlesischen Überlieferung, sind die in der Nordlausitz noch
-lebendigen Reste dürftig zu nennen. Es fehlt die Herbergsuche, die Erscheinung
-der Engel, das zögernde, bäurisch-komische Aufbrechen der Hirten, die Hirtenanbetung,
-die Beschenkung des Kindes, die Reue des Wirtes. Es hat sich erhalten der wertvollste
-lyrische Kern des Stückes: das Kindelwiegen. Die Szene ist von außerordentlicher
-Zartheit und Innigkeit. Sie geht zurück auf ein hessisches Weihnachtsspiel
-des fünfzehnten Jahrhunderts. Die älteste Form des Zwiegesanges zwischen
-Maria und Joseph ist uns in einer Leipziger Aufzeichnung vom Jahre 1305 erhalten.</p>
-
-<p>Maria (singt):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Joseph, liber neve myn,</div>
- <div class="verse indent0">hilff mir wiegen daß kindelin,</div>
- <div class="verse indent0">das got dyn lôner muße syn</div>
- <div class="verse indent0">im hymmelrich, der meyde sone Maria.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Joseph:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Gerne, libe mume myn,</div>
- <div class="verse indent0">helff ich dir wiegen dyn kindelin,</div>
- <div class="verse indent0">das got muß myn lôner syn</div>
- <div class="verse indent0">im hymmelrich, der meyde son Maria.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Das Lied wurde im Gottesdienst von Knaben und Mädchen gesungen, die
-den Reihen um die Krippe schlangen, die am Altarplatz stand. Die gemessenen
-Bewegungen wurden von Hymnen begleitet. Das Kindelwiegen hat in der
-nördlichen Lausitz folgende Form angenommen:</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="music-008">
- <img class="w100" src="images/music-008.jpg" alt="Musikbeispiel" />
-</div>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_207">[207]</span></p>
-
-<p>Maria (singt):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Joseph, lieber Joseph mein,</div>
- <div class="verse indent0">Hilf mir wiegen das Kindlein ein.</div>
- <div class="verse indent0">Nani, nani, nein, trust, trust, trein,</div>
- <div class="verse indent0">Hilf mir wiegen das Kindlein ein.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Joseph (spricht):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Wie kann ich denn das Kindel wiegen,</div>
- <div class="verse indent0">Kann selber men’ krumm’n Buckel ne biegen.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Chor der Darsteller wiederholt:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Nani, nani, nein, trust, trust, trein,</div>
- <div class="verse indent0">Kann selber men’ krumm’n Buckel ne biegen.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>In dieser Art wiederholt der Chor während der ganzen Szene, was der Chorführer
-vorsingt oder spricht.</p>
-
-<p>Maria (singt):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Joseph zieh dein Hemde aus,</div>
- <div class="verse indent0">Mach dem Kind zwei Windlein draus.</div>
- <div class="verse indent0">Nani, nani, nein, trust, trust, trein,</div>
- <div class="verse indent0">Mach dem Kind zwei Windlein draus.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Joseph (singt):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Wie kann ich denn mein Hemd ausziehn,</div>
- <div class="verse indent0">Kann mit dem Buckel ne nackicht giehn.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Maria (singt):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Joseph, lieber Joseph mein,</div>
- <div class="verse indent0">Koch dem Kind ein Breielein.</div>
- <div class="verse indent0">Nani, nani, nein, trust, trust, trein,</div>
- <div class="verse indent0">Koch dem Kind ein Breielein.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Joseph (bückt sich und quirlt).</p>
-
-<p>Schäfermädchen (singt):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Maria breit dein Schürztuch aus,</div>
- <div class="verse indent0">Schenk dem Kind Gold, Weihrauch draus.</div>
- <div class="verse indent0">Nani, nani, nein, trust, trust, trein,</div>
- <div class="verse indent0">Schenk dem Kind Gold, Weihrauch draus.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Maria (tut es).</p>
-
-<p>Die Lausitzer Form des Kindelwiegens zeigt allen schlesischen Lesarten gegenüber
-folgende Eigentümlichkeiten auf: es fehlt in Schlesien die Aufforderung zum
-Breikochen, die Aufforderung des Schäfermädchens an Maria, es fehlt der immer
-wiederkehrende Wiegengesang nani, nani, nein, der vielleicht einen Rest hymnischer
-Gesänge darstellt; die Melodie ist durchaus selbständig, auch der von Bernhard
-Schneider in seiner wertvollen Sammlung mitgeteilten gegenüber (»Lied und Spiel
-zum Preise des Christkinds«. A. Huhle, 1913, Heft 5). Der allgemeine Abschiedsgesang
-aller Darsteller, der im Anfang an die bei Vogt mitgeteilte Schreiberhauer
-Lesart erinnert, schließt das Spiel ab:</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_208">[208]</span></p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Ade, wir müssen scheiden,</div>
- <div class="verse indent0">Wir müssen weiter ziehn,</div>
- <div class="verse indent0">Die Zeit will uns nicht reichen,</div>
- <div class="verse indent0">Wir müssen zum Himmel einziehn.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Ade, wir könn’n nicht länger warten,</div>
- <div class="verse indent0">Wir müssen gehn zum Himmelsgarten,</div>
- <div class="verse indent0">Ade, wir könn’n nicht länger stehn,</div>
- <div class="verse indent0">Wir müssen zum Himmel eingehn.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Und hab’n wir auch das Liedel nicht recht gemacht,</div>
- <div class="verse indent0">So wünschen wir euch eine gute Nacht.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="music-010">
- <img class="w100" src="images/music-010.jpg" alt="Musikbeispiel" />
-</div>
-
-<p>Die dritte Gruppe der Weihnachtsspiele bilden die Herodesspiele. Für sie
-fließt meiner Erfahrung nach die Überlieferung in der Oberlausitz am spärlichsten.
-Bekannt geworden ist das von Professor <em class="antiqua">Dr.</em> Curt Müller im Schulprogramm der
-Realschule zu Löbau (1900) bearbeitete Markersdorfer Herodesspiel. Eine nah
-verwandte, bruchstückartige Fassung habe ich in Crostau vorgefunden. Das Oberlausitzer<span class="pagenum" id="Seite_209">[209]</span>
-Spiel gehört zu dem Typus, der auf Hans Sachs zurückzuführen ist. Nach
-einem kurzen Vorspruch des ersten Weisen hört Herodes ein Geräusch. In schlesischen
-Lesarten klopft es, oder Trompeten werden geblasen, oder ein fürchterlicher Knall
-erdröhnt.</p>
-
-<p>Bei uns spricht Herodes:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Was hör’ ich denn jetzt für ein Singen!</div>
- <div class="verse indent0">Wer will mich um die Krone bringen?</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Der Marschall (Diener) holt die drei Könige, die Urheber des Geräusches,
-herbei. Herodes erkundet Zweck und Ziel der Reise. Jüdische Schriftgelehrte
-werden um Rat gefragt. Die Weisen brechen von Herodes auf. Nun fehlen im
-Oberlausitzer Spiel wichtige Stücke: die Anbetung in Bethlehem, die Engelsbotschaft.
-Dargestellt ist wieder, wie die Weisen erwachen, ihren Traum austauschen und
-beschließen, auf andern Wegen heimwärts zu ziehen. Am Hofe des Herodes herrscht
-Unruhe über das Ausbleiben der Weisen. Herodes gibt dem Marschall den Befehl
-zum Kindermord. Der Marschall meldet den Vollzug des Befehls. Der Tod tritt
-zu Herodes mit der Sense (nicht mit dem Pfeil) und nimmt ihn in vergeltender
-Gerechtigkeit mit in sein Totenhaus.</p>
-
-<p>Es ist nicht verwunderlich, daß die Überlieferung für das Herodesspiel spärlicher
-fließt. Der Stoff ist starr und spröde und widersetzt sich der ästhetischen Verzauberung.
-Die Form ist in weiten Teilen der Dialog. Das Spiel ist melodienarm. Trotzdem
-weist es ausgeprägte volkstümliche Eigenheiten auf. Die Personen sind in derben
-Strichen flächenhaft umrissen. Nuancierende und vertiefende Linien fehlen. Das
-Herodesspiel gleicht wie kein andres einem kräftigen, grell bemalten Holzschnitt.
-Adventspiel und Christgeburtspiel sind mehr musikalisch als bildhaft. Sie bringen
-in überwiegender Weise seelischen Ausdruck, nicht raum-zeithafte Darstellung. Der
-reine Sprechvortrag nimmt in ihnen nur geringen Raum ein. Er steigert sich zum
-Sprechgesang, um an den Höhepunkten in reine Ausdruckskunst, Lyrik und Musik,
-überzugehen. Das, was den Spielen bei allen technischen Unbeholfenheiten unaussprechlichen
-Zauber verleiht, ist ihr Hervorströmen aus einer machtvollen, innig
-und tief erlebten Geisteswelt. Der volkstümliche Spieler steht im magischen Banne
-zwingender Überlieferung und spricht sie ergriffen aus. Er wird zum Instrument
-einer übersinnlichen, symbolhaft erschauten Welt. Seine engumschränkte Einzelpersönlichkeit
-wird dabei ausgelöscht. Ich kann nicht verschweigen, daß ich so
-ergreifende Darstellungen in der Oberlausitz nur von Kindern erlebt habe. In
-früheren Jahrzehnten hat, wie mir erzählt wurde, ein ähnlich würdiger Ernst die
-erwachsenen Spieler beseelt, wie wir es etwa heute noch in Oberammergau erleben
-können. Aber zu so ergriffenen Spielern gehört eine ebenso ergriffene Zuhörerschaft.
-Die Darstellungen der Volksspiele waren keine Theateraufführungen; allen
-gemeinsames innerstes Seelentum trat bild- und klanghaft vor die Sinne. Über
-den Szenen schwebten die magischen Zauber des kultischen Ursprungs. Die meisten
-Wiederbelebungsversuche der Spiele durch Erwachsene sind heute aus tiefen entwicklungspsychologischen
-Gründen unecht. Der Durchschnittserwachsene ist ungläubig.
-Er ist ausgeprägtes Individuum. Er steht vor seinem Publikum. Neben der
-Tradition zeigt er sich, er spielt Theater … Er weiß, daß er in diesen Spielen<span class="pagenum" id="Seite_210">[210]</span>
-eine Rarität vor sich hat, und all das vernichtet die Wirkung der schlichten Stücke
-im Keime. Nur auserlesenen frommen Seelen mag es in hingebender Liebe und
-eindringendem Eifer heute noch hier und da gelingen, die heilige Einfalt, die tiefe
-Gebundenheit und Innigkeit der Spiele zum Ausdruck zu bringen (Haas-Berkow).
-Aber was die fortschreitende individualistische Zerstäubung dem Erwachsenen
-genommen hat, das ist im Kinde lebendig geblieben. Das Kind unsrer Heimat
-steht noch im tiefen Banne des Weihnachtszaubers. Mag es auch bereits bei vielen
-Gelegenheiten individueller Schauspieler sein: beim Weihnachtsspiel ist es erklingende
-Saite großer Symbole. Damit haben die Weihnachtsspiele wie manches andre
-uralte Volksgut ihre letzte Pflege- und Zufluchtstätte erreicht: das Kind …</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Wiedersberg">Wiedersberg</h2>
-</div>
-
-<p class="center">Von <em class="gesperrt">Paul Apitzsch</em>, Ölsnitz i. V.</p>
-
-<p>Unweit der sächsisch-bayrischen Grenze, etwas abseits der Staatsstraße Plauen-Hof,
-hockt zwischen den schräggeneigten Waldhängen des oberen Feilebachtales ein
-Häuflein Häuser: das vogtländische Kirchdorf <em class="gesperrt">Wiedersberg</em>. Hoch über Tal und
-Dorf liegen im dichten Mischwalde versteckt die Mauerüberreste des gleichnamigen
-alten Raubschlosses. Es ist eigenartig, daß über Entstehung, Geschichte und Verfall
-der wenigen vogtländischen Burg- und Kirchenruinen geheimnisvolles Dämmerdunkel
-ausgebreitet ist. Oder vielmehr nicht eigenartig. Zahlreiche Kriege und Brandschatzungen
-des Mittelalters haben in dem alten Durchzugslande zwischen Mittel-
-und Süddeutschland Schloßarchive und Rathausakten, Klosterurkunden und Kirchenbücher
-vernichtet. Daß man die Zeit der Erbauung der Burg Elsterberg, des
-Schlosses Libau, der Veste Wiedersberg, der Wallfahrtskirchen am Burgstein nicht
-mit Bestimmtheit anzugeben vermag, nimmt weiter nicht wunder. Aber daß man
-über Zeit und Art ihres plötzlichen oder allmählichen Untergangs so gar nichts weiß,
-daß man nicht einmal anzugeben imstande ist, ob Zerstörung, Brand oder Verfall
-vorliegt, ist doch immerhin merkwürdig. So soll die Veste Elsterberg bereits in
-dem sogenannten Vogtländischen Kriege 1354 in Trümmer gesunken sein. Von den
-andern drei weiß man nicht, ob sie auch schon in diesem Kriege oder im Hussitenkriege
-oder im Dreißigjährigen Kriege zerstört worden sind oder ob sie überhaupt
-auf gewaltsame Weise ihren Untergang gefunden haben. Möglicherweise teilen sie
-alle das Schicksal eines fünften Schlosses, des zu Geilsdorf. Von diesem ist urkundlich
-nachweisbar, daß es 1667 durch den Grafen Tattenbach erbaut worden ist.
-Ebenso sicher ist, daß keinerlei Kriegsnöte an seinem Mark gezehrt haben und daß
-lediglich der berühmte und berüchtigte Zahn der Zeit die Ursache seines Dahinscheidens
-war.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-013">
- <img class="w100" src="images/illu-013.jpg" alt="" />
- <div class="caption"><div><b>Schloß Wiedersberg</b></div>
-<div class="right">
-Nach einer Schwarzweißzeichnung von Kunstmaler Enders
-</div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Völlig sagenhaft ist die von einzelnen Historikern vertretene Ansicht, <em class="gesperrt">Schloß
-Wiedersberg</em> sei von Kaiser Heinrich I. (919 bis 936) zum Schutze gegen die
-Sorben angelegt worden. Vielmehr wird 1203 zum ersten Male eine Burg Wiedersberg
-erwähnt und 1288 ein Eberhard von Wiedersperch. Im Jahre 1386 belehnte<span class="pagenum" id="Seite_212">[212]</span>
-Markgraf Wilhelm I. von Meißen den Ritter Jan Rabe mit Wiedersberg. 1421
-verkauften die Rabe das Besitztum an die Familie von Machwitz, die es bis 1580
-besaß. Der Rittersitz wechselte dann rasch nacheinander seinen Eigentümer und
-gehört seit 1840 der Familie Gräf. Eine ausführliche Geschichte der Veste Wiedersberg
-brachte A. Moschkau im Jahrgange 1878 der Zeitschrift »Saxonia« (Seite 36,
-49 und 56).</p>
-
-<p>Die <em class="gesperrt">Ruinen</em> sind gegenwärtig von sehr geringem Umfange. Sie bestehen
-aus einem viereckigen Turm, einigen Mauerresten und dreifachen Schanzgräben.
-Ein stark angekohlter Balken im Wartturm deutet auf Brand. Indes kann dies
-auch in ursächlichem Zusammenhange mit der bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts
-hier betriebenen Pechsiederei stehen. Denn unmittelbar darunter liegen,
-halb im Erdreich vergraben, zwei alte, geborstene Griebenherde. Das neben den
-Mauerüberresten stehende ehemalige herrschaftliche Jägerhäuschen ist in ein bescheidenes
-<em class="gesperrt">Bergwirtshaus</em> umgewandelt worden. Der in dieser winzigen Waldklause
-hausende Pächter, Namens Bauer, hat den Krieg 1870 bis 1871 mitgemacht, wurde
-verwundet und ins Lazarett nach Dresden gebracht. Dort gehörte er zu denen, die
-sich der besonderen Fürsorge der damaligen Kronprinzessin und nachmaligen Königin
-Carola zu erfreuen hatten. Nach Gesundung und Rückkehr in die vogtländische
-Heimat entspann sich ein interessanter Briefwechsel zwischen der Königin und dem
-einfachen Tischlermeister Bauer in Wiedersberg. Bis zum Tode der Königin währte
-das gewiß seltene Freundschaftsband. Der alte Veteran weiß recht anregend davon
-zu plaudern und zeigt auf Verlangen die Originale der zahlreichen Briefe, die er
-pietätvoll in einer großen Mappe vereinigt hat. Seine Behausung gleicht dem
-Knusperhäuschen der Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel. Vor dem Eingange
-krallt eine mächtige knorrige Kiefer ihre Wurzeln ins Felsgestein, und am
-prächtigsten zeigt sich der Wiedersberger Burgberg, wenn im Frühherbst die buntfarbigen
-Laubbäume aus dem dunklen Grün der Fichten und Föhren hervorleuchten.</p>
-
-<p>Auf steinigem Wege steigen wir hinunter ins <em class="gesperrt">Dorf Wiedersberg</em>. Ein
-steiler, beschwerlicher Abstieg. Der Klausner im Knusperhäuschen ist neben seinem
-Doppelberufe als Gastwirt und Tischlermeister auch noch als Standesbeamter tätig,
-und die guten Wiedersberger, die sich dem Ehejoche zu beugen gedenken, treten
-einen schweren Gang an, wenn sie zum Standesamte wallen.</p>
-
-<p>Im Dorfe selbst sind drei bemerkenswerte Gebäude: Rittergut, Kirche und
-Gasthof, welche, wie auch anderswo, eng beisammenliegen. Die <em class="gesperrt">Pfarrei
-Wiedersberg</em> gehörte nebst Sachsgrün, Eichigt, Krebes und einigen anderen
-zu den sogenannten »Streitpfarren«. Obwohl in Sachsen gelegen, übte in diesen
-ehemals zum Erzbistum Bamberg gehörigen Kirchgemeinden die Krone Bayern
-das Patronatsrecht aus, und erst 1845 wurde dieses Recht durch Vergleich
-an Sachsen abgetreten. Das <em class="gesperrt">Wiedersberger Gotteshaus</em> enthält zwei
-Holzschnitzwerke unbekannter Meister: einen Taufengel und den mit der
-Kanzel verbundenen Hochaltar. Den Taufengel mit dem »hölzernen Wiesenblumenstrauß«
-hat Kurt Arnold Findeisen in seinem ersten Versbuch »Mutterland«
-besungen.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_213">[213]</span></p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Zu Wiedersberg im schmalen Gotteshaus</div>
- <div class="verse indent0">Steht ein großer Engel vor den Bänken,</div>
- <div class="verse indent0">Der trägt seit Menschengedenken</div>
- <div class="verse indent0">In der Hand einen hölzernen Wiesenblumenstrauß.</div>
- <div class="verse indent0">Mit der andern stützt er in Himmelsgeduld</div>
- <div class="verse indent0">Das samtbeschlagene Lesepult.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Der Schnitzaltar ist kein Kunstwerk, ist vielmehr in seiner köstlichen Naivität
-als Arbeit eines bäuerlichen oder bürgerlichen Handwerksmeisters anzusprechen.
-Zwischen den lebensgroßen Figuren des Petrus und Paulus ist eine etwas kleinere
-Kreuzigungsgruppe dargestellt. Als eine Art Predella erhebt sich unmittelbar über
-dem Altartisch eine stark realistische »Einsetzung des heiligen Abendmahls«. Der
-unbekannte Schnitzmeister war nicht imstande, den an der Brust Jesu liegenden
-Lieblingsjünger Johannes naturwahr darzustellen. Diese Einzelfigur wirkt in ihrer
-mißratenen Kleinheit als Knabengestalt. Sehr geschickt dagegen sind die links
-und rechts herabhängenden Blumenbänder ausgearbeitet.</p>
-
-<p>Ein wahres Juwel echter Heimatkunst ist der in der Mitte des Dorfes gelegene,
-im Jahre 1711 erbaute <em class="gesperrt">Gasthof</em>. Das an derselben Stelle stehende frühere
-Wiedersberger Wirtshaus beherbergte, wie eine in Dresden liegende Urkunde
-berichtet, den im Jahre 1354 hier durchreisenden Kaiser Karl IV. Eine Stange
-ragt vom braunen Fachwerkbau weit über die schmale Dorfstraße. Am vorderen
-Ende dieser Stange hängt ein altertümliches, wertvolles Wirtshausschild. Kein
-Geringerer als <em class="gesperrt">Hermann Vogel</em> hat das Wiedersberger Gasthaus samt dem
-Wirtshausschilde im Bilde festgehalten, und zwar im »Märchen von einem, der
-auszog, das Fürchten zu lernen« in der illustrierten Ausgabe der Grimmschen Kinder-
-und Hausmärchen: An der rechten Seite der Dorfstraße der Gasthof, links das Holzgeländer
-am Feilebach. Droben auf waldiger Höhe das Raubschloß. Auf der
-Straße der Wirt mit dem tapferen Junker. Und das Malersignum <em class="antiqua">H. V.</em> ist eingedrückt
-dem feisten Hinterschenkel eines über den Weg laufenden – Schweines.
-Der Märchenmaler, der so gern hier oben im abgelegenen Feilebachtal seine Staffelei
-aufstellte, ruht nun schon seit zwei Jahren im kleinen Krebeser Dorfkirchhofe.
-Zwei noch lebende heimische Künstler traten sein geistiges Erbe an. Das Mittelalter
-ging in der künstlerischen Innen- und Außenschmückung von Gebäuden
-lediglich bei Schlössern und Rathäusern, Kirchen- und Patrizierwohnungen über
-das rein Handwerksmäßige hinaus. Die neuere Zeit hat das höchst anerkennenswerte
-Bestreben, auch bei Neu- und Umbauten großstädtischer Warenhäuser und
-Banken, Fabrikanlagen und Fremdenhöfe, Dielen und Bars hervorragende Künstler
-und Kunstgewerbler zur Mitarbeit heranzuziehen. Daß aber ein vom Kunstbetriebe
-der Großstadt weit abgelegener Dorfgasthof sich etwas derartiges leistet, dürfte doch
-wohl zu den Seltenheiten gehören. Die fünf graugrün gestrichenen Fensterläden
-des Wiedersberger Gasthauses sind von den Kunstmalern <em class="gesperrt">Albin Enders,
-Weischlitz</em> und <em class="gesperrt">Alfred Hofmann, Stollberg</em> mit Originalbildern und Sinnsprüchen
-geziert worden. Die geräumige <em class="gesperrt">Gaststube</em> atmet wohltuende Beschaulichkeit,
-und ihre ländlich-einfache Innenausstattung zeugt von feinem, künstlerischem
-Empfinden. Buntgeblümte Vorhänge an den niedrigen Fenstern. Geranien und<span class="pagenum" id="Seite_214">[214]</span>
-Levkoien auf allen Simsen. Eine von der Diele bis zur Decke reichende altmodische
-Ticktackuhr. Ein glänzender Spiegel aus Urgroßvaters Zeiten über dem Sofa in
-der Ecke. Überhaupt diese Ecke! Die ganze Wand ist bedeckt mit Radierungen
-von Albin Enders – Ruine Burgstein, Rittergut Wiedersberg und Rathaus
-Plauen –, mit alten Stichen in braungetönten Holzrahmen und allerhand andern
-Köstlichkeiten. In der Mitte des Tisches steht ein Strauß leuchtender Chrysanthemen,
-blaublütiger Glockenblumen und purpurner Kuckuckslichtnelken. Daneben liegt,
-mit seinem buntgekästelten Buchdeckel stimmungsvoll dazu passend, Kurt Arnold
-Findeisens »Mutterland«. In der rechten Wandecke eingebaut, ein kleiner Schrank
-mit dem <em class="gesperrt">Fremdenbuch</em>. Dies Buch ist es wert, daß man ein geruhsam Stündlein
-sich mit ihm abgibt. Hier ist Albin Enders, der Hausmaler, zum Hauspoeten
-geworden. Das von ihm verfaßte und eigenhändig eingetragene Geleitwort lautet:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Trägst sinnig froher Wandrer du, in dieses Buch dich ein,</div>
- <div class="verse indent0">So wird es eine Freude auch für jeden andern sein.</div>
- <div class="verse indent0">Und kehrst du selbst nach Jahr und Tag in Wanderlust zurück,</div>
- <div class="verse indent0">Wirst abermals genießen dann ein längstvergangnes Glück.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Und dann folgen in bunter Reihe Beiträge von Louis Riedel, Emil Schwarz
-und anderen bekannten und unbekannten Poeten des Vogtlandes. Das Wertvollste
-aber sind zahlreiche Federzeichnungen des zweiten Wiedersberger Hauskünstlers
-Alfred Hofmann, Stollberg. Es gibt im Vogtlande nur noch <em class="gesperrt">ein</em> Fremdenbuch, das
-sich an künstlerischem Werte dem Wiedersberger an die Seite stellen könnte: das
-Burgsteinalbum der Rahmig-Milda.</p>
-
-<p>So ist der kleine Raum geweiht durch Eigenarbeiten begnadeter heimischer
-Maler und Dichter.</p>
-
-<p>Die Heimat ist auch in ihren unbedeutendsten und abgelegensten Winkeln
-groß und bedeutend für den, der mit offenem Auge und warmem Herzschlag ihre
-Schönheiten schaut.</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Zur_Geschichte_des_Jaegerhofes_zu_Dresden">Zur Geschichte des Jägerhofes zu Dresden</h2>
-</div>
-
-<p class="center">Von <em class="antiqua">Dr.</em> <em class="gesperrt">Koepert</em></p>
-
-<p>Bei den nahen Beziehungen des <em class="gesperrt">Landesvereins Sächsischer Heimatschutz</em>
-und dem <em class="gesperrt">Verein für Sächsische Volkskunde und Volkskunst</em>
-dürfte auch die Geschichte des <em class="gesperrt">Jägerhofes</em>, in dessen Restgebäude der letztgenannte
-Verein sein herrliches Volksmuseum untergebracht hat, für unsere Leser von Interesse
-sein. Handelt es sich doch hier um ein Baudenkmal, das in früheren jagdfrohen
-Zeiten von großer Bedeutung war, wie die folgenden Ausführungen beweisen werden.</p>
-
-<p>Was nun zunächst die <em class="gesperrt">Baugeschichte</em> betrifft, so sei bemerkt, daß das
-älteste Jägerhaus, von dem berichtet wird, vor dem Wilsdruffer Tor an der
-Weißeritz gelegen war. Sein Erbauer war Herzog <em class="gesperrt">Albrecht</em>. Im Jahre 1492
-schenkte Herzog <em class="gesperrt">Georg der Bärtige</em> dieses Haus einem alten Diener seines<span class="pagenum" id="Seite_215">[215]</span>
-Vaters wegen treuer Dienste mit dem dazugehörigen Garten. Als Ersatz hierfür
-errichtete er in der Nähe des Jakobihospitals ein neues Jägerhaus, das gleichfalls
-die Jagdgerätschaften beherbergte, für die Jäger aber keine Unterkunft bot. Diesem
-Zwecke diente vielmehr ein in der Nähe des Schlosses gelegenes Förstereihaus.
-Kurfürst <em class="gesperrt">August</em> (1553–1586) begnügte sich nicht mit der Jagd auf inländisches
-Wild, sondern erwarb einige Löwen, die bei Kampfjagden Verwendung finden
-sollten und zu deren Unterbringung er die Herstellung eines besonderen Löwenzwingers
-auf der Elbbrücke durch folgendes Schreiben an den Brückenmeister anordnete:
-»Lieber getrewer. Wir haben unsern Oberzeug- und Baumeister und
-lieben und getrewen Kaspar Vogt ein Baw uf der ElbBrücken zu Behaltung ezlicher
-Lewen zu thun befolhen, dargegen wir begern, Ihr wollet den zum forderlichsten
-seiner Angabe nach machen und fertigen lassen, dergleichen Torhaus auch vollenden,
-wie er euch anzeigen wirdt und ihn den nichts verhindern lasset, darum thut er
-unsere Meinung. Datum Dresden den 8. Tag Aprilis 1554. An den Brücken Meister.«
-Daß das Gebäude wirklich vollendet und seinem Zwecke dienstbar gemacht wurde,
-geht aus der Tatsache hervor, daß 1558 die »Brückenlöwen« aus ihren Fängen
-zu einem Kampfjagen herbeigeführt wurden. Im Jahre 1612 wurde ein besonderes
-<em class="gesperrt">Löwenhaus</em> auf der Schössergasse in Form eines viereckigen niedrigen Turmes
-erbaut, der aber 1839 wieder abgetragen wurde. Im Jahre 1568 verlegte Kurfürst
-August die Jägerei nach Altdresden, der jetzigen Neustadt, und zwar »um allda,
-weil selbige Stadt (die jetzige Altstadt) damals ganz offen und unverschlossen gestanden,
-der Wildbahne zum Fürsuchen, Spüren und in Sonderheit den Wolfsjagden desto
-näher zu sein.« Damit war der Grund zu dem »<em class="gesperrt">Jägerhofe</em>« gelegt, dessen Lage
-noch jetzt ungefähr an dem stehengebliebenen Restgebäude zu erkennen ist. Der
-Jägerhof hat im Laufe der Jahrhunderte mancherlei Erweiterungen und Veränderungen
-erfahren, die sich bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts hinein erstreckten.
-Nachdem schon die beiden Kurfürsten <em class="gesperrt">Christian</em> I. und II. (1582–1611) den
-Jägerhof vergrößert hatten, erfolgte durch Kurfürst <em class="gesperrt">Johann Georg</em> I. eine
-wesentliche Verschönerung und Vergrößerung, die ihren Abschluß fand in der im
-Juli 1617 erfolgten feierlichen Einweihung. Über einige Grundstückserwerbungen,
-die für die Vergrößerung benötigt wurden, gibt ein Aktenstück vom 28. März 1611
-Auskunft, das mir gelegentlich meiner Forschungen über altsächsische Jagdgeschichte
-im hiesigen Hauptstaatsarchiv zu Gesicht kam. Dasselbe behandelt eine Grundstückserwerbung
-aus dem Jahre 1608 und lautet: »Ew. churfürstliche Gnaden sind
-meine unterthänigste, gehorsambste Dienste treuen Vleißes jederzeit zuvorn; gnädigster
-Herr, Euer fürstlichen Gnaden soll ich unterthänigst nicht vorbehalten, das wir
-Euer fürstlichen Gnaden vor drey Jahren (1608) das Jägerhauß zu Altdresden
-erweitern lassen, uf Euer fürstlichen Gnaden gnedigstes Begern Ich meinen Garten
-darzu, vor und umb 300 Fl. Meißnische Werung, 21 Groschen für ein Gulden
-gerechnet, welche der schösser mir davor einheischigk geworden, und Michaelis 1608
-zalett werden sollen, unterthänigst hinlassen müssen, welcher dann zum teill zu solchem
-Jägerhaus gezogen, zum teill aber mit andern daran stoßenden Stücken verwechselt
-worden. Wan ich aber solche 300 Fl. bishero nicht bekommen, viel weniger einige
-Zinsen davon erlanget, und mir armen gesellen solcher verzugk zu größtem Schaden<span class="pagenum" id="Seite_216">[216]</span>
-gereihen tut, also gelanget an Euer fürstlichen Gnaden mein unterthänigstes höchst
-vleißiges Bitten, Euer fürstlichen Gnaden wollen gnedigst zu befehligen geruhen,
-das mir 300 Fl. zu sambt den Zinsen sonder ferneren verzugk gefolget werden
-mögen. Unterschrieb: Kilian Prager.« 1625 verkaufte der Bürger und Leineweber
-Martin Schilling dem Kurfürsten für 450 Gulden einen Acker, um dessen
-Bezahlung er 1628 bittet. Eine bedeutende Erweiterung erfolgte 1632, als durch
-Vermittlung des Schössers wieder eine Anzahl Häuser, die auf der Klostergasse
-gelegen waren, angekauft wurden. Hierüber ist folgende Designation, datiert vom
-28. Januar 1632, vorhanden:</p>
-
-<p>1. Auf der Nachtseite, den Röhrenkasten und Weinbergen zu: Christoph
-Fröhlich, ein Handelsmann, welcher zwar wegen leibesbeschwerung nicht selbst erscheinen
-kann, hat sich durch seine Hausfrau Catharine erbieten lassen, das er seine
-beiden wohnhäuser, als eins nach der gassen, das andre nach der Wiesen gelegen,
-nebst ein Garthen und Weinberglein, ganz bezahlt, Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht
-zu schuldigen, unterthänigst Gehorsamb umb und vor 1200 Thaler abtreten und
-abfolgen lassen will, ungeachtet es ihm um viel mehreres kostete.</p>
-
-<p>2. Joachim Koch, Jagt-Zeugknecht, berichtet, das er sein Hauß umb und vor
-145 Thaler bahrgeld anno 1629 erkaufft, so er auch albereit bahr bezahlt, erbietet
-sich, solches umb 145 Thaler, wie er dasselbe erkaufft, wiederum abzutreten, weil
-er noch wenig darin gebessert hat.</p>
-
-<p>3. Valentin Hieße, Jagtzeugschneider, hat sein Hauß vermöge des Kaufbriefs
-umb 220 Thaler erkauft; darauf er 150 Thaler bezahlt und ist die übrigen 70 Thaler
-wie auch, was an Steuern und andern gefällen, bis dato fellig, noch zu bezahlen
-schuldig, erbietet sich bey obiger Kaufsumme solches wiederumb abzutreten.</p>
-
-<p>4. Hanns Wolff, Thorwärter im Jägerhauß, hat sein Haus umb 185 Thaler
-bahrgeldt erkaufft und bezahlt, auch über 70 Thaler darin verbauet, will solches
-um 200 Thaler wieder abtreten.</p>
-
-<p>Auf der linken Seite, gegen den Althan zu:</p>
-
-<p>5. Anna Baßin, Hans Andreas Witbe, helt ihr Hauß umb 400 Thaler, weil
-es ihr unlängst so viel gelten wolle; Ist eine arme Witbe und viel schuldig;
-20 Thaler ist an der Kaufsumme ihr zurückgehandelt worden, verbliebe 380 Thaler.</p>
-
-<p>6. Christian Eckardt, helt sein Hauß umb 400 Thaler. Ist endlich auf
-300 Thaler gehandelt worden.</p>
-
-<p>7. Silvester Kahlhorn, Trommelschläger, hat sein Hauß anfangs umb 480 Thaler
-erkaufft, 60 Thaler darin verbessert und gebauet, und 9 Thaler 15 Groschen der
-Herrschaft vor den Raum geben, will solches umb 350 Thaler wieder abtreten.</p>
-
-<p>8. Christian Urban Hoffmanns Witbe, hat ihr Häußlein vor 24 Jahren umb
-160 Thaler bahr geldt erkaufft und bezahlt und diese Zeit über 30 Thaler darin
-gebessert, will solches, als eine arme Witbe, um 190 Thaler wieder hinlassen.</p>
-
-<p>Summe der ganzen Kaufsumme aller ob specifizirten Häußer thuts 2985 Thaler.</p>
-
-<p>Für eine Erweiterung des Jägerhofes hatten auch 1639 mehrere Bürger in
-Altdresden ihre Grundstücke verkauft. Auf ihre Bitte um Bezahlung ihrer Häuser
-äußert sich Kurfürst <em class="gesperrt">Johann Georg</em> I. in einem an den Schösser Paul Weber
-für den Rat zu Dresden gerichteten Schreiben wie folgt: »Liebe getrewe, Ihr wißet<span class="pagenum" id="Seite_217">[217]</span>
-Euch zu erinnern, was wir wegen Abtragung teils Häußer auf der Klostergaßen
-und den Kohlmarkt zu Altdresden mündlich befohlen. Was es dann aus derlei
-angeführten vrsachen nicht zu endern gehet, also begehren wir hiermit, ihr wollet
-solchen unsern Befehlich gehorsambst nachkommen, zu verhütung aber vielen besorglichen
-Klagens vorher mit den Besizern einen ungefähren Kauff schließen, die noch
-rückständigen Herrschaftsgefälle an Landtsteuern, Jagddienst, Raumgeldern und dergleichen
-abziehen undt <em class="gesperrt">Sie im übrigen biß zu beßer Zeit zur gedult
-vermahnen lassen</em>, sodann, wie ihr dieser unser verordnungk nachgekommen,
-unterthänigst berichten, und unser <em class="antiqua">ratificatio</em> darüber erwartten« …</p>
-
-<p>Demnach scheint in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges das Geld sehr knapp
-gewesen zu sein, denn wegen obiger Schuld hatten sich die Bürger Georg Wolf,
-Soldat in der Untergarde, Michael Basse, Büchsenmacher, und Martha Tobias
-Pohlens, »Defensioners allhier selige nachgelassene arme lahme Witbe« an den Nachfolger
-Kurfürst <em class="gesperrt">Johann Georg</em> II. mit folgendem Schuldverzeichnis gewandt
-(5. Dezember 1556): Verzeichniß, was wir nachgesetzte arme Bürger und Witbe wegen
-Ihro Churfürstlichen Durchlaucht nahe gelegenen Jägerhauses anno 1639 im Monat
-Marty unser abgebrochenen Häußer, nach Abzug aller Churfürstlichen sowohl Ratsgefälle
-annoch zu fordern und bitten unterthänigst, daß Ihro Churfürstliche Durchlaucht
-solche uns von den izo einkommenden Hufengeldern gnädigst bezahlen lassen
-wollten. Als: 176 Thaler 9 Groschen 5 Pfennige Michael Basse, dessen Hauß im
-Kauf 200 Thaler galt; 163 Thaler 4 Groschen George Wolf, dem Kaufe nach
-200 Thaler; 276 Thaler 20 Groschen 11 Pfennige Tobias Pohlens Witbe, dem
-Kaufe nach 300 Thaler. Thut 616 Thaler 8 Groschen 4 Pfennige.</p>
-
-<p>Eine ausführliche Beschreibung des Jägerhofes findet sich in der <em class="gesperrt">Dresdner
-Chronik</em> von Weck vom Jahre 1680. Hier sind auch die in den Sälen befindlichen
-Gemälde ausführlicher geschildert, ferner ist die Rede von einem Löwenhaus, in
-welches die früher im Löwenhause auf der Schössergasse aufbewahrten ausländischen
-Raubtiere überführt wurden. In dem Festsaal des Jägerhofes wird vor allem ein
-Gemälde erwähnt, das den Einzug des Kaisers <em class="gesperrt">Matthias</em>, König von Böhmen,
-nebst Erzherzog <em class="gesperrt">Ferdinand</em> in Altdresden (1617), ferner die Jagden, die ihnen
-zu Ehren auf dem Altmarkt stattfanden, darstellt; ein anderes Gemälde stellt die 1602
-erfolgte Rettung des Kurfürsten aus Lebensgefahr dar, als derselbe auf einem Schiff
-infolge einer Pulverexplosion bei Pillnitz beinahe ums Leben gekommen wäre.
-Auch befand sich in gedachtem Saal eine große Tafel, auf welcher alle Tiere, welche
-Seine Churfürstliche Durchlaucht von 1611 bis 1653 gefangen, geschossen und gehetzt
-hat, verzeichnet sind und deren Zahl sich auf 113 629 Stück erstreckte.</p>
-
-<p>Ein interessantes Aktenstück, das ich der Güte des Herrn Hofrat Professor <em class="gesperrt">Seyfert</em>
-verdanke, gibt Kunde von einer Reparierung der Dächer und Aufsetzen des neu
-vergoldeten Turmknopfes im Jägerhofe und enthält noch mancherlei wissenswerte
-Einzelheiten aus der Zeit um 1671; es sei hier auszugsweise wiedergegeben: »Demnach
-der Durchlauchtigste Hochgeborene Fürst und Herr, Herr Johann Georg der
-Andere, Hertzog zu Sachßen, Jülich, Kleve und Bergk des Heil. Röm. Reichs Ertz-Marschall
-und Churfürst Landtgraff in Düringen, Marggraff zu Meißen, auch
-Ober- und Nieder Lausitz, Burggraf zu Magdeburg, Graff zu der Marck und<span class="pagenum" id="Seite_218">[218]</span>
-Ravensberg, Herr zum Ravenstein, Unser allerseits gnädigster Herr und gütigster
-Landes-Vater, Bey nothwendiger Reparierung dieses Churf. Sächß. Jägerhauses und
-derer Dächer-Außbeßerung, unter andern auch diesen Thurm besteigen, und selbigen
-Knopff, weil er ziemlich wandelbar befunden, den 15. Septembris des 1671sten
-Jahres herunter nehmen, hingegen diesen sambt der Fahne gantz neu verfertigt
-vergüldeten, den 19ten dieses umb 2 Uhr wieder hinaufsetzen lassen, haben Höchstermeldte
-Ihr Churf. Durchl. der werten Posterität zu gutem Andenken in gegenwertigen
-Knopff, welcher guter 3. Viertel übern Diameter, nachfolgende kurtz
-entworffene Nachricht hinein zu legen und zu verwahren vor gut befunden und
-gnädigst anbefohlen, Und zwar, so soll anitzo nicht weitläuffig berühret, was etwan
-im Römischen Reich und andern Orten hin und wieder dieses Jahr geschehen,
-welches denen Historien: Chronic und Novellen Schreibern zu überlassen, sondern
-nur dieses, was vor weniger Zeit allhier in unsern Landen geschehen. Wir haben
-Gott lob und Danck wohlfeile Zeiten, wir wissen von keiner ungesunden Lufft und
-graßirenden Seuche, keine so wohl öffentl. als innerlichen Kriege und rebellion,
-sondern es blühet und grünet annoch heutigen Tages bei unß der Anno 1648
-durch göttliche Gnade im Heil. Röm. Reich allgemeine sowol Religion- als Profan
-Friede, daß dannenhero dero Churfürstenthum und Lande an Einwohnern und Unterthanen
-sehr wohl zugenommen, also daß sowohl in Städten als Dörffern die liebe
-Jugend in starker Anzahl heran gewachßen und daß Land sich umb ein merkliches
-gebessert, zu welchem ende dann Unser gnädigster Herr aus Landes Väterl. Vorsorge
-in seinem gantzen Lande anitzo eine Revision durch die Herren Ober Consistoriales
-und hierzu verordnete Commißarien unter denen geistlichen angestellet
-die schwachen Pfarren sonderl. aufm Lande und in den Dörffern von dem benachbarten
-verstercket, die starcken mit einsetzung noch eines pfarrers, damit der Gottesdienst
-desto besser und füglicher abgewartet, einem Seelsorger auch sein Ambt nicht
-so schwer wird: Zertheilet, die Winckel Schüler abgeschafft, hingegen die öffentlichen
-Stadt- und Landschulen erweitert … Inzwischen ist nicht zu vergessen, daß an
-der vor drey Jahren durch einen starcken unversehenen Donnerschlag hohen biß
-auff den innern Gang gantz herunter geschlagenen Kreutzthurm Haube und Seiten
-Thürmchen, nach der Schule zu in Neu-Dresden, wie auch in diesem Jägerhause
-nechst den Bärengarten an einem Löwenhause (so den 8ten July instehenden Jahres
-von Churf. Durchl. selbst eigner Person, neben hohen Cavalieren und hierzu verordnete
-Baumeister durch legung des Ersten Grundsteins zu bauen angefangen
-worden) annoch sehr starck gearbeitet wird, zu dem ende, damit Stadt Dresden desto
-ehe wieder gezieret und die beyden vom Großhertzog von Florentz Ihr Churf.
-Durchl. von dort aus allhier nacher Dreßden zu einem Präsent geschickten Löwen,
-welche nach einem verflossenen Jahre drey junge Löwen, als in diesen Landen noch
-nicht erhört, gezeuget und zumahl wegen des alten in Neu-Dreßden zu kleinen und
-sehr baufälligen Löwenhauses [in der Schössergasse] wie auch besserer Lauff und
-Bequemlichkeit vor Selbige, mit der Zeit hinein gethan würden, umb so viel desto
-mehr und weiln die hiergezeugten Jungen Löwen eine fürtreffliche rarität beym
-Hause Sachsen sind, soll dieses itztgedachte Löwenhauß vor eilff Wochen nunmehr
-angefangen und zehn Ellen über die Erden aufgeführt, auch zu einer sonderbaren<span class="pagenum" id="Seite_219">[219]</span>
-künftigen Zierde des Jägerhauses, der vierte Theil davon noch vor winters ins
-Dach gebracht werden. Im übrigen ist zum Schluß zu vermelden,</p>
-
-<p>Was an Churf. Durchl. und dero Bedienten damahls noch am Leben gewesen</p>
-
-<p class="center">
-als:
-</p>
-
-<p>Churfürst Johann Georg der Andere dieses Namens als itzt regierender Herr
-und Churfürst, sambt dero Vielgel. Herrn Brüdern als: Hertzog August zu Halle,
-Hertzog Christian zu Merseburg und Hertzog Moritz zu Zeitz, wie auch derselben
-allerseits jungen Herrlein und Fräulein die Durchlauchtigste Churfürstin zu Sachßen,
-Frau Magdalena Sibylla geb. Markgräfin zu Brandenburg. (Folgen die übrigen
-Prinzen.)</p>
-
-<p>Die Barmhertzigkeit des Höchsten lasse das Churhaus Sachßen zu mächtigen
-Schutz und Schirm der Evangelischen reinen Lehre unveränderter Augsburgischen
-Confession unter den Fittichen seiner väterl. Huld kräftiglich erwachsen, für allen
-geist- und leibl. Feinden siegreich bestehen und in seinem allerheyligsten Namen
-zeitlich und ewig gesegnet seyn!</p>
-
-<p class="center">
-Von Jägerey Bedienten:
-</p>
-
-<p class="noind">Der Oberjägermeister Herr Loth. von Bomsdorff auf Medingen, der Oberforstmeister
-Herr Wolff Siegm. von Pflug, der Pirschmeister Herr Johann Georg Sittich, der
-Wagenmeister Herr Christian Angermann.</p>
-
-<p class="center">
-Von Steinmetzen, Maurern und Zimmerleuten:
-</p>
-
-<p class="noind">Nikolaß Sauter, Hofsteinmetz, Andreas Hoffmeister und Jakob Richter, beyde Hofmaurermeister,
-Caspar Hempel, Jägermaurermeister, Matthes Schumann, Hofzimmermeister,
-Michel Fuchs, Jagtzimmermeister.</p>
-
-<p class="center">
-Von Bau-Ambts Bedienten:
-</p>
-
-<p class="noind">Der Oberlandbaumeister Wolff Caspar von Klengel auf Radeburg und Nauendorff,
-welcher zu itztgedachten Löwen Hause die invention gegeben und der Landbaumeister
-Johann Albert Eckart, welcher gedachtes Gebäude fortstellet.«</p>
-
-<p>Neubauten entstanden noch 1720, 1722, 1723. Im Jahre 1740 kam der
-90 Ellen lange und 14 Ellen breite englische Hundestall hinzu. 1743 beantragte
-der Oberhofjägermeister Graf Wolffersdorf den Bau eines Stockwerks auf das
-große Vordergebäude des Jägerhofes als Dienstwohnung für sich und erbot sich,
-die Baukosten von 10 000 Talern gegen ratenweise Rückzahlung vorzuschießen.
-Das Bauholz wurde der Heide entnommen. Nach einem Plan, der die Lage des
-Jägerhofes ums Jahr 1750 zeigt, enthält dieser folgende Gebäude und Plätze: Der
-Jägerhof, ein freier Platz, auf dem Wassertröge für die Hunde und einige große
-Linden standen, wurde umsäumt nach Westen von dem langen und alten Zeughaus,
-das nach Süden in das Hauptgebäude nach der Straßenfront zu überging,
-dasselbe enthielt im Parterre die englischen Hundeställe, darüber war der große
-Jägersaal. Im Parterre waren noch die Reise- und Jagdwagen untergebracht. In
-dem anschließenden westlichen Flügel war die Pirschmeisterwohnung. Auf der
-anderen Seite des Eingangstores war das vordere hohe Zeughaus. Der Jägerhofplatz
-wurde nach Norden abgeschlossen durch das Wildbretgewölbe, den Hundezwinger<span class="pagenum" id="Seite_220">[220]</span>
-und das Jägerwirtshaus. Hinter diesem Gebäudeblock war zunächst das
-hohe Zeughaus, von ihm durch einen schmalen Gang getrennt die Gebäude für die
-wilden Tiere: die sogenannten Affenstuben, Tiger- und Löwenfänge und die Wohnung
-für den Löwenwärter. Die ganze Anlage hieß das Löwenhaus, zu dem noch ein großer
-freier Platz gehörte. Gleich neben dieser Anlage befand sich der Bärengarten mit
-dem Bärenfang. Der Bärengarten wurde nach Süden von einem Wagenschuppen,
-nach Westen vom sogenannten Winterlager und nach Norden von den Ställen für die
-Kommissariatspferde abgeschlossen. Weitere Plätze waren noch der Jagdzimmerhof,
-Jagdröhrenhof und Auslaufplätze für die Hunde.</p>
-
-<p>Es liegt auf der Hand, daß bei so einer großen Anlage fortwährend kleinere
-Umbauten, Reparaturen usw. sich nötig machten, daher man auch besondere Handwerker
-anstellte, z. B. Jagdtischler, Jagdschlosser, Jagdglaser. So z. B. wurden
-1728 vier Fänge neu gemacht für das Löwenhaus. Der vom Zimmermeister
-Johann Breißner gemachte Anschlag von 119 Taler 23 Groschen 3 Pfennig wurde
-vom damaligen Landbaumeister Pöppelmann geprüft und auf 107 Taler 2 Groschen
-herabgesetzt. Die Glanzzeit des Jägerhofes fällt entschieden in die erste Hälfte des
-achtzehnten Jahrhunderts, aber auch schon Mitte des siebzehnten Jahrhunderts
-waren die Hundeställe und Menagerie gut besetzt, wie aus einem Bericht aus dem
-Jahre 1654 hervorgeht. Es kamen nämlich wegen einer Auseinandersetzung in
-der Jülich-Hatzfeldschen und Erfurtischen Sache auf Veranlassung des Kurfürsten
-Johann Georg I. der <em class="antiqua">Dr.</em> Georg Franzke, Fürstl. Sächs. Geh. Rat und Kanzler zu
-Gotha, und <em class="antiqua">Dr.</em> Rudolf Wilhelm Krauße, Fürstl. Sächs. Konsistorialrat zu Weimar,
-nach Dresden und besuchten außer andern Sehenswürdigkeiten auch das Jagdhaus
-in Altdresden. An Jagdzeug ohne Reh-, Wolf- und Hasennetze waren über dreihundert
-Fuder zu finden, ohne die, die die Kurfürstlichen Forstmeister auf dem Lande
-hatten. Mit den Netzen konnte man fünfzehn Meilen Weges stellen. Drei große Häuser
-mit allerhand Jagdzeugen waren vorhanden, in welchen die Wagen vierfach standen.</p>
-
-<p>Über das, was die Zeughäuser des Jägerhofes enthielten, sind wir genau
-unterrichtet, da aus dem Jahre 1725 ein Inventurverzeichnis, angefertigt vom
-Proviantverwalter Johann Friedrich Heylandt, vorhanden ist. Es waren vorhanden:
-22 Fuder und 2 Tücher, hohe Tücher so grüngefärbete. – 2 Fuder Schuß-Tücher,
-an 4 Tüchern. – 1 Fuder hohe Zwilligten Tücher, an 5 Tüchern so bey Lustjagen
-aufm Schloßhofe wie auch im Jägerhofe gebrauchet worden. – 14 Fuder Mittel-Tücher,
-an 42 Tüchern. – 9 Fuder Schmahle Tücher, an 27 Tüchern. – 1 Quertuch
-mit dem gemachten Churf. Wappen. – 4 Lauff-Flügel-Tücher. – 6 Fuder
-dänisches Zeug, an 36 Tüchern, 5 Tücher oder sog. Fußlappen. – 18 Fuder und
-1 Gebund Hirschlappen, an 361 Gebunden. – 9 Fuder Fang-Netze, an 25 Netzen.
-– 1 Fuder Fang-Netze so schwächer, an 13 Netzen. – 2 Krumb-Ruthen-Netze. –
-5 Fuder Spiegel-Netze, an 11 Netzen. – 7 Prell-Netze. – 1 Quertuch-Netze. –
-3 Rehe-Netzgen, ums Rehehäusgen zu stellen. – 11 Rehe- und Hasen-Netze. –
-110 Wolfs-Netze. – 1 Netz in Fuchszwinger gehörig. – 2 Kaninchen-Netze. –
-60 Lerchen-Schlebnetze. – 90 Zwilligtne Wagendecken. – 90 Wagen mit zugehörigen
-Hemmketten und Vorläge-Wangen, Zum Hohen-, Mittel- und dähnischen Tüchern,
-Lappen und Netzen. – 1 Rock-Wagen. – 1 Wirck-Wagen. – 1 Wagen zur<span class="pagenum" id="Seite_222">[222]</span>
-Blauhuts-Mondur. – 1 Wagen mit der Feldschmiede. – 2 Pirsch-Wagen. –
-1 Roll-Wagen. – 5 Schirmwagen. – 1 langer Hunde-Wagen. – 4 Wagen zum
-Hirsch-Kasten. – 1 Wagen zum Rehhäusgen. – 1 Kalesche zur Hirsch- und
-Schweins-Waage. – 4 eiserne grüngemahlte Gitterwagen vor die Löwen, Tiger und
-Bäre. – 3 Bären-Wagen [mit denen die im Lande gefangenen Bären aus den an
-verschiedenen Orten z. B. Hohnstein, Augustusburg befindliche Bärengärten nach
-Dresden in den Jägerhof transportiert wurden]. – 9 Zeug-Schlitten, worbey das
-Stellzeug an Forrkeln, Gabeln, Schlegeln, Haarken, Krum-Ruthen, Äxten, Picken,
-Stickeln, Radehauen, Lampen und Wagen-Winden, desgl. die Bären-, Hirsch-, Sau-,
-Wolfs-, Lux-, Fuchs- und Haasenkästen, nicht weniger die Schieß- und Hundeschirme,
-Fürstenhäusergen [aus denen die Fürstlichkeiten bei eingestellten Tagen das Wild
-beschossen], Fuchsprellen, Wolfs- und Fuchszeugen, Wolfskeulen, Biber- und Fischottergabeln,
-auch wenn was sonsten zur Jagerey gehörig, wegen dessen Weitläufigkeit,
-nicht spezificiert ist.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-023">
- <img class="w100" src="images/illu-023.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 1</div>
-</div>
-
-<p>Nach diesem Verzeichnisse des Proviantverwalters Heylandt kann man ermessen,
-wie große Anforderungen an die Jägerei gestellt wurden und wie umständlich der
-Jagdbetrieb in der damaligen Zeit sich gestaltete. In dem bekannten Werke von
-Fleming: »Der Vollkommene Teutsche Jäger«, Leipzig 1719 finden sich nähere
-Angaben über die damals üblichen Jagdmethoden. Leider ist uns vieles von diesen
-Jagdgerätschaften verloren gegangen, aber vieles findet sich vielleicht noch in den
-Forstämtern und auf dem Lande zerstreut unbeachtet vor, dessen Erhaltung und Sammlung
-aus heimatlichem Interesse äußerst wünschenswert wäre. Wie schön und
-erstrebenswert wäre es, wenn in dem jetzt noch erhaltenen Teile des Jägerhofes,
-in unserm herrlichen volkskundlichen Museum, alles das gesammelt und aufgestellt
-würde, was von der Altsächsischen Jägerei noch erhalten geblieben ist. Unser Hofrat
-<em class="gesperrt">Seyfert</em> würde sich gewiß einer solchen Sammlung gegenüber, die so recht eigentlich
-im Jägerhof am rechten Platz ist, nicht ablehnend verhalten und ihr ein
-bescheidenes Plätzchen einräumen. Es hat sich auch zu diesem Zweck ein Ausschuß
-gebildet, denen Herren vom Deutschen Jagdschutzverein, höhere Forstbeamte und
-Mitglieder des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz angehören. Hoffentlich nimmt
-dieser Ausschuß bald Veranlassung, mit einem diesbezüglichen Aufruf an die Öffentlichkeit
-zu treten und zur Sammlung und Ablieferung alter, auf die Jagd bezüglicher
-Gebrauchsgegenstände aufzufordern.</p>
-
-<p>Von lebendem Inventar waren in den Hundeställen vorhanden: 37 große
-englische Doggen und Bärenbeißer, jeder an einer eisernen Kette, 30 Leithunde,
-20 Jagdleithunde, 20 Besuchknechtsleithunde, 40 Hirschhunde, 40 Koppeljagdhunde,
-5 Leib- und Kammerhunde, 50 englische Hunde, 40 Saufinder, 50 Dachsschleifer,
-20 Streichweidhunde. In besonderen Behältnissen waren damals 40 Bären zu
-sehen. Im Löwenhaus befanden sich zwei weiße Füchse, ein Kreuzfuchs, ein
-indianischer Fuchs, 25 Luchse, vier weiße und ein schwarzer Bär, ein Tigertier,
-gelb mit schwarzen Flecken (also wahrscheinlich ein Leopard), ein Löwe, eine Löwin,
-jedes in einem absonderlichen Behältnis, ein »halber Pavian« und ein Affe.</p>
-
-<p>Die ausländischen wilden Tiere wurden teils angekauft, teils erhielt sie der
-Kurfürst als Geschenk von anderen Fürsten. So erhielt König Friedrich August I.<span class="pagenum" id="Seite_223">[223]</span>
-vom König von Schweden 1731 einen Löwen, zwei Löwinnen, einen Tiger, eine
-indische Katze, Tiere, welche ihm selbst vom Dey von Algier und Tunis geschenkt
-und durch einen aus Holstein stammenden freigelassenen Sklaven überbracht worden
-waren. 1728 erhielt er vom Markgrafen von Bayreuth vier Tiger geschenkt. Es
-scheint übrigens, als ob es sich öfter statt Tigern um Leoparden gehandelt hat, da
-auch die Wendung: »ein gefleckt Tigerthier« vorkommt. Der König Friedrich
-August I. kaufte auf der Leipziger Ostermesse 1727 drei Affen, ebenso 1731 ein
-Stachelschwein, 1729 eine Löwin, einen Tiger, einen Pavian, ein »arabisch Tier«;
-1726 wurden erworben ein schwarzer Fuchs, Mammarcke genannt, und ein roter
-afrikanischer Fuchs (wahrscheinlich Schakal). Im Jahre 1730 rüstete <em class="gesperrt">August der
-Starke</em> sogar eine Expedition nach Afrika aus, mit der Aufgabe, seltene Tiere
-entweder lebendig oder in Häuten, Skeletten oder Abbildungen zu erlangen.</p>
-
-<p>K. von <em class="gesperrt">Weber</em> hat über diese <em class="gesperrt">sächsische Expedition nach Afrika</em>
-genaueres im Archiv für die Sächsische Geschichte (Bd. III, 1865) berichtet. Der
-Leiter der Expedition, <em class="gesperrt">Hebenstreit</em>, studierte in Leipzig Medizin und ward 1729
-Doktor. Durch den ihm befreundeten Leibmedikus von Heucher wurde er dem
-König empfohlen, dem er einen Plan einer Entdeckungsreise nach Afrika zur
-Erlangung seltener Tiere und Pflanzen entwickelte. Der Plan fand den Beifall des
-Königs, der Hebenstreit veranlaßte, sich tüchtige Reisegefährten auszusuchen. Er
-wählte als Zeichner Chr. Aug. Ebersbach, als Botanist Chr. Gottlieb Ludwig, als
-Anatomist Zach. Phil. Schulze, als Mechanist Joh. Heinr. Buchner, als Maler
-Chr. Friedr. Schuberth. In Hebenstreits Instruktion war bestimmt, daß er in
-Afrika »für die königlichen Cabinette und die Menagerie Thiere, Vögel, Kräuter,
-Blumen, Gewächse, Steine nebst anderen Dingen, für welche er eine aparte Spezifikation
-bekommen, sammeln solle« usw.; lebendige Tiere sollte er in mehreren Exemplaren
-kaufen und zu ihrer Wartung Leute annehmen oder Sklaven und Mohren kaufen.
-Er sollte flüchtig alle Sachen abmalen lassen und als Schildereien überschicken. Aus
-der Hofapotheke wurden ihm die nötigen Medikamente verabfolgt; außerdem erhielt
-er zwei Büchsen, zwei Flinten und zwei Paar Pistolen. Die Reisedauer war auf
-zwei bis drei Jahre bestimmt. Am 28. September 1731 wurde Hebenstreit durch den
-Kabinettsminister Grafen Brühl vereidigt und am 30. Oktober 1731 wurde von
-Leipzig aus die Reise angetreten. Am 24. Januar 1732 schifften sich die Reisenden
-auf einem englischen Schiffe nach Algier ein, dessen Dey die Fremdlinge wohlwollend
-aufnahm. Dem leidenden Sohne des Dey konnte Hebenstreit durch seine ärztliche
-Kunst helfen, und er erhielt als ärztliches Honorar eine junge Löwin und zwei
-Stachelschweine. Von der Stadt Algier reisten sie nach Blida und besuchten das
-Innere von Algier. In der Landschaft Amùrah erhielt Hebenstreit vom Aga einen
-jungen Löwen und einen jungen Bacheraluasch, <em class="antiqua">bubalum Aldrovandi</em> oder wilden
-Ochsen, »der die Gestalt eines Hirsches habe, dem er in allem gleiche, bis auf die
-Beine und Hörner, welche letztere denen der Gazelle gleichen«. Das noch junge Tier
-wurde mit der Milch einiger Ziegen, welche Hebenstreit kaufte, aufgezogen. Ein
-Marabout (Priester) beschenkte ihn ebenfalls mit einem Bacheraluasch, und zwar
-einem Weibchen. Hebenstreit hatte sich dem Aga angeschlossen, der mit zahlreicher
-bewaffneter Begleitung die Steuern eintrieb. Bei einer botanischen Exkursion<span class="pagenum" id="Seite_224">[224]</span>
-erlangte Hebenstreit ein Chamäleon, das ihm von sehr großer Seltenheit erschien.
-Am 26. Mai 1732 traf er wieder in Algier ein und sandte seine Tiere auf einem
-englischen Schiffe nach Marseille. Es waren ein junger Löwe, drei Bacheraluasche,
-die aber auf dem Schiffe starben, zwei Gazellen, zwei Strauße, zwei Genetten, zwei
-Frettchen, zwei afrikanische Hühner und ein schöner Falke. Zum Wärter bestellte
-er einen von ihm freigekauften Sklaven, den Chirurgus Renneberg aus Schleitz.
-Er selbst blieb noch in Algier, von wo aus er nach Konstantia, Tunis und Tripolis
-ging. An der Küste in der Nähe von Bona, lernte Hebenstreit auch die Korallenfischerei
-kennen. In Biserta gelang es ihm, verschiedene Tiere, wie Strauße und
-Flamingos, sowie auch schöne Pferde zu erlangen. Zwei Mitglieder seiner Gesellschaft
-ließ er nebst den Tieren in Tunis zurück und ging selbst mit drei Gefährten
-nach Tripolis. Am 19. Dezember 1732 schifften sich die Reisenden nach Malta ein,
-um am 1. Februar wieder nach Tunis zurückzukehren und von da aus ganz
-Numidien zu bereisen. In Zaguan bekam er zwei einjährige Löwen, welche die
-Einwohner in einer Höhle gefangengehalten hatten. In dem seichten Kanal, den
-die Insel Querquenor bildet, beobachtete Hebenstreit das Fischen der Schwämme und
-gelangte auch in den Besitz von acht Antilopen, die dort sehr häufig waren. In
-dem Wüstenorte Capra erhielt er ein von ihm Audét genanntes Tier, das von der
-Ziege die Hörner, vom Hirsch den Kopf, die wolligen Haare vom Schaf entlehnt
-zu haben schien. Von Tunis aus sandte Hebenstreit am 17. April 1733 seinen
-Gefährten Ludwig wegen dessen schwacher Gesundheit mit den erlangten Tieren und
-Sammlungen auf einem Hamburger Schiff nach Europa zurück. Ludwig wurde
-später in Leipzig Professor der Medizin und veröffentlichte als Ergebnis seiner
-Reiseerfahrungen eine <em class="antiqua">Epistola de vomitu navigantium</em>. Da Friedrich August I.
-am 1. Dezember 1733 gestorben war, wurde Hebenstreit von dessen Nachfolger
-Friedrich August II. zurückgerufen. Im Mai 1733 landete er in Marseille. Für
-das Kgl. Naturalien- und Raritätenkabinett brachte er eine reiche Sammlung von
-Pflanzen, Muscheln und anderen ausländischen Seltenheiten mit. Die Zahl der
-lebenden Tiere war im Verhältnis zu den Kosten und der Dauer der Reise gering.
-Dazu kam, daß eine große Anzahl Tiere noch auf der Seereise umkam, wie z. B.
-Antilopen, Chamäleons, zwei Strauße. Von lebenden Tieren gelangten mit Hebenstreit
-nach Hamburg: sieben Strauße, welche dann in einem Gehege bei Moritzburg
-untergebracht wurden, zwei bunte Esel (Zebras), einige Schafe mit großen Schwänzen
-und Hörnern, zwei guinäische Schafe, ein Tiger (!?), ein Löwe, ein Dabba oder
-afrikanischer Wolf, ein Dieb (afrikanischer Fuchs), zwei Stachelschweine, eine
-Demoiselle (Jungfernkranich), vier afrikanische Mäuse (wahrscheinlich Springmäuse),
-fünf guinäische Hühner, zwei Geier, ein Adler, drei Meerkatzen, zwei Affen, allerhand
-Tauben. In dem mitangeführten Tiger hat man wohl einen Leopard zu
-vermuten, da die Verbreitung der Tiger auf Asien beschränkt ist.</p>
-
-<p>Hebenstreit wirkte dann bis zu seinem im Jahre 1757 erfolgten Tode in der
-medizinischen Fakultät der Universität Leipzig als Professor der Pathologie und Therapie.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-027">
- <img class="w100" src="images/illu-027.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 2 <b>Abbildung des Jägerhofes</b> (aus Weck, Churf. Sächs. Residenz u. Haupt Vestung, Dresden 1685)</div>
-</div>
-
-<p>Die Bedürfnisse für die Tiere wurden meist durch den Oberhofjägermeister
-beim Kammerkollegium beantragt, und zwar für jedes Tier einzeln. Jedoch
-kümmerte sich König August der Starke persönlich eingehend um die Angelegenheiten<span class="pagenum" id="Seite_226">[226]</span>
-des Jägerhofes und ließ sich Bericht erstatten. Das tägliche Deputat für
-einen Löwen betrug acht Pfund Rindfleisch, ebenso für den Leoparden; für den
-Tiger waren fünf Pfund Rindfleisch bewilligt, für den afrikanischen Fuchs wurden
-täglich zwei Groschen Verpflegungsgeld bewilligt, für einen Affen ein Groschen.
-Ein Luchs erhielt drei Pfund Rindfleisch. Für die Verpflegung des Stachelschweins,
-von dem übrigens ein Paar vorhanden war, waren zwei Groschen täglich
-ausgesetzt. Diese hatten sich wiederholt vermehrt, und so wurde für jedes Junge,
-nachdem es selbständig geworden war, ein Groschen bewilligt. Indes die mit der
-Auszahlung des Geldes beauftragten Beamten scheinen sehr säumig gewesen zu sein,
-da sich der mit der Verpflegung der Stachelschweine betraute Löwenwärter Naumann
-mehrfach an den König selbst wendet und um Auszahlung des rückständigen
-Verpflegungsgeldes bittet. Trotz der großen Summen, die die Unterhaltung der
-Jägerei kostete, war man doch bestrebt, möglichst sparsam zu wirtschaften, wie aus
-folgendem Aktenstück hervorgeht.</p>
-
-<div class="blockquot">
-<p>
-»Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König und Herr!
-</p>
-
-<p>Ew. Kgl. Majestät und Churf. Durchlaucht haben zwar dem am 16. Okt.
-verwichenen Jahres in dero Löwenhaus anhero gebrachten Leopard zur tägl.
-Unterhaltung 8 Pfund Schöpsenfleisch allergnädigst geordnet, welches ich auch bis
-ultimo Dezember verwichenen Jahres um denjenigen Preyß, davor 14 Pf. gleichwie
-das Rindfleisch mir bezahlet wird, an den Löwenwärter geliefert. Nachdem aber
-bekannt, daß besagtes Schöpsenfleisch jedesmahl im Sommer im Preyß zu steigen
-pfleget, daß solches vielmahls das Pfund zu 18, 20 und mehr Pfennigen zu stehen
-kommt, welches dann bei heuriger notorischen Theuerung umb so viel mehr zu
-besorgen stehet, ich aber erwehntes Schöpsenfleisch um besagten Preyß weiter nicht
-zu liefern vermögend bin. Und aber der Löwenwärter vermöge beiliegenden
-Attestates vorzugeben weiß und anführet, wie das Rindfleisch diesem Leopard zur
-Speisung viel zuträglicher als Schöpsenfleisch sei, indem er hierdurch besser gedeyen
-und Kraft bekäme, überlasse zu Ew. Kgl. Majestät allergnäd. resolution, ob dieselbe
-geruhen wolle, statt des in der Verordnung enthaltenen Schöpsenfleisches nunmehro
-Rindfleisch, welches ich das ganze Jahr über vor 14 Pf. zu liefern verbunden bin,
-allergn. zu verwilligen und solches vom 1. Januar a. c. den Anfang nehmen lassen.</p>
-
-<p>
-Dresden 1. Febr. 1727.
-</p>
-
-<div class="bright0">
-<p class="center">
-Ew. Kgl. Maj. u. Churf. Durchlaucht<br />
-Johann Georg Geym, Hofmetzger.«
-</p>
-</div>
-</div>
-
-<p>Mit Bezug auf vorstehendes berichtet der Löwenwärter Christian Naumann:
-»Ein leobardt ist Anno 1726 den 16. oktober inß Königs Löwenhauß gebracht
-worden. Darauf ist täglich gegeben worden 8 Pf. Schebsenfleisch, nachdem aber
-solch fleisch nicht umb den Preiß kan geliefert werden, so hab ich dem leobardt
-Rindfleisch gegeben und befindet sich bey Rindfleisch besser als bei Schebsenfleisch.
-Dahero ich bei dem Hofmetzger angehalten umb Rindfleisch, bekam auch solches
-richtig und ist der anfang gemacht worden.«</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-029">
- <img class="w100" src="images/illu-029.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 3 <b>Das Landesmuseum für Sächsische Volkskunst</b></div>
-</div>
-
-<p>In den Streckenberichten erscheinen zum ersten Male ausländische Tiere, die
-bei Kampfjagen usw. verwandt wurden, bei Johann Georg II., welcher fünf Löwen,
-vier Löwinnen, zwei Tiger, vier Affen erlegte; bei Johann Georg III. erschienen<span class="pagenum" id="Seite_228">[228]</span>
-ein Löwe, ein Leopard, ein Panther im Streckenbericht, während König August
-der Starke drei Löwen, zwei Panther, fünf Tiger, sechs Affen, ein Tier »Menschenfresser«
-genannt, und ein Stachelschwein (!) zur Strecke brachte.</p>
-
-<p>Daß der Verkehr mit den wilden Tieren auch im Jägerhofe nicht ohne Gefahr
-für die Wärter war, zeigt folgender dem »Sammler« entnommener Bericht: »An
-bestimmten Tagen wurden diese Tiere aus ihren Tierkästen gelassen, um diese von
-Unrat zu reinigen; nachher trieb man sie wieder in ihr Behältnis und legte ein
-Schloß vor die Tür. An einem Tage läßt man einen Tiger aus Unvorsichtigkeit
-aus dem Kasten bleiben, welcher sich in einem Winkel des Tiergartens versteckt
-hatte. Der Hüter begibt sich, seiner Verbindlichkeit nach, nach dem Tiergarten und
-wird plötzlich von dem Tiger, der sich aufrichtet, angefallen. Die Gefahr flößt dem
-Manne eine außerordentliche Herzhaftigkeit ein. Er ergriff mit der linken Hand
-den Hals dieser Bestie und hat noch Entschließung genug, um dem Tiere geschwinde
-die Luftröhre zusammenzudrücken. Er greift auch mit der rechten Hand zu und
-drängt mit solcher Gewalt seine Brust an die Brust des Tieres, daß dieses weder
-mit seinen Zähnen noch mit seinen Tatzen dem Leibe des Hüters schaden konnte.
-In diesem kläglichen Zustande stunden sie beide vier oder fünf Minuten gegeneinander
-angeklemmt. Endlich verzweifelt der Hüter an der längeren Fortdauer seiner Kräfte,
-ließ die Bestie plötzlich mit aller Macht aus seinen Händen und stieß sie weit
-zurück. In dieser Bestürzung wich sie geschwind nach dem Winkel des Kastens
-und ließ ihrem Überwinder Zeit genug, um in der Flucht wiewohl halbtot die
-Türe zu erreichen. Eben dieser Hüter mußte sich 1738 mit einer starken Meerkatze
-oder einem Affen herumschlagen, welche sich von der Kette losgerissen hatte.
-Dieser Kampf fiel so unglücklich aus, daß er mit großer Not mit dem Leben
-davon kam. Seine rechte Hand ward abscheulich zugerichtet und er lag sehr
-lange krank.«</p>
-
-<p>Mit König August III. war der Höhepunkt der sächsischen Jägerei erreicht,
-wenigstens was den Aufwand für dieselbe betrifft. König Friedrich August der
-Gerechte liebte zwar die Jagd auch, aber seiner einfachen sparsamen Natur entsprach
-auch ein einfacher Jagdbetrieb. Beim Jägerhof waren 1826 noch folgende Offizianten
-angestellt: ein Jagdzeughauswagenmeister, ein Jäger bei den Hunden, ein Jägerhausbursche,
-ein Rauchmeister, acht Jagd- und Zeugdiener, ein Pirschkarrenknecht,
-zwölf Jagdstalleute, ein Hundsbursche. Dazu kamen noch sieben Jagdhandwerker.
-1830 wurde der Jägerhof in eine Kavalleriekaserne umgewandelt. Über das fernere
-Schicksal des Jägerhofes geben die beiden folgenden Schriftstücke Auskunft. Das
-erste, ausgestellt am 12. September 1837, lautet: »Unter der Regierung Sr. Majestät
-des König Friedrich August II. wurde im Jahre 1837 der Reiterkasernenflügel <em class="antiqua">E</em>
-nebst den daran befindlichen Thürmen mit Blitzableitern versehen, und deshalb die
-Spillen und Knöpfe letzterer abgenommen und so wie die Dächer repariret, wobey
-die darinn vorgefundenen älteren Nachrichten hiermit wieder im Originale beygelegt
-worden. Wir fügen noch nachrichtlich bey, daß im Jahre 1831 unter der Regierung
-Sr. Maj. des höchstsel. Königs Anton, der bis dahin bestandene Jägerhof mit
-Ausschluß der Kreis-Oberforstmeisterwohnung, an die Militärbehörde abgetreten,
-die alten unpassenden und höchst schadhaften Gebäude, bis auf den Flügel <em class="antiqua">E</em> und <em class="antiqua">F</em><span class="pagenum" id="Seite_229">[229]</span>
-nebst dem alten Zeugschuppen, abgetragen und aus den gewonnenen Räumen die
-Flügel <em class="antiqua">A</em> <em class="antiqua">B</em> <em class="antiqua">C</em> und <em class="antiqua">D</em>, sowie das Reitbahngebäude und Arresthaus, nach dem Entwurfe
-und unter der Oberleitung des damaligen Commandanten des Ingenieur-Corps
-und Direktors des Militär-Oberbauamts, Oberstleutn. Johann Carl Anton Ulrich
-neu erbauet wurden … Die Reparatur der Thürme besorgte der Schieferdecker
-Johann Friedrich Streubel.«</p>
-
-<p>Und endlich in einem aus dem Jahre 1858 stammenden Aktenstück heißt es:
-»Als Ergänzung zur Geschichte des ehemaligen Jägerhofes, derzeit Neustädter Reiter-Caserne
-genannt, über dessen Einrichtung die Urkunde vom 12. Sept. 1837 das
-Nähere besagt, ist noch zu erwähnen, daß der im Jahre 1831 stehengebliebene alte
-Jagdzeugschuppen im Jahre 1851 abgetragen und an dessen Stelle ein neuer Flügel
-unter der Bezeichnung ›Flügel <em class="antiqua">G</em> der Neustädter Reiter-Caserne‹ zu erbauen
-angefangen worden ist. In demselben Jahre 1851 wurde auch die große Hälfte
-des Flügels <em class="antiqua">E</em> der Neustädter Reiter-Caserne zu Lokalitäten einer allgemeinen
-Offiziers-Speiseanstalt für die Dresdner Garnison eingerichtet, welche sich bisher
-im Flügel <em class="antiqua">F</em> derselben Caserne befanden. Zu erwähnen ist noch, daß bei Umwandlung
-des Jägerhofs in die Reiter-Caserne der sogen. ›kleine Jägerhof‹ zu einer Pionier-Kaserne
-eingerichtet wurde, bestehend aus einem Vordergebäude, dem Hintergebäude
-und zwei Stallgebäuden …« Mit der Verlegung der Kasernen in die sog.
-Albertstadt wurde ein Gebäude nach dem andern des alten Jägerhofes abgebrochen,
-bis auf eins, in dem sich nach einem zweckmäßigen Umbau das im September 1913
-eröffnete <em class="gesperrt">Landesmuseum für Sächsische Volkskunst</em> befindet.</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Das_obere_saechsische_Erzgebirge">Das obere sächsische Erzgebirge</h2>
-</div>
-
-<p class="center">Wanderbilder aus der Heimat von <em class="gesperrt">Max Esch</em></p>
-
-<p class="center">Bilder von <em class="gesperrt">A. Heinicke</em>, Freiberg</p>
-
-<p>Der Tiefstand der deutschen Mark hat der regelmäßig vor dem Kriege eintretenden
-Reisewut ins Ausland jetzt einen jähen Riegel vorgeschoben, von welcher
-Tatsache die landschaftlich hervorragenden Gegenden Deutschlands, namentlich auch
-die Gebirge, den meisten Vorteil hatten. Noch nie hat unser Erzgebirge einen
-solch starken Fremdenstrom zu verzeichnen gehabt, wie in diesem Sommer. Namentlich
-das obere Erzgebirge und die dortigen drei einzelnen Berge wiesen Massenbesuch
-auf, aber auch stille, verschwiegene Winkel in Seitentälern wurden nicht
-übersehen, und jedermann war des Lobes voll von den Schönheiten, dem steten
-Auf und Ab des Gebirges.</p>
-
-<p>Das Erzgebirge mit seiner herben Schönheit – im Reiche noch leider viel zu
-wenig gewürdigt, denn der Massenbesuch in diesem Sommer entstammte in der
-großen Hauptsache aus Sachsen – besitzt ja auch so viele Gegenden, die wohl
-verdienen, aufgesucht zu werden. So bringt die Bahn den Fremden von<span class="pagenum" id="Seite_230">[230]</span>
-<em class="gesperrt">Flöha</em> – an der Dresden–Chemnitzer Hauptbahnlinie gelegen – bereits in eines
-der schönsten deutschen Mittelgebirgstäler, das der mittleren <em class="gesperrt">Zschopau</em>, und gibt
-ihm so förmlich einen Hinweis auf das, was seiner nun wartet.</p>
-
-<p>Durch ein enges, vielfach gewundenes Tal mit turmhohen üppig bewaldeten
-Felsenwänden, die auch vielfach nackte, zerfurchte basteiartige Vorsprünge und
-Felsnasen aus dem umrahmenden Grün hervorstrecken, fährt die Bahn, fast
-immer nur wenige Meter über dem Zschopauspiegel bleibend und den Windungen
-des wild dahinstürmenden Flüßchens folgend, ins Gebirge hinein, an den ältesten
-Siedlungen des Erzgebirges vorüber. Von links grüßt aus einer Talspalte bei
-Erdmannsdorf, nur wenige Kilometer hinter Flöha, die Wartburg des Erzgebirges,
-die <em class="gesperrt">Augustusburg</em>, nach der hinauf eine Drahtseilbahn führt, mit ihren
-kompakten Türmen nach dem Zschopautal hinüber. In malerisch schöner Umgebung
-liegt das Städtchen <em class="gesperrt">Zschopau</em> in dreihundertsiebzig Metern Höhe. Die Gründung der
-Burganlage in dem Städtchen, <em class="gesperrt">Wildeck</em>, wird dem Sachsenherrscher Heinrich I.
-zugeschrieben. Noch heute heißt der älteste Teil der Burganlage (zwischen 920
-und 930 erbaut), der auf dem Hofe stehende Burgfried, der »dicke Heinrich«.
-Sonst können uns die kleinen Häuschen des Städtchens, wie überhaupt die in
-allen Gebirgsorten zumeist nicht viel Charakteristisches zeigen. Die Nöte des
-Dreißigjährigen Krieges haben auch die alten Siedlungen im Erzgebirge nicht verschont,
-in ihnen ging das wertvolle Alte an Gebäuden zu Grunde, an deren Stelle
-trat ärmliches, nüchternes Bauwerk.</p>
-
-<p>Man tut gut, in Zschopau die Reise zu unterbrechen, um eine Fußwanderung
-zschopauaufwärts bis Wolkenstein durch den romantischsten Teil des Flußtales
-zu unternehmen.</p>
-
-<p>Über <em class="gesperrt">Scharfenstein</em> mit seinem hoch oben liegenden alten Schlosse, das
-nach dem großen Brande im Mai 1921 wieder in alter Gestalt erstanden ist, führt
-der Weg. Auch die Burg Scharfenstein reicht in ihren ältesten Anfängen bis in
-die frühesten Jahrhunderte zurück. Sie wird dann in der Geschichte 1312 erwähnt,
-als Friedrich der Freudige sie erstürmte. Seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
-befindet sie sich im Besitz des v. Einsiedelschen Geschlechtes. Weiter ist
-Scharfenstein auch der Geburtsort des in ganz Sachsen bekannt gewordenen
-kühnen Wildschützen <em class="gesperrt">Karl Stülpner</em>, dessen abenteuerliches Leben in den
-Schluchten und Wäldern des Gebirges vom Volke mit dem Mantel der Romantik
-umgeben wurde.</p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-033">
- <img class="w100" src="images/illu-033.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 1 <b>Schloß Wildeck</b> (Zschopau)</div>
-</div>
-
-<p>Hinter Hopfgarten beginnt die sogenannte <em class="gesperrt">Wolkensteiner Schweiz</em> mit
-ihrem prächtigen Hochwalde, den pittoresken Felsgebilden und Steilwänden. Straße
-und Bahn führen unmittelbar an der Zschopau entlang. Vor Wolkenstein liegt
-in einem Seitentale das <em class="gesperrt">Warmbad Wolkenstein</em>, das schon im dreizehnten
-Jahrhundert durch seine heißen Heilquellen von sich reden machte und das
-unzähligen Leidenden die Gesundheit wieder brachte. <em class="gesperrt">Wolkenstein</em> selbst liegt
-weiter flußaufwärts. Hoch oben erhebt sich das Städtchen auf steiler, grünumsponnener
-Felsenwand noch heute im Schutze des alten trutzigen Schlosses,
-überragt von dem alten Kirchlein. Vierhundertneunzig Meter am rechten Ufer
-der Zschopau thront Wolkenstein hoch, während der Marktplatz zwanzig Meter<span class="pagenum" id="Seite_232">[232]</span>
-tiefer und der Bahnhof gar nur dreihunderteinundneunzig Meter, also fast hundert
-Meter tiefer, gelegen ist. Wuchtig blickt die altersgraue Burganlage, die bereits
-im elften Jahrhundert in ihren Grundrissen erbaut worden ist, über die Stadt
-weit ins Tal hinein. Wir befinden uns hier an einer der ältesten Siedlungen des
-Erzgebirges, an einem ehemaligen Zentralpunkte. Es ist so interessant hier, daß
-sich der Naturfreund nur schwer von diesem wunderbaren Erdenfleckchen trennen
-kann. Die Wanderung von Zschopau aus beansprucht nur einige Stunden, so
-daß es ratsam erscheint, noch weiter nach <em class="gesperrt">Wiesenbad</em> – ebenfalls Heilbad –
-im Tale durch den schönen Fichtenhochwald und vielfach auch an der Zschopau
-entlang, zu wandern. Prächtige Landschaftsbilder erblickt der Wanderer auch hier
-in reicher Fülle, so daß die mehrstündige Wanderung wie im Fluge verstrichen
-ist. Halbwegs zwischen Wolkenstein und Wiesenbad mündet das romantische
-<em class="gesperrt">Preßnitztal</em> in das der Zschopau. Den Besuch dieses Tales, das von
-Wolkenstein aus durch eine Kleinbahn nach Jöhstadt erschlossen ist und eine
-gute Straße im Grunde des Tales aufweist, sollte sich kein Besucher des
-Erzgebirges entgehen lassen.</p>
-
-<p>Von Wiesenbad an würde ich bis Annaberg die Benützung der Bahn vorschlagen.
-Zwar interessant ist auch das Zschopautal bis Schönfeld-Wiesa noch, und
-ebenso das Sehmatal, in das die Bahnlinie dann einmündet, doch den schönsten
-Teil hat der Wanderer, der meinem Ratschlage gefolgt ist, bereits hinter sich.</p>
-
-<p>Schnell genug erblickt der Reisende den Hauptort des oberen Erzgebirges am
-Westabfall des achthundertzweiunddreißig Meter hohen <em class="gesperrt">Pöhlberges</em>, dessen
-wuchtiger und umfangreicher Fuß sich aus dem Sehma- und aus dem östlich
-benachbarten Pöhlbachtal erhebt, um sich nach oben kegelartig zuzuspitzen und
-schließlich zu einer gegen hundert Meter abfallenden breiten tafelförmigen
-Basaltkuppe auszuwachsen, die mit ihrem dichten Fichtenhochwalde, von einem
-der benachbarten Berge gesehen, einer riesigen Pelzmütze gleicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Annaberg</em> mit seinen gegen zwanzigtausend Einwohnern bildet in jeder
-Weise den geschäftlichen und gesellschaftlichen Zentralpunkt des oberen Gebirges.
-Es liegt hoch über dem Sehmatal und zieht sich den Hang nach dem Pöhlberge
-zu hinauf, klettert auch stellenweise mit seinen Häuschen ins Tal hinab, doch der
-Reisende erblickt das freundliche Stadtbild mit dem hohen Turm der St. Annenkirche,
-dem niederen des Bergkirchleins, dem Rathausturm und dem gelblichroten
-neuen und umfangreichen Seminargebäude als zusammenhängendes Ganzes auf
-dem Bergrücken über dem Tal, überragt von dem dunklen Pöhlberge mit seinem
-hellen Unterkunftshause und dem dreißig Meter hohen Aussichtsturm. Posamenten-,
-Präge-, Kartonnagen-Industrie, Perldrechslerei, Perltaschenfabrikation und -handel,
-Pappen- und Papierfabrikation, letztere im Tale, wo auch Holzschleifereien vorhanden
-sind, bilden die Erwerbszweige der Bevölkerung. Annaberg liegt über
-sechshundert Meter hoch.</p>
-
-<p>Kein Besucher Annabergs sollte sich bei klarem Wetter die Besteigung des
-Pöhlbergs, der von den drei einzelnen oberen Basaltbergen allein einen gut instand
-gehaltenen Rundgang um den ganzen Berg aufweist, entgehen lassen. Er genießt
-von dem Aussichtsturm einen umfassenden Rundblick über das ganze Erzgebirge<span class="pagenum" id="Seite_233">[233]</span>
-und weit ins Tiefland hinein. Sehenswert ist auch das Innere der Annenkirche
-und das gegenüberliegende Erzgebirgsmuseum.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-035">
- <img class="w100" src="images/illu-035.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 2 <b>Blick auf Oberwiesenthal</b></div>
-</div>
-
-<p>Daran, daß Annaberg dem Erzbergbau seine Entstehung und Blüte verdankt,
-wie auch die Schwesterstadt <em class="gesperrt">Buchholz</em>, erinnern in der Gegend noch zahlreiche
-alte Halden, die mit ihrem Buschwerk und Baumbestand namentlich den westlichen
-Sehmahöhen, gegenüber von Buchholz und Annaberg, einen parkartigen
-Anstrich geben. Gegenüber von Annaberg, am Fuße des sechshundertsechsundsechzig
-Meter hohen Schreckenberges, von dem man einen prächtigen Überblick
-über das zusammenhängende Bild Annaberg–Frohnau–Buchholz–Cunersdorf
-hat, liegt ebenfalls ein Zeuge aus jenen fernen Glanztagen, der <em class="gesperrt">Frohnauer
-Hammer</em>, der das älteste deutsche Hammerwerk, das in seiner ursprünglichen
-Gestalt auf uns überkommen ist, enthält. Er wird bereits um 1300 herum als
-Mühlwerk urkundlich erwähnt. Seine Entstehung aber läßt sich nicht nachweisen.
-Aus der Mühle wurde zunächst ein Silber-, dann ein Kupferhammer und schließlich
-ein Eisenhammer. Die drei alten Hämmer sind noch in ursprünglicher Gestalt
-vorhanden, ebenso die beiden großen Schmiedefeuer mit den riesigen Holzblasebälgen.
-Sehenswert ist auch das ehemalige, 1697 erbaute Herrenhaus mit dem reichen
-Holzwerk, den Holzdecken und dem dreistöckigen hohen Schieferdach. Es befindet
-sich jetzt die weit im Gebirge bekannte gemütliche Hammerschenke (Pächter
-Max Lorenz), in der besonders erzgebirgische Lieder zur Laute gepflegt<span class="pagenum" id="Seite_234">[234]</span>
-werden, in dem Gebäude. Der Hammer ist in Heft 5, Band I 1909, dieser
-Zeitschrift eingehend gewürdigt.</p>
-
-<p>Von Annaberg sollte niemand versäumen, dem angrenzenden Buchholz einen
-Besuch abzustatten. Beide Städte stoßen aneinander. Tief unten, wohl gegen
-hundert Meter tiefer, windet sich die Sehma in engem Tale dahin, überall eingeengt
-von steiler baumbewachsener Felsenwand. <em class="gesperrt">Buchholz</em> zählt nicht ganz
-zehntausend Einwohner und kann die gleiche Industrie wie Annaberg aufweisen.
-Es ist, was sein Stadtbild betrifft, eins der interessantesten Städtchen Sachsens.
-Die Häuser ziehen sich terrassenartig die Bergwände, namentlich die an der westlichen
-Seite, steil hinauf, so daß es den Anschein erweckt, als ob sieben und noch mehr
-ganz stattliche Gebäude übereinanderstehen. Während die Talstraße an der Sehma eine
-Höhenlage von gegen fünfhundertzwanzig Metern hat, weist die Höhenmarke am
-Rathause fünfhundertachtundfünfzig Meter auf, und die alte Schlettauer Straße
-mit ihren Häuschen steigt die steile Wand bis auf gegen siebenhundert Meter hinan.
-Im Mittelpunkt aber liegt die Katharinenkirche mit ihrem reichgegliederten Turme.
-Von Buchholz aus kann die Weiterfahrt ins obere Gebirge nun vom Bahnhof
-Königstraße oder vom Buchholzer Hauptbahnhofe fortgesetzt werden.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-036">
- <img class="w100" src="images/illu-036.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 3 <b>Erzgebirgler bei Oberwiesenthal</b></div>
-</div>
-
-<p>Durch das Sehmatal geht die Fahrt aufwärts durch Sehma und Cranzahl
-hindurch. In <em class="gesperrt">Cranzahl</em> zweigt die Schmalspurbahn nach Oberwiesenthal ab,
-während die Hauptbahn in einem großen Bogen um den Fuß des achthundertachtundneunzig<span class="pagenum" id="Seite_235">[235]</span>
-Meter hohen bewaldeten <em class="gesperrt">Bärensteins</em> herum nach Bärenstein
-und weiter nach Weipert fährt. Der Bärenstein ähnelt in seinem Aussehen und
-dem westlichen Steilabsturz nicht nur dem Pöhlberge, sondern auch dem westlich
-an der oberen Zschopau sich erhebenden achthundertsieben Meter hohen <em class="gesperrt">Scheibenberge</em>.
-Die Entfernung zwischen Bärenstein und Pöhlberg beträgt in der Luftlinie
-sechseinhalb Kilometer, die zwischen Bärenstein und Scheibenberg sieben Kilometer.
-Durch eine Linie verbunden bilden die drei Berge ein Dreieck. Auch die letzteren
-beiden besitzen Unterkunftshäuser mit je dreißig Meter hohen Aussichtstürmen.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-037">
- <img class="w100" src="images/illu-037.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 4 <b>Altes Fachwerkhaus bei Zwönitz</b></div>
-</div>
-
-<p>Von Cranzahl aus bringt die Kleinbahn uns durch das wohl eine Meile
-lange <em class="gesperrt">Neudorf</em> im Sehmatale nach dem höchsten Städtchen Deutschlands, <em class="gesperrt">Oberwiesenthal</em>,
-an den Fuß der Kuppe des Fichtelberges, die sich nur gegen
-dreihundert Meter höher erhebt und von Oberwiesenthal aus bequem zu ersteigen
-ist. Es ist eine interessante Bergfahrt, die namentlich, wenn die Bahn die
-Fichtelbergvorberge, vom Sehmatale abbiegend, erklettert, von hohem landschaftlichen
-Reize ist.</p>
-
-<p>Gleich einer dunklen senkrecht aufstrebenden Mauer erheben sich die Vorberge
-des Fichtelberges aus dem Sehmatalkessel bis zu eintausendfünfzig Meter, abgerahmt
-von dem dunklen stumpfen Kegel des eintausendzweihundertfünfzehn Meter hohen
-<em class="gesperrt">Fichtelbergs</em> und dem gegen dreißig Meter höheren des benachbarten böhmischen
-<em class="gesperrt">Keilbergs</em>.</p>
-
-<p>Die Gegend um den Fichtelberg weist auch an klaren Herbst- und Wintertagen
-einen regen Verkehr auf. Bei den Schneeschuhläufern ganz Deutschlands sind die<span class="pagenum" id="Seite_236">[236]</span>
-weiten Hänge um den Berg beliebt. In schneereichen Wintern gibt der Fremdenverkehr
-in Oberwiesenthal dem in den Sommer- und Herbstmonaten kaum viel
-nach, da außer den Wintersportlern auch Naturfreunde die weiße Bergespracht zu
-schätzen wissen, das Zauber- und Feenreich, das der Winter mit seiner dicken
-Schnee- und Eisdecke hier aufbaut. Freilich, den Fichten und den Kronen der
-übrigen Bäume hier oben rasiert die Schneelast nur zu oft ganze Seiten fort, so
-daß die Bäume hier oft ein merkwürdiges Aussehen angenommen haben.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-038">
- <img class="w100" src="images/illu-038.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 5 <b>Beim Klöppeln</b></div>
-</div>
-
-<p>Umfassend aber ist bei klarer Sicht der Rundblick vom dreißig Meter hohen
-Turme des Unterkunftshauses. Da liegt das ganze Erzgebirge um uns ausgebreitet,
-zu unseren Füßen die drei Wiesenthal: Ober- mit Unter-, Böhmisch- und Hammer-Unterwiesenthal.
-Im Westen blauen in der Ferne einzelne Thüringer und Harzberge
-in schwachen Umrissen, im Osten reichen die Blicke bis nach dem Lausitzer Gebirge,
-überall aber um uns liegt das Erzgebirge mit seinen Bergen, Graten, welligen
-Hochflächen und gewundenen Tallinien, erheben sich Ortschaften unter grauen
-Schieferdächern in unendlicher Zahl, deren Namen niemand zu nennen weiß.</p>
-
-<p>Oberwiesenthal, das auch nach seiner Verschmelzung mit Unterwiesenthal
-noch nicht dreitausend Einwohner zählt, kann für sich den Ruhm in Anspruch nehmen,
-das höchstgelegenste Städtchen Deutschlands zu sein (neunhundertachtzehn Meter).
-Es liegt am tiefeingeschnittenen Grenz-Pöhlbachtale und bildet mit den benachbarten<span class="pagenum" id="Seite_237">[237]</span>
-Ortschaften dies- und jenseits des Bachlaufes fast eine zusammenhängende Linie
-bis nach dem deutsch-böhmischen Städtchen <em class="gesperrt">Weipert</em>, dem Bärenstein gegenüber.</p>
-
-<p>Die kleinen, zumeist in hellen Farbtönen gehaltenen Häuschen Oberwiesenthals
-mit den niedrigen Fenstern und den grauschwärzlichen Schieferdächern scheinen sich
-um die weiße stattliche Kirche mit dem hohen Turm und um das Rathaus im
-Rechtecke zu gruppieren. Sie bieten nicht viel des Interessanten, heimeln aber
-gerade ihrer Schlichtheit wegen ungemein an. Dem Fremdenverkehr entsprechend besitzt
-das Städtchen eine ganze Anzahl einfacher und auch vornehmerer Unterkunftsstätten,
-von denen das stattliche Sporthotel und das Fichtelberg-Unterkunftshaus auch den
-verwöhntesten Ansprüchen genügen können, ersteres auch hinsichtlich der Preise.
-Oberwiesenthal verdankt seine Gründung gleich Annaberg und Buchholz dem Silberbergbau,
-der indes im ganzen oberen Erzgebirge schon vor langen Zeiten eingestellt
-worden ist. Jetzt gibt einige Industrie und der lebhafte Fremdenverkehr der
-Bewohnerschaft Verdienstmöglichkeiten. In Oberwiesenthal wirkte auch der Malermeister
-<em class="gesperrt">Hertel</em>, der sogenannte erzgebirgische »Herrgottschnitzer«, dessen Weihnachtsberge
-weit über Sachsen hinaus einen guten Ruf genossen. Nach einem arbeitsreichen
-Leben hat er im vergangenen Jahre die müden Augen für immer geschlossen.
-Schüler des Meisters setzen sein Werk fort. Das Stadtbild Oberwiesenthals
-wird recht wirkungsvoll abgerahmt durch die langgestreckten Keilberg- und
-Fichtelbergrücken.</p>
-
-<p>Vom Fichtelberge aus haben ihren Ursprung die große <em class="gesperrt">Mittweida</em>, die
-nach Nordwesten abfließt, <em class="gesperrt">Zschopau</em>, <em class="gesperrt">Sehma</em> und <em class="gesperrt">Pöhlbach</em>, die beinahe
-nördlich in gewundene Täler hinabeilen. Gute Straßen führen hinab nach
-<em class="gesperrt">Crottendorf</em> ins obere Zschopautal, ins Sehma- und Pöhlbachtal, so daß der
-Abstieg vom Fichtelberg nach allen Richtungen aus angetreten werden kann, da
-außer den eben genannten Straßen auch solche nach dem <em class="gesperrt">Keilberg</em> und nach
-<em class="gesperrt">Gottesgab</em> ins Böhmische hineinführen. Über Crottendorf gelangen wir über
-den <em class="gesperrt">Scheibenberg</em> mit seiner prachtvollen Fernsicht über das westliche Gebirge
-nach dem an seiner Kuppe nur etwas über einhundertfünfzig Meter niedriger
-liegenden gleichnamigen Städtchen, von dort in das schöne Mittweidatal über Ober-
-und Unter-Scheibe nach Mittweida-Markersbach, Raschau, Grünstädtel nach
-<em class="gesperrt">Schwarzenberg</em> ins romantische Schwarzwassertal. Eine reichliche Tagestour
-aber ist dazu erforderlich. Bilder hoher Romantik und solche wunderbarer
-Lieblichkeit wechseln in steter Folge. Von Schwarzenberg ist es bis <em class="gesperrt">Aue</em> nicht
-allzu fern. Beide Städte liegen an der Werdau–Zwickau–Aue–Buchholz–Annaberger
-Bahnlinie, die das Erzgebirge von Westen erschließt. Es würde den Raum
-aber weit überschreiten heißen, wollte ich hier des Näheren auf diese Route eingehen.</p>
-
-<p>Die Wege ins Sehmatal und in das des Pöhlbaches bringen uns wieder den
-alten Weg zurück, den wir gekommen sind. Nur daß das Pöhlbachtal weiter
-östlicher verläuft und in Sachsen nach <em class="gesperrt">Bärenstein</em> noch <em class="gesperrt">Königswalde</em>, in
-prächtiger Talmulde gelegen, <em class="gesperrt">Geyersdorf</em> am Ostfuße des Pöhlberges aufzuweisen
-hat.</p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-040">
- <img class="w100" src="images/illu-040.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 6 <b>Der Frohnauer Hammer</b></div>
-</div>
-
-<p>Eine prachtvolle Wanderung, hart an der Grenze entlang führt uns von
-Bärenstein aus durch schönen Fichtenhochwald über Berg und Tal nach dem<span class="pagenum" id="Seite_238">[238]</span>
-Grenzstädtchen <em class="gesperrt">Jöhstadt</em> (siebenhundertneunundvierzig Meter). Es liegt zum Teil
-tief unten im Schwarzwassertale, teils oben auf der Höhe und zeigt den Charakter
-eines echten Erzgebirgsstädtchens. Das forellenreiche, über Felsgestein einhertollende
-Schwarzwasser stürmt der Preßnitz zu, das es bei <em class="gesperrt">Schmalzgrube</em> erreicht.
-Höhenzüge, Bergkuppen und -wellen von achthundertzwölf, achthundertsiebenundzwanzig,
-siebenhundertvierundneunzig, siebenhunderteinundachtzig, siebenhundertachtundachtzig,
-achthundertachtundfünfzig, achthunderteinundzwanzig Metern Höhe geben<span class="pagenum" id="Seite_239">[239]</span>
-uns mit ihren dunklen Waldbekrönungen das stete Geleit auf dieser Wanderung
-nach dem Preßnitztal.</p>
-
-<p>Schmalzgrube selbst besteht nur aus wenigen im Walde fast versteckten und
-verstreuten Häusern und Gehöften und ist von allen Seiten von Bergen umschlossen.
-Ruhe und Einsamkeit kann der Naturfreund in diesem Tale auskosten
-und daneben ladet die Schönheit der Natur, die köstlich reine Höhenwaldluft, die
-durch keinen Essenrauch verpestet wird, unwillkürlich zum Verweilen ein. Wald
-und Berge, soweit das Auge reicht!</p>
-
-<p>Gern wird man in dem freundlichen Ort übernachten, um am nächsten
-Morgen eine Talwanderung nach Wolkenstein anzutreten oder aber mit der Kleinbahn
-dorthin zu fahren, denn auch diese führt das Tal, nur wenige Meter über
-der Preßnitz gelegen, und den vielen Windungen des Flüßchens treu folgend, hinab.</p>
-
-<p>Das Preßnitztal mit seinen hohen Talwänden gehört zu den Perlen des
-oberen Erzgebirges und sollte viel mehr aufgesucht werden. Es besitzt romantische,
-aber noch mehr idyllische Reize auf engem Raume vereint und trägt bald Thüringer
-Charakter. Ich möchte es mit dem oberen Schwarzatale zwischen Katzhütte und
-Schwarzburg vergleichen. Schmale Bachtäler münden zudem von allen Seiten in
-das Tal und gestalten die Szenerie noch mannigfaltiger. Dazu kommt, daß das
-sächsische Preßnitztal von Schmalzgrube bis nach der Mündung eine gute Straße
-aufweist, die etwa drei Meilen lang ist, so daß die Talwanderung in einer
-bequemen Tagestour mit reichlichen Rastpunkten zu erledigen ist. Noch manche
-schöne Wanderung könnte ich hier anführen, doch befürchte ich, den Leser zu
-ermüden und auch den mir zur Verfügung stehenden Raum zu überschreiten.
-Vielleicht in späteren Wanderbildern etwas mehr vom Erzgebirge.</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Die_Schloesser_im_Walde">Die Schlösser im Walde</h2>
-</div>
-
-<p class="center larger">Moritzburg und Fasanenschlößchen</p>
-
-<p class="center">Von <em class="gesperrt">K. Berger</em>, Leipzig</p>
-
-<p class="center">Aufnahmen von <em class="gesperrt">Walter Hahn</em>, Dresden</p>
-
-<p>Es liegt eine tiefe Symbolik darin, wie die deutsche Sprache die Entfernung
-und Entfremdung von der heimatlichen Scholle bezeichnet: »Elend« hieß im Mittelalter
-der Landfremde und »bodenlos«, das ist uns mehr als schlimm noch heute.
-Und daß gerade wir Deutschen die so tiefsinnige und weise Sage von Antäus, dessen
-Kraft sich immer wieder erneute, so oft er Mutter Erde berührte, so wohl nachzuempfinden
-vermögen, das beweist allein überzeugender als dicke Folianten die
-Seelenverwandtschaft, die über Zeiten und Meere das Volk Hölderlins und Winkelmanns
-mit dem begnadeten Stamme im klassischen Griechenland verbindet.</p>
-
-<p>Ja, draußen, vor der Stadt, wo der frische Wind das dicke graue Gewölk
-der Alltagssorgen, etwas unsanft vielleicht, aber desto nachhaltiger hinwegfegt,
-draußen in Feld und Heide, von denen so viele kräftige Sprüche und frohe deutsche
-Lieder wissen, dort suche dir Erholung und Belebung zugleich. Trotz Winters und
-aller Not der Zeit wirst du sie dort auch jetzt noch immer neu finden.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_240">[240]</span></p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-042">
- <img class="w100" src="images/illu-042.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 1 <b>Jagdschloß Moritzburg</b></div>
-</div>
-
-<p>Dichter gütiger Schnee deckt nach Wochen rauhen Barfrostes Wald und
-Wiesen und so manche Verunzierungen älterer und neuester Zeit, indes wir langsam
-durch den Lößnitzgrund aufwärts steigen. Ganz still ist es, so still, daß es leise
-seidig knistert, so oft einer der gefiederten, heute, ach, so kleinlaut verstimmten
-Sänger mit seiner Schwinge Schnee von einem Zweige streift. Hinter der Meierei
-weitet sich das Tal; eine Wiese, rings umhegt von herben Kiefern und schütteren
-Birken. Ein Häuschen in Efeu steht am Rande. Spielplatz der Waldelfen im
-sommerlichen Mittagsflirren oder doch der Ferienkinder mit Zupfgeige und bunten
-Bändern und viel Sonnenglanz auf Wangen und in Augen. Wie lange noch?
-Vom Hange rechts ist schon mancher stattliche Stamm in den letzten Monaten
-zuviel abgeschlagen worden, und doppelt solange als auf gutem Boden, wird es
-auf dem kargen Hange währen, bis in Menschenaltern auch nur ein Baum
-wieder erwachsen ist, wie er, zwei Handbreit im Durchmesser, auf dem Stamme selbst
-heute nur wenige <em class="gesperrt">Papier</em>taler erbringt. Das geltende Recht, noch stehend unter den
-Nachwirkungen der Freihandelslehre, die auch dem sächsischen »Heimatschutzgesetz«
-von 1909 noch allenthalben grundsätzlichen Widerspruch entgegensetzte, gestattet leider
-den Schutz des reinen Naturdenkmals nur erst in sehr kümmerlichem Umfange.
-Möchte bald in unserer Zeit der gedanken- und bedenkenlosen Geldmacher und der
-heimatlosen wirtschaftlichen Machthaber solchem Tun durch Maßnahmen (Forstschutzgesetz!)
-gesteuert werden, die die Erschöpfung der besten Kraftquellen und Jungbrunnen
-unserer Städte und ihrer Kinder durch Fortentwicklung des geltenden
-Rechtes wirksam und entsprechend der Überzeugung weitester und bester Teile der
-Bevölkerung des Landes künftig unmöglich machen. <em class="gesperrt">Bannwald</em>, Freiwald,<span class="pagenum" id="Seite_241">[241]</span>
-»Friedewald« – das Blockhaus der Eisenbahnstation, die wir inzwischen durchschreiten,
-erinnert noch daran –, das war gerade der Forst ringsum, die spätere
-Burggrafenheide von der Meißner Gegend bis nach Klotzsche, selbst schon in grauen,
-rauheren Jahrhunderten mittelalterlicher Geschichte.</p>
-
-<p>Bei Dippelsdorf endet der Grund. Jenseits liegt ein großer Teich, der den
-Namen des Dorfes trägt. Mitten hindurch führt auf schmalem Damme die Bahn.
-Wie brauste und wogte er damals, als sich tausend und abertausend weiße
-Wellenkämme in jenen Tag- und Nachtgleichestürmen überstürzten, die an dem
-Septembersonntage 1914, mit der Kunde von dem großen Siege an den masurischen
-Seen zugleich, brausend über das deutsche Land fuhren und drüben an der Landstraße
-zum Moritzburger Schlosse so manchen Stamm krachend zerpellten. Heute
-freilich liegen all die Teiche in der Runde tot unter Winters lähmender kalter
-Faust, so wie das deutsche Land ringsum.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-043">
- <img class="w100" src="images/illu-043.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 2 <b>Jagdschloß Moritzburg, Monströsensaal</b></div>
-</div>
-
-<p>Aber es wird ein Auferstehen kommen in neuen Lenzen nach Jahren der
-Not, der Raffsucht und des Neides; ein echteres dauernderes Auferstehen und
-Leben wird es sein als jenes, das die Treibhausluft der Filmwelt der Moritzburger
-Wald- und Wasserherrlichkeit und seinem ehrwürdigen Schlosse bereitet hat. Der
-Film wollte diese großartige großlinige Landschaft zur billigen Staffage herausgeputzter
-Herrschaften herabdrücken. Doch da rächte sie sich und erdrückte
-all ihr turbulentes Gewimmel so, daß von zweihundert Brokatgewändern und
-vierhundert Perücken weniger Erinnerung übrig blieb als von dem <em class="gesperrt">einen</em> naturgetreuen<span class="pagenum" id="Seite_242">[242]</span>
-Bilde des sonnenbeschienenen Sees mit der schlanken Gondel und der
-Insel, die auf seinen Wassern schwimmt.</p>
-
-<p>Und die kleine Insel mit den wispernden und doch diskreten Espen träumt
-auch heute vor unseren entzückten Augen friedvoll, ahnungslos sozusagen, nun wir
-durch die große Allee allmählich den Schloßteich erreicht haben, vorbei an dem
-Kuppelbau der Kirche, die in den Maßen etwas überheblich erscheint und vorüber
-am Landstallamt, an dessen Tore ein weiser oder doch launiger Herrscher seinen
-churfürstlichen Hofnarren Fröhlich und Schmiedel zum Dank für manche erfrischende
-Wahrheit Büsten setzen ließ.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-044">
- <img class="w100" src="images/illu-044.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 3 <b>Jagdschloß Moritzburg, Speisesaal</b></div>
-</div>
-
-<p>Der Schloßteich ist erst in den Jahren 1722 bis 1730 durch umfangreiche
-Ausschachtungen aus drei kleineren Weihern entstanden. August der Starke war
-es, der aus dem kleinen Jagdschlosse, das Kurfürst Moritz 1542 begonnen hatte,
-durch den Meister des Zwingers, Daniel Pöppelmann, den Bau in der heutigen
-Gestalt mit seiner bezwingend selbstverständlichen Ausgeglichenheit der Maße und
-Massen errichten ließ. Die besten Meister standen ihm bei: Longuelune, der auch
-die vornehm verhaltene Pracht des Japanischen Palais in Dresden erschuf, Knöffel
-und Permoser als Plastiker, Louis Silvester als Maler. Ihrem Zusammenwirken
-danken wir all die beruhigten und beruhigenden Harmonien des Zusammenklangs
-und Ineinanderfließens ihrer Künste im Innern wie im Äußern und in der
-Umgebung dieses wahrhaft königlichen Waldschlosses. Nur die Türme des Baues
-gehen im wesentlichen noch bis auf das sechzehnte Jahrhundert zurück. Damals<span class="pagenum" id="Seite_243">[243]</span>
-aber verband sie wie es noch jetzt im Hermsdorfer Schlosse des Fürsten Schönburg
-zu sehen ist, nur eine Mauer, <em class="gesperrt">innerhalb</em> deren das weit kleinere alte Jagdschloß
-stand. Auch die Kapelle stammt aus älterer Zeit. 1661–1672 erbaute sie der
-jagdfrohe Johann Georg der Zweite, der sich 1638 mit der Tochter des Kurfürsten
-von Brandenburg in Moritzburg vermählt hatte. In jener hohen Zeit des Weidwerks
-und des Weines ließ der Fürst eine Tafel anbringen, darauf stand:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">»Ich ergetze meinen Fürsten,</div>
- <div class="verse indent0">Den nach Jagtlust pflegt zu dürsten;</div>
- <div class="verse indent0">Kurtzweill ist hier gut zu treiben,</div>
- <div class="verse indent0">Wer nicht kann, der laß es bleiben.«</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p class="noind">Und in den Grundstein der Kapelle mauerte er eine Kapsel mit einer Flasche roten
-und weißen Weines. – – Es war derselbe Fürst, der sich auch das Schlößchen
-Hoflößnitz unten in den Weinbergen erbauen und so lebensfroh auszieren ließ.
-Seine Mahnung aber fand genug Nachahmung: Aurora von Königsmarck und
-Peter der Große, Friedrich der Große und der erste Napoleon, sein Bruder König
-»Lustigk« von Westfalen und noch im Weltkriege der Kaiser Karl von Österreich
-und mit ihm die Kaiserin aus Welschland auf dem wohl letzten feierlichen
-Fürstenbesuche alten Stils, den Moritzburg und Sachsen überhaupt sah. Nur
-einige der glänzenden Gäste sind das, die die Säle des Schlosses im Laufe der
-Jahrhunderte durchschritten.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-045">
- <img class="w100" src="images/illu-045.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 4 <b>Moritzburg, Fasanenschlößchen</b></div>
-</div>
-
-<p>Sollen wir auch von den einzelnen Räumen noch sprechen? Wer in Sachsen
-Sinn für ehrwürdige und kunstreiche Pracht hat, kennt sie ja: den Speisesaal und<span class="pagenum" id="Seite_244">[244]</span>
-den Monströsensaal mit den stärksten und seltsamsten Edelhirschgeweihen, die
-überhaupt bekannt sind, Geweihe wie sie nur bei der freien Wildbahn und der
-reichlichen Tierfütterung früherer Jahrhunderte sich überhaupt entwickeln konnten,
-darunter jener einzigartige 66-Ender. Und er kennt auch die Zimmer mit den
-alten China- und Japanporzellanen auf den Kaminen in dämmriger Pracht, den
-Gobelins und Intarsien, den vergoldeten Ledertapeten und all der andern
-Herrlichkeit.</p>
-
-<p>Eher noch wäre von dem Schlößchen eine halbe Stunde ostwärts, jenseits
-der durch Roheit und Habsucht der letzten Jahre fast verwaisten Wildfütterung
-zu erzählen, drüben am alten Fasanengehege mit der leider abgebrochenen Volière
-voll umständlicher ländlicher Schnitzarbeit, die der weidfrohe Sieger von Beaumont
-so liebte. Um 1775 baute es sich Friedrich August der Gerechte am Ufer des sanften
-Großteiches, dessen Lieblichkeit ein düsterer Leuchtturm und die dräuende »Dardanellen«mauer
-vergeblich ins Heroische zu steigern versuchen. Er entsprach der
-Wesensart des fürstlichen Bauherrn, der beinahe der sächsische Zeitgenosse und
-Geistesverwandte Friedrich Wilhelms des Dritten war, und anderen Formats
-des Leibes wie des Lebenszuschnitts als August der Starke. Und auch das zierliche
-Rokoko und Empire und die spielerischen Chinoiserien seines <em class="gesperrt">Fasanenschlößchens</em>
-spiegeln seine Wesensart ähnlich wieder wie etwa die saubere Bürgerlichkeit des
-Schlößchens auf der Potsdamer Pfaueninsel die des Gemahls der Königin Luise und
-umgekehrt der große kraftvolle Zug des Moritzburger Jagdschlosses selbst die
-Vollkraft seiner beiden großen Bauherrn Moritz und August.</p>
-
-<p>Aber das Beste, das dem Wanderer beschieden, ist vielleicht gar nicht der
-langsam verdunkelnde äußere Glanz im Innern dieser Schlösser, für die jetzt leider,
-wenn nicht Pflege, so doch Leben, Nimbus, und zumal Ehrfurcht allzusehr
-schon oder noch fehlen. Das Beste ist, was nicht sichtbar um die Mauern und
-Statuen und auf den Teichen webt und raunt, und was dem nie fehlen wird, der
-den Weg zur Mutter Natur zu finden weiß und dabei immerhin bei Frau Historia
-einmal mit beschaulich einkehren mag. Die beiden Chinesen auf dem geschweiften
-Dache des Fasanenpalais nicken im Winde bestätigend. Und sie sind alt genug,
-die Welt zu kennen.</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Ludwig_Richters_Weihnachtskunst">Ludwig Richters Weihnachtskunst</h2>
-</div>
-
-<p class="center">Von <em class="gesperrt">Walther Hoffmann</em></p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">O Weihnacht! Weihnacht! Höchste Feier,</div>
- <div class="verse indent0">Wir fassen ihre Wonnen nicht,</div>
- <div class="verse indent0">Sie hüllt in ihre heil’gen Schleier</div>
- <div class="verse indent0">Das seligste Geheimnis dicht.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Diese Worte von Nikolaus Lenau finden auch in dieser trüben Zeit in unsern
-Herzen den stärksten Widerhall. Lenau war auch einer der deutschen Romantiker.
-Und die deutsche Romantik in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ist
-es ja gewesen, die, wie allen unsern Sitten, Bräuchen und Liedern, so auch unserm<span class="pagenum" id="Seite_245">[245]</span>
-Weihnachtsfest seine schönsten Geheimnisse abgelauscht und sich in seinen Zauber
-am tiefsten versenkt hat. Ihr entstammen unsere liebsten Weihnachtslieder, sowie
-die Sitte des Christbaums, von dem z. B. Schleiermacher in einer Schrift von 1806
-noch nichts weiß. Zwar hatte auch das achtzehnte Jahrhundert schon sein Weihnachten.
-Ein Brief von Goethe aus Frankfurt, am Christtag früh 1772 geschrieben,
-bezeugt es. »Ich habe diese Zeit des Jahres gar lieb, die Lieder, die man singt,
-und die Kälte, die eingefallen ist, macht mich vollends vergnügt.« Des Türmers
-Lied: »Gelobet seyst du Jesu Christ« hat ihn ergriffen. Am Christabend ist er über
-den Markt gegangen und sah »die vielen Lichter und Spielsachen«. Aber wenn
-wir uns solch eine Weihnachtsstube des achtzehnten Jahrhunderts mit der steifen,
-aus Stöcken gezimmerten Lichterpyramide auf einem der alten Stiche des bekannten
-Berliner Kupferstechers Chodowiecki ansehen, und das nicht minder steife Gehaben
-der Menschen darauf, bis herab zu den Kindern, so mutet uns das alles doch recht
-wenig volkstümlich und kindertümlich an.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-047">
- <img class="w100" src="images/illu-047.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 1 Aus: Illustr. Zeitung für die Jugend. 1847</div>
-</div>
-
-<p>Die Romantik brachte uns eine Rückkehr zur Natur, auch zur menschlichen
-Natürlichkeit. Und sie schenkte uns einen Künstler, in dessen ganzer Erscheinung
-das natürliche Wesen so wahr und echt uns entgegentritt und zugleich wie von
-einem verklärenden Schimmer umflossen ist. Das ist Ludwig Richter. Und in
-seiner Weihnachtskunst tritt uns dies alles ganz besonders vor Augen.</p>
-
-<p>Richters Weihnachtskunst ist, wie es jedes echte Kunstwerk sein muß, aus
-seinem Leben erwachsen. Seine Kindheit und das Leben im Elternhaus war nüchtern.
-Dort und in der Schule blieb das religiöse Bedürfnis unbefriedigt und ungenährt.
-Und es ist bezeichnend, daß er aus seiner Jugend, aus der er sonst in seinen herrlichen
-»Lebenserinnerungen« jeden anheimelnden Zug mit Liebe festgehalten hat,
-niemals etwas von Weihnachten erzählt, als nur das eine, daß er Weihnachten 1820
-in Frankreich »mit den Gedanken viel daheim« war und am zweiten Feiertag an
-einen Ball denken mußte, den er vor Jahr und Tag mit seiner Braut Auguste
-besucht hatte.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_246">[246]</span></p>
-
-<p>Das große Erwachen kam über ihn erst in Rom, wo er durch die Güte des
-Dresdner Buchhändlers Christoph Arnold seit Herbst 1823 leben und sich weiter
-ausbilden durfte. Dort ist ihm das Weihnachten 1824 zu einem besonders tiefen
-Erlebnis geworden. Wehmütig sehnte er sich heimwärts inmitten der Herrlichkeiten
-Roms. »O hätte ich doch ein kleines Stündchen in Dresden sein können,
-um unerkannt durch die nächtlichen Gassen zu laufen und die erleuchteten Fenster
-zu sehen!« Es verlangte ihn, daheim »diese alten, schönen Feste recht innig zu
-begehen unter lieben Freunden oder an der Seite der Geliebten«. Da schwärmt er
-nun doch in seinem Tagebuche von den »schönen, süßen Zeiten«, von »unsern alten,
-heiligen, herrlichen Gebräuchen«, ohne die der Deutsche nicht leben könne, ohne
-kalt und endlich schlecht zu werden. Das ist es, was ihm unter dem Klang aller
-Glocken Roms zum Bewußtsein kam. Und es fielen ihm Schillers Worte ein:</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-048">
- <img class="w100" src="images/illu-048.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 2 Aus: An der Krippe zu Bethlehem. 1852</div>
-</div>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Wortgehalten wird in jenen Räumen</div>
- <div class="verse indent0">Jedem schönen, gläubigen Gefühl!</div>
- <div class="verse indent0">Wer es glaubt, dem ist das Heil’ge nah!</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Am Neujahrstag 1825 aber schrieb er in sein Tagebuch: »Mir ist um Mitternacht
-ein neu Gestirn aufgegangen, es leuchtet und wärmt zum Leben, und ich
-fange nun erst an zu leben, nämlich im Glauben und in der Wahrheit.« Diese
-Worte beziehen sich auf den Silvesterabend, den er wenige Stunden vorher mit
-seinen drei vertrautesten Freunden in dem Dachstübchen einer engen Gasse verbracht
-hatte. Unter dem Läuten aller Glocken der ewigen Stadt feierten sie das Neujahr
-mit dem Choral »Nun danket alle Gott«. Dieser Abend hatte die weihevolle
-Stimmung vom Weihnachtstag her noch verstärkt und vertieft, und Richter hat
-später wiederholt von jenen Tagen als den entscheidendsten seines Lebens gesprochen.
-»Die Weihnachts- und Neujahrszeit ist mir immer doppelt lieb und heilig, weil es<span class="pagenum" id="Seite_247">[247]</span>
-die Zeit meiner zweiten Geburt zu einem wahrhaften und besseren Leben geworden
-ist.« Liegt über Richters Briefen auch sonst immer ein Hauch zarten, feinen
-Empfindens, so erhalten vollends die um die Jahreswende geschriebenen immer
-einen besonderen tiefen Klang.</p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-049">
- <img class="w100" src="images/illu-049.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 3 Aus: An der Krippe zu Bethlehem. 1852</div>
-</div>
-
-<p>Dies alles kann nicht übergangen werden, wenn wir uns nach Richters
-Weihnachtskunst umschauen. Denn hier zeigt sich das, was auch aus seinen
-Bildern spricht, daß er nicht nur die ästhetischen Werte, sondern auch die religiösen
-Kräfte dieses Festes aller Feste nachzuerleben wußte. Und aus diesem frommen
-Erleben, nicht nur aus der künstlerischen Begabung, erklärt sich der Reichtum, die
-Kraft und Lebendigkeit seiner Weihnachtsbilder. Der große Dichter Otto Ludwig,
-der damals auch in Dresden lebte, labte sich noch auf seinem letzten Krankenlager
-an Richters Bildern, fuhr mit knöchernem Finger darüber hin und sagte: »Das
-ist noch einer, der den Kindern ihren Weihnachtsbaum anzünden kann. Nach ihm
-wird’s keiner mehr so können.«</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-050">
- <img class="w100" src="images/illu-050.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 4 Aus: Knecht Ruprecht. 1854</div>
-</div>
-
-<p>Ja, es müssen doch schöne Jahre gewesen sein, die stillen vierziger und fünfziger
-Jahre, die solche edlen Früchte deutscher Kunst und deutschen Gemütes zeitigten.
-Da verging kaum ein Weihnachten, zu dem nicht unser Dresdner Meister seinem
-Volk ein Werk von seiner Hand auf den Weihnachtstisch legte: 1840 die Geschichte
-des deutschen Volkes von Duller mit vierundvierzig Holzschnitten, 1841 den Landprediger
-von Wakefield, 1842 Musäus’ Volksmärchen mit sogar hunderteinundfünfzig
-Holzschnitten, 1844 die köstlichen Illustrationen zu den Studentenliedern,
-denen 1846 die Volkslieder folgten und so fort bis zu dem großen Bechstein von
-1853 mit seinen hundertsiebzig meisterhaften Märchenbildern. Aber das sind nur
-die bekanntesten. Dazwischen laufen die alljährlich erscheinenden Volkskalender<span class="pagenum" id="Seite_248">[248]</span>
-von Nieritz und die »Spinnstuben« des rheinischen Volksschriftstellers W. O. von Horn.
-Vor allem aber weihnachtlichen Charakter trugen die kleinen, heute fast vergessenen
-und verschollenen Kinderbücher des Dresdner Schriftstellers und Buchhändlers Löschke,
-der sich Traugott nannte: An der Krippe zu Bethlehem, Familienlieder und der in
-drei Jahren wiederkehrende Knecht Ruprecht. Das alles waren Gaben an das
-deutsche Volk, die sich trotz ihrer äußeren Schlichtheit mit allem messen dürfen,
-was nachmals »für den Büchertisch« zu Weihnachten geschaffen worden ist. Und
-es ist bemerkenswert, daß auch jetzt noch immer die Bücher und Mappen Ludwig
-Richters sich auf dem Bücher-Weihnachtsmarkt siegreich behaupten.</p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-051">
- <img class="w100" src="images/illu-051.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 5 Aus: Beschauliches und Erbauliches. 1855</div>
-</div>
-
-<p>Leider läßt sich meine Absicht nicht durchführen, Richters Weihnachtsbilder
-in größerer Zahl hier darzubieten. Man nehme mit den wenigen Proben vorlieb.
-Sein ältestes Weihnachtsbild finde ich in dem Büchlein »Bilder und Reime für
-Kinder«, das zuerst 1844 bei Justus Naumann in Dresden erschien. Da ist der
-Christmarkt dargestellt, eine Weihnachtsbude, um die sich die Kinder drängen, mit
-der stolzen Firma »Caspar Mops aus Chemnitz«. Die erste Darstellung aber des
-lieblichen Wunders von Bethlehem, der sich mit immer neuer Gestaltungslust unsres
-Meisters so viele anreihten, erschien 1847 (<a href="#illu-047">Abb. 1</a>) in einer heute fast unauffindbaren
-Illustrierten Jugendzeitung (Leipzig, Brockhaus). Wie ist hier das hohe
-Thema, das die Kunst ganzer Jahrhunderte in allen Variationen gespielt und bis
-zum Höchsten gesteigert hatte, so ganz ins Schlicht-Menschliche übertragen! Am
-ersten werden wir dabei noch an Meister Dürer erinnert, dessen geniale, derbe,
-ausdrucksfähige Holzschnittkunst ja auch auf Richter wie eine Offenbarung wirkte.
-In Rom hatte er beim Freunde Veit zum ersten Male diese Blätter gesehen, und
-seinen Einzug in Meißen als junger Ehemann feierte er, der damals am allerwenigsten
-zu brechen und zu beißen hatte, mit dem Erwerb von Dürers Marienleben<span class="pagenum" id="Seite_249">[249]</span>
-für zweiundzwanzig harte Taler. Gerade Richters Weihnachtskunst bestätigt
-es, daß diese für ihn bedeutende Summe »reiche Zinsen getragen« hat. Doch diese
-starke Anregung des deutschen Altmeisters hat ihn nicht zu schwächlicher Nachahmung
-verleitet. Richter blieb ein Eigener, so sehr, daß man ihn in seinen Holzschnitten
-sofort erkennt. Er ist weicher, kindlicher als Dürer, aber nicht weichlich,<span class="pagenum" id="Seite_250">[250]</span>
-nicht sentimental wie die »Nazarener« jener Zeit, sondern immer gesund, natürlich,
-einfältig.</p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-052">
- <img class="w100" src="images/illu-052.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 6 Aus: Beschauliches und Erbauliches. 1855</div>
-</div>
-
-<p>Man soll gerade auch Richters frühe Arbeiten im kleineren Format nicht
-übersehen. Sie gehören zu seinen schönsten und ursprünglichsten. Zwei Perlen
-sind die <a href="#illu-048">Abb. 2</a> und <a href="#illu-049">3</a> aus dem Büchlein »An der Krippe zu Bethlehem« von 1852,
-der nächtliche, vom Öllämpchen erleuchtete Stall mit den Dudelsack blasenden Hirten
-und vor allem das ganz zarte Bild des schwebenden Kindleins in der Krippe
-unter dem Christbaum mit den singenden Engeln. Aus dem »Knecht Ruprecht«
-von 1854 ist dann die versonnene »Flucht nach Ägypten« durch den deutschen Wald,
-aus dessen Dunkel die heilige Familie heraustritt (<a href="#illu-050">Abb. 4</a>).</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_251">[251]</span></p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-053">
- <img class="w100" src="images/illu-053.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 7 Aus: Gesammeltes. 1869</div>
-</div>
-
-<p>Mit den Jahren nimmt Richters Kunst einen größeren Stil an. So schuf
-er 1855 für die Mappe »Beschauliches und Erbauliches« den Weihnachtschoral
-vom alten Meißner Stadtturm (<a href="#illu-051">Abb. 5</a>). Christmorgen ist es. Das erste Tageslicht
-dämmert unter den Sternen herauf. In den Häusern brennen die Lichter,
-denn man rüstet sich zum Gang in die Christmette. Im Turm aber schwingt die
-Weihnachtsglocke. Und nun schwingen die Klänge des Chorals über der eben<span class="pagenum" id="Seite_252">[252]</span>
-erwachenden Stadt. Die Kinder sind so munter, wie sonst nie im ganzen Jahr
-in so früher Morgenstunde. Hell bescheinen die Kerzen und Windlaternen ihre
-pausbäckigen Gesichter. Ihr Gesang aber wird von dem schwarzen Kater auf dem
-Dach akkompagniert. Ja, es ist so vieles in diesem Bilde, was wir uns auch
-für unsre Weihnachtsfeier wieder herbeiwünschen möchten. Richter hat dieses Bild
-geschaffen mit wundem und wehem Herzen, als ihm sein liebes Weib durch einen<span class="pagenum" id="Seite_253">[253]</span>
-Herzschlag plötzlich entrissen worden war. Er hat sich nicht verbittern lassen, er
-wußte nun noch viel besser, was Weihnachtsfreude ist: »Christenfreude«, wie er
-ein ganzes Buch aus demselben Jahr, ein rechtes Bekenntnisbuch seiner selbst und
-Trostbuch für das deutsche Haus, betitelte.</p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-054">
- <img class="w100" src="images/illu-054.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Abb. 8 Aus: Schillers Lied von der Glocke. 1857</div>
-</div>
-
-<p>Dieselbe Mappe enthält auch das Bild vom Dresdner Weihnachtsmarkt (<a href="#illu-052">Abb. 6</a>)
-mit dem Schloßturm im Hintergrunde, wo das kümmerliche Dasein dieser kleinen
-Geschäftsleute mit ihren Pflaumenmännern durch goldenen Humor verklärt wird.</p>
-
-<p>Uralte Volkssitte steigt vor uns auf in dem Bilde aus Richters Spätzeit,
-den heiligen drei Königen (<a href="#illu-053">Abb. 7</a>), diesem alten Mummenschanz der Weihnachtszeit.
-Die volkstümliche Theatralik der drei Darsteller ist köstlich getroffen. Aber
-auch der ganze Friede der stillen heiligen Nacht umschwebt dieses Bild.</p>
-
-<p>Ja, Friede! Das ist auch der Inhalt des letzten Bildes, das wir hier zeigen
-(<a href="#illu-054">Abb. 8</a>), aus Schillers Glocke, obwohl es kein Weihnachtsbild ist. Friede auf
-Erden! Weihnachten bringt ihn uns, auch in einer friedlosen Zeit. Es ist die
-Aufgabe des deutschen Hauses, sich trotz allen Kämpfen draußen auch jetzt dem
-Geiste des Friedens von neuem zu öffnen, besonders in der Weihnachtszeit. Und
-Ludwig Richter ist der Mann, der mit seiner Weihnachtskunst auch uns den Weg
-zeigt, zur rechten Christfreude zu kommen und selber die rechte Weihnachtskunst
-zu lernen. Denn Weihnachten zu feiern ist auch eine Kunst, die gelernt und geübt
-sein will. Möchte darum gerade Ludwig Richter unser guter treuer Hausfreund
-bleiben und noch viel mehr werden, bei alt und jung, besonders in der Winters-
-und Weihnachtszeit<a id="FNAnker_1" href="#Fussnote_1" class="fnanchor">[1]</a>.</p>
-
-<div class="footnotes"><h3>Fußnoten:</h3>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_1" href="#FNAnker_1" class="label">[1]</a> Anmerkung der Schriftleitung. Wir verweisen auf die köstliche Veröffentlichung des
-Verfassers »Ludwig Richter als Radierer«. Großquart, 80 Seiten mit 51 Bildern, hart gebunden.
-Preis M. 1200,–, zu beziehen beim Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse 24.</p>
-
-</div>
-</div>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Edgar_Hahnewald_Saechsische_Landschaften">Edgar Hahnewald: Sächsische Landschaften</h2>
-</div>
-
-<p class="center smaller">III. Band der Heimatbücherei des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz, Dresden 1922<a id="FNAnker_2" href="#Fussnote_2" class="fnanchor">[2]</a></p>
-
-<p>»Sehne dich und wandre«, unter dieses Leitwort sind die Schilderungen des
-neuen Bandes der Heimatbücherei gestellt. Ja, Sehnsucht lernt man und fühlt
-man, wenn man im Geiste mit ihm geht. Man spürt fühlbar einen Reiz und
-innerlichen Zwang, hinauszuwandern in die so mannigfaltigen sächsischen Landschaften,
-deren Fülle und Reichtum an Formen, Farben und Gestalten hier so
-stimmungsvoll an uns vorüberziehen.</p>
-
-<p>Das Auge des Malers, der Mund des Dichters, die Gestaltungskraft des
-Künstlers vereinen sich, um uns mitten hineinzuführen und erleben zu lassen, was
-uns das Herz warm macht und die Augen hell, wie schön die Heimat ist und wie
-köstlich das Wandern und Schauen in ihrem seligen Raum. Vor allem aber spürt
-man in dem Buche das Herzpochen eines, der seine Heimat heiß liebt und mit
-immer neuer Sehnsucht sucht. Er liegt im grünen Grase unter schwanken Halmen.
-»Im Felde schlägt die Wachtel. Und da draußen, grün und blau, duftig und glasklar<span class="pagenum" id="Seite_254">[254]</span>
-liegen die sächsischen Lande. Sie sind unsre Heimat. Und in sie hinauszuschauen,
-war lange ein ersehntes Glück.« »Du bist meine Heimat, du bist der
-Boden, auf dem mein Geschlecht durch die Jahrhunderte wuchs, auf dem es die
-Scholle grub, in Dörfern webte, in Städten strebte, auf dem es lebte und liebte
-und litt und lachte und starb …</p>
-
-<p>Du bist Orplid, mein Land …!«</p>
-
-<p>Diese Heimatliebe und Bodenständigkeit machen ihn zum rechten Führer, der
-zu schauen, zu beseelen und zu deuten weiß. Nicht bloß im Sonnenschein und
-blühenden Sommerwinde, nein auch in triefendem Regen unter grauem Gewölk,
-auf leuchtenden, blaubeschatteten Schneepfaden und in stiebendem Flockenwirbel und
-auch in duftender Nacht auf holprigem Steig im schwarzen Walde werden wir von
-ihm heimatfroh gemacht.</p>
-
-<p>Eine wunderbare Fülle von Farben tönt in seinen Worten wieder und köstliche
-Bilder leuchten in seinen Schilderungen wie schimmernder Schmuck auf.</p>
-
-<p>»Alte Kastanien senken ihre Zweige tief zur Wiese hinab und ihre Blätterhände
-scheinen weiße Blütenleuchter behutsam aus dem Grase zu heben.« So
-werden tausendfach gesehene Dinge zu Bildern voll poetischen Reizes und schimmernder
-Farbigkeit. –</p>
-
-<p>Möge das Buch hinausgehen und die Freude und Liebe zur Heimat vermehren
-und vertiefen. In unsrer Armut und Knechtschaft sind wir noch reich,
-denn unsrer Heimat Herrlichkeit ist uns geblieben. Wir wollen sie uns nicht rauben
-lassen, sondern immer tiefer und fester erfassen. Ein berufener Mund ist es, der
-sie uns hier kündet. Laß dich von ihm zur Heimatfreude führen, zum Heimatstolz
-erheben, mit neuer Heimatliebe segnen.</p>
-
-<p class="mright">
-Rieß, Freiberg.
-</p>
-
-<div class="footnotes"><h3>Fußnoten:</h3>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_2" href="#FNAnker_2" class="label">[2]</a> Preis M. 950,–. Bestellkarte in diesem Heft.</p>
-
-</div>
-</div>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Jagdschlo_Rehefeld">Jagdschloß Rehefeld</h2>
-</div>
-
-<p class="center">Von <em class="gesperrt">A. Klengel</em></p>
-
-<p>Auf der Wanderung durchs deutsche Märchenland führt uns der Weg oft an
-verwunschenen Schlössern vorüber! Burgen liegen, unnahbar unserm Schritt,
-verträumt auf hohen Bergen, Schlösser einsam und versteckt im tiefen Walde, durch
-einen Machtspruch verzaubert und der Erlösung harrend.</p>
-
-<p>Weit hinter uns liegt heute dies Traumland unsrer Kindheit, kaum die
-Erinnerung ist geblieben an die Märchen, denen wir einst so gern und andächtig
-lauschten. Und doch tauchen auf unsern Wanderungen durchs schöne Heimatland
-zuweilen Gestalten auf, die urplötzlich in uns wachrufen, was eingeschlummert war
-unter den Eindrücken des Alltags, was verweht schien in den Stürmen des
-Lebens. Dann liegt greifbar vor uns, was einst das Kinderherz erfreute, das
-kindliche Gemüt beseelte.</p>
-
-<p>Ein solches Märchenbild ist das Jagdschloß Rehefeld droben an der Landesgrenze
-im meilenweiten Hochwald des Erzgebirges. Einsam und verlassen liegt
-das turmüberragte und erkergeschmückte Bauwerk hoch am Hange des Weißeritztales.
-Zum verwunschenen Märchenschloß wurde es, als das Königspaar Albert<span class="pagenum" id="Seite_255">[255]</span>
-und Carola dahingegangen war. Das muntere Treiben königlicher Weidmannsherrlichkeit
-verstummte, des Jagdhorns letzter Ton war verhallt, die Läden schlossen
-sich über den blinkenden Fenstern des Schlosses und nur ernstes Waldesrauschen
-umklingt noch die Stätte, wo einst ein edles Herrscherpaar, fern von höfischen
-Pflichten, Erholung suchte in unberührter Waldnatur und Mensch war auf herbschöner
-Heimaterde.</p>
-
-<p>Ein Märchenschloß liegt vor uns! Dicht heran drängt sich der dunkle Wald
-und des Waldes Tiere suchen vertraut seine Nähe. Zu Füßen des Schloßberghanges
-strömt die Weißeritz in jugendlicher Schnelle talwärts und bietet mit den verstreut
-liegenden Holzhäuschen der Dörfer Zaunhaus und Rehefeld ein Bild, das in seiner
-schlichten Anmut an ein einsames Hochgebirgstal erinnert. Und darüber hinaus,
-soweit das Auge reicht, breitet sich dunkler, harzduftender Fichtenwald aus in ernster,
-herber Schönheit.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-057">
- <img class="w100" src="images/illu-057.jpg" alt="" />
- <div class="caption"><div><b>Rehefeld</b></div>
-<div class="right">Aufnahme von Walter Hahn, Dresden</div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Die weiten Wälder um das Jagdschloß Rehefeld sind mit der nun Geschichte
-gewordenen alten kursächsischen und königlichen Weidmannsherrlichkeit untrennbar
-verbunden. Schon Name und Entstehung der beiden nahen Dörfchen Zaunhaus
-und Rehefeld lassen dies erkennen. Zaunhaus verdankt seinen Ursprung dem
-Zaun- und Forsthause, das Kurfürst Moritz um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts
-als Amtswohnung des Zaunknechtes am großen Wildzaun an der nahen
-böhmischen Grenze errichtete. Der eigentliche Ort entstand im achtzehnten Jahrhundert,
-als sich Waldarbeiter auf Räumen ansiedelten, die man ihnen aus den
-kurfürstlichen Waldungen »vererbte«. Einen ähnlichen Ursprung hat das Dörfchen<span class="pagenum" id="Seite_256">[256]</span>
-Rehefeld. Kurfürst Johann Georg II. errichtete um 1670 dort im Wald ein
-Forsthäuschen, das dem Oberforstmeister überwiesen wurde und später, gleich einem
-kleinen Rittergut, Schriftsässigkeit und Jurisdiktion erhielt; es ist das heutige
-Forstamt. Auch hier siedelten sich Waldarbeiter auf geräumtem Kahlschlag am
-Weißeritzufer an. Es entstand ein Dörfchen, das ursprünglich Sorgenfrey genannt
-wurde, aber vom König August II. bei einer Jagd den Namen Rehefeld erhielt.</p>
-
-<p>Die weiten und zum Teil unwegsamen Waldungen boten dem Wild seit alter
-Zeit treffliche, geschützte Standorte und den Landesherren reiches Weidmannsheil.
-Zwar fließen die Quellen, die von der Erlegung des ritterlichen Wildes vergangener
-Tage – Bär, Wolf und Sau – in dieser Gegend berichten, nur spärlich; daß
-jedoch ein urwüchsiger Wildbestand vorhanden war, ist daraus zu erkennen, daß
-noch im Jahre 1715 in der Nähe ein Vielfraß (<em class="antiqua">Gulo borealis</em>) erlegt wurde.</p>
-
-<p>Von größter Bedeutung für diese heimatlichen Jagdgründe war jedoch immer
-das stolze Edelwild unsrer Gebirgswälder, der Rothirsch. Der Hirschjagd und
-Hirschhege, die unter König Albert dort ihren Höhepunkt erreichten, verdankt auch
-das Jagdschloß Rehefeld sein Dasein. Infolge der ums Jahr 1860 einsetzenden
-sorgsamen Hege hatte sich der etwas verkümmerte Edelhirsch des östlichen Erzgebirges
-prächtig entwickelt und gut vermehrt, standen doch z. B. im Jahre 1892 auf dem
-etwa sechzehntausend Hektar umfassenden Rehefelder Jagdrevier gegen siebenhundert
-Stück Rotwild. Stattliche Vierzehnender mit einer Stangenhöhe bis zu ein Meter
-zehn Zentimeter waren keine Seltenheit und noch heute erzählen die alten Gebirgsbewohner
-gern von den gewaltigen Rudeln prächtiger Edelhirsche, die im hohen
-Schnee zur Fütterung zogen und von den kapitalen Platzhirschen, die an nebelfeuchten
-Herbsttagen mit dumpfdröhnendem Brunftschrei ihre Rivalen zum Kampfe riefen.</p>
-
-<p>König Albert lag schon als Kronprinz oft und auf längere Zeit dem Weidwerk
-in Rehefeld ob. Da er und seine oft zahlreichen Jagdgäste in den kleinen und
-weit voneinander entfernten Orten nur unter Schwierigkeiten Unterkunft fanden,
-wurde im Jahre 1869 das schlichte Jagdschlößchen erbaut. Der überaus zierliche,
-in nordischer Bauweise ausgeführte Holzbau ist ein Weihnachtsgeschenk der damaligen
-Kronprinzessin Carola an ihren Gemahl. Auch die fürstliche Geschenkgeberin hatte
-Gefallen gefunden an dem herrlichen Fleckchen Erde, auf dem Rehefeld liegt. Bis
-zu ihrem Tode verbrachte sie die Sommerwochen im Jagdschloß Rehefeld, im
-freundnachbarlichen Verkehr mit den schlichten Gebirgsbewohnern und von ihnen
-geliebt und verehrt.</p>
-
-<p>Obwohl das Schlößchen das Königspaar regelmäßig auf längere Zeit
-beherbergte, ist seine innere Ausführung und Ausstattung außerordentlich bescheiden.
-Es reicht jedenfalls bei weitem nicht an das heran, was man gemeinhin unter
-einem vornehmen Landhause versteht, von höfischem Prunk kann überhaupt keine
-Rede sein. Die innere Ausstattung, der sogar die gemütliche erzgebirgische Ofenbank
-um den mächtigen Kachelofen des Eßzimmers nicht fehlt, ist ganz dazu angetan,
-Naturfreunden ein trauliches Heim zu bieten, die schwerer Pflichten ledig für einige
-Zeit ganz der herrlichen Waldumgebung leben wollen.</p>
-
-<p>Den Bedürfnissen eines längeren Aufenthalts der Besitzer und ihrer Gäste
-entsprechend, machten sich später einige Ergänzungen erforderlich. In der Nähe<span class="pagenum" id="Seite_257">[257]</span>
-entstand ein Stallgebäude und ein schlichtes Haus für Hofpersonal und Küche.
-Ein Schmuckstück für sich ist die im Jahre 1879 nach Plänen der Meyerschen
-Kunstanstalt in München in skandinavischer Bauweise errichtete winzige Kapelle.
-In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erhielt die Südseite des Schlosses
-einen niedrigen spitzbedachten Turm. War das Bauwerk, streng genommen, zuerst
-nur ein Jagdhaus gewesen, so konnte es nunmehr Anspruch auf den Namen Schloß
-erheben; denn nach landläufigen Begriffen gehört nun einmal zu jedem Schloß ein Turm.</p>
-
-<p>Das Schloß und seine Nebengebäude sind bis auf die Grundmauern durchweg
-aus Holz erbaut. Es darf deshalb nicht wundernehmen, daß uns beim Eintritt
-in die Vorhalle das Bild des St. Florian entgegenleuchtet, des Schutzheiligen gegen
-Feuersgefahr, zu dem man in Süddeutschland einst betete: O du heil’ger Florian,
-laß stehn dies Haus, zünd’ andre an! Die schmückende Ausstattung des Jagdschlosses
-entspricht ganz seiner Bestimmung und Umgebung. Außer Gemälden der
-Jagdmaler Mühlig und Guido Hammer bildet eine Sammlung starker Geweihe
-von Hirschen, die König Albert auf Rehefelder Revier erlegte, die Hauptzierde.
-Dazu gesellen sich andre jagdliche Erinnerungen aus König Alberts Zeit.</p>
-
-<p>Nach König Alberts Ableben verblaßte der Stern Rehefelds. Zwar hielt sich
-die Königin Carola bis zu ihrem Tode noch alljährlich längere Zeit dort auf, doch
-die Bedeutung des Schlößchens als Stätte fröhlichen Weidwerks war geschwunden.
-Der reiche Bestand an Edelhirschen wurde herabgemindert, und was heute dort
-noch durch den Wald zieht als alter deutscher Weidmannsherrlichkeit letztes Vermächtnis
-ist kaum ein schwacher Abglanz aus der Zeit, da die schwarzgelbe
-Standarte auf dem Schloßturme verkündete, daß der greise königliche Jäger seine
-geliebten Rehefelder Jagdgründe aufgesucht hatte und daß die Königin gekommen
-war, um mit der Rehefelder Jugend schlicht-fröhliche Kinderfeste zu feiern.</p>
-
-<p>Fest verriegelt sind heute Türen und Fenster des vom Wind und Wetter
-gebräunten Jagdschlosses. Vergeblich klopft der Wandrer, Einlaß begehrend, beim
-Schloßverwalter an; Rehefeld ist als Privateigentum für jeden Besuch gesperrt!</p>
-
-<p>Man tut recht daran! Warum die wenigen Sehenswürdigkeiten des Schlosses
-öffentlicher Schaulust preisgeben? Das Königspaar wohnte hier, um sich der
-herrlichen Waldnatur zu freuen, die selten so schön und ursprünglich erhalten ist,
-wie hier im stillen Weißeritztal. Auch den sinnigen Wandrer schlägt der Heimatwald
-in seinen Bann, er freut sich seiner Schönheit und zieht zufrieden seine Straße,
-auch ohne den Fuß über die Schwelle des Schlosses gesetzt zu haben.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-059">
- <img class="w100" src="images/illu-059.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum" id="Seite_258">[258]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Eine_wiedergefundene_alte_Postmeilensaeule">Eine wiedergefundene alte Postmeilensäule</h2>
-</div>
-
-<p>Erfreulicherweise haben die in diesen Blättern wiederholt gegebenen Hinweise
-jetzt zur Auffindung einer der so selten gewordenen Halbe-Meilensäulen aus der
-Zeit August des Starken geführt.</p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-060">
- <img class="w100" src="images/illu-060.jpg" alt="" />
- <div class="caption"><b>Wiederaufgerichtete Postmeilensäule
-an der Staatsstraße von Öderan nach Freiberg</b></div>
-</div>
-
-<p>Seit alters stand an der Staatsstraße von Öderan nach Freiberg, in der Nähe
-des Öderaner Schützenhauses eine alte Steinbank. Architekt Kempe aus Öderan,
-dem die eigenartige Form des Steinsitzes aufgefallen war, ließ in diesem Sommer
-die Bank abbrechen und es ergab sich, daß diese aus Teilen einer der alten Postmeilensäulen
-aufgebaut war. Die Initialen, Posthorn und Jahreszahl 1722 waren
-noch wohl erhalten, desgleichen auch die Entfernungsangaben: Öderan ½ Stunde
-und Chemnitz 5<span class="frac"><sup>1</sup>/<sub>8</sub></span> Stunde. Mit dankenswerter Hilfe des Erzgebirgsvereins Öderan
-und des Landesamtes für Denkmalpflege gelang es den Bemühungen des Herrn
-Kempe, das seltene Stück wieder am alten Platz aufzustellen, wo es nun als Zeuge
-vergangener sächsischer Geschichte eindringlich und reizvoll im Landschaftsbilde steht
-(siehe Abbildung).</p>
-
-<p class="mright">
-<em class="antiqua">Dr.</em> <em class="gesperrt">Bachmann</em>.
-</p>
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum" id="Seite_259">[259]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Das_Kamenzer_Forstfest">Das Kamenzer Forstfest</h2>
-</div>
-
-<p class="center">Von <em class="antiqua">Dr. phil.</em> <em class="gesperrt">Gerhard Stephan</em></p>
-
-<p>Wohl jedes Dorf und auch die meisten kleineren Städte haben ihre Schulfeste.
-Was diese Feiern vor vielen andern besonders in den jetzigen Zeiten auszeichnet,
-ist ihr ganz und gar unpolitischer Charakter: arm und reich, hoch und niedrig
-nehmen daran teil und freuen sich an dem Jubel der Kinder. Alle Gegensätze sind
-verschwunden und jeder fühlt sich als ein Teil des Ganzen. Wenn es doch im
-Staatsleben auch so wäre!</p>
-
-<p>An Größe wohl, kaum aber an Bedeutung und innerem Werte dürfte eine
-Stadt oder ein Dorf durch das Kamenzer Forstfest übertroffen werden, das jährlich
-in der Zeit des Bartholomäustages (24. August) gefeiert wird. Fast eine ganze
-Woche, vom Montag, oder wenn man will, gar vom Sonntag an bis zum Freitag
-wird da unser Städtchen in Atem gehalten. Ich vermag es selbst nicht zu sagen,
-was es ist, das dieses Fest für einen Kamenzer so lieb macht, denn der Jahrmarktsrummel
-im nahen »Forst«, von dem diese Schulfeier seinen Namen hat, mit seinen
-Karussells, Luftschaukeln, Schieß-, Würstchen- und Würfelbuden ist ja überall
-anzutreffen und auch der Kinderauszug gehört eigentlich auch anderswo zur Veranstaltung,
-wenn auch vielleicht nicht in derartig reicher Ausstattung. Tatsache ist
-und bleibt jedenfalls, daß man einen Kamenzer nie tiefer beleidigen kann, als wenn
-man über »sein« Forstfest spottet oder überhaupt daran herummäkelt. Für ihn gibt
-es eben nur dieses Fest, es sind sozusagen seine Nationalfeiertage, die er da erlebt.
-Wer sich in der Fremde aufhält, sieht zu, daß er seine Ferien zur Forstzeit legen
-kann, und es gibt viele unsrer Landsleute, die jahre- und jahrzehntelang nicht in
-ihre Heimat gekommen sind, dann aber plötzlich zum Forstfest eintreffen<a id="FNAnker_3" href="#Fussnote_3" class="fnanchor">[3]</a>.</p>
-
-<p>Die Sage hat diese Kinderfeiertage umrankt. Zur Hussitenzeit, so erzählt man
-– die Geschichte ähnelt ganz der von Naumburg – lag ein feindlicher Fürst mit
-seinen Horden vor der Stadt und drohte, ungeduldig ob ihres langen Widerstandes
-und ergrimmt über den Tod vieler seiner Krieger, mit dem Schlimmsten. In der
-Stadt aber sah es übel aus, der Hunger mußte bald die Übergabe erzwingen. Man
-bot dem Tschechen Geld, daß er den Ort schone, doch der Böhme hatte sich verschworen,
-Kamenz auszuplündern und niederzubrennen. Da, in der höchsten Not,
-zog der Schulmeister mit den Kindern, jedes im weißen Sterbekleide, ins Lager
-hinaus vor das Zelt des feindlichen Führers und stimmte dort das Lied »Du
-Friedensfürst, Herr Jesu Christ« an. Der wilde Slawe wurde von dem Gesang
-der unschuldigen Kinder so gerührt, daß er noch in der Nacht abzog und Kamenz
-unbehelligt ließ.</p>
-
-<p>Der böse Historikus freilich hat an dieser schönen Erzählung nichts Wahres
-gelassen. Die Geschichte weiß vielmehr nur von Greueln dieser fanatischen Glaubensstreiter
-zu berichten. Im Jahre 1429 drangen sie durch das baufällige Schloß<span class="pagenum" id="Seite_260">[260]</span>
-in die Stadt ein und brannten sie nieder. Und zwei Jahre später, als sie wiederkamen,
-mußte man ein schweres Lösegeld zahlen, um sie loszuwerden. – Man
-wird es dem Lokalpatriotismus des Kamenzers zugute rechnen, wenn er, sich derartiger
-unangenehmer Sachen ungern erinnernd, sie durch jene hübsche Sage zu
-verdecken sucht, aber freilich, diese Entschuldigung zählt bei dem Kritiker nicht.</p>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-062">
- <img class="w100" src="images/illu-062.jpg" alt="" />
- <div class="caption"><b>Das Kamenzer Forstfest</b></div>
-</div>
-
-<p>Doch der Geschichtsforscher suchte nach einem anderen Grund und glaubte
-ihn in den alten Stadtannalen des trefflichen Caspar Haferkorn gefunden zu haben,
-der etwa folgendes berichtet: Im Jahre 1520 herrschte infolge langanhaltender Hitze
-eine große Dürre. Um Regen vom Himmel zu erflehen, zogen der Schulmeister,
-seine Kinder und über dreihundert Jungfrauen in weißen Kleidern, ein Wermutkränzlein
-auf dem Kopf und ein Paternoster in den Händen, barfuß nach den
-umliegenden Kapellen St. Just, St. Anna, St. Walpurgis, St. Jacob und St. Wolfgang.
-Gott erhörte ihr Gebet und sandte am nächsten Tag den langersehnten Regen.
-Der alte Oberlehrer Klix, ein besonders um die Familie Lessing verdienter Forscher,
-vermutete nun, daß diese Prozessionen, von denen diese eine wegen ihrer gewaltigen
-Wirkung in der Stadtchronik Aufnahme gefunden hat, die Ursache zum Forstfeste sei.
-Doch dieser Grund befriedigt ebensowenig – an einer Prozession pflegen auch
-Erwachsene teilzunehmen – wie der, daß der Ursprung des Forstfestes in den
-Gregoriusfesten des Mittelalters, Kinderfeiern, die am Gregoriustage abgehalten
-wurden, läge. Denn der Gregoriustag fällt in das Frühjahr – 12. März.</p>
-
-<p>In der vorjährigen »Forstfestzeitung« – auch eine solche gibt es! – hat
-nun Georg Uhlig, der derzeitige Stadtarchivar, eine den Ursprung des Festes wohl<span class="pagenum" id="Seite_261">[261]</span>
-richtigtreffende Deutung gegeben, wenn er es als Nachfolgerin der alten Schülerfeste
-der Lateinschulen erklärt. Ob es sich nun um den »Rutenzug« (<em class="antiqua">virgatum</em>), –
-das heißt die Schüler zogen aus und schnitten die Ruten, mit denen sie dann das
-Jahr über verprügelt wurden – oder eine Ursache anderer Art handelt, ist letzten
-Endes gleichgültig. – – – –</p>
-
-<p>Forstfest! Die Kinder träumen das ganze Jahr davon. »Nach den Großen
-Ferien ham mer ’ne Woche Schule – da wird nischt gemacht – und dann – nu
-da is eben Forscht.« Und die guten Mütters haben Arbeit über Arbeit, daß ja das
-weiße Kleid, der weiße Anzug, die weißen Schuhe und Strümpfe, die Schärpen und
-was weiß ich, in Ordnung sind. Die Mädels gehen seit den Großen Ferien meist
-recht merkwürdig frisiert, ihre Haare sind alle ganz fest an den Kopf zu kleinen
-Röllchen (Schnecken nennt sie der Volksmund) zusammengedreht »von wegen der
-Locken«. Weißwarenhändler, Schuhmacher und alle verwandten Handarbeiter
-machen glänzende Geschäfte, und die Gärtner haben alle Hände voll zu tun, um die
-Kränze, Girlanden, Blumenkörbchen, Bögen herzustellen, Gere und Marschallstäbe zu
-umwinden. Manch einer geht freilich auch mit einem großen Korb zu dem nahen
-Busch und holt sich da sein Eichenlaub, und Gott sei Dank verträgt unser Kamenzer
-Wald diese kleine Schädigung, ebenso die Heide, die auch ihre roten Blüten zum
-Schmuck hergeben muß.</p>
-
-<p>Sonntag. Im »Forst« entwickelt sich das eifrigste Jahrmarktsleben und der
-Städter eilt hinaus, um schon die Vorfreuden des nahenden Festes zu genießen. Auch
-der Landmann ist hergekommen, um für seine Lieben was zu erhaschen, er hat in
-der Woche meist keine Zeit für solche »Albernheiten«, aber Sonntags – ja das ist
-ganz was anderes,</p>
-
-<p>Forstfest-Montag. Überall regen sich fleißige Hände, um die Straßen zu
-schmücken: Girlanden werden von einem Hause zum gegenüberliegenden gespannt,
-Kränze aufgehängt, Fahnen hochgezogen. Einige fremde Schulen mit ihren Lehrern
-pilgern durch die Straßen und begucken einstweilen die »Sehenswürdigkeiten«,
-wobei sie meist das Innere des Andreasbrunnens interessanter finden als den
-schmucken Renaissancebau darüber, der von <em class="antiqua">Dr. Andreas Guntherius proconsul
-Camicianus</em> meldet, daß er »<em class="antiqua">patriae pietate impulsus</em>« (also »aus Heimatliebe«!)
-den Brunnen auf seine Kosten habe 1570 erbauen lassen.</p>
-
-<p>½12 Uhr. Eifriges Streben der festlich geputzten Kleinen mit ihren Kränzlein
-und Fähnchen zur Schule. Für gewöhnlich haben sie es nicht so eilig, aber heute!
-Die Alten suchen sich inzwischen einen Platz auf dem Schulhofe zu sichern, sie wollen
-das Forstfestlied hören, das sie einst als Kinder selbst gesungen haben. Die Turner
-mit ihrem schmucken Eichenzweig am Hut und die gestrenge »Polizei«, an der heute
-hocherhobenen Hauptes mancher Junge vorbeischreitet: »Achtung, jetzt komme ich,
-heute kannst du mir nichts tun,« ja, sie haben eifrig aufzupassen, damit hübsch
-Ordnung gehalten wird, und die Kinder ins Schulhaus hereinkommen.</p>
-
-<p>12 Uhr. Die Musik setzt ein, die Schultore öffnen sich und hervor ergießt sich
-der Kinderschwarm. Es sind weit über tausend, die da herausmarschiert kommen.
-Voran einige ältere mit Kränzen, sie dienen zum festen Halt, denn hinter ihnen strömen
-die ganz kleinen, die dies Jahr das erstemal mitfeiern. Von den Jungens einige mit<span class="pagenum" id="Seite_262">[262]</span>
-Kränzen um ihren Ersten, der die Klassenfahne trägt, die Mehrzahl mit Fähnchen,
-wobei die jüngsten beiden Jahrgänge die Stadtfarben rot-weiß tragen. Die nächsten
-die Landesfarben weiß-grün, die älteren die Reichsfarben, bis voriges Jahr schwarz-weiß-rot,
-heuer schwarz-rot-gold (neben mir stand ein Graubart, dem man ansieht,
-daß er in seinem Leben gearbeitet, der meinte, wie im Selbstgespräch: »Unser
-Schwarzweißrot war doch schöner! Das sind außerdem die jahrhundertealten (!!)
-Farben!« – Volksmeinung, wann wird sie von unsern »Volksvertretern« einmal
-respektiert werden?). Die ältesten Jungen trugen efeuumwundene Gere. Die Mädels
-bieten ein fast noch abwechslungsreicheres Bild: Blumenkörbchen wechseln mit Girlanden,
-ihnen folgen Bogen und Kränze. Die Realschule als Schluß zieht in ihren
-rotweißen Schulfarben heraus, Jungens, Mädels und wieder Jungens, ihrer schönen
-seidenen Fahne folgend. Nach mancherlei Verschlingungen hat sich alles im weiten
-Umkreis aufgestellt. Die Musik macht eine kleine Pause, dann setzt sie von
-neuem ein und heraus treten die Fahnengruppen mit den alten, einst von Jugendfreunden
-gestifteten Bannern.</p>
-
-<p>Auch sie nehmen Aufstellung und nun ertönt das liebe Forstfestlied (es ist erst
-in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Ausnahme des ersten
-Verses entstanden (Melodie <em class="antiqua">Gaudeamus igitur</em>)):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Festlich schwebt ein Freudentag</div>
- <div class="verse indent0">Unserm Kreise nieder,</div>
- <div class="verse indent0">Jeder Stunde dumpfer Schlag</div>
- <div class="verse indent0">Hallt uns Wonne wieder.</div>
- <div class="verse indent0">Wer ein Herz im Busen trägt,</div>
- <div class="verse indent0">Wem es laut und feurig schlägt,</div>
- <div class="verse indent0">Singe Jubellieder.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Wiederkehrt die Forstfestlust</div>
- <div class="verse indent0">Mit den Blütenkränzen,</div>
- <div class="verse indent0">Freudig hebt sich jede Brust,</div>
- <div class="verse indent0">Aller Augen glänzen!</div>
- <div class="verse indent0">Kinderfreude, Elternglück!</div>
- <div class="verse indent0">Manchen sel’gen Augenblick</div>
- <div class="verse indent0">Bringen diese Tage!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Wer in unsern Reihen stand,</div>
- <div class="verse indent0">Denket gern der Stunden,</div>
- <div class="verse indent0">Da auch ihm der Liebe Hand</div>
- <div class="verse indent0">Kränze einst gewunden</div>
- <div class="verse indent0">In die Locken, an den Stab!</div>
- <div class="verse indent0">Welche Jugendwonne gab</div>
- <div class="verse indent0">Uns des Festes Zauber!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Mögen noch in später Zeit</div>
- <div class="verse indent0">Forstfestlieder tönen,</div><span class="pagenum" id="Seite_263">[263]</span>
- <div class="verse indent0">Die dem Vaterland geweiht,</div>
- <div class="verse indent0">Allem Guten, Schönen!</div>
- <div class="verse indent0">Für mein Kamenz schlägt mein Herz,</div>
- <div class="verse indent0">Sein gedenk ich allerwärts,</div>
- <div class="verse indent0">Haltet hoch die Fahnen!</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Der alte Kamenzer Oberlehrer Klix war es, der dieses Gedicht einst verfertigt<a id="FNAnker_4" href="#Fussnote_4" class="fnanchor">[4]</a>,
-es spricht so recht jedem Kamenzer aus dem Herzen und man sieht gar
-oft manches Auge tränengefüllt, wenn das Lied erklingt. Da denkt erst mancher
-an seine Kindheit zurück, die nun so weit und unwiederbringlich zurückliegt »da
-auch ihm der Liebe Hand Kränze einst gewunden«.</p>
-
-<p>Was soll ich nun, nach dem eigentlichen Höhepunkt des Festes, noch erzählen?
-Der Schuldirektor spricht einige Worte, dann ertönt ein neues Lied, hierauf setzt sich
-der Zug durchs Klostertor nach dem Markt in Bewegung, singt hier, nach vollendetem
-Aufmarsch, abermals und rückt dann durch die Bautzner Straße bis zum
-Eulenberg, wo er sich auflöst. Alles eilt nach Hause, oft von der treusorgenden
-Mutter oder dem lieben Vater oder Bruder in Empfang genommen, die dann den
-schweren Kranz abnehmen, um ihn nach Hause zu tragen. Dort aber läßt es der
-»kleinen Welt« keine Ruhe, sie können kaum Kaffee trinken, dann gehts eiligst
-nach den Wiesen auf dem Forstfestplatz, wo die Kleineren spielen, die Größeren
-kegeln oder schießen. »Herr Manke, wir wollen mal das machen,« bittet so ein
-kleines Mädel und flüstert ihrem geduldigen Lehrer ihre Wünsche ins Ohr, »Herr
-Klugmann, kanns losgehen?« meint ein größerer Junge schon selbstbewußt, denn
-er brennt darauf, als erster den bunten Vogel da oben um einen Span zu erleichtern,
-und ist dann wenig erbaut, als, unter Freudegeheul der ganzen Meute, sein Schuß
-»in weitem stets geschweiftem Bogen hinauf bis in des Himmels Blau« fliegt. Die
-lieben Angehörigen stehen dabei, um ein bißchen zuzusehen, aber ihre »Herren«
-Kinder haben heute meist keine Zeit, denn da gilts bald mal einen großen Zwieback
-zu holen, der dieses Jahr an Stelle des »Würstchens mit Semmel« getreten war und
-auch nur deshalb, weil die Stadtväter in kluger Berechnung auf die gute Laune
-der Forstfestbesucher eine allgemeine Feststeuer in Höhe von fünf Meter eingeführt hatten,
-bald »muß« man auf der Riesenbahn, der Luftschaukel oder dem Karussell fahren
-oder »<em class="antiqua">Modo homo</em>« (!) dem lebenden Toten, von dem sein Herr in eindringlicher
-Sprache versichert, daß ganze Berge Geschirr vor ihm zerworfen werden könnten,
-ohne daß er aus seiner Suggestion erwache (»er hat gut reden, nur wird heute
-kein Geschirr zerschmissen,« meinte einer recht trocken), während das Fräulein an
-der Kasse ebenfalls in Hypnose fällt, aber jedesmal wieder erwacht, wenn einer
-sich zur Kasse »drängt«, einen Besuch abzustatten. Ja, ja, die guten Eltern werden
-eigentlich erst dann wieder gebraucht, wenn das nötige Kleingeld fehlt. – – –</p>
-
-<p>Den folgenden Tag ziehen nur die oberen Klassen aus, hinaus in den Forst
-zum Schauturnen. Am Mittwoch ist »Lehrerschießen« – es soll meist recht »fröhlich«<span class="pagenum" id="Seite_264">[264]</span>
-dabei zugehen, doch darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Und am Donnerstag
-wiederholt sich nur der Auszug vom Montag, ebenso das Spielen und Schießen.</p>
-
-<p>Abends aber bei Dunkelwerden ist der »Einzug« der Kinder mit Musik und
-Buntfeuer. Die meisten Häuser, durch die sich der Zug bewegt, haben illuminiert
-und der Jubelruf der Kleinen mit ihrem »Vivat, vivat hoch!« will kein Ende
-nehmen. Bis zum Markt bewegt sich der Strom, dort findet das schöne Fest mit
-einer kurzen Rede des Direktors, dessen Schlußworte meist die typische Wendung
-haben: »Morgen früh um 8 Uhr auf Wiedersehn! Gute Nacht!« und dem schönen
-Leuthener Choral »Nun danket alle Gott« seinen offiziellen Schluß.</p>
-
-<p>»Offiziell« sage ich, denn daran halten sich die Bogenschützen absolut nicht,
-denn dieses Völkchen zieht vielmehr am Freitag mit großem Tschingterassassa durch
-alle Straßen der Stadt, um, wie es »offiziell« heißt, die Würdenträger des vorigen
-Jahres, die Fahne und so weiter abzuholen, aber ich glaube, sie wollen auch die Stadt
-ein bißchen aus dem Schlafe wecken nach dem bekannten Unteroffiziers-Weckruf:
-»Aufstehen, ich muß auch aufstehen!« Nun, jedenfalls macht das viele Herumziehen
-auch durstig, und deshalb wird öfters mal Halt gemacht und eingekehrt, einmal
-beim »Schützenbruder« Büsche, dann im »Feuerhaus«, und so geht das erst noch
-eine Weile so fort. Jedenfalls ist es meist schon etwas spät–er, bis man sich zum
-regelrechten Ausmarsch aufmacht – natürlich in den Forst, wo auch wieder eifrig
-ge–so–en, i nu, geschossen wird.</p>
-
-<p>Damit ist aber nun auch wirklich das Forstfest ganz zu Ende und die Schaubudenleutchen
-und Luftschaukelbesitzer müssen ihr Krämchen zumachen – bis zum
-nächsten Male.</p>
-
-<div class="footnotes"><h3>Fußnoten:</h3>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_3" href="#FNAnker_3" class="label">[3]</a> So war in diesem Jahre (1922) aus dem fernen Amerika ein Kamenzer hergekommen,
-und hat – dank der Valuta – manchem Kinde und auch Erwachsenen mit seinen Dollars eine
-Freude gemacht.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_4" href="#FNAnker_4" class="label">[4]</a> Mit Ausnahme des ersten Verses, dessen Verfasser mir unbekannt ist. Früher – vor
-1892 – wurde der erste Vers des jetzigen Liedes gesungen und dann als zweiter, dritter und
-vierter Vers die entsprechenden des alten: Brüder laßt uns lustig sein! von Joh. Christian Günther.</p>
-
-</div>
-</div>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 class="nobreak" id="Die_kursaechsischen_Postmeilensaeulen">Die kursächsischen Postmeilensäulen</h2>
-</div>
-
-<p>Zu meiner Abhandlung in Heft 4 bis 6 der Mitteilungen habe ich eine große
-Zahl von Zuschriften erhalten, in denen mir Postzeichen genannt werden, die in
-meinen Verzeichnissen fehlen. Ich will versuchen, diese Funde nach und nach an
-ihren Standorten selbst aufzusuchen und werde im Sommer nächsten Jahres in
-Form eines Nachtrages darüber berichten.</p>
-
-<p>Ich bitte deshalb auch weiterhin, mich auf unbekannte Stücke, mit möglichst
-genauer Beschreibung von Standort und Aussehen (Skizze) aufmerksam zu machen.</p>
-
-<div class="bright0">
-<p class="center">
-<em class="antiqua">Dr.</em> <em class="gesperrt">Kuhfahl</em>,<br />
-Dresden-A., Lipsiusstraße 14.
-</p>
-</div>
-
-<div class="figcenter illowp100" id="illu-066">
- <img class="w100" src="images/illu-066.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum" id="Seite_265">[265]</span></p>
-<div class="fatrule"></div>
-<h2 class="nobreak" id="Karl_Schmidt-X">Karl Schmidt †</h2>
-</div>
-
-<p>Am 7. Oktober ist in Dresden, in seinem Heim an der Dresdner
-Heide, der Begründer und der erste Vorsitzende des Landesvereins Sächsischer
-Heimatschutz, unser Geheimer Baurat <em class="antiqua">Dr. ing. e. h.</em> <em class="gesperrt">Karl Schmidt</em>
-in die ewige Heimat gegangen. Während des Druckes dieses Heftes
-erreichte uns die Trauerbotschaft. Mit nie ermüdetem Schaffen hat er
-unsern Verein geleitet und betreut, hat ihn mit seinen zweiundzwanzigtausend
-Mitgliedern zu dem stärksten und einflußreichsten in unserm
-deutschen Vaterlande gestaltet, und erst der Tod konnte seinem rastlosen
-Mühen ein Ende bereiten. In schweren Zeiten führte er den »Heimatschutz«
-zu der Höhe, die er jetzt einnimmt, unserm Volke zum Segen. Wohl ist
-er von uns geschieden, sein Werk wird aber so lange leben, als Heimatliebe
-lebt.</p>
-
-<p>Karl Schmidt wurde am 16. November 1853 in Erfurt geboren.
-Er studierte an der Berliner Bauakademie und am Dresdner Polytechnikum.
-Er war 1878 bis 1882 beim Rate zu Dresden als Hilfsarchitekt
-tätig, um dann in den Staatsdienst einzutreten. Hier wurde er 1885
-Landbau-Assistent, 1888 Regierungsbaumeister und 1891 Landbauinspektor.
-In dieser Zeit war er den Bauämtern Dresden und Zwickau und der Zentralstelle
-der Hochbauverwaltung in Dresden zuerteilt. Als Landbaumeister,
-welchen Titel er 1898 erhielt, hatte er die technische Leitung des Ständehausneubaues
-in Dresden, dessen künstlerische Gestaltung Meister Wallot
-schuf. Die Leitung des Landbauamtes Meißen vertauschte er im Jahre 1900
-mit der des Amtes Dresden I. Im Jahre 1900 wurde er zum Baurat,
-1902 zum Finanz- und Baurat und zum Vorstand des hochbautechnischen
-Bureaus und damit zum Stellvertreter der hochbautechnischen Räte und
-zum Mitglied des Technischen Oberprüfungsamtes ernannt. Zugleich trat
-er in die Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler ein. In vielseitigen
-Ämtern wirkte er, der inzwischen Oberbaurat und Geheimer Baurat
-geworden war, bis zum Jahre 1913, wo er in das Ministerium als
-Vortragender Rat berufen wurde. Am 1. Juli 1919 trat er in den Ruhestand.
-Die Technische Hochschule zu Hannover zeichnete ihn aus, indem sie
-ihn zu ihrem Ehrendoktor erwählte.</p>
-
-<div class="figcenter illowp60" id="illu-068">
- <img class="w100" src="images/illu-068.jpg" alt="" />
- <div class="caption">Geh. Baurat <em class="antiqua">Dr. ing. e. h.</em> <b>Karl Schmidt</b>, Gründer und Führer des Landesvereins
-Sächsischer Heimatschutz bis zu seinem Tode. † 7. Oktober 1922</div>
-</div>
-
-<p>In seinen Stellungen, die ihn zur Gestaltung zahlreicher staatlicher
-Bauten beriefen, hat er mit allen Kräften zur Gesundung unsres Bauwesens
-gewirkt. Er hat es verstanden, hinsichtlich der sächsischen staatlichen
-Hochbauverwaltung die frühere künstlerische Unterwertigkeit der
-»amtlichen« Baukunst zu beseitigen. Ganz besonders aber hat er sich um
-den <em class="gesperrt">Kleinwohnungsbau</em> verdient gemacht. Wenn ihm dies in geradezu
-vorbildlicher Weise gelungen ist, so verdankt er das zumal der überzeugenden<span class="pagenum" id="Seite_267">[267]</span>
-Art, wie er die Behörden und jedermann für seine Ideen zu gewinnen
-wußte. Was Karl Schmidt wollte, kann man mit kurzen Worten als
-bodenständige Bauweise, Rückkehr zur Einfachheit und Selbstverständlichkeit
-im Bauwesen bezeichnen. Noch ist es allen, die sich mit diesen wichtigen
-Fragen beschäftigt haben, in der Erinnerung, wie nüchtern und schematisch
-in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die staatlichen Bauten auf
-dem Lande gestaltet waren, wie immer mehr und mehr die Nachahmung
-<em class="gesperrt">städtischer</em> Formen die <em class="gesperrt">ländliche</em> Bauweise in Dorfkirchen, Pfarr- und
-Schulhäusern und Wohngebäuden verdrängt hatte, wie die Vorstädte der
-Großstädte nach charakterlosen Bauplänen emporwuchsen.</p>
-
-<p>Da besann man sich allmählich auf die alten trefflichen Grundsätze
-unserer Vorfahren. Der Gedanke des <em class="gesperrt">Heimatschutzes</em> brach sich Bahn.
-Und unser Schmidt stellte sich mit Gleichgesinnten begeistert an die Spitze
-der neuen Bewegung.</p>
-
-<p>Bereits im Jahre 1896 bei der Ausstellung des sächsischen Handwerkes
-und Kunstgewerbes in Dresden, der eine Alte Stadt, eine Dorfanlage sowie
-zwei Museen ländlicher Kunst angegliedert waren, bei der weiter das große
-Volkstrachtenfest veranstaltet ward, trat Karl Schmidt mit seinen Freunden
-tatkräftig für den neuen Gedanken ein.</p>
-
-<p>Im Verfolg dieser Bestrebungen, die dem Volkstum und der Wiederbelebung
-der bodenständigen Bauweise gewidmet waren, wurde 1897 der
-Verein für Sächsische Volkskunde (und Volkskunst) gegründet, aus dem
-dann der Landesverein zur Pflege heimatlicher Natur, Kunst und Bauweise
-emporwuchs, der später den Namen Landesverein Sächsischer Heimatschutz
-annahm. Die Gründung des letzteren ist Schmidts eigenstes Werk.</p>
-
-<p>Schmidt hat, um seine Gedanken in die weitesten Kreise zu tragen,
-eine große Anzahl wertvoller Veröffentlichungen geschaffen. Dadurch konnte
-er auch seine überraschenden Erfolge verzeichnen.</p>
-
-<p>Im Anfang blieben ihm Anfechtungen nicht erspart. Der Vorwurf,
-der Heimatschutz gehe auf Nachahmung überlebter Formen im Bauwesen
-aus, die nicht mehr zeitgemäß seien, traf aber in <em class="gesperrt">keiner Weise</em> den
-Kern des Heimatschutzgedankens. Nur der Geist, nur die Gesinnung der
-alten Bauweise sollten wieder aufleben, die harmonischen Bilder in der
-Stadt und auf dem Lande wollte Karl Schmidt gewahrt wissen, nichts
-Fremdartiges sollte in unsre Städte und Dörfer, in unsere Forsten hineingetragen
-werden. Den <em class="gesperrt">neuen</em> Errungenschaften aber sollte Rechnung
-getragen werden. Durchschlagend und überzeugend war auch der vielfach
-von Schmidt geführte Nachweis, daß die Bauten in bodenständiger Bauweise
-wirtschaftlicher und sparsamer sind, als die bekämpften. Ausschlaggebend
-wirkten hier zumal die wiederholten Ausstellungen von Beispielen und
-Gegenbeispielen, in denen häßliche und mustergültige Industriebauten, harmonische<span class="pagenum" id="Seite_268">[268]</span>
-Stadtbilder und Dorfansichten mit solchen, die durch gefühllose
-Neubauten gestört waren, gute Bauernhäuser mit städtisch empfundenen
-Neubauten zusammengestellt waren. Daß bei den empfohlenen Beispielen
-stets auch in erster Linie die wirtschaftlichen Bedürfnisse berücksichtigt
-waren, hat nicht an letzter Stelle den neuen Gedanken, die Schmidt verfocht,
-zum Siege verholfen.</p>
-
-<p>Kein geringes Verdienst Schmidts war es, daß er immer die richtigen
-Männer zur Ausführung seiner Pläne zu finden wußte, daß sich wieder
-Baukünstler fanden, die es nicht verschmähten, ihre Kräfte den einfachen
-Aufgaben zu widmen, die ihnen der Heimatschutz entgegenbrachte, die wieder
-schlichte Häuser und Wohnungen in künstlerischem Sinne durchzugestalten
-lernten, anstatt nur in hoher Architektur zu machen. Und seine Gründung,
-der Landesverein Sächsischer Heimatschutz, seine Mitarbeiter und gleichgesinnte
-Männer waren bei all seinen Bestrebungen getreue Helfer. Die
-Worte, die der zweite Vorsitzende unsres Vereins, der langjährige Freund
-des Entschlafenen, Hofrat Professor O. Seyffert, am Sarge des Verewigten
-sprach, seien hier angeführt:</p>
-
-<p>Wer älter wird, muß oft, sehr oft von lieben Freunden Abschied
-nehmen, deren Leben und Schaffen ein Teil des eigenen Lebens und
-Schaffens war.</p>
-
-<p>Heute stehen Alte und Junge, Männer und Frauen an der Bahre
-des Mannes, der ihr Freund, ihr Führer gewesen ist. Heute trauern
-Tausende des sächsischen Volkes um Einen, der unendlich viel gegeben hat
-und dessen reiches Geschenk in unserer harten, schweren Zeit immer
-bedeutsamer, immer kostbarer wird. Er hat der Heimat gedient in jenen
-Zeiten, wo wir Alten jung waren, er hat uns dereinst zur Mitarbeit aufgerufen,
-er hat uns unser Leben wünschenswert gemacht, da er mit uns
-<em class="gesperrt">uns</em> und <em class="gesperrt">anderen</em> die Heimat eroberte, nicht in Kampf und Streit,
-sondern in friedvoller Arbeit. Und Segen krönte sein Werk.</p>
-
-<p>Wandern wir heute durch unser sächsisches Vaterland, so werden wir
-überall an unsern Karl Schmidt gemahnt, überall werden wir die Spuren
-seines Heimatschutzes antreffen. Da rauscht es aus den Bächen, da tönt
-es aus den Gipfeln alter Bäume, da jubelt es im Sange der Vögel, da
-klingt es aus den Volksliedern wanderfroher Gesellen, da leuchtet es von
-den schlichten Dorfkirchen, Friedhöfen und traulichen Forsthäusern und
-anderen Menschenwerken: <em class="gesperrt">Heimatschutz</em>.</p>
-
-<p>Wer seine Heimat liebt, liebt auch sein Volk.</p>
-
-<p>Und wir wollen sagen: Wer seine Heimat liebt, den liebt auch das Volk.</p>
-
-<p>Und so erntete er, der reichen Segen spendete, reichen Dank.</p>
-
-<p>Als der Weltkrieg beendet war, als es galt, die Heimat vor dem
-Materialismus, der sein widerwärtiges Haupt erhob, zu schützen, wo unser<span class="pagenum" id="Seite_269">[269]</span>
-Vaterland mehr Liebe als je gebrauchte, weil es krank und siech war, wo
-so manches zusammenbrach, was wir dereinst hoffnungsfroh errichtet, war
-es wieder unser Führer, der rastlos uns zu neuer Arbeit rief.</p>
-
-<p>Und er war tätig bis in die letzte Zeit, wo seine Kräfte anfingen,
-nachzulassen, wo er Anrecht hatte, vom Schaffen auszuruhen. Er tat es
-nicht, der Nimmermüde, da er selbst seine Aufgabe nicht erfüllt sah. Nun
-hat ihn der Tod in die ewige Heimat gerufen und seiner Arbeit ein
-Ende gesetzt.</p>
-
-<p>Aber eins wissen wir. Uns ist er nicht gestorben, uns lebt er weiter.
-Und wir wissen noch mehr. Wenn wir Alten ihm folgen werden, treten
-die Jungen, die mit uns schon jetzt am gemeinsamen Werk arbeiteten,
-in unsere vordersten Reihen, denn unsre heilige Sache ist nicht an Personen
-gebunden. Sie wird uns stark machen, das Lebenswerk des Heimgegangenen
-zwar nicht zu vollenden, aber weiterzuführen: denn vollenden kann es ja
-niemand in der sich ewig neugestaltenden Welt, die nicht alt wird wie wir
-Menschen, sondern jung bleibt. Aber die Liebe wird nimmer aufhören,
-die dem Menschen mit seiner Heimat verbindet.</p>
-
-<p>Und das ist unser Trost und unser Glaube. Nun gilt es Abschied
-nehmen von unsrem Freunde. Noch einmal sagen wir unseren Dank.
-Wir geloben, wir Alten und wir Jungen, weiter zu wirken und zu schaffen
-im Dienste <em class="gesperrt">seines</em> Heimatschutzes. Und dies Gelöbnis, lieber Karl Schmidt,
-ist unser Dank, und so wirst du in uns und in späteren Geschlechtern
-weiterleben.</p>
-
-<h3>Gedächtnisrede</h3>
-
-<p class="center">Von Pfarrer <em class="gesperrt">W. Hoffmann</em>, Chemnitz</p>
-
-<div class="blockquot smaller">
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Müder Glanz der Sonne,</div>
- <div class="verse indent0">blasses Himmelsblau,</div>
- <div class="verse indent0">von verklungner Wonne</div>
- <div class="verse indent0">träumet still die Au.</div>
-</div>
-
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Von der letzten Rose</div>
- <div class="verse indent0">löset lebenssatt</div>
- <div class="verse indent0">sich das letzte lose</div>
- <div class="verse indent0">bleiche Blumenblatt.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Der Herbst ist wieder ins Land gekommen. Er ist die Zeit des Sterbens. Aber
-auch er hat seine Schönheit und seinen besonderen Segen. Denn er ist auch die Zeit
-der Ernte und der Frucht. Wenn aber ein geliebter Mensch uns durch den Tod entrissen
-wird, und das bittere Weh des Scheidens und Sterbens über uns kommt, dann soll
-es uns ein Trost sein, daß wir auch das menschliche Leben als eine Saat und Ernte
-anschauen dürfen. Ihr, liebe trauernde Freunde, steht jetzt noch ganz unter den dunklen
-Schatten des Todes. Die letzten Tage und Wochen, die vielen bangen, schweren Stunden bis
-zum letzten Atemzug Eures Heißgeliebten haben sich Euren Herzen aufs tiefste eingeprägt.
-Zum letzten Male habt Ihr in sein stilles bleiches Antlitz geschaut und seine
-erkalteten Hände gefaßt, die sonst so warm in den Euren lagen. Und doch geht es
-auch durch diese dunklen Tage wie ein stilles Leuchten. Denn welch’ ein reiches,
-gesegnetes Leben ist hier zum Ziele gekommen! Und wenn wir nun in dieser Stunde<span class="pagenum" id="Seite_270">[270]</span>
-in Liebe und Verehrung und in großer Dankbarkeit dieses Mannes gedenken, der so
-vielen teuer war, so dürfen wir es tun mit dem Wort des Neuen Testaments:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Wer da säet im Segen, der wird auch ernten im Segen.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Er war ein gesegneter Mann. Indem wir das aussprechen, geben wir Gott
-die Ehre und danken ihm für dieses nun vollendete Mannesleben. Gott hatte ihn
-gesegnet mit reichen Gaben, mit körperlicher Kraft und Rüstigkeit bis ins Alter, und
-mit den besonderen Geistesgaben, die ihn hinleiteten zu seinem Lebensberuf. Und er hat
-den Acker seines Lebens nicht brach liegen lassen. Im Segen hat er gesäet, hat sich
-in seinen Lehrjahren die gründliche Ausbildung und Durchbildung verschafft, die ihn
-dann befähigte, in seinen Meisterjahren so große Aufgaben zu erfüllen. Das Geheimnis
-seiner Erfolge beruht vor allem auch darin, daß er auch als Schaffender immer ein
-Lernender blieb, getreu dem Goethewort:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen,</div>
- <div class="verse indent0">ein Werdender wird immer dankbar sein.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p class="noind">Durfte er doch die Wiedergeburt der so tief daniederliegenden deutschen Baukunst mit
-erleben und mit heraufführen helfen. Im Staatsdienst allmählich zu leitenden Stellungen
-und zuletzt zur höchsten für ihn erreichbaren Stelle emporsteigend, hat er das Bauwesen
-in unserm engeren Vaterland entscheidend beeinflußt. Viele öffentlichen Bauwerke
-geben Zeugnis von seinem Schaffen. Auch die Baukunst ist beseelte Kunst. Sie
-weckt den harten, toten Stein zu einem neuen Leben. Auch in den Bauten eines Volkes
-offenbart sich sein Geist und sein Charakter. Denn es ist der Geist, der sich den Körper
-baut. Unser Entschlafener aber hat als einer der Ersten erkannt, daß wir auch auf
-diesem Gebiet unsere Stammesart pflegen müssen. Darum ging er bei unsern Vätern
-in die Schule, nicht um in falscher Altertümelei und Deutschtümelei ihre Weise nachzuahmen,
-wie man es wohl früher versuchte, sondern um in dieser Schule der Alten
-das wiederzugewinnen, was wir verloren hatten, den Sinn für unsre deutsche Eigenart,
-insbesondere den Sinn für Schlichtheit und Klarheit. Daß er sich so als ein immer
-Lernender in den Geist seiner Kunst versenkte, das war eine Saat, aus der dann,
-besonders in den letzten Jahren vor dem Kriege, eine reiche Ernte hervorging. So aber
-gehört auch er zu den Männern, die uns den Weg in die Zukunft gewiesen haben.
-Denn wenn wir jetzt durch die Not der Zeit zur Einfachheit geradezu gezwungen sind,
-so hat die Lebensarbeit dieses klarschauenden Mannes schon seit Jahren diesen Weg
-bahnen helfen.</p>
-
-<p>Doch mitten in seinem Schaffen blieb er ein Mensch mit einem warmen Herzen.
-Auch von seinem persönlichen Leben dürfen wir es sagen. Wer da säet im Segen,
-der wird auch ernten im Segen. Viele danken ihm heute für seine treue Hilfsbereitschaft
-und Liebe. Vor allen aber danken es ihm die Seinen. Vierzig Jahre
-sollten sich in diesem Herbst vollenden, seit er mit der Erwählten seines Herzens den
-Lebensbund schloß. Und heute bezeugt es ihm die Gattin wieder, daß jener 20. November
-ein Segenstag gewesen ist. Liebe hat einst das Band geknüpft, und Treue hat es
-befestigt von Jahr zu Jahr. Liebe und Treue sind die gute Saat gewesen, die Euch
-einen herrlichen Lebenssommer schenkte und Euch auch den Herbst Eures Lebens vergoldete,
-selbst noch die letzten Tage, als die sorgende Liebe der Gattin nicht vom Bette
-des Kranken wich. Wo die echte Liebe in zwei Herzen Wurzel geschlagen hat, da
-wird ja jeder Tag des gemeinsamen Lebens, auch der Alltag mit seinen Pflichten und
-Sorgen, ja selbst der Tag der Trübsal und der Schmerzen zu einem goldnen Erntetag.
-So habt Ihr’s erleben dürfen, und dafür dankt Ihr Gott. Und wie habt Ihr, seine
-drei Söhne, unter dem besonderen Segen dieses Mannes, Eures Vaters, gestanden. Des
-Vaters Segen bauet den Kindern Häuser, sagt ein anderes Bibelwort. Er hat so viele<span class="pagenum" id="Seite_271">[271]</span>
-Häuser im Lande gebaut. Aber Euch half er bauen am Bau Eures eigenen Lebens,
-und jedes gute Wort, jeder väterliche Rat, jede Warnung und Ermutigung und sein
-ganzes Vorbild durften Euch als Bausteine dazu dienen. Und <em class="gesperrt">seine</em> Freude war es,
-daß er selber den Segen seiner Liebe ernten durfte im Blick auf seine Kinder und
-Schwiegerkinder und im Anblick der jungen Enkelkinder, die er noch ganz besonders
-in sein Herz geschlossen hatte. Auch er durfte sagen mitten in allen Kämpfen, die ihm
-in seinem Wirken nicht erspart geblieben sind:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Laß Neider neiden, laß Hasser hassen,</div>
- <div class="verse indent0">was Gott mir gibt, das müssen sie mir lassen.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p class="noind">Der Friede des Hauses, das Glück der Familie, die Gemeinschaft der innig Verbundenen,
-das war die Ernte seiner Liebe, die Gott ihm gegeben.</p>
-
-<p>Was Gott mir gibt, das müssen sie mir lassen. Das gilt aber auch von einem
-besonderen Werke, dem er gedient, ja das er selbst ins Leben gerufen hat. Das Herz
-wird mir warm, wenn ich nun sprechen darf im Namen vieler Tausende hier an diesem
-Sarge. Du gesegneter Mann, was bist du uns geworden als ein Vorkämpfer für die
-deutsche Heimat und für alles, was uns die Heimat lieb und wert macht! Unter
-deiner Führung haben wir erkannt, daß wir nicht nur im Kriege, sondern auch im
-Frieden die Heimat schützen müssen, unsre Hände halten müssen über all den Schätzen,
-die durch Natur und Geschichte, durch Gottes Hand und durch die Hände unsrer
-Väter dem Heimatlande geschenkt sind. Es sind jene Schätze, die nichts mit der Valuta
-und mit dem Marktwert zu tun haben, die aber eben darum unsre kostbarsten sind.
-Es sind die Güter, in denen unsre Gemütswerte ruhen. Diese Werte zu schützen gegenüber
-den allbeherrschenden materiellen Interessen, und zugleich in dem, was Neues
-geschaffen wird, den Sinn für das Heimatliche und Bodenständige neu zu wecken, das
-ist unsrem Freunde und Führer die besondere Aufgabe seines späteren Lebens geworden.
-Aus den Erfahrungen seines Berufes ist ihm diese neue Aufgabe erwachsen. Und er griff
-sie auf mit der ganzen Wärme seines Herzens, zugleich aber auch mit der ganzen Tatkraft
-seines Willens. Weil sich in ihm das Starke und das Milde paarten, das zarte,
-feine Verständnis für alles Heimatliche und der überlegene Wille, diesem Verständnis
-neue Geltung in unsrem Volke zu schaffen, darum war er der berufene Mann, unsren
-Sächsischen Heimatschutz ins Leben zu rufen und ihn zur stärksten derartigen Organisation
-in Deutschland zu machen. Bald genug freilich mußte er die Wahrheit des Wortes
-erfahren:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Leicht beieinander wohnen die Gedanken,</div>
- <div class="verse indent0">Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Aber in den Kämpfen um die Verwirklichung des Heimatschutzgedankens hat er es
-immer wieder wahr gemacht: Was Gott mir gibt, das müssen sie mir lassen. So hat
-er sich als ein wahrer Freund seines Volkes bewährt. Er hat mitgekämpft für das
-große Ziel, jedem Deutschen ein wirkliches Heim und ein Stück Heimaterde zu verschaffen.
-Und sind wir auch von diesem Ziele noch weit entfernt, so ist es ihm doch
-beschieden gewesen, auch hier aus seiner Saat schon eine reiche Ernte hervorgehen zu
-sehen. Der Gedanke des Heimatschutzes marschiert. Er kann nicht mehr aufgehalten
-werden. Die Idee hat sich stärker erwiesen, als die ihr entgegenstehenden Mächte.
-Sie ist schon eine Macht und ein Segen geworden. Wer da säet im Segen, der wird
-auch ernten im Segen.</p>
-
-<p>Wo aber Ideen lebendig sind, die das System der bloßen Nützlichkeit und des
-nackten persönlichen Vorteils durchbrechen, wo der Sinn für das Ganze und die Liebe
-zum Volke erwacht, da ist Gott. Wir danken Gott, daß er uns diesen Mann schenkte<span class="pagenum" id="Seite_272">[272]</span>
-und vielen zum Segen werden ließ. Und dem allmächtigen, gnädigen Gott dürfen
-wir ihn getrost befehlen. Sein Heimgang lenke unsre Blicke in die ewige Heimat,
-und die hoffenden Herzen sprechen: Die Heimat der Seele ist droben im Licht. Amen.</p>
-</div>
-
-<p>Unter den Klängen des Liedes »Stille Nacht, heilige Nacht«, des
-Lieblingsliedes des Verewigten, senkten wir am 10. Oktober auf dem
-Inneren Neustädter Friedhof in Dresden die sterblichen Überreste unseres
-unvergeßlichen Gründers und Führers in die Erde.</p>
-
-<div class="figcenter" id="illu-074">
- <img src="images/illu-074.jpg" alt="Dekoration" />
-</div>
-<div class="fatrule"></div>
-
-<p class="center smaller p2">
-Für die Schriftleitung des Textes verantwortlich: Werner Schmidt – Druck: Lehmannsche Buchdruckerei<br />
-Klischees von Römmler &amp; Jonas, sämtlich in Dresden.
-</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<p class="center larger">Soeben erschienen:</p>
-</div>
-
-<p class="center larger">Edgar Hahnewald</p>
-
-<p class="h2">Sächsische Landschaften</p>
-
-<p class="center larger">Band III der Heimatbücherei</p>
-
-<p class="center">des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz</p>
-
-<p class="center smaller">Großoktav 250 Seiten ✤ hart gebunden</p>
-
-<p class="center"><em class="gesperrt">Vorzugspreis</em> für Mitglieder des Landesvereins Sächsischer
-Heimatschutz <b>M. 950.–</b></p>
-
-<p class="center"><span class="bbox">Bestellkarte in diesem Heft</span></p>
-
-<p class="noind">Gerhard Platz »Vom Wandern und Weilen im Heimatland«,
-der erste Band unsrer Heimatbücherei ist vergriffen und wird
-Ostern 1923 neu erscheinen. Der zweite Band: Max Zeibig »Bunte
-Gassen, helle Straßen« ist noch vorrätig und kostet jetzt M. 400.–.
-Nun reiht sich diesen beiden köstlichen Büchern Edgar Hahnewalds
-»Sächsische Landschaften« an. Stadtbaurat Rieß gab ihm auf
-Seite 253 dieses Heftes einige warmherzige Einführungsworte.
-Und so hoffen wir, daß auch das dritte Buch unsrer Heimatbücherei
-seinen Weg nehmen, die Sachsen Daheim und in der
-Fremde erfreuen und unserm Heimatlande zum Segen gereichen
-möge. Es entstand mit einem Kostenaufwand von mehreren
-Millionen Mark in einer der wirtschaftlich schwersten Zeit
-Deutschlands, in einer Zeit, wo viele verzagten.</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter">
-<p class="h2">Weihnachts-Verkaufs-Ausstellung</p>
-</div>
-
-<p class="center larger">sächsischer Volks- und Kleinkunst</p>
-
-<p class="center">Spielwaren, Töpfereien, Holzarbeiten,
-Trachtenpuppen,
-erzgebirgische Klöppelarbeiten,
-Spankorbwaren usw.</p>
-
-<p class="center larger">Landesverein Sächsischer Heimatschutz</p>
-
-<p class="center">Dresden-A., Schießgasse 24</p>
-
-<p class="center smaller">gegenüber dem Polizeipräsidium</p>
-
-<p class="center"><span class="bbox">Besichtigung ohne Kaufzwang gern gestattet</span></p>
-
-<p class="center smaller p2">Lehmannsche Buchdruckerei, Dresden-A.</p>
-
-<hr class="chap x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="chapter transnote" id="tnextra">
-
-<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
-Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.
-Die Sperrung der Autorennamen der Artikel wurde vereinheitlicht.</p>
-</div>
-
-<div lang='en' xml:lang='en'>
-<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>LANDESVEREIN SÄCHSISCHER HEIMATSCHUTZ -- MITTEILUNGEN BAND XI, HEFT 10-12</span> ***</div>
-<div style='text-align:left'>
-
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-Updated editions will replace the previous one&#8212;the old editions will
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-Section 5. General Information About Project Gutenberg&#8482; electronic works
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-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg&#8482; concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg&#8482; eBooks with only a loose network of
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-</div>
-
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-Project Gutenberg&#8482; eBooks are often created from several printed
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-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
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-</div>
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-facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>.
-</div>
-
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-including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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